Aus Landshut und Umgebung: Ein Beitrag zur Heimat- und Volkskunde [Reprint 2020 ed.] 9783486735581, 9783486735574

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Aus Landshut und Umgebung: Ein Beitrag zur Heimat- und Volkskunde [Reprint 2020 ed.]
 9783486735581, 9783486735574

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Aus Landshut und Umgebung.

Aus

Landshut und Umgebung.

Ein Beitrag zur Heimat- und Volkskunde von

Johann Pollinger.

Mit neunzehn Abbildungen.

München. Druck und Verlag von R. Oldenbourg.

Vorwort. N vorliegender Schrift wurde versucht, die Eigenart von Land und Leuten in der Landshuter Gegend zu schildern, die Sitten und Bräuche, Lieder und Sagen usw. der ein­ heimischen Bevölkerung zu sammeln und dadurch einen Beitrag zur Heimat- und Volkskunde zu liefern. Cs ist zwar nur ein kleines Gebiet, das bearbeitet wurde, aber gerade in der Beschränkung auf einen engen Kreis liegt die Gewähr für möglichste Vollständigkeit. Bei manchen Abschnitten, z. B. Volkssagen, Lied, Reim und Sang usw. war ich vielfach auch auf Mit­ teilungen von anderer Seite her angewiesen. Allen, die mich hierin unterstützten, besten Dank! Die Mitteilungen sind möglichst treu, ohne jede Ausschmückung oder Weg­ lassung wiedergegeben. Daraus erklären sich auch manche Wiederholungen und sprachliche Härten.

3

Landshut, im Mai 1908.

Johann Pollinger.

Inhaltsverzeichnis. Seite

I, Der Landstrich......................................................................1 II. Vor- und Frühgeschichtliches............................................... 9 III. Kirchliches........................................................................ 26 1. 2. 3. 4. 5.

Kirchenbauten..............................................................................26 Kirchenpatrozinien................................................................... 32 Seelenkapellen.................................................................... 36 Grabinschriften............................................... 40 Feldkapellen, Feldkreuze, Bildstöcke und Marterl . . 47

IV. Volkssagen........................................................................ 55 1. 2. 3. 4. 5.

Geschichtliche Sagen.............................................................. 55 Kirchliche Sagen und Legenden......................................... 72 Sagen vom Gerichte Gottes.............................................. 91 Iaubersagen..........................................................................108 Spuksagen................................................................................. 118

V. Haus und Wohnung......................................................... 137 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Ortsanlage............................................................................ 137 tzofanlage und Hauseinrichtung....................................... 139 Hausinschriften.............................................................. . 147 Hausnamen............................................................................ 150 Allerlei Gebräuche u. dgl. in Haus und Wohnung. . 153 Weissagungen.......................................................................163

VI. Bei der Arbeit.................................................................. 170 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

VII.

Statistisches............................................................................ 170 Dienstbotenverhältnisse....................................................... 172 Feldbestellung.......................................................................174 Erntearbeit undDreschen.................................................... 176 Hopfenpflücke............................................................................ 180 Wiesenarbeit.................................................................... . 181 Mahlzeiten............................................................................ 181

Die Teuerungsjahre 1816/17 in Allheim................. 185

Inhaltsverzeichnis.

VIII

Seite

VIII. Bauernkalender...................

.

190 Anhang: 1. Reimsprüche für alle Monate des Jahres aus dem Landshuter Kalender des Jahres 1750 226 2. Bauernregeln . ....................................................................228 3. Weihnachtslied..................................................................... 232 IX. Lebenslauf................................. 237 1. Das Lebensalter ... .............................. 237 2. Geburt.................................................................................... 238 3. Kindheit............................................................................... 244 4. Heirat ... ... 246 a) Bekanntschaft................................................... . . 246 b) Beschau................................................... . .. 249 c) Brautstand 251 d) Hochzeit .... 251 5. Krankheit................................... 271 a) Vorbeugungsmittel ......... 272 b) Hausmittel........................................................ 278 c) Sympathiemittel . ......................................... . 284 d) Heilsprüche..................................................................... 291 6. Tod und Begräbnis......................................... . . 295

X. Tracht.................................................... ... 301 XL Reim, Lied und Sang . ............................ .304 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.

Wiegen- und Koselieder..................................................... 304 Abzählreime ............................................................. 314 Ringelreihen.......................................................................... 323 Pfeiferlreime.......................................................................... 327 Namen- und Neckreime................................... 327 Buchreime............................................................................... 335 Beerenlied......................................... 336 Tierreime . .................................................. . . 336 Worte zum Nachsprechen, Stab- und Kettenreime . 340 Das Holladauer Lied......................................... . 347

I. Der Landstrich. (7\er Landstrich, über den sich der Burgfrieden der niederbayerischen Kreishauptstadt Landshut mit seinen 12,98 qkm und das Bezirksamt Landshut mit seinen 574,79 qkm ausdehnt, ist ein Teil der Schwäbisch-Bayeri­ schen Hochebene und besteht aus einem Bruchstücke der unteren Isartalebene und aus Bruchstücken des links und rechts daran sich anschließenden Hügellandes mit dem Quell­ gebiet der Kleinen Vils. Die Talebene der Isar ist hier 4 bis 5 km breit. Sie neigt sich nach Nord und Ost. Infolgedessen stießt die Isar am Südostrande der Ebene, oft ganz nahe der Hügelreihe entlang. Den Isarlaus begleiten als breite Streifen Auen. Diese Auen sind jüngere Isarablagerungen, welche mit Weiden, Erlen, Ulmen u. dgl. bestanden und von zahl­ reichen Altwassern, versandeten Flußläufen und Tümpfeln durchsetzt sind. Der übrige Teil der Ebene ist ein von Wasser­ gräben und -läufen durchzogenes Wiefenmoor, das nur geringwertiges Heu und bei Ergolding, Altheim, Essenbach, Wattenbach und Mettenbach auch Torf liefert und nur an wenigen Strichen, so um Münchnerau, Landshut, Ahrain und Wörth eine schwache Humusdecke trägt, die dort einigen Ackerbau zuläßt. Don Altdorf abwärts bis Grießenbach begleitet dieses Wiesenmoor eine um einige Meter erhöhte Terrasse, eine Lößablagerung, die ein äußerst fruchtbares Bauland bildet. Polling er, Aus Landshut und Umgebung.

1

2 Schichtenprofil von den beiden Brunnenschächten am städtischen Wasserwerk (Ochsenbuckel).

1. Schacht’

2 .Schacht Auffüllung

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/77/A MW/Iz« l>), Gib uns a Bürl?); Heilga Jakob, Gib uns an Hackstock; Heiliga (Bang3),4 Gib uns a Stang; Große Stäuarl^), Kloane Stäuarl, Kümmts fei gwiß Ium Suwendfeuarl!

Dieses Lied scheint noch länger gewesen zu sein; denn man hört von manchen Buben noch Zusätze wie: Heiliga Barthlmä, Schick uns nur heut koan Schnee!

und: Und a bißl Wind dazua, No habts dös Jahr a Nuah. x) Maria. 4) Stauden.

-

2) Bürde, Büschel Holz.

-

8) Wolfgang.

-

222 In Wörth singen die Buben:

Dea Stephl und dea Veitl^) De bittn um a Scheitl, 's Mirl Um a Bürl, Dea Hans (Gang?) Um a Stang. Kurze Stäuarl, Lange Stäuarl Kimmts aff d' Not Ium Suwendfeuarl; Kimmts fei gwitz, Wenns akennt is.

Der Hans tat bittn um a Stang; Der Beitl tat bittn um a Scheitl; 's Mirl tat bittn um a Bürl. Kurze Stäuarl - lange Stäuarl, Kimmts aff d' Not zum Suwendfeuarl. (Ahrain.)

Das auf diese Weise erbettelte Holz wird außerhalb des Ortes aufgeschichtet und gegen Abend angezündet. Knaben und Mädchen springen bald einzeln, bald in Paaren über das lodernde Feuer, und je höher man springt, desto höher wächst der Flachs.

Auf Johanni gibt es in den meisten Häusern Holderküchl. Die Blütenschirme samt Stengeln des Holders werden in Teig getaucht und in heihem Schmalze gebacken.

2. Juli: Maria Heimsuchung. Bittgang von Landshut nach Frauenberg. Wie das Wetter an diesem Tage ist, bleibt es 30 (40) Tage lang. 10. August: Laurenzitag. Wenn man an diesem Tage in Gärten, Feldern und Wiesen nachgräbt, findet man Holzkohlen. Diese unter den Weizensamen gemischt, be­ wirken, daß der Weizen nicht brandig wird. >) Vitus.

223

15. August: Maria Himmelfahrt, der große Frauen­ tag. An diesem Tage bringen die Leute anderorts große Kräuterbüschel zur Kirche, wo sie geweiht werden. 3n hiesiger Gegend ist davon nichts bekannt.

8. September: Maria Geburt, der kleine Frauentag.

Maria Geburt Fliegen die Schwalben furt. An diesem Tage ist das kirchliche Erntefest. Die Bauern bringen in Tellern und kleinen Säckchen Getreide zur Kirche, wo es geweiht wird. Das geweihte Getreide wird unter das Saatgetreide gemischt.

3. Sonntag im Oktober: Kirchweih. Vis zum Jahre 1868 hatte jede Ortschaft an einem bestimmten Sonntage seinen Kirta. Der Kirta war das alljährlich wiederkehrende Hauptfest im bäuerlichen Leben. Dazu wurden nahe und entferntere Verwandte und Bekannte geladen, und nicht geladen werden oder der Ladung nicht Folge leisten wäre ein arger Schimpf gewesen. In jedem Hause des Ortes wurde geschlachtet, gebraten und gebacken, im Keller floß ein eigenes Faß Bier und Musik und Tanz im Wirtshause vollendeten die Lust und Festesfreude. Da die meisten Kirch­ weihen in den Sommer und Herbst fielen und mit der Nach­ kirchweih immer mehrere Tage dauerten, wodurch die land­ wirtschaftlichen Arbeiten zu sehr beeinträchtigt wurden, so wurden sie im genannten Jahre auf den dritten Sonntag im Oktober verlegt. Wohl wird an diesem Tage der Kirta durch Essen und Trinken gefeiert, wohl bäckt die Bäuerin noch die herkömmlichen Küchl und prangt der fette Schweins­ braten auf dem Tisch *), aber durch die Gleichzeitigkeit der Feier an allen Orten hat er seine frühere Bedeutung als Sippen- und Verwandtenfest verloren. Neben dieser all­ gemeinen Kirchweih besteht an vielen Orten eine Kirchweih9 3n Oberaichbach tragen die Burschen und Männer am Kirch­ weihlag einen Rosmarinstrauß am Hute.

224 erinnerungsfeier, und wo diese nicht ist, finden sich die

Verwandten bei anderen Gelegenheiten, wie am Patro­ zinium zusammen; denn einmal will der Bauer seine Sippe bei sich haben. 1. und 2. November: Allerheiligen, Allerseelen. Diese Tage haben ihre eigene Speise: aus Mehl- oder Zucker­

teig gebackene Zöpfe in Weckensorm. Mit diesen „Seelen­ wecken , Seelenzöpsen" werden die Kinder von ihren Eltern, die Patenkinder von ihren „Gödn", die Mädl von ihren Burschen beschenkt. — Der Allerseelentag ist auch der Tag der allgemeinen Mildtätigkeit. Die Armen gehen „in die Seelenwecken", d. h. sie ziehen von Haus

zu Haus, von Ort zu Ort und bitten um einen Seelen­ wecken, kleine Brötchen aus schwarzem Mehl in Wecken­ form. Die Gabe wird mit einem „Dergelts Gott für alle armen Seelen" in Empfang genommen.

Überhaupt

ist es

rührend

zu

mit welcher

sehen,

Liebe die Bevölkerung an den armen Seelen hängt.

Für sie betet man bei den Tageszeiten, bei dem Er­

wachen und Schlafengehen; für sie läßt man hl. Messen lesen und gibt Almosen; für sie werden am Allerseelentag die Gräber geziert; ihretwegen besucht man die Gräber, stellt brennende Kerzen daraus usw.

Ihretwegen bleibt kein Messer mit der Schneide nach oben am Tische liegen; die armen Seelen müßten daraus sitzen. Ihretwegen

wird

am

Samstag

(in

Essenbach

am

Freitag) abends der Tisch säuberlich abgeräumt; die armen Seelen ruhen dort aus. Ihretwegen darf die Türe nicht knarren;

das

tut

den armen Seelen weh. Ihretwegen

darf

man

die

Tür

nicht

zuschlagen;

zwischen Tür und Angel sitzt eine arme Seel'. Die armen Seelen warten aus Erlösung, daher Redensart: „Endlich ist die arme Seel' erlöst."

die

225 Beim Eintreten und Verlassen der Kirche besprengen die Leute nicht bloß sich, sondern sie sprengen zum Ärger des Mesners auch noch reichlich Weihwasser aus das Pflaster „für die armen Seelen". Auch aus die Gräber

sprengt man Weihwasser. 6. November: Leonhardi. Der hl. Leonhardi ist Vieh­ patron, und so wird dieser Tag an mehreren Orten unter Bräuchen, die sich auf das Vieh beziehen, gefeiert. So hat

z. B. Oberaichbach seinen Leonhardiritt, ebenso Leonhardshaun, Oberwattenbach seine Leonhardifeier bzw. seine Leonhardikirchweih.

In Oberaichbach gilt der Leonharditag als „ abgeschaffter" Feiertag, und die knechtlichen Arbeiten ruhen. Vormittags ist auf dem „Leonhardialtar," wie ein Seitenaltar der dor­ tigen Pfarrkirche heißt, der tatsächlich ein Stephanusaltar ist, feierlicher Gottesdienst. Dor der Kirchtür steht ein Tisch mit brennenden Kerzen und einem Teller, daneben eine Hühnersteige. In den Teller wird Geld geopfert, in der Hühnersteige'Hähne und Hennen. Auch während des Got­ tesdienstes ist herkömmlicher Opfergang, an welchem sich sämtliche Psarrangehörige bzw. Viehhalter der Pfarrei be­

teiligen, und es beträgt die Einlage 25 - 30 Jl. Nachmittags ist in der Pfarrkirche Andacht vor aus­ gesetztem Allerheiligsten. Während derselben ist allgemeiner Umritt mit Pferden um die Kirche. Gegen Ende der Andacht werden die Pferde in einer Front an der Kirchenmauer aufgestellt, und vor den Pferden wird ein kleiner Altar errichtet. Nach der Andacht ist feierliche Prozession mit dem Allerheiligsten um die Kirche. Vor dem Altar angelangt macht die Prozession Halt, und es findet die kirchliche

Segnung der Pferde statt. - Nach diesem kirchlichen Akte versammelt sich jung und alt aus dem Dorfplatz, wohin

auch die geopferten Hähne und Hennen in der Steige ver­ Der beste Hahn und die beste Henne Polling er, Aus Landshut und Umgebung. 15

bracht worden sind.

226

werden als erster und zweiter Preis für das Pferderennen ausgesucht, die übrigen Hühner an die Meistbietenden ver­ steigert. Der (Erlös fließt zu den Opfergeldern, von denen während des Jahres sogenannte Leonhardiämter gehalten werden. - Den Schluß des Tages macht ein Pferderennen, an welchem sich etwa 5-8 Pferde beteiligen, und wobei die bereits erwähnten 2 Preise an die Sieger verteilt werden. Auch Leonhardshaun hat seinen Leonhardiritt. Doch ist derselbe auf einige Tage vorher, auf Allerheiligen ver­ legt. Am Allerheiligen - Tage findet dort Amt mit Predigt statt. An dem darauffolgenden Ritt beteiligen sich 15—20 Pferde. Eine weitere kirchliche oder weltliche Feier ist damit nicht verbunden. 30. November: Andreas. An diesem Tage bzw. am Sonntage darauf war bis in die achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts um die Andreaskapelle zu Altheim ein Pferderitt und Jahrmarkt. Schließlich mochten die Bauern nicht mehr reiten, und Pferderitt und Jahrmarkt kamen ab. Doch werden in der Kapelle heute noch die sogenannten „Leonhardizeltl" (wie im gegenüberliegenden Frauenberg das Erhardibrot) geweiht, welche bei Biehkrankheiten Verwendung finden.

Anhang. 1. Reimsprüche für alle Monate des Jahres aus dem Landshuter Kalender des Jahres 1750.

Januarius. 3m Senner scheu die Medicin, Und laß kein Blut, das ist mein Sinn. Doch feyre nit, weils Winter ist, Trag Erd in Gart und faulen Mist.

227 Februarius. Auf Lichtmeß ist die Füttrung halb, 3m vollen Licht setz ab das Kalb, Führt Mist und dreschet vollends aus, Schlacht fette Schweine in das Haus. Martius. Säet Kuchen-Sachen nun mit Fleiß, Und traget ein den Ehren-Preyß, Setz' Bäume fort und pflanzt zur Sat, Die Erbsen säet nicht zu spat.

Aprilis.

Sobald die Sonne tritt in Stier, Die Mayen-Würmlein colligier, Draus wird ein gutes Oel gemacht, Vor giftige Würmer hoch geacht. Malus. Wenn St. Urban hält Sonnenschein, So wächst diß Jahr ein guter Wein, Der May kühl und der Brachmon naß, Füllen den Leuten Scheuren und Daß. Junius. Das Land ist dürr um diese Zeit, Weil St. Johannistag nit weit. Johannis Regen ist nit gut, Der Hasel-Ruß er schaden thut.

Julius. Die schöne, warme Sommerzeit, Was lebt auf Erden jetzt erfreut, Eh mans bedenkt in seinem Sinn, So fliegt sie fort und ist dahin. Augustus.

Der Bauers-Mann die Sense braucht, Und hauet, daß ihm die Haut raucht, St. Lorenzwärme und Sonnenschein Verspricht uns einen süssen Wein.

228 September. Der Wind nun über Stoppeln geht, Kein Baum im Walde stille steht. St. Michel macht die Blätter krank Und ist der rechte Bogel-Fang.

Oktober. Wenn St. Gallus gut gesinnt, Sich ein reiches Jahr auch findt. Auf Ursula Tag giert neuer Most, Trink so, daß dir den Halß nit kost. November. Gebratnes von der Ganß und Schwein. Schmeckt gut bey einem Gläßlein Wein, Den Weinstock deck, die Bienen verwar, So seynd sie beyde ohne Gefahr.

Dezember. Jetzo man die jungen Bäume, Zu verbunden nicht versäume. Lassest du dir nun so rathen, Wohl! GOTT segne alle Thaten. 2.

Bauernregeln. Alte Bauernregeln Und leere Schmalztegeln Haben keinen Wert.

(Landshut)

Weibersterben Kein Verderben, Roßverrecka Duad b’ Bauan schreckn.

(Landshut.)

Mehlwarm und ofenwarm Macht den größten Bauern arm.

(Landshut.)

Wer den Hopfen verkauft vor Galli,

Dös is a Lalli. Liaba wartn bis Allerheiling, Dann bringt ma ’s Geld en Weiling. Wart ma aber no a bisserl, Dann bringt ma ’s Geld en Schüsserl.

(Pörndorf.)

229

Wenn es Gänse nicht.

am Palmsonntag

regnet,

gedeihen

die

(Pörndorf, Münchnerau.)

Drei Tage vor Georgi und drei Tage nach Georgi ist die beste Gerstensaat. - Wenn's Birkenlaub Kreuzer­ grotz ist, soll man Gerste baun. - Winterroggen soll man in der Quatemberwoche säen. (Mittergolding.) Kartoffel soll man am Stanislaustage (7. Mai) stecken, sei die Witterung, wie sie will- dann bekommt man reichlich Kartoffel. (Münchenerau.) Ist zu Lichtmeß schlechtes Wetter, macht der Dachs einen Kreuzsprung, und es gibt viel Obst; ist aber schönes Wetter, bleibt er in der Höhle, und es gibt dann auch kein Obst. (Altheim.)

Die drei Fazi (Pankratius, Servatius und Bonifazius, 12. mit 14. Mai) sind die 3 Eismänner; da reift es gern. (Landshut.)

Gibt es im Advent viele Nebel und bereiste Bäume, wird ein gutes Obstjahr. (Altheim.)

Behalten im Spätherbste die Wiesel lange Zeit ihren braunen Pelz, wird ein milder Winter; wird der Pelz früh weiß, gibt es einen strengen mit viel Schnee. (Gstaudach.)

Trockene Mistwägen - nasse Heuernte; Nasse Mistwägen - trockene Ernte. (Münchnerau.) Schafft Kathrein vor Frost sich Schutz, So watet man später oft lang im Schmutz.

(Pörndorf.)

Schneit es fein und klein, Friert es Stein und Bein; Schneit es aber Wolle, Wird die Kälte nicht volle.

(Pörndorf.)

Die Witterung der drei Faschingstage ist vorbedeutend für die Ernte und zwar: der Faschingssonntag für die Alt­ heuernte, der Faschingsmontag für die Getreideernte, der Faschingsdienstag für die Grummeternte. (Münchnerau.)

230

Trägt der Geistliche an Sonntagen ein gewand, regnet es bald. Wenn im Herbste das Laub lang an bleibt, gibt es einen strengen Winter. Wenn es am Karfreitag reift, schadet in der Reif nicht mehr.

grünes Meß­

den Bäumen diesem Jahre (Münchnerau.)

Wenn der Hund Gras frißt, wird sicher bald Regen­ wetter. Märzennebel kommen in 100 Tagen als Gewitter wieder. (Unter-Röhrenbach.)

Behalten im Spätherbst die Wiesel lange Zeit ihren braunen Pelz, wird ein milder Winter; wird der Pelz aber bald weiß, gibt es einen strengen mit viel Schnee. (Bstaudach.)

Wenn der Agathatag schön ist, kriegt der Faule auch noch eine Streu. (Münchnerau.) Wenn's Margaret! regnen läßt, wird eine schlechte Ernte. (Münchnerau.) Wenn die Hühner frühzeitig in den Stall gehen, wird es anderen Tags schön, wenn spät, dann schlecht. (Münchenerau.)

Eine fellene Wied*) und ein haarloser Knecht halten nicht länger als ein Jahr. (Eugenbach.) Ist es zu Neujahr hell, kommt ein gutes Jahr. (Münchnerau.)

Wenn es zu Lichtmeß stürmt und wait (weht), ist der Frühling nicht mehr weit. (Eugenbach.) Matthais Bricht's Eis! Hat er keins, So macht er eins. Wenn es am Tage der 40 Märtyrer (10. März) ge­ friert, so gefriert es noch 40 Tage. (Allgemein.) ') Zweig von der Feller- oder Felberstaude.

231

Ist's an Josephi hell und klar, So kommt ein gutes Jahr.

((Eugenbad).)

In der Antlaßzeit (Fronleichnamswoche) darf man

nicht Pflanzen stoßen, weil sie nicht gedeihen würden. ((Eugenbad).)

Wenn am Fronleichnamstage das ausgestreute Gras so gibt es in diesem

am gleichen Tage noch dürr wird, Jahr gutes Altheu.

((Eugenbad).)

Wenn am Christi Himmelfahrtstage der Christus in der Kirche aufgezogen wird, so ist es sicher, daß die Ge­

witter von der Seite Herkommen, schaut.

wo der Christus hin­ ((Eugenbad).)

Wenn es am Dreifaltigkeitstage regnet, diesem Jahre gerne Hochwasser.

gibt es in (Eugenbach.)

Wenn es an Medardus (8. Juni) regnet,

gibt es

schlechtes Heuwetter. — Medardus ist der Heubrunzer. (Allgemein.) Wenn es an St. Vitus

(15. Juni) regnet, wird ein

fruchtbares Jahr.

(Lugenbach.)

Ist an Johanni (24. Juni) schönes Wetter,

eine gute Ernte.

gibt

es

Deshalb gehen die Bäcker bei schönem

Wetter zum Wein, bei grobem Wetter lassen sie dieses sein. (Eugenbach.) Wenn es an Maria Heimsuchung (2. Juli) regnet, regnet es bis Maria Himmelfahrt (15. August). ((Eugenbad).) Iu Barthlmä (24. August) gehen die Wetter heim. (Eugenbach.)

Wenn der Agiditag oder Michaelitag schön ist, gibt

es einen guten Herbst.

(Lugenbach.)

Wie die 12 Tage von Weihnachten bis hl. Dreikönig

sind, so werden die 12 Monate des Jahres.

Diese 12 Tage

werden genau beobachtet und die Witterung genau ver­ zeichnet. Die Leute glauben fest daran. ((Eugenbad).)

232 3.

Weihnachtslied. Steffel: Holla, Lippel, was is das? 3 fürcht, beim Plunder! alleweil was. Mein, was soll dös Ding bedeuten? Hab no nigs ghört vom Taganläuten. Und jetzt is schon so licht, Daß ma jeden Pfennig siecht. Lippel: Wohl, dös Ding geht mir net ein, Daß heut der Tag scho da soll sein. Bin ja erst auf mein Bankl gsessen, Hab erst mein Grießmuß g'essen. Lieg noch koa Stund im Stroh, Ging scho wieder koa Ruh net o.

Wastl: Ich muaß do außi schaun. Darf, beim Plunder, gar nit traun, Hör alleweil '5 Hundert belln. Kunt ma Einer a Lamperl stehln. Hätt i 's ganze Jahr koan Lohn. Würd ma no heut oans g'stohln davon.

Lippel: Du, da schau, Wastl, da schau her; 3 wer woas mi nimmer mehr. Schau, i moa, i siech vo weiten Die Engel von dem Himmel reiten. Da schau hi, i bild mir ein, Es müßen all auskömma sein. Steffel: Ja, jetzt bleib i wohl nimmer da. Und spring scho glei flugs heim, Damit i doch dös Wunder seh. Eppas muß ja do sein gschegn. 3 denk, i red an (Engi 0, Er sagts scho, wenn er reden ko.

Lippi: Ja, Steffl, wogs und redn 0, Es hat dia Koano no nix do. Und da, schau, da is a netter Einer, Dös is wohl a ziemlich kleiner. Der wird kaum verstehn die Sprach, Muaßt halt um dös lauter schrein.

233 Wastl: Halt, Steffel, laß dir Zeit, Besinn di zerst, bevors di reut. Tu dort den größeren grüßen, Kunt in eppa sonst verdrüßen. Mußt scho a bißl artig sein. Die Engel sind gar zart und fein.

Steffel: Du, mei Engel, sei so guat Und sog ma, wos bedeuten thuat, Kömts alli da vom Himmel runta, Habts a Gschrei, machts d' Leut all munta. Seids ja wohl in größter Freud, Halt no jung und zweni gscheit. Engel: Ja, mei Steffel, horch nua grad, Wos sich heut Nacht zutrogn hat. Gott als Mensch ist auserkoren, Aus einer Jungfrau ist er geboren, Und zwar dort im schlechten Stall, Nur aus Lieb Euch Menschen all.

Steffel: Ei, so lüg, was fällt Dir ein, Wird wohl Gott net so dappat sein, Wird zu uns oba köma. Er künt uns ja leicht aufinehma. 3 ging gleich mit der größten Freud. Wär ma wohl der Weg net z'weit.

Engel: Ja, meine Hirten, ihr habt wohl recht. Die Menschen wären viel zu schlecht, Da sie Gott heimsuchen sollten, Statt Guts mit Bösem vergolten. Aber seine Liebe kennt ihr ja, Der Messias ist jetzt da. Lippel: Jetzt seids stat, jetzt habm mers scho, Messias ist der brave Mo. Habts ja in der Schrift scho glesen, Daß er uns dät all erlösen. Dös aber hätt ich nimmer glabt, Daß ichs noch erleben that. Engel: Nun geht gleich dorthin in den Stall Deinem Gott zu Füßen fall.

234 (Er ist reich, thut doch nichts habn, Drum bring von deinen Gabn. Er wird dirs vergelten schon Mit der ewigen Himmelskron. Wastl: Du, mei Engel, geh' voran, Sei so gut und führ mich an! Und wenn i halt that ungschickt redn, Thu mir no auf b’ Zeha tretn. 9U --- --

Hier ist das Thor, A bisl halt, i schneuz mir z'vor. Brüh dich Gott, schöns Kindlein! O, wie bist du so zart und fein! Und wie lappisch bist du, Mutter! Legst dein Kind aufn Viech sein Futter; Vater, du sollst g'scheiter sein, Sollst doch schaugn um a Bettl drein.

Und ös Engeln, seids ja Narrn! Steht da draußen a alter Karrn, Nehmt's an Esel, fahrt's in d' Stadt, Holts a Bettl, daß Kind oans hat.

Bst! Wastl, geh' gschwind hoam, Und sog mein Weiberl ins Gehoam, Sie soll no g'schwind a Muaßl kocha Und dös bringts miteinander nocha, An Löffel hab i scho bei mir, Aber's Muaßl, dös bringst du mit dir.

Und i lach jetzt, wos i ko, Und sag dö Kund vom Kindl o. Alle Hirtn müßn kömma, Mühn Opfer a mitnehma, Daß die armen heiligen Leut Iuchazen vor lauter Freud. Auf, auf, ihr Hirten, Lauft mit Begierden, Lauft mit uns auf die Weid Ihr Schäfersleut.

235 Was t5 das für a Schein? Wird jawohl koa Brunst net sein. Bin ma net gscheit gnuct, Daß ichs unterscheidn thua. Nein, meine lieben Leut', Es ist eine große Freud', Wie auch die alten Leut' Haben prophezeit.

Biele Jahr und Wochen Hats Gott versprochen, Daß der Messias stimmt Als a kloans Kind. Geht's liebe Nachbarsleut, Zu schaugn die große Freud. Gehts g'schwind nach Bethlehem, Wunder san g'schehn.

O du, mein lieber Gott, Bist in so großer Noth, Liegst da in Schnee und Wind Wegen unsrer Sund!

Aus frommer Lieb zu dir Bringen wir Gaben hier. Brod, Milch, Flachs und Lein Den lieben Eltern dein.

Ich bring an Jucker, Der bringt an Butter, Wir bringen Eier und Schmalz, Du brauchst ja all's. I hätt a schön's Lamperl, Mit an foasten Wamperl. Dös is a rechte Spais Für den alten Greis.

Do sand a paar Hasen, Die lost recht grasen. Sie machen gewiß große Freud Tuch, liebe Leut'. Und du, liabs Mutterl, Kriegst jetzt a Guterl

236 Für dein liab's Kindelein, Latz dir's halt g'fällig sein.

Nimm uns in Gnaden an, Zeig' uns die Himmelsbahn.

Gloria in excelsis Deo. Jetzt, ihr Hirten, singen wir Dem Kindlein noch ein Liedchen für, Datz es schlummre sanft und gut In der Engel sicheren Hut.

Schlaf wohl, du Himmelsknabe du, Schlaf wohl, du sützes Kind. Dich fächeln Engelein in Ruh Mit sanftem Himmelswind. Wir arme Hirten singen dir Ein herzig's Wiegenliedchen für. Schlafe, o schlafe, Himmelssöhnchen du! Maria hat mit Mutterblick Dich leise zugedeckt, Und Joseph hält den Hauch zurück, Daß er dich nicht erweckt. Die Schäslein, die im Stalle sind Erstaunen vor dir, Himmelskind, Schlafe, o schlafe, Himmelssöhnchen schlaf! Bald wirst du groß, bald fließt dein Blut Don Golgatha herab, Ans Kreuz schlägt dich der Menschen Wuth. Dann legt man dich ins Grab. Hab' immer deine Äuglein zu, Denn du bedarfst der sanften Ruh. Schlafe, o schlafe, Himmelssöhnchen, du! So schlummert in der Mutter Schoß So manches Kindlein ein, Doch wird das arme Kindlein groß, So fühlt es Angst und Pein. O Jesulein, durch deine Huld Hilf ihnen mit Geduld. Schlafe, o schlafe, Himmelssöhnchen du. (Nach einer Handschrift aus Altheim.)

237

IX. Lebenslauf. 1. Das Lebensalter. 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Jahr Jahr Jahr Jahr Jahr Jahr Jahr Jahr Jahr Jahr

ein Kind, ein Jüngling, ein Mann, wohlgetan, stille stahn, fängts Alter an, ein Greis, schneeweiß, ein Kinderspott, eine Gnad vor Gott.

Dieser Spruch ist allgemein bekannt, und nicht selten sieht man in Bauernhäusern ein Bild, das auf diesen Spruch Bezug hat. Das Bild stellt das Leben in aus­ steigender Linie bis zum 50. Jahre und in absteigender bis zum 100. Jahre als eine Doppelleiter oder als eine Brücke dar, die sich über einen Strom wölbt.

Spruch und Bild sind uralt.

So konnte die Beilage

zur „Allgemeinen Zeitung", Jahrgang 1906, Nr. 112, den

gleichen Spruch nach einer Handschrift vom 15. Jahr­ hundert veröffentlichen. (Er lautet:

10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

jar eyn kynt jar eyn jungeling jar eyn mann jar wolgetan stillestann abelann eyn greyse auf der weyse der lewthe spott erbarm dich unser,

barmhercziger almechtiger gott.

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2. Geburt. In manchem Kinde steckt bereits ein kleiner Philo­ soph. (Es findet sich nicht kurz mit der Tatsache ab, daß

ein neues Brüderlein oder Schwesterlein gekommen, son­

dern es beschäftigt sich lebhaft mit der Frage über das

Woher des neuen Weltbürgers. Freilich dringt es nur in den seltensten Fällen in das sorgsam gehütete Geheimnis ein, und es muh sich schließlich mit der Auskunft begnügen, daß das kleine Kind von der Hebamme aus dem Wasser gezogen oder im Holz draußen geholt worden sei. In Landshut und Achdors werden die Kinder in der Isar aufgefangen oder aus dem Brünnl bei der Wallfahrts­ kirche Berg, in Ahrain aus dem Mühlbach, in Essenbach aus dem Baderbach gezogen und ins Haus gebracht. Dabei ist die Mutter so erschrocken, daß sie krank wurde und sich ins Bett legen mußte. In besseren Familien bringt sie auch der Storch und beißt die Mutter dabei in den Fuß, daß sie sich niederlegen muß. Kinderlose Frauen wallfahren nach Maria Brünnl und erbitten dort Hilfe. Ist eine Frau in gesegneten Umständen, so hat sie sich vor plötzlichem Erschrecken zu hüten. Erschrickt sie an einer Maus, einem Frosche oder sonstigem Tiere, bekommt das zu erwartende Kind Tierähnlichkeit, einen Tierkopf,

Pfoten u. dgl. Erschrickt sie bei einer Feuersbrunst, und berührt sie dabei eine Stelle ihres Körpers, erhält das Kind an der gleichen Stelle ein Feuer- oder Muttermal. Sieht sie Früchte oder Speisen mit verlangenden

so darf sie wieder ihren Körper nicht betasten; denn am Körper des Kindes würde sich an der gleichen Stelle die betreffende Frucht Blicken an und erhält nichts davon,

oder Speise abgebildet

finden.

Deshalb

ist es Brauch,

den Frauen jederzeit Früchte u. dgl. anzubieten.

Eine schwangere Frau hatte großes Berlangen nach Erdbeeren.

Infolgedessen bekam das Kind ein Muttermal

239 von rötlicher Farbe, das von den Angehörigen Erdbeere genannt wurde. (Pörndorf.)

Eine andere erschrak vor einem Scher und berührte im Augenblicke ihren Hinterkopf. Das Kind bekam an dieser Stelle schwarze Haare, während es sonst rötliche Haare hatte. (Pörndorf.)

Wöchnerin und Kind sind zahlreichen Anfechtungen, geheimnisvollen Angriffen und schädlichen Zufällen aus­ gesetzt. Darum trägt die Wöchnerin den Ehering oder einen Ring von Wachs um das Handgelenk und hängt sich und dem Kinde geweihte Sachen und Amulette um. In Eugenbach hat die Wöchnerin geweihtes Wachs um das linke Handgelenk, damit die Drud nicht an der Mutterbrust saugt und dadurch dem Kinde schadet. Auch legt sie unter das Kopfpolster ein offenes Messer oder eine Schere oder steckt ein langes Messer in den Türstock oder malt mit Dreikönigskreide einen Drudenfuß an die Bettlade.

Wöchnerin und Kind dürfen nie allein gelassen werden, noch weniger darf erstere aus dem Hause gehen und das Kind allein zurücklassen. Das Kind könnte in solchen Fällen gegen einen Wechselbalg vertauscht werden. So ein Wechselbalg ist das Kind einer Hexe, es gedeiht nicht, schreit und strampelt mit den Füßen mit einer Kraft, die man einem so kleinen Geschöpfe gar nicht zutrauen möchte. Daher auch die Redensart: „Duschreist, arbeitest umeinander wie ein Wechselbalg," oder „bist ein wahrer Wechselbalg!" Es war eine Bäuerin in der Nachbarschaft. Die hatte ein Kind. Das Kind kränkelte und wollte gar nicht gedeihen. Der Bäuerin stieg der Berdacht auf, daß ihr gesundes Kind gegen einen Wechselbalg vertauscht worden sei. Da riet ihr jemand, sie solle, wenn einmal das Kind beim Baden niese, sagen: „Helf Gott!" Die Bäuerin tat

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es, und vom selben Augenblicke an gedieh das Kind. Unter dem Tische aber lag eine hölzerne Puppe, von der niemand müße, wie sie ins Haus gekommen. (Ahrain.)

Nachts schläft der Mann an der Seite der Wöchnerin, während das Kind quer zu Häupten liegt. 3m Ver­ hinderungsfälle trägt die Frau das Hemd des Mannes. — Springt eine Katze über das Kind, wird es ein Brettensteiger (Nachtwandler), ebenso, wenn der Geistliche bei den Taufgebeten ein Wort auslätzt.

War da vor Jahren in Altfraunhofen ein Bursche. Bei dem ist's bei der Taufe nicht richtig zugegangen. In­ folgedessen mutzte er, als er grötzer geworden, nachts bei Vollmond brettensteigen. 3n diesem Zustande schritt er schlafend über die höchsten Firste des dortigen Schlosses sicher hinweg. Einmal aber wurde er vom Nachtwächter angerufen. (Er erwachte und stürzte vom Giebel herab, und man trug ihn tot von der Stelle. Als bester Schutz für das Kind gilt die Taufe. Darum soll diese sobald als möglich vorgenommen werden. Meistens findet sie bereits am 2. Tage nach der Geburt statt. Schon einige Zeit vor dem (Eintritt des Ereignisses gehen Mann und Frau im Festesstaat zum „Gevatter­ bitten", d. h. sie suchen die „Gevattersleut" auf, die schon längst zugesagt haben, die Patenstelle zu übernehmen. Sie bitten sie, sich um die und die Zeit bereit zu halten. Bei den Gevattersleuten werden sie dann bewirtet.

Wird im Tale der Kleinen Vils der Gevatter zur Taufe gebeten, so lätzt er alles liegen und zieht eilig das Feiertagsgewand, den Gevatterrock an. Das mutz schnell gehen, damit der Neugeborne einmal recht flink werde und ihm die Arbeit rasch aus den Händen gehe.

Das erstgeborne Kind erhält gewöhnlich den Namen der Paten, das nächstgeborne den der (Eltern, die weiteren Kinder bekommen die Namen von Verwandten.

241 Die üblichen Namen sind Joseph, Michael, Johann,

Jakob, Franz, Xaver, Stephan, Sebastian und Kaspar, Maria, Theresia, Anna, Walburga, Franziska, Kreszenz, Notburga und Cäcilie. Uneheliche Kinder bekommen öfters, besonders wenn dem Geistlichen der ausgewählte Name nicht gefällt, die Namen der einschlägigen Tagesheiligen.

(Pörndorf.)

Der Täufling wird von der Hebamme in Begleitung des Vaters und Gevatters oder der Gevatterin zur Taufe zur Kirche getragen. Auf dem Wege dahin und zurück wird „die Kindstaufe angeschossen", d. h. die Nachbarn geben ihre Teilnahme durch Freudenschüsse kund. Die Gevatterin beschenkt das Kind mit einem soge­ nannten Tauftaler, ein Geldstück von 3 oder 5 Mark, und die Wöchnerin mit Jucker, Kaffee und süßem Gebäck.

Für das Kind, das mit dem am Kar- oder Pfingstsamstag neugeweihten Taufwasser zuerst getauft wird, soll die doppelte Taxe bezahlt werden. Diese erste Taufe heißt Eh-Taufe. Ein uneheliches Kind soll diese erste Taufe Nicht bekommen.

(Reichlkofen.)

Als eine besondere Gnade Gottes wird es angesehen, wenn ein Täufling das erste Wasser von dem am Pfingst-

samstag geweihten Taufwasser bekommt.

(Reichlkofen.)

Man sieht es gerne, wenn das neugeweihte Tauf­

wasser zuerst bei einem ehlichen Kinde benützt wird. Im anderen Falle läßt der Mesner die Leute im Glauben,

indem er ihnen vormacht, er habe zur Taufe des uneh­

(Achdorf.)

lichen Kindes altes Taufwasser aufbewahrt.

Bekommt ein uneheliches Kind die sogenannte Neu­ taufe (d. h. wird das neugeweihte Wasser zuerst bei einem unehelichen Kinde in Gebrauch genommen), so verhagelt

(Altheim.)

es in diesem Jahre die Ortsflur.

Nach vollzogenem Taufakt wäscht sich der Gevatter die Hände in der Tausschüssel. Polling er, Aus Landshut und Umgebung.

(Reichlkofen.) Iß

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Kinder, welche bei der Taufe schreien, kommen nicht dtzvon. (Münchnerau.) Wird ein Kind, wenn es zur Taufe getragen wird, Dom Regen naß, wird daraus ein Säufer. (Altheim.)

An den kirchlichen Akt reiht sich der weltliche an, d er Kindstaufschmauß. Derselbe wird im Wirtshause oder im eigenen Heim abgehalten. Dabei gibt es Suppe, zweierlei Fleisch, Bier und Branntwein, und es nehmen diarnn der Vater des Täuflings, die Gevattersleute, oft tiiud) der Pfarrer und Lehrer, Freunde und Bekannte teil.

Rach 2-4 Wochen ist das Weiset. Die Gevattersl'eut besuchen die Wöchnerin und das Kind und beschenken siie mit Jucker und Kaffee, Semmeln und Backwerk. Auch AZeiwondte und Bekannte kommen auf Besuch und bringen jKa^fee Jucker, Semmeln usw. Nach 3-4 Wochen geht die Wöchnerin mit ihrem ^Kirde zur Dersegnung in die Kirche. Sie wartet an der iKilcheitür (gilt sie doch als Heidin), wo sie vom Geistllichrn mit brennender Kerze in der Hand empfangen und iin die Kirche zum Altar geleitet wird. Am Altar spricht tfoer Priester verschiedene Gebete und Segnungen über sie. l^Mt tiefer kirchlichen Dersegnung verlieren die finsteren -Michie ihren Einfluß auf Wöchnerin und Kind. Auch cgil fit wieder als gleichberechtigtes Mitglied der Gemeinde. _ Gefallene Mädchen werden nicht vorgesegnet. Bei Bezahlung für Dorsegnung wird das für den