Verbstellungsmuster im Altfranzösischen: Ein Beitrag zur historischen Syntaxforschung aus diskurstraditioneller Perspektive 9783110536591, 9783110534382, 9783110534580

Attempts at a typological classification of Old French have led to the question of whether Old French is a verb-second l

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Verbstellungsmuster im Altfranzösischen: Ein Beitrag zur historischen Syntaxforschung aus diskurstraditioneller Perspektive
 9783110536591, 9783110534382, 9783110534580

Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Dank
Abkürzungen
0. Einleitung
1. Grundlagen
2. Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel
3. V>2-Strukturen: Befunde und Klassifizierung
4. V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen
5. V1-Strukturen: Befunde, Klassifizierung, Analyse der Formulierungstraditionen
6. Schlussbetrachtung
7. Quellenverzeichnis
8. Literaturverzeichnis
Anhang
Index

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Eva Varga Verbstellungsmuster im Altfranzösischen

Beihefte zur Zeitschrift für romanische Philologie

Herausgegeben von Claudia Polzin-Haumann und Wolfgang Schweickard

Band 416

Eva Varga

Verbstellungsmuster im Altfranzösischen

Ein Beitrag zur historischen Syntaxforschung aus diskurstraditioneller Perspektive

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein.

ISBN 978-3-11-053438-2 e-ISBN (PDF) 978-3-11-053659-1 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-053458-0 ISSN 0084-5396 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2017 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: jürgen ullrich typosatz, Nördlingen Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Inhaltsverzeichnis Dank IX Abkürzungen

XI

0

Einleitung

1 1.1 1.2 1.2.1 1.2.2

Grundlagen 12 Zur Auswahl der Textgattung: Versform oder Prosa? 14 Das Textkorpus 21 Heldenepen: Chanson de Roland und Chanson des Saisnes 21 Reimchroniken: Chanson de Jerusalem und Chanson d’Antioche 22 Prosachroniken: La Conquête de Constantinople 23 Zur Problematik mittelalterlicher Manuskripte 25 Die Methode: Der diskurstraditionelle Zugang zu historischer Syntax 31 Die Datengrundlage: Formulierungen mittelalterlicher Texte 42 Zur Datenerhebung 63 Die syntaktischen Annotationen des SRCMF 63 Die syntaktische Abfrage via TigerSearch 65 Die informatisierte Erhebung von V>2- und V1-Strukturen 68 Die ergänzende teilmanuelle Erhebung 72

1.2.3 1.2.4 1.3 1.4 1.5 1.5.1 1.5.2 1.5.3 1.5.4 2 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.1.5 2.2

1

Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel 76 Die traditionelle Definition der V2-Eigenschaft 78 V2 in den germanischen Sprachen 78 V2 im modernen Romanischen? 87 V2 im Altfranzösischen? 90 V2 in anderen altromanischen Sprachen? 102 V2 im klassischen Latein und Spätlatein? 107 Die V2-Eigenschaft im Rahmen des generativen Grammatikmodells 115 2.2.1 Zur Verortung des generativen Modells 115 2.2.2 Die Prinzipien- und Parametertheorie und das Minimalistische Programm 117 2.2.3 Die generativen V2-Analysen (V2 in den germanischen Sprachen) 125 2.2.3.1 V2 (generativ) im modernen Romanischen? 135 2.2.3.2 V2 (generativ) im Altfranzösischen bzw. Altromanischen? 144

VI

2.2.3.3 2.2.4 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5 2.3.6 2.3.7 2.3.8 2.3.9 3 3.1 3.2 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.4 3.4.1 3.4.1.1 3.4.1.2 3.4.1.3 3.4.1.4 3.4.1.5 3.4.1.6 3.4.1.7 3.4.2 3.4.2.1

Inhaltsverzeichnis

V2 (generativ) im Latein? 156 Überdenken gängiger Definitionen: Was ist V2? Was ist CP bzw. IP? 164 Syntaktischer Sprachwandel und V2-Syntaxwandel 170 Zur positionstypologischen Theorie 171 Zur traditionellen generativen Theorie 175 Zur Theorie der Competing Grammars 179 Quantitative und strukturelle Veränderungen bei syntaktischem Sprachwandel 183 Optimalitätstheoretische Ansätze 188 Gebrauchsbasierte Ansätze 191 Zur Fundierung aller theoretischen Ansätze und zu externem Spracheinfluss 193 Zur Relevanz von Diskurstraditionen im Prozess des Sprachwandels 201 Fazit zu syntaktischem Sprachwandel 204 V>2-Strukturen: Befunde und Klassifizierung 206 Statistische Befunde 206 Überlegungen zum Auftreten altfranzösischer V>2-Strukturen 209 Argumente für das Auftreten von V>2-Stellung (Forschungsstand) 213 Diachrone Perspektive 213 Gattungsspezifische Perspektive 224 Eine exemplarische Analyse in diachroner gattungsspezifischer Perspektive 228 Klassifizierung von V>2-Strukturen 231 Klassifizierung der neu- und althochdeutschen V>2-Strukturen 234 Vorfeldbesetzung mit komplexer Konstituente 235 Doppelte Vorfeldbesetzung mit adverbialen Satzelementen 242 Linksversetzungen im Vorvorfeld 244 Adverbiale Nebensätze im Vorvorfeld 247 Koordinatoren, Interjektionen und Satzadverbien im Vorvorfeld 250 Das Vorvorfeld im Deutschen: Zusammenfassung 251 Unmögliche oder diskursgebundene Feldbesetzungen? 253 Klassifizierung der altfranzösischen V>2-Strukturen 255 Besetzung der zone préverbale mit komplexer Konstituente 255

Inhaltsverzeichnis

3.4.2.2 3.4.2.3 3.4.2.4 3.4.2.5 3.4.2.6 3.4.2.7 3.4.3 4 4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.1.4 4.1.5 4.1.6 4.1.7 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.2.5 4.2.6 4.3 5 5.1 5.2 5.2.1 5.2.2

Doppelte Besetzung der zone préverbale 259 Linksversetzungen in der extraposition 260 Adverbiale Nebensätze in der extraposition 264 Koordinatoren, Interjektionen und Satzadverbien in der extraposition 271 Die extraposition im Altfranzösischen: Zusammenfassung Unmögliche oder diskursgebundene Positionsbesetzungen? 276 Fazit zur V>2-Klassifizierung 278

VII

275

V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen 280 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer Verbergänzung 281 V>2-Formulierungstraditionen mit S-X-V-Struktur 282 V>2-Formulierungstraditionen mit O-X-V-Struktur 289 Zur Sprach- und Textkompetenz der Schreiber 296 Zur Informationsstruktur 298 Zum Erzählstil 312 Zur Reimgestaltung 319 Fazit zu V>2-Formulierungstraditionen mit initialer Verbergänzung 333 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer adverbialer Angabe 334 V>2-Formulierungstraditionen mit AP-X-V-Struktur 335 V>2-Formulierungstraditionen mit Adv-X-V-Struktur 349 Zu den Ursachen für syntaktische Varianz 355 Eine extraposition im Altfranzösischen: Abschließende Bemerkungen 362 Fazit zu V>2-Formulierungstraditionen mit initialer Angabe 365 V>2-Formulierungstraditionen mit initialem adverbialem Nebensatz 366 Fazit zu V>2-Formulierungstraditionen 376 V1-Strukturen: Befunde, Klassifizierung, Analyse der Formulierungstraditionen 378 Statistische Befunde 378 Argumente für das Auftreten von V1-Stellung (Forschungsstand) 379 Diachrone Perspektive 385 Gattungsspezifische Perspektive 390

VIII

5.3 5.4 5.4.1 5.4.2 5.4.3 5.5

Inhaltsverzeichnis

Klassifizierung von V1-Strukturen 396 Analyse der V1-Formulierungstraditionen 398 V1-Formulierungstraditionen mit V-X-Struktur 398 V1-Formulierungstraditionen mit V-S-Struktur 407 Zur Informationsstruktur 416 Fazit zu V1-Formulierungstraditionen 425

6

Schlussbetrachtung

7

Quellenverzeichnis

436

8

Literaturverzeichnis

441

Anhang Index

460 520

428

Dank Bei der Anfertigung und Niederschrift dieser Arbeit standen mir viele Menschen zur Seite, denen ich an dieser Stelle herzlich danken möchte. Ein ganz besonderer Dank gilt meinem verstorbenen Doktorvater Peter Koch. Er hatte stets ein offenes Ohr für mich und brachte mir großes Vertrauen entgegen, weshalb ich bei der Konzeption, der theoretischen Ausrichtung und der Umsetzung der vorliegenden Arbeit meinen eigenen Vorstellungen Raum geben und diese verwirklichen konnte. Ich danke Peter Koch für viele wertvolle Anregungen und für sehr fruchtbare Gespräche. An Sarah Dessì Schmid geht ein weiterer ganz besonderer Dank: Sie war mir eine vertrauensvolle Betreuerin, immer bereit, mir mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Ihre äußerst hilfreichen Anregungen und konstruktiven Kommentare waren mir insbesondere bei der Niederschrift der Dissertation eine große Hilfe. Bei Paul Gévaudan, mit dem ich intensiv über Syntaxtheorien diskutiert habe, möchte ich mich ebenfalls herzlich bedanken. Ohne diese Diskussionen hätte ich vielleicht nie eine kritisch überprüfende Untersuchung der V2-Syntaxtheorien in Angriff genommen. Auch Carola Trips gilt ein besonderer Dank: Im Rahmen der generativ geführten V2-Debatte begegnete sie mir stets aufgeschlossen und war bereit, anregende und informative Diskussionen mit mir zu führen. Sehr dankbar bin ich Achim Stein, der mir Zugang zu einer Probeversion des unter seiner und der Leitung von Sophie Prévost entstandenen Korpus gewährte. Außerdem danke ich ihm für zahlreiche wertvolle technische Tipps, die mir die Arbeit mit seinem Korpus ermöglichten, sowie für die guten Gespräche über historische Syntax. Für ihre Übersetzungsarbeit in das Isländische, Niederländische und Schwedische sei Huld Hafliðadóttir, Joanna Naumann, Pieter Pauw und Mikael Rydman gedankt. Für Fragen zum Französischen, Spanischen und Italienischen danke ich Camille Kotecki, Carla Miotto, Ophélie Payet und Valentina Vincis. Weiterhin möchte ich mich für eine kritische Lektüre meiner Arbeit und für Korrekturen bei den folgenden Personen bedanken: Mely Acosta, Sarah Dessì Schmid, Martina Getto, Paul Gévaudan, Leonie Haardt, Jan Halmazňa, Annika Hertner, Markus Ising, Jessica Mauchle, Wiltrud Mihatsch, Lydia Momma, Angelika Schubert, Mirjam Sigmund, Martin Sinn, Achim Stein, Carola Trips und Birgit Umbreit. Mein Dank gilt Jan, meiner Familie und meinen Freunden.

DOI 10.1515/9783110536591-203

Abkürzungen Abkürzungen zu den verwendeten Sprachen ae. afr. ahd. an. aokz. aport. asp. bai. dä. dt. fr. is. it. ji. lat. nl. sd. sp. sw. wfl.

altenglisch altfranzösisch althochdeutsch altnordisch altokzitanisch altportugiesisch altspanisch bairisch dänisch deutsch französisch isländisch italienisch jiddisch lateinisch niederländisch schweizerdeutsch spanisch schwedisch westflämisch

Allgemeine Abkürzungen EPV nom pron VE V2 V>2 X

Element in präverbaler Position (élément en position préverbale) nominal pronominal Verbergänzung Verb-Zweit Verb in dritter, vierter etc. Satzposition jede nicht genauer definierte Satzkonstituente

DOI 10.1515/9783110536591-204

0 Einleitung Seit über hundert Jahren untersuchen Sprachwissenschaftler die Satzgliedstellung des Altfranzösischen, insbesondere die Stellung des finiten Verbs. Doch bis heute sind grundlegende Aspekte ungeklärt, von der Diskussion über eine angemessene Beschreibung der Satzstruktur bis hin zu der Frage, welchen syntaktischen Sprachtyp das Altfranzösische repräsentiert. Ausgehend vom Latein, das eine Präferenz für die Wortstellung S-O-V (Subjekt-Objekt-Verb) zeigt, insgesamt jedoch recht flexibel in seinen syntaktischen Stellungsmöglichkeiten ist und sich eher an pragmatischen und informationsstrukturellen als an syntaktischen Regeln ausrichtet, hat sich die französische Satzgliedstellung über die Etappe des Vulgärlateins und die des Altfranzösischen gewandelt. Heute ist S-V-O-Stellung obligatorisch, das moderne Französische hat im affirmativen Hauptsatz seine ursprüngliche Flexibilität verloren und distanziert sich in diesem Punkt recht deutlich von anderen romanischen Sprachen, die zum Teil immer noch informationsstrukturell gesteuert sind. Sie handhaben syntaktische Regeln weniger rigide als das Französische und stehen damit ihrem (vulgär)lateinischen Ursprung noch näher. Um die Entwicklung von der lateinischen zur französischen Syntax verstehen zu können, ist das Verständnis des altfranzösischen Syntaxsystems grundlegend. Es stellt sich die Frage, welche Regeln dieses System steuerten. Handelt es sich – wie häufig, aber vielleicht etwas zu voreilig geschlossen wurde – tatsächlich um ein sogenanntes V2-System und gehört das Altfranzösische somit zum Typ der V2-Sprachen? Dieser bis heute nicht geklärten und kontrovers diskutierten Frage stellt sich die vorliegende Arbeit mit einem binären Ansatz: Syntaktische Befunde sollen sowohl aus systemtheoretischer als auch aus textlinguistischer Perspektive untersucht werden, und dabei sollen Diskurstraditionen der zentrale Aspekt sein. Der systemtheoretische Zugang erfordert die Auseinandersetzung mit einer beträchtlichen Anzahl traditioneller und generativer Analysevorschläge zum syntaktischen System des Altfranzösischen. Die Tatsache, dass sich das moderne Französische so grundsätzlich von seinem Vorgänger unterscheidet, wurde in vielen traditionellen Untersuchungen damit erklärt, dass die alte Sprachstufe über die «germanische» V2-Stellung verfügte, die heute nicht mehr erhalten ist. Gemeint ist damit die (fast) allen germanischen Sprachen gemeinsame Eigenschaft, dass das finite Verb bzw. das konjugierte Element (Kopula, Hilfsverb, Verb) als zweites Satzglied im Aussagesatz erscheinen muss und das Subjekt, sofern es gegeben ist, hinter dieses Element tritt, wenn ein anderes Satzelement am Satzanfang steht. So konnte im Altfranzösischen etwa ein Objekt (O) oder ein Adverb bzw. eine Adverbiale (A) in Initialstellung auftreten, denen das Verb unmittelbar folgte. Einige Beispielsätze können dies verdeutlichen, sie zeigen (a)

DOI 10.1515/9783110536591-001

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0 Einleitung

O-V-S-Stellung bzw. (b) O-V-A-Stellung mit Nullsubjekt und (c) A-V-S- bzw. (d) AV-A-Stellung mit Nullsubjekt: (a) O-V-S: Deu en apelent andui […] (Alexis, 23) Gott deswegen rufen [an] beide ‘Gott rufen beide deswegen an’ (b) O-V-A: Bel num li metent selunc cristientet (Alexis, 30) schönen Namen ihm geben nach Christenheit ‘Einen schönen Namen geben sie ihm nach christlicher Sitte’ (c) A-V-S: Puis vait li emfes l’emperethur servir (Alexis, 35) dann geht das Kind Kaiser dienen ‘Dann geht das Kind, um dem Kaiser zu dienen’ (d) A-V-A: Puis converserent ansemble longement (Alexis, 21) dann lebten [sie] zusammen lange ‘Dann lebten sie lange zusammen’ Generative Analysen, die das V2-Thema in Bezug auf die Germania und die alte Romania in den letzten 60 Jahren am intensivsten untersuchten, haben die V2Eigenschaft entsprechend der Prinzipien- und Parametertheorie (Chomsky 1981) als parametrisch festgelegte Eigenschaft verstanden und das Altfranzösische – und seit einiger Zeit auch andere altromanische Sprachen – als («strenge») CPSprache mit fixiertem V2-Parameter analysiert. Seit rund zwei Jahrzehnten bestehen gegenüber dieser Interpretation allerdings berechtigte Zweifel. Es hat sich eine kontrovers geführte gesamtromanische Debatte entwickelt. Diese brachte zunächst zum Vorschein, dass die altromanischen Sprachen einer traditionellen generativen Untersuchung nicht standhalten können, da sie zu viele Strukturen aufweisen, die mit einer V2-Syntax inkompatibel sind (V1- und V>2-Strukturen). Außerdem führte die Debatte dazu, dass man Abstand von der traditionellen generativen Analyse nahm und die Beschreibungsmodelle dahingehend weiterentwickelte, dass auch Nicht-V2-Strukturen mit einer neu definierten Form einer V2-Grammatik vereinbar sind. Da sich diese Nicht-V2-Strukturen allerdings von Sprache zu Sprache unterscheiden (sowohl bei den altromanischen Sprachen als auch bei den germanischen), wurden in konsequenter Weise verschiedene neue Entwürfe für V2-Grammatiken erarbeitet, die im Wesentlichen auf den von Pollock (1989) und Rizzi (1997) entwickelten gesplitteten IP- und CP-Systemen basieren, also auf der Aufspaltung von IP und CP in verschiedene funktionale Köpfe (TP und AgrP bzw. ForceP, TopP, FokP und FinP). Deshalb sehen wir uns heute

0 Einleitung

3

mit einer Bandbreite von Definitionen für «strenge» oder «nicht-strenge» V2Sprachen konfrontiert, die uns mehr und mehr vor ein Abgrenzungsproblem gegenüber Nicht-V2-Sprachen stellen. Regulatoren wie die Frequenz oder die Art der Nicht-V2-Sätze scheinen zwar hilfreich für eine Abgrenzung, sie führten bislang aber nur zu einer Aufteilung in verschiedene Gruppen von V2-Sprachtypen. Diese Aufteilung scheint insofern problematisch, als nicht alle untersuchten alten Sprachstufen eindeutig einer Gruppe zugeordnet werden können, was zur Folge hat, dass theoretisch immer neue V2-Gruppen bzw. -Typen gebildet werden müssen. Die vorliegende Arbeit zur altfranzösischen Syntax steigt in die aktuelle systemtheoretische Auseinandersetzung über V2-Sprachen ein und widmet sich der Frage, ob eine Ausweitung der vormals strengen Definition einer V2-Sprache tatsächlich sinnvoll ist. Mit dieser Ausweitung ergibt sich das grundlegende Problem, dass die zunächst postulierte V2-Beschränkung überhaupt nicht auftreten muss und V>2- oder V1-Strukturen tiefenstrukturell prinzipiell immer als V2kompatibel erklärt werden können (hierzu gab es diverse Vorschläge). Die Konsequenz dieser Auslegung ist, dass es immer schwieriger wird, eine exakte Definition einer V2-Sprache tatsächlich an der Tiefenstruktur auszumachen. Diese Arbeit wird deshalb davon abweichen und die V2-Eigenschaft einer Sprache ausschließlich von den oberflächlichen Strukturen ableiten. Sie wird eine V2-Sprache nur dann als solche charakterisieren, wenn das Bilden von V2-Hauptsätzen obligatorisch und exklusiv ist. Dies bedeutet letztlich, dass die V2-Frage auf der Grundlage von empirischen Daten beantwortet werden muss. Die V2-These ist immer dann falsifiziert, wenn eine signifikante Anzahl von V1- oder V>2-Belegen in den Daten auftritt. Grundsätzlich bewegt sich diese Arbeit in systemtheoretischer Hinsicht zwischen generativer und nicht-generativer Schule und möchte Möglichkeiten der Verbindung aufzeigen, die bislang zu wenig gesucht wurden. Es sollen Aspekte dargestellt werden, die für verschiedene theoretische Untersuchungsperspektiven von Interesse sind und hier fruchtbar gemacht werden könnten. Die im Rahmen dieser Arbeit erbrachte syntaktische Analyse wird sich nicht an generativen Methoden ausrichten. Die Ergebnisse der Analyse werden aber dennoch auch in einer generativen Argumentationslinie gedeutet. In ihrer textlinguistischen – und auch philologischen – Ausrichtung möchte die vorliegende Arbeit eine Verbindung zwischen rein syntaktischen Fragestellungen und solchen Fragen herstellen, die die Spezifik mittelalterlicher Texte betreffen. Der von Diskurstraditionen geprägte Charakter mittelalterlicher Texte wird dabei zentral sein, ebenso wie der Zusammenhang von Text und Syntaxsystem. Diesen Zusammenhang gilt es grundsätzlich in Frage zu stellen. Syntaktische Strukturen sind zwar in Texten enthalten, jedoch sind Texte nicht auto-

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0 Einleitung

matisch ein Abbild des (Syntax-)Systems einer historischen Sprache und nicht die Entsprechung der langue im Sinne Saussures. Sie sind zunächst das Gegenteil davon, sie sind individuelle Ausdrucksformen und somit Teil der parole. Schon seit längerer Zeit befasst sich die historische Syntaxforschung mit den Besonderheiten alter Texte und konzentriert sich nach Möglichkeit auf Textsorten, die besonders «echte» Formen historischer Syntax zutage bringen. Von großem Interesse ist in den vergangenen Jahren vor allem die Verwobenheit der Volkssprache mit den lateinischen Quellen gewesen. Vermeintlich altfranzösische Satzstrukturen wurden als lateinische «Übersetzungssyntax» identifiziert. Diese Perspektive ist gewinnbringend, richtet sich aber an der Vorstellung aus, dass es eine einzelsprachlich konzipierte altfranzösische Bezugsgröße gibt, die dem Latein gegenübergestellt werden kann. Im Rahmen dieser Arbeit wird einer solchen Bezugsgröße eine andere entgegengehalten: Nicht die Einzelsprache bestimmt das Auftreten sprachlicher Phänomene, sondern die diskurstraditionelle Praxis, die – Peter Koch (1987) folgend – Bestandteil der historischen Dimension des Sprachlichen ist. Diese Tatsache ist gerade für die alten Sprachstufen von besonderer Relevanz, da es zu ihrer Zeit noch keine normierte Einzelsprache gab. Als Diskurstraditionen sind die sich in einer Gesellschaft etablierenden Grundmuster eines bestimmten Diskurses zu bezeichnen, die sich in weiteren Diskursen wiederfinden und über die Zeit hinweg eine Tradition herausbilden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass jeder Diskurs einerseits immer nur Ausschnitte der Sprache (und ihres Systems) seiner Zeit enthält und andererseits die Grenzen dieser Sprache (und ihres Systems) auch überschreiten kann, da keine feste Bindung an die Einzelsprache vorliegt. Tritt ein bestimmtes sprachliches Merkmal in einem Text auf, so kann dieses natürlich konform mit dem System der untersuchten Einzelsprache sein, aber es muss dies nicht. Es finden sich immer wieder Textsorten, die ganz eigene, dem Sprachsystem fremde oder veraltete, dem Sprachsystem nicht mehr geläufige Merkmale aufweisen. Nach dieser Auffassung sind also auch Verbstrukturen zunächst immer im Kontext ihres diskurstraditionellen – und nicht einzelsprachlichen – Bezugsrahmens zu interpretieren. Die vorliegende Arbeit nimmt deshalb eine Perspektive ein, die die syntaktischen Strukturen altfranzösischer Texte in Abhängigkeit ihrer Diskurstraditionen untersucht. Zunächst sind immer die einzelnen Diskurse bzw. deren Traditionen für Untersuchungen relevant. Sie können dann allerdings Auskunft über so etwas wie einen «allgemeinen Sprachgebrauch» geben, der sich letztlich durch eine Vielzahl von – der alltäglichen Kommunikation nahestehenden – Diskursen manifestiert. Im Rahmen des diskurstraditionellen Modells wurde immer wieder darauf aufmerksam gemacht, dass sprachliche Merkmale als Charakteristikum eines bestimmten Diskurstyps auf einen ganz anderen übertragen werden können.

0 Einleitung

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Dieser Aspekt ist für die vorliegende Arbeit zentral. Ich gehe davon aus, dass die mittelalterlichen Diskurse charakteristische Merkmale, genauer gesagt «Textbausteine», enthalten, die nur aus der Übernahme einer Schreib- oder Diskurstechnik eines anderen und älteren Diskurses heraus erklärt werden können. Es handelt sich hierbei also um «Relikte» älterer Diskurstraditionen. Dieser Umstand eröffnet neue Möglichkeiten für syntaktische Überlegungen. Denn es ist möglich, dass solche Relikte mit einer Syntax verbunden waren, deren Einsatz als diskurstraditionelles Element vermutlich nicht bewusst oder gezielt war. Dies bedeutet, dass eine veraltete oder dem Sprachsystem fremde syntaktische Struktur durch die Kopplung an gewisse Textbausteine in neuere oder andere Diskurse einfließen konnte und somit selbst zum charakteristischen Bestandteil dieser neuen Diskurse wurde. Dieser Aspekt ist grundlegend für syntaktische Analysen. Erst seine Berücksichtigung erlaubt es, darüber zu entscheiden, welche syntaktischen Strukturen tatsächlich im damaligen Sprachsystem verankert waren, und welche nur existierten, weil sie mit besagten Textbausteinen tradiert wurden. Die empirische Untersuchung der vorliegenden Arbeit konzentriert sich auf Sätze ohne V2-Syntax. Ihr Ziel ist es, zu überprüfen, ob diese Sätze – deren syntaktische Strukturen mit einem strengen oberflächensyntaktisch definierten V2-Sprachstatus des Altfranzösischen nicht vereinbar sein dürften und die deshalb in der Forschung die Legitimität der Definition des Altfranzösischen als V2Sprache in Frage gestellt haben – an gewisse Textbausteine bzw. Formulierungen (s.u.) gekoppelt waren und über diese weitergegeben wurden. Sollte dies zutreffend sein, wären diese Sätze nicht unbedingt Bestandteil des altfranzösischen Sprachsystems und somit auch nicht inkompatibel mit einer potentiellen V2Eigenschaft. Das Anliegen der Arbeit ist demnach ein zweifaches: Erstens soll eine Antwort auf die Frage gegeben werden, welche syntaktischen Strukturen im Altfranzösischen tatsächlich verwendet wurden, i.e. V2-Stellung, aber parallel hierzu auch Nicht-V2-Stellung (V1 und V>2). Zweitens geht es um die Frage, welche Strukturen damals nicht verwendet wurden und nur deshalb in den Texten auftreten, weil sie einen Teil veralteter diskurstraditioneller Elemente ausmachen. Ausgehend von diesen Anliegen wird die Frage nach dem V2-Status des Altfranzösischen in der vorliegenden Arbeit nochmals neu gestellt und beantwortet. Das Altfranzösische kann nur dann eine V2-Sprache sein, wenn sich alle NichtV2-Strukturen (oder solche, die nicht mit den «strengen» modernen V2-Sprachen vereinbar sind) als tradierte syntaktische «Relikte» entpuppen. Andernfalls liegt keine V2-Sprache vor. Die empirische Grundlage der Untersuchung bildet ein Korpus, das sieben altfranzösische Texte umfasst: zwei Heldenepen (Chanson de Roland und Chanson des Saisnes), zwei Reimchroniken (Chanson de Jerusalem und Chanson d’An-

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0 Einleitung

tioche) und drei Prosachroniken (La conquête de Constantinople von Clari und die von Villehardouin und die Histoire de l’Empereur Henri de Constantinople von Valenciennes). Das Korpus deckt einen Zeitraum von 150 bis 200 Jahren ab und bietet sich daher für eine diachrone Analyse an. Darüber hinaus zeichnet es sich durch die im Rahmen einer Voruntersuchung identifizierte Besonderheit aus, dass es die Entwicklung heldenepischer Diskurstraditionen über die Grenze des Verstextes hinaus darstellt. Es ist methodisch daher besonders dafür geeignet, das potentielle Tradieren syntaktischer Strukturen über die Grenzen eines bestimmten Diskurstyps oder einer bestimmen Gattung hinweg verifizieren zu können. Dieser Umstand rechtfertigt letztlich die getroffene Entscheidung, Versund Prosatexte und also verschiedene Textgattungen in der Untersuchung zu berücksichtigen und damit den Einwand zu ignorieren, dass der Nutzen von Verstexten für syntaktische Untersuchungen anzuzweifeln ist. Gerade wenn sich der Fall ergibt, dass Elemente einer gattungsspezifischen Diskurstradition plötzlich in der anderen Gattung auftreten und sich syntaktisch auffällige Grundmuster der einen Gattung dadurch in der anderen wiederfinden, ist es unabdingbar, Texte beider Gattungen (Vers und Prosa) als Untersuchungsgrundlage heranzuziehen. Dieses methodische Vorgehen wird durch einen an spezifischen Diskurstraditionen ausgerichteten Analysezugang besonders fruchtbar gemacht: Die Analyse erfolgt auf der Basis von «Formulierungstraditionen», einem in der vorliegenden Arbeit entwickelten Konzept zur Erfassung von spezifischen diskurstraditionellen Merkmalen. Gemeint sind damit syntaktisch und/oder lexikalisch (teil)fossilisierte Wortsequenzen, die wie Textbausteine eingesetzt und weitergegeben wurden. Sie sind somit charakteristisch für bestimmte Diskurstraditionen, können aber auch in andere und neue Diskurse eingehen, dort die alten Traditionen fortführen und dabei ihre syntaktische Struktur mit tradieren. Wie bereits gesagt, kann das Tradieren dieser Wortfolgen dazu führen, dass veraltete Grammatikstrukturen bewahrt und mit übernommen werden. Mit Blick auf die altfranzösischen Texte handelt es sich bei den Formulierungstraditionen um ein großes Repertoire an fixierten Ausdrücken, die teilweise mit Kollokationen korrelieren, teilweise vollständige Sätze erfassen, teilweise aber auch nur Satzteile sind. Bezeichnend ist, dass sie in den unterschiedlichen Textsorten in sehr ähnlicher oder identischer Weise vielfach verwendet wurden, was auf ihr traditionsbildendes Potential schließen lässt. Die in dieser Arbeit analysierten altfranzösischen Heldenepen, Reim- und Prosachroniken zeichnen sich durch eine große Vielfalt solcher Formulierungstraditionen aus, was bereits eine Voruntersuchung zeigte. Aufgrund dieser Vielfalt soll eine Systematisierung und Klassifizierung zunächst mehr Transparenz bezüglich verschiedener Formulierungstypen schaffen. Dabei spielt die Verankerung der Formulierung im Sprachsystem eine ebenso wichtige Rolle

0 Einleitung

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wie die Verwendung der Formulierung im allgemeinen Sprachgebrauch und ihre Frequenz im jeweiligen Einzelfall. Die exakte Analysegrundlage dieser Arbeit bilden Formulierungen, die im Rolandslied identifiziert wurden. Diese sind die ältesten fossilisierten Sequenzen des Korpus, und so haben in erster Linie sie das Potential, in den späteren Texten des Korpus übernommen zu werden. In meiner Voruntersuchung wurden sie im Rolandslied erst manuell ausfindig gemacht und dann teilweise anhand eines elektronischen Korpus (Syntactic Reference Corpus of Medieval French) überprüft. Es wurden 41 mehrfach wiederholte Formulierungen ermittelt, deren Tradierung nachweisbar ist. Diese Arbeit ist in fünf Kapitel gegliedert. Das erste Kapitel thematisiert zunächst die Gattungsproblematik. Es setzt sich mit den Problemen auseinander, die hinsichtlich der für syntaktische Untersuchungen zur Verfügung stehenden Textgattungen (Verstexte und Prosatexte) bestehen. Im Anschluss daran wird der Begriff der Diskurstraditionen erörtert und seine Relevanz für die historische Syntaxforschung diskutiert. Es folgt eine Darstellung des Korpus und der Quellenlage sowie die Besprechung der Datenerhebung und Datenverarbeitung. Den Kern dieses Kapitels stellt die Einführung der für den weiteren Verlauf der Untersuchung zentralen Termini «Formulierung» und «Formulierungstradition» dar. Das zweite Kapitel widmet sich den theoretischen Grundlagen und bespricht die empirischen Gegebenheiten der V2-Eigenschaft in syntaktischer und sprachtypologischer Perspektive. Im ersten Teil des Kapitels geht es zunächst um die Definition und Analyse der V2-Eigenschaft in Bezug auf die modernen und alten germanischen Sprachen – also auf die Sprachen, die als V2-Prototyp angesehen werden – und in Bezug auf die romanischen Sprachen und das Latein. Klassische typologisch ausgerichtete romanistische Ansätze werden bei dieser Analyse vorgestellt. Es wird betrachtet, dass im Rahmen dieser Ansätze die Position des Verbs im Altfranzösischen als ein Nebeneinander von OV- und VO-Strukturen zu deuten ist. Diese Erklärung unterscheidet sich von Ergebnissen funktionaltypologisch ausgerichteter Untersuchungen. Hier wird das Altfranzösische als T-V-X-Sprache mit V2-Stellung beschrieben, i.e. als Sprache, in der die erste Satzposition unmittelbar vor dem Verb durch ein topikalisiertes Element besetzt ist. Die Tatsache, dass im Altfranzösischen diese Form der Topikalisierung häufig in Aussagesätzen auftritt – sogar in Nebensätzen, weshalb es zu den sogenannten symmetrischen V2-Typen gerechnet wird – impliziert jedoch nicht, dass Nicht-V2-Strukturen ausgeschlossen sind. Wie bereits gesagt wurde, handelt es sich bei diesen um V>2und V1-Sätze, die zwar seltener auftreten als V2-Strukturen, aber dennoch in den Texten erscheinen und problematisch für die V2-Analyse des Altfranzösischen sind. Sie werden deshalb im Rahmen der empirischen Analyse in den Kapiteln 4 und 5 untersucht. Der zweite Teil des Kapitels befasst sich mit den generativen

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Erklärungstheorien zur V2-Eigenschaft. Ausgehend von einer Skizze der generativen Grammatiktheorie Chomskys möchte dieser Teil die in diesem theoretischen Rahmen geführten Diskussionen über Merkmale und Probleme der V2-Eigenschaft darstellen und kritisch beleuchten. Die Überlegung, den V2-Status einer Sprache gerade nicht an der Tiefenstruktur auszurichten, bildet das zentrale Argument dieses Teils. Der dritte Teil des Kapitels thematisiert syntaktischen Sprachwandel und Syntaxerwerb. Beide Phänomene sind für eine Beschreibung der altfranzösischen Syntax fundamental. Es werden verschiedene Theorien zum Wandel der Satzstruktur im Allgemeinen behandelt und auf die Situation der frühromanischen Sprachen bezogen: Hierzu zählen positionstypologische Ansätze, generativ ausgerichtete Theorien und gebrauchsbasierte Ansätze. In diesem Zusammenhang wird auch auf die bereits lange diskutierte Frage des germanischen Einflusses auf die altfranzösische Satzgliedstruktur eingegangen. Es soll gezeigt werden, dass insbesondere diejenigen Theorien, die von einem sich langsam entwickelnden Veränderungsprozess ausgehen und das Spätlatein und Altfranzösische demnach als eine Phase beschreiben, in der sich dieser Prozess vollzieht, als vielversprechend anzusehen sind. Welche Theorie dabei letztlich die richtige ist, ist jedoch nicht die zentrale Frage dieses Abschnitts. Viel relevanter wird die Frage sein, auf welchen Ebenen des Sprachlichen sich der Wandel vollzieht. Dem textlinguistischen Ansatz der Arbeit entsprechend soll darauf aufmerksam gemacht werden, dass Sprachwandel auf der Ebene der aktuellen Äußerungsform beginnt und dass nur dort eine sprachliche Neuheit auftritt, die sich dann in einem zweiten Schritt ggf. generalisiert und zum Bestandteil eines spezifischen Diskurstyps und dessen Diskurstradition wird. Es ist also zu berücksichtigen, dass die Innovation in der Regel zunächst nur an einen Diskurstypen gebunden ist, von dem aus sie sich mit unterschiedlichem Tempo in andere Diskurstypen hinein ausbreitet. Der Weg der Verbreitung geht dabei über den diskurstraditionellen Kanal: Die Innovation wird zunächst zum Merkmal eines spezifischen Diskurstyps und erst dann, als ein solches Merkmal, an andere Diskurse weitergegeben. Sollte der Innovation der Weg in sehr viele verschiedene Diskurstypen hinein gelingen, wird sie Teil des allgemeinen Sprachgebrauchs und eignet sich für die Übernahme in die Einzelsprache. Diese Argumentation enthält die zentralen Gedanken, dass zum einen der kindliche Spracherwerb erst dann eine Rolle im Sprachwandel spielen kann, wenn die Innovation sich bereits bis in die kindbezogenen Diskurse durchgesetzt hat und dass zum anderen eine Veränderung immer in Etappen stattfindet und nicht alle Diskurse zur gleichen Zeit betrifft. Dies soll durch die Analyse in der vorliegenden Arbeit gezeigt werden. In Kapitel 3 werden V>2-Strukturen des Altfranzösischen näher bestimmt. Zunächst geht es um einen Überblick über statistische Befunde zu V>2-Strukturen

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und um eine grundsätzliche Reflexion über das Auftreten von V>2-Stellung im Altfranzösischen. Es folgt ein Forschungsüberblick, in dem sowohl diachrone als auch gattungsspezifische Analysen diskutiert werden. Daran anschließend wird eine vergleichende Diskussion möglicher V>2-Vorkommen im Deutschen und Altfranzösischen geführt. Im Rahmen dieser Diskussion sollen alle V>2-Typen, die im alten und modernen Germanischen und Französischen belegt sind, klassifiziert und auf ihre (In)kompatibilität mit dem V2-Status hin überprüft werden. Es wird sich an diesen V>2-Typen zeigen lassen, dass alle im Deutschen belegten Sätze mit zwei Konstituenten vor dem Verb weitestgehend als V2-kompatibel einzustufen sind und dass alle aufgezeigten Strukturen des modernen Deutschen als Teil des grammatischen Systems der deutschen Sprache angesehen werden müssen. Weiterhin wird zu vermuten sein, dass dies bei den althochdeutschen Sätzen nicht immer der Fall war, da es sich um Übersetzungen aus dem Latein handelt, die möglicherweise einer besonderen Diskurstradition von Übersetzungen folgten. Letztlich wird auch anzunehmen sein, dass im Altfranzösischen teilweise andere Verhältnisse gegeben sind als im Deutschen: Es treten dort Strukturen mit komplexer präverbaler Konstituente auf und solche, die – dem modernen Französisch gleichend – eine Form mit détachement einer temporalen, lokalen oder modalen Angabe zeigen. Die Ergebnisse der korpusbasierten Untersuchung sollen in den Kapiteln 4 und 5 vorgestellt werden. (In Kapitel 5 wird – aufgrund der relativen Kürze des Kapitels – neben der tatsächlichen Untersuchung, analog zu Kapitel 3, auch ein Theorie- und Klassifizierungsteil integriert). Die korpusbasierte Untersuchung konzentriert sich auf die 41 identifizierten Formulierungen, die im Rolandslied belegt sind und in den späteren Texten nachgewiesen werden konnten. Es werden alle Formulierungen analysiert, die keine V2-Struktur aufweisen und somit unvereinbar mit der Hypothese einer V2-Eigenschaft für das Altfranzösische sind. Es soll überprüft werden, ob sie lediglich als Formulierung und also als Teil einer Diskurstradition in den Texten verankert sind oder ob man sie tatsächlich dem altfranzösischen Sprachsystem zuschreiben muss. Kapitel 5 widmet sich der Analyse altfranzösischer (und anderer altromanischer) Sätze mit V1-Struktur. Allerdings werden nur solche V1-Sätze betrachtet, die mit einer V2-Grammatik unvereinbar sind, i.e. unabhängige Aussagesätze (keine Fragesätze oder Imperative). Einer Überblicksdarstellung über die statistischen Erhebungen zur V1-Stellung folgt die diachron und kontrastiv geführte Diskussion zum Forschungsstand. Auch in diesem Kapitel soll dann eine Klassifikation der unterschiedlichen V1Typen getroffen werden, um im Anschluss daran eine Analyse durchzuführen. Das Ziel der Analyse ist es, herauszufinden, ob auch spezifische V1-Strukturen an das Gebundensein oder Sichloslösen von spezifischen Schreib- bzw. Diskurstraditionen (des epischen Versstils oder des narrativen Prosastils) gekoppelt ist.

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Mit der Absicht, die Frage des V2-Status des Altfranzösischen anhand der Daten zu V>2- und V1-Strukturen zu klären, wird allgemein festzustellen sein, dass einige Strukturen tatsächlich nur bestanden, weil sie tradiert und damit «kopiert» wurden. Andere hingegen scheinen im System verankert gewesen zu sein und sich ausgehend vom Latein entwickelt zu haben. Als Ergebnis der Korpusanalyse zu V>2-Strukturen wird sich im Besonderen zeigen, dass V>2Strukturen mit initialer Verbergänzung (S-X-V oder O-X-V) typisch für die Diskurstradition des Heldenepos sind und damit nicht für die Falsifizierung der V2Hypothese herangezogen werden können. Außerdem wird zu vermerken sein, dass V>2-Sätze mit einleitender Adverbiale (A-X-V) mit dem V2-Prinzip vereinbar scheinen, da für sie eine ausgelagerte position détachée anzunehmen ist. Allerdings handelt es sich dabei nicht um das erwartete moderne V2-System, da dieses die besagten Strukturen nicht kennt. Anhand der Daten zu V1-Strukturen wird die Arbeit Klarheit darüber geben, dass V-X-Strukturen mit einer V2-Grammatik kompatibel sind, sofern sie Ellipsen darstellen. Handelt es sich um Strukturen mit einem Nullsubjekt, läge streng genommen keine V2-Grammatik vor (der Nullsubjektstatus einer Sprache und die gegebene oberflächenorientierte Definition einer V2-Sprache schließen sich aus). Ferner wird festzuhalten sein, dass V1-Sätze mit V-S-Stellung sehr wahrscheinlich nicht im allgemeinen Sprachgebrauch verankert waren. Sie stellen keine Verletzung einer V2-Syntax dar, da sie nur in der heldenepischen Diskurstradition auftreten (es wird angenommen, dass es ältere tradierte Strukturen sind). Ein letztes Ergebnis der in Kapitel 4 und 5 angestellten Untersuchungen bezieht sich auf die Frage, wie man ausgehend von einigen schriftlichen Textsortenphänomenen auf das Altfranzösische generell schließen kann. Es wird sich zeigen, dass wir durch die Analyse der Formulierungstraditionen mit V>2-Syntax und V1-Syntax relevante Informationen über die sprachliche Kompetenz der Textschreiber erhalten und wir deshalb zwischen sprachlicher Kompetenz und textueller Kompetenz unterscheiden können. Anders formuliert: Wir werden sehen, dass die Schreiber damals die Regeln des Textes (Welche Regeln befolge ich als Schreiber bei Textsorte X?) und die Regeln ihres Sprachgefühls (Wo passe ich als Schreiber mein Gefühl für «richtiges» Sprechen bzw. Schreiben meinem Wissen über die spezifischen Vorgaben der jeweiligen Textsorte an und wo gerade nicht?) größtenteils trennten. Diese Perspektive, die die Schreiber selbst ins Zentrum der Überlegungen stellt, ermöglicht es, Rückschlüsse auf so etwas wie einen allgemeinen Sprachgebrauch und die damalige Sprecherkompetenz zu ziehen. Die vorliegende Arbeit erscheint aus verschiedenen Gründen gerechtfertigt und dem Forschungsinteresse zu entsprechen. Erstens ist die V2-Thematik ein sowohl in der Romanistik als auch in der Germanistik und Anglistik immer noch stark diskutiertes Themengebiet, dem es jedoch an theoretischer Heterogenität

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fehlt bzw. diese Heterogenität beschränkt sich auf generative Analysen oder quantitativ auswertende Analysen. Neue Impulse sind in der aktuellen Diskussion rar. Zweitens, in allgemeiner Hinsicht, wird mit der Frage nach dem Verhältnis von Sprach- bzw. Syntaxentwicklung und Texttradition ein zentrales Problem der historischen Sprachwissenschaft angesprochen, das auch für andere Bereiche der Sprache von großer Relevanz ist und entsprechend auch in phonetisch-phonologisch, morphologisch, semantisch, lexikographisch etc. ausgerichteten Studien noch mehr berücksichtigt werden sollte. Den theoretischen Ausführungen der vorliegenden Arbeit ist Beispielmaterial aus dem germanischen und romanischen Sprachraum zugrunde gelegt. Sofern keine Quellen angegeben sind, stammen die Beispiele von Informanten mit der im Beispiel verlangten germanischen oder romanischen Sprache als Muttersprache. Es wurden jeweils mindestens zwei Informanten zu einer Sprache befragt (Niederländisch, Schwedisch, Isländisch, Französisch, Spanisch, Italienisch). Zu allen germanischen, altromanischen, spanischen und italienischen Sprachbeispielen werden deutsche Übersetzungen gegeben.1 Lediglich die modernen französischen Beispiele wurden nicht übersetzt. Der analytische Teil der Arbeit stützt sich auf Beispielsätze aus dem in dieser Arbeit verwendeten Korpus. Diese sind – durch eine separate römische Zählung – parallel zum genannten Beispielmaterial aufgelistet. Die Beispielsätze des Korpus werden in den einzelnen Kapiteln ausführlich erklärt, allerdings nicht übersetzt. Eine Übersetzung jedes Einzelfalls scheint nicht angebracht, da es sich um umfangreiche Listen an Beispielmaterial handelt.

1 Diese Übersetzungen wurden teilweise aus dem Englischen übertragen und teilweise von mir erstellt.

1 Grundlagen Die historische Syntaxforschung ist mit der Schwierigkeit konfrontiert, dass es keine geeigneten Quellen für ihre Analysen gibt. Die Texte aus dem Mittelalter entsprechen kaum der Anforderung, dass auf ihrer Grundlage ein altes Sprachstadium, geschweige denn die gesprochene Sprache von damals bzw. die Sprecherkompetenz, uneingeschränkt rekonstruiert werden kann.1 Dieser Umstand brachte in der Vergangenheit eine Reihe von Problemen für die Forschung mit sich. Zunächst wäre da das Problem der zu starken Verallgemeinerung: Immer wieder stützten sich Wissenschaftler bei Aussagen über die altfranzösische Satzstruktur auf die Befunde einzelner Schriftstücke und ließen dabei außer Acht, dass einzelne Textsorten die im Mittelalter lebendige Sprache immer nur zu einem Teil erfassen und repräsentieren können. Eine Textsorte kann niemals das Abbild einer Sprache insgesamt sein, da sie sonst auch das Abbild aller Textsorten gleichzeitig sein müsste – schließlich macht nur die Gesamtheit der Textsorten die Einzelsprache zu dem, was sie ist. Dies wiederum wäre ein Paradoxon, da es Textsorten nur unter der Bedingung geben kann, dass sie voneinander unterschieden werden und sich nicht gegenseitig repräsentieren können. Das Gesagte leuchtet unmittelbar ein, wenn wir uns vorstellen, dass wir beispielsweise auf der Grundlage eines Gesetzestextes oder des Smalltalks mit dem Nachbarn über das Wetter generell auf den allgemeinen Sprachgebrauch (also sehr viele verschiedene Textsorten) in unserer Muttersprache schließen wollen. Dass dies nicht nur den Wortschatz, sondern auch die Syntax betreffen kann, zeigt ein syntaktisches Phänomen des Deutschen recht deutlich: Wir können feststellen, dass in einer Textsorte wie dem Gesetzestext kausale Nebensätze mit der Konjunktion «weil» das Verb in Endstellung setzen. Bei einer Untersuchung dieser Textsorte könnte man also verallgemeinernd schlussfolgern, dass Endstellung die syntaktische Konstruktion für den deutschen weil-Kausalsatz ist. Tatsächlich ist diese Aussage unter normativen Gesichtspunkten korrekt. Die standarddeutsche Grammatik bevorzugt Verbendstellung bei diesem Nebensatztyp.2 Dennoch können wir beobachten, dass die Sprecher des Deutschen in anderen Diskurstypen wie z. B. dem Wetter-Smalltalk mit dem Nachbarn auch Verbmittelstellung für den weil-Satz verwenden.3 Abhängig von der Textsorte bekommen wir also einen anderen Ein 

1 Dass es dennoch möglich ist, gewisse Informationen über die Sprachkompetenz von damals zu ermitteln, wird die vorliegende Arbeit noch zeigen (cf. 4.1.3). 2 Allerdings wird im Duden bereits angemerkt, dass Verbendstellung nicht die einzige Konstruktion ist, die im Deutschen mit der Konjunktion «weil» auftreten kann (cf. Wegener 1999, 4). 3 Die Tatsache, dass «weil» in unterschiedlichen syntaktischen Strukturen auftreten kann, wird nicht auf eine Veränderung des syntaktischen Systems deutscher subordinierender Sätze zurück-

DOI 10.1515/9783110536591-002

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druck vom syntaktischen Aufbau der deutschen weil-Sätze.4 Allgemeiner formuliert könnte man sagen, dass wir einen anderen Ausschnitt unserer sprachlichen Realität bekommen, und dies selbst bei einer normierten Sprache, wie dem modernen Deutschen. Ist eine Sprache, wie das Altfranzösische, nicht einmal durch eine präskriptive schriftlich fixierte Grammatik normiert und gibt es kein festgeschriebenes «korrekt» oder «inkorrekt», ist anzunehmen, dass im allgemeinen Sprachgebrauch nochmals größere Varianz herrscht.5 Ein weiteres Problem ergab sich bei der Beurteilung und Auswahl der mittelalterlichen Texte: Immer wieder wurde die Meinung vertreten, dass nur in Prosa verfasste Quellen der damals lebendigen Sprache besonders nahestehen und Verstexte deshalb von syntaktischen Untersuchungen auszuschließen sind. Hierbei wurde nicht berücksichtigt, dass auch Prosatexte ggf. nur einen Teil des Syntaxsystems in einer Sprache repräsentieren und deshalb kein adäquates Bild von diesem liefern können. Auch diese Tatsache lässt sich nochmals am Beispiel des deutschen weil-Satzes verdeutlichen: Auch in diesem Fall entscheidet nicht die Prosa darüber, welche Syntax für den Kausalsatz gewählt wird (Verbend- oder Verbmittelstellung), sondern die Textsorte, also der Unterschied zwischen Gesetzestext und Wetter-Smalltalk. Obwohl beide Texte in Prosa verfasst sind, ist der Umgang mit der weil-Konstruktion je nach Textsorte ein anderer. Im Gesetzestext wird streng Verbendstellung verwendet, im Smalltalk sind beide syntaktischen Konstruktionen möglich. Es leuchtet daher ein, dass die Prosa nicht das ausschlaggebende Kriterium für eine generell gebräuchliche Syntax sein muss und dass auch im Mittelalter ein Prosa-Text entfernt von einem allgemein üblichen oder verbreiteten Sprachgebrauch gewesen sein kann. Diesen gab es aber natürlich, denn die sprachlichen Möglichkeiten waren auch damals nicht unbegrenzt. Je häufiger ein syntaktisches Phänomen in den alten Texten belegt ist, desto

geführt, sondern auf eine Funktionsübernahme und Funktionserweiterung der Konjunktion. Die Konjunktion scheint stark in den Bereich koordinierender Satzverknüpfungen vorgedrungen zu sein und zunehmend das koordinierende «denn» zu ersetzen. Dabei geht weil-Verbendstellung jedoch nicht gänzlich verloren, da die Funktionsbereiche von weil-Verbzweit- und weil-Verbendstellung nicht deckungsgleich sind (cf. Wegener 1999, 23, cf. auch 17ss.). 4 Wegener (1999, 10–11) kann allerdings zeigen, dass weil-Verb-Zweit-Stellung kein rein textsortenspezifisches Phänomen und auch kein reines Phänomen der mündlichen Kommunikation ist. Nach ihren Angaben scheint die Verbzweitkonstruktion auch in literarischen oder sogar wissenschaftlichen Textsorten verbreitet. Hier wäre allerdings zu überprüfen, ob weil-Verbzweitstellung in der Literatur und in der Wissenschaftssprache verstärkt dort auftritt, wo Mündlichkeit fingiert oder bewusst eingesetzt wird. 5 Sprachnormierungsbestrebungen für das Französische setzen erst nach der Renaissance ein, was bedeutet, dass im Alt- und Mittelfranzösischen noch keine grammatischen Regeln festgeschrieben waren.

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wahrscheinlicher ist es auch, dass dieses zum damaligen System gehörte. Viele grammatische Phänomene sind aus heutiger Sicht eindeutig als sprachsystematische Elemente zu bewerten und bilden die Grundlage der altfranzösischen Grammatiken. Allerdings kann nicht bei jedem sprachlichen Merkmal, das in einem Text auftritt, behauptet werden, dass es Bestandteil des Systems war – besonders gilt dies für Elemente, die nur selten dokumentiert sind. Das Auftreten eines Merkmals in einem Text muss kein Indiz für dessen Systemhaftigkeit sein, sondern kann auf Besonderheiten der Textgattung oder Textsorte – und vor allem den ihnen zugrundeliegenden Diskurstraditionen – hinweisen. Wie im Folgenden zu zeigen sein wird, kann nur das Einbeziehen der im Mittelalter vorherrschenden Diskurstraditionen es ermöglichen, die sprachlichen Merkmale des Altfranzösischen neu zu bewerten. Eine Bewertung darf nur im Spannungsfeld zwischen Textsorte und Sprachsystem erfolgen, was bedeutet, dass Merkmale nie automatisch auf das Sprachsystem zurückgeführt werden sollten, sondern immer auch als Teil einer Diskurstradition abgekoppelt vom System zu betrachten sind. Dieser Blick stellt einen neuen Zugang im Umgang mit alten sprachlichen Quellen dar, der neben der Berücksichtigung der aufgeführten Schwierigkeiten unbedingt erforderlich ist, damit die im Mittelalter entstandenen Texte sinnvoll für sprachwissenschaftliche Analysen genutzt werden können. Im vorliegenden Kapitel werden zunächst die Schwierigkeiten, aber auch die Vorteile von Vers- und Prosatexten im Hinblick auf syntaktische Untersuchungen besprochen (Abschnitt 1.1). Daran anschließend wird das Textkorpus vorgestellt (1.2). In diesem Zusammenhang werden auch verschiedene Probleme, die im Umgang mit Manuskripten aus dem Mittelalter zu berücksichtigen sind, dargestellt. Im darauf folgenden Abschnitt (1.3) geht es um eine Definition von Diskurstraditionen und um deren Relation zur Einzelsprache. Schließlich soll aufgezeigt werden, welchen Wert die Berücksichtigung von Diskurstraditionen für die Syntaxforschung hat. Am Ende des Kapitels (1.4) geht es um die für diese Arbeit relevante Datengrundlage sowie um die Datenerhebung (1.5). Die Datengrundlage bilden Textelemente, die ich in der vorliegenden Arbeit «Formulierungstraditionen» nennen werde. Ihrer Untersuchungsberechtigung ergibt sich aus dem diskurstraditionellen Forschungszugang.

1.1 Zur Auswahl der Textgattung: Versform oder Prosa? Bereits seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert vertreten Sprachwissenschaftler die Meinung, dass Prosa-Texte für syntaktische Analysen des Altfranzösischen geeigneter sind als Verstexte, da die syntaktischen Strukturen in Verstexten nicht repräsentativ für das altfranzösische Sprachsystem seien: «Wenn auch die große

1.1 Zur Auswahl der Textgattung: Versform oder Prosa?

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Mehrzahl der Sätze dem herrschenden Gebrauche sich fügt, so würde man doch aus der Analyse der poetischen Partiien kaum einen Einblick in die festen Stellungsgesetze jener Zeit gewinnen können. Denn nicht nur das Metrum, sondern auch die Sprachform anderer, früherer Gedichte, die dem Autor geläufig sind, üben Einfluss auf seine poetische Diction» (Thurneysen 1892, 296). Die Missachtung von Satzstrukturregeln erklärt sich demnach aus den metrischen Beschränkungen der Versform und der dichterischen Tradition, denen der Autor folgte. Allerdings ist bis heute nicht geklärt, in welchem Ausmaß und in welcher Form metrische bzw. reimbildende Zwänge die Position des Verbs in gebundenen Texten tatsächlich beeinflussen (cf. Prévost, et al. 2012, 173, 174). Ein starkes Argument, skeptisch hinsichtlich des sprachsystematischen Status der Syntax gebundener Texte zu sein, besteht aber sicherlich. Skepsis ist ganz besonders bei Sprachen mit rigider Syntax angebracht, denn dort können die eigentlich strengen Stellungsregeln im Verstext ohne Probleme aufgeweicht werden. In einer «strengen» V2-Sprache, wie dem Deutschen, erscheint in Verstexten also problemlos Verbendstellung, wie die folgenden Beispiele zeigen (cf. Fleischer/Schallert 2011, 155–156).6 1.

a. Es schienen so golden die Sterne, am Fenster ich einsam stand (J. v. Eichendorff, Die Sehnsucht, zitiert nach Kaiser 2002, 130, Fußnote 2) b. Jeder, der den Springer liest, auch auf Vietnamesen schießt (APO-Slogan 1968, zitiert nach Kaiser 2002, 130, Fußnote 2)

Aufgrund solcher Belege wurde argumentiert, Verstexte generell von syntaktischen Analysen auszuschließen (cf. Kaiser 2002, 79, 139). Dieser Argumentation ist jedoch entgegenzuhalten, dass auch Untersuchungen, deren Gegenstand ausschließlich Verstexte sind, wichtige Ergebnisse zu Syntax-Fragen liefern. Dies lässt sich etwa anhand einer Studie von Rouquier und Marchello-Nizia (2012) zur

6 Laut Fleischer und Schallert ist dies besonders in Knittelversen, wie sie u. a. in Goethes Faust verwendet werden, der Fall: «Denk’, Kind, um alles in der Welt! / Der Herr dich für ein Fräulein hält» (Goethe, Werke 7/1, 124 [Faust I, V. 2905–2906], zitiert nach Fleischer/Schallert 2011, 155). Die Autoren nehmen an, dass bei diesen Sätzen Reim und Metrum eine große Rolle bei der Wahl der Syntax spielen. Des Weiteren zeigt sich, dass eine ungewöhnliche Syntax, wie Verbendstellung, auch in Sprichwörtern akzeptiert wird: «Wer gut schmiert, der gut fährt» (zitiert nach Fleischer/Schallert 2011, 155).  

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Passion de Clermont (Ende 10. Jh.) und zum Alexiuslied (Mitte 11. Jh.) ablesen: Die Autorinnen zeigen, dass die Satzgliedstrukturen der beiden Verstexte stark divergieren, obwohl die Texte zeitlich nicht weit voneinander entfernt liegen. Ihrer Meinung nach deutet dies auf ein syntaktisches Übergangsstadium in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts hin, in dem sich ein rasanter Wandel der Sprachstruktur vollzog (cf. 3.1). Ob ein rasanter Wandel tatsächlich stattfand und auf der Grundlage dieser Texte festzustellen ist, kann natürlich (skeptisch) hinterfragt werden. Doch selbst wenn man annimmt, dass nicht alle Strukturen dieser Texte ein adäquates Abbild des syntaktischen Systems der damaligen Zeit darstellen, können die Texte trotzdem wichtige Hinweise für die Syntaxforschung bereitstellen. Denn schließlich gibt ihre Syntax Aufschluss über ein unterschiedliches Schreibverhalten ihrer Schreiber.7 Warum verfassten die Schreiber diese zwei Werke damals mit so unterschiedlich gebauten Sätzen, wo doch der Entstehungszeitraum annähernd der gleiche ist? War die Wahl eines bestimmten Satzbaus ein bewusstes Vorgehen? Im Verlauf dieser Arbeit wird noch zu zeigen sein, dass die Verfahrensweise der Schreiber und die Entscheidung für eine bestimmte Syntax immer auch ein Bewusstsein ihres Sprachgebrauchs widerspiegelt – oder besser noch ein Bewusstsein dafür, dass ein Wandel der Sprache stattgefunden hat, ältere Formen aber hier und da in gewissen Diskursen noch zulässig oder «normal» sind. Der Kritik am Verstext ist jedenfalls entgegenzuhalten, dass auch er implizit – über das Verhalten seines Autors – Auskunft über syntaktische Möglichkeiten oder Veränderungen innerhalb eines Sprachsystems geben kann. Der Umgang mit Prosatexten wird in der Syntaxforschung gemeinhin als weniger problematisch erachtet als der Umgang mit Verstexten, da in der Prosa keine «Verstöße gegen syntaktische Prinzipien des Altfranzösischen enthalten sind, die von Versmaß- oder Reimbeschränkung herrühren» könnten (Kaiser 2002, 130). Ganz im Gegenteil, es wird immer wieder betont, dass der Prosatext «eine größere Nähe zur gesprochenen Sprache aufweist, als dies in lyrischen Texten der Fall ist» (Kaiser 2002, 130; cf. auch Kok 1985, 4). Dieser Einschätzung ist sicherlich in weiten Teilen zuzustimmen. Trotzdem sollte auch im Fall der Prosatexte und ihrer angeblichen Nähe zur gesprochenen Sprache Vorsicht geboten sein, da in verschiedenen Arbeiten zu den ersten altromanischen Schriftzeugnissen gezeigt wurde, dass sich die uns zur Verfügung stehenden Texte »alle von der alltagssprachlichen Erfahrung abheben« (Gleßgen 2005, 208–209). Auf der

7 Diese Annahme lässt sich in einem funktional-kognitiven Ansatz von Textlinguistik verorten, in dem die Textualität eines Textes als Leistung von Sprachbenutzern verstanden wird: Ein Text kann immer als eine Spur der geistigen Fähigkeiten seines Produzenten gelesen werden (cf. Schwarz-Friesel/Consten 2014, 22–23).

1.1 Zur Auswahl der Textgattung: Versform oder Prosa?

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Basis des von Koch und Oesterreicher (2011) entwickelten Nähe-Distanz-Kontinuums handelt es sich demnach vornehmlich um distanzsprachliche Texte.8 Exkurs Unzweifelhaft zeichnet sich der protoromanische Vorläufer des Altfranzösischen (und der altromanischen Sprachen insgesamt) zunächst durch seinen rein mündlichen, nähesprachlichen Charakter aus, da die Trennung zwischen ihm und der klassisch-lateinischen Distanzsprache im Verlauf der lateinisch-romanischen Diachronie immer stärker wurde. Mit der Auflösung dieser Diglossie zwischen 800 und 1100/1200 gewinnen die Volkssprachen gegenüber dem Distanzlatein aber eine eigene Identität und dringen mit «signifikanten Phasenverschiebungen [...] allmählich in bestimmte Distanzdiskurstraditionen vor» (Koch/Oesterreicher 2011, 139).9 Dieser Prozess der romanischen Verschriftung10 kann in drei Abschnitten beschrieben werden (cf. Frank-Job 2003, 23ss.): Zunächst existierte nur Volkssprache des nähesprachlichen Bereichs, die unreflektiert niedergeschrieben wurde. Dieser Äußerungstyp findet sich sehr früh in Form von Kritzeleien am Rand lateinischer Texte oder in Form von Listen und kurzen Vermerken des beruflichen Alltags. Aus dieser Form des alltagssprachlichen Schreibens entwickelte sich allerdings nur indirekt eine Schrifttradition, indem eine gewisse «Routine im Umgang mit der volkssprachlichen Schriftlichkeit» und eine «allmähliche Gewöhnung» an diese einsetzte (Frank-Job 2003, 28). Hinzu kam Volkssprache des nähesprachlichen Bereichs, die bewusst als stilistisches Mittel (für Ironie, Komik etc.) in der Literatur eingesetzt wurde. In dieser Verwendung, i.e. als Kontrast zur neutralen lateinischen Textsprache, wurde sie tatsächlich zum Vorbild einer schriftlichen Tradition. Schließlich kam es auch zur Verschriftung von Volkssprache des distanzsprachlichen Bereichs. Die Volkssprache wurde hier eingesetzt, um in Abgrenzung zum Latein bewusst einen «romanischen» Text zu schreiben (vor allem paraliturgische Texte). Erst

8 Bekanntermaßen wird das Kontinuum von einer Bandbreite unterschiedlicher Kommunikationsbedingungen und den sich daraus ergebenden Versprachlichungsstrategien gebildet, die zwischen den zwei Extremen der kommunikativen Nähe und der kommunikativen Distanz liegen. (cf. Koch/Oesterreicher 2011, 13). 9 Eine weiter greifende Definition von «Diskurstraditionen» als die in der Einleitung dieser Arbeit gegebene findet sich in Abschnitt 1.3. 10 Der Terminus «Verschriftung» (das Übertragen in das Medium der Schrift) ist nicht mit dem Terminus «Verschriftlichung» (der Ausbau einer konzeptionellen Schriftlichkeit) gleichzusetzen. Zur Unterscheidung der zwei Begriffe cf. Oesterreicher (1993).

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durch diesen Einsatz kommt es letztlich zu einer Öffnung des distanzsprachlichen Bereichs. Zwischen dem 11. und der Mitte des 12. Jahrhunderts entstehen Heiligenlieder, Lehrgedichte, Reimpredigten und Versübersetzungen der Bibel, die schriftlateinische Diskurstraditionen fortführen (cf. Frank-Job 2003, 30). Erste schriftliche Zeugnisse der Heldendichtung sind seit dem 10. oder 11. Jahrhundert belegt. Eine knappe Skizze der ersten altfranzösischen Prosaschriften mag an dieser Stelle dazu dienen, uns ihren von der alltäglichen Sprachpraxis abgekoppelten Charakter vor Augen zu führen: Die ersten Prosaschriften – mit der Ausnahme der Serments de Strasbourg (842), dem ersten juristischen und diplomatischen altfranzösischen Dokument – stammen aus dem 11. Jahrhundert. Es handelt sich dabei um sehr wenige (biblische) Texte und um Übersetzungen oder Abschriften aus dem Latein (cf. Herman 1954, 234; Marchello-Nizia 1995, 85–86). Der älteste Prosatext, das Fragment de Valenciennes (auch Jonasfragment, entstanden um das Jahr 1000) besteht aus Notizen für eine nicht ausgearbeitete Predigt, von der nur ein Teil überliefert ist. Der Autor zitiert aus der Bibel, übersetzt oder umschreibt sein Zitat und kommentiert es. Seine Sprache ist dabei nicht eindeutig dem Latein oder Altfranzösischen zuzuschreiben (cf. Herman 1954, 235). Als zweitältester überlieferter Text gelten die Versions des Psaumes (Psalterhandschriften, erstes Drittel oder Mitte des 12. Jahrhunderts), die auf der Grundlage der Vulgata entstanden. Auf sie folgen die Quatre livre des Reis (zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts). Auch bei ihnen handelt es sich um eine Übersetzung und Adaption eines biblischen Textes. Allerdings zeigt der Autor dieses Werks eine wesentlich größere Autonomie in seiner Sprachwahl als seine Vorgänger. Es sind also insbesondere die ersten beiden Texte, die sich durch ihre enge Bindung an die lateinische Vorlage als ungeeignet für syntaktische Untersuchungen erweisen (cf. Kaiser 2002, 129). In diesen Fällen liegt es auf der Hand, syntaktische Strukturen auf die enge Verwobenheit der Volkssprache mit dem lateinischen Originaltext zurückzuführen. Im Gegensatz dazu wurde der dritte Text als besonders gute Quelle des Altfranzösischen dargestellt, da er sich gerade durch seine Unabhängigkeit vom Original auszeichne, selbst im Hinblick auf die Position der Satzglieder: «Die Quatre livres des Reis sind somit aufgrund der Textsorte und des Prosastils als das erste authentische Dokument der französischen Syntax überhaupt anzusehen und daher für eine Untersuchung des syntaktischen Wandels in besonderem Maße geeignet» (Kaiser 2002, 130; cf. Herman 1954, 261). Einerseits sind diese Texte sicherlich als Zeugnis eines Sprachzustandes mit der ihm zugrundeliegenden Grammatik anzusehen, sicherlich mehr als gebundene Texte. Andererseits ermöglicht solch ein distanzsprachlicher Text einen recht einfachen Zugriff auf tradierte oder antiquierte Sprachelemente – insbesondere, wenn es

1.1 Zur Auswahl der Textgattung: Versform oder Prosa?

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sich um die ersten Prosatexte einer Sprache handelt, denen keine andere Texttradition als die lateinische zur Verfügung stand. Auch diese Texte führen eine schriftlateinische – in diesem Fall religiöse – Diskurstradition fort. Deshalb sollten auch Prosadokumente wie die Quatre livres des Reis nicht als Eins-zu-einsAbbild der altfranzösischen Grammatik angesehen werden. Die mittelalterliche Bibelsprache diente – wie bereits mehrfach gezeigt wurde (cf. Schwarz 1986; Kirchert 1984, Fleischer/Schallert 2011) – nicht in erster Linie dem Zweck, eine adäquate Übersetzung des lateinischen Textes zu geben, und es wurde deshalb vermutet, dass man syntaktische Strukturen des Lateins aufgrund einer gewissen Ehrfurcht vor der heiligen Schrift trotz mangelnder Übereinstimmung mit dem Sprachsystem beibehalten hatte: «Mittelalterliche Bibelübersetzungen hatten eine grundlegend andere Funktion als neuzeitliche: ‹Mit Hilfe der Volkssprache soll die sprachliche Gestalt des Sakraltextes nachgeformt werden, um diese selbst zu verdeutlichen› (Kirchert 1984, 67). Der Kirchenvater Hieronymus, der im späten 4. Jahrhundert die Bibel ins Latein übersetzte, bemerkt, dass es an sich richtig sei, nicht Wort für Wort, sondern dem Sinn nach zu übersetzen, nennt aber als Ausnahme explizit die heiligen Schriften, ‹wo sogar die Ordnung der Worte ein Mysterium ist›» (Fleischer/Schallert 2011, 42).

Da für die mittelalterlichen Bibelübersetzer die von Hieronymus aufgestellten Regeln weitgehend verbindlich waren (cf. Schwarz 1986, 14; Fleischer/Schallert 2011, 42), ist nicht ausgeschlossen, dass ganz bewusst Strukturen der Ausgangssprache übernommen wurden. Des Weiteren sei auch denkbar, dass die Übersetzung nur eine technische Funktion hatte, «sie sollte dem (weniger gebildeten) Benutzer das lateinische Original vermitteln. Auf keinen Fall sollte sie an die Stelle des Originals treten» (Fleischer/Schallert 2011, 43). Der Beginn der nicht-religiösen bzw. literarischen Prosa ist um die Wende vom 12. auf das 13. Jahrhundert anzusiedeln (cf. Schon 1960, 16–18; MarchelloNizia 1999, 28). Seit Ende des 12. Jahrhunderts gab es eine üppige volkssprachliche Romanliteratur in Form von zunächst Versromanen, die allmählich durch Prosatexte abgelöst wurden. Diese sind vermutlich in Anlehnung an die kurz zuvor erschienenen Prosachroniken entstanden (cf. Schlieben-Lange 1983, 61). Auch diese Texte weisen – wie in 1.3 noch zu zeigen ist – teilweise Charakteristika auf, die wahrscheinlich auf eine ältere Schreibtradition zurückzuführen sind und deshalb kein repräsentatives Bild der gesprochenen Sprache des 12. und 13. Jahrhunderts abgeben. Es ist also festzuhalten, dass einerseits gute Gründe dafür sprechen, den Verstext als besonderen Dokumenttyp zu betrachten, der sich nicht an die syntaktischen Regeln einer Grammatik halten muss und deshalb auch nicht repräsentativ für diese sein kann. Der Vorschlag, Verstexte aus diesem Grund von

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syntaktischen Untersuchungen auszuschließen, erscheint jedoch zu weit gegriffen, da anhand eines veränderten Satzbaus im Verstext auch Rückschlüsse auf ein verändertes Bewusstsein der Schreiber bezüglich gewisser Text- und Syntaxkonventionen gezogen werden können. Dem fragwürdigen Charakter der Verstexte wurde die für syntaktische Analysen besonders gute Beschaffenheit der Prosatexte gegenübergestellt. Dabei steht außer Frage, dass die Prosa-Form dem syntaktischen Grammatiksystem des Altfranzösischen wesentlich näher steht als die gebundene Versform. Dass ein Text allerdings ausschließlich aufgrund seiner Prosa-Form ein Repräsentant eines allgemeinen Sprachgebrauchs und deshalb des syntaktischen Regelsystems sein soll, ist anzuzweifeln. Dies gilt selbst für Texte, die man als authentisch bezeichnen könnte, weil sie keine reine Übersetzung eines Originals sind. Die von Kaiser untersuchten Quatre livres des Reis entsprechen auf dem Kontinuum zwischen Nähe und Distanz keinem Text, der der gesprochenen Sprache besonders nahe steht. Natürlich wäre es verfehlt zu behaupten, dass nur nähesprachliche Dokumente das sprachliche System abbilden. Es muss aber berücksichtigt werden, dass Distanzsprache immer stärker von starren – weil in der kommunikativen Handlung nicht frei verwendeten – Vorbildern geprägt ist als Nähesprache. Die Quatre livres des Reis können demnach kein «reines» Abbild der altfranzösischen Syntax darstellen, sondern müssen als ein von Elementen biblischer Diskurse beeinflusster Text angesehen werden. Insgesamt fordert also auch die Analyse von Prosatexten große Umsicht und ein Auge für die jeweiligen «Besonderheiten» des Textes und seine Diskurstraditionen. Werden Faktoren wie die Übersetzungssyntax11 berücksichtigt, können aber selbst Übersetzungen zuverlässige Ergebnisse erbringen. Durch die in der vorliegenden Arbeit getroffene Zusammenstellung des Korpus, wird zu zeigen sein, dass beide Gattungen – Vers und Prosa – von Relevanz für syntaktische Untersuchungen sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn man das «Verschieben» diskurstraditioneller Elemente über die Gattungsgrenzen hinweg beobachten kann (cf 1.3). Wenn Elemente einer gattungsspezifischen Diskurstradition plötzlich in der anderen Gattung auftreten und sich syntaktisch auffällige Grundmuster der einen Gattung dann in der anderen wiederfinden, müssen beide Gattungen untersucht werden.

11 Übersetzungssyntax ist gegeben, «wenn eine aus einer anderen Sprache stammende syntaktische Struktur im Rahmen eines Übersetzungsvorgangs in einen Übersetzungstext übernommen wird» (Fleischer/Schallert 2011, 45). Cf. hierzu auch 1.4.

1.2 Das Textkorpus

21

1.2 Das Textkorpus Das in dieser Arbeit verwendete Textkorpus umfasst sieben Texte, zwei Heldenepen (Chanson de Roland und Chanson des Saisnes), zwei Reimchroniken (Chanson de Jerusalem und Chanson d’Antioche) und drei Prosachroniken (La conquête de Constantinople von Clari sowie von Villehardouin und die Histoire de l’Empereur Henri de Constantinople von Valenciennes).12 Im Folgenden möchte ich die diesen Texten zugrundeliegenden Diskurstypen näher erläutern, um dann die einzelnen Texte bzw. ihre Manuskripte und deren Autoren besprechen zu können.

1.2.1 Heldenepen: Chanson de Roland und Chanson des Saisnes Die Heldenepik ist die frühste Form einer altfranzösischen Erzählgattung, ihre Entstehung geht auf das 10. oder 11. Jahrhundert zurück. Wie bereits in Abschnitt 1 beschrieben wurde, ist ihr Entstehen im Kontext der zwischen 800 und 1100/1200 einsetzenden Entwicklung zu sehen, in der sich die lateinisch-romanische Diglossiesituation nach und nach auflöste und sich das Romanische seinen Weg in die Schriftsprache und in die distanzsprachlichen Diskurse bahnte, die bis dahin dem Latein vorbehalten waren. Ihren Ursprung hat die Heldenepik in einer rein mündlichen Dichtungsform in der Volkssprache, die «ohne Vorläufer im lateinischen Gattungssystem ist» (Koch/Oesterreicher 2011, 143) und erst allmählich eine schriftliche Form erhielt, die dann aber immer noch dem mündlichen Vortrag reisender Spielleute diente. Das Chanson de Roland (Ende 11. Jahrhundert) gilt als eines der ersten und wichtigsten Werke der altfranzösischen Heldenepik (Schon 1960, 26; Tagliavini 1973, 378–380). Sein Autor war vermutlich der anonyme Turoldus, von dem allerdings nicht bekannt ist, ob er tatsächlich der Verfasser des Urmanuskripts war.13 Das Werk ist in sieben vollständigen Manuskripten und drei Fragmenten überliefert. Die in dieser Untersuchung herangezogene Handschrift ist die sogenannte Oxforder Handschrift aus dem zweiten Viertel des 12. Jahrhunderts. Sie gilt als die «älteste vollständige und künstlerisch wohl reifste» Version des Werkes (Steinsieck 1999, 401). Ihr Entstehungsort ist das anglonormannische Sprachgebiet, eines der wichtigsten frühen Zentren der

12 Alle Texte des Korpus werden im Folgenden auch kursiv gesetzt abgekürzt: Roland, Saisnes, Jerusalem, Antioche, Clari, Villehardouin, Valenciennes. (Dies gilt auch für alle weiteren Mittelaltertexte, auf die ich in den folgenden Kapiteln verweise). 13 Der letzte Vers gibt nur begrenzt einen Hinweis über Turoldus’ Autorenschaft, denn dort heißt es lediglich: Ci falt la geste que Turoldus declinet (Hier endet die Geschichte, die Turoldus erzählt; 4002, Rol).

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1 Grundlagen

Verschriftlichung der Volkssprache – neben dem pikardisch-wallonischen Raum, der Normandie und der Champagne –, das insbesondere die frühe Heldenepik hervorbrachte (cf. Koch/Oesterreicher 2011, 144).14 Das Chanson des Saisnes ist vermutlich Ende des 12. Jahrhunderts (nicht vor 1180) entstanden und damit rund 100 Jahre jünger als das Rolandslied. Jean Bodel gilt – neben weiteren anonymen Verfassern – als Autor bzw. Begründer dieses Werks, das uns heute in vier Manuskripten überliefert ist, die vor allem aus dem ausgehenden 13. Jahrhundert stammen, in einem Fall auch aus dem beginnenden 14. Jahrhundert (cf. Brasseur 1989).15 Alle Texte entstanden im pikardischen Sprachraum, wobei sie auch durch das Ostlothringische beeinflusst scheinen. Die vier Manuskripte wurden von Basseur (1989) zum ersten Mal gemeinsam editiert, in ihrer Edition befindet sich auch das sogenannte manuscrit de Lacabane, auf dem die älteste Edition beruht. Alle vier Manuskripte werden in dieser Arbeit herangezogen.

1.2.2 Reimchroniken: Chanson de Jerusalem und Chanson d’Antioche Die altfranzösischen Reimchroniken waren die ersten in der Volkssprache verfassten Zeugnisse der Geschichte, sie behandeln den ersten Kreuzzug. Schon (1960, 35) sieht in ihnen eine Art Übergangsform, die sich in der Form noch stark «an die ‹historische› Literatur anlehnte, durch die das Volk bisher mit der Vergangenheit vertraut gemacht worden war», deshalb aber auch nicht von Dauer sein konnte, da sich nur in der Prosa eine «Literatur der Fakten, der Tatsachen entwickeln» konnte (35–36). Als Grund hierfür nennt er den noch zu romanhaften Charakter der Reimchroniken, der den Bedürfnissen des sich verändernden und sich nach Berichterstattung sehnenden Publikums nicht gerecht wurde (cf. auch 1.3). Die zwei in diesem Korpus verwendeten Reimchroniken – Chanson de Jerusalem und Chanson d’Antioche – sind etwa zeitgleich mit dem Chanson des Saisnes entstanden. Sie werden beide auf das Ende des 12. Jahrhunderts datiert und wurden möglicherweise zunächst von einem nordfranzösischen oder flämischen Troubadour mit dem Namen Richard le Pélerin verfasst, später eventuell von Graindor de Douai sowie von weiteren anonymen Schreibern. Allerdings sind dies nur Hypothesen, die bis heute nicht eindeutig bestätigt werden konnten (cf. Bender/Kleber 1986, 205; Guidot 2011, 9). Auch diese Werke sind wohl größten-

14 Die Vorlage stammt jedoch wohl vom Festland (cf. Steinsieck 1999, 401). 15 Brasseur nimmt an, dass die ersten 3307 Verse aus dem ältesten Manuskript (A) von Bodel stammen. Die Manuskripte aus dem 13. Jahrhundert werden von ihm unter den Etiketten A, L, T aufgeführt (so auch in dieser Arbeit), das Manuskript aus dem 14. Jahrhundert trägt den Buchstaben R (ebenfalls in dieser Arbeit verwendet).

23

1.2 Das Textkorpus

teils im Pikardischen verfasst oder zumindest von «nombreux traits picards» durchsetzt (Guidot 2011, 30). Heute sind neun Manuskripte des Chanson d’Antioche und 11 Manuskripte des Chanson de Jerusalem erhalten. Hinzu kommen ein Fragment und eine Prosaversion des Chanson d’Antioche. Es wird angenommen, dass alle überlieferten Manuskripte zwischen dem 13. und 15. Jahrhundert entstanden (cf. Guidot 2011, 28, 30, 35; Thorp 1992, 10–13). In dieser Arbeit wird für den Antioche-Text das von Guidot editierte Manuskript (Mitte 13. Jh.) verwendet, das in vielen Punkten als besonders archaisch charakterisiert wurde (cf. Guidot 2011, 29–30; Sumberg 1968, 44). Dem Jerusalem-Text liegt ein Manuskript zugrunde, das ebenfalls Mitte des 13. Jahrhunderts entstand und als relativ wenig modifiziert gilt. Im Rahmen dieser Arbeit wird die Manuskriptedition von Thorp (1992) herangezogen.

1.2.3 Prosachroniken: La Conquête de Constantinople Die ersten altfranzösischen Chroniken von Robert de Clari, Geofroy de Villehardouin und Henri de Valenciennes sind Augenzeugenberichte des vierten Kreuzzugs. Nach Schon (1960) ist es kein Zufall, dass gerade dieses Thema in Prosa geschrieben wurde, denn der Kreuzzug hatte sehr weltlichen Charakter und war mit vielen Problemen verbunden, die damals schon klar erkannt wurden. Die Chroniken sind für Schon deshalb «erste Zeugnisse einer selbständigen und aus der geistesgeschichtlichen Entwicklung heraus entstandenen Prosa» (36). Alle drei Chroniken entstanden im selben Zeitraum, Claris Werk ist zwischen 1205 und 1216 entstanden, Villehardouins Text zwischen 1208 und 1218, Valenciennes beginnt seine Schrift 1208 und hatte sie wahrscheinlich schon 1209 beendet (cf. Schon 1960, 37). Die Werke von Clari und Valenciennes wurden ursprünglich wohl im Pikardischen verfasst, denn Claris Heimatort war das heutige Cléry-les-Pernois (nordwestlich von Amiens) und Valenciennes kam – wie sein Name verrät – aus Valenciennes.16 Villehardouins Werk hingegen muss von der Sprache aus der Champagne geprägt sein, da sein Heimatort in der Nähe von Troyes lag.17 Allerdings ist die Sprache in den drei Chroniken zu einem gewissen Grad auch durch

16 Clari taucht um das Jahr 1200 als Zeuge in Urkunden auf. Wohl nur der erste Teil seiner Chronik beruht auf seinen eigenen Erlebnissen. Er kam vermutlich im Jahr 1205 von dem Kreuzzug zurück, seine Chronik schließt aber mit dem Jahr 1216 (ob er zu diesem Zeitpunkt auch starb oder nur das Schreiben beendete, ist nicht klar). Im ausführlichen Teil des Werks deckt sich sein Bericht mit dem von Villehardouin für die Jahre 1198 bis 1205. 17 Villehardouin wurde angeblich 1150 geboren und starb zwischen 1212 und 1218. Seine Chronik hat er wohl im Alter von 60 Jahren verfasst. Nennungen von Villehardouin finden sich u. a. in  

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1 Grundlagen

die Sprache der verschiedenen Manuskript-Autoren beeinflusst, i.e. durch andere nordfranzösische Dialekte (cf. Longnon 1948, 14). Was die Persönlichkeiten der drei Chronisten betrifft, wissen wir von Clari vor allem, dass er sich zu den menue gent zählte – dies geht aus seiner eigenen Chronik hervor – und deshalb vermutlich keine große Bildung genossen hatte. Dies entspricht auch seinem Schreibstil, der emotional geprägt, aber sehr monoton und einfach ist. Im Gegensatz dazu zeugt Valenciennes’ Text von größerer Schreibkunst. «Aus dem Stil der Chronik lässt sich schließen, dass es sich bei Henri de V. um einen Mann handelte, der eine beträchtliche literarische Bildung besaß und der vermutlich ein Clerc gewesen ist» (Schon 1960, 104). Villehardouin war wohl eine recht bekannte Persönlichkeit, da er sich auch in der Politik betätigte (cf. Schon 1960, 72–77; Longnon 1939, 48ss.). Große Teile seines Lebens und seiner Tätigkeit sind anhand einer Reihe von Dokumenten zu rekonstruieren. Villehardouins Stil ist von einer logischen monotonen Art der Darstellung geprägt. «Eine gewisse Trockenheit und Einfachheit im Ausdruck geht Hand in Hand mit Klarheit und Präzision. Anschauliche Schilderungen hat er bewußt weggelassen oder er war ihrer nicht fähig. Anklänge an den Stil des Epos sind vorhanden» (Schon 1960, 77). Diese Informationen sind wertvoll für die diskurstraditionell ausgerichtete Untersuchungsperspektive der vorliegenden Arbeit: Die Tatsache, dass alle drei Werke im selben Zeitraum entstanden, ihre Autoren aber von unterschiedlicher Herkunft waren und über einen sehr unterschiedlichen Bildungsgrad verfügten, liefert eine gute Analysebasis. Durch den Vergleich der Texte kann anhand von Übereinstimmungen und Diskrepanzen der Werke herausgearbeitet werden, was Individualstil ist und was zum allgemeinen Charakter des ganz jungen altfranzösischen Prosastils gehört. Claris Bericht ist nur in einem einzigen Manuskript erhalten. Schon (1960, 41) geht davon aus, dass es Ende des 13. oder Anfang des 14. Jahrhunderts entstand. Villehardouins Werk ist in sieben Handschriften aus dem 13. bis 15. Jahrhundert überliefert. Die Manuskripte aus dem 14. Jahrhundert weisen laut Schon «die älteren und dem Original näheren Lesarten auf» (73–74). Seiner Arbeit liegt deshalb eines der Manuskripte aus dem 14. Jahrhundert – die Grundlage für Farals Ausgabe – zugrunde, das auch für dieses Korpus herangezogen wurde.18 Valenciennes Chronik befindet sich als Anhang in der Chronik von Villehardouin und ist in vier der sieben Manuskripte überliefert. Zwei davon stammen aus dem

Urkunden, seit 1185 wird er dort Gaudfridus Marescallus genannt. Claris Chronik gibt darüber hinaus Auskunft über Villehardouins Rolle während des 4. Kreuzzugs (cf. Schon 1960, 72–73). 18 Schon bezieht sich in seiner Arbeit auf die erste Auflage von Farals Edition, in dieser Arbeit wird allerdings die zweite von 1961 verwendet. Außerdem wurde auch die Edition von Jean Dufournet (1969) hinzugezogen.

1.2 Das Textkorpus

25

ausgehenden 13. Jahrhundert, eines aus dem 14. und eines aus dem 15. Jahrhundert.19 Die in dieser Arbeit verwendete Edition von Longnon (1948) stützt sich auf eine sorgfältige Auswahl eines der zwei Manuskripte aus dem 13. Jahrhundert, welches anhand des anderen Manuskripts aus dem 13. Jahrhundert sowie anhand des Manuskripts aus dem 15. Jahrhundert verbessert wurde (zu einer detaillierten Besprechung der Manuskripte cf. Longnon 1948, 14–21).

1.2.4 Zur Problematik mittelalterlicher Manuskripte Die Arbeit mit mittelalterlichen Handschriften bringt ein grundlegendes Problem mit sich: Der modernen Wissenschaft liegen in der Regel Manuskripte eines Werks vor, deren Datierung nach der vermuteten Entstehungszeit des eigentlichen Werkes liegt. Die Manuskripte sind also jünger als der schriftliche Urtext und selbst dieser stellt vielleicht schon eine Variante der zunächst mündlichen Urform dar. Aus diesem Grund kann oft nicht eindeutig bestimmt werden, ob die Sprache des Manuskripts überhaupt repräsentativ für den Entstehungszeitraum des Werkes ist. Oftmals ist dies sicherlich nicht der Fall, und auch hinsichtlich der im vorliegenden Korpus verwendeten Werke ist zu vermuten, dass die in den Manuskripten enthaltene Sprache nicht die Sprache des Urtextes darstellt, sondern eine Sprache, die womöglich 50, 100 oder sogar mehr als 100 Jahre später existierte. Hinsichtlich des Villehardouin- und des Valenciennes-Textes geht Longnon (1948, 21) davon aus, dass das älteste Manuskript mindestens 70 Jahre nach dem Original entstand. Trotz dieser Annahme muss berücksichtigt werden, dass Manuskripte in der Regel Abschriften einer älteren Fassung sind, weshalb ihnen oft auch ein «veralteter» Charakter zugesprochen werden muss. Die Beurteilung der in ihnen enthaltenen Sprache ist also nicht eindeutig zu treffen. Hinzu kommt das Problem, dass der Forschung meist mehrere Manuskripte aus verschiedenen Jahrhunderten zur Verfügung stehen, die aus der Feder verschiedener Schreiber stammen, denen es nicht einfach um das Kopieren einer bereits bekannten Textversion ging, sondern auch um dessen Umgestaltung und Verbesserung. Es muss berücksichtigt werden, dass das Erstellen der Manuskripte im Mittelalter kein einfacher Vorgang des Übertragens war, denn es bestand die kulturelle Praxis,

19 Neben diesen vier Manuskripten ist ein weiteres zu erwähnen, ein Manuskript aus der Kompilation Chronique de Baudouin d’Açesnes, in der die Histoire de l’empereur Henri von Valenciennens ebenfalls der Conquête de Constantinople folgt. Longnon (1948, 16) erwähnt außerdem noch eine weitere Handschrift, die noch älter sei und dialektale Formen konserviert habe, die dem Nordfranzösischen zugeschrieben werden müssen.

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1 Grundlagen

jeden Schreiber gewissermaßen zum neuen Autor des Textes zu machen, wie Buridant bzw. Guenée es beschreiben: «Les textes sont transcrits par des scribes qui modèlent et remodèlent les œuvres qu’ils copient sans un respect étroit de la lettre qui n’a de sens que pour un érudit moderne. Tout scribe est aussi un éditeur : ‹Un bon copiste n’est pas qu’un tâcheron passif. Ses connaissances et ses initiatives le rendent en fait maître du destin de l’œuvre qu’il a choisi de copier ou plutôt d’éditer, corrigeant ce qui lui paraît erroné, supprimant ce qui lui paraît superflu, ajoutant ce qui lui paraît nécessaire. La culture médiévale a ainsi été portée, pendant des siècles, par des armées de copistes dont elle a toujours proclamé l’éminente dignité. Un scribe copie une œuvre; copie à la suite plusieurs œuvres; extrait d’une œuvre certains passages qu’il copie ; ajoute ici ou là quelques mots ou quelques phrases de liaison . . .› (Guenée 1977, 6–7)» (Buridant 2000, 32).  



Wenn man also mögliche – zeitlich oder durch den Stil bzw. die Haltung des Schreibers bedingte – Veränderungen des Werks bei sprachlichen Analysen berücksichtigen möchte, ist das Vergleichen verschiedener Manuskripte unerlässlich. In vielen Editionen wird ein Vergleich angestellt, wie etwa in der Edition des Chanson des Saisnes von Brasseur (1989). Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde Brasseurs Edition gewählt und die syntaktischen Strukturen in den vier edierten Manuskripten aus dem 13. und 14. Jahrhundert miteinander verglichen.20 Der Vergleich zeigt, dass sich teilweise deutliche Unterschiede vor allem im graphischen (a, b), lexikalischen (c, d) oder (graphisch-)phonetischen Bereich (e) ergeben, dass die Syntax bzw. Satzgliedstruktur allerdings in den wenigsten Fällen von Veränderungen betroffen war. In den von mir untersuchten Formulierungen sind syntaktische Abweichungen kaum gegeben. Die Beispiele f-g (sowie d) zeigen die zwei primären syntaktischen Differenzen, die aber nur sehr vereinzelt auftreten: Zum einen eine Differenz durch den Gebrauch einer Haupt- oder Nebensatzstruktur (f), zum anderen eine Differenz durch den Einsatz der Konjunktion et oder des Konjunktionaladverbs puis. Hier ergibt sich ein Unterschied in der Satzgliedstruktur, da im ersten Fall Verb-Erst-Stellung vorliegt, im zweiten Fall V2-Stellung.21

20 Dieser Vergleich muss exemplarisch für alle weiteren Texte des Korpus gelten, da ein Vergleich mehrerer Handschriften aller sieben Werke des Korpus den Rahmen der vorliegenden Arbeit gesprengt hätte. 21 Dieser Unterschied wurde bei der Auswertung von mir berücksichtigt. Die Tatsache, dass hier ein Unterschied zwischen dem syntaktischen Status von puis (vollwertig) und dem syntaktischen Status von et (nicht vollwertig) gemacht wurde, ergibt sich durch die jeweils unterschiedliche syntaktische Distribution der beiden Elemente: Während die Konjunktion et regelmäßig vor S-Voder X-V-Stellung auftritt, ist dies bei Konjunktionaladverbien wie puis im Altfranzösischen nur sehr bedingt möglich. Nur wenn auf puis eine Diskurspartikel folgt, wenn puis Teil einer kom-

1.2 Das Textkorpus

2.

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a. Si feron baptizier cele jant qui revele. (903 R, Sais) Si ferons baptisier cele gent qi revele. (6683 LT, Sais) so machen [wir] taufen jene Leute die aufbegehren ‘So lassen wir all jene Leute taufen, die aufbegehren’ b. Et parla hautement, ke l’oÿ li plus sours: (664 A(R), Sais) Et parla hautemant, que l’oïrent plusors: (618 LT, Sais) und sprach [er] laut dass ihn hörten viele ‘und er sprach mit lauter Stimme, damit ihn alle hörten’ c. Par mi le cors li met l’espié au fer turqois; (6137 LT, Sais) Par mi le cors li passe son espié quifufrois; (403 R, Sais) durch den Körper ihm macht [er] sein / das Schwert aus türkischem Eisen / das scharf war ‘Mitten in den Körper stieß er ihm das Schwert, das nach türkischer Art geschmiedet war / dessen Klinge scharf war’ d. Puis broche le cheval qui fu d’yve espanoise, (1608 AR, Sais) Et broche le destrier qu’est de terre espanoise, (1532 LT, Sais) Dann / und spornt-an [er] das Pferd/Ross das war/ist von Stute/Land spanisch ‘dann spornt er das Pferd an/und er spornt das Ross an, das von spanischer Abstammung ist’ e. «Baron, dist l’empereres, por le Seignor del mont, / Qui bon conseil set dire, mal fait s’il le repont. (2860–2861 AR, Sais) «Baron, dit Charlemaignes, par le Seignor dou mont, / Qui bon consoil set dire, mal ait s’il le repont! (2588–2589 LT, Sais)

plexen Konstituente ist oder eine Linksverschiebung vorliegt, oder wenn puis in Verstexten auftritt, kann es mit einem weiteren Element vor das Verb treten (cf. 3.4.2). Alle anderen Fälle (puis-S-V, puis-O-V) scheinen in der Prosa ausgeschlossen. Dies spricht dafür, dass puis selbst immer den vollen syntaktischen Wert hatte, denn die Kombination von zwei syntaktisch vollwertigen präverbalen Satzgliedern war in der Prosa und vermutlich auch im allgemeinen Sprachgebrauch des Altfranzösischen nicht möglich (cf. Schlussbetrachtung).

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Herr sagt der Kaiser / Karl, für den Herrn der Welt der guten Rat weiß sagen, schlecht macht / hat [er], wenn er ihm antwortet ‘Herr, sagt der Kaiser / Karl, um des Herrn Willen, der uns ein guter Ratgeber ist, Unglück wird er verbreiten / haben, wenn er ihm antwortet’ f. Herupois sont dolanz, mors est li junes rois, (1814 R, Sais) Herupois sont dolant qu’est morz li juenes rois, (7741 LT, Sais) Herupier sind verletzt, tot ist der junge König/da ist tot der junge König ‘Die Herupier leiden großen Schmerz, da der junge König tot ist’ g. Et vait ferir Berart en l’escu au lïon; (1964 AR, Sais) Puis va ferir Berart an l’escu a lïon; (1726 LT, Sais) und/dann geht [er] kämpfen Berart mit dem Schild mit Löwen ‘und er zieht gegen Berart in den Kampf/Dann zieht er gegen Berart in den Kampf mit seinem Schild mit dem Löwen darauf’ Abgesehen von solchen seltenen Fällen scheinen nur wenige syntaktische Differenzen zwischen den Manuskripten durch die verschiedenen Hände der Schreiber entstanden zu sein. Und auch hinsichtlich der zeitlichen Chronologie gibt es kaum einen Unterschied zwischen den Urwerken und den Manuskripten: Die zeitliche Reihenfolge, die zwischen dem Rolandslied (dem ältesten Werk) und den späten Verstexten (Saisnes, Jerusalem, Antioche) und wiederum den Prosachroniken (den jüngsten Werken) bestehen sollte, ist auch durch die Manuskripte gegeben:22 Das Manuskript des Rolandslieds stellt den ältesten hier untersuchten Text dar, die Manuskripte der Prosachroniken die jüngsten, die Manuskripte der Reimchroniken und des Chanson des Saisnes liegen zeitlich dazwischen. Es kann demnach festgehalten werden, dass die in Zusammenhang mit den Manuskripten auftretenden Probleme (verschiedene Autoren, verschiedene Entstehungszeiträume) im Fall dieser Arbeit nicht besonders ins Gewicht fallen, da sich zwischen einzelnen Handschriften kaum Unterschiede in der Satzgliedstruktur ergeben und die zeitliche Reihenfolge anhand der gewählten Manuskripte eingehalten werden kann. Ob diese Reihenfolge allerdings exakt die Sprachstufen vom 11. bis 13. Jahrhundert repräsentieren kann oder womöglich

22 Die Reihenfolge ist für die Untersuchung zentral, damit die in 1.3 erläuterte These des Tradierens von Diskurselementen über einen Zeitraum von 150–200 Jahren überprüft werden kann.

1.2 Das Textkorpus

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frühere oder spätere Sprachstufen miteinschließt, kann aus heutiger Sicht nicht eindeutig beantwortet werden. Allerdings wird sich im Verlauf dieser Arbeit zeigen, dass sich die untersuchten Manuskripte sowohl durch sprachliche Innovationen als auch durch sprachlich veraltete Formen auszeichnen. Ein weiterer wichtiger Aspekt hinsichtlich der mittelalterlichen Quellen ist ihre diatopische Varianz, die durch die verschiedenen Handschriften gegeben sein kann. Wie im vorhergehenden Abschnitt dargestellt, ist anzunehmen, dass die sieben Werke, die dem hier verwendeten Korpus zugrunde liegen, in teilweise unterschiedlichen Dialekten verfasst worden waren, da ihre Autoren aus unterschiedlichen Regionen Nordfrankreichs kamen: Anglonormannisch (Roland), Pikardisch (Saisnes, Clari, Valenciennes), Champagnisch (Villehardouin). Wie in vielen einschlägigen Werken zum Altfranzösischen oder der französischen Diachronie gezeigt wurde (cf. Wolf/Hupka 1981; Buridant 2000; Marchello-Nizia 1999; u. a.), ist das Altfranzösische keine diatopisch homogene Sprache, sondern durch verschiedene regionale Varietäten geprägt. Die Bezeichnung «altfranzösisch» gilt für alle Varietäten nördlich der Loire, die zwischen dem 9. und dem 14. Jahrhundert gesprochen wurden und sich in den schriftlichen Quellen aus dieser Zeit wiederfinden. Geographisch gesehen ist das Altfranzösische folglich ein Mosaik von Dialekten: Pikardisch, Champagnisch, Orléonesisch, Wallonisch, Lothringisch, Anglonormannisch, Normannisch und der Dialekt der Île-deFrance, der erst ab dem 19. Jahrhundert als «Franzisch» bezeichnet wird (cf. Marchello-Nizia 1999, 27–28). Allerdings wird für das 9. und 10. Jahrhundert angenommen, dass lediglich eine dialektale Großgliederung vorhanden war, die «gegenüber der noch relativen Einheit der langue d’oïl nicht entscheidend ins Gewicht fällt» (Wolf/Hupka 1981, 19). Die Sprache der Île-de-France spielte damals noch keine gesonderte Rolle. Der flandrisch-pikardisch-wallonische Raum war hingegen ein sprachlich und kulturell wichtiges Zentrum (cf. Wolf/ Hupka 1981, 19). Die relative Einheitlichkeit der langue d’oïl scheint letztlich erst mit der Entwicklung der altfranzösischen Literatursprachen im 12. oder spätestens 13. Jahrhundert verabschiedet worden zu sein. Erst ab diesem Zeitpunkt gibt es eine ausgeprägte Dialektalisierungsphase, die verschiedene regionale Formen und Charakteristika hervorbrachte.23 Insbesondere der pikardisch-wallonischlothringische Raum scheint sich damals aufgrund vieler Gemeinsamkeiten vom übrigen Gebiet abgehoben zu haben (cf. Wolf/Hupka 1981, 21). Aber auch der  

23 Wolf und Hupka (1981, 20) sprechen insgesamt von zwei Dialektalisierungsphasen im Sprachgebiet der langue d’oïl. Die erste Phase (vor 800 für die erste dialektale Großgliederung) kann in Zusammenhang mit dem Zerfall des Merowingerreichs gebracht werden. Die zweite Phase (vor 1200) ist vermutlich an die Ausbildung und Blütezeit des damals bestehenden Feudalsystems gekoppelt, in dem allgemein wenige Beziehungen zu benachbarten Regionen gepflegt wurden.

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1 Grundlagen

anglonormannische Raum – das Inselfranzösisch – gilt als besondere Sprachzone dieser Zeit, da er sich durch Besonderheiten auszeichnet, die den Festlandsvarietäten fremd waren (s. u.). Verstärkend zur dialektalen Gliederung der Autorensprachen kommt hinzu, dass die Schreiber der Manuskripte teilweise andere regionale Varietäten sprachen als die Autoren früherer Manuskripte ihres Textes, was zu einer Vermischung verschiedener Sprachen führte, wie sie von Segre (1976) und Buridant (2000) beschrieben wird: «Les textes sont transcrits par des scribes qui se trouvent au coeur d’un diasystème, comme l’a souligné C. Segre (...) ‹Les copistes médiévaux travaillent normalement entre deux pôles d’attraction; l’effort pour respecter l’exemplaire qu’ils copient et la tendance à suivre leurs propres habitudes linguistiques. Le résultat est un compromis linguistique [...]. Le résultat de cette Sprachmischung est un diasystème› (Segre 1976), un système naissant d’un compromis entre deux systèmes en contact. C’est dire que le copiste médiéval se trouve, sur le plan linguistique, à un carrefour, au croisement des axes diachronique et diatopique [...]» (Buridant 2000, 31).

Einerseits ist also sicherlich eine dialektale Prägung durch die verschiedenen Hände der Schreiber gegeben, andererseits scheint es sich in keinem Fall um sehr stark dialektale Formen gehandelt zu haben, die von Sprechern bzw. Lesern anderer Varietäten nicht verstanden worden wären: «Dans aucun texte, même le plus dialectal, on en trouve une parfaite homogénéité dialectale, toujours il y a une majorité de formes qui peuvent être comprises, donc lues, dans les autres dialectes» (Marchello-Nizia 1999, 28). Diese Einschätzung stimmt mit der von Gleßgen (2008) getroffenen Beurteilung über die altfranzösischen Schreibstätten überein. Gleßgen kann zeigen, dass sich die Normen und Regeln des Schreibens – die sich zu schriftlichen Diskurstraditionen entwickelten – in den großen Schreibstätten, den lieux d’écritures, herausbildeten. Diese Schulen wurden in einer umfassenden Studie zu altfranzösischen Urkunden von ihm als wichtigster Parameter für die Spezifik mittelalterlicher Texte identifiziert (cf. 1.3). Dies bedeutet einerseits, dass nicht allein der geographische Herkunftsort des Schreibers ausschlaggebend für die Sprache des Textes gewesen sein kann, denn Schreibstätte und geographischer Ort stimmen nicht immer exakt überein. Eine Stadt konnte mehrere Schreibstätten beherbergen, die unterschiedliche Schreibtraditionen pflegten und deren Texte sich durch unterschiedliche sprachliche Merkmale auszeichnen. Andererseits hat sich gezeigt, dass sich die Normen großer Schreibstätten vor allem durch eine supra-regionale Tendenz auszeichnen, sodass die jeweilige dialektale Prägung eines Schreibers nicht zu stark ins Gewicht fallen konnte bzw. genauso viel Prestige genoss wie die eines Kollegen und deshalb integriert und kombiniert werden konnte:

1.3 Die Methode: Der diskurstraditionelle Zugang zu historischer Syntax

31

«Les formes régionales sont minoritaires et interviennent souvent avec des finalités pragmatiques définies. Il s’agit, bien entendu, d’une tendance à la supra-régionalisation et non pas d’une tendance à l’imitation du français central. Des variables picardes [...] et bourguignonnes disposent de suffisamment de prestige pour être introduites en Lorraine tout comme des variables parisiennes [...]. La formation des normes d’oïl au XIIIe siècle [...] s’inscrit dans la logique des normes pluricentriques [...]» (Gleßgen 2008, 522).

Bezieht man diese Fakten nun auf die Syntax der Texte, stellt sich die Frage, ob die diatopischen Differenzen der Werke bzw. Manuskripte – oder die Differenzen der verschiedenen großen Schreibstätten – überhaupt relevant für Satzgliedstellungsfragen sind. Diese Frage kann vermutlich mit nein beantwortet werden, da die dialektalen Differenzen, die gemeinhin angeführt werden, vor allem im Bereich der Phonetik/Phonologie liegen. So beispielsweise bei den Diphthongen: «[...] la diphtongue /ei/ passe à /oi/ à partir du Xe s., en Normandie, elle reste /ei/ et évolue vers /e/; dans l’extrême Nord, /oi/ devient /oe/ puis /o/, l’accent ne se déplace pas et le deuxième élément disparaît; si la nasalisation interrompt généralement l’évolution de /ei/ vers /oi/, elle ne l’interrompt pas dans certains parlers bourguignons etc.» (Picoche/Marchello-Nizia 1996, 18). Auch morphologische Merkmale werden genannt, so stellt Dees (1971, 132) für das Zwei-KasusSystem bei den Demonstrativen fest: «[...] on a nettement l’impression que la région parisienne est envahie, au cours du XIIIe siècle, par un mouvement, parti de l’ouest et qui consiste à renoncer aux formes du cas-sujet» (zitiert nach Wolf/ Hupka 1981, 22). Was das Anglonormannische betrifft, gelten ebenfalls graphisch-phonetische Merkmale als besonders typisch, wie etwa «die Schreibung u, neben o, für geschlossenes [o] und e, neben ie, für den Diphthong [iɛ]» (Steinsieck 1999, 401). Insgesamt wird dem Anglonormannischen eine grammaire spécifique zugesprochen, die allerdings noch zu bestimmen bleibt (Buridant 2000, 33). Besonderheiten bezüglich der syntaktischen Grundstellung werden hinsichtlich des Anglonormannischen nicht gemacht und können nach der Auswertung des in der vorliegenden Arbeit verwendeten Korpus weder für einen anglonormannischen Text wie das Rolandslied, noch für die Texte, die in festlandsfranzösischen Varietäten – oder einer supra-regionalen Varietäten-Mischung – verfasst wurden, aufgezeigt werden. Für eine Analyse der Satzstrukturen scheint die diatopische Varianz also nicht von Relevanz zu sein.

1.3 Die Methode: Der diskurstraditionelle Zugang zu historischer Syntax In den letzten drei Jahrzehnten festigte und etablierte sich das theoretische Konzept der Diskurstraditionen, dessen inhaltliche und begriffliche Prägung auf

32

1 Grundlagen

Koch (1987, 1997), Schlieben-Lange (1983) und Oesterreicher (1997) zurückgeht und durch jüngere Arbeiten, etwa von Oesterreicher (2001, 2007, u. a.), Frank-Job (2003, 2005, 2010, u. a.), Aschenberg (2003, u. a.), Wilhelm (2003), Kabatek (2005a–c, 2011, u. a.) und Koch (2005, u. a.) ausdifferenziert wurde. Aktuell ist die Diskussion über eine mögliche Begriffsbestimmung erneut entfacht. Dies hat zum einen den Grund, dass die Auseinandersetzung mit dem Thema die Grenzen der deutschsprachigen Romanistik überschritt und daraus zahlreiche neue empirische Untersuchungen resultierten (insbesondere in Spanien). Zum anderen zeigten die letzten 10 Jahre, dass die enorme Rezeption des Konzepts zu teilweise unterschiedlichen inhaltlichen Bestimmungen des Begriffs der Diskurstraditionen führte. Eine erneute Reflexion über den Begriff scheint daher überaus sinnvoll und soll im Rahmen dieser Arbeit vorangetrieben werden.24 Erste wichtige Gedanken zur Diskurstradition formulierte bereits Coseriu (1980, [2007]). Er spricht von der historischen Tradition des Textes oder der Texttradition (2007, 11, 53).25 Ein Text – verstanden als Redeakt – hat demnach immer eine spezifische Tradition. Diese wird von Coseriu allerdings nicht kontextualisiert, obwohl sein Modell der drei Betrachtungsebenen des Sprachlichen (2007, 10, 46–54) den Kontext für eine Verortung bereitstellt. Die drei Betrachtungsebenen umfassen erstens die Ebene des Sprechens und der Sprache im Allgemeinen, zweitens die Ebene der historischen Einzelsprachen26 und drittens die Ebene der konkreten Äußerung, zu der Coseriu den Text als konkreten Redeakt zählt. Es findet demnach eine Verortung des Textes bzw. Diskurses im Modell statt, aber es wird nicht explizit auf eine Verortung der Text- bzw. Diskurstraditionen hingewiesen. Text und Tradition werden nicht getrennt behandelt. Erst Koch (1987, 35; cf. auch 1997, 44–45) geht diesbezüglich anders vor und entwickelt ausgehend von  









24 Jüngst zum Thema erschienen ist der Sammelband «Diskurstraditionelles und Einzelsprachliches im Sprachwandel / Tradicionalidad discursiva e idiomaticidad en los procesos de cambio lingüístico» (cf. zu Publikationen der letzten zehn Jahre außerdem: Ciapuscio 2006; Gévaudan 2009; Kabatek, et al. 2010, u. a.; Lebsanft 2006, Lebsanft/Schrott 2016a, 2016b; López Serena 2012; Loureda Lamas 2010; Obrist 2009; Peralta 2011; Pons Rodrígues 2008; Schrott 2015, 2016, u. a.). 25 Generell scheint in der Sprachwissenschaft keine Einstimmigkeit bei der Verwendung der Begriffe «Text» und «Diskurs» zu herrschen (einen aktuellen allgemeinen Überblick gibt Lim 2011). In der einschlägigen Literatur zu Diskurstraditionen werden die Begriffe in der Regel jedoch synonym eingesetzt, wobei Koch (1987, 1997) in Abgrenzung zu Coseriu (1980) (und auch zu Schlieben-Lange 1983) vorschlägt, nicht von Text-, sondern von Diskurstraditionen zu sprechen. Die aktuelle individuelle und konkrete Rede bezeichnet er als Diskurs und das Ergebnis dieses Redeereignisses als Text (1987, 29, 34–35). 26 Coserius Ebene der historischen Einzelsprachen wurden in der Vergangenheit unterschiedliche Konzeptionen des Begriffs «Historizität» zugrunde gelegt. Zu den unterschiedlichen Auslegungen cf. u. a. Kabatek (2005a, 151–154).  





1.3 Die Methode: Der diskurstraditionelle Zugang zu historischer Syntax

33

Coserius Modell eine grundlegende Definition von Diskurstraditionen und deren Einbettung in das Sprachliche. Diskurstraditionen sind demnach vom Diskurs abzugrenzen, denn während der Diskurs die aktuelle und individuelle Ebene darstellt, also den Äußerungsakt in mündlicher oder schriftlicher Form (3. Ebene), ist die Diskurstradition Bestandteil der Ebene der historischen Einzelsprachen (2. Ebene). Sie ist ein historisch gewachsenes, konventionalisiertes Normgefüge, das getrennt von den Einzelsprachen existiert. Die Diskurstradition ist das tradierte Grundmuster eines Diskurstyps, das als kulturell determinierte Zugriffsweise auf die Wirklichkeit betrachtet werden kann, sofern es «in der Kommunikation mit anderen ausgehandelt, bestätigt und weitergetragen» wurde (Frank-Job 2005, 180).27 Dieses Grundmuster richtet sich an jeweils spezifischen Regeln aus, die, wenn sie immer wieder Berücksichtigung finden, sich überhaupt erst als Regeln konstituieren und den Charakter des Diskurses bzw. des Diskurstyps (der Textsorte) über die Zeit hinweg prägen. Koch (1987, 59) definiert diese Regeln als «konventionalisierte Typisierungen durch Verallgemeinerung aus Einzeldiskursen», die als Regelkomplexe auftreten und in dieser Form als Normen zu bezeichnen sind (cf. 47). Betont wird von ihm die prinzipielle Unabhängigkeit zu den Regeln und Normen des Sprachsystems: «[...] Diskursregeln bilden eigene Komplexe von Diskursnormen, die genau den Diskurstraditionen entsprechen und deutlich von den deskriptiven (und präskriptiven) Sprachnormen abzuheben sind [...]» (Koch 1987, 59).28 Aus dem Gesagten ergibt sich, dass wir Diskurstraditionen erst durch eine diachrone Betrachtungsperspektive wahrnehmen. Sie werden uns erst durch die Gleichförmigkeit der ihnen zugehörigen Textsorten (Diskurstypen) bewusst bzw. durch die Gleichartigkeit der Textproduktion im Verlauf der Zeit, die durch Normen bestimmt wird (cf. Aschenberg 2003, 5; Gleßgen 2005, 209). Aus dem Gesagten kann weiterhin abgeleitet werden, dass das Verhältnis von Diskurstraditionen und Textsorten durch Reziprozität gekennzeichnet ist: Es ist einleuchtend, dass eine Diskurstradition sich nur in den ihr zugehörigen Textsorten manifestieren und durch sie zum Vorschein treten kann. Andererseits ist es aber ebenso einleuchtend, dass die jeweilige Textsorte ihrerseits erst zu einer bestimmen Sorte von Text wird, wenn sie gewissen Diskursregeln und -mustern folgt, die sie von anderen Texten unterscheidet. Es besteht also eine gewisse Abhängig- und Wechselseitigkeit. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass eine

27 Mit Coseriu wäre nicht von tradierten Grundmustern zu sprechen, sondern von der Tradition textspezifischer Gestaltungsformen (2007, 54). Als Beispiel nennt er literarische Gattungen, bei denen es «so etwas wie eine Tradition der Gestaltung gibt, die völlig unabhängig von der Tradition des Sprechens nach einem bestimmten historisch tradierten Muster ist, i.e. unabhängig von den historischen Einzelsprachen». (54) 28 Zum Verhältnis von Sprachnormen und Diskursnormen cf. auch Gévaudan 2009, 111–115.

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1 Grundlagen

Textsorte nicht nur einer einzelnen Diskurstradition angehören muss, denn sie kann ganz verschiedene Traditionen in sich vereinen. Und ebenso ist es auch möglich, dass einer Diskurstradition mehrere Textsorten zugrunde liegen. Ich werde dies im folgenden Abschnitt anhand der altfranzösischen Epenproduktion und der Entstehung der ersten altfranzösischen Chroniken näher erläutern.29 Was nun die Elemente und Regeln einer Diskurstradition anbelangt, bietet sich dem Forscher eine Fülle an sprachlichen und nicht-sprachlichen Merkmalen. Die Regeln und Elemente sind mannigfaltig und können je nach Typ der Tradition stark voneinander abweichen. Nicht selten beziehen sie sich auf den Inhalt,30 oder sie sind inhaltlich-formaler Natur und betreffen den immer wiederkehrenden Einsatz einer bestimmten – z. B. übertreibenden oder besonders bildreichen – Semantik. Auf formaler Ebene kann eine solche Semantik etwa durch das Anhäufen vieler Attribute erzielt werden; oder es wird eine spezielle Metaphorik verwendet, wie dies Koch (1997) für die altokzitanische TroubadourLyrik zeigen konnte. In dieser Lyrik nimmt die Minne-Metaphorik ihren Ausgangspunkt und breitet sich über den diskurstraditionellen Kanal bis in den mittelhochdeutschen Sprachraum aus.31 Neben der inhaltlichen Ebene ist jedoch auch die formale Ebene des Diskurses betroffen: Es treten Elemente auf, bei denen nicht der Inhalt, sondern die Form im Vordergrund steht (etwa formelhafte Ausdrücke, wie Es war einmal...); oder es handelt sich um stilistische und textgestalterische Elemente (z. B. eine sich wiederholende Reim-Gestaltung oder der immer wieder gleiche Textaufbau von spezifischen Diskursen, wie etwa die Struktur eines Sonetts oder die eines Gesprächs zwischen Kontrolleur und Fahrgast). Der Spezifik des eine Diskurstradition begründenden oder spezifizierenden Elements scheinen keine Grenzen gesetzt. Allerdings fasst Kabatek32 treffend zusammen, dass es sich stets um ein elemento significable handeln müsse, dessen  



29 Zum Verhältnis von Diskurstradition und Textsorte (sowie Gattung) cf. auch Kabatek 2011, 39ss. 30 Zur inhaltlichen Dimension von Diskurstraditionen cf. Oesterreicher 1997, 25s. 31 Koch (1997, 46–49) stellt dar, dass die verwendeten Metaphern in den jeweiligen Einzelsprachen damals nicht etabliert waren und die betroffenen Lexeme nur innerhalb des Troubadour- und Minnediskurses ihre neue und zusätzliche Bedeutung erhielten, was sie letztlich zu diskurstraditionellen Merkmalen macht. 32 Aus einer Online-Veröffentlichung von Kabatek Tradiciones discursivas y cambio lingüístico, cf. http://www.romling.uni-tuebingen.de/discurso/Soriakabatek.pdf; «Ampliando el concepto de tradición discursiva podemos decir, pues, que ésta se puede formar a base de cualquier elemento significable, tanto formal como de contenido, cuya reevocación establece un lazo de unión entre actualización y tradición textuales» (5).

1.3 Die Methode: Der diskurstraditionelle Zugang zu historischer Syntax

35

wiederholter Einsatz immer eine Verbindung zwischen Text-Aktualisierung und Text-Tradition herstelle.33 Bezeichnend für die in der vorliegenden Arbeit relevanten Mittelaltertexte sind Diskurselemente, wie etwa bestimmte vom Schreiber erlernte Techniken des Formulierens, die Wahl spezifischer Motive oder der Einsatz spezieller Stilmittel (zu typischen Diskurselementen cf. den folgenden Abschnitt). Bei der Lektüre der alten Dokumente fallen diese Elemente besonders auf, denn sie treten immer wieder auf dieselbe Weise oder in sehr ähnlichem Gewand in unterschiedlichen Texten zum Vorschein. So entsteht der Eindruck, dass den Schreibern damals überhaupt nur ein recht begrenztes Repertoire an Schreibtechniken und -regeln bekannt war. Dieser Umstand kann auf die Tatsache zurückgeführt werden, dass die Schreiber im Mittelalter noch sehr stark an die Vorgaben vorherrschender Schreibschulen gebunden waren. Wie bereits in 1.2.4 dargestellt wurde, ist nach Gleßgen davon auszugehen, dass die alten Texte nicht von individuellen Charaktermerkmalen des Schreibers geprägt sind, sondern in erster Linie von den Vorgaben und Traditionen der Schreibstätten.34 Schreibstätten waren damals vor allem Klöster, Kanzleien, städtische Einrichtungen oder Notariate. Dies bedeutet, dass Diskurstraditionen bzw. die Verwendung spezifischer Merkmale einer Diskurstradition abhängig von den vorherrschenden Traditionen der Schreibstätten waren.

33 Kabatek referiert hier vermutlich auf Coserius Definition des «Textsinns» (2007, 63s., 69). Unter dem «Sinn» eines Textes versteht Coseriu «die Gesamtheit dessen, was gerade durch den Text [als Redeakt] und nur durch den Text verstanden wird, die Gesamtheit der Inhalte, die nur als Textinhalte gegeben sind» (63). Coseriu geht davon aus, dass erst durch die dritte sprachliche Ebene, die Ebene des Textes, Sinn entstehen kann. Sprachliche Zeichen an sich haben seiner Meinung nach noch keinen Sinn. Allerdings kann man nur durch sie Sinn in den Texten erzeugen, denn man versteht durch den Text nicht nur die Bedeutung der sprachlichen Elemente, sondern immer auch etwas, dass darüber hinaus geht (cf. 69). Sinnstiftende Elemente sind demnach all diejenigen Elemente, die erst auf der Textebene eine Funktion erfüllen (im Gegensatz zu Merkmalen der anderen Ebenen, wie z. B. der Bezug auf außersprachliche oder einzelsprachenspezifische Kategorien, cf. 58–62) und also den Text zu einem spezifischen Text machen. In diesem Verständnis kann ein Diskursmerkmal immer auch als ein sinnstiftendes Merkmal angesehen werden, da es den spezifischen Inhalt eines Diskurses konstituiert. 34 Gleßgen geht in seiner Studie zunächst der Frage nach, ob der formale (inhaltliche) Textcharakter tatsächlich und ausschließlich durch die Schreibstätte geprägt wurde oder ob doch auch der individuelle Stil des Schreibers, die Region und das Textgenre eine Rolle spielten. Um diese Frage beantworten zu können, wurden Texte einer Schreibstätte anhand extralinguistischer Informationen (paläographische Anhaltspunkte, die heutigen Aufbewahrungsstätten, inhaltliche Angaben; 427) und linguistischer Informationen (diasystematische Markiertheit anhand phonetischer Merkmale) miteinander verglichen. Gleßgen kommt zu dem Ergebnis, dass die lieux d’écriture sowohl auf den extralinguistischen als auch auf den linguistischen Bereich großen Einfluss ausübten (457).  

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1 Grundlagen

«La production écrite médiévale provient dans son intégralité de ce réseau de scripturalité à tendance supra-individuelle: tous les genres textuels, tous les originaux et toutes les copies ont été rédigés dans les ‹lieux› définis et définissables des institutions et des villes. Un rédacteur donné peut avoir produit une diversité notable de genres différents dont la genèse est alors liée à un même contexte. Le paramètre des ‹lieux d’écriture› se trouve donc en décalage par rapport aux genres et traditions textuelles avec les adaptations et traductions qui les caractérisent» (Gleßgen 2008, 417).

Die Bedeutung von Diskurstraditionen ist in Untersuchungen zur altfranzösischen Satzgliedstruktur bislang kaum berücksichtigt worden.35 Es kann also zunächst einmal gefragt werden, welches Potential die Berücksichtigung von Diskurstraditionen überhaupt für syntaktische Fragestellungen bzw. für Fragen zur Satzstruktur bietet. Mir scheinen zur Beantwortung dieser Frage zunächst zwei Tatsachen von Relevanz: Erstens ist festzuhalten, dass gewissen diskurstraditionellen Elementen wie z. B. spezifischen Formulierungsformen oder Ausdrucksweisen immer syntaktische Strukturen zugrunde liegen, dass diese Strukturen selbst vermutlich aber nicht bewusst als diskurstraditionelle Elemente eingesetzt oder wahrgenommen wurden. Zweitens ist zu berücksichtigen, dass diskurstraditionelle Elemente – und damit eben auch die ihnen zugrunde liegenden syntaktischen Strukturen – über Einzelsprachen und Textsorten hinweg «exportiert» werden können, sodass hierdurch möglicherweise eine veraltete oder fremde Syntax in neuere oder andere Diskurse einfloss. Dies sei im Folgenden, unter Rückgriff auf die mittelalterliche Schreibpraxis und die Produktion neuer Textsorten, genauer ausgeführt. Diskurstraditionen sind prinzipiell unabhängig von der Einzelsprache. Sie liegen gewissermaßen «quer» zu dieser, da sie in ihrer Verbreitung unabhängig von den Grenzen der Einzelsprache sind (cf. Koch/Oesterreicher 2011, 5).36 Einzelsprachliche – z. B. grammatische – Merkmale können natürlich zu Diskursmerkmalen werden, wenn sie sich in einem Diskurstyp als Charakteristikum etablieren.37 Diskursmerkmale können dann innerhalb einer Diskurstradition in wei 



35 Eine Ausnahme bildet die Arbeit von Schon (1960), die allerdings zwei Jahrzehnte vor der Ausarbeitung des Konzepts der Diskurstraditionen entstand. Bei Schon ist also nicht explizit von Diskurstraditionen die Rede, obwohl seine Arbeit dem entspricht, was wir heute als eine Analyse diskurstraditioneller Merkmale bezeichnen würden. 36 Schon 1978 schreibt Koch, dass Diskurstraditionen sich nicht mit Sprachgemeinschaften und deren Einzelsprachen decken, sondern an «kulturelle, wirtschaftliche und sonstige Gemeinschaften gebunden sind» (33). Dieser Einschätzung muss ergänzend hinzugefügt werden, dass natürlich auch Diskurse (bzw. Texte) nicht an die Grenzen der Einzelsprache gebunden sind (cf. Coseriu 2007, 34, 50). 37 Cf. hierzu die Studie von Kabatek (2005b) über die Ausbreitung der römischen Rechtslehre auf große Teile der Romania des 12. und 13. Jahrhunderts. Kabatek zeigt, dass im Verbreitungs-

1.3 Die Methode: Der diskurstraditionelle Zugang zu historischer Syntax

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tere Einzelsprachen transportiert werden, welche diese Merkmale eigentlich gar nicht kennen. Dies geschieht in der Regel entweder durch die geographische Verbreitung einer Diskurstradition oder im Prozess der Verschriftlichung eines Idioms, und hier dann durch die Übernahme alter Diskursregeln in die neue Sprache. Des Weiteren sind Diskurstraditionen durch Innovationen geprägt, denn die ihnen zugehörigen Texte entwickeln sich immer differenzierter und bringen somit im Laufe der Zeit neue Diskurstypen zum Vorschein, die dann eventuell neuen Traditionen zuzuschreiben sind oder maßgeblich zur Veränderung oder Herausbildung weiterer Diskurstraditionen beitragen (cf. Koch 1997, 66). Gesellschaftliche Veränderungen sind häufig die Ursache, die solche Entwicklungen lenken. Durch neu aufgekommene soziale, kulturelle oder politisch-ökonomische Bedingungen entwickeln sich bis dahin nicht vorhandene kommunikative Bedürfnisse, für die die bestehenden kulturellen Traditionen nicht mehr auszureichen scheinen (cf. Koch 1997, 61). Eine solche Situation zeigt die Entstehungsgeschichte der ersten französischen Chroniken im Übergang vom 12. auf das 13. Jahrhundert. Es kann angenommen werden, dass damals vor allem soziale und geistesgeschichtliche Umbrüche neue Formen der Kommunikation erforderten, wie dies bereits von Schon (1960) beschrieben wurde: «Die Zahl der Laien, die sich bilden wollten, scheint immer höher geworden zu sein. Auch innerhalb des Bürgerstandes, vor allem bei den Kaufleuten, wurde eine gewisse Bildung unerläßlich. ‹Die Kenntnisse, die die Ausübung des Handels voraussetzte, das Schreiben, Lesen und Rechnen, wurden zwar, wenigstens am Anfang, von Klerikern vermittelt, hatten aber mit Klerikerbildung, mit lateinischer Grammatik und Rhetorik, nichts mehr zu tun. Der Fernhandel erforderte wohl gewisse Sprachkenntnisse, doch keine Kenntnisse in Latein. Die Folge war, daß die Vulgärsprache in die Lateinschulen, die im 12. Jahrhundert bereits in jeder größeren Stadt vorhanden waren, überall Eingang fand. Der Unterricht in der Umgangssprache aber zog die Aufhebung des Bildungsmonopols der Geistlichen und die Verweltlichung der Kultur von selbst nach sich und führte schließlich dazu, daß es im 13. Jahrhundert gebildete Laien gab, die nicht mehr lateinisch konnten. Die Volkssprache beginnt mit dem Latein zu wetteifern und es in bestimmen Bezirken zu verdrängen›» (Schon 1960, 33–34; cf. auch Hauser 1953, 211).

Diese Veränderungen brachten letztlich ein neues Publikum hervor, das sich nicht mehr in erster Linie für das Vorlesen fiktionaler Heldengeschichten interessierte,

prozess der römischen Rechtslehre im altokzitanischen Sprachraum grammatisch-textuelle Diskursregeln aus der lateinischen Rechtstexttradition in einen juristischen Diskurs der Volkssprache übernommen wurden. Ein Beispiel ist die unpersönliche Ausdrucksweise, die auf grammatischen Merkmalen wie Nominalstil, Agensausblendung oder reflexives Passiv basiert. Diese Konstruktionen stehen in Kontrast zur allgemeinen altokzitanischen Schrifttradition, die sich durch den häufigen Gebrauch von om-Konstruktionen (om = homo) auszeichnet.

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1 Grundlagen

die mit der Zeit «so etwas wie ein Wildwestroman» geworden waren (Schon 1960, 26–27). Im Gegenteil, die Zahl derjenigen, die auf das Vorlesen angewiesen waren, ging konstant zurück, und die Menschen im Übergang vom 12. auf das 13. Jahrhundert erwarteten von der Literatur nun nicht mehr nur Fiktion, sondern eine realistische Beschreibung ihrer Welt. Den Jongleurs und ihren Verstexten warf man vermehrt Unwahrhaftigkeit vor.38 Schon (1960, 27ss.) gibt mehrere Beispiele von damals zeitgenössischen Schreibern, in denen zum Ausdruck kommt, dass gereimte Werke eher Erfundenes ausdrücken, Prosa dagegen die Wahrheit. Allerdings war das Genre der Heldendichtung damit nicht einfach hinfällig, und auch die Versform konnte sich noch über einen gewissen Zeitraum hinweg halten, selbst in den ersten historischen Werken, den sogenannten Reimchroniken, die das Publikum aufgrund ihres Tatsachenberichts nicht mehr grundsätzlich ablehnte. Aus einer veränderten und kritischen Wahrnehmung der Heldendichtung heraus konnte sich neben der Reimchronik bald auch der historiographische Prosatext als wahrheitsgetreueres Abbild der Geschehnisse durchsetzen (cf. Schon 1960, 31). Der Realitätsbezug, der mit der Zeit nur noch der Prosa zugesprochen wurde, war ja gerade für die Historiographie von besonderer Bedeutung. Die Abgrenzung zur Fiktion zeigt sich hier vor allem durch Diskurselemente inhaltlicher Natur. Wie bereits im vorhergehenden Abschnitt erwähnt, ist ein Diskurstyp in der Regel durch spezifische Inhalte und eine spezifische Darstellungsweise der Inhalte geprägt. In dem neu entstandenen historiographischen Prosadiskurs finden wir nun eine (relativ) nüchterne Darstellung von kriegerischen Schlachten, die sich deutlich von der Darstellung des Kriegsgeschehens im Heldenepos abgrenzt. Es geht nicht mehr um einen Helden, der allein gegen Hunderte von Männern kämpft oder seinem Gegner die Augen aus dem Kopf schlägt. Der Krieger in den Kreuzzug-Chroniken ist bescheidener, die Darstellung von Kämpfen weniger drastisch. Es zeigt sich also, dass der neue in Prosa geführte Diskurs durch seine darstellerisch-inhaltlichen Bestandteile deutlich vom alten heldenepischen Diskurs abzugrenzen ist. Anders hingegen verhält es sich mit den Reimchroniken. Dort werden Kampfszenen, wie im Epos, immer wieder auf dieselbe Art, durch den Einsatz derselben oder semantisch ähnlicher Lexeme und Formulierungen auf recht drastische Weise beschrieben (cf. beispielsweise Formulierung V S. 51).39

38 Dieses Bewusstsein für den Wahrheitsgehalt von Sprache ist nur auf der Ebene des Textes – und nicht der Sprache im Allgemeinen – anzusiedeln (cf. Coseriu 2007, 52–53). Demnach ist also das Spiel mit fiktionaler oder realitätsgetreuer Darstellung von Sachverhalten ein weiteres spezifisches Merkmal von Diskursen bzw. in diachroner Perspektive ein Merkmal von Diskurstraditionen. 39 Die inhaltliche Darstellung in einem Diskurs kann also wie in der Prosa ohne Vorgabe sein, i.e. die Inhalte können frei beschrieben werden und unabhängig von einer im Vorhinein be-

1.3 Die Methode: Der diskurstraditionelle Zugang zu historischer Syntax

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Das anfängliche Nebeneinander von Epos und Chronik führte dazu, dass die frühe Prosa «stilistische Gewohnheiten und Formeln aus dem Epos übernahm» (Schon 1960, 143). Schon kann zeigen, dass sich entsprechende Gewohnheiten in mannigfaltiger Weise in den ersten Prosachroniken finden lassen, was als Indiz für die Fortführung heldenepischer Diskurselemente über die Grenzen der Gattung des Verstextes hinaus angesehen werden kann. Neben inhaltlichen und eventuell lexikalisch geprägten Merkmalen sind also weiterhin Charakteristika in den neuen Diskurstyp eingeflossen, die auf rein formaler Ebene liegen. Sie betreffen ausschließlich nicht-inhaltliche Aspekte des Diskurses (sind aber teilweise ebenfalls an den lexikalischen Bereich gekoppelt). Schon nennt u. a. die Dopplung synonymer Ausdrücke, das häufige Anknüpfen durch Konjunktionen, die «Beibehaltung der direkten Rede, die Situationen veranschaulichend oder Probleme klärend, eingeschoben wird» (139), die Technik der Formeleinstreuung oder die Wiederholung von einzelnen Sätzen oder Satzgliedern. Bei den Wiederholungen handle es sich nicht selten um «nicht mehr ganz dem Sprachgebrauch der Zeit» entsprechende Elemente, «die aber durch ihre häufige Verwendung im Epos sakrosankt geworden» seien (139). All diese Gewohnheiten sind ein typisches Merkmal des mündlichen Vortrags und Kennzeichen des erzählten Epos: «Für den Hörer ist das Wieder-Hören, das Verknüpfen durch wörtliche Wiederholungen, das Einprägen und Verstehen eines Begriffs durch Synonymendoppelung, das Verbinden der Sätze durch anknüpfende Konjunktionen oder durch Wiederaufnahme eines einzelnen Wortes aus dem vorhergehenden Satz von besonderer Bedeutung» (Schon 1960, 42). Es ist anzunehmen, dass diese Stilistika deshalb übernommen wurden, da zu der Zeit, als die ersten Chroniken in der Volkssprache entstanden, der Höhepunkt der Epenproduktion erreicht war und sich die vermutlich recht weit verbreiteten Schreibmuster der Heldendichtung in den Schreibstätten etabliert hatten. Schon (1960, 142) vermutet, dass die Schreiber der ersten Prosatexte notwendigerweise auf diesen Vorrat gängiger Schreibgewohnheiten zurückgriffen. Allerdings ist an dieser Stelle zu ergänzen, dass sich trotz dieses Rückgriffs auch deutliche Differenzen zum Epos abzeichnen, da die Prosachroniken höchstwahrscheinlich auch dem Einfluss lateinischer Prosaschriften unterlagen. Vorbildtexte waren vermutlich die spätlateinischen Kreuzzugchroniken, die etwa hundert Jahre vor den altfranzösischen Texten entstanden. Sie wurden noch in lateinischer Sprache verfasst, da für die Historiographie bis dahin das Latein  

stimmten lexikalisch definierten Form. Allerdings kann sich der Autor, wie im Fall der Reimchroniken, bei seiner Beschreibung auch spezifischer Lexeme bedienen und dem immer wiederkehrenden Inhalt auf diese Weise eine immer wiederkehrende äußere Gestalt geben. In diesem Fall ist das diskurstraditionelle Element nicht mehr nur inhaltlicher Art, sondern betrifft auch den lexikalischen Bereich.

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1 Grundlagen

vorbehalten war.40 Schon stellt dar, dass verschiedene Übereinstimmungen zwischen den lateinischen und altfranzösischen Chroniken vorliegen, wie etwa die Tendenz zur Satzverknüpfung durch Konjunktionen, bei der es sich wohl um ein Stilmittel handelt, «das zwar auch schon im klassischen Latein vorhanden ist, das aber in seiner außergewöhnlich häufigen Anwendung vor allem in der Chronik des Anonymus von der Volkssprache beeinflußt worden ist» (Schon 1960, 133). Als weiteres Merkmal eines lateinischen Textes nennt er «das Auflösen des Geschehnisberichts in fingierte Dialoge», ein Stilmittel, das schon in der Antike verwendet wurde, oder die Synonymendoppelung, die – wie bereits gesagt – auch in den altfranzösischen Epen ein beliebtes Stilmittel war. Es zeigt sich also, dass gewisse Textelemente sowohl auf lateinische als auch auf altfranzösisch-epische Diskurse zurückgeführt werden können bzw. dass es sich um diskursübergreifende Techniken des Erzählens handelt. Schlussfolgernd kann nun Folgendes gesagt werden: Dem heldenepischen Diskurs sind nicht nur die zunächst mündlich und ab dem 11. Jahrhundert auch schriftlich fixierten Chansons de Geste zuzuschreiben (cf. Koch/Oesterreicher 2011, 143), sondern auch die ersten in der Volkssprache geschriebenen Reimchroniken. Diese Textsorte unterscheidet sich zwar von den Heldengedichten, weil es sich um eine erste Form historiographischer Berichterstattung handelt. Dennoch zeigen viele in ihr enthaltene Merkmale (Form, Stil, inhaltliche Darstellung etc.), dass der damals durch das Epos etablierte und verbreitete Diskurs beibehalten wurde. Selbst in den ersten Prosachroniken treten typische Eigenschaften des heldenepischen Diskurses auf (teilweise die Form, aber nicht mehr die inhaltliche Darstellung). Im Fall der Prosachroniken scheinen die heldenepischen Diskurselemente allerdings mit Elementen lateinischer historiographischer Diskurse gepaart worden zu sein. Demnach kommen in dieser Textsorte verschiedene Diskurstraditionen zusammen, die letztlich einen neuen Diskurstyp zum Vorschein bringen, der dann wieder eine neue und veränderte Tradition ausbildet. Kommen wir wieder zurück auf die eingangs formulierte Frage, welches Potential die Berücksichtigung von Diskurstraditionen für syntaktische Fragestellungen bietet. Mir scheinen die Ergebnisse von Schon (1960) vor allem deshalb für eine syntaktische Untersuchung interessant, da die Übernahme vertrauter

40 Bei den von Schon (1960, 130ss.) herangezogenen spätlateinischen Chroniken handelt es sich u. a. um die Gesta Francorum et aliorum Hierosolomitanorum (verfasst von einem Anonymus in einem der Volkssprache benachbarten Latein), um die Chronik von Tubebode (bereits eine Kopie, die zwischen 1102 und 1111 entstand) und um die Chronik von Raymond d’Agiles oder d’Aguilers (ein «Canonicus von Puy, der den Grafen von Toulouse, Faymond de Saint-Gille, auf den ersten Kreuzzug begleitet hatte und dessen Heldentaten in einem sehr einfachen und ziemlich ungeschickten Latein beschrieb» [Schon 1960, 130]).  

1.3 Die Methode: Der diskurstraditionelle Zugang zu historischer Syntax

41

Schreibgewohnheiten eines älteren heldenepischen Diskurses in einen neuen historiographischen Diskurs theoretisch auch die Übernahme älterer oder eposspezifischer syntaktischer Strukturen mit sich bringen kann. Einzelne Verbstellungsstrukturen könnten an Diskurselemente gekoppelt sein, die aus der Heldenepik stammen und in den Chroniken übernommen wurden. Insbesondere diejenigen Strukturen, die keine V2-Syntax aufweisen und deshalb in der Forschung immer wieder Fragen aufwerfen (cf. Einleitung), könnten über den diskurstraditionellen Kanal «importiert» worden sein. Dies würde bedeuten, dass sie entweder nur in einzelnen Diskurstraditionen auftreten und nicht im altfranzösischen Sprachsystem verankert waren oder sich allmählich in mehreren Diskursen ausbreiteten und so Eingang in das Sprachsystem fanden (cf. 2.3.8).41 Man kann also entweder die Frage stellen, welche syntaktischen Strukturen im Altfranzösischen (zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert) tatsächlich verwendet wurden: V2Stellung und parallel hierzu Nicht-V2-Stellung (Verb-Erst- und Verb-End-Stellung)? Oder man formuliert diese Frage anders und untersucht, welche Strukturen damals nicht verwendet wurden und nur deshalb in den Texten auftreten, weil sie einen Teil veralteter Diskurstraditionen ausmachen. Eine Grundlage zur Beantwortung dieser Fragen liefert das gewählte Textkorpus (cf. 1.2). Es bietet die Möglichkeit, beide Fragen zu beantworten. Sowohl sprachsystematische als auch diskurstraditionelle Entwicklungen können anhand des Korpus berücksichtigt werden, da es, wie bereits geschildert, einerseits Texte aus 2–3 Jahrhunderten beinhaltet und so den Blick in die Diachronie sprachlicher Symptome zulässt, und da es andererseits drei verschiedene Textsorten enthält (Epos, Reim- und Prosachronik), die – zu unterschiedlichen Graden – epische Diskurselemente aufgreifen, die Diskurstradition des Heldenepos also gewissermaßen fortführen und weiterentwickeln und schließlich in eine neue Tradition übergehen lassen (oder Teile davon mit einer anderen Diskurstradition verbinden).42

41 Dass ein einzelner Diskurs (bzw. Text) nicht konform mit der Grammatik der Einzelsprache sein muss, in der er verfasst ist, zeigt bereits Coseriu anhand eines italienischen Kinderlieds, das Laute enthält, die das italienische Phoneminventar nicht kennt (2007, 50–52, cf. auch 56–57). Etwas grammatisch Inkorrektes kann innerhalb eines Diskurses also oftmals angemessen sein. «Der Text kann Regeln der Einzelsprache aufheben, die dann in diesem besonderen Text nicht gelten, und zwar [...] schlicht wegen der traditionellen Gestaltung des betreffenden Textes [...]» (50). 42 Auch Gleßgen (2005) hält diese doppelte Herangehensweise für die historische Sprachwissenschaft für unerlässlich und sieht die Diskurstraditionen und Diskurstypen deshalb als die relevanten Beobachtungsgrößen an: «Zur Deutung der sprachlichen Daten in den Textsorten stehen zwei (komplementäre) Wege bereit: Einmal die Einbindung in den diachronen [...] Sprachvergleich; zum andern den wechselseitigen Vergleich der historischen Textsorten einer Epoche, der ihre sprachinternen Übereinstimmungen und Unterschiede herausstellt» (221).

42

1 Grundlagen

1.4 Die Datengrundlage: Formulierungen mittelalterlicher Texte In den vorhergehenden Abschnitten wurde erörtert, welche sprachlichen Elemente typischerweise Bestandteil einer Diskurstradition sind. Wie bereits geschildert, zählen zu diesen Elementen bestimmte Techniken des Schreibens, besondere Stilmittel oder spezifische Ausdrucksformen. Im Hinblick auf die Texte des Mittelalters konnte ich anhand der Untersuchungsergebnisse von Schon (1960) bereits deutlich machen, dass diese Texte durch ein großes Repertoire an sich wiederholenden Phrasen bzw. Formulierungsgewohnheiten geprägt sind. Es handelt sich hierbei um vollständige Sätze oder auch nur Satzteile, die die Schreiber im Mittelalter immer wieder in ähnlicher oder sogar identischer Weise verwendeten und vielfach in ihren Texten reproduzierten. Diese Reproduktion war ein Mittel, die Kohäsion eines Textes herzustellen. Sowohl die altfranzösischen Heldenepen als auch die Reim- und Prosachroniken – aber auch die hier nicht analysierten Prosaromane oder Bibeltexte – zeichnen sich durch diese Art von «Textbausteinen» aus. Viele dieser «Bausteine» enthalten als ihren Kern eine oder mehrere Kollokationen (z. B. (tres)passer + nuit in Formulierung I), was allerdings nicht bedeuten soll, dass wir es hier ausschließlich mit Kollokationen zu tun haben.43 Der Kollokationsbegriff birgt bis heute eine große Bandbreite an Definitionsmöglichkeiten, die sich aufgrund der Vielfalt an Kollokationstheorien zwangsläufig ergibt.44 Definiert wurden Kollokationen als charakteristische, häufig auftretende, usuell gebrauchte (syntaktisch fixierte) Verbindungen von zwei Wörtern, zwischen denen eine Affinität besteht und «deren Miteinandervorkommen auf einer Regelhaftigkeit gegenseitiger Erwartbarkeit beruht» (Bußmann 1990, cf. auch Hausmann 1977).45 Die hier gemeinten Sätze oder Satzteile entsprechen der grundlegenden Definition einer Kollokation nicht in jedem Fall, oder sie gehen über diese hinaus. Zwar müssen Kriterien, wie der postulierte usuelle Gebrauch und die Frequenz auch im vorliegenden Fall gegeben sein,46 aber weitere vorgeschlagene Merkmale, wie die  

43 Zu altfranzösischen Kollokationen cf. Bischof (2007). Theoretisch könnten auch fixierte Wortverbindungen (idiomatische Wendungen bzw. Phraseologismen) diesen «Kern» bilden, was sich auf der Grundlage meiner Daten allerdings nicht zeigen lässt. 44 Eine allgemein akzeptierte und komplette Definition oder Beschreibung für Kollokationen scheint es nicht zu geben. Ein umfassender Überblick und eine Diskussion verschiedener Kollokationstheorien und einzelner Ansätze findet sich u. a. bei Bischof (2007). Bischof diskutiert die Anfänge des Kollokationsbegriffs innerhalb der Romanistik sowie die Verwendung des Begriffs innerhalb der Textlinguistik, der Generativen Grammatik, der Kognitiven Linguistik und der Pragmatik. 45 Diese Definition kann nicht als vollständig angesehen werden (cf. zu einer umfassenderen Definition Bischof 2007, 91–92). Allerdings ist sie für unsere Zwecke ausreichend.  

1.4 Die Datengrundlage: Formulierungen mittelalterlicher Texte

43

Affinität der Elemente oder ihr binärer Charakter (cf. Hausmann 1979, 191, 2004; Bischof 2007, 37) können in unserem Fall nicht immer nachgewiesen werden. Besonders relevant für eine Abgrenzung ist die Tatsache, dass es Sätze oder Satzteile gibt, die entweder überhaupt keine Kollokationen beinhalten (cf. die Formulierungen 6 oder 8) oder neben einem Kollokator und seiner Basis weitere Elemente fixiert haben und also größer und umfassender als eine Kollokation sind. Im Folgenden werde ich deshalb nicht von Kollokationen sprechen. Ich schlage vor, den Begriff der «Formulierung» zu verwenden, der mir in diesem Kontext angemessen erscheint, insofern es sich bei den Sätzen oder Satzteilen um Mehrwortkombinationen handelt, die man – über die Kollokation hinausgehend oder ohne diese zu berühren – durch ihre Wiederholung in eine relativ starre sprachliche Form gebracht hat, und die also zu feststehenden, habitualisierten Wendungen wurden. Allerdings handelt es sich nicht um Formulierungen in einem engen Begriffsverständnis, das sich ursprünglich auf fixierte Redensarten in der Rechtssprache beschränkte, wie Gesetzesformeln, Eidesformeln oder Schwurformeln (von lat. forma (Gesetz, Bestimmung); cf. Kluge 2002).47 Zur Definition des hier vorgeschlagenen weiter gefassten Verständnisses von «Formulierung» sollen zunächst drei Parameter berücksichtigt werden: a) die Verankerung der Formulierung im Sprachsystem, b) ihre Verwendung im allgemeinen Sprachgebrauch (also in sehr vielen verschiedenen etablierten Diskursen einer Sprache) und c) ihre Frequenz im jeweiligen Einzelfall (i.e. innerhalb eines oder mehrerer Diskurse). Alle drei Parameter spielen zusammen und können zu einer graduellen Differenzierung von verschiedenen Formulierungstypen beitragen. Der Typ mit dem geringsten Grad an Formelhaftigkeit ist eine Mehrwortkombination, die Teil des allgemeinen Sprachgebrauchs und damit natürlich auch sprachsystematisch verankert ist. Das bedeutet, dass ihr Vokabular und ihre Grammatik konform mit dem Sprachsystem sind und sie in sehr vielen verschiedenen Diskursen auftritt. Im Prinzip erfüllt fast jeder in einer Sprache verwendete Satz diese Bedingungen, weshalb man noch nicht von einer

46 Unter «usuell» wird verstanden, dass Kollokationen nicht an einer Bezugsgröße, wie einem einzelnen Text, festgemacht werden dürfen (cf. Bischof 2007, 49). Innerhalb von textlinguistischen Ansätzen wurde allerdings genau dies versucht und vorgeschlagen, im Fall von Wortkombinationen, die zur lexikalischen Kohäsion eines Textes beitragen, von Kollokationen zu sprechen (cf. M. A. K. Halliday/R. Hasan 1976, 284ss.). 47 Eine solche formelhafte Wendung der altfranzösischen Rechts- bzw. Urkundensprache wäre z. B. der immer am Ende der Urkunde auftretende Schwur: En temognage de veritei ces latres furet fates en l’an ke li miliares corroit par ... ans on moix de ... (z. B. in der Urkunde von 1263, aus der Region Meurthe-et-Moselle [entnommen aus dem Zürcher Korpus Les plus anciens documents linguistique de la France von J. Monfrin und M. Glessgen, 2009]).  



44

1 Grundlagen

Formulierung sprechen kann. Den formulierungsbildenden Charakter bekommt er erst durch seine Frequenz innerhalb eines bestimmten Diskurses. Nur wenn er häufig wiederholt wird und diese Wiederholung Bestandteil von mehreren Texten eines Diskurses ist, wird er charakteristisch für diesen. Ein Satz wie «Als es dunkel wurde ...» hat an und für sich nichts Formelhaftes. Würde er allerdings in Texten eines Diskurses, wie z. B. in Gruselgeschichten, immer wieder auf dieselbe Weise mehrfach im Text wiederholt werden, wäre er durchaus ein stereotypes Merkmal dieses Typs von Geschichte. Natürlich können auch mehrere Diskurse betroffen sein, in denen die Frequenz des Satzes besonders hoch ist. Allerdings wird es immer Diskurse geben, die nicht tangiert werden: Dies ergibt sich allein durch ihre große Vielfalt.48 Als ein zweiter Typ können Phrasen beschrieben werden, die in ihrer Gestalt (Wahl der Lexeme, Wahl einer spezifischen Syntax etc.) nur in wenigen Diskursen verwendet werden und somit nicht im allgemeinen Sprachgebrauch etabliert sind. Auf lexikalischer und grammatischer Ebene sind sie aber ebenfalls konform mit dem Sprachsystem. Sie entsprechen also dem System, aber nicht der Norm. Der Einsatz bestimmter Wörter oder einer bestimmten Satzstruktur innerhalb eines Diskurses kann hier bereits zum Diskurszugehörigkeitsmerkmal der Phrase beitragen. Der Satz «Als es dunkel wurde ...» scheint für den deutschen Muttersprachler wesentlich unspezifischer, als die Variante «Die Nacht bricht herein ...», die in der Regel sofort auf distanzsprachlich-erzählende Diskurse eingegrenzt wird. Noch spezifischer scheint der syntaktisch umgestellte Fall «Es bricht herein die Nacht», der sicherlich nur als charakteristisch für erzählende gebundene Diskurse (Gedichte, Verstexte) angesehen wird. Zur Formulierung wird die Phrase, wenn sie häufig Anwendung findet. Dies kann entweder über einen langen Zeitraum hinweg geschehen, wie etwa im Fall des formelhaften Beginns von Märchen «Es war einmal ...» oder ebenfalls durch ihr mehrfaches Wiederholen in einem Text. Ein potentieller dritter Typ könnte sich dadurch auszeichnen, dass er nicht im allgemeinen Sprachgebrauch Anwendung findet und seine Elemente auch nicht im Sprachsystem verankert sind. Dies kann auf Phrasen zutreffen, die ein nicht mehr bekanntes Vokabular beinhalten. Ob auch die Syntax ein solches Element ohne sprachsystematische Verankerung darstellen kann (wie von mir in 1.3 bereits hypothetisch formuliert), werde ich im Verlauf dieser Arbeit noch diskutieren. Der stereotype Charakter dieses Typs ist in jedem Fall besonders hoch, da seine veralteten Bestandteile in der Regel ein eindeutiges Kennzeichen für  

48 So wird z. B. in erzählenden Diskursen (Briefen, Romanen, Märchen, Tagebüchern etc.) auf Phrasen wie «Am nächsten Tag...», «Als es dunkel wurde» etc. zurückgegriffen, die in nichterzählenden Diskursen (Verträge, Urkunden, Sachbücher etc.) kaum auftreten werden.  

1.4 Die Datengrundlage: Formulierungen mittelalterlicher Texte

45

sehr spezifische Diskurse darstellen. Aber auch in diesem Fall muss das Kriterium der Frequenz gegeben sein, um von einer Formulierung sprechen zu können. Die nun getroffene graduelle Differenzierung scheint im Hinblick auf alte Texte und Diskurstraditionen natürlich schwer zu bestimmen. Aus heutiger Perspektive kann nicht mehr nachvollzogen werden, ob eine spezifische Phrase im allgemeinen Sprachgebrauch geläufig war, denn dazu fehlt die Bandbreite an Texten, die die vielen verschiedenen Diskurse des Sprachgebrauchs abdecken könnte. Dennoch kann anhand des Kriteriums der Frequenz und anhand der Verschiedenheit der hier diskutierten Texte der Versuch gemacht werden, eine Abstufung vorzunehmen und verschiedene Formulierungstypen zu identifizieren. Generell wurden Formulierungen von den Schreibern der hier besprochenen Texte meist nur zwischen fünf- und 40-mal in einem Text wiederholt. Eine einzelne Phrase für sich stellt also nicht zwangsläufig ein besonders charakteristisches Textmerkmal dar, wenn man bedenkt, dass ein Text mehrere hundert oder tausend Sätze enthielt. Da sich im Rahmen einer Voruntersuchung zur vorliegenden Arbeit aber zeigt, dass die Autoren damals eine ganze Palette an Formulierungen in ihren Texten verwendeten, ergibt also die Gesamtsumme eine beträchtliche Anzahl stereotyper Sätze, die dem Text letztlich eine charakteristische Form verleiht. Diese Sätze wurden über die Zeit hinweg weitergegeben, weshalb in Anlehnung an den Begriff der «Diskurstraditionen» in einer diachronen Perspektive auch von «Formulierungstraditionen» die Rede sein muss. Die Bestandteile einer Formulierung können anhand ihrer syntaktischen Funktionen und ihrer Positionen im Satz beschrieben werden und anhand der lexikalischen oder teilweise auch nur semantischen Spezifiziertheit dieser Positionen. Sofern jede vorhandene Position im Satz lexikalisch «gefüllt» ist, entspricht die Formulierung einer Reihe exakt identischer Sätze. Es zeigte sich, dass Formulierungstraditionen dazu verwendet wurden, Ausschnitte des Handlungsgeschehens darzustellen. Dies lässt sich anhand der folgenden Beispiele illustrieren. In (I) beschreibt der Erzähler, wie sich der Wechsel von Tag und Nacht vollzieht. I.

[SCHWINDEN/ERSCHEINEN (Verb)] [der Tag/die Nacht (Subjekt)] ([der Tag/die Nacht/... (Subjekt)] [SCHWINDEN/ERSCHEINEN (Verb)])

Diese Formulierung enthält verschiedene Kollokationen, die semantisch benachbart sind ([tres]passer + jurs, tresaler + jurs, decliner + jurs, apareistre + jurs etc. bzw. [tres]passer + nuit, tresaller + nuit etc.) und ist auf lexikalischer Ebene also variabel, da verschiedene Lexeme für das Erscheinen oder Vergehen des Tages bzw. der Nacht herangezogen wurden (tresaler, passer, trespasser etc. [schwin-

46

1 Grundlagen

den, zeitlich vorbeigehen], approchier, apareistre, (re)venir etc. [nähern, erscheinen, kommen etc.]) und zum Teil auch benachbarte Konzepte, wie der Abend (vespree, soir) beschrieben werden:49 Roland

Tresvait le jur, la noit est aserie. (717, Rol) Passet li jurz, la noit est aserie; (3658, Rol) Passet li jurz, la nuit est aserie. (3991, Rol) Tresvait la noit e apert la clere albe. (737, Rol) Passet la noit, si apert le cler jor. (3675, Rol) Passet li jurz, si turnet a la vespree. (3560, Rol)

Saisnes

La nuiz va aprochant, si declina le jor. (7347, Sais) La nuiz est trespassee, si aparut li jors: (7450, Sais)

Antioche

Or est la nuis venue et li jors trespassés, (4662, Antio) Ja est li nuis venue et li jors est alés. (9196, Antio) La nuis est revenue, li jors prist a passer. (4471, Antio) Li jors est trespassés, si revint li vespree. (4660, Antio) Li jors est aparus et prist a esclairier. (4722, Antio)

Jerusalem

Or est li nuis venue, li jors est trespassés. (2519, Jer) Li jors est trespassés, li nuis est accomplie: (1368, Jer) Li nuis est revenue, li jors est trespassés. (1567, Jer) Li nuis est trespassee, li jors vient a bandon. (1795, Jer) Li jors est trespassés, li soirs fu aseris: (2396, Jer) ...

Beispiel (IIa) dient der Beschreibung der Schlacht und erhält den stereotypen Charakter durch die Wiederholung immer gleicher Attribute. Im Rolandslied heißt es ... est merveilluse e ..., in den späteren Verstexten wird das Attribut merveill(e) use weitestgehend durch grans ersetzt: II.

[Die Schlacht (Subjekt)] [gewaltig und X sein (Prädikat: Kopula + prädikatives Adjektiv)].

49 Die Tatsache, dass in den Beispielen teilweise nicht der Rektus, sondern die oblique Kasusform angegeben ist (le jur oder le jor anstatt li jurz oder li jors), ändert nichts an der Tatsache, dass es sich bei «der Tag» immer um das Subjekt handelt. Die syntaktische Struktur wird nicht verändert, die Formulierung enthält stets jeweils die Tageszeiten als Subjekt. Die einzige Ausnahme stellt si turnet a la vespree dar, in der la vespree nicht die Subjekt- sondern eine AdverbialPosition füllt. Der falsche Kasusgebrauch ist darauf zurückzuführen, dass die zwei Formen im Maskulinum nicht immer einheitlich und systematisch in den Texten angewendet wurden.

1.4 Die Datengrundlage: Formulierungen mittelalterlicher Texte

47

Ob es sich bei bataille + estre merveilleuse um eine Kollokation handelt, ist vor allem in Bezug auf das Kriterium der Frequenz fragwürdig, da die Kombination der zwei Lexeme nur im Rolandslied wiederholt auftritt. IIa. Roland

La bataille est merveilluse e cumune. (1320, Rol) La bataille est merveilleuse e pesant; (1412, Rol) La bataille est e merveillose e grant. (1653, Rol) La (la) b[at]aille est m[erv]eilluse e hastive. (1661, Rol) La bataille est merveilluse e pesant: (3381, Rol) La bataille est de merveillus destreit. (3420, Rol)

Saisnes

Mout fu grans la bataille [...] (3808 AR, Sais) Mout fu grans la bataille, [...] (3828 AR, Sais) Grans i fu la bataille et [...] (3935 AR, Sais)

Jerusalem

Molt fu grans la bataille [...] (85, Jer) Molt fu grans la bataille [...] (8503, Jer) Molt fu grans la bataille [...] (8638, Jer) Moult fu grans la bataille et mervillouse et dure. (9149, Jer) Moult fu grans li estors et la bataille amere (9163, Jer) Moult fu fors la bataille et [...] (9223, Jer)

Antioche

Molt fu grans la bataille et [...] (1518, Antio) Molt fu grans la bataille, [...] (3712, Antio) Molt fu grans la bataille et [...] (8893, Antio) Molt fu grans la bataille et fors et aduree. (9027, Antio)

Vergleichbar ist auch Beispiel (IIb), durch das immer wieder auf den Lärm und das Getöse der Schlacht oder der Kämpfer aufmerksam gemacht wird. Im Rolandslied und in den anderen Texten besteht nur die Partie (molt) granz est/fu la noise (und syntaktische Varianten) als fester Formulierungskern (also möglicherweise die Kollokation granz estre + noise50). Es ist also lediglich der erste Teil der Formulierung lexikalisch spezifiziert. Im zweiten Teil tritt vereinzelt die Genitivergänzung de la gent, des Sarrazins, de le paiene gent als wiederholte Form auf (unterstrichen).51

50 Dieser Typ einer altfranzösischen Kollokation wurde bislang meines Wissens nicht untersucht. Es wäre zu überlegen, ob der Kollokator hier tatsachlich granz estre ist oder möglicherweise nur granz. Für letztere Annahme sprechen die Beispiele aus dem Valenciennes, da hier nicht estre, sondern ester verwendet wurde. 51 Im Fall von (IIa) und (IIb) handelt es sich in den späten Verstexten um spezifisch altfranzösische V2-Hauptsatz-Konstruktionen, in denen das Adjektiv durch das Adverb verstärkt wird (aus-

48

1 Grundlagen

IIb. Roland

Granz est la noise, [...]. (1005, Rol) Grant est la noise [...]. (1455, Rol) Grant est la noise de [...]. (2151, Rol)

Saisnes

Mout i fu granz la noise qant [...] (2347, Sais)

Jerusalem

Molt fu grande la noise de la gent desfaee. (558, Jer) Molt fu grande la noise de la jent mescreüe. (5636, Jer) Molt fu grande la noise de la gent mescreant, (8226, Jer) Molt fu grande la noise des Sarrasins felons. (8195, Jer) Moult fu grande la noise quant [...] (9044, Jer) Moult fu grande la noise quant [...] (9079, Jer)

Antioche

Molt par fu grans la noise [...]; (3734, Antio) Molt fu grande la noise et [...]. (6309, Antio) Molt fu grande li noise de le paiene gent. (5288, Antio)

Clari

Aprés [...] le noise fu molt grans [...]; (22, 13, Cla)

Valenciennes La noise i estoit si grans [...] (562, Val) Molt i estoit grans [...] la noise. (677, Val)

Das nächste Beispiel stellt eine Formulierung dar, die den beginnenden Tag beschreibt. Sie beginnt im Rolandslied mit dem Verbgefüge clers est/fu, also mit einem prädikativen Adjektiv und einer finiten Verbform, der das Subjekt li jurz nachgestellt ist. Es folgt ein weiteres Subjekt, soleil, und ein weiteres prädikatives Adjektiv, das lexikalisch entweder durch luisanz oder bels spezifiziert wird: III. [hell sein (Verbgefüge: prädikatives Adj + finites Verb)] [der Tag (Subjekt)] ([die Sonne (Subjekt)] [glänzend (prädikatives Adj)]) Die Formulierung enthält demnach vermutlich drei verschiedene Kollokationen, die zwei semantischen Typen zuzuordnen sind: cler estre + jurz und bel estre + jurz neben luisanz estre + soleil. In den späteren Texten existiert die Formulierung mit den gleichen Lexemen. Hinzu kommt das Verb ester, das im Valenciennes an

schließlich in Kombination mit den Modalverben estre und avoir). Das Besondere an diesen Strukturen ist, dass das Adverb und das Adjektiv nicht adjazent zueinander stehen müssen, wie es in den modernen V2-Sprachen (oder auch S-V-O-Sprachen) der Fall ist (zu diesen Konstruktionen cf. 2.1.3).

1.4 Die Datengrundlage: Formulierungen mittelalterlicher Texte

49

die Stelle von estre tritt sowie weitere Verben und Adjektive, die das Strahlen oder Scheinen der Sonne beschreiben (luisant, resbaudis, rajer). In den Prosatexten wird die Formulierung allerdings verkürzt und stellt nur noch die Beschreibung des Tags dar. Roland

Clers est li jurz e li soleilz luisant. (2646, Rol) Clers fut il jurz e li soleil luisanz (3345, Rol) Clers fut li jurz e bels fut li soleiz (1002, Rol)

Jerusalem

Li jors fu bels et clers et li solaus luisans. (2231, Jer) Li jors fu bels et clers, li solaus resbaudis. (2984, Jer) Li jors fu bels et clers, li solaus raia cals. (3547, Jer) Li jors fu bels et clers et li solaus raia (3559, Jer) Li jors fu bels et clers, molt fist bel et serain (1868, Jer) Li jors fu bels et clers, [...] (4674, Jer)

Villehardouin Et al matin fist mult bel jor et mult cler, (78, Vil) Et li jors fu bels et clers, et [...] (119, Vil) Valenciennes Li jours estoit biaus, et [...] (519, Val) Li jors estoit biaus et [...] (526, Val) Li jours estoit si biaus [...] (536, Val)

Beispiel (IV) wurde für die Beschreibung der Szene eingesetzt, in der man die verschiedenen Instrumente des Kriegsheeres ertönen ließ: IV. [X (Subjekt, Adverb, Adverbiale)] [lassen (Verb)] [ertönen (Infinitiv)] [INSTRUMENT (Objekt)] Den «Kern» bildet faire soner cors/buisines/grailles/etc., also eine Gruppe von Kollokationen, die demselben semantischen Typ angehören: faire soner + cors, faire soner + buisines etc. Lexikalisch eindeutig festgelegt ist hier nur die direkte Aufeinanderfolge des Verbs und des Infinitivs: faire soner. Das Objekt ist semantisch spezifiziert, indem es immer ein Instrument darstellt. Lexikalisch wurde es durch cors (Hörner), buisines (Trompeten), grailles (Trompeten oder Kornett-ähnliche Instrumente) taburs (Trommeln), tinbres (Trommeln) etc. realisiert. Am Beginn der Phrase befindet sich häufig eine Adverbiale, das Adverb lors oder dont, oder das Subjekt il oder chascuns, wobei vereinzelt auch andere Lexeme verwendet wurden. Roland

Si fait suner ses cors e ses buisines, (1468, Rol) Par mi cel ost funt mil grailles suner; (700, Rol)

50

1 Grundlagen

Par tute l’ost funt lur taburs suner, / E cez buisines e cez greisles mult cler: (3137–3138, Rol) En Sarraguce fait suner ses taburs; (852, Rol) Saisnes

Lors fist soner un graille sanz nule arestison (6445 LT, Sais) il fait sonner ses graisles, (2740 AR, Sais) il fait soner ses graisles, (2482 LT, Sais) Chascuns de sa partie fist un graille soner. (5093 LT, Sais) Et fist soner .C. graisles [...] (4818 LT, Sais)

Jerusalem

Lors fist soner son tinbre [...] (658, Jer) Lors font soner .X. tinbres et .I. cor de laiton. (1791, Jer) Lors fait soner .I. graille, (5772, Jer) Lors font soner lor grailles [...] (8401, Jer) Lors fait soner .I. graille [...] (8568, Jer) Lors font soner .M. grailles et .M. cors de laiton: (6245, Jer) Tant font sonner de grailles [...] (9250, Jer) Dont font soner lor grailles, (3008, Jer) Dont fu li maistre cors a l’estandart sonés – (9045, Jer) Dedens Jherusalem [...] / Ont fait soner .II. grailles et .I. cor de laiton, (9772– 9773, Jer) Sus en la Tor Davi fist .I. graille soner. (5675, Jer) .M. grailles font soner [...] (2225, Jer) .I. graille fist soner. (3969, Jer) Corbadas se leva [...] / Et fait soner .I. tinbre, (2926–2927, Jer) Paien et Sarrasin font sonner lor apiel, [...] (9145, Jer) Et Cornumarans fist .IIII. grailles soner, (2969, Jer) Li vesques de Mautran fist .II. grailles soner, (8125, Jer) Il font soner les grailles [...] (4532, Jer) ll fait soner son tinbre et en graille et en gros. (660, Jer)

Antioche

Dont fait soner .I. graille, (2384, Antio) Dont fait soner ses grailles tot entor le donjon, (2856, Antio) Lors fait soner ses grailles, (5433, Antio) Lors fait soner ses grailles et ses tabors tinbrer. (5450, Antio) Ains fait soner .I. graille, (3374, Antio) Ses grailles fait soner, (2426, Antio) Plus de .IIII.C. cors i fisent grailloier. (3204, Antio) [...] Et fait soner ses grailles, (2324, Antio) Crestiien font lor cors soner et grailloier, (4426, Antio)

Clari

si fisent sonner buisines d’argent et d’arain [...], et tabours et tymbres [...]. (41, 29, Cla) si faisoit ses buisines d’argent sonner et ses timbre, (74, 18, Cla) [...], et faisoit ses buisines d’argent sonner et ses timbres, (70, 11, Cla) [...], et faisoit sonner ses buisines d’argent et ses timbres et [...] (76, 20, Cla)

1.4 Die Datengrundlage: Formulierungen mittelalterlicher Texte

51

Das folgende Beispiel zeigt die stereotype Darstellung einer Kampfszene. Es wird formuliert, wie der Gegner eine besonders gute, große oder gefährliche Waffe (espiet, escut, lance etc.) mitten in den Körper, die Brust oder das Herz gestoßen bekommt: V.

[Seinen großen Speer / ... (Objekt)] [durch den Körper / ... (Präpos.objekt)] [stoßen / ... (Verb)]

Inwieweit es sich bei den Kombinationen bon + espiet oder bon + espiel um Kollokationen handelt, ist fraglich, da die Objekte (espiet, espiel) nicht häufig mit den entsprechenden Attributen auftreten. Roland

Sun grant espiet par mi le cors li mist (1248, Rol) Sun bon espiet enz el cors li enbat. (1266, Rol) Sun fort escut par mi le cors li mist, (1305, Rol) Sun bon espiet li me(n)t en la curaille, [...], par mi le cors li passet, (1270– 1271, Rol) Lor dous espiez enz el cors li unt frait, (1384, Rol) Par mi li piz sun espiet li mist fors (1947, Rol) Par mi le cors hot une lances [...] ferut. (2052, Rol) Par mi le cors nasfest de .IIII. espiez (2080, Rol)

Saisnes

Son espié li conduist par mi andeus les flans; (3944 AR, Sais) Le fer au penoncel li mist par mi le bu, (4068 AR, Sais) Par mi le gros dou piz son confenon li guie (3673 LT, Sais) Par mi le gros do piz son roit espié li guie, (4640 LT, Sais) Par mi le cors li guie son espié an botant. (2419 LT, Sais) Par mi le gros dou piz li met le confenon, (4604 LT, Sais) Par mi le cors li mist l’ansaigne baloiant, (4984 LT, Sais) Par mi le cors li met la baniere as langax: (6063 LT, Sais) Par mi le cors li met l’espié au fer turqois; (6137 LT, 403 R, Sais) Par mi le gros dou piz li fist l’espié glacier, (276 LT, 283 AR, Sais) Par mi le cors li passe son espié quifufrois; (403 R, Sais) Par mi les cors se metent les espiels vïenois. (3799 AR, Sais) Par mi le cors li met le bon espiel fresnain, (3839 AR, Sais) Par mi le gros dou cuer li conduist l’alemele, (3987 AR, Sais)

Jerusalem

Par mi le cors li guie son bon espiel trençant: (395, Jer) Par mi le gros del cuer li fist le fer baignier, (1666, Jer) Par mi le gros del cuer li mist l’espiel forbi, (3924, Jer)

Antioche

Par mi le gros del cuer son roit espiel li guïe, (8742, Antio) Par mi le gros del cuer li mist l’espiel trençant, (493, Antio) Par mi le cors li mist de l’ anste le quarrel, (1357, Antio) Par mi le gros del cuer li mist l’espiel fraisnin, (1388, Antio)

52

1 Grundlagen

Par mi le gros del cuer li mist l’espiel trançant, (1655, Antio) Par mi le gros del cuer mist de l’anste .I. tronçon; (1399, Antio) Par mi le gros del cuer li fait passer l’acier. (4728, Antio) Par mi le gros del cuer li mist l’espiel trençant, (8644, Antio) Par mi le gros del cuer fist fer et fust passer, (3537, Antio) Par mi le gros del pis li est l’anste passee, (9034, Antio)

Die bisher besprochenen Formulierungen erweisen sich aufgrund ihrer Frequenz als charakteristisch für die jeweils untersuchten Texte bzw. den ihnen zugrunde liegenden Diskurs. Dies wurde besonders durch Beispiele wie (IV) oder (V) deutlich. Ob diese Formulierungen in weiteren Diskurstraditionen häufig verwendet und wiederholt wurden oder sogar im allgemeinen Sprachgebrauch üblich waren, lässt sich heute nicht mehr sagen. Einerseits ist zu vermuten, dass sie auch ein Merkmal anderer erzählender Diskurse darstellten, was im Rahmen einer weiteren Untersuchung überprüft werden müsste. Andererseits deuten verschiedene syntaktische Veränderungen, die innerhalb der Formulierungstraditionen auftreten, darauf hin, dass es Fälle gibt, die nicht oder nicht mehr im allgemeinen Gebrauch waren oder diesem angepasst wurden. Zum Beispiel ist in (III) (Clers fut li jurz e ...) nur im Rolandslied eine Struktur mit initialem prädikativen Adjektiv und postverbalem Subjekt belegt. In allen anderen Texten wird sie durch eine SV-Adj-Syntax ersetzt (Li jors fu bels e clers ...).52 Auch in (I) (Tresvait le jur, la noit est aserie) ist nur im Rolandslied Verb-Erst-Stellung gegeben. In den anderen Verstexten wird sie von V2-Strukturen abgelöst (Li jors est trespassés, li soirs fu aseris) und zwar interessanterweise unter Beibehaltung der semantischen Rollenstruktur der Formulierung.53 Eine mögliche Ursache für die Wahl einer anderen Syntax bei den Schreibern der späten Texte könnte sein, dass ihnen die syntaktische Struktur veraltet vorkam und sie an eine allgemein üblichere angepasst wurde. Dieser Punkt wird bei der Analyse der Strukturen mit Verb-Erst-Stellung (im Folgenden V1) und Verb-Dritt- oder Verb-End-Stellung (im folgenden V>254)

52 Eine Ausnahme findet sich im Villehardouin, in dem die Formulierung in einem Fall mit der temporalen Adverbiale al matin beginnt und folglich eine AP-V-S-Struktur vorliegt. 53 Die semantische Struktur der Formulierung wird durch die syntaktische Umstellung nicht verändert, da die Agens-Rolle von li jurz, la noit etc. der Formulierung mit Verb-Erst-Stellung auch in der Formulierungsvariante mit V2-Stellung weiterhin erhalten bleibt und die RollenStruktur zwischen Agens und Prädikat somit weiter besteht. (Im Folgenden werde ich auf die Theorie der semantischen Rollen immer nur dann zurückgreifen, wenn durch sie deutlich gemacht werden kann, dass die Schreiber sich weder von den Inhalten noch vom Aufbau der inhaltlichen Beziehungen lösten, wohl aber von der mit diesen Inhalten verbundenen Syntax.) 54 Durch die Abkürzung «V>2» wird genau genommen nicht nur Verb-Dritt- oder Verb-EndStellung bezeichnet, sondern alle Stellungspositionen, bei denen das Verb in höherer als der zweiten Position liegt.

1.4 Die Datengrundlage: Formulierungen mittelalterlicher Texte

53

von zentraler Bedeutung sein, da gerade das Nicht-Tradieren der Syntax einer Formulierung Auskunft über die grammatische bzw. syntaktische Kompetenz der damaligen Schreiber gibt. Ich werde diese These am Ende dieses Abschnitts nochmals aufgreifen und in Kapitel 4 bzw. 4.1.3 dann ausführlich erläutern. Die bisher besprochenen Beispiele sind Formulierungen, die der inhaltlichen Beschreibung des Geschehens dienen. Daneben existieren stereotype Phrasen und Floskeln, die nicht auf den Inhalt abzielen, sondern die Erzählung strukturieren. (In der Regel enthalten diese Formulierungen keine Kollokationen oder aber die Kollokation ist nicht ausschlaggebend für den formelhaften Charakter.) Die folgende Formulierung dient ausschließlich dazu, eine Handlung einzuleiten: VI. [Bei diesen/jenen Worten (AP)] [X (Objekt)/(Adverb)] [X (Verb)] Stereotyp ist hier nur die Floskel A icez/icest/etc. mot (Bei diesen Worten), die sicherlich in vielen weiteren Diskursen verwendet wurde und somit also wahrscheinlich damals auch zum allgemeinen Sprachgebrauch zählte. Charakteristisch für den hier untersuchten Diskurs ist sie also wieder deshalb, da sie von den Autoren sehr häufig verwendet wurde.55 Roland

A icez mot li .XII. per s’alient (990, Rol) A icest mot si s’esbaldissent Franc, (1524, Rol) A icest mot tels .C. milie s’en vunt: (1911, Rol) A icest mot Franceis se fierent enz (1939, Rol) A icest mot sur son cheval se pasmet (1988, Rol) A icel mot l’un a l’altre ad clinet (2008, Rol) A icel mot est l’emperere muntet. (2457, Rol) A l’altre mot mult haltement s’escriet: (2597, Rol) A icest mot paien venent avant, (3379, Rol) A icest mot venuz i est dux Neimes (3621, Rol) A ces paroles vunt les oz ajustant. (1169, Rol) A icest mot sunt Franceis escriet. (1180, Rol) A icest mot se pasmet li marchis (2031, Rol) A icel mot l’at Rollant entendut; (2054, Rol) A icel mot est l’emperer muntet. (2457, Rol) a cel mot s’en turnerent. (2764, Rol)

55 Der Vergleich zwischen Prosa und Vers zeigt allerdings, dass einige syntaktische Strukturen in der Prosa nicht auftreten und vermutlich ein Spezifikum der Verstexte darstellen. In drei von vier Verstexten ist im vorliegenden Beispiel V2- und V>2-Stellung belegt, im Clari-Prosatext jedoch nur V2-Stellung. Man kann deshalb vermuten, dass die in den Verstexten verwendete Variante eher diskursspezifisch ist, die in den Prosatexten verwendete dagegen allgemein gebräuchlicher.

54

1 Grundlagen

Saisnes

Es les vous a ce mot en plorant departis; (1225 AR, 1168 LT, Sais) A cest mot, sanz plus dire, li uns l’autre desfie (3667 LT, Sais) A cest mot li uns l’autre par maltalant deifie, (1328 R, 7156 LT, Sais) A icest mot s’en tornent chevauchant lez a lez. (2386 AR, Sais) A cest mot s’en departent li message ambedoi, (2576 AR, Sais) A ce mot laissent corre par merveillus enchaus (2656 AR, Sais) A ce mot s’entrebaisent, n’i ot autre forfait (3196 AR, Sais) A cest mot s’antrebaisent et demoinent grant joie. (3859 LT, Sais) A cest mot a gardé an mi la praierie (3942 LT, Sais) A cet mot esperone, s’a sa voie acoilie; (4032 LT, Sais) A cest mot ont josté e t li nostre et li lor (4962 LT, Sais) A ce mot esperonne li quens Hües dou Mans, (3955 AR, Sais) A ce mot esperonne le bon destrier crenu, (4079 AR, Sais) A ce mot sont torné an la cité lou pas; (7235 LT, Sais) A ecest mot se batent an l’ost por grant effrois. (1823 R, Sais)

Jerusalem

A cest mot s’esclaiscierent plus de .C.M.Escler (9075, Jer) A icestes paroles se sont as cevals pris: (1078, Jer) A icestes parole fu tans escus saisis, (1202, Jer) A iceste parole fait corner l’estormie: (6076, Jer) A iceste parole sont el palais monté. (6438, Jer) A iceste parole es vos .I. blanc colon (7735, Jer) A iceste parole es vos Sanguin corant, (8960, Jer) A iceste parolle se vont revertuant – (9260, Jer)

Antioche

A iceste parole li arme en est partie (1715, Antio) A cest mot s’eslaisierent des Turs .XV. Millier. (1455, Antio) A cest mot laisent corre tres par mi le sablon, (1532, Antio) A cel mot se regardent li chevalier hardi (1613, Antio) A cel mot s’en torna a maisnie escarie (1777, Antio) A cel mot s’en tornerent la pute gens hale, (1875, Antio) A cest mot s’est li dus Godefrois regardes, (2453, Antio) A cest mot esgarda contreval le degre, (2699, Antio) A iceste parole avala les degres (1006, Antio) A iceste parole se vont resbaudisçant; (1669, Antio) A iceste parole ont lor muls demandes, (1935, Antio) A iceste parole que vos ici oes (3577, Antio) A iceste parole est el ceval montés, (4708, Antio) A icestes paroles es vos les més venus. (4894, Antio) A iceste parole risent Turc le risee (5185, Antio) A iceste parole font lor tabors soner, (5371, Antio) A iceste parole font lor rason finer. (6632, Antio) A iceles paroles est li ber devïés (9209, Antio)

Clari

Et a ches paroles s’agenouillierent li baron devant lui, (4, 9, Cla) A ches paroles se partirent li baron du palais et [...] (59, 1, Cla) A ches paroles s’en parti li dux et s’en revint arriere. (60, 1, Cla)

1.4 Die Datengrundlage: Formulierungen mittelalterlicher Texte

55

Im Fall von Beispiel (VII) handelt es sich um die Phrase «Lieber möchte ich tot sein, als ...», die verschiedenen Figuren der Erzählung in den Mund gelegt wird: VII. [Lieber (Adverb)] [möchten (Verb)] [NICHT LEBENDIG SEIN (Infinitiv)] [X (Adverbialer Nebensatz)] Der Beginn der Formulierung ist in allen untersuchten Verstexten identisch, es variiert lediglich der Infinitiv, der zwar semantisch durch «nicht lebendig sein» spezifiziert ist, lexikalisch aber mehrere Möglichkeiten zulässt. Im frühen und späten Epos (Roland und Saisnes) wird er durch murir ausgedrückt, in den Reimchroniken ist neben murir auch estre mors, estre ocis oder perdre la teste bzw. la vie belegt. Auch in diesem Fall ist anzunehmen, dass die Phrase kein Spezifikum nur der hier untersuchten Diskurstradition ist, sondern als teilkonventionalisierte Redensart allgemein gebraucht wurde. Roland

Meilz voelt murir que [...] (536, Rol) Melz voeill murir que [...] (1091, Rol) Mielz voeill murir que [...] (1701, Rol) Mielz voeill murir qu’ [...] (2336, Rol) Meilz voel murir que [...] (2738, Rol) Mielz voeill murir que [...] (3909, Rol)

Saisnes

miaz vuel morir et remaindre an traïne (3816 LT, Sais)

Jerusalem

Miux vauroient morir [...] (98, Jer) Miux vaudroie estre mors [...] (182, Jer) Mius vauroie estre mors, (1126, Jer) Miux vauroie estre mors, (1154, Jer) Miux vauroie cascuns de nos .II. fust ocis [...] (3722, Jer) Miux vauroie estre ocis [...] (6538, Jer) [...] mius voel estre ocis qu’ [...] (6728, Jer) Miux volons estre ocis que [...] (6780, Jer) Miux voel perdre la teste que [...] (7267, Jer)

Antioche

[...] mius voel morir qu’ [...] (2744, Antio) Mais mius voel estre mors qu’ [...] (4207, Antio) Miux vauroit estre ocis [...] (4751, Antio) Mius voel que jo i muire que [...] (6199, Antio) Miux voel perdre la vie [...] (6423, Antio) Mius voelent tot morir qu’ [...] (7410, Antio) Mius volons estre ocis [...] (7520, Antio) Miux volons tot morir que [...] (8014, Antio)

Beispiel (VIII) beschreibt den Verlust einer Person oder Sache:

56

1 Grundlagen

VIII. [verloren (PPP)] [haben (Verb)] ([X (Objekt)]) Charakteristisch daran ist allerdings nicht der Inhalt, sondern die immer gleiche Kombination aus Partizip Perfekt + Hilfsverb (perdut + avoir). Auf den ersten Blick scheint der Begriff der Formulierung hier nicht angebracht, da es sich bei der Topikalisierung des Partizips um ein rein syntaktisches Phänomen handelt. Das Besondere an dieser Phrase ist aber, dass sie in den Prosachroniken mit dieser Syntax bis auf eine Ausnahme gar nicht belegt ist, da das Partizip dort immer nachgestellt sein muss. Es ist demnach anzunehmen, dass die im Vers verwendete Syntax zwar zulässig war, aber in der Prosa eine syntaktisch andere Darstellungsstrategie bevorzugt wurde.56 VIIIa. Roland

Perdud avuns Espaigne, (2118, Rol) Perdut avum nos seignurs e nos pers (2148, Rol) Perdut i ad Veillanrif, sun destrer (2167, Rol) Perdut avum le rei Marsilium (2700, Rol) [...] perdue ad sa culur, (2895, Rol) Perdut avez Malpramis vostre fils, (3498, Rol)

Saisnes

Perdu en a le don, [...] (554 AR, 543 LT, Sais) Perdu vous cuide avoir [...] (3059 AR, 2778 LT, Sais) [...], perdu avons la tour, (3707 AR, Sais) Perdu avons Corsuble le seignor de Nubie (3864 AR, Sais) Sire, perdu avons, [...] (5255 LT, Sais) [...] perdu ont duremant. (301 R, 6022 LT, Sais) [...] perdu ont en cest premier estor, (360 R, 6093 LT, Sais) [...] bon pastor perdu as.» (1813 R, 7739 LT, Sais)

Jerusalem

Perdue avons Barbais, Tabarie et Damas! (1918–1919, Jer) Perdu ai Jursalem [...] (5610, Jer) Perdu avons Marbrin, [...] (6338, Jer) Perdu avés vos fils, [...] (8971, Jer)

56 Im Villehardouin ist die Formulierung bevorzugt im Nebensatz erhalten, dort aber bis auf eine Ausnahme (que perdue avoit la veue [67, Vil]) mit S-V-Partizip-Struktur: que il avoient la terre si tote perdue, (387, Vil) qu’il ot perdu, (398, Vil) qu’il aüssent la terre perdue. (411, Vil) que il les a perduz... (466, Vil) que il avoient la terre perdue. (477, Vil)

1.4 Die Datengrundlage: Formulierungen mittelalterlicher Texte

57

Antioche

Perdus ai les castels [...] (1930, Antio) Perdue avons l’isçue [...] (3343, Antio) Perdu arons les testes la fors en cel herbier, (7632, Antio) [...] perdue as t’ireté, (2688, Antio) «Perdue as ta cite [...] (2854, Antio) [...] car perdu a assés. (6260, Antio) Son cors et son avoir trestot perdu i a, (244, Antio) Hisdent et Tomicant ans .II. perdu avon.» (1896, Antio) Villehardouin [...]: perdu avons l’empereor Baudoin et le conte Loeys, (364, Vil)

Vergleichbar ist auch Formulierung (VIIIb), die den Tod einer Person durch die partizipiale Konstruktion morz + estre beschreibt. Auch diese Formulierung ist nur in den Verstexten mit einem initialen Partizip-Perfekt belegt.57 VIIIb. Roland

Mort sunt li cunte [...] (577, Rol) Morz est Turpin [...] (1824, Rol) Morz est li quens [...] (1830, Rol) Morz est li quens [...] (2021, Rol) Morz sunt Franceis [...] (2038, Rol) Mort sunt si hume [...] (2042, Rol) Morz est Turpin [...] (2242, Rol) Morz est Rollant [...] (2397, Rol) Morz est Rollant e li quens Oliver (2792, Rol) Morz est mis nies [...] (2920, Rol) Morz est li gluz ki [...] (3456, Rol) «Morz estes, Baligant! (3513, Rol) Morz est Rollant [...] (3802, Rol)

Saisnes

Mors est Miles li dus [...] (549 AR, 538 LT, Sais) [...], morz est lor chevetaigne, (5049 LT, Sais) Morz est li cuens Rollanz et li cuens Olivier (1140 R, 6956 LT, Sais) [...], mors est li junes rois, (1814 R, 7741 LT, Sais) «[...], mors est vostre freres [...] (4025 AR, Sais)

Jerusalem

[...] mors est [...] (426, Jer) [...] mors estoit li briés ostés, (2866, Jer) Mors est Cornumarans [...] (3911, Jer) [...] mors ert [...] (4177, Jer)

57 Allerdings tritt diese Syntax im Villehardouin und Clari vereinzelt im Nebensatz auf: qui morz estoit (39, Vil); que morz fu Pierres d’Amiens (291, Vil); qui mors fu ... (33, 80, Cla)

58

1 Grundlagen

Antioche

Mors estes [...] (2853, Antio) [...], mort estes [...] (5870, Antio) [...] mors est [...] (6702, Antio) [...] mors est [...] (8528, Antio) [...] mors est [...] (8695, Antio)

Es kann also festgehalten werden, dass Formulierungen in ihrer Syntax teilweise verändert werden und dass somit Formulierungstraditionen die Eigenschaft besitzen, sich im Prozess des Tradierens nicht nur lexikalisch, sondern auch syntaktisch zu wandeln. Es wurde bereits die Frage aufgeworfen, ob das Tradieren einer Formulierung auch dazu führen kann, dass eine syntaktische Form überhaupt nicht verändert, sondern mit tradiert wird, obwohl sie womöglich im Sprachsystem fremd (geworden) ist. Grund zu dieser Annahme geben verschiedene Beobachtungen zu übersetzungs- und textbasierten «Entlehnungen» der spätmittelalterlichen Schreibpraxis. Wie bereits angesprochen, wurde in der Vergangenheit immer wieder angenommen, dass man syntaktische Strukturen des Lateins – ganz bewusst – aufgrund einer gewissen Ehrfurcht vor der heiligen Schrift mit kopierte, obwohl sie nicht mehr zeitgemäß waren (cf. Fleischer/Schallert 2011, 42–43). Interessant ist, dass diese kopierten Strukturen teilweise weiter tradiert wurden und auch in anderen Texten auftraten, die keine Übersetzungen waren, vermutlich ohne dabei Eingang in das damalige Sprachsystem gefunden zu haben (cf. Fleischer/Schallert 2011, 45–47). Im vorliegenden Fall handelt es sich zwar nicht um Übersetzungen, da das Heldenepos keinen lateinischen Ursprung hat und die Chroniken nachweislich keine Übersetzungen sind (cf. Schon 1960). Allerdings könnte sich mit den Formulierungstraditionen trotzdem ein Phänomen darstellen, das dem beschriebenen sehr ähnlich ist: Syntaktische Strukturen könnten sich in Texten verbreitet haben, obwohl sie nicht (mehr) Teil des Sprachsystems sind. Allerdings wäre nicht das Übersetzen dafür verantwortlich, dass entsprechende Satzstrukturen übernommen wurden, sondern das Tradieren von stereotypen inhaltlichen Textelementen eines frühromanischen Diskurses über einen langen Zeitraum hinweg. Die Syntax ist auch hier gewissermaßen «entlehnt», dennoch halte ich es in diesem Fall nicht für sinnvoll, von Lehnsyntax zu sprechen. Vielmehr wird sich im Verlauf dieser Arbeit noch herausstellen, dass die betroffenen Satzstrukturen vermutlich nur innerhalb spezifischer Formulierungen, also nur innerhalb einzelner Elemente spezifischer Diskurse übernommen wurden. Eine Entlehnung in die Allgemeinsprache und das Sprachsystem fand vermutlich nie statt.58

58 Fleischer und Schallert (2011, 45–47) besprechen den in althochdeutschen Texten auftretenden AcI als ein Beispiel für Lehnsyntax. Auch im Fall dieses Beispiels ist wohl nicht davon

1.4 Die Datengrundlage: Formulierungen mittelalterlicher Texte

59

Im Rahmen dieser Arbeit bilden Formulierungen des Rolandslieds die Analysebasis. Das Rolandslied stellt den frühesten Text des Korpus dar, weshalb ich davon ausgehen konnte, dass die in ihm enthaltenen Formulierungen die ältesten sind, die dann möglicherweise in den späteren Texten des Korpus übernommen wurden. Eine Identifizierung verschiedener Formulierungen des Rolandslieds wurde zunächst manuell durchgeführt und später teilweise anhand eines elektronischen Korpus überprüft (cf. 1.5). Insgesamt konnten 41 Formulierungen im Rolandslied ausfindig gemacht werden, deren Tradierung nachweisbar ist. Dabei wurden als Formulierung nur mehrfache (und nicht einfache) Wiederholungen gezählt. Diese Zahl ist allerdings nicht vollständig, da die vorliegende Arbeit keine exhaustive Analyse von V2-Strukturen anstrebt und die Anzahl an Formulierungen mit V2-Syntax deshalb nicht komplett erhoben wurde. Es wurden als Formulierungen nur mehrfache (und nicht einfache) Wiederholungen gezählt. Im Fall der Formulierungen mit V1- und V>2-Stellung sind die Zahlen vollständig belegt und anhand des Syntactic Reference Corpus of Medieval French (SRCMF) verifiziert. Die folgenden zwei Tabellen geben jeweils einen Überblick. Dargestellt sind alle Formulierungen mit jeweils einem Beispielsatz. In Kapitel 4 und Kapitel 5 werden sie ausführlich diskutiert.59

auszugehen, dass die Lehnsyntax «Eingang in die deutsche Syntax gefunden hätte. Derartige Beispiele finden sich nämlich fast ausschließlich in literarischen und stilistisch sorgfältig durchgearbeiteten Texten. Die Konstruktion hat sich beispielsweise nicht in der gesprochenen Sprache verbreitet. Dass der AcI in bestimmten Texten auftritt, führt Henkel (2004, 3176) darauf zurück, dass Autoren wie Opitz auch lateinische Texte verfassten und die Verwendung des AcI ‹auf ein Lesepublikum ausgerichtet ist, dessen sprachliche Ausbildung maßgeblich vom Muster des Lateins geprägt ist und das sprachlich-stilistische Interferenzen wie den AcI kennt und schätzt›» (Fleischer/Schallert 2011, 47). 59 Die Zahl dieser Formulierungen ist insgesamt gering, was zum einen darauf zurückzuführen ist, dass V1- und V>2-Sätze in altfranzösischen Texten insgesamt selten auftreten (cf. hierzu 3.1 und 5.1). Zum anderen kann dies daran liegen, dass alle hier untersuchten Formulierungen immer im Rolandslied belegt sein mussten und daher keine Fälle berücksichtigt werden konnten, die eventuell nur in den späteren Texten auftreten. Einige Probeanalysen haben gezeigt, dass solche Formulierungen existieren. Dasselbe gilt für den umgekehrten Fall, i.e. Formulierungen, die ausschließlich im Rolandslied belegt sind. Mit Sicherheit werden also nicht alle V1- oder V>2Sätze der hier untersuchten Texte berücksichtigt. Dies ist jedoch nicht ausschlaggebend für die vorliegende Arbeit, denn die intendierten Erkenntnisse sollen hier in erster Linie auf der Grundlage des Verhaltens der Schreiber gewonnen werden (Was macht ein Schreiber mit einer erlernten Formulierung, deren Syntax in seiner gewohnten Sprache eigentlich veraltet ist?) und nicht auf der Grundlage eines rein statistischen Ergebnisses.

60

1 Grundlagen

27 Formulierungen mit S-X-V-, O-X-V-, Adverbiale-X-V-, Adverb-X-V- und Advb.Nebensatz-X-V-Syntax S-X-V: 8

[HERRSCHER (Subjekt)] [X (Objekt, Adverb, Adverbiale, ...)] [Verb] a. [Li empereres (Subjekt)] [X (Objekt, Adverb, Adverbiale, ...)] [Verb] Li empereres de pasmeisuns revint. (2881, Rol) b. [Li amiralz (Subjekt)] [X (Objekt, Adverb, Adverbiale, ...)] [Verb] Li amiralz la sue gent apelet: (3396, Rol) c. [Li dux (Subjekt)] [X (Objekt, Adverb, Adverbiale, ...)] [Verb] Naimes li dux fierement le reguardet, (3423, Rol) d. [Li quens (Subjekt)] [X (Objekt, Adverb, Adverbiale, ...)] [Verb] Li quens Rollant par mi le champ chevalchet, (1338, Rol) e. [Li reis (Subjekt)] [X (Objekt, Adverb, Adverbiale, ...)] [Verb] Li reis Marsilie le destre poign i perdit, (2795, Rol) f. [Li arcevesques (Subjekt)] [X (Objekt, Adverb, Adverbiale, ...)] [Verb] Li arcevesques plus de mil colps i rent, (1414, Rol) [UNGLÄUBIGER/GEGNER (Subjekt)] [X (Objekt, Adverb, Adverbiale, ...)] [Verb] a. [Sarrazins (Subjekt)] [X (Objekt, Adverb, Adverbiale, ...)] [Verb] Uns Sarrazins tute veie l’esguardet: (2274, Rol) b. [Felun paien (Subjekt)] [X (Objekt, Adverb, Adverbiale, ...)] [Verb] Felun paien par grant irur chevalchent. (1098, Rol)

O-X-V: 3

[WAFFE (Objekt)] [DURCH/IN DEN KÖRPER/KÖRPERTEIL (Präpos.objekt)] [STOSSEN/ ... (Verb)]

Sun grant espiet par mi le cors li mist [MIT DEM SPORN (Präpos.objekt)] [STOSSEN/DIE SPOREN GEBEN (Verb)] [PFERD (Objekt)] Des esperons puis brochet le cheval [AUF SEIN PFERD/SCHLACHTROSS (Präpos.objekt)] [X (Subjekt)] [STEIGEN (Verb)] En sun destrer Baligant est muntet;

1.4 Die Datengrundlage: Formulierungen mittelalterlicher Texte

AdverbialeX-V: 8 [IM/IN (GROSSEN/M) GETÜMMEL (AP)] [X (Adverb/Objekt)] [SCHLAGEN/BEGEBEN/ (Verb)] En la grant presse or i fiert cume ber, (1967, Rol) [AUF DAS (GRÜNE) GRAS (AP)] [X (Subjekt/Adverb/Adverbiale)] [NIEDERLEGEN/... (Verb)] Sur l’erbe verte li cler sancs s’en afilet (130, Rol) [VOR {EIGENNAME: PERSON} (AP)] [X (Subjekt/Adverb)] [X (Verb)] Devant Rollant si s’en fuient paiens. (1875, Rol) [IN DER (GANZEN)/DIESER NACHT (AP)] [X (Objekt/Adverb)] [X (Verb)] Tute la noit mult grant clartet lur dunent. (2644, Rol) [AUS LIEBE (ZU) (AP)] [X (Objekt/Adverb)] [X (Verb)] Pur vostre amur ici prendrai estal; (2139, Rol) [MEINES WISSENS/SOWEIT ICH WEISS (AP)] [X (Objekt/Adverb)] [X (Verb)] Mien escientre plus ad de .II.C. anz. (552, Rol) [BEI DIESEN/JENEN WORTEN (AP)] [X (Objekt/Adverb)] [X (Verb)] A icest mot tels .C. milie s’en vunt: (1911, Rol) [BEI DIESEM/JENEM/BEIM ERSTEN/... SCHLAG (AP)] [X (Objekt/Adverb)] [X (Verb)] A icest colp cil de France s’esc(ri)rient: (3365, Rol) Adv-X-V: 3

[NIEMALS (Satzadverb)] [(KEIN) MENSCH (Subjekt)] [SEHEN (Verb)] Unques nuls hom tel chavaler ne vit (2888, Rol) [SCHNELL (Satzadverb)] [X (Subjekt/Objekt/Adv)] [X (Verb)] Isnelement li ber resailit sus; (2085, Rol) [STOLZ (Satzadverb)] [X (Subjekt/Objekt)] [X (Verb)] Mult fierement Carlun en araisunet: (3536, Rol)

61

62

1 Grundlagen

Advb.NS-X-V: 5 [ALS] [HÖREN/ERFAHREN (Verb)] [{PERSON} (Subjekt)] [X (Hauptsatz)] Quant l’ot Rollant, si cumençat a rire. (302, Rol) [ALS][{PERSON} (Subjekt)] [SEHEN (Verb)] [X (Hauptsatz)] Quant veit li quens que ne la freindrat mie, / Mult dulcement la pleinst a sei meïsme: (2342, Rol) [ALS] [X] [AUFRICHTEN (Verb)] [X (Hauptsatz)] Quant se redrecet, mult par out fier lu vis; (142, Rol) [WENN] [FINDEN (Verb)] [{PERSON} (Subjekt)] [X (Hauptsatz)] Se trois Rollant li proz enmi ma veie, / Se ne l’asaill, dunc ne faz jo que creire, (986, Rol) [WENN] [FLIEHEN (Verb)] [{PERSON} (Subjekt)] [X (Hauptsatz)] Se fuit s’en est Marsilies, / Remes i est sis uncles, Marganices, (1914, Rol)

9 V1-Formulierungen mit V-X- und V-S-Syntax V-X: 5

[ANSPORNEN/DIE SPOREN GEBEN (Verb)] [KRÄFIG/BEHERZT/DEM PFERD (Adverb)] [X] Brochent ad ait ... (1184, Rol) [SPALTEN/DURCHBOHREN (Verb)] [KÖRPERTEIL/RÜSTUNG (Objekt)] Trenchet la teste ... (1586, Rol) [HALTEN/NEHMEN (Verb)] [WAFFE (EIGENNAME EINER WAFFE) (Objekt)] Tient sun espiet ... (2992, Rol) [(EIN)SCHLAGEN (Verb)] [OPFER (Objekt)] Fiert un paien Justin de Val (1370, Rol) [(EIN)SCHLAGEN (Verb)] [KÄMPFER (Subjekt) /X (Adverb, Adverbiale, Adverbialer Nebensatz)] Vait le ferir li quens ... (1198, Rol)

V-S: 4

[SCHWINDEN/ERSCHEINEN (Verb)] [DER TAG/DIE NACHT (Subjekt)] [DER TAG/DIE NACHT /... (Subjekt)] [SCHWINDEN/ERSCHEINEN (Verb)] Passet li jurz, la noit est aserie; (3658, Rol) [ERTÖNEN (Verb)] [INSTRUMENT (Subjekt)/(Objekt)] [X (...)] Sunent mil grailles ... (1004, Rol) [SAGEN (Verb)] [FRANKEN/HEIDEN/EIGENNAME/DER EINE/{PERSON} (Subjekt)] Dist l’un a l’altre (3798, Rol) [ANTWORTEN (Verb)] [FRANKEN/HEIDEN/EIGENNAME/{PERSON} (Subjekt)] Respundent Franc (2487, Rol)

1.5 Zur Datenerhebung

63

1.5 Zur Datenerhebung Die im vorhergehenden Kapitel vorgestellten Formulierungen bilden die Datengrundlage der syntaktischen Analyse dieser Arbeit. Sie wurden für die Analyse von V>2-Strukturen (Kapitel 4) und V1-Strukturen (Kapitel 5) herangezogen. Wie bereits dargestellt, müssen sich diese Formulierungen in jedem Fall im Rolandslied, dem ältesten Text des Korpus, befinden, damit das Tradieren von Formulierungen in die späteren Texte überhaupt nachvollzogen werden kann. Ich habe bereits angesprochen, dass die Formulierungen des Rolandslieds zunächst über die manuelle Suche identifiziert und in einem zweiten Schritt anhand der gezielten informatisierten Suche nach syntaktischen Strukturen im SRCMF verifiziert wurden. Im folgenden Kapitel sollen die informatisierte Suche und die damit in Zusammenhang stehenden Probleme genauer besprochen werden.

1.5.1 Die syntaktischen Annotationen des SRCMF60 Durch das SRCMF steht eine der ersten syntaktisch annotierten Versionen des Rolandslieds zur Verfügung.61 Die Grundlage des SRCMF ist ein dependenz-syntaktisches Modell, sodass die Annotation des Korpus dementsprechend nach dependenzgrammatischen Prinzipien ausgerichtet ist (cf. Tesnières 1965; Polguère/Melčuk 2009). Entsprechend den Prinzipien der Dependenzgrammatik werden die syntaktischen Strukturen bzw. die Abhängigkeitsbeziehungen, die zwischen einem Kopf (Regens) und den von ihm abhängigen Elementen (Dependens) bestehen, bestimmt. Der Kopf einer Dependenzstruktur ist ein terminaler, syntaktisch-unteilbarer Knoten, wohingegen die abhängigen Elemente komplexerer Natur sein können. Der Satz stellt immer die maximale Struktur der syntaktischen

60 Cf. Stein/Prévost 2013. Die Untersuchungen dieser Arbeit stützen sich auf eine Vorversion des SRCMF (2012), die mir zur Verfügung gestellt wurde. Mittlerweile existiert eine versionierte Publikation, die ich zur Überprüfung meiner Ergebnisse ebenfalls konsultiert habe. Es hat sich gezeigt, dass alle von mir entwickelten Abfragen auch auf der aktuellen Version lauffähig sind und dort nur minimale Abweichungen der in dieser Arbeit präsentierten Ergebnisse ergeben. Für die V3-Abfrage (s.u.) wurden statt 200 insgesamt 207 Treffer erzielt, für die V4-Abfrage statt 230 nur 225 und für die V1-Abfrage statt 439 aktuell 438. 61 Das Korpus eignet sich in besonderem Maße für syntaktische Untersuchungen des Altfranzösischen, da es potentielle Fehlerquellen oder Problembereiche, die im Zusammenhang mit mittelalterlichen Texten gegeben sein können, berücksichtigt. Zu nennen wäre hier z. B. die Normalisierung einer in moderneren Editionen getroffenen Zeichensetzung oder Wortsegmentierung (cf. Prévost, et al. 2012, 162).  

64

1 Grundlagen

Analyse dar und ist immer von einem finiten Verb abhängig. Jede finite Verbform in einem Hauptsatz regiert also einen Satz. Wie allerdings schon Prévost (2012, 162) darstellt, werden auch durch Koordination bedingte elliptische Strukturen als Sätze gezählt, sofern in ihnen eine finite Verbform enthalten ist. Koordination als Verfahren komplexer Satzstrukturen wird daher nicht berücksichtigt und ein Beispiel wie (3) bildet zwei Sätze: [Messire Gauuain prent l’espee par le heut Phrase] [et sache Phrase] (161b, Graal, zitiert nach Prévost, et al. 2012, 162) Edelmann Gauuain nimmt das Schwert bei dem Griff und weiß ‘Gauuain packt das Schwert am Griff und er weiß [...]’

3.

Im vorliegenden Analysemodell wird nicht die traditionell von Tesnière getroffene Unterscheidung zwischen Aktant und Zirkumstante berücksichtigt. Die Analyse richtet sich vielmehr an der in nachfolgenden dependenzgrammatischen Arbeiten vertretenen Auffassung aus, dass diese Unterscheidung aufzuheben sei und alle Satzelemente vom Verb abhängig sind (cf. Vater 1978; Werner 2003; u. a.). Zu diesen zählen folglich nicht nur Subjekte, Objekte und Präpositionalobjekte, sondern auch Adverbiale, Konjunktionen und Präpositionen.62 Die syntaktische Analyse richtet sich auf die Identifikation des Kopfes und der von ihm abhängigen Elemente aus, ohne dabei näher auf den Typ der Abhängigkeitsrelation einzugehen. Einige dieser Elemente können nur ein einziges Mal im Satz auftreten (z. B. Subjekte), andere hingegen mehrfach (z. B. Adverbiale). Es gibt keine Null-Elemente (z. B. Nullsubjekt), Relationen werden nur zwischen realisierten Satzelementen angenommen. Die Natur syntaktischer Strukturen (z. B. der Typ des Syntagmas) ist als solche nicht annotiert, allerdings kann diese anhand der morphosyntaktischen Etikettierung erschlossen werden. Die folgende Graphik gibt ein Beispiel:  









62 Konjunktionen oder Präpositionen können im vorliegenden Modell allerdings keine Köpfe sein. In einer Präpositionalphrase ist die Präposition ein Element, welches vom Nomen abhängt, und das Nomen stellt den Kopf der Phrase dar. Satzelemente, denen keine eindeutige Dependenzbeziehung hinsichtlich des Verbs zugesprochen werden kann (Apostrophe, Interjektionen, u. a.), werden trotzdem unter der Etikette «Parenthese» aufgeführt.  

1.5 Zur Datenerhebung

65

Abbildung 1

Wie aus der Graphik ersichtlich wird, bildet SNT die maximale Struktur der syntaktischen Analyse, also den Satz, dessen Kopf das finite Verb darstellt. Dies wird dadurch ersichtlich, dass zwischen dem lexikalisch realisierten Verb und SNT keine Dependenzstruktur (D), sondern (L) besteht. (L) steht für den «Kopf» (Regens). Von der maximalen Struktur – mittelbar oder unmittelbar – abhängig sind Köpfe, die im Strukturbau mittels ihrer syntaktischen Kategorie (cat) angegeben sind: SjPer (sujet personnel), Obj (objet), RelNC (relateur non coordonnant), ModA (modifieur attaché). Unterhalb der tatsächlichen Satzangabe befindet sich weiterhin die Information über die Wortart (pos = part of speach): DETdef (déterminant définit), NOMcom (nom commun), NOMpro (nom pronominal), PRE (préposition), VERcjg (verbe conjugué). Keine Informationen gibt die Annotation über den Satztyp (Deklarativsatz, Fragesatz, Imperativ). Diese Information muss nach Erwerb der Daten manuell hinzugefügt werden, wenn man eine Analyse der Satzgliedstruktur vornimmt.

1.5.2 Die syntaktische Abfrage via TigerSearch Die informatisierte Abfrage, durch die syntaktische Strukturen des Rolandslieds abgerufen werden können, basiert auf der von Lezius (2002) entwickelten Software TigerSearch. Das Programm kann hier nicht in allen Einzelheiten besprochen werden (für eine Einführung in die Software cf. Stein 2013), dennoch möchte ich die Abfrage via TigerSearch zumindest in ihren Grundzügen darstellen, um die Suche nach den in der vorliegenden Arbeit analysierten V>2- bzw. V1-Strukturen für den Leser transparent zu machen. Im Rahmen der TigerSearch-Abfrage entspricht jeder Knoten eines Graphs (cf. Abbildung 1) einem Ausdruck, der ein oder mehrere Elemente enthält, die durch

66

1 Grundlagen

ihre syntaktische Kategorie (z. B. cat=Obj für die Kategorie Obj), und durch ihre Wortart bzw. pos (part of speech) bestimmt werden können (z. B. pos=NOM). Neben der kategoriellen Eigenschaft cat, die die Funktion des Knotens darstellt (Objekt, Subjekt) und der Wortart pos gibt die Eigenschaft type den morphosyntaktischen Typ des Knotens an (z. B. VFin, VInf). Knoten-Spezifizierungen können durch spezifische Operatoren miteinander verkettet werden, z. B. durch ( > )63 für dominance in der syntaktischen Struktur oder ( . ) für die lineare Abfolge auf Wortebene. Die folgende Darstellung zeigt, wie Strukturen gefunden werden, in denen a) syntaktische Dominanz zwischen zwei Kategorien besteht und b) lineare Abfolge:  







a) der oberste Knoten auf Satzebene – das finite Verb – dominiert ein Subjekt: #vfin > #subject:[cat="Sj"] b) dem rechten Rand (Endbereich) eines Subjekts soll der linke Rand (Initialbereich) eines Objekts folgen: #subject_end . #object_init Diese Operatoren können immer nur zwei Knoten-Spezifikationen miteinander verketten, eine Serie von drei Spezifizierungen muss deshalb in zwei separate Ausdrücke gesplittet werden. Hierfür wird das Symbol ( & ) verwendet: A . B & B.C Des Weiteren können Variablen eingeführt werden, was notwendig ist, wenn beide Knoten B demselben Wort entsprechen (was normalerweise der Fall ist). Sie werden dargestellt, indem ihr Name an eine Knoten-Spezifizierung angehängt wird: #name:[ ], z. B. vfin als «name» für den obersten noch nicht spezifizierten Knoten ( #vfin:[ ] ), womit also die Satzebene dargestellt wäre, die dann näher spezifiziert werden muss. Um die Abfolge ganzer Strukturen abzufragen, reicht der Punkt-Operator allerdings noch nicht aus, denn die interne lineare Struktur einer Kategorie wird so noch nicht berücksichtigt. Es müssen also die Grenzen der Kategorien auf Wortebene festgelegt werden. Hierfür werden zwei Operatoren verwendet, ( >@l ) und ( >@r ), die den linken und rechten Rand einer Kategorie bzw. den linken und rechten Endknoten des übergeordneten Knotens (den Knoten der gesamten Kategorie) festlegen. Zur Verdeutlichung der erläuterten Abfrage-Möglichkeiten mit 

63 Die runden Klammern sind nicht Teil des Operators, sie dienen lediglich einer besseren Kennzeichnung im Text.

1.5 Zur Datenerhebung

67

tels verschiedener Operatoren soll zunächst eine V>2-Struktur-Abfrage (S-O-V) exemplarisch dargestellt werden (cf. Stein 2013): [annotationFile=/.*roland.*/] & #vfin:[cat="Snt" & type="VFin"] & #vfin > L #v:[] & #vfin > #subject:[cat="SjPer"] & #vfin > #object:[cat="Obj"] & #subject >@l #subject_init:[pos!=/PROper.*/] & #subject >@r #subject_end:[] & #object >@l #object_init:[pos!=/PROper.*/] & #object >@r #object_end:[] & #subject_end . #object_init & #object_end . #v Die Variable mit finitem Verbknoten wird syntaktisch näher bestimmt durch die Kategorie und den Typ: #vfin:[cat="Snt" & type="VFin"] Sie soll am rechten Satzende ein finites Verb (die Variable #v:[]) dominieren, das nicht weiter spezifiziert ist. Relevant ist, dass es ganz am Satzende auftritt: & #vfin >@r #v:[] Des Weiteren soll sie ein Subjekt und ein Objekt dominieren: & #vfin > #subject:[cat="SjPer"] und & #vfin > #object:[cat="Obj"] Bevor die lineare Abfolge von S, O und V bestimmt werden kann, müssen die linken und rechten Enden jedes Elements festgelegt werden: Das Subjekt soll an seinem linken Rand durch ein Element der Wortart «nicht Personalpronomen» ([pos!=/PROper.*/]) definiert sein (das Ausrufezeichen hinter pos drückt die Negation aus). Sein rechter Rand ist nicht bestimmt (@r #subject_end:[]), was bedeutet, dass zu einem Nomen in Subjektposition z. B. noch eine Genitivergänzung hinzutreten kann. Auch das Objekt soll durch ein Nomen ausgedrückt sein (am linken Rand) und ist an seinem rechten Rand unbestimmt: & #object >@l #object_init:[pos!=/PROper.*/] & #object >@r #object_end:[] Nachdem die Enden von Subjekt und Objekt festgelegt sind, kann ihre Reihenfolge bestimmt werden: Der rechte Rand des Subjekts soll dem linken Rand des Objekts vorausgehen und der rechte Rand des Objekts wiederum soll vor dem Verb stehen: & #subject_end . #object_init & #object_end . #v  

68

1 Grundlagen

1.5.3 Die informatisierte Erhebung von V>2- und V1-Strukturen Die soeben dargestellte Abfrage einer S-O-V-Struktur ist für eine Suche aller V>2Strukturen des Rolandslieds nicht geeignet. Sie macht bereits die zu spezifische Vorgabe, dass eine Subjekt-Objekt-Abfolge vor dem Verb enthalten sein muss. Im Rahmen der in dieser Arbeit durchgeführten Analyse der V>2-Formulierungen wurde deshalb eine möglichst offene V>2-Struktur-Abfrage entwickelt, die nicht nur S-O-V-Strukturen, sondern jegliche Formen mit zwei Elementen vor dem Verb (z. B. S-X-V, X-S-V, X-O-V etc.) einbezieht.64 Damit die Suche sich allerdings ausschließlich auf Strukturen mit zwei syntaktisch vollwertigen Elementen richtet, mussten zunächst einige Einschränkungen getroffen werden: – Für die satzinitiale Position müssen ausgeschlossen werden: koordinierende Konjunktionen sowie Negationspartikel: [pos!=/(CONcoo|ADVneg)/] – Für die zweite Satzposition müssen ausgeschlossen werden: Objektpronomina sowie sämtliche Pronomina, die klitisch sind (en, y) und ebenfalls Negationspartikel:65 [pos!=/(PROadv|PROper|ADVneg)/]  

Weitere Einschränkungen erschienen in einem ersten Schritt nicht angebracht, um die Varianz des V>2-Vorkommens nicht zu früh zu verringern. Nach Ausschluss dieser Eigenschaften wurde also jeweils eine Abfrage für V3 und V4 durchgeführt: Abfrage V3 [annotationFile=/.*roland.*/] & #vfin:[cat="Snt" & type="VFin"] & #vfin > L #v:[]

64 Die Abfragen wurden nach dem Top-down-Prinzip erstellt, die jede Konstituente von der Satzauf die Wortebene zurückführt. Eine andere Möglichkeit sind Bottom-up-Abfragen, die vom Wort ausgehend nach oben aufbauen. Ein potentieller Nachteil an Top-down-Abfragen besteht darin, dass bestimmte diskontinuierliche Konstituenten (bei Sätzen mit sich in der Dependenzstruktur überkreuzenden Kanten) eventuell nicht erfasst werden. Bottom-up-Abfragen sind dagegen sehr komplex und werden in TigerSearch zum Teil nur nach sehr langer Zeit abgearbeitet. Ich habe dies bei der V3-Abfrage überprüft und festgestellt, dass im Fall der Bottom-up-Methode die Abfrage über 24 Stunden dauert. Ein Ergebnis für Top-down erzielt man dagegen in nur wenigen Minuten. Der Vergleich der beiden Abfragerichtungen zeigte im Ergebnis eine Differenz von 23 Treffern (200 zu 223), von denen jedoch nur 12 Treffer tatsächliche V>2-Strukturen sind. Die Gesamtzahl beläuft sich demnach auf 124 (200 abzüglich fehlerhafter Treffer, s. u.) +12. 65 Zu einer Besprechung des syntaktischen Status der altfranzösischen Negationspartikel cf. 3.4.2.4.

1.5 Zur Datenerhebung

69

& #vfin > #init_cat:[cat!="Apst"] & #vfin > #second_cat:[cat!="Apst"] & #init_cat >@l #init_cat_init:[pos!=/(CONcoo|ADVneg)/] & #init_cat >@r #init_cat_end:[] & #second_cat >@l #second_cat_init:[pos!=/(PROadv|PROper|ADVneg)/] & #second_cat >@r #second_cat_end:[] & #init_cat_end . #second_cat_init & #second_cat_end . #v & #vfin >@l #init_cat_init Anmerkungen: Apst = Parenthese CONcoo = koordinierende Konjunktion ADVneg = Negationspartikel PRO = Pronomen (per = personal) L = der lexikalisch markierte Rand (l = lexikalisch)

Die Abfrage für V3-Sätze ergab 200 Treffer. Diese 200 Sätze wurden manuell überprüft, um weitere Fehlerquellen auszuschließen. Fehler ergaben sich zum einen durch amalgame Formen, die durch die informatisierte Abfrage nicht als einzelne Bestandteile identifiziert wurden. Das folgende Beispiel mag dies veranschaulichen: 4.

Sil * saluerent par amur et par bien so-ihn grüßen [sie] in Freundschaft und mit Anstand ‘So grüßen sie ihn freundschaftlich und geziemend’

Die amalgame Form sil setzt sich aus dem Adverb si und dem Objektpronomen li zusammen. Das Objektpronomen wurde zwar im Vorhinein durch die Abfrage ausgeklammert, in der amalgamen Form wurde es vom Programm jedoch als solches identifiziert. Vergleichbare Fälle ergaben sich mit sin (si + en), wie in dem Beispiel Sin * ai un filz oder jol (jo + le) in dem Beispiel jol * sai bien. Zum anderen entstanden fehlerhafte Zählungen durch Koordination von zwei gleichwertigen Nominalphrasen, wie in dem folgenden Satz: 5.

Messe et matines ad li reis escultet. Messe und Frühmette hat der König gehört ‘Die Messe und Frühmette hörte der König’

Die zwei Nomen messe und matines wurden zwar richtigerweise als zwei präverbale Objekte bewertet, allerdings stellen sie syntaktisch gesehen nur ein kom-

70

1 Grundlagen

plexes Satzglied dar. Folglich hat der Satz eigentlich eine V2-Struktur und sollte bei einer V3-Abfrage nicht auftreten. Ähnlich verhält es sich mit zwei aufeinanderfolgenden Präpositionalphrasen, die teilweise ebenfalls nur eine syntaktische Einheit bilden (cf. 3.4.2.1), aber als zwei gezählt wurden: 6.

[[En France] [ad Ais]] devez bien repairer. im Frankenreich nach Aachen sollt [ihr] bald zurückkehren ‘Nach Aachen ins Frankenreich sollt ihr bald zurückkehren’

Eine dritte Fehlerquelle ergab sich aufgrund attributiver Adverbien wie par,66 die verstärkend zu anderen (teils schon verstärkenden) Adverbien oder Adjektiven hinzutreten. Adverbien in präverbaler Position können nicht generell ausgeschlossen werden, da sie teilweise eigenständigen syntaktischen Wert haben. In diesem Fall trifft dies allerdings nicht zu. Der folgende Satz wurde also fälschlicherweise als V3-Struktur erkannt, im Grunde genommen handelt es sich aber um V2-Stellung, da das verstärkende Adverb par keinen syntaktisch eigenständigen Wert hat, sondern hier das Adverb mult verstärkt: 7.

[Mult par] ies ber e sage. besonders ganz bist [du] tapfer und klug ‘Ganz besonders tapfer und klug bist du’

Einen ähnlichen Fall stellen alle Konstruktionen mit ja mar dar. Auch in diesen Fällen werden zwei Adverbien erkannt, die syntaktisch aber nur eine Einheit bilden. 8.

[Ja mar] crerez bricun Ne mei ne altre se de vostre prod Schon zu Unrecht glaubtet [Ihr] Narren mir oder anderem außer zu Euren Nutzen ‘Zu Unrecht würdet Ihr einem Narren glauben, ob ich es bin oder ein anderer, außer zu Eurem Nutzen’

Nach dieser ersten Auswertung wurden schließlich auch sämtliche Formen von Dislokationen ausgeschlossen, da Dislokationen nicht zur eigentlichen Satzstruktur zählen bzw. über deren Grenze hinausgehen. Nach dem Ausschluss auch 66 Das Adverb par entwickelte sich aus dem lateinischen per-, das als Steigerungsform (Elativ) zu einem Adjektiv als Präfix hinzutreten konnte (cf. Rubenbauer/Hofmann 1995, 48). In der Entwicklung zum Altfranzösischen wurde also aus dem gebundenen Morphem des Lateins das freie altfranzösische par.

1.5 Zur Datenerhebung

71

dieser Fehlerquelle verringerte sich das Ergebnis von 200 auf 124 Treffer und drei unklare Fälle (+ 1267). Die Abfrage und anschließende Überprüfung der V4-Strukturen geschah in identischer Weise: Abfrage V4 [annotationFile=/.*roland.*/] & #vfin:[cat="Snt" & type="VFin"] & #vfin > L #v:[] & #vfin > #init_cat:[cat!="Apst"] & #vfin > #second_cat:[cat!="Apst"] & #vfin > #third_cat:[cat!="Apst"] & #init_cat >@l #init_cat_init:[pos!=/(CONcoo|ADVneg)/] & #init_cat >@r #init_cat_end:[] // last word of init_cat... & #second_cat >@l #second_cat_init:[pos!=/(PROadv|PROper|ADVneg)/] & #second_cat >@r #second_cat_end:[] & #third_cat >@l #third_cat_init:[] & #third_cat >@r #third_cat_end:[] // define the precedence using the boundaries & #init_cat_end . #second_cat_init & #second_cat_end . #third_cat_init & #third_cat_end . #v & #vfin >@l #init_cat_init Auch hier wurden die genannten Fehlerquellen berücksichtigt und das Erstergebnis von 230 Sätzen auf 174 (+ 8 unklare Fälle) reduziert. Insgesamt erhalten wir damit ein Ergebnis für V>2-Stellung von 298 + 11 Treffern. Für die V1-Struktur-Analyse wurde folgende Abfrage erstellt: [annotationFile=/.*roland.*/] & #vfin:[cat="Snt" & type="VFin"] & #vfin > L #v:[] & #vfin > #init_cat:[cat!="Apst"] & #vfin > #second_cat:[cat!="Apst"] & #init_cat >@l #init_cat_init:[]

67 Cf. Fußnote 64 Kap. 2.

72

1 Grundlagen

& #init_cat >@r #init_cat_end:[] & #v . #init_cat_init & #vfin >@l #v Die Abfrage erzielte 439 Treffer für V1-Sätze. Auch diese 439 Sätze wurden manuell überprüft und die Überprüfung zeigte, dass viele Imperative und einige Fragesätze aussortiert werden mussten.68 Abzüglich dieser Imperativ- und Interrogativformen umfasst die Gesamtsumme 372 V1-Aussagesätze. Ein grundsätzliches Problem bei allen Auswertungen ergab sich aufgrund der Tatsache, dass für die vorliegende Untersuchung nur eine Probeversion des Rolandslieds im SRCMF zur Verfügung stand.69 Ich musste deshalb davon ausgehen, dass durch die noch nicht vollständig überprüfte Annotation bei der Abfrage eventuell Strukturen unberücksichtigt blieben. Dies war zu vermuten, da durch die manuelle Suche nach V>2-Formulierungen auch V>2-Sätze gefunden wurden, die bei der informatisierten Abfrage nicht auftraten. Es handelt sich um mindestens 35 zusätzliche V>2-Sätze. Diese Sätze wurden bei allen statistischen Auswertungen aber mit einberechnet, sodass eine Gesamtsumme von 333 + 11 V>2-Sätzen zustande kam.70

1.5.4 Die ergänzende teilmanuelle Erhebung Es wurde bereits dargestellt, dass sich eine Formulierung nur dann zu einer Tradition ausbildet, wenn sie innerhalb eines Diskurses in den diesem Diskurs zugehörigen Texten über die Zeit hinweg übernommen wird. Um also herauszufinden, welche Formulierungen des Rolandslieds tatsächlich Formulierungstraditionen darstellen, wurden auch die anderen Texte auf diese Formulierungen hin untersucht. Da die anderen Texte – bis auf den Clari – nicht im SRCMF enthalten sind, ist bei dieser Suche allerdings keine informatisierte Abfrage

68 Das Aussortieren geschah bewusst nicht im Vorhinein, da zunächst alle V1-Hauptsatzstrukturen in die Suche aufgenommen werden sollten. 69 Das Korpus enthielt zunächst die folgenden Texte: Béroul, Coinci, Aucassin, Clari, Graal (cf. 3.3.2). Seit kurzem steht nun auch eine endgültige Version des Rolandslieds zur Verfügung (cf. Stein/Prévost 2013), die jedoch zum Zeitpunkt meiner Analyse noch nicht zugänglich war. 70 Durch dieses Vorgehen wird die Trefferzahl folglich optimiert, allerdings ist nicht auszuschließen, dass noch weitere V>2-Strukturen fehlen, denn Marchello-Nizia kommt auf 11% anstatt der von mir errechneten 9% bzw. 8,9%. (3852 Sätze bilden die Gesamtsumme von 100%, die mit Tiger Search errechnet wurden). Dieser Schwachpunkt kann durch eine Analyseüberprüfung mittels der endgültigen annotierten Version des Rolandslieds behoben werden.

1.5 Zur Datenerhebung

73

möglich. Dies stellt jedoch keine größere Schwierigkeit dar, da nicht alle V>2oder V1-Strukturen in diesen Texten erhoben werden müssen, denn es interessieren lediglich die im Rolandslied ausfindig gemachten Formulierungen mit V>2und V1-Syntax (aus den 344 V>2-Sätzen ergaben sich 41 Formulierungen, aus den 372 V1-Sätzen nur 17). Eine Analyse, wie sie im letzten Abschnitt beschrieben wurde, wäre also gar nicht fruchtbar. Um bestimmte Formulierungen aufzuspüren, bedarf es vielmehr einer an spezifischen Lexemen ausgerichteten Suche. Anhand der Beispiele aus Abbildung 2 kann dies veranschaulicht werden. Im Rahmen dieser Arbeit konnte diese Suche nur teilmanuell – i.e. anhand der Suchfunktion des Adobe-Readers (im Pdf-Format der Texte) – durchgeführt werden. Diese Suche bringt zwar einerseits das Problem mit sich, viele Fehlerquellen zu erzeugen, da die Suchmaschine nur die Textoberfläche «abscannt» und bei schlechter Schriftqualität zu falschen Ergebnisse kommen kann (i.e. manche Lexeme nicht findet oder falsch liest). Andererseits bietet diese Suche aber die Möglichkeit, auch solche Texte für sprachwissenschaftliche Analysen heranzuziehen, die bisher nicht in elektronischen Korpora erfasst wurden.71 Das beschriebene Problem konnte umgangen oder zumindest deutlich verringert werden, indem nicht nur die ohnehin bestehende (ortho)graphische Varianz von altfranzösischen Lexemen berücksichtigt wurde, sondern auch die in jedem Einzelfall anders geartete fehlerhafte Lesart des Readers. Dies erforderte Probedurchläufe, in denen Fehler aufgedeckt und bei der endgültigen Lexemabfrage berücksichtigt wurden. Die Suche erfolgte anhand von mehreren Suchbegriffen (= Lexemen, die in der Formulierung enthalten sind), wobei in der Regel Flexions- oder Derivationsendungen weggelassen wurden, um möglichst alle Lexeme mit gleichem Wortstamm berücksichtigen zu können. Da der Suche immer mehr als ein Suchbegriff zugrunde lag, konnte überprüft werden, ob Formulierungen bzw. das ihnen zugrunde liegende Lexem anhand des zuvor verwendeten Suchbegriffs unberücksichtigt blieben. Es seien einige Beispiele gegeben:

71 Einige der in dieser Arbeit verwendeten Texte finden sich zwar in elektronischen Korpora (allerdings ohne dort syntaktisch annotiert worden zu sein), allerdings trifft dies nicht auf alle Texte zu. Um aber alle Texte in gleicher Weise analysieren zu können, i.e. um ein einheitliches und vergleichbares Ergebnis zu erzielen, wurde darauf verzichtet, die lexemgesteuerte Suche anhand verschiedener elektronischer Korpora und des Adobe-Suchprogramms vorzunehmen.

amper-

Es werden nur diejenigen Varianten angegeben, die zu Treffern führten.

emper-

ernper(M > RN)

-

ReaderVariante 1

Li empereres ...



jour- / -

onque-

etc.

cier(L > I)

jor- / noi-

jur- / nui-

Passet li jurz, la nuit est aserie

unque- / -

-

Graphische Variante 2

Clers est li jurz e li cler- / solei- / jur- - / solau- /s. o. soleilz luisant.

unch- / om-

unk- / hom-

Unkes nuls hom net vit ...

herbe / -

Sur l’erbe verte ... erbe / vert-

Graphische Variante 1

- / espour-

Suchbegriff

Des esperons broch- / esperbrochet le cheval

Formulierung

Abbildung 2

arnper(M > RN)

-

etc.

emperere, empereres, emperieres, amperere, ampereres

cler, clers / soleil soleilz, soleiz, solaus

jur, jurz, jurs, jor, jors, jorz, jour, / nuit, nuis, noit, nois

unkes, unches, unques, onques / hom, home, om

erbe, herbe / vert, verte

brochet / esperons, erpourons

Treffer

74 1 Grundlagen

1.5 Zur Datenerhebung

75

Es ist sicher nicht auszuschließen, dass das Ergebnis der Analyse trotz der Berücksichtigung dieser und weiterer Fehlerquellen verfälscht sein kann (einige wenige Lexeme und also Sätze können unberücksichtigt bleiben, sofern ihr Schriftbild nicht erkannt wurde), allerdings konnte gesichert werden, dass die erzielten Tendenzen voll und ganz zutreffen. Dies ließ sich in einer Gegenprobe anhand einiger Texte festmachen. Die erzielten Resultate zu verschiedenen Formulierungen in den Prosachroniken wurden überprüft, indem alle drei Chroniken manuell auf die entsprechenden Formulierungen hin untersucht wurden (i.e. vollständig gelesen).

2 Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel Die Bandbreite der in der Forschungsdiskussion etablierten Begriffe zum V2Thema verlangt zu Beginn dieses Kapitels eine Erläuterung der folgenden zentralen Termini: «V2-Stellung» oder «V2-Struktur», «V2-Satz», «V2-Eigenschaft» bzw. «V2-System» oder «V2-Grammatik» und «V2-Sprache». Wenn von einer V2Stellung oder einer V2-Struktur die Rede ist, wird damit stets auf eine spezifische lineare Abfolge von Satzkonstituenten referiert und auf deren obligatorisches und exklusives Auftreten in einer Sprache (cf. den folgenden Abschnitt). Tritt diese Stellung oder Struktur in einem Satz auf, handelt es sich bei diesem um einen V2-Satz.1 In der einschlägigen Literatur wird angenommen, dass beim Auftreten eines V2-Satzes immer eine V2-Eigenschaft bei der betroffenen Sprache vorliegt. Unter dieser «V2-Eigenschaft» subsumiere ich die – je nach Theorie anders definierten – Begriffe «V2-System» bzw. «V2-Grammatik».2 Jedem V2-Satz liegt ein syntaktisches System (V2-System) zugrunde, das als eine grammatische Eigenschaft oder ein grammatischer Mechanismus der Sprache (V2-Grammatik) aufgefasst wird, durch die bzw. den das Bilden von ausschließlich V2-Sätzen möglich ist. Weist eine Sprache exakt diese Eigenschaft auf, kann sie als V2-Sprache klassifiziert werden. Unter dem Etikett «V2» verbirgt sich demnach je nach angesprochener Beschreibungsebene eine Satzstruktur, ein Satztypus, ein syntaktisches System als Teil einer spezifischen Grammatik oder ein Sprachtyp. Das vorliegende Kapitel verfolgt mehrere Ziele. Erstens soll der Forschungsstand zur Verb-Zweit-Eigenschaft (V2-Eigenschaft) dargestellt und diskutiert werden. Hierbei möchte ich sowohl traditionell-sprachhistorische und positionsbzw. funktional-typologische Ansätze berücksichtigen als auch die im Rahmen der generativen Theorie entwickelten Erklärungsthesen. Zweitens soll die theoretische Fundierung des V2-Begriffs vor dem Hintergrund der bisherigen Forschungsergebnisse nochmals überdacht und weiter vorangetrieben werden. Dabei geht es um die grundlegende Frage, wie die V2-Eigenschaft richtigerweise definiert werden muss und welche Sprachen diese Eigenschaft tatsächlich aufweisen und also V2-Sprachen darstellen.

1 Zur Annahme, dass auch bei anderen Stellungen von einem tiefenstrukturellen V2-Satz (oder einer V2-Struktur) die Rede ist, cf. Fußnote 88 Kap. 2. 2 In der vorliegenden Arbeit werden alle drei Begriffe benutzt. Sie werden synonym verwendet, um auf a) eine syntaktische bzw. grammatische Eigenschaft (im Rahmen nicht-generativer Theorien) und b) einen syntaktischen bzw. grammatischen tiefenstrukturellen Mechanismus (im Rahmen generativer Theorien) zu referieren.

DOI 10.1515/9783110536591-003

2 Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel

77

Das Kapitel ist in drei Teile gegliedert: In einem ersten Teil (2.1) werde ich zunächst die traditionelle Definition der V2-Eigenschaft (und hiermit auch eine Definition für V2-Stellung und V2-Sprache) geben. Daran schließt sich eine Beschreibung wichtiger V2-Kriterien und eine Auflistung aller V2-Stellungsmöglichkeiten in den germanischen Sprachen an (2.1.1). In Abschnitt 2.1.2 sollen die in den modernen romanischen Sprachen belegten V2-Konstruktionen beschrieben und im Hinblick auf ihre Relevanz für den gesamten syntaktischen Status dieser Sprachen bewertet werden. Daran anknüpfend geht es in den folgenden zwei Kapiteln um die Darstellung und Beurteilung von V2-Kriterien im Altfranzösischen (2.1.3) bzw. in der alten Romania insgesamt (2.1.4). Es folgt schließlich noch die Auseinandersetzung mit lateinischen Satzstrukturen und den dort anzutreffenden V2-Mustern (2.1.5). In einem zweiten Teil (2.2) werde ich die V2-Eigenschaft aus generativer Perspektive beleuchten. Innerhalb dieser Perspektive geht es nicht mehr allein um die «oberflächliche» i.e. sichtbare Syntax von V2-Sätzen, sondern um eine grammatisch verankerte V2-Tiefenstruktur, die als zusätzliches Kriterium für das V2-Merkmal bzw. die V2-Eigenschaft beschrieben werden muss. Zu Beginn dieses Teils soll das generative Syntaxmodell sprachtheoretisch verortet (2.2.1) und die generative Untersuchungsweise der Grammatik erläutert werden (2.2.2). Erst im Anschluss daran werde ich die generativ-syntaktischen V2-Analysen erklären, die es dann – abermals am Beispiel der germanischen Sprachen – aufzuzeigen gilt. Diese Analysen führen zu einer Klassifizierung verschiedener V2-Sprachtypen (2.2.3). Die danach folgenden Abschnitte stellen eine Betrachtung und Bewertung des V2Vorkommens im Romanischen und Latein auf der Grundlage der generativen Definition der V2-Eigenschaft dar. Schließlich geht es im letzten Abschnitt des zweiten Teils nochmals um eine grundlegende Auseinandersetzung mit gängigen Definitionen der generativen Theorie. Der V2-Begriff wird hier kritisch überdacht und definiert. Im dritten Teil des Kapitels wird es um die Darstellung des altfranzösischen V2-Phänomens aus diachroner Perspektive gehen (2.3). Es werden unterschiedliche Theorien zu syntaktischem Sprachwandel vorgestellt und im Hinblick auf die Syntax des Altfranzösischen diskutiert. Neben der positionstypologischen Theorie (2.3.1) werden die traditionelle generative Theorie (2.3.2) und die Theorie der competing grammars (2.3.3) beschrieben und diskutiert. Daran anschließend folgt eine Reflexion über mögliche quantitative und strukturelle Veränderungen des Inputs, die für den Syntaxerwerb und somit auch -wandel als zentral angesehen werden (2.3.4). Die Abschnitte 2.3.5 und 2.3.6 behandeln optimalitätstheoretische und gebrauchsbasierte Erklärungsansätze. In Abschnitt 2.3.7 werden grundlegende Fragen bezüglich auslösender Faktoren für Syntaxwandel gestellt und das Argument von externem Spracheinfluss aufgegriffen.

78

2 Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel

Abschnitt 2.3.8 stellt schließlich die Verbindung von dem in dieser Arbeit verfolgten diskurstraditionellen Ansatz und Syntaxwandel her. Es wird gezeigt, welche fundamentale Rolle Diskurstraditionen im Prozess des Wandels spielen.

2.1 Die traditionelle Definition der V2-Eigenschaft3 Die Etikette «V2» wird traditionellerweise immer dann vergeben, wenn eine Sprache sich durch das Merkmal auszeichnet, dass das finite Verb in ihren Aussagesätzen an zweiter Stelle in der linearen Abfolge der Satzglieder auftreten muss. Diese Stellungsbeschränkung (V2-Stellung) ist rein syntaktischer Natur und unabhängig davon, welcher Art das erste Element im Satz ist. In der initialen Position können Nominalphrasen (in der Funktion des syntaktischen Subjekts oder Objekts) auftreten, Adverbialphrasen (Adverbien und Adverbiale), Adjektivalphrasen (prädikative Adjektive), Präpositionalphrasen (Präpositionalobjekte), Partizipialkonstruktionen (Partizip Präsens und Partizip Perfekt), einleitende Nebensätze oder Infinitive. Ein zusätzliches Charakteristikum der V2-Eigenschaft einer Sprache ist es, dass Subjekt-Verb-Inversion bei allen Konstruktionen auftreten muss, die mit einer anderen initialen Konstituente als dem Subjekt selbst beginnen; das Subjekt darf nicht zwischen dem einleitenden Element und dem finiten Verb erscheinen, da V>2-Stellung im Aussagesatz zu Ungrammatikalität führt (zu V>2-Strukturen cf. Kapitel 3). Auch V1-Strukturen sind im Aussagesatz ausgeschlossen (cf. Kapitel 5), sie erfüllen in der Regel bestimmte diskursive Funktionen (z. B. tritt V1-Stellung in Entscheidungsfragen oder bei Imperativen auf).  

2.1.1 V2 in den germanischen Sprachen Traditionellerweise wird den modernen und alten germanischen Sprachen die V2Eigenschaft zugesprochen, wobei der Status des Altgermanischen diesbezüglich

3 Die traditionelle Definition der V2-Eigenschaft einer Sprache unterscheidet sich von der generativen dadurch, dass sie lediglich «oberflächliche» Beschränkungen bezüglich der linearen Satzgliedstruktur als Definitionskriterium heranzieht. Die generative Theorie legt der Eigenschaft hingegen einen tiefenstrukturellen Transformationsmechanismus zugrunde (cf. 2.2.2 und 2.2.3).

2.1 Die traditionelle Definition der V2-Eigenschaft

79

umstritten ist.4 Eine eindeutige Ausnahme bildet das moderne Englisch, das anders als das Altenglische nicht als V2-Sprache bezeichnet werden kann, da dem finiten Verb hier regelmäßig mehr als eine Konstituente im Aussagesatz vorangestellt ist.5 Die folgenden Beispiele zeigen V2-Konstruktionen in deutschen, niederländischen, schwedischen und isländischen Aussagesätzen: 1. dt. nl. sw. is.

Subjekt-Verb-Objekt-X Anna löst diese Aufgabe ohne Mühe. Anna lost deze opgave zonder moeite op. Anna löser denna uppgift utan möda. Anna leysir þetta verkefni án vandræða.

dt. nl. sw. is.

Objekt-Verb-Subjekt-X Den grünen Bus fährt Anna am liebsten. De groene Bus rijdt Anna het liefst. Den gröna bussen kör Anna helst. Græna strætóinn keyrir Anna helst.

dt. nl. sw. is.

Präpositionalobjekt-Verb-Subjekt-X Auf das Pony stieg die kleine Anna sehr vorsichtig. Op de pony steeg Anna heel voorzichtig. På ponnyn steg Anna upp mycket försiktigt. Á smáhestinn steig Anna mjög varlega.

dt. nl. sw. is.

Adverb-Verb-Subjekt Gestern heiratete Anna. Gisteren trouwde Anna. I går gifte sig Anna. Í gær giftist Anna.

2.

3.

4.

4 Die germanischen Sprachen werden unterteilt in die ostgermanischen (Gotisch, Vandalisch, Burgundisch), die nordgermanischen bzw. skandinavischen (Dänisch, Schwedisch, Norwegisch, Isländisch und Färöisch) und die westgermanischen (Deutsch, Jiddisch, Luxemburgisch, Niederländisch, Afrikaans, Friesisch und Englisch) (cf. Ruhlen 1987; Henriksen/van der Auwera 1994). 5 Das finite Verb ist nur bei Fragen und in Aussagesätzen mit topikalisierter Negationspartikel (a) und bei Komparation (b) in zweiter Position: a) Never has little Tom seen such a big house; b) The more Anna smokes, the more does her daughter hate her. Einige Forscher sprechen deshalb von einer residualen V2-Sprache (cf. 2.2.3).

80

2 Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel

5. dt. nl. sw. is.

Adverbiale-Verb-Subjekt-X Im Kindergarten streitet Anna nie. In de kleuterschool kibbelt Anna nooit. På daghemmet bråkar Anna aldrig. Í leikskólanum rífst Anna aldrei.

dt. nl. sw. is.

Nebensatz-Verb-Subjekt-X Als Anna ins Zimmer kam, erwartete sie eine Überraschung. Toen Anna in de kamer kwam, verwachtte zij een verrassing. När Anna kom in i rummet väntade henne en överraskning. Þegar Anna í herbergið kom, beið hennar óvænt uppákoma.

dt. nl. sw. is.

Adjektiv-Verb-Subjekt-X Dumm sind Annas Schüler nicht. Dom zijn Anna’s leerlingen niet. Dumma är Annas elever inte. Heimskir eru Anna nemendur ekki.

dt. nl. sw. is.

Partizip Perfekt-Verb-Subjekt-X Geschlafen hatte Anna den ganzen Nachmittag über. Geslapen had Anna de hele namiddag. Sovit har Anna hela eftermiddagen. Sofið hafði Anna allan eftirmiðdaginn.

dt. nl. sw. is.

Partizip Präsens-Verb-Subjekt-X Singend ging Anna durch den Wald. Zingend ging Anna door het bos. Sjungande gick Anna genom skogen. Syngjandi gekk Anna í gegnum skóginn.

dt. nl. sw. is.

Infinitiv-Verb-Subjekt-X Trinken wollte Anna nicht mehr. Drinken wilde Anna niet meer. Dricka ville Anna inte mera. Drekka vildi Anna ekki meir.

6.

7.

8.

9.

10.

S-V-O-Stellung (1) ist in allen germanischen V2-Sprachen die unmarkierte Satzstruktur. Das Umstellen der Satzelemente kann als Mittel des Kontrasts eingesetzt werden (Den grünen Bus fährt Anna am liebsten, nicht den gelben), als Mittel der Betonung durch Topikalisierung (2–6) oder Fokalisierung (7–10). Dass das Nicht-

81

2.1 Die traditionelle Definition der V2-Eigenschaft

einhalten der V2-Beschränkung im Aussagesatz zu Ungrammatikalität führt, wird anhand der Beispiele (11) und (12) ersichtlich: 11.

dt. nl. sw. is.

*Löst diese Aufgabe Anna ohne Mühe *Lost op deze opgave Anna zonder moeite *Löser denna uppgift Anna utan möda * Leysir þetta verkefni Anna án vandræða

12. dt. nl. sw. is.

*Anna diese Aufgabe löst ohne Mühe *Anna deze opgave lost op zonder moeite *Anna denna uppgift löser utan möda *Anna þetta verkefni leysir án vandræða

Nicht selten wurde die V2-Eigenschaft der germanischen Sprachen als «germanische Inversion» beschrieben (cf. Rohlfs 1982, 242s.; Adams 1987, 4s. u. a.). Diese Bezeichnung ist jedoch zu einer präzisen Kennzeichnung der V2-Stellung ungeeignet, da dadurch lediglich die Umstellung des Subjekts beschrieben wird, die Verbindlichkeit der Zweit-Stellung des finiten Verbs aber keine Erklärung findet. Die Ungrammatikalität von Sätzen wie (13) zeigt, dass das Subjekt zwar invertiert erscheinen kann, die V2-Bedingung aber trotzdem nicht aufrechterhalten wird, da vor dem finiten Verb mehrere Satzglieder stehen:  

13. dt. nl. sw. is.

*Diese Aufgabe ohne Mühe löst Anna *Deze opgave zonder moeite lost Anna op *Denna uppgift utan möda löser Anna *Þetta verkefni án vandræða leysir Anna

Dennoch ist mit dem Phänomen der Inversion ein wichtiges Charakteristikum der germanischen Sprachen beschrieben: Das Subjekt muss invertiert sein, wenn dem finiten Verb eine andere Konstituente vorangeht. Es kann weder in Kombination mit dieser Konstituente vor dem Verb auftreten (12), noch kann es weggelassen werden (14):6

6 Unter bestimmten Bedingungen tritt Subjekt-Verb-Inversion in den germanischen Sprachen auch auf, wenn die erste Position von einem expletiven Element besetzt ist: «In existential/ locativ sentences there is a general tendency to avoid having an indefinite NP in first position and one of the strategies employed is to use a repletive (expletive) element. In English, this is possible mainly in constructions with be, but in all the other Germanic languages it is possible with a wide range of verbs, sometimes even ‹unergative› verbs, […] » (Holmberg/Rijkhoff 1998, 93).

82

2 Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel

14. dt. nl. sw. is.

*Diese Aufgabe löst ohne Mühe *Deze opgave lost op zonder moeite *Denna uppgift löser utan möda *Þetta verkefni leysir án vandræða

Bei Partizipialkonstruktionen tritt das invertierte Subjekt im Aussagesatz zwischen das Hilfsverb und das Partizip (Diese Aufgabe hat Anna gelöst). Diese Konstruktion gilt als besonders typische Eigenschaft der germanischen V2-Sprachen, da sie sich von Inversionsstrukturen anderer Sprachen, die das Subjekt ebenfalls nachstellen können (Nullsubjektsprachen u. a.), abhebt (cf. Benincà 1994). Neben Aussagesätzen tritt V2-Stellung in den germanischen Sprachen in Ergänzungsfragen mit einleitendem Interrogativpronomen auf:  

15. dt. nl. sw. is.

Was hat Anna ohne Mühe gelöst? Wat heft Anna zonder moeite opgelost? Vad har Anna utan möda löst? Hvað hefur Anna án vandræða leyst?

In der einschlägigen Literatur zur V2-Eigenschaft wird zwischen einer «symmetrischen» und einer «asymmetrischen» V2-Sprache unterschieden, was seine Begründung darin findet, dass die Satzgliedabfolge in Haupt- und Nebensätzen nicht in allen V2-Sprachen die gleiche ist. Symmetrische V2-Sprachen weisen V2Stellung sowohl im Hauptsatz als auch im Nebensatz auf, wohingegen der asymmetrische Sprachtyp das Verb nur im Hauptsatz in zweiter Stellung haben muss.7

i.

dt.

Es fiel ein Stein vom Dach.

ii.

nl.

Er stond een vaas op tafel. es stand eine Vase auf Tisch Es stand eine Vase auf dem Tisch.

iii.

is.

það hafði sokkið bátur um nóttina. es hatte gesunken Boot in Nacht Es war ein Boot in der Nacht gesunken.

iv.

sw.

Det arbetade kvinnor ute på fältet. es arbeiteten Frauen draußen auf Feld Es arbeiteten Frauen draußen auf dem Feld. (zitiert nach Holmberg/Rijkoff 1998, 93–94) 7 In typologisch ausgerichteten Untersuchungen wird diese Differenz innerhalb der germanischen V2-Sprachen häufig durch zwei verschiedene Basisstrukturen erklärt. Positionstypologisch werden die germanischen Sprachen anhand von zwei Parametern definiert: V2 und (S-)V-

2.1 Die traditionelle Definition der V2-Eigenschaft

83

Das Deutsche, Friesische, Niederländische oder – etwas weniger rigide – auch die festlandskandinavischen Sprachen gelten als asymmetrische V2-Sprachen. Im Nebensatz ist V2-Stellung hier in der Regel nicht möglich (16, 17), es sei denn, die nebensatzeinleitende Konjunktion wird ausgelassen. Dies ist im Deutschen und Niederländischen allerdings nur bei Konstruktionen mit den verba sentiendi und dicendi (cf. Pittner/Berman 2007, 82) bzw. allgemein bei den sogenannten «Brückenverben» der Fall (18, 19).8 16. dt.

a. Ich bedauere, dass sie nicht erschienen ist. b. *Ich bedauere, dass sie ist nicht erschienen

17. nl.

a. Ik betreur, dat ze niet verschenen is. b. *Ik betreur dat ze is niet verschenen

18. dt.

a. Er behauptet, dass er keinen Hunger hat. b. Er behauptet, er habe keinen Hunger. c. *Er behauptet, dass er habe keinen Hunger

19. nl.

a. Hij beweert dat, hij geen honger heeft. b. Hij beweert, hij heeft geen honger. c. *Hij beweert dat hij heeft geen honger.

Im Schwedischen oder generell dem Festlandskandinavischen ist die Möglichkeit, dass V2-Stellung mit nebensatzeinleitender Konjunktion auftritt, nicht

O/(S-)O-V. Die skandinavischen Sprachen zählen zum (S-)V-O-Typ, da O-V-Stellung bei ihnen so gut wie nicht existiert. Die westgermanischen Sprachen werden demgegenüber als ein Mischtyp mit (S-)V-O- und (S)-O-V-Struktur beschrieben (cf. Holmberg/Rijkhoff 1998, 77–80). 8 Als Brückenverben werden Verben bezeichnet, die Extraktion aus finiten Satzkomplementen erlauben. So z. B. «behaupten», im Gegensatz zu «bedauern», in den folgenden Beispielen (zitiert nach Kaiser 2002, 25; die Bezeichnung wurde von Erteschik 1973 eingeführt):  

Welchen Film hast du behauptet, haben die Kinder gesehen? Welchen Film hast du behauptet, dass die Kinder gesehen haben? *Welchen Film hast du bedauert haben die Kinder nicht gesehen? *Welchen Film hast du bedauert dass die Kinder nicht gesehen haben? Wenn das Brückenverb allerdings negiert ist, ist das Auslassen der Konjunktion und V2-Stellung im Nebensatz nicht möglich: Er behauptet, er kennt sie. *Er behauptet nicht, er kennt sie Er behauptet nicht, dass er sie kennt.

84

2 Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel

gänzlich ausgeschlossen, teilweise sogar erforderlich (20a), da Verbendstellung nicht immer zulässig ist (20c) (cf. Vikner 1995, 71–72; Trips 2002, 228; Kaiser 2002, 26–27). Allerdings scheint es nicht immer eindeutig, welche Verben V2-Stellung in Nebensätzen erlauben und welche nicht. Kaiser (2002) geht davon aus, dass die Tendenz gegeben ist, dass V2-Stellung nur in denjenigen Nebensätzen erlaubt ist, die das Auslassen der Konjunktion zulassen (20b). 20. sw.

a. Han påstår, att han inte är hungrig.9 b. Han påstår, han inte är hungrig. c. *Han påstår, att han inte hungrig är

Isländisch und Jiddisch werden als symmetrischer V2-Typ beschrieben. Sie unterscheiden sich von den bisher besprochenen Sprachen, da sie regelmäßig V2 im Nebensatz aufweisen, unabhängig davon, ob eine nebensatzeinleitende Konjunktion vorhanden ist oder nicht. Dies kann an den folgenden Beispielen verdeutlicht werden: 21. is. ji.

a. Jón efast um að á morgun fari María snemma á fætur. b. Jonas tsveyfelt az morgen vet Miriam fri oyfshteyn. *Johan bezweifelt morgen wird Maria früh aufstehen

22. is. ji.

a. Jón harmar að flessa bók skuli ég hafa lesið. b. Jonas bedoyert az dos bukh hob ikh geleyent. *Johan bedauert dieses Buch habe ich gelesen (zitiert nach Vikner 1995, 72; cf. auch Trips 2002, 229)

Wie bereits angesprochen wurde, weisen auch die altgermanischen Sprachen typische Merkmale einer V2-Sprache auf. Es konnte belegt werden, dass im Althochdeutschen die erste Position vor dem finiten Verb nicht obligatorisch durch ein Subjekt belegt sein muss.10 Es können dort auch Objekte (24), Präposi-

9 Eine adäquate schwedische Übersetzung übersetzt hier «Hunger haben» mit «hungrig sein». 10 Das Althochdeutsche bezeichnet die früheste – schriftlich belegte – Periode der deutschen Sprache bzw. mehrerer westgermanischer Varietäten. Sie beginnt mit dem ausgehenden achten Jahrhundert und endet in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts. In dieser frühen Phase gibt es keine Standardsprache. Nach gängiger Einteilung wird das Althochdeutsche in die Gruppe der oberdeutschen Varietäten (hauptsächlich alemannische und bayrische Dialekte) und der mitteldeutschen Varietäten (fränkische Dialekte) aufgeteilt (cf. Axel 2007, 2–3). Schriftliche Belege der

2.1 Die traditionelle Definition der V2-Eigenschaft

85

tionalobjekte (25), Adverbien oder Adverbiale (26) sowie prädikative Adjektive (27) auftreten, was die folgenden Sätze zeigen: 23. Druhtin suuor dauite in uuaarnissu (Isidor, 610) Gutsherr schwor David in Wirklichkeit ‘Der Gutsherr schwor David ehrlich’ 24. Dhinera uuomba uuaxsmin setzu ih ubar miin hohsetli (Isidor, 611) deines Schoßes Frucht setze ich auf meinen Thron ‘Ich werde die Frucht deines Schoßes auf meinen Thron setzen’ 25. In dhemu nemin cyres ist christ chiuuisso chiforabodot (Isidor, 162) in dem Namen Cyres ist Christus sicherlich angekündigt ‘Durch die Verwendung des Namens ‹Cyres› ist Christus sicherlich angekündigt’ 26. Endi after dhes chifehtes ende uuirdhit dhar chisetzit idalnissa (Isidor, 473) und nach des Kampfes Ende wird dort eingesetzt Verwüstung ‘Und nach dem Ende des Kampfes wird dort Verwüstung einsetzen’ 27. toot ist her (Tatian, 313, 14) tot ist er ‘Tot ist er’ (alle althochdeutschen Beispiele zitiert nach Axel 2007, 4–5) Vergleichbare Beispiele mit Subjektinversion finden sich auch im Altenglischen oder Altnordischen, im Folgenden mit A-V-S- und O-V-S-Stellung: 28. ae.

On twam þingum hœfde God pœs mannes sawle gegodod (ÆHTh.I. 20. 1) in zwei Dingen hat Gott des Menschen Seele ausgestattet ‘Mit zwei Dingen hat Gott die Seele des Menschen ausgestattet’

29. an.

Hlióðs bið ek allar / helgar kindir (Edda, Vsp 1) Stille erbitte ich alle heiligen Geschöpfe

althochdeutschen Varietäten umfassen neben Glossen hauptsächlich Übersetzungen aus dem Latein. Zu einer detaillierten Darstellung speziell der althochdeutschen Quellen cf. Axel 2007, 16–22.

86

2 Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel

‘Ich bitte alle heiligen Geschöpfe um Stille’ (alle Beispiele zitiert nach Axel 2007, 6)11 Auch in den altgermanischen Sprachen tritt die sogenannte «germanische Inversion» auf, allerdings zeigt das Altgermanische die Besonderheit, dass das pronominale Subjekt lexikalisch nicht realisiert sein muss (Nullsubjekt). Dies ist ein Unterschied zu den modernen Sprachen, wo das Fehlen des Subjekts in der Regel zu Ungrammatikalität führt. Vergleichbar mit dem modernen Deutschen ist die Inversion des Subjekts im Althochdeutschen und Altnordischen nicht auf eine nominale NP beschränkt. Auch Subjektpronomen können hier postverbal auftreten (cf. Beispiel 27 und 29). Anders zeigt sich das Altenglische, das nur nominale Subjekte invertieren kann (cf. Trips 2002, 233–235; cf. auch 2.2.3). Auch die altgermanischen Sprachen unterscheiden sich durch die bereits dargestellte Hauptsatz-Nebensatz-Asymmetrie. Das Althochdeutsche (30) scheint zu den asymmetrischen V2-Sprachen zu gehören (cf. Axel 2007, 6), das Altenglische dagegen war diesbezüglich wohl freier. Es hatte die Möglichkeit V>2Stellung (31a) oder V2-Stellung (b, c) im Nebensatz zuzulassen. Kemenade (1997, 335) geht davon aus, dass V2-Stellung nur dann auftritt, wenn das Subjekt nicht realisiert ist oder postverbal steht: 30. tho her thisiu quad (Tatian, 343, 28, zitiert nach Axel 2007, 6) als er diese sagte ‘als er diese Dinge sagte’ 31. a. flæt him his fiend were æfterfylgende (Kemenade 1987, 113, zitiert nach Trips 2002, 240) dass ihm seine Feinde waren folgend ‘dass seine Feinde ihm folgten’ b. flæt eallum folce sy gedemed beforan ðe (Kemenade 1997, 335, zitiert nach Trips 2002, 243) dass alle Leute sind verurteilt vor dir ‘dass alle Leute vor dir verurteilt werden’ c. ϸonne ælce dæge beoð manega acennede ϸurh hys mihte on worulde. (Kemenade 1997, 335, zitiert nach Trips 2002, 243)

11 Quellen aus Kemenade (1997), dort nicht vollständig angegeben.

2.1 Die traditionelle Definition der V2-Eigenschaft

87

wenn jeden Tag ist vielen gegeben Geburt durch seine Macht auf Erden ‘wenn jeden Tag viele geboren werden durch seine Macht in der Welt’ Obgleich die altgermanischen Sprachen also die typischen Charakteristika einer – symmetrischen oder asymmetrischen – V2-Sprache aufweisen, können sie nicht in derselben Weise wie die heutigen germanischen Sprachen beschrieben werden, da sie Verbstellungsmöglichkeiten zulassen, die nicht mit der V2-Eigenschaft der modernen Sprachen übereinstimmen. Zum einen sind dies Sätze mit dem finiten Verb in dritter oder höherer Position, bei denen keine Subjektinversion auftritt: 32. ahd. S-X-V Dher selbo forasago auh in adreru stedi chundida dhazs (Isidor, 348, zitiert nach Axel 2007, 10) derselbe Prophet auch an anderem Ort verkündete dass ‘Derselbe Prophet verkündete auch andernorts, dass’ Zum anderen finden sich in Aussagesätzen V1-Strukturen, die in den modernen Sprachen ebenfalls nicht zulässig sind: 33. ahd. V-X-S uuas thar ouh sum uuitua In thero burgi (Tatian, 415, 2, zitiert nach Axel 2007, 11) war dort auch eine Witwe in jener Stadt ‘es gab eine Witwe in jener Stadt’ Es wurde deshalb der Vorschlag gemacht, von «nicht-strengen» V2-Sprachen zu sprechen (cf. Hinterhölzl/Petrova 2010; u. a.).  

2.1.2 V2 im modernen Romanischen? Bisher können wir festhalten, dass alle germanischen Sprachen, mit der Ausnahme des modernen Englischen, relativ «strenge» V2-Sprachen darstellen. Allerdings kann V2-Stellung nicht als ein Charakteristikum ausschließlich dieser Sprachen bezeichnet werden (und somit nicht als rein germanisches Phänomen), da in der einschlägigen Literatur zur Satzgliedstellung der modernen romanischen Sprachen auch dem Rätoromanischen die V2-Eigenschaft zugesprochen wurde. Hier sind jedoch nur die bündnerromanischen Dialekte und einige Varietäten des Dolomitenladinischen durch eine V2-Stellungsregel gekennzeichnet (cf. Kaiser, et al. 2001). Mit dieser V2-Struktur unterscheidet sich das Rätoromanische in syntaktischer Hinsicht erheblich von anderen romanischen Sprachen, bei denen die V2-Stellungseigenschaft nicht nachgewiesen werden kann, da es sich

88

2 Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel

um – mehr oder weniger – rigide S-V-O-Sprachen ohne V2-Merkmal handelt.12 Hier steht das Verb in der Regel nur dann in zweiter Position, wenn die satzinitiale Konstituente die grammatische Funktion des Subjekts innehat. Zwar sind Stellungsmöglichkeiten des Verbs zu beobachten, die denen der V2-Sprachen ähneln, doch unterliegt das Auftreten von V2-Stellung bei diesen Sprachen verschiedenen Beschränkungen, die bei den germanischen Sprachen und dem Bündnerromanischen nicht beobachtet werden können. So besteht im Spanischen und Italienischen bei Sätzen, die mit einer Adverbiale eingeleitet werden, die Möglichkeit einer V2-Stellung, da in diesen Fällen das Subjekt invertiert auftreten kann. 34. sp.

a. Con placer ha leído el libro la mujer. mit Vergnügen hat gelesen das Buch die Frau ‘Mit Vergnügen hat die Frau das Buch gelesen.’ b. Con placer ha leído la mujer el libro. mit Vergnügen hat gelesen die Frau das Buch ‘Mit Vergnügen hat die Frau das Buch gelesen.’

35. it.

a. Con piacere ha letto il libro la donna. mit Vergnügen hat gelesen das Buch die Frau ‘Mit Vergnügen hat die Frau das Buch gelesen.’ b. Con piacere ha letto la donna il libro. mit Vergnügen hat gelesen die Frau das Buch ‘Mit Vergnügen hat die Frau das Buch gelesen.’ (zitiert nach Kaiser 2002, 3)

In spezifischen Kontexten kann in diesen Sprachen auch ein Objekt die erste Position eines V2-Satzes belegen. Dies ist dann zulässig, wenn Betonung oder Kontrast zu anderen Konstituenten vorliegt. 36. sp.

UN LIBRO ha leído Maria (y no un periódico). ein Buch hat gelesen Maria (und nicht eine Zeitung) ‘EIN BUCH hat Maria gelesen, keine Zeitung.’

12 Zur S-V-O-Grundstruktur der romanischen Sprachen cf. u. a. Arnaiz (1998), Dryer (2005). Im Hinblick auf das Französische scheint der rigide S-V-O-Status der Sprache wenig umstritten, auch wenn Rizzi und Roberts (1989, 9) von residualer V2-Stellung sprechen (cf. 2.2.3.1). Im Hinblick auf das Spanische ist dies weniger eindeutig. Es besteht teilweise die Meinung, dass das Spanische eine V-S-O-Sprache ist (cf. u. a. Green 1976).  



2.1 Die traditionelle Definition der V2-Eigenschaft

37. it.

89

UN LIBRO ha letto Maria (e non un giornale). ein Buch hat gelesen Maria (und nicht eine Zeitung) ‘EIN BUCH hat Maria gelesen, keine Zeitung.’ (zitiert nach Kaiser 2002, 3, abgeändert)

Auch in einer germanischen V2-Sprache, wie dem Deutschen, liegt bei O-V-SStellung eine Markierung vor. Der relevante Unterschied zwischen dem Germanischen und Romanischen existiert hier also nicht durch die Struktur an sich, sondern besteht aufgrund der Tatsache, dass im Spanischen und Italienischen die V2-Variante nicht in allen Fällen obligatorisch ist. Auch eine V>2-Variante ist als markierte Struktur möglich; im Italienischen sowohl bei initialer Adverbiale als auch bei initialem Objekt (38 a, b),13 im Spanischen lediglich bei initialer Adverbiale (39). Anders als im Deutschen muss Subjektinversion in diesen Fällen also nicht zwangsläufig auftreten. 38. it.

a. Con piacere Maria ha letto un libro. b. UN LIBRO Maria ha letto.

39. sp.

Con placer Maria ha leído el libro.

Im modernen Französischen ist ein Satz mit vorangestelltem Objekt ungrammatisch. Generell gibt es hier nur sehr wenige Ausnahmen, in denen ein anderes Element als das Subjekt vor das Verb in die initiale Satzposition tritt, und auch in diesen Fällen ist Subjektinversion nicht obligatorisch (cf. hierzu 2.2.3.1). Insgesamt kann das moderne Französische als «strengster» romanischer S-V-OSprachtyp beschrieben werden, der die wenigsten Möglichkeiten für V2-Phänomene oder Subjektinversion zulässt (cf. Arnaiz 1998, 49). 40. fr.

a. *UN LIVRE a lu Marie b. *UN LIVRE Marie a lu

Es bleibt also festzuhalten, dass eine deutliche Diskrepanz im Vorkommen von V2-Sätzen zwischen den germanischen Sprachen und dem Bündnerromanischen einerseits und allen weiteren modernen romanischen Sprachen andererseits besteht. Diese Diskrepanz ist allerdings weniger deutlich, wenn man die mittelalterlichen romanischen Sprachen und insbesondere das Altfranzösische mit in die Betrachtung einbezieht.

13 Allerdings ist die V>2-Variante unüblicher als die O-V-S-Struktur.

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2 Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel

2.1.3 V2 im Altfranzösischen? V2-Stellung im Altfranzösischen wird in der Literatur seit langem diskutiert.14 Unter den frühen traditionellen Untersuchungen sind vor allem die Arbeiten von Herman (1954) und Skårup (1975) zu nennen. Herman (1954) geht aufgrund seiner umfangreichen und systematischen Analyse zur Wortstellung im Altfranzösischen davon aus, dass das finite Verb regelhaft die zweite Position einnimmt. Abweichungen zu dieser Regel erklärt er als Ausnahmen (cf. 3.3). Skårup (1975) ist der erste, der ein syntaktisches Schema für die Satzgliedstruktur des Altfranzösischen entwickelt, welches eine präverbale, verbale und postverbale Position vorsieht (cf. 3.4.2). Auch er geht davon aus, dass das Verb regelmäßig in der Mitte, i. e. in seiner position verbale auftritt. Typologisch ausgerichtete Untersuchungen zum Altfranzösischen erklärten die Mittelstellung des Verbs als ein Nebeneinander von OV- und VO-Strukturen (cf. u. a. Buridant 1987). Hier wird deutlich, dass das Altfranzösische die Position des Objekts bis zum 12. Jahrhundert nicht festgelegt hatte, weshalb V2-Sätze mit O-V-X- und X-V-O-Struktur möglich waren. Ab dem 13. Jahrhundert scheint sich die V-O-Abfolge mehrheitlich durchgesetzt zu haben, was allerdings nicht bedeutet, dass sich am Satzanfang nun das Subjekt befindet. Im 13. Jahrhundert gibt es häufig noch X-V-O-Stellung, und erst allmählich kann sich das S-V-O-Muster durchsetzen. Diese Progression gilt als eines der markantesten Phänomene in der Entwicklung der französischen Syntax (cf. Marchello-Nizia 1995, 110s. und 1999, 43–45). Sie steht mit der Tatsache in Zusammenhang, dass sich die Position des Subjekts erst etablieren und festigen musste. Ein weiteres Merkmal des Altfranzösischen ist seine Nullsubjekt-Eigenschaft. Wie bereits im Hinblick auf die alten germanischen Sprachen beschrieben wurde, versteht man hierunter die Möglichkeit, dass das pronominale Subjekt fehlen kann.15 Bis Mitte oder Ende des 13. Jahrhunderts ist dieses wohl nicht einmal bei der Hälfte der Aussagesätze vorhanden und darüber hinaus oftmals auf spezifische Kontexte beschränkt (es tritt kaum im Nebensatz auf). Erst zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert geht die Möglichkeit der leeren Subjektposition gänzlich verloren (cf. Marchello-Nizia 1999, 40s.).  

14 Hinsichtlich der sehr frühen Arbeiten aus dem ausgehenden 19. und angehenden 20. Jahrhundert (Le Coultre 1875; Thurneysen 1892; Richter 1903; Lerch 1934; Siepmann 1973; Diez 1872; Meyer-Lübke 1899) verweise ich auf den Forschungsüberblick von Marchello-Nizia (1995) und Kaiser (2002). 15 Dieser Sachverhalt entspricht im Prinzip noch dem Latein, da auch dort das pronominale Subjekt weggelassen werden konnte.

2.1 Die traditionelle Definition der V2-Eigenschaft

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Exkurs Im Zusammenhang mit der Entwicklung der altfranzösischen Syntax bzw. der Entwicklung der Positionen von Subjekt und Objekt wurden in der einschlägigen Literatur immer wieder auch das Stellungsverhalten und die morphosyntaktischen Eigenschaften von Subjekt- und Objektpronomen diskutiert. Es besteht weitestgehend Einigkeit darüber, dass die Subjektpronomina «ihre Eigenschaft als selbständige Wörter allmählich verlieren und sich zunehmend klitisch an das finite Verb binden» (Kaiser 2002, 93). In welchem Zeitraum und auf welche Art sich diese Entwicklung vollzog, wird allerdings unterschiedlich bewertet: Hilty (1975, 424) legt den Beginn dieser Entwicklung bereits in spätlateinische Zeit, da dort eine «gewisse Tendenz zur nachdruckslosen Setzung des Subjekt-Personalpronomens» gegeben sei. Er betont in diesem Zusammenhang den besonderen Status des Altfranzösischen gegenüber den anderen altromanischen Sprachen. Das Nordfranzösische unterscheide sich von seinen Schwestersprachen zum einen «durch die nachdruckslose Setzung des Subjektpronomens überhaupt» und zum anderen «durch die Beschränkung dieser Setzung auf jene Fälle, wo das Subjekt vor dem Verb stehen konnte und nicht aufgrund der Inversionsregeln hinter das Verb treten mußte» (424). Auch Buridant (2000, 746, auch 425–426) gibt an, dass, wenn das nachgestellte Subjekt ein Pronomen sein müsste, es meist nicht realisiert wurde. Allerdings könnten in Verstexten metrische Faktoren seine Realisierung begünstigen. Skårup (1975, 62) hingegen argumentiert, dass es Pronomina in Nachstellung gab und sich der Prozess der Klitisierung zunächst bei diesen entwickelte. Er geht davon aus, dass diese Pronomina bereits im frühen Altfranzösischen an das Verb gebunden sein mussten (cf. auch Foulet 1928, 150). Die Subjektpronomina, die vor dem Verb standen, seien allerdings erst später zu Klitika geworden (cf. Skårup 1975, 35). Zu diesem Ergebnis kommt auch Marchello-Nizia (1995, 1999). Sie vermutet, dass der Klitisierungsprozess um 1400 zu einem Ende kam, weil die Bindung des Pronomens an das Verb für diesen Zeitraum schon fast obligatorisch scheint (cf. Marchello-Nizia 1999, 48; cf. auch Moignet 1976, 128). Es kann ihrer Meinung nach deshalb von einem «premier pas vers la grammaticalisation de SV, et vers l’expression quasi systématique du sujet» die Rede sein. Das Auftreten von Spro-X-V-Strukturen mit einer phrasalen X-Konstituente wurde entsprechend als Gegenargument für den klitischen Status des Subjektpronomens im Altfranzösischen genommen (cf. Becker 2005, 253, 255. Becker geht davon aus, dass die Bindung zwischen Subjektpronomen und Verb schon im späten Altfranzösischen stark war, dass aber der klitische Status des Pronomens erst im Mittelfranzösischen einsetzte).

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2 Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel

Der morphosyntaktische Status und die Satzposition der Objektpronomina scheinen in der Literatur weitestgehend geklärt. Bereits Tobler und Mussafia (cf. Tobler 1875, 1889; Mussafia 1886) geben an, dass das klitische Objektpronomen dem Verb immer vorausgeht, wenn ein weiteres Satzglied mit phrasalem Wert vor diesem steht. Oder anders ausgedrückt, wenn das Verb am Beginn des Satzes steht, kann das Pronomen nur postverbal auftreten (Vunt les ferir la o il les encuntrent). Diese Beobachtung gilt heute als das Tobler-Mussafia-Gesetz (cf. auch Skårup 1975, 519; Marchello-Nizia 1995, 107–108). Mit dem Aufkommen funktionaltypologischer Ansätze wurde bei der Klassifizierung der altfranzösischen Satzgliedstruktur außerdem die informationsstrukturelle Perspektive mit berücksichtigt und eine T-V-X-Struktur (Vennemann 1974) konstatiert, also eine Struktur, deren erstes Element unabhängig von seiner syntaktischen Funktion immer das Topik – oder in anderer Terminologie das Thema (T) – ist (cf. u. a. Harris 1978; Marchello-Nizia 1995, 1999, 2000, 2012; Buridant 1993, 1999, 2007).16 Das Altfranzösische gilt in diesem Sinne als eine T-V-X 

16 Wie der Name bereits verrät, versteht sich die Funktionaltypologie als Paarung positionstypologischer und funktionalgrammatischer Ansätze. Das Anliegen der funktionalen Grammatik ist es, den Zusammenhang zwischen syntaktischen Strukturen und kommunikativen Eigenschaften zu erfassen. Es wird angenommen, dass gewisse syntaktische Strukturen nur dadurch erklärt werden können, dass sie auf zugrunde liegende kommunikative Prinzipien zurückzuführen sind. Dies ist die Annahme aller funktionalen Schulen, die sich durch jeweils verschiedene Ansätze kennzeichnen. Zu den einschlägigen Ansätzen müssen u. a. die Arbeiten der Prager Schule gezählt werden, die in den 1920er-Jahren die funktionale Grammatik begründeten, sowie die Arbeiten, die zur functional grammar von Simon Dik gehören (für einen Überblick über weitere Ansätze und Schulen cf. Dürscheid 2000, 170ss). Zu Unklarheit führt heute nicht selten das Problem, dass die Terminologie der verschiedenen Ansätze und die ihr zugrunde liegenden Konzepte vermischt wurden, weshalb an dieser Stelle noch einmal eine knappe Definition gegeben werden soll: Die Prager Schule prägte das Begriffspaar Thema-Rhema, bei dem das Thema die alte, dem Hörer bereits aus dem Kontext oder aus der Situation bekannte Information bezeichnet, das Rhema hingegen die neue. Die in der funktionalen Grammatik geläufige Beschreibung ist die Topik-Kommentar-(oder-Fokus)-Gliederung: Das Topik ist die Ausgangsinformation, das, worüber etwas gesagt wird (in der Regel steht es am Satzanfang). Der Kommentar (der den Fokus beinhaltet) ist dagegen die darauf bezogene Ausführung, also die Mitteilung, und enthält die relevante Information (den Fokus), also das, was über das Topik gesagt wird. (Der Kommentar kann weiterhin Hintergrundinformationen enthalten, die nicht Teil des Fokus sind – z. B. verknüpfende Satzelemente, vorerwähnte Elemente, die nicht das Topik sind). Immer wieder wurde betont, dass diese Begriffspaare nicht miteinander gleichzusetzen sind, was exemplarisch anhand von Dürscheids Ausführungen dargestellt werden kann: «Was Topik, was Kommentar ist, lässt sich satzintern bestimmen, die Thema-Rhema-Gliederung hingegen verweist auf die Textebene. Natürlich besteht zwischen dem Topik (in der Topik-Kommentar-Gliederung) und  



2.1 Die traditionelle Definition der V2-Eigenschaft

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Sprache mit V2-Stellung, was Buridant (1993) folgendermaßen ausdrückt: «[…] l’ancien français est typiquement, ou plutôt typologiquement, à un stade TVX, avec verbe second, […]. La position devant le verbe est encore, en ancien français, une position thématique qui est loin d’être réservée au sujet […]» (Buridant 1993, 35). Die T-V-X-Etikette berücksichtigt also den Umstand, dass sämtliche Satzglieder topikalisiert vor das Verb treten können, wobei Topikalisierung hier in einer rein syntaktischen Weise zu verstehen ist, also Topikalisierung als Platzierung einer Nicht-Subjekt-Konstituente an den Satzanfang. In informationsstruktureller Perspektive ist der Begriff streng genommen irreführend, da nicht nur topikale Satzelemente vor das Verb treten können, sondern auch fokale. Wie die V2-Beispiele in diesem Abschnitt exemplarisch zeigen mögen, weist das Altfranzösische alle Möglichkeiten für V2-Stellung auf, die auch in den germanischen Sprachen belegt sind. Sofern dem Verb kein Subjekt vorausgeht, steht ein anderes (topikales oder fokales) Satzelement in präverbaler Position (cf. Buridant 2007, 741). 41.

Subjekt-Verb-Objekt a. Li rois apele un escuier (Tristan, 1483) der König ruft ein Schildträger ‘Der König ruft einen Schildträger’ b. Aucassins tent le main (Aucassin, X, 35) Aucassin nimmt die Hand ‘Aucassin nimmt die Hand’

dem Thema (in der Thema-Rhema-Gliederung) eine enge Beziehung, insofern als der Gegenstand der Aussage in der Regel die Satzkonstituente ist, die dem Hörer bereits bekannt ist. Doch es gibt keine Eins-zu-eins-Entsprechung.» Und weiter: «Zwischen der Thema-Rhema-Gliederung einer Aussage und ihrer Topik-Kommentar-Gliederung muss also unterschieden werden. Während der Informationswert einer Satzkonstituente immer über den Kontext ermittelt werden kann, muss auf die vom Sprecher gewählte Topik-Kommentar-Gliederung satzintern geschlossen werden. Es gilt: Das, worüber etwas mitgeteilt wird, korreliert zwar in den meisten, aber eben nicht in allen Fällen mit Faktoren wie Bekanntheit bzw. Vorerwähntheit» (cf. Dürscheid 2000, 175). Die Trennung der zwei verschiedenen – durch die zwei Begriffspaare ausgedrückten – funktionalen Ebenen wurde schließlich im Rahmen der niederländischen functional grammar von Dik durchgeführt. In vielen Arbeiten zu V2-Stellung hat sich heute die Terminologie Topik-Fokus durchgesetzt (mit Ausnahme vor allem der Arbeiten von Marchello-Nizia und Buridant). In der vorliegenden Arbeit schließe ich mich dieser Bezeichnung an und referiere hier mit Topik-Fokus nicht auf die kontextuelle Gebundenheit, sondern in erster Linie auf den internen Mitteilungswert. Falls die kontextuelle Gebundenheit eine Rolle bei der Analyse spielt, wird dies angezeigt.

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42.

2 Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel

Objekt-Verb-Subjekt a. Itieus paroles distrent li frere de Lancelot (MortArtu, 21, 1) diese Worte sagten die Brüder von Lancelot ‘Diese Worte sprachen Lancelots Brüder’ b. Ceste avision vit li rois Mordrains en son dormant (Queste, 135, 18) diese Vision sah der König Mordrain in seinem Schlaf ‘Diese Vision hatte König Mordrain während er schlief’

Entsprechend der Inversionsmöglichkeiten der modernen germanischen V2-Sprachen ist Subjektinversion im Altfranzösischen mit nominalem (42) und pronominalem Subjekt (43) belegt. Die folgenden Beispiele zeigen darüber hinaus, dass das invertierte Subjektpronomen zwischen dem Hilfsverb und dem Partizip Perfekt liegt, wie dies auch typisch für die germanischen Sprachen ist. 43. a. pour la grant amour ai je pourchaci (zitiert nach Sitaridou 2012, 589) für die große Liebe habe ich verfolgt ‘der großen Liebe wegen verfolgte ich’ b. sire, dit l’empereriz, or est il coupez (zitiert nach Sitaridou 2012, 589) Herr sagt die Herrscherin nun ist es geschnitten ‘Herr, sagte die Königin, nun ist es abgetrennt’ Im Altfranzösischen kann S-V-O-Stellung – wie in den anderen V2-Sprachen – als unmarkierte Struktur des Aussagesatzes angesehen werden (cf. Buridant 2007, 743). O-V-S-Stellung dient hingegen der Hervorhebung des direkten Objekts und der Verknüpfung mit dem vorherigen Satz, meist durch ein anaphorisches Element (itieus, ceste etc.). Der – vor allem in später Zeit – markierte Charakter dieses Stellungstyps zeigt sich häufig anhand emphatischer Elemente wie z. B. langer Formen von Demonstrativa (44) oder anhand der Bildung eines Kontrasts zwischen zwei direkten Objekten (45) (cf. Marchello-Nizia 1999, 47).  

44. Icestui message ne ferai je ja, se Deu plaist. (MortArtu, 144, 48–49) jene Nachricht nicht werde ich machen wenn es Gott gefällt ‘Jene Nachricht werde ich nicht überbringen, so Gott will.’ 45. Lors osta Boorz son hiaume et Galaad le suen et s’espee, mais son hauberc ne volt il pas oster. (Queste, 200, 5–6)

2.1 Die traditionelle Definition der V2-Eigenschaft

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also abnahm Bohort seinen Helm und Galaad den seinigen und sein Schwert, aber sein Panzerhemd nicht wollte er [nicht] abnehmen ‘Also nahm Bohort seinen Helm ab und Galaad den seinigen und sein Schwert, aber sein Panzerhemd wollte er nicht abnehmen.’ Des Weiteren können dem finiten Verb Adverbiale (46) und Adverbien vorausgehen (47), sowie fokalisierte Elemente, darunter prädikative Adjektive (bei estre), intensivierende Adverbien und Infinitive (48). 46. a. En le cambre entre Aucassin (Aucassin, 29,1) in das Zimmer tritt Aucassin ‘In das Zimmer tritt Aucassin ein’ b. Entre les povres se sist danz Alexis (Alexis, 20, 2) zwischen die Armen sich setzt Herr Alexius ‘Zwischen die Armen setzt sich Alexius’ 47. a. Dunc perdreit Carles le destre braz del cors (Rol, 597) also verlöre Karl den rechten Arm des Körpers ‘Folglich würde Karl den rechten Arm seines Körpers verlieren’ b. Lors dit la dame de rechief (Yvain, 4615) also sagte die Dame mit Rückbezug ‘Also sagte die Dame aufs Neue’ c. Or puet longuement sejorner Clamadeu (Graal, 2566–67) jetzt kann lange verweilen Clamadeu ‘Jetzt kann Clamadeu lange verweilen’ d. Si pensa moult cele nuit a Lancelot (MortArtu, 27, 29, 3) so dachte [er] sehr diese Nacht an Lancelot ‘Diese Nacht dachte er viel an Lancelot’ 48. a. Bons fu li secles al tens ancïenour (Alexis, 1,1) gut war die Welt zur Zeit älterer ‘Gut war die Welt zu früherer Zeit’ b. Halt sunt li pui (Rol, 814) hoch sind die Hügel ‘Hoch sind die Hügel’

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2 Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel

c. Molt (par) fu Sansadonies et sages et menbrés (Antio, 4685) sehr war Sansadoine sowohl weise als auch angesehen ‘Sansadoine war sehr weise und angesehen:’ d. Molt fu grande la noise et li hu sont plenier. (Antio, 6309) sehr war groß der Lärm und die Verwirrungen sind viele ‘Der Lärm war sehr groß und die Verwirrung war außerordentlich.’ e. mangier (le) fist / Avoec lui an une escuële (Graal, 1560–61) essen ihn machte [er] mit ihm auf einem Teller ‘Er brachte ihn dazu, mit ihm vom selben Teller zu essen’ Im Fall von (48c und d) ist von einer spezifisch altfranzösischen V2-HauptsatzKonstruktion zu sprechen, in der ein postverbales Adjektiv durch das initiale Adverb verstärkt wird (ausschließlich in Kombination mit den Modalverben estre und avoir). Das Besondere an diesen Strukturen ist, dass keine Adjazenz zwischen dem Adverb und dem Adjektiv bestehen muss, wie es in den modernen V2Sprachen (oder auch S-V-O-Sprachen) üblich ist (cf. hierzu weiter 3.4.2.4). Neben Aussagesätzen findet sich V2-Stellung im Altfranzösischen in Ergänzungsfragen und in Nebensätzen. Das Altfranzösische scheint also zum symmetrischen Typ der V2-Sprachen zu gehören, da die Wortstellung im Nebensatz in den meisten Fällen mit der im Hauptsatz übereinstimmt (49a). Parallel zum Deutschen steht das finite Verb in Relativsätzen jedoch meist am Ende des Satzes (49b). 49. a. Quant il fu en son le pui […] (o. Quellenangabe, zitiert nach Revol 2005, 197) als er war auf dem Gipfel des Hügels ‘Als er auf dem Gipfel des Hügels ankam […]’ b. Dex, qui toz les segrez voit […] (o. Quellenangabe, zitiert nach Revol 2005, 197) Gott der alle die Geheimnisse sieht ‘Gott, der alle Geheimnisse sieht […]’ Alle bisher aufgeführten syntaktischen Merkmale sprechen für die V2-Eigenschaft des Altfranzösischen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass im Altfranzösischen – ähnlich wie in den altgermanischen Sprachen – Satzstrukturen auftreten, die nicht mit einer modernen V2-Eigenschaft übereinstimmen. Dies sind V>2- und V1-Strukturen (cf. hierzu weiter Kapitel 3, 4 und 5). Es kann also nicht von einer V2-Sprache die Rede sein, die den heutigen V2-Sprachen gleichkommt.

2.1 Die traditionelle Definition der V2-Eigenschaft

50. V1

Tresvait la noit e apert la clere albe. (Rol, 737) vergeht die Nacht und kommt der helle Morgen ‘Die Nacht vergeht und der helle Morgen bricht an.’

51. V>2

A voz Franceis un cunseill en presistes (Rol, 205) bei euren Franken einen Rat darüber leiht [ihr] ‘Bei Euren Franken holtet Ihr Euch Rat ein’

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Trotz dieser Strukturen stellt V2-Stellung insgesamt den dominanten, i.e. häufigsten Stellungstyp dar, was verschiedene voneinander unabhängige Auswertungen belegen. In den Arbeiten von Roberts (1993), Marchello-Nizia (1995, 2000), Marchello-Nizia und Rouquier (2012) oder Kaiser (2002) liegt der prozentuale Anteil von V2 in allen analysierten Texten zwischen 70% und 95%. Bisher scheint nur ein Text eine Ausnahme zu dieser Regel darzustellen: In der Passion sind V2-Sätze mit weniger als 50% belegt.17 An dieser Stelle soll noch eine V2-Struktur herausgestellt werden, die in der Diskussion über die altfranzösische Syntax besonderere Berücksichtigung fand. Es handelt sich um die Struktur des durch si eingeleiteten Aussagesatzes: si-V-S bzw. si-V-X. si-V-S/X gilt als typische Konstruktion des Altfranzösischen, aber auch anderer altromanischer Sprachen (cf. Marchello-Nizia 1985; Kabatek 2005b, 152–153; Ledgeway 2008, 442–265; u. a.).  

52. Si s’armerent li chevalier, et corurent en la terre; (Vil, 123) so sich bewaffneten die Ritter, und rannten auf das Gebiet ‘So bewaffneten sich die Ritter und stürmten auf das Gebiet;’ 53. Si s’acorderent li baron ensanle, et disent qu’il prenderoient l’avantgarde (Cla, 47, 37–38) so sich einigen die Edelmänner zusammen und sagen dass sie nähmen die Vorhut ‘So kommen die Edelmänner überein und beschließen, dass sie die Vorhut übernehmen werden’ 54. Lieve la noise, si fremirent li rent (Aspremont, 4448, zitiert nach Buridant 2000, 754) anhebt das Getöse so erschüttern die Reihen ‘Es beginnt das Getöse und so erschüttern die Reihen’

17 Cf. zu den einzelnen Untersuchungen auch 3.1.

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2 Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel

55. Si cort meintenant a une espee qui ert seur un lit (MortArtu, 189, 2–3, zitiert nach Buridant 2000, 749) so rennt [er] jetzt zu einem Schwert das war auf einem Bett ‘So eilt er alsbald zu einem Schwert, das auf einem Bett lag’ 56. Si recevrai la chrestïene lei (Rol, 85) so erhalte [ich] das christliche Gelübde ‘So werde ich den christlichen Glauben annehmen’ 57. Si troeve chevaliers et escuiers (Graal, 8) so findet [er] Ritter und Schildträger ‘So findet er dort Ritter und Schildträger vor’ Unabhängig von der theoretischen Ausrichtung der meisten Untersuchungen zu Sätzen dieser Art ergab sich in der Vergangenheit die Frage, welchen syntaktischen, semantischen und pragmatischen Status si hat und wie dieser zu begründen ist. Die verschiedenen Funktionen, die si in der Vergangenheit zugesprochen wurden, sollen anhand der folgenden Auflistung deutlich gemacht werden:18 a) Unter einem pragmatischen Gesichtspunkt wurde si die Funktion eines marqueur d’assertion zugeschrieben (cf. Marchello-Nizia 1985, 48ss., 52). Demnach handelt es sich um eine Partikel, die eine Art Überprüfung darstellt und die Autorität des Sprechers oder Schreibers hinsichtlich des Wahrheitsgehalts der Äußerung geltend macht. b) In diskurspragmatischer Perspektive ist si kohäsives Mittel an der Textoberfläche und übernimmt die Funktion, an die vorhergehende Diskurssituation anzuknüpfen und so die Textkohärenz herzustellen (cf. für ein Fallbeispiel Kabatek 2005b, 145–147). In dieser Perspektive wird dann auch ersichtlich, was Fleischmann (1992, 270) oder van Reen und Schøsler (1992, 105) betonen: Ein neuer Abschnitt des Diskurses (in Form eines neuen Kapitels oder eines neuen Paragraphen) kann niemals von si eingeleitet werden, da es nie auf einen Bruch oder Wendepunkt in der Kontinuität der Diskurshandlung folgt. Hierzu passen auch die Ergebnisse von Lemieux und Dupuis (1995, 96), nach denen die normale Position von si am Beginn eines Satzes ist und niemals am Beginn eines Textes. c) Eine Klassifizierung von si, die sich nach seiner informationsstrukturellen Funktion ausrichtet, scheint etwas schwieriger: Einerseits weist Ledgeway

18 Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie soll lediglich dazu dienen, einen Überblick über die Ergebnisse verschiedener Studien zu geben.

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(2008, 448) darauf hin, dass si auf der Grundlage der diskurspragmatischen Gegebenheiten nicht Fokus sein kann, da Foki normalerweise neue Information einführen und deshalb genau am Beginn eines neuen Abschnitts oder Kapitels stehen können. Allerdings schließt diese Position nicht aus, dass si fokale Elemente einführen kann.19 Buridant (2000, 749) verweist auf einige «séquences rhématiques introduites par si», wie sie etwa in den folgenden Beispielen auftreten: 58. et si tost com il orent commencié a tendre le paveillon, si oïrent un cor pres d’eus qui sonna par deus foiees (MortArtu, 48, 28–30, zitiert nach Buridant 2000, 749) und sobald als sie hatten angefangen zu errichten das Zelt, so hörten [sie] ein Horn nahe bei ihnen das schallte für zwei Mal ‘Und als sie gerade angefangen hatten das Zelt aufzubauen, hörten sie von nahem ein Horn zweimal schallen’ 59. Si establi li rois dis batailles, et la premiere conduisoit messire Yvanins, [...] l’uitiesme conduisoit [...], la derrienne conduist li rois Artus. (MortArtu, § 180, zitiert nach Marchello-Nizia 1995, 92) so erstellte der König zehn Bataillonen und die erste führte Edelmann Yvainins, [...] die achten führte [...] die letzte führte der König Artus ‘So stellte der König zehn Bataillonen auf, die erste führte Yvain, [...] die achte führte [...], die letzte führte König Artus.’ Im ersten Fall ist das Subjekt nicht realisiert, im zweiten Fall hingegen ist es invertiert und steht hinter dem Verb. Insbesondere diese Inversion verweist auf den fokalen Gehalt des Satzes (cf. hierzu Kapitel 5 zu VS-Strukturen), der mit dem Verb beginnt. Si ist in diesem Fall also nicht Teil der séquence rhématique, sondern wird als Fokus einleitendes, thematisches Element klassifiziert (von Buridant 2000, 747). Dies entspricht der gängigen Auffassung in der Literatur, nach der si dazu dient, Topik-Kontinuität zu markieren (Fleischman 1991, 274–275): 60. Il regarde l’enfant, si le voit (Graal, 2, zitiert nach Marchello-Nizia 1995, 80) er betrachtet das Kind so es sieht ‘Er betrachtet das Kind und so sieht er es’

19 Für eine Diskussion früherer Forschungsergebnisse zu diesem Aspekt cf. Ledgeway 2008, 447–448.

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61. Et quant il fu amont, si resgarde loigne et pres, mes il n’i voit home ne fame, dont il se merveille molt, (Graal, 253–254, zitiert nach Marchello-Nizia 1995, 99) und als er war darauf so betrachtet [er] weit und nah aber er nicht dort sieht Mann noch Frau worüber er sich wundert sehr ‘Und als er oben war, betrachtete er die nähere und weitere Umgebung, aber er sah dort weder Mann noch Frau, worüber er sich sehr wunderte’ 62. Li rois Artus [...] vit le cheval Lancelot, si le connut bien comme celui meïsmes qu’il li avoit donné, mes Lancelot ne connut il mie car trop estoit enbrons (MortArtu, 11, 1–4, zitiert nach Marchello-Nizia 1995, 93 und Buridant 2000, 745) der König Artus [...] sah das Pferd Lancelot, so es erkannte [er] gut wie jenes eigene dass er ihm hatte gegeben aber Lancelot nicht kannte es [nicht] denn zu sehr war [er] gekrümmt ‘König Artus sah das Pferd von Lancelot, er erkannte es ohne Mühe, da er es ihm selbst gegeben hatte, aber er erkannte Lancelot nicht wieder, da er den Kopf zu sehr gesenkt hielt’ Wie aus den Beispielen ersichtlich wird, setzt sich das Topik – in den ersten beiden Sätzen durch das Subjektpronomen il ausgedrückt, im dritten durch das nominale Subjekt li rois – durch si fort. Es wurde darauf hingewiesen, dass insbesondere bei Nullsubjekten von einer Topik-Markierer-Funktion auszugehen ist, da si hier an die Stelle des Nullsubjekts trete bzw. das Null-Topik anzeige: «It signals a null topic [...] which is coreferential with the primary topic (generally encoded as the subject) of the preceding clause» (Ledgeway 2008, 461). Das Erscheinen von si wurde darüber hinaus auch an das Auftreten mehrerer Topik-Elemente gekoppelt. In diesem Fall übernimmt es die Funktion, die Kontinuität eines bestimmten Topiks (continuous topic) auszudrücken, die in der Regel durch die Flexionsendung des Verbs gekennzeichnet ist. Wenn allerdings ambige Fälle gegeben sind, scheint si offensichtlich die Kontinuität des ersten oder dominierenden Topiks auszudrücken, das in der Regel mit dem syntaktischen Subjekt übereinstimmt (cf. Ledgeway 2008, 462). Si als Topikmarker kann allerdings auch durch das Subjektpronomen ersetzt werden, insbesondere wohl nach einem einleitenden Nebensatz: 63. Tot premierement, se Diex done que vos le remetez en son heritrage, il metra tot l’empire de Romanie a la obendience de Rome (Vil, 93, zitiert nach Buridant 2000, 746).

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ganz zuerst wenn Gott gibt dass ihr ihn zurücksetzt in sein Erbe er wird setzen ganzes Reich von Rom unter den Gehorsam von Rom ‘Zuallererst, wenn Gott gewährt, dass ihr ihm sein Erbe wiederherstellt, wird er das gesamte römische Reich Rom unterstellen.’ Nach Buridant (2000, 746) ist dieser Wechsel von si zu il als Anzeichen für den sich abzeichnenden Strukturwandel anzusehen, i.e. den Wechsel von V2 zu S-VO. Hieraus resultiert die Annahme, dass si und il vor allem in späten Texten gleichzusetzen sind. d) In einer rein syntaktischen Perspektive wurde si – gemeinsam mit or (nun, jetzt), e/et (und), ainz (davor, bis) – von verschiedenen Autoren als – syntaktisch vollwertige – phrasale Kategorie bewertet, die in komplementärer Verteilung zu den Satzgliedern steht, die bei V2-Stellung präverbal auftreten können.20 Zu begründen ist dies vor allem durch die Beobachtung, dass bei Strukturen des Typs si-V-Stellung alle anderen Satzglieder postverbal auftreten und auch das Subjekt in diesem Fall invertiert ist (oder nicht realisiert). Darüber hinaus wurde festgestellt, dass bei si-V-Stellung alle klitischen Objektpronomina in Proklisis stehen, also vor dem Verb. Nach dem sogenannten Tobler-Mussafia-Gesetz kann dies nur bedeuten, dass si keine V1-Struktur folgt. Das Gesetz bezieht sich auf den Sachverhalt, dass die klitischen Objektpronomina im Altfranzösischen immer unmittelbar vor dem Verb im Mittelfeld liegen, außer wenn das Verb am Satzanfang steht. Hinsichtlich der Strukturen mit einleitendem si bedeutet dies also, dass erstens der Hauptsatz eigentlich keine V1-Struktur enthalten kann, da das klitische Objektpronomen präverbal auftritt. Und wenn keine V1-Struktur auftritt, müsste zweitens die Möglichkeit ausgeschlossen sein, dass si nicht Bestandteil des Satzes ist (cf. zum Tobler-Mussafia-Gesetz: Benincà 1995, 2006). Allerdings scheint si die Eigenschaften einer phrasalen Kategorie nicht vollständig zu erfüllen, da es nicht in allen Positionen innerhalb des Satzes auftreten kann, sondern ausschließlich in der linken Peripherie. Es scheint also distributiven Beschränkungen zu unterliegen (cf. Marchello-Nizia 1985; Ledgeway 2008). Der Blick auf die germanischen V2-Sprachen und auf dort anzutreffende vergleichbare Elemente (dt. also) lässt nun aber vermuten, dass si den Status

20 Unter anderen verweist Becker (2005, 354) auf den syntaktisch vollwertigen Status von si: «[...] si est aussi incompatible avec les pronoms sujets (mais non pas avec les clitiques d’objet) qu’avec les adverbes. Il en va de même pour les phrases sujets ainsi que pour les phrases objets [...]. Il est donc évident que si occupe une position structurelle comparable à celle d’une phrase nominale ou d’un pronom sujet dont le statut particulier voire non clitique se trouve ainsi confirmé pour l’ancien français.»

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eines vollwertigen Satzglieds doch haben konnte, aber nicht musste. Denn auch im Deutschen kann beim Einsatz solcher Elemente in initialer Satzposition die V2-Beschränkung auftreten, sie muss es aber nicht in jedem Fall (cf. hierzu 3.4.1.1). Allerdings wird diese Meinung im Hinblick auf das Altfranzösische nicht von allen Autoren geteilt, da man si in der Vergangenheit auch als reine Konjunktion auffasste. Nach dieser Annahme gelten si-V-XStrukturen als V1-Sätze (cf. Kaiser 2002, 127; cf. auch Herman 1954, 277).21 Fälle, in denen si selbst an die zweite Stelle im Satz tritt (ausschließlich in Kombination mit einigen wenigen Adverbien und nach einleitenden Nebensätzen), wurden bisher nicht besprochen. Ich werde in Kapitel 3 ausführlich auf sie eingehen.

2.1.4 V2 in anderen altromanischen Sprachen?22 Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts finden wir neben Arbeiten zum Altfranzösischen auch Untersuchungen, die sich der Satzgliedstellung anderer

21 Besonders in formalen Analysen ist dieser Punkt problematisch, da die Funktion von si gerne als last resort mechanism angesehen wird (vor allem bei potentiellen V1-Kontexten), um die V2Bedingung aufrechtzuerhalten (cf. 2.2.3.2). 22 Wie dies bereits für das Altfranzösische in Abschnitt 1.2.4 dargestellt wurde, stellen auch die anderen altromanischen Sprachen keine einheitlichen Sprachen dar, sondern sind ein abstrahierter Oberbegriff, hinter dem sich eine Vielzahl lokaler und regionaler Mundarten verbirgt. Die ersten Belege des Altitalienischen werden auf den Zeitraum des 9. oder 10. Jahrhunderts datiert (Insovinello veronese; Placito capuano) (cf. Tagliavini 1998, 407s.). Viele Arbeiten zum Altitalienischen nehmen allerdings ausschließlich auf das Alttoskanische des 12. und 13. Jahrhunderts und insbesondere auf das Altflorentinische Bezug, was seine Begründung darin findet, dass diese Varietät die Basis des literarischen und später des Standarditalienischen darstellt (cf. u. a. Renzi 2008, 2830). Die frühesten spanischen Sprachdenkmäler – die Cartularios de Valpuesta, die Emilianensischen Glossen und die Glosas Silenses – stammen aus dem 9. und 10. Jahrhundert. Anfang des 12. Jahrhunderts entstand der Cantar de mio Cid (um 1140), ein episches Gedicht in altkastilischem Dialekt. Die Sprache des Cid erlebte vom Ausgang des 11. bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts eine große Verbreitung und erhielt am Hofe Alfons X. des Weisen – der selbst Verfasser kastilischer Prosa war – letztlich so große Impulse, dass sie für ganz Spanien zur Literatur- und Nationalsprache wurde (cf. Tagliavini 1998, 391–395). Das Altkastilische bildet somit die Grundlage der meisten untersuchten Prosatexte des 12. und 13. Jahrhunderts. Was das Altportugiesische anbelangt, so ist umstritten, ab wann man von einer schriftlichen Dokumentation ausgehen kann. Es scheint kaum möglich, bei der Behandlung der frühesten Texte das Portugiesische vom Galizischen zu trennen. Die ältesten Belege finden sich zwar ab dem 9. Jahrhundert, doch sind dies nicht einheitliche volkssprachliche Texte, sondern meist nur Notizen auf einem lateinischen Dokument. Mehrheitlich wird davon ausgegangen, dass vom Ausgang des 12. Jahrhunderts an altportugiesische Texte entstanden. Als Periode des Altportugiesischen wird  

2.1 Die traditionelle Definition der V2-Eigenschaft

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altromanischer Sprachen widmen (z. B. Crabb 1955 für das Spanische, Canaes e Mariz de Pádua 1960 für das Portugiesische).23 Die jüngere Forschung zum Altromanischen betont, dass von mehreren Linearisierungsmustern auszugehen ist, die jedoch teilweise in einem hierarchischen Verhältnis zueinander stünden. Je nach theoretischem Ansatz und Autor fällt die Entscheidung für den einen oder anderen Stellungstyp allerdings unterschiedlich aus. De Dardel (1983, 5ss.) nimmt an, dass das Altromanische die Basisfolge V-S(-O) hat, die vor allem typisch für die Existenz- und Bewegungsverben sowie für die verba dicendi sei (cf. Kapitel 5), mit den topikalisierten und oft emphatischen Varianten S-V(-O) und O-V-S. Wanner (1987, 390) hingegen geht von S-V-O als Grundwortstellung aus, mit V-S-O als einem weiteren häufigen, aber markierten Abfolgemuster. Andere Autoren (Salvi 2004; Renzi 2008) sprechen von einer deutlichen V2-Eigenschaft für das gesamte Frühromanische: «Le lingue romanze antiche sono caratterizzate da un sistema V2: il verbo occupa la seconda posizione nell’ordine lineare, mentre la prima posizione della frase è occupata da un costituente con funzione pragmatica di tema o di fuoco, indipendentemente dalla sua funzione sintattica […]» (Salvi 2004,65). In Anlehnung an die verschiedenen Typen moderner V2-Sprachen und im Vergleich mit dem Altfranzösischen wurden die altromanischen Sprachen als symmetrische V2-Sprachen beschrieben, auch wenn im Nebensatz nicht immer V2-Stellung auftritt, dennoch auftreten kann (cf. u. a. Salvi 2000; Renzi 2008, 2832 für das Altitalienische; Ribeiro 1995, 120 und Eide 2006, 170 für das Altportugiesische; Fontana 1997, 226 für das Altspanische). Bis Anfang dieses Jahrhunderts wurde die Annahme eines – mehr oder weniger «strengen» – altromanischen V2-Systems aufrechterhalten. Begründet wurde diese Position zum einen durch die relativ häufige Inversion des Subjekts, zum anderen durch die Unterschiede, die sich zu den modernen romanischen  



demzufolge die Phase von den Anfängen der Dokumentation bis Mitte oder Ende des 14. Jahrhunderts erklärt (cf. Tagliavini 1998, 395–397; Rinke 2007, 14). 23 In frühen Studien mit gesamtromanischer Ausrichtung bleibt die Satzstruktur bzw. die Position des Verbs lange Zeit ein Randgebiet. Hierzu finden sich lediglich in Untersuchungen von Diez (1872) oder Meyer-Lübke (1899) einige Angaben. Nach Meyer-Lübke lässt sich als markantester Unterschied aller altromanischen Sprachen zum Lateinischen «die Neigung beobachten, das Verbum vom Satzende weg und in das Innere des Satzes zu ziehen, ihm die zweite Stelle zu geben» (Meyer-Lübke 1899, 804). Auch Thurneysen (1892, 302) äußert die Vermutung, dass die für das Altfranzösische konstatierte V2-Stellung kein einzelsprachliches Phänomen darstellt: «Die Neigung, das Verbum an die zweite Stelle im Satze zu rücken, ist ja keine französische Eigentümlichkeit, sondern eignet allen Romanen.» Im Gegensatz dazu betont allerdings von Wartburg (1950, 110–111), dass gerade bei der Stellung des Verbs Unterschiede zwischen dem Altfranzösischen und den anderen altromanischen Sprachen bestehen.

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Sprachen abzeichnen, da die alten Sprachen bei der Besetzung der Erstposition relativ frei scheinen (cf. Neumann-Holzschuh 1997, 397). Subjektinversion tritt im Altitalienischen nach den Angaben von Salvi (2001, 299) regelmäßig auf, i.e. immer dann, wenn die erste Position von einem anderen Element als dem Subjekt besetzt ist und dieses realisiert wurde. Er präzisiert allerdings, dass dies vor allem bei nominalem Subjekt die Regel sei (cf. Salvi 2004, 17). Bei einem pronominalen Subjekt sei die Umstellung nur selten gegeben. Bei XNOM-V liege meist ein Nullsubjekt vor. Sofern die präverbale Position allerdings von keiner nominalen Konstituente besetzt sei, finde sich das pronominale Subjekt mehrheitlich realisiert und steht dann präverbal.24 Auch im Altspanischen scheint Subjektinversion in der Regel bei X-V-Strukturen aufzutreten, sofern das nominale (selten auch pronominale) Subjekt ausgedrückt ist (cf. Fontana 1997, 26). Eine Ausnahme stellen wohl Sätze mit initialem Adverb dar, bei denen das Subjekt nicht postverbal stehen muss und neben der A-V-S- auch eine A-S-V-Anordnung auftreten kann (cf. Neumann-Holzschuh 1997, 213). Anders als Salvi (2001, 299), der auch in Bezug auf das Altportugiesische von regelhafter Nachstellung des Subjekts bei X-V-Sätzen spricht, ist Rinke (2007, 60) der Meinung, «dass Subjekt-Verb-Inversion im Altportugiesischen im Gegensatz zu Sprachen mit einer ‹strengen› V2-Stellung nicht obligatorisch erfolgen muss, wenn sich eine andere Konstituente in satzinitialer Position befindet».25 Das zweite Argument, dass für den V2-Status spricht, basiert auf der Tatsache, dass in den altromanischen Sprachen viele Abfolgemuster existierten, die heute gar nicht mehr auftreten. In diesem Zusammenhang wurde vielfach festgehalten, dass der Unterschied zur modernen Sprache vor allem im Hinblick auf die Informationsstruktur deutlich zutage tritt. So bemerkt Vanelli (1986, 249) für das Altitalienische: «It seems that in old Italian we can have a theme different from the Subject much more easily than in modern Italian». Und Renzi (1988, 132) stellt fest: « […] in italiano antico non vale la regola della progressione del Nuovo. Dei costituenti Nuovi possono precedere la parte Data. In particolare un soggetto postverbale non è necessariamente Nouvo, come invece in italiano moderno.» Allerdings sind die Zahlen, die für einen V2-Status der alten Sprachen sprechen würden, nicht besonders hoch, was aus einigen jüngeren Analysen ersichtlich wird. Für das Altspanische kommt Kaiser (2002, 154) auf ein Ergebnis von 28,6% für S-V-X und 8,9% für X-V-(S). Insgesamt machen V2-Strukturen in seinen

24 Salvi (2004,17) findet in der von ihm untersuchten Textstelle lediglich zwei Sätze, in denen das pronominale Subjekt bei X-V-Stellung realisiert ist, und acht, in denen es fehlt. Für Sätze mit initialem pronominalen Subjekt liegen 22 Fälle vor, im Gegensatz zu 13 Beispielen mit V-Spro. 25 Sitaridou (2012, 575) konnte allerdings einige Fälle mit vor allem nominalem Subjekt aufzeigen. Ein invertiertes pronominales Subjekt ist nach ihren Angaben äußerst selten.

2.1 Die traditionelle Definition der V2-Eigenschaft

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Texten also nicht mehr als 37,5% aus. Für das Altportugiesische gibt er 42,2% für SV-X und 11,9% für X-V-(S) an (cf. Kaiser 2002, 154). Auch die Ergebnisse von Rinke (2007, 57) zeigen, dass V2-Strukturen im Altportugiesischen nicht deutlich überwiegen und dass S-V-X wohl der häufigste Typ gewesen sein muss (mit 25,3%; gefolgt von Sätzen mit einleitender Adverbialphrase: 15,8%). Alle für eine V2Sprache typischen X-V-(S)-Strukturen ergeben in Rinkes Korpus rund 27,1% (cf. Rinke 2007, 57).26 Da die Frequenz von V2-Stellung insgesamt also nicht besonders hoch ist und dementsprechend relativ häufig Nicht-V2-Strukturen auftreten, stellen jüngere Untersuchungen die Annahme einer V2-Eigenschaft bzw. -Grammatik wieder in Frage (Rinke/Sitaridou 2004; Sitaridou 2012 für das Altspanische und Altromanische insgesamt; Martins 2002; Fiéis 2003; Rinke 2007 für das Altportugiesische; u. a.). Als besonders problematisch gilt das hohe Vorkommen an V1Strukturen (cf. Kapitel 5), weshalb verschiedene Forscher schon früh einen Unterschied zum Altfranzösischen konstatieren, aber teilweise immer noch von der V2Eigenschaft aller altromanischen Sprachen ausgehen, wie es Salvi macht (s. o.). Im Gegensatz zu dem großen Vorkommen von V1-Stellung scheinen V>2Strukturen in den altromanischen Sprachen deutlich seltener belegt. Dennoch wurde angenommen, dass auch diese Sätze gegen den V2-Status der Sprachen sprechen. Im Altitalienischen finden sich nach den Angaben von Renzi (2008, 2832) V>2-Sätze des Typs S-X-V (S-A-V) und X-S-V (A-S-V), was eine Abweichung zu V2-Sprachen wie dem Deutschen darstelle. Renzi erklärt diese folgendermaßen: «la regola del verbo al secondo posto è meno rigida in italiano che in tedesco, si potrà supporre che il primo costituente possa star fuori dalla frase, costituendo quella che si potrebbe chiamare ‹la periferia› della frase vera e propria» (2832). Für das Altspanische sind ebenfalls X-S-V und S-X-V-Strukturen belegt sowie V>2Stellung mit invertiertem Subjekt. Allerdings handelt es sich – geht man von den Auswertungen Kaisers (2002, 154) aus – um einen prozentual verschwindend kleinen Anteil von Sätzen (9,0%). Hinsichtlich des Altportugiesischen wird vor allem in den Arbeiten von Canaes e Mariz de Pádua (1960), Ribeiro (1995), Kaiser (2002), Eide (2006) und Rinke (2007) thematisiert, dass es neben den Strukturen, in denen das Verb an zweiter Stelle steht, auch V>2-Stellung im Aussagesatz gibt. Canaes e Mariz de Pádua (1960, 84–85) verweist auf Strukturen des Typs O-S-V (aus dem Leal Conselheiro, aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts). Diese Struktur finde sich allerdings selten, da bei Initialposition des Objekts in der Regel Subjektinversion auftrete. In Kaisers Quellen finden sich Belege für Sätze mit S-XV- und X-S-V-Struktur sowie Sätze mit invertiertem Subjekt. Diese V>2-Sätze  

26 Das Kriterium der Frequenz wurde in der Literatur viel diskutiert. Zu einer neueren Einschätzung über die Relevanz der Frequenz cf. 2.3.4.

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stellen jedoch nur 3,2% aller Stellungsmuster dar. Im Unterschied zu Kaiser ist V>2-Stellung nach den Daten von Rinke (2007, 57) in Hauptsätzen im Altportugiesischen relativ frequent. Über 22% aller Sätze ihres Korpus zeigen mehr als eine Konstituente in präverbaler Position. Solche Kontexte sind nach Rinke (2007, 60) weder lexikalisch noch diskursiv beschränkt, die präverbale satzinitiale Konstituente in V>2-Sätzen umfasse sowohl Adverbialsätze als auch direkte und indirekte Objekte, prädikative Adjektive und verschiedene Typen von Adverbien. Von den 173 Beispielen (22,3%) mit V>2-Stellung erscheint in 139 Sätzen das Subjekt mit mindestens einer weiteren Konstituente in präverbaler Position. Außerdem finden sich in ihrem Korpus auch Beispiele mit O-S-V-Abfolge. In der jüngsten Vergangenheit hat die V2-Debatte mit den Arbeiten von Elvira (2015) und Castillo Lluch (2015) nochmals neuen Aufschwung bezüglich des Altspanischen erhalten: Beide Autoren kommen eindeutig zu dem Schluss, dass das castellano medieval keine V2-Sprache ist. Elvira spricht sich allerdings für die bereits beschriebenen T-V-X-Etikette aus und meint damit, dass das Auftreten von V2-Strukturen im Altspanischen durch informationsstrukturelle Regularitäten bestimmt wird sowie durch die Tatsache, dass damals ein syntaktisches Übergangsstadium zwischen S-O-V und S-V-O herrschte. Dies bedeutet für ihn aber nicht, dass ein typologischer V2-Typ – nach germanischem Vorbild – gegeben ist, da dazu nicht ausreichend V2-Daten vorhanden seien: «Los datos del castellano medieval no confirman de ninguna manera que el castellano medieval sea una lengua V2 en el sentido estricto en que lo son hoy algunas lenguas germánicas como el alemán o el holandés. Otros patrones de ordenación fueron también posibles. La ordenación V1, en particular, fue especialmente frecuente en los textos narrativos. En la medida en que en los textos medievales fueron posibles otros patrones de orden, la denominación V2 no puede ser usada como una etiqueta tipológica de alcance general» (Elvira 2015, 43).

Castillo Lluch (2015) kann in ihrer Untersuchung zeigen, dass bestimmte syntaktische Muster durch stilistische Mittel und Latinisierungen entstanden sind und eher auf spezifische Diskurstraditionen als auf ein grammatisches System zurückgeführt werden müssen. Auch ihrer Meinung nach sprechen die von ihr erhobenen Daten nicht für die V2-Hypothese des Altspanischen, da zu wenige V2-Sätze und zu viele Gegenbeispiele belegt sind: «[...] en la gramática de los textos estudiados parece no regir un funcionamiento V2 (los contraejemplos son demasiado numerosos). Además, si un principio gramatical hubiera gobernado el orden de los constituyentes en el corpus de este estudio, sería de esperar que hubiera sido uniforme para los nueve textos contemporáneos analizados, lo que, claramente, está muy lejos de ser el caso» (Castillo Lluch 2015, 310).

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2.1 Die traditionelle Definition der V2-Eigenschaft

2.1.5 V2 im klassischen Latein und Spätlatein? Wie bereits dargestellt wurde, scheint das V2-Merkmal ein Spezifikum der modernen und alten germanischen Sprachen zu sein und möglicherweise auch der altromanischen. Es wurde gezeigt, dass die modernen romanischen Sprachen – ausgenommen das Rätoromanische – dieses grammatische Merkmal nicht teilen, und so stellt sich letztlich noch die Frage, wie die Verhältnisse diesbezüglich in einer prä-altromanischen Zeit waren. Hatte das klassische Latein das V2-Merkmal bereits angelegt?27 Viele Sprachwissenschaftler teilen die Meinung, dass S-O-VStellung die Grundstruktur des klassischen Lateins ist, also die übliche Struktur des unmarkierten Aussagesatzes.28 Diese Annahme basiert auf dem Umstand, dass prominente Autoren der klassischen Epoche (Caesar, Cicero, u. a.) S-O-Voder genauer gesagt Verbendstellung besonders häufig verwendeten, was anhand einiger Zitate verdeutlicht werden kann:  

64. Sed Bassus noster me de hoc libro celavit, [...] (Cic Fam 7.20.3, zitiert nach Spevak 2006, 445) aber Bassus unser mir von diesem Buch verheimlichte ‘Aber unser Freund Bassus erzählte mir nichts über dieses Buch’ 65. Quintus filius ad patrem acerbissimas litteras misit [...] (Cic Att 14.17.3, zitiert nach Spevak 2006, 445) Quintius Sohn zu Vater schmerzhaftesten Brief geschickt ‘Der Sohn Quintus hat seinem Vater einen höchst schmerzlichen Brief geschrieben’ 66. Septimo denique die litterae mihi redditae sunt (Cic Att 14.13.1, zitiert nach Spevak 2006, 445) vom 19. Tag deine Aufzeichnungen zu mir gekommen sind ‘Dein Brief vom 19. hat mich endlich erreicht’ 67. Q. Fulvius Gillo legatus Scipionis Carthaginienses Romam adduxit. (Liv 30.21.12, zitiert nach Spevak 2006, 450)

27 Für einen Einblick in die Syntax des Lateins cf. Kühner/Stegmann (1955) oder Pinkster (1988). 28 In ihrer Untersuchung klassisch-lateinischer narrativer Texte (Caesar, Cicero, Sallust) kommt Spevak (2010) zu dem Ergebnis, dass die häufigste Satzstruktur mit transitiven Verben «[first argument] > second argument > verb» ist. Die Position des Verbs in der Satzmitte – und damit die postverbale Position des Objekts – sei insgesamt relativ selten. Insbesondere bei Caesar oder Sallust tritt ein nachgestelltes Objekt kaum auf. Bei Cicero ist es etwas häufiger.

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2 Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel

Q. Fulvius Gillo Gesandter von Scipio Karthager nach Rom führte ‘Q. Fulvius Gillo, ein Gesandter von Scipio, führte die Karthager nach Rom.’ 68. Id factum ex suis hospitibus Caesar cognouerat. (Caes Gall 5.6.3, zitiert nach Spevak 2006b, 3) diese Tatsache von seinen Gästen Caesar erfuhr ‘Caesar hatte diese Tatsache von seinen Gästen erfahren.’ 69. Marius ad Zamam pervenit. (Sall Iug 57.1, zitiert nach Spevak 2006b, 12) Marius nach Zama gelangte ‘Marius gelangte nach Zama.’ Häufig wurde geschlussfolgert, dass die hohe Frequenz an Verbendstellungen ein Zeugnis für das damalige Verständnis des idealen Satzaufbaus ist. Grund zu dieser Annahme gibt u. a. eine Passage aus Quintilian, in der der Autor seine Lektoren anweist, das Verb an das Ende des Satzes zu stellen, da die «Kraft» des Satzes im Verb verankert sei (cf. Spevak 2010, 2, Fußnote 3).29 Andere Stellungsmuster, wie V1-Stellung oder V2-Stellung, wurden entsprechend als Abweichungen zur S-O-V-Struktur verstanden und als markierte Satzstellungen beschrieben (cf. de Jong 1991; Salvi 2004, 41–63; Polo 2004, 140–172). Markiertheit drückt sich demnach durch jede Art der postverbalen Platzierung eines Satzglieds aus und wurde auf pragmatische Kriterien wie Heaviness oder Kontrast zurückgeführt.30 Im Rahmen typologischer Analysen (cf. 2.3.1) wurde dem klassischen Latein eine O-V-Grundstellung zugedacht. Allerdings ergibt sich hier das Problem, dass das klassische Latein nicht in vollem Maße den Eigenschaften einer O-V-Sprache gerecht wird, da es u. a. Präpositionen aufweist oder Adjektive hinter das Nomen stellt, was der – zumindest reine – O-V-Sprachtyp nicht zulässt. Diese Problematik führte zu einer Diskussion darüber, ob das klassische Latein überhaupt als (S-) O-V-Sprache beschrieben werden kann oder ob es nicht schon einen (S-)V-O-Typ darstellt.31 In jüngerer Zeit wurden vor allem Stimmen laut, die eine rein syntakti 



29 Allerdings darf diese Aussage wohl nur als Norm für die geschriebene Sprache angesehen werden und nicht als Beleg für Gewohnheiten des Mündlichen, da Verbendstellung auf literarische Konventionen zurückgeführt werden muss (cf. Adams 1976, 94). 30 Zum Thema der Markiertheit von Sätzen cf. 4.1.4. 31 Zu der gängigen Auffassung in der Linguistik, dass das Lateinische maßgeblich eine (S-)O-VStellung hatte, cf. de Dardel (1983), Harris (1978), Bossong (1998), Dryer (2005), Devine und Stephens (2006) u. a. Gegen diese Annahme argumentierten u. a. Miller (1975) und Pinkster (1991, 1995). Miller nimmt an, dass die indo-europäischen Sprachen ursprünglich dem V-S-O-Typ angehörten und dann zu S-V-O wechselten.  



2.1 Die traditionelle Definition der V2-Eigenschaft

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sche Beschreibung des Lateins ablehnen und sich für eine informationsstrukturell-pragmatisch ausgerichtete Analyse einsetzen. Im Folgenden möchte ich diese Sichtweise exemplarisch anhand der Forschungsergebnisse von Spevak (2006, 2007, 2010) darstellen. Die Autorin geht davon aus, dass die lateinische Satzstruktur weitestgehend von pragmatischen Regeln bestimmt ist: «Latin constituent order largely depends on pragmatic rules and has no syntactic implications. Consequently, it is not very helpful to describe it in syntactic terms such as subject, object and verb because pragmatic values cannot be translated into the formulas such as SOV, SVO etc.» (Spevak 2010, 3). Unter informationsstrukturell-pragmatischem Gesichtspunkt entspricht die Satzstruktur des klassischen Lateins nach gängiger Meinung einem ansteigenden Informationsgehalt (Panhuis 1982; de Jong 1989; Pinkster 1991, 1995 oder Bolkestein 1998, 2002). Für die unmarkierte Wortstellung wurde deshalb angenommen, dass die Konstituenten mit dem geringsten Informationswert zu Beginn des Satzes auftreten und der Informationsgehalt zum Ende des Satzes hin zunimmt. Entgegen dieser Annahme gelangt Spevak zu der Einschätzung, dass sich im Latein das Topik zwar in der Regel am Satzanfang befindet (sofern es vorhanden ist), die Position des Fokus aber schwieriger zu beschreiben sei, da sie nicht immer am Satzende liege. Das Kriterium des ansteigenden Informationsgehalts trifft ihrer Meinung nach deshalb nicht generell zu, was vor allem bei der Betrachtung unterschiedlicher Satztypen des Lateins deutlich wird. Spevak zeigt, dass insbesondere bei den so genannten «Präsentativsätzen» (cf. 4.2.1) eine vom normalen Modell abweichende Informationsverteilung vorliegt: 70. Accidit etiam repentinum incommodum [focus] biduo, quo haec gesta sunt. (Caes. Civ. 1.48.1, zitiert nach Spevak 2006, 15; 2007, 117; 2010, 30) geschah auch unvorhergesehener Unfall innerhalb von zwei Tagen nach diesen Ereignissen ‘Es geschah auch ein unvorhergesehener Unfall innerhalb von zwei Tagen nach diesen Ereignissen.’ «If the order of constituents corresponds to an increasing communicative dynamism, claimed by Panhuis (1982), I would consider biduo, quo haec gesta sunt ‹within two days of these occurrence› as Focus (or ‹Rheme proper› in Firbas terminology). Another possible interpretation would be to regard the sentence as exhibiting an emotive ordering, with the Focus on accidit. However, since incommodum (‹accident›) is absent from the preceding context and developed in the following paragraph, (3a) is a presentative sentence which initiates a description of an unforeseen disaster. This allows us to take repentinum incommodum as Focus of the sentence and biduo, quo heac gesta sunt as a setting constituent» (Spevak 2007, 117).

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2 Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel

Die besondere Satzstruktur ist laut Spevak in solchen Fällen darauf zurückzuführen, dass das Subjekt in der Regel das future topic darstellt und als fokales Satzelement nach dem Verb stehen muss, um im darauffolgenden Satz durch ein anaphorisches Topik-Element wieder aufgegriffen zu werden und dort in Initialstellung das Topik zu sein. Dies erklärt ihrer Meinung nach, warum das Verb in Anfangsstellung steht und der zentrale Fokusbereich mit dem Subjekt beginnt.32 Während in älteren Arbeiten zum Latein V-S-Strukturen als Abweichungen von SO-V-Sätzen i.e. als markierte Stellungstypen behandelt wurden, geht Spevak (2004, 2006, 2007) vom Gegenteil aus. Im Latein scheinen V-S-Muster unabhängig vom typologischen Wechsel von O-V bzw. V-O einen unmarkierten Stellungstyp darzustellen, der regelmäßig auf dieselbe Weise gebildet wird. Die Annahme einer einzigen unmarkierten Grundstellung für das klassische Latein scheint demnach nicht plausibel (cf. zu VS-Stellung im Latein weiterhin 4.2.1). Hinsichtlich aller Satztypen ohne Subjektinversion erklärt Spevak (2010, 123), dass die Varianz der Objektposition bei S-O-V und S-V-O ebenfalls durch die Informationsverteilung gegeben sei oder, anders ausgedrückt, durch die kontextuelle Gebundenheit bzw. Nichtgebundenheit der Argumente (also durch Thema und Rhema).33 Eine Erklärung für das Nachstellen des Objekts könne zum einen durch die «heaviness» des Objekts gegeben sein, darüber hinaus aber vor allem dadurch, dass das Objekt unabhängig sei und den Fokus darstellt. Spevak verdeutlicht dies u. a. an folgenden Beispielen:  

71. a. Quod censueris faciam. Sed quam primum! Avide expecto tuas litteras. (Cic Att 16.10.2, zitiert nach Spevak 2010, 123) was raten[du] würdest werde [ich] machen. aber das zuerst. sehnsüchtig erwarte [ich] deine Zeilen ‘Ich werde tun, was du empfiehlst. Aber schiebe es nicht auf! Ich warte sehnsüchtig auf einen Brief von dir.’ b. Nunc quae scribo, scribo ex opinione hominum atque fama. Tuas litteras avide expecto. (Cic Fam 12.4.2, zitiert nach Spevak 2010, 123) nun was schreibe [ich], schreibe [ich] auf Meinung des Menschen und der Rede. deine Zeilen sehnsüchtig erwarte [ich]

32 Allerdings kann dieser Analyse entgegengehalten werden, dass Präsentativstrukturen dieser Art in der einschlägigen Literatur als gesamtfokal deklariert wurden und also auch das Verb bereits den Fokus mit bildet. Eine klassische Topik-Fokus-Einteilung mit ansteigendem Informationswert trifft auf diese Strukturen deshalb generell nicht zu (cf. hierzu 4.2). 33 Zur Unterscheidung des Begriffspaars Thema und Rhema vs. Topik und Fokus cf. Fußnote 16 Kap. 2.

2.1 Die traditionelle Definition der V2-Eigenschaft

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‘Was ich nun schreibe, basiert auf weit verbreiteter Meinung und Gerüchten. Deinen Brief erwarte ich sehnsüchtig.’ Die Äußerung expecto tuas litteras scheint häufig am Ende von Ciceros Briefen aufzutreten, wobei ihre Syntax variieren kann, insofern als das Objekt tuas litteras prä- oder postverbal belegt ist. Bei präverbaler Stellung nimmt Spevak (2010, 123) an, dass Kontrast zu scribo vorliegt, wobei das Verb das Objekt meae litterae gewissermaßen impliziert. Durch die Endposition des Objektes würde hingegen dem ansteigenden Informationsgehalt (bekannt > neu) Rechnung getragen. Das Objekt wird in diesem Fall als kontextuell unabhängige neue Information angeführt.34 Diese Erklärung mag im Einzelfall zutreffen. Allerdings kann sicher nicht bei jeder O-V-Konstruktion argumentiert werden, dass es sich um kontrastiven Fokus handelt.35 Spevak führt jedoch noch eine weitere Begründung für die Platzierung des Objekts vor oder nach dem Verb an, die in Verbindung mit der Transitivität der Verben und der Beschaffenheit der Objekte steht: «Transitivity has various degrees; for example, verbs of action convey a higher degree of transitivity than verbs expressing a state. Objects with a high degree of individuation contribute to a high degree of transitivity, i.e. objects that refer to a proper, human, animate,

34 Allerdings räumt Spevak (2010, 123) ein, dass auch postverbale Objekte kontextuell gebunden sein können, i.e. gegebene Information repräsentieren und somit nicht Fokus sind, was sie an folgenden Beispiel verdeutlicht: Et quidem C. Gracchus, cum largitiones maximas fecisset et effudisset aerarium, verbis tamen defendbat aerariu. (Gracchus, after squandering the state treasury on massive handouts to the public, still defended that same treasury in words). In diesem Beispiel liegt der Fokus nicht bei aerarium (Schatz) – da dieses Objekt bereits durch die cum-Phrase bekannt ist – sondern bei verbis (in Worten). Der Satz beantwortet also die Frage «wie?». 35 Koll (1965) erklärt V-O im klassischen Latein dadurch, dass die Verschiebung des Objekts hinter das Verb als Mittel der Hervorhebung und der Verdeutlichung des Wesentlichen anzusehen ist. Allerdings sind entsprechende Strukturen seiner Meinung nach nicht repräsentativ für eine mögliche V-O-Syntax. Koll zeigt, dass zwei der von ihm untersuchten klassischen Texte, Cicero und Tacitus (63 v. Chr. und Anfang 2. Jh. n. Chr.) sich eindeutig durch Verbendstellung auszeichnen. Im Gegensatz dazu stehe Varro (37 n. Chr.), ein Fachbuch, genauer gesagt, eine Abhandlung über die Landwirtschaft, die wenige Jahre nach Ciceros Tod erschien. Der Text gilt als erstes nichtphilosophisches Werk in lateinischer Sprache in Dialogform. An ihm ist auffallend, dass Endstellung des Verbs recht selten vorkommt. Nach Koll handelt es sich demnach um einen untypischen Text im Vergleich zu den Werken klassischer Autoren wie Caesar oder Cicero. Koll erklärt die syntaktische Abweichung aus Inhalt und Zweck des Traktats: Die Verschiebung des Objekts hinter das Verb diene als Mittel der Hervorhebung, der Verdeutlichung des Wesentlichen. Im Gegensatz zu Varro ist O-V im Petronius (um 60 n.Chr.) jedoch wieder höher, was Koll in seiner Argumentation bekräftigt, dass ein möglicher syntaktischer Wandel sich nicht in den Texten dieser Zeit manifestiert.

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2 Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel

concrete, singular, count, referential and/or definite entity. On the other hand, objects referring to a common, inanimate, abstract, plural, mass, non-referential and/or indefinite entity are less individuated, and they lower the degree of transitivity of the sentence» (Spevak 2010, 117).

Spevak schlussfolgert: «Contextually independent second arguments with a relatively high degree of individuation are strong candidates for Focus function. Although the verb, contextually unbound, conveys some new information (Firbas 1992, 46), it is not salient; Focus function is fulfilled by the second argument. We can also say that the sentence focuses on the object that usually exhibits anaphoric continuation afterwards. Such sentences usually answer the question ‹who, what?›; [...]. Sentences containing contextually independent, especially inanimate, entities with a very low degree of individuation usually do not answer the question ‹what?›, but form a pragmatic unit with the verb» (Spevak 2010, 120).

Als typisches Beispiel einer solchen pragmatic unit nennt Spevak die Verbindung arma + capere (die Waffen ergreifen). Hier gehe es nicht um die Frage «Was ergreifen sie?», sondern «Was tun sie?». In diesen Fällen findet sich demnach O-V und nicht V-O, wie der folgende Satz exemplarisch darstellen kann: 72. Cognita re properantes arma capiunt ac pro castris [...] consistunt. (Sal. Jug. 53.1, zitiert nach Spevak 2010, 120) erkannte Sache eilend Waffen ergreifen [sie] und vor dem Lager [...] aufstellen-sich [sie] ‘Sie erkennen die Lage, greifen eilends zu den Waffen und stellen sich vor dem Lager [...] auf.’ Anhand der hier dargestellten Ergebnisse von Spevaks Analysen zeigt sich also, dass einerseits nicht nur von einer Grundstellung auszugehen ist – auch wenn SO-V in vielen klassischen Texten überwiegt – und dass andererseits eine unterschiedliche Informationsstrukturierung sowie die unterschiedliche Beschaffenheit von Objekten im klassischen Latein zu unterschiedlichen Satzstrukturen führen konnte, letztlich auch zu solchen, die das Verb nicht in V>2- oder Endstellung aufweisen. Verbmittelstellung kann also aufgrund dieser Bedingungen gegeben sein, sie ist aber nur eine – nicht besonders häufig belegte – Möglichkeit des klassischen Lateins. Nach den Angaben von Spevak scheint die Varianz der Fokus-Position allerdings letztlich großen Einfluss auf die syntaktische Entwicklung der Satzstruktur gehabt zu haben. Spevak geht davon aus, dass sich die Fokus-Position in der ganz rechten Satzhälfte bis zum Spätlatein tatsächlich festigt, was den Stellungswechsel von Verb und Objekt mit sich bringt. Ihrer Meinung nach handelt es sich hier nicht um das Resultat syntaktischer Bedingungen, sondern um die pragmati-

2.1 Die traditionelle Definition der V2-Eigenschaft

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sche Funktion des Objekts als carrier of focus und dessen Anschluss an den nachfolgenden Satz als future topic. Welche Satzstruktur im Spät- und Merowingerlatein vorherrschend war, ist bis heute unklar. Eine potentielle V2-Stellungseigenschaft konnte bisher allerdings nicht belegt werden, was vor allem daran liegt, dass das Textmaterial aus dieser Zeit als höchst problematisch eingestuft wurde. Koll (1965) stellt in einer Korpusuntersuchung, die sich auf unterschiedliche Textsorten aus klassischer und spät- bzw. merowingerlateinischer Zeit bezieht, dar, inwieweit Texte aus dieser Epoche überhaupt als repräsentativ für die damalige Syntax erachtet werden können. Eine besondere Rolle räumt er spätlateinischen Bibeltexten bzw. Bibelübersetzungen ein, wie der Itala/Vulgata (3. und 4. Jh.). Die in diesen Texten anzutreffende moderne V-O-Syntax muss nach Koll auf griechische Vorbilder zurückgeführt werden. Es sei bekannt, dass die lateinischen Bibelübersetzer sich stark an der griechischen bzw. beim Alten Testament auch an der hebräischen Vorlage orientierten, aus Ehrfurcht vor der Heiligkeit der Texte (cf. Koll 1965, 250). Dass diese Ansicht heute weithin Anklang findet, wurde bereits gezeigt (cf. 1.1). Koll geht davon aus, dass die Satzgliedstruktur in der lateinischen Bibel nicht als ein Zeugnis für die Stellung in der gesprochenen Sprache jener Zeit anzusehen sei. Auch bei Texten wie dem Peregrinatio Egeriae (um 400) ist für ihn fraglich, ob aufgrund der Wortstellung Schlüsse auf die Wortstellungsverhältnisse in der gesprochenen Volkssprache um die Wende vom 4. zum 5. Jh. n. Chr. gezogen werden dürfen. Der Stil der Peregrinatio erinnere ebenfalls an denjenigen der Bibel, was die Vermutung nahelege, dass die Verfasserin sich in der Wahl der Wortfolge vom Latein der Bibel beeinflussen ließ (cf. Koll 1965, 255). Anhand seiner Untersuchung von Fachbüchern aus spätlateinischer Zeit kann Koll zeigen, dass die klassische O-V-Stellung auch in diesen Textsorten insgesamt dominiert. Eine Ausnahme bilden allerdings die Compositiones Luccenses (6. Jh., eine Art Fachbuch für Färberei, Mineralogie und Metallgewinnung), die einen recht hohen Anteil an VO-Strukturen aufweisen, was Koll allerdings damit begründet, dass hier der Fachbuchcharakter eine Rolle spielt, indem das nachgestellte Objekt meist etwas ganz Neues darstellt oder etwas, auf das besonders hingewiesen werden soll (cf. Koll 1965, 258). Hinsichtlich der Texte aus der Frankenzeit (Gregor von Tours 550–573; Fredegar 613–768; Liber historia Francorum um 727; andere hagiographische Schriften) kommt Koll zu dem Ergebnis, dass hier ganz bewusst die klassische Stellung bevorzugt wurde – auch wenn die Texte sonst sehr reich an volkssprachlichen Eigentümlichkeiten sind. Eine mögliche O-V- oder sogar V2-Struktur kann anhand der Merowingertexte also nicht nachvollzogen werden. Koll kommt in Bezug auf die von ihm analysierten Texte vielmehr zu dem Schluss, dass erstens der Anteil der klassischen Wortstellung – bis hinauf zur karolingischen Renaissance – ins-

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gesamt nicht weniger geworden ist und es «selbst unter den sprachlich korruptesten Texten der Merowingerzeit» einige Schriftzeugnisse gibt, «die in der Befolgung der klassischen Satzgliedordnung nicht viel weniger streng und konsequent sind als Cäsar oder als Cicero in seinem gelehrten Werk De legibus» (Koll 1965, 262). Abgesehen von einigen Fachbüchern seien lediglich solche Werke, die sich an die Syntax einer griechischen Vorlage anlehnen, oder solche, «die sprachlich und stilistisch von der dem griechischen Original entlehnten Diktion der Bibel beeinfluss sind», auch Texte, die die romanische Satzstruktur deutlich aufweisen (Koll 1965, 262). Wenn man also von allen – direkt oder indirekt – griechisch beeinflussten Texten absieht, zeigt sich überall ein mehr oder weniger zähes «Festhalten» an der klassischen Struktur.36 Allerdings kann laut Koll aus diesem Ergebnis nicht der Schluss gezogen werden, dass sich auch in der gesprochenen lateinischromanischen Sprache der acht Jahrhunderte von Cicero bis zu Karl dem Großen die Stellungsverhältnisse kaum verändert haben – denn schließlich ist in den altromanischen Texten um die Jahrtausendwende die neue Satzgliedstellung schon etabliert (auch wenn noch nicht ausschließlich). Koll schließt daraus, dass der Wandel hin zum altromanischen Zustand der Syntax das Werk nur weniger Jahrhunderte gewesen ist. Die Verbreitung der romanischen Wortstellung (V-O) in der spätlateinischen Volkssprache vollzog sich seiner Meinung nach unter dem Einfluss der Bibel- und Liturgiesprache (cf. Koll 1965, 269–270). Diese habe den Wandel entweder direkt verursacht oder sei zumindest für dessen Voranschreiten und dessen Fixierung maßgeblich verantwortlich gewesen.37

36 Koll verweist schließlich auch auf frühmittelalterliche Urkunden, die aus syntaktischer Perspektive wohl nach einem ganz bestimmten Schema abgefasst wurden. In den Anfangs- und Schlussformeln dominiert O-V, im sachlichen Mittelteil der Urkunde stehen die Objekte und sonstigen Ergänzungen meist hinter dem Verb. Hier wirkt die Stellung laut Koll «ausgesprochen romanisch», dennoch bleibe es schwierig, die Frage zu beantworten, in welchem Maße bzw. bis zu welchem Zeitpunkt die Stellungsverhältnisse in den Urkunden sich trotz des stereotypen, archaisierenden Charakters dieser Texte mit denjenigen der gesprochenen Sprache decken. Seine Vermutung, dass der endgültige Durchbruch zwischen 600 und dem 8. Jahrhundert gelegen haben könnte, stützt Koll auf frühe Untersuchungsergebnisse von Pei (1932). Pei kann zeigen, dass das, was in den im 8. Jh. in Nordfrankreich entstandenen Urkunden als «Fehler» bezeichnet wurde, sich wohl mit sprachlichen Merkmalen deckt, die wir heute als altfranzösisch bezeichnen würden. Er zeigt, dass diese Erscheinungen in umso stärkerem Maße auftreten, je später die Urkunden datiert sind. Dies gelte ganz besonders für die Syntax, die von der seit 750 unter Pippin und Karl dem Großen durchgeführten Reform des Urkundenlateins nur wenig betroffen worden sei (cf. Pei 1932, 357ss.; cf. auch Koll 1965, 268). 37 Wie ich in Abschnitt 2.3.8 noch besprechen werde, entspricht diese These von Koll auch der hier vertretenen Auffassung von Sprachwandel über den Weg der Diskurstraditionen.

2.2 Die V2-Eigenschaft im Rahmen des generativen Grammatikmodells

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2.2 Die V2-Eigenschaft im Rahmen des generativen Grammatikmodells Das folgende Kapitel möchte die innerhalb der generativen Linguistik geführte Diskussion über die V2-Grammatik beleuchten. Dies erfordert die Auseinandersetzung mit denjenigen generativ-linguistischen Grundannahmen, die in den vergangenen Jahrzehnten zur Erklärung von V2 herangezogen wurden; zum einen die Theorie der Prinzipien und Parameter, zum anderen Ansätze, die im Rahmen des Minimalistischen Programms entstanden. Im Gegensatz zu den einschlägigen Untersuchungen der 1980er- und -90er-Jahre zeichnen sich die Analysen der letzten 15 Jahre durch Heterogenität aus. Diese ist einerseits als Anzeichen dafür zu sehen, dass grundlegende Probleme des V2-Themas auch aus generativer Perspektive noch nicht gelöst werden konnten. Andererseits entspricht diese Heterogenität den internen Entwicklungen der generativen Syntaxforschung, die sich in ständiger Veränderung befindet und teilweise stark divergierende Lösungsansätze hervorbringt, von denen im Rahmen dieser Arbeit nur einige diskutiert werden können.

2.2.1 Zur Verortung des generativen Modells Die generative Grammatiktheorie Chomskys (1957, 1965, 1981, 1982, 1986a, b, u. a.) stützt sich bei der Entwicklung ihres Syntaxmodells auf die Annahme, dass syntaktische Informationen vom Menschen nicht auf linearer Ebene – durch die Abfolge der einzelnen Wörter –, sondern über hierarchisch aufgebaute Strukturen verarbeitet werden.38 Der hierarchische Aufbau syntaktischer Strukturen ist allerdings kein Alleinstellungsmerkmal der Generativen Linguistik, sondern das Grundprinzip vieler syntaktischer Modelle des 20. Jahrhunderts. Im Zentrum der verschiedenen Analysen stehen abstrakte, hierarchisch strukturierte Repräsentationen sprachlicher Äußerungen, die zur Erklärung der syntaktischen Komplexität natürlicher Sprachen beitragen. Je nach theoretischem Ansatz ist das Verhältnis von sprachlicher Äußerungsform, theoretischer Grundannahme und syntaktischem Strukturmodell allerdings ein anderes. Es sollen deshalb zunächst einmal grundlegende Charakteristika von (Sprach- oder Struktur-)Modellen herausgearbeitet werden. Erstens ist ein Modell nichts anderes als ein Stellvertreter für ein Original, dies jedoch in abstrahierter und verkürzter, i.e. idealisierter Form (cf.  

38 Auch wenn bis heute keine gesicherten Kenntnisse darüber vorliegen, wie Menschen syntaktische Information verarbeiten, scheinen verschiedene Experimente dafür zu sprechen, dass grammatische Kompetenz nicht linear, sondern hierarchisch aufgebaut ist (cf. Stein 2010, 44).

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2 Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel

Brinker 1977, 53s.). Zweitens ist jedes Modell an das Erkenntnisinteresse des Subjekts gebunden, weshalb es überhaupt verschiedene Modelle von unterschiedlicher theoretischer Grundlage gibt. Strukturalistische und generative Syntaxmodelle werden beide als Strukturmodelle verstanden (cf. Brinker 1977, 54), jedoch gibt es bei ihrer syntaktischen Analyse grundlegende Differenzen, die auf ein unterschiedliches Erkenntnisinteresse der zwei Modelle zurückgeführt werden müssen: Die strukturalistische Linguistik intendiert im Wesentlichen die Beschreibung von bereits vorausgesetzten Satzstrukturen, die mittels eines Korpus, i.e. konkreter sprachlicher Äußerungen, ermittelt wurden und anhand derer sie versucht, die Grammatik einer Sprache als strukturiertes System zu entschlüsseln. Dabei geht es weniger darum, eine Methode zur «Entdeckung» von Strukturen zu entwickeln, als vielmehr eine Analysemethode, durch die «die vorausgesetzten Sprachstrukturen [...] in konsistenter, systematischer und intersubjektiver nachprüfbarer Weise beschrieben werden können» (Brinker 1977, 52). Die Analyse konzentriert sich auf die Beschreibung der Struktur der Ausdrucksseite der Sprache, also auf das Beschreiben von Ergebnissen der Sprachproduktion, bei dem mentalistische Konzepte keine Rolle spielen (cf. Brinker 1977, 28).39 Aus diesem Grund interessiert auch die Frage nicht, ob Sprache vom Individuum entsprechend der Art des strukturellen Aufbaus ihrer Ausdrucksseite verarbeitet wird. Diese Frage fällt bereits in den Bereich der Sprachverarbeitung und Sprachkompetenz des Menschen, sie steht im Mittelpunkt der Generativen Grammatiktheorie. Die Generative Theorie erklärt die Fähigkeit des kompetenten Sprechers, grammatisch korrekte Strukturen zu bilden und zu verstehen, zum Gegenstand der linguistischen Forschung. Im Zentrum steht also nicht die Beschreibung der Strukturen realisierter Äußerungen, sondern die Entwicklung eines Modells der Sprachkompetenz. Die Generative Grammatik sieht sich in diesem Sinne als «Explikation der sprachlichen Kompetenz eines idealen, fließend die Sprache beherrschenden Sprachteilhabers», dabei nimmt sie «die Form eines Regelsystems an, das die (unendliche) Menge von Sätzen einer Sprache ‹erzeugt› (‹generiert›)» (Brinker 1977, 146–147). Das Regelsystem basiert auf der Annahme, dass natürliche Sprachen mit formalen Sprachen (z. B. Algebra) übereinstimmen. Natürliche Sprachen können deshalb anhand von zwei Ebenen  

39 Bei der Beschreibung der Ausdrucksseite geht es dann allerdings um deren «interne Struktur»: Angestrebt wird die «Ermittlung der satzkonstitutiven sprachlichen Einheiten [...] sowie der zwischen ihnen bestehenden syntagmatischen und paradigmatischen Relationen» (cf. Brinker 1977, 21). «Die Sätze bzw. Satzstrukturen der betreffenden Sprache werden als regelhafte Kombinationen von bestimmten syntaktischen Positionen (Kategorien) beschrieben, in die bestimmte Einheiten bzw. Klassen von Einheiten eintreten. Ihr Aufbau ergibt sich durch lineare und hierarchische Anordnungen. Ziel ist die Aufstellung der für einen bestimmten Sprachzustand einer Einzelsprache (Langue) charakteristischen Satzformen [...]» (26).

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2.2 Die V2-Eigenschaft im Rahmen des generativen Grammatikmodells

beschrieben werden: a) Sie beinhalten ein definiertes Set an abstrakten algebraischen Regeln; b) sie beinhalten ein Lexikon, das bedeutungsvolle Sprachelemente enthält, die als Variablen innerhalb des Regelsystems dienen. Prinzipien, die die Art und Weise bestimmen, wie die zugrunde liegende Algebra funktioniert, konstituieren eine universale Grammatik, die den «Kern» der sprachlichen Kompetenz darstellt (cf. Tomasello 2006, 257). Ein grundlegender Unterschied zwischen generativer und strukturalistischer Theorie besteht also darin, dass Syntaxstrukturen des generativen Modells immer regelhaft erzeugte mentale Vorgänge repräsentieren (wohingegen Syntaxstrukturen strukturalistischer Modelle realisierten Äußerungen entsprechen). Dieser Umstand sollte in besonderem Maße Berücksichtigung finden. Es ist zu beachten, dass keine Eins-zu-eins-Beziehung zwischen den theoretisch entwickelten Strukturen des generativen Modells und der mentalen Verarbeitung von Sprache besteht. Der in der Theorie angenommene – und im Modell dargestellte – Aufbau syntaktischer Strukturen sowie die postulierten Bewegungsoperationen (cf. den folgenden Abschnitt), sind nicht als reales Abbild eines mentalistischen Verarbeitungsprozesses zu verstehen und wurden auch nicht als solche intendiert (cf. Kaiser 2002, 91). Es handelt sich ausschließlich um Bestandteile eines theoretischen Modells. Doch auch wenn man diese Tatsache berücksichtigt, ist Vorsicht hinsichtlich der abstrahierten und idealisierten Form des Modells geboten. Zwar konstituiert diese einerseits überhaupt erst den Modellcharakter, andererseits kann sie aber auch dessen größter Schwachpunkt sein. Dies trifft insbesondere dann zu, wenn die Rechtfertigung für Abstraktheit und Idealisierung empirisch nicht mehr nachvollzogen werden kann. Die generative Grammatiktheorie gerät aus diesem Grund immer wieder in die Kritik, eine gewisse Erträglichkeitsgrenze hinsichtlich der idealisierten Form ihrer Modelle überschritten zu haben (cf. Brinker 1977, 53–54, 147; Cook/Newson 1996). Dieser Vorwurf scheint in einigen Punkten gerechtfertigt. Vor allem in jüngster Zeit entstehen sehr abstrahierte Modelle, die der Erklärung von Sprachdaten dienen, deren grammatische Verankerung im Sprachsystem aber überhaupt nicht gesichert ist (cf. hierzu z. B. zur Arbeit von Mathieu 2013 2.2.3.2 und 4.1.7). Die Rechtfertigung, diese Strukturen als Ausgangspunkt für immer wieder neue abstrakte Größen im syntaktischen Analyse-Modell zu verwenden, scheint deshalb äußerst fragwürdig und soll im Rahmen dieser Arbeit an jeweils gegebener Stelle nochmals hinterfragt werden.  

2.2.2 Die Prinzipien- und Parametertheorie und das Minimalistische Programm Die Prinzipien- und Parametertheorie hat ihre Grundlage bei Chomskys Annahme einer Universalgrammatik (UG). Entgegen der behavioristischen Auffassung geht

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2 Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel

Chomsky (1986) davon aus, dass kindlicher Spracherwerb nicht allein durch das Verhalten der Umwelt beeinflusst sein kann, sondern dass bestimmte geistige Fähigkeiten angeboren sein müssen, also genetisch determiniert sind.40 Sein Argument beruht auf der Erkenntnis, dass Kinder erstaunlich früh korrekte Äußerungen produzieren, die sie nie zuvor gehört haben, und somit auf der Basis eines unzureichenden sprachlichen Inputs das komplexe System der Grammatik einer Sprache erwerben können (poverty of the stimulus).41 Die Anzahl der Stimuli aus der Umwelt erachtet Chomsky nicht als ausreichend, um die Bildung sprachlicher Strukturen als reine Reaktion erklären zu können. Die generative Theorie setzt deshalb bei jedem Sprecher eine internalisierte Universalgrammatik voraus, ein autonomes mentales System, dessen Strukturen sie zu erfassen und zu beschreiben versucht, um damit die «Regeln und Prinzipien zu formulieren, die den kindlichen Spracherwerb jeder menschlichen Sprache gewährleisten» (Kaiser 2002, 10). Das System erlaubt weder eine zu große strukturelle Beschränkung – der Erwerb aller, i.e. sehr unterschiedlicher Sprachen muss möglich sein – noch zu große Freiheiten, denn schließlich muss «das Kind aufgrund der zur Verfügung stehenden sprachlichen Evidenzen zur richtigen Generalisierung bezüglich der jeweiligen einzelsprachlichen Grammatik gelangen [...]» (Rinke 2007, 21). Die Prinzipien- und Parametertheorie (Chomsky 1981; Chomsky/Lasnik 1993) erklärt die Universalgrammatik deshalb als ein binäres System: Zum einen besteht sie aus universalen Regeln (Prinzipien), die für alle Sprachen Gültigkeit haben. Zum anderen beinhaltet sie Strukturoptionen (Parameter), deren Fixierung auf einen

40 Nach behavioristischer Auffassung (cf. Skinner 1957) ist der Erwerb von Sprache als konditionierte Reaktion auf unterschiedliche Reize der Umwelt zu verstehen (Reiz-Reaktions-Mechanismus). Angenommen wird außerdem, dass Verstärkung und Imitation bei der Konditionierung eine grundlegende Rolle spielen: Während die Umwelt bei nicht korrekt produzierten Lautketten negativ oder gar nicht reagiert, bewertet sie «richtige» Äußerungen des Kindes bejahend und verstärkt damit den Spracherwerb. Werden Reiz und Reaktion häufig wiederholt und die Reaktion dabei positiv bewertet, festigt sie sich im Sprachrepertoire des Kindes und bildet sich zu einer Gewohnheit aus. Dieser Prozess wird durch das kindliche Imitationsverhalten zusätzlich beschleunigt, da nur so größere Lautmuster nachgeahmt werden können. Der Behaviorismus macht also die Umwelt maßgeblich für die menschliche Sprachkompetenz verantwortlich. Das Kind ist lediglich reaktionsbereit und wird in seinen Verhaltensformen erst geprägt. Dies führt(e) zu einem logischen Problem: Als ein Schwachpunkt des Modells wird die Auffassung gesehen, dass Kleinkinder zunächst spontan und unabhängig von der Umwelt Laute produzieren, die erst im Nachhinein konditioniert werden können. 41 Gegen den behavioristischen Ansatz spricht außerdem, dass auch gehörlose Kinder «plappern», dass gewisse Fehler, die logisch möglich sind, von Kindern nie gemacht werden und dass sich der Erwerb bei jedem sprachunauffälligen Kind in ähnlicher Weise vollzieht. Unabhängig von der Intelligenz ist bei jedem Kind eine feste Abfolge von unterschiedlichen Lernstadien zu erkennen (cf. Müller/Riemer 1998, 1).

2.2 Die V2-Eigenschaft im Rahmen des generativen Grammatikmodells

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spezifischen Wert im Prozess des Spracherwerbs Unterschiede bei den Einzelsprachen garantieren kann. Jedes Kind muss aufgrund des erwachsenensprachlichen Inputs für die verschiedenen Parameter denjenigen Wert festlegen, der für seine Muttersprache zur Verfügung steht. Es wird angenommen, dass sich der fixierte Wert immer auf mehrere sprachliche Eigenschaften gleichzeitig bezieht, die dann «gebündelt» in die einzelsprachliche Grammatik eingehen (cf. Kaiser 2002, 10). Im Hinblick auf die V2-Eigenschaft ist im Rahmen der Prinzipien- und Parametertheorie anzunehmen, dass kein universales Prinzip vorliegt, sondern dass V2 das Resultat der Fixierung einer speziellen Strukturoption ist. Es wird angenommen, dass diese Strukturoption unabhängig der typologischen Grundausrichtung der Sprache (S-O-V oder S-V-O) ist. Das Beschreibungsmodell unterscheidet demnach zwischen Sprachen, die den V2-Parameter nicht festgelegt haben, und solchen, die ihn festgelegt haben. S-V-O-Sprachen, wie die modernen romanischen Sprachen, und S-O-V-Sprachen, wie das Latein, wurden entsprechend als Sprachen ohne V2-Parameterfixierung klassifiziert; das Deutsche oder andere germanische Sprachen hingegen als Sprachen mit Parameter-Fixierung – auch wenn ihnen ebenfalls entweder eine S-O-V- oder eine S-V-O-Struktur zugrunde liegt (cf. 2.1.1, Fußnote 7 Kap. 2). Ein Wandel in der Satzgliedstruktur einer Sprache, wie er zum Beispiel für den Übergang vom Lateinischen zum Romanischen (S-O-V > S-V-O) festgestellt wurde, kann sich im Rahmen der Prinzipienund Parametertheorie dadurch ergeben, dass eine Veränderung in der Fixierung des V2-Parameters vorliegt (cf. 2.3.2). Die syntaktische Analyse im Rahmen des Prinzipien- und Parametermodells kann an dieser Stelle nicht im Detail wiederholt werden.42 Es soll jedoch ein kurzer Überblick über die für das V2-Thema relevanten Ansätze gegeben werden. Im Vergleich zu den ersten Ansätzen der Generativen Grammatik, in denen Projektionen lexikalischer Kategorien über die Grammatikalität der generierten Strukturen entschieden (Verbalphrase [VP], Nominalphrase [NP] etc.), geht es später vor allem um Projektionen funktionaler Kategorien und respektive um funktionale Phrasen. Funktionale Kategorien zeichnen sich dadurch aus, dass sie bestimmte syntaktisch relevante Eigenschaften einer lexikalischen Phrase repräsentieren, so z. B. die Kategorie INFL (analog zu engl. inflection), unter der man die Tempus- und Kongruenzmerkmale (Person, Numerus etc.) des Verbs versteht. Die Annahme dieser Kategorie scheint berechtigt, da es Sprachen gibt (z. B. Chinesisch), die INFL bzw. dessen Eigenschaften als freies Morphem realisieren. Folglich ist die durch Tempus und Kongruenz ausgedrückte Finitheit von Aus 



42 Diese können in entsprechenden Einführungen in die generative Strukturanalyse nachgelesen werden (cf. Klenk 2003; Gabriel/Müller 2008; Freidin 2012; u. a.).  

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2 Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel

sagesätzen zwar als funktionaler Bestandteil des gesamten Satzes aufzufassen, sie muss aber als prinzipiell autonom von lexikalischen Kategorien gedacht werden.43 Mit der Weiterentwicklung des Prinzipien- und Parametermodells und dem Aufkommen früher minimalistischer Ansätze (cf. S. 84) geht ein zunehmender Ausbau der Klasse funktionaler Elemente einher. Seit Pollock (1989) beruft man sich auf eine aufgespaltene INFL-Phrase (IP). Der INFL-Knoten wurde entsprechend den in ihm kodierten Merkmalen (Tempus, Kongruenz) in einzelne sich unterscheidende funktionale Kategorien aufgesplittet: TP (Tense, Tempus) und AgrP (Agreement, verantwortlich für die Kongruenz von Numerus und Genus).44 Von großer Relevanz für das V2-Thema ist die Einführung der funktionalen Kategorie COMP (complementizer). CP findet seine Begründung in der Erklärung von Nebensätzen, die nur in Abhängigkeit eines – «overten» (sichtbaren) oder zum Teil «koverten» (nicht sichtbaren) – Komplementierers (einer subordinierenden Konjunktion) auftreten können. Diese Sätze werden folglich als maximale Projektionen von CP aufgefasst. Für V2-Sprachen wird allerdings angenommen, dass auch unabhängige (Haupt)sätze maximale Projektionen von CP sind, da ihre Wortstellung der eines Gliedsatzes bei fehlender Konjunktion entspricht (cf. Abschnitt 2.2.3 für eine detaillierte Darstellung dieser Annahme). Analog zur aufgespaltenen IP wurde auch für die CP eine komplexe, mit differenzierten funktionalen Kategorien bestückte Struktur vorgeschlagen (cf. Müller/Sternefeld 1993; Rizzi 1997). Rizzis Annahme einer gesplitteten CP-Ebene stützt sich auf das Argument, dass der Komplementierer-Bereich zum einen dazu dient, die Proposition, also den semantischen Inhalt des Satzes, der syntaktisch durch die IP realisiert wird, in den relevanten Kontext einzubinden. Zum anderen muss er auch die Funktion erfüllen, die Merkmale auf höchster Satzebene (Satzart, u. a.) zu beinhalten, weshalb Rizzi (1997, 283) zu folgendem Schluss kommt: «we expect the C system to express at least two kinds of information, one facing the outside and the other facing the inside». CP setzt sich also aus mehreren funktionalen hierarchisierten Projektionen zusammen.  

43 Allerdings werden funktionale Kategorien als «Landeplatz» für lexikalische Kategorie verstanden (cf. Chomsky 1986). 44 Die Annahme einer TP ist dadurch motiviert, dass es Sprachen mit zum Teil freien TempusMorphemen gibt (z. B. einige Kreol-Sprachen). Neben TP und AgrP wird teilweise noch NegP unterschieden und unter Berufung auf Sprachen wie das Baskische mit nicht nur Subjekt-, sondern auch Objektkongruenz unterscheidet man sogar zwischen AgrSP und AgrOP (cf. Gabriel/Müller 2008, 43).  

2.2 Die V2-Eigenschaft im Rahmen des generativen Grammatikmodells

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[FORCE] [TOPIK] [FOKUS] [FIN]45 Das untere Ende der gespalteten CP, FIN, ist verantwortlich für die Unterscheidung von finiten und nicht-finiten Satzformen und hat somit eine sekundäre Funktion hinsichtlich Tempus und Flexion, die primär in der IP bei TEMP und AGR liegt. Die Verbindung zwischen CP und IP ist also gewissermaßen durch FIN gegeben. Hier findet eine Art Angleichung zwischen CP und IP statt, betroffen ist u. a. die Modalität (z. B. die Wahl des Komplementierers):  



«It is a traditional observation that the choice of the complementizer reflects certain properties of the verbal system of the clause, an observation formalized, e.g. by ‹agreement› rules between C and I, responsible for the co-occurrence of that and a tensed verb, of for and an infinitive in English (Chomsky and Lasnik 1977) etc. A straightforward manner to account for these dependencies would be to assume that C contains a tense specification which matches the one expressed on the lower inflectional system [...]. On the other hand, the ‹temporal› properties encoded by C are very rudimentary [...] [gemeint ist die Unterscheidung zwischen finiten Satzformen und Infinitivsätzen, Gerundien und Partizipialsätzen]. So, it appears that, [...] C expresses a distinction related to tense but more rudimentary than tense and other inflectional specifications on the verbal system: finiteness» (Rizzi 1997, 283–284).

Force stellt den höchsten Kopf dar und ForceP somit die höchste Projektionsebene. Es wird angenommen, dass sie die syntaktisch relevante Information des Satzmodus tragen muss, da Komplementierer – die im Fall des Nebensatzes ja den höchsten Kopf darstellen – die Tatsache ausdrücken, dass Sätze deklarativ, exklamativ, relativ, komparativ, adverbial oder eine Frage sind. Diese Eigenschaft wird als specification of Force (Chomsky 1995) beschrieben. «Force is expressed sometimes by overt morphological encoding on the head (special C morphology of declaratives, questions, relatives etc.), sometimes by simply providing the structure to host an operator of the required kind, sometimes by both means (...)» (Rizzi 1997, 283). Entsprechend dieser Annahme wird geschlussfolgert, dass in jedem V2-Deklarativsatz das Verb die höchste Kopfposition Force einnimmt, unabhängig von seiner informationsstrukturellen Diskursrelevanz. Des Weiteren ist CP der syntaktische Ort für die «Beherbergung» der informationsstrukturellen Kategorien TopikP und FokusP. Rizzi geht von zwei rekursiven Positionsmöglichkeiten für Topik-Konstituenten aus, oberhalb und unterhalb der Fokusposition (die Rekursivität wurde durch einen Asterisk gekennzeichnet):

45 Bei dieser Terminologie handelt es sich weniger um pragmatisch-informationsstrukturelle als um syntaktische Begriffe (cf. Benincà 2006, 54–55). Von Benincà und Poletto (2004) wird zusätzlich noch die Kategorie Frame hinzugefügt (cf. 2.2.3.2).

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[ForceP [TopP* [FokP [TopP* [FIN]]]]] Der auf die Prinzipien- und Parametertheorie nachfolgende Ansatz ist das von Chomsky (1995, 2000, 2001) entwickelte «Minimalistische Programm» (1995), das in die Prinzipien- und Parametertheorie eingebettet wurde, den Fokus der Theorie allerdings verlagert:46 «Die Grundannahme ist, dass die Grammatik im Hinblick auf die Anforderungen der mit der Sprachfähigkeit interagierenden kognitiven Systeme eine optimale Lösung darstellt (Chomsky 2001, I). Das bedeutet konkret, dass erstens die Schnittstellen PF (Phonetische Form, das artikulatorische System betreffend) und LF (Logische Form, das konzeptuell-intentionale System betreffend) die einzigen zulässigen Repräsentationsebenen sind und dass zweitens die sprachlichen Ausdrücke die Schnittstellenbedingungen in optimaler Weise realisieren, wobei Optimalität durch Ökonomiebedingungen definiert ist, die von der Universalgrammatik vorgegeben sind» (Rinke 2007, 21).

Das Minimalistische Programm sieht eine Reihe mentaler Prozesse vor, die der Realisierung einer korrekten sprachlichen Äußerung vorausgehen (cf. Chomsky 1995, 219ss.). Die Grundannahme des Minimalistischen Programms ist es, dass ein syntaktischer Mechanismus, eine Art computational system, das an den Schnittstellen zu LF und PF auftritt, die realisierte sprachliche Äußerung bzw. die zwei zulässigen Repräsentationsebenen LF und PF hervorbringt.47 Dieser Bildungsprozess (Derivation) setzt beim Lexikon an, da lexikalische Elemente den Inhalt jeder korrekten Äußerung in einer Sprache bilden (cf. Cook/Newson 1996, 319). Die in den Derivationsprozess eintretenden lexikalischen Einheiten kommen von einer Numeration, «die als eine Menge von Paaren des Typs (LI, i) beschrieben werden kann, wobei LI das lexikalische Element (lexical item) mit seinen phonologischen, semantischen und formalen Merkmalen bezeichnet und i die Anzahl indiziert, die dieses Element durch die Operation Select ausgewählt und dem Derivationsmechanismus zur Verfügung gestellt wird (Chomsky 1995, 225)» (Rinke 2007, 22). Unter Numeration versteht man also ein Set, das lexikalische Einheiten beinhaltet, die in der syntaktischen Derivation verwendet werden, und einen mathematischen Index, der angibt, wie oft jedes lexikalische Element im Derivationsprozess benutzt wird. Jede konkrete Äußerung ist erst dann grammatisch korrekt, wenn jedes Element der Numeration in der benötigten Häufigkeit eingesetzt wird. Kein Element darf unbenutzt bleiben oder zu selten gebraucht werden. Der syntaktische Mechanismus bildet Baumstrukturen, indem er die Elemente der Numeration entsprechend dem 46 Für eine einführende Darstellung in das Minimalistische Programm cf. Gabriel/Müller 2008, 85ss., Kapitel 4. 47 LF stellt die Basis für die semantische Interpretation dar. PF ist die Komponente, die den physikalisch messbaren Aspekten der Äußerung entspricht.

2.2 Die V2-Eigenschaft im Rahmen des generativen Grammatikmodells

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Index auswählt und dann miteinander verknüpft. Zunächst werden dabei separate Baumstrukturen für die einzelnen Elemente gebildet, die anschließend in angemessener Weise miteinander zu einer einzigen Baumstruktur verbunden werden müssen. Anderenfalls ist das Resultat ungrammatisch. Die Tatsache, dass das Endresultat einer Derivation zwei verschiedenen Repräsentationsformen entspricht (LF und PF), setzt voraus, dass der Bildungsprozess an einem bestimmten Punkt gesplittet wird. Dieser Punkt wird spell-out genannt.48 Damit beide Repräsentationsebenen zunächst einmal für sich gebildet werden können, darf keine «falsche» Information bei der entsprechenden anderen Ebene ankommen (also etwa semantische Information bei PF oder umgekehrt). Sofern dann beide Ebenen vollständig und korrekt gegeben sind, ist auch die generierte Repräsentation voll interpretierbar und die Derivation konvergiert auf LF und PF. Anderenfalls kollabiert sie (Chomsky 1995, 219–220). Auch grammatische Eigenschaften dürfen nicht bei LF und PF ankommen, da sie für beide Repräsentationsebenen irrelevant sind. Sie werden durch eine checking-Prozedur «gelöscht», bevor sie überhaupt die Möglichkeit haben, bei LF und PF zu landen (cf. Cook/Newson 1996, 321). Den Prozess der Verknüpfung von lexikalischen Einheiten und Teilbaumstrukturen zu größeren Baumstrukturen nennt Chomsky Merge (cf. Chomsky 1995, 226; Cook/Newson 1996, 323). Durch die Operation Move können zusätzlich bereits integrierte Elemente – unter bestimmten Voraussetzungen – verschoben werden (cf. Cook/Newson 1996, 323).49 Move setzt ein, um Elemente aus ihrer Position innerhalb der entstehenden Struktur in eine andere zu versetzen, wie dies auch für die Generierung von V2-Sätzen angenommen wird (cf. 2.2.3). Nach Chomsky ist die Operation Merge gegenüber Move ökonomischer. Aus diesem Grund kann Move nur dann auftreten, wenn eine andere Möglichkeit der Merkmalsabgleichung auszuschließen ist: «the operation takes place only when forced (Last resort)» (Chomsky 1995, 235). Die These der minimalistischen Theorie hinsichtlich des geschilderten Prozesses ist, dass die mentalen Operationen so lange ablaufen, bis eine kohärente sprachliche Form entstanden ist.50 Die Relevanz der Berücksichtigung von PF und LF für die Syntax wurde von Gabriel und Müller (2008, 34s., 59s., 85s.) anhand einiger Beispiele gut dargestellt. In der Syntax von Sätzen kann es Elemente geben, die sich – der

48 «Spell-Out is an operation that takes a partially formed SD which contains all phonetic and semantic information from the lexicon and splits these so that on the one hand there is a representation consisting of just phonetic information and on the other there is a representation consisting of everything that is left» (Cook/Newson 1996, 320). 49 Zur Operation movement cf. Chomsky 1995, 249ss. 50 Auf diese rein mentalen Prozesse folgt dann der Prozess der sprachlichen Äußerung, der an dieser Stelle nicht weiter beschrieben wird.

124

2 Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel

Semantik und Logik nach – auf größere Satzteile beziehen. Diese Eigenschaft wird Skopus genannt. Trotz dieser Eigenschaft bleiben besagte Elemente in ihrer Basisposition oder einer niedrigen Position im Satz, die ihre semantische und logische Ausrichtung nicht anzeigt. Dies ist etwa bei den französischen «wh-in-situ-Fragen» der Fall (Anne a mangé quoi?), bei denen sich das Fragewort quoi in PF nicht in eine höhere Position (nach SpezCP) bewegt, obwohl es den gesamten Satz ([IP Anne a mangé]) als Frage charakterisiert und also Skopus über diesen hat.51 Für eine korrekte logisch-semantische Interpretation von Sätzen dieser Art wurde im Minimalismus vorgeschlagen, dass sich der Bewegungsprozess des jeweiligen Elements nicht in der sogenannten overten Syntax ereignet, also in PF, sondern kovert und in LF. Er bleibt damit ohne Konsequenzen für die Interpretation der Struktur durch die phonologische Komponente (cf. Gabriel/Müller 2008, 34–35). Was die syntaktische Analyse betrifft, wurde bereits dargestellt, dass die Aufspaltung des INFL-Bereichs für die frühe Phase des Minimalistischen Programms maßgeblich war (Chomsky 1993). Der späte Minimalismus zeichnet sich im Gegensatz dazu durch die Forderung nach Einfachheit und Ökonomie aus, weshalb die Annahme distinktiver I-Kategorien (TP, AgrSP) insbesondere für die romanischen Sprachen wieder in Frage gestellt wurde. Zumindest in Bezug auf TP und AgrSP scheint eine Aufspaltung fraglich, da Tempus- und Subjektkongruenzmerkmale am finiten Verb immer nur gemeinsam auftreten (oder bei Infinitiven und Partizipien beide gar nicht auftreten). Auch die Notwendigkeit einer gesplitteten CP-Ebene wird in jüngeren Untersuchungen immer wieder diskutiert und bleibt umstritten (cf. Kaiser 2002). Da insbesondere dieser funktionale Bereich für 51 Zur CP-Anhebung von «wh -Elementen» cf. Fußnote 58 Kap. 2. Zu einer detaillierten Definition von Skopus cf. Gabriel/Müller 2008, 34–35. Ein anderes Beispiel sind englische Sätze mit VP-bezogenem Adverb (Mary often eats apples), für die angenommen werden muss, dass die Verschiebung des Verbs und des Subjekts (nach INFL bzw. SpezIP) erst auf LF und damit kovert erfolgt, im Gegensatz zu den romanischen Sprachen (Marie mange souvent des pommes), bei denen Verschiebung durch die overte Syntax erkenntlich wird.

nach Gabriel/Müller 2008, 61

2.2 Die V2-Eigenschaft im Rahmen des generativen Grammatikmodells

125

eine V2-Analyse relevant ist, wird das gesplittete CP-System auch im Rahmen dieser Arbeit nochmals kritisch hinterfragt werden. Es bleibt festzuhalten, dass die V2-Eigenschaft im Rahmen vorminimalistischer und minimalistischer Analyse sowie im Rahmen einfacher und aufgespalteter IP- und CP-Systeme untersucht wurde. Heute scheint sich die minimalistische Theorie in vielen V2-Analysen durchgesetzt zu haben, obwohl der Mehrwert des Minimalismus für V2-Untersuchungen angezweifelt wurde (cf. Kaiser 2002).

2.2.3 Die generativen V2-Analysen (V2 in den germanischen Sprachen) Im Folgenden geht es um die Darstellung der im Rahmen der generativen Theorie vorgenommenen Auseinandersetzung mit der V2-Eigenschaft. Diese Eigenschaft wurde in der generativen Forschung bereits ausführlich untersucht, sodass eine Fülle von Studien insbesondere zu den germanischen V2-Sprachen, aber auch zu den altromanischen Sprachen existiert. In diesem Abschnitt wird ein knapper Überblick über die zentralen Arbeiten zur Verbstellungseigenschaft der germanischen V2-Sprachen gegeben. Auf der Grundlage der ersten generativen Untersuchungen zu V2-Stellung (cf. Thiersch 1978; den Besten 1983, 1985) stützt sich die frühe V2-Forschung in ihren Analysen auf einen Phrasenstrukturbaum, der die funktionalen Kategorien IP und CP vorsieht.52 Für V2-Sprachen wird angenommen, dass sich das finite Verb in Aussagesätzen zunächst von VP nach IP bewegt. Damit rückt es also in die maximale Projektionsebene der funktionalen Kategorie INFL, welche die Flexionsmerkmale zusammenfasst und der Beschreibung und Erklärung der Finitheit von Aussagesätzen dient.53 Parallel zum Verb bewegt sich das Subjekt in die Position des Spezifizierers von IP. Ausgehend von IP findet dann eine weitere Bewegung des finiten Verbs in die Komplementierer-Position nach CP statt – i.e. in die Position, in der im Nebensatz die subordinierende Konjunktion generiert wird. Dieser Bewegungsvorgang ergibt sich aus dem so-

52 Frühe Analysen zum V2-Phänomen im Germanischen finden sich u. a. bei Platzack (1985), bei Haider und Prinzhorn (1986) sowie in einer Arbeit von Holmberg und Rijkhoff (1998). Mit den Verbstellungseigenschaften der skandinavischen Sprachen befassten sich u. a. Platzack (1986), Thráinsson (1986), mit denen des Friesischen deHaan und Weerman (1986). Analysen zum Jiddischen finden sich u. a. bei den Besten und Moed-van Walraven (1986). Die Stellung des Verbs im Deutschen wird u. a. von Haider (1986, 1993) thematisiert. Diese Arbeiten werde ich in der vorliegenden Dissertation nicht weiter behandeln. Für eine ausführliche Darstellung der frühen Forschungsdiskussion cf. u. a. Trips 2002. 53 In der gängigen Darstellungsweise wird der erste Bewegungsschritt des Verbs von V nach INFL allerdings nicht abgebildet (cf. Abbildung 1).  









126

2 Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel

genannten Head Movement Constraint (Travis 1984), nach dem Köpfe ihre Bewegungen nur in einer sich in Etappen vollziehenden Abfolge durchlaufen können. Abbildung 154

Jede Bewegung hinterlässt eine sogenannte trace (Spur), die durch t abgekürzt wird. Die verschiedenen Spuren sind zu ihrer Differenzierung durch verschiedene Kleinbuchstaben gekennzeichnet, beginnend bei der Spur des Verbs i (für INFL).

54 Die Abbildung zeigt, dass das Deutsche sowohl über eine kopf-finale VP als auch über eine kopf-finale IP verfügt, wodurch es sich von anderen germanischen V2-Sprachen abgrenzt. Als Beispiel kann das Schwedische herangezogen werden, das den Kopf der VP nicht final stellt (Platzack 1986, 31, 10):

(i) (ii)

Erich hat wirklich gekauft Buch Erich hat wirklich das Buch gekauft.

2.2 Die V2-Eigenschaft im Rahmen des generativen Grammatikmodells

127

Die Annahme für die zweite Bewegung wird damit begründet, dass Komplementierer und finite Verben in einer V2-Sprache nie gemeinsam auftreten können, da sie exakt dieselbe Position einnehmen. Anders ausgedrückt: In einer V2-Sprache ist die Stellung des Verbs in zweiter Position immer in denjenigen Sätzen ausgeschlossen, die eine solche Konjunktion enthalten. Dies zeigt sich besonders durch die Eigenschaft der asymmetrischen V2-Sprachen, die in einem durch eine Konjunktion eingeleiteten Nebensatz das Verb nicht an zweiter Stelle aufweisen, weil die COMP-Position dort von der Konjunktion belegt ist. Grundlage für diese Annahme sind u. a. die Beobachtungen von Vikner (1995, 43; cf. auch Trips 2001, 227–228). Er führt an, dass in V2-Sprachen Konditionalsätze entweder mit einer Konjunktion beginnen können oder mit einem finiten Verb, niemals aber mit einer Kombination aus Konjunktion + Verb. Dies zeigen die folgenden Beispiele aus dem Deutschen und Dänischen:  

73. dt.

a. b. c. d.

Wenn ich mehr Zeit gehabt hätte, ... Hätte ich mehr Zeit gehabt, ... *Wenn hätte ich mehr Zeit gehabt, ... *Hätte wenn ich mehr Zeit gehabt, ...

74. dä.

a. b. c. d.

Hvis jeg havde haft mere tid, ... Havde jeg haft mere tid, ... *Hvis havde jeg haft mere tid, ... *Havde hvis jeg haft mere tid, ... (zitiert nach Vikner 1995, 43, modifiziert)

Des Weiteren können V2-Sprachen – hier das Deutsche – untergeordnete Gliedsätze des Typs «Ich denke, dass Nils das letzte Kuchenstück gegessen hat» oder «Ich denke, dass das letzte Kuchenstück Nils gegessen hat» (markiert) in der umgangssprachlichen Variante ohne Konjunktion bilden: «Ich denke, Nils hat das letzte Kuchenstück gegessen» oder «Ich denke das letzte Kuchenstück hat Nils gegessen» (markiert). Es fällt auf, dass bei Weglassung der Konjunktion dieselbe Wortstellung wie im deutschen Hauptsatz auftritt: «Nils hat das Kuchenstück gegessen» bzw. «Das letzte Kuchenstück hat Nils gegessen». Das finite Verb steht an zweiter Stelle und eine weitere Konstituente (hier: das Subjekt oder das Objekt) geht ihm voraus. Dies wird dahingehend interpretiert, dass in Sprachen wie dem Deutschen neben Gliedsätzen auch Hauptsätze immer als CP-Strukturen analysiert werden müssen, und dass bei fehlendem Komplementierer stets das Verb in die Komplementierer-Position bewegt werden muss (cf. Gabriel/Müller 2008, 30). Über die positionellen Übereinstimmungen von Konjunktionen und finiten Verben hinausgehend wird die Verbbewegung nach COMP damit begründet, dass

128

2 Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel

COMP mit besonderen Finitheits- und/oder Tempus- und Kongruenzmerkmalen ausgestattet ist (cf. Kaiser 2002, 17). Verschiedene Forscher nehmen deshalb an, dass nicht INFL, sondern COMP die Kongruenz des Verbs «steuert» und dass sich das Verb also dorthin bewegen muss, um seine Kongruenzmerkmale zu erhalten.55 Unabhängige Evidenz für diese Annahme kann aus Satzstrukturen einiger regionaler Varietäten von V2-Sprachen (Süddeutsch u. a.) abgeleitet werden, die die Markierung der Kongruenz mit dem Verb morphologisch direkt an der Konjunktion aufzeigen. «Diese so genannte ‹Komplementiererkongruenz› ist beispielsweise im Bairischen [...] zu beobachten» (Kaiser 2002, 17),56 was aus Beispiel (75) ersichtlich wird. Hier wird die Kongruenz durch dasselbe Flexionssuffix (-ts) beim Verb sein und bei der Konjunktion dass hergestellt:  

75. I woaß dassts (ihr) Spitzbuam seits. Die gängige Analyse von V2-Sprachen sieht parallel zu der Bewegung des Verbs nach COMP eine zweite Bewegung vor, aus der sich die Zweit-Position des Verbs überhaupt erst erklärt. Angenommen wird die Bewegung einer beliebigen XPPhrase in die Spezifizierer-Position SpezCP. Sofern diese Position nicht vom Subjekt eingenommen wird, bleibt dieses in seiner Position in SpezIP (Subjektinversion). Über die Plausibilität der zweiten CP-Bewegung ist sich die Forschung nicht einig: «Häufig wird auf diese XP-Bewegung nicht gesondert eingegangen (z. B. Vikner 1995). Bisweilen wird lediglich ein ‹independent constraint› formuliert, wonach in Verb-ZweitSprachen die Topikposition, i.e. SpezCP, immer besetzt sein muss (Koopman 1983, 197) oder wonach ein Kopf, der das Merkmal [+ Agr] oder ein ‹strong specifier feature› enthält, einen gefüllten Spezifizierer haben muss (Roberts 1993, 56; Haegeman 1996, 143s.). Diese Beschränkungen sind allerdings völlig ad hoc, da keinerlei unabhängige Evidenz vorgelegt wird» (Kaiser 2002, 22).  

Auch in jüngeren Arbeiten halten Wissenschaftler an diesen Annahmen fest, und so nimmt Fanselow (2003) an, dass der Spezifizierer der höchsten C-Projektions-

55 Dieser obligatorische Mechanismus – i.e. die durch morphologische «Bedürfnisse» geforderte und gesteuerte Bewegung von Köpfen – wird im Minimalistischen Programm feature checking genannt. Syntaktische Bewegung muss demzufolge immer auf diese Art begründet werden. Es muss also zumindest ein quasi-morphologisches Erfordernis für die Bewegung gegeben sein (cf. Rizzi 1997, 282; u. a.). 56 Weitere thematisierte Begründungen für die Bewegung des Verbs nach COMP sind etwa die Übereinstimmung bei der Stellung von Klitika in Bezug auf das finite Verb oder in Bezug auf den Komplementierer (für eine Diskussion hierüber cf. Kaiser 2002, 18ss.).  

2.2 Die V2-Eigenschaft im Rahmen des generativen Grammatikmodells

129

ebene (SpezForce) dem erweiterten Projektionsprinzip (EPP-Merkmal) des Kopfes unterliegt und die V2-Bedingung durch formal movement erfüllt wird. Als formale Bewegung versteht Fanselow den Vorgang, nach dem das EPP ohne ein spezifisches syntaktisches oder interpretierbares Merkmal erfüllt ist.57 Die Annahme der Bewegung des Verbs nach COMP und einer weiteren XP nach SpezCP galt lange Zeit als Erklärung für die Unvereinbarkeit von V>2-Strukturen in einer V2Grammatik. V>2-Strukturen wurden deshalb als unzulässig erachtet, da vor der Verbposition (COMP) nur genau eine weitere Position besteht, die des Spezifikators. Die Annahme einer zweiten präverbalen Position implizierte lange Zeit auch die Annahme, dass die Spezifizierer-Position rekursiv sein müsse. Dies wurde aber mit der Begründung abgelehnt, dass nur Köpfe rekursiv sein können (cf. unten auf dieser Seite). Wie bereits dargestellt, unterscheiden sich die germanischen V2-Sprachen durch ihren Grad an «Symmetrie» bzw. «Asymmetrie». Symmetrische V2-Sprachen weisen V2-Stellung sowohl im Hauptsatz als auch im Nebensatz auf, asymmetrische V2-Sprachen haben das Verb nur im Hauptsatz in zweiter Stellung, sofern der Nebensatz durch eine subordinierende Konjunktion eingeleitet ist. Asymmetrie wird im Rahmen der generativen Strukturanalyse grundsätzlich so erklärt, dass sich im Hauptsatz das Verb nach COMP bewegt und im Nebensatz (mit Verbendstellung) in V bleiben muss, da COMP bereits besetzt ist. Da sich nun aber Sprachen, wie z. B. das Isländische oder Jiddische, in diesem Punkt symmetrisch verhalten und deshalb für den Nebensatz nicht angenommen werden kann, dass das Verb dort in VP bleibt, versuchen viele Theorien, V2-Stellung im Nebensatz auf dieselbe Weise wie V2-Stellung im Hauptsatz zu erklären. Der Vorschlag lautet, dass auch im Nebensatz eine CP-Struktur vorliegt und V2 dort durch CP-Rekursion entsteht – also durch die Möglichkeit, dass neben der nebensatzeinleitenden CP eine weitere (tiefer liegende) CP generiert werden kann (cf. Vikner 1995, 120ss.). Die Bestätigung für diese Annahme sieht u. a. Vikner (1995, 119s.) darin, dass einige germanische Varietäten, wie das Bayrische, das Schweizerdeutsche oder das Westflämische, es zulassen, bei eingebetteten Fragesätzen neben das wh-Element eine subordinierende Konjunktion zu stellen.  



76. bai.

I woaß net wann dass da Xaver kummt. (Bayer 1984, 24, zitiert nach Vikner 1995, 119)

77. sd.

I ha-n-im gseit, wie dass er daas söu mache (Penner/Bader 1991, 81, zitiert nach Vikner 1995, 119)

57 Für Erläuterungen zum erweiterten Projektionsprinzip cf. u. a. Gabriel/Müller 2008, 62s., 104.  

130

78. wfl.

2 Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel

Kweten nie, wannièr da Valère goa werekommen. (Haegemann 1992, 57, zitiert nach Vikner 1995,119) [ich] weiß nicht, wann dass Valère geht wiederkommen ‘Ich weiß nicht, wann Valère wiederkommt.’

Sätze wie diese gelten als Indiz dafür, dass eine mehrfache Besetzung von SpezC prinzipiell möglich ist.58 In verschiedenen Untersuchungen wird deshalb vorgeschlagen, dass eine CP-Rekursion auch in eingebetteten V2-Sätzen von symmetrischen V2-Sprachen auftritt (79), was letztlich zu der Schlussfolgerung führt, dass CP-Rekursion auch dann im eingebetteten Nebensatz zulässig sein muss, wenn der nebensatzeinleitenden Konjunktion ein präverbales Topik folgt, wie dies etwa im Jiddischen der Fall sein kann (80).59 Hieraus erklärt sich also eine V2-Struktur im Nebensatz, und der symmetrische V2-Typ kann als Sprachtyp beschrieben werden, in dem sowohl der Haupt- als auch der Nebensatz eine CPStruktur aufweist. 79. is.

Ég veit ekki hvort að ϸetta er í lagi. (zitiert nach Vikner 1995, 122) ich weiß nicht, ob dass das ist alles richtig ‘Ich weiß nicht, ob das alles richtig ist.’

80. ji.

Ikh bedoyer [CP[C’ az[CP dos bukh [ C’ hob[IP ikh geleyent]]]]] (zitiert nach Kaiser 2002, 33) ich bedauere, dass dieses Buch habe ich gelesen ‘Ich bedauere, dass ich dieses Buch gelesen habe’

58 Es wird angenommen, dass in den betroffenen Sprachen das Merkmal (+wh) im Komplementierer beinhaltet ist und dass das wh-Element daher in der (+wh)-markierten COMP-Position auftreten kann. Nach dem wh-Kriterium beinhaltet jeder Kopf einer Phrase, die in ihrer Spezifiziererposition einen wh-Operator enthält, das Merkmal (+wh). Allerdings merkt Vikner (1995, 120) an, dass anhand dieser Analyse nicht erklärt werden kann, warum der Komplementierer in anderen Kontexten, in denen die COMP-Position ebenfalls das Merkmal [+wh] enthalten müsste, nicht auftreten darf: «However, if daß/dass/dat/that/at may have the feature [+wh] [...], then it is difficult to account for why daß/dass/dat/that/at cannot occur in any other context where the feature is required of the C° position – e.g. in embedded yes/noquestions [...].» 59 Die Möglichkeit, dass das Generieren einer zusätzlichen CP zur nebensatzeinleitenden CP denkbar ist, stand mehrfach zur Diskussion (cf. Iatridou/Kroch 1992, 7; Vikner 1995, 129). Eines der größten Probleme bei dieser Annahme besteht darin, dass die Ungrammatikalität von NichtV2-Hauptsätzen in einer V2-Sprache nicht durch eine universal gültige CP-Rekursionsbeschränkung zu erklären ist (cf. Kaiser 2002, 31).

2.2 Die V2-Eigenschaft im Rahmen des generativen Grammatikmodells

131

Im Gegensatz zu dieser Annahme wird in einer Reihe von Arbeiten erklärt, dass zwischen asymmetrischen und symmetrischen V2-Sprachen grundsätzlich unterschieden werden muss (cf. Santorini 1992; Rögnvaldsson/Thráinsson 1990; Diesing 1990; Iatridou/Kroch 1992). Man schlägt vor, für Sprachen wie das Isländische oder Jiddische anzunehmen, dass keine CP-Analyse möglich ist, sondern dass Hauptund Nebensatz IP-Strukturen mit dem Verb in INFL und der initialen Konstituente in SpezIP darstellen (cf. Iatridou/Kroch 1992). Es ist deshalb von V2-IP-Sprachen die Rede. Eine Erklärung dieser Art wird der Symmetrie zwischen Haupt- und Nebensatz in symmetrischen V2-Sprachen gerecht. Allerdings wird an diesem Vorschlag kritisiert, dass die Gemeinsamkeit aller germanischen V2-Sprachen – die obligatorische V2-Stellung – durch die Annahme verschiedener syntaktischer Systeme nicht ausreichend berücksichtigt wird (cf. Kaiser 2002, 31).60 Ob diese Kritik berechtigt ist und die V2-Eigenschaft auf nur ein Syntaxsystem zurückgeführt werden sollte, ist allerdings zu hinterfragen. Es wäre zu überlegen, ob das V2Merkmal nicht abgekoppelt von einem spezifischen Syntaxsystem erklärt werden kann. (Diese Überlegung wird in Abschnitt 2.2.4 wieder aufgegriffen.) Ein weiterer Versuch, das Asymmetrie-Symmetrie-Problem in V2-Sprachen zu lösen, besteht in der Annahme, dass die CP-Ebene nur unter bestimmten Bedingungen zusätzlich zur IP aktiviert wird. Cardinaletti und Roberts (1991) machen den Vorschlag, dass weitere funktionale Köpfe zwischen CP und IP – Agr1P und Agr2P – angenommen werden müssen. Diese Köpfe finden ihre Begründung auf der Basis eines gesplitteten und erweiterten INFL-Systems, in dem Agr2P die höchste IPProjektion einnimmt und Agr1P zwischen Agr2P und CP liegt. Bei einer symmetrischen V2-Sprache wird nach diesem System die CP-Ebene nur bei spezifischen Operatoren (z. B. wh-Fragepartikel, Negationspartikel) aktiviert und alle restlichen V2-Strukturen anhand des Agr-Systems generiert.61 Auch Pintzuk (1991) geht von einer kontextuell bedingten CP-Aktivierung bei konstanter IP-Aktivierung aus. Sie nimmt an, dass bei V2-Sprachen wie dem Isländischen und Jiddischen oder auch  

60 Weiterhin existiert der Vorschlag, auch für das Deutsche oder Niederländische eine IPStruktur anzunehmen (cf. Kathol 1990; Haider 1993; Kayne 1994; Zwar 1997). Wie Kaiser (2002) aber richtig bemerkt, bedeutet dies, «dass alle Verb-Zweit-Sprachen in gleicher Weise wie das Isländische und Jiddische analysiert werden. Eine solche einheitliche Analyse der Verb-ZweiSprachen wirft allerdings die Frage auf, wodurch sich die Verb-Zweit-Sprachen dann von NichtVerb-Zweit-Sprachen unterscheiden. Das gravierende Problem besteht hierbei vor allem darin, dass die Ungrammatikalität von Verb-Dritt-Sätzen nicht mehr auf eine universal gültige CPRekursionsbeschränkung zurückgeführt werden kann» (Kaiser 2002, 31). 61 Eine umfassende Diskussion zur Untersuchung von Cardinaletti und Roberts (1991) gibt Trips (2002, 236–239). Sie diskutiert u. a. die Frage, ob dieses System auch zur Erklärung des Altenglischen herangezogen werden kann. Trips verneint diese Annahme, da das Altenglische – anders als das Isländische – nicht in jedem Kontext V2 erlaubt.  

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2 Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel

dem Altenglischen das Verb normalerweise in INFL bleibt und das Topik entsprechend in SpezIP. Im Hinblick auf das Altenglische erklärt sie, dass nur in Sätzen mit spezifischen Operatoren – «wh», ne, ϸa oder ϸonne – das Verb nach COMP und der Operator nach SpezCP bewegt werde, weil Nicht-V2-Strukturen nur in diesen Kontexten ausgeschlossen seien.62 Im Gegensatz zu dieser Annahme sehen Kroch und Taylor (1997) für das Altenglische die Möglichkeit gegeben, dass ein Topik immer bis nach CP bewegt wird, das finite Verb dabei aber in INFL bleibt. Diese Art der V2Analyse wurde bereits von Trips (2002) ausführlich zusammengefasst:63 «[...] Kroch and Taylor suggest an analysis of Old English which claims that verb movement and XP movement head for different functional projections, i.e. that in an Old English V2 clause, the finite verb moves to I° and the topic moves to Spec,CP. [...] The reason why Kroch and Taylor ‹change› the landing site of the topic is that ‹V2 seems to become a hybrid between the CP-V2 and the IP-V2 types. The tensed verb moves as in an IP-V2 language while the topic moves as in a CP-V2 language› (Kroch und Taylor 1997, 305). Kroch and Taylor argue that both C° and Spec,IP must remain empty in Old English main clauses. With respect to C°, they assume that Old English reserves this position for verbs with special V-features, i.e. ordinary indicative verbs do not belong in that position. Following Chomsky (1993, 1995) they claim that these verbs have weak features and therefore movement to C° takes place only at LF. In contexts like questions, on the other hand, the feature of the verb is strong, and thus it moves to C° to check an operator feature ([wh] etc.) Kroch and Taylor note that in both cases the finite verb will occur in C° at LF, and that is why the topic has to be in Spec,CP to be properly licensed. The motivation for the assumption that topics have to be in Spec,CP is that from a cross-linguistic perspective, topics are always the leftmost elements of their clauses because they are ‹the surface ‹subjects› of the clause’s topmost predication level› (Heycock 1994). In embedded clauses, the position of the topic seems to vary between Spec,IP and Spec,CP which depends, according to Kroch and Taylor, on the language, the dialect and sentence type» (Trips 2002, 242).

62 Den adverbialen Partikeln ϸa/ϸonne/nu (dann, jetzt) wurde generell ein spezieller Status zugesprochen, da sie im Altenglischen regelmäßig Inversion auch von Subjektpronomen hervorrufen, obwohl die Inversion regelhaft nur bei nominalem Subjekt auftritt. Eine umfassende Diskussion zur altenglischen Syntax findet sich bei Trips (2002). Trips gibt einen Überblick über die traditionelle Analyse der altenglischen Satzstruktur, nach der O-V die grammatische Grundstruktur mit dem Verb in finaler INFL-Position ist, die dann allerdings durch Verbanhebung modifiziert wird: «According to the standard view of the development of the English language (Stockwell 1977; Canale 1978; Lightfoot 1979; Bean 1983; Mitchell 1985; van Kemenade 1987; Koopman 1985 [sic], 1990; Kiparsky 1990 [sic; 1995 oder 1996]; Pintzuk 1991) Old English showed the order object–verb in the base, like other attested West Germanic languages. As mentioned above, it also showed phenomena like verb raising, verb projection raising, scrambling and cliticisation. In main clauses, the finite verb is taken to move from its base position (in V˚) to the second position of the clause» (Trips 2002, 76). 63 Interessanterweise entspricht sie auch der Analyse moderner romanischer Strukturen mit vorangestelltem Topik (cf. Ende des Abschnitts 2.2.3.1).

2.2 Die V2-Eigenschaft im Rahmen des generativen Grammatikmodells

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Kroch und Taylor gehen also davon aus, dass das finite Verb und das Topik nicht in einer Spezifizierer-Kopf-Relation stehen, da das Topik zum C-Kopf gehört, das Verb aber den Kopf der IP bildet. Trotz dieser Tatsache ist der V2 constraint ihrer Meinung nach erfüllt, da das Topik über SpezIP nach SpezCP bewegt werden muss (cf. Trips 2002, 243). Für das frühe Mittelenglische stellte Trips (2002, 247ss.) die These auf, dass eine gemischte V2-IP/CP-Grammatik gegeben ist, mit Eigenschaften sowohl einer IP-V2-Syntax (entsprechend der Altenglischen), als auch einer CP-V2-Syntax. Begründet wird diese Annahme durch die damals vorherrschende Kontaktsituation mit altnordischen Sprachen (cf. 2.3.7). Als Indiz hierfür wird die Kombination von Merkmalen genommen, die einerseits noch typisch für das Altenglische scheinen (die Möglichkeit zur Bildung von V>2-Strukturen), teilweise aber gerade atypisch für das altenglische System sind, dafür aber typisch für eine «strenge» V2-Sprache (Inversion des nominalen und pronominalen Subjekts). Eine anders begründete Erklärung für ein alternierendes («nicht-strenges») V2-IP/CP-System geben Hinterhölzl und Petrova (2010) in Bezug auf das Altsächsische und ebenfalls das Altenglische. Auf der Basis eines diskurspragmatischgenerativen Analyse-Modells (cf. Asher/Lascarides 2003) gehen die Autoren davon aus, dass die Stellung des Verbs in den altgermanischen Sprachen in Verbindung mit den discourse properties in den Kontext des gesamten Textes gebracht werden muss (Hinterhölzl und Petrova 2010, 316). Sie nehmen an, dass die Positionierung des Verbs im Satz der Organisation der Diskursstruktur dient. Je nach Verbposition sind diskurskoordinierende – den Handlungsverlauf vorantreibende – und diskurssubordinierende – den Handlungsabschnitt erläuternde – Passagen gegeben. Die Koordination wird syntaktisch auf der Basis von V1-Stellung realisiert, oder anders ausgedrückt, V1 findet sich immer in Sätzen, die den Text oder einen neuen Teilabschnitt eröffnen. V2- und V>2-Sätze sind hingegen Strukturen, die der weiteren Ausführung der Handlung dienen. Im Fall von V1 wird angenommen, dass sich das Verb aus seiner Basisposition nach CP bewegt, wobei die Position von SpezC leer bleibt (zu dieser Annahme cf. 2.2.3.2). Für V2 gilt diese Annahme nur im Fall des Althochdeutschen. Der Unterschied zwischen dem Althochdeutschen und dem Altsächsischen oder Altenglischen wird darin gesehen, dass sich bei althochdeutschen diskurssubordinierenden Strukturen das Verb in der Regel nur in zweiter Position befinden kann (in COMP), im Altsächsischen und -englischen hingegen in zweiter oder dritter Position (in INFL). Die Begründung für die «Aktivierung» einer jeweils unterschiedlichen syntaktischen Struktur (CP oder IP) sehen Hinterhölzl und Petrova durch die informationsstrukturierende Funktion des Verbs gegeben. Im althochdeutschen V2-Satz trenne das Verb das (aboutness) Topik vom Rest des Satzes und zeige durch seine Position den Beginn des Kommentars an. Dieser umfasst den Fokusbereich, kann aber zusätzlich auch Hintergrundinformation (background) miteinschließen, also zum Beispiel bereits gege-

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bene Diskursreferenten (familiar topic).64 Anders seien das Altenglische oder Altsächsische strukturiert (cf. Hinterhölzl/Petrova 2010, 319): Bei V2- oder V>2-Stellung übe die Verbposition nicht die Funktion aus, das (aboutness) Topik herauszustellen. Es diene vielmehr dazu, die Topik-Konstituente gemeinsam mit weiteren Hintergrundelementen vom Fokus-Bereich zu separieren, was eine V>2-Struktur hervorrufen kann (topic-background-V). Für das Altenglische oder Altsächsische wird deshalb der Vorschlag gemacht, dass im Gegensatz zu den diskurskoordinierenden Strukturen alle diskurssubordinierenden V>2-Sätze als Strukturen ohne Verbanhebung nach COMP zu analysieren sind: «[...] we propose that the finite verb in OE (and OS) moves into the C-domain only in clauses expressing coordinating discourse relations, while the verb stays in a deeper position (within the IPdomain) in clauses expressing subordinating discourse relations» (Hinterhölzl/ Petrova 2010, 324).65 Die in diesem Abschnitt (und in Abschnitt 2.1.1) skizzierte Vielfalt der unterschiedlichen V2-Systeme kann anhand eines Systematisierungsversuchs zusammengefasst werden. Die Grundlage hierfür bietet eine Gliederung von Sitaridou 2012 (basierend auf Vikner 1995). a. Residuale V2-Sprachen: Diese Sprachen verfügen über «V2-Reste», das heißt, die V2-Eigenschaft kommt nur in einigen wenigen Kontexten zum Tragen. Im Fall der germanischen Sprachen wird dies lediglich für das moderne Englisch angenommen, da dort V2-Stellung ausschließlich in wh-Fragen auftritt sowie in Zusammenhang mit Inversion bei Negation oder Komparation. Das finite Verb befindet sich im Englischen in INFL. In seiner Gesamtstruktur wird das Englische aber nicht als V2-IP-Sprache, sondern als IP-Sprache ohne V2Eigenschaft beschrieben.

64 Hinterhölzl und Petrova (2010, 320) unterscheiden auf der Grundlage einer zum Deutschen und Italienischen getroffenen Klassifikation von Frascarelli und Hinterhölzl (2007) drei TopikTypen, die nach ihrer Funktion aufgeteilt werden in: (a) ABOUTNESS TOPIC: what the sentence is about (Reinhart 1981; Lambrecht 1994), what is a matter of standing and current interest or concern (Strawson 1964); (b) CONTRASTIVE TOPIC: an element that induces alternatives which have no impact on the focus value and creates oppositional pairs with respect to other topics (Kuno 1976; Büring 1999); (c) FAMILIAR TOPIC: a given, D-linked constituent, which is typically destressed and realised in a pronominal form (Pesetsky 1987), generally used for «topic continuity» (Givón 1983). 65 Nicht klar wird bei diesem Ansatz, ob bei V>2-Stellung im Altenglischen und Altsächsischen eine IP-Adjunktion angenommen wird oder eine Bewegung der initialen Konstituente bis in den CP-Bereich, wie dies teilweise für V>2-Strukturen moderner romanischer Sprachen vorgeschlagen wird (cf. 2.2.3.1).

2.2 Die V2-Eigenschaft im Rahmen des generativen Grammatikmodells

135

b. «Strenge» asymmetrische V2-Sprachen: Diese Sprachen weisen V2-Stellung in Hauptsätzen auf. In abhängigen Nebensätzen steht das Verb hingegen in Endstellung, da die zweite Position durch einen Komplementierer belegt ist. Deutsch, Friesisch oder Niederländisch gehören diesem Typ an. In diesem Fall wurde in der einschlägigen Literatur in der Regel eine V2-CP-Struktur angenommen, auch wenn vereinzelt die genannten Gegenvorschläge einer V2-IP-Grammatik vorliegen. c. «Strenge» V2-Sprachen mit begrenzter Asymmetrie: Diese Sprachen entsprechen dem Typ b, erlauben allerdings V2-Stellung im abhängigen Nebensatz bei Brückenverben. Zu diesen Sprachen gehören u. a. das Dänische, Norwegische und Schwedische. Sie wurden teilweise als V2-CP und teilweise als V2IP-Sprachen analysiert. d. «Strenge» symmetrische V2-Sprachen: Diese Sprachen verfügen über V2Stellung im Haupt- und im abhängigen Nebensatz. Dies ist der Fall im Isländischen oder Jiddischen. Es bestehen verschiedene Vorschläge der Strukturanalyse (V2-CP oder V2-IP), wobei die IP-Analyse mit kontextabhängiger CPAktivierung in jüngerer Zeit am meisten Anklang findet. e. «Nicht-strenge» V2-Sprachen: Diese Sprachen weisen V2-Stellung im Hauptsatz und teilweise auch im Nebensatz auf. Es ist also von «nicht-strengen» asymmetrischen und «nicht-strengen» symmetrischen Sprachen die Rede. Im Unterschied zu «strengen» V2-Sprachen erlauben diese Sprachen das Vorkommen von Nicht-V2-Sätzen (V>2 und V1). Hierzu wird u. a. das Altenglische, Mittelenglische, Altsächsische und Althochdeutsche gezählt.66 Diesen Sprachen wird eine IP-V2-Struktur (mit eventuell kontextbedingter Aktivierung der CP) oder – im Fall des Althochdeutschen – eine CP-Struktur zugedacht.  



2.2.3.1 V2 (generativ) im modernen Romanischen? Wie bereits gezeigt wurde, ist V2-Stellung in den modernen romanischen Sprachen nicht üblich. Alle romanischen Sprachen sind S-V-O-Sprachen, die die V2relevanten Kriterien nicht oder nur sehr eingeschränkt und kontextgebunden aufweisen. Allerdings wurde schon darauf hingewiesen, dass das Rätoromanische eine Ausnahme innerhalb der modernen romanischen Sprachen darstellt, da hier V2-Stellung mit Subjektinversion regelmäßig die Struktur des Aussagesatzes

66 Es wäre zu fragen, ob auch Sprachen wie das Isländische, die kontextuell begrenzt V1Stellung aufweisen, oder Sprachen wie das Schwedische, die in einzelnen Varietäten einige wenige V>2-Strukturen zulassen, als «nicht-strenge» V2-Sprachen betrachtet werden müssten. Da es keine scharfen Grenzen zwischen «nicht-streng» und «streng» zu geben scheint, sollte eine Klassifizierung einzelner V2-Typen auf jeden Fall mit Vorsicht getroffen werden.

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2 Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel

ist.67 Ähnlich wie die festlandskandinavischen Sprachen weist das Rätoromanische eine nur eingeschränkte Haupt-Nebensatz-Asymmetrie auf (cf. Kaiser 2002, 35) und gehört damit zum Typ C der im letzten Abschnitt getroffenen Systematisierung. Die generative Analyse aller romanischen Sprachen (mit Ausnahme des Rätoromanischen) sieht vor, dass das Verb sich von seiner Position in VP nach INFL bewegt (bzw. unter der Annahme einer gesplitteten IP-Projektionsebene in einen höheren I-Kopf), wie aus Abbildung 2 ersichtlich wird:68 Abbildung 2

nach Gabriel/Müller 2008, 61, abgeändert

67 Außerdem gehen Poletto und Zanuttini (2003) davon aus, dass auch einige norditalienische Dialekte V2-Eigenschaften besitzen (cf. auch Benincà und Munaro 2011). 68 Für eine Diskussion des gesplitteten IP-Systems der romanischen Sprachen cf. Cinque 1999. Hier wird differenziert zwischen Spanisch, Portugiesisch und Rumänisch einerseits und Französisch und Italienisch andererseits.

2.2 Die V2-Eigenschaft im Rahmen des generativen Grammatikmodells

137

Für das moderne Französische besteht allerdings der Vorschlag, ein residuales V2-CP-System anzunehmen.69 Als Begründung für diesen Vorschlag wird die in einigen wenigen Kontexten mögliche Inversion des Subjektklitikons herangezogen.70 Bei diesen Fällen gehen Rizzi und Roberts (1989, 9) davon aus, dass die CPEbene aktiviert ist. 81. a. Peut-être craignait-elle pour sa voix. (Guimier 1997, 44) b. Aussi ne crut-il pas une seconde que Blanche avait éventé son secret. (Guimier 1997, 45) 82. a. Au bout de la table était assis un vieil homme. b. Dans la salle à manger brillent deux lampes à essence. (Fournier 1997, 118) Wie allerdings bereits Kaiser (2002, 49) feststellt, spricht gegen die Annahme der COMP-Position des Verbs, dass die Inversion im Französischen nicht obligatorisch ist – im Gegensatz zur Inversion im Hauptsatz von V2-Sprachen:71 83. a. Peut-être vous serez content de savoir cela. (Guimier 1997, 57) b. Aussi je ne veux pas me battre au couteau avec toi. (Guimier 1997, 76)

69 Teilweise wird dieser Vorschlag auch in Bezug auf andere romanische Sprachen gemacht, wie z. B. bezüglich des Spanischen (cf. Sitaridou 2012, 583). 70 Rizzi (1990, 376) begründet die Annahme eines residualen V2-Systems vor allem auf der Grundlage moderner französischer Fragesätze: Que manges-tu? V2-Stellung in solchen Fällen sei möglich, weil das wh-Kriterium erfüllt sei. Begründet wird das «wh-Kriterium» und die Bewegung des Verbs nach COMP im Französischen durch die syntaktische Umstrukturierung einer Frage bei Haupt- und Nebensatz. Die Inversion von Verb und Subjekt ist im Hauptsatz möglich (Manges-tu la pizza de ton frère?). Im Nebensatz kann sie nicht auftreten, da COMP schon durch ein Fragepronomen besetzt ist (*Je me demande si manges-tu la pizza de ton frère). Das Verb und die Konjunktion si haben demnach dieselbe Position (COMP) und können deshalb nicht nebeneinander auftreten. Im Fall einer Entscheidungsfrage (Que manges-tu?) befindet sich das Fragepronomen que in SpezCP (cf. Stein 2010, 58). Nach Ansicht von Rizzi handelt es sich bei diesem Kriterium um ein universales Prinzip, das je nach Einzelsprache entweder auf der S-Struktur oder auf der Ebene der «Logischen Form» (LF) erfüllt werden muss. Durch Rizzis Annahme, dass das wh-Kriterium in diesen Fällen auf der SStruktur erfüllt wird, ist die Anhebung der wh-Phrase in die Position des SpezCP obligatorisch. Wie Kaiser (2002, 37ss.) und auch Rinke (2007, 43) allerdings richtig bemerken, ist Nachstellung des Subjektklitikons im Französischen bei Fragesätzen nicht in allen Kontexten obligatorisch und nicht in allen Fällen liegt ein overter wh-Operator vor, was Rizzis Annahme in Frage stellt. 71 Für eine weitere Diskussion cf. Kaiser 2002, 48–52.  

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2 Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel

84. a. Au bout de la table un vieil homme était assis. b. Dans la salle à manger deux lampes à essence brillent. (Fournier 1997, 118) Der Gegenvorschlag zu einer CP-Analyse müsste demnach lauten, dass IP-Adjunktionen vorliegen. Für das moderne Französische wurde tatsächlich auch immer wieder angenommen, dass die Topikalisierung eines Elements auf die Adjunktion an IP begrenzt sein muss (cf. Prévost 2009, 106).72 In den vorliegenden Beispielen scheint dies plausibel, da die jeweils topikalisierten AdvPs einen Kommentar des Sprechers zum Sachverhalt ausdrücken (Satzadverbien) und sich somit auf die gesamte IP beziehen. Im Unterschied zu VP-bezogenen Adverbien, deren Bezugspunkt ausschließlich die Verbhandlung ist, müssen diese Adverbien also höher als VP positioniert sein. Abbildung 3

nach Gabriel/Müller 2008, 62, abgeändert

72 Prévost (2009, 105–106) sieht hier einen evidenten Unterschied zwischen V2-Sprachen und dem modernen Französischen. Im Französischen sei Topikalisierung auf IP-Adjunktion begrenzt, was er anhand des nachfolgenden Beispiels (i) verdeutlicht. Demgegenüber kann in einer V2Sprache Topikalisierung entweder die CP-Ebene betreffen – im Aussagesatz (ii) – oder die IPEbene – im abhängigen Gliedsatz (iii). Dieser Unterschied zweigt sich auch deutlich durch die Ab- bzw. Präsenz von Subjekt-Verb-Inversion. i. [IP Hier [IP Jean a mangé des fraises]]. ii. [CP Gisteren [C heefti] [IP Jan [VP aardbeien gegeten] ti]]. iii. ...[CP dat [IP gisteren [IP Jan aardbeien gegeten heeft].

2.2 Die V2-Eigenschaft im Rahmen des generativen Grammatikmodells

139

Im Fall der französischen Strukturen mit Inversion des Subjekts kann Müller und Riemer (1998) folgend angenommen werden, dass neben der IP-Adjunktion der initialen AdvP die Subjekt-NP durch Adjunktion an die VP bewegt wird. Als Adjunktionen werden in der Regel optionale Angaben verstanden, die in der Argumentstruktur des Verbs nicht angelegt sind und die die Eigenschaft aufweisen, «die Komplexität der syntaktischen Ebene, auf der sie erscheinen, nicht zu verändern» (Müller/Riemer 1998, 188). Im Gegensatz dazu handelt es sich bei der Inversions-Adjunktion an die VP um eine im Laufe der Derivation entstandene neue Position eines Arguments, i.e. es liegt keine basisgenerierte Position vor. In SpezIP befindet sich in diesen Fällen ein expletives Pro (cf. Müller/Riemer 1998, 189, 196, 201). Abbildung 4

Bei der dargestellten Adjunktion wird in eine niedriger liegende Position adjungiert (zu dieser Problematik cf. Müller/Riemer 1998, 189s.). Das hochgestellte ‘i’ zeigt die Bewegungen von VP- in IP-Positionen an oder die Bewegung über IP in die adjungierte VP-Position. Zu Pro cf. außerdem Müller/Riemer 1998, 153ss. Bei intransitiven Verben besteht die Annahme, dass das Subjekt (angezeigt durch ‘j’) in VP liegt und nicht – wie im Falle der transitiven Verben – in SpezIP, weil keine weitere Verbergänzung (NP) als Komplementierer in VP zum Verb hinzu treten kann.

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2 Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel

IP-Adjunktion ist auch im Italienischen oder Spanischen belegt (für das Spanische cf. Zagona 2006, 160s.). In diesen Sprachen tritt anstelle von Subjektinversion ein Nullsubjekt auf, außer bei betonten Pronomina. Die Position von SpezIP ist in diesem Fall leer (pro) und es ergibt sich eine V2-Struktur mit der initialen AP an IP adjungiert, dem Verb in INFL und dem Komplement in VP (cf. Abbildung 5). Abbildung 5

nach Gabriel/Müller 2008, 62, abgeändert

Andere typische V2-Strukturen gibt es im modernen Französischen nicht. Voranstellung z. B. eines fokussierten Objekts (Fok) mit Inversion des Subjekts ist nicht möglich, sondern muss durch einen Spaltsatz ausgedrückt werden.  

85. a. *[Fok Un HOMME] a vu Camille (et non pas une femme) b. C’est [Fok un HOMME] que Camille a vu (et non pas une femme). Die Voranstellung von topikalisierten Konstituenten (Top) ist nur mit Dislokation und unter Beibehaltung der S-V-Struktur grammatisch.73 86. [Top Cet homme], elle l’a déjà vu.

73 In diesem Fall wird angenommen, dass das topikalisierte Element eine Kopf-Position innerhalb eines gesplitteten CP-Systems einnimmt, das Verb aber in IP bleibt.

2.2 Die V2-Eigenschaft im Rahmen des generativen Grammatikmodells

141

Wie bereits gezeigt wurde, sind Topikalisierungen oder Fokalisierungen, die zu V2-Sätzen führen können, in anderen romanischen Sprachen allerdings möglich. Zur Veranschaulichung seien nochmals die schon bekannten Beispiele des Spanischen und Italienischen angeführt (cf. Beispiele 36 und 37): 87. sp.

[Fok UN LIBRO] ha leído Maria (y no un periódico) ein Buch hat gelesen Maria und nicht eine Zeitung

88. it.

[Fok UN LIBRO] ha letto Maria (e non un giornale) ein Buch hat gelesen Maria und nicht eine Zeitung

Generative Strukturanalysen geben – je nach Einzelsprache – unterschiedliche Erklärungen für Sätze dieser Art. Für das Italienische erklärt Rizzi die Voranstellung von fokalen Elementen durch sein gesplittetes CP-System mit FokP und rekursiven TopPs. Diese Analyse scheint berechtigt, da im Italienischen sämtliche Kombinationen von vorangestellten Topik- und Fokus-Konstituenten möglich sind. 89. it.

a. b. c. d.

UN LIBRO ha letto Maria (e non un giornale). UN LIBRO Maria (l’)ha letto. Maria UN LIBRO ha letto. MARIA un libro ha letto.

Im Spanischen ist diese Freiheit nicht gegeben, da zwischen vorangestellter Fokus-Konstituente und finiter Verbform keine weitere XP auftreten darf (*Un libro María ha leído). Diese Restriktion wird darauf zurückgeführt, dass die vorangestellte Fokuskonstituente und das Subjekt miteinander konkurrieren und folglich dieselbe Position einnehmen (cf. Gabriel/Müller 2008, 52). Es scheint demnach keine linksperiphere Fokus-Position oberhalb der Subjektposition (SpezIP) zu geben, sonst wäre eine Struktur wie die italienische Struktur (a) aus Abbildung 6 im Spanischen ebenfalls möglich. Die fokussierte Konstituente kann sich demzufolge nur in SpezIP befinden.74

74 Gabriel und Müller schlagen für das Spanische vor, ein reduziertes Repertoire funktionaler Köpfe in der linken Peripherie anzunehmen. Über dem IP-Bereich sei keine FokP, sondern lediglich eine rekursive TopP* anzusetzen und nicht, wie in Rizzis Modell, zwei.

142

Abbildung 6

2 Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel

2.2 Die V2-Eigenschaft im Rahmen des generativen Grammatikmodells

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Abbildung 7

nach Gabriel/Müller 2008, 52, abgeändert

Eine O-V-S-Struktur des Spanischen hat also das Objekt in SpezIP, das Verb in I und das Subjekt in VP (SpezVP).75 Es kann festgehalten werden, dass trotz der dargestellten Unterschiede zwischen den modernen romanischen Sprachen die dort auftretenden V2-Sätze keine CP-Anhebung des Verbs erfordern. Bei allen genannten Strukturen befindet sich das Verb in INFL.76 Dies trifft auch auf

75 Eine O-V-X-Struktur mit Nullsubjekt/PRO in SpezIP wäre theoretisch möglich, wird im Spanischen allerdings nicht verwendet. 76 Gabriel und Müller (2008, 52) betonen hier den Unterschied zu O-V-S-Strukturen in V2Sprachen wie dem Deutschen: Die spanische foco-antepuesto-Konstruktion könne zwar als satzwertiges Komplement eingebettet werden, im Deutschen sei dies aber nicht möglich. Bei Einbettung muss dort die Nebensatzstellung mit finalem Verb erscheinen, da die Verschiebung des Verbs nach COMP und damit auch die einer weiteren Konstituente nach SpezC durch den in COMP befindlichen Komplementierer «dass» blockiert ist.

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2 Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel

V>2-Strukturen mit initialem Komplement zu, die im Italienischen (Abbildung 6: Sätze b–d) und Spanischen (Abbildung 7: Satz c) wieder durch die jeweils einzelsprachenspezifischen Strukturanaylsen erklärt wurden (cf. Gabriel/Müller 2008, 50–53). Auch in diesem Punkt unterscheiden sich das Italienische und Spanische deutlich vom modernen Französischen, das mit Ausnahme der besprochenen APS-V-Konstruktionen keine weiteren V>2-Sätze zulässt.

2.2.3.2 V2 (generativ) im Altfranzösischen bzw. Altromanischen? Wie sich bereits zeigte, verhält sich das Altfranzösische im Vergleich zu seinem modernen Pendant syntaktisch völlig anders. Im Altfranzösischen scheint V2Stellung und Subjektinversion regelhaft im Hauptsatz aufzutreten. Viele generative Analysen zur altfranzösischen Verbstellung stimmen deshalb darin überein, dass sich das mittelalterliche Französisch durch eine asymmetrische V2-Grammatik auszeichnet.77 Die ersten Ergebnisse, die diese These stützen, sind von Benincà (1983/84), Adams (1987), Roberts (1993) und Vance (1997). In ihren Arbeiten wird die für das Deutsche entwickelte generative V2Analyse übernommen und V2-Stellung sowie Subjektinversion durch die Bewegung des Verbs nach COMP erklärt.78 Da diese Arbeiten bereits eingehend diskutiert sind, verzichte ich auf ihre Besprechung und verweise auf die Diskussion bei Kaiser (2002) oder Rinke (2007). Einen Wendepunkt in der generativen Analyse der altfranzösischen Verbstrukturen leitet die Arbeit von Kaiser ein. Er geht davon aus, dass das Altfranzösische nicht als V2-CP-Sprache angesehen werden kann, sondern als IP-Sprache mit dem Verb in INFL (X-V-S- und V>2-Sätze erklärt er als IP-Adjunktionen). Dies hat zur Folge, dass die in den letzten 10–15 Jahren geführte Diskussion innerhalb der generativen Linguistik darum bemüht ist, dem Altfranzösischen einen eindeutigen CP-V2- oder IP-Status zuzusprechen (cf. Ferraresi und Goldbach 2002; Sitaridou 2012; u. a.). Im Folgenden möchte ich an diese Diskussion anknüpfen und die  

Pero te dije [CP que [IP une MANZANA se comió María]] *Aber ich habe dir (doch) gesagt, [CP dass [CP einen APFEL hat Maria gegessen]] Aber ich habe dir (doch) gesagt [CP dass [IP Maria einen APFEL gegessen hat]] 77 Ob das Altfranzösische tatsächlich zum asymmetrischen V2-Typ gehört, wird kontrovers diskutiert. Für die Asymmetrie-These cf. die Argumentation von Adams (1987) oder Kaiser (2002, 145). Für eine Gegenargumentation cf. Lemieux und Depuis (1995). Rouveret (2004) spricht von einer teilweise (a)symmetrischen V2-Sprache. 78 Die Nullsubjekteigenschaft des Altfranzösischen wird an das V2-Merkmal gekoppelt: Das Nullsubjekt in SpezIP sei lizensiert, weil es durch die Bewegung des Verbs nach COMP von einem lexikalischen Kopf (dem Verb) regiert wird, der links von ihm steht (cf. Adams 1987).

2.2 Die V2-Eigenschaft im Rahmen des generativen Grammatikmodells

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Abbildung 8

Annahme einer CP- oder einer IP-Grammatik des Altfranzösischen (und anderer altromanischer Sprachen) nochmals beleuchten. Zunächst muss festgehalten werden, dass die Vermutung hinsichtlich der Existenz einer CP-V2-Grammatik durchaus berechtigt scheint, da im Altfranzösischen alle V2-Merkmale der modernen germanischen V2-CP-Sprachen belegt sind. Hervorgehoben wird insbesondere das Stellungsverhalten von Subjekten (cf. Sitaridou 2012, 589): Wie bereits dargestellt, verfügt das Altfranzösische über die Eigenschaft, bei Subjektinversion auch Pronomen zu invertieren. Diese Möglichkeit ist selbst bei Partizipialkonstruktionen, in denen das pronominale Subjekt zwischen dem Auxiliar und dem Partizip Perfekt auftritt, gegeben. Anders verhalten sich in diesem Punkt wohl weitere altromanische Sprachen, bei denen Inversion des Subjektpronomens äußerst selten belegt ist und niemals in vergleichbaren Partizipialkonstruktionen (cf. Sitaridou 2012, 591–592). Es wird deshalb angenommen, dass, abgesehen vom Altfranzösischen, alle anderen altromanischen Sprachen keine CP-Grammatik haben, sondern zum linearen V2-Typ gehören (cf. die aufgestellte Typologie in 2.2.3). Nach Ansicht von Sitaridou (2012, 592) bewegt sich bei ihnen das Verb nicht bis in den CP-Bereich (nach FIN), sondern bleibt im IP-Bereich (in TEMP) bestehen. V2-Stellung ist hier ausschließlich auf informationsstrukturierende Operationen zurückzuführen, also letztlich auf ähnliche Mechanismen wie sie heute im Spanischen oder Italienischen bei V2-Stellung (O-V-S) vorgefunden werden (cf. 2.2.3.1). Diese Argumentation erweist sich im Hinblick auf das Altfranzösische jedoch als problematisch, da entsprechende Inversionsformen pronominaler Sub-

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2 Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel

jekte auch bei skandinavischen V2-Sprachen auftreten, für die ebenfalls eine IPund keine CP-Position für das finite Verb in Erwägung gezogen wird (cf. 2.2.3). Ausgehend von dieser Beobachtung könnte das Altfranzösische also auch eine IP-Sprache gewesen sein. Sitaridou gibt allerdings noch eine weitere Begründung für ihre Annahme, dass im Altfranzösischen das Verb in CP liegt, in allen anderen altromanischen Sprachen jedoch in IP. Sie geht davon aus, dass sich die Bewegung des Verbs anhand der Position bestimmter Adverbgruppen aufzeigen lässt und beruft sich damit auf eine von Cinque (1999) erstellte positionelle Hierarchie von Adverbien.79 In dieser wird – sehr verkürzt dargestellt – zwischen «tieferen» Adverbien (VP-Adverbien) und «höheren» Adverbien (TP-Adverbien) unterschieden. Zum ersten Typ sind Adverbien zu zählen, die den satzinternen Aspekt markieren (cf. Cinque 1999, 4–11), zum letzteren hingegen Adverbien, die subjektoder sprecherorientiert sind (cf. Cinque 1999, 11–13). Der Vergleich zwischen Adverb und Verb in der linearen Abfolge kann als eine Art Test angesehen werden, der die strukturelle Position des Verbs anzeigt. Das heißt, die Höhe der Adverbien gibt die positionelle Höhe des finiten Verbs an. Die für das Altfranzösische angenommene Bewegung des Verbs nach CP bzw. FIN wird entsprechend der Hierarchie von Cinque anhand der folgenden Beispiele und der in ihnen enthaltenen Adverbien deutlich gemacht: 90. Mais faisons le bien. (Clari 24, 35–36, zitiert nach Sitaridou 2012, 588) aber machen [wir] es gut ‘Aber lasst es uns gut machen.’ Beispiel (90) illustriert, dass sich das Verb aus VP hinausbewegt hat, da bien (gut) ein Adverb darstellt, das den inneren Aspekt markiert und sehr weit unten angesiedelt ist. Auch in Beispiel (91) steht das Verb links vom Adverb, was allerdings bedeutet, dass es noch höher liegen muss als im ersten Fall, da mit volentiers und vraiement Adverbien gegeben sind, die in einer sehr hohen Position auftreten. Das Verb muss sich demnach in einer noch höheren Position befinden. Sitaridou schlussfolgert, dass das Verb sich aus TP hinausbewegt.80

79 Cinque (1999) geht von einem gesplitteten und mit verschiedenen TEMP-Projektionen bestückten IP-Bereich aus, der sich an der Position von verschiedenen Adverbgruppen ausrichtet. 80 FIN wird als möglicher «Landeplatz» für das finite Verb erachtet. Sitaridou (2012) zieht allerdings auch AGR in Betracht: «The fact that the finite verb is seated higher than pragmatic speech adverbs like vraiement, and the same goes for volontiers, does not incontrovertibly show that the finite verb is in a low C-head (i.e. Fin°). The finite verb could be in an Agr head which, according to Cinque (1999), can be freely generated in between any of the higher adverb positions» (Sitaridou 2012, 589).

2.2 Die V2-Eigenschaft im Rahmen des generativen Grammatikmodells

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91. a. nous la vous querrons volentiers. (SSa 4, 1, zitiert nach Sitaridou 2012, 589) wir sie euch rufen gerne ‘Wir werden sie gerne für euch rufen’ 91. b. et je croy vraiement. (joi 9, 2, zitiert nach Sitaridou 2012, 589) und ich glaube wahrhaftig ‘Und ich glaube wahrhaftig.’ Auch hinsichtlich des Altokzitanischen, Altspanischen und Altportugiesischen kommt Sitaridou (2012, 587–588, 590–591) zu dem Schluss, dass es klare Anzeichen für die Verbbewegung aus VP heraus gibt. Dafür spricht, dass relativ tiefliegende Adverbien, wie aokz. tot entegrament (völlig, gänzlich) und asp. siempre (immer) oder aport. bem (gut) in der linearen Kette nach dem Verb, also rechts von diesem, auftreten und folglich anzeigen, dass sich das Verb aus seiner Basisposition (VP) heraus bewegt hat. 92. aokz. Et ell aun o donat tot entegrament. (Chartes 20, 17, zitiert nach Sitaridou 2012, 590) und sie haben es gegeben ganz vollständig ‘Und sie haben es ganz vollständig gegeben.’ 93. asp. e siempre yuan catando por la ribera (GE 5R, 27, zitiert nach Sitaridou 2012, 591) und immer gingen singen bei dem Fluss ‘Und sie gingen immer nahe des Flusses singen.’ 94. aport. & d(e)uedes uos mi~ amar bem & fielm(en)te. (Doc. 5, A Coruña, 4, zitiert nach Sitaridou 2012, 587) und solltest du mich lieben gut und treu ‘Und du solltest mich gut und treu lieben.’ Altportugiesische Adverbien in höherer Position wurden in einer Studie von Martins (2002) behandelt. Hier zeigt sich, dass besonders hoch positionierte Adverbien wie francament regelmäßig links vom finiten Verb auftreten. Das nimmt Sitaridou als Indiz dafür, dass sich das Verb nicht über den komplexen IPBereich hinaus bewegt (cf. Sitaridou 2012, 587–588). Ähnlich scheinen die Verhältnisse im Altokzitanischen und Altspanischen zu sein. Auch hier steht das hoch positionierte Zeitadverb (adenant, jetzt) links vom Verb:

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95. aokz. adenant en eis sacrament t’en istaria. (Chartes 26, 8, zitiert nach Sitaridou 2012, 590) nun in diesem Testament dir davon beweisen werde [ich] ‘Nun, in diesem Testament, werde ich dir dies beweisen.’ Da keine höher positionierten Adverbien gefunden werden, ist Sitaridou (2012, 590) der Ansicht, dass sich das Verb nicht höher als TEMP bewegt. Daraus leitet sie ab, dass diese altromanischen Sprachen nicht als V2-CP-Sprachen zu klassifizieren sind, weil ihr Verb nicht im CP-Bereich liegt.81 Dass die Position der Adverbien als Indikator für den strukturellen Satzaufbau problematisch sein kann, wird von Sitaridou nicht berücksichtigt. Dies zeigt sich aber, wenn die Abhängigkeit von Syntax und Diskurstradition bedacht wird. Im Laufe dieser Arbeit wird deutlich werden (cf. 4.1.5), dass insbesondere bei den mittelalterlichen Verstexten Adverbien eine diskursspezifische Position einnehmen können. Prosatexte scheinen insgesamt weniger betroffen, jedoch kann auch bei ihnen nicht ausgeschlossen werden, dass die Position eines Adverbs nicht immer dem damals allgemeinen Sprachgebrauch entspricht, sondern durch den Einfluss älterer Diskurse auf den Prosatext bedingt sein kann. Inwieweit die Annahme einer CP-Grammatik aufgrund des Stellungsverhaltens von Adverbien und Subjektpronomina tatsächlich ein Fundament hat, sollte also zumindest mit Vorsicht behandelt werden. Kommen wir zu Kaisers Argument zurück, dass keine CP-Grammatik im Altfranzösischen vorliegt: Kaiser (2002, 136, 138, 140) schließt eine CP-Grammatik aus, weil das Altfranzösische V>2-Strukturen aufweist, die nach seinen Ergebnissen immerhin 10,9% ausmachen (zur Problematik von Kaisers Daten cf. 1.1). In einer V2-CP-Sprache sind diese Strukturen nicht zulässig, da vor der Verbposition in COMP nur eine Position (SpezCP) vorhanden ist. Eine V>2-Stellung würde sich demnach nur durch Rekursivität der Spezifizierer-Position ergeben. Wie bereits dargestellt, wurde die Möglichkeit diskutiert, dass das Generieren einer zusätzli-

81 Auch in ihrem jüngst erschienenen Artikel, in dem für V2-Sprachen typische Sätze mit Anteposition des Partizips untersucht werden, argumentiert Sitaridou (2015) weiterhin gegen den V2-Status der altromanischen Sprachen und insbesondere des Altspanischen. Zu diesem Ergebnis kommt auch Batllori (2015), die sich nach ihrer Analyse von OV-Rechtsdislokationen (die typisch für V2-Sprachen sind) ebenfalls gegen den V2-Status des Altspanischen ausspricht. Batllori kann zeigen, dass diese Strukturen kein Indiz für eine tiefenstrukturelle V2-Grammatik sind, da sie lediglich als Latinismen und als Charakteristikum spezifischer Diskurstraditionen im Altspanischen auftreten. Anders argumentiert in jüngster Zeit allerdings Pinto (2015): Er kommt zu dem Schluss, dass das Altspanische ein symmetrischer V2-Typ ist. Die in altspanischen Texten belegten V1- und V>2-Sätze seien mit einer tiefenstrukturellen V2-Grammatik vereinbar (cf. Fußnote 160).

2.2 Die V2-Eigenschaft im Rahmen des generativen Grammatikmodells

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chen CP zur nebensatzeinleitenden CP denkbar ist (cf. Fußnote 59 Kap. 2). Von Kaiser (2002, 28) wird dieser Vorschlag aber abgelehnt, weil eine CP-Rekursion nicht zur offensichtlichen Beschränkung der Verbposition in V2-Sprachen passt.82 Es stellt sich folglich die Frage, ob es eine andere Möglichkeit gibt, die Existenz von V>2-Strukturen zu erklären, ohne den V2-CP-Status in Abrede zu stellen. In verschiedenen Analysen wird angenommen, dass eine an den eigentlichen Satz angrenzende initiale Position existiert, durch die V>2-Strukturen mit koordinierender Konjunktion, mit einleitendem Nebensatz oder mit nach links dislozierter Konstituente erklärt werden können. Die Annahme lautet, dass diese Elemente außerhalb von CP auftreten (cf. Rinke 2007, 38). 96. [Und] [CP sie bestreiten es immer noch] 97. [Den Busfahrer] [CP den kenne ich doch noch von früher] 98. [Als Marlene in die Küche kam] [CP da war es schon zu spät] Auch für das Altfranzösische besteht dieser Vorschlag. Eine an CP angrenzende Position wird in Betracht gezogen. Adams (1989, 4) unternimmt den Versuch, auch topikalisierte Verbergänzungen durch diese Position zu erklären. Als Beispiel nennt sie den folgenden Satz mit initialem Präpositionalobjekt (cf. auch Eide 2007, 172): 99. De cele amor Dieus me gart (La Chastelaine de Vergi 91, zitiert nach Adams 1989, 4) vor dieser Liebe Gott mich bewahrt ‘Vor dieser Liebe bewahrt mich Gott’ Problematisch an dieser Interpretation ist die Tatsache, dass man De cele amor wie einen sentential modifier bzw. ein Satzadverb verstehen müsste, das als solches natürlich vor dem Satz auftreten kann. Da in diesem Fall aber eindeutig die Verbvalenz betroffen ist (garder qqn. de qc.) und nicht die Abhängigkeit eines adverbialen Elements gegenüber dem gesamten Satz, ist es wahrscheinlicher, dass wir es hier mit einer Verbergänzung in Initialstellung zu tun haben. Bei der gegebenen Interpretation wird also versäumt, zwischen verbdependenten (Dieus 82 Im Gegensatz zu Kaiser stellen Ausnahmen von V2-Strukturen (vornehmlich V>2-Strukturen) für Sitaridou (2012) keinen Grund dar, eine V2-CP-Analyse für das Altfranzösische auszuschließen. Dafür spricht, dass der Erwerb eines V2-Parameters nicht durch das Auftreten von V>2Sätzen gehindert sein muss (cf. 2.3.4).

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2 Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel

me gart de cele amor) und satzdependenten Konstituenten (Dieus me gart en ceste bataille) zu unterscheiden. Die Interpretation einer an CP angrenzenden Position scheint deshalb fragwürdig. In Abgrenzung zu dieser Art der V>2-Analyse wird seit einigen Jahren der Versuch unternommen, die initiale Position von V>2-Sätzen als satzzugehörige Position zu definieren. Nolda (2004, 423) spricht im Hinblick auf das Deutsche von einer «detached, though sentence-internal, position», die er insbesondere zur Erklärung von verschiedenen Linksverschiebungen heranzieht (cf. 3.4.1.3). Hinsichtlich der (alt)romanischen Sprachen finden sich verschiedene Analysen, die sich an Rizzis Kartographischem Modell (1997) oder dessen Weiterentwicklung ausrichten. Sie verstehen die linke Satzperipherie als gesplittete CP-Ebene, deren einzelne Positionen satzintern liegen, allerdings mit einem unterschiedlichen Grad der Gebundenheit an IP.83 Wie in 2.2.2 dargestellt, setzt sich die CP-Ebene in Rizzis Modell aus mehreren funktionellen hierarchisierten Projektionen zusammen: [ForceP [TopP* [FokP [TopP* [FIN]]]]] In jüngerer Zeit haben Benincà (2001, 2006) und Benincà und Poletto (2004, u. a.) eine zu Rizzis Modell abweichende Analyse vorgeschlagen. In dieser nehmen sie lediglich eine Topik-Position links von FokP an und gehen davon aus, dass TopP nochmals in eine höhere Position frame und eine niedrigere Position theme unterteilt werden muss (cf. Benincà/Poletto 2004, 71; Benincà 2006, 45–55; cf. Donaldson 2011, 4):84  

[ForceP [FrameP [Theme/TopP [FocP [FinP]]]]] Während frame die Projektionsebene für hanging topics oder scene setting adverbs (Satzadverbien) darstellt und sich diese also in SpezFrame befinden, werden verschiedene Formen von left dislocations oder list interpretation85 nach theme (Topik) projiziert und haben ihren Platz in SpezTheme:

83 In Bezug auf das Altfranzösische sind in jüngerer Zeit vor allem die Arbeiten von Labelle und Hirschbühler (2005), von Donaldson (2011) und von Mathieu (2013) zu nennen. 84 Die Annahme nur einer einzigen TopP beruht auf der Beobachtung, dass Elemente links von FokP nicht topikalisch, sondern ebenfalls fokal sind und FokP nicht nur eine, sondern verschiedene Projektionen beinhaltet (cf. Benincà/Poletto 2004, 54ss.). 85 Als list interpretation (LI) bezeichnen Benincà und Poletto (2004, 67–68) den Fall, in dem zwei Elemente «belonging to the same list of already known items» in Kontrast zueinander stehen. Die

2.2 Die V2-Eigenschaft im Rahmen des generativen Grammatikmodells

151

Abbildung 9

nach Benincà/Poletto 2004, 71

Auch Benincà und Poletto nehmen Rekursivität für die einzelnen C-Köpfe an: «More than one Focus and more than one Topic can appear, in their respective fields, (...)» (Benincà 2006, 55–56). Durch die Besetzung der linken Peripherie mit diesen und weiteren Köpfen wird das Auftreten verschiedener V>2-Strukturen innerhalb einer CP-Grammatik möglich. V>2-Sätze mit initialem Adverb oder mit initialer Adverbiale werden durch die Existenz von Frame erklärt. Je nach Funktion des Adverbs wird allerdings auch die Möglichkeit einer Projektion nach SpezTop oder SpezFoc eingeräumt: «Circumstantial adverbs [...] have their natural location in a Spec in Frame, but this is not a strong syntactic constraint; whether they receive a Frame, Topic, or Focus interpretation depends on pragmatics» (Benincà 2006, 76). Weiterhin geht auch Mathieu (2013) von einem Modell mit multiplen funktionalen Projektionen in CP aus. Für das Altfranzösische nimmt er an, dass vor allem eine Mehrfachbesetzung der präverbalen Topik-Position für das Auftreten von V>2-Strukturen verantwortlich ist. In Abgrenzung zu Benincà bzw. Benincà und Poletto sieht sein Modell eine Topik-Projektionsebene vor, die neben den traditionellen TopPhrasen eine spezielle Top + P enthält, welche der Erklärung von V>2-Strukturen mit Topikalisierung ohne Linksversetzung bei Stylistic fronting dient: «I argue that the Old French CP contained a special topic position that hosted Stylistically fronted elements and two other topic positions: one for Left Dislocated phrases and the other for Hanging Topics» (Mathieu 2013, 327). Grundsätzlich stellt sich bei Konstruktionen, die auf Stylistic fronting zurückgeführt werden, natürlich die Frage, ob sie überhaupt als sprachsystematisch verankert angesehen werden können und grammatisch definiert werden dürfen, wie dies Mathieu vorschlägt (zu dieser Überlegung cf. 4.1.7). Der folgende Satz stellt für Mathieu ein Beispiel für die Besetzung von TopP und Top + P dar:

Autorinnen nennen folgende Beispiele: La frutta la regaliamo, la verdura la vendiamo / La frutta la regaliamo e la verdura la vendiamo / La frutta la regaliamo, invece la verdura la vendiamo.

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2 Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel

[TopP Spec

Top0 [Top + P Spec Top +0 [FinP Spec Fin0 [TP Spec T0]]]]

100. Par mi le flanc l’espié li mist (Gormont et Isembart, 170, zitiert nach Mathieu 2013, 341) durch die Seiten das Schwert ihm machte ‘Er stieß ihm das Schwert durch die Seiten.’ Mathieu definiert Top + P rein syntaktisch, da informationsstrukturelle TopikEigenschaften seiner Meinung nach keine Rolle spielen. V>2 wird hervorgerufen, weil der Fokus am Ende des Satzes liegen muss.86 «It must be noted that although Stylistically Fronted elements are topics, they are not topics in the traditional sense. The literature identifies two main kinds of topics: a topic can be a background element (already mentioned in the discourse or accommodated) or it is an element that indicates what the sentence is about. Stylistic Fronted elements have neither of these properties. In general, the sole reason why they seem to undergo raising is to make sure that the focused element in the clause is in final position (an operation akin to Pmovement, cf. Zubizarreta 1998)» (Mathieu 2013, 341).

Durch die Einführung von Top + P sind nach Mathieu also selbst V>2-Sätze mit zwei präverbalen Verbergänzungen als CP-Strukturen zu analysieren und folglich mit der Annahme einer altfranzösischen V2-Grammatik vereinbar (cf. Mathieu 2013, 341). Allerdings geht Mathieu trotz dieser Vereinbarkeit nicht davon aus, dass das Altfranzösische im Besitz einer V2-CP-Grammatik ist, die mit der des Neuhochdeutschen vergleichbar wäre. Er sieht sein CP-Modell vielmehr durch die Tatsache bestätigt, dass im Althochdeutschen zwei Köpfe vor das Verb treten können (cf. 3.4.1.7) und diese Möglichkeit deshalb auch für das Altfranzösische gegeben sein muss (341):87«[...] Old French shares with Older Germanic V2

86 Diese Annahme bedarf einer genaueren Definition, da nicht klar ist, ob Top+P selbst Teil des Fokus-Bereichs ist oder der Fokus hiervon getrennt steht. Da mit Mathieus Beispiel (100) ein eindeutiger Beleg dafür gegeben ist, dass Top+P fokal markiert sein kann, spricht nichts dagegen, in diesem Fall auch eine informationsstrukturelle Definition zu geben: Top+P ist hier derjenige Teil des Fokus-Bereichs, der schwächer markiert wird und erst mit dem Verb seinen informativen Höhepunkt erreicht (cf. hierzu 4.1.4). Möchte man Mathieus Aussage also etwas präziser formulieren, wäre festzuhalten, dass Top+P auftritt, wenn entweder ein zweites TopikElement gegeben ist oder wenn der fokale Informationskern beim Verb und nicht bei der kofokalen Verbergänzung liegen soll. 87 Allerdings handelt es sich bei den althochdeutschen Beispielen in der Regel um Strukturen mit zwei adverbialen Köpfen vor dem Verb und nicht um Strukturen mit zwei präverbalen Verbergänzungen. Ebenso wie Mathieu geht auch Axel hinsichtlich der V>2-Sätze davon aus, dass die Initialelemente eine hohe Position innerhalb eines gesplitteten CP-Systems einnehmen:

2.2 Die V2-Eigenschaft im Rahmen des generativen Grammatikmodells

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languages (and with Older Romance languages, e.g. Old Italian, cf. Benincà 2006) a richer left periphery than do Modern Germanic V2 languages, [...]». Oder anders von ihm formuliert: «Old Germanic V2 languages were V2 despite the fact that they allowed V3 and V4 orders. It is that wrong to compare Old French V2 with Modern German V2 [...]». Es bleibt also festzuhalten, dass Mathieu das Altfranzösische als V2-CP-Sprachtyp darstellt, der mit dem Altgermanischen, aber nicht mit dem modernen Deutschen vergleichbar ist. Deshalb gibt es in ihm auch verschiedene V>2-Typen, die im modernen Deutschen nicht auftreten können. Nach dieser Analyse sind V>2-Strukturen also mit einer V2-CP-Grammatik vereinbar und der V2-Status des Altfranzösischen müsste im Grunde nicht in Frage gestellt werden.88 Kommen wir aber noch ein zweites Mal zu Kaisers Argument zurück, dass keine V2-CP-Grammatik im Altfranzösischen vorliegt: Eine V2-Grammatik könnte auch aus dem Grund ausgeschlossen werden, dass das Altfranzösische V1-Strukturen aufweist, die in einer V2-Sprache eigentlich nicht auftreten dürfen. Die Existenz von V1-Aussagesätzen innerhalb einer potentiellen V2-Sprache veranlasst die generative Forschung bisher, einen formalen Analyseweg auszuarbeiten, nach dem V1-Strukturen mit einer CP-V2-Grammatik vereinbar sein können. Den meisten generativen Untersuchungen ist gemeinsam, dass sie V1-Stellung durch einen leeren Operator erklären, der die SpezCP-Position besetzen muss. Dies bedeutet, dass sich das Verb – gemäß den Regeln einer V2-Sprache – nach COMP bewegt, seine Spezifiziererposition aber nicht durch ein lexikalisches Element besetzt wird, weshalb an der Oberfläche der Satzstruktur das Verb die erste Position einnimmt. Anders als beim V2-Satz bleiben die Argumente des Verbs in ihrer Basisposition bestehen, sodass sich oberflächlich die Inversionsstruktur VS-X ergibt bzw. die Basisstruktur an der Oberfläche sichtbar wird, wie dies beispielsweise Ledgeway (2008) beschreibt:

«As cross-linguistic studies have shown, frame-setting adverbs typically occupy a high position within a sentence (Rizzi 1994). This seems to also be true for epistemic sentence adverbs (cf. Cinque 1999)» (Axel 2007, 227). 88 In einer der jüngsten Untersuchungen zur V2-Debatte des Altspanischen (Pinto 2015) wird allerdings auch wieder angenommen, dass das Auftreten von V>2-Sätzen in einer Sprache mit tiefenstruktureller V2-Grammatik durch die Existenz einer satzexternen Position zu erklären ist und es sich bei diesem V>2-Vorkommen eigentlich um strukturelle V2-Sätze handelt: «estos casos [V>2] podrían seguir considerándose estructuralmente V2 si se tiene en cuenta que el elemento más a la izquierda es un elemento generado in situ, y por consiguiente no objeto de movimiento, como es el caso de los hanging topics o los marcadores de escena» (López Iszquierdo/Castillo Lluch 2015, 14 über Pinto 2015).

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2 Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel

«From a syntactic point of view, such clauses prove particularly significant in that they can be assumed to preserve the underlying order of constituents, save the verb which, in accordance with the V2 rule, moves to the vacant C position. It follows that, superficially, [...] clauses in conjunction with transitive predicates are necessarily V1 [...], since only the finite verb is available to raise to the C-Space, thereby standing the other arguments of the verb in their base positions and yielding VSO words orders [...]» (Ledgeway 2008, 442).

Schon Roberts (1993, 57) nimmt die Existenz eines leeren V1-Operator in SpezCP an. Seine Annahme bezieht er auf die narrative Diskurseigenschaft, die vielen V1Strukturen zugesprochen wird (zu dieser Eigenschaft cf. 4.2.2) und er postuliert deshalb eine Art discourse or illocutionary operator (cf. auch Kaiser 2002, 24).89 Anders geht Benincà (2006, 77–78) vor. Auf der Grundlage eines informationsstrukturellen Zugangs kommt sie zu der These, dass sich V1-Stellung aufgrund eines Topik-Operators (default topic), also eines nicht erfüllten Topiks innerhalb eines gesplitteten CP-Systems, ergibt.90 Auch Hinterhölzl und Petrova (2010, 323) interpretieren den V1-Satz vor dem Hintergrund eines gesplitteten CP-Systems mit verschiedenen Topik-Positionen. Sie sind allerdings der Meinung, dass im V1-Satz überhaupt kein aboutness Topik existiert. Das finite Verb bewege sich aber trotzdem bis nach ForceP und das familiar Topik sowie neue Diskursreferenten stünden deshalb unterhalb und folglich rechts von diesem.91 Bei V2-Sätzen befindet sich das aboutness Topik hingegen in der Spezifizierer-Position von ForceP, gefolgt vom Verb in Force. V1: [ForceP Vfin [fam.top. [IP Disc. Ref. [VP t]]]] V2: [ForceP Aboutnessi Vfin [ ti fam.top. [IP Disc. Ref. [VP t]]]] Wie bereits erwähnt (cf. 2.1.4), ist die Annahme von leeren V1-Operatoren allgemein nicht ganz unproblematisch, ganz gleich welcher Natur sie sind. Dies

89 Zu einer Auseinandersetzung mit V1-Strukturen in weiteren frühen Arbeiten cf. Huang 1984; Cardinaletti 1990, 78; Diesing 1990, 56; Zwart 1993, 201–205, 1997, 217–221; Lemieux/Dupuis 1995, 98; Ribeiro 1995, 122. 90 An ihrer These ist allerdings zu kritisieren, dass sie ein Topik – wenn auch ein nicht realisiertes – voraussetzt und sie damit nur für V1-Strukturen mit Nullsubjekt Gültigkeit haben kann. Gesamtfokale VS-Strukturen mit postverbalem realisierten Subjekt (cf. Kapitel 5.2) sind mit einem default topic nicht zu erklären, da sie überhaupt kein Topik – auch keine leeres – beinhalten. Dies wird auch von Ledgeway (2008, 446, Fußnote 8) bemängelt, der Benincàs Erklärung ebenfalls nur bei einem discourse topic eindeutig gerechtfertigt sieht und den zu vagen Charakter des default topics kritisiert: «The nature of such a default Topic, however, remains obscure, though, presumably, in certain contexts, it might be instantiated by a ‹discourse› Topic.» 91 Zur Unterscheidung von aboutness und familiar Topik cf. Fußnote 64 Kap. 2.

2.2 Die V2-Eigenschaft im Rahmen des generativen Grammatikmodells

155

zeigt sich insbesondere, wenn man V2-Strukturen betrachtet, die in einem potentiellen V1-Kontext auftreten. Die folgenden fast identischen Beispiele mit V1- und V2-Stellung können dies verdeutlichen: 101. V2

si faisoit ses buisines d’argent sonner et ses timbres et [...] (Cla, 73, 18–19) so machte[er] seine Trompeten aus Silber ertönen und seine Trommeln und [...] ‘so ließ er seine Trompeten aus Silber ertönen und seine Trommeln und [...]’

102. V1

faisoit sonner ses buisines d’argent et ses timbres et [...] (Cla, 76, 21–22) machte[er] ertönen seine Trompeten aus Silber und seine Trommeln und [...] ‘er ließ seine Trompeten aus Silber und seine Trommeln und [...] ertönen.’

V2-Strukturen mit einleitender Partikel (101) werden immer wieder durch den last resort mechanism erklärt. Die Partikel hat nach diesem Mechanismus die Funktion, die V2-Bedingung aufrecht zu halten, da SpezCP nicht leer sein darf (cf. Ledgeway 2008, 445). Es stellt sich die Frage, warum dieser Mechanismus bei der entsprechenden V1-Struktur (102) nicht greift, i.e. warum die V2-Bedingung hier nicht beibehalten werden muss und ein leerer Operator existieren darf. Im Unterschied zu seinen Vorgängern geht Ledgeway davon aus, dass V2-Strukturen dieser Art nicht durch den last resort mechanism erklärt werden können und sich das Problem mit den korrespondierenden V1-Strukturen somit löst. Dennoch ändert sich wohl nichts an dem Tatbestand, dass es V2-CP-Sprachen gibt, die den Mechanismus prinzipiell einfordern (z. B. das moderne Deutsche) und solche – wenn man an der Existenz des Altfranzösischen als CP-V2-Sprache festhalten möchte –, in denen SpezCP nicht zwangsläufig lexikalisch gefüllt sein muss und es also keine last resort Strategie geben kann.92 Dieses Ergebnis führt meiner Meinung nach zu der grundsätzlichen Überlegung, ob im Hinblick auf eine Sprache, die V1-Strukturen regelmäßig zulässt, überhaupt von einer CP-V2-Sprache gesprochen werden kann. Es ist deshalb auch zu überlegen, ob im Fall von V1-Aussagesätzen überhaupt eine CP-Struktur angenommen werden muss. Eine andere Möglichkeit wäre, diese Sätze als IP 

92 Anders verhält es sich bei si-V-X. Hier wird der Diskursmarker zum Kennzeichen des continuous topic (cf. 2.1.3).

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2 Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel

Strukturen zu erklären, wie dies für alle V1-Sätze der modernen romanischen Sprachen gemacht wird. Für diese zweite Möglichkeit spricht, dass V1-Strukturen ein lateinisch-romanisches Phänomen darstellen, das sich seit dem Latein bis heute fortgesetzt hat (cf. hierzu 4.2.1). Diese Annahme setzt zwar voraus, dass V1Strukturen auch schon im Latein das Verb in INFL und nicht in COMP hatten. Dies scheint aber durchaus plausibel, da eine CP-Eigenschaft des Lateins recht unwahrscheinlich ist (cf. hierzu den folgenden Abschnitt).

2.2.3.3 V2 (generativ) im Latein? Es wurde bereits dargestellt, dass die jüngere Forschung zum Latein darin übereinkommt, dass keine syntaktischen, sondern informationsstrukturelle Bestimmungen den Satzaufbau des Lateins prägen. Auch die generative Schule trug diesem Umstand in der Vergangenheit Rechnung, und so sprechen Devine und Stephens (2006) – auf deren Arbeit ich mich im Folgenden stützen werde – von einer discourse configurational language, für die sie ein Analysemodell mit gesplitteten Projektionsebenen entwickelten. Das Modell enthält die funktional definierten Projektionen FokXP und TopXP: «The XP-tree is split into two layers, the basic projection of X (XP) and a superstructure consisting of its extending functional projections (FocXP and TopXP); each layer is filled on the basis of the pragmatic value of the candidate phrase(s). The tree configuration is determined primarily by discourse properties like topic and focus rather than by grammatical properties like subject and object» (26). Abbildung 10

nach Devine und Stephens 2006, 27

2.2 Die V2-Eigenschaft im Rahmen des generativen Grammatikmodells

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Devine und Stephens nehmen an, dass die Argumente aus ihrer postverbalen Basisposition nach FokXP oder TopXP bewegt werden müssen, damit sie ihre spezifische informationsstrukturelle Funktion erhalten. FokXP und TopXP befinden sich in ihrem Modell sowohl innerhalb eines aufgespalteten VP-Systems, als auch (im Fall von scrambling) in einer gesplitteten CP-Ebene. Die Struktur eines lateinischen Aussagesatzes erklären die Autoren anhand des Strukturbaums in Abbildung 11, dessen Projektionsebenen sie in Bezug auf die Informationsverteilung wie folgt erklären: «The lowest layer is the VP layer; it contains the nuclear assertion. The intermediate layer contains the subject and phrases scrambled out of the VP; we will call this layer the IP layer (without entailing any particular assumptions about the syntactic relation of subjects of verbal inflection or auxiliaries; we do not posit an inflection or tense phrase separate from the verb phrase). In gross terms, the VP layer hosts a bare description of the event in terms of the new information it contains, while the IP layer hosts material that anchors the event to the discourse context. The highest layer contains a collection of operators; complementizers (subordinating conjunctions), strong topics, interrogatives and some foci. We will call this layer the CP layer after the complementizers» (Devine/Stephens 2006, 27). Abbildung 11

nach Devine und Stephens 2006, 28, abgeändert Scr = scrambling

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2 Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel

Anders als bei den bisher dargestellten generativen Analysemodellen zu V2Sprachen oder zu den romanischen S-V-O-Sprachen, in denen keine Aufspaltung der VP vorgenommen wird, besteht hier also die Annahme, dass die VP-Ebene eine Position für Topik und Fokus enthält. Als syntaktisch unmarkiert oder neutral verstehen Devine und Stephens jeden Satz, der eine neutrale Antwort auf die Frage «Was ist passiert?» gibt. Dieser unmarkierte Satz hat im Latein, wie bereits gehört, eine S-O-V-Stellung bzw. nach ihren Ergebnissen die folgende präziser definierte Struktur: Subjekt – direktes Objekt – indirektes Objekt – Präpositionalobjekt – goal-spezifizierte adverbiale Elemente und source-spezifizierte Verbergänzungen93 – nicht-referentielles direktes Objekt – Verb (cf. Devine/Stephens 2006, 79). Die Annahme ist nun, dass das finite Verb im unmarkierten lateinischen Aussagesatz in seiner Basisposition im Kopf der Verbalphrase verbleibt. Die neutrale Wortstellung hat das Verb in VP, die Komplemente werden innerhalb von VP nach TopVP und FokVP bewegt:94

93 Devine und Stephens verwenden hier die semantisch definierte Terminologie Adjunct-Goal oder Source-Argument. Als «goal» (Ziel) versteht sich der Ort, zu dem sich etwas hinbewegt (Tim rannte zum Ufer; Sie warf den Ball in die Pfütze); als «source» (Quelle) gilt der Ort der Herkunft, die Einheit, von der eine physische Empfindung/ein Sinneseindruck ausgeht oder der ursprüngliche Besitzer in einer Transfer-Handlung ist (Hilde roch das Feuer als erste; Lisa hatte den Brief von Hannes bekommen). 94 Einen anderen Vorschlag macht Rinke (2007): Die folgende Baumstruktur ist ihrer Meinung nach für die lateinische Grundwortstellung angemessen. Hier befindet sich das Objekt – wegen Kasusabgleichung – in SpezvP:

nach Rinke 2007, 114 Dieser Analyse liegt die Annahme eines differenzierten Minimalistischen Strukturmodells zugrunde, das eine light-verb-Projection vP vorsieht, die die Basisposition von Subjekt und Objekt enthält und verantwortlich für die Abgleichung der Person-/Numerus-/Genusmerkmale (φ-Merkmale) bzw. Kasusmerkmale des Objekts ist, indem sich dieses bewegt und einen zusätzlichen Spezifikator erzeugt (cf. Rinke 2007, 23–24).

2.2 Die V2-Eigenschaft im Rahmen des generativen Grammatikmodells

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Abbildung 12

nach Devine und Stephens 2006, 88, abgeändert DO = direktes Objekt Instr = Instrumentalis

Abweichungen zur unmarkierten Satzgliedstellung ergeben sich durch Topikalisierung, wie etwa im folgenden Beispiel: 103. ei legioni castrisque Q. Tullium Ciceronem praefecit (Caes Gall 6.32, zitiert nach Devine/Stephens 2006, 98) Legion und Lager Q. Tullius Cicero unterstellte ‘Er unterstellte Q. Tullius Cicero die Legion und das Lager.’ Topikalisierung von Verbergänzungen, i.e. beispielsweise das Voranstellen eines indirekten Objekts vor das direkte Objekt, werden durch scrambling erklärt, also durch das Bewegen dieser Elemente aus VP heraus (cf. Devine/Stephens 2006, 108).95 Dies gilt auch für adverbiale Elemente. Ähnlich wie Sitaridou

95 Der Unterschied zwischen unmarkierter und markierter Struktur besteht also darin, dass im ersten Fall argument raising besteht, also die Bewegung bzw. Anhebung innerhalb der VP, und

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2 Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel

(2012) den Satzaufbau der altromanischen Sprachen anhand der Hierarchie von Adverbien erklärt, zeigen auch Devine und Stephens einen Zusammenhang zwischen Adverbstellung und Satzaufbau: Die Autoren erklären, dass die Position der Adverbien von ihrer zum Teil kontextabhängigen Bedeutung (cf. unten celeriter) und der Informationsstrukturierung des Satzes und den damit verbundenen besonderen Positionsveränderungen der Verbergänzungen abhängig ist. Die neutrale Adverb-Position scheint in vielen Fällen diejenige rechts von den Objekten und unmittelbar vor dem Verb zu sein (cf. Devine/Stephens 2006, 64s., 67s., 71s.). Sofern es sich allerdings nicht um die neutrale Satzstruktur handelt, kann die Position des Adverbs auch links vom Subjekt und den Objekten liegen. In diesem Fall wird sie durch die Anhebung des Adverbs aus der Basis-Position in VP erklärt. Devine und Stephens erläutern dies anhand des Adverbs celeriter: «Celeriter can be a manner adverb or a temporal adverb. As a manner adverb it means ‹with great velocity›, typically scopes over the activity or process and c-commands the verb phrase; it is internal to the event in the sense that it contributes to the definition of the event by restricting it to the upper end of a scale of speed of execution. As a temporal adverb it means ‹without delay›, typically scopes over the event and c-commands the clause; it is external to the event in the sense that it locates the event as a whole in terms of its proximity to a preceding event» (Devine/Stephens 2006, 101).

Ein Beispiel für den zweiten Fall stellen die folgenden Sätze dar, in denen sich das Adverb auf den gesamten Satz bezieht. Nach Devine und Stephens (2006, 102) muss dieses allerdings unterhalb der C-Position liegen – an der «Oberfläche» also rechts –, da Konjunktionen dennoch links von celeriter liegen (cf. 104c). Die Anhebung des Adverbs geht also nicht über die obligatorische C-Position der Konjunktion hinaus: 104. a. Celeriter nostri clamore sublato pila in hostes immittunt (Caes Gall 6.8) schnell Unsere Geschrei großes Steinkügelchen auf Feinde schickten ‘Schnell erhoben die Unseren großes Geschrei und schleuderten Wurfgeschosse auf die Feinde.’

im zweiten scrambling, also die Bewegung aus der VP heraus. Ein direktes Objekt in präverbaler Position befindet sich in der Regel in VP, ein Fall von scrambling liegt allerdings dann vor, wenn es links von einem Adverb der Art und Weise auftritt (cf. hierzu weitere Erklärungen bei Devine/ Stephens 2006,108).

2.2 Die V2-Eigenschaft im Rahmen des generativen Grammatikmodells

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b. Celeriter haec fama ac nuntiis ad Vercingetoringem perferuntur (Caes Gall 7.8) schnell dies durch Gerüchte und Boten zu Vercingetorix gelangte ‘Schnell gelangt dies durch Gerüchte und durch Boten zu Vercingetorix.’ c. Cum celeriter nostri arma cepissent (Caes Gall 5.26, zitiert nach Devine/ Stephens 2006, 101) als schnell unsere Waffen ergriffen ‘Als unsere Soldaten schnell zu den Waffen gegriffen hatten’ Der erste Fall, die Angrenzung nur an VP, ist bei einem Beispiel wie (105) anzunehmen: 105. ut identidem primos quosque locos [...] celeriter animo pervagemus (Rhet Her 3.37, zitiert nach Devine/Stephens 2006, 101) dass wiederholt ersten alle Orte [...] schnell Geiste durchstreifen ‘dass wir [...] immer wieder die jeweils ersten Orte schnell im Geiste durchstreifen’ Auch in anderen Fällen wurde die Position des adverbialen Elements auf diese Weise erklärt. Allerdings stellt sich die Frage, ob die Annahme einer VP-Adjunktion durch die gegebene Definition immer gerechtfertigt ist. Im Fall von noctu in Beispiel (106) scheint die bereits erwähnte Begründung für diese Position («internal to the event in the sense that it contributes to the definition of the event») nicht stichhaltig: 106. noctu duos conservos [...] occidit (Pro Clu 179, zitiert nach Devine/Stephens 2006, 69) nachts zwei Mitsklaven [...] tötete [er] ‘nachts tötete er zwei Mitsklaven [...]’ Das Ereignis wird hier zwar näher spezifiziert, jedoch handelt es sich bei noctu um ein frame setting Element, welches die Handlung (temporal) einbettet und somit den Kontext und Rahmen des Geschehens darstellt. Elemente dieser Art werden für gewöhnlich in eine sehr hohe Position in der linken Peripherie verortet oder sogar in eine extraposition (cf. 2.2.3.2 und 3.4.1.5 bzw. 3.4.2.5), weshalb eine VPAdjunktion hier unwahrscheinlich erscheint. Über die exakte Position der Adverbiale soll an dieser Stelle nicht weiter diskutiert werden, da die vorliegende Arbeit nicht zum Ziel hat, die Syntaxanalyse des Lateins weiter voranzutreiben. Ich möchte allerdings festhalten, dass für das

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2 Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel

Latein – anders als für die modernen romanischen Sprachen – in Fällen wie diesen keine extraposition oder Besetzung von FrameP angenommen wird. Das moderne Französisch verlangt in einem Satz mit einleitender Adverbiale die Lesart eines détachement à gauche96 (Cette nuit, il a tué les deux camarades esclaves), und auch für das Altfranzösische wird diese Position diskutiert (cf. 3.4.2.6 und 4.2.4). Die Frage, die sich aufdrängt, ist also die, ab welchem Zeitpunkt ein (temporales, auch lokales oder sprecherbezogenes) adverbiales Element am Beginn einer Äußerung nicht mehr als handlungszugehörig, sondern als rahmengebend empfunden wurde, oder anders formuliert, ob dies nicht schon im Latein möglich gewesen sein könnte, da hier ja bereits eine Abweichung zur unmarkierten Satzstruktur anzunehmen ist. Die bisher besprochenen Abweichungen von der «normalen» Satzstruktur sind von einigen Sätzen zu unterscheiden, die im Latein typischerweise mit V2Stellung auftreten: Dies ist u. a. bei starkem exklusivem Fokus der Fall, wie er etwa durch einen postverbalen negativen Quantifizierer (z. B. nemo) ausgedrückt wird. Die Annahme lautet, dass das Verb nicht Teil des starken Fokus (nemo) ist, sondern den Ko-Fokus bildet und also den schwächeren zum zentralen Fokus hinführenden Teil ausmacht. In einem Satz wie (107) wird dies deutlich:  



107. de vallo decederet nemo (Caes Gall XLII, 102; cf. auch Devine/Stephens 2006, 174) von Wall herab stieg niemand ‘vom Wall stieg keiner herab’ Durch die V2-Syntax wird ausgedrückt, dass die wichtigste Information diejenige ist, dass kein einziger Soldat den Schutzwall verließ. Es geht also weniger um das Verlassen des Walls als um die Tatsache, dass es niemand tat. Devine und Stephens gehen davon aus, dass der negative Quantifizierer bzw. der starke Fokus die Anhebung des Verbs auslösen. Ein anderer Fall von V2-Stellung ergibt sich auch mit schwachem Fokus ohne Quantifizierer. In diesem Fall sprechen Devine und Stephens (2006, 177) von einem informationellen und nicht-exklusiven Fokus, der allerdings auch bei einer entsprechenden V>2-Struktur gegeben ist, wie die folgenden sehr ähnlichen Beispiele (mit V2- und V>2-Struktur) verdeutlichen:

96 Darunter wird die Besetzung einer linken Position außerhalb des eigentlichen Satzes verstanden.

2.2 Die V2-Eigenschaft im Rahmen des generativen Grammatikmodells

163

108. a. Provinciae Q. Cassium praeficit (Caes Civ 2.21) Provinz Q. Cassius überträgt [er] ‘die Provinz überträgt er Q. Cassius’ b. Nos provinciae praefecimus Caelium (Cic Att 6.6.3) wir Provinz übertrugen Caelius ‘Ich habe die Provinz Caelius übertragen’97 (zitiert nach Devine/Stephens 2006, 177)98 Der syntaktische Unterschied zwischen (a) und (b) ergibt sich durch den Informationsaufbau: «When the verb follows the focus, the verb is part of the focus phrase: ‹The province he puts under the command of Q. Cassius› (Caes Civ 2.21). When the verb precedes the focus, it is probably part of the cofocus: ‹The person I have put in command of the province is Caelius› (Ad [Cic] Att 6.6)» (177). Was die syntaktische Analyse der lateinischen V2-Sätze betrifft, erscheint Devine und Stephens (2006, 179) nur die Annahme einer Verbanhebung plausibel, da syntaktische Bewegungen unidirektional sind (die potentielle Bewegung der Fokus-Konstituente wäre dies aber nicht) und eine Fokus-Position außerhalb von VP nicht plausibel erscheint. Sie nehmen deshalb an, dass die Verbergänzung, die den Fokus bildet, in ihrer regulären Position bleibt (Spez FokVP) und das Verb sich aus VP hinaus bewegt in die Topik-Position in CP. Diese Bewegung gilt für alle nicht fokustragenden Elemente, wie beispielsweise für die Adverbiale de vallo in Beispiel 107: «[...] the nonfocused argument raises to one of a chain of topical (scrambled) argument positions and the verb raises to the head of the same projection, or of a lower projection in the same chain» (Devine/ Stephens 2006, 179). Dies bedeutet, dass diese typischen V2-Strukturen des Lateins als CP-Strukturen analysiert werden müssten. Problematisch an dieser Analyse ist die Annahme, dass sich ein ko-fokales Element in eine pragmatisch definierte Topik-Position bewegen soll, was in sich widersprüchlich ist. Dies scheint zudem fragwürdig, da TopP in CP für strong topic reserviert wurde (s. o.), was im vorliegenden Beispiel aber sicher nicht angenommen werden kann. Eine V2-CP-Analyse basierend auf der Annahme, dass sich das Verb in eine höhere Topik-Position bewegen muss, scheint mir deshalb zweifelhaft, zumal das Latein keine typischen Eigenschaften einer CP-V2-Sprache aufweist.  

97 Das lateinische nos kann hier als Plural modestiae mit «ich» übersetzt werden. 98 Die Intonation der deutschen Übersetzung ist durch die unterstrichenen Teile markiert.

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2 Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel

Abbildung 13

nach Devine und Stephens 2006, 180, abgeändert

Kritik erhielt diese Analyse vor allem aufgrund der Annahme, dass das finite Verb in seiner Basisposition in VP bleibt. Rinke (2007) geht davon aus, dass eine Bewegung des Verbs nach TP vorliegen muss, wie sie auch für andere Nullsubjektsprachen vorgeschlagen wurden (Spanisch, Italienisch, Portugiesisch). Sie stützt ihre Argumentation auf die Tatsache, dass das Latein ein ausgeprägtes Flexionsparadigma hat und das Subjekt weggelassen werden kann, da das «finite Verb mit seiner pronominalen Kongruenzmorphologie das EPP-Merkmal in TP abgleicht» (113). In diesem Sinne wäre zu überlegen, ob nicht auch V2-Strukturen dieser Art als IP-Strukturen zu erklären sind bzw. als Strukturen mit dem Verb in INFL, dem QP in VP und PP in TopP (CP).

2.2.4 Überdenken gängiger Definitionen: Was ist V2? Was ist CP bzw. IP? Auf der Grundlage der in den vorhergehenden Abschnitten (insbesondere 2.2.3.2) zusammengetragenen Erklärungen, die entweder für oder gegen den CP-V2-Status des Altfranzösischen (und anderer altromanischer Sprachen) sprechen, soll an dieser Stelle die Frage aufgegriffen werden, ob multiple satzinterne (CP-) Positionen sowie leere Operatoren in CP-Positionen der Logik einer V2-Eigenschaft oder -Grammatik tatsächlich entsprechen. Problematisch an dieser Annahme ist meines Erachtens, dass sowohl die Anhäufung von multiplen rekursiven CP-Köpfen als auch die Existenz eines nicht realisierten Operators empirisch in

2.2 Die V2-Eigenschaft im Rahmen des generativen Grammatikmodells

165

einer modernen V2-Sprache nur sehr begrenzt belegt werden können (zu V>2Möglichkeiten im Deutschen cf. 3.4.1 und zu einer V1-Möglichkeit des Isländischen cf. 5.2.2). Dieses Problem lässt sich theoretisch lösen, indem man älteren Sprachstufen geringere syntaktische Beschränkungen unterstellt und – wie u. a. Mathieu (2013) argumentiert – die Existenz von V2-CP-Sprachen, die nicht mit den modernen V2-Sprachen zu vergleichen sind, annimmt. Die Frage ist allerdings, ob man damit den Kern des Problems trifft. Es wäre ebenso möglich, dass das Grundproblem in der fehlenden Trennung zwischen einerseits Kategorien wie CP und IP (mit jeweils einer Verbanhebung nach COMP oder INFL) und andererseits Kategorien wie V2-Sprache bzw. Nicht-V2-Sprache liegt. Wie bereits die Diskussion zu den modernen germanischen V2-Sprachen zeigt, scheint eine «strenge» V2-Sprache sowohl auf einem System mit dem Verb in COMP (Deutsch, Niederländisch etc.) als auch auf einem System mit dem Verb in INFL (Isländisch, Jiddisch etc.) basieren zu können (in dem COMP nicht besetzt ist). Dieser Umstand wird hinsichtlich der modernen germanischen Sprachen durch die Bezeichnung «CPV2» und «IP-V2» zwar berücksichtigt (cf. Trips 2002), doch scheint die Sachlage mit Blick auf das Romanische und die alten Sprachstufen etwas komplexer. Beantworten wir zunächst noch einmal die grundlegendsten Fragen: Was sind denn V2-Sätze? Handelt es sich nicht um Sätze, deren zweite Satzglieder – an der «Oberfläche» – konjugierte Verben sind und deren Subjekte in Inversionsstellung stehen, sofern sie nicht die ersten Satzglieder darstellen? Sind diese Sätze, sofern sie exklusiv in einer Sprache auftreten, nicht das grundlegende Kriterium für die ursprüngliche Definition der V2-Eigenschaft? Diese ursprüngliche Definition wurde von der generativen Syntax dann durch die grammatische Beschränkung eines zugrundeliegenden tiefenstrukturellen Syntaxsystems begründet, das an der «Oberfläche» ausschließlich V2-Sätze bilden kann und keine andere Möglichkeit zulässt.99 Dieses System sah ursprünglich keine Erklärung für V1- oder V>2-Sätze vor, weil solche Sätze überhaupt nicht zum Forschungsgegenstand gehörten. Man wollte ja gerade eine Erklärung für ausschließlich diejenigen Sprachen finden,  

99 Das Kriterium der Ausschließlichkeit erklärt, warum X-V-S-Strukturen, die im heutigen Französischen, Spanischen oder Italienischen auftreten, in der Regel als bloße V2-Effekte verstanden werden. Die Begründung hierfür ist, dass diese Sprachen Nicht-V2-Sätze ebenso oder noch häufiger verwenden als V2-Sätze. X-V-S ist dort also weder exklusiv noch besonders dominant, was für den V2-Begriff entscheidend ist. Interessant ist allerdings, dass die V2-Sätze der modernen romanischen Sprachen teilweise auf exakt dieselbe Weise erklärt werden wie V2Sätze in skandinavischen IP-V2-Sprachen, i.e. durch Bewegung einer Topik- oder Fokus-Konstituente nach CP unter Beibehalten des Verbs in INFL. Der Unterschied zwischen den Sprachtypen liegt also wohl nicht bei den V2-Strukturen selbst, sondern bei der Tatsache, dass im Skandinavischen (fast) nur V2 möglich ist (kein V>2 durch IP-Adjunktion) und vermutlich häufiger auftritt als im Romanischen.

166

2 Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel

die nur V2-Sätze und eben keine V1- und V>2-Sätze erlauben. Wenn ein tiefenstrukturelles System die zunächst angenommene Beschränkung nun aber nicht aufweist, sondern an der «Oberfläche» auch V>2- und V1-Sätze zulässt, dann kann es auch nicht zur Definition einer V2-Grammatik herangezogen werden. Es ist dann nicht das V2-System, sondern ein anderes. Die Argumentation, V1- und V>2-Strukturen mit leeren Operatoren und multiplen CP-Positionen – die lediglich einem tiefenstrukturellen und keinem oberflächenstrukturellen V2-System angehören – erklären zu wollen, schlägt meines Erachtens fehl. Leere Operatoren und multiple CP-Positionen sind für die V2-Frage irrelevant, weil oberflächlich keine V2-Struktur mehr vorliegt und also auch kein tiefenstrukturelles V2-System angenommen werden muss. Ich schlage deshalb vor, den V2-Begriff nach seiner ursprünglichen Bedeutung ausschließlich an der Oberflächenstruktur festzumachen. Eine V2-Sprache ist nur dann eine V2-Sprache, wenn sie an der «Oberfläche» auf das Bilden von V2-Hauptsätzen begrenzt ist, wie dies etwa für das moderne Deutsche (beinahe) uneingeschränkt zutrifft.100 Der V2-Begriff ist also von der tiefen- vs. oberflächenstrukturellen Betrachtungsperspektive abzukoppeln, da er ausschließlich an Restriktionen der Oberfläche gebunden ist. Wenn in einer Sprache oberflächlich etwas anderes als V2 grammatisch korrekt ist, ist die Verwendung des V2-Begriffs falsch. Was das Altfranzösische betrifft, so ist aufgrund der bisherigen Forschungsergebnisse anzunehmen, dass es nach meiner Definition also keine V2-Sprache ist. Dies soll in den folgenden Kapiteln allerdings nochmals überprüft werden (und dabei auch der V2-Status des Deutschen). Im Rahmen einer generativen Analyse ergibt sich aus dem bisher Gesagten nun allerdings noch die Frage, ob das Altfranzösische unabhängig von seinem V2- oder Nicht-V2-Status sein Verb in COMP oder in INFL hatte. (Die Tatsache, dass der V2-Status an der linearen Satzgliedabfolge ausgerichtet wird, bedeutet nicht, dass man nicht trotzdem mit CP oder IP für die betroffene Sprache argumentieren kann, sofern man es getrennt von der V2-Frage tut.) Basierend auf der Annahme, dass es einen CP-Typ mit einer reichen linken Satzperipherie gibt und einen mit einer restriktiven, ist es theoretisch möglich, das Altfranzösische als CP-Grammatik mit reichem linken Satzrand zu klassifizieren. Allerdings kann es sich meiner Meinung nach, wie gesagt, nicht um eine CP-V2-Grammatik handeln, da das wichtigste Kriterium einer V2-Sprache fehlt: die ausschließliche Beschränkung auf V2-Strukturen. Da bisher kein moderner Sprachtyp mit dem Verb in COMP und reicher linker Satzperipherie entdeckt und diskutiert wurde,

100 Zu den sehr seltenen Ausnahmen der deutschen Syntax cf. die einzelnen Unterkapitel in 3.4.1.

2.2 Die V2-Eigenschaft im Rahmen des generativen Grammatikmodells

167

bleibt es schwierig zu beurteilen, ob dieser Sprachtyp tatsächlich existierte. Diese Annahme wird zudem immer unwahrscheinlicher, je mehr Fakten dafür sprechen, dass das Altfranzösische auch als Sprache mit dem Verb in INFL erklärt werden kann. Dass es unter den romanischen oder sogar europäischen Sprachen verschiedene Grammatiken gibt, bei denen das Verb in INFL steht, scheint offensichtlich und wird durch den Vergleich verschiedener moderner romanischer Sprachen deutlich – oder auch durch den Vergleich der modernen romanischen mit den modernen skandinavischen Sprachen. So unterscheidet sich beispielsweise das Italienische vom Spanischen dadurch, dass es bei Voranstellung des Objekts auch V>2-Strukturen zulässt, die im Spanischen unmöglich sind. Beide Sprachen wiederum unterscheiden sich vom Französischen, da letzteres überhaupt keine Sätze mit initialem Objekt erlaubt, abgesehen von Spaltsätzen. Alle drei Sprachen haben aber das Verb in INFL.101 Die Annahme, von diversen und je nach Einzelsprache spezifizierten IP-Systemen auszugehen, scheint also berechtigt. Deshalb erscheint auch die Möglichkeit plausibel, dass in älterer Zeit einzelsprachenspezifische IP-Systeme existierten und das Altfranzösische ein solches gehabt haben könnte. Wie wäre demzufolge die Grammatik des Altfranzösischen zu beschreiben und wie könnten seine einzelnen syntaktischen Strukturen – V1-, V2- und V>2-Stellung – unter der Annahme einer Besetzung des Verbs von IP analysiert werden? Was die altfranzösischen V1-Strukturen betrifft, könnten diese mit einer IPAnalyse, wie sie für die modernen romanischen Sprachen vorgeschlagen wird, erklärt werden. Dies wäre sowohl im Fall von V1-Strukturen mit postverbalem Subjekt als auch im Fall von V1 mit Nullsubjekt möglich. Bei Subjektinversion – sowohl mit transitiven als auch mit intransitiven (unakkusativen) Verben – müsste man davon ausgehen, dass eine derivierte Konstruktion gegeben ist, i.e. dass Adjunktion an die maximale Projektion VP vorliegt (cf. Müller/Riemer 1998, 188– 189, 196, 201). Hier besteht also eine Erweiterung der VP durch einen zusätzlichen VP-Knoten. Das Subjekt ist durch diesen aus seiner kasus- und thetamarkierten Position in seine postverbale Adjunktposition bewegt worden.

101 Die skandinavischen Sprachen unterscheiden sich von den romanischen u. a. deshalb, da sie keine AP-S-V-Strukturen als IP-Adjunktionen zulassen, obwohl auch sie immer wieder als IPSprachen bezeichnet werden.  

168

2 Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel

V1-Struktur mit postverbalem Subjekt bei transitivem Verb: V-O-S Abbildung 14

nach Müller und Riemer 1998, 189, abgeändert

V1-Struktur mit postverbalem Subjekt bei intransitiven (unergativen) Verben: V-S Abbildung 15

nach Müller und Riemer 1998, 196, abgeändert

2.2 Die V2-Eigenschaft im Rahmen des generativen Grammatikmodells

169

Im Fall von V1-Stellung bei Nullsubjekt bleibt die IP-Basisstruktur erhalten. V1-Struktur mit Nullsubjekt: V-O Abbildung 16

Auch die altfranzösischen V2-Sätze sind je nach syntaktischer Struktur im Rahmen eines IP-Modells (ohne Besetzung von CP durch das Verb) unterschiedlich zu erklären. Im Fall von AP-V-S wäre denkbar, dass AP an IP adjungiert ist und das Verb in INFL steht. Dies entspricht der Analyse von AP-(S)-V-Strukturen in allen modernen romanischen Sprachen. Da das Subjekt postverbal auftritt, wäre weiterhin anzunehmen, dass SpezIP von einem expletiven Pro besetzt ist und das Subjekt an VP adjungiert wurde. Dieser Analyse entspricht die im vorhergehenden Absatz dargestellte Interpretation moderner romanischer gesamtfokaler V1Konstruktionen, denen allerdings auch heute noch eine AP vorausgehen kann (cf. Müller/Riemer 1998). Bei AP-V-X ist das Subjekt Null, es handelt sich aber ebenfalls um einen Fall von Adjunktion. Im Fall von Sätzen mit O-V-S-Syntax oder mit O-V-X bei Nullsubjekten könnte man sich auf den – für das Spanische entwickelten und bereits vorgestellten – Vorschlag stützen, dass sich O in SpezIP befindet, das Verb in INFL und das postverbale Subjekt in VP.102 Bei S-V-O

102 Basierend auf der Annahme eines gesplitteten CP-Systems wurde für das Italienische allerdings auch vorgeschlagen, dass O in diesem Fall in SpezFok ist.

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2 Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel

hingegen befindet sich das Subjekt in SpezIP, das Verb in INFL und das Objekt in VP, wie es gemeinhin für alle modernen romanischen Sprachen gilt. V>2-Strukturen mit initialer AP können ebenfalls als IP-Adjunktionen erklärt werden (cf. den Vorschlag von Kaiser 2002). Dies ist – wie bereits gezeigt wurde – selbst hinsichtlich des modernen Französischen der Fall, das ausschließlich diese Möglichkeit für V>2-Stellung kennt. Es stellt sich aber die Frage, wie weitere V>2-Strukturen analysiert werden sollten, falls es diese im Altfranzösischen gab. Sollten V>2Strukturen mit initialer Verbergänzung tatsächlich existiert haben, könnte eventuell eine Erklärung herangezogen werden, wie sie für das moderne Italienische beschrieben wurde: Die Voranstellung einer topikalisierten oder fokalisierten Konstituente könnte durch TopP oder FokP erklärt werden, was bedeutet, dass sich die präverbale Konstituente in CP befindet, das Verb aber in IP bleibt.103 Im weiteren Verlauf dieser Arbeit ist zu untersuchen, welche Strukturen im Altfranzösischen tatsächlich zu identifizieren sind und ob diese besser als CPoder IP-Struktur erklärt werden können oder ob beides plausibel erscheint.

2.3 Syntaktischer Sprachwandel und V2-Syntaxwandel Wie bereits in der Einleitung geschildert wurde, ist für eine syntaktische Beschreibung des Altfranzösischen das Kapitel «Sprachwandel» unabdingbar, denn nur unter Berücksichtigung einer Phase vor und einer Phase nach dem Altfranzösischen sind ausreichend Informationen gegeben, um spezifische Strukturphänomene angemessen interpretieren zu können. Bei einer Klassifizierung der altfranzösischen Syntax ist demnach zu berücksichtigen, dass zuvor das klassische Latein und dann vor allem das Spätlatein vorherrschte, mit den gesprochenen volkssprachlichen Varianten, die wir heute unter dem Begriff «Vulgärlatein» subsumieren.104 Es wurde bereits besprochen, welche syntaktischen Strukturen zur

103 Eine Erklärung dieser Art ist jedoch nur möglich, wenn man das von Rizzi entworfene CPModell für IP-Sprachen annehmen möchte. Ob die Hinzunahme von einer in CP integrierten TopP und FokP hier überhaupt gewinnbringend ist, oder ob es sich nicht auch um IP-Adjunktionen handeln könnte, soll an dieser Stelle nicht diskutiert werden. Festzuhalten ist jedoch, dass alle im modernen Italienischen auftretenden Topikalisierungs- und Fokalisierungsformen syntaktisch als Dislokationen verstanden werden können, bei denen die Wiederaufnahme des dislozierten Elements im Kernbereich des Satzes durch ein Resumptivum teilweise fehlt. Da das dislozierte Element selbst nicht zum Kernbereich des Satzes zählt, muss es sicherlich nicht zur IP gerechnet werden. Die entscheidende Frage ist also, ob die Konstituenten außerhalb von IP zur CP gehören müssen, oder ob es IP-Adjunktionen sind. 104 Der Begriff leitet sich von lat. vulgaris sermo ab. Damit bezeichnete Cicero die Sprache der unteren Schichten. Etabliert ist der Ausdruck «Vulgärlatein» allerdings erst seit dem 19. Jahr-

2.3 Syntaktischer Sprachwandel und V2-Syntaxwandel

171

Zeit des Spätlateins auftraten und für die damalige Zeit vermutlich üblich waren. Zu berücksichtigen ist außerdem das Germanische, dessen Einfluss auf den vulgärlateinischen Satzbau zur Zeit der Merowinger (5. bis 8. Jh.) und Karolinger (8. bis 10. Jh.) immer wieder diskutiert wurde. In den folgenden Abschnitten wird es also um verschiedene Theorien zum Wandel der Satzstruktur im Allgemeinen gehen und im Besonderen um die des Altfranzösischen. Darüber hinaus werde ich aber auch das Thema «Spracherwerb» ins Zentrum stellen, da viele Annahmen zu syntaktischem Sprachwandel auf Theorien zum Spracherwerb basieren.

2.3.1 Zur positionstypologischen Theorie Im Rahmen deskriptiv-positionstypologischer Theorien entspricht der Strukturwandel einer Sprache einem seriellen Prozess, der durch die Korrelation positioneller Eigenschaften von Konstituenten verschiedener Hierarchiestufen gekennzeichnet ist (cf. Greenberg 1966).105 Ausgehend von Greenbergs Theorie wurde der Versuch unternommen, zwei Wortfolgetypen und damit auch zwei Typen des strukturellen Wandels festzulegen: einen rechtsläufigen und einen linksläufigen (cf. Vennemann 1974; Lehmann 1974; Antinucci 1977).106 Sprachen, die nach rechts konstruieren (mit der Abfolge V-O: also S-V-O oder V-S-O), haben demnach Präpositionen und stellen sowohl das Genitivattribut als auch das adjektivische

hundert, als Hugo Schuchardt diesen Terminus in die Romanistik einführte (cf. Müller-Lancé 2006, 58). 105 Greenberg (1966) zieht für seine Klassifikation den jeweils dominanten Stellungstyp (Grundstellung) einer Sprache heran, mit den drei Hauptkonstituenten Subjekt (S), Verb (V) und Objekt (O); nach seiner Auffassung gibt es lediglich die drei Grundstellungen V-S-O (I), S-V-O (II) und SO-V (III). Ihnen entsprechen einige Regulierungen der Syntagmatik, wie das Auftreten von Präpositionen (Pr) bzw. Postpositionen (Po), die Position der Genitivattribute zum regierenden Nomen nach dem Muster Nomen-Genitiv (N-G) oder Genitiv-Nomen (G-N) sowie die Stellung der attributiven Adjektive im Verhältnis zum Nomen N-Adj oder Adj-N. Die Position der Adverbien (Adv) richtet sich an ihrer Funktion aus. Bezieht sich das Adverb auf ein Verb, verhält es sich stellungsmäßig wie das Objekt, also V-Adv oder Adv-V. Bezieht es sich auf ein Adjektiv, so entspricht seine Position der Position des Adjektivs beim Nomen, also Adj-Adv oder Adv-Adj. Anhand dieser Angaben müssen zwei konträre Konstellationen unterschieden werden, die in sich harmonisch sind. «Im einen Fall wird progressiv determinierend das Determinatum vor das Determinans gesetzt, im anderen Fall regressiv das Determinans vor das Determinatum» (Ineichen 1979, 135): 1) V-S, V-O, V-Adv, Pr, N-G, N-Adj, Adj-Adv und 2) S-V, O-V, Adv-V, Po, G-N, AdjN, Adv-Adj. V-S und V-O bilden die Grundstellungstypen I und II, S-V und O-V den Typ III. 106 Diese beiden Typen sind die Extreme, innerhalb derer sich die morphosyntaktischen Strukturen entfalten können. Sprachen, die diese Extreme ausnahmslos durchführen, sind lediglich das Japanische und das Swahili (cf. Ineichen 1979, 131).

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2 Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel

Attribut hinter das Nomen (N-G/A), während Sprachen, die nach links konstruieren (mit der Abfolge (S)-O-V), dazu tendieren, über Postpositionen zu verfügen und sowohl das Genitivattribut als auch das adjektivische Attribut voranzustellen (G/A-N). Entsprechend dem «Prinzip der natürlichen Serialisierung» (cf. Vennemann 1974, 276), werden also alle Operand-Operator-Abfolgen parallel realisiert, i.e. aus dem jeweiligen Stellungsparameter (O-V oder V-O) sind die Abfolgetypen in den übrigen Syntagmen herzuleiten.107 Auf der Basis der typologischen Theorien von Vennemann (1974), Lehmann (1974) oder Antinucci (1977) haben verschiedene Wissenschaftler im Hinblick auf die Entwicklung der altromanischen Sprachen festgestellt, dass das Lateinische, wie auch andere ältere indogermanische Sprachen, nach links konstruieren (lat. (pater) filiam amat = O-V) und dass der große Umbruch im Romanischen darin besteht, dass die hier zugehörigen Sprachen nach rechts konstruieren (fr. (le père) aime sa fille = V-O). Lehmann formuliert als erster die Hypothese, dass die indoeuropäischen Sprachen die Entwicklung von O-V zu V-O durchliefen, ausgehend von einer veränderten Stellung des Verbs und den entsprechenden Konsequenzen im Reihungsverhalten der anderen Satzelemente. Er geht davon aus, dass das Proto-Indoeuropäische als Sprache mit vorwiegender O-V-Struktur rekonstruiert werden muss, das klassische Latein diese Satzstruktur hingegen weitgehend zu V-O umgewandelt hatte – allerdings sei das V-O-Muster während dieser Periode noch nicht voll etabliert und somit uneinheitlich gewesen (cf. Lehmann 1974, 238f). Das auslösende Moment des Wandels seien sprachinterne Veränderungen gewesen: «I suggest that the major cause for the shift to a VO structure, as of

107 Der positionstypologische Ansatz der Serialisierung wurde seit Greenberg mehrfach kritisiert. Kritik allgemeiner Art betrifft den definitorischen Bereich. Bei positionstypologischen Etiketten wie (S)-V-O- oder (S)-O-V-Sprache wird die Nicht-Übereinstimmung der einzelsprachlichen Funktionen von S, V und O in den verschiedenen Sprachen nicht berücksichtigt, außerdem handelt es sich um abstrakte Bezeichnungen, bei denen Kategorien und Funktionen «homogenisiert» werden und die Vielfältigkeit der oberflächenstrukturellen Realisierung nicht hinreichend Berücksichtigung findet (cf. Oesterreicher u. a. 1989, 228). Des Weiteren wurde gezeigt, dass die angenommenen Korrelationen des Serialisierungsprinzips nicht immer zutreffen: «there are some word order features which do not correlate with the order of object and verb. For example, contrary to some claims, the order of adjective and noun does not correlate with the order of object and verb» (Dryer 2005, 339). Dryer (1998, 292, 297) stützt seine Aussagen auf sprachvergleichende Untersuchungen: «Only in Eurasia OV + AdjN order is common […]. If we exclude Eurasia […] we find that verb-initial languages place the adjective after the noun less often than OV or SOV languages. In short, we find no evidence that VO languages, or verb-initial languages in particular, are any more likely to place adjectives after nouns than OV languages are». Koch (2008a, 242) stellt in Bezug auf die romanischen Sprachen – die als (S)-V-O-Sprachen angesehen werden und deshalb das Adjektiv dem Nomen nachstellen müssten – fest, dass hier der Parameter der Adjektivstellung gar nicht einheitlich spezifiziert werden kann.  

2.3 Syntaktischer Sprachwandel und V2-Syntaxwandel

173

complements and subordinate constructions from preverbal to postverbal position, was internal. The shift to VO structure resulted from the development of the subjective quality of the late PIE verb» (Lehmann 1974, 242). Lehmann nimmt an, dass zu einer frühen Zeit des Proto-Indoeuropäischen das Verb noch nicht das subjective-Merkmal trug, worunter er die Eigenschaft des finiten Verbs versteht, den Hinweis auf einen Akteur (Agens) oder ein Subjekt zu enthalten (cf. Lehmann 1974, 110–111). Erst durch das Aufkommen dieser Eigenschaft habe sich das Verb aus seiner Endposition lösen können: «With such clarity of focus, sentences could have complements follow verbs as well as precede them» (Lehmann 1974, 242). Über den Moment dieses typologischen Wandels und über dessen Etappen wurde in der Rezeption Lehmanns vielfach diskutiert. Adams (1976, 70s.) konnte zeigen, dass bereits bei den ältesten lateinischen (nicht-literarischen) Texten strukturelle Veränderungen der einzelnen Satzelemente (Genitiv, Adjektiv, Relativsatz etc.) stattgefunden hatten, weshalb sie annimmt, dass von einem Beginn eines Typenwechsels (O-V –> V-O) in vorklassischer Zeit auszugehen ist. Die Koexistenz von O-V und V-O bringt Adams mit unterschiedlichen Textgattungen in Verbindung: «we must suppose […] that final-position of the verb survived as a literary pattern in educated Latin for a long time, though it had been displaced in the subliterate registers» (Adams 1976, 93). Im Unterschied zu Adams nahmen verschiedene Forscher allerdings an, dass sich der Typenwechsel von O-V zu V-O erst im Übergang vom klassischen Latein zum Spätlatein vollzog (cf. Koll 1965; de Dardel 1983; Harris 1978, u. a.).108 In Bezug auf das Altfranzösische ging man davon aus, dass sich auch dort noch beide Serialisierungsmuster bzw. «Reste» des O-V-Typs finden, was zu der These eines altfranzösischen Übergangsstadiums führte: So ist Buridant (1987) der Meinung, dass das Altfranzösische in seiner seriellen Typologie noch charakteristische Elemente des Typs O-V bietet; allerdings seien diese weitaus geringer und begrenzter als die V-O-Strukturen:  

«Depuis le proto-indo-européen jusqu’aux langues romanes modernes s’est affirmé le vaste mouvement qui tend à réduire les éléments de résistance de l’ordre OV […]. Sur le chemin de cette évolution, l’ancien français est un témoin intéressant, à côté d’autres langues romanes: les éléments de type OV n’y sont pas négligeables […], renforcés éventuellement dans telle traduction par l’influence du latin littéraire» (Buridant 1987, 63).

Als «Reste» des O-V-Typs bezeichnet er u. a. Fälle, bei denen im Altfranzösischen immer noch die Möglichkeit besteht, das Adjektiv oder das Genitivattribut vor  

108 Harris (1978, 19) geht davon aus, dass (S)-O-V die normale Wortstellung in unmarkierten Sätzen des klassischen Lateins war, bis zum Auseinanderdriften von gesprochener und geschriebener Sprache. Ab einer späten Periode des Vulgärlateins hätte sich über fünf Jahrhunderte ein Wandel vollzogen, hin zu (S)-V-O als normale Wortstellung der romanischen Sprachen.

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2 Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel

dem Nomen zu platzieren (Adjektiv-Nomen, Genitiv-Nomen) (cf. Buridant 1987, 58s., auch 1993, 28ss.). Marchello-Nizia (1999, 39, 44s.) führt an, dass das Altfranzösische, dem Serialisierungsprinzip entsprechend, als eine bereits fast gänzlich homogene V-O-Sprache zu bezeichnen ist. Sie ist der Ansicht, dass die Platzverschiebung des direkten Objekts von seiner Position vor dem Verb zu der dahinter Ende des 12. Jahrhunderts abgeschlossen war. Bei einer vorhergehenden Phase, die die Sprache des Rolandslieds widerspiegelt, sei die Anordnung allerdings ohne Zweifel noch O-V gewesen. Trotz dieser unterschiedlichen Annahmen, was den Zeitpunkt des Strukturwandels betrifft (ob also das klassische Latein bereits zum V-O-Typ gehört oder erst das späte bzw. späte gesprochene Latein), kann man den Ergebnissen aller Arbeiten entnehmen, dass das Altfranzösische wohl eine V-O-Sprache mit mehr oder minder ausgeprägten O-V-Resten darstellen muss. Marchello-Nizia (1995, 110) zeigt darüber hinaus, dass der Wandelprozess der Satzstruktur im Altfranzösischen einer «réorganisation locale de la structure syntaxique» gleicht. Es handelt sich hierbei um einen disymmetrischen Fixationsprozess, der das Verb und in einem ersten Schritt das Objekt betraf (seit Ende des 12. Jahrhunderts ist die Position des Objekts hinter dem Verb fixiert) und erst später das Subjekt (seit Ende des 14. Jahrhunderts), dessen positionelle Festlegung in Zusammenhang mit der Entwicklung des Subjektpronomens gebracht wurde: «Apparemment, cette dernière évolution du rapport entre le sujet nominal et le verbe a été encouragée par le développement du sujet pronominal antéposé, mais elle semble être indépendante du passage assez tard (vers le XVIIe siècle) à un système qui rend l’expression du sujet obligatoire» (Becker 2005, 357–358). In einer generativ-positionstypologischen Perspektive hat u. a. Haider (1997, 2005, 2010a, 2010b) in verschiedenen Arbeiten eine Erklärung für die Struktur und den Wandel von V-O- und O-V-Sprachen gegeben. Der Unterschied zwischen beiden Sprachtypen ergibt sich hier nicht nur deshalb, da die Position des Kopfes unterschiedlich ist (Kopf-initial versus Kopf-final) und damit verbunden auch die Rektionsrichtung des Kopfes (progressiv versus regressiv), sondern da bei V-O der Kopf angehoben und nach links bewegt werden muss, sofern mehrere Ergänzungen (also z. B. Subjekt und Objekt) vorhanden sind.109 Entsprechend der Parametertheorie wurde der Unterschied deshalb anhand eines «Direktionalitäts 



109 Ein Beleg für diese Anhebung scheint durch das Stellungsverhalten von Partikeln bei trennbaren Verben gegeben zu sein: Bei V-O-Sprachen gibt es neben der Variante, dass die Partikel adjazent zum Verb steht (He has looked up the information), auch die Möglichkeit, dass sie getrennt vom Verb in ihrer Basisposition bleibt und die ursprüngliche Position des Verbs anzeigt (He has looked the information up). Diese Möglichkeit ist im Fall des O-V-Typs nicht gegeben (für eine ausführliche Darstellung der Begründung cf. Schallert 2011, 309).

2.3 Syntaktischer Sprachwandel und V2-Syntaxwandel

175

parameters» charakterisiert, mit a) variabler Lizensierungsrichtung (= Serialisierungsrichtung der Kopfergänzungen) und b) invarianter Kopfposition bei O-VTypen bzw. variabler Kopfposition mit Bewegung bei V-O-Typen (cf. Haider 2005, 13ss.; cf. Schallert 2011, 310). Für Phasen des typologischen Übergangs von einem Strukturtyp zum anderen (oder von einer Mischstruktur zu einem einheitlichen Typ) schlägt Haider (2010a, 21–27) ein Szenario vor, das dem von Lightfoot gleicht und den Schwund strukturrelevanter Eigenschaften dafür verantwortlich macht, dass bestimmte Parameterwerte nicht mehr gesetzt werden (cf. hierzu den folgenden Abschnitt und Abschnitt 2.3.4).110

2.3.2 Zur traditionellen generativen Theorie Im Rahmen der traditionellen generativen Linguistik wurde Sprachwandel als ein Wandel parametrisch festgelegter Eigenschaften verstanden, der sich im Prozess des Spracherwerbs einer Generation ergibt (cf. Chomsky 1981, Chomsky/Lasnik 1993).111 Grundlegende Ideen zur Weiterentwicklung dieser Idee gab vor allem Lightfoot (1993, 1997, 1999).112 Seit längerer Zeit schon wird im Rahmen der Theorie zwischen mikro-parametrischen und makro-parametrischen Wandelprozessen unterschieden, je nachdem, ob Veränderungen feinerer Art oder grundlegende Unterschiede zwischen zwei Sprachstadien betroffen sind. In diesem Sinne ist der Wandel von einer V2-Sprache zu einer Nicht-V2-Sprache (oder in umgekehrter Reihenfolge) dadurch zu erklären, dass sich die Fixierung des Makro-Parameters für die V2-Eigenschaft bei einer neuen Generation von spracherwerbenden Kindern ändert; und außerdem natürlich dadurch, dass diese Ver-

110 Wie Lightfoot geht auch Haider davon aus, dass strukturrelevante Eigenschaften des alten Typs – i.e. das Auftreten einer NP in einer Position vor und nach dem Kopf der VP – zugunsten von strukturirrelevanten Eigenschaften abnehmen und unter einen Schwellenwert treten, sodass bestimmte Parameterwerte nicht mehr gesetzt werden und der alte Sprachtyp deshalb verloren geht (cf. Fleischer/Schallert 2011, 310–312, sowie die Ausführung zu Lightfoot im folgenden Abschnitt). 111 Dies gilt für den Wandel im Individuum, nicht jedoch für den Wandel in der Sprechergemeinschaft (cf. Fußnote 124 Kap. 2). 112 Als prominente Beispiele des Wandels werden in der Regel das Englische oder Isländische zitiert, deren Sprachstruktur sich von O-V zu V-O entwickelte (cf. Hróarsdóttir 2000; Pintzuk 1999). Wie Schallert (2011, 305) allerdings richtig bemerkt, kann der Wandel in diesen Fällen sicher nicht innerhalb einer Generation stattgefunden haben, da sich beide Sprachen über mehrere Jahrhunderte hinweg zu V-O-Typen entwickelten. Von Lightfoot (1999, 149) wurde dieses Problem durch die Annahme umgangen, dass die Parameterfixierung zunächst die Existenz von gewissen Hinweisen (cues) im sprachlichen Input voraussetzt (cf. weiter unten im Text).

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2 Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel

änderung ihrerseits gewisse Veränderungen in der Sprache der Elterngeneration voraussetzt (cf. hierzu Fußnote 2005, 36). Damit parametrischer Wandel stattfindet, muss der erwachsenensprachliche Input neue Eigenschaften enthalten, die als Trigger fungieren, um ein bestimmtes Merkmal eines anderen grammatischen Zustands zu erwerben. Das neue Merkmal bestimmt dann die Grammatik der Kindergeneration und wird von ihr weitergegeben (cf. Kaiser 2002, 114; Yang 2000, 231).113 Im Hinblick auf die altfranzösische Verbstellung bedeutet dies, dass zum einen ein Wandel vom Latein zum Altfranzösischen, also von einer Nicht-V2Grammatik zu einer V2-Grammatik stattfand, und dass sich die Sprache der Erwachsenen zu einem bestimmten Zeitpunkt dahingehend verändert haben muss, dass sie neben den «alten» lateinischen Verbendstellungen auch strukturell ambige Strukturen beinhaltet haben muss, die als V2-Sätze reanalysiert wurden. Zum anderen muss sich ein Wandel vom Altfranzösischen zum Mittelfranzösischen vollzogen haben, also von einer V2-Grammatik zu einer nicht-V2Grammatik, was bedeutet, dass ab einem gewissen Zeitpunkt ein Reanalyseprozess in die andere Richtung einsetzte.114 Aus der Annahme der V2-Stellung als (makro-)parametrisierter Eigenschaft im Prozess des syntaktischen Wandels ergeben sich mehrere grundlegende Fragen, von denen ich an dieser Stelle eine diskutieren möchte:115 Eine der zentralen Fragen ist die Frage nach dem Status des V2-Parameters vor seiner Fixierung. Kann angenommen werden, dass der Parameter zunächst «neutral» ist? Besteht die Möglichkeit, dass er über einen gewissen Zeitraum hinweg variabel bleibt und beide Optionen offenlässt? Aufgrund der Beobachtung, dass der kindliche Erwerb einer Nicht-V2-Sprache niemals von einer Phase gekreuzt wird, in der das Kind 113 Relevant bei dieser Theorie von Spracherwerb, die sich auf das Triggern von Eigenschaften beruft, ist nur die Tatsache, dass ein eindeutiger Trigger existiert. Das heißt gleichzeitig, dass wenn eindeutige Evidenz für die Fixierung auf einen bestimmten Parameterwert gegeben ist, es keine Rolle spielt, dass in der Erwachsenensprache noch Strukturen auftreten, die ambig für die Parameterfixierung sind (cf. Kaiser 2002, 117). 114 Adams (1988) und auch Roberts (1993) gehen davon aus, dass der Verlust der V2-Stellungseigenschaft im Übergang vom Alt- zum Mittelfranzösischen durch den ambigen Charakter von SV-O-Sätzen im Prozess des kindlichen Spracherwerbs bedingt ist (ambig, weil sie als CP- oder IPStrukturen reanalysiert werden können). Adams sieht die Entscheidung für eine IP-Reanalyse dadurch favorisiert, dass die altfranzösischen Nebensätze ihrer Meinung nach generell keine Verbbewegung nach COMP aufzeigen. Roberts führt hingegen mentale Verarbeitungsprozesse im kindlichen Spracherwerb als Ursache für den IP-Reanalyseprozess an. Eine Bewegung des Verbs nach INFL und weiter nach COMP bedeute für das Kind einen größeren mentalen Verarbeitungsaufwand als eine Bewegung nach INFL. Die Reanalyse tritt also ein, da der Erwerb von einer Art loi du moindre effort gesteuert wird (für eine ausführlichere Darstellung cf. Rinke 2007, 50). 115 Ich stütze mich dabei teilweise auf eine ausführliche Diskussion dieser Fragen bei Kaiser (2002, 110ss.).

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2.3 Syntaktischer Sprachwandel und V2-Syntaxwandel

versucht, die zu erwerbende Sprache als V2-Sprache zu analysieren, wurde die Ansicht vertreten (cf. Gibson/Wexler 1994), dass der Parameter eine Ausgangssituation bei «-V2» (also Nicht-V2-Stellung) hat. Im Unterschied dazu besteht allerdings auch die These (cf. Fodor 1998), dass eine Festlegung des Parameters auf einen positiven oder negativen Wert zunächst gar nicht stattfindet, sondern sich erst aufgrund des entsprechenden Inputs, i.e. aufgrund der relevanten Triggerevidenz ergibt. Kaiser (2002, 111–112) sieht nicht den «Nullwert» des Parameters als entscheidendes Kriterium an. Seiner Meinung nach müssen grundlegende Überlegungen darauf abzielen, die Triggerevidenz zu entschlüsseln. Er stellt deshalb die Frage, wie die Datengrundlage sein muss, damit Kinder entscheiden können, auf welchen Wert der V2-Parameter der zu erwerbenden Sprache fixiert werden muss. Kaiser diskutiert die Annahme Lightfoots (1993), nach der die Festlegung des Parameterwerts aufgrund derjenigen Sätze vorgenommen wird, die für eine V2-Sprache typisch bzw. relevant sind und eine beliebige phrasale Kategorie unmittelbar vor das Verb stellen. In Lightfoots Theorie sind diese Sätze Strukturfragmente oder cues, die den spracherwerbenden Kindern dazu dienen, die noch nicht fixierten Elemente ihrer Universalgrammatik festzulegen. Eine Umfixierung des Parameterwerts geschieht erst dann, wenn die für die Neusetzung relevanten cues eine kritische Schwelle erreichen. Dies kann u. U. aber erst durch einen längeren Entwicklungsvorlauf geschehen, der erklärt, warum Sprachwandel in der Regel nicht innerhalb von einigen Jahrzehnten abgeschlossen ist.116 Das Problem dieser These besteht für Kaiser darin, dass das Kind nicht fähig ist, zu entscheiden, ob es sich bei V2-Sätzen um IP-Strukturen mit adjungierter Position handelt (also nur oberflächliche V2-Sätze) oder um CP-Strukturen (also echte V2-Strukturen): «[...] Sätze mit einer OVS-Stellung oder einer AdvVSStellung können offenbar nicht als Triggerevidenz für das Fixieren der [sic] VerbZweit-Parameters dienen, da Sätze mit einer solchen Wortstellung auch in NichtVerb-Zweit-Sprachen vorkommen können» (Kaiser 2002, 112).117 Kaiser bemängelt, dass keine gelungene Erklärung gegeben werden konnte, welche Struktur eindeutig als V2-Trigger in Frage kommt, i.e. «auf Grund welcher Daten im Input der Erwachsenensprache ein Kind in der Lage sein kann, den Parameter auf den richtigen Wert zu fixieren» (Kaiser 2002, 113). Einen Vorschlag hierzu machte Fodor (1998, 25; cf. auch Kaiser 2002, 112–113). Sie geht davon aus, dass bei einer Sprache mit S-V-O-Struktur das Auftreten von Sätzen mit initialem Adverb (Adv-S-V-O) ausreicht, damit das Kind den Nicht-V2-Status der Sprache  

116 Weitere Ausführungen zu Lightfoots These finden sich u. a. bei Schallert (2011, 306) oder Sitaridou (2012, 585). 117 Ein Beispiel ist das Rumänische, das O-V-S-Strukturen bilden kann (z. B. kontrastiv), aber nicht zu den V2-Sprachen gehört.  



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2 Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel

verinnerlicht. Andererseits könne bei einer solchen Sprache das Vorkommen von Sätzen mit der Struktur «Adv-Hilfsverb-S-V-O» als Trigger dafür dienen, dass sich eine V2-Stellungseigenschaft festsetzt. In einer V2-Sprache dagegen genügt ihrer Meinung nach das Auftreten der Struktur «Adv-Hilfsverb-S-O-V», um den V2Parameter aufrecht zu halten. Um die Parameterfestlegung aufzuheben, sei es ausreichend, dass Sätze mit S-O-V-Stellung im sprachlichen Input existieren. Wie bereits Kaiser (113) zeigt, ist Fodors Vorschlag nicht unproblematisch, da er im Hinblick auf einige moderne romanische Sprachen nicht richtig erscheint. Sätze mit Adv-Hilfsverb-S-V-O- oder Adv-Hilfsverb-S-O-V-Struktur sind in einigen modernen romanischen Sprachen durchaus möglich, weshalb diese Sätze nicht als Trigger für die Fixierung auf den V2-Wert angesehen werden können. (Kaiser nennt Beispiele aus dem Portugiesischen und Französischen; cf. weiter unten im Text.) In jüngster Zeit nimmt Sitaridou (2012) an, dass nur X-V-Spro-Strukturen als potentielle V2-Trigger in Frage kommen. Dies begründet sie damit, dass alle weiteren V2-Strukturen nicht als «evidence for a V2 rule» angesehen werden können, da sie auch in Nicht-V2-Sprachen vorkommen. Systematisch schließt sie alle V2-Typen aus, die in Nicht-V2-Sprachen belegt sind; zunächst die sehr frequente S-V-O-Struktur, die sowohl in einer V2-Sprache den «Normalfall» eines Aussagesatzes bildet als auch in einer S-V-O-Sprache (wobei S-V-O hier weitgehend obligatorisch ist); dann alle Strukturen mit X-V-Stellung und Nullsubjekt. Dieser Typ tritt neben V2-Sprachen auch in einer Nullsubjektsprache, wie z. B. dem modernen Griechischen, auf. Zu demselben Ergebnis kommt Sitaridou bezüglich der Strukturen mit Subjekt-Verb-Inversion. Die Inversion ist in V2-Sprache gewöhnlich, sie gilt aber auch als «property of null subject languages» (582). Mit vorausgehender Konstituente werde Subjektinversion in Nullsubjekt- und S-V-OSprachen, wie dem modernen Griechischen oder dem modernen Spanischen, in manchen Kontexten bevorzugt (vor allem in der Kombination mit postverbalem Objekt; cf. auch Zubizarreta 1998, 43):  

109. Spanisch: AP-V-S-O

Todos los dias compra Juan el diario. alle die Tage kauft Juan die Tageszeitung ‘Jeden Tag kauft Juan die Tageszeitung.’

110. Griechisch: Adv-V-S-O

Xthes ipevale i Maria tin paretisi tis. gestern einreichte Maria ihre Kündigung ‘Gestern reichte Maria ihre Kündigung ein.’ (zitiert nach Sitaridou 2012, 583)

Sitaridou schlussfolgert: «the need for an XP in some subject-verb inverted structures is independent of V2 or does not presuppose a previous V2 grammar

2.3 Syntaktischer Sprachwandel und V2-Syntaxwandel

179

(which will have some residual traces)» (584). Anders verhält es sich nach ihrer Analyse mit X-V-S-Strukturen mit pronominalem Subjekt. In modernen V2-Sprachen, wie dem Deutschen, sind diese Strukturen häufig («Gestern habe ich das Buch fertig gelesen»), im Spanischen (111) oder Griechischen (112) hingegen ungewöhnlich oder sogar ausgeschlossen. 111. Spanisch

?

112. Griechisch

?

*Ayer presentó ella su renuncia. gestern einreichte sie ihre Kündigung ‘Gestern reichte sie ihre Kündigung ein.’

*Xthes ipevale afti tin paretisi tis. gestern einreichte sie ihre Kündigung ‘Gestern reichte sie ihre Kündigung ein.’ (zitiert nach Sitaridou 2012, 585, Übersetzungen abgeändert)

Aus diesem Grund ist Sitaridou der Meinung, dass X-V-Spro der cue for a V2 grammar sein könnte. Dieser Argumentation ist entgegenzuhalten, dass X-V-Spro doch auch in anderen modernen romanischen Sprachen auftreten kann, auch wenn diese Satzgliedstellung dort nicht unbedingt die Regel ist. Ich nenne zwei Beispiele mit invertiertem Subjektpronomen bei X-V-Stellung, die Kaiser bereits als Gegenargument zu Fodors Vorschlag anbrachte: 113. Portugiesisch

Talvez tenha ela lido o livro. vielleicht habe sie gelesen das Buch ‘Vielleicht hat sie das Buch gelesen.’

114. Französisch

Peut-être a-t-elle lu le livre. vielleicht hat sie gelesen das Buch ‘Vielleicht hat sie das Buch gelesen.’ (zitiert nach Kaiser 202, 113)

2.3.3 Zur Theorie der Competing Grammars Das Modell der competing grammars (cf. Kroch 1989, 1994; Pintzuk 1999; Yang 2000, 2002, 2003) verfolgt das Ziel, eine angemessene Erklärung für die strukturelle Varianz von sich im Wandel befindenden Sprachen zu geben. Nach diesem Modell treten bei Sprachwandel zwei inkompatible Grammatiken (eine neue und eine alte) in Konkurrenz zueinander, wobei die eine letztlich zugunsten der anderen aufgegeben wird: «syntactic change proceeds via competition between

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2 Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel

grammatically incompatible options which substitute for one another in usage» (Kroch 1994, 1; cf. Yang 2002a, 276). Die Sprecher besitzen demnach eine Art (syntaktischer) «interner Diglossie», da sie über mehrere Grammatiken verfügen (cf. Desaguiler 2005, 224). Nach dem Modell von Kroch ist davon auszugehen, dass der Beginn und die Entwicklung dieser Situation langsam und nicht einheitlich einsetzen, allerdings in ihrer Geschwindigkeit immer einheitlich verlaufen: «First of all, these changes, at least as reflected in texts, ordinarily proceed gradually, with innovative linguistic forms and word order patterns ousting older ones only slowly over centuries. Secondly, in different linguistic contexts [...] the innovative form is found at different frequencies. Thirdly [...] the rate at which the newer option replaces the older one is the same in all contexts» (Kroch 1994, 2).

Die Geschwindigkeit unterliegt dem sogenannten Constant Rate Effect (Kroch 1989), nachdem eine Veränderung zunächst sehr langsam eintritt – wenn die neue Konstruktion erstmals vorkommt –, dann aber beschleunigt wird, sobald die Frequenz von alter und neuer Struktur identisch ist und sich wieder verlangsamt, wenn die neue Konstruktion sich schon beinahe durchgesetzt hat.118 In der Tradition von Kroch postuliert auch Yang (2000, 2002, u. a.) in seinem statistisch fundierten Ansatz, dass Sprachwandel durch einen Konkurrenzprozess von zwei inkompatiblen Grammatiken motiviert ist. Yangs Annahme ist, dass jedes Mitglied einer Generation, das sich in einem Umfeld mit mehreren Grammatiken bewegt, eine gewisse Menge an Äußerungen nach der einen Grammatik und eine gewisse Menge an Äußerungen nach der anderen Grammatik bildet. Es wird also eine Kombination aus zwei Grammatiken geformt, die sich allerdings durch ein «different set of weights from the parental generation» auszeichne (Yang 2001, 239). Die Veränderung zur Elterngeneration ergibt sich durch die penalty probabilities der Grammatiken, das heißt, durch die (mathematische) Wahrscheinlichkeit, dass die Analyse eines Satzes mit einer der beiden konkurrierenden Grammatiken misslingt:  

«The penalty probability ci represents the probability that a grammar Gi fails to analyze an incoming sentence and gets punished as a result. In other words, ci is the percentage of sentences in the environment with which the grammar Gi is incompatible. Notice that penalty probability is a fixed property of a grammar relative to a fixed linguistic environment E, from which input sentences are drawn» (Yang 2002b, 31).119

118 Zur Kritik am Modell der competing grammars cf. u. a. Desagulier 2005, 230. 119 Yang erklärt seine Ausführung für ein V2-Umfeld am Beispiel der germanischen Sprachen: «A V2 grammar (...) has the penalty probability of 0. An English-type SVO grammar, although not  

2.3 Syntaktischer Sprachwandel und V2-Syntaxwandel

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Welche der Grammatiken gewählt wird, ist abhängig von ihrem weight, worunter Yang (2002b, 26) den Grad an Bedeutung und Gewicht einer Grammatik in der language faculty des Lerners versteht. Wenn die Analyse misslingt, wird die Grammatik «bestraft». Gelingt sie, wird die Grammatik «belohnt»: «[…] when an input sentence is presented, a grammar is selected; the probability with which it is selected is determined by its weight. The grammar is then used by the learner to analyze the sentence. If the analysis is successful, (i.e., the sentence is successfully parsed), the selected grammar is rewarded, and all the other grammars are indirectly punished; otherwise, the selected grammar is punished, and all the other grammars are indirectly rewarded» (Yang 2001, 235).

Hinsichtlich des Wandels der französischen Syntax nehmen einige Sprachwissenschaftler an, dass einzelne Sprecher des Mittelfranzösischen in der Lage waren, zwischen den beiden Werten des V2-Parameters zu wechseln (cf. Roberts 1993; Yang 2002a; Ledgeway 2011), was bedeutet «dass Kinder im Laufe des Spracherwerbs bestimmte Parameter entweder nicht notwendigerweise festlegen müssen oder auf mehrere Werte gleichzeitig fixieren können» (Kaiser 2002a, 118). Dies impliziert, dass ein Reanalyse-Prozess eingesetzt haben muss, der zunächst optional war und nur allmählich in einen Parameterwechsel überging.120 Yang (2002a, 377) geht davon aus, dass die moderne französische S-V-O-Grammatik gegenüber der V2-Grammatik einen größeren Vorteil hatte und es mehr Sätze gegeben haben muss, die mit einer V2-Grammatik inkompatibel waren, als solche mit einer S-V-O-Grammatik. Er stellt dies folgendermaßen dar: (a) Advantage of V2 grammar over SVO grammar V2 → s but SOV ↛ s: VS (XVSO, OVS) (b) Advantage of SVO grammar over V2 grammar SVO → s but V2 ↛ s: V>2 (SXVO, XSVO) Yang (2002a, 378) argumentiert, dass V2-Stellung im Übergang vom Alt- zum Mittelfranzösischen deshalb verloren ging, weil die Möglichkeit zu einer falschen

compatible with all V2 sentences, is nevertheless compatible with a certain proportion of them. According to a corpus analysis cited in Lightfoot (1997), about 70% of matrix sentences in modern V2 languages have the surface order of SVO: an SVO grammar therefore has a penalty probability of 30% in a V2 environment» (2002b, 31). 120 Diese These wurde vor allem in Bezug auf den Übergang vom Altfranzösischen zum modernen Französischen vertreten (cf. Roberts 1993; Yang 2002a; Ledgeway 2011), muss in logischer Konsequenz aber auch für den Übergang vom Latein zum Altfranzösischen gelten.

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2 Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel

Reanalyse durch den Nullsubjekt-Status des Altfranzösischen gegeben war: Während (X)-V-S als eindeutige V2-Struktur mit Subjektinversion identifiziert werden muss, ist bei (X)-V-pro durch das Nullsubjekt (pro) Ambiguität gegeben, insofern diese Struktur auch als (X)-pro-V analysiert werden kann und deshalb dem modernen französischen Satztyp mit AP-S-V-Stellung gleicht. Verstärkt wurde dieser Reanalyseprozess nach seinen Angaben durch die Zunahme von Strukturen des modernen Typs mit détachement einer initialen Angabe (cf. Abschnitt 2.3.4). Auch im Fall der altgermanischen Sprachen ist von competing grammars die Rede, da auch diese Sprachen sich durch ihren Übergangscharakter und «nichtstrengen» V2-Charakter auszeichnen.121 In Anlehnung an Pintzuk (Double Base Hypothesis) geht Trips (2002, 88, 97, 104, 115) davon aus, dass die syntaktische Variation der Satzstruktur im frühen Mittelenglischen auf zwei miteinander konkurrierende Grammatiken zurückzuführen ist, genauer gesagt auf eine O-V-Grammatik (mit INFL-final-Struktur) bzw. eine IP-V2-Grammatik und auf eine V-OGrammatik (mit INFL-medial-Struktur) bzw. eine CP-V2-Grammatik, die sich allmählich durchsetzte (cf. auch Kroch/Taylor 1997). Trips – und auch schon Kroch und Taylor – sind der Meinung, dass die zwei Grammatiksysteme zunächst geographisch aufgeteilt waren. Im Süden seien noch die im Altenglischen üblichen V2und V>2-Strukturen belegt sowie Subjektinversion ausschließlich bei nominalen Subjekten, wohingegen im Norden teilweise eine V2-CP-Grammatik mit Subjektinversion vorliege, unabhängig davon, ob das Subjekt nominal oder pronominal ist (cf. Trips 2002, 251–254, 259).122 Für die südliche Variante ist nach Angaben von Trips deshalb von einer V2-IP-Grammatik zu sprechen, wie sie für das Altenglische

121 Die Untersuchung von Kemenade (1987) gilt als grundlegend für alle jüngeren Studien zur Satzgliedstruktur der alten germanischen Sprachen (cf. Hinterhölzl und Petrova 2010, 316), die auch im Hinblick auf das Altfranzösische von großem Nutzen sind, da die Situation in alter Germania und alter Romania deutliche Berührungspunkte aufzeigt. Auch die alten germanischen Sprachen zeichnen sich durch ihren Mischcharakter aus, indem sie – im Gegensatz zu den meisten modernen germanischen Sprachen – keine «strenge» V2-Syntax aufweisen, sondern neben V2- auch V1- und V>2-Sätze enthalten. 122 Ein weiterer Unterschied zwischen Norden und Süden ergibt sich durch das unterschiedliche Stellungsverhalten der bereits genannten altenglischen Adverbien ϸa/ϸonne/nu (dann, jetzt), denen ein spezieller Status zugesprochen wurde, da sie im Altenglischen regelmäßig Inversion auch von Subjektpronomen hervorrufen, die eigentlich nicht möglich war (cf. hierzu auch Fuß und Trips 2009, die für das besondere Verhalten dieser Temporaladverbien eine Analyse vorgeschlagen haben). Das Mittelenglische des Nordens verhält sich diesbezüglich teilweise wohl anders, da die Inversion in diesen Kontexten nicht regelmäßig erfolgt. Trips (2002, 252) deutet dies als einen «shift towards the grammar of Modern English». Heute folgt nach entsprechenden Adverbien (then, now) S-V-Stellung. Dieser sich ankündigende Wechsel spricht allerdings nicht für einen «strengen» V2-CP-Status der nördlichen Varietät, da eine «strenge» germanische V2Grammatik keine A-S-V-Struktur zulässt.

2.3 Syntaktischer Sprachwandel und V2-Syntaxwandel

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(oder auch in ähnlicher Weise für das moderne Isländische u. a.) definiert wurde. Im Hinblick auf die nördlichen Varietäten handle es sich im Gegensatz dazu um ein CP-System, das als neues System durch skandinavischen Einfluss erklärt wird:  

«In the ‹new› grammar the finite verb moved higher than in the ‹old› grammar. The natives who first came into contact with the Scandinavians had evidence for two grammars, the Old English IP-V2 grammar and the Scandinavian CP-V2 grammar. As the influence of Scandinavian was very intense, the next generation of ‹native› speakers were exposed to data which clearly indicated that in main clauses the finite verb had to appear in second position, and thus these speakers acquired a CP-V2 grammar. Southern speakers who were not influenced by Scandinavian in that way ‹kept› their Old English IP-V2 language. That is why in northern Middle English texts we find clear evidence for a CP-V2 grammar whereas in southern Middle English texts we find the Old English IP-V2 grammar» (Trips 2002, 262).123

Es bleibt also festzuhalten, dass im Rahmen des Modells der competing grammars wohl auch das Mittelenglische eine Phase mit zwei miteinander konkurrierenden V2-Grammatiken darstellt. Diese Annahme kann – neben der dargestellten Hypothese zum Mittelfranzösischen – als zusätzliches Argument dafür verwendet werden, dass eine vergleichbare Situation auch schon im Übergang vom Spätlatein zum Altfranzösischen vorgelegen haben könnte. Ich komme auf diesen Punkt in 3.2 nochmals zurück.

2.3.4 Quantitative und strukturelle Veränderungen bei syntaktischem Sprachwandel Im Rahmen der Parametertheorie setzt syntaktischer Sprachwandel einen Wandel in der Trigger-Erfahrung voraus – und somit auch einen Wandel im erwachsenensprachlichen Input.124 In der Vergangenheit etablierten sich verschiedene Meinungen, wie dieser Wandel zu erklären sei: Zum einen wurde der Vorschlag gemacht, dass quantitative Veränderungen im Input ausschlaggebend sind, damit das Kind eine neue Grammatik erwirbt. Zum anderen wurde angenommen, dass strukturelle Veränderungen in der Erwachsenensprache den Wandel verursachen.125

123 Diesen Punkt haben Fuß und Trips (2009) theoretisch weiterentwickelt. 124 Die Frage, wie Veränderungen in der Erwachsenensprache einsetzen können, wird in 2.3.7 aufgeworfen. Im Rahmen mancher generativer Ansätze wird deutlich gemacht, dass nur der Wandel im Individuum parametrisch ist, der Wandel auf der Ebene der Sprachgemeinschaft hingegen graduell verläuft (i.e. nicht alle Individuen sind gleichzeitig betroffen). 125 Einen Überblick zu diesen Vorschlägen gibt auch Kaiser (2002, 114–128).

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2 Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel

Adams (1987, 25) und Roberts (1993, 158) nehmen eine quantitative Veränderung im erwachsenensprachlichen Input zur Zeit des Alt- bzw. Mittelfranzösischen an. Sie gehen davon aus, dass durch das vermehrte Auftreten von ambigen S-V-X-Strukturen Kinder damals dazu übergingen, Sätze mit S-V-(X)-Abfolge nicht mehr als V2-Strukturen mit V-nach-COMP-Anhebung zu erwerben, sondern als Sätze mit IP-Anhebung. Zu diesem Reanalyseprozess kam es ihrer Meinung nach aufgrund einer analogen Bildung zur Nebensatzstruktur, da in dieser Struktur S-V-X in IP steht ( [CP[C’ Konj.[IP S V O]]] ). Die Tatsache, dass S-V-(X)-Sätzen im Haupt- und Nebensatz also unterschiedliche Strukturen zugrunde liegen, lässt sie vermuten, dass Sätze mit S-V-(X)-Stellung im Spracherwerbsprozess ambig sein müssen. Gegen diese These spricht nach Auffassung von Kaiser (2002, 117) allerdings die Tatsache, dass im erwachsenensprachlichen Input einer V2-Sprache auch in einer Phase, in der S-V-X-Konstruktionen die Mehrheit bilden, gleichzeitig stets auch Sätze existieren, die eindeutiger Bestandteil einer V2-Grammatik sind – also Sätze mit X-V-S-Struktur. Darüber hinaus scheint Adams’ und Roberts’ Annahme mittlerweile durch zahlreiche Untersuchungen widerlegt, in denen gezeigt wurde, dass nicht die Frequenz der Inputdaten ausschlaggebend für das Fixieren des Parameters ist, sondern die Existenz eindeutiger Trigger. Solange diese vorhanden sind, sind ambige Strukturen nicht maßgebend. In diesem Sinne wurde argumentiert (Lightfoot 1997, 1999; Yang 2002a; Sitaridou 2012; u. a.), dass eine V2-Grammatik schon dann auftritt, wenn nur rund ein Drittel aller Strukturen eindeutige V2-Strukturen sind (X-V-S-O und O-V-S): «[...] a suggested figure is 30%) – otherwise children will ignore it and the construction will be lost from the language» (Sitaridou 2012, 585). Die restlichen ca. 70% an S-V-O-Strukturen scheinen keinen Einfluss auf den V2-Wert zu haben:  

«Statistical analysis of Dutch, German, Norwegian, and Swedish (cited in Lightfoot 1997) shows that about 70% of all sentences in V2 languages are SVO, and about 30% are V2 patterns, which include XVSO and OVS. Our own counts based on a Dutch sample of adultto-child speech are similar: 66,8% SVO, 23% XVSO, and 1,2% OVS (see Yang 2000 for details)» (Yang 2002a, 377).

Aus diesen Ergebnissen lässt sich ableiten, dass V2 (X-V-S) ein Merkmal darstellt, das besonders robust ist, was letztlich impliziert, dass der ohnehin schon geringe Anteil von 30% noch geringer werden muss, damit ein Wandel weg von V2 und hin zu S-V-O einsetzen kann. Eine solche Verringerung sieht Yang im Übergang vom Altfranzösischen zum Mittelfranzösischen gegeben. Er argumentiert, dass V2-Stellung deshalb verloren ging, weil sich die Frequenz der competing constructions veränderte (2002a, 378). Wie bereits gezeigt wurde, ist diese seiner Meinung nach durch den Nullsubjekt-Status des Altfranzösischen bedingt: «Recall that the advantage of V2 grammar over SVO grammar is expressed in VS

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patterns. However, this advantage would be considerably diminished if the subject is dropped to yield (X-V-pro) patterns: a nul-subject SVO grammar (like modern Italian) can analyze such patterns as (X-(pro)-V)» (Yang 2002a, 378). Zum anderen scheint die Verringerung der V2-Evidenz dadurch verursacht, dass die Zahl der Nicht-V2-Strukturen zum Mittelfranzösischen hin zunimmt. Yang bezieht sich hier auf das vermehrte Vorkommen des V>2-Typs mit détachement eines initialen adverbialen Satzelements. Ausschlaggebend für den Wandel sei in jedem Fall die Tatsache, dass die Anzahl der Nicht-V2-Sätze im frühen Mittelfranzösischen eindeutig über der Anzahl an VS-Sätzen liegt. Es könne deshalb geschlussfolgert werden, dass eine mittelfranzösische S-V-O-(pro-drop)Grammatik einen Vorteil gegenüber der altfranzösischen V2-(pro-drop)-Grammatik hatte: «V2 in French was then destined to extinction, as predicted» (379). Im Unterschied dazu geht Kaiser (2002, 118) davon aus, dass quantitative Veränderungen nur dann Einfluss auf die Festlegung eines neuen Parameters haben, wenn eindeutige Trigger gänzlich aus dem Input weichen und eindeutige Trigger für das Fixieren auf einen neuen Parameterwert auftreten. Die Annahme einer allmählichen extinction wird von ihm also ausgeschlossen. In zahlreichen generativen Untersuchungen zum Verbstellungswandel wird neben der Annahme von quantitativen Veränderungen auch die Idee vertreten, dass strukturelle (sprachinterne) Veränderungen maßgeblich an syntaktischem Sprachwandel beteiligt sein müssen. So nahm Roberts für den Übergang vom Altzum Mittelfranzösischen an, dass der veränderte Status häufig auftretender altfranzösischer Adverbien (lors, jamais) dazu führte, dass vermehrt V>2-Strukturen mit détachement auftraten und immer weniger V2-Strukturen, da letztere mit der Zeit nicht mehr durch diese Adverbien hervorgerufen werden konnten. Roberts erklärt allerdings nicht, warum sich der Status dieser Adverbien innerhalb einer V2-Grammatik verändert haben kann und wie der Wandel genau einsetzte (zu einer ausführlichen Diskussion von Roberts’ Annahmen cf. Kaiser 2002, 119). Auch bei der bereits beschriebenen Untersuchung zum Altgermanischen werden insbesondere strukturelle Veränderungen für den Prozess des syntaktischen Wandels verantwortlich gemacht. Hinterhölzl und Petrova (2010) stützen sich bei ihrer Annahme über das Aufkommen verschiedener grammatischer Strukturen auf ein dreistufiges Erklärungsmodell, das die Etablierung von V2-Strukturen und deren Generalisierung bzw. Nicht-Generalisierung aufzeigen soll. In diesem Modell werden informationsstrukturelle Aspekte für den Wandel relevant. Im Fall des Althochdeutschen stellen die Autoren die These auf, dass V2-Stellung ursprünglich aus einem Zusammenschluss des (aboutness) Topiks mit dem Kommentar entstand. Sie nehmen an, dass Topik und Kommentar zunächst in Juxtaposition standen, was bedeutet, dass sich das Topik in loser Aneinanderreihung neben bzw. außerhalb eines V1-Satzes befand und dass der V1-Satz sein Verb in C (bzw. ForceP)

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gehabt haben muss. Erst nach einer prosodischen Integration von Topik und Kommentar sei das Topik dann als SpezC/ForceP reanalysiert worden. Hinterhölzl und Petrova gehen also davon aus, dass letztlich eine Veränderung in der prosodischen Struktur bei den Sprechern dazu führte, dass der Reanalyseprozess einsetzte und die grammatische Struktur kognitiv in veränderter Form abgespeichert wurde. Weiterhin argumentieren die Autoren, dass in Analogie zu den diskurs-subordinierenden Strukturen im Althochdeutschen auch im Bereich der diskurs-koordinierenden Beziehungen eine V2-Struktur auftrat, indem zur koordinierenden V1-Struktur der Diskurslinker thô hinzutrat. Die Reanalyse als thô-V2Struktur scheint für Hinterhölzl und Petrova deshalb plausibel, weil analog zur Subordination, bei der das satzinitiale Topik die Funktion hat, auf ein bereits bekanntes Diskurselement zu referieren, auch thô dazu gedient haben kann, auf der Ebene der Koordination an die vorherige Diskurssituation anzuknüpfen. Die strukturelle Differenz zwischen Koordination und Subordination wird somit aufgehoben und V2-Stellung auf den Bereich der koordinierenden Diskursbeziehungen übertragen. «In this stage, the topic in [Spec, ForceP] may serve as analogical basis for sentences expressing coordinative relations: the topic in sentence initial position analyzed as discourse linker in clause expressing subordinating relations triggers the preposing of thô into [Spec, ForceP] which in a parallel way serves as discourse linker in sentences expressing coordinative discourse relations. The expansion of the latter pattern leads to the neutralization of the sentence initial position in German» (Hinterhölzl/Petrova 2010, 325–326).

Ausschlaggebend für die Generalisierung der V2-Struktur ist die Neutralisierung der satzinitialen Position, die durch thô erzielt wird: Der Konnektor kann nach Hinterhölzl und Petrova weder als Fokus- noch Topikelement beschrieben werden, er ist also neutral, im Gegensatz zu den älteren V2-Strukturen, deren initiale Position entweder fokal ist (das wh-Element bei Ergänzungsfragen) oder topikal (bei Diskurs-Subordination).126 «In interrogatives, the initial position is occupied by a wh-element that is IS-categorized as [+focus]. In subordination declaratives, the initial position is occupied by an element that is IS-categorized as [+topic] and in coordination declaratives, the initial position is occupied by an adverbial that can be classified neither as focal nor as topical element, that is, it is categorized as [-focus -topic]» (Hinterhölzl/Petrova 2010, 323).

126 Cf. Hinterhölzl/Petrova 2010, 317s. Zur Rolle von thô im Stellungswandel cf. außerdem Donhauser/Petrova 2009.

2.3 Syntaktischer Sprachwandel und V2-Syntaxwandel

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Im Altenglischen scheint sich eine ähnliche Entwicklung hinsichtlich der Struktur im diskurs-subordinierenden Bereich vollzogen zu haben wie im Althochdeutschen. Allerdings wurde angenommen, dass die Ausgangssituation eine gänzlich andere war. Während sich im Fall des Althochdeutschen das Verb bereits in der ersten Phase (im V1-Satz mit Juxtaposition) in einer C-Position befindet, wird im Fall des Altenglischen postuliert, dass das Verb dort von Beginn an in IP bzw. TP (in einem Nicht-V1-Satz) ist und dort bleibt.127 «While V2-clauses derive from a combination of a topic plus a V1-clause, the combination of a topic plus a non-V1clause, evidenced by the majority of declarative clauses in OE, fails to trigger generalized V2 in the history of English» (326). Die von Hinterhölzl und Petrova getroffenen Annahmen über strukturelle Veränderungen durch prosodische Integration des Topiks lassen sich theoretisch auch auf die Situation in der alten Romania übertragen. Wie bereits gezeigt, wurde auch für das Latein angenommen, dass die dort auftretenden V1-Sätze als CP-Strukturen analysiert werden müssen (cf. 2.2.3).128 Wenn man dieser Analyse zustimmen möchte, könnte man annehmen, dass im Spätlatein oder im frühen Altfranzösischen eine zur Generalisierung von thô-V2-Strukturen im Althochdeutschen vergleichbare Entwicklung stattfand: Ein häufiges Muster des Altfranzösischen stellen Sätze mit initialem Adverb bzw. Konnektor si in potentiellen V1Kontexten dar (cf. 2.1.3 und 2.2.3.2). Dies gibt Anlass zu der Vermutung, dass wir hier im Bereich der Diskurs-Koordination neben V1-Sätzen auch si + V1 als weiteren (innovativen?) Satztyp antreffen.129 Für alle Strukturen mit A-V-S-Stellung, wie sie im Latein und Altromanischen als gesamtfokale Sätze existieren, scheint dies durchaus plausibel. Weiterhin müsste man dann allerdings auch annehmen, dass die Funktion des Konnektors si auf größere Adverbialphrasen übertragen wurde und dass diese dann ebenfalls als discourse linker auftraten. Der letzte Schritt wäre, dass schließlich wieder eine Analogie zwischen diesem Element und den Topiks von V>2-Sätzen aufgebaut wurde, da ja auch die Topiks eine diskursverbindende Funktion ausüben. Wenn man diese Hypothese vertreten möchte, 127 Das (aboutness) Topik steht dort zunächst in Juxtaposition mit einem Satz, dessen Verb sich innerhalb von TP (also unterhalb von C) befindet, es trennt dort Hintergrundinformationen (präverbal) vom Fokusbereich. Als zweiter Schritt findet dann ebenfalls die Integration des (aboutness) Topiks statt – entsprechend der Entwicklung des Althochdeutschen. Der dritte Schritt sieht vor, dass das Topik in Initialstellung so analysiert wird, als ob es sich dort von einer IPinternen Argumentposition hinbewegt hätte (cf. Hinterhölzl/Petrova 2010, 326). 128 Wie noch zu zeigen sein wird, sprechen die Ergebnisse zu V1-Stellung im Altromanischen, im Latein und im Altgermanischen dafür, dass viele V1-Muster sprachübergreifend denselben informationsstrukturellen Aufbau haben (cf. Kapitel 5). 129 Allerdings wurde bereits dargestellt, dass zumindest nach dem Tobler-Mussafia-Gesetz eigentlich kein V1-Satz auf si folgen dürfte (cf. 2.1.3).

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würde also schon im Latein V2-Stellung im Bereich der Diskurs-Koordination und -Subordination auftreten. Eine Ausweitung dieses V2-Bereichs könnte dann die alten V>2-Strukturen allmählich verdrängt haben. Problematisch an dieser rein spekulativen Annahme ist, dass zum einen nicht geklärt werden kann, wie der dominante V>2-Bereich des Lateins tatsächlich aufgegeben werden konnte. Die Annahme, dass dieser Bereich von dem – weniger dominanten –V2-Bereich einfach verdrängt wurde, halte ich für nicht wahrscheinlich. Andererseits ist aber auch auszuschließen, dass V>2-Strukturen als V2-Strukturen (mit Bewegung nach CP) reanalysiert wurden, da eine IP-Struktur nicht einfach als CP-Struktur reanalysiert werden kann, wenn nicht schon eine dominante CP-Struktur parallel existiert.130 Grundsätzlich stellt sich zuletzt auch die Frage, inwiefern die Annahme einer altgermanischen oder lateinischen CP-Struktur als «Startpunkt» für eine Veränderung in Richtung V2 überhaupt gerechtfertigt ist. Wenn man dieser These Glauben schenken möchte, ist davon auszugehen, dass seit jeher CP- und IPStrukturen parallel existierten und es niemals eine Reinform einer CP- oder IPGrammatik gab. Dies widerspricht den grundlegenden Annahmen der traditionellen generativen Grammatiktheorie zu syntaktischem Sprachwandel.

2.3.5 Optimalitätstheoretische Ansätze Entgegen der Annahme, dass mehrere Grammatiken als Konkurrenten nebeneinander existieren, gehen Vertreter optimalitätstheoretischer Ansätze davon aus, dass syntaktische Varianz unter bestimmten Voraussetzungen innerhalb einer einzigen Grammatik möglich ist. Die Grundannahme ist, dass verschiedene Strukturen parallel im Wettbewerb stehen und je nach Sprache unterschiedlich gewichtet sind. Die optimale Struktur gewinnt. Sie ist der einzige Kandidat aus einer Kandidatenmenge, der grammatisch ist. Ihren Ursprung haben viele optimalitätstheoretische Ansätze ebenfalls in der traditionellen generativen Grammatiktheorie.131 In Abgrenzung zu dieser werden aber keine Regeln aufgestellt, sondern lediglich Beschränkungen, die jedoch

130 Man könnte natürlich die Hypothese aufstellen, dass ein Reanalyseprozess in umgekehrter Reihenfolge stattgefunden haben kann, sodass eine V>2-Struktur letztlich als Struktur mit Juxtaposition bestehend aus Topik+Kommentar reanalysiert worden wäre. Diese Annahme erscheint aber im Fall aller V>2-Sätze mit initialer Verbergänzung nicht logisch, da die Bindung an das Verb zu stark und eine prosodische Aufspaltung deshalb höchst unwahrscheinlich ist. 131 Anfang der 1990er-Jahre wurde die Optimalitätstheorie im Rahmen der (generativen) Phonologie entwickelt. Ab Mitte/Ende der 1990er-Jahre übertrug man sie auf syntaktische Phänomene (für eine Darstellung cf. Müller 2000).

2.3 Syntaktischer Sprachwandel und V2-Syntaxwandel

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nicht alle gleich gewichtet sind (sondern hierarchisch geordnet) und mitunter auch verletzt werden können.132 Der «Gewinner-Kandidat» erweist sich immer als optimal hinsichtlich einer gewissen Beschränkungsordnung und es gibt keinen anderen Kandidaten, der ein besseres Beschränkungsprofil aufzeigt. Im Folgenden möchte ich auf einen der jüngeren optimalitätstheoretischen Ansätze eingehen, der von Westergaard (2009, u. a.) entwickelt wurde. Zunächst ist festzuhalten, dass dieser Ansatz im Einklang mit der generativen Tradition von einer universellen internalisierten Grammatik und den in ihr enthaltenen Prinzipien und Universalien ausgeht, die Existenz von Parametern aber ausschließt. V2-Parameter sind nach Ansicht Westergaards deshalb abzulehnen, da V2-Sprachen im Allgemeinen immer ein gewisses Maß an syntaktischer Variation – und somit V2-inkompatible Strukturen – aufweisen, für die nach dem traditionellen Parameter-Modell keine befriedigende Erklärung gegeben werden kann (cf. zu diesen Strukturen Abschnitt 3.4.1). Spracherwerb wird deshalb durch die Existenz von so genannten micro-cues erklärt.133 Es handelt sich hierbei um «abstract pieces of structure that are formed in children’s I-language grammars in the acquisition process, [...] expressed by certain sentence types in the E-language that children hear around them» (Westergaard 2009, 51). Die genetische Ausstattung erlaubt es Kindern, den sprachlichen Input zunächst zu parsen und dann micro-cues zu entwickeln. Dies bedeutet, dass micro-cues nicht zur UG gehören, sondern Teil der Grammatik einer bestimmten Sprache sind und erst im Erwerbsprozess auftreten, als Ergebnis der Interaktion von UG und sprachlichem Input (cf. Westergaard 2009, 52).134 Die Frequenz sprachlichen Inputs ist dabei nicht ausschlaggebend, da micro-cues selbst bei Strukturtypen, die prozentual gesehen einen sehr kleinen Teil aller Input-Strukturen ausmachen, gebildet werden. Ein zentraler Aspekt des Modells – im Unterschied zur traditionellen generativen Theorie – ist die Annahme, dass Kinder nicht zuerst die grundlegenden Generalisierungen für die Grammatik ihrer Sprache lernen, sondern auf der Basis von kleinen geordneten Strukturteilen ihre Grammatiken schrittweise entwickeln.  

132 In diesem Punkt unterscheidet sich die Optimalitätstheorie also von der traditionellen generativen Schule, die im Prinzip alle grammatischen Regeln für gleich wichtig und unverletzbar hält (eine Regelverletzung führt zu Ungrammatikalität). 133 In Anlehnung an Lightfoots cues (cf. 2.3.2), jedoch mit veränderter Definition (cf. weiter im Text). Wie bereits dargestellt, wird mittlerweile in jüngeren generativen Ansätze von micro- und macro-parameters beim Sprachwandel gesprochen (cf. u. a. Roberts 2007), die – je nach Theorie – jedoch nicht immer mit micro- und macro-cues gleichgesetzt werden können. 134 Diese Annahme ist in einem generativen Modell nicht ganz unproblematisch, da auch der Input, dem Kinder ausgesetzt sind, auf der i-language basiert und somit wiederum durch die UG bedingt ist.  

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Syntaktische Generalisierungen entstehen durch die Unterstützung von positiver Evidenz im Input. Westergaard nimmt an, dass sie nicht sofort auf eine größere Kategorie übertragen werden, sondern erst innerhalb einer Subkategorie Anwendung finden (cf. Westergaard 2009, 11, 105, 107, 128).135 Am Beispiel einer norwegischen «nicht-strengen» V2-Varietät wurde dies verdeutlicht. Hier treten regelmäßig Nicht-V2-Strukturen auf, die der generellen V2-Grammatik der Sprache aber offensichtlich nicht widersprechen. Belegt ist diese Regelmäßigkeit allerdings nur selten und nur bei einzelnen V2-relevanten Strukturtypen, wie etwa der Struktur mit postverbalem Subjekt. Dieser Typ tritt insgesamt in 14% aller untersuchten Strukturen auf. Von diesen 14% haben jedoch 85% eine V2-Struktur und nur 15% keine V2-Struktur. Nach Westergaard kommt es letztlich nur auf diese Zahlen an. 85% sind ausschlaggebend für einen V2-micro-cue in diesem Strukturbereich, auch wenn es sich – bezogen auf alle untersuchten Daten – um weniger als 14% handelt. Westergaard (2009, 84ss.) kann zeigen, dass der micro-cue für V2 bei dem Strukturtyp mit nicht-initialem Subjekt früh gesetzt ist (im Alter von knapp zwei Jahren).136 Trotzdem schließt das ihrer Meinung nach nicht aus, dass Kinder auch empfänglich für regelmäßige Ausnahmen sind (i.e. eine Verletzung des Typs führt nicht zwangsläufig zu Ungrammatikalität). Eine klare Ausnahme stellen insbesondere Strukturen mit dem Adverb kanskje (vielleicht) dar, die von den für den Input verantwortlichen Erwachsenen der Studie kaum mit V2, sondern mit klarer Präferenz für eine V>2-Stellung (95,1%) gebraucht werden (cf. Westergaard 2009, 95). «Non-subject-initial declaratives with initial kanskje ‹maybe› are not frequent in the child data. Nevertheless, all three children’s first example of this adverb in a non-subject-initial declarative displays this unusual, but target-consistent, word order» (94). Dies bedeutet also, dass auch nicht-V2-Strukturen (neben V2-Strukturen) sehr früh verankert werden können, wenn sie regelmäßig im erwachsenensprachlichen Input auftreten und an spezifische Kontexte gebunden sind. Theoretisch heißt das, dass jede Struktur, die diese Bedingungen erfüllt, von den Kindern übernommen wird.

135 Auf den ersten Blick mag Westergaards Ansatz einem kognitiven Modell von Spracherwerb etwas ähneln, da sich sprachliche Kompetenz auf der Grundlage von einzelnen kleinen Grammatikstrukturen entwickelt. Dagegen spricht allerdings, dass sich in ihrem Modell der Erwerb nicht ausschließlich an sprachlichem Input ausrichtet (cf. Westergaard 2009, 51–52). 136 Cf. hierzu Westergaards Aussage (2009, 104): «it can generally be said that the micro-cue for V2 in non-subject-initial declaratives is in place in children’s I-language grammars from early on. The I-language structure necessary to produce the exceptional word order in declaratives introduced by the adverb kanskje ‹maybe› is also acquired early, as the first relevant utterance from all three children display non-V2».

2.3 Syntaktischer Sprachwandel und V2-Syntaxwandel

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Am Ende dieses Abschnitts kann festgehalten werden, dass feinere Varianzen in grammatischen Detail-Unterschieden durch die Annahme der Verletzbarkeit von Beschränkungen und der Geordnetheit bzw. Relevanz von Strukturelementen erklärt werden können. Mit dieser Annahme ist also davon auszugehen, dass Sprachen mit «gemischten» syntaktischen Strukturmustern innerhalb einer Grammatik existieren können. Das Altfranzösische könnte solch eine Sprache gewesen sein und der Übergangsprozess vom Latein zum Altfranzösischen (und der vom Altfranzösischen zum Mittelfranzösischen) könnte auf einem Spracherwerbsprozess bei mehreren Generationen basieren, wie er soeben beschrieben wurde.

2.3.6 Gebrauchsbasierte Ansätze In anderer Weise wird Sprachwandel im Rahmen kognitiv-funktionaler oder kognitiv-konstruktionsgrammatischer Arbeiten verstanden.137 Diese unterscheiden sich von den generativen Ansätzen vor allem deshalb, weil sie einen rein gebrauchsbasierten Zugang zum Erwerb von Sprache annehmen. Tomasello (2006) fasst die grundlegenden Unterschiede in den Spracherwerbstheorien der beiden Untersuchungsrichtungen folgendermaßen zusammen: «With regard to language acquisition, Chomskian generative grammar begins with the assumption that children possess innately a universal grammar abstract enough to structure any language of the world. Acquisition then consists of two processes: 1.

acquiring all the words, idioms, and quirky constructions of the particular language being learned (by ‹normal› processes of learning)

137 Innerhalb kognitivistischer Ansätze geht die Forschung davon aus, dass die Substanz der Sprache ihre symbolische Dimension ist und sich Grammatik nur aus dieser ableitet. Im Gegensatz zur traditionellen generativen Auffassung, dass algebraische Prozeduren Satzelemente (Wörter, Morpheme) verbinden, aber selbst nicht zur Bedeutung beitragen, wird hier die Auffassung vertreten, dass sprachliche Konstruktionen selbst bedeutungsvolle sprachliche Einheiten sind und unsere sprachliche Kompetenz als ein strukturiertes Inventar an bedeutungsvollen sprachlichen Konstruktionen aufgefasst werden muss (cf. Tomasello 2006). Als sprachliche Konstruktion wird prototypischerweise eine sprachliche Einheit verstanden, die verschiedene sprachliche Elemente beinhaltet, deren gemeinsamer Gebrauch eine relativ kohärente kommunikative Funktion erfüllt. Hierdurch wird eine Bedeutung erzeugt, die unabhängig von den involvierten lexikalischen Einheiten besteht, wie etwa im Fall der französischen regelmäßigen Pluralkonstruktion (N+s) oder einer Passivkonstruktion («X wurde von Y geverbt») (cf. Evans und Green 2006, 476ss., 481ss.).

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linking the particular language being learned, that is, its core structures, to the abstract universal grammar.

This is the so-called dual process approach [...] since the ‹periphery› of linguistic competence is learned but the ‹core› is innately given in universal grammar. Because it is innate, universal grammar does not develop ontogenetically but is the same throughout the life span [...]. According to the usage-based theory, there is no such thing as universal grammar and so the theoretical problem of how a child links it to a particular language does not exist. It is thus a single process theory of language acquisition, in the sense that children are thought to acquire the more regular and rule-based constructions of a language in the same way they acquire the more arbitrary and idiosyncratic constructions: they learn them. And, as in the learning of all complex cognitive activities, they then construct abstract categories and schemas out of the concrete things they have learned. Thus, in this view, children’s earliest acquisitions are concrete pieces of language – words (e.g., cat), complex expressions (e.g., I-wanna-do-it), or mixed constructions (e.g., Where’s-the ____, which is partially concrete and partially abstract) – because early in development they do not possess the fully abstract categories and schemas of adult grammar. Children construct these abstractions only gradually and in piecemeal fashion, with some categories and constructions appearing much before others that are of a similar type from an adult perspective – due quite often to differences in the language that individual children hear (‹input›). Children construct their language using general cognitive processes falling into two broad categories: (1) intention-reading (joint attention, understanding communicative intentions, cultural learning), by which they attempt to understand the communicative significance of an utterance; and (2) pattern-finding (categorization, schema formation, statistical learning, analogy), by which they create the more abstract dimensions of linguistic competence» (Tomasello 2006, 257–258).

Während die generative Theorie also davon ausgeht, dass Kinder den erworbenen Input auf die ihnen genetisch angelegte Grammatik hin abgleichen und die in der Universalgrammatik vorgesehenen Variablen entsprechend dem Input setzen (zum Beispiel +/-V2), geht die kognitiv-gebrauchsbasierte Theorie davon aus, dass Variablen nicht festgelegt werden können, da keine angeborene Grammatik existiert. Die Annahme lautet vielmehr, dass Kinder alle «Textbausteine» der Sprache erst erlernen, angefangen bei kognitiven Fähigkeiten in einer vorsprachlichen Phase, über konkrete sprachlichen Einheiten – Wörter oder komplexere Ausdrücke von sehr unterschiedlicher Art und Größe – auf deren Grundlage sie allmählich Generalisierungen hervorbringen, um abstrakte Kategorien der Erwachsenen-Grammatik aufzubauen. Für den Erwerb einer V2-Grammatik bedeutet das, dass der sprachliche Input V2-Sätze enthalten haben muss, deren grammatische Struktur nicht ad hoc erlernt, sondern ausgehend von konkreten Einheiten aufgebaut wurde – die Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass diese Struktur häufiger im Input auftreten muss. Da die Eltern-Generation ihre NichtV2-Sätze nicht mit einem Mal abgelegt haben wird und Nicht-V2-Sätze demnach

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nach wie vor Bestandteil des Inputs gewesen sein müssen, ist anzunehmen, dass auch diese Strukturen von den Kindern allmählich erlernt wurden. Dass Kinder entsprechend des erwachsenensprachlichen Inputs mehr als eine Grundstruktur für ihre Sätze erwerben, wurde bereits durch das Beispiel der norwegischen kanskje-Sätze demonstriert und konnte durch verschiedene andere Studien belegt werden. In einer Untersuchung mit englischsprachigen Kindern (cf. Akhtar 1999) hat man festgestellt, dass Kinder, die jünger als vier Jahre sind, selbst bei der Vorgabe von einer Struktur, die im Englischen ungrammatisch ist, diese Struktur aktiv übernehmen bzw. auch mit neu erlernten Verben konstruieren: «In general, [the] older children used their verb-general knowledge of English transitivity to ‹correct› the non-canonical uses of the novel verbs to canonical SVO form. The younger children, in contrast, much more often matched the ordering patterns they had heard with the novel verb [SOV, VSO], no matter how bizarre that pattern sounded to adult ears. Abbott-Smith, Lieven, and Tomasello (2001) have recently extended this methodology to younger ages (children at 2;4, using intransitives) and found that even fewer children [...] corrected the adult’s strange word order utterances» (Tomasello 2006, 266).

Es wird also deutlich, dass (englischsprachige) Kinder vor dem 4. Lebensjahr kein völliges Verständnis für die zielsprachliche Satzstruktur entwickelt haben, was sich daran zeigt, dass sie auch nicht-zielsprachliche Sätze übernehmen. Dieses Ergebnis kann somit exemplarisch zeigen, dass zum einen der Erwerb von Sprachstrukturen allmählich stattfindet und das zum anderen mehrere syntaktische Grundstrukturen von ein und demselben Kind erworben werden können, sofern es jung genug ist. Für den Wandel einer Sprache bedeutet dies, dass auch dieser allmählich verläuft und sich vermutlich in vielen Etappen ereignet, in denen immer wieder neu auftretende Strukturen des erwachsenensprachlichen Inputs von den Kindern erlernt werden.

2.3.7 Zur Fundierung aller theoretischen Ansätze und zu externem Spracheinfluss Die soeben diskutierten unterschiedlichen Grundannahmen zu syntaktischem Wandel haben eines gemeinsam: Sie bedürfen einer Erklärung, wie der Wandel in der Sprachstruktur überhaupt ausgelöst werden konnte. Ein generativer Ansatz, der davon ausgeht, dass aus einer V1-Struktur mit einem juxtaposed topic durch prosodische Integration von Topik und Kommentar eine V2-Struktur wurde, muss auch danach fragen, welchen Auslöser es für diese prosodische Integration gab bzw. warum eine Juxtaposition nicht mehr als solche wahrgenommen oder ausgesprochen wurde. Diese These setzt eine Wahrnehmungsveränderung aufseiten

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der Sprecher und Hörer voraus und eine Veränderung in ihrer Aussprache, die eine Begründung bzw. Ursachenerklärung verlangt. Auch im Rahmen der positionstypologischen These einer réorganisation locale de la structure syntaxique muss diese Frage gestellt werden. Es muss danach gefragt werden, welche Faktoren eine grundlegende Umstrukturierung der Satzgliedorganisation ausgehend vom Verb verursacht haben könnten. Wie bereits gezeigt, hat Lehmann eine sprachinterne Erklärung hierzu abgegeben, die jedoch unbeantwortet lässt, welche Ursache gegeben sein musste, damit sich die konzeptuellen Eigenschaften des Verbs überhaupt erst veränderten (sodass dann seine Satzposition umstrukturiert werden konnte). Eine konzeptuelle Veränderung des Verbreliefs bedeutet jedoch abermals eine Veränderung der Wahrnehmung aufseiten der Sprecher, und wie diese zustande kam, wurde nicht geklärt. Ein bereits sehr alter Vorschlag zur Klärung dieses Ursachenproblems ist die These, dass der Kontakt mit einer anderen Sprache für initiale Veränderung im Sprechverhalten oder in der Sprachwahrnehmung verantwortlich ist. Ich möchte auf diesen Vorschlag im Folgenden eingehen. Die Theorie, dass das Altfranzösische seine Syntax durch externen Spracheinfluss bzw. genauer gesagt durch germanischen/fränkischen Einfluss erworben hat, geht bis ins vorletzte Jahrhundert zurück.138 Dass diese Theorie allerdings umstritten ist, zeigt sich seit dem Beginn der Forschungsdiskussion.

138 Dass der Kontakt mit verschiedenen germanischen Völkerschaften sprachliche Einflüsse auf das Lateinische bzw. später Romanische hinterließ, wurde in sprachhistorischen Untersuchungen vielfach beobachtet und insbesondere für den Bereich des Lexikons festgestellt. Germanischer Spracheinfluss kann für alle westlichen romanischen Sprachen angenommen werden – nur der Einfluss auf das Rumänische scheint ungewiss (cf. Tagliavini 1998, 225, 246s.). Besonders betroffen ist die Galloromania, hier finden wir nicht nur eine Anzahl lexikalischer Bestandteile aus dem Fränkischen, sondern auch einen begrenzten Einfluss in Phonetik, Morphologie und Syntax (Tagliavini 1998, 243). Dem gegenüber stehen das Portugiesische und Spanische, die beiden westromanischen Sprachen, welche die geringste Anzahl germanischer Elemente aufweisen. Der Einfluss bezieht sich hier fast ausschließlich auf den Wortschatz (Tagliavini 1998, 243s.). In zweierlei Hinsicht zeigt sich der Einfluss des Germanischen als heterogen: Zum einen handelt es sich um Einflüsse verschiedener germanischer Varietäten, auch wenn das Fränkische im Bereich der Galloromania dominiert (im Iberoromanischen waren die einzigen germanischen Völker die Westgoten, Vandalen und Sueben) (cf. Tagliavini 1998, 243). Zum anderen handelt es sich um eine Heterogenität in der Diachronie, da die sprachliche Beeinflussung teilweise schon sehr früh einsetzte und in mehreren Schüben über einen Zeitraum von mehreren Jahrhunderten kam. Der sprachliche Kontakt zog sich insgesamt über die gesamte Periode hinweg, in der sich die altromanischen Sprachen aus dem Vulgärlatein herausbildeten. Für die Galloromania ist ab Ende des 5. Jahrhunderts vom germanischen (fränkischen) Superstrat die Rede, auch wenn Kontakte zwischen Galloromanen und Franken bereits früher einsetzten (Tagliavini 1998, 242).

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Exkurs Schon Meyer-Lübke (1899, 797, 805) bemerkt, dass das Altfranzösische dieselbe Art von Inversion wie das Deutsche «mit ziemlich großer Strenge» aufweist. Eindeutig scheint für ihn germanischer Einfluss bei altfranzösischen Konstruktionen mit einleitendem Nebensatz: «Nimmt der Verbalsatz die zweite Stelle ein, so wird öfter mit einem si ‹so› auf den Teilsatz zurückgewiesen […] in völliger Übereinstimmung mit dem Deutschen, dass man sich der Annahme kaum verschließen kann, es sei eine romanische Neigung durch deutschen Einfluss zu einer größeren Ausbildung gelangt, als auf den anderen Gebieten, wo ein deutscher Einfluss fehlt» (697–698). In Übereinstimmung mit Meyer-Lübke sehen auch Holmes (1931, 196) und Holmes und Vaughn (1933, 163) bei dieser Konstruktion die Möglichkeit gegeben, dass germanischer Einfluss vorliegt. Außerdem gehen sie davon aus, dass die S-OV-Stellung in altfranzösischen Nebensätzen vom Germanischen her kommt (Holmes 1931, 198; Holmes/Vaughn 1933, 163s.). Von Wartburg (1950, 111) räumt ein, das germanischer Einfluss vorliegen könnte. Zum einen bezieht er sich auf das V2-Phänomen, welches «auch im deutschen Hauptsatz zur Herrschaft gelangt und […] auch schon im Althochdeutschen [dominiert]»; zum anderen führt er die These Meyer-Lübkes fort, nach der das Altfranzösische bei hypothetischen und temporalen Konstruktionen den Hauptsatz mit si einleite, was genau dem Gebrauch des Deutschen entspreche. Da sich solche Konstruktionen allerdings auch im Altitalienischen finden, scheint die Germanen-These für ihn nicht ganz klar (cf. Von Wartburg 1950, 113–114). Auch in späteren Jahrzehnten wird die Theorie vom germanischen Superstrat aufrecht gehalten, wie etwa von Rohlfs (1982). Er thematisiert die Zweitstellung des Verbs, das Phänomen der Subjektinversion und die Besetzung der ersten Position durch eine andere Konstituente als das Subjekt. Weiterhin bestehen verschiedene Versuche, die Beeinflussung durch das Germanische serielltypologisch zu belegen: All diejenigen Satzkonstruktionen, die den Spezifizierer links und den Kopf rechts haben (also vom Typ O-V) sind verschiedentlich als germanische Strukturen analysiert worden (Deloffre 1980; Ménard 1988). Die Hypothese ist hier, dass der germanische Einfluss die lateinische Entwicklung vom Typ O-V zum Typ V-O stark gebremst habe (cf. Buridant 1987, 29–30, Fußnote 21; 2007, 759). Anders als in den bisher genannten Ansätzen ist bereits Diez (1872, 463) der Meinung, dass sich die Nachstellung des Subjekts im Deutschen von der in den altromanischen Sprachen auftretenden Inversionsstellung unterscheidet: Im Gegensatz zum Deutschen, wo Inversion nach einer satzinitialen Konstituente die Regel sei, finde sie im Altromanischen nicht regelhaft statt,

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da es viele Belege für die gleichzeitige präverbale Stellung des Subjekts und einer weiteren Konstituente gebe. Auch Buridant (1978, 2007) lehnt die Theorie des germanischen Einflusses ab und spricht von einer sprachinternen lateinischen Entwicklung. Er nimmt an, dass alle altfranzösischen O-V-Sequenzen nicht vom Germanischen her stammen, sondern als übrig gebliebene Elemente des Lateins interpretiert werden müssen (2007, 759). Hilty (1986 und 1975) und Haiman (1974) vertreten die Auffassung, dass die Tendenz zu V2-Stellung bereits im Latein angelegt war und das Germanische diese lediglich verstärkt habe. Eine allgemeinere Erklärung über den V2-Status der (west-)germanischen und der romanischen Sprachen gibt Wratil (2005, 100s.). Ihrer Meinung nach stimmen die westgermanischen und romanischen Sprachen in ihrer syntaktischen Entwicklung darin überein, dass sie in einer bestimmten Periode alle V2-Merkmale angenommen haben. Trotz der unterschiedlichen Auslegungen wird die Germanen-These bis heute sowohl in generativen als auch nicht-generativen Arbeiten als Möglichkeit für den syntaktischen Wandel im Übergang vom Latein zum Französischen in Betracht gezogen. Im Rahmen der traditionellen Parameter-Theorie wurden folgende allgemeine Überlegungen angestellt: «Durch die angenommene Kontaktsituation von – parametrisch unterschiedlich fixierten – Dialekten oder Sprachen ist eine Situation gegeben, in der Kinder mit einem Input konfrontiert sein können, der eindeutige Evidenz für das Fixieren eines Parameters auf einen anderen Wert liefert, als er im Dialekt oder in der Sprache der Eltern festgelegt ist. Unklar ist allerdings in einer solchen Situation des Sprach- oder Dialektkontaktes die Rolle des ebenfalls vorhandenen Inputs, der den Kindern Evidenz gegen ein Umfixieren eines Parameters liefert. So stellt sich die Frage, warum die Kinder nur den Dialekt der nicht elterlichen Dialektgruppe als Grundlage für das Fixieren des Parameters berücksichtigen und Input des elterlichen Dialekts ignorieren sollten» (Kaiser 2002, 126).

Wie aus Abschnitt 2.3.6 deutlich wurde, geht die aktuelle Forschung davon aus, dass nicht nur ein Input berücksichtigt wird. Da man aber annimmt, dass das Frequenz-Verhältnis der relevanten Inputdaten eine wichtige Rolle beim Spracherwerb spielt, bedeutet dies in jedem Fall, dass die fremde Sprache im Umfeld der Kleinkinder relativ stark auftreten musste. Generativ ausgerichtete Untersuchungen, die den lateinisch-französischen Syntaxwandel aufgrund einer Sprachkontaktsituation erklären, gibt es meiner Kenntnis nach bislang nicht. Allerdings liegen Erkenntnisse zu alten germanischen Sprachstufen vor, die die Annahme unterstützen, dass der Kontakt mit einer anderen Sprache durchaus zu einem Stellungswandel der Satzgliedstruktur bzw. zu einem Reanalyseprozess der syntaktischen Grundstruktur führen kann. In der bereits erwähnten Arbeit von Trips (2002) wird gezeigt, dass der Wandel im

2.3 Syntaktischer Sprachwandel und V2-Syntaxwandel

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Mittelenglischen hin zu einer V-O-Struktur auf skandinavischen Einfluss zurückzuführen ist. Zwischen dem achten und zehnten Jahrhundert siedelten Skandinavier in verschiedenen Teilen von Großbritannien, was eine intensive Kontaktsituation hervorrief. Sprachlich zeigt sich dies durch einen großen Reichtum an Lehnwörtern in frühmittelenglischen Texten. Trips (2002, 75) vermutet deshalb, dass die nordische Sprache einen starken Einfluss auf das Englische in den Siedlungsgebieten hatte und aus diesem Grund auch ihre V-O-Syntax sowie andere syntaktische Phänomene (V2 bzw. stylistic fronting) dorthin «mitbringen» konnte. Dies scheint sich dadurch zu bestätigen, dass Texte aus denjenigen Regionen, die damals besonders dicht besiedelt waren (West Midlands, Northeast Midlands), eine höhere Frequenz an zugrundeliegenden V-O-Strukturen aufweisen als Texte anderer Regionen (Southeastern Midlands). Frequenzielle Differenzen im Auftreten von O-V bzw. dann V-O bei verschiedenen Dialekten ergeben sich demnach durch die unterschiedliche Besiedlung Großbritanniens (Trips 2002, 117–118). Trips sieht den parametrischen Wandel von O-V zu V-O durch den Erwerb der fremden Sprache bedingt, der erst bei den Erwachsenen als L2-Erwerb eingesetzt haben muss und später von deren Kindern als L1-Erwerb übernommen wurde: «I assume that it is an instance of contact induced language change which was due to imperfect learning of the invaders’ language by the native English speakers. This implies that this is a case of second language acquisition where adult speakers learn the foreign language imperfectly and pass certain features of this foreign-influenced language on to their children who are, however, native speakers of this language. [...] During the process of first language acquisition, these children adopted the interference features of their parents and spread these ‹innovations› to others» (Trips 2002, 118).

Im Gegensatz zu diesem Vorschlag wurde auch angenommen, dass Kinder damals zunächst bilingual waren und beide Sprachen getrennt voneinander erwarben (cf. Kaiser 2002, 126).139 Wie diese Phase des Bilingualismus im Einzelnen ausgesehen haben könnte, lässt sich schwer nachzeichnen. Hinsichtlich des französisch-deutschen Grenzgebiets (Lothringen und Saarland) scheint es allerdings wahrscheinlich, dass Zweisprachigkeit bestand, auch wenn die sprachliche

139 Im Verständnis der traditionellen generativen Bilingualismusforschung heißt das, dass die entsprechenden Parameter für jede Sprache getrennt erworben und auf einen unterschiedlichen Wert festlegt wurden (Meisel 1993, 2001; Köppe 1997). Innerhalb moderner generativer Theorien gilt die Annahme einer Parameterfixierung jedoch als überholt. Aus kognitionslinguistischer Sicht wird bilingualer Spracherwerb durch einen allmählichen, aber von Beginn an getrennten Erwerb von zwei Sprachsystemen erklärt, dem der Erwerb grundlegender kognitiver Fähigkeiten vorangeht, bzw. mit diesem einhergeht (cf. Dietrich 2007, 118–124).

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Realität im Frühmittelalter recht kompliziert war. Pfister äußert sich hierzu folgendermaßen:140 «Vielleicht könnte man von einer bilingualen Zone sprechen, die – je nach Gegend – früher oder später in monolinguale Räume aufgelöst wurde, ein geflecktes Sprachkartenbild mit zahlreichen romanischen Sprachinseln im heute germanischen Sprachgebiet, sowie mit germanischen Vorposten, die sich nicht halten konnten und von den Romanen absorbiert oder reromanisiert wurden» (Pfister 1995, 62).

Und weiter: «Von eigentlicher Sprachgrenze zur Merowingerzeit kann man kaum sprechen. Die Siedlungen beherbergten vermutlich entweder vorwiegend germanische Bevölkerung, oder es waren Mischsiedlungen, in welchen den ansässigen Romanen unter einer germanischen Oberschicht meistens eine untergeordnete Rolle zukam – wenigstens an den strategisch bedeutsamen Orten und im Bereich der fruchtbaren Ackerbaugebiete. Die romanischen Enklaven waren jedoch nicht willkürlich, sondern nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten verteilt. Im 7. Jahrhundert dürften die nach Südwesten vordringenden Franken im Bereich der bewaldeten Anhöhen und Seengebiete zwischen Maas und Rhein auf vereinzelte Romanensiedlungen gestoßen sein (z. B. Tarquimopl, Dieuze), Romanensiedlungen, die sich im Umkreis von Metz verdichteten. Sofern die ansässigen Romanen nicht gewillt waren, eine fränkische Oberherrschaft anzuerkennen, wurden sie in abgelegene und weniger fruchtbare Gebiete abgedrängt und konnten dort noch während mehreren Generationen ihr Romanentum weiter bewahren (Pfister 1985, 284)» (Pfister 1995, 65).  

Nach Pfister (1995, 62) ist trotz des «Fleckenteppichs» davon auszugehen, dass nach der fränkischen Siedlungsnahme mit verschiedenen Formen der Zweisprachigkeit in der Merowinger- und der frühen Karolingerzeit zu rechnen ist. Aufgrund der historischen Kenntnisse über die Siedlung der Franken in ganz Nordfrankreich ist außerdem zu vermuten, dass ähnliche Siedlungsverhältnisse auch südwestlich und westlich der Maas – also in den Entstehungsgebieten der Reimund Prosachroniken des hier verwendeten Korpus (cf. 1.2.2 und 1.2.3) – vorherrschten. Welche Intensität oder Form der Zweisprachigkeit dort bestand, lässt sich im Rahmen dieser Arbeit allerdings nicht weiterverfolgen, ebenso wenig wie die Frage, ob damals aufgrund des fränkischen Einflusses syntaktische Unterschiede zwischen den romanischen Sprachen im östlichen Grenzgebiet (Lothringen) und den westlicheren Siedlungsräumen (Champagne und Picardie) bestanden. Zumindest zeigt sich, dass einige Jahrhunderte später in der schriftlich

140 Pfister (1995, 63–65) begründet die Annahme einer bilingualen Zone durch die Siedlungskontinuität in dem Gebiet zwischen Rhein und Maas, die etwa durch archäologische Befunde oder landwirtschaflich-bäuerlichen Wortschatz (u. a.) nachgewiesen werden konnte.  

2.3 Syntaktischer Sprachwandel und V2-Syntaxwandel

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fixierten Sprache keine relevanten Differenzen in der Syntax bzw. Satzgliedstruktur zwischen dem Lothringischen und dem Pikardischen auftreten.141 Dies lässt darauf schließen, dass, selbst wenn im Grenzgebiet eine intensivere Form der Zweisprachigkeit bestanden hatte als in den westlichen Gebieten, dieser Unterschied nicht so groß gewesen sein kann, dass er Auswirkungen auf die Satzgliedstruktur hatte. Wenn man die Bilingualismus-Theorie unterstützen möchte, ist also zu schlussfolgern, dass fränkisch-romanischer Bilingualismus im gesamten nordfranzösischen Siedlungsraum so groß war, dass er die romanische Syntax dort beeinflusste.142 Weitere Thesen zu dieser Theorie können aus der Spracherwerbsforschung abgeleitet werden: In mehreren Arbeiten zum Spracherwerb deutscher Kinder wurde gezeigt, dass die Syntax des Deutschen, also V2-Stellung, eine recht schwer zu erwerbende Satzstruktur ist, die erst relativ spät erlernt wird. Nach den Ergebnissen von Clahsen (1982) und Clahsen, et al. (1996) ist davon auszugehen, dass monolinguale deutsche Kinder das finite Verb im Alter von bis ca. 2,7 Jahren nicht nur in die zweite Satzposition stellen, sondern auch in die dritte oder sogar in die letzte, die keine größeren Erwerbsprobleme darstellt. Auch die Angaben von Schmitz (2002) bestätigen dieses Ergebnis: Die nicht-zielsprachliche V>2Stellung erweist sich bis zum Alter von ca. 2,7 Jahren sogar als dominante Struktur und wird erst danach – dann allerdings rapide – seltener. Im Alter von 3 Jahren ist sie fast gänzlich verschwunden und es treten vermehrt V-S-Muster auf. Hieraus wurde der Schluss gezogen, dass die typischen Eigenschaften einer V2Grammatik (u. a. Inversion des Subjekts) erst spät umgesetzt werden können und V2-Stellung demnach nur langsam erworben wird (cf. Müller, et al. 2006, 120).143  

141 Dies wurde anhand einer vergleichenden Analyse einiger lothringischer und pikardischer Urkunden aus dem beginnenden 13. Jahrhundert von mir überprüft. Die pikardischen Urkunden sind Gysseling (1949, 190–210) entnommen. Es handelt sich um Urkunden aus der Gegend von Arras, Douai und Cambrai (Urkunden 3, 5, 7, 28). Zu den verwendeten lothringischen Urkunden siehe (Frank)-Job/Hartmann 1997, vol. 4; Nr. 71.373, 71.376, 71.386, 71.393). Natürlich kann die Urkundensprache nicht als Zeugnis der unterschiedlichen nähesprachlichen Varietäten angesehen werden, allerdings ist sie als «Gebrauchsprosa» der allgemeinen Sprachform damals vermutlich doch deutlich näher als literarische Texte, «sie ist – zumindest in den ersten Dezennien des 13. Jh. – noch wenig formelhaft [...]» (Drüppel 1984, 2). 142 Die Frage, wie aus einer Situation des Bilingualismus letztlich wieder eine des Monolingualismus wurde, ist für die in dieser Arbeit untersuchte Fragestellung weniger relevant und kann aufgrund des begrenzten Rahmens der Arbeit nicht weiter verfolgt werden. 143 Im Rahmen der jüngeren generativen Diskussion wurde entsprechend dieser Ergebnisse interpretiert, dass in einer Anfangsphase des L1-Erwerbs noch keine CP-Projektion vorhanden ist (cf. für einen Überblick Vainikka/Young-Scholten 2011, 87ss.). Es besteht die Annahme, dass in diesem Stadium nur eine unterspezifizierte funktionale Projektion FP (Clahsen 1991) bzw. TP (Vainikka/Young-Scholten 2011) erworben werden kann. Für das erste Erwerbsstadium sind also

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Italienische Kinder hingegen stellen das finite Verb von Beginn an in die richtigen Position nach dem Subjekt, was vermuten lässt, dass sie keine Schwierigkeiten bei der Positionierung des finiten Verbs haben und diese kognitiv einfacher zu realisieren ist. Die deutsche Satzgliedstruktur scheint also schwerer zu erlernen als die romanische, oder allgemeiner formuliert: Eine flexible Satzgliedstellung (wie die deutsche) bereitet im Erwerb größere Probleme als eine vergleichsweise rigide (wie die italienische). Um diesbezüglich nun auch externen Spracheinfluss oder den Einfluss von Bilingualismus bewerten zu können, haben Müller, et al. (2006, 120–122) untersucht, wie sich dieses Ergebnis verändert, sofern nicht monolingual, sondern bilingual aufwachsende Kinder (Deutsch-Italienisch) betroffen sind. Es zeigt sich, dass deutsche monolingual aufwachsende Kinder größere Schwierigkeiten haben, die Satzstruktur (u. a.) des Deutschen zu erwerben als bilingual aufwachsende Kinder (Deutsch-Italienisch). Die Kenntnis der romanischen (IP-)Sprache scheint das Erlernen der deutschen (CP-)Sprachstruktur zu erleichtern (selbst unter der Annahme, dass die zwei Sprachsysteme von Beginn an getrennt voneinander erlernt werden).144 Zu diesem Ergebnis kam auch schon Meisel (1986, 1989) hinsichtlich bilingualer deutsch-französischer Kinder. Seine Untersuchung zeigt, dass die von monolingual aufwachsenden deutschen Kindern verwendete nicht-zielsprachliche V>2-Struktur bei den deutsch-französischen Kindern überhaupt nicht auftritt. Übertragen auf die Situation im Mittelalter lassen diese Erkenntnisse nun folgende Vermutungen zu: Bei ausreichendem Input in der Erwachsenensprache – der erst nach mehr als einer Generation gegeben sein konnte, da sich das Fränkische und die nordfranzösischen Dialekte erst in der Erwachsenenkommunikation  

die folgenden Strukturen zu erwarten: VP, NegP, und TP. AgrP und CP sind noch nicht vorhanden, da verschiedene CP-Eigenschaften und Agreement nur im Einzelfall auftreten, aber noch nicht wirklich produktiv sind: «[...] the lack of an AgrP corresponds to the missing agreement paradigm, and the lack of the CP corresponds to the non-occurrence of various CP-related constructions such as questions and embedded clauses» (Vainikka/Young-Scholten 2011, 94). CP ist erst dann erworben, wenn Agreement erworben wurde und spezifisch CP-Eigenschaften in der Sprache der Kinder auftreten: Objekt-Topikalisierung, (argument)wh-Fragen, Nebensätze mit subordinierenden Konjunktionen: «Theses are constructions which emerge shortly after the point at which the agreement paradigm is acquired, or simultaneously or shortly after the acquisition of V2 in matrix clauses [...]» (Vainikka/Young-Scholten 2011, 99). 144 Die aktuelle Spracherwerbsforschung (Müller 1998; Hulk und Müller 2000, 2001; Müller, et al. 2006), geht nicht mehr davon aus, dass eine frühe Sprachtrennung stattfindet, die gegenseitige Beeinflussung ausschließt, sie schließt aber auch aus, dass die Systeme im Spracherwerb zunächst nicht getrennt sind. Aus heutiger Sicht scheint vielmehr die Annahme plausibel, dass bilingual aufwachsende Kinder früh die beiden Sprachsysteme trennen und gleichzeitig (zeitweise) Spracheinfluss auftreten kann.

2.3 Syntaktischer Sprachwandel und V2-Syntaxwandel

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durchwoben haben müssen (dies geht nur, wenn beide auf dem jeweils anderen Territorium prestigeträchtig waren) – könnte der Erwerb germanischer Satzstrukturen durch eine romanische Basis womöglich erleichtert worden sein. Da es sich im Fall des späten Lateins (vermutlich (S)-V-O/(S)-O-V) aber nicht um denselben Sprachtyp handelt wie im Fall des Italienischen ([S]-V-O) oder Französischen (S-VO), sondern um einen Typ, in dem vermutlich noch V>2-Sätze Bestandteil der Erwachsenensprache waren, bleibt die Hypothese einer Spracherwerbserleichterung meiner Meinung nach äußerst fraglich. Hier könnten Ergebnisse aus der Bilingualismusforschung bei Kindern mit V2-Sprache und einer Sprache mit gemischter Struktur (S-V-O, S-O-V, V-S) hilfreich sein.

2.3.8 Zur Relevanz von Diskurstraditionen im Prozess des Sprachwandels Im letzten Abschnitt, der das Thema Sprachwandel behandeln soll, möchte ich auf die Rolle der Diskurstraditionen im Prozess sprachlicher Veränderung eingehen. Unter Berücksichtigung dieser Dimension soll aufgezeigt werden, dass Sprachwandel als komplexer Vorgang der Aufnahme, Verbreitung, Etablierung und Weitergabe einer Innovation angesehen werden muss, in dem der kindliche Spracherwerb nur einen Aspekt unter mehreren darstellt.145 Zunächst scheint es evident, dass unter den bereits vorgestellten Theorien zu Sprachwandel all diejenigen Theorien eine Berechtigung haben, die keine adhoc-Veränderung postulieren, sondern von einem sich langsam entwickelnden kontinuierlichen Wandelprozess ausgehen. Sie können das Spätlatein und das Altfranzösische demnach als eine Phase beschreiben, in der sich dieser Prozess vollzieht. Dies ist meines Erachtens nach richtig, denn es wird noch zu zeigen sein, dass das Altfranzösische nicht nur die V2-Stellung als einzig mögliche Syntaxstruktur besaß und sich diese demnach nicht von einer Generation auf die andere fixierte. Welcher dieser Theorien man sich allerdings im Einzelnen anschließen möchte, soll hier nicht grundsätzlich die Frage sein. Ein ganz anderer Aspekt scheint mir viel wichtiger: Die Frage, auf welchen Ebenen des Sprachlichen sich der Wandel überhaupt vollzieht. Ich greife hier nochmals auf die bereits dargestellte Theorie von Coseriu (1980, 2007) – und ihre Weiterentwicklung von Koch (1987) – zurück, nach der wir neben der Sprache im Allgemeinen (der universalen Sprachtätigkeit) die Ebene der Einzelsprachen (und nach Koch 145 Im Rahmen generativer Theorien wird diese Komplexität zwar durch die Unterscheidung von einem Wandel in der Sprechergemeinschaft und einem Wandel im Individuum (nur letzterer ist parametrisch) thematisiert, aber meist nicht genügend berücksichtigt. Im Fokus der generativen Sprachwandeltheorie steht ausschließlich der parametrische Wandel.

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2 Zur V2-Eigenschaft und zum V2-Syntaxwandel

der Diskurstraditionen) und weiterhin auch die Ebene der Texte oder Diskurse unterscheiden müssen. Was den Sprachwandel betrifft, ist festzuhalten, dass dieser immer auf der letzten Ebene beginnt, auf der Ebene der Diskurse, verstanden als aktuelle Äußerungsformen (cf. Koch 2005, 248s.). Eine sprachlich neue Form, die eventuell später zu einer Veränderung führt, zeigt sich zunächst ausschließlich in der aktuellen, i.e. konkret realisierten mündlichen oder schriftlichen Äußerung. Sie tritt niemals sofort als nicht-aktuelle Form, i.e. als Element des einzelsprachlichen Systems (in der Grammatik oder im Wortschatz) auf. Dies lässt sich leicht nachvollziehen, wenn wir an das Auftreten neuer Modewörter (wie etwa Selfie) denken, die uns zunächst nur vereinzelt in konkreten Diskursen begegnet sind und uns erst einige Zeit später im Duden erklärt wurden. Entscheidend im Prozess der Aktualisierung einer Innovation ist, dass die Sprecherintention niemals auf Sprachwandel gerichtet ist, «sondern stets nur auf konkrete Ausdrucksbedürfnisse und pragmatische Ziele im einzelnen Sprechakt» (Koch 2005, 248).146 Ob eine Wiederholung der Innovation fruchtbar ist, hängt in erster Linie von der Akzeptanz des Kommunikationspartners ab. Dieser akzeptiert nur dann, «wenn der Bruch mit den einzelsprachlichen Traditionen nicht zu radikal ausfällt» (Koch 2005, 248). Tritt nun die realisierte Innovation – in unserem Fall die syntaktische Neuheit – immer wieder über einen gewissen Zeitraum hinweg in vielen Äußerungen desselben Diskurstyps auf, kann sie eine Generalisierung und letztlich eine Tradition herausbilden. Sie ist dann «typisch» und somit charakteristisch für diesen Diskurstyp und entwickelt sich zu einem Bestandteil von diesem. Auch dies lässt sich am Beispiel von diskursgebundenen Modewörtern veranschaulichen. Das seit einigen Jahren in der Bedeutung von «Freund» bzw. «junge männliche Person»147 verwendete Wort «Alter» wurde zu einem charakteristischen Merkmal spezifischer jugendsprachlicher Diskurse, wie etwa der Begrüßung, des Lobs oder des Ausrufs des Erstaunens («Alter, was geht?», «Gut man, Alter!», «Boa Alter!», «Alter, was is los/was geht?», «Alter!»). Diese semantische Innovation hat sich nur in geringem Maße über die jugendsprachlichen Diskurse hinaus verbreitet – aber sie tritt mittlerweile in erwachsenensprachlichen Diskursen auf!148 – und sie scheint sich auch dort nicht überall durchgesetzt zu haben.

146 Pragmatik und Ausdrucksbedürfnisse können sich vor allem bei Sprachkontaktsituationen ändern und das Einführen von Innovationen begünstigen (cf. 2.3.7). 147 Duden online: http://www.duden.de/rechtschreibung/Alter_Person_alter_Mensch 148 Meine Einschätzung, dass sich die diskursgebundenen Ausrufe «Boa Alter!», «Alter!» oder «Alter, was is los/was geht?» auch bei älteren Generationen (30- bis 45-jährige) durchgesetzt hat, geht auf Beobachtungen im Alltag zurück. Ich konnte diese allerdings nicht durch eine Studie überprüfen.

2.3 Syntaktischer Sprachwandel und V2-Syntaxwandel

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Dennoch zeigt sie, dass der Weg der Verbreitung einer sprachlichen Innovation über einzelne spezifische Diskurse geht und dass auch die Generalisierung der Innovation zunächst nur in spezifischen Diskursen möglich ist. Verbreitung und Generalisierung sind also an Diskurstypen und im Laufe der Zeit an deren Diskurstraditionen gebunden. Jede Übernahme der Innovation in einen weiteren Diskurstyp erfolgt über den diskurstraditionellen Kanal, i.e. über das «Kopieren» der Innovation als einen bereits etablierten Bestandteil eines Diskurstyps in einen neuen Diskurstyp. Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass nicht einfach das Wort «Alter» in seiner neuen Bedeutung wahllos übernommen wurde, sondern beim Übertragen in erwachsenensprachliche Diskurse die entsprechenden Diskurskontexte (wie etwa das Erstaunen beim Ausruf) und die Konstruktion als ganzes («Alter, was is los?», «Boa Alter» etc.) mit übernommen wurden. In diesem Sinne können Diskurstraditionen also als «privilegierte Bereiche der Manifestation von Übernahmen sprachlicher Innovationen» (Frank-Job 2005, 186) bezeichnet werden. Findet die sprachliche Neuerung letztlich in sehr vielen verschiedenen Diskurstypen Anwendung und insbesondere in sehr vielen Diskurstypen des alltäglichen Lebens, dann ist sie Teil des allgemeinen Sprachgebrauchs geworden und der Schritt zum Eingang in die Einzelsprache ist nicht mehr weit (sofern eine Einzelsprache überhaupt existiert). Die Übernahme in die Einzelsprachen erfolgt demnach in der Regel immer in Etappen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass diesem letzten Schritt der Übernahme ein enormer Verallgemeinerungsprozess vorausgehen muss, der nicht einfach zu erklären ist.149 Eine zentrale Rolle hierbei spielt sicherlich der kindliche Spracherwerb und das Festsetzen sprachlicher Neuerungen bei der nächsten Generation. Allerdings muss, damit der Erwerb überhaupt von Relevanz für den Veränderungsprozess sein kann, die Innovation bereits in den kindbezogenen Diskursen etabliert sein und zu deren Diskurstraditionen gehören. Sofern dies der Fall ist, kann die Innovation mit den erlernten Diskursen und deren Diskurstraditionen übernommen werden. Nur dann ist Spracherwerb relevant für den Prozess des Sprachwandels. Sind jedoch Diskurse von einer Innovation betroffen, die im kindlichen Erwerbsalter keine Rolle für das Kind spielen – in der Regel sind dies distanzsprachliche Diskurse und nähesprachliche Diskurse der «Erwachsenenwelt» – ist Spracherwerb von Sprachwandel eindeutig zu trennen.

149 Nach Gleßgen (2005, 210–214) stellt das Diasystem hier eine entscheidende Größe dar, da sich diaphasische Varietäten erst auf der Grundlage prototypischer Elemente einzelner Diskurse bzw. dann Diskurstraditionen herausbilden und also letztlich über die Diaphasik der Übergang in die Einzelsprache möglich ist.

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Ein Wandel, der sich in nähesprachlichen Diskursen entwickelt (und bei dem auch der kindliche Spracherwerb eine Rolle spielt), wird von der einschlägigen Forschung als Wandel von «unten» beschrieben (cf. Jacob/Kabatek 2001; FrankJob 2005; u. a.). Von diesem abzugrenzen ist Sprachwandel von «oben», der seinen Ausgangspunkt bei der Distanzsprache nimmt. Auch er verläuft in Etappen und ist in der Regel über einen längeren Zeitraum auf spezifische distanzsprachliche Diskurse begrenzt, bevor er sich ausbreitet.150 Im Hinblick auf die alte Romania ist zu berücksichtigen, dass Innovationen in der Distanzsprache vermutlich ursprünglich der Nähesprache und Mündlichkeit zuzuschreiben sind, und in der Distanzsprache sozusagen «gefiltert» auftreten (cf. Frank-Job 2005, 187). Dies bedeutet letztlich, dass die ersten, heute erhaltenen, romanischen Diskurstraditionen, die ja distanzsprachliche Diskurstraditionen waren, die Übernahme (nähe)sprachlicher Neuerungen nicht nur manifestieren, sondern dass sie an deren Verbreitung maßgeblich beteiligt waren. Sie leisteten somit letztlich den distanzsprachlichen Ausbau der Sprache und können deshalb als «der privilegierte Ort des Wandels ‹von oben›» beschrieben werden (Frank-Job 2005, 186). Es ist davon auszugehen, dass sowohl der Wandel von «unten» (und damit auch der Spracherwerb) als auch der Wandel von «oben» entscheidend für das Durchsetzen einer sprachlichen Neuerung im System einer Einzelsprache sind.  

2.3.9 Fazit zu syntaktischem Sprachwandel In den einzelnen Abschnitten dieses Kapitels wurden verschiedene Theorien über syntaktischen Sprachwandel (und teilweise über Syntaxerwerb) vorgestellt und auf die Situation im lateinisch-romanischen Mittelalter bezogen. Darüber hinaus habe ich dargestellt, dass vermutlich der Sprachkontakt mit den germanischen Volksstämmen dazu geführt hat, dass die in den einzelnen Theorien postulierten Wandelprozesse überhaupt eintreten konnten. Im letzten Abschnitt wurde die Relevanz von Diskurstraditionen im Sprachwandelprozess erläutert. Es wurde dargestellt, dass eine sprachliche Neuerung ausgehend vom konkreten Diskurs Eingang in die Diskurstradition finden kann und sich über diese verbreitet und in weitere Diskurse und deren Traditionen vordringt. In Bezug auf den kindlichen Spracherwerb wurde festgehalten, dass dieser nur dann relevant für den Wandel

150 Die Summe aller distanzsprachlichen Diskurstraditionen, die sich in gesellschaftlich von hohem Prestige gekennzeichneten Sprechergruppen ausbilden, stellen letztlich die Basis zur Ausbildung einer allgemein gültigen überdachenden Norm dar (cf. Frank-Job 2005, 182).

2.3 Syntaktischer Sprachwandel und V2-Syntaxwandel

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sein kann, wenn die Innovation sich bereits in kindbezogenen Diskursen etabliert hat.151 Entscheidend für diese Arbeit ist die Tatsache, dass eine Veränderung nicht in allen Diskursen zur gleichen Zeit stattfinden kann, sondern mit unterschiedlichem Tempo vordringt, wenn sie überhaupt den Weg bis in die Einzelsprache schafft. Manche Diskurse sind resistenter gegenüber sprachlichen Innovationen oder halten länger an alten Mustern und Formen fest. Dass dies auch auf spezifische Diskurse im Mittelalter zutrifft, wird in der vorliegenden Arbeit noch zu zeigen sein.152

151 Was den romanisch-germanischen Sprachkontakt im Mittelalter betrifft, ist durchaus denkbar, dass in einer ersten Phase die kleinkindbezogenen Diskurse zunächst gar nicht von der sprachlichen Kontaktsituation und der Möglichkeit zur Entstehung sprachlicher Innovation beeinflusst waren. 152 In einer früheren Arbeit (cf. Varga [2011] 2014, 350) bin ich davon ausgegangen, dass keine ganzheitliche Verbreitung von V2-Stellung über die Diskurse in die Einzelsprache stattfand, sodass sich folglich keine «strenge» V2-Eigenschaft etablieren konnte. Dieser Ansicht bin ich auch heute noch, da das Vorkommen von spezifischen V>2- und V1-Strukturen im Altfranzösischen nicht dafür spricht, dass sich eine «strenge» V2-Eigenschaft durchsetzte (cf. hierzu Kapitel 4 und 5). Allerdings gehe ich heute davon aus, dass sich die V2-Struktur dennoch in alle Diskurse hinein ausbreitete und Bestandteil des allgemeinen Sprachgebrauchs war.

3 V>2-Strukturen: Befunde und Klassifizierung Im folgenden Kapitel wird das Auftreten von V>2-Strukturen des Altfranzösischen diskutiert und bewertet. Ich beginne mit einem Überblick über statistische Erhebungen zur V>2-Stellung (3.1) und schließe daran einige Gedanken zur Entwicklung von V>2-Strukturen im Kontext des lateinisch-französischen Syntaxwandels an (3.2). Es folgt ein Forschungsüberblick, in dem alle einschlägigen Argumente für die Existenz von V>2-Stellung im Altfranzösischen präsentiert und besprochen werden (3.3). Eine Klassifizierung aller im alten und modernen Germanischen und Französischen möglichen V>2-Typen (3.4) bietet die Grundlage für das darauf folgende Kapitel, für die Analyse verschiedener Formulierungstraditionen, denen alle einschlägigen V>2-Satztypen zugrundeliegen.

3.1 Statistische Befunde Die durch die zahlreichen Untersuchungen der vergangenen Jahrzehnte so umfangreich gewordene Datengrundlage zur altfranzösischen Satzgliedstruktur liefert ein klares Ergebnis: V2-Stellung ist in allen bisher untersuchten Texten eindeutig die dominante Satzstruktur. Dennoch gibt es in der Mehrheit dieser Texte immer auch Sätze, in denen das Verb die dritte, seltener auch die vierte oder fünfte Position einnimmt.1 Die zum Teil recht unterschiedlichen Ergebnisse der statistischen Analysen werfen allerdings die Frage auf, wie hoch der prozentuale Anteil dieser Sätze insgesamt ist. In diesem Zusammenhang steht auch die Frage, anhand welcher Kriterien man die Erhebungen überhaupt durchführt. Kritisiert wird diesbezüglich die Auswertung von Roberts (1993), in der von sechs altfranzösischen Texten jeweils die ersten 100 Hauptsätze mit lexikalischem Subjekt analysiert sind. Roberts (1993, 95) erlangt für V>2-Stellung relativ niedrige Prozentzahlen, die seiner Meinung nach gerade für die rigidity of the V2 constraint des Altfranzösischen sprechen: 4% im Rolandslied, 0% im Le Charroi de Nimes, 3% im Tristan, 16% im Perceval, 6% im Aucassin et Nicolete und 4% im Merlin. An diesem Ergebnis wird zum einen die Tatsache kritisiert, dass die für den Perceval errechneten 16% bereits einen recht hohen Anteil an V>2-Strukturen ausmachen, wenn man voraussetzt, dass die zugrunde liegende Grammatik diese Strukturen überhaupt nicht zulassen kann (cf. Kaiser 2002, 77). Zum anderen wird bemän1 Bei den Zählungen werden Elemente mit syntaktischem Nullwert (unbetonten Objektpronomen u. a.) üblicherweise ausgeschlossen. Aus diesem Grund macht die Tatsache, dass sich die Verbposition ausschließlich an den syntaktisch vollwertigen Satzelementen ausrichtet, die Befunde nur noch evidenter.  

DOI 10.1515/9783110536591-004

3.1 Statistische Befunde

207

gelt, dass Roberts offensichtlich nur Fälle mit postverbalem Subjekt als tatsächliche V>2-Strukturen behandelt (cf. Kaiser 2002, 79). Kaiser (2000, 16s.) kommt bei einer erneuten Auswertung der ersten 100 Hauptsätze des Rolandslieds, in die er – im Unterschied zu Roberts – alle präverbalen Subjekte mit einbezieht, zu einem Ergebnis von 15%, anstatt den von Roberts angegebenen 4%. Auch bei seiner eigenen Untersuchung der Quatre Livres des Reis erzielt er einen relativ hohen prozentualen Anteil an V>2-Sätzen von insgesamt 16,5% bzw. 10,9% nach Ausschluss gereimter oder assonierender Textpassagen (cf. Kaiser 2002, 136). Wie bereits erwähnt (2.2.3.2), versteht Kaiser diese Zahlen als Indiz dafür, dass das Altfranzösische keine V2-Sprache ist, da ein häufiges Auftreten von V>2-Strukturen mit den Beschränkungen einer V2-Grammatik (Restriktion der CP-Rekursivität) nicht vereinbar sein könne. Ein statistisches Ergebnis zum gesamten Rolandslied gibt die Untersuchung von Marchello-Nizia (2000, 6). Hier wird ein V>2-Vorkommen von 11% errechnet (gewonnen aus 1090 Deklarativsätzen), wobei Strukturen mit initialen Konjunktionen und Satzadverbien von der statistischen Erhebung ausgeschlossen bleiben (cf. Marchello-Nizia 2002, 9).2 In einer Studie zur Passion de Clermont (Ende 10. Jh.) und zum Alexiuslied (Mitte des 11. Jh.) kommen Rouquier und Marchello-Nizia (2012) auf ein erstaunliches Ergebnis von 60,71% (Passion) und 7,14% (Alexius). Auch wenn es in dieser Untersuchung ausschließlich um Strukturen mit präverbalen Subjekten und Objekten geht und V>2-Strukturen daher nicht in vollem Umfang ausgewertet sind, ist der prozentuale Unterschied zwischen den zwei Texten frappierend.3 Die Autorinnen sehen darin den Beweis für ein Übergangsstadium, das sich in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts (zwischen der Passion und dem Alexius) durch einen rasanten Wechsel von einer S-O-V-Syntax zu einer S-V-O-Syntax auszeichnet (146). Die Arbeit mit größeren Korpora wie dem Corpus d’Amsterdam oder dem Syntactic Reference Corpus of Medieval French erbrachte in jüngster Zeit statistische Auswertungen (cf. Becker 2005; Prévost, et al. 2012), die das Spektrum der bisherigen Textbasis nochmals deutlich erweiterten. So liegen mit der Untersuchung von Prévost, et al. (2012) inzwischen die Ergebnisse für V>2-Strukturen im Béroul, Coinci, Aucassin, Clari und dem Graal vor.

2 In einem weiteren von Marchello-Nizia (2000) untersuchten Text, der Queste, wird der prozentuale Anteil – bei 1728 Deklarativsätzen – nur mit très rare angegeben. 3 Von allen Strukturen mit zwei Argumenten gibt es Sn/Sp-On-V in der Passion in 53,57% der Fälle (15 Okkurrenzen), im Alexius in 7,14% der Fälle (3 Okkurrenzen) und im Roland in 9,19% der Fälle (26 Okkurrenzen). Die Struktur mit vorangestelltem Objekt On-Sn/Sp-V gibt es nur in der Passion. Sie macht 7,14% (2 Fälle) aller Sätze mit zwei Argumenten aus.

208

3 V>2-Strukturen: Befunde und Klassifizierung

Abbildung 1 EPV

Structure

2 oder mehr

Total

Béroul

Coinci

Aucassin

Clari

Graal

718 21,7%

473 32,8%

219 21,2%

677 29,0%

679 22,9%

Nach Prévost, et al. 2012, 165 (Tabellenausschnitt)

Diese erstaunlich großen Prozentzahlen für V>2-Stellung sind dem Umstand – und auch dem größten Defizit der Auswertung – geschuldet, dass keine Satztypen unterschieden werden (cf. Prévost 2012, 164). Die gewonnenen Ergebnisse errechnen sich aus Hauptsätzen und verschiedenen Typen von Nebensätzen, und da auch für letztere die Bildung von V>2-Stellungen nicht ausgeschlossen werden kann (cf. Buridant 2000, 747ss.; Kaiser 2002, 144), erhöht sich der prozentuale Anteil automatisch. Allerdings zeigen die Ergebnisse von Sitaridou (2012), dass dieser Anteil nicht besonders hoch ist. Sitaridou wertet ebenfalls den Clari-Text aus, wenn auch nur im Verbund mit zwei weiteren Prosatexten (Médicinaire liégeois und Les Sept Sages4). Anders als Prévost unterscheidet sie zwischen Haupt- und Nebensätzen und kommt so auf ein differenziertes Ergebnis von 15,4% für Hauptsätze (126 Okkurrenzen) und 2,2% für Nebensätze (15 Okkurrenzen). Die betrachteten Ergebnisse lassen sich nur schwer zusammenfassen, da die einzelnen Untersuchungen unterschiedliche Absichten verfolgen und den meisten Auswertungen nur eine – je nach Schwerpunkt getroffene – Auswahl an V>2Strukturen zugrunde liegt. Die Zahlen ergeben daher insgesamt ein recht heterogenes Bild (zwischen 0% und 60%), wobei sich wohl trotzdem ein Mittelwert von rund 10% bis 20% ausmachen lässt. Festzuhalten bleibt, dass V>2 insgesamt selten auftritt, dafür aber konstant. Es handelt sich daher vermutlich nicht um Ausnahmeerscheinungen innerhalb einer strengen V2-Grammatik.

4 Bei dem Médicinaire Liégesois handelt es sich um einen Arzneiaufschrieb, der sich in den volkssprachlichen Passagen eines größeren lateinischen Werks aus dem 13. befindet (das Urmanuskript wird auf das 9. Jh. zurückgeführt). Bei Les Sept Sages de Rome handelt es sich um einen Prosaroman aus dem 12. Jahrhundert.

3.2 Überlegungen zum Auftreten altfranzösischer V>2-Strukturen

209

3.2 Überlegungen zum Auftreten altfranzösischer V>2-Strukturen Die in 2.3 erläuterten Theorien zu syntaktischem Sprachwandel lassen einige Erklärungen für das Auftreten von V>2-Strukturen im Altfranzösischen zu, die im Folgenden knapp erläutert werden sollen. In 2.3.2 wurde dargestellt, dass syntaktischer Sprachwandel im Rahmen des traditionellen generativen Modells als ein Wandel parametrisch festgelegter Eigenschaften verstanden wird. In der Logik dieser Theorie ist davon auszugehen, dass nach der Festlegung des Parameters auf den V2-Wert sämtliche V>2-Strukturen nicht mehr in der Sprache der neuen Generation auftreten dürfen, da der Parameter nur auf [+V2] oder [-V2] fixiert sein kann (cf. Sitaridou 2012, 581). Dass tatsächlich eine vollständige Loslösung von syntaktischen Strukturen im Übergang von einer Generation auf die andere stattfand, wurde allerdings mit Recht in Frage gestellt, da die Datengrundlage alter Texte diese Annahme nicht bestätigt. Es gibt in der Regel keinen abrupten oder relativ abrupten Bruch mit syntaktischen Strukturen.5 Und auch im Fall altfranzösischer oder spätlateinischer V>2-Strukturen scheint diese Vermutung nicht plausibel, da einzelne V>2-Strukturtypen im Verlauf der lateinisch-französischen Sprachentwicklung vermutlich nie vollständig verschwanden (cf. 4.2).6 Die These von einem Stadium mit zwei konkurrierenden Grammatiken scheint weniger problematisch, da das V>2-Vorkommen im Altfranzösischen durch die Koexistenz einer alten lateinischen Grammatik und einer moderneren V2-Grammatik erklärt werden könnte. Wie in 2.3.3 besprochen, war bereits im Fall der altgermanischen Sprachen von competing grammars die Rede, da diese Sprachen nicht nur V2-Sätze, sondern auch V>2-Strukturen zulassen. Allerdings scheint es evidente Unterschiede zwischen den einzelnen Sprachen gegeben zu haben, da nur im Altenglischen und Altsächsischen V>2-Sätze tatsächlich häufig auftreten. Wie dargestellt, wurden diese Sätze als Strukturen mit V-nach-INFLBewegung und IP-Adjunktion analysiert. In Bezug auf die – im Verhältnis relativ seltenen – althochdeutschen V>2-Strukturen gab es in der Vergangenheit dagegen unterschiedliche Erklärungsansätze (cf. Lenerz 1985; Tomaselli 1995, u. a.). Stützt man sich auf jüngere Einschätzungen, ist davon auszugehen, dass diesen  

5 Auch im Rahmen einiger generativer Ansätze wird ein Bruch in Bezug auf die Sprechergemeinschaft relativ gesehen (cf. Fußnote 124 Kap. 2). 6 Allerdings werde ich in Kapitel 4.5.1 auch zeigen, dass es sich bei einem V>2-Typ, der zwischen dem 11. und 14. Jahrhundert in altfranzösischen Texten belegt ist, vermutlich nur noch um ein Relikt alter Schreibtraditionen handelt und nicht mehr um eine im Sprachsystem verankerte Struktur. Dies spricht jedoch nicht gegen die Annahme, dass sich der Wandel im Gebrauch dieser Strukturen in einer Zeit vor dem 11. Jahrhundert über mehrere Generationen hinweg vollzog.

210

3 V>2-Strukturen: Befunde und Klassifizierung

V>2-Sätzen keine IP-Struktur, sondern – vermutlich aufgrund von Reanalyse – eine CP-Struktur zugrunde liegt (cf. Axel 2007, 234).7 Hinsichtlich des Lateins habe ich bereits gezeigt, dass den dort auftretenden V>2-Strukturen eine IPGrammatik zugedacht wurde. Wenn man annimmt, dass die im Altfranzösischen belegten V>2-Sätze Reste einer lateinischen Grammatik darstellen, würde das bedeuten, dass damals neben einer modernen CP-Grammatik – im Bereich der V2-/V1-Sätze – auch eine ältere IP-Grammatik existierte und es tatsächlich zwei Grammatiken gab. Dieses Szenario scheint jedoch nur wahrscheinlich, wenn die lateinischen IP-Strukturen relativ schnell verdrängt werden konnten. Sollten sie über einen längeren Zeitraum hinweg bestanden haben, wäre in einer generativen Argumentationslinie zu vermuten, dass in Analogie zu allen V2-Strukturen auch alle V>2-Sätze als CP-Strukturen reanalysiert wurden (zu einer CP-Analyse der altfranzösischen V>2-Sätze cf. 2.2.3.2).8 Dies wäre dann eine parallele Entwicklung zum Althochdeutschen. Allerdings bleiben diese Überlegungen rein spekulativ, denn sofern nicht ausreichend volkssprachliche Schriftzeugnisse aus der Zeit zwischen dem 5. bis 8. Jahrhundert existieren, ist nicht eindeutig zu klären, wie lange typische lateinische V>2-Strukturen (S-X-V-Stellung) tatsächlich Teil des Sprachsystems waren. Eine weitere Erklärung für V>2-Strukturen im Altfranzösischen ergibt sich durch die bereits erläuterten Annahmen, die innerhalb von optimalitätstheoretischen oder usage-based Ansätzen getroffen wurden. Trotz unterschiedlicher theo-

7 Allerdings scheint eine traditionelle CP-Analyse in einigen Fällen Schwierigkeiten zu bereiten, denn Axel (2007, 222, 226, 234) gibt an, dass das Verb und die initiale XP nicht immer Kopf und Spezifizierer derselben funktionalen C-Position sein können, da einige spezifische Adverbtypen (Satzadverbien in ihrer eigentlichen Bedeutung, temporale und lokale Adverbien) zwischen diese treten können (zu diesen V>2-Strukturen cf. Abschnitt 3.4.2.1). Die Annahme, dass V>2-Sätze des Altenglischen und V>2-Sätze des Althochdeutschen unterschiedliche syntaktische Strukturen aufweisen, erweist sich prinzipiell als problematisch, da erklärt wurde, dass alle altgermanischen Sprachen denselben archaischen Ursprung haben und sich dieser durch Verb-End-Stellung im Hauptsatz auszeichnet (cf. Fourquet 1938, 1974; Fleischer/Schallert 2011, 154). Schallert (2006) und auch Haider (2010a) gehen allerdings davon aus, dass O-V/V-O den Urzustand in den germanischen Sprachen darstellt (cf. Fleischer/Schallert 2011, 308), womit theoretisch sowohl V>2- also auch V2- bzw. S-V-O-Stellung von Beginn an möglich gewesen sein müssten. Da ein gemeinsamer Ursprung nur eine gemeinsame Ausgangsgrammatik erlaubt, setzt also die Existenz von zwei verschiedenen V>2-Strukturen einen Reanalyseprozess bei einer der beiden Strukturen voraus. 8 Wie in Abschnitt 2.3.4 dargestellt, lautet die Annahme zur sprachinternen Entwicklung der lateinisch-französischen Grammatik, dass sich eine CP-Grammatik im Altfranzösischen über lateinische V1-Strukturen entwickelte und dann auf den V2-Bereich überging. Diese Entwicklung ist also Voraussetzung dafür, dass ein Reanalyseprozess im V>2-Bereich überhaupt stattgefunden haben könnte.

3.2 Überlegungen zum Auftreten altfranzösischer V>2-Strukturen

211

retischer Ausrichtung stimmen diese Ansätze darin überein, dass nicht mehrere Grammatiken gleichzeitig existieren, sondern dass innerhalb einer einzigen Grammatik syntaktische Varianz möglich ist. Im Sinne der Optimalitätstheorie wäre davon auszugehen, dass sowohl V2- als auch nicht-V2-Strukturen sehr früh verankert werden können, wenn sie regelmäßig im erwachsenensprachlichen Input existieren und an spezifische (lexikalische) Kontexte gebunden sind. Jede Struktur, die diese Bedingungen erfüllt, wird also – solange sie nicht dominant ist – von den Kindern übernommen, ohne dabei die Grundstruktur der Grammatik zu verändern. Auch ein usage-based Ansatz stimmt mit dem Ergebnis überein, dass V2- oder auch nicht-V2-Strukturen sehr früh erlernt werden, wenn sie regelmäßig im erwachsenensprachlichen Input vorkommen. Allerdings besteht hier eine andere Argumentationslinie: Jede V2- und V>2-Struktur kann vom Kleinkind aktiv in seine Grammatik aufgenommen werden und zu Generalisierungen führen, sofern sie konstant in der Sprache der Eltern gegeben ist und das Kind jung genug ist. Es gibt dabei aber keine Festlegung auf eine internalisierte Grammatik und keine Verletzung dieser Grammatik, sodass eine nicht-kanonische oder seltene Struktur letztlich einfach ein marginaler Bestandteil der erworbenen Grammatik wird. Übertragen auf die Situation vom Latein zum Altfranzösischen lassen sich deshalb folgende Überlegungen anstellen: Auf der Grundlage eines gebrauchsbasierten Modells müsste man argumentieren, dass in einer prä-altfranzösischen Phase der Input an zunächst nicht-kanonischen V2-Sätzen noch sehr gering ist, aber diese Strukturen schon zur erlernten Grammatik gehören. Verstärken kann sich dieser Input erst über einen mehr oder minder langen Zeitraum hinweg – bedingt durch internen Strukturwandel oder externen Einfluss (zu diesen Möglichkeiten cf. 2.3.4 und 2.3.7), sodass aus den nicht-kanonischen letztlich kanonische V2-Sätze werden. Die rückläufigen V>2-Sätze entwickeln sich entsprechend zur nicht-kanonischen Struktur, die aber bis zu einem gewissen Zeitpunkt immer noch Teil der Grammatik ist. Sprachwandel verläuft demnach über mehrere Generationen, da anzunehmen ist, dass sich das Verhältnis von kanonischer und nicht-kanonischer Satzstruktur nur langsam verändert. Auf der Grundlage eines optimalitätstheoretischen Modells müsste man hingegen sagen, dass der Input an V2-Sätzen für jeden (V2-relevanten) Strukturtyp in der präaltfranzösischen Phase so gering gewesen sein muss, dass noch keine grundlegende Veränderung der I-Grammatik eintreten kann. Erst ab einer späteren Phase, in der sich der sprachliche Input durch Faktoren wie externen Spracheinfluss verändert, könnten dann ähnliche Verhältnisse für das Entstehen einer altfranzösischen V2-Mischstruktur geherrscht haben, wie im Fall der von Westergaard untersuchten norwegischen Varietät (cf. 2.3.5); allerdings mit dem Unterschied, dass V>2-Stellung im frühen Altfranzösischen vermutlich noch mit deutlich höherer Frequenz auftritt als heute im Norwegischen (also mit mehr als den

212

3 V>2-Strukturen: Befunde und Klassifizierung

angegebenen 14%).9 Gegen diese Überlegungen spricht zunächst die bereits erwähnte Untersuchung von Sitaridou (2012). Wie Westergaard geht auch Sitaridou (2012, 580) davon aus, dass V>2-Strukturen grundsätzlich auch in einer Sprache mit V2-Grammatik zulässig sind.10 Die Tatsache, dass einige moderne germanische Sprachen die Möglichkeit besitzen, marginal auch andere Strukturen als V2-Strukturen zuzulassen, kann ihrer Meinung nach einerseits als Indiz dafür genommen werden, dass diese Option auch im Altfranzösischen und generell in den altromanischen Sprachen möglich gewesen sein könnte (cf. Sitaridou 2012, 581). Andererseits beziehe sich Optionalität in den modernen V2-Sprachen aber nur auf spezifische Kontexte (bei Deklarativsätzen tritt eine Nicht-V2-Struktur vor allem mit bestimmten Adverbien auf), was in den altromanischen Sprachen nicht der Fall sei, weshalb der Vergleich letztendlich doch kein Indiz für eine Übereinstimmung liefere (581).11 Nach Sitaridou ist das Auftreten einer strukturellen Varianz im Altfranzösischen vielmehr auf eine stärkere Abhängigkeit von der Informationsstruktur zurückzuführen (586). Diese Einschätzung ist sicher richtig, da die Informationsstruktur bei der Wahl der V>2-Syntax unter spezifischen Umständen unbestreitbar eine Rolle spielt (cf. 4.1.4). Dennoch scheint diese Einschätzung nur bedingt zuzutreffen, denn wie im folgenden Abschnitt noch zu zeigen sein wird, verdeutlichen jüngere Analysen (Becker 2005; Vance 2010) und eine im Rahmen meiner Arbeit durchgeführte Erhebung, dass auch im Altfranzösischen (lexikalische) Kontexte auftreten, in denen V>2Strukturen regelmäßig hervorgerufen oder zumindest regelmäßig begünstigt werden. Außerdem zeigt der Vergleich zwischen dem Deutschen und dem Altfranzösischen, dass einige V>2-Strukturen sowohl im Germanischen als auch im Altfranzösischen mit einer V2-Grammatik kompatibel sind (cf. 3.4).

9 Letztendlich stellt sich hier aber die Frage, bis zu welcher Frequenz eines regelmäßigen V>2Vorkommens bei V2-relevanten Strukturtypen noch keine V2-Grammatik besteht. 10 Im Unterschied zu Westergaard ist für sie Optionalität aber mit einer V2-Parameterfixierung vereinbar, da für die Fixierung des Parameters einerseits nur die bereits genannte Frequenz von 30% an V2-relevanten Strukturen erreicht sein muss (cf. 2.3.4), und andererseits marginale Strukturen trotz Fixierung beibehalten werden können, auch wenn sie keine V2-Stellung aufweisen, wobei sie auf eine marginale Struktur des Jüdischen verweist, die über mehrere Jahrhunderte hinweg besteht (cf. Sitaridou 2012, 585–586, Fußnote 20). 11 Nach Sitaridou ergibt sich hieraus die grundlegende Schwierigkeit, eine Erklärung für die Differenz innerhalb der Möglichkeiten für Optionalität zu finden: «if we were to accept that both Old Romance and some Germanic varieties are V2 with optional non-V2 structures, we would still be left to explain why Germanic optionality seems to be triggered by specific words or in specific constructions, whilst in Old Romance the same does not hold» (581).

3.3 Argumente für das Auftreten von V>2-Stellung (Forschungsstand)

213

3.3 Argumente für das Auftreten von V>2-Stellung (Forschungsstand) Schon Herman ([1954] 1990, 269) geht in seiner Untersuchung der Quatre livre des Reis davon aus, dass es mehrere Ursachen für das Vorkommen von V>2-Strukturen im Altfranzösischen gibt. V>2-Sätze sind seiner Meinung nach Ausnahmen, die zum einen darauf zurückgeführt werden müssen, dass das Altfranzösische spezifische adverbiale Elemente vor ein präverbales Subjekt auslagern konnte. Zum anderen geht Herman davon aus, dass gewisse V>2-Strukturen auf die Gebundenheit einzelner Textpassagen zurückzuführen sind. Das Verb stehe hier aufgrund seiner reimbildenden Funktion am Versende: «[...] dans plus de vingt cas, en effet, le verbe se place à la fin de la proposition – donc après le sujet et le complément – parce que la terminaison verbale constitue une rime avec une série plus ou moins longue de terminaison verbales du même genre» (Herman 1990, 270). Eine dritte Erklärung für das Auftreten von V>2-Sätzen wird mit der Begründung gegeben, dass es sich um lateinische Überreste handeln müsse, die teilweise der direkten Übernahme des lateinischen Originaltextes geschuldet seien (cf. Herman 1990, 270–271).12 Aus heutiger Sicht scheint es wenig sinnvoll, immer noch von Ausnahmen zu sprechen, da die Untersuchungsergebnisse der vergangenen Jahrzehnte belegen, dass V>2-Stellung in so gut wie allen Texten auftritt (cf. 3.1). Inhaltlich behalten Hermans Erklärungsansätze aber nach wie vor Gültigkeit. Sie finden sich in den meisten bis heute vertretenen Argumentationsmustern wieder, die entsprechend ihrer a) diachronen oder b) gattungsspezifischen Ausrichtung klassifiziert werden können.

3.3.1 Diachrone Perspektive Viele diachrone Erklärungsansätze stimmen darin überein, dass es zwei V>2Typen im Altfranzösischen gab, einen «alten» und einen «modernen». Die als alt bezeichneten V>2-Strukturen werden als Relikte des Lateins verstanden, die sich nur in einer frühen Phase der altfranzösischen Periode halten konnten. Diese Annahme basiert auf Sprachwandeltheorien, die einen allmählichen Entwicklungsprozess vorsehen, der sich in einem sprachlichen Übergangsstadium manifestiert. Die Verschiedenheit altfranzösischer syntaktischer Strukturen wurde demnach als Beleg für ein solches Stadium angesehen, mit V2-Stellung als der

12 Cf. auch die Darstellung von Hermans Argumentation bei Kaiser 2002, 76–77.

214

3 V>2-Strukturen: Befunde und Klassifizierung

damals aktuellen Struktur, V>2-Stellung (S-X-V) als der damals alten Struktur und V>2-Stellung mit détachement des ersten Satzelements (A-X-V) als der damals modernen.13 In einer rein diachronen Perspektive argumentieren Rouquier und Marchello-Nizia (2012) bezüglich der in 3.1 dargestellten Diskrepanz zwischen der Passion (um 1000) und dem Alexiuslied (um 1040), i.e. zwischen einem V>2Vorkommen von 60,71% und einem von 7,14%. Wie bereits gesagt, wird dieses Ergebnis von den Autorinnen als Indiz für einen changement rapide gedeutet, der sich in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts vollzog (146). Die Differenz, die die zwei Texte so deutlich zutage tragen, bezeugt ihrer Meinung nach ein besonders prägnantes Zwischenstadium des typologischen Wandels (cf. 2.3.1), in dem die Reorganisation von O-V zu V-O stattfand, im Fall der Passion aber erst begann, da dort der alte O-V-Typ noch dominierte. Auch in verschiedenen Arbeiten mit phänomenspezifischer Ausrichtung wurde eine diachrone Perspektive gewählt. In diesen Arbeiten geht es darum, einzelne V>2-Strukturtypen genauer zu untersuchen.14 Die Frage ist hier also nicht mehr, ob V>2-Stellung existiert, sondern in welchen – syntaktischen, zeitlichen, diskursiven etc. – Kontexten sie auftritt und warum. Dabei ist von besonderem Interesse, mit welcher Häufigkeit spezifische V>2-Strukturen im Verlauf der vier bis fünf Jahrhunderte der altfranzösischen Periode belegt sind. Auf der Basis des Corpus d’Amsterdam kann Becker (2005, 350) die Frequenz aller V>2-Strukturen erheben, die mit initial auftretenden temporalen und lokalen Adverbien, mit initialen adverbialen Nebensätzen oder mit Konjunktionen belegt sind. Die folgende Tabelle veranschaulicht, dass evidente Unterschiede allein durch den Kontext, i.e. durch das Auftreten unterschiedlicher Adverbien in initialer Position bedingt scheinen: Abbildung 2 Adverbgruppe

V2: Adverb-Verb

V>2: Adverb-Subj V>2: Adverb-Subj V>2: Adverb-Obj (PRON)-Verb (NOM)-Verb (NOM)-Verb

or / ore / ores

3555 (99,4%)

17 (0,48%)

4 (0,12%)

0

lors / lores

1738 (98.6%)

20 (1,13%)

4 (0,22%)

1 (0,05%)

13 Zur bereits mehrfach genannten Struktur mit détachement (bzw. extraposition) cf. Kapitel 2.2.4, 2.3.2–4 und vor allem 3.4.2.5–6 14 Die Tatsache, dass in jüngsten Arbeiten mehrheitlich nur noch phänomenspezifisch gearbeitet wird, lässt sich sicherlich dadurch erklären, dass mittlerweile kein Zweifel mehr daran besteht, dass V>2–Strukturen in so gut wie allen altfranzösischen Texten auftreten, wenn auch zu einem insgesamt geringen Anteil.

3.3 Argumente für das Auftreten von V>2-Stellung (Forschungsstand)

215

Abbildung 2 (fortgesetzt) Adverbgruppe

V2: Adverb-Verb

V>2: Adverb-Subj V>2: Adverb-Subj V>2: Adverb-Obj (PRON)-Verb (NOM)-Verb (NOM)-Verb

puis / puiz / pois

1920 (98,4%)

32 (1,6%)

0

0

ainsi / einsi / ensi 1037 (97,0%)

9 (0,84%)

18 (1,68%)

5 (0,45%)

donc / dunc

706 (95,1%)

22 (2,96%)

14 (1,89%)

0

neporquant

7 (38,89%)

10 (55,56%)

1 (5,56%)

0

Ergebnis der Auswertung des Corpus d’Amsterdam, nach Becker 2005, 350 (leicht abgeändert)

Es zeigt sich, dass V>2-Stellung mit or, lors, puis, ainsi und donc sehr selten auftritt (zwischen 2-Stellung zu begünstigen scheint (>60%). Becker folgert, dass Adverbien wie or, lors, puis, ainsi und donc die These bekräftigen, dass das Altfranzösische eine V2-Syntax verlangt. In 95–99% der von ihm überprüften Fälle tritt V2-Stellung auf. Im Gegensatz dazu scheinen die neporquant-Sätze gegen die V2-These zu sprechen. Becker ist allerdings der Ansicht, dass es sich hier um Strukturen handelt, die keine Verletzung der V2-Grammatik darstellen, da neporquant als subordinierende Konjunktion anzusehen sei: «L’adverbe [neporquant] se comporte, comme le démontrent les résultats que nous avons mis en lumière pour les conjonctions de subordination,15 de manière pas totalement identique mais assez similaire aux connecteurs que et quant. Il semble donc que neporquant soit plutôt ressenti comme conjonction que comme adverbe. En effet, le connecteur est, à chaque fois qu’on le retrouve, parfaitement intégré en tant que relais entre deux propositions» (Becker 2005, 351).

Becker gibt folgendes Beispiel: 1.

a. La fille qui demoree estoit mainz l’ama neporquant ele crut et devint molt bele (Fille Pontieu, 226, zitiert nach Becker 2005, 351). das Mädchen das geblieben war sehr ihn liebte dennoch sie glaubte und wurde sehr schön

15 Beckers Auswertung der Strukturen mit subordinierenden Konjunktionen zeigt, dass das Altfranzösische zwar einen hohen Anteil an V2-Stellung in subordinierten Sätzen aufzeigt, dass es aber nicht als strenge symmetrische V2-Sprache beschrieben werden kann, da im Fall von quant immerhin in 2,2% der Fälle V2-Strukturen: Befunde und Klassifizierung

‘Das Mädchen, das geblieben war, liebte ihn sehr und trotzdem war sie gläubig und wurde eine sehr schöne Frau’ Im Unterschied zu Becker verstehe ich die Tatsache, dass neporquant innerhalb eines Satzgefüges auftreten kann, aber nicht muss (!), nicht als ein Indiz dafür, dass es sich um eine subordinierende Konjunktion handelt. Meiner Meinung nach zeigt dieser Umstand vielmehr einen für einige mittelalterliche Textsorten typischen parataktischen Textaufbau: Zwei autonome Sätze werden nicht durch eine klare Markierung voneinander getrennt, sondern ganz ohne Interpunktion oder den Gebrauch von koordinierenden Konjunktionen nebeneinandergestellt. Was nun das von Becker verwendete Beispiel betrifft (1a), zeigt sich, dass in einem anderen Manuskript der Fille du comte de Pontieu (aus dem 13. Jahrhundert) eine Satzvariante gewählt wurde, die durch den Gebrauch der koordinierenden Konjunktion et eindeutig belegt, dass neporquant den Beginn eines weiteren Hauptsatzes darstellt (1b). b. et nonpourquant le demoisele devint mout sage et crut [...] (Fille Pontieu, 21) und trotzdem das Mädchen wurde sehr weise und glaubte [...] ‘und trotzdem wurde das Mädchen sehr weise und gläubig [...]’ Es ist also unwahrscheinlich, dass neporquant der Subordination dient, zumal es auch satzinitial auftreten kann (2b). Wahrscheinlicher scheint mir, dass sich neporquant bereits wie sein modernes Pendant néanmoins verhält und als détachement auftritt, ohne dadurch die Syntax der folgenden Satzglieder zu beeinflussen. In diesem Sinne wäre hier also eine bereits moderne V>2-Struktur gegeben (a), allerdings mit dem Unterschied, dass auf das Adverb kein Subjekt folgen muss (b). 2.

a. Et nonporquant li empereres ne s’emaie de riens, [...] (Val, 641) und dennoch der Kaiser nicht sich beunruhigte über nichts ‘und dennoch war der Kaiser über nichts beunruhigt’ b. Neporquant de Plaisance se partirent unes mult bones genz qui [...] (Vil, 54) dennoch mit Zustimmung sich trennten einige sehr gute Menschen die ‘Dennoch trennten sich einige sehr gute Menschen zustimmend, die [...]’

Eine weitere von Becker untersuchte Satzgruppe sind Strukturen mit einleitendem Nebensatz. Auch bei dieser Gruppe stellt sich heraus, dass nicht V2-, sondern

3.3 Argumente für das Auftreten von V>2-Stellung (Forschungsstand)

217

V>2-Stellung bevorzugt existiert (ca. 87%). Besonders häufig ist die Struktur mit einleitendem Nebensatz und konnektivem Adverb si belegt (Nebensatz-si-Verb). Das Adverb scheint immer dann aufzutreten, wenn vor dem Verb keine Nominalphrase steht. Dieses Ergebnis wurde als «contre-épreuve excluant toute interprétation unificatrice sous l’étiquette V2» aufgefasst (Becker 2005, 356), wobei es sich auch in diesem Fall wohl um einen Vorboten der modernen französischen Struktur handelt. Zwar muss dem Nebensatz heute eine S-V-Struktur folgen, da si im Altfranzösischen aber vermutlich eine mit der Subjektposition vergleichbare strukturelle Position einnimmt (cf. Becker 2005, 354; cf. auch 2.1.3), wäre zu schlussfolgern, dass kein großer Unterschied zwischen der alten und modernen Sprachstufe besteht.16 Ich komme auf diesen Punkt in 3.4.2.6 und 4.2.4 nochmals zurück. Als dritte Gruppe untersucht Becker koordinierende Konjunktionen. Hier zeigt sich, dass V>2-Stellung fast nur nach et auftritt und auch dort nur sehr selten belegt ist, insbesondere mit S-O-V-Struktur (cf. Abbildung 3). Bei dieser Gruppe nimmt Becker an, dass es sich um Überreste der lateinischen Satzgliedstruktur handelt (356), wohingegen er bei allen V>2-Sätzen mit einleitender Präpositionalphrase (PP) davon ausgeht, dass sie bereits moderne Satzstrukturen darstellen (also Sätze mit détachement der Präpositionalphrase). Abbildung 3 Syntax

mais

car

et

Snom – Onom – V

1 (0,22%)

0

59 (2,03%)

Spron – Opron – V

0

1 (0,12%)

8 (0,28%)

Onom – Spron – V

0

0

2 (0,07%)

PP – Snom – V

0

0

14 (0,48%)

PP – Spron – V

0

1 (0,12%)

23 (0,79%)

Nach Becker 2005, 352 (abgeändert)

Auf der Grundlage von Beckers Ergebnissen ist also anzunehmen, dass V>2Strukturen an spezifische syntaktische Kontexte gebunden sind und es sich dabei einerseits um moderne Kontexte handelt und andererseits um bereits veraltete.

16 Diese Einschätzung wird durch die Ergebnisse von Vance, et al. (2010) bestätigt (cf. unten, S. 155).

218

3 V>2-Strukturen: Befunde und Klassifizierung

Becker hält fest, dass sich die altfranzösische Syntax in einem Kontinuum zwischen zwei Idealpolen bewegt. Unterschiede innerhalb der V>2-Strukturen seien darauf zurückzuführen, dass unterschwellig zwei syntaktische Strukturen vorliegen, eine bereits veraltete, und eine zukünftige, die sich bereits ankündigt: «Nous avons saisi donc les traces de deux ordres syntaxiques sous-jacentes : les derniers retentissements de l’ordre latinisant (NP: suj-NP:obj-Verb) que l’ancien français avait largement surmonté au XIIIe siècle ainsi que les précurseurs d’une structure V>2 qui perce déjà à jour dans des configurations comme PP/Adv-NP/PRO: sujet-V» (Becker 2005, 357).

In Erweiterung zu Beckers Analyse habe ich auch das in dieser Arbeit verwendete Korpus auf V>2-Kontexte bei einleitenden Adverbien hin untersucht. Es bestätigte sich, dass bei verschiedenen Adverbtypen unterschiedliche Präferenzen für V>2oder V2-Stellung gegeben sind. Untersucht wurden zwei verschiedene Gruppen: 1. lokale und temporale Adverbien, 2. kurze quantitative und qualitative Adverbien. Die Ergebnisse zu allen lokalen und temporalen Adverbien (or, onques,17 puis, ja(mais), apres) finden sich in der folgenden Übersicht:

17 Das temporale Adverb onques (auch: oncques, onc, unc, unques, unkes) entstand aus lat. umquam (irgendeinmal/jemals) und trat ursprünglich in positiven Kontexten auf (cf. Joly 2009, 335). Allerdings konnte es im Latein auch in verneinenden Sätzen stehen, mit non umquam (niemals), u. a. Im Altfranzösischen ergeben sich deshalb ebenfalls eine positive und eine negative Verwendungsform: Eine positive Bedeutung besitzt onques in dem folgenden Beispiel aus dem Clari: Si commenchierent le plus rike navie que onques fust veue (7, 3–4, Cla). In seiner negativen Bedeutung tritt onques nur mit Negationspartikel (ne) auf: Onques de tant de gent nus hom plus bele ne vit. (56, 4–5, Vil). Im modernen Französisch ist das Adverb veraltet, es konnte allerdings bis ins 19. und 20. Jahrhundert verwendet werden und tritt bis in diese Zeit mit positiver und negativer Bedeutung auf. Das folgende Beispiel zeigt, dass onques auch im 19. Jahrhundert eine Position vor dem Subjekt einnehmen konnte und damit in erster präverbaler Position einer V>2-Struktur steht: Mais onques, nul ne l’a revu, sur le bitume du boulevard (Bourges, Crépusc. dieux, 1884, p.303; cf. http://www.cnrtl.fr/definition/oncques). Die Zeichensetzung macht hier aber deutlich, dass es sich um ein détachement handelt, welches vergleichbar ist mit der noch heute möglichen präverbalen Position von jamais: Jamais vous n’aurez mon fils! (Buchtitel).  

1 139 (0,7%) (96,5%)

1 44 (2,1%) (93,6%)

2 35 (5,4%) (94,6%)

35 34 (47,3%) (45,9%)

Jerusalem

Clari

Villehardouin

Valenciennes

V>2

vor V2

118 2 14 (4,3%) (10,4%) (88,1%)

12 124 (8,1%) (83,8%)

7 126 (4,9%) (88,1%)

0 2 (0%) (33,3%)

5 3 4 2 (6,8%) (33,3%) (44,4%) (22,2%)

0 4 (0%) (66,7%)

0 27 (0%) (100%)

1 8 (8,3%) (66,7%)

V>2

vor V2

JA(MAIS) nach V>2

vor V2

APRÉS nach

0 (0%)

0 8 (0%) (66,7%)

3 (25%)

0 4 (0%) (33,3%)

0 10 (0%) (100%)

0 (0%)

3 (15%)

3 4 5 44 (25%) (33,3%) (41,7%) (72,1%)

3 (75%)

15 (75%)

14 (23%)

1 (25%)

2 (10%)

3 (4,9%)

24 4 (75%) (12,5%)

2 24 8 (5,9%) (70,6%) (23,5%)

2 57 108 21 4 (1,5%) (30,6%) (58,1%) (11,3%) (12,5%)

12 56 123 32 (8,1%) (26,5%) (58,3%) (15,2%)

10 50 91 20 3 8 6 (7,0%) (31,1%) (56,5%) (12,4%) (17,6%) (47,1%) (35,3%)

2 25 42 10 2 11 3 (2,9%) (32,5%) (54,5%) (13,0%) (12,5%) (68,8%) (18,8%)

nach

2 3 5 6 17 12 7 (4,2%) (21,4%) (35,7%) (42,9%) (47,2%) (33,3%) (19,4%)

4 22 22 (2,8%) (47,8%) (47,8%)

2 (6,3%)

1 178 (0,5%) (95,7%)

Antioche

7 15 15 (3,8%) (46,9%) (46,9%)

5 92 14 13 8 3 (4,5%) (82,9%) (12,6%) (54,2%) (33,3%) (12,5%)

V2

nach

PUIS

1 11 7 5 28 38 (4,5%) (47,8%) (30,4%) (21,7%) (41,2%) (55,9%)

V>2

vor

Saisnes

V2

nach

ONQUES

2 19 (9,1%) (86,4%)

V>2

vor

OR(E)

Roland

Texte

Abbildung 4

3.3 Argumente für das Auftreten von V>2-Stellung (Forschungsstand)

219

220

3 V>2-Strukturen: Befunde und Klassifizierung

Aus der Tabelle geht hervor, dass diese Adverbien in allen Texten mehrheitlich vor und nicht hinter dem Verb auftreten. Nachgestellt werden sie in 0 bis 42,9% der Fälle (eine Ausnahme besteht im Villehardouin bei ja(mais), das nur in Nachstellung auftritt). Anhand der Zahlen wird aber vor allem ersichtlich, dass nur im Fall von onques V>2-Stellung tatsächlich häufig auftritt, teilweise sogar häufiger als V2-Stellung. Bei allen anderen Adverbien bildet V2-Stellung gegenüber V>2-Stellung fast immer die Mehrheit.18 Auch im Fall dieser V>2-Kontexte scheint die Argumentation naheliegend, dass ein détachement des Adverbs vorliegt, da vergleichbare Konstruktionen im modernen Französischen mit jamais, puis und après gebildet werden können (cf. 3.4.1.5). Im Fall der quantifizierenden oder qualifizierenden Adverbien bien, tant, asez und mult (cf. Abbildung 5) ist diese Interpretation mit Sicherheit ausgeschlossen, da diese Adverbien nicht die Funktion eines Satzadverbs ausüben können. Dies wird durch die Daten bestätigt. Keines der Adverbien stellt einen eindeutigen V>2-Kontext dar, in allen Texten überwiegt V2-Stellung. Bei mult ist das V>2-Vorkommen mit bis zu 36,9% allerdings relativ hoch. Im Gegensatz dazu liegt der höchste Anteil bei den übrigen Adverbien bei max. 16,7%. Es kann also festgehalten werden, dass V>2Stellung an spezifische Kontexte gebunden ist, wie bereits aus Beckers Untersuchungen deutlich hervorging. Allerdings treten diese Kontexte insgesamt sehr selten auf.

18 Allerdings sind im Fall von puis, ja und aprés deutliche Schwankungen innerhalb der Prosatexte festzustellen: puis und aprés werden von Clari – im Gegensatz zu allen anderen Autoren – als V>2-Kontext verwendet. Im Valenciennes-Text stellt dagegen ja einen V>2-Kontext dar.

9 (10,6%)

21 (8,1%)

25 (9,9%)

13 (5,0%)

2 (2,1%)

1 (1,1%)

8 (9,9%)

Saisnes

Antioche

Jerusalem

Clari

Villeh.

Valenc.

V>2

vor

Roland

Texte

Abbildung 5

V2

26 (32,1%)

31 (35,2%)

3 (3,1%)

126 (48,6%)

106 (41,9%)

146 (56,2%)

33 (38,8%)

BIEN

47 (58%)

56 (63,6%)

91 (94,8%)

120 (46,3%)

122 (48,2%)

93 (35,8%)

43 (50,6%)

nach

1 (2,9%)

17 (48,6%)

11 (18,3%)

15 (39,5%)

1 (2,6%) 1 (1,7%)

66 (62,3%)

63 (75%)

73 (76%)

19 (70,4%)

V2

5 (4,7%)

3 (3,6%)

2 (2,1%)

2 (7,4%)

V>2

vor

TANT

17 (48,6%)

48 (80%)

22 (57,9%)

35 (33%)

18 (21,4%)

21 (21,9%)

6 (22,2%)

nach

2 (16,7%)

1 (2,4%)

0

0

2 (5,4%)

3 (6,4%)

2 (5,1%)

V>2

vor V2

3 (25%)

10 (24,4%)

2 (33,3%)

10 (43,5%)

13 (35,1%)

29 (61,7%)

18 (46,2%)

ASEZ

7 (58,3%)

30 (73,2%)

4 (66,7%)

13 (56,5%)

22 (59,5%)

15 (31,9%)

19 (48,7%)

nach

8 (29,6%)

4 (5,8%)

1 (6,3%)

46 (20,1%)

74 (24,3%)

32 (19,9%)

24 (36,9%)

V>2

vor

13 (48,1%)

48 (69,6%)

5 (31,3%)

172 (75,1%)

195 (63,9%)

115 (71,4%)

31 (47,7%)

V2

MULT

6 (22,2%)

17 (24,6%)

10 (62,5%)

11 (4,8%)

36 (11,8%)

14 (8,7%)

10 (15,4%)

nach 3.3 Argumente für das Auftreten von V>2-Stellung (Forschungsstand)

221

222

3 V>2-Strukturen: Befunde und Klassifizierung

Auch Vance, et al. (2010) haben eine Analyse von spezifischen V>2-Kontexten in diachroner Perspektive vorgenommen. Sie untersuchen V>2-Stellung bei Sätzen mit einleitendem Nebensatz, geordnet nach den nebensatzeinleitenden Konjunktionen quant, se und por ce que. Ihre Untersuchung stützt sich auf verschiedene Prosatextsorten, die einen Zeitraum von ca. 1200 bis 1300 abdecken.19 Wie die folgende Tabelle zeigt, geben die prozentualen Verhältnisse dieser Sätze ein deutliches Bild ab: V>2-Strukturen sind bei quant und que generell in der Mehrzahl. Sie werden von Vance, et al. als bereits moderne Strukturen verstanden, die die heutige französische Satzgliedstellung (Nebensatz-S-V) ankündigen. Bei por ce que hingegen ist der Anteil niedriger, was darauf zurückgeführt wird, dass hier noch eine konservative Satzstruktur vorliegt. Es zeigt sich also, dass V>2-Strukturen im Kontext mit einleitendem Nebensatz gegenüber V2-Strukturen generell bevorzugt werden, dass aber nicht jeder Nebensatztyp diese Bevorzugung gleich stark auslöst (bei por ce que haben nur 48,9% eine V>2-Struktur, bei quant und que sind es hingegen 98,6% und 95,6%). Abbildung 6 V>2: V>2: V>2: V2: Nebensatz-V-X Nebensatz-si-V- Nebensatz-X-V- Nebensatz-S-V(-V-Snom/pron)

V>2: total

quant

12 (1,4%)

571 (65,8%)

19 (2,2%)

265 (30,6%)

855 (98,6%)

que

8 (4,4%)

18 (9,8%)

19 (10,4%)

138 (75,4%)

175 (95,6%)

46 (51,1%)

7 (7,8%)

5 (5,5%)

32 (35,6%)

44 (48,9%)

por ce que

Diese Übersicht ergibt sich aus den Ergebnissen von Vance, et al. 2010, wurde aber in dieser Form von mir zusammengestellt.

Weiterhin wird aus den Daten von Vance, et al. ersichtlich, dass Unterschiede auch auf eine zeitliche Entwicklung zurückgeführt werden können, da sich die moderne französische Struktur (Nebensatz-S-V-) immer stärker gegenüber Nebensatz-si-V- und Nebensatz-X-V durchgesetzt zu haben scheint – je nach Kontext bzw. Nebensatztyp allerdings mit unterschiedlichem Tempo. Besonders deutlich wird dies bei Satzstrukturen mit einleitendem quant-Satz. In den ältesten Texten

19 Die drei Textsorten beinhalten a) literarische Texte (Queste 1225, Le roman de Cassidorus 1267), b) historiographische Texte (La Conquête de Constantinople von Villehardouin 1206 und La Vie de Saint Louis von Joinville 1306) und c) juristische Texte (Urkunden 1231–1271).

3.3 Argumente für das Auftreten von V>2-Stellung (Forschungsstand)

223

tritt -si-V noch mit 84% auf, -S-V dagegen nur mit 13% (Villehardouin) bzw. 16% (Queste).20 Der jüngste Text, Joinville (1306), hebt sich davon deutlich ab. In ihm machen -si-V-Strukturen nur 9% aus und -S-V dagegen 90%.21 Vance, et al. kommen daher zu folgendem Schluss: «Different fronted clause types achieve a preference for the new grammar at different times, but by the beginning of the 14th century, the conservative pattern [V2] is a minority in all contexts. Given the documented spread of SV orders after other types of fronted constituents (adverbs, direct objects, prepositional phrases, etc) over the next two centuries (Vance 1997) we conclude that fronted clauses represent the first discernible wave of V2 loss in OFr. The limited yet systematic use of SV after fronted clauses in the early 13th century cannot, in our view, be used to argue that OFr is not a V2 language, but rather indicates a very strong V2 constraint (contra Kaiser 2002) that is only broken down slowly and systematically over several centuries» (Vance, et al. 2010, 310).

Auch wenn diese Einschätzung sicherlich in weiten Teilen zutrifft, kann ihr entgegengehalten werden, dass selbst in frühen altfranzösischen Texten bei Strukturtypen mit einleitendem Nebensatz niemals V2-Stellung, sondern immer V>2Stellung dominierte, was darauf schließen lässt, dass es keine «reine» V2-Phase bei diesem Strukturtyp gab und V>2-Stellung deshalb auch nicht als Indiz für das allmähliche Loslösen von einer V2-Grammatik interpretiert werden kann. Die Daten des von mir analysierten Korpus belegen recht eindeutig, dass sowohl im Roland (Anfang 11. Jahrhundert) als auch im Saisnes und den Reimchroniken (Ende 12. Jahrhundert) bei einleitendem quant-Satz V>2-Stellung eindeutig überwiegt (cf. 4.2.6). Da V>2-Stellung bei einleitendem Nebensatz selbst auch im Latein auftritt, liegt die Vermutung nahe, dass diese Satzstruktur über die gesamte Zeit hinweg existierte und es kein altfranzösisches Stadium gab, in dem ausschließlich V2-Strukturen (Nebensatz-V-X) vorlagen. Was sich tatsächlich veränderte, ist der Typ von V>2-Satz, was von Vance, et al. eindeutig ausgemacht wurde: Die moderne französische Struktur mit Setzung eines präverbalen Subjekts (Nebensatz-S-V) löst V>2 mit Nebensatz-si-V-Struktur ab. Dies hat auch zur

20 Vance, et al. kommen für den Villehardouin-Text auf ein Gesamtergebnis von 3 Okkurrenzen bei -V-S, 108 bei -si-V, 1 bei -X-V und 16 bei -S-V. Dieses Resultat bestätigt sich durch meine eigene Auswertung (cf. 4.2.6), in der 3 Okkurrenzen für -V-S, 98 für -si-V, 2 für -X-V und 15 für -S-V errechnet wurden. Die relativ große Abweichung im Fall von -si-V ist vermutlich auf eine fehlerhafte Auswertung zurückzuführen oder darauf, dass von Vance, et al. auch alle nachgestellten si-Nebensätze mitgezählt wurden. Allerdings verändert diese Abweichung die allgemeinen Ergebnisse nicht grundlegend, da in jedem Fall -si-V die moderne -S-V-Struktur der Frequenz nach deutlich übertrifft. 21 Bei se sind die Zahlen weniger deutlich, bei por ce que jedoch ist ebenfalls offensichtlich, dass in den jüngsten zwei Texten S-V mit 53% und 65% eindeutig überwiegt (cf. Vance, et al. 2010, 308–309).

224

3 V>2-Strukturen: Befunde und Klassifizierung

Folge, dass bei einleitendem Nebensatz keine V2-Stellung mehr auftreten darf, da die Position vor dem Verb ab dem 14., spätestens jedoch ab dem 15. Jahrhundert obligatorisch für das Subjekt reserviert ist (sofern dieses im Satz vorhanden ist) und ein einleitender Nebensatz ab diesem Zeitpunkt nur noch ein détachement darstellen kann, wie es im heutigen Französisch der Fall ist (cf. 3.4.1.4).

3.3.2 Gattungsspezifische Perspektive Im Rahmen verschiedener Analysen zur altfranzösischen Satzgliedstruktur wurde auch die Textgattung als relevante Größe für syntaktische Unterschiede erkannt. Betrachtet man etwa die bereits erwähnte Untersuchung von Prévost, et al. (2012) zum Vorkommen von V>2-Strukturen, ist nicht von der Hand zu weisen, dass eine Vers-Prosa-Unterscheidung wichtige Erkenntnisse liefert. Der von Prévost, et al. angestellte Vergleich zwischen drei Verstexten (Tristan von Béroul, Miracles von Gautier de Coinci, Aucassin et Nicolete22) und zwei Prosatexten (La Conqueste de Constantinople von Clari und La Queste del saint Graal), die mit ca. 50 Jahren Unterschied ungefähr im selben Zeitraum entstanden, zeigt, dass unabhängig von zeitlichen Entwicklungsverläufen große Differenzen zwischen Vers- und Prosatexten bestehen.23 Nach den Ergebnissen des Vergleichs zu schließen, ist der signifikanteste Unterschied zwischen Vers und Prosa nicht durch die Frequenz des V>2Vorkommens gegeben, sondern dadurch, dass in den zwei Gattungsformen jeweils unterschiedliche Typen von V>2-Strukturen bevorzugt wurden. Prévost, et al. unterscheiden zwei Typen: A) V>2-Sätze mit plusieurs circonstants en position préverbale (169–171), i.e. Sätze mit präverbalen Adverbien, Adverbialphrasen oder adverbialen Nebensätzen, aber ohne eine Verbergänzung vor dem Verb (im Folgenden X-X-V); B) Strukturen mit circonstants et autres arguments (171–173), wobei diese nochmals aufgeteilt werden können in (B1) Strukturen mit einer Verbergänzung in der Position unmittelbar vor dem Verb (X-S-V bzw. X-O-V24) und (B2) Strukturen, die mit der Verbergänzung beginnen (S-X-V bzw. O-X-V). Die höchsten Prozentzahlen in allen Texten (bis auf den Aucassin) erzielt Typ (A), also Strukturen mit adverbialen Elementen in erster und zweiter Position. In den Prosatexten tritt diese Gruppe mit 66% (Clari), 41,5% (Graal) und 26,4% (Aucassin) auf. In den Verstexten sind die prozentualen Anteile mit 16,4% (Béroul) und 12,4% (Coinci) im Verhältnis deutlich geringer, jedoch stellt diese Struktur auch hier den insgesamt 22 Aucassin et Nicolet gilt als «gemischter» Text, da er auch Prosapassagen enthält. 23 Die Analyse dieser Texte basiert auf dem SRCMF (cf. 1.5.1). 24 Unter O werden hier alle Ergänzungen subsumiert, die bei Prévost als R = Régime auftreten (direktes Objekt, indirektes Objekt, präpositionales Objekt).

3.3 Argumente für das Auftreten von V>2-Stellung (Forschungsstand)

225

häufigsten Fall dar. In allen Prosatexten tritt dieser Typ mehrheitlich mit dem einleitenden temporalen Nebensatz quant ... auf, auf den das konnektive Adverb si folgt (quant ...-si-Verb).25 Wesentlich seltener sind dagegen Sätze, die anstelle des Nebensatzes ein Adverb in die initiale Position stellen, die also eine Adverb-siVerb-Struktur aufweisen.26 Die Verstexte heben sich nun deshalb von den Prosatexten ab, da der frequentielle Unterschied zwischen quant ...-si-Verb und Adverb-si-Verb in ihnen weniger stark ins Gewicht fällt als in den Prosatexten.27 Außerdem gibt es bei ihnen deutlich mehr Varianten zu si in der Position unmittelbar vor dem Verb, als dies in der Prosa der Fall ist. Es scheint also, dass Typ (A) in der Prosa zwar häufiger vorkommt als im Verstext, dafür aber eine wesentlich stereotypere – weil immer wiederkehrende und wenig variable – Form (quant ... -si-Verb) aufweist. Typ (B1) mit X-S-V-Stellung ist eine Satzstruktur, die seltener auftritt als (A).28 Auch er ist zu großen Teilen durch eine Struktur mit einleitendem Nebensatz vertreten (quant ...-Subjekt-V oder se ....-Subjekt-Verb), gefolgt von der Variante mit einem initialem Adverb (in diesen Fällen mit ainc/donc/neporquant/ apres/certes-Subjekt-Verb).29 X-O-V-Strukturen treten – mit der Ausnahme des Coinci-Textes – deutlich seltener auf als Sätze mit X-S-V-Stellung.30 Vers und Prosa unterscheiden sich hier vor allem hinsichtlich der Frequenz der zwei Strukturen: Während in der Prosa X-S-V-Sätze dominieren, sind es im Vers X-O-VStrukturen. Typ (B2) mit S-X-V- oder O-X-V-Stellung existiert in allen Texten, taucht aber nur im Béroul (mit ca. 23,4%) und im Coinci (mit ca. 27,3%) relativ

25 Im Clari sind es ca. 65%, im Aucassin ca. 68% und im Graal ca. 83%. Sätze, in denen ein anderer Nebensatz vor die Kombination si+Verb tritt, sind im Verhältnis dazu geringer oder treten gar nicht auf (Clari ca. 7%, Graal ca. 1,5% und Aucassin 0%). 26 Im Clari macht diese Struktur 20% aus, im Aucassin ca. 13,5% und im Graal ca. 1%. Ausschließlich im Aucassin gibt es Sätze, in denen außer si andere Adverbien oder auch Adverbialphrasen zwischen den Nebensatz und das Verb treten können. 27 Im Béroul sind es ca. 22% mit Nebensatz gegenüber ca. 17% mit Adverb, und im Coinci ca. 24% gegenüber 32%. 28 Im Aucassin tritt B1 mit 30,7% auf, im Graal mit 21,5% und im Clari mit 9,9%. In den Verstexten sind die Zahlen allerdings deutlich kleiner: Im Coinci sind es 3,8% bzw. 5,9%, wenn man auch die Strukturen mitzählt, bei denen mehr als zwei Elemente vor dem Verb vorkommen (18 bzw. 28 Fälle) und im Béroul 11,7% (84 bzw. mehr als 100 Fälle). 29 Im Aucassin und Graal ist der Unterschied zwischen beiden Strukturen wieder deutlich: Die Struktur mit einleitendem Nebensatz tritt mit ca. 74% und ca. 75% auf, die Struktur mit einleitendem Adverb hingegen nur mit 25,6% und 16,4%. Eine Ausnahme stellt der Clari-Text dar. Hier sind es 46% mit einleitendem Nebensatz und ca. 48% mit einleitendem Adverb. Für die Verstexte geben Prévost, et al. (2012, 173) keine konkreten Zahlen an, sprechen aber ebenfalls davon, dass bei X-S-V mehrheitlich die Struktur mit einleitendem Nebensatz auftritt. 30 In den Prosatexten liegen die Zahlen für X-O-V zwischen 0,3% (Clari), 1,6% (Graal) und 2,9% (Aucassin). In den Verstexten sind es sogar 6,6% (Béroul) und 7,5% (Coinci).

226

3 V>2-Strukturen: Befunde und Klassifizierung

häufig auf. Strukturen mit dem Subjekt in erster Position liegen (für jeden Autor einzeln betrachtet) in der Prosa bei maximal 4,8%, im Gegensatz zu maximal 22,9% im Verstext.31 Strukturen mit einleitendem Objekt kommen im Vergleich hierzu wieder deutlich seltener vor, aber auch bei ihnen ist der Unterschied zwischen Verstext und Prosa herausstechend: Nicht einmal 2% sind es in der Prosa, dagegen ca. 7–8% im Vers. Abbildung 7 VERS

PROSA

Béroul

Coinci

Aucassin

Clari

Graal

O-X-V

20 (3,3%)

16 (4%)

2 (1,4%)

9 (1,4%)

1 (0,2%)

O-O-V

13 (2,2%)

5 (1,2%)

2 (1,4%)

0

0

O-S-V

14 (2,3%)

7 (1,7%)

1 (0,7%)

2 (0,3%)

2 (0,3%)

total: 7,8%

total: 6,9%

total: 3,5%

total: 1,7%

total: 0,5%

S-X-V

48 (8%)

47 (11,7%)

3 (2,1%)

29 (4,6%)

17 (2,7%)

S-X-X-V

4 (0,7%)

10 (2,5%)

0

3 (0,5%)

12 (0,3%)

S-X-O-V

5 (0,8%)

10 (2,5%)

0

0

0

46 (7,6%)

35 (8,7%)

2 (1,4%)

1 (0,2%)

1 (0,2%)

total: 16,4%

total: 22,9%

total:3,5%

total: 4,8%

total: 2,9%

S-O-V

Die gestrichelten Linien zeigen an, dass der Aucassin-Text sowohl zu den Vers- als auch zu den Prosatexten gezählt werden muss (cf. oben). Nach Prévost, et al. (2012, 168): Liste fréquence des structures alignées texte par texte (leicht abgeändert)

Kennzeichnend für S-X-V- oder O-X-V-Stellung in allen Prosatexten ist außerdem, dass abermals das konnektive Adverb si häufig in der zweiten Position unmittelbar vor dem Verb auftritt,32 und dass überdies S-O-V-, O-S-V- oder O-O-V-Strukturen fast überhaupt nicht existieren (1–2 Fälle maximal). Dies hebt sie klar von den

31 Die von Prévost, et al. (2012, 168) angegebenen Zahlen für S-X-X-V (grau hinterlegt) wurden hier nicht in die Totalsumme mit einbezogen, da unter diesen Strukturtyp auch Sätze mit Elementen der Kategorie Prnt (interjection, apostrophe, incise ou incidente) fallen, die bei einer strengen V>2-Analyse ausgeschlossen bleiben müssen, da sie nicht zum Satz hinzugezählt werden können. 32 Im Aucassin gibt es in den insgesamt 5 Sätzen 3 Fälle mit Subjekt-si-Verb (il si fist). Die zwei Fälle mit initialem Objekt finden sich ausschließlich im Vers-Teil des Textes. Hier tritt si oder or

3.3 Argumente für das Auftreten von V>2-Stellung (Forschungsstand)

227

Verstexten ab, in denen Sätze mit zwei präverbalen Verbergänzungen zwar nicht sehr häufig, aber dennoch konstant auftreten. Ein weiteres Merkmal der Verstexte ist ihre große Flexibilität, da sie nicht auf die starre Bildung mit si in zweiter Position festgelegt sind, sondern weitere Adverbien oder adverbiale Elemente in dieser Position zulassen. Die hier dargestellten Ergebnisse von Prévost, et al. (2012) können also folgendermaßen zusammengefasst werden: Strukturen mit zwei adverbialen Elementen vor dem Verb scheinen besonders charakteristisch für alle untersuchten Prosatexte zu sein. Einen speziellen Status erhalten dabei alle Sätze des Typs quant ...-si-Verb. Charakteristisch für die Verstexte ist hingegen nicht die Frequenz dieses Strukturtyps, sondern seine Varianz im Gebrauch anderer Elemente außer si. Strukturen mit einer Verbergänzung (S/O) in zweiter präverbaler Position sind in allen Texten vorhanden. Insgesamt treten sie aber seltener auf als Strukturen mit ausschließlich präverbalen adverbialen Elementen. Ein Unterschied zwischen Prosa und Vers ist hier ebenfalls gegeben, er betrifft das Auftreten von entweder mehrheitlich Subjekten (in der Prosa) oder mehrheitlich Objekten (im Vers). Ein signifikanter Unterschied besteht schließlich bei V>2-Strukturen mit einem Subjekt oder Objekt am Satzanfang. Diese Strukturen sind im Vers relativ dominant, treten in der Prosa dafür (fast) gar nicht auf und beinahe ausschließlich nur in der Kombination mit si-V. Nach den Angaben von Prévost, et al. ist nun davon auszugehen, dass alle aufgezeigten Differenzen zwischen Verstext und Prosa indirekt Auskunft über die Vereinbarkeit von V>2-Stellung mit einer V2-Grammatik geben können. Die Autoren geben an, dass in all denjenigen Texten, die nicht über die syntaktische Freiheit der Versform verfügen, fast nur V>2-Strukturen auftreten, deren präverbale Elemente nicht obligatorischer Bestandteil des Satzes sein müssen, da es sich um adverbiale Elemente handelt, die in einer extraposition stehen (zu vergleichen mit dem heutigen détachement). Gemeint ist eine Position vor dem eigentlichen Satz, weshalb im Grunde genommen gar keine V>2-Struktur, sondern eine V2-Struktur mit separater initialer Position gegeben wäre. «Dans les textes en prose de notre corpus [...], la majorité des structures à deux EPV et plus correspond à un ensemble assez limité d’exceptions déjà repérées à la règle V2, notamment, la présence d’un circonstant (souvent si) ou du sujet entre une subordonnée et le verbe, ou la tendance à situer les circonstants à valeur énonciative (par foi, etc.) et les adverbes connecteurs (ainc, puis) au début de la périphérie gauche. [...] Si l’on accepte de considérer l’élément initial dans ces structures comme étant extraposé, ces textes soutiennent bien l’hypothèse que l’ancien français est une langue à V2 assez régulière» (Prévost, et al. 2012, 173–174).

auf. Im Clari gibt es bei S-X-V nur zwei Fälle, in denen X kein si ist (in 9 Fällen besteht auch hier die feste Konstruktion il si fisent).

228

3 V>2-Strukturen: Befunde und Klassifizierung

Anders verhält es sich mit den V>2-Strukturen der Verstexte. Nach Prévost, et al. (2012, 173) ist davon auszugehen, dass hier das Resultat metrischer Beschränkungen vorliegen kann und Verb-End-Stellung sozusagen metrisch «erzwungen» wird. Nach dieser Argumentation wären die V>2-Strukturen der Verstexte also nicht repräsentativ für das Sprachsystem und könnten von der Frage der Vereinbarkeit mit einer V2-Grammatik ausgeschlossen bleiben. Zwar fehlt bisher eine detaillierte und vergleichende Analyse der metrischen Gegebenheiten und Bedingungen verschiedener Verstexte, sie wird allerdings im Rahmen meiner Korpusanalyse in exemplarischer Form erfolgen. Es wird sich zeigen, dass die metrischen Bedingungen nur eine Erklärung von mehreren für V>2-Stellung in Verstexten sein kann (cf. 4.1.6).

3.3.3 Eine exemplarische Analyse in diachroner gattungsspezifischer Perspektive Einige der in den vorhergehenden Abschnitten angeführten Argumente können im Folgenden zusammengeführt werden. Kommen wir zunächst noch einmal auf die besonders «verstypischen» Strukturen mit S-X-V-Stellung zurück, die den Ergebnissen von Prévost, et al. (2012) zufolge nur extrem selten in der Prosa auftreten, und die von Becker als «alte» Satztypen bezeichnet werden. Und betrachten wir noch einmal die von Vance (2010) untersuchten Sätze mit einer modernen quant ...-S-V-Struktur, die nach dem Ergebnis von Prévost, et al. wiederum häufiger in der Prosa als im Vers auftreten. Diese Ergebnisse führen fast zwangsläufig zu der Annahme, dass eine Verbindung zwischen alten und versspezifischen V>2-Strukturen einerseits und neuen und prosaspezifischen V>2-Strukturen andererseits besteht.33 Die Begründung für diese Annahme scheint auf der Hand zu liegen, denn man kann die These aufstellen, dass S-X-V-Sätze nicht nur aufgrund der Metrik oder des Reims in den Verstexten gebildet wurden, sondern vermutlich auch deshalb, weil es sich bei diesen Texten um eine damals schon alte Texttradition handelt, die prädestiniert für alte Satzstrukturen war. Wie bereits dargestellt wurde (cf. 1.1), zählen Verstexte zu den ältesten Zeugnissen des Altfranzösischen und gehören damit einer älteren Texttradition an als die junge literarische oder historiographische altfranzösische Prosa. Die Vermutung liegt also nahe, dass, wenn überhaupt, dann gerade diese Texte mit Präferenz ältere (lateinische) Strukturtypen

33 Schon Becker geht in einzelnen Fällen von dieser Annahme aus, denn auch er konnte neben diachronen Faktoren für das Auftreten von V>2-Strukturen (cf. 3.3.1) auch Belege für ein gattungsspezifisches Vorkommen von S-O-V-Stellung anführen (cf. Becker 2005, 353).

229

3.3 Argumente für das Auftreten von V>2-Stellung (Forschungsstand)

aufweisen müssten; sicherlich wesentlich mehr als die damals moderneren Prosatexte, denen wiederum unterstellt werden kann, häufig moderne Sprachstrukturen zu enthalten. (Dass die Gleichsetzung «alte Textsorte» = «alte Syntax» zu einfach ist, liegt auf der Hand. In Abschnitt 4 werde ich deshalb zeigen, dass feinere Mechanismen vorliegen, die aber die Annahme letztlich doch rechtfertigen, dass in einem bereits etablierten und älteren Diskurs die Chance, alte Satzmuster anzutreffen, höher ist, als in einem jungen.) Mit der Ausweitung des von Prévost, et al. untersuchten Korpus durch einen älteren Verstext (Roland) können meine Annahmen überprüft werden.34 Es lässt sich zeigen, ob Verstexte mit der Zeit eine Veränderung durchliefen, oder genauer gesagt, ob die für die späten Verstexte markanten S-X-V-Strukturen im Rolandslied in noch höherer Frequenz auftreten. Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die Prozentzahlen aller V>2Strukturen des Rolandslieds: Abbildung 8 V>2: 354 (100%) X-X-V: 106 (30% aller V>2-Sätze)

X-VE-V: 100 (28% aller V>2-Sätze)

VE-X-V: 116 (33% aller V>2-Sätze)

NS-VE-V: Adv-VE30 V: 15

AP-VE-V: S-X-V: 78 O-X-V: 22 Oin/prä-XV:16 55

35% von 38% von 27% von 30% von 15% von X-X-V X-X-V X-X-V X-VE-V X-VE-V

55% von 67% von 19% von 14% von X-VE-V VE-X-V VE-X-V VE-X-V

10% von 12% von V>2 V>2

von 16% 22% von V>2 V>2

NS-X-V: 37

Adv-X-V: AP-X-V: 40 29

8% von V>2

8% von V>2

von 4% V>2

6% von V>2

5% von V>2

V>2-Strukturen machen insgesamt ca. 9% aller Deklarativsätze aus (354 Okkurrenzen). Die Tabelle zeigt nun Anteile der unterschiedlichen Strukturtypen, die innerhalb der V>2-Gruppe auftreten: Strukturen, in denen weder ein Subjekt noch ein Objekt vor dem Verb steht (X-X-V), sind mit 30% belegt. Der größte Teil dieser Strukturen hat eine Adverbialphrase in erster Position (38%), unmittelbar gefolgt von einem einleitenden Nebensatz (35%). An dritter Stelle stehen die Strukturen mit satzinitialem Adverb (27%). Strukturen mit einem Subjekt oder Objekt in zweiter präverbaler Position, denen ein adverbiales Element vorausgeht (X-S-V oder X-O-V), sind im Verhältnis zur ersten Gruppe etwas seltener. Mit 28% stellen

34 Die Erweiterung des SRCMF um das Rolandslied machte diese Ausweitung möglich. Die Auswertung des Rolands erfolgte nach dem Abfragemodell, wie es in Kapitel 1.5.3 beschrieben wurde.

230

3 V>2-Strukturen: Befunde und Klassifizierung

sie weniger als ein Drittel aller V>2-Sätze dar. Rund 55% dieser Strukturen beginnen mit einer Adverbiale, 30% mit einem adverbialen Nebensatz und ca. 15% mit einem Adverb. Den größten Teil aller V>2-Sätze bilden mit ca. 33% diejenigen Strukturen, die mit einer Verbergänzung beginnen (S-X-V oder O-X-V). 67% dieser Sätze haben ein satzinitiales Subjekt, wohingegen in nur 19% ein satzinitiales direktes Objekt auftritt und in ca. 14% ein satzinitiales präpositionales Objekt oder eine nominale Ergänzung (Genitiv). Der Vergleich mit den Ergebnissen des Béroul und des Coinci ergibt nun folgendes Bild: Abbildung 9 Béroul VE-X-V: 23,4%

X-VE-V: 19,2%

Coinci X-X-V: 16,4%

VE-X-V: 27,3%

X-VE-V: 11,7%

Roland X-X-V: 12,4%

VE-X-V: 33%

X-VE-V: 28%

X-X-V: 30%

V>2-Strukturen mit dem Subjekt oder Objekt in erster Position (S-X-V oder O-X-V) machen im Béroul – wie bereits erwähnt – ca. 23,4% aus und im Coinci ca. 27,3%. Im Roland sind diese Zahlen allgemein höher: Insgesamt haben hier 33% aller V>2Sätze das Subjekt oder Objekt in initialer Position. Diejenigen Strukturen, die nach den Ergebnissen von Prévost, et al. (2012) für die Verstexte des 13. Jahrhunderts nicht besonders charakteristisch erscheinen – also X-X-V und X-S-V/X-O-V – sind auch im Rolandslied nicht hervorstechend. Prozentual gesehen bilden sie mit 30% und 28% jeweils kleinere Gruppen als VE-X-V (33%). Allerdings ist ihr Anteil im Roland dennoch höher als im Béroul (16,4% und 19,2%) und Coinci (12,4% und 11,7%). Es kann also festgehalten werden, dass Strukturen mit zwei präverbalen Verbergänzungen im Roland häufiger belegt sind als in späteren Verstexten. Daraus lässt sich der Schluss ziehen, dass im Roland tatsächlich noch mehr «alte» Strukturen verwendet werden. Die Tatsache, dass Strukturen mit zwei präverbalen Angaben (X-X-V), die nach Prévost, et al. als Sätze mit potentieller extraposition angesehen werden können, im Roland prozentual häufiger auftreten als im Béroul und Coinci, relativiert allerdings die Hypothese, dass diese Strukturen bevorzugt in der späteren Prosa auftreten. Sie sind in der Prosa zwar dominant, weil es dort weniger S-X-V/O-X-V gibt, aber die Tatsache, dass ein früher Verstext diese Strukturen häufiger verwendet als ein späterer, kann nicht Beleg dafür sein, dass es moderne Strukturen sind, die sich erst im Laufe der Zeit entwickelten.

3.4 Klassifizierung von V>2-Strukturen

231

3.4 Klassifizierung von V>2-Strukturen Mit der folgenden Klassifizierung von V>2-Strukturen verfolge ich das Ziel, einen Überblick über die verschiedenen V>2-Typen zu geben, die in altfranzösischen Texten belegt sind. Darüber hinaus werde ich anhand der Klassifizierung differenzieren, welche V>2-Sätze prinzipiell mit einer V2-Grammatik vereinbar sind und welche nicht. Dies scheint mir notwendig, da bisher getroffene Bewertungen darüber, was eine V>2-Struktur ist und ob diese mit einer V2-Grammatik kompatibel ist, teilweise stark divergieren. Nach einer Einteilung von Marchello-Nizia (2000, 8) sind für das Altfranzösische vier verschiedene V>2-Typen zu unterscheiden, die im Folgenden wichtige Anhaltspunkte für die von mir vorgenommene Systematisierung sein werden. Marchello-Nizia bedient sich informationsstruktureller Unterscheidungskriterien:35 Zum ersten V>2-Typ zählt sie Sätze mit XThema-XRhema-Verb-Struktur, zum zweiten Sätze mit disloziertem Thema bzw. disloziertem Topik, i.e. Strukturen, deren initiales Element durch ein Resumptivum nochmals aufgegriffen wird (cf. hierzu 3.4.1.3 und 3.4.2.3). Sätze des dritten Typs zeichnen sich dadurch aus, dass in ihnen zwei thematische Elemente vor dem Verb auftreten, die eine gleichwertige Funktion im Satz erfüllen (z. B. zwei temporale oder lokale Adverbiale):36  

Typ 1

[A voz Franceis] [un cunseill] en presistes (Rol, 205) bei euren Franken einen Rat darüber holt [ihr] ‘Bei Euren Franken holt Ihr Euch einen Rat’

Typ 2

[Li niés Marsilie] [il] est venuz avant (Rol, 860–861) der Neffe Marsilie er ist gekommen vorne ‘Der Neffe von Marsilie ist nach vorne geritten’

35 Die Klassifizierung von Marchello-Nizia wurde anhand von V>2-Strukturen des Rolands und des Graals getroffen. 36 Marchello-Nizia verwendet Thema in einem weiten Begriffsverständnis: «Il s’agit dans le cas d’un segment nominal ou pronominal d’un élément connu dans le texte ou le contexte, déjà saillant et activé, se rattachant à ce qui précède, ou rappelant le contexte précédent ou la situation c’est ce que Combettes (1999) propose de nommer le ‹thème› [...]. Dans le cas d’un adverbe tel que si, or, lors, donc, [...] la valeur anaphorique est plus large, presque abstraite, elle renvoie à tout l’énoncé précédent pour le constituer en point de départ de la nouvelle relation prédicative : [...]. Enfin, dans le cas des attributs antéposés dans les déclaratives définitionnelles, de même que dans le cas des intensifieurs/quantifieurs (essentiellement moult) nous voyons la cause de cette position dans le fait qu’il s’agit d’évaluateurs, éléments impliquant nécessairement la prise en charge par le locuteur-énonciateur de l’assertion d’une hiérarchie» (2000, 7).

232

3 V>2-Strukturen: Befunde und Klassifizierung

Typ 3

[Celui soir] [aprés souper] s’ala li rois Artus [...] (MortArtu, 228) jenen Abend nach Abendessen ging der König Artus ‘An jenem Abend nach dem Essen ging König Artus [...]’

Marchello-Nizia geht davon aus, dass zwei thematische Elemente nur dann vor das Verb treten können, wenn sie, wie im Fall des Typs 3, gleichwertige Elemente darstellen. Schlussfolgernd kommt sie zu der Vermutung, dass das Auftreten von zwei ungleichen präverbalen thematischen Elementen ausgeschlossen werden muss: «Deux thèmes ‹cadres spatiaux› sont possibles, ou deux temporels, ou deux sujets dans le cas d’un nom propre et de son apposition par exemple; mais c’est la combinaison de thèmes à valeurs différentes qui est exclue» (MarchelloNizia 2000, 8–9). Trotz dieser Einschätzung sieht Marchello-Nizia (2000, 9) bereits einen Fall gegeben, der eine Ausnahme hierzu darstellt (ihr vierter Satztyp). Es handelt sich um Sätze mit koordinierenden Adverbien oder Konjunktionen, die sie als thematisch bezeichnet und die neben einem weiteren Thema (in der Regel einem Subjekt) koexistieren: Typ 4 [et] [neporeci] [il] est bien tant hardiz que [...] (Queste, 92) und trotzdem er ist gut sehr kühn dass ‘und dennoch ist er so kühn, dass [...]’ Sätze wie (3), in denen eine temporale (alternativ auch eine lokale oder modale) Adverbiale vor dem Thema steht, werden von Marchello-Nizia nicht als weiterer V>2-Typ des Altfranzösischen klassifiziert. 3.

Le matin li reis fist faire un brief (qlr 78, 2 Sam 11, 14) der Morgen der König machte machen einen Brief ‘Am Morgen ließ der König einen Brief schreiben’

Bei der Klassifizierung solcher Sätze stellt sich aber die Frage, ob sie einen weiteren eigenen V>2-Typ darstellen oder Typ 4 zuzuschreiben sind. Diese Frage scheint evident, da Sätze dieser Art in der Vergangenheit unterschiedlich bewertet wurden. Nicht geklärt ist vor allem die Frage, ob temporale, lokale und modale Adverbiale oder Adverbien in Initialstellung tatsächlich wie koordinierende Konjunktionen bewertet werden müssen bzw. anders formuliert, ob sie tatsächlich eine satzexterne Position einnehmen. Dieser Punkt ist vor allem im Hinblick auf die Vereinbarkeit der Satzstruktur mit einer V2-Grammatik von Relevanz, da die Annahme einer satzexternen Position die Kompatibilität des Satzes mit einer V2Grammatik theoretisch ermöglichen würde. Kaiser (2002, 138) geht davon aus,

3.4 Klassifizierung von V>2-Strukturen

233

dass die initiale Position in Beispielen wie (3) innerhalb des Satzes liegt. Dies bedeutet, dass keine Vereinbarkeit mit einer «strengen» V2-(CP)-Grammatik möglich ist, was Kaiser auch nicht annehmen möchte – weder in diesen Fällen, noch in Fällen wie (4) mit initialer koordinierender Konjunktion: 4.

mais nepurquant il se dormid la núit od la maisnée (qlr 78, 2 Sam 11,13) aber dennoch er schlief die Nacht mit der Dienerschaft ‘aber er schlief die Nacht dennoch mit der Dienerschaft’

Wie bereits gezeigt wurde (cf. 3.3.2), nimmt Prévost (2012) allerdings an, dass gerade in diesen Fällen Strukturen mit einer extraposition vorliegen und dass initiale adverbiale Elemente nicht zum eigentlichen Satz gehören und deshalb einer V2-Grammatik nicht grundsätzlich widersprechen. Eine derartige Unterscheidung wird von Marchello-Nizia nicht getroffen. Ihre Klassifizierung geht nicht weiter darauf ein, ob es sich um eine externe oder interne Satzposition handelt. Diese drei hier nur skizzierten Meinungen können bereits andeuten, dass bisher nicht befriedigend erklärt wurde, welche V>2-Sätze im Altfranzösischen belegt sind und wie diese bewertet werden müssen. Im Verlauf dieses Kapitels soll deshalb anhand eines einschlägigen theoretischen Satzstrukturmodells eine systematische Klassifizierung erfolgen, auf deren Grundlage die verschiedenen Meinungen nochmals diskutiert werden können. Das Modell richtet sich auf eine rein oberflächenstrukturelle Beschreibung der Syntax, da, wie bereits dargestellt wurde, der V2-Sprachtyp in dieser Arbeit ausschließlich an der Oberflächenstruktur bemessen werden soll (cf. Abschnitt 2.2.3.2). Die Klassifizierung soll im Vergleich mit einer «strengen» V2-Sprache, wie dem Deutschen, erfolgen; darüber hinaus aber auch mit einer älteren, weniger «strengen» V2-Sprache, wie dem Althochdeutschen,37 sowie im Vergleich mit dem modernen Französischen. Der Blick auf das Neuhochdeutsche ermöglicht eine erste Einschätzung darüber, was in einer V2-Sprache im «V>2-Bereich» tatsächlich möglich ist und was nicht. Allerdings wurde mittlerweile zu Recht kritisiert (cf. Mathieu 2013), dass ein Vergleich zwischen einer normierten modernen Sprache wie dem Deutschen und einer mittelalterlichen Sprache wie dem Altfranzösischen nicht zu klaren Erkenntnissen führen kann. Der Blick auf das Althochdeutsche soll deshalb eine bessere Vergleichsbasis bieten, da es sich hier ebenfalls um ein Sprachstadium ohne 37 Obwohl das Althochdeutsche die «typischen» Charakteristika einer V2-Sprache aufweist, kann es nicht in derselben Weise wie die modernen germanischen Sprachen als V2-Sprache bezeichnet werden (cf. Axel 2007, 8). Es finden sich Verbstellungsstrukturen, die nicht mit einer V2-Grammatik übereinstimmen.

234

3 V>2-Strukturen: Befunde und Klassifizierung

fixierte Grammatik handelt, das keiner Normierung unterliegt.38 Der Blick auf das moderne Französische gibt Auskunft darüber, welche V>2-Sätze des Altfranzösischen bereits einem modernen Stadium des Französischen entsprechen und als solche eine V2-Grammatik des Altfranzösischen in Abrede stellen könnten (wenn sie nicht mit V2 vereinbar sind) oder welche V>2-Sätze als Strukturen identifiziert werden müssen, die sowohl in einer V2-Sprache als auch in einer modernen S-VO-Sprache wie dem heutigen Französischen zulässig sind. In den folgenden Abschnitten werde ich zunächst systematisch alle V>2-Typen des modernen und älteren Deutschen diskutieren (3.4.1), um dann den Vergleich zum alten und modernen Französischen ziehen zu können (3.4.2).

3.4.1 Klassifizierung der neu- und althochdeutschen V>2-Strukturen Für eine deskriptive Beschreibung der Satzgliedstellung des Deutschen stützte sich die Wissenschaft in der Vergangenheit häufig auf das topologische Satzmodell von Drach (1937, 1963). Das Modell gliedert den einfachen Aussagesatz in ein Vorfeld, eine Mitte und ein Nachfeld. Die Bezeichnung Mitte gilt der Position des Verbs und wird auch dann beibehalten, wenn im Nachfeld mehrere Satzglieder auftreten. Als Prototyp beschreibt Drach den Satz mit einfacher Verbform. Abbildung 10 Vorfeld

Mitte

Nachfeld

Einen Kamm

braucht

jeder

Wir

versprechen

dir einen Brief Nach Eisenberg 32006, 398 (abgeändert)

38 Hinsichtlich des Althochdeutschen orientiere ich mich weitestgehend an den Arbeiten von Axel (2004, 2007) und Fleischer und Schallert (2011) und übernehme die dort verwendeten althochdeutschen Beispiele aus dem Isidor- und dem Tatian-Text. Im Fall des Isidor-Textes handelt es sich um eine althochdeutsche Übersetzung der De fide catholica contra Iudaeos (von Isidor von Sevilla im 6. Jahrhundert verfasst), in der erläutert ist, dass die Messiasprophezeiungen auf Christus zuträfen und dass nicht die Juden, sondern die Heiden das Volk Gottes seien. Des Weiteren finden sich darin eine fragmentarische Übersetzung des Matthäusevangeliums sowie Predigten und Predigtbruchstücke. Die Wissenschaft geht heute davon aus, dass der Text auf einen einzigen Schreiber zurückzuführen ist, der für oder am Hof Karls des Großen tätig war (cf. Brunner 2005, 49). Der Tatian-Text stellt die althochdeutsche Übersetzung einer Evangelienharmonie dar, genauer gesagt einen zweisprachigen Text, der die lateinische Quelle und die althochdeutsche Übersetzung enthält. Das einzige vollständige Manuskript stammt aus der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts und entstand in Fulda (cf. Fleischer/Schallert 2011, 38).

235

3.4 Klassifizierung von V>2-Strukturen

Heute werden Weiterentwicklungen des Drach’schen Modells herangezogen, die mittlerweile zum Teil recht stark von diesem abweichen (cf. für einen Überblick Dürscheid 2000,89; Pafel 2011, 52–74). Vollständige Beschreibungen der Topologie des Aussagesatzes unterscheiden inzwischen meist sechs Positionen oder Felder, die unterschiedlich benannt und weiter differenziert wurden. In der Regel wird folgende Einteilung vorgenommen: Konjunktion/Vorvorfeld – Vorfeld – Finitum/linke Satzklammer – Mittelfeld – Infiniter verbaler Kern/rechte Satzklammer – Nachfeld (cf. Eisenberg 2006, 398; Dürscheid 2000, 98). Der linke Satzrand besteht also aus einem Vorfeld und einem Vorvorfeld/Konjunktionsfeld. Wie sich im Folgenden zeigen wird, ist das Auftreten verschiedener V>2-Strukturen im Deutschen an eine jeweils unterschiedliche Besetzung sowohl des Vorfelds als auch des Vorvorfelds gebunden. In diesem Kapitel werde ich deshalb ausschließlich auf diese zwei Positionen eingehen.

3.4.1.1 Vorfeldbesetzung mit komplexer Konstituente V>2-Stellung kann im Deutschen durch das Vorkommen von mehreren adverbialen Angaben oder Präpositionalobjekten derselben Bedeutungsklasse (z. B. temporal + temporal) auftreten, wie die folgenden Beispiele veranschaulichen:  

5.

a. [AP [AP In Stuttgart] [AP bei ihren Eltern]] hat sie ihre alte Schulfreundin getroffen. b. [AP [AP Durch den Park] [AP zum Bahnhof]] sind wir gefahren. (zitiert nach Wunderlich 1984, 79)

In Fällen wie diesen wird angenommen, dass nur eine syntaktische Einheit präverbal auftritt, weil die beiden präverbalen Elemente zusammen eine komplexe Konstituente bilden (cf. Wunderlich 1984, 7939) und also dieselbe Position – das Vorfeld – besetzen, wodurch die V2-Regel des Deutschen nicht verletzt ist (cf. Behaghel 1932, 22; Lippert 1974, 67–70; Müller 2003, 37–38). Komplexe Konstituenten treten durch die Kombinationen von Adverbien und Adverbialen auf (6), wobei diese Elemente identischen und unterschiedlichen Bedeutungsklassen angehören können, wie aus den Beispielen (7) ersichtlich wird (cf. Haider 1982, 14; Axel 2007, 212–213). Allerdings ist nicht jede Kombination möglich (cf. 7g–h).

39 Wunderlich geht davon aus, dass in Beispielen wie (5b) das zweite Element der Konstituente das erste modifiziert.

236

3 V>2-Strukturen: Befunde und Klassifizierung

6.

a. b. c. d.

[AdvP [Adv Danach] [Adv dann]] ist er nach Hause gegangen. [AdvP [Adv Dann] [Adv danach]] ist er nach Hause gegangen. [[AP Am frühen Nachmittag] [Adv dann]] musste er wieder los. [[AP Gestern Abend] [Adv endlich]] haben sie sich getrennt.

7.

a. b. c. d. e. f. g. h.

[[AP Gestern Vormittag] [AP auf dem Markt]] hat sie ihre Kollegin getroffen. [[AP Im Zug] [Adv dann]] kann sie sicher wieder schlafen. [[AP Später] [Adv dann]] kann sie sicher wieder schlafen. [[Adv Nachher] [AP im Zug]] werde ich mein Buch zu Ende lesen. [[Adv Dort] [AP in zwei Stunden]] werde ich sie treffen. ? In zwei Stunden dort werde ich sie treffen. *In zwei Stunden dort kann sie sicher wieder schlafen *Später dort kann sie sicher wieder schlafen

Ein anderer Typ einer komplexen Konstituente im Vorfeld entsteht durch das Auftreten von kurzen Partikeln wie «also» (auch: «nun») oder «aber», die an ein initiales temporales, lokales oder modales adverbiales Element angehängt werden (8).40 Gemeinsam ist diesen Partikeln, dass sie den Diskursbezug herstellen, wobei «also» («nun») eine assertiv-verstärkende Funktion ausübt, «aber» dagegen als Kontrastmittel gebraucht wird. Diese Art von komplexer Konstituente existiert auch durch die Verbindung von Verbergänzung und Partikel (9): 8.

a. [[Adv Daraufhin] [AP also]] ging er wieder nach Hause. b. [[AdvP Dort [drüben]] [AP also]] sollte das Treffen stattfinden. c. [[AP Heute Vormittag] [AP also]] ist er endlich wieder gegangen.

9.

a. [[NP (Subjekt) Dieser Typ] [Adv also]] ist ihr Geliebter. b. [[NP (Subjekt) Dieser Mann] [Adv aber]] war unschuldig. c. [[NP (ind. Objekt) Diesen Rotzlöffeln] [Adv also]] soll sie eine gute Lehrerin sein.

Weiterhin hat das Deutsche die Möglichkeit, dass bestimmte Satzadverbien zwischen das initiale Satzelement (Angabe oder Verbergänzung) und das Verb treten. Hierzu zählen u. a. «freilich», «übrigens», «immerhin», «hingegen», «indessen», «jedoch» oder «allerdings»:  

40 Die Besonderheit des deutschen «also» («nun») ist, dass es als Konjunktionaladverb auch eigenständig im Satz auftreten und damit vollen syntaktischen Wert haben kann («Also ging er wieder nach Hause»).

3.4 Klassifizierung von V>2-Strukturen

10. a. b. c. d. e.

Gestern allerdings hatte er die Tasche noch in seinem Besitz. Mit großer Wut jedoch lässt es sich nicht gut schlafen. Bei diesen Worten freilich war es schon zu spät. Vor dem Restaurant immerhin war der Müll beseitigt worden. Bei schlechtem Wetter hingegen sollte man nicht auf den Berg.

11.

Anna allerdings wird da nicht mitmachen. Er freilich hatte nichts gesehen. Sie übrigens ist Vegetarierin. Das teure Fahrrad immerhin wollte er nicht kaufen. Sein Vater hingegen war auf meiner Seite. Ich indessen hielt mein Ehrenwort. Er jedoch hatte sich geirrt.

a. b. c. d. e. f. g.

237

In diesen Fällen wurde der Vorschlag gemacht, dass die Satzadverbien, wenn sie in zweiter präverbaler Position auftreten, ebenfalls eine rein diskurskonnektive Funktion ausüben und deshalb als Teil einer komplexen initialen Konstituente anzusehen sind (cf. Axel 2007, 217–218, 220).41 Für diese Annahme scheint insbesondere die Tatsache zu sprechen, dass beide präverbalen Elemente (X + Adv) gemeinsam nach links versetzt werden können (zur Linksversetzung cf. 3.4.1.3): 12. Meyer indessen/allerdings/schließlich/nämlich, der sagte zu Peter [...] (zitiert nach Axel 2007, 220) Auch im Althochdeutschen scheinen die hier aufgezeigten Formen einer komplexen Konstituente im Vorfeld belegt zu sein. Dies lässt vermuten, dass in diesem Bereich nur wenige Veränderungen im Übergang zum Mittel- und Neuhochdeutschen stattfanden. Axel (2007) konnte nachweisen, dass sich in althochdeutschen Texten ebenfalls Sätze mit zwei Angaben vor dem Verb finden, die eine komplexe Einheit bilden. Auch hier gibt es die Kombination von Adverbialen und Adverbien gleicher (15) oder unterschiedlicher Bedeutungsklassen (13–14).42 Ein Fall wie (15) entspricht exakt der neuhochdeutschen Variante «danach dann», die in Beispiel (6a) auftritt.

41 Entgegen dieses Vorschlags nimmt Dürscheid (1989, 26) an, dass zwei präverbale Konstituenten vorliegen. Zu dieser Kontroverse cf. Axel 2007, 220. 42 Darüber hinaus finden sich auch Fälle mit mehr als zwei Angaben unterschiedlicher Art vor dem Verb. Nach Axel (2007, 213) sind diese allerdings nicht als Beweis dafür anzusehen, dass das Althochdeutsche eine größere Toleranz hinsichtlich der V2-Beschränkung als das moderne Deutsche hatte.

238

3 V>2-Strukturen: Befunde und Klassifizierung

13. [AP In haubide dhes lihelles] [AP azs erist] ist chiscriban umbi mih dhazs [...] (Isidor, 294, zitiert nach Axel 2007, 212) am Anfang des Buches zuerst ist geschrieben über mich dass ‘Am Anfang des Buches ist zuerst über mich geschrieben, dass [...]’ 14. [AP Dės nȧhtes] [AP an mînemo bėtte] uȯrderota ih mînen uuine (Will, 87, 15, zitiert nach Axel 2007, 212) des Nachts an meinem Bette verlangte ich meinen Geliebten ‘Des Nachts an meinem Bette verlangte ich meinen Geliebten’ 15. [Adv thanan] [Adv tho] santa uuazzar in labal (Tatian, 549, 27, zitiert nach Axel 2007, 223) danach dann goss Wasser in Becken ‘danach dann goss er Wasser in das Becken’ Anders als im Neuhochdeutschen scheint es in frühen Texten des Althochdeutschen die Möglichkeit gegeben zu haben, dass mehrere Adverbien und Adverbialen am Satzbeginn auftreten, die Axel (2007) zufolge nicht als komplexe syntaktische Einheit analysiert werden können (16).43 Sie kommt deshalb zu dem Schluss, dass das Althochdeutsche die Möglichkeit besaß, mehrere Konstituenten in präverbale Position zu stellen, auch wenn es schwierig sei, die entsprechenden Belege wirklich zu beurteilen: «[...] it is hard to formulate any generalizations as to which types of verb-third constructions were possible in earlier OHG since the data are so scarce» (Axel 2007, 217). 16. [AdvP Dhuo] [PP azs iungist] [PP bidhiu] quham gotes sunu [...] (Isidor, 504, zitiert nach Axel 2007, 216) dann endlich deshalb kam Gottes Sohn ‘Aus diesem Grund kam Gottes Sohn dann endlich [...]’ Ebenso wie für das Neuhochdeutsche die Bildung einer komplexen Konstituente durch die Verbindung eines initialen Elements mit den Diskurspartikeln «also» oder «aber» anzunehmen ist, scheint diese Möglichkeit auch für das Althochdeutsche gegeben. Auch hier kann eine Gruppe von kurzen (syntaktisch «schwa-

43 Obwohl vieles für eine solche Schlussfolgerung spricht, stellt sich doch die Frage, ob bei einem Beispiel wie (15) nicht auch eine Vorvorfeldbesetzung vorliegen kann. Eine solche Interpretation wäre denkbar, wenn «Dhuo asz iungist» nicht zum Satz gezählt würde. Im Deutschen ist dies etwa bei einer Exklamation möglich: «Dann endlich (!) aus diesem Grund (=deshalb) kam Gottes Sohn».

3.4 Klassifizierung von V>2-Strukturen

239

chen») diskurskonnektiven Elementen zwischen eine satzinitiale Konstituente und das Verb treten. Der prominenteste Fall ist das Adverb thō, tho, dhuo (dann), daneben thanne (dann), sŏ (so, folglich), thăr, dhar (dort), u. a. (cf. Axel 2007, 223–224).44 Es wird angenommen, dass diese Adverbien, wenn sie präverbal in einem V>2-Satz auftreten, ihre ursprüngliche lokale oder temporale Bedeutung nicht voll ausgeprägt besitzen, sondern als Partikeln fungieren, die lediglich der Verstärkung und Diskursanbindung des satzinitialen Elements dienen (cf. Axel 2007, 224–225). Das satzinitiale Element kann, wie im Neuhochdeutschen, eine Angabe oder eine Verbergänzung (17a, b) sein:  

17. a. her tho antuurtita inti quad in (Tatian, 335, 18, zitiert nach Axel 2007, 224) er aber antwortete und sagte ihnen ‘er aber antwortete und sagte zu ihnen’ b. siu tho gjuuanta sih (Tatian, 665, 19, zitiert nach Axel 2007, 224) sie aber drehte sich ‘sie aber drehte sich herum’ Hinsichtlich der Partikeln thō oder thanne ist Axel (225) der Ansicht, dass durch ihren Einsatz ein Wechsel des Diskurstopiks markiert und damit eine Funktion erfüllt wird, die mit der Diskursfunktion von neuhochdeutsch «aber» vergleichbar ist. Diese Vermutung sieht sie darin bestätigt, dass in Luthers Bibelübersetzung diese Textpassagen mit X-THO-V häufig mit der kontrastiven Partikel «aber» übersetzt wurden, wie an (18) exemplarisch dargestellt werden kann: 18.

Fimfi dero dhanne uuarun unuuiso fünf dieser DHANNE waren töricht ‘fünf von ihnen aber waren töricht’ Aber fuͤ nff unter jnen waren toͤ richt (Mt 25,2, Lutherbibel 1546, zitiert nach Axel 2007, 225).

44 In vielen Arbeiten wird dafür plädiert, diese Adverbien mit den klitischen Personalpronomen gleichzusetzen, da ihre syntaktische Distribution derjenigen der Pronomen entspricht (cf. Reis 1901; Fourquet 1938, Behaghel 1932, 12 und 14; Lippert 1974, 54). Axel argumentiert gegen diese Interpretation. Ihrer Meinung nach ist eine Analyse, nach der diese Adverbien als enklitisch bezeichnet werden, nicht überzeugend: «There are Germanic languages or dialects which have been argued to possess pronoun clitics – e.g. modern Dutch, West Flemish or the German dialects [...] – but there is no such comparative evidence for clitic adverbs» (Axel 2007, 225).

240

3 V>2-Strukturen: Befunde und Klassifizierung

Mit Axel kann also angenommen werden, dass auch im Fall dieser althochdeutschen Beispiele eine one-constituent analysis, i.e. die Analyse von X + Partikel als eine syntaktische Einheit im Vorfeld plausibel erscheint. V>2-Sätze mit präverbalen Satzadverbien, wie sie für das Neuhochdeutsche belegt wurden (Beispiele 10–11), gibt es im Althochdeutschen ebenfalls. Nach Axels Angaben (2007, 217s.) handelt es sich vor allem um die Adverbien giwisso (gewiss, sicherlich, wirklich, tatsächlich), wārlīh(h)o (wahrhaftig, tatsächlich, wirklich) und chiuuisso (sicherlich): 19. endi bidhiu iu chiuuisso quham christ (Isidor, 464, zitiert nach Axel 2007, 221) und deshalb bereits sicherlich kam Christus ‘Und aus diesem Grund ist Christus sicherlich bereits gekommen’ Latein: Ideoque iam aduenit christus 20. nu giuuesso nist min rihhi hinan (Tatian, 623, 19, zitiert nach Axel 2007, 217) nun gewiss NEG-ist mein Königreich hiervon ‘gewiss, nun ist mein Königreich nicht von dieser Welt’ Latein: nunc autem regnum meum non est hinc 21. thio uuisun uuarlihho / Intfiengun oli In iro faz (Tatian, 531, 9, zitiert nach Axel 2007, 219) die Weisen wahrhaftig gaben Öl in ihre Gefäße ‘wahrhaftig gaben die Weisen Öl in ihre Gefäße’ Latein: prudentes uero acceperunt oleum in uasis suis Auch in diesen Fällen geht Axel (2007, 220) davon aus, dass die Adverbien eine diskurskonnektive Funktion ausüben und Teil einer präverbalen komplexen Konstituente sind.45 Auch hier zeigt sie, dass das initiale Satzelement gemeinsam mit dem Adverb nach links versetzt werden kann, was ihrer Meinung nach wieder dafür spricht, dass es sich um eine komplexe Einheit handelt. Das folgende

45 Axel (2007, 220) stützt ihre Annahme auf den Vergleich mit dem lateinischen Original, denn giwisso und wārlīh(h)o entsprächen dort meist den diskursiv-konnektiv verwendeten Ausdrücken autem, vero, enim, ergo, itaque, u. a. In diesem Zusammenhang weist sie darauf hin, dass in der Vulgata in den Gospels oft Sequenzen mit Subjekt + autem am Beginn der Bibelverse stehen, wenn ein Wechsel des Diskurstopiks stattfindet. Diese Formulierung werde im althochdeutschen Tatian mehrfach durch Subjekt + wārlīh(h)o ersetzt.  

3.4 Klassifizierung von V>2-Strukturen

241

Beispiel zeigt die Dislokation des pronominalen Subjekts ir mit dem Satzadverb uuarliho und das Personalpronomen ir als Resumptivum: 22. Inti ir uuarliho / nu habet ir gitruobnessi. (Tatian, 597, 26, zitiert nach Axel 2007, 220) und du wahrhaftig jetzt hast du Betrübnis ‘Und du tatsächlich, jetzt bist du betrübt.’ Latein: uos igitur nunc quidem tristitiam habebitis Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sowohl im modernen Deutschen als auch im Althochdeutschen V>2-Stellung durch das Auftreten einer komplexen Konstituente im Vorfeld hervorgerufen werden kann. Diese setzt sich entweder aus zwei temporalen, lokalen oder modalen Adverbialen oder Adverbien zusammen (oder aus deren Kombination) oder sie ergibt sich durch das Auftreten eines Diskurskonnektors in zweiter präverbaler Position. Wie gezeigt wurde, haben nicht nur Diskurspartikeln, sondern auch einige Satzadverbien diskurskonnektive Funktion. Ein Unterschied zwischen dem Neu- und Althochdeutschen ist nur in einzelnen Fällen zu beobachten. In diesen Fällen stellt Axel (2007, 217) die zentrale Frage, ob die Eigenart der althochdeutschen Texte – also die Tatsache, dass es sich um Übersetzungen aus dem Latein handelt – Einfluss auf die Syntax gehabt haben könnte: «In most cases, the word order is very close to the Latin. [...] On the other hand, the Isidor translation is of outstanding quality, which raises the question of whether it would really be legitimate to simply dismiss these word orders as non-native phenomena». Die Problematik, die hinsichtlich der mittelalterlichen Bibelübersetzung besteht, wurde bereits erläutert (cf. 1.1). Fleischer und Schallert (2011, 154) nehmen an, dass sowohl im Isidor als auch im Tatian die lateinische Struktur in vielen Fällen übernommen wurde.46 Allerdings sei in

46 Ein Beispiel, dass Fleischer und Schallert (2011) anführen, ist der Ablativus absolutus. Es scheint offensichtlich, dass die Syntax dieser lateinischen Konstruktion in den althochdeutschen Texten beibehalten wurde, dass aber ein anderer Kasus an die Stelle des Ablativs trat: «Für den lateinischen Ablativ – einen Kasus, den es im Althochdeutschen nicht gibt – tritt der althochdeutsche Dativ ein. Entsprechend wird die althochdeutsche Struktur gerne als ‹Dativus absolutus› [...] bezeichnet. Im althochdeutschen Tatian finden sich sehr viele Beispiele für den Dativus absolutus, sie sind aber jeweils immer parallel zu einem lateinischen Ablativus absolutus konstruiert, es bestehen also diesbezüglich keine Unterschiede zum lateinischen Text» (39). Weiterhin weisen die Autoren darauf hin, dass der Dativus absolutus außerhalb von Übersetzungstexten kaum belegt ist und in Übersetzungstexten immer nur dann auftritt, wenn ein lateinischer Ablativus absolutus gegeben ist. Deshalb liege es nahe, «[...] dass es sich hier um eine aus dem Latein übernommene Struktur handelt, die sich kaum über althochdeutsche Übersetzungstexte

242

3 V>2-Strukturen: Befunde und Klassifizierung

denjenigen Passagen, in denen die althochdeutsche Syntax mit dem lateinischen Vorbildtext nicht übereinstimmt, auszuschließen, dass direkte lateinische Beeinflussung vorliege. Schwierig zu beantworten bleibt die Frage nach der Autonomie der Satzstruktur also nur in denjenigen Fällen, in denen sich die althochdeutsche und die lateinische Verbstellung entsprechen, wie etwa in (21).

3.4.1.2 Doppelte Vorfeldbesetzung mit adverbialen Satzelementen Im letzten Abschnitt wurde besprochen, dass das Auftreten von althochdeutschen Satzadverbien in präverbaler Position in der Regel daran gekoppelt ist, dass sie eine diskurskonnektive Funktion ausüben. Eine hiervon abweichende Lesart ist nötig, wenn sich giwisso oder wārlīh(h)o in ihrer ursprünglichen epistemischen Bedeutung (entsprechend lat. profecto oder vere) in präverbaler Position befinden. In diesen Fällen geht Axel (2007, 221) nicht davon aus, dass eine komplexe Konstituente vorliegt: «at least in those cases where giwisso and wārlīhho are used in their original epistemic senses, it is very likely that they constitute a separate constituent.» 23. min fleisig uuarlicho ist muos / inti min bluot uuarlicho ist trang (Tatian, 263,11, zitiert nach Axel 2007, 221) mein Fleisch wirklich ist Nahrung und mein Blut wirklich ist Trank ‘Mein Fleisch ist wirklich Nahrung und mein Blut ist wirklich Trank’ Die Möglichkeit, dass keine komplexe Konstituente, sondern zwei autonome präverbale Satzelemente vorliegen, scheint auch dann gegeben, wenn eines der im vorhergehenden Abschnitt behandelten kurzen Adverbien in seiner ursprünglichen, i.e. lokalen oder temporalen Bedeutung präverbal auftritt (cf. Axel 2007, 10, 225). 24. Seegi got dhar sprah (Isidor, 311, zitiert nach Axel 2007, 225) siehe Gott dort sprach ‘Siehe, Gott sprach dort’

hinaus verbreitet hat» (cf. Fleischer/Schallert 2006, 42–44). «Sie war im gesprochenen Althochdeutschen wenig üblich, obwohl sie uns in manchen althochdeutschen Übersetzungstexten [...] sehr häufig begegnet. So sprechen also einige Argumente dafür, den althochdeutschen Dativus absolutus nicht als genuin althochdeutsche Struktur, sondern als eine Übernahme aus dem Latein zu sehen» (40).

3.4 Klassifizierung von V>2-Strukturen

243

Bei diesem Satz zeichnet sich ein deutlicher Unterschied zum modernen Deutschen ab, weil es lokale oder temporale Adverbien nicht präverbal hinter eine initiale Verbergänzung stellen kann: 25. a. *Gott dort sprach b. *Gott damals sprach Axel (2007, 227) vermutet, dass Konstruktionen wie in (24) die einzigen Fälle des Althochdeutschen sind, die tatsächlich eine mit V2-inkompatible V>2-Struktur darstellen. Für das moderne Deutsche wird diese Möglichkeit in der Regel generell ausgeschlossen, selbst wenn gelegentlich Zweifel an dieser Annahme aufkommen können, wie etwa bei dem folgenden, von Müller (2003) diskutierten Beispiel: 26. Alle Träume gleichzeitig lassen sich nur selten verwirklichen. (zitiert nach Müller 2003, 31) Müller (2003, 31) geht davon aus, dass in diesem Fall zwei Konstituenten vorliegen, da kein Bezug zwischen dem Adverb («gleichzeitig») und der Verbergänzung («Träume») bestehe, allerdings einer zwischen «gleichzeitig» und «verwirklichen». Es stellt sich also die Frage, ob in Ausnahmefällen eine doppelte Vorfeldbesetzung durch eine Angabe in zweiter präverbaler Position selbst im modernen Deutschen auftreten kann. Weitere Sätze dieser Art wären «Alle Träume auf einmal lassen sich nur selten verwirklichen» oder «Diese Frau möglicherweise könnte es getan haben».47 Ob es sich in diesen Fällen tatsächlich um Strukturen handelt, die die V2-Grammatik eigentlich verletzen, wird kontrovers diskutiert. Allerdings habe ich in den Kapiteln 2.3.5, 2.3.6 und 3.2 bereits darauf hingewiesen, dass nicht zu bestreiten ist, dass selbst in angeblich «strengen» V2Sprachen eine Abweichung zu V2 auftreten kann. In den kritischen Fällen der modernen Sprachen handelt es sich jedoch nicht um solche Sätze, die denen des Althochdeutschen mit lokalem Adverb in (24) entsprechen würden.

47 Es hat sich gezeigt, dass die Möglichkeit einer doppelten Vorfeldbesetzung in weiteren germanischen V2-Sprachen gegeben sein kann. Im Isländischen ist dies etwa bei dem Adverb einfaldlega (einfach) der Fall, im Schwedischen bei kanske (vielleicht): Hann einfaldlega kann ekkert (Er einfach weiß nichts / «Er weiß einfach nichts») oder Erik kanske kan svara på din fråga (Erich vielleicht kann antworten auf deine Frage. / «Erich kann vielleicht deine Frage beantworten»); zitiert nach Platzack 1986, 29. Im Deutschen unterliegt das Adverb «vielleicht» der V2Beschränkung, wobei diese Beschränkung für «möglicherweise» nicht gegeben ist, wie aus dem im Text genannten Beispiel ersichtlich wurde.

244

3 V>2-Strukturen: Befunde und Klassifizierung

3.4.1.3 Linksversetzungen im Vorvorfeld Das Vorvorfeld wurde in der Vergangenheit insbesondere zur Beschreibung von nach links versetzten Satzelementen herangezogen. Im Allgemeinen werden zwei oder sogar drei verschiedene Typen von Verschiebungen in die linke Satzperipherie unterschieden. Je nach theoretischer Ausrichtung der Untersuchung ist dabei von Linksversetzung (Altmann 1981) oder von left dislocation (Ross 1986, u. a.) und von «freiem Thema» (Altmann 1981) oder hanging topic (Cinque 1977) die Rede. Während der erste dieser beiden Typen in den verschiedenen Ansätzen recht einheitlich dargestellt wird, verbergen sich hinter dem Etikett «freies Thema» oder hanging topic meist unterschiedliche Formen der Linksverschiebung, die freilich trotzdem in einigen Punkten übereinstimmen. Nach einschlägigen Klassifizierungen für das Deutsche (Altmann 1981; Zifonun, et al. 1997; Pittner/Berman 2010, u. a.) sind die folgenden Sätze (27) Linksversetzungen bzw. left dislocations. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass ihre nach links verschobenen Elemente durch eine Proform wieder aufgenommen werden. Diese Proform, ein sogenanntes Resumptivum, stimmt in Genus, Numerus und Kasus mit den nach links versetzten Elementen überein.48 Zu den Resumptiva gehören vor allem die (schwachen) Demonstrativpronomen «der», «die», «das» (d-pronouns), die Personalpronomen, in selteneren Fällen auch die Demonstrativa «dieser», «diese», «dieses» (27e) oder einige Indefinitpronomen, wie «alle» oder «jeder» (27f–g).49  



27. a. b. c. d. e. f. g.

Der Martin, der hört diese Musik gerne. Den Peter, den treffe ich heute. Dem Hans, dem gehören die Schuhe. Mit dem Noah, mit dem spiele ich gerne. Nur den Kleinsten, diesen hatte sie in ihr Herz geschlossen. All diese Mädchen, alle plapperten (sie) durcheinander. Die Menschen auf dem Land, jeder von ihnen weiß, was ein harter Winter ist.

48 Das Resumptivum befindet sich bei Linksversetzung in der Regel vor dem Verb, wobei dies nicht der Fall sein muss, bzw. nicht immer der Fall sein kann. Sofern ein anderes Element in dieser Position steht, tritt das Resumptivum entsprechend den Restriktionen einer V2-Grammatik postverbal auf: Der Martin, manchmal hört er diese Musik ganz gerne. / manchmal hört der diese Musik ganz gerne. 49 Das Indefinitpronomen «jeder» stellt insofern eine Ausnahme dar, als es im Numerus nicht mit dem Referenz-Nomen übereinstimmt und die Kongruenz erst durch die obligatorische Setzung der Präpositionalphrase mit Objektpronomen (von ihnen) gegeben ist.

3.4 Klassifizierung von V>2-Strukturen

245

Zu den Linksversetzungen zählen im Deutschen auch Formen, in denen eine lokale oder temporale Adverbiale disloziert wird: 28. a. b. c. d.

Im Zug, da schlafe ich fast immer ein. Danach, da wird er es längst vergessen haben. Im Hotel, dort haben wir eigentlich nur geschlafen. Gestern, da haben wir im Garten gegessen.

In diesen Fällen muss angenommen werden, dass das initiale adverbiale Element außerhalb des eigentlichen Satzes steht und dass «da» bzw. «dort» im Vorfeld auftritt. Die zwei Adverbien können hier als eine Art Resumptivum verstanden werden. Sie greifen die initiale Adverbiale («im Zug», «im Hotel») oder das initiale Adverb («gestern», «danach») wieder auf. Da diese Elemente nicht flektierbar sind, besteht keine Kongruenz. Übereinstimmung findet nur insofern statt, als «dort» ausschließlich mit lokalen Adverbien oder Adverbialen auftreten kann, «da» allerdings mit lokalen und temporalen (modale sind ausgeschlossen). Im Unterschied zu den bisher genannten Formen werden die folgenden Sätze in der Regel als «freies Thema» oder hanging topic bezeichnet: 29. Der Film da, ich erinnere mich nicht mehr genau an das Ende. 30. Der Peter, ich treffe dieses Genie heute Nachmittag. 31. Der Hans, mit dem spreche ich nicht mehr. /... den treffe ich später. /... dem gehört das Buch nicht. Wie die Beispiele verdeutlichen, gibt es in diesen Fällen im Vergleich zur Linksversetzung eine Abschwächung hinsichtlich der syntaktisch ausgedrückten Referenz zwischen dem versetzten Element und dem eigentlichen Satz. Denn entweder tritt überhaupt kein Resumptivum mehr auf und die Referenz wird nur durch den Inhalt gegeben (29), oder der Bezug zeigt sich durch eine weitere Nominalphrase, die eine Art semantisches Substitut darstellt (30), oder durch ein Pronomen, welches in einem anderen Kasus steht, als der nach links versetzte Teil (31). Das nach links verschobene Satzelement steht immer im Nominativ, unabhängig davon, welchen Kasus die Proform besitzt.50 Viele Autoren schließen sich der zweigliedrigen Klassifizierung – Verschiebung/dislocation vs. «freies Thema»/hanging topic – an. Beschreibungsprobleme ergeben sich aber wohl dennoch, insbesondere hinsichtlich der Konstruktionen

50 In Fällen wie (23) kann das anaphorische Element vor oder hinter das Verb treten: Der Hans, mit dem spreche ich nicht mehr. / Der Hans, ich spreche nicht mehr mit ihm.

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3 V>2-Strukturen: Befunde und Klassifizierung

ohne Kasuskongruenz, die teilweise als Linksverschiebung bzw. left dislocation und teilweise als «freies Thema» bzw. hangig topic bezeichnet wurden (cf. einen Überblick bei Nolda 2004, 424).51 Auch im Althochdeutschen scheinen verschiedene Formen der Versetzung in die linke Satzperipherie existiert zu haben. Recht eindeutige Belege gibt es für Linksversetzungen (cf. Axel 2007, 204), wobei insbesondere die Dislokation einer NP im Nominativ belegt ist (32). Allerdings weist Axel (2007, 205) darauf hin, dass sporadisch auch Beispiele gefunden wurden, in denen eine nicht-nominative Form mit einem nicht-nominativen Resumptivum steht, wie etwa ein Dativ (33) (cf. auch Näf 1979, 130). Bei Fällen mit abgeschwächter syntaktischer Referenz scheint weder die Annahme einer Linksversetzung/left dislocation, noch eines «freien Themas»/hanging topics ganz zutreffend. In einem Beispiel wie (34) erlaubt es die Übereinstimmung im Kasus nicht, den Satz als «freies Thema» zu interpretieren, die fehlende Genusangleichung spricht aber auch nicht eindeutig für eine Linksversetzung.52 Es scheint ein ähnlicher Typ wie «Der Hans, dieses Genie ...» vorzuliegen, mit dem Unterschied, dass nach dem nach links versetzten Element keine Nominalphrase, sondern ein einfaches Pronomen folgt, was im modernen Deutschen nicht geht. Axel (2007, 206) kommt deshalb zu dem Schluss, dass keine eindeutige Klassifizierung getroffen werden kann: «[...] there was (at least) one position for dislocated topics to the left of the target position [...]. It is unclear, however, how many constructions with dislocated topics existed».53

51 Nolda (2004, 425, 429) kommt zu einer Klassifizierung, die drei eigenständige Linksverschiebungen unterscheidet: A) (left-)dislocated topic, B) (left-) (nominal) attached topic und C) (left-) hanging topic. Er unterscheidet die ersten beiden Strukturtypen vom letzten anhand des Auftretens eines starken syntaktischen Antezendenten, in Fällen wie (27) mit völliger Übereinstimmung des Kasus und in Fällen wie (31) mit ungleichem Kasus. Diese Strukturen haben gemeinsam, dass eine Angleichung von zumindest Numerus und Genus zwischen dem versetzten Element und dem Resumptivum stattfindet. In Fällen wie (29), die für Nolda den Typ C darstellen, gibt es hingegen gar keinen syntaktischen Antezendenten. Verschiedene Autoren (cf. Berrendonner 2002; Astésano, et al. 2008, u. a.) sind der Meinung, dass sich insbesondere dieser Typ von den anderen abhebt, da das versetzte Element syntaktische Eigenständigkeit aufweist und keine Funktion hinsichtlich des Verbs erfüllt. 52 Im Neuhochdeutschen ist die Linksversetzung mit fehlender Genusangleichung nicht möglich. Lediglich die Kongruenz des Numerus kann (bei Indefinitpronomen) eingeschränkt sein (cf. Fußnote 49 Kap. 3). 53 Inwieweit die Möglichkeit besteht, dass eine eindeutige Form des «freien Themas» ohne Kasuskongruenz auftreten kann, wird aus Axels Daten nicht ersichtlich.  

3.4 Klassifizierung von V>2-Strukturen

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32. [thie morganlihho tág] / [ther] bisuorg& sih selbo (Tatian 157, 14, zitiert nach Axel 2007, 204) der morgige Tag der sorgt sich selbst ‘morgen wird er um sich selbst besorgt sein’ 33. [Témo léuuen dér grece nemues hîez.] [démo] nám er dia hût [...] (N BCon IV 228, 17, zitiert nach Axel 2007, 206) dem Löwe-DAT der in Griechenland Nemues hieß dem nahm er die Haut ‘dem Löwen, der in Griechenland ‹Nemues› hieß, dem zog er die Haut ab [...]’ 34. [Dhesiu gardea fona dheru iesses uurzun] [dhazs] ist dhiu unmeina magad maria (Isidor, 661, zitiert nach Axel 2007, 205) dieser Trieb von der Jesses Knolle das ist die reine Jungfrau Maria ‘Dieser Trieb der Jesse-Knolle, er ist (wie) die reine Jungfrau Maria’

3.4.1.4 Adverbiale Nebensätze im Vorvorfeld Das Auftreten von adverbialen Nebensätzen in Initialstellung führt im modernen Deutschen in zwei Fällen zu einer V>2-Struktur: Zum einen, wenn einem Konditional- oder Konzessivsatz mit «Wenn ... » das Adverb «dann» (alternativ auch «so») folgt (35), zum anderen, wenn einem Temporalsatz mit «Als ... » das Adverb «da» folgt (36). 35. a. Wenn ich nach Hause komme, dann räume ich erst einmal auf. b. Wenn du ihr schon nichts sagst, so erzähle doch wenigstens mir, was passiert ist. 36. a. Als Hanna nach Hause kam, da erwartete sie ein großes Chaos. Konstruktionen dieser Art wurden in der Vergangenheit unterschiedlich bewertet. Einerseits besteht der Vorschlag, die einleitenden Nebensätze solcher Strukturen in einer Position außerhalb des eigentlichen Satzes zu verorten, also im Vorvorfeld. Man geht davon aus, dass die Nebensätze ähnlich wie Linksverschiebungen durch die Adverbien «dann» bzw. «da» («so») im Satz wieder aufgegriffen werden, wodurch die V2-Bedingung nicht verletzt ist (cf. Rinke 2007, 38). Da allerdings nur diese drei Adverbien in der Position zwischen einleitendem Nebensatz und Verb zulässig sind und das Neuhochdeutsche in allen anderen Fällen den Hauptsatz unmittelbar an den einleitenden Nebensatz anschließt, scheinen Zweifel an dieser Erklärung nicht ganz unberechtigt. Es wurde deshalb auch die These aufgestellt, dass einleitende Nebensätze im heutigen Deutschen immer im Vorfeld

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3 V>2-Strukturen: Befunde und Klassifizierung

liegen und in dieser Position syntaktisch in den Hauptsatz integriert sind (cf. Reis 1997; Axel 2007, 228). Diese Analyse der Satzstruktur impliziert, dass «dann» bzw. «da» («so») in der Position zwischen einleitendem Nebensatz und Hauptsatz keine vollen Adverbien sind, sondern (semantisch abgeschwächte) Diskurspartikeln, die keinen eigenständigen syntaktischen Wert haben. In diesem Verständnis könnten sie folglich mit dem Verb im Mittelfeld auftreten. Welche dieser Annahmen letztlich Gültigkeit hat, scheint bis heute nicht einstimmig geklärt. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Abschwächung gewisser – häufig kurzer – Adverbien in anderen Fällen offensichtlich ist (cf. 3.4.1.1), weshalb die Vorfeld-These durchaus eine Berechtigung besitzt. Wesentlich eindeutiger muss die Situation im Althochdeutschen gewesen sein. Axel (2007, 231–232) geht davon aus, dass sich der einleitende Nebensatz hier in einer satzexternen Position befindet. Für diese Interpretation sieht sie mehrere Indizien, u. a. die Tatsache, dass adverbiale Nebensätze links von koordinierenden Konjunktionen auftreten können, was bedeutet, dass sie «[...] at the outmost left edge of their matrix clauses» positioniert sein müssen.54 Im folgenden Beispiel ist der einleitende Nebensatz durch enti (und) mit dem Hauptsatz verbunden:  

37. Enti [ibu daz {hus sii} uuir dich] enti iuuuer fridu quuimit ubar daz hus (MF II, 2 Mt 10, 13, zitiert nach Axel 2007, 229) und wenn das Haus würdig sein und euer Friede kommt über das Haus ‘und wenn jenes Haus es würdig ist, lass Deinen Frieden darüber kommen’ Die externe Position des Nebensatzes ist nach Axel auch dann zu rechtfertigen, wenn oberflächlich eine Nebensatz-V-X-Struktur vorliegt. Ihre Annahme lautete, dass auf den Nebensatz in diesen Fällen eine V1-Struktur folgt, sodass das Verb

54 Als weiteres Indiz führt Axel die Tatsache an, dass adverbiale Nebensätze auch dann in der linken Peripherie auftreten, wenn sie weitere subordinierende Nebensätze näher bestimmen und sich auf diese beziehen, wie im folgenden Beispiel: [...] neist tés niomannen vruúnder só der uuint uuáhet] táz tiu uuélla án den stad slahet (N BCon IV 211. 2, zitiert nach Axel 2007, 230) nicht-ist dass niemand wundert wenn der Wind bläst dass die Wellen an das Ufer schlagen «[...] niemand wundert sich, dass die Wellen an das Ufer schlagen, wenn der Wind bläst» Dieses Argument scheint vor allem deshalb plausibel, da diese Konstruktion im modernen Deutschen nicht möglich ist (*«Niemand wundert sich, wenn der Wind bläst, dass die Wellen an das Ufer schlagen» versus «Niemand wundert sich, dass die Wellen an das Ufer schlagen, wenn der Wind bläst»).

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3.4 Klassifizierung von V>2-Strukturen

(in der linearen Abfolge) unmittelbar hinter dem adverbialen Nebensatz bleibt.55 Diese Annahme scheint insofern gerechtfertigt, als Axel belegen kann, dass es sich bei den Hauptsätzen stets um Strukturen handelt, die die für das Althochdeutsche typischen V1-Eigenschaften aufweisen (zu diesen zählt sie u. a. vor allem unpersönliche oder passive Strukturen).56  

38. [innan dhiu ir uuas in gotes faruuu], ni uuas imu dhuo einighan fal ardeilendi (Isidor, 404, zitiert nach Axel 2007, 231) insofern als er war in Gottes Form nicht war ihm dann irgendein Fall verurteilend ‘insofern er in der Gestalt Gottes war, erschien es ihm nicht räuberisch’ Neben V2-Strukturen gibt es im Althochdeutschen Sätze, in denen zwischen dem einleitenden Nebensatz und dem Verb ein weiteres Element auftritt. Daraus resultiert ein V>2-Effekt, wie in (39) ersichtlich wird. Für diesen – wohl eher seltenen – Typ nimmt Axel (2007, 234) ebenfalls an, dass die nach links versetzten adverbialen Nebensätze außerhalb des Satzes liegen. Das zwischen Nebensatz und Verb platzierte Element, hier das Adverb dhar, besetzt folglich das Vorfeld. 39. [Dhuo ir himilo gɑrauui frumidɑ], [dhɑr] uuɑs ih (Isidor, 91, zitiert nach Axel 2007, 228) als er himmlische Ausstattung erschuf dort war ich ‘als er die Himmel schmückte, war ich dort’ Wenn man sich der Argumentation von Axel (233) anschließen möchte, kann also festgehalten werden, dass ein Unterschied zwischen dem modernen Deutschen und dem Althochdeutschen besteht, insofern im Althochdeutschen noch keine «Verankerung» des adverbialen Nebensatzes im Hauptsatz vorliegt.57 Hier befindet sich dieser in der linken Peripherie des Hauptsatzes und grenzt an diesen an. Diese Konstruktion wird von einigen Sprachwissenschaftlern als sehr alte Technik

55 Wie in Kapitel 2.2.3.2 gezeigt, wird im Rahmen generativer Analysen angenommen, dass die erste Position in V1-Sätzen einer V2-Sprache nicht gesättigt ist, sodass bei einleitendem Nebensatz eigentlich eine Xextrapo-V1-Struktur vorliegt, in der die erste satzinterne Position leer ist. 56 Weiterhin stellt sie fest, dass in den späten althochdeutschen Texten kaum mehr Strukturen vorhanden sind, in denen der adverbiale Nebensatz unmittelbar vor dem Verb, i.e. angrenzend an eine V1-Struktur, auftritt. Dies ist ihrer Meinung nach deshalb nicht verwunderlich, da deklarative V1-Strukturen in den späten Texten generell selten sind (cf. Kapitel 3 bei Axel 2007). 57 Eine Veränderung der Position des Nebensatzes findet wohl erst in der Zeit des frühen Neuhochdeutschen statt (cf. Axel 2004, 40).

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3 V>2-Strukturen: Befunde und Klassifizierung

der Satzverknüpfung angesehen, die ihre Wurzeln in indoeuropäischer Zeit hat (cf. Axel 2007, 234).

3.4.1.5 Koordinatoren, Interjektionen und Satzadverbien im Vorvorfeld Neben den nach links herausgestellten Satzgliedern treten im Vorvorfeld insbesondere koordinierende Konjunktionen (40a), einige Konjunktionaladverbien (40b) und Interjektionen bzw. Exklamationen (40c) auf (cf. Altmann, et al. 1999, 161): 40. a. Aber er wollte nichts davon wissen. b. Also (,) Karl kommt auf jeden Fall mit in den Urlaub. c. Ach, sie war eigentlich nur fünf Minuten hier. Als ein syntaktisches Indiz dafür, dass diese Elemente im Vorvorfeld und somit außerhalb der Satzstruktur liegen müssen, wurde die Tatsache angeführt, dass ihr Weglassen nicht zu Ungrammatikalität führt (cf. Dürrscheid 2000, 98). Auch unter semantischem Gesichtspunkt scheint kein Bezug zwischen der Satzäußerung und den Elementen im Vorvorfeld zu bestehen, da sowohl bei Konjunktionen und Konjunktionaladverbien als auch bei Interjektionen gar keine lexikalische Bedeutung (im strengen Sinne) gegeben ist. Eine weitere Möglichkeit der Vorvorfeldbesetzung ist im Deutschen durch eine Reihe von Satzadverbien oder Satzadverbialen gegeben, die eine sprecherbezogene Erweiterung der Äußerung darstellen und sich als Sprecherurteile auf den gesamten Satz beziehen. Nach den Regeln der deutschen Zeichensetzung ist in diesen Fällen ein Komma oder ein Gedankenstrich nach dem adverbialen Element zu setzen, um dessen besondere Position zu kennzeichnen: 41. a. Gewiss – Eure Worte schmeicheln mir. b. Zweifellos, die deutsche Nationalmannschaft hat gut gespielt. c. Selbstverständlich, die Opfer der Katastrophe werden eine Entschädigung bekommen. d. Natürlich/Logisch/Typisch, er hat immer noch nichts verstanden. e. Merkwürdig, sie sind immer noch nicht zurückgekommen. f. Trotzdem/Dennoch, ich bleibe bei meiner Meinung. g. Ohne Zweifel, die zwei Jungen werden das sicher durchziehen. h. In der Tat, ich habe das schon bemerkt. Auch in diesen Fällen zeigt die Tatsache, dass die Adverbien weggelassen werden können und der Satz grammatisch korrekt bleibt, dass eine satzexterne Position

3.4 Klassifizierung von V>2-Strukturen

251

vorliegt. Diese Annahme entspricht auch dem fehlenden semantischen Bezug zwischen dem Adverb und dem Satz, denn die Verbindung scheint nicht inhaltlicher Art zu sein, sondern auf pragmatischer Ebene zu liegen, da durch das adverbiale Element im Vorvorfeld lediglich die Haltung des Sprechers gegenüber seiner Äußerung zum Ausdruck kommt. Es handelt sich dabei in den meisten Fällen entweder um eine Stellungnahme hinsichtlich des Wahrheitsgehalts der Äußerung («gewiss», «zweifellos», «selbstverständlich», «ohne Zweifel» etc.) oder um die Bewertung des geäußerten Sachverhalts («typisch», «merkwürdig» etc.). Vergleichbar mit dem modernen Deutschen sind auch im Vorvorfeld des Althochdeutschen Konjunktionen belegt (Beispiele 18, 21) – außerdem vermutlich Konjunktionaladverbien und Interjektionen (dies ist den Daten von Axel allerdings nicht zu entnehmen). Ob dort ebenfalls sprecherbezogene Satzadverbien auftreten, ist nicht klar. Die entsprechenden Belege mit diesen Satzadverbien, die Axel nennt, haben eine V2-Struktur: 42. giuuesso quimit in iuuih/gotes rihhi [...] (Tatian, 211, 14, zitiert nach Axel 2007, 221) gewiss kommt in dich Gottes Reich ‘gewiss wird dir Gottes Reich begegnen’ 43. Chiuuisso chioffanaodom uuir nu hear dhazs. (Isidor, 484, zitiert nach Axel 2007, 221) gewiss offenbarten wir nun hier das ‘Ohne Zweifel haben wir das hier nun offenbart’

3.4.1.6 Das Vorvorfeld im Deutschen: Zusammenfassung Entsprechend der dargestellten Möglichkeiten der Vorvorfeldbesetzung können für das Althochdeutsche also mindestens drei verschiedene Positionen innerhalb des Vorvorfelds ausgemacht werden: eine Position für Linksversetzungen, eine Position für adverbiale Nebensätze und eine Position für koordinierende Satzelemente. Für das moderne Deutsche gibt es ebenfalls drei Teilfelder, allerdings besteht keine exakte Übereinstimmung mit der alten Sprachstufe. Ganz links besteht ein Feld für koordinierende Konjunktionen und Interjektionen, gefolgt von einem Feld für sprecherbezogene Satzadverbien (cf. Abbildung 11). Das dritte Feld enthält nach links versetzte Satzelemente. Adverbiale Nebensätze besetzen hingegen vermutlich kein eigenes Teilfeld, sondern sind in das Vorfeld integriert.

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3 V>2-Strukturen: Befunde und Klassifizierung

Abbildung 11 KOORDINATION/ INTERJEKTION (EXKLAMATION)

SPRECHERBEZOGENES SATZADVERB

LINKSVERSETZUNG

Das Vorvorfeld im modernen Deutschen

Koordinierende Konjunktionen und Interjektionen können deshalb zusammengefasst werden, da ihre syntaktische Position in zwei Richtungen variabel ist: KOOR-INT oder INT-KOOR (44a–b). Diese Variabilität ist im Fall des Felds für Satzadverbien und des Felds für Linksversetzungen allerdings nicht gegeben, ihre Reihenfolge ist «Satzadverb > Linksversetzung» (45a–b). Im Fall von (45b) ist die Umkehrung der nach links verschobenen Nominalphrase die Marlene und dem Adverb natürlich rein syntaktisch zwar möglich (Die Marlene natürlich, die wollte davon überhaupt nichts wissen), dann hätte das Adverb allerdings keinen Satzbezug mehr, sondern würde lediglich auf die NP referieren und mit ihr gemeinsam eine Konstituente bilden (cf. 3.4.1.1). 44. a. und mensch,/(oh gott!) wir sollten doch noch Tante Henriette besuchen. b. mensch,/(oh gott!) und wir sollten doch noch Tante Henriette besuchen. 45. a. Typisch, die Marlene, die wollte davon überhaupt nichts wissen. b. Natürlich, die Marlene, die wollte davon überhaupt nichts wissen. Trotz der recht klar definierten Adverb(ial)-Position des Vorvorfelds scheint es immer wieder Fälle zu geben, in denen keine eindeutige Vorvorfeld-Zuweisung des initialen Adverbs möglich ist, wie etwa im folgenden Beispiel: 46. Vermutlich derselbe Täter hatte sich zuvor bei seiner Suche nach einem Fluchtvehikel auf dem Schlüchterner Park & Ride-Platz bereits an einem anderen Personenwagen zu schaffen gemacht. (Frankfurter Rundschau, 10. 02. 1997, S. 7, zitiert nach Müller 2003, 31) Eine Satzanalyse, nach der das Vorvorfeld besetzt sein muss, scheint hier nicht angebracht, da sich das Adverb «vermutlich» intonatorisch anders verhält als die sprecherbezogenen Adverbien in (41) – obwohl es ebenfalls ein Sprecherurteil ausdrückt. Während z. B. «merkwürdig» oder «natürlich» mündlich eine Pause erfordern oder schriftlich ein Komma, ist dies bei «vermutlich» überhaupt nicht möglich. Ob deshalb aber die Annahme einer komplexen Konstituente «vermut 

3.4 Klassifizierung von V>2-Strukturen

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lich + derselbe Täter» wahrscheinlicher ist, ist ebenfalls zweifelhaft. Die einzelnen Bestimmungskriterien liefern hier keine eindeutigen Ergebnisse. Einerseits wurde ein möglicher Bezug zwischen Adverb und Nominalphrase verneint (cf. Jacob 1986, 112), da beide Teile nicht gemeinsam innerhalb einer Präpositionalphrase auftreten können und deshalb keine Einheit bilden: *«Peter träumt von vermutlich ihr» (cf. auch Müller 2003, 31). Nach dem bereits erwähnten Dislokations-Kriterium von Axel (2007, 220) ist die Annahme einer komplexen Konstituente allerdings etwas wahrscheinlicher, da die Möglichkeit besteht, Adverb + NP an den linken Satzrand zu verschieben (auch wenn dies ungewöhnlich ist): 47.

?

Vermutlich derselbe Täter, der hat auch diesen Mord begangen.

Ob also tatsächlich eine Besetzung des Vorfelds mit einer – noch nicht definierten – autonomen Sub-Position für Fälle wie «vermutlich» vorliegt, ist nicht gänzlich geklärt. Über die Möglichkeit bzw. Notwendigkeit der Etablierung dieser weiteren Position soll hier allerdings auch nicht weiter diskutiert werden, ebenso wenig über den Mehrwert eines Modells, das versucht, V>2-Strukturen wie diese kompatibel mit einem V2-Feldermodell zu machen. Viel interessanter erscheint mir die Tatsache, dass eine V2-Sprache wie das Deutsche Sätze wie (46) überhaupt enthält, die sich eben nicht «regelhaft» verhalten und mit der klassischen Aufteilung in Vorfeld-Mitte-Nachfeld (+ Vorvorfeld für satzexterne Elemente) nicht erklärt werden können.

3.4.1.7 Unmögliche oder diskursgebundene Feldbesetzungen? V>2-Strukturen, die in der neuhochdeutschen Grammatik tatsächlich nicht existieren, sind Sätze mit zwei präverbalen Verbergänzungen und Sätze mit anderen als den oben genannten Kombinationen einer Verbergänzung mit einem adverbialen Element.58 Dies kann anhand entsprechender Modifikationen einiger der oben verwendeten Beispiele sehr einfach dargestellt werden (48). 48. a. *Ältere Kinder den Wettkampf nahmen mehrheitlich auf b. *Derselbe Täter bei der Suche nach einem Fluchtvehikel hatte sich verdächtig gemacht c. *In den Urlaub Karl kommt auf jeden Fall mit

58 Innerhalb der traditionellen generativen Analyse wurde dieser Umstand durch das Prinzip erklärt, dass nur Nicht-Argumente zu einer maximalen Projektion treten können (cf. Chomsky 1986, 6).

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3 V>2-Strukturen: Befunde und Klassifizierung

Laut Axel finden sich auch im Althochdeutschen so gut wie keine Belege dieser Art. Eine mit einer V2-Grammatik inkompatible autonome althochdeutsche V>2Struktur kann nur durch die in 3.4.1.1–5 dargestellten Konstruktionen erzielt werden, andere Möglichkeiten scheinen ausgeschlossen: «[...] it can be noted that even in earlier OHG, the verb-third effects are restricted to intervening adjuncts. There are practically no examples where deviations from verb-second are triggered by two (non-pronominal) arguments occurring in prefinite position independent of or contrary to the Latin» (Axel 2007, 227). Allerdings findet sich bei Fleischer und Schallert (2011; cf. auch Axel 2007, 217) ein Beispiel aus dem Althochdeutschen, in dem zumindest ein initiales Präpositionalobjekt in Kombination mit einer Adverbiale vor dem Verb auftritt, die nicht zur Gruppe der sprecherbezogenen Angaben gehört: 49. [PP Fona hreue] [PP aer lucifere] ih dhih chibar (Isidor 23, 17–18, zitiert nach Fleischer/Schallert 2011, 154) von Schoß vor Luzifer ich dich gebar ‘Ich gebar dich vor Luzifer aus dem (Mutter)schoß’ Latein: Ex utero ante luciferum genui te Nach Fleischer und Schallert (2011, 154) ist dieses Beispiel als genuin althochdeutsche Konstruktion zu betrachten, da in der lateinischen Quelle das Verb an anderer Stelle auftritt und also direkter lateinischer Einfluss auszuschließen sei. Dennoch ist hier zu berücksichtigen, dass, auch wenn das Verb im Latein keine Endstellung einnimmt, trotzdem die Voranstellung von zwei autonomen nominalen Konstituenten gegeben ist, die durchaus einen Einfluss auf die Struktur des althochdeutschen Satzes gehabt haben könnte. Denn der Unterschied zwischen dem lateinischen Original und der althochdeutschen Übersetzung besteht lediglich in der Umstellung des Objektpronomens te bzw. dhih und nicht in der Umstellung der präverbalen Nominalphrasen.59

59 Wie Fleischer und Schallert (2011, 40–41) selbst darstellen, wurden häufige Veränderungen vor allem im Bereich der Pronomina und Artikel vorgenommen (durch Umstellungen oder Ergänzungen). Inwieweit dies auch bei nominalen Satzgliedern der Fall war, lässt sich anhand ihrer Daten nicht ausreichend beurteilen. Eine gegen den lateinischen Text konstruierte Syntax spricht sicherlich in jedem Fall dafür, dass die lateinische Struktur dem Schreiber für seinen Text nicht akzeptabel erschien. Wenn aber die Syntax beibehalten wurde, muss dies im Umkehrschluss nicht immer bedeuten, dass sie der Schreiber in seiner eigenen Sprache genauso verwendete.

3.4 Klassifizierung von V>2-Strukturen

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3.4.2 Klassifizierung der altfranzösischen V>2-Strukturen In ähnlicher Weise wie das Feldermodell für das Deutsche entwickelt wurde, erstellte Skårup (1975) für die Beschreibung der altfranzösischen Satzstruktur ein Modell, das den Satz in drei Zonen unterteilt: eine zone verbale (mit dem finiten Verb als Kern), eine zone préverbale und eine zone postverbale (cf. hierzu Buridant 1993, 36s.; Joly 2009, 205–206). Auch Skårups Modell sieht neben den drei üblichen Zonen, die für den V2-Satz vorgesehen sind, eine vierte Zone außerhalb des eigentlichen Satzes vor, die extraposition,60 sodass sich folgende Einteilung ergibt: Abbildung 12 EXTRAPOSITION

ZONE PRÉVERBALE

ZONE VERBALE

ZONE POSTVERBALE

nach Skårup 1975, 419 (abgeändert)

3.4.2.1 Besetzung der zone préverbale mit komplexer Konstituente Auch im Altfranzösischen gibt es Strukturen mit zwei adverbialen Elementen vor dem Verb, die analog zu den Strukturen des Neu- oder Althochdeutschen als Sätze mit komplexer Konstituente analysiert werden müssen. Kombiniert wurden Angaben von gleicher und unterschiedlicher Art: Während die Beispiele (50a–c) entweder zwei lokale oder zwei temporale Adverbien oder Adverbiale enthalten, treten diese in den Beispielen (51a–c) immer in Kombination auf (Xtemp-Xlok-V). 50. a. [(temp) [AP Celui soir] [AP aprés souper]] s’ala li rois Artus [...] (MortArtu, 228) jenen Abend nach Abendessen ging der König Artus ‘An jenem Abend nach dem Essen ging König Artus [...]’ b. [(temp) [Adv Puis] [AP icel jur]] en fut cent anz deserte. (Rol, 664) dann jenen Tag war [sie] hundert Jahre verlassen ‘Von diesem Tag an blieb sie einhundert Jahre lang verlassen.’

60 Der Terminus extraposition wird in dieser Arbeit nur in der französischen Tradition verwendet (im Sinne von Skårup, Prévost etc.). Der in der Germanistik geprägte Begriff der «Extraposition» ist hiermit nicht gemeint. Dieser Begriff bezieht sich innerhalb der Feldertheorie auf Verschiebungen ins Nachfeld (cf. Dürscheid 2000, 104).

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3 V>2-Strukturen: Befunde und Klassifizierung

c. [(temp) [Adv puis] [Adv aprés]] fist on crier par l’ost que [...]. (Cla, 80, 7) dann danach machte man rufen im Heer dass ‘dann im Anschluss ließ man im Heer verkünden, dass’ 51. a. [[AP(temp) Le matinet ...] [AP(lok) A la plaine champaigne]] les irai acointier. (Sais, 4323 AR) der Morgen auf dem weiten Feld sie gehe [ich] Freundschaft machen ‘Am Morgen [...] auf dem weiten Feld werde ich mit ihnen Freundschaft schließen.’ b. [[AP(temp) Ainc la nuit] [AP (lok) as herberges]] n’en osa uns raler, (Jer, 4692) in der Nacht bei den Herbergen nicht davon wagte einer zurückgehen ‘In der Nacht bei den Herbergen wagte keiner von ihnen zurückzugehen’ c. [[Adv(temp) Aprés] [AP (lok) devant chu moustier...]] avoit une grosse colombe [...] (Cla, 86, 176) danach vor diesem Kloster war eine mächtige Säule ‘Anschließend, vor diesem Kloster befand sich eine große Säule’ Beispiel (50c) enthält die komplexe temporale Konstituente puis aprés, welche vergleichbar mit dem deutschen «dann danach» ist. Vergleicht man diesen Satz mit den folgenden Beispielen (52a–c), stellt sich also die Frage, ob das hier belegte puis aprés si auch dem deutschen «dann danach also» entsprechen kann: 52. a. Et puis aprés si assist on Acre et si le prist on. (Cla, 38, 7) dann danach also besetzte man Acre und also es nahm man ‘Im Anschluss also besetzte man Acre und nahm es ein.’ b. Et puis aprés si escaï li roiaumes de Blakie a un neveu Jehan, (Cla, 116, 15) dann danach also fiel-zu das Königreich der Wallachei an einen Neffen Johannizas ‘Im Anschluss also fiel die Wallachai einem Neffen von Johanniza zu’ c. et puis aprés si atirerent li baron comment il se herbegeroient, (Cla, 55,4) dann danach also arrangierten sich die Edelmänner wie sie sich unterbrachten ‘Im Anschluss also vereinbarten die Edelmänner ihre Unterkunft’ Wie bereits gezeigt wurde, entsteht im Neu- und Althochdeutschen ein weiterer Satztyp mit komplexer Konstituente durch das Auftreten von Diskurspartikeln,

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wie nhd. «also» oder «aber» bzw. ahd. so, thô etc., die die diskurspragmatische Funktion eines kohäsiven Elements erfüllen. Diese Analyse wäre in Anbetracht der vorliegenden Beispiele nun auch für das Altfranzösische denkbar und erscheint plausibel, da si in der Vergangenheit bereits typische Funktionen eines Diskursmarkers zugesprochen wurden (cf. 2.1.3). Allerdings schlägt Buridant (2000, 507) eine Analyse vor, nach der si in Kombination mit weiteren kurzen Adverbien immer den Satzanfang bilden muss und sich somit syntaktisch anders verhalten würde als das deutsche also: «il [si] peut être précédé des conjonctions et coordonnants et/ne, mais, puis, après, externes à la proposition, auxquels il s’oppose (sauf dans certains emplois concurrentiels de et) et avec lesquels il est compatible, en les doublant.» Nach dieser Analyse stellen si vos pri por Dieu ..., si le desvesti on ... und si fu li marchis rois ... oder si prist ses nes ... in den folgenden Beispielen (53a–d) also den eigentlichen V2-Satz dar, dem or, la, ensi und adont in einer satzexternen Position vorangestellt sind. 53. a. Or si vos pri por Dieu que vos ne lessiez en nule manière que [...] (MortArtu, 89, 38–40) nun SI euch bitte [ich] für Gott dass ihr nicht zulasst in keiner Weise dass ‘Nun bitte ich Euch um Gottes Willen, dass Ihr keineswegs zulasst, dass [...]’ b. La si le desvesti on de ses dras et [...], (Cla, 96, 10) da SI ihn entkleidete man von seinen Tüchern und ‘Da nahm man ihm seine Gewänder ab und [...]’ c. Ensi si fu li marchis rois, puis en eut il une fille, (Cla, 38, 5) so SI war der Marquis König, dann hatte er eine Tochter ‘So war der Marquis König und hatte dann eine Tochter’ d. Chis rois si sejornoit en une molt rike abeie en le chite, (Cla, 54, 5) dieser König SI reiste in eine sehr reiche Abtei in der Stadt ‘Dieser König reiste in eine sehr reiche Abtei in der Stadt’ Es stellt sich nun die Frage, ob diese Interpretation tatsächlich richtig ist. Ihr entgegengesetzt könnte man auch annehmen, dass die syntaktische Nähe zum Deutschen bzw. genauer gesagt eine potentielle Nähe hinsichtlich der syntaktischen Möglichkeiten im Gebrauch der Diskursmarker darauf hinweist, dass si eine diskursverknüpfende Partikel war. Entsprechend dem Deutschen könnte man also folgende Verbindungen annehmen: dt. «nun also» = af. or si, dt. «da also» = af. la si, dt. «so also» = af. ensi si etc. Die Partikel diente vermutlich also gerade

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3 V>2-Strukturen: Befunde und Klassifizierung

nicht dazu, das initiale Element vom restlichen Satz abzuheben. Sie mag vielmehr den Zweck erfüllt haben, das Element mit dem Satz zu verbinden (cf. die folgenden neuen Übersetzungen zu Beispiel 53): a. b. c. d.

‘Nun ALSO bitte ich Euch um Gottes Willen, dass Ihr keineswegs zulasst, dass [...]’ ‘Da ALSO nahm man ihm seine Gewänder ab und [...]’ ‘So ALSO war der Marquis König und hatte dann eine Tochter’ ‘Dieser König ALSO reiste in eine sehr reiche Abtei in der Stadt’

Die Tatsache, dass für das Althochdeutsche ähnliche Beobachtungen angestellt wurden, scheint meiner Ansicht nach letztlich für diese Lesart zu sprechen.61 Wie Beispiel (53d) zeigt, existiert diese Art von Verbindung auch mit einer initialen Verbergänzung und si. In solchen Fällen wurde für das Deutsche angenommen, dass eine komplexe Konstituente vorliegt (cf. Beispiel 9 a–c), was also wieder darauf schließen lässt, dass dies auch im Altfranzösischen nicht ganz unwahrscheinlich ist. Mit dem Neu- und Althochdeutschen vergleichbare Fälle, in denen bestimmte Satzadverbien zwischen das initiale Satzelement und das Verb treten (nhd. freilich, sicherlich, jedoch etc. und ahd. giwisso, wārlīh(h)o, chiuuisso), sind im Altfranzösischen meiner Kenntnis nach nicht belegt. Entsprechende Adverbien wie af. certes (freilich, sicherlich, gewiss) oder neporoec/nonporoec (jedoch) treten präverbal nur in initialer Position auf (cf. hierzu den folgenden Abschnitt).

61 Buridant (2000, 516) vertritt die Meinung, dass bei der Sequenz or si das erste Element außerhalb des Satzes steht: «L’adverbe or (du latin hora), se présente sous les formes or/ore/ores avec s adverbial. En tant qu’adverbe, il occupe régulièrement la place du fondement de la proposition, bien qu’il puisse à l’occasion être extraposé par si pour marquer une manière de clôture argumentative (cf. infra): [...] Or si vos pri por Dieu que vos ne lessiez en nule manière que vos ne portoiz vostre espee (89, 38–40, MortArtu)». Für diese Interpretation spricht zwar, dass auch im Deutschen eine vergleichbare Strukturanalyse möglich wäre, wenn man or, si ... mit «nun, so ...» übersetzt und den Satz erst mit dem zweiten Element beginnen lässt: «Nun, so bitte ich Euch in Gottes Namen ...». Im Deutschen ist diese Möglichkeit allerdings nicht mit jeder der unter (53) aufgeführten Kombinationen möglich (*«Da, so entkleidete man ihn...» / ?«Dort, so entkleidete man ihn ...»), weshalb die extraposition-These unwahrscheinlich ist. Die von mir vorgeschlagene Lesart widerspricht allerdings nicht der pragmatischen Lesart von Buridant, nach der or si eine Art argumentativen Abschluss einleitet (im Deutschen kann dieser sowohl mit «nun, so...» also auch mit «nun also...» gebildet werden).

3.4 Klassifizierung von V>2-Strukturen

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3.4.2.2 Doppelte Besetzung der zone préverbale Im Altfranzösischen sind Fälle belegt, in denen vor allem temporale oder quantifizierende Adverbien in zweiter initialer Position zwischen einer Nominalphrase oder Präpositionalphrase und dem Verb auftreten, wie puis (dann) oder onques (jemals/niemals) in (54) und asez (sehr/ausreichend) oder molt (sehr) in (55): 54. a. Naimes li dux puis establist la quarte (Rol, 3036) Naimes der Herzog dann errichtet die vierte ‘Herzog Naimes stellt dann die vierte auf’ b. Meillors vassals de vos unkes ne vi. (Rol, 1857) besseren Vasallen als euch niemals nicht sah [ich] ‘ich sah niemals bessere Vasallen als Euch’ 55. a. E l’emperere asez l’ad enchalcet, (Rol, 2796) und der König sehr ihr hat verfolgt ‘Und der König hat ihn hartnäckig verfolgt’ b. Li reis Marsilie mult l’en ad merciet. (Rol, 908) der König Marsilie sehr ihm dafür hat gedankt ‘König Marsilie hat ihm dafür sehr gedankt.’ Diese Art der Satzkonstruktion ist im Deutschen ausgeschlossen (*«Der Kaiser sehr hat ihn verfolgt»/*«Einen besseren Diener unter euch niemals sah ich»). Ob die altfranzösischen Beispiele allerdings als Beleg eines eigenen altfranzösischen V>2-Typs mit doppelter Besetzung der zone préverbale angesehen werden können, ist äußerst fraglich. Zwar ist der syntaktische (und semantische) Bezugspunkt von asez oder molt eindeutig das Verb und nicht das Nomen, womit die Möglichkeit einer komplexen initialen Konstituente auszuschließen ist. Die Annahme einer V>2-Struktur mit doppelter Besetzung der präverbalen Zone scheint aber dennoch unwahrscheinlich, da zumindest innerhalb des in dieser Arbeit untersuchten Korpus bei puis und onques oder asez und mult ausschließlich im Verstext die Strukturen X-puis/onques-V- bzw. X-asez/molt-V-Struktur belegt sind. In allen Prosatexten treten diese Adverbien präverbal nur in Initialstellung auf (cf. zu onques 4.2.2).62 Der Unterschied zwischen gebundener und ungebun62 Eine Ausnahme stellen Sätze mit einem initialen adverbe détaché wie beispielsweise ciertes dar, die in Kombination mit molt oder asez selbst in der Prosa auftreten: Ciertes molt est laide chose et vilaine que il est de çaiens fourclos (586, Val). Allerdings ist in diesen Fällen zu berücksichtigen, dass das initiale Satzelement (ciertes) eigentlich außerhalb des Satzes steht und es sich

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dener Rede scheint also ausschlaggebend für die verschiedenen Strukturmöglichkeiten gewesen zu sein und sollte bei einer Bewertung der altfranzösischen V>2Sätze berücksichtigt werden. Im Rahmen meiner eigenen Analyse (Kapitel 4 und 5) werde ich deshalb auf dieses Unterscheidungskriterium zurückkommen.63

3.4.2.3 Linksversetzungen in der extraposition Der systematischen Beschreibung weiterer altfranzösischer V>2-Sätze dient Skårups Vorschlag einer extraposition, bei der es sich um eine Position détachée handelt, die an den eigentlichen Satz angrenzt (Buridant 2000, 756).64 In der Vergangenheit wurde die extraposition in erster Linie für die Erklärung verschiedener Formen der Linksversetzung herangezogen. Der Vergleich einiger Untersuchungsergebnisse zeigt, dass die bereits (für das Deutsche) definierten Typen von Linksverschiebungen auch im Altfranzösischen belegt sind. Besonders eindeutig scheint die Situation im Fall der Linksversetzung bzw. left (clitic) dislocation (Cinque 1977), respektive dem dislocated topic, das in verschiedenen Kasus auftreten kann: 56. Nominativ (sg.):

Domine Dieu il les lucrat. (Saint Léger, v. 214, zitiert nach Donaldson 2011, 2) Herr Gott er sie gewinnt ‘Gott der Herr, er gewinnt sie’

57. Akkusativ (sg.):

Cest chevalier, je ne l’aim pas (Erec, 602, zitiert nach Buridant 2000, 756) diesen Ritter ich nicht ihn mag ‘Diesen Ritter, ich mag ihn nicht’

somit um einen Satztyp handelt wie in (54) oder (55) (cf. Abschnitt 3.4.2.5 zur extraposition). Eine weitere Ausnahme sind Fälle, in denen dem Hauptsatz ein Nebensatz vorausgeht und das Adverb zwischen Nebensatz und Hauptsatz auftritt (cf. hierzu 3.4.2.4). 63 Ausgeschlossen ist bei S-O-V auch die Annahme einer extraposition. Nur in einem Fall scheint es gerechtfertigt, davon auszugehen, dass das initiale Subjekt in extraposition stehen könnte, nämlich wenn ihm ein temporales oder lokales Satzadverb folgt. Denn nur in diesen Fällen verfügen auch die modernen romanischen Null-Subjekt-Sprachen über die Möglichkeit, eine S-XV-Struktur zu bilden. Das folgende Beispiel kann dies veranschaulichen: Sp. La mujer, ayer ha subido al coche. (Nicht möglich ist dagegen: *La mujer, al choche ha subido). Allerdings sind diese Fälle nur in der gesprochenen Sprache etabliert und es verwundert daher, dass Sätze dieser Art im Altfranzösischen nur im Vers, aber nicht in den Prosatexten – also in denjenigen Texten, die der gesprochenen Sprache eigentlich näher sind, als der Vers – auftreten. 64 Buridant (2000, 757) verweist darauf, dass das syntagme détaché häufig relativ schwer ist, was seine Versetzung in die linke Peripherie und seine Wiederaufnahme im Satz besonders rechtfertige.

3.4 Klassifizierung von V>2-Strukturen

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58. Nominativ (pl.):

Li borjois de la vile quant il ont çou oïe, / Cescuns d’aus li creante bonement et afie (Alexandre, 33–34, zitiert nach Buridant 2000, 757) die Noblen von der Stadt wenn sie haben dies gehört jeder von ihnen es verspricht ehrlich und aufrichtig ‘Die Noblen aus der Stadt, als sie dies gehört haben, verspricht es jeder von ihnen ehrlich und aufrichtig’

59. Akkusativ (pl.):

Mil chevaliers bons par nature, / Sages de senz et de mesure, / Ceus baillerez a Thidea (Thèbes, 3352–3353, zitiert nach Buridant 2000, 756) tausend Ritter gute von Natur klug im Geist und im Maße diese bezahlen-werdet [ihr] in Thidea ‘Tausend Ritter, die von Natur aus gut und weise und gemäßigt, wirst du in Thidea bezahlen’

Resumptiva sind häufig die unbetonten Personalpronomen (56), Demonstrativpronomen (57) oder sporadisch auch bestimmte Formen eines Indefinitums (58). Die Position der Resumptiva ist je nach syntaktischem Wert des Pronomens unterschiedlich: Während die klitischen Objektpronomina (56, 60a–b) immer unmittelbar vor der finiten Verbform stehen, scheint die Stellung der Subjektpronomen davon abhängig, ob ein weiteres Satzelement vor das Verb tritt. Ist dies der Fall, befindet sich das Subjektpronomen hinter dem Verb (60c).65 60. a. Ses dras, il les ostad é od les altres prophetizad devant Samuel (qlr, 76, zitiert nach Buridant 2000, 756) seine Kleider er sie auszieht und mit den anderen prophezeite [er] vor Samuel ‘Als er seine Kleider auszieht prophezeit auch er vor Samuel’

65 Während in den Beispielen (60a) und (60b) Kongruenz im Numerus und Genus besteht, ist dies bei (60c) nicht der Fall. Numerus und Genus werden nicht beibehalten, da gent eine feminine Form im Singular darstellt, sich unt il aber eindeutig auf einen Maskulin im Plural beziehen muss. Dies ist also ein Fall, der – wie im Althochdeutschen – eine Art «freies Thema» darstellen könnte, jedoch nicht eindeutig dieser Gruppe zuzuweisen ist, da trotz fehlender Numerus- und Genusangleichung Kasuskongruenz besteht. Für die Annahme, dass es sich dennoch um eine Linksversetzung handelt, spricht die Tatsache, dass eine falsche Angleichung von Determinierer und Determinant in altfranzösischen Texten immer wieder auftritt.

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3 V>2-Strukturen: Befunde und Klassifizierung

b. Ceste bataille, sire, je la demant (Coronemenz Looïs, 2446, zitiert nach Donaldson 2011, 3) diese Schlacht Herr ich sie fordere ‘Herr, ich fordere diese Schlacht’ c. Icoste fole gent de France, mut par unt il fole espérance. (Gormont et Isembart, 78–80, zitiert nach Donaldson 2011, 3) diese verrückten Menschen aus Frankreich sehr sehr haben sie unbändige Hoffnung ‘Diese verrückten Menschen aus Frankreich, sie haben eine so große unbändige Hoffnung’ In diesem Punkt scheint das Altfranzösische sowohl den Stellungsmöglichkeiten des Deutschen als auch denen des modernen Französischen zu gleichen. Sofern eine S-V-X-Struktur gegeben ist, entspricht es bereits seinem modernen Nachfolger: Im modernen Französischen treten Resumptiva – die unbetonten Personalpronomen – nur im Fall des Nominativs, also im Fall eines Subjekts unmittelbar nach dem dislozierten Element auf (61a). In allen anderen Fällen steht das klitische Objektpronomen hinter dem Subjekt (61b, c):66 61. a. Son fils, il a zéro en maths. b. Ce film, Jean le regarde souvent. c. Aux femmes, je leur fais pas confiance. (zitiert nach Astésano, et al. 2008) Sofern aber ein V2-Satz (X-V-S) gegeben ist, entspricht das Altfranzösische den deutschen Stellungseigenschaften und die Proform tritt hinter das Verb (Diese Leute, besonders freundlich waren sie nicht./Diesen Leuten, gestern hatte ich ihnen doch schon einmal davon erzählt). Zu den Dislokationen im Altfranzösischen gehören weiterhin Fälle, in denen eine satzexterne temporale oder lokale Adverbiale durch ein resumptives Adverb wiederaufgenommen wird. Dies ist vergleichbar mit den deutschen Beispielen mit da bzw. dort. Im folgenden Satz hat die Adverbiale en une grande place das Resumptivum illuec (da):

66 In (61a–c) besteht zwischen dem nach links versetzten Element und dem Pronomen Übereinstimmung in Genus, Numerus und Kasus. Diese Fälle entsprechen also der Dislokation, wie sie bereits für das Deutsche definiert wurde. Allerdings besteht im Französischen die Möglichkeit mit dislozierter Präpositionalphrase nach Blasco (1997) nur im gesprochenen Französischen, und auch dort nur sehr selten.

3.4 Klassifizierung von V>2-Strukturen

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62. En une grande place illuec sont aresté. (Jer, 7365) auf einem großen Platz da sind [sie] angehalten ‘Auf einem großen Platz, dort haben sie angehalten’ Beispiele für ein «freies Thema» oder hanging topic sind schwieriger auszumachen. Für das Altfranzösische ergibt sich das Problem, dass seine zwei Kasus morphologisch nicht immer eindeutig unterschieden werden können, sodass letztlich erst das Resumptivum bzw. der Kasus der Proform Auskunft darüber gibt, welcher Kasus dem nach links verschobenen Element zugedacht werden muss. Dies stellt gerade dann ein Problem dar, wenn man zwischen einer Linksversetzung und einem freien Thema bzw. hanging topic unterscheiden möchte. Beispiel (60b) könnte theoretisch ein «freies Thema» sein, da die feminine Nominalphrase ceste bataille die morphologischen Kasus nicht unterscheidet und sie einen Nominativ oder einen Akkusativ darstellen kann. Eine Unterscheidung dieser Art scheint für das Altfranzösische also wenig Sinn zu machen, allerdings zeigt der Vergleich mit dem modernen Französischen, dass Fälle mit einem hanging topic durchaus auch in einer Sprache möglich sind, die keine morphologischen Kasus unterscheidet. In (63) kann Les femmes morphologisch nur einen Nominativ oder Akkusativ darstellen, die verwendeten Resumptiva (der Dativ oder die PP) beziehen sich aber eindeutig auf ein indirektes Objektpronomen, das durch keinen der beiden Kasus realisiert ist. Es besteht also keine Kongruenz: 63. a. Les femmes, je fais confiance à elles. b. Les femmes, je leur fais pas confiance. Eine andere Möglichkeit für die Bildung eines hanging topic ist im modernen Französischen dann gegeben, wenn überhaupt kein Resumptivum (oder eine koreferentielle NP) auftritt, um syntaktische Referenz zwischen der versetzten Konstituente und dem übrigen Satz herzustellen (64). Deulofeu (1977, 1979) spricht in diesem Zusammenhang von structures binaires. Vergleichbare Fälle wurden für das Altfranzösische allerdings bislang nicht belegt. 64. Ces gros souliers, j’écrase les pieds de tout le monde (zitiert nach Astésano, et al. 2008) Es bleibt festzuhalten, dass alle Formen der altfranzösischen Linksverschiebung einer V2-Grammatik nicht widersprechen, da das initiale Element syntaktisch außerhalb der eigentlichen Satzgrenze im Vorvorfeld liegt. Da allerdings eine exakte Übereinstimmung weder mit dem Neuhochdeutschen noch mit dem heutigen Französischen gegeben ist, kann nicht behauptet werden, dass das Altfranzö-

264

3 V>2-Strukturen: Befunde und Klassifizierung

sische eindeutig den Versetzungsregeln einer modernen V2- oder aber einer S-VO-Sprache entspricht.

3.4.2.4 Adverbiale Nebensätze in der extraposition Für das Altfranzösische wurden in jüngerer Zeit drei verschiedene Typen von Strukturen mit einleitendem Nebensatz unterschieden (cf. Donaldson 2011). Dem ersten Typ entsprechen Sätze, in denen der einleitende Nebensatz die zone préverbale zu besetzen scheint;67 zum einen deshalb, weil er die Inversion des pronominalen Subjekts hervorruft (cf. Vanelli, et. al. 1985, u. a.), zum anderen, weil die klitischen (Objekt-)Pronomina vor dem Verb auftreten (cf. Benincà 1995, 2006), was nach dem Tobler-Mussafia-Gesetz nur bedeuten kann, dass dem Nebensatz keine V1-Struktur folgt. Wie bereits in 2.1.3 dargestellt, bezieht sich das Gesetz auf den Sachverhalt, dass die klitischen Objektpronomina im Altfranzösischen immer unmittelbar vor dem Verb im Mittelfeld liegen, außer wenn das Verb am Satzanfang steht. Im Hinblick auf die Struktur mit einleitendem Nebensatz bedeutet dies, dass erstens der Hauptsatz keine V1-Struktur enthalten kann, da die klitischen Objektpronomen präverbal auftreten. Und wenn keine V1-Strukturen auftreten, ist zweitens die Möglichkeit ausgeschlossen, dass der Nebensatz in extraposition an das Verb angrenzt.  

Abbildung 13 subordonnée +

V Sp (= inversion germanique) Cl V nach Donaldson 2011, 768

Dem zweiten Typ sind Sätze zugeordnet, in denen sich der einleitende Nebensatz in extraposition befinden muss. Zum einen da ein anderes – syntaktisch vollwertiges – Element die erste Position besetzt, zum anderen, weil die Post-

67 In früheren Arbeiten, die sich mit den altfranzösischen Strukturen mit einleitendem Nebensatz befassen, wurde zunächst angenommen, dass der einleitende Nebensatz immer die erste Position vor dem Verb (zone préverbale) belegt, was bedeutet, dass es sich um «gewöhnliche» V2Sätze handelt (cf. Grad 1956, 1961; Skårup 1975). 68 Zu allen Abbildungen aus Donaldson (2011, 7–8): V = verbe conjugué; Cl = pronom objet clitique; (S) = sujet pronominal ou nominal facultatif; Sp = pronom sujet; Sn = sujet nominal; XP = syntagme autonome.

3.4 Klassifizierung von V>2-Strukturen

265

position der Klitika darauf hinweist, dass ein V1-Hauptsatz mit der Struktur VerbKlitikon (V Cl) vorliegt (Tobler-Mussafia-Gesetz; cf. Benincà 1995, 2006). Abbildung 14 XP V (S) Sp V subordonnée +

Sn V V Cl nach Donaldson 2011, 7

Einzelne Belege lassen darauf schließen, dass im Altfranzösischen nicht nur Subjekte, sondern auch Objekte zwischen den Nebensatz und das Verb treten konnten.69 Im Fall aller Sätze mit Subjekt (65) kann eine Parallele zur modernen französischen Satzkonstruktion gezogen werden, da das heutige Französische bei einleitendem Nebensatz genau diese Satztypen konstruiert (66). Allerdings ist es auf diese Struktur beschränkt, da das Subjekt bis auf wenige Ausnahmen unmittelbar vor dem Verb auftreten muss (cf. 2.1.2). Auch hinsichtlich der modernen Konstruktionen wird eine Position détachée angenommen, die an den S-V-X-Satz angrenzt, was die extraposition-These für das Altfranzösische letztlich unterstützt. 65. Quant li quens Garins de Biaucare vit qu’il ne poroit Aucassin son fil retraire des amors Nicolete, il traist au visconte de le vile (Aucassin, 4, 1–3) als der Graf Garins von Biaucare sah dass er nicht konnte Aucassin seinen Sohn zurückholen von der Liebe Nicolete, er zieht zum Vicomt von der Stadt ‘Als Graf Garins von Biaucare sah, dass er Aucassin seinen Sohn nicht von der Liebe Nicoletes zurückholen konnte, zog er zum Vicomt der Stadt’

69 Kaiser (2002, 68) gibt an, dass in Sätzen mit realisiertem Subjekt und einleitendem Nebensatz die Inversion tendenziell vermieden wird. Den Auswertungen von Vance (1997, 65) zufolge tritt Inversion in diesen Fällen sogar nur dann auf, wenn ein nachfolgendes resumptives Adverb (si) den Nebensatz wiederaufnimmt. Anhand meiner Daten kann diese Einschätzung noch etwas präzisiert werden (cf. 4.2.6).

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3 V>2-Strukturen: Befunde und Klassifizierung

66. a. b. c. d. e.

Quand je suis sorti, il ne pleuvait pas encore. S’il ne fait pas beau, la course sera annulée. Bien qu’il soit très âgé, il est encore très dynamique. Pour réussir la mayonaise, il faut verser l’huile tout doucement. En prenant l’autoroute, nous irons plus vite.

Im Fall des dritten Typs wurde der einleitende Nebensatz keiner der beiden präverbalen Positionen eindeutig zugewiesen. Hier handelt es sich um Strukturen, in denen dem Nebensatz die Negationspartikel ne folgt, deren umstrittener Status laut Donaldson dazu beiträgt, dass keine eindeutige Analyse getroffen werden kann: «Le statut du ne de négation est incertain : ne se comporte comme un clitique dans le sens où il n’amène pas l’inversion du pronom sujet comme le ferait un syntagme autonome, et il n’empêche pas qu’un autre syntagme occupe SpecFocus [= zone préverbale]. Par contre, ne semble se comporter en élément fort quand il permet aux objets clitiques d’apparaître en antéposition, comme si SpecFocus était saturé (loi Tobler-Mussafia)» (Donaldson 2011, 8).

Gesteht man dem Altfranzösischen allerdings zu, dass es sich nicht wie eine «strenge» V2-Sprache verhält, sondern in einzelnen Fällen bereits moderne französische Strukturphänomene aufzeigen kann, wird die hier angesprochene Problematik zweitrangig, denn dann verhält sich die altfranzösische Negationspartikel bereits wie ihr moderner Nachfolger, der als schwache Partikel vor dem Klitikon auftritt: S-NE-Klitikon-V(-PAS) (z. B. Je ne l’aime pas). Für die Tatsache, dass ne zur Zeit des Altfranzösischen bereits ein schwaches Satzelement war, spricht seine morphologische Entwicklung aus dem lateinischen Etymon non. Dieses entwickelte sich in betonter Stellung zu af. non, ohne abgeschwächt zu werden. Der Negator non ist also auch im Altfranzösischen ein starkes Satzelement, wohingegen sich das altfranzösische ne aus dem lateinischen non in unbetonter Satzstellung entwickelte und daher schwach gewesen sein muss (cf. Joly 2009, 321). Es stellt sich also die Frage, ob der dritte Typ tatsächlich relevant ist oder ob diese altfranzösischen Negationskonstruktionen nicht vielmehr V2-Sätze mit nullwertiger Partikel darstellen. In diesem Fall wären sie dem ersten Typ zuzuordnen und der Nebensatz befände sich in satzinitialer Position (zone préverbale).70 Doch unabhängig davon, ob man sich für eine Klassifizierung von zwei oder drei Typen entscheidet, scheint es jedenfalls offensichtlich, dass den altfranzösischen Strukturen mit einleitendem  

70 Aufgrund der angeführten Argumente werde ich die Negationspartikel im Rahmen meiner Analyse als schwach betrachten und syntaktisch nicht zählen. Sätze mit einleitendem Nebensatz und präverbaler Negationspartikel sind deshalb keine V>2-Sätze (cf. 4.2.6).

3.4 Klassifizierung von V>2-Strukturen

267

Nebensatz mehr als ein syntaktisches Muster zugrunde liegt (cf. hierzu auch 4.2.6).71 Keine Berücksichtigung fanden bei Donaldson Strukturen, in denen der nachgestellte Hauptsatz mit einem Adverb beginnt. Bezieht man auch diese Sätze in die bisherigen Überlegungen mit ein, wird eine präzise Klassifizierung abermals erschwert. Es lassen sich insgesamt drei Gruppen von Adverbien unterscheiden, die zwischen den einleitenden Nebensatz und das Verb treten: Konsekutive Adverbien (si, dunc, lors, u. a.), temporale Adverbien (puis, u. a.), vor allem aber qualitative Adverbien (forment, hardement, u. a.) und quantitative Adverbien (asez, molt, u. a.). Im Fall der ersten und zweiten Gruppe ist anzunehmen, dass neben der Primärbedeutung dieser Adverbien vor allem eine konnektive Funktion im Vordergrund steht, um den Hauptsatz mit dem vorangehenden Nebensatz zu verbinden. Im Fall von si ist dies sicherlich am deutlichsten (cf. 3.4.2.1), im Fall von dunc, lors oder puis ist davon auszugehen, dass der durch sie markierte Bezug zwischen Nebensatz und Hauptsatz entsprechend ihrer primären Bedeutung temporal, kausal oder modal gefärbt ist. Es stellt sich nun die Frage, welchen syntaktischen Wert diese Konnektoren besitzen, und damit verbunden auch die Frage, welche Position sie einnehmen. Handelt es sich um syntaktisch vollwertige Elemente, würde der ihnen vorausgehende Nebensatz in extraposition stehen. Für diese Annahme spricht, dass alle hier genannten Adverbien sehr häufig den Beginn eines V2-Satzes bilden und dort (vollwertig) die präverbale Position einnehmen, wodurch das Subjekt (auch das Subjektpronomen) und weitere Satzglieder invertiert hinter dem Verb auftreten müssen. Außerdem kann man beobachten, dass sich die klitischen Objektpronomina hinter den Adverbien, unmittelbar vor dem Verb befinden (Quant Corbarans le vit, si l’a molt esgardee, 6723, Antio; Quant il voit nos barons si les a enclinés, 2561, Jer). Nach dem Tobler-Mussafia-Gesetz (2.1.3) bedeutet das, dass der Hauptsatz keine V1-Struktur enthalten kann, was impliziert, dass die Adverbien syntaktisch vollwertig die zone préverbale besetzen müssen. Folglich ist dann  







71 Donaldson (2011) kommt anhand seiner Korpusanalyse zu dem Ergebnis, dass einleitende temporale Nebensätze (quant ... / endementiers que ...), sowie Konzessivsätze (se ...) fast nie in erster Position, sondern in extraposition stehen. Anders verhält es sich seiner Meinung nach mit dem einleitenden Nebensatz si tost come/que ..., der eindeutig die zone préverbale zu besetzen scheint. Insgesamt betrachtet sei die Zahl dieser Strukturen aber relativ gering (1/4 V2-Strukturen zu 3/4 V>2-Strukturen). Deutlich heraus sticht der Nebensatz mit por ce que. Hier konnte Donaldson eine deutliche Präferenz für die Besetzung der zone préverbale und somit V2-Stellung ausmachen, die bei späten Texten aber wohl nachlässt. Insgesamt nimmt Donaldson an, dass die normale Position für den einleitenden Nebensatz links von SpezFokus ist (also die extraposition), da V>2-Strukturen generell häufiger auftreten als V2-Sätze.

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3 V>2-Strukturen: Befunde und Klassifizierung

davon auszugehen, dass der einleitende Nebensatz in extraposition steht. Auch der Blick auf das Althochdeutsche spricht prinzipiell für die Annahme, dass der Nebensatz außerhalb der Hauptsatzstruktur liegt, denn auch für diese Sprache wurde angenommen, dass die zwischen Nebensatz und Verb auftretenden Adverbien im Vorfeld stehen (cf. Beispiel 39). Allerdings sind die für das Althochdeutsche getroffenen Kriterien für die Vorvorfeldbesetzung des Nebensatzes im Altfranzösischen nicht eindeutig belegt. Nach eingehender Analyse aller Strukturen mit einleitendem Nebensatz in dem hier verwendeten Korpus muss sogar eingeräumt werden, dass das Kriterium, nach dem der Nebensatz auch links von koordinierenden Konjunktionen auftreten kann, für das Altfranzösische nicht zutrifft (cf. 3.4.1.4). Gegen die Annahme einer extraposition für den einleitenden Nebensatz spricht, dass vergleichbare Sätze mit kurzen Adverbien im modernen Deutschen nicht unbedingt als Strukturen mit Vorvorfeldbesetzung anzusehen sind. Wie bereits gezeigt wurde, ist anzunehmen, dass die neuhochdeutschen Adverbien «da» und «dann» zwischen einleitendem Nebensatz und folgendem Hauptsatz syntaktisch nullwertig sind und mit dem Verb im Mittelfeld stehen, da das Vorfeld durch den Nebensatz besetzt ist. Letztlich ist aber wahrscheinlicher, dass das Altfranzösische eher dem Althochdeutschen ähnelte als dem modernen Deutschen, weshalb der Vergleich mit dem Neuhochdeutschen in diesem Fall weniger stichhaltig ist. Im Fall der dritten und vierten Gruppe mit forment oder asez und molt folgen dem Nebensatz die bereits in 2.1.3 angesprochenen spezifisch altfranzösischen V2-Hauptsatz-Konstruktionen, in denen ein referentielles Adverb getrennt von seinem Referenz-Adjektiv in Initialstellung auftritt. Wie schon dargestellt wurde, ist an diesen Strukturen außergewöhnlich, dass sich das Adverb vor der finiten Verbform befinden kann und in Verbindung mit einem prädikativen Adjektiv nicht adjazent zu diesem auftreten muss. 67. a. Asez est dreiz que Guenes seit pendut (Rol, 3932) sehr ist richtig, dass Ganelon sei gehängt ‘Es ist sehr richtig, Ganelon zu hängen’ b. Assez i ot paroles dites avant et arriere; (Vil, 42) genug dort hat Worte gesagt vor und zurück ‘Der Worte wurden dort genug wiederholt’ c. Molt fu grans li assaus que li escuier rendirent au castiel en celui jor; (Val, 676) sehr war groß der Angriff sodass die Schildträger zurückkehrten ins Schloss an diesem Tag

3.4 Klassifizierung von V>2-Strukturen

269

‘Der Angriff war so groß, dass die Schildträger noch am selben Tag ins Schloss zurückkehrten.’ d. Molt par fu Sansadonies et sages et menbrés: (Antio, 4685) sehr sehr war Sansadonie und weise und klug ‘Sansadonie war äußerst weise und klug’ e. Quant l’entendi li rois, mout en fu esjoïs. (Sais, 2138 AR, 1898 LT) als es hörte der König, sehr darüber war [er] erfreut ‘Als dies der König höre, war er darüber sehr erfreut.’ f. Quant Garsïons l’entent, molt a le cuer iré, (Antio, 4303) als Garsion das hört sehr hat das Herz zornig ‘Als Garsion dies erfährt, wird er sehr zornig’ Diese Konstruktion ist im heutigen Französisch ungrammatisch, wie an Beispiel 68b und 68c deutlich gemacht werden kann. Im Deutschen ist sie nur dann zulässig, wenn sich das quantifizierende Adverb nicht auf ein Adjektiv, sondern auf eine finite oder infinite Verbform bezieht (69a–d). Wird ein prädikatives Adjektiv im Deutschen näher quantifiziert, muss Adjazenz zwischen ihm und seinem Adverb bestehen (70a): 68. a. Je vois très bien. b. *Je très vois bien c *très je vois bien 69. a. b. c. d.

Genug wird er nicht essen, aber er ist ja auch krank. Viel isst sie eigentlich nie. Ausreichend schlafen unsere Kinder auf jeden Fall. Lange spielen unsere Kinder nie zusammen, sie streiten sich immer nach kurzer Zeit.

70. a. Sehr gerne isst sie Schokolade. b. *Sehr isst sie gerne Schokolade. Auch in diesem Fall stellt sich hinsichtlich der altfranzösischen Sätze (67e–f) die Frage, ob der Nebensatz in extraposition steht und die Adverbien als vollwertige Satzelemente die präverbale Position einnehmen. Im Fall der Kombination «Adverb-Verb» spricht für diese Annahme, dass auch im Deutschen quantifizierende oder qualifizierende Adverbien den Anfang eines V2-Satzes bilden und dort ein

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3 V>2-Strukturen: Befunde und Klassifizierung

vollwertiges Satzglied sind (bei Fokalisierung (69). Das Subjekt ist dann invertiert. Außerdem spricht dafür, dass die klitischen Objektpronomen wieder präverbal auftreten, sodass keine V1-Struktur im Fall des Hauptsatzes gegeben sein kann (Tobler-Mussafia-Gesetz): 71. a. Quant li baron l’oyrent, mout lor vint a sordois (Sais, 3790 AR) als die Edelmänner es hören sehr ihnen kommt zum Schlimmsten ‘Als die edlen Ritter dies hören, befürchten sie das Schlimmste’ b. Quant li dus l’a veü, forment li desagree (Antio, 3684) als der Herzog dies hat gesehen sehr ihm missfällt ‘Als der Herzog dies gesehen hat, missfiel es ihm sehr’ Im Fall aller Konstruktionen mit einem Adverb, dessen Bezugspunkt ein prädikatives Adjektiv darstellt, scheint der Vergleich mit dem Deutschen allerdings gegen diese Annahme zu sprechen, denn Adverbien, die prädikative Adjektive determinieren, können im Deutschen – wie bereits gesagt – nur adjazent zum Adjektiv stehen und werden deshalb syntaktisch nicht als eigenständige Satzelemente gewertet. In diesem Fall unterscheidet sich das Altfranzösische also vom Deutschen, zumindest hinsichtlich der Position des Adverbs. Allerdings ist nicht klar, ob auch ein Unterschied hinsichtlich des syntaktischen Werts des Adverbs besteht. Welchen syntaktischen Wert das Adverb in diesem Fall hat und ob die Konstruktion «Nebensatz + Adv-V-(S)-Adj» als V>2-Satz mit extraposition analysiert werden muss oder als V2-Satz, ist nicht eindeutig.72 Insgesamt betrachtet scheint das Altfranzösische dennoch zwei verschiedene Konstruktionen für Sätze mit einleitendem Nebensatz aufzuweisen: einen mit extraposition und einen ohne. Ob man an diesem Fazit allerdings festhalten kann, wenn man auch die Besonderheit einzelner Diskurstraditionen berücksichtigt, wird sich im Verlauf dieser Arbeit noch herausstellen (cf. 3.4.1.4). An dieser Stelle sei nur angemerkt, dass gewisse Satzstrukturen wie «Nebensatz + Adv-V-(S)-Adj» besonders in der frühen Heldenepik auftreten, weshalb zu vermuten ist, dass sie eine besondere Konstruktion nur dieses Diskurstyps darstellen.

72 Anhand der Stellung der Objektpronomen ließ sich dies im Rahmen meiner Untersuchung nicht überprüfen, da die Belege dieser Konstruktion mit Verwendung der Objektpronomen zu gering und nicht aussagekräftig waren.

3.4 Klassifizierung von V>2-Strukturen

271

3.4.2.5 Koordinatoren, Interjektionen und Satzadverbien in der extraposition Für das Altfranzösische wurde vorgeschlagen, dass sich auch koordinierende Konjunktionen (72) sowie Interjektionen (oder auch Exklamationen) (73) in einer Position extérieure à la phrase befinden (cf. Joly 2009, 205–206). Die Annahme ist, dass diese Elemente keinen Einfluss auf die Abfolge der eigentlichen Satzkonstituenten haben, da die zu erwartende Subjektinversion durch ihr Auftreten ausbleibt (cf. Joly 2009, 108). 72.

Et la novele parvient maintenant a la roïne (Queste, 11, 32) und die Neuigkeit kommt jetzt zu der Königin ‘Und die Neuigkeit erreicht nun auch die Königin’

73.

Deus! tantes hanstes i ad par mi brisees, (Rol, 3386) Gott viele Lanzenschäfte dort hat durchgebrochen ‘Gott! wie viele Lanzenschäfte sind schon mitten durchgebrochen,’

Des Weiteren scheint die extraposition auch die Gruppe der modalisateur-Adverbien zu beherbergen, wodurch sich eine klare Parallele zur Position dieser Adverbgruppe (sprecherbezogene Satzadverbien) im Deutschen abzeichnet. Der Vergleich der folgenden Sätze mit neporquant/neporec (dennoch), certes (gewiss) und sans faille (ohne Zweifel) mit den neu- und althochdeutschen Beispielen (41, 42–43) in 3.4.1.5 mag dies verdeutlichen. 74. a. Ciertes molt est laide chose et vilaine que il est [...]; (Val, 70) gewiss sehr ist hässliche Sache und verwerfliche dass er ist ‘Gewiss, es ist eine hässliche und verwerfliche Sache, dass er [...] ist’ b. Certes vos paroles me plaisent tant (Queste, 104, 12) gewiss eure Worte mich gefallen sehr ‘Gewiss, Eure Worte gefallen mir sehr’ 75.

Et neporec il le diroit volentiers (Queste, 66, 1) und dennoch er es sagte gerne ‘Und dennoch, er sagte es gerne’

76.

et sanz faille il en i avoit plusors (Queste, 182, 5) und ohne Zweifel er davon hatte mehrere ‘und ohne Zweifel, er hatte davon mehrere’

272

3 V>2-Strukturen: Befunde und Klassifizierung

Außerdem zeigt ein weiterer Vergleich, dass auch große Übereinstimmung mit dem modernen Französischen besteht, denn noch heute enthält das Französische neben seiner Position für Linksversetzungen vor dem eigentlichen S-V-X-Satz eine Position détachée für Hauptsatzkonjunktionen, Interjektionen, aber auch für die Gruppe der modalisateur-Adverbien: 77. a. b. c. d. e. f. g.

Certes, il y a encore beaucoup à faire. Incontestablement, l’équipe de France a bien joué. Bien entendu, les victimes de la catastrophe seront indemnisées. Evidemment, il n’a encore rien compris. Malheureusement, ma voiture est tombée en panne. Manifestement, il s’est trompé. Effectivement, je m’en suis aperçu. (zitiert nach Confais 1980, 235)

Das Besondere dieser Adverbgruppe besteht darin, dass sie keinen Effekt auf die Satzgliedabfolge ausübt und den eigentlichen Satz syntaktisch nicht tangiert (cf. Buridant 2000, 525; Kaiser 2002, 67; Joly 2009, 214). Und auch auf semantischer Ebene sind diese Adverbien unabhängig, da sie den Inhalt der Proposition als commentaires énonciatifs (Riegel, et al. 1999, 143) überhaupt nicht betreffen, sondern lediglich die Funktion ausüben, die Haltung des Sprechers gegenüber dessen, was er sagt, darzustellen. Diese Haltung kann sich auf den Wahrheitsgehalt der Äußerung beziehen (certainement, peut-être, sans doute, bien sûr etc.), oder sie drückt eine Bewertung des dargestellten Sachverhalts aus, die auf einer gewissen Erwartung beruhen kann (heureusement, paradoxalement, à ma grande surprise etc.). Der Bezug ist hier eher pragmatischer als semantischer Natur. In diesem Punkt besteht also Übereinstimmung mit dem Deutschen. Dennoch ergibt sich ein beträchtlicher Unterschied, wenn man die Beschaffenheit der extraposition bzw. position détachée und des Vorvorfelds näher betrachtet. Im Unterschied zum Deutschen wird für das Altfranzösische angenommen, dass eine weitere Gruppe von adverbialen Elementen in extraposition stehen kann: Es handelt sich um adverbiale Elemente, die nicht zur Gruppe der modalisateurs gehören, wie aus den folgenden Beispielen mit initialer modaler Angabe (78), mit initialer temporaler Angabe (79) und mit lokaler Angabe (80) ersichtlich wird: 78. a. A icest colp cil de France s’escrient: (Rol, 3365) bei diesem Schlag jene von Frankreich rufen aus ‘Bei diesem Schlag rufen jene aus Frankreich aus:’

3.4 Klassifizierung von V>2-Strukturen

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b. A l’aïe de Dieu Nostre Seignor petit dura cil estors [...] (Vil, 28, 140) bei der Hilfe Gottes unseres Herrn kurz dauert jener Tumult ‘So uns Gott unser Herr helfe, hält jener Tumult nur kurze Zeit an [...]’ c. et par la grace de Deu si avint que [...] (Vil, 2, 3) und durch die Gnade von Gott so kam dass ‘Und durch Gottes Gnade kam es so, dass [...]’ 79. a. Onques nus hom del mont n’en vit tant assanbler. (Antio, 5720) niemals kein Mensch von der Welt nicht davon sah so versammeln ‘Niemals sah je ein Mensch von dieser Welt sich so viele davon versammeln.’ b. Mantenant li .VI. message s’agenoillent a lor piez mult plorant. (Vil, 6, 28) jetzt die sechs Boten knien auf ihre Füße sehr weinend ‘Nun knien sich die sechs Boten lautstark weinend nieder.’ c. Én cel tens Ahiel de Bethel edefiad é relevad Jericó (qlr 155, 1 Kön 16, 34) in jener Zeit Ahiel von Bethel pflanzte und errichtete Jericho ‘In jener Zeit gründete und errichtete Ahiel von Bethel Jericho’ 80. a. Sur l’erbe verte li quens Rollant se pasmet (Rol, 2273) auf dem Gras grün der Graf Roland wird ohnmächtig ‘Auf dem grünen Gras wird Roland ohnmächtig’ b. Dedens chele capele si trova on de molt rikes saintuaires, que [...] (Cla, 82, 15–16) in dieser Kapelle also fand man sehr reiche Reliquien dass ‘In dieser Kapelle also fand man so überaus reiche Reliquien, dass [...]’ c. Illueques si vi un vaslet (Cla, 17, 8–9) dort also sah [er] einen Diener ‘Dort also sah er einen Diener’ In diesen Fällen wurde vermutet, dass es sich um eine bereits moderne Form des détachement einer temporalen (81), lokalen (82) oder modalen (83) Adverbiale (complément circonstanciel) handelt, wie sie in den folgenden Beispielen des modernen Französischen auftritt:

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81. a. b. c. d. e. f.

3 V>2-Strukturen: Befunde und Klassifizierung

Dans trois jours, nous serons en vacances. Ces temps derniers, je me suis couché souvent très tard. Au bout d’une heure, j’ai fini par m’endormir. Bientôt, nous serons en vacances. Hier, je me suis couché très tard. Ensuite/Puis/Après, j’ai rencontré un ami.

82. a. Dans ce restaurant, on mange bien. b. A Paris, on peut aller au théâtre. c. Ici, on mange bien. 83. a. En cas de mauvais temps, la course sera annulée. b. Avec cet argent, je compte m’acheter une moto. c. Malgré son âge, il est encore très dynamique. (zitiert nach Confais 1980, 235–236) Im Rahmen dependenzgrammatischer Ansätze hat man die Möglichkeit der satzexternen Positionierung dieser adverbialen Elemente durch deren Autonomie hinsichtlich der Verbvalenz erklärt. Die Adverbiale (oder das Adverb) stellt als Satzadverbiale (oder als Satzadverb) eine unmittelbare Konstituente des Satzes dar, sodass eine Dependenzbeziehung nur auf Satzebene bestehen kann: «Comme constituant immédiat de la phrase, il [le complément circonstanciel] ne dépend pas d’un autre syntagme et en particulier n’est pas régi par le verbe. Ainsi, à la différence des compléments du verbe, il ne fait pas partie de la valence verbale» (Riegel, et al. 1999, 140). Weniger Autonomie ist allerdings auf semantischer Ebene gegeben, da dem adverbialen Element eine wichtige Rolle hinsichtlich der «prédication formée par le reste de la phrase» zugesprochen wird (Riegel, et al. 1999, 142). Bei temporalen oder lokalen Elementen ist der semantische Bezug sofort ersichtlich, da durch diese eine spatio-temporale Verankerung der geäußerten Handlung gegeben wird. Auch im Fall modaler Adverbien oder Adverbialen ist der inhaltliche Bezug so groß, dass trotz des syntaktischen détachement hinsichtlich der Semantik sicher nicht von einer abgetrennten oder losgelösten Einheit gesprochen werden kann. Auch wenn die Annahme besteht, dass es sich im Fall der altfranzösischen Sätze bereits um eine Struktur mit einer modernen Form des détachement handeln könnte, wurde bereits darauf hingewiesen, dass keine exakte Übereinstimmung zwischen dem alten und dem modernen Sprachstadium besteht, da in den altfranzösischen Beispielen dem élément détaché nicht in jedem Fall eine S-VSequenz folgt, die im heutigen Französisch obligatorisch ist. Dies bedeutet, dass zwar die extraposition bereits dem modernen détachement des Französischen

3.4 Klassifizierung von V>2-Strukturen

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entspricht, der ihr folgende Satz aber noch nicht. Er scheint einer V2-Syntax zu gehorchen, und nicht der modernen S-V-Syntax. Das Altfranzösische besäße demnach einen ganz eigenen V2-Satztyp mit extraposition, der weder den bekannten Regeln der V2-Sprachen entspricht noch der Grammatik des heutigen Französischen folgt. Ob dieser Typ allerdings tatsächlich als Teil des Sprachsystems angesehen werden kann, werde ich anhand meiner Korpusanalyse in Kapitel 4.2 ausführlich diskutieren.

3.4.2.6 Die extraposition im Altfranzösischen: Zusammenfassung Aus dem bisher Gesagten ergibt sich die Schlussfolgerung, dass auch die extraposition des Altfranzösischen der «Landeplatz» für unterschiedliche Typen von Satzelementen ist. In diesem Punkt ist sie also mit dem deutschen Vorvorfeld zu vergleichen. Trotzdem besteht zum Vorvorfeld der Unterschied, dass im Altfranzösischen Sub-Positionen für zwei verschiedene Gruppen von adverbialen Elementen innerhalb der extraposition gegeben sein müssen: sprecherbezogene Satzadverbien und temporale/lokale/modale Adverbien. Was also die extraposition betrifft, scheint das Altfranzösische weniger dem Deutschen zu ähneln als vielmehr seinem modernen Nachfolger. Eine feingliedrigere Unterteilung der Position sollte daher (mindestens) vier Positionen enthalten, damit sie alle Elemente erfasst, die im Altfranzösischen vor dem Hauptsatz auftreten können. Abbildung 15 COORDINATION/ INTERJECTION (EXCLAMATION)

MODALISATEUR

DÉTACHEMENT CIRCONSTANCIEL

DISLOCATION

Koordinierende Konjunktionen und Interjektionen können deshalb zusammengefasst werden, da ihre syntaktische Position in zwei Richtungen variabel ist: COOR-INT oder INT-COOR. Diese Variabilität ist im Fall der anderen Positionen allerdings nicht gegeben und sehr ungewöhnlich. Modalisateur, complément circonstantiel détaché und dislocation werden in ihrer Reihenfolge in der Regel nicht vertauscht (cf. die Beispiele 84d–g): 84. a. b. c. d. e.

(et/uf!) malheureusement, ma voiture est tombée en panne. (et/uf!) malheureusement, hier soir, ma voiture est tombée en panne. (et/uf!) hier soir, ma voiture, elle est tombée en panne. *(et/uf!) hier soir, malheureusement, ma voiture est tombée en panne ? (et/uf!) malheureusement, hier soir, ma voiture, elle est tombée en panne

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3 V>2-Strukturen: Befunde und Klassifizierung

f. ?*ma voiture, hier soir, elle est tombée en panne g. *ma voiture, malheureusement, hier soir, elle est tombée en panne

3.4.2.7 Unmögliche oder diskursgebundene Positionsbesetzungen? Die Forschung ist sich hinsichtlich des Altfranzösischen nicht einig, ob V>2Strukturen mit zwei präverbalen Verbergänzungen (S-O-V, O-S-V etc.) möglicherweise existierten. Nach den Angaben von Marchello-Nizia (1995, 53–54) ist S-O-VStellung mit nominalem Subjekt zwar selten,73 allerdings in verschiedenen Texten belegt, was als Indiz dafür gesehen werden könne, dass diese Struktur im allgemeinen Gebrauch war: 85. a. E li dus la carole esgarde. (La Chastelaine de Vergi, 851) und der Herzog Versammlung ansieht ‘und der Herzog sieht die Versammlung an.’ b. Messire Yvains l’espee tret. (Yvain, 4200) Edelmann Yvain das Schwert zieht ‘Yvain zieht das Schwert.’ c. Dame Guiborc Hermenjart enmena (Aymeri de Narbonne, 3875) Dame Guiborc Hermenjart mitnahm ‘Guiborc nahm Hermenjart mit’ d. Deus sun servise li volt guereduner: (Alexis, 277) Gott seinen Dienst ihm will belohnen ‘Gott wollte ihm seinen Dienst belohnen’ e. Sainz Alexis la sue li alascet: (Alexis, 372) Heiligen Alexius die seinigen ihn anhörten ‘Die des heiligen Alexius hörten ihn an:’ Strukturen mit einem direkten oder indirekten Objekt in erster Position, gefolgt von einer weiteren Verbergänzung, wurden als extrem selten eingestuft (cf. Marchello-

73 S-O-V-Sätze mit pronominalem Subjekt scheinen von noch größerer Seltenheit gewesen zu sein: «Aucune grammaire n’en donne un seul exemple. Seul P. Skårup fournit deux exemples, encore l’un appartient-il à un texte très ancien et franco-provençal ; dans l’autre cas, il se trouve dans un énoncé marquant une opposition entre les deux sujets, il et li rois, qui sont emphatisés» (Marchello-Nizia 1995, 54).

3.4 Klassifizierung von V>2-Strukturen

277

Nizia 1995, 54). Eine Untersuchung von Ruelle (1966) zu O-S-V im Altfranzösischen erbrachte nicht einmal zehn Belege. Marchello-Nizia gibt einige Beispiele: 86. a. Sire, fat il, amistié grande/Mesire Guillaume vous mande. (Huon le Roi, 1290, 90, zitiert nach Marchello-Nizia 1995, 54) Herr sagt er Freundschaft große Edelmann Guillaume euch verkündet ‘Herr, sagte er, der edle Ritter Guillaume sagt Euch große Freundschaft zu’ b. Ce cop li autre dui conperent. (Yvain, 4526, zitiert nach Marchello-Nizia 1995, 54) dieser Schlag die anderen zwei teuer sein ‘Dieser Schlag kommt die zwei anderen teuer zu stehen’ c. Quarante ostaiges l’emperere li done. (Raoul, 781–784, zitiert nach Marchello-Nizia 1995, 54) vierzig Geiseln der König ihm gibt ‘Der König gibt ihm vierzig Geiseln.’ d. Autres nouveles je ne sai orendroit de lui. (Tristan en prose, 110, I, zitiert nach Marchello-Nizia 1995, 55) andere Neuigkeiten ich nicht weiß jetzt von ihm ‘Andere Neuigkeiten über ihn weiß ich nun nicht mehr.’ Fälle mit zwei präverbalen Konstituenten vor dem Verb und nicht-realisiertem Subjekt wurden ebenfalls angeführt (cf. Marchello-Nizia 1995, 73–74): 87.

A voz Franceis un cunseill en presistes (Rol, 205, zitiert nach MarchelloNizia 1995, 73) bei euren Franken einen Rat darüber holt [Ihr] ‘Bei Euren Franken holt Ihr euch Rat’

Problematisch an allen in diesem Abschnitt angeführten Beispielen ist die Tatsache, dass sie fast nur in Verstexten auftreten. In Prosatexten sind sie oft gar nicht oder nur äußerst selten belegt (86d). Dass ein Unterschied zwischen Verstext und Prosa Schwierigkeiten für die Syntaxforschung mit sich bringt, habe ich bereits in 1.1 eingehend behandelt. Mit Sicherheit können Sätze, die fast nur im Vers auftreten, nicht als Belege eines allgemeinen Sprachgebrauchs angesehen werden, zumal sie im vorliegenden Fall weder in einer V2-Sprache wie dem Deutschen zulässig sind bzw. dort auch nur in der gebundenen Rede auftreten, noch im modernen Französischen, in dem dieser Typ von V>2-Stellung aufgrund der

278

3 V>2-Strukturen: Befunde und Klassifizierung

strengen Einhaltung der S-V-O-Stellung grundsätzlich auszuschließen ist.74 Die Frage, wie diese Sätze zu bewerten sind, werde ich deshalb bei der Analyse meines Textkorpus nochmals aufgreifen.

3.4.3 Fazit zur V>2-Klassifizierung Es bleibt festzuhalten, dass die im Deutschen belegten Sätze mit zwei Konstituenten vor dem Verb weitestgehend als V2-kompatible Strukturen analysiert werden können. Entweder handelt es sich um eine aus zwei Teilen bestehende komplexe präverbale Konstituente, die scheinbar eine V>2-Stellung hervorruft, oder das Vorvorfeld ist besetzt und ein Element außerhalb der eigentlichen Satzgrenzen löst die vermeintliche V>2-Stellung aus. Allerdings sind auch Beispiele belegt, die der V2-Regel des Deutschen eigentlich widersprechen müssten: Zum einen im Fall von doppelter Vorfeldbesetzung mit X-Adv-Struktur («Alle Träume gleichzeitig lassen sich nur selten verwirklichen»), zum anderen, wenn bei Adv-X-Sätzen das initiale Element nicht als Vorvorfeldbesetzung identifiziert werden kann («Vermutlich derselbe Täter hatte sich zuvor [...] zu schaffen gemacht»). Alle in diesem Kapitel aufgezeigten Strukturen des Neuhochdeutschen können als Teil des grammatischen Systems der deutschen Sprache angesehen werden und sind deshalb nicht auf textuelle oder schriftlich fixierte Besonderheiten zurückzuführen. Dies ist bei den althochdeutschen Sätzen eventuell nicht immer der Fall. Dort könnte die Übersetzung aus dem lateinischen Original bei der Wahl der Syntax eine Rolle gespielt haben. Die Verhältnisse im Altfranzösischen scheinen insgesamt ähnlich wie die des Deutschen zu sein, jedoch nicht identisch: Neben Strukturen mit komplexer präverbaler Konstituente und Strukturen mit Besetzung der extraposition durch Linksverschiebungen oder modalisateur-Adverbien gibt es die dem modernen Französischen entsprechende Form mit détachement einer temporalen, lokalen oder modalen Angabe. In diesem Punkt ergibt sich eine grundlegende Differenz zum alten und modernen Deutschen, die allerdings im Hinblick auf die Frage nach der V2-Kompatibilität des Altfranzösischen nicht unbedingt entscheidend sein muss. Da das détachement im modernen Französischen nicht den eigentlichen S-V-X-Satz

74 Es gibt einzelne – und eher ungewöhnliche – Fälle, in denen ein indirektes Objekt mit à oder de vor einem Subjekt auftreten kann: A mon frère, j’ai offert un disque de Beatles. / De cet événement, on se souviendra longtemps. In der Standardsprache zieht man aber eine pronominale Wiederaufnahme vor, wobei das indirekte Objekt meist ohne Präposition vorangestellt wird: Mon frère, je lui ai offert un disque de Beatles. / Cet événement, on s’en souviendra longtemps. (zitiert nach Confais 1980, 239).

3.4 Klassifizierung von V>2-Strukturen

279

tangiert, ist auch im Altfranzösischen nicht davon auszugehen, dass eine potentielle V2-Grammatik durch diese Form der Herausstellung verletzt wäre. Für die von mir getroffenen oberflächenstrukturellen Definitionen einer V2-Sprache würde die Existenz eines détachement also kein Hindernis darstellen. Allerdings wäre dennoch klar, dass keine V2-Grammatik gegeben sein kann, wie sie im heutigen Deutschen besteht, weil die französischen détachement-Konstruktionen im Neuhochdeutschen nicht zulässig sind. Anders verhält es sich bei Sätzen mit zwei präverbalen Verbergänzungen (SO-V, O-S-V etc.) oder der Kombination von einer Verbergänzung und einer Angabe (S-AP-V, AP-S-V etc.), die im Neuhochdeutschen nicht erlaubt sind und im Althochdeutschen nur sehr begrenzt auftreten (und dort vermutlich auf die Übersetzung aus dem Latein zurückgeführt werden müssen). Diese Sätze stellen eine eindeutige Verletzung der V2-Regel dar, weil sie die Struktur des Hauptsatzes tangieren. Auch im Altfranzösischen treten diese Sätze auf, allerdings sind sie auch hier nicht unbedingt als Zeugnisse des Sprachsystems zu betrachten, da sie fast ausschließlich in Verstexten gefunden wurden.75

75 Die in Abschnitt 2.2.3.2 vorgestellten generativen Modelle von Benincà (2001, 2006), Benincà und Poletto (2004) oder Mathieu (2013) grenzen sich zu der hier durchgeführten FeldermodellAnalyse u. a. dadurch ab, dass sie keine satzexterne Position zur Erklärung von V>2-Strukturen in Betracht ziehen, sondern lediglich multiple satzinterne CP-Positionen. In den verschiedenen Fällen mit komplexer Konstituente scheint die Annahme von satzinternen Positionen auch durchaus gerechtfertigt, und wenn man die semantische Ebene mit berücksichtigt, erweist sich diese Annahme im Fall des détachement als plausibel, da ein semantisch wichtiger Bestandteil der Äußerung durch das complément détaché ausgedrückt wird. Handelt es sich allerdings um einen pragmatischen Bezug, der zwischen der initialen Konstituente und dem Satz existiert – wie dies etwa im Fall der sprecherbezogenen Satzadverbien (dt. selbstverständlich, fr. certes etc.) gezeigt wurde – scheint mir die Annahme von rein satzinternen Positionen wenig überzeugend.  

4 V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen Das Ziel der folgenden Untersuchung ist es, über die bisherigen Forschungsergebnisse hinausgehend Klarheit darüber zu gewinnen, warum spezifische V>2-Strukturen im Verstext, nicht aber in der Prosa auftreten. Ich möchte die Hypothese aufstellen, dass die Entscheidung darüber, gewisse V>2-Strukturen nur im Verstext zu verwenden, nicht einfach wahllos getroffen wurde, sondern der Systematik damaliger Schreib- und Diskurstraditionen entspricht. Und in logischer Konsequenz an diese erste Hypothese schließt sich eine zweite an: Ich gehe davon aus, dass auch ein potentieller Rückgang im Gebrauch der V>2-Strukturen als systematischer Loslösungsprozess von besagten Traditionen zu verstehen ist. In Kapitel 1.3 habe ich das Abhängigkeitsverhältnis von Diskurstraditionen und den ihnen zugrunde liegenden spezifischen Charakteristika bereits beleuchtet. Es wurde besprochen, dass Diskurstraditionen ihre eigene Gestalt erst durch ihre jeweils spezifischen Merkmale erhalten, die sie allerdings auch mit anderen Diskurstraditionen teilen können. In Abschnitt 1.3 konnte ich anhand der Ergebnisse von Schon (1960) zeigen, dass Merkmale der epischen Diskurstradition nicht nur in den Reimchroniken aufgegriffen wurden, sondern auch in die Prosatexte meines Korpus übergingen, in denen allerdings auch viele Charakteristika belegt sind, die nicht aus dem Heldenepos stammen. Wie in 1.4 dargestellt, sind auch spezielle Formulierungstraditionen, also tradierte Formulierungs- oder Ausdrucksweisen, als ein Merkmal einer etablierten mittelalterlichen Epen-Schreibtechnik zu verstehen. Diese Formulierungen weisen, wie jede andere Äußerung auch, eine spezifische Syntax auf. Allerdings besteht besonders bei den späteren Texten Anlass zu der Vermutung, dass die Syntax der Formulierungen veraltet sein könnte, da sie vermutlich aus dem sehr frühen Heldenepos mit übernommen wurde. Diese bereits in 1.3 skizzierte und dann in 1.4 formulierte These soll in den folgenden Abschnitten überprüft werden. Es stellt sich die Frage, ob mit der Formulierung auch die Syntax tradiert wurde und somit in «gefrorener» Form ein Relikt einer veralteten Sprachstruktur oder eines veralteten Sprachstils darstellt oder ob sie noch dem damaligen Sprachgebrauch entspricht bzw. sich diesem anpasste. Sollte sich herausstellen, dass wir es tatsächlich mit syntaktischen Relikten zu tun haben, würde das bedeuten, dass theoretische Erklärungsansätze für diese Strukturen im Grunde genommen überflüssig sind. Für eine syntaktische Struktur, die nurmehr einen Teil einer veralteten Schreibtradition darstellt, bedarf es keiner grammatischen Erklärung. Ob und in welchem Umfang das Altfranzösische überhaupt V>2-Strukturen aufweist, die als nicht veraltet angesehen werden können, wird sich mit den Ergebnissen am Ende dieses Kapitels zeigen.

DOI 10.1515/9783110536591-005

4.1 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer Verbergänzung

281

Die Basis der vorliegenden Untersuchung bilden Formulierungstraditionen mit V>2-Syntax, wobei nie ausschließlich V>2-Stellung auftritt (sondern i.d.R. immer auch relativ viele V2-Sätze).1 Diese wurden in zwei Gruppen unterteilt. Die erste Gruppe besteht aus Formulierungstraditionen, in denen V>2-Stellung durch mindestens eine präverbale Verbergänzung hervorgerufen wird. Diese Gruppe teilt sich in Formulierungen mit präverbalem initialem Subjekt (S-X-V) und Formulierungen mit präverbalem initialem direktem Objekt (O-X-V) bzw. Präpositionalobjekt (PO-X-V). Entsprechend der in 3.4.2 getroffenen Klassifizierung handelt es sich in diesen Fällen entweder um Strukturen mit komplexer Konstituente mit Diskurspartikel (3.4.2.1), um Strukturen mit doppelter Besetzung der zone préverbale (3.4.2.2) oder um Strukturen, die in einer V2-Sprache eigentlich unmöglich oder diskursgebunden sein müssen (3.4.2.7). Die zweite Gruppe beinhaltet dagegen Formulierungstraditionen mit einer präverbalen initialen Angabe, i.e. mit einer initialen Adverbiale, einem adverbialen einleitenden Nebensatz oder einem initialen Adverb. Hinsichtlich der Feldbesetzung werden in diesen Fällen alle Möglichkeiten ausgeschöpft, die in den Grammatiken moderner V2-Sprachen erlaubt sind: V>2 ausgelöst durch eine komplexe Konstituente, ausgelöst durch doppelte Vorfeldbesetzung oder ausgelöst durch Besetzung von zone préverbale und extraposition. Im Verlauf des Kapitels werden diese Gruppen einzeln ausgewertet und besprochen.2

4.1 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer Verbergänzung Im Folgenden werden Formulierungstraditionen mit initialer Verbergänzung behandelt. In Abschnitt 4.1.1 geht es um Strukturen mit initialem Subjekt, in Abschnitt 4.1.2 dagegen um Strukturen mit initialem Objekt. In den Abschnitten danach (4.1.3–7) werde ich verschiedene Begründungen diskutieren, warum diese V>2-Muster im Altfranzösischen vermutlich existieren.

1 Dass es keine Formulierungen gibt, die ausschließlich V>2-Strukturen aufweisen, sondern immer auch V2-Stellung, ist nicht verwunderlich, da der gesamte Anteil an V>2-Strukturen in den meisten altfranzösischen Texten immer sehr niedrig ist und V2-Stellung eindeutig dominiert. 2 Beide Gruppen enthalten Formulierungen, die sich durch sehr unterschiedliche Grade der «Fixiertheit» auszeichnen. Wie bereits erklärt, bedeutet dies, dass nicht immer alle Satzelemente, die die Formulierung ausmachen, in exakt identischer Weise tradiert wurden. Dennoch bildet das initiale Satzelement immer den «Kern» der Tradition. Es ist dasjenige Element, welches den Texten durch seine häufige Verwendung eine charakteristische Form verleiht.

282

4 V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen

4.1.1 V>2-Formulierungstraditionen mit S-X-V-Struktur Im Rolandslied habe ich zwei verschiedene Typen von V>2-Formulierungen mit SX-V-Syntax ermittelt. Diese Typen stellen jeweils eine Art Metaformulierung dar, die weitere «Subformulierungen» beinhaltet (cf. unten). Der erste – und prozentual gesehen auch der dominanteste – Typ zeichnet sich dadurch aus, dass in ihm immer eine Herrscherfigur als handelndes Subjekt (Agens) auftritt. Die Subjektposition ist also inhaltlich determiniert, lexikalisch allerdings an verschiedene Ausdrücke gebunden. Es können fünf Adelspersonen auftreten: li empereres (der Kaiser), li amirals (der Admiral), li dux (der Herzog), li quens (der Graf) und li reis (der König). Einen randständigen sechsten Vertreter innerhalb dieser Gruppe stellt li arcevesques (der Bischof) dar. Hierbei handelt es sich um keine Adelsbezeichnung, allerdings ebenfalls um die Bezeichnung eines hohen gesellschaftlichen Ranges. Typ 1: [HERRSCHER (Subjekt)] [X (Objekt, Adverb, Adverbiale, ...)] [Verb]3 In Typ 2 ist die Subjektposition semantisch durch eine nicht gläubige bzw. gegnerische Person bestimmt.4 Das Subjekt dieser Formulierung ist auf lediglich zwei Vertreter festgelegt: (feluns) paiens (heidnische Schurken/Heiden) und li sarrasins (die Sarazenen): Typ 2: [UNGLÄUBIGER/GEGNER (Subjekt)] [X (Objekt, Adverb, Adverbiale, ...)] [Verb] Der Umstand, dass in diesen Fällen meist nur die Subjektposition semantisch definiert ist, mag auf den ersten Blick Anlass dazu geben, dass man überhaupt nicht von einer Formulierung ausgehen mag. Dass dies dennoch richtig ist, zeigte eine Auswertung aller S-X-V-Strukturen des Rolandslieds. Hierbei wurde deutlich, dass alle Sätze, die nach dem Muster dieser Typen gebildet wurden, den weitaus größten Teil aller S-X-V-Strukturen überhaupt ausmachen. Es gibt insgesamt nur 15 weitere Sätze mit S-X-V-Syntax, die nicht Teil dieser Metaformulierungen sind. Mit 79% stellen sie also einen Großteil aller S-X-V-Strukturen des Textes überhaupt dar und können deshalb als maßgebliche Strukturierungselemente für die Textgestaltung angesehen werden. Die folgende Tabelle umfasst die Ergebnisse von Typ 1, geordnet nach den einzelnen Adelstiteln. Sie gibt einen Überblick über den absoluten und prozentualen Anteil der V>2- Muster im Vergleich mit allen V2-Strukturen: 3 Die Klammerdarstellung bezieht sich hier und im Folgenden immer auf die V>2-Variante der Formulierung(en), was allerdings nicht bedeuten soll, dass nicht auch ein V2-Pendant existiert. 4 Das Nicht-gläubig-Sein impliziert im Fall aller sieben Texte auch den heidnischen Feind. Der Gegner ist also automatisch immer ein Nicht-Gläubiger.

9%

2

1

2

/

1

2

4

/

10%

/

4

1

1

0

4% 1

0%

2 12%

/

Jer

0

8% 14

17%

5%

1 10%

2

Antio

V>2

/

20%

12,5%

0%

12% 5

Clar

0

3

1

0

0

0%

27%

1

/

/

0 0% 12 86%

9 90%

15

/

88%

Jer

/

/

93% 22 92% 124

92% 35 83% 49

90%

96%

81% 39 95% 37 100%

3 100%

76% 81

Antio

78% 20 91%

Sais

1 100%

38% 13

67%

74% 42

Rol

8% 32 64% 22

5

16

6% 42

0 0% 28

7% 1

0%

0%

1

Valen

12,5% 1

Villeh 4

V2

0% 0

0

/

4

0

80% 8

/

/

92%

94%

Val

0%

1 100% 0% 0

73%

93% 12

0%

0%

88% 35 87,5% 17

Villeh

7 87,5% 13

0

/

30

Clar

Hochgestellte Zahl: Fälle, in denen das präverbale Subjekt nicht initial steht. Schrägstrich: Die Formulierung ist überhaupt nicht belegt, auch nicht als Nebensatz oder Imperativ (so auch in den folgenden Tabellen). Prozentuale Angaben wurden aufgerundet (so auch in den folgenden Tabellen).

2 14% 0 0%

f. Li arcevesques

36% 2 8% 7

9 24% 6 7%

19

3

8 1 62% 3 19%

e. Li reis

d. Li quens

c. Li dux

8 33% 0 0%

b. Li amirals

Sais

15 26% 12 22%

Rol

a. Li emperere

Formulierung

Abbildung 1

4.1 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer Verbergänzung

283

284

4 V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen

Zunächst lässt sich bei der Auswertung dieser Zahlen festhalten, dass sich die Formulierung mit li arcevesques deutlich von den anderen abhebt. Sie tritt nur im Roland und Saisnes auf und hat selbst im Roland mehrheitlich eine V2- und keine V>2-Struktur. Im Saisnes ist nur V2 belegt. Alle anderen Formulierungen haben im Roland in 24% – 62% der Fälle eine V>2-Struktur. Im Gegensatz dazu treten im Saisnes V>2-Strukturen mit maximal 22% auf, und in den Reimchroniken nur noch mit maximal 17%. In den Prosatexten liegen die Prozentzahlen im V>2-Bereich zwischen 6% und 27%. Die genauere Analyse dieser Zahlen zeigt allerdings, dass das Subjekt in nur sechs der insgesamt 17 Sätze initial steht. In allen anderen Fällen handelt es sich also um X-S-V-Strukturen, in denen die Position von X meist durch ein Adverb oder eine Adverbiale oder einen adverbialen Nebensatz besetzt ist, was die folgenden Beispiele mit nonporquant (dennoch), aprés (danach), cele nuit (in dieser Nacht) und quant il s’en furent ale (als sie gegangen waren) veranschaulichen: 1.

Et nonporquant li empereres ne s’esmaie de riens, (Val, 641) und dennoch der König nicht sich fürchtet vor nichts ‘Und dennoch, der König fürchtet sich vor nichts’

2.

Apres li empereres requist les barons, (Cla, 57, 1) danach er König fragt die edlen Ritter ‘Anschließend ersucht der König die edlen Ritter’

3.

Cele nuit domaignement, l’emperieres Alexis [...] prist de son tresor [...] (Vil, 182) diese Nacht morgig der König Alexius nahm aus seinem Tresor ‘In der darauf folgenden Nacht nahm Alexius [...] aus seinem Tresor [...]’

4.

et quant il s’en furent ale, li empereres manda se gent toute [...] (Cla, 18, 30) und als sie davon gegangen waren der König schickt seine Männer alle ‘und als sie davongegangen waren, schickte der König alle seine Männer [...]’

Wie bereits in 3.4.2.5 besprochen, wurden V>2-Sätze dieser Art als Strukturen mit Besetzung der extraposition identifiziert und dem modernen französischen Typ mit détachement eines complément circonstanciel gleichgesetzt (ich komme auf diesen Punkt nochmals bei der Analyse der V>2-Strukturen mit initialer adverbialer Angabe in 4.2 zurück). S-X-V-Sätze finden sich in den Prosatexten nur, wenn das zweite präverbale Satzglied das konnektive Adverb si ist:

4.1 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer Verbergänzung

285

5.

Et cil emperere Morchuflex si fist le fil que il avait en prison deus foiz ou trois enpoisoner (Vil, 223) und jener König Morchuflex also lässt den Sohn den er hatte ins Gefängnis zwei Mal oder drei vergiften ‘Und jener König Morchuflex also ließ den Sohn, den er zwei oder drei Mal ins Gefängnis gebracht hatte, vergiften’

6.

Chis rois si sejornoit en une molt rike abeie en le chite, (Cla, 54, 5) dieser König so reiste in eine sehr reiche Abtei in die Stadt ‘Dieser König also reiste zu einer sehr reichen Abtei in die Stadt’

Es wurde schon gezeigt, dass dieser Strukturtyp in der Regel die einzige Möglichkeit ist, eine S-X-V-Syntax bei Aussagesätzen in der Prosa zu bilden (cf. 3.3.2). Er kann entweder als Struktur mit extraposition verstanden werden oder – und das ist wahrscheinlicher – als Struktur, in der ciel emperere Morchuflex si oder Chis rois si eine komplexe Konstituente mit konnektiver Diskurspartikel darstellt (cf. 3.4.2.1). In jedem Fall handelt es sich wohl um eine mit V2-kompatible Struktur. Die zum Teil erstaunlich großen Zahlen in den Prosatexten ergeben sich also durch die Tatsache, dass hier mehrheitlich andere syntaktische Strukturen vorliegen als in den Verstexten.5 Als Ergebnis der Auswertung kann festgehalten werden, dass eine V>2-Syntax mit S-X-V-Struktur innerhalb dieser Formulierungstraditionen in den späten Verstexten deutlich seltener auftritt als im Roland und dass umgekehrt die Anzahl an S-V-X-Strukturen prozentual betrachtet in den späteren Texten deutlich zunimmt.6 Außerdem scheint es innerhalb der späten Verstexte eine leichte Differenz zwischen dem Saisnes einerseits und den Reimchroniken andererseits zu geben, da im Saisnes V>2-Stellung zwar seltener auftritt als im Roland, aber doch häufiger als im Antioche und Jerusalem. In den Prosatexten ist das Vorkommen insgesamt relativ groß, es handelt sich hier aber mehrheitlich um Strukturen mit extraposition oder komplexer Konstituente, die keine V>2-Struktur im strengen Sinne darstellen. Das Vorkommen des zweiten S-X-V-Typs mit initialem Sarrasins und Paiens wird in der folgenden Tabelle zusammengefasst:

5 Auch in den Verstexten ist X-S-V-Stellung belegt, dort allerdings in sehr geringem Maße (bei li quens ist das Verhältnis von S-X-V zu X-S-V im Roland 18:3 und im Antioche 6:1. Bei li dux ist das Verhältnis im Roland 6:1 und bei li reis im Jerusalem 14:1). 6 Zusammengerechnet gibt es im Roland, dem kürzesten Text des Korpus, in diesem Fall insgesamt 61 Sätze mit V>2-Stellung, im Saisnes dagegen nur 23, im Jerusalem 18, im Antioche 14 und in den Prosachroniken unter 10 (Villehardouin 9, Clari 6, Valenciennes 2).

81

b. (feluns) Paiens

Sais

3

1

2

14% 4 2

18%

Antio

22% 1 6% 4 3

50% 0

Rol

V3 Jer

7% 0

8% 0

0%

0%

Clar

/

/

/

/

Villeh Valen

Hochgestellte Zahl: Fälle, in denen das Subjekt präverbal, aber nicht initial steht.

2

a. Sarrasins

Formulierung

Abbildung 2

29

2

78%

50%

Rol

16

0

94%

0%

Sais

25

14

86% 50

82% 24

Antio

V2 Clar

93% 0

0%

92% 1 100%

Jer

/

/

Villeh

/

/

Val

286 4 V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen

4.1 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer Verbergänzung

287

Die frequentielle Auswertung dieser Formulierungstradition scheint auf den ersten Blick ein weniger aussagekräftiges Bild abzugeben, als das bei Typ 1 der Fall war. Die Okkurrenzen sind insgesamt recht niedrig oder gehen gegen Null. Trotz dieser Tatsache scheinen mir diese Ergebnisse wertvoll, da sie die bereits gewonnenen Erkenntnisse nochmals bestätigen. Denn auch hier ist der Anteil an V>2Strukturen im Roland – mit deutlichem Abstand zu den anderen Texten – am größten. V>2-Sätze liegen im Roland bei 22% und 50%, wohingegen es in den anderen Verstexten nicht über 18% sind. In der Prosa ist insgesamt nur ein Satz belegt, dieser enthält eine V2-Struktur. Es kann also selbst hinsichtlich dieser verhältnismäßig kleinen Gruppe einer S-X-V-Formulierungstradition festgehalten werden, dass sich die allgemeine Tendenz bestätigt, nach der eine prozentuale Abnahme an V>2-Mustern innerhalb der Verstexte besteht.7 Die bisher ermittelte Diskrepanz, was das Vorkommen von V>2- und V2Strukturen in den einzelnen Texten anbelangt, zeigt sich auch deutlich, wenn man einzelne «Subformulierungen» mit in die Betrachtung einschließt. Diese Formulierungs-Untergruppen zeichnen sich dadurch aus, dass in ihnen neben der ersten auch ihre zweite und dritte syntaktische Position semantisch spezifiziert ist.8 Ein gutes Beispiel einer solchen Untergruppe stellt Formulierung IX dar, in der die Verbposition durch apeler (zurufen) besetzt wird und die noch fehlende Position neben Subjekt und Verb das semantische Merkmal [+personal] trägt. Die Formulierung dient dem Schreiber also dazu, die Situation des Zurufens darzustellen. Sie tritt achtmal im Roland auf und wurde in allen späteren Verstexten und in der Valenciennes-und der Villehardouin-Chronik tradiert:9

7 Was die realen Zahlen betrifft, fällt auf, dass im Roland nur bei Paiens viele V>2-Strukturen belegt sind. Im Fall von Sarrasins ist V>2 keine dominierende Struktur. Hier ist allerdings auch V2 nicht häufig belegt. 8 Allerdings werden in ihnen die einzelnen Herrscherbezeichnungen miteinander kombiniert, weshalb die erste Position lexikalisch variiert. 9 Die Formulierung kann theoretisch um 33 Fälle erweitert werden, in denen der Herrscher durch einen Eigennamen oder eine pronominale Form ausgedrückt wird. Interessanterweise finden sich diese Fälle im Rolandslied nur mit V2-Stellung (3 Belege): Il [li reis Marsilie] en apelet e ses dux e ses cuntes: (14, Rol) Carles apelet Rabel e Guineman. (3015, Rol) Carles apelet ses cuntes e ses dux: (3947, Rol) Ein V>2-Satz mit initial stehendem Eigennamen oder Pronomen ist nicht belegt, was als zusätzliches Indiz für den formelhaften Charakter dieser V>2-Strukturen angesehen werden kann, der wohl in den späten Texten aufgebrochen wurde, da zumindest im Saisnes und Antioche V>2-Sätze mit Eigennamen auftreten (Saisnes 2 Belege, Antioche 3 Belege):

288

4 V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen

IX. [HERRSCHER (Subjekt)] [PERSON (Objekt)] [ZURUFEN (Verb)] Roland

V>2 V2

Li quens Rollant Gualter de l’Húm apelet: (803, Rol) Li amiralz la sue gent apelet: (3396, Rol) Li quens Rollant apelet Oliver: (1145, Rol) Li quens Rollant en apelet Oliver: (1545, Rol) Li quens Rollant apelet Oliver: (1671, Rol) Li amiralz en apelet sun frere, (3311, Rol) Li empereres apelet ses nies Rollant: (783, Rol) Li reis apelet Malduit, sun tresorer (642, Rol)

Saisnes

V2

Li rois en apela son consoillier Naymon, (4338 LT, Sais) L’emperere en apele le riche duc Namlon, (1507 AR, 1437 LT, Sais) L’emperere apela duc Namlon le Baivier: (1802 AR, 1646 LT, Sais)

Antioche

V>2

Li quens Robers de Flandres nos barons apela: (6051, Antio) Li amirals Soudans Corbaran apela: (5351, Antio) Li quens Robers de Flandres a le Turc apelé, (6200, Antio) Li amirals apele Buiemont le marcis: (9514, Antio)

V2

Jerusalem

V2

Li rois Godefrois a les princes apelés: (5391, Jer) Li rois Godefrois a dant Pieron apelé: (6313, Jer) Li amirals Soudans en apela Brehier – (8189, Jer) Li amirais Soudans apela Sinagons – (8195, Jer) Li amirals apele l’aupatris et Morgant (8229, Jer) L’amirals en apele Carcan [...]. (8278, Jer)

Valenciennes

V2

Et li cuens apiela [...] Viviien (612, Val) Et li empereres apiela le castelain, (636, Val)

Villehardouin

V2

L’emperere [...] rapeloit sa gent; (360, Vil)

Baudemas son neveu [...] apele, (2438 AR, 2185 LT, Sais) Bauduïns li niés Charle Firamor an apele: (898 R, 6678 LT, Sais) Corbarans d’Olifeme Solimant apela: (609, Antio) Sansadonie son fil [...] apela: (3736, Antio) Garsïons son neveu a avant apelé, (4287, Antio) Auch bei Eigenname oder Pronomen ist jedoch V2-Stellung die häufige Struktur (Saisnes 7, Antioche 12 Belege). Es ist auch die einzige Struktur, die im Jerusalem und Clari vorkommt (Jerusalem 5 Belege, Clari 1 Beleg). Die Kollokation «apeler PERSON» existiert noch in weiteren V2-Sätzen, hier aber nur mit A-V-OStellung (insbesondere in der Prosa) oder O-V-Stellung, ohne realisiertes Subjekt. Im Rahmen dieser Formulierungsanalyse wurde sie deshalb nicht berücksichtigt. Unberücksichtigt blieben auch Sätze mit einem pronominalen Objekt, da diese im Rolandslied überhaupt nicht existieren.

4.1 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer Verbergänzung

289

Es fällt auf, dass die Formulierung im Rolandslied mit syntaktischer Varianz vorkommt. Mit anderen Worten, die Formulierung wurde mit V>2- und V2-Syntax realisiert. Diese syntaktische Varianz hält sich in den meisten späten Texten allerdings nicht, da im Saisnes, Jerusalem, Valenciennes und Villehardouin nur V2-Sätze belegt sind. Trotz der Tradierung der Formulierungen haben die Schreiber dieser Texte also nicht auf die V>2-Syntax zurückgegriffen. Anhand von Stichproben wurde ersichtlich, dass noch weitere Subformulierungen mit S-X-V-Syntax belegt sind, allerdings haben diese sowohl im Rolandslied als auch in den anderen Texten meist eine deutlich niedrigere Frequenz. Zur Veranschaulichung soll noch ein Beispiel gegeben werden, das in den späteren Verstexten ausschließlich mit V2-Syntax vorkommt. Hier ist V>2-Stellung also nur im Rolandslied gegeben.10 X.

[HERRSCHER/X (Subjekt)] [DANACH (Adverb)] [FOLGEN (Verb)] Roland

V>2

.XVII. reis aprés le vunt siwant; (2649, Rol) Sun cumpaignun apres le vait sivant, (1160, Rol)

Jerusalem

V2

Et Ricars et Harpins le vont aprés sivant (1726, Jer) Dans Pieres li hermites le vait aprés sivant (5920, Jer)

Antioche

V2

Il et si compaignon le vont aprés sivant. (8637, Antio)

Nach der bisherigen Untersuchung der Formulierungen mit präverbalem Subjekt zeichnet sich als ein erstes Ergebnis ab, dass deutliche syntaktische Unterschiede nicht nur zwischen Vers- und Prosatexten existieren, sondern auch innerhalb der Verstexte auftreten.11

4.1.2 V>2-Formulierungstraditionen mit O-X-V-Struktur Es konnten drei verschiedene V>2-Formulierungstraditionen mit Objekt-X-V- bzw. Präpositionalobjekt-X-V-Syntax im Roland ermittelt werden. Im Unterschied zu den S-X-V-Formulierungen handelt es sich hierbei um Sätze mit spezifiziertem Inhalt nicht nur der initialen Position (also der Objektposition), sondern auch des

10 Hier wurden allerdings Fälle hinzugerechnet, in denen man anstatt des Adelstitels den Eigennamen der Person, ein Subjektpronomen oder eine andere Umschreibung verwendet hatte. 11 Die in diesem Abschnitt dargestellten V>2-Strukturen sind nicht alle im Korpus belegten Formulierungssätze. Eine Tabelle, in der das Vorkommen aller V>2-Strukturen der hier besprochenen Formulierungen enthalten ist, findet sich in Anhang 1.

290

4 V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen

Verbs und teilweise der zweiten präverbalen Satzposition. Durch Formulierung XI wird zum Ausdruck gebracht, dass eine Waffe durch einen bestimmten Körperteil oder sogar den gesamten Körper gestoßen, gerammt oder geschoben wird. XI. [WAFFE (Objekt)] [DURCH/IN DEN KÖRPER/KÖRPERTEIL (Präpos.objekt)] [STOSSEN/... (Verb)] Formulierung XII beschreibt dagegen, wie ein Agens seinem Pferd, Ross, Schlachtross oder auch Esel die Sporen gibt: XII. [MIT DEM SPORN (Präpos.objekt)] [X (Adverb)] [STOSSEN/DIE SPOREN GEBEN(Verb)] [PFERD (Objekt)] Die dritte Formulierung (XIII) wird vom Schreiber eingesetzt, um darzustellen, wie ein Agens sein Pferd oder Schlachtross besteigt: XIII. [AUF SEIN PFERD/SCHLACHTROSS (Präpos.objekt)] [X (Subjekt)/(Adverb)] [STEIGEN (Verb)] Varianten innerhalb der Formulierungen ergeben sich durch synonyme Ausdrücke oder durch Ausdrücke mit semantisch ähnlichen Konzepten. So im Fall von XI durch verschiedene Körperteile, wie piz (Brust) cuer (Herz) oder flans (Seiten) oder cors (Körper) und durch verschiedene Waffen, wie espiel (Dolch), confenon (Gonfanon12 , metonymisch: der Stab des Gonfanon), lance (Lanze), fer (Eisen), ansaigne (Wimpel der Lanze, (metonymisch: die Lanze), l’alemele (Klinge), penoncel (kleiner Pennon13), quarrel (Wurfinstrument) acier (Metall) und espiet (Speer, Spieß). Im Fall von XII ist Varianz durch den Gebrauch verschiedener Verben gegeben (brocher, selten auch hurter oder ferir), sowie durch Bezeichnung des Pferds durch Eigennamen. Verschiedene Umschreibungen für dieses Tier gibt es in Formulierung XIII: cheval (Pferd), destrer (Ross) oder ebenfalls Eigennamen. Die Frequenz dieser drei Formulierungen pro Text ist in der folgenden Übersicht zusammengefasst:

12 Es handelt sich um eine rechteckige Fahne oder ein Banner, das an einem vertikalen Stab angebracht ist und an dessen wehendem Ende mehreren Streifen oder Bänder sind. 13 Es handelt sich um einen dreieckigen Wimpel, der an einer Lanze angebracht wurde.

41I

Auf sein Pferd...

0

1 1 17% 0

0

Jer 0

Villeh

0% /

Clar

0

Sais

Antio

50% 11 73% 30 91% 19

Jer

V2 Villeh

0% /

0% /

Clar

0

/

0%

Val

77% 2 100% 4 100% 2 50%

3 100% 0

3 100% 0

95% 10

5 83% 2 100%

0 0% 12 86% 9 90%

Rol

1 1 100% 5 71%

/

Valen

0% 0 0% 2 2

0% 1 1 100% /

0%

5% 3 2 I 23%

0%

1 10%

Antio

2 14%

Sais

27% 3 1 II 9% 1 1

29%

100%

Rol

V>2

Hochgestellte Zahl: V>2-Strukturen, in denen das Objekt/Präpositionalobjekt nicht initial steht und das initiale Element – ein einleitender Nebensatz, eine einleitende Adverbiale oder ein einleitendes Adverb – in extraposition steht. Hochgestellte römische Zahl: V>2-Strukturen, in denen das Objekt/Präpositionalobjekt nicht initial steht, das initiale Element aber eindeutig Bestandteil des Satzes ist.

2

5

I

Mit dem Sporn...

Waffe durch den Körper...

Formulierung

Abbildung 3

4.1 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer Verbergänzung

291

292

4 V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen

Die Tabelle zeigt, dass alle V>2-Strukturen im Roland zwischen 27% und 100% ausmachen, wohingegen es in den späteren Verstexten nur bis maximal 23% sind (von diesen 23% haben allerdings alle Sätze keine PO-X-V, sondern eine X-PO-VStruktur). Der V2-Anteil in diesen Texten ist also wieder deutlich höher als im Roland. In der Prosa gibt es die Formulierungen entweder gar nicht oder die Okkurrenzen sind sehr niedrig (zwischen 1–5 Sätze).14 Erstaunlich ist deshalb, dass die Prozentzahlen hier zwischen 0% und 100% schwanken, was bedeutet, dass es teilweise ausschließlich V>2-Strukturen zu geben scheint. Bei genauerer Betrachtung relativiert sich dieses Ergebnis allerdings, da hier – wie dies auch bei den zuvor betrachteten Formulierungen mit präverbalem Subjekt beobachtet werden konnte – die initiale Position durch ein adverbiales Satzelement besetzt ist, das wohl in extraposition steht, und es sich somit um keine V>2-Struktur im strengen Sinne handelt. Der folgende Satz stellt ein Beispiel mit einleitendem adverbialem Nebensatz dar: 7.

Quant li quens de Flandres oï chou, si feri [sen] cheval des esperons et [...] (Cla, 122) als der Graf von Flandern hörte dies so gab [er] seinem Pferd die Sporen und ‘Als der Graf von Flandern dies hörte, gab er seinem Pferd die Sporen und [...]’

Als Fazit zu der dargestellten Auswertung der Formulierungen mit präverbalem Objekt oder Präpositionalobjekt kann ebenfalls festgehalten werden, dass ein deutlicher Unterschied zwischen den Verstexten und den Prosatexten besteht, insofern in letzteren V>2-Stellung nur mit extraposition auftritt. Außerdem zeigt sich auch hier, dass ein Unterschied zwischen dem frühen und dem späten Verstext existiert, da V>2-Sätze im Roland insgesamt häufiger auftreten als im Saisnes, Antioche oder Jerusalem. Zur Veranschaulichung kann dieser Unterschied anhand der einzelnen Sätze der drei Formulierungen aufgezeigt werden.15

14 Die alten epischen Formulierungen scheinen in der Prosa nicht mehr besonders oft verwendet worden zu sein, was sich besonders im Fall der V>2-Formulierungen mit initialer Angabe zeigen wird (cf. 4.2), sowie im Fall der V1-Strukturen (cf. 4.4). Ein möglicher Grund hierfür ist sicherlich, dass spezifische inhaltliche Elemente des Epos, vor allem fiktive und zur Übertreibung neigende Bilder, kaum noch aufgegriffen wurden. Ein anderer Grund könnte sein, dass die Formulierungen nicht mehr als unabhängige Aussagesätze realisiert wurden, sondern in Form eines Nebensatzes oder Imperativs o.ä. auftraten. Ein dritter Grund könnte sein, dass neue Formulierungen entstanden und die alten somit «verdrängt» wurden. 15 V>2-Strukturen wurden vollständig angegeben (cf. auch Anhang 2). Auf die Unvollständigkeit der Abgabe – im vorliegenden Fall von V2-Strukturen – verweisen hier und im Folgenden drei Pünktchen.

4.1 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer Verbergänzung

293

XI. [WAFFE (Objekt)] [DURCH/IN DEN KÖRPER/KÖRPERTEIL (Präpos.objekt)] [STOSSEN/... (Verb)] Roland

V>2

Sun grant espiet par mi le cors li mist (1248, Rol) Sun bon espiet enz el cors li enbat. (1266, Rol) Sun fort espiet par mi le cors li mist, (1306, Rol) Lor dous espiez enz el cors li unt frait, (1384, Rol) Par mi li piz sun espiet li mist fors (1947, Rol)

Saisnes

V>2

Par mi le gros dou piz son confenon li guie (3673 LT, Sais) Par mi le gros do piz son roit espié li guie, (4640 LT, Sais)

V2

Son espié li conduist par mi andeus les flans; (3944 AR, Sais) Par mi le gros dou piz li fist l’espié glacier, (276 LT, Sais) Par mi le cors li passe son espié qui fu frois; (403 R, Sais) Par mi le cors li guie son espié an botant. (2419 LT, Sais) Par mi le cors li met le bon espiel fresnain, (3839 AR, Sais) Par mi le gros dou cuer li conduist l’alemele, (3987 AR, Sais) Par mi le gros dou piz li met le confenon, (4604 LT, Sais) Par mi le cors li mist l’ansaigne baloiant, (4984 LT, Sais) Par mi le cors li met l’espié au fer turqois; (6137 LT, 403 R1, Sais) ... 1

Antioche

Jerusalem

Par mi le cors li passe son espié quifufrois; (403 R, Sais)

V>2

Par mi le gros del cuer son roit espiel li guïe, (8742, Antio)

V2

Par mi le gros del cuer li mist l’espiel trençant, (493, Antio) Par mi le gros del cuer li mist l’espiel fraisnin, (1388, Antio) Par mi le gros del cuer mist de l’anste .I. tronçon; (1399, Antio) Par mi le gros del cuer li mist l’espiel trançant, (1655, Antio) Par mi le gros del cuer fist fer [...] (3537, Antio) Par mi le gros del cuer li fait passer l’acier. (4723, Antio) ...

V2

Par mi le cors li guie son bon espiel trençant: (395, Jer) Par mi le gros del cuer li fist le fer baignier, (1666, Jer) Par mi le gros del cuer li mist l’espiel forbi, (3924, Jer)

XII. [MIT DEM SPORN (Präpos.objekt)] ([X (Adverb)]) [STOSSEN/DIE SPOREN GEBEN(Verb)] [PFERD (Objekt)] Roland

V>2

Des esperons puis brochet le cheval (3341, Rol) Reis Canabeus [...]/Des esperons ben broch[e]t sun cheval (3429, Rol)

294

4 V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen

V2

Saisnes

V>2

Le cheval brochet des oriez esperuns, (1225, Rol) Sun cheval brochet des esperuns d’or fin, (1245, Rol) Sun cheval brochet des esperuns d’or mier, (1549, Rol) Le cheval brochet des esperuns d’or mer, (1737, Rol) Le cheval brochet des esperuns d’or fin, (3353, Rol) A force Baiart broche des esperons des piez, (3743 LT, Sais)

V2

Des esperons a or brocha tantost Vairon, (6712 LT, 915 R, Sais) Lors broche le cheval des esperons dorez (3268 LT, Sais) Il broche le cheval des esperons mout fort (4875 LT, Sais) Puis broche le cheval des esperons d’acier, (5301 LT, Sais) Ains brochent les chevaus des esperons d’acier (3915 AR, Sais)

Jerusalem

V2

Des esperons a or a brociet Capalu, (6947, Jer) Lors broce le ceval des esperons d’or mier, (1663, Jer) Par les costés le fiert des esperons d’or mier. (403, Jer)

Antioche

V2

Des esperons le broce par ans .II. les costes, (3081, Antio) Lors broce le ceval, si l’a esperoné, (696, Antio)

Valenciennes

V>2

quant [...], cascuns [...] hurte cheval des espourons en escriant: (539, Val)

Clari

V>2

Quant [...], si feri [sen] cheval des esperons [...] (122, Cla)

XIII. [AUF SEIN PFERD/SCHLACHTROSS (Präpos.objekt)] [X (Subjekt)][STEIGEN (Verb)] Roland

Saisnes

V>2

En sun destrer Baligant est muntet; (3155, Rol) En Tencendur, sun bon cheval, puis muntet: (2993, Rol) Puis en un sun destrer brun est munte; (2816, Rol) Li dui message es chevals sunt muntet. (2765, Rol)

V2

En Tachebrun, sun destrer est munted; (347, Rol) Es destrers muntent tuit li barun de l’ost, (1801, Rol) Es destrers muntent, si chevalchent estreiz. (1000, Rol) Puis sunt muntez sur lur curanz destrers. (1142, Rol) Puis sunt muntez es chevals [...] (2811, Rol) Puis sunt muntez en lur curanz destrers. (3869, Rol) ...

V>2

Chascuns isnelement monta en l’auferrant; (1264 AR, 1201 LT, Sais) Chascuns isnelement monta sor son destrier; (1416 AR, 1349 LT, Sais) A tant isnelement vont es chevaus monter. (862 AR, 818 LT, Sais)

4.1 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer Verbergänzung

295

V2

Sor les chevaus monterent, (512 AR, 500 LT, Sais) Puis montent es chevaus de Gascoigne et d’Arrage (926 AR, Sais) Puis montent es chevaus bruns et bauchails et bais, (1030 AR, 979 LT, Sais) Isnelement remontent sor les destriers d’Espaigne; (2629 AR, Sais) Chascuns monte el cheval [...], (1382 AR, 1314 LT, Sais) Chascuns monte el cheval sejorné et coursier (1520 AR, 1450 LT, Sais) ...

V>2

Quant [...], Isnelement monterent sor les cevals norois (1467, Antio)

V2

En .I. destrier monta, (3938, Antio) Si monta el ceval (1919, Antio) Isnelement monta sor .I. destrier d’Arrage, (8419, Antio) Isnelement en monte el destrier sejorné, (9510, Antio) Il montent es cevals, (9808, Antio) ...

V>2

Dans Pieres li hermites sor son asne monta. (1013, Jer) Son escu a son col en Chapalu monta, (7919, Jer) Quant [...] cascuns monte el destrier (238, Jer)

V2

En son ceval monta [...] (8116, Jer) En lor cevaus monterent [...] (9787, Jer) Puis montent es cevals [...] (7762, Jer) Isnelement monterent es destriers abrievés, (8014, Jer) Isnelement monterent es destriers auferrans. (8047, Jer) Cascuns monte el ceval [...] (9662, Jer) ...

V>2

Et quant [...], si monta sor .i. sien cheval ferrant. (659, Val) Quant [...], il monta sor .i. sien chaval Moriel et [...] (509, Val)

V2

si montent sor lor chevaus (591, Val) ...

Villehardouin

V2

Lors monterent li baron à cheval et amenerent (190, Vil) Ensi monterent li message sor lor chevax, (211, Vil) et li message [...] montent sor les chevaus. (216, Vil) ...

Clari

V2

si monta seur un grant cheval; (106, 13, Clari) ...

Antioche

Jerusalem

Valenciennes

296

4 V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen

In allen Texten ist die syntaktische Varianz der drei Formulierungen groß. Es zeigt sich, dass nicht nur O-X-V- bzw. PO-X-V- und O-V-X- bzw. OP-V-X-Sätze verwendet wurden, sondern auch V>2- und V2-Varianten mit postverbalen Objekten. Zu einer genauen Besprechung dieser einzelnen Varianten komme ich in 4.1.4.

4.1.3 Zur Sprach- und Textkompetenz der Schreiber Die Ergebnisse der vorhergehenden Abschnitte werfen die Frage auf, welche Ursachen dazu geführt haben, dass V>2-Sätze in den Formulierungstraditionen mit präverbalem Subjekt und präverbalem Objekt im Roland deutlich häufiger auftreten als in den späteren Verstexten und vor allem in der Prosa. Einige Antworten auf diese Frage wurden bereits in 3.3 gegeben: Vor dem Hintergrund der dort besprochenen Ergebnisse von u. a. Prévost, et al. (2012) ist anzunehmen, dass der Unterschied zwischen gebundener und ungebundener Rede als Ursache für die Existenz oder auch Nicht-Existenz von V>2-Stellung in den Texten des hier verwendeten Korpus gesehen werden muss. In der Prosa gibt es im Unterschied zu den Verstexten keine V>2-Strukturen im strengen Sinne (sondern nur Strukturen mit Besetzung der extraposition oder mit komplexen Konstituenten). Dies bedeutet sicherlich, dass der Prosaschreiber im Gegensatz zum Versschreiber diese Satzstrukturen als falsch oder nicht angemessen für seinen Text empfunden haben muss. Aus den Ergebnissen leitet sich allerdings die Frage ab, warum der Schreiber eines späten Verstextes die V>2-Syntax kaum noch verwendete, obwohl sie im Vers doch zulässig gewesen sein müsste, da sie dort ja auftritt. Entsprechend stellt sich dann auch die Frage, warum der Schreiber eines frühen Verstextes dies tut. Dieser Unterschied ist sicherlich auf die zeitliche Differenz, die zwischen dem Rolandslied und den anderen Texten liegt, zurückzuführen. Anhand der diachronen Erweiterung des Prévost’schen Korpus konnte bereits deutlich gemacht werden, dass der Faktor «Zeit» bei dem Vergleich verschiedener Verstexte eine Rolle spielt (cf. 3.3.3). Allerdings ist deshalb trotzdem nicht geklärt, warum V>2-Strukturen überhaupt noch im späten Verstext auftreten, wenn sie nicht mehr zeitgemäß waren. Eine mögliche Antwort hierzu könnte lauten, dass durch das Tradieren von noch geläufigen Formulierungen auch eine veraltete und unüblich gewordene Syntax vom Schreiber mit tradiert bzw. kopiert wurde. Wie bereits dargestellt, ist davon auszugehen, dass die Autoren der mittelalterlichen Manuskripte über eine spezifische textuelle Kompetenz verfügten, durch die ihnen die in den etablierten Diskurstraditionen gängigen Schreib- und Formulierungsmuster geläufig waren. Diese textuelle Kompetenz kann ausschlaggebend dafür gewesen sein, dass ältere  

4.1 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer Verbergänzung

297

Formulierungen verwendet wurden;16 und mit der Übernahme solcher Formulierungen ist theoretisch auch die Übernahme älterer syntaktischer Strukturen verbunden. Dies kann für den Schreiber dann ein Problem darstellen, wenn sich seine Sprache und somit auch das syntaktische System seiner Sprache in einer Phase des Wandels befinden und die älteren syntaktischen Strukturen nicht mehr zeitgemäß sind. Aufgrund seiner sprachlich-grammatischen Kompetenz würde der Schreiber veraltete Strukturen sicherlich ablehnen, allerdings können ihm diese innerhalb bestimmter Diskurse durchaus angemessen erscheinen (wie auch im Deutschen in Versen eine flexiblere Syntax angemessen scheint), was zu einer Tradierung selbst veralteter Strukturen führen kann.17 Die Tatsache, dass in den jüngeren Texten bei gleichbleibender Formulierungstradition bereits viel häufiger als im Roland eine V2-Syntax verwendet wurde, spricht dafür, dass V>2-Stellung tatsächlich als unüblich empfunden worden war und deshalb meist keine Anwendung mehr fand. Allerdings bilden die Verstexte, im Gegensatz zur Prosa, bereits eine altfranzösische Diskurstradition und somit einen klar festgelegten Rahmen für den Schreiber. Es ist zu vermuten, dass der Zwang zur Einhaltung von diskurstraditionellen Merkmalen im Vers deshalb deutlich stärker gewesen sein muss als in der jungen altfranzösischen Prosa. Dort sind die starren Strukturen des Verstextes zugunsten eines etwas freieren Sprachduktus aufgebrochen. Dies erklärt vielleicht, warum im Verstext überhaupt noch V>2-Stellung auftritt und in der Prosa nicht mehr. Diese These bleibt bis zu einem gewissen Grad natürlich hypothetisch, kann jedoch bekräftigt werden, sofern weitere Faktoren wie die Informationsstruktur und Diskurspragmatik, der Sprachstil oder der Reimcharakter ebenfalls dafür sprechen, dass durch das Festhalten an alten Schreibtraditionen tatsächlich auch eine alte Syntax beibehalten wurde (cf. folgende Abschnitte). Es sei noch angemerkt, dass die soeben aufgestellte These prinzipiell auch das Rolandslied betreffen kann, denn selbst bei diesem frühen Text besteht die Möglichkeit, dass bereits Strukturen tradiert wurden, die eigentlich schon veraltet

16 Im Grunde genommen spricht bereits Coseriu (2007, 55) diese Kompetenz an, die sich ganz spezifisch auf die Ebene des Diskurses (bzw. Textes) bezieht. Jeder Diskurs grenzt sich von einem anderen aufgrund seiner Verankerung im «Redeuniversum» (im jeweiligen Bezugssystem) ab und schafft bei Erzeuger und Rezipient ein spezifisches Bewusstsein und eine Kompetenz für den jeweils spezifischen Diskurs. Abweichungen innerhalb eines bestimmten Diskurses scheinen aufgrund dieser Kompetenz annehmbar (50). Coseriu (2007, 55, 57) spricht diesbezüglich von unserem «expressiven Wissen». Koch (1987, 25, 32) definiert dieses Wissen als «sprachbezogenes Wissen», im Unterschied zum «sprachlichen Wissen» auf der Ebene der Einzelsprachen. 17 Zu Coserius Unterscheidung von sprachlicher, einzelsprachlicher und textueller Kompetenz bzw. den Stufen der Kompetenz cf. Coseriu 2007, 55.

298

4 V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen

waren. Für diese Annahme spricht, dass V>2 mit ca. 11% auch im Roland sehr selten auftritt (cf. Marchello-Nizia 2000, 6) und deshalb vermutlich keine geläufige Struktur mehr war. Zu verifizieren ist diese Annahme allerdings nicht, da uns keine Heldenepen vorliegen, die bereits ein bis zwei Jahrhunderte zuvor in schriftlicher Form entstanden sind. Letztlich kann hier noch auf einer allgemeineren Ebene gezeigt werden, dass Überlegungen zum Verhalten der Schreiber fruchtbar für Fragen über die damalige Sprachkompetenz und das allgemeine Sprechen gemacht werden können. Gewisse syntaktische Entscheidungen der Schreiber, die hier dargestellt wurden, lassen Rückschlüsse darüber zu, was man damals als syntaktisch «richtig» empfunden hat und was man – im Gegensatz dazu – nur für bestimmte Diskurstypen als «richtig» oder «gut» empfand. An dieser Stelle können wir also – mit gebotener Vorsicht – anhand spezifischer Textsortenmerkmale, wie dem Einsatz einer speziellen Syntax für eine spezifische Formulierung bzw. deren Einsatz oder Nicht-Einsatz in einem Text, auf eine altfranzösische Sprecherkompetenz generell schließen. Der Problematik, dass wir für historische Sprachstadien keine Zeugnisse mündlicher Rede haben und auch keine Sprecher mehr befragen können, ist damit in begrenztem Rahmen entgegengewirkt.

4.1.4 Zur Informationsstruktur Im vorhergehenden Abschnitt wurde die These aufgestellt, dass durch das Tradieren von noch geläufigen Formulierungen auch eine veraltete Syntax vom Schreiber mit kopiert oder übernommen wurde und deshalb V>2-Stellung in den (späten) Verstexten auftritt. Diese These gewinnt an Tragfähigkeit, wenn das Auftreten bzw. Nichtauftreten von V>2-Strukturen nicht darauf zurückgeführt werden muss, dass die Informationsstrukturierung von Äußerungen in den einzelnen Texten syntaktisch unterschiedlich gehandhabt wurde. Um sich der Informationsstruktur der Formulierungen widmen zu können, sollte zunächst ein grundlegender Aspekt zum Informationsaufbau von Sätzen berücksichtigt werden: Der Informationsgehalt eines Satzes ist ansteigend, wie in verschiedenen Theorien zur Informationsstrukturierung deutlich gemacht wurde (Funktionale Satzperspektive, Firba 1992; Functional Grammar, Dik 1978, 1989). Dies bedeutet, dass die wichtigste Information am Satzende steht, also am Ende des Kommentars bzw. des Fokus-Bereichs.18 Wenn, wie im Fall von S-X-V- oder

18 Zu dieser Terminologie und einer Erklärung der Informationsstruktur von Sätzen cf. Fußnote 88.

4.1 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer Verbergänzung

299

O-X-V-Strukturen, das Verb in letzter Position auftritt, heißt dies, dass die relevante Information beim Verb und somit bei der Handlung liegt. Dies schließt jedoch nicht aus, dass der Fokus-Bereich bereits mit X beginnt (X ist relevanter als S bzw. O). Der syntaktische Unterschied, der zwischen den S-X-V- und den S-V-XSätzen bzw. den O-X-V- und den O-V-X-Sätzen existiert, ergibt dementsprechend einen Unterschied in der Informationsverteilung im Bereich des Kommentars und Fokus: Im Fall von S-X-V bzw. O-X-V ist das Verb dasjenige Element, das den größten Informationsgehalt trägt, im Fall von S-V-X bzw. O-V-X in der Regel das postverbale Element.19 V>2 [ Subjekt/Objekt Topik] [ [X] [Verb] Fokus] V2 [ Subjekt/Objekt Topik] [[Verb] [X] Fokus] Man kann nun die Frage stellen, ob im Altfranzösischen die Möglichkeit der unterschiedlichen Kommentar-Strukturierung als Mittel der unterschiedlichen Hervorhebung der einzelnen fokalen Satzelemente genutzt wurde, und ob die V>2-Strukturen mit Hervorhebung des Verbs dann möglicherweise die markierten Varianten zu den V2-Strukturen darstellen.20 Gegen diese Annahme spricht, dass S-X-V- und O-X-V-Sätze (fast) nicht in der Prosa auftreten. Es ist deshalb sicherlich nicht von einer allgemeinsprachlichen Möglichkeit zur Hervorhebung und Markierung auszugehen, die in altfranzösischer Zeit üblich war.21 Allerdings schließt das nicht aus, dass mit den V>2-Sätzen eine stilistische Markierung

19 Ein Beispiel aus dem Rolandslied: V>2 [ En sun destrer Topik] [Baligant est muntet Fokus] (3155, Rol) V2 [ Es destrers Topik] [muntent tuit li barun de l’ost Fokus] (1801, Rol) 20 Die Unterscheidung von unmarkierter und markierter Satzgliedstellung hat bereits eine lange Tradition. In besonderem Maße zeigt sie sich bereits in Greenbergs typologischer Sprachenklassifizierung (1963) (cf. 2.3.1), nach der die Position von Subjekt, Objekt und Verb festlegt, welches die jeweils sprachspezifische Grundstellung ist und welches markierte Abweichungen davon darstellen. In verschiedenen Arbeiten (Polo 2004, u. a.) wurde darüber hinaus die Meinung vertreten, dass die Frequenz einer Struktur für ihre Markiertheit oder Unmarkiertheit spricht. Marchello-Nizia (1995, 102) vertritt diese Ansicht hinsichtlich des Altfranzösischen. In Bezug auf alle O-V-Strukturen geht sie davon aus, dass diese zunächst unmarkiert waren, mit zunehmendem Rückgang ihrer Frequenz aber nur noch als markierte Sätze angesehen werden können. 21 Gegen die Annahme spricht außerdem, dass S-X-V-Sätze im Latein unmarkiert waren (cf. Kapitel 2.1.5 und 2.2.4). Allerdings könnte sich durch den frequenziellen Rückgang dieser Strukturen tatsächlich eine Markierung entwickelt haben. Ob und wann die lateinische Struktur zur markierten wurde, lässt sich aus heutiger Sicht aber nicht eindeutig beantworten, da die Anfänge der mündlichen Epenerzähltradition oder anderer altfranzösischer Diskurstraditionen nicht schriftlich belegt sind.  

300

4 V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen

vorliegt, die innerhalb spezifischer Versstile auftrat und als solche ein Merkmal der epischen Diskurstradition darstellt.22 Wenn man dieser Annahme zustimmen möchte, wäre allerdings noch zu fragen, warum der S-X-V- und O-X-V-Typ im epischen Diskurs – wie die Zahlen zumindest vermuten lassen – allmählich trotzdem verloren geht. Wenn man davon ausgeht, dass sich das Altfranzösische wie eine V2-Sprache verhält, könnte man in Anbetracht der Tatsache, dass in den modernen V2-Sprachen die Intonation als Mittel der Unterscheidung zwischen schwachem und starkem Fokusbereich Anwendung findet, vermuten, dass sich dieses Mittel auch im allgemeinen Sprachgebrauch des Altfranzösischen nach und nach durchsetzte. In einer modernen V2-Sprache, wie dem Deutschen, wird lediglich aufgrund der Intonation zwischen unmarkierter und markierter Struktur unterschieden, wie etwa in: Er rief seine Männer (unmarkiert) vs. Er RIEF seine Männer (markiert).23 Die Annahme, dass auch im Altfranzösischen die Intonation eine (zunehmend?) zentrale Rolle spielte, würde erklären, warum in der Prosa nur V2-Stellung auftritt; und der Schwund von S-X-V- oder O-X-V-Sätzen in den späten Verstexten wäre dann als Loslösungsprozess von überholten diskursspezifischen Formen der Äußerungsmarkierung zu verstehen. Diese These ist jedoch fragwürdig, da zumindest die Analyse einzelner Formulierungen zeigt, dass die syntaktische Varianz (V>2 vs. V2) nicht in jedem Fall auf eine unterschiedliche Strukturierung der Information bzw. eine unterschiedliche Hervorhebung der Fokusbestandteile zurückzuführen ist. Die Syntax scheint in einigen Fällen für den Informationsaufbau überhaupt keine Rolle zu spielen. Dies kann anhand des bereits bekannten Beispiels IX deutlich gemacht werden (cf. Abbildung 4). Wie schon gezeigt wurde, ist diese Formulierung im Roland und im Antioche mit V2und V>2-Syntax belegt. In den anderen Texten hat sie eine V2-Struktur (cf. 4.1.1). Die Untersuchung des Textumfelds der einzelnen Beispielsätze zeigt, dass der Formulierung – bis auf sechs Fälle (nicht angegeben) – immer eine Äußerung in direkter Rede folgt, dies insgesamt in 18 Fällen.24 In diskurspragmatischer Per-

22 Eine ähnliche Interpretation gibt auch Mathieu (2013). Er geht davon aus, dass V>2-Sätze immer Typen von Stylistic fronting sind, die insbesondere im Verstext-Stil erscheinen. Allerdings führt Mathieu Stylistic Fronting mit V>2-Stellung im untersuchten Fall auf den Reimzwang von Verstexten zurück und nicht, wie von mir vorgeschlagen, auf eine markierte Informationsstruktur (cf. Mathieu 2013, 341). 23 Eine dritte Möglichkeit im Deutschen wäre Er rief SEINE MÄNNER. Diese Möglichkeit ist aber nur bei Kontrast gegeben, nur in diesem Fall wird die letzte Konstituente noch stärker betont, die sonst schon durch ihre Endposition das relevante Element darstellt und insofern keine zusätzliche Betonung benötigt. 24 Diese Auflistung kann, wie bereits gezeigt wurde, um die 33 Sätze erweitert werden, in denen der Herrscher durch einen Eigennamen oder durch ein Subjektpronomen realisiert wird. Unter Hinzunahme dieser Sätze würde es sich um insgesamt 58 Sätze handeln, von denen nach wie vor

4.1 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer Verbergänzung

301

spektive handelt es sich demnach um eine Art einleitende Phrase, die auf die direkte Rede hinführen soll: Abbildung 4 Roland

V>2 Beginn Laisse 65 Li quens Rollant Gualter de l’ Hum apelet: «Pernez mil Francs de France, [...]» V>2 Beginn Laisse 245 Li amiralz la sue gent apelet: «Ferez, païen: por el venud n’i estes!» V2 Beginn Laisse 127 Li quens Rollant apelet Oliver: «Sire cumpaign, sel volez otrier, [...]» V2 Beginn Laisse 51 Li reis apelet Maulduit, sun tresorer: «L’aveir Carl un est il apareilliez?»

Graf Roland wendet sich an Gautier de l’Hum: «Nehmt tausend Franken aus Frankreich, [...]» Der Emir ruft seinem Kriegsvolk zu: «Schlagt drein, ihr Heiden: Deshalb seid ihr hergekommen!» Graf Roland ruft Olivier zu: «Herr und Waffengefährte, Ihr gesteht mir zu, [...]» Der König ruft seinen Schatzmeister Malduit: «Ist der Schatz für Karl bereitgestellt?»

V2 Beginn Laisse 63 Li empereres apelet ses nies Rollant: Der Kaiser wendet sich an Roland: «Bel sire nies, or savez veirement, [...]» «Lieber Herr Neffe, wisset, [...]» V2 1145 Li quens Rollant apelet Oliver: Graf Roland ruft Olivier zu: «Sire cumpainz, mult ben le saviez [...]» «Herr und Waffengefährte, Ihr wusstet sehr wohl, [...]» V2 Beginn Laissee 117 Li quens Rollant en apelet Oliver: «Sire cumpainz, ja est morz Engeler;» Antioche V>2 5351 Li amirals Soudans Corbaran apela: «Amis, jo remanrai et tu en iras la [...]»

Graf Roland ruft Olivier zu: «Herr und Gefährte, nun ist Angelier tot;» Der Emir Soudan ruft Corbaran zu: «Freund, ich werde bleiben und du wirst aufbrechen [...]»

die meisten vor indirekter Rede auftreten (von den 58 Sätzen sind es insgesamt 13, in denen keine direkte Rede folgt).

302

4 V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen

Abbildung 4 (fortgesetzt) V>2 6051 Li quens Robers de Flandres nos barons Graf Robert von Flandern ruft unseren apela: Baronen zu: «Segnor » ce dist li quens « Ne vos «Herren», sagte er, «seid ohne Sorge». esmaiés ja. » V2 Laisse 372 Li amirals apele Buiement le marcis: « Bien soiés vos venus, Buiemont, bels amis!» Saisnes

V2 4338 (LT) Li rois en apela son consoillier Naymon, Salemon de Bretaigne et Richart et Huon Et Jofroi de Paris, Gilemer et Aton: «Baron, oïr poëz com faite desraison.» V2 (1507 AR, 1437 LT, Sais) L’emperere en apele le riche duc Namlon, Tierri de Vermendois et Gerart de Loon Et l’Escot Gilemer et Lohout le Frison, «Seignor», ...

V2 (1802 AR, 1646 LT, Sais) L’emperere apela duc Namlon le Baivier: «Namles, ce dist li rois, savez moi conseillier? Jerusal.

Der Emir ruft Bohémond dem Markgrafen zu: «Seid herzlich willkommen, Bohémond, teurer Freund!» Der König rief seinem Konsoiller Naymon, Salemon von Bretaigne und Richart und Huon und Jofroi von Paris, Giemer und Aton zu: «Herren, ihr könnt hören, wie ...»

Der Kaiser rief dem reichen Herzog Namlon zu, Tierri von Vermendois und Gerart von Loon, und dem Schotten Gilemer und Lohout dem Friesen: «Herren» ... Der Kaiser rief dem Herzog von Bayern zu: «Namles», sagt der König, «wisst ihr mir einen Rat?»

V2 5391 Der König Godefrois rief den Prinzen Li rois Godefrois a les princes apelés: «Segnor, jo voi molt bien qu’aler vos en zu: «Herren, ich sehe wohl, dass ihr gehen volés.» möget» V2 6313 Li rois Godefrois a dant Pieron apelé: «Sire, por Deu vos pri a garder la cité!»

Der König Godefrois rief Pieron zu: «Herr, ich bitte Euch in Gottes Namen, die Stadt zu halten!»

4.1 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer Verbergänzung

303

Abbildung 4 (fortgesetzt) V2 8229 Li amirals apele l’aupatris et Morgant Et le roi Loquiferne et son frere Morant. Avoec cels apela son neveu l’amustant Et le viel Calcatras, Canebalt l’amirant. «Devisés mes escieles,» Valenc.

V2 Abschnitt 612 Et li cuens apiela endementiers Viviien, qui [...]: «Alés moi» dist li cuens, «bien tost a la Serre»; V2 Abschnitt 636 Et li empereres apiela le castelain, et li dist: «Raoul, Raoul!»

Der Emir ruft Aupatris und Morgant zu und dem König Loquiferne und seinen Bruder Morant. Außer ihnen rief er seinen Neffen den Amustant und den alten Calcatras, Canebald den Emir: «Gliedert meine Armeekorps» Und der Graf rief DANN Viviien zu, der [...]: «Kommt zu mir», sagte der Graf, «früh am Abend»; Und der Kaiser rief den Schlossherrn und sagte ihm: «Raoul, Raoul!»

Die Tatsache, dass der Formulierung die direkte Rede folgt, setzt voraus, dass die Betonung auf dem «Zurufen» liegen muss – und nicht darauf, wer gerufen wird – da der Inhalt des Rufs durch die direkte Rede unmittelbar umgesetzt wird (cf. dt. Der Kaiser RUFT seinen Leuten ZU: «Freunde, ich bleibe hier ...». vs. ?Der Kaiser ruft SEINEN LEUTEN zu: «Freunde, brecht die Zelte ab.»). Eine Betonung auf dem Objekt wäre nur bei Kontrast anzunehmen (dt. [...da waren auch andere Leute] Der Kaiser ruft (aber) SEINEN LEUTEN zu: «Freunde, brecht die Zelte ab»). Kontrast konnte jedoch für alle Sätze ausgeschlossen werden. Es erklärt sich also nicht, warum im Roland oder Antioche sowohl eine V2- als auch V>2-Syntax verwendet wurde.25 Die direkte Rede würde im Grunde immer eine V>2-Struktur verlangen, da die wichtigste Information auf dem Verb und nicht auf dem Objekt liegt. Das Auftreten von V2-Stellung in diesem Kontext kann also als Anzeichen dafür gesehen werden, dass V>2-Syntax keinen informationsstrukturellen Wert hatte. Es lässt sich zumindest an diesem Beispiel keine stilistische Markierungsform ableiten.26 Es scheint vielmehr, dass die V>2-Syntax schon im Roland nur

25 Die These, dass V2 hier wegen besonders «schwerer» Objekte auftritt, trifft im Fall der ersten beiden Saisnes-Beispiele und im Fall des letzten Jerusalem-Beispiels sicher zu, kann aber nicht verallgemeinert werden, da komplexere Objekte auch präverbal und weniger komplexe auch postverbal auftreten. 26 Allerdings sind zwei weitere Sätze mit einem Verbgefüge belegt, die zwar eine V2-Struktur aufweisen, aber zumindest semantisch einer V>2-Struktur gleichkommen. Im Fall des Passé Composé gibt es im Altfranzösischen die Möglichkeit, die finite Verbform und das Partizip

304

4 V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen

auftritt, weil es sich um eine textuelle Tradition handelt, die ohne informationsstrukturelle Funktion war und die in den späten Verstexten kaum noch tradiert wurde.27 Auch im Fall der Formulierungen mit initialem Objekt bzw. Präpositionalobjekt stellt sich die Frage, ob im Altfranzösischen die Möglichkeit zur unterschiedlichen Strukturierung des Fokus-Bereichs (hier X-O-V oder X-V-O) als Mittel der unterschiedlichen Markierung in den Verstexten genutzt wurde (cf. im Deutschen wieder die intonatorischen Varianten: Mitten durch den Körper stieß er den Speer [unmarkiert] vs. Mitten durch den Körper STIESS er den Speer [markiert]). Die Analyse auch dieser Formulierungen lässt vermuten, dass die Syntax teilweise überhaupt keine Rolle für den Informationsaufbau spielte, wie im Folgenden gezeigt wird. Was Formulierung XI betrifft, ist zunächst festzuhalten, dass innerhalb des V>2-Bereichs nur im Rolandslied Strukturen mit initialem Objekt vorkommen (8a–d), insgesamt mit vier Belegen. In den anderen Texten wurde die V>2-Variante mit PO-O-V-Struktur gewählt, allerdings nur dreimal (9a–c).28 Innerhalb des V2-Bereichs steht dafür in allen Texten das Präpositionalobjekt bevorzugt vor

adjazent oder getrennt zu stellen. In zwei Beispielen aus dem Jerusalem steht das finite Verb in zweiter Position, der semantische Kern («zurufen»), der im Partizip steckt, findet sich aber am Satzende. Somit wäre auch in diesen Fällen die wichtigste Information das Zurufen und nicht die Person, der etwas zugerufen wird. Die Informationsstruktur entspricht hier derjenigen eines V>2Satzes im Präsenz oder Perfekt: V2

Jerusalem

3591 Tres devant le saint Temple fu molt grans li bamés. Li rois Godefrois a les princes apelés: «Segnor, jo voi molt bien qu’ aler vos en volés.

V2

Jerusalem

6313 Devant Jerusalem ont Turc le cri levé. No baron s’ en issirent poignant tot abrievé. Li rois Gedefrois a dant Pieron apelé: «Sire, por Deu vos pri a garder le cité!

Inwieweit der Einsatz des Passé Composé als nicht zusammenhängendes Verbgefüge an die Informationsstrukturierung gekoppelt ist, lässt sich anhand dieser Untersuchung nicht gänzlich beantworten. Mit Sicherheit ist der Gebrauch dieser Zeitform vor allem an die allgemeine Tendenz gebunden, nach der das Passé Composé als weiteres Erzähltempus der Vergangenheit ganz allmählich neben das Perfekt tritt (cf. Moignet 1973, 188s.; Perret 2008, 132). 27 Auch die Diskurspragmatik scheint im Fall dieses Beispiels sicher nicht verantwortlich für die syntaktische Varianz zu sein, da alle Sätze jeweils am Beginn eines neuen inhaltlichen Abschnitts stehen (s.o.) und ihre Funktion darin besteht, den Handlungsfortgang voranzutreiben – unabhängig von ihrer syntaktischen Struktur. 28 Belege der PO-O-V-Struktur: Im Saisnes 2, im Antioche 1, außerdem im Roland 1.

4.1 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer Verbergänzung

305

dem Verb (24 Belege), O-V-PO-Stellung tritt lediglich in drei Fällen auf.29 Der durch die Zahlen belegte Rückgang von V>2-Stellung zugunsten von V2-Stellung ist hier also einmal durch den Wechsel von O-PO-V zu O-V-PO (frequenziell schwach) sowie durch den Wechsel von PO-O-V zu PO-V-O (frequenziell stark) gegeben. 8.

O-PO-V a. b. c. d.

Sun grant espiet par mi le cors li mist (Rol, 1248) Sun bon espiet enz el cors li enbat. (Rol, 1266) Sun fort escut par mi le cors li mist, (Rol, 1305) Lor dous espiez enz el cors li unt frait, (Rol, 1384)

9.

PO-O-V a. Par mi le gros dou piz son confenon li guie (Sais, 3673 LT) b. Par mi le gros do piz son roit espié li guie, (Sais, 4640 LT) c. Par mi le gros del cuer son roit espiel li guïe, (Antio, 8742)

In Bezug auf die Informationsstruktur bedeutet dieses Ergebnis, dass in den späteren Verstexten in erster Linie das direkte Objekt (son espiet etc.) zum FokusBereich gehört und im Fall einer V>2-Struktur unmittelbar vor dem Verb auftritt, oder im Fall einer V2-Struktur, nach diesem steht. Das Präpositionalobjekt (par mi le piz etc.) ist wesentlich seltener Teil des Fokus, in V>2-Strukturen ausschließlich im Rolandslied, in V2-Sätzen im Saisnes und Antioche. Durch die Untersuchung des Textumfelds der V>2- und V2-Strukturen kristallisiert sich heraus, dass immer wieder die gleichen Phrasen unmittelbar vor und im Anschluss an die Formulierung verwendet wurden, weshalb letztlich aus dem inhaltlichen Kontext nicht klar wird, warum der Fokusbereich einmal eine O-V- bzw. PO-V-Syntax und einmal eine V-O- bzw. V-PO-Syntax enthält. Einige der Phrasen sind im Folgenden aufgelistet, der Formulierung vorangestellt sind vor allem die Sätze, in denen zum Ausdruck kommt, dass der Schild zerschlagen und das Panzerhemd zerstört wird (10). Zum anderen gehen der Formulierungen Phrasen voraus, die den Sachverhalt schildern, dass der Schild oder das Panzerhemd nichts mehr wert seien (11): 10. a. L’escut li freinst, l’osberc li descumfist (Rol, 1247) b. L’escut li freinst, l’osberc li descumfist, (Rol, 1305) c. L’escut li freint e l’osberc li desmailet, (Rol, 1270)

29 Belege der PO-V-O-Struktur: Im Roland 2, im Saisnes 9, im Antioche 8, im Jerusalem 3. Belege der O-V-PO-Struktur: Im Saisnes 2, Antioche 2. Hinzu kommen noch jeweils ein Beleg einer PO-VS-Struktur im Saisnes und Antioche.

306

4 V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen

d. e. f. g.

11.

L’escu li a percié [...]/Et l’auberc desmaillié [...] (Sais, 3942 AR) L’escu li a percié et [...] (Sais, 3838 AR) L’escu li a tranchié, l’auberc [...] (Sais, 4603 LT) L’escu li a trencie [...] (Antio, 1387) ...

a. Li blans hauberz dou dos ne li vaut [...] (Sais, 4639 LT) b. Li hauberz ne li vaut [...] (Sais, 6062 LT) c. L’escus ne li clavains ne li valu [...] (Antio, 1554) ...

Der Formulierung nachgestellt sind verschiedene Varianten der Phrase mort l’abat. Hier wird also das Totschlagen oder Tot-zu-Boden-Schlagen beschrieben: 12. a. Que mort l’abat (Rol, 1273) b. Que mort l’abat [...] (Rol, 1307) c. Que mort l’a abatu [...] (Sais, 4604 LT) 13. a. b. c. d. e.

Mort l’abart do cheval, (Sais, 4641 LT) Mort l’abat a la terre dou destrier (Sais, 4071 AR) Mort l’abat del ceval (Antio, 493) Mort l’abati a terre, (Antio, 3538) Mort l’abat del ceval (Jer, 1667) ...

14. a. Dou destrier l’abat mort (Sais, 3840 AR) b. Del ceval l’abat mort, (Antio, 9035) 15. a. Toute plaine sa lance l’abat mort [...] (Sais, 284 AR, 277 LT) b. Toute plaine sa lance l’abati mort [...] (Antio, 1389) c. Tote plaine sa lance l’abat mort [...] (Antio, 8645) ... 16. a. b. c. d.

Tant com hanste li dure, l’abati mort [...] (Sais, 5014 LT) Tant com hante li dure, l’a abatu [...] (Sais, 4985 LT) Tant comme l’anste li dure l’abat mort [...] (Antio, 1340) Tant con hanste fu longe del ceval l’abati. (Jer, 3925) ...

4.1 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer Verbergänzung

307

Wie sich zeigt, treten die aufgezeigten Phrasen vor Formulierung XI unabhängig davon auf, ob diese eine PO-V-(bzw. O-V-) oder V-PO-(bzw. V-O-) Fokusstruktur hat. 17. a. PO-V(V>2)

L’escut li freinst, l’osberc li descumfist, Sun fort escut/es[pie]t par mi le cors li mist, (Rol, 1305–1306)

PO-V(V>2)

L’escut li freint e l’osberc li desmailet, Sun bon espiet [...]/par mi le cors li passet, (Rol, 1270–1272)

b.

c. V-PO

L’escu li a percié [...]/, Et l’auberc desmaillié [...] Son espié li conduist par mi andeus les flans; (Sais, 3942– 3944 AR)

V-O

L’escu li a trencie [...] Par mi le gros del cuer li mist l’espiel fraisnin, (Antio, 1387– 1388)

d.

18. a. O-V(V>2)

Li blans hauberz dou dos ne li vaut une alie; Par mi le gros do piz son roit espié li guie, (4640 LT, Sais)

V-O

Li hauberz ne li vaut ne que feïst cendax, Par mi le cors li met la baniere as langax; (Sais, 6063–6004 LT)

b.

Und wie die folgenden Textausschnitte verdeutlichen, treten auch die nachfolgenden Phrasen sowohl nach O-V- bzw. PO-V-Stellung als auch nach V-O- bzw. V-PO-Stellung auf: 19. a. PO-V(V>2)

b. V-O

20. a. O-V(V>2)

L’escut li freinst, l’osberc li descumfist, (Rol, 1305) Sun fort escut/es[pie]t par mi le cors li mist, Que mort l’abat [...] L’escu li a tranchié, l’auberc et l’auqueton, (Sais, 4603–4605 LT) Par mi le gros dou piz li met le confenon, Que mort l’a abatu [...] Li blans hauberz dou dos ne li vaut une alie; Par mi le gros do piz son roit espié li guie, (Sais, 4640 LT) Mort l’abart do cheval [...]

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4 V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen

b. V-O

Par mi le gros del cuer li mist l’espiel trençant, (Antio, 492– 493) Mort l’abat del ceval [...]

c. V-O

Par mi le gros del cuer li fist le fer baignier, (Jer, 1666–1667) Mort l’abat del ceval [...]

Die einzelnen Phrasen werden zwar immer untereinander vertauscht und variieren, im Großen und Ganzen handelt es sich hier aber um den Einsatz eines größeren Sortiments an Formulierungen, deren Gebrauch sich nicht an einem spezifischen Informationsaufbau auszurichten scheint. Die immer gleichen Kontexte, in die die Formulierung eingebettet ist, sprechen eher dagegen, dass durch den Wechsel von V>2- zu V2-Stellung (oder umgekehrt) die Hervorhebung der fokalen Satzelemente umstrukturiert worden sein könnte.30 Etwas schwieriger stellt sich die Analyse von Formulierung XII und XIII dar. Dies hat den Grund, dass die einzelnen V>2- und V2-Sätze dieser Formulierungen eine sehr heterogene Satzstrukturierung aufweisen und das Textumfeld hier nicht einheitlich durch die Verwendung identischer formelhafter Phrasen gekennzeichnet ist, wie dies bisher der Fall war. Es kann deshalb auch nicht geschlussfolgert werden, dass Syntax und Informationsstruktur hier unabhängig voneinander sind. Bei Formulierung XII werden V>2-Strukturen mit initialem Präpositionalobjekt in den späten Texten vermieden und durch Strukturen mit initialem Subjekt oder initialer Angabe (22a–e) oder natürlich durch V2-Strukturen ersetzt.31 V>2-Stellung mit initialem Präpositionalobjekt kommt nur im Rolandslied vor (21a, b). 21. a. PO-Adv-VDes esperons puis brochet le cheval (Rol, 3341) b. (S-)PO-Adv-V- Reis Canabeus[...]/Des esperons ben broch[e]t sun cheval (Rol, 3429)

30 In einigen Beispielen scheint allerdings die Reimgestaltung eine Rolle gespielt zu haben. Cf. hierzu Abschnitt 4.1.6. 31 Die Tatsache, dass die Initialstellung in den späten Texten insgesamt zunehmend von Subjekten besetzt ist, muss vermutlich auf die allgemeine Tendenz zurückgeführt werden, dass die Topik-Position im Laufe der Zeit die präferierte Position des Subjekts wurde, sofern dieses vorhanden war (cf. 2.1.3). Im Gegensatz dazu sind Sätze mit initialer Angabe, wie bereits mehrfach festgehalten wurde, streng genommen gar keine V>2-Strukturen, da ihr initiales Element in extraposition steht.

4.1 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer Verbergänzung

22. a. AP-S-Vb. NS-S-Vc. NS-S-V

d. NS-Adv-Ve. NS-Adv-V-

309

A force Baiart broche des esperons des piez, (Sais, 3743 LT) Quant li empereres vit que [...] il [...] le hurta des esperons, (Val, 503) quant il virent [...], cascuns [...] hurte cheval des espourons [...] (Val, 539) Si comme il venoient [...] si se fiert il des esperons, (Cla, 33, 49) Quant li quens [...] si feri [sen] cheval des esperons [...] (Cla, 48, 6)

V2-Stellung ist nur in den Verstexten belegt, tritt dort aber einheitlich sowohl mit präverbalem als auch mit postverbalem Präpositionalobjekt auf.32 Der Vergleich der V2-Sätze mit den entsprechenden V>2-Strukturen zeigt, dass in einigen – allerdings wenigen – Fällen eine identische oder ähnliche Informationsstrukturierung in den verschiedenen Texten syntaktisch tatsächlich unterschiedlich realisiert wurde; im Rolandslied mit V>2- und in den späteren Texten mit V2-Struktur. Dies bekräftigt im Grunde genommen die These, dass die informationsstrukturelle Markierung der Satzelemente in den späteren Texten durch die Intonation geregelt worden ist und deshalb dort nur V2-Stellung steht. So etwa bei den folgenden Sätzen, in denen ein konnektives Zeitadverb verwendet wurde. In der V>2-Struktur des Rolandslieds – das bereits bekannte Beispiel (21) – steht dieses präverbal und kann als Hintergrund- oder background-Element angesehen werden, das weder direkt zum Topik dazugehört noch zum Fokus, das aber aufgrund des ansteigenden Informationsgehalts zumindest etwas relevanter als das Topik ist. In der V2Struktur im Saisnes tritt das Adverb postverbal auf, ist dort aber ebenfalls nur background und nicht direkt Fokus, jedoch wiederum relevanter als das Topik. 23. V>2 24. V2

[Des esperons [puisbackground] Topik] [brochet le cheval Fokus] (Rol, 3341) [Des esperons a or Topik] [brocha [tantostbackground] Vairon Fokus], (Sais, 6712 LT, 915 R)

Die Informationsstruktur dieser Sätze ist also sehr ähnlich, ihre Syntax jedoch nicht, und interessanterweise ist auch der umgekehrte Fall nicht belegt, also eine

32 Die folgenden V2-Strukturen sind in den Texten belegt: PO-V-X: Roland 1, Saisnes 1, Antioche 1, Jerusalem 1; O-V-PO: Roland 5; S-V-O-PO: Saisnes 1; A-V-O: Saisnes 3, Antioche 1, Jerusalem 1; A-V-PO: Antioche 1.

310

4 V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen

entsprechende V>2-Struktur im Saisnes und eine entsprechende V2-Struktur im Rolandslied. Einen weiteren Fall, bei dem sich Differenzen zwischen dem Roland und dem Saisnes ergeben, stellen zwei Sätze dar, in denen der Kommentar nicht nur das Verb brocher und das Objekt cheval enthält, sondern auch ein Adverb (ben/fort) und – im Kofokus – die Adverbiale des esperons enthält.33 Das Topik ist in diesem Fall das Subjekt. Im Roland wird diese Informationsstruktur durch den in (25a) dargestellten V>2-Satz mit präverbalem Adverbial-Adverb-Komplex wiedergegeben. Im Saisnes dagegen besteht V2-Stellung mit postverbalem Adverbial-Adverb-Komplex (25b). 25. a. V>2

b. V2

[Reis Canabeus … Topik] [[Des esperons Kofokus] ben brochet sun cheval Fokus] (Rol, 3429) [Il Topik] [broche le cheval [des esperons Kofokus] mout fort Fokus] (Sais, 4875 LT)

Allerdings unterscheiden sich die Sätze im Detail, da das zentrale Element des Fokus in (25a) sun cheval ist und in (25b) mout fort. (Eine V2-Variante mit identischer Informationsstruktur, i.e. mit postverbalem Adverb und finalem Objekt, ist nicht belegt.) Im Unterschied zu Formulierung XII kann anhand von Formulierung XIII nicht gezeigt werden, dass sich die Syntax bei gleichbleibender Informationsstruktur in den späten Texten im Vergleich zum Rolandslied verändert, weshalb die gerade angestellten Überlegungen überdacht werden sollten. Wie bereits im Fall von Formulierung XII festgestellt wurde, treten auch in Formulierung XIII V>2-Strukturen mit initialem Präpositionalobjekt nur im Rolandslied auf (26) und werden in den späten Texten durch Strukturen mit initialem Subjekt oder initialer Angabe (27) oder durch V2-Strukturen ersetzt.34 26. a. PO-S-V b. PO-Adv-V

En sun destrer Baligant est muntet; (Rol, 3155) En Tencendur, sun bon cheval, puis muntet: (Rol, 2993)

33 Im Fall von 25a. könnte Des esperons auch als Topik-Element angesehen werden, da das erste Topik relativ peripher steht. In jedem Fall handelt es sich um kein Element, das zum Kernbereich des Fokus gehört. 34 V2-Stellung ist folgendermaßen in den Texten belegt: Roland: PO-V-(S) 3, A-V-PO 7, S-V-PO 1; Saisnes 5, 12, 13; Antioche: 3,6,7; Jerusalem: 3, 5, 3; Clari: 0, 2, 0; Villehardouin: 0, 2, 2; Valenciennes: 0, 2, 1.

4.1 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer Verbergänzung

27. a. S-PO-V b. AP-PO-V c. S-Adv-V d. AP-Adv-V e. NS-Adv-V f. NS-Adv-V g. NS-S-V h. NS-S-V

311

Dans Pieres li hermites sor son asne monta. (Jer, 1013) Son escu a son col en Chapalu monta, (Jer, 7919) Chascuns isnelement monta sor son destrier; (Sais, 1416 AR, 1349 LT) A tant isnelement vont es chevaus monter. (Sais, 863 AR, 818 LT) Quant li Turc [...]/Isnelement monterent sor les cevals norois (Antio, 1467) Et quant li empereres [...] si monta sor .i. sien cheval ferrant. (Val, 659) Quant il furent armé cascuns monte el destrier (Jer, 238) Quant li empereres vit que [...] il monta sor .i. sien chaval Moriel ... (Val, 509)

Der Blick auf die V>2- und auf die V2-Sätze dieser Formulierung zeigt, dass eine Informationsstruktur, die im Roland mit V>2-Syntax realisiert wurde, in späteren Texten nicht nur als V2-Struktur, sondern ebenfalls als V>2-Struktur auftritt. Dies könnte bedeuten, dass die zuvor genannte These, nach der V>2-Strukturen aufgrund einer intonatorischen Markierung verloren gehen, falsch ist, oder dass die Informationsstruktur kein großes Gewicht hatte und die Formulierung samt ihrer V>2-Syntax übernommen wurde. 28. V>2

V2

[Li dui message Topik] [es chevals sunt muntet Fokus] (Rol, 2765) [Dans Pieres li hermites Topik] [sor son asne monta Fokus] (Jer, 1013) [Chascuns Topik] [monte el cheval ... Fokus] (Sais, 1520 AR, 1450 LT) [Il Topik] [montent es cevals Fokus] (Antio, 9808) [li message ... Topik] [montent sor les chevaus Fokus] (Vil, 216)

Am Ende dieses Abschnitts lässt sich festhalten, dass teilweise wohl überhaupt kein Zusammenhang zwischen der Syntax und der Informationsstrukturierung der Sätze besteht. Allerdings kann diese Beobachtung nicht verallgemeinert werden. Ob im frühen Verstext die Syntax als Markierungsmittel zur Hervorhebung einzelner fokaler Elemente eingesetzt wurde, und ob man dieses Mittel in einigen Fällen auch im späten Verstext eingesetzt hatte, obwohl es zu einer späten Zeit des Altfranzösischen eigentlich nicht mehr üblich war, kann nicht gänzlich beantwortet werden. Umfassendere Analysen der Informationsstruktur und Diskurspragmatik wären hier vonnöten.

312

4 V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen

4.1.5 Zum Erzählstil In 1.1 wurden die einschlägigen Unterschiede zwischen den Textsorten des hier untersuchten Korpus dargestellt. In 1.3 wurde deutlich, dass sich die Autoren der Heldenepen auf fiktive Geschehnisse beziehen, welche sie in einer recht bildhaften, malerischen oder auch drastischen Sprache und in einem zur Übertreibung neigenden Stil beschrieben. Auch die Schreiber der Reimchroniken scheinen sich noch relativ stark an diesem Erzählduktus orientiert zu haben, der erst bei den Chronisten der Prosatexte deutlich abschwächt. Die Prosa wirkt wesentlich nüchterner in ihrer Erzählung, was bereits Schon (1960) vermerkte. Über Villehardouin schreibt er: «Eine gewisse Trockenheit und Einfachheit im Ausdruck geht Hand in Hand mit Klarheit und Präzision. Anschauliche Schilderungen hat er bewußt weggelassen oder er war ihrer nicht fähig» (77). Gewisse Anklänge an den Stil des Epos sind seiner Meinung nach aber dennoch vorhanden.35 Im Hinblick auf die Untersuchung der V>2-Strukturen stellt sich nun die Frage, ob der Unterschied im Erzählduktus, i.e. der Einsatz einer ausschweifenden bildhaften Sprache im Gegensatz zu einer knappen und schlichten Erzählform, auch Auswirkungen auf die Wahl spezifischer Ausdrücke hatte, und ob das Auftreten oder Verschwinden solcher Ausdrücke eine weitere Ursache für die Existenz oder Nicht-Existenz von V>2-Sätzen sein könnte. Die Analyse der bereits besprochenen S-X-V-Strukturen ist im Hinblick auf diese Frage ergiebig: Es zeigt sich, dass innerhalb des Formulierungstyps 1 (cf. 4.1.1) tatsächlich verstextspezifische Wörter oder Ausdrücke auftreten, die vermutlich der besonderen Hervorhebung oder Betonung eines Handlungselements gedient haben. Dies kann am Beispiel einiger modaler Adverbien auf -ment (AdverbMENT) erklärt werden, die besonders charakteristisch für den Stil der Verstexte scheinen und in der Prosa sehr selten oder gar nicht auftreten. Es handelt sich um Begriffe wie fierement (tapfer, mutig, u. a.), durement (kräftig, heftig, u. a.) oder doucement (freundlich, u. a.), die u. a. in den folgenden Versen mit V>2-Struktur belegt sind:  







29. a. Naimes li dux fierement le reguardet, (Rol, 3423) b. Li empereres mult fierement chevalchet. (Rol, 739) c. Et li rois des Tafurs fierement se travaille, (Jer, 6917)

35 Schon weist aber auch auf Unterschiede zwischen den einzelnen Prosachronisten hin: Während Villehardouins Stil, wie beschrieben, durch eine sehr monotone Art der Darstellung gekennzeichnet ist (er war wohl schlecht darin, anschaulich zu schildern und plastisch darzustellen), hat Clari einen eher emotional bestimmten und wenig sachlichen Stil (cf. Schon 1960, 75).

313

4.1 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer Verbergänzung

30. a. Li quens Robers de Flandres durement se hasta. (Sais, 6041 LT) b. Et li rois duremant ses charpentiers semant. (Sais, 4682 LT) 31. a. b. c. d.

L’ampereres de Rome doucemant li outroie. (Sais, 4768 AR) Li boins dus de Buillon doucement les mercie. (Antio, 5956) Li quens Robers de Flandres doucement l’en mercie: (Antio, 6163) Et li rois Godefrois doucement li aida. (Jer, 6822)

Die hier aufgeführten Beispiele machen deutlich, dass die inhaltliche Spezifizierung und Verstärkung der eigentlichen Handlung, die durch Begriffe wie «tapfer», «mutig», «ungestüm», «kräftig», «heftig» oder «freundlich» und «milde» ausgedrückt wird, vor dem Verb auftritt. Allerdings muss es sich nicht in jedem Fall um einen V>2-Satz handeln. Auch V2-Stellung ist mit präverbaler Position dieser Adverbien belegt. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über das Gesamtvorkommen dieser Adverb-Gruppe in allen Texten des Korpus: Abbildung 5 vorangestellt V>2

V2 X-AdvMENT-V

AdvMENT-X-V

gesamt

Roland

21 (42%)

14 (28%)

15 (30%)

29 (58%)

Saisnes

92 (77,3%)

24 (20,2%)

3 (2,5%)

27 (22,7%)

Antioche

112 (75,2%)

35 (23,5%)

2 (1,3%)

37 (24,8%)

Jerusalem

85 (75,9%)

22 (19,6%)

5 (4,5%)

27 (24,1%)

Clari

1 (33,3%)

1 (33,3%)

1 (33,3%)

2 (66,6%)

Villehardouin

2 (33,3%)

2 (33,3%)

2 (33,3%)

4 (66,6%)

Valenciennes

0

3 (100%)

/

3 (100%)

Mit Blick auf alle Prosatexte zeigt die Tabelle, dass dort mehrheitlich V>2-Strukturen anzutreffen sind. Allerdings handelt es sich hier wieder um solche Fälle, in denen ein einleitender Nebensatz in Initialstellung steht und keine V>2-Stellung im strengen Sinne gegeben ist (cf. 3.4.2.4). In den Verstexten ist dagegen nur im Roland V>2-Stellung die dominierende Struktur (58%), in allen anderen Verstexten überwiegt V2-Stellung. Diese Differenz erklärt sich durch den Umstand, dass die im Roland häufig verwendete AdvMENT-X-V-Syntax in den späteren Verstexten selten auftritt. Im Hinblick auf die vergleichsweise wenigen Fälle, in denen V>2-

314

4 V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen

Stellung in den späten Verstexten gegeben ist, kann man die Hypothese aufstellen, dass X-AdvMENT-V-Strukturen dort nur deshalb bestehen, da verstextspezifische Kollokationen das Auftreten der Adverbien in präverbaler Position fordern. Hinsichtlich der bereits besprochenen Formulierungstraditionen würde dies folglich bedeuten, dass X-AdvMENT-V-Strukturen dort vor allem dann auftreten, wenn die Formulierung Inhalte mit einschließt, die immer mit dem gleichen verstärkenden Vokabular durch eine spezifische, syntaktisch fixierte Kollokation im Verstext beschrieben wurden. Dies könnte auf die folgenden Beispiele zutreffen, die dem Formulierungstyp 1 angehören: 32. a. Li boins dus de Buillon doucement les mercie. (Antio, 5956) b. Li quens Robers de Flandres doucement l’en mercie: (Antio, 6163) Wie bereits gezeigt wurde, bestand in diesen Fällen zum einen die Tradition, den Herrscher ganz am Anfang des Verses (oder sogar des Abschnitts) zu nennen. Zum anderen könnte man annehmen, dass der Sachverhalt des Dankens in der Tradition des Heldenepos wohl besonders gerne mit der etablierten Kollokation doucement li/les/[...] mercier ausgedrückt wurde. Diese zwei Traditionen zusammen ergeben dann eine V>2-Syntax. Besonders deutlich zeigt sich dies bei der Kollokation isnelement (re)monter, die in Verbindung mit initialem Subjekt allerdings nur selten belegt ist und mehrheitlich in einer V2-Struktur mit Nullsubjekt oder Inversion des Subjekts auftritt.36 33. V>2

a. Chascuns isnelement monta en l’auferrant; (Sais, 1264 AR) b. Chascuns isnelement monta sor son destrier; (Sais, 1416 AR)

34. V2

a. b. c. d. e. f. g. h. i. j.

Isnelement remontent sor les destriers d’Espaigne; (Sais, 2629 AR) Isnelement monta que estrier n’i saisi (Jer, 384) Isnelement remontent sans plus de demorer, (Jer, 2445) Isnelement remontent, ne s’i vont delaiant, (Jer, 2861) Isnelement monterent es destriers abrievés, (Jer, 8015) Isnelement monta, il et si compaignon: (Antio, 5606) Isnelement monta, il et sa compaignie; (Antio, 6236) Isnelement monta sor .I. destrier d’ Arrage, (Antio, 8410) Isnelement monta sor .I. destrier bauçan. (Antio, 8781) Isnelement monterent, n’i vaurent demorer. (Antio, 9269)

36 Cascuns ist in den späten Verstexten mit den Herrscher-Benennungen zu vergleichen, es tritt in der Regel ebenfalls immer in Topik-Position auf, sowohl bei V2- also auch bei V>2-Stellung.

4.1 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer Verbergänzung

315

k. Isnelement en monte el destrier sejorné, (Antio, 9510) l. Isnelement retome, qu’il n’i fait demoree, (Antio, 9557) Die folgende Auflistung zeigt einige weitere Kollokationen, die in den Verstexten häufig auftreten und teilweise auch in den besprochenen Formulierungstraditionen belegt sind (die Formulierungen sind hier kursiv markiert). Sie rufen vor allem dann V>2-Stellung hervor, wenn ein topikales Subjekt oder Objekt oder ein adverbialer Nebensatz gegeben ist, da die Adverbien im Vers in der Regel vor dem Verb stehen (cf. Abbildung 6): fierement + regarder 35. a. b. c. d.

Quant l’ot li reis, fierement le reguardet, (Rol, 745) Mult fierement tute sa gent reguardet; (Rol, 2984) Naimes li dux fierement le reguardet, (Rol, 3423) Corbaran d’Oliferne fierement regarda. (Antio, 5364)

doucement +mercier 36. a. b. c. d. e.

Li boins dus de Buillon doucement les mercie. (Antio, 5956) Li quens Robers de Flandres doucement l’en mercie: (Antio, 6163) Il est passés avant, doucement l’en mercie: (Antio, 7496) Et cele doucemant por amor l’en mercie. (Sais, 113 R, 5828 LT) Qant l’antant l’ampereres, doucemant l’en mercie. (Sais, 6495 LT)

haltement +escrier 37. a. b. c. d. e. f. g. h. i.

A l’altre mot mult haltement s’escriet: (Rol, 2597) Hautemant s’escrïa a sa voiz anterine: (Sais, 3635 LT) Hautement lor escrie Daires li Orquenois, (Sais, 3783 AR) Li gentius chevaliers molt hautement s’escrie (Jer, 490) Hungiers li Alemans hautement s’escria, (Jer, 3561) A sa vois qu’il ot clere molt hautement s’escrie, (Jer, 1516) A sa vois qu’il ot clere molt haltement s’escrie: (Jer, 6068) Quant li rois fu armes, hautement s’escrïa: (Antio, 639) A se vois qu’il ot clere molt hautement s’escrïe: (Antio, 1481)

Die Annahme, dass V>2-Stellung aufgrund fixierter Kollokationen auftritt, erweist sich, trotz dieser Belege, nur als teilweise richtig, da nicht alle in den Formulierungen gegebenen X-AdvMENT-V-Sätze eine feste Wortverbindung beinhalten. In

316

4 V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen

den Prosatexten wurden diese Adverbien so gut wie gar nicht verwendet, weshalb die hier aufgeführten Kollokationen dort auch nicht belegt sind. In den wenigen Fällen, in denen Belege gefunden wurden (mit fierement, belement und haltement) kommen die Adverbien allerdings nur in Nachstellung vor. Insgesamt scheint Nachstellung von diesen Adverbien in den Prosatexten die Regel gewesen zu sein, anders als im Verstext, in dem ihre Position vor dem Verb doch auch häufig existiert, wie aus Abbildung 6 ersichtlich wird:37

37 Die hier dargestellten Daten sind teilmanuell erhoben, wie dies in Kapitel 1.5.4. bereits beschrieben wurde. Suchbegriffe bei der Analyse waren -ment und die Variante -mant. Nicht berücksichtigt wurden alle Nomen mit Suffix -ment/-mant, sowie alle AdverbienMENT, die sich nicht auf die finite Verbform bzw. eine Partizipialkonstruktion mit finiter Verbform beziehen. Eine Gegenprobe der Suche wurde durch Eingabe graphischer Varianten vorgenommen, wie etwa veirement/voirement/vairement/vraiement oder dulcement/ducement/doucement/docement etc.

9

9

5

0

0

0

Clari

Villeh.

Valenc.

2

0

0

0

(20%)

5

7

14

10

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

(80%) (22,6%) (45,2%) (32,3%)

8

5

2

7

10

1

3

7

7

9

2

1

(10%)

8

3

(85%)

17

(50%)

0

0

0

0

0

0

(100%)

1

0

0

0

0

0

0

0

0

(9,5%) (47,6%) (42,9%) (12,5%) (37,5%)

2

3

V2

nach

3

1

0

0

0

0

0

0

1

6

(25%)

nach

2

5

0

0

0

0

0

(100%)

10

(25%) (62,5%)

2

2

0

(40%)

2

V>2

3

(20%)

1

V2 2

4

(40%)

nach

4

8

(42,9%) (57,1%)

vor

HAUTEMENT

0

0

0

(25%)

5

0

0

0

(30%)

6

0

(100%)

1

(100%)

2

(45%)

9

(80%) (14,3%) (28,6%) (57,1%)

12

(45,5%) (54,5%)

5

(25%)

1

V2

(6,7%) (13,3%)

1

0

(50%)

2

V>2

vor

BELEMENT

(50%) (12,5%)

4

(5%)

1

(6,3%)

1

(20%) (42,9%) (14,3%) (42,9%)

2

V>2

vor

DOUCEMENT

(62,5%) (37,5%) (43,8%)

5

(20%)

2

V2

nach

(75%) (15,6%) (12,5%) (43,8%) (43,8%)

24

0

(60%)

6

V>2

vor

FIEREMENT

Die Tabelle zeigt eine Auswahl der häufigsten AdverbienMENT. (Nicht zu dieser Auswahl hinzugezählt wurden alle AdverbienMENT, die im Roland nur in einem einzigen Fall mit V>2-Struktur belegt sind, denn es zeigte sich, dass diese Adverbien in allen Texten insgesamt selten auftreten.)

0

3

Jerus.

14

0

(90%) (20,8%) (58,3%) (20,8%)

(9,4%)

1

3

V2

(90%) (57,1%) (42,9%)

4

V>2

4

1

Antio.

(10%)

1

0

V2

(16,7%) (16,7%) (66,7%)

0

(10%)

1

V>2

nach

vor

vor

nach

ISNELEMENT

VEIREMENT

Saisnes

Roland

Texte

Abbildung 6

4.1 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer Verbergänzung

317

318

4 V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen

Es kann also festgehalten werden, dass das Auftreten von vielen dieser Adverbien wahrscheinlich an den zur Verstärkung oder Betonung neigenden Erzählduktus der Verstexte gekoppelt ist, und dass diese Adverbien deshalb auch Bestandteil von versspezifischen Kollokationen sind, die in der Prosa nicht existieren. Allerdings hat sich auch gezeigt, dass in den späten Verstexten V2-Stellung überwiegen kann (cf. Beispiel 34), was Anlass zu der Vermutung gibt, dass der Gebrauch spezifischer Kollokationen und Formulierungen dem Usus einer moderneren Syntax angepasst wurde. Im Fall der Formulierungstraditionen mit O-X-V- oder PO-X-V-Struktur kann die Relevanz des Erzählduktus hinsichtlich der Syntax nicht hervorgehoben werden. Die Analyse dieser Strukturen ergibt, dass es in ihnen keine inhaltlichen Elemente gibt, die in der Prosa bei gleichbleibender Formulierungstradition nicht auch auftreten. Dies kann anhand von Formulierung XIII nochmals deutlich gemacht werden. Sowohl im Vers als auch in der Prosa werden exakt die gleichen inhaltlichen Elemente verwendet: 38. Vers V>2

a. Puis en un sun destrer brun est munte; (Rol, 2816) b. Li dui message es chevals sunt muntet. (Rol, 2765)

39. Prosa V2

a. [...], si monta seur un grant cheval; (Cla, 106, 13) b. Ensi monterent li message sor lor chevax, (Vil, 211) c. et li message [...] montent sor les chevaus. (Vil, 216)

Die Formulierung beinhaltet sowohl im Vers als auch in der Prosa das Verb monter/munter, die Präpositionalphrase en sun destrer/cheval, mit den Varianten en cheval, es chevals oder seur/sor les chevaus, sowie eventuell ein Subjekt (li message) oder ein Adverb. Allerdings muss die Tradierung identischer Lexeme nicht das Kriterium sein, damit der Erzählstil einer Formulierung im Vers und in der Prosa identisch ist. Im Fall von Formulierung XII wird in der Prosa ein anderes Vokabular verwendet als im Vers (hurter und ferir anstatt brocher), die Formulierung im Vers zeichnet sich deshalb aber nicht durch einen anderen Duktus aus, und es werden auch keine zusätzlichen inhaltlichen Elemente verwendet, die an eine spezifische Syntax gebunden sein könnten. Der Unterschied im Erzählduktus scheint also nur in manchen Bereichen eine Rolle bei der Wahl der Syntax gespielt zu haben, wie wohl im Fall des Gebrauchs der modalen AdverbienMENT bzw. verstextspezifischer Kollokationen mit diesen Adverbien. Dies bedeutet, dass durch das Festhalten an den Kollokationen bzw. an der Art und Weise, wie sie im Text eingesetzt wurden, spezifische V>2-Formulierungen auch in späten Texten weiterhin Bestand haben konnten. Dass die meisten Adverbien überhaupt nicht in der Prosa auftreten, steht vermutlich in

4.1 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer Verbergänzung

319

Zusammenhang mit dem Sprachstil der Prosa. Dass in der Prosa allerdings Nachstellung des Adverbs generell überwiegt (sofern das Adverb doch einmal auftritt), ist sicherlich auf sprachsystematische Veränderungen zurückzuführen, das heißt, auf die typologische Umstrukturierung von Adv-V > V-Adv (cf. 2.3.1). Es ist anzunehmen, dass sich diese in den Verstexten langsamer durchsetzten, da die Verstexte länger in älteren Schreibtraditionen verhaftet waren als die junge Prosa. Es wurde aber auch klar, dass der Unterschied im Duktus nicht überall zum Tragen kommt und es Formulierungen gibt, die inhaltlich auch in der Prosa genauso dargestellt werden wie im Vers.

4.1.6 Zur Reimgestaltung Im vorliegenden Abschnitt soll die bereits in 3.3.2 aufgeworfene Frage untersucht werden, ob die Existenz von V>2-Stellung im Rolandslied und den späten Verstexten auch in einen Zusammenhang mit der Reimform dieser Texte gebracht werden muss. Der Gegenstand dieser Untersuchung bringt es mit sich, dass allerdings lediglich diejenigen V>2-Strukturen von Interesse sein können, die das Verb an das Ende des Verses stellen, da nur dieses für den Reim relevant ist. V>2Sätze mit postverbalen Satzelementen können deshalb nicht berücksichtigt werden, was jedoch nicht ins Gewicht fällt, da viele der bereits besprochenen S-X-Vund O-X-V- bzw. PO-X-V-Formulierungen Verb-End-Stellung aufweisen. Analysiert werden im Folgenden das Rolandslied und das Jerusalemslied. Die beiden Texte eignen sich in besonderem Maße für einen Vergleich, da sie sich in ihrer gesamten Reimgestaltung stark voneinander unterscheiden. Kennzeichnend für das Rolandslied sind Alternanzen, kennzeichnend für das Jerusalemslied sind hingegen Reime; im Roland finden sich viele verschiedene Reimschemata, wohingegen im Jerusalem nur ein Schema auftritt; etc. Die anderen Verstexte (Saisnes, Antioche) werden in diesem Kapitel nicht explizit behandelt, da ihre Reimgestaltung, wie ich nach sorgfältiger Überprüfung feststellen konnte, derjenigen des Jerusalem entspricht. Der Jerusalem-Text kann also stellvertretend für alle späten Verstexte des in dieser Arbeit herangezogenen Korpus behandelt werden. Das Rolandslied zeichnet sich durch verschiedene Reimschemata im Endreim aus, wie z. B. Paarreime, umarmende Reime, verschränkte Reime oder Haufreime:  

Paarreim: 40. 826–829

Li .XII. per sunt remés en Espaigne. a .XX. milie Francs unt en lur cumpaigne, a N’en unt poür ne de murir du tance. b Li emperere s’en repairet en France; b

320

4 V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen

41. 1028–1031

Oliver est desur un pui muntet; a Or veit il ben d’Espaigne le regnet a E Sarrazins, ki tant sunt asemblez. b Luisent cil elme, ki ad or sunt gemmez, b

Umarmender Reim: 42. 1145–1148 Li quens Rollant apelet Oliver: a «Sire cumpainz, mult ben le saviez b Que Guenelun nos ad tuz espiez; b Pris en ad or e aveir e deners. a 43. 803–806

Li quens Rollant Gualter de l’Hum apelet: a «Pernez mit Francs de France, nostre tere b Si purpernez les destreiz e les tertres b Que l’empereres nis un des soens n’ i perdet.» a

Verschränkter Reim: 44. 1851–1858 Rollant reguardet es munz e es lariz; a De cels de France i veit tanz morz gesir! b E il les pluret cum chevaler gentill: c «Seignors barons, de vos ait Deus mercit! d Tutes vos anmes otreit il pareïs! a En seintes flurs il les facet gesir! b Meillers vassals de vos unkes ne vi. c Si lungement tuz tens m’avez servit, d Haufreim: 45. 1830–1833 Halt sunt li pui e tenebrus e grant, a Li val parfunt e les ewes curant. a Sunent cil graisle e derere e devant, a E tuit rachatent encuntre l’olifant. a Diese Varianz hat allerdings keinen Einfluss auf das Auftreten von V2- oder VerbEnd-Stellung. Formulierungen derselben Tradition können unabhängig von ihrer syntaktischen Struktur mit identischem Reimschema auftreten, womit deutlich wird, dass weder V2- noch Verb-End-Stellung mit spezifischen Reimschemata in Verbindung gebracht werden müssen. Die folgenden zwei Textpassagen, die mit Formulierung IX beginnen (unterstrichen), bilden den Reim nach dem Schema a b b a, unabhängig davon, ob die Formulierung mit V2- oder Verb-End-Stellung gebildet wird:

4.1 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer Verbergänzung

46. V2

Li quens Rollant apelet Oliver: a «Sire cumpainz, mult ben le saviez b Que Guenelun nos ad tuz espiez; b Pris en ad or e aveir e deners. a (1145–1148)

47. V>2

Li quens Rollant Gualter de l’Hum apelet: a «Pernez mil Francs de France, nostre tere b Si purpernez les destreiz e les tertres b Que l’empereres nis un des soens n’i perdet.» a (803–806)

321

Bezeichnend für das Rolandslied ist, dass die meisten Schemata nur fragmentarisch verwendet wurden, mit anderen Worten, sie wurden kaum über die Länge einer gesamten Laisse hin beibehalten. Oftmals scheinen sie ineinander überzugreifen oder nicht konsequent eingehalten worden zu sein. Erklärt werden kann dieser Sachverhalt dadurch, dass im Rolandslied Reime nicht in erster Linie durch identische Silben erzeugt wurden, sondern durch die Übereinstimmung lediglich des Endsilbenvokals bzw. der Endsilbenvokale.38 Es handelt sich also um einen unvollkommenen Gleichklang, der im Allgemeinen als Assonanz bezeichnet wird.39 Die folgenden Verse geben jeweils ein Beispiel für eine männliche und eine weibliche Assonanz, im Unterschied zu einem männlichen und einem weiblichen Reim: 48. Weibliche Assonanz:

La b[at]aille est m[erv]eilluse e hastive. Franceis i ferent par vigur e par ire, (1661–1662)

49. Weiblicher Reim:

«Tere Major, Mahummet te maldie! Sur tute gent est la tue hardie.» (1666–1667)

50. Männliche Assonanz:

Li quens Rollant se jut desuz un pin; Envers Espaigne en ad turnet sun vis. (1375–1376)

51. Männlicher Reim:

Li empereres fait ses graisles suner, Puis si chevalchet od sa grant ost li ber. (2443–2444)

38 Im Fall des männlichen Reims, also desjenigen, der nur einen identischen Endvokal aufzeigt, trägt dieser die Betonung der Silbe. Im Fall des weiblichen Reims, des Reims mit zwei identischen Endvokalen, ist hingegen nur die vorletzte Silbe betont. 39 An dieser Stelle ist zu ergänzen, dass nur die älteren Manuskripte des Rolandslieds, darunter auch die Oxforder Handschrift, assonierende Fassungen sind. In jüngeren Manuskripten wurden reimende Laissen verwendet (cf. Tagliavini 1973, 378–379).

322

4 V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen

Innerhalb einer Laisse befinden sich also nicht exakt identische, sondern zum Teil sehr verschiedene Endsilben, die jeweils nur denselben Vokal miteinander teilen. Reimschemata sind deshalb oft nicht offensichtlich oder nicht starr eingehalten. An einigen Stellen des Textes scheinen sie sogar ganz aufgehoben, da dort nicht einmal eine Assonanz, geschweige denn ein Reim auftritt: 52. 603–606

Ço dist Marsilies: «Qu’en pariereient il plus? Cunseill n’est proz dunt hum n’ait fiance. La traïsun me jurrez de Rallant.» Ço respunt Guerres: «Lssi seit cum vos plaist!»40

Insgesamt gibt es 283 Laissen, deren Reime oder Assonanzen durch 15 Gruppen von Versenden bzw. deren Endsilben gebildet wurden.41 Die folgende Zusammenstellung gibt einen Überblick über die einzelnen Gruppen und ihre Frequenz im Text. Abbildung 7 Gruppe Endsilben Frequenz1

Varianten

Beispiel

-ie (männlich) / -i...e (weiblich)

18 (ca. 6%)

-ie / -ies / -ise / -ire / -ive / -ise / -ite / -ife / -ige -irent / -imes, istes/ -ivet

Laisse 21

-ee

10 (ca. 4%)

-ee(s) / -e

Laisse 34

-e (männlich) / -e...e (weiblich)

84 (ca. 30%) -et / -ez / -e / -es -er / -en / -ef/ -e / -es

Laisse 11

-ai...e (weiblich) -a...e (weiblich)

4 (ca. 1%) 19 (ca. 7%)

-aigne / -agne / -aille / -alle / -eignet / -aimet / -ailet / -asset /- eimet -ane / -ance / -age / -alve / -asse / -ace / -arde / -afle / -anste

Laisse 1

-oe

3 (ca. 1%)

-oet / -eom / -oer / -oer / -oet

Laisse 23

-u...e (weiblich)

15 (ca. 5%)

-urre / -use / -ucle / -ubles / -ultre / -urnet / -ume -undre / -umes / -unes / -uncle / -ume / -umbre -sue / -ust / -ume / -unge / -unent / -one / -ostre

Laisse 99

-i

19 (ca. 7%)

-in / -ir / -is / -it / -int / -il /-ist

Laisse 35

-ei

12 (ca. 4%)

-eis / -eiz /-eil / -eid /-eir

Laisse 38

40 Die Versenden werden im weiteren Textverlauf nicht wiederholt, sodass ein verschränkter Reim ausgeschlossen werden kann. 41 Das Rolandslied hat insgesamt eigentlich 291 Laissen, von denen bei acht allerdings kein Reimmuster identifiziert werden konnte.

323

4.1 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer Verbergänzung

Abbildung 7 (fortgesetzt) Gruppe Endsilben Frequenz1

Varianten

Beispiel

-ai -a

1 (ca. 0,3%) 9 (ca. 3%)

-ais / -ait / -ai / -ant / -eial / -ai / -at -art / -arz / -al / -als / -ant / -at

Laisse 75

-o

11 (ca. 4%)

-ort / -ors / -oz / -orz / -ol

Laisse 136

-u

24 (ca. 8%)

-ud / -ul / -uz / -urs / -us / -ux / -du / -ui / -ut

-un

17 (ca. 6%)

-unc / -un / -uld / -om / -uns / -unt

Laisse 61

-ant

37 (ca. 13%)

-ant / -ans / -anz / -anc -ent / -ens / -enz / -enc

Laisse 91

1: Das Gesamtvorkommen (100%) beträgt 256. Diese Zahl weicht von den zuvor genannten 283 Fällen ab, da einige Laissen keiner Gruppe zugeordnet werden konnte.

Die meisten Versendsilben, die im Roland auftreten, können sehr verschiedenen Wortarten (WA) angehören, sodass eine generelle Zuordnung einer Endsilbe zu einer verbalen und nonverbalen Form, und somit auch zu einer finiten und nichtfiniten Verbform, nicht möglich ist. Die folgende Tabelle zeigt deshalb die Versenden und die verschiedenen, ihnen zugrunde liegenden Wortarten: Abbildung 8 Gruppe der Vers-Endsilbe

Substantive und Adjektive, Pronomen (+nicht flektierte WA)

-ie / -i...e

-ee

Infinitive (auch Substantive, Adjektive)

Partizip PerPartizip fekt Präsens (auch Substantive, Adjektive)

Finite Verbformen

-ie(s) / -ise / -ire -ine(s) / -ire / -ive(s) / -ife / -ige / -ite / -ite / -ime

-ise / -ie(s)

-iez (2. Pers. pl.) -irent (3. Pers. pl. Perf) -inent (3. Pers. pl. Präs) -ivet (3. Pers. sg. Präs) -istes (2. Pers. pl. Präs) -ilet (3. Pers. sg. Präs) -indrent (3. Pers.pl. Perf)

-ee / -e

-ee / -e / -ez

/

-ed(e)/ -et

-et/ -ed (3. Pers. sg. Präs) -ent (3. Pers. pl. Präs) -(i)ez (2. Pers. pl. Präs/ Imperf)

-e (männlich) / -ed(e) /-et / -e -er / -dre -e ... e (s)/ – (estre (weiblich) /-ele(s) / -(i)el / -(i)en / -(e)re /-ef / -bre /-er(s)

324

4 V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen

Abbildung 8 (fortgesetzt) Gruppe der Vers-Endsilbe

Substantive und Adjektive, Pronomen (+nicht flektierte WA)

Infinitive (auch Substantive, Adjektive)

Partizip PerPartizip fekt Präsens (auch Substantive, Adjektive)

-ai...e (weiblich) -a ...e (weiblich)

-a(i)gne / -aire -aire / -aite / -age / -ace / -ance / -ane / -abe / -a (i)lle / -arge / -asse / -alve / -anste / -afle / -arde / -arle

-a(i)gne (1. Pers. sg. Konj) -aignet (3. Pers. sg. Präs) -a(i)met (3. Pers. sg. Präs) -ailet (3. Pers. sg. Präs) -asset (3. Pers. sg. Präs)

-o ... e

-oem / -oilz / -oer

-oet (3. Pers. sg. Präs/ Imperf)

-u ... e

-unde / -unte / -undre -umbre / -undre / -ume (s) / -ue / -urre / -use / -ucle / -ubles / -ultre / -une(s) / -uncle / -sue / -unge

-oer

Finite Verbformen

-umbret (3. Pers. sg. Präs) -urnet (3. Pers. sg. Präs) -unet (3. Pers. sg. Präs) -unent (3. Pers. pl. Präs)



-i

-in(s) / -i / -is/z -ir / -il/ilz / -ire / -if(s) / -ill

-i / -is/z / -it

-it (3. Pers. sg. Präs) -int (3. Pers. pl. Präs) -ist (3. Pers. sg. Perf)

-ei

-eis/z / -ei / -eil -eir (t/z) / -eid/t / -eir / -eill

-eiz (2. Pers. pl. Futur) -eit (3. Pers. sg. Präs) -ei (1. Pers. sg. Präs)

-ai / -a

-al(s/z)/ -ard/t/ z / -ar / -art / -arz/ -ant

-at (3. Pers. sg. Perf/ Futur) -ad (3. Pers. sg. Präs)

-o

-or(s/z) / -ol / -os/z / -orn / -os(t) / -ort

-ort

-o(u)t (3. Pers. sg. Perf)

-u

-us/z / -ux / -ur (s) / -eus / -ud/ t / -ul / -u / -ui

-uz

-ud/t (3. Pers. sg. Perf)

-un

-on / -om / -um / -un(s) / -unc

-unt (3. Pers. pl. Präs) -uns (1. Pers. pl. Präs)

4.1 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer Verbergänzung

325

Abbildung 8 (fortgesetzt) Gruppe der Vers-Endsilbe

Substantive und Adjektive, Pronomen (+nicht flektierte WA)

-ant

-ant / -ans/z / -ent / -ens/z / -enc / -an / -anc(s)

Infinitive (auch Substantive, Adjektive)

Partizip PerPartizip fekt Präsens (auch Substantive, Adjektive)

-ant / -ans/z / -anc

Finite Verbformen

-ant (1. Pers. sg. Präs)

Wie aus der Tabelle hervorgeht, besteht im Rolandslied die Möglichkeit, dass in fast jeder Reimgruppe eine Verbendung am Versende auftreten kann. Lediglich die Gruppe -ee (grau) stellt einen Fall dar, bei dem die Versenden nur durch eine nicht-finite oder sogar nonverbale Endung ausgedrückt werden können. Nach Überprüfung der 10 Laissen, die auf die Gruppe -ee enden, kann ausgeschlossen werden, dass hier eine finite Verbform am Versende auftritt. Wenn man alle Versendungen in Betracht zieht, so ist also nur in diesen 10 Fällen, i.e. in insgesamt 4%, nicht die Möglichkeit gegeben, das finite Verb an das Versende zu stellen (cf. Abbildung 7). Allerdings heißt das nicht, dass in den anderen 96% das finite Verb besonders oft am Versende stehen muss,42 und falls es am Ende stehen sollte, bedeutet dies nicht automatisch, dass es sich um einen V>2-Satz handeln muss, da das Verb beispielsweise auch Teil eines Nebensatzes sein kann. Relativ häufig tritt die finite Verbform aber tatsächlich in der Gruppe -e-e/-e am Versende auf. Diese Gruppe macht immerhin 30% aller üblichen Versendungen aus und stellt damit den größten Teil der Endungen dar (cf. Abbildung 7). Kommen wir zum Jerusalemslied. In diesem Text gibt es insgesamt 273 Laissen, deren Reime durch 48 verschiedene Gruppen mit jeweils identischen Silben gebildet wurden.43 Anders als im Roland endet hier jeder Vers einer Laisse auf einer exakt identischen Silbe, was bedeutet, dass tatsächlich immer ein Reim und nie eine Assonanz entsteht. Aus diesem Grund erklärt sich auch, warum die Reimschemata im Jerusalem wesentlich eintöniger sind als im Rolandslied. Sie beschränken

42 Im Fall der Gruppe auf -ant, die insgesamt immerhin 13% (37 Okkurrenzen) ausmacht, wurde auch nur eine finite Versendung gefunden (mit dem Verb cumant), die dann allerdings mehr als einmal belegt ist. 43 Insgesamt sind es 281 Laissen, allerdings konnten bei acht keine einheitlichen Endreime und somit keine Endsilbengruppen identifiziert werden.

326

4 V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen

sich auf die ständige Wiederholung von Haufreimen (also identischen Endsilben), die sich über die gesamte Länge einer Laisse hinwegziehen. Hierzu zwei Beispiele: Abbildung 9 Laisse 24 (764–770)

Laisse 29 (910–917)

«Segnor» dist Buiemons, «vés con faite aventure! Toute aviemes desroute iceste jent gafure Se ne fuisent cist autre – qu’aient male aventure! – Ki ci vienent frapant plus tost que l’anbleüre. Vés con il nos acaingnent d’orgelleuse faiture. Ki bien les recevra, s’arme ert et caste et pure: Devant Diu en ira en present sa faiture!»

Li prince et li baron sont descendu a pié, Les espees desçaintes, les elmes deslacié: De sanc et de cervele furent tot vermellié. La nuit fist esquergaite tant qu’il fu esclairié Godefrois de Buillon, le vert elme lacié. Li vesque et li abé et li rice clergié Ont cantee la messe et Jhesu graciié, Le sainte letanie et dite et versellié.

Die folgende Zusammenstellung gibt einen Überblick über die 48 Endsilben und ihre Frequenz im Text sowie über ihre Zugehörigkeit zu verschiedenen Wortarten. Abbildung 1044 Endsilben

Frequenz1 Subst /Adj /Adv

-on

25 (9,2%)

x

-ons

5 (1,8%)

x

-one

1 (0,4%)

x

Laisse 43

-in

2 (0,7%)

x

Laisse 67

-ain

1 (0,4%)

x

Laisse 68

-aine

1 (0,4%)

x

Laisse 78

-or

3 (1,1%)

x

Laisse 5, 155, 244

-ure

2 (0,7%)

x

Laisse 24, 258

-os

1 (0,4%)

x

Laisse 20

-ois

3 (1,1%)

x

Laisse 44

Infinitive

Partizip Partizip Finite VerbPerfekt Präsens formen2

Beispiel

Laisse 101 x (1.Pers. pl. Präs)

Laisse 40

44 Für einen Überblick über die Versendenverteilung im Jerusalem cf. auch Thorp 1992, 28.

4.1 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer Verbergänzung

327

Abbildung 10 (fortgesetzt) Endsilben

Frequenz1 Subst /Adj /Adv

-as

4 (1,5%)

x

-ais

1 (0,4%)

x

-al

5 (1,8%)

x

Laisse 71, 103

-als (-aus)

3 (1,1%)

x

Laisse 65, 110

-el

3 (1,1%)

x

Laisse 21, 74

-ele (-elle)

1 (0,4%)

x

Laisse 256

-ie

29 (10,6%) x

-ié

2 (0,7%)

x

Laisse 29

-iés

1 (0,4%)

x

Laisse 94

-ent

10 (3,7%)

x

-ainge

1 (0,4%)

x

Laisse 249

-ainte

1 (0,4%)

x

Laisse 190

-able

1 (0,4%)

x

Laisse 73

-aille (-aile, -alle)

2 (0,7%)

x

x (3. Pers. sg. Laisse 77 Präs Konjunktiv)

-age

2 (0,7%)

x

-ier

22 (8,1%)

x

x

Laisse 8, 13

-er

19 (7,0%)

x

x

Laisse 25, 75, 83

-ir

3 (1,1%)

x

Laisse 168

-ire

2 (0,7%)

x

x

Laisse 89, 208

-iere

2 (0,7%)

x

x (selten)

Laisse 38, 235

-ere

1 (0,4%)

x

Laisse 259

-aire

1 (0,4%)

x

Laisse 19

Infinitive

Partizip Partizip Finite VerbPerfekt Präsens formen2

Beispiel

x (2. Pers. sg. Laisse 69 Futur) x

Laisse 261

x (3. Pers. sg. Laisse 2, 15 Präs)

x (1. Pers. pl. Laisse 62, 91 Präs)

Laisse 202, 246

328

4 V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen

Abbildung 10 (fortgesetzt) Endsilben

Frequenz1 Subst /Adj /Adv

-ant

20 (7,3%)

x

-ans

4 (1,5%)

x

-és

19 (7,0%)

x

x



17 (6,2%)

x

x

Laisse 33, 70

-ee

17 (6,2%)

x

x

Laisse 17, 102, 241, 253

-ees

1 (0,4%)

x

x

Laisse 232

-i

6 (2,2%)

x

x

x (3. Pers. sg. Laisse 11, Perf) 169, 278 (gemischt mit -is)

-is

12 (4,4%)

x

x

Laisse 14, 36, 115

-ue, -üe

5 (1,9%)

x

x

Laisse 95, 122

-u

3 (1,1%)

x

x

Laisse 123

-a

5 (1,8%)

x (selten)

-e(t)

2 (0,7%)

-irent

1 (0,4%)

x (3. Pers. pl. Laisse 3 Perf)

-erai

1 (0,4%)

x (1. Pers. sg. Laisse 74 Futur)

Infinitive

Partizip Partizip Finite VerbPerfekt Präsens formen2

x

Beispiel

Laisse, 7, 10, 12, 92, 226 Laisse 79, 114 x (2. Pers pl. Präs)

Laisse 28, 60

x (3. Pers. sg. Laisse 76, 111 Perf; selten Futur; selten PC invertiert) x

x (3. Pers. sg. Laisse 265/ Präs) 271 (gemischt mit -é)

1 Die prozentuale Gesamtsumme sind nicht 100%, sondern 100,4%. Diese Abweichung ergibt sich durch das Aufrunden aller Prozentzahlen auf eine Stelle hinter dem Komma. 2 Die Angaben über Person, Numerus und Tempus der finiten Verbform entsprechen der Mehrheit der belegten Okkurrenzen. Vereinzelt können bei einer Endungsgruppe auch andere Personen oder ein anderes Tempus auftreten.

4.1 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer Verbergänzung

329

Als Ergebnis dieser Tabelle kann festgehalten werden, dass nur bei den Verssilbenenden -ons, -as, -ie, -ent, -aille, -és, -i, -a, -et, -irent und -erai, die mit einem Vorkommen von insgesamt 65 Laissen ca. 24% der Gesamtmenge von 273 Laissen ausmachen, überhaupt die Möglichkeit besteht, dass eine finite Verbendung als Versende benutzt werden kann. Diese Zahl verringert sich nochmals, da nur die Endungen -a, -et, -irent und -erai tatsächlich häufig Verbendungen (Perfekt, Futur oder Präsens) beinhalten. Sie treten im gesamten Text aber lediglich bei 9 Laissen auf. Potentiell ist also besonders in diesen Fällen die Möglichkeit für V>2-Stellung gegeben, aber wie schon im Hinblick auf das Rolandslied festgestellt wurde, kann das Versende auch durch eine finite Verbform im Nebensatz oder Relativsatz gegeben sein oder durch das Verb eines V2-Satzes. Der folgende Textausschnitt (Abbildung 11) stellt ein seltenes Beispiel dar, in dem im Jerusalem gehäuft V>2Stellung auftritt. Dieser Umstand ist sicherlich in Verbindung mit dem Reim der Laisse zu bringen, der nur durch die Versendung -a erzeugt wird: Abbildung 11 Laisse 76: 58 Verse, 57 mit finiter Verbendung, davon 17 im Nebensatz (unterstrichen), 12 im V2-Satz (kursiv) und 28 im V>2-Satz Çou fu un merquesdi que solaus rai jeta. Li rois de Jerusalem as fenestres esta De le grant Tor Davi et François esgarda. O lui fu Lucabels qui il forment ama. Voient l’ost des François, dont mervelles i a. No baron et li vesques une esciele josta Et furent bien .X.M., si con on les nonbra. Cascuns a son pooir son cors bien armé a. Bauduïn de Bialvais Godefrois baillié l’a Et Ricart de Calmont tos les abandona, Et Harpins de Boorges avoec les guiera Et dans Jehans d’Alis en lor cornpaigne ala. Li vesques de Maltran sa main amont leva, De Damedeu les saine qui le mont es tora. As murs de Jerusalem cele esciele s’en va Et devers Saint Estevene trestote s’aresta. Illuec s’arestent tot, mais nus n’i asalra Desque por assaillir li grans cors sonera. Li rois de Jerusalem tos les escornmença De son diu Apollin et de quan que fait a, Et jure Mahomet ja nus n’en estordra Desci que a son pié cascuns s’aclinera. Adonques a premiers Tervagan proiera Et Apollin ausi que il lor pardonra.

V>2 V>2

V>2 V>2 V>2 V>2 V>2 V>2 V>2 V>2 V>2 V>2 V>2

V>2 V>2

330

4 V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen

Abbildung 11 (fortgesetzt) Il quide bien voirs soit, si fole creance a, Mais ains verra ses murs c’on li abatera. Godefrois de Buillon nos barons apela, «Segnor, car nos hastons, mïedis sera ja!» Li dus fist autre eskiele et boen le devisa Et furent bien .X.M., si con on les esma. Cascuns u pic u hoe ens en se main porta U pele u grant martel de coi as murs ferra. Li quens Lambers del Liege cele jent conduira. Cels beneïst li vesques, de sa main les segna: «Baron, cil vos garisce qui tot le mont cria Et en la sainte virgene pucele s’aombra Et les .XL. jors el desert jeüna!» Puis a prise le lance, a .II. mains l’empuigna, Devant en mi son pis l’estraint et embraca. A sa vois qu’il ot clere molt hauterment parla: «Baron, franc Crestïen! Por Deu ore i parra, Qui hui ens en cest jor Darnedeu vengera En son saint paradis son cief coronera. Les mals que avés fais tos les vos pardonra!» Dont s’en torne l’esciele, cascuns d’els s’avança. Devant Monte Sion a l’euvesque torna. De la vile assaillir cascuns s’aparella. Mais ains qu’il l’aient prise grant damage i ara, Car tel .XX. mil sont vif de qui on plüerra. Mais cil pot estre liés qui illuec devia Car Damedex de glore le siue ame salva Molt fist le jor bel poindre, nus vens nen i venta. Tant esploitent li prince, cascuns tant se hasta Que fait ont les escieles si con on ensegna. Or devisent entr’els qui premiers asalra As murs de Jerusalem, et qui ains i ferra. Et dist li quens de Flandres, «Li rois tafurs l’ara, Car bien a .III. semaines que on li otroia.»

V>2 Keine Verbendung

V>2 V>2 V>2

V>2

V>2 V>2 V>2

V>2 V>2 V>2

V>2 V>2

Auch wenn im Rahmen dieser Arbeit keine exhaustive Analyse aller Versenden der sieben Texte des Korpus möglich ist und somit auch kein endgültiges Ergebnis erzielt werden kann, ist es dennoch möglich, grundlegende Tendenzen auszumachen, inwiefern der Reimzwang der Verstexte Einfluss auf ihre Syntax hatte. Zum einen ist festzuhalten, dass zwischen dem frühen und dem späten Verstext grundlegende Differenzen hinsichtlich des Reimens bestehen: Während im Roland Assonanzen vorliegen und eine Vielzahl an Reimschemata, besteht der Jerusalem-Text nur aus echten Reimen, die nach nur einem Schema gebildet wurden. Es hat sich gezeigt, dass in beiden Texten ein gängiges Repertoire an Versenden verwendet

4.1 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer Verbergänzung

331

wurde, die teilweise nonverbale Formen voraussetzen und teilweise verbale. Im Rolandslied ist die Möglichkeit für Verb-End-Stellung mit fast jeder Versendung, i.e. auch in fast jeder Laisse, gegeben. Je nach Endungsgruppe scheint diese allerdings einmal mehr und einmal weniger bevorzugt worden zu sein. Im Jerusalem hingegen wurde nur bei relativ wenigen Endungsgruppen überhaupt eine finite Verbform eingesetzt – wobei sich anhand des Jerusalem-Beispiels (Abbildung 11) deutlich zeigt, dass in den wenigen Fällen das Verb dann recht häufig am Versende auftreten kann. Hinsichtlich des späten Verstextes zeichnet sich also ab, dass in den seltenen Fällen, in denen finite Verbformen überhaupt als reimende Versendung verwendet wurden, V>2-Stellung tatsächlich durch den Reim mit bedingt scheint. Allerdings kann diese Verbindung nicht als «Zwang» beschrieben werden, da der Reim nicht notwendigerweise durch die Silbenendung eines finiten Verbs in finaler Versposition hervorgerufen werden muss. Vielmehr scheint eine gewisse Gewohnheit der Schreiber bestanden zu haben, spezifische reimende Versenden, wie beispielsweise -a, bevorzugt durch das Ende einer finiten Verbform auszudrücken. Die Tatsache, dass im Jerusalem aber nur noch bei sehr wenigen Versendungsgruppen überhaupt finite Verbformen eingesetzt wurden, lässt darauf schließen, dass Verb-End-Stellung im Vers damals nicht mehr zeitgemäß war. Ob die veränderten Reimgewohnheiten und somit die geringen Einsatzmöglichkeiten für Verb-End-Stellung dazu führten, dass V>2-Stellung unüblich im späten Verstext wurde, oder ob V>2-Stellung im Text ungewöhnlich wurde, da sie nicht mehr im allgemeinen Sprachgebrauch existierte und deshalb eine Veränderung im Umgang mit den reimenden Versenden bewirkte, lässt sich aus heutiger Sicht nicht sagen. Womöglich haben sich beide Phänomene gegenseitig bedingt. Es bleibt festzuhalten, dass alte Reimgewohnheiten jedenfalls nicht in die späten Verstexte tradiert wurden, was als ein weiteres Indiz dafür angesehen werden kann, dass V>2Stellung in später Zeit nicht mehr üblich war. Mit Blick auf die Formulierungstraditionen bedeutet dieses Ergebnis, dass V>2-Stellung nicht ausschließlich in stereotypen Formulierungen aufgetreten sein wird. Es ist aber anzunehmen, dass V>2-Formulierungen Bestandteil solcher Laissen sind, die ihren Reim bevorzugt mit Verbendungen bilden. Anders ausgedrückt könnte man auch sagen, dass den Verb-End-Formulierungen in den späten Verstexten sicher nur wenige Endungsmöglichkeiten zur Verfügung standen, und dies bedeutet wiederum, dass nur ganz spezifische Formen der Verben verwendet werden konnten (wie etwa das Perfekt oder Futur der dritten Person Singular für die Endung -a). Die Überprüfung einiger Formulierungen (unterstrichen) bestätigt diese Einschätzung:45

45 Wie gesagt, kann hier nur bezüglich Verb-End-Stellung argumentiert werden, weshalb nicht alle V>2-Sätze betroffen sind, da V>2 natürlich auch auftreten kann, wenn keine V>2-Endstellung

332

4 V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen

53. a. François se teurent tot, mais cascuns l’esgarda. (6050, Antio) Li quens Robers de Flandres nos barons apela: Et ma feme Climence qui molt forment m’ama, Et mes .II. fiux petis que Dex me gardera; En 1'onor Damedex qui tot le mont crïa Jou serai li premiers qui amont montera.» ... b. Les .II. bezans al Deu por racorder donra (5346, Antio) Par si faite maniere trestos vos salvera. - Segnor, dïent paien, dont alons desci la U 1'os si et des François, fel soit qui 1'en falra! Bien doit estre honis qui or retamera.» Li amirals Soudans Corbaran apela: « Amis, jo remanrai et tu en iras la, Et li bons rois Salbons o moi sejomera, Si i iert Bariagos et li rois Sarïa, Kalifes l’ apostolies qui nos sermonera, Et Mahomés avoec qui me rehaitera, K’il ne me mesaviegne dusque l’os revenra. ... c. Dans Pieres li hermites sor son asne monta. (1013, Jer) Les barons et les princes avoec lui enmena Et le rice barnage que molt forment ama, Et desor Caïphas le grant tertre puia. Jerusalem la vile sorvit et regarda: As barons et as princes le dist et devisa. ....

4.1.7 Fazit zu V>2-Formulierungstraditionen mit initialer Verbergänzung Die in diesem Kapitel vorgenommene Untersuchung hat folgendes Ergebnis in Bezug auf die eingangs formulierte Hypothese gebracht: V>2-Stellung tritt in den (späten) Verstexten nur noch deshalb auf, weil es sich um eine tradierte veraltete

gegeben ist, wie etwa in dieser Formulierung: Chascuns isnelement monta sor son destrier; (1416 AR, 1349 LT, Sais)

4.1 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer Verbergänzung

333

Syntax handelt, die an Formulierungstraditionen gebunden ist. Wie sich herausgestellt hat, spricht auch eine informationsstrukturelle Analyse der V>2-Strukturen zumindest in einigen Fällen für diese Hypothese, da sich zeigte, dass die Syntax teilweise überhaupt keine Rolle für den Informationsaufbau spielte. Die Tatsache, dass einige Formulierungen immer in den gleichen Kontexten auftreten, unabhängig davon, wie ihre syntaktische Struktur ist, legt die Vermutung nahe, dass der Syntaxwechsel nicht dazu diente, eine Umstrukturierung im Informationsaufbau des Fokus zu erzielen. Allerdings scheint es Fälle gegeben zu haben, in denen die Informationsstruktur einen Einfluss auf die Syntax gehabt haben könnte. Inwieweit die variierende Syntax im frühen Verstext als Markierungsmittel zur Hervorhebung einzelner fokaler Elemente eingesetzt wurde und inwieweit dieses Mittel auch im späten Verstext noch vereinzelt übernommen wurde, obwohl es dort vermutlich überholt war, ist nicht klar. Bei den wenigen V>2-Strukturen der späten Verstexte könnte es sich um alte tradierte verstextspezifische Formen der informationsstrukturellen Markierung handeln, also um Relikte einer veralteten Markierungsform, die nur noch im Vers akzeptiert wurde und sich dort besonders bei stereotypen Formulierungstraditionen hielt. Die Annahme, dass V>2-Stellung im Verstext aufgrund eines spezifischen Sprachduktus hervorgerufen wird, der das Auftreten bestimmter Adverbien oder Adverb-Kollokationen mit sich bringt, hat sich teilweise bestätigt. Die Syntax mancher Formulierungen ergibt sich durch das Auftreten versspezifischer Kollokationen (Kollokationen mit strenger syntaktischer Abfolge). Durch das Festhalten an diesen Kollokationen bzw. an der Art und Weise, wie sie verwendet wurden, können eine V>2-Syntax und spezifische V>2-Formulierungen weiterbestehen. Allerdings scheint der Unterschied im Erzählduktus von Verstext und Prosatext nur in manchen Bereichen eine Rolle hinsichtlich der Syntax gespielt zu haben, und letztlich sind vor allem sprachsystematische Veränderungen dafür verantwortlich, dass AdverbMENT-Verb-Kollokationen zu Verb-AdverbMENT-Kollokationen umstrukturiert wurden und ihr Auftreten deshalb mit weitaus geringerer Wahrscheinlichkeit eine V>2-Struktur auslösen konnte. Insgesamt ist im Fall des Sprachduktus aber sicherlich anzunehmen, dass der Verstext-Schreiber länger als der Prosa-Schreiber an dem älteren Stil festhielt bzw. die ältere Struktur länger Bestandteil des Verstextstils war und deshalb tradiert wurde. Als letzter Punkt wurde gezeigt, dass V>2-Stellung im frühen und späten Verstext auch durch spezifische Normen und Traditionen des Reimens mit begünstigt gewesen sein konnte. Es wurde deutlich, dass im späten Verstext nur relativ selten finite Verbformen als reimende Versendung verwendet wurden, dass aber vermutlich eine gewisse Gewohnheit der Schreiber bestanden haben muss, spezifische reimende Versenden, wie beispielsweise -a, bevorzugt durch

334

4 V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen

das Ende einer finiten Verbform (3. Person Singular Perfekt) auszudrücken. Diese Gewohnheit scheint unabhängig von Formulierungstraditionen gewesen zu sein, betrifft diese aber indirekt, da sie die Endungsmöglichkeiten des Verbs in Endposition vorgibt. Zusammengefasst bedeuten diese Ergebnisse, dass im 12. und 13. Jahrhundert – und vielleicht auch schon früher – S-X-V- und O-X-V- bzw. PO-X-VSätze vermutlich nur syntaktische Konstruktionen waren, die durch eine verstextspezifische Form des Formulierens und möglicherweise des Hervorhebens sowie durch einen verstextspezifischen Sprachduktus und eine spezifische Form des Reimens oder, vielleicht besser gesagt, durch verschiedene Merkmale der epischen Diskurstradition bedingt sind und sich zum Teil besonders gut in stereotypen Formulierungen hielten. Es handelt sich also um Strukturen veralteter Schreib- und Formulierungstraditionen. Kommen wir zuletzt nochmals auf die in Kapitel 2.2.3.2 dargestellte Analyse von V>2-Strukturen mit initialer Verbergänzung zurück. Dort wurde erläutert, dass V>2-Strukturen dieser Art durch die Annahme einer gesplitteten CP-Ebene erklärt werden können (cf. Mathieu 2013, u. a.). Aufgrund der nun gewonnenen Ergebnisse stellt sich die grundlegende Frage, ob diese Annahme überhaupt notwendig ist. Mir scheint sie fehl am Platz, denn wenn eine Struktur vorliegt, die nicht dem eigentlichen Sprachgebrauch entspricht, sondern durch die textuelle Tradition bedingt ist, ist somit auch keine sprachsystematische Erklärung erforderlich. Die Annahme einer gesplitteten CP-Struktur würde dieser aber gleichkommen. Wenn man annehmen möchte, dass sich hinter den versspezifischen Strukturen tatsächlich Überreste alter Strukturen verbergen, die noch aus lateinischer Zeit tradiert wurden, wären diese allenfalls als lateinische IP- (bzw. TP-) Strukturen zu analysieren (cf. 2.2.4). Die Annahme einer CP-Reanalyse für diesen Strukturtyp ist für das Stadium des Altfranzösischen sicherlich auszuschließen, da sich gezeigt hat, dass Strukturen dieser Art ausschließlich ein Spezifikum verstextspezifischer Diskurstraditionen sind und nicht Teil des Sprachsystems und der Grammatik waren.  

4.2 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer adverbialer Angabe In den folgenden Abschnitten werde ich Formulierungstraditionen mit initialer adverbialer Angabe, i.e. mit initialer Adverbialphrase (4.2.1), mit initialem Adverb (4.2.2) und mit initialem adverbialem Nebensatz (4.2.6) behandeln. Es wird abermals diskutiert, wie die Existenz dieser V>2-Strukturen zu erklären und zu bewerten ist (4.2.3–5).

4.2 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer adverbialer Angabe

335

4.2.1 V>2-Formulierungstraditionen mit AP-X-V-Struktur Insgesamt gibt es acht verschiedene Typen von V>2-Formulierungstraditionen mit AP-X-V-Syntax, die im Rolandslied und den späteren Texten auftreten. Diese acht Typen können in drei verschiedene Gruppen unterteilt werden, die sich an der Art der Adverbiale ausrichten (lokale Adverbiale, temporale Adverbiale, modale Adverbiale). V>2-Formulierungen mit LOKALER ADVERBIALE XIV. [IM (GROSSEN) GETÜMMEL (AP)] [X (Adverb/Objekt)] [SCHLAGEN/KÄMPFEN/X … (Verb)] XV. [AUF DAS (GRÜNE) GRAS (AP)] [X (Subjekt/Adverb/Adverbiale)] [NIEDERLEGEN/X ... (Verb)]

XVI. [VOR PERSON (EIGENNAME) (AP)] [X (Subjekt/Adverb)] [X (Verb)] Diese Formulierungen wurden von den Schreibern herangezogen, um spezifische Handlungen in einen Schauplatz einzubetten, wie etwa die immer wiederkehrenden Kampfszenen, die sich immer wieder im großen Getümmel ereignen. V>2 Formulierungen mit TEMPORALER ADVERBIALE XVII. [IN DER NACHT (AP)] [X (Objekt/Adverb)] [X (Verb)] Durch Formulierung XVII können all diejenigen Handlungen der Erzählung eingeführt werden, die sich in der Nacht ereignen. V>2 Formulierungen mit MODALER ADVERBIALE XVIII. [AUS LIEBE (ZU) (AP)] [X (Objekt/Adverb)] [X (Verb)] XIX. [MEINES WISSENS/SOWEIT ICH WEISS (AP)] [X (Objekt/Adverb)] [X (Verb)] XX. [BEI DIESEN/JENEN WORTEN (AP)] [X (Objekt/Adverb)] [X (Verb)] XXI. [BEI DIESEM/JENEM/BEIM ERSTEN/ ... SCHLAG (Verb)]

(AP)]

[X

(Objekt/Adverb)]

[X

336

4 V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen

Durch diese Gruppe modal eingeleiteter Formulierungen gibt der Schreiber Informationen über Umstände der erzählten Handlung sowie über die Haltung einzelner Handlungsfiguren; oder die Formulierung dient ihm dazu, in eine Handlung einzuleiten, und hat primär textstrukturierende Funktion (cf. 1.4). In all diesen Fällen handelt es sich mehrheitlich um Formulierungen, in denen lediglich die erste Position semantisch determiniert ist. Dies bedeutet, dass nur in dieser Position identische Lexeme auftreten und alle weiteren Positionen mit unterschiedlichen Inhaltselementen besetzt sein können. Wie bereits dargestellt wurde, ist dies allerdings kein Kriterium, diese Sätze nicht auch als Formulierungen zu bezeichnen, denn es zeigt sich, dass sie die Mehrheit aller APX-V-Strukturen des Rolandslieds ausmachen und somit zur Gestaltung des Textcharakters beitragen (die Gesamtzahl der AP-X-V-Formulierungen macht ca. 56% aller AP-X-V-Strukturen des Rolandslieds aus – 62 Okkurrenzen).46 Abbildung 12 gibt einen Überblick über das Vorkommen aller Sätze, die den 14 Typen zugeordnet werden müssen. Das Vorkommen wird in realen und prozentualen Zahlen wiedergegeben:

46 In 1.4 wurde bereits erklärt, dass unter einer Formulierungstradition nicht die Wiederkehr eines vollständigen identischen Satzes gemeint ist, sondern eine Sequenz, in der teilweise nur ein Bestandteil in identischer, oder auch nur ähnlicher, Weise auftritt. Der zentrale Aspekt ist, dass dieser Teil häufig innerhalb einer Textsorte verwendet wurde und davon auszugehen ist, dass er ein «Baustein» einer erlernten Schreibtechnik und -tradition war.

3 100% 4 1 36% 4 3

MOD

9

3

Bei diesen/ jenen Worten

Bei diesem/ ersten Schlag

0

1

60%

0

0%

0

1

6%

0

0

0

0

6 1 75% 0

0% 5 2 100%

5% 0

2 1 29% 0

11% 1 1(+2)

8% 0

/

/

Clar

80%

60% 3 1 20%

57%

33%

0

0

Jer

12% 2 2(+1)

XXV

0

/

/

0

0

0

0

/

/

/

0

7

2 40% 0

6 40% 12

3 43% 0

0

Antio

1

0%

0

2

5

25% 0

71% 0

95% 1 100%

92% 0

/

Clar

2 100% 0

94% 8 100% 3 100%

20%

89% 18

3 100%

80% 17

0% 0

64%

96% 31

88% 15

Jer 5 100% /

88% 23

56% 10 100%

Sais

2 100% 0

5

7 47% 15

6 55%

3 60%

Valen Roland

1 100% 1 20% 4 67% 22 (+1)

0

/

/

Villeh

V2

0

0

0

0

0

0

/

/

Villeh

/

/

/

0

4 80%

0

/

/

Valen

(+) = komplexe Konstituente (Adv-Adv-V; AP-Adv-V; Adv-AP-V); Sätze mit komplexer Konstituente wurden nicht als V>2-Struktur gezählt (und von der Prozentberechnung ausgeschlossen). Hochgestellte Zahl = AP steht präverbal nicht in Initialstellung. / = kein Vorkommen der Adverbiale, auch nicht in Nachstellung.

4

Meines Wissens

Aus Liebe (zu)

4% 4 1

21

TEMP In der Nacht

0

53% 2 1 12% 2 1

0

81

45%

Vor (Eigenname: Person)

0

5 (+1)

44%

Antio

Auf das grüne Gras

LOK

40% 4

Sais

4

2

Roland

Im großen Getümmel

Formulierungen mit AP-X-V

Abbildung 12 4.2 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer adverbialer Angabe

337

338

4 V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen

Insgesamt wurden alle V>2- und alle V2-Sätze analysiert, die mit einer der acht Adverbialen beginnen oder diese zumindest in einer präverbalen Position aufweisen. Wie die Tabelle zeigt, tritt V>2-Stellung in fünf Formulierungen des Rolands häufiger oder genauso häufig auf wie V2-Stellung. Es gibt nur drei Fälle, in denen V2-Stellung überwiegt. Im Unterschied dazu liegt der V2-Anteil in allen Formulierungen des Saisnes deutlich über dem V>2-Anteil. V>2-Strukturen sind in diesem Text nur in fünf von acht Formulierungen überhaupt belegt und im Fall der Formulierung mit temporaler Adverbiale äußerst selten. Ähnlich verhält sich die Situation bei den Reimchroniken. Auch hier ist V>2-Stellung entweder gar nicht vorhanden (in nur fünf bzw. vier von den acht Formulierungen) oder deutlich in der Minderzahl. Allerdings besteht mit den Formulierungen XIX und XVIII eine Ausnahme, auf die ich gleich zurückkommen werde. Im Hinblick auf die Verstexte zeichnet sich also die Tendenz ab, dass die initiale Adverbiale nur im Rolandslied häufig vor einem weiteren präverbalen Satzglied steht, und dass sie in allen anderen Verstexten meist unmittelbar vor das Verb tritt.47 Diese Tatsache lässt darauf schließen, dass der Gebrauch der initialen Adverbiale in den späten Verstexten mehrheitlich dem Gebrauch in einer V2-Sprache entspricht. Wie bereits dargestellt wurde (cf. 3.4.2.5), kann in einer V2-Sprache, wie dem Deutschen, eine Adverbiale in der Regel nur unmittelbar vor dem Verb initial auftreten. Ein détachement, wie es aus dem modernen Französischen bekannt ist, ist ausgeschlossen. Anhand von Formulierung XX und ihrer jeweils deutschen und modernen französischen Übersetzung soll dieser Unterschied nochmals deutlich gemacht werden: 54. a. afr. b. fr. c.

dt.

A icest mot se pasmet li marchis. (Rol, 2031) *A ce mot s’évanouit le marquis / V>2: A ce mot, le marquis s’évanouit. Bei diesen Worten wird der Markgraf ohnmächtig.

In der Prosa werden die Formulierungstraditionen mit initialer Adverbiale kaum aufrechterhalten, da die Adverbiale entweder nicht verwendet wurde oder nur in Nachstellung vorkommt. In den sehr wenigen Fällen, in denen doch eine dieser Formulierungen in den Prosatexten anzutreffen ist, existiert – bis auf zwei Ausnahmen – ausschließlich V2-Stellung. Zur Veranschaulichung kann dieser Unterschied zwischen dem Rolandslied und den späten Vers- und Prosatexten

47 Allerdings ist das V>2-Vorkommen in den späten Verstexten in diesem Fall in der Regel etwas höher als im Fall der V>2-Formulierungen mit initialer Verbergänzung.

4.2 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer adverbialer Angabe

339

anhand der einzelnen Sätze der Formulierungen XIV-XVII und XX-XXI aufgezeigt werden. Das V>2-Vorkommen ist jeweils vollständig dargestellt. I.

[IM (GROSSEN) GETÜMMEL (AP)] [X (Adverb/Objekt)] [SCHLAGEN/KÄMPFEN/X … (Verb)] Roland

V>2 V2

V>2

Li riches rois Aufars [...] / Enz en la greignor presse fiert [...] (3980 AR, Sais) L’empereres meïsmes en la presse s’est mis, (4016 AR, Sais) Joffrois li Angevins en la presse s’enpaint, (2742 AR, 2483 LT, Sais) Uns paiens orgoillox an la presse destant. (1100 R, Sais)

V2

En la presse se fiert a guise de lupart, (1985 AR, 1747 LT, Sais) En la presse se fiert corn fau cons qui oisele, (3967 AR, Sais) An la presse s’ambat de la gent paienie; (4826 LT, Sais) ....

Antioche

V2

En la presse gregnor s’est li ber enbatus (8693, Antio) En le presse gregnor s’est li ber ademis. (8715, Antio) En le presse se fiert a loi de combatant (8646, Antio) En le presse se fiert, jo le tieng por enfant, (9148, Antio) ...

Jerusalem

V2

En mi la gregnor presse est li perce froissie, (6857, Jer) En mi la grignour presse vont ferir a eslais (9212, Jer) ...

Saisnes

I.

En la grant presse or i fiert cume ber, (1967, Rol) En la grant presse mil colps i fiert e plus (2090, Rol) En la grant presse cumencet a ferir (2057, Rol) En la grant presse i fierent as paiens. (2070, Rol) ...

[AUF DAS (GRÜNE) GRAS (AP)] [X (Subjekt/Adverb/Adverbiale)] [NIEDERLEGEN/X... (Verb)] Roland

V>2

Sur l’erbe verte li cler sancs s’en afilet (130, Rol) Sur l’erbe verte li quens Rollant se pasmet (176, Rol) Sur l’erbe verte puis l’at suef culchet (2175, Rol) Sur l’erbe verte si est caeit envers: (2269, Rol) Sur la verte herbe mult laidement se culcet (2573, Rol)

V2

Sur l’erbe verte estut devant sun tref. (671, Rol) Sur l’erbe verte descent li reis en un pred (2448, Rol)

340

4 V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen

Sur l’erbe verte veit gesir sun nevuld (2876, Rol) Sur l’erbe verte en espant li cler sanc. (3972, Rol) ... Saisnes

V2

Sor l’erbe [...] s’assisent por le froit, (2891 AR, 2617 LT, Sais) et sor l’erbe n’i ot autre dangier. (3885 AR, Sais)

XVI. [VOR PERSON (EIGENNAME) (AP)] [X (Subjekt/Adverb)] [X (Verb)] Roland

Saisnes

Antioche

V>2

Devant Marsilie cil s’escriet mult halt: (891, Rol) Devant Marsilie cil en est escriet: (900, Rol) Devant Marsilie as altres si s’ajust, (919, Rol) Devant Carlun andui sunt repairez: (3862, Rol) Devant le rei la s’estut Guenelun: (3762, Rol) Dedevant lui sa muiller [...] / Pluret e criet, (2577, Rol) Li emperere devant sei l’ad fait traire. (3749, Rol)

V2

Devant Marsilie ad faite sa vantance: (911, Rol) Devant Marsilie s’escriet en la presse, (933, Rol) Dedevant lui ad une perre byse: (2300, Rol) Devant les altres est en un pui muntet. (2869, Rol) Devant lu rei est venuz Pinabel, (3838, Rol) ...

V>2

Devant moi l’oriflambe en estor porteront. (4702 LT, Sais) Berars de Modidier devant Charle est venus, (1205 AR, 1149 LT, Sais)

V2

Devant Guiteclin vient, a haute voiz li crie: (3573 LT, Sais) Devant sa gent venait le trait a un archier, (3036 AR, Sais) Devant le roi servoit Berarz de Mondidier, (3079 LT, Sais) Devant lui s’agenoille, son braz au col li ploie, (3843 LT, Sais) Devant lui s’agenoille, qu’il i voit son moillor. (1385 R, 7219 LT, Sais) Devant lui s’aresta, se le va regardant. (1015 R, 6818 LT, Sais) ...

V>2

Devant lor deu Jhesu la seront presenté. (4622, Antio) Très devant Garsïon son neveu li tüa. (6361, Antio) S’il martire i reçoit [...] / Devant Nostre Segnor ira s’arme florie. (7915, Antio)

V2

Devant Corbarant vint, si li fist enclinee: (423, Antio) Devant Deu en irons, ja n’ermes mais danpne, (2646, Antio) Devant le roi Tafur s’est cascuns arestés, (4100, Antio) Devant le roi son pere est al poe presentes: (4530, Antio)

4.2 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer adverbialer Angabe

341

Devant lui fist mander Buiemont u se fie, (1707, Antio) Devant lui vint Jhesus, a gente compaignie, (7117, Antio) Devant liui sont venu plorant si escuier (7588, Antio) Devant lui est venus, de Diu l’a salué. (9504, Antio) ... Jerusalem

V>2

V2

Devant Deu ens es cius est ses ciés coronés. (2350, Jer) Quant li rois G. voit [...] / Par devant lui a terre li a l’or espandu (7318, Jer) Cascuns devant le roi s’est avoec presentés (7649, Jer) Devant Soudan se vont cascuns agenoillant, (8966, Jer) Devant Droon d’Amiens li a ocis son frere, (9165, Jer) Devant son frere a mort .I. Des fils Malagu (8497, Jer) Devant son pere vint Sanguins ses poins tordant (8964, Jer) Devant les autres a souvent esporoné, (9812, Jer) Devant lui encontra l’aumaçor Faraon, (536, Jer) Devant lui fist soner .I. Cor a la bondie. (7958, Jer) Devant lui a veü .I. Ceval ensielet, (9390, Jer) ...

V>2-Formulierungen mit TEMPORALER ADVERBIALE XVII.

[IN DER NACHT (AP)] [X (Objekt/Adverb)] [X (Verb)]

Roland

Saisnes

V>2

Tute la noit mult grant clartet lur dunent. (2644, Rol) Par poestet icele noit i jurent. (3653, Rol)

V2

La noit demurent tresque vint al jur cler. (162, Rol) La noit la guaitent entresqu’a l’ajurnee. (3731, Rol) Icele noit n’unt unkes escalguaite. (2495, Rol) Icele noit ne se volt il desarmer, (2498, Rol)

V>2

Cele nuit leanz n’ot solaz ne nul depart, (1238 AR, Sais)*

V2

Toute nuit font lor fenmes por vous eschergaitier (3386 AR, Sais) Toute la nuit i furent jusques a l’esclairier (3893 AR, Sais) La nuit couvint livrer a maint cheval avaine. (1159 AR, 1101 LT, Sais) La nuit sejorna l’oz, au matin s’est meüe, (1378 AR, 1311 LT, Sais) La nuit fist l’eschargaite B erars de Mondidier (3890 AR, Sais) La nuit jut l’empereres el grant palais pavé. (4134 AR, Sais) La nuit s’ambla de cort desor un chaceor, (5615 LT, Sais) La nuit songa un songe don fu an grant iror: (7354 LT, 1519 R, Sais)

342

4 V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen

Cele nuit sejomerent dusqu’au demain matin, (1179 AR, 1122 LT, Sais) Cele nuit sejomerent dusqu’a l’aube aparant, (1249 AR, 1184 LT, Sais) Cele nuit couvint Charle que as chans se herbert. (1833 AR, 1644 T, Sais) Cele nuit ont an Rune maistraite la marrele; (2180 LT, Sais) Cele nuit reposerent tant que jours fu parans. (2829 AR, 2560 LT, Sais) Cele nuit n’ot consoil a privé ne a druz, (3162 LT, Sais) Cele nuit se reposent Alemant et Bavier, (4418 LT, Sais) Cele nuit fu bien l’ost Guiteclin effraee, (4718 LT, Sais) ... Antioche

V>2

V2

Jerusalem

V>2

Cele nuit fors de Nique s’est Solimans embles; (1194, Antio) Garsïons d’Anthïoce le nuit .M. Turs manda, (1481, Antio) La nuit quant Corbarans [...] / Uns rices amirals [...] / As eskés et as tables commencent a jüer, (7416–7419, Antio) La nuit as rices tentes ont lor cors reposés, (9336, Antio) La nuit jurent el val li nobile baron, (597, Antio) La nuit s’en fu issus Solimans a laron, (1192, Antio) Le nuit i ont gaitie par grant devision, (1720, Antio) Le nuit jut Solimans enmi la praerie (1771, Antio) Le nuit se herbergierent as fontaines Raimon, (2208, Antio) La nuit en sont issu, quant li tans fu seris. (2723, Antio) La nuit fist l’esquargaite Godefrois li frans hon. (2770, Antio) La nuit fisent as nostres mervellos destorbier. (3122, Antio) La nuit orent par l’ost a mangier a plenté. (4317, Antio) La nuit en a son fil en ostage livré, (5808, Antio) La nuit sont no baron as tentes reposé, (9344, Antio) Le nuit jurent a joie nostre grant baronie, (9779, Antio) Cele nuit les conroie Estatins l’Esnases, (859, Antio) Cele nuit sejomerent Franҫois en la cites, (2549, Antio) Cele nuit sont entre en l’ost Deu a laron. (2773, Antio) Cele nuit le laisierent dusqu’a l’aube esclairie. (3199, Antio) Cele nuit le retint, si a o lui soupé. (4321, Antio) Cele nuit i sejoment, illuec s’est ostelee. (5403, Antio) Cele nuit va li Turs a l’ost Deu belement. (5587, Antio) Cele nuit les gaita li quens Raimons li ber, (5646, Antio) Cele nuit se jut il dejoste .I. viés fossés, (7563, Antio) Cele nuit se deduisent par molt grant riceté (9353, Antio) ... La gens nostre Segnor tote nuit fu armee. (7760, Jer)

4.2 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer adverbialer Angabe

343

V2

Toute nuit se gaitoient desci c’a l’ajomer. (4703, Jer) Toute nuit i vellierent desci a l’ajornee. (7757, Jer) Cele nuit fu no gens ricement ostelee. (593, Jer) Cele nuit est cascuns dormis et reposés: (6026, Jer) Cele nuit ot Raimons tant batus les costés (6032, Jer) La nuit fist esquergaite tant qu’il fu esclairié (913, Jer) La nuit fist l’esquergaite, la grant broigne vestie, (922, Jer) La nuit fu li os Deu en grant touellement. (1630, Jer) La nuit les a gaitiés Buiemons li marcis, (2402, Jer) La nuit font li baron l’ost Deu esquergaitier. (1931, Jer) La nuit jurent a camp mais n’i ot vair ne gris (2397, Jer) La nuit est li os Dieu moult tres bien conraee, (9668, Jer) ...

Clari

V2

Le nuit meesme [...] leva une si grant tormente en le mer [...] (25, 1, Cla)

Valenciennes

V>2V2

Mais cele nuit [...] il gut a Naple (564, Val) Cele nuit deviserent lor batalle, (522, Val) Cele nuit se herbrega a la Rousse, (566, Val) Cele nuit jut li empereres a molt grant meschief defors Cristople. (569, Val) La nuit se jut a .I. casal, et se reposa jusques a l’ endemain, (681, Val)

Villehardouin

V>2

Cele nuit [...] l’empereres Alexis de Constantinoble prist de son tresor (182, Vil)

* Cele nuit n’ot leanz ne deduiz ne depors (7058 LT, Sais)

V>2 Formulierungen mit MODALER ADVERBIALE XX. [BEI DIESEN/JENEN WORTEN (AP)] [X(Objekt)/X(Adverb)] [X (Verb)] Roland

V>2

A icez mot li .XII. per s’alient (990, Rol) A icest mot si s’esbaldissent Franc, (1524, Rol) A icest mot tels .C. milie s’en vunt: (1911, Rol) A icest mot Franceis se fierent enz (1939, Rol) A icest mot sur son cheval se pasmet (1988, Rol) A icest mot paien venent avant, (3379, Rol) A icest mot venuz i est dux Neimes (3621, Rol) A icel mot l’un a l’altre ad clinet (2008, Rol) A icel mot l’emperere est muntet (2457, Rol)*

344

4 V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen

Saisnes

Antioche

Jerusalem

V2

A ces paroles vunt les oz ajustant. (1169, Rol) A icest mot sunt Franceis escriet. (1180, Rol) A icest mot se pasmet li marchis (2031, Rol) A icel mot l’at Rollant entendut; (2054, Rol) A icel mot est l’emperer muntet. (2457, Rol) a cel mot s’en turnerent. (2764, Rol)

V>2

Es les vous a ce mot en plorant departis; (1225 AR, 1168 LT, Sais) A cest mot, sanz plus dire, li uns l’autre desfie (3667 LT, Sais) A cest mot li uns l’autre par maltalant deifie, (1328 R, 7156 LT, Sais)

V2

A cest mot s’en departent li message ambedoi, (2576 AR, Sais) A cest mot s’antrebaisent et demoinent grant joie. (3859 LT, Sais) A cest mot a gardé an mi la praierie (3942 LT, Sais) A cest mot ont josté et li nostre et li lor (4962 LT, Sais) A ce mot laissent corre par merveillus enchaus (2656 AR, Sais) A ce mot s’entrebaisent, n’i ot autre forfait (3196 AR, Sais) A ce mot esperonne li quens Hües dou Mans, (3955 AR, Sais) A ce mot esperonne le bon destrier crenu, (4079 AR, Sais) ...

V>2

A iceste parole li arme en est partie (1715, Antio)

V2

A cest mot s’eslaisierent des Turs .XV. Millier. (1455, Antio) A cest mot laisent corre tres par mi le sablon, (1532, Antio) A cest mot s’est li dus Godefrois regardes, (2453, Antio) A cest mot esgarda contreval le degre, (2699, Antio) A cel mot se regardent li chevalier hardi (1613, Antio) A cel mot s’en torna a maisnie escarie (1777, Antio) A cel mot s’en tornerent la pute gens hale, (1875, Antio) A iceste parole se vont resbaudisçant; (1669, Antio) A iceste parole ont lor muls demandes, (1935, Antio) A iceste parole est el ceval montés, (4708, Antio) A iceste parole font lor tabors soner, (5371, Antio) A iceste parole font lor rason finer. (6632, Antio) ...

V2

A cest mot s’esclaiscierent plus de .C.M. Escler (9075, Jer) A icestes paroles se sont as cevals pris: (1078, Jer) A icestes parole fu tans escus saisis, (1202, Jer) A iceste parole fait corner l’estormie: (6076, Jer) A iceste parole sont el palais monté. (6438, Jer) A iceste parole es vos .I. blanc colon (7735, Jer) A iceste parole es vos Sanguin corant, (8960, Jer) A iceste parolle se vont revertuant – (9260, Jer)

4.2 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer adverbialer Angabe

Clari

V2

345

Et a ches paroles s’agenouillierent li baron devant lui, (4, 9, Cla) A ches paroles se partirent li baron du palais et [...] (59, 1, Cla) A ches paroles s’en parti li dux et s’en revint arriere. (60, 1, Cla)

* Abweichung zwischen der syntaktisch annotierten Version im SRCMF und der gedruckten Version der Oxforder Hanschrift (in Druckversion: A icel mot est l’emperere muntet.)

XXI. [BEI DIESEM/JENEM/BEIM ERSTEN/ ... SCHLAG (AP)] [X (Objekt/Adverb)] [X (Verb)] Roland

V>2

A icest colp cil de France s’esc(ri)rient: (3365, Rol) A colps pleners de lor espiez i perdent: (3401, Rol) A premers colps i uns ocis Gualter (2076, Rol)

V2

A icel colp l’ad Rollant reguardet, (1998, Rol) A icest colp est li esturs vencut. (3930, Rol)

Antioche

V2

Al premier coup ocist .I. neveu l’amirant (4002, Antio) Al premier coup qu’il traient nos ont il mort Elie (1505, Antio) A .I. colp fendi tot l’aumaçor de Montire. (3933, Antio)

Jerusalem

V2

A icel coup perdierent .XV. des nos la vie (3476, Jer) A l’autre coup rocist son frere Rubion (8714, Jer)

Anders als bei den Formulierungen mit initialer Verbergänzung bedeutet der tendenzielle Schwund von V>2-Stellung im Fall der hier aufgeführten V>2-Formulierungen mit beginnender Adverbiale vermutlich nicht, dass alle V>2-Sätze der späten Texte Strukturen waren, die im allgemeinen Sprachgebrauch des Altfranzösischen gar nicht verwendet werden konnten. Die Tatsache, dass es diesen Strukturtyp im modernen Französischen gibt und im Mittelfranzösischen gegeben hat (cf. Zwanenburg 1978), spricht im Grunde genommen sogar dafür, dass sie der Vorläufer der heutigen Struktur mit détachement sind. Ich komme auf diesen Aspekt in Abschnitt 4.2.4 zurück. Eine recht große Abweichung von der allgemeinen Tendenz scheint, wie gesagt, mit Formulierung XIX gegeben, da sich hier eine entgegengesetzte Entwicklung abzeichnet: V>2-Stellung ist im Roland mit 57% belegt und nimmt in den späten Verstexten zu (100% im Antioche, 75% im Jerusalem). XIX. [MEINES WISSENS/SOWEIT ICH WEISS (AP)] [X (Objekt/Adverb)] [X (Verb)] Roland

V>2

Mien escientre plus ad de .II.C. anz. (552, Rol) «Men escientre, tu n’ies mie des noz!» (2286, Rol) Men escient dous cenz anz ad passet. (524, Rol) Men escientre dous cenz anz ad e mielz. (539, Rol)

346

4 V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen

V2

Men escientre nel me reproverunt [...] (768, Rol) Sun escientre n’en i out un cuard. (1116, Rol) Men escientre nes osent aproismer. (2073, Rol)

Antioche

V>2

Par le mien escïentre ja vausist forsener, (4784, Antio) Par le mien escïentre ja fust vis esragiés (9376, Antio) [...] par le mien escïent, / herusalem n’ara vers els desfendement.» (6775, Antio) Ains que [...] par le mien escïant, / De .L. langages iront gent [...] (5203, Antio) Ains que [...] par le mien escïent,Verrés tant chevalier [...] (7389– 7390, Antio)

Jerusalem

V>2

Par le mien escïent ce sont Arrabiant, (179, Jer) Par le mien escïent il le comperront chier! (242, Jer) Par le mien escïent ja s’entreferiscant (4245, Jer) Par le mien escïentre ja i ara folie. (6840, Jer) Par le mien escïentre cascuns est mer passés. (7599, Jer) quant de ci tornerés, / Par le mien escïent, ne vos en gaberés (8040, Jer)

V2

Par le mien esciant n’i peüscent durer (799, Jer) Par le mien escïant n’en eschapast uns vis [...] (4562, Jer)

Dieses Ergebnis kann eventuell auf eine größere Autonomie der Adverbiale Mien escientre zurückgeführt werden, da Beispiele wie (55) zeigen, dass die Adverbiale auch als Parenthese – und somit vollkommen isoliert vom Satz – verwendet werden konnte: 55. «Par mon cief» ce dist Pieres «quant de ci tornerés / Par le mien escïent ne vos en gaberés» (Jer, 8040) Für die Annahme größerer Autonomie spricht, dass die Adverbiale auch in modernen V2-Sprachen, wie dem Deutschen, als Parenthese eingesetzt werden kann.48 Allerdings tritt sie im Deutschen nicht präverbal auf, sodass sich das Altfranzösische in diesem Punkt deutlich vom Deutschen unterscheidet. 56. V2:

Meines Wissens werdet Ihr nicht mehr darüber scherzen, wenn Ihr Euch von hier abwendet

48 Diese Möglichkeit ist allerdings optional, da die Satzstruktur auch ohne Parenthese grammatisch ist: «Dieser Mann hat meines Wissens den Raum nicht verlassen.»

4.2 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer adverbialer Angabe

347

57. Postverb. Parenthese: Ihr werdet – meines Wissens – nicht mehr darüber scherzen, wenn ... Wenn Ihr Euch von hier abwendet, werdet ihr – meines Wissens – nicht... 58. Präverb. Parenthese:

«quant de ci tornerés, / Par le mien escïent, ne vos en gaberés.» (Jer, 8040) *Wenn Ihr Euch von hier abwendet – meines Wissens – werdet ihr ...

Neben der Möglichkeit, dass eine Parenthese gebildet werden konnte, besteht in diesem Fall auch die Option, dass sich die Adverbiale in extraposition vor einem V2-Satz befindet. Wie bereits dargestellt, entspricht diese Position im Grunde dem détachement des modernen Französischen, wie der folgende Vergleich zwischen dem altfranzösischen und dem modernen französischen Beispiel nochmals zeigen kann (59a und b). Eine Übereinstimmung mit dem modernen Französischen scheint allerdings nicht in jedem Fall gegeben, da Sätze wie (58/60) mit einleitendem Quand-Nebensatz und darauffolgender Parenthese (oder détachement) heute nicht zulässig oder äußerst ungewöhnlich sind. 59. a. Par le mien escïent il le comperront chier! (Jer, 242) b. A mon avis, ils le paieront cher! (58. «quant de ci tornerés, / Par le mien escïent, ne vos en gaberés.» [Jer, 8040]) 60.

?

Quand vous vous détournerez d’ici, a mon avis, vous n’en plaisanterez plus.

Einerseits ist also anzunehmen, dass im Fall der V>2-Formulierungen mit Men escientre ... bereits moderne französische Strukturen vorliegen, andererseits besteht hierzu der grundlegende Unterschied, dass auch parenthetische oder extraposition-Strukturen verwendet wurden, die heute nicht zulässig sind. Diese Einschätzung trifft auch auf Formulierung XVIII zu, hier allerdings nur auf Sätze im Antioche, denn innerhalb der späten Texte ist nur in diesem Text V>2-Stellung mit 80% dominant (kursiv). Auch hier könnte es sich um Sätze mit Parenthesen handeln, die im modernen Französischen nicht möglich sind.49 49 Da man viele Satzzeichen im Nachhinein zur Segmentierung und Identifizierung möglicher Parenthesen erst in den modernen Editionen eingesetzt hat, wurden sie an dieser Stelle weggelassen, um eine «Originallektüre» zu ermöglichen (wie dies auch im SRCMF geschah; cf. 1.5.1). Mit Satzzeichen scheint die Existenz von Einschüben zwar offensichtlich (Sire KOMMA por amor

348

4 V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen

XVIII. [AUS LIEBE (ZU) (AP)] [X (Objekt/Adverb)] [X (Verb)] Roland

V>2

Pur vostre amur ici prendrai estal; (2139, Rol) Pur sue amor altretel funt li altre: (3123, Rol) Par bel amur malvais saluz li firent: (2710, Rol)

Saisnes

V>2

Por moie amor a piece deça ne venissiez. (3789 LT, Sais) Por l’amor Jhesu Crist [...] / An reclus me metrai, (7320–7321 LT, 1485–1486 R, Sais) Por l’amor de son pere qi [...] / Le non [...] li ont fait remüer: (7804 LT, Sais)

V2

Antioche

Jerusalem

Et cele doucemant par amors l’an mercie. (5828 LT, 113 R, Sais) Por vostre amor avra tost sa place voidie. (2337 LT, Sais) Par amors li tramist et par acointemant (2657 LT, Sais) Par amors li tramist et par acointemant (6257 LT, Sais)1 Por amor la roïne fu li rois consantant; (5581 LT, Sais) ...

V>2

Por amor au paien molt grant dol demena. (4159, Antio) Baron por amor Deu .I. petit m’entendes, (663, Antio) Sire por amor Dieu merci vos en querons. (804, Antio) Ne mais por amor Deu avés tot ço laisié. (8225, Antio)

V2

Por amor Deu vos pri que ces .III. jars junés (7536, Antio)

V>2

Por amor Deu de glore .I. petit m’entendés! (1225, Jer) Quant cascuns de vos est... / Por amor Deu vos proi [...] (7626, Jer)

V2

Por amor Deu de glore vos vauroie proier, (757, Jer) Por l’amor des .II. Turs fu Mahons celebrés. (3789, Jer) Por amor Damedeu n’alés mie alentant (4621, Jer) Sire por vostre amor serai jo armés ja. (6799, Jer) ... 1 Li tramist par amours et par acointement (2933 AR, Sais)

Auf die Frage, wie also diese – und alle restlichen – V>2-Strukturen der Formulierungstraditionen mit einleitender Adverbiale erklärt und bewertet werden müssen, komme ich in 4.2 (4.2.3) zurück.

Dieu KOMMA merci vos en querons), da diese aber nicht bestanden, ist letztlich nicht klar, ob tatsächlich Parenthesen intendiert waren. Dagegen spricht vermutlich der Rhythmus und die Metrik von Verstexten.

4.2 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer adverbialer Angabe

349

4.2.2 V>2-Formulierungstraditionen mit Adv-X-V-Struktur Insgesamt gibt es drei verschiedene V>2-Formulierungstraditionen mit Adv-X-VSyntax, die im Roland auftreten. Auch diese drei Formulierungen können in verschiedene Gruppen eingeteilt werden, die sich an der Art des Adverbs ausrichten (temporales vs. modales Adverb).50 Durch sie kann der Schreiber immer wiederkehrende Handlungsbeschreibung wie «solch einen Mann sehen», «auf das Pferd steigen», «sich verteidigen» etc. (cf. die entsprechenden Kollokationen unten in der Auflistung) jeweils auf dieselbe Weise näher spezifizieren: V>2-Formulierung mit TEMPORALEM ADVERB im Rolandslied XXII.

[NIEMALS (Satzadverb)] [EIN MENSCH/EINEN BESSEREN/X (Subjekt, Objekt)] [SEHEN/X (Verb)]

V>2-Formulierung mit MODALEM ADVERB im Rolandslied XXIII. [SCHNELL (Satzadverb)] [X (Subjekt, Objekt, Adv)] [X (Verb)] XXIV. [STOLZ(Satzadverb)] [X (Subjekt, Objekt)[X (Verb)] Abbildung 13 gibt einen Überblick über das Vorkommen aller Sätze, die den drei Formulierungen zugeordnet werden müssen. Das Vorkommen wird in realen und prozentualen Zahlen wiedergegeben:

50 Auch in diesem Fall handelt es sich um Formulierungen, in denen nur die erste Position semantisch spezifiziert ist. Eine Ausnahme bilden wieder Subformulierungen, in denen auch die Position des Verbs und die zweite präverbale Satzposition inhaltlich bestimmt sind.

2

4

0

1 1 12,5%

10%

40%

2 2 17% /

6 3 29% /

2

Jer

Clar

Villeh

Valen Roland

/

/

0

/

9

1 14%

78% 18

50% 18

Sais

Jer

Clar

85% 15 71% /

/

/

0

/

2 40%

Villeh Valen

60% 21 51% 4 67% 0

Antio

V2

7 100% 7 87,5% 10 83% /

3 50% 14

20 49% 2 33% 3 100% 3 60% 4 29% (+2)

V>2

(+) = komplexe Konstituente (Adv-Adv-V; AP-Adv-V; Adv-AP-V); Sätze mit komplexer Konstituente wurden nicht als V>2-Struktur gezählt (und von der Zählung ausgeschlossen). Hochgestellte Zahl = Adverb steht präverbal nicht in Initialstellung. / = kein Vorkommen der Adverbiale, auch nicht in Nachstellung.

(mult) fierement

6 4 86%

22

3 50% 44 22% (+1) (+11)

MOD

isnelement

12 (+2)

50%

Antio

10 71% (+33)

9

Sais

Roland

TEMP onkes

Formulierungen mit Adv-X-V

Abbildung 13

350 4 V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen

4.2 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer adverbialer Angabe

351

Zunächst lässt sich bei der Auswertung dieser Zahlen festhalten, dass ein deutlicher Unterschied zwischen der Formulierung mit dem temporalen Satzadverb onques und den Formulierungen mit den modalen Adverbien isnelement und fierement besteht. Die Formulierung mit onques zeigt in allen Texten ein relativ hohes V>2-Vorkommen, und selbst in der Prosa tritt das V>2-Muster hier auf, im Villehardouin und Valenciennes sogar häufiger als V2-Stellung. Das Rolandslied unterscheidet sich bei dieser Formulierung nur gering von den späteren Verstexten. V>2-Stellung ist in 56% der Fälle belegt, wohingegen es in den späten Verstexten 50% oder knapp unter 50% sind. Im Fall von Formulierung XXIII oder XXIV ist der Unterschied zwischen dem Rolandslied und den späteren Texten jedoch wieder deutlich. V>2-Stellung ist nur im frühen Heldenepos dominant. Die einzelnen Beispielsätze der drei Formulierungen können das jeweilige Verhältnis von V>2- zu V2-Stellung veranschaulichen: XXII.

[NIEMALS (Satzadverb)] [EIN MENSCH/EINEN BESSEREN/X (Subjekt, Objekt)] [SEHEN/X (Verb)]

Roland

Saisnes

V>2

Unches mais hom tel ne vit ajustee. (1460, Rol) Unches nuls hom nel vit juer ne rire. (1476, Rol) Unques nuls hom tel chavaler ne vit (2888, Rol) Unkes nuls hom ne vit tel ajustee.» (3322, Rol) unches meillor ne vi (629, Rol) Meillors vassals de vos unkes ne vi. (1857, Rol) ...

V2

Unc ne vi gent ki [...] (3515, Rol) Unches n’amai cuard ne cuardie.» (1485, Rol) Unkes nen oi poür la u tu fus. (2045, Rol) ...

V>2

Onques nuls hom ne vit plus gente Sarrazine. (1515 LT, 1589 LT, Sais) Onques cil n’ama bien qui [...] (2942 AR, 2667 LT, Sais) Onques vins ne clarez n’i fu par ax beüz, (3515 LT, Sais) Onques plain pié por ax ne fu il desfautrez. (3282 LT, Sais) ...

V2

Onques n’an fist samblant, tel gent conut assez; (3284 LT, Sais) Onques ne fu cavages si fierement offers. (874 AR, 828 LT, Sais) Onques ne fu estours si fierement tenus, (2358 AR, 2109 LT, Sais) ...

352

4 V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen

Antioche

Jerusalem

Clari

V>2

Onques nus hom del mont n’en vit tant assanbler. (5720, Antio) Onques mais nule gens tel paine ne sofri. (3437, Antio) Onques nus trestos seus n’en pot vis eschaper. (6623, Antio) Onques en lor herberges ne porent puis ester. (9136, Antio) Onques en paienie tels ne fu ajostee. (5400, Antio) Onques en Coroscane n’ envoiai por aïe, (5080, Antio) ...

V2

Onques n’en sorent mot li pute gens haïe (2158, Antio) Onques n’en sorent mot Sarrasin ne Esclé (2507, Antio) Onques n’en sorent mot li mal Popeliquant, (2633, Antio) Onques n’en sorent mot ne Franvois ne Breton, (2793, Antio) Onques n’i ot de lance ne feru ne boute, (3145, Antio) Onques n’i ot baron tant fust praus ne hardis (3430, Antio) Onques n’i ot François qui guencist por joster, (3530, Antio) ...

V>2

Onques miux ne fu pris colons al colonbier (2465, Jer) Onques des .X. milliers n’en remesent entier (2495, Jer) Onques por eus desfendre nes vi mius ordener, (2977, Jer) Onques Dex ne fist home qui [...] (5535, Jer) Onques nus hom ne vit encor si hait clocier. (8178, Jer) Onques nus hom ne vit si grande ne se per. (8274, Jer) Onques cil ne mangierent de pain ne de forment, (8878, Jer) Onques a lor herberges ne porent repairier. (9463, Jer) ...

V2

Onques n’i ot si povre qui de joie ne crie. (597, Jer) Onques n’i ot si povre qui de joie ne rie! (931, Jer) Onques n’en i ot .I. de si rice façon (1814, Jer) onques n’i ot geron. (1831, Jer) Onques n’i ot celui qui ne fust engrarnis. (2987, Jer) Onques n’i ot celui par grant devosion (5198, Jer) Onques n’i ot celui del remanoir se vant. (5389, Jer) ...

V>2

ne onques chu jour li Venicien [...] riens ne peurent forfaire [...] (71, 12, Cla) mais onques nul des Franchois [...] ne misent a pie. (66, 33, Cla)

V2

ne onques ne vit on gens plus rikement ne plus noblement aler [...] (19, 7, Cla) onques ne les oserent atendre, (43, 11, Cla) ne onques n’i oserent demourer; (74, 49, Cla) ...

4.2 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer adverbialer Angabe

353

Villehardouin

V>2

Onques de tant de gent nus hom plus bele ne vit. (56, Vil) Ne onques plus beles estores ne parti de nul port. (76, Vil) Onques nus de la terre ne de la cité ne fist semblant [...] (146, Vil)

Valenciennes

V>2

ne onques li Ascres ne tira ses regnes, (553, Val) ne onques mais si poi de gent ne se continrent si bien ne si biel. (656, Val) Ne onques por chou ne guerpi l’assaut (675, Val)

V2

Mais onques offre c’on lor fesist [...] (580, Val) onques ne s’arriesterent (655, Val)

XXIII. [SCHNELL (Satzadverb)] [X (Subjekt, Objekt, Adv)] [VERB] Roland

Saisnes

Antioche

V>2

Isnelement li ber resailit sus; (2085, Rol) Isnelement sur tute sa gent chet. (2536, Rol) Isnelement sur lor piez releverent. (3575, Rol) Isnelement si li ad comandet: (2453, Rol)

V2

Isnelement issent de la citet, (2767, Rol) Isnelement ad vestue sa brunie, (2988, Rol) Isnelement se drecent sur lur piez. (3884, Rol)

V>2

A tant isnelement vont es chevaus monter. (863 AR, 818 LT, Sais) Baudemas son neveu isnelement apele, (2438 AR, 2185 LT, Sais) Chascuns isnelement monta en l’auferrant; (1264 AR, 1201 LT, Sais) Chascuns isnelement monta sor son destrier; (1416 AR, Sais) Chascuns isnelemant a la broigne andossee; (4735 LT, Sais)

V2

Isnelement s’adoubent, n’i quierent ochoison; (1926 AR, 1688 LT, Sais) Isnelement s’adoubent, n’i font longue bargaigne. (2641 AR, 2382 LT, Sais) Isnelement s’adoubent et montent es chevaus: (2644 AR, Sais) Isnelement s’adoube, n’i fist lonc serventois; (2706 AR, 2448 LT, Sais) Isnelement s’adoubent, n’i fisent lonc sejour. (2779 AR, 2514 LT, Sais) ...

V>2

Quant [...] / Isnelement monterent sor les cevals norois (1468, Antio) Quant [...] / Isnelement et tost met la main a l’espee (3671, Antio)

354

4 V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen

Jerusalem

V2

Isnelement s’arma Godefrois de Bullon: (3635, Antio) Isnelement s’arma sor .I. blïaut de Sire, (3936, Antio) Isnelement se lieve, car il estoit armés, (4705, Antio) Isnelement s’en issent sor les destriers corans. (8062, Antio) Isnelement s’en issent sor lor destriers braidis. (8193, Antio) Isnelement s’adoube a le loi paienie. (8788, Antio) Isnelement le lieve al col de son destrier. (8883, Antio) ...

V>2

Cascuns isnelement s’arma devant son tré, (1965, Jer) Quant [...] / Isnelement devale de la grant tor antie. (2597, Jer) Tost et isnelement .III. briés nos escrivés, (2881, Jer) Quant [...] / Isnelement et tost a l’espee sacie, (6860, Jer) Isnelement et tost son auberc endossa (6890, Jer) Tost et isnelement les haubers endossés (7624, Jer)

V2

Isnelement monta que estrier n’i saisi (384, Jer) Isnelement remontent sans plus de demorer, (2445, Jer) Isnelement remontent, ne s’i vont delaiant, (2861, Jer) Isnelement monterent es destriers abrievés, (8015, Jer) Isnelement saut sus et trait le brant d’acier, (4753, Jer) Isnelement saut sus, trait le brant aceré. (8616, Jer) ...

XXIV. [STOLZ (Satzadverb)] [X (Subjekt, Objekt)] [X (Verb)] Roland

V>2

Li empereres mult fierement chevalchet. (739, Rol) Mult fierement tute sa gent reguarde(t)(z); (2984, Rol) Naimes li dux fierement le reguardet, (3423, Rol) Mult fierement Carlun en araisunet: (3536, Rol) ...

Saisnes

V2 V2

Mult fierement chevalchet li emperere; (3316, Rol) Fierement se combatent contre lor anemis, (4020 AR, Sais) Fierement se combatent corn vassal aduré. (4097 AR, Sais) Fierement vous aportent le treü et la rente (964 AR, 913 LT, Sais) Fieremant les reqierent sanz aler menaçant. (2422 LT, Sais) Fieremant se contienent au fer et a l’acier. (282 R, Sais) Fieremant les requerent comme janz aïree. (720 R, Sais) ...

Antioche

V>2

Corbaran d’Olifeme fierement regarda. (5364, Antio)

V2

Fierement se desfendent mais rien ne lor vaura. (634, Antio) Fierement se desfendent, n’ont soing de l’ espargnier. (3219, Antio)

4.2 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer adverbialer Angabe

355

Fierement se desfendent li gloton aversier; (3250, Antio) Fierement se desfendent vers la gent mescreüe. (8920, Antio) Fierement se desfent vers le gent desfaee. (9305, Antio) ... Jerusalem

V>2

Paien et Sarrasin fierement s’esbaudirent. (78, Jer) Et li rois des Tafurs fierement se travaille, (6917, Jer)

V2

Fierement ont la nostre, bels dous fils, calengie. (1377, Jer) Fierement se desfendent, iriés fu lor sanbla[n]s, (3672, Jer) Fierement i asalent li prince et li baron. (3632, Jer) Fierement les encauce li bons dus de Buillon, (4817, Jer) Fierement l’asaillirent, mais il n’en prisent mie. (5490, Jer) Fierement se contienent, regars ont de lions. (6382, Jer) Fierement nos reciurent et par grant estoltie: (6517, Jer) Fierement les escrie et aloit semonant (7542, Jer) Fierement se contienent, molt en ont mort cel jor. (8760, Jer) ...

4.2.3 Zu den Ursachen für syntaktische Varianz Im vorhergehenden Abschnitt hat sich gezeigt, dass V>2-Sätze in den Formulierungstraditionen mit initialer Angabe im Roland meist häufiger auftreten als in den späteren Verstexten und in der Prosa. In den Prosatexten ist sogar oft nur V2oder Nachstellung belegt. Eine Ausnahme hierzu stellen die Formulierungen mit der initialen Adverbiale mien escientre (teilweise auch mit pur amur) und mit dem einleitenden Satzadverb onques dar. In diesen Fällen tritt V>2-Stellung selbst in den späten Texten sehr häufig auf. Lässt man diese Formulierungen einmal außer Acht, stellt sich die Frage, ob die wenigen übrigen Fälle mit V>2-Struktur ebenfalls als tradierte Relikte alter Schreib- und Formulierungstraditionen erhalten wurden, wie ich dies schon hinsichtlich der Formulierungen mit initialer Verbergänzung annehme (cf. 4.1). Diese Annahme scheint einerseits fragwürdig, da bereits in 3.4.2.5 erklärt wurde, dass V>2-Strukturen mit initialer Angabe vermutlich eine bereits moderne französische Satzstruktur mit détachement (oder zumindest dessen Vorläufer) darstellen, weshalb es paradox wäre, sie als veraltete Strukturen zu bezeichnen. Andererseits scheint diese Frage aber durchaus berechtigt, denn anhand der Zahlenergebnisse hat sich eine deutliche Parallele zu den Strukturen mit initialer Verbergänzung abgezeichnet, insofern ausschließlich im Rolandslied V>2-Stellung bei den meisten dieser Formulierungen häufig auftritt. Im Folgenden werde ich deshalb nochmals auf das Thema der Formulierungstradierung eingehen.

356

4 V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen

Die Analyse der acht Formulierungen mit initialer Adverbiale und der drei Formulierungen mit initialem Adverb zeigt, dass das Auftreten oder Nicht-Auftreten von V>2-Stellung stark davon abhängt, ob und in welcher Weise die einzelnen Formulierungen tradiert wurden. Anhand der folgenden Beispiele können verschiedene Entwicklungen der Formulierungen exemplarisch dargestellt werden:51 A. TRADIERUNG DER FORMULIERUNG MIT V2-SYNTAX: A icest colp ... Die Formulierung A icest colp ... tritt im Roland mit V>2- und V2-Syntax auf. Tradiert wurde sie in allen späteren Verstexten, allerdings dort nur mit V2-Syntax (zur Veranschaulichung hier nochmals einige Belege): Abbildung 14 XXI. [BEI DIESEM/JENEM/BEIM ERSTEN/ ... SCHLAG(AP)] [X(Objekt/Adverb)] [X(Verb)] Roland

V>2

A icest colp cil de France s’esc(ri)rient: (3365, Rol) A colps pleners de lor espiez i perdent: (3401, Rol) A premers colps i uns ocis Gualter (2076, Rol)

V2

A icel colp l’ad Rollant reguardet, (1998, Rol) A icest colp est li esturs vencut. (3930, Rol)

Antioche

V2

Al premier coup ocist .I. neveu l’amirant (4002, Antio) Al premier coup qu’il traient nos ont il mort Elie (1505, Antio) A .I. colp fendi tot l’aumaçor de Montire. (3933, Antio)

Jerusalem

V2

A icel coup perdierent .XV. des nos la vie (3476, Jer) A l’autre coup rocist son frere Rubion (8714, Jer)

B. VERÄNDERUNG DER FORMULIERUNG MIT V2-SYNTAX: Sur l’erbe verte ... Die Formulierung durchläuft in ihrer Tradierung grundlegende Veränderungen: Im Roland beginnt sie in der Regel immer mit der Adverbiale Sur l’erbe verte ... und die Adverbiale steht ausschließlich präverbal, als V>2- oder V2-Struktur. In den späten Verstexten wurde die Formulierung dahingehend verändert, dass nicht mehr Sur l’erbe verte sondern Sur l’erbe et sur le jons oder Sur l’erbe drue/ verdie/etc. zu lesen ist. Die Adverbiale tritt hier präverbal ausschließlich in V2Sätzen oder überhaupt nur postverbal auf:

51 Für eine vollständige Auflistung aller Formulierungen cf. Anhang 3, ebenso für die vollständige Auflistung aller Okkurrenzen der folgenden Formulierungen.

4.2 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer adverbialer Angabe

357

Abbildung 15 XV. [AUF DAS (GRÜNE) GRAS(AP)] [X(Subjekt/Adverb/Adverbiale)] [NIEDERLEGEN/X ... (Verb)] Roland

V>2

Sur l’erbe verte li quens Rollant se pasmet (176, Rol) Sur l’erbe verte li cler sancs s’en afilet (130, Rol) Sur l’erbe verte si est caeit envers: (2269, Rol) Sur l’erbe verte puis l’at suef culchet. (2175, Rol) Sur la verte herbe mult laidement se culcet; (2573, Rol) Sur l’erbe verte ultre ses cumpaignuns La veit gesir le nobilie barun (2236, Rol) Sur l’erbe verte s’i est culchet adenz (3097, Rol) Sur l’erbe verte s’i est culchet adenz (2358, Rol)

V2

Sur l’erbe verte estut devant sun tref. (671, Rol) Sur l’herbe verte descent li reis en un pred (2448, Rol) Sur l’erbe verte veit gesir sun nevuld (2876, Rol) Sur l’erbe verte en espant li cler sanc. (3972, Rol)

V2

Sor l’erbe et sor le jonc s’assisent por le froit, (2891 AR, 2617 LT, Sais) Sor les jons et sor l’erbe, n’i ot autre dangier. (3885 AR, Sais)

postverbal

Guithechins de Sassoigne descent sor l’erbe drue. (1397 AR, 1328 LT, Sais) Et li Saisne trabuche (lutter) sor l’erbe qi verdie, (3676, Sais) Pour le chaut sont assis sor l’erbe et sor le jon, (3603 AR, Sais) Si a prise s’espee sor l’erbe verdoiant, (6830 LT, 1027 R Sais)

Antioche

postverbal

Quatre fois se pasma desor l’erbe florie, (1766, Antio)

Jerusalem

postverbal

Mort l’abat del ceval sor l’erbe qui verdie. (5728, Jer) Li rois caï a terre sor l’erbe qui verdie (5872, Jer) Ausi passaient sus con desor herbe drue, (7454, Jer) Tout abat en .I. mont sour l’erbe a la froidure. (9158, Jer)

Saisnes

Besonders bei Formulierungen mit gleichem Inhalt zeigt sich, dass zwischen dem frühen und dem späten Verstext eine Veränderung im Gebrauch der Formulierung stattgefunden hat, wie die folgenden Sätze exemplarisch demonstrieren. Beispiele (61a, b) enthalten die Botschaft, dass die jeweils handelnde Person in das Gras (vom Pferd) absteigt. In beiden Fällen handelt es sich um einen V2-Satz. Der Unterschied besteht darin, dass sich das Subjekt im Roland postverbal befindet und der Vers von der Adverbiale eingeleitet wird. Im Saisnes hingegen steht die Adverbiale in Endposition und das Subjekt entsprechend präverbal. Beispiel (62a, b) erzählt davon, dass eine Person im Gras in Ohnmacht fällt. Dieser Inhalt wird im Roland durch einen V>2-Satz wiedergegeben, mit präverbalem Subjekt

358

4 V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen

und der Adverbiale in Anfangsstellung. Im Antioche dagegen steht ein V2-Satz, der zwar kein realisiertes Subjekt enthält, stattdessen aber die Adverbiale quatre fois in Initialstellung setzt und desor l’erbe wieder in Endstellung. 61. a. Sur l’herbe verte descent li reis en un pred (Rol, 2448) b. Guithechins de Sassoigne descent sor l’erbe drue. (Sais, 1397 AR, 1328 LT) 62. a. Sur l’erbe verte li quens Rollant se pasmet (Rol, 176) b. Quatre fois se pasma desor l’erbe florie, (Antio, 1766) In den Prosatexten wird die Adverbiale überhaupt nicht verwendet, was dafür spricht, dass es sich um eine Formulierungstradition handelt, die vor allem in epischen Texten geläufig war und in den nüchternen Prosachroniken überflüssig wurde.52 C. TRADIERUNG DER FORMULIERUNG MIT VERÄNDERTER V>2-STRUKTUR: En la presse ... Es zeigt sich, dass bei dieser Formulierung außer im Rolandslied nur im Saisnes V>2-Stellung vorkommt, dort jedoch nicht mit initialer Adverbiale, sondern mit SAP-V-Stellung. Mit anderen Worten, die im Roland zu beobachtende Regelmäßigkeit, die Formulierung mit der Adverbiale beginnen zu lassen, wird trotz bestehender V>2-Syntax nicht aufrechterhalten. Im Saisnes existiert V>2-Stellung in diesem Fall nur in Kombination mit den aus 4.1 bekannten Formulierungen mit einem Herrscher oder dem ungläubigen Gegner als Subjekt in Initialstellung. Das Bilden einer V>2-Struktur mit der Adverbiale in Initialstellung könnte für den Schreiber also zu ungewöhnlich geworden sein, sodass er entweder das Subjekt an den Beginn des Verses setzte (falls das Setzen eines lexikalisch realisierten Subjekts im Rahmen der Erzählstruktur möglich war) oder einen V2-Satz bildete.

52 Das Nicht-Übernehmen der Formulierung ist hier möglicherweise auf den Inhalt zurückgeführt, denn die Formulierung setzt voraus, dass der realistische Erzähler tatsächlich in einer Gegend war, in der es grüne Wiesen gab.

4.2 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer adverbialer Angabe

359

Abbildung 16 XIV. [IM (GROßEN) GETÜMMEL(AP)] [X(Adverb/Objekt)] [SCHLAGEN/KÄMPFEN/X(Verb)] Roland

V>2

En la grant presse or i fiert cume ber, (1967, Rol) En la grant presse mil colps i fiert e plus (2090, Rol)

Saisnes

V>2

Li riches rois Aufars [qui ...] / Enz en la greignor presse fiert et frape et flaele, (3980 AR, Sais) L’empereres meïsmes en la presse s’est mis, (4016 AR, Sais) Joffrois li Angevins en la presse s’enpaint, (2742 AR, 2483 LT, Sais) Uns paiens orgoillox an la presse destant, (1100 R, Sais)

V2

En la presse se fiert a guise de lupart, (1985 AR, 1747 LT, Sais) An la presse s’ambat de la gent paienie; (4826 LT, Sais) An la presse s’ambat iriez comme mastin, (4953 LT, Sais) En la presse se fiert com fau cons qui oisele, (3967 AR, Sais) An la presse la lait, si fu conme tanpeste. (344 R, 6077 LT, Sais)

D. VERÄNDERUNG DER FORMULIERUNG MIT V>2- UND V2-SYNTAX: Isnelement ... Die Formulierung verändert sich in den späten Verstexten zum einen dahingehend, dass nicht mehr nur isnelement ... geschrieben wurde, sondern tost et isnelement. Dieses neue Element wurde mit V>2 und V2-Syntax verwendet. Zum anderen kam die Formulierung Cascuns isnelement ... hinzu, die eine V>2-Variante hervorruft, die im Rolandslied nicht belegt ist: Abbildung 17 XXIII. [SCHNELL(Satzadverb)] [X(Subjekt, Objekt, Adverb)] [VERB] Roland

V>2

Isnelement li ber resailit sus; (2085, Rol) Isnelement sur tute sa gent chet. (2536, Rol) Isnelement sur lor piez releverent. (3575, Rol) Isnelement si li ad comandet: (2453, Rol)

V2

Isnelement issent de la citet, (2767, Rol) Isnelement ad vestue sa brunie, (2988, Rol) Isnelement se drecent sur lur piez. (3884, Rol)

Variante: [SOFORT UND SCHNELL (Satzadverb)] [X (Subjekt, Objekt, Adverb)] [VERB] Saisnes

V2

Tot et isnelement sont es armes coru. (588 R, 6333 LT, Sais) Tot et isnelement s’an est an piez levez (1632 R, 7492 LT, Sais) Tost et isnelement relace sa ventaille, (1648 AR, 1573 LT, Sais) Tost et isnelemant s’est au roi adresciez. (3232 LT, Sais) Tost et isnelemant est sor ax ambatu. (3705 LT, Sais)

360

4 V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen

Abbildung 17 (fortgesetzt) XXIII. [SCHNELL(Satzadverb)] [X(Subjekt, Objekt, Adverb)] [VERB] Jerusalem

V>2 V2

Tost et isnelement .III. briés nos escrivés, (2881, Jer) Isnelement et tost son auberc endossa (6890, Jer) Tost et isnelement les haubers endossés (7624, Jer) Tost et isnelement soit ja li asaus mis (1194, Jer) Tost et isnelement descendent del lairis. (1205, Jer) Tost et isnelement fu la vile asiegee! (1344, Jer) Isnelement et tost s’en est d’illuec tornés, (3767, Jer) Isnelement et tost a trait le brant forbi (5814, Jer)

Antioche

V2

Isnelement et tost a Buiemont mandé (4305, Antio) Isnelement et tost a pris .I. durghemant (5518, Antio) Isnelement et tost a cels de l’ost mandés (6258, Antio)

Variante: [JEDER (Subjekt)] [SCHNELL (Adverb)] [X (Verb] Saisnes

V>2

Chascuns isnelement monta en l’auferrant; (1264 AR, Sais) Chascuns isnelement monta sor son destrier; (1416 AR, Sais) Chascuns isnelemant a la broigne andossee; (4735 LT, Sais)

Jerusalem

V>2

Cascuns isnelement s’arma devant son tré, (1965, Jer)

E. FORMULIERUNGSTRADIERUNG MIT V>2-STRUKTUR: Onques nuls hom ne vit ... In diesen Fällen werden die Formulierungen des Rolands noch in ihrer ursprünglichen V>2-Struktur ohne syntaktische Veränderung tradiert, was bedeutet, dass die adverbiale Angabe auch in den späten Texten satzinitial in V>2Strukturen auftritt. Gezeigt werden kann dies anhand einer Subformulierung von XXII: Abbildung 18 XXII(i). [NIEMALS(Satzadverb)] [(K)EIN MENSCH(Subjekt)] [SEHEN(Verb)] Roland

V>2

Unkes nuls hom ne vit tel ajustee. (3321, Rol) Unches nuls hom nel vit juer ne rire. (1476, Rol) Unques nuls hom tel chavaler ne vit (2888, Rol) Unches mais hom tel ne vit ajustee. (1460, Rol)

V>2

Onques nus hom ne vit plus gente Sarrazine. (1589 AR, Sais)

Jerusalem

V>2

Onques nus hom ne vit encor si hait clocier. (8178, Jer) Onques nus hom ne vit si grande ne se per. (8275, Jer) D’un clavain ploieïs – onques hom ne vit tés. (8983, Jer)

Antioche

V>2

Onques nus hom del mont n’en vit tant assanbler. (5720, Antio)

Saisnes 1

4.2 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer adverbialer Angabe

361

Abbildung 18 (fortgesetzt) XXII(i). [NIEMALS(Satzadverb)] [(K)EIN MENSCH(Subjekt)] [SEHEN(Verb)] Villehardouin 1

V>2

Onques de tant de gent nus hom plus bele ne vit. (58, Vil)

Außerdem: Onques nus hom ne vit nule gent plus hardie (29, Jer, Appendix 13)

Nach der Darstellung der in diesem Abschnitt besprochenen Formulierungsbeispiele wird ersichtlich, dass V>2-Strukturen mit präverbaler Angabe in den späten Texten des Korpus teilweise tatsächlich durch die Tradierung einzelner Formulierungsgewohnheiten erhalten blieben, und dass sie im Umkehrschluss durch das Loslösen oder Verändern von Formulierungstraditionen aufgegeben wurden. Wie eingangs bereits gesagt, könnte dies bedeuten, dass diese V>2-Strukturen syntaktische Relikte sind und nur durch die Praxis des Tradierens älterer Schreibgewohnheiten mit in die Texte des 12. und 13. Jahrhunderts übernommen wurden. Allerdings stellt sich bei dieser Annahme das Problem, dass nicht alle hier untersuchten Formulierungen den Schwund von V>2 tatsächlich bestätigen, da V>2-Sätze zum Teil auch regelmäßig in der Prosa auftreten (cf. mien escientre oder onques). Dies war bei allen Formulierungen mit präverbalem Subjekt oder Objekt nicht der Fall, und so stellt uns insbesondere diese Differenz vor die Schwierigkeit, eine Erklärung dafür zu finden, warum eine Struktur wie S-X-V oder O/PO-XV von den Prosa-Schreibern nicht aufgegriffen wurde, eine Struktur mit AP-X-Voder Adv-X-V-Stellung hingegen schon – wenn doch diese Strukturen veraltet waren. Wenn man entgegen dieser These annehmen möchte, dass alle V>2-Strukturen mit initialer Angabe, die in den späten Texten auftreten, Strukturen mit extraposition bzw. détachement sind, stellt sich die Frage, warum V>2 in den meisten Fällen so selten auftritt bzw. seltener auftritt als im Rolandslied. Dies erscheint paradox, denn im Grunde dürfte es überhaupt keinen Rückgang oder Schwund der Strukturen gegeben haben, da das détachement ja auch im modernen Französischen besteht und auch im Mittelfranzösischen belegt ist (cf. Zwanenburg 1978). Um diese Frage beantworten zu können, werde ich im folgenden Abschnitt nochmals genauer diskutieren, welche Möglichkeiten der extraposition das Altfranzösische tatsächlich hatte und wie diese im Zusammenhang mit den verschiedenen Textsorten und Gattungen (Verstext und Prosa) zu bewerten sind.

362

4 V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen

4.2.4 Eine extraposition im Altfranzösischen: Abschließende Bemerkungen Wie bereits mehrfach in dieser Arbeit dargestellt, vertreten verschiedene Forscher die These, dass das Altfranzösische eine initiale extraposition hatte, die an den V2-Satz angrenzt (Prévost 2012) bzw. angrenzend an die CP auftritt (Adams 1989; Rinke 2007) und in der adverbiale Elemente ihren Platz finden. In diesem Sinne kann vermutet werden, dass V>2-Sätze mit einleitender Adverbiale (oder einleitendem Adverb) Strukturen darstellen, die der modernen französischen Struktur mit initialem détachement gleichen oder zumindest deren Vorläufer sind. Im Unterschied zum modernen Französischen scheint die spezifisch-altfranzösische extraposition aber nicht obligatorisch vor einem S-V-Satz zu stehen. Es hat den Anschein, dass sie auch einen V2-Satz mit präverbalem Objekt oder präverbaler Angabe einleiten kann, wodurch sie sich deutlich von der modernen Variante unterscheiden würde. Auf der Grundlage der soeben untersuchten Formulierungen soll nun nochmals die Frage gestellt werden, ob eine spezifisch-altfranzösische Form der extraposition bzw. des détachement tatsächlich existierte. Zur Beantwortung dieser Frage wurde zunächst das Verhältnis zwischen Adverbiale-/Adverb-S-V-Strukturen und Adverbiale-/Adverb-V2(X-V)-Strukturen im Korpus ermittelt. Ich habe hierfür alle Okkurrenzen der acht Formulierungen mit initialer Adverbiale auf ihre spezifische Satzstruktur hin überprüft und sie nach AP-S-V- und AP-X-VStellung gruppiert. Es zeigte sich, dass Sätze mit AP-S-V-Stellung in allen Texten vertreten sind. Sie finden sich im Roland in fünf von acht Formulierungen, im Saisnes in einer von acht Formulierungen, im Antioche in drei Fällen und im Jerusalem in einem Fall. In der Prosa treten diese Sätze in einer Formulierung des Villehardouin- und in einer Formulierung des Valenciennes-Textes auf. Interessanterweise sind AP-X-V-Sätze ausschließlich in den Verstexten belegt. Eine Ausnahme bildet lediglich die AP-si-V-Variante (cf. unten). Aufgrund dieser Tatsache ist die Frage zu stellen, ob die zwei Strukturen – AP-S-V und AP-X-V – überhaupt den gleichen Satztyp darstellen. Mit anderen Worten, es ist zu überlegen, ob in beiden Fällen tatsächlich ein Satz mit extraposition gegeben sein muss. Zweifel scheinen in diesem Punkt berechtigt, denn wenn bei der AP-X-VKonstruktion eine Form mit extraposition bestanden hätte, hätte sie auch in der Prosa auftreten müssen. Dies ist anhand meiner Ergebnisse aber nicht erwiesen.53

53 Dieser Einschätzung könnte man entgegenhalten, dass in Bezug auf die Prosa zu wenige Zahlen vorliegen (insgesamt nur 3 Okkurrenzen) und eine umfassendere Untersuchung der Prosatexte deshalb erforderlich wäre. Diesem Argument ist zuzustimmen, allerdings wird meine Einschätzung bereits durch die Arbeit von Prévost, et al. (2012, 168–170) unterstützt, denn auch hierin ist belegt, dass in der Prosa (fast) ausschließlich Angabe-si-V und Angabe-S-V auftreten.

4.2 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer adverbialer Angabe

363

Im Fall aller AP-S-V-Strukturen scheint die Annahme einer extraposition aber durchaus berechtigt, zumindest was die Belege aus den Prosatexten betrifft, da dort das AP-S-V-Muster in gleicher Weise aufritt wie im heutigen Französischen. Im Fall der Verstexte ist diese Annahme allerdings weniger stichhaltig, da eine extraposition hier weder durch eine V2- noch durch eine S-V-Beschränkung gerechtfertigt werden kann. Wie die folgenden Verstext-Beispiele zeigen, folgt selbst bei der Annahme einer extraposition der Adverbiale a cest mot ... keine V2oder S-V-Syntax, sondern eine V>2-Struktur, die mit li uns a l’autre Teil einer Formulierungstradition ist. Wenn also auch in diesen Fällen von einer extraposition die Rede sein soll, dann nur unter der Bedingung, dass sie unabhängig von syntaktischen Restriktionen im Vers gebildet werden konnte. 63. a. V4 b. V4 c. V5

A icel mot l’un a l’altre ad clinet (Rol, 2008) A cest mot [...] li uns l’autre desfie, (Sais, 2667 LT) A cest mot li uns l’autre par maltalant deifie, (Sais, 1328 R)

Untersucht man alle AP-X-V-Strukturen genauer, zeigt sich, dass im Vers sowohl AP-O-V als auch AP-AP-V und AP-Adv-V (mit verschiedenen meist kurzen Adverbien, wie puis, la, or, si) belegt sind, wohingegen in der Prosa nur AP-si-V auftritt: 64. AP-O-V

En la grant presse mil colps i fiert e plus (Rol, 2090)

65. AP-PO-V

A icest mot sur son cheval se pasmet. (Rol, 1988)

66. AP-Adv-V a. Sur l’erbe verte puis l’at suef culchet (Rol, 2175) b. Sur l’erbe verte [...] / La veit gesir le nobilie barun (Rol, 2236) c. En la grant presse or i fiert cume ber, (Rol, 1967) 67. AP-si-V

a. Al matin si fu li parlemenz en un vergier a l’abaïe [...] (Vil, 43) b. Dedens chele capele si trova on de molt rikes saintuaires, (Cla, 82, 15–16)

Sätze mit AP-Adv-V-Struktur sprechen zunächst für die Annahme, dass die erste Position «extra» steht. Allerdings ist zumindest in Beispiel (66b) wohl eher von einer Dislokation zu sprechen, da mit la eine Form von Resumptivum gegeben ist, die auch in V2-Sprachen bei Linksversetzungen auftreten kann, wie bereits in 3.4.1.3 und 3.4.2.3 gezeigt wurde (dt. Im grünen Gras, dort sieht er den edlen Krieger liegen). Hinsichtlich des Beispiels (67a) ist – wie bereits in 3.4.2.1 besprochen wurde – anzunehmen, dass Strukturen mit einer komplexen Konstituente mit

364

4 V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen

Diskurspartikel vorliegen. Die Partikel si hat hier die Funktion, an das vorhergehende Geschehen anzuknüpfen und die initiale Adverbiale mit diesem zu verbinden. Die deutsche Übersetzung zeigt nochmals, dass diese Möglichkeit auch in einer modernen V2-Sprache gegeben ist (mit der Diskurspartikel «also»): 68. Am Morgen ALSO war die Versammlung in einem Garten der Abtei [...] Auch in einem Fall wie En la grant presse or i fiert cume ber könnte man sich fragen, ob or (oder auch puis) in zweiter präverbaler Satzposition nicht auch mit einer Diskurspartikel gleichzusetzen ist, entsprechend der deutschen Partikel «nun». Da das deutsche «nun», ebenso wie das altfranzösische or (bzw. puis), ursprünglich temporale Bedeutung trägt, diese Bedeutung in der Funktion als Partikel aber abgeschwächt ist, scheint mir dieser Vergleich durchaus gerechtfertigt. Als Partikel kann «nun» im Deutschen (in distanzsprachlichem Gebrauch), ebenso wie «also», diskurskonnektive Funktion erfüllen: «Dieser Mann nun war höchst verdächtig» oder «Dieser Mann also war höchst verdächtig». Im vorliegenden Fall könnte or also eine konnektive Funktion ausgeübt und die initiale Adverbiale mit dem Handlungskontext verbunden haben.54 Es läge damit eine V2-Struktur mit komplexer Konstituente vor und keine extraposition. Ich halte fest, dass im Fall aller AP-X-V-Strukturen einige Zweifel darüber bestehen, ob überhaupt eine extraposition gegeben ist. Zum einen, da die meisten dieser Strukturen in der Prosa gar nicht auftreten bzw. nur solche Strukturen auftreten, die eine initiale Adverbiale mit folgender si-Partikel enthalten und deshalb nicht als Sätze mit extraposition zu verstehen sind (AP-si-V);55 zum anderen, da im Verstext neben Sätzen mit Diskurskonnektoren oder Linksversetzungen vermutlich nur eine versspezifische Verwendung der Voranstellung von Adverbialen existierte, die keinen syntaktischen Restriktionen unterlag und auch V4-Strukturen zuließ. Wahrscheinlicher scheint die These, dass im Vers aufgrund rhythmischer Bedingungen überhaupt keine Position außerhalb des Satzes gege-

54 Diese Interpretation ist auch mit Handlungskontext vereinbar: Oliver sent qu’il est a mort nasfret./De lui venger ja mais ne li ert sez./En la grant presse or i fiert cume ber,/Trenchet cez hanstes e cez escuz buclers,/E piez e poinz e seles e costez. («Olivier spürt, dass er tödlich verwundet ist.» / «Er wird seinen Rachedurst nie stillen.» / «Mitten im Kampfgetümmel ALSO schlägt er drein wie ein edler Krieger», / «Er zerschlägt Lanzen und Buckelschilde», / «Füße und Fauste, Sattel und Flanken») (1965–1969, Rol). 55 Natürlich könnte man an dieser Stelle den Einwand vorbringen, dass AP-V2 nur deshalb nicht auftritt, da typische V2-Strukturen wie O-V-X in der Prosa generell seltener verwendet wurden als im Vers. Dies trifft allerdings nur auf O-V-X zu, denn AP-V-X oder Adv-V-X sind in der Prosa sehr häufig. Somit ist nicht klar, warum dort nicht auch AP-AP-X oder AP-Adv-V auftreten kann.

4.2 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer adverbialer Angabe

365

ben war, da der Vers dadurch vermutlich zu stark unterbrochen und die Metrik verletzt worden wäre. Diese Vermutung lässt sich allerdings nicht gänzlich klären. Wahrscheinlich ist, dass AP-X-V-Strukturen in den untersuchten Fällen meist auf das Auftreten von Formulierungen zurückzuführen sind. AP-S-V-Sätze, verstanden als Strukturen mit extraposition bzw. détachement, scheinen hingegen in der Prosa und somit vermutlich auch in der allgemeinen Kommunikation existiert zu haben. Aber auch bei ihnen sollte Vorsicht hinsichtlich der Annahme einer extraposition geboten sein, sofern sie im Verstext verwendet wurden.

4.2.5 Fazit zu V>2-Formulierungstraditionen mit initialer Angabe Abschließend komme ich abermals auf die in Kapitel 2.2.3.2 diskutierte Frage zurück, ob V>2-Stellung im Altfranzösischen durch die Annahme einer gesplitteten CP-Ebene zu erklären ist. Die Annahme, die für V>2-Strukturen mit initialer Verbergänzung getroffen wurde, steht auch für alle V>2-Strukturen mit initialer Angabe im Raum. Es wurde vorgeschlagen, dass diese Strukturen mit einer V2CP-Grammatik vereinbar sind, da auch ihnen eine CP-Struktur zugrunde liegt. Aufgrund der nun abgeschlossenen Analyse aller V>2-Formulierungen mit initialer Adverbiale oder initialem Adverb sollte dieser Vorschlag neu überdacht werden, denn wenn V>2-Strukturen mit AP/Adv-V2-Struktur ausschließlich eine Besonderheit der Verstexte darstellen, sind sie vermutlich diskurstraditionell bedingt und repräsentieren nicht den allgemeinen Sprachgebrauch zu altfranzösischer Zeit. Und wenn in der Prosa nur der «moderne» Strukturtyp mit AP/Adv-SV (oder AP/Adv-si-V) auftritt, ist die Annahme einer CP-Struktur für diesen Typ nicht besonders wahrscheinlich, da weder die lateinische Struktur mit A-S-VStellung noch die moderne französische Struktur mit détachement und A-S-VStellung eine CP-Struktur besitzen. Eine derartige Annahme würde einen CPReanalyseprozess für den Zeitraum des Altfranzösischen voraussetzen, der mit Blick auf die Ergebnisse aus Kapitel 4.1 nicht plausibel erscheint. Wie sich in besagtem Kapitel zeigte, sind V>2-Sätze mit initialer Ergänzung mit großer Wahrscheinlichkeit als veraltete Strukturen anzusehen, die im Altfranzösischen nicht mehr existierten. Dies bestärkt die These, dass überhaupt keine CP-Struktur für irgendeinen altfranzösischen V>2-Typ anzunehmen ist. Problematisch an der Idee einer Reanalyse für V>2-Strukturen mit initialer Angabe ist letztlich, dass nicht einleuchtet, warum diese dann nicht auch für V>2-Sätze mit initialer Verbergänzung stattgefunden hatte.

366

4 V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen

4.2.6 V>2-Formulierungstraditionen mit initialem adverbialem Nebensatz Insgesamt gibt es fünf verschiedene Typen an V>2-Formulierungstraditionen mit initialem Nebensatz, die im Roland auftreten. Diese fünf Typen unterteilen sich in zwei Gruppen, die an der Art des Nebensatzes ausgerichtet sind: Der einleitende Nebensatz ist temporal und beginnt auf Quant ... (XXV-XXVII) oder der einleitende Nebensatz beginnt auf Se ... und ist konditional oder konzessiv (XXVIIIXXIX).56 XXV.

a, b [ALS] [HÖREN/ERFAHREN (Verb)] [{PERSON}(Subjekt)] [X Hauptsatz]

Quant l’ot Rollant, si cumençat a rire. (302, Rol) Quant l’ot Rollant, Deus! si grant doel en out! (1196, Rol) Quant ot Rollant, qu’il ert en la rereguarde, / Ireement parlat a sun parastre: (761, Rol) Quan l’ot Marsilie, si l’ad baiset el col, (601, Rol) Quant l’ot Marsilie, vers sa pareit se turnet, (3645, Rol) Quant l’ot li reis, fierement le reguardet, (745, Rol) Quant l’oït Guenes, l’espee en ad branlie; (499, Rol)

XXVI. [ALS][{PERSON} (Subjekt)] [SEHEN (Verb)] [X Hauptsatz] Quant veit li quens [...] / Mult dulcement la pleinst a sei meïsme: (2342–2343, Rol) Quant veit li reis [...] / Sur l’erbe verte descent li reis en un pred, (2447–2448, Rol) Quant veit Tierri [...] / Sun destre guant en ad presentet Carle. (3850–3851, Rol) Quant ço veit Guenes [...] / Dunc ad tel doel pur poi d’ire ne fent, (303–304, Rol) Quant Carles veit [...] / Sin apelat Jozeran de Provence, (3006–3007, Rol) Quant Carles veit [...] / Mult l’enbrunchit e la chere e le vis (3815–3816, Rol) Quant Carles veit [...], / Li gentilz reis descendut est a piet, (2477–2478, Rol) Quan Rollant veit [...] / Ço dist li quens: (1935–1936, Rol) Quant ele vit [...] / A halte voiz s’escrie: «Aiez nos, Mahum! (3640–3641, Rol) Quant de Franceis les escheles vit rumpre, / Si apelat Tierri, le duc d’Argone, (3533–3534, Rol) Quant paien virent [...] / Entr’els en unt e orgoil e cunfort. (1940–1941, Rol)

XXVII. [ALS] ([X (Subjekt)]) [AUFRICHTEN(Verb)] [X Hauptsatz] Quant se redrecet, mult par out fier lu vis; (142, Rol) Quant il se drecet, li soleilz est culchet. (2481, Rol)

56 Auf eine vollständige bzw. umfassendere Präsentation der den Formulierungen zugehörigen V>2-Sätze wurde in diesem Abschnitt verzichtet, da das Vorkommen der Sätze zum Teil sehr hoch ist. Aus platz- und darstellungsbedingten Gründen sind diese Sätze nur in Anhang 4 aufgeführt (abgesehen von einigen der hier folgenden Beispiele aus dem Rolandslied).

4.2 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer adverbialer Angabe

367

XXVIII. [WENN] [FINDEN (Verb)] [{PERSON}(Subjekt)] [X Hauptsatz] Se jo truis ó, mult grant bataille i ert; (2676, Rol) Se trois Rollant li proz enmi ma veie, / Se ne l’asaill, dunc ne faz jo que creire, (986–987, Rol) Se truis Rollant, de mort serat finet, (902, Rol) Se trois Rollant, de mort li duins fiance. (914, Rol)

XXIX. [WENN] [FLIEHEN (Verb)] [{PERSON}(Subjekt)] [X Hauptsatz] Se fuit s’en est Marsilies, / Remes i est sis uncles, Marganices, (1913–1914, Rol) S’or ne s’en fuit Karlemagne li veilz, / Li reis Marsilie enqui serat venget: (2807–2808, Rol)

Die folgende Tabelle zeigt nun, dass im Fall der Formulierungen mit einleitendem Quant-Nebensatz V>2-Stellung in allen Texten häufiger auftritt als V2-Stellung. Insgesamt sind es jeweils immer über 70%, und anders als bei den bisherigen Formulierungen besteht zwischen dem Roland und den späten Verstexten in diesem Fall kein Unterschied in der Frequenz des V>2-Vorkommens. Selbst der Unterschied zwischen Prosa und Verstext scheint weniger ins Gewicht zu fallen als bisher, denn auch in der Prosa sind diese Formulierungen mehrheitlich belegt. Allerdings grenzen sich die Prosatexte dennoch in einem Punkt von den Verstexten ab, da in ihnen V2-Stellung so gut wie gar nicht vorkommt. Die Auswertung aller Formulierungen mit einleitendem Se-Nebensatz ergab insgesamt nur wenig Okkurrenzen, was bedeutet, dass diese Formulierungen in allen Texten kaum oder gar nicht verwendet wurden. Das Ergebnis scheint auf den ersten Blick mager, da nur wenige Formulierungen – mit teilweise geringer Trefferzahl – identifiziert werden konnten. Allerdings relativiert sich dieser Eindruck, wenn man alle mit Nebensatz beginnenden Hauptsätze in den sieben Texten auswertet, denn die Auswertung zeigt, dass die fünf identifizierten Formulierungen den weitaus größten Teil des Gesamtvorkommens ausmachen. Betrachtet man also zum Beispiel alle einleitenden QuantSätze, ergibt sich kein anderes Ergebnis als das bereits durch die Formulierungen gewonnene: V>2-Stellung überwiegt in allen Texten deutlich, und V2-Stellung ist in der Prosa kaum belegt. Aus der Tabelle wird ersichtlich, dass V2-Stellung insgesamt selten auftritt, womit sich ein Unterschied zu V2-Sprachen, wie dem Deutschen, abzeichnet. Außerdem wird deutlich, dass Strukturen, in denen dem einleitenden Quant-Satz ein präverbales Objekt oder eine andere Konstituente (außer einem Adverb) folgt, in der Prosa überhaupt nicht auftreten. Sie stellen demnach vermutlich eine Besonderheit der Verstexte dar. Sätze mit präverbalem Subjekt (Quant-S-V) gibt es hingegen in jedem der sieben Texte. Dies lässt vermuten, dass diese Sätze eine syntaktische Struktur hatten, die entweder im allgemeinen Sprachgebrauch da-

11

2 100% 0

4

2 100%

QUANT + VEIR

QUANT + REDRECER

SE + TROVER

SE + FUIR

33%

Valen

Roland

1 100% 0

0

0

0

0

0

0

2

0

93% 10 100% 2

2 100% /

33%

25%

Sais

6 15% 0

Antio

V2 Jer

0

1 100%

0

0

0

0

2 67% 0

0

28% 12 11% 4 8%

9 22,5% 10 11% 5 10%

2

15% 17

6 100% 14 100% 1 12,5%

Villeh

1 100% 0

1 100% 0

1 100% 0

1

Clar

92% 61 100% 14

90%

1 100% 0

89% 46

89% 45

5 100%

72% 98

1 100%

67% 0

85% 43

Jer

V>2

85% 26 100% 43 100%

Antio

75% 34

Sais

31 77,5% 84

/

QUANT + ENTENDRE

6

7 87,5%

Roland

QUANT + OÏR

Formulierungen mit einleitendem Nebensatz

Abbildung 19

0

0

0

0

0

0

Clar

0

0

0

1 7%

0

0

0

0

0

0

0

0

Villeh Valen

368 4 V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen

369

4.2 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer adverbialer Angabe

Abbildung 20 Autoren

V2 ohne NEG

V3 NEG

NS-Adv-V SI

andere

NS-Sub-V NS-*Obj-V

NS-X-V

Roland

1 4 (3,1%) (12,5%)

6 (18,75%)

6 (18,75%)

4 (12,5%)

6 5 (18,75%) (15,6%)

Saisnes

13 34 (6,7%) (17,5%)

26 (13,4%)

28 (14,4%)

31 (15,9%)

24 38 (12,3%) (19,6%)

Antioche

18 (4,7%)

22 (5,8%)

117 (30,8%)

77 (20,3%)

61 (16,1%)

64 (16,8%)

Jerusalem

20 (8,2%)

17 (7,1%)

52 (21,6%)

54 (22,4%)

26 (10,8%)

47 25 (19,5%) (10,4%)

Clari

1 (0,3%)

2 (0,7%)

279 (93%)

9 (3,0%)

9 (3,0%)

0

0

Villehardouin

2 (1,7%)

1 (0,8%)

98 (83,7%)

1 (0,8%)

15 (12,8%)

0

0

Valenciennes

0

0

22 (68,75%)

2 (6,25%)

8 (25%)

0

0

21 (5,5%)

mals akzeptiert war oder zumindest in verschiedenen literarischen Stilen und Diskursen verwendet wurde. Allerdings treten diese Sätze in allen Prosatexten insgesamt selten auf und vor allem wesentlich seltener als Quant-si-V. In den Verstexten ist die Struktur mit präverbalem Subjekt relativ oft belegt, obwohl sie auch hier nicht den häufigsten Satztyp darstellt (bis auf den Saisnes-Text). Es zeichnet sich ab, dass nur Sätze mit präverbalem konnektivem Adverb si (Quantsi-V) in allen Texten in sehr großer Zahl belegt sind und mehrheitlich sogar den häufigsten Fall darstellen. Die Tatsache, dass der einzige große Unterschied zwischen den Texten also darin besteht, dass in der Prosa lediglich Sätze mit präverbalem Subjekt oder präverbalem si belegt sind, lässt die Annahme zu, dass alle anderen Varianten mit einleitendem Nebensatz und folgendem V2-Satz diskurstraditionell bedingt sind. Es ist zu vermuten, dass NS-O-V oder NS-AP-V sowie NS-Adv-V (mit der Ausnahme von NS-si-V) in der Allgemeinsprache überhaupt nicht gebräuchlich waren, sondern nur in der altfranzösischen Epik und dort als Teil von spezifischen Formulierungstraditionen bzw. Kombinationen von Formulierungstraditionen. Die genauere Untersuchung der fünf Formulierungen bestätigt diese Annahme. Fast alle Sätze mit Quant(oïr/veir)-O-V- oder Quant(oïr/ veir)-AP-V- und Quant(oïr/veir)-Adv-V-Struktur tradieren im Hauptsatz eine mit

370

4 V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen

einem Objekt oder einer Adverbiale bzw. einem Adverb beginnende andere Formulierung, wie aus den folgenden Beispielen ersichtlich wird.57 Abbildung 21 XXVIi. [ALS][{PERSON}(Subjekt)] [SEHEN(Verb)] + [ MIT LAUTER STIMME (Adverbiale)] [RUFEN (Verb)] a.

Q-AP-V

Quant ele vit Arrabiz si cunfundre

A halte voiz s’escrie: «Aiez nos, 3640, Rol Mahum!

b.

Q-AP-V

Quant Buiemons le voi

a haute vois li crïe:

2333, Antio

c.

Q-AP-V

Quant li rois Sucamans voit s’orelle perdue [...]

A haute vois s’escrie, «Mahomet, sire, aiüe!

5876, Jer

Varianten d.

Q-S-Adj-V

Quant li Turc l’ont veü

cascuns haut s’escrïa

3717, Antio

e.

Q-O-V

Quant voient de François le mellor gent marie,

«Monjoie!» s’escrïerent,

1589, Antio

f.

Q-O-V

Quant François l’ont veü

grant joie ont demenee / Adonques fu Monjoie hautement escrïee,

3695, Antio

g.

Q-S-V

Quant Comumarans voit li ribalt sont venu

ll escria, «Damas!»

6935, Jer

h.

Q-Adv-V

Quant li Griu les virent,

si s’escrierent,

66, 23–24, Cla

Die im Hauptsatz enthaltene Formulierung lautet hier A halte voiz escrier («Mit lauter Stimme rufen») bzw. Varianten hierzu. Im Fall der O-V-Formulierung le sens quidier cangier («den Verstand glauben zu verlieren») in Abbildung 22 zeigt sich, dass nicht in jedem Fall eine identische syntaktische Struktur beibehalten wurde, da auch Konstruktionen mit einem Adverb (Beispiel h) belegt sind.

57 Teilweise treten diese im Hauptsatz belegten Formulierungen nur in den späten Verstexten auf und nicht im Roland. Trotz dieser Tatsache können sie als Bestandteil der heldenepischen Diskurstradition angesehen werden, vielleicht jedoch einer etwas späteren oder anders geprägten. Weniger markante Hauptsatzformulierungen mit nur einem Wort als Formulierungskern (vor allem apeler und dire) werden hier nicht aufgeführt. Weitere im Folgenden nicht aufgeführte Formulierungen sind en fuis tourner (Jerusalem), se prendre a plorer (Jerusalem), e li fu mie bon (Saisnes) etc. Sie scheinen für nur einen der hier verwendeten Texte spezifisch.

4.2 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer adverbialer Angabe

371

Abbildung 22 XXVIii. [ALS][{PERSON}(Subjekt)] [SEHEN(Verb)] + [DEN VERSTAND(Objekt)] [GLAUBEN(Verb)] [VERLIEREN(Inf.)] a.

Q-O-V

Et quant le vit Tangrés

le sens quida cangier.

2062, Antio

b.

Q-O-V

Quant le voit Sansadonies

le sens quide cangier

4730, Antio

c.

Q-O-V

Quant il vit son destrier desos lui le sens quide derver. mort jeter [...] [Tel duel a en son cuer]

9221, Antio

d.

Q-O-V

Quant Corbarans le voit

le sens quide esragier

9106, Antio

e.

Q-O-V

Quant voit son estandart a le terre verser, [Tel duel a en son cuer]

le sens quide derver.

9110, Antio

f.

Q-O-V

Quant Bauduïns le voit

le sens quide derver.

8830, Jer

g.

Q-O-V

Quant Soudans l’a veüt

le sens cuide cangier.

9464, Jer

h.

Q-Adv-V

Quant Soudans l’a veü

tot a le sens dervet.

9400, Jer

Zur Hauptsatzformulierung in Abbildung 23 grant joie demainer («große Freude erleben») wurden Varianten ausfindig gemacht, wie etwa le cuer ot joiant (Antioche) oder mout en fu esjoïs (Saisnes). In der Prosa ist die Formulierung nicht belegt, allerdings eine inhaltlich recht ähnliche Form mit si fu/furent molt lié (Clari). Abbildung 23 XXVIiii. [ALS][{PERSON}(Subjekt)] [SEHEN(Verb)] + [GROßE FREUDE(Objekt)] [ERLEBEN(Verb)] a.

Q-O-V

Quant les voit l’empereres

mout grant joie en demaine

730 AR, 685 LT, Sais

b.

Q-O-V

Quant ce voit Charlemaigne

grant joie an a eü

1370 AR, 7202 LT, Sais

c.

Q-O-V

Quant il voit no barons

grant joie en a menee

5980, Antio

d.

Q-O-V

Quant François l’ont veü

grant joie ont demenee

3695, Antio

e.

Q-S-V

Quant li nöant le voient

grant joie en fu menés

3884, Antio

f.

Q-S-V

Quant no baron les voient [...]

grans joies fu mené

3780, Jer

372

4 V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen

Die Beispiele XXVIiv und XXVIv (Abbildung 24 und 25) zeigen Hauptsatzformulierungen mit initialem Objekt oder initialer adverbialer Angabe, die nur in den Verstexten auftreten. Zum einen handelt es sich um die Formulierung tot avoir le sanc müé (gänzlich das Blut verändert/bewegt haben), zum anderen um die Formulierung d’ire teindre come («vor Zorn die Farbe wechseln, wie ...») bzw. de maltalent et d’ire quidier vis erragier («vor Unmut und Zorn glauben das Gesicht zu erzürnen») bzw. um Varianten dazu. Abbildung 24 XXVIiv. [ALS][{PERSON}(Subjekt)] [SEHEN(Verb)] + ([GÄNZLICH(Adverb)]) ([DAS BLUT(Objekt)/(Subjekt)]) [VERÄNDERN/BEWEGEN(Verb)] a.

Q-Adv-V

Quant Tangrés l’a veü

s’en a le sanc müé

2324, Antio

b.

Q-Adv-V

Quant Garsïons le voit

tos li müa li sans

4270, Antio

c.

Q-Adv-V

Quant ne voit Bauduïn

tot a le sanc müé

9609, Jer

d.

Q-S-V

Quant li dus voit Hungier

tos li sans li mua

3589, Jer

Abbildung 25 XXVIv. [ALS][{PERSON}(Subjekt)] [SEHEN (Verb)] + [VOR ZORN (Präp.objekt)] [DIE FARBE WECHSELN (Verb)] [WIE ...] a.

Q-AP-V

Quant le voit Guithechins,

d’ire tainst conme pois.

2738 AR, 2479 LT, Sais

b.

Q-AP-V

Quant Charles voit l’escrit et voit la mesprison

D’ire et de mautalant toint ansi 531 AR, 6276 com charbon; LT, Sais

Variante: + [VOR UNMUT UND ZORN (Präpos.objekt)] [GLAUBEN (Verb)] [DAS GESICHT ERZÜRNEN] c.

Q-AP-V

Quant li rois Godefrois vit sa gent si cacier

De maltalent et d’ire quide vis erragier,

5955, Jer

d.

Q-AP-V

Quant li rois voit ses homes illuec amenuisier

De maltalent et d’ire quide vis enragier.

6904, Jer

e.

Q-AP-V

Quant Soudans voit no gent por conbatre rengier,

De maltalent et d’ire quide vis enragier.

8157, Jer

f.

Q-AP-V

Quant li aufages vit ses freres si morir

Del maltalent qu’il ot quide le sens marir.

8721, Jer

Anhand des folgenden Beispiels (Abbildung 26) kann deutlich gemacht werden, dass die Verstexte eine größere Varianz in ihrer Satzstrukturierung aufzeigen als

4.2 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer adverbialer Angabe

373

die Prosa. Hauptsatzformulierungen, die sowohl im Vers als auch in der Prosa auftreten (hier die Formulierung «voller Schmerz und Wut sein» bzw. «das Herz schmerzend haben»), sind in der Prosa ausschließlich mit Quant-si-V-Struktur belegt, wohingegen im Vers häufig das Adverb molt bevorzugt wurde oder eine syntaktisch andere Struktur mit präverbalem Adjektiv. Im Fall der Sätze mit molt handelt es sich um eine Struktur in der ein prädikatives Adjektiv durch das Adverb gesteigert wird. Wie bereits besprochen (cf. 3.4.2.4), ist hieran außergewöhnlich, dass die Position des Adverbs nicht adjazent zur Position des Adjektivs ist. Abbildung 26 XXVIvi. [ALS] [{PERSON}(Subjekt)] [SEHEN(Verb)] + [X(Adverb)] [VOLLER SCHMERZ UND WUT SEIN (Verbgefüge)]

a.

Q-Adv-V

Quant l’ont veü li Saisne

mout en furent dolant

2678 AR, 2420 LT, Sais

b.

Q-Adj-V

Qant le vit l’ampereres

dolanz fu et irais

347 LT, Sais

c.

Q-Adj-V

Qant ce voit Guiteclins

iriez est et dolant

5112 LT, Sais

d.

Q-Adv-V

Quant le voit Buiemons

s’en fu grains et dolans

2048, Antio

e.

Q-Adv-V

Quant no baron les voient que Molt par en sont dolant la poront durer,

3811, Antio

f.

Q-Adv-V

Quant Drus et Clarenbals et Païens de Belvais / Et [...] voient les ciens pusnais

molt par en sont irais.

9165, Antio

g.

Q-Adv-V

Et quant ce virent li baron de l’ost qui [...]

si furent mult dolent et [mult en 208, Vil orent grant pitié,]

h.

Q-Adv-V

Quant il le vit,

si en fu molt dolens,

23, 5–6, Cla

i.

Q-Adv-V

Quant li cuens de Tripe vit chou,

si en fu si dolens,

33, 100, Cla

j.

Q-Adv-V

Quant il virent qu’il [...]

si furent molt dolent,

71, 14, Cla

k.

Q-Adv-V

Quant li pelerin virent chou

si furent molt corchié et molt dolent,

72, 1 Cla

Variante:                                                          + [X(Adverb)] [DAS HERZ SCHMERZEND HABEN(Verbgefüge)] l.

Q-Adv-V

Quant vit sa gent ardoir

molt ot le cuer dolant,

8937, Jer

m. Q-Adv-V

Quant voit ceüt le conte

moult a le cuer dolant,

9233, Jer

374

4 V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen

Der Unterschied zwischen den syntaktischen Möglichkeiten des Verstextes und der Prosa zeigt sich besonders deutlich anhand von Formulierung XXVIvii (Abbildung 27), in der im Antioche eine O-V-Struktur im Hauptsatz in der Formulierung («große Angst haben») vorliegt und im Clari immer die Formulierungsvariante mit einleitendem si: Abbildung 27 XXVIvii. [ALS][{PERSON}(Subjekt)] [SEHEN(Verb)] + [GROßE ANGST(Objekt)] [HABEN(Verbgefüge)] a.

Q-O-V

Quant voient del cité clos et porte et postis

Grant päor ont de mort,

3782, Antio

b.

Q-Adv-V

Quant il les virrent

si eurent molt grant peur,

66, 25, Cla

c.

Q-Adv-V

quant il virrent ches nes et ches grans estoires venir,

si eurent molt grant peur;

14, 2–3, Cla

d.

Q-Adv-V

Et quant chil des autres si eurent si gran peur estages par desous virent que [...]

74, 55–56, Cla

e.

Q-Adv-V

Quant le pietaille l’empereur virent no menue gent si laidement armee,

45, 25, Cla

si en eurent si grant peur [...]

V>2-Formulierungen, die nur in der Prosa auftreten, können nicht als tradierte Formen des Heldenepos angesehen werden. Allerdings zeigt sich durch sie noch einmal, dass auch in der Prosa die Technik des Wiederholens identischer Phrasen ein beliebtes Mittel der Schreiber beim Erstellen ihres Textes war (cf. hierzu 1.3).58 Typische Prosaformulierungen (hier: «seine Männer beginnen zu») mit einleitendem Quant-Nebensatz treten nur mit präverbalem si auf (cf. Abbildung 28). Abbildung 28 XXVIviii. [ALS] [{PERSON(Subjekt)] [SEHEN(Verb)] + [SO(Adverb)] [BEGINNEN ZU(Verb)] ([SEINE MÄNNER(Subjekt)]) a.

Q-Adv-V

Et quant l’empereres Alexis vit ce

si comença ses genz a [...]

182, Vil

b.

Q-Adv-V

Et quant l’empereres Alexis vit que si commence ses genz a [...] 176, Vil [...]

58 Eine weitere Formulierung, die nur in der Prosa belegt ist, ist si se (re)merveillerent mult (Villehardouin und Clari)

375

4.2 Analyse der V>2-Formulierungstraditionen mit initialer adverbialer Angabe

Abbildung 28 (fortgesetzt) XXVIviii. [ALS] [{PERSON(Subjekt)] [SEHEN(Verb)] + [SO(Adverb)] [BEGINNEN ZU(Verb)] ([SEINE MÄNNER(Subjekt)]) c.

Q-Adv-V

Et quant ce vit li hos des pelerins

si comença a [...]

182, Vil

d.

Q-Adv-V

et quant ses freres vit chou [...]

si commenche a [...]

76, 5–6, Cla

e.

Q-Adv-V

Quant li Griu virent que li [...]

si se commenchent il a [...]

66, 37–38, Cla

Wie bereits dargestellt, tritt V2-Stellung insgesamt nur selten auf (und meist nur mit Negationspartikel) und in der Prosa fast überhaupt nicht. Dies lässt vermuten, dass die im Altfranzösischen gebräuchliche Konstruktion mit einleitendem Nebensatz entweder nicht wie in den germanischen V2-Sprachen bzw. wie im modernen Deutschen verwendet wurde oder nur sehr selten. Auch in diesem Fall ist zu vermuten, dass es sich bei den Hauptsätzen um tradierte Formulierungen handelt, die ausschließlich Bestandteil eines Versstils waren, wie das folgende Beispiel (Abbildung 29) zeigt. In der Prosa wird die Formulierung («sich empören müssen») nicht beibehalten bzw. durch eine inhaltlich ähnliche Phrase mit QAdv-V-Struktur ausgedrückt (cf. das folgende Beispiel g).59 Abbildung 29 XXVIix. [ALS] [{PERSON}(Subjekt)] [SEHEN(Verb)] + [NEG] [HABEN ZU/MÜSSEN(Verb)] ([EMPÖREN (Infinitiv)])

a.

Q-(neg)V

Et quant le voit li dux

n’i ot que corroucier

277 AR, 270 LT, Sais

b.

Q-(neg)V

Quant le vit l’empereres

n’i ot que corroucier

392 AR, 382 LT, Sais

c.

Q-(neg)V

Quant le vit l’empereres

n’i ot que corroucier

3663 AR, Sais

d.

Q-(neg)V

Quant ce voit l’Ardenais,

n’i ot que corrocier

814 AR, 6573 LT, Sais

e.

Q-(neg)V

Quant no baron le virent,

n’i ot que corecier

3266, Antio

f.

Q-(neg)V

Quant il le vit brisier

n’i ot que courechier

417, Jer

Variante g.

Q-Adv-V

Quant li marchis vit qu’il [...]

s’en fu tous courchiés

17, 99, Cla

59 Varianten zu dieser Formulierung sind: n’ot en els/eus qu’aïrer oder cascuns s’aïra/fu aïrés (im Antioche).

376

4 V>2-Strukturen: Analyse der Formulierungstraditionen

Nach diesen Ergebnissen stellt sich also grundsätzlich die Frage, ob im Altfranzösischen tatsächlich zwei verschiedene Typen einer Struktur mit einleitendem Nebensatz bestanden oder ob es vielleicht nur den Typ mit extraposition gab. Die wenigen Belege von V2-Stellung sprechen eher für die letztere Annahme. Weiterhin muss die Frage gestellt werden, ob die Belege der Prosa im Prinzip schon dem modernen französischen Typ mit präverbalem Subjekt entsprechen und si lediglich der Stellvertreter des Subjektpronomens war (cf. 2.1.3), oder ob eine Konstruktion existierte, die der deutschen Konstruktion mit einleitendem Nebensatz + da + Verb gleichkommt, wie etwa im Satz «Als er nach Hause kam, da war der Film schon fast zu Ende» (cf. 3.4.1.4). Relativ sicher ist jedenfalls, dass alle Sätze, die keine NS-S-V- und NS-si-V-Struktur aufweisen, nicht der allgemeinen Sprache angehörten, sondern ein Spezifikum der epischen Diskurstradition (und deren «Nachfolger») darstellen. Dies trifft vor allem auf alle NS-OV-Strukturen zu oder auf Konstruktionen mit dem präverbalen Adverb molt (NSmolt-V-Adj).

4.3 Fazit zu V>2-Formulierungstraditionen Am Ende dieses Kapitels komme ich wieder auf den zentralen Aspekt zurück, dass V>2-Strukturen prinzipiell unvereinbar mit den Regeln einer V2-Sprache sind, wenn sich diese – wie von mir vorgeschlagen – an der sichtbaren Oberfläche des Aussagehauptsatzes ausrichtet. Eine V2-Sprache kann im Hauptsatz nur V2-Stellung erlauben. Eine Einschränkung zu dieser Regel ist nur dann gegeben, wenn komplexe Konstituenten vorliegen oder syntaktische Positionen besetzt werden, die außerhalb des Hauptsatzes bestehen, wie dies bei sprecherbezogenen Adverbien oder Linksverschiebungen im Deutschen der Fall ist. Wenn wir nun nochmals die Frage aufgreifen, ob das Altfranzösische eine V2-Sprache ist, muss also Folgendes festgehalten werden: V>2-Sätze mit initialer Verbergänzung (S-X-V oder O-X-V) scheinen typisch für den heldenepischen Diskurs (und für die auf ihn aufbauenden Diskurse) gewesen zu sein, nicht aber für die Bandbreite aller denkbaren Diskurse und somit den allgemeinen Sprachgebrauch, weshalb sie nicht als Verletzung einer V2-Syntax angesehen werden können. V>2-Sätze mit initialer Angabe (Adverb, Adverbiale, adverbialer Nebensatz) existierten vermutlich nur in der (fast) schon modernen französischen Form mit einer Position détachée auf die eine S-V-Struktur folgt (Angabe-S-V). Diese Form ist zwar prinzipiell mit einer V2-Syntax vereinbar, da der V2-Hauptsatz von dem détachement nicht tangiert wird. Allerdings liegt hier ein Unterschied zur modernen V2-Sprache (Deutsch) vor, die diese syntaktische Abkopplung im Fall von temporalen, lokalen und modalen Angaben nicht kennt. Das Altfranzösische kann

4.3 Fazit zu V>2-Formulierungstraditionen

377

also sicher nicht die gleiche V2-Syntax wie die modernen germanischen Sprachen gehabt haben. Sätze mit Angabe-si-V-Struktur sind vermutlich Sätze mit komplexer Konstituente (bei initialem Adverb oder initialer Adverbiale) oder Sätze mit schwacher Diskurspartikel – vergleichbar mit dem deutschen so (cf. 3.4.1.1) –, die der V2Regel also ebenfalls nicht widersprechen. Und alle anderen Fälle von AngabeAdv-V-Stellung sowie alle Fälle mit Angabe-AP/O-V-Stellung scheinen nicht der allgemeinen Sprache angehört zu haben, sondern waren eine Besonderheit der epischen Diskurstradition (und deren «Nachfolger»). Eine Verletzung der V2Syntax durch diese Strukturen kann also wieder ausgeschlossen werden.

5 V1-Strukturen: Befunde, Klassifizierung, Analyse der Formulierungstraditionen In diesem Kapitel möchte ich V1-Strukturen des Altfranzösischen (und anderer altromanischer Sprachen) behandeln. Die Besprechung dieser Strukturen wird wesentlich knapper ausfallen als die der V>2-Strukturen im vorhergehenden Kapitel. Hauptsächlich ist dies damit zu begründen, dass V1-Sätze in der Forschungsdiskussion über die V2-Eigenschaft des Altfranzösischen wesentlich weniger Aufsehen erregten als V>2-Sätze. Wie bereits in Abschnitt 2.2.3.2 aufgezeigt wurde, stellt der generative Diskurs die Vereinbarkeit von V1-Aussagesätzen mit einer V2Grammatik überhaupt nicht in Frage, weshalb sich die generative Schule nur wenig mit V1-Sätzen beschäftigte. Aber auch in der nicht-generativen Forschung scheint die Initialstellung des Verbs das Interesse der Wissenschaftler über einen langen Zeitraum nur vereinzelt geweckt zu haben, wie schon Buridant anmerkte: «Cette position [V1] a bénéficié, pour l’ancien français comme pour le français contemporain, d’un certain nombre d’études détaillées, dans ses différentes réalisations, mais ne semble pas avoir fait l’objet d’une approche globale la situant dans l’évolution du français par rapport à d’autres langues romanes» (Buridant 1999, 6). Im Folgenden werde ich einen Überblick über den bisherigen Forschungsstand geben, in dem sowohl einer diachronen als auch kontrastiven Perspektive nachgegangen wird. Dabei soll es nur um solche V1-Sätze gehen, die mit einer V2Grammatik eigentlich inkompatibel sein müssten. Mit anderen Worten, es werden lediglich V1-Strukturen behandelt, die im unabhängigen Aussagesatz auftreten. Für eine Diskussion zu weiteren V1-Typen, die in potentiellen V2-Sprachen auftreten können und mit einer V2-Grammatik vereinbar sind, wie etwa V1 bei Entscheidungsfragen, Imperativen oder Konditionalsätzen, verweise ich auf Platzack (1992, 106s.); Roberts (1993, 56s.); Zwart (1993b, 77s.); Kaiser (2002, 24), u. a.  

5.1 Statistische Befunde Es wurde bereits angesprochen, dass das Altfranzösische neben einer großen Anzahl von V2-Sätzen und einer in der Regel deutlich geringeren Anzahl an V>2Sätzen auch über V1-Strukturen verfügte. Der prozentuale Anteil dieser dritten Strukturgruppe in den altfranzösischen Texten scheint insgesamt nicht besonders hoch zu sein, auch wenn er je nach Analyse und ausgewertetem Text natürlich variiert. Roberts (1993, 95) kommt in seiner Untersuchung auf eine Zahl von 5% für das Rolandslied. Im Tristan sind es nach seinen Ergebnissen lediglich 3%, im Aucassin et Nicolete sowie im Perceval nur 2%, und im Merlin treten überhaupt

DOI 10.1515/9783110536591-006

379

5.2 Argumente für das Auftreten von V1-Stellung (Forschungsstand)

keine V1-Sätze auf. Im Unterschied zu diesen Texten ist der prozentuale Anteil im Charroi de Nîmes dafür überdurchschnittlich hoch. V1-Strukturen machen dort 13% aller ausgewerteten Sätze aus. Wie schon in Abschnitt 3.1 erwähnt, werden diese Ergebnisse von Kaiser (2002, 77–79) als unzulänglich erachtet. Kaiser (2000, 16s.) selbst errechnet für das Rolandslied insgesamt 10,5% an V1-Strukturen.1 Mit diesen Zahlen liegt er nahe an dem Ergebnis von Marchello-Nizia (2000,6): Sie konnte für das Rolandslied 13% errechnen, wobei sich ihre Analyse ausschließlich auf V1Sätze mit transitiven Verben bezieht (intransitive Verben wurden von ihr nicht mit in die Analyse einbezogen). Für die Queste kommt sie bei gleicher Auswertungsbasis auf ein Resultat von 0%. Die schon erwähnte Studie von Marchello-Nizia und Roquier (2012) zur Passion de Clermont und zum Alexiuslied ist nicht auf die Untersuchung von V1-Strukturen angelegt. In ihr werden zwar jeweils die Positionsverhältnisse der Verbergänzungen zueinander besprochen sowie die Position des Verbs zu diesen; es wurde bei dem Typ mit postverbalem Subjekt und Objekt aber nicht zwischen V1-Stellung (V-S-O) und V2-Stellung (A-V-S-O) unterschieden, weshalb die Ergebnisse für eine V1-Analyse nicht geeignet sind.2 Die Auswertung der Quatre Livres des Reis ergibt für V1-Strukturen 10,5% (cf. Kaiser 2002, 134). Die Zusammenfassung aller dargestellten Resultate ergibt trotz einiger Abweichungen im Einzelfall ein recht klares Bild: V1-Strukturen treten im Altfranzösischen regelmäßig auf, liegen in allen Texten aber unter 15% und machen damit, frequentiell betrachtet, den unauffälligsten Strukturtyp neben V2- und V>2-Stellung aus. Auffallend niedrig erscheinen die Zahlen von Roberts, was aber vermutlich darauf zurückgeführt werden muss, dass von ihm nie die Gesamtmenge an Sätzen der angeführten Texte analysiert wurde (cf. 3.1). Dass Marchello-Nizia (2000) auf ein Ergebnis von 0% für die Queste kommt, ist vermutlich als Ausnahmeerscheinung zu deuten und erklärt sich durch den Umstand, dass ihre Auswertung nur auf Sätze mit transitiven Verben ausgerichtet ist.

5.2 Argumente für das Auftreten von V1-Stellung (Forschungsstand) Anders als im Fall der altfranzösischen V>2-Muster soll die Forschungsdiskussion zu altfranzösischen V1-Strukturen aus gesamtromanischer Perspektive betrachtet

1 Unter Ausschluss aller gereimten Textstellen kommt Kaiser auf einen prozentualen Anteil von 11,5%. 2 Auch die bereits genannten Untersuchungen zur altfranzösischen Syntax von Becker (2005), Vance, et al. (2010), Donaldson (2011), Prévost, et al. (2012) oder Mathieu (2013) u. a. sind nicht auf die Analyse von V1-Strukturen ausgerichtet.  

380

5 V1-Strukturen: Befunde, Klassifizierung, Analyse der Formulierungstraditionen

werden. Dies hat den Grund, dass insbesondere in den alten iberoromanischen Sprachen V1-Stellung ein besonders markantes Stellungsmuster ist, das teilweise sogar häufiger auftritt als V2-Stellung und deshalb in der Forschung mehr Beachtung fand als die vergleichsweise seltenen V1-Strukturen des Altfranzösischen.3 Im Folgenden möchte ich deshalb den Forschungsstand zur alten Romania insgesamt skizzieren, um auf dieser Grundlage die V1-Forschung in vollem Umfang berücksichtigen und die altfranzösischen V1-Strukturen entsprechend im gesamtromanischen Vergleich angemessen beurteilen zu können. Viele syntaktische Untersuchungen zu den altromanischen Sprachen stimmen darin überein, dass V1-Sätze unmarkierte Strukturen sind, die folglich nicht als Ausnahmefälle einer anderen dominanteren Stellungsvariante wie etwa V2 betrachtet werden dürfen (cf. u. a. Neumann-Holzschuh 1997, 415–416). Die Begründungen hierfür sind im jeweiligen Einzelfall zwar verschieden, jedoch überschneiden sie sich in zentralen Aspekten und liefern somit letztlich doch eine recht eindeutige Erklärung für das Auftreten von V1. Dies sei im Folgenden anhand einer Skizze der verschiedenen Begründungen dargestellt. Zum einen wurde versucht, die auftretenden V1- bzw. V-S-Strukturen durch die Unakkusativität (bzw. Ergativität) des Verbs, i.e. durch seine Eigenschaft, sein einziges Argument nach spezifischen grammatischen Kriterien nicht wie ein Subjekt, sondern wie das Objekt zu behandeln, zu erklären.4 Insbesondere unakkusativischen Verben, die eine Bewegung oder eine Zustandsveränderung anzeigen, oder solchen, die der Gruppe der Präsentativverben zuzuschreiben sind (cf. unten), wurde die Eigenschaft zugesprochen, das Subjekt zu invertieren. Ribeiro (1995) identifizierte einige der von ihr  

3 Die hohe Frequenz von V1-Strukturen wird aus verschiedenen Analysen unterschiedlicher Texte ersichtlich: In der Primera Crónica General liegen V-S-Strukturen bei 57% (im Gegensatz zu S-V-Strukturen mit 43%). In der General Estoria ist das Verhältnis 60,8% V-S zu 39,2% S-V. In den von Kaiser (2002, 154) untersuchten altspanischen Bibelübersetzungen sind 59,1% aller Satztypen V1-Strukturen. Auch im Altportugiesischen findet sich den Ausführungen Schellerts zufolge ein hoher Anteil an V-S-Konstruktionen. Die Rede ist von rund 40%, im Gegensatz zu etwa 23% im 19. und 20. Jahrhundert (cf. Schellert 1958, 112). Diese Meinung teilt auch Kaiser (2002), der auf ca. 42% V1-Strukturen kommt (154–155). Aus Rinkes nicht-literarischen altportugiesischen Quellen des 13. und 14. Jahrhunderts ergeben sich für V1-Strukturen 25,4% (zu S-V-(X) = 25,3% und X-V-(S) = 27,1%) (cf. Rinke 2007, 57). 4 Als «Unakkusativitäts-Hypothese» wird der im Rahmen der Relationalen Grammatik formulierte Erklärungsversuch für die syntaktische Parallelität zwischen dem Objekt transitiver Verben und dem Subjekt einiger intransitiver Verben bezeichnet. Der Grundgedanke hierbei ist, dass das Subjekt unakkusativischer intransitiver Verben in höherem Maße mit dem Objekt transitiver Verben übereinstimmt als mit dem Subjekt transitiver und anderer intransitiver Verben (cf. Perlmutter 1987, 157–189). Beispielsweise hat das Verb «zerbrechen» sowohl eine transitive Variante («Der geworfene Stein zerbrach die Glasscheibe») als auch eine unakkusativische («Die Glasscheibe zerbrach»).

5.2 Argumente für das Auftreten von V1-Stellung (Forschungsstand)

381

gefundenen V1-Strukturen im Altportugiesischen als Sätze mit unakkusativischen Verben und betrachtete folglich Unakkusativität als eine mögliche Erklärung für V1-Stellung neben weiteren. Fiéis (2003) hingegen geht in ihrer Untersuchung über eine mögliche V2-Eigenschaft des Altportugiesischen davon aus, dass die hohe Frequenz von V-S-Strukturen im mittelalterlichen Portugiesisch ausschließlich aufgrund von Unakkusativität erklärt werden kann, da bei fast allen von ihr analysierten Sätzen postverbale Subjekte das alleinige Argument von unakkusativischen Verben darstellten. Bei Abweichungen von diesem Muster handelt es sich ihrer Meinung nach um stilistische Ausnahmen. Eide (2006, 173) ist diesbezüglich skeptisch und verweist auf Inversionskonstruktionen anderer Untersuchungen, bei denen nicht mit Unakkusativität argumentiert werden könne: «if we look at the examples of inversion that Pádua (1960) cites […], the verbs are not unaccusative, in fact there are numerous examples of inversion following adverbs with both transitive and intransitive (unergative) verbs». Die von ihr angeführten Beispiele aus Pádua (1) und (2) zeigen, dass Inversionsstellung mit transitiven Verben und also mit – dem invertierten Subjekt folgendem – Objekt belegt ist. 1.

Entom ofereçeu aquella rreynha ao emperador çelestial muytas espeçias e myto ouro. (Cort imp, S. 141, zitiert nach Pádua 1960, 121) dann gab jene Königin zu-dem Herrscher himmlischen viele Gewürze und viel Gold ‘Dann gab jene Königin dem himmlischen Kaiser viele Gewürze und viel Gold.’

2.

E entõ leuaram aquellas donzellas aquelle mãcebo ao castello muy cortesmẽte, (Ort do esp, S. 85, zitiert nach Pádua 1960, 121) und dann führten jene Jungfrauen jenen jungen Mann zum Schloss sehr höflich [= höfischer Sitte entsprechend] ‘Daraufhin geleiteten diese Jungfrauen jenen jungen Mann nach höfischer Sitte zum Schloss’

Durch Beispiele wie diese wird deutlich, dass das Kriterium der Unakkusativität nicht als allgemein gültige und einzige Erklärung für V-S-Strukturen ausreichen kann. Über die Unakkusativitätsthese hinausgehend besteht deshalb die Annahme, dass die altromanischen V1-Sätze durch das Vorkommen der sogenannten Existenz- und Präsentativverben erklärt werden muss (zu diesen wird allerdings auch eine Gruppe unakkusativischer Verben gerechnet). Nach einer Definition von Hatcher (1956, 5–24) gehören zu dieser Verbgruppe zum einen intransitive Verben, die das Merkmal [+existentiell] aufweisen und direkt oder indirekt das Vorhandensein bzw. Fehlen des Subjekts ausdrücken. Zum anderen handelt es sich um Sätze, die ein crystallized movement beinhalten (cf. Hatcher 1956, 14).

382

5 V1-Strukturen: Befunde, Klassifizierung, Analyse der Formulierungstraditionen

Hiermit sind Verben des Ankommens, Anfangens, Aufhörens etc. gemeint, außerdem zustandsbeschreibende Bewegungsverben, deren Referent unbelebte Objekte sind (cf. Wandruszka 1982, 7).5 Nach allgemeiner Auffassung enthält das Subjekt der Existenz- und Präsentativverben typischerweise die neue Satzinformation und tritt postverbal auf, weshalb sich eine gesamtrhematische (und gesamtfokale) V1-Struktur ergibt (cf. den folgenden Abschnitt). Ein weiterer Erklärungsansatz für V1-Strukturen basiert auf dem «Thetischkategorischen Modell» von Ulrich (1985) und Sasse (1987). Dieses Modell soll im Folgenden etwas genauer betrachtet werden, da es in einer umfassenden Untersuchung altromanischer V-S-Strukturen fruchtbar gemacht wurde. Das Thetisch-kategorische Modell erklärt die Gliederung der Äußerungen nicht auf der Grundlage der Verteilung alter und neuer Information, sondern auf der Grundlage der kommunikativen Perspektive: «The thetic/categorical theory […] is based on the assumption of two fundamentally different types of statement, which operate independently of criteria of information structure (given/new)» (Sasse 1987, 517). Wichtig ist hier der diskurspragmatische Wert der Gliederung von Sätzen in Satzgegenstand und Mitteilung, also in Topik und Kommentar. Im Rahmen des Thetisch-kategorischen Modells werden entsprechend zwei Typen von Aussagen unterschieden: Der eine Typ, die zweigliedrige Aussage, in der etwas über eine Satzeinheit mitgeteilt wird, wird als kategorisch bezeichnet. Der Prototyp einer kategorischen Äußerung ist ein unabhängiger Aussagesatz mit satzinitialem Subjekt, über das etwas ausgesagt wird. Es handelt sich also um Äußerungen mit einem deutlich ausgeprägten topikalisch-fokalem Profil, das Subjekt ist das Topik, das Verb mit seinem Argument ist der Fokus. Der andere Typ, die thetische Aussage, ist hinsichtlich ihrer Informationsstruktur eingliedrig. Das Thetische ist immer dadurch gekennzeichnet, dass in allen Fällen eine Nicht-Prädizierung zu einem Topik vorliegt, das Topik wird also nicht identifiziert und bestimmt. Thetische Äußerungen finden immer dann Anwendung, wenn neue Information gegeben oder «globale» Information gesetzt werden soll (cf. Neumann-Holzschuh 1997, 79). Häufig wird hier von faktumsbezogenen Äußerungen gesprochen, im Unterschied zu den kategorischen argumentbezogenen Äußerungen. Es können zwei Arten des Thetischen unterschieden werden, je nachdem, ob das «gesetzte» Faktum das bloße Dasein (bzw. Nicht-Dasein) eines Gegenstandes betrifft, oder aber ein Ereignis, eine Handlung oder einen Zustand (cf. Sasse 1987, 526s.). Zum ersten Typ gehören im Wesent-

5 Cf. hierzu auch Wandruszka (1982, 6s.), Delbecque (1987, 205s.), Neumann-Holzschuh (1997, 104s.) u. a. Eine weitere Gruppe innerhalb der Klasse der Existenzverben bilden Vorgangsverben. Hierzu zählen Bewegungsverben, durch die ein Vorhandensein ausgedrückt wird sowie Verben, die ein Entstehen oder Erscheinen bezeichnen. Mit diesen Verben wird die Präsenz des jeweiligen Subjekts mitgeteilt.  

5.2 Argumente für das Auftreten von V1-Stellung (Forschungsstand)

383

lichen Sätze mit daseinssetzenden oder präsentativen Verben, durch die die Existenz einer Einheit beschrieben wird. Die ereignisbezogenen Äußerungen der zweiten Gruppe geben eine Antwort auf die Frage «Was ist geschehen?». Es handelt sich hier entweder um unpersönliche Aussagen ohne Argumente, wie z. B. bei Witterungsverben (sp. llueve, fr. il pleut, dt. es regnet), oder um solche mit Argumenten «expressing a state of affairs which involves both an event and an entity» (Sasse 1987, 527).6 Für die Analyse altromanischer V-S-Strukturen wurde die Unterscheidung von thetischen und kategorischen Äußerungen von Neumann-Holzschuh (1997, 180s.) herangezogen. Ihren Ergebnissen zufolge diente das V-S-Muster während der gesamten altromanischen Epoche vor allem dem Ausdruck des Thetischen, und so ist sie auch hinsichtlich des Altfranzösischen der Ansicht, dass die dort auftretenden V-S-Strukturen im Kernbereich des Thetischen liegen müssen (400). Es handle sich primär um Sätze mit intransitiven Verben (cf. auch Fleischmann 1991, 276), doch seien auch Strukturen mit direkten Objekten, V-S-O oder V-O-S belegt. Die jeweiligen Äußerungen seien vor allem ereignisbezogen-thetisch, in einigen wenigen Fällen auch kategorisch (cf. 5.2.2). Was das Altspanische betrifft, kommt Neumann-Holzschuh zu dem gleichen Schluss: Äußerungen mit daseinssetzendem oder ereignisbezogenem thetischem Inhalt träten fast ausschließlich mit einer V-S-Syntax auf (180, 182–183, 412). Bei Aussagen mit präsentativen Verben seien allerdings verstärkt A-V-S-Strukturen vorzufinden und daher wenig V1-Stellung (wobei A-V-S dennoch auch in anderen Fällen, wie etwa bei ereignisbezogenen Äußerungen, auftreten kann). Die folgenden Sätze sind von Neumann-Holzschuh analysierte Beispiele für entsprechende V1Stellungen (mit Ausnahme von (d), einer ereignisbezogenen Äußerung mit A-V-SStellung).  

3.

a. V-S-Struktur e se leuanto grand guerra entre los de Ethiopia e los de Egipto (GE, 307b, 17) und sich erhob großer Krieg zwischen denen von Äthiopien und denen von Ägypten ‘und es brach ein großer Krieg zwischen denen aus Äthiopien und denen aus Ägypten an’

6 Zu diversen Schwierigkeiten bei der Unterscheidung zwischen thetischen und kategorischen Äußerungen cf. Neumann-Holzschuh (1997, 98ss., 180ss.). Probleme ergeben sich auch aufgrund verschiedener Definitionsweisen der beiden Äußerungstypen. So geht etwa Koch (1995, 121, Fußnote 12), anders als Neumann-Holzschuh es tut, im Fall von Existentialsätzen wie sp. «Existe una entrada» von informationsstruktureller Zweigliedrigkeit (=kategorisch) aus.

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5 V1-Strukturen: Befunde, Klassifizierung, Analyse der Formulierungstraditionen

b. V-A-S-Struktur Vino entonces con esta uision un espanto tamanno a Julio Cezar (PCG, 67b, 7) ‘Es kam also mit dieser Vision ein großes Unbehagen über Julius Caesar’ c. V-S-Struktur (Et) torno alli luego tod el fecho a paz (GE, 312b, 6) ‘Und kehrte dort dann alles gemachte in Frieden’ d. A-V-S-Struktur E con el uiento apriso se el fuego a las tiendas, (PCG, 64b, 39) ‘Und mit dem Wind ging das Feuer auf die Verkaufsstände über’ (alle Beispiele zitiert nach Neumann-Holzschuh 1997, 181 und 182) Des Weiteren gibt es in den von Neumann-Holzschuh untersuchten Texten zahlreiche Fälle von intransitiven Verben, in denen ein kontextuell vorerwähntes Subjekt Bestandteil einer Aussage mit V-S-Syntax ist. Diese Äußerungen hätten Züge des Kategorischen, aber sie stellten eher eine Antwort auf die Frage «Und was geschah dann?» dar, als eine Aussage über die jeweiligen Subjekte. Aus diesem Grund sei auch in diesen Fällen mit V1- oder A-V-S-Struktur von einem thetischen Charakter zu sprechen (cf. Neumann-Holzschuh 1997, 183–184). Was manche transitiven Verben betrifft, räumt die Autorin ein, dass auch diese eine V-S-Anordnung aufweisen könnten, sofern sie thetische Inhalte bezeichnen. Diese Art von thetischen Äußerungen mit zwei (oder mehr) Ergänzungen sind entweder mit V-O-S oder V-S-O-Stellung (selten O-V-S) belegt (cf. Neumann-Holzschuh 1997, 186). Auch die Situation im Altportugiesischen scheint ähnlich wie im Altspanischen gewesen zu sein. Sofern es in einer Äußerung primär um das Geschehen als solches geht, findet sich V-S-Anordnung, sonst S-V (cf. Neumann-Holzschuh 1997, 394ss.). Diese Einschätzungen werden von Rinke (2007, 81) geteilt. Auch sie geht davon aus, dass viele verbinitiale Sätze eindeutig als thetisch identifiziert werden müssen, da sie keine Prädikationen, sondern Situationsbeschreibungen darstellen. Und auch für alle «zweifelhaften» Fälle kommt sie zu dem Ergebnis, dass die postverbale Subjektposition im alten Portugiesisch insgesamt neue Information kodiert und diese Fälle somit dem Bereich des Thetischen zuzuschreiben sind (cf. Rinke 2007, 81–84). Zum Ende dieses Abschnitts bleibt demnach festzuhalten, dass der skizzierte Überblick über einzelne Forschungsergebnisse bereits zeigt, dass sich die altromanischen V1-Strukturen wohl nicht grundlegend voneinander unterscheiden. Wenn man mit Sasse und Ulrich argumentieren möchte, so ergibt dies, dass V1Sätze in den meisten Fällen auf ihren thetischen Gehalt zurückgeführt werden

5.2 Argumente für das Auftreten von V1-Stellung (Forschungsstand)

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können, dies insbesondere bei intransitiven Verben mit Existenzial- bzw. Präsentativsemantik. Da dieser theoretische Zugang sich in der Vergangenheit bereits als fruchtbar für die Untersuchung der altromanischen V1-Strukturen erwies, soll er auch in dieser Arbeit für die Unterscheidung von eingliedriger und zweigliedriger Äußerung bei der informationsstrukturellen Analyse der V1-Strukturen (cf. 5.4.3) aufgegriffen werden.

5.2.1 Diachrone Perspektive Es wurde festgestellt, dass nicht nur in der alten Romania, sondern auch in den modernen romanischen Sprachen V-S-Strukturen im Bereich einer Präsentativund Existentialsemantik liegen oder, allgemeiner formuliert, dem thetischen Bereich zuzuordnen sind. Dies führte zu der These, dass diese Strukturen über viele Jahrhunderte hinweg beibehalten wurden (cf. Neumann-Holzschuh 1997, 412; Rinke 2007, 84).7 Allerdings scheint sich die Dominanz der Strukturen im Laufe der Zeit verändert zu haben. In Sprachen wie dem Französischen ist der ohnehin seltene Gebrauch so stark zurückgegangen, dass V-S-Stellung heute nur noch als stilistische Ausnahmeerscheinung auftritt:8 «Inversionen waren auch in späteren Jahrhunderten möglich, ihre Zahl ging jedoch bis in die Moderne kontinuierlich zurück. In der geschriebenen Sprache bleiben VS-Anordnungen als ‹narrative› Muster bis auf wenige Ausnahmen stilistisch markiert» (Neumann-Holzschuh 1997, 403). Wie bereits gezeigt (cf. 2.1.2), gehören die modernen romanischen Sprachen zum Typ der (S)-V-O-Sprachen, mit der für die indoeuropäischen Sprachen gängigen Topik-Fokus-Gliederung. S-V-O wird als unmarkierte Wortstellung in Aussagesätzen angesehen, was jedoch nicht ausschließt, dass das Auftreten eines postverbalen Subjekts verbunden mit V1-Stellung in allen romanischen Sprachen möglich ist. Nur das Französische bildet hier eine Ausnahme (cf. u. a. Harris 1978, 19s.; Arnaiz 1998, 48–49). Es bedient sich in diesen Fällen einer eigenen Kon 

7 Bossong (1998, 1011) vertritt allerdings die Auffassung, dass sich ein eindeutiger Wechsel von einem Sprachtyp mit Dominanz zum Thetischen zu einem Sprachtyp mit Dominanz zum Kategorischen vollzogen haben muss: «Il semble que dans les langues romanes actuelles, c’est le type catégorique qui prédomine mais qu’il y a des vestiges d’un stade antérieure à prédominance thétique.» Bossong geht von V-S-O als Grundwortstellung des Altromanischen aus und davon, dass diese Struktur eine «linéarisation typique des langues à prédominance thétique» sei (1998, 1011– 1012). 8 Auch Koch (2008b, 50) führt an, dass V1-/V-S-Stellung im Neufranzösischen nur noch selten und in gewählten Registern auftritt (z. B. Viendra le temps où ...).  

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5 V1-Strukturen: Befunde, Klassifizierung, Analyse der Formulierungstraditionen

struktion mit einem sujet attrappe oder sujet apparent (il) in Initialstellung und einem rhematischen bzw. fokalen Subjekt in postverbaler Position (cf. Koch 1995, 123).9 Im Spanischen haben wir mit 4a–4c V1-Sätze. Mit 5a–b liegen hingegen französische il-Konstruktionen vor. Vergleichbare Kontexte, wie sie mit 4a und 5a (mit dem Verb «ankommen») gegeben sind, können in diesen Sprachen syntaktisch also nicht auf die gleiche Weise gebildet werden. 4.

sp.

a. Llegó el tren. (zitiert nach Koch 2008b, 50) kam der Zug ‘Der Zug kam.’ b. Apareció una escalera blanca y una mujer que la estaba fregando. (zitiert nach Neumann-Holzschuh 1997, 80) erschien eine Treppe weiße und eine Frau die sie war wischend ‘Es tauchte eine weiße Treppe auf und eine Frau, die dabei war, sie zu wischen.’ c. Crecen flores hasta en la alberca (zitiert nach Neumann-Holzschuh 1997, 57) wachsen Blumen sogar in dem Becken ‘Es wachsen sogar im Becken Blumen’

5.

fr.

a. Il est arrivé des invités. (zitiert nach Koch 2008b, 50) b. Il manque de la flotte. (zitiert nach Koch 2008b, 50)

Bis heute scheint in allen romanischen Sprachen die universale Tendenz zu bestehen, dass das Subjekt der Existenz- und Präsentationsverben bzw. das Subjekt thetischer Äußerungen typischerweise rhematisch bzw. fokal ist und sich V1-/V-SStellung (oder die französische Variante mit il-V-S) also durch ihren gesamtrhematischen bzw. gesamtfokalen Charakter auszeichnet (cf. Koch 2008b, 50). Allerdings kann hinsichtlich der modernen Sprachen ebenfalls zwischen daseinssetzenden und ereignisbezogenen thetischen Äußerungen unterschieden werden. Zum ersten Typ gehören, wie bereits dargestellt, im Wesentlichen Sätze mit Präsentativverben, durch die das Dasein gesetzt wird. Beispiel 6 drückt aus, dass ein König existierte, über den dann im darauffolgenden Nebensatz etwas gesagt wird. Im zweiten Fall

9 Koch (2008b, 50) verweist allerdings darauf, dass die moderne französische il-Konstruktion im gesprochenen Französisch heute verdrängt wird zugunsten von einer Periphrase mit il y a (cf. im Unterschied zu Beispiel 5a: Il y a des invités qui sont arrivés).

5.2 Argumente für das Auftreten von V1-Stellung (Forschungsstand)

387

handelt es sich um unpersönliche Aussagen, wie z. B. bei Witterungsverben. Beispiel 7 besagt, dass es zwei Tage lang geregnet hat. Schließlich kann es sich auch um Sätze handeln, die ein Ereignis beinhalten. Dies wird durch Beispielsatz 8 deutlich, der angibt, dass eine Band mitten auf dem Platz spielte.  

6.

Érase un rey que se tenía que ir a la guerra (zitiert nach Neumann-Holzschuh 1997, 80) war-sich ein König der sich musste gehen in den Krieg ‘Es war einmal ein König, der in den Krieg ziehen musste’

7.

Llovió durante dos días. regnete während zwei Tagen ‘Es regnete zwei Tage lang.’

8.

Tocaba una banda en medio de la plaza. (zitiert nach Neumann-Holzschuh 1997, 80, abgeändert)10 spielte eine Band in Mitte von dem Platz ‘Es spielte eine Band mitten auf dem Platz.’

Die aufgezeigte Kontinuität romanischer V-S-Strukturen scheint allerdings nicht nur im Übergang vom Alt- zum Mittel- und Neuromanischen gegeben, sondern zeigt sich bereits im Wechsel vom Latein zum Romanischen. Zumindest scheinen im Latein vergleichbare V1- bzw. V-S-Konstruktionen existiert zu haben, wie wir sie in den altromanischen Texten vorfinden. Pinkster (1991, 77–78) gibt an, dass schon das Lateinische die im Romanischen etablierte Unterscheidung zwischen eingliedrigen, neue Information setzenden und zweigliedrigen Äußerungen mit Topik-Fokus-Profil aufzeigt. Äußerungen mit ausschließlich neuer Information weisen im klassischen Latein typischerweise V-S-Stellung auf: 9.

Est autem C. Herennius quidam, tribunus pl., quem [...] (Cic Att 1.18.4, zitiert nach Spevak 2006, 13) ist aber C. Herennius gewissen, Volkstribun, den ‘Es gibt aber einen gewissen C. Herennius, einen Volkstribun, den [...]’

10 Das von Neumann-Holzschuh verwendete Originalbeispiel hat eine A-V-S-Struktur (En medio de la plaza tocaba una banda). Im Text wurde die V-S-A-Variante bevorzugt, um bei einer V1Struktur zu bleiben. Generell ist in den modernen Sprachen bei Subjektinversion aber natürlich immer die Möglichkeit gegeben, dass vor das Verb eine Adverbiale tritt. Teilweise ist diese Struktur auch die präferierte, insbesondere bei Existentialaussagen, welche im modernen Spanisch vorzugsweise in A-V-S-Konstruktionen auftreten (cf. Neumann-Holzschuh 1997, 104–105).

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5 V1-Strukturen: Befunde, Klassifizierung, Analyse der Formulierungstraditionen

10. relinquebatur una per Sequanos via (Caes Gal 1.9.1, zitiert nach Pinkster 1991, 78) geblieben eine durch Sequaner Weg ‘Übrig blieb ein Weg durch das Gebiet der Sequaner’ 11.

erant in ea legione fortissimi viri (Caes Gal 5.44.1, zitiert nach Pinkster 1991, 78) waren in dieser Legion sehr starke Männer ‘Es gab in dieser Legion sehr tapfere Männer’

12. intrat cinaedus (Petr. 23, 2) tritt-ein Homosexueller ‘der Homosexuelle tritt ein’ 13. venerat iam tertius dies (Petr. 21) kam schon dritter Tag ‘der dritte Tag war schon gekommen’ Pinkster (1991, 78) weist auf der Grundlage dieser Beispiele darauf hin, dass nicht nur stative Verben (esse) in diesem Satztyp auftreten, sondern auch Verben der Bewegung oder – allgemeiner formuliert – Verben der Aktion, womit der ereignisbezogene thetische Bereich angesprochen ist.11 Darüber hinausgehend stellt Spevak (2007, 118–119) fest, dass es insbesondere bei Präsentativsätzen zur syntaktischen Umstellung von Verb und Subjekt kommen könne, mit einem postverbalen Subjekt als Rhema (und Fokus): «Newly introduced subjects (future topics) take a late or final position in the sentence, especially when they are introduced by means of a presentational sentence» (119). Dies wird an folgenden Beispielen ersichtlich: 14. Erat vallis inter duas acies, ut supra demonstratum est, non ita magna. (Caes Civ 2.34.1, zitiert nach Spevak 2007, 119) war Tal zwischen zwei Schlachtreihen, wie oben gezeigt ist, nicht wirklich groß ‘Es befand sich ein Tal zwischen den zwei Schlachtreihen, wie bereits gezeigt, war dieses nicht wirklich groß.’

11 De Jong (1989, 536–537) führt allerdings auch Beispiele an, in denen typische V-S-Kontexte (gesamtrhematisch) mit S-V-Struktur realisiert wurden (cf. Pinkster 1991, 81, Anmerkung 4).

5.2 Argumente für das Auftreten von V1-Stellung (Forschungsstand)

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15. Erat eo tempore Antonius Brundisii: (Caes Civ 3.24, zitiert nach Spevak 2007, 120) war zu dieser Zeit Antonius in Brundisium ‘Es befand sich zu dieser Zeit Antonius in Brundisium’ Im Unterschied zum Latein und den romanischen Sprachen werden in den heutigen germanischen Sprachen Existential- und Präsentativsätze sowie allgemein thetische Äußerungen nicht durch V-S-Stellung ausgedrückt. Für diese Satztypen kennen die germanischen Sprachen Konstruktionen mit einem expletiven Element, oder sie behalten die «normale» Verbstellung, i.e. V2-Stellung, bei (cf. für das Deutsche Axel 2007, 120, 124–125). Axel (2007) konnte allerdings zeigen, dass sich die mittelalterlichen westgermanischen Varietäten anders als ihre Nachfolger verhalten und die genannten Äußerungstypen nicht durch V2-Stellung, sondern durch V-S-Stellung realisierten (2007, 171). Sie führt folgende Beispiele an:12 Existenzialkonstruktionen 16. a. uuarun thô hirta In thero lantskeffi.’ uuahhante [...] (Tatian, 85, 29) waren dort Hirten auf diesem Land andauernd [...] ‘es gab auf diesem Land dauernd Hirten [...]’ b. uuas thar ouh sum uuitua In thero burgi [...] (Tatian, 415, 2) war dort auch eine Witwe in dieser Stadt [...] ‘es war dort auch eine Witwe in dieser Stadt [...]’ Präsentativkonstruktionen 17. a. giengun thô zuo gotes engila (Tatian, 115, 30) gingen dort zu Gottes Engeln ‘Gottes Engel kamen’ b. uuard tho gitan mihhil stilnessi (Tatian, 187, 24) wurde dort getan große Stille ‘es herrschte eine große Stille’ (zitiert nach Axel 2007, 121)

12 Generell finde sich V1-Stellung im Althochdeutschen in Äußerungen mit mutative verbs (hierzu zählt sie auch die Existenz- und Präsentativverben), wobei einige dieser Verben typischerweise in thetischen Äußerungen auftreten (cf. Axel 2007, 124–125).

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5 V1-Strukturen: Befunde, Klassifizierung, Analyse der Formulierungstraditionen

Axel weist darauf hin, dass sich V1-Stellung allerdings nicht nur in diesen Kontexten findet, sondern ganz generell in Äußerungen mit zustandsverändernden Verben (mutative verbs), wobei sie hierzu auch die Existenz- und Präsentativverben zählt. Einige dieser Verben träten typischerweise in thetischen Äußerungen auf (cf. Axel 2007, 124–125). Ein markantes Merkmal vieler althochdeutscher V1-Strukturen stellt die Rechtsversetzung des Subjekts und die Verwendung einer Partikel (zuo, uz, tho) im Verbalkomplex dar. Axel (2007, 135) sieht die extraposition des Subjekts nicht als obligatorisch an, jedoch muss ihrer Meinung nach bedacht werden, dass das V1-Phänomen sehr häufig mit der Linksversetzung des Subjekts zusammenfällt.13 Resümierend kann für diesen Abschnitt festgehalten werden, dass die skizzierten Ergebnisse die These bekräftigen, dass sich die alten und modernen romanischen V-S- bzw. V1-Muster insgesamt entweder häufig auf das Dasein von Existenz- und Präsentativverben zurückführen lassen und somit dem Bereich des Thetischen zuzuschreiben sind, oder dass sie im Bereich «narrativ»-kategorischer Konstruktionen liegen. Darüber hinaus spricht die Tatsache, dass auch im Altgermanischen ein Zusammenhang zwischen vielen V-S-V1-Strukturen und der Präsentativsemantik bzw. dem thetischen Bereich besteht, dafür, dass es sich bei diesen syntaktischen Strukturen um kein autonomes lateinisch-romanisches Phänomen handelt, sondern um eine pragmatische Versprachlichungsstrategie, die über die Grenzen der Romania hinausgeht, sich im germanischen Raum aber nicht mehr aufrecht halten konnte.

5.2.2 Gattungsspezifische Perspektive In verschiedenen Untersuchungen haben Sprachwissenschaftler das Auftreten von V1-Strukturen im Altfranzösischen und in den altromanischen Sprachen auf den Erzählstil bestimmter Textsorten zurückgeführt.14 Dieser Zusammenhang zwischen Syntax und dem narrativen Stil von Texten wurde auch bei einigen germanischen V2-Sprachen festgestellt (cf. den Besten 1983; Kaiser 2002, 24). Insbesondere im Isländischen gibt es trotz der sonst regelhaften V2-Eigenschaft

13 Was die Partikel anbelangt, so lautet ihre Annahme, dass es sich hierbei um «Reste» eines älteren Sprachstadiums handelt, bei dem Satztypen nicht durch die Satzgliedstellung, sondern durch den Gebrauch anderer lexikalischer Elemente, wie eben solcher Partikel, ausgedrückt wurde (171). 14 Im Deutschen ist diese Möglichkeit nur sehr eingeschränkt gegeben. Beispielsweise in Witzen kann der narrative Stil noch mit V1-Stellung belegt sein: dt. Sagt Klein-Erna zu ihrer Oma … (zitiert nach Pittner/Berman 2007, 82).

5.2 Argumente für das Auftreten von V1-Stellung (Forschungsstand)

391

eine sogenannte «narrative» Inversion (cf. Sigurðsson 1990). Kaiser (2002, 141) stellt dies am Beispiel von zwei Ausschnitten aus einer modernen isländischen Bibel (aus den Büchern Samuel) dar. In beiden Fällen beginnt der Aussagesatz mit dem konjugierten Verb, dem das nominale Subjekt (a) bzw. pronominale Subjekt (b) unmittelbar nachsteht: 18. a. Fór Samúel ϸá og lagðist til svefns á sínum stað. (hei 290: 1 Sam 3,9, zitiert nach Kaiser 2002, 141) ging Samuel dann und legte-sich zum Schlafen an seinen Platz ‘Samuel ging dann und legte sich an seinen Platz schlafen.’ b. Lét hann ϸá kalla Absalon, og gekk hann fyrir konung (hei 339: 2 Sam 14, 33, zitiert nach Kaiser 2002, 141) ließ er dann rufen Abschalom und trat er vor-den König ‘Er ließ dann Abschalom rufen und trat vor den König’ Mit Blick auf die alte Romania verwies man in diesem Zusammenhang insbesondere auf das exzessive Aneinanderreihen meist konjunktional eingeleiteter oder verbundener V1-Sätze, das ein Charakteristikum vieler altromanischer Texte sei (cf. Stempel 1975, 357; u. a.). So ist auch Kaiser (2002, 154–155) bezüglich der von ihm untersuchten altspanischen und altportugiesischen Chroniken der Meinung, dass die dort sehr häufig belegten V1-Strukturen ein Indiz für den besonderen narrativen Stil dieser Texte darstellen. Laut Neumann-Holzschuh (1997, 186) handelt es sich in diesen Fällen um keine thetischen, sondern um kategorische Äußerungstypen mit postverbalem thematischem Subjekt und transitivem Verb. Diese sind ihrer Aussage nach eine Ausnahme zum sonst thetisch ausgerichteten V1-Bereich und bilden deshalb eine besondere V1-Gruppe, deren Existenz durch den narrativen Stil des Textes bedingt scheint.15 Neumann-Holzschuh (1997, 400, Fußnote 37) führt u. a. folgende Beispiele an, deren Struktur zweigliedrig ist. In  



15 Dieser Typ ist in den heutigen romanischen Sprachen äußerst selten. Neumann-Holzschuh nennt einige Beispiele, darunter eine Biographie von Neruda oder die Märchensammlung von Espinosa, aus denen sie die folgenden Sätze nimmt: Llevaba él apenas cinco meses en el talega. (zitiert nach Neumann-Holzschuh 1997, 134) Debía contener eses mensaje algo que los regocijaba. (zitiert nach Neumann-Holzschuh 1997, 134) Die Strukturen dieser Beispielsätze sind zweigliedrig und weisen also ein Topik-Fokus-Profil auf. Da das Topik aber postverbal steht, kann die Struktur nur als markierte Variante der neutralen kategorischen S-V-O-Konstruktion angesehen werden.

392

5 V1-Strukturen: Befunde, Klassifizierung, Analyse der Formulierungstraditionen

(a) zeigt sich die Thematizität des invertierten Subjekts bereits durch das Demonstrativum ces, das anaphorisch auf die Bekanntheit des Subjekts verweist. In Beispiel (b) zeigt der dem V1-Satz vorausgehende Kontext, dass li quens bereits bekannt und somit thematisch ist. 19. a. (...Et) enmenerrent ces seigneurs d’Escoce toutes ces pourveances (Le Bel, 117, I,7) und mitbringen diese Herren aus Schottland alle diese Weisheiten ‘Und diese Herren aus Schottland bringen alle diese Weisheiten mit’ b. Sun cheval brochet, laiset curre a esforz / Vait le ferir li quens quanque il pout (Rol, 1197–1198 ) sein Pferd spornt-an [er] lässt rennen voran geht es bekämpfen der Graf sowie er kann ‘Er gibt seinem Pferd die Sporen, lässt es voranstürmen / Und der Graf schlägt auf ihn mit aller Macht ein’ Die Besonderheit dieser «narrativen» V-S-Typen scheint in ihrer textuellen Funktion zu liegen: Neumann-Holzschuh (1997) geht davon aus, dass sie «in besonderer Weise zur Erzählstruktur bei[tragen], da sie [...] verschiedene Handlungsabläufe als einen in sich gegliederten, chronologischen Prozess darstellen [...], i. e. aneinandergereiht können sie bei gleichbleibendem Thema die zeitliche Abfolge der Handlung wiedergeben» (138). Ergänzend zu dieser Argumentation zeigt Buridant (1999), dass V1-Stellung auch zum formelhaften Erzählstil des Heldenepos gehört.16 Seiner Meinung nach ist sogar davon auszugehen, dass V1-Sätze ein Charakteristikum insbesondere der chansons de geste sind: «Au total, l’inversion absolue s’emploie de manière limitée dans des formules stéréotypées du style épique tout particulièrement» (8). Aus diesem Grund spreche man im Fall der «évocations stéréotypées formulaires» auch von einer «inversion épique» (ibid.). Auf der Grundlage semantischer und diskurspragmatischer Definitionskriterien klassifiziert Buridant insgesamt fünf verschiedene V1-Aussagesatztypen des Epos, die im Folgenden zusammengefasst in drei Gruppen vorgestellt werden (cf. Buridant 1999, 6–8):

16 Dieser Ansicht ist auch Moignet (1973, 360). Als im Verstext vorherrschende typische inhaltliche V1-Kontexte nennt er «l’évocation de sons, de couleurs, de paysages, ou dans les situations pathétiques».

5.2 Argumente für das Auftreten von V1-Stellung (Forschungsstand)

393

a) V1-Stellung als Einleitung in die direkte Rede und bei Inzisen V1-Stellung in diesen Kontexten findet sich laut den Angaben von Buridant (1999, 7) vor allem als ein Zeichen der Unvollkommenheit des Satzes. Als Einleitung öffne sich der Satz zur angekündigten Rede hin und fordere deren Existenz, um vervollständigt zu werden (vergleichbar mit einer Frage, die eine Antwort fordert). Als Einschub übernehme V1-Stellung dagegen eine überleitende Funktion in Bezug auf die vorausgehende Übermittlung der wörtlichen Rede (durch den Erzähler). Häufige Verben seien in beiden Kontexten dire (sagen), faire (machen), respondre (antworten), selten auch s’escrier (rufen), was die folgenden Beispiele veranschaulichen: 20. Respont Rollant: Jo fereie que fols (Rol, 1053) antwortet Roland ich machen-würde wie Verrückte ‘Roland antwortet: Ich würde wie ein Narr handeln’ 21. Dist Blancandrins: Mervellus hom est Charles (Rol, 370) sagt Blancadrin außergewöhnlicher Mann ist Karl ‘Blancadrin sagte: Ein außergewöhnlicher Mann ist Karl’ 22. E! Deus, dist il, cum fort pecét m’apresset! (Alexis, 59) oh Gott sagt er wie stark Sünde mich berückt ‘Oh Gott, sprach er, wie schwer bedrückt mich die Sünde!’ Systematisch verwendet wurden die monosyllabischen Formen (im Präsens Indikativ) dist il, dist ele oder fet il und fet ele. Buridant beschreibt diese Sätze als typische Formeln des Heldenepos und generell der Verstextgattung: «Ces formules présentent une stéréotypie variationnelle permettant en particulier des hémistiches formulaires commodes dans les textes versifiés» (Buridant 1999, 7). b) V1-Stellung bei Verben der Wahrnehmung Hier handelt es sich vor allem um V1-Strukturen mit den Verben oïr («hören») und veoir («sehen»), die in eine Folgehandlung bzw. eine Reaktion der betroffenen Person einleiten (cf. Buridant 1999, 7). 23. Voit le Bertrans, a pou n’est forsené (Charroi, 1006) sieht es Bertrans ein bisschen ist [er] fassungslos ‘Bertrans sieht es, er ist etwas fassungslos’ 24. Voit lou li abes, si fu tos esmaris (MoniageR, II, 250) sieht es der Priester so war [er] ganz aufgeregt ‘Der Priester sieht es, und er war ganz in Aufregung’

394

5 V1-Strukturen: Befunde, Klassifizierung, Analyse der Formulierungstraditionen

25. Ot le Oliver, sin ad mult grant irur; (Rol, 1224) hört es Oliver so hat [er] sehr großen Zorn ‘Oliver hört dies, und es ergreift ihn ein mächtiger Zorn’ 26. Ot le Bertran, a pou n’est forsenez (Charroi, 1015) hört es Bertran ein bisschen ist [er] fassungslos ‘Bertran hört es, er ist etwas fassungslos’ 27. Ot le li quens, le sens cuide desver (CourLo, 2665) hört es der Graf den Verstand glaubt [er] verlieren ‘Der Graf hört es, er glaubt den Verstand zu verlieren’ 28. Oit le li peres, molt en fu coreciés (Raoul, 2222) hört es der Vater sehr darüber war [er] verärgert ‘Der Vater hört es und war sehr zornig darüber’ c) V1-Stellung bei Bewegungsverben V1-Stellung hat hier die Funktion, einen Handlungsbruch bzw. eine neue narrative Sequenz hervorzurufen. Auch in diesem Kontext unterstreicht Buridant den «emplois formulaires pratiquement limités au genre épique» (Buridant 1999, 8). Besonders typisch für diesen Kontext sei das Verb s’en aler (gehen, aufbrechen), mit den zwei Formen vait s’en und vet s’en. 29. Vait s’en Willame, Guiburc remist plorant (Guillaume, 2454) geht davon weg Willhelm Guiburc bleibt weinend ‘Willhelm geht, Guiburc bleibt weinend zurück’ Darüber hinaus findet sich V1 aber auch mit fuir (fliehen), s’enfuir (fliehen), venir (kommen), revenir (zurückkommen), cheoir (fallen), u. a. Verben wie passer (vergehen), aler (gehen) und tresaler (vorübergehen) erscheinen präferiert, wenn auf eine vergehende Zeitspanne Bezug genommen wurde (31).  

30. Fuit s’en Ernaus, n’i ot qe esmaier (Raoul, 2935) flieht davon Ernau nicht es hat außer Angst ‘Ernau flieht, es bleibt nur die Angst’ 31. Passet li jurz, la nuit est aserie (Rol, 3991) vergeht der Tag die Nacht ist gekommen ‘Der Tag vergeht, die Nacht ist gekommen’

5.2 Argumente für das Auftreten von V1-Stellung (Forschungsstand)

395

Ein letzter, weitaus unspezifizierterer Kontext für V1-Sätze als der bereits genannte ist nach Buridant (1999, 8) die epische Beschreibung von Kampfszenen, Unwettern, Emotionen, Festen oder Trauer. Die folgenden drei Sätze sind Beispiele für Kampfszenen: 32. Fiert Charlemagne un ruiste cop pesant (Aspremont, 5889) macht Karl der Große einen kraftvollen Schlag gewichtigen ‘Karl der Große macht einen kraftvollen und schweren Schlag’ 33. Cruissent osbercs e ces helmes d’acer (Rol, 2540) knirschen Panzerhemden und diese Helme aus Stahl ‘Es knirschen die Panzerhemden und die stählernen Helme’ 34. Fruissent ces hanstes e cil espiez furbit. (Rol, 3482) zerbrechen diese Schäfte und jene Speere blanke ‘Es zerbrechen die Schäfte und die blanken Speere.’ Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass V1-Stellung wohl ein Merkmal des narrativen Erzählstils im Mittelalter war, der sich über verschiedene Gattungen hinweg durchsetzte. Allerdings tritt er je nach Gattung oder auch Textsorte in unterschiedlicher Form und Funktion in Erscheinung. In der Prosa hat V1-Stellung in Aneinanderreihung die Funktion, die Handlung voranzutreiben. In Bezug auf den Vers – in dem es diese Funktion ebenfalls gibt – und insbesondere wohl in Bezug auf das Epos spricht Buridant (1999, 9) in bei allen von ihm genannten Funktionen der V1-Stellung von einer valeur dramatique, von der der Dichter immer Gebrauch machte. Es stellt sich also letztlich die Frage, ob V1-Strukturen auch im allgemeinen Sprachgebrauch etabliert waren, wenn sie bereits unterschiedliche Funktion übernehmen konnten und sich nicht als Merkmal nur einer spezifischen Textsorte oder Gattung auszeichnen. Im Hinblick auf einige der von Buridant aufgezeigten Verstextstrukturen erscheint dies zweifelhaft. Ob es sich bei den «narrativen» Strukturen in den Prosatexten um Strukturen handelt, die in alltäglichen Diskursen zu finden sind, ist nicht klar. Sie könnten tatsächlich an den Stil der Texte gebunden gewesen sein, wie dies auch heute noch im Isländischen der Fall ist. Allerdings lässt sich dies nicht definitiv klären, da uns Belege alltäglicher mittelalterlicher Diskurstraditionen fehlen.

396

5 V1-Strukturen: Befunde, Klassifizierung, Analyse der Formulierungstraditionen

5.3 Klassifizierung von V1-Strukturen Anhand der Belege der letzten Abschnitte lassen sich insgesamt fünf verschiedene Äußerungstypen mit V1-Struktur voneinander unterscheiden. Als erstes ist der in den alten Sprachen relativ dominante und noch heute teilweise existente relative V1-Typ mit V-S-Struktur bei eingliedrigen, gesamtfokalen, thetischen Äußerungen (bevorzugt mit intransitiven Verben mit Präsentativ- oder Existentialsemantik) zu nennen. Hier wird neue Information gesetzt, sodass das postverbale Subjekt ebenfalls Teil dieser Information und also fokal ist. Davon abzugrenzen ist der zweite Typ: Hierbei handelt es sich um die V-S-Struktur mit bereits aus dem Kontext bekanntem Subjekt, ebenfalls häufig bei intransitiven Verben. Sie weist ein Topik-Fokus-Muster auf, mit dem postverbalen Subjekt als familiar topic. Trotz der Tatsache, dass das Subjekt die Topikfunktion erfüllt, wird in diesem Fall keine Aussage über das Subjekt getroffen. Es wird lediglich eine Antwort auf die Frage «Und was geschah dann?» gegeben. Folglich handelt es sich auch hier um eine thetische Äußerung. Ein dritter Typ tritt bei transitiven Verben auf, deren Subjekt nachgestellt ist. An der Gliederung der Information ändert sich durch diese Umstellung allerdings nichts: Das Subjekt ist das Topik und die Äußerung ist zweigliedrig, i.e. sie stellt eine Aussage über das Topik dar. Dieser kategorische V1-Typ muss – zumindest im Hinblick auf die modernen romanischen Sprachen oder das Isländische – als markierte zweigliedrige Äußerung angesehen werden, im Gegensatz zur unmarkierten kategorischen S-V-OStruktur. Er ist vermutlich auf einen narrativen Erzählstil zurückzuführen. Ein weiterer vierter Typ zeichnet sich durch V-X-Stellung ohne realisiertes Subjekt aus. Er tritt mit transitiven Verben auf. Dabei handelt es sich um kategorische Äußerungen mit normalem Topik-Fokus-Profil, in denen allerdings das syntaktische Subjekt aufgrund der Null-Subjekt-Eigenschaft der altromanischen Sprachen nicht realisiert wurde, wie etwa in den folgenden Beispielen: 35. Brochet le bien des aguz esperuns, (Rol, 1574) spornt-an [er] ihn gut mit den scharfen Sporen ‘Er spornt es mit scharfen Sporen kräftig an,’ 36. Brandist sun colp e li Sarrazins chiet; (Rol, 1552) setzt seinen Schlag und der Sarazene fällt ‘Er versetzt ihm einen Schlag, und der Sarazene stürzt zu Boden;’ In beiden Beispielsätzen wird das Subjekt lexikalisch nicht realisiert, sondern durch die Verbalform (bzw. deren Endung) ausgedrückt. Ein letzter und fünfter Typ besteht aus V1-Sätzen mit Ellipsen. Im Fall dieser Struktur entsteht V-X-Stellung dadurch, dass ein bereits im vorherigen Teilsatz

5.3 Klassifizierung von V1-Strukturen

397

erwähntes Subjekt weggelassen wird. Es handelt sich hierbei immer um eine Aufzählung verschiedener aufeinanderfolgender Ereignisse, die jeweils in einem Teilsatz ausgedrückt werden. Diese Konstruktion ist in V2-Sprachen, wie dem Deutschen, ohne Weiteres möglich, wie die folgenden Beispiele demonstrieren: 37. Hans aß sein Pausenbrot, (ER) trank seine Saftschorle und (ER) ging dann zurück ins Klassenzimmer. 38. Sie ging in ihr Zimmer, (SIE) stellte den Koffer unentschlossen auf den Boden, (SIE) hob ihn wieder auf, (SIE) legte ihn auf das Bett und (SIE) machte ihn auf. Im Altfranzösischen sind vergleichbare Strukturen belegt, wie etwa im folgenden Beispiel aus dem Saisnes: 39. Berars sist sor Bauchant, qui [...] / Et (IL) tint l’espee nue qui [...] / Et (IL) vait ferir Morgant [...] (Sais, 3972–3974 AR) Bardard sitzt auf Bauchant der ... und nimmt das Schwert blank das ... und geht bekämpfen Morgant ... ‘Bernard setzt sich auf den Schecken, der [...], und ergreift das blanke Schwert, das [...], und macht sich daran, Morgant zu bekämpfen [...]’ Der Unterschied zwischen diesen Strukturen des fünften Typs und Strukturen des vierten Typs besteht darin, dass V-X-Stellung im letzten Fall nicht ohne einen vorhergehenden Teilsatz mit realisiertem Subjekt auftreten kann. Dies ist im Fall des vierten Typs dagegen ohne Probleme möglich. Der vierte Typ ist eine Konstruktion, die ausschließlich in Nullsubjektsprachen auftritt. Typ fünf dagegen ist in Nullsubjektsprachen und V2-Sprachen erlaubt. Im Unterschied zu V2-Sprachen wie dem Deutschen ist bei Nullsubjektsprachen im Fall des fünften Typs allerdings nicht von einer elliptischen Struktur zu sprechen, da das Subjekt – im unmarkierten Satz – obligatorisch ausbleibt. Dies bringt die Schwierigkeit mit sich, dass bei einer Sprache mit einer allmählich schwindenden Nullsubjekteigenschaft, wie dem Altfranzösischen (cf. 2.1.3), nicht immer klar entschieden werden kann, ob bereits eine Ellipse vorliegt oder V-X-Stellung noch durch die Nullsubjekteigenschaft hervorgerufen wird.17

17 In der vorliegenden Arbeit wurde das Auftreten des fünften V1-Typs immer separat bewertet (der Einfachheit halber als elliptische Struktur), um den besonderen Status dieser Struktur herauszustellen. Als besonders muss sie im Rahmen meiner Untersuchung angesehen werden,

398

5 V1-Strukturen: Befunde, Klassifizierung, Analyse der Formulierungstraditionen

5.4 Analyse der V1-Formulierungstraditionen Mit der vorliegenden Analyse der V1-Formulierungstraditionen verfolge ich das gleiche Ziel, das ich auch mit der Analyse der V>2-Formulierungstraditionen verfolgt habe. Das Verhältnis von gebundener und ungebundener Rede soll auch hier betrachtet werden. Im Fall der V1-Formulierungen geht es darum, Klarheit darüber zu gewinnen, ob spezifische V1-Strukturen tatsächlich an den (Epos-) Versstil oder an den narrativen Prosastil gekoppelt sind, und ob auch hier die These aufgestellt werden kann, dass das Auftreten oder Verschwinden von V1Stellung mit dem Einhalten oder Sich-Lösen von spezifischen Schreib- und somit Diskurstraditionen zu tun hat (die natürlich im Kontext eines sprachsystematischen Wandels zu sehen wären). Die Grundlage der folgenden Analyse bilden Formulierungstraditionen mit V1-Syntax. Diese wurden entsprechend der soeben getroffenen Klassifizierung in zwei Gruppen aufgeteilt. Die erste Gruppe besteht aus Formulierungstraditionen, in denen die V1-Struktur eine zweigliedrige V-X-Konstruktion enthält. Hier handelt es sich also um Äußerungen mit Nullsubjekt. Die zweite Gruppe beinhaltet V1-Formulierungen, die ein invertiertes Subjekt aufweisen (V-S) und eingliedrige Äußerungen darstellen. Beide V1-Gruppen werden im vorliegenden Kapitel auf ihre Frequenz hin ausgewertet und analysiert. Wie alle bereits besprochenen Formulierungen variieren auch die hier untersuchten Fälle im Grade ihrer «Fixiertheit». Mit anderen Worten, es wurden nicht immer alle Satzelemente, die die Formulierung ausmachen, in exakt identischer Weise tradiert. Insgesamt wurden im Rolandslied 17 V1-Formulierungen identifiziert. Von diesen 17 wurden acht in den anderen Texten des Korpus aufgefunden. Diese acht Formulierungen bilden die Untersuchungsgrundlage der folgenden Abschnitte.

5.4.1 V1-Formulierungstraditionen mit V-X-Struktur Es konnten fünf Formulierungen mit V-X-Struktur gefunden werden, vereinzelt auch mit wechselnder V-X- und V-S-Struktur. Diese Formulierungen treten nicht nur im Rolandslied, sondern auch in weiteren Texten des Korpus auf und stellen deshalb eine Tradition dar.18 Die erste Formulierung – eine mit XII verwandte Formulierung – hat die folgende Struktur:

weil sie mit einer V2-Grammatik kompatibel ist (und der Untersuchungsgegenstand eigentlich mit V2 inkompatible Strukturen sind). 18 Für eine Gesamtdarstellung cf. Anhang 5.

5.4 Analyse der V1-Formulierungstraditionen

XXX.

399

[ANSPORNEN/DIE SPOREN GEBEN(Verb)] [GUT/KRÄFTIG/BEHERZT/ MUTIG (Adverb)] [X]

Die Funktion dieser Formulierung ist es, den Vorgang des Die-Sporen-Gebens zu beschreiben oder darzustellen, wem die Sporen gegeben werden. Die Formulierung lautet im Rolandslied entweder Brochet le bien [des esperons] (Er spornt es gut/kräftig an) oder Brochet ad ait/eit (Er spornt beherzt an) oder in den anderen Texten Broche [des esperons] le ceval/destrier/auferrant (Er spornt das Pferd/ Ross/Schlachtross an). Varianz tritt – wie bei Formulierung XII – durch den Gebrauch anderer Verben auf: hurter oder ferir anstatt brocher. Dies ist allerdings nur in den Prosatexten der Fall.19 Die zweite Formulierung kann folgendermaßen beschrieben werden: XXXI. [SPALTEN/DURCHBOHREN(Verb)] [KÖRPERTEIL/RÜSTUNG (Objekt)] Diese Formulierung beschreibt das Spalten, Zerteilen oder Durchbohren eines Körperteils bzw. des ganzen Körpers oder eines meist am Körper liegenden Rüstungsteils durch ein bereits bekanntes (Null-)Subjekt. Varianten der Formulierung ergeben sich dadurch, dass unterschiedliche Körper- oder Rüstungsteile beschrieben werden, so la teste (der Kopf), li piz (die Brust), li coer (das Herz), l’eschine (das Rückrad), li nes (die Nase), li polmon20 (die Lunge) etc. oder la coife (ein Eisenkäppchen unter dem Helm), l’elme (der Helm) etc.21 Durch Formulierung XXXII wird ausgedrückt, dass ein aus dem Kontext bekanntes Subjekt eine Waffe hält oder ergreift: XXXII. [HALTEN/NEHMEN (Verb)] [WAFFE (EIGENNAME) (Objekt)] Im Rolandslied wird diese häufig durch einen Eigennamen bezeichnet. Die Formulierung variiert je nach Bezeichnung der Waffe: espiet (Schwert), espiel

19 Varianz ergibt sich darüber hinaus durch die Verwendung von Pluralformen, wie brochent statt brochet. Außerdem taucht die Formulierung in den späteren Verstexten in der tautologischen Form point et broce auf, in diesem Fall aber nur mit V2-Struktur. 20 Das Lexem polmon hat die graphische Variante pormon, die in den Manuskripten L und T verwendet wurde. 21 Eine weitere Variante ergibt sich im Clari, da dort nicht das Verb trencher, sondern die bereits moderne Form couper verwendet wird. Allerdings taucht diese Form innerhalb der Formulierung nur im Nebensatz auf: ... qui leur couperoit les testes. (25, 14, Cla) ... qu’illi couperoient le teste. (22, 29–30, Cla)

400

5 V1-Strukturen: Befunde, Klassifizierung, Analyse der Formulierungstraditionen

(Dolch), olifant (Olifant22) oder hace (Axt). Eigennamen zur Bezeichnung der Waffe sind u. a. Halteclere oder Durendal. Formulierung XXXIII dient der Darstellung davon, wie der Gegner geschlagen wird:  

XXXIII. [(EIN)SCHLAGEN(Verb)] [GEGNER (Objekt)] Dem Verb folgt unmittelbar das Objekt, das durch verschiedene Eigennamen oder Personenbezeichnungen ausgedrückt wird: Fiert Oliver ..., Fiert Marganices ..., Fiert Carlemagne ..., Fiert Pinabel ..., Fiert l’amiraille ..., Fiert un paien ..., etc. Formulierung XXXIV ist Formulierung XXXIII sehr ähnlich. In ihr tritt ebenfalls eine Form des Verbs ferir in Initialstellung auf, allerdings die Verlaufsform aller ferir. Die Formulierung beschreibt das (Ein)schlagen der Kämpfer: XXXIV. [(EIN)SCHLAGEN(Verb)] [KÄMPFER (Subjekt)/X (Adverb, Adverbiale, adverb. Nebensatz)] Teilweise enthält die Formulierung ein realisiertes postverbales Subjekt, teilweise ein Nullsubjekt. Bei einem Nullsubjekt kann dem Verb eine Adverbiale, ein Adverb oder das Objekt folgen. Hierdurch ergeben sich unterschiedliche Varianten, wie Vait (le) ferir li quens/li bers/un(s) Saisnes im Gegensatz zu Vait (le) ferir en guise de .../cum .../par .../Oliver ... etc. Die Frequenz der fünf dargestellten Formulierungen ist in der folgenden Übersicht zusammengefasst:23

22 Bei einem Olifant handelt es sich um ein Signalhorn aus Elfenbein (daher der Name «Elefant»). 23 Als V1-Sätze wurden nicht nur alle Verbinitialsätze, sondern auch et-V-X-Sätze gezählt, da die koordinierende Konjunktion et nicht Teil des Satzes ist.

Sais

72% 14

15

33%

7

5

2

14

70%

8

2

Villeh

36% 0

0

/

0% 0 0% /

0% /

Rol

19 63% 12

0% 5 45% 13

Jer

V2

28% 6

0% /

0% 0

30% 14 64% 0

0

0%

Valen

0% 1 100% /

2 100%

/

0% /

Villeh

57% 4 20% 3 100% /

67% 18 72% 0

82% 21 95,5% 23 92% 0

76% 8

Clar

89% 22 88% 2 100% /

Antio

95% 16

Sais

2 20% 10 62,5% 12

9 47% 32

2 100% 14 56% 35

Valen 2

0% 0 0% /

0% /

Clar

28% 1 100% /

1

8% 0

6 2 43% 16 8 80% 0

6

12% 0

Jer 2

3

V1

Hochgestellte Zahl: Anzahl elliptischer Strukturen mit Auslassung des Subjekts

Vait le ferir 11 37% 31

24%

4

61 55%

Fiert

11%

1 4,5%

2

Antio

6

6 37,5%

8 80%

18%

Tient l’espiet/ etc.

1

7

10 53%

5%

Trenchet

2

2

Rol

Brochet ad 11 44% ait/ le bien/ cheval

Formulierung

Abbildung 1

5.4 Analyse der V1-Formulierungstraditionen

401

402

5 V1-Strukturen: Befunde, Klassifizierung, Analyse der Formulierungstraditionen

Im Hinblick auf die Verstexte ergibt sich aus dieser Übersicht zunächst kein klares Bild. Lediglich in der Prosa herrscht relative Einheitlichkeit, insofern alle fünf Formulierungen dort sehr selten auftreten. Diese Tatsache wurde bereits bei der Analyse der V>2-Formulierungen bemerkt. In der Prosa scheinen diese epischen Formulierungen nicht mehr besonders oft verwendet worden zu sein, was bereits auf verschiedene Ursachen zurückgeführt wurde (cf. 4.1.2). Im Fall von Formulierungen XXX bis XXXII fällt auf, dass das V1-Vorkommen im Rolandslied immer über mindestens 40% liegt, wohingegen in den späteren Verstexten die 40%Marke nie erreicht wird. Die V1-Strukturen des frühen Epos werden dort durch V2Stellung abgelöst. Auch die wenigen Belege der Prosatexte zeigen, dass sich V1Stellung generell nicht besonders gut halten konnte, da sie auch in der Prosa nur als elliptische Struktur belegt ist. Formulierung XXX (Brochet ...) findet sich im Clari- und im Valenciennes-Text ausschließlich mit V2-Abfolge oder als Struktur, die durch eine Ellipse entstanden ist. Im Villehardouin scheint sie überhaupt nicht bekannt zu sein, obwohl sich dort Formulierungen mit dem Lexem cheval finden, die in den Epen und Reimchroniken häufig auftreten, so etwa monter a cheval oder traire le cheval.24 Formulierung XXXI (Trenchet ...) ist in keinem der Prosatexte als Hauptsatzstruktur belegt (bzw. tritt sie im Valenciennes generell nicht auf) und Formulierung XXXII (Tient ...) existiert nur im Clari-Text und dort lediglich einmal in Form einer Struktur mit ausgelassenem Subjekt. Es hat also den Anschein, dass V1-Strukturen im Laufe der Zeit und im Übergang zur neuen Gattung in Prosa abnehmen. Allerdings zeigt sich bei weiterer Betrachtung der Ergebnisse, dass die vermutete Abnahme von V1-Stellung nicht in jedem Fall zutrifft. Bei Formulierung XXXIII etwa besteht ein relativ großes V1Vorkommen mit 55% im Roland, 43% im Antioche und sogar 80% im Jerusalem. Die deutliche Zunahme der Formulierung im Jerusalem erstaunt. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass die Zahlen in den späten Verstexten nur deshalb hoch sind, weil dort viele elliptische Strukturen auftreten. Noch auffälliger als diese Zahlen scheinen die Zahlen von Formulierung XXXIV (Vait ferir ...). Im Roland liegen V1-Strukturen bei nur 37% und V2 überwiegt in diesem Text folglich (mit 17 A-V-X- und zwei S-V-X-Strukturen). Frappierend ist nun vor allem die hohe Zahl an V1-Sätzen in den Reimchroniken (über 70%). Es besteht auf den ersten Blick also eine deutliche Zunahme an V1, wenn man das Rolandslied mit den späteren Verstexten vergleicht. Allerdings liegt die Ursache für diesen prozentualen Anstieg abermals bei den elliptischen Strukturen, die sowohl im Jerusalem als auch im Antioche besonders häufig sind und im Antioche sogar die Gesamtmenge

24 Es wurden viele weitere Belege für solche Formulierungen gefunden, deren Frequenz ich nicht erhoben habe, da es sich nicht um V1-Strukturen handelt.

5.4 Analyse der V1-Formulierungstraditionen

403

aller V1-Sätze ausmachen. Im Roland treten sie dagegen überhaupt nicht auf. Tatsächliche V1-Sätze, die sich nicht aufgrund einer Ellipse ergeben, gibt es in den späten Verstexten also wesentlich seltener, als die Zahlen dies zunächst vermuten lassen.25 Man kann demnach festhalten, dass V1-Sätze auch noch in den späten Verstexten existieren, dort aber häufig als elliptische Strukturen erscheinen, und dass sie in der Prosa – wenn überhaupt – nur noch als Ellipsen anzutreffen sind. Zur Veranschaulichung dieser Tendenz können die einzelnen Belege herangezogen werden, exemplarisch dargestellt anhand von Formulierung XXX und XXXIII (zu den Belegen der Formulierungen XXXI, XXXII und XXXIV cf. Anhang 5). Die einzelnen Sätze führen vor Augen, dass das V1-Vorkommen im Rolandslied in der Regel am größten ist und in den späten Texten abnimmt, elliptischer Art ist oder sogar ganz ausbleibt: XXX.

[ANSPORNEN/DIE SPOREN GEBEN(Verb)] [GUT/KRÄFTIG/BEHERZT/MUTIG (Adverb)] [X (...)]

Roland

V1

Brochent ad ait [...] (1184, Rol) Brochent ad ait [...] (1802, Rol) Brochent a eit [...] (3350, Rol) Brochent ad eit [...] (3541, Rol) ...

25 Neben der Tendenz, dass V1-Stellung im Laufe der Zeit und im Übergang von Vers zu Prosa abnimmt, scheint sich auf den ersten Blick eine weitere Tendenz abzuzeichnen; dies zumindest, wenn man das V2-Vorkommen der fünf Formulierungen genauer analysiert. Der Blick auf die Syntax aller erhobenen V2-Sätze der ersten beiden Formulierungen lässt vermuten, dass im frühen und späten Epos A-V-X-Strukturen als Ersatz für V-X-Strukturen bevorzugt wurden. In den Reimchroniken scheinen dagegen S-V-X-Sätze diesen Ersatz darzustellen. Dies würde bestätigen, dass man in einer alten Textsorte wie dem Epos längere Zeit an älteren Strukturen (A-V-X) festgehalten hatte als in den neu entstandenen Textsorten. Für diese Annahme spricht die These, dass S-V-X-Stellung mit realisiertem präverbalem (vor allem pronominalem) Subjekt – wie bereits dargestellt – als jüngere syntaktische Struktur des Altfranzösischen gilt. Diese Vermutung wird durch die folgenden Zahlen gestützt: Im Fall von Formulierung XXX (Brochet ...) überwiegt A-VX-Stellung im Saisnes mit 25 Okkurrenzen im Gegensatz zu 12 Okkurrenzen mit S-V-X-Syntax. In den Reimchroniken tritt dagegen S-V-X-Stellung mit 6% im Jerusalem und mit 9% im Antioche auf, und der Anteil der A-V-X-Strukturen ist mit 5% bzw. 6% etwas geringer. Im Fall von XXXI (Trenchet ...) tritt das A-V-X-Muster im Saisnes 16-mal und S-V-X nur dreimal auf. In den Reimchroniken besteht indessen ein Verhältnis von 6% (Antioche) bzw. 7% (Jerusalem) mit S-V-XStellung zu 5% (Antioche) bzw. 7% (Jerusalem) mit A-V-X-Stellung. Entkräftet wird die dargestellte Vermutung allerdings, sobald man Formulierung XXXII (Tient ...) hinzuzieht. Hier kann auch im Saisnes S-V-O-Stellung dominieren und in den Reimchroniken das A-V-S-Muster überwiegen. Bei dieser Formulierung herrscht generell keine Übereinstimmung mit der zuvor aufgezeigten Tendenz. Die angestellten Überlegungen zum Verhältnis von A-V-X- und S-V-X-Stellung bestätigen sich hier also nicht.

404

5 V1-Strukturen: Befunde, Klassifizierung, Analyse der Formulierungstraditionen

Brochet le bien des aguz esperuns [...] (1573, Rol) Brochet le bien des esperuns [...] (1944, Rol) Brochet le bien des esperuns [...] (2128, Rol) Borchent les bien (3877, Rol) ... V2

Saisnes

Antioche

V1

Sun cheval broche [...] (1125, Rol) Sun cheval brochet [...] (1198, Rol) Sun cheval brochet des esperons [...] (1245, Rol) Sun cheval brochet des esperuns [...] (1549, Rol) ... Le cheval brochet des esperons [...] (1738, Rol) Le cheval brochet [...] (2055, Rol) Le cheval brochet [...] (3165, Rol) Le cheval brochet des esperuns [...] (3353, Rol) ... *Et brochent les chevax des esperons d’arget; (6027 LT, Sais) *Et broche le destrier [...] (1532 LT, Sais)

V2

Puis broche le cheval [...] (260 AR, 253 LT, Sais) Puis broche le cheval [...] (1608 AR, 1532 LT, Sais) Puis broche le cheval [...] (1918 AR, Sais) Puis broche le destrier [...] (2424 AR, 2171 LT, Sais) ... Il broche le cheval [...] (3281 AR, Sais) Il a brochié Flori son destrier espanois, (3310 LT, Sais) Il broche le destrier [...] (3824 AR, Sais) Il broche le cheval des esperons (4875 LT, Sais) Il broche le destrier [...] (3940 AR, Sais) ...

V1

Broce des esperons son destrier arrabi, (8822, Antio) Broce le bon destrier [...] (9030, Antio)

V2

Lors broce le ceval [...] (696, Antio) Lors broce le destrier [...] (5396, Antio) Puis broce le destrier [...] (1284, Antio) ... Il broce le destrier [...] (468, Antio) Il broce le ceval [...] (2092, Antio) Il broce le destrier [...] (7703, Antio) Il broce le destrier [...] (8680, Antio) ...

5.4 Analyse der V1-Formulierungstraditionen

Jerusalem

V1

Broce des esperons le destrier auferrant (391, Jer) *Et broce le destrier, (480, Jer) *et broce le destrier (2468, Jer)

V2

Lors broce le ceval des esperons [...] (1663, Jer) Lors broce le destrier [...] (5699, Jer) Lors broce le ceval [...] (5985, Jer) ... Cornumarans broce Plantamor l’arabi, (3914, Jer) Cornumarans broce Plantamor l’arabi, (3930, Jer) Il brocent les destriers [...] (7998, Jer) Lucifers point et broce son destrier arrabis, (8402, Jer) ...

Valenciennes

V1

*le [le cheval] hurta des esperons, (509, Val) *hurte cheval des espourons [...] (539, Val)

Clari

V2

si fiert il des esperons [...] (33, 49, Cla) si feri (sen) cheval des esperons [...] (48, 6, Cla)

* Strukturen mit ausgelassenem Subjekt (Ellipse); so auch im Folgenden.

XXXIII. [(EIN)SCHLAGEN(Verb)] [GEGNER/OPFER (Objekt)] Roland

Saisnes

V1

Fiert un paien Justin de Val [...] (1370, Rol) Fier Carlemagne [...] (3603, Rol) Fiert Marganices [...] (1954, Rol) Fiert l’amiraille [...] (3615, Rol Fiert Pinabel [...] (3926, Rol) *Fiert Oliver [...] (1245, Rol)

V2

E Gerius fiert Malprimis de Brigal; (1261, Rol) E sis cumpainz Gerers fiert l’amurafle: (1269, Rol) Si fiert Naimun [...] (3432, Rol) Si fiert Tierri [...] (3916, Rol)

V1

Fiert le roi de Cassore [...] (2743 AR, 2484 LT, Sais) Fiert le conte Garin [...] (3995 AR, Sais) Et fiert un des barbez devant en son escu, (4066 AR, Sais) Et fiert un Sarrazin [...] (319 R, Sais)

V2

Si fiert le Turc [...] (3311 LT, Sais) Li rois fiert Baudoïn [...] (4158 LT, Sais) Et Baudoïns fiert lui [...] (4162 LT, Sais) Et Berars refiert lui [...] (4660 LT, Sais) Et Guiteclins fiert lui [...] (5307 LT, Sais)

405

406

5 V1-Strukturen: Befunde, Klassifizierung, Analyse der Formulierungstraditionen

Et Dialas fiert lui [...] (1334 R, 7163 LT, Sais) ... Antioche

V1

Refiert Salehadin [...] (2099, Antio) Fiert Alis d’Anthioce [...] (3589, Antio) Fiert le roi Bricebalt [...] (6427, Antio) Fiert le Rouge Lïon [...] (9031, Antio) *Et fiert .I. Sarrasin [...] (3673, Antio) *Et fiert .I. chevalier [...] (2395, Antio)

V2

Bauduins refiert lui [...] (1330, Antio) Et un autre fiert lues [...] (3075, Antio) Li ber fiert Maltamin [...] (3534, Antio) Puis fiert .I. autre Turc [...] (1371, Antio) Puis fiert .I. autre Turc [...] (1390, Antio) ...

V1

Fiert le roi Garsïen [...] (2470, Jer) Fiert le roi Murgalant [...] (5725, Jer) Fiert le roi Sucaman [...] (5865, Jer) ... *Et fiert .I. amiral [...] (375, Jer) *Et fiert .I. amiral [...] (386, Jer) *Et fiert .I. amiral [...] (446, Jer) *Et fiert Estievenon [...] (3472, Jer) *Et fiert l’un des François [...] (3923, Jer) *Et fiert .I. Sarrasin [...] (4137, Jer) *Et fiert Cornumaran [...] (5700, Jer) ...

V2

Un Sarrasin fiert [...] (3576, Jer) Pieron l’ermite fiert [...] (7012, Jer) ...

Clari

V2

si fiert il chu balliu [...] (21, 73, Cla) si le fiert il [...] (33, 52, Cla) si le feri [...] (116, 13–14, Cla)

Valenciennes

V2

il le fiert [...] (509, Val) ains le fiert [...] (631, Val)

Jerusalem

Als Fazit zu den Formulierungen mit V-X-Struktur ist festzuhalten, dass a) V1Strukturen insgesamt rückläufig sind, sofern man elliptische Strukturen mit ausgelassenem Subjekt nicht als V1-Sätze bewertet; und dass b) V2-Strukturen in den späten Texten zunehmen. Weitere syntaktische Tendenzen können sich nicht eindeutig bestimmen lassen.

5.4 Analyse der V1-Formulierungstraditionen

407

5.4.2 V1-Formulierungstraditionen mit V-S-Struktur Es konnten lediglich zwei V1-Formulierungstraditionen mit V-S-Syntax ermittelt werden. Im Unterschied zu allen V-X-Formulierungstraditionen handelt es sich hierbei um Sätze mit realisiertem Subjekt. Formulierung I wurde bereits in Abschnitt 1.4 ausführlich besprochen. Sie übernimmt die inhaltliche Funktion, den Wechsel der Tageszeiten darzustellen und enthält verschiedene Varianten, vor allem durch den Einsatz unterschiedlicher Verben, die das Kommen und Gehen von Tag und Nacht beschreiben.26 I.

[SCHWINDEN/ERSCHEINEN (Verb)] [der Tag/die Nacht (Subjekt)] [der Tag/die Nacht/... (Subjekt)] [SCHWINDEN/ERSCHEINEN (Verb)] Passet li jurz, la noit est aserie; (3658, Rol) Passet li jurz, la nuit est aserie. (3991, Rol) Passet la noit, si apert le cler jor. (3675, Rol) Passet li jurz, si turnet a la vespree. (3560, Rol) ...

Formulierung XXXV ist Formulierung IV sehr ähnlich (cf. 1.4). Es geht um die Schilderung des Erklingens verschiedener Instrumente. Im Unterschied zu Formulierung IV ist hier allerdings nicht das Veranlassen dieses Erklingens relevant, also nicht faire suner/soner, sondern das Ertönen der Instrumente selbst oder die Tatsache, dass ein Agens das Ertönen bewirkt. Wie Formulierung IV, variiert auch diese Formulierung entsprechend der Bezeichnung der einzelnen Instrumente: cors, buisines, grailles, taburs, tinbres etc. XXXV. [ERTÖNEN(Verb)] [INSTRUMENT (Subjekt)/(Objekt)] [X] Sunent mil grailles [...] (1004, Rol) Sunent cez greisles [...] (3309, Rol) Sonnent cor et buisines et graisle [...] (1162 AR, 1104 LT, Sais) Sonnent cor et buisines et graisle et olifant, (1265 AR, 1202 LT, Sais) Sonent tabors et tinbres, (80, Jer) Sonent cors et buisines et grailles [...] (1971, Jer) Sonent cors et buisines, grailles [...] (5290, Antio) ...

26 An dieser Stelle habe ich auf eine umfassendere Auflistung der den Formulierungen angehörigen Sätze verzichtet, da die Formulierungen schon früher in der Arbeit besprochen wurden.

408

5 V1-Strukturen: Befunde, Klassifizierung, Analyse der Formulierungstraditionen

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über das Verhältnis von V1- und V2Sätzen der soeben besprochenen Formulierungen:



0

Sais

0% 0 0% 0

Antio 0%

Jer

55% 6* 1° 55% 1* 8% 6 29%

6 100%

Rol

V1

/

Villeh

0* 0% 0 0%

/

Clar

0 0%

/

Valen

Sais

5* 45% 5*

Jer /

Clar /

Villeh

/

Val

71% 0* 0% 1 100% 0* 0%

8 100%

92% 15*

5 100%

Antio

45% 12*

0 0% 2 100%

Rol

V2

* Okkurrenzen mit der Formulierungsvariante faire sonner sind vorhanden, wurden jedoch nicht gezählt (cf. 1.4). ° Eine der angegebenen Formulierungen hat keine V-S-, sondern eine V-O-Struktur. Das Musikinstrument ist nicht Agens, sondern Patiens. Hochgestellte Zahl: Anzahl elliptischer Strukturen mit Auslassung des Subjekts

Sunent grailles

Passet li jurz

Formulierung

Abbildung 2

5.4 Analyse der V1-Formulierungstraditionen

409

410

5 V1-Strukturen: Befunde, Klassifizierung, Analyse der Formulierungstraditionen

Aus der Tabelle wird ersichtlich, dass Formulierung I (Passet ...) zum einen nur im Rolandslied mit V1-Struktur belegt ist und zum anderen nicht in den Prosatexten auftritt. Das Fehlen in den Prosatexten erklärt sich durch die Tatsache, dass der Übergang von Tag und Nacht dort durch andere, nüchternere Formulierungen ausgedrückt wurde. Im Clari steht bevorzugt der einleitende Nebensatz Quant che vint vers mie nuit oder Quant che vint l’endemain par matin, der auch im Valenciennes belegt ist. Im Villehardouin und ebenfalls im Valenciennes wird die Adverbiale Al/Au matin gewählt (teilweise kombiniert mit der bereits bekannten Formulierung III): 40. quant che vint vers mie nuit, (51,1, Cla) Quant che vint vers mie nuit et [...] (60,13, Cla) Quant que vint vers mie nuit, (79,1, Cla) ... 41. Quant que vint l’endemain par matin [...] (25,31, Cla) Quant che vint l’endemain par matin [...] (44,40, Cla) Quant che vint l’endemain par matin [...] (80,1, Cla) Et quant che vint a l’endemain matin [...] (596, Val) ... 42. Al matin [...] (43, Vil) Et al maitin fist mult bel jor et mult cler [...] (78, Vil) Et al maitin [...] (84, Vil) Au matin [...] (570, Val) Au matin [...] (622, Val) A celui matin [...] (531, Val) ... Der Gebrauch der Adverbiale kann teilweise auch in den späten Verstexten nachgewiesen werden, dort existiert aber mehrheitlich die Adverbiale El demain par matin. Der einleitende Nebensatz scheint charakteristisch für die Prosa, insbesondere für den Clari-Text, zu sein, was nicht verwundert, da der Einsatz von Strukturen mit einleitendem Nebensatz generell erst in der Prosa mit hoher Frequenz belegt ist. Der syntaktische Unterschied zwischen dem frühen Epos mit V1-Stellung und den späten Verstexten mit V2-Stellung lässt vermuten, dass V-S-Strukturen mit initialem Verb später nicht mehr beliebt waren bzw. V2-Stellung in diesem Kon-

5.4 Analyse der V1-Formulierungstraditionen

411

text angemessener erschien.27 Diese These gerät allerdings ins Schwanken, wenn wir die Ergebnisse von Formulierung XXXV berücksichtigen: Hier zeigt sich, dass V-S-Stellung nicht nur im Roland mit 55% recht dominant war, sondern auch im Saisnes, mit ebenfalls 55%. Es kann also nicht die Rede davon sein, dass V-SStellung mit initialem Verb in den späten Verstexten überhaupt nicht nachzuweisen ist. Andererseits können die Frequenzverhältnisse der Reimchroniken wiederum verdeutlichen, dass V2-Stellung dem V1-Muster in späterer Zeit wohl trotzdem vorgezogen wurde.28 Im Hinblick auf die Prosa sind beide Formulierungen nicht aussagekräftig, da sie (fast) nicht als Aussagesatz tradiert wurden. Der einzige belegte Fall hat eine S-V-Struktur, was bedeutet, dass V1-/V-S-Stellung in der Prosa hier also gar nicht existiert. Eine weitere Untersuchung wurde mit V-S-Strukturen bei den häufigsten verba dicendi angestellt. Es handelt sich um Phrasen, in denen ein verbum dicendi bei direkter Rede auftritt. Zwar sind diese Phrasen streng genommen keine Formulierungen, da sie zu unspezifisch sind, sie wurden aber dennoch zur Analyse hinzugenommen, um den Einsatz der V1-Syntax gerade auch in denjenigen Kontexten diachron und diskursübergreifend überprüfen zu können, die als prädestiniert für V1-Stellung im altfranzösischen Aussagesatz gelten. Darüber

27 Die Untersuchung der V2-Sätze zeigt, dass sowohl A-V-S-, als auch S-V-Strukturen belegt sind, wobei S-V in allen späten Verstexten überwiegt. Im Saisnes ist die Formulierung ausschließlich mit S-V-Syntax gegeben, allerdings handelt es sich insgesamt auch nur um zwei Okkurrenzen. Im Antioche finden sich drei S-V-Strukturen und zwei A-V-S-Strukturen, im Jerusalem sind es vier S-V- und nur eine A-V-S-Struktur. 28 Die detaillierten Verhältnisse zu V2-Strukturen stellen sich folgendermaßen dar: V2-Stellung tritt im Roland mehrheitlich als transitive Struktur auf, bei der das Instrument nicht Subjekt und Agens, sondern syntaktisches Objekt und Patiens ist (A-V-O: 2, O-V: 1, S-V-O: 1, im Gegensatz zu S-V: 1). In den Reimchroniken ist das Verhältnis von Agens- und Patiens-Strukturen ausgewogener. Im Jerusalem ist in sieben Fällen das Instrument der Agens (A-V-S: 4 und S-V: 3). PatiensStrukturen der Formulierung sind dort in acht Fällen belegt (A-V-O: 4 und S-V-O: 4). Im Antioche liegen sechs Fälle mit dem Instrument als Agens (S-V: 1, A-V-S: 5) und sechs mit dem Instrument als Patiens (S-V-O: 4, A-V-O: 2) vor. Im Saisnes ist das Verhältnis ein anderes: Die Agensstruktur überwiegt (S-V-X: 3 zu S-V-O: 1). In der Prosa ist die Formulierung bis auf einen Fall im Villehardouin (mit S-V-O-Struktur) nicht belegt. Auch dies ist dadurch zu erklären, dass eine andere Formulierung, die bereits bekannte Ausdrucksweise mit faire suner oder eine weitere ähnliche Form mit oir suner wohl bevorzugt wurde. Hier die Belege aus dem Clari- und Valenciennes-Text: i. ii. ii. iv. v.

si fisent sonner buisines d’argent et d’arain [...] et tabours et tymbres [...] (41, 31, Cla) si i avoit fait [...] et faisoit ses buisines d’argent sonner et ses timbres, (70, 11–13, Cla) si faisoit ses buisines d’argent sonner et ses timbres et [...] (73, 18–19, Cla) et faisoit sonner ses buisines d’argent et ses timbres et [...] (76, 21–22, Cla) et li Blac font lor trompes sonner; (536, Val)

412

5 V1-Strukturen: Befunde, Klassifizierung, Analyse der Formulierungstraditionen

hinaus zeigt sich, dass innerhalb dieser Gruppe einzelne Formulierungen belegt sind, wie beispielsweise die in den Verstexten häufig wiederkehrende Phrase Dist li uns a l’altre. Die folgenden zwei Gruppen mit verba dicendi wurden untersucht:29 XXXVI. [SAGEN (Verb)] [FRANKEN/HEIDEN/EIGENNAME/DER EINE/(PERSON) (Subjekt)] Dit cascun a l’altre (2698, Rol) Dist l’un a l’altre (3798, Rol) Et dist li uns a l’autre, (4690, Jer) Et dist li uns a l’autre, (7071, Jer) Et dist li une a l’autre (830, Antio) Et dist li uns a l’autre: (984, Antio) ... Dist li empereres (2482, Rol) Et dist li emperere (895, Antio) Et dist li empereres: (946, Antio) ... Dist li rois Godefrois, (9722, Jer) Dist li rois Godefrois, (7401, Jer) Dist rois Lohous de Frise: (2192 AR, Sais) ... etc.

XXXVII. [ANTWORTEN (Verb)] [FRANKEN/HEIDEN/HERRSCHER/(EIGENNAME) (Subjekt)] Respont dux Neimes [...] (246, Rol) Respont dux Neimes [...] (1790, Rol) Respont dux Neimes [...] (3013, Rol) Et respont li dux Naymes: [...] (1657 R, Sais) Et respont li dus Naymes: [...] (7541 LT, Sais) Et respondi li dus: [...] (2459, Antio) Et respondi li dus: [...] (4149, Antio) Et respondi li dus: [...] (325, Jer) ...

29 Auf eine umfassendere Darstellung der einzelnen Formulierungssätze wird hier – sowie auch im Anhang – aufgrund des enormen Vorkommens dieser Sätze und des Umfangs, der für ihre Präsentation nötig wäre, verzichtet.

5.4 Analyse der V1-Formulierungstraditionen

413

Respundent Francs [...] (3558, Rol) Respundent Franc [...] (3530, Rol) Respundent Franc [...] (3761, Rol) Respundent Francs [...] (3779, Rol) Respundent Franc [...] (3837, Rol) ... etc.

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Frequenz dieser zwei Konstruktionen in allen Texten des Korpus:30

30 Die Kombination dist + Subjekt als Inzise mit vorausgehender Objektphrase, wie etwa bei Namles, dist l’empereres, Diex vo cors me porgart! (451 AR, 439 LT, Sais) wird als V2-Struktur gewertet, da das Objekt in solchen Fällen höchst wahrscheinlich auch in V2-Sprachen zum Satz dazu gezählt wird, da keine Verletzung der V2-Grammatik vorliegt (diese Konstruktion ist in V2Sprachen möglich).

Jer

2

7%

0 0%

36%

1 50%

15

Valen

86% 15

2 33%

32

Villeh

19% 32

Clar 6

Hochgestellte Zahl: Anzahl elliptischer Strukturen mit Auslassung des Subjekts Prozentuale Angaben wurden aufgerundet.

31 45% 2 22% 30 30%

Respunt DR

Antio

V1

2% 84 21% 88 31% 8

Sais

84 53% 7

Rol

Dist DR

Formulierung

Abbildung 3

Sais

Antio

38 55%

7 78%

71 70%

75 47% 402 98% 310 79%

Rol

Jer

28 93%

Villeh

Valen

81% 5 14% 27 64%

Clar

4 100% 4 67% 1 50%

193 69% 35

V2

414 5 V1-Strukturen: Befunde, Klassifizierung, Analyse der Formulierungstraditionen

5.4 Analyse der V1-Formulierungstraditionen

415

Die Tabelle zeigt, dass auch im Fall dieser Phrasen V1-Strukturen (ausschließlich V-S-Strukturen) im Roland mit 53% und 45% häufiger auftreten als in allen anderen Texten. Nur eine Ausnahme ist belegt. Im Villehardouin macht der V1Anteil bei dire 86% aus, wobei alle belegten V1-Sätze hier elliptische Konstruktionen sind und im Grunde genommen also wieder keine «echten» V1-Strukturen vorliegen. Dies ist auch im Valenciennes der Fall, in dem alle 15 belegten V1Strukturen mit dire Sätze mit ausgelassenem Subjekt sind. Nur im Clari finden sich zwei von acht V1-Sätzen, die keine Ellipsen darstellen. Bei respundre gibt es hingegen keine Ellipsen, weder in der Prosa noch in den späten Verstexten. Die Prozentzahlen der späten Verstexte liegen für V1 bei 19% bis 30%, in den Prosatexten bei 0% bis 50% (allerdings sind hier die realen Zahlen insgesamt sehr klein). Dieses Ergebnis erweckt den Anschein, dass die Verba dicendi-Strukturen bei direkter Rede ebenfalls einem syntaktischen Wandel unterzogen waren. Oder anders ausgedrückt, es scheint so, dass die Schreiber auch bei diesen extrem häufig verwendeten Phrasen dazu übergingen, die V2-Struktur der V1-Variante vorzuziehen. Das heißt, anstatt der V-S-Stellung setzte sich bei direkter Rede wohl vermehrt S-V-Stellung durch. Allerdings ist zu vermuten, dass das V-S-Muster für die Schreiber in verschiedenen Diskursen akzeptabel war, da es ja in allen hier untersuchten Textsorten und Gattungen – wenn auch teilweise sehr selten – auftritt. Als Fazit zu den Formulierungen mit V-S-Struktur kann also festgehalten werden, dass V1-Stellung bei verba dicendi und anschließender direkter Rede sowohl im späten Verstext als auch in der Prosa wohl noch akzeptiert wurde, aber trotzdem nur noch selten Anwendung fand. Es ist deshalb zu vermuten, dass V1/V-S in diesem Kontext allgemein nicht mehr sehr geläufig war, aber eventuell noch in distanzsprachlichen Diskursen akzeptiert oder als «normal» empfunden wurde. Ob diese Einschätzung auch auf andere Kontexte außerhalb des Bereichs der verba dicendi zutrifft, ist meiner Ansicht nach fraglich. Wie sich zeigte, wurden V-S-Formulierungen generell nicht in der Prosa tradiert, sondern durch neue oder andere Formulierungen mit veränderter Syntax ersetzt. Die alten Formulierungsmuster scheinen nur in Ausnahmefällen beibehalten worden zu sein, und in diesen Fällen dann vermutlich immer mit V2-Syntax.31 Ich betrachte dies als Anzeichen dafür, dass man V1-/V-S-Stellung – außer bei den verba dicendi – nicht mehr verwenden wollte. Dass in einem Verstext, wie dem Saisnes, noch sehr viele V1-/V-S-Strukturen auftreten, widerspricht dieser Auf-

31 Dies müsste allerdings nochmals umfassender überprüft werden, da aufgrund der zu geringen Anzahl der in meinem Korpus gefundenen V-S-Formulierungstraditionen keine endgültigen und verallgemeinernden Schlussfolgerungen gezogen werden sollten.

416

5 V1-Strukturen: Befunde, Klassifizierung, Analyse der Formulierungstraditionen

fassung nicht. Dieser Text scheint sehr deutlich in der Diskurstradition des frühen Heldenepos zu stehen, weshalb sich seine Schreiber vermutlich noch stark an dieser Tradition orientierten und V-S-Formulierungsstrukturen übernahmen.

5.4.3 Zur Informationsstruktur Es kann nun die Frage gestellt werden, ob der soeben beschriebene Wechsel im Gebrauch der syntaktischen Strukturen bzw., genauer formuliert, die Bevorzugung von V2- gegenüber V1-Stellung in den späteren Texten des Korpus auf der informationsstrukturellen Ebene ebenfalls eine Veränderung bedeutet und diese Veränderung als Ursache für den syntaktischen Wandel herangezogen werden kann. Im Hinblick auf alle V-X-Formulierungen scheint dies unwahrscheinlich, da sich ihre Informationsstruktur durch einen Wechsel zur V2-Syntax nicht grundlegend ändert. Betrachten wir nochmals Formulierungen XXX bis XXXIV. Die Informationsverteilung dieser Formulierungen ist identisch: Das Topik wird immer eine oder mehrere Zeilen (bzw. Verse) zuvor genannt und ist also aus dem Kontext bekannt (familiar topic). Inhaltlich handelt es sich dabei in der Regel um einen bestimmten Franken oder Heiden oder um die Franken bzw. Heiden im Allgemeinen. Dieses Topik wird in der Formulierung syntaktisch nicht mehr realisiert, wie das Beispiel (43) exemplarisch zeigt. Die Formulierung beginnt direkt mit dem Verb (Broce des esperons ...), das Topik (Dans Ricars de Caumont) ist aus dem vorhergehenden Kontext bekannt. Im Fall der elliptischen V-X-Strukturen gibt es hingegen ein realisiertes Topik. Dieses tritt aber nur im ersten Teilsatz auf und wird in allen folgenden Teilsätzen ausgelassen (44). 43. Dans Ricars de Caumont ne vait pas atargant. (Jer, 390–394) Broce des esperons le destrier auferrant Et a [...] Herr Richard von Caumont nicht geht verspätend spornt-an mit den Sporen das Schlachtross ‘Richard von Caumont lässt nicht auf sich warten. Er gibt dem Schlachtross die Sporen und hat [...]’ 44. Buiemons ist del gaut, il et si chevalier, (Jer, 2467–2468) Puis escrie, «Monjoie!» et broce le destrier Buiemont kommt von dem Wald er und seine Ritter dann schreit [er] «Montjoie!» und spornt-an das Ross

5.4 Analyse der V1-Formulierungstraditionen

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‘Buiemont kommt aus dem Wald, er und seine Ritter, dann ruft er «Montjoie!» und gibt dem Ross die Sporen’ Trotz der Tatsache, dass bei elliptischen oder «normalen» V-X-Strukturen das Subjekt nicht nochmals realisiert wird, enthalten Formulierungen mit solch einer Syntax ein Topik-Fokus-Profil und stellen also zweigliedrige (kategorische) Äußerungen dar. Ihr Nullsubjekt ist aus informationsstruktureller Perspektive ein vorhandenes Topik. Der Wechsel von einer V1- zu einer V2-Syntax bedeutet demnach keine maßgebliche Veränderung in der Informationsstrukturierung. Die für die genannten V-X-Strukturen konstatierte Topik-Fokus-Gliederung besteht auch bei den V2-Sätzen: Im Fall von A-V-X-Sätzen wird das Nullsubjekt beibehalten, der Satz knüpft hier durch ein adverbiales Element an den vorhergehenden Kontext an, womit der Bezug zum gegebenen (familiar) Topik hervorgehoben wird. Vor allem die konnektiven Adverbien lors, puis, si etc. scheinen die bei V1-Stellung lexikalisch nicht realisierten Verbindungen zum Kontext zu ersetzen und treten sehr häufig auf. Dies zeigt sich bei Formulierung XXX (Broce ...) oder XXXIII (Fiert ...) besonders deutlich: 45. Lors broce le ceval des esperons d’or mier, (1663, Jer) Lors broce le destrier s’a la lance brandie (5699, Jer) Lors broce le ceval, poignant s’en est tomés, (5985, Jer) Lors brocent les cevals, es les vos aroutés, (8024, Jer) Lors broche le cheval des esperons dorez (3268 LT, Sais) Lors brocha Escorfaus et Daires li Orkans (3959 AR, Sais) Lors brochent les chevax et coranz et isniax, (6067 LT, Sais) Lors broche le cheval qi l i cort d e randon, (6725 LT, Sais) Lors broche le cheval qi ne cort mie lant; (6919 LT, Sais) Lors broche [...] le cheval espanms (7183 LT, Sais) Lors broche le cheval qi li cort de randon, (7380 LT, Sais) Lors broce le ceval, si 1'a esperone, (696, Antio) Lors broce le destrier, les os fist arouter (5396, Antio) Puis broche le cheval qui fu d’yve espanoise, (1608 AR, Sais) Puis broche le cheval, n’i a lonc plaît eü, (1918 AR, Sais) Puis broche le destrier qui li lance et sautele, (2424 AR, Sais) Puis broche le cheval, si s’est abandonez (3471 LT, Sais) Puis broche le cheval contreval la gaudine; (3632 LT, Sais) Puis broche le cheval qi randone menu; (3700 LT, Sais) Puis broche le cheval des esperons d’acier, (5301 LT, Sais) Puis broce le destrier, s’a le hanste brandie, (1284, Antio)

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5 V1-Strukturen: Befunde, Klassifizierung, Analyse der Formulierungstraditionen

46. Puis fiert .I. autre Turc, Gobaut, le fil Madel, (1371, Antio) Puis fiert .I. autre Turc de 1' espiel acerin, (1390, Antio) Puis en refiert .I. autre; .XIIII. en a ocis, (465, Jer) Si fiert Mahom el col qu’il caï estendus, (4904, Antio) Si fiert un Sarrazin que l’escu li porfant. (6044 LT, Sais) Si fiert le Turc ou heaume que ne li vaut un pois; (3311 LT, Sais) si le feri d’une lanche par mi le cors (116, 13–14, Cla) A-V-X-Stellung kann allerdings auch ein eigenes weiteres Topik enthalten, wie etwa im folgenden Beispiel (Formulierung XXXII), in dem das familiar Topik nicht realisiert ist, durch die Adverbiale en sa main bzw. en son poign (in seiner Hand) aber ein aboutness Topik32 gesetzt wird: 47. En se main tient l’espee dont li brans fu d’acier. (9090, Antio) En se main tient l’espee o le branc d’acier cler, (9223, Antio) En sa main tint l’espee dont li poins fu d’or mier. (6701, Antio) En se main tint le Lance dont li felon tirant (8951, Antio) En sa main tint l’espee o le poing de laiton, (9277, Antio) en sa main tint s’espee, (9304, Antio) An son destre poing tint tot nu le branc d’acier. (807 R, 6566 LT, Sais) Im Fall von S-V-X ist das Subjekt gegeben, allerdings handelt es sich auch hier in der Regel um ein bereits bekanntes Topik, das in der Formulierung nochmals explizit erwähnt wird. Besonders deutlich wird dies in (48) und (49) durch den Einsatz von Subjektpronomina oder durch den Gebrauch des Indefinitpronomens chascuns: 48. cascuns tient nu le brant, (1694, Jer) cascuns tient hoe u pal (1983, Jer) Cascuns tint .I. faucon [...] (2850, Jer) cascuns tint .I. baston, (3366, Jer) Cascuns tient en sa main d’un cier paile .I. quartier, (4897, Jer) Cascuns tient en sa main une hace aceree (3034, Antio) Il tient l’espee nue [...] (3575, Jer) Il tint l’espee nue [...] (4772, Jer) Il tint son arc de cor, ja le vaura vengier, (4731, Antio)

32 Siehe zur Unterscheidung der einzelnen Topik-Typen Fußnote 64 Kap. 2.

5.4 Analyse der V1-Formulierungstraditionen

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49. Il li trence l’esquine et le cuer et le pis! (454, Jer) Il li trence le pis, le fie et le polmon (541, Jer) Il lor trencent les cuers et traient l a coraille. (6916, Jer) II lor trencent les testes a l’espee forbie. (1583, Antio) Il les ont detrencies et livres a martire. (2465, Antio) II lor trencent les testes, ja n’en aront aïe, (3186, Antio) Eine markierte Variante mit Topik-Fokus-Gliederung und kategorischem Aussageprofil stellt das O-V-(X)-Muster dar. Auch hier ist ein Nullsubjekt gegeben, das aus dem Kontext bekannt ist und das (familiar) Topik darstellt. Das vorangestellte Objekt ist fokalisiert, an der zweigliedrigen Struktur der Äußerung ändert sich dadurch aber nichts. 50. La teste li trancha [...] (7365 LT, 1530 AR, Sais) Les testes lor trençoient, le pis et le menton. (1644, Antio) Les testes lor trencierent [...] (2126, Antio) Les testes lor trencierent [...] (3328, Antio) La teste li trençoient [...] (3353, Antio) Les testes lor trencierent et les bus et les pis. (3756, Antio) Les testes lor trencierent [...] (4766, Antio) La teste li trença [...] (8502, Jer) ... Et la coife trenchie [...] (1445 AR, Sais) La coife li trença [...] (4039, Jer) La coife li trença [...] (9296, Jer) ... Le cuer li a trenchié et l’eschine et la loigne; (3819 AR, Sais) Le pis et le coraille li a trenciet par mi. (378, Jer) L’orelle li trença, la car li a trencie (5869, Jer) ... Bisher kann also zusammengefasst werden, dass sich durch den Einsatz einer VX-Struktur mit Nullsubjekt oder einer A-V-X-Struktur mit Nullsubjekt oder auch einer S-V-X-Struktur mit realisiertem Subjekt an der Informationsstruktur und am zweigliedrigen Aufbau der untersuchten Formulierungen im Prinzip nichts ändert. Eine leichte Differenz ergibt sich nur insofern, als in den V2-Strukturen das familiar Topik mehr Gewicht bekommt, wenn es durch ein il oder cascuns oder einen nominalen Referenten wieder aufgegriffen wird. Es bleibt demnach fest-

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5 V1-Strukturen: Befunde, Klassifizierung, Analyse der Formulierungstraditionen

zuhalten, dass die Informationsstruktur nicht ausschlaggebend für den syntaktischen Wandel von V1- zu V2-Stellung war. Bisher nicht berücksichtigt wurden einzelne V2-Strukturen der brocher- und der fiert-Formulierung, bei denen nicht A-V-X-, sondern A-V-S-X-Stellung gegeben ist, mit realisiertem postverbalem Subjekt: 51. a. Lors broche li niés Charle le vair destrier mouvant (Sais, 1671 AR) nun spornt-an der Neffe Karl das gefleckte Ross bewegend ‘Nun gibt Karls Neffe dem gefleckten lostrabenden Ross die Sporen’ b. Lors broche Baudoïns le destrier auferrant (Sais, 1596 LT) nun spornt-an Baudoin das Schlachtross ‘Nun gibt Baudoin dem Schlachtross die Sporen’ 52.

si se fiert il des esperons (Cla, 33, 49) so schlägt er mit den Sporen ‘so gibt er die Sporen’

53. a. si fiert il chu balliu par mi le teste (Cla, 21, 73) so schlägt er diesen Gouverneur durch mitten den Kopf ‘so schlägt er diesem Gouverneur durch den Kopf’ b. si le fiert il au premerain cou (Cla, 33, 52) so ihn schlägt er auf ersten Schlag ‘so schlägt er ihn auf Anhieb’ Man könnte vermuten, dass in solchen Fällen aus der zweigliedrigen V-X-Struktur eine eingliedrige geworden ist, in der das nachgestellte Subjekt rhematischfokalen Charakter hat – entsprechend der in Abschnitt 5.2 dargestellten thetischen A-V-S-Konstruktionen. Die exemplarische Untersuchung von Beispielsatz (54) zeigt allerdings, dass keine thetische Äußerung vorliegt. Es handelt sich vielmehr um einen kategorischen Äußerungstyp mit transitivem Verb, der wohl dem bereits besprochenen «narrativen» V-S-Typ zugeordnet werden muss. Dieser zeichnet sich durch ein thematisches Subjekt aus (cf. 5.2.1). Die Analyse führt vor Augen, dass das nachgestellte Subjekt bereits aus dem Kontext bekannt ist, was die entsprechende Textstelle deutlich belegt: Das Subjekt ist Baudoïns, der in den AR-Manuskripten jedoch als li niés Charle bezeichnet wird. In den Versen zuvor wird dieses Subjekt immer wieder genannt, und durch den unmittelbar vorhergehenden Vers ist es eindeutig als Topik zu identifizieren.

5.4 Analyse der V1-Formulierungstraditionen

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54. AR (1666–1668) Antour que Baudoïns ot conquis l’auferrant, / Ez la route des Saisnes a esperon brochant. «Baudoïns, dist Sebile, tornez vous en a tant; / De passer outre Rune n’alez plus atendant! – Dame, dist Baudoïns, tout a vostre conmant!» / Lors broche li niés Charle le vair destrier mouvant in dem Augenblick als Baudoin hat erobert das Schlachtross / ist der Zusammenbruch der Sachsen mit Sporen gebenden / Baudoin sagt Sebile (ab) wenden-Sie sich hiervon / beim Passieren der anderen Ruine NEG gehen [Sie] mehr wartend / Herrin sagt Baudoin alles zu Ihrem Befehl / also spornt-an der Neffe Karl das gefleckte Ross bewegend LT (1591–93) Antor que Baudoïns ot conqis l’auferrant, / Ez la rote des Saisnes a esperon brochant. «Baudoïns, dist Sebile, tornez vos en a tant; / Si vos passez la outre, n’alez plus detrïant! – Dame, dist Baudoïns, tot a vostre commant!» / Lors broche Baudoïns le destrier auferrant in dem Augenblick als Baudoin hat erobert das Schlachtross / ist der Zusammenbruch der Sachsen mit Sporen gebenden / Baudoin sagt Sebile (ab) wenden-Sie sich hiervon / wenn Sie passieren die andere NEG gehen [Sie] mehr aufschiebend / Herrin sagt Baudoin alles zu Ihrem Befehl / also spornt-an Baudoin das Ross ungestüm-werdend ‘In dem Moment als Baudoin das Schlachtross erobert hat, / brechen die reitenden Sachsen zusammen / «Baudoin, sagt Sebile, wenden Sie sich davon ab; / Wenn Sie die andere Ruine passieren, warten Sie nicht! / Herrin, sagte Baudoin, alles soll nach Ihrem Wunsch sein! / Also spornt (Karls Neffe) Baudoin das gefleckte Ross an, das lostrabt (das ungestüm wird)’ In Beispiel (55) ist Branas (Vernas) das familiar Topik, das mehrmals zuvor erwähnt wird und unmittelbar vor der untersuchten Formulierung als Nominalphrase postverbal auftritt. Die Nominalphrase ist hier allerdings das kontrastive Topik zu dem Plural il im vorausgehenden einleitenden Nebensatz.

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5 V1-Strukturen: Befunde, Klassifizierung, Analyse der Formulierungstraditionen

55. Si comme li Vernas, qui [...], vit que li marchis venoit durement pour combatre a lui, si s’esmuet il, et il et se gent, a venir encontre le marchis. Si comme il venoient, si fait mais el li Vernas, si se fiert il des esperons, [...] so wie der Branas der [...] sah dass der Marquis kam kraftvoll zu kämpfen mit ihm so bewegt-sich er er und seine Leute zu kommen entgegen den Marquis so wie sie kommen so macht mehr es der Branas so gibt er die Sporen [...] ‘Sobald Branas, der [...], sah, dass der Marquis voller Energie herbeistürmte, um gegen ihn zu kämpfen, so setzten sich er und seine Männer in Bewegung, um dem Marquis entgegenzueilen. Sobald sie herkamen, so machte es Branas mehr noch, er gab die Sporen, [...]’ In diesem Beispiel spricht die Aufzählung der einzelnen Handlungsschritte eher dafür, dass die Formulierung thetischen Charakter hat. Sie gehört nach der gegebenen Klassifizierung von V1-Strukturen (cf. 5.3) dem zweiten Typ an, bei dem ein kontextuell vorerwähntes Subjekt und Topik Bestandteil der ereignisbezogenen Aussage mit V-S-Syntax ist. Die Äußerung stellt eine Antwort auf die Frage «Und was geschah dann?» dar, sie bestimmt nicht in erster Linie das Topik näher und ist somit nicht zweigliedrig. Auch die folgenden zwei Beispiele entsprechen diesem Äußerungstyp. Auch sie sind Teil einer Aufzählung einzelner Handlungsschritte, bei denen nicht der Handelnde, sondern seine Tätigkeit im Vordergrund steht: 56. se se trait il plus pres qu’il peust de chu balliu, si traist il s’espee, si fiert il chu balliu par mi le teste, (21, 71–73, Cla) 57. Quant li marehis le vit venir, si point il encontre lui, si le fiert il au premerain coup en l’uel, si l’abat il mort de chu caup; (33, 51–53, Cla) Dieser thetische Äußerungstyp stellt in den bisher besprochenen Formulierungen eine Ausnahme dar. In Formulierung XXXIV (Vait ferir ...) ist er dagegen aber relativ oft vertreten. Diese Formulierung ist aus informationsstruktureller Perspektive mehrschichtig. Im Fall von Vait (le) ferir li quens/li bers mit V-SStrukturen ist der Satz ereignisbezogen thetisch. Wie soeben beschrieben, stellt die Äußerung bei diesem Typ eine Antwort auf die Frage «Und was geschah dann?» dar. Dies kann anhand der folgenden Textausschnitte wieder deutlich gemacht werden: Das bereits bekannte Subjekt ist Graf Roland, der einige

5.4 Analyse der V1-Formulierungstraditionen

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Verse vor der Formulierung genannt wird und dann mehrere Handlungen vollzieht. Die Darstellung konzentriert sich auf die einzelnen Handlungsschritte und nicht auf den Grafen als handelndes Subjekt, über das etwas ausgesagt wird: 58. (1188–1198, Rol) Li niés Marsilie, [...] De noz Franceis vait disant si mals moz: [...] Quant l’ot Rollant, Deus! si grant doel en out! Sun cheval brochet, laiset eurre a esforz, Vait le ferir li quens quanque il pout. Der Neffe von Marsilie [...] Über unsere Franken zieht er in übler Weise her: [...] Als Roland dies hörte, Gott! welch großen Schmerz / empfand er da! Er gibt seinem Pferd die Sporen, läßt es voranstürmen, Und der Graf schlägt auf ihn mit aller Macht ein. 59. (1580–1585, Rol) Li quens Rollant, quant il veit Sansun mort, Po[d]ez saveir que mult grant doel en out. Sun ceval brochet, si li curt ad esforz; Tient Durendal, qui plus valt que fin or; Vait le ferir li bers, quanque il pout, Desur sun elme, ki gemmet fut ad or: Ihr könnt euch denken, daß Graf Roland, Als er Sanson tot sieht, darüber großen Schmerz empfand. Er spornt sein Pferd an, stürmt auf ihn los, In der Hand Durendal, das mehr wert ist als reines Gold. Der edle Krieger schlägt ihm mit aller Macht Auf den Helm, der mit in Gold gefaßten Edelsteinen / verziert ist. Bei allen Formulierungsvarianten des Typs Vait (le) ferir en guise de ... /cum ... /par ... /Oliver ... mit V-X-Syntax handelt es sich allerdings um die schon besprochene zweigliedrige (kategorische) Äußerungsform. Auch wenn das Subjekt hier nicht lexikalisch realisiert ist, ist es unter informationsstrukturellem Gesichtspunkt vorhanden, und es folgen weitere Informationen darüber.

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5 V1-Strukturen: Befunde, Klassifizierung, Analyse der Formulierungstraditionen

Auch hinsichtlich aller V-S-Formulierungen sollte die Frage gestellt werden, ob der beobachtete Rückgang im Gebrauch von V1-Stellung und die Zunahme von V2-Stellung in einen Zusammenhang mit informationsstrukturellen Veränderungen gebracht werden kann. Es ist zu untersuchen, ob die Bevorzugung einer neuen Informationsstrukturierung dazu führte, dass syntaktische Strukturen neu konstruiert werden mussten. Im Fall von Formulierungen I und XXXV sieht der Informationsaufbau der VS-Konstruktionen folgendermaßen aus: In Initialstellung befindet sich ein intransitives Präsentativverb, dem ein fokales Subjekt folgt. 60. [Passet li jurz ... FOKUS] (3658, Rol) Passet la noit [...] (3675, Rol) Tresvait le jur [...] (717, Rol) Tresvait la noit [...] (737, Rol) ... 61. [Sunent mil grailles ... FOKUS] (1004, Rol) Sunent cez greisles [...] (3309, Rol) Sonnent cor et buisines et graisle [...] (1162 AR, 1104 LT, Sais) Sonnent cor et buisines et graisle et olifant, (1265 AR, 1202 LT, Sais) Sonent tabors et tinbres [...] (80, Jer) Sonent cors et buisines et grailles [...] (1971, Jer) Sonent cors et buisines, grailles [...] (5290, Antio) ... Es handelt sich in diesen Fällen also um ereignisbezogene thetische Äußerungen. Sofern nun Formulierung I als V2-/S-V-Struktur realisiert wurde, verändert sich nicht nur ihre Syntax, sondern tatsächlich auch ihre Informationsstrukturierung. Das vormals fokale Subjekt wird in präverbaler Position zum Topik, was zur Konsequenz hat, dass nicht mehr die Handlung im Vordergrund steht, sondern das Topik als Mitteilungszentrum, über das etwas ausgesagt wird: 62. [Li jors TOPIK] [est trespassés ... FOKUS] (1368, Jer) Li nuis est trespassee [...] (1795, Jer) Li jors est trespassés [...] (2396, Jer) Li jors est aparus [...] (4722, Antio)

5.5 Fazit zu V1-Formulierungstraditionen

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La nuiz va aprochant [...] (1512 R, 7347 LT, Sais) ... Formulierung XXXV weist bei einer V2-Realisierung unterschiedliche Informationsstrukturierungen auf: Teilweise wird die eingliedrige Äußerungsform beibehalten (A-V-S), teilweise wird sie in eine zweigliedrige S-V-Struktur umgewandelt.33 Das Verb ist dann transitiv und das vormalige Subjekt, der Agens (das Musikinstrument) wird zum Patiens und Objekt. In diesem zweiten Fall ist die Informationsstruktur zweigliedrig, und es handelt sich um eine kategorische Äußerung: 63. A-V-S

Lors a soné un graisle don la voiz est oïe, (3470 LT, Sais) Tant sonerent buisines tos li vals en tranbla, (643, Antio)

64. S-V-O

[Li rois TOPIK] [sona un graille ... FOKUS] (7687 LT, 1768 R Sais) Paien sonent lor grailles [...] (5833, Jer) Turc ont sonés lor grailles [...] (5942, Jer) Sarrasin et paien ont lor grailles sones. (688, Antio) Et on sone les bozines; (156, Vil) ...

Aus diesen Ergebnissen lässt sich der Schluss ziehen, dass thetische Konstruktionen rückläufig waren bzw. noch als A-V-S-Muster konstruiert wurden, aber wohl mehr und mehr zugunsten der kategorischen Formen wichen. Diese Einschätzung trifft auch auf die zwei untersuchten Fälle von verba dicendi zu. Selbst hier scheint die handlungsfokussierte V-S-Struktur rückläufig, sie wurde gegen S-V eingetauscht.

5.5 Fazit zu V1-Formulierungstraditionen Es muss festgehalten werden, dass der Gebrauch von V1-Formulierungen im Rolandslied insgesamt recht groß ist und in allen späteren Texten deutlich abnimmt, es sei denn, es handelt sich um elliptische Strukturen. Dies lässt zweierlei Schlussfolgerungen zu: Erstens sind V1-Strukturen mit Nullsubjekt die weniger bevorzugten Strukturen bei den Schreibern der späten Texte, was einerseits

33 Neben A-V-S und S-V treten mit A-V-O und S-V-O weitere zweigliedrige Äußerungen auf, in denen das Instrument Patiens ist.

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5 V1-Strukturen: Befunde, Klassifizierung, Analyse der Formulierungstraditionen

sicherlich mit dem vermehrten Aufkommen des Subjektpronomens und damit generell der Realisierung von Subjekten in Zusammenhang gebracht werden muss. Allerdings kann dies nicht die einzige Erklärung sein, da sich zeigte, dass neben S-V-X-Stellung auch A-V-X-Stellung auftritt, also eine V2-Struktur ohne realisiertes Subjekt. Die Tatsache, dass V1-Sätze in der Prosa meist nur durch eine Ellipse hervorgerufen werden, lässt zunächst darauf schließen, dass eine V1Syntax in der Prosa nicht mehr üblich war. Allerdings sind zu wenige Belege vorhanden, um dies verallgemeinernd festhalten zu können. Beziehen wir außerdem frühere Untersuchungsresultate zu V1-Strukturen im Altfranzösischen mit ein (cf. Abschnitte 5.1–5.2), scheint es doch wahrscheinlich, dass V-X-Stellung auch in der Prosa möglich war. Doch lässt sich aufgrund der hier gewonnenen Ergebnisse sagen, dass der Einsatz dieser Strukturen in verschiedenen Diskursen abnahm, was zumindest als Symptom für eine sich anbahnende syntaktische Veränderung innerhalb einer Sprechergemeinschaft angesehen werden sollte. Zweitens scheinen V1-Strukturen mit postverbalem rhematisch-fokalem Subjekt, die eine thetische Äußerungsform darstellen, in den späten Verstexten und in der Prosa insgesamt seltener Anwendung zu finden als im frühen Epos. Dieser generellen Einschätzung müssen aber differenziertere Überlegungen folgen, da das Ergebnis nicht für jede Formulierung identisch war: Wenn, wie im Fall von Formulierung I (Passet ...), die thetischen V-S-Strukturen nur im Roland belegt sind und in den späten Verstexten nicht mehr auftreten, die dort belegten V2Sätze aber zum zweigliedrigen Äußerungstyp gehören, spricht das dafür, dass die Verwendung thetischer Konstruktionen bei den Schreibern der späten Verstexte weniger beliebt gewesen sein muss als bei ihren Kollegen 100–150 Jahre zuvor. Wenn aber, wie im Fall von Formulierung XXXV (Sunet ...), die V-S-Konstruktion im späten Epos mit gleicher Dominanz wie im frühen Epos erhalten bleibt (und in einer Reimchronik mit immerhin noch knapp 30% vertreten ist), sollte man vermutlich annehmen, dass zumindest in der epischen Diskurstradition die thetische V1-Äußerungsform weiterhin als angemessen empfunden wurde – im Gegensatz zum neuen in Prosa verfassten Diskurs, in dem V-S fast gar nicht auftritt. Wenn schließlich, wie im Fall von Formulierungen XXXVI und XXXVII, V-S-Stellung vereinzelt selbst in der Prosa existiert (Strukturen mit Ellipsen ausgeschlossen), bedeutet dies vermutlich, dass sie in sehr spezifischen Kontexten, wie etwa bei den verba dicendi, selbst in der Prosa akzeptiert war. Dies lässt sich in der Rückschau aber nicht mit Sicherheit sagen. Dennoch ist wohl davon auszugehen, dass sich der Loslösungsprozess von thetischen V-S-Strukturen und der Einsatz thetischer A-V-S-Konstruktionen sowie der verstärkte Gebrauch kategorischer Formen bereits in altfranzösischer Zeit abzeichnet. Kommen wir am Ende dieses Kapitels wieder auf die Frage zurück, ob das Altfranzösische eine V2-Sprache ist. Nach der Untersuchung der V1-Muster kann

5.5 Fazit zu V1-Formulierungstraditionen

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zu dieser Frage Folgendes gesagt werden: Da V1-Sätze mit V-S-Stellung (ausgenommen alle Sätze mit verba dicendi) nur im heldenepischen Diskurs auftreten und es sich somit um ältere tradierte Strukturen handelt, waren sie vermutlich nicht im allgemeinen Sprachgebrauch etabliert. Aus diesem Grund können sie keine Verletzung einer V2-Syntax darstellen. Allerdings läge eine Verletzung vor, wenn diese Strukturen mit einem verbum dicendi allgemein akzeptiert waren. VX-Strukturen sind mit einer V2-Grammatik vereinbar, sofern es elliptische Strukturen sind. Handelt es sich um Strukturen mit einem Nullsubjekt, läge streng genommen keine V2-Grammatik vor, da sich der Nullsubjektstatus einer Sprache und die in 2.2.4 gegebene oberflächenorientierte Definition von einer V2-Sprache ausschließen.

6 Schlussbetrachtung Die vorliegende Studie hat sich der in der historischen Sprachwissenschaft seit langem geführten Kontroverse über die altfranzösische Satzgliedstellung gewidmet. Es wurde erneut die Frage aufgeworfen, ob das Altfranzösische eine V2Syntax hat und tatsächlich als eine V2-Sprache klassifiziert werden kann – was in der Vergangenheit teilweise behauptet, teilweise aber auch zurückgewiesen wurde. Diese Frage wurde nicht nur in systemtheoretischer, sondern auch in textlinguistischer Perspektive behandelt. Durch diesen binären Forschungszugang konnte die V2-Eigenschaft sowohl als Teil des Sprachsystems untersucht werden als auch als Teil des (historischen) Textes und somit eines habitualisierten Schreibsystems, das losgelöst von der Einzelsprache und ihres Systems zu betrachten ist. Im Fokus der textlinguistischen Perspektive stand das Verhältnis von Sprachsystem, Text und Diskurstraditionen – also den sich über die Zeit hinweg etablierenden Grundmustern eines bestimmten Diskurstyps. Es konnte gezeigt werden, dass ein sprachliches Merkmal zwar immer Teil eines Textes und seiner Diskurstradition ist, aber als solches nicht in jedem Fall als Beleg für das System einer historischen Einzelsprache herangezogen werden kann. In einem ersten Schritt wurde durch diese Perspektive aufgezeigt, welche Tragweite und Funktion Diskurstraditionen bei der Entstehung, Etablierung und Entwicklung volkssprachlicher Texte im Mittelalter hatten. Es wurde dargestellt, dass die alten Texte grundsätzlich nicht als Zeugnis einer individuellen Hand gelesen werden dürfen, sondern als Zeugnis eines durch Vorgaben und Traditionen der damals vorherrschenden Schreibstätten geprägten inter-individuellen Stils. Dies zeigte sich beim Vergleich der Texte des gewählten Korpus recht deutlich, insbesondere durch die immer wieder gleiche oder ähnliche Textkonzeption, die über Textsorten und Gattungsgrenzen hinweg wenig Veränderung erfuhr. Texte, die ganz unterschiedlichen Sorten und Gattungen zugeschrieben werden müssen, weisen die gleichen Techniken des Formulierens auf, den gleichen Umgang mit Stilmitteln, die gleiche Wahl spezifischer Motive etc. Das Repertoire dieser formalen oder inhaltlichen Konzeptionsmittel erwies sich insgesamt als recht beschränkt, was den z.T. etwas «eintönigen» Charakter älterer Texte erklären mag. Dass das Festhalten an gewissen Traditionen der Textproduktion auch für die Entwicklung neuer volkssprachlicher Diskurse große Relevanz hatte, konnte ebenfalls dargestellt werden: Neu entstehende Diskurse blieben auf vielen Ebenen den Diskurstraditionen älterer volkssprachlicher Diskurse verhaftet, da es in der eigenen Sprache keine anderen Vorbilder gab, außer diese. Dies dokumentierte die Arbeit für die Entwicklung der jungen altfranzösischen Vers- und Prosa-Historiographie, die sich aus der epischen Erzähltradition heraus entwickelte, aber zunächst noch kaum

DOI 10.1515/9783110536591-007

6 Schlussbetrachtung

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von dieser absetzte. Sie übernahm viele formale Gewohnheiten des Epos (Stil, Formulierungen, Motive), wodurch deutlich gemacht werden konnte, dass die heldenepische Diskurstradition – bzw. viele Elemente davon – über die Grenzen der Textsorte des Epos und der Gattung des Verstextes hinaus fortgeführt wurde. Somit wurde nicht zuletzt auch nachgewiesen, dass eine Diskurstradition nicht mit einer Textsorte gleichzusetzen ist. In einem zweiten Schritt konnte die Arbeit das Konzept der Formulierung als besonders charakteristisches Element der im Mittelalter geläufigen epischen Erzähltradition, welche in die Historiographie einfloss, ausmachen. In der Arbeit wurde definiert, dass mit einer Formulierung eine fixierte und fossilisierte Wortabfolge gemeint ist. Diese wurde, wie jedes andere diskurstraditionelle Element auch, weitergegeben, weshalb es angemessen erschien, hier ebenfalls den Begriff der Tradition einzuführen. In diesem Sinne wurde dem Konzept der Diskurstradition der Begriff der Formulierungstradition ergänzend beigestellt. Formulierungstraditionen stellen eine Ergänzung der Diskurstradition dar, da sie die Funktion erfüllen, Aspekte der Ausdrucksseite einer Diskurstradition zu beschreiben. Zur Veranschaulichung und Verdeutlichung dieses Konzepts präsentierte die Arbeit ein umfassendes Repertoire an Formulierungstraditionen, das die volkssprachlichen Texte prägte und ihnen ihren besonderen Charakter verlieh. Darüber hinaus hat die Arbeit die zentrale Frage nach dem Potential dieser Formulierungstraditionen für syntaktische Untersuchungen aufgeworfen und beantwortet: Es hat sich gezeigt, dass die Übernahme vertrauter Formulierungstraditionen eines älteren Diskurses in einen neuen Diskurs auch die Übernahme älterer und diskursspezifischer syntaktischer Strukturen mit sich bringt (Syntaxtradierung). Einzelne Verbstellungsstrukturen wurden – vermutlich unbewusst – an Formulierungen gekoppelt und über einen gewissen Zeitraum hinweg mit der Formulierung tradiert, obwohl sie während dieses Zeitraums ihre grammatische Richtigkeit eigentlich verloren. Das Potential, das die in dieser Arbeit getroffene Kombination eines textanalytischen und systemanalytischen Zugangs birgt, erklärte sich also genau in diesem Punkt: Syntaktische Analysen allein reichen nicht aus. Erst die konsequente Verifizierung des spezifischen Einflusses von Diskurstraditionen bzw. im vorliegenden Fall Formulierungstraditionen, kann zu adäquaten Schlussfolgerungen über das Syntaxsystem einer Sprache führen. Gemäß der textlinguistischen Orientierung der Arbeit wurde auch das Textkorpus für die empirische Analyse unter spezifischen Gesichtspunkten zusammengestellt: Es sollte dem Zweck dienen, den beschriebenen Tradierungsprozess vom Epos in die Historiographie nachzuweisen, da nur auf diese Weise die Voraussetzung erfüllt werden konnte, die These der Syntaxtradierung zu überprüfen. Das gewählte Korpus bestand dementsprechend aus zwei Heldenepen

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(Chanson de Roland und Chanson des Saisnes), zwei Reimchroniken (Chanson de Jerusalem und Chanson d’Antioche) und drei Prosachroniken (die Conquête de Constantinople von Clari und die von Villehardouin und die Histoire de l’Empereur Henri de Constantinople von Valenciennes), die einen Zeitraum von 150 bis 200 Jahren abdecken, wobei der älteste Text, das Rolandslied, derjenige Text ist, von dem ausgehend die Tradierung nachvollzogen wurde. In ihrer systemtheoretischen Ausrichtung setzte sich diese Arbeit zunächst kritisch mit traditionellen, typologischen und generativen Definitionen der V2Eigenschaft bzw. des V2-Sprachstatus auseinander. Als Bezugsrahmen hierfür dienten moderne und alte germanische Sprachen, moderne und alte romanische Sprachen und auch das Latein. Die Satzstrukturmöglichkeiten der einzelnen Sprachen wurden zuerst in synchroner Perspektive erörtert. Hierbei wurden die in der Forschungsdiskussion zentralen Begriffe «V2-Satz», «V2-Stellung» oder «V2Struktur», «V2-Eigenschaft», «V2-System», «V2-Grammatik» und «V2-Sprache» behandelt. Es ergaben sich folgende Definitionen: In einem weiten Sinne ist jeder Satz einer beliebigen Sprache als V2-Satz zu verstehen, wenn er das Verb als zweites Satzglied aufweist und das Subjekt invertiert hinter das Verb stellt, sofern ein anderes Satzglied vor das Verb tritt (V2-Stellung). In einem engeren Sinne – und dies ist in der Regel der von der V2-Forschung intendierte Sinn – ist ein V2Satz ein Satz, wie soeben beschrieben, jedoch mit der Einschränkung, dass er obligatorisch ist und also als einzige Möglichkeit für die syntaktische Realisierung der Aussage in einer gegebenen Sprache in Frage kommt. Diesem Satz liegt die V2-Eigenschaft zugrunde. Gemeint ist damit ein Syntaxsystem, dass nur V2Sätze erlaubt (auch als V2-Grammatik oder V2-System bezeichnet und je nach Theorie anders definiert). Weist eine Sprache exakt diese Eigenschaft auf, kann sie als V2-Sprache klassifiziert werden. An die synchrone Betrachtung anschließend folgte in der vorgelegten Arbeit die Auseinandersetzung mit Theorien zu syntaktischem Sprachwandel und zu Spracherwerb. Dabei wurden ebenfalls typologische, generative, außerdem auch gebrauchsbasierte und Diskurstraditionen berücksichtigende Ansätze besprochen. Anhand des diachronen Zugangs konnte die Wahrscheinlichkeit der Etablierung einer V2-Grammatik zur Zeit des Altfranzösischen erörtert werden. Die Voraussetzungen für eine Etablierung scheinen letztlich vor allem dann günstig, wenn externer Spracheinfluss und eine Periode des Bilingualismus besonders stark waren, weshalb die Arbeit das seit langem diskutierte Thema des germanischen Superstrats nochmals aufgriff. Dieses Thema wurde mit gebrauchsbasierten Erklärungsansätzen für Syntaxwandel in Verbindung gebracht und dabei konnte dargestellt werden, dass der Erwerb einer V2-Syntax im bilingualen germanisch-lateinisch-romanischen Spracherwerb grundsätzlich erleichtert wird, dass allerdings als Voraussetzung hierfür eine rigide romanische Syntax gegeben

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sein muss, was für das Spätlatein nicht angenommen werden kann. Eine eindeutige Antwort, ob ein Erwerb stattfand, bleibt hier also aus. Allerdings konnte durch die diachrone Perspektive ein weiterer Aspekt deutlich gemacht werden, der für syntaktischen Wandel zentral ist: Wandel, der ad hoc zu einem V2-System geführt haben soll, muss ausgeschlossen werden; dies allein wegen der Daten, die zeigen, dass V2-Stellung nicht die einzig gültige Struktur für den Aussagesatz im Altfranzösischen war und deshalb eine ad-hoc-Veränderung hin zu einem homogenen V2-System nicht plausibel ist. Es wurde gezeigt, dass ein Veränderungsprozess nur langsam und nur über den diskurstraditionellen Kanal stattfindet. Seinen Ausgangspunkt nimmt dieser Prozess bei einer Innovation, die nur im aktuellen Äußerungsakt beginnen kann. Durch Wiederholung im gleichen Diskurstyp wird die Innovation allmählich zum Merkmal eines und allmählich mehrerer spezifischer Diskurstypen und deren Tradition. Das Potential der Innovation, in den allgemeinen Sprachgebrauch und letztlich in die Einzelsprache einzugehen, ergibt sich aber nur, wenn sie Bestandteil sehr vieler Diskurstypen wird und auch die kindbezogenen Diskurse betrifft, die ausschlaggebend für den kindlichen Spracherwerb sind, und somit für die weitere Verankerung der Innovation in der Einzelsprache. Die Entwicklung von syntaktischen Innovationen in einzelnen Diskursen verläuft dementsprechend nie homogen, sondern zeitlich versetzt. Manche Diskurse sind früher von syntaktischen Veränderungen betroffen als andere, manche Diskurse halten länger an sich bereits wandelnden Strukturen fest. Nur dieser Ansatz ermöglicht letztlich eine angemessene Erklärung, warum es im Altfranzösischen in verschiedenen Diskursen unterschiedliche Strukturen gibt und mehrere Strukturen nebeneinander existierten. Das zentrale Argument des systemtheoretischen Zugangs der vorgelegten Arbeit war es, den V2-Status einer Sprache anhand ihrer linearen oder «oberflächlichen» Strukturen zu bestimmen. Dieses Vorgehen folgt in logischer Konsequenz den Annahmen der ursprünglichen generativen V2-Grammatikmodelle, die mit den Beschränkungen eines spezifischen tiefenstrukturellen Mechanismus argumentieren, um die Exklusivität der V2-Sätze in einer gegebenen Sprache erklären zu können. Es wurde argumentiert, dass wenn ein (tiefenstrukturelles) System die zunächst angenommenen Beschränkungen überhaupt nicht aufweist und V>2und V1-Sätze derivieren kann, es auch nicht zur Definition einer V2-Grammatik herangezogen werden darf. Leere Operatoren und multiple CP-Positionen zur Erklärung von V1- und V>2-Sätzen sind für die V2-Frage irrelevant, weil oberflächlich keine V2-Struktur mehr vorliegt (und also auch keine tiefenstrukturelle V2Grammatik angenommen werden muss). Ich habe entsprechend dafür plädiert, eine V2-Sprache nur dann als V2-Sprache zu bezeichnen, wenn sie auf das Bilden von V2-Hauptsätzen begrenzt ist (abgesehen von den wenigen Ausnahmen, die etwa für das Deutsche aufgezeigt werden konnten). Wenn in einer Sprache in der

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linearen Satzgliedkette etwas anderes als V2 grammatisch ist, ist die Verwendung des V2-Begriffs falsch. Der Begriff ist also an Restriktionen der Oberfläche gebunden und sollte abgekoppelt von einer tiefen-versus-oberflächenstrukturellen Perspektive definiert werden. Diese Abkopplung ist notwendig, um zu vermeiden, dass der V2-Begriff zu sehr ausgereizt und auf Sprachen angewendet wird, die oberflächlich auch viele Nicht-V2-Strukturen zulassen. Die empirische Analyse der Arbeit diente dem Zweck, den syntaktischen Status des Altfranzösischen zu überprüfen und zu bestimmen. Es wurde argumentiert, dass das Altfranzösische nur dann eine V2-Sprache sein kann, wenn entweder überhaupt keine Nicht-V2-Strukturen auftreten (was aber aufgrund früherer Forschungsergebnisse von vornherein ausgeschlossen werden konnte) oder wenn alle belegten Nicht-V2-Strukturen sich als tradierte syntaktische «Relikte» erweisen, die eigentlich nicht mehr Bestandteil des altfranzösischen Sprachsystems sind. Eine dritte Möglichkeit wäre gegeben, wenn alle Nicht-V2Strukturen exakt denjenigen Strukturen entsprächen, die die V2-Regel tatsächlich nur scheinbar verletzen und selbst in «strengen» V2-Sprachen auftreten. Gemeint sind z. B. Strukturen mit komplexen Konstituenten oder Linksverschiebungen, bei denen sehr viel Sprachmaterial in nur einer syntaktischen Position erscheint oder Sprachmaterial außerhalb der Satzgrenzen liegt. Treten im Altfranzösischen andere Fälle als die drei hier genannten auf, so kann es in keinem Fall als V2Sprache bezeichnet werden. Die Untersuchung der Formulierungstraditionen erbrachte verschiedene Resultate, die einerseits als Ergebnisse einer begrenzten Korpusanalyse verstanden werden müssen, da die vorliegende Arbeit nur einzelne Diskurse analysieren konnte. Lautet ein Ergebnis also, dass gewisse Strukturen ein Spezifikum des hier untersuchten heldenepischen Diskurses sind, ist damit noch nicht ausgeschlossen, dass diese Strukturen auch in weiteren literarischen Diskursen auftreten, die nicht Gegenstand der vorliegenden Studie waren (z. B. in den altfranzösischen Heiligenlegenden). Andererseits wurde mit dem Heldenepos ein Diskurs herausgegriffen, der im Mittelalter Vorbildcharakter hatte und weitere schriftlich-literarische Diskurse beeinflusste (dies wird für die Heiligenlegenden ebenso angenommen). Die angestellte Analyse der heldenepischen Tradition hat folglich durchaus verallgemeinernde Aussagekraft. Hinsichtlich der Frage, wie man von schriftlichen Diskursen auf die Kompetenz der Sprecher schließen kann, hat die Perspektive auf die Schreiber der historischen Texte Erkenntnisse geliefert. Es wäre zu erwarten gewesen, dass ein Schreiber, der sich bei der Konzeption seiner Texte für eine spezifische Formulierung entscheidet, auch deren Syntax einhält. Dies hat sich jedoch nicht bestätigt. Die Syntax der fossilisierten Wortsequenzen wurde allmählich verändert, was darauf schließen lässt, dass sie den Schreibern nicht mehr angemessen erschien  



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(informationsstrukturelle, pragmatische und dichterische Gründe für eine Veränderung wurden ausgeschlossen). Die wenigen Belege für Formulierungen, die keine syntaktische Veränderung aufweisen, lassen dagegen Rückschlüsse auf die textuelle Kompetenz der Schreiber zu. Es hat sich gezeigt, dass die Schreiber damals zwischen Text-Regeln (Welche Regeln muss ich beim Schreiben der Textsorte X beachten?) und Sprachregeln (Was sagt mein Sprachgefühl? Wo passe ich es den Regeln der Textproduktion an und wo nicht?) zu unterscheiden wussten. Zusammenfassend lassen sich für die Untersuchung der V>2-Formulierungstraditionen folgende syntaktische Ergebnisse nennen: Hinsichtlich der V>2-Konstruktionen mit initialer Verbergänzung hat sich gezeigt, dass S-X-V- und O/POX-V-Sätze im 12. und 13. Jahrhundert – und vermutlich auch schon früher – syntaktische Überreste waren, die sich durch eine verstextspezifische Form des Formulierens und möglicherweise des Hervorhebens oder auch durch einen verstextspezifischen Sprachduktus und eine spezifische Form des Reimens erklären lassen. Es handelt sich hier also um syntaktische Charakteristika der epischen Diskurstradition, die einer veralteten Schreib- und Formulierungstradition geschuldet sind. Da diese Strukturen demnach nicht Teil des altfranzösischen Sprachsystems waren, habe ich dahingehend argumentiert, dass sie nicht mit einer gesplitteten CP-Ebene erklärt werden sollten. Eine solche Erklärung scheint überhaupt nicht notwendig, da es sich bei diesen Strukturen um ein Phänomen der Diskurstradition handelt, das einer sprachsystematischen Erklärung in keiner Weise bedarf. Tiefenstrukturelle Erklärungen sind grundsätzlich irreführend, wenn sie nicht auf das Sprachsystem bzw. die Grammatik bezogen werden können. Ich lehne sie daher für alle Sätze ab, die mit großer Wahrscheinlichkeit nie in der Grammatik verankert waren. Was die V>2-Konstruktionen mit initialer Angabe (Adverb, Adverbiale, adverbialer Nebensatz) anbelangt, so wurde deutlich, dass diese wahrscheinlich nur in der schon modernen französischen Form mit einer Position détachée und folgender S-V-Struktur existierten. Alle Formen mit détachement und nachfolgender V2-Syntax konnten als Besonderheit der epischen Diskurstradition erklärt werden. Hinsichtlich dieser quasi schon modernen Form habe ich darauf aufmerksam gemacht, dass sie zwar prinzipiell mit einer V2-Syntax vereinbar ist, weil der V2-Hauptsatz von dem détachement einer temporalen, lokalen und modalen Angabe nicht tangiert wird. Andererseits wurde aber deutlich, dass moderne V2-Sprachen die Möglichkeit der Abkopplung einer adverbialen Angabe nicht aufweisen, sodass das Altfranzösische auf keinen Fall mit einer modernen V2-Sprache gleichgesetzt werden kann. Die Untersuchung der V1-Formulierungen brachte zum Vorschein, dass V1Sätze mit V-S-Stellung lediglich im heldenepischen Diskurs auftreten, und dass sie deshalb vermutlich nicht im Sprachsystem etabliert waren. Nur im Fall spezifischer Konstruktionen mit V-S-Syntax (bei verba dicendi) scheint die Möglichkeit

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gegeben, dass auch weitere Diskurse oder sogar der allgemeine Gebrauch der Sprache betroffen waren. In diesen Fällen würde eine Verletzung der V2-Syntax vorliegen – tatsächlich allerdings nur dann, wenn diese Strukturen allgemein akzeptiert waren. Dies konnte im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht überprüft werden. Im Hinblick auf alle V-X-Strukturen habe ich gezeigt, dass diese prinzipiell mit einer V2-Grammatik kompatibel sind, sofern es sich um elliptische Strukturen handelt. Liegen jedoch Strukturen mit einem Nullsubjekt vor, kann streng genommen gar keine V2-Grammatik gegeben sein, da sich der Nullsubjektstatus einer Sprache und die in 2.2.4 gegebene oberflächenorientierte Definition einer V2-Sprache ausschließen. Abschließend ist also Folgendes festzuhalten: Die Problematik der V2-Kompatibilität des Altfranzösischen scheint wesentlich geringer zu sein, als bisher angenommen wurde, weil alle S-X-V- und O-X-V-Abfolgen auf den heldenepischen Diskurs reduziert werden müssen. Trotz dieser Tatsache zeichnet sich jedoch deutlich ab, dass das Altfranzösische keine V2-Sprache war. Das Auftreten von A-S-V- und V-X-Strukturen spricht eindeutig dagegen. Zum Abschluss dieser Arbeit soll noch eine Einschätzung dazu gegeben werden, was die syntaktische Ausrichtung des Altfranzösischen im Rahmen der generativen Theorie anbelangt. Bisher stand die Frage im Raum, ob das Altfranzösische eine V2-Sprache ist oder nicht. Wie ich bereits in der Arbeit besprochen habe, ist aus einer generativen Perspektive darüber hinaus zu fragen, ob mit der altfranzösischen Syntax ein IP- oder ein CP-System vorliegt (ob also das Verb nach INFL oder COMP bewegt wird). Um sich einer Antwort auf diese Frage nochmals anzunähern, halte ich es für wichtig, erneut auf die dargestellten Überlegungen zu syntaktischem Sprachwandel zurückzukommen. Es wurde hervorgehoben, dass erstens Syntaxwandel ein sich allmählich entwickelnder Prozess ist, der nicht ad hoc geschieht, und dass zweitens eine Veränderung niemals in allen Diskursen zur gleichen Zeit stattfindet, sondern mit unterschiedlichem Tempo in die einzelnen Diskurse und letztlich in die einzelnen Diskurstraditionen vordringt, um dann Teil der Einzelsprache zu werden. Ich habe gezeigt, dass manche Diskurse resistenter gegenüber sprachlichen Innovationen sind und länger an alten Mustern festhalten, wie etwa im Fall der S-X-V- und O-X-V-Strukturen oder wie wohl im Fall von V-S-Sätzen. Diese vormals lateinischen IP-Muster scheinen in ganz spezifischen Diskursen zeitlich nach einem Verallgemeinerungsprozess der V2-Strukturen nach wie vor Bestand gehabt zu haben. Anders verhält es sich mit den A-S-V-Mustern: Hinsichtlich dieser Strukturen, die wohl bereits im Latein als IP-Strukturen existierten (wenn vermutlich auch ohne détachement) und auch heute im modernen Französischen als IP-Strukturen vorhanden sind, hat sich gezeigt, dass sie im Altfranzösischen wohl nicht auf den heldenepischen Diskurs beschränkt waren, dort aber gleichwohl auftreten. In diesem Fall müsste also ein

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zweifacher Reanalyseprozess eingesetzt haben, sofern man annehmen möchte, dass dem Altfranzösischen ein CP-System zugrunde lag. Dies würde bedeuten, dass tatsächlich eine Umstrukturierung der Verbposition von IP nach CP und später von CP nach IP stattfand. Andererseits könnte man natürlich auch die These aufstellen, dass damals zwei Grammatiken parallel erlernt wurden. Insgesamt scheint mir der Sinn beider Annahmen höchst fragwürdig, denn man sollte überdenken, inwiefern wir in der Diskussion über die alten Sprachstufen, deren Sprachsystem wir immer nur bruchstückhaft rekonstruieren können, mit den Kategorien CP und IP überhaupt weiterkommen. Zeigte sich doch letztlich, dass jede aufgezeigte Struktur prinzipiell sowohl mit einem CP- als auch mit einem IP-System erklärt werden kann – je nachdem, welche Intention der Linguist heutzutage hat! Überlegungen, die eine Zuordnung betreffen, bleiben daher zu einem großen Teil immer spekulativ und empirisch nicht verifizierbar. Allerdings habe ich auch dargestellt, dass die Annahme einer CP-Position des altfranzösischen Verbs ein Novum mit sich bringen würde: Wir kennen bisher keinen Sprachtyp, bei dem wir mit Sicherheit sagen könnten, dass er eine CPGrammatik mit reicher linker Satzperipherie (für sämtliche A-S-V-Typen, die nicht mit stylistic fronting erklärt werden können) und der Möglichkeit zu V-X-, eventuell auch zu V-S-Stellung, aufweist. Einen solchen Typ gibt es bei den modernen Sprachen, soweit wir wissen, nicht, und es bleibt daher unklar, ob dieser Sprachtyp jemals existierte. Da wir auf der Grundlage der heutigen romanischen Sprachen allerdings wissen, dass bei IP-Sprachen diverse Varianzmöglichkeiten gegeben sind, scheint es wohl naheliegender, das Altfranzösische als IP-Sprachtyp zu klassifizieren.1 Trotzdem bleibt auch diese Annahme hypothetisch, da es heute keine Sprache gibt, die exakt mit dem Altfranzösischen übereinstimmen würde. Ich möchte aus diesem Grund dafür plädieren, dass sich die historische Syntaxforschung primär auf oberflächenstrukturelle Beschreibungen konzentriert bzw. tiefenstrukturelle Analysen mit Vorsicht genießt. Wir haben keine Sprecher mehr, die wir befragen können, und historische Texte können aufgrund ihrer Diskurstraditionalität irreleiten.

1 Dies würde bedeuten, dass sich der Bereich der V2-Sätze im Vulgärlatein und Frühromanischen – vermutlich unter dem Einfluss der germanischen Sprache, deren Struktur (wie Spracherwerbsphänomene zeigten) durch eine romanische Basis einfacher zu erwerben scheint – wohl besonders ausdehnte. Die «neuen» V2-Strukturen wurden von den Romanen aber entsprechend der «eigenen» romanisch-lateinischen V2-Strukturen (für die ich eine IP-Struktur vorgeschlagen habe) und vor allem entsprechend der allgemeinen Mehrheit ihrer Sprachstrukturen (IP-V>2-Sätze) – immer als IP-Strukturen erlernt. Dass diese Möglichkeit besteht, wurde durch Spracherwerbsstudien belegt, die zeigten, dass nicht-zielsprachlicher Input strukturell an die Zielsprache angepasst werden kann.

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Anhang In diesem Anhang befinden sich alle Formulierungen, die in der vorliegenden Arbeit Gegenstand der Analyse sind. Es handelt sich folglich um V>2- und V1Formulierungen. Die in Kapitel 1.4 dargestellten Formulierungen mit V2-Stellung sind nicht im Anhang enthalten, da sie nur als Beispiele dienen. Im Falle der Formulierungstypen 1 und 2 (Kapitel 4) muss auf die Darstellung der V2-Strukturen aufgrund des großen Vorkommens verzichtet werden. Zu diesen Strukturen liegen ausschließlich statistische Ergebnisse vor. Des Weiteren wird auf die Darstellung aller Sätze mit verba dicendi verzichtet. Auch in diesem Fall liegt eine rein statistische Erhebung vor. Bei der Auswertung des Chanson des Saisnes ist jeweils nur ein Manuskriptverweis angegeben, um eine doppelte Zählung zu vermeiden (es findet sich folglich entweder ein Satz aus der AR- oder ein Satz aus der LT-Manuskriptkombination).

Anhang 1 Formulierungstyp 1a: [Li empereres (Subjekt)] [X (Objekt, Adverb, Adverbiale, ...)] [Verb] Autor

Syntax

Roland

V>2

Formulierungssätze 15

DOI 10.1515/9783110536591-010

nostre emper[er]e magnes / Set anz tuz pleins ad estet en Espaigne: 1–2 Li empe[re]res Carles de France dulce / En cest païs nos est venuz cunfundre. 16–17 Vostre emperere si bones n’en eut unches. 640 Li empereres mult fierement chevalchet. 739 Li emperere, ki Franceis nos laisat, / Itels .XX. milie en mist a une part 1114–1115 Li empereres tant mare vos nurrit! 1860 Li emperere en Rence[s]val[s] parvient. 2397 Li emperere par sa grant poestet, / .VII. Anz tuz plens ad en Espaigne estet; 2609–2610 Carles l’emperere / Mort m’ad mes homes, 2755 E l’emperere asez l’ad enchalcet 2796 Li empereres de pasmeisuns revint. 2881 Li empereres tuz premereins s’adubet 2987 Li emperere de sun cheval descent 3096 Li emperere, s’il se cumbat od mei, / Desur le buc la teste perdre en deit. 3288–3289 Li emperere devant sei l’ad fait traire. 3748

Anhang 1

Saisnes

V>2

12

Antioche

V>2

2

Clari

V>2

3

Villehardouin

V>2

5

Valenciennes

V>2

1

461

Charles li ampereres au pont faire ralie 7781, LT L’emperere de France, li prince et li baron A merveilles esgardent [...] 2488–2489, AR L’ampereres de Rome doucement li outroie. 4770, LT L’ampereres de France le novel roi chastie, / Puis commande [...] 5803–5804, LT L’emperere de Ronme sor la Roche est venus 2090, LT L’empereres meïsmes en la presse s’est mis 4017, AR L’ampereres de France sor Rune s’an repaire 1646, T L’empereres de Ronme o sa grant baronnie, / As tentes s’en repaire [...] 2387–2388, AR L’ampereres de Rome o maint fil de marchise 1228, LT L’empereres de Ronme les côté la rive chemine 1705, AR Charles li ampereres as François sovant prie 7781, LT A tant li ampereres descendi a son tré 3381, LT Li malvais emperere se foi mentie en a, 971 Meismes l’emperere de sa tor oi l’a. 980 Apres li empereres requist les barons, 57, 1 Apres li empereres s’en ala la ou il eut pourpose a aler a toute se gent. 94, 18 et quant il s’en furent ale, li empereres manda se gent toute 18, 30 Se jou le coroune, li empereres Andromes me tueroit 22, 27 Cele nuit domaignement l’emperieres Alexis de C. prist de son tresor [...] 182 Et cil emperere Morchuflex si fist le fil [...] 223 et con il fu dedenz sa maison, l’empereres Alexis l’apela en une chambre 271 Endementres que ce fu, l’empereres Baudoins ot fait ses afaires vers Salenique; 289 Et quant vint al matin, l’empereres et tuit li autre s’en vont al chastel del Chivetot; 471 Et nonporquant li empereres ne s’esmaie de riens, 641

Formulierungstyp 1b. [Li amiralz (Subjekt)] [X (Objekt, Adverb, Adverbiale, ...)] [Verb] Roland

V>2

8

Li amiralz/s, ki trestuz les esmut, / Sin apelet Gemalfin, un sun drut: 2813–2814 Li amiralz ben resemblet barun. 3172 Li amiralz .X. Escheles ad justedes: 3252 Li amiralz mult par es riches hoem. 3265 Li amiralz la sue gent apelet: 3396 Li amiralz alques s’en aperceit 3553 Li amira[l]z «Preciuse!» ad criee, 3564 Li amiralz ocis a si grant hunte! 3643

462

Anhang

Saisnes Antioche Jerusalem

0 V>2 V>2

Clari Villehardoin Valenciennes

/ 0 /

1 2

Li amirals Soudans Corbaran apela: 5351 Li amiraus Soudans en Jhursalem ira 28 Li amirals Soudans devant son tref esta 7931

Formulierungstyp 1c: [Li dux (Subjekt)] [X (Objekt, Adverb, Adverbiale, ...)] [Verb] Roland

V>2

8

Saisnes

V>2

3

Jerusalem Antioche

0 V>2

2

Clari Villehardouin Valenciennes

0 0 /

Naimes li dux e li quens Jozerans / Icez eschieles ben les vunt ajustant. 3023–3024 Naimes li dux e li quens Jozerans / La quinte eschele unt faite de Normans: 3045–3045 Naimes li dux puis establist la quarte 3036 Naimes li dux puis establist la sedme 3061 Naimes li dux fierement le reguardet, 3423 Naimes li dux tant par est anguissables, 3444 Naimes li dux d’iço ad fait que proz, 2423 Dejuste lui li dux Neimes chevalchet 831 Li dus Bueves sanz barbe, [...] / A Gilemer l’Escot commence a consoillier: 370–371, LT Dus Naymes sagemant son message desplie; 4374, LT Dus Naymes de Bavier, [...] / Des esperons a or lait corre le cheval 6935–6936, LT Li boins dus de Buillon doucement les mercie. 5956 Li bons dus de Buillon de se trençant espee / Feri si Soliman, la teste en a colpee. 9037–9038

Formulierungstyp 1d: [Li quens (Subjekt)] [X (Objekt, Adverb, Adverbiale, ...)] [Verb] Roland

V>2

19

Li quens Rollant, ki ne l’otriet mie, / En piez se drecet, si li vint cuntredire. 194–195 Guenes li quens ço vus ad respondud, 233 Li quens Rollant Gualter de l’Húm apelet: 803 Li quens Rollant, quant il veit [...] / Tendrur en out, cumencet

a plurer. 2215–2217 Li quens Oger cuardise n’out unkes; 3531 Li quens Rollant quant il s’oït juger, / Dunc ad parled a lei de chevaler: 751–752 Li quens Rollant mie ne s’asoüret, 1321 Li quens Rollant genteme[n]t se cumbat, 2099

Anhang 1

Saisnes

V>2

2

Antioche

V>2

7

Jerusalem

V>2

2

Clari

V>2

1

Villehardouin

V>2

1

Valenciennes

V>2

1

463

Li quens Rollant unkes n’amat cuard 2134 Li quens Rollant, quant il les veit venir, / Tant se fait fort e fiers e maneviz 2142–2125 Mais li quens Guenes iloec ne volsist estre: 332 Li quens Rollant par mi le champ chevalchet, 1338 Li quens Rollant el champ est repairet: 1869 Li quens Rollant, par peine e par ahans, / Par grant dulor sunet sun olifan. 1761–1762 Naimes li dux e li quens Jozerans / Icez eschieles ben les vunt ajustant.3023–3024 Li quens Rollant des soens i veit grant perte; 1691 Ensembl’od els li quens Rollant i vint, 175 Sur l’erbe verte li quens Rollant se pasmet. 2273 En cel tirer(es) li quens s’aperçut alques. 2283 Li cuens [...] / D’espees et de lances i fierent demanois. 2466– 2467, LT Et li cuens Salemonz a mervoille se saigne. 2376, LT Li quens Robers de Flandres et [...] Estievenon demandent belement et seri: 1615–1616 Li quens Robers de Flandres nos barons apela: 6051, LT Li quens de Normendie son tref tent en la plaigne, 2907, LT Li quens Robers de Flandres [...] / Vers la cité s’en vait son gonfanon levé. 2657–2658 Li quens Robers de Flandres durement se hasta. 6041 Li quens Robers de Flandres doucement l’en mercie: 6163 Li quens Robers de Flandres la prist herbergerie, 2955 Li quens Lambers del Liege cele Jent condurra 2166 Et li quens Bauduïns son escu li puira 6805 et confaitement li cuens de Flandres Bauduins en fu empereres, 120, 2 Et li cuens Hues si tenoit un chastel en sa vie, qui avoit nom li Dimos, 335 Et quant chou vint a priés mangier, li cuens s’en rala en Salenyque 596

Formulierungstyp 1e: [Li reis (Subjekt)] [X (Objekt, Adverb, Adverbiale, ...)] [Verb] Roland

V>2

9

Li gentilz reis descendut est a piet, 2479 Li reis Marsilie mult l’en ad merciet. 908 Li reis Marsilie enqui serat venget: 2808 Li reis Marsilie, cum il veit Baligant, / Dunc apelat dui Sarrazin espans: 2827–2828 Li reis Marsilie de nos ad fait marchet; 115 Li reis Marsilie le destre poign i perdit, 2795 Li reis paiens parfundement l’enclinet. 974 reis apres le vunt siwant; 2649

464

Anhang

Saisnes

V>2

6

Antioche

V>2

2

Jerusalem

V>2

14

Clari Villehardouin

V>2 V>2

1 3

Valenciennes

0

Li reis Torleus e li reis Dapamort / .XXX. escheles establissent mult tost: 3216–3217 Et cist rois Guiteclins si est fiers et puissans, 1830, LT Et li rois duremant ses charpentiers semant. 4682, LT Li riches rois Aufars, [...] / Enz en la greignor presse fiert etfrape et flaele, 3979–3980, AR Mes li rois BaudoÏns grant bamage demaine 5846, LT Li rois par la fenestre a son chief ambatu 5886, LT Li rois an cuir de cerf le a fait seeler, 7270, LT Et li rois tos premiers le vait araisonant / Et demande: 4815– 4816 Li rois Soudans de Perse mie ne s’atarga 5205 Li rois de Jursalem as fenestres esta 2135 Ainc li rois GarsÏens ne s’en sot eskiver 2438 Li rois de Jursalem no gent escumenie 2603 Li rois Cornumarans de nïent ne s’oublie, 4306 Li uns rois contre l’autre sont mis a genellon. 5345 Li bons rois Godefrois a haute vois s’escrie: 5696 Et li rois des Tafurs par le frain li rendi. 5838 Et li rois Sucamans del destre bras n’a mie 6520 Et li rois Godefrois son elme li laça, 6801 Et li rois Godefrois doucement li aida. 6822 Et li rois des Tafurs fierement se travaille, 6917 Li bons rois Godefrois doucement premerains s’adouba. 7915 Li rois d’Arrabe tot environ lui a. 7933 Ainc li rois ne se mut de la siele doree, 8377 Chis rois si sejornoit en une molt rike abeie en le chite, 54, 5 Li rois de Ungrie si nos tolt Jadres en Esclavonie, 63 Johanis li rois de Blanquie et de Bougrie [...], si s’en retraist arieres vers Andrenople 424 Et Johanis li rois de Blaquie [...], si se traist arieres vers la soe terre. 443

Formulierungstyp 1f: [Li arcevesques (Subjekt)] [X (Objekt, Adverb, Adverbiale, ...)] [Verb] Roland

V>2

Saisnes Antioche Jerusalem Clari Villehardouin Valenciennes

0 / / / 0 0

2

Li arcevesques plus de mil colps i rent, 1414 Li arcevesques quant vit pasmer Rollant Dunc out tel doel 2222–2223

Anhang 1

465

Formulierungstyp 2a: [Sarrazins (Subjekt)] [X (Objekt, Adverb, Adverbiale, ...)] [Verb] Roland

V>2

2

Dui Sarrazin par les resnes les pristrent 2706 Uns Sarrazins tute veie l’esguardet: 2274

Saisnes Antioche

0 V>2

3

Jerusalem

V>2

2

L’uns Sarrasins a l’autre le dist et consella: 3719 L’uns Sarrasins a l’autre le conselle en l’oïe: 5044 Quant Solimans de Nike ot sa raison finee, / Sarrasin et paien l’ont molt bien escoutee, 5156–5157 Paien et Sarrasin fierement s’esbaudirent. 78 Ceste gens sarrasine mar en iront gabant!» 5908

Clari Villehardouin Valenciennes

0 / /

Formulierungstyp 2b: [Felun paien (Subjekt)] [X (Objekt, Adverb, Adverbiale, ...)] [Verb] Roland

V>2

8

Saisnes

V>2

1

Antioche

V>2

4

Jerusalem

V>2

4

Clari Villehardouin Valenciennes

0 / /

Paien d’Arbe des nefs se sunt eissut 2810 Felun paien par grunt irur chevalchent. 1098 Felun paien mar i vindrent as porz 1057 Felun paien mar i sunt asemblez: 1068 E li païen merveillusement fierent. 3385 E li païens de ferir mult le hastet. 3445 Franc e paien merveilus colps i rendent. 1397 A icest mot paien venent avant, 3379 Uns paiens orgoillox par la presse destant, / An haut s’est escrïez mout aïreemant: 6910–6911, LT Li paien d’Anthïoce une salie font; 5488 Quant Solimans de Nike ot sa raison finee, / Sarrasin et paien l’ont molt bien escoutee, 5156–5157 Ainc païen n’i forfisent le monte d’une alie. 5436 Tot droit a paradis li païens en venra, 5338 Paien et Sarrasin fierement s’esbaudirent. 78 Un Sarrasin fiert si que les piés li coupa. / Païens de Camelli . I. autre en craventa. 3576–3577 Ainc plus sags païens ne fu de mere nés – 1524 Ainc païens ne le vit nel convenist trenbler. 7485

466

Anhang

Anhang 2 Formulierung XI: [WAFFE (Objekt)] [DURCH/IN DEN KÖRPER/ KÖRPERTEIL (Präpos.objekt)] [STOSSEN/... (Verb)] Roland

V>2

5

Saisnes

V>2

2

V2

12

Antioche

V>2 V2

1 9

Jerusalem

V2

3

Clari Villehardouin Valenciennes

0 / /

Sun bon espiet enz el cors li enbat. 1266 Lor dous espiez enz el cors li unt frait, 1384 Par mi le piz sun espiet li mist fors 1947 Sun grant espiet par mi le cors li mist 1248 Sun fort espiet par mi le cors li mist, 1306 Par mi le gros dou piz son confenon li guie 3673, LT Par mi le gros do piz son roit espié li guie, 4640, LT Par mi le cors li guie son espié an botant. 2419, LT Par mi le gros dou piz li met le confenon, 4604, LT Par mi le cors li mist l’ansaigne baloiant, 4984, LT Par mi le cors li met la baniere as langax: 6063, LT Par mi le cors li met l’espié au fer turqois: 6137, LT Par mi le gros dou piz li fist l’espié glacier, 276, LT Par mi le cors li passe son espié qui fu frois; 403, R Par mi les cors se metent les espiels vïenois. 3799, AR Par mi le cors li met le bon espiel fresnain, 3839, AR Par mi le gros dou cuer li conduist l’alemele, 3987, AR Son espié li conduist par mi andeus les flans; 3944, AR Le fer au penoncel li mist par mi le bu, 4069, AR Par mi le gros del cuer son roit espiel li guïe, 8742 Par mi le gros del pis li est l’anste passee, 9034 Par mi le gros del cuer li mist l’espiel trençant 493 Par mi le cors li mist de l’anste le quarrel, 1357 Par mi le gros del cuer li mist l’espiel fraisnin, 1388 Par mi le gros del cuer mist de l’anste.I. tronçon; 1399 Par mi le gros del cuer li mist l’espiel trançant, 1655 Par mi le gros del cuer fist fer et fust passer, 3537 Par mi le gros del cuer li fait passer l’acier. 4723 Par mi le gros del cuer li mist l’espiel trençant, 8644 Par mi le cors li guie son bon espiel trençant: 395 Par mi le gros del cuer li fist le fer baignier, 1666 Par mi le gros del cuer li mist l’espiel forbi, 3924

Anhang 2

467

Formulierung XII: [MIT DEM SPORN (Präpos.objekt)] [X (Adverb)] [STOSSEN/ DIE SPOREN GEBEN(Verb)] [PFERD (Objekt)] Roland

V>2

2

V2

5

Saisnes

V>2 V2

1 5

Jerusalem

V2

3

Antioche

V2

2

Valenciennes

V>2

1

Clari Villehardouin

V>2 V>2

1 /

Des esperons puis brochet le cheval, 3341 Reis Canabeus [...] / Des esperons ben broch[e]t sun cheval 3429–3430 Le cheval brochet des oriez esperuns, 1225 Sun cheval brochet des esperuns d’or fin, 1245 Sun cheval brochet des esperuns d’or mier, 1549 Le cheval brochet des esperuns d’or mer, 1737 Le cheval brochet des esperuns d’or fin, 3352 A force Baiart broche des esperons des piez, 3743, LT Il broche le cheval des esperons mout fort 4875, LT Des esperons a or brocha tantost Vairon, 6712, LT Lors broche le cheval des esperons dorez 3268, LT Ains brochent les chevaus des esperons d’acier 3915, AR Puis broche le cheval des esperons d’acier, 5301, LT Lors broce le ceval des esperons d’or mier, 1663 Des esperons a or a brociet Capalu 6947 Des esperons a or a Plantamor hurté, 5605 Des esperons le broce par ans. II. Les costes, 3081 Lors broce le ceval, si l’a esperoné 696 quant [...], cascuns [...] hurte cheval des espourons en escriant: 539 Quant [...], si feri [sen] cheval des esperons [...] 122

Formulierung XIII: [AUF SEIN PFERD/SCHLACHTROSS (Präpos.objekt)] [X (Subjekt)/(Adverb)] [STEIGEN (Verb)] Roland

V>2

4

V2

11

En Tencendur sun bon cheval puis muntet: 2993 Puis en un sun destrer brun est munte; 2816 En sun destrer Baligant est muntet; 3155 Li dui message es chevals sunt muntet. 2765 Li quens Rollant est muntet el destrer. 792 En Tachebrun, sun destrer est munted; 347 Es destrers muntent tuit li barun de l’ost, 1801 Es destrers muntent, si chevalchent estreiz. 1000 Puis sunt muntez sur lur curanz destrers. 1142 Puis sunt muntez es chevals e es muls; 2811 Puis sunt muntez en lur curanz destrers. 3869 Pois est munted [al destrer], entret en sun veiage. 660 Puis sunt muntet [as destrers], 2851 Puis sunt muntez [as destrers] e unt grant science. 3002 Puis sunt muntez [as destrers], la bataille demandent; 3091

468

Anhang

Saisnes

Jerusalem

V>2

3

V2

30

V>2

3

V2

10

Chascuns isnelement monta sor son destrier; 1416, AR Chascuns isnelement monta en l’auferrant; 1264, AR A tant isnelement vont es chevaus monter. 853, AR Puis montent es chevaus de Gascoigne et d’Arrage 926, AR Puis montent es chevaus bruns et bauchails et bais, 1030, AR + LT Puis montent es chevaus gascons et espanois. 2200, AR Puis monte el vair destrier ou merveilles se fie, 2413, AR Puis monte el brun bauchant, 2951, AR Puis montent as chevax coranz et abrivez: 4319, LT Lors monterent Frison e s bons destriers kemus. 2350, AR Lors sont es palefrois isnelement monté, 3501, AR Ains monta tous armez sor l’auferrant coursier. 3897, AR Chascuns monte el cheval qui li saut et remue, 1382, AR Chascuns [...] mont sor son cheval auferrant ou gascon, 1512– 1513, AR Chascuns monte el cheval sejorné et coursier 1520, AR Chascuns [...] monte en l’arragon. 1954, AR cil monte el destrier fort et isnel et cras, 2451, AR Berarz de Mondidier [...] monte ou brun baucent, 2605–1607, LT L’emperere de France [...] monta sor le destrier. 1518, AR L’empereres monta el destrier milsodour, 2780, AR Baudoïns remonte el destrier Cahanin, 3310, AR Li rois monte ou cheval qi ne s’atarda mie, 4399, LT li message sont sor les chevax montez. 6265, LT Li Saisnes est montez par l’estrier senestror. 7661, LT Isnelement remontent sor les destriers d’Espaigne; 2629, AR Isnelement s’adoubent et montent es chevaus: 2644, AR Isnelement monta sor le vair espaignois. 2451, LT Le blanc hauberc vestu monta sor le destrier. 1518, AR Si moilliez corn il fu monta sor l’arragon, 4137, LT Sor les chevaus monterent, c’on lor tint au perron, 512, AR Sor celui [le chaval] est montez, 2860, LT Et destriers sont monté, gascon et espanois, 3779, AR Ou cheval est montez qi tost cart comme barge, 3973, LT Son escu a son col en Chaplau monta, 7919 Dans Pieres li hermites sor son asne monta. 1013 Qunt il furent armé cascuns monte el destrier 238 En son ceval monta qu’il ot fait ensieler, 8116 En lor cevaus monterent s’ont lor escus conbret, 9787 Puis montent es cevals sans nule demoree, 7762 Puis monte el dromadare si s’enfuit de randon. 9438 Lors montent es cevals, cascuns prent a l’arçon, 37 Isnelement monterent es destriers abrievés, 8014 Isnelement monterent es destriers auferrans. 8047 Cornumarans remonte el destrier de Nubie, 5714

Anhang 3

Antioche

V>2

1

V2

19

Clari

V2

2

Villehardouin

V2

4

Valenciennes

V>2

2

V2

2

469

Li fil Soudan monterent es destriers arragons. 8222 Cascuns monte el ceval u ot siele doree. 9662, Jer Quant li Turc ont coisis nos chevaliers françois, / Isnelement monterent sor les cevals norois 1467–1468 A iceste parole est el ceval montés, 4708 El demain est montés sor .I. mul sulÏent, 5593 Er soir a mÏenuit monta sor .I. Destrier, 9447 Il monta sor .I. Asne, prist eskerpe et bordon, 272 PaÏen montent as estres, grans en fu li plentés, 4080 GarsÏons d’AnthÏoce est el ceval montés, 4215 Corbarans d’Olifeme vait el destrier monter. 8486 Corbarans d’Olifeme vait el ceval monter, 5378 Cil qui aidier se porent vont es cevls monter; 7179 Il montent es cevals, ne s’atargierent mie, 9808 Aprés le fist monter sor .I. Mulet amblant, 5539 Si monta el ceval a tot son grant bame, 1919 Lors est montés li rois armés sor son destrier. 9393 Isnelement monta sor .I. Destrier d’Arrage, 8419 Isnelement monta sor .I. Destrier bauçan. 8781 Isnelement en monte el destrier sejorné, 9510 Es cevals sont monte qui ains ains a estris 1297 El destrier remonta le paien escr’iant, 2610 En .I. Destrier monta, molt le siut grant empire, 3938 si monta seur un grant cheval; 106, 13 si monte il sus, 22, 4 Lors monterent li baron à cheval et amenerent, 190 Ensi monterent li message sor lor chevaux, 211 Et uns suens chevaliers fu montez à cheval, 160 et li message [...] montent sor les chevaus. 216 Quant li empereres vit que [...], il monta sor .i. sein cheval Moriel et [...]. 509 Et quant li empereres fu outre, si monta sor .i. sien cheval ferrant. 659 Atant guerpissent les palefrois, si sont es destriers monté; 536 Dont montent [al cheval] et revienent a l’empereour; 591

Anhang 3 Formulierung XIV: [IM (GROSSEN) GETÜMMEL (AP)] [X (Adverb/Objekt)] [SCHLAGEN/ KÄMPFEN/X … (Verb)] Roland

V>2

2

V2

3

En la grant presse or i fiert cume ber, 1967 En la grant presse mil colps i fiert e plus 2090 En la grant presse cumencet a ferir 2057 En la grant presse i fierent as paiens. 2070 E la grant presse les vait tuz envaïr 2129

470

Anhang

Saisnes

V>2

4

V2

5

Antioche

V2

10

Jerusalem

V2

5

Joffrois li Angevins en la presse s’enpaint, 2742, AR Li riches rois Aufars, [...] Enz en la greignor presse fiert et frape et flaele, 3979–3980, AR L’empereres meïsmes en la presse s’est mis, 4016, AR Uns paiens orgoillox an la presse destant.1100, R En la presse se fiert a guise de lupart, 1985, AR + LT An la presse s’ambat de la gent paienie; 4826, LT An la presse s’ambat iriez comme mastin, 4953, LT En la presse se fiert corn fau cons qui oisele, 3967, AR An la presse la lait, si fu conme tanpeste. 344, R + LT Tot en la gregnor presse a son destrier tome 2072 En la presse gregnor s’est li ber enbatus 8693 En le presse gregnor s’est li ber ber ademis. 8715 En le presse est remés par male destinee 8519 En le presse se fiert a loi de combatant 8646 En le presse en entra a guise de lïon 8665 En le presse se mist a guise de lupart, 8754 En le presse en entra por son oire adrecier: 9085 En le presse se fiert, jo le tieng por enfant, 9148 En le presse en entrerent, li noble combatant, 9156 En le presse des Turs s’est alés eslaisier. 5958 En le presse des Turs est alés caploier 8460 En le presse des Turs se sont feru bruiant. 8578 En mi la gregnor presse est li perce froissie, 6857 En mi la grignour presse vont ferir a eslais 9212

Formulierung XV: [AUF DAS (GRÜNE) GRAS (AP)] [X (Subjekt/Adverb/Adverbiale)] [NIEDERLEGEN/X ... (Verb)] Roland

V>2

5

V2

6

Saisnes

V2

2

Antioche Jerusalem

0 0

Sur l’erbe verte si est caeit envers: 2269 Sur l’erbe verte puis l’at suef culchet 2175 Sur la verte herbe mult laidement se culcet 2573 Sur l’erbe verte li cler sancs s’en afilet 130 Sur l’erbe verte li ques Rollant se pasmet 176 (Suz un lorer [...] / Sur l’erbe verte getent un palie blanc: 2651–2652 Sur l’erbe verte s’i est culchet adenz 2358 Sur l’erbe verte s’i est culchet adenz 3097 Sur l’erbe verte estut devant sun tref. 671 Sur l’herbe verte descent li reis en un pred 2448 Sur l’erbe verte veit gesir sun nevuld 2876 Sur l’erbe verte en espant li cler sanc. 3927 Sor l’erbe et sor le jonc s’assisent por le froit, 2890, AR Sor les jons et sor l’erbe n’i ot autre dangier. 3885, AR

Anhang 3

Clari Villehardouin Valenciennes

471

/ / /

Formulierung XVI: [VOR PERSON (EIGENNAME) (AP)] [X (Subjekt/Adverb)] [X (Verb)] Roland

Saisnes

Antioche

V>2

8

V2

7

V>2

2

V2

15

V>2

2

V2

15

Devant Rollant si s’en fuient paiens. 1875 Devant le rei la s’estut Guenelun: 3762 Devant Marsilie cil s’escriet mult halt; 891 Devant Marsilie cil en est escriet: 900 Devant Marsilie as altres si s’ajaust, 919 Devant Carlun andui sunt repairez: 3862 Dedevant lui sa muiller, Bramimunde, / Pluret e criet, mult forment se doluset; 2576–2577 Li emperere devant sei l’ad fait traire. 3749 Devant Marsilie ad faite sa vantance: 911 Devant Marsilie s’escriet en la presse, 933 Devant ses pers vait il ore gabant. 1781 Dedevant lui ad une perre byse: 2300 Devant les altres est en un pui muntet. 2869 Devant sei les ad fait tuz uvrirv 2964 Devant lu rei est venuz Pinabel, 3838 Berars de Modidier devant Charle est venus, 1205, AR Devant moi l’oriflambe estor porteront. 4702, LT Devant aus voient Rune, la parfonde bruiant. 1273, AR Devant eles s’eslaisse en travers la champaigne, 1555, AR Et devant lui servait Berarz de Mondidier. 2272, LT Par devant Guithechin a un fuiant ataint, 2750, AR Devant sa gent venait le trait a un archier, 3036, AR Devant le roi servoit Berarz de Mondidier, 3079, LT Par devant la roïne sai que vos josterez, 3420, LT Devant Guiteclin vient, a haute voiz li crie: 3573, LT Devant lui s’agenoille, son braz au col li ploie, 3843, LT Devant lui s’agenoille, q’il n’i voit son meillor. 7219, LT Devant l’empereour se va agenoillier, 4146, AR Devant soi an l’angarde, par mi les prez herbuz, 4102, LT Par devant aus les chacent corn bestes en un pré, 3541, AR Tot par devant les austres s’an vint li Turs poignant, 5010, LT Devant lui s’arresta, si le va regardant. 6818, LT Très devant Garsïon son neveu li tüa. 6361 S’il martire i reçoit be que arme l’ocie, / Devant Nostre Segnor ira s’arme florie. 7914–7915 Devant Corbarant vint, si li fist enclinee: 423 Devant lui fist mander Buiemont u se fie, 1707 Tres devant Soliman s’agenoille .I. Espie, 1940 Devant Deu en irons, ja n’ermes mais danpne, 2646

472

Anhang

Jerusalem

Clari Villehardouin Valenciennes

V>2

2

V2

23

Devant le roi Tafur s’est cascuns arestés, 4100 Devant le roi son pere [...] est al poe presentes: 4530 Par devant GarsÏon s’ares tut en estal, 4787 Devant crestÏens ot .IIII. Barons tos sous: 5117 Tot droit par devant nos vi le terre avaler 6626 Devant lui vint Jhesus, a gente compaignie, 7117 Devant lui vint Jhesus de sainte majesté; 7121 Devant moi vint uns hon qui molt ot grans beltés 7205 Devant lui sont venu plorant si escuier 7588 Devant lui est venus, de Diu l’a salué. 9504 Devant soi a mandé les no biles barons: 9587 Quant li rois Godefrois voit le Turc esperdu, Par devant lui a terre li a l’or espandu – 7317–7318 Cascuns devant le roi s’est avoec presentés 7649 (Devant Deu ens es cius est ses ciés coronés. 2350) Devant lui encontra l’aumaçor Faraon, 536 Devant Diu en ira en present sa fai ture» 770 Devant Deu en ira, chantant toute florie! 1159 Sire, devant Cesaire fu l’avoirs conquestés: 899 Devant li l’abati estendu en l’estree! 1358 Devant eux fornt porter .II. buisines d’arain. 1871 Tres devant Damedeu le convoia et guie: 2300 Tres devant nos barons s’escria a hals cris, 3027 Sains Michius prist les armes, devant Deu les en guie. 4609 Devant trestos les autres vait li quens randonant. 5779 Devant lui se coucierent plus de .XV. Millier. 6186 Devant lui sont espris plus de .M. Estraval. 7121 Par devant le message vont trestot trespassant, 7293 Mais devant moi le face trestot vif amener, 7500 Devant lui fist soner .I. Cor a la bondie. 7958 Devant lui a veü .I. Ceval ensielet, 9390 Devant son frere a mort .I. Des fils Malagu 8497 Devant son pere vint Sanguins ses poins tordant 8964 Devant Soudan se vont cascuns agenoillant, 8966 Devant Droon d’Amiens li a ocis son frere, 9165 Devant lui a de Turs plus de .XX. Craventés. 9549 Par devant BauduÏn ont Rainbaut atiret – 9595 Devant les autres a souvent esporoné, 9812

0 0 0

Formulierung XVII: [IN DER NACHT (AP)] [X (Objekt/Adverb)] [X (Verb)] Roland

V>2

2

Tute la noit mult grant clartet lur dunent. 2644 Par poestet icele noit i jurent. 3653

Anhang 3

V2

4

Saisnes

V>2 V2

1 22

Antioche

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4

V2

31

473

La noit demurent tresque vint al jur cler. 162 Icele noit n’unt unkes escalguaite. 2495 Icele noit ne se volt il desarmer, 2498 La noit la guaitent entresqu’a l’ajurnee. 3731 Cele nuit leanz n’ot solaz ne nul depart, 1238, AR Enuit l’en avanra, par Dé, mais n’an set mot, 393, LT La nuit couvint livrer a maint cheval avaine. 1159, AR Cele nuit se reposent jusq’au demain matin, 1122, LT Cele nuit sejomerent jusq’a l’ajomemant, 1184, LT La nuit sejorna l’oz, au matin s’est meüe, 1378, AR Cele nuit couvint Charle que as chans se herbert. 1834, AR Cele nuit ont an Rune maistraite la marrele; 2180, LT Cele nuit se reposent tant que jorz fu parans. 2560, LT Cele nuit n’ot consoil a privé ne a druz, 3162, LT Toute nuit font lor fenmes por vous eschergaitier 3386, AR Icele nuit se couchent, poi se sont ostelé. 3495, AR Cele nuit se reposent Alemant et Bavier, 4418, LT Cele nuit fu bien l’ost Guiteclin effraee, 4718, LT La nuit fist l’eschargaite B erars de Mondidier 3890, AR Toute la nuit i furent jusques a l’esclairier 3893, AR La nuit jut l’empereres el grant palais pavé. 4134, AR Cele nuit est li rois a la cit sejomant 5590, LT La nuit s’ambla de cort desor un chaceor, 5615, LT Cele nuit n’ont leanz ne joie ne gabois, 6249, LT Cele nuit ne manga de pain ne but de vin, 7071, LT Tote nuit plut et vante que ne prist li tans fin; 7077, LT La nuit songa un songe don fu an grant iror: 7354, LT Cele nuit fors de Nique s’est Solimans embles; 1194 Garsïons d’Anthïoce le nuit .M. Turs manda, 1481 La nuit quant Corbarans fu levés de souper, Uns rices amirals [...] As eskés et as tables commencent a jüer, 7416–7419 La nuit as rices tentes ont lor cors reposés, 9336 Ainc la nuit ne dormi jusqu’a l’aube a parant. 5759 La nuit jurent el val li nobile baron, 597 Cele nuit les conroie Estatins l’Esnases, 859 La nuit s’en fu issus Solimans a laron, 1192 Le nuit i ont gaitie par grant devision, 1720 Le nuit jut Solimans enmi la praerie 1771 Le nuit se herbergierent as fontaines Raimon, 2208 Cele nuit sejomerent Franҫois en la cites, 2549 La nuit en sont issu, quant li tans fu seris. 2723 La nuit fist l’esquargaite Godefrois li frans hon. 2770 Cele nuit sont entre en l’ost Deu a laron. 2773 La nuit fisent as nostres mervellos destorbier. 3122 Cele nuit le laisierent dusqu’a l’aube esclairie. 3199 La nuit orent par l’ost a mangier a plenté. 4317

474

Anhang

Jerusalem

Valenciennes

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1

V2

18

V>2 V2

1 4

Cele nuit le retint, si a o lui soupé. 4321 Anquenuit moveront coiement a laron, 4574 Icele nuit gaitoit li maisnie Tangrés, 4693 Cele nuit i sejoment, illuec s 'est ostelee. 5403 Cele nuit va li Turs a l’ost Deu belement. 5587 Cele nuit les gaita li quens Raimons li ber, 5646 La nuit en a son fil en ostage livré, 5808 Toute nuit a vellié, mais dormir fist sa jent. 5864 Anuit songai .I. songe qui malt fait a douter, 6611 Cascune nuit se gaitent sor lor cevals armé. 6971 Anuit, en ceste nuit, est a moi retomés, 7215 En l’autre nuit aprés, [...] Descendi uns esfoudres par devers occident, 7244–7245 Cele nuit se jut il dejoste .I. viés fo ssés, 7563 La nuit sont no baron as tentes reposé, 9344 Cele nuit se deduisent par molt grant riceté 9353 Anquenuit m’en istrai armés, tos eslaisiés; 9385 Le nuit jurent a joie nostre grant baronie, 9779 La gens nostre Segnor tote nuit fu armee. 7760 (La nuit aprés complie, [...] Par devers Saint Estievene ont lor engien mené, 4452–4453) (Ainc la nuit as herberges n’en osa uns raler, 4692) Cele nuit fu no gens ricement ostelee. 593 Trestote cele nuit l’ont entr’els bien gardé 4456 Cele nuit est cascuns dormis et reposés: 6026 Cele nuit ot Raimons tant batus les costés 6032 La nuit fist esquergaite tant qu’il fu esclairié 913 La nuit fist l’esquergaite, la grant broigne vestie, 922 La nuit fu li os Deu en grant touellement. 1630 La nuit les a gaitiés Buiemons li marcis, 2402 La nuit font li baron l’ost Deu esquergaitier. 1931 La nuit jurent a camp mais n’i ot vair ne gris 2397 La nuit est li os Dieu moult tres bien conraee, 9668 Anuit m’est avenus uns damages mortals, 1762 Anuit nos assaillirent cil cien, fil a putain. 1882 Anuit me fu uns dis de par Deu devisés 4364 Anuit se logeront tot aval la berrie. 5482 Anuit le comperront Sarrasin et Persant. 9261 Toute nuit se gaitoient desci c’a l’ajomer. 4703 Toute nuit i vellierent desci a l’ajornee. 7757 Mais cele nuit [...] il gut a Naple 564 Cele nuit deviserent lor batalle, 522 Cele nuit se herbrega a la Rousse, 566 Cele nuit jut li empereres a molt grant meschief defors Cristople. 569 La nuit se jut a .i. casal, et se reposa jusques a l’endemain, 681

Anhang 3

Clari Villehardouin

V2 V>2

1 1

475

Le nuit meesme [...] leva une si grant tormente en le mer [...] 25,1 Cele nuit [...] l’empereres Alexis de Constantinoble prist de son tresor 182

Formulierung XVIII: [AUS LIEBE (ZU) (AP)] [X (Objekt/Adverb)] [X (Verb)] Roland

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Saisnes

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Antioche

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Jerusalem

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Clari Villehardouin Valenciennes

Pur vostre amur ici prendrai estal; 2139 Pur sue amor altretel funt li altre: 3123 Par bel amur malvais saluz li firent: 2710 Por moie amor a piece deça ne venissiez. 3789, LT Et cele doucemant par amors l’an mercie. 5828, LT Por l’amor Jhesu Crist et por mon salvemant / An reclus me metrai, 1483–1484, R Por l’amor de son pere qi [...] / Le non que il avoit li ont fait remüer: 7804–7805, LT Por vostre amor avra tost sa place voidie. 2337, LT Par amors li tramist et par acointemant 2657, LT Par amors li tramist et par acointemant 6257, LT Por moie amor feïstes vostre cors baptisier. 6808, LT Por l’amor Baudoïn que je ai tant amé, 4152, LT Por amor la roïne fu li rois consantant; 5581, LT Por l’amor Jhesu Crist et por mon sauvemant 7320, LT Baron, por amor Deu, .I. petit m’entendes, 663 Sire, por amor Dieu, merci vos en querons. 804 Por amor au paien molt grant dol demena. 4159 Ne mais por amor Deu avés tot ço laisié. 8225 Par amor Deu vos pri que ces .III. jars junés, 7536 Por amor Deu de glore .I. petit m’entendés 1225 Quant cascuns de vos est fervestus et armés, / Por amor Deu vos proi [...] 7626–7627 Por amor Deu de glore vos vauroie proier, 757 Por l’amor des .II. Turs fu Mahons celebrés. 3789 Por amor Damedeu, n’alés mie alentant 4621 «Sire, por vostre amor serai jo armés ja.» 6799 «Signour, pour l’amour Dieu, dites quel le feron. 9757

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Formulierung XIX: [MEINES WISSENS/SOWEIT ICH WEIß (AP)] [X (Objekt/Adverb)] [X (Verb)] Roland

V>2

4

Mien escientre plus ad de .II.C. anz. 552 «Men escientre, tu n’ies mie des noz!» 2286 Men escient dous cenz anz ad passet. 524 Men escientre dous cenz anz ad e mielz. 539

476

Anhang

V2

3

Men escientre nel me reproverunt / Que il me chedet, cum fist a Guenelun 768–769 Sun escientre n’en i out un cuard. 1116 Men escientre nes osent aproismer. 2073

Saisnes Antioche

0 V>2

5

Jerusalem

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6

V2

2

Par le mien escïentre ja vausist forsener, 4784 Par le mien escïentre ja fust vis esragiés 9376 Ains que passe li mois, par le mien escïant, / De .L. langages iront gent semonant. 5203–5204 Aprés prendront Damas, par le mien escïent, / herusalem n’ara vers els [...] 6774–6775 Ains que past li semaine, par le mien escïent, Verrés tant chevalier [...], 7389–7390 Par le mien escïent ce sont Arrabiant, 179 Par le mien escïent il le comperront chier! 242 Par le mien escïent ja s’entreferiscant 4245 Par le mien escïentre ja i ara folie. 6840 Par le mien escïentre cascuns est mer passés. 7599 Par le mien escïent, ne vos en gaberés 8040 Par le mien escïant n’en eschapast uns vis 4562 Par le mien esciant n’i peüscent durer 799

Clari Villehardouin Valenciennes

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Formulierung XX: [BEI DIESEN/JENEN WORTEN (AP)] [X(Objekt)/X(Adverb)] [X (Verb)] Roland

Saisnes

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9

V2

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3

V2

12

A icez mot li .XII. per s’alient 990 A icest mot si s’esbaldissent Franc,1524 A icest mot tels .C. milie s’en vunt:1911 A icest mot Franceis se fierent enz 1939 A icest mot sur son cheval se pasmet 1988 A icest mot paien venent avant, 3379 A icest mot venuz i est dux Neimes 3621 A icel mot l’un a l’altre ad clinet 2008 A icel mot l’emperere est muntet 2457 A ces paroles vunt les oz ajustant. 1169 A icest mot sunt Franceis escriet. 1180 A icest mot se pasmet li marchis 2031 A icel mot l’at Rollant entendut; 2054 A icel mot est l’emperer muntet. 2457 a cel mot s’en turnerent. 2764 Es les vous a ce mot en plorant departis; 1225, AR A cest mot, sanz plus dire, li uns l’autre desfie 3667, LT A cest mot li uns l’autre par maltalant deifie, 1328, R A icest mot s’en tornent chevauchant lez a lez. 2386, AR A cest mot s’en departent li message ambedoi, 2576, AR

Anhang 3

Antioche

V>2 V2

1 17

Jerusalem

V2

5

Villehardouin Valenciennes Clari

0 / V2

3

A ce mot laissent corre par merveillus enchaus 2656, AR A ce mot s’entrebaisent, n’i ot autre forfait 3196, AR A cest mot s’antrebaisent et demoinent grant joie. 3859, LT A cest mot a gardé an mi la praierie 3942, LT A cet mot esperone, s’a sa voie acoilie; 4032, LT A cest mot ont josté e t li nostre et li lor 4962, LT A ce mot esperonne li quens Hües dou Mans, 3955, AR A ce mot esperonne le bon destrier crenu, 4079, AR A ce mot sont torné an la cité lou pas; 7235, LT A ecest mot se batent an l’ost por grant effrois. 1823, R A iceste parole li arme en est partie 1715 A cest mot s’eslaisierent des Turs .XV. Millier. 1455 A cest mot laisent corre tres par mi le sablon, 1532 A cel mot se regardent li chevalier hardi 1613 A cel mot s’en torna a maisnie escarie 1777 A cel mot s’en tornerent la pute gens hale, 1875 A cest mot s’est li dus Godefrois regardes, 2453 A cest mot esgarda contreval le degre, 2699 A iceste parole avala les degres 1006 A iceste parole se vont resbaudisçant; 1669 A iceste parole ont lor muls demandes, 1935 A iceste parole que vos ici oes 3577 A iceste parole est el ceval montés, 4708 A icestes paroles es vos les més venus. 4894 A iceste parole risent Turc le risee 5185 A iceste parole font lor tabors soner, 5371 A iceste parole font lor rason finer. 6632 A iceles paroles est li ber devïés 9209 A cest mot s’esclaiscierent plus de .C.M. Escler 9075 A icestes parole fu tans escus saisis, 1202 A iceste parole fait corner l’estormie: 6076 A iceste parole es vos .I. blanc colon 7735 A iceste parole es vos Sanguin corant, 8960

Et a ches paroles s’agenouillierent li baron devant lui, 4, 9 A ches paroles se partirent li baron du palais et [...] 59, 1 A ches paroles s’en parti li dux et s’en revint arriere. 60, 1

Formulierung XXI: [BEI DIESEM/JENEM/BEIM ERSTEN/... SCHLAG (AP)] [X (Objekt/Adverb)] [X (Verb)] Roland

V>2

3

477

A icest colp cil de France s’esc(ri)rient: 3365 A colps pleners de lor espiez i perdent: 3401 A premers colps i uns ocis Gualter 2076

478

Anhang

V2

2

A icel colp l’ad Rollant reguardet, 1998 A icest colp est li esturs vencut. 3930

Saisnes Antioche

0 V2

3

Jerusalem

V2

2

A. I. Colp fendi tot l’aumaor de Montire. 3933 Al premier coup qu’il traient nos ont il mort Elie. 1505 Al premier coup ocist .I. Neveu l’amirant 4002 A icel coup perdierent .XV. des nos la vie 3476 A l’autre coup rocist son frere Rubion 8714

Clari Villehardouin Valenciennes

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Formulierung XXII: [NIEMALS (Satzadverb)] [EIN MENSCH/EINEN BESSEREN/ X (Subjekt, Objekt)] [SEHEN/X (Verb)] Roland

Saisnes

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V2

4

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9

V2

9

Unkes nuls hom ne vit tel ajustee.» 3322 Unches nuls hom nel vit juer ne rire. 1476 Unches mais hom tel ne vit ajustee. 1460 Unques nuls hom tel chavaler ne vit 2888 unches meillor ne vi 629 Unches meillurs n’en out reis ne c[at]aignes. 1850 Li quens Rollant unkes n’amat cuard, 2135 Meillors vassals de vos unkes ne vi. 1857 Ne traïsun unkes amer ne volt. 1208 Ceinte Joiuse unches ne fut sa per 2501 (A itel ore unches puis ne la vit, 3210) (unkes mais n’out si grant. 2222) (Unc einz ne puis ne fut si fort ajustee; 3394) Unc ne vi gent ki si fust cumbatant. 3515 Unches n’amai cuard ne cuardie. 1485 Unc nel sunast se ne fust (cu)cumbatant. 1768 Unkes nen oi poür la u tu fus. 2045 Onques nus hom ne vit plus gente Sarrazine 1587, AR N’onques cil de Herupe n’an furent costumier 373, LT onques tex gens ne fu! 2806, AR Onques cil n’ama bien qui si tost se repent 2942, AR Onques vins ne clarez n’i fu par ax beüz 3515, LT Quant l’entent Baudoïns, onques ne fu si liés, 3286, AR Qant li niés Charlemaigne a le Saisne abatu, / Onques mais n’ot tel joie [...] 3683–3684, LT onques bel ne lor fu 702, AR Onques plain pié por ax ne fu il desfautrez 3281, LT Onques an lor jovante ne firent se mal non. 56, LT Onques mais ne peschastes por si riche vendoise. 1617–1618, AR Onques n’an fist samblant, tel gent conut assez; 3284, LT N’onques ne les pot Charles a ce faire apoiier. 387, AR

Anhang 3

Antioche

Jerusalem

V>2

12

V2

18

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20

Onques ne fu cavages si fierement offers. 874, AR Onques ne vos reqist vaillant une cinele, 966, LT Onques ne fu estours si fierement tenus, 2358, AR Onques ne les osastes de plus pres aprochier. 2561, AR onques n’i ot raison, 2830, LT Onques li uns vers l’autre ne pensa felonie, 109 Onques Dex ne fist home qui de mere fust nes, 685 Onques Dex ne fist armes vers els soient garant: 5250 Onques nus hom del mont n’en vit tant assanbler. 5720 Onques mais nule gens tel paine ne sofri. 3437 Onques nus trestos seus n’en pot vis eschaper. 6623 Ne onques si grant pule n’en ot a els josté 7137 Onques en lor herberges ne porent puis ester. 9136 Onques en paienime ne fu tels recovrés. 4676 Onques en paienie tels ne fu ajostee. 5400 Onques en Coroscane n’ envoiai por aïe, 5080 Onques puis en cel liu n’orent herbergement. 7249 Onques puis n’en oïrent autre devisïon. 7470 onques mais ne fu tés: 4710 onques mais ne fu tés, 4920 Mais onques ne guencirent li encrieme felon, 1638 Onques n’en sorent mot li pute gens haie 1258 Onques n’en sorent mot Sarrasin ne Esclé 2507 Onques n’en sorent mot li mal Popeliquant, 2633 Onques n’oirent friente de cevals, de roncis, 2731 Onques n’en sorent mot ne Franvois ne Breton, 2793 Onques n’i ot de lance ne feru ne boute, 3145 Onques n’i remest corde ne fust arse et brulee, 3269 Onques n’i ot baron tant fust praus ne hardis 3430 Onques n’i ot François qui guencist por joster, 3530 Et respont Buiemons: Onques ne fu pensé, 4311 Onques ne fustes tant ne amés ne cieris 6911 Onques ne vi tant bels, tant praus ne tant hardis, 7649 Onques ne fu par vos malvais consels donés. 7710 onques n’orent gregnor. 8844 Onques nus hom ne vit encor si hait clocier. 8178 Onques nus hom ne vit si grande ne se per. 8274 onques hom ne vit tés. 8982 onques hom n’oï tal. 1993 Onques Dex ne fist home qui puist lor gent nonbrer, 5535 Onques hom n’ala tant par terre ne par nage, 7191 Onques cil ne mangierent de pain ne de forment, 8878 Onques des.X. milliers n’en remesent entier 2495 Mais onques .I. sol point n’en vaurent maniier. 6891 U tot mort u tot pris – onques el n’en faison! 6774 Onques por eus desfendre nes vi mius ordener, 2977 Onques por jogleor miudre ne fu cantee 6632

479

480

Anhang

V2

21

V>2

2

V2

4

Villehardouin

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Valenciennes

V>2

3

V2

2

Clari

Mais onques por tot ço n’en fu uns reculans. 2240 Ne onques por mon coup ne laisa son errer. 3952 Onques miux ne fu pris colons al colonbier 2465 Onques a lor herberges ne porent repairier. 9463 Mais onques au ceval n’en ot .I. regardant. 7294 Onques mais d’asaillir ne furent si manie. 4489 Se il fust Crestiiens onques ne fust telz ber. 9864 Onques puis por joster n’i ot lance levé. 6328 Desci qu’as plains de Rames onques ne s’aresta. 7930 Onques devant ne puis ne vit nus hom sa per. 8820 Onques puis n’atendi ne per ne compaignon – 9439 Hui mais orés assaut, onques mais ne fu tés. 2329 Onques n’i ot si povre qui de joie ne crie. 597 Onques n’i ot si povre qui de joie ne rie! 931 Onques n’en i ot .I. de si rice façon 1814 onques n’i ot geron. 1831 Onques n’i ot celui qui ne fust engrarnis. 2987 Onques n’i ot celui par grant devosion 5198 Onques n’i ot celui del remanoir se vant. 5389 Onques ne s’aresterent tres qu’el fons del fossé. 3410 Onques ne s’aresterent por assaut tant ne quant, 4638 Onques ne s’aresterent desci qu’en Tabarie. 5450 Onques ne s’aresterent desci en Galilie. 5500 Onques ne s’aresterent en nul liu tant ne quant, 8585 Mais onques ne le poe del ceval remüer, 3951 Onques n’i feri coup -bien le puis afficier – 5960 Sire Dex, se vos plaist, onques ne consentés 6721 Mais onques n’i prist lance ne espiel noëlé, 7360 Onques ne fu plus ruiste oïe n’escoutee. 9065 Onques puis n’atendi ne per ne compaignon – 9439 ne onques chu jour li Venicien [...] riens ne peurent forfaire [...] 71, 12, mais onques nul des Franchois [...] ne misent a pie. 66, 33 Onques mais n’ eustes vous si boin empereeur. 71, 21 ne onques ne vit on gens plus rikement ne plus noblement aler [...] 19, 7, onques ne les oserent atendre, 43, 11 ne onques n’i oserent demourer; 74, 49 Ne onques plus beles estores ne parti de nul port. 76 Onques nus de la terre ne de la cité ne fist semblant [...] 146 Onques de tant de gent nus hom plus bele ne vit. 56 ne onques mais si poi de gent ne se continrent si bien ne si biel. 656 ne onques li Ascres ne tira ses regnes, 553 Ne onques por chou ne guerpi l’assaut 675 Mais onques offre c’on lor fesist [...], 580 onques ne s’arriesterent 655

Anhang 3

481

Formulierung XXIII: [SCHNELL (Satzadverb)] [X (Subjekt, Objekt, Adv)] [X (Verb)] Roland

Saisnes

Antioche

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V2

18

Isnelement li ber resailit sus; 2085 Isnelement sur tute sa gent chet. 2536 Isnelement sur lor piez releverent. 3575 (Isnelement si li ad comandet: 2453) Isnelement issent de la citet, 2767 Isnelement ad vestue sa brunie, 2988 Isnelement se drecent sur lur piez. 3884 Chascuns isnelement monta en l’auferrant; 1264, AR Chascuns isnelement monta sor son destrier; 1416, AR Chascuns isnelemant a la broigne andossee; 4735, LT Baudemas son neveu isnelement apele, 2438, AR (A tant isnelement vont es chevaus monter. 863, AR) Tost et isnelement relace sa ventaille, 1648, AR Tost et isnelemant s’est au roi adresciez. 3232, LT Tot et isnelement sont es armes coru. 588 R Tot et isnelement s’an est an piez levez 1632 R Tost et isnelemant est sor ax ambatu. 3705, LT Isnelement s’adoubent, n’i quierent ochoison; 1928, AR Isnelement s’adoubent, n’i font longue bargaigne. 2641, AR Isnelement s’adoubent et montent es chevaus: 2644, AR Isnelement s’adoube, n’i fist lonc serventois; 2706, AR Isnelement s’adoubent, n’i tisent lonc sejour. 2779, AR Isnelement remontent sor les destriers d’Espaigne; 2629, AR Isnelement sailli el destrier espanois. 2709, AR Isnelemant li est li chevax amenez. 3465, LT Isnelemant s’an va o sa gent honoree; 4716, LT Quant li Turc ont coisis nos chevaliers, / Isnelement monterent sor les cevals norois 1467–1468 Quant li dus ot se lance peçoïe et quasee, / Isnelement et tost met la main a l’espee 3671–3672 Isnelement s’arma sor .I. blïaut de Sire, 3936 Isnelement s’adoube a le loi paienie. 8788 Isnelement et tost a pris .I. durghemant 5518 Isnelement et tost a cels de l’ ost mandés 6258 Isnelement et tost a Buiemont mandé 4305 Isnelement s’en issent sor les destriers corans. 8062 Isnelement s’en issent sor lor destriers braidis. 8193 Isnelement se lieve, car il estoit armés, 4705 Isnelement le lieve al col de son destrier. 8883 Isnelement s’arma Godefrois de Bullon: 3635 Isnelement s’arma il et sa compaignie, 5935 Isnelement monta, il et si compaignon: 5606 Isnelement monta, il et sa compaignie; 6236 Isnelement monta sor .I. destrier d’ Arrage, 8410 Isnelement monta sor .I. destrier bauçan. 8781

482

Anhang

Jerusalem

Clari Villehardouin Valenciennes

V>2

6

V2

15

Isnelement monterent, n’i vaurent demorer. 9269 Isnelement en monte el destrier sejorné, 9510 Isnelement retorne, qu’il n’i fait demoree, 9557 Tost et isnelement .III. briés nos escrivés, 2880–2881 Isnelement et tost son auberc endossa 6890 Tost et isnelement les haubers endossés 7624 Cascuns isnelement s’arma devant son tré, 1965 Quant li rois Corbadas a la novele oïe, / Isnelement devale de la grant tor antie. 2597–2598 Quant Pieres fu a terre de mal talent rogie, / Isnelement et tost a l’espee sacie, 6859–6860 Isnelement monta que estrier n’i saisi 384 Isnelement remontent sans plus de demorer, 2445 Isnelement remontent, ne s’i vont delaiant, 2861 Isnelement monterent es destriers abrievés, 8015 Isnelement saut sus et trait le brant d’acier, 4753 Isnelement saut sus, trait le brant aceré. 8616 Tost et isnelement soit ja li asaus mis 1194 Tost et isnelement descendent del lairis. 1205 Tost et isnelement fu la vile asiegee! 1344 Isnelement et tost s’en est d’illuec tomés, 3767 Isnelement et tost a trait le brant forbi 5814 Isnelement manda son blanc destrier d’Arage, 7202 Isnelement a trait le brant forbi d’acier 418 Isnelement le portent bien loing fors de l’estor. 8754 Isnelement et tost a se broigne vestie 7948

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Formulierung XXIV: [STOLZ(Satzadverb)] [X (Subjekt, Objekt)] [X (Verb)] Roland

V>2

6

Saisnes

V2 V2

1 7

Mult fierement Carlun en araisunet: 3536 Mult fierement tute sa gent reguarde(t)(z); 2984 Quant l’ot li reis, fierement le reguardet, 745 Naimes li dux fierement le reguardet, 3423 Li empereres mult fierement chevalchet. 739 Sun cors demenie mult fierement asalt. 729 Mult fierement chevalchet li emperere; 3316 Fierement se combatent contre lor anemis, 4020, AR Fierement se combatent com vassal aduré. 4097, AR Li dus tint un espié, fieremant le paumie; 254, LT Fierement vous aportent le treü et la rente 964, AR Fieremant les reqierent sanz aler menaçant. 2422, LT Fieremant se contienent au fer et a l’acier. 282, R Fieremant les requerent conrne janz aïree. 720, R

Anhang 4

Antioche

V>2 V2

1 7

Jerusalem

V>2

2

V2

10

Clari Villehardouin Valenciennes

483

Corbaran d’Olifeme fierement regarda. 5364 Fierement se desfendent mais rien ne lor vaura. 634 Fierement se desfendent, n’ont soing de l’ espargnier. 3219 Fierement se desfendent li gloton aversier; 3250 Fierement se desfendent vers la gent mescreüe. 8920 Fierement se desfent vers le gent desfaee. 9305 Fierement les requierent as brans d’acier forbis, 3754 Fierement les encauce sor son destrier armés 9188 Paien et Sarrasin fierement s’esbaudirent. 78 Et li rois des Tafurs fierement se travaille, 6917 Fierement se contienent, regars ont de lions. 6382 Fierement se contienent, molt en ont mort cel jor. 8760 Si fierement les hurtent, a certes et sans gas, 89 Fierement ont la nostre, bels dous fils, calengie. 1377 Fierement se desfendent, iriés fu lor sanbla[n]s, 3672 Fierement l’asaillirent, mais il n’en prisent mie. 5490 Fierement i asalent li prince et li baron. 3632 Fierement les encauce li bons dus de Buillon, 4817 Fierement nos reciurent et par grant estoltie: 6517 Fierement les escrie et aloit semonant 7542

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Anhang 4 Formulierung XXVa: [ALS] [HÖREN/ERFAHREN (Verb)] [{PERSON}(Subjekt)] [X Hauptsatz] Roland

Saisnes

V>2

7

V2

1

V>2

6

Quant l’ot Rollant, si cumençat a rire. 302 Quant ot Rollant, [...] / Ireement parlat a sun parastre: 761– 762 Quant l’ot li reis, fierement le reguardet, 745 Quan l’ot Marsilie si l’ad baiset el col 601 Quant l’oït Guenes, l’espee en ad branlie; 499 Quant l’ot Rollant, Deus! si grant doel en out! 1196 Quant l’ot Marsilie, vers sa pareit se turnet, 3645 Quant Carles oït la seinte voiz de l’angle, / N’en ad poür ne de murir dutance; 3612–3613 Quant l’empereres l’ot, si fait chiere dolente. 969, AR Quant li baron l’oyrent, mout lor vint a sordois 3790, AR Et qant de la besoigne avront la fin oïe, / Tost avront perceü l’angin de felonie, 451–452, LT

484

Anhang

Antioche

V2

2

V>2

34

Quant oïrent François qu’il seront secoru, [...] / Tot et isnelement es armes coru. 586–588, R Quant li fiz Guiteclin oïrent la clamor, / Tel duel ont et tel ire [...] 363–364, AR quant vos oi de paraige vanter, / Mom non vos apanrai por vos mieuz haaitier 1573–1574, AR Quant orent li message parlé dou fill Pepin [...] / Dïent qu’il ne lairoient [...] 2091–2093, AR Quant oïrent sor Rune la noise et la freour, / Quident que soient Saisne, 2775–2776, AR Quant l’oï Nostre Sire, s’est devers lui tornés: 170 Quant l’oï li soudans, s’a Mahon graciié, 1972 Quant Godefrois l’oï, s’en tent ses mains amon, 2442 Quant Nostre Dame l’ot, s’en ot grant pïeté; 7146 Quant il oï la noise, si les a regardés, / Puis a dit a ses homes: 8444 Quant Pieres l’a oï, sel prant a radoucier. 7617 Et quant en lor contree fu la novele oïe [...] / Molt par orent grant dol [...] 224–228 Quant il oï son oncle, molt en est aïrés. 878 Quant li baron l’oïrent, molt s’en vont formoiant, 6007 Quant il ot la novele, molt fu grains et irés; 7060 Quant l’ot Amedelis qui fu ses latimiers, / Ja dira tel parole [...] 7995–7996 Quant crestïen oïrent Aïmer le vaillent, / Dont n’i a si couart [...] 1321–1322 Quant Sansadonies l’ot, tenrement en plora, 3741 Quant li baron l’oïrent, forment lor a pesé; 6210 Quant il n’ oï novele de no cevalerie [...] / Isnelement monta, il et sa compaignie; 6234–6236 Quant li Arrabis ot le conte si parler, / isnelement s’en torne, n’i valt plus demorer. 8470–8471 Quant Garsïons l’oï, avant vait erranment, 3955 Quant ot li emperere que li noise ert si grans, / II en a apelé les Grifons mescrëans: 981–982 Quant l’ot li emperere, tos est resvigourés, / Son durgeman apele, dist: 1091–1092 quant la parole oï, / Cascuns i fu menés o cels qu’il i coisi. 755–756 Quant no baron l’oïrent, cascuns l’en rent salu. 4286 Quant paien ont oï parler le Sathena, / Cascuns d’els le mercïe et forment l’äora. 5320–5321 Quant Sarrasin oïrent les noveles conter, / Trestous [...] en commence a penser 4977–4978 Quant Corbarans l’oï parler si crüelment, / Il en jure ses dex qui il ainme forment,7396–7397

Anhang 4

Jerusalem

V2

6

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26

485

Quant Eürvins l’oï ensi humeliier, / Il le prant par le col, si commence a baisier: 7637–7638 Quant Solimans l’oï, le sens en a müé. 2501 Quant li dus de Buillon a le parole oïe, / Ses mains tendi vers Deu, 5933–5934 Quant li buens dus l’oï, Deu prist a reclamer: 6032 Quant li vesques oï le conte si jurer [...] / Robert de Normendie en prist a apeler: 7751–7753 Quant li vesques oï Buiemont afichier / Huon le Maine apele, . I. nobile guerrier: 7837–7839 Quant ore ot Estatins que fin n’i metra ja, / De son oncle est partis [...] 965–966 Quant Buiemons oï nostre gent si parler [...] / As messagiers revint, ses a fait afier. 5708–5711 Quand li dus de Buillon a le parole oïe [...] / A ses herberges vint [...] 7481–7483 Quant Corbarans l’oï, a poi d’ire ne fent: 6776 Quant l’ot li Senescaus n’ en fu mie joians. 996 Quant li Senescaus ot que ses sire est irés [...] / Dist a l’emperëor: 997–999 Quant par toute la vile fu la novele oïe, / N’i a nul Sarrasin qui durement ne crïe: 1259–1260 Quant no baron l’ oïrent, ne disent o ne non. 5600 Quant il orent oï de moi la renomee, / Ne m’oserent atendre, ains s’en est retoree. 6596–6597 Quant l’emperere l’ot, n’a talent qu’ il en rie; 7052 Quant Comumarans l’ot s’a .I. faus ris jeté. 2735 Quant Cornumarans l’ot si prist une maçue, 2949 Quant Cornumarans l’ot si l’a reconforté. 5624 Quant no baron l’oïrent, si se vont escriant, 2838 Quant li bons dus l’oï s’en a jeté .I . ris. 3713 Quant li pules l’oï si conmence a torbler. 5576 Quant Arabi l’oïrent si ont .I. cor sonet, / Les barons renvaïssent par vive poëstet: 9603–9604 Quant li quens Robers l’ot, molt en est aïrés. 2354 Quant li vesques l’oï, molt ot le cuer dolent. 5125 Quant si frere l’oïrent, molt se vont rehaitant. 5906 Quant il ot les noveles, molt se clama caitis 6058 Quant li baron oïrent parler le messagier [...] / La veïssiez plorer maint vaillant chevalier 222–224 Quant li rois Corbadas a la novele oïe, / Isnelement devale de la grant tor antie. 2597–2598 Quant Comumarans l’ot tos taint conme carbon / [...] ja’n ert pris vengison. 2644–2645 Quant no baron oïrent le roi et ses conmans, / Bien voient que [...] 3685–3686

486

Anhang

Valenciennes

V>2

14

Villehardouin

V>2

6

Quant Cretiien oïrent le vesque de M. [...] / Maintre conmunalment se vont [...] 8914–8916 Quant gens paiene l’oient, forment est esfraee, 9639 Quant Soudans ot oï le message parler, / De maltalent et d’ire conmence a escumer. 7482–7483 Quant Comumarans l’ot, li cuers li est levés. 3762 Quant no Crestiien ôent ceste raison conter [...] / Li pluisor ne le vaurent otroier [...] 5553–5555 Quant li rois Corbadas ot la novele oïe [...] / tos li sans li formie. 6065–6066 Quant Comumarans l’ot, le roi cria merci; 5821 Quant Corbadas l’oï, le cief prist a croller / Et dist a Lucabel [...] 3330–3331 Quant li vesques l’oï Deu prist a mercïer. 5580 Quant il oï le duc, merchi li a crïé: 4918 Quant Sarrasin oïrent [...] / Vers Bauduïn le conte ont lor cevaus tournes. 9517–9518 Et quant li empereres l’oï, si se fist maintenant armer, 35 Et quant li empereres l’oï, si li plot molt durement chil mandemens 40 Et quant li empereres oï chou, si se teut et ne dist plus a cele fois [...] 41 Et quant li empereres l’oï, [...] si en fu molt dolans. 51 Et quant li empereres l’oï, sin en fu molt dolans. 61 et quant li empereres oï chou, si dist que il s’i assentoit bien, mais que [...] 78 Quant li empereres oï chou, si i envoia Ansiel de Kaeu [...] 107 Et quant li empereres oï chou, si l’en anuia molt. 114 Et quant li empereres oï çou, si en fu molt dolans; et dist que [...] 115 Quant li empereres oï ces novieles, si li anuia molt durement; 117 Quant nostre François oïrent che, si s’en retornent arriere viers la Serre 91 Et quant nostre gent oïrent la trahison, si retornerent au Cytre, 94 Quant li empereres oï ces nouvieles, miervelles li anuiierent; 82 Et quant li empereres oï chou, il dist a ses homes que [...] 55 Et quant ce oï li dux, si fu mult iriez et destroiz, et dist as contes et as barons: 84 Et quant ce oï li dux de Venise, si fist ses genz retraire et guerpir les tors que [...] 180 Et quant ce oït li marchis de Monferrat [...], si fu mult esmaié et distrent: 118 Et quant cil oïrent, si s’escrierent tuit a une voiz: 68

Anhang 4

Clari

V>2

43

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L’endemain, quant il orent la messe oïe, s’asemblerent a parlement, 148 Et quant il oïrent , de la joie ne convient mie a parler: 186 Quant li marchis oï che, si se merveilla molt de chou que [...] 50 Quant li marchis oï chou, si dist qu’il l’en aideroit, s’il voloit; 94 Quant li marchis oï ches nouveles, si ne fu mie a aise. 96 Quant li marchis oï chou, si i vaut metre les siens et [...] 184 Quant li marchis oï chou, si ne peut mie estre encontre, ains wida le palais que [...] 184 Quant li marchis oï chou, si s’en retorna arriere, si s’en vint a une chi´te ou [...] 194 Quant li baron l’oïrent, si en furent molt lié, et molt loerent chou qu’il [...] 54 Quant li baron oïrent chou, si disent a l’empereur qu’il s’en retorneroit [...] 134 Li baron, quant il oïrent chou, si se consellierent qu’il feroient, tant que li dux de Venice dist qu’il [...] 136 Quant li baron oïrent chou que [...], si respondirent: 140 et quant li baron oïrent chou, si i vaut metre cascuns les siens. 186 Quant li baron de le compaingnie l’empereeur oïrent chu [...], si en eurent [...] 194 Quant li baron et li chevalier de l’ost oïrent chou, si respondirent que [...] 198 Quant Morchofles oï chou, si kemanda que [...] 142 et quant Morchofles oï chou, si se rescoust le plus belement qu’il peut, 150 Quant Andromes li traïtres oï dire que [...], si envoia a sen fil, 74 Quant Andromes oï chou, si [...] 82 Quant il empereres Andromes oï que [...] si kemanda a chelui sen balliu, 76 Quant li empereres Kyrsacs oï qu’il ne l’en dengneroit respondre, si fist mander [...] 84 Quant li empereres oï chou, si leur creanta que il se combateroit l’endemain a aus, 126 Quant li empereres et li baron de l’ost oïrent chou, si furent si corchié [...] 198 Quant li croisié oïrent chou, si parlerent ensanle; 58 Quant li croisié oïrent cho qu li dux leur avoit dit et moustré, si en furent molt lié [...] 60 Quant les gens oïrent chou, si en furent tout lié du grant don [...] 82 Quant le gent de le vile [...] oïrent les sons des buisines [...], si s’armerent [...] 110

488

Anhang

Quant li haus hons oï que Andromes estoit a le maison [...], si en fu molt lié; 84 Quant li haut [home] oïrent chou, si respondirent as messages qu’il [...] 108 Quant li dux oï che, si dist qu’il [...] 52 Quant li quens de Flandres oï chou, si feri [sen] cheval des esperons et [...] 122 Quant li vaslés oï chou et entendi le mandement que [...], si en fu molt liés et [...] 90 Quant le boine femme oï chou, si eut grant peur de chu diable qui [...] 76 Quant li patriarches oï chou, si dist qu’il n’en feroit nient et commencha a dire: 80 Quant li taverniers l’oï, si envoia un massage pour un haut homme qui [...] 84 Quant li soudans oï chou, si en fu tous courchiés, si s’en rala. 128 Quant mesires Pierres oï chou et se gent [...], si entra ens mesires Pierres et se gent, 162 Quant le parole fu oïe, si en furent tout li Franchois molt liés, 188 Et quant il eut messe oïe, si li amena on un blanc cheval ou il monat; 190 Quant li conte et li homme croisié oïrent chou que [...], si furent molt dolent [...] 58 Quant li message oïrent chou, si respondirent que [...] 54 Quant lie Venicien oïrent chou, si s’esjoiirent li un; 56 et quant chil de l’ost oïrent les nouveles, si s’armerent et [...] 148 Quant li Franchois oïrent che, s’en furent tout lié; 168 quant il oïrent que li marchis voloit amender [...], si envoierent quatre messages [...] 198

Formulierung XXVb: [ALS] [HÖREN/ERFAHREN (Verb)] [{PERSON}(Subjekt)] [X Hauptsatz] Saisnes

V>2

31

Quant l’entent l’emperere, si baissa le menton, 336, AR Quant l’entent l’empereres, s’a le mes regardé, 3512, AR Quant l’antant l’anpereres, si an a grant dolor, 1044, LT Quant l’antant l’anpereres, si an ot maltalant,1109, AR Quant l’entent Salemons, si li torne a anoi, 2588, AR Quant l’entent Guithechins, si tainst de maltalent. 2704, AR Quant Bauduïns l’antant, s’a müé son talant, 1026, AR Quant l’entendi li rois, mout en fu esjoïs. 2138, AR Quant Alemant l’entendent, mout en sont effreé, 3539, AR Quant Baivier l’entendirent, mout en furent joiant. 3490, AR

Anhang 4

Antioche

V2

9

V>2

84

489

Quant Bauduïns l’antant, mout an fu en effrois. 420, AR Quant l’antant l’anperere, mout an ot le cuer mat. 847, AR Quant l’entendi li Saisnes, forment li fu grevain. 2271, AR Quant l’entent Baudoïns, onques ne fu si liés, 3278, AR Quant Baudoïns l’entent, honteus en fu et pris. 3357, AR Quant l’entent l’empereres, grans en fu li deshais. 1045, AR Quant li baron l’entendent, chascuns est arrier trais 352, AR Quant li baron l’entendent, chascuns se traist arrier, 379, AR Quant li baron l’entendent, chascuns s’en esjoële, 1022, AR Quant li baron l’entendent, chascuns s’en humelie. 2596, AR Quant Sebile l’antant, li sanc li est müez, 1194, AR Quant l’antant l’anpereres, li sanc li est meüz; 1731 Quant l’entent Guithechins, li cerviaus lî tormente 3227, AR Quant l’entent Guithechins, toute s’ire en refraine. 3766, AR Quant l’antant la roine, le sanc cuide desver; 1449 AR Et quant Charles l’antant, Deu an va mercïant, 1305, AR Quant Bauduïns l’antant, son coraige a meü, 167, AR Quant l’antant Dïalas, au cuer an ot iror; 1383 Quant païens l’antendirent, au cuer orent dolor; 1780 Quant Alorez l’antant, a poi n’est forsonez, 1631 Quant li rois l’entendi, jusques a lui ne fine, 1712, AR Quant cil l’ont entendu, n’i ot ne ris ne chant. 3456, AR Qant li baron l’antandent, n’i ot que correcier, 4249, LT Qant li baron l’antandent, n’i a un qui an rie; 3477, AR Quant li baron l’entendent, ne lor fu mie bel. 1698, AR Quant l’entent la pucele, cuidiez que li anoit? 2902, AR Quant or ont entendu Lombart [...] / Volentiers refusassent la volenté [...] 3581–3584, AR Quant l’entent Guithechins, n’a talent qu’il en rie, 3870, AR Quant Hurepois entendent que Charles au vis fier Leur a mandé tel mant, 610–611, AR Quant l’antant li dux Nymes, ne li fu mie bon; 1545 Quant Herupois l’antandent, n’i ot jeu ne solaz, 1811 Quant Solimans l’entent, si li fist enclinee. 438 Quant Solimans l’entent s’a la color noircie, / L. arciers apele qui sont de sa maisnie: 1492–1493 Quant Corbarans l’entent, s’en a un ris jeté, / Et dist a Soliman: 719–720 Quant Corbarans l’entent, s’a la color müee. 6901 Quant Corbarans l’entent, s’en a .I. ris jeté. 7360 Quant Corbarans l’entent, si a .I. ris jeté: 6647 Quant Corbarans l’entent, si tint le cief enclin / Et dist a soi meïsmes: 8053–8054 Quant Corbarans l’entent, s’en a le cief cliné / Et dist a soi meïsmes: 8122–8123 Quant Corbarans l’entent, si a dit son quidié: 8238

490

Anhang

Quant Corbarans l’entent, si jeta .I. sospir, / Puis dist a soi meïsmes: 8209–8210 Quant Corbarans l’entent, si commence a penser, 8483 Quant Corbarans l’entent, si les a regardés, / A haute vois escrïe: 9193–9194 Quant l’entent Corbarans, s’en a son cuer irié: 8241 Quant l’entent Corbarans, si baissa le menton, 8028 Quant l’entent l’emperere s’est .I. poi porpensés. 1097 Quant l’entent l’emperere, s’en a broncié le nés. 1113 Quant l’entent li soudans, s’en ot al cuer friçon, 1878 Quant l’entent li soudans s’en a le cief crollé: 1904 Quant li quens l’entendi, si li fist ciere lïe / Et parla hautement, oiant le baronie: 1279–1280 Quant li quens l’entendi, s’a la color müee, 7898 Quant no baron l’entendent si en sont liet forment, / Et dist li uns a l’autre: 4256–4257 Quant no baron l’entendent, si prisent a plorer; 9268 Quant nostre gent l’entendent, si se vont adouber; 7178 Quant nostre gent l’entendent, si lor en prist pités. 7724 Quant nostre gent l’entendent si sont resvigoré: 8372 Quant nostre gent l’entendent, s’en i ot molt de tés 8435 Quant l’entent Garsïons, sin a le sens müé, 2691 Quant Garsïons l’entent, si le vait acoler, 4466 Quant Garsïons l’entent s’en a fait .I. sospir; 4600 Quant Garsïons l’entent, si salt sor .I. bancal, / A hautes vois s’ escrïe: 4801 Quant l’entendi li dus, s’en ot al cuer tençon. 2136 Quant l’entendi li rois, si fronça le gernon. 2855 Quant l’entendi Estievenes, s 'en ot al cuer tençon, 1438 Quant l’entendi Faburs, s’en est espöentés. 1852 Quant l’entent l’amirals, s’en äora Mahon, / Puis fait [...] 5845 Quant l’entent Datïens, s’est devers li tornés, 5915 Quant li François l’entendent, si vont esbaudisant. 2624 Quant li vesques l’entent, s’en fu en grant friçon, 3623 Quant li dame l’entent, s’en a molt grant päor. 6955 Quant li prestres l’entent, si l 'a molt esgardé: 7126 Quant li vilains l’entent, s’en fu joians et liés, 9430 Quant li Turs l’entendi, s’est dreciés en sëant: 5741 Quant Raimons de Saint-Gille entendi le Persant, / Se dist as crestïens: 1666–1667 Quant l’envesques l’entent, molt en est adolés, 3606 Quant Garsïons l’entent, molt a le cuer iré, 4303 Quant Sarrasin l’entendent, molt en sont aïré: 9482 Quant Buiemons l’entent, molt s’en est esjoïs. 9528 Quant no baron l’entendent hardemens lor monta. 648 Quant no baron l’entendent [...] / Malt en maine grant joie tote no baronie. 9806–9807

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V2

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Quant l’entent Garsïons, dont par fu si pensans 2716 Quant l’entent Garsïons, près n’a le sens dervé, 2805 Quant Garsïons l 'entent, lors ot ire molt grant. 3989 Quant Corbarans l’entent, tos li mue li sans. 8085 Quant li prestres l’entent, parfont l’a encliné; 7130 Quant Buiemons entent des barons le pensee, / [...] Isnelement retorne, 9555–9556 Quant Solimans l’entent, al pié l’en est alés, 1933 Quant Solimans l’entent, a poi ne pert la vie 1484 Quant Solimans l’entent, [...] / Quatre fois se pasma desor l’erbe florie, 1765–1766 Quant l’entent Corbarans, a poi n’ enrage vis. 6924 Quant Corbarans l’entent, a poi n’ est forsenés, 6876 Quant Buiemons l’entent, .I. petit s’ en gramie / Et a dit a ses homes : 2339–2340 Quant Garsïons l’entent a poi n’ enrage d’ire: 3934 Quant Estatins l’entent, a poi ne pert la vie, 947 Quant Solimans l’entent, Mahomet en mercie. 1945 Quant Solimans l’entent, le cuer en a iré / Et dist a Garsïon: 2695–2696 Quant l’entent Bauduïns, Damedeu en gracïe. 1283 Quant Bauduïns l’entent, grant joie en a mené, 2426 Quant l’entent Corbarans, le sens quide derver. 9249 Quant Corbarans l’entent, le sens quide derver. 5393 Quant Corbarans l’entent, le sens quide derver: 5475 Quant Corbarans l’entent, [...] De maltaient tressüe et s’est devenus cals, 8183–8184 Quant li Turc l’entendirent, grant joie en ont mené, 1755 Quant l’entendi Faburs, grant joie en a menés: 1862 Quant l’entent l’emperere, Deu en a äoré. 1053 Quant li ber l’entendi, le cuer en ot dolant, 8631 Quant Datïens l’entent, a nos barons escrïe: 6225 Quant Sarrasin l’entendent, cascuns fu si pensis 4975 Quant Sarrasin l’entendent, cascuns se rehaita, 642 Quant no baron l’entendent, cascuns en halt escrïe: 3195 Quant li baron l’entendent grans plainte en fu oïe, 1715 Quant paien l’entendirent, cascuns d’ els l’en grasie [...] 5315 Quant l’entent li paiene, li sans li est müés: 5911 Quant crestïen l’entendent, cascuns Deu en mercie. 3198 Quant li Soudans l’entent, la teste en enbronça, 5363 Quant li archier l’entendent, li uns l’autre l’afie [...] 1499 Quant li sol dans l’entent, plore des iex del fron, 1897 Quant no baron l’entendent, n’i ot que courecier. 4420 Quant li dus l’entendi, n’ot en lui qu’aïrer. 6028 Quant Rogiers les entent n’i ot que courecier; 6696 Quant cil des nés l’entendent, n’i ot que detriier, 7020

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Jerusalem

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Quand li vesques entent Robert de Normendie / Ne portera le Lance [...] 7772–7773 Quant Corbarans l’entent, n’en puet müer n’en rie. 7361 Quant Corbarans l’entent, n’i ot ne giu ne ris. 8209 Quant l’ entent Herluïns, n’i fait arestement: 7400 Quant Herluïns l’entent, a le ciere hardie, / i dist a Corbaran: 7380–7381 Quant l’amirals l’entent, s’est dreciés en l’auçaire, / Puis fist tendre son tinbre [...] 655–656 Quant l’amirals l’entent s’apela Roboam: 7573 Quant li bons dus entent s’en baisa le menton, 3657 Quant li dus l’entendi s’a pres de lui alé. 4920 Quant li bons dus l’entent, s’en a Deu aoré. 4928 Quant li rois l’entendi si a son cief baisié, 3859 Quant li rois l’entendi s’a la ciere levee / Et il et tout li autre ont grant joie menee. 7753–7754 Quant li rois l’entendi s’en a Dieu aouré; 9635 Quant Maucolons l’entent, s’a la ciere baisie – 1514 Quant Crestïen l’entendent, si se vont adouber. 2422 Quant no baron l’entendent si prendent a hucier: 4472 Quant li vesques l’entent si baisa le menton, / En une grant loee ne dist ne o ne non. 5059–5060 Quant Bauduïns l’entent s’a la color noircie, 5862 Quant Corbadas l’entent, s’en dreça le menton 6225 Quant Soudans l’entendi si respondi briément, 8106 Quant li quens l’entendi s’en ot le cuer pensant. 8566 Quant ribalt l’entendirent si sainent lor visage, 8795 Quant li vesques l’entent molt a fait dol coral. 5143 Quant jo siec sor mon asne molt sai bien sermoner. 7109 Quant l’entent Buiemons ainc puis nel valt toucier, 2482 Quant Soudans l’entendi, forment l’en a pesé. 7167 Quant li Soudans l’entent forment s’en aïra 7945 Quant Soudans l’entendi tous tains[t] conme carbons – 9571 Quant li Soudans l’entent, de maltaient sospire, / A sa main prent sa barbe, 7475–7476 Quant Soudans l’entendi .IIII. fois s’es[t] pasmés. 8974 Quant Buiemons l’entent del cuer vait sospirant, 8574 Quant Arrabi entendent la parolle Soudant / Vers Bauduïn guenciscent [...] 9515– 9516 Quant l’amirals l’entent color en a müee, / De maltaient et d’ire a la teste crollee. 7788–7789 Quant l’amirals entent les dis des galios [...] / il fait soner son tinbre et [...] 660–662 Quant no baron l’entendent, cascuns tira son frain. 1890 Quant no baron l’entendent, cascuns «Monjoie!» escrie. 5485 Quant no baron l’entendent tot s’en vont enbronçant, 5289 Quant li Soudans l’entent, tos li sans li formie; 6532

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Valenciennes

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Quant l’entent li Soudans, tos li sans li remue. 7462 Quant Soudans l’entendi sa gent va s’escriant, 9512 Quant Marbrins l’entendi, si grans paors l’en prent [...] 6426 Quant Corbadas l’entent, le sens quida derver. 3338 Quant li quens Bauduïns a le Turc entendu, / [...] grant ire en a eü. 4057–4058 Quant Tumas l’entendi le sens quide cangier, 4785 Quant Pieres l’entendi le cief prist a croller / Et dist a l’amiral, 7103–7104 Quant li Soudans l’entent, Pieron prist a cliner / Et dist as Sarrasins, 7111–7112 Quant li rois Godefrois a le Turc entendu / [...] grant ire en a eü. 7331–7332 Quant no gent l’entendirent es les vos escrïés, 7616 Quant no baron l’entendent, es les vos esfreïs. 4531 Quant li pules l’entent, de joie se fremi. 9832 Quant li dus l’entendi, n’ot en lui qu’aïrer, 3956 Quant li baron l’entendent, conmencent a plorer, 4690 Quant li prince l’entendent ne disent ol ne non, / Cascuns se teut tot coi, 5367–5368 Quant paien l’entendirent, vont soi aparellier, / Devant lui se coucierent [...] 6185–6186 Quant li Soudans l’entent n’ot talent de gaber, 8155 Quant li empereres entent [...], si li respondi molt deboinairement: 33 Quant li empereres entent la vouviele d’Esclas, il vint encontre lui; 53

Formulierung XXVI: [ALS][{PERSON} (Subjekt)] [SEHEN (Verb)] [X Hauptsatz] Roland

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Quant veit li quens que ne la freindrat mie, / Mult dulcement la pleinst a sei meïsme: 2342–2343 Quant veit li reis le vespres decliner, / Sur l’erbe verte descent li reis en un pred, 2447–2448 Quant ço veit Guenes que ore s’en rit Rollant, / Dunc ad tel doel pur poi d’ire ne fent, 303–304 Quant Carles veit si beles cuntenances, / Sin apelat Jozeran de Provence, 3006–3007 Quant Carles veit que tuz li sunt faillid / Mult l’enbrunchit e la chere e le vis 3815–3816 Quant ele vit Arrabiz si cunfundre, / A halte voiz s’escrie: «Aiez nos, Mahum! 3640–3641 Quant de Franceis les escheles vit rumpre, / Si apelat Tierri, le duc d’Argone, 3533–3534 Quant Carles veit que tuit sunt mort paiens, Alquanz ocis e li plusur neiet, Mult grant eschec en unt si chevaler, 2476–2478

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Saisnes

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Quant Rollant veit la contredite gent / Ki plus sunt neirs que nen est arrement, / Ne n’unt de blanc ne mais que sul les denz, / Ço dist li quens: 1932–1935 Quant veit Tierri qu’or en ert la bataille, / Sun destre guant en ad presentet Carle. 3850–3851 Quant paien virent que Franceis i out poi, / Entr’els en unt e orgoil e cunfort. 1940–1941 Quant le vit Guenes, mist la main a l’ espee, 443 Quant ele le veit, ne poet muer ne riet; 959 Quant le voit l’empereres, si fu grans li deshais. 354, AR Quant le voit l’empereres, s’a maltaient doublé, 4110, AR Quant le voit Guithechins, si froncist le grenon. 227, AR Quant Nubïen le voient, s’en ont honte et vergogne, 3821, AR Qant li Saisnes les voit, si taint comme charbon; 4893, AR Quant voit que nus nou quier, si li convint laissier; 980, AR Quant le voit Guithechins, s’en fu honteus et mas, 2466, AR Quant l’ont veü li Saisne, mout en furent dolant; 2678, AR Quant le voit li rois Daires, mout en ot le cuer vain, 3841, AR Quant Guithechins les voit, mout en fu esjoïs. 4055, AR Qant ce voit Guiteclins, mout en est esfreez, 5323, AR Quant François nous verront cointoier et estendre, / Souvent venront a nous dognoier et descendre, 1482–1483, AR Quant voit Rissens de Frise que la vile se pert, Premeraine est issue del boure de Saint Herbert 1848–1849, AR Mas quant la voit li rois, fort prant a sospirer; 1438, AR Et quant Hurepois voient qu’il s’en vont en la fin, / Ensement les esgardent com escoufle poucin. 3320–3321, AR Quant François l’ont veü, chascuns i adevine: 1708, AR Qant ce voient François, chascuns saut o cheval; 4224, AR Quant voient Baudoïn, chascuns s’est merveilliés, 3303, AR Qant ce vit Guiteclins que d’ax font tel maisel, / Il fait croser soz terre, a pic et a martel, 224–225, AR Quant voit le neveu Charle, ses duels li renovele; 2437, AR Quant les voit l’empereres, mout grant joie en demaine: 730, AR Quant ce voit Charlemaigne, grant joie an a eü. 1370, AR Quant voit le neveu Charle, ses duels li renovele; 2437, AR Quant voit venir Charlon, contre lui est alés; 2371, AR Quant ce voit l’anpereres, es Frans le va mostrer. 1790, R Quant il voit que par force ne porra demorer, / Ne qu’il ne puet sa jant garantir ne sauver, / Des biax euz de son chief conmança a plorer 462–464, R Quant ce voit Bauduïns sa fins va aproichant, / A terre s’agenoille, son chief vers orïant, 1008–1009, AR Quant le voit Guithechins, a pou d’ire ne font. 2312, AR Quant le voit Guithechins, a pou d’ire n’estaint, 2753, AR

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Antioche

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Et quant li baron virent Charlon de Saint Denis, D’amour et de pitié ont si les cuers espris 1069–1070, AR Quant voient li message les barons aatis D’aidier a lor seignor, haitiez et talentis, 2113–2114, AR Qant ce voient li Saisne q’il sont an tel randon Par heaume, par escu n’avront devisïon 4889–4890, LT Quant il les voit venir, de mout loing les escrie: 3855, AR Quant le voit Guithechins, d’ire tainst conme pois. 2738, AR Quant Charles voit l’escrit et voit la mesprison, / D’ire et de mautalant toint ansi com charbon; 530–531, R Quant ce voit Dïalas li Segne mescreüz / Que li ost Charlemaigne ert par tans secoruz, / Au plus tost que il pot en est au roi venuz. 1723–1725, AR Qant le vit l’ampereres, dolanz fu et irais. 347, R Quant les voit Guithechins, fiers en fu et gaillars. 1354, AR Qant ce voit Guiteclins, iriez est et dolant: 5112, AR Quant au mal pas le voit, tar li est qu’il l’anpaigne.» 68, R Mas quant ce voit Sebile noiant est ses pansez, Que Bauduïns est mors, c’est droite verité, 1228–1229, AR Qant les voit Charlemaigne, prise l’en est hidors, Por Herupois anvoie, les nobles josteors. 5149–5150, AR Quant ce voient François que morz est li vassax, / Dou domaige vengier sont anflamé et chax. 336–337, R Qant ce vit Guiteclins, ne li fu mie bon. 221, AR Quant le voit Guithechins, ne li fu mie bon. 1961, AR Et quant le voit li dux, n’i ot que corroucier. 277, AR Quant le voit li dux Miles, ne li fu mie bon, 212, AR Quant le voit li dux Naymes, n’a coraige de rire, 1063, AR Quant le vit l’empereres, n’i ot que corroucier. 392, AR Quant le vit l’empereres, n’i ot que corroucier, 3663, AR Quant ce voit l’anpereres, ne laira ne li die: 737, R Quant le voit l’anpereres, n’i at que esloicier, 1717, R Quant ce voit l’Ardenais, n’i ot que corrocier. 814, R Qant voient mort le conte, ne sont mie haïriez, «He gentix hom, font il, tant estoies prisiez! 5223–5224 Quant le voit Firamor, ne s’est mie esmaiez. 883, AR Quant le voit li quens Hues, n’a talent qu’il en chant, Venjance en al a prendre au fill d’un amirant: 2683–2684, AR Quant ce voit Bauduïns n’avra secoremant, 940, AR Quant il virent dou jour clere aparucïon, / Pour bien cerchier la rive entour et environ / Envoiierent un Saisne qui Cahavins ot non. 3123–3125, AR Quant le vit desarmé, nel prisa un bouton, 3133, AR Mas, quant il l’a veü, n’a talant qu’il an rie, 1315, AR Quant Corbarans les voit s’ apele Amidelé: 700 Quant Corbarans le vit, si l’a molt esgardee, 6723 Quant Corbarans les vit, s’en apele s’espie: 7940

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Quant ce voit Corbarans, s’a le color müee; 8869 Quant le voit Buiemons, s’en fu grains et dolans. 2048 Quant Buiemons le voit, si a drecie s’ensaigne, 2118 Quant les voient li Turc si sont espöenté. 2282 Quant les virent li Turc, si sont espöenté. 2370 Quant Bauduïns le voit s’en est molt esbaudis, 2297 Quant Bauduïns ce voit, si a .I. cor soné, 2193 Quant Godefrois le voit si l’a mis a raison: 2337 Quant Godefrois les vit, si loa Deu le grant. 2755 Quant Engerrans le vit, s’en ot le cuer joiant, 2603 Quant Engerrans le vit, si li prist a crïer: 8138 Et quant li ber le voit, si a des iex ploré, 1921 Quant li ber vit sa mort si s’ est malt irascus. 8523 Quant les voit Solimans s’en est molt aïrés; 1206 Quant il vit de Jhesu qui si’ stoit laidengiés / Si conmence a parler com hom a mort jugiés: 164–165 Et quant il voit ses homes venir a tel bondie7 Si dist: 1760 Quant Tangrés l’a veü, s’en a le sane müé 2324 Quant François l’ont veü si sont mollt tormenté; 2515 Quant cil voit Mahomet, si l’äore forment, 5296 Quant li vielle le vit, sel prist a acoler: 5378 Quant il ot tant pensé, si se vait rendormant. 5750 Quant li bons dus le voit, si fait ciere marie: 6240 Quant Sarrasin le virent, si furent esmari: 8830 Quant l’amirals le voit, si l’en a apelé. 9513 Quant ses frere le vit, s’en fait grant segnorie, 9630 Quant no baron le voient s’en mainent grant lecie. 9792 Segnor, quant jo vi ier le bataille en la pree, Si vi venir des cius une compaigne armee, Tant par ert grans et large que ja ne fust nonbree. 9570–9573 Quant tu verras le fu en nostre ost alumé, Dont prant tot mon tresor que tant aras gardé, Si pense del garir, ce saces par verté, 8393–8395 Quant paien l’ont veü, molt fu grans l’estormie, 3335 Quant li paien le voient, molt en fu grans li hus, 4906 Quant li baron le virent, molt lor vait anoiant. 3354 Quant no baron les voient que la poront durer, / Molt par en sont dolant, 3811–8312 Quant no baron le voient, molt le vont acolant. 5547 Quant no baron le voient, saciés molt lor pesa. 6373 Quant or voit li cuvers que li est devisés / Li entrers dedens Nique, molt s’en est dementés. 1230–1231 Quant Bauduïns le voit, molt forment s’engramie, III. Turs a ocis des barons de Persie. 1502–1503 Quant Garsïons le voit, molt en fu esmaris; 6384 Quant Drus et Clarenbals et Païens de Belvais / Et Tumas lor compains qui fu nés en Ausais / Et Evrars del Puisac voient

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les ciens pusnais / Ki Gerart lor ont mort, molt par en sont irais. 9163–9166 Quant le voit Bauduïns, forment l’en a pesé; 2320 Quant Bauduïns le voit forment l’en a pesé, A Tangré envoia et se li a mandé, 2385–2386 Quant li dus l’a veü, forment li desagree, Il a estrains les dens, s’a sa teste juree: 3684–3685 Quant voient mort Gerart, forment en sont pesant, De lor ami vengier sont forment desirant. 9154–9155 Quant il verra venir la gent qui croit Mahon, Tost ara se proece oublïee en maison.» 1530–1531 Quant Garsïons le voit, tos li müa li sans: Bien voit que de santé n’ert jamais recovrans. 4270 Quant li Turc ont veü François si aproismier, Qu’ il les vont detrençant as espees d’ acier, Bien voient que l’estors lor torne a encombrier, 3245–3247 Quant li Turc del castel les virent si errer, Volentiers s’en issiscent, s’il l’osascent penser, 6496–6497 Quant le virent caïr Sarrasin et Escle, Volentiers s’enfuiscent s’il fuscent desconbré. 2676–2677 Quant il n’i voient plance ne navie arivés Dont proient Damedeu, le roi de majestés, 2560–2561 Quant voient no baron qu’ il n’i gariront mie, Dont se sont assamblé en une praërie, 3282–3283 Quant cil qui sont as tentés les virent alumer, Dont prisent lor tresor, qu’il l’ en vaurent porter. 9120–9121 Quant jo vi que tels gens ot ma terre saisie, Onques en Coroscane n’ envoiai por aïe, 5079–5080 Quant li ber l’a veü, assés fu acolés. 5791 Quant il vit entor lui assanblés les barons, / Doucement les apele uns et uns par lor nons: 7732–7733 Quant Engerrans l’entent, mervelles li fu bel. 1380 Quant voient Sarrasin que la n’ aront duree, El castel s’en repairent, no gens est retornee: 6541–6542 Quant il virent les Turs de le cité sevrés, A un destroit lor vont a.I. poncel d’un gués 4697–4698 Quant Corbarans le voit si vasalment errer, A se vois qu’il ot haute commença a crïer: 9228–9229 Quant le voit Solimans al cuer en a engaigne: 2112 Et quant Tangrés le voit a poi ne se mahaigne, L’ espee a traite nue qui ot le helde saigne, 2120–2122 Quant Buiemons le voit a haute vois li crïe: 2333 Quant or virent li Turc que si sont agrevé, Vers Anthïoche droit se sont aceminé. 2666–2667 Quant voit li quens Estievenes lor pegnons baloier, Il n’i vausist mie estre por l’or de Monpellier. 1461–1462

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Anhang

Quant voit li quens del duc qu’envers lui s’umelie, Il est passés avant, doucement l’ en mercie: 7494–7495 Quant li Turc l’ont veü, cascuns haut s’escrïa 3717 Quant or virent li Turc que la terre ont saisie, / Il coururent as tors por faire garandie 2483–2484 Quant paien l’ont veü, cascuns fu esbahis, 3840 Quant paien l’ont veü, cascuns fu aïrés, 4913 Quant Harpins de Boorges les vit esperoner, Il broce le destrier, 467 Et quant li Tangré virent qu’il a ensi josté, / Il sevent bien de fi qu’il ne l’a pas graé. 2397–2398 Quant orent le vitaille fait cargier et torser, Li uns n’atendi l’autre, ains pensent del errer. 3513–3514 Quant il ont Anthïoce veüe et esgardee, / Corbarans les apele, 6590 Quant les voit Corbarans fors de son tref aler, Il a dit a se gent: 7401 Quant Sarrasin le voient, dont i ot tel hüee / La terre en retonbist entor une löee. 9043–9044 Quant li dus de Buillon, o le cors avenant, / En vit aler le conte si tost esperonant,- Plus l’amoit en son cuer que nule rien vivant 8635–8636 Quant voient le bataille, cascuns Frans s’ aïra. 6352 Et quant les vit li rois le cuer en ot rïant, 1686 Quant il voit le bataille et l’estor si grevant / «Aïe! Dex! » dist il [...] 1558–1560 Quant voient de François le mellor gent marie, / «Monjoie!» s’ escrïerent, 1588–1589 Quant Sarrasin ce voient qu’il n’ aront garison, Richenet en apelent: 1645–1646 Quant or le voit li dus, Deu en vait mercïant; 1672 Et quant le vit Tangrés, le sens quida cangier. 2062 Quant François l’ont veü, grant joie ont demenee, 3695 Quant voient del cité clos et porte et postis, Grant päor ont de mort, 3782–3783 Quant crestïen le voient, grans dels en fu menés, 3874 Quant le voit Sansadonies, le sens quide cangier: 4730 Quant il voit no barons, grant joie en a menee. 5980 Quant voit mors les Persans, les amirals de pris Ki doné li avoient et le vair et le gris, Les terres et les fiés et les castels saisis, Tel duel a en son cuer a poi n’ enrage vis. 8898–8900 Quant il vit son destrier desos lui mort jeter, / Et Guiguier l’Aleman qu’i [...] Jesir mort a la terre, as destriers defouler, 9219–9221 Quant voit paiens fuïr et les Frans encaucier, / [...]Damedeu reclama qui tot pu et justicier 9081–9083 Quant Corbarans le voit, le sens quide esragier. 9106

Anhang 4

Jerusalem

V2

12

V>2

46

499

Quant voit son estandart a le terre verser, / Tel duel a en son cuer le sens quide derver 9109–9110 Quant le jentil barnage vit en sa tor entré, De la joie qu’il ot parfont a souspiré. 1061 Quant il virent les Turs poindre de randonee, Soner tabors et tinbres et mener tel crïee 8505–8506 Quant Turc voient François qui si les ont sopris Que nus d’els ne puet estre encontre els garantis, En la cité en entrent qui ains ains a estris, Et François les encaucent qui nes ont pas guerpis. 3762–3765 Quant li nöant le voient, de. XX. pars fu cobrés, / A le rive le traient, grant joie en fu menés, 3883–3884 Quant or voient François qu’ esmus est li païs, Des Turs voient couvers les murs et les lairis, 1292–1293 Quant no baron le virent, n’ i ot que corecier. 3266 Quant no baron le voient n’ot en els qu’aïrer. 3488 Quant paien l’ont veü n’ot en els qu’ aïrer. 4446 Quant païen l’ont veü, n’ot en eus qu’ aïrier; 6430 Quant le voit Engerrans ne li fu mie bel, Il a brandi la lance si a brocié Morel, 1354–1355 Quant li baron les voient, laisent corre a bandon 1640 Quant le voit Solimans n’a cuer que il se faigne, / .V.C. arbalestriers a mis en la montaigne, 2103–2104 Et quant François les voient nes ont pas redoté, Engerrans de Saint-Pol vait ferir Aceré. 2672–2673 Quant or voit Garsïons n’ ert fais li convenans 4261 Quant li roi le verront nel tenront mie a gas. 4642 Quant li Rouges Lïons qui les ot amenés, A les contes veüs et lor ruistes fiertés, Nes atendroit a colp por l’or de Balagués. 8572–8574 Quant tu me veïs mort et tu m’ ensevelis, Et dont quant je fui nus me cauças et vestis, Et tu me herbregas sans ostel me veïs: 1307–1309 Quant Tangrés voit Soudan, si l’a bien avisé, 9192 Quant li prince le voient si ont Dieu aouré. 9810 Quant Crestïen le voient s’i prisent a plorer. 2100 Quant il voit nos barons si les a enclinés. 2561 Quant ses compains le voit s’a le cuer engrami, 3926 Quant il voient l’ermite si lor gent damagier, 6877 Quant li Soudans les voit si apela Pieron: 8000 Quant Sarrasin le voient, si ont le cri levé. 8627 Quant Tumas l’a veü si fronça le grenon, 8696 Quant voient mors lor freres si reclainment Mahon, 8717 Quant il voit les becus de devant lui assis, / Molt les a maneciés et s’en a forment ris; 8814–8815 Quant vit sa gent ardoir molt ot le cuer dolant, 8937

500

Anhang

Quant voit ceüt le conte moult a le cuer dolant, Tant cacha l’amulaine qu’il le va ataignant, Si grant cop li donna de l’espee trenchant 9233–9235 Quant li dus voit son frere molt s’en vait mervellant, 4263 Quant Pieres li hermites voit paiens murmurer, / Molt se crient et redoute qu’il nel wellent tuer. 7082–7083 Quant Sarrasin le voient tot en sont esperdu, 8777 Quant Sarrasin le voient, tot en sont esperdu, 9308 Quant Soudans l’a veüt tot a le sens dervet. 9400 Quant ne voit Bauduïn tot a le sanc müé, Tant cacha le cornu sour le blanc afilé 9609–9610 Quant il les a veüe(e)s la su sen l’air volant, Tot ausi vient Ricars e[n]s es Turs eslaisant. 1701–1702 Quant voit Cornumarans mal vais est ses es taus, Plantamor point et broce par les esperonals: 1747–1748 Quant de Cornumaran le virent desgarni, Dont oïssiés grant dol et grant plor et grant cri. 5828–5829 Quant il voit que sa gens n’estoit o lui venue Plantamor li trestorne, por joster s’esvertue, Plus tost li vient bruiant que faucons n’ist de nue Et Bauduïns le fiert s’a se targe fendue. 4023–4024 Quant li dus voit Hungier, tos li sans li mua, Que li Turc orent pris, molt forment l’en pesa, 3589–3590 Quant no baron les voient, grans joies fu menés, 3780 Quant no baron les voient cascuns prent a l’arçon; 704 Quant Comumarans voit li ribalt sont venu, ll escria, «Damas!» et trait le brant tot nu. 6935 Quant voient que nos gens les vont si destraignant, Fu grigois lor jeterent, espris et tot ardant. 4658–4659 Quant Bauduïns le voit, le sens quide derver. 8830 Quant li quens Bauduïns a le paien veü Qui si ocist no gent, grant ire en a eü. 9278–9279 Quant Comumarans voit n’i a que lui ve[n]u Plantamor a saisi, si li tourne l’escu. 9290–9291 Quant Soudans l’a veüt, le sens cuide cangier. 9464 Quant li prince ont veü que Turc en sont fuïs, Les castiaus ont trovés tous wis et desgarnis. 9815–9816 Quant Sarasin le voient, en fuies sont torné: 6327 Quant il voient les angles en fuies sont tournet. 9393 Quant le voit li messages de paor vait trenblant, 7307 Quant no baron çou voient, ne vos mentirai mie, De joie et de leece n’i a celui ne rie / Et de sa bele main de Deu nes beneïe. 512–514 Quant li rois Sucamans voit s’orelle perdue / Et le bras et le poing et l’espee molue, / A haute vois s’escrie, «Mahomet, sire, aiüe! 5874–5876

Anhang 4

V2

4

Valenciennes

V>2

10

Villehardouin

V>2

14

501

Quant li rois Godefrois voit le Turc esperdu, / Par devant lui a terre li a l’or espandu – 7317–7318 Quant li rois Godefrois vit sa gent si cacier, / De maltaient et d’ire quide vis erragier, 5954–5955 Quant li rois voit ses homes illuec amenuisier, / De maltaient et d’ire quide vis enragier. 6903–6904 Quant Soudans voit no gent por conbatre rengier, / De maltaient et d’ire quide vis enragier. 8156–8157 Quant li aufages vit ses freres si morir / Del maltaient qu’il ot quide le sens marir. 8720–8721 Quant voient les ribals sore lor sont corn / Et as bés et as ongles lor ont le car tolu, Les boiaus lor sacoient par le ventre del bu: 8784–8786 Quant voient mort lor frere grans fu li ploreïs: 8396 Quant li quens Bauduïns voit le païen guencir, / li a brandi la lance si l’est alés ferir 5789–5790 Quant il le vit brisier n’i ot que courechier: 139b 417 Quant Crestiien le voient, n 'i ont qu 'eslaiechier. 9482 Quant voient Sarrasin ne s’en vaurent cargier, / Lor ensegne escrïerent, si toment li arcier. 6892–6893 Et quant Lombart virent chou, si furent durement affrée, por chou que il savoient bien [...] 88 Et quant Lombart lies virent, s’il en furent esbahi che ne fu mie miervelle. 113 Quant Lombart les voient, sie se metent au fuir viers Cristople [...] 88 Quant li empereres vit que par l’assaut ne porroit le castiel avoir, si fist sonner le retrait. 113 Et quant Pieres Vens vit que Bauduins l’aloit si apriessant, si li rent s’espee et fiance prison a tenir. 90 Et quant il voit l’empereour, si li dist en s’orelle: DR 106 Quant li empereres voit que [...], molt li desplaist. 83 Quant li empereres vit que Lyenars ne pooit eschaper sans mort u sans prison, il monta sor.i. sien cheval Moriel et le hurta des esperons, 31 Quant li empereres voit que Lombart ne se voelent assentir a s’amour, et [...], il s’en parti et fist por lui garnir le castiel des Lombars, por chou que il ne set k’a avenir li est. 110 Et quant Pieres de Douay le vit, il vint a lui, et si li dist: 32 Et quant ce vit l’emperere Alexis, si fist la soe ost issir de Constantinople, 138 Et quant l’empereres Alexis vit ce, si comença ses genz a retraire. 182 Et quant l’empereres Alexis vit que il furent ensi entré dedenz la ville, si commence ses genz a envoier a si grant foison vers els; 176

502

Anhang

Clari

V2

1

V>2

61

Et quant il baron les virent, si se merveillerent mult et respondirent as messages: 72 Et quant ce virent li baron de l’ost qui estoient herbergié d’autre part del port, si furent mult dolent et mult en orent grant pitié, 208 Et quant ce vit li hos des pelerins, si comença a chevaucher le petit pas vers lui; 182 Quant nostre gent les vit, si ordenerent lor gent en .IIII. batailles et fu lor consel tiels que[...] 140 Et quant il virent l’estoire si belle et si riche, si orent tel honte que il ne s’ouserent mostrer. 124 Et quant cil dedenz virent ce, si quistrent plait tot atretel con il l’avoient refusé par le conseil a cels qui l’ost voloient depecier. 86 Et quant cil virent ce, si orent mult grant pitié et plorerent mult durement, quant il virent lor seignors et lor parenz et lor amis chaoir a lor piez; si distrent que il en parleroient, et [...] 120 Et quant li Grieu les virent, si ordenerent lor genz et lor batailles [...] 140 Et quant li Venisien voient le confanon Sain Marc a la terre [...], si se tint chascuns a honi, et von a la terre tuit. 176 Et quant nos François les voient, si saillent as armes de totes parz. 178 Et quant li pelerin la virent, il se merveillerent mult et distrent li un as autres: 78 et quant cil virent que il nes porroient soffrir, et mistrent le feu entr’els et les Grex; 176 Quant il le vit, si en fu molt dolens, et demanda a se gent s’il [...] 80 Quant il vit monseigneur Pierron et se gent qui [...], si fist molt gran sanlant de lui corre sus et de ferer des esperons et [...] 164 Et quant il vit que il ne les porroit prendre par forche, si parla a chiax qui estoient as murs, et si leur dist: 196 Quant li dux de Venice vit que tot li pelerin furent venu, si mand tous chias de se terre de Venice. 56 Quant li dux vit qu’il ne pooient mie tous les deniers paier, ains en estoient molt a mal aise, si parla a se gent et si leur dist: 60 Quant li dux vit que li baron li aideroient, si fist drechier ses engiens a assalier a le vile, 64 Quant li dux de Venice, qui molt erst preusdons et sages, vit chou, si parla oiant tous et dist: 184 Quant li marchis vit chou, si demanda comment ch’estoit que [...] 94

Anhang 4

503

Quant li marchis le vit venir, si point il encontre lui, si le fiert il au premerain coup en l’uel, si l’abat il mot de chu caup; 96 Quant li marchis vit que le kiertés fu si grans en le vile, et qu’il ne pooient avoir soulas ne confot de nule part, si manda tous chias de le vile [...], si parla a aus et si leur dist: 102 Quant li marchis vit que li empereres dut mouvoir pour aler conquerrer le terre, si vint, si demanda a l’empereur que il li donnast le roiame de Salenike, 192 Quant li marchis vit qu’il n’en pooit mie avoir, s’en fu tous courchiés. 194 Quant li cuens de Tripe vit chou, si en fu si dolens qu’il s’ en ala en sen païs [...] 98 Quant li quens de Flandres vit que li quens [...] retorneroient mie, si leur manda par un message, et pria qu’il retornaissent. 120 Quant Kyrsaacs le vit, si li demanda: 84 Quant li empereres Kyrsaacs vit sen frere, si en fu molt liés et molt en fist grant feste, et chis refu aussi motlliés de chou que [...] 88 Quant li empereres vit qu’il venoient vers lui et vers se gent pour combatres, si dist a se gent: 70 Quant li empereres le vit venir, si se leva encontre lui et s’en fist molt grant feste. 130 Quant li vaslés vit qu’il s’en fuioient, si prent il le cheval le balliu qu’il avoit ochis, si monte il sus, et tint s’espee qui tote erst sanente. 78 Quant li vaslés vit que li aht homme l’ouneroient si, [...] si fu si liés que [...] 92 Quant Morchofles vit que li pelerin furent retorné, si akeut a faire sonner ses buisines et timbres et a fiare un si grant beubant que trop, 154 Quant Morchofles li traïtres vit qu’il ne fuiroient nient, si, sarresta et puis se retorna ariere a ses tentes. 164 Quant mesires Pierres le vit venir, si commencha a reconforter se gent et a dire: 164 Quant mesire Pierres vit que li empereres fu retornés, si envoie il une trope de ses serjans a une paorte qui [...] 164 Quant li dux et li Venicien virent que li pelerin [...], si furent tout corchié, 58 Quant li dux de Venice et li Venicien virent que on veut faire empereeur de monseigneur Henri, si en furent encontre, ne si ne le vaurrent mie sousfrir, s’il n’eussent une ymage de Nostre Dame [...] 208 Quant li maistres au fil l’empereeur Kyrsac vit que li conles a l’enfant eut tray sen perer, et qu’il s’estoit fais empereres par traïson, si ne fait mais el, si prent il f’enfant, si le fait mener en Alemaingne [...] 90

504

Anhang

Quant Salehadins vit qu’il eut si le tere en se main, si vint au roi de Jherusalem, que il avoit en se prison, se li dist que s’il li faisoit rendre Escaloune 98 Quant li rois vit qu’il n’i peut entrer, si s’en torna a toute se gent, si s’ en ala vers Acre en un toron 100 Quant Aliaumes li clers vit que nus n’i osoit entrer, si sali avant et dist qu’il i enterroit. 162 Quant li clers vit chou, si sake le coutel, si leur keurt sus, si les faisoit aussi fuir devant lui comme bestes. 162 et quant ses freres vit chou, si le prent par le pié, si commenche a saker a lui, et [...] 162 Quant il verrint qu’il ne se pooient mie tout herbegier en le vile, si se consellierent entr’aus qu’il [...] 56 Quant il virrent qu’il furent a tere et [...], si dist Andromes a se gent: 82 Quant il virent qu’il ne peurent avant aler a nul fuer, si prisent Andromes l’ampereeur, si l’en menerent en une taverne, si le muchierent derriere les touniaus. 84 Quant il les virren si eurent molt grant peur, 146 Quant il virent qu’il n’i peurent nient forfaire, si furent molt dolent, si se traisent arriere; quant li Griu les virent traire ariere, si s’acueillent a huer et a escrier si durement que trop, 154 Chil [...], quant il virrent ches nes et ches grans estoires venir, si eurent molt grant peur; si fisent les partes de le vile fremer et si s’armerent au viex qu’il peurent, 64 Quant chil virrent que leur sires fu mors, si se commenchent a desconfire, si tornent il en fuies. 96 Quant chil de Constantinoble virrent chel estoire qui [...], si l’eswarderent a merveille, et estoient monté seur les murs et seur les maisons [...]; et chil de l’estore si eswarderent le grandeur dele vile qui [...], si s’en remerveillierent molt durement. 106 Quant chil de l’ost virrent che Commains a ches plichons vestus, si ne les douterent ne ne prisierent nient plus que un trope d’enfans; 206 Et quant chil des autres estages par desous virent que le tors emploit si des Franchois, si eurent si gran peur que onques nus n’i osa demorer. 160 Quant chil qui desfendoient as tors et as murs virent que li Franchois estoient entré en le chité [...], si n’i oserent demorer, ains s’en fuirent qui miex miex: 164 Quant li Griu virrent que li pelerin ne lairoient mie pour puer d’aus, si se traisent arriere, onques ne les oserent atendre, tantque que li estores arriva,110 Quant li Griu les virent, si s’escrierent, et nos Franchois se regarderent. 146

Anhang 4

505

Quant li Griu virent que li [...], si se commenchent il a esmaier, si tornent il en fuies. 148 Quant li Griu virent chou, si vienent a Morchofle, si l’acueillent mout a hounir et a blasmer de chou qu’il avoit l’enseingne de l’empire [...] 150 Quant li Griu virent que li Franchois les assaloient si, si detendent a geter grandesme quarriaus seur ches engiens as Franchois si gran que trop; 154 Quant li Franchois se virren si enclos a le reonde de ches batailles, si en furent molt espoenté et ordenerent dont leur batalles, et ne fisent que .vij. batalles de .vij. en estoient li .l. a pié. 114 Et quant Franchois virent trestoutes les batailles [...], si s’aresterent en son le tertre tout coi, 122 Quant li Franchois le virent, si laiserent leur cache, si furent molt lié durement, si prisent l’image, si l’en aprterent a molt grant goie et molt grant feste. 148 Quant li Franchois virent que li Grieu leur couroient si sus de toutes pars, si laissierent les lanches caïr jus, si traient coustias et misericordes qu’il avoient, si s’acueillent a desfendre molt vigeureusement, si en ochien mout. 148 Quant li serjant et le gent qui estoient avec le balliu virrent que [...], si s’en fuiren. 78 Quant li homme virrent que li vaslés venoit, si alerent tout encontre lui, si le saluerent et se li fisent motl grant feste. 92 Quant le gent de le vile virrent chel grant navie et chel grant estore et il oïrent les sons des buisines et des tabors qui faisoient grant noise, si s’armerent trestout et monterent seur les maisons et seur les tors dele vile. 110 Quant li croisié et li Venicien virrent les Grius qui estoient venu seur le rivage tout armé encontr’aus, si parlerent ensanle tant que li dux de Venice dist qu’il iroit devant a toute se gent [...] 110 Quant le pietaille l’empereur virent no menue gent si laidement armee, si en eurent si grant peur et si grant hisde que onques ne s’oserent mouvoir, ne venir vers aus, ne onques de chele part n’eut l’os warde. 116 Quant le batalle le conte de Saitn Pol et monseigneur Pierron d’Amiens virent le conte de Flandres retorner, si disent tot ensantle que li cuens de Flandres faisoit grant honte qui [...] 118 Quant li chevalier de le bataille le conte de Flandres virent que [...], si vinrent au conte, sel i disent: 122 Et quant li baron qui [...] virent que [...] si manderent as autres barons, qui [...] 134 Quant li pelerin virent chou, si furent molt corchié et molt dolent, si s’en revinrent ariere d’autre part du port a leur herbeges. 154

506

Anhang

Formulierung XXVII: [ALS] ([X (Subjekt)]) [AUFRICHTEN(Verb)] [X Hauptsatz] Roland

V>2

2

Jerusalem Antioche

V>2 V>2

1 5

Quant se redrecet, mult par out fier lu vis; 142 Quant il se drecet, li soleilz est culchet. 2481 Et quant il se redrece hautement a crïé: 3837 Quant il se redrecierent plus sont fier de lïon, 595 Et quant il se redrece, si l’apele a haut ton. 1899 Et quant se redreça, forment s’ est dementé. 2807 Et quant se redreça, a haute vois s’ escrïe: 1767 Et quant il se redrece, se gent commande armer. 8484

Formulierung XXVIII: [WENN] [FINDEN (Verb)] [{PERSON}(Subjekt)] [X Hauptsatz] Roland

V>2

4

V2

2

V2 V>2

1 1

V2

2

Jerusalem

V>2

1

Clari Villehardouin Valenciennes

0 0 0

Saisnes Antioche

Se jo truis ó, mult grant bataille i ert; 2676 Se trois Rollant li proz enmi ma veie, / Se ne l’asaill, dunc ne faz jo que creire, 986–987 Se truis Rollant, de mort serat finet, 902 Se trois Rollant, de mort li duins fiance. 914 S’il troevent oí (ou), bataille i ert mult grant. 3025 Se truis Rallant, ne lerrai que nel mat!» 893 Se trois Rollant, n’en porterat la teste, 935 Se nous trouvons Charlon, ne l’espargnerons mie; 782, AR Se jes truis en bataille, [...] / Ains i ferrai mil cols de mon brant aceré 1906–1907 Se troves Buiemont et Tangre le Puillant, Nes ocïes vos mie, franc chevalier [...] 1958–1959 Se puis trover Soudan de Perse qui’st proisiés, / Ne demarra puis gaires [...] 9388–9389 se vos ne l’i trovés / Jo vos otroi a tos qu’ens en .I. fu m’ardés. 4381–4382

Formulierung XXIX: [WENN] [FLIEHEN (Verb)] [{PERSON}(Subjekt)] [X Hauptsatz] Roland

V>2

2

Saisnes Antioche Clari

V>2 V>2 V>2

1 1 1

Se fuit s’en est Marsilies, / Remes i est sis uncles, Marganices, 1913–1914 S’or ne s’en fuit Karlemagne li veilz, / Li reis Marsilie enqui serat venget: 2807–2808 Se si tost m’an fuioie, j’an criembroie avillier. 6954, LT Frere, se ne t’enfuis, ja i serons perdant, 1663 se nous fuions, nous sommes tout mort; 116, 28

Anhang 5

507

Anhang 5 Formulierung XXX: [ANSPORNEN/DIE SPOREN GEBEN(Verb)] [GUT/KRÄFTIG/ BEHERZT/MUTIG (Adverb)] [X] Roland

Saisnes

V1

11

V2

14

V1

2

V2

35

Brochent ad ait pur le plus tost 1184 brochent amdui a ait, 1381 Brochet le bien 1536 Brochet le bien des aguz esperuns 1573 Brochent ad ait tant cum durent li port 1802 Brochet le bien 1891 Brochet le bien des esperuns a or 1944 Brochet le bien des esperuns d’or 2128 Brochent a eit 3350 Brochent ad eit 3541 Borchent les bien 3877 Sun cheval broche e muntet un lariz, 1125 Sun cheval brochet, laiset eurre a esforz, 1198 Le cheval brochet des oriez esperuns, 1225 Sun cheval brochet des esperons d’or fin, 1245 Sun cheval brochet, si li laschet la resne, 1290 Le cheval brochet, vait ferir Oliver: 1313 Sun cheval brochet, si vait ferir Chernuble: 1325 Sun cheval brochet des esperuns d’or mier, 1549 Sun ceval brochet, si li curt ad esforz; 1582 Sun ceval brochet, ki del [eurre] cuntence. 1634 Le cheval brochet des esperons d’or mer, 1738 Le cheval brochet, si vient poignant vers lui. 2055 Le cheval brochet, li sancs en ist tuz ciers, 3165 Le cheval brochet des esperuns d’or fin, 3353 Et brochent les chevax des esperons d’arget; 6027, LT Et broche le destrier qu’est de terre espanoise, 1532, LT Puis broche le cheval, de lui ferir s’atire. 260, AR Puis broche le cheval qui fu d’yve espanoise, 1608, AR Lors broche li niés Charle le vair destrier mouvant 1671, AR Puis broche le cheval, n’i a lonc plaît eü, 1918, AR Ains broche le destrier qui li court de sohait, 2323, AR Puis broche le destrier qui li lance et sautele, 2424, AR Lors broche le cheval des esperons dorez 3268, LT Il a brochié Flori son destrier espanois, 3310, LT Puis broche le cheval, si s’est abandonez 3471, LT Puis broche le cheval contreval la gaudine; 3632, LT Puis a brochié Vairon, qi cort comme galie; 3647, LT Puis broche le cheval qi randone menu; 3700, LT Lors a brochié Flori, ou mout ot de bonté, 4154, LT Salemons point et broche le ferrant de Gascoigne, 3814, AR

508

Anhang

Antioche

Jerusalem

V1

2

V2

16

V1

3

V2

22

Il broche le destrier qui vint de Kateloigne, 3824, AR Il broche le cheval des esperons mout fort 4875, LT Ains brochent les chevaus des esperons d’acier 3915, AR Il a brochié Vairon par andox les costez. 5023, LT Lors brocha Escorfaus et Daires li Orkans 3959, AR Il broche le destrier, qui desouz lui desroie, 3993, AR Il broche le cheval sanz nul demoremant 5117, LT Puis broche le cheval des esperons d’acier, 5301, LT Lors brochent les chevax et coranz et isniax, 6067, LT Puis a brochié Vairon contremont le chaunoi. 6128, LT Bauduïns point et broche sus l’auferrant norrois; 412, R Il broche le cheval, si se lance an lapree, 423, R Il broche le cheval, qui bien le pot porter, 667, R Il broche le cheval qi cort comme galie, 6499, LT A tant broche Vairon, vers lui s’est eslaissiez 6659, LT Des esperons a or brocha tantost Vairon, 915, R Lors broche le cheval qi li cort de randon, 6725, LT Lors broche le cheval qi ne cort mie lant; 6919, LT Lors broche de vertu le cheval espanms 7183, LT Lors broche le cheval qi li cort de randon, 7380, LT Broce des esperons son destrier arrabi, 8822 Broce le bon destrier, s’a s’ensegne escrïee, 9030 Il broce le destrier, tost le fait randoner; 468 Lors broce le ceval, si l’a esperone, 696 Puis broce le destrier, s’a le hanste brandie, 1284 Il a brandi la lance si a brocie Morel, 1355 Dont brocent les cevals, atant s’en sont parti; 1609 IL broce le ceval qu’il le voloit mordrir, 2092 Et Butors point et broce, .I. escus porte his, 2737 N’i a eel des .III.C. ne broce le destrier, 3138 Lors broce le destrier, les os fist arouter 5396 Il broce le destrier par ans .II. les costés, 7703 Ains broce le destrier, si le fait tost aler. 8151 Il broce le destrier par mervellous aïr, 8680 Il broce le destrier qui plus va que le pas, 8812 Il broce le destrier, si est l’espius brandis 8909 Il brocent les destriers et si ont les brans trais: 9170 Il brocent les destriers par fiere randonee, 9310 Broce des esperons le destrier auferrant 391 Et broce le destrier, s’a la lance brandie 480 et broce le destrier 2468 Lors broce le ceval des esperons d’or mier, 1663 Plantamor point et broce par les esperonals: 1748 Et Cornumarans broce Plantamor l’arabi, 3914 Vers Cornumaran broce, mais n’a mie failli, 3927 Et Cornumarans broce Plantamor l’arabi, 3930 Plantamor point et broce qui aine ne valt lasser, 3993

Anhang 5

Clari

V2

2

Villehardouin Valenciennes

0 V1

2

509

Plantamor point et broce, qui les grans saus porprent, 4083 Et Cornumarans broce Plantamor le corant, 4244 Lors broce le destrier s’a la lance brandie 5699 Plantamor point et broce, l’espiel vait brandisant: 5787 Le destrier point et broce s’a le resne lasquie, 5863 Lors broce le ceval, poignant s’en est tomés, 5985 Plantamor point et broce qui randone menu, 6936 Il brocent les destriers, sos les elmes enbron, 7998 Lors brocent les cevals, es les vos aroutés, 8024 Lucifers point et broce son destrier arrabis, 8402 Le destrier point et broce qui randone menu 8473 Cornicas point et broce, mist l’e[s]cu a bandon, 8686 Le destrier point et broce par mervellos air 8722 Li quens Bauduïns broce le cornu ataignant, 8943 Puis broce le cornu si s’en toma bruiant 8951 Buiemons point et broce le destrier de Castiele 9107 si se fiert il des esperons [...] 33, 49 si feri (sen) cheval des esperons et [...] 48, 6 le hurta des esperons, 509 hurte cheval des espourons en escriant: 539

Formulierung XXXI: [SPALTEN/DURCHBOHREN(Verb)] [KÖRPERTEIL/ RÜSTUNG (Objekt)] Roland

V1

10

V2

9

Trenchet le piz fuss 1200 trenchet li le coer 1278 Trenchet l’eschine 1333 Trenchet le cors e [la] bronie safree, 1372 Trenchet la teste 1586 Trenchet le nes e la buche 1646 Trenchet la teste d’ici qu’as [...] 1956 Trenchet cez hanstes e cez escuz buclers, 1968 Trenchet la coife 3436 Trenchent les quirs e cez fuz ki sunt dubles; 3583 Si li trenchat les oilz e la faiture, 1327 E al ceval a l’eschine trenchee; 1374 Le cors li trenchet tres l’un castet qu’a l’altre, 1506 Escababi i ad le chef trenchet; 1555 Li quens Rallant li trenchat ier le destre poign. 2701 Le destre poign ad perdut, n’en ad mie, / Si li trenchat li quens Rallant, li riches. 2720 Tut li trenchat le vermeill e l’azur; 1600 Faldrun de Pui i ad par mi trenchet, 1871 Al brant d’acer l’en trenchet .V. des laz, 3434

510

Anhang

Saisnes

Antioche

V1

7

V2

32

V1 V2

1 21

Trencherons lor les testes et les ners et les os. 1105, AR Trencherai li la teste s’arriere ne ressort.» 1309, AR Ne tranche mie mains que rasors afilez. 3470, LT Tranchent cordes et lices et versent cil brehant. 2439, LT Tranchent testes et braz et foies et pormon; 4599, LT Tranchent et braz et testes et foies et pormon; 4885, LT Trancheront lor les testes an l’estor communal 6948, LT XX.M. an detrancherent a lor espiez tranchanz. 143, LT La coraille li trenche, le braon et le lart; 1978, AR Hurepois lor detrenchent entrailles et boiaus. 2661, AR Les viaires lor trenchent et les chieres devant. 2674, AR Par devant Guithechin a un fuiant ataint, En .II. moitiés le trenche par deseure le çaint, 2750, AR La coraille li trenche, le foie et le polmon, 3140, AR Le cuer li a trenchié et l’eschine et la loigne; 3819, AR Et la guige a trenchie et l’auberc entamé 4108, AR Et la coife trenchie dou blanc hauberc safré, 1445, AR Plus an destrancheroie au tranchant de l’espee 435, R L’escu li a tranchié, l’auberc et l’auqueton, 4603, LT Tot tranche, cuir et fust et la broigne treslie, 4661, LT Tot li tranche et porfant deci que anz ou bort; 4879, LT Lor heaume lor trancherent comme coife de lin, 4940, LT Tot tranche devant soi corn fauchierres les prez, 5045, LT Tant en ot detranchiez, bien pert au sanc raier; 5205, LT Tot li tranche et porfant corn un chapiax fautrez. 5328, LT Les testes se detranchent et effondrent boiax, 6052, LT Franc lor tranchent les testes et les mains et les dois. 6148, LT Plus an detrencheroie au tranchant de m’espee 6173, LT Tot tranchent et abatent cele gent deffee, 6187, LT Quant [...] Tranche, fiert et abat cele gent maleïe; 6487, LT Tot detranche et porfant comme foudre qi art. 6610, LT Antre col et espaule li tranche le braon 6718, LT Sa bele char li tranchent a duel et a tormant. 6752, LT La teste li trancha, n’i fist autre sejor. 7365, LT Toz se tranchent les heaumes qi a or sont gemez, 7507, LT La targe tranche ensi corn feïst un cendal; 7525, LT La coiffe de l’auberc ne li a riens valu, Antreci as espales l’a tranchié et fandu; 7576, LT Mout an detrancherai au branc qi est moluz, 7634, LT Et trença l’amiral le fie et le poumon, 8024 Se li trença la teste de Nique Solimant, 560 Si lor trencent les testes par desos le menton, 603 L’ elme li a trencie, le clavain li fa usa, 628 Se li trence le teste comme .l. pan de burel; 1370 L’ escu li a trencie par les ben des d’ or fin, 1387 II lor trencent les testes a l’espee forbie. 1583 Les testes lor trençoient, le pis et le menton. 1644

Anhang 5

Jerusalem

Clari Villehardouin Valenciennes

V1

2

V2

23

0 0 /

511

Les testes lor trencierent, par desos le menton. 2126 Il les ont detrencies et livres a martire. 2465 Les Turs trencent les testes, li cors Deu les maldie! 2486 Les Turs ont detrencies a molt grande vilte, 2497 Franc les detrenceroient as bons espiels trançans, 2710 II lor trencent les testes, ja n’en aront aïe, 3186 Les testes lor trencierent, n’en laisent nul en vie. 3328 Cascun trencent la teste par de desos l’ oie, 3330 La teste li trençoient, j a n’ en eiist garant; 3353 Les testes lor trencierent et les bus et les pis. 3756 Les Turs trença les testes et les bras et les pis, 3844 Les testes lor trencierent, en pels les fo nt bouter, 4766 Si li trença la teste par de de sous l’oïe: 6228 Dedens le cors li trence le fie et le pomon. 8656 Detrencent ces clavains, escus et talevas 92 Lor detrencent les testes et les bras et les pis. 8802 Au brans forbis d’acier detrenchent lor blasons 65 As Turs trencent les lestes, les costes et les flans; 130 Le pis et le coraille li a trenciet par mi. 378 Il li trence l’esquine et le cuer et le pis! 454 Al fer d’acier li trence et le cuer et le fie 486 Il li trence le pis, le fie et le polmon 545 Le clavain li desront, la car li a trencie, 2292 La coife li trença del clavain qui bons fu. 4039 Tant trença de la teste qu’il en a conseü. 4040 De l’auberc jaseran qui fu mailliés menu / Trença totes les mailles [...] 4044–4045 Uns Sarrasins li trence les poins del brant forbis – 4523 Ja li trençast la teste a l’espee forbie 5704 L’orelle li trença, la car li a trencie 5869 Et li rois Godefrois ait la teste trencie. 6074 Bauduïns li trença a l’espee forbie. 6520 Et lui et le ceval trence con rain d’olive: Il lor trencent les cuers et traient la coraille. 6916 Plus a trençans les dens qu’alesne ne ponçon. 7074 Cest ceval et cest Turc [...] / Trença tot a .I. coup con .I. rain de cheüe 7449–7450 Plus trençoient lor dent que rasoir acerin 8286 La teste li trença ausi con .I. festu. 8502 Son elme li trença et fendi le cerviel. 9134 La coife li trença dou clavain qui boins fu, 9296

512

Anhang

Formulierung XXXII: [HALTEN/NEHMEN (Verb)] [WAFFE (EIGENNAME) (Objekt)] Roland

Saisnes

Antioche

V1

8

V2

2

V1

6

V2

10

V1

6

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Tient Durendal ki […] 1339 Tient Halteclere 1550 Tient Durendal qui [...] 1583 Tient Durendal 1870 Tient Halteclere dunt [...] 1953 Tient l’olifant que 2287 Tient sun espiet 2992 Tient sun espiet 3152 Un algier tint, ki d’or fut enpenet; 439 [L]i quens RoUant tint s’espee sanglente. 1629 Et tint la hanste roide dont trenche l’alemele; 2420, AR Et tint un bastoncel que il vait paumoiant, 3446, AR Et tint l’espee nue qui luist et estincele, 3973, AR Et tint le brant d’acier en son poing trestot nu, 777, R et tint le branc molu; 5343, LT ? Et tint l’espee traite [...] 3950, AR Li dux tint un espiel, s’atent que il require; 261, AR Charles tint en sa main un baston yvorin, 1171, AR Li rois tint une lance a un vermeill penon 1962, AR L’escu tint as enarmes, au blanc chevron ermin, 3311, AR Sa lance tint chascuns et la targe avant mise. 3186, LT Charles tint en sa main un baston de ponmier; 3374, AR L’escu tint en chantel et la lance en sa main, 3834, AR An son destre poing tint tot nu le branc d’acier. 807, R saiorez tint l’espee qi fu pers Durandal, 7518, LT Son escu anbracié, son brant tieng pres de soi. 1645, R Et tient le sainte lance de devant lui levee 5014 Et tient le Sainte Lance, si ne s’esmaia mie. 9740 Et tint l’espee nue dont trencent li coutel, 1362 Et tint l’espee nue dont li brans fu letres; 3588 L’escu devant lui trait, tint le brant de color; 3908 Païens est corus sore et tint le brant d’acier, 6426 Cascuns tient en sa main une hace aceree 3034 A .V.C. chevaliers, cascuns tient nu le brant, 3384 En se main tient l’espee dont li brans fu d’ acier. 9090 En se main tient l’espee o le branc d’acier cler, 9223 Il tint son arc de cor, ja le vaura vengier, 4731 Et Engerrans li ber tint l’escu en can tel; 1377 Baudulns Cauderons tint l’espee luisant 1552 En sa main tint l’espee dont li poins fu d’or mier. 6701 En se main tint le Lance dont li fe lon tirant 8951 En sa main tint l’espee o le poing de laiton, 9277 en sa main tint s’espee, 9304 si tint le Sainte Lance 9721

Anhang 5

513

Jerusalem 0 Clari V1 1 et tint s’espee 22, 4 Villehardouin 0 Valenciennes 0 ?: Aufgrund fehlender Textpassagen kann nicht beurteilt werden, ob eine elliptische Struktur vorliegt oder nicht.

Formulierung XXXIII: [(EIN)SCHLAGEN(Verb)] [GEGNER/OPFER (Objekt)] Roland

Saisnes

Antioche

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Fiert un paien Justin de Val Ferree 1370 Fierent li un 1398 Fiert Oliver derere en mi le dos 1945 Fiert Marganices su l’elme a or agut 1954 Fier Carlemagne sur l’elme d’acer brun 3603 Fiert l’amiraille 3615 Fiert Pinabel sur l’eleme d’acer brun 3926 E [Gerius] fiert Malprimis de Brigal; 1261 E sis cumpainz Gerers fiert l’amurafle: 1269 Turpins i fiert, ki nient ne l’esparignet, 1504 Si fiert Naimun en l’ elme principal: 3432 Si fiert Tierri sur l’elme de Provence: 3916 Fiert le conte Garin desor la targe bloie, 3995, AR Et fiert un des barbez devant en son escu, 4066, AR Fiert le roi de Cassore en l’escu d’azur paint, 2743, AR Et fiert un Sarrazin que l’escu li porfant. 319, R Le premerain fiert si de l’espee d’acier 272, LT De la lance qu’il porte fiert un roi pincenart 1976, AR Si fiert le Turc ou heaume que ne li vaut un pois; 3311, LT Li rois fiert Baudoïn an l’escu pointuré, 4158, LT Et Baudoïns fiert lui, ne l’a pas deporté, 4162, LT Et Berars refiert lui, qi ne l’espame mie: 4660, LT Et Guiteclins fiert lui qu’i ne vot esparnier; 5307, LT Si fiert un Sarrazin que l’escu li porfant. 6044, LT Berart fiert an travers devert destre partie, 744, R Si fort fiert le paien que trestot lou parfant; 1028, R Charles fiert Dialas sus la targe jlorie; 1330, R Et Dialas fiert lui, qu’il ne l’esparne mie, 1334, R Charles fiert Dïalas des us l’aume torquois 1355, R Fiert Alis d’Antioche, qui ert rois corones,3589 Refiert Salehadin, le teste li estaigne, 2099 Fiert le roi Bricebalt sor son elme vergier, 6427 Fiert le Rouge Lïon sor le targe rôee 9031 Et fiert .I. chevalier sor son escu liste 2395 Et fiert .l. Sarrasin par mi la teste armee. 3673 Bauduins refiert lui trestot delivrement 1330 Puis fiert .I. autre Turc, Gobaut, le fil Madel, 1371

514

Anhang

Jerusalem

V1

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4

Clari

V2

3

Villehardouin Valenciennes

0 V2

2

Puis fiert .I. autre Turc de l’ espiel acerin, 1390 Et un autre fiert lues trosqu’es dens maisselers, 3075 Li ber fiert Maltamin sor l 'escu d’or boucler, 3534 Quant Raimons de Saint-Gille i vint tos abrieves, Rainals Porces lor pase, si fiert .I. almaçor, 3923 Si fiert Mahom el col qu 'il caï estendus, 4904 Et fiert .I. amiral que l’escu li fendi – 375 Et fiert .l. amiral qui aine Deu ne creï, 386 Et fiert .I. amiral qui ot non Copatris. 446 Fiert li dus Godefrois de la glavie alongie. 2277 Fiert le roi Garsïen sor l’escu de quartier, 2470 Et fiert Estievenon sor le targe florie, 3472 Et fiert l’un des François que il nel mescoisi. 3923 Et fiert .I. Sarrasin, Fanon de Valdoree. 4137 Et fiert Cornumaran sor le targe vergie – 5700 Fiert le roi Murgalant qui sire ert d’Esclaudie. 5725 Fiert le roi Sucaman sor l’elme qui verdie –5865 Fiert le roi Godefroi sor l’escu d’or listé. 7390 Fiert le roi Atanas qui sire ert d’Almarie – 8509 Et fiert Tumas de Marle sor l’escu al lion. 8688 Fiert Gerart de Gornai par mi l’elme luisant, 8939 Fiert Corbadas sour l’ielme qui luist et estincelle 9110 Cascuns fiert u Persant u Turc u Arrabi 364 Puis en refiert .I. autre; .XIIII. en a ocis, 465 Un Sarrasin fiert si que les piés li coupa. 3576 Pieron l’ermite fiert ens el senestre lés, 7012 si fiert il chu balliu par mi le teste 21, 73 si le fiert il 33, 52 si le feri (d’une lanche) par mi le cors 116, 13–14 il le fiert par mi le costé de la lance, 509 ains le fiert de l’espee par m i lae coiffe de fier 631

Formulierung XXXIV: [(EIN)SCHLAGEN (Verb)] [KÄMPFER (Subjekt)/ X (Adverb, Adverbiale, Adverbialer Nebensatz)] Roland

V1

11

Vait le ferir li quens quanque 1198 Vait le ferir en guise de baron 1226 E vait ferir un paien, Malun: 1353 E vunt ferir un paien, Timozel, 1382 Vait le ferir en l’escut amiracle 1499 Vait le ferir li bers 1584 Vait le ferir en guise de baron 1902 Vait le ferir cum hume vertudable 3424 Vait le ferir par sun grant vasselage 3447

Anhang 5

Saisnes

V2

19

V1

31

Vunt les ferir la o il 3542 vait ferir Oliver: 1313 Si vunt ferir, que fereient il el? 1185 (il) vait ferir l’almaçur: 1275 Si vait ferir Turgis de Turteluse; 1282 Si vait ferir Escremiz de Valterne: 1292 si vait ferir Chernuble: 1325 Si vait ferir Engeler de Guascoigne. 1537 Par grant vertut vait ferir le païen. 1551 Si vait ferir li riche duc Sansun. 1574 Il vait ferir Anseïs en l’ escut: 1599 Si vait ferir Gerin par sa grant force. 1618 Puis vait ferir un riche duc, Austorje, 1625 si vait ferir Bevon: 1891 Si vunt ferir de lur espiez trenchanz. 3351 Si vait ferir Torleu, le rei persis. 3354 Si vait ferir le cunte Guineman. 3464 Si vait ferir celui ki le dragun teneit, 3548 Si se vunt ferir, granz colps s’ entredunerent 3568 Puis vunt ferir des espees qu’unt ceintes. 3601 Par grant vertut vait ferir l’uns li altre; 3878 Et vait ferir un Saisne qui s’estoit mis avant, 1672, AR Puis a traite l’espee, va ferir un soutant 1601 Et vait ferir un Saisne devant sor le blazon: 1956, AR Et vait ferir Berart en l’escu au lïon; 1964, AR Et vait ferir un Saisne, Harpin de Rougemont,2303, AR Puis vait ferir Berart, plains d’ire et de deshait; 2324, AR Et vont ferir es Saisnes des fors espiels poignaus. 2657, AR Vait ferir Bruncosté sor l’escu a esmaus, 2663, AR Vait ferir Salemon sor l’escu vïenois; 2727, AR Et va ferir Butor qi s’est abandonez 3269, LT Va ferir Guiteclin qi de corre s’avance; 4049, LT Va ferir un François qi Savaris ot non; 4602, LT Va ferir Pincenart le roi de Canelie, 4637, LT Et va ferir Berart an la targe florie, 4658. LT Va ferir Murgaifier, le seignor de Nubie, 4820, LT Va ferir un paien sor son heaume d’acier, 4842 Vait ferir Auquetin dou bon bran de Coloigne, 3825, AR Et va ferir Rispeut entre les Alemans, 3941, AR Et va ferir Garin d’Anseüne la grant, 5012, LT Va ferir Murgalant, qi s’est abandonez, 5035, LT Vait ferir Escorfaut en la targe nouvele, 3968, AR Et vait ferir Morgant le seignor de Tudele, 3974, AR Et va ferir un Saisne sor l’escu a esmax, 5186, LT Et va ferir le conte, ce fu duels et pechiez; 5213, LT Va ferir Guiteclin an l’escu de cartier. 5302, LT va ferir Charlemaigne, qi se fu relevez, 5317, LT

515

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Anhang

Antioche

Jerusalem

V2

12

V1

14

V2

6

V1

8

Va ferir Guiteclin sor l’eaume qu’est jemez, 5327, LT Et va ferir Garin antre les .III. clax, 333, R Va ferir Firamor sus la targe doree, 424, R Va ferir le premier q’il ancontre an l’estree, 6461, LT Va ferir le premier que il a conseü, 778, R Va ferir le sangler par ire et par vigor; 1529, R Richarz de Normandie va ferir Murgalant 2417, LT Amont par mi le heaume va ferir Malatrez, 3286, LT Il va ferir as rans la ou sont plus plenier; 4864, LT Devant sor son escu va ferir Galoain, 3836, AR Si va ferir le Saisne qi maine grant deport, 4877, LT Salemons vait ferir Gorhant le fill Brehier, 3918, AR Il va ferir Gaifier sor l’escu duremant, 5119 A tant le va ferir dou bon bran aceré, 4104, AR Le premier va ferir qu’encontra an l’estree, 712, R Un Saisne va ferir sor la targe florie, 6481 LT Si va ferir le Saisne qi het Deu et son non; 6714 Le duc an va ferir sor l’eaume principal, 7521, LT Et vait ferir .I. Turc, Pisant de Valeresse. 1341 Vait ferir l’un paien sor son escu novel. 1356 Et vait ferir .I. Turc de le lance aceree, 1405 Et vait ferir .I. Turc de l’ espiel vi:enois, 1423 Et vait ferir Torgis, 1652 Et vait ferir Torcan de son bon brant d’ acier, 2064 Et vait ferir Orgaie de l’ espiel noele, 2073 Vait ferir Ricenet de l’espiel en l’ entraigne, 2099 Vait ferir Tomicant jusques par mi l’entraigne, 2110 Et vait ferir Gasson en son escu dore 2510 Et vait ferir .I. Turc el pis sos le menton, 3662 Et vait ferir .I. Turc sor l’escu de quartier. 4725 Vait ferir Corbabel, qui sire est de Lutis; 6382 Et va ferir Guillelme desor son escu bis, 8910 L 'uns vait ferir Gautier, li autres Daniel, 1352 Puis vait ferir .I. autre del trenҫant de l’espee, 1408 Corsolt de Tabarie vait .I. grant cols ferir, 2087 Engerrans de Saint-Pol vait ferir Acere, 2673 Ouedon ala ferir tres par mi le ciervis 2738 Si vait ferir .I. Turc en son elme desus 8525 Sains Jorges laise corre, vait ferir l’amirant 821 Vait ferir sor l’escu Gorant, le fil Brehier. 1664 Et vait ferir Harpin .I. colp grant et plenier. 1673 Vont ferir les barons es elmes et es flans, 3677 Et vont ferir les Turs par molt grant aïree. 4120 Vait ferir Lucifer devant sor son escu. 8475 Vait ferir Aceré par mi son elme agu, 8483 Et vait ferir un Turc, 483

Anhang 5

Clari Villehardouin Valenciennes

V2

14

Et li rois Godefrois vait ferir Malargu – 6958 Sour son escu devant va ferir Mirabiel – 9125 En mi la grignour presse vont ferir a eslais – 9212 Dans Ricars de Caumont vait ferir Encilais 9214 si l’est alés ferir 5790 Sor son escu devant ala ferir Tahon – 8704 D’un fausart que il porte vait Engerran ferir 8723 Amont par mi son ielme ala ferir Piniel, 9135 Tant con cevaus puet rendre ala ferir Tangré – 9189 Le Maigremor guencist s’ala ferir Guiré, 9197 Amont par mi son elme ala ferir Garnier – 9465 Se vont ferir es Turs, nes espargnierent mie. 5693 Se vont ferir es Turs, nes espargnierent mie. 6834 Se vait ferir li quens entre la gent dervee. 8659

0 V2 0

1

et nostre gent les alerent ferir mult vigueroisement. 139

517

Formulierung I: [SCHWINDEN/ERSCHEINEN (Verb)] [DER TAG/DIE NACHT (Subjekt)] [DER TAG/DIE NACHT... (Subjekt)] [SCHWINDEN/ERSCHEINEN (Verb)] Roland

V1

6

Saisnes

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2

Antioche

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5

Jerusalem

V2

8

Clari Villehardouin Valenciennes

/ / /

Tresvait le jur 717 Tresvait la noit 737 Passet li jurz 3560 Passet li jurz 3658 Passet la noit 3675 Passet li jurz 3991 La nuiz va aprochant, si declina le jor. 7347 La nuiz est trespassee, si aparut li jors: 7450 Or est la nuis venue et li jors trespassés, 4662 Ja est li nuis venue et li jors est alés. 9196 La nuis est revenue, li jors prist a passer. 4471 Li jors est trespassés, si revint li vespree. 4660 Li jors est aparus et prist a esclairier. 4722 Or est li nuis venue, li jors est trespassés. 2519 Li jors est trespassés, li nuis est accomplie: 1368 Li nuis est revenue, li jors est trespassés. 1567 Li nuis est trespassee, li jors vient a bandon. 1795 Li jors est trespassés, li soirs fu aseris: 2396 Li nuis est revenue, li jors est trespassés. 3793 Li jors est trespassés, la nuis est aproismie. 3884 Li jors est trespassés, li nuis est aproismie. 5501

518

Anhang

Formulierung XXXV: [ERTÖNEN(Verb)] [INSTRUMENT (Subjekt)/(Objekt)] [X (…)] Roland

Saisnes

Antioche

Jerusalem

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6

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5

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6

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1

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12

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6

Sunent mil grailles por ço que plus [...] 1004 Sunet sun gresle pur [...] 1319 Sunent cil graisle e derere e devant 1832 Sunent cil greisle e derere e devant 3118 Sunent cez greisles 3309 Sunet la cler que. [...] 3524 .VII. milie graisles i sunent la menee: 1454 par grant vertut le sunet. 1754 Par grant dulor sunet sun olifan. 1762 L’olifan sunet a dulor e a peine. 1782 Gefreid d’Anjou ad sun greisle sunet. 2951 Sonent cor et buisines et graile a longe alaine. 1104, LT Sonnent cor et buisines et graisle et olifant, 1265, AR Et sone l’olifant q’au col li pant et lace; 5369, LT Sonent cor et buisines antor et anviron. 5373, LT Sonent cors et busines et menent grant tribor. 366, R Sonent cors et busines, moutfu grant li effrois; 1828, R Plus de .X. mil buisines i sonnent a un fais ; 1032, AR Plus de .C. olifant i sonnent la bondie. 2606, AR Lors a soné un graisle don la voiz est oïe, 3470, LT Busines, menuax et cors sonent sovamt. 309, R Li rois sona un graille et li autre plusor; 7687, LT Sonent cors et buisines, grailles espessement / Et harpent et viielent et [...] 5290–5291 Solimans sone .I. graille qui estoit de laiton, 574 Tant sonerent buisines tos li vals en tranbla, 643 Sarrasin et paien ont lor grailles sones. 688 Partot sonent cil cor et deça et dela, 979 Sus el mont de Tabor [...] / Soneront .IIII. cor, droit al Jor del Juïs. 1302 Tornicans sone .I. graille por se gent raloier, 1451 Dont sonerent .I. graille par mervellos beubant, 1516 A l’ost Deu en sonerent .III.M. graille environ, 2138 Isnelement sonerent le grant cor montenier, 3117 A val par toute l’ost ont les grailles sones, 3609 Cil calimel i sonent et cil flagol d’ argent; 5292 Plus de .LX. mile Arrabi et Persan / En sonerent lor grailles [...] 8783 Sonent tabors et tinbres, cil cor d’arain fremirent, 80 Sonent cors et buisines et grailles de metal, 1971 Sonent cor et buisines et graille a le menee 6614 Sonent cors et buisines et ces cors d’olifant. 8227 Sonent cors et buisines, tabors a la menee – 9050 Sonnent groilles d’arain, tabor et calimiel. 9146

Anhang 5

Clari Villehardouin Valenciennes

V2

15

En la grant Tor Davi ont I tinbre soné 1946 Aval Jerusalem sonerent mil frestel 2058 Et cil de Jerusalem ont lor tinbres sonés 2590 Dusque del maistre cor sonera la bondie. 3104 Li dus Godefrois sone le grant cor montenier, 3492 A pris le maistre cor: par vertu l’a soné. 3406 Aprés a Buiemons le maistre cor soné, 4946 Le cor Herode sone s’a se gent raloïe, 5715 Paien sonent lor grailles s’ont lor tabors bondi, 5833 Tant sonerent de grailles que la terre en formie. 5846 Turc ont sonés lor grailles por lor jent raloier 5942 Tant i sonent de grailles ensamble a le bondie 6265 Plus de .XX. mile cors sonent a le menee, 6566 Devers les plains de Rames sonent le cor Soldant, 7566 .M. cor sonent ensanble qui tot sont montenier, 8161

0 V2 0

1

Et on sone les bozines; 156

519

Index Ablativus absolutus 241 Adams, James Noel 108, 173 Adjazenz, adjazent 48, 96, 174, 268 Agens 52, 173, 282, 302, 407, 411 Agreement 120, 200 Alexiuslied 16, 207, 214 allgemeiner Sprachgebrauch 12–13, 203 Altnordisch 85–86, 133 Altenglisch 79, 85–86, 131–136, 187, 209–210 Altflorentinisch 102 Altgermanisch 153, 186–187 altgermanische Sprachen 84, 86–87, 96, 133, 183, 209–210 Althochdeutsch 9, 58, 84, 86, 133, 135, 152, 185–187, 195, 209–210, 233–234, 237–243, 246–251, 254–261, 268, 271, 278–279, 389–390 Altkastilisch 102 Altportugiesisch 103, 105, 147, 380–381, 384, 391 Alttoskanisch 102 Anglonormannisch 21, 29–31 Assonanz 321–322, 325 Asymmetrie, asymmetrisch 82–83, 86–87, 127, 129, 131, 135–136, 144 Aucassin et Nicolette 72, 206, 207, 224–226 Axel, Katrin 84–87, 152, 210, 234–254, 389–390 Becker, Martin 91, 101, 174, 207, 212, 214–220, 228, 379 Benincà, Paola 144, 150–151, 154, 279 Bilingualismus 197–201 Brückenverb 83, 135 Buridant, Claude 26, 30, 91, 93, 99, 101, 173, 196, 257, 378, 392–395 Cantar de mio Cid 102 Cartularios de Valpuesta 102 Castillo Lluch, Mónica 106 Champagnisch 29 Chanson de Roland (= Rolandslied) 21–22, 28–31, 47, 52, 55, 59, 63, 65, 68, 72–73,

DOI 10.1515/9783110536591-011

174, 206–207, 223, 229–231, 282–287, 292, 296–300, 303–311, 319–330, 335– 362, 366–370, 379, 398–399, 402–403, 410–411, 415, 425–426, 430 Chanson des Saisnes 21–22, 26–29, 55, 223, 284–292, 305, 309–310, 319, 338, 358, 362, 397, 400, 411, 415, 430 Chanson de Jerusalem 22–23, 28, 285, 289, 292, 319, 325, 329, 331, 362, 402, 430 Chanson d’Antioche 22–23, 28, 285, 292, 300, 303, 305, 347, 358, 362, 374, 402, 430 Charroi de Nimes 206, 379 Chomsky, Noam 8, 115, 117, 118, 122 Clahsen, Harald 200 Clari 23–24, 29, 72, 207–208, 224, 374, 401, 410, 415, 430 Coinci 207, 225, 230 competing grammars 77, 179–183, 209 complément circonstanciel 273, 284 Compositiones Luccenses 113 Conquête de Constantinople 6, 21, 23, 224, 430 Constant Rate Effect 180 Corpus d’Amsterdam 207, 214 Coseriu, Eugeniu 32–33, 35, 41, 201, 297 CP-Rekursion 129–130, 149 cue 175, 177, 179 – micro-cue 189–190 Dependenzgrammatik 63 Dependenzstruktur 63, 65, 68 détachement 9, 162, 182, 187, 214, 217, 218, 220, 224, 227, 273–284, 338, 345, 348, 355, 361–362, 365, 376, 433 Devine, Andrew/Stephens, Laurence 156–164 diatopisch 29, 31 Diglossie 17, 21, 180 discourse configurational language 156 Diskursmarker 155, 257 Diskursmerkmal 35–36 Diskurspartikel 26, 238, 241, 256, 281, 285, 364, 377

Index

Diskurspragmatisch 98–99, 133, 257, 300, 382, 392 Diskurstraditionen 4–6, 14, 17–20, 31–37, 40–41, 45, 106, 201–204, 281, 296–297, 334, 365, 398, 416, 428–434 Diskurstyp 8, 12, 33, 36–41, 202–203, 298, 431 Distanzsprache, distanzsprachlich 17–18, 20–21, 44, 203–204, 415 Drach, Erich 234–235 Einzelsprache 4, 8, 12, 14, 32–33, 36–37, 41, 116, 201, 203–205, 297, 428, 431, 434 Ellipse, elliptisch 10, 64, 396–397, 402–403, 406, 415–417, 425–427, 434 Elvira, Javier 106 Emilianensische Glossen 102 Entlehnung, entlehnt 58, 114 EPP-Merkmal 129, 164 Ergativität, ergativ 81, 380 Existenzverben 382 existenzial 385, 401 Expletivum, expletiv 81, 140, 170, 389 expressives Wissen 297 extraposition 161–162, 215, 227, 230, 233, 255, 258, 260, 264–275, 278, 281, 285, 292, 296, 347, 361–365, 376, 390 Fanselow, Gisbert 128–129 festlandskandinavisch 83, 136 Fille du comte de Pontieu 216 Fleischer, Jürgen / Schallert, Oliver 19, 58, 241, 254 Fodor, Janet Dean 178–179 Fokalisierung, fokalisiert 80, 95, 140–141, 170, 270, 419 Fokus, fokal 92–93, 99, 109–112, 133–134, 152, 158, 162–163, 170, 186–187, 298–300, 304–305, 309–310, 333, 382, 385–388, 396, 417–420, 424, 426 – Ko-Fokus, ko-fokal 152, 162–163 formal mouvement 129 Formulierung 36, 38, 42–45, 47–49, 52–53, 56–63, 68, 72–75, 282, 284, 287–292, 296–298, 300, 303–312, 314, 318–319, 331, 333–339, 345–347, 349, 351, 355–362, 365–375, 398–412, 415–427

521

– Metaformulierung 282 – Subformulierung 282 Formulierungstraditionen 45, 52, 58, 206, 280–287, 296–297, 314, 318, 332–338, 349, 355, 359, 361, 363, 365–366, 369, 376, 379, 398, 407, 425, 429, 432–433 Fragment de Valenciennes 18 Frame 121, 150–151 Frank-Job, Barbara 17, 32 fränkisch 194, 198–200 Franzisch 29 freies Thema 244–246, 263 Friesisch 83, 135 Funktionale Satzperspektive 298 functional grammar 298 Generative Syntax 77, 115–116, 165 gesplittet 2, 66, 120, 123–125, 131, 136, 141, 150, 154, 156–157, 334, 365, 433 Gleßgen, Martin-Dietrich 30, 35 Graal 64, 95–96, 98–100, 207, 208, 224, 226 Haider, Hubert 174–175 hanging topic 150–151, 244–246, 263 Hauptsatz-Nebensatz-Asymmetrie 86 Head Movement Constraint 126 Heaviness 108, 110 Heldenepik 21–22, 38, 41, 270 Herman, József 90, 213 Hilty, Gerold 91, 196 Hinterhölzl, Roland/Petrova, Svetlana 133, 154, 185–187 Historiographie 38–39, 428–429 Histoire de l’Empereur Henri de Constantinople 6, 21, 430 IP-Adjunktion 138, 139, 140, 144, 170, 209 Informationsstruktur, informationsstrukturell 1, 92–93, 98, 104, 106, 109, 112, 121, 133, 145, 152, 154, 156–157, 160, 185, 212, 231, 297, 298, 303–305, 308–311, 333, 382, 385, 416–417, 419, 420, 422–425, 433 Inversion, invertiert 78, 81–82, 85–89, 91, 94, 99, 101, 103–105, 110, 128, 133–135, 137, 139–140, 144–145, 153, 165, 167, 178, 179, 182, 195, 199, 264, 266–267,

522

Index

270, 271, 314, 328, 381, 385, 391, 392, 398, 430 Isidor 85, 87, 238, 240–242, 247, 249, 251, 254 Isländisch 11, 79, 84–85, 129, 131, 135, 165, 183, 390, 391, 395–396 Jiddisch 84, 129–131, 135, 165 Kabatek, Johannes 32, 34 Kaiser, Georg 20, 84, 88, 97, 104–106, 137, 144, 148–149, 153, 177–179, 184–185, 207, 223, 232–233, 378–379, 391 Kartographisches Modell 150 Kasuskongruenz 246 kategorisch 382–384, 390–391, 396, 417, 419–420, 423, 425–426 Kemenade van, Ans 86 Klitisierung 91 Klitikon, klitisch 68, 91–92, 101, 137, 261–262, 264–267, 270 Koch, Peter 4, 32, 33, 34, 201 Koch, Peter/Oesterreicher, Wulf 17 Koll, Hans 113 Kollokation 6, 42–43, 45–50, 53, 314–316, 318, 333, 349 Kompetenz 10, 12, 53, 116–117, 296, 297, 298, 432–433 – einzelsprachliche Kompetenz 297 – textuelle Kompetenz 297, 433 Komplementierer 120–121, 125, 127, 128, 135 Komplementiererkongruenz 128 Komplexe Konstituente 235, 242, 258, 281, 285, 337, 350, 376 Konjunktionsfeld 235 last resort 123 Ledgeway, Adam 98, 153, 154, 155 left dislocation 150, 244, 246 Lehmann, Winfred 172–173, 194 Liber historia Francorum 113 lieux d’écritures 30 Lightfoot, David 175, 177 Linksdislokation (= left dislocation) Longnon, Auguste 25 Lothringisch 22, 29, 199

Marchello-Nizia, Christiane 15, 91, 97, 174, 207, 214, 231, 232–233, 276, 379 Mathieu, Eric 151–153, 165, 279 Merge 123 Merlin 206, 378 Merowinger 113–114, 171, 198 Meyer-Lübke, Wilhelm 195 Minimalistisches Programm 115, 122, 124 Mittelfeld 101, 235, 248, 264, 268 Mittelenglisch 133, 135, 182–183, 197 Mittelfranzösisch 176, 181, 183–185, 191, 345, 361 Mittelstellung 12–13, 90, 112 Modalisateur, modalisateur-Adverb 271–272, 275, 278 morphologischer Kasus 263 Move 123 Nachfeld 234–235, 253 Nähe-Distanz-Kontinuum 17 Nähesprache, nähesprachlich 17, 20, 203–204 narrative Inversion 391 Neumann-Holzschuh, Ingrid 383–384, 391–392 Niederländisch 11, 79, 83, 135, 165, Normannisch 21, 29–31 Norwegisch 135, 190, 193, 211 Nullsubjekt 2, 10, 64, 82, 86, 90, 100, 104, 140, 164, 167, 169, 178, 182, 184, 314, 397–398, 400, 417, 419, 425, 427, 434 Nullsubjektsprache 82, 164, 178, 397 Oesterreicher, Wulf 32 one-constituent analysis 240 Operand-Operator-Abfolge 172 Operator 66–67, 121, 131–132, 153–155, 157, 164, 166, 172, 431 Optimalitätstheorie 211 Orléonesisch 29 Pádua, M. da Piedade Canaes e Mariz 105, 381 Parameter 2, 30, 43, 115, 117–120, 122, 172, 174–178, 181, 183–185, 189, 196, 209 – Makro-Parameter 175 Passion de Clermont 16, 207, 379

Index

Patiens 425 penalty probability 180 Peregrinatio Egeriae 113 Perceval 206, 378 Pfister, Max 198 Pikardisch 22–23, 29, 199 Platzack, Christer 378 Pollock, Jean-Yves 2, 120 Positionstypologie, positionstypologisch 8, 77, 171, 174, 194 poverty of the stimulus 118 Präsentationsverben 386, 388–390 präsentativ 109, 380, 382–383, 385–386, 388–390, 396, 424 pragmatic unit 112 Prévost, Sophie 64, 207–208, 224, 226–230, 233, 296 Prinzipien- und Parametertheorie 117–119, 122 Pro 139–140 Pro-drop 185 Proklisis, proklitisch 101 Quatre livre des Reis 18, 213 Queste 223–224, 379 Rätoromanisch 87, 107, 135–136 Reanalyse 176, 181–182, 184, 186, 196, 210, 334, 365, 435 Rechtsversetzung 390 Reimschema 319–320, 322, 325, 330 Renzi, Lorenzo 104–105 residual 134, 137, 179 Resumptivum, resumptiv 231, 241, 244–246, 261–263 Rhema, rhematisch 99, 110, 231, 382, 386, 388, 420, 426 Ribeiro, Ilza 105, 380 Rinke, Esther 104–106, 122, 144, 158, 164, 384 Rizzi, Luigi 2, 120, 121, 137, 141, 150 Roberts, Ian 97, 131, 137, 144, 154, 184–185, 206–207, 378–379 Rouquier, Magali 15, 97, 207, 214 Schon, Peter 22–24, 37–40, 42, 280, 312 Schwedisch 11, 79, 83, 135

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scrambling 157, 159 Serments de Strasbourg 18 Sitaridou, Ioanna 134, 145–148, 159, 178–179, 208, 212 Skårup, Povl 90–91, 255, 260 Skopus 124 spell out 123 Spevak, Olga 109–112, 388 Spracherwerb 8, 118–119, 171, 175, 177, 181, 184, 189, 191, 196, 199, 201, 203–204, 430–431 Sprachkompetenz 116, 298 stylistic fronting 151, 197, 435 strukturalistisch 116–117 Subjektinversion (= Inversion) Superstrat 195, 430 sujet attrappe 386 Symmetrie, symmetrisch 7, 82–84, 86–87, 96, 103, 127, 129–131, 135–136, 144, 174 Syntactic Reference Corpus Medieval French (= SRCMF) 7, 59, 63, 72, 207, 229, 345 Tatian 241 Tesnière, Lucien 64 Textsorte 4, 6, 10, 12–14, 18, 33–34, 361, 390, 395, 415, 428–429, 433 Thema, thematisch 2, 76, 92–93, 99, 110, 115, 119, 120, 231–232, 244–246, 263, 355, 391–392, 420 thetisch 382–386, 388–391, 396, 420, 422, 424–426 TigerSearch 65 Tobler-Mussafia-Gesetz 92, 101, 264, 267, 270 Tomasello, Michael 191–193 Topik (topic) 100, 132, 134, 152, 156–157, 163, 186–187, 246 – continuous topic 100, 155 – default topic 154 – dislocated topic 260 – familiar topic 134, 396, 416 – future topic 110, 113, 388 – hanging topic 150–151, 244–246, 263 – juxtaposed topic 193 – strong topic 163 Topikalisierung, topikalisiert 7, 56, 80, 93, 103, 138, 140–141, 149, 151, 159, 170

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Index

Topikmarker 100 Trips, Carola 132–133, 182, 196–197 Tristan 206, 224, 378 Turoldus 21 T-V-X-Sprache 7 Typologie, typologisch 7–8, 76–77, 90, 92–93, 106, 108, 110, 119, 145, 171–175, 194–195, 214, 319, 430 Übersetzungssyntax 4, 20 Unakkusativität, unakkusativ 167, 380–381 Universalgrammatik 117–118, 122, 177, 192 usage-based 192, 210–211 V1 53, 59, 63, 65, 71–78, 96, 101–108, 133, 153–156, 165–169, 185–187, 193, 210, 264–267, 270, 378–398, 402–403, 407–411, 415–417, 420, 422, 424–427. V2 15, 26, 41, 52, 59, 70, 76–205, 206–224, 227–234, 243, 247, 249, 251, 253–257, 262–270, 275–300, 304–329, 338, 347, 351–367, 376–381, 389–390, 397–402, 408–420, 426–434 V>2 52, 59, 63, 65, 67–68, 72–73, 78, 86, 89, 96, 105–106, 112, 129, 133–135, 144–153, 162, 165–167, 170, 181–182, 185–190, 200–201, 206–279, 280–326, 329–335, 338–340, 347, 359, 362–377, 431–433 Valenciennes 6, 18, 21, 23–25, 29, 48–49, 219, 287–289, 294–295, 313, 343, 351, 353, 362, 369, 402, 405–406, 410, 415, 430

Vance, Barbara 144, 222, 223, 228 Vennemann, Theo 172 verba dicendi 103, 411–412, 415, 425–427, 433, 460 verba sentiendi 83 Verschriftung 17 Versions des Psaumes 18 Villehardouin 6, 21, 23–24, 219–220, 223, 287, 288–289, 295, 312–313, 343, 351, 353, 361–362, 369, 402, 410, 415, 430 Volkssprache 4, 17, 37, 39–40, 113–114 Von Wartburg, Walther 195 Vorfeld 234–237, 240–243, 245, 247–249, 253, 263, 268, 281 Vorvorfeld 235, 244, 247, 250–253, 268, 272, 275, 278 Vulgärlatein 1, 170–171, 173 Vulgata 18, 113 Wallonisch 22, 29 weil-Kausalsatz 12 Westergaard, Marit 189–190, 211–212 Yang, Charles 180–181, 184–185 zone verbale 255 zone préverbale 255, 259, 264, 266–267, 281 zone postverbale 255