Unternehmerische Haftung in grenzüberschreitenden Wertschöpfungsketten: Eine international-privatrechtliche und international-prozessrechtliche Untersuchung rechtsträgerübergreifender Verkehrspflichten [1 ed.] 9783428585328, 9783428185320

Geschädigte von unternehmerischer Tätigkeit im Globalen Süden können zumeist weder die gaststaatliche Konzern- oder Zuli

125 59 6MB

German Pages 372 [373] Year 2022

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Unternehmerische Haftung in grenzüberschreitenden Wertschöpfungsketten: Eine international-privatrechtliche und international-prozessrechtliche Untersuchung rechtsträgerübergreifender Verkehrspflichten [1 ed.]
 9783428585328, 9783428185320

Citation preview

Schriften zum Internationalen Recht Band 235

Unternehmerische Haftung in grenzüberschreitenden Wertschöpfungsketten Eine international-privatrechtliche und international-prozessrechtliche Untersuchung rechtsträgerübergreifender Verkehrspflichten

Von

Paul Meder

Duncker & Humblot · Berlin

PAUL MEDER

Unternehmerische Haftung in grenzüberschreitenden Wertschöpfungsketten

Schriften zum Internationalen Recht Band 235

Unternehmerische Haftung in grenzüberschreitenden Wertschöpfungsketten Eine international-privatrechtliche und international-prozessrechtliche Untersuchung rechtsträgerübergreifender Verkehrspflichten

Von

Paul Meder

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Universität Rostock hat diese Arbeit im Jahre 2021 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2022 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0720-7646 ISBN 978-3-428-18532-0 (Print) ISBN 978-3-428-58532-8 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Herbst 2021 von der Juristischen Fakultät der Universität Rostock als Dissertation angenommen. Sie befindet sich auf dem Stand vom 1. Juni 2021. Nachfolgende Publikationen sowie Rechtsprechung konnten lediglich vereinzelt berücksichtigt werden. Auf das vom Bundesgesetzgeber 2021 verabschiedete, für diese Untersuchung jedoch nur sehr bedingt relevante „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten“ konnte ebenfalls vereinzelt Bezug genommen werden. Neben zahlreichen anderen Personen, die hier nicht alle namentlich genannt werden können, gilt mein Dank zunächst Herrn Prof. Dr. Markus Rehberg, der die Arbeit betreut und als Erstberichterstatter begutachtet hat. Für die Übernahme der Betreuung dieses politischen Themas möchte ich mich herzlich bedanken; insbesondere aber auch dafür, dadurch und durch die Beschäftigung an seinem Lehrstuhl überhaupt die Möglichkeit eröffnet bekommen zu haben, die Arbeit schreiben zu können. Des Weiteren bin ich sowohl ihm als auch meiner Zweitgutachterin, Frau Prof. Dr. Anja-Ursula Hucke, für konstruktive Kritik sowie die äußerst schnelle Erstellung des jeweiligen Gutachtens zu Dank verpflichtet. Ebenfalls zu großem Dank verpflichtet bin ich Herrn Michael Zunft für die kritische Durchsicht des Manuskripts, die damit verbundenen, konstruktiven Anregungen, sowie die Leidensgenossenschaft während der gemeinsamen ersten Examensvorbereitung in Leipzig. Schließlich danke ich meinem Mentor, Herrn Walter A. Ohne ihn wäre ich vermutlich nie in die Situation gekommen, überhaupt an das Verfassen einer Doktorarbeit zu denken. Möglicherweise hätte ich ohne seine Unterstützung nicht einmal mein Studium beendet. Ihm widme ich daher diese Arbeit. Hannover, im Januar 2022

Paul Meder

Inhaltsverzeichnis Kapitel 1 Einführung

23

§ 1 Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 A. Gang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 B. Eingrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 C. Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 D. Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 E. Aktuelle rechtliche Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 I. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 II. EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 § 2 Typische Fallkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 A. Rohstoffextraktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 I. Union Carbide in Bhopal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 1. Unternehmensstruktur und Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2. Gerichtsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 II. Shell in Nigeria . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 1. Unternehmensstruktur und Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 a) Umwelt- und Rechtsgutsverletzungen durch Ölförderung . . . . . . . . . 34 b) Auseinandersetzungen mit nigerianischen Sicherheitskräften . . . . . . 34 2. Gerichtsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 a) Umwelt- und Rechtsgutsverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 b) Auseinandersetzungen mit nigerianischen Sicherheitskräften . . . . . . 36 III. Cape plc in Südafrika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 1. Unternehmensstruktur und Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2. Gerichtsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 IV. Monterrico Metals und Rio Blanco Copper in Peru . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 1. Unternehmensstruktur und Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2. Gerichtsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 V. Unilever in Kenia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 1. Unternehmensstruktur und Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 2. Gerichtsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

8

Inhaltsverzeichnis VI. Danzer und Siforco im Kongo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 1. Unternehmensstruktur und Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 2. Gerichtsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 VII. Vedanta Resources in Sambia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 1. Unternehmensstruktur und Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2. Gerichtsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 VIII. Microsoft, Google, Apple, Dell und Tesla im Kongo . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 1. Geschäftsbeziehungen und Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 2. Gerichtsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 IX. Trafigura an der Elfenbeinküste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 1. Geschäftsbeziehungen und Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2. Gerichtsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 B. Einzelhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 I. ALDI-Zulieferer in China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 II. H&M- und Puma-Zulieferer in Kambodscha . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 III. KiK in Pakistan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 1. Geschäftsbeziehungen und Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 2. Gerichtsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 IV. Tazreen Fashion und Tuba Group in Bangladesch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 V. Rana Plaza . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 VI. Wintek in China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 C. Landwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 I. Nestlé und Luciano Romero in Kolumbien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 1. Unternehmensstruktur und Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 2. Gerichtsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 II. Zwangsarbeit auf thailändischen Fischfang-Schiffen? . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 III. Ananasanbau in Costa Rica . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 D. Staudämme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 I. Lahmeyer im Sudan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 II. Vale und TÜV Süd in Brasilien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

§ 3 Völkerrechtliche Jurisdiktionsbegrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 A. Völkerrechtliche Vorgaben für IZPR und IPR? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 B. Einmischungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 C. Genuine-link Erfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 I. Inlandsbezug als Voraussetzung zur Ausübung von Hoheitsgewalt . . . . . . 56 II. Intensität des Inlandsbezugs nach Rechtsgebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 1. Öffentliches Seerecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 2. Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 3. Staatsangehörigkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

Inhaltsverzeichnis

9

4. IPR und IZPR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 III. Mögliche Inlandsbezüge in wirtschaftsmenschenrechtlichen Fällen . . . . . . 60 1. Inlandsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 2. Beteiligung an bzw. vertragliche Beziehungen zu ausländischen Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 3. Mehrfache Warenlieferungen nach Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 4. Staatsangehörigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 a) Deutsche Mutter- und Abnehmergesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 b) Ausländische Tochter- und Zulieferergesellschaften . . . . . . . . . . . . . 62 aa) Barcelona Traction . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 bb) Internationales Investitionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 cc) Wann liegt Kontrolle vor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 D. Rechtspolitische Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 I. Folgen hoher Anforderungen an den genuine-link . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 II. Einheitliche Geltendmachung von Souveränitätsbedenken . . . . . . . . . . . . . 67

Kapitel 2 Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte

70

§ 4 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 A. Gerichtssysteme der Gaststaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 B. Klagegegner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 § 5 Klagen gegen Mutter- oder Abnehmergesellschaften mit Sitz in Deutschland . . . . . 75 § 6 Klagen gegen Konzern- oder Zulieferergesellschaften mit Sitz im Ausland . . . . . . . 76 A. Brüssel Ia-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 I. Vorrang des Arbeitnehmerschutzregimes gemäß Art. 20 I Brüssel Ia-VO? 77 II. Gerichtsstand für Klagen gegen den Arbeitgeber – Art. 21 II Brüssel Ia-VO 78 III. Kein Konzerngerichtsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 IV. Mehrparteiengerichtsstand – Art. 8 Nr. 1 Brüssel Ia-VO . . . . . . . . . . . . . . . 79 B. Nationales Prozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 I. Anwendbarkeit deutscher Zuständigkeitsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 1. Grundsatz: Nationales IZPR bei Drittstaatenbeklagten . . . . . . . . . . . . . . 80 2. Vorrang des Arbeitnehmerschutzregimes gemäß Art. 20 I Brüssel IaVO? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 3. Vorrang des Arbeitnehmerschutzregimes gemäß Art. 6 I Brüssel Ia-VO? 81 II. Nationale „Ankergerichtsstände“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 III. Gerichtsstand der unerlaubten Handlung – § 32 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 1. Maßgebliche Rechtsordnung für materiell-rechtliche Tatbestandsvoraussetzungen des § 32 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86

10

Inhaltsverzeichnis 2. Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 3. Schlüssige Behauptung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 IV. Vermögensgerichtsstand – § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 1. Verfassungsrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 b) Eingriff in den Justizanspruch des Beklagten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 c) Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 aa) Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 bb) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 cc) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 dd) Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 d) Verfassungskonforme Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 aa) In Betracht kommende Auslegungsvarianten . . . . . . . . . . . . . . . . 99 bb) Einwand: Gesetzgeber wusste um das Problem geringwertiger Vermögensstücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 cc) Verfassungskonformität der in Betracht kommenden Auslegungsvarianten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 2. Völkerrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 3. Auslegung abseits von Verfassungs- und Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . 105 4. „Rauhe Wirklichkeit“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 V. Forum necessitatis (Notzuständigkeit) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 1. Konstellationen und Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 2. Erscheinungsformen in ausländischen Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . 109 3. Verfassungs- und menschenrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 a) Vereinbarkeit der Notzuständigkeit mit dem Justizanspruch des Beklagten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 b) Internationale Reichweite des Justizanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 4. Völkerrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 a) Völkerrechtliches Müssen der Einrichtung von Notzuständigkeit . . . 117 b) Völkerrechtliches Dürfen der Einrichtung von Notzuständigkeit . . . . 118 5. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 a) Subsidiarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 b) Rechtsschutzhindernis im ausländischen Forum . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 aa) Unmöglichkeit einer Klage im ausländischen Forum . . . . . . . . . 120 bb) Unzumutbarkeit einer Klage im ausländischen Forum . . . . . . . . 121 (1) Internationale Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 (2) Konkretisierung der Unzumutbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 cc) Objektiv begründete Gefahr der Rechtsschutzvereitelung ausreichend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 c) Inlandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

Inhaltsverzeichnis

11

§ 7 Internationale Zuständigkeit de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 A. § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 B. Notzuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 C. Einfügung einer Nr. 5 in Art. 8 Brüssel Ia-VO? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 D. Korrektur von Art. 8 Nr. 1 Brüssel Ia-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132

Kapitel 3 Anwendbares Recht

133

§ 8 Klagen gegen deutsche Mutter- oder Abnehmergesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 A. Vertragliche Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 I. UN-Kaufrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 1. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 a) Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 b) Räumlich-persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 c) Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 2. Rückgriff auf nationales IPR gemäß Art. 7 II CISG . . . . . . . . . . . . . . . . 136 II. Rom I-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 1. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 2. Art. 4 Rom I-VO (Grundanknüpfung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 B. Deliktische Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 I. Sachlicher Anwendungsbereich der Rom II-VO bei Persönlichkeitsverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 II. Art. 7 Rom II-VO (Umweltschäden) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 1. Rechtsgutsverletzungen und Umweltschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 2. Handlungsort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 a) In Betracht kommende Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 b) Mosaik- oder Einheitslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 c) Übertragbarkeit der zu Art. 8 II Rom II-VO ergangenen EuGH-Entscheidung auf Art. 7 Rom II-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 d) Differenzierung nach Art der Pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 3. Erfolgsort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 4. Analoge Anwendung auf Menschenrechts- bzw. Rechtsgutsverletzungen 149 III. Art. 4 Rom II-VO (Grundanknüpfung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 1. Erfolgsort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 2. Offensichtlich engere Verbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 a) Vertrag (mit Schutzwirkung) zu Gunsten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . 152 b) Korrektur im Interesse des Opferschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 aa) Strenges deutsches und lasches ausländisches Recht? . . . . . . . . . 154 bb) Auslegung des Art. 4 III Rom II-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159

12

Inhaltsverzeichnis IV. Art. 17 Rom II-VO (Sicherheits- und Verhaltensregeln) . . . . . . . . . . . . . . . 160 1. In Betracht kommende Sicherheits- und Verhaltensregeln i. S. d. Art. 17 Rom II-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 2. Sich im Kontext von Art. 17 Rom II-VO stellende Probleme . . . . . . . . . 161 3. Vorliegen eines Distanzdelikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 V. Art. 16 Rom II-VO (Eingriffsnormen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 1. International zwingende Normen im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . 164 2. Das SorgfaltspflichtenG als Eingriffsnorm? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 3. Anwendung mitgliedsstaatlicher Eingriffsnormen? . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 VI. Art. 26 Rom II-VO (ordre public) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 C. Gesellschaftsrechtliche Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170

§ 9 Klagen gegen ausländische Konzern- oder Zulieferergesellschaften . . . . . . . . . . . . . 171 A. Vertragliche Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 I. Anwendungsbereich der Rom I-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 1. Arbeitsverhältnis zwischen ausländischer Gesellschaft und den Geschädigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 2. Qualifikation der Haftung für verletzte Bestandsinteressen des Vertragspartners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 II. Art. 8 II Rom I-VO (Individualarbeitsverträge) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 B. Deliktische Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 § 10 Anwendbares Recht de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 A. Sachgerechte kollisionsrechtliche Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 B. Eingriffslösung oder Wahlrecht der Geschädigten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 I. Vorschlag im draft report zur Änderung der Rom II-VO (Art. 6a) . . . . . . . 177 II. Erwägungen zugunsten einer solchen Änderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 III. Erwägungen gegen eine solche Änderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 C. WertschöpfungskettenG als Eingriffsnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 I. Völkerrechtskonformität präskriptiver Jurisdiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 II. „Große“ oder „kleine“ kollisionsrechtliche Lösung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 1. Ausgestaltungsmöglichkeiten einer Eingriffsnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 2. Aufwendige Fremdrechtsermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 3. Fremdrechtsermittlung als generelle Herausforderung im IPR . . . . . . . . 183 4. Erfolgsortprinzip und Entscheidungseinklang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184

Inhaltsverzeichnis

13

Kapitel 4 Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

186

§ 11 Abriss der materiellen Rechtslage de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 A. Mögliche Anknüpfungspunkte im geltenden Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 I. Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 II. Vertrag zu Gunsten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 III. Geschäftsherrenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 1. Konzernierte Verbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 2. Vertragliche Verbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 IV. Haftung für eigene Verkehrs- bzw. Sorgfaltspflichtverletzung . . . . . . . . . . 194 1. Konzernierte Verbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 2. Vertragliche Verbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 V. Durchgriffshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 B. Menschenrechtliche Spezialregelungen im internationalen Vergleich . . . . . . . . . 198 I. Frankreich: loi relative au devoir de vigilance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 1. Regelungsadressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 2. Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 3. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 II. USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 1. Dodd-Frank Act . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 a) Regelungsadressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 b) Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 c) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 2. Victims of Trafficking and Violence Protection Act . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 a) Regelungsadressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 b) Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 c) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 3. Kalifornien: Transparency in Supply Chains Act . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 a) Regelungsadressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 b) Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 c) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 III. Großbritannien: Modern Slavery Act . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 1. Regelungsadressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 2. Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 3. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 IV. Niederlande: Wet Zorgplicht Kinderarbeid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 1. Regelungsadressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 2. Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 3. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207

14

Inhaltsverzeichnis V. EU: Holzhandelsverordnung/HolzSiG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 1. Regelungsadressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 2. Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 3. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 VI. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208

§ 12 Erforderlichkeit rechtsträgerübergreifender Sorgfaltspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 A. Zweifelhafte Anreizstruktur der geltenden Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 I. Hinsichtlich deliktischer Verkehrspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 II. Hinsichtlich innergesellschaftlicher Haftung von Leitungsorganen . . . . . . 212 B. Folgen von Transnationalisierung und Verhaltensanreizen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 I. Transnationalisierung von Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 1. Ausländische Niederlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 2. Gründung eines neuen oder Beteiligung an einem ausländischen Rechtsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 3. Kauf von lokalen Zulieferern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 4. Auswirkungen dieser Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 II. Verhaltensanreize . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 1. Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 2. Lieferkette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 III. Kombination von Transnationalisierung und Verhaltensanreizen . . . . . . . . 219 1. Ungefährliche Tätigkeiten werden gefährlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 2. Mangelndes Bewusstsein über Auslandswirkungen von Unternehmensaktivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 3. Kein Problem: Mangelnder Inlandsbezug von Eingriffsnormen/ordre public . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 C. Status quo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 I. UN- und OECD-Leitprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 II. Freiwillige Selbstverpflichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 III. Berichtspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 D. Sorgfaltspflichten als Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 I. Wiederherstellung wirksamer Verhaltensanreize . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 II. Sachgerechter dogmatischer Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 1. Vertrag mit Schutzwirkung (zu Gunsten) Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 2. Durchgriffshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 3. Deliktsrechtliche Generalklausel für Menschenrechtsverletzungen . . . . 224 4. Deliktische Sorgfalts- bzw. Verkehrspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 5. Gesellschaftsrechtliche Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225

Inhaltsverzeichnis

15

§ 13 Politische und rechtliche Einwände gegen ein WertschöpfungskettenG . . . . . . . . . . 226 A. Abriss politischer Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 I. Wettbewerbsnachteil Wirtschaftsstandort Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . 227 II. Rückzug deutscher/europäischer Unternehmen aus dem Auslandsgeschäft 228 III. Abwanderung deutscher Unternehmen in Länder ohne Sorgfaltspflichten 229 IV. Keine Verbesserung des Rechtsgüterschutzes in Entwicklungsländern . . . . 230 V. Europäische Regelung macht deutsche Initiative obsolet . . . . . . . . . . . . . . 231 VI. Schädliche Klageindustrie nach US-amerikanischem Vorbild . . . . . . . . . . . 232 B. Rechtliche Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 I. Verhaltenssteuerung durch Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 II. Hindernis Haftungsbeschränkung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 1. Wohlfahrtsfördernde Funktion der Haftungsbeschränkung . . . . . . . . . . . 236 2. Wohlfahrtsförderung im Konzern? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 3. Externalisierung: Verlagerung potenzieller Kosten auf Deliktsgläubiger 238 4. Gesellschafter als bessere Risikoträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 5. Haftungsbeschränkung als einfachgesetzliches Prinzip . . . . . . . . . . . . . . 242 III. Sperrwirkungen gesellschaftsrechtlicher Ausgleichsmechanismen? . . . . . . 243 IV. Verhältnis zu vertraglichen Haftungsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 V. Haftung für das Verhalten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 § 14 Regelungsvorschlag haftungsbezogener Aspekte eines WertschöpfungskettenG . . . 247 A. Normzweck (§ 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 I. Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 II. Konkretisierung und Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 B. Anwendungsbereich (§ 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 I. Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 II. Konkretisierung und Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 1. Verpflichtete (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 a) Keine Erfassung ausländischer Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 b) Große Gesellschaften (Abs. 1 Nr. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 c) Mittelgroße Gesellschaften (Abs. 1 Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 aa) Hochrisikosektor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 bb) Konflikt- und Hochrisikogebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 2. Berechtigte (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 3. Räumliche Begrenzung des Gesetzes (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 a) Grenzüberschreitende Geschäftsaktivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 b) Typische Gefahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 4. Geschäftstätigkeit (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 C. Pflicht zur Risikoanalyse (§ 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 I. Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256

16

Inhaltsverzeichnis II. Konkretisierung und Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 1. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 2. Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 3. Richtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 a) Kriterien zur Bestimmung der Richtung der Risikoanalyse . . . . . . . . 259 b) Begrenzung der Risikoanalyse auf die Wertschöpfungskette des Endprodukts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 4. Frequenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 5. Relevanz für die zivilrechtliche Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 D. Pflicht rechtsgüterschützende Maßnahmen zu ergreifen (§ 4) . . . . . . . . . . . . . . . 262 I. Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 II. Konkretisierung und Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 1. Rechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 a) Geschützte Rechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 b) Was fehlt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 c) Schwierigkeiten der zivilrechtlichen Konkretisierung von Menschenrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 aa) Umwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 bb) Soziale Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 cc) Existenzsichernde Löhne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 dd) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 d) Exkurs: Lösungsvorschlag für existenzsichernde Löhne . . . . . . . . . . 269 aa) Lösung 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 bb) Lösung 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 2. Systemische Rechtsgutsverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 a) Erforderlichkeit eines einschränkenden Kriteriums . . . . . . . . . . . . . . 272 b) Herkunft und Inhalt des Kriteriums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 c) Abgrenzung systemische/nicht-systemische Rechtsgutsverletzungen 273 d) Abgrenzung zu „typischen Gefahren“ gemäß § 2 III WertschöpfungskettenG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 3. Dogmatische Einordnung der Schadensvorhersehbarkeit (Abs. 1 S. 2) 274 4. Fallgruppenbezogene Konkretisierung und Begründung der Pflicht . . . . 275 a) Lieferkette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 aa) Drücken von Preis und Lieferzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 (1) Vorgehensweise und Art des Einflusses der Abnehmerunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 (2) Inhalt und Reichweite der Pflicht in diesen Fällen . . . . . . . . . 277 bb) Mangelhafte Sicherheitsstandards im Zuliefererbetrieb . . . . . . . . 279 (1) Fehlende rechtliche Zutrittsbefugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 (2) Vorauswahl und Sanktionierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279

Inhaltsverzeichnis

17

(3) Langfristige Geschäftsbeziehungen und Kooperation zwischen Abnehmer und Zulieferer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 cc) Kauf vom Händler am Beispiel der Lieferkette von Metallerz . . 281 (1) Charakteristika dieser Art von Lieferketten . . . . . . . . . . . . . . 282 (2) Pflichten beim Kauf vom Großhändler . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 (3) Pflichten beim Kauf vom Schmelzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 (4) Pflichten beim Komponentenkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 dd) Rechtsgutsverletzung in nachgelagerten Ebenen der Lieferkette 285 (1) Gründe für Pflichten betreffend Zulieferer in tieferen Ebenen der Lieferkette . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 (2) Einflussmöglichkeiten auf Zulieferer in tieferen Ebenen . . . . 287 (3) Begrenzung der Pflicht auf die Lieferkette des Endprodukts 288 (4) Tiefere Zuliefererebenen im SorgfaltspflichtenG . . . . . . . . . . 288 ee) Zulieferer weigert sich Maßnahmen umzusetzen . . . . . . . . . . . . . 289 (1) Gründe für die Pflicht zur Beendigung der Geschäftsbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 (2) Wechselwirkungen mit anderen deliktischen Tatbestandsmerkmalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 ff) Erhöhung des Einflusses deutscher Gesellschaften . . . . . . . . . . . 292 b) Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 aa) Gesellschaftsrechtliche Einflussmöglichkeiten im Mutter-Tochter-Verhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 (1) Kontrollrechte im deutschen Gesellschaftsrecht: Vertragsund faktischer Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 (2) Internationales Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 (3) Rechtsvergleichender Abriss gesellschaftsrechtlicher Kontrollrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 bb) Aktive Handlung durch Tochterunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . 296 (1) Paramilitärs in Konfliktregionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 (2) Staatliche Sicherheitskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 cc) Mangelhafte Sicherheitsstandards in Konzerngesellschaften . . . . 298 (1) Leckende Ölpipelines im Shell-Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 (2) Dazwischentreten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 (3) Parallelen zur Lieferkettenkonstellation . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 5. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 a) Allgemeine Kriterien zur Beweislastverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 b) Modifikation kollisionsrechtlich nicht zur Anwendung berufener Tatbestandsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 c) Pflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 d) Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 e) Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304

18

Inhaltsverzeichnis E. Subsidiäre Inanspruchnahme der deutschen Gesellschaft (§ 5) . . . . . . . . . . . . . . 304 I. Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 II. Konkretisierung und Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 1. Konzern- bzw. Zulieferergesellschaft als idealtypisch Hauptverantwortliche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 2. Verjährungshemmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 3. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 a) Unzureichende Haftungsmasse (Abs. 1 S. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 b) Sonstige Gründe (Abs. 1 S. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 F. Kollisionsrechtlicher Anwendungsbefehl (§ 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 I. Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 II. Konkretisierung und Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308

Kapitel 5 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

309

Anhang: Vorschlag für ein WertschöpfungskettenG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367

Abkürzungsverzeichnis AcP AEMR AEntG AEUV AG AktG AMG AöR ARP AuR BB BDA BGB BGH BITs BMAS BMZ Brüssel Ia-VO B.V. BVerfG BVerfGE CCZ CISG CSR DB DRiZ DR Kongo EBOR ECCHR ECHR ECPIL EG EGMR EMRK

Archiv für die civilistische Praxis Allgemeine Erklärung der Menschenrechte Gesetz über zwingende Arbeitsbedingungen für grenzüberschreitend entsandte und für regelmäßig im Inland beschäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Die Aktiengesellschaft Aktiengesetz Arzneimittelgesetz Archiv für öffentliches Recht Arbeitsschutz in Recht und Praxis Arbeit und Recht Betriebsberater Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Bilateral Investment Treaties Bundesministerium für Arbeit und Soziales Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen besloten vennootschap met beperkte aansprakelijkheid (niederländische Kapitalgesellschaftsform) Bundesverfassungsgericht Sammlung der Entscheidungen des BVerfG Corporate Compliance Zeitschrift United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods Corporate Social Responsibility Der Betrieb Deutsche Richterzeitung Demokratische Republik Kongo European Business Organization Law Review European Center for Constitutional and Human Rights European Convention on Human Rights European Commentaries on Private International Law Europäische Gemeinschaft Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Europäische Menschenrechtskonvention

20 Erwgr. et al. EU EuGH EuLF EUV EuZW EWS FamFR FAZ FS GBP GmbH GmbHG GRUR-Prax GWR HGB HuV ICJ ICSID IGH i. H. v. IIC inc IPR IPRax i. S. v. IZPR IZVR JArbSchG JETL JN JURA JuS JZ KG LG ltd MiLoG NACE NJ NJW NS NZA NZG

Abkürzungsverzeichnis Erwägungsgrund et alii Europäische Union Europäischer Gerichtshof The European Legal Forum Vertrag über die Europäische Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht Familienrecht und Familienverfahrensrecht Frankfurter Allgemeine Zeitung Festschrift Great Britain Pound Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Praxis im Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht Handelsgesetzbuch Humanitäres Völkerrecht International Court of Justice International Center for the Settlement of Investment Disputes Internationaler Gerichtshof in Höhe von International Review of Intellectual Property and Competition Law incorporated Internationales Privatrecht Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts im Sinne von Internationales Zivilprozessrecht Internationales Zivilverfahrensrecht Jugendarbeitsschutzgesetz Journal of European Tort Law Jurisdiktionsnorm (Österreich) Juristische Ausbildung Juristische Schulung JuristenZeitung Kommanditgesellschaft Landgericht limited Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns, Mindestlohngesetz Nomenclature statistique des activités économiques dans la Communauté européenne (Statistische Systematik der Wirtschaftszweige in der EG) Neue Justiz Neue Juristische Wochenschrift Nationalsozialismus Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht

Abkürzungsverzeichnis NZI NZV OECD OEIGWG

21

Neue Zeitschrift für Insolvenz- und Sanierungsrecht Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht Organisation for economic co-operation and development Open-ended intergovernmental working group on transnational corporations and other business enterprises with respect to human rights OGH Oberster Gerichtshof (Österreich) OLG Oberlandesgericht ÖZöR Österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht PKW Personenkraftwagen plc public limited company ProdHaftG Gesetz über die Haftung für fehlerhafte Produkte RabelsZ Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht RdA Recht der Arbeit RDSC Royal Dutch Shell plc RdTW Recht der Transportwirtschaft Redig Redigiert RIW Recht der internationalen Wirtschaft Rom I-VO Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht Rom II-VO Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht S.A. Société Anonyme SGB Sozialgesetzbuch Siforco Société Industrielle et Forestiére du Congo SorgfaltspflichtenG Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten vom 16. Juli 2021 SPDC Shell Petroleum Development Company of Nigeria SRÜ Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen StGB Strafgesetzbuch u. a. unter anderem UK United Kingdom UN United Nations UNGPs United Nations Guiding Principles on Business and Human Rights VO Verordnung WOZ Die Wochenzeitung ZAR Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik ZChinR Zeitschrift für chinesisches Recht ZEuP Zeitschrift für Europäisches Privatrecht ZfPW Zeitschrift für die gesamte Privatrechtswissenschaft ZfRV Zeitschrift für Europarecht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung ZGR Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht ZHR Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ZPO Zivilprozessordnung ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik

22 ZUR ZVertriebsR ZVglRWiss ZZP

Abkürzungsverzeichnis Zeitschrift für Umweltrecht Zeitschrift für Vertriebsrecht Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft Zeitschrift für Zivilprozess

Kapitel 1

Einführung § 1 Untersuchung Zunehmend globalisierter Handel, gepaart mit „regional begrenzter Rechtsstaatlichkeit“1, führte in den letzten 50 Jahren zu sich stark unterscheidenden Arbeitsund Umweltstandards auf der Welt. Global agierende Konzerne entfalten Geschäftstätigkeit in sich regulierungstechnisch gegenseitig unterbietenden2 Entwicklungsländern. Die Zustände in den südostasiatischen Textilfabriken oder zentralafrikanischen Minen sind aufgrund wiederkehrender Skandale auch für die westlichen Gesellschaften kein Geheimnis mehr. Unter anderen Unglücken erleiden Arbeiterinnen und Arbeiter3 aufgrund mangelnder Sicherheitsstandards häufig Arbeitsunfälle.4 In einem der der drastischsten Unfälle aus jüngerer Zeit stürzte in der Hauptstadt Bangladeschs, Dhaka, das Geschäftsgebäude Rana Plaza ein. Bei dem Einsturz kamen mindestens 1.127 Menschen ums Leben. In den sich im Gebäude befindlichen Produktionshallen produzierten bangladeschische Textilunternehmen Bekleidung – unter anderem auch für deutsche Modemarken wie C&A und KiK. Innerhalb der letzten Jahre griffen auch deutsche Wirtschaftsunternehmen diese Problematik auf: Soziale und ökologische Nachhaltigkeit avancierte nicht nur in Deutschland zu einer wichtigen branchenübergreifenden Marketingstrategie. Dies belegen z. B. entsprechende Werbemaßnahmen der meisten Supermarktketten. Einer Umfrage zufolge unterstützen 91 % der deutschen Bevölkerung die Forderung, die deutsche Politik müsse Unternehmen hinsichtlich Menschenrechte und Sozialstandards stärker in die Pflicht nehmen. 75 % befürworten explizit eine entsprechende gesetzliche Regelung.5 In der Politik rückte das Thema in vergangener Zeit zunehmend in den Fokus: „Eine Stärkung des Freihandels erfordert auch eine bessere Umsetzung sozialer und 1 Halfmeier, FS Magnus, 2014, S. 433. Siehe auch Dolzer, Bitburger Gespräche 2003, S. 89 f.: „Dichotomie von Recht und Wirtschaft“. 2 Geistfeld, JETL 2019, 132. 3 Nur aus Praktikabilitätsgründen wird im Folgenden bei Substantiven, welche sowohl männliche als auch weibliche Personen beschreiben, ausschließlich die männliche Form verwendet. 4 Siehe zu Beispielsfällen sogleich Kapitel 1, § 2 (S. 32 ff.). 5 Infratest dimap, Umfrage Lieferkettengesetz KW 37/2020, https://lieferkettengesetz.de/ wp-content/uploads/2020/09/infratest-dimap_Umfrage-Lieferkettengesetz.pdf.

24

Kap. 1: Einführung

ökologischer Standards, insbesondere in internationalen Lieferketten. […] Unser Ziel sind menschenwürdige Arbeitsbedingungen weltweit“ sagte Angela Merkel in ihrer Regierungserklärung zum deutschen G7 Gipfel 2015.6 Seit dieser Aussage schritt die Diskussion mit großen Schritten voran: Auf nationaler, europäischer wie auch UN-Ebene strebt der Gesetzgeber nach verbindlichen Sorgfaltspflichten für Unternehmen. In Deutschland verabschiedete der Bundestag im Juli 2021 auf Initiative der Bundesregierung und nach langer Vorarbeit des BMZ und BMAS das „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten“ (SorgfaltspflichtenG). Die EU plant eine Corporate Due Diligence and Corporate Accountability Directive7 und die UN veranstalteten im Oktober 2020 die sechste Tagung der intergovernmental working group on transnational corporations and other business enterprises with respect to human rights. Hier diskutierten die Staaten einen zweiten Entwurf8 für ein globales, völkerrechtlich verbindliches Regelungsregime. Auch die deutsche rechtswissenschaftliche Forschung nimmt sich das Thema zu Herzen. Diese Untersuchung ist nicht die Einzige. Allein seit dem Bearbeitungsbeginn dieser Dissertation im Dezember 2018 erschienen drei deutsche, rechtswissenschaftliche Doktorarbeiten zum Thema der unternehmerischen Haftung für Menschenrechtsverletzungen9 und eine inzwischen kaum mehr zu überblickende Anzahl an Sammelband- und Zeitschriftenbeiträgen. Vor dem Hintergrund der Zustände in Textilfabriken oder Kupferminen stellt sich die Frage, wie sich diese Probleme regulieren lassen. Die vorliegende Untersuchung versucht, diese Frage zu beantworten. Das kann sie allerdings nicht umfassend, sondern nur bezüglich der enthaltenen zivilrechtlichen Fragestellungen. Dabei geht es konkret darum, ob bzw. wie durch die Zustände in den Fabriken und Minen Geschädigte, also Arbeitnehmer oder Anwohner, Schadensersatz von beteiligten Unternehmen fordern können. Dabei stellen sich Probleme im internationalen Privatund Zivilverfahrensrecht, im Völkerrecht und im Gesellschaftsrecht. Die Untersuchung stellt die geltende Rechtslage vor, um diese Erkenntnisse schließlich im vierten Kapitel für die Ausarbeitung eines Regelungsvorschlags zu nutzen. Dabei orientiert sie sich an den bisher in Politik und Wissenschaft die meiste Zustimmung erfahrenden, rechtsträgerübergreifenden, deliktischen Sorgfaltspflichten für Unternehmen. Aufgrund derer könnten Geschädigte aus den Produktionsstaaten Scha6 Deutsche Bundesregierung, Regierungserklärung von Angela Merkel vom 21. 05. 2015, https://www.g7germany.de/Content/DE/Regierungserklaerung/2015/2015-05-21-regierungserk laerung.html. 7 European Parliament, Draft Report. 8 Open-Ended Intergovernmental Working Group Chairmanship, Legally Binding Instrument to Regulate, in International Human Rights Law, the Activities of Transnational Corporations and other Business Enterprises, 06. 08. 2020, https://www.ohchr.org/Documents/ HRBodies/HRCouncil/WGTransCorp/Session6/OEIGWG_ChairRapporteur_second_revised_ draft_LBI_on_TNCs_and_OBEs_with_respect_to_Human_Rights.pdf. 9 Haider, Haftung von transnationalen Unternehmen und Staaten für Menschenrechtsverletzungen, 2019; Görgen, Unternehmerische Haftung in transnationalen Menschenrechtsfällen, 2019; von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020.

§ 1 Untersuchung

25

densersatz- oder Unterlassungsklagen vor den Gerichten der Heimatstaaten der am Kopf der Wertschöpfungskette stehenden Unternehmen (regemäßig diejenigen Unternehmen, die die Produkte an den Endkonsumenten vertreiben) anstrengen. Diesen Trend zur „verbindlichen Verrechtlichung“10 in Abgrenzung zu den von vielen Unternehmensverbänden favorisierten, freiwilligen Selbstverpflichtungen verfolgt auch die vorliegende Analyse.

A. Gang Nach der Darstellung einiger typischer Sachverhaltskonstellationen in § 2 werden in § 3 die völkerrechtlichen Jurisdiktionsgrenzen identifiziert. Dies ist notwendig, um zu bestimmen, wie weit die internationale Zuständigkeit deutscher Zivilgerichte und materiell-rechtliche Regelungsmöglichkeiten völkerrechtlich reichen dürfen. Da verschiedene Staaten, Rechtsordnungen und Gerichte in diesen Sachverhalten betroffen sind, folgt die Erörterung internationalzivilprozessualer (§ 4 bis § 6 ) und -privatrechtlicher (§ 8 und § 9 ) Grundlagen. § 6 diskutiert, wann deutsche Gerichte für Klagen gegen ausländische Konzernoder Zuliefererunternehmen zuständig sind. Einen Schwerpunkt bildet hier die Verfassungsmäßigkeit des § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO und der Notzuständigkeit. Es stellt sich in § 7 heraus, dass diese beiden Gerichtsstände bei richtiger Auslegung eine solide Grundlage für Klagen gegen ausländische Gesellschaften bieten, der Gesetzgeber in dieser Hinsicht mithin nicht tätig werden muss. § 8 und § 9 beschreiben die geltende, internationalprivatrechtliche Rechtslage – zunächst bezüglich Klagen gegen deutsche Mutter- bzw. Abnehmergesellschaften und darüber hinaus bezüglich ausländischen Konzern- bzw. Zulieferergesellschaften. Dies ist insbesondere deshalb notwendig, um in § 10 rechtspolitische Schlussfolgerungen hinsichtlich der Ausgestaltung von Eingriffsnormen zu ziehen. § 11 bis § 14 widmen sich dem materiellen Recht. Da eine Untersuchung verschiedener ausländischer, nach dem IPR eigentlich anwendbarer Rechtsordnungen den Geschädigten nicht zwangsläufig weiterhilft – diese Rechtsordnungen sehen wie die deutsche Rechtsordnung nur in absoluten Ausnahmefällen rechtsträgerübergreifende Verkehrspflichten vor – und zudem auch den Kern der derzeit geführten, rechtspolitischen Diskussion verfehlen würde, wird in diesem Kapitel 4 eine mögliche, materiell-rechtliche Ausgestaltung von Sorgfaltspflichten im deutschen Recht untersucht. Dafür gibt § 11 einen Überblick über den Forschungsstand der rechtswissenschaftlichen Literatur zur geltenden, deliktischen Rechtslage. In einem zweiten Schritt werden explizit wirtschaftsmenschenrechtliche Regelungen anderer Länder vorgestellt. Dabei wird sich herausstellen, dass das anwendbare, ausländische Deliktsrecht Anreize für Mutter- und Abnehmerunternehmen schafft, auf die Wirtschaftstätigkeit ihrer ausländischer Konzern- und Zuliefererunternehmen 10

Bodenstein, Human Rights CMS, 2020, S. 5.

26

Kap. 1: Einführung

möglichst wenig (positiven) Einfluss zu nehmen. § 12 beleuchtet, inwiefern diese Verhaltensanreize, kombiniert mit einem Outsourcing arbeitsintensiver Prozesse in governanceschwache Staaten, typische wirtschaftsmenschenrechtliche Fälle reproduzieren. Nach der Würdigung politischer wie rechtlicher Argumente gegen die Einführung von Sorgfaltspflichten in § 13 wird in § 14 ein Gesetzgebungsvorschlag hinsichtlich der haftungsbezogenen Aspekte des Problems vorgestellt. Kerninstrument dieses Vorschlags ist eine als Eingriffsnorm ausgestaltete, rechtsträgerübergreifende Sorgfaltspflicht. Diese „Pflicht, rechtsgüterschützende Maßnahmen zu ergreifen“ wird im Anschluss konkretisiert, um so möglichst gut zu bestimmen, was Unternehmen genau tun müssen.11

B. Eingrenzung Wie im Titel bereits hervorgehoben, betrifft diese Untersuchung die zivilrechtliche Verantwortung deutscher und europäischer Unternehmen für ihre Tätigkeiten in Drittstaaten. Mit dieser Weichenstellung fallen bereits zahlreiche verwandte Themenkreise aus dem Sichtfeld dieser Darlegung: Nicht untersucht werden Klagen von Konsumenten, die wegen nicht eingehaltener Nachhaltigkeitsversprechungen kaufrechtliche Mängelansprüche gegen Unternehmen geltend machen.12 Ebenfalls nicht behandeln wird diese Studie, ob die Bundesrepublik Deutschland oder die EU verfassungs- oder menschenrechtlich verpflichtet ist, ihren Unternehmen extraterritoriale Verpflichtungen aufzuerlegen.13 Auch nicht untersucht werden öffentlichrechtliche Regelungsoptionen des Problems wie z. B. eine dem deutschen Strafrecht bisher nicht bekannte Strafbarkeit juristischer Personen14, verwaltungsrechtliche Durchsetzungsmöglichkeiten einer Sorgfaltspflicht15, lauterkeits-16 oder investiti11

Kapitel 4, § 14 D.II.4. (S. 275 – 300). Die folgenden Verweise auf verwandte, hier jedoch nicht behandelte Themen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Zu kaufrechtlichen Konstellationen: Lüttringhaus, AcP 219 (2019), 30 ff.; Görgen, Unternehmerische Haftung in transnationalen Menschenrechtsfällen, 2019, S. 428 ff. 13 Dazu teilweise Haider, Haftung von transnationalen Unternehmen und Staaten für Menschenrechtsverletzungen, 2019, S. 137 ff.; Görgen, Unternehmerische Haftung in transnationalen Menschenrechtsfällen, 2019, S. 126 f.; Augenstein, Study of the Legal Framework on Human Rights and the Environment Applicable to European Enterprises Operating Outside the European Union, 2008, S. 18 ff. 14 Haider, Haftung von transnationalen Unternehmen und Staaten für Menschenrechtsverletzungen, 2019, S. 494 ff.; Augenstein, Study of the Legal Framework on Human Rights and the Environment Applicable to European Enterprises Operating Outside the European Union, 2008, S. 56 ff.; Hilpold, in: Unternehmensverantwortung und internationales Recht, 2020, S. 211 – 213; Pietropaoli, Business, Human Rights and Transitional Justice, 2020, S. 67 – 89. 15 Klinger/Krajewski/Krebs/Hartmann, Verankerung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen im deutschen Recht, 2016, S. 77 ff. 16 Haider, Haftung von transnationalen Unternehmen und Staaten für Menschenrechtsverletzungen, 2019, S. 480 ff.; Görgen, Unternehmerische Haftung in transnationalen Men12

§ 1 Untersuchung

27

onsschutzrechtliche17 Ansätze oder staatshaftungsrechtliche Klagen18. Die im letzten Kapitel konkretisierte Sorgfaltspflicht bietet jedoch möglicherweise auch für einige dieser Themenkreise eine Grundlage. Gegen ein strafrechtliches Vorgehen sprechen bereits die komplizierteren Beweiserhebungsverfahren. Diese gestalten sich schwierig, wenn die Geschehnisse – wie hier – so weit entfernt sind.19 Allerdings können verwaltungs- und strafrechtliche Regelungen gegebenenfalls den hier verfolgten, zivilrechtlichen Ansatz gut ergänzen. Dem wird aber nicht weiter nachgegangen.20 Im Vordergrund dieser Untersuchung stehen grenzüberschreitende Konstellationen. In diesen Konstellationen entfaltet ein deutsches oder europäisches Unternehmen mittels ausländischer Konzern- oder Zulieferergesellschaften dort Geschäftsaktivität. Es geht somit nicht um unternehmerische Verantwortung deutscher Unternehmen innerhalb Deutschlands. Hier ebenfalls keine Rolle spielt, ob Unternehmen (1) bereits de lege lata an Grund- oder Menschenrechte gebunden sind oder (2) Unternehmen (a) als Völkerrechtssubjekte gelten21 oder (b) völkerrechtliche Verpflichtungen treffen.22 Obgleich mit diesem Thema eng verwandt, klammert die Untersuchung Fragen des Umweltschutzes weitgehend aus. Es geht hier vordergründig um den Menschenrechts-, bzw. zivilrechtlich gesprochen, den Rechtsgüterschutz. Der Teil zum internationalen Zivilprozessrecht geht nur auf die internationale Zuständigkeit ein. Andere denkbare zivilprozessualen Probleme wie Prozessfinanzierung, anwaltliche Vertretung, Beweisbeschaffung aus dem Ausland, Sachverhaltsermittlung23 und Instrumente des kollektiven Rechtsschutzes bleiben außen vor.24 schenrechtsfällen, 2019, S. 442 ff.; Klinger/Krajewski/Krebs/Hartmann, Verankerung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen im deutschen Recht, 2016, S. 69 f.; Dörr, in: Unternehmensverantwortung und internationales Recht, 2020, S. 154 f. 17 Dörr, in: Unternehmensverantwortung und internationales Recht, 2020, S. 156 f.; Hilpold, in: ebd., S. 214 – 220. 18 Haider, Haftung von transnationalen Unternehmen und Staaten für Menschenrechtsverletzungen, 2019, S. 519 ff. 19 Dies bemängelte der vorsitzende Richter in einem völkerstrafrechtlichen Verfahren vor dem OLG Stuttgart wegen in Ruanda verübten Kriegsverbrechen, Urt. v. 28. 09. 2015, 5 – 3 StE 6/10, BeckRS 2015, 118449. Siehe Kelnberger, Wo die deutsche Justiz an ihre Grenzen stößt, Süddeutsche Zeitung, https://www.sueddeutsche.de/politik/strafrecht-wo-die-deutsche-justizan-ihre-grenzen-stoesst-1.2668853. 20 Siehe nur kursorisch unten Kapitel 4, § 13 B.I. (S. 233 f.). 21 Alvarez, 9 Santa Clara Journal of International Law (2011), 1 ff.; Davarnejad, Menschenrechtsverantwortung multinationaler Unternehmen und Corporate Social Responisbility (CSR), 2020, S. 56 – 67. 22 Dazu Görgen, Unternehmerische Haftung in transnationalen Menschenrechtsfällen, 2019, S. 115 ff.; Haider, Haftung von transnationalen Unternehmen und Staaten für Menschenrechtsverletzungen, 2019, S. 480 ff. Siehe auch weitere Nachweise bei Rühl, in: Unternehmensverantwortung und internationales Recht, 2020, S. 92 Fn. 17. 23 Siehe aber zur Beweislastverteilung noch unten Kapitel 4, § 14 D.II.5 (S. 300 ff.).

28

Kap. 1: Einführung

Der Fokus dieser Untersuchung liegt auf Regelungsoptionen (internationalprivatrechtlich, -zivilprozessual und materiell-rechtlich) im deutschen, nationalen Rechtssystem. Da es während des Entstehungsprozesses dieser Arbeit unwahrscheinlich war, dass der europäische Gesetzgeber tätig wird, schien ein rechtspolitischer Vorschlag zur deutschen Rechtslage zielführender. Nun stimmte das Europäische Parlament über einen Draft Report zur Regelung einer „corporate human rights due diligence“ ab.25 Die hier vorgebrachten Ausführungen zur deutschen Reformdiskussion sind jedoch auch relevant für die europäische rechtspolitische Debatte. Das gilt für die völkerrechtlichen Grundlagen der Untersuchung26, für die Ausführungen zur Notzuständigkeit27, für die Ausführungen zur Eingriffslösung28 und für den gesamten materiell-rechtlichen Teil dieser Untersuchung29. Da das im Juli 2021 vom Bundestag verabschiedete SorgfaltspflichtenG die zivilrechtliche Haftungssituation nicht neu regelt, sondern auf verwaltungsrechtliche Durchsetzungsmechanismen setzt, bleiben diese Reformerwägungen weiter relevant. Da diese Untersuchung sich jedoch lediglich mit der zivilrechtlichen und nicht der öffentlich-rechtlichen Reformdiskussion befasst, berücksichtigt sie das SorgfaltspflichtenG nur marginal.

C. Forschungsstand Wie bereits erwähnt, widmeten sich bereits andere Untersuchungen der unternehmerischen Haftung für Menschenrechtsverletzungen. Dies rechtfertigt die Frage, was eine weitere Untersuchung zur Debatte beisteuern kann. Die Diskussion um menschenrechtliche Sorgfaltspflichten ist noch in vollem Gange. Zunächst kann diese Analyse somit als Beitrag zu dieser Diskussion verstanden werden, der bisher geäußerte Ansichten systematisiert, zu dieser Stellung bezieht und punktuell noch mehr in die Tiefe geht. Da die Diskussion – zumindest in zivilrechtlicher Hinsicht – noch andauert, sind manche Punkte (noch) nicht ausreichend untersucht worden. So thematisiert § 4 die verbreitete Auffassung, verantwortlich für Rechtsschutzdefizite der Geschädigten seien die materiell-rechtlichen Rechtsordnungen der Gaststaaten. Kapitel 2, § 6 B.IV. ist dem Vermögensgerichtsstand gewidmet, der in der wirtschaftsmenschenrechtlichen Diskussion bislang nur angerissen wurde. In wortlautgetreuer Auslegung bietet er jedoch eine in vieler Hinsicht sachgerechte Lösung, um den Zugang zu Gericht der Betroffenen zu stärken. Das deutsche Schrifttum generell, also auch 24 Zu vielen dieser Fragen überblicksartig Domej, in: Unternehmensverantwortung und Internationales Recht, 2020, S. 229 ff. 25 European Parliament, Draft Report und European Parliament, Draft Report (updated). 26 Kapitel 1, § 3 (S. 51 ff.). 27 Kapitel 2, § 6 B.V. (S. 107 ff.). 28 Kapitel 3, § 10 C. (S. 180 ff.). 29 Kapitel 4, S. 186 – 308.

§ 1 Untersuchung

29

außerhalb des wirtschaftsmenschenrechtlichen Kontexts, interessierte sich bislang ebenfalls nur wenig für die Notzuständigkeit (Kapitel 2, § 6 B.V.).30 Kapitel 3, § 8 A.I. thematisiert das Verhältnis der hier interessierenden Fälle zum UN-Kaufrecht. Bezüglich potenzieller Ansprüche aus Verträgen (mit Schutzwirkung) zu Gunsten Dritter wurde die kollisionsrechtliche Dimension des UN-Kaufrechts bislang nicht untersucht. Schließlich wurden die unternehmerischen Sorgfalts- bzw. Verkehrspflichten noch nicht ausreichend konkretisiert.31 Dazu sollen die Ausführungen auf den S. 275 – 300 (Kapitel 4, § 14 D.II.4.) einen Beitrag leisten. Diese Ausführungen sind eingebettet in einen Gesetzesvorschlag für haftungsrelevante Aspekte eines WertschöpfungskettenG (§ 14 ).32

D. Begriffsbestimmungen Folgende, im Rahmen dieser Untersuchung verwendeten Begrifflichkeiten bedürfen der Definition: Unter Lieferketten werden nur vertragliche Beziehungen zwischen Gesellschaften gefasst. Lieferketten bestehen aus Zulieferer-AbnehmerBeziehungen, die durch die Lieferung von hergestellten Produkten geprägt sind. Wertschöpfungskette ist als Oberbegriff zu verstehen, der sowohl konzernierte Geschäftsaktivität als auch vertragliche Verbindungen umfasst.33 Im Einklang damit unterscheidet diese Analyse zwischen Zulieferern und Abnehmern einerseits (vertragliche Verbindung) und Mutter- und Konzerngesellschaften andererseits (gesellschaftsrechtliche Verbindung). Idealtypisch befinden sich Mutter-, sowie Abnehmerunternehmen in Deutschland bzw. einem EU-Mitgliedsstaat, während Konzern- und Zulieferergesellschaften idealtypisch in Drittstaaten, meist Entwicklungsländer, inkorporiert sind. Von Konzern- statt von Tochtergesellschaften ist hier die Rede, da dieser Begriff auch etwaige Enkelgesellschaften umfasst.

30 Siehe jedoch jüngst Kübler-Wachendorff, Das forum necessitatis im europäischen Zuständigkeitsrecht, 2021. 31 Hinsichtlich der Ausfüllung der Pflichten unter dem französischen loi de vigilance, das bekanntermaßen ebenfalls eine Verschuldenshaftung im Fall von Sorgfaltspflichtverletzungen vorsieht, verweisen Bueno/Bright, 69 International and Comparative Law Quarterly (2020), 803 den Leser auf potenziell zukünftiges „case law“ der französischen Gerichte. Eine Ausnahme bilden die eingängigen Ausführungen von Falkenhausens, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 147 – 216. Diese beziehen sich allerdings nur auf die derzeit geltende, deutsche Rechtslage, betreffen mithin eine andere Frage. Bodenstein, Human Rights CMS, 2020, S. 63 ff. nimmt eine rein unternehmerische und daher nicht regulatorische Perspektive ein. 32 Siehe dazu bisher nur: Klinger/Krebs/Krajewski/Hartmann, Verankerung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen im deutschen Recht, 2015. 33 Anders von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 10, die Lieferkette als Oberbegriff verwendet.

30

Kap. 1: Einführung

Damit lassen sich die beteiligten Akteure recht gut in Worte fassen. An einigen Stellen wird dennoch auf transnationale Unternehmen oder Transnationalisierung rekurriert. Diese Begriffsprägung verdient den Vorzug gegenüber z. B. „multinationalen“ oder „internationalen“ Unternehmen. Die lateinische Präposition „trans“ (hinüber) beschreibt im Gegensatz zu „multi“ (mehrere) oder „inter“ (zwischen) einen Bewegungsvorgang. In den Fällen hier handelt es sich – aus Perspektive der Gaststaaten (zu dem Begriff sogleich) – um ausländische Unternehmen, die mittels einer gaststaatlichen Konzerngesellschaft oder aber durch Lieferbeziehungen im Gaststaat investieren und sich so dort etablieren. Daher passt trans im Sinne eines „Hinübersiedelns“ besser. Dass diese transnational tätig sind, bedeutet hingegen nicht, dass sie außerhalb der Rechtsordnung agieren.34 Sie unterliegen lediglich mehreren Rechtsordnungen gleichzeitig.35 Unter transnationale Unternehmen lassen sich vertragliche und konzernierte Konstellationen fassen.36 Als Gast- oder Produktionsstaaten werden hier diese Länder bezeichnet, in die investiert wird. Hier wird produziert, werden Rohstoffe abgebaut oder gefördert oder andere Werk- bzw. Dienstleistungen erbracht. In den hier interessierenden Fällen handelt es sich idealtypisch um Entwicklungs- oder Schwellenländer, die niedrigere Lohn- und Sozialstandards als westliche Industrienationen aufweisen. Daher wird in diese Länder investiert – um von diesen Standards zu profitieren. Unter unternehmerischen Verhaltenskodizes oder codes of conduct werden Regelwerke verstanden, mittels derer Unternehmen von ihnen angestrebte, freiwillige Selbstverpflichtungen ohne rechtliche Bindung einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen. Diese werden häufig Vertragsbestandteil in Warenlieferungsverträgen mit Zulieferern aus Gaststaaten. Auch dort verpflichten sich die Abnehmer jedoch nicht dazu, diese z. B. den Arbeitnehmern des Zulieferers zu garantieren. Regelmäßig verpflichtet sich vielmehr der Zulieferer, diese einzuhalten. Unter Sorgfaltspflicht werden (deliktische) Verkehrspflichten verstanden. Sie verpflichten Unternehmen zur Risikoanalyse bzw. -ermittlung in seinen Wertschöpfungsketten (Kapitel 4, § 14 C.) oder zu rechtsträgerübergreifenden, rechtsgüterschützenden (Kapitel 4, § 14 D.) Maßnahmen. Im jüngst verabschiedeten SorgfaltspflichtenG treffen deutsche Unternehmen auch öffentlich-rechtliche „Sorgfaltspflichten“. In diesem Sinne kann der Begriff auch verstanden werden. Es handelt sich nicht ausschließlich um deliktsrechtliche Sorgfaltspflichten. Da die vorliegende Untersuchung Verwaltungs- und Strafrecht jedoch außen vorlässt, wird der Begriff hier nicht in diesem Sinne gebraucht.

34

So Scherer, Multinationale Unternehmen und Globalisierung, 2003, S. 103. Haider, Haftung von transnationalen Unternehmen und Staaten für Menschenrechtsverletzungen, 2019, S. 47 f. 36 Ebd., S. 55 f. 35

§ 1 Untersuchung

31

E. Aktuelle rechtliche Entwicklungen I. Deutschland In letzter Zeit gab es verschiedene Vorschläge, wie die Regulierung grenzüberschreitender Unternehmensaktivität in Gesetzesform gegossen werden könnte: Der erste Entwurf für ein WertschöpfungskettenG stammt vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Stand: 01. 02. 2019) und wurde von Journalisten öffentlich gemacht.37 Ein Jahr später, am 10. März 2020 veröffentlichte das BMAS zusammen mit dem BMZ ein sogenanntes Eckpunktepapier. Dieses macht keine konkreten Formulierungsvorschläge, enthält aber Eckpunkte eines WertschöpfungskettenG hinsichtlich des Anwendungsbereichs, der Sorgfaltspflicht und der Durchsetzung.38 Wiederum ein Jahr später, am 03. März 2021 einigte sich das Kabinett auf einen Gesetzesentwurf für ein Sorgfaltspflichtengesetz.39 Infolge eines Kompromisses mit dem von Peter Altmaier geführten Wirtschaftsministerium gingen jedoch zivilrechtliche Haftungsregelungen verloren. Der Entwurf beschränkte sich auf verwaltungsrechtliche Durchsetzungsmechanismen. Daher ist dieser Entwurf für die vorliegende Abhandlung nur von untergeordneter Bedeutung. Am 22. Juli 2021 wurde das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten (SorgfaltspflichtenG) im Bundesgesetzblatt verkündet. Das Gesetz tritt am 1. Januar 2023 in Kraft (Art. 5 I SorgfaltspflichtenG). Es enthält wie der Gesetzesentwurf jedoch lediglich verwaltungsrechtliche Durchsetzungsmechanismen. An der (international-) privatrechtlichen Rechtslage ändert es jedoch nichts. Es spielt daher in den folgenden Ausführungen fast keine Rolle. Wenn in dieser Untersuchung von einem WertschöpfungskettenG die Rede ist, ist somit nicht das SorgfaltspflichtenG gemeint, sondern eine fiktive, rechtsträgerübergreifende Verkehrspflichten umfassende Regelung.

II. EU Am 11. 09. 2020 beschloss das Europaparlament eine sogenannte „Initiative zur Initiative“ gem. Art. 225 AEUV i. V. m Art. 47 und 54 der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments.40 Mit einem sogenannten draft report forderte das EUParlament die Kommission zum Handeln auf (draft report with recommendations to the Commission on corporate due diligence and corporate accountability). Es handelt sich um ein politisches Dokument. Es entfaltet – abgesehen von einer Pflicht der Kommission dazu begründet Stellung zu beziehen – keine rechtliche Wirkung. Am 10. März 2021 beschloss das EU-Parlament eine aktualisierte Fassung dieses 37 38 39 40

BMZ, Inoffizieller Entwurf für ein WertschöpfungskettenG. BMAS/BMZ, Eckpunktepapier. BReg, Entwurf für ein Sorgfaltspflichtengesetz. EU Parliament, Draft Report.

32

Kap. 1: Einführung

Berichts.41 Darin änderte es insbesondere seine Empfehlungen im Bereich des Kollisionsrechts und internationalen Zivilprozessrechts.

§ 2 Typische Fallkonstellationen Der folgende Abschnitt soll dem Leser verschiedene Fallkonstellationen vor Augen führen. Er dient auch als Referenzpunkt: Der Verfasser hofft, dem Leser die Argumentation mittels durchgehender Verweise auf diese Fälle veranschaulichen zu können. Das tatsächliche Geschehen, das den folgenden Urteilen und Presseberichten zu Grunde liegt ist leider nicht immer unumstritten. Die Sachverhalte wurden so gut es geht realitätsgetreu und differenziert dargestellt und es wird auf sich wiedersprechende Angaben hingewiesen. Sollten sie dennoch an manchen Stellen nicht der Wahrheit entsprechen, soll für die folgende, rechtliche Analyse deren Zutreffen unterstellt werden.

A. Rohstoffextraktion I. Union Carbide in Bhopal 1. Unternehmensstruktur und Sachverhalt Die Union Carbide Corporation ist die US-amerikanische Konzernmutter der indischen Tochtergesellschaft Union Carbide India ltd.42 1984 besaß die Muttergesellschaft 50,9 % der Anteile ihrer indischen Tochtergesellschaft. Diese Tochtergesellschaft betrieb eine Fabrik zur Pestizidherstellung in Bhopal, Indien. In der Nacht vom 2. auf den 3. Dezember 1984 entwichen aus einem Tank auf der Produktionsstätte 45 Tonnen Methylisozyanid-Gas.43 Methylisozynidgas führt bei Exposition zu Verätzungen der Schleimhäute, Augen und Lungen. Eine Vielzahl von Arbeitern und Anwohnern des an die Fabrik grenzenden Elendsviertels kamen dabei ums Leben. Die Schätzungen der Todeszahlen variieren erheblich. So bewegen sich manche Schätzungen bei Zahlen um die 2.00044, während andere von bis zu 25.000 Toten ausgehen.45 Dies geht auf das Fehlen gesicherter Daten über die Einwohnerzahlen 41

EU Parliament, Draft Report (updated). Bis 1994, dann Verkauf von Union Carbide India ltd an die indische McLeod Russel ltd und 1999 Übernahme von Union Carbide Corporation durch die Dow Chemical Company. Zum Ganzen siehe Eckermann, The Bhopal Saga. Causes and Consequences of the World’s Largest Industrial Disaster, 2004. 43 Diamond, The Bhopal Disaster: How it Happened, New York Times, https://www.nytimes. com/1985/01/28/world/the-bhopal-disaster-how-it-happened.html. 44 Ebd. 45 Stark, Die größte Gas-Katastrophe geschah im Frieden, Die Welt, https://www.welt.de/ge schichte/article134964811/Die-groesste-Gas-Katastrophe-geschah-im-Frieden.html. 42

§ 2 Typische Fallkonstellationen

33

des an die Fabrik grenzenden Viertels zurück.46 Die Verletztenzahlen waren höher. Sie beliefen sich auf bis zu 560.000.47 Das ehemalige Fabrikgelände, sowie die sich daran anschließenden Gebiete wurden kontaminiert: In den entnommenen Wasserproben hatten Fische eine 100-prozentige Sterberate. Auch die entnommenen Bodenproben waren hochgiftig.48 2. Gerichtsverfahren Die Opfer, vor indischen Gerichten vertreten durch den indischen Staat, klagten sowohl gegen die US-amerikanische Muttergesellschaft als auch gegen die indische Tochter vor indischen und US-amerikanischen Gerichten. US-Gerichte erklärten sich in einer Reihe von Urteilen immer wieder für unzuständig. Der indische Supreme Court verurteilte Union Carbide 1989 in letzter Instanz zur Zahlung von 470 Mio. E.49

II. Shell in Nigeria 1. Unternehmensstruktur und Sachverhalt Shell Petroleum Development Company ltd ist eine nigerianische Tochtergesellschaft der Royal Dutch Shell Company. Letztere hat ihren statutarischen Sitz in London und ihren Verwaltungssitz in Den Haag. Royal Dutch Shell hält 30 % der Aktien seiner nigerianischen Tochter und ist damit zweitgrößter Anteilseigner nach dem nigerianischen Staat (55 %).50 Die restlichen Anteile halten die Total E&P Nigeria ltd (10 %) und die Nigerian Agip Oil Company (5 %).51 Royal Dutch Shell übernahm die (zumindest faktische) operative Leitung von Shell Nigeria.52 46 Dietz/Gerber/Groneberg/Bendels, Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie 2017, S. 276. 47 Cheremisinoff, Pollution Control Handbook for Oil and Gas Engineering, 2016, S. 185. 48 Eckermann, The Bhopal Saga. Causes and Consequences of the World’s Largest Industrial Disaster, 2004, S. 102 unter 8.3.6. 49 Business & Human Rights Resource Center, Union Carbide/Dow lawsuit, https://www. business-humanrights.org/en/latest-news/union-carbidedow-lawsuit-re-bhopal/. 50 Shell, SPDC – Shell Petroleum Development Company of Nigeria, https://www.shell. com.ng/about-us/what-we-do/spdc.html. 51 UK Supreme Court, Okpabi and others v. Royal Dutch Shell plc and Shell Petroleum Development Company of Nigeria ltd, [2021] UKSC 3, para. 5. 52 Darüber herrschte innerhalb der verschiedenen instanzlichen Entscheidungen allerdings keine Einigkeit. Dem erstinstanzlichen Urteil zur Folge (High Court of Justice, Okpabi and others v. Royal Dutch Shell plc and Shell Petroleum Development Company of Nigeria ltd [2017] EWHC 89, para. 83 – 85) sei Royal Dutch Shell eine reine Holding ohne jeglichen Einfluss auf das operative Geschäft. Im zweitinstanzlichen Urteil (Court of Appeal, Okpabi and others v. Royal Dutch Shell plc and Shell Petroleum Development Company of Nigeria ltd [2018] EWCA Civ 191 para. 153 – 156) geht Lord Justice Sales jedoch davon aus, Royal Dutch Shell sei entlang „functional lines“ und nicht entlang „company lines“ organisiert, weshalb es

34

Kap. 1: Einführung

a) Umwelt- und Rechtsgutsverletzungen durch Ölförderung Der Konzern fördert als eines der ersten Unternehmen seit den 1950er-Jahren in Nigeria Öl.53 In der Region kam es in der Folge zu verheerenden Umwelt-, aber auch Gesundheitsschäden. So machen Opfer geltend, das Abfackeln von bei der Erdölförderung ans Tageslicht kommende Begleitgas in der Nähe von Siedlungen führe einerseits zu Atemwegserkrankungen54 und andererseits zu Rußablagerungen auf den Dächern.55 Dieser stark chemiehaltige Ruß rinne bei Regen die Dächer herunter, führe zu Gesundheitsschäden und mache das Land unfruchtbar.56 Darüber hinaus verwüsteten auslaufende, sich durch das gesamte Siedlungsgebiet ziehende Ölpipelines die Felder und das Trinkwasser. Dadurch verstarben manche Bewohner bereits.57 Shell hingegen macht geltend, dass 60 % der Pipelines durch Sabotageakte seitens der lokalen Bevölkerung vorsätzlich beschädigt worden seien, um anschließend Entschädigungszahlungen fordern zur können.58 Über die Jahrzehnte der Ölförderung im Niger Delta kam es immer wieder zu leckenden Pipelines mit empfindlichen Folgen für Mensch und Umwelt.59 Es handelt sich also nicht um einen einmaligen Vorfall. b) Auseinandersetzungen mit nigerianischen Sicherheitskräften Von Mai 1994 an überfiel das nigerianische Militär systematisch 126 OgoniDörfer.60 Bei diesen Überfällen töteten, vergewaltigten und inhaftierten die beteiligten Sicherheitskräfte Bewohner dieser Dörfer.61 Die Opfer und deren Angehörige werfen der nigerianischen Shell-Tochter vor, das Militär mit Firmengrundstücken als Basis für seine Angriffe,62 mit Walkie-Talkies, Radios, Mobiltelefonen63 und auch wahrscheinlich sei, dass Royal Dutch Shell sich der Situation im Niger-Delta angenommen habe. Dem stimmte der UK Supreme Court, Okpabi and others v. Royal Dutch Shell plc and Shell Petroleum Development Company of Nigeria ltd, [2021] UKSC 3, para. 156 f. zu, überließ es jedoch dem Hauptsacheverfahren, über die genaue Organisationsstruktur der Shell-Gruppe in der Praxis zu befinden. 53 Boele/Fabig/Wheeler, 9 Sustainable Development (2001), S. 75. 54 Hahn, Multinationale Unternehmen und die „Base off the Pyramid“, 2009, S. 179. 55 Eweje, 69 Journal of Business Ethics (2006), 39. 56 Ebd. 57 Ebd., 45. 58 Ebd., 44. Aufgrund dieser Erwägungen wies das Landgericht in Den Haag (Rechtsbank) die erste Klage in den Niederlanden ab, siehe Marx/Bright/Pineau/Wouters, European Yearbook of Human Rights 2019, 170. 59 So zum Beispiel zwei Fälle im August und Dezember des Jahres 2008: Amnesty International, The True Tragedy: Delays and Failures in Tackling Oil Spills in the Niger Delta, 2011, S. 5. 60 Zum Ganzen: Boele, OGONI: Report of the UNPO Mission to Investigate the Situation of the Ogoni of Nigeria, 1995, S. 34. 61 Ebd. 62 US Supreme Court, Kiobel v. Royal Dutch Petroleum, 569 U.S. (2013), S. 2.

§ 2 Typische Fallkonstellationen

35

durch Lebensmittel und Fahrzeuge logistisch unterstützt zu haben.64 Darüber hinaus soll bei diesen Überfällen die Firmenleitung mit dem Militär in enger Kommunikation gestanden haben.65 2. Gerichtsverfahren Die Vorkommnisse hatten verschiedene Gerichtsverfahren in unterschiedlichen Ländern zur Folge. Während die zuerst beschriebenen Umwelt- und Rechtsgutsverletzungen durch Ölförderung vor englischen und niederländischen Gerichten verhandelt wurden, verhandelten US-Gerichte über die Vorkommnisse in den nigerianischen Dörfern. Darüber hinaus gab es wegen der seit den 50er Jahren erfolgenden Ölförderung zahlreiche Gerichtsverfahren in Nigeria selbst. Auf diese kann hier aber nicht näher eingegangen werden.66 a) Umwelt- und Rechtsgutsverletzungen Am Den Haager Hauptverwaltungssitz von Royal Dutch Shell Plc reichten 2008 vier nigerianische Bürger Klage gegen Royal Dutch Shell selbst und seine nigerianische Tochter (Shell Petroleum Development Company of Nigeria ltd) ein. Das Gericht wies die Klage im Januar 2013 ab.67 Die Kläger zogen vor die nächste Instanz (Gerechtshof Den Haag). Dieser billigte den Klägern in einem vorläufigen Urteil vom Dezember 2015 Auskunftsansprüche gegen Shell zu. Shell müsse interne Dokumente betreffend die Instandhaltung seiner nigerianischen Ölpipelines offenlegen.68 Eine endgültige Entscheidung erging am 29. Januar 2021. Der Gerechtshof Den Haag urteilte, dass die Shell Nigeria nach nigerianischem Recht für Öllecks zweier Pipelines hafte.69 Darüber hinaus stellte das Gericht klar, dass sowohl Shell Nigeria als auch Royal Dutch Shell plc verpflichtet sind, bessere Systeme zur Erkennung von Öllecks zu installieren.70

63 Boele, OGONI: Report of the UNPO Mission to Investigate the Situation of the Ogoni of Nigeria, 1995, S. 34. 64 US Supreme Court, Kiobel v. Royal Dutch Petroleum, 569 U.S. (2013), S. 2. 65 Boele, OGONI: Report of the UNPO Mission to Investigate the Situation of the Ogoni of Nigeria, 1995, S. 34. 66 Dazu Frynas, 43 Journal of African Law (1999), 121. 67 Marx/Bright/Pineau/Wouters, European Yearbook of Human Rights 2019, 170. 68 Siehe ausführlich dazu: Van Dam, Preliminary judgements Dutch Court of Appeal in the Shell Nigeria case, S. 1 f., https://a08d648c-882d-400d-93292ae4b41a04b4.filesusr.com/ugd/ 786cf6_7154bdd2aa9b407192506aea1a61849c.pdf. 69 de Rechtspraak, Shell Nigeria liable for oil spills in Nigeria, https://www.rechtspraak.nl/ Organisatie-en-contact/Organisatie/Gerechtshoven/Gerechtshof-Den-Haag/Nieuws/Paginas/ Shell-Nigeria-liable-for-oil-spills-in-Nigeria.aspx. 70 Ebd.

36

Kap. 1: Einführung

Auch in Großbritannien klagten 15.000 nigerianische Bürger 2012 gegen die Shell-Mutter am Londoner High Court. Der Rechtsstreit endete 2015 in einen Vergleich. Shell zahlte ca. 60 Mio. E an die Kläger.71 2015 reichten andere Kläger (diesmal 42.500 nigerianische Bürger) erneut vor dem Londoner High Court Klage gegen Shell und seine nigerianische Tochter (Shell Petroleum Development Company of Nigeria ltd) ein. Nach einer Entscheidung des High Courts im Januar 201772 und des Court of Appeal im Februar 201873 entschied der UK Supreme Court74 im Februar 2021 zu Gunsten der Kläger. In allen Instanzen betrafen die Verfahren zunächst die Frage, ob englische Gerichte für den Fall überhaupt international zuständig sind. Hierbei kam es nach englischem Prozessrecht insbesondere darauf an, ob die Kläger einen realen Grund (einen real issue to be tried) für ein Verfahren vor englischen Gerichten haben.75 Dies bejahte der Supreme Court und griff dabei in einigen Punkten auf die materiell-deliktsrechtliche Lage vor.76 b) Auseinandersetzungen mit nigerianischen Sicherheitskräften Die erste Klage vor den Gerichten eines westlichen Industriestaats gegen Shell betreffend die Vorkommnisse in den eingangs beschriebenen nigerianischen Dörfern reichte Esther Kiobel, die Ehefrau des zur Todesstrafte verurteilten Aktivisten gegen Shells Aktivitäten Barinem Kiobel, federführend 2002 an einem New Yorker Bezirksgericht ein. Das Gericht gab dem Begehren im September 2006 teilweise statt77, das Berufungsgericht revidierte im Oktober 2010 die Entscheidung.78 Der US Supreme Court wies im April 2013 die Klage endgültig ab.79

71

Ebd., 175. High Court of Justice, Okpabi and others v. Royal Dutch Shell plc and Shell Petroleum Development Company of Nigeria ltd [2017] EWHC 89. 73 Court of Appeal, Okpabi and others v. Royal Dutch Shell plc and Shell Petroleum Development Company of Nigeria ltd [2018] EWCA Civ 191. 74 UK Supreme Court, Okpabi and others v. Royal Dutch Shell plc and Shell Petroleum Development Company of Nigeria ltd [2021] UKSC 3. 75 Fleischer/Korch, ZIP 2021, 710 m. w. N. 76 Siehe dazu ebd., 411 f. 77 United States District Court for the Southern District of New York, Kiobel v. Royal Dutch Petroleum, 456 F.Supp.2 d (2006). 78 United States Court of Appeals for the Second Circuit, Kiobel v. Royal Dutch Petroleum, 621 F.3d111 (2010). 79 US Supreme Court, Kiobel v. Royal Dutch Petroleum, 569 U.S. (2013). 72

§ 2 Typische Fallkonstellationen

37

III. Cape plc in Südafrika 1. Unternehmensstruktur und Sachverhalt Cape plc ist ein britisches Energiedienstleistungsunternehmen, welches u. a. in Südafrika Asbestabbau betrieb. Während Cape in Großbritannien aufgrund eines hohen Aufkommens von Asbestose unter den Arbeitern bereits 1968 die einzige britische Asbestfabrik schloss, betrieb es den Abbau in Südafrika mit Hilfe südafrikanischer Tochtergesellschaften noch bis 1979 weiter.80 Arbeiter unterschiedlicher Tochtergesellschaften von Cape plc, aber auch Anwohner der von Cape betriebenen Minen, erkrankten in der Folge an Asbestose.81 2. Gerichtsverfahren Infolgedessen kam es zu drei Verfahren vor britischen Gerichten. In einem ersten Gerichtsprozess82 begehrten die Kläger Anerkennung eines texanischen Urteils in Großbritannien. Der Court of Appeal wies das Anerkennungsbegehren ab. In einem zweiten Verfahren83 klagten über 3.000 Arbeiter einer südafrikanischen Tochtergesellschaft von Cape plc. Die Parteien einigten sich vergleichsweise, das Verfahren wurde eingestellt.84 In einem dritten Verfahren klagten Arbeiter der britischen Tochter von Cape gegen ihre Arbeitgeberin: Cape Building Products plc. Diese erlitten die gleichen Gesundheitsbeschädigungen am englischen Standort Uxbridge. Sowohl der High Court85 als auch der Court of Appeal86 entschied zu Gunsten der Kläger.

IV. Monterrico Metals und Rio Blanco Copper in Peru 1. Unternehmensstruktur und Sachverhalt87 Monterrico Metals plc ist ein britisches Minenunternehmen, das zusammen mit seiner 100-prozentigen, peruanischen Tochter Rio Blanco Copper SA eine Kup80 Dyer, South African asbestos victims win £21m, The Guardian, https://www.theguardian. com/uk/2001/dec/22/world.claredyer. 81 Leigh Day, Asbestos and Cape plc, https://www.leighday.co.uk/International/Corporateaccountability/Workers-health-industrial-disease/Asbestos. 82 Court of Appeal, Adams v. Cape plc [1990] Ch. 433. 83 House of Lords, Lubbe and 4 others v. Cape plc [2000] UKHL 41. 84 von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 219. 85 High Court of Justice, Chandler v. Cape plc [2011] EWHC 951 (QB). 86 Court of Appeal, Chandler v. Cape plc [2012] EWCA Civ 525. 87 Sachverhalt und dazugehörige Quellenangaben angelehnt an: Banktrack, Rio Blanco Copper Mine, https://www.banktrack.org/project/rio_blanco_copper_mine und Kleiner/Leifker/ Meder, Verhältnismäßig und zumutbar: Haftung nach dem LieferkettenG, 2020, S. 10.

38

Kap. 1: Einführung

fermine dort betrieb.88 Zum Zeitpunkt der Vorfälle waren beide Gesellschaften eng miteinander verwoben: Die zwei Vorstände von Monterrico Metals waren zeitgleich Vorstände der peruanischen Tochter Rio Blanco. Beide waren vor Ort stationiert. Beide Gesellschaften teilten sich in der peruanischen Hauptstadt Lima Büro, Telefon, Fax und E-Mail-Adresse.89 Peruanischem Recht zufolge mussten die Unternehmen vor der Eröffnung der Mine eigentlich die Zustimmung von zwei Dritteln der lokalen Bevölkerung einholen.90 Diese Vorschrift missachtete das Unternehmen. Daraufhin protestierte die lokale Bevölkerung gegen das Vorhaben.91 Im Rahmen dieser Proteste im August 2005 nahmen die peruanischen Sicherheitskräfte zahlreiche Demonstranten fest. Die Festgenommenen wurden mehrere Tage auf dem Minengelände gefangen gehalten und gefoltert.92 Zwei Demonstrantinnen wurden vergewaltigt. Darüber hinaus machten die Demonstranten geltend, zweien von ihnen sei ins Bein geschossen worden, ein Weiterer habe durch einen Schuss ins Gesicht ein Auge verloren und ein Vierter sei seinen Schussverletzungen erlegen.93 Drei der Minenarbeiter sagten aus, es sei üblich, dass die bei den Protesten tätigen, eigentlich staatlichen Sicherheitskräfte im Speisebereich der Geschäftsführung von Rio Blanco Copper von dieser instruiert werden. Angeblich hätten die leitenden Beamten der peruanischen Sicherheitskräfte bei diesem Treffen nicht gesprochen, sondern während des Gesamten Einsatzes unter dem Kommando der Geschäftsführung gestanden, welche sie alle 15 Minuten per Funkgerät über ihr Vorgehen unterrichten mussten.94 2. Gerichtsverfahren Im Oktober 2009 reichten 33 peruanische Bürger Zivilklage beim Londoner High Court ein.95 Sie beschuldigten Monterrico Metals plc und Rio Blanco Copper SA an Folterungen, Vergewaltigungen und Erschießungen der peruanischen Sicherheits88 High Court of Justice, Guerrero & Others v. Monterrico Metals plc & Rio Blanco Copper SA, [2009] EWHC 2475 (QB) Rn. 2 – 4. Die genaue Konzernstruktur war noch komplexer: Monterrico hielt 100 % der Anteile an einer auf den Cayman Inseln inkorporierten Copper Corp ltd, die wiederum 100 % an einer Rio Blanco Copper ltd (ebenfalls Cayman Inseln) hält. Diese hält 99,98 % der Anteile der peruanischen Tochter Rio Blanco. Letzterer gehört auch die Mine, siehe im Urteil Rn. 4. 89 Siehe zu allen Angaben: ebd., Rn. 16 vi) und viii). 90 Skinner/McCorquodale/De Schutter, The Third Pillar, 2013, S. 89 Fn. 773. 91 Cobain, Abuse claims against Peru police guarding British firm Monterrico, The Guardian, https://www.theguardian.com/environment/2009/oct/18/british-mining-firm-perucontroversy. 92 Banktrack, Rio Blanco Copper Mine, https://www.banktrack.org/project/rio_blanco_cop per_mine. 93 Ebd. 94 Ebd. 95 High Court of Justice, Guerrero & Others v. Monterrico Metals plc & Rio Blanco Copper SA, [2009] EWHC 2475 (QB).

§ 2 Typische Fallkonstellationen

39

kräfte beteiligt gewesen zu sein.96 Das Verfahren endete 2011 in einem Vergleich zwischen den Parteien.97

V. Unilever in Kenia 1. Unternehmensstruktur und Sachverhalt Unilever plc ist die britische Muttergesellschaft ihrer 100-prozentigen kenianischen Tochter Unilever Tea Kenya ltd. Auf der im Eigentum der kenianischen Tochter stehenden Plantage kam es im Nachgang der kenianischen Präsidentschaftswahlen im Jahr 2007 zu Angriffen auf Minderheitsstämme in ganz Kenia. Hierbei wurden insgesamt 1.333 Menschen getötet.98 Auch die auf der Plantage wohnenden Arbeiter waren Ziel dieser Angriffe. Dabei wurden sieben Arbeiter getötet und manche der dort arbeitenden Frauen vergewaltigt.99 Die Angriffe führten mit den Plantagenarbeitern verfeindete, die Mehrheit der Einwohner Kenias stellende Volksstämme aus. Die zu verschiedenen Minderheiten gehörenden Plantagenarbeiter sind der Arbeit wegen auf die Plantage gezogen. Die Plantage liegt im Westen des Landes, weit entfernt von ihrem eigentlichen Siedlungsgebiet.100 Die Opfer des Angriffs und deren Angehörigen werfen sowohl Unilever als auch der kenianischen Tochter vor, zwar Sicherheitsmaßnahmen für das Management und Unternehmensvermögen getroffen zu haben, jedoch nichts dergleichen für die Beschäftigten, obwohl die Angriffe vorhersehbar gewesen seien.101 2. Gerichtsverfahren 2016 reichten Anwohner der Plantage und Angestellte der kenianischen Tochter Unilever Kenya ltd Zivilklage am Londoner High Court gegen ihre Arbeitgeberin

96

Ebd., Rn. 7. Leigh Day, Peruvian torture claimants compensated by UK mining company, https: //www.leighday.co.uk/News/2011/July-2011/Peruvian-torture-claimants-compensated-by-UKminin. 98 Croser, Unilever: time for real leadership on human rights, CORE, https://corporate-re sponsibility.org/unilever-time-real-leadership-human-rights/. 99 Court of Appeal, AAA & Others v. Unilever plc and Unilever Tea Kenya ltd, [2018] EWCA Civ 1532 Rn. 11; Croser, Unilever: time for real leadership on human rights, CORE, https://corporate-responsibility.org/unilever-time-real-leadership-human-rights/. 100 Croser, Unilever: time for real leadership on human rights, CORE, https://corporate-re sponsibility.org/unilever-time-real-leadership-human-rights/. 101 Court of Appeal, AAA & Others v. Unilever plc and Unilever Tea Kenya ltd, [2018] EWCA Civ 1532 Rn. 12; Croser, Unilever: time for real leadership on human rights, CORE, https://corporate-responsibility.org/unilever-time-real-leadership-human-rights/. 97

40

Kap. 1: Einführung

und deren britische Muttergesellschaft Unilever plc ein.102 Die Klage wurde im Februar 2017 abgewiesen. Die nächste Instanz, der Court of Appeal, hielt dieses Urteil im Juli 2018 aufrecht.103 Die Kläger legten Berufung beim UK Supreme Court ein. Dieser wies die Klage jedoch endgültig ab.104

VI. Danzer und Siforco im Kongo 1. Unternehmensstruktur und Sachverhalt Danzer Holding AG ist ein österreichisches105 Holzverarbeitungsunternehmen. Es wird zu 100 % von der Danzer-Stiftung mit Sitz im deutschen Reutlingen gehalten. Die Danzer Holding AG ist 100-prozentige Mutter der kongolesischen Tochtergesellschaft Siforco (Société Industrielle et Forestiére du Congo).106 Über diese betreibt es in der DR Kongo Holzabbau. 2011 kam es zum Konflikt mit der lokalen Bevölkerung. Diese warf Siforco vor, übernommenen Verpflichtungen für Sozialprojekte nicht nachzukommen. Daraufhin entwendeten einige Dorfbewohner Gerätschaften (fünf Batterien und eine Solarzelle) von Siforco.107 Noch während der Verhandlungen über die Rückgabe dieser Gerätschaften fuhren Mitarbeiter der Siforco gemeinsam mit kongolesischen Sicherheitskräften in unternehmenseigenen Fahrzeugen am Morgen des 2. Mai 2011 in das Dorf, in welchem sich diese Gerätschaften befanden. Die Fahrzeuge fuhren Angestellte der Siforco.108 Dort überfielen die kongolesischen Sicherheitskräfte die Bewohner. Bewohnerinnen wurden vergewaltigt, andere Bewohner körperlich misshandelt. Ein Bewohner erlag seinen Verletzungen.109 Nach Ende des Einsatzes bezahlte die Danzer Tochter die kongolesischen Sicherheitskräfte.110 Danzer erklärte öffentlich, es hätte die logistischen

102

High Court of Justice, AAA & Others v. Unilever plc and Unilever Tea Kenya ltd, [2017] EWHC 371 (QB). 103 Court of Appeal, AAA & Others v. Unilever plc and Unilever Tea Kenya ltd, [2018] EWCA Civ 1532. 104 Owen/Bristow, Supreme Court refuses permission to appeal in Unilever case, Simmons+Simmons, https://www.simmons-simmons.com/en/publications/ck0bagorz7ep70b94qy2 xfp8u/190719-mass-torts-case-alert-supreme-court-refuses-permission-to-appeal-in-unilevercase. 105 Seit 2015, davor Sitz in Baar, Schweiz, https://www.euwid-holz.de/news/oberflaechen/ einzelansicht/Artikel/danzer-verlagert-sitz-der-holding-nach-dornbirn.html. 106 2012 verkauft an Groupe Blattner Elwyn, https://www.euwid-holz.de/news/rundholz schnittholz/einzelansicht/Artikel/danzer-verkauft-kongolesische-siforco.html. 107 Saage-Maaß, Unternehmen zur Verantwortung ziehen, 2017, S. 17; Skinner/ McCorquodale/De Schutter, The Third Pillar, 2013, S. 84. 108 Ebd. 109 Ebd. 110 Ebd.

§ 2 Typische Fallkonstellationen

41

Mittel nicht zur Verfügung gestellt, hätte es gewusst, wofür diese verwendet wurden.111 2. Gerichtsverfahren 2013 wurde wegen dieser Vorfälle in der DR Kongo gegen einen deutschen Vorstandsvorsitzenden der österreichischen Danzer Holding AG bei der Staatsanwaltschaft Tübingen Strafanzeige gestellt. Im März 2015 stellte die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren ein.112

VII. Vedanta Resources in Sambia 1. Unternehmensstruktur und Sachverhalt Vedanta Resources plc ist 100-prozentige Muttergesellschaft von Vedanta Resources Holdings ltd. Diese wiederum ist 79-prozentige Mutter der sambischen Tochter Konkola Copper Mines plc. Den Rest der Beteiligungen hält der sambische Staat.113 Letztere betrieb dort verschiedene Kupferminen. Bewohner aus dem geographischen Umfeld der Nchanga-Mine im Ort Chingola machen geltend, dass giftige Stoffe und Abwässer aus den Minenarbeiten sich mit dem Wasser der im Umkreis der Mine befindlichen Flüsse vermischt hätten. Darunter sei auch die einzige Trinkwasserquelle der Region. Durch den Genuss des Wassers hätten die Bewohner über einen Zeitraum von 10 Jahren erhebliche Gesundheitsschädigungen erlitten.114 2. Gerichtsverfahren 1.826 sambische Staatsangehörige reichten wegen dieser Vorfälle am 31. Juli 2015 Zivilklage gegen die britische Mutter Vedanta Resources plc und ihre sambische Tochter Konkola Copper Mines plc vor dem Londoner High Court ein.115 Dieser erklärte sich für die Klagen zuständig,116 entschied jedoch nicht zur Begründetheit 111

Danzer Group, Statement of Danzer Group to the Greenpeace Report of 7th November 2011, http://www.fsc-watch.org/docs/Danzer_statement_about_GP_report_09_11_2011.pdf. 112 Marx/Bright/Pineau/Wouters, European Yearbook of Human Rights 2019, 167. 113 Siehe zur Konzernstruktur: Court of Appeal, Vedanta Resources plc & Konkola Copper Mines plc v. Lungowe & others, [2017] EWCA Civ 1528 Rn. 10. Siehe auch die Fallbeschreibung bei Asmussen/Wagner, ZEuP 2020, 979. 114 UK Supreme Court, Vedanta Resources plc & Konkola Copper Mines plc v. Lungowe & others, [2019] UKSC 20 Rn. 1. 115 High Court of Justice, Lungowe & others v. Vedanta Resources plc & Konkola Copper Mines plc, [2016] EWHC 975 (TCC) Rn. 1. 116 Ebd., Rn. 199.

42

Kap. 1: Einführung

der Klage. Der Court of Appeal und der UK Supreme Court hielten diese Entscheidung aufrecht und erlaubten den Klägern, ihr Anliegen weiter vor britischen Gerichten zu verfolgen.117 Eine Entscheidung in der Sache steht noch aus.

VIII. Microsoft, Google, Apple, Dell und Tesla im Kongo 1. Geschäftsbeziehungen und Sachverhalt Microsoft, Google, Apple, Dell und Tesla sind Technologieunternehmen mit Sitz im Silicon Valley, Kalifornien. Ihnen wird vorgeworfen, von menschenunwürdiger Kinderarbeit in Minen in der DR Kongo zu wissen und zu profitieren.118 In den Minen arbeitende Kinder sind immer wieder bei Tunneleinstürzen verstümmelt und getötet worden. Den Unternehmen wird vorgeworfen, sie hätten davon gewusst und die Geschäftsbeziehungen mit etwaigen Zulieferern (dazu sogleich) dennoch aufrechterhalten. Apple inc, Alphabet inc (Holdinggesellschaft von Google) und Microsoft inc werden vom belgischen Unternehmen Umicore AG mit Kobalt beliefert. Dell Technologies inc und Tesla inc beliefert LG Chem ltd, ein südkoreanisches Unternehmen. Dieses bezieht sein Kobalt ebenfalls von Umicore. Das Kobalt benötigen die Unternehmen, um ihre Technologieprodukte herzustellen. Vor Weiterverkauf an die genannten Endabnehmer verarbeitet Umicore das vom schweizerischen Unternehmen Glencore plc gelieferte Kobalt weiter. Glencore selbst gehören zahlreiche Minen in der DR Kongo. Besonders viele der Vorfälle ereigneten sich in den von Kamoto Copper Company, Mutanda Mining und Katanga Mining betriebenen Minen. Diese Unternehmungen hält Glencore in jeweils 100-prozentigem Anteilseigentum.119 2. Gerichtsverfahren Am 15. 12. 2019 reichten zahlreiche Opfer und Angehörige in den USA Sammelklage gegen die eingangs genannten Unternehmen ein. Die Kläger vertritt International Rights Advocates, eine US-amerikanische Menschenrechtsorganisation mit Sitz in Washington DC. Ein Urteil steht noch aus.

117 Court of Appeal, Vedanta Resources plc & Konkola Copper Mines plc v. Lungowe & others, [2017] EWCA Civ 1528 Rn. 136 und UK Supreme Court, Vedanta Resources plc & Konkola Copper Mines plc v. Lungowe & others, [2019] UKSC 20 Rn. 102. 118 Zum Ganzen: International Rights Advocates, Klageschrift John Doe 1 & Others v. Apple inc & Others, http://iradvocates.org/sites/iradvocates.org/files/stamped%20-Complaint. pdf?fbclid=IwAR3yda4zt_lfe_gLuoRE4zj0Q-xCD3j5oxwboP1IPfnjtDf7_7aI1DXGlXw. 119 Siehe dazu ebd., Rn. 25, 49, 68 – 77.

§ 2 Typische Fallkonstellationen

43

IX. Trafigura an der Elfenbeinküste 1. Geschäftsbeziehungen und Sachverhalt Trafigura Group ltd ist ein global tätiges Rohstoffhandelsunternehmen mit statutarischem Sitz in Amsterdam und Verwaltungssitz in Singapur. Dem Unternehmen wird vorgeworfen, dass ein von ihm gecharterter Tanklaster (Probo Koala) giftigen Müll, bestehend aus Benzin, Natronlauge und Hydrogensulfid, 2006 am Hafen von Abidjan, Elfenbeinküste entlud.120 Der Laster habe zuerst den Müll am Hafen von Amsterdam abladen wollen, sich dann aber aufgrund zu hoher Kosten in Amsterdam entschieden, woanders zu entladen. Trafigura hingegen macht geltend, dass der Tanklaster im Hafen von Abidjan den Müll dem ivorischen Müllentsorgungsunternehmen Tommy übergeben habe. Über dieses seien unlautere Geschäftspraktiken nicht bekannt gewesen.121 In der Folge des Unglücks mussten 100.000 Menschen im Krankenhaus behandelt werden. 17 Menschen sind durch die Folgen des Giftmülls zu Tode gekommen.122 2. Gerichtsverfahren 2006 reichten 30.000 ivorische Staatsangehörige am Londoner High Court Klage gegen Trafigura Group ltd ein. Das Verfahren mündete am 16. 09. 2009 in einen Vergleich, in dem sich Trafigura verpflichtete, 30 Mio. E an die Geschädigten zu zahlen. Im Gegenzug gaben die Geschädigten eine Verzichtserklärung ab, keine weiteren Ansprüche mehr geltend zu machen.123 Ebenfalls 2006 erhob die Staatsanwaltschaft Amsterdam Anklage gegen die niederländische Muttergesellschaft der Trafigura Group ltd, Trafigura Beheer B.V., den Vorstand von Trafigura Group ltd, einen zuständigen Angestellten, den Kapitän der Probo Koala und verschiedene Bedienstete des Hafens von Amsterdam. Das Verfahren durchlief mehrere Instanzen. Unternehmen und Staatsanwaltschaft kamen am 16. 11. 2012 überein, dass Trafigura 1 Mio. E Strafe, das angeklagte Vorstandsmitglied 67.000 E und der angeklagte zuständige Mitarbeiter 25.000 E Strafe zahlen.124

120

Siehe zum Ganzen Amnesty International, The Toxic Truth, 2012, S. 59, https://www.am nesty.org/download/Documents/AFR310022012ENGLISH.PDF. 121 BBC, Trafigura Statement, http://news.bbc.co.uk/2/hi/programmes/newsnight/8049024. stm. 122 Voice of America, Ivory Coast Government Panel Releases Toxic Waste Findings, https: //www.voanews.com/a/a-13-2006-11-23-voa22/319097.html; Amnesty International, UK giving green light for corporate crime, https://www.amnesty.org/en/latest/news/2015/07/UK-giv ing-green-light-for-corporate-crime/. 123 Marx/Bright/Pineau/Wouters, European Yearbook of Human Rights 2019, 176. 124 Ebd., 171.

44

Kap. 1: Einführung

2007 erhob ebenfalls die Pariser Staatsanwaltschaft Anklage gegen zwei Trafigura-Vorstände mit französischer Staatsangehörigkeit. Das Verfahren wurde 2008 mangels gerichtlicher Zuständigkeit eingestellt.125

B. Einzelhandel I. ALDI-Zulieferer in China Die ALDI Einkauf SE & Co. oHG (ALDI-Nord) und die ALDI GmbH & Co. KG (ALDI-Süd) sind Lebensmitteldiscounter mit Sitz in Deutschland. Sie vertreiben auch Textilprodukte. Die beiden Unternehmensgruppen koordinieren den Einkauf ihrer Waren gemeinsam.126 Einer Studie des Südwind-Instituts aus dem Jahre 2006 zufolge bezieht ALDI diese Textilprodukte zu einem beträchtlichen Teil von chinesischen Zulieferern mit Fabriken in der Provinz Jiangsu nahe der Stadt Nanjing.127 Für die Studie wurden in fünf der ALDI beliefernden Textilfabriken Mitarbeiter befragt. Dieser Umfrage zufolge kam es dort zu erheblichen Verletzungen chinesischen Arbeitsrechts.128 Arbeiter seien am Verlassen ihrer Schlafsäle gehindert worden. Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses sei ihnen nicht erlaubt worden. Manche von ihnen hätten sich deshalb gezwungen gesehen, aus den Schlafsälen der Fabriken zu fliehen.129 Bezüglich dieser Vorfälle wurde keine Klage erhoben.

II. H&M- und Puma-Zulieferer in Kambodscha H&M ist ein schwedisches Modeunternehmen und Puma ein deutscher Sportartikelhersteller. 2011 wurden in Textilfabriken in der Region Kampong in Kambodscha über 300 bei Zulieferern der beiden Unternehmen Beschäftige ohnmächtig und mussten in Krankenhäuser eingeliefert werden.130 Über den Vorfall ist nur wenig bekannt. Nach Presseangaben hatten die Arbeiter zuvor über einen „komischen Geruch“ geklagt.131 Darüber hinaus werden als Ursachen Übermüdung sowie

125

Ebd., 166. Wick, All die Textilschnäppchen – nur recht und billig?, 2007, S. 14. Es wird daher nicht zwischen ALDI-Nord bzw. -Süd unterschieden. 127 Ebd. 128 Ebd., S. 33. 129 Ebd., S. 42 f. 130 Die Welt, Massenkollaps in H&M-Zuliefererfirma in Kambodscha, https://www.welt.de/ wirtschaft/article13565203/Massenkollaps-in-H-M-Zulieferfirma-in-Kambodscha.html. 131 Ebd. 126

§ 2 Typische Fallkonstellationen

45

mangelnde Belüftung der Fabrikhallen in Betracht gezogen.132 Über den Ausgang der von kambodschanischen Behörden angestrengten Ermittlungen ist nichts bekannt.

III. KiK in Pakistan 1. Geschäftsbeziehungen und Sachverhalt Die KiK Textilien und Non-Food GmbH ist ein deutscher Textildiscounter mit Sitz in Bönen. Seit 2007 unterhielt KiK mit dem Unternehmen Ali Enterprises mit Sitz in Karatschi, Pakistan Geschäftsbeziehungen über die Lieferung von Kleidung.133 Am 11. 09. 2012 kam es zum Brand auf dem Firmengelände des pakistanischen Geschäftspartners. Hierbei kamen nach offiziellen Angaben 259 Personen ums Leben. Mindestens 47 weitere Personen wurden verletzt.134 Die Ursache des Brands ist zwischen den Prozessparteien umstritten. KiK macht geltend, dass Terroristen den Brand aufgrund einer Schutzgelderpressung zum Nachteil des Fabrikinhabers von Ali Enterprises gelegt hätten.135 Die Kläger führen den Brand dagegen auf erhebliche Sicherheitsmängel der Fabrik zurück: Die meisten Fenster waren verriegelt, Notausgänge waren abgeschlossen, sodass das Gebäude nur einen einzigen Ausgang hatte. Darüber hinaus gab es nach pakistanischen Brandschutzvorgaben zu wenig Feuerlöscher und es lagen leicht entzündliche Stoffballen herum.136 Unstreitig dürfte sein, dass sich das Feuer bei besserem Brandschutz in dieser Form nicht hätte ausbreiten können.137 Das Abnahmevolumen von KiK belief sich auf 75 – 100 % der von Ali Enterprises gefertigten Textilien. 2. Gerichtsverfahren Am 13. März 2015 reichten vier der Betroffenen am LG Dortmund Klage gegen KiK ein.138 Das LG wies die Klage mit Urteil vom 10. 01. 2019 wegen Verjährung ab.139 Das OLG Hamm teilte diese Rechtsauffassung in seinem Beschluss vom 21. 05.

132

ntv, Massenkollaps in Kambodscha: Ermittlungen bei Puma-Zulieferer, https://www.ntv.de/wirtschaft/Ermittlungen-bei-Puma-Zulieferer-article3069286.html. 133 Siehe zum Ganzen: LG Dortmund, Urt. v. 10. 01. 2019, 7 O 95/15 – juris Rn. 1 f. 134 Ebd., Rn. 1. 135 Ebd., Rn. 2. 136 Terwindt/Leader/Yilmaz-Vastardis/Wright, JETL 2017, 272 f. 137 Siehe auch die anhand von behördlichen Ermittlungsberichten aus Pakistan erstellte Simulation Forensic Architecture, The Ali Enterprise Factory Fire, https://forensic-architecture. org/investigation/the-ali-enterprises-factory-fire. 138 LG Dortmund, Urt. v. 10. 01. 2019, 7 O 95/15 – juris Rn. 10. 139 Ebd.

46

Kap. 1: Einführung

2019.140 KiK leistete unabhängig von diesen Gerichtsverfahren Entschädigungszahlungen an die Opfer in Millionenhöhe.141

IV. Tazreen Fashion und Tuba Group in Bangladesch Tazreen Fashion ltd gehört zur TubaGroup mit Sitz in Dhaka, Bangladesch. Erstere ist Eigentümerin einer Textilfabrik in Sabhar, einem Außenbezirk von Dhaka. In dieser Fabrik wird Mode für den europäischen Vertrieb produziert, u. a. für Unternehmen wie IKEA, C&A, real und Pimkie.142 Dort kam es 2012 zum Brand bei dem mindestens 111 Menschen ums Leben kamen.143 Über Gerichtsverfahren bezüglich dieses Vorfalls ist nichts bekannt.

V. Rana Plaza Das Rana Plaza ist ein Fabrikgebäude, welches im Außenbezirk Sabhar der bangladeschischen Hauptstadt Dhaka liegt. In dem acht-geschossigen Gebäude waren fünf Textilfabriken, einige Geschäfte, sowie eine Bank untergebracht. Am 24. April 2013 – nur vier Monate nach dem Feuer in der Tazreen Fabrik – stürzte der Gebäudekomplex ein. Dabei kamen mindestens 1.127 Menschen ums Leben.144 Obwohl die Polizei am Tag zuvor, nachdem Risse im Mauerwerk erkannt wurden, Evakuierungsanordnungen erteilt hatte, forderten die Leiter der Fabriken die Arbeiter zur Arbeit auf.145 Die im Gebäudekomplex produzierenden Textilunternehmen belieferten Unternehmen wie C&A, KiK, Walmart und Karl Rieker.146

140

OLG Hamm, Beschl. v. 21. 05. 2019, I-9 U 44/19, NJW 2019, 3527. LG Dortmund, Urt. v. 10. 01. 2019, 7 O 95/15 – juris Rn. 3; Haider, Haftung von transnationalen Unternehmen und Staaten für Menschenrechtsverletzungen, S. 99. 142 Geht aus eigenen Angaben der TubaGroup hervor, Details mit Namen weiterer Abnehmer abrufbar unter: https://www.documentcloud.org/documents/524545-factory-profile-oftuba-group.html. 143 Bergman, Bangladesh factory fire kills 111 garment workers, The Telegraph, https: //www.telegraph.co.uk/news/worldnews/asia/bangladesh/9701826/Bangladesh-factory-firekills-111-garment-workers.html; Ahmed, At least 117 killed in fire at Bangladeshi clothing factory, CNN, https://edition.cnn.com/2012/11/25/world/asia/bangladesh-factory-fire/index. html. 144 tagesschau.de, 1127 Tote, 2438 Verletzte, https://web.archive.org/web/20130607172 807/http://www.tagesschau.de/ausland/bangladesch-fabrikgebaeude104.html. 145 BBC, Frantic search for survivors after Dhaka building collapse, https://www.bbc.com/ news/world-asia-22289362. 146 Haider, Haftung von transnationalen Unternehmen und Staaten für Menschenrechtsverletzungen, S. 100. 141

§ 2 Typische Fallkonstellationen

47

Die Geschädigten erhoben keine Klage, sondern legten Beschwerde bei der Business Social Compliance Initiative147 und im Mai 2016 bei der nationalen Kontaktstelle der OECD gegen TÜV Rheinland ein. TÜV Rheinland hatte den Gebäudekomplex in einem kurz vor dem Einsturz durchgeführten Audit-Verfahren unbeanstandet gelassen. Die Geschädigten erhielten im Juni 2016 Entschädigungen durch eine Stiftung. An dieser Stiftung waren jedoch nicht alle von Rana Plaza Textilien beziehenden Unternehmen beteiligt.148

VI. Wintek in China149 Wintek ist ein taiwanisches Unternehmen mit Sitz in der Stadt Taichung. Es stellt Touchscreen-Displays für Smartphones her und beliefert insbesondere den USamerikanischen Apple-Konzern.150 Im Zeitraum Mai 2008 bis August 2009 setzte Wintek in einer seiner Produktionsstätten im chinesischen Suzhou die Chemikalie NHexan ein.151 Der Stoff dient der Reinigung von Touchscreen-Displays. Er trocknet beträchtlich schneller als gewöhnliche Reinigungschemikalien. Einem Medienbericht zufolge brachte dies Apple und Wintek monatliche Mehrgewinne in zweistelliger Millionenhöhe ein.152 Der Einsatz der Chemikalie führte bei den Arbeitern zu geschwollenen, tauben Gliedmaßen, Müdigkeit und Erschöpfung. 137 von ihnen mussten für längere Zeit im Krankenhaus behandelt werden.153 Über im Nachgang der Vorfälle eingereichte Schadensersatzklagen ist nichts bekannt.

147 Programm des Verbands amfori zur Verbesserung sozialer Standards in weltweiten Wertschöpfungsketten, siehe Wikipedia, amfori BSCI, https://de.wikipedia.org/wiki/Amfori_ BSCI. 148 Abendblatt, Entschädigung nach Fabrikbrand in Bangladesch, https://www.abendblatt. de/wirtschaft/article207823007/Entschaedigung-nach-Fabrikbrand-in-Bangladesch.html. 149 Sachverhalt und dazugehörige Angaben übernommen von Kleiner/Leifker/Meder, Verhältnismäßig und zumutbar: Haftung nach dem LieferkettenG, 2020, S. 12. 150 Sawall, Vergiftete chinesische Arbeiter klagen Apple an, golem.de, https://www.golem. de/1102/81601.html. 151 Apple, Supplier Responsibility 2011, S. 20, https://www.apple.com/supplier-responsibili ty/pdf/Apple_SR_2011_Progress_Report.pdf; Spiegel Online, Giftskandal bei Apple-Zulieferer: Chinesische Arbeiter bitten Steve Jobs um Hilfe, https://www.spiegel.de/wirtschaft/unter nehmen/giftskandal-bei-apple-zulieferer-chinesische-arbeiter-bitten-steve-jobs-um-hilfe-a-74 6963.html. 152 Sawall, Vergiftete chinesische Arbeiter klagen Apple an, golem.de, https://www.golem. de/1102/81601.html. 153 Spiegel Online, Giftskandal bei Apple-Zulieferer: Chinesische Arbeiter bitten Steve Jobs um Hilfe, https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/giftskandal-bei-apple-zuliefererchinesische-arbeiter-bitten-steve-jobs-um-hilfe-a-746963.html.

48

Kap. 1: Einführung

C. Landwirtschaft I. Nestlé und Luciano Romero in Kolumbien 1. Unternehmensstruktur und Sachverhalt Nestlé S.A. ist das weltweit größte Nahrungsmittelunternehmen mit Sitz in der Schweiz. Cicolac war eine kolumbianische Tochter Nestlés mit Sitz in Valledupar, wo sie eine Milchpulverfabrik betrieb. Am 11. September 2005 wurde die Leiche des Cicolac-Gewerkschafters Luciano Romero außerhalb von Valledupar auf einer Wiese gefunden.154 Die Leiche wies 50 Messereinstiche auf. Romero wurde vermutlich gefoltert. Kurz zuvor wurden bereits vier weitere, ebenfalls in der sogenannten Sinaltrainal-Gewerkschaft organisierte Arbeiter getötet.155 Die Verantwortung Nestlés beschreiben die Opferanwälte wie folgt: Die Milch für die Milchpulverfabrik komme von Bauern um Valledupar. Diese Bauern finanzieren die in der Gegend dominanten Paramilitärs Autodefensas Unidas de Colombia (Vereinigte Bürgerwehren Kolumbiens, AUC). Nachdem 2002 Nestlé-Cicolac den Tarifvertrag der Arbeiter kündigte, kam es zum Streik. In dessen Folge erwog Nestlé, die Fabrik in Valledupar zu schließen. Da so eine wichtige Einnahmequelle der Paramilitärs zu versiegen drohte, schüchterten diese bei einer Kundgebung der Gewerkschaft Sinaltrainal Romero mit Todesdrohungen ein.156 Im weiteren Verlauf der Proteste entließ Cicolac Romero, neun andere Sinaltrainal Gewerkschafter und 81 weitere Arbeitnehmer. Nestlé verkaufte Cicolac kurz nach den Entlassungen. Nach seiner Entlassung erhielt Romero weiterhin Todesdrohungen. Im Oktober 2005 sollte er vor dem permanenten Völkertribunal bei einer Sitzung betreffend transnationale Konzerne und Menschenrechte in Südamerika als Zeuge aussagen.157 Der kolumbianische Geheimdienst Departamento Administrativo de Seguridad (DAS) überwachte Romeros Mailverkehr mit dem Tribunal und seinen Anwälten. Dieser habe diese Daten an die Paramilitärs weitergegeben. Heute ist das DAS wegen Verstrickungen mit rechten paramilitärischen Kräften aufgelöst worden.158 Konkret wird Cicolac und Nestlé vorgeworfen, Romero öffentlich als Guerillero diffamiert zu haben, anstatt in Kenntnis dieser Sachlage etwas zu seinem Schutz zu unternehmen. In Kolumbien sei dies eine indirekte Art, Paramilitärs zum Mord aufzufordern.159

154 Zum Ganzen: Keppeler, Die Ermordung des Gewerkschafters Luciano Romero, WOZ, https://www.woz.ch/-2809. 155 Ebd. 156 Ebd. 157 Keppeler, Blut und Milch, taz, https://taz.de/Blut-und-Milch/!588105/. 158 Neue Züricher Zeitung, Ex-Geheimdienstchef Kolumbiens verurteilt, https://www.nzz. ch/ex-geheimdienstchef_kolumbiens_verurteilt-1.12497661. 159 Keppeler, Die Ermordung des Gewerkschafters Luciano Romero, WOZ, https://www. woz.ch/-2809.

§ 2 Typische Fallkonstellationen

49

2. Gerichtsverfahren 2012 erstatte die Berliner Menschenrechtsorganisation ECCHR zusammen mit der kolumbianischen Gewerkschaft Sinaltrainal Anzeige gegen Nestlé bei der Staatsanwaltschaft Zug in der Schweiz.160 2014 wies das Schweizer Bundesgericht die Klage ab. Im März 2015 beschloss der EGMR, die Beschwerde gegen die Entscheidung des Schweizer Bundesgerichts nicht zur Entscheidung anzunehmen.161

II. Zwangsarbeit auf thailändischen Fischfang-Schiffen? Nestlé bezieht Fisch vom thailändischen Unternehmen Thai Union Group plc.162 Dieses stand in der Kritik, seine Fische von Schiffen zu beziehen, auf denen Flüchtlinge, hauptsächlich Rohingyas aus Bangladesch, ohne Lohnzahlungen gegen ihren Willen arbeiteten.163 Betroffenenaussagen zufolge seien erkrankte Arbeiter über Bord geworfen, Arbeitsunwillige verprügelt oder gar getötet worden.164 Davon habe Nestlé gewusst, jedoch weder Maßnahmen getroffen, um diese Praxis zu unterbinden, noch die Zusammenarbeit mit Thai Union Group plc beendet. Über ein gerichtliches Vorgehen gegen Nestlé ist nichts bekannt.

III. Ananasanbau in Costa Rica Staay Hispa B.V. mit Sitz in den Niederlanden beliefert Märkte von Edeka, Aldi Süd und Rewe mit Ananas. Es importiert seine Ananas aus Costa Rica, von einer Plantage namens Agrícola Agromonte. Die OLG Food Trade Lebensmittelvertrieb GmbH mit Sitz in Deutschland beliefert die Märkte von Lidl. Sie importiert ebenfalls aus Costa Rica von einer Plantage namens Finca Once.165

160

Ebd. ECCHR, Die Ermordung des Nestlé-Arbeiters Romero in Kolumbien, https://www. ecchr.eu/fall/die-ermordung-des-nestle-arbeiters-romero-in-kolumbien/. 162 Deutsche Wirtschaftsnachrichten, Katzen-Futter: Nestlé wegen Beihilfe zur Sklaverei angeklagt, https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2015/09/01/katzen-futter-nestle-wegenbeihilfe-zur-sklaverei-angeklagt/. 163 Dies ging aus einer Reportage der New York Times hervor. Siehe zum Ganzen: Urbina, „Sea Slaves“: The Human Misery That Feeds Pets and Livestock, New York Times, https://www. nytimes.com/2015/07/27/world/outlaw-ocean-thailand-fishing-sea-slaves-pets.html?hp&ac tion=click&pgtype=Homepage&module=photo-spot-region®ion=top-news&WT.nav= top-news&_r=2. 164 Deutsche Wirtschaftsnachrichten, Katzen-Futter: Nestlé wegen Beihilfe zur Sklaverei angeklagt, https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2015/09/01/katzen-futter-nestle-wegenbeihilfe-zur-sklaverei-angeklagt/. 165 Siehe zum Ganzen: Humbert/Braßel, Süsse Früchte, bittere Wahrheit, 2016, S. 11. 161

50

Kap. 1: Einführung

Arbeiter auf beiden Plantagen arbeiten mit hochgiftigen Pestiziden. Manche dieser Pestizide sind weder in der EU noch den USA zugelassen. Die Plantagen verwenden jedoch auch andere Pestizide. Arbeiter auf beiden Plantagen klagen über Schwindel- und Ohnmachtsanfälle, Erbrechen und allergische Hautreaktionen. Sie geben an, ihr Arbeitgeber statte sie lediglich mit unzureichender Schutzkleidung aus. Arbeitern der Plantage Finca Once zufolge weise ihr Arbeitgeber sie regelmäßig an, rot gekennzeichnete Pestizide bei Betriebsprüfungen oder Audits zu verstecken.166 In der Umgebung der Plantagen wohnende Kleinbauern erhoben in Costa Rica Klage gegen die Betreiberunternehmen der Plantagen, da die verwendeten Pestizide das Grundwasser vergifteten und ihr Land unfruchtbar machten.167

D. Staudämme I. Lahmeyer im Sudan Die Lahmeyer GmbH ist ein deutsches Ingenieurunternehmen. Es übernahm Bauplanung, Bauüberwachung und Kontrolle der Inbetriebnahme des MeroweStaudamms im Sudan.168 Ihm wird vorgeworfen, durch die Öffnung des Staudamms die örtliche Bevölkerung aus ihren Dörfern „geflutet“ zu haben.169 Eigentlich war es geplant, die lokale Bevölkerung umzusiedeln. Dies war auch schon in Teilen vollzogen, jedoch noch nicht vollständig abgeschlossen.170 Angeblich hat ein UNSonderberichterstatter Lahmeyer gewarnt. Lahmeyer sei aber nicht bereit gewesen, die Öffnung des Staudamms zu verschieben. Durch die Überschwemmungen wurde die Lebensgrundlage von 4.700 Familien vernichtet.171 2010 reichte die Berliner Menschenrechtsorganisation ECCHR bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main Strafanzeige gegen die Lahmeyer GmbH (seit 1. 1. 2019 Tractable Engineering GmbH) ein. Am 20. 04. 2016 stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein.172 ECCHR ging dagegen vor. Über den Ausgang dieser Bemühungen ist dem Verfasser nichts bekannt.

166

Ebd., S. 20. Ebd., S. 21. 168 Ebenfalls mit wesentlichen Aufgaben betraut waren das französische Unternehmen Alstom und das Schweizer Unternehmen ABB. Die hauptsächlichen Bauarbeiten führte ein chinesisches Joint Venture aus bestehend aus China International Water & Electric Corporation und China National Water Resources and Hydropower Engineering Corporation, siehe zum Ganzen Hildyard, 37 Sudan Studies (2008), 21 f. 169 ECCHR, Fallbeschreibung Lahmeyer, https://www.ecchr.eu/fileadmin/Fallbeschreibun gen/Fallbeschreibung_Lahmeyer_2016Mai.pdf. 170 Ebd. 171 Ebd. 172 Marx/Bright/Pineau/Wouters, European Yearbook of Human Rights 2019, 176. 167

§ 3 Völkerrechtliche Jurisdiktionsbegrenzungen

51

II. Vale und TÜV Süd in Brasilien Am 25. 01. 2019 stürzte ein Staudamm nahe der brasilianischen Kleinstadt Brumadinho ein. Die dadurch entstandene Schlammlawine zerstörte Siedlungen nahe dem Staudamm und tötete mindestens 259 Menschen.173 Den Staudamm und die dazu gehörige Eisenerzmine betrieb das brasilianischen Bergbauunternehmen Vale, eine brasilianische Aktiengesellschaft mit Sitz in Rio de Janeiro. Den Damm prüfte im September 2018, vier Monate vor dem Einsturz, das deutsche Unternehmen TÜV Süd. Es zertifizierte diesen als beanstandungsfrei.174 Brasilianischen Behörden zufolge waren Baumängel am Damm sowohl TÜV Süd als auch Vale bereits ein Jahr vor dem Einsturz bekannt.175 Brasilianische Gerichte arrestierten Vermögenswerte von Vale i. H. v. 2,5 Mrd. E und von TÜV Süd i. H. v. 13 Mio. E. Sie verurteilten Vale zu Schadensersatzzahlungen an die Familien dreier Todesopfer i. H. v. umgerechnet 2,6 Mio. E.176 Darüber hinaus erhoben die brasilianischen Behörden im Januar 2020 Anklage gegen verschiedene Leitungspersonen und Mitarbeiter von Vale und TÜV Süd.177

§ 3 Völkerrechtliche Jurisdiktionsbegrenzungen Obgleich diese Arbeit zivilrechtliche Haftungsgrundlagen beschreibt und damit eher Partei-178 als Staatsinteressen in den Blick nehmen wird, kommt man bei internationalen Sachverhalten nicht umhin, auch völkerrechtliche Aspekte zu beleuchten. Denn völkerrechtliche Grenzen betreffen jegliche Form von Hoheitsausübung unter die auch z. B. die Ausübung internationaler Zuständigkeit fällt (dazu sogleich). Hätte das LG Dortmund im KiK-Fall179 entschieden, dass der pakistanische Zulieferer Ali Enterprises die Rechtsgüter oder gar Menschenrechte der Fabrikarbeiter verletzt hat, berührte dieses Urteil die Interessen Pakistans. Ein ausländisches Zivilgericht urteilt hier über seine Staatsangehörigen betreffend einen

173 Siehe zum Ganzen: ORF, Schwere Vorwürfe gegen Staudammbetreiber in Brasilien, https://orf.at/stories/3143289/. 174 Fromm/Herrmann/Obermaier/Ritzer, „Keine Mängel festgestellt“, Süddeutsche Zeitung, https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/brasilien-staudamm-dammbruch-1.4306270. 175 ORF, Schwere Vorwürfe gegen Staudammbetreiber in Brasilien, https://orf.at/sto ries/3143289/. 176 Ebd. 177 tagesschau.de, Brasilien verklagt TÜV Süd wegen Dammbruch, https://www.tages schau.de/ausland/tuev-sued-brasilien-anklage-101.html. 178 Ähnlich Roorda/Ryngaert, in: Universal Civil Jurisdiction, 2021, S. 75, die davon ausgehen, dass das IPR – anders als das Völkerrecht – nur Privat- statt Staatsinteressen im Blick hat. 179 Kapitel 1, § 2 B.III. (S. 45).

52

Kap. 1: Einführung

Sachverhalt auf seinem Staatsgebiet.180 Wenn sich deutsche Unternehmen im Ausland anders verhalten, um ihren Pflichten aus einem WertschöpfungskettenG nachzukommen, entfaltet ebenfalls ein deutscher Hoheitsakt (hier das Gesetz) Wirkungen im Ausland.181 Als Folge eines WertschöpfungskettenG könnten deutsche Unternehmen fortan nur noch mit bestimmten, Arbeits- und Sozialstandards wahrenden Zulieferern kooperieren bzw. die Zusammenarbeit mit diese nicht erfüllenden Zulieferern beenden oder aber Druck auf Zulieferer ausüben, solche Standards einzuhalten. Da das Völkerrecht die Abgrenzung der Hoheitssphären verschiedener Staaten regelt, lässt sich fragen, ob eine sich in verschiedenen Aspekten auf das Hoheitsgebiet eines anderen Staates beziehende Ausübung von Hoheitsbefugnissen im Einklang mit dem Völkerrecht steht.

A. Völkerrechtliche Vorgaben für IZPR und IPR? Für die internationale Zuständigkeit in Zivilsachen wird allerdings bereits bestritten, dass das Völkerrecht überhaupt Jurisdiktionsgrenzen vorgibt.182 Dafür lässt sich anführen, Staaten hätten noch nie gegen von Zivilgerichten ausgeübte Jurisdiktion protestiert183.184 Darüber hinaus dient das Völkerrecht unter anderem der 180 Sog. adjudikative Jurisdiktion. Das American Law Institute, Third Restatement of the Law, Foreign Relations of the United States, 1987, § 401 ff. verwendet die Begriffe adjudicative jurisdiction für die Ausübung von Gerichtsgewalt über Sachverhalte mit Auslandsbezug, prescriptive jurisdiction für gesetzliche Regelung von (auch) ausländischen Sachverhalten und enforcement jurisdiction für z. B. die Vollstreckung von Urteilen im Ausland. Letztere ist (fast) immer völkerrechtlich verboten, da der vollstreckende Staat in das Territorium eines anderen Staates eindringt. Die Begriffe stammen aus dem Restatement des American Law Institutes und haben daher keine völkerrechtlich verbindliche Aussagekraft. Da der Diskurs aber unter diesem Begriff läuft, werden die Begrifflichkeiten im Folgenden beibehalten. 181 Sog. präskriptive Jurisdiktion. 182 Akehurst, British Yearbook of International Law, 1972 – 73, 177; Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, 1969, S. 142; Mayer, Revue critique de droit international privé 1979, 546; Pfeiffer, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Band III, 2000, S. 627 f.; Grothe, RabelsZ 58 (1994), 690 – 692; Kralik, ZZP 1961, 12; sich diesem anschließend: Nagel, ZZP 1962, 421; Dodge/Roberts/Stephan, Jurisdiction to Adjudicate Under Customary International Law, opinio juris, http://opiniojuris.org/2018/09/11/33646/. Diese Position vertritt auch das American Law Institute, Fourth Restatement of the Law, Foreign Relations of the United States, 2018, Section 422, reporters note 1. Sehr skeptisch Schröder, Internationale Zuständigkeit, Band II, 1971, S. 766 (Grenzen verlaufen „irgendwo im Bereich vollständiger Unbrauchbarkeit“). Dies gilt freilich nicht für Prozesse gegen ausländische Staaten, sowie Exterritoriale. Hier sind völkerrechtliche Begrenzungen unstreitig anerkannt. 183 Mit völkerrechtlichem Protest können Staaten ihren Willen kenntlich machen. Zwar können sie so die Entstehung völkerrechtlichen Gewohnheitsrechts nicht verhindern, jedoch kann ihnen dieses Gewohnheitsrecht nicht entgegengehalten werden. Der Protest hat formale Anforderungen. Er muss z. B. kontinuierlich geäußert werden, siehe Heintschel von Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht, 2014, S. 481. 184 Dodge/Roberts/Stephan, Jurisdiction to Adjudicate Under Customary International Law, opinio juris, http://opiniojuris.org/2018/09/11/33646/; Akehurst, British Yearbook of In-

§ 3 Völkerrechtliche Jurisdiktionsbegrenzungen

53

Abgrenzung staatlicher Souveränitätssphären. Die Wirkung internationaler Zuständigkeit in Zivilsachen auf die Souveränität anderer Staaten ist jedoch gering. Hat sich ein deutsches Zivilgericht für die Klage gegen einen pakistanischen Beklagten für international zuständig erklärt und stört sich Pakistan daran, z. B. weil der Fall kaum oder keine Beziehungen nach Deutschland hatte, kann es die Anerkennung dieses Urteils verweigern.185 Nichtsdestotrotz üben auch auf Basis bestimmter Zuständigkeitsregeln ergehende Urteile Hoheitsgewalt aus. Aufgrund solcher Urteile kann in inländische Vermögenswerte des Beklagten vollstreckt werden. Der sich in Deutschland befindliche Beklagte kann sogar inhaftiert werden (§ 890 ZPO). Das Völkerrecht kümmert sich nicht darum, ob diese Hoheitsgewalt aus einem zivil- oder strafrechtlichen Urteil hervorging oder möglicherweise überhaupt keine rechtliche Grundlage hatte.186 Zwar ist es richtig, dass Staaten fast nie gegen die Ausübung zivilgerichtlicher Hoheitsgewalt protestieren. Allerdings liegt das daran, dass Staaten sich bei der Ausübung internationaler Zuständigkeit selbst stark beschränken. Es gibt kaum Fälle, in denen ihre Gerichte eine internationale Zuständigkeit für Sachverhalte völlig ohne Verbindungen zum Forum annehmen.187 Dass gegen diese Praxis nicht protestiert wird, lässt sich daher vielmehr als Einverständnis der Staaten zur Ausübung zivilgerichtlicher Jurisdiktion innerhalb dieser völkerrechtlichen Schranken deuten. Nichts anderes ergibt sich, regeln Staaten einen sich auf ausländischem Territorium abspielenden Sachverhalt und bringen diesen kollisionsrechtlich (z. B. mittels Eingriffsnormen oder entsprechender kollisionsrechtlicher Regeln188) zur Anwendung.189 Auch hier können auf Basis dieser Regelungen Gerichtsentscheidungen ergehen, die die betroffenen Staaten zwar nicht anerkennen müssen. Nichtsdestotrotz stellen die entsprechenden Regelungen bereits staatliche Hoheitsgewalt dar, auf die das Völkerrecht Anwendung findet. Grundsätzlich unterliegt die Ausübung staatlicher Hoheitsmacht somit auch im zivilrechtlichen Bereich völkerrechtlichen Grenzen.190 Zwei völkerrechtliche Prinzipien sind für die vorliegenden Fälle von ternational Law, 1972 – 73, 170 – 177, insb. 176 f.; ähnlich Mills, in: The Oxford Handbook of Jurisdiction, 2019, S. 345. 185 Mayer, Revue critique de droit international privé 1979, 546. 186 Roorda/Ryngaert, in: Universal Civil Jurisdiction, 2021, S. 82. 187 Siehe die Studie von Jain, 55 Indian Journal of International Law (2015), 217 – 237, insb. 236 f. 188 Diese letztere Option haben Mitgliedsstaaten der EU freilich kaum noch. Eigene kollisionsrechtliche Regeln kommen hier nur außerhalb des Anwendungsbereichs des EU-IPR in Betracht. Die Rom-VOen decken jedoch bereits die meisten Rechtsgebiete ab. 189 Gegen jegliche völkerrechtlichen Beschränkungen: Mayer, Revue critique de droit international privé 1979, 546; v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band I, 2003, S. 107: Das IPR habe sich von Fesseln der Souveränität befreit. Es sei viel älter als das Konzept der Souveränität, die Anwendung ausländischen Rechts daher auch kein Souveränitätsproblem. 190 So auch z. B. American Law Institute, Third Restatement of the Law, The Foreign Relations of the United States, 1987, Section 421, reporters note 1; Roorda/Ryngaert, in:

54

Kap. 1: Einführung

besonderem Interesse, nämlich das Einmischungsverbot und das genuine-link-Erfordernis:

B. Einmischungsverbot Ein gesichertes völkerrechtliches Prinzip ist das Interventions- (oder Einmischungs-)verbot. Dieses hat seine Grundlage in der Rechtsprechung des IGH191 und einem Beschluss der UN-Generalversammlung.192 Der typische Fall einer unzulässigen Einmischung ist die militärische Intervention.193 Weniger anerkannt ist eine Verletzung des Einmischungsverbots bei ökonomischem Zwang (economic coercion), wo im Gegensatz zu einer militärischen Intervention ein Staat nicht mit physischer Gewalt, sondern mittels wirtschaftlichen Drucks zu einem bestimmten Verhalten veranlasst werden soll.194 Angesichts der globalen, ökonomischen Vernetzung von Staaten lassen sich verbotene wirtschaftliche Interventionen allerdings schwer herauskristallisieren.195 Immer erforderlich ist jedenfalls eine irgendwie geartete Form von Zwang.196 Bloße politische Statements sind erlaubt.197 Ebenso haben Staaten kein Recht darauf, dass andere mit ihnen Handel treiben oder dort

Universal Civil Jurisdiction, 2021, S. 94 f.; Mark/Ziegenhain, NJW 1992, 3062 f.; Mann, 111 Recueil de Cours de l’Academie de Droit International (1964), 46; Schlosser, IPRax 1992, 140. 191 ICJ, Urt. v. 26. 11. 1984, Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America) ICJ Reports 1984, S. 424. Freilich ist die Wirkung von IGH Entscheidungen nicht denen eines nationalen Gerichtsurteils vergleichbar. Nur 80 % der ergangenen Urteile werden befolgt. Bei nicht einvernehmlicher Anrufung sogar nur 50 %. Siehe Sachs, Beiträge aus Sicherheitspolitik und Friedensforschung 2005, 144. 192 Declaration on the Inadmissibility of Intervention in the Domestic Affairs of States and the Protection of their Independence and Sovereignty, Resolution 20/2131 vom 21. 12. 1965. Die Resolution wurde von 109 Mitgliedern angenommen ohne Gegenstimme bei einer Enthaltung und sieben abwesenden Mitgliedern. Teilweise wird das Interventionsverbot auch aus dem in Art. 2 der UN-Charta kodifizierten Recht auf territoriale Souveränität abgeleitet, siehe Täger, Der Schutz von Menschenrechten im internationalen Investitionsrecht, 2011, S. 243 und Epping, in: Ipsen, Völkerrecht, 2014, S. 118. 193 Kunig, Intervention, Prohibition of, in: Max Planck Encyclopedia of Public International Law, Volume VI, 2008, S. 293. 194 Carter, Economic Coercion, in: Max Planck Encyclopedia of Public International Law, Volume III, 2012, S. 292. 195 Ebd., S. 292. 196 Graf Vitzthum, in: Vitzthum, Völkerrecht, 2019, S. 32; von Arnauld, Völkerrecht, 2019, S. 157 mit Verweis auf Art. 32 der Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten, Resolution 20/3281 vom 12. 12. 1974: „Ein Staat darf keine wirtschaftlichen, politischen oder sonstigen Zwangsmaßnahmen gegen einen anderen Staat anwenden oder ihre Anwendung begünstigen, um von ihm die Unterordnung bei der Ausübung seiner souveränen Rechte zu erlangen.“ 197 von Arnauld, Völkerrecht, 2019, S. 157.

§ 3 Völkerrechtliche Jurisdiktionsbegrenzungen

55

investieren.198 Daher kann ein durch z. B. entsprechende Gesetzgebung in Staat A ausgelöster Rückzug von Unternehmen des Staates A aus Staat B keinen Verstoß gegen das Interventionsverbot durch Staat A gegenüber Staat B begründen. Die vorliegenden Sachverhalte überschreiten diese äußerste Linie nicht. Urteilt ein deutsches Zivilgericht über einen außerhalb des deutschen Staatsgebiets liegenden Sachverhalt, hat das Urteil keine Zwangswirkungen im Ausland. So kann Pakistan im KiK-Fall selbst entscheiden, ob es das Urteil anerkennt und diesem so zur Vollstreckung in auf seinem Staatsgebiet belegene Vermögenswerte verhilft oder nicht. Das Urteil ähnelt eher einem (zulässigen) politischen Statement über einen Sachverhalt in Pakistan. Vollstrecken die Kläger in Beklagtenvermögen auf deutschem Staatsgebiet, kann ebenfalls nicht von einem Verstoß gegen das Interventionsverbot gesprochen werden. Zwar sieht sich der ausländische Beklagte dem Zwang der Vollstreckungswirkung ausgesetzt. Jedoch liegen diese Vermögenswerte auf deutschem Staatsgebiet. Die Zwangswirkung entfaltet sich nicht auf ausländischem Territorium. Hier überwiegt das Interesse des Forumstaats, mit auf seinem Territorium belegenen Vermögenswerten nach Belieben zu verfahren. Schließlich steht es den ausländischen Staatsangehörigen frei, auf deutschem Staatsgebiet Vermögenswerte (nicht) zu lagern. Ein Gesetz, wonach (1) deutsche und (2) ausländische Unternehmen für die Verletzung von bestimmten Sorgfaltspflichtverletzungen haften, verstößt ebenfalls nicht gegen das Interventionsverbot. Darauf basierende Urteile werden nur in Deutschland vollstreckt. Darüber hinaus sind die Staaten, deren Unternehmen betroffen sind, nicht gebunden, dieses Gesetz zu befolgen. Es zwingt sie zu nichts.199 Falls sich deutsche Unternehmen in Folge der Sorgfaltsanforderungen eines solchen Gesetzes aus den Gaststaaten zurückziehen, ist dies ebenfalls völkerrechtlich irrelevant. Gaststaaten haben kein Recht auf ausländische Investitionen. Das Einmischungsverbot ist für die vorliegenden Fallkonstellationen daher unbeachtlich.200

198

Ebd., S. 157. Ohnehin würde ein WertschöpfungskettenG in der hier vertretenen Fassung ausschließlich Gesellschaften mit Sitz in Deutschland erfassen, siehe Kapitel 4, § 14 B.II.1.a) (S. 249 f.). Die Erstreckung auf ausländische Gesellschaften wäre gemäß dem Interventionsverbot jedoch nicht unzulässig. 200 A. A. Täger, Der Schutz von Menschenrechten im internationalen Investitionsrecht, 2011, S. 243. 199

56

Kap. 1: Einführung

C. Genuine-link Erfordernis I. Inlandsbezug als Voraussetzung zur Ausübung von Hoheitsgewalt Weitere völkerrechtliche Anforderungen an die Ausübung von Hoheitsgewalt mit Auslandsbezug stellt das genuine-link-Erfordernis.201 Solche auslandsbezogene Hoheitsgewalt ist völkerrechtlich nur dann erlaubt, wenn zwischen dem gerichtlich entschiedenen (adjudicative jurisdiction), bzw. gesetzgeberisch normierten (prescriptive jurisdiction) Auslandssachverhalt und dem diese Hoheitsgewalt ausübenden Staat eine „echte“202, „sinnvolle“203 oder „hinreichend sachgerechte“204 Verbindung besteht.205 Der genuine-link-Grundsatz lässt sich aus dem Völkerrecht zweifelsfrei ableiten. Er stützt sich auf das IGH Urteil in Nottebohm206 und die Staatenpraxis. Letztere zeigt, dass Staaten den Erlass von Hoheitsakten durchgängig mit einem Inlandsbezug rechtfertigen.207 Diese Beschränkung gilt generell für die Ausübung von Hoheitsgewalt. Dem Völkerrecht ist es egal, ob diese Hoheitsgewalt strafrechtlicher, zivilrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Natur ist.208 Daher unterliegt auch die internationale Zuständigkeit deutscher Zivilgerichte oder die Regulierung ausländischer Sachverhalte mittels zivilrechtlicher Haftungsregelungen dem Erfordernis eines Inlandsbezugs.209 Da die allgemeinen Regeln des Völkerrechts 201 Der Zusammenhang zum zuvor genannten Interventionsverbot ist unklar. Teilweise wird behauptet, dass sofern ein link vorliege, sei eine Verletzung des Interventionsverbots jedenfalls nicht zu besorgen: Täger, Der Schutz von Menschenrechten im internationalen Investitionsschutzrecht, 2011, S. 244; Schmalenbach, AVR 39 (2001), 73. Möglicherweise überschneiden sich die Bereiche aber auch nur. 202 Gloria, in: Ipsen, Völkerrecht, 2004, § 23 Rn. 88. 203 Großfeld, Internationales Unternehmensrecht, 1986, S. 30. 204 BVerfG, Beschl. v. 22. 03. 1983, 2 BvR 475/78, NJW 1983, 2761. 205 Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, 1998, S. 221 – 223; Hess, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, S. 380 f. Das genuine-link-Kriterium wurde zuerst von Mann, Recueil des Cours 1964, Band I, 9 ff. aufgebracht. 206 ICJ, Urt. v. 6. 4. 1955, Nottebohm Case (Liechtenstein v. Guatemala), ICJ Reports 1955, S. 23. Siehe allerdings zur Wirkung von IGH Urteilen Kap. 1 Fn. 191. 207 Schwarze, Die Jurisdiktionsabgrenzung im Völkerrecht, 1994, S. 19; Täger, Der Schutz von Menschenrechten im internationalen Investitionsrecht, 2011, S. 243, Fn. 793. Dies insbesondere auch im Bereich der adjudikativen Jurisdiktion (internationale Zuständigkeit), siehe Jain, 55 Indian Journal of International Law (2015), 217 – 237, insb. 236 f. 208 Roorda/Ryngaert, in: Universal Civil Jurisdiction, 2021, S. 82. 209 A. A. zumindest für Beschränkungen der internationalen Zuständigkeit: Akehurst, British Yearbook of International Law, 1972 – 73, 177; Mayer, Revue critique de droit international privé 1979, 546; Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, 1969, S. 142; Pfeiffer, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Band III, 2000, S. 627; Grothe, RabelsZ 58 (1994), 690 – 692; Kralik, ZZP 1961, 12; sich diesem anschließend: Nagel, ZZP 1962, 421. Dodge/Roberts/Stephan, Jurisdiction to Adjudicate Under Customary International Law, opinio juris, http://opiniojuris.org/2018/09/11/33646/. Diese Position vertritt auch das American Law Institute, Fourth Restatement of the Law, Foreign Relations of the United States, 2018, Section 422, reporters note 1. Sehr skeptisch auch: Schröder, Internationale Zuständigkeit, Band II, 1971, S. 766 (Grenzen verlaufen „irgendwo im Bereich vollständiger Unbrauchbarkeit“).

§ 3 Völkerrechtliche Jurisdiktionsbegrenzungen

57

gemäß Art. 25 S. 2 GG vor deutschem Recht Anwendungsvorrang haben, dürfen Staaten diesen Regeln nicht genügende Hoheitsakte nicht erlassen.210 Die Gerichte dürften § 23 ZPO in diesem Fall nicht anwenden, der deutsche Gesetzgeber dürfte keine auslandsbezogenen, rechtsträgerübergreifenden Verkehrspflichten normieren. Unklar ist jedoch wie ein solcher Inlandsbezug beschaffen sein soll. Diesbezüglich gibt es keinen völkerrechtlichen Konsens. Völkerrechtliche Grundsätze sind sehr allgemein. Sie sind „reversibel“.211 Das heißt, ein und derselbe völkerrechtliche Grundsatz kann eine Vielzahl an sogar widersprüchlichen Ergebnissen hervorbringen.212 Die Staaten sind hier freier,213 und der Rechtsanwender muss aufpassen, aus dem Völkerrecht keine Voraussetzungen abzuleiten, die dieses nicht unbedingt vorsieht. „Das Völkerrecht delegiert nicht die staatliche Hoheitsausübung, sondern begrenzt diese nur.“214

II. Intensität des Inlandsbezugs nach Rechtsgebiet Das genuine-link-Kriterium lässt sich gemäß seinem Zweck konkretisieren: Ein Inlandsbezug zum Hoheitsgewalt ausübenden Staat soll vor Eingriffen in die Souveränitätssphären anderer Staaten schützen. Daher muss für die Ausfüllung des genuine-link-Kriteriums die Intensität der Souveränitätseinwirkung maßgeblich sein. Das hat zur Folge, dass die Anforderungen an einen genuine-link von Rechtsgebiet zu Rechtsgebiet verschieden sind – abhängig davon wie intensiv die im Rahmen dieses Rechtsgebiets ergehende Hoheitsakte in staatliche Souveränität eingreifen.215 Diese Vorgehensweise ergibt sich bereits daraus, dass die Staaten – wie noch gleich zu zeigen sein wird – nicht für alle Arten der Hoheitsausübung die

210

BeckOK-GG/Heintschel von Heinegg/Frau, Art. 25 Rn. 28. „Reversibilität“ – Ipsen, in: Ipsen, Völkerrecht, 2018, S. 12. 212 Dazu Koskenniemi, From Apology to Utopia: The Structure of International Legal Argument, 2006, S. 67: „In other words, my argument is that international law is singularly useless as a means for justifying or criticizing international behavior. Because it is based on contradictory premises it remains both over- and underlegitimizing: it is overlegitimizing as it can be ultimately invoked to justify any behavior (apologism), it is underlegitimizing because incapable of providing a convincing argument on the legitimacy of any practices (utopianism).“ 213 Haider, Haftung von transnationalen Unternehmen und Staaten für Menschenrechtsverletzungen, 2019, S. 117. 214 Epping, in: Ipsen, Völkerrecht, 2018, S. 118. 215 Dieser Auffassung zustimmen dürften diejenigen Völkerrechtler, die den genuine-link für jedes Rechtsgebiet gesondert und nicht etwa allgemein bestimmen, siehe z. B. Doehring, Völkerrecht, 2004, S. 40 f. (Staatsangehörigkeit), 229 f. (Schiffe), 383 f. (diplomatischer Schutz); Kamminga, Extraterritoriality, in: Max Planck Encyclopedia of Public International Law, Volume III, 2012, S. 1074, der nach Economic und Criminal Law differenziert; Shaw, International Law, 2008, S. 611 – 613 (Schiffe), 1005 f. (Staatennachfolge). 211

58

Kap. 1: Einführung

gleichen Inlandsverbindungen verlangen.216 Die Staatenpraxis ist uneinheitlich. Da die Staatenpraxis aber eine der wichtigsten Rechtsquellen des Völkerrechts ist,217 müssen für unterschiedliche Arten der Hoheitsausübung auch unterschiedliche genuine-link-Anforderungen gelten. 1. Öffentliches Seerecht Bei Schiffen auf hoher See gilt das Flaggenstaatsprinzip. Ein Schiff auf hoher See untersteht der ausschließlichen Hoheitsgewalt des Staates, dessen Flagge zu führen es berechtigt ist.218 Das Recht zur Verleihung einer solchen Flagge untersteht zwar grundsätzlich dem genuine-link-Erfordernis. Damit ein Schiff also die Flagge eines Staates führen darf, muss es irgendeinen Bezug zu diesem Staat haben. Das Kriterium hat jedoch kaum Bedeutung, da die bloße Registrierung eines Schiffs in einem Staat bereits als Bezug zu diesem ausreicht. So ist die Praxis sogenannter „Billigflaggen“ völkerrechtlich anerkannt.219 Unter „Billigflaggenländern“ werden Staaten verstanden, in denen Reedereien ihre Schiffe nur deshalb registrieren (und anschließend unter deren Flagge fahren lassen), um z. B. Steuern zu sparen oder um in den Genuss geringerer Sozial- und Sicherheitsstandards zu kommen. Dies ist völkerrechtlich möglich, da die Tatsache, dass ein Schiff auf hoher See unter der Flagge eines bestimmten Staates fährt, kaum Auswirkungen auf die Souveränität anderer Staaten hat. 2. Strafrecht Das Strafrecht greift mit seinen möglicherweise langen Haftstrafen hingegen verhältnismäßig stark in die Rechte des ausländischen Angeklagten (und damit auch in den Souveränitätsbereich des Staats, dessen Staatsbürgerschaft er hat) ein. Das zeigt auch der Protest des Heimatstaats des Angeklagten, sollte ein Staat sich einmal exzessiver (strafrechtlicher) Jurisdiktion bedienen.220 Dementsprechend stark muss auch der Inlandsbezug sein.221

216 Siehe für eine eingehende Untersuchung der Staatenpraxis nach Rechtsgebieten Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung und die Bedeutung des Genuine-Link-Erfordernisses, 1992, S. 55 – 244. 217 Siehe Dörr, in: Ipsen, Völkerrecht, 2018, S. 536 ff. m. w. N. 218 Art. 91 SRÜ. Heintschel von Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht, 2018, S. 853. Siehe z. B. § 4 StGB: „Das deutsche Strafrecht gilt unabhängig vom Recht des Tatorts, für Taten, die auf einem Schiff oder einem Luftfahrzeug begangen werden, das berechtigt ist, die Bundesflagge oder das Staatszugehörigkeitszeichen der BRD zu führen.“ 219 Heintschel von Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht, 2018, S. 853 f. 220 Akehurst, British Yearbook of International Law, 1972 – 73, 169 Fn. 2 mit Beispielen. 221 Siehe die Darstellung solcher Inlandsbezüge bei MüKo-StGB/Ambos, vor § 3 StGB Rn. 18 – 60.

§ 3 Völkerrechtliche Jurisdiktionsbegrenzungen

59

3. Staatsangehörigkeitsrecht Noch stärker muss ein solcher Bezug im Recht der Staatsangehörigkeit sein. Der Erwerb einer Staatsbürgerschaft kann nur unter starken Bezügen zum diese verleihenden Staat erfolgen. Dazu zählen als stärkster Bezug das Geburtslands- und das in Deutschland vorherrschende Abstammungsprinzip.222 Der Erwerb der Staatsangehörigkeit kann jedoch auch die Folge entsprechender familienrechtlicher Tatbestände sein, wie z. B. die Eheschließung oder die Adoption.223 Die Beziehungen sind also im Vergleich zum Seevölkerrecht verhältnismäßig stark, da die Verleihung der Staatsbürgerschaft den Erwerber (außer bei Staatenlosen) der Personalhoheit eines anderen Staates unterstellt. Dies greift in die Souveränität des Staates ein, dem der Erwerber ursprünglich zugehörig war. Dies wird insbesondere in Fällen deutlich, in denen ein Staat allen in z. B. an sein Territorium angrenzenden, ausländischen Siedlungsgebiet ansässigen Menschen die Staatsangehörigkeit anbietet. 4. IPR und IZPR Das IPR und IZPR greift wiederum geringer in fremde Souveränitätsrechte ein. Eingreifen in fremde Souveränität kann ein Staat im IZPR durch die Bereitstellung weitreichender Gerichtsstände, die nur einen schwachen Inlandsbezug aufweisen. Ein solcher zu schwacher Inlandsbezug wird z. B. für den im weiteren Verlauf der Arbeit untersuchten deutschen Vermögensgerichtsstands (§ 23 ZPO) behauptet.224 Der Staat kann darüber hinaus gesetzliche Regelungen erlassen, die sich auf ausländischem Staatsgebiet abspielende und ausländische Staatsbürger betreffende Vorgaben enthalten und diese kollisionsrechtlich zur Anwendung bringen (entweder durch eigenes Kollisionsrecht225 oder mittels Eingriffsnormen). So könnte er z. B. die ausländische Geschäftstätigkeit deutscher Unternehmen rechtsträgerübergreifenden Verkehrspflichten unterwerfen oder die deliktische Schadensersatzpflicht bestimmter ausländischer Gesellschaften um zusätzliche Rechtsgüter erweitern. Auf dieser Basis können deutsche Zivilgerichte ausländische Beklagte zu Schadensersatzzahlungen verurteilen und in auf deutschem Staatsgebiet liegendes Vermögen dieser Beklagten vollstrecken. Dagegen regt sich bei den betroffenen Staaten jedoch nur in den seltensten Fällen Widerstand.226 Das liegt daran, dass der Eingriff in die Rechte ihrer Staatsangehö222

Epping, in: Ipsen, Völkerrecht, 2018, S. 126. Ebd., S. 98. 224 Mann, Recueil des Cours 1964, Band I, 81; Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht, 1998, S. 231. Zumindest skeptisch: Hess, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, S. 381; Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung und die Bedeutung des Genuine-Link-Erfordernisses, 1992, S. 220 – 223; Mark/Ziegenhain, NJW 1992, 3063 – 3064. 225 Dies ist den Mitgliedsstaaten der EU nur noch außerhalb des Bereichs der Rom-VOen freigestellt. Hier bleibt freilich kaum noch Regelungsmaterie übrig. 226 Jain, 55 Indian Journal of International Law (2015), 217 – 237, insb. 236 f. 223

60

Kap. 1: Einführung

rigen z. B. im Vergleich zu einer langjährigen Haftstrafe typischerweise nur gering ist (im Zivilrecht: Pfändung des Vermögens als Folge eines in einem rechtstaatlichen Verfahren ergangenes Urteil). Der Staatenpraxis lässt sich lediglich entnehmen, dass in anderen Rechtsgebieten stärkere Anknüpfungspunkte als im IZPR und IPR verwendet werden. Mehr Details gibt das Völkerrecht nicht her. Das genuine-link-Erfordernis begrenzt die Hoheitsausübung somit auch im Rahmen des IPR und IZPR. An seine Ausfüllung stellt das Völkerrecht allerdings aufgrund des eher geringeren Eingriffs in fremde Hoheitsrechte in transnationalen, zivilrechtlichen Sachverhalten nur geringe Anforderungen.

III. Mögliche Inlandsbezüge in wirtschaftsmenschenrechtlichen Fällen Die in § 2 aufgeführten Fälle können sich auf verschiedene Weise auf Deutschland, bzw. den Heimatstaat des am Kopf der Wertschöpfungskette stehenden Unternehmens beziehen. Wie soeben beschrieben, greift ein seine Hoheitsgewalt auf dem Gebiet des IPR und IZPR ausübender Staat verhältnismäßig gering in die Souveränität anderer Staaten ein. Das Völkerrecht stellt hier daher keine hohen Anforderungen an die Ausfüllung des Inlandsbezugs. Alle der folgenden Inlandsbezüge genügen daher dem völkerrechtlichen genuine-link-Erfordernis im Bereich des IZPR und IPR. 1. Inlandsvermögen Eine ausländische Gesellschaft kann in Deutschland Vermögenswerte haben. So kann sie z. B. Eigentümerin von Grundstücken sein oder Forderungen gegen einen Schuldner mit Sitz in Deutschland haben. Forderungen gegen einen deutschen Schuldner kommen insbesondere dann in Betracht, führt die ausländische Gesellschaft ein Konto bei einer deutschen Bank. Darüber hinaus kann diese ausländische Gesellschaft Zahlungsforderungen wegen z. B. gefertigter und gelieferter Kleidung gegen einen deutschen Abnehmer haben. Schließlich können einer ausländischen Tochtergesellschaft insbesondere gegen eine deutsche Konzernmutter Forderungen zustehen. In Deutschland hat die Anknüpfung an Inlandsvermögen durch den Vermögensgerichtsstand des § 23 ZPO besondere Bedeutung. Gemäß § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO kann der Kläger seinen Schuldner an dem Ort gerichtlich in Anspruch nehmen, wo dieser Vermögen hat. Das in Deutschland belegene Vermögen reicht aus, um das genuine-link-Erfordernis auszufüllen. Konkretere Vorgaben können aus dem Völkerrecht nicht abgeleitet werden. Dafür, dass die Vermögensbelegenheit eine völkerrechtlich hinreichende Beziehung zu einem Staat herstellt, spricht auch das Territorialitätsprinzip:227 Der Umgang mit auf dem eigenen Staatsgebiet belegenen Vermögenswerten kann einem Staat nur schwerlich völkerrechtlich vorgeworfen 227

Siehe dazu: Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im Völkerrecht, 1994, S. 34 ff.

§ 3 Völkerrechtliche Jurisdiktionsbegrenzungen

61

werden. Die Ausübung von Staatsgewalt – hier in Form von gerichtlicher Zuständigkeit – auf dem eigenen Staatsgebiet ist ein Kernbereich staatlicher Souveränität.228 Die Vermögensbelegenheit genügt mithin dem genuine-link-Erfordernis. 2. Beteiligung an bzw. vertragliche Beziehungen zu ausländischen Gesellschaften Darüber hinaus stellt die Beteiligung an einer ausländischen Gesellschaft oder die vertragliche Beziehung zu einer solchen bereits einen Bezug nach Deutschland her. Um das genuine-link-Kriterium jedoch nicht vollständig auszuhöhlen, muss es sich um eine nicht völlig unbedeutende Beteiligung bzw. einen nicht bloß einmaligen geschäftlichen Kontakt handeln. Ein ausreichender Bezug nach Deutschland liegt jedenfalls z. B. bei 20-prozentigem Anteilseigentum und einer dauerhaften Geschäftsbeziehung zur Lieferung gefertigter Waren vor. Ohne eine solche Mindestgrenze wäre der Bezug nach Deutschland kaum stärker als die Flaggenregistrierung. Das kann nicht zulässig sein, da der Eingriff in fremde Souveränitätsrechte im Rahmen des IPR und IZPR zwar verhältnismäßig gering ist, jedoch dennoch stärker als das Führen einer Flagge, zu dessen Staat das Schiff abseits der Registrierung dort keine Beziehung hat. 3. Mehrfache Warenlieferungen nach Deutschland Die Zulieferer-Abnehmer-Konstellation enthält auch einen weiteren Bezug nach Deutschland: Hier liefert hier ein ausländisches Unternehmen (der Zulieferer) mehrfach, in bestimmten Abständen Waren nach Deutschland. Auch in diesen Fällen bezieht sich der Sachverhalt nach Deutschland. 4. Staatsangehörigkeit Einen besonders starken Inlandsbezug stellt das Personalitätsprinzip dar: Seine eigenen Staatsangehörigen einseitig kraft hoheitlicher Überlegenheit zu verpflichten und zu berechtigen, macht einen Kernbereich staatlicher Souveränität aus.229 Hat ein Unternehmen also die deutsche Staatsangehörigkeit, kann der deutsche Staat für dieses Regelungen treffen. Die Staatsangehörigkeit von Unternehmen bestimmt sich in Deutschland vorwiegend nach der Sitztheorie. Zwar wurde diese zwecks Vermeidung von Komplikationen mit der Niederlassungsfreiheit aus Art. 49 AEUV modifiziert. Sie wurde jedoch nie vollständig aufgegeben.230 In Bezug auf die hier 228

Ebd., S. 34. Epping, in: Ipsen, Völkerrecht, 2018, S. 123 f. 230 Haider, Haftung von transnationalen Unternehmen und Staaten für Menschenrechtsverletzungen, 2019, S. 73. 229

62

Kap. 1: Einführung

besonders relevanten Gesellschaften aus Drittstaaten kommt diese weiterhin vollumfänglich zur Anwendung.231 a) Deutsche Mutter- und Abnehmergesellschaften Unproblematisch kann der deutsche Gesetzgeber daher den auf seinem Staatsgebiet ansässigen Gesellschaften Vorgaben bezüglich deren Auslandstätigkeiten machen oder sie seiner internationalen Zuständigkeit unterwerfen. b) Ausländische Tochter- und Zulieferergesellschaften Ausländische Tochter- und Zulieferergesellschaften hingegen sind mangels Sitzes in Deutschland eigentlich keine deutschen Staatsangehörigen. Etwas anderes gilt jedoch, stellt man, um die Staatsangehörigkeit ausländischer Unternehmen zu bestimmen, nicht auf den Sitz der ausländischen Gesellschaft, sondern auf deren Anteilseigner ab.232 Halten hauptsächlich deutsche Anteilseigner die ausländische Gesellschaft, wäre nach dieser unter dem Stichwort „Kontrolltheorie“ diskutierten, umstrittenen233 Lösung, die ausländische Gesellschaft als deutsche Staatsangehörige zu betrachten. Zwar beziehen sich die hier interessierenden typischen Fallkonstellationen bereits nach Deutschland, haben also einen genuine-link hierher – auch dann, gelten von einer deutschen Gesellschaft kontrollierte ausländische Gesellschaften nicht als deutsche Staatsangehörige. Ließen sich ausländische, kontrollierte Gesellschaften jedoch als deutsche Staatsangehörige begreifen, wäre dieser genuinelink um einiges stärker. Dem wird hier daher weiter nachgegangen. Bei der Debatte um die Kontrolltheorie geht es hingegen nicht um das gesellschaftsrechtliche Trennungsprinzip.234 Die Frage hier betrifft vielmehr die davon zu unterscheidende Diskussion wie die Staatszugehörigkeit eines Unternehmens völkerrechtlich bestimmt werden soll. Hierfür muss auf völkerrechtliche Regelungen zurückgegriffen werden. Das gesellschaftsrechtliche Trennungsprinzip ist jedoch kein Völkerrecht, sondern Teil des nationalen Gesellschaftsrechts. 231 Ebd.; Rauscher, Internationales Privatrecht, 2017, Rn. 639; MüKo-GmbHG/Weller, Einleitung internationales Gesellschaftsrecht Rn. 371 f. 232 Dafür: Großfeld, Internationales und Europäisches Unternehmensrecht, 1995, S. 67 – 74, insb. 73; Täger, Der Schutz von Menschenrechten im internationalen Investitionsschutzrecht, 2011, S. 258 f.; De Schutter, Extraterritorial Jurisdiction as a Tool for Improving the Human Rights Accountability of Transnational Corporations, 2006, S. 33. 233 Dagegen: ICJ, Urt. v. 05. 02. 1970, Case Concerning the Barcelona Traction, Light and Power Company, Limited (Belgium v. Spain), ICJ Reports 1970, S. 35 (die Reichweite des Urteils ist jedoch umstritten); Schwarze, Die Jurisdiktionsabgrenzung im Völkerrecht, 1994, S. 37 f.; von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 6. Zumindest skeptisch: Schmalenbach, AVR 39 (2001), 74. 234 Siehe noch zum gesellschaftsrechtlichen Trennungsprinzip unten Kapitel 4, § 13 B.II. (S. 235 ff.).

§ 3 Völkerrechtliche Jurisdiktionsbegrenzungen

63

Für eine solche kontrollierende Beteiligung geben die hier interessierenden Fälle gute Beispiele ab: So war das britische Unternehmen Unilever plc 100-prozentige Anteilseignerin seiner kenianischen Tochter Unilever Tea Kenya Ltd. Das heute österreichische Unternehmen Danzer hielt 100 % seiner kongolesischen Tochtergesellschaft Siforco. Die britische Vedanta Resources plc war 100-prozentige Muttergesellschaft des sambischen Tochterunternehmens Konkola Copper Mines plc.235 Die Fälle lassen sich leicht abwandeln. Herrschend hätte durchaus auch eine deutsche Gesellschaft sein können. aa) Barcelona Traction Gegen die Kontrolltheorie lässt sich in erster Linie eine Entscheidung des IGH anführen. Dort stellt dieser fest: Municipal law determines the legal situation not only of such limited liability companies but also of those persons who hold shares in them. Separated from the company by numerous barriers, the shareholder cannot be identified with it. The concept and structure of the company are founded on and determined by a firm distinction between the separate entity of the company and that of the shareholder, each with a distinct set of rights.236

Es kommt laut IGH also auf die Nationalität der Gesellschaft, nicht auf dessen Anteilseigner, an. Auf den ersten Blick stellt dies eine klare Absage an die Kontrolltheorie dar.237 Kann das Urteil aber auf die Fälle hier übertragen werden? Barcelona Traction betrifft nur den diplomatischen Schutz, wie der IGH selbst auch immer wieder betont.238 Es geht um singuläre Interessen des den diplomatischen Schutz ausübenden Staates.239 Der IGH hat im Barcelona Traction Urteil allerdings 235

Siehe die Fallbeschreibungen oben in Kapitel 1, § 2 A.V., VI. und VII. (S. 39 und 41). ICJ, Urt. v. 05. 02. 1970, Case Concerning the Barcelona Traction, Light and Power Company, Limited (Belgium v. Spain), ICJ Reports 1970, S. 35. „Das nationale Recht bestimmt die Rechtslage nicht nur hinsichtlich haftungsbeschränkter Gesellschaften, sondern auch bezüglich der Gesellschafter. Der Gesellschafter ist jedoch von der Gesellschaft durch verschiedene Hürden getrennt. Er lässt sich nicht mit der Gesellschaft identifizieren. Das Konzept und die Struktur der Gesellschaft gründen sich auf und sind determiniert durch eine solide Unterscheidung zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter, die jeweils eigene Rechte haben.“ (Übersetzung des Verfassers). Mit “municipal law“ meint der IGH hier nicht Kommunalrecht, sondern das nationale Recht der Staaten. Siehe die beiden Bedeutungen in Garner, Black’s Law Dictionary, 2015, Municipal Law. 237 So von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 6. 238 Im Urteil selbst (Kap. 1 Fn. 236), S. 34 („diplomatic protection deals with a very sensitive area of international relations“), aber auch in späteren Urteilen, siehe z. B. ICJ, Urt. v. 24. 05. 2007, Case Concerning Ahmadou Sadio Diallo (Republic of Guinea v. Democratic Republic of the Congo), ICJ Reports 2007, S. 32 („as it relates to the exercise of diplomatic protection“). 239 In Barcelona Traction ging es um eine Klage Belgiens gegen Spanien. Belgien rügte insolvenzrechtliche Maßnahmen Spaniens gegenüber einer kanadischen Aktiengesellschaft, die vorwiegend von belgischen Staatsangehörigen gehalten wurde. Der IGH entschied, dass es auf die kanadische Gründung der Gesellschaft ankäme, nicht auf die belgischen Aktionäre. 236

64

Kap. 1: Einführung

selbst eingeräumt, dass er bei Verpflichtungen der Staatengemeinschaft, im Besonderen der Menschenrechte, nicht die gleichen Anforderungen an die Ausübung von Hoheitsgewalt stellt.240 Um genau solche Regelungen geht es hier aber. Hier soll eine durch ein deutsches Gesetz (WertschöpfungskettenG) angeordnete, erweiterte deliktische Haftung auf ausländische Gesellschaften erstreckt werden.241 Der deliktische Schutz von Rechtsgütern ist maßgebliches Instrument des Zivilrechts, Menschenrechtsschutz zu gewährleisten. Zumindest in dieser Hinsicht lässt sich Barcelona Traction daher nicht übertragen.242 Aber auch hinsichtlich der Ausübung internationaler Zuständigkeit lässt sich das Urteil nicht übertragen. Denn auch hierbei geht es nicht um die Ausübung diplomatischen Schutzes für einen Staatsangehörigen.243 bb) Internationales Investitionsrecht Dafür, einen Inlandsbezug über die Nationalität der Anteilseigner herzustellen, spricht die Staatenpraxis in bilateralen Investitionsabkommen (BITs) und in Streitschlichtungsverfahren des International Center for the Settlement of Investment Disputes (ICSID).244 So gibt es BITs, die ihren Anwendungsbereich neben traditionellen Anknüpfungspunkten wie Sitz und Inkorporation ausdrücklich nach der Staatszugehörigkeit der Anteilseigner bestimmen, sofern diese das Unternehmen kontrollieren.245 Andere BITs, wie der US-amerikanische Modell-BIT von 2004, bestimmen zwar nicht ausdrücklich, aber dem Sinn nach die Staatsangehörigkeit von 240 ICJ, Urt. v. 5. 2. 1970, Case Concerning the Barcelona Traction, Light and Power Company, Limited (Belgium v. Spain), ICJ Reports 1970, S. 32. 241 Konkret geht es darum den deliktischen Rechtsgüterkatalog für Klagen gegen ausländische Gesellschaften zu erweitern. Dies wäre auch denkbar bzgl. ausländischer Tochter- und Zuliefererunternehmen. Initiative Lieferkettengesetz, Rechtsgutachten zur Ausgestaltung eines Lieferkettengesetzes, 2020, S. 28 – 30; European Parliament, Draft Report, S. 17, Art. 2 Abs. 2 schlagen eine solche Vorgehensweise vor. Dies wird hier bzgl. ausländischer Gesellschaften jedoch nicht für notwendig gehalten. Siehe mit ausführlicher Begründung, warum ein WertschöpfungskettenG ausländische Gesellschaften nicht erfassen muss, unten Kapitel 4, § 14 B.II.1.a) (S. 249). 242 So auch Täger, Der Schutz von Menschenrechten im internationalen Investitionsrecht, 2011, S. 265. Ebenfalls skeptisch gegenüber der Übertragung auf andere Bereiche des Völkerrechts: Schwarze, Die Jurisdiktionsabgrenzung im Völkerrecht, 1994, S. 36 f., der die Kontrolltheorie im Ergebnis aber ablehnt. 243 Keiner der in Kapitel 2, § 6 untersuchten Gerichtsstände stellt allerdings zur Begründung der internationalen Zuständigkeit bezüglich ausländischer Unternehmen auf die Staatsangehörigkeit eines kontrollierenden Unternehmens ab. Der Gesetzgeber dürfte völkerrechtlich jedoch einen solchen Gerichtsstand schaffen. 244 Die folgende Darstellung der BITs und ICSID Praxis orientiert sich an Täger, Der Schutz von Menschenrechten im internationalen Investitionsrecht, 2011, S. 265 – 270. 245 Art. 1 I c) des Investitionsabkommens zwischen der Schweiz und Costa Rica. Siehe m. w. N. Täger, Der Schutz von Menschenrechten im internationalen Investitionsrecht, 2011, S. 266, Fn. 878.

§ 3 Völkerrechtliche Jurisdiktionsbegrenzungen

65

Unternehmen nach dem Kontrollkriterium.246 Die schiedsgerichtliche Praxis hält es in weiten Teilen genauso.247 Die Jurisdiktion des ICSID bemisst sich gemäß Art. 25 II b) ICSID-Konvention nach ähnlichen Kriterien.248 Die Verwendung des Kontrollkriteriums bedeutet zweierlei. Zum einen bedeutet sie, dass Staaten sich durchaus darüber bewusst sind, dass in vielen Fällen die Kontrolle das sachgerechtere Kriterium zur Bestimmung der Staatszugehörigkeit von Unternehmen ist. Zum anderen bedeutet sie, dass Staaten versuchen, ihr Interesse am Schutz der Investments ihrer Staatsangehörigen durchzusetzen.249 Es leuchtet nicht ein, warum die gleichen Maßstäbe nicht auch beim internationalen Menschenrechtsschutz angelegt werden können. cc) Wann liegt Kontrolle vor? Wann das ausländische Unternehmen kontrolliert wird, lässt sich nicht an Beteiligungsverhältnissen messen.250 Eine Mehrheitsbeteiligung mag zwar die Kontrolle indizieren. Entscheidend ist aber die faktische Kontrolle, die auch bei Minderheitsbeteiligungen vorliegen kann.251 Und selbst ohne jegliche Beteiligung kann das deutsche Unternehmen das Ausländische mittels eines Beherrschungsvertrages kontrollieren.252 Der Sachverhalt sollte sich dann auf Deutschland beziehen, wenn von dort die Entscheidungsmacht herrührt. Diese Erkenntnis hat Konsequenzen. Bislang war nur von der Konzernkonstellation die Rede. Extrahiert man aber faktische Kontrolle als völkerrechtlich relevantes Kriterium, so sind auch von einem deutschen Abnehmerunternehmen kontrollierte ausländische Zulieferer völker-

246 Das ergibt sich aus einem Zusammenspiel der Definitionen von Unternehmen und Investment. M. w. N.: Muchlinski, Multinational Enterprises and the Law, 2007, S. 679 f. und Täger, Der Schutz von Menschenrechten im internationalen Investitionsrecht, 2011, S. 266. 247 Eine Darstellung würde hier den Rahmen sprengen. Siehe die Analyse von Krajewski/ Ceyssens, AVR 45 (2007), 189 – 191. 248 Sie gilt für „nationals of another Contracting State“. Diese wiederum werden unter b) definiert als: „any juridical person which had the nationality of a Contracting State other than the State party to the dispute on the date on which the parties consented to submit such dispute to conciliation or arbitration and any juridical person which had the nationality of the Contracting State party to the dispute on that date and which, because of foreign control, the parties have agreed should be treated as a national of another Contracting State for the purposes of this Convention.“ Die Voraussetzungen für ein solches agreement sind aber sehr niedrig: Es reicht aus, wenn eine Regierung das formal staatszugehörige Unternehmen faktisch als ein Fremdes behandelt (Täger, Der Schutz von Menschenrechten im internationalen Investitionsrecht, 2011, S. 270). 249 De Schutter, Extraterritorial Jurisdiction as a Tool for Improving the Human Rights Accountability of Transnational Corporations, 2006, S. 33. 250 Täger, Der Schutz von Menschenrechten im internationalen Investitionsrecht, 2011, S. 276 f. 251 Ebd., S. 277. 252 So auch Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 2020, S. 202.

66

Kap. 1: Einführung

rechtlich als deutsche Gesellschaft zu betrachten.253 Das kommt durchaus vor. Klägerangaben im KiK-Fall zufolge sei KiK der einzige Abnehmer von Ali Enterprises gewesen und habe so faktisch die Bedingungen diktieren können. KiK selbst behauptet, es habe 75 % der Produktion abgenommen.254 Aus den wenigen Rechtsquellen, auf die das Völkerrecht zurückgreifen kann, lässt sich kein Verbot entnehmen, im Rahmen des IPR und IZPR auf die Staatsangehörigkeit des deutschen, kontrollierenden Unternehmens zwecks Bestimmung der Staatsangehörigkeit des ausländischen Unternehmens abzustellen. Innerhalb des IPR und IZPR darf daher der Heimatstaat von Gesellschaften, die andere, ausländische Gesellschaften kontrollieren, Letztere wie die in seinem Hoheitsgebiet ansässige Gesellschaften regulieren.

D. Rechtspolitische Erwägungen Auch aus rechtspolitischen Erwägungen ist es sachgerecht, die Schwelle zu einem genuine-link niedrig anzusetzen. Auf die Folgen einer zu hohen Schwelle für genuine-links wird im Folgenden unter I. kurz eingegangen. Darüber hinaus melden die Heimatstaaten der Mutter- und Abnehmerunternehmen bei der Regulierung ausländischer, unternehmerischer Geschäftsaktivität gelegentlich Bedenken bezüglich der Souveränitätsrechte der Gaststaaten an. Bei anderen interstaatlichen Interaktionsformen, die mindestens genauso stark in die Souveränität der Gaststaaten eingreifen, verhalten sich die Heimatstaaten hingegen weniger sensibel. Diesen Wertungswiderspruch thematisiert Teil II.

I. Folgen hoher Anforderungen an den genuine-link Die Unternehmen verschiedener Staaten entfalten globale Geschäftstätigkeit. Die meisten Staaten heißen ausländische Direktinvestitionen ausdrücklich willkommen. In vielen Fällen rührt die Entscheidungsgewalt eines im Ausland mittels Konzernoder Zulieferergesellschaften investierenden Unternehmen jedoch von einer bestimmten Konzernzentrale her. Wenn der Heimatstaat mit den von seinem Unternehmen getroffenen ausländischen Entscheidungen jedoch nicht einverstanden ist – aus welchen politischen Gründen auch immer –, hat er ein Interesse daran, dessen ausländische Geschäftstätigkeit zu regulieren. So kann er z. B. wollen, dass die von Zulieferern oder Konzerngesellschaften betriebenen ausländischen Produktionsstätten nur unter angemessen Sicherheitsstandards für die dort angestellten Arbeitnehmer produzieren lassen. Sind nun die Anforderungen an einen genuine-link sehr 253

So auch De Schutter, Extraterritorial Jurisdiction as a Tool for Improving the Human Rights Accountability of Transnational Corporations, 2006, S. 44. 254 Kapitel 1, § 2 B.III. (S. 45). Siehe zur Art der Einflussnahme in vertraglichen Konstellationen auch noch unten: Kapitel 4, § 14 D.II.4.a) (S. 276 ff.).

§ 3 Völkerrechtliche Jurisdiktionsbegrenzungen

67

hoch, reicht also z. B. die nicht unerhebliche Beteiligung an einer ausländischen Gesellschaft oder die inländische Vermögensbelegenheit nicht aus, kann er die von seiner Mutter- oder Abnehmergesellschaft ausgehende Entscheidungsgewalt nicht mehr effektiv regulieren. Mit dieser Argumentation reicht die Jurisdiktion wirtschaftsstarker Staaten mit vielen global expandierenden Unternehmen zwar weiter als die anderer Staaten, da in wirtschaftsstarken Staaten mehr solcher größeren Unternehmen ansässig sind.255 Dem gegenüber steht aber das Interesse dieser wirtschaftsstarken Staaten daran, völkerrechtlich in der Lage zu sein, die von ihren Staatsangehörigen ausgehende wirtschaftliche Macht zu kontrollieren. Dieser Befund gilt umso mehr in Zeiten, in denen grenzüberschreitender, globaler Handel eher zur Regel als Ausnahme wurde256 und in denen die Regulierungskapazitäten der Staaten bezüglich global tätiger Unternehmen immer mehr abnehmen.257 So sind Staaten schon lange nicht mehr die wirtschaftlich mächtigsten Akteure im Weltgeschehen. 51 der weltweit größten Wirtschaftsakteure sind transnationale Unternehmen, nur 49 sind Staaten.258 Nach neueren Angaben soll das Verhältnis bei 69 zu 31 liegen.259

II. Einheitliche Geltendmachung von Souveränitätsbedenken Darüber hinaus wird das Souveränitätsprinzip in uneinheitlicher Weise geltend gemacht. Während die Heimatstaaten international agierender Konzerne betreffend die Regulierung im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte Bedenken hinsichtlich der Souveränität der Gaststaaten anmelden,260 idealtypisch Entwicklungsländer, 255 Schwarze, Die Jurisdiktionsabgrenzung im Völkerrecht, 1994, S. 37; Basedow, RabelsZ 83 (1984), 167. 256 Ähnlich Mann, 111 Recueil de Cours de l’Academie de Droit International (1964), 36 f.: Der Fokus auf das staatliche Territorium führe zu Resultaten, die in einer immer kleiner werdenden Welt nicht mehr adäquat seien. Mann zog daraus die Konsequenz auf „Kontakte“ (wie mit dem genuine-link-Erfordernis ja geschehen) statt auf Territorien abzustellen. Siehe auch Krisch, in: Unternehmensverantwortung und internationales Recht, 2020, S. 14: „Unternehmen mögen an einem bestimmten Ort inkorporiert sein, aber ihre Aktivität und die Interaktion zwischen ihren Tochterunternehmen und Zulieferern machen sie oft zu einem örtlich nicht klar definierten Netz.“ 257 Siehe z. B. Held/McGrew/Goldblatt/Perraton, Global Transformations, 1999, S. 182 und 234. 258 Davinic´, 56 Belgrade Law Review (2008), 228. 259 Global Justice Now, 69 of the richest 100 entities on the planet are corporations, https: //www.globaljustice.org.uk/news/2018/oct/17/69-richest-100-entities-planet-are-corporationsnot-governments-figures-show. 260 So z. B. der amici curiae brief („Schriftsätze von Freunden des Gerichts“, Stellungnahme von Verfahrensunbeteiligten, insb. in US-amerikanischen Gerichtsverfahren verbreitet) der britischen, niederländischen und nord-irischen Regierungen, siehe https://ccrjustice.org/sites/de fault/files/assets/2012.02%20UK%20Govt%20et%20al%20Amicus%20Brief%20.pdf. Sie appellierten an die US-amerikanischen Gerichte in Kiobel v. Shell die Souveränität des Gaststaats (hier Nigeria) zu respektieren, indem diese ihre Jurisdiktionsgrenzen beachten, S. 3 und 28.

68

Kap. 1: Einführung

zeichnet die Vorgehensweise der EU beim Abschluss von Freihandelsabkommen ein anderes Bild. So schloss die EU mit einigen zögernden, afrikanischen Ländern Freihandelsabkommen, die auf eine reziproke Handelsbeziehung abzielten. Faktisch verschlechterten diese Abkommen die wirtschaftliche Situation der beteiligten Entwicklungsländer, da vorige Abkommen diesen Zollvergünstigungen gewährten.261 Grundsätzlich sind reziproke Freihandelsabkommen nicht zwangsläufig ökonomisch vorteilhaft für die wirtschaftlich schwächere Partei. Deren Güter und Dienstleistungen können nicht immer mit denen aus z. B. der EU konkurrieren. Umgekehrt bekommt die EU die Möglichkeit, ihre aus der gemeinsamen Agrarpolitik stammende Überproduktion unter dem Weltmarktpreis dort zu vertreiben. Diese Praxis hat negative Auswirkungen auf die von Kleinbauern geprägte, lokale Landwirtschaft dieser Staaten, die mit den billigen Importen nicht mithalten kann.262 Um die Freihandelsabkommen durchzusetzen, drohte die EU immer wieder damit, Entwicklungshilfe zu kürzen.263 Solche Drohungen haben empfindliche Auswirkungen: Entwicklungshilfe bildet einen beachtlichen Bestandteil am Budget mancher Länder.264 Darüber hinaus bringen Freihandelsabkommen häufig das marktwirtschaftliche Wirtschaftsmodell mit sich, das die betreffenden Entwicklungsländer sich möglicherweise nicht selbst ausgesucht hätten. Sie mit entsprechenden Drohungen vor diese Entscheidung zu stellen, stellt einen intensiveren Eingriff in die Souveränität der Gaststaaten dar, als materiell-zivilrechtliche Sorgfaltspflichten oder die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte.265 Reicht z. B. Mosambik die internationale Zuständigkeit deutscher Zivilgerichte gemäß § 23 ZPO zu weit, haben seine Gerichte die Möglichkeit ein darauf gestütztes Urteil gegen Ähnlich auch die Antwort der kanadischen Regierung auf den Bericht eines parlamentarischen Subkomitees, der Empfehlungen zur Regulierung des Verhaltens kanadischer Minenunternehmen im Ausland enthielt. Ebenso auch die Statements der russischen und chinesischen Delegation bei den Verhandlungen der UN Working Group on Business and Human Rights im Oktober 2019 in Genf, an denen der Verfasser die Möglichkeit hatte, teilzunehmen. Die Arbeitsgruppe zielt ab auf die Erarbeitung eines verbindlichen völkerrechtlichen Abkommens, um Menschenrechtsverletzungen durch transnational tätige Unternehmen zu regulieren. M. w. N. zu ähnlichen Reaktionen anderer Regierungen, siehe Seck, 11 Yale Human Rights & Development Law Journal (2008), 180 ff. m. w. N. 261 Schmidt, 4 Review of European Studies (2012), 103. Diese Praxis von Vergünstigungen fußte auf unverbindlichen Zusagen vieler Industrienationen an Entwicklungsländer, die Erstere im Nachgang der UN Conference on Trade and Development (UNCTAD) machten, siehe Haltern, in: Ipsen, Völkerrecht, 2014, S. 603. 262 Baldwin/Wyplosz, The Economics of European Integration, 2020, S. 218 f. beispielhaft anhand von EU-Zuckerexporten nach Mosambik. 263 Sepos, 6 Journal of Political Power (2013), 272; Shaffer, 5 World Trade Review (2006), 193 mit weiteren detaillierten Nachweisen; siehe auch die Aussage des ehemaligen malawischen Präsidenten Peter Mutharika: Semu-Banda, „If EPAs Are So Good, Why Force Us to Sign?“, allAfrica, https://allafrica.com/stories/200804230768.html. 264 Mosambiks Staatshaushalt besteht zu 50 % aus Entwicklungshilfe, siehe Schmidt, 4 Review of European Studies (2012), 105. 265 Wie hier: Roorda/Ryngaert, in: Universal Civil Jurisdiction, 2021, S. 91.

§ 3 Völkerrechtliche Jurisdiktionsbegrenzungen

69

eines seiner Unternehmen nicht anzuerkennen. Zum Vergleich: Muss es um die Hälfte seines aus EU-Entwicklungshilfe stammenden Budgets fürchten, sofern es ein von der EU angebotenes Freihandelsabkommen nicht unterzeichnet, ist die Zwangswirkung und damit die Auswirkungen auf seine Souveränität erheblich größer. Es liegt daher die Vermutung nahe, dass die Heimatstaaten nur deshalb hinsichtlich internationaler Jurisdiktion und materiell-rechtlichen Sorgfaltspflichten so vorsichtig sind, um ihre eigenen Unternehmen und nicht – wie sie aber oft vorgeben –, um die Souveränität der Gaststaaten zu schützen. Förderlicher wäre es, würden die Staaten Souveränitätserwägungen einheitlich berücksichtigen (und nicht nur bei politischen Entscheidungen, die sich nachteilig für die auf ihrem Staatsgebiet ansässigen Unternehmen auswirken).

Kapitel 2

Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte § 4 Einführung Eine Klage der in den Beispielsfällen beschriebenen Geschädigten gegen die beteiligten Unternehmen muss überhaupt zulässig sein. Daher wird im folgenden Abschnitt die internationale Zuständigkeit deutscher Zivilgerichte untersucht. Davor stellt sich jedoch die Frage, warum überhaupt vor deutschen Zivilgerichten geklagt werden sollte. Schließlich haben sich die zu einer potenziellen Haftung führenden Ereignisse allesamt auf dem Territorium der Produktionsstaaten abgespielt. Darüber hinaus haben die Kläger regelmäßig nicht die Nationalität der Heimstaaten von Unternehmen, sondern die der Gaststaaten. Ist die Klage gegen eine Gesellschaft aus dem Gaststaat gerichtet, kommt hinzu, dass sogar der Beklagte diese Nationalität hat – mithin beide Prozessparteien nicht die Staatsangehörigkeit des potenziellen Forums haben. Eine Klage erscheint in diesen Fällen allein schon mit Blick auf Reisekosten und Sprachbarrieren sehr aufwendig und kostenintensiv. Dennoch nehmen die Kläger diesen Aufwand oft auf sich, wie die in § 2 geschilderten Fälle gezeigt haben. Woran liegt das?

A. Gerichtssysteme der Gaststaaten Es gibt Hinweise dafür, dass die Gerichtssysteme der Staaten, in welche Unternehmen ihre Produktion regelmäßig auslagern, bisweilen langsam, überlastet oder gar korrupt sind. Die Daten des Global Competitiveness Report1 unterstreichen diese Vermutung. So schneiden einige der Gaststaaten in den in § 2 untersuchten Fällen in Sachen Korruption und richterlicher Unabhängigkeit schlecht ab (Ranking des betreffenden Staats innerhalb von insgesamt 140 untersuchter Staaten):

1 Schwab, Global Competitiveness Report 2017 – 2018, http://reports.weforum.org/globalcompetitiveness-report-2018/downloads/.

§ 4 Einführung

Bangladesch China Elfenbeinküste Indien Kolumbien DR Kongo Kenia Sierra Leone Thailand

Richterliche Unabhängigkeit 93 45 123 41 112 129 51 94 61

71 Korruption 120 66 87 69 80 134 120 109 80

Der Global Competitiveness Index wird zwar zum Teil kritisch beäugt. Insbesondere wird ihm eine neoliberale Tendenz unterstellt. Er weise daher Ländern wie den USA oder Großbritannien unrealistisch hohe Rankings zu.2 Hinsichtlich der hier betrachteten Länder greifen diese Bedenken jedoch nicht durch. Erstens kann diese Tendenziösität des Index für die hier betrachteten Länder viel weniger Geltung beanspruchen, geht es doch gerade nicht um die „Stammländer des Kapitalismus“. Zweitens kommen andere Korruptionsindizes zu ähnlichen Ergebnissen.3 Diesen, u. a. von Transparency International herausgegebenen Indizes lässt sich nicht die gleiche Tendenz unterstellen. Dieses Bild bestätigen Daten zu den Gerichtssystemen einzelner Staaten: So geben sieben von zehn, in den letzten zwölf Monaten vor Datenerhebung mit dem pakistanischen Justizsystem in Berührung gekommene Pakistani an, schon einmal Bedienstete eines Gerichts bestochen zu haben.4 Die gleiche Studie kommt zu dem Ergebnis, dass in Indien und Myanmar 31 – 45 % derjenigen Einwohner, welche in den letzten 12 Monaten Kontakt mit dem Gerichtswesen des jeweiligen Staats hatten, jemanden bestochen haben.5 In Bangladesch sei es für Betroffene aufgrund des überlasteten und korrupten Justizsystems nicht aussichtsreich, überhaupt Klage zu erheben.6 In Indien existieren zwar materiell-rechtlich ausreichende Regelungen, jedoch sei die Durchsetzung ebendieser nicht gewährleistet.7 Für China wird von fehlender Durchsetzung der geltenden Gesetze ausgegangen, sowie der Regierung

2

Bergsteiner/Avery, 159 Journal of Business Ethics (2019), 863 ff. Transparency International, Tabellarische Rangliste des Corruption Perceptions Index, 2019, https://www.transparency.de/cpi/cpi-2019/cpi-2019-tabellarische-rangliste/; World Justice Project, Rule of Law Index 2020, https://worldjusticeproject.org/sites/default/files/documents/ WJP-ROLI-2020-Online_0.pdf. 4 Transparency International, People and Corruption: Asia Pacific, 2017, S. 15, https: //www.transparency.org/whatwedo/publication/people_and_corruption_asia_pacific_global_cor ruption_barometer. 5 Ebd. 6 Alam, in: Corporate Social Responsibility – Mythen und Maßnahmen, 2013, S. 67. 7 Ceresna, in: Corporate Social Responsibility – Mythen und Maßnahmen, 2013, S. 71 f. 3

72

Kap. 2: Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte

vorgeworfen, Unternehmen zu übervorteilen.8 Die chinesische Justiz habe darüber hinaus politischen Charakter.9 Sie diene der kommunistischen Partei, indem sie ihr bei der Erfüllung strategischer Ziele behilflich sei.10 Gerichtspräsidenten und die meisten Richter seien Parteimitglieder.11 Sie seien davon abgesehen auch korruptionsanfällig.12 Nach Angaben des US-Außenministeriums gibt es in Indonesien nur wenig richterliche Unabhängigkeit. Gerichte würden dazu benutzt, gegen politische Aktivisten und Regierungskritiker Klage zu erheben und umgekehrt diesen Rechtsschutz zu versagen.13 Für Nigeria wird behauptet, die Gerichte seien unterbesetzt und schlecht bezahlt. Richter gingen daher anderen Beschäftigungstätigkeiten nach und erscheinen infolgedessen häufig nicht zu den angesetzten Verhandlungsterminen.14 Auch hier sei Korruption an der Tagesordnung.15 Im Sudan sei der Justizapparat nicht unabhängig und stehe weitestgehend in den Diensten der Regierung.16 Generell spiele in den Justizsysteme afrikanischer Staaten Korruption eine bedeutende Rolle. Darüber hinaus arbeiteten die Gerichte langsam, ein Verfahrensausgang lasse sich schwer im vornherein bestimmen und Urteile seien schwer durchsetzbar.17 In Lateinamerika seien Reformen, die Justiz unabhängiger zu gestalten schwer durchsetzbar, da die politische Klasse, die von korrupten Justizsystemen profitiert, dagegen opponiere.18 Eine Umfrage aus dem Jahre 2004 ergab, dass nur 32 % der in 18 lateinamerikanischen Ländern Befragten hohes („high“) oder zumindest etwas („some“) Vertrauen in den Justizapparat haben.19 99 % der Fälle, die die Gerichte in den USA mit Verweis auf forum non conveniens20 abwiesen, werden anschließend nicht im eigentlich zuständigen Gaststaat (in Südamerika) eingereicht.21 Auch daraus 8 „[L]ack of enforcement of the law of the books“ und „favoritism towards enterprises“, Lin, 15 Cardozo Journal of International and Comparative Law (2007), 355. 9 Bu, Einführung in das Recht Chinas, 2017, S. 18 f. 10 Ebd., 18. 11 Ebd., 19. 12 Ebd., 18. 13 Forcese, 31 Ottawa Law Review (2000), 185 m. w. N. 14 Ebd. 15 Guobadia, 20 African Journal of International and Comparative Law (2012), 315 f. 16 Forcese, 31 Ottawa Law Review (2000), 185 f. 17 Mancuso, 14 Annual Survey of International & Comparative Law (2008), 40. Siehe auch generell zur Korruption im Justizwesen der afrikanischen Staaten: Kischel, Rechtsvergleichung, 2015, S. 689 f. mit vielen weiterführenden Nachweisen. 18 Sousa, in: The State of State Reform in Latin America, 2007, S. 95; Kischel, Rechtsvergleichung, 2015, S. 648 f. 19 Sousa, in: The State of State Reform in Latin America, 2007, S. 96. 20 Das angerufene Gericht verneint seine nach abstrakten Regeln gegebene Zuständigkeit, wenn es meint, das Gericht eines anderen Staats könne in der Rechtssache besser entscheiden, Junker, Internationales Zivilprozessrecht, 2020, § 5 Rn. 29. 21 Diaz, 20 Arizona Journal of International and Comparative Law (2003), 93. Diaz beruft sich auf die Studie eines italienischen Rechtwissenschaftlers.

§ 4 Einführung

73

lässt sich schließen, dass Geschädigte entweder im Heimatstaat des transnationalen Unternehmens klagen oder gar nicht. Die Motivation dafür erläutert die angeführte Studie zwar nicht, andere Gründe als mangelndes Vertrauen in die dortigen Justizsysteme sind jedoch nicht ersichtlich. Eine solche Einschätzung zur Lage des Justizsystems wurde vereinzelt von den Regierungen auch selbst abgegeben. So hat ein kanadisches Gericht seine Zuständigkeit mit Verweis auf die Angaben der tansanischen Regierung zum Justizsystem ihres eigenen Landes begründet: I conclude that the United Republic of Tanzania presently faces significant governance issues which include, in the words of the national web site found at www.tanzania.go.tz/ governance.html „financial mismanagement; corruption; poor accountability; an overloaded and inefficient legal system; ambivalence in sanctioning the fundamental human rights; erosion of meritocracy in public service; tax evasion and unnecessary bureaucratic procedures.“22

Die Bewertungen der deutschen rechtswissenschaftlichen Forschung zeigen in eine ähnliche Richtung. So wird davon ausgegangen, dass gaststaatliche Gerichte „unqualifiziert“23, „politisch beeinflusst“24 und „defizitär“25 seien, „ihre Bürger oft nur zögerlich“ schützen26 und ein „vor- und nachtatlicher Schutz“ fehle.27 Die Situation verschärft sich, wenn hohe Regierungsbeamte der Produktionsstaaten an der Exportindustrie beteiligt sind und daher Interesse an der Wirtschaftlichkeit ebendieser Unternehmungen haben. Das Volumen einer Schadensersatzklage bei Menschenrechtsverletzungen kann für Unternehmen empfindliche Folgen haben, was die involvierten Regierungsbeamten motivieren kann, einen solchen Ausgang mit allen Mitteln zu verhindern.28 Doch auch unabhängig von korrupten Praktiken sind ausländische Direktinvestitionen wirtschaftlich überlebenswichtig für viele Entwicklungsländer. Gaststaaten gewichten die durch ausländische Direktinvestitionen hervorgerufenen wirtschaftlichen Vorteile daher möglicherweise höher als den Rechtsgüterschutz ihrer Bürger und beeinflussen Gerichtsverfahren dementsprechend.29 Doch auch ohne exekutive Einflussnahme berücksichtigte etwa ein 22

Court of Queen’s Bench of Alberta, Somji v. Somji, 292 A.R. 337 (QB) (2001) Rn. 72. Burckhardt, in: Corporate Social Responsibility – Mythen und Maßnahmen, 2013, S. 78. 24 Ebd. 25 Hartmann, in: Die Durchsetzung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen, 2018, S. 283 f. 26 Grabosch, in: Transnationale Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen im Völkerrecht, 2013, S. 70. 27 Fischer, in: FS Remmers, 1995, S. 447. Ähnlich: Skinner/McCorquodale/De Schutter, The Third Pillar: Access to Judicial Remedies for Human Rights Violations by Transnational Business, 2013, S. 24. 28 Zur Textilindustrie in Bangladesch in diesem Zusammenhang: Alam, in: Corporate Social Responsibility – Mythen und Maßnahmen, 2013, S. 68. 29 Ristroph, 15 Indiana International and Comparative Law Review (2004), 59; Broecker, 41 International Law and Politics (2008), 184; McLeay, in: Transnational Corporations and Human 23

74

Kap. 2: Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte

nigerianisches Gericht diese (politische) Ausgangslage bereits in Gerichtsentscheidungen.30 Schließlich bestehe ein Verhandlungsungleichgewicht zwischen Gaststaat und dort tätigem (ausländischen) Unternehmen.31 Selbst, wenn Gaststaaten also nicht nur die wirtschaftlichen Vorteile ausländischer Direktinvestitionen vor Augen haben, wird es ihnen schwerfallen sich gegen ausländische Unternehmen zu behaupten. Freilich verbieten sich pauschalisierende oder abschließende Aussagen in diesem Zusammenhang. Die Gerichtssysteme der in Rede stehenden Nationen sind dafür viel zu heterogen. Hiermit ist auch nicht gesagt, dass es gar keine rechtstaatlichen Verfahren in den besagten Ländern gibt. Die Aussage, dass die Rechtsordnungen von Entwicklungsländern für Rechtsschutz der Opfer nicht „so ungeeignet wie vermutet“32 sind, steht daher in keinem Wiederspruch zu den hier getroffenen Feststellungen. Dennoch zeigt die vorangegangene Darstellung, dass Verfahren in den Gaststaaten enorme Unwägbarkeiten und Unsicherheiten bergen und erklärt mithin, warum auf Seiten der Betroffenen ein großes Interesse daran besteht, eben nicht vor den Gerichten des Staates zu klagen, in welchem sich die Rechtsgutsverletzung zugetragen hat.33

B. Klagegegner Thematisiert man die Zuständigkeit deutscher Gerichte für die einschlägigen Klagen, gibt es zwei denkbare Anknüpfungspunkte, welche eine Gliederung dieses Kapitels vorgeben. Die Geschädigten können entweder gegen die Mutter- bzw. Abnehmergesellschaft mit Sitz in Deutschland oder aber gegen die ausländische Konzern- bzw. Zulieferergesellschaften klagen. Jede Klagemöglichkeit hat dabei Vor- und Nachteile, die wiederum von der eingenommenen Perspektive – Kläger oder Beklagter – abhängen. Die Mutter- bzw. Abnehmergesellschaften haben reRights, 2006, S. 219; Pietropaoli, Business, Human Rights and Transitional Justice, 2020, S. 141. 30 So begründete ein nigerianisches Gericht folgendermaßen, warum es keine einstweilige Verfügung gegen Shell-BP erließ: „To grant the order […] would amount to asking the defendant [Shell-BP] to stop operating in the area. […] The interest of third persons must be in some cases considered, for example, where the injunction would cause stoppage of trade or throwing out a large number of work people.“ Es dürfe kein Urteil ergehen, das die Operationen der Ölindustrie behindern könnte, die „the main source of this country’s revenue“ ist. Zitat bei Frynas, 43 Journal of African Law (1999), 122. 31 Cragg, 24 Emory International Law Review (2010), 751 – 755. 32 Saage-Maaß, Unternehmen zur Verantwortung ziehen, 2017, S. 7 f. 33 Ebenso Skinner, 46 Columbia Human Rights Law Review (2014), 169 – 171; dies. 72 Washington & Lee Law Review (2015), 1799 – 1803; Kirshner, 30 Berkeley Journal of International Law (2012), 267; Kobrin, 19 Business Ethics Quarterly (2009), 351; Pietropaoli, Business, Human Rights and Transitional Justice, 2020, S. 140 f.; Weller, in: FS Kohler, 2018, S. 584 und auch die Kläger selbst, wie Roorda, in: Business and Human Rights in Europe, 2020, S. 195 vorbringt.

§ 5 Klagen gegen Mutter- oder Abnehmergesellschaften mit Sitz in Deutschland

75

gelmäßig mehr Haftungskapital.34 Bei Klagen gegen diese lässt sich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte zudem leichter begründen. Nachteilig ist es hingegen, dass die Sachverhalte, wegen derer geklagt wird, sich regelmäßig am Ort des Sitzes der Konzern-/Zulieferergesellschaften abgespielt haben. Das deutsche Gericht ist somit vom eigentlichen Geschehen weit entfernt. Die Mutter- bzw. Abnehmergesellschaften sind – insbesondere durch lediglich indirekte Beteiligung am Geschehen – auch „rechtlich“ weiter entfernt. Eine Haftung lässt sich dementsprechend schwerer konstruieren.35 Gegen das ausländische Konzern-/Zuliefererunternehmen zu klagen, ist zwar einerseits „natürlicher“. Dieses befindet sich näher am Geschehen. Möglicherweise hat es sogar einen aktiven Beitrag zur Rechtsgutsverletzung geleistet. Hier hat das Gericht besseren Zugang zu Beweisen und Zeugen.36 Zudem haben in vielen Fällen Betroffene gegen dieses Unternehmen zusätzlich zu den deliktischen auch vertragliche, aus einem Arbeitsvertrag folgende Ansprüche. Andererseits haben diese Gesellschaften ihren Sitz im Ausland, was die Konstruktion der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte internationalzivilprozessrechtlich schwierig macht.37 Hinzu kommt die regelmäßig geringe(re) Kapitalausstattung38, wodurch Klagen gegen diese Gesellschaften aus Klägerperspektive unattraktiv werden. Die Klagen bergen darüber hinaus Unsicherheiten hinsichtlich der Durchsetzung eines solchen Urteils gegen ausländische Gesellschaften mangels deutscher Hoheitsgewalt auf ausländischem Staatsgebiet.39 Möglicherweise operiert z. B. die ausländische Tochter dort gar nicht mehr und ist liquidiert. In diesen Fällen bleibt Klägern nur die Klagemöglichkeit gegen die Mutter- bzw. Abnehmergesellschaft.40

§ 5 Klagen gegen Mutter- oder Abnehmergesellschaften mit Sitz in Deutschland Die internationale Zuständigkeit der Mutter- bzw. Abnehmergesellschaft lässt sich leicht bestimmen. Ein ausschließlicher Gerichtsstand gemäß Art. 24 Brüssel IaVO kommt hier nicht zum Tragen. Die vorliegenden Fälle betreffen keine Strei34

Joseph, Corporations and Transnational Human Rights Litigation, 2004, S. 129. Dazu auch noch unten Kapitel 4, § 11 A. (S. 188 ff.). 36 Pietropaoli, Business, Human Rights and Transitional Justice, 2020, S. 138. 37 Siehe unten in Kapitel 2, § 6 (S. 76 ff.). 38 Joseph, Corporations and Transnational Human Rights Litigation, 2004, S. 129. 39 Was nicht heißen soll, dass die Durchsetzung unmöglich ist. Es müssen jedoch Vermögenswerte der ausländischen Gesellschaft auf deutschem Staatsgebiet vorhanden sein, was wahrscheinlicher ist als es zunächst klingen mag. Siehe dazu noch unten in Kapitel 2, § 6 (S. 76). 40 So im Fall Lubbe v. Cape plc. Siehe dazu Ward, 24 Hastings International and Comparative Law Review (2001), 463. 35

76

Kap. 2: Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte

tigkeiten wegen unbeweglicher Sachen (Nr. 1), der Auflösung einer Gesellschaft (Nr. 2) oder Patentstreitigkeiten (Nr. 4). Mangels vertraglicher Verbindung zwischen Geschädigten und potentiellem Schädiger kommt auch kein Verbrauchergerichtsstand i. S. v. Art. 18 I Brüssel Ia-VO in Betracht. Es sind auch keine vorrangig zu berücksichtigen, besonderen Zuständigkeiten der Art. 7 – 9 Brüssel Ia-VO einschlägig. Insbesondere passt Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-VO nicht auf Drittstaatensachverhalte. Aus Art. 7 Nr. 2 könnte höchstens gefolgert werden, dass gegen die Mutter-/ Abnehmergesellschaft in einem anderen Mitgliedsstaat geklagt werden kann, sofern dort das schädigende Ereignis eingetreten ist. Eine solche schädigende, aus einem anderen Mitgliedsstaat stammende Handlung dürfte regelmäßig aber nicht vorliegen, da die Geschädigten meist im Sitzstaat der Mutter- bzw. Abnehmergesellschaft klagen. Maßgeblich ist somit die Grundregel des Art. 4 I Brüssel Ia-VO. Danach sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen. Nach Art. 63 I Brüssel Ia-VO haben Gesellschaften ihren Wohnsitz an ihrem Satzungssitz, Verwaltungssitz oder am Ort ihrer Hauptniederlassung. Daraus ergibt sich, dass Gesellschaften, welche in Deutschland im Handelsregister eingetragen sind, ihren Gerichtsstand hier haben.41 Darüber hinaus sind deutsche Gerichte für im Ausland inkorporierte Kapitalgesellschaften international zuständig, sofern diese ihre Hauptverwaltung oder -niederlassung hier haben, Art. 63 I b) und c) Brüssel Ia-VO.42 Dagegen kann insbesondere auch nicht die aus dem angelsächsischen Rechtskreis stammende forum non conveniens-Doktrin geltend gemacht werden, wonach ein Gericht die (eigentlich vorliegende) internationale Zuständigkeit abweisen kann, wenn sich in einem anderen Land aus seiner Perspektive ein geeigneter Gerichtsstand finden lässt. Dieser Möglichkeit erteilte der EuGH eine Absage,43 sodass die Zuständigkeit deutscher Gerichte für Klagen gegen inländische Unternehmen ohne Weiteres gegeben sein wird.

§ 6 Klagen gegen Konzern- oder Zulieferergesellschaften mit Sitz im Ausland Weitaus komplizierter gestaltet sich die Situation, versuchen Geschädigte gegen ausländische Konzern- oder Zulieferergesellschaften vor deutschen Gerichten zu klagen. Aus Verständnisgründen muss dabei zunächst die Frage aufgeworfen wer41 Wagner, RabelsZ 80 (2016), 732. So hat auch das LG Dortmund i. R. d. KiK-Verfahrens entschieden: LG Dortmund, Urt. v. 10. 01. 2019, 7 O 95/15 – juris Rn. 24. 42 Wagner, RabelsZ 80 (2016), 732. 43 EuGH, Urt. v. 01. 03. 2005, C-281/02, EuZW 2005, 348 Rn. 46 – Owusu.

§ 6 Klagen gegen Konzern- oder Zulieferergesellschaften mit Sitz im Ausland

77

den, was überhaupt der Sinn einer Klage gegen ein ausländisches Unternehmen ist. Was nutzt dem Kläger ein deutsches Urteil gegen eine ausländische Gesellschaft, wenn dieses mangels deutscher Hoheitsgewalt in dem jeweiligen Sitzstaat gar nicht vollstreckt werden kann? Dieser Einwand ist grundsätzlich richtig, greift aber zu kurz, da die ausländischen Konzern- und Zulieferergesellschaften häufig Forderungen gegen die deutsche Gesellschaft haben werden. Diese Forderungen sind aufgrund des Schuldnersitzes im Inland pfändbares Inlandsvermögen i. S. v. § 23 S. 2 ZPO.44 Dies gilt im Besonderen für die Konzernkonstellation, allerdings auch für lediglich vertragliche Verbindungen zwischen deutschen und ausländischen Unternehmen. Letztere Beziehung wird häufig in Gestalt eines Warenlieferungsvertrages z. B. über gefertigte Kleidung bestehen, aufgrund dessen dem ausländischen Unternehmen ein Anspruch auf Kaufpreiszahlung zusteht. In diese Forderungen können Geschädigte vollstrecken. Darüber hinaus ist es denkbar, dass ausländische Gesellschaften Konten bei deutschen Banken führen oder sonstige Vermögensgegenstände im Inland haben, auf welche zwecks Vollstreckung ergangener Urteile zugegriffen werden könnte. Freilich ist dies von Einzelfall zu Einzelfall verschieden und muss sorgfältig geprüft werden. Schließlich kann der Kläger um Anerkennung des erstrittenen Urteils im Ausland suchen und dort vollstrecken. Es gibt somit verschiede Szenarien, in denen eine Klage in Deutschland gegen ein ausländisches Unternehmen aus Klägerperspektive sinnvoll sein kann, was eine sorgsame Erörterung der internationalen Zuständigkeit notwendig macht.

A. Brüssel Ia-VO I. Vorrang des Arbeitnehmerschutzregimes gemäß Art. 20 I Brüssel Ia-VO? Die Art. 20 ff. der Brüssel Ia-VO regeln die Zuständigkeit für Klagen eines Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber abschließend.45 Dies ist für die hier untersuchten Fälle von Bedeutung, ist die ausländische Gesellschaft doch oft Arbeitgeberin der Kläger. Die Vorschrift schließt mithin andere Gerichtsstände der VO in diesen Fällen aus. Eine Ausnahme macht Art. 20 I Brüssel Ia-VO zu Gunsten des noch solgleich zu erörternden Art. 8 Nr. 1 Brüssel Ia-VO. Der Ausschluss anderer Gerichtsstände der VO betrifft jedoch nur Ansprüche aus einem „individuellen Arbeitsvertrag“.46 Dies ergibt sich aus Art. 20 I Brüssel Ia-VO, der den Anwendungsbereich dieses Abschnitts definiert. Die in den hier interessierenden Fällen mit arbeitsvertraglichen Ansprüchen konkurrierenden deliktischen Ansprüchen bleiben von dem Ausschluss also unberührt. Ohnehin betrifft der Ausschlusstatbestand die 44

Siehe auch Thürk, Belegenheitsgerichtsstände, 2018, S. 168. MüKo-ZPO/Gottwald, Art. 20 Rn. 10. 46 Mankowski, EuZA 2017, S. 128 f. A. A. MüKo-ZPO/Gottwald, Art. 20 Rn. 7; BeckOKZPO/Spohnheimer, Art. 20 Rn. 29 – 29.2. 45

78

Kap. 2: Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte

hier interessierenden Fallkonstellationen nicht immer. Denn zwar stehen Kläger und Beklagter häufig in einem Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Verhältnis.47 In einigen Fällen sind die Kläger aber auch Anwohner ohne arbeitsvertragliche Beziehung zu den/der Beklagten.

II. Gerichtsstand für Klagen gegen den Arbeitgeber – Art. 21 II Brüssel Ia-VO In einigen Fällen stehen Kläger und Beklagte jedoch in einem Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis. Es fragt sich also, ob sich die Kläger aufgrund dieser Tatsache auf besondere Gerichtsstände berufen können. Art. 21 II i. V. m. I b) Brüssel IaVO zufolge kann der Arbeitnehmer gegen seinen in einem Drittstaat ansässigen Arbeitgeber am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Arbeitnehmers (i) oder am Ort der Niederlassung, bei der der Arbeitnehmer arbeitet oder gearbeitet hat (ii) klagen. Demzufolge könnten die Kläger an ihrem Aufenthaltsort (i), also nur im jeweiligen Gaststaat oder am Ort der Niederlassung, bei der sie arbeiten (ii), klagen. Auch dieser Ort liegt im Gaststaat. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte kann Art. 21 II i. V. m. I b) Brüssel Ia-VO mithin nicht begründen.

III. Kein Konzerngerichtsstand Die Brüssel Ia-VO geht von dem Grundsatz aus, dass alle Rechtsträger separat zu betrachten sind (Rechtsträgerprinzip).48 Ein Konzerngerichtsstand, nach welchem alle Konzerngesellschaften ihren Sitz am Ort der Konzernmutter hätten, ist mit dem Leitbild der Brüssel Ia-VO unvereinbar.49 Unterstellt, der Produktionsbetrieb in Karatschi wäre mit KiK50 nicht lediglich nur vertraglich, sondern auch gesellschaftsrechtlich verbunden gewesen, hätte in Bezug auf diese ausländische Tochtergesellschaft keine internationale Zuständigkeit am Sitz von KiK, sondern am Sitz der Tochtergesellschaft selbst begründet werden können. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für Konzern- (und damit erst recht auch für Zuliefererbetriebe) lässt sich mittels eines Konzerngerichtsstands nicht begründen.51 47

Siehe z. B. die Fälle Bhopal (Kapitel 1, § 2 A.I.), Shell (Kapitel 1, § 2 A.II.) und Trafigura (Kapitel 1, § 2 A.IX.). 48 EuGH, Urt. v. 02. 05. 2006, C-341/04, NZI 2006, 360, Rn. 26 ff. – Eurofood IFSC ltd; Wagner, RabelsZ 80 (2016), 733 f. 49 Wagner, RabelsZ 80 (2016), 733 f.; Roorda, in: Business and Human Rights in Europe, 2020, S. 200 f.; siehe zum amerikanischen Konzept der sog. enterprise jurisdiction, nach welcher dies der Fall wäre: Buxbaum, 48 U. C. Davis Law Review (2015), 1781 ff. 50 Siehe zum KiK-Fall oben in Kapitel 1, § 2 B.III. (S. 45). 51 Wagner, RabelsZ 80 (2016), 734; Stürner, in: Zivil- und strafrechtliche Unternehmensverantwortung für Menschenrechtsverletzungen, 2018, S. 79; Hartmann, in: Die

§ 6 Klagen gegen Konzern- oder Zulieferergesellschaften mit Sitz im Ausland

79

IV. Mehrparteiengerichtsstand – Art. 8 Nr. 1 Brüssel Ia-VO Nach Art. 8 Nr. 1 Brüssel Ia-VO kann bei einer Klage gegen mehrere Personen am Ort des Wohnsitzes einer Person auch gegen eine andere Person geklagt werden, wenn die beiden Klagen so eng miteinander verbunden sind, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheint (sog. Ankergerichtsstand). Eine Konzern- bzw. Zulieferergesellschaft mit Sitz im Ausland könnte somit in Deutschland mitverklagt werden, soweit die Mutter-/Abnehmergesellschaft ihren Sitz dort hat. Art. 8 Nr. 1 Brüssel Ia-VO setzt dabei voraus, dass zwischen den beiden Klagen Konnexität vorliegt,52 dass bereits ein Gericht für einen Beklagten zuständig,53 diese Klage zumindest schlüssig, jedoch nicht zwangsläufig begründet ist,54 sowie kein Missbrauch vorliegt.55 Diese Voraussetzungen könnten in den hier relevanten Fällen durchaus gegeben sein. So war im KiK-Fall das LG Dortmund für eine Klage gegen die KiK als Abnehmer zuständig. Eine Klage gegen Ali Enterprises hätte auch den gleichen Sachverhalt betroffen. Der Zuliefererbetrieb Ali Enterprises hätte somit in Dortmund nach Art. 8 Nr. 1 Brüssel Ia-VO mitverklagt werden können. Allerdings lehnte der EuGH eine solche Interpretation der Vorschrift richtigerweise ab.56 Dem Urteil zufolge können Personen aus Drittstaaten nicht am Wohnsitz eines in einem Mitgliedsstaat ansässigen (Primär-/Anker-)Beklagten mitverklagt werden. Die Regelung gilt nur für ebenfalls in einem Mitgliedstaat ansässige Personen. In den hier gelagerten Fällen kommt eine der Beklagten idealtypisch jedoch aus dem EU-Ausland, da Produktionsverhältnisse gerade dorthin ausgelagert werden. Dafür streitet der Wortlaut der Vorschrift. Dieser spricht von einer „Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats hat“.57 Darüber hinaus stellt Art. 8 Nr. 1 Brüssel Ia-VO eine von verschiedenen Sonderregelungen dar, welche grundsätzlich eng auszulegen sind.58 Hinzu kommt, dass Art. 6 I Brüssel Ia-VO die Zuständigkeit für Personen mit Wohnsitz außerhalb der EU abschließend den nationalen Prozessordnungen überantwortet.59 Folge dieser Interpretation ist jedoch, dass so EU-Bürger diskriminiert werden: Die VO bevorzugt in puncto Zuständigkeit

Durchsetzung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen, 2018, S. 288; Hilpold, in: Unternehmensverantwortung und internationales Recht, 2020, S. 206. Für einen Konzerngerichtsstand de lege ferenda: Augenstein/Jägers, in: Human Rights in Business: Removal of Barriers to Access to Justice in the European Union, 2017, S. 37. 52 Leible, in: Rauscher EuZPR-EuIPR Kommentar, Art. 8 Brüssel Ia-VO Rn. 10. 53 Ebd., Rn. 18. 54 Ebd., Rn. 22. 55 Ebd., Rn. 16. 56 EuGH, Urt. v. 11. 04. 2013, C-645/11, NJW 2013, 1663 Rn. 56 – Sapir. 57 Ebd., Rn. 52. 58 Ebd., Rn. 53. 59 Ebd., Rn. 54.

80

Kap. 2: Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte

die Mittäter eines Delikts, haben diese ihren Sitz im EU-Ausland.60 Daher ließe sich über eine analoge Anwendung auf Drittstaatenbeklagte nachdenken.61 Gegen eine solche analoge Anwendung spricht aber wiederum der gesetzgeberische Prozess, in welchem ausdrücklich verworfen wurde, Drittstaatenbeklagte in den Anwendungsbereich der Vorschrift miteinzubeziehen.62 Für eine Analogie fehlt es somit bereits am Kriterium der ungeplanten Regelungslücke.63 De lege lata scheidet eine Anwendung auf Drittstaatenbeklagte und damit auch auf die hier interessierenden Konstellationen daher aus.64

B. Nationales Prozessrecht I. Anwendbarkeit deutscher Zuständigkeitsvorschriften 1. Grundsatz: Nationales IZPR bei Drittstaatenbeklagten Art. 6 I Brüssel Ia-VO stellt klar: Bei Klagen gegen Personen, die ihren Wohnsitz nicht in der EU haben, bestimmt nicht die Brüssel Ia-VO, sondern das nationale Prozessrecht des Forums die Zuständigkeit der Gerichte. In diesen Fällen ist der räumlich-persönliche Anwendungsbereich der VO hinsichtlich der internationalen Zuständigkeit nicht eröffnet.65 Die hier interessierenden Fälle betreffen Konzernoder Zulieferergesellschaften mit Sitz im Ausland auf Beklagtenseite. Wie bereits herausgearbeitet richten sich die Klagen idealtypisch gegen Beklagte mit Sitz in Drittstaaten in Asien, Süd-Amerika oder Afrika. Grundsätzlich findet das Brüssel Ia-Regime daher keine Anwendung.

60 Wagner, RabelsZ 80 (2016), 737; Leible, in: Rauscher EuZPR-EuIPR Kommentar, Art. 8 Brüssel Ia-VO Rn. 9; Geimer, in: FS Kropholler, 2008, S. 783 f.; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, 2017 Rn. 411; MüKo-ZPO/Gottwald, Art. 8 Brüssel Ia-VO Rn. 6. 61 So vor dem EuGH-Urteil noch Stein/Jonas-ZPO/Wagner, Art. 6 EuGVVO Rn. 22 m. w. N. 62 Grünbuch Überprüfung der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 21. 04. 2009, KOM (2009) 175 endg., S. 4. 63 Diese ist auch Voraussetzung bei der Auslegung von EU-Vorschriften. Siehe zur analogen Anwendung von EU-Normen unten Kapitel 3, § 8 B.II.4. (S. 149). 64 So auch Weller/Pato, 23 Uniform Law Review (2018), 405; Weller/Benz/Zimmermann, NZG 2019, 1121. A. A. Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, 2017 Rn. 411 und – allerdings ohne Begründung – Spießhofer, Unternehmerische Verantwortung, 2017, S. 303, die in Fn. 139 auf den europäischen Ankergerichtsstand verweist. 65 Mankowski, in: Rauscher EuZPR-EuIPR Kommentar, Art. 6 Brüssel Ia-VO Rn. 1.

§ 6 Klagen gegen Konzern- oder Zulieferergesellschaften mit Sitz im Ausland

81

2. Vorrang des Arbeitnehmerschutzregimes gemäß Art. 20 I Brüssel Ia-VO? Art. 20 I Brüssel Ia-VO könnte den Zugriff auf nationales Prozessrecht dennoch verschließen. Die Vorschrift bestimmt, dass der ihr folgende Abschnitt die Zuständigkeit für Klagen eines Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber abschließend regelt („[…] so bestimmt sich die Zuständigkeit […] nach diesem Abschnitt“).66 Sie enthält in Abs. 1 allerdings verschiedene Ausnahmen. So kann sich der Kläger weiterhin auf den bereits oben angesprochenen Art. 8 Nr. 1 Brüssel Ia-VO berufen. Darüber hinaus lässt die Norm auch Art. 6 Brüssel Ia-VO unberührt („unbeschadet des Artikels 6“). Zumindest aus Art. 20 I Brüssel Ia-VO kann mithin nicht geschlossen werden, das abschließende Arbeitnehmerschutzregime der Art. 20 ff. verbiete einen Rückgriff auf nationales IZPR.67 3. Vorrang des Arbeitnehmerschutzregimes gemäß Art. 6 I Brüssel Ia-VO? Art. 6 I Brüssel Ia-VO verweist selbst jedoch nur „vorbehaltlich des Artikels 21 Absatz 2“, also vorbehaltlich der arbeitnehmerschützenden Vorschriften der Art. 20 ff., auf nationales IZPR. Darunter lässt sich zweierlei verstehen:68 zum einen, dass Art. 21 Brüssel Ia-VO dem Arbeitnehmer neben den nationalen Gerichtsständen als unionsrechtlicher „Mindeststandard“ bei Klagen gegen Arbeitgeber aus Drittstaaten offensteht;69 zum anderen, dass der Verweis auf nationale Gerichtsstände ausgeschlossen ist, liegt ein Fall des Art. 21 Brüssel Ia-VO vor, macht also ein Arbeitnehmer gegen seinen Arbeitgeber Ansprüche aus einem individuellen Arbeitsvertrag geltend.70 Der Wortlaut von Art. 6 I Brüssel Ia-VO lässt beide Interpretationsweisen zu.71 Die Gesetzgebungsgeschichte der Norm spricht für diese letztere Auslegung: Ein Pressestatement des Rates der Europäischen Union während des Gesetzgebungsverfahrens geht davon aus, dass bei Klagen von Arbeitnehmern gegen ihre Arbeitgeber keine der nationalen Gerichtsstände weiter angewandt werden dürften.72 Der Verordnungsgeber ging also davon aus, dass es zumindest bei 66

MüKo-ZPO/Gottwald, Art. 20 Rn. 10. Galicˇ , EuLF 2016, 3. 68 Ebd. 69 Pohl, IPRax 2013, 111; Domej, RabelsZ 2014, 523; Scholz, Ecolex 2015, 5. 70 Mankowski, in: Rauscher EuZPR-EuIPR Kommentar, Art. 20 Brüssel Ia-VO Rn. 5; BeckOK-ZPO/Spohnheimer, Art. 20 Rn. 31; MüKo-ZPO/Gottwald, Art. 21 Rn. 16; Haider, Haftung von transnationalen Unternehmen und Staaten für Menschenrechtsverletzungen, 2019, S. 291 f.; Galicˇ , EuLF 2016, 6 f., der im Ergebnis jedoch für eine subsidiäre Anwendung nationalen IZPR plädiert, sollte auf Basis der Art. 20 ff. Brüssel Ia-VO kein mitgliedsstaatliches Gericht zuständig sein. 71 Galicˇ , EuLF 2016, 6. 72 Council of the European Union, Recast of the Brussels I regulation: towards easier and faster circulation of judgments in civil and commercial matters within the EU, https://ec.europa. 67

82

Kap. 2: Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte

Klagen des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber auf die nationalen Gerichtsstände nicht mehr ankommen darf.73 Legt man diese Zielsetzung zu Grunde, lässt sich Art. 6 I Brüssel Ia-VO nur dergestalt auslegen, dass die nationalen Gerichtsstände verdrängt werden. Eine solche Auslegung steht jedoch im Kontrast zum Zweck der Art. 20 ff. Brüssel Ia-VO: Arbeitnehmer sollen prozessual geschützt werden.74 Eine Klage gegen ihre Arbeitgeber soll ihnen auf einfache Weise ermöglicht werden. Werden die einzelstaatlichen Zuständigkeitsvorschriften aber verdrängt, hat dies für Arbeitnehmer Nachteile: Weil die nationalen Prozessrechte auch gegenüber Beklagten aus Drittstaaten gelten, beinhalten diese in vielen Fällen großzügigere Zuständigkeitsvorschriften wie z. B. den deutschen (§ 23 ZPO), österreichischen (§ 99 JN) oder slowenischen (Art. 57 des slowenischen IPR/IZPR-Gesetzes) Vermögensgerichtsstand.75 Das ist aus Arbeitsschutzgründen bedenklich, können sich doch alle anderen Kläger, nur eben nicht die häufig wirtschaftlich schwächeren Arbeitnehmer auf diese Gerichtsstände berufen.76 Selbst wenn man es für ein legitimes Ziel hält, die in nationalem IZPR häufig enthaltenen exorbitanten Gerichtsstände Stück für Stück zurückzunehmen, so leuchtet es nicht ein, dies nur für die schwächeren Kläger, nicht aber auch alle anderen, entsprechend zu handhaben.77 Diese, unter anderem78 in wirtschaftsmenschenrechtlichen Fällen zu Tage tretende, ungünstige Konsequenz übersah der Verordnungsgeber.79 Im Sinne einer sich am Sinn und Zweck der arbeitnehmerschützenden Vorschriften der VO orientierenden Auslegung sollte der Verweis in Art. 6 I Brüssel Ia-VO auf Art. 21 II Brüssel Ia-VO daher dergestalt interpretiert werden, dass Art. 21 Brüssel Ia-VO lediglich einen Minimalstandard garantiert. Neben diesem bleiben die – je nach nationalem IZPR gegebenenfalls weiter reichenden – Gerichtsstände des IZPR des Forums vollständig anwendbar.80 Unterstellt, man käme zu einer anderen Interpretation des Vorbehalts in Art. 6 I Brüssel Ia-VO zugunsten von Art. 21 II Brüssel Ia-VO, würde dieser Vorbehalt ohnehin nur für die sich aus einem individuellen Arbeitsvertrag ergebenden Aneu/commission/presscorner/detail/en/PRES_12_483: „The recast regulation will provide that no national rules of jurisdiction may be applied any longer by member states in relation to consumers and employees domiciled outside the EU.“ 73 Galicˇ , EuLF 2016, 4 f. 74 Ebd., 5; Erwgr. 14 der Brüssel Ia-VO. 75 Galicˇ , EuLF 2016, 2. 76 Ebd., 6. 77 Ebd. 78 Siehe ebd., 3 Fn. 14 für eine weitere Konstellation. 79 Ebd., 5. 80 Wie hier: Pohl, IPRax 2013, 111; Domej, RabelsZ 2014, 523; Scholz, Ecolex 2015, 5; Linke/Hau, Internationales Zivilverfahrensrecht, 2018, S. 81 f. A. A. Mankowski, in: Rauscher EuZPR-EuIPR Kommentar, Art. 20 Brüssel Ia-VO Rn. 5; BeckOK-ZPO/Spohnheimer, Art. 20 Rn. 31; MüKo-ZPO/Gottwald, Art. 21 Rn. 16; Haider, Haftung von transnationalen Unternehmen und Staaten für Menschenrechtsverletzungen, 2019, S. 291 f.

§ 6 Klagen gegen Konzern- oder Zulieferergesellschaften mit Sitz im Ausland

83

sprüchen gelten.81 Dies ergibt sich aus Art. 20 I Brüssel Ia-VO, der den Anwendungsbereich dieses Abschnitts definiert. Die in den hier interessierenden Fällen mit arbeitsvertraglichen Ansprüchen regelmäßig konkurrierenden deliktischen Ansprüchen wären mithin von dem Verweis in Art. 6 I nicht ausgeschlossen. Darauf kommt es – wie gezeigt – aber ohnehin nicht an, da das Arbeitsschutzregime der Art. 20 ff. lediglich einen Mindeststandard garantiert. Die deutschen Gerichtsstände stehen ausländischen Klägern daher offen.

II. Nationale „Ankergerichtsstände“ Parallel zur oben angesprochenen europäischen Regelung in Art. 8 Nr. 1 Brüssel Ia-VO stellt sich die Frage, ob nicht nach nationalem Prozessrecht eine Streitgenossenschaft vorliegt und damit in den hier relevanten Konstellationen die internationale Zuständigkeit begründet werden kann. Die Prozessordnung der Niederlande beispielsweise kennt in § 7 Abs. 1 einen allgemeinen Gerichtsstand für Streitgenossen.82 Auch das Zuständigkeitsrecht Österreichs,83 Englands und Wales84 kennen entsprechende Gerichtsstände. Mittels des niederländischen Gerichtsstands erklärte sich ein niederländisches Gericht im Shell-Fall85 für die Klage gegen die Royal Dutch Shell (Muttergesellschaft) und die Shell Petroleum Development Company (nigerianische Tochter) für zuständig. Dies geschah mit Blick auf die Identität des Streitgegenstands (Ölverschmutzungen im Niger-Delta).86 Auch im Fall Vedanta erklärte der UK Supreme Court englische Gerichte für zuständig. Dies geschah sowohl hinsichtlich der britischen Muttergesellschaft Vedanta als auch hinsichtlich des sambischen Tochterunternehmens KCM.87 Er stellt sich damit gegen die Entscheidung des High Courts88 und des Court of Appeals89 in Okpabi. In diesen 81 Mankowski, EuZA 2017, S. 128 f. A. A. MüKo-ZPO/Gottwald, Art. 20 Rn. 7; BeckOKZPO/Spohnheimer, Art. 20 Rn. 29 – 29.2. Siehe dazu bereits oben Kapitel 2, § 6 A.I. 82 Koppenol-Laforce/Vermeulen, Comparative Study of „Residual Jurisdiction“ in Civil and Commercial Disputes in the EU: National Report for: Netherlands, S. 9; Roorda, in: Business and Human Rights in Europe, 2020, S. 203; Kramer, conflictoflaws.net, https://conflictoflaws. net/2021/shell-litigation-in-the-dutch-courts-milestones-for-private-international-law-and-thefight-against-climate-change/. 83 § 93 der österreichischen Jurisdiktionsnorm. 84 Dutta, in: Unternehmensverantwortung und internationales Recht, 2020, S. 55; Roorda, in: Business and Human Rights in Europe, 2020, S. 203. 85 Siehe oben in Kapitel 1, § 2 A.II. (S. 33 ff.). 86 Siehe die Aufbereitung des Falls in englischer Sprache bei Van Dam, Preliminary judgements Dutch Court of Appeal in the Shell Nigeria case, S. 3 f., http://ceesvandam.info/default. asp?fileid=643. 87 Siehe zum Fall oben Kapitel 1, § 2 A.VII. (S. 41 f.). Siehe inhaltlich eingehend: Kieninger, IPRax 2020, 63 – 65. 88 Okpabi and others v. Royal Dutch Shell plc and Shell Petroleum Development Company of Nigeria ltd [2017] EWHC 89.

84

Kap. 2: Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte

Entscheidungen führten die unterinstanzlichen, englischen Gerichte aus, dass, sofern die Klage gegen die englische Mutter keinen „real purpose of success“ habe, Zuständigkeit der englischen Gerichte für beide Klagen nicht in Betracht komme.90 Diesen „real purpose of success“ verneinten sie hier.91 Ein deutsches Äquivalent zu diesen Gerichtsständen gibt es allerdings nicht.92 Die deutsche ZPO kennt zwar den § 36 I Nr. 3. Dieser sieht vor, dass im Falle der Streitgenossenschaft das im Instanzenzug zunächst höhere Gericht das zuständige Gericht bestimmt. Jedoch setzt diese Regelung die internationale Zuständigkeit Deutschlands für beide in Streitgenossenschaft Beteiligte gesondert voraus.93 Diese liegt in Bezug auf die ausländische Konzern-/Zulieferergesellschaft jedoch gerade nicht vor. Eine internationale Zuständigkeit kraft Streitgenossenschaft lässt sich auf diesem Weg für die ausländische Konzern-/Zulieferergesellschaft daher nicht begründen.94

III. Gerichtsstand der unerlaubten Handlung – § 32 ZPO Da die Geschädigten sich in allen Fällen (neben in manchen Fällen bestehenden vertraglichen Ansprüchen) auf deliktische Ansprüche berufen können, könnte ein deutsches Gericht kraft des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung international zuständig sein. Gemäß Art. 6 I Brüssel Ia-VO richtet sich die internationale Zuständigkeit bei Beklagten aus Drittstaaten nach nationalem Prozessrecht. Daher kann Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-VO von vornherein keine Zuständigkeit über ausländische Gesellschaften begründen.95 Für diesen ist keine Ausnahme in Art. 6 I Brüssel Ia-VO vorgesehen, ohnehin würde dieser durch Art. 20 I Brüssel Ia-VO verdrängt.96 Die 89 Okpabi and others v. Royal Dutch Shell plc and Shell Petroleum Development Company of Nigeria ltd [2018] EWCA Civ 191. 90 Ebd., par. 175. 91 Das Verfahren ist inzwischen auch beim UK Supreme Court anhängig. Eine Entscheidung steht (Stand November 2020) noch aus (Case-ID: UKSC 2018/0068). 92 Linke/Hau, Internationales Zivilverfahrensrecht, 2018, S. 124; Dutta, in: Unternehmensverantwortung und internationales Recht, 2020, S. 55. 93 Stein/Jonas-ZPO/Roth, § 36 ZPO Rn. 25; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, 2017 Rn. 408. 94 So auch Massoud, Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von transnationalen Unternehmen, 2018, S. 79; Stürner, in: Zivil- und strafrechtliche Unternehmensverantwortung für Menschenrechtsverletzungen, 2018, S. 86; Dutta, in: Unternehmensverantwortung und internationales Recht, 2020, S. 55. 95 Dennoch auf Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-VO abhebend: Hilpold, in: Unternehmensverantwortung und internationales Recht, 2020, S. 206 und Wagner, RabelsZ 80 (2016), 734 f. 96 Kapitel 2, § 6 A.I. (S. 77). Zwar verdrängt Art. 20 I Brüssel Ia-VO keine Ansprüche, die aus einem individuellen Arbeitsvertrag stammen. Für den Deliktsgerichtsstand aus Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-VO dürften aber keine Ansprüche mehr übrigbleiben, da jedenfalls deliktische Ansprüche durch Art. 20 I verdrängt werden.

§ 6 Klagen gegen Konzern- oder Zulieferergesellschaften mit Sitz im Ausland

85

Vorschrift passt zudem nicht auf Drittstaatensachverhalte.97 Um einen Gerichtsstand aus unerlaubter Handlung zu begründen, kommt es somit auf § 32 ZPO an.98 Die Gerichtsstände der deutschen ZPO erwähnen zwar nicht ausdrücklich die internationale Zuständigkeit. Sie sind jedoch doppelfunktional, verteilen also nicht nur die örtliche Zuständigkeit auf einzelne deutsche Gerichte, sondern begründen ebenso die internationale Zuständigkeit.99 Somit findet auch der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung auf internationale Fälle Anwendung. Allerdings beschränkt § 32 ZPO die Zuständigkeit der Gerichte im Bereich der internationalen Zuständigkeit auf deliktische Ansprüche. Über mit diesen konkurrierende, nicht-deliktische Ansprüche kann § 32 ZPO – anders als im Bereich der örtlichen Zuständigkeit – keine internationale Zuständigkeit begründen.100 Nach § 32 ZPO ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die unerlaubte Handlung begangen wurde. Diese Vorschrift erfasst somit den Erfolgs- wie auch den Handlungsort.101 Der Erfolgsort liegt dort, wo der Schaden eingetreten ist.102 Der Handlungsort kann überall dort liegen, wo ein Teilakt der deliktischen Handlung vorgenommen wurde.103 Da hier die Begründung von Gerichtszuständigkeit über die ausländische Konzern-/Zulieferergesellschaft in Rede steht, liegen grundsätzlich sowohl Handlungs- als auch Erfolgsort im Ausland, nämlich im Sitzstaat dieser ausländischen Gesellschaft. Hier hat diese gehandelt (oder eine deliktisch erforderliche Handlung unerlaubterweise unterlassen), und hier ist auch der Schaden eingetreten. Anders verhält es sich, handeln deutsches und ausländisches Unternehmen als Mittäter104 oder ist die deutsche Gesellschaft Anstifterin oder Gehilfin zum durch die ausländische Gesellschaft begangenen Delikt. In diesen Fällen ist Handlungsort jeder Ort, an dem einer der Beteiligten die seine Mithaftung begründende Handlung ausführt bzw. die unerlaubterweise unterlassene Handlung hätte ausführen müssen.105 Danach könnte ein potenzieller Tatbeitrag der deutschen Mutter-/Abnehmergesellschaft der ausländischen Konzern-/Zulieferergesellschaft zugerechnet 97 BeckOK-ZPO/Thode, Art. 7 Brüssel Ia-VO Rn. 10 f.; Roorda, in: Business and Human Rights in Europe, 2020, S. 200. 98 Siehe auch die Ausführungen bei Hartmann, in: Die Durchsetzung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen, 2018, S. 289 f.; Güngör, Sorgfaltspflichten für Unternehmen in transnationalen Menschenrechtsfällen, 2016, S. 86 – 88; Haider, Haftung von transnationalen Unternehmen und Staaten für Menschenrechtsverletzungen, 2019, S. 293 f.; überblicksartig Meder, HuV 2020, 82. 99 BeckOK-ZPO/Toussaint, § 12 ZPO Rn. 26; Thole, in: FS Schilken, 2015, S. 524. 100 BeckOK-ZPO/Toussaint, § 32 ZPO Rn. 17. 101 BeckOK-ZPO/Toussaint, § 32 ZPO Rn. 17; MüKo-ZPO/Patzina, § 32 ZPO Rn. 20. 102 MüKo-ZPO/Patzina, § 32 ZPO Rn. 20. 103 Ebd. 104 Hartmann, in: Die Durchsetzung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen, 2018, S. 289 f. 105 BeckOK-ZPO/Toussaint, § 32 ZPO Rn. 11.

86

Kap. 2: Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte

werden. So würde eine Handlung der ausländischen Gesellschaft in Deutschland fingiert. Daran anknüpfend könnte diese nach § 32 ZPO hier verklagt werden. Hierbei stellen sich jedoch Probleme: 1. Maßgebliche Rechtsordnung für materiell-rechtliche Tatbestandsvoraussetzungen des § 32 ZPO Bevor jedoch untersucht werden kann, ob in den hier relevanten Fällen (Verursachung der Rechtsgutsverletzung durch die Tochter- bzw. Zulieferergesellschaft durch fahrlässiges Unterlassen) eine Beteiligung zwischen Mutter-/Abnehmergesellschaft einerseits und Konzern-/Zulieferergesellschaft andererseits vorliegt, stellt sich die Frage, nach welcher Rechtsordnung das Vorliegen einer solchen Beteiligung beurteilt werden muss. Im Grundsatz richtet sich die Ausfüllung der materiellen Begrifflichkeiten innerhalb deutscher Verfahrensvorschriften auch nach deutschem materiellem Recht.106 Es geht schließlich um die Frage, ob vor deutschen Gerichten geklagt werden kann. Ob eine Beteiligung der beiden in Rede stehenden Unternehmen vorliegt, würde sich demzufolge nach den deutschen Vorschriften, nämlich § 830 I (Mittäterschaft) und II (Teilnahme) BGB, richten. Jedoch fragt sich, ob für die Ausfüllung materiell-rechtlicher Begriffe in Zuständigkeitsnormen wie den der „unerlaubten Handlung“ in § 32 ZPO die lex fori (das Recht des angerufenen Gerichts)107 oder die lex causae (das nach IPR anwendbare Sachrecht)108 maßgeblich ist. Käme es auf die lex causae an, ließe sich nur dann auf § 830 BGB abstellen, wäre deutsches materielles Recht vom IPR zur Anwendung berufen. Dies ist in den hier interessierenden Konstellationen aber gerade nicht der Fall (wie noch zu zeigen sein wird).109 Aus diesen Gründen kann die Anwendung von § 32 ZPO auch nicht von vornherein ausgeschlossen werden, nur weil die Handlungen der Mutter-/Abnehmergesellschaft das Stadium einer Vorbereitungshandlung nie überschreiten.110 Die 106 v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band I, 2003, S. 406; Stein/Jonas-ZPO/ Roth, § 32 ZPO Rn. 17. 107 Dafür Stein/Jonas-ZPO/Roth, § 32 Rn. 26; Bachmann, IPRax 1998, 181; Linke/Hau, Internationales Zivilverfahrensrecht, S. 112; Kropholler, in: Handbuch des internationalen Zivilverfahrensrechts, Band I, 1982, S. 81, 228 und explizit in Bezug auf § 32 ZPO: S. 344; Roth, in: FS Stree/Wessels, 1993, S. 1052 f.; Thole, in: FS Schilken, 2015, S. 527; Engert/Groh, IPRax 2011, 461, Fn. 32; Kubis, Internationale Zuständigkeit bei Persönlichkeits- und Immaterialgüterrechtsverletzungen, 1999, S. 99, 129; Haider, Haftung von transnationalen Unternehmen und Staaten für Menschenrechtsverletzungen, 2019, S. 293. 108 Dafür Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, 2017, Rn. 339; Stein/Jonas-ZPO/ Schumann, 1984, Einleitung Rn. 738 (allerdings mit Einschränkungen); unschlüssig, aber eher zur Anwendung der lex causae tendierend: Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 2020, Rn. 1511 und 1512. Für Anwendung der lex causae in vergleichbarer Konstellation vor britischen Gerichten: Kaye, Civil Jurisdiction and Enforcement of Foreign Judgements, 1987, S. 567. 109 Siehe noch unten Kapitel 3, § 9. 110 So Dutta, in: Unternehmensverantwortung und internationales Recht, 2020, S. 52.

§ 6 Klagen gegen Konzern- oder Zulieferergesellschaften mit Sitz im Ausland

87

„Vorbereitungshandlung“ ist ein Begriff aus dem deutschen Strafrecht,111 der teilweise für das Deliktsrecht, insbesondere im Kontext von § 830 BGB, fruchtbar gemacht wird. Die Frage, ob es sich bei den Handlungen (oder Unterlassungen) der deutschen Gesellschaft um reine Vorbereitungshandlungen handelt, kann somit nur gestellt werden, wenn auch wirklich deutsches Recht zur Bestimmung des Handlungsorts maßgeblich ist.112 Und genau das bedarf zunächst der Klärung. Die Frage des anwendbaren Rechts für materiell-rechtliche Begrifflichkeiten in § 32 ZPO ist somit der der Vorbereitungshandlung vorgelagert. Im Ergebnis sprechen die besseren Argumente dafür, die materiell-rechtlichen Begriffe in deutschen Verfahrensnormen wie z. B. § 32 ZPO mit dem Recht des Forums, also deutschem Recht, auszufüllen. Denn deutsche Zuständigkeitsnormen bedürfen, anders als solche der Brüssel Ia-VO, keiner europäisch-autonomen Auslegung. Das hat den pragmatischen Vorteil, das an Klarheit und Vorhersehbarkeit orientierte Zuständigkeitsrecht113 nicht mit rechtsvergleichenden Analysen ausländischen materiellen Rechts zu überfrachten.114 Zwar können Praktikabilitätserwägungen die Anwendung der lex fori argumentativ nicht allein tragen – ansonsten wäre die Anwendung ausländischen Sachrechts generell zu vermeiden und das IPR überflüssig.115 Da das Verfahrensrecht jedoch nicht das Ergebnis der Sachentscheidung vorgibt, wird der internationale Entscheidungseinklang nicht dadurch beeinträchtigt, dass das Gericht materiell-rechtliche Begriffe seiner Verfahrensvorschriften mit der lex fori ausfüllt. Dieses gegen den Gleichlauf von Forum und anwendbarem Recht sprechende Argument bewahrheitet sich nicht hinsichtlich der Ausfüllung von Verfahrensvorschriften. Verfahrensvorschriften geben den materiellen Ausgang eines Rechtsstreits gerade nicht vor.116 Praktikabilitätserwägungen können hier deshalb den Ausschlag geben. Richtet sich die Ausfüllung des Merkmals „unerlaubte Handlung“ nach der lex causae, bestimmt zudem eine ausländische Rechtsordnung, ob inländische Gerichte den Rechtsstreit entscheiden oder nicht.117 § 32 ZPO würde also in manchen Fällen grenzüberschreitender Sachverhalte – je nach Voraussetzungen des ausländischen Deliktsrechts – die Zuständigkeit deutscher Gerichte begründen oder nicht. Dadurch würden die Gerichte ihre internationale Zuständigkeit uneinheitlich ausüben. Vorzug verdient daher die Bestimmung anhand der lex fori, mithin § 830 BGB. 111

Siehe z. B. Kühl, Strafrecht AT, 2017, S. 806. Dass möglicherweise die lex causae Anwendung findet, kann jedoch nicht die zuständigkeitsrechtliche Zurechnung der Handlungsorte insgesamt in Frage stellen wie Schulz, Das Alien Tort Statute und transnationale Deliktsklagen, 2015, S. 296 behauptet. Vielmehr müsste das Gericht diese Zurechnung nach der anwendbaren Rechtsordnung prüfen. 113 Roth, in: FS Stree/Wessels, 1993, S. 1052. 114 Ebd., S. 1052 f. 115 Linke/Hau, Internationales Zivilverfahrensrecht, 2018, S. 35. 116 Roth, in: FS Stree/Wessels, 1993, S. 1051 f. 117 Kubis, Internationale Zuständigkeit bei Persönlichkeits- und Immaterialgüterrechtsverletzungen, 1999, S. 99. 112

88

Kap. 2: Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte

2. Beteiligung Für die Ausfüllung von § 830 I 1 BGB wird auf strafrechtliche Anforderungen rekurriert.118 Da es haftungsrechtlich unbeachtlich ist, ob der Beteiligte Teilnehmer oder Mittäter ist (so oder so muss er für den Gesamtschaden einstehen), unterscheidet das Zivilrecht nicht zwischen Täterschaft und Teilnahme.119 Der BGH schuf daher den einheitlichen Haftungstatbestand der „Teilnahme“.120 Dieser fordert subjektiv „neben der Kenntnis der Tatumstände wenigstens in groben Zügen den Willen der einzelnen Beteiligten, die Tat gemeinschaftlich mit anderen auszuführen oder zu fördern“, und objektiv „eine Beteiligung an der Ausführung der Tat […], die in irgendeiner Form deren Begehung fördert und für diese relevant ist.“121 Von vornherein scheiden solche Fälle aus, in denen der Zulieferer/die Konzerngesellschaft fahrlässig handelte. Die Mittäterschaft an einem Fahrlässigkeitsdelikt ist nicht möglich.122 Gleiches gilt für die Teilnahme an einem fahrlässig begangenen Delikt.123 Viele Fälle dürften durch diese Einschränkung bereits ausscheiden. Denn auch Zulieferer- und Konzernunternehmen, die dem Geschehen deutlich näherstehen als die Mutter/der Abnehmer, wird in den meisten Fällen lediglich Fahrlässigkeit vorgeworfen werden können. Brennt z. B. die von ihnen betriebene Fabrik ab oder stürzt sie ein, geht dies regelmäßig auf mangelnden Brandschutz oder mangelnde Gebäudesicherheit zurück. Das ist nachlässig, doch regelmäßig nicht vorsätzlich. Aber auch in Fällen, in denen vorsätzliches Handeln wahrscheinlicher scheint, muss dem Zulieferer als juristische Person das Handeln des jeweiligen Mitarbeiters zunächst unter den Voraussetzungen von § 31 BGB (je nach Art der Gesellschaft analog) zugerechnet werden. Schließt ein leitender Angestellter einer pakistanischen Textilfabrik die Näher über Nacht in der Fabrikhalle ein, müssen also zusätzlich die Hürden von § 31 BGB genommen werden. Bei entsprechender Stellung dieses Leiters im Unternehmen ist dies jedoch möglich. 118

BGH, Urt. v. 15. 05. 2012, VI ZR 166/11, NJW 2012, 3179; Benicke, JURA 1996, 127. MüKo-BGB/Wagner, § 830 Rn. 16. 120 Ebd. 121 Zitat nach MüKo-BGB/Wagner, § 830 Rn. 16. Siehe dort m. w. N. 122 Ständige Rechtsprechung des BGH: Urt. v. 14. 01. 1953, VI ZR 9/52, NJW 1953, 500; Urt. v. 16. 06. 1959, VI ZR 95/58, NJW 1959, 1773; Urt. v. 08. 11. 1973, III ZR 129/71, NJW 1974, 360. So auch: Kühl, Strafrecht AT, 2017, S. 809 f.; MüKo-BGB/Wagner, § 830 Rn. 19 f. (mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung). A. A. Deutsch, JZ 1972, 106; K. Schmidt, JZ 1978, 666. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass sich ein Gericht im Rahmen des schlüssigen Vorbringens der internationalen Zuständigkeit gegen die ständige BGH-Rechtsprechung stellt. Daher wird die abweichende Meinung hier nicht näher diskutiert. 123 Ständige Rechtsprechung des BGH: Urt. v. 16. 06. 1959, VI ZR 95/58, NJW 1959, 1773; Urt. v. 29. 05. 1964, I b ZR 4/63, NJW 1964, 2158; Urt. v. 31. 01. 1978, VI ZR 32/77, NJW 1978, 819; Urt. v. 25. 07. 2005, II ZR 390/03, NJW 2005, 3137. Siehe auch: MüKo-BGB/Wagner, § 830 Rn. 44 f. (mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung). Auch hier gibt es eine Gegenmeinung, der aus den gleichen Gründen nicht weiter nachgegangen wird: K. Schmidt, JZ 1978, 666; Ehricke, ZGR 2000, 356 ff. 119

§ 6 Klagen gegen Konzern- oder Zulieferergesellschaften mit Sitz im Ausland

89

Doch auch in Fällen, in denen der Konzerngesellschaft/dem Zulieferer ein solches Vorsatzdelikt nachgewiesen werden kann, bestehen Zweifel an einer Beteiligung. Angenommen, das deutsche Abnehmerunternehmen übt massiven Preis- und Lieferdruck auf seinen Zulieferer aus. Infolgedessen mag ein leitender Mitarbeiter des Zulieferers die Belegschaft in der Fabrikhalle über Nacht einschließen. Möglicherweise lässt sich hier noch begründen, dass die deutsche Gesellschaft Eventualvorsatz hatte, also den Erfolg (Freiheitsberaubung) billigend in Kauf nahm, z. B. mit der Erwägung, es komme in der Region des Zulieferers häufiger zu systemischen Rechtsgutsverletzungen der Belegschaft und dies sei durch Presseberichte allgemein bekannt. Der Preisdruck ließe sich dann als fördernde Handlung124 qualifizieren. Doch sind bei berufstypischem, professionell adäquatem Verhalten die Anforderungen an subjektive und objektive Merkmale nochmals höher (sogenannte „neutrale Beihilfe“125). Nimmt der Abnehmer vom Zulieferer Waren ab, gehört dies zu seiner regulären Geschäftstätigkeit. Hier kann laut dem BGH nur in zwei Szenarien eine Beteiligung vorliegen: (1) Die Handlungen des Haupttäters zielen ausschließlich auf die Begehung deliktischer Handlungen ab und der Hilfeleistende hat davon Kenntnis. (2) Die Tatneigung des Haupttäters und damit auch das Deliktsrisiko ist hoch und der Hilfeleistende erkannte das auch.126 Ersteres ist unwahrscheinlich: Der Geschäftsbetrieb des Zulieferers hat nicht den Hauptzweck, Delikte zu begehen.127 Da es jedoch in Wertschöpfungsketten immer wieder zu deliktischen Handlungen seitens der Konzern- und Zuliefererunternehmen kommt, ließe sich unter Umständen ein gesteigertes Deliktsrisiko begründen. Davon müsste der Hilfeleistende, also die deutsche Gesellschaft, dann aber Kenntnis haben.128 Davon ließe sich insbesondere dann ausgehen, wenn der Abnehmer Kenntnis von ähnlichen deliktischen Handlungen eines leitenden Mitarbeiters des Zulieferers gehabt hat.129 Eine genauere materiell-rechtliche Analyse der deliktischen Haftung in puncto Beteiligung würde hier allerdings den Rahmen sprengen. Diese muss anderen Untersuchungen vorbehalten bleiben. Im Ergebnis lässt sich eine Beteiligung und damit wechselseitige Zurechnung der Handlungen nur schwer begründen, ist materiell-rechtlich jedoch nicht völlig ausgeschlossen. 3. Schlüssige Behauptung Trotz der Schwierigkeiten, eine Beteiligung materiell-rechtlich zu begründen, können Kläger sich möglicherweise doch auf § 32 ZPO stützen. Denn der Kläger 124

Siehe oben die vom BGH aufgestellten Voraussetzungen (Text vor Kap. 2 Fn. 121). Dazu MüKo-BGB/Wagner, § 830 Rn. 29 – 34. 126 BGH, Urt. v. 15. 05. 2012, VI ZR 166/11, NJW 2012, 3180; BGH, Urt. v. 03. 12. 2013, XI ZR 295/12, NJW 2014, 1100. Dazu auch MüKo-BGB/Wagner, § 830 Rn. 31. 127 von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 80. 128 Ebd. 129 Ebd. 125

90

Kap. 2: Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte

muss die zugrunde liegenden Tatsachen lediglich schlüssig behaupten.130 Solange nach klägerischem Tatsachenvortrag also von einer Beteiligung nach § 830 BGB ausgegangen werden kann, nimmt das deutsche Gericht den Fall zur Entscheidung an.131 Legen die Kläger dem Gericht also dar, dass z. B. der deutsche Abnehmer von Textilien exzessiven Preis- und Lieferdruck auf den Zulieferer ausübte, dadurch ein leitender Mitarbeiter des Zuliefererunternehmens (bedingt) vorsätzlich Rechtsgüter dort schädigte und der deutsche Abnehmer zudem um die gefährlichen Bedingungen der jeweiligen Branche in dem jeweiligen Land wusste, könnte das Gericht sich der Sache auf Basis des § 32 ZPO annehmen.

IV. Vermögensgerichtsstand – § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO Gemäß § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO kann vor deutschen Gerichten gegen Beklagte mit ausländischem Wohnsitz geklagt werden, sofern diese hier Vermögenswerte haben. Gemäß § 23 S. 2 ZPO richtet sich der Belegenheitsort einer Forderung nach dem Wohnsitz des (Dritt-)Schuldners, sodass § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO auch dann die internationale Zuständigkeit begründen kann, wenn nicht der Beklagte selbst, sondern ein Schuldner des Beklagten seinen Wohnsitz in Deutschland hat. Die Norm stellt damit ein vom Wortlaut her erst einmal sehr weitreichendes Instrument dar. Mit deren Hilfe können transnationale Sachverhalte in Deutschland anhängig gemacht werden.132 Die Norm ist geeignet, Klägern in den hier interessierenden Fällen einen Zugang zur deutschen Gerichtsbarkeit zu eröffnen. Denn es ist nicht unwahrscheinlich, dass ausländische Zulieferer- oder Konzerngesellschaften entweder ein Konto bei einer deutschen Bank oder aber Forderungen gegen – im Falle einer vertraglichen Verbindung – ihre deutschen Abnehmer oder – im Falle einer konzernierten Verbindung – gegen die deutsche Muttergesellschaft haben.133 Angenommen, die pakistanische Gesellschaft Ali Enterprises hätte gegen KiK noch ausstehende Kauf130 BGH, Urt. v. 29. 06. 2010, VI ZR 122/09, NJW-RR 2010, 1554 f.; Linke/Hau, Internationales Zivilverfahrensrecht, 2018, S. 92; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 2010, S. 159. Im Detail: Ost, Doppelrelevante Tatsachen im Internationalen Zivilverfahrensrecht, 2002, S. 23 – 26. 131 Ost, Doppelrelevante Tatsachen im Internationalen Zivilverfahrensrecht, 2002, S. 22. 132 Halfmeier, FS Magnus, 2014, S. 441. Siehe zu § 23 ZPO im Kontext der hier diskutierten Fälle: Güngör, Sorgfaltspflichten für Unternehmen in transnationalen Menschenrechtsfällen, 2016, S. 89 – 94; Haider, Haftung von transnationalen Unternehmen und Staaten für Menschenrechtsverletzungen, 2019, S. 294 f.; Hartmann, in: Die Durchsetzung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten für Unternehmen, 2018, S. 290 – 292; Dutta, in: Unternehmensverantwortung und internationales Recht, 2020, S. 58; Schulz, Das Alien Tort Statute und transnationale Deliktsklagen, 2016, S. 290 – 294; Grabosch, in: Transnationale Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen im Völkerrecht, 2013, S. 79 – 81; Habersack/Ehrl, AcP 219 (2019), 181; Thomale/Hübner, JZ 2017, 389; Meder, HuV 2020, 82 – 84. 133 Skeptisch gegenüber „jurisdiction over assets“: Roorda, in: Business and Human Rights in Europe, 2020, S. 208, der davon ausgeht, Vermögenswerte habe eher die Muttergesellschaft im Sitzstaat der Tochter und nicht umgekehrt.

§ 6 Klagen gegen Konzern- oder Zulieferergesellschaften mit Sitz im Ausland

91

preisforderungen wegen Textillieferungen nach Deutschland gehabt, würde § 23 S. 1 Alt. 1 i. V. m. S. 2 ZPO diese Forderungen als zuständigkeitsbegründendes Inlandsvermögen qualifizieren. In der Konzernkonstellation werden im Anschluss an die Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie vermehrt Related Party Transactions134 diskutiert, die auch (aber nicht nur) zwischen Mutter und Tochter erfolgen können.135 Darüber hinaus könnte die Konzerngesellschaft Nachteils- und Verlustausgleichsansprüche oder Ansprüche auf Darlehensrückzahlungen aus Cash-Pool-Systemen haben.136 Von geringerem Interesse hingegen ist § 23 S. 1 Alt. 2 ZPO, wonach die deutsche gerichtliche Zuständigkeit begründet wird, wenn sich der mit der Klage in Anspruch genommene Gegenstand in Deutschland befindet. Da es sich bei den hier interessierenden Klagen jedoch regelmäßig um Schadensersatzforderungen und nicht etwa Herausgabebegehren handelt, führt § 23 S. 1 Alt. 2 ZPO nicht weiter. § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO ist seit mehr als einem Jahrhundert Gegenstand intensiver Diskussion. Die Literatur und Rechtsprechung ist verworren und es kursieren verschiedenste Lösungsansätze zur Auslegung der Norm. In den 1990er Jahren erfuhr diese Diskussion durch eine Kehrtwende in der Rechtsprechung des BGH137 noch einmal besonderen Aufschwung. Der BGH ergänzte in diesem Urteil vom 2. Juli 1991 die Vorschrift um einen über die Vermögensbelegenheit hinausgehenden „hinreichenden Inlandsbezug“ und schränkte so den Anwendungsbereich der Vorschrift stark ein.138 In der Folgezeit kam der BGH zur Frage, in welchen Fällen ein solcher „hinreichender Inlandsbezug“ gegeben sein soll, über eine Einzelfallbetrachtung leider nicht hinaus.139 Als gesicherter Inlandsbezug gilt heute lediglich ein inländischer Klägerwohnsitz.140

134 Transaktionen zwischen zwei bereits vor der Transaktion bekannten Rechtsträgern. Davon sind insbesondere auch Transaktionen innerhalb des Konzerns erfasst. Siehe im Einzelnen dazu z. B.: Kleinert/Mayer, EuZW 2019, 103 ff.; Grigoleit, ZGR 2019, 412 ff.; Rieder, ZfPW 2020, 129 ff. 135 Weller/Benz/Zimmermann, NZG 2019, 1124. 136 Gemeinsames Konto verschiedener Konzerngesellschaften zum Zwecke eines besseren Liquiditätsmanagements. Siehe zum Ganzen: ebd., 1124 – 1127. 137 BGH, Urt. v. 02. 07. 1991, XI ZR 206/90, NJW 1991, 3092. 138 Das erste Mal 1991 begründet in BGH, Urt. v. 02. 07. 1991, XI ZR 206/90, NJW 1991, 3092 und mehrfach bestätigt in: BGH Urt. v. 29. 04. 1992, XII ZR 40/91, NJW-RR 1993, 5; BAG, Urt. v. 17. 07. 1997, 8 AZR 328/95, NZA 1997, 1182, 1184; BGH, Urt. v. 29. 04. 1999, XI ZR 263 – 97, NJW 1999, 3199 und BGH, Beschl. v. 13. 12. 2012, III ZR 282/11, NJW 2013, 386 f. 139 Koechel, IPRax 2014, 314. 140 BGH, Beschl. v. 13. 12. 2012, III ZR 282/11, NJW 2013, 386 und Koechel, IPRax 2014, 312 – 317 m. w. N.

92

Kap. 2: Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte

1. Verfassungsrechtliche Vorgaben Teilweise wird behauptet, § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO sei verfassungswidrig.141 Obgleich § 23 ZPO in der deutschen Literatur seit mehr als einem Jahrhundert exzessiv diskutiert wird, hat die Frage der Verfassungsmäßigkeit bisher weniger Aufmerksamkeit erfahren.142 Vor inzwischen einiger Zeit kam jedoch Thomas Pfeiffer in seiner ausführlichen Analyse zum Ergebnis, § 23 ZPO sei verfassungswidrig.143 a) Allgemeines Deutsche Gerichte sind – sofern Zweifel an der Verfassungsgemäßheit einer der von ihnen anzuwendenden Normen aufkommen – gemäß Art. 100 I 1 GG verpflichtet, das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG einzuholen. Stützen also Opfer aus den in der Einleitung angeführten Fällen ihre Klage gegen eine Konzern- oder Zulieferergesellschaft auf § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO, hängen die Erfolgsaussichten dieser Klage davon ab, ob das angerufene Gericht diese Norm aufgrund ihrer Verfassungsmäßig bzw. -widrigkeit anwenden darf oder nicht. Doch auch abseits dieses pragmatischen Grundes ist eine verfassungsrechtliche Perspektive wichtig. Sind alle Auslegungsvarianten einer Norm mit dem Grundgesetz unvereinbar, muss versucht werden die Norm verfassungskonform auszulegen. Diese Auslegungsvariante ist dann jeder anderen denkbaren Variante vorzuziehen.144 So kann eine bisher praktizierte Auslegungsvariante unzulässig sein, eine andere jedoch denkbar. Das ist Grund genug, um die Verfassungsmäßigkeit von § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO zu untersuchen. Entsprechend der verfassungsrechtlichen Dogmatik ist eine Norm verfassungswidrig, sofern sie in den Schutzbereich eines verfassungsmäßig garantierten Rechts eingreift und es für diesen Eingriff keine Rechtfertigung gibt.145 Diesen Eingriff kann insbesondere die verfassungsrechtliche Rechtsposition eines anderen rechtferti-

141 Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, S. 620 – 647, explizit S. 647; ähnlich wohl auch Schlosser, IPRax 1992, 142: „unter Grundrechtsgesichtspunkten […] unannehmbar“ und ders. explizit in FS Kralik, 1986, S. 295. 142 Abgesehen von Pfeiffers Analyse findet sich meist nur die knappe Feststellung, § 23 ZPO sei jedenfalls (nicht) verfassungswidrig. 143 Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, S. 647. 144 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1991, S. 339. 145 Siehe z. B. Schemata bei Kingreen/Poscher, Grundrechte – Staatsrecht II, 2020, Rn. 401 und Frenz, Öffentliches Recht, 2019, Rn. 268. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG: Wendt, AöR 104 (1979), 416 f. Die Literatur zu § 23 ZPO vermischt verschiedene Ebenen. Die Argumentation der Autoren ist daher häufig unübersichtlich. Es ist nicht klar, in welchem Kontext die Argumente vorgebracht werden. Das ist Anlass dafür, an dieser Stelle schulmäßig-systematisch vorzugehen.

§ 6 Klagen gegen Konzern- oder Zulieferergesellschaften mit Sitz im Ausland

93

gen.146 Was sind aber die Wertungen, aufgrund derer überhaupt ein Konflikt mit dem Grundgesetz erwogen wird? b) Eingriff in den Justizanspruch des Beklagten Die Parteien eines Zivilprozesses haben jeweils einen verfassungsrechtlich garantierten Justizanspruch.147 Dieser hat seine Grundlage im Rechtsstaatsprinzip148, es werden jedoch auch andere Herleitungen vorgeschlagen. So kommen als normative Anknüpfungspunkte für den Justizanspruch auch Art. 19 IV149, Art. 101 I S. 2150 oder Art 103 I GG151 in Betracht. Gegen eine Herleitung über Art. 19 IV GG wird vorgebracht, dieser betreffe lediglich den Rechtsschutz hinsichtlich Akten der öffentlichen Gewalt. Daher kann könne er keinen zivilprozessualen Justizanspruch begründen.152 Art. 101 I S. 2 GG schütze lediglich den Anspruch auf den Richter eines bereits zuständigen Gerichts.153 Art. 103 I GG habe nicht im Sinn gehabt, den Zugang zu einem Gericht prinzipiell zu regeln, sondern vielmehr die Möglichkeit, im Gerichtsverfahren rechtliches Gehör zu erlangen.154 Was nun genau der normative Anknüpfungspunkt für den Justizanspruch ist, soll für die hier verfolgten Zwecke dahinstehen, da das grundsätzliche Bestehen eines verfassungsrechtlich garantierten Anspruchs auf Justizgewährung jedenfalls anerkannt ist.155 146 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 1995, S. 139. 147 Die Terminologie ist uneinheitlich: „Justizgewährungsanspruch“: Stein/Jonas-ZPO/ Brehm, Einleitung Rn. 284; Wieczorek/Schütze-ZPO/Prütting/Gebauer, Band I, Einleitung Rn. 115; MüKo-ZPO/Rauscher, Einleitung Band I Rn. 18 f.; Geimer, ZfRV 1992, 325; Detterbeck, AcP 192 (1992), 327; „Justizanspruch“: Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, S. 335 ff.; „Rechtsschutzanspruch“: Kralik, ZZP 1961, 18 ff. 148 BVerfG, Beschl. v. 12. 02. 1992, 1 BvL 1/89, NJW 1992, 1673; Stein/Jonas-ZPO/Brehm, Einleitung Rn. 287; Wieczorek/Schütze-ZPO/Prütting/Gebauer, Band I, Einleitung Rn. 115; MüKo-ZPO/Rauscher, Einleitung Band I Rn. 18; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1996, S. 338, insbesondere Fn. 12 m. w. N.; Bachmann, Universalisierung des Europäischen Zivilverfahrensrechts, 2020, S. 130. 149 Klein, JZ 1963, 592. 150 Arndt, JZ 1956, 633 und DRiZ 1959, 171. 151 Baur, AcP 153 (1953), 396 – 401. 152 Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1996, S. 338, Fn. 12. 153 Dütz, Rechtsstaatlicher Gerichtsschutz im Privatrecht, 1969, S. 73 f. 154 Zeuner, FS Nipperdey, Band I, 1965, S. 1016 f. 155 Kurz sei an dieser Stelle noch auf Art. 6 I EMRK hingewiesen, der ebenfalls ein Recht auf ein faires Verfahren enthält. Für die Frage der Verfassungsmäßigkeit führt diese Norm jedoch nicht weiter, da der EMRK in Deutschland nicht der Rang eines Verfassungsgesetzes, sondern lediglich der eines einfachen Bundesgesetzes zukommt (siehe z. B. BVerfG, Beschl. v. 29. 05. 1990, 2 BvR 1343/88, NJW 1990, 2741). Zwar ist anerkannt, dass die EMRK Einfluss auf die Auslegung der verfassungsrechtlich garantierten Rechte hat (siehe BVerfG, Beschl. v. 26. 03. 1987, 2 BvR 589/79, NJW 1987, 2427 und BVerfG, Urt. v. 04. 05. 2011, 2 BvR 2365/09, NStZ 2011, 451 Rn. 86), jedoch lässt sich Art. 6 EMRK kein weiterer Erkenntniswert als den

94

Kap. 2: Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte

Doch warum sollte § 23 ZPO den Justizanspruch einer der Parteien beeinträchtigen? § 23 ZPO gibt dem Kläger die Möglichkeit, den Beklagten in ein Verfahren zu verwickeln. Dies ist gemäß § 13 ZPO grundsätzlich nur am Wohnsitz des Beklagten möglich. Wenn hingegen nicht am Wohnsitz des Beklagten Klage erhoben werden soll, muss zu diesem Ort ein Bezug bestehen. Der Justizanspruch kommt also nicht nur dem Kläger (in Gestalt eines ihm garantierten rechtsstaatlichen Prozesses), sondern ebenso dem Beklagten zu. Dieser hat ein Recht darauf, sich effektiv verteidigen zu können156 bzw. – internationalprozessual ausgedrückt – nicht an einem Ort in ein Verfahren verwickelt zu werden, zu welchem der Sachverhalt keine Beziehungen hat.157 Denn ein solches Verfahren kann für den Beklagten erhebliche Belastungen mit sich bringen: unbekanntes Verfahrensrecht, eine fremde Prozesskultur, in der Regel auch eine fremde Sprache sowie erhebliche Mehrkosten.158 Hinsichtlich der internationalen Zuständigkeitsverteilung wird daraus geschlossen, dass dem Beklagten ein Anspruch auf Freiheit von exorbitanter Justiz159 gegenüber dem Staat zukommt, der ihn seiner Gerichtsbarkeit unterwerfen will. Andererseits – und das ist wohl allgemein bekannter – hat der Kläger einen Anspruch auf Justiz im Inland. In diesem Bereich ist der Zugang zum deutschen Gericht verfassungsrechtlich zwingend. Diese beiden Rechtspositionen müssen in Ausgleich gebracht werden.

deutschen verfassungsrechtlichen Vorgaben abgewinnen, da auch hier letztlich eine Interessenabwägung vorgenommen werden muss. 156 Geimer, FS Schwind, 1993, S. 18 – 20 mit Verweis (Fn. 14) auf Böhm, JBl 1988, 389, der ein solches Recht an Art. 6 I EMRK festmacht („Denn diese vertragsvölkerrechtliche (und innerstaatlich im Rang eines Verfassungsgesetzes stehende) Norm [gemeint ist Art. 6 I EMRK] sichert ja nicht allein potentiellen Klägern die Justizgewährung in Österreich zu, verbietet also die Verweigerung von Rechtsschutz; sondern sie umfasst gleicherweise die Garantie, daß auch jedem Beklagten angemessenes Gehör zuteil wird und er sich effektiv verteidigen kann. Insofern muss ihm die Einlassung vor unseren Gerichten nach „europäischem Standard“ zumutbar sein.“). Diese Herleitung wäre in Deutschland allerdings nicht sachgemäß, da die EMRK hier – anders als in Österreich – keinen Verfassungsrang innehat. Dennoch haben die Ausführungen Böhms auch in Deutschland Bedeutung, da einerseits trotz mangelnden Verfassungsrangs der EMRK die Wertungen dieser im Rahmen einer auf ein Grundrecht gestützten Verfassungsbeschwerde mit einfließen (siehe vorige Fn. 155) und andererseits – wie gezeigt wurde – auch die deutsche Verfassung verschiedene Garantien effektiven Rechtsschutzes kennt, die natürlich nicht ausschließlich für den Kläger, sondern auch für den Beklagten gelten. Siehe auch Matscher, FS Neumayer, 1985, S. 466 – 468, für den – wieder aufgrund der leicht anderen, weil österreichischen Ausgangslage – die gleiche Vorbemerkung wie für Böhm gilt. Ebenfalls zur Herleitung aus Art. 6 I EMRK Kiestra, The Impact of the European Convention on Human Rights on Private International Law, 2014, S. 127 – 134. 157 Siehe mit Rekurs auf die US-amerikanische Rechtslage: Schlosser, IPRax 1992, 140 f.; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, S. 641: „Anspruch des Beklagten auf Freiheit von exorbitanter Justiz“. 158 Hess, FS Jayme, 2004, S. 346. 159 Oder auch status negativus, so Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 1963, S. 87.

§ 6 Klagen gegen Konzern- oder Zulieferergesellschaften mit Sitz im Ausland

95

c) Abwägung Zwischen diesen Polen gibt es ein verfassungsrechtliches „Niemandsland“160. Hier wird weder eine Zuständigkeit deutscher Gerichte wegen des Justizanspruchs des Klägers erzwungen noch verbietet der Justizanspruch des Beklagten ein deutsches Gerichtsverfahren. Die relevante Frage lautet also: Liegt § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO noch in diesem „verfassungsrechtlichen Niemandsland“ zwischen den beiden Rechtspositionen oder hat er dieses Gebiet bereits zu Lasten einer der Positionen verlassen und befindet sich somit auf dem Boden verfassungsrechtlicher Illegalität? Im Fall „kollidierender Grundrechte“,161 wie wir ihn hier vorfinden, muss eine der Grundrechtspositionen mittels der Herstellung praktischer Konkordanz begrenzt werden.162 Dies geschieht durch die verhältnismäßige Zuordnung von verfassungsrechtlichen Rechtspositionen. Eine Zuordnung ist verhältnismäßig (oder anders gewendet: ein Eingriff ist gerechtfertigt), wenn sie zur Erreichung des vom Gesetzgeber erstrebten Zwecks geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne (oder proportional163) ist.164 Wie bereits erwähnt, wird hier in den Justizanspruch des Beklagten eingegriffen. Dieser hat ein Recht darauf, nicht an Orten in ein Zivilverfahren verwickelt zu werden, zu denen der Sachverhalt keine Beziehungen hat. aa) Zweck § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO bezweckt, dem Kläger die Rechtsverfolgung zu erleichtern, bzw. in vielen Fällen überhaupt erst zu ermöglichen165 und dadurch letztlich seinen Justizanspruch zu sichern.166 Weiter wird aus den Materialien zur CPO, dem Vorgänger der ZPO, deutlich, dass § 23 ZPO „vorzugsweise“ (!) den Zweck hat „daß die im Inlande vorhandenen Vermögensstücke als Gegenstände der Zwangsvollstreckung benutzt werden können“.167 Zwar wird vereinzelt behauptet, § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO habe noch darüberhinausgehende Zwecke, wie z. B. dem Kläger gerichtliche Feststellung oder materiell-rechtliche Urteilswirkungen zu garantieren.168 Dies taucht aber – anders als die Vollstreckung – in den Motiven nicht auf. 160

Die Formulierung stammt von Geimer, FS Schwind, 1993, S. 20. Begriff aus BVerfG, Beschl. v. 26. 05. 1970, BvR 83, 244, 345/69, NJW 1970, 1729. 162 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 1995, S. 142. 163 Zu den verschiedenen Begrifflichkeiten: Grabitz, AöR 98 (1973), 571. 164 Grabitz, AöR 98 (1973), 568 ff.; Wendt, AöR 104 (1979), 414 ff., insbesondere 416 f. 165 MüKo-ZPO/Patzina, § 23 ZPO Rn. 1; Musielak/Voit-ZPO/Heinrich, § 23 ZPO Rn. 1; Wieczorek/Schütze-ZPO/Smid/Hartmann, § 23 Rn. 1; Stein/Jonas-ZPO/Roth, § 23 ZPO Rn. 1. 166 Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, S. 613. 167 Hahn/Mugdan, Die gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, Band 2, 1983 (Neudruck der Ausgabe von 1881), § 24, S. 154. 168 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, 2017, S. 371. 161

96

Kap. 2: Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte

bb) Geeignetheit Zum Zweck der Vollstreckung ist die Vorschrift auch grundsätzlich geeignet, da sie eine weitreichende169 Zuständigkeit deutscher Gerichte anordnet. Fraglich ist jedoch, ob § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO auch dann zur Erfüllung des Vollstreckungszwecks geeignet ist, wenn keine Anforderungen an die im Inland belegenen Vermögenswerte gestellt werden.170 In diesem Sinne legte das RG in einigen Fälle aus älterer Zeit die Vorschrift aus. Es hatte 1902 über einen Fall zu entscheiden, in dem der Kläger die Zuständigkeit auf ein im Inland belegenes Handelsbuch stützte. Das RG sah darin einen ausreichenden Vermögenswert i. S. d. § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO.171 In einem weiteren Beispiel hielt das Gericht vier zurückgelassene Obstkörbe für einen ausreichenden Vermögenswert.172 In den Fällen betrug der Streitwert 10.000 Mark bzw. 3.600 Kronen. Stellt man keinerlei Anforderungen an den Vermögensbegriff, würde somit auch ein im Hotelzimmer vergessener Hut, ein Stück Seife oder ein Buch den Gerichtsstand begründen. In diesen Fällen ist die Vorschrift nicht geeignet, die Erreichung des Vollstreckungszwecks zu fördern, da diese Gegenstände nicht ausreichen, um die klägerische Forderung zu befriedigen. cc) Erforderlichkeit Ein Eingriff in den Justizanspruch des Beklagten ist erforderlich, sofern die Vollstreckungsinteressen des Beklagten nicht auf anderem, milderen Wege verwirklicht werden können.173 Abgesehen von den Fällen, in denen kein nennenswertes Inlandsvermögen vorhanden ist, lassen sich die Vollstreckungsinteressen nicht auf anderem Wege verwirklichen. Die Fälle, in denen die Gegenseitigkeit nicht verbürgt ist (§ 328 I Nr. 5 ZPO, dazu noch sogleich ausführlich) und der Kläger daher keine Anerkennung des ausländischen Urteils begehren kann, machen § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO erforderlich.174 dd) Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne Dass die Auslegungsvariante des RG (Vorliegen des § 23 ZPO auch bei gegen null tendierendem Inlandsvermögen) unzulässig ist, wird spätestens dann deutlich, stellt man dem Interesse des Klägers an effektivem Rechtsschutz das Interesse des Be169 In den Augen mancher zu weitreichende – nämlich exorbitante – Zuständigkeit. So Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, 1969, S. 117; von Hoffmann, IPRax 1982, 218, Fn. 8; Pfeiffer, in: 50 Jahre Bundesgerichtshof, Band III, 2000, S. 633. 170 Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, S. 642. 171 RG, Urt. v. 07. 04. 1902, VI 20/02, RGZ 51, 164 f. 172 RG, Urt. v. 19. 01. 1911, VII 583/19, RGZ 75, 147. 173 Degenhart, Staatsorganisationsrecht, 2015, S. 162. 174 Siehe zum Argument der fehlenden weltweiten Anerkennung von Urteilen: Geimer, JZ 1984, 979; Schack, JZ 1992, 54.

§ 6 Klagen gegen Konzern- oder Zulieferergesellschaften mit Sitz im Ausland

97

klagten gegenüber (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne). Insbesondere nach den Maßstäben praktischer Konkordanz, nach welchen die berührten Interessen dergestalt in Ausgleich gebracht werden sollen, dass beide noch möglichst effektiv zur Anwendung gelangen,175 ist es nicht ersichtlich, warum dem Beklagten in solchen Fällen zugemutet werden soll, in Deutschland gerichtspflichtig zu werden. Sieht man jedoch von diesen Extremfällen einmal ab, liegt im Inland also nicht nur unerhebliches Beklagtenvermögen, stellt sich die Situation anders dar. Weltweit wird keine effektive Zirkulation von Urteilen gewährleistet, da nicht alle Staaten die Urteile ausländischer Gerichte anerkennen. Wäre § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO verfassungswidrig (oder wie heute mittels zusätzlichem Inlandsbezug stark eingeschränkt176), könnte der Kläger mangels internationaler Zuständigkeit deutscher Gerichte kein Erkenntnisverfahren führen. Er steht somit vor dem Problem, dass sein im Ausland erstrittenes Urteil in Deutschland möglicherweise nicht anerkannt wird. Da es in Bezug auf viele Länder an der Verbürgung der Gegenseitigkeit (§ 328 I Nr. 5 ZPO177) fehlt, ist eine solche Situation nicht unwahrscheinlich.178 Das zeigt auch ein Blick auf einige der Länder, in denen sich die hier behandelten Fälle abspielen. Für Staaten wie Bangladesch179, Indien180, Indonesien181, Kambodscha182, Kenia183, Kongo184, Libyen185, Myanmar186, Nigeria187, Pakistan188, Sierra Leone189, Sudan190 175 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, 1988, Band III/1, S. 930 m. w. N. 176 Siehe BGH, Urt. v. 02. 07. 1991, XI ZR 206/90, NJW 1991, 3092. 177 Demzufolge ist die Anerkennung eines ausländischen Urteils in Deutschland nicht möglich, erkennen die Gerichte des Staates, aus dem das Urteil stammt, umgekehrt deutsche Urteile nicht an. Die Vorschrift wird heftig kritisiert und deren Aufhebung gefordert, siehe z. B. MüKo-ZPO/Gottwald, § 328 Rn. 133 m. w. N. 178 Siehe zum Argument der fehlenden weltweiten Anerkennung von Urteilen: Geimer, JZ 1984, 979; Schack, JZ 1992, 54. 179 Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 2020, S. 1439; a. A. Otto, in: Geimer/ Schütze/Hau – Internationaler Rechtsverkehr, Band VI, 2020, 1018.8 f. 180 Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 2020, S. 1443; a. A. Otto, in: Geimer/ Schütze/Hau – Internationaler Rechtsverkehr, Band VI, 2020, 1046.14: partielle Verbürgung der Gegenseitigkeit. 181 Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 2020, S. 1443. 182 MüKo-ZPO/Gottwald, § 328 ZPO Rn. 150. 183 Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 2020, S. 1444. Zurückhaltender Martiny, Handbuch des internationalen Zivilverfahrensrechts, 1984, Band III/1 Rn. 1416. 184 Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 2020, S. 1444. 185 Bälz/Hamza, in: Geimer/Schütze/Hau – Internationaler Rechtsverkehr, Band VI, 2020, 1078b.7 m. w. N. 186 Respondek/Witte, in: Geimer/Schütze/Hau – Internationaler Rechtsverkehr, Band VI, 2020, 1093a.12 m. w. N. 187 Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 2020, S. 1444. 188 Otto, in: Geimer/Schütze/Hau – Internationaler Rechtsverkehr, Band VI, 2020, S. 1109.10 f.; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 2020, S. 1444. 189 Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 2020, S. 1444.

98

Kap. 2: Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte

und Thailand191 ist die Gegenseitigkeit nicht verbürgt. Ein dort erstrittenes Urteil würde in Deutschland nicht anerkannt werden, sodass inländisches Beklagtenvermögen dem Zugriff des Klägers entzogen ist. Deshalb greift auch der Einwand zu kurz, Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren seien voneinander unabhängig.192 Denn kann der Kläger auf in Deutschland belegene Vermögenswerte nicht zugreifen und entstehen deutsche „Vollstreckungsoasen“193, ist er in seinem verfassungsmäßig garantierten Justizanspruch betroffen.194 Denn sein Justizanspruch umfasst ebenso die Rechtsverwirklichung durch Vollstreckung.195 Hat der Beklagte woanders kein zur Befriedigung der Klage ausreichendes Vermögen, kann der Kläger sein Recht in den genannten Fällen gar nicht durchsetzen. Auch dagegen ließe sich zwar einwenden, solche Fälle ließen sich über eine rechtssicher ausgestaltete Notzuständigkeit lösen.196 Doch wird eine Notzuständigkeit von Gerichten nur stiefmütterlich angewandt.197 Zwar lässt sich die Bereitschaft der Gerichte zur Anwendung der Notzuständigkeit möglicherweise mittels einer in Gesetzesform gegossenen Zuständigkeit steigern (derzeit ist die Notzuständigkeit nicht gesetzlich geregelt198). Doch wird es auch so noch schwer für den Kläger sein, zu beweisen, dass er nirgends sonst auf der Welt effektiven Rechtsschutz erlangen kann.199 Die Notzuständigkeit ist keine gleichwertige Alternative zum rechtssicher ausgestalteten § 23 ZPO. Darüber hinaus ermöglicht man Klägern mittels § 23 ZPO in mehr Fällen ein rechtstaatlichen Grundsätzen entsprechendes Verfahren, welches in manchen Ländern der Welt nicht garantiert ist.200 Zwar ist Deutschland nicht für die weltweite 190 Tendenziell keine Verbürgung der Gegenseitigkeit, siehe m. w. N. Bälz, in: Geimer/ Schütze/Hau – Internationaler Rechtsverkehr, Band VI, 2020, S. 1132.5. 191 Falder, in: Geimer/Schütze/Hau – Internationaler Rechtsverkehr, Band VI, 2020, S. 1140.6. 192 Milleker, Der negative internationale Kompetenzkonflikt, 1975, S. 154; Schack, ZZP 1984, 60. 193 Schack, FS Nakamura, 2001, S. 512. 194 Ebd. 195 Dütz, Rechtsstaatlicher Gerichtsschutz im Privatrecht, 1969, S. 132 f.; Gerhardt, ZZP 1982, 487. 196 Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, S. 630. 197 Bisher gibt es – nach Kenntnis des Verfassers – keinen einzigen Fall, in dem deutsche Gerichte von der Notzuständigkeit Gebrauch machten. Deren Prinzipien wurden lediglich in leicht anders gelagerten Feldern geltend gemacht, siehe dazu unten Kap. 2 Fn. 258. 198 Siehe noch sogleich Kapitel 2, § 6 B.V. (S. 107 ff.). 199 von Hoffmann, IPRax 1982, 220. 200 Was Hauptgrund für die hier behandelten Klagen gegen Unternehmen ist, siehe Kapitel 2, § 4 A. (S. 70 ff.). Dies war auch Argument im Rahmen der Diskussion um einen Vermögensgerichtsstand im europäischen Zuständigkeitssystem (siehe dazu Wolf, FS Simotta, 2012, S. 726 – 730, insbesondere 728), Europäische Kommission, Commission Staff Working Paper, impact assessment accompanying document to the proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council on jurisdiction and the recognition and enforcement of judgements in civil and commercial matters, 2010, S. 20 f.

§ 6 Klagen gegen Konzern- oder Zulieferergesellschaften mit Sitz im Ausland

99

Existenz rechtsstaatlicher Verfahren verantwortlich.201 Wenn jedoch eine Inlandsverbindung in Form von hier belegenen Vermögenswerte vorliegt, wird dies doch zum Argument, da jedenfalls in Deutschland die Rechtsstaatlichkeit von Gerichtsverfahren – auch zu Gunsten ausländischer Kläger – als hohes Gut allgemein anerkannt ist. Diese Erwägungen zu Gunsten des Klägers verdienen – abseits von den Extremfällen, in denen kein nennenswertes Inlandsvermögen vorhanden ist – den Vorzug gegenüber dem Interesse des Beklagten, nicht „irgendwo auf der Welt“ auf Basis exorbitanter Gerichtsstände verklagt zu werden. d) Verfassungskonforme Auslegung In der Auslegungsvariante des RG (Vorliegen des § 23 ZPO auch bei gegen null tendierendem Inlandsvermögen) widerspricht § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO jedoch der Verfassung, da eine solche Auslegung für den Schutz des Klägers und seiner Vollstreckungsinteressen nicht geeignet und mit Blick auf die verfassungsmäßige Rechtsposition des Beklagten auch unproportional ist. Anders liegt es, legt man die Norm einschränkend aus. Für eine solche einschränkende, verfassungskonforme Auslegung kommen verschiedene, nunmehr zu diskutierende Möglichkeiten in Frage. aa) In Betracht kommende Auslegungsvarianten Nicht als verfassungskonforme Auslegung in Betracht kommt die Entscheidung des BGH, § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO nicht durch eine Einschränkung des Vermögensmerkmals, sondern durch einen zweiten, über die inländische Vermögensbelegenheit hinausgehenden Inlandsbezug einzuschränken.202 Die Entscheidung berücksichtigt nicht in hinreichender Weise den Klägerschutz und „schießt übers Ziel hinaus“: Liegt ein Inlandsbezug nicht vor, kann der Kläger in Deutschland kein Erkenntnisurteil erstreiten. Aufgrund der nicht (vollständig) garantierten weltweiten Urteilsanerkennung203 kann in bestimmten Konstellationen der Justizanspruch des Klägers verletzt sein, da das inländische Vermögen dem Vollstreckungszugriff des Klägers vollständig entzogen wird.204 Darüber hinaus wirft die Entscheidung weitere verfassungsrechtliche Bedenken auf. Gemäß Art. 101 I S. 2 GG müssen sich die gerichtlichen Zuständigkeiten möglichst eindeutig aus der betreffenden Zuständigkeitsnorm ergeben. Da auch heute, fast 20 Jahre nach der Entscheidung des BGH, nicht von einer Konkretisierung des zusätzlichen Inlandsbezugs gesprochen werden 201 Das wäre nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Vielfältigkeit der verschiedenen Kulturräume auf der Welt anmaßend. 202 BGH, Urt. v. 02. 07. 1991, XI ZR 206/90, NJW 1991, 3092. 203 Siehe dazu oben Kapitel 2, § 6 B.IV.1.c)dd) (S. 96 f.). 204 Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, S. 644; Geimer, FS Schwind, 1993, S. 39. Zurückhaltend, aber auch in diese Richtung Dannemann, 41 International and Comparative Law Quarterly (1992), 637.

100

Kap. 2: Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte

kann,205 erscheint die Einführung eines solchen unbestimmten Rechtsbegriffs durch die Rechtsprechung verfassungsrechtlich fragwürdig.206 Andere Lösungsansätze207 könnten sein (1) eine „Kappungsgrenze“ des Streitwerts auf das im Inland befindliche Vermögen,208 (2) die Beschränkung des Vermögensbegriffs auf die Pfändbarkeit des Vermögens,209 (3) auf die Kosten der Zwangsvollstreckung210 oder auf (4) „nicht unverhältnismäßig geringeres“ Vermögen im Verhältnis zum Streitwert211. Im ersten Fall würde die Höhe des Streitwerts auf den im Inland belegenen Wert beschränkt werden, während bei den Lösungen (2) – (4) § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO das Tatbestandsmerkmal „Vermögen“ nicht erfüllt sein soll, wenn nicht die genannten Anforderungen an dieses vorliegen. Für den ersten Vorschlag (1) bedürfte es allerdings einer Gesetzesänderung, da der Streitwert von § 23 ZPO unabhängig ist. Mit einer bloßen Auslegung von § 23 ZPO kann dieser nicht geändert werden. Der Streitwert ergibt sich aus den §§ 2 ff. ZPO. Eine Abhängigkeit des Streitwerts vom im Inland verfügbaren Vermögen ist dort nicht vorgesehen.212 Der Vorschlag muss daher von vornherein ausscheiden und wird im Folgenden nicht weiter berücksichtigt. bb) Einwand: Gesetzgeber wusste um das Problem geringwertiger Vermögensstücke Fraglich ist, ob die den Vermögensbegriff deckelnden Lösungen (2) – (4) verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen. Dagegen könnte sprechen, dass der Gesetzgeber das Problem der Erstreckung des Gerichtsstands auf jedes noch so geringe Vermögensstück erkannte, sich aber bewusst dagegen entschied, den Ver205

Koechel, IPRax 2014, 312. Zum Argument vgl. Bittighofer, Der internationale Gerichtsstand des Vermögens, 1994, S. 201. 207 Siehe für eine Zusammenstellung verschiedener, über die hier dargestellten hinausgehende Lösungsansätze zur Beschränkung von § 23 ZPO Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, S. 533 – 541. Die nach Auffassung des Verfassers wichtigsten Lösungsvorschläge werden hier vorgestellt. 208 Dies noch am ehesten in Erwägung ziehend: Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, S. 643 f., der aber im Ergebnis § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO gar nicht für verfassungskonform auslegbar hält. Ausdrücklich Kropholler, ZfRV 1992, 8 f.; ders., in: Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Band I, S. 329 – 332. 209 Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1969, Band I, S. 402 und sich ihm anschließend Mertens, Die AG 1976, 51. 210 Schumann, Studi in onore di Enrico Tullio Liebman, 1979, S. 857. 211 So § 99 I 2 der österreichischen JN seit 1983 und mit Verweis darauf de lege lata für Deutschland: Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, 2017 Rn. 371. In der Tendenz auch Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1969, Band I, S. 402 f. Für den österreichischen OGH (Beschl. v. 13. 03. 1996, 3 Ob 514/94, IPRax 1998, 115 = ZfRV 1996, 79) liegt eine solche Grenze vor, wenn das Inlandsvermögen 20 % des Streitwerts ausmacht. 212 So im Ergebnis Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, S. 538. 206

§ 6 Klagen gegen Konzern- oder Zulieferergesellschaften mit Sitz im Ausland

101

mögensbegriff des § 23 ZPO zu beschränken. So heißt es in der Entwurfsbegründung zum damaligen § 24 CPO: „In der Ausdehnung des § 24 [a. F., jetzt § 23] ist dies Forum dem gemeinen Rechte und den meisten neueren Gesetzgebungsarbeiten nicht bekannt, und es stehen ihr insofern legislative Bedenken entgegen, als bei zerstreuten Vermögensstücken eine große Zahl von Gerichtsständen begründet sein kann, und jedes geringfügige, vielleicht nur zufällig zurückgelassene Vermögensstück einen Gerichtsstand herbeizuführen vermag. Auf der anderen Seite macht aber die Zulassung dieses Gerichtsstandes denjenigen des Arrestes entbehrlich und dient deshalb zur Vereinfachung der die Gerichtsstände betreffenden Vorschriften. Da der Gerichtsstand des § 24 [a. F., jetzt § 23] vorzugsweise den Zweck hat, daß die im Inlande vorhandenen Vermögensstücke als Gegenstände der Zwangsvollstreckung benutzt werden können, so rechtfertigt sich die Beschränkung dieses Gerichtsstandes auf Klagen wegen vermögensrechtlicher Ansprüche.“213

Wenn der Gesetzgeber die Problematik der „geringfügigen Vermögensstücke“ aber erkannte, könnte die Beschränkung des Vermögensmerkmals den Wortlaut entgegen gesetzgeberischer Vorgaben über eine verfassungsrechtliche Grenze hinaus strapazieren. Denn das Tatbestandsmerkmal „Vermögen“ ist bereits bei äußerst geringen Vermögenswerten erfüllt und nicht erst ab einer bestimmten Schwelle. Allerdings steht ein solches Verständnis vom Vermögensbegriff im Gegensatz zu dem – ebenfalls in den Gesetzesmaterialien vorgebrachten – Zweck der Norm: Wenn die Norm der Vollstreckung dient, ergibt es wenig Sinn, z. B. Obstkörbe als Voraussetzung für das Tatbestandsmerkmal „Vermögen“ genügen zu lassen. Denn Vermögensgegenstände mit sehr geringem Wert wie z. B. Obstkörbe können den Streitwert der wenigsten Klagen kompensieren. Der Gesetzgeber widerspricht sich insoweit. Zudem drückt er an dieser Stelle sein Bedauern („legislative Bedenken“) darüber aus, dass die Vorschrift auch unbedeutendes Vermögen erfasst. Es scheint, als habe der Gesetzgeber für diese missliche Situation lediglich keine Lösung gefunden. Den Vermögensbegriff in § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO zu deckeln, entspricht daher durchaus seinem Willen. cc) Verfassungskonformität der in Betracht kommenden Auslegungsvarianten Deshalb kann der Einwand gegen die den Vermögensbegriff deckelnden Lösungen (2) – (4), eine solche Auslegung sei mit dem Wortlaut der Vorschrift unvereinbar,214 nicht überzeugen. Denn eine solche Auslegung entspricht durchaus dem der Norm vom Gesetzgeber verliehenen Zweck. Solange die bloße Konkretisierung eines Tatbestandmerkmals (hier dem des Vermögens) dem Zweck der Norm entspricht, überschreitet sie noch nicht die durch den Wortlaut vorgegebene Auslegungsgrenze. Dem Vollstreckungszweck werden daher alle der hier wiedergegebe213

Hahn, Die gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, Band 2, 1983 (Neudruck der Ausgabe von 1881), § 24, S. 154 (Anmerkungen und Einfügungen durch den Verfasser). 214 So Bittighofer, Der internationale Gerichtsstand des Vermögens, 1994, S. 158 f. gegen Lösung (2) und (3).

102

Kap. 2: Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte

nen Lösungen gerecht.215 Diese bewegen sich innerhalb des verfassungsrechtlich Zulässigen: Durch die Begrenzung des Vermögensbegriffs auf die Pfändbarkeit (2) wird sichergestellt, dass den Beklagten die Zuständigkeit nur dann trifft, sind zumindest nicht unbeträchtliche Vermögenswerte im Inland vorhanden. Darüber hinaus muss für den Kläger auch „etwas übrigbleiben“. Dies ist zwar dann nicht der Fall, liegt das pfändbare Vermögen unter den anfallenden Vollstreckungskosten. Doch dient diese Lösung zumindest auch den Vollstreckungsinteressen, da das pfändbare Vermögen durchaus auch höherwertig sein kann als etwaige Vollstreckungskosten. Gleiches gilt für die Lösung über die Vollstreckungskosten (3): Hier muss zumindest so viel Inlandsvermögen vorhanden sein, um zumindest einen Teil – und sei er noch so klein – der klägerischen Forderung zu befriedigen. Liegt der Wert des Inlandsvermögens hingegen unter den anfallenden Vollstreckungskosten, würde die Klägerforderung nicht einmal teilweise befriedigt. Hier ist das Tatbestandsmerkmal „Vermögen“ dann nicht erfüllt. Bei der für den Beklagten günstigsten Lösung (4) muss ein bestimmtes Maß an Inlandsvermögen, etwa ein bestimmter Prozentsatz vom Streitwert, vorhanden sein, um den Anforderungen des Merkmals „Vermögens“ zu genügen. Solange man diesen Prozentsatz nicht übermäßig gering, z. B. unter 10 % ansetzt, entspricht auch diese Lösung verfassungsrechtlichen Vorgaben. Hier ist eine teilweise Befriedigung des Klägers am wahrscheinlichsten, die Lösung verfolgt somit auch den vom Gesetzgeber vorgesehenen Vollstreckungszweck der Norm. Alle Lösungen genügen mithin verfassungsrechtlichen Anforderungen. Eine weitere Konkretisierung vermag das Verfassungsrecht aufgrund seiner Unbestimmtheit nicht zu leisten. Die Vorschrift lässt sich somit auf verschiedene Arten verfassungskonform auslegen und ist daher nicht verfassungswidrig.216 Welche Auslegungsvariante im Einzelfall vorzugswürdig ist, wird unten in Kapitel 2, § 6 B.IV.3. nach Darstellung völkerrechtlicher Vorgaben diskutiert. 2. Völkerrechtliche Vorgaben Wie bereits oben217 ausgeführt genügt das Kriterium der Vermögensbelegenheit dem völkerrechtlichen genuine-link-Erfordernis. In dieser Hinsicht steht § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO mithin im Einklang mit dem Völkerrecht. Neben dem genuine-linkErfordernis könnte aber der Protest anderer Staaten gegen die Völkerrechtskonformität des § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO sprechen. Die Staaten protestierten gegen die Vor215

Den Weg der Beschränkung des Vermögensbegriffes ebenfalls gehend, jedoch sich nicht auf eine konkrete Beschränkungsmöglichkeit festlegend: Grothe, RabelsZ 58 (1994), 715. 216 Davon geht im Ergebnis auch ein Großteil der Literatur und Rechtsprechung aus, in der Regel jedoch ohne die Verfassungsmäßigkeit zu diskutieren. Siehe z. B.: BGH, Urt. v. 02. 07. 1991, XI ZR 206/90, NJW 1991, 3092; Mansel, FS Jayme, 2004, S. 566; Geimer, FS Schwind, 1993, S. 42; ders., Internationales Zivilprozessrecht, 2015 Rn. 1348; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, 2017 Rn. 373; Kleinstück, Due Process-Beschränkungen des Vermögensgerichtsstandes durch hinreichenden Inlandsbezug und Minimum Contacts, 1994, S. 218 f.; Schütze, FS Ishikawa, 2001, S. 504. 217 Kapitel 1, § 3 C.III.1. (S. 60).

§ 6 Klagen gegen Konzern- oder Zulieferergesellschaften mit Sitz im Ausland

103

schrift zwar nicht auf klassischem, diplomatischem Weg. Allerdings könnte in der Nichtanerkennung deutscher Urteile, die auf Basis von § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO ergehen, ein solcher Protest zu erkennen sein.218 Völkerrechtlicher Protest hat jedoch bestimmte formale Anforderungen. Dass bloß auf irgendeine Weise die Völkerrechtsmäßigkeit eines bestimmten Verhaltens bestritten wird, reicht nicht aus.219 Aufgrund des Entwicklungscharakters von Völkergewohnheitsrecht genügt auch ein einmaliger Widerspruch nicht, sondern nur der „beharrliche und dauerhafte Protest“, um die Bindung an die betreffende Regel zu verhindern.220 Abwehrmaßnahmen gegen ausländische Gerichtsentscheidungen, welche nur einen losen Bezug zum Gerichtsstaat haben, wurden jedoch regelmäßig nur auf Ebene innerstaatlichen Rechts ergriffen, z. B. wie in Deutschland in Form von Gegenseitigkeitserfordernissen wie § 328 I Nr. 5 ZPO.221 Daraus ergibt sich aber das Gegenteil: Hätten die Staaten jene Entscheidungen aufgrund exorbitanter Zuständigkeitsvorschriften als völkerrechtswidrig angesehen, hätten sie andere – eben völkerrechtlich relevante und auch sichtbare – Protestformen gewählt.222 Daher kommt dem gegen die Völkerrechtswidrigkeit sprechenden Argument des fehlenden diplomatischen Protests durchaus Bedeutung zu.223 Zivilrechtliche Streitigkeiten „interessieren“ die Staaten nämlich weniger.224 Des Weiteren wird argumentiert, die Nichteinführung eines Vermögensgerichtsstands in das europäische Zuständigkeitssystem225 und die Brandmarkung des § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO auf europäischer Ebene226 zeige einen internationalen Konsens über die Missbilligung dieser Vorschrift.227 Inwiefern dieses Argument völker218

Hess, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, S. 381. In der Tat wird in Kauf genommen, dass auf Grundlage des deutschen Vermögensgerichtsstands ergangene Urteile international nicht zwangsläufig Anerkennung finden, siehe: Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, 2017 Rn. 367. 219 So aber Hess, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, S. 381, insbesondere Fn. 412. 220 Wörtliches Zitat bei Stein/von Buttlar, Völkerrecht, 2017 Rn. 138. Ebenso Dörr, in: Ipsen, Völkerrecht, 2018, S. 550; Roberts/Sivakumaran, in: Evans, International Law, 2018, S. 97; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 1984, § 667. 221 Kralik, ZZP 1961, 13. 222 Ebd. 223 A. A. Hess, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, S. 381. 224 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, 2004, S. 15; Mills, in: The Oxford Handbook of Jurisdiction, 2019, S. 345. 225 Der Vermögensgerichtsstand war den Schöpfern der Brüssel I-VO durchaus bekannt. Später erwog die Kommission noch einmal den Vermögensgerichtsstand für eine Änderung der Brüssel Ia-VO. Die Idee wurde jedoch verworfen. Siehe KOM(2010) 748 endg., S. 9 – 11 und Art. 25 des Entwurfs auf S. 36. 226 Siehe Art. 3 EuGVÜ und die Liste exorbitanter Gerichtsstände in den Rechtsordnungen der Mitgliedsstaaten, Amtsblatt der Europäischen Union 2015, C 4/2. Die Liste ist auch abgedruckt bei: Mankowski, in: Rauscher EuZPR-EuIPR Kommentar, Art. 5 Brüssel Ia-VO Rn. 5. 227 Hess, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, S. 382 f.

104

Kap. 2: Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte

rechtliche Beachtung erfahren soll, ist allerdings unklar. Die Schwelle zum völkerrechtlichen Protest überschreitet die Tatsache, dass ein Staat (bzw. hier die EU) eine Norm lediglich nicht einführt, jedenfalls nicht. Das Argument kann auch in der Sache nicht überzeugen. Internationalzivilprozessual befindet man sich auf europäischer Ebene nämlich in einer recht komfortablen Situation:228 Es wird die gegenseitige Anerkennung von Urteilen garantiert,229 was die Abschaffung weiter Zuständigkeitsvorschriften einfach macht.230 Denn ist die Anerkennung eines ausländischen Urteils garantiert, ist auch die Vollstreckung im Inland möglich, womit der Kläger nicht Gefahr läuft, auf die dort belegenen Vermögenswerte des Beklagten nicht zugreifen zu können. Anders liegt es jedoch für Drittstaatenbeklagte, für die die europäischen Regelungen nicht gelten. Hier gibt es keine äquivalenten Garantien, weitgefasste Zuständigkeitsregelungen sind somit aus Gründen des Klägerschutzes nach wie vor notwendig. Will heißen: Dem Ausschluss von § 23 ZPO auf europäischer Ebene kann nicht die Aussage entnommen werden, dieser Gerichtsstand sei völkerrechtswidrig.231 Denn die Vorschrift abzuschaffen, wäre legitim, wäre die weltweite Anerkennung von Urteilen gewährleistet. Das ist sie aber nicht.232 Die Nichteinführung eines Vermögensgerichtsstands auf europäischer Ebene ist daher die Folge bloßer Praktikabilitätserwägungen. Man war auf einen solchen hier nicht angewiesen. Schließlich ist es auch völkerrechtlich zulässig, dass deutsche Zivilgerichte über einen Ausländer urteilen. Der Souveränität des Heimatstaates des Beklagten wird dadurch genüge getan, dass er über die Anerkennung dieses Urteils selbst befinden kann.233 Denn auch wenn es sich um ausländische Beklagte handelt: Der Staat, in dem das Vermögen dieses Beklagten belegen ist, darf selbst entscheiden, ob er darüber urteilen will oder nicht.

228 Eine solche komfortable Situation bestand auch bereits zu Zeiten der geäußerten Kritik, denn auch 1992 garantierte das damals in Kraft gewesene Brüsseler Übereinkommen von 1968 die gegenseitige Anerkennung von Urteilen innerhalb der partizipierenden Staaten, siehe Art. 26 EuGVÜ. 229 Durch die Abschaffung des Exequaturverfahrens im Rahmen der Brüssel Ia-VO ist die Zirkulation von Urteilen nun noch weiter erleichtert worden, siehe Art. 39 Brüssel Ia-VO. 230 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, S. 147. 231 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, 2017, S. 147 und Bittighofer, Der internationale Gerichtsstand des Vermögens, 1994, S. 142, der argumentiert, gerade weil Art. 4 II EuGVÜ den deutschen Vermögensgerichtsstand in Bezug auf Binnenstreitigkeiten ausschließt, sei er bezüglich Beklagten mit Sitz in einem Drittstaat erst recht anwendbar. 232 Daran vermag – jedenfalls bisher – auch die begrüßenswerte Initiative der Haager Konferenz für internationales Privatrecht nichts zu ändern, die die weltweite Anerkennung von Urteilen vereinfachen will, da diese erstens noch gar nicht in Kraft getreten und zweitens unklar ist, wie viele Staaten partizipieren werden, siehe dazu z. B.: Fuchs, GWR 2019, 395 ff., insbesondere 399. Dieses haben bisher lediglich Uruguay und die Ukraine unterschrieben. 233 Ähnlich auch Domej, in: Unternehmensverantwortung und Internationales Recht, 2020, S. 232.

§ 6 Klagen gegen Konzern- oder Zulieferergesellschaften mit Sitz im Ausland

105

3. Auslegung abseits von Verfassungs- und Völkerrecht Nachdem das Ergebnis zur Auslegung von § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO durch verfassungsrechtliche Erwägungen bereits partiell vorgegeben wurde, bleibt noch zu klären, welche der verfügbaren Auslegungsvarianten den Interessen der Parteien am besten gerecht werden. Verbleibende Möglichkeiten sind die Beschränkung des Vermögensbegriffs auf entweder (2) die Pfändbarkeit des Vermögens, (3) auf die Kosten der Zwangsvollstreckung oder auf (4) einen anteiligen Prozentsatz am Inlandsvermögen. Die eingangs erwähnten234 Vorschläge (2) – (4) werden Kläger- und Beklagteninteressen in unterschiedlicher Weise gerecht. Eine Beschränkung auf die Pfändbarkeit des Vermögens oder auf die Kosten der Zwangsvollstreckung berücksichtigt vordergründig Klägerinteressen, da hier die geringste Vermögensmenge ausreicht, damit die Zuständigkeit nach § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO zuschlägt. Zumindest die Beschränkung auf die Kosten der Zwangsvollstreckung (3) wird aber noch nicht zwangsläufig dem Vollstreckungszweck der Vorschrift gerecht. Denn nur, weil das Vermögen die Kosten der Zwangsvollstreckung erreicht, ist noch nicht sichergestellt, dass für den Kläger „etwas übrigbleibt“. So wird der gesetzgeberisch vorgegebene Zweck der Zwangsvollstreckung nicht in allen Fällen erreicht.235 In diesen Fällen, ist fraglich, warum man dem Beklagten zumuten soll, aufgrund solch geringer Vermögenswerte vor deutschen Gerichten erscheinen zu müssen. Möglicherweise nutzt der Kläger dann den Vermögensgerichtsstand nicht, um tatsächlich auf inländische Vermögenswerte zuzugreifen, sondern vielmehr, um in Deutschland ein Erkenntnisurteil zu erstreiten und dieses dann im Ausland zu vollstrecken. Dies ist jedoch nicht Aufgabe des deutschen Gerichtssystems. Mit derartigen Einwänden sieht sich der letzte Vorschlag (4) hingegen nicht konfrontiert. Der gesetzgeberische Zweck kommt hier am besten zum Tragen. Denn es ist erforderlich, dass das Vermögen im Inland zumindest partiell, also zu einem gewissen Prozentsatz,236 zur Befriedigung der Klageforderung ausreicht, sodass sichergestellt ist, dass der Kläger auch tatsächlich Vollstreckungsinteressen verfolgt. Gleichzeitig berücksichtigt diese Auslegung in angemessener Weise die Interessen des Beklagten, da dieser so nicht bereits wegen jedem noch so geringen Vermögenswert vor deutsche Gerichte gezerrt wird. Dieser Vorschlag verdient auch den Vorzug gegenüber Vorschlag (2) (Begrenzung des Vermögensbegriffs auf die Pfändbarkeit des Inlandsvermögens), da die Menge an 234

vor.

Vorschlag (1) kommt lediglich de lege ferenda in Betracht und bleibt hier daher außen

235 Siehe zum gesetzgeberischen Zweck von § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO oben Kapitel 2, § 6 B.IV.1.c)aa) (S. 95). 236 Ob nun die vom österreichischen OGH vorgeschlagene 20 % Regelung (Beschl. v. 13. 03. 1996, 3 Ob 514/94, IPRax 1998, 115 = ZfRV 1996, 79) übernommen werden muss, kann dahinstehen, es soll hier keine starre Grenze gezogen werden. Von der Tendenz her erscheint aber Vermögen, das i. H. v. 20 % im Verhältnis zur Klageforderung im Inland vorhanden ist, angemessen.

106

Kap. 2: Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte

pfändbarem Vermögen sehr gering sein kann und so der Vollstreckungszweck der Vorschrift nur eingeschränkt zur Geltung käme. Was bedeutet dieses Ergebnis für die vorliegenden Fälle? Nach der hier vertretenen Lösung könnten Zulieferer- oder Konzernunternehmen mit Sitz im Ausland durchaus vor deutschen Gerichten verklagt werden, sofern sie nicht unbedeutende Vermögenswerte in Deutschland haben. Wie bereits angemerkt kommt dies insbesondere in Betracht, wenn diese ein Konto bei einer deutschen Bank oder aber Forderungen gegen die deutsche Gesellschaft haben. § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO stellt für Kläger somit – zumindest in der Theorie – eine attraktive Klagemöglichkeit in Deutschland und damit eine Lösung ihrer oben237 angesprochenen Probleme dar. 4. „Rauhe Wirklichkeit“238 ? Freilich ist nicht zu erwarten, dass der BGH von seiner Rechtsprechung demnächst abweichen wird. Haben die Kläger dennoch eine Möglichkeit § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO für ihre Zwecke fruchtbar zu machen? Da der inländische Klägerwohnsitz laut dem BGH einen solchen ausreichenden zusätzlichen Inlandsbezug darstellt,239 könnte eine Klägerstrategie sein, ihren Wohnsitz nach Deutschland zu verlegen und dann zu klagen.240 Dass dies den Gerichten reicht, ist jedoch zweifelhaft. Der Vorschlag spiegelt nicht Sinn und Zweck der Wohnsitzanknüpfung wider. Darüber hinaus wurde in der Vergangenheit auf inländische geschäftliche Aktivität abgestellt.241 An eine solche könnte man gegebenenfalls denken, wenn Konzern- oder Zuliefererunternehmen mit ihren deutschen (Vertrags-)Partnern in engem geschäftlichen Kontakt stehen und deshalb häufig nach Deutschland reisen bzw. dort möglicherweise sogar Angestellte haben oder eine Geschäftsstelle betreiben. Auch das ist in den hier interessierenden Konstellationen aber eher unwahrscheinlich. Bei z. B. Zulieferern handelt es sich regelmäßig um kleine, nur national tätige Gesellschaften, die lediglich eine Fabrikhalle oder eine Mine betreiben. Des Weiteren ließe sich ein Inlandsbezug erwägen, wenn ein deutsches Unternehmen eine Bestellung oder einen Werkvertrag aufgibt bzw. schließt und bei dessen Ausführung die streitgegenständliche Rechtsgutsverletzung verwirklicht wird,

237

Kapitel 2, § 4 A. (S. 70 ff.). Geimer, JZ 1984, 979. 239 BGH, Beschl. v. 13. 12. 2012, III ZR 282/11, NJW 2013, 386 und Koechel, IPRax 2014, 312 – 317 m. w. N. 240 So der ebenfalls unter Zweifeln geäußerte Vorschlag von Stürner, 4 International Journal of Procedural Law (2014), 362. 241 Koechel, IPRax 2014, 313; OLG Düsseldorf, Urt. v. 09. 03. 2006, 5 U 2/06, NJOZ 2006, 2725; die Frage aufwerfend, aber offenlassend: OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 04. 06. 1992, 16 U 140/91, NJW-RR 1993, 307. 238

§ 6 Klagen gegen Konzern- oder Zulieferergesellschaften mit Sitz im Ausland

107

wegen der dann in Deutschland geklagt wird.242 Wenn das für § 23 ZPO erforderliche Vermögen dann noch in einer aus diesen Verträgen entstandenen Kauf- bzw. Werkpreisforderung liegt, lässt sich von einem solchen Inlandsbezug ausgehen. Auch die wirtschaftliche Abhängigkeit des Konzern- bzw. Zulieferunternehmens vom deutschen Mutter- bzw. Abnehmerunternehmen kommt als möglicher inländischer Anknüpfungspunkt in Betracht.243 Darüber hinaus stellt die Tatsache, dass eine Muttergesellschaft Anteile ihrer Tochter hält, einen Inlandsbezug zum Sitzstaat der Mutter für Klagen gegen die Tochter her.244 Diese Argumentation ließe sich auch für stark wirtschaftlich abhängige Zuliefererbetriebe fruchtbar machen. Sie verdient Zustimmung insbesondere mit Blick auf die niedrigen, völkerrechtlichen Anforderungen an einen Inlandsbezug,245 der hier zusätzlich durch die Vermögensbelegenheit gestützt würde. Darüber, ob diese Vorschläge die Gerichte überzeugen, kann an dieser Stelle allerdings nur spekuliert werden. Die seit über einem Jahrhundert immer wieder wechselnde Rechtsprechung zu § 23 ZPO könnte den Klägern jedoch möglicherweise zum Vorteil gereichen.

V. Forum necessitatis (Notzuständigkeit) Wie bereits oben246 bemerkt, bietet § 23 ZPO den Klägern nur in der hier vertretenen Auslegungsvariante eine zuverlässige Grundlage für Klagen gegen ausländische Unternehmen vor deutschen Gerichten. Denn auch wenn man § 23 ZPO wortlautgetreu anwenden möchte: Durch die einschränkende BGH-Rechtsprechung Anfang der 90er Jahre247 hat der Vermögensgerichtsstand seine „heilsamen Wirkungen“ in Bezug auf die Notzuständigkeit eingebüßt.248 Dem nunmehr zu diskutierenden forum necessitatis kommt daher wieder größere Bedeutung zu.249 Der lateinische Name legt eine römisch-rechtliche Provenienz nahe, kann jedoch auch im Nachhinein entstanden sein. Nwapi führt die Doktrin auf eine US-amerikanische 242 Grabosch, in: Transnationale Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen im Völkerrecht, 2013, S. 80. 243 So, allerdings nicht explizit auf § 23 ZPO bezogen: Habersack/Ehrl, AcP 219 (2019), 164. 244 So, allerdings in anderem Kontext, nämlich in Bezug auf eine Notzuständigkeit: Roorda/ Ryngaert, RabelsZ 80 (2016), 806. Offen für eine solche Argumentation auch: Weller/Benz/ Zimmermann, ZGR 2019, 1128: Je enger die wirtschaftliche Verflechtung zwischen den Konzernunternehmen, desto wahrscheinlicher sei ein über das bloße Vermögen hinausgehender Inlandsbezug. 245 Siehe zur Beteiligung und zu vertraglichen Beziehungen als völkerrechtlicher genuinelink Kapitel 1, § 3 C.III.2. (S. 61). 246 Kapitel 2, § 6 B.IV.4. (S. 106). 247 BGH, Urt. v. 02. 07. 1991, XI ZR 206/90, NJW 1991, 3092. 248 Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 2020 Rn. 1036. 249 Ebd.

108

Kap. 2: Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte

Gerichtsentscheidung Anfang der 50er Jahre zurück.250 Ihre erste gesetzliche Regelung erfuhr sie 1985 in der interamerikanischen Konvention zur internationalen Zuständigkeit.251 Diese und andere internationale Bezüge werden in den folgenden Ausführungen eine größere Rolle spielen. Denn zwar ist die Doktrin in Deutschland vom Schrifttum anerkannt.252 Sie ist bislang jedoch nicht in Gesetzesform gegossen worden und Rechtsprechung und Lehre beachten sie nur wenig. Daher wird in den folgenden Ausführungen auch auf die Regelung der Notzuständigkeit in anderen Rechtsordnungen Bezug genommen.253 Die Notzuständigkeit lässt sich auf alle zivilrechtlichen Streitigkeiten anwenden. Sie bietet sich aber besonders in wirtschaftsmenschenrechtlichen Streitigkeiten aufgrund deren Bezug zu Entwicklungsländern mitsamt ihren nicht immer rechtsstaatlich agierenden Gerichten an. Die folgende Analyse fokussiert daher diese Bereiche der Notzuständigkeit, die für die Fälle hier von besonderer Bedeutung sind. 1. Konstellationen und Anerkennung Bei der Notzuständigkeit handelt sich um Gewohnheitsrecht254 im Sinne einer langdauernden tatsächlichen Übung, über die eine allgemeine Überzeugung ihrer Rechtsverbindlichkeit besteht.255 Im Wesentlichen lassen sich drei Konstellationen der Notzuständigkeit ausmachen: (1) Die beteiligten Rechtsordnungen weisen entweder unterschiedliche Anknüpfungspunkte für die internationale Zuständigkeit auf (z. B. Klägerwohnsitz als Anknüpfungspunkt der einen Rechtsordnung, Beklagtenwohnsitz als Anknüpfungspunkt der anderen) oder bestimmen den die Anknüpfung herbeiführenden Tatbestand unterschiedlich (z. B. das Merkmal des Wohnsitzes256).257 Ohne Notzuständigkeit würde der Kläger nirgends klagen können. 250

Nwapi, 47 University of British Columbia Law Review (2014), 214 m. w. N. Article 2 Inter-American Convention on Jurisdiction in the International Sphere for the Extraterritorial Validity of Foreign Judgements. 252 Aden, ZVglRWiss 106 (2007), 497; Schütze, in FS Rechberger, 2005, S. 570; Hau, in FS Kaissis, 2012, S. 366; Kropholler, in: Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Band I, 1982, S. 273; Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966, S. 56, Fn. 142; ders., Internationales Zivilprozessrecht, 2019, Rn. 1030; MüKo-ZPO/Patzina, § 12 Rn. 98; Schröder, Internationale Zuständigkeit, Band I, 1971, S. 214 f.; Milleker, Der negative Kompetenzkonflikt, 1975, S. 60 ff.; Dutta, in: Unternehmensverantwortung und internationales Recht, 2020, S. 59 – 61. Skeptisch zur Notzuständigkeit im Zusammenhang von Klagen im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte, jedoch deren grundsätzliche Berechtigung nicht bezweifelnd: Spießhofer, Unternehmerische Verantwortung, 2017, S. 304. 253 Kapitel 2, § 6 B.V.2. (S. 109 ff.). 254 Ebenso Kübler-Wachendorff, Das forum necessitatis im europäischen Zuständigkeitsrecht, 2021, S. 13. 255 Siehe zu den Entstehungsvoraussetzungen von Gewohnheitsrecht Möllers, Juristische Methodenlehre, 2021, S. 95 f.; Palandt/Grüneberg, Einleitung Rn. 22 jeweils m. w. N. 256 Siehe dazu RG, Beschl. v. 17. 06. 1942, VIII GB 53/42, DR 1942, 1286, welches den Konflikt jedoch nicht ausdrücklich über die Notzuständigkeit löst. 251

§ 6 Klagen gegen Konzern- oder Zulieferergesellschaften mit Sitz im Ausland

109

Diese Konstellation ist eher selten. (2) Die Rechtsverfolgung im an sich zuständigen Forum ist faktisch – nämlich aufgrund des Stillstands der dortigen Rechtspflege, z. B. aufgrund von (Bürger-)Krieg – unmöglich oder – mangels rechtsstaatlichen Verfahrens – unzumutbar.258 Dies dürfte Hauptanwendungsfall der Notzuständigkeit sein. (3) Am eigentlich zuständigen Forum sind Ausländerprozesse generell verboten.259 Die eingangs dieser Arbeit aufgeführten Fälle wecken Zweifel an der Unabhängigkeit der ausländischen Gerichte.260 Diese stehen strukturell daher der Konstellation (2) am nächsten. Konstellation (1) hingegen wird nicht öfter als in anderen internationalen Rechtsstreitigkeiten auch eine Rolle spielen. Die Fälle geben dafür nichts her. Deshalb wird im Folgenden nicht weiter darauf eingegangen. Konstellation (3) ist hier ebenfalls nicht einschlägig: Die ausländischen Gesellschaften haben die Staatsangehörigkeit des eigentlich zuständigen Forums. 2. Erscheinungsformen in ausländischen Rechtsordnungen Obgleich in Deutschland nicht gesetzlich geregelt, ist die Notzuständigkeit hierzulande allgemein anerkannt.261 Auch in anderen Rechtsordnungen ist die Notzuständigkeit weit verbreitet. In Europa262 ist die Doktrin in der Schweiz263, in 257

Schütze, FS Rechberger, 2005, S. 571; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, S. 451. 258 Ebd. Die deutsche Rechtsprechung hat in diesem Bereich bislang nicht ausdrücklich von der Notzuständigkeit Gebrauch gemacht (lediglich Erwähnung findet das Institut in BGH, Beschl. v. 21. 06. 2007, IX ZR 39/06, EuZW 2007, 584). Allerdings finden sich zahlreiche Fälle, in denen die ausschließliche Zuständigkeit ausländischer Gerichte vereinbart wurde, die Rechtsverfolgung dort jedoch unmöglich oder unzumutbar war. Ein Rückgriff auf die Notzuständigkeit war hier nicht vonnöten, da die deutschen Gerichte von der Unmöglichkeit der Rechtsverfolgung am vereinbarten Forum (forum prorogatum) ausgingen und somit ohnehin (wieder) deutsche Zuständigkeit gegeben war: BAG, Urt. v. 29. 06. 1978, 2 AZR 973/77, NJW 1979, 1119 (Bürgerkrieg im Libanon); LAG Frankfurt/Main, Urt. v. 10. 06. 1981, 7 Sa 1247/80, RIW 1982, 524 (Generalstreik der Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit im Iran); OLG Frankfurt/ Main, Urt. v. 01. 10. 1998, 1 U 163/96, IPRax 1999, 250 f. (Unzumutbarkeit der Rechtsverfolgung im Irak aufgrund von Zweifeln an der Unabhängigkeit des dortigen Gerichtswesens); AG Groß-Gerau, Urt. v. 11. 06. 1980, 7 F 468/79, FamRZ 1981, 51 (Unzumutbarkeit der Rechtsverfolgung in der Türkei) und schließlich LAG Hamburg, Urt. v. 21. 09. 1979, IPRspr. 1980 Nr. 137 A, insbesondere S. 440 (Revolution im Iran), wo das Gericht mangels anderer vorliegender Gerichtsstände gut eine Notzuständigkeit hätte annehmen können, dies jedoch nicht ausdrücklich tat. 259 Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 2020 Rn. 1026a. 260 Kapitel 2, § 4 A. (S. 70 ff.). 261 Siehe oben Kap. 2 Fn. 258 mit Nachweisen. 262 Für einen kurzen Überblick siehe die Studie von Nuyts, Study on Residual Jurisdiction, 2007, S. 64 – 66, insbesondere S. 66 mit tabellarischer Übersicht. 263 Art. 3 des schweizerischen Bundesgesetzes über das internationale Privatrecht (IPRG): „Sieht dieses Gesetz keine Zuständigkeit in der Schweiz vor und ist ein Verfahren im Ausland nicht möglich oder unzumutbar, so sind die schweizerischen Gerichte oder Behörden am Ort

110

Kap. 2: Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte

Österreich264, Portugal265, Estland266, Belgien267 und den Niederlanden268 gesetzlich verankert. Nicht gesetzlich verankert, aber durch Rechtsprechung und/oder Schrifttum anerkannt ist sie in Frankreich269, Luxemburg270 und Polen271. Im EUKontext interessant sind Artikel 7272 der Verordnung über die Zuständigkeit, das zuständig, mit dem der Sachverhalt einen genügenden Zusammenhang aufweist.“ Die Voraussetzungen sind also: (1) Keine Zuständigkeit nach schweizerischem IZPR, (2) Rechtsverfolgung im Ausland unmöglich/unzumutbar, (3) Binnenbeziehung. 264 § 28 I Nr. 2 JN: „Sind für eine bürgerliche Rechtssache die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichts im Sinne dieses Gesetzes oder einer anderen Rechtsvorschrift nicht gegeben oder nicht zu ermitteln, so hat der Oberste Gerichtshof aus den sachlich zuständigen Gerichten eines zu bestimmen, welches für die fragliche Rechtssache als örtlich zuständig zu gelten hat, wenn […] 2. Der Kläger österreichischer Staatsbürger ist oder seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz im Inland hat und im Einzelfall die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre; […].“ Die Voraussetzungen entsprechen somit dem schweizerischen Pendant. Allerdings entscheidet nicht das angerufene Gericht selbst über das Vorliegen der Voraussetzungen, sondern der OGH. 265 Leite/Cortez/Guerreiro/Leitão/Teles/Da Silva, Comparative Study of „Residual Jurisdiction“ in Civil and Commercial Disputes in the EU: National Report for Portugal, 2007, S. 15: (1) Nähebeziehung und (2) sonst keine effektive Rechtsschutzmöglichkeit für Kläger. 266 Linsi/Lepik/Luhaaär, Comparative Study of „Residual Jurisdiction“ in Civil and Commercial Disputes in the EU: National Report for Estonia, 2007, S. 9: (1) Nähebeziehung und (2) sonst keine effektive Rechtsschutzmöglichkeit für Kläger. 267 Art. 11 des belgischen IPR-Gesetzbuches (code de droit international privé): „Nonobstant les autres dispositions de la présente loi, les juridictions belges sont exceptionnellement compétentes lorsque la cause présente des liens étroits avec la Belgique et qu’une procédure à l’étranger se révèle impossible ou qu’on ne peut raisonnablement exiger que la demande soit formée à l’étranger.“ Es bedarf einer (1) Nähebeziehung und (2) der Kläger dürfte sonst keine effektive Rechtschutzmöglichkeit haben. 268 Art. 9 der niederländischen ZPO (Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering): „Komt de Nederlandse rechter niet op grond van de artikelen 2 tot en met 8 rechtsmacht toe, dan heeft hij niettemin rechtsmacht indien een gerechtelijke procedure buiten Nederland onmogelijk blijkt, of een zaak die bij dagvaarding moet worden ingeleid voldoende met de rechtssfeer van Nederland verbonden is en het onaanvaardbaar is van de eiser te vergen dat hij de zaak aan het oordeel van een rechter van een vreemde staat onderwerpt.“ 269 Cour d’appel d’Aix, Journal du Droit International 1924, 104 f. und Raoul-Duval/ Stoyanov, Comparative Study of „Residual Jurisdiction“ in Civil and Commercial Disputes in the EU: National Report for France, 2007, S. 20 f.: Erforderlich ist (1) eine Nähebeziehung und (2) es dürfte sonst keine effektive Rechtschutzmöglichkeit für den Kläger bestehen. 270 Arendt/Schmitt/Steichen, Comparative Study of „Residual Jurisdiction“ in Civil and Commercial Disputes in the EU: National Report for Luxembourg, 2007, S. 11. Die luxemburgische Regelung bedarf den Autoren zur Folge keines Inlandsbezugs. 271 Radwan-Röhrenschef/Jankowska/Wspólnicy, Comparative Study of „Residual Jurisdiction“ in Civil and Commercial Disputes in the EU: National Report for Poland, 2007, S. 14 f.: (1) Beziehung zu polnischem Territorium oder polnischem Recht, (2) Unmöglichkeit der Rechtserlangung anderswo aufgrund von tatsächlichen oder rechtlichen Gründen. 272 „Ergibt sich keine Zuständigkeit eines Gerichts eines Mitgliedstaats gemäß der Artikel 3, 4, 5 und 6, so können die Gerichte eines Mitgliedstaats in Ausnahmefällen über den Rechtsstreit entscheiden, wenn es nicht zumutbar ist oder es sich als unmöglich erweist, ein Verfahren in einem Drittstaat, zu dem der Rechtsstreit einen engen Bezug aufweist, einzuleiten

§ 6 Klagen gegen Konzern- oder Zulieferergesellschaften mit Sitz im Ausland

111

anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen sowie der fast identische Artikel 11273 der Verordnung über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines europäischen Nachlasszeugnisses. Diese sehen ebenfalls eine ausdrückliche Regelung der Notzuständigkeit vor. In allen anderen zivilrechtlichen Streitigkeiten, insbesondere im Rahmen der Neufassung der Brüssel I Verordnung 2015, hat sich der europäische Gesetzgeber allerdings dagegen entschieden, Beklagte aus dem EU-Ausland zu erfassen. Damit erteilte er auch der Normierung einer allgemeinen Notzuständigkeit eine Absage.274 Im europäischen Ausland ist Artikel 3136 des Civil Code of Québec275 und Section 6 of the Uniform Law Conference of Canada’s Model Court Jurisdiction and Proceedings Transfer Act276 erwähnenswert. Ebenso sieht Mexikos Zivilprozessordnung in Artikel 565277 eine solche Regelung vor. In Argentinien ist die Doktrin anerkannt.278 oder zu führen. Der Rechtsstreit muss einen ausreichenden Bezug zu dem Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts aufweisen.“ 273 „Ist kein Gericht eines Mitgliedstaats aufgrund anderer Vorschriften dieser Verordnung zuständig, so können die Gerichte eines Mitgliedstaats in Ausnahmefällen in einer Erbsache entscheiden, wenn es nicht zumutbar ist oder es sich als unmöglich erweist, ein Verfahren in einem Drittstaat, zu dem die Sache einen engen Bezug aufweist, einzuleiten oder zu führen. Die Sache muss einen ausreichenden Bezug zu dem Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts aufweisen.“ 274 Der Kommissionsentwurf sah eine solche noch vor. Der Gesetzgebungsprozess wurde jedoch bereits andernorts ausführlich beschrieben und wird daher hier nicht noch einmal aufgegriffen. Siehe z. B. Roorda/Ryngaert, RabelsZ 80 (2016), 804 f. 275 Article 3136 Civil Code of Québec: „Even though a Québec authority has no jurisdiction to hear a dispute, it may nevertheless hear it provided the dispute has a sufficient connection with Québec, if proceedings abroad prove impossible or the institution of proceedings abroad cannot reasonably be required.“ Voraussetzungen also: (1) Keine Zuständigkeit der Gerichte in Québec, (2) Inlandsbeziehung nach Québec und (3) ausländisches Verfahren ist unmöglich oder kann vernünftigerweise nicht vorausgesetzt werden. 276 Section 6 ULCC: „A court that under section 3 lacks territorial competence in a proceeding may hear the proceeding despite that section if it considers that (a) there is no court outside [enacting province or territory] in which the plaintiff can commence the proceeding, or (b) the commencement of the proceeding in a court outside [enacting province or territory] cannot reasonably be required.“ Voraussetzungen also: (1) Keine Zuständigkeit und (2) kein ausländisches Gericht, wo der Kläger die Klage vorbringen kann oder (3) das Vorbringen dort vernünftigerweise nicht vorausgesetzt werden kann. Anders als in Québec hier somit kein Inlandsbezug erforderlich! 277 Artikel 565 der mexikanischen Zivilprozessordnung (Código de Procedimientos Civiles): „No obstante lo previsto en el artículo anterior, el tribunal nacional reconocerá la competencia asumida por el extranjero si a su juicio éste hubiera asumido dicha competencia para evitar una denegación de justicia, por no existir órgano jurisdiccional competente. El tribunal mexicano podrá asumir competencia en casos análogos“. Siehe auch Vargas, Northwestern Journal of International Law & Business 1993, 392 f. 278 Oyarzábal, 19 Temple International and Comparative Law Journal (2005), 95.

112

Kap. 2: Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte

Ob gesetzlich verankert oder nur von Rechtsprechung und Schrifttum anerkannt: Die Voraussetzungen in den verschiedenen Rechtsordnungen ähneln sich. Zum einen ist es für die Annahme einer Notzuständigkeit in allen Staaten erforderlich, dass der Kläger im Ausland keinen Rechtsschutz erlangen kann bzw. ihm Rechtsverweigerung droht. Fast alle Rechtsordnungen erfordern darüber hinaus einen Bezug zum die Gerichtsgewalt ausübenden Staat. Ausnahmen sind Kanada, Mexiko, Luxemburg und (teilweise) die Niederlande. Hier setzt das Gesetz einen solchen Bezug nicht voraus.279 3. Verfassungs- und menschenrechtliche Vorgaben Die Notzuständigkeit findet ihre Grundlage im verfassungsrechtlich garantierten Justizanspruch.280 Teils bezieht man sich auch auf das Recht auf Zugang zu Gericht aus Art. 6 I EMRK.281 Zwar ist es richtig, dass Art. 6 I EMRK die Notzuständigkeit garantiert. Die EMRK findet auch bei der Auslegung der mit ihren einzelnen Artikeln korrespondierenden Grundrechten Berücksichtigung.282 Sie hat in der deutschen Rechtsordnung jedoch nur den Rang eines einfachen Bundesgesetzes und nicht – wie der Justizanspruch – Verfassungsrang.283 In anderen Ländern hat die EMRK hingegen größere Bedeutung. So regelte der belgische und niederländische Gesetzgeber die Notzuständigkeit unter ausdrücklichem Rekurs284 auf die Erfordernisse aus Art. 6 I EMRK. Diese Untersuchung bezieht sich daher vorwiegend auf den verfassungsrechtlichen Justizanspruch und nicht die EMRK.

279

Nwapi, 30 Utrecht Journal of International and European Law (2014), 33. Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, S. 450; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 2020 Rn. 1031; Kropholler, in: Handbuch des internationalen Zivilverfahrensrechts, Band I, 1982, S. 270. Ähnlich Güngör, Sorgfaltspflichten für Unternehmen in transnationalen Menschenrechtsfällen, 2016, S. 81: Notzuständigkeit folge aus „Gebot der Fairness und des effektiven Rechtsschutzes“. 281 Mora, 65 Netherlands International Law Review (2018), 155 f.; Roorda/Ryngaert, RabelsZ 80 (2016), 809 f.; Kirshner, 13 Northwestern Journal of International Human Rights (2015), 22 ff., insbesondere 25; Linke/Hau, Internationales Zivilverfahrensrecht, 2018, S. 144; Hartmann, in: Die Durchsetzung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen, 2018, S. 293 f.; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 2020 Rn. 1035; ders., Zur Prüfung der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966, S. 56 Fn. 142; Milleker, Der negative internationale Kompetenzkonflikt, 1975, S. 69; Kiestra, The Impact of the ECHR on Private International Law, 2014, S. 105: „elaboration of the right of access to court“. 282 Siehe exemplarisch BVerfG, Urt. v. 04. 05. 2011, 2 BvR 2365/09, NStZ 2011, 451 Rn. 86. 283 Stetige Rechtsprechung, siehe z. B. BVerfG, Beschl. v. 14. 01. 1960, 2 BvR 243/60, NJW 1960, 1243 und BVerfG, Beschl. v. 14. 10. 2004, 2 BvR 1481/04, NJW 2004, 3408. 284 Nuyts, Study on Residual Jurisdiction, 2007, S. 64, siehe Art. 11 des belgischen IPRGesetzbuches (code de droit international privé) und Art. 9 der niederländischen ZPO (Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering). 280

§ 6 Klagen gegen Konzern- oder Zulieferergesellschaften mit Sitz im Ausland

113

a) Vereinbarkeit der Notzuständigkeit mit dem Justizanspruch des Beklagten Die Erwägungen um eine Notzuständigkeit berücksichtigen zunächst lediglich die Interessen der Klägerseite. Verfassungsrechtliche Rechtspositionen des Klägers sind jedoch mit denen des Beklagten in Ausgleich zu bringen.285 Denn dem Beklagten kommt ebenfalls der Justizanspruch zu Gute. Internationalzivilprozessual ließe sich dieser auf Beklagtenseite als „Anspruch auf Freiheit von exorbitanter Justiz“286 beschreiben. Mit diesem Justizanspruch auf Beklagtenseite muss das Interesse des Klägers an einem mittels der Notzuständigkeit ermöglichtem Forum in Deutschland in Ausgleich gebracht werden. Und insoweit bestehen Bedenken. Ist nicht durch die Einführung einer Notzuständigkeit unbegrenztem forum shopping Tür und Tor geöffnet?287 Hängt so nicht das zuständige Gericht vollständig von der Willkür des Klägers ab?288 In etwa mit dieser Begründung wies der amerikanische Supreme Court in Helicopteros Nacionales de Columbia v. Hall die die Zuständigkeit texanischer Gerichte zurück.289 Die sogenannte due process-clause setze ausreichende Kontakte zu Texas voraus, da die Beklagten sonst überhaupt nicht erwarten konnten, dort verklagt zu werden.290 All dies war in der Abwägung zur Verfassungsmäßigkeit von § 23 ZPO relevant.291 Hier ist jedoch die Ausgangslage eine andere. Während der Kläger bei § 23 ZPO potenziell andernorts Rechtsschutz erlangen konnte, sichern hier die Voraussetzungen der Notzuständigkeit, dass er diesen ansonsten nirgendwo erlangen kann.292 Dieser Umstand verleiht der Waagschale auf Klägerseite mehr Gewicht. Der Aufwand für Beklagte an den Gerichtsstand der Notzuständigkeit zu reisen und am Verfahren teilzunehmen, kann die Interessen des Klägers, dem Rechtsverweigerung droht, daher nicht aufwiegen, geschweige denn überwiegen. Trotz der Rechtsstellung des Beklagten im Grundgesetz erfordert der Justizanspruch des Beklagten daher die Notzuständigkeit.293

285 Roorda/Ryngaert, RabelsZ 80 (2016), 785: „Adopting forum of necessity thus requires striking a delicate balance between the interests of plaintiffs, defendants and states exercising forum of necessity jurisdiction.“ 286 Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, S. 641. Siehe dazu bereits bei § 23 ZPO in Kapitel 2, § 6 B.IV.1.b) (S. 93 ff.). 287 Szászy, International Civil Procedure, 1967, S. 320; ders., ÖZöR 1965, 438. 288 Ebd. 289 US Supreme Court, Helicopteros Nacionales de Columbia v. Hall, U.S. 416 (1984), S. 466. 290 Ebd., 418. 291 Kapitel 2, § 6 B.IV.1.c) (S. 95 ff.). 292 Siehe noch unten Kapitel 2, § 6 B.V.5.b) (S. 120 ff.). 293 A. A., allerdings in Bezug auf Art. 6 I EMRK: Kiestra, The Impact of the European Convention on Human Rights on Private International Law, 2014, S. 134.

114

Kap. 2: Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte

b) Internationale Reichweite des Justizanspruchs Davon zu trennen ist das Problem, wie weit der Justizanspruch international reicht. Dies wirft die generelle Frage nach der internationalen Reichweite von Grundrechten auf, ob also Grundrechte bzw. der Justizanspruch auch in Fällen gelten, die kaum oder nur sehr wenig Verbindungen nach Deutschland aufweisen.294 Das Grundgesetz äußert sich zur internationalen Reichweite von Grundrechten nur insoweit, als es zwischen Grundrechten differenziert, die lediglich Deutschen und nicht Ausländern zustehen.295 Der Justizanspruch wurzelt im Verbot der Selbsthilfe.296 Das Verbot der Selbsthilfe gilt für In- und Ausländer.297 Dementsprechend muss auch die für das Individuum vorteilhafte Seite des Selbsthilfeverbots – der Justizanspruch – in gleicher Weise für In- und Ausländer gelten.298 Damit ist jedoch lediglich die grundsätzliche Anwendbarkeit des Justizanspruchs auf Ausländer geklärt. Noch nicht beantwortet wurde, ob das Grundgesetz in seiner internationalen Reichweite möglicherweise andere Beschränkungen erfährt, ob also ein Fall z. B. gewisse Kontakte zu Deutschland aufweisen muss, damit das Grundgesetz greift. Ausgangspunkt dabei ist Art. 1 III GG. Danach binden die Grundrechte die deutsche Staatsgewalt.299 Dies gilt nicht partiell, sondern vollumfassend, somit grundsätzlich auch bei auslandsbezogenen Sachverhalten.300 Das BVerfG stellte jedoch in seiner Spanier-Entscheidung fest, dass manche Grundrechte, um ihre Wirkung entfalten zu können, in bestimmten Fällen eine Beziehung zu Deutschland voraussetzen.301 Es müsse untersucht werden, ob das jeweilige Grundrecht nach Wortlaut, Sinn und 294 Ausführlich dazu Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, S. 433 ff. 295 Ebd., S. 440. Siehe z. B. Art. 8, 9 und 11 GG. 296 Mes, Der Rechtsschutzanspruch, 1970, S. 16; Geimer, ZfRV 1992, 325; Buchner, Kläger- und Beklagtenschutz im Recht der internationalen Zuständigkeit, 1998, S. 60 und BVerfG, Beschl. v. 13. 03. 1990, 2 BvR 94/88, NJW 1991, 413: „Es ist ein zentraler Aspekt der Rechtsstaatlichkeit, die eigenmächtige-gewaltsame Durchsetzung von Rechtsansprüchen grundsätzlich zu verwehren. Die Parteien sind auf den Weg der Gerichte verwiesen. Dies bedingt zugleich daß der Staat Gerichte einrichtet und den Zugang zu ihnen jedermann in grundsätzlich gleicher Weise eröffnet.“ 297 So unterscheiden beispielsweise strafrechtliche Vorschriften zum Eigentumsschutz (§§ 242 StGB ff.) nicht zwischen In- und Ausländern und sind auf eine von einem Ausländer in Deutschland begangene Straftat auch anwendbar. 298 Geimer, ZfRV 1992, 326; im Ergebnis ebenso Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, S. 434 – 439. Deshalb ist auch die Position von Schlosser, IPRax 1992, 143 nicht nachvollziehbar, die pauschal davon ausgeht, Staaten hätten eine Notzuständigkeit nur ihren eigenen Staatsangehörigen zur Verfügung zu stellen. Liegen die Voraussetzungen der Notzuständigkeit vor, ist eine Differenzierung zwischen In- und Ausländern jedoch verfassungsrechtlich unzulässig. 299 Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, S. 440 f. 300 BVerfG, Urt. v. 19. 05. 2020, 1 BvR 2835/17, NJW 2020, 2240 Rn. 88 f.; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, S. 441. 301 BVerfG, Beschl. v. 04. 05. 1971, 1 BvR 636/68, NJW 1971, 1512; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, S. 441 f.

§ 6 Klagen gegen Konzern- oder Zulieferergesellschaften mit Sitz im Ausland

115

Zweck für jede denkbare Anwendung von Hoheitsgewalt in Deutschland gelten soll oder ob nach Art und Intensität der Auslandsbeziehung differenziert werden muss.302 Mittels dieser Herangehensweise lassen sich die Grenzen staatlicher Justizgewährungspflichten aus den Gründen ihres Bestehens herleiten.303 Es kommt somit auf den Sinn und Zweck oder anders formuliert auf den Grund des Bestehens des Justizanspruchs an: Der Justizanspruch verfolgt den zentralen Zweck, die subjektive Rechtsausübung, also z. B. die Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche, mittels Gerichtsverfahren zu gewährleisten. Ein maßgeblicher Grund dafür wiederum ist, dass der Staat die Selbsthilfe verbietet, den Bürgern aber eine Alternative zur Durchsetzung ihrer subjektiven Rechte bereitstellen muss. Für die Reichweite des Justizanspruchs kommt es also darauf an, inwieweit durch das Selbsthilfeverbot in die subjektive Rechtsausübung eingegriffen wird.304 Je tiefer der Staat dadurch in die subjektive Rechtsausübung eingreift, desto weiter muss auch die Alternative – der Anspruch auf Justizgewährung – reichen. Dies wird besonders deutlich, hat der Beklagte im Inland Vermögen, der Kläger aber sonst nirgends Rechtsschutz erlangen kann. Da es dem Kläger untersagt ist (siehe z. B. §§ 242 ff. StGB), nach Deutschland zu reisen und seinen Anspruch „mit der Faust“ selbst durchzusetzen, muss er dazu berechtigt sein, in Deutschland Rechtsschutz zu erlangen und bei Bestehen des Anspruchs hier zu vollstrecken. Dies gilt auch dort, wo der Fall abgesehen vom Vermögen des Beklagten keinerlei Beziehungen zu Deutschland hat.305 Vollstreckungsaussichten, wenn also der Beklagte in Zukunft wahrscheinlich Inlandsvermögen haben wird, reichen ebenfalls aus.306 Selbst wenn es an der Aussicht auf Vollstreckung fehlt, kann der Justizanspruch eingreifen. Denn zwar ist es richtig, dass zentraler Zweck des Justizanspruchs die Durchsetzung subjektiver Rechte ist. Jedoch hat der Zivilprozess (und damit korrelierend auch der Justizanspruch) ebenso ideelle Zwecke. So kann ein Richter die Entscheidung in einem komplexen Rechtsstreit mit sehr geringem Streitwert nicht vermeiden, indem er den Kläger aus eigener Tasche ausbezahlt. Der Justizanspruch umfasst unabhängig von Vollstreckungsinteressen auch das Interesse des Klägers daran, dass „Recht gesprochen wird“. Der Ausgleich subjektiver Rechte kann daher auch dann notwendig sein, wenn keine Vollstreckungsmöglichkeit für den Kläger 302

Ebd. Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, S. 441 f. 304 So die Argumentation von Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, S. 441 f.; ähnlich auch: Geimer, ZfRV 1992, 326, der darauf rekurriert, dass das Verbot der Selbsthilfe auch Ausländer betreffe und diese daher zwangsläufig ebenso in den Genuss des Justizanspruchs kommen müssten. 305 Beispiel: Die libyschen Staatsangehörigen K und B, die ebendort ihren Wohnsitz haben, streiten über das Bestehen eines Anspruchs auf Kaufpreiszahlung des K aus einem in Libyen geschlossen Kaufvertrag. In Libyen steht die Rechtspflege aufgrund von Bürgerkrieg still. B ist Eigentümer eines Grundstücks in Frankfurt am Main, das jedoch in keiner sachlichen Verbindung zu dem genannten Vertrag steht. Angelehnt an das Beispiel von Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, S. 456. 306 Ebd., S. 455. 303

116

Kap. 2: Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte

überhaupt jemals ersichtlich ist, wenn aber ein sonstiger Bezug nach Deutschland vorliegt. Denkt man sich etwa im Fall der zwei Libyer (Kap. 2 Fn. 305) das Frankfurter Grundstück des B einmal weg, hätte der Fall keinen Bezug nach Deutschland. Soweit reicht der Justizanspruch nicht. Ein benötigter Inlandsbezug liegt aber z. B. vor, wenn in der Person des Beklagten Bezüge nach Deutschland liegen. So z. B., wenn die Beklagte Tochtergesellschaft eines in Deutschland ansässigen Unternehmens ist, oder aber, wenn die wirtschaftliche Existenz des Beklagten von einem Vertragspartner in Deutschland abhängt. Im KiK-Fall307 hatte der pakistanische Zulieferer Ali Enterprises keine Vermögenswerte in Deutschland. Unterstellt, die Kläger (1) könnten in Pakistan keinen effektiven Rechtsschutz erlangen und (2) ihnen wäre es unabhängig von der Vollstreckbarkeit des Urteils aus Prinzip wichtig gewesen, dass der Rechtsstreit entschieden wird, dann hätte die Tatsache, dass KiK einziger (bzw. Haupt-)Auftraggeber308 von Ali Enterprises war, als den Justizanspruch „aktivierender“ Inlandsbezug ausgereicht. Darüber hinaus nähten die Geschädigten möglicherweise KiKs Markenemblem auf die produzierten Textilien oder KiK-Mitarbeiter inspizierten die Gebäudesicherheit der Fabrik. Dieser Inlandsbezug „aktiviert“ den deutschen Justizanspruch, der wiederum die Notzuständigkeit „aktiviert“. In diesem Bereich verpflichtet das Grundgesetz Deutschland dazu, eine Notzuständigkeit bereitzustellen. Sie verbietet damit jedoch nicht, eine Notzuständigkeit auch ohne Inlandsbezug auszuüben,309 sondern definiert lediglich ein verfassungsrechtliches Minimum. Zu weit führt jedoch die Ansicht, es existiere überhaupt keine Streitigkeit irgendwo auf der Welt, die nicht den Justizanspruch auslöse, da ein Bezug zu Deutschland jedenfalls durch die Präjudizialität des Rechtsstreits für deutsches Staatsgebiet vorliege.310 Auch im Beispiel aus Fn. 305 sei die Rechtslage für die Parteien jedenfalls für deutsches Territorium geklärt, wodurch der Justizanspruch ausgelöst werde. Allerdings entscheiden die Gerichte Fälle wie den in Fn. 305 Genannten gemäß gängiger internationalprivatrechtlicher Anknüpfungspunkte nach ausländischem Recht. Da sich der Richter in solchen Fällen somit ohnehin nicht mit deutschem Recht beschäftigen wird, ist es nicht ersichtlich wie diese ein Präjudiz darstellen können. Der grundrechtlich garantierte Justizanspruch ist somit in seiner Reichweite begrenzt. Es bedarf zumindest eines minimalen Anknüpfungspunkts nach Deutschland, um diesen auszulösen. Nur insoweit müssen deutsche Gerichte dann eine Notzuständigkeit eröffnen.

307

Kapitel 1, § 2 B.III. (S. 45). KiK spricht von 75 % der Produktion, laut Klageschrift war KiK einziger Kunde von Ali Enterprises, siehe LG Dortmund, Urt. v. 10. 01. 2019, 7 O 95/15 – juris Rn. 11. 309 Siehe dazu jedoch sogleich 4. Völkerrechtliche Vorgaben. 310 Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, S. 457. 308

§ 6 Klagen gegen Konzern- oder Zulieferergesellschaften mit Sitz im Ausland

117

4. Völkerrechtliche Vorgaben a) Völkerrechtliches Müssen der Einrichtung von Notzuständigkeit Müssen Staaten kraft Völkergewohnheitsrecht dem Kläger eine Notzuständigkeit zur Verfügung stellen? Völkergewohnheitsrecht gewährleistet einen fremdenrechtlicher Mindeststand.311 Dieser garantiert dem Ausländer, dass der jeweilige Staat ihm ein unabhängiges Gericht zur Verfügung stellt, sofern der Sachverhalt irgendeinen Bezug zu diesem Staat aufweist.312 In diesen Fällen ist die Rechtsverweigerung also verboten.313 Daraus ließe sich schließen, Staaten sind völkerrechtlich verpflichtet, eine Notzuständigkeit einzurichten.314 Die bloße Nichtexistenz einer Notzuständigkeit missachtet den fremdenrechtlichen Mindeststandard jedoch noch nicht. Denn möglicherweise ermöglicht ein Staat dem Kläger ein Erkenntnisverfahren mit Hilfe anderer Gerichtsstände. In dem Fall läge keine Verweigerung von Rechtsschutz vor. Zumindest wären nicht generell Ausländer, sondern ebenso Inländer betroffen.315 Darüber hinaus greift die Verpflichtung zur Einrichtung einer Notzuständigkeit in unangemessener Weise in die Souveränität der Staaten ein, die das Völkerrecht eigentlich schützen will. Dies wird in Fällen deutlich, die sich ausschließlich auf fremdem Territorium zugetragen haben und in denen beide Parteien Ausländer sind, von denen eine jedoch im eigentlich zuständigen Staat keinen Rechtsschutz erlangen kann. Eine solche Betrachtungsweise würde die dem Völkerrecht innewohnende, an Staateninteressen ausgerichtete Interessenlage auf den Kopf stellen. Ein fremdenrechtlicher Mindeststandard wird dem Individuum nämlich nicht – wie z. B. Grundoder Menschenrechte – aufgrund von „naturrechtlichen Vorstellungen eines Kerns unaufhebbarer Individualrechte“ gewährt,316 sondern vielmehr wird der Heimatstaat als Zurechnungssubjekt der Rechtsgutsverletzung fingiert.317 Diesem Heimatstaat 311

Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 2020, Rn. 129. Ebd., Rn. 129, 385 – 387. 313 Ebd.; Nuyts, Study on Residual Jurisdiction, 2007, S. 64; Milleker, Der Negative Internationale Kompetenzkonflikt, 1975, S. 68; Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, 1969, S. 146; Wengler, Völkerrecht, Band II, 1964, S. 1006. 314 So Redfield, 45 Georgetown Journal of International Law (2014), 903 – 906; mit anderer Begründung aber im Ergebnis ebenso Aden, ZVglRWiss 106 (2007), 497. Raoul-Duval/Stoyanov, Comparative Study of „Residual Jurisdiction“ in Civil and Commercial Disputes in the EU: National Report for France, 2007, S. 20 sprechen von „denial of justice“ als „admissible ground of jurisdiction for French courts.“ Dabei bleibt jedoch offen, ob „denial of justice“ hier als das aus einem völkerrechtlichen Mindeststandard fließende Verbot der Rechtsverweigerung verstanden wird. 315 Die völlig willkürliche Ungleichbehandlung wäre in vielen Fällen unzulässig, siehe Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 2020, Rn. 390; Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, 1969, S. 146. 316 Herdegen, in: Die allgemeinen Regeln des völkerrechtlichen Fremdenrechts, 2000, S. 13. 317 Sogenannte „Mediatisierung des Menschen“ im Völkerrecht, Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 2020, Rn. 132 ff. und Herdegen, in: Die allgemeinen Regeln des völkerrechtlichen Fremdenrechts, 2000, S. 13. 312

118

Kap. 2: Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte

(und eben nicht seinem Staatsangehörigen, dem Fremden) steht auch der Anspruch auf Beseitigung des völkerrechtswidrigen Verhaltens zu.318 Es geht um Staaten- nicht Individualinteressen. Den Interessen von Staaten ist jedoch besser gedient, überlässt man ihnen selbst die Entscheidung darüber, welche Streitigkeiten ihre Gerichte zur Entscheidung annehmen sollen. Die Staaten sind somit nicht zur Schaffung einer Notzuständigkeit völkerrechtlich verpflichtet.319 b) Völkerrechtliches Dürfen der Einrichtung von Notzuständigkeit Gleichzeitig verbietet das Völkerrecht den Staaten aber auch nicht per se, eine Notzuständigkeit einzurichten. Es gilt allerdings auch hier das genuine-link-Erfordernis.320 Dieses könnte hier ausnahmsweise aufgrund des Universalitätsprinzips entbehrlich sein. Dem aus dem Völkerstrafrecht stammenden321 Universalitätsprinzip zufolge, können Kläger wegen Sachverhalten ohne unmittelbare Inlandsverknüpfung klagen, wenn völkergewohnheitsrechtlich oder international-vertraglich anerkannte Rechtsgüter betroffen sind.322 Das betrifft insbesondere Völkerrechtsverbrechen wie Genozide oder schwere Kriegsverbrechen. Diese Schwelle ist in manchen der Fälle hier möglicherweise überschritten, in vielen aber auch nicht. Es müsste dann vor Anwendung der Notzuständigkeit bei jedem Sachverhalt differenziert werden, ob solche Rechtsgüter betroffen sind oder nicht. Das erzeugt erhebliche Rechtsunsicherheit. Allerdings gibt es noch eine andere Möglichkeit, das Universalitätsprinzip hier fruchtbar zu machen. Menschenrechte und deliktsrechtliche Ansprüche wegen der fahrlässigen Schädigung von Rechtsgütern sind international von fast allen Staaten anerkannt.323 Da Rechte ohne Durchsetzung bedeutungslos sind, ist ein Recht auf Rechtsdurchsetzung ebenso Menschenrecht und damit universell.324 Folgt man diesem Gedankengang, bedürfte die Notzuständigkeit keines Inlandsbezugs. Allerdings liest diese Argumentation im Völkerrecht Vieles, was nicht unbedingt dort steht.325 Des Weiteren lässt sich daran zweifeln, ob ein solches, aus dem internationalen Strafrecht stammendes Universalitätsprinzip auf 318

Epping, in: Ipsen, Völkerrecht, 2018, S. 358 f. Milleker, Der Negative Internationale Kompetenzkonflikt, 1975, S. 68; Meder, HuV 2020, 84. Tendenziell auch Roorda/Ryngaert, RabelsZ 80 (2016), 785. 320 Völkerrechtlich ist irgendein genuine-link zum Hoheitsgewalt ausübenden Staat zwingend. Siehe oben in Kapitel 1, § 3 C. (S. 56 ff.). 321 Pietropaoli, Business, Human Rights and Transitional Justice, 2020, S. 78 – 80 m. w. N. 322 Täger, Der Schutz von Menschenrechten im internationalen Investitionsschutzrecht, 2011, S. 282. 323 Jedenfalls rechtlich. Über die Frage, ob Menschenrechte auch moralisch universell sind, wird zwischen Relativisten, Pollis, 18 Human Rights Quarterly (1996), 316 ff. und Universalisten, Donnelly, 74 International Affairs (1998), 1 ff. gestritten. Auf diese Frage kann hier nicht näher eingegangen werden. 324 George/Laplante, in: Building a Treaty on Business and Human Rights, 2017, S. 379 mit weiterführendem Verweis auf: Shelton, Remedies in International Human Rights Law, 2015. 325 Zur „Reversibilität“ des Völkerrechts oben in Kapitel 1, § 3 C.I. (S. 56 f.). 319

§ 6 Klagen gegen Konzern- oder Zulieferergesellschaften mit Sitz im Ausland

119

das Zivilrecht übertragbar ist.326 Darüber hinaus ist wichtigstes Instrument zur Durchsetzung von Menschenrechten die deliktsrechtlichen Ansprüche wegen der fahrlässigen Verletzung von Rechtsgütern. Würde man nun die Notzuständigkeit hinsichtlich „aller Menschenrechte“ vom Inlandsbezug befreien, könnte jeder, der die Verletzung irgendeiner Rechtsposition beklagt, sich ohne Inlandsbezug auf die Notzuständigkeit berufen. Es bestehen daher erhebliche Zweifel, das Universalitätsprinzip auf die Notzuständigkeit anzuwenden. Daher sollte am genuine-linkErfordernis auch für die Notzuständigkeit festgehalten werden. Eine Notzuständigkeit ist nur insoweit völkerrechtskonform, sofern sie (irgendeinen) Inlandsbezug voraussetzt.327 So halten es auch die meisten Staaten. Damit befasst sich der folgende Abschnitt. 5. Voraussetzungen Das Grundgesetz enthält keine besonderen Vorgaben für die Notzuständigkeit. Aus völkerrechtlichen Gründen erfordert die Notzuständigkeit allerdings einen Inlandsbezug. Mehr lässt sich aus Völker- und Verfassungsrecht hingegen nicht ableiten. Im Folgenden sollen daher die Voraussetzungen der Notzuständigkeit herausgearbeitet und konkretisiert werden. Als Erkenntnisquelle dafür dienen insbesondere die oben angestellten Erörterungen zu den ausländischen Formen der Notzuständigkeit. Der weiteren Konkretisierung bedürfen insbesondere die Tatbestandsmerkmale des Rechtsschutzhindernis im ausländischen Forum und die Inlandsbeziehung. a) Subsidiarität Die Notzuständigkeit lässt sich nur subsidiär anwenden, also nur, wenn der Kläger die internationale Zuständigkeit auf keinem anderen Weg begründen kann.328 Kann der Kläger sich auf einen anderen Gerichtsstand berufen, dann ist er nicht „in Not“. In diesem Fall ist es nicht gerechtfertigt, die Schwelle abzusenken, aufgrund derer Gerichte eine internationale Zuständigkeit zu Lasten des Beklagten annehmen können. Entscheidet sich der Gesetzgeber dafür, die Notzuständigkeit gesetzlich zu regeln, sollte er die Subsidiarität der Notzuständigkeit gegenüber anderen Gerichtsständen zur Voraussetzung machen.329

326 Bradley, The University of Chicago Legal Forum 2001, 346 f. Ausführlich zur Übertragbarkeit auf das Zivilrecht: Hailer, Menschenrechte vor Zivilgerichten – die Human Rights Litigation in den USA, 2006, S. 208 ff. 327 A. A. Bidell, Die Erstreckung der Zuständigkeiten der EuGVO auf Drittstaatensachverhalte, 2014, S. 222 f. 328 Nwapi, 47 University of British Columbia Law Review, (2014), 242 f. 329 Die Kodifikationen in der Schweiz, Österreich, Quebec, Kanada, Niederlande und Belgien setzen dies voraus, siehe oben in Kapitel 2, § 6 B.V.2. (S. 109 f.).

120

Kap. 2: Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte

b) Rechtsschutzhindernis im ausländischen Forum Kernvoraussetzung ist die Ungeeignetheit des ausländischen, eigentlich für die Streitsache zuständigen Forums.330 Dabei lässt sich zwischen Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit der Rechtserlangung im Ausland unterscheiden:331 In den Niederlanden reduzieren sich die Voraussetzungen der Notzuständigkeit um das Erfordernis des Inlandsbezugs, wenn die Erlangung von Rechtsschutz im ausländischen Forum unmöglich ist.332 Dort ist diese Unterscheidung somit von praktischer Relevanz. Wie bereits untersucht werfen Gerichtsstände ohne jeglichen Bezug zum Forum jedoch völkerrechtliche Probleme auf.333 Dieser Unterteilung sollte daher keine praktische Relevanz zukommen. Sie wird im Folgenden dennoch beibehalten. aa) Unmöglichkeit einer Klage im ausländischen Forum Die Unmöglichkeit der Rechtserlangung im Ausland lässt sich weiter in rechtliche und praktische Unmöglichkeit unterteilen.334 Ein Fall rechtlicher Unmöglichkeit liegt zum Beispiel bei Immunität des Beklagten vor.335 Ein denkbarer Fall im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte sind private Sicherheits- und Militärunternehmen. Fallen diese unter sogenannte Status of Forces Agreements (SOFA’s), sind sie gerichtlich immun.336 Darüber hinaus hat der Themenkreis der rechtlichen Unmöglichkeit hier jedoch keine weitere Bedeutung.337 Größere Bedeutung hat die praktische (oder auch faktische) Unmöglichkeit. Darunter werden Fälle verstanden, in denen die Rechtspflege aufgrund von Krieg oder gewaltsamen Konflikten stillsteht.338 Im Fall Solvochem v. Rasheed Bank aus dem Jahre 2010 erklärte sich ein niederländisches Gericht auf dieser Basis für zu330 Schütze, FS Rechberger, 2005, S. 571; Nwapi, 30 Utrecht Journal of International and European Law (2014), 35 f., 39 f.; Roorda/Ryngaert, RabelsZ 80 (2016), 794 – 796. 331 Nwapi, 30 Utrecht Journal of International and European Law (2014), 35; Roorda/ Ryngaert, RabelsZ 80 (2016), 794. 332 Roorda/Ryngaert, RabelsZ 80 (2016), 795. 333 Kapitel 1, § 3 C. (S. 56 ff.). 334 So zum Beispiel Nwapi, 30 Utrecht Journal of International and European Law (2014), 35. 335 Roorda/Ryngaert, RabelsZ 80 (2016), 794 f. 336 Ebd., 795. Private Sicherheits- und Militärunternehmen sind jedoch ein Untersuchungsgegenstand für sich und betreffen nicht die hier im Fokus stehende Konzern- bzw. Abnehmer-/Zuliefererkonstellation. Siehe dazu: Gillard, 88 International Review of the Red Cross (2006), 525 – 572. 337 Nwapi, 47 University of British Columbia Law Review (2014), 247. 338 Kropholler, in: Handbuch des internationalen Zivilverfahrensrechts, Band I, 1982, S. 269; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, S. 451; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 2020, Rn. 1027; Schütze, in: FS Rechberger, 2005, S. 571; Nwapi, 47 University of British Columbia Law Review (2014), 247; Roorda/Ryngaert, RabelsZ 80 (2016), 795; Kübler-Wachendorff, Das forum necessitiatis im europäischen Zuständigkeitsrecht, 2021, S. 22 f.

§ 6 Klagen gegen Konzern- oder Zulieferergesellschaften mit Sitz im Ausland

121

ständig, da es dem Kläger nicht zuzumuten sei, während der damals noch andauernden Irak-Krise dort zu klagen.339 Allerdings können Gerichte die Notzuständigkeit dann nicht gewähren, steht die Rechtspflege nur vorübergehend still und ist zu erwarten, dass die Gerichte ihre Arbeit wieder aufnehmen.340 Schließlich steht es der Unmöglichkeit nicht entgegen, dass ein dritter Staat sich ggf. auf Basis der Notzuständigkeit für zuständig erklären könnte: Angenommen, sowohl in Deutschland als auch den Niederlanden liegen die Voraussetzungen der Notzuständigkeit vor, die Gerichte beider Staaten könnten sich also für international zuständig erklären. Geht man nun davon aus, dass kein Rechtsschutzhindernis mehr besteht, da die Gerichte des jeweiligen anderen Staats sich auf Basis der Notzuständigkeit für international zuständig erklären könnten, würden diese beiden Notzuständigkeiten sich gegenseitig matt setzen.341 Dass also die Voraussetzungen der Notzuständigkeit in einem anderen Staat gegeben sind, hindert das deutsche Gericht nicht daran, ein Rechtsschutzhindernis anzunehmen. bb) Unzumutbarkeit einer Klage im ausländischen Forum Ist es dem Kläger unzumutbar, im eigentlich zuständigen, ausländischem Forum um Rechtsschutz zu ersuchen, löst dieser Umstand ebenfalls die Notzuständigkeit aus.342 In Deutschland haben Rechtsprechung und Literatur diese Voraussetzung herausgearbeitet.343 Es werden verschiedene Konkretisierungen des unbestimmten Rechtsbegriffs der Unzumutbarkeit vorgeschlagen. Beispiele dafür sind korrupte Richter oder ein nicht-rechtstaatliches Verfahren. Diese Voraussetzungen müsste ein deutsches Gericht dann prüfen. (1) Internationale Beziehungen Ausführungen zur Integrität ausländischer Rechtssysteme können jedoch Belastungen der internationalen Beziehungen zu dem Land, über das dieses Urteil gefällt wird, mit sich bringen.344 Solche Aussagen könnten möglicherweise die „inter-judizielle Kooperation“ von Staaten zerstören.345 Zudem können sie auf 339

Gerechtshof Den Haag, Urt. v. 30. November 2019, Solvochem v. Rasheed Bank. Schütze, in: FS Rechberger, 2005, S. 571. 341 Nwapi, 30 Utrecht Journal of International and European Law (2014), 35. 342 Siehe oben in Kapitel 2, § 6 B.V.2. (S. 109 f.). 343 OLG Frankfurt/Main, Urt. v. 01. 10. 1998, 1 U 163/96, IPRax 1999, 250; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, S. 451; Schütze, in: FS Rechberger, 2005, S. 571 f. 344 So Nwapi, 47 University of British Columbia Law Review (2014), 263; ders., 30 Utrecht Journal of International and European Law (2014), 40; Takahashi, 8 Journal of Private International Law (2012), 6; Dickinson, Sydney Law School Legal Studies Research Paper No. 11/ 58, S. 15. 345 Nwapi, 30 Utrecht Journal of International and European Law (2014), 40: „inter-judicial cooperation“. 340

122

Kap. 2: Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte

fragwürdigen Quellen basieren und politisch motiviert sein.346 Können Gerichte allerdings gar keine Aussagen über fremde Justizsysteme treffen, könnten sie niemals die internationale Zuständigkeit mittels des forum necessitatis annehmen, da die Unzumutbarkeit für den Beklagten, im Ausland um Rechtsschutz zu ersuchen, Kernvoraussetzung der Notzuständigkeit ist. Daher können z. B. britische347 bzw. amerikanische348 Gerichte die Gültigkeit fremder Hoheitsakte auf fremdem Staatsgebiet evaluieren,349 sofern sie für diese Aussagen stichhaltige Beweise (cogent evidence) ins Feld führen können.350 Der Begriff „stichhaltige Beweise“ taugt hier aber nicht als Voraussetzung, um die Notzuständigkeit auszuüben. Dass Gerichte ihre Urteile belegen müssen, versteht sich von selbst. Ein weiteres Argument für die Möglichkeit der Ausübung von Notzuständigkeit sind die ansonsten entstehenden paradoxen Ergebnisse einer solchen Praxis: Je korrupter oder langsamer die Justiz eines bestimmten Landes arbeitet, desto mehr gibt es daran zu bemängeln, desto weniger Aussagen dürfte das deutsche Gericht also darüber treffen.351 Eine solche Prüfung ist darüber hinaus völkerrechtlich beanstandungsfrei: Selbst wenn man die Evaluierung ausländischer Justizsysteme im Rahmen der Notzuständigkeit in einem Zivilverfahren als politisches Statement ansehen will, sind solche Statements über andere Staaten Hoheitsträgern völkerrechtlich erlaubt.352 Des Weiteren spricht auch die Konzeption des internationalen Verfahrensrechts gegen den Ausschluss der Notzuständigkeit aufgrund von Rücksicht auf internationale Beziehungen. Wie bereits oben353 angesprochen, orientiert sich das internationalen Zivilverfahrensrecht an den Parteiinteressen und zielt auf deren Verwirklichung ab. Sorgen um die internationalen Beziehungen zwischen Staaten betreffen jedoch Kernfragen der Außenpolitik. Verwehrt man Klägern nun jegliche Berufung auf die Notzuständigkeit aufgrund politischer Erwägungen, können Par346 Nwapi, 47 University of British Columbia Law Review (2014), 263 mit Verweis auf das Urteil eines US-Gerichts, das die Glaubhaftigkeit des bolivischen Justizsystems von der Aussage des bolivischen Justizministers in einem Zeitungsinterview („the current justice system is a collection agency and the penal system an agent of extorsion“ and „[t]he administration of justice in the nation, in many cases, is clouded by the intrusion of powerful pressures by political and economic groups…“) abhängig machte: United States District Court for the Southern District Florida, Urt. v. 09. 09. 1997, Eastman Kodak Company v Kaylin, 978 F. Supp. 1085. 347 Dicey/Morris/Collins, The Conflict of Laws, 2006, Vol. 1, S. 113 f. 348 US Supreme Court, Banco Nacional de Cuba v. Sabbatino, 376 U.S. (1964), S. 398. 349 Dies untersagt ihnen grundsätzlich die act of state Doktrin, siehe dazu eingehend Kramer, in: International law and the fight against corruption, 2012, S. 114 – 119. 350 High Court of Justice of the Isle of Men, AK Investment CJSC v. Kyrgyz Mobil Tel ltd and Others, [2011] UKPC 7 Rn. 97. 351 So High Court of Justice of the Isle of Men, AK Investment CJSC v. Kyrgyz Mobil Tel Ltd. and Others, [2011] UKPC 7 Rn. 101: „Otherwise the paradoxical result would follow that, the worse the system of justice in the foreign country, the less it would be permissible to make adverse findings on it.“ 352 von Arnauld, Völkerrecht, 2019, S. 157. 353 Kapitel 1, § 3 C.II.4. (S. 59 f.).

§ 6 Klagen gegen Konzern- oder Zulieferergesellschaften mit Sitz im Ausland

123

teiinteressen – und der Zugang zu Gericht und einem rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechenden Verfahren betrifft gewichtige Interessen auf Klägerseite – nicht vollständig realisiert werden. Zwar ließe sich auch umgekehrt argumentieren: Das IPR und IZPR seien gemäß der Savignyschen Konzeption unpolitisch.354 Gerichte sollten solche Fragen daher meiden. Diese Argumentation kann jedoch nicht überzeugen. Im Rahmen der Notzuständigkeit sind beide, Staats- und Parteiinteressen, betroffen. Gerade weil IPR und IZPR unpolitisch sind, haben die Parteiinteressen aber Vorrang. Insbesondere das Interesse des Klägers an effektivem Rechtsschutz überwiegt die diplomatische Rücksichtnahme. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass politische Statements von Hoheitsträger über Geschehnisse in einem anderen Staat völkerrechtlich erlaubt sind.355 Einem Äußerungsverbot der Gerichte für bestimmte Sachverhalte fehlt damit bereits die rechtliche Grundlage. Bedenken hinsichtlich internationaler Beziehungen sind daher kein generelles Hindernis für die Annahme einer Notzuständigkeit.356 (2) Konkretisierung der Unzumutbarkeit Damit ist jedoch noch nicht geklärt, was „Unzumutbarkeit“ konkret bedeuten soll. In Literatur und Rechtsprechung finden sich verschiedene Anknüpfungspunkte. Am häufigsten trifft man auf die Konkretisierung mit Hilfe des Begriffs des „Rechtsstaats“. So geht das OLG Frankfurt am Main davon aus, ein Verfahren im Ausland sei dann unzumutbar, „wenn bei dem ausländischen Gericht eine sachgerechte, den elementaren rechtsstaatlichen Garantien entsprechende Entscheidung des Rechtsstreits nicht gewährleistet ist.“357 Das Verfahren betraf zwar nicht direkt die Voraussetzungen der Notzuständigkeit, sondern die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung. Die dazu gewonnenen Erkenntnisse sind aber übertragbar, da es in beiden Fällen um die Beurteilung der Frage ging, ob dem Kläger ein Verfahren im eigentlich zuständigen bzw. im vereinbarten Forum zumutbar ist. An „rechtsstaatliche“ Voraussetzungen knüpft auch die Literatur vorwiegend an.358 Doch was bedeutet „rechtsstaatlich“ im Einzelfall? Der Begriff ist beinahe ebenso schillernd wie Zumutbarkeit. Er hat allerdings für sich, dass unter dem Begriff Praxis und Lehre bereits einige Konkretisierungsversuche unternommen haben: Im Kontext der Richterablehnung (§§ 41 ff. ZPO) genügt ein Verfahren dann nicht rechtsstaatlichen Erfordernissen, sofern die Befangenheit eines an diesem beteiligten Richter besorgt wird. Dies wiederum ist dann der Fall, wenn ein am Verfahren 354 Kramer, in: International law and the fight against corruption, 2012, S. 140 f., die im Ergebnis jedoch für Ausübung der Notzuständigkeit plädiert. 355 von Arnauld, Völkerrecht, 2019, S. 157. 356 A. A. Nwapi, 47 University of British Columbia Law Review (2014), 263 f. 357 OLG Frankfurt/Main, Urt. v. 01. 10. 1998, 1 U 163/96, IPRax 1999, 250. Sinngemäße Voraussetzungen wurden auch vom BAG, den LAGen Hamburg und Frankfurt am Main sowie dem AG Groß-Gerau aufgestellt, siehe Nachweise dazu bereits oben in Kap. 2 Fn. 258. 358 Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, S. 451; Schütze, in: FS Rechberger, 2005, S. 572.

124

Kap. 2: Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte

Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln.359 Davon lässt sich jedenfalls bei Korruptionsvorwürfen ausgehen.360 Beispiele, in denen die Rechtsstaatlichkeit des ausländischen Verfahrens diskutiert wurde, betreffen wieder nur die Wirksamkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen zu Gunsten eines ausländischen Forums, sind aber, wie erwähnt, dennoch aufschlussreich für die hier verfolgten Zwecke: Vor einem niederländischen Zivilgericht in Den Haag (Rechtbank Gravenhage), klagte eine Ölgesellschaft mit Sitz auf der Isle of Man gegen eine andere, kolumbianische Ölgesellschaft sowie gegen die Republik Kolumbien wegen der vermeintlich illegalen Beendigung eines Lizenzvertrags, obwohl die Parteien als Gerichtsstand Kolumbien vereinbart hatten.361 Die Klägerin machte geltend, der Vizepräsident des kolumbianischen Geheimdienstes habe die kolumbianischen Sicherheitsbehörden angewiesen, sie in verschiedenste Ermittlungen wegen illegaler Aktivitäten zu verwickeln, um andere, staatliche Aktivitäten geheim zu halten. Daraufhin seien bereits der Geschäftsführer sowie zwei Angestellte der Klägerin inhaftiert worden. Es sei daher denkbar, dass der Geheimdienst die kolumbianische Gerichtsbarkeit beeinflusse. Ein anderer Fall vor einem Gericht in Rotterdam (Rechtbank Rotterdam) betrifft die Klage einer niederländischen Gesellschaft gegen eine kasachische Bank wegen eines Kreditvertrages. Auch hier schlossen die Parteien eine Gerichtsstandsvereinbarung zu Gunsten kasachischer Gerichte.362 Die Klägerin macht geltend, dass das – zuvor noch rein privatwirtschaftliche – Unternehmen vom kasachischen Staat übernommen wurde. Dieser wurde Hauptanteilseigner. Er berief daraufhin den Vorstandsvorsitzenden ab. Vorstandsvorsitzender war ein ehemaliger kasachischer Minister, mit welchem die Klägerin zuvor Geschäftsbeziehungen pflegte. Kurz darauf wurden der ehemalige Vorstandsvorsitzende und die Klägerin wegen Korruption angeklagt und die kasachische Bank versuchte, den Kreditvertrag zu umgehen. Auch hier sei ein unabhängiger Prozess in Kasachstan nicht zu erwarten, da der kasachische Staat möglicherweise auch das Gerichtsverfahren zu seinen Gunsten beeinflussen könnte. In den beiden geschilderten Entscheidungen befanden die Gerichte die Rechtsverfolgung im ausländischen Forum für unzumutbar, droht der Staat des eigentlich 359

BVerfG, Beschl. v. 16. 02. 1995, 2 BvR 1852/94, NJW 1995, 1277 und BVerfG, Beschl. v. 12. 10. 1994, 2 BvR 1851, NJW 1995, 2626; Huber, JuS 2017, 211. 360 Kramer, in: International law and the fight against corruption, 2012, S. 124 f.; McEvoy, Revue générale de droit 2005, 111 und Schütze, in: FS Rechberger, 2005, S. 572. 361 Rechtsbank’s Gravenhage, Urt. v. 30. Mai 2012, Llanos Oil Exploration ltd v. Republik Kolumbien und Ecopetrol SA. Die folgende Beschreibung dieses und des zweiten beschriebenen Urteils stammt von Kramer, in: International law and the fight against corruption, 2012, S. 125 f. 362 Rechtsbank’s Rotterdam, Urt. v. 8. Juni 2011, Tbilisi Central Plaza BV v. JSC BTA Bank. Die Fallbeschreibung stammt von Kramer, in: International law and the fight against corruption, 2012, S. 125 f.

§ 6 Klagen gegen Konzern- oder Zulieferergesellschaften mit Sitz im Ausland

125

zuständigen Forums auf Gerichtsprozesse Einfluss zu nehmen oder hat er bereits Einfluss genommen. In diesen Fällen kann sich der Kläger nicht darauf verlassen, dort effektiven Rechtsschutz zu erlangen. Unzumutbarkeit der Rechtsverfolgung im eigentlich zuständigen Forum ist dem Kläger daher unzumutbar, drohen dort Verstöße gegen die Gewaltenteilung, nehmen also Exekutiv- oder Legislativorgane Einfluss auf Gerichtsprozesse bzw. drohen solche Eingriffe. Des Weiteren muss die Klage eines politischen Flüchtlings in seinem Heimatstaat unzumutbar sein, sofern ihm bei Rückkehr nach wie vor die Inhaftierung (oder Schlimmeres) dort droht.363 Gleiches gilt bei Todesdrohungen im an sich zuständigen Forum gegen den Kläger.364 Dies ist jedoch insoweit einzuschränken, dass solche Drohungen im konkreten Fall vorliegen müssen.365 Auch bei überlanger Prozessdauer soll es dem Kläger unzumutbar sein, weiterhin die Klage im Ausland zu forcieren.366 Die Anforderungen dafür dürfen jedoch nicht zu niedrig sein. In Abgrenzung zum oben genannten Unmöglichkeitsgrund des Stillstands der Rechtspflege aufgrund von z. B. Krieg367, kann auch bei einer Schwächung des Justizapparats und einer damit verbundenen Verlangsamung zwar keine Unmöglichkeit, aber Unzumutbarkeit vorliegen.368 Auch hier gilt: Die potenziell gegebene Notzuständigkeit von Gerichten eines anderen Staates steht der Unzumutbarkeit nicht entgegen. Verschiedene Notzuständigkeiten in verschiedenen Foren würden sich sonst gegenseitig matt setzen.369 cc) Objektiv begründete Gefahr der Rechtsschutzvereitelung ausreichend Im Einzelfall wird es für das Gericht schwierig sein, z. B. staatliche Einflussnahme auf Gerichtsprozesse festzustellen.370 Für das Vorliegen von Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Rechtsverfolgung sollte daher die objektiv begründete Gefahr ausreichen, dass im ausländischen Forum die Rechtsverfolgung vereitelt oder

363 Kropholler, in: Handbuch des internationalen Zivilverfahrensrechts, Band I, 1982, S. 270. 364 Roorda/Ryngaert, RabelsZ 80 (2016), 795. 365 So auch Kübler-Wachendorff, Das forum necessitatis im europäischen Zivilverfahrensrecht, 2021, S. 162 zur EU-Notzuständigkeit. 366 Ebd., S. 26 f. und Schütze, in: FS Rechberger, 2005, S. 572 mit Verweis auf BGH, Urt. v. 26. 01. 1983, IVb ZR 335/81, NJW 1983, 1269, wo dieser die ausländische Rechtshängigkeit in einem Scheidungsverfahren bei einer Verfahrensdauer von mehr als vier Jahren ohne, dass das italienische Gericht tätig wurde, für unbeachtlich erklärt. 367 Siehe oben in Kapitel 2, § 6 B.V.5.b)aa) (S. 120). 368 Roorda/Ryngaert, RabelsZ 80 (2016), 795. 369 Nwapi, 30 Utrecht Journal of International and European Law (2014), 35. Siehe dazu bereits oben bei der Unmöglichkeit der Rechtsverfolgung Kapitel 2, § 6 B.V.5.b)aa) (S. 120 f.). 370 Van Hoek, SSRN Electronic Journal 2008, bei Fn. 71.

126

Kap. 2: Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte

wesentlich erschwert ist.371 Auf das Prinzip rekurriert das Zivilprozessrecht auch an anderer Stelle wie z. B. dem § 935 ZPO.372 Ein Stillstand der Rechtspflege im eigentlich zuständigen Forum kann die Unmöglichkeit einer Klage dort daher nicht nur dann begründen, wenn die Beseitigung dieses Stillstands nicht erwartet werden kann, sondern auch bereits bei Ungewissheit der Wiederaufnahme der Tätigkeit durch die Rechtspflege des betreffenden Landes.373 c) Inlandsbezug Darüber hinaus muss die Streitsache einen Inlandsbezug zum die Notzuständigkeit ausübenden Staat aufweisen.374 Das völkerrechtliche genuine-link-Erfordernis verlangt einen solchen Inlandsbezug zum die Hoheitsgewalt ausübenden Staat.375 Zwar wird teilweise davon ausgegangen, dass im Falle der Notzuständigkeit immer ein Bezug zu Deutschland vorliegt und sei es dadurch, dass die Rechtslage durch das auf Basis der Notzuständigkeit ergehende Urteil dann jedenfalls für deutsches Hoheitsgebiet geklärt ist.376 Daher und weil die Notzuständigkeit so immer verfassungsrechtlich zwingend ist, sei das Kriterium redundant.377 Oben wurde jedoch bereits festgestellt, dass ein den Justizanspruch auslösender Inlandsbezug nicht in allen Fällen vorliegt.378 Die Klärung der Rechtslage für den jeweiligen Fall kann schon deshalb keinen Bezug nach Deutschland herstellen, da die Rechtslage regelmäßig nach ausländischem Recht entschieden wird. Das Kriterium des Inlandsbezugs ist deshalb erforderlich, um völkerrechtlichen Anforderungen an die Ausübung von Hoheitsgewalt zu genügen. Doch wann genau liegt ein Inlandsbezug vor? Zunächst darf die Hürde für den Inlandsbezug nicht sehr hoch angelegt werden, um nicht das Potenzial der Notzuständigkeit zu zerstören.379 Deshalb müssen die Anforderungen an den Inlandsbezug weit unter den gängigen territorialen Anknüpfungsmomenten liegen.380 Hätte die Notzuständigkeit z. B. die gleichen An371 Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, S. 464. Teile der Definition übernommen von der Konkretisierung des § 935 ZPO durch MüKo-ZPO/Drescher, § 935 Rn. 15. 372 Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, S. 464. 373 Ebd. 374 So handhaben es fast alle der unter Kapitel 2, § 6 B.V.2. (S. 109 ff.) untersuchten Rechtsordnungen. Ausnahmen stellen die gesetzlichen Regelungen in Mexiko, Kanada, Luxemburg und teilweise den Niederlanden dar. 375 Kapitel 1, § 3 C.II.4. (S. 59). 376 Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, S. 457. 377 Siehe seinen Kodifikationsvorschlag, ebd., S. 649. 378 Kapitel 2, § 6 B.V.3.b) (S. 114 ff.). 379 So die Befürchtung von Roorda/Ryngaert, RabelsZ 80 (2016), 799. Die Autoren stellen sich auf den Standpunkt, die Notzuständigkeit sei mit Inlandsbezug sinnlos. Das ist jedoch keineswegs der Fall. 380 Ähnlich auch Dutta, in: Unternehmensverantwortung und Internationales Recht (Diskussionsbericht), 2020, S. 83.

§ 6 Klagen gegen Konzern- oder Zulieferergesellschaften mit Sitz im Ausland

127

knüpfungspunkte wie die §§ 12 ff. ZPO, wäre sie überflüssig. Bereits aus verfassungsrechtlichen Gründen muss eine Inlandsbeziehung jedenfalls bei Vollstreckungsaussichten des Klägers im Inland gegeben sein.381 Denn ansonsten käme Deutschland seinem Justizanspruch als Kehrseite des Verbots der Selbstjustiz nicht nach.382 Gleiches gilt für zwar nicht konkret bestehende, jedoch zukünftige Vollstreckungsaussichten.383 Geht es nicht um Geld, weil die Beklagte z. B. hier keine Vermögenswerte hat, ist es zwar unwahrscheinlicher, dass in Deutschland geklagt wird. Das ist aber auch nicht ausgeschlossen, da der Gerichtsprozess nicht nur kompensatorische Funktionen hat. Es geht den Klägern möglicherweise auch darum, dass „Recht gesprochen wird“. Dieses Interesse ist anerkennenswert. Auch der inländische Sitz der Mutter- oder Abnehmergesellschaft in Deutschland kann daher den nötigen Inlandsbezug für Klagen gegen deren Tochter- oder Zuliefergesellschaften begründen,384 sofern die deutsche Gesellschaft nicht unerheblichen Einfluss auf die Beklagte hat. Darüber hinaus reichen die Staatsangehörigkeit des Klägers und dessen gewöhnlicher Aufenthalt im Forumsstaat aus. In solchen Fällen sind die Beziehungen zum Forum besonders stark. Der gewöhnliche Aufenthalt gilt auch dann als ausreichend, verlegt ein in Deutschland zu Asyl Berechtigter wegen Folter in seinem Heimatstaat seinen Wohnsitz hierher und erhebt anschließend hier Klage wegen dieser Folterungen. Hierin liegt ein Bezug nach Deutschland. Insbesondere ist es völkerrechtlich irrelevant, dass der Kläger seinen Wohnsitz erst nach dem die Klage betreffenden Geschehen (die Folterungen) verlagerte.385 Nicht ausreichen sollte es hingegen, verlegt der Kläger unmittelbar vor Klageerhebung seinen Wohnsitz nach Deutschland.386 Dann liegt nahe, dass dies lediglich geschah, um eine Verbindung nach Deutschland herzustellen und die Voraussetzung des Inlandsbezugs würde zur Farce.387 Da die Kläger in den Verfahren hier regelmäßig keinen deutschen 381

Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, S. 454 f. Zum belgischen Recht: Nuyts, Comparative Study of „Residual Jurisdiction“ in Civil and Commercial Disputes in the EU: National Report for: Belgium, S. 15. 382 Siehe oben unter Kapitel 2, § 6 B.V.3.b): Text nach Fn. 296. 383 Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, S. 455. 384 Ebenso, allerdings ohne Einschränkungen: Nwapi, Utrecht Journal of International and European Law, 2014, 35 und Roorda/Ryngaert, RabelsZ 80 (2016), 797, Fn. 67; Roorda, in: Business and Human Rights in Europe, 2020, S. 210. 385 So aber das schweizerische Bundesgericht, Urt. v. 22. 05. 2007, siehe m. w. N. Mora, 65 Netherlands International Law Review (2018), 156 f. Fn. 9 und 10. Der EGMR, Urt. v. 15. 03. 2018, 51357/07, NJOZ 2020, 58 – Naït-Liman v. Switzerland beklagt hier keine Verletzung von Art. 6 I EMRK. 386 Anders Nwapi, 30 Utrecht Journal of International and European Law (2014), 35. 387 Ähnlich § 28 I Nr. 2 der österreichischen Jurisdiktionsnorm, die einen dauerhaften Aufenthalt in Österreich fordert. Teilweise wurde aber auch bereits die bloße Verlagerung des Aufenthalts des Klägers in den Gerichtsstaat für ausreichend befunden, Nwapi, 30 Utrecht Journal of International and European Law (2014), 35 mit Verweis auf US-amerikanische und kanadische menschenrechtliche Fälle, in denen die Verlagerung des Aufenthaltsorts als ausreichend angesehen wurde. So zog im Shell-Fall (siehe oben Kapitel 1, § 2 A.II.) der OgoniFührer Ken Saro Wiwa kurz vor Klageerhebung in die USA. Dies erachtete ein New-Yorker

128

Kap. 2: Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte

Wohnsitz haben, lässt sich mit dieser Anknüpfung somit meist keine internationale Zuständigkeit kraft forum necessitatis herstellen. Allerdings liegt ein solcher Inlandsbezug in der Anknüpfung an den deutschen Sitz der Konzernmutter bzw. an die nicht unerheblichen vertraglichen Beziehungen zu deutschen Vertragspartnern. Die Notzuständigkeit ist verfassungsmäßig und auch völkerrechtskonform, sofern sie (irgend-) einen Bezug nach Deutschland voraussetzt. Neben dieser Voraussetzung können sich deutsche Gerichte immer dann für international zuständig erklären, sofern der Kläger im ausländischen Forum nicht um Rechtsschutz ersuchen kann, weil eine Klage dort unmöglich oder ihm unzumutbar ist.

§ 7 Internationale Zuständigkeit de lege ferenda Rechtspolitische Forderungen im Bereich des IZPR ergeben sich nur hinsichtlich Klagen gegen ausländische Gesellschaften. Bei der Haftung deutscher Mutter- und Abnehmergesellschaften stellen sich zwar zahlreiche kollisions- und materiellrechtliche Probleme388, die Begründung der internationalen Zuständigkeit verursacht jedoch keine Probleme. Vielmehr ist die Anknüpfung am Sitz der Gesellschaft sachgerecht und entspricht allgemeinem Konsens im internationalen Zivilverfahrensrecht.

A. § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO Die einschränkende Auslegung des § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO sollte aufgegeben werden. Dies ließe bewerkstelligen, indem der Gesetzgeber § 23 ZPO um den Zusatz erweitert, ein solcher Gerichtsstand erfordert abgesehen von Inlandsvermögen keinen weiteren Inlandsbezug. Dadurch wären die Gerichte gezwungen, § 23 ZPO ohne zusätzlichen Inlandsbezug anzuwenden.389

B. Notzuständigkeit Darüber hinaus sollte der Gesetzgeber die Notzuständigkeit in Gesetzesform gießen. Eine ausdrückliche Regelung bietet mehr Rechtssicherheit und ermuntert deutsche Gerichte, sich auf deren Basis für zuständig zu erklären. Ein Draft Report des europäischen Parlaments schlägt neuerdings vor, die Notzuständigkeit in einen Gericht als maßgeblich für die Ausübung seiner Gerichtsgewalt: United States Court of Appeals, Wiwa v. Royal Dutch Petroleum Co., 226 F.3d 88 (2d Cir. 2000) Rn. 103. 388 Damit beschäftigen sich die folgenden zwei Kapitel. 389 A. A. (dagegen, „jurisdiction of assets“ im Kontext hier fruchtbar zu machen) Roorda, in: Business and Human Rights in Europe, 2020, S. 208.

§ 7 Internationale Zuständigkeit de lege ferenda

129

Artikel 26a der Brüssel Ia-VO zu integrieren.390 Dies wäre ein noch größerer Fortschritt als die bloße Regelung auf nationaler Ebene, da die Notzuständigkeit so auch in anderen Mitgliedsstaaten Klägern eine Basis für internationale Zuständigkeit bieten könnte. So würden die Justizansprüche zusätzlicher, ausländischer Kläger gestärkt. Fraglich ist, ob eine solche Regelung aufgrund mangelnder Bezüge zur EU überhaupt erforderlich ist391 und ob sie sich nicht eventuell außerhalb der Unionskompetenz aus Art. 81 AEUV bewegt.392 Die Regelung der Notzuständigkeit auf Unionsebene ist jedoch durchaus notwendig. Sie ist Ausläufer des klägerischen Justizgewährungsanspruchs.393 Solange es auf der Welt nicht überall unabhängige Gerichte gibt, ist die Notzuständigkeit ein Instrument zum Schutz dieses Justizgewährungsanspruchs. Zurecht setzt der Vorschlag zu einem Art. 26a Brüssel Ia-VO einen Inlandsbezug zum Gerichtsgewalt ausübenden Mitgliedsstaat voraus. Von einem fehlenden Bezug zur EU kann somit keine Rede sein. Die Einführung einer Notzuständigkeit bewegt sich darüber hinaus auch innerhalb der der Union zugewiesenen Kompetenz. Im Gegensatz zum Vorläufer (Art. 65 EGV) enthält Art. 81 AEUV eine abschließende Aufzählung von Kompetenztiteln.394 Die Notzuständigkeit fällt hier auf die Kompetenztitel aus Abs. 2 c) und e)395. Die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 81 AEUV beschränken allerdings die Ausübung dieser Kompetenzen. So gelten die genannten Kompetenztitel aus Abs. 2 c) und e) nur für Zivilsachen betreffend das Verfahrensrecht mit grenzüberschreitendem Bezug, Abs. 1. Die Regelung einer Notzuständigkeit betrifft lediglich zivilrechtliche Streitigkeiten. Sie begründet die internationale Zuständigkeit mitgliedsstaatlicher Gerichte und betrifft somit lediglich Zivilverfahrensrecht i. S. v. Art. 81 AEUV.

390 European Parliament, Draft Report, S. 8 Nr. 14 und S. 29 Nr. 6. Dies leider aussparend: first und 2nd Revised Draft des Legally Binding Instruments to Regulate the Activities of Transnational Corporations, siehe Meder, Bericht des 3. Tages der Verhandlungen, Global Policy Forum. Das European Parliament, Draft Report (updated) verzichtete in einer aktualisierten Version jedoch wieder auf den Vorschlag, die Brüssel Ia-VO zu ändern. 391 Thomale, conflictoflaws.net, https://conflictoflaws.net/2020/chris-thomale-on-the-epdraft-report-on-corporate-due-diligence/. 392 Ebd. 393 Auf EU-Ebene ergibt sich dieser aus dem Unionsgrundrecht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht aus Art. 48 Grundrechte-Charta, siehe Bidell, Die Erstreckung der Zuständigkeiten der EuGVO auf Drittstaatensachverhalte, 2014, S. 177 – 179 und 192; Bachmann, Die Universalisierung des Europäischen Zivilverfahrensrechts, 2020, S. 130. Er ergibt sich hingegen nicht aus Art. 6 I EMRK, da die EU dieser bislang nicht beigetreten ist. 394 Calliess-Ruffert/Rossi, Art. 81 AEUV Rn. 7. 395 Lit c) (die Vereinbarkeit der in den Mitgliedsstaaten geltenden Kollisionsnormen und Vorschriften zur Vermeidung von Kompetenzkonflikten) ist missverständlich formuliert. Es ist jedoch allgemein anerkannt, dass „Kompetenzkonflikt” vom englischen „jurisdiction“ umständlich übersetzt wurde, darunter jedoch dasselbe zu verstehen ist, siehe Bachmann, Universalisierung des Europäischen Zivilverfahrensrechts, 2020, S. 90 m. w. N.

130

Kap. 2: Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte

Man könnte jedoch meinen, ein grenzüberschreitender Bezug liege nicht bei Rechtsverhältnissen zwischen einem Mitgliedsstaat und einem Drittstaat vor, sondern nur, wenn sich das Rechtsverhältnis auf zwei Mitgliedsstaaten bezieht.396 Folgt man dieser Ansicht, würde die Regelung einer Notzuständigkeit in der Tat nicht von der Unionskompetenz aus Art. 81 AEUV getragen, da die Notzuständigkeit die internationale Zuständigkeit gerade für Kläger aus Drittstaaten regeln soll. Allerdings ergibt sich eine solche Auslegung nicht aus dem Wortlaut. Ein „grenzüberschreitender Bezug“ liegt offensichtlich auch bei Rechtsstreitigkeiten zwischen einem Mitglieds- und einem Drittstaat vor. Darüber hinaus legen auch Sinn und Zweck von Art. 81 I AEUV nahe, die Vorschrift wortlautgetreu auszulegen:397 Die Schöpfer der Verträge sorgten sich, dass es ohne den einschränkenden Zusatz des grenzüberschreitenden Bezugs zu einer Vollvereinheitlichung von (nicht nur internationalem) Zivilprozessrecht käme.398 Eine solche, viel weitreichendere Vereinheitlichung wollten viele Mitgliedsstaaten nicht. Die Vollvereinheitlichung von nationalem und internationalem Zivilprozessrecht bedingt die Implementierung von Drittstaatensachverhalten in das europäische Zuständigkeitssystem jedoch gar nicht. Erst recht gilt das für die Notzuständigkeit. Es handelt sich lediglich um eine Erweiterung der Regeln über die internationale Zuständigkeit. Die Union überschreitet daher nicht ihre Kompetenzen aus Art. 81 AEUV, ergänzt sie dem Draft Report entsprechend die Brüssel Ia-VO um eine Notzuständigkeit. Vielmehr bietet die Notzuständigkeit gemeinsam mit dem Vermögensgerichtsstand Geschädigten in den hier thematisierten Fallkonstellationen ausreichend Rechtsschutz. Zwar ließe sich einwenden, dass Geschädigte auch ohne Vollstreckungsaussichten in Deutschland „aus Prinzip“ ein Recht auf Klärung ihrer Ansprüche gegen ausländische Gesellschaften im Rahmen eines rechtsstaatlichen Verfahrens hätten und – da die Gerichte in der Praxis von der Notzuständigkeit nur sehr zurückhaltend Gebrauch machen – die Notzuständigkeit keinen ausreichenden Rechtsschutz bietet. Das betrifft allerdings, wenn überhaupt, nur einen Bruchteil der Fälle. Zudem wird hier die verschärfte Haftung deutscher Mutter- und Abnehmergesellschaften vertreten.399 Haften diese aufgrund weitereichender Sorgfaltspflichten extensiver, verlieren Klagen gegen die regelmäßig gering kapitalisierten, eher kleineren400 ausländischen Konzern- und Zulieferergesellschaften an Bedeutung. Handelt es sich ausnahmsweise um größere, transnational tätige Konzern- oder Zulieferergesellschaften, ist wiederum wahrscheinlicher, dass diese in Deutschland 396 So Lenz-Borchardt/Hoppe, Art. 81 AEUV Rn. 2; Stumpf, in: Schwarze-EU-Kommentar, Art. 81 Rn. 8. 397 Wie hier: Streinz-EUV/AEUV/Leible, Art. 81 Rn. 7; Roth, EWS 2011, 318; Bidell, Die Erstreckung der Zuständigkeiten der EuGVO auf Drittstaatensachverhalte, 2014, S. 35 – 37; Bachmann, Universalisierung des Europäischen Zivilverfahrensrechts, 2020, S. 84. 398 Calliess-Ruffert/Rossi, Art. 81 AEUV Rn. 12; Streinz-EUV/AEUV/Leible, Art. 81 Rn. 7. 399 Siehe unten Kapitel 4, § 14 (S. 247 ff.). 400 Dazu Weil, The Fissured Workplace, 2014, S. 189 f.

§ 7 Internationale Zuständigkeit de lege ferenda

131

belegene Vermögenswerte haben und so nach hier vertretener Ansicht § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO eingreift.

C. Einfügung einer Nr. 5 in Art. 8 Brüssel Ia-VO? Nicht überzeugen kann eine ebenfalls eine im Draft Report vorgeschlagene, in einer aktualisierten Version des Reports jedoch wieder zurückgenommene Änderung von Art. 8 Brüssel Ia-VO.401 Dem solle in einem Abs. 5 (gemeint ist wohl Nr. 5)402 ein neuer Gerichtsstand hinzugefügt werden: Danach soll bei Menschenrechtsverletzungen durch eine ausländische Konzerngesellschaft oder einen Zulieferer, die dem europäischen Unternehmen zugeschrieben (imputed) werden können, dieses nicht nur an seinem Sitz verklagt werden können, sondern auch im Mitgliedsstaat, in dem es operiert. Diese zusätzliche Alternative löst das zentrale Problem aber nicht. Europäische Mutter- bzw. Abnehmerunternehmen können bereits ohne Weiteres an ihrem Sitz verklagt werden.403 Die Geschädigten haben somit bereits Zugang zu einem rechtsstaatlichen Forum. Dem Vorschlag zufolge sollen sie nun auch in einem anderen Mitgliedsstaat, in denen Unternehmen „operieren“, klagen können. Inwiefern das den Rechtsschutz der Geschädigten verbessern soll, ist unklar: Zwar gibt es auch innerhalb der Mitgliedsstaaten unterschiedliche Rechtsschutzstandards. Diese sind jedoch bei weitem nicht so different wie im Verhältnis zu manchen Drittstaaten. Den Zugang zu effektivem Rechtsschutz gefährdet eine ganz andere Konstellation: Klagen gegen ausländische Konzern- und Zulieferergesellschaften vor deutschen bzw. europäischen Gesellschaften. Dieses Problem erfährt durch den Art. 8 Nr. 5 jedoch keiner Lösung.404 Darüber hinaus sollte sich der Gesetzgeber gut überlegen, ob er den Begriff der Menschenrechtsverletzung in das europäische internationale Zivilverfahrensrecht integrieren will. In der jetzigen Fassung der Norm im Draft Report kann darunter keine klar abgrenzbare Kategorie von Fällen gefasst werden. In der extensivsten Interpretation käme hier jeder Fall in Frage, in dem ein Rechtssubjekt einen Schaden erlitten hat. Ohne klar umrissene Kriterien, was darunter verstanden werden soll, läuft der europäische Gesetzgeber Gefahr, sein Zuständigkeitssystem zu erodieren 401 Siehe European Parliament, Draft Report, S. 29 und European Parliament, Draft Report (updated). 402 „(5) In matters relating to business civil claims for human rights violations within the value chain within the scope of Directive xxx/xxxx on Corporate Due Diligence and Corporate Accountability, an undertaking domiciled in a Member State may also be sued in the Member State where it has its domicile or in which it operates when the damage caused in a third country can be imputed to a subsidiary or another undertaking with which the parent company has a business relationship within the meaning of Article 3 of Directive xxx/xxxx on Corporate Due Diligence and Corporate Accountability“, European Parliament, Draft Report, S. 29. 403 Art. 4 I, 63 I Brüssel Ia-VO, siehe auch oben Kapitel 2, § 5 (S. 75). 404 Ebenfalls skeptisch Thomale, conflictoflaws.net, https://conflictoflaws.net/2020/christhomale-on-the-ep-draft-report-on-corporate-due-diligence/.

132

Kap. 2: Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte

und erhebliche Rechtsunsicherheit zu schaffen, ohne dass – und das ist bezüglich der vorgeschlagenen Art. 8 Nr. 5 entscheidend – er damit den Geschädigten in irgendeiner Weise hilft.

D. Korrektur von Art. 8 Nr. 1 Brüssel Ia-VO Zielführender wäre es für die Geschädigten, würde der Verordnungsgeber Art. 8 Nr. 1 Brüssel Ia-VO auch für Sekundärbeklagte aus Drittstaaten öffnen. So könnte bei Klagen gegen die Mutter- bzw. Abnehmergesellschaft (Primärbeklagte) die ausländische Konzern- bzw. Zulieferergesellschaft als Sekundärbeklagte und – zumindest in den meisten der hier diskutierten Fälle – Hauptverursacherin mitverklagt werden. Dafür spricht die gerichtliche, mitgliedsstaatliche Praxis in wirtschaftsmenschenrechtlichen Fällen. In den meisten Fällen, in denen es den Klägern gelang, ihr Begehren sowohl gegen die Mutter-/Abnehmergesellschaft, als auch gegen die Konzern-/Zulieferergesellschaft zu verfolgen, bedienten sich die Gerichte den jeweils nationalen Ausprägungen des Ankergerichtsstands.405 Dagegen spricht zwar, dass die materiell-rechtliche Anspruchslage gegen den Ankerbeklagten (Mutter-/ Abnehmergesellschaft) meistens recht „dünn“ sein dürfte und so die Ankerklage ein bloßes leeres Gefäß, das nicht immer ausreicht, um die Klage gegen die gaststaatliche Konzern- bzw. Zulieferergesellschaft ebenfalls dort anhängig zu machen.406 Das gilt jedoch erstens nicht in allen Fällen und ändert sich zweitens gerade: Verabschieden mehr Mitgliedsstaaten deliktische, rechtsträgerübergreifende Sorgfaltspflichten, haben Gerichte durchaus materiell-rechtliche Handhabe, Klagen gegen europäische Mutter- bzw. Abnehmergesellschaften stattzugeben. Bei dieser Rechtslage ist die Ankerklage mehr als ein leeres Gefäß. Völkerrechtlich wäre die Änderung von Art. 8 Nr. 1 beanstandungsfrei, begründet doch der Sitz der Abnehmer- bzw. Muttergesellschaft (Primärbeklagte) einen genuine-link in den Gerichtsgewalt ausübenden Mitgliedsstaat. Eine solche Änderung hat schließlich den Vorteil, dass Drittstaatenbeklagte so nicht mehr bessergestellt sind als EU-Beklagte.407 Dafür müsste der Verordnungsgeber freilich bereit sein, eine zusätzliche Ausnahme in Art. 6 I Brüssel Ia-VO einzufügen und so das Zuständigkeitssystem der Brüssel Ia-VO weiter für Drittstaatensachverhalte zu öffnen.

405

Roorda, in: Business and Human Rights in Europe, 2020, S. 208 f. Ebd., 209. Zur Schwierigkeit Klagen gegen die deutsche Mutter- bzw. Abnehmergesellschaft materiell-rechtlich zu begründen siehe noch unten Kapitel 4, § 11 A. (S. 188 ff.). 407 Dies bezüglich Art. 8 Nr. 1 Brüssel Ia-VO nach der einschränkenden EuGH-Entscheidung bemängelnd: MüKo-ZPO/Gottwald, Art. 8 Brüssel Ia-VO Rn. 6; Leible, in: Rauscher EuZPR-EuIPR Kommentar, Art. 8 Brüssel Ia-VO Rn. 9; Wagner, RabelsZ 80 (2016), 737; Geimer, in: FS Kropholler, 2008, S. 783 f.; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, 2017 Rn. 411. 406

Kapitel 3

Anwendbares Recht Hat es sich für zuständig erklärt, stellt sich für das erkennende Gericht die Frage, welche Rechtsordnung es heranzieht, um den Fall zu entscheiden. Dies regeln die Kollisionsnormen des internationalen Privatrechts. Hinsichtlich Klagen gegen die deutschen Mutter- und Abnehmergesellschaften kommen verschiedene Ansprüche in Betracht. Da die Kläger mit einer deutschen Gesellschaft regelmäßig keinen Vertrag geschlossen haben, liegen deliktische Ansprüche wegen der Verletzung von Sorgfalts- bzw. Verkehrspflichten am nächsten. Darüber hinaus vereinbaren Abnehmer und Zulieferer in vielen Fällen sogenannte codes of conduct. Hier stellt sich die Frage, ob solche – im deutschen Recht dem Vertrag (mit Schutzwirkung) zugunsten Dritter zugehörige – Fallkonstellationen vertraglich oder deliktisch qualifiziert werden müssen. Schließlich kommen auch gesellschaftsrechtliche Ansprüche in Betracht, insbesondere eine Durchgriffshaftung der deutschen Mutter- bzw. Abnehmergesellschaft. Bei Klagen gegen die ausländische Zulieferer- oder Konzerngesellschaft sind vertragliche Ansprüche hingegen eher denkbar, da die Geschädigten mit dieser häufig über ein Arbeitsverhältnis verbunden sind. Daneben kommen auch hier deliktische Ansprüche in Frage.

§ 8 Klagen gegen deutsche Mutteroder Abnehmergesellschaften Die deutsche Gesellschaft und die ausländischen Kläger haben typischerweise keinen Vertrag geschlossen. Etwas anderes würde nur dann gelten, operierte die deutsche Gesellschaft selbst im Ausland und beschäftigt dort bei ihren Projekten eigene Arbeitnehmer. Das geschieht jedoch nur in Ausnahmefällen. Im Regelfall wirkt sie im Ausland mittels ausländischer Konzern- oder Zuliefererbetriebe, also separaten Rechtsträgern.1 Grundsätzlich kommen somit lediglich außervertragliche Ansprüche wegen der Verletzung gesetzlicher Pflichten als Haftungsgrund in Betracht. Nach deutschem Verständnis ließe sich mittels der Figur des Vertrags (mit Schutzwirkung) zu Gunsten Dritter zwischen deutscher Gesellschaft und ausländi1 Zu den verschiedenen modi von Transnationalisierung siehe auch noch unten Kapitel 4, § 12 B.I. (S. 213).

134

Kap. 3: Anwendbares Recht

schen Geschädigten aber möglicherweise doch ein vertragliches Verhältnis begründen. Insbesondere in den zwischen Abnehmer und Zulieferer häufig in den Liefervertrag inkludierten codes of conduct2 lässt sich eventuell ein Vertrag (mit Schutzwirkung) zu Gunsten der mit der Geschäftsaktivität des Zulieferers in Berührung kommenden Menschen erblicken.3

A. Vertragliche Ansprüche Zunächst fragt sich welche die für solche vertraglichen Ansprüche maßgeblichen Kollisionsnormen sind. In Deutschland richtet sich das anwendbare Recht grundsätzlich nach dem europäischen IPR. Vertragliche Schuldverhältnisse regelt die Rom I-VO. Damit diese zur Anwendung gelangt, dürfte sie jedoch nicht von materiellem Einheitsrecht verdrängt worden sein.

I. UN-Kaufrecht Als solches materielles Einheitsrecht kommt für die Vertragsbeziehungen zwischen Abnehmer und Zulieferer das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (UN-Kaufrecht, CISG) in Betracht. Dieses könnte für die dem Vertrag (mit Schutzwirkung) zu Gunsten Dritter zugrundeliegenden Sachverhaltskonstellationen das europäische IPR verdrängen. 1. Anwendungsbereich Fallen die Sachverhalte hier (oder Teile davon) in den Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts, gibt es kein innerstaatliches Privatrecht, an das das IPR anknüpfen könnte, da dann materiell-rechtlich UN-Kaufrecht gilt.4 Dies gilt freilich nur dann, haben die Parteien das UN-Kaufrecht nicht gemäß Art. 6 CISG abgewählt.5 In den 2

Spießhofer, Unternehmerische Verantwortung, 2017, S. 419 ff. Spießhofer, Unternehmerische Verantwortung, 2017, S. 501; Habersack/Ehrl, AcP 219 (2019), 181 f. Keine Rolle spielen vertragliche Konstellationen laut Osieka, Zivilrechtliche Haftung deutscher Unternehmen für menschenrechtsbeeinträchtigende Handlungen ihrer Zulieferer, 2014, S. 240 und von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 304. Einen Vertrag (mit Schutzwirkung) zu Gunsten Dritter explizit ablehnend: Johnson, CCZ 2020, 105; LG Dortmund, Urt. v. 10. 01. 2019, 7 O 95/15, juris Rn. 17. 4 Alternativ ließen sich die Vorschriften über den Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts (Art. 1 – 6) als Kollisionsregeln ansehen. Diese gehen dann der Rom I-VO vor, siehe Art. 25 I Rom I-VO (Junker, Internationales Privatrecht, 2021, S. 33). 5 Das UN-Kaufrecht wird zwar in vielen Fällen abgewählt, unbedeutend für internationale vertragliche Streitigkeiten ist es dennoch nicht. So zeigte eine Umfrage unter deutschen Anwälten, dass in 30 % der Fälle das UN-Kaufrecht einbezogen, in 42 % der Fälle ausgeschlossen ist (Meyer, RabelsZ 69 (2005), 485). Eine spätere Umfrage unter österreichischen Anwälten 3

§ 8 Klagen gegen deutsche Mutter- oder Abnehmergesellschaften

135

hier interessierenden Fällen könnten sich die Vertragsbeziehungen einer von einem ausländischen Vertragspartner Waren (z. B. gefertigte Kleidung) beziehenden deutschen Gesellschaft nach CISG richten: a) Sachlicher Anwendungsbereich Der sachliche Anwendungsbereich (Art. 1 I i. V. m. Art. 3 I CISG) ist eröffnet. Die Vertragsparteien schließen im Beispiel der vom Zulieferer herzustellenden Modekollektion einen dem Kaufvertrag gemäß Art. 3 I CISG gleichgestellten Werklieferungsvertrag. Die Ausnahmen vom sachlichen Anwendungsbereich aus Art. 2 CISG passen nicht. Insbesondere handelt es sich nicht um einen Verbrauchsgüterkauf, eine Versteigerung, einen Kauf aufgrund von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder einen Wertpapier- oder Schiffskauf. Zwar findet das Abkommen gemäß Art. 5 CISG keine Anwendung auf Personenschäden. Dies gilt jedoch nur, soll (1) der Verkäufer für (2) den durch die Ware verursachten Tod oder die Körperverletzung einer Person haften. Beides ist hier nicht der Fall, da es um die Haftung des Käufers für durch mangelhafte Sicherheitsstandards beim Verkäufer (und nicht etwa durch unsachgemäße Herstellung der Kleidung) hervorgerufene Schäden geht. Schließlich ließe sich zwar erwägen, die typischerweise keine gängigen warenlieferungsvertragsrechtlichen Spezifika enthaltenden codes of conduct vom Warenlieferungsvertrag zu isolieren. So würden die codes of conduct (und daraus potenziell folgende Ansprüche aus Verträgen [mit Schutzwirkung] zu Gunsten Dritter) nicht dem CISG-Regime unterfallen. Jedoch gelten dafür sehr enge Grenzen. Handelt es sich um einen Warenlieferungsvertrag, unterfällt regelmäßig das gesamte Vertragskonstrukt dem CISG.6 Eine Aufspaltung des Vertrags in dem CISG einerseits und dem anwendbaren nationalen Recht andererseits unterliegende Teile kommt nach einer Ansicht nur in Ausnahmefällen,7 nach anderer Ansicht überhaupt nicht8 in Betracht. Dementsprechend fallen Schadensersatzansprüche aus Verträgen (mit Schutzwirkung) zu Gunsten der Arbeitnehmer der Zulieferer in den sachlichen Anwendungsbereich des CISG und sind – sofern die Parteien das UN-Kaufrecht nicht gemäß Art. 6 CISG abgewählt haben – dem nationalen Recht entzogen.

ergab, dass das CISG in 28 % der Fälle zumindest einzelfallbezogen angewandt, in 55 % jedoch ausgeschlossen wird (Meyer, ÖJZ 2008, 798). Eine Umfrage unter schweizerischen Rechtsanwälten ergab, dass das CISG in 36 % einzelfallbezogen angewandt, in 6 % der Fälle angewandt und in 40 % ausgeschlossen wird (Meyer, SJZ 2008, 425). 6 Staudinger/Magnus, Art. 3 CISG Rn. 11. 7 Ebd. 8 Reinhart, UN-Kaufrecht, Art. 3 Rn. 4; MüKo-BGB/Huber, Art. 3 CISG Rn. 17; Schlechtriem/Schwenzer-CISG/Ferrari, Art. 3 Rn. 16; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 3 CISG Rn. 16.

136

Kap. 3: Anwendbares Recht

b) Räumlich-persönlicher Anwendungsbereich In räumlich-persönlicher Hinsicht müssen Käufer und Verkäufer in Vertragsstaaten des CISG ansässig sein. Deutschland ist zwar Vertragsstaat. Doch gerade viele Sitzstaaten der Vertragspartner in der transnationalen Textilbranche wie z. B. Bangladesch, Indien, Indonesien, Pakistan und Taiwan sind keine Vertragsstaaten des CISG. Allerdings haben das im internationalen Textilhandel eine herausragende Rolle spielende China sowie die Türkei und Vietnam das Abkommen ratifiziert.9 c) Zeitlicher Anwendungsbereich Schließlich müsste das CISG auch in zeitlicher Hinsicht anwendbar sein. Dies ist jedenfalls dann der Fall, kontrahierten die Parteien nach Inkrafttreten des Abkommens (Art. 100 CISG). Diese Voraussetzung dürfte in allen Fällen erfüllt sein. Sofern also Abnehmer und Zulieferer einen Werklieferungsvertrag schließen und beide in Vertragsstaaten des CISG sitzen, ist dessen Anwendungsbereich eröffnet. 2. Rückgriff auf nationales IPR gemäß Art. 7 II CISG Fraglich ist jedoch, ob das Gericht gemäß Art. 7 II CISG bezüglich Warenlieferungsverträge nicht möglicherweise doch auf das IPR des Forums (also auf die Rom I-VO) zurückgreifen kann. Dafür müsste eine das Abkommen betreffende Frage (1) in diesem nicht ausdrücklich entschieden worden sein und (2) nach den allgemeinen Grundsätzen dieses Abkommens auch nicht entscheidbar sein. Sowohl die dem Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter wie auch die dem Vertrag zu Gunsten Dritter zugrunde liegenden Sachverhaltskonstellationen regelt das CISG nicht ausdrücklich. Die dem Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter zugrunde liegenden Sachverhaltskonstellationen lassen sich auch nicht anhand der allgemeinen Prinzipien des CISG entscheiden. Denn diese betreffen Schadensersatzansprüche Dritter, das CISG hat hingegen eher Ansprüche zwischen den unmittelbaren Vertragsparteien im Blick. Daher lassen sich diese Sachverhalte schlecht mittels der vertragsrechtlichen Prinzipien des CISG lösen. Sie richten sich somit nach nationalem, in Deutschland nach europäischem (Kollisions-)Recht.10 Allerdings können die Parteien mittels ausdrücklicher oder stillschweigender Vereinbarung Dritte in den Vertragsschutz miteinbeziehen.11 Solche Vereinbarungen lassen sich durchaus mittels der CISG-Vorschriften zum Vertragsschluss beurteilen. 9 Zu den Mitgliedsstaaten: United Nations, Contracting Parties CISG, https://uncitral.un. org/en/texts/salegoods/conventions/sale_of_goods/cisg/status. 10 Das ist allgemein anerkannt, siehe Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 14 und Art. 74 CISG Rn. 14; Schlechtriem/Schwenzer-CISG/Schwenzer, Art. 74 Rn. 15; MüKo-BGB/Huber, Art. 74 CISG Rn. 6; BGH, Urt. v. 12. 02. 1998, I ZR 5 – 96, NJW 1998, 3206. 11 Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 14 und Art. 74 CISG; Schlechtriem/Schwenzer-CISG/ Schwenzer, Art. 74 Rn. 15.

§ 8 Klagen gegen deutsche Mutter- oder Abnehmergesellschaften

137

Die dem Vertrag zu Gunsten Dritter zugrunde liegenden Sachverhaltskonstellationen unterfallen somit dem CISG-Regime. Bis auf Ansprüche aus dem Vertrag zu Gunsten Dritter ist somit das europäische Kollisionsrecht, namentlich die Rom I-VO zur Anwendung berufen. Kontrahiert der deutsche Abnehmer mit einem nicht in einem Vertragsstaat des CISG ansässigen Zulieferer, findet das UN-Kaufrecht überhaupt keine Berücksichtigung, da der räumlich-persönliche Anwendungsbereich nicht eröffnet ist. In diesem Fall unterliegen auch die dem deutschen Vertrag zu Gunsten Dritter zugrunde liegenden Sachverhaltskonstellationen dem europäischen Kollisionsrecht. Gleiches gilt, haben der Abnehmer und Zulieferer das UN-Kaufrecht gemäß Art. 6 CISG abgewählt.

II. Rom I-VO 1. Anwendungsbereich Fraglich ist, ob den verbleibenden Fällen der Anwendungsbereich der Rom I-VO für Sachverhaltskonstellationen wie die dem Vertrag zu Gunsten Dritter oder die dem Vertrag mit Schutzwirkungen zu Gunsten Dritter Zugrundeliegenden eröffnet ist. Die dem Vertrag zugunsten Dritter zugrundeliegenden Sachverhaltskonstellationen unterfallen unzweifelhaft der Rom I-VO.12 Dafür ist der sachliche Anwendungsbereich der Rom I-VO eröffnet. Die im deutschen Recht dem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter unterfallenden Sachverhalte könnten hingegen sowohl deliktisch als auch vertraglich qualifiziert werden.13 Handelt es sich dabei um ein außervertragliches Schuldverhältnis, wäre bereits der sachliche Anwendungsbereich der Rom I-VO verschlossen. Dieser erstreckt sich gemäß Art. 1 I Rom I-VO nur auf vertragliche Schuldverhältnisse in Zivil- und Handelssachen. In erster Linie spricht auch die Natur des Vertrags als „freiwillig eingegangene (Selbst-)Verpflichtung“14 gegen eine vertragliche und für eine außervertragliche 12

ECPIL/Mankowski, Art. 1 Rome II Rn. 63; MüKo-BGB/Martiny, Art. 1 Rom I-VO Rn. 17; MüKo-BGB/Spellenberg, Art. 12 Rom I-VO Rn. 63; Staudinger/Magnus, Art. 12 Rom I-VO Rn. 37. 13 Für deliktische Qualifikation: Dutta, IPRax 2009, 294 ff.; MüKo-BGB/Junker, Art. 1 Rom II-VO Rn. 16; Martiny, FS Magnus, 2014, S. 491 f.; Schinkels, JZ 2008, 279 f.; Palandt/ Thorn, Art. 12 Rom I-VO Rn. 5; Güngör, Sorgfaltspflichten für Unternehmen in transnationalen Menschenrechtsfällen, 2016, S. 99 f.; von Hein, in: Rauscher EuZPR-EuIPR Kommentar, Art. 1 Rom I-VO Rn. 10; BeckOGK/Paulus, Art. 1 Rom I-VO Rn. 28; Ostendorf, IPRax 2019, 299; Junker, Internationales Privatrecht, 2021, S. 116; a. A. (vertragliche Qualifikation) Staudinger/Magnus, Art. 12 Rom I-VO Rn. 37; Haider, Haftung von transnationalen Unternehmen und Staaten für Menschenrechtsverletzungen, 2019, S. 343 f.; OLG Hamburg, Urt. v. 21. 05. 1981, 6 U 186/80, VersR 1983, 350; Ferrari, in: Internationales Vertragsrecht, 2018, Art. 12 Rom I-VO Rn. 13. 14 So die Abgrenzungsformel des EuGH, Urt. v. 18. 07. 2013, C-147/12, EuZW 2013, 704 – ÖFAB, Östergötlands Fastigheter AB/Frank Koot u. a. und EuGH, Urt. v. 21. 01. 2016, C-359/14

138

Kap. 3: Anwendbares Recht

Qualifikation. Anders als beim vertraglich zu qualifizierenden15 Vertrag zu Gunsten Dritter, fehlt es beim Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter an dieser freiwilligen (Selbst-)Verpflichtung. Einen Vertrag haben Anspruchssteller und Anspruchsgegner hier – anders als beim Vertrag zugunsten Dritter oder bei der parallel geführten Diskussion zur Qualifikation der Haftung für die Verletzung von Bestandsinteressen eines Vertragspartners – gerade nicht geschlossen.16 Dagegen ließe sich – entsprechend dem deutschen dogmatischen Verständnis – jedoch anführen, dass es sich im Ausgangspunkt um vertragliche Nebenpflichten handelt, die auf Dritte erstreckt werden.17 Mittels des Rechtsinstituts würde somit die Reichweite eines Vertrages bestimmt.18 Das trifft jedoch lediglich auf die deutsche (und österreichische19) Rechtslage zu. Diese ist aber für die unionsautonome Qualifikation nicht allein maßgeblich. Vielmehr sind zur Auslegung und Qualifikation von EU-Recht auch der Wortlaut der Vorschrift, ihre Entstehungsgeschichte, Ziele und Systematik der Verordnung, sowie allgemeine Rechtsgrundsätze, die sich aus der Gesamtheit der nationalen Rechtsordnungen ergeben, zu Rate zu ziehen.20 Maßgeblich ist somit u. a. eine Gesamtschau der europäischen Rechtsordnungen und nicht nur die Deutsche. Eine solche Gesamtschau zeichnet aber ein anderes Bild.21 Anders als hierzulande (die deutsche Rechtsordnung kennt durchaus auch vertragliche Haftungstatbestände wegen Körper- oder Eigentumsverletzungen) findet man nämlich in vielen europäischen Rechtsordnungen den Schutz von Körper und Eigentum nicht im Vertragsrecht, sondern überwiegend im Deliktsrecht.22 Der Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter ist den Niederlanden, Spanien, Dänemark, Griechenland und weitestgehend auch Portugal daher unbekannt.23 Eine Rechtsund C-475/14, NJW 2016, 1006 Rn. 44 – ERGO Insurance SE/If P&C Insurance AS u. a.; zustimmend Martiny, FS Magnus, 2014, S. 486. 15 ECPIL/Mankowski, Art. 1 Rome II Rn. 63; MüKo-BGB/Martiny, Art. 1 Rom I-VO Rn. 17; MüKo-BGB/Spellenberg, Art. 12 Rom I-VO Rn. 63; Staudinger/Magnus, Art. 12 Rom I-VO Rn. 37. 16 Siehe dazu v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht, Band I, 1999, S. 460 ff. und auch noch unten Kapitel 3, § 9 A.1.b) (S. 172 f.). 17 So die Konzeption des RG zum Vertrag mit Schutzwirkungen zu Gunsten Dritter in Urt. v. 05. 10. 1917, III 145/17, RGZ 91, 24; Urt. v. 10. 02. 1930, VI 270/29, RGZ 127, 222; Urt. v. 29. 09. 1936, III 46/36, RGZ 152, 177. Später dann BGH, Urt. v. 10. 05. 1994, VI ZR 192/93, NJW 1994, 2419. 18 Staudinger/Magnus, Art. 12 Rom I-VO Rn. 37; Haider, Haftung von transnationalen Unternehmen und Staaten für Menschenrechtsverletzungen, 2019, S. 343 f. 19 v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht, Band I, 1996, S. 480. 20 Heinze, FS Kropholler, 2008, S. 109 f. m. w. N. 21 Rechtsvergleichende Argumentation gegen eine vertragliche Qualifikation bei Dutta, IPRax 2009, 297. 22 v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht, Band I, 1996, S. 479 – 482. 23 Ebd., S. 460 – 472 und 480 für die griechische, dänische, italienische, niederländische und portugiesische Rechtsordnung. Demgegenüber steht die Einordnung dieser Sachverhaltskonstellationen durch das common law und die Rechtsordnungen Deutschlands und Österreichs.

§ 8 Klagen gegen deutsche Mutter- oder Abnehmergesellschaften

139

ordnung, die nicht einmal einer Vertragspartei vertragliche Ansprüche wegen Körper- oder Eigentumsverletzungen zugesteht, wird die gleichen Ansprüche erst recht keinem Dritten, am Vertrag Unbeteiligten zubilligen.24 In einigen europäischen Rechtsordnungen entscheidet somit das Deliktsrecht über die dem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zugrunde liegenden Sachverhaltskonstellationen. Darüber hinaus wurde das Rechtsinstitut in den entsprechenden Rechtsordnungen allein deshalb geschaffen, um Schwächen des jeweiligen Deliktsrechts auszugleichen.25 So kann z. B. der Anspruch eines in einem Supermarkt auf einer Bananenschale ausrutschenden Begleiters eines Kunden an einem erbrachten Entlastungsbeweis des Geschäftsherrn scheitern.26 Wird der Betreiber des Supermarkts aber vertraglich in Anspruch genommen, hat er nach § 278 BGB nicht die Möglichkeit, sich zu exkulpieren.27 Darüber hinaus kann der Dritte sich in diesen Konstellationen nicht auf Ansprüche aus unerlaubter Handlung stützen, da das deutsche Deliktsrecht die Haftung für reine Vermögensschäden (abseits von § 826 BGB) nicht zulässt.28 Im Ergebnis müssen die dem Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte zugrunde liegenden Fallkonstellationen daher außervertraglich qualifiziert werden. Eine vertragliche Qualifikation nach Art. 1 I Rom I-VO scheidet aus.29 Für die dem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zugrunde liegenden Fallkonstellationen ist in sachlicher Hinsicht die Rom II-VO maßgeblich. Nur für die dem Vertrag zugunsten Dritter zugrunde liegenden Sachverhalte ist somit der sachliche Anwendungsbereich der Verordnung eröffnet. Darüber hinaus ist in diesen Fällen auch der räumliche und zeitliche Anwendungsbereich eröffnet. 2. Art. 4 Rom I-VO (Grundanknüpfung) Sofern sich die dem Vertrag zu Gunsten Dritter zugrunde liegenden Sachverhalte nicht nach UN-Kaufrecht richten, weil der ausländische Vertragspartner nicht in einem Vertragsstaat sitzt oder die Parteien es gemäß Art. 6 CISG abbedungen, aber keine Rechtswahl gemäß Art. 3 Rom I-VO vorgenommen haben, bestimmt die Rom I-VO, namentlich Art. 4 I, das anwendbare Recht.30 Hier vertreten manche 24

Ebd. Kötz, Europäisches Vertragsrecht, 2015, S. 478; Dutta, IPRax 2009, 297; v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht, Band I, 1996, S. 479 f.; ders., JuS 1982, 641; von Hein, in: Rauscher EuZPR-EuIPR Kommentar, Art. 1 Rom I-VO Rn. 10; ECPIL/Mankowski, Art. 1 Rome II Rn. 63. 26 Kötz, Europäisches Vertragsrecht, 2015, S. 479. 27 Haftung ohne Entlastungsmöglichkeit, siehe BeckOK-BGB/Lorenz, § 278 Rn. 1; MüKoBGB/Wagner, § 831 Rn. 2. 28 Das sind jedoch nicht die einzigen Schutzlücken, siehe mit Fallbeispielen Kötz, Europäisches Vertragsrecht, 2015, S. 479 – 481 und v. Bar, JuS 1982, 641. 29 Siehe zum Meinungsstand oben Kap. 3 Fn. 13. 30 Wie bereits erwähnt wird der Vertrag zugunsten Dritter unstreitig vertraglich qualifiziert, siehe ECPIL/Mankowski, Art. 1 Rome II Rn. 63; MüKo-BGB/Martiny, Art. 1 Rom I-VO 25

140

Kap. 3: Anwendbares Recht

Autoren, der code of conduct lasse sich als Dienstleistungsvertrag i. S. v. Art. 4 I b) Rom I-VO einsortieren. Anwendbar wäre dann das Recht des Staates, in dem der Dienstleister seinen Sitz hat. Die Autoren begreifen den deutschen Abnehmer als Dienstleister. Die Dienstleistung sehen sie in der Ergreifung rechtsgüterschützender Maßnahmen für die Arbeitnehmer des Zulieferers. So ließe sich umfassend – also nicht nur partiell mittels Art. 7 Rom II-VO31 – deutsches Recht anwenden.32 Hierbei erscheint jedoch zweifelhaft, ob der code of conduct als vom Liefervertrag wirklich isoliert und anschließend als Dienstleistungsvertrag begriffen werden kann. Der code of conduct ist nämlich Teil oder zumindest Annex zum Liefervertrag (und nicht etwa ein separater Vertrag). An welche der verschiedenen Vertragsarten der Rechtsanwender innerhalb der Sammlung des Art. 4 I Rom I-VO anknüpft, beurteilt sich nach der den Schwerpunkt des Vertrags bildenden Leistung.33 Schwerpunkt des Vertrags zwischen Zulieferer und Abnehmer kann aber nur die Herstellung und Lieferung von Einzelhandelswaren sein. Nur zu diesem Zweck kontrahieren die Parteien. Die oben genannte Argumentation liefe darauf hinaus, Sinn und Zweck des Liefervertrags des deutschen Textilvertriebs A mit dem bspw. bangladeschischen Zulieferer B sei die Verbesserung von z. B. Arbeitsschutzstandards bei Letzterem mittels Verhaltenskodizes. Das verzerrt jedoch die Interessenlage. Wahrscheinlicher ist, dass A mit B kontrahiert, um günstige Einzelhandelswaren zu erwerben und anschließend vertreiben zu können und nicht etwa, um Sozialstandards im globalen Süden zu verbessern. Ob man im Rahmen von Abs. 1 auf a) (Kaufvertrag) oder b) (Dienstleistungsvertrag mit Zulieferer als Werklieferer) abstellt, kann dahinstehen. Beide führen zum Recht am Sitz des Zulieferers, mithin zu ausländischem Recht. Eine Abs. 1 verdrängende, offensichtlich engere Verbindung nach Deutschland (Sitz des Käufers bzw. des die Dienstleistung Beanspruchenden) gemäß Abs. 3 ist nicht ersichtlich. Wenn man überhaupt eine engere Verbindung des Vertrags zu einem der Sitzstaaten sieht, läge diese hier im Sitzstaat des Zulieferers, da dieser dort die Waren fertigt. Die dem Vertrag zugunsten Dritter zugrunde liegenden Sachverhalte richten sich mithin nach ausländischem Recht.

Rn. 17; MüKo-BGB/Spellenberg, Art. 12 Rom I-VO Rn. 63; Staudinger/Magnus, Art. 12 Rom I-VO Rn. 37. 31 Kapitel 3, § 8 B.II. (S. 143 ff.). 32 So die Argumentation von Reinke/Zumbansen, Transnational Liability Regimes in Contract, Tort and Corporate Law, 2019, S. 15 – 17. Ähnlich Heinlein, NZA 2018, 279, die aber auf Art. 4 II Rom I-VO abhebt und das „Versprechen [des Abnehmers], der Lieferant werde den bei ihm Beschäftigten Leistungen zur Förderung ihrer Arbeitssicherheit und zum Schutz ihrer Gesundheit zukommen lassen“ als charakteristische Leistung i. S. v. Abs. 2 ansieht. 33 BeckOK-BGB/Spickhoff, Art. 4 Rom I-VO Rn. 6 mit Verweis auf S. 3 von Erwgr. 19 der Rom I-VO.

§ 8 Klagen gegen deutsche Mutter- oder Abnehmergesellschaften

141

B. Deliktische Ansprüche Die Rechtsverhältnisse zwischen Geschädigten und deutscher Gesellschaft sind größtenteils außervertraglich zu qualifizieren. Außervertragliche Schuldverhältnisse richten sich nach der Rom II-VO, sofern der Anwendungsbereich der VO eröffnet ist. Der sachliche Anwendungsbereich könnte insbesondere für die Verletzung von Persönlichkeitsrechten (Art. 1 II lit. g) Rom II-VO) verschlossen sein. Für die hier relevanteren – weil schwerwiegenderen – Rechtsgutsverletzungen wie z. B. Körperverletzungen ist der Anwendungsbereich hingegen ohne Weiteres eröffnet. Dass die Parteien eine Rechtswahl treffen (Art. 14 Rom II-VO), ist unwahrscheinlich.34 Deshalb sind die gesetzlichen Anknüpfungen für unerlaubte Handlungen zu prüfen (Art. 4 – 9 Rom II-VO). Dabei haben die besonderen Anknüpfungen nach Art. 5 – 9 Rom II-VO (Produkthaftung, unlauterer Wettbewerb, Umweltschädigung und Verletzung Rechten des geistigen Eigentums) Vorrang vor der allgemeinen Regel des Art. 4 Rom II-VO.35 Von den besonderen Anknüpfungen ist hier Art. 7 Rom II-VO (Umweltschädigung) von besonderem Interesse.36 Da dieser jedoch nicht alle der hier interessierenden Fälle abdeckt, wird danach die Grundanknüpfung des Art. 4 Rom II-VO thematisiert.37

I. Sachlicher Anwendungsbereich der Rom II-VO bei Persönlichkeitsverletzungen Art. 1 II lit. g) Rom II-VO enthält eine Bereichsausnahme für „außervertragliche Schuldverhältnisse aus der Verletzung der Privatsphäre oder der Persönlichkeitsrechte, einschließlich der Verleumdung“. Für diese Art von Schuldverhältnissen ist der sachliche Anwendungsbereich der VO nicht eröffnet. Im deutschen Verständnis schützt das allgemeine Persönlichkeitsrecht überaus mannigfaltige Rechtspositionen. Es schützt Zwangs-38 und Kinderarbeit39 wie auch Diskriminierung40. Darüber 34 Siehe jedoch zu Besonderheiten des KiK-Falls, die jedoch nicht idealtypisch für die Fälle hier verstanden werden können: Ostendorf, IPRax 2019, 298; von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 311 f.; Stahl, Haftung von Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen, 2020, S. 26 – 29. 35 Diese Prüfungsreihenfolge ergibt sich aus der Systematik der Rom-II VO, MüKo-BGB/ Junker, Art. 4 Rom II-VO Rn. 9. 36 Kapitel 3, § 8 B.II. (S. 143 ff.). 37 Kapitel 3, § 8 B.III. (S. 151 ff.). 38 Hennies, Entschädigung für NS-Zwangsarbeit vor und unter der Geltung des Stiftungsgesetzes vom 2. 8. 2000, 2006, S. 107 – 110; Heinen, in: Die Durchsetzung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen, 2018, S. 96; Schröder, JURA 1994, 128 f.; Frauendorf, ZRP 1999, 4. Siehe auch von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 293 f. 39 von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 297. Zurückhaltend zustimmend: Habersack/Ehrl, AcP 219 (2019), 195.

142

Kap. 3: Anwendbares Recht

hinaus schützt das allgemeine Persönlichkeitsrecht beleidigende Äußerungen des Arbeitgebers gegenüber seinen Arbeitnehmern, geheime Überwachung am Arbeitsplatz oder die Ausforschung privater Informationen vor der Einstellung.41 Unterfallen all jene Rechtspositionen der Bereichsausnahme, müsste das deutsche Gericht bei diesen Deliktsklagen das anwendbare Recht mittels deutsch-autonomem Kollisionsrecht bestimmen. Anzuwenden wäre hier die Grundregel des Art. 40 EGBGB.42 Diskriminierungen erfasst die Bereichsausnahme nicht. Sie richten sich regulär nach Rom II.43 Denn Diskriminierungen erschöpfen sich nicht in Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Vielmehr kann im Antidiskriminierungsrecht europäischer Herkunft (insbesondere §§ 21 und 15 AGG) eine merkmalsbezogene Handlung bereits dann Verpflichtungen zum Schadensersatz auslösen, wenn sie nur zu einer objektiven Schlechterstellung der Person führt.44 Eine tatsächliche Verletzung der Persönlichkeitsrechte kann, muss darin aber nicht liegen.45 Die restlichen Konstellationen (Zwangs- und Kinderarbeit, Verleumdungen durch den Arbeitgeber, geheime Überwachung am Arbeitsplatz, Ausforschung privater Informationen vor der Einstellung) unterfallen ebenfalls nicht der Bereichsausnahme. Zunächst darf man keinen deutschen Maßstab an das Verständnis des allgemeinen Persönlichkeitsrechts anlegen. Die Bereichsausnahme wird nämlich nicht nach der lex fori, sondern unionsautonom ausgelegt.46 Und ein der deutschen Konzeption entsprechendes, weites Begriffsverständnis des allgemeinen Persönlichkeitsrechts hatte der Verordnungsgeber nicht vor Augen. Erstens muss die Ausnahme – wie alle Ausnahmen47 – eng ausgelegt werden.48 Zweitens hatte der Verordnungsgeber ausschließlich Delikte begangen von Medienunternehmen im Sinn.49 Es 40 Nomos Kommentar AGG/Deinert, § 15 Rn. 143. Ausführlich dazu von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 284 – 288. 41 von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 305 f. 42 Osieka, Zivilrechtliche Haftung deutscher Unternehmen für menschenrechtsbeeinträchtigende Handlungen ihrer Zulieferer, 2014, S. 249 f.; von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 306. 43 Lüttringhaus, Grenzüberschreitender Diskriminierungsschutz, 2010, S. 95 f.; Lehmann, in: Hüßtege/Mansel, Nomos Kommentar zum BGB, Art. 4 Rom II-VO Rn. 67; von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 306; Habersack/Ehrl, AcP 219 (2019), 183. 44 Lüttringhaus, Grenzüberschreitender Diskriminierungsschutz, 2010, S. 95 f. m. w. N. 45 Ebd. 46 Zur Auslegung und Qualifikation materiell-rechtlicher Begriffe im Gemeinschaftsrecht: Heinze, FS Kropholler, 2008, S. 109 f. 47 EuGH, Urt. v. 27. 09. 1988, C-189/87, NJW 1988, 3088 Rn. 19 – Kalfelis und EuGH, Urt. v. 15. 02. 1989, C-32/88, EuZW 1990, 35 Rn. 18 – Six Constructions. 48 Bittmann, in: Europäisches Kollisionsrecht, 2016 Rn. 232. 49 Communication from the Commission to the European Parliament, COM(2006) 566, S. 3 (englische Fassung); Lüttringhaus, Grenzüberschreitender Diskriminierungsschutz, 2010, S. 96 Fn. 74.

§ 8 Klagen gegen deutsche Mutter- oder Abnehmergesellschaften

143

entspricht daher seinem Willen, auch nur solche Delikte aus der Rom II-VO auszunehmen. Dagegen ließe sich zwar einwenden, dass er Art. 1 II lit. g) auch dementsprechend hätte ausgestalten können, man ihn somit beim Wort nehmen müsse.50 Jedoch waren sich das EU-Parlament und auch die Mitgliedsstaaten innerhalb des Rates einig, dass die Bereichsausnahme ausschließlich für Delikte, begangen von Medienunternehmen gelten sollte. Sie konnten lediglich keine Einigung hinsichtlich des Terminus „Medien“ erzielen.51 Beleidigungen oder Ausforschungen durch den Arbeitgeber, die nicht einmal öffentlich werden, geschweige denn von einem Medienunternehmen verbreitet wurden, sollten nie erfasst werden. Gleiches gilt für Zwangs- oder Kinderarbeit. Daran hatte man nicht einmal gedacht. In den Fällen hier verbleibt daher kein Anwendungsspielraum für die Bereichsausnahme. Es bleibt somit bei den in Rom II vorgesehenen Anknüpfungspunkten.52

II. Art. 7 Rom II-VO (Umweltschäden) Umweltschäden und Rechtsgutsverletzungen korrelieren in vielen Fällen. Daher kann Art. 7 Rom II-VO Geschädigten eine vorteilhafte Rechtsposition bieten. Die Norm offeriert dem Kläger ein Wahlrecht (eine Option) zwischen Erfolgs- und Handlungsort. Ist sie einschlägig und hat der Kläger von seinem Optionsrecht Gebrauch gemacht, darf für die erfassten Fälle nicht mehr auf Ausnahmetatbestände der Grundanknüpfung gemäß Art. 4 II und II Rom II-VO zurückgegriffen werden.53 Unter Umweltschädigungen fasst Erwgr. 24 zur Rom II-VO „eine nachteilige Veränderung einer natürlichen Ressource, wie Wasser, Boden oder Luft, eine Beeinträchtigung einer Funktion, die eine natürliche Ressource zum Nutzen einer anderen natürlichen Ressource oder der Öffentlichkeit erfüllt, oder eine Beeinträchtigung der Variabilität unter lebenden Organismen“. 1. Rechtsgutsverletzungen und Umweltschutz Kommt es zu Schädigungen der Umwelt als Lebensgrundlage vieler Menschen, so können damit Verletzungen des Rechts auf Leben (Art. 2 EMRK) und Eigentum

50

Breidenstein, FamFR 2012, 175. Bach, in: Rome II Pocket Commentary, Art. 1 Rn. 54; Communication from the Commission to the European Parliament, COM(2006) 566, S. 3 (englische Fassung). 52 A. A. hinsichtlich geheimer Überwachung am Arbeitsplatz oder Ausforschung privater Informationen vor Einstellung: von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 306. Ohne Einschränkungen und daher a. A. hinsichtlich aller Konstellationen: Osieka, Zivilrechtliche Haftung deutscher Unternehmen für menschenrechtsbeeinträchtigende Handlungen ihrer Zulieferer, 2014, S. 248 f. 53 MüKo-BGB/Junker, Art. 7 Rom II-VO Rn. 7. 51

144

Kap. 3: Anwendbares Recht

(Art. 1 Zusatzprotokoll 1 EMRK) einhergehen.54 Oder deliktsrechtlich gesprochen (und worauf es für Art. 7 Rom II-VO ankommt): Durch Umweltschädigungen können auch Rechtsgüter von Individuen verletzt werden. So kamen im Fall Trafigura,55 in dem das Schiff Probo Koala Giftmüll vor der Hauptstadt der Elfenbeinküste Abidjan ablud, 15 Menschen ums Leben. 69 mussten stationär behandelt werden. Im Fall Bhopal56 sind das ehemalige Fabrikgelände und die umliegenden Gebiete kontaminiert. Schätzungen zufolge kamen 25.000 Menschen ums Leben. Im Fall Shell57 kam es in Folge des Abfackelns von bei der Erdölförderung ans Tageslicht kommender Begleitgases zu Atemwegserkrankungen vieler Menschen. Darüber hinaus wurde durch die Öllecks Trinkwasser vergiftet, was ebenfalls erhebliche Gesundheitsschädigungen zur Folge hatte. In den Fällen Vale58 und Lahmeyer59 kamen in Folge der Staudammbrüche nicht nur Menschen ums Leben, sondern in ganzen Gebieten wurde Flora und Fauna vernichtet. All diese Fälle zeigen, dass Rechtsgutsverletzungen und Umweltschutz miteinander verwoben sind und sich gegenseitig bedingen. Zugleich ist Umweltschutz nur notwendige, nicht hingegen hinreichende Bedingung für die vollständige Realisierung von Rechtsgüterschutz.60 Die beiden Felder sind nicht deckungsgleich. Deshalb wird im Folgenden die Grundregel aus Art. 4 I Rom II-VO trotz der Sperrwirkung von Art. 7 Rom II-VO untersucht. Denn viele andere Fälle, in denen deliktische Rechtsgüter betroffen sind, fallen nicht unter die Anknüpfung wegen Umweltschädigung und müssen daher mangels besonderer Regelungen aus den Art. 5 – 9 Rom II-VO anhand der Grundanknüpfung des Art. 4 Rom II-VO beurteilt werden. 2. Handlungsort Unter der Formulierung „schadensbegründendes Ereignis“ in Art. 7 Rom II-VO wird der Handlungsort verstanden.61 Der Handlungsort meint den Ort, „an dem die 54 Augenstein, The Human Rights Dimension of Environmental Protection in EU External Relations Post-Lisbon, 2011, S. 4. 55 Kapitel 1, § 2 A.IX. (S. 43). 56 Kapitel 1, § 2 A.I. (S. 32). 57 Kapitel 1, § 2 A.II. Zum Shell-Fall ist zu bemerken, dass die Anknüpfung nach Art. 7 Rom II-VO nicht durch das Protokoll vom 27. 11. 1992 über die zivilrechtliche Haftung für Ölverschmutzungsschäden verdrängt wird, siehe Thynes, Außervertragliche Haftung für Schäden Dritter beim Gefahrguttransport, 2010, S. 132. Den Eindruck erweckend, dass jegliche Ölschäden durch das benannte Abkommen geregelt werden und insofern irreführend: von Plehwe, in: Hüßtege/Mansel, Nomos Kommentar zum BGB, Art. 7 Rom II-VO Rn. 13. 58 Kapitel 1, § 2 D.II. (S. 51). 59 Kapitel 1, § 2 D.I. (S. 50). 60 Augenstein, The Human Rights Dimension of Environmental Protection in EU External Relations Post-Lisbon, 2011, S. 4. 61 BeckOGK/Huber, Art. 7 Rom II-VO Rn. 34; jurisPK-BGB/Wurmnest, Art. 7 Rom II-VO Rn. 51; Soergel-BGB/Remien Art. 7 Rom II-VO Rn. 19; MüKo-BGB/Junker, Art. 7 Rom IIVO Rn. 21.

§ 8 Klagen gegen deutsche Mutter- oder Abnehmergesellschaften

145

für den Schaden ursächliche deliktische Handlung vorgenommen wurde.“62 Bei Unterlassungen ist dies der Ort, an dem der Verantwortungsträger hätte handeln müssen.63 a) In Betracht kommende Handlungen Hier kommen in manchen Fällen mehrere Handlungen und damit auch Orte in Betracht. Es ließe sich an die Handlung oder Unterlassung der Konzern- bzw. Zulieferergesellschaft im Gaststaat anknüpfen. Dies wäre beispielsweise im Shell-Fall die unterlassene Kontrolle von außer Betrieb gesetzten Ölpumpen durch Shell Petroleum Development Company ltd (nigerianische Tochter), welche infolgedessen leckten und die Landschaft mit einem Ölteppich überzogen. Darüber hinaus ließe sich jedoch auch auf die Entscheidung von Royal Dutch Shell plc in ihrer Den Haager Konzernzentrale abstellen, aus Kostengründen grundsätzlich keine Kontrolle der zahlreichen Ölpumpen nach deren Stilllegung durchzuführen.64 Nur wenn auch solche Entscheidungen in der Konzernzentrale erfasst werden, käme dem Optionsrecht des Geschädigten in den vorliegenden Fällen überhaupt praktische Relevanz zu. Ansonsten führt sowohl die Anknüpfung an den Erfolgs- als auch den Handlungsort zur Anwendung derselben, nämlich der ausländischen Rechtsordnung. Zwar können bloße Vorbereitungshandlungen nicht als schadensbegründende Handlungen angesehen werden.65 Bei einer entsprechenden Entscheidung in der Konzernzentrale kann man jedoch nicht von einer bloßen Vorbereitungshandlung ausgehen. Insbesondere in Fällen, in denen es die im Konzern herrschenden Machtverhältnisse zulassen, dass eine Konzernmutter Handlungsrichtlinien oder gar konkrete Handlungen vorgibt, ist das Resultat dieser Vorgaben unmittelbar auf diese Vorgaben zurückführbar. Darüber hinaus bezieht sich der Ausschluss von Vorbereitungshandlungen nur auf mehrere Handlungen der gleichen Person und nicht – wie hier – auf mehrere Handlungen unterschiedlicher Personen.66 Schließlich geht es hier gerade um Klagen gegen die deutsche (und nicht die ausländische) Gesellschaft. Es wäre daher seltsam, den 62

jurisPK-BGB/Wurmnest, Art. 7 Rom II-VO Rn. 52; Sinngemäß ebenso: MüKo-BGB/ Junker, Art. 7 Rom II-VO Rn. 22; Lehmann/Eichel, RabelsZ 83 (2019), 91; Matthes, GPR 2011, 148. 63 Calliess-Rome Regulations/von Hein, Art. 7 Rome II Rn. 18; Erman-BGB/Stürner, Art. 7 Rom II-VO Rn. 12; MüKo-BGB/Junker, Art. 7 Rom II-VO Rn. 22. 64 Ob dies im realen Fall so vorgefallen ist, ist nicht erwiesen, sondern wird für die hier verfolgten Zwecke unterstellt. 65 Erman-BGB/Stürner, Art. 7 Rom II-VO Rn. 12; Soergel-BGB/Remien, Art. 7 Rom IIVO Rn. 20; MüKo-BGB/Junker, Art. 7 Rom II-VO Rn. 22; Calliess-Rome Regulations/von Hein, Art. 7 Rome II-VO Rn. 18; von Plehwe, in: Hüßtege/Mansel, Nomos Kommentar zum BGB, Art. 7 Rom II-VO Rn. 19; BeckOGK/Huber, Art. 7 Rom II-VO Rn. 38. 66 So implizit BeckOGK/Huber, Art. 7 Rom II-VO Rn. 38 f. und explizit Mansel, ZGR 2018, 460 f. A. A. Wagner, RabelsZ 83 (2016), 744; Lehmann/Eichel, RabelsZ 83 (2019), 96; in diese Richtung auch: Halfmeier, in: Zivil- und strafrechtliche Unternehmensverantwortung für Menschenrechtsverletzungen, 2018, S. 41.

146

Kap. 3: Anwendbares Recht

Handlungsort ausschließlich anhand der von einem anderen Rechtsträger vorgenommenen Handlungen zu bestimmen.67 Grundsätzlich kommen somit die Handlungen bzw. Unterlassungen beider Gesellschaften als Handlung für Art. 7 Rom II-VO in Betracht. b) Mosaik- oder Einheitslösung Jedoch ist auch abseits dieser Erwägungen fraglich, ob an verschiedene Verletzungshandlungen angeknüpft werden kann (sog. „Mosaiklösung“) oder aber eine maßgebliche Handlung bestimmt werden muss („Einheitslösung“).68 Der EuGH hat sich in einem Urteil zum Handlungsort in Art. 8 II Rom II-VO für die Einheitslösung entschieden69 und damit den Handlungsort konkretisiert. Diese Entscheidung ist begrüßenswert, da – wie auch die hier interessierenden Fälle zeigen – der Handlungsort bei mehreren Handlungen verschiedener Personen an verschiedenen Orten belegen sein kann. Die Einheitslösung bringt so die Interessen des Klägers und des Beklagten in einen angemessenen Ausgleich: Der Beklagte kann sich nur schwer rechtskonform verhalten, ist für ihn nicht eindeutig, welcher Rechtsordnung er Folge leisten muss.70 Die Regelung erzeugt Rechtsunsicherheit.71 Übertragen auf die vorliegenden Fälle hieße das allerdings, dass einzig die den Schaden schwerpunktmäßig verursachende Handlung relevant ist.72 Dies wird regelmäßig die Handlung der Konzern-/Zulieferergesellschaft im Gaststaat sein. Sie verursacht den Schaden unmittelbar. Der Lösung des EuGH zufolge würde der Handlungsort somit im Sitzstaat der Konzern-/Zulieferergesellschaft liegen.73 Anders verhält es sich auch 67

So von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 309 für Art. 40 I EGBGB. Gleiches gilt jedoch für Art. 7 Rom II-VO. 68 von Plehwe in: Hüßtege/Mansel, Nomos Kommentar zum BGB, Art. 7 Rom II-VO Rn. 20; Grüger, GRUR-Prax 2018, 65 f. 69 EuGH, Urt. v. 27. 09. 2017, C-24/16, C-25/16, GRUR 2017, 1127 Rn. 111 – Nintendo Co. ltd/BigBen Interactive GmbH ua: „In Fällen, in denen demselben Beklagten verschiedene, in verschiedenen Mitgliedstaaten begangene Verletzungshandlungen vorgeworfen werden, ist bei der Ermittlung des schadensbegründenden Ereignisses nicht auf jede einzelne ihm vorgeworfene Verletzungshandlung abzustellen, sondern es ist eine Gesamtwürdigung seines Verhaltens vorzunehmen, um den Ort zu bestimmen, an dem die ursprüngliche Verletzungshandlung, auf die das vorgeworfene Verhalten zurückgeht, begangen worden ist oder droht.“; von Plehwe in: Hüßtege/Mansel, Nomos Kommentar zum BGB, Art. 7 Rom II-VO Rn. 20. 70 EuGH, Urt. v. 27. 09. 2017, C-24/16, C-25/16, GRUR 2017, 1126 f. Rn. 101 f. – Nintendo Co. ltd/BigBen Interactive GmbH ua. 71 Ebd. 72 Der EuGH erklärt jedoch nicht „den ersten Handlungsakt“ für relevant (so Mansel/Thorn/ Wagner, IPRax 2018, 150). Die Formulierung „ursprüngliche Verletzungshandlung, auf die das vorgeworfene Verhalten zurückgeht“ zielt vielmehr auf eine schwerpunktmäßige Betrachtung ab, siehe von Plehwe in: Hüßtege/Mansel, Nomos Kommentar zum BGB, Art. 7 Rom II-VO Rn. 20. 73 von Plehwe in: Hüßtege/Mansel, Nomos Kommentar zum BGB, Art. 7 Rom II-VO Rn. 20 f.

§ 8 Klagen gegen deutsche Mutter- oder Abnehmergesellschaften

147

nicht, wenn der Mutter-/Abnehmergesellschaft die Handlung der Konzern-/Zulieferergesellschaft zugerechnet werden kann. Dazu nimmt der EuGH zwar nicht explizit Stellung. Der Grund dafür, warum die Besinnung auf eine einzige maßgebliche Handlung (Einheitslösung) sachgerecht ist, ist aber auch hier einschlägig: Je mehr Handlungen für die Anknüpfung in Frage kommen, desto unvorhersehbarer ist die Rechtslage.74 Dafür ist irrelevant, ob die Verletzungshandlungen der deutschen und ausländischen Gesellschaft wechselseitig zurechenbar sind oder nicht. Maßgeblich für die Bestimmung des Handlungsorts ist somit eine maßgebliche Verletzungshandlung. Dies ist hier die unmittelbare Handlung oder Unterlassung an der Produktionsstätte. c) Übertragbarkeit der zu Art. 8 II Rom II-VO ergangenen EuGH-Entscheidung auf Art. 7 Rom II-VO Dies gilt jedoch nur dann, wenn diese zu Art. 8 II Rom II-VO erarbeiteten Grundsätze auf Art. 7 Rom II-VO übertragbar sind. Dafür spricht zunächst, dass sowohl Art. 8 II Rom II-VO, als auch Art. 7 Rom II-VO – trotz leicht unterschiedlicher Formulierungen – beide an den Handlungsort anknüpfen,75 das Kriterium somit einheitlich, also bei beiden Vorschriften gleich auszulegen wäre.76 Wie bereits erwähnt streitet für die Einheitslösung der angemessene Interessenausgleich zwischen Klägern und Beklagten und die Vorhersehbarkeit des anwendbaren Rechts.77 Gegen eine Übertragbarkeit der entwickelten Grundsätze auf Art. 7 Rom II-VO spricht jedoch, dass die Interessenlage und damit auch die Maßgeblichkeit der Vorhersehbarkeit hier eine andere ist, die Begründung für die Auslegung bei Art. 8 mithin nicht auf Art. 7 übertragbar ist. Denn dem Verordnungsgeber zufolge rechtfertigen die Grundsätze der Vorsorge und Vorbeugung sowie der Bekämpfung von Umweltbeeinträchtigungen „in vollem Umfang die Anwendung des Grundsatzes der Begünstigung des Geschädigten“.78 „Indem der Schädiger dem Risiko des kollisionsrechtlich bestimmbaren strengsten Haftungsregimes unterworfen wird, soll das materiell-rechtliche Ziel effektiven Rechtsschutzes unter Vermeidung unerwünschten ,law shoppings‘ durch situs-Wahl und Verhinderung von ,Regulierungsarbitrage‘ auf kollisionsrechtlichem Wege verwirklicht werden.“79 Die Vor74 EuGH, Urt. v. 27. 09. 2017, C-24/16, C-25/16, GRUR 2017, 1126 f. Rn. 101 f. – Nintendo Co. ltd/BigBen Interactive GmbH ua. 75 Dies ergibt sich daraus, dass der EuGH das Kriterium in Art. 8 II Rom II-VO genau wie die Formulierung in Art. 7 verstanden wissen will: „schadensbegründendes Ereignis“, siehe ebd., Rn. 98 f. 76 Siehe zum Gebot einheitlicher Auslegung der Sekundärrechtsakte der Union: Stürner, in: Europäisches Privat- und Wirtschaftsrecht, 2017, S. 523: „Ideal einer einheitlichen Auslegung“ und auch Erwgr. 7 der Rom I und II-VO. 77 EuGH, Urt. v. 27. 09. 2017, C-24/16, C-25/16, GRUR 2017, 1126 f. Rn. 101 f. – Nintendo Co. ltd/BigBen Interactive GmbH ua. 78 Erwgr. 25 Rom II-VO. 79 von Plehwe in: Hüßtege/Mansel, Nomos Kommentar zum BGB, Art. 7 Rom II-VO Rn. 2.

148

Kap. 3: Anwendbares Recht

hersehbarkeit spielt in Art. 7 Rom II-VO aufgrund des Optionsrechts des Geschädigten eine untergeordnetere Rolle als bei Art. 8 II Rom II-VO. Dem Verordnungsgeber war die Prävention von Umweltschädigungen als Verwirklichung gemeinschaftlicher Umweltpolitik i. S. v. Art. 191 II 1 AEUV80 wichtiger. Es besteht insoweit ein Spannungsverhältnis zwischen einheitlicher Auslegung der Rom II-VO einerseits und dem Zweck von Art. 7 Rom II-VO mitsamt seinen primärrechtlichen Zielsetzungen andererseits. Dieses Spannungsverhältnis muss jedoch zu Gunsten des Primärrechts aufgelöst werden: Die angestrebte Kohärenz zwischen den Rechtsakten kann nämlich richtigerweise „keinesfalls zu einer Auslegung der Bestimmungen […] führen, die ihrer Systematik und ihren Zielsetzungen fremd ist“.81 Für diese Sicht streitet auch, dass die Zielsetzung und der Zweck von Art. 7 Rom II-VO dem Primärrecht entstammt und somit in der Normenhierarchie eine bedeutendere Stellung einnimmt. Dass der EuGH die Implikationen seiner Entscheidung auf Art. 7 Rom II-VO nicht einmal erwähnt, ist verwunderlich.82 Nach der hier vertretenen Meinung rechtfertigen die besonderen, sich von Art. 8 II Rom II-VO unterscheidenden Zielsetzungen bei Art. 7 Rom II-VO eine andere Auslegung. Stehen mehrere Handlungen (oder Unterlassungen) verschiedener Rechtsträger in unterschiedlichen Staaten in Rede, kann auch an diese angeknüpft werden.83 Der Rechtsanwender muss daher nicht eine maßgebliche Handlung bestimmen. d) Differenzierung nach Art der Pflicht Der Handlungsort lässt sich aber noch konkreter bestimmen. Nachdem nun geklärt wurde, dass Handlungen bzw. Unterlassungen der deutschen Gesellschaft maßgeblich sein können, lässt sich zusätzlich nach Art dieser Handlungen und Unterlassungen (hier dann nach der Art der Pflicht84) differenzieren.85 Bei einer Pflicht zu sorgsamen Planungs- und Leitungsentscheidungen liegt der Handlungsort dort, wo solche Entscheidungen getroffen werden, also am Verwaltungssitz der 80

Erwgr. 25 Rom II-VO. EuGH, Urt. v. 16.01. 2014, C-45/13, NJW 2014, 1166 Rn. 20 – Kainz. Sinngemäß so auch Schack, in: Kohärenz im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht der Europäischen Union, 2016, S. 284. 82 Aber wohl nicht unüblich: Schack, in: Kohärenz im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht der Europäischen Union, 2016, S. 284. 83 Mit anderer oder ohne Begründung so auch: Garcia-Castrillón, 7 Journal of Private International Law (2011), 571; Enneking, 40 George Washington International Law Review (2009), 928; dies., in: Human Rights in Business, 2017, S. 53; BeckOGK/Huber, Art. 7 Rom IIVO Rn. 38; Meder, HuV 2020, 77 f. Gegen: Wagner, RabelsZ 80 (2016), 743 f.; Halfmeier, in: Zivil- und strafrechtliche Unternehmensverantwortung für Menschenrechtsverletzungen, 2017, S. 41; Soergel-BGB/Remien, Art. 7 Rom II-VO Rn. 20; Castermans/van der Weide, The Legal Liability of Dutch Parent Companies for Subsidiaries‘ Involvement in Violations of Fundamental, Internationally Recognised Rights, 2009, S. 53. 84 Für die Bestimmung des Handlungsorts bei Unterlassungen kommt es darauf an, wo die Handlung hätte vorgenommen werden müssen, siehe Kap. 3 Fn. 63. 85 So von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 307 f., 316 f. 81

§ 8 Klagen gegen deutsche Mutter- oder Abnehmergesellschaften

149

deutschen Gesellschaft.86 Geht es hingegen um Aufsichts- und Kontrollpflichten liegen die Dinge anders. Aufsichts- und Kontrollpflichten müssen am Ort der zu kontrollierenden Situation – dem Zuliefererbetrieb – vorgenommen werden. Hier läge der Handlungsort im Ausland.87 3. Erfolgsort Weitaus weniger kompliziert gestaltet sich die Bestimmung des Erfolgsorts – die andere Option des Geschädigten nach Art. 7 Hs. 1 i. V. m. Art. 4 I Rom II-VO. Erfolgsort meint den Ort des Schadenseintritts.88 Der Schaden realisiert sich im Gaststaat der betreffenden Unternehmensaktivität, also am Ort der Rohstoffförderung, der Fabrik, etc. 4. Analoge Anwendung auf Menschenrechtsbzw. Rechtsgutsverletzungen Art. 7 Rom II-VO räumt dem Umweltschutz innerhalb der Kollisionsnormen der VO eine Sonderstellung ein.89 Warum dann aber nicht auch anderen hochrangigen Unionszielen eine solche Stellung einräumen? Das Primärrecht hebt nicht nur den Umwelt-, sondern auch Menschenrechtsschutz besonders hervor.90 Man könnte daher auf die Idee kommen, Art. 7 Rom II-VO auf Menschenrechtsverletzungen analog anzuwenden.91 Die Analogie im Unionsrecht ähnelt dem deutschen Verständnis und setzt eine Regelungslücke (keine kollisionsrechtliche Sonderanknüpfung für Menschenrechte) sowie eine vergleichbare Interessenlage (gleichrangiger primärrechtlicher Stellenwert von Umwelt- und Menschenrechtsschutz) voraus.92 Zwar ist das Unionsrecht 86

Ebd., S. 309. Ebd.; Aldag, JURA 2020, 1219. 88 von Plehwe, in: Hüßtege/Mansel, Nomos Kommentar zum BGB, Art. 7 Rom II-VO Rn. 17. 89 v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band II, 2019, S. 361 f.; MüKo-BGB/ Junker, Art. 7 Rom II-VO Rn. 1 f. 90 Umweltschutz: Art. 191 II 1 AEUV. Menschenrechte: Art. 2, 3 V, 6 II, 21 EUV. 91 Görgen, Unternehmerische Haftung in transnationalen Menschenrechtsfällen, 2019, S. 181 – 184; Spießhofer, NJW 2014, 2477 und Haider, Haftung von transnationalen Unternehmen und Staaten für Menschenrechtsverletzungen, 2019, S. 327. Enneking, in: Human Rights in Business: Removal of Barriers to Access to Justice in the European Union, 2017, S. 65 klärt nicht darüber auf, ob sie eine analoge Anwendung befürwortet oder lediglich eine rechtspolitische Forderung aufstellt. 92 Zu den Voraussetzungen im Unionsrecht: Schweiger, Analogiebildung durch den EuGH im Europäischen Privatrecht, 2012, S. 147 – 174, insbesondere S. 148 ff. (Regelungslücke), S. 161 ff. (vergleichbare Interessenlage). Die folgenden Ausführungen zur Analogie beziehen sich auf diese Abschnitte. 87

150

Kap. 3: Anwendbares Recht

wegen des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5, 7 EUV) bereits naturgemäß fragmentarisch.93 Innerhalb abschließend geregelter Bereiche können aber durchaus Lücken auftreten.94 Die Rom II-VO ist ein solcher Bereich, da sie das Kollisionsrecht außervertraglicher Schuldverhältnisse abschließend regelt. Es wäre jedoch oberflächlich, von einer vergleichbaren Interessenlage bereits aufgrund der gleichen primärrechtlichen Zielsetzung der beiden Bereiche auszugehen. Rechtspolitischer Grund für die Option des Klägers in Art. 7 Rom II-VO ist das Rechtsgefälle zwischen den Umwelthaftungsstandards verschiedener Länder. Ein solches Rechtsgefälle gibt es aber nur im Umweltschutz, im Bereich von Menschenrechten jedoch nicht. Mangels Kodifikation menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten greift bei allen Menschenrechtsverletzungen das Deliktsrecht der zur Anwendung berufenen Rechtsordnung.95 Die verschiedenen Deliktsrechte weisen jedoch keine eklatanten Haftungsunterschiede auf.96 Die Interessenlagen der beiden Bereiche sind daher nicht vergleichbar. Art. 7 Rom II-VO kann mithin nicht auf Menschenrechtsverletzungen analog angewendet werden.97 Das ist auch sachgerecht, da die zivilrechtliche „Übersetzung“ des Menschenrechtsschutzes das Deliktsrecht ist. Würde man Art. 7 Rom II-VO auf Menschenrechtsverletzungen analog anwenden, gälte dies auch für eine Vielzahl deliktischer Sachverhalte. Das hat der Verordnungsgeber jedoch ersichtlich nicht gemeint. Eine andere Situation ergibt sich auch dann nicht, entschließen sich nach Frankreich weitere Staaten dazu, menschenrechtliche Sorgfaltsstandards gesetzlich zu regeln. Lässt sich die Welt in Länder mit speziellen menschenrechtlichen Sorgfaltsstandards und solche ohne einteilen, ist die Interessenlage zwar durchaus vergleichbar, da dann doch wieder ein materiell-rechtliches Rechtsgefälle besteht. Jedoch werden diese Sorgfaltsstandards ohnehin als Eingriffsnormen ausgestaltet sein und wären somit anwendbar. So besteht das Rechtsgefälle (und damit auch die vergleichbare Interessenlage) faktisch dann doch nicht und ein Optionsrecht des Klägers ist entbehrlich.

93

Ebd., S. 148 f. Ebd. 95 Zwei Ausnahmen stellen das französische Gesetz zur Überwachungspflicht und (im Rahmen seines beschränkten Anwendungsbereichs) der US-amerikanische Victims of Trafficking and Violence Protection Act dar. Siehe dazu unten Kapitel 4, § 11 B.I. (S. 198) und Kapitel 4, § 11 B.II.2. (S. 202). 96 Siehe noch unten Kapitel 3, § 8 B.III.2.b)aa) (S. 154 ff.). 97 Pförtner, in: Politik und internationales Privatrecht, 2018, S. 100 und Mansel, ZGR 2018, 458 f. Dagegen: Görgen, Unternehmerische Haftung in transnationalen Menschenrechtsfällen, 2019, S. 182. 94

§ 8 Klagen gegen deutsche Mutter- oder Abnehmergesellschaften

151

III. Art. 4 Rom II-VO (Grundanknüpfung) Liegen keine Sonderanknüpfungen nach den Art. 5 – 9 Rom II-VO vor, kommt die allgemeine Kollisionsnorm des Art. 4 Rom II-VO zum Tragen. Für die nicht unter Art. 7 Rom II-VO fallenden Konstellationen wird also die Grundanknüpfung des Art. 4 relevant. Eine von dieser Grundregel abweichende Rechtswahl (Art. 14 I Rom II-VO) scheint angesichts der geringen Verhandlungsmacht der ausländischen Kläger und deren geringe Kontakte zum deutschen Unternehmen unwahrscheinlich. In Theorie wäre eine solche Rechtswahl allerdings möglich.98 1. Erfolgsort Abs. 1 beruft das Recht des Staates zur Anwendung, „in dem der Schaden eintritt“. Schäden entstehen dort, wo die beauftragte ausländische Gesellschaft unmittelbar tätig wird: in einer Fabrik99, auf einer Plantage100, in einer Mine101 oder im Umkreis eines Bauprojekts102. Diese Orte befinden sich allesamt in den Gaststaaten, deren Rechtsordnung somit zur Anwendung berufen ist. Teilweise wird in der Literatur erwogen, stattdessen auf den Ort der Sorgfaltspflichtverletzung abzustellen.103 Schon dadurch werde das subjektive Recht verletzt. Damit wird jedoch faktisch der Erfolgsort dem Handlungsort gleichgestellt, was durch die Rom II-VO gerade nicht gewollt war.104 Gemäß der Erfolgsortanknüpfung in Art. 4 I Rom II-VO findet daher ausländisches Recht Anwendung.105 Nichts anderes ergibt sich aus Abs. 2. Die Parteien haben keinen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt. Die Mutter- bzw. Abnehmerunternehmen sitzen in Deutschland, während Geschädigte in dem jeweiligen Produktionsland leben. Insbesondere muss der gemeinsame, gewöhnliche Aufenthaltsort im Zeitpunkt des 98 Siehe dazu überblicksartig von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 311 f., insbesondere zur Frage, ob eine solche Rechtswahl des deutschen Rechts für Geschädigte überhaupt sinnvoll wäre. 99 Kapitel 1, § 2 B.III., IV. und V. (S. 45 ff.). 100 Kapitel 1, § 2 C.III. (S. 49). 101 Kapitel 1, § 2 A.VII. (S. 41). 102 Kapitel 1, § 2 D.II. (S. 51). 103 Pförtner, in: Die Durchsetzung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen, 2018, S. 323 f.; Wendelstein, RabelsZ 83 (2019), 132. Letzterer verwirft den Vorschlag jedoch sofort wieder, S. 133 f. 104 Wendelstein, RabelsZ 83 (2019), 132 – 134. 105 Bis auf Pförtners Ansicht ist dieser Befund allgemein anerkannt: Görgen, Unternehmerische Haftung in transnationalen Menschenrechtsfällen, 2019, S. 151; Haider, Haftung von transnationalen Unternehmen und Staaten für Menschenrechtsverletzungen, 2019, S. 324 ff.; Hartmann, Haftung von transnationalen Unternehmen und Staaten für Menschenrechtsverletzungen, 2019, S. 324 – 326; Enneking, in: Human Rights in Business, 2017, S. 49 f.; Halfmeier, in: Zivil- und strafrechtliche Unternehmensverantwortung für Menschenrechtsverletzungen, 2018, S. 41 f.; Wagner, RabelsZ 80 (2016), 739 f.; Mansel, ZGR 2018, 454 f.

152

Kap. 3: Anwendbares Recht

Schadenseintritts vorliegen.106 Etwas anderes ergibt sich daher auch dann nicht, verlegt der Kläger vor Prozessbeginn seinen Wohnsitz nach Deutschland.107 2. Offensichtlich engere Verbindung Eine Ausnahme von diesem Ergebnis gilt gemäß Abs. 3, hat die Streitsache eine „offensichtlich engere Verbindung“ zu einer anderen als der durch Abs. 1 und 2 bestimmten Rechtsordnung. In dem Fall wendet der Richter das Recht dieses Staates an. Regelbeispiel („insbesondere“)108 einer solchen Verbindung ist gemäß Abs. 3 S. 2 ein bereits bestehendes, mit der unerlaubten Handlung in Zusammenhang stehendes Rechtsverhältnis zwischen den Parteien, wie z. B. ein Vertrag. a) Vertrag (mit Schutzwirkung) zu Gunsten Dritter Die deutsche Gesellschaft schloss mit den Geschädigten aber gerade keinen Vertrag, sondern lediglich mit ihrer ausländischen Geschäftspartnerin (Zulieferer-/ Konzerngesellschaft). Insbesondere im Textilsektor schließen Geschäftspartner allerdings Lieferverträge, die häufig codes of conduct enthalten.109 Diese verbieten beispielsweise Kinderarbeit110 oder verpflichten zur Kontrolle der Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz111. Sie könnten deshalb als Vertrag (mit Schutzwirkung) zu Gunsten der Arbeitnehmer der ausländischen Gesellschaft angesehen werden. Unterstellt dies wäre der Fall, verbinden Verträge (mit Schutzwirkung) zu Gunsten Dritter die Streitsache dennoch nicht offensichtlich enger mit Deutschland. Die dem Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter zugrunde liegenden Sachverhaltskonstellationen sind kollisionsrechtlich ohnehin als außervertragliche Schuldverhältnisse zu qualifizieren112 und erfüllen das Regelbeispiel daher bereits tatbestandlich nicht. Im Übrigen überwiegen die Verbindungen in den Gaststaat: Die unmittelbar an der Rechtsgutsverletzung Beteiligten sind beide ausländische Staatsangehörige und der Vorfall hat sich vollständig auf ausländischem Territorium abgespielt. Die Tatsache, dass die Beklagte ihren Sitz in Deutschland hat und die gefertigten Waren einmal an diese verkauft wurden, begründen keine engere, erst recht keine offen106

MüKo-BGB/Junker, Art. 4 Rom II-VO Rn. 44. So der ebenfalls unter Zweifeln geäußerte Vorschlag von Stürner, 4 International Journal of Procedural Law (2014), 362 zu § 23 ZPO. 108 Ebd., Rn. 46. 109 Spießhofer, Unternehmerische Verantwortung, 2017, S. 419 ff. 110 H&M, Code of Ethics, https://about.hm.com/content/dam/hmgroup/groupsite/docu ments/en/CSR/Policies/Code%20of%20Ethics%20-%20Business%20Partner%20English%2 0(April%202012%20Revised%20April%202014)_en.pdf. 111 KiK Textilien und Non-Food GmbH, Verhaltenskodex, https://www.kik.de/unterneh men/wp-content/uploads/2018/05/CoC-deutsch_09.11.15.pdf. 112 Siehe oben Kapitel 3, § 8 A.II.1. (S. 137 f.). 107

§ 8 Klagen gegen deutsche Mutter- oder Abnehmergesellschaften

153

sichtlich engere Verbindung dorthin (das betrifft sowohl den Vertrag mit Schutzwirkung als auch den Vertrag zu Gunsten Dritter). Schließlich liegen die Voraussetzungen eines Vertrags mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter nicht vor, da der deutsche Abnehmer keine Verpflichtungen gegenüber den Arbeitnehmern seiner ausländischen Geschäftspartner übernehmen wollte. Aus dem gleichen Grund scheitert ein Vertrag zu Gunsten ebendieser Arbeitnehmer.113 b) Korrektur im Interesse des Opferschutzes In der Literatur wird vorgeschlagen, die Ausweichklausel des Abs. 3 zu korrigieren und im Sinne des Opferschutzes deutsches Recht anzuwenden.114 Die Vorschrift solle „praeter regulationem“, also „am Gesetz vorbei“,115 ohne sich mit diesem in Widerspruch zu setzen, ausgelegt werden.116 Den Opfern komme ein Wahlrecht zwischen Erfolgs- und Handlungsort nach dem Vorbild von Art. 7 Rom II-VO zu.117 Dafür spreche, dass das zur Anwendung berufene, ausländische Deliktsrecht einen schwächeren Schutzstandard als das Deutsche aufweise.118 Von dieser Prämisse geht auch eine Mehrzahl der Autoren in der Literatur aus: Ausländisches (Haftungs-)Recht biete den Geschädigten weniger Schutz.119 Da diese 113

Zur materiell-rechtlichen Lage noch ausführlicher unten Kapitel 4, § 11 A.I. (S. 188 f.). Thomale/Hübner, JZ 2017, 391; Weller/Thomale, ZGR 2017, 524; Weller/Hübner/ Kaller, in: PIL Aspects of CSR, 2020, S. 425 f. Anders noch: Weller/Kaller/Schulz, AcP 216 (2016), 394. 115 Adomeit/Hähnchen, Latein für Jurastudierende, 2015, S. 68 „praeter legem“. 116 Weller/Thomale, ZGR 2017, 525. 117 Ebd.; Thomale/Hübner, JZ 2017, 391. 118 „Opferfeindlich[es]“ ausländisches Deliktsrecht, Thomale/Hübner, JZ 2017, 391. 119 Habersack/Ehrl, AcP 219 (2019), 169: „Überdies ist das materielle Deliktsrecht des Staates, in dem der Zulieferer seinen Sitz hat, häufig deutlich laxer als das deutsche Deliktsrecht“; Augenstein, Study of the Legal Framework on Human Rights and the Environment Applicable to European Enterprises Operating Outside the European Union, 2008, S. 13: „may provide for lower standards of human rights“; Stürner, FS Coester-Waltjen, 2015, S. 849: „Unbehagen, […], wenn Recht desjenigen Staates Anwendung finden soll, wo das Recht mit Füßen getreten wird.“; ders., 4 International Journal of Procedural Law (2014), 370: „zu niedriges Schutzniveau“; Grabosch/Scherper, Die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht von Unternehmen, 2015, S. 36: „höheres Schutzniveau“ der deutschen Regelungen; Thomale/ Hübner, JZ 2017, 391: „Manches ausländisches Deliktssachrecht mag auch für sich genommen opferfeindlich gestaltet sein.“; Weller/Kaller/Schulz, AcP 216 (2016), 395: „Ist ein ausländischer Menschenrechtsstandard aus Sicht des deutschen Rechts zu niedrig, ist er demnach durch den deutschen bzw. europäischen Standard zu ersetzen.“; Görgen, Unternehmerische Haftung in transnationalen Menschenrechtsfällen, 2019, S. 172: „eventuell strengerer Haftungsstandards“ und „Grundsätzlich erscheint aus Unternehmenssicht eine Wahl des strengeren Haftungsrechts nicht sinnvoll.“; Schulz, Das Alien Tort Statute und transnationale Deliktsklagen, 2016, S. 298: „defizitäre Rechtsordnung“; Monnheimer/Nedelcu, ZRP 2020, 206: „weder effektive juristische Institutionen, noch ausdifferenzierte Regelungen [im Gaststaat]“; doppeldeutig: Haider, Haftung von transnationalen Unternehmen und Staaten für Menschenrechtsverletzungen, 2019, S. 323, Fn. 1389: „Das deutsche Mutterunternehmen wird dann nicht freiwillig das deutsche Haftungsrecht wählen, wenn dies für das Mutterunternehmen un114

154

Kap. 3: Anwendbares Recht

Frage auch an anderer Stelle von Bedeutung ist,120 soll hier zumindest kursorisch darauf eingegangen werden. aa) Strenges deutsches und lasches ausländisches Recht? Der folgende Abriss vierer Rechtsordnungen erlaubt allerdings kein Urteil über die zahlreichen übrigen Rechtssysteme der in den Falldarstellungen121 erwähnten Staaten. Sind in den im Folgenden zu untersuchenden vier Rechtsordnungen deliktsrechtliche Haftungstatbestände ohne Weiteres anerkannt, kommen jedoch Zweifel an der herrschenden Auffassung auf, ausländisches Haftungsrecht biete Deliktsgläubigern keinen ausreichenden Schutz. Auch eine Korrektur der Grundanknüpfung aus Art. 4 Rom II-VO im Sinne des Opferschutzes käme dann nicht mehr in Betracht, da die dieser Korrektur zugrundeliegende Prämisse bereits nicht zuträfe. Viele Staaten haben nach Ende der Kolonialzeit die Rechtssysteme der jeweiligen Kolonialmächte übernommen.122 Das British Empire besetzte z. B. Indien123, Pagünstiger ist als z. B. das Recht des Gaststaates“ und S. 325: „Schließlich werden die fundamentalen Menschenrechte jedenfalls nominell in jedem Staat durch zivilrechtliche Normen geschützt.“; Graf von Westphalen, ZIP 2020, 2429: „Dass dieses [ausländisches] Recht […] dem Geschädigten nicht stets hinreichend günstig ist, steht […] nicht wirklich im Streit.“; EU Parliament, Study: Access to legal remedies for victims of corporate human rights abuses in third countries, 2019, S. 112 f.: „The advantages of applying the law of the home State derive from the fact that, generally speaking, parent companies are located in economically developed states that have had the opportunity to develop more sophisticated and generous rules for compensation… In most cases the tort principles in developing countries will not have been as fully elaborated through judicial decisions as the tort law in industrialized countries. By contrast, the law of the host State, generally a developing country, is more likely to have lower standards.“; Anderson, 41 Washburn Law Journal (2002), 418. Wie hier: Van Dam, 2 Journal of European Tort Law (2011), 236 f.; International Commission of Jurists, Corporate & Legal Accountability, Vol. 3, 2008, S. 3; Saage-Maaß/Wesche, 16 Human Rights Law Review (2016), 375; Meeran, 3 City University of Hong Kong Law Review (2011), 14 f.; Meder, HuV 2020, 74 f. Zwar betonen manche Autoren durchaus, dass es in jedem Staat der Welt ein deliktisches Haftungssystem gibt. Die Ausführungen erwecken dennoch den Eindruck, das Problem entspringe dem materiellen Schutzstandard ausländischer Deliktsrechte: Stürner, FS CoesterWaltjen, 2015, S. 849 f., insbesondere 850; Wagner, RabelsZ 80 (2016), 756: „Damit bleibt der deliktsrechtliche Menschenrechtsschutz auf die elementaren Rechtsgüter des Menschen bezogen, die nach praktisch allen Rechtsordnungen Schutz genießen.“ Dann aber S. 742: „Die Anwendung von Handlungsortrecht über Art. 17 Rom II-VO würde die im Inland geltenden, schärferen Verhaltensmaßstäbe zur Geltung bringen […]“. 120 Siehe oben Kapitel 3, § 8 B.II.4. (S. 149 f.) und unten Kapitel 3, § 8 B.VI. (S. 168 f.); Kapitel 4, Einführung (S. 186 f.). 121 Siehe oben Kapitel 1, § 2 (S. 32 ff.). 122 Van Dam, 2 Journal of European Tort Law (2011), 237; Magnus, in: Das internationale Recht im Nord-Süd Verhältnis, 2005, S. 96 Fn. 83. Für den afrikanischen Kontinent: Mancuso, 14 Annual Survey of International & Comparative Law (2008), 45. 123 Kischel, Rechtsvergleichung, 2015, S. 815 m. w. N.

§ 8 Klagen gegen deutsche Mutter- oder Abnehmergesellschaften

155

kistan124 und Nigeria125. Sie stehen auch nach ihrer Unabhängigkeit in der Rechtstradition des englischen Rechts. Ihre Gerichte greifen in großen Teilen auf die Rechtsprechung Englands zurück.126 In den meisten afrikanischen Staaten kam man wohl erst gar nicht auf die Idee, vorkoloniales Recht wiedereinzusetzen. Dafür gab es zu viele Stämme und Volksgruppen und damit auch zu viele Rechtskonzeptionen. Außerdem wurden die vor Ort vorhandenen Juristen im bisherigen Recht ausgebildet und sozialisiert.127 Pakistanische Gerichte übernehmen englische Urteile in deliktsrechtlichen Streitigkeiten als Rechtsquellen.128 Gebunden sind sie an die englische Rechtsprechung allerdings nicht.129 Zwei Zitate aus Gerichtsentscheidungen des pakistanischen Supreme Courts veranschaulichen das Verhältnis der pakistanischen zur englischen Rechtsordnung: Common law of England is not, and cannot be, the common law or the national law of Pakistan. […] Thus historical continuity is neither a legal duty nor a necessity for us; nor should respect for the decisions of the Privy Council degenerate into mechanical slavery. We can, therefore, take English common law from where it left off in 1947 and develop and modify it so as to bring it into closer accord with the changed conditions in which it falls to be applied today, or to put it in another way, to bring into accord with the genius of our own law.130

Und speziell zum Deliktsrecht: The normal rule is that in actions of tort the common law of England will be applied as a matter of justice, equity and good conscience unless there is some feature or circumstances in Pakistan which makes the application of the common law undesirable.131

124

Lau, 1 Yearbook of Islamic and Middle Eastern Law (1994), 3. Frynas, 43 Journal of African Law (1999), 150. 126 Kischel, Rechtsvergleichung, 2015, S. 681. Gleiches gilt auch für Sierra Leone, siehe Smart, Sierra Leone, in: International Encyclopedia of Comparative Law, Volume I: National Reports, 1987, S. 49, 52. Nur sozialistische Staaten wie z. B. Mosambik versprachen einen Neuanfang, der aber wohl nicht sehr nachhaltig war, Kischel, Rechtsvergleichung, 2015, S. 681. 127 Zum Ganzen: Kischel, Rechtsvergleichung, 2015, S. 681. 128 Yilmaz-Vastardis, Legal Opinion on English Common Law Principles on Tort: Jabir and Others v Textilien und Non-Food GmbH, 2015, S. 1; Lau, 1 Yearbook of Islamic and Middle Eastern Law (1994), 10. 129 Siehe Lau, 1 Yearbook of Islamic and Middle Eastern Law (1994), 10. 130 Ebd. m. w. N.: „Das common law Englands ist und kann nicht das common law oder nationale Recht Pakistans sein. Historische Kontinuität ist für uns weder eine rechtliche Pflicht, noch eine Notwendigkeit; auch sollte Respekt für die Entscheidungen des Privy Council nicht in mechanische Sklaverei umkippen. Wir können englisches Recht so nehmen, wo es 1947 stehen blieb und es entwickeln und modifizieren, um es in Ausgleich mit den veränderten Bedingungen zu bringen. Oder, um es mit anderen Worten zu sagen: um es in Ausgleich mit unserem eigenen Recht zu bringen.“ (Übersetzung des Verfassers). 131 Ebd.: „Gerechtigkeits- und billigkeitshalber sowie guten Gewissens wird für deliktische Klagen grundsätzlich Englands common law angewandt. Etwas anderes gilt nur, wenn es eine 125

156

Kap. 3: Anwendbares Recht

In Nigeria sind noch so viele Gesetze aus der Kolonialzeit in Kraft, dass es einfacher war, in der Revised Laws Order von 1990 solche Gesetze aufzulisten, die nicht mehr gelten, statt solchen, die noch gelten.132 Die Gerichte wenden englisches tort law ohne Weiteres an.133 Auch in Indien ist das englische common law fest verankert: durch englische Rechtsinstitute, bei Reformen, sowie in der Denkweise indischer Juristen.134 Indien hat nach der Unabhängigkeit im Jahre 1947 ebenfalls kein neues Rechtssystem entworfen. Vielmehr gelten gemäß Art. 372 der indischen Verfassung alle Gesetze weiter.135 In Indien, Pakistan und Nigeria gilt also im Grundsatz englisches tort law. Zwar würde niemand hinsichtlich der englischen Rechtsordnung den Vorwurf erheben, diese schütze die Menschenrechte nicht ausreichend oder biete einen derart niedrigen Schutzstandard, dass Geschädigte quasi rechtlos dastehen. Dennoch soll kurz auf die einschlägigen Rechtsinstitute im englischen Recht hingewiesen werden. Das englische Deliktsrecht richtet sich nicht, wie z. B. in Frankreich in Art. 1382 code civil, an einer Generalklausel aus.136 Es kennt nur unterschiedliche und je eigenständige torts.137 Der Kläger muss einen der vielen torts anführen, um Schadensersatz fordern zu können. Seit inzwischen langer Zeit138 ist aber auch im englischen Deliktsrecht ein allgemeiner Tatbestand der Fahrlässigkeitshaftung anerkannt: Haftung wegen fahrlässiger Sorgfaltspflichtverletzung (negligence).139 Im KiK-Fall und in zahlreichen Klagen gegen Shell vor nigerianischen Gerichten wurde mittels dieses tort versucht, eine Haftung zu begründen.140 Der mutmaßliche Schädiger haftet wegen negligence, wenn er (1) eine bestehende Sorgfaltspflicht (duty of care) (2) verletzt hat (breach of duty of care) und diese Verletzung (3) ur-

Besonderheit oder einen Umstand in Pakistan gibt, dem zufolge die Anwendung des common law unerwünscht ist.“ (Übersetzung des Verfassers). 132 Kischel, Rechtsvergleichung, 2015, S. 683. 133 Frynas, 43 Journal of African Law (1999), 123 – 128 und 149 f. 134 Kischel, Rechtsvergleichung, 2015, S. 815. 135 Indische Verfassung in der Fassung vom 26. November 1949, http://egazette.nic.in/Wri teReadData/1949/E-2358-1949-0000-109779.pdf (abgerufen 11. 02. 2020); siehe Kischel, Rechtsvergleichung, 2015, S. 819. 136 Wagner, Comparative Tort Law, in: The Oxford Handbook of Comparative Law, 2008, S. 1006. 137 Rudden, 6/7 Tulane Civil Law Forum (1991/1992), 110 ff. zählt 70 verschiedene. 138 Zur Entwicklung siehe m. w. N. von Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht, Band I, 1996, S. 287. 139 Wagner, in: Grundstrukturen des europäischen Deliktsrechts, 2003, S. 204 f. Siehe ausführlich zum tort of negligence im Unternehmensbereich: Witting, Liability of Corporate Groups and Networks, 2018, S. 352 – 376 und Güngör, Sorgfaltspflichten für Unternehmen in transnationalen Menschenrechtsfällen, 2016, S. 330 – 344. 140 Zum KiK-Fall: Saage-Maaß/Wesche, 16 Human Rights Law Review (2016), 372. Zu den materiell-rechtlichen Grundlagen für Klagen gegen Shell wegen Ölverschmutzungen: Frynas, 43 Journal of African Law (1999), 149.

§ 8 Klagen gegen deutsche Mutter- oder Abnehmergesellschaften

157

sächlich (causation) für den (4) Schaden (damage) des Klägers ist.141 Eine duty of care kann sich aus der Vorhersehbarkeit des Schadens für den mutmaßlichen Schädiger (forseeability) oder aus der effektiven Kontrolle über gewisse Aktivitäten (proximity) ergeben.142 Diese Pflichten beziehen sich jedoch nur auf den vermeintlichen Schädiger. Er muss grundsätzlich nicht für andere Rechtsträger haften.143 Daraus kann nicht geschlossen werden, der Haftungsstandard des englischen Deliktsrechts sei zu lasch. Denn auch im deutschen Recht beschränkt sich die Haftung auf die Rechtssphäre des jeweiligen Rechtsträgers. Dies gilt auch für § 831 BGB. Der Geschäftsherr kann sich entlasten, sofern er den Verrichtungsgehilfen sorgfältig ausgewählt hat. Aber auch die Haftung für die Verletzung von Unternehmensorganisationspflichten gemäß § 823 I BGB beschränkt sich auf den jeweils eigenen Organisationsbereich.144 Dieser richtet sich jedenfalls im Ausgangspunkt nach dem Rechtsträgerprinzip.145 Das chinesische Deliktsrecht wurde 2009 neugefasst (Gesetz über die Haftung für die Verletzung von Rechten).146 Der chinesische Gesetzgeber schaute dabei sowohl auf das deutsche wie auch das anglo-amerikanische Deliktsrechtssystem.147 Ein Unterschied zum deutschen Recht besteht insbesondere darin, dass das chinesische Deliktsrecht nicht mehrere kleine Generalklauseln (wie z. B. §§ 823, 831 BGB) kennt, sondern zunächst in einem „Allgemeinen Teil“ allgemeine Voraussetzungen einer unerlaubten Handlung und deren Rechtsfolgen regelt, um dann in einem „Besonderen Teil“ konkrete Haftungstatbestände bzw. Anspruchsgrundlagen zu nennen.148 In diesem „Besonderen Teil“ sind z. B. geregelt: „die deliktische Produkthaftung, allgemeine Verkehrssicherungspflicht[en], Kraftfahrzeughaftpflicht, […] Arbeitgeberhaftung, […] Umweltschutzhaftung [und] Hochrisikohaftung“.149 Das chinesischen Deliktsrecht kennt somit durchaus z. B. die in den hier interes-

141 Van Dam, European Tort Law, 2013, S. 230 f.; von Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht, Band I, 1996, S. 289; Yilmaz-Vastardis, Legal Opinion on English Common Law Principles on Tort: Jabir and Others v Textilien und Non-Food GmbH, 2015, S. 2. 142 von Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht, Band I, 1996, S. 290; Yilmaz-Vastardis, Legal Opinion on English Common Law Principles on Tort: Jabir and Others v Textilien und Non-Food GmbH, 2015, S. 3 und 4. 143 Wagner, RabelsZ 80 (2016), 768. 144 Ebd., 767. 145 Ebd. Die Haftung für die Verletzung von Unternehmensorganisationspflichten ist ein komplexes Thema. Es kann darauf hier nicht im Detail eingegangen werden. Zu alle dem siehe auch noch unten: Kapitel 4, § 11 A., insbesondere IV. (S. 194 f.). 146 Verabschiedet am 26. 12. 2009, in Kraft seit 1. 7. 2010, siehe Eberl-Borges, Einführung in das chinesische Recht, 2018, S. 127. Deutsche Übersetzung bei Liu Xiaoxiao/Pißler, ZChinR 2010, 41 – 55. 147 Bollweg/Doukoff/Jansen, ZChinR 2011, 92; Zheng/Trempel, RIW 2010, 514. 148 Zheng/Trempel, RIW 2010, 514. 149 Siehe für weitere Beispiele und mit Nachweisen zu den entsprechenden §§ des chinesischen Deliktsrechts ebd.

158

Kap. 3: Anwendbares Recht

sierenden Fällen eine besondere Rolle spielenden Verkehrspflichten.150 Die Verletzung dieser Verkehrspflichten muss kausal für den entstandenen Schaden sein.151 Ein weiterer Unterschied zum deutschen Recht besteht darin, dass das chinesische Deliktsrecht nicht zwischen haftungsausfüllender und haftungsbegründender Kausalität unterscheidet.152 Hinsichtlich der Beweislast begünstigt es den Geschädigten in manchen Fällen sogar: Zwar geht auch das chinesische Deliktsrecht im Grundsatz von einer Beweislast des Klägers aus.153 Gerade bei den in den hier interessierenden Fällen oft einschlägigen Sondertatbeständen des „Besonderen Teils“ belastet es jedoch den Schädiger mit der Beibringung von Beweisen: So muss der Umweltverschmutzer den fehlenden Kausalitätszusammenhang zwischen seinem Verhalten und dem Schaden beweisen.154 Bei einer Haftung im Hochrisikobereich (z. B. beim Betrieb von Atomkraftwerken oder Kohlegruben) muss der Schädiger beweisen, dass der Schaden vom Geschädigten selbst vorsätzlich verursacht oder aufgrund von höherer Gewalt eingetreten ist.155 Bei einer Haftung aufgrund der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten obliegt dem Schädiger die Beweislast dafür, zu zeigen, dass er die Rechtsgutsverletzungen nicht zu verschulden hat.156 Wie stark oder schwach die Deliktsrechtssysteme Pakistans, Indiens, Nigerias und Chinas Deliktsgläubiger schützen, bedarf noch genaueren Untersuchungen. Dieser kursorische Überblick kann dies nicht abschließend klären. Nichts desto trotz wurde gezeigt, dass die genannten Rechtsordnungen Haftungstatbestände für fahrlässiges Verhalten kennen und teilweise an das Haftungsrecht europäischer Staaten angelehnt sind bzw. diesem entstammen. Auch in diesen Ländern haftet ein Schädiger also für die fahrlässige Verletzung von Leib und Leben – auch wenn sich Voraussetzungen und Reichweite sicherlich im Einzelnen unterscheiden. Es bestehen somit zumindest Zweifel an der Behauptung, das Deliktsrecht vieler Entwicklungsländer gewährleiste keinen angemessenen Rechtsgüterschutz für Deliktsgläubiger. Wahrscheinlicher ist es, dass es in diesen Ländern zu Problemen bei der gerichtlichen Durchsetzung von Ansprüchen – insbesondere gegenüber größeren Unternehmen – kommt.157

150

Ebd., 515; Bu, Einführung in das Recht Chinas, 2017, S. 141 Rn. 31; dies., ZfRV 2010, 225. Siehe jüngst eingehend rechtsvergleichend Wang, Die deliktsrechtliche Verkehrspflicht im deutsch-chinesischen Vergleich, 2020. 151 Zheng/Trempel, RIW 2010, 516; Bu, Einführung in das Recht Chinas, 2017, S. 135 Rn. 6; dies., ZfRV 2010, 221. 152 Zheng/Trempel, RIW 2010, 516. 153 Ebd., 522. 154 Ebd. 155 Ebd. 156 Ebd. 157 Siehe dazu oben Kapitel 2, § 4 A. (S. 70 ff.).

§ 8 Klagen gegen deutsche Mutter- oder Abnehmergesellschaften

159

bb) Auslegung des Art. 4 III Rom II-VO Die der Korrektur von Art. 4 III Rom II-VO zugrunde liegenden Prämisse, ausländisches Haftungsrecht biete einen schlechteren Schutzstandard, ist also zumindest zweifelhaft. Doch auch davon abgesehen können die Argumente für eine Korrektur des Art. 4 III Rom II-VO im Interesse des Opferschutzes nicht überzeugen: Zunächst kostet die Ermittlung ausländischen Rechts immer Geld und erzeugt auch regelmäßig Rechtsunsicherheit.158 Das ist für grenzüberschreitende Streitigkeiten typisch, also kein besonderes Charakteristikum der vorliegenden Fälle.159 Auch die Annahme, in den hier interessierenden Fallkonstellationen kenne „Not kein Gebot“,160 ist vor dem Hintergrund der Gewaltenteilung und Art. 20 III GG zumindest fragwürdig.161 Denn der Verordnungsgeber hatte ein Wahlrecht des Geschädigten gerade nicht vor Augen. Er wollte vielmehr die beiden „Extrempositionen“ – Handlungsort bzw. Wahlrecht des Geschädigten – ausgleichen.162 Ein Wahlrecht steht daher im Gegensatz zu seinem Willen. Dem kann auch nicht entgegnet werden, die Rom II-VO kenne ein Wahlrecht des Geschädigten bereits in Art. 7.163 Die Norm belegt nämlich nicht, dass dem Geschädigten ein solches auch bei der allgemeinen Kollisionsnorm zusteht. Dass der Gesetzgeber ein solches Wahlrecht in Art. 7 Rom II-VO festgeschrieben hat, zeigt vielmehr, dass er dieses nicht für Art. 4 wollte.164 Darüber hinaus kommt dem Willen des Geschädigten im Rahmen von Art. 4 III Rom II-VO keine Bedeutung zu. Es handelt sich um eine gesetzliche und keine rechtsgeschäftliche Anknüpfung. Außerhalb von Art. 14 Rom II-VO spielt der Wille der Parteien keine Rolle.165 Art. 4 III Rom II-VO hat daher keine „parteiautonome Essenz“.166 Das Opfer kann sich nicht zwischen Erfolgs- und Handlungsort entscheiden.167 Der Schädiger hat auch kein Interesse an der Anwendung seines „gewohnten“ Heimatrechts, wenn ihn dieses Recht einer schärferen Haftung unterwirft.168 Zwar ist die Prämisse, deutsches Haftungsrecht sei schärfer als etwa pakistanisches oder bangladeschisches Recht, zumindest zweifelhaft. Das wird von der betreffenden Auffassung jedoch unterstellt. Diese ist daher bereits in sich nicht vollständig konsistent. Schließlich stellt die Verletzung der Verkehrspflicht der deutschen Mutter- bzw. 158

So das Argument von Weller/Thomale, ZGR 2017, 524. Mansel, ZGR 2018, 458. 160 Thomale/Hübner, JZ 2017, 391. 161 Mansel, ZGR 2018, 458: „ethisch motivierte Umgestaltung gesetzgeberischer Entscheidungen“. 162 Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf ausservertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“), KOM(2003) 427 endgültig, S. 13. Zitat ebd. 163 Weller/Thomale, ZGR 2017, 524. 164 Mansel, ZGR 2018, 458; Wendelstein, RabelsZ 83 (2019), 142. 165 Argumentation nach Wendelstein, RabelsZ 83 (2019), 142 f. 166 So aber Thomale/Hübner, JZ 2017, 391. 167 So ebd. 168 So das Argument von Weller/Thomale, ZGR 2017, 525. 159

160

Kap. 3: Anwendbares Recht

Abnehmergesellschaft auch keine „offensichtlich engere Verbindung“ i. S. v. Art. 4 III 1 Rom II-VO nach Deutschland her.169 Zwar lässt sich darin durchaus ein Bezug nach Deutschland erblicken. Die Verbindungen zum Gaststaat überwiegen jedoch (z. B. Ort des Schadenseintritts; Ort, an dem sich der Sachverhalt abgespielt hat; Sitzstaat des unmittelbaren Schädigers und der Opfer). Eine offensichtlich engere Verbindung nach Deutschland kommt daher nicht in Betracht. Die Korrektur von Art. 4 III Rom II-VO im Sinne des Opferschutzes kann daher nicht überzeugen. Es bleibt hinsichtlich Art. 4 Rom II-VO bei der Anwendung ausländischen Rechts.170

IV. Art. 17 Rom II-VO (Sicherheits- und Verhaltensregeln) Art. 17 Rom II-VO zufolge könnte deutsches Recht dennoch relevant werden. Demzufolge sollen die am Ort des „haftungsbegründenden Ereignisses“ geltenden „Sicherheits- und Verhaltensregeln, sofern angemessen, berücksichtigt“ werden. Der Ort des „haftungsbegründenden Ereignisses“ meint den Handlungsort. Diese Formulierung variiert zwar von denen in Art. 7 („schadensbegründendes Ereignis“) und Art. 8 II Rom II-VO („Ort an dem die Verletzung begangen wurde“). Im Sinn haben jedoch alle Normen den Handlungsort, also den Ort, an dem die unerlaubte Handlung begangen wurde. Für Art. 17 Rom II-VO ergibt sich das aus Erwgr. 34 S. 1.171 1. In Betracht kommende Sicherheits- und Verhaltensregeln i. S. d. Art. 17 Rom II-VO Sicherheits- und Verhaltensregeln i. S. v. Art. 17 Rom II-VO umfassen eine Vielzahl an Regelungen. Sie enthalten nicht nur Straßenverkehrsvorschriften.172 Verkehrspflichten,173 codes of conduct aus Lieferverträgen zwischen Abnehmer- und 169

So Weller/Hübner/Kaller, in: PIL Aspects of CSR, 2020, S. 426. Wie hier: Pförtner, in: Die Durchsetzung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen, 2018, S. 325; Mansel, ZGR 2018, 458; Stürner, FS Coester-Waltjen, 2015, S. 850 f.; Wendelstein, RabelsZ 83 (2019), 143; Halfmeier, in: Zivil- und strafrechtliche Unternehmensverantwortung für Menschenrechtsverletzungen, 2018, S. 42; Rühl, in: Unternehmensverantwortung und internationales Recht, 2020, S. 97 f., 102; von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 313 f.; Rudkowski, RdA 2020, 234; Mankowski, EWiR 2019, 740; Rühl, Towards a German Supply Chain Act? SSRN, S. 7 f.; Meder, HuV 2020, 79. Im Ergebnis auch LG Dortmund, Urt. v. 10. 01. 2019, 7 O 95/15, juris Rn. 38. 171 Wagner, IPRax 2008, 5; MüKo- BGB/Junker, Art. 17 Rom II-VO Rn. 18; Lehmann, in: Hüßtege/Mansel, Nomos Kommentar zum BGB, Art. 17 Rom II-VO Rn. 49. 172 Vgl. Erwgr. Nr. 34 der Rom II-VO, in dem der Verordnungsgeber Straßenverkehrsregelungen nur beispielhaft aufzählt: „Der Begriff ,Sicherheits- und Verhaltensregeln‘ ist in dem Sinne auszulegen, dass er sich auf alle Vorschriften bezieht, die in Zusammenhang mit Sicherheit und Verhalten stehe, einschließlich beispielsweise der Straßenverkehrssicherheit im Falle eines Unfalls.“; siehe auch BeckOGK/Maultzsch, Art. 17 Rom II-VO Rn. 35. 173 Grabosch, in: Transnationale Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen im Völkerrecht, 2013, S. 88 f.; von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 170

§ 8 Klagen gegen deutsche Mutter- oder Abnehmergesellschaften

161

Zuliefererunternehmen,174 die UN-Guiding Principles175 sowie Arbeitgeberpflichten bezüglich Arbeitsplatzsicherheit176 kommen ebenfalls in Betracht und sind hier von Interesse. Damit sie als Sicherheits- und Verhaltensregeln i. S. v. Art. 17 gelten, müssten sie allerdings Verhalten leiten.177 Verhaltensleitend können aber nur zwingende Regelungen sein.178 Art. 17 Rom II-VO lässt sich nicht analog auf außerrechtliche Normen anwenden. Der Verordnungsgeber lässt keine Absicht dahingehend erkennen, rechtlich nicht bindende Vorschriften über eine Kollisionsnorm als rechtlich bindend auszugestalten.179 Die UN-Guiding Principles scheiden daher von vornherein aus. Erstens sind diese nicht rechtlich bindend. Selbst wenn man darüber hinwegsieht, gelten sie zweitens nicht nur in Deutschland, sondern auch in allen anderen UN-Mitgliedsstaaten. Sie sind daher in allen UN-Mitgliedsstaaten identisch. Sie im Rahmen von Art. 17 Rom II-VO zu berücksichtigen, würde daher keinen Sinn ergeben. Pflichten des Arbeitgebers hinsichtlich Arbeitsplatzsicherheit passen ebenfalls nicht. Die Mutter-/Abnehmergesellschaft ist nicht Arbeitgeberin. Sie treffen daher auch keine Pflichten. Etwas anderes könnte allerdings aufgrund des vom Bundestag jüngst verabschiedeten SorgfaltspflichtenG gelten. Hier legte der deutsche Gesetzgeber deutschen Gesellschaften bestimmte Verhaltenspflichten hinsichtlich ihrer Lieferkette auf. Dabei handelt es sich um zwingende, verhaltensleitende Regelungen i. S. d. Art. 17 Rom II-VO. Kollisionsrechtliche Berücksichtigung findet das SorgfaltspflichtenG allerdings aus anderen, sogleich zu erörternden Gründen nicht.180 2. Sich im Kontext von Art. 17 Rom II-VO stellende Probleme Bei der Anwendung von Art. 17 Rom II-VO in grenzüberschreitenden Haftungsklagen stellen sich verschiedene Probleme: Zum einen schützt Art. 17 Rom II-VO den Schädiger. Er soll sich darauf verlassen können nicht zu haften, wenn er die am Ort seiner Handlung geltenden Vorschriften befolgt. Kollidieren die PKWs 2020, S. 320 f. Allgemeiner: Lehmann, in: Hüßtege/Mansel, Nomos Kommentar zum BGB, Art. 17 Rom II-VO Rn. 27. 174 Haider, Haftung von transnationalen Unternehmen und Staaten für Menschenrechtsverletzungen, 2019, S. 332 f.; Schulz, Das Alien Tort Statute und transnationale Deliktsklagen, 2016, S. 302. In Bezug auf private Standards wie z. B. die Regeln der Fédération Internationale de Ski (FIS): Calliess-Rome Regulations/von Hein, Art. 17 Rome II Rn. 19. 175 Görgen, Unternehmerische Haftung in transnationalen Menschenrechtsfällen, 2019, S. 197. 176 Enneking, in: Human Rights in Business, 2017, S. 59. 177 von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 320. 178 Das stillschweigend voraussetzend: MüKo-BGB/Junker, Art. 17 Rom II-VO Rn. 10; BeckOK-BGB/Spickhoff, Art. 17 Rom II-VO Rn. 3. 179 A. A. Görgen, Unternehmerische Haftung in transnationalen Menschenrechtsfällen, 2019, S. 197. 180 Siehe unten 3. (S. 162 f.).

162

Kap. 3: Anwendbares Recht

zweier deutscher Touristinnen in Südafrika und ist deshalb gemäß Art. 4 II Rom II-VO deutsches Recht anwendbar, muss das Gericht das südafrikanische Linksfahrgebot berücksichtigen.181 In wirtschaftsmenschenrechtlichen Fällen sei die Interessenlage aber anders. Den Schädiger soll strengeres Handlungsortrecht treffen. Muss Art. 17 Rom II-VO deshalb auf für den mutmaßlichen Schädiger günstige Regeln begrenzt werden?182 Darüber hinaus könnte man die faktische Wiederherstellung des Günstigkeitsprinzips besorgen, würde man mittels Art. 17 Rom II-VO Handlungsortsrecht anwenden,183 sofern der Schädiger nach Erfolgsortrecht nicht haftet.184 3. Vorliegen eines Distanzdelikts Diese Fragen werden jedoch nur relevant, wenn sich Handlungs- und Erfolgsort überhaupt unterscheiden, also ein Distanzdelikt vorliegt. Der Erfolg verwirklicht sich im Staat, in dem sich die Produktionsstätte befindet.185 Nur wenn der Handlungsort in Deutschland liegt, kommt also ein Distanzdelikt überhaupt in Betracht, nur dann unterscheiden sich Handlungs- und Erfolgsort. Als eine solche Handlung (oder Unterlassung) taugen wieder nur Planungs- und Leitungsentscheidungen am Verwaltungssitz des deutschen Unternehmens. Wie bereits oben ausgeführt,186 stellte der EuGH richtigerweise, nämlich aus Gründen der Vorhersehbarkeit, Kriterien zur Bestimmung des Handlungsorts in Art. 8 II Rom II-VO auf. Das Gericht muss demzufolge eine maßgebliche Handlung ermitteln (Einheitslösung).187 Maßgeblich, weil unmittelbar den Erfolg verursachend, ist aber nur die Handlung der Konzern-/ Zulieferergesellschaft. So stellt sich – wie schon bei Art. 7 Rom II-VO – die Frage, ob sich diese, zu Art. 8 II Rom II-VO entwickelte Einheitslösung auf Art. 17 Rom II-VO übertragen lässt. In Art. 7 Rom II-VO gewichtete der Verordnungsgeber den Umweltschutz höher als die Vorhersehbarkeit des anwendbaren Rechts. Er benachteiligte den Schädiger aus politischen, vom Primärrecht vorgegebenen Gründen. Daher ließ sich die Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit des anwendbaren Rechts betonende Einheitslösung nicht auf Art. 7 Rom II-VO übertragen. Dies trifft auf Art. 17 Rom II-VO aber nicht zu. Hier überwiegt das Interesse an der 181

Beispiel nach: von Hein, FS von Hoffmann, 2011, S. 139. Allgemein dazu: von Hein, in: FS von Hoffmann, 2011, S. 152. Speziell zu wirtschaftsmenschenrechtlichen Fragestellungen: Görgen, Unternehmerische Haftung in transnationalen Menschenrechtsfällen, 2019, S. 199; Haider, Haftung von transnationalen Unternehmen und Staaten für Menschenrechtsverletzungen, 2019, S. 334 f. 183 Die Sicherheits- und Verhaltensregeln anwenden statt nur berücksichtigen wollen Saage-Maaß/Leifker, BB 2015, 2502. 184 Wagner, RabelsZ 80 (2016), 742; Wendelstein, RabelsZ 83 (2019), 143. 185 Siehe dazu bereits oben unter: Kapitel 3, § 8 B.II.2. (S. 144 ff.) und Kapitel 3, § 8 B.III.1. (S. 151). 186 Kapitel 3, § 8 B.II.2. (S. 144 ff.). 187 EuGH, Urt. v. 27. 09. 2017, C-24/16, C-25/16, GRUR 2017, 1127 Rn. 111 – Nintendo Co. ltd/BigBen Interactive GmbH ua. 182

§ 8 Klagen gegen deutsche Mutter- oder Abnehmergesellschaften

163

Vorhersehbarkeit des maßgeblichen Rechts und an einer einheitlichen Auslegung des Handlungsorts im Rahmen der Rom II-VO. Insbesondere gibt es hier – anders als bei Art. 7 Rom II-VO – keine primärrechtlichen Wertungen, die berücksichtigt werden müssten. Der Handlungsort muss daher wie bei Art. 8 II Rom II-VO bestimmt werden. Für die Schadensverursachung maßgeblich ist aber die Handlung oder Unterlassung der Konzern-/Zulieferergesellschaft an der Produktionsstätte. Es ergeben sich daher keine unterschiedlichen Anknüpfungen für Handlungs- und Erfolgsort. Art. 17 Rom II-VO vermag nichts an der Anwendung ausländischen Rechts zu ändern,188 da Handlungs- und Erfolgsort beide im Gaststaat liegen. Die darauf aufbauenden Fragen bleiben hier daher außer Betracht.

V. Art. 16 Rom II-VO (Eingriffsnormen) Eingriffsnormen sind zwingende Vorschriften, „deren Einhaltung von einem Staat als entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen Interesses, insbesondere seiner politischen, sozialen und wirtschaftlichen Organisation, angesehen wird“.189 Nach Art. 16 Rom II-VO gilt in diesem Bereich das Recht des Forums auch dann, wenn eigentlich ausländisches Recht zur Anwendung berufen ist. Dem sich aus einem Zusammenspiel von Art. 9 I Rom I-VO mit Art. 16 Rom II-VO ergebenden Leitbild der Rom-VOen zufolge haben Eingriffsnormen drei Voraussetzungen: (1) Die entsprechende Norm muss über einen bloßen Individualschutz hinausgehen, muss für den Forumsstaat also „entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen Interesses sein, insbesondere seiner politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisation“. (2) Die Norm muss international zwingend ausgestaltet sein, d. h. sie muss ihrer Zielsetzung zufolge international gelten sollen.190 (3) Schließlich ist ein hinreichender Inlandsbezug der Norm mitsamt ihrer Tatbestandsmerkmale erforderlich.191

188 A. A. von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 323; Görgen, Unternehmerische Haftung in transnationalen Menschenrechtsfällen, 2019, S. 200; Haider, Haftung von transnationalen Unternehmen und Staaten für Menschenrechtsverletzungen, 2019, S. 335 f.; Grabosch, in: Transnationale Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen im Völkerrecht, 2013, S. 89 f.; Wesche/Saage-Maaß, 16 Human Rights Law Review (2016), 374 Fn. 20; Pförtner, in: Die Durchsetzung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten, 2018, S. 326 f. Im Ergebnis wie hier, allerdings alle mit anderer Begründung: Wagner, RabelsZ 80 (2016), 742 f.; Wendelstein, RabelsZ 83 (2019), 143 f.; Heinen und Nordhues, in: Die Durchsetzung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten, 2018, S. 94 und 128, Fn. 13; Halfmeier, in: Zivil- und strafrechtliche Unternehmensverantwortung für Menschenrechtsverletzungen, 2018, S. 42 f. 189 Art. 9 I Rom I-VO. Diese Definition gilt auch für den Begriff der Eingriffsnormen in der Rom II-VO, siehe MüKo-BGB/Junker, Art. 16 Rom II-VO Rn. 9 und 13 m. w. N. 190 MüKo-BGB/Martiny, Art. 9 Rom I-VO Rn. 107. 191 Ebd., Rn. 109 und 124 f.

164

Kap. 3: Anwendbares Recht

Bis auf wenige Ausnahmen192 findet in den vorliegenden Fallkonstellationen ausländisches Recht Anwendung. Art. 16 Rom II-VO scheint zunächst also als eine Möglichkeit, doch noch den Weg zum deutschen Recht eröffnen. In einem ersten Schritt werden bereits bestehende Regelungen im deutschen Recht dargestellt, die als Eingriffsnormen in Betracht kommen. Daraufhin wird kurz gezeigt, warum die Pflichten des neuen SorgfaltspflichtenG nicht die zwingenden Charakteristika einer Eingriffsnorm erfüllt. Schließlich wird in einem kurzen Exkurs thematisiert, ob andere, nicht zum Recht des Forums gehörende, sondern mitgliedsstaatliche Eingriffsnormen im Rahmen von Art. 16 Rom II-VO berücksichtigt werden können (oder gar müssen).193 1. International zwingende Normen im deutschen Recht Damit eine Vorschrift als Eingriffsnorm in Betracht kommt, muss sie neben den Voraussetzungen aus Art. 9 I Rom I-VO ihrem Zweck nach international gelten sollen.194 Internationalvertraglich vereinbarte Menschenrechte erfüllen zwar diese Voraussetzung und sind darüber hinaus auch entscheidend für die Wahrung des deutschen öffentlichen Interesses. Gegen die Berücksichtigung internationaler Menschenrechte als Eingriffsnormen, sprechen jedoch verschiedene Aspekte. Zum einen sind die Gaststaaten, in denen sich der Vorfall ereignet hat, regelmäßig selbst Vertragspartner dieser internationalen Verträge: So wurden die Internationalen Pakte über wirtschaftliche, soziale und kulturelle, sowie über bürgerliche und politische Rechte von allen Staaten der in § 2 dargestellten Fälle ratifiziert.195 Selbst, wenn man darüber hinwegsehen möchte, ist unklar, welche Aussage prinzipienhaft formulierte Menschenrechte über eine potenzielle, deliktsrechtliche Haftung treffen.196 Pointiert formuliert: Was sagt das Menschenrecht zum Schutz des Lebens darüber aus, wie viele Rauchmelder Ali Enterprises in seinen Produktionshallen hätte installieren müssen?197 So wird das Gericht kaum „über ein Billigkeitsjudiz im konkreten

192 Siehe zum eng umgrenzten Wahlrecht des Geschädigten bei Umweltschäden oben Kapitel 3, § 8 B.II. (S. 143 ff.). 193 Diese Frage warf Giesela Rühl auf in ihrem Vortrag im Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht am 01. 09. 2020 (Webinar). 194 MüKo-BGB/Junker, Art. 16 Rom II-VO Rn. 1 und 10. 195 Siehe United Nations, Treaty Collection – Human Rights, https://treaties.un.org/Pages/ ViewDetails.aspx?src=TREATY&mtdsg_no=IV-3&chapter=4&lang=en. 196 Wendelstein, RabelsZ 83 (2019), 150; Pförtner, in: Politik und Internationales Privatrecht, 2017, S. 100 f. 197 Ähnliche Formulierung und anschauliche Darstellung bei Wendelstein, RabelsZ 83 (2019), 150. Ebenfalls ablehnend: von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 324; Pförtner, in: Politik und Internationales Privatrecht, 2017, S. 100; Stürner, in: FS Coester-Waltjen, 2015, S. 852: Menschenrechte für das zivilrechtliche Haftungssystem „kaum geeignet“. Ebenso mit anderer Begründung: Görgen, Unternehmerische Haftung in transnationalen Menschenrechtsfällen, 2019, S. 192 f.

§ 8 Klagen gegen deutsche Mutter- oder Abnehmergesellschaften

165

Einzelfall hinauskommen“.198 Es leuchtet nicht ein, über die Menschenrechte ein „Paralleldeliktsrecht“ zu schaffen. Die europäische CSR-Richtlinie und deren deutsches Umsetzungsgesetz (siehe §§ 289a HGB ff.) kommt ebenfalls nicht als Eingriffsnorm in Betracht. Sie verpflichten Unternehmen lediglich zur Berichterstattung über die menschenrechtlichen und ökologischen Auswirkungen ihrer Aktivitäten. Haftungstatbestände enthalten sie keine.199 Darüber hinaus interessiert hier die Gefährdungshaftung aus § 84 I AMG. Es lässt sich leicht der hypothetische Fall bilden, dass ein deutsches Pharmaunternehmen schädliche Arzneimittel in Entwicklungsländer exportiert, die dort Gesundheitsschädigungen verursachen. Die Eigenschaft des § 84 I AMG als Eingriffsnorm ist allgemein anerkannt.200 Es wird darüber gestritten, ob das Verbot von Kinderarbeit (§ 5 I JArbSchG) Eingriffsnorm ist.201 Das Verbot von Kinderarbeit dient offensichtlich Zielen des Allgemeinwohls. Es soll auch international gelten. Dies ergibt sich aus Art. 1 und Art. 2 III des ILO-Übereinkommens 138, das Kinderarbeit unter 15 Jahren ebenfalls verbietet.202 Deutschland trägt diese Entscheidung als Mitgliedsstaat der ILO mit und zeigt damit, dass die Regelung auch international angewandt werden soll. Gleiches gilt für die Diskriminierungsverbote des AGG.203 Diese haben ihre völkerrechtliche Grundlage in Art. 1 der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und Art. 2 I des internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte.204 Allerdings wendet das Gericht diese Normen nur bei Klagen gegen Konzern- oder Zulieferergesellschaften an. Mit Mutter- bzw. Abnehmerunternehmen stehen Geschädigte in keinem Arbeitsverhältnis. Für diese Konstellation sind die AGG-Normen irrelevant. 198 So Wendelstein, RabelsZ 83 (2019), 150 zur Berücksichtigung von Menschenrechten im Rahmen des ordre public. 199 Pförtner, in: Politik und Internationales Privatrecht, 2017, S. 100. 200 MüKo-BGB/Junker, Art. 16 Rom II-VO Rn. 15; Palandt/Thorn, Art. 16 Rom II-VO Rn. 5; Spickhoff, Medizinrecht, 2018, § 84 AMG Rn. 11; Saage-Maaß/Leifker, BB 2015, 2502; Haider, Haftung von transnationalen Unternehmen und Staaten für Menschenrechtsverletzungen, 2019, S. 330. 201 Dafür: Grabosch, in: Transnationale Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen im Völkerrecht, 2013, S. 86; Haider, Haftung von transnationalen Unternehmen und Staaten für Menschenrechtsverletzungen, 2019, S. 330. Dagegen: Schulz, Das Alien Tort Statute und transnationale Deliktsklagen, 2015, S. 299 f. 202 International Labour Organisation, Minimum Age Convention, 1976 (No. 138), https: //www.ilo.org/dyn/normlex/en/f?p=NORMLEXPUB:12100:0::NO::P12100_ILO_CODE:C13 8. 203 Lüttringhaus, Grenzüberschreitender Diskriminierungsschutz, 2010, S. 300 f. (ausführliche Analyse S. 216 – 301); Grabosch, in: Transnationale Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen im Völkerrecht, 2013, S. 87. 204 Grabosch, in: Transnationale Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen im Völkerrecht, 2013, S. 87.

166

Kap. 3: Anwendbares Recht

Schließlich ließe sich erwägen, § 823 II BGB i. V. m. den Normen des StGB als Eingriffsnorm heranzuziehen.205 Dagegen spricht jedoch, dass die Schutzgüter des Deliktsrechts auch strafrechtlich geschützt sind. Wendet man § 823 II BGB i. V. m. dem StGB an, wendet man gleichzeitig deutsches Deliktsrecht (in Gestalt des § 823 II BGB) an. Zwar ist das deutsche Strafrecht in vielen Bereichen deutlich enger als deutsches Deliktsrecht (sanktioniert z. B. häufig nur vorsätzliches und kein fahrlässiges Handeln). Doch ist die Schnittmenge gerade in den hier interessierenden Fällen ähnlich. Hier geht es häufig um Körperverletzungen. In diesem Fall ist auch fahrlässiges Handeln strafbewährt, § 229 StGB. Die Anwendung der lex fori würde so per Eingriffsnorm zum Regelfall, die europäischen Kollisionsnormen würden obsolet.206 Mit Art. 16 Rom II-VO sollen jedoch nur besonders wichtige Normen angewandt werden, nicht das gesamte Wertesystem eines Staats. § 823 II BGB scheidet daher als Eingriffsnorm aus. De lege lata bleiben somit § 84 I AMG, § 5 I JArbSchG und entsprechende Normen des AGG als Eingriffsnormen übrig. 2. Das SorgfaltspflichtenG als Eingriffsnorm? Aufgrund seiner unzweifelhaft im öffentlichen Interesse liegenden Zielsetzung liegt eine Anwendung der Pflichten des SorgfaltspflichtenG als Eingriffsnorm nahe. Das Gesetz dient erklärtermaßen der „Verbesserung der weltweiten Menschenrechtslage entlang von Lieferketten“ und soll dabei helfen, „die Globalisierung mit Blick auf die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung sozial zu gestalten.“207 Die Konsequenz einer Anwendung der Pflichten als Eingriffsnorm wäre, dass deutsche Gerichte die in § 3 SorgfaltspflichtenG normierte Sorgfaltspflicht als gesetzgeberisch geregelte Verkehrspflicht in entsprechenden zivilrechtlichen Streitigkeiten gebrauchen. Problematisch ist jedoch, ob die Pflicht aus § 3 SorgfaltspflichtenG international zwingend ausgestaltet werden sollte, ob sie also dem gesetzgeberischen Willen zufolge und mit Blick auf grenzüberschreitende, privatrechtliche Streitigkeiten international gelten soll. Als Durchsetzungsmechanismen enthält das Gesetz nämlich – anders als der inoffizielle Gesetzesentwurf des BMZ und das Eckpunktepapier des BMAS – lediglich Zwangs- und Bußgelder (§§ 23 und 24) und keine zivilrechtlichen Haftungstatbestände. Zivilrechtliche Haftungstatbestände und deren international-privatrechtliche Anwendung mittels einer Ausgestaltung als Eingriffsnorm waren zentrale Streitpunkte im Entstehungsprozess des verabschiedeten

205 So Grabosch, in: Transnationale Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen im Völkerrecht, 2013, S. 85; BeckOK-BGB/Spickhoff, Art. 16 Rom II-VO Rn. 3. Grundsätzlich offen dafür: Haider, Haftung von transnationalen Unternehmen und Staaten für Menschenrechtsverletzungen, 2019, S. 331 f.; Osieka, Zivilrechtliche Haftung deutscher Unternehmen für menschenrechtsbeeinträchtigende Handlungen ihrer Zulieferer, 2014, S. 245. 206 Görgen, Unternehmerische Haftung in transnationalen Menschenrechtsfällen, 2019, S. 194. 207 BReg, Entwurf für ein Sorgfaltspflichtengesetz, S. 1.

§ 8 Klagen gegen deutsche Mutter- oder Abnehmergesellschaften

167

Regierungsentwurfs.208 Der deutsche Gesetzgeber hat sich jedoch gegen eine solche Regelung entschieden. Das mag man rechtspolitisch gut oder schlecht finden. De lege lata widerspricht eine internationalprivatrechtliche Anwendung der Sorgfaltspflicht in zivilrechtlichen Rechtsstreitigkeiten jedenfalls dem gesetzgeberischen Willen. Ein solcher internationaler Geltungswille lässt sich auch nicht aus § 11 SorgfaltspflichtenG ableiten. § 11 ermächtigt Gewerkschafen und NGOs lediglich zur Prozessführung in bestimmten Fällen. Daraus lässt sich nicht schließen, dass der Gesetzgeber die Sorgfaltspflicht aus § 3 international angewandt wissen will. Vielmehr schließt der Gesetzgeber in § 3 III 1 eine zivilrechtliche Haftung wegen Verletzung dieser Pflicht explizit aus. 3. Anwendung mitgliedsstaatlicher Eingriffsnormen? Muss ein mitgliedsstaatliches Gericht auch Eingriffsnormen anderer Mitgliedsstaaten anwenden?209 Die Frage stellt sich hier in zweierlei Konstellationen. (1) Müssen deutsche Gerichte ausländische Eingriffsnormen wie z. B. die Sorgfaltspflichten aus dem französischen loi de vigilance berücksichtigen?210 (2) Und müssen andere mitgliedsstaatlichen Gerichte deutsche Eingriffsnormen anwenden? Mit der Frage der Anwendung ausländischer Eingriffsnormen allein lassen sich lange Untersuchungen füllen.211 Daher beschränkt sich die Untersuchung hier auf eine überblicksartige Wiedergabe des Meinungsstands. Die Rom II-VO trifft in Art. 16 einzig die Aussage, dass international zwingende Vorschriften der lex fori angewandt werden müssen. Anders als ihr Äquivalent in der Rom I-VO – Art. 9 III – schweigt sie zur Anwendung ausländischer, nicht zur lex fori gehörender Eingriffsnormen. Daraus schlussfolgert die Literatur Unterschiedliches. Teilweise wird davon ausgegangen, Art. 16 Rom II-VO enthalte eine Sperrwirkung bezüglich ausländischer Eingriffsnormen. Der europäische Gesetzgeber sah, anders als in Art. 9 III Rom I-VO, von der Regelung ausländischer Eingriffsnormen ab. Diese seien im Umkehrschluss daher niemals zu berücksichtigen.212 Andere wollen das durch Art. 16 Rom II-VO geschaffene Vakuum mittels nationaler Regelungen 208 Siehe z. B. den Redebeitrag der Bundestagsabgeordneten Eva-Maria Schreiber in der ersten Lesung des Gesetzes im Bundestag am 22. 04. 2021. 209 Rühl, Towards a German Supply Chain Act? SSRN, S. 10. 210 Unterstellt, dieses wurde international zwingend ausgestaltet. Dies wurde vom französischen Gesetzgeber nicht ausdrücklich klargestellt. Der deutsche Gesetzgeber sollte solche Unsicherheiten unbedingt vermeiden, siehe dazu auch Mittwoch, RIW 2020, 403. Ausführlicher zur internationalprivatrechtlichen Würdigung des französischen loi de vigilance Nasse, ZEuP 2019, 796 – 800. 211 Günther, Die Anwendbarkeit ausländischer Eingriffsnormen im Lichte der Rom I- und Rom II-Verordnungen, 2011; Schramm, Ausländische Eingriffsnormen im Deliktsrecht, 2005; Köhler, Eingriffsnormen – der „unfertige“ Teil des europäischen IPR, 2013, S. 168 – 320. 212 Wagner, IPRax 2008, 15; Ofner, ZfRV 2008, 23; BeckOGK/Maultzsch, Art. 16 Rom IIVO Rn. 42 f.; BeckOK-BGB/Spickhoff, Art. 16 Rom II-VO Rn. 4.

168

Kap. 3: Anwendbares Recht

füllen.213 Nationales, mitgliedsstaatliches Kollisionsrecht müsse darüber entscheiden, ob ausländische Eingriffsnormen angewandt werden müssen oder dürfen. Wieder andere sehen eine Regelungslücke innerhalb des europäischen Kollisionssystems, namentlich der Rom II-VO. Diese müsse durch einheitliche, für alle Mitgliedsstaaten geltende und durch den EuGH überprüfbare Rechtsfortbildung geschlossen werden.214 Innerhalb dieser Strömung wird eine Anwendungspflicht aller mitgliedsstaatlicher Eingriffsnormen entweder mit Verweis auf das Primär-215 oder Sekundärrecht216 befürwortet. Andere wollen in Analogie zu Art. 9 III Rom I-VO nur manche Eingriffsnormen des Handlungsorts zur Anwendung bringen.217 Wieder andere wollen mitgliedsstaatliche Gerichte zumindest zur Anwendung der Eingriffsnormen der lex causae verpflichten.218 Eine seriöse Aufarbeitung und Entscheidung dieses Meinungsstandes können hier nicht geleistet werden.219 Solange es noch keine Regelung auf europäischer oder deutscher Ebene gibt, ließe sich diese Meinungsvielfalt aber möglicherweise für in Deutschland klagende Geschädigte prozesstaktisch nutzen. Sie könnten versuchen, sich auf die extensiven Verkehrspflichten des französischen loi de vigilance zu stützen mit der Begründung diese mitgliedsstaatliche Eingriffsnorm müsse das deutsche Gericht berücksichtigen.

VI. Art. 26 Rom II-VO (ordre public) Schließlich ließe sich erwägen, über den ordre public Vorbehalt zur Anwendung deutschen Rechts zu gelangen.220 In ausländischen Rechtsordnungen seien die Menschenrechte nicht ausreichend geschützt.221 Um die Betroffenen nicht schutzlos 213 Leible/Lehmann, RIW 2008, 263; Günther, Die Anwendbarkeit ausländischer Eingriffsnormen im Lichte der Rom I- und Rom II-Verordnungen, 2011, S. 203. 214 Calliess-Rome Regulations/von Hein, Art. 16 Rome II Rn. 20 f.; ders., ZEuP 2009, 24 f.; Köhler, Eingriffsnormen – der „unfertige“ Teil des europäischen IPR, 2013, S. 277. 215 Mit jeweils unterschiedlichen primärrechtlichen Anknüpfungen: Mestmäcker, RabelsZ 52 (1988), 236 f.; Sonnenberger, IPRax 2003, 114; Roth, RabelsZ 55 (1991), 662 – 664; von Wilmowsky, Europäisches Kreditsicherungsrecht – Sachenrecht und Insolvenzrecht unter dem EG-Vertrag, 1996, S. 70 – 75, insbesondere 73; Fetsch, Eingriffsnormen und EG-Vertrag – Die Pflicht zur Anwendung der Eingriffsnormen anderer EG-Staaten, 2002, S. 368 ff. 216 Köhler, Eingriffsnormen – der „unfertige“ Teil des europäischen IPR, 2013, S. 309 – 320. 217 MüKo-BGB/Junker, Art. 16 Rom II-VO Rn. 28, der diese Möglichkeit im Ergebnis aber nicht für hilfreich erachtet. 218 Jakob/Picht, in: Rauscher EuZPR-EuIPR Kommentar, Art. 16 Rom II-VO Rn. 9 f. 219 Ebenfalls unschlüssig Rühl, Towards a German Supply Chain Act? SSRN, S. 10. 220 Siehe z. B. Haider, Haftung von transnationalen Unternehmen und Staaten für Menschenrechtsverletzungen, 2019, S. 336 – 338; Weller/Kaller/Schulz, AcP 216 (2016), 394 f.; Thomale/Hübner, JZ 2017, 392; Wagner, RabelsZ 80 (2016), 748. 221 Siehe oben Kap. 3 Fn. 119.

§ 8 Klagen gegen deutsche Mutter- oder Abnehmergesellschaften

169

zu stellen, müsse daher deutsches Recht zur Anwendung gelangen. Diskutiert wird dabei insbesondere, ob der ordre public Vorbehalt in Art. 26 Rom II-VO einen Inlandsbezug zum Forumsstaat voraussetzt,222 ob soft law den Inhalt der öffentlichen Ordnung des Forumsstaates bestimmen kann223 und was die genauen Rechtsfolgen eines ordre public Verstoßes sind. Merzt er lediglich die problematischen Stellen der lex causae aus (negative Funktion)224 oder füllt er die entstandene Lücke mittels der lex fori225 ? Diese Probleme stellen sich allerdings nur dann, wenn ein ordre public Verstoß durch die Anwendung ausländischen Rechts überhaupt befürchtet werden muss. Maßstab ist die öffentliche Ordnung „des Staates des angerufenen Gerichts“, Art. 26 Rom II-VO. Zu dieser muss das nach der Rom II-VO zur Anwendung berufene Recht in offensichtlichem Widerspruch stehen. Mit dieser Formulierung fordert der Verordnungsgeber ein, die Vorschrift zurückhaltend anzuwenden.226 Das zur Anwendung berufene Deliktsrecht der Produktionsstaaten verstößt aber nicht in offensichtlicher Weise gegen die deutsche öffentliche Ordnung. Auch in ausländischen Rechtsordnungen ist die fahrlässige Schädigung elementarer Rechtsgüter höchstwahrscheinlich schadensersatzbewährt.227 Wenn beispielsweise das pakistanische Deliktsrecht keinen Schutz für Körper-, sondern nur für Eigentumsverletzungen vorsähe, ließe sich über eine lückenfüllende Anwendung deutschen Rechts nachdenken. Dem ist aber nicht so. Wie schon bei Art. 4 III Rom II-VO reflektiert auch die Diskussion um Art. 26 Rom II-VO die herrschende Auffassung in der Literatur, ausländisches Deliktsrecht bleibe hinter dem deutschen Haftungsstandard zurück. Auch kann eine mangelhafte gerichtliche Durchsetzung in den Gaststaaten nicht gegen die deutsche öffentliche Ordnung verstoßen.228 Denn gemäß Art. 26 Rom II-VO muss die ausländische Rechtsordnung, nicht das ausländische Rechtssystem problematisch sein. Der ordre-public-Vorbehalt aus Art. 26 Rom II-VO hat in wirtschaftsmenschenrechtlichen Konstellationen daher keine Bedeutung.229

222 Siehe z. B. Wendelstein, RabelsZ 83 (2019), 146 – 148; Pförtner, in: Politik und internationales Privatrecht, 2017, S. 108; Haider, Haftung von transnationalen Unternehmen und Staaten für Menschenrechtsverletzungen, 2019, S. 336; Stürner, in: FS Coester-Waltjen, 2015, S. 853. 223 Pförtner, in: Politik und internationales Privatrecht, 2017, S. 103; BeckOGK/Stürner, Art. 6 EGBGB Rn. 249 f. 224 Wagner, RabelsZ 83 (2016), 748 f.; Pförtner, in: Politik und internationales Privatrecht, 2017, S. 109; Habersack/Ehrl, AcP 219 (2019), 186 f. 225 Wendelstein, RabelsZ 83 (2019), 145 f. 226 Jakob/Picht, in: Rauscher EuZPR-EuIPR Kommentar, Art. 26 Rom II-VO Rn. 4. 227 Siehe oben Kapitel 3, § 8 B.III.2.b)aa) (S. 154 ff.). 228 So Görgen, Unternehmerische Haftung in transnationalen Menschenrechtsfällen, 2019, S. 190. 229 So auch: v. Bar, Internationales Privatrecht, Band II, 2019, S. 421. Ebenfalls eher ablehnend: von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 331.

170

Kap. 3: Anwendbares Recht

C. Gesellschaftsrechtliche Ansprüche Schließlich könnte man erwägen, die deutsche Gesellschaft für die deliktischen Verbindlichkeiten der ausländischen Gesellschaft im Wege des Durchgriffs haften zu lassen. Die Bereichsausnahme in Art. 1 II lit. d) Rom II-VO schließt „die persönliche Haftung der Gesellschafter“ vom Anwendungsbereich der Verordnung aus. Dennoch ließe sich erwägen, die Durchgriffshaftung deliktisch zu qualifizieren und sie so dem Anwendungsbereich der Rom II-VO zu unterstellen.230 Ob den Gesellschaftern Handlungen der Gesellschaft „zugerechnet“231 werden können, wäre dann aus Sicht des europäischen Kollisionsrechts eine deliktische Frage. Dagegen streitet jedoch, dass zwar der Anspruch des Deliktsgläubigers gegen die Tochter deliktischer Natur ist. Ob und wann ein herrschender Gesellschafter für Handlungen seiner Gesellschaft haftbar gemacht werden kann, ist jedoch eine gesellschaftsrechtliche Frage.232 Jedenfalls kann eine deliktische Qualifikation mit Blick auf den eindeutigen Wortlaut der Bereichsausnahme nicht überzeugen. Dieser benennt explizit die Durchgriffshaftung als nicht von der Rom II-VO erfasst. Dieser Wille des Verordnungsgebers kommt auch im Kommissionsentwurf zur Rom II-VO zum Ausdruck.233 Dagegen sprechen rechtspolitisch möglicherweise gute Gründe,234 de lege lata lässt sich die Vorschrift aber nicht anders auslegen. Die Haftung für Verbindlichkeiten einer ausländischen Tochtergesellschaft wird daher nicht durch die Rom II-VO bestimmt. Vielmehr richtet sie sich nach deutschem internationalen Gesellschaftsrecht. Maßgeblich ist danach das Statut der Konzerngesellschaft.235 Denn diese ist die Gesellschaft, von der ein Durchgriff auf den bzw. die Gesellschafter stattfinden soll.236 Diese Konzerngesellschaft ist jedoch im Gaststaat gegründet und dort auch tätig. Unabhängig von Sitz- und Gründungstheorie ist somit ausländisches Gesellschaftsrecht maßgeblich. Dies ist auch sinnvoll, denn über die Aufhebung der rechtlichen Trennung sollte auch diese Rechtsordnung entscheiden, die diese Trennung anordnet.237 Für Fragen der Durchgriffshaftung gilt somit ebenfalls ausländisches Recht.238 230 So Renner/Kunz, in: Zivil- und strafrechtliche Unternehmensverantwortung für Menschenrechtsverletzungen, 2018, S. 65 f.; Renner, ZGR 2014, 478; Weller/Thomale, ZGR 2018, 525. In diese Richtung auch Bachmann et al., Rechtsregeln für die geschlossene Kapitalgesellschaft, 2012, S. 121. 231 Bachmann et al., Rechtsregeln für die geschlossene Kapitalgesellschaft, 2012, S. 121. 232 Ähnlich Rühl, in: Unternehmensverantwortung und internationales Recht, 2020, S. 99 f.; Schall, ZGR 2018, 510. 233 Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf ausservertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“), KOM(2003) 427 endgültig, S. 10. 234 Siehe die Analyse von Renner, ZGR 2014, 452 – 486. 235 MüKo-BGB/Kindler, IntGesR Rn. 615. 236 Ebd. 237 Ebd.; Ebenroth/Offenloch, RIW 1997, 9.

§ 9 Klagen gegen ausländische Konzern- oder Zulieferergesellschaften

171

§ 9 Klagen gegen ausländische Konzernoder Zulieferergesellschaften Es ist nicht völlig ausgeschlossen, dass deutsche Gerichte sich für eine Klage gegen ein ausländisches Konzern-/Zuliefererunternehmen für international zuständig erklären. Das ergibt sich aus § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO239 oder der Notzuständigkeit240. Auch hier stellt sich für das erkennende Gericht im nächsten Schritt die Frage, welches Recht es anwenden soll.

A. Vertragliche Ansprüche I. Anwendungsbereich der Rom I-VO 1. Arbeitsverhältnis zwischen ausländischer Gesellschaft und den Geschädigten Berufen sich die Geschädigten darauf, ihr Arbeitgeber habe aus einem mit ihnen bestehenden Arbeitsvertrag Pflichten verletzt, lässt sich zunächst an eine vertragliche Qualifikation dieser Ansprüche denken. In dem Fall wäre der sachliche Anwendungsbereich der Rom I-VO eröffnet. Dies kommt freilich nur dann in Betracht, besteht zwischen der ausländischen Konzern- oder Zulieferergesellschaft und den Geschädigten ein Arbeitsverhältnis. Die Geschädigten und die ausländische Gesellschaft schlossen Arbeitsverträge in den Fällen Unilever,241 Microsoft/Google,242 Wintek243 und in sämtlichen Fallkonstellationen betreffend die Einzelhandelsindustrie244.

238 Wie hier: Schall, ZGR 2018, 510; Mansel, ZGR 2018, 452 f.; Wagner, RabelsZ 80 (2016), 761; von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 33; Rühl, in: Unternehmensverantwortung und internationales Recht, 2020, S. 99 f.; Weller/Kaller/Schulz, AcP 216 (2016), 397; Haider, Haftung von transnationalen Unternehmen und Staaten für Menschenrechtsverletzungen, 2019, S. 349 f.; Görgen, Unternehmerische Haftung in transnationalen Menschenrechtsfällen, 2019, S. 169; Mansel, ZGR 2018, 452 f.; Eidenmüller, in: Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, 2004, S. 91; Meder, HuV 2020, 80. 239 Kapitel 2, § 6 B.IV. (S. 46). 240 Kapitel 2, § 6 B.V. (S. 46). 241 Kapitel 1, § 2 A.V. (S. 39). 242 Kapitel 1, § 2 A.VIII. (S. 42). 243 Kapitel 1, § 2 B.VI. (S. 47). 244 Kapitel 1, § 2 B. (S. 44 ff.).

172

Kap. 3: Anwendbares Recht

2. Qualifikation der Haftung für verletzte Bestandsinteressen des Vertragspartners Hinsichtlich von Ansprüchen, die nicht das Erfüllungs-, sondern das Integritätsinteresse des Anspruchsstellers betreffen, also etwa Ansprüche wegen der Verletzung vertraglicher Nebenpflichten, lässt sich jedoch eine vertragliche Qualifikation der Ansprüche und damit die Eröffnung des sachlichen Anwendungsbereichs der Rom I-VO bestreiten.245 Denn eine deliktische Qualifikation der Ansprüche ist richtigerweise dann anzunehmen, kann die Rechtmäßigkeit des Verhaltens des Schädigers auch ohne Würdigung des Vertragsinhalts beurteilt werden.246 So ließe sich hier zugunsten einer deliktischen Qualifikation anführen, dass auch auf einer Verletzung vertraglicher, nämlich arbeitgeberischer Pflichten basierende Ansprüche letztlich dem Schutz der körperlichen und gesundheitlichen Unversehrtheit dienen247 und deliktische und vertragliche Ansprüche sich deshalb nicht unterscheiden, eine Hinzuziehung des Vertrags mithin nicht nötig ist.248 Darüber hinaus lässt sich dieser Sichtweise zugutehalten, dass in vielen Rechtsordnungen – anders als im deutschen Recht – das Deliktsrecht Ansprüche wegen der Verletzung vertraglicher Schutzpflichten regelt.249 Das gilt insbesondere für das griechische, italienische, dänische und portugiesische Recht.250 Demgegenüber stehen die deutsche und österreichische Rechtsordnung, die mit deliktischen Ansprüchen konkurrierende vertragliche, sich 245 Dafür, diese Arten von Ansprüchen vollumfänglich der Rom II-VO zu unterstellen: Wendelstein, RabelsZ 83 (2019), 126; BeckOGK/Paulus, Art. 1 Rom I-VO Rn. 33. A. A. (Ansprüche wegen Verstoß gegen vertragliche Nebenpflichten sollen sich nach der Rom I-VO richten, Ansprüche wegen des Verstoßes gegen deliktische Verkehrspflichten nach der Rom II-VO): von Hein, in: Rauscher EuZPR-EuIPR Kommentar, Art. 1 Rom I-VO Rn. 7; MüKo-BGB/Martiny, Art. 1 Rom I-VO Rn. 12; Mansel, in: Jauernig BGB, Vorbemerkung Rom I-VO Rn. 41; Haider, Haftung von transnationalen Unternehmen und Staaten für Menschenrechtsverletzungen, 2019, S. 354. 246 EuGH, Urt. v. 13. 03. 2014, C-548/12, NJW 2014, 1648 Rn. 26 – Marc Brogsitter/Fabrication de Montres Normandes EURL ua.: Die Abgrenzung richtet sich danach, ob die Auslegung des Arbeitsvertrags „zwingend erforderlich“ ist, um zu klären, ob die Pflichtverletzung des vermeintlichen Schädigers rechtmäßig oder rechtswidrig war. Siehe nun auch EuGH, Urt. v. 25. 11. 2020, C-59/19 Rn. 33, ZIP 2020, 2476 = RIW 2021, 39 – Wikingerhof: Ein außervertragliches Schuldverhältnis liegt dann vor, „erscheint es nicht unerlässlich, den Inhalt des mit dem Beklagten geschlossenen Vertrags zu prüfen, um zu beurteilen, ob das diesem vorgeworfene Verhalten rechtmäßig oder rechtswidrig ist“. Ablehnend einer Übertragbarkeit dieser zum EU-IZPR ergangenen Entscheidungen auf das EU-IPR gegenüber: Rieländer, RIW 2021, 112. 247 So Wendelstein, RabelsZ 83 (2019), 126, der deshalb für eine deliktische Qualifikation der Ansprüche plädiert. 248 BeckOGK/Paulus, Art. 1 Rom I-VO Rn. 33. 249 BeckOGK/Paulus, Art. 1 Rom I-VO Rn. 33; MüKo-BGB/Spellenberg, Art. 12 Rom I-VO Rn. 58. Siehe im Detail: v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht, Band I, 1999, S. 480 f. Siehe auch das Fazit der rechtsvergleichenden Untersuchung von Kreuzer, Culpa in contrahendo und Verkehrspflichten, 1971, S. 233 – 239. 250 Siehe die Analyse von v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht, Band I, 1999, S. 461 – 463.

§ 9 Klagen gegen ausländische Konzern- oder Zulieferergesellschaften

173

auf Schutzpflichtverletzungen stützende Ansprüche anerkennen.251 Auch im common law konkurrieren Ansprüche aus deliktischen Schutz- bzw. Sorgfaltspflichtverletzungen mit solchen aus vertraglichen Schutzpflichtverletzungen.252 In den Niederlanden ist das Bild uneinheitlich: Dort kennt die Rechtsordnung zwar Pflichten des Arbeitgebers, seine Arbeitnehmer vor Körper- und Gesundheitsschäden zu schützen, sowie des Mieters gegenüber dem Vermieter für Verschlechterungen der Mietsache.253 Die überwiegende Haftung für Schutzpflichtverletzungen regelt jedoch auch dort das Deliktsrecht.254 Die Rechtsordnungen der Mitgliedsstaaten geben in dieser Frage also kein völlig klares Bild ab, wobei überwiegend von einer Lösung solcher Sachverhaltskonstellationen über das Deliktsrecht ausgegangen werden kann, was für eine ebensolche deliktische bzw. außervertragliche Qualifikation der in Rede stehenden Ansprüche spräche. Dagegen spricht indes, dass Verträge häufig eigene und auch konkretere Pflichten als deliktische Verkehrspflichten bereithalten. Zumindest ist die Vereinbarung höherer Sorgfaltsstandards möglich.255 Diese können in manchen Fällen über deliktische Sorgfalts- bzw. Verkehrspflichten hinausreichen. Sind bestimmte Standards vertraglich vereinbart worden, kann der Verletzte diese – auch in den soeben genannten Rechtsordnungen – mittels vertraglicher Ansprüche einklagen.256 Da man der Rom I-VO aber gerade keine solche Unterscheidung zwischen explizit vereinbarten und gesetzlich entstehenden vertraglichen Schutzpflichten entnehmen kann und Art. 12 c) Rom I-VO gerade nicht auf eine solche Unterscheidung hindeutet,257 wird man den unterschiedlichen Perspektiven der jeweiligen Rechtsordnungen am besten gerecht, lässt man eine Anspruchskonkurrenz zwischen vertraglichen und deliktischen Ansprüchen zu. Berufen sich die Kläger hier also darauf, die Beklagte habe vertragliche Pflichten verletzt und infolgedessen stehen ihnen vertragliche Schadensersatzansprüche zu, so ist das anwendbare Recht dafür nach der Rom I-VO zu bestimmen.

II. Art. 8 II Rom I-VO (Individualarbeitsverträge) Gemäß Art. 8 II Rom I-VO richten sich Ansprüche, in denen sich der Anspruchssteller auf die Verletzung aus einem Individualarbeitsvertrag stammender Pflichten beruft, nach dem Recht des Staates, in dem der Arbeitnehmer gewöhnlich 251

Ebd., S. 465 – 469. Siehe ebd., S. 464 f. für Irland und Großbritannien. In der EU wird das common law darüber hinaus von Zypern angewandt. Großbritannien ist freilich jüngst aus der EU ausgetreten und dessen Rechtsordnung damit hier irrelevant. 253 Ebd., S. 462 f. 254 Ebd., S. 463. 255 Ebd., S. 448 f. 256 Ebd., S. 460. 257 Mansel, in: Jauernig BGB, Vorbemerkung Rom I-VO Rn. 41. 252

174

Kap. 3: Anwendbares Recht

seine Arbeit verrichtet. Die Geschädigten arbeiten regelmäßig in den Betrieben der ausländischen Konzern- bzw. Zulieferergesellschaft, also im Gaststaat. Ansprüche wegen der Verletzung aus einem Arbeitsvertrag stammender Neben- bzw. Schutzpflichten muss das erkennende Gericht also nach dem Recht dieses Gaststaats beurteilen.

B. Deliktische Ansprüche Berufen sich die Geschädigten darauf, die ausländische Gesellschaft habe außervertragliche, gegenüber jedermann geltende Sorgfaltspflichten verletzt, so ist für diese Art von Ansprüchen der sachliche Anwendungsbereich der Rom II-VO eröffnet. Diese Ansprüche können neben den soeben diskutierten, vertraglichen Ansprüchen geltend gemacht werden.258 Für sie gilt das unter § 8 B. Gesagte mit einer kleinen Nuance: Bei Klagen gegen Mutter-/Abnehmergesellschaften mit Sitz in Deutschland ließ sich in manchen Fällen mittels Art. 7 Rom II-VO über den Handlungsort an die Entscheidung in der Konzernzentrale der Mutter- bzw. Abnehmergesellschaft in Deutschland anknüpfen.259 Das gilt hier nicht mehr, da die zentralen Entscheidungen der Konzern- bzw. Zulieferergesellschaft ohnehin im Gaststaat getroffen werden. Handlungs- und Erfolgsort führen mithin zu keinem unterschiedlichen Ergebnis. Auch etwaige in Betracht kommende deliktische Ansprüche richten sich daher immer nach ausländischem, das heißt gaststaatlichem Recht.

§ 10 Anwendbares Recht de lege ferenda In rechtspolitischer Hinsicht stellt sich insbesondere die Frage, ob die derzeitige kollisionsrechtliche Orientierung am Erfolgsortprinzip sachgerecht ist (A.). Da dieses zur Anwendung ausländischen Rechts führt, lässt sich darüber hinaus fragen, wie in einem potenziellen WertschöpfungskettenG, das Gesellschaften bestimmte Sorgfaltspflichten auferlegt, kollisionsrechtlich zur Anwendung verholfen werden kann (B. und C.).260 Ein solcher Gesetzesvorschlag wird im späteren Verlauf der Untersuchung gemacht.

258 MüKo-BGB/Martiny, Art. 1 Rom I-VO Rn. 12; Mansel, in: Jauernig BGB, Vorbemerkung Rom I-VO Rn. 41. 259 Kapitel 3, § 8 B.II.2. (S. 144 ff.). 260 Wie oben bereits erörtert sind die Pflichten des im Juli 2021 verabschiedeten SorgfaltspflichtenG hingegen nicht als Eingriffsnorm ausgestaltet worden, Kapitel 3, § 8 B.V.2. (S. 166).

§ 10 Anwendbares Recht de lege ferenda

175

A. Sachgerechte kollisionsrechtliche Ausgangslage In den für diese Arbeit interessierenden Fallkonstellationen wenden Gerichte im Regelfall ausländisches Recht an, nämlich das Recht des Sitzstaates der ausländischen Konzern- und Zulieferergesellschaften. Ausnahmsweise, wenn die Rechtsgutsverletzung mit Umweltschäden einhergeht und die Handlung (oder Unterlassung) der deutschen Gesellschaft an deren Konzernzentrale vorgenommen wurde, können die Geschädigten zwischen Handlungs- und Erfolgsort wählen. Nur in dieser Fallgruppe könnte das deutsche Gericht bei entsprechender Wahl also deutsches Recht anwenden. Das gilt lediglich im Verhältnis zur Mutter- bzw. Abnehmergesellschaft. Bei Klagen gegen ausländische Gesellschaften ist keine Konstellation denkbar, in der das deutsche Gericht auch deutsches Recht anwendet. Es wendet hier immer das Recht des Gaststaates an. Für die Maßgeblichkeit des Erfolgsorts streiten gute Gründe:261 (1) Der Erfolgsort ist für beide Parteien in vielen Fällen erkennbar. Der Schädiger weiß, wo sich seine Handlungen auswirken. Der Geschädigte weiß, wo er am ehesten eine Rechtsgutsverletzung erleiden wird. (2) Darüber hinaus lässt sich der Ort, an dem der Schaden eintrat, im Nachhinein leicht bestimmen. Die Fälle hier zeigen, wie kompliziert es sein kann, den Handlungsort auszumachen. Insbesondere bei Unterlassungen ist der Ort maßgeblich, an dem die Handlung hätte vorgenommen werden müssen. Dieser lässt sich insbesondere bei Überwachungs- oder Planungsentscheidungen schwer bestimmen. Dieser Befund gilt umso mehr in Zeiten, in denen Sorgfaltsanforderungen immer mehr ausgedehnt wurden und werden.262 (3) Der Erfolgsort setzt Anreize für den Schädiger, Unfälle zu vermeiden. Er muss sich überlegen, wo sich seine Handlungen auswirken könnten und diese den dortigen Vorschriften anpassen.263 So lässt sich verhindern, dass sich Staaten regulierungstechnisch unterbieten, da der Schädiger sich nicht mittels Standortwahl von der Haftung befreien kann.264 (4) Das Recht am Schadensort fällt idealtypisch auch mit diesem Recht zusammen, das dem Geschädigten bekannt und gut zugänglich ist.265 Das gilt zwar nicht zwangsläufig für den Schädiger. Diesen zwingt aber auch niemand, am Schadensort tätig zu werden.

261

Folgende Interessenbetrachtung beruht auf Rühl, Statut und Effizienz, 2011, S. 653 f. Bohrer, Der morsche Baum, 2010, S. 231 f., 239 f. zur Ausweitung von Verkehrspflichten. 263 Sofern er dort selbst tätig wird. Diesen Grundsatz relativiert allerdings die Haftungsbeschränkung. Siehe unten Kapitel 4, § 13 B.II. (S. 235 ff.). 264 In den Fällen hier stellen sich aufgrund der Standortwahl von transnationalen Unternehmen zwar ebenfalls Probleme (siehe unten Kapitel 4, § 12 B.), weil an den gewählten Orten Arbeits- und Sozialstandards häufig nicht durchgesetzt werden. Dieses Problem betrifft jedoch nicht das Erfolgsortprinzip, da sowohl auf Klagen gegen deutsche wie auch gaststaatliche Unternehmen gaststaatliches Recht anzuwenden ist. 265 Rühl, in: Unternehmensverantwortung und internationales Recht, 2020, S. 100. 262

176

Kap. 3: Anwendbares Recht

Auch die mangelnde Revisibilität von auf Grundlage ausländischen Rechts ergangener Urteile266 kann an der Wertung der Rom II-VO zu Gunsten ausländischen Rechts nichts ändern. Es handelt sich um ein generelles Problem bei Anwendung ausländischen Rechts und stellt sich nicht nur in Bezug auf die Fälle hier. Zwar ließe sich argumentieren, die Geschädigten seien in den Fällen hier besonders schutzwürdig. Jedoch lässt sich nicht klar abgrenzen, wer zu dieser Personengruppe gehört und wer nicht. Die in den hier thematisierten Fällen sich stellenden Probleme betreffen andere Themen wie z. B. den Zugang zu rechtsstaatlichen Verfahren gegen die richtigen Beklagten.267 Die Revisibilität ausländischen Rechts kann daran nichts ändern. Dem Problem, dass z. B. Geschädigte in ihren Heimatstaaten mangels Vertrauens in das dortige Justizsystem nicht klagen, sondern diese Klagen vor den Gerichten der Heimatstaaten der Mutter- bzw. Abnehmerunternehmen anstrengen, lässt sich internationalzivilprozessual268 besser begegnen. Das in Europa geltende, fein austarierte Kollisionsrecht ist grundsätzlich sachgerecht. Auch die hier untersuchten Fälle geben dem Gesetzgeber keinen Anlass, dieses System grundlegend umzugestalten.

B. Eingriffslösung oder Wahlrecht der Geschädigten? Fraglich ist, wie materiell-rechtliche Sorgfaltspflichten kollisionsrechtlich zur Anwendung gebracht werden können. Bislang war sich die Literatur darüber einig, dass die Mitgliedsstaaten und nicht der europäische Gesetzgeber die Anwendung materiell-rechtlicher Sorgfaltspflichten mittels einer Eingriffsnorm (Art. 16 Rom II-VO) sicherstellen sollten. Nun schlug ein draft report des EU-Parlaments vor, die Rom II-VO zu ändern.269 Eine aktualisierte Fassung dieses Berichts änderte diese Empfehlung später. Diese Fassung schlägt nun doch wieder die kollisionsrechtliche Anwendung der Sorgfaltspflichten mittels einer Eingriffsnorm vor.270 Im Folgenden wird die Lösung des ersten draft reports aufgrund ihrer grundsätzlichen rechtspolitischen Bedeutung für die internationalprivatrechtliche Handhabe dieser Fälle dennoch untersucht. 266 Herrschender Auffassung zur Folge sind auf Grundlage ausländischen Rechts ergangene Urteile nicht gemäß § 545 ZPO reversibel. Nach der 2009 eingefügten Änderung des § 545 ZPO (statt „Verletzung des Bundesrecht“ heißt es dort nun „Verletzung des Rechts“) mehren sich die Stimmen für die Revisibilität ausländischen Rechts, siehe beispielhaft Hess/Hübner, NJW 2009, 3135; Riehm, JZ 2014, 78; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 2020, S. 928 Rn. 2610. Dazu gehört jedoch nicht der BGH, der sich auch nach Änderung von § 545 ZPO weiterhin gegen die Revisibilität ausländischen Rechts ausspricht, BGH, Beschl. v. 04. 07. 2013, V ZB 197/12, NJW 2013, 3656. Ihm folgend MüKo-ZPO/Krüger, § 545 Rn. 11; Musielak-ZPO/Ball, § 545 Rn. 7; Stein/Jonas-ZPO/Jacobs, § 545 Rn. 26. 267 Siehe zur Problemstellung ausführlich unten Kapitel 4, § 12 (S. 209 ff.). 268 Kapitel 2, § 7 (S. 128 ff.) 269 Siehe European Parliament, Draft Report, S. 31 (Article 6a). 270 European Parliament, Draft Report (updated), S. 39 (Article 20).

§ 10 Anwendbares Recht de lege ferenda

177

I. Vorschlag im draft report zur Änderung der Rom II-VO (Art. 6a) Dem Vorschlag eines neu eingefügten Art. 6a Rom II-VO zufolge sollen Geschädigte bei Menschenrechtsverletzungen ein Wahlrecht haben zwischen (1) dem Recht des Staates am Handlungsort, (2) dem des Wohnsitzes (Art. 63 I Brüssel Ia-VO) der Muttergesellschaft oder (3), sofern der Wohnsitz der Muttergesellschaft nicht in einem Mitgliedsstaat liegt, dem Recht des Orts, an dem die Muttergesellschaft operiert.271 Den Geschädigten würde so ein Wahlrecht zwischen den Rechtsordnungen des Gast- und des Heimatsstaats der operierenden Unternehmen zukommen.

II. Erwägungen zugunsten einer solchen Änderung Die Wiedereinführung dieses „Ubiquitätsprinzips“ erfuhr teilweise Zustimmung in der Literatur.272 Es handle sich (1) um eine EU-Richtlinie. Der EU-Gesetzgeber sei daher nicht auf den „unilateralen“ Weg von Eingriffsnormen angewiesen, sondern habe – anders als die Mitgliedsstaaten – die Kompetenz, die Rom II-VO zu ändern. Das Ubiquitätsprinzip sei (2) etabliertes Prinzip des europäischen Kollisionsrecht wie Art. 7 Rom II-VO zeige. Es sei (3) nun keine Abgrenzung zwischen Umweltschädigungen (Art. 7 Rom II-VO) und Menschenrechtsverletzungen mehr nötig. Das Optionsrecht biete die Möglichkeit, auf Wunsch der Geschädigten das Recht der Gaststaaten anzuwenden. So werde (4) eine neokolonialistische und paternalistische Haltung vermieden und (5) das Machtungleichgewicht zwischen Unternehmen und Geschädigten ausgeglichen. Schließlich (6) vereinfache das Optionsrecht die bei Menschenrechtsklagen so wichtigen Vergleiche und außergerichtlichen Einigungen, da den Parteien anders als bei der Eingriffslösung nicht die Möglichkeit einer Rechtswahl (Art. 14 Rom II-VO) genommen wird.273 271 „Article 6a – Business-related human rights claims: In the context of business-related civil claims for human rights violations within the value chain of an undertaking domiciled in a Member State of the Union or operating in the Union within the scope of Directive xxx/xxxx on Corporate Due Diligence and Corporate Accountability, the law applicable to a non-contractual obligation arising out of the damage sustained shall be the law determined pursuant to Article 4(1), unless the person seeking compensation for damage chooses to base his or her claim on the law of the country in which the event giving rise to the damage occurred or on the law of the country in which the parent company has its domicile or, where it does not have a domicile in a Member State, the law of the country where it operates.“ European Parliament, Draft Report, S. 31. Der dort vorgeschlagene Text übernimmt die Ausführungen von EU Parliament, Study: Access to legal remedies for victims of corporate human rights abuses in third countries, 2019, S. 112 – 115, insb. 115. 272 von Hein, conflictoflaws.net, https://conflictoflaws.net/2020/back-to-the-future-re-intro ducing-the-principle-of-ubiquity-for-business-related-human-rights-claims/; Alvarez, conflict of laws.net, https://conflictoflaws.net/2021/alvarez-armas-on-potential-human-rights-relatedamendments-to-the-rome-ii-regulation-ii-the-proposed-art-6a-art-7-is-dead-long-live-article-7/. 273 Argumente (1) – (4) und (6): von Hein, conflictoflaws.net, https://conflictoflaws.net/202 0/back-to-the-future-re-introducing-the-principle-of-ubiquity-for-business-related-human-

178

Kap. 3: Anwendbares Recht

III. Erwägungen gegen eine solche Änderung Gegen die Lösung des Artikel 6a spricht jedoch, dass (1) der europäische Gesetzgeber die Ausgestaltung der Eingriffsnormen nicht unilateral den Mitgliedsstaaten überlassen muss. Er sollte vielmehr im Rahmen einer EU-Verordnung eine (europäische) Eingriffsnorm einführen.274 Es ist (2) zwar richtig, dass das Ubiquitätsprinzip in Art. 7 Rom II-VO etabliert ist. Das ist jedoch kein Argument dafür, es bei Menschenrechtsverletzungen (oder gar überall) einzuführen. Darüber hinaus gibt es gute Gründe dafür, Menschenrechtsverletzungen und Umweltschädigungen unterschiedlich zu behandeln. Wie bereits bei der analogen Anwendung von Art. 7 Rom II-VO herausgearbeitet,275 gründet sich die Privilegierung des Geschädigten im Rahmen von Art. 7 Rom II-VO auf die in verschiedenen Ländern geltenden Umweltstandards. Der Schädiger soll sich durch Standortwahl keiner Umweltregulierung entziehen können. Da in Fällen von Menschenrechtsverletzungen zivilrechtlich schlichte deliktsrechtliche Ansprüche geltend gemacht werden und das Deliktsrecht der Gaststaaten regelmäßig keinen geringeren Schutzstandard bietet, besteht bei Menschenrechtsverletzungen eine andere Sachlage. Es gibt keine unterschiedlichen Schutzstandards wie beim Umweltschutz. Dass der Gesetzgeber hier kollisionsrechtlich unterscheidet, ist daher (3) sachgerecht. Die Abgrenzung zwischen Menschenrechtsverletzungen und Umweltschädigungen wird durch den im draft report vorgeschlagenen Art. 6a sogar erschwert. Zurzeit ist noch unzweifelhaft auf Art. 7 Rom II-VO zu rekurrieren, sofern der Rechtsstreit zumindest auch einen Umweltschaden enthält. Enthält der Rechtsstreit – wie häufig der Fall – allerdings Umweltund Personenschäden, ist die Abgrenzung zu Art. 6a unklar.276 Darüber hinaus befeuert die Eingriffslösung (4) auch keine neokoloniale oder paternalistische Haltung. Denn erstens wenden Gerichte der hier vorgeschlagenen, kleinen Eingriffslösung277 zufolge ohnehin nur die Sorgfaltspflicht an und betten diese in die ausländische Rechtsordnung ein. Der ausländischen Rechtsordnung kommt somit nicht unerhebliche Bedeutung zu. Zweitens sind Eingriffsnormen nicht per se Zeugnis neokolonialer (i. S. v. kontrollierender, Ungleichheit befördernder, dominierender oder rights-claims/. Argument (5): EU Parliament, Study: Access to victims of corporate human rights abuses in third countries, 2019, S. 114. Ähnlich auch („empowerment“): Alvarez, conflictoflaws.net, https://conflictoflaws.net/2021/alvarez-armas-on-potential-human-rights-relatedamendments-to-the-rome-ii-regulation-ii-the-proposed-art-6a-art-7-is-dead-long-live-article-7/. 274 Siehe zu international zwingenden, aus sekundärem Unionsrecht stammenden Normen MüKo/Martiny, Art. 9 Rom I-VO Rn. 28. Ebenfalls kritisch gegenüber einer Ausgestaltung als Richtlinie Brunk, conflictoflaws.net, https://conflictoflaws.net/2020/a-step-in-the-right-direc tion-but-nothing-more-a-critical-note-on-the-draft-directive-on-mandatory-human-rights-due-di ligence/. 275 Kapitel 3, § 8 B.II.4. (S. 149 f.). 276 So Alvarez, conflictoflaws.net, https://conflictoflaws.net/2021/alvarez-armas-on-potenti al-human-rights-related-amendments-to-the-rome-ii-regulation-ii-the-proposed-art-6a-art-7-isdead-long-live-article-7/. 277 Und gegebenenfalls einen erweiterten Rechtsgüterkatalog, siehe dazu sogleich Kapitel 3, § 10 C.II. (S. 182 ff.).

§ 10 Anwendbares Recht de lege ferenda

179

ausbeuterischer278) Politik, sondern legitimer Ausdruck nationalstaatlicher (in diesem Fall europäischer) Souveränität. Das gilt umso mehr, geht es an dieser Stelle darum, die drittstaatlichen Aktivitäten europäischer Unternehmen zu regulieren. Dabei handelt es sich um einen Kernbereich europäischer Souveränität. Ansonsten müssten jegliche Eingriffsnormen in Rechtsverhältnissen zu Entwicklungsländern abgeschafft werden, da hierin immer die implizite, „neokoloniale“ Aussage läge, westliche Gesetze seien besser. Von dort stammenden Klägern müsste dann immer die Möglichkeit eingeräumt werden, ihr Recht zu Anwendung zu bringen. Das übervorteilt Kläger aus Entwicklungsländern allein aufgrund ihrer Herkunft und drängt sie damit in eine Opferposition, die nicht zwangsläufig ihrem Selbstverständnis entspricht. Drittens haben die Mitgliedsstaaten und die EU allen globalen Wohlstandsunterschieden zum Trotz ein schützenswertes Interesse daran, den wichtigsten ihrer Wertvorstellungen per Eingriffsnorm Geltung zu verleihen. (5) Ein Machtungleichgewicht besteht zwar durchaus zwischen den Parteien. Allerdings sollten dieses materiell-rechtliche Regelungen beseitigen. Allein kollisionsrechtliche Regelungen kommen dafür nicht in Frage. Schließlich trifft das Argument (6) zwar zu. Allerdings ist fraglich, ob dieses allein die Nachteile des Ubiquitätsprinzips überwiegen kann. Artikel 6a schafft nämlich Rechtsunsicherheit in zweierlei Hinsicht. Erstens muss die Rechtswahl abgewartet werden, um vorherzusehen, welche Rechtsordnung auf einen Rechtsstreit Anwendung findet. Dieses Problem verschärft sich, da Artikel 6a mindestens an drei Orte anknüpft (Handlungsort, „Wohnsitz“ des Mutterunternehmens, Ort der unternehmerischen Operationen).279 Nimmt man die drei Alternativen aus Art. 63 I a)-c) Brüssel Ia-VO noch hinzu, sind weitere Anknüpfungen denkbar.280 Zweitens ist der Begriff „Menschenrechtsverletzung“ bislang weitestgehend konturenlos. In seiner extensivsten Interpretation käme hier jeder Fall in Frage, in dem ein Rechtssubjekt einen Schaden erlitten hat. Da Menschenrechte bisweilen auch Unternehmen zugebilligt werden, dürfte danach dem Geschädigten jedes Rechtsstreits das Ubiquitätsprinzip zugutekommen. Eingrenzungen des Begriffs der Menschenrechtsverletzung sind zwar denkbar, aber bislang nicht vorgebracht worden. Schließlich wahrt eine europäische Eingriffsnorm besser den internationalen Entscheidungseinklang. Artikel 6a zufolge würden Gerichte manchmal an die europäischen Sorgfaltspflichten anknüpfen (sofern sich Geschädigte für die mit278

Damit wird Neokolonialismus weitgehend assoziiert. Siehe dazu ausführlich und m. w. N. zur sozialwissenschaftlichen Debatte Sepos, 6 Journal of Political Power (2013), 263 f. 279 von Hein, conflictoflaws.net, https://conflictoflaws.net/2020/back-to-the-future-re-intro ducing-the-principle-of-ubiquity-for-business-related-human-rights-claims/. 280 Ebd.; Alvarez, conflictoflaws.net, https://conflictoflaws.net/2021/alvarez-armas-onpotential-human-rights-related-amendments-to-the-rome-ii-regulation-ii-the-proposed-art-6aart-7-is-dead-long-live-article-7/ weist zutreffend darauf hin, dass die Rechtsunsicherheiten zu einem großen Teil vom Unternehmen selbst verschuldet ist. Dieses organisiert sich häufig multinational. Dies gilt allerdings nicht für das Wahlrecht selbst. Die daraus folgende Rechtsunsicherheit wurzelt allein darin.

180

Kap. 3: Anwendbares Recht

gliedsstaatliche Rechtsordnung entscheiden) und manchmal nicht.281 Die Eingriffslösung ist daher für die hier untersuchte Problemlage besser geeignet. Sie garantiert den Geschädigten einen ebenso guten Rechtsschutz, ohne die Rechtslage unsicherer zu gestalten. Daran kann auch die dann – jedenfalls im Bereich der Sorgfaltspflicht282 – nicht mehr mögliche Rechtswahl der Parteien etwas ändern. Das Parteiinteresse an einer vorhersehbaren Rechtslage überwiegt. Davon abgesehen verwundert an Artikel 6a, dass er nur auf den Sitz der Muttergesellschaft, nicht aber auf den Sitz von Abnehmergesellschaften abstellt. Die Tatsache, dass die Rechtsgutsverletzung durch einen Konzern verursacht wurde (und nicht im Rahmen der vertraglichen Abnehmer/Zulieferer-Konstellation), rechtfertigt jedoch keine kollisionsrechtliche Privilegierung. Möglicherweise handelt es sich um ein Versehen. Schließlich ist der pauschale Verweis auf den Wohnsitz der Muttergesellschaft unglücklich, da dieser an verschiedenen Orten liegen kann (je nachdem, ob man an den satzungsmäßigen Sitz, die Hauptverwaltung oder die Hauptniederlassung anknüpft, siehe Art. 63 I a)-c) Brüssel Ia-VO).283 Art. 6a ließe sich jedoch redaktionell noch umgestalten. Dadurch ließen sich diese Einwände beheben. Jedoch ist eine Einführung des Ubiquitätsprinzips für Menschenrechtsverletzungen ohnehin nicht wünschenswert.284 Im Folgenden wird daher die Eingriffslösung favorisiert.

C. WertschöpfungskettenG als Eingriffsnorm Dem gegenüber steht die Ausgestaltung des hier vorgeschlagenen WertschöpfungskettenG als Eingriffsnorm. Diesen Weg gingen auch alle bisherigen deutschen Gesetzesvorschläge.285 Das vom deutschen Gesetzgeber im Juli 2021 verabschiedete 281

Der draft report, der auch verschiedene due diligence Verpflichtungen für Unternehmen vorsieht, etabliert jedoch keine Sorgfaltspflicht, die innerhalb der zivilrechtlichen Haftung relevant würde. Jedoch ist nicht unwahrscheinlich, dass sich dies noch ändert. Justizkommissar Reynders hat ausdrücklich ein zivilrechtliche Haftung umfassendes Regelungsregime angekündigt, siehe Business & Human Rights Resource Center, EU-Kommissar kündigt Gesetzesentwurf für europäisches Lieferkettengesetz an, https://www.business-humanrights.org/de/ eu-justizkommissar-k%C3%BCndigt-gesetzentwurf-f%C3%BCr-europ%C3%A4isches-liefer kettengesetz-an. 282 „Kleine Eingriffslösung“, siehe dazu noch detailliert unten Kapitel 3, § 10 C.II. (S. 182 ff.). Sollte sich der Gesetzgeber zusätzlich dazu entscheiden, auch den deliktischen Rechtsgüterkatalog zu erweitern, wäre auch in diesem Bereich keine Rechtswahl mehr möglich. 283 von Hein, conflictoflaws.net, https://conflictoflaws.net/2020/back-to-the-future-re-intro ducing-the-principle-of-ubiquity-for-business-related-human-rights-claims/. 284 Im Ergebnis wie hier: Rühl, conflictoflaws.net, https://conflictoflaws.net/2020/humanrights-in-global-supply-chains-do-we-need-to-amend-the-rome-ii-regulation/. 285 Siehe BMZ, Inoffizieller Entwurf für ein WertschöpfungskettenG; Klinger/Krajewski/ Krebs/Hartmann, Verankerung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen im deutschen Recht, 2016, S. 70 ff. Siehe auch eingehend aus dem zivilgesellschaftlichen Bereich: Initiative Lieferkettengesetz, Rechtsgutachten zur Ausgestaltung eines Lieferkettengesetzes, 2020.

§ 10 Anwendbares Recht de lege ferenda

181

LieferkettenG bzw. SorgfaltspflichtenG enthält hingegen keine internationalprivatrechtliche Eingriffsnorm, da es vornehmlich auf verwaltungsrechtliche Durchsetzungsmechanismen setzt. Es wird daher in den folgenden Ausführungen keine nähere Rolle spielen. Der in Teil § 14 dieser Untersuchung vorgebrachte Gesetzesentwurf eines WertschöpfungskettenG stellt hingegen zivilrechtliche rechtsträgerübergreifenden Sorgfaltspflichten für Unternehmen ab einer bestimmten Größe auf.286 Da das erkennende Gericht gemäß der internationalprivatrechtlichen Rechtslage in fast allen Fällen ausländisches Recht anwenden würde, müsste der Gesetzgeber ein solches WertschöpfungskettenG als Eingriffsnorm (Art. 16 Rom II-VO) ausgestalten. Dieses wäre ansonsten nicht zur Anwendung berufen. Auch wenn der deutsche Gesetzgeber diesen Weg mit dem SorgfaltspflichtenG nicht gegangen ist und nicht zu erwarten steht, dass er hier demnächst eine Kehrtwende einschlägt, so sind die im Folgenden aufgeworfenen Fragen nicht zuletzt für die Reformdiskussion auf EU-Ebene relevant.

I. Völkerrechtskonformität präskriptiver Jurisdiktion Das hier vorgeschlagene WertschöpfungskettenG erlegt deutschen Mutter- oder Abnehmerunternehmen z. B. bestimmte Sorgfaltspflichten auf. Hält das Unternehmen sie nicht ein (und sind die weiteren Voraussetzungen des jeweils anwendbaren deliktischen Tatbestands erfüllt), macht es sich schadensersatzpflichtig. Eine solche Regulierung ist völkerrechtlich zulässig.287 Zwar tritt der Schaden im Ausland ein. Regelungsadressaten sind aber deutsche Unternehmen. Rechtsfolgen (z. B. Schadensersatzverpflichtungen) treten nur auf deutschem Territorium ein und werden auch nur hier vollstreckt. Die Staatsangehörigkeit deutscher Unternehmen reicht daher aus, um einen Inlandsbezug zu begründen und die Hoheitsausübung völkerrechtlich zu legitimieren (sogenanntes aktives Personalitätsprinzip288).289 Weitere 286

Dabei sind verschiedene Ansätze denkbar, die unten in Kapitel 4 diskutiert werden. Siehe oben Kapitel 1, § 3 C.III.4. (S. 61 f.). 288 Die Regulierung könnte auch auf das Territorialitätsprinzip gestützt werden. Eine Differenzierung zwischen diesen Bezügen ist jedoch entbehrlich, da nach der hier vertretenen Auffassung ein wie auch immer gearteter Bezug nach Deutschland ausreicht, um Jurisdiktionsausübung völkerrechtlich zu rechtfertigen. Siehe zum Personalitäts- und Territorialitätsprinzip: Täger, Der Schutz von Menschenrechten im internationalen Investitionsrecht, 2011, S. 245 – 259. 289 So auch Täger, Der Schutz von Menschenrechten im internationalen Investitionsrecht, 2011, S. 306 f.; Klinger/Krajewski/Krebs/Hartmann, Verankerung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen im deutschen Recht, 2016, S. 17; Haider, Haftung von transnationalen Unternehmen und Staaten für Menschenrechtsverletzungen, 2019, S. 414; Görgen, Unternehmerische Haftung in transnationalen Menschenrechtsfällen, 2019, S. 140; De Schutter, Extraterritorial Jurisdiction as a Tool for Improving Human Rights Accountability of Transnational Corporations, 2006, z. B. S. 52; Zerk, Multinationals and Corporate Social Responsibility, 2006, S. 86; Nordhues, Die Haftung der Muttergesellschaft und ihres Vorstandes für Menschenrechtsverletzungen im Konzern, 2018, S. 325. 287

182

Kap. 3: Anwendbares Recht

Anknüpfungspunkte sind nicht erforderlich. Die Regulierung von Unternehmen mit Sitz in Deutschland ist völkerrechtlich zulässig. Aber auch ausländische Gesellschaften, z. B. Tochter- und Zulieferergesellschaften, mit einem deutschen oder europäischen WertschöpfungskettenG zu erfassen, wäre völkerrechtlich zulässig.290 Dafür muss sich der Sachverhalt in irgendeiner Weise nach Deutschland (bzw. die EU) beziehen. Als genuine-links in Betracht kommen hier die nicht unerhebliche Beteiligung an der ausländischen Gesellschaft durch eine deutsche Gesellschaft291, nicht unerhebliche vertragliche Verbindungen zu einer deutschen Gesellschaft292 oder die Kontrolle durch eine deutsche Gesellschaft293. Wie noch auszuführen sein wird,294 ist die Erstreckung des WertschöpfungskettenG auf ausländische Gesellschaften jedoch aus anderen Gründen nicht wünschenswert.

II. „Große“ oder „kleine“ kollisionsrechtliche Lösung? 1. Ausgestaltungsmöglichkeiten einer Eingriffsnorm Hinsichtlich der Ausgestaltung des WertschöpfungskettenG als Eingriffsnorm lassen sich drei verschiedene Herangehensweisen ausmachen: (1) § 823 BGB inklusive neu geschaffener Sorgfalts- bzw. Verkehrspflichten wird vollständig angewandt,295 (2) ein eigener wirtschaftsmenschenrechtlicher Haftungstatbestand wird geschaffen, der vollständig zur Anwendung gebracht wird296 oder (3) der Gesetz290 Wie hier: Täger, Der Schutz von Menschenrechten im internationalen Investitionsrecht, 2011, S. 280 f.; De Schutter, 1 Business and Human Rights Journal (2015), 47; mit anderen Argumenten: Initiative Lieferkettengesetz, Rechtsgutachten zur Ausgestaltung eines Lieferkettengesetzes, 2020, S. 28 – 30; Klinger/Krebs/Krajewski/Hartmann, Verankerung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen im deutschen Recht, 2015, S. 18 f. A. A.: Haider, Haftung von transnationalen Unternehmen und Staaten für Menschenrechtsverletzungen, 2019, S. 123; Massoud, in: Transnationale Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen im Völkerrecht, 2013, S. 58; Schmalenbach, AVR 39 (2001) S. 74; von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 6. Die Frage offenlassend: Görgen, Unternehmerische Haftung in transnationalen Menschenrechtsfällen, 2019, S. 141. 291 Kapitel 1, § 3 C.III.2. (S. 61). 292 In Gestalt einer zweimaligen Warenlieferung pro Jahr vorgeschlagen von Initiative Lieferkettengesetz, Rechtsgutachten zur Ausgestaltung eines Lieferkettengesetzes, 2020, S. 28 – 30; European Parliament, Draft Report, S. 17, Art. 2 Abs. 2. 293 Kapitel 1, § 3 C.III.4.b) (S. 62 ff.). 294 Kapitel 4, § 14 B.II.1.a) (S. 249 f.). 295 Initiative Lieferkettengesetz, Rechtsgutachten zur Ausgestaltung eines Lieferkettengesetzes, 2020, S. 59: „einschließlich der Sorgfaltspflicht und Haftungsnorm“; Rudkowski, RdA 2020, 238; Oehm, Ein effektives Lieferkettengesetz?, Verfassungsblog, https://verfassungsblog. de/ein-effektives-lieferkettengesetz/; Weller/Nasse, in: Vom Konzern zum Einheitsunternehmen, 2020, S. 133. 296 So Schall, Die Menschenrechtsverletzung als zivilrechtlicher Haftungstatbestand, Verfassungsblog, https://verfassungsblog.de/die-menschenrechtsverletzung-bzw-die-missach

§ 10 Anwendbares Recht de lege ferenda

183

geber schafft lediglich weitreichendere Sorgfaltspflichten, die in die jeweils anwendbare Rechtsordnung „eingebettet“ werden. Da Lösung (1) und (2) hier am stärksten in die kollisionsrechtliche Zuordnung gemäß der Rom II-VO eingreifen, werden sie hier als „große“ kollisionsrechtliche Lösungen, Lösung (3) als „kleine“ bezeichnet. 2. Aufwendige Fremdrechtsermittlung Die großen Lösungen entbehren einer aufwendigen Fremdrechtsermittlung.297 Das erkennende Gericht kann den menschenrechtlichen Haftungstatbestand anwenden und muss keine aufwendigen Gutachten über fremde Rechtsordnungen einholen. Darüber hinaus vermeiden die „großen Lösungen“ potenzielle Schwierigkeiten, die Sorgfaltspflicht in das anwendbare ausländische Recht „einzubetten“.298 Hier liegt die Befürchtung nahe, dass zwei dergestalt ineinandergreifende Rechtsordnungen ungereimte Ergebnisse produzieren. Jede Rechtsordnung ist in sich auf sich selbst abgestimmt. Löst man einen Bestandteil heraus und überantwortet ihn einer anderen Rechtsordnung, könnte dies das Gesamtsystem torpedieren.299 So ließe sich z. B. fragen, ob die hier vorgeschlagene Pflicht zur Risikoanalyse und zum Ergreifen rechtsgüterschützender Maßnahmen Prüfungsvoraussetzung etwa im tort of negligence sein kann. 3. Fremdrechtsermittlung als generelle Herausforderung im IPR Das Argument der aufwendigeren Fremdrechtsermittlung überzeugt nicht. Es ist zwar richtig, dass es für die Gerichte einfacher wäre, generell nur die lex fori anzuwenden. In grenzüberschreitenden Sachverhalten geschieht das aus verschiedenen Gründen aber nicht.300 Darüber hinaus lassen sich Eingriffsnormen durchaus in eine fremde Rechtsordnung einpassen. Das deutsche Gericht würde dabei folgendermaßen vorgehen: Ist z. B. eine in der Rechtstradition des englischen Rechts stehende Rechtsordnung zur Anwendung berufen, schaltet das Gericht der Prüfung der dutyof-care-Grundsätze die Prüfung der Pflichten aus dem WertschöpfungskettenG tung-der-menschenrechtlichen-sorgfaltspflicht-als-zivilrechtlicher-haftungstatbestand/ und wohl auch Rünz, ZVertriebsR 2020, 296. Dieser Ansatz kann jedoch in der Sache nicht überzeugen, siehe unten Kapitel 4, § 12 D.II. (S. 223 f.). 297 Zimmermann, Menschenrechtsverletzungen, internationales Deliktsrecht und Beweislast, Verfassungsblog, https://verfassungsblog.de/menschenrechtsverletzungen-internationalesdeliktsrecht-und-beweislast/. 298 Ebd.; Initiative Lieferkettengesetz, Rechtsgutachten zur Ausgestaltung eines Lieferkettengesetzes, 2020, S. 59. 299 Kropholler, Internationales Privatrecht, 2006, S. 131 in anderem Kontext, nämlich zu Teilfragen. 300 Auf die ausführliche Diskussion des Gleichlaufs der lex causae mit der lex fori kann hier nicht näher eingegangen werden. Siehe dazu Dutta, FS Kronke, 2020, S. 51 – 60.

184

Kap. 3: Anwendbares Recht

vor.301 Auch das chinesische Deliktsrecht kennt Verkehrspflichten302, hier gilt das Gleiche. Generell ist das Konzept einer Sorgfaltspflicht zahlreichen Rechtsordnungen bekannt.303 Vor der Untersuchung dieser Grundsätze prüft das Gericht die Sorgfaltspflicht. Dabei ist nicht ersichtlich, warum diese Vorgehensweise ungereimte Ergebnisse hervorbringen sollte. Rechtsordnungen sind immer in sich abgestimmt. So wirkt sich der Allgemeine Teil des BGB und das Allgemeine Schuldrecht auf die vertraglichen oder gesetzlichen Schuldverhältnisse aus. In einem grenzüberschreitenden Lebenssachverhalt können das Vertrags- und Deliktsstatut allerdings auf unterschiedliche Rechtsordnungen verweisen. Dass ein vertragliche und deliktische Ansprüche enthaltender Lebenssachverhalt unterschiedlichen Rechtsordnungen unterworfen wird, ist also nicht ungewöhnlich. Das europäische Kollisionsrechtssystem sieht dies mit seinen unterschiedlichen Anknüpfungspunkten in den Rom I- und II-VOen so vor. Hier würde man auch nicht davon ausgehen, ein solches Vorgehen zerstöre die Abstimmung einzelner Rechtsmaterien aufeinander und laufe Gefahr ungerechte Ergebnisse zu produzieren. Nichtsdestotrotz ist es natürlich wünschenswert und praktikabel, unterliegt ein Lebenssachverhalt vollständig nur einer Rechtsordnung. Praktikabilität der Rechtsanwendung ist jedoch nicht die einzige Zielsetzung des IPR, ansonsten würden Gerichte immer die lex fori anwenden. Die geringen Anwendungsschwierigkeiten müssen hier gegenüber anderen kollisionsrechtlichen Wertungen zurücktreten: 4. Erfolgsortprinzip und Entscheidungseinklang So schont die kleine Lösung die kollisionsrechtlichen Wertungen der Rom II-VO, insbesondere das Erfolgsortprinzip. Der Rest des Haftungstatbestandes bestimmt sich nämlich nach dem durch die Rom II-VO zur Anwendung berufenen, ausländischen Recht. Die Durchsetzung von von den Rom-Verordnungen unabhängigem, nationalem Eingriffsrecht birgt immer die Gefahr, „das fein abgestufte Anknüpfungssystem der Verordnungen zu erodieren“304 und den europäischen Entscheidungseinklang zu beeinträchtigen.305 In der hier vertretenen Ausgestaltung des Anwendungsbereichs306 würde die große Lösung (1) § 823 BGB vollumfänglich in 301

Zur duty of care Kapitel 3, § 8 B.III.2.b)aa) (S. 154 ff.). Zheng/Trempel, RIW 2010, 515; Bu, Einführung in das Recht Chinas, 2017, S. 141 Rn. 31; eingehend rechtsvergleichend jüngst Wang, Die deliktsrechtliche Verkehrspflicht im deutsch-chinesischen Rechtsvergleich, 2020. 303 EU Commission, Study on due diligence requirements in the supply chain, 2020, S. 179 f. 304 Leible/Lehmann, RIW 2008, 542. 305 Köhler, Eingriffsnormen – der „unfertige Teil“ des europäischen IPR, 2013, S. 2; Nietner, Internationaler Entscheidungseinklang im europäischen Kollisionsrecht, 2015, S. 242 f. Sonnenberger, IPRax 2003, 104 spricht gar von einem „trojanischen Pferd“. Bereits von Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band 8, 1849, S. 27 betonte die Wichtigkeit des Entscheidungseinklangs. 306 Kapitel 4, § 14 B. (S. 249 ff.). 302

§ 10 Anwendbares Recht de lege ferenda

185

jedem Rechtsstreit zwischen einer natürlichen Person und einer deutschen Gesellschaft entsprechender Größe zur Anwendung bringen. Andere Vorschläge ziehen den Anwendungsbereich noch weiter.307 Da § 823 BGB und die entsprechende Lehre und Rechtsprechung den Hauptteil des deutschen Deliktsrecht ausmachen, würde per Eingriffsnorm in einer beträchtlichen Anzahl von Rechtsstreitigkeiten deutschem materiellen Recht zur Anwendung verholfen. In einer beträchtlichen Anzahl an Fällen würde das kollisionsrechtliche System der Rom II-VO nicht mehr gelten. Anders verhält es sich bei der kleinen Lösung (3). Das Gericht muss lediglich die Pflichten aus dem WertschöpfungskettenG bei Anwendung ausländischen Rechts beachten. Kommt es zum Ergebnis, dass keine systemische Rechtsgutsverletzung308 vorliegt oder die deutsche Gesellschaft ihre Pflicht erfüllt hat bzw. keine Pflicht besteht,309 prüft es regulär die ausländische Rechtsordnung weiter. Die Eingriffsnorm hat nämlich die Stellung eines lex specialis.310 Ist ein lex specialis nicht erfüllt, werden wieder die allgemeinen Regeln relevant (bleibt man beim englischen Beispiel, sind dies die Grundsätze der duty of care). So bleibt der Eingriff in das europäische Kollisionsrechtssystem möglichst gering. Vorzugswürdig ist daher die kleine Lösung. Das heißt, nur die im WertschöpfungskettenG enthaltenen Pflichten sollten zur Anwendung gebracht werden.311 Schließlich sollte die Eingriffsnorm zwingend ausgestaltet sein, das Gericht also keinen Spielraum bei ihrer Anwendung haben. Auch dies dient dem Prinzip des Entscheidungseinklangs.312 Findet eine Streitigkeit ihren Weg vor ein deutsches Gericht, ist es vorhersehbar, dass dieses das als Eingriffsnorm ausgestaltete WertschöpfungskettenG zwingend (und nicht nur vielleicht) anwenden wird. Unternehmen wissen somit zum Zeitpunkt der Handlung (oder Unterlassung), welcher Sorgfaltsmaßstab gilt.313

307

Dazu kritisch unten: Kapitel 4, § 14 B.II.1.c) (S. 252 f.). Dies ist Voraussetzung für die Geltung der Pflicht. Siehe noch unten Kapitel 4, § 14 D.II.2. (S. 271 ff.). 309 Kapitel 4, § 14 D.II.4. (S. 275 ff.). 310 Köhler, Eingriffsnormen – der „unfertige Teil“ des europäischen IPR, 2013, S. 10 f. 311 Wie hier: Klinger/Krajewski/Krebs/Hartmann, Verankerung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen im deutschen Recht, 2016, S. 76. A. A. Weller/Nasse, in: Vom Konzern zum Einheitsunternehmen, 2020, S. 133; Rudkowski, RdA 2020, 238; Oehm, Ein effektives Lieferkettengesetz?, Verfassungsblog, https://verfassungsblog.de/ein-effektives-lie ferkettengesetz/ und wohl auch Hübner, NZG 2020, 1416. 312 Dazu Köhler, Eingriffsnormen – der „unfertige Teil“ des europäischen IPR, 2013, S. 2 Fn. 4. 313 Dafür daher auch Rühl, in: Unternehmensverantwortung und internationales Recht, S. 123 und dies., Statut und Effizienz, S. 655 f. 308

Kapitel 4

Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda Ausgehend von der internationalzivilprozessualen und -privatrechtlichen Rechtslage gibt es materiell-rechtlich drei mögliche Vorgehensweisen. Entweder man untersucht eine oder mehrere der anwendbaren, ausländischen Rechtsordnungen de lege lata – dies am besten so, dass möglichst viele Rechtsfamilien und Kontinente abgedeckt sind. Oder man erarbeitet materiell-deliktsrechtliche, über den status quo der §§ 823 ff. BGB hinausgehende Haftungsregeln, die der Gesetzgeber in Form eines WertschöpfungskettenG per Eingriffsnorm zur Anwendung bringen könnte. Wie bereits erwähnt schöpfte der deutsche Gesetzgeber diese Möglichkeit im Rahmen des SorgfaltspflichtenG vom Juli 2021 nicht aus. Er setzte hier vornehmlich auf verwaltungsrechtliche Regelungsmechanismen. Als dritte Möglichkeit könnten die Sachverhalte nach deutschem, geltenden Recht untersucht werden.1 Gegen letztere Option spricht jedoch, dass deutsches Recht in den hier interessierenden Fallkonstellationen regelmäßig keine Anwendung findet. Darüber hinaus liegen Sachverhalte wie Ausbeutung, Tötung von Gewerkschaftern, etc. im rein nationalen, deutschen Kontext eher fern. Näher liegt es daher, drei ausländische, kollisionsrechtlich anwendbare Rechtsordnungen zu untersuchen. Nachdem die Diskussion um ein deutsches und europäisches2 WertschöpfungskettenG im Laufe des Entstehungsprozesses dieser Arbeit an Fahrt aufnahm, schien dem Verfasser jedoch ein Beitrag zur rechtspolitischen Diskussion um unternehmerische Sorgfaltspflichten sinnvoller. Wie bereits erwähnt mündete diese Diskussion im Juli 2021 in der Verabschiedung eines deutschen SorgfaltspflichtenG – allerdings ohne zivilrechtliche Haftungsregelungen. Ziel dieses Kapitels ist es also, einen Beitrag zur Regelung und Konkretisierung rechtsträger1 So von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020; Haider, Haftung von transnationalen Unternehmen und Staaten für Menschenrechtsverletzungen, 2019; Görgen, Unternehmerische Haftung in transnationalen Menschenrechtsfällen, 2019; Güngör, Sorgfaltspflichten für Unternehmen in transnationalen Menschenrechtsfällen, 2016; Nordhues, Die Haftung der Muttergesellschaft und ihres Vorstands für Menschenrechtsverletzungen im Konzern, 2017; Osieka, Zivilrechtliche Haftung deutscher Unternehmen für menschenrechtsbeeinträchtigende Handlungen ihrer Zulieferer; Hübner, in: Zivil- und strafrechtliche Unternehmensverantwortung für Menschenrechtsverletzungen, 2018, S. 26; Weller/Kaller/ Schulz, AcP 216 (2016), 389; Massoud, Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von transnationalen Unternehmen, 2018, S. 89 ff.; Habersack/ Ehrl, AcP 219 (2019), 190 ff.; Kramer, RIW 2020, 98 – 102; Schall, ZGR 2018, 479 ff. Dieses Vorgehen verteidigend: ders., ZHR 183 (2019), 724. 2 Siehe beispielhaft: ARD-Europamagazin, Lieferkettengesetz vor dem Aus?, https://www. daserste.de/information/politik-weltgeschehen/europamagazin/videos/deutschland-lieferketten gesetz-vor-dem-aus-video-100.html und European Parliament, Draft Report.

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

187

übergreifender Sorgfalts- bzw. Verkehrspflichten zu leisten. Die Sorgfaltspflicht besteht – wie noch zu zeigen sein wird – aus der Pflicht zur Risikoanalyse3 und der Pflicht, rechtsgüterschützende Maßnahmen zu ergreifen4. Dabei wird erörtert, wann die deutsche (Mutter- bzw. Abnehmer-)Gesellschaft gegenüber Geschädigten aus den Gaststaaten haftet, also gegenüber Anwohnern,5 Arbeitnehmern,6 Demonstranten,7 Gewerkschaftern8 oder Zwangsarbeitern9. Zunächst soll aber ein kurzer Überblick über die geltende deutsche und teilweise auch französische und englische Rechtslage (Kapitel 4, § 11 A.) gegeben werden. Dieser Überblick fasst lediglich vorangegangene Studien zusammen und ist durchweg deskriptiv. Mehr kann aus Platz- und Zeitgründen hier nicht geleistet werden. Im Anschluss werden vergleichbare, bereits existierende wirtschaftsmenschenrechtliche Regelungen aus anderen Ländern vorgestellt (Kapitel 4, § 11 B.). Es folgen rechtspolitische Gründe für (Kapitel 4, § 12 ) und gegen (Kapitel 4, § 13 ) ein WertschöpfungskettenG. Kernstück des Kapitels ist ein Regelungsvorschlag für haftungsbezogene Aspekte eines WertschöpfungskettenG (Kapitel 4, § 14 ), in dem Normzweck, Anwendungsbereich und Inhalt der Pflichten konkretisiert werden. Wie sich die deutsche Gesellschaft konkret verhalten muss, wird anhand von Fallgruppen in Kapitel 4, § 14 D.II.4. erläutert. Nicht behandelt und anderen Untersuchungen vorbehalten bleiben andere materiell-rechtliche Regelungsoptionen wie z. B. über das Straf- oder Verwaltungsrecht.10 Ebenfalls ausgeklammert werden Klagekonstellationen außerhalb des Verhältnisses von Mutter/Abnehmer und Geschädigten: die Haftung deutscher Unternehmen gegenüber deutschen Konsumenten für nicht eingehaltene CSR-Zusagen und die Haftung von ausländischen Zuliefer- und Konzerngesellschaften. Letztere Konstellation ist materiell-rechtlich weniger brisant. In fast jeder Rechtsordnung der Welt haften Rechtssubjekte für von ihnen selbst (und von nicht anderen Rechtsträgern) fahrlässig herbeigeführte Schäden.11 Diese Ansprüche sind nur häufig nicht gerichtlich durchsetzbar, was aber eine prozessuale bzw. rechtsstaatliche Frage ist.12 Die Lösung dafür liegt aber nicht im materiellen Recht, sondern im IZPR.13 3

Kapitel 4, § 14 C. (S. 256 ff.). Kapitel 4, § 14 D. (S. 262 ff.). 5 Fall Union Carbide: Kapitel 1, § 2 A.I. (S. 32). 6 Fall KiK und Rana Plaza: Kapitel 1, § 2 B.III. und V. (S. 45 und 46). 7 Fall Monterrico Metals: Kapitel 1, § 2 A.IV. (S. 37). 8 Fall Nestlé: Kapitel 1, § 2 C.I. (S. 48). 9 Fall Sklaverei auf thailändischen Fischfang-Schiffen: Kapitel 1, § 2 C.II. (S. 49). 10 Siehe für eine Übersicht und m. w. N. oben Kapitel 1, § 1 B. (S. 26). Zum Verwaltungsrecht siehe insbesondere das im Juli 2021 vom deutschen Gesetzgeber verabschiedete SorgfaltspflichtenG. 11 Kapitel 3, § 8 B.III.2.b)aa) (S. 154 ff.). 12 Kapitel 2, § 4 (S. 70 ff.). 13 Nämlich z. B. darin § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO wieder wortlautgetreu auszulegen, siehe oben Kapitel 2, § 7 Internationale Zuständigkeit de lege ferenda (S. 128 ff.). Für eine ausführlichere 4

188

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

§ 11 Abriss der materiellen Rechtslage de lege lata An dieser Stelle soll ein Überblick über die Rechtslage in verschiedenen Rechtsordnungen gegeben werden. Im deutschen, französischen und englischen Recht kommen verschiedene Rechtsinstitute für eine Haftung der Mutter- bzw. Abnehmergesellschaft in Betracht (A.). Hier werden die Erkenntnisse der rechtswissenschaftlichen Forschung lediglich wiedergegeben, um im späteren Verlauf der Untersuchung darauf zurückzukommen. Wie sogleich noch darzulegen sein wird, ist die Haftung der deutschen Mutter- bzw. Abnehmergesellschaft de lege lata umso unwahrscheinlicher je weiter diese von den Aktivitäten der ausländischen Konzernbzw. Zulieferergesellschaft entfernt ist, also keine Kontrolle ausübt oder in anderer Weise Vertrauen für sich in Anspruch nimmt. Dies wird rechtspolitisch, insbesondere mit Blick auf eine Neuregelung der hier relevanten Konstellationen noch von Interesse sein.14 In Teil B. wird auf spezielle, wirtschaftsmenschenrechtliche Legislation eingegangen. Da inzwischen die geltende, deutsche Rechtslage und auch das französische Sorgfaltspflichtengesetz im rechtswissenschaftlichen Schrifttum ausführlich diskutiert wurde, beschränkt sich dieser Abschnitt auf die wichtigsten, später für einen Gesetzesvorschlag die meisten Erkenntnisse versprechenden Punkte.

A. Mögliche Anknüpfungspunkte im geltenden Recht Im geltenden Recht gibt es fünf wesentliche Anknüpfungspunkte, um Mutterbzw. Abnehmergesellschaften haftbar zu machen. Diese Rechtsinstitute haben sich mehr oder weniger ähnelnde Äquivalente in anderen Rechtsordnungen (einzige Ausnahme sogleich der Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter). Diese rechtsvergleichende Perspektive soll wo möglich beibehalten werden, da die deutsche Rechtslage allein – obgleich hilfreich für die systemkonforme Implementierung von Gesetzesänderungen – von geringerem Interesse ist.

I. Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter Die Arbeitnehmer der ausländischen Zuliefererunternehmen könnten als Dritte in den Schutzbereich des Liefervertrags zwischen Abnehmer und Zulieferer einbezogen sein.15 Zwar gilt in der deutschen Rechtsordnung das inter-partes-Prinzip. Das Begründung, warum ausländische Gesellschaften nicht erfasst werden müssen, siehe noch unten im Rahmen des Anwendungsbereichs, Kapitel 4, § 14 B.II.1.a) (S. 249 f.). 14 Kapitel 4, § 12 A.I. (S. 210 f.). 15 Der folgende Abschnitt bezieht sich daher nur auf vertragliche Verbindungen von deutschen und ausländischen Unternehmen. Es ist kein Szenario ersichtlich, wie die vertraglichen Verbindungen zwischen Mutter und Tochter Pflichten zu Gunsten von Stakeholdern der Tochter begründen könnten. Codes of conduct sind hier eher selten.

§ 11 Abriss der materiellen Rechtslage de lege lata

189

heißt, Schuldverhältnisse sind relativ und entfalten Rechte und Pflichten nur für die daran beteiligten Personen. Allerdings können unter bestimmten Voraussetzungen unbeteiligte Dritte in den Vertrag zwischen Gläubiger und Schuldner miteinbezogen werden (z. B. im Rahmen eines Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte). Diese Dritten können gegen den Vertragspartner dann ebenso vertragliche Rechte wie z. B. Schadensersatzansprüche geltend machen. Im deutschen Recht wird ein Dritter von der Schutzwirkung eines Vertrags erfasst, wenn (1) er mit der vertraglichen Leistung in Berührung kommt und den damit einhergehenden Gefahren ebenso wie der Gläubiger ausgesetzt ist (Leistungsnähe)16, (2) der Gläubiger ein eigenes, berechtigtes Interesse an der Einbeziehung des Dritten hat (Gläubigerinteresse)17, (3) für den Schuldner der geschützte Personenkreis subjektiv erkennbar (vorhersehbar) ist18 und (4) das Interesse des Dritten nicht durch eigene direkte (vertragliche) Ansprüche abgedeckt ist.19 Leistung des Schuldners (deutsches Abnehmerunternehmen) ist primär die Abnahme der Ware und die Zahlung des Werklohns.20 In dieser Verpflichtung kann keine Gefahr für die Rechtsgüter der Arbeitnehmer des Zulieferers gesehen werden. Es gehört jedoch inzwischen zur gängigen Unternehmenspraxis, in die Lieferverträge sogenannte codes of conduct zu integrieren.21 Diese legen bestimmte Pflichten fest, z. B. hinsichtlich Arbeits- und Umweltstandards. Sie werden jedoch häufig (bewusst, um Haftungsrisiken zu vermeiden) rechtsunverbindlich ausgestaltet und lediglich zu Werbezwecken auf dem deutschen Absatzmarkt benutzt.22 Wenn sie rechtliche Verpflichtungen enthalten, verpflichten diese eher den Zulieferer, bestimmte Sicherheitsmaßnahmen gegenüber seinen Arbeitnehmern oder der Umwelt zu ergreifen.23 Es fehlt dem deutschen Abnehmer daher insoweit am Rechtsbindungswillen. Aus diesem Grund kann eine darin belegene Rechtspflicht bezweifelt werden. Es mangelt somit bereits an einer Leistung des Schuldners, mit der der Dritte

16

MüKo-BGB/Gottwald, § 328 Rn. 184. Ebd., Rn. 185 f. 18 Ebd., Rn. 190. 19 Ebd., Rn. 191. 20 Die Lieferverträge in der Bekleidungsbranche dürften im deutschen Recht als Werklieferungsvertrag i. S. v. § 650 S. 1 BGB zu qualifizieren sein, Haider, Haftung von transnationalen Unternehmen und Staaten für Menschenrechtsverletzungen, 2019, S. 457; Osieka, Zivilrechtliche Haftung deutscher Unternehmen für menschenrechtsbeeinträchtigende Handlungen ihrer Zulieferer, 2014, S. 166 und Fn. 658. 21 Zur Entwicklung und heutigen Unternehmenspraxis: Asmussen, Haftung für CSR, 2020, S. 9 ff. 22 So in etwa Habersack/Ehrl, AcP 219 (2019), 193. 23 So auch im KiK-Fall. Das LG Dortmund hat mit dieser Begründung einen Vertrag mit Schutzwirkung für die Arbeitnehmer von Ali Enterprises abgelehnt, LG Dortmund, Urt. v. 10. 01. 2019, 7 O 95/15 – juris Rn. 41 f. Offenbar ging das Gericht in Bezug auf Verträge mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter von einer Anwendbarkeit deutschen Sachrechts aus. 17

190

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

wie der Gläubiger in Berührung kommen könnte. Von diesem Punkt dürfte abhängen, ob ein Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte vorliegt.24 Denn die übrigen Voraussetzungen dürften vorliegen: Der Zulieferer (Gläubiger) hat als Arbeitgeber Interesse am Rechtsgüterschutz seiner Arbeitnehmer. Für den Abnehmer (Schuldner) dürfte der geschützte Personenkreis auch erkennbar sein, er hat den code of conduct regelmäßig selbst ins Spiel gebracht. Schließlich haben die Dritten regelmäßig zwar eigene, äquivalente vertragliche Ansprüche gegen ihren Arbeitgeber (Zulieferer/Gläubiger). Es kommt im Rahmen des Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte jedoch auf die tatsächliche Äquivalenz an.25 Der Anspruch der Arbeitnehmer gegen ihren Arbeitgeber ist insbesondere dann nicht äquivalent, wenn Geschädigte wegen Rechtsschutzdefiziten im Gaststaat ihn nicht durchsetzen können.26 Je nach Einzelfall ist dieses Merkmal daher erfüllt.27 Schließlich kann der Schuldner (Abnehmer) nur die im code of conduct aufgestellten Pflichten verletzen. Eine andere Pflichtverletzung kommt nicht in Betracht. Insbesondere kommt keine Verkehrspflichtverletzung parallel zum Deliktsrecht in Betracht. Der Vertrag mit Schutzwirkung kann keine neuen Pflichten originär zu Gunsten des Dritten begründen.28 Regelmäßig und wie bereits erwähnt, fehlt es jedoch ohnehin an einer vertraglichen Leistung des Abnehmers von der eine Gefahr ausgeht, der die Arbeitnehmer des Zulieferers ebenso ausgesetzt sind wie der Zulieferer selbst. Dem englischen Recht sind Verträge mit Schutzwirkung für Dritte konzeptionell fremd29 (privity of contract-Doktrin30). Der UK Contracts (Rights of Third Parties) Act von 1999 hält zwar grundsätzlich daran fest. Nach section 1 darf jedoch auch eine Person, die nicht Vertragspartei ist, Vertragspflichten in ihrem Namen durchsetzen, 24

Haider, Haftung von transnationalen Unternehmen und Staaten für Menschenrechtsverletzungen, 2019, S. 457 f. berücksichtigt keine codes of conduct und lehnt daher einen Vertrag mit Schutzwirkung für Arbeiter des Zulieferers „in der Regel“ ab. 25 Osieka, Zivilrechtliche Haftung deutscher Unternehmen für menschenrechtsbeeinträchtigende Handlungen ihrer Zulieferer, 2014, S. 170; Haider, Haftung von transnationalen Unternehmen und Staaten für Menschenrechtsverletzungen, 2019, S. 459. Die Rechtsprechung ist in diesem Bereich allerdings uneinheitlich. BGH, Urt. v. 22. 07. 2004, IX ZR 132/03, NJW 2004, 3632 geht von einer rein rechtlichen, BGH, Urt. v. 10. 03. 2005 hingegen von einer faktischen Beurteilung aus. Siehe auch Papadimitropoulos, Schuldverhältnisse mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter, 2007, S. 96 f. Dem wird an dieser Stelle nicht näher nachgegangen, da die Frage hier auch keine entscheidende Bedeutung hat. Ein Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter ist bereits aus anderen Gründen nicht gegeben. 26 Haider, Haftung von transnationalen Unternehmen und Staaten für Menschenrechtsverletzungen, 2019, S. 458 f. Zum effektiven Rechtschutz in den Gaststaaten siehe oben Kapitel 2, § 4 A. (S. 70 ff.). 27 A. A. Johnson, CCZ 2020, 104 f. 28 Ostendorf, IPRax 2019, 299; Johnson, CCZ 2020, 105. 29 Markesinis, 103 The Law Quarterly Review (1987), 354 f.; Müller, RabelsZ 67 (2003), 141. 30 Dazu erläuternd: Müller, RabelsZ 67 (2003), 142.

§ 11 Abriss der materiellen Rechtslage de lege lata

191

wenn (1) ihr durch einen zwischen zwei anderen Personen geschlossenen Vertrag Vorteile gewährt werden (section 1 (1)), sie (2) namentlich oder zumindest als Mitglied einer bestimmten Gruppe im Vertrag genannt ist (section 1 (3)) und (3) nach Auslegung des Vertrags nicht angenommen werden kann, dass die Vertragsparteien eine gerichtliche Geltendmachung dieses Vorteils gerade nicht beabsichtigt haben (section 1 (2)). Die Voraussetzungen unterscheiden sich von der deutschen Rechtslage, ein Anspruch wird jedoch aus einem ähnlichen Grund scheitern. Sind codes of conduct nicht als rechtlich bindende Verpflichtungen ausgestaltet, fehlt es an dritter Voraussetzung. Abnehmer und Zulieferer wollen dann gerade keine gerichtliche Geltendmachung durch die Arbeitnehmer des Zulieferers.31

II. Vertrag zu Gunsten Dritter Aus dem gleichen Grund scheitert auch ein Vertrag zu Gunsten Dritter. Der code of conduct begründet keine Pflichten des Abnehmers (Versprechender) gegenüber den Arbeitnehmern des Zulieferers (Dritte). Er verpflichtet – wie erwähnt – nur den Zulieferer, bestimmte Maßnahmen gegenüber seinen Arbeitnehmern zu ergreifen. Daraus nun Pflichten des Abnehmers abzuleiten, überdehnt die Grenzen der Vertragsauslegung.32 Das gilt auch, hebt man materiell-rechtlich auf das für den Vertrag zu Gunsten Dritter in vielen Fällen maßgebliche33 UN-Kaufrecht ab. Auch hier müsste der Dritte (hier also die Arbeitnehmer des Zulieferers) ausdrücklich oder stillschweigend in den Vertrag miteinbezogen sein. Und auch hier kommt es auf den Rechtsbindungswillen der Parteien an.34 Wie schon geschildert, fehlt dem Abnehmer jedoch jeglicher Rechtsbindungswillen, sich im Rahmen des Liefervertrags Schutzpflichten gegenüber den Arbeitnehmern seiner Zulieferer aufzuhalsen. Einem code of conduct, der den Zulieferer (!) verpflichtet, entsprechende Standards zum Schutz seiner Arbeitnehmer zu wahren, lassen sich keine Verpflichtungen des Abnehmers entnehmen.

31 Wirtschaftsmenschenrechtliche Entscheidungen aus Großbritannien dazu sind dem Verfasser nicht bekannt. Im US-amerikanischen Recht wurde ein solcher Anspruch mit dieser Begründung abgelehnt, siehe United States Court of Appeals, 9th Circuit, Doe v. Wal-Mart Stores inc (9th Cir. 2009), 572 F.3d 677, par. 2: „Because, as we view the supply contracts, WalMart made no promise to monitor the suppliers, no such promise flows to Plaintiffs as thirdparty beneficiaries.“ 32 Rudkowski, RdA 2020, 239; dies., CCZ 2020, 355.; Ostendorf, IPRax 2019, 299 f.; Görgen, Unternehmerische Haftung für Menschenrechtsverletzungen, 2019, S. 146 f. A. A. Heinlein, NZA 2018, 279. 33 Kapitel 3, § 8 A.I. (S. 134 ff.). 34 Siehe z. B. Art. 14 I S. 1 CISG und dazu MüKo-BGB/Gruber, Art. 14 CISG Rn. 5 oder Art. 18 I S. 1 CISG und dazu MüKo-BGB/Gruber, Art. 18 CISG Rn. 2.

192

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

III. Geschäftsherrenhaftung Die in Deutschland in § 831 BGB geregelte Geschäftsherrenhaftung drängt sich in Konstellationen geradezu auf, in denen eine Rechtsperson im Interesse einer anderen tätig wird.35 Eine solche Geschäftsherrenhaftung kennt das französische Recht in Art. 1242 V code civil. Danach haftet der Auftraggeber (commettant) für schädigendes Verhalten des Verrichtungsgehilfen (préposé), sofern dieser weisungsgebunden ist.36 In England haftet der Geschäftsherr nach den Grundsätzen der vicarious liability.37 Im Unterschied zur deutschen Regelung haftet der Geschäftsherr im englischen und französischen Recht verschuldensunabhängig.38 Nur insoweit unterscheidet sich die dortige Rechtslage von der Deutschen, in der sich der Geschäftsherr exkulpieren kann (§ 831 I 2 BGB). 1. Konzernierte Verbindung Das passt zunächst und vor allem auf die Konzernkonstellation. Im deutschen Recht wird allerdings eine Haftung der Mutter als Geschäftsherrin für Handlungen der Tochter als Verrichtungsgehilfin aus § 831 BGB mit Verweis auf ein Urteil des BGH von 201239 abgelehnt.40 Da der Verrichtungsgehilfe im Rahmen von § 831 BGB weisungsgebunden sein muss,41 komme die Tochtergesellschaft als selbstständiger Rechtsträger nicht als Verrichtungsgehilfin in Betracht. An diesem pauschalen Verständnis wachsen jedoch Zweifel.42 Genanntes BGH-Urteil hatte die Haftung einer juristischen Person für Ihre Schwester- und nicht Tochtergesellschaft zum Gegenstand. Es sollte daher – wie bei natürlichen Personen43 und wie der BGH in Leitsatz 1 auch klarstellt44 – auf die tatsächlichen Verhältnisse ankommen. Faktisch kann die Muttergesellschaft die Konzerngesellschaft allerdings durchaus vollständig kontrollieren (und anweisen).45 Das sollte je nach Einzelfall geprüft und entschieden werden. 35

König, AcP 217 (2017), 657. Fleischer/Korch, DB 2019, 1945. 37 Dazu Güngör, Sorgfaltspflichten für Unternehmen in transnationalen Menschenrechtsfällen, 2016, S. 323 – 330. 38 Kötz, ZEuP 2017, 284. 39 BGH, Urt. v. 06. 11. 2012, VI ZR 174/11, NJW 2013, 1002 Leitsatz 4. 40 Siehe z. B. Grunewald, NZG 2018, 484; Staudinger/Bernau, § 831 BGB Rn. 102; Rudkowski, RdA 2020, 235; Graf von Westphalen, ZIP 2020, 2422. 41 BeckOK-BGB/Förster, § 831 Rn. 18. 42 Kritisch Güngör, Sorgfaltspflichten für Unternehmen in transnationalen Menschenrechtsfällen, 2016, S. 192 ff., insbesondere S. 202 f.; König, AcP 217 (2017), 657; Fleischer/ Korch, DB 2019, 1945. Anders dann aber Fleischer, FS Vogt, 2020, S. 154 f. 43 MüKo-BGB/Wagner, § 831 Rn. 14; Staudinger/Belling, § 831 BGB Rn. 100. 44 BGH, Urt. v. 06. 11. 2012, VI ZR 174/11, NJW 2013, 1002. 45 Siehe zu gesellschaftsrechtlichen Einflussmöglichkeiten noch unten Kapitel 4, § 14 D.II.4.b)aa) (S. 293 ff.). 36

§ 11 Abriss der materiellen Rechtslage de lege lata

193

Die englischen Gerichte griffen in Konzernbeziehungen bislang nicht auf die vicarious liability zurück.46 Die Literatur zeigt sich hingegen offen dafür.47 Im französischen Recht kommt es wie im deutschen Recht auf die Weisungsgebundenheit des Verrichtungsgehilfen (préposé) an. Allerdings geht dort die Rechtsprechung grundsätzlich davon aus, dass die Weisungen der Muttergesellschaft die Tochtergesellschaft nicht binden.48 Im Einzelfall kann jedoch das Maß an Kontrolle der Mutter über die Tochter eine entscheidende Rolle für die Beurteilung der Weisungsgebundenheit Letzterer spielen.49 2. Vertragliche Verbindung Bei vertraglichen Verbindungen wie z. B. Lieferverträgen hat das Argument, die ausländische Gesellschaft unterliege keinen Weisungen, noch mehr Gewicht.50 Hier handelt es sich um nicht einmal konzernrechtlich verbundene, bloße Vertragspartner. Doch auch hier muss dem Gericht eine Einzelfallentscheidung vorbehalten bleiben. In globalisierten Zulieferbeziehungen kommt es durchaus vor, dass Hersteller nur einen einzigen Abnehmer beliefern. Es handelt sich nicht um große, finanzstarke Unternehmen, sondern kleine Textilfabriken. Diese haben in puncto Preis oder Lieferzeit wenig bis gar keine Verhandlungsmacht. Darüber hinaus diktieren die Abnehmer regelmäßig ihre codes of conduct, auch hier haben die Zulieferergesellschaft kaum Verhandlungsmacht.51 Das verdeutlicht auch die supply-chain-Forschung. Dieser zufolge sei der Einfluss des Abnehmers (lead firm) auf den Zulieferer (supplier) mit dem einer Konzernmutter auf vollständig beherrschte ausländische Tochtergesellschaften vergleichbar.52 Dies ergibt sich insbesondere im Einzelhandel aus dem wenig komplexen Produktionsprozess und dem großen Marktangebot an Zulieferern. Die Tatsache, dass deutsche Abnehmer die Zulieferer daher leicht ersetzen können, erhöht ihre Macht auf nachgeordnete Zulieferer neben der besseren 46

So der Befund der Analyse von Petrin/Choudhury, 19 EBOR (2018), 793: „English Courts have been reluctant to apply vicarious liability in the parent-subsidiary relationship“. 47 Witting, Liability of Corporate Groups and Networks, 2018, S. 398 ff.; Petrin/Choudhury, 19 EBOR (2018), 791 ff. 48 Fleischer/Korch, DB 2019, 1946 m. w. N. in Fn. 29. 49 Ebd., 1947. 50 Daher schließen Fleischer/Korch, ZIP 2019, 2184 und Fleischer, FS Vogt, 2020, S. 155 f. eine Geschäftsherrenhaftung aus. Dabei verweisen sie zur Begründung auf eine Publikation Rehbinders zum Konzernaußenrecht von 1969 (Konzernaußenrecht und allgemeines Privatrecht, S. 535). Ob zum damaligen Zeitpunkt moderne Lieferketten in der globalisierten Wirtschaft Stand 2021 angemessen rechtlich gewürdigt werden konnten, erscheint allerdings zweifelhaft. Ebenfalls ablehnend Rudkowski, RdA 2020, 235; Graf von Westphalen, ZIP 2020, 2422. 51 Deshalb die Anwendung von § 831 BGB bejahend Güngör, Sorgfaltspflichten für Unternehmen in transnationalen Menschenrechtsfällen, 2016, S. 196 – 198. 52 Gereffi/Humphrey/Sturgeon, 12 Review of International Political Economy (2005), 88. Siehe auch Schaubild auf S. 89.

194

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

Ausstattung mit Ressourcen noch einmal erheblich.53 Auch hier sollte also über die sowohl im deutschen als auch im französischen Recht maßgebliche Weisungsgebundenheit des Verrichtungsgehilfen bzw. des préposé einzelfallabhängig entschieden werden, da gerade in globalen Zulieferbeziehungen Konstellationen eine faktische Weisungsabhängigkeit des Zulieferers nicht völlig ausgeschlossen ist. Für die Geschäftsherrenhaftung kommt somit maßgeblich darauf an, ob der Abnehmer bzw. die Muttergesellschaft die Konzerngesellschaft/den Zulieferer anweisen bzw. kontrollieren kann. Auch wenn sich die Haftung des Geschäftsherrn nach Rechtsordnung und Fallkonstellation unterscheidet: Je mehr Kontrolle ausgeübt wird, desto wahrscheinlicher haftet die Gesellschaft am Kopf der Wertschöpfungskette.

IV. Haftung für eigene Verkehrs- bzw. Sorgfaltspflichtverletzung Die Mutter- bzw. Abnehmergesellschaft können freilich auch selbst54 Verkehrspflichten treffen. Für Unternehmen ist insbesondere ein etwaiges „Organisationsverschulden“55 von Bedeutung. Dazu gibt es bereits ausführliche Abhandlungen.56 Rechtsträgerübergreifende Verkehrs- und damit auch Organisationspflichten sind hingegen weniger intensiv diskutiert worden, rücken aber derzeit, im Zuge der wirtschaftsmenschenrechtlichen Debatte wieder in den Vordergrund.57 Hier kommt es maßgeblich darauf an, ob eine entsprechende Pflicht der Mutter- bzw. Abnehmergesellschaft Maßnahmen zum Rechtsgüterschutz der Arbeitnehmer/Anwohner der ausländischen Tochter- bzw. Zulieferergesellschaften überhaupt entstanden ist.

53

Siehe zur Abhängigkeit der Zulieferer auch noch unten Kapitel 4, § 14 D.II.4.a)bb) (S. 279 ff.). 54 Konzeptionell ist eigentlich auch § 831 BGB eine Haftung für eigenes (Auswahl-)Verschulden plus Beweislastumkehr (siehe MüKo-BGB/Wagner, § 823 Rn. 106). Weil die beiden Haftungsinstitute im deutschen Recht jedoch in verschiedenen Anspruchsgrundlagen geregelt sind und auch in anderen Rechtsordnungen separat diskutiert werden, wurde an dieser Aufteilung festgehalten. 55 Siehe beispielhaft: RG, Urt. v. 12. 10. 1938, VI 96/38, JW 1938, 3163 und BGH, Urt. v. 20. 04. 1971, VI ZR 232/69, NJW 1971, 1313. Besser, weil weniger irreführend: „Unternehmensorganisationspflichten“. Es handelt sich nämlich um keine Frage des Verschuldens, MüKo-BGB/Wagner, § 823 Rn. 109. 56 Matusche-Beckmann, Das Organisationsverschulden, 2001; Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001. 57 König, AcP 217 (2017), 657; Habersack/Zickgraf, ZHR 182 (2018), 252 ff.; Güngör, Sorgfaltspflichten für Unternehmen in transnationalen Menschenrechtsfällen, 2016, S. 234 – 279; Kötz, ZEuP 2017, 283 ff.; Fleischer/Korch, DB 2019, 1944 ff.; dies., ZIP 2019, 2183 ff. Besonders ausführlich: Görgen, Unternehmerische Haftung in transnationalen Menschenrechtsfällen, 2019, S. 210 – 323; MüKo-BGB/Wagner, § 823 Rn. 108 – 118 und mit detaillierter Fallgruppenbildung: von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 158 – 195 zur vertraglichen, S. 196 – 209 zur konzernierten Konstellation.

§ 11 Abriss der materiellen Rechtslage de lege lata

195

1. Konzernierte Verbindung Im deutschen Recht entstehen Verkehrspflichten entweder durch Gefahrschaffung und -erhöhung, durch Gefahrbeherrschung oder durch die Inanspruchnahme von Vertrauen.58 Darüber hinaus beruft sich die Rechtsprechung auf weitere Abwägungsfaktoren wie Vorteilsziehung, Gefahrzusammenhang oder Ausnutzen einer wirtschaftlichen Machtstellung.59 So wird vom Entstehen einer Verkehrspflicht z. B. dann ausgegangen, übernimmt die Konzernmutter durch Ausübung ihrer Leitungsmacht Verantwortung für eine Gefahrenlage, wie z. B. den Brandschutz in den Betrieben der Tochtergesellschaft.60 Am weitesten geht das Verständnis von Weller und Thomale. Diese gehen von einer generellen, konzernübergreifenden Pflicht aus, ausländische Tochtergesellschaften auszuwählen, einzuweisen und zu überwachen.61 In Großbritannien richtet sich die Haftung für Sorgfaltspflichtverletzungen nach dem tort of negligence. So urteilte auch der UK Supreme Court zum Vedanta Fall.62 Entgegen anderer möglich gewesener Entwicklungen63, erschuf der Supreme Court für das Phänomen der Menschenrechtsklage gegen ein Unternehmen keine neue Haftungskategorie, sondern stellte auf die Grundsätze des tort of negligence ab.64 In den Fällen hier ist zentrale Voraussetzung des Haftungstatbestands die duty of care. Eine solche liegt – ähnlich wie im deutschen Recht – vor, wenn die Muttergesellschaft tatsächliche Kontrolle ausübt oder aktiv Verantwortung zum Schutz von beispielsweise Arbeitnehmern der Tochtergesellschaft übernimmt.65 Hier wird eine den deutschen Verkehrspflichten ähnelnde Diskussion geführt.66 Im Vedanta Fall 58 So die Systematisierung von von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 94 – 102, insb. 95. 59 Ebd., S. 103 – 120. 60 Habersack/Zickgraf, ZHR 182 (2018), 256 ff.; Bunting, ZIP 2012, 1543; König, AcP 217 (2017), 671. 61 Weller/Thomale, ZGR 2018, 521 f. 62 Vedanta v. Lungowe [2019] UKSC 20. Ausführlich besprochen bei: Kieninger, IPRax 2020, 60 ff. Siehe die Falldarstellung in Kapitel 1, § 2 A.VII. (S. 41). 63 In Chandler v. Cape plc [2012] EWCA Civ. 525 par. 80 knüpfte der Court of Appeal of England and Wales die Sorgfaltspflicht der Mutter für Schäden, die im Bereich der Tochter eintraten, an vier Kriterien: (1) Mutter und Tochter waren im selben Geschäftszweig tätig, (2) Mutter hatte oder hätte besseres Wissen bezüglich relevanter Gesundheits- und Sicherheitsaspekte haben können, (3) Arbeitsabläufe bei Tochter waren unsicher und Mutter hatte Kenntnis oder hätte Kenntnis haben können, (4) Mutter hat vorhergesehen oder hätte vorhersehen müssen, dass Angestellte der Tochter auf das bessere Wissen der Mutter vertrauen. 64 Explizit Bezug nehmend auf Chandler v. Cape plc: Vedanta v. Lungowe [2019] UKSC 20 par. 49. 65 Fleischer/Korch, DB 2019, 1950. Auf der Anschuldigung, Shell habe Kontrolle über seine nigerianische Tochter gehabt, basiert auch die Klageschrift im Fall Okpabi and others v. Royal Dutch Shell plc and another. Der Fall wird derzeit vor dem UK Supreme Court (Case ID: 2018/0068) verhandelt. 66 Zur duty of care siehe Witting, Liability of Corporate Groups and Networks, 2018, S. 352 – 369.

196

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

hielt der UK Supreme Court eine Sorgfaltspflicht von Vedanta für möglich.67 Weitere Voraussetzungen des Haftungtatbestands sind eine Pflichtverletzung (breach of duty), Kausalität (causation) und Schaden (damage).68 In Frankreich richtet sich die Haftung nach Art. 1240 code civil. Tatbestandsvoraussetzungen sind Fehlverhalten (faute), Schaden (dommage) und Kausalität (causalité).69 Die Rechtsprechung hat sich mit der Frage von direkten Sorgfaltspflichten gegenüber der mit ihrer Tochter in Kontakt getretenen, außenstehenden Dritten bislang nicht beschäftigt.70 Der Gesetzgeber hat aber eine rechtsträgerübergreifende Sorgfaltspflicht eingeführt (dazu sogleich, B.). 2. Vertragliche Verbindung In der vertraglichen Konstellation sind originäre Sorgfaltspflichten des Abnehmers noch schwieriger zu begründen, jedoch in Deutschland, England und Frankreich nicht vollständig ausgeschlossen.71 Führt der Abnehmer das Zuliefererunternehmen wie eine unselbstständige Betriebsabteilung, übt also z. B. tägliche Kontrolle über dessen Arbeitnehmer aus,72 bürdet er sich dennoch Sorgfaltspflichten auf.73 Das gilt wohl auch bei Weisungserteilungen im Bereich des Risikomanagements des Zulieferers.74 Vereinzelt werden auch Sorgfaltspflichten angenommen, besteht eine captive-Situation,75 also eine deutliche Machtasymmetrie zwischen Abnehmer und Zulieferer.76 Wie schon im Rahmen der Geschäftsherrenhaftung bemerkt, gilt also auch bei Verkehrs- bzw. Sorgfaltspflichten des Mutter- bzw. Abnehmerunternehmens: Je mehr es Kontrolle ausübt, desto eher lassen sich rechtsträgerübergreifende Ver67 Vedanta v. Lungowe [2019] UKSC 20 par. 61. Er hatte darüber nicht abschließend zu entscheiden, da er die Klage gegen Vedanta materiell-rechtlich nur als Voraussetzung für die internationale Zuständigkeit der englischen Gerichte für eine Klage gegen die sambische Tochter KCM prüfte („real issue to be tried“). Für Details siehe Kieninger, IPRax 2020, 63. 68 Witting, Liability of Corporate Groups and Networks, 2018, S. 352. Ausführlich zu allen Tatbestandsvoraussetzungen S. 352 – 376. 69 Fleischer/Korch, DB 2019, 1949. 70 Ebd. 71 Am weitgehendsten wohl: Heinen, in: Die Durchsetzung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen, 2018, S. 112. Pauschal ablehnend Rudkowski, RdA 2020, 235. 72 „Day-to-day authority over employment decisions“ – Doe I v. Wal-Mart Stores, inc, 572 F.3d (9th Cir. 2009), par. 684. 73 Fleischer/Korch, ZIP 2019, 2189; Heinen, in: Die Durchsetzung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen, 2018, S. 112. 74 Fleischer/Korch, ZIP 2019, 2189. 75 Siehe dazu bereits kurz oben, Kapitel 4, § 11 A.III. (S. 192) und bei Gereffi/Humphrey/ Sturgeon, 12 Review of International Political Economy (2005) 88. 76 Heinen, in: Die Durchsetzung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen, 2018, S. 113.

§ 11 Abriss der materiellen Rechtslage de lege lata

197

kehrspflichten begründen. Näher wird an dieser Stelle darauf nicht eingegangen, eingehend wurde dies auch bereits untersucht.77

V. Durchgriffshaftung In der wirtschaftsmenschenrechtlichen Debatte kaum noch eine Rolle spielt die Durchgriffshaftung der Muttergesellschaft für (Delikts-)Verbindlichkeiten ihrer Tochter.78 Im deutschen Recht (das internationalem Gesellschaftsrecht zufolge allerdings keine Anwendung findet79) hat die Durchgriffshaftung kaum eine Bedeutung mehr.80 Im englischen Recht kommt die piercing the corporate veil doctrine zwar uneinheitlich, jedoch noch öfter zur Anwendung.81 Das Fallrecht (case law) zeichnet hinsichtlich der Voraussetzungen kein einheitliches Bild.82 Laut Blumberg lassen sich dennoch drei Kriterien extrahieren, die die Gerichte für einen Durchgriff als notwendig erachten. (1) Mangelnde Unabhängigkeit der Tochter, (2) betrügerische, unbillige oder unrechtmäßige Nutzung der unternehmerischen Form und (3) eine kausale Beziehung zum Schaden.83 Wiegt in einem Fall eines der genannten Kriterien besonders schwer, reichte das manchen Gerichten aber bereits für einen Durchgriff.84 Je eher ein Rechtsträger aufgrund der vollständigen Kontrolle durch die Muttergesellschaft zur reinen Fassade wird, desto wahrscheinlicher ist ein Durchgriff.85 Das französische Recht erkennt das Trennungsprinzip zwar als Grundsatz an. Eine Durchgriffshaftung findet hier dennoch in verschiedenen Konstellationen statt: (1) Die Tochtergesellschaft ist rein fiktiv, (2) das Vermögen von Mutter und Tochter sind vermischt worden, (3) die Muttergesellschaft verschleiert eigenes Handeln, 77 Siehe die Analyse von von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 159 – 195 für Vertragsverhältnisse und S. 196 – 210 für die Konzernkonstellation. Siehe zum Ergebnis S. 240. 78 Siehe allerdings Güngör, Sorgfaltspflichten für Unternehmen in transnationalen Menschenrechtsfällen, 2016, S. 129 – 142. 79 Siehe oben Kapitel 3, § 8 C. (S. 170). 80 Güngör, Sorgfaltspflichten für Unternehmen in transnationalen Menschenrechtsfällen, 2016, S. 131 – 135. 81 A. A. ebd., S. 135: „äußerster Ausnahmefall“. 82 Blumberg, 37 Connecticut Law Review (2005), 611 f. 83 Ebd., 612. Witting, Liability of Corporate Groups and Networks, 2018, S. 327 – 338 systematisiert die Durchgriffshaftung nach Gründen, und zwar: (1) statute, (2) fraud, (3) evasion, (4) sham and façade und (5) agency. Darauf kann hier nicht näher eingegangen werden. 84 Blumberg, 37 Connecticut Law Review (2005), 611 f. spricht von single-factor-piercing. 85 Insofern sind sich die Autoren einig: De Schutter, Extraterritorial Jurisdiction as a Tool for Improving the Human Rights Accountability of Transnational Corporations, 2006, S. 38; Blumberg, 37 Connecticut Law Review (2005), z. B. 608, 612; Witting, Liability of Corporate Groups and Networks, 2018, S. 327 – 338; Güngör, Sorgfaltspflichten für Unternehmen in transnationalen Menschenrechtsfällen, 2016, S. 135 f.

198

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

indem sie nach außen die Tochter als Handelnde inszeniert, (4) die Muttergesellschaft mischt sich in beträchtlichem Maße in Geschäftsführung der Tochter ein. (5) Bei bestimmten Umweltdelikten wurde ein genereller Haftungsdurchgriff gesetzlich angeordnet.86

B. Menschenrechtliche Spezialregelungen im internationalen Vergleich Über die genannten Rechtsinstitute hinaus haben einige Staaten bereits Spezialgesetzgebung verabschiedet, um menschenrechtlichen Risiken in Wertschöpfungsketten vorzubeugen. Die Regelungen unterscheiden sich erheblich in puncto der Unternehmen auferlegten Pflichten und drohenden Sanktionen. Es können hier nicht alle Regelungen ausführlich dargestellt werden.87 Stattdessen beschränkt sich die Darstellung auf Sanktionen vorsehende Regelungen.88

I. Frankreich: loi relative au devoir de vigilance Das französische Gesetz zur Etablierung einer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht der Muttergesellschaften und der auftraggebenden Unternehmen89 trat 2017 in Kraft.90 Das Gesetz soll Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie die Umwelt schützen.

86 Siehe die ausführliche Analyse zum französischen Recht bei Nordhues, Die Haftung der Muttergesellschaft und ihres Vorstands für Menschenrechtsverletzungen im Konzern, 2018, S. 287 – 295. 87 Ausführlicher Grabosch, Unternehmen und Menschenrechte: Gesetzliche Verpflichtungen zur Sorgfalt im weltweiten Vergleich, 2019. Rechtsvergleichende Hinweise zu den folgenden Regelungen sind teilweise daraus übernommen. 88 Deshalb bleiben die (1) EU-CSR-Berichtspflichtenrichtlinie und (2) die EU-Konfliktmineralienverordnung außer Betracht. Erstere sieht keine Sorgfalts- sondern lediglich Berichtspflichten vor, letztere enthält keinerlei Sanktionsmechanismen, siehe Rausch, CCZ 2020, 358. Darüber hinaus wurde noch Australien mit seinem Modern Slavery Act 2018 gesetzgeberisch tätig. In Österreich (Sozialverantwortungsgesetz) und der Schweiz (Konzernverantwortungsinitiative) gibt es starke politische Bestrebungen. Die schweizerischen Konzernverantwortungsinitiative scheiterte jedoch am 29. 11. 2020 damit, auf Haftung abzielende Sorgfaltspflichten einzuführen. Es setzte sich der keine Haftung vorsehende, Berichtspflichten fokussierende Gegenvorschlag durch. 89 Ausführlich dazu: Nasse, ZEuP 2019, 774 ff.; Frapard, AuR 2018, 277 ff.; Nordhues, Die Haftung der Muttergesellschaft und ihres Vorstands für Menschenrechtsverletzungen im Konzern, 2018, S. 271 – 277; Fleischer/Danninger, DB 2017, 2849 ff.; Grabosch, Unternehmen und Menschenrechte: Gesetzliche Verpflichtungen zur Sorgfalt im weltweiten Vergleich, 2019, S. 30 – 38; Rühl, FS Windbichler, 2020, S. 1413 – 1430. 90 Art. L. 225-102-4 und 5 code de commerce.

§ 11 Abriss der materiellen Rechtslage de lege lata

199

1. Regelungsadressaten Das Gesetz erfasst (1) französische Aktiengesellschaften mit mehr als 5.000 Angestellten im eigenen Unternehmen oder (2) in direkten oder indirekten Tochtergesellschaften mit Sitz in Frankreich oder (3) mit mehr als 10.000 Angestellten weltweit. Diese Zahlen müssen während zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren vorliegen.91 Es werden Tochterunternehmen erfasst, an denen das beherrschende Unternehmen entweder unmittelbar aber auch mittelbar, z. B. über zwischengeschaltete Gesellschaften, eine Beteiligung hält.92 Schätzungsweise sind 150 beherrschende Unternehmen betroffen.93 2. Pflichten Die vom Anwendungsbereich erfasste Gesellschaft muss einen Überwachungsplan aufstellen. Der Überwachungsplan soll Folgendes in den Blick nehmen: eigene Tätigkeiten, Tätigkeiten beherrschter Tochter- und Enkelgesellschaften und Tätigkeiten von Subunternehmern und Zulieferern mit „etablierten“ Geschäftsbeziehungen94 (Art. L. 225-102-4 I. code de commerce).95 In diesem Plan müssen (1) eine Darstellung der Risiken, (2) Verfahren zur regelmäßigen Bewertung der Risikolage in den Tochtergesellschaften und bei Subunternehmern, (3) Maßnahmen zur Risikoverringerung oder Risikoprävention und (4) ein Warn- und Hinweisgebermechanismus enthalten sein. Letzterer muss in Zusammenarbeit mit der jeweils relevanten Gewerkschaft erstellt werden. Schließlich (5) muss der Plan einen Mechanismus enthalten, um die Maßnahmen zu überprüfen und ihre Wirksamkeit zu bewerten.96 3. Rechtsfolgen Sofern die Gesellschaft ihre Pflichten nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Aufforderung umsetzt, muss sie ein Zwangsgeld zahlen (Art. L. 225-102-4 II.). Ein solches Zwangsgeld verhängt ein angerufenes Gericht auf Verlangen jeder Person mit berechtigtem Interesse an der Pflichterfüllung.97 Art. L. 225-102-5 code 91 Grabosch, Unternehmen und Menschenrechte: Gesetzliche Verpflichtungen zur Sorgfalt im weltweiten Vergleich, 2019, S. 30. 92 Kutscher-Puis, ZVertriebsR 2020, 176. 93 Ebd. 94 Das Kriterium der gefestigten Geschäftsbeziehung ist jedoch kontraproduktiv, siehe noch unten Kap. 4 Fn. 489. 95 Grabosch, Unternehmen und Menschenrechte: Gesetzliche Verpflichtungen zur Sorgfalt im weltweiten Vergleich, 2019, S. 32. 96 Siehe ebd., S. 33; Kutscher-Puis, ZVertriebsR 2020, 177. 97 Grabosch, Unternehmen und Menschenrechte: Gesetzliche Verpflichtungen zur Sorgfalt im weltweiten Vergleich, 2019, S. 34.

200

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

de commerce koppelt darüber hinaus den Pflichtenkatalog des französischen Sorgfaltspflichtengesetzes an die deliktsrechtliche Generalklausel des Art. 1240 und 1241 code civil:98 Stellt ein Unternehmen keinen Überwachungsplan auf oder gestaltet es diesen mangelhaft, verwirklicht es zugleich das Tatbestandsmerkmal Verschulden (faute) aus Art. 1240.99 Die Anspruchssteller müssen dies, sowie die weiteren Voraussetzungen von Art. 1240 (causalité und dommage) vorliegen, beweisen, um einen Schadensersatzanspruch geltend zu machen. Diesbezüglich wird die Effektivität des Gesetzes kritisiert.100 Der Gesetzgeber hat von der ursprünglich geplanten Beweislastumkehr zu Gunsten der Geschädigten in der finalen Fassung abgesehen.101 Weil der Nachweis einer Pflichtverletzung des Unternehmens häufig nur demjenigen möglich ist, der unternehmensinterne Dokumente einsehen kann, wird daher bezweifelt, dass die Geschädigten eine Klage überhaupt riskieren werden.102 Ganz so pessimistisch muss man es aber nicht sehen. Geschädigte klagen bereits seit Jahrzehnten auch ohne besondere Sorgfaltspflichten von Unternehmen, geschweige denn einer für sie günstigen Beweislastregelung. Allerdings ist der Kritik insoweit zuzustimmen, dass Unternehmensinterna für Geschädigte schwer nachzuweisen sind.103

II. USA 1. Dodd-Frank Act Der Dodd-Frank Wall Street and Consumer Protection Act wurde am 21. Juli 2010 vom damaligen US-Präsidenten Obama unterzeichnet und trat damit in Kraft.104 Er enthält Verpflichtungen von Unternehmen zur Berichterstattung über die Herkunft von Konfliktmineralien (Zinn, Wolfram, Coltan und Gold). Ziel ist die Eindämmung 98 Ebd., S. 34 f.; Nordhues, Die Haftung der Muttergesellschaft und ihres Vorstands für Menschenrechtsverletzungen im Konzern, 2018, S. 313; Kutscher-Puis, ZVertriebsR 2020, 177. 99 Nordhues, Die Haftung der Muttergesellschaft und ihres Vorstands für Menschenrechtsverletzungen im Konzern, 2018, S. 313. 100 Kritisiert werden auch die anderen, weniger weitreichenden Instrumente. Siehe zum California Transparency Supply Chains Act: Cusumano/Ryerson, Is the California Transparency Supply Chains Act Doing more Harm than Good?, https://corpaccountabilitylab.org/calb log/2017/7/25/is-the-california-transparency-in-supply-chains-act-doing-more-harm-than-good; UK Secretary of State for the Home Department, Independent Review of the Modern Slavery Act 2015: Final Report, 2019, S. 39 Punkt 1.5. 101 Nordhues, Die Haftung der Muttergesellschaft und ihres Vorstands für Menschenrechtsverletzungen im Konzern, 2018, S. 313. 102 Nordhues, Die Haftung der Muttergesellschaft und ihres Vorstands für Menschenrechtsverletzungen im Konzern, 2018, S. 313 – 315. 103 Rechtspolitisch ist eine Beweislastumkehr daher wünschenswert, siehe noch dazu Kapitel 4, § 14 D.II.5. (S. 300 ff.). 104 Woody, 81 Fordham Law Review (2012), 1316 Fn. 4.

§ 11 Abriss der materiellen Rechtslage de lege lata

201

illegaler Ausbeutung von Naturressourcen, um auf indirekte Weise auch die Finanzierung bewaffneter Konflikte in der DR Kongo zu verhindern.105 a) Regelungsadressaten Erfasst werden alle Unternehmen weltweit, deren Wertpapiere von der Börsenaufsichtsbehörde SEC (United States Securities and Exchange Commission) zum Handel an einer US-Börse autorisiert worden sind.106 Die Regelung erstreckt sich auf Produzenten von Konfliktmineralien, aber auch auf bloße Abnehmer, die zumindest irgendeinen Einfluss auf den Produktionsprozess haben.107 Nicht erfasst sind hingegen solche Unternehmen, die (1) dem Produkt ihre Marke oder ihr Logo lediglich „aufkleben“ (affix), dieses Produkt selbst also nicht herstellen und auf den Herstellungsprozess auch kaum oder gar keinen Einfluss nehmen, die (2) das Produkt lediglich in Stand halten oder reparieren oder die (3) mit dem Hersteller lediglich Vertragsbedingungen verhandeln, die nicht direkt den Produktionsprozess betreffen.108 b) Pflichten Die vom Anwendungsbereich umfassten Unternehmen müssen in drei Schritten prüfen:109 (1) Benötigen sie für die Herstellung ihrer Produkte die genannten Mineralien? (2) Wenn ja, müssen sie eine Ursprungslandermittlung (Reasonable Country of Origin Inquiry) der verwendeten Mineralien durchführen. Wenn diese ergibt, dass Mineralien aus einer Konfliktregion (Kongo und dessen Nachbarstaaten) stammen, müssen die Unternehmen ihre Prüfung vertiefen: (3) Hier müssen sie prüfen, ob sie durch den Erwerb der Mineralien bewaffnete Gruppen finanzieren. Schließlich müssen sie einen Bericht über das Prüfverfahren mit allen vorgenommen Prüfschritten und Ergebnissen erstellen. Wenn ein Unternehmen nicht ausschließen kann, dass ein Produkt Mineralien aus Konfliktgebieten enthält, muss es das Produkt in diesem Bericht benennen.110

105

Sarfaty, 51 Harvard International Law Journal (2015), 422. Grabosch, Unternehmen und Menschenrechte: Gesetzliche Verpflichtungen zur Sorgfalt im weltweiten Vergleich, 2019, S. 13. Deshalb gilt das Gesetz grundsätzlich auch für die 343 deutschen, an der US-Börse gelisteten Unternehmen, siehe ebd., Fn. 17. 107 Woody, 81 Fordham Law Review (2012), 1329. 108 Ebd., 1329 f. 109 Zu den einzelnen Schritten: Grabosch, Unternehmen und Menschenrechte: Gesetzliche Verpflichtungen zur Sorgfalt im weltweiten Vergleich, 2019, S. 13 f.; Sarfaty, 51 Harvard International Law Journal (2015), 422. 110 Grabosch, Unternehmen und Menschenrechte: Gesetzliche Verpflichtungen zur Sorgfalt im weltweiten Vergleich, 2019, S. 14. 106

202

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

c) Rechtsfolgen Anteilseigner des berichtspflichtigen Unternehmens können auf Schadensersatz klagen, nicht jedoch Außenstehende wie z. B. Minenarbeiter einer bestimmten Mine.111 Kalifornien und Maryland koppelten darüber hinaus ihr Vergaberecht mit dem Dodd-Frank Act. Konkret heißt das: Kommen Unternehmen ihren Berichtspflichten nicht nach, sind sie von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen.112 Schließlich kann die SEC bei Verstößen gegen die Berichtspflichten Bußgelder verhängen.113 2. Victims of Trafficking and Violence Protection Act Der Victims of Trafficking and Violence Protection Act of 2000 wurde durch den US-Kongress verabschiedet und trat mit der Unterzeichnung des damaligen USPräsidenten Clinton im Jahre 2000 in Kraft.114 Ursprünglich sollte der Act nur Frauenhandel zum Zwecke der Prostitution verhindern. Dem Wortlaut und diese Auslegung bestätigende Gerichtsentscheidungen zufolge bezieht sich der Act aber auch auf Zwangsarbeit und Menschenhandel wegen Zwangsarbeit.115 Die Rechtsschutzmöglichkeiten für Opfer wurden in Änderungen (Reauthorization Acts of 2003 and 2008) erweitert. Im Fall Google, Tesla, Microsoft, Apple und Dell im Kongo116 stützen die Kläger ihr Begehren zumindest teilweise auf dieses Rechtsinstitut. a) Regelungsadressaten Das Gesetz nennt keine expliziten Regelungsadressaten. Es normiert Tatbestände in Sec. 1589. Wer diese erfüllt, den treffen die Sanktionen des Gesetzes. Allerdings erklärt es US-Gerichte für Beklagte mit US-Staatsangehörigkeit oder Ausländer mit Wohnsitz oder physischer Präsenz in den USA für international zuständig.117 111

Woody, 81 Fordham Law Review (2012), 1338. Sarfaty, 51 Harvard International Law Journal (2015), 439. 113 Grabosch, Unternehmen und Menschenrechte: Gesetzliche Verpflichtungen zur Sorgfalt im weltweiten Vergleich, 2019, S. 10. 114 Der Hinweis auf dieses Instrument im Kontext von Wirtschaft und Menschenrechte stammt von Robert Grabosch. Siehe zu dem Instrument die Darstellung von Beale, 50 Case Western Reserve Journal of International Law (2018), 17 ff., an der sich die folgende Darstellung orientiert. 115 Sec. 1589 (a) und (b) William Wilberforce Trafficking Victims Protection Reauthorization Act of 2008; Beale, 50 Case Western Reserve Journal of International Law (2018), 22 f. m. w. N. zur Rechtsprechung. 116 Kapitel 1, § 2 A.VIII. (S. 42). 117 § 1596 (a) (1) und (2) William Wilberforce Trafficking Victims Protection Reauthorization Act of 2008. 112

§ 11 Abriss der materiellen Rechtslage de lege lata

203

b) Tatbestand Den Tatbestand der Zwangsarbeit (forced labour) erfüllt, wer (a) Arbeitskraft oder Dienstleistungen mittels Gewalt oder Körperverletzungen (oder deren Androhung) oder mittels tatsächlichem oder angedrohtem Rechtsmissbrauch oder angedrohten Gerichtsverfahren erlangt oder anbietet.118 Der Tatbestand ist auch erfüllt, wenn jemand (b) wissentlich von solcher Arbeit profitiert.119 Nimmt ein amerikanisches Unternehmen Waren ab, die unter Zwangsarbeit z. B. gefertigt oder angebaut wurden, erfüllt dies den Tatbestand (b), da diese Waren häufig günstiger produziert werden konnten, als es ohne Zwangsarbeit möglich gewesen wäre. Der Abnehmer wird im Regelfall daher einen erheblich geringeren Kaufpreis gezahlt haben.120 Wie eingangs erwähnt stützen die Kläger gegen Microsoft, Google, Apple, Dell und Tesla ihre Klage unter anderem auf den Victims of Trafficking and Violence Protection Act. Da die Beklagten von der Kinderarbeit profitiert haben, hat die Klage zumindest mit Blick auf den Victims Protection Act durchaus Aussicht auf Erfolg. c) Rechtsfolgen Ist der Tatbestand erfüllt, stehen den Opfern zivilrechtliche und strafrechtliche Durchsetzungsmechanismen zur Verfügung. An dieser Stelle von besonderem Interesse ist § 1595121. Dieser sieht die Möglichkeit von Schadensersatzklagen vor, verletzt der Beklagte den Tatbestand aus Sec. 1589. Darüber hinaus können die Täter strafrechtlich sanktioniert werden.122 3. Kalifornien: Transparency in Supply Chains Act Kalifornien verabschiedete Anfang 2011 den Transparency in Supply Chains Act, um Lieferketten in Bezug auf Sklaverei und Menschenhandel transparenter zu machen. Er trat am 1. Januar 2012 in Kraft.123 Obgleich Kalifornien nur ein USBundesstaat ist, darf seine Rolle im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte als neuntgrößte Volkswirtschaft der Welt124 nicht unterschätzt werden.125 Dem Act zu118 Sec. 1589 (a) (1) – (3) William Wilberforce Trafficking Victims Protection Reauthorization Act of 2008. 119 Sec. 1589 (b) William Wilberforce Trafficking Victims Protection Reauthorization Act of 2008. 120 Beale, 50 Case Western Reserve Journal of International Law (2018), 29 f. 121 Trafficking Victims Protection Reauthorization Act of 2003. 122 Sec. 1589 (d) William Wilberforce Trafficking Victims Protection Reauthorization Act of 2008. 123 Determann/Mühling, CCZ 2012, 117. 124 Sidhu/Blank/Ritter-Martinez/Guerra, 2011 – 2012 Economic Forecast and Industry Outlook, 2011, S. 45, https://laedc.org/reports/11_12MidYearForecast.pdf. 125 Determann/Mühling, CCZ 2012, 117.

204

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

folge sollen große Hersteller und Einzelhändler ihre Bemühungen gegen Sklaverei und Menschenhandel in ihren Lieferketten offenlegen, um dem Endverbraucher eine an CSR-Gesichtspunkten ausgerichtete Kaufentscheidung zu ermöglichen.126 a) Regelungsadressaten Betroffen sind Unternehmen mit einem jährlichen Bruttojahresumsatz von mehr als 100 Millionen US-Dollar, sofern ihr Hauptgeschäftszweig der Einzelhandel oder die Herstellung von Produkten ist und sie in Kalifornien geschäftlich tätig sind.127 Nach Schätzungen der kalifornischen Steuerbehörde sind 3.500 Unternehmen betroffen.128 b) Pflichten Unternehmen müssen auf ihrer Website darüber Bericht erstatten, wie sie mit dem Risiko von Sklaverei und Menschenhandel in ihrer Lieferkette umgehen. Dafür ist die Beantwortung von fünf Fragen erforderlich. (1) Verifiziert das Unternehmen seine Lieferketten? Beauftragt es dazu externe Dritte wie z. B. Personalvermittler?129 (2) Auditiert es seine Lieferanten? Wenn dies lediglich durch angekündigte Audits geschieht, muss das Unternehmen diese Praxis offenlegen. (3) Lässt es sich von seinen Lieferanten bescheinigen, dass das Produkt und die darin verarbeiteten Materialien (tiefere Ebenen der Lieferketten) frei von Sklaverei und Menschenhandel hergestellt wurden? (4) Gibt es unternehmensintern Leitlinien oder Verfahren, um Mitarbeiter oder Zulieferer bei Verstößen zur Rechenschaft zu ziehen? (5) Schult das Unternehmen Mitarbeiter und/oder das Management zu Sklaverei und Menschenhandel? Das Gesetz enthält jedoch keine Sorgfaltsanforderungen, sondern fordert lediglich auf, die Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten. So hat das Unternehmen seine Pflichten auch dann erfüllt, wenn es angibt, keinerlei Maßnahmen ergriffen zu haben.130

126

Grabosch, Unternehmen und Menschenrechte: Gesetzliche Verpflichtungen zur Sorgfalt im weltweiten Vergleich, 2019, S. 18. 127 Determann/Mühling, CCZ 2012, 117. 128 Ebd. m. w. N. 129 Dies ist erforderlich, da durch Personalvermittler das Risiko von Menschenrechtsverletzungen in der Lieferkette häufig erhöht wird: Harris, The California Transparency in Supply Chains Act: A Resource Guide, 2015, S. 12. 130 Die Struktur der im California Transparency in Supply Chains Act enthaltenen Pflichten sind entnommen von Grabosch, Unternehmen und Menschenrechte: Gesetzliche Verpflichtungen zur Sorgfalt im weltweiten Vergleich, 2019, S. 18 f.

§ 11 Abriss der materiellen Rechtslage de lege lata

205

c) Rechtsfolgen Zwar ist der Transparency in Supply Chains Act im kalifornischen Zivilgesetzbuch geregelt. Er enthält jedoch keine erweiternde Haftungsmöglichkeit für die Opfer von Sklaverei und Menschenhandel. Kommt ein Unternehmen seinen Berichtspflichten nicht nach, kann der attorney general131 bei Gericht beantragen, es zur Veröffentlichung eines (fehlerfreien) Berichts zu verurteilen (Sec. 1714.43 (d) Civil Code).

III. Großbritannien: Modern Slavery Act Der britische Modern Slavery Act hat die Bekämpfung von Zwangsarbeit und Menschenhandel zum Ziel. Dabei sollen neben den unmittelbaren Tätern auch Unternehmen, in deren Lieferkette Menschenhandel auftritt, an der Bekämpfung mitwirken.132 1. Regelungsadressaten Das Gesetz erfasst alle Unternehmen mit einem Konzernumsatz von mehr als 36 Millionen GBP, die innerhalb Großbritanniens Waren und/oder Dienstleistungen anbieten.133 Während nach Schätzungen des Guardian ca. 17.000 Unternehmen davon betroffen sein sollen,134 schätzt die britische Regierung die betroffenen Unternehmen auf 9.000.135 2. Pflichten Die vom Anwendungsbereich erfassten Unternehmen müssen an gut sichtbarer Stelle auf ihrer Website darstellen, welche Maßnahmen sie zur Vermeidung moderner Formen der Sklaverei und des Menschenhandels in ihren Lieferketten und Geschäftsbereichen ergriffen haben.136 Das Gesetz verpflichtet hingegen nicht dazu, solche Maßnahmen auch tatsächlich zu ergreifen. Dementsprechend wäre die Er-

131

Leiter aller bundesstaatlichen Strafverfolgungsbehörden. Gernand, CCZ 2016, 102. 133 Ebd. 134 Gentleman, UK firms must show proof they have no links to slave labour under new rules, The Guardian, https://www.theguardian.com/world/2015/oct/28/uk-companies-proof-nolinks-slave-labour-supply-chain. 135 Grabosch, Unternehmen und Menschenrechte: Gesetzliche Verpflichtungen zur Sorgfalt im weltweiten Vergleich, 2019, S. 24. 136 Sec. 54 (1) und (7) UK Modern Slavery Act. 132

206

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

klärung zulässig, dass das Unternehmen keine Maßnahmen ergriffen hat.137 Eine solche Erklärung auf der Website des Unternehmens ist aufgrund der damit verbundenen Reputationsschäden jedoch unwahrscheinlich.138 3. Rechtsfolgen Nach § 54 (11) Modern Slavery Act kann der Secretary of State139 bei einem Gericht beantragen, ein Unternehmen zur Abgabe einer entsprechenden Erklärung zu zwingen. Im Falle des Zuwiderhandelns gegen das Urteil droht ein Zwangsgeld. Das Zwangsgeld ist der Höhe nach nicht begrenzt.

IV. Niederlande: Wet Zorgplicht Kinderarbeid Das niederländische Gesetz über Sorgfaltspflichten betreffend Kinderarbeit in Lieferketten wurde am 14. 5. 2019 vom niederländischen Parlament beschlossen.140 Das Gesetz soll Transparenz über Kinderarbeit in Lieferketten schaffen. Ziel ist es, dem Verbraucher, der keine Produkte aus Kinderarbeit kaufen will, eine bewusste Kaufentscheidung zu ermöglichen.141 1. Regelungsadressaten Von der Regelung betroffen sind alle Unternehmen, die Waren oder Dienstleistungen an niederländische Endverbraucher verkaufen. Erfasst sind sowohl Unternehmen mit Sitz in den Niederlanden als auch ausländische Unternehmen, die Waren oder Dienstleistungen in die Niederlande liefern bzw. erbringen (Art. 4 I).142 2. Pflichten Zunächst müssen die betroffenen Unternehmen gegenüber der Aufsichtsbehörde (Art. 3) erklären, dass sie die angemessene Sorgfalt i. S. v. Art. 5 anwenden. Diese Sorgfalt umfasst drei Prüfungsschritte: (1) Das Unternehmen muss untersuchen, ob ein vernünftiger Verdacht auf Kinderarbeit in seiner Lieferkette besteht (Art. 5 I 1). Dabei hat es Informationsquellen zu berücksichtigen, die für es „vernünftigerweise 137 Grabosch, Unternehmen und Menschenrechte: Gesetzliche Verpflichtungen zur Sorgfalt im weltweiten Vergleich, 2019, S. 25. 138 Ebd., S. 26. 139 Gemeint ist wohl der Justizminister (Secretary of State for Justice). 140 Grabosch, Unternehmen und Menschenrechte: Gesetzliche Verpflichtungen zur Sorgfalt im weltweiten Vergleich, 2019, S. 45. 141 Ebd. 142 Deutsche Fassung des Gesetzes abgedruckt ebd., S. 47 f.

§ 11 Abriss der materiellen Rechtslage de lege lata

207

erkennbar und verfügbar sind“ (Art. 5 II). (2) Besteht ein solcher Verdacht auf Kinderarbeit, muss es einen Aktionsplan zur Eindämmung dieser Kinderarbeit erstellen und ausführen (Art. 5 I 1). Dabei muss es die angemessene Sorgfalt anwenden. Das Unternehmen erfüllt diese angemessene Sorgfalt, wenn es sich in vom Außenministerium genehmigten Multi-Stakeholder-Initiativen (MSIs)143 zusammenschließt (Art. 5 IV). Darin lässt sich eine sogenannte safe-harbor Regelung erblicken, wodurch Unternehmen von Sanktionen frei werden.144 Sofern die Mitglieder des MSI also die in diesem festgelegten Standard erfüllen, kann ihnen kein Pflichtenverstoß mehr vorgeworfen werden. (3) Das Unternehmen gibt eine einmalige Erklärung zur Anwendung der angemessenen Sorgfalt ab. Diese Erklärungen werden von der Aufsichtsbehörde in einem Register veröffentlicht.145 3. Rechtsfolgen Die Aufsichtsbehörde kann ein Bußgeld i. H. v. 820.000 E und in besonderen Fällen i. H. v. bis zu 10 % des Jahresumsatzes verhängen (Art. 7). Geschäftsführer können bei wiederholten Verstößen binnen fünf Jahren auch strafrechtliche Sanktionen treffen. Möglich ist sogar eine Gefängnisstrafe bis zu sechs Monaten.146 Diese erheblichen Sanktionen werden vom Gesetzgeber mit Hinweis auf die herausragende Bedeutung des Verbots von Kinderarbeit gerechtfertigt.147 Nicht umfasst ist wohl ein Schadensersatzanspruch der Kinder selbst. Im niederländischen Recht komme es für die Herleitung einer Haftung auf den Gesetzeszweck an. Dieser sei hier Verbraucherschutz und nicht der Schutz von Geschädigten.148

V. EU: Holzhandelsverordnung/HolzSiG Die Verordnung (EU) Nr. 995/2010 vom 20. Oktober 2010 über die Verpflichtungen von Marktteilnehmern, die Holz und Holzerzeugnisse in Verkehr bringen, trat am 03. 03. 2013 in Kraft (Art. 21). Sie wurde im Juli 2011 vom deutschen Gesetzgeber mittels des Gesetzes gegen den Handel mit illegal eingeschlagenem Holz 143 Freiwilliger Zusammenschluss verschiedener Unternehmen, NGOs und anderer Stakeholder, die zusammen für die Mitglieder der Initiative verbindliche Sozial- oder Umweltstandards festlegen. Dies soll zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Produktionsfirmen führen. 144 Siehe rechtsökonomisch dazu: Morse, 49 University of California Davis Law Review (2016), 1385 ff. 145 Die Ausführungen basieren auf der deutschen Übersetzung des Gesetzes bei und den Hinweisen von Grabosch, Unternehmen und Menschenrechte: Gesetzliche Verpflichtungen zur Sorgfalt im weltweiten Vergleich, 2019, S. 45 – 48. 146 Ebd., S. 46. 147 Ebd. 148 Ebd.

208

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

(HolzSiG) umgesetzt.149 Die Holzhandelsverordnung bezweckt, Holzimporte aus illegalem Einschlag zu verhindern (Art. 1 und 4). 1. Regelungsadressaten Betroffen von der Verordnung sind alle natürlichen oder juristischen Personen, die Holz oder Holzerzeugnisse erstmalig auf dem EU-Binnenmarkt in den Verkehr bringen (Art. 2 lit. c). 2. Pflichten Die verpflichteten Rechtssubjekte müssen herausfinden, aus welcher Region das Holz stammt, welche Konzessionen für den Einschlag vorliegen und welche Lieferanten beteiligt waren (Art. 6 lit. a). Auf dieser Grundlage müssen sie das Risiko bewerten, dass das Holz aus illegalem Einschlag stammt (Art. 6 lit. b). Wenn dieses Risiko nicht vernachlässigbar ist, müssen sie Maßnahmen ergreifen, um es „weitestgehend zu begrenzen“, Art. 6 lit. c). Dies tun sie, indem sie verhindern, dass das Holz auf den EU-Binnenmarkt gelangt. 3. Rechtsfolgen Der Verordnungsgeber machte den Mitgliedsstaaten keine Vorgaben hinsichtlich der Durchsetzung dieser Pflichten. In Deutschland kann die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung gemäß § 2 HolzSiG u. a. folgende Maßnahmen anordnen: Verwahrung, Beprobung, Untersuchung, Überlassung unter Auferlegung eines Verfügungsverbots, Beschlagnahme, Einziehung und/oder Vernichtung des Holzes. Gemäß § 7 HolzSiG können Bußgelder bis zu 50.000 E verhängt werden. Bei gröberen sowie wiederholten Verstößen droht gemäß § 8 eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe. Zivilrechtlich relevante, deliktische Pflichten enthält das Gesetz nicht.

VI. Fazit Alle genannten Instrumente schreiben den betroffenen Unternehmen Pflichten vor.150 Einzig der Trafficking Victims Protection Act und das französische Gesetz 149

Siehe zu beidem auch Walker, Lessons Learned – Die EU-Holzhandelsverordnung als Beispiel für umweltbezogene Sorgfaltspflichten, Verfassungsblog, https://verfassungsblog.de/ lessons-learned-die-eu-holzhandelsverordnung-als-beispiel-fuer-umweltbezogene-sorgfalts pflichten/. 150 Auch die anderen, in Kap. 4 Fn. 88 genannten und hier nicht ausführlich beschriebenen Gesetze schreiben Unternehmen Pflichten vor und sind mehr oder weniger sanktionsbewährt.

§ 12 Erforderlichkeit rechtsträgerübergreifender Sorgfaltspflichten

209

koppeln diese Pflichten hingegen an eine zivilrechtliche Haftung. Sie sind weltweit bislang die weitreichendsten Instrumente im Bereich „Wirtschaft und Menschenrechte“. Das französische Gesetz geht allerdings in seinem Schutzbereich deutlich weiter. Es erfasst sämtliche Menschenrechtsverletzungen, während der Schutzbereich des Trafficking Victims Protection Act auf Zwangsarbeit beschränkt ist. Er kann das Problem daher nicht umfassend lösen, hat dies allerdings auch niemals beabsichtigt. Es wird zwar gemutmaßt, er könne die Lücke des im Jahr 2013 vom US Supreme Court stark eingeschränkten Alien Torts Claim Act151 füllen.152 Der Alien Torts Claim Act war lange Zeit Basis für die internationale Zuständigkeit für wirtschaftsmenschenrechtliche Klagen auch gegen ausländische Konzern- bzw. Zulieferergesellschaften. Ihm zufolge konnte jeder Kläger, der sich mit seiner Klage auf US-amerikanisches Zivilrecht stützt, vor US-Gerichten klagen. Der US Supreme Court schränkte dessen Anwendbarkeit jedoch stark ein und verhinderte so die weitere Anwendbarkeit des Alien Torts Claim Act auf extraterritoriale Sachverhalte. Wegen des engen Anwendungsbereichs des Trafficking Victims Protection Act ist es aber unwahrscheinlich, dass dieser den auf alle zivilrechtlichen Streitigkeiten anwendbaren Alien Torts Claim Act ersetzen kann. Gemeinsam ist allen Regelungen, dass sie größere oder kleinere Ermittlungen in ihren Lieferketten zu menschenrechtlichen Themen durchführen müssen und eine Grundsatzverpflichtung abzugeben haben, in der sie sich zur Wahrung der Menschenrechte bekennen. Sie geben insoweit die Prinzipien 16 (Grundsatzverpflichtung) und 18 (Risikoanalyse) der UNGuiding Principles on Business and Human Rights wieder.

§ 12 Erforderlichkeit rechtsträgerübergreifender Sorgfaltspflichten Der folgende Abschnitt zeigt die negativen Folgen der materiellen Rechtslage auf (A.). Darüber hinaus werden die negativen Auswirkungen von Transnationalisierung in Kombination mit den Verhaltensanreizen der materiellen Rechtslage beschrieben (B.). Vieles davon ist in der konzernrechtlichen Literatur schon eingehend diskutiert worden. Aus Zeit- und Platzgründen kann diese Diskussion daher nicht vollständig gewürdigt werden. Weiter wird gezeigt, dass gegenwärtige, bereits vorhandene Regulierungsoptionen wie freiwillige Selbstverpflichtungen, soft law und Berichtspflichten die beschriebenen Probleme nicht adäquat lösen (C.) und daher rechtsträgerübergreifende, deliktische Sorgfaltspflichten notwendig sind (D.).

151 152

US Supreme Court, Kiobel v. Royal Dutch Petroleum, 569 U.S. (2013). Beale, 50 Case Western Reserve Journal of International Law (2018), 46 f.

210

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

A. Zweifelhafte Anreizstruktur der geltenden Rechtslage I. Hinsichtlich deliktischer Verkehrspflichten In den meisten Rechtsordnungen hängt die Haftung der Mutter- oder Abnehmergesellschaft von der Kontrolle ab, die sie auf ihre Konzern- oder Zuliefererbetriebe ausübt.153 Dies bietet der Mutter- bzw. Abnehmergesellschaft einen Anreiz, sich von der Geschäftstätigkeit möglichst weit zu entfernen und lediglich strategische Grundsatzentscheidungen zu treffen. So vermeidet sie den Eindruck, Verantwortung für die Betriebe der Tochter- bzw. Zulieferergesellschaften zu übernehmen. Das Kontrollkriterium ist jedoch nicht der richtige Ausgangspunkt. Es ist nicht geeignet den hier angestrebten Zweck – Vermeidung von Rechtsgutsverletzungen bei ausländischen Konzern- und Zuliefererunternehmen154 – zu erreichen. Das verdeutlicht ein Sachverhaltsausschnitt des Nestlé-Falls155. Die Gewerkschaft (Sinaltrainal) der kolumbianischen Tochtergesellschaft Nestlés (Cicolac) benachrichtigte sowohl Nestlé als auch Cicolac von den Todesdrohungen gegen ihren Gewerkschafter Luciano Romero und forderte beide auf, Schutzmaßnahmen zu treffen. Stattdessen bezeichnete Cicolac Romero öffentlich als guerillero. In Kolumbien hebt eine solche Bezeichnung Personen für Paramilitärs als militärisches Ziel hervor. Nestlé reagierte lediglich sporadisch mit Antwortschreiben, verwies jedoch darauf, dass es sich um eine lokale Angelegenheit handele. Schließlich wurde Romero von Paramilitärs gefoltert und ermordet.156 Nestlé hielt sich so weit wie möglich aus der Situation heraus und überließ die Angelegenheit seiner kolumbianischen Tochtergesellschaft. Das ist angesichts der derzeitigen deliktischen Haftungssituation im Konzernaußenverhältnis nicht überraschend. Genau das gilt es jedoch zu vermeiden. Die geltende Rechtslage reproduziert diese Situation, indem sie Verkehrs- bzw. Sorgfaltspflichten vom Einfluss des Abnehmers bzw. der Mutter abhängig macht. Dies entmutigt die Mutter- bzw. Abnehmerunternehmen trotz technischer Expertise und überlegenem Know-how,157 das Geschehen vor Ort zu überwachen oder Einfluss zu nehmen.158 Besser als Cassels lässt sich die Situation nicht beschreiben: 153 Siehe den obigen Abriss zur geltenden Rechtslage: Kapitel 4, § 11 A.III. und IV. (S. 192 und 194). Generell aus US-amerikanischer Perspektive: Snyder, 68 American University Law Review (2019), 1921 f. und Weil, The Fissured Workplace, 2014, S. 189. 154 Zum Normzweck: Kapitel 4, § 14 A. (S. 248 f.). 155 Siehe für eine ausführliche Beschreibung des Nestlé Falls oben Kapitel 1, § 2 C.I. (S. 48). 156 Fallbeschreibung nach Müller-Hoff/Saage-Maaß, Menschenrechte vor Profit, 2019, S. 25. Die Sachverhaltsangaben wurden nach bestem Wissen und Gewissen überprüft. Für die rechtliche Würdigung wird unterstellt, dass diese zutreffen. Siehe auch die Ausführungen von Forstmoser, in: Liber amicorum für Andreas Donatsch, 2012, S. 717 f. 157 Speziell dazu: Natale, 57 University of Cincinnati Law Review (1988), 736. 158 Siehe alle mit ähnlichen Begründungen: Snyder, 68 American University Law Review (2019), 1921 f. mit Verweis auf US-amerikanische Fälle in Fn. 158; De Schutter, Extraterritorial

§ 12 Erforderlichkeit rechtsträgerübergreifender Sorgfaltspflichten

211

„[…] legal responsibility can be avoided by emphasizing local government regulation and delegating to the subsidiary as much autonomy as possible concerning operating matters. The advice to multinationals then is to maintain strategic control from afar, but to leave operations in the hands of local managers and safety in the hands of the host government. Control can thus be maintained, and responsibility avoided. Arguably, this is precisely what happened in Bhopal.“159

Trotz dieser Ausgangslage machen sich neuere rechtspolitische Vorschläge das Kontrollkriterium zu Nutze.160 Diesem bediente sich auch der Vorschlag der schweizerischen Konzerninitiative.161 Zwar wird vorgebracht, die sich auch auf Konzerngesellschaften erstreckende Compliance-Verantwortung des Vorstands und deren organschaftliche Pflicht zum Reputationsmanagement würden die Unternehmensleitungen in ausreichender Weise dazu anhalten, der beschriebenen Anreizstruktur entgegenzuwirken.162 Eine Compliance-Pflicht besteht jedoch gerade nicht dort, wo der entsprechenden Gesellschaft gar keine Haftung droht. Und auch eine Pflicht zum Reputationsmanagement wirkt der beschriebenen Anreizstruktur nicht entgegen: Zum einen lassen sich Reputationsgewinne bzw. -verluste schlecht Jurisdiction as a Tool for Improving the Human Rights Accountability of Transnational Corporations, 2006, S. 41; Joseph, Corporations and Transnational Human Rights Litigation, 2004, S. 136 ff.; Cassels, 31 Cumberland Law Review (2001), 326; Witting, Liability of Corporate Groups and Networks, 2018, S. 363; Petrin, 76 The Modern Law Review (2013), 618; Forstmoser, in: Liber amicorum für Andreas Donatsch, 2012, S. 717 f.; Dearborn, 97 California Law Review (2009), 249 f.; Dowling, in: Accountability, International Business Operations, and the Law, 2020, S. 231; Ulfbeck/Hansen, in: Law and Responsible Supply Chain Management, 2019, S. 141 f. 159 Cassels, 31 Cumberland Law Review (2001), 326. „Unternehmen können rechtliche Verantwortlichkeit vermeiden, indem sie lokale Regulierungskapazitäten betonen und an die Tochtergesellschaft so viel Autonomie wie möglich bezüglich des operativen Geschäfts zu delegieren. Multinationalen Unternehmen kann daher nur geraten werden, strategische Kontrolle aus der Ferne zu behalten, das operative Geschäft aber in die Hände lokaler Manager und die Sicherheit in die Hände des Gaststaats zu legen. So behalten sie weiter die Kontrolle und vermeiden gleichzeitig rechtliche Verantwortlichkeit. Das ist wohl genau das, was in Bhopal passierte.“ (Übersetzung durch den Verfasser). Siehe zum Bhopal-Fall oben Kapitel 1, § 2 A.I. 160 ECCJ, EU Model Legislation on Corporate Social Responsibility to Respect Human Rights and the Environment, 2020, S. 6, https://corporatejustice.org/2020-legal-brief.pdf. Ebenso Wagner/MüKo-BGB, § 823 Rn. 113, der es zwar ebenfalls für problematisch hält, wenn die Mutter infolgedessen vor dem Verhalten der Tochter „den Kopf in den Sand steckt“, dafür aber keine Lösung sieht. 161 Art. 101a Verantwortung für Unternehmen 1[…]. 2[…] c. Die Unternehmen haften auch für Schäden, den durch sie kontrollierte Unternehmen aufgrund der Verletzung von international anerkannten Menschenrechten oder internationalen Umweltstandards in Ausübung ihrer geschäftlichen Verrichtung verursacht haben; sie haften dann nicht nach dieser Bestimmung, wenn sie beweisen, dass sie alle gebotene Sorgfalt gemäss Buchstabe b angewendet haben, um den Schaden zu verhüten oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre; […]. Dazu (befürwortend) Bueno/Bright, 69 International and Comparative Law Quarterly (2020), 804 f., 818. Der Vorschlag scheiterte jedoch am 29. 11. 2020. Es wurde der keine Haftung vorsehende, bloße Berichtspflichten fokussierende Gegenvorschlag angenommen. 162 Fleischer/Korch, ZIP 2021, 717.

212

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

abschätzen.163 Zum anderen reicht die Pflicht zum Reputationsmanagement nicht so weit, eine zivilrechtliche Haftung riskierende Maßnahmen zu treffen. In solchen Fällen steht die Unternehmensleitung vielmehr auf dünnem Eis, will sie keine Binnenhaftung gegenüber den Gesellschaftern oder Aktionären riskieren:

II. Hinsichtlich innergesellschaftlicher Haftung von Leitungsorganen Das Gesellschaftsrecht setzt nämlich ebenfalls Anreize, gerade keine rechtsgüterschützenden Maßnahmen in Konzern- oder Zuliefererbetrieben zu ergreifen. Dort gilt der Grundsatz, dass Vorstände und Geschäftsführer die Gesellschaft nicht schädigen dürfen. Tun sie es doch, müssen sie den der Gesellschaft entstandenen Schaden ersetzen (§§ 93 II AktG und 43 II GmbHG).164 Rechtsgüterschützende Maßnahmen in den Konzern- und Zuliefererbetrieben wie die stärkere Überwachung von Arbeitsschutz- und Sicherheitsstandards oder die personelle und finanzielle Aufstockung von Compliance-Abteilungen kosten Geld und mindern die an die Anteilseigner ausschüttbare Dividende.165 Sicher können diese Maßnahmen im Einzelfall auch aus betriebswirtschaftlicher Perspektive die richtige Entscheidung sein, insbesondere wenn z. B. Reputationsschäden166 drohen. Dass sich ethisches Verhalten aber auch wirtschaftlich lohnt, ist nicht verallgemeinerungsfähig.167 In diesem Kontext werden die Fragen aufgeworfen, ob sich ethisches Verhalten für die Gesellschaft lohnen muss und – wenn es sich ex post als nicht lohnenswert herausstellt –, ob die Leitungsorgane den Gesellschaftern anschließend für die wirtschaftlichen Nachteile haften.168

163

Siehe dazu noch Kapitel 4, § 12 C.III. (S. 222 f.). Diese Regelungen sind deutschem internationalen Gesellschaftsrecht zur Folge auch anwendbar. Da es sich um Organpflichten der Geschäftsleiter handelt (Eidenmüller, in: Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, 2004, S. 89, insbesondere zur Abgrenzung gegenüber insolvenz- und deliktsrechtlichen Leitungspflichten), ist das Gesellschaftsstatut der Mutter-/Abnehmergesellschaft maßgeblich, siehe MüKo-BGB/Kindler, IntGesR Rn. 630. 165 Ähnlich: Cassels, 31 Cumberland Law Review (2001), 344. Siehe auch Eickenjäger, Menschenrechtsberichterstattung durch Unternehmen, 2017, S. 85. Auf Grund der Kosten skeptisch gegenüber einer Sorgfaltspflichtenregelung: Rühl, in: Unternehmensverantwortung und internationales Recht, 2020, S. 123 ff. 166 Dazu eingehend: Klöhn/Schmolke, NZG 2015, 689 ff. 167 Vetter, ZGR 2018, 338 ff.; Fleischer, AG 2017, 518 f. Letzterer mit ausführlichen, auch empirischen Nachweisen zur Debatte. 168 Vetter, ZGR 2018, 338 ff. 164

§ 12 Erforderlichkeit rechtsträgerübergreifender Sorgfaltspflichten

213

Der in der Literatur wohl herrschenden Meinung zufolge müssen gemeinnützige Maßnahmen ökonomisch gerechtfertigt sein.169 Eine im Wachstum begriffene Gegenmeinung hält das nicht für notwendig.170 Mit dieser Frage ließe sich eine eigene Untersuchung füllen. Es muss darauf an dieser Stelle aber auch keine Antwort gegeben werden. Denn jedenfalls können Leitungsorgane deutscher Gesellschaften nicht sicher sein, dass sie nicht von den Gesellschaftern haftbar gemacht werden. Kaum ein Vorstand wird sich angesichts dieser Rechtsunsicherheit für z. B. Arbeitsschutzstandards beim Zulieferer in Übersee einsetzen. Träfe die Gesellschaft selbst jedoch eine Pflicht zur Rücksichtnahme auf Menschenrechts- oder Umweltbelange, könnte ihren Leitungsorganen nur schwer ein Vorwurf gemacht werden, wenn sie sich dafür mittels entsprechender Maßnahmen einsetzen. In der Konsequenz müssten sie weniger besorgen, für menschenrechtsfördernde, den Umsatz nicht oder in ungewisser Höhe steigernde Maßnahmen persönlich von den Aktionären/Gesellschaftern aus § 93 AktG bzw. § 43 GmbHG in Anspruch genommen zu werden. Ganz sicher sein können sie sich dessen aber dennoch nicht.171

B. Folgen von Transnationalisierung und Verhaltensanreizen Unternehmen kombinieren die Verwendung verschiedener Rechtsträger mit der Auslagerung ihrer Geschäftstätigkeit nach Übersee. Der folgende Abschnitt soll darstellen, wie das gesellschaftsrechtliche Trennungsprinzip mitsamt seinen Verhaltensanreizen mit den soeben erörterten, deliktsrechtlichen Anreizen und der Transnationalisierung zusammenspielt.

I. Transnationalisierung von Unternehmen172 1. Ausländische Niederlassung Unternehmen können auf verschiedene Arten Geschäftstätigkeit im Ausland entfalten. Sie können eine Geschäftsstelle oder Filiale ohne eigene Rechtspersön169

Mülbert, AG 2009, 772 f.; Spindler/Stilz-AktG/Fleischer, § 76 Rn. 38; Empt, Corporate Social Responsibility, 2004, S. 195 ff., insbesondere 196; Kort, NZG 2012, 929; Habersack/ Ehrl, AcP 219 (2019), 207 Fn. 226. 170 Simons, ZGR 2018, 329 ff.; Vetter, ZGR 2018, 346 ff. (mit weiteren Nachweisen zu beiden Ansichten auf S. 345); Habersack, AcP 220 (2020), 633 – 637, insb. 635. Den Streit wegen einer kaum möglichen ex ante Wirtschaftlichkeitsberechnung („langfristige Betrachtung, künftige Entwicklungen, schwere Messbarkeit“) der relevanten Umstände für praktisch kaum bedeutsam haltend: Walden, NZG 2020, 59 f. 171 Dazu noch sogleich unten Kapitel 4, § 12 D.II.5. (S. 225 f.). 172 Der Abschnitt (I.), inklusive der Tabelle basiert auf den Ausführungen von De Schutter, Towards Mandatory Due Diligence in Global Supply Chains, 2020, S. 9 f.

214

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

lichkeit (Niederlassung) im Ausland gründen. Das erlaubt ihnen, neue Geschäftspartner und manchmal auch bessere steuerliche Bedingungen zu erreichen. Insbesondere in Entwicklungsländern treffen sie auf geringere Lohnkosten, ggf. niedrigere Umweltstandards, sowie mangelhafte Durchsetzung von Arbeits- und Sozialstandards. Da hier kein separater Rechtsträger gegründet wird, treten die sogleich beschriebenen Probleme in dieser Konstellation nicht auf. Sie ist in den Fällen hier allerdings sehr selten. Keines der Unternehmen in den oben in Kapitel 1, § 2 dargestellten Fälle bedient sich dieser Konstellation. 2. Gründung eines neuen oder Beteiligung an einem ausländischen Rechtsträger Diese Variante bringt Unternehmen die gleichen Vorteile wie (1) und einen weiteren Rechtsträger, der sie von einer potenziellen Haftung von durch diese Wirtschaftstätigkeit Geschädigter abschirmt. Insbesondere die massive Privatisierung staatseigener Unternehmen in den Entwicklungsländern in den 1980er Jahren trug zu dieser Art von Transnationalisierung bei.173 Ausländische Investoren kauften Anteile dieser ehemals staatlichen Unternehmungen. 3. Kauf von lokalen Zulieferern Die zunehmende Trennung des Produktionsprozesses, technische Innovationen, mit denen Produktion aus der Ferne koordiniert werden kann, und immer weniger Hindernisse für grenzüberschreitenden Handel förderten die Entstehung globaler Lieferketten. Das erlaubte den Unternehmen, arbeitsintensive Produktionsprozesse in Entwicklungsländer auszulagern. In dieser Konstellation gründet das Unternehmen zwar keinen eigenen Rechtsträger. Vielmehr baut es vertragliche Beziehungen zu verschiedenen Zulieferern auf. Sein Einfluss ist hier in vielen Fällen dennoch hoch, wenn es einen Großteil (oder alle) der von einem Zulieferer produzierten Waren abnimmt.

173

Dazu Van de Walle, 17 World Development (1989), 601.

§ 12 Erforderlichkeit rechtsträgerübergreifender Sorgfaltspflichten Tabelle 1 Arten von Transnationalisierung Mode of Transnationalization174 Tool

215

Degree of Control

A firm operates directly in a foreign Creation of an agency or jurisdiction (here irrelevant) branch in the foreign jurisdiction

Total

A firm has an equity stake in a company domiciled in a foreign jurisdiction (investment nexus)

Parent wholly owns the foreign subsidiary

Total (though subsidiary may have some operational autonomy)

Parent is the majority shareholder in the foreign subsidiary

Strong

Parent is a minority shareholder in the foreign subsidiary

Weak

Sub-contractor in a longterm relationship with the lead company which is its only client

Strong

A firm has a sub-contractor (seller, provider of services, franchisee) domiciled in a foreign jurisdiction (contractual nexus)

Sub-contractor (“primary Relatively weak supplier”) in a long-term relationship with the lead company as one of its clients Sub-contractor in a shortWeak term/ad-hoc relationship with the lead company, which is one occasional client

4. Auswirkungen dieser Vorgehensweise Diese Transnationalisierung von Unternehmensaktivität hat verschiedene Auswirkungen. Sie führt aus verschiedenen Gründen zu einer Tendenz, Ansprüche gegen Unternehmen gerichtlich nicht geltend machen zu können. (1) Die Geschädigten haben in manchen Fällen nur das in ihrem Land ansässige Unternehmen im Blick.175 Dieses Konzern- oder Zuliefererunternehmen hat jedoch idealtypisch nur so viel 174

Die Tabelle wurde übernommen von De Schutter, Towards Mandatory Due Diligence in Global Supply Chains, 2020, S. 9 f. 175 Anders aber im Bhopal-Fall, wo die Verantwortlichkeit von Union Carbide durchaus indische Gerichte beschäftigte. Hier wurde nur die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für Klagen gegen ausländische Unternehmen untersucht. In diesem Kontext wäre rechtsvergleichend von Interesse, ob das IZPR der Gaststaaten den spiegelverkehrten Fall – eine Klage vor gaststaatlichen Gerichten gegen das ausländische Mutter-/Abnehmerunternehmen – überhaupt zulassen würde. Wenn nein, ist dies ein weiteres Argument dafür, dass Unternehmen schwer gerichtlich zur Verantwortung gezogen werden können.

216

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

Haftungskapital zur Verfügung, wie es entweder gesellschaftsrechtlich vorgeschrieben oder – sofern kein Mindestkapital vorgeschrieben ist – wie es betriebswirtschaftlich sinnvoll ist. In der konzernierten Konstellation werden Tochterunternehmen bewusst gering kapitalisiert und für risikoreiche Operationen eingesetzt.176 Zulieferer, gerade im Bereich des Einzelhandels, sind idealtypisch ebenfalls nur kleine Fabrikbetreiber. (2) Politisch wollen viele Gaststaaten Auslandsinvestitionen im Land behalten, Staaten konkurrieren sogar um ausländische Direktinvestitionen. Die lokale Exekutive hat daher in vielen Fällen kein Interesse daran, etwaige (gesetzlich häufig durchaus bestehende) Standards durchzusetzen.177 Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass sie Gerichtsverfahren beeinflusst oder verhindert, die die Geschäftstätigkeit der von ihnen umworbenen Unternehmen behindern könnten.178 Dies beschreibt jedoch nur eine Tendenz, hängt vom Einzelfall ab und lässt sich nicht pauschal für die kulturell äußerst heterogenen Gaststaaten feststellen. (3) Ausländische Konzern- und Zuliefererunternehmen können nach derzeitigem IZPR nur schwer in Deutschland verklagt werden.179 Deutsche Mutter-/Abnehmerunternehmen können es danach zwar schon,180 dazu kommt es aber oft nicht, weil die Geschädigten idealtypisch nur wenige finanziellen Ressourcen haben. Meist handelt es sich um Bauern oder Fabrikarbeiter. Sie können nicht nach Deutschland reisen, geschweige denn hier einen Prozess finanzieren. Zwar wird ihnen in vielen Fällen Prozesskostenhilfe gemäß § 114 ZPO zustehen. Diese deckt jedoch keine Reise- und Unterhaltskosten. Darüber hinaus müssen für die Beantragung der Prozesskostenhilfe zunächst Kontakte zu deutschen Rechtsanwälten geknüpft werden.181 Erst seit ungefähr einem Jahrzehnt machen internationale NGOs solche Klagen in Einzelfällen möglich.182 (4) Wenn es mit Hilfe solcher NGOs dazu kommt, gibt es bislang keine materiellrechtlichen Pflichten, nach denen die deutschen Mutter- bzw. Abnehmerunterneh176

Siehe dazu noch unten in Kapitel 4, § 13 B.II. (S. 235 ff.). Jørgensen/Pruzan-Jørgensen/Jungk/Cramer, Strengthening Implementation of Corporate Social Responsibility in Global Supply Chains, 2003, S. 26. 178 Siehe oben Kapitel 2, § 4 A. (S. 70 ff.). Zusätzlich zu der mangelnden Regulierung im Gaststaat tritt das Desinteresse des Sitzstaates der Mutter/des Abnehmers an einer Regulierung, siehe Krisch, in: Unternehmensverantwortung und internationales Recht, 2020, S. 15. 179 Kapitel 2, § 6 (S. 76 ff.). 180 Kapitel 2, § 5 (S. 75). 181 Zwar besteht für den Antrag auf Prozesskostenhilfe kein Anwaltszwang, BeckOK-ZPO/ Piekenbrock, § 78 Rn. 34, jedoch dürfte es in den Fällen hier faktisch darauf hinauslaufen, da Ausländer ohne einen Rechtsanwalt kaum in der Lage sein werden einen Antrag auf Prozesskostenhilfe allein zu stellen. 182 Siehe für eine Übersicht der beteiligten NGOs (nach Fällen geordnet): Marx/Bright/ Pineau/Wouters, European Yearbook of Human Rights 2019, 163 – 177. Siehe zum Phänomen der strategic litigation, das auch (aber nicht nur) die Fälle hier erfasst: Graser/Helmrich (Hrsg.), Strategic Litigation: Begriff und Praxis, 2019; Coomber, 15 Anti-Discrimination Law Review (2012), 11; Fuchs, in: Politische Partizipation jenseits der Konventionen, 2013, S. 51. 177

§ 12 Erforderlichkeit rechtsträgerübergreifender Sorgfaltspflichten

217

men haften müssten. Nur den ausländischen Konzern- und Zuliefererunternehmen lässt sich ein solcher Vorwurf nach geltenden, deliktischen Kriterien machen. Für Klagen gegen diese sind deutsche bzw. westliche Gerichte jedoch häufig, wie erwähnt, nicht zuständig und/oder die Gesellschaften sind gering kapitalisiert und können die Haftungssumme nicht begleichen und/oder an ihrem Sitz ist kein rechtsstaatliches Verfahren möglich. Dies führt zu einem Haftungsvakuum, einer accountability gap.183

II. Verhaltensanreize 1. Konzern Die soeben geschilderte Situation verschärft sich durch die Externalisierungseffekte des gesellschaftsrechtlichen Trennungsprinzips.184 In konzernierten Unternehmensbeziehungen verleitet das Trennungsprinzip Konzernobergesellschaften dazu, risikobehaftete Operationen an gering kapitalisierte Töchter auszulagern.185 Im Schadensfall steht nur die Vermögensmasse der Tochter zur Verfügung. Der Schaden verbleibt bei den Gläubigern, während Gewinne an die Gesellschafter bzw. Aktionäre ausgeschüttet werden können. Das Unternehmen kann so Schadensvermeidungs- und Überwachungskosten sparen. Durch die geltende Rechtslage wird es sogar dazu veranlasst, die Geschäftstätigkeit seiner Konzerngesellschaften aus den Augen zu verlieren. Je näher es mit dem operativen Geschäft der Tochtergesellschaft verbunden ist, desto eher drohen ihm rechtsträgerübergreifende Verkehrspflichten oder die Geschäftsherrenhaftung.186 2. Lieferkette In der vorwiegend im Einzelhandel verwendeten Lieferkettenkonstellation stellt sich das gleiche Problem. Zwar ist die Herstellung von z. B. T-Shirts nicht per se gefährlich. Der Abnehmer lagert somit eine zunächst weniger risikobehaftete Geschäftstätigkeit aus. Nicht per se risikogeneigte Tätigkeiten, werden aber häufig durch Auslagerung ins Ausland zu Gefahrenquellen. Damit sind nicht diese Gefahren gemeint, die ohnehin von fast jedem Produktionsprozess ausgehen. So kann es durchaus vorkommen, dass eine Näherin in einer Textilfabrik abrutscht und sich mit 183 Ähnlich Dowling, in: Accountability, International Business Operations, and the Law, 2020, S. 227 zur Lage vor englischen Gerichten. 184 Soweit wird hier vorgegriffen. Siehe ausführlich zum Trennungsprinzip unten, Kapitel 4, § 13 B.II. (S. 235 ff.). 185 So die Beobachtung von Mares, in: The UN Guiding Principles on Business and Human Rights, 2012, S. 177. Zu unterkapitalisierten Zulieferern: Weil, The Fissured Workplace, 2014, S. 189 f. 186 Kapitel 4, § 11 A.IV. und III. (S. 194 und 192).

218

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

der Nähmaschine in den Finger sticht oder dass ein Plantagenarbeiter sich beim falschen Gebrauch von Pestiziden verletzt, weil er z. B. vergisst wichtige Schutzkleidung anzulegen. Insoweit besteht kein Unterschied, ob die Produktionsstätte in Deutschland oder in einem anderen Staat liegt. Eine erhöhte Gefährlichkeit ergibt sich jedoch aus schlechter durchgesetzten Sicherheitsstandards. So sind in der Vergangenheit Textilfabriken aufgrund mangelnder Gebäudesicherheit eingestürzt oder mangels Umsetzung von Brandschutzvorgaben abgebrannt. Zusätzliche Risiken ergeben sich, werden Vorgaben zur Arbeitszeit nicht durchgesetzt. Dies hat oft Erschöpfung der Arbeitnehmer zur Folge, was wiederum mehr beim Produktionsprozess übliche Verletzungen aus Unachtsamkeit zur Folge hat. Neben den positiven Auswirkungen auf den Verkaufspreis der gefertigten Güter, die diese mangelnden Sicherheitsstandards ohnehin bringen, verfügt die deutsche Abnehmergesellschaft analog zur Konzernkonstellation auch hier über einen weiteren Rechtsträger (den Zulieferer). Der Zulieferer ist in der vertraglichen Konstellation erst recht ein separater Rechtsträger. Ebenfalls analog zur Konzernkonstellation kann der Abnehmer den Zulieferer häufig wirtschaftlich kontrollieren. Bei den Zulieferern handelt es sich nämlich regelmäßig um wirtschaftsschwache Unternehmen, die in hohem Maße auf Aufträge angewiesen sind. Es gibt darüber hinaus viele Zulieferer auf dem Markt. Zudem ist der Produktionsvorgang – zumindest im Einzelhandel – wenig komplex. Viele Zulieferer können somit den Auftrag erledigen, es kommt in geringerem Maß darauf an einen einzigen z. B. besonders zuverlässigen Zulieferer zu finden. Die Zulieferer sind häufig leicht austauschbar.187 Dies belegt eine Studie, der zufolge die Abnehmer ihre Zulieferer eher als Erweiterung ihres Unternehmens anstatt als eigenständige Verkäufer bzw. Werkunternehmer sehen.188 Auch hier führen somit gering kapitalisierte, von der deutschen Gesellschaft faktisch kontrollierte, separate Rechtsträger risikobehaftete Operationen aus. Die Haftungsbeschränkung befördert diese Konstellationen, da der Abnehmer – anders, wenn er selbst die Ware fertigen würde – nicht fürchten muss für in seinen Zuliefererbetrieben entstehende Schäden haften zu müssen. Auch er hat den Anreiz, möglichst wenig selbst auf den Zulieferer einzuwirken, da er sonst deliktische Ansprüche fürchten muss. Die Verhaltensanreize entsprechen somit weitestgehend der konzernierten Konstellation.189

187 Zu dieser Argumentation siehe von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 8 f.; Jørgensen/Pruzan-Jørgensen/Jungk/Cramer, Strengthening Implementation of Corporate Social Responsibility in Global Supply Chains, 2003, S. 27. 188 Ernst & Young, The State of Sustainable Supply Chains, 2016, S. 30. 189 Wegen der Abhängigkeit der Zulieferer plädieren manche Autoren für eine gesellschaftsrechtliche Einordnung solcher Vertragsbeziehungen, siehe Engel, RabelsZ 57 (1993), 561; Teubner, Netzwerk als Vertragsverbund, 2004, S. 66 m. w. N. in Fn. 29.

§ 12 Erforderlichkeit rechtsträgerübergreifender Sorgfaltspflichten

219

III. Kombination von Transnationalisierung und Verhaltensanreizen Das Problem der durch das Trennungsprinzip geschaffenen Anreizstruktur wird seit längerem eingehend diskutiert.190 In Kombination mit den zur Transnationalisierung angeführten Aspekten verschärft sich das Problem jedoch in zweierlei Hinsicht. 1. Ungefährliche Tätigkeiten werden gefährlich Wie bereits erwähnt, betrifft die nachteilige Externalisierungswirkung des Trennungsprinzips durch die Transnationalisierung in Entwicklungsländer bzw. weak-governance-zones auch Zulieferer, da dadurch an sich ungefährliche Tätigkeiten erst gefährlich werden. Streng genommen entsteht dieser Effekt erst durch die Verwendung eines separaten Rechtsträgers und der Auslagerung ins Ausland. Das ist somit der erste Effekt der Kombination aus Transnationalisierung und den beschriebenen Verhaltensanreizen. 2. Mangelndes Bewusstsein über Auslandswirkungen von Unternehmensaktivität Des Weiteren werden die Folgen dieser Externalisierung der Öffentlichkeit im Heimatstaat des Mutter-/Abnehmerunternehmens, der eine stärkere Governancestruktur aufweist, nicht zwangsläufig bekannt. Die Übertragung des Shell-Falls191 auf einen fiktiven, rein nationalen Sachverhalt verdeutlicht das Problem: Fall 1 70 km vor den ostfriesischen Inseln betreibt T1 eine Offshoreplattform zur Förderung von Erdöl. Das Erdöl wird mit einer Pipeline zur Küste nach Norddeich/Mole transportiert. Diese Pipeline wird von T2 betrieben. T1 und T2 sind Tochterunternehmen des ebenfalls deutschen Ölkonzerns U, der jeweils 85 % der Anteile hält. Seit Jahrzehnten kommt es zu Öllecks, sowohl an der Plattform als auch Pipeline. Das führte dazu, dass inzwischen die gesamte deutsche Nordseeküste mit einem Ölteppich überzogen ist. Das Baden im Wasser führt zu Gesundheitsschäden. Bei Bremerhaven und Brunsbüttel gelangt das Öl nun auch in die Elbe und Weser. Das erschwert die Trinkwassergewinnung aus den beiden Flüssen. In den beiden Städten mussten einige Anwohner wegen Genuss des Leitungswassers bereits stationär behandelt werden. T1 und T2 können mit ihrer Vermögensmasse nur 1/8 der Haftungssumme decken. Nach zahlreichen Zivilklagen melden sie Insolvenz an. U verschließt sich dem Zugriff auf sein Vermögen mit der Begründung, es selbst und seine Tochtergesellschaften seien unterschiedliche Rechtsträger.

190 191

Siehe noch ausführlich dazu: Kapitel 4, § 13 B.II. (S. 235 ff.). Kapitel 1, § 2 A.II. (S. 33).

220

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

Dieses Beispiel ist mit den Auswirkungen im Shell-Fall durchaus vergleichbar. In Deutschland ist ein solcher Fall allerdings schwer vorstellbar. U würde entweder Reputationsschäden oder einem Boykottaufruf zum Opfer fallen. Möglicherweise würden auch entsprechende Gesetzesvorhaben deliktische Verkehrspflichten auf andere Rechtsträger ausdehnen.192 Bewohner würden zivilrechtliche Schadensersatzklagen gegen U anstrengen und Gerichte sähen sich gezwungen zu rechtsträgerübergreifenden Verkehrspflichten zumindest Stellung zu beziehen.193 Obgleich auch journalistische Berichterstattung sich zunehmend globalisiert, nimmt die Öffentlichkeit wegen der geographischen und nach wie vor vorhandenen medialen Distanz194 zu den Schadensorten Probleme in Übersee weniger wahr. Durch die Auslagerung der Produktion in ferne Erdteile sind die Auswirkungen unternehmerischer Tätigkeit dem Öffentlichkeitsbewusstsein eines governancestarken Staates entzogen. 3. Kein Problem: Mangelnder Inlandsbezug von Eingriffsnormen/ordre public Nicht überzeugen kann hingegen ein Erklärungsansatz, nach dem das Nichteingreifen inlandskollisionsrechtlicher Kontrollinstrumente (ordre public, Eingriffsnormen) für dieses Haftungsvakuum verantwortlich seien. Eingriffsnormen und ordre public würden mangels Inlandsbezug nicht aktiv, was ein Haftungsdefizit begründe.195 Jedoch beinhalten Eingriffsnormen oder ordre public der westlichen Industriestaaten materiell-rechtlich (noch) nichts, was den Geschädigten haftungsrechtlich von Vorteil sein könnte. Das ändert sich möglicherweise nun bald, verabschieden

192

Dafür spricht auch eine von Germanwatch e. V. in Auftrag gegebene und jüngst veröffentlichte Studie. Der zufolge geben 91 % der Befragten an, dass es Aufgabe der Politik sei dafür zu sorgen, dass deutsche Unternehmen auch im Ausland Menschenrechte und Sozialstandards achten. 76 % sind dafür, dass die Geschädigten im KiK-Fall von KiK Schadensersatz verlangen können sollten. Siehe Infratest dimap, Tabellenbericht Lieferkettengesetz, 10. 09. 2020, https://lieferkettengesetz.de/wp-content/uploads/2020/09/infratest-dimap_Umfrage-Lie ferkettengesetz.pdf. 193 Peters/Gless/Thomale/Weller, Business and Human Rights: Making the Legally Binding Instrument Work in Public, Private and Criminal Law, MPIL Research Paper Series No. 2020 – 06, 2020, S. 23 gehen davon aus, die zivil-, verwaltungs- und strafrechtliche Manifestation der Grund- bzw. Menschenrechte würden solche Vorkommnisse verhindern. 194 Der Nachrichtenwert eines Ereignisses nimmt ab mit der geographischen und kulturellen Entfernung: Wilke, Nachrichtenauswahl und Medienrealität in vier Jahrhunderten, 1984, S. 147 f. Dieser Befund dürfte trotz zunehmender internationaler Vernetzung heute immer noch gelten. 195 Weller/Nasse, in: Vom Konzern zum Einheitsunternehmen, 2020, S. 129.

§ 12 Erforderlichkeit rechtsträgerübergreifender Sorgfaltspflichten

221

manche Staaten Wertschöpfungskettengesetze.196 Ursächlich für das Haftungsvakuum sind aber andere Dynamiken.

C. Status quo Derzeit wird den beschriebenen Missständen vor allem durch dreierlei vorgebeugt: soft law wie z. B. die UN-Guiding Principles on Business and Human Rights oder die OECD-Guidelines, freiwillige Selbstverpflichtungen der Unternehmen und Berichtspflichten wie z. B. der in Deutschland durch §§ 289b-e HGB umgesetzten EU-CSR Richtlinie.

I. UN- und OECD-Leitprinzipien Die Leitsätze von UN und OECD binden Unternehmen nicht und sehen daher erst recht keine Sanktionsmöglichkeiten vor. Auch wenn in der Vergangenheit andere nicht-bindende völkerrechtliche Instrumente den Status verbindlichen Gewohnheitsrechts erreichten,197 ist es doch unwahrscheinlich, dass daraus nationalstaatliche Bußgeld- oder Haftungstatbestände erwachsen – diese Mittel, mit denen Unternehmen ihr Verhalten tatsächlich anpassen würden. Eine solche Wirkung der UNGPs oder der OECD-Guidelines ist zudem rein spekulativ.

II. Freiwillige Selbstverpflichtungen Das Gleiche gilt für freiwillige Selbstverpflichtungen. Hier fehlt es sogar völlig an einem von einer unabhängigen Instanz vorgegebenen Regelwerk. Wie eben gezeigt, bietet die derzeitige Rechtslage für die deutsche Mutter- bzw. Abnehmergesellschaft eher Anreize, sich dem operativen Geschäft der Töchter und Zulieferer fernzuhalten. Darüber hinaus verfolgen Unternehmen andere Interessen als ihre Stakeholder. Sie sind aufgrund dieses Interessenkonflikts ungeeignet, sich selbst zu regulieren. Schließlich erleiden Unternehmen, die mehr als das rechtlich Notwendige tun, Wettbewerbsnachteile gegenüber ihren Konkurrenten. Das ist ein weiterer Anreiz, nichts zu tun.

196

Für das deutsche SorgfaltspflichtenG gilt dieser Befund hingegen nicht. Dieses wurde vom deutschen Gesetzgeber nicht als Eingriffsnorm ausgestaltet, siehe oben Kapitel 3, § 8 B.V.2. (S. 166). 197 Dazu Blitt, 48 Texas International Law Journal (2012), 38 f.

222

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

III. Berichtspflichten CSR-Berichtspflichten bauen auf Regulierung durch Unternehmensreputation. Regulierung durch Unternehmensreputation wiederum baut auf die Prämisse, sozial und betriebswirtschaftlich verantwortliches Verhalten komme zu gleichen Ergebnissen.198 Soziale Maßnahmen sind jedoch nicht immer betriebswirtschaftlich sinnvoll und umgekehrt.199 Außerdem sind Unternehmen je nach Branche nicht gleichermaßen auf eine positive Öffentlichkeitswirkung angewiesen.200 Reputationsschäden unterscheiden sich in ihrer Höhe von Fall zu Fall erheblich. Trotz ähnlicher Vorwürfe an Unternehmen, Arbeitnehmerrechte in ihren Zuliefererbetrieben nicht ausreichend zu achten, brach etwa die Nachfrage bei manchen Unternehmen völlig ein, bei anderen überhaupt nicht.201 Hinzu kommt, dass eine Regulierung über Reputationsschäden davon abhängt, dass die Vorfälle überhaupt von Journalisten aufgegriffen werden. Zwar geschieht das in manchen, jedoch nicht in allen Fällen. Die Schadensfälle sind aufgrund ihrer geographischen Distanz für Medien, aber auch die Öffentlichkeit, schwer greifbar.202 Der tatsächliche Effekt solcher Skandale und damit auch Regulierung über Transparenzvorschriften bleibt somit unsicher. Aus den genannten Gründen können solch „weiche“ Instrumente das Problem nicht bewältigen.203

D. Sorgfaltspflichten als Lösung I. Wiederherstellung wirksamer Verhaltensanreize Unternehmerische Sorgfaltspflichten stellen wirksame Verhaltensanreize für deutsche Unternehmen wieder her. Durch die Pflicht rechtsgüterschützende Maßnahmen ergreifen zu müssen,204 können sich Unternehmen am Kopf der Wertschöpfungskette nicht mehr vollständig vom operativen Geschäft distanzieren. Sie sind gezwungen, die Auswirkungen der Geschäftstätigkeit ihrer Konzern- und Zuliefererbetriebe mitzudenken und entsprechende Geschäftsentscheidungen zu tref198 Siehe zu weiteren Zweifeln an der Effektivität von Berichtspflichten: Eickenjäger, Menschenrechtsberichterstattung durch Unternehmen, 2017, S. 81 – 122. 199 Siehe Kap. 4 Fn. 167. 200 von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 350. 201 Ebd. 202 Der Nachrichtenwert eines Ereignisses nimmt ab mit der geographischen und kulturellen Entfernung: Wilke, Nachrichtenauswahl und Medienrealität in vier Jahrhunderten, 1984, S. 147 f. Dieser Befund dürfte trotz zunehmender internationaler Vernetzung heute immer noch gelten. 203 Wie hier: Heinen, in: Die Durchsetzung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen, 2018, S. 89; Brunn (Hrsg.), Impact Measurement and Performance Analysis of CSR, 2013, S. 83 – 85. 204 Siehe zu den genauen Inhalten der Pflicht unten Kapitel 4, § 14 (S. 247 ff.).

§ 12 Erforderlichkeit rechtsträgerübergreifender Sorgfaltspflichten

223

fen. Verstoßen Unternehmen dagegen, haben Klagen auf Schadensersatz mehr Aussicht auf Erfolg und werden häufiger angestrengt. Dadurch entsteht wiederum mehr mediale Aufmerksamkeit für diese ausländischen Sachverhalte.

II. Sachgerechter dogmatischer Ausgangspunkt Doch sind Sorgfaltspflichten auch der sachgerechte dogmatische Ausgangspunkt? Wie oben dargestellt,205 kommen de lege lata auch andere Rechtsinstitute in Betracht, namentlich der Vertrag mit Schutzwirkung (zu Gunsten) Dritter, die Durchgriffshaftung oder Gefährdungshaftung. Könnten diese nicht weiter ausgebaut oder modifiziert werden, um das hier anvisierte Ziel zu erreichen? 1. Vertrag mit Schutzwirkung (zu Gunsten) Dritter Ein Vertrag mit Schutzwirkung (zu Gunsten) Dritter wirft in dieser Hinsicht Probleme auf, da viele ausländische Rechtsordnungen zumindest den Vertrag mit Schutzwirkungen zu Gunsten Dritter nicht kennen.206 Man würde also per Eingriffsnorm einen Fremdkörper in die jeweilige, durch die Rom II-VO zur Anwendung berufene Rechtsordnung einsetzen. Hinsichtlich eines Vertrags zu Gunsten Dritter stellen sich zudem komplizierte Abgrenzungsfragen zum UN-Kaufrecht. Findet dieses auf die dem Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter zugrunde liegenden Konstellationen Anwendung, verdrängt es Art. 16 Rom II-VO.207 Die mittels des Rechtsinstituts des Vertrags mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter getroffenen Regelungen würden somit gar nicht angewandt werden. Zudem hängt sowohl der Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter als auch der Vertrag zu Gunsten Dritter von den zwischen deutschem und ausländischem Unternehmen beschlossenen Vertragsinhalten ab. Darauf hat der Gesetzgeber keinen Einfluss. Will ein Abnehmer keine Schutzpflichten gegenüber den Arbeitnehmern des Zulieferers übernehmen und wird das so auch vertraglich vereinbart, lassen sich daraus keine Ansprüche herleiten. Schließlich ließen sich aus einer solchen Konstellation lediglich Ansprüche von den mit der Geschäftstätigkeit des ersten Zulieferer-/Konzernglieds in Berührung kommenden Geschädigten herleiten. Tiefer in der Wertschöpfungskette liegende Rechtsträger haben mit der Mutter- bzw. Abnehmergesellschaft keine vertragliche Beziehung. Ohne eine solche vertragliche Beziehung kommt weder ein Vertrag zu Gunsten Dritter noch ein Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter überhaupt in Frage.208 Ein mittels eines bestimmten Pflichtenprogramms 205

Kapitel 4, § 11 A. (S. 188 ff.). Kapitel 3, § 8 A. (S. 134). Dort allerdings nur zu mitgliedsstaatlichen Rechtsordnungen. 207 Oben wurde allerdings vertreten, UN-Kaufrecht deckt nicht die dem Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter zugrunde liegenden Fallkonstellationen ab, siehe Kapitel 3, § 8 A.I.2. (S. 136). Doch ist die Rechtslage unübersichtlich. 208 Graf von Westphalen, ZIP 2020, 2428. 206

224

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

gesteigerter Rechtsgüterschutz muss allerdings – zumindest dem Grundsatz nach und wie noch zu zeigen sein wird209 – die gesamte Wertschöpfungskette erfassen (und nicht lediglich deren erstes Glied). 2. Durchgriffshaftung Die Durchgriffshaftung würde das Problem nicht umfassend lösen. Sie kommt, wenn überhaupt, nur bei konzernierten Konstellationen in Frage. Außerdem enthält auch diese eine dem Rechtsgüterschutz abträgliche Anreizstruktur. Die Durchgriffshaftung greift am ehesten, kontrolliert die Muttergesellschaft ihre Tochter. Auf dieses Kriterium abzustellen, wirft – wie oben aufgezeigt – jedoch verschiedene Probleme auf.210 3. Deliktsrechtliche Generalklausel für Menschenrechtsverletzungen Teilweise wurde vorgeschlagen eine eigenständige, generalklauselartige Haftungsnorm für Menschenrechtsverletzungen zu schaffen.211 Demgegenüber verdient die Lösung über Verkehrs- bzw. Sorgfaltspflichten jedoch ebenfalls den Vorzug (dazu gleich). Mangels klassischer deliktsrechtlicher Voraussetzungen wie Kausalität oder Schaden liefe eine solche Generalklausel auf eine Gesamtabwägung hinaus – mit Blick auf Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit ist das inakzeptabel. Sollte die Regelung dennoch auf deliktische Kriterien wie Kausalität und Schaden abheben, lässt sich auch gleich auf die bereits bestehenden deliktischen Anspruchsgrundlagen zurückgreifen. Generell gilt für eine generalklauselartige Regelung, dass sie nicht besonders schonend für das Erfolgsortprinzip der Rom II-VO ist. Anders als bei deliktischen Sorgfaltspflichten, wo nur die Pflicht als Eingriffsnorm angewandt wird,212 käme bei dieser Lösung der gesamte Haftungstatbestand abweichend vom Erfolgsortprinzip zur Anwendung. 4. Deliktische Sorgfalts- bzw. Verkehrspflichten Demgegenüber hat die Ausweitung deliktischer Sorgfalts- bzw. Verkehrspflichten verschiedene Vorteile. (1) Die deutsche Gesellschaft trifft eine originäre Pflicht, rechtsgüterschützende Maßnahmen zu ergreifen (und rechtsgüterschädliche Hand209

Kapitel 4, § 14 D.II.4.a)dd) (S. 285 ff.). Kapitel 4, § 12 A.I. (S. 210 f.). 211 So der Vorschlag Schalls einen neuen § 823a BGB einzufügen: Schall, Die Menschenrechtsverletzung bzw. die Missachtung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht als zivilrechtlicher Haftungstatbestand, Verfassungsblog, https://verfassungsblog.de/die-menschen rechtsverletzung-bzw-die-missachtung-der-menschenrechtlichen-sorgfaltspflicht-als-zivilrechtli cher-haftungstatbestand/. In diese Richtung wohl auch Rünz, ZVertriebsR 2020, 296. 212 Zumindest nach der hier vertretenen Lösung, siehe oben Kapitel 3, § 10 C.II. (S. 182 ff.). 210

§ 12 Erforderlichkeit rechtsträgerübergreifender Sorgfaltspflichten

225

lungen zu unterlassen). Es besteht somit haftungsrechtlich für sie kein Anlass mehr, sich möglichst weit von der ausländischen Gesellschaft zu entfernen. (2) Die Sorgfaltspflicht erfasst konzernierte wie vertragliche Konstellationen gleichermaßen (bzw. unterscheidet danach erst gar nicht). (3) Sie passt sich besser als andere Rechtsinstitute in ausländische Rechtsordnungen ein. So kennen die in der Rechtstradition des englischen Rechts stehenden Staaten im Rahmen des tort of negligence die duty of care, ein den deutschen Verkehrspflichten vergleichbares Rechtsinstitut. Auch im französischen213 und chinesischen Deliktsrecht214 finden sich entsprechende Äquivalente. Generell ist das Konzept den meisten Rechtsordnungen der Welt bekannt – freilich mit unterschiedlichen Bezeichnungen.215 (4) Schließlich entspricht die Lösung den seit 2011 beschlossenen UNGPs.216 Das ist bedeutsam, da sich erstens bereits jetzt einige Unternehmen – auch ohne WertschöpfungskettenG – nach diesen Standards richten.217 Zweitens zeigte eine EU-Studie, dass die meisten gesellschaftlichen Akteure (sowohl Vertreter der Wirtschaft als auch der Zivilgesellschaft) eine gesetzgeberische Orientierung an den UNGPs bevorzugen,218 was freilich in erster Linie ein politisches Argument ist, die Praktikabilität und Umsetzbarkeit solcher Pflichten in der Praxis aber durchaus beeinflusst. Drittens lässt sich auf den UNGPs auch gut dogmatisch aufbauen, da das Konzept der Sorgfaltspflicht besser mit dem Delikts- als dem Vertrags- oder Gesellschaftsrecht harmoniert. Dass die UNGPs in puncto zivilrechtlicher Haftung sehr vage gehalten sind,219 lässt sich vom deutschen bzw. europäischen Gesetzgeber beheben. 5. Gesellschaftsrechtliche Regelung Schließlich wurde eine auf das Innenverhältnis der Gesellschaft abzielende Regelung vorgeschlagen. Mittels eines § 91 II AktG solle der Vorstand verpflichtet werden, „dem Ansehen der Gesellschaft abträgliche Menschenrechtsverletzungen in der Lieferkette“ zu unterbinden.220 Eine solche Regelung habe den Vorteil, „die entsprechenden Vorstandspflichten zu schärfen und die Aktionäre diesbezüglich zu sensibilisieren.“221 Die Durchsetzung erfolgt hier im Binnenverhältnis mittels der 213

Kapitel 4, § 11 A.IV. (S. 194). Zheng/Trempel, RIW 2010, 515; Bu, Einführung in das Recht Chinas, 2017, S. 141 Rn. 31; Wang, Die deliktsrechtliche Verkehrspflicht im deutsch-chinesischen Vergleich, 2020. 215 EU Commission, Study on due diligence requirements in the supply chain, 2020, S. 179 f., 201 – 203. 216 Prinzip Nr. 17 – Sorgfaltspflicht auf dem Gebiet der Menschenrechte. 217 So Vertreter der Daimler AG, der Adidas AG und der L’Oréal S.A. auf einer virtuellen Konferenz des BMAS zu nachhaltigen Lieferketten am 06. 10. 2020. 218 EU Commission, Study on due diligence requirements in the supply chain, 2020, S. 17. 219 Bueno/Bright, 69 International and Comparative Law Quarterly (2020), 793 – 796. 220 Zitat nach Habersack, AcP 220 (2020), 644 – 646; ebenso Weller/Kaller/Schulz, AcP 216 (2016), 420. 221 Ebd., 645. 214

226

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

Verantwortlichkeit von Vorstand und Aufsichtsrat gegenüber den Aktionären (§§ 93, 116 AktG). Der Nachteil einer solchen Regelung liegt auf der Hand: Auf dieser Basis könnten die ausländischen Geschädigten keine Ansprüche geltend machen. Die oben beschriebene governance gap vermag dieser Vorschlag mithin nicht zu schließen. Als gleichwertige Alternative zu deliktischen Sorgfaltspflichten kommt eine solche Regelung mithin nicht in Betracht. Kumulativ zu deliktischen Sorgfaltspflichten kann sie diese aber stützen und auch gesellschaftsrechtlich absichern. Dies ist auch nach Verabschiedung des SorgfaltspflichtenG noch von nicht unerheblicher Bedeutung: Übersteigen die durch eine rechtsgüterbeeinträchtigende, unternehmerische Entscheidung winkenden Gewinne potenzielle Bußgelder, liegt eine solche Entscheidung mancher Autoren zufolge im Sinne des Gesellschaftswohls (§ 93 I 2 AktG).222 Umgekehrt erginge eine rechtsgüterschonende Entscheidung diesen Stimmen zufolge nicht im Sinne des Wohls der Gesellschaft. Für den Vorstand besteht mithin Rechtsunsicherheit. Angesichts dessen wird er den sicheren Weg wählen und die für die Gesellschaft ökonomisch vorteilhaftere Entscheidung wählen: Da eine rechtsgüterschonenende Entscheidung regelmäßig etwas kosten wird, werden die Aktionäre den Vorstand nämlich nicht nach § 93 II AktG in Anspruch nehmen können. Mit der für die Gesellschaft wirtschaftlich vorteilhaften Entscheidung ist der Vorstand somit regelmäßig auf der „sicheren Seite“ und muss nicht besorgen, von seinen Aktionären in Regress genommen zu werden. Eine entsprechende Ergänzung im Gesellschaftsrecht, wodurch unternehmerische Geschäftsleitungen für die Rechtsgüter der Stakeholder schonende Entscheidungen treffen können, ohne besorgen zu müssen, persönlich in Anspruch genommen zu werden, ist daher als Ergänzung einer deliktischen Sorgfaltspflicht überaus wünschenswert.

§ 13 Politische und rechtliche Einwände gegen ein WertschöpfungskettenG A. Abriss politischer Bedenken Im Folgenden wird ein knapper Überblick über politische Erwägungen gegen ein WertschöpfungskettenG gegeben und dazu Stellung bezogen.223 Die sozial- und wirtschaftswissenschaftliche Dimension dieser Fragen ist sehr vielseitig und kann hier nicht vollständig wiedergegeben werden. Der folgende Abschnitt beschränkt sich daher auf die in der wirtschaftsmenschenrechtlichen Debatte vorgebrachten Argumente. 222

Siehe z. B. Mülbert AG 2009, 772 f. Siehe für politische Würdigungen aus der Rechtswissenschaft andernorts: Wagner, RabelsZ 80 (2016), 779 – 781 und von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 338 – 344. 223

§ 13 Politische und rechtliche Einwände gegen ein WertschöpfungskettenG

227

I. Wettbewerbsnachteil Wirtschaftsstandort Deutschland Gegen rechtsträgerübergreifende Sorgfaltspflichten der deutschen Konzernmutter bzw. des deutschen Abnehmers gegenüber ausländischen Konzern- oder Zulieferergesellschaften ließe sich einwenden, solche bergen Wettbewerbsnachteile für den Wirtschaftsstandort Deutschland.224 Die deutsche Wirtschaft schwächelt in Folge der Corona-Krise ohnehin und kann nicht weiter belastet werden.225 Ohne ein sogenanntes level playing field, also gleichen Wettbewerbsbedingungen für alle, könnte die deutsche Wirtschaft sogar gefährdet sein. Da die Vereinten Nationen in absehbarer Zeit nicht zum Weltstaat aufsteigen werden, bleiben gleiche Wettbewerbsbedingungen in einer globalisierten Wirtschaft eine Utopie. Wettbewerbsnachteile lassen sich zudem gegen jegliche Form von Regulierung ins Feld führen. Selbst wirtschaftsliberalere Autoren fordern aber für „the only social responsibility of business“ – „to increase its profits“226 – Spielregeln, also eine vorgegebene, rechtliche Ordnung.227 Als solche Spielregeln lassen sich auch Pflichten gegenüber ausländischen Arbeitnehmern und Anwohnern begreifen, mit denen deutsche Unternehmen durch Lieferverträge rechtlich mittelbar verbunden sind. Würde diese Produktion im Inland stattfinden (wie z. B. die Textilproduktion bis in die 1960er Jahre228), würde die deutsche Sozialgesetzgebung greifen.229 Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert dürfen Unternehmen hierzulande nicht mehr zwecks reiner Profitmaximierung operieren, sondern müssen Verantwortung für die mit ihnen in Berührung kommenden Menschen übernehmen, z. B. indem sie in Versicherungen für Arbeitnehmer einzahlen und diesen Mitbestimmungsrechte und eine soziale Grundsicherung gewähren.230 Wettbewerbsnachteile können daher nicht per se gegen ein WertschöpfungskettenG ins Feld geführt werden. Darüber hinaus lässt sich das Argument des level playing fields auch umkehren. Bleibt nachhaltiges Wirtschaften freiwillig, erleiden besonders engagierte Unternehmen Nachteile.231

224

So z. B. Wagner, RabelsZ 80 (2016), 781. Marin, So macht Deutschland die Armen der Welt nur noch ärmer, Die Welt, https: //www.welt.de/wirtschaft/article215991662/Lieferkettengesetz-Deutschlands-Plan-schadet-Ent wicklungslaendern.html. 226 Friedman, Kapitalismus und Freiheit, 2010, S. 164. 227 Friedman, Kapitalismus und Freiheit, 2010, S. 38.: „Die Existenz eines freien Marktes ersetzt natürlich nicht die Notwendigkeit einer Regierung. Im Gegenteil: Die Regierung ist einmal wichtig als das Forum, das die ,Spielregeln‘ bestimmt, und zum anderen als der Schiedsrichter, der über die Regeln wacht und sagt, ob sie auch richtig ausgelegt wurden.“ 228 Wagner, RabelsZ 80 (2016), 780. 229 von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 342. 230 Ebd. 231 Ebd., S. 341 f. und Spießhofer, Unternehmerische Verantwortung, 2017, S. 531, Letztere mit ausführlichen Nachweisen. 225

228

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

II. Rückzug deutscher/europäischer Unternehmen aus dem Auslandsgeschäft Des Weiteren ließe sich befürchten, dass sich Unternehmen aus dem Auslandsgeschäft zurückziehen, führt der deutsche Gesetzgeber rechtsträgerübergreifende Sorgfaltspflichten ein.232 Dafür könnten die Interessen der Gaststaaten sprechen. Zum einen könnte durch den Rückzug westlicher Unternehmen ein Vakuum entstehen, das durch Unternehmen aus Staaten wie z. B. China gefüllt wird. Wenn diese (noch) weniger Maßnahmen zum Rechtsgüterschutz ergreifen, wäre mit der hier vorgeschlagenen Regulierung deutscher Unternehmen nur wenig gewonnen.233 Zum anderen könnten die dann ausbleibenden ausländischen Investitionen signifikante wirtschaftliche Einbußen der Entwicklungsländer nach sich ziehen. Denn deren komparativer Vorteil sind gerade diese niedrigen Löhne.234 Allerdings können beide Befürchtungen nur für sich betrachtet und nicht gleichzeitig eintreten. Denn entweder deutsche Unternehmen ziehen sich zurück und keine Unternehmen aus anderen Staaten treten an deren Stelle – mit der Folge von wirtschaftlichen Einbußen auf Seiten der Gaststaaten. Oder aber die Unternehmen aus anderen Staaten nehmen nicht den Platz der sich zurückziehenden deutschen Unternehmen ein. Dann können diese es aber auch nicht unterlassen, wichtige Maßnahmen zum Rechtsgüterschutz von z. B. Anwohnern oder Arbeitnehmern zu ergreifen. Darüber hinaus bestehen Zweifel daran, dass ein WertschöpfungskettenG tatsächlich zu einem signifikanten Rückgang von Investitionen führt. Notwendigerweise müssten Unternehmen ihre Produktion dann wieder in ihre Heimatstaaten verlagern. KiK würde also nicht mehr in Karatschi, sondern vielleicht in Kassel fertigen lassen. Das scheint etwas überzeichnet. Auch mit Sorgfaltspflichten dürften die Produktionskosten im Ausland immer noch weit unter den Deutschen liegen. Der Kostenanteil für Arbeitssicherheit an einer für 22 $ verkauften Jeans beläuft sich auf 1.16 $.235 Bereits 25 Cent Mehrausgaben für Arbeitssicherheit pro gefertigter Jeans würden ausreichen, um unsichere Fabriken in Bangladesch entsprechend umzurüsten.236 Unternehmen werden solche Kosten auf den Verbraucher in Gestalt höherer 232 Das befürchtend Wagner, RabelsZ 80 (2016), 781; Schneider, NZG 2019, 1373; Rühl, in: Unternehmensverantwortung und Internationales Recht, 2020, S. 124. Wagner bezieht sich auf den Fall eines kanadische Unternehmen Talisman Energy, das sich wegen einer Klage unter dem Alien Tort Statute in den USA zum Rückzug aus dem Sudan gezwungen sah. Siehe United States Court of Appeals, 2nd Circuit, Presbyterian Church of Sudan v. Talisman Energy, inc, 582 F.3d 244 (2d Cir. 2009). 233 Wagner, RabelsZ 80 (2016), 781. 234 Marin, So macht Deutschland die Armen der Welt nur noch ärmer, Die Welt, https: //www.welt.de/wirtschaft/article215991662/Lieferkettengesetz-Deutschlands-Plan-schadet-Ent wicklungslaendern.html. 235 Tribou, Ninety Cents Buys Factory Safety in Bangladesh on $22 Jeans, Bloomberg, https: //www.bloomberg.com/graphics/infographics/90-cents-buys-factory-safety-in-bangladeshon-22-jeans.html. 236 Ebd.

§ 13 Politische und rechtliche Einwände gegen ein WertschöpfungskettenG

229

Preise umlegen, statt sich völlig aus den Entwicklungsländern zu verabschieden. Verdoppelte man die an der 22 $-Jeans anteiligen Kosten für Arbeitssicherheit von 1.16 $ auf 2.32 $, würde die Jeans 23.16 $ kosten. An den Löhnen ändert sich jedenfalls nach der hier vertretenen Lösung nichts.237 Dieser komparative Vorteil bleibt somit ohnehin bestehen. Diese Fragen kann allerdings nur eine wirtschaftswissenschaftliche Studie abschließend klären. Ihre Produktionsstätten ohnehin nicht verlagern können diese Industrien, die vom Vorkommen bestimmter Ressourcen abhängig sind. Jedenfalls bei nicht in Deutschland vorkommenden Rohstoffen ist die deutsche Wirtschaft auf andere Staaten angewiesen. Das gilt z. B. für seltene Erden und Metalle aus den zentralafrikanischen Staaten und für Kakao238. Darüber hinaus basiert das Geschäftsmodell von Abnehmern darauf, sich ein Netzwerk kleiner Zulieferer zu schaffen und auf diese Einfluss zu nehmen.239 Sie können Bestellungen auf die Minute diktieren und überwachen.240 Unternehmen werden sich wohl kaum von diesem Geschäftsmodell lösen, um einer rechtssicher ausgestalteten Haftung zu entgehen, die sie mit entsprechenden Maßnahmen durchaus vermeiden können. Gegen die Annahme, dass Entwicklungsländern durch rechtsträgerübergreifende Sorgfaltspflichten signifikanten wirtschaftlichen Schaden nehmen, spricht schließlich die Lage in Frankreich. Dieses führte bereits 2017 ein WertschöpfungskettenG ein.241 Ein signifikanter Rückgang französischer Auslandsinvestitionen in Entwicklungsländern infolgedessen ist jedenfalls nicht bekannt.

III. Abwanderung deutscher Unternehmen in Länder ohne Sorgfaltspflichten Darüber hinaus ließe sich fragen, ob deutsche Unternehmen nicht in Länder ohne Sorgfaltspflichten abwandern würden.242 Auch das scheint jedoch unwahrscheinlich. Justizkommissar Reynders sprach sich für eine EU-weite Regelung inklusive haftungsrelevanter Sorgfaltspflichten aus, einen ersten draft report für eine europäische Regelung gibt es schon. Frankreich hat eine vergleichbare Regelung bereits seit 237 Anders, umfasst ein WertschöpfungskettenG alle Menschenrechte. Darunter wären dann auch die Rechte des UN-Sozialpakts zu fassen, der in Art. 7 a) i) auch ein Recht auf angemessenen Lohn enthält. Siehe zur Diskussion um die geschützten Rechtsgüter noch unten Kapitel 4, § 14 D.II.1. (S. 263 ff.). 238 Über 70 % der in Deutschland verarbeiteten Kakaobohnen stammen aus der Elfenbeinküste und Ghana, Inkota, Pressemappe Kakao und Make Chocolate Fair!, https://www.inko ta.de/presse/pressemappen/make-chocolate-fair/. 239 Geistfeld, JETL 2019, 142; Gordon, 102 Iowa Law Review (2017), 483; Brown, 34 UCLA Pacific Basin Law Journal (2017), 109. 240 Gordon, 102 Iowa Law Review (2017), 483. 241 Siehe dazu oben Kapitel 4, § 11 B.I. (S. 198 ff.). 242 Rühl, in: Unternehmensverantwortung und Internationales Recht, 2020, S. 124.

230

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

2017. Prescht nun auch Deutschland weiter vor, ist eine EU-weite Regelung absehbar. Innerhalb der EU können Unternehmen somit ohnehin nirgends „umziehen“. Übrig bliebe nur die Abwanderung in Drittstaaten mit verlässlichem Justizsystem, wie z. B. die USA oder bald Großbritannien. Das verursacht allerdings ebenfalls erhebliche Kosten. Ins Ausland abzuwandern ist zudem mit einem Imageverlust verbunden, vollziehen Unternehmen sie zeitlich unmittelbar nach in Kraft treten einer Regelung. Letztlich lässt sich das Argument gegenüber jeglicher Form von Regulierung ins Feld führen.

IV. Keine Verbesserung des Rechtsgüterschutzes in Entwicklungsländern Des Weiteren ließe sich daran zweifeln, ob eine Sorgfaltspflicht überhaupt die gewünschten, rechtsgüterschützenden Effekte hat. So könnten Unternehmen statt auf Tochtergesellschaften auf selbstständige Zulieferer setzen.243 Die hier vorgeschlagenen Sorgfaltspflichten gelten aber nicht nur im Konzern, sondern gerade auch in Zuliefererbeziehungen. Dass Unternehmen also von konzernierten auf vertragliche Verbindungen ausweichen, ändert nichts an ihren Verpflichtungen aus einem WertschöpfungskettenG. Darüber hinaus könnten Unternehmen versuchen, jeden Eindruck wirtschaftlicher Macht oder Kontrolle zu vermeiden, sodass Pflichten aus einem WertschöpfungskettenG nicht für sie gelten würden.244 Deliktische Sorgfaltspflichten knüpfen aber gerade nicht ausschließlich – wie die derzeitige Rechtslage – an Kontrolle und Einfluss an. Das gilt zumindest für den hier vorgebrachten Gesetzesvorschlag. Vielmehr müssen Unternehmen rechtsgüterschützende Maßnahmen ergreifen.245 Sie können sich somit nicht entlasten, indem sie anführen, von nichts gewusst zu haben. Des Weiteren ließe sich anführen, Unternehmen seien gar nicht in der Lage, ausländische Töchter und Zulieferer zu beobachten und Einfluss auf ihr Verhalten auszuüben.246 Es ist zwar richtig, dass die deutschen Gesellschaften nicht immer uneingeschränkten Einfluss auf Zulieferer ausüben können. Das gilt insbesondere für tiefere Ebenen der Lieferkette und muss bei der Konkretisierung der Sorgfaltspflicht daher eine Rolle spielen.247 In vielen Fällen haben sie aber entsprechenden Einfluss. Ihr Geschäftsmodell beruht darauf.248 In jedem Fall sind sie in der Lage, ihre Vertragspartner zu beobachten. Sie können schließlich auch globale Vertragsnetzwerke 243

Ebd., S. 124 f. Ebd., S. 124 f. 245 Siehe noch ausführlich unten: Kapitel 4, § 14 D. (S. 262 ff.). 246 Rühl, in: Unternehmensverantwortung und Internationales Recht, 2020, S. 124 f. 247 Siehe noch unten Kapitel 4, § 14 D.II.4.a), insbesondere dd) (S. 276 ff., 285 f.). 248 Geistfeld, JETL 2019, 142; Gordon, 102 Iowa Law Review (2017), 483; Brown, 34 UCLA Pacific Basin Law Journal (2017), 109. Siehe mit weiteren Argumenten dazu oben Kapitel 4, § 12 B.II.2. (S. 217 f.). 244

§ 13 Politische und rechtliche Einwände gegen ein WertschöpfungskettenG

231

aufbauen und sich über Bonität und Qualität dieser Vertragspartner informieren.249 Darüber hinaus erstellen im Verhältnis zu transnationalen Unternehmen mit eher geringeren Ressourcen ausgestattete, europäische NGOs ganze Studien über Arbeitsbedingungen in Zulieferketten.250 Dann kann es den mit mehr Ressourcen und Beziehungen ausgestatteten Unternehmen aber zumindest nicht von Vornherein unmöglich sein, herauszufinden, wie z. B. die Gesellschaften in ihrer Lieferkette produzieren. Noch mehr gilt dies im Mutter-Tochter-Verhältnis. Hier hat die Konzernmutter noch mehr Einflussmöglichkeiten.251 Schließlich ließe sich vorbringen, Unternehmen könnten die zusätzlichen Kosten nicht schultern und würden diese daher diese an die Verbraucher weiterreichen.252 Dass gegebenenfalls Produkte für den deutschen/europäischen Endverbraucher teurer werden, ist zwar denkbar. Das widerlegt aber erstens nicht die Effektivität von Sorgfaltspflichten in puncto Rechtsgüterschutz. Zweitens ist der Anteil der Produktionskosten am Preis des Endprodukts äußerst gering.253 Selbst, wenn die zu ergreifenden Maßnahmen die Produktionskosten verdoppeln, hätte das lediglich marginale Auswirkungen auf den Preis des Endprodukts. Die Kosten für die Instandhaltung der Fabrik, in der für 22 $ verkaufte Jeans gefertigt werden, belaufen sich anteilig auf 1.16 $.254 Angenommen, die Aufwendungen für die Instandhaltung der Fabrik würden verdoppelt werden, stiege der Preis der Jeans auf 23.16 $. Und auch wenn es zu erheblich höheren Produktpreisen in Deutschland bzw. der EU in Folge eines WertschöpfungskettenG käme und so insbesondere weniger wohlhabenderen Bürgern finanzielle Schwierigkeiten bei der Finanzierung ihres Lebensunterhalts entstehen, betrifft diese Frage die politische Debatte um angemessene Verteilungsgerechtigkeit. Diese sollte nicht mit dem hier fokussierten Rechtsgüterschutz vermengt werden.

V. Europäische Regelung macht deutsche Initiative obsolet EU-Justizkommissar Reynders kündigte 2020 an, eine europäische Regulierung globaler Lieferketten vorantreiben zu wollen.255 Am 11. 09. 2020 beschloss das

249 Kieninger, Keine Angst vor einem Lieferkettengesetz, FAZ, https://www.faz.net/aktuell/ politik/staat-und-recht/lieferkettengesetz-jetzt-keinen-papiertiger-schaffen-16945803.html. 250 Ebd. 251 Siehe noch unten Kapitel 4, § 14 D.II.4.b)aa) (S. 293 ff.). 252 Rühl, in: Unternehmensverantwortung und Internationales Recht, 2020, S. 124 f. 253 von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 340 f. 254 Tribou, Ninety Cents Buys Factory Safety in Bangladesh on $22 Jeans, Bloomberg, https: //www.bloomberg.com/graphics/infographics/90-cents-buys-factory-safety-in-bangladeshon-22-jeans.html. 255 Business & Human Rights Resource Center, EU-Kommissar kündigt Gesetzesentwurf für europäisches Lieferkettengesetz an, https://www.business-humanrights.org/de/eu-justizkom

232

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

Europaparlament seinen draft report mitsamt der Empfehlung an die Kommission, einen Vorschlag für einen corporate due diligence and corporate accountability act zu unterbreiten. Es ließe sich argumentieren, dass ein deutsches WertschöpfungskettenG nun keinen Sinn mehr ergebe, da die entsprechende europäische Regelung zeitnah umgesetzt werden müsste. Es ist jedoch noch unklar, ob und wann eine solche Regelung kommt und wie sie ausgestaltet sein wird. Abzuwarten bleibt insbesondere, ob eine solche Norm haftungsrelevante Inhalte regeln wird. Der europäische Gesetzgebungsprozess birgt zahlreiche Unwägbarkeiten. Zudem haben alle bisherigen Regelungsvorschläge (auch die hier vorgeschlagene Ausgestaltung) den gleichen Ausgangspunkt, nämlich die UN-Leitprinzipien.256 Diese sehen rechtsgüterschützende, rechtsträgerübergreifende Sorgfaltspflichten vor. Auch wenn es mit Blick auf die Schaffung eines level playing fields sinnvoller wäre, die Regelung als Verordnung und nicht als Richtlinie auszugestalten,257 bedient sich ein draft report des europäischen Parlaments der Ausgestaltung als Richtlinie. In dem Fall müssten die dort geregelten Pflichten in nationales Recht umgesetzt werden. Hier könnte Deutschland auf seinen Konkretisierungsprozess aus dem zuvor verabschiedeten WertschöpfungskettenG zurückgreifen, möglicherweise gibt es dann bereits erste, konkretisierende Gerichtsurteile.

VI. Schädliche Klageindustrie nach US-amerikanischem Vorbild Schließlich werden Befürchtungen geäußert, ein WertschöpfungskettenG schaffe eine „schädliche Klageindustrie“ nach US-amerikanischem Vorbild.258 Was genau damit gemeint ist, ist unklar. Dass deutsche Unternehmen in Folge eines WertschöpfungskettenG mit Klagen überhäuft werden, ist unwahrscheinlich, da auch mit WertschöpfungskettenG Prozesse weiterhin ein großes Risiko bleiben. Die mit diesen Prozessen befassten Anwälte müssen in andere, meist weit entfernte Länder reisen und dort mit Hilfe von Dolmetschern Geschädigte befragen. Da es bei der partiellen Anwendung259 ausländischen Rechts bleibt, müssen Gutachter zu diesen Rechtsordnungen bestellt werden. Auch mit einer Beweislastumkehr260 zu Gunsten der Kläger verbleibt ein erhebliches Prozessrisiko. Amerikanischen Verhältnissen

missar-k%C3%BCndigt-gesetzentwurf-f%C3%BCr-europ%C3%A4isches-lieferkettengesetzan. 256 Stöbener-De Mora, EuZW 2020, 212. 257 Nur so lässt sich ein level playing field zumindest auf europäischer Ebene schaffen. Eine Richtlinie, die von 27 Mitgliedsstaaten unterschiedlich ausgestaltet wird, dient diesem Anliegen nur wenig. 258 Bomsdorf/Blatecki-Burgert, ZRP 2020, 45; Verband der chemischen Industrie e. V., VCI Position zu Sammelklagen im Verbraucherrecht, S. 6. 259 Jedenfalls nach der hier vorgeschlagenen Lösung, siehe Kapitel 3, § 10 C.II. (S. 182 ff.). 260 Kapitel 4, § 14 D.II.5. (S. 300 ff.).

§ 13 Politische und rechtliche Einwände gegen ein WertschöpfungskettenG

233

entsprechende class actions sind in Deutschland unzulässig.261 Daran ändert auch die eingeführte Musterfeststellungsklage nichts. Hinzukommt, dass diese Kosten regelmäßig nur gedeckt werden, kann der Prozess auch gewonnen werden. Die Geschädigten haben regelmäßig nicht die Mittel, um ihren Rechtsbeistand zu vergüten. Dass deutsche Anwälte darin ein lukratives Geschäftsmodell sehen, ist daher eher unwahrscheinlich.

B. Rechtliche Bedenken I. Verhaltenssteuerung durch Privatrecht Gegen die hier favorisierte privat- bzw. deliktsrechtlichen Regulierung ließe sich anführen, nur das Strafrecht habe die Funktion, Sanktionen zu verhängen. Diese Aufgabe könne nicht auch dem Zivilrecht obliegen.262 Zwar fangen in vielen Fällen Versicherungen die Schadensersatzkosten auf.263 Dies schließt eine vergeltende Funktion des Schadensersatzrechts in der Tat aus – sie würde ihren Zweck nicht erfüllen. Dieser Einwand gilt jedoch nicht für eine präventive oder verhaltenssteuernde Wirkung, da sie den Versicherten durch individuelle Prämienberechnung indirekt treffen.264 Darüber hinaus ist auch nicht jeder Beklagte für alle Fälle versichert. Dem Deliktsrecht die Geeignetheit zur Verhaltenssteuerung mit der Begründung abzusprechen, dieses bezwecke einzig und allein den Ausgleich des entstandenen Schadens,265 kann ebenfalls nicht überzeugen. Die verhaltenssteuernden Funktionen des Deliktsrechts waren bereits dem römischen Recht bekannt.266 Darüber hinaus dienen die beiden zentralen Zurechnungsgründe deliktischer Haftung (Verschulden und Gefährdung) zweifellos auch der Verhaltenssteuerung.267 Tatsächlich ist die Verhaltenssteuerung durch Privatrecht nicht nur zu tolerieren, sondern aus verschiedenen Gründen auch wünschenswert:

261 Kieninger, Keine Angst vor einem Lieferkettengesetz, FAZ, https://www.faz.net/aktuell/ politik/staat-und-recht/lieferkettengesetz-jetzt-keinen-papiertiger-schaffen-16945803.html. 262 Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Band I, 1987, S. 423 und Honsell, Römisches Recht, 2002, S. 88 f.: Rückkehr in die „juristische Steinzeit“. 263 Wagner, AcP 206 (2006), 363. 264 Ebd., 455. A. A. Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Band I, 1987, S. 423. 265 Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Band I, 1987, S. 424. 266 Wagner, AcP 206 (2006), 452 f. mit Verweis auf ein anschauliches Beispiel: Die für eine Körperverletzung zu leistende Entschädigung war im römischen Reich auf einen geringen Betrag gesunken. Daraufhin ohrfeigte ein wohlhabender Bürger in Rom alle ihm entgegenkommenden, missliebigen Passanten. Sein mit einem Geldbeutel in der Hand hinter ihm herlaufender Sklave entschädigte daraufhin jeden Passanten unverzüglich. 267 Ebd., 454. Ebenfalls für eine Präventionsfunktion des Deliktsrechts: ders., ZIP 2021, 1096.

234

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

(1) Gerichte können im Einzelfall und ex post entscheiden.268 Sie können flexibler auf diesen Einzelfall reagieren als eine bei öffentlich-rechtlicher Regulierung zuständige Verwaltungsbehörde es ex ante könnte. (2) Die Initiative zur Durchsetzung obliegt darüber hinaus den Betroffenen. Diese haben fast immer Kenntnis von einem Schaden und daher den größten Anreiz, Wiedergutmachung zu erlangen. In einem Gerichtsprozess erbringen zudem diese Akteure die relevanten Informationen, die daran das größte Interesse haben, nämlich den Gerichtsprozess nicht zu verlieren.269 (3) So spart der Staat Kosten einer teuren Verwaltungsbehörde. Hier wären diese voraussichtlich beachtlich. Bei einer Anwendungsschwelle von 500 Arbeitnehmern müsste diese Behörde in Deutschland gut 7.000 Rechtsträger und deren Geschäftstätigkeit im Ausland (also viele Ebenen umfassende Lieferketten und Konzernstrukturen) überwachen.270 Dies wäre nur mittels Schaffung eines gigantischen Verwaltungsapparats möglich.271 (4) Das Problem, inwiefern die entsprechende Behörde der Kontrolle dieser Rechtsträger mächtig ist, verschärft sich in grenzüberschreitenden Konstellationen. Eine Behörde kann aufgrund völkerrechtlicher Beschränkungen Maßnahmen grundsätzlich nur auf dem Territorium des sie einrichtenden Staates treffen.272 Sie kann im fernen EU-Ausland für die Sanktionierung eines Akteurs erforderliche Tatsachen daher nur bedingt ermitteln und verifizieren. Das dürfte ihre Arbeit erschweren. Das Privatrecht reicht hier weiter. Das Kollisionsrecht begrenzt dieses zwar.273 In wichtigen Fällen – wie hier – lassen sich diese kollisionsrechtlichen Grenzen jedoch mittels Eingriffsnormen ein Stück weit verschieben. Das Privat- bzw. hier Deliktsrecht kann jedoch nicht ex ante eingreifen. Es setzt zwar präventiv Anreize dafür, das unerwünschte Verhalten zu unterlassen, kann aber nicht – anders als die Steuerung über das Verwaltungsrecht – die Verhinderung des unerwünschten Verhaltens garantieren.274 So kann eine Behörde mittels Hilfspersonen wie z. B. der Polizei bestimmtes Verhalten, von dem sie Kenntnis erlangt, ex ante unterbinden. Das ist jedoch kein Argument gegen zivilrechtliche Steuerung per se, sondern vielmehr eines für eine sich ergänzende, hybride Regelung. Die beiden Regelungsoptionen schließen sich nämlich nicht gegenseitig aus, wie z. B. die 268

Wagner, AcP 206 (2006), 437. Wagner, AcP 206 (2006), 446 f. 270 Winkelmüller/Twardy, ARP 2020, 311 f.; Brunk, conflictoflaws.net, https://conflictof laws.net/2020/a-step-in-the-right-direction-but-nothing-more-a-critical-note-on-the-draft-directi ve-on-mandatory-humanrights-due-diligence/. Bei der hier vorgeschlagenen Anwendungsschwelle (ab 250 Arbeitnehmern + ein weiteres Kriterium) dürfte die Regelung noch mehr Unternehmen erfassen. Zum Anwendungsbereich: Kapitel 4, § 14 B.II.1.b) (S. 251). 271 European Commission, Study on due diligence requirements through the supply chain, 2020, S. 139. Was nicht heißen soll, dass eine verwaltungsrechtliche Durchsetzung nicht parallel eingeführt werden könnte. Siehe zu den damit verbundenen Bußgeldvorschriften Rünz, ZVertriebsR 2020, 296. 272 Wagner, AcP 206 (2006), 449. 273 Ebd. 274 Ebd., 437. 269

§ 13 Politische und rechtliche Einwände gegen ein WertschöpfungskettenG

235

Schadensersatzansprüche der Betroffenen im Kartellrecht neben der Kontrolle durch das Bundeskartellamt zeigen.275 Das Deliktsrecht eignet sich mithin durchaus zur Verhaltenssteuerung.

II. Hindernis Haftungsbeschränkung? Der Mutter- bzw. Abnehmergesellschaft276 Sorgfaltspflichten aufzuerlegen, wird bisweilen als Verstoß gegen das gesellschaftsrechtliche Trennungsprinzip277 gewertet.278 Formaljuristisch ist diese Aussage unzutreffend. Unterwirft man die Mutter- bzw. Abnehmergesellschaft selbst Verkehrspflichten, haftet sie nicht für fremde, sondern eigene Verbindlichkeiten.279 Es ist gerade Ausdruck des Trennungsprinzips, dass unterschiedliche Rechtsträger unterschiedliche Verbindlichkeiten treffen können.280 Dennoch könnten weiterreichendere Verkehrspflichten (und damit auch eine weiterreichendere Haftung) die wohlfahrtsfördernde Funktion der Haftungsbeschränkung (dazu sogleich) vermindern.281 Wenn die Mutter- bzw. Ab275

Ebd., 438. Entgegen der Ansicht von Fleischer/Korch, ZIP 2019, 2188 und Ulfbeck/Ehlers, 13 European Company Law (2016), 170 betrifft das Trennungs- bzw. Rechtsträgerprinzip erst recht auch die supply-chain-Konstellation. Bei Abnehmer und Zulieferer handelt es sich ebenfalls um zwei unterschiedliche juristische Personen. Bei just-in-time Lieferverträgen kann der Abnehmer durch seine übermächtige wirtschaftliche Stellung ebenfalls tatsächliche Kontrolle auf seinen Zulieferer ausüben, so auch: Emmerich/Habersack/Schürnbrand, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 2019, § 17 AktG Rn. 15, der jedoch eine beherrschende Stellung im rechtlichen Sinne (§ 17 I AktG) des Abnehmers ablehnt. Beklagt man also ein Spannungsverhältnis von Sorgfaltspflichten und Trennungsprinzip in der Konzernkonstellation, betrifft diese Sorge auch vertragliche Verbindungen. So auch Weller/Nasse, in: Vom Konzern zum Einheitsunternehmen, 2020, S. 110. 277 Für das deutsche Recht siehe § 13 II GmbHG und § 1 I AktG. Die Begriffe Trennungsprinzip, Haftungsbeschränkung, Haftungstrennung sowie Rechtsträgerprinzip werden im Folgenden synonym verwendet. 278 In dieser Absolutheit vertreten von: Nordhues, Die Haftung der Muttergesellschaft und ihres Vorstands für Menschenrechtsverletzungen im Konzern, 2019, S. 339 und Wagner, RabelsZ 80 (2016), 765 f.; Wagner/MüKo-BGB, § 823 Rn. 112. Ein Spannungsverhältnis von weitreichenden Sorgfaltspflichten und dem Rechtsträgerprinzip beklagend: Mares, in: The UN Guiding Principles on Business and Human Rights, 2012, S. 192 („uneasy coexistence with the separation of entities principle“); Fleischer/Danninger, DB 2017, 2856; Fleischer/Korch, DB 2019, 1951. 279 Siehe Weller/Nasse, in: Vom Konzern zum Einheitsunternehmen, 2020, S. 122 und die Antwort vom von der UN Working Group on Business and Human Rights geladenen Experten Carlos Lopéz (International Commission of Jurists) auf die Stellungnahme Russlands und Chinas. Diese beklagten einen Verstoß gegen das Trennungsprinzip. Ebenfalls bei eigenen Verpflichtungen keinen Verstoß gegen das Trennungsprinzip sehend: Fastrich, in: Baumbach/ Hueck-GmbHG, § 13 Rn. 13; MüKo-GmbHG/Merkt, § 13 Rn. 335 ff. und Solveen, in: HöltersAktG, § 1 Rn. 20. Zu dieser Unterscheidung bereits: Hucke/Schröder, DB 1998, Text bei Fn. 4. 280 König, AcP 217 (2017), 616. 281 Ebd., 617. 276

236

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

nehmergesellschaft Sorgfaltspflichten gegenüber z. B. Arbeitnehmern ihrer Töchter und Zulieferer hat und die weiteren Voraussetzungen des Haftungstatbestands erfüllt sind, haftet sie zwar nicht formal, aber mittelbar für Rechtsgutsverletzungen, die diese z. B. ihren Arbeitnehmern zufügen. Im Folgenden werden daher vor- und nachteilige Verhaltensanreize des Trennungsprinzips aus rechtsökonomischer Perspektive beleuchtet. Da Effizienz jedoch nicht der einzige Maßstab gesetzgeberischer Normsetzung ist,282 wird an einigen Stellen auch auf andere Wertungen der deutschen Rechtsordnung rekurriert. 1. Wohlfahrtsfördernde Funktion der Haftungsbeschränkung Für das Trennungsprinzip sprechen gewichtige ökonomische Argumente. Die Haftungsbeschränkung erleichtert die Sammlung großer Kapitalsummen für aufwendige Investitionsvorhaben wie z. B. Außenwirtschaftsunternehmen, Banken, Versicherungen und Baugesellschaften.283 Müssten die Investoren fürchten, durch die Beteiligung an einem Projekt mit ihrem gesamten Vermögen einzustehen, würden sie entweder eine hohe Risikokompensation fordern oder aber die Kreditierung gänzlich verweigern. In beiden Fällen würde das möglicherweise volkswirtschaftlich sinnvolle Projekt nicht durchgeführt werden.284 Das Trennungsprinzip setzt Anreize, volkswirtschaftlich sinnvolle Projekte trotz menschlicher Risikoaversität dennoch durchzuführen.285 Diese bedingen ansonsten ausbleibende Wohlfahrtssteigerungen.286 Das Trennungsprinzip senkt darüber hinaus die Kosten für Informationsbeschaffung und Kontrolle: Würden Gesellschafter unbeschränkt haften, müssten sie die Tätigkeit des Managements kontrollieren, um zu vermeiden mit ihrem Privatvermögen einzustehen.287 Sie müssten darüber hinaus die Vermögensverhältnisse ihrer Mitgesellschafter überwachen. Kommt es zum Haftungsfall und einer der Gesellschafter fällt aus, trägt dessen Ausfall der Rest.288 Je vermögender die Gesellschafter sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Verbindlichkeit von 282

Das gilt bereits aufgrund verfassungsrechtlicher Schranken, siehe Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 1995, S. 445 – 449; Petersen/Towfigh, in: Ökonomische Methoden im Recht, 2017, S. 19. 283 Adams, Eigentum, Kontrolle und beschränkte Haftung, 1991, S. 47. 284 Ebd. 285 Siehe zu diesem Zweck der Haftungsbeschränkung z. B.: Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, 2006, S. 33 f.; Wiedemann, ZGR 2003, 287; Raiser, ZGR 1995, 165. Zur Risikoaversität generell siehe Posner, 43 University of Chicago Law Review (1975), 502, Fn. 8 und speziell zum Deliktsrecht MüKo-BGB/Wagner, vor § 823 Rn. 61 ff. 286 Habersack/Zickgraf, ZHR 182 (2018), 261 f. m. w. N. in Fn. 40. 287 Easterbrook/Fischel, 52 University of Chicago Law Review (1985), 94 f.; Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, 2006, S. 31 f. 288 Adams, Eigentum, Kontrolle und beschränkte Haftung, 1991, S. 49; Halpern/Trebilcock/ Turnbull, 30 University of Toronto Law Journal (1980), 136.

§ 13 Politische und rechtliche Einwände gegen ein WertschöpfungskettenG

237

allen zu gleichen Teilen getragen wird.289 Ohne Rechtsträgerprinzip lassen sich die Vermögensverhältnisse der Gesellschaft nicht zuverlässig bestimmen. Diese könnte nämlich für sämtliche Verbindlichkeiten der Gesellschafter haftbar gemacht werden („umgekehrte Haftungsbeschränkung“290). Der Wert eines Anteils könnte so nur noch unter hohen Kosten bestimmt werden. Das würde dessen Handel enorm erschweren.291

2. Wohlfahrtsförderung im Konzern? Das Argument der Risikoaversität verliert allerdings für bereits in der Haftung beschränkte Personen stark an Bedeutung. So profitieren z. B. vier nicht haftungsbeschränkte Gesellschafter einer GmbH A von der Haftungsbeschränkung in erheblicher Weise. Hier treten die oben beschrieben Effekte ein. Gründet diese erste GmbH A jedoch eine zweite GmbH B in 100-prozentigem Anteilseigentum, beschränkt das Trennungsprinzip ebenfalls die Haftung der GmbH B. Die hinter dieser als Gesellschafter der GmbH A stehenden natürlichen Personen sind bereits in der Haftung beschränkt. Von diesen natürlichen Personen geht kein risikoaverses Verhalten mehr aus, da ihr Vermögen bereits aufgrund der Haftungsbeschränkung von GmbH A geschützt ist. Zwar setzt die zusätzliche Haftungsbeschränkung der GmbH B weitere Investitionsanreize. Die Risikoaversität von natürlichen Personen, in diesem Fall der hinter der GmbH A stehenden Anteilseigner, kann dadurch jedoch nicht (erneut) überwunden werden. So verstand der Gesetzgeber die Haftungsbeschränkung auch ursprünglich. Ursprünglich war es juristischen Personen nämlich verboten, Anteile an einer anderen juristischen Person zu halten.292 In Deutschland begannen Aktiengesellschaften wohl Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Kauf von Anleihen anderer Aktiengesellschaften, um sich diese „gefügig zu machen“293 und Risiken auf einzelne Geschäftszweige zu verteilen294. Davor war die Haftungsbeschränkung ebenfalls nur für natürliche Personen konzipiert, deren Risikoaversität es zu überwinden galt. Der Schutz einer Konzernmutter war nicht beabsichtigt.295 Für die USA wird der Vorwurf erhoben, die Entscheidung, die Haftungsbeschränkung auch juristischen Personen als Gesell289

Easterbrook/Fischel, 52 University of Chicago Law Review (1985), 95. Begriff nach König, AcP 217 (2017), 618. 291 Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH, 2006, S. 32 f.; Adams, Eigentum, Kontrolle und beschränkte Haftung, 1991, S. 50 f.; König, AcP 217 (2017), 618; Easterbrook/Fischel, 52 University of Chicago Law Review (1985), 95 f. 292 Blumberg, 37 Connecticut Law Review (2005), 607. 293 Bälz, FS Raiser, 1974, S. 291. 294 Rasch, Deutsches Konzernrecht, 1974, S. 2. 295 Blumberg, 11 The Journal of Corporation Law (1986), 605 – 609; Landers, 42 University of Chicago Law Review (1975), 618 f. Generell, nicht auf die USA bezogen: De Schutter, Extraterritorial Jurisdiction as a Tool for Improving the Human Rights Accountability of Transnational Corporations, 2006, S. 36. 290

238

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

schaftern zu öffnen, sei ungerechtfertigte Interessenpolitik im Sinne von im 19. Jahrhundert aufstrebender Industrieller gewesen.296 Nichtsdestotrotz – und insofern ist die Haftungsbeschränkung zumindest aus Perspektive der Konzernmutter durchaus vorteilhaft – muss eine Muttergesellschaft ihre haftungsbeschränkte Tochter nicht überwachen, da sie ohnehin nicht fürchten muss, für deren Verbindlichkeiten einzustehen. Insoweit fallen für die Muttergesellschaft weniger Kosten an.297 Fraglich ist jedoch, ob dies sinnvoll ist, da der Muttergesellschaft so Anreize genommen werden, ihre Konzerngesellschaften zu überwachen. Darüber hinaus verlieren die investitionsanreizenden Wirkungen der Haftungsbeschränkung auch in der Konzernkonstellation nicht vollständig ihre Bedeutung: Die Konzernmutter kann Risiken diversifizieren, indem sie diese auf haftungsbeschränkte Tochtergesellschaften aufteilt. Diese Möglichkeit führt zu mehr Investitionen, allerdings häufig in riskante Projekte.298 Hier ist fraglich, ob dies die im Folgenden dargestellten, nachteiligen Folgen der Haftungsbeschränkung aufwiegen kann. 3. Externalisierung: Verlagerung potenzieller Kosten auf Deliktsgläubiger Die aus dem Trennungsprinzip resultierenden Verhaltensanreize sind nämlich nicht so eindeutig wie soeben beschrieben. Zwar ist es richtig, dass die Präventionsfunktion des Deliktsrechts mittels analoger Anwendung von § 31 BGB i. V. m. § 823 BGB und der Geschäftsleiterhaftung gegenüber der Gesellschaft (§§ 93 II 1 AktG, 43 II 1 GmbHG) grundsätzlich auch bei juristischen Personen sichergestellt ist.299 Sie wird jedoch durch die Haftungstrennung „verzerrt“.300 Projekte können für die Gesellschaft(er) einen äußerst hohen Erwartungswert haben, obwohl der Erwartungswert für Stakeholder, also z. B. Arbeitnehmer, Anwohner, Konsumenten, etc. negativ ausfällt.301 Zwar haftet die das Projekt durchführende Konzerngesellschaft deliktisch für die entstandenen Schäden. Dieser drohenden Haftungssummen sind für die Gesellschafter jedoch aus betriebswirtschaftlicher ex ante-Perspektive gar nicht relevant, soweit die Summe das Vermögen dieser Kon-

296

Blumberg, 11 Journal of Corporation Law (1986), 592 f. Habersack/Zickgraf, ZHR 182 (2018), 263. 298 Ebd., 263 Fn. 48, 49 m. w. N. 299 Ebd., 257. 300 Ebd., 284. 301 Dazu und zu einem Rechenbeispiel bei Habersack/Zickgraf, ZHR 182 (2018), 258, Fn. 21; Leebron, 91 Columbia Law Review (1991), 1584 f.; Mendelson, 102 Columbia Law Review (2002), 1233. Das Problem wird hierzulande allerdings häufig nur aus gesellschaftsrechtlicher und nicht deliktischer Perspektive diskutiert: Siehe z. B. Leuerning/Rubner, NJWSpezial 2018, 527 ff. Die Gläubiger, die von diesem Anreizproblem ebenso betroffen sind, werden lediglich auf die Kapitalerhaltungsvorschriften und § 826 BGB verwiesen. 297

§ 13 Politische und rechtliche Einwände gegen ein WertschöpfungskettenG

239

zerngesellschaft übersteigt.302 Da die in besonders risikoreichen Bereichen operierenden Tochtergesellschaften häufig nur gering kapitalisiert sind (dazu sogleich), führt die Inanspruchnahme dieser für die Deliktsgläubiger häufig nicht weiter. Die Muttergesellschaft haftet wegen des Trennungsprinzips ohnehin nicht. Dennoch würde das Projekt auf Drängen der Muttergesellschaft durchgeführt werden. Die Haftung der töchterlichen Leitungsorgane (§ 93 II AktG) ändert daran nichts. Stellen diese sich gegen die Initiative der Muttergesellschaft, kann diese sie einfach ersetzen.303 Die Gesellschafter haben so die Möglichkeit, sich die Gewinne durch hohe Dividendenauszahlungen zu sichern und sich gegen Deliktsforderungen mittels der Haftungstrennung abzuschirmen. Wirtschaftliche Vorteile und Verantwortung fallen somit auseinander.304 Im angloamerikanischen Bereich wird in diesem Sinne von strategic judgment proofing gesprochen.305 Solche strategischen Umstrukturierungsmaßnahmen sind aber auch hierzulande ohne weiteres möglich mittels Gewinnverwendungsbeschluss und Dividendenausschüttung (siehe §§ 58 III und IV, 60 AktG).306 Darüber hinaus hat das Auseinanderfallen wirtschaftlicher Vorteile und Verantwortung zur Folge, dass Unternehmen neben Überwachungskosten auch Schadensvermeidungskosten sparen.307 Teilweise wird deshalb sogar von einer Erhöhung der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts – einer Risikoerhöhung – ausgegangen.308 302

König, AcP 217 (2017), 624. Mendelson, 102 Columbia Law Review (2002), 1249 f. Siehe zum deutschen Recht z. B.: §§ 6 III und 46 Nr. 5 GmbHG. Gleiches gilt für die Aktiengesellschaft: Hier kann die herrschende Gesellschaft über die Bestellung und Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern (§ 103 I AktG), die den Vorstand wählen (§ 84 I AktG), zumindest faktisch die Besetzung der Vorstandsposten bestimmen. Siehe auch Paul, Informelle und formelle Einflussnahmen des faktisch herrschenden Unternehmens auf die faktisch abhängige AG, 2013, S. 61. Siehe zu den Einwirkungsmöglichkeiten von Mutter- auf Tochterunternehmen noch ausführlicher unten Kapitel 4, § 14 D.II.4.b) (S. 293 f.). 304 Mit dieser Begründung ist das gesellschaftliche Trennungsprinzip in der islamischen Welt weitestgehend nicht akzeptiert worden, siehe Spießhofer, Unternehmerische Verantwortung, 2017, S. 551 f.; Glenn, Legal Traditions of the World, 2004, S. 183. In islamischen Ländern, in denen das Trennungsprinzip gesetzlich verankert wurde, haben die Gerichte teilweise die Anwendung dieser Normen mit Verweis auf islamische Traditionen contra legem verweigert, siehe Mallat, 48 American Journal of Comparative Law (2000), insbesondere 114 – 117. 305 LoPucki, 106 Yale Law Journal (1996), 14 – 32; Che/Spier, 39 RAND Journal of Economics (2008), 926 ff.; Mendelson, 102 Columbia Law Review (2002), 1232; Witting, Liability of Corporate Groups and Networks, 2018, S. 79 ff.; Weil, The Fissured Workplace, 2014, S. 189. 306 Dazu Drygala/Staake/Szalai, Kapitalgesellschaftsrecht, 2012, z. B. S. 548. Siehe zum Bereich des Umwelthaftungsrechts: Hucke/Schröder, DB 1998, Text nach Fn. 11. 307 Armour/Hertig/Kanda, in: The Anatomy of Corporate Law, 2017, S. 115 f.; Shavell, Economic Analysis of Accident Law, 1987, S. 168. 308 Gilles, 63 Washington & Lee Law Review (2006), 609 f.; Mendelson, 102 Columbia Law Review (2002), 1233 f. Gegen Risikoerhöhung, allerdings in anderem Kontext, nämlich der Begründung einer Verkehrspflicht des Mutterunternehmens de lege lata: Nordhues, Die Haftung der Muttergesellschaft und ihres Vorstandes für Menschenrechtsverletzungen im Konzern, 2019, S. 119. 303

240

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

Besonders attraktiv ist die Gründung einer separaten Konzerngesellschaft für konkrete Operationen in risikogeneigten Industrien. Die operative, risikogeneigte Tätigkeit wird durch einen separaten, gering kapitalisierten Rechtsträger ausgeführt.309 Eines der gängigsten Beispiele dafür ist die Öltankerflotte, in der jeder einzelne Öltanker durch eine separate Tochter betrieben wird.310 Dass Unternehmen tatsächlich im beschriebenen Sinne strategisch vorgehen, wurde für die USA empirisch belegt.311 Zudem sind die hier behandelten Fälle dafür beste Beispiele: Union Carbide: 50,9-prozentige Mutter von Union Carbide India ltd; Unilever plc: 100prozentige Mutter von Unilever Tea Kenya ltd; Danzer: 100-prozentige Mutter der kongolesischen Tochter Siforco; Glencore: betreibt die Kobaltminen in der DR Kongo als 100-prozentige Tochtergesellschaften; Vedanta Resources plc: 79-prozentige Mutter der sambischen Tochter Konkola Copper Mines plc (mit noch einer weiteren Zwischengesellschaft).312 Es handelt sich bei den Fällen gerade um solche risikogeneigten Tätigkeiten wie zum Beispiel die Herstellung von Pestiziden oder der Betrieb von Kupfer- oder Zinnminen. Da diese Tochterunternehmen regelmäßig nur gering kapitalisiert sind,313 vermag das Argument auch nicht zu überzeugen, die Investitionsanreize der Haftungsbeschränkung würden den Deliktsgläubigern einen solventen Schuldner kreieren.314 Zum Teil wird daher in Bezug auf das Trennungsprinzip von einem „Vertrag zu Lasten Dritter“ gesprochen.315 Wie bereits erwähnt, bewirkt die beschriebene Anreizstruktur eine Verlagerung der Kosten auf die Gläubiger. (Wohlinformierte) Vertragsgläubiger können in vielen Fällen darauf verzichten, einen Vertrag abzuschließen und so die Externalisierung von Kosten zu ihren Lasten verhindern.316 Deliktsgläubiger können das nicht, sie 309 Cassels, 31 Cumberland Law Review (2001), 323 führt an, die Kernunternehmen fragmentieren ihr Kapital: Sie bilden Tochtergesellschaften, die an der Grenze zur Insolvenz agieren, um die Muttergesellschaft von jeglicher Haftung abzuschirmen. Ein solches Vorgehen ebenfalls beobachtend Dowling, in: Accountability, International Business Operations, and the Law, 2020, S. 224 f. 310 Beispiel nach Hansmann/Kraakman, 100 Yale Law Journal (1991), 1881, siehe auch Fn. 4 ebd. 311 Ringleb/Wiggins, 98 Journal of Political Economy (1990), 574 ff., insbesondere 580 ff. Die Autoren beklagen allerdings die Untauglichkeit des Deliktsrechts, Gesundheitsrisiken von Arbeitern in Risikosektoren entgegenzuwirken. Siehe auch: Che/Spier, 39 RAND Journal of Economics (2008), 927. Zum strategic judgement proofing in der US-amerikanischen Consultingpraxis Menell, Columbia Business Law Review (1990), 399 ff. 312 Für Nachweise und Darstellung der entsprechenden Fälle siehe oben in den korrespondierenden Abschnitten in Kapitel 1, § 2 A. (S. 32 ff.). 313 Weil, The Fissured Workplace, 2014, S. 189; Cassels, 31 Cumberland Law Review (2001), 323. 314 Lotz, Grenzüberschreitende Einflussnahme im Konzern, 2020, S. 35. 315 Thomale, AcP 218 (2018), 687. Für vertragliche Haftungsbeschränkungen, insbesondere im Rahmen eines Vertrags mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter wird das ausführlich diskutiert, siehe z. B. MüKo-BGB/Gottwald, § 328 Rn. 197 und 268. Eine ähnliche Debatte im Kontext des konzernrechtlichen Trennungsprinzips ist dem Verfasser nicht bekannt. 316 Adams, Eigentum, Kontrolle und beschränkte Haftung, 1991, S. 56 f.

§ 13 Politische und rechtliche Einwände gegen ein WertschöpfungskettenG

241

suchen sich den Schädiger nicht aus.317 Sie sind im Regelfall318 natürliche Personen. Die „Kosten“, die hier „verlagert“ werden, sind bei natürlichen Personen häufig Körperverletzungen oder der Tod. Dies lässt sich zwar nie ganz vermeiden. Es ist jedoch – auch jenseits volkswirtschaftlicher Gesamtwohlfahrtserwägungen – Aufgabe des Gesetzgebers (Art. 2 II GG) einer solchen Anreizstruktur entgegenzuwirken, um einen möglichst effektiven Schutz menschlichen Lebens und körperlicher Unversehrtheit zu gewährleisten. Zwar ließe sich einwenden, die Arbeitnehmer suchen sich ihren Arbeitgeber, die ausländische Tochter- bzw. Zulieferergesellschaft, freiwillig aus. Doch ist insbesondere in den hier interessierenden Konstellationen fraglich, in wie weit z. B. einer pakistanischen Näherin diese Entscheidungsfreiheit wirklich zusteht.

4. Gesellschafter als bessere Risikoträger Abseits dieser Erwägungen ist diese Anreizstruktur auch volkswirtschaftlich nur dann gerechtfertigt, sind Deliktsgläubiger besser als Gesellschafter geeignet, das betreffende Risiko zu tragen.319 Das ist dann der Fall, wenn sie den Schaden besser vermeiden können. Dies wiederum ist der Fall, wenn sie die Operationen besser überwachen und beeinflussen können.320 Ansonsten ist die Anreizstruktur ineffizient, da demjenigen der Anreiz zur Schadensvermeidung genommen wird, der den Schaden am günstigsten verhindern kann.321 Gesellschafter sind dafür aus folgenden Gründen besser geeignet als Deliktsgläubiger: Sie haben Einblick in den Produktionsprozess und kennen die unternehmerischen Abläufe. Sie haben zudem mehr Einfluss auf die Aktivitäten des Unternehmens. Das gilt selbstverständlich für den Mehrheitsgesellschafter. Doch auch die Gesellschafter mit nur kleinem Anteilseigentum haben immer noch mehr Einblick und Kontrolle als ein Deliktsgläubiger.322 Wie soll beispielsweise der im an die Union Carbide Fabrik grenzenden Elendsviertel wohnende Geschädigte die Risiken des Entweichens von Methylisozynidgas vorhersehen, geschweige denn verhindern?323 Es bestehen erhebliche Zweifel an der Prämisse, Gesellschaftsgläubiger seien besser zur Verhinderung von Schäden geeignet als Gesellschafter.324 Daran ändert sich auch nichts, hätte im genannten Fall Union Carbide die Arbeitnehmer seiner indischen Tochter über etwaige Risiken 317

Ebd., S. 57 f.; Dowling, in: Accountability, International Business Operations and the Law, 2020, S. 221. 318 Für die USA: Mendelson, 102 Columbia Law Review (2002), 1222 Fn. 76. 319 Ebd., 1220 f. Siehe auch in anderem Kontext Rühl, Statut und Effizienz, 2011, S. 656. 320 Mendelson, 102 Columbia Law Review (2002), 1220 f. mit Verweis auf: Shavell, Economic Analysis of Accident Law, 1987, S. 175 f. 321 Mendelson, 102 Columbia Law Review (2002), 1220 f. 322 Ebd., 1222. 323 Fallbeschreibung oben Kapitel 1, § 2 A.I. (S. 32). 324 Note, 99 Harvard Law Review (1986), 994 f. und Mendelson, 102 Columbia Law Review (2002), 1221 ff.

242

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

aufgeklärt. Auch dann kann Union Carbide selbst, und nicht etwa der einzelne Arbeitnehmer, besser Risiken verhindern. Am ehesten überzeugt die ökonomische Rechtfertigung des Trennungsprinzips, hat man als Gesellschafter eine natürliche, eher weniger vermögende Person mit nur wenig Anteilseigentum vor Augen.325 Dieses Leitbild des Gesellschafters als kleine, wenig vermögende natürliche Person entspricht jedoch nicht der Realität.326 54 % der deutschen Kapitalgesellschaften haben einen Mehrheits- bzw. Alleingesellschafter mit einem Beteiligungsbesitz von 99 % oder mehr. 85 % haben einen Gesellschafter mit Beteiligungsbesitz von 50 % oder mehr.327 5. Haftungsbeschränkung als einfachgesetzliches Prinzip Da es hier um die rechtspolitische Einführung von Sorgfaltspflichten geht, lohnt sich zudem ein Blick auf die Rangordnung des Trennungsprinzips innerhalb der Rechtsordnung. Es handelt sich um ein Prinzip vom Rang eines einfachen Gesetzes. Es ist weder Naturgesetz noch übergesetzliches Prinzip und kann daher durch andere Rechtsgebiete nach (gesetzgeberischem) Belieben modifiziert oder sogar gänzlich aufgehoben werden.328 Prinzipien haben darüber hinaus immer Ausnahmen. Das veranschaulicht § 322 AktG, der die Haftung der Hauptgesellschaft für Verbindlichkeiten der eingegliederten Gesellschaft anordnet.329 Das ist nicht die einzige Ausnahme. Im (EU-)Kartellrecht musste das Prinzip einer „wirtschaftlichen Einheitsbetrachtung“330 weichen.331 Eine solche wirtschaftliche Einheitsbetrachtung findet man neuerdings auch im Kapitalmarktsanktionenrecht. Gemäß § 120 XXIII 2 WpHG bestimmt sich der für das Bußgeld maßgebliche Gesamtumsatz nicht mehr nach dem Umsatz der einzelnen juristischen Person, sondern nach dem Konzernumsatz.332 Im Finanzaufsichtsrecht verpflichtet § 25a III KWG die Geschäftsleiter

325

Mendelson, 102 Columbia Law Review (2002), 1226 f. Für die USA siehe ebd., 1227 – 1232. 327 Siehe mit weiteren Daten die empirische Studie von Köke, in: Kredit und Kapital 2001, 271. Ausführlich und m. w. N. zur Konzentration von Anteilsbesitz in deutschen Kapitalgesellschaften: Kalss, ZHR 171 (2007), 150 f. 328 Lange, Der Matrixkonzern, 2020, S. 62; König, AcP 217 (2017), 616 und 646 f. Generell zum Prinzipiencharakter des Trennungsprinzips: Fastrich, in: Baumbach/HueckGmbHG, § 13 Rn. 6: „Wie jedes Prinzip ist das Trennungsprinzip zunächst und vor allem ein Leitgedanke.“ 329 König, AcP 217 (2017), 615 f. 330 Siehe beispielhaft: EuGH, Urt. v. 26. 01. 2017, C-625/13 P, EuZW 2017, 280 Rn. 145 – Villeroy & Boch. 331 Ausführlich dazu: König, AcP 217 (2017), 640 ff. und Poelzig, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion, 2018, S. 87 – 91; Payandeh, in: FS Schmidt, 2019, S. 143. 332 Siehe zur Konzernverantwortung im Kapitalmarktrecht Poelzig, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion, 2018, S. 92 – 96. 326

§ 13 Politische und rechtliche Einwände gegen ein WertschöpfungskettenG

243

der übergeordneten Gesellschaft dazu, über die Einhaltung des Bankaufsichtsrechts in Tochtergesellschaften zu wachen.333 All diese Fragen können hier nicht abschließend geklärt werden. Das muss anderen Untersuchungen vorbehalten bleiben. Aus diesem Abschnitt ergibt sich jedoch immerhin, dass die Anreizstruktur des Trennungsprinzips nicht immer wünschenswerte Ergebnisse hervorbringt. Das gilt im Besonderen für Deliktsgläubiger, die sich ihren Schädiger nicht aussuchen können. Daraus soll nicht geschlussfolgert werden, das Trennungsprinzip müsse generell ad acta gelegt werden. Vielmehr plädiert diese Untersuchung für die Wiederherstellung wirksamer Verhaltensanreize mittels Einführung einer rechtsträgerübergreifenden Sorgfaltspflicht für in Deutschland bzw. der EU ansässige Mutter- und Abnehmerunternehmen.334 Das Trennungsprinzip steht einem solchen Vorhaben nicht im Wege,335 sondern entpuppt sich bei genauerem Hinsehen sogar als Argument für statt gegen Sorgfaltspflichten.

III. Sperrwirkungen gesellschaftsrechtlicher Ausgleichsmechanismen? Teilweise wird argumentiert, konzernrechtliche Ausgleichsmechanismen (z. B. §§ 304, 305 AktG) fingen mit ihrem mittelbaren Schutz der Haftungsinteressen der Gläubiger bereits alle sich aus der rechtlichen Segmentierung ergebenden Risiken ein.336 Diese Ausgleichsmechanismen entfalteten daher eine Sperrwirkung gegenüber originären Verkehrspflichten der Mutter (und erst recht des nur vertraglich verbundenen Abnehmers). Da diese Diskussion de lege lata geführt wird, kann sie jedoch ein Gesetzesvorhaben nicht verhindern. Selbst wenn man dieser Auffassung folgt, könnte sich der Gesetzgeber umentscheiden. Wenn aber konzernrechtliche Ausgleichmechanismen die Haftungsinteressen von Deliktsgläubigern in ausreichender Weise berücksichtigten, sind auch keine rechtsträgerübergreifenden Sorgfaltspflichten von Nöten. Jedoch können sie nicht alle sich aus der rechtlichen 333

Dazu ebd., S. 85 – 87. König, AcP 217 (2017), 624 und bedenkenlos: Massoud, Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten transnationaler Unternehmen, 2018, S. 117. Dowling, in: Accountability, International Business Operations, and the Law, 2020, S. 231 f., 234 sieht nicht Sorgfaltspflichten als Lösung des Problems, sondern eine Haftung der Gesellschafter nach Risiko und Profit. 335 So im Ergebnis auch: Peters/Gless/Thomale/Weller, Business and Human Rights: Making the Legally Binding Instrument Work in Public, Private and Criminal Law, MPIL Research Paper Series No. 2020 – 06, 2020, S. 28; Weller/Nasse, in: Vom Konzern zum Einheitsunternehmen, 2020, S. 121 – 124, insb. 124. A. A. Nordhues, Die Haftung der Muttergesellschaft und des Vorstands für Menschenrechtsverletzungen im Konzern, 2018, S. 319 f.; Wagner, RabelsZ 80 (2016), 765 f. 336 Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, 2001, S. 951; die Frage aufwerfend und m. w. N. Nordhues, Die Haftung der Muttergesellschaft und des Vorstands für Menschenrechtsverletzungen im Konzern, 2018, S. 117. 334

244

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

Segmentierung ergebenden Risiken einfangen: Erstens handelt es sich um einen reinen Vermögensschutz, während das Deliktsrecht rechts- bzw. rechtsgüterbezogen ist.337 Es hält zudem präventive Ansprüche parat (§§ 823 BGB i. V. m. analog § 1004 BGB).338 Zweitens richten sich die Ausgleichmechanismen als Teil der Konzernverhältnisse nach dem Gesellschaftsstatut der abhängigen Gesellschaft, mithin dem der ausländischen Gesellschaft.339 Anwendbar ist somit ausländisches Gesellschaftsrecht. In grenzüberschreitenden Konstellationen wie hier können Sperrwirkungen solcher Ausgleichsmechanismen also nur aus dem ausländischen Gesellschaftsrecht gefolgert werden. Ob dieses dem deutschen Recht entsprechende Wirkungen enthält, ist aber unklar. Eine Untersuchung dessen würde hier allerdings den Rahmen sprengen. Die deutschen konzernrechtlichen Ausgleichsmechanismen stellen jedenfalls kein Hindernis für Sorgfaltspflichten innerhalb eines WertschöpfungskettenG dar.

IV. Verhältnis zu vertraglichen Haftungsgrundlagen Darüber hinaus wird für die Lieferkettenkonstellation, also bei bloßen vertraglichen Beziehungen zwischen deutscher und ausländischer Gesellschaft, kritisiert, die deutsche Gesellschaft müsse trotz Erfüllung ihrer (unter einem WertschöpfungskettenG bestehenden) (Verkehrs-)Pflichten vertraglich haften.340 Die codes of conduct zwischen Abnehmer und Zulieferer würden den Arbeitnehmern des Zulieferers Maßnahmen im Bereich der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes rechtlich verbindlich (Vertrag zu Gunsten Dritter) zusichern. Durch derlei Zusicherungen sei ein Deckungsverhältnis zwischen Abnehmergesellschaft (dem Versprechensempfänger) und Zulieferer (dem Versprechenden) vereinbart worden. Auf Basis dessen seien im Vollzugsverhältnis (Zulieferer ! Arbeitnehmer) entsprechende Schutzmaßnahmen zu erbringen. Die Abnehmer (Versprechensempfänger) träfen leistungssichernde Nebenpflichten i. S. v. § 241 II BGB, hier in der Gestalt von Kontrollpflichten.341 Um ihren Verkehrspflichten nachkommen zu können, würden Abnehmer in den codes of conduct möglichst engmaschige Kontrollbefugnisse vorsehen. Selbst wenn Abnehmer diesen Verkehrspflichten342 nachkämen, würden 337

Holle, Legalitätskontrolle im Kapitalgesellschafts- und Konzernrecht, 2014, S. 276; Nordhues, Die Haftung der Muttergesellschaft und des Vorstands für Menschenrechtsverletzungen im Konzern, 2018, S. 117 f.; Schall, ZHR 183 (2019), 725. 338 Ebd. 339 MüKo-BGB/Kindler, IntGesR Rn. 699, 712 f. 340 Schneider, NZG 2019, 1378 f. 341 Ebd., 1376. 342 Schneider geht davon aus, dass Verkehrspflichten de lege lata begründet werden. Es bleibt unklar, ob er aus dem gleichen Grund gesetzgeberische Vorhaben, die solche Pflichten einführen würden, kritisiert. Im Folgenden wird unterstellt, die Kritik beziehe sich auch darauf.

§ 13 Politische und rechtliche Einwände gegen ein WertschöpfungskettenG

245

sie aber trotzdem vertraglich (§§ 328 I, 280 I BGB) haften. Dadurch würde das Haftungsrisiko unkalkulierbar. Die Auffassung kann nicht überzeugen. Zunächst fragt sich, warum sich Abnehmerunternehmen im Rahmen eines Vertrags zu Gunsten Dritter überhaupt verpflichten sollten. Zwar wird zutreffend betont, nur die Zulieferergesellschaft werde unmittelbar durch die codes of conduct verpflichtet. Daraus aber zu schließen, der deutsche Abnehmer müsse in Gestalt von „leistungssichernden Nebenpflichten“ die Erfüllung dieser Verpflichtungen auf Zuliefererseite sicherstellen oder kontrollieren, sprengt die Grenzen der Vertragsauslegung. Ist der code of conduct so ausgestaltet, dass nur den Zulieferer Pflichten treffen, lassen sich dem Abnehmer nicht durch die Hintertür ebenfalls diesbezügliche Pflichten unterjubeln. Dieser kann nämlich privatautonom von einer Rechtspflicht absehen. Die auf den Internetseiten von Bekleidungsunternehmen inserierten codes of conduct dürften eher als Werbemaßnahme auf dem deutschen/europäischen Absatzmarkt gedacht sein, als tatsächliche Pflichten dieses Unternehmens gegenüber Arbeitnehmern in der Lieferkette zu begründen.343 Gerade deshalb enthalten sie solche Rechtspflichten auch nicht. Selbst wenn man eine solche Verpflichtung annimmt, leuchtet nicht ein, inwiefern Abnehmer leistungssichernde Nebenpflichten (also Kontrollpflichten) verletzen, sofern sie den weitreichenden Verkehrspflichten eines WertschöpfungskettenG nachkommen. Wo ist die Diskrepanz? Gehen die vertraglichen Pflichten weiter? Wenn ja, warum und inwiefern? Schließlich werden Abnehmer sich zur Erfüllung ihrer Verkehrspflichten nicht unbedingt codes of conduct bedienen, sondern eher längerfristige Geschäftsbeziehungen aufbauen und ihren faktischen Einfluss auf den Zulieferer nutzen, in dem sie ihm mit Rückzug aus der Vertragsbeziehung drohen.344 Dass es also vermehrt zu codes of conduct kommt, ist zunächst rein spekulativ. Selbst wenn man über diese Punkte hinwegsieht, stellen sich weitere Probleme. Der Vertrag zu Gunsten Dritter richtet sich entweder nach ausländischem Recht345 oder nach UNKaufrecht346. All die Bedenken müssten in dieser Form also auch in der jeweils anwendbaren ausländischen Rechtsordnung bzw. im UN-Kaufrecht bestehen, sind somit zunächst rein spekulativ. Schließlich ist die Befürchtung, Unternehmen würden nach dem Vertrag zu Gunsten Dritter (genauer: nach dessen potenziell existierenden, ausländischen/ CISG-Äquivalent) haften, nicht per se ein Argument gegen ein WertschöpfungskettenG. Der Gesetzgeber würde mit einem WertschöpfungskettenG Unternehmen einen bestimmten Pflichtenkanon auferlegen wollen. Damit bringt er implizit zum Ausdruck, dass sie nur bei Verletzung dieser Pflichten haften sollen. Ein vertragliches 343

Siehe zur Rechtsunverbindlichkeit dieser Verträge bereits oben Kapitel 4, § 11 A.I. (S. 188 ff.). 344 Siehe dazu noch unten im Rahmen der hier vorgeschlagenen Konkretisierung eines WertschöpfungskettenG, Kapitel 4, § 14 D.II.4.a)bb) (S. 279 f.). 345 Kapitel 3, § 8 A. (S. 134). 346 Kapitel 3, § 8 A.I. (S. 134 ff.).

246

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

Parallelsystem (was ja ohnehin nicht zur Haftung führt, s. o.) kann daran nichts ändern, da ansonsten der gesetzgeberische Wille (Haftung in dieser Konstellation nur unter bestimmten Voraussetzungen) unterminiert würde. Das würden die Gerichte kaum mittragen. Dass also bei weiterreichenden Verkehrspflichten das bestehende vertragliche Haftungssystem gesprengt würde, überzeugt nicht.

V. Haftung für das Verhalten Dritter Schließlich wird kritisiert, Unternehmen müssten für das Verhalten Dritter einstehen ohne, dass sie die entstandenen Schäden hätten verhindern oder das Verhalten des Dritten (Zulieferer/Konzerngesellschaft) sonst irgendwie hätten beeinflussen können.347 Das ist so nicht richtig. Einflussvermögen spielt als Kriterium eine zentrale Rolle.348 Darüber hinaus schulden Unternehmen keine Erfolgs-, sondern – wie sonst auch typisch im Deliktsrecht – eine Bemühenspflicht.349 Sie müssen nicht garantieren, dass es nicht mehr zu Rechtsgutsverletzungen kommt, sondern vielmehr nachweisen, dass sie ausreichende Maßnahmen zum Rechtsgüterschutz ergriffen haben.350 Richtig ist allerdings, dass die Sorgfaltspflicht weiter reicht als die bisherigen Verkehrspflichten im deutschen Recht und ihre Äquivalente in ausländischen Rechtsordnungen. Die besondere Machtstellung und governance-Defizite in den Gaststaaten rechtfertigen diese Pflichtenstellung. Wirklich neu ist eine solche Haftung für das Verhalten Dritter aber nicht. So wird innerhalb der Produkthaftung der Importeur als Hersteller angesehen, importiert er Waren von außerhalb des europäischen Wirtschaftsraumes. Er haftet dem Geschädigten nach §§ 1 I 1, 4 II ProdHaftG auch dann, konnte er den Produktfehler gar nicht erkennen. Der Produktfehler entstand aber durch das Handeln bzw. Unterlassen des Herstellers, der Importeur haftet also für das Verhalten Dritter. Rechtspolitisch begründet wird das mit ansonsten bestehenden Durchsetzungsdefiziten: Für den Konsumenten ist die Geltendmachung des Anspruchs gegen einen außerhalb der EU sitzenden Hersteller mit zu vielen Schwierigkeiten verbunden.351 Auch hier hat der Importeur den Schaden selbst nicht verursacht, hat nicht einmal Einfluss darauf, was 347 Handelsblatt, BDA-Chef Kramer zum Lieferkettengesetz, https://www.handelsblatt. com/politik/deutschland/interview-bda-chef-kramer-zum-lieferkettengesetz-selten-einen-gesetz entwurf-gesehen-der-so-weltfremd-ist/26210532.html ?ticket=ST-2725174-YT fpmvW9RHLXAGJRfXia-ap1. 348 Siehe noch unten Kapitel 4, § 14 D.I. (S. 262). So auch Finnish Ministry of Economic Affairs, Judicial Analysis on the Corporate Social Responsibility Act, 2020, S. 85. 349 Wagner, ZIP 2021, 1099. 350 Das gilt nicht nur für den Vorschlag hier, sondern auch für Vorschläge aus der Zivilgesellschaft, siehe z. B. Kleiner/Leifker/Meder, Verhältnismäßig und zumutbar: Haftung nach dem LieferkettenG, 2020; EU Commission, Study on due diligence requirements through the supply chain, 2020, S. 158 und BReg, Entwurf für ein SorgfaltspflichtenG, S. 2 und 23. 351 Koziol, AcP 219 (2019), 385 f. diskutiert solche Konstellationen als „Sicherstellungshaftung“.

§ 14 Haftungsbezogene Aspekte eines WertschöpfungskettenG

247

der Hersteller tut.352 Jedoch begreift der Gesetzgeber den Konsumenten als schwächere Partei, die durch den Bezug des Rechtsstreits zu Drittstaaten zudem mit Durchsetzungsschwierigkeiten belastet ist. Gleiches gilt für die Haftung des Generalunternehmers für Lohnschulden seiner Subunternehmer gegenüber deren Arbeitnehmern aus §§ 14 AEntG, 13 MiLoG. Der Generalunternehmer haftet für die gesamte Nachunternehmerkette wie ein auf die Einrede der Vorausklage verzichtender Bürge. Ist der Generalunternehmer gleichzeitig Bauunternehmer (§ 28e IIIa SGB IV) oder Unternehmer im Speditions-, Transport- oder damit verbundenem Logistikgewerbe (§ 28e IIIg SGB IV), haftet er für die Gesamtsozialversicherungsbeiträge der Arbeitnehmer seiner Nach- bzw. Subunternehmer. Er kann sich jedoch unter bestimmten Voraussetzungen (§ 28e IIIb SGB IV) exkulpieren.353 In allen Fällen wird der Generalunternehmer für das Fehlverhalten seiner Subunternehmer haftbar gemacht. Diese kurze Analyse zeigt, dass das deutsche Zivilrecht bereits in anderen Vorschriften die Haftung eines sich durch eine besondere Machtstellung auszeichnenden Wirtschaftsakteurs für Verpflichtungen eines Dritten vorsieht.

§ 14 Regelungsvorschlag haftungsbezogener Aspekte eines WertschöpfungskettenG Der folgende Abschnitt enthält einen Vorschlag zur Ausgestaltung der haftungsbezogenen Aspekte eines WertschöpfungskettenG. Teil I. der jeweiligen Norm beschreibt den Gesetzeswortlaut, welcher dann unter II. konkretisiert und erläutert wird. Die hier vorgeschlagene Regelung enthält Vorschriften zum Normzweck (A.) und Anwendungsbereich (B.), zur Pflicht zur Risikoanalyse (C.), zur Pflicht zum Ergreifen rechtsgüterschützender Maßnahmen (D.), zur subsidiären Inanspruchnahme der deutschen Gesellschaft (E.) und zu internationalprivatrechtlichen Aspekten (F). Die folgende Darstellung betrifft die haftungsbezogenen Aspekte eines WertschöpfungskettenG. Sie sollte nicht dahingehend missverstanden werden, dass über sie hinausgehende Regelungsvorschläge wie z. B. das im Juli 2021 vom Bundestag verabschiedete SorgfaltspflichtenG unerwünscht sind. Nicht eingegangen wird an dieser Stelle auf eine mögliche Verpflichtung zu Grundsatzerklärungen bezüglich Menschenrechte354 oder auf Dokumentations- und Veröffentlichungspflichten.355 Hier müsste insbesondere das Verhältnis zur CSR-Berichtsrichtlinie (§§ 289b – e HGB) geklärt werden. Bezüglich interner Beschwerdemechanismen bedarf das 352 353 354 355

Weller/Nasse, in: Vom Konzern zum Einheitsunternehmen, 2020, S. 125 f. Siehe BeckOK-Sozialrecht/Wagner, § 28e SGB IV Rn. 14 f. Bodenstein, Human Rights CMS, 2020, S. 33 f. Ebd., S. 47 – 53.

248

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

Verhältnis zur Whistleblowingrichtlinie Klärung. Schwierig erscheint hier insbesondere, wie sich Informationen und Angebote zum Whistleblowerschutz entlang der Lieferkette publik machen lassen. Ebenfalls nicht thematisiert wird, ob Unternehmen die Sanktionen eines WertschöpfungskettenG umgehen können, indem sie sich in Multistakeholder-Initiativen (sogenannte MSIs) organisieren.356 Verwaltungs- und strafrechtliche Durchsetzungsmechanismen werden vollständig ausgeklammert.

A. Normzweck (§ 1) I. Wortlaut §1 Normzweck Dieses Gesetz hat zum Ziel, Rechts- und Rechtsgutsverletzungen in grenzüberschreitenden Wertschöpfungsketten zu minimieren.

II. Konkretisierung und Begründung (Soziale) Nachhaltigkeit spielt eine zunehmende gesellschaftliche Rolle. Die hier vorgeschlagenen haftungsbezogenen Aspekte eines WertschöpfungskettenG verringern getätigte Geschäfte deutscher Unternehmen mit solchen ausländischen Unternehmen, die durch ihre Wirtschaftstätigkeit menschenunwürdige Zustände reproduzieren. Durch unzureichende lokale Regulierung birgt die Verlagerung von Produktionsstätten in die Gaststaaten Gefahrpotenzial. Das WertschöpfungskettenG dient so dem Rechtsgüterschutz bzw. öffentlich-rechtlich gesprochen dem Menschenrechtsschutz. Das gilt zumindest hinsichtlich deliktisch geschützter Rechtsgüter.357 Darüber hinaus verhindern Sorgfaltspflichten, dass sich die Gaststaaten regulierungstechnisch unterbieten (race to the bottom).358 Wenn Abnehmer- bzw. Muttergesellschaften ohnehin rechtgüterschonend vorgehen müssen, sind Staaten, die z. B. Arbeits- und Sozialstandards weniger durchsetzen, weniger attraktiv.

356

So zum Beispiel BMAS/BMZ, Eckpunktepapier, S. 5. Siehe dazu noch ausführlich Kapitel 4, § 14 D.II.1. (S. 263 ff.). 358 Allgemein: Spießhofer, Unternehmerische Verantwortung, 2017, S. 531. Speziell zu Sorgfaltspflichten: De Schutter, Towards Mandatory Due Diligence in Global Supply Chains, 2020, S. 9 f. 357

§ 14 Haftungsbezogene Aspekte eines WertschöpfungskettenG

249

B. Anwendungsbereich (§ 2) I. Wortlaut §2 Anwendungsbereich (1) Die Pflichten dieses Gesetzes finden Anwendung auf alle 1. großen Gesellschaften, die allein oder mit den von ihnen beherrschten oder sie beherrschenden Gesellschaften als große Kapitalgesellschaften im Sinne von § 267 HGB gelten, und 2. mittelgroße Gesellschaften, die allein oder mit den von ihnen beherrschten oder sie beherrschenden Gesellschaften als mittelgroße Kapitalgesellschaften im Sinne von § 267 HGB gelten, und darüber hinaus a) in einem Hochrisikosektor oder b) in Konflikt- und Hochrisikogebieten tätig sind, sofern sie ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder -niederlassung in Deutschland haben (die Gesellschaft). (2) Berechtigt unter diesem Gesetz sind ausschließlich natürliche Personen. (3) Die Pflichten aus diesem Gesetz finden nur auf Geschäftstätigkeiten in solchen Ländern Anwendung, in denen die Stakeholder typischerweise Gefahren ausgesetzt sind. (4) Geschäftstätigkeit im Sinne dieses Gesetzes umfasst sowohl die Sphäre des eigenen, deutschen Rechtsträgers als auch die Sphäre von Gesellschaften innerhalb der Lieferkette oder des Konzerns (Wertschöpfungskette).

II. Konkretisierung und Begründung 1. Verpflichtete (Abs. 1) a) Keine Erfassung ausländischer Gesellschaften Der hier vorgeschlagene Anwendungsbereich erstreckt sich nur auf deutsche Gesellschaften, nämlich solche, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung in Deutschland haben (Abs. 1). Die bloße deutsche Rechtsform einer im Ausland ansässigen Gesellschaft reicht mithin nicht aus, damit diese der Regelung unterfällt. Umgekehrt unterfällt z. B. eine niederländische B.V. mit Sitz in Deutschland der Regelung. Andere Vorschläge wollen auch ausländische Unternehmen, also insbesondere die ausländischen Konzern- und Zulieferergesellschaften in die Pflicht nehmen, sofern diese hier Geschäfte tätigen. Das soll wiederum dann der Fall sein, liefern sie jährlich mehrfach Waren nach Deutschland oder er-

250

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

bringen Dienstleistungen hier.359 Dieser Regelungsvorschlag sieht – obwohl völkerrechtlich unter bestimmten Voraussetzungen zulässig360 – vollständig von der Regulierung ausländischer Unternehmen ab. Denn erstens ist die Regulierung ausländischer Unternehmen für ausländische Sachverhalte nicht zwangsläufig Aufgabe des deutschen Gesetzgebers. Ein WertschöpfungskettenG kann nicht vollständig gaststaatliche Regulierung ersetzen. Das wäre auch nicht wünschenswert, da dies dem Gaststaat möglicherweise Anreize nimmt, das Problem selbst „anzugehen“. Der Gesetzesentwurf will lediglich sicherstellen, dass deutsche Unternehmen nur mit unter menschenwürdigen Bedingungen agierenden Partnern Geschäftsbeziehungen pflegen. Zweitens stellt sich das durch Verhaltensanreize der geltenden Rechtslage und Transnationalisierung hervorgerufene Problem nicht hinsichtlich ausländischer Gesellschaften. Zwar stehen die Geschädigten in manchen Fällen beim Versuch, gegen diese vor ausländischen Gerichten Rechtsschutz zu erlangen, vor erheblichen Schwierigkeiten.361 Besinnt man sich jedoch auf eine wortlautgetreue Auslegung von § 23 ZPO zurück,362 können Geschädigte gegen die ausländische Gesellschaft in Deutschland klagen. Da die ausländischen Gesellschaften meist unmittelbare Verursacherinnen der Schadensfälle sind, können sie leicht nach gängigen materiellrechtlichen Kriterien haftbar gemacht werden. Einer Änderung der materiellen Rechtslage bedarf es hier nicht. Es handelt sich vielmehr um ein internationalzivilprozessuales Problem. Zwar ließe sich durch das WertschöpfungskettenG der deliktsrechtliche Rechtsgüterkatalog erweitern. Hier wurde kollisionsrechtlich jedoch die „kleine“ Lösung gewählt. Klagen sind zunächst nur aufgrund der in der jeweiligen Rechtsordnung anerkannten Rechtsgüter möglich, also im Wesentlichen aufgrund von Verletzungen von Leben, Leib, Freiheit, Eigentum.363 Um Menschenrechte pauschal als deliktische Rechtsgüter auszuweisen, bedarf es noch Konkretisierungsarbeit.364 Die Menschenrechte müssen auf private Sachverhalte zugeschnitten werden, bevor sie pauschal als Rechtsgüter in Betracht kommen. Sollte sich der Gesetzgeber aber dazu entschließen, den Rechtsgüterkatalog auch hinsichtlich ausländischer Gesellschaften zu erweitern, ginge das völkerrechtlich nach der hier vertretenen Ansicht nur bezüglich solcher ausländischen Gesellschaften, die zumindest in irgendeiner Weise einen Bezug nach Deutschland aufweisen.365 Für sich hätte die Erfassung ausländischer Gesellschaften allerdings, dass so einheitliche Standards gelten, deutsche Gesellschaften also nicht benachteiligt würden.

359 Initiative Lieferkettengesetz, Rechtsgutachten zur Ausgestaltung eines Lieferkettengesetzes, 2020, S. 29 – 31; European Parliament, Draft Report, S. 17, Art. 2 Abs. 2. In diese Richtung mit Bezugnahme auf das SorgfaltspflichtenG auch Wagner, ZIP 2021, 1098. 360 Siehe oben Kapitel 1, § 3 C.III. (S. 60 ff.) und Kapitel 3, § 10 C.I. (S. 181 f.). 361 Kapitel 2, § 4 A. (S. 70 ff.). 362 So das rechtspolitische Plädoyer dieser Untersuchung, Kapitel 2, § 7 (S. 128 ff.). 363 Siehe dazu im Detail unten Kapitel 4, § 14 D.II.1. (S. 263 ff.). 364 Siehe aber unten zu existenzsichernden Löhnen Kapitel 4, § 14 D.II.1.d) (S. 269 ff.). 365 Siehe oben Kapitel 1, § 3 C.III. (S. 60 ff.).

§ 14 Haftungsbezogene Aspekte eines WertschöpfungskettenG

251

b) Große Gesellschaften (Abs. 1 Nr. 1) Die hier vorgeschlagene Regelung aus Abs. 1 Nr. 1 orientiert sich – analog zur Regelung über die Pflichten zur CSR-Berichterstattung aus § 289b I Nr. 1 HGB – an § 267 HGB. In der Literatur ist dieser Grenzwert bisher der beliebteste Vorschlag.366 § 267 HGB sollte mit zwei Maßgaben angewandt werden. (1) Ein WertschöpfungskettenG sollte nicht nur Kapitalgesellschaften, sondern auch andere Gesellschaftsformen erfassen (Abs. 1 Nr. 1 und 2: „große/mittelgroße Gesellschaften“). (2) Es sollte darüber hinaus den Konzern als wirtschaftliche Einheit betrachten.367 Das WertschöpfungskettenG hat zum Ziel, besonders wirtschaftsstarken Unternehmen besondere Pflichten aufzuerlegen: Macht geht einher mit Verantwortung. Es leuchtet daher nicht ein, den wirtschaftlich starken Unternehmensverbund, dessen Rechtsträger allein nicht die Anforderungen aus Abs. 1 Nr. 1 erfüllen, aus dem Anwendungsbereich auszuschließen. Voraussetzung des WertschöpfungskettenG ist daher, dass die deutsche Gesellschaft zwei der drei folgenden Kriterien erfüllt: (1) 20.000.000 E Bilanzsumme, (2) 40.000.000 E Umsatzerlös, (3) im Jahresdurchschnitt 250 Arbeitnehmer. Den Anwendungsbereich an § 267 HGB zu koppeln ist praktikabel, da so auf bewährte Kriterien zurückgegriffen werden kann. Es besteht daher kein Grund, diesen Vorteil durch inhaltliche Modifikation von § 267 HGB zu Nichte zu machen. Dem Vorschlag, die Kriterien aus § 267 II HGB müssten statt kumulativ (zwei von drei) lediglich alternativ vorliegen, wird hier daher nicht gefolgt.368 Dagegen spricht nicht, dass der persönliche Anwendungsbereich ansonsten „bei komplexen transnationalen Unternehmensgruppen“ schwerer bestimmbar ist.369 Die Kriterien sind ausreichend klar. Ob die Gerichte nur eines oder zwei überprüfen müssen, ändert kaum etwas an der Praktikabilität des Gesetzes. Schließlich ist es zwar richtig, dass gerade outsourcende Unternehmen nicht zwangsläufig viele Arbeitnehmer im Inland haben.370 Jedoch kann eine Gesellschaft auch durch kumulatives Vorliegen der ersten beiden Kriterien als groß zu qualifizieren sein. Die Arbeitnehmeranzahl ist somit nicht zwangsläufig entscheidend. Aus diesem Grund ist eine Anwendungsschwelle bei 500 Arbeitnehmern371 als einzigem Kriterium nicht wünschenswert. Diese Lösung ist zwar außerordentlich rechtssicher. Um aber auch vorwiegend outsourcende 366 So in etwa auch die Vorschläge von Klinger/Krajewski/Krebs/Hartmann, Verankerung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen im deutschen Recht, 2016, S. 38 und 53; BMZ, Inoffizieller Entwurf für ein WertschöpfungskettenG, § 2 I Nr. 1; § 3 Nr. 3; Nordhues, Die Haftung der Muttergesellschaft und ihres Vorstands für Menschenrechtsverletzungen im Konzern, 2018, S. 322. 367 Klinger/Krajewski/Krebs/Hartmann, Verankerung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen im deutschen Recht, 2016, S. 53. 368 Ebd., S. 38 und 53. 369 Ebd. 370 Kieninger, Keine Angst vor einem Lieferkettengesetz, FAZ, https://www.faz.net/aktuell/ politik/staat-und-recht/lieferkettengesetz-jetzt-keinen-papiertiger-schaffen-16945803.html. 371 Dafür Hübner, NZG 2020, 1413; BMAS/BMZ, Eckpunktepapier.

252

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

Unternehmen zu erfassen und damit die Pflichten dieses Gesetzes die richtigen Unternehmen treffen, verdient eine differenziertere Lösung den Vorzug. c) Mittelgroße Gesellschaften (Abs. 1 Nr. 2) Entgegen den meisten bislang gemachten Vorschlägen372 sollten darüber hinaus nur mittelgroße, in Hochrisikosektoren und/oder -gebieten tätige und nicht alle sonstigen Gesellschaften vom Anwendungsbereich des WertschöpfungskettenG erfasst werden (Abs. 1 Nr. 2). Die Begriffe Hochrisikosektor und Konflikt- und Hochrisikogebiet sollten zudem restriktiver bestimmt werden als in den bisherigen Vorschlägen. Diese Begriffe erwecken nämlich den Eindruck, „sonstige Unternehmen“ seien nur im Ausnahmefall erfasst. Bei genauerer Betrachtung trifft dies jedoch nicht zu. Die Vorschläge zur Konkretisierung dieser Begriffe orientieren sich an der NACE, der statistischen Systematik der Wirtschaftszweige in der EU (damals europäische Gemeinschaft, EG). Als Hochrisikosektoren schlägt die Literatur folgende Wirtschaftszweige vor: Land- und Forstwirtschaft, Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden, Energieversorgung, Herstellung von Kraftwägen und Kraftwagenteilen, Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen, Herstellung von chemischen Erzeugnissen, Herstellung von Datenverarbeitungsgeräten, elektronischen und optischen Erzeugnissen, Herstellung von elektronischer Ausrüstung, Dienstleistungen der Telekommunikation und Informationstechnologie, Finanzdienstleistungen, Gastgewerbe/Beherbergung und Gastronomie, Reisebüros und Reiseveranstalter, Herstellung von Rüstungsgütern, Herstellung von Spielzeug und viele andere.373 Es ist kein Fall aus dem wirtschaftsmenschenrechtlichen Diskurs bekannt, der sich nicht einer der genannten Kategorien zuordnen lässt. Durch diese extensive Auslegung des Begriffs „Hochrisikosektor“ wird die Anwendung nur auf Großunternehmen zur Farce. Da eigentlich alle Wirtschaftszweige als Hochrisikosektoren qualifiziert werden, wäre das WertschöpfungskettenG auf alle Unternehmen, unabhängig von ihrer Größe, anwendbar. Damit bricht die politische Rechtfertigung eines WertschöpfungskettenG weg. Dieses soll vor den durch die Machtstellung wirtschaftsstarker, global agierender Konzerne bedingten negativen Auswirkungen schützen. Darüber hinaus sollte der Anwendungsbereich kleine Unternehmen unter 12 Mio. E Umsatz bzw. mit weniger als 50 Arbeitnehmern überhaupt nicht erfassen.374 Alles andere ist mit dem Gesetzeszweck unvereinbar.

372 Klinger/Krajewski/Krebs/Hartmann, Verankerung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen im deutschen Recht, 2016, S. 38 f.: § 3 Nr. 4 und 5; BMZ, Inoffizieller Entwurf für ein WertschöpfungskettenG, § 2 I Nr. 2; § 3 Nr. 6 und 7; Initiative Lieferkettengesetz, Rechtsgutachten zur Ausgestaltung eines Lieferkettengesetzes, 2020, S. 25 f. 373 Initiative Lieferkettengesetz, Rechtsgutachten zur Ausgestaltung eines Lieferkettengesetzes, 2020, S. 26. Der Vorschlag des BMZ sieht in § 3 Nr. 6 weniger Wirtschaftszweige vor, geht u. a. mit der Erfassung von der Herstellung von Textilien und Bekleidung aber auch zu weit. 374 So auch Weller/Nasse, in: Vom Konzern zum Einheitsunternehmen, 2020, S. 134.

§ 14 Haftungsbezogene Aspekte eines WertschöpfungskettenG

253

aa) Hochrisikosektor Unter Hochrisikosektoren sollten daher höchstens folgende Teile der NACE verstanden werden: Abschnitt B – Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden, allerdings ohne Dienstleistungen (Abteilung 9). Hierunter fällt die Erdölförderung (Abteilung 6) und der Bergbau (Abteilungen 5, 6 und 8), wo es immer wieder zu Rechtsgutsverletzungen kommt. Ebenfalls hohe Risiken gibt es beim Bau von Staudämmen, was in Abschnitt F – Baugewerbe/Bau (Abteilung 42 Gruppe 9: Sonstiger Tiefbau) fallen dürfte. Möglicherweise ließe sich hier noch an wenige andere Sektoren mit ähnlichem Gefahrenpotenzial denken. Sollte NACE weiterhin als Systematisierung der Wirtschaftszweige verwendet werden, bietet es sich an, auf die genauen Abteilungen und Gruppen zu verweisen. So wird ein enger Anwendungsbereich garantiert, um die kollisionsrechtlichen Zuweisungen der Rom II-VO nicht zu torpedieren.375 bb) Konflikt- und Hochrisikogebiet Konflikt- und Hochrisikogebiete werden im BMZ-Entwurf definiert als: „Gebiete, in denen bewaffnete Konflikte geführt werden oder die sich nach Konflikten in einer fragilen Situation befinden, sowie Gebiete, in denen Staatsführung und Sicherheit schwach oder nicht vorhanden sind, z. B. gescheiterte Staaten, und in denen weit verbreitete und systematische Verstöße gegen internationales Recht einschließlich Menschenrechtsverletzungen stattfinden“. Diese Definition ist zu allgemein. Ein WertschöpfungskettenG sollte konkrete Staaten, im besten Falle sogar nur konkrete Gebiete eines Staates auflisten. Nicht ausreichend sind bloße rechtsstaatliche Mängel. Mit etwas Begründungsaufwand ließen sich darunter auch Italien376 oder die Balkanstaaten fassen. Da sich die weltpolitische Lage stets im Fluss befindet, bietet sich hier eine Verordnungsermächtigung an das Auswärtige Amt an. 2. Berechtigte (Abs. 2) Ein WertschöpfungskettenG dient dem Menschenrechtsschutz, indem es Geschädigten eine Grundlage für zivilrechtliche Haftung in grenzüberschreitenden Sachverhalten bereitstellt. Es dient nicht dem Schutz von Aktionären, die wegen möglicher Reputationsschäden den Wert ihrer Beteiligung gefährdet sehen.377 Sofern dem Vorstand Fehlverhalten zur Last gelegt werden kann, gibt es hierfür bereits 375

Siehe dazu oben Kapitel 3, § 10 C.II.4. (S. 184 f.). Erinnert sei an den „Italian Torpedo“, siehe z. B. Jandoli, IIC 2000, 783 ff. Das Phänomen betraf freilich nicht nur italienische Gerichte. 377 Bezüglich des französischen loi de vigilance gab es Kritik, dieses könne nur von Anteilseignern genutzt werden, siehe Nordhues, Die Haftung der Muttergesellschaft und ihres Vorstands für Menschenrechtsverletzungen im Konzern, 2018, S. 316 m. w. N. Anders als hier nun jedoch: European Parliament, Draft Report, S. 14 Nr. 27. 376

254

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

gesetzliche Grundlagen (siehe z. B. § 93 II 1 AktG zur Vorstandshaftung gegenüber der Gesellschaft).378 Aus diesem Grund sollten sich nur natürliche Personen auf unternehmerische Pflichten eines WertschöpfungskettenG berufen können. 3. Räumliche Begrenzung des Gesetzes (Abs. 3) a) Grenzüberschreitende Geschäftsaktivität Abs. 3 der vorgeschlagenen Regelung des Anwendungsbereichs stellt zunächst klar, dass das Gesetz Pflichten nur hinsichtlich grenzüberschreitender Geschäftsaktivität vorsieht. Keine Pflichten treffen daher z. B. die deutsche Bäckereikette B mit 70 Mio. E Umsatzerlös und 600 Arbeitnehmern, die vom deutschen Hersteller H Gastronomiebacköfen kauft, hinsichtlich der Arbeitnehmer des kongolesischen Zulieferers Z, der H mit dem für die Herstellung der Backöfen erforderlichen Metall beliefert. H hingegen treffen Pflichten, sofern er die Anforderungen aus Abs. 1 erfüllt. Es ist sachgerecht, nur diesen Gesellschaften Pflichten hinsichtlich Geschäftstätigkeiten in Drittstaaten aufzuerlegen, die diese ausländischen Kontakte auch tatsächlich knüpfen (und daran verdienen). Ansonsten müsste jedes deutsche Unternehmen, das bei einem anderen deutschen, Schreibwaren vertreibenden Unternehmen Bleistifte bestellt, bei jeder Bleistiftbestellung die Herkunft des Bleis oder des Holzes und die damit zusammenhängende Lieferkette überprüfen. Das würde den innerdeutschen Rechtsverkehr enorm erschweren. b) Typische Gefahren Darüber hinaus treffen die deutsche Gesellschaft bezüglich ihrer ausländischen Geschäftstätigkeit nur dann Pflichten, wenn in dem jeweiligen ausländischen Staat typische Gefahren für den Rechtsgüterschutz bestimmter Personen bestehen (Abs. 3). Diese Einschränkung bringt den Anwendungsbereich in Einklang mit dem Normzweck. Die Pflichten des WertschöpfungskettenG rechtfertigt die in Folge der Globalisierung entstandene governance gap. Davon kann bei Geschäftsbeziehungen in die USA oder nach Frankreich keine Rede sein.379 Das WertschöpfungskettenG sollte daher nur hinsichtlich solcher Geschäftstätigkeiten gelten, in denen auch tatsächliche Gefahren für Rechtsgüter bestehen. Das Kriterium hat einen zusätzlichen Vorteil. Es verengt den Anwendungsbereich des WertschöpfungskettenG und schont dadurch das kollisionsrechtliche Erfolgsortprinzip, da in weniger Rechtsstreitigkeiten die grund378 Diese sind nach den Grundsätzen des deutschen internationalen Gesellschaftsrechts auch anwendbar, siehe oben Kap. 4 Fn. 164. 379 Diese wären aber ohne Weiteres erfasst, knüpft man lediglich an die grenzüberschreitende Geschäftstätigkeit an. So der Vorschlag von Schall, Die Menschenrechtsverletzung bzw. die Missachtung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht als zivilrechtlicher Haftungstatbestand, Verfassungsblog, https://verfassungsblog.de/die-menschenrechtsverletzung-bzw-die-miss achtung-der-menschenrechtlichen-sorgfaltspflicht-als-zivilrechtlicher-haftungstatbestand/.

§ 14 Haftungsbezogene Aspekte eines WertschöpfungskettenG

255

sätzliche Anknüpfung an den Erfolgsort durch das WertschöpfungskettenG als international zwingende Vorschrift durchbrochen wird. Dadurch wird auch das Prinzip des europäischen Entscheidungseinklangs geschont. Wäre das Verfahren statt in Deutschland in einem anderen Mitgliedsstaat geführt worden, hätten die Gerichte dieses Mitgliedsstaats kein WertschöpfungskettenG angewandt und somit vermutlich ein anderes Ergebnis erzielt. Die Entscheidungen differieren also nach Ort des Forums.380 Wird nun der räumliche Geltungsbereich mittels Abs. 3 beschränkt, findet die Eingriffsnorm WertschöpfungskettenG in weniger Fällen Anwendung. Staaten gelten dann als typischerweise gefährlich, wenn sich Berichte über systemische Rechtsgutsverletzungen über einen längeren Zeitraum häufen.381 Anhaltspunkte dafür sind insbesondere eine einschlägige Medienberichterstattung über gewisse Regionen. Als typischerweise gefährlich gilt inzwischen die Textilindustrie Südostasiens oder die Ölförderung in Nigeria. Anders als bei den Hochrisikosektoren, sollte das Kriterium nicht zu eng verstanden werden. Zur Veranschaulichung dient der folgende Fall. Fall 2 Ein Unternehmen bezieht Fisch aus Norwegen und Thailand. Durch einen Blick in einschlägige Länder- und Branchenberichte wird dem Unternehmen klar, dass in Norwegen keinerlei Anhaltspunkte für typische Gefahren bzw. Rechtsgutsverletzungen gegeben sind, weshalb es bezüglich der norwegischen Lieferkette keine besonderen Pflichten treffen. Ebenso klar belegen die einschlägigen Länder- und Branchenberichte, dass in der thailändischen Fischereiindustrie erhebliche Risiken bestehen, dass Fisch unter Einsatz von Zwangsarbeit gefangen wird.382 Hier findet das WertschöpfungskettenG mit seinen Pflichten aus §§ 3 und 4 Anwendung.383

Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen zu Staaten, in denen sich typischerweise keine solcher Gefahren ereignen (z. B. Frankreich/USA) sind jedoch nur dann vom Anwendungsbereich ausgeschlossen, wenn die Wertschöpfungskette dort endet. Bezieht der französische Zulieferer, von dem ein deutsches Unternehmen Komponenten für sein Endprodukt abnimmt, seine Materialien aus einem unter Abs. 3 fallenden Land, treffen das deutsche Unternehmen dennoch Pflichten.384 Gemäß Abs. 4 (dazu sogleich unter 4.) umfasst die Geschäftstätigkeit nämlich die gesamte Lieferkette. 380

Siehe zu den Auswirkungen von Eingriffsnormen auf den internationalen und europäischen Entscheidungseinklang: Nietner, Internationaler Entscheidungseinklang im europäischen Kollisionsrecht, 2015, S. 237 ff., insbesondere S. 242 f.; Köhler, Eingriffsnormen – der „unfertige“ Teil des europäischen IPR, 2013, S. 2. Siehe auch zur Notwendigkeit eines engen Anwendungsbereichs oben Kapitel 3, § 10 C.II.4. (S. 184 f.). 381 Siehe zum Kriterium der systemischen Rechtsgutsverletzung noch unten Kapitel 4, § 14 D.II.2. (S. 271 ff.). 382 Siehe einen Fall oben: Kapitel 1, § 2 C.II. (S. 49). 383 Fallbeispiel im Wesentlichen übernommen von Klinger/Krajewski/Krebs/Hartmann, Verankerung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen im deutschen Recht, 2016, S. 60. 384 Siehe dazu auch noch unten Fall 6 (S. 287).

256

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

4. Geschäftstätigkeit (Abs. 4) Abs. 4 dient der Begriffsklärung. Die Pflichten treffen die deutsche Gesellschaft nicht nur hinsichtlich ihrer eigenen Organe und die eigene Rechtssphäre, sondern erstrecken sich auch auf den Rechtsgüterschutz innerhalb der mit ihr konzernrechtlich oder vertraglich verbundenen Unternehmen. Zwar ist zuzugeben, dass die Pflichten weitaus praktikabler wären, würden sie sich nur auf den ersten Rechtsträger innerhalb der Wertschöpfungskette erstrecken.385 Es besteht dann aber die Gefahr, dass die deutsche Gesellschaft (oder auch der Zulieferer, er hat Interesse an einer guten Auftragslage) einen Rechtsträger zwischenschaltet, um die entsprechenden Pflichten zu umgehen.386 Darüber hinaus kann sich die Einflussmacht des Unternehmens am Kopf der Wertschöpfungskette auch auf nachgelagerte Ebenen erstrecken.387

C. Pflicht zur Risikoanalyse (§ 3) I. Wortlaut §3 Risikoanalysepflicht (1) Die Gesellschaft hat eine Risikoanalyse durchzuführen. (2) 1Sie hat dabei zu untersuchen, ob im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit natürlichen Personen eine Rechtsgutsverletzung droht. 2Die Untersuchungspflicht ist hinsichtlich der Tiefe innerhalb der Wertschöpfungskette nicht auf das Einflussvermögen der Gesellschaft begrenzt. Sie richtet sich insbesondere nach der Größe der Gesellschaft, ihrem Einflussvermögen und danach, wo Risiken regelmäßig zu erwarten sind. 3Welche Geschäftsbereiche zuvörderst betrachtet werden, hängt insbesondere vom Ort und der Art der Geschäftstätigkeit, der Wahrscheinlichkeit des Schadens, der Möglichkeit seiner Reparabilität und der Bedeutung des Schutzguts ab. (3) 1Die Risikoanalyse ist einmal jährlich durchzuführen. 2Zu bestimmten Anlässen, insbesondere bei der Erschließung neuer Geschäftsfelder, der Zunahme sozialer Spannungen im Geschäftsbereich oder bei Hinweisen durch Dritte, ist die Risikoanalyse erneut vorzunehmen. (4) Die Gesellschaft trifft für die Durchführung der Risikoanalyse die Beweislast.

385

Lorenzen, AuR 2020, Text zwischen Fn. 29 und 30. European Parliament, Briefing: Substantive Elements of Potential Legislation on Human Rights Due Diligence, 2020, S. 11. 387 Siehe Park-Poaps/Rees, 92 Journal of Business Ethics (2010), 308; Geistfeld, JETL 2019, 142; Gordon, 102 Iowa Law Review (2017), 483; Brown, 34 UCLA Pacific Basin Law Journal (2017), 109. Zu weiteren Argumenten und zu den Pflichten bezüglich tieferer Ebenen der Wertschöpfungskette: Kapitel 4, § 14 D.II.4.a)dd) (S. 285 f.). 386

§ 14 Haftungsbezogene Aspekte eines WertschöpfungskettenG

257

II. Konkretisierung und Begründung 1. Inhalt Unternehmen führen in der Praxis bereits Risikoanalysen durch.388 Teilweise sind sie auch gesetzlich dazu verpflichtet, wie z. B. § 5 GwG, Art. 6 I b) der EU-Holzhandelsverordnung389 und § 91 AktG zeigen.390 In der Regel führen die unternehmerischen Complianceabteilungen Risikoanalysen durch. Diese bezwecken jedoch primär, finanzielle Einbußen der Gesellschaft zu vermeiden. Davon unterscheidet sich die Risikoanalyse hier. Wie weitreichend die Gesellschaft prüfen muss, richtet sich nicht etwa danach, wie wahrscheinlich es ist, dass die Öffentlichkeit von einer Rechtsgutsverletzung erfährt und ob dadurch Reputationsschäden entstehen.391 Ob dem Unternehmen durch die Untersuchung wirtschaftliche Nachteile drohen, ist hier irrelevant.392 Vielmehr müssen dem Rechtsgüterschutz sachdienliche Kriterien wie z. B. bestimmte geographische oder branchenspezifische Risiken (Abs. 2 S. 2 und 3393, dazu sogleich) zu Grunde liegen. Als Maßnahmen der Risikoanalyse kommen in Betracht: Audits, für Lizensierung benötigte Umweltinspektionen, Umweltverträglichkeitsprüfungen, Managementsysteme für Antikorruption, Identitäts- und Integritätsprüfungen (know your counterparty-KYC), Finanzprüfungen, Menschenrechtsverträglichkeitsprüfungen und Produktgenehmigungsverfahren.394 Ein wichtiges Element der Risikoanalyse ist darüber hinaus die Anhörung von Anwohnern und Arbeitnehmern. Da insbesondere 388 So Klinger/Krajewski/Krebs/Hartmann, Gutachten: Verankerung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen im deutschen Recht, 2016, S. 57. Siehe beispielhaft: Sachs/Krebs, CCZ 2013, 65 ff.; Hauschka/Moosmayer/Lösler, in: Corporate Compliance, 2016, § 1 Rn. 8 – 11; Koch, in: Hüffer/Koch-AktG, § 76 Rn. 11 – 24a und generell bezüglich Sorgfaltspflichten Baier, DB 2020, 1804 und Bodenstein, Human Rights CMS, 2020, S. 34 f. 389 Verordnung (EU) Nr. 995/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Oktober 2010 über die Verpflichtungen von Marktteilnehmern, die Holz und Holzerzeugnisse in Verkehr bringen. 390 Klinger/Krajewski/Krebs/Hartmann, Gutachten: Verankerung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen im deutschen Recht, 2016, S. 57. 391 Ebd., S. 57 f. Anders aber z. B. § 2.2. der Leitlinien für Compliance Officer, abgedruckt bei Hauschka/Moosmayer/Lösler, in: Corporate Compliance, 2016, § 1 Rn. 11. Siehe auch Bodenstein, Human Rights CMS, 2020, S. 37 zur „gewöhnlichen“ Risikoanalyse. Wie hier (Relevanz von Individualschäden): Hübner, NZG 2020, 1414. 392 Klinger/Krajewski/Krebs/Hartmann, Gutachten: Verankerung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen im deutschen Recht, 2016, S. 58. 393 Die Kriterien aus Abs. 2 sind angelehnt an den Entwurf von Klinger/Krajewski/Krebs/ Hartmann, Gutachten: Verankerung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen im deutschen Recht, 2016, S. 39 f. 394 Siehe zu bereits vorhandenen und erprobten Tools: OECD, Leitfaden für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht für verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln, 2018, S. 27. Siehe auch die Risikomanagementsysteme ISO 31000 und den im Rahmen des § 107 III AktG relevanten, vom Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) verabschiedeten Prüfungsstandard (PS) 981: IDW PS 981. Näher kann an dieser Stelle darauf nicht eingegangen werden.

258

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

Arbeitnehmer jedoch häufig genauste Vorgaben bekommen, wie sie sich bei Audits verhalten sollen, muss die deutsche Gesellschaft auch mit lokalen Geschäftspartnern, NGOs und Gewerkschaften kooperieren.395 Dabei ist irrelevant, dass manche dieser Quellen parteiisch sind: Der Geschäftspartner mag ein Eigeninteresse daran haben, Investitionen anzuziehen, während lokale NGOs oder Gewerkschaften z. B. Bergbau- oder Globalisierungsgegner sein können.396 Dennoch können beide wertvolle Informationen über die lokalen Verhältnisse haben.397 Ob ein Unternehmen seiner Risikoanalysepflicht nachkommt, entscheidet letztlich jedoch die Effektivität der gewählten Instrumente. Audits, in denen die Zulieferer aus Angst vor dem Verlust von Aufträgen den Arbeitern standardisierte Antworten vorgeben oder Arbeitszeitbücher fälschen,398 sind ineffektiv. Gleiches gilt für angekündigte Audits, in denen Zulieferer für einen Tag entsprechende Standards vortäuschen. Dagegen ließe sich einwenden, eine solche Pflicht überfordere Unternehmen. So hat VW allein 120 unmittelbare Tochtergesellschaften. Bosch kommt auf 440.399 Denkt man Enkelgesellschaften und Zulieferer hinzu, dürfte sich diese Zahl vervielfachen. Das kann jedoch nicht vollständig überzeugen. Denn die Tatsache, dass viele Unternehmen weltweit geschäftlich tätig sind und sich dabei einer beträchtlichen Zahl an Rechtsträgern bedienen, macht das Geschäftsmodell dieser Unternehmen aus und wurde daher von der Konzernobergesellschaft bewusst geschaffen. 2. Reichweite Die Reichweite der Risikoanalyse (Abs. 2 S. 2) macht nicht an der ersten Ebene der Lieferkette Halt. Sie erstreckt sich – unabhängig von der Einflussmacht der Gesellschaft – auf tiefere Ebenen, also auch auf Zulieferer von Zulieferern oder Enkelgesellschaften.400 Dem widerspricht nicht, dass im Entwurf (Abs. 2 S. 2) Einflussvermögen ein Kriterium ist. So kann eine Gesellschaft auch ohne Einfluss eine Risikoanalyse auf tieferen Ebenen der Zuliefererebene durchführen, z. B. mittels Beratung mit lokalen Gewerkschafen, NGOs oder der entsprechenden deutschen Auslandsvertretung. Auch Pressemeldungen oder Studien können der Gesellschaft Risiken aufzeigen. Mangels interner Informationsmöglichkeiten können in diesen Fällen jedoch nur weniger Erwartungen an sie gestellt werden. Zwar wäre es eine „griffige“ Lösung, die Risikoanalyse auf die erste Ebene der

395

Baier, DB 2020, 1805. Müller-Hoff/Saage-Maaß, Menschenrechte vor Profit, 2019, S. 26. 397 Ebd. 398 Huq/Chowdhury/Klassen, 46 Journal of Operations Management (2016), 28 f. 399 Lange, Der Matrixkonzern, 2020, S. 27. 400 Ebenso European Parliament, Draft Report, S. 14 Nr. 30 und S. 20, Art. 4 Abs. 5 („all subcontractors“). 396

§ 14 Haftungsbezogene Aspekte eines WertschöpfungskettenG

259

Lieferkette zu beschränken.401 Sinn der Risikoanalyse (und auch der Sorgfaltspflicht) ist es aber gerade, der bestehenden Anreizsituation etwas entgegenzusetzen. Wie oben herausgearbeitet402 ist es für Unternehmen haftungsrechtlich am vorteilhaftesten, sie halten sich so weit wie möglich vom operativen Geschäft (und damit auch von der Bestimmung von beispielsweise Arbeitssicherheitsstandards) fern. Genau dem soll hiermit aber entgegengewirkt werden. Allerdings nimmt die Intensität, mit der eine Gesellschaft ermitteln muss, mit zunehmender Tiefe der Wertschöpfungskette ab: Fall 3 Das deutsche Bekleidungsunternehmen K lässt einen Teil seiner Kollektionen von Z1 produzieren. Z1 produziert nur für K. Er bezieht die Stoffe dafür von Z2. Z2 ist lediglich Händler und bezieht wiederum regelmäßig von Z3. Z3 verarbeitet Baumwolle und webt die Stoffe. Den Rohstoff wiederum – die Baumwolle – bezieht er von Z4. Die Erntehelfer bei Z4 werden regelmäßig körperlich misshandelt. Alle Zulieferer haben ihren Sitz im Ausland. Was muss K tun, um seiner Pflicht zur Risikoanalyse gerecht zu werden?

K hätte Z1 hier intensiv überwachen müssen. Das umfasste auch Maßnahmen vor Ort wie z. B. Audits. Er ist auch verpflichtet, bei seinen unmittelbaren Vertragspartnern nachzuforschen, woher die verarbeiteten Stoffe stammen. Da K der einzige Abnehmer ist, wird Z1 dieser Anfrage regelmäßig nachkommen. So dringt K vielleicht noch bis zu Z2 vor. Weigert sich nun Z2 ihm weitere Akteure in der tieferen Lieferkette zu nennen, kann von K auf diesem Wege nichts weiter verlangt werden. Allerdings beinhaltet die Risikoanalysepflicht auch, die lokale Situation samt einschlägiger Presseberichte zu verfolgen. Stößt K z. B. auf einen Bericht, dem zufolge Baumwollerntehelfer misshandelt werden, ist er verpflichtet zu überprüfen, ob diese Berichte mit seiner Lieferkette im Zusammenhang stehen. Konnte er jedoch keine Kenntnis von den tieferen Ebenen der Lieferkette erlangen, kann ihm keine Verletzung der Risikoanalysepflicht zur Last gelegt werden. 3. Richtung a) Kriterien zur Bestimmung der Richtung der Risikoanalyse Für die Richtung der Risikoanalyse (Abs. 2 S. 3) ist insbesondere der Ort der Geschäftstätigkeit, die Branche, die Wahrscheinlichkeit des Schadens, seine Repa-

401 Lorenzen, AuR 2020, 246. So die Forderung vom Präsidenten der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Ingo Kramer, Handelsblatt, BDA-Chef Kramer zum Lieferkettengesetz, https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/interview-bda-chef-kra mer-zum-lieferkettengesetz-selten-einen-gesetzentwurf-gesehen-der-so-weltfremd-ist/2621 0532.html?ticket=ST-2725174-YTfpmvW9RHLXAGJRfXia-ap1. Eine Differenzierung nach Branchen fordernd: Hübner, NZG 2020, 1414. 402 Kapitel 4, § 12 A.I. (S. 210 f.).

260

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

rabilität und die Bedeutung des Schutzguts maßgeblich.403 Z. B. bergen große Infrastrukturprojekte wie Staudämme oft das Risiko von Vertreibungen und Landnahmen. Das sind andere Risiken als in einer Textilfabrik.404 Von großer Bedeutung ist auch der Ort der Geschäftstätigkeit. In der DR Kongo treffen rohstofffördernde Unternehmen auf andere Risiken als in Österreich. „Hellhörig“ werden und besonders sorgsam prüfen müssen Unternehmen insbesondere in Gebieten, die von schwacher Rechtsstaatlichkeit bedroht sind oder in Branchen, in denen Rechtsgutsverletzungen erfahrungsgemäß häufiger vorkommen. Auch eine Kombination aus Ort und Branche kann ein Unternehmen zu einer besonderen Prüfpflicht veranlassen. So ist die Textilproduktion in Südostasien bekanntermaßen mit Risiken verbunden,405 in Portugal jedoch weniger. Dass Unternehmen unterschiedliche Pflichten in unterschiedlichen Branchen und Gebieten treffen, ist nicht unüblich. So differenziert die Risikoanalysepflicht des Geldwäschegesetzes (§ 5 GwG) nach Branche (Anlage 2 Nr. 2 f) und nach geographischen Risiken (Anlage 2 Nr. 3). Eine Vorfilterung findet freilich schon über den Anwendungsbereich dieses Entwurfs (§ 2 III) statt, wonach die Pflichten des Gesetzes sich nicht auf Länder erstrecken, in denen keine typischen Gefahren drohen.406 b) Begrenzung der Risikoanalyse auf die Wertschöpfungskette des Endprodukts Darüber hinaus beschränkt sich die Risikoanalyse auf die Wertschöpfungskette des Endprodukts. Ausländische Gesellschaften, die zwar vertraglich oder konzerniert mit dem deutschen Abnehmer bzw. der Mutter verbunden sind, aber nichts zur Fertigung des von diesen abgenommenen Endprodukten beitragen, sind nicht Teil dieser Lieferkette:407

403 Ebenfalls auf Schwere und Wahrscheinlichkeit abstellend Klinger/Krajewski/Krebs/ Hartmann, Gutachten: Verankerung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen im deutschen Recht, 2016, S. 39, 58. 404 Siehe für Risiken im Rohstoffsektor OECD, Leitfaden für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht zur konstruktiven Stakeholderbeteiligung im Rohstoffsektor, 2017 und in der Textilund Schuhbranche OECD, Due Diligence Guidance for Responsible Supply Chains in the Garment and Footwear Sector, 2018. 405 Siehe die Fallbeispiele oben Kapitel 1, § 2 B.I. bis V. (S. 44 ff.). 406 Siehe oben Kapitel 4, § 14 B.II.3. (S. 254). Portugal und Österreich wurden hier nur zur Veranschaulichung genannt. Geschäftstätigkeit in diesen Ländern liegt bereits außerhalb des Anwendungsbereichs, § 2 III. 407 Ähnlicher Fall und Argument der Differenzierung nach den innerhalb eines Konzerns vereinigten Branchen bei Klinger/Krajewski/Krebs/Hartmann, Gutachten: Verankerung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen im deutschen Recht, 2016, S. 61.

§ 14 Haftungsbezogene Aspekte eines WertschöpfungskettenG

261

Fall 4 In Fall 3 unterhält Z1 zusätzlich zu seiner Textilsparte eine Sparte zum Vertrieb von Schmuck. Dafür unterhält es Lieferbeziehungen zu zahlreichen anderen Gesellschaften. Bei der Fertigung des Schmucks sind bereits drei verschiedene Unternehmen involviert. Diese fertigenden Unternehmen werden von weiteren drei Unternehmen beliefert, die jeweils verschiedene, zur Fertigung des Schmucks nötige Edelsteine abbauen. Z3 (Verarbeiter der Baumwolle) betreibt darüber hinaus eine Natursteinsparte. Auch hierbei pflegt er wieder zahlreiche Lieferbeziehungen.

Sofern K von Z1 keinen Schmuck bezieht, sondern lediglich die gefertigte Kleidung, zählt die Schmucksparte von Z1 nicht zu seiner Wertschöpfungskette. Gleiches gilt für die Unternehmen, die aus der Natursteinsparte von Z3 stammen. Mit diesen anderweitigen Zuliefererbeziehungen muss sich K nicht auseinandersetzen. Seine Risikoanalysepflicht erstreckt sich lediglich auf Zulieferer, die auch tatsächlich Fertigungsschritte für das Endprodukt durchführen. Diese wichtige Einschränkung dürfte viele Befürchtungen relativieren.408 Die deutschen Unternehmen müssen nur ihre eigenen Lieferketten prüfen. Sie müssen nicht die Lieferketten von für die Fertigung des Endprodukts irrelevanten Zulieferern überwachen. Das kann freilich dennoch eine Belastung für Unternehmen darstellen. Die Belastung hat damit aber fest umrissene Grenzen. 4. Frequenz Da sich die Geschäftstätigkeit von Unternehmen dynamisch entwickelt, wäre eine lediglich einmalig durchgeführte Risikoanalyse sinnlos. Sie muss daher einmal jährlich durchgeführt werden.409 Bei einer Veränderung der geschäftlichen Umstände muss die Gesellschaft die Risikoanalyse erneut durchführen.410 Als eine solche Veränderung kommen die Erschließung eines neuen Marktes, der Aufbau einer neuen Geschäftsbeziehung, die Änderung regulatorischer Rahmenbedingungen in einem Land, in dem die Gesellschaft geschäftlich aktiv ist, ein Unternehmenskauf oder die Zunahme sozialer Spannungen in Betracht. Insbesondere ist die Gesellschaft dazu verpflichtet, Hinweisen auf Rechtsgutsverletzungen nachzugehen.411 Bei Abs. 3 S. 2 handelt es sich um Regelbeispiele. 408

Damit dürften die von Arbeitgeberpräsident Kramer genannten 500.000 zu überwachenden Unternehmen unrealistisch sein (siehe Kap. 4 Fn. 401). 409 Das Erfordernis stammt von Klinger/Krajewski/Krebs/Hartmann, Gutachten: Verankerung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen im deutschen Recht, 2016, S. 63; UNGP Nr. 18; ähnlich aus Unternehmensperspektive Bodenstein, Human Rights CMS, 2020, S. 43. 410 Kommentar zu UNGP Nr. 18; Klinger/Krajewski/Krebs/Hartmann, Gutachten: Verankerung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen im deutschen Recht, 2016, S. 63; Rünz, ZVertriebsR 2020, 294; Hübner, NZG 2020, 1415. 411 Klinger/Krajewski/Krebs/Hartmann, Gutachten: Verankerung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen im deutschen Recht, 2016, S. 62.

262

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

5. Relevanz für die zivilrechtliche Haftung Als Pflicht ist die Pflicht zur Risikoanalyse (wie auch die Pflicht rechtsgüterschützende Maßnahmen zu ergreifen) auch deliktsrechtlich relevant. Die Gesellschaft wird also haftbar, verletzt sie diese Pflicht (und liegen die weiteren Voraussetzungen des jeweils anwendbaren Haftungstatbestandes vor). Allerdings kann es durchaus sein, dass der Abnehmer eine pflichtgemäße Risikoanalyse durchgeführt hat und bestehende Risiken oder Rechtsgutsverletzungen dennoch nicht erkannt hat. Wenn er daher keine Maßnahmen ergreift, kann ihm kein pflichtwidriges Verhalten zur Last gelegt werden. Auch hier schuldet die deutsche Gesellschaft lediglich die sorgfältige Analyse. Sie schuldet keinen Erfolg, alle (drohenden) Rechtsgutsverletzungen in ihrer Wertschöpfungskette zu erkennen.

D. Pflicht rechtsgüterschützende Maßnahmen zu ergreifen (§ 4) I. Wortlaut §4 Pflicht rechtsgüterschützende Maßnahmen zu ergreifen (1) 1Droht im Rahmen der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft einer natürlichen Person eine systemische Rechts- oder Rechtsgutsverletzung, trifft die Gesellschaft die Pflicht, darauf hinzuwirken, eine solche Verletzung zu verhindern oder zu mildern. 2Die zu ergreifenden Maßnahmen richten sich nach – der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, – der quantitativen und qualitativen Schwere des Schadens, – der Möglichkeit zur Reparabilität des Schadens, – dem Verursachungsbeitrag, – der Nähe zum Schadensereignis, – der Vorhersehbarkeit, – dem tatsächlichen oder rechtlichen Einflussvermögen – und den Ressourcen der jeweiligen Gesellschaft.412 (2) Die Gesellschaft trifft insoweit die Beweislast.

412

Diese Kriterien aus Abs. 1 S. 2 wurden übernommen von Initiative Lieferkettengesetz, Rechtsgutachen zur Ausgestaltung eines Lieferkettengesetzes, 2020, S. 48. Ebenfalls auf Vorhersehbarkeit, Wahrscheinlichkeit, Schwere des Schadens und Einwirkungsmögllichkeiten abstellend: BMAS/BMZ, Eckpunktepapier, S. 3. Einige der Kriterien entstammen den UNGPs: Schwere des Schadens (Nr. 14) und Größe/Ressourcen des Unternehmens (Nr. 17 b).

§ 14 Haftungsbezogene Aspekte eines WertschöpfungskettenG

263

II. Konkretisierung und Begründung Es handelt sich um eine rechtsträgerübergreifende Verkehrspflicht. Die UNGPs413 sowie andere rechtspolitische Vorschläge414 unterscheiden zwischen Präventions-, Abhilfe- und Organisationspflichten. Diese Unterscheidung unterlässt die vorliegende Untersuchung. Sie birgt keinen Mehrwert. Pflichten sind immer präventiv. Werden sie nicht erfüllt und erleidet infolgedessen ein Rechtssubjekt einen Schaden, kann es Abhilfe als Rechtsfolge eines Schadensersatzanspruchs verlangen. Darüber hinaus schließt es die Pflicht zum Rechtsgüterschutz ein, Betriebsabläufe entsprechend zu organisieren. Sie ist damit auch Organisationspflicht. Bezeichnend ist insoweit auch, dass die Dreiteilung in Präventions-, Abhilfe- und Organisationspflichten von der UN-OEIGWG on Business and Human Rights in ihren Resolutionsentwürfen gar nicht aufgegriffen wurde.415 Die Gesellschaft schuldet darüber hinaus keinen Erfolg. Abs. 1 S. 1 spricht daher von einer Pflicht, „darauf hinzuwirken“, Verletzungen zu verhindern. Die Gesellschaft kann ihrer Pflicht somit nachgekommen sein, obwohl Rechtsgutsverletzungen eingetreten sind. 1. Rechtsgüter Fraglich ist, wie der Begriff „Rechtsgüter“ aus Abs. 1 konkretisiert werden soll. Kollisionsrechtlich wird hier die „kleine Lösung“ vertreten.416 Das heißt, die Eingriffsnorm verhilft nur der Sorgfaltspflicht selbst zur Anwendung (und nicht etwa einem gesamten, potenziell auch geregelten Haftungstatbestand). Damit richten sich die erfassten Rechtsgüter nach dem jeweils anwendbaren Deliktsrecht. Unabhängig von der Frage, ob man die deutsche oder ausländische Rechtsordnung zu Grunde legt, wären dann aber nicht die Menschenrechte generell geschützt, sondern nur die in der jeweils anwendbaren, ausländischen Rechtsordnung enthaltenen, deliktischen Schutzgüter. Das ist beachtlich, immerhin läuft der ganze rechtswissenschaftliche Diskurs unter dem Stichwort „Wirtschaft und Menschenrechte“. Es wird daher gefordert, Menschenrechte generell als deliktische Schutzgüter anzuerkennen und als Rechtsgüter mitaufzunehmen.417

413

Prävention: UNGP Nr. 19. Abhilfe: UNGP Nr. 22. Klinger/Krajewski/Krebs/Hartmann, Verankerung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen im deutschen Recht, 2016, S. 39 f.; BMZ, Inoffizieller Entwurf für ein WertschöpfungskettenG. 415 Bueno/Bright, 69 International and Comparative Law Quarterly (2020), 797. 416 Siehe oben Kapitel 3, § 10 C.II. (S. 182 ff.). 417 Initiative Lieferkettengesetz, Rechtsgutachten zur Ausgestaltung eines Lieferkettengesetzes, 2020, S. 53 f.; Klinger/Krajewski/Krebs/Hartmann, Verankerung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen im deutschen Recht, 2016, S. 39, § 5 ff.; Rünz, ZVertriebsR 2020, 293. Die Entwürfe vom BMZ und BMAS haben diesen Ansatz übernommen: BMZ, Inoffizieller Entwurf eines WertschöpfungskettenG; BMAS/BMZ, Eckpunktepapier. Auch das französische Sorgfaltspflichtengesetz bezieht sich auf die Menschenrechte generell. 414

264

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

a) Geschützte Rechtsgüter Um zu beurteilen, welche Rechtsgüter das geltende Recht in den Fällen hier schützt, müsste aus kollisionsrechtlichen Gründen eigentlich eine rechtsvergleichende Analyse aller in Betracht kommenden, ausländischen Rechtsordnungen unternommen werden. Denn nur anhand der zur Anwendung berufenen Rechtsordnungen lässt sich beurteilen, welche Rechtsgüter diese tatsächlich erfasst. Eine detaillierte rechtsvergleichende Analyse kann an dieser Stelle indes nicht geleistet werden, das muss anderen Untersuchungen vorbehalten bleiben. Die meisten Rechtsordnungen der Welt dürften jedoch die wichtigsten Rechtsgüter erfassen. Auch wenn sich die Ausgestaltung deliktischer Haftung fundamental unterscheidet,418 gilt das jedenfalls im Grundsatz für das Leben,419 den Körper und die Gesundheit420 und die Freiheit421.422 In Deutschland erfasst § 823 I BGB darüber hinaus das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Dieses umfasst auch Fälle von Diskriminierung423, Zwangs-424 und Kinderarbeit425. b) Was fehlt? Die Diskrepanz zwischen Menschenrechten und deliktischen Schutzgütern ist beachtlich. Da hier, wie bereits erwähnt, keine rechtsvergleichende Analyse der in ausländischen Rechtsordnungen geschützten Güter durchgeführt werden kann, wird im Folgenden auf die Diskrepanzen zwischen deutschem Deliktsrecht und den Menschenrechten abgestellt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass – wie hierzulande auch – in den meisten Rechtsordnungen Menschenrechte als Verpflichtungen des Staats gegenüber den Bürgern angesehen werden. Auch im Ausland dürfte die 418 Bei genauerem Hinsehen sind die Unterschiede jedoch weitaus kleiner, siehe Wagner, in: The Oxford Handbook of Comparative Law, 2007, S. 1015: „However, a deeper survey of the systems reveals that, in fact, the differences between the general clause and the protected interest approach are much smaller than at first appears, for the difference between the systems ,façades‘ and their ,interiors‘ is considerable.“ 419 Brüggemeier, Haftungsrecht: Struktur, Prinzipien, Schutzbereich, 2006, S. 202 – 204. 420 Ebd., S. 223 f. 421 Ebd., S. 262 f. 422 Siehe bereits oben für Nigeria, Pakistan und Indien: Kapitel 3, § 8 B.III.2.b)aa) (S. 154 ff.). Wie hier: Pietropaoli, Business, Human Rights and Transitional Justice, 2020, S. 89. 423 Nomos Kommentar AGG/Deinert, § 15 Rn. 143. Ausführlich dazu von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 284 – 288. 424 Hennies, Entschädigung für NS-Zwangsarbeit vor und unter der Geltung des Stiftungsgesetzes vom 2. 8. 2000, 2006, S. 107 – 110; Heinen, in: Die Durchsetzung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen, 2018, S. 96; Schröder, JURA 1994, 128 f.; Frauendorf, ZRP 1999, 4. Siehe auch von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 293 f. 425 von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 297. Zurückhaltend zustimmend: Habersack/Ehrl, AcP 219 (2019), 195.

§ 14 Haftungsbezogene Aspekte eines WertschöpfungskettenG

265

Verletzung von rein menschenrechtlich geschützten Rechtsgütern durch privatwirtschaftliche Akteure daher nur im Ausnahmefall zivilrechtliche Haftungsansprüche nach sich ziehen. Neben zahlreichen anderen menschenrechtlich geschützten Rechtsgütern deckt das deutsche Deliktsrecht insbesondere nicht ab: das Recht zu Kollektivverhandlungen (Art. 20 AEMR), die Meinungsfreiheit (Art. 19 AEMR), das Recht auf soziale Sicherheit (Art. 22, 25 I AEMR und Art. 9 des UNSozialpakts) und das Recht zur Teilnahme am kulturellen Leben (Art. 27 I AEMR).426 Darüber hinaus fehlt ein Recht auf existenzsichernde Löhne (Art. 23 III AEMR und Art. 7 a) i) UN-Sozialpakt). Insbesondere können Menschenrechte mangels Zuweisungsgehalts und Ausschlussfunktion nicht pauschal als sonstige Rechte i. S. v. § 823 I BGB berücksichtigt werden.427 Eine solche deutsch-dogmatische Argumentation käme ohnehin nur dann in Betracht, wäre deutsches Deliktsrecht vollumfänglich anwendbar. Das ist gerade nicht der Fall (und wird hier auch rechtspolitisch nicht vertreten). Darüber hinaus wurde versucht, die Umwelt als Rechtsgut im Rahmen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts428 oder generell als sonstiges Recht im Rahmen von § 823 I BGB429 anzuerkennen. Dies lehnt die ganz herrschende Meinung ab mit Verweis auf die Grundstruktur von § 823 I BGB als lediglich Individualinteressen schützend.430 Der Umwelt fehle als Kollektivgut Zuweisungsgehalt und Ausschlussfunktion.431 Eine neuere Studie schlägt vor, mittels eines WertschöpfungskettenG umweltverschmutzten Kommunen die Möglichkeit zu geben, diese Umweltverschmutzungen als Rechtsgutsverletzung geltend zu machen.432 Dem kann an dieser Stelle allerdings nicht weiter nachgegangen werden.

426 Siehe die Analyse von von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 301 f. 427 Ebd., S. 299; Pförtner, in: Die Durchsetzung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen, 2018, S. 318 f.; Wagner, RabelsZ 80 (2016), 754; Habersack/Ehrl, AcP 219 (2019), 195. A. A. Lorenzen, AuR 2020, Text nach Fn. 59; Schall, ZGR 2018, 481. Dafür wohl auch Weller/Thomale, ZGR 2017, 521: „Zweitens [werden] Grund- und Menschenrechte wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht mittlerweile ganz selbstverständlich als sonstige Rechte im Sinne der Norm angesehen.“ 428 Forkel, Immissionsschutz und Persönlichkeitsrecht, 1968, S. 24 und generell: Möllers, Rechtsgüterschutz im Umwelt- und Haftungsrecht, 1996. 429 Godt, Haftung für ökologische Schäden, 1997, S. 149 – 153, insbesondere 151; FischerLescano, ZUR 2018, 205 – 216. 430 MüKo-BGB/Wagner, § 823 BGB Rn. 354 f. mit weiteren Argumenten und Nachweisen; Hennings, Über das Verhältnis von multinationalen Unternehmen zu den Menschenrechten, 2009, S. 126. 431 Ebd. Auch hier gilt jedoch wieder, dass diese deutsch-dogmatische Argumentation nur bei vollumfänglicher Anwendbarkeit deutschen Deliktsrecht in Betracht käme. 432 Verheyen, Ein deutsches Lieferkettengesetz: Echte Chance für den Umweltschutz, 2020, S. 16.

266

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

c) Schwierigkeiten der zivilrechtlichen Konkretisierung von Menschenrechten Diese Diskrepanz sollte jedoch nicht überbewertet werden. Auch ein „nur“ die klassischen Rechtsgüter Leben, Körper, Freiheit und Eigentum berücksichtigendes WertschöpfungskettenG wäre ein enormer Fortschritt für Geschädigte. Es würde das Sachproblem bereits zu weiten Teilen zufriedenstellend lösen.433 Fast alle der in Kapitel 1, § 2 angeführten Fälle betreffen nämlich Verletzungen „klassischer“ Rechtsgüter wie Leben, Körper und Freiheit. Dennoch würden Geschädigten weiterereichende Ansprüche zustehen, wären Menschenrechte generell als deliktische Schutzgüter anerkannt. Deshalb wird gefordert, ein WertschöpfungskettenG so auszugestalten, dass der gesamte Katalog an Menschenrechten als Rechtsgut erfasst wird.434 So verwendet der BMZ-Entwurf ausschließlich den Begriff Menschenrechte435 – statt wie hier Rechtsgüter. Es gibt jedoch zu viele ungeklärte Fragen, um die hier vorgeschlagenen Sorgfaltspflichten pauschal auf „Menschenrechte“ und Umwelt zu erstrecken. Diese Bedenken sollen kurz anhand der Umwelt, der Rechte auf soziale Sicherheit und auf einen existenzsichernden Lohn verdeutlicht werden: aa) Umwelt Würde ein WertschöpfungskettenG das Schutzgut Umwelt erfassen, könnten die Ogoni im Shell-Fall436 nicht nur für die durch Konsum von mit Öl verseuchtem Trinkwasser erlittenen Gesundheitsschädigungen Ersatz verlangen, sondern auch für die Verwüstung ihres Landes und ihrer Lebensgrundlagen. Infolgedessen konnten sie z. B. keinen Fischfang mehr betreiben. Letzterer Schaden wiegt viel schwerer und wird wohl kaum kompensiert durch eine einmalige Ersatzzahlung für Gesundheitsschädigungen wegen z. B. Trinkens ölhaltigen Wassers. Erkennt man allerdings das Rechtsgut Umwelt pauschal an, wirft das verschiedene Fragen auf. Wem gebührt der Schadensersatz? Jedem mit Bezügen zum Ogoni-Volk, also z. B. auch Ausgewanderten, die nur einmal im Jahr oder weniger ins Niger-Delta zurückkehren? Da ein kollektives Gut verletzt wird, lässt sich die Rechtsgutsverletzung einzelnen Personen nicht zweifelsfrei zuordnen. Wem steht also ein Schadensersatzanspruch zu? Wer ist berechtigt als Vertreter für die Umwelt vor Gericht zu ziehen?437 Aus diesen Fragen soll sich zwar nicht ergeben, dass Umweltbelange per se keinen Eingang in ein Wertschöpfungsgesetz finden können. Werden diese Fragen im 433

Ebenfalls in diese Richtung Wagner, ZIP 2021, 1096, der hinsichtlich des deliktsrechtlichen Schutzbereichs allerdings gar kein Problem erkennen kann. Aldag, JURA 2020, 1215 sieht überhaupt keine Diskrepanz der Schutzgüter bei Delikts- und Menschenrechten. 434 Auch hinsichtlich der Umwelt: Initiative Lieferkettengesetz, Rechtsgutachten zur Ausgestaltung eines Lieferkettengesetzes, 2020, S. 53 f. Ebenso: BMZ, Inoffizieller Entwurf für ein WertschöpfungskettenG und BMAS/BMZ, Eckpunktepapier. 435 Ebd. 436 Kapitel 1, § 2 A.II. (S. 33). 437 Siehe dazu die Ansätze von Fischer-Lescano, ZUR 2018, 209 – 213 und Verheyen, Ein deutsches Lieferkettengesetz: Echte Chance für den Umweltschutz, 2020, S. 16.

§ 14 Haftungsbezogene Aspekte eines WertschöpfungskettenG

267

Gesetz jedoch nicht erörtert, weist es die Kompetenz dafür den Gerichten zu. Darüber sollte man sich im Klaren sein. An dieser Stelle kann darauf nicht weiter eingegangen werden. bb) Soziale Sicherheit Art. 22, 25 I AEMR und Art. 9 des UN-Sozialpakts gewähren ein Recht auf soziale Sicherheit. Dieses beinhaltet die Versicherung gegen Arbeitslosigkeit, Zugang zu Gesundheitsleistungen, Hilfe bei Lohnausfall wegen Krankheit, Altersvorsorge, eine Berufsunfallversicherung, Unterstützung für Familien und Kinder, Mutterschutz, Hilfe für Behinderte, sowie für Waisen und überlebende Angehörige eines verstorbenen Hauptverdieners.438 Es ist unklar, wie eine Haftungsregelung diese Rechte einfangen soll. Trifft die deutsche Gesellschaft die Pflicht, den Zulieferern Druck zu machen, die genannten Versicherungen einzuführen, falls sie in dem jeweiligen Staat nicht vorgeschrieben sind oder faktisch ignoriert werden? Und wenn ja, gilt das nur für die Arbeitnehmer der unmittelbaren Vertragspartner und Gesellschaften oder auch für die nachgelagerten Ebenen der Lieferkette/der Konzernstruktur? Muss die deutsche Gesellschaft vielleicht sogar selbst unmittelbare Zahlungen an Zulieferer tiefer in der Wertschöpfungskette leisten, um eine angemessene Altersvorsorge zu garantieren? Wenn ja, in welcher Höhe? cc) Existenzsichernde Löhne Ähnlich Probleme stellen sich beim Recht auf existenzsichernde Löhne. Muss die deutsche Gesellschaft hier entlang der gesamten Wertschöpfungskette existenzsichernde Löhne sicherstellen? Wenn ja, wie hoch sind existenzsichernde Löhne? Auch hier kämen wieder unmittelbare Zahlungen in Betracht. Es handelt sich dabei auch nicht um einen ungewissen, in ferner Zukunft liegenden Anspruch. Angenommen die deutsche Gesellschaft trifft eine Pflicht, innerhalb ihrer Lieferkette auf existenzsichernde Löhne hinzuwirken, und wenn Zulieferer dies nicht umsetzen, entsprechende Zahlungen zu leisten. Unterlässt sie das, war diese Pflichtverletzung kausal für die Rechtsgutsverletzung (kein existenzsichernder Lohn). Dadurch wäre den Arbeitnehmern dann ein aus der Differenz zwischen existenzsicherndem und erhaltenem Lohn bestehender Schaden entstanden, wegen dem sie gegen die deutsche Gesellschaft Schadensersatzforderungen geltend machen könnten. Das erinnert an staatliche Umverteilungsmaßnahmen. Ob globale Umverteilung aber über das Haftungsrecht geschehen sollte, bedarf zunächst einer eingehenden Untersuchung. Private würden so nämlich mit staatlichen Aufgaben betraut. Mit Verantwortung

438 von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 288 mit Verweis auf General Comment No. 19 des Committee of Economic, Social and Cultural Rights Rn. 13 ff.

268

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

einher gehen jedoch nicht nur Pflichten, sondern auch Machtbefugnisse.439 Ob Unternehmen aufgrund ihrer Machtstellung staatliche Aufgaben übertragen werden sollen, ist daher sowohl im öffentlichen Recht als auch in den Sozialwissenschaften ein großes Forschungsfeld.440 Gegen letztere Bedenken spricht allerdings, dass die Entscheidungshoheit beim dies anordnenden (in diesem Fall deutschen) Gesetzgeber bzw. Staat verbleibt. Dieser kann die angeordneten Maßnahmen auch wieder rückgängig machen, sollten sie nicht die gewünschten Effekte haben. Zudem ist die Regulierung über deutsche Unternehmen die derzeit einzige Möglichkeit am status quo etwas zu ändern. Die Regierungen der Gaststaaten zu beeinflussen, dürfte aufgrund der strukturellen Gründe, warum diese nicht tätig werden, nicht von Erfolg gekrönt sein. Die Regulierung über deutsche Unternehmen ist da weitaus vielversprechender.441 dd) Fazit Hier soll nicht mit Verweis auf die Unbestimmtheit der Menschenrechte das ganze Vorhaben boykottiert werden. Allerdings birgt diese Unbestimmtheit reale Probleme, mit denen sich die Gerichte befassen werden müssen, werden nicht nur deliktisch geschützte Rechtsgüter, sondern generell „Menschenrechte“ als Schutzgüter erfasst. Gegen die Unbestimmtheit der Menschenrechte wird zwar argumentiert, die Rechtsprechung habe auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht konkretisieren und auf einzelne Fallgruppen runterbrechen können. So könnten auch ohne Weiteres andere Grund-/Menschenrechte in das Deliktsrecht integriert werden.442 Dies betraf jedoch nur ein ganz bestimmtes Grund-/Menschenrecht, woraus die Rechtsprechung eine kleine Anzahl Fallgruppen destillierte. Allein die AEMR und der UN-Sozialund Zivilpakt schützen und betreffen jedoch zahlreiche Rechtsgüter und Konstellationen. Hier müssten weitere Untersuchungen sich einzelne Menschenrechte vornehmen und auf ihren deliktsrechtlichen Kern hin untersuchen. Rechtspolitisch sollte der deutsche Gesetzgeber jedenfalls hinsichtlich deliktischer Haftung zunächst nur rechtsträgerübergreifende Sorgfaltspflichten einführen ohne einen umfassenden,

439 Klement, Verantwortung: Funktion und Legitimation eines Begriffs im Öffentlichen Recht, 2006, S. 263 ff. Spießhofer, Unternehmerische Verantwortung, 2017, S. 533 – 536 stellt das an konkreten Beispielen dar. Alvarez ist aus diesem Grund skeptisch, Unternehmen als Völkerrechtssubjekte anzuerkennen, 9 Santa Clara Journal of International Law (2011), 1 – 36. 440 Spießhofer, Unternehmerische Verantwortung, 2017, S. 533 – 536 m. w. N.; Mende, Global Governance und Menschenrechte, 2020, S. 181 ff., 227 f. und 237 ff. 441 So sagten indische Textilzulieferer zu den von westlichen Abnehmerunternehmen ergriffenen Maßnahmen zum Arbeitsschutz, diese hätten in wenigen Jahren mehr erreicht als die indischen Arbeitsschutzbehörden in 30 Jahren. Siehe Jørgensen/Pruzan-Jørgensen/Jungk/ Cramer, Strengthening Implementation of Corporate Social Responsibility in Global Supply Chains, 2003, S. 24. 442 Initiative Lieferkettengesetz, Rechtsgutachten zur Ausgestaltung eines Lieferkettengesetzes, 2020, S. 53 f.

§ 14 Haftungsbezogene Aspekte eines WertschöpfungskettenG

269

menschenrechtlichen Rechtsgüterkatalog.443 Wenn die Diskussion und rechtswissenschaftliche Untersuchungen weiter fortgeschritten sind, könnte der europäische Gesetzgeber in seine, die deutsche verdrängende Regelung, die „deliktsrechtliche Essenz“ der Menschenrechte integrieren. Um einiges einfacher ist es hingegen, menschenrechtlich geschützte Rechtsgüter innerhalb eines verwaltungsrechtlichen Sanktionssystems zu normieren. So ging der deutsche Gesetzgeber nun im 2021 verabschiedeten SorgfaltspflichtenG vor (§ 2 II). Dagegen lässt sich grundsätzlich nichts einwenden, da sich hier die soeben erörterten Probleme nicht stellen. d) Exkurs: Lösungsvorschlag für existenzsichernde Löhne Dass eine zivilrechtliche Konkretisierung der in den Menschenrechten enthaltenen Schutzgütern jedoch grundsätzlich möglich ist, soll dennoch am Beispiel existenzsichernder Löhne veranschaulicht werden.444 Hier stehen zwei dogmatische Optionen zur Verfügung: aa) Lösung 1 Eine sich im deliktischen Rahmen und innerhalb des hier vorgeschlagenen Systems bewegende Lösung wäre, existenzsichernde Löhne als deliktisches Rechtsgut zu normieren. Auf dieses Rechtsgut bezöge sich die extensive, deliktische Sorgfaltspflicht. Es müsste sich um ein „flexibles“ Rechtsgut handeln. Das heißt, je nach Gaststaat würde der existenzsichernde Lohn anders bestimmt werden. Dass man hier eine Zahl findet, ggf. nach Branche und Land (oder gar geographischer Region) geordnet, ist durchaus realistisch. Der Gesetzgeber müsste dabei potenzielle, bereits bestehende, lokale Mindestlohnvorgaben berücksichtigen. Um einen diplomatischen Eklat mit dem jeweiligen Gaststaat zu vermeiden, sollte er sich über diese lokalen Vorgaben nicht hinwegsetzen, auch wenn sie ihm möglicherweise zu niedrig erscheinen.445 bb) Lösung 2 Eine zweite vorgeschlagene, von der Autorin allerdings sofort wieder verworfene446 Möglichkeit wäre, einen solchen existenzsichernden Lohn in Anlehnung an 443

Ähnlich auch die Empfehlung von von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 355 – 357. Ebenfalls kritisch: Habersack/Ehrl, AcP 219 (2019), 196; Wagner, RabelsZ 80 (2016), 755 f.; Weller/Hübner/Kaller, in: PIL Aspects of CSR, 2020, S. 416. Dies nicht als Problem thematisierend: EU Commission, Study on due diligence requirements through the supply chain, 2020, S. 277 f. 444 Siehe auch § 2 II Nr. 8 SorgfaltspflichtenG. 445 Siehe dazu z. B. Anker, A New Methodology for Estimating Internationally Comparable Poverty Lines and Living Wage Rates, 2005. 446 Rudkowski, RdA 2020, 239 f.

270

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

die §§ 14 AEntG, 13 MiLoG zu konzipieren. Nach diesen Vorschriften haftet ein Generalunternehmer verschuldensunabhängig für die Lohnschulden seiner Subunternehmer gegenüber deren Arbeitnehmern wie ein auf die Einrede der Vorausklage verzichtender Bürge. Das gilt für die gesamte Nachunternehmerkette.447 So lässt sich sicherstellen, dass der Generalunternehmer nur mit die Mindestlohnregelungen achtenden Auftragnehmern zusammenarbeitet.448 Ersterer profitiert von den ökonomischen Vorteilen der Beauftragung anderer. Er hat aufgrund seiner Machtposition zudem maßgeblichen Einfluss auf diese. Wenn sich der Generalunternehmer diese Vorteile zu eigen macht, müsse er auch für die entsprechenden Risiken einstehen.449 Allerdings seien Grund für einen solchen „schwerwiegenden Grundrechtseingriff“ (Art. 12 I GG), nicht nur die wirtschaftlichen Vorteile, die der Generalunternehmer in Folge der Nachbeauftragung erlangt. Diese allein könnten den Grundrechtseingriff nicht rechtfertigen. Vielmehr setze der Generalunternehmer ein zusätzliches Risiko für die Lohnforderungen der Arbeitnehmer der Subunternehmer, indem er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten gegenüber Dritten diesen Subunternehmern bedient.450 Nur wenn der Generalunternehmer also Verpflichtungen einem Dritten gegenüber an Subunternehmer auslagere, setze er ein vergleichbares Risiko und hafte entsprechend, nicht hingegen, wenn er bloßen Eigenbedarf deckt.451 Legt man dies zu Grunde, fallen die hier behandelten Fallkonstellationen nicht in den Anwendungsbereich der §§ 14 AEntG, 13 MiLoG. Die Mutterbzw. Abnehmerunternehmen werden regelmäßig in eigener Sache und nicht aufgrund Verpflichtungen Dritter gegenüber tätig. Es fehle daher an einem der §§ 14 AEntG, 13 MiLoG vergleichbaren Risikolage, weshalb eine Übertragung – auch rechtspolitisch – auf Fälle globaler Wertschöpfungsketten nicht wünschenswert sei.452 Diese Auffassung übersieht jedoch ein Risiko für die arbeitnehmerischen Lohnforderungen, das z. B. der Textilfertigung nach Übersee auslagernde, deutsche Abnehmer setzt. Idealtypisch vergibt er diese Aufträge nämlich an sehr kleine, gering kapitalisierte Zulieferer. Diese sind regemäßig in einem Staat ansässig, der nicht die gleichen rechtsstaatlichen, gerichtlichen Durchsetzungsmechanismen wie z. B. Deutschland vorweisen kann.453 Allein diese Sachlage stellt eine der nationalen Situation der §§ 14 AEntG, 13 MiLoG entsprechende – wenn nicht gar verschärfte – Risikolage dar. Der Vorschlag stellt daher durchaus einen gangbaren Weg dar. Auch 447

BAG, Urt. v. 17. 08. 2011, 5 AZR 490/10, NZA 2012, 565 Rn. 17. BAG, Urt. v. 08. 12. 2010, 5 AZR 95/10, NZA 2011, 514 Rn. 15; Oltmanns/Fuhlrott, NZA 2015, 393; Rudkowski, RdA 2020, 239 f.; Bayreuther, NZA 2015, 962. 449 Rudkowski, RdA 2020, 240; Bayreuther, NZA 2015, 962. 450 BAG, Urt. v. 16. 05. 2012, 10 AZR 190/11, NZA 2012, 981 f. Rn. 18; BAG, Urt. v. 28. 03. 2007, 10 AZR 76/06, NZA 2007, 613 Rn. 9 f. 451 BAG, Urt. v. 16. 05. 2012, 10 AZR 190/11, NZA 2012, 981 f. Rn. 18; Rudkowski, RdA 2020, 240; Bayreuther, NZA 2015, 962. 452 Rudkowski, RdA 2020, 240. 453 Siehe Kapitel 2, § 4 A. (S. 70 ff.). 448

§ 14 Haftungsbezogene Aspekte eines WertschöpfungskettenG

271

hier müsste man einen nach Staaten und ggf. auch Branchen „existenzsichernden“ oder „menschenwürdigen“ Lohn festsetzen. cc) Stellungnahme Lösung 1 hat den Vorteil, dass sie sich der gleichen dogmatischen Konstruktion bedient wie die anderen, bereits de lege lata geltenden Rechtsgüter. Für Lösung 2 müsste der Gesetzgeber eine zusätzliche Anspruchsgrundlage nach dem Vorbild der §§ 14 AEntG, 13 MiLoG schaffen. Ein Wertschöpfungskettengesetz würde dogmatisch zweigleisig fahren: auf der einen Seite der deliktische Rechtsgüterschutz von Leib, Leben und Freiheit qua extensiver Sorgfaltspflicht, auf der anderen Seite die Sicherstellung existenzsichernder Löhne mittels einer zusätzlichen, arbeitsrechtlichen Anspruchsgrundlage mit eigenen Voraussetzungen. Wie bereits oben angesprochen, mutet es etwas seltsam an, das deliktische Haftungsrecht zu nutzen, um existenzsichernde Löhne sicherzustellen. Jedoch war das Deliktsrecht politisch nie völlig neutral. Schon das Reichsgericht nutzte es, um soziale Ergebnisse zu erzielen.454 Für das Zivilrecht generell wurde dieser Befund noch häufiger geäußert.455 Im Ergebnis verdient Lösung 1 den Vorzug. Eine einheitliche dogmatische Konstruktion erleichtert die Anwendbarkeit des WertschöpfungskettenG. 2. Systemische Rechtsgutsverletzungen Für welche Art von Rechtsgutsverletzungen gilt die Pflicht aus Abs. 1? Haftet das deutsche Abnehmerunternehmen für jeden Schaden, der z. B. einem Arbeitnehmer des Zulieferers widerfährt? Haftet die deutsche Konzernmutter für einen Verkehrsunfall, den ein Mitarbeiter des ausländischen Tochterunternehmens auf einer Dienstfahrt verursacht?456 In der Tat würde das zu weit führen. Ziel eines WertschöpfungskettenG kann nicht sein, deutsche Gesellschaften für sämtliche Schäden haftbar zu machen, die Personen in irgendwie geartetem Zusammenhang zu ihrer Geschäftstätigkeit erleiden. Doch wie lassen sich Rechtsgutsverletzungen kohärent zum Normzweck eingrenzen?

454

Dem kann hier nicht weiter nachgegangen werden. Siehe dazu die Analyse von Bohrer, Der morsche Baum, 2010, S. 203 – 230 zu RG, Urt. v. 30. 10. 1902, VI 208/02, RGZ 52, 373 und von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 92 f. 455 Laut Halfmeier, in: Zivil- und strafrechtliche Unternehmensverantwortung für Menschenrechtsverletzungen, 2018, S. 36 f. tritt die Regulierungsaufgabe des Privatrechts insbesondere in transnationalen (Zivil-)Rechtsverhältnissen zu Tage. Dem lässt sich angesichts der hier diskutierten Governance-Probleme im Rechtsverkehr mit Entwicklungsländern nur zustimmen (siehe dazu oben Kapitel 4, § 12 B., S. 213 ff.). Siehe auch Weller/Thomale, ZGR 2017, 516 f. und Bohrer, Der morsche Baum, 2010, S. 203 – 214. 456 In etwa so die Kritik von Wagner, RabelsZ 80 (2016), 765 f.

272

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

a) Erforderlichkeit eines einschränkenden Kriteriums Die vorgeschlagene rechtsträgerübergreifende Sorgfaltspflicht sollte mittels des Kriteriums der „systemischen Rechtsgutsverletzung“ eingeschränkt werden. Denn in einem Betrieb ereignen sich regelmäßig Rechtsgutsverletzungen, sie lassen sich nie vollständig vermeiden. So kann es z. B. vorkommen, dass ein Näher abrutscht und sich mit der Nähmaschine in den Finger sticht oder, dass eine Plantagenarbeiterin sich beim unsachgemäßen Gebrauch von Pestiziden verletzt. Auch in Textilzulieferern beschäftigte Kuriere können früher oder später einen Verkehrsunfall erleiden oder verursachen. Diese Risiken haben nichts mit transnationalisierter Geschäftstätigkeit zu tun, sondern würden genauso passieren in einer deutschen Textilfabrik, einer deutschen Obstplantage oder auf deutschen Straßen. Da der hier vorgebrachte Vorschlag nicht darauf abhebt, wer die Rechtsgutsverletzung unmittelbar verursacht, wäre die deutsche Gesellschaft verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, um auch den beschriebenen Verkehrsunfall zu verhindern. Mit einem WertschöpfungskettenG soll aber nicht das (unmögliche) Ziel erreicht werden, jegliche in Beziehung mit unternehmerischer Geschäftstätigkeit Stehende vor Rechtsgutsverletzungen zu bewahren. Vielmehr soll es verhindern, dass deutsche Unternehmen im Rahmen ihrer ausländischen Geschäftstätigkeit aus Angst um Haftung die Augen vor systemischen Rechtsgutsverletzungen in ihrer Lieferkette verschließen. Wie bereits erwähnt bedarf es für diese Einschränkung also das Kriterium einer sogenannten systemischen Rechtsgutsverletzung. Dieses Kriterium verengt den Anwendungsbereich des WertschöpfungskettenG und schont so das Erfolgsortprinzip sowie den europäischen Entscheidungseinklang. Nicht erforderlich ist indes, die Pflicht auf „branchen- oder landesspezifische“ Rechtsgutsverletzungen zu begrenzen.457 Diese Fälle sind in der Begrenzung auf „systemische Rechtsgutsverletzung“ bereits enthalten, da eine branchen- oder landesspezifische Rechtsgutsverletzung immer auch eine systemische Ursache haben wird. b) Herkunft und Inhalt des Kriteriums Den Begriff systemisch verwendet der EuGH im Asylrecht. Hier hindern systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen die Überstellung in den Zielstaat.458 Ein solcher systemischer Mangel liegt vor, wenn eine Struktur oder das Fehlen einer Struktur („strukturelle Lücke“) dazu führt, dass Fälle in einen

457

So Klinger/Krajewski/Krebs/Hartmann, Verankerung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen im deutschen Recht, 2016, S. 27, allerdings bezogen auf die Einschränkung der Pflicht zur Risikoanalyse. 458 Erstmals EuGH, Urt. v. 21. 12. 2011, C-411/10 und C-493/10, NVwZ 2012, 417 – N. S., M. E. Der Begriff wurde auch vom BVerwG übernommen, siehe BVerwG, Beschl. v. 19. 03. 2014, 10 B 6/14, NVwZ 2014, 1039.

§ 14 Haftungsbezogene Aspekte eines WertschöpfungskettenG

273

Mangel (hier also eine Rechtsgutsverletzung) münden.459 Die Verkettung unglücklicher oder unvermeidlicher Umstände ist in Abgrenzung dazu nicht systemisch. Fehler, die auf der Verkettung unglücklicher oder unvermeidlicher Umstände beruhen, lassen sich nur im Nachhinein (also ex post) erklären. Systemische Rechtsgutsverletzungen hingegen lassen sich bereits vor deren Eintritt (ex ante), als „Anwendungsfall regelhafter Abläufe“460 erklären. Die einer Rechtsgutsverletzung zu Grunde liegende, systemische Ursache produziert so lange weitere Rechtsgutsverletzungen bis sie behoben wird. c) Abgrenzung systemische/nicht-systemische Rechtsgutsverletzungen Über diese Definition lassen sich z. B. gewöhnliche Verkehrsunfälle vom Anwendungsbereich des WertschöpfungskettenG isolieren. Erleidet der Mitarbeiter eines Textilzulieferers (selbstverschuldet oder durch Verschulden eines anderen Verkehrsteilnehmers) einen Verkehrsunfall, liegt keine systemische Rechtsgutsverletzung vor. Im Falle des Verkehrsunfalls bilden Straßenverkehrsvorschriften die Struktur. Nicht diese Struktur führt zum Verkehrsunfall: Ein Staat kann die strikteste Straßenverkehrsordnung und Verkehrsüberwachung haben. Solange er den Gebrauch von Kraftfahrzeugen gestattet, wird es auch Verkehrsunfälle und die damit einhergehenden Rechtsgutsverletzungen geben. Der Verkehrsunfall ist einfach ein unglückliches, unvorhersehbares Ereignis. Der konkrete Verkehrsunfall lässt sich nur ex post erklären. Anders verhält es sich hingegen, wartet der Zulieferer die Firmenfahrzeuge nicht und funktionieren z. B. deren Bremsen infolgedessen nur unzuverlässig. Solange diese Struktur nicht behoben wird, werden immer wieder Mitarbeiter des Zulieferers z. B. in den Graben fahren und sich verletzen. Das lässt sich ex ante vorhersagen. Es handelt sich um eine systemische Rechtsgutsverletzung. Betreibt ein pakistanischer Zulieferer eine Textilfabrik, wird sich irgendwann eine Näherin aus Unachtsamkeit in den Finger nähen. Vielleicht war sie an dem Tag müde oder in Gedanken versunken. Es handelt sich um eine unglückliche Verkettung von Lebensumständen. Schwankt hingegen z. B. die Stromversorgung im Zuliefererbetrieb, sodass die Nähmaschinen in der Produktionshalle mal schneller, mal weniger schnell nähen und sich Näher so immer wieder in den Finger stechen, sind die Rechtsgutsverletzungen systemisch. Es handelt sich nicht um eine unglückliche Verkettung von Umständen, sondern es lässt sich ex ante vorhersagen, dass die schwankende Stromspannung immer wieder Rechtsgutsverletzungen produzieren wird. Sie ist daher systemisch.

459 460

So Lübbe, ZAR 2014, 107. Zur Systematisierung ebd.

274

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

d) Abgrenzung zu „typischen Gefahren“ gemäß § 2 III WertschöpfungskettenG Man könnte meinen die räumliche Begrenzung des Anwendungsbereichs in § 2 III WertschöpfungskettenG461 und das Kriterium der systemischen Rechtsgutsverletzungen seien das Gleiche. Dem ist nicht so. Zunächst garantiert eine systemische Rechtsgutsverletzung nicht, dass es sich um einen grenzüberschreitenden Sachverhalt handelt. Darüber hinaus garantiert sie nicht den Ausschluss mancher Staaten wie z. B. Frankreich oder die USA, da auch hier systemische Rechtsgutsverletzungen gelegentlich passieren können. Diese aus dem Anwendungsbereich auszuschließen ist aber wünschenswert, da sich hier nicht die oben beschriebenen governance-Probleme stellen. Schließlich ist eine einmalig auftretende Rechtsgutsverletzung für die typische Gefahr aus § 2 III WertschöpfungskettenG nicht ausreichend. Dessen Schwelle liegt somit höher. Dennoch ist das Kriterium der systemischen Rechtsgutsverletzung nicht obsolet. Der Fokus bei § 2 III WertschöpfungskettenG liegt nämlich auf dem Staat. Hier geht es um den konkreten Vorfall aufgrund dessen der Geschädigte Klage erhebt. Die beiden Kriterien müssen daher stets separat geprüft werden. 3. Dogmatische Einordnung der Schadensvorhersehbarkeit (Abs. 1 S. 2) Die in Abs. 1 S. 2 aufgeführten und vom Gesetzgeber auch im SorgfaltspflichtenG (§ 3 II) aufgegriffenen462 Kriterien463 dienen der Eingrenzung der Pflicht. Sie sollen dem erkennenden Gericht Instrumente an die Hand geben, die Pflicht der jeweiligen Gesellschaft zu definieren und näher auszuloten.464 Hinsichtlich des Kriteriums der Vorhersehbarkeit des Schadens ließe sich kritisieren, dieses sei erst auf Ebene des Verschuldens zu berücksichtigen, nicht aber auf der vorgelagerten Ebene der Pflichtverletzung.465 Dieser Einwand verdient grundsätzlich Zustimmung. In der Tat kommt es im Rahmen des Fahrlässigkeitsbegriffs aus § 276 II BGB auf die Vorhersehbarkeit der Pflichtverletzung für den jeweiligen Verkehrskreis des Schuldners an.466 Im Rahmen dieses Lösungsvorschlags greift der Einwand jedoch nicht durch. Die internationalprivatrechtliche Dimension der Fallkonstellationen gebietet es, zur Bestimmung der Sorgfaltspflicht auch (deutsche) Verschuldenskri461

Siehe zu dessen Konkretisierung oben Kapitel 4: § 14 B.II.3. (S. 254). Hinsichtlich der Einwirkungsmöglichkeiten (Nr. 2), Schwere und Reparabilität der Verletzung (Nr. 3) sowie dem Verursachungsbeitrag (Nr. 4). 463 Diese Kriterien aus Abs. 1 S. 2 wurden übernommen von Initiative Lieferkettengesetz, Rechtsgutachten zur Ausgestaltung eines Lieferkettengesetzes, 2020, S. 48. Ebenfalls auf Vorhersehbarkeit, Wahrscheinlichkeit, Schwere des Schadens und Einwirkungsmöglichkeiten abstellend: BMAS/BMZ, Eckpunktepapier, S. 3. Einige der Kriterien entstammen zudem den UNGPs: Schwere des Schadens (Nr. 14) und Größe/Ressourcen des Unternehmens (Nr. 17 b). 464 Zu konkreten Fallgruppen sogleich der nächste Abschnitt. 465 Graf von Westphalen, ZIP 2020, 2430. 466 Siehe z. B. Lorenz, JuS 2007, 612. 462

§ 14 Haftungsbezogene Aspekte eines WertschöpfungskettenG

275

terien heranzuziehen. Gemäß diesem Lösungsvorschlag setzt sich das anwendbare, materielle Recht nicht vollständig aus deutschem Recht zusammen. Vielmehr definiert der hier unterbreitete Vorschlag lediglich das Pflichtenprogramm des sich aus dem jeweiligen ausländischen Recht ergebenden Haftungstatbestand („kleine kollisionsrechtliche Lösung“467). Das für den deutschen Juristen unter dem Stichwort Verschulden abgehandelte Prüfprogramm unterfällt mithin ausländischem Recht. Dies heißt freilich nicht, dass das ausländische Recht eine solche Haftungsvoraussetzung auch kennt. Kennt das ausländische Recht eine solche Haftungsvoraussetzung nicht, enthielte der Haftungstatbestand kaum Eingrenzungen der Sorgfaltspflicht aus Abs. 1 S. 1. Es bedarf daher einer angemessenen Eingrenzung der unternehmerischen Pflichten auch mittels eigentlich dem deutschen Verschuldensprinzip zugeordneter Kriterien. Ohnehin lassen sich auch in der deutschen Dogmatik Kriterien zur Bestimmung einer Pflicht und des Verschuldens nicht immer sauber trennen. So spielt etwa im Rahmen der Entstehung von Verkehrspflichten die Schadensvorhersehbarkeit eine entscheidende Rolle dafür, was zur Abwehr einer Gefahrenquelle erforderliche Maßnahmen darstellen.468 Denn was zur Abwehr einer Gefahrenquelle nötig ist, lässt sich nur dann bestimmen, antizipiert man zumindest gedanklich potenzielle Schadensverläufe. 4. Fallgruppenbezogene Konkretisierung und Begründung der Pflicht Die deutsche Gesellschaft trifft die Pflicht, Maßnahmen mit dem Ziel zu ergreifen, Rechtsgutsverletzungen in ihren Zulieferer- und Konzerngesellschaften zu verhindern. Eine solche Pflicht muss zunächst gesetzlich feststehen. Nur so verfolgt ein WertschöpfungskettenG seinen Zweck: Dass deutsche Unternehmen nicht weiter selbst Rechtsgüter schädigen oder mit ausländischen Unternehmen Geschäfte tätigen, innerhalb deren Geschäftstätigkeit Rechtsgutsverletzungen regelmäßig stattfinden. Die bisherigen deliktsrechtlichen Kriterien – im deutschen Recht Gefahrschaffung und -erhöhung, Gefahrbeherrschung oder Vertrauen469 – schaffen den Anreiz, sich möglichst weit vom operativen Geschäft der Tochtergesellschaft/des Zulieferers entfernt zu halten.470 Es bedarf daher einer originären Pflicht, Maßnahmen zu ergreifen, um Rechtsgutsverletzungen in Zulieferer- und Konzerngesellschaften zu verhindern. Es handelt sich um keine Erfolgspflicht, sondern um eine

467

Kapitel 3, § 10 C.II. (S. 182 ff.). Siehe z. B. BGH, Urt. v. 02. 02. 2006, III ZR 159/05, JuS 2007, 482 und Palandt/Sprau, § 823 Rn. 48 („die zur Gefahrenabwehr erforderlichen Maßnahmen“). 469 von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 94 – 102, insb. 95. 470 Siehe bereits ausführlich dazu oben in Kapitel 4, § 11 A.IV. (S. 194) und Kapitel 4, § 12 A.I. (S. 210). 468

276

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

im Deliktsrecht übliche „Bemühenspflicht“.471 Unternehmen können ihre Pflichten durchaus erfüllt haben, obwohl Rechtsgutsverletzungen eingetreten sind. Doch was muss die deutsche Gesellschaft konkret tun? Die Unklarheit über genau diese Pflichten dürfte für das meiste Unbehagen an haftungsrechtlichen Elementen eines WertschöpfungskettenG verantwortlich sein. Auch die folgenden Ausführungen decken nicht alle denkbaren Fälle ab. Dennoch kann damit hoffentlich gezeigt werden, dass sich aus der Sorgfaltspflicht durchaus konkrete, Rechtssicherheit herbeiführende Handlungsimperative für Unternehmen ableiten lassen. a) Lieferkette aa) Drücken von Preis und Lieferzeit (1) Vorgehensweise und Art des Einflusses der Abnehmerunternehmen In Widerspruch zu den hohen Anforderungen, die Abnehmer in ihren codes of conduct von Zuliefererbetrieben in puncto Menschenrechtsschutz erwarten, verhalten sie sich selbst nicht immer gemäß diesen Zielen.472 Studien berichten von unmittelbarem Druck der Abnehmer auf Zuliefererbetriebe. Das betrifft insbesondere „individualisierte Bestellungen“473 wie sie z. B. in der Einzelhandelsindustrie üblich sind. Bei individualisierten Bestellungen fertigt der Auftragnehmer nach spezifizierten Anforderungen des Auftraggebers. Das können z. B. ein bestimmtes Design einer Modekollektion sein oder Form- und Farbvorgaben für die Produktion eines Spielzeugs. Im internationalen Geschäftsverkehr mit Entwicklungsländern haben westliche Abnehmer häufig eine vorteilhafte Verhandlungsposition. Das liegt zum einen an ihrer wirtschaftlichen Überlegenheit – Zuliefererbetriebe bestehen häufig nur aus kleineren Fabriken.474 Darüber hinaus sind Zuliefererbetriebe in der Einzelhandelsindustrie leicht austauschbar, da die Produktionsvorgänge nicht so komplex sind.475 Abnehmer nutzen diesen Vorteil und 471 Wagner, ZIP 2021, 1099; Hübner, NZG 2020, 1413. Ebenso die auf verwaltungsrechtlicher Durchsetzung basierende Pflicht des 2021 verabschiedeten SorgfaltspflichtenG, siehe BReg, Entwurf für ein Sorgfaltspflichtengesetz, S. 2 und 41. 472 Park-Poaps/Rees, 92 Journal of Business Ethics (2010), 308. Jørgensen/Pruzan-Jørgensen/Jungk/Cramer, Strengthening Implementation of Corporate Social Responsibility in Global Supply Chains, 2003, S. 25 verweisen auf Aussagen von Zulieferern, dass sie „mixed signals“ von den Abnehmern erhalten würden: einerseits würden ihnen codes of conduct auferlegt, andererseits aber Preis- und Lieferdruck gemacht, der die Einhaltung der codes of conduct erheblich erschwert. 473 Begriff nach von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, z. B. S. 25. 474 Park-Poaps/Rees, 92 Journal of Business Ethics (2010), 309. 475 von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 12. Etwas anderes gilt aber wohl z. B. in der Schuhproduktion. Dort sei die Maschinerie zu teuer und speziell, um nur auf kurzfristige Geschäftsbeziehungen zu bauen. Siehe Jørgensen/Pruzan-Jørgensen/ Jungk/Cramer, Strengthening Implementation of Corporate Social Responsibility in Global Supply Chains, 2003, S. 96.

§ 14 Haftungsbezogene Aspekte eines WertschöpfungskettenG

277

drücken den Preis476 oder veranschlagen unrealistische Lieferzeiten477. Der Moderiese Zara beispielsweise braucht inklusive Design nur zwei Wochen, um eine Kollektion in seinen knapp 2.000 Filialen weltweit verkaufsfertig anzubieten.478 Preisdruck und unrealistische Lieferzeiten führen zu Gesundheitsschädigungen der Arbeitnehmer in den Zuliefererbetrieben. Dieser Zusammenhang kann hier nicht ausführlich dargestellt werden, war jedoch in der Vergangenheit bereits Gegenstand verschiedener Studien.479 (2) Inhalt und Reichweite der Pflicht in diesen Fällen Welche Pflichten würde das deutsche Abnehmerunternehmen unter einem WertschöpfungskettenG treffen? Die Pflicht rechtsgüterschützende Maßnahmen innerhalb der Lieferkette zu ergreifen, impliziert rechtsgüterschädigende, aktive Maßnahmen zu unterlassen. Alles andere würde dem Normzweck widersprechen. Hier handelt der Abnehmer aktiv. Er verursacht die Rechtsgutsverletzungen allerdings nur mittelbar, eben durch den Preis- und Zeitdruck. Die unmittelbare Rechtsgutsverletzung, die in den meisten Rechtsordnungen eine deliktisch relevante Handlung darstellen oder zur Begründung einer Verkehrspflicht führen würde (z. B. Absperren der Fabriktüren, das Verbot Wasser während der Arbeit zu trinken oder das Betreiben einsturzgefährdeter Fabriken), verursacht der Zulieferer hingegen selbst. Das spielt aber keine Rolle. Die deutsche Gesellschaft muss Maßnahmen ergreifen, um Rechtsgutsverletzungen in ihren Zuliefererbetrieben zu verhindern bzw. zu mildern. In dieser Fallgruppe wäre das Unternehmen also verpflichtet, es zu unterlassen, unrealistische Preise oder Lieferzeiten durchzusetzen. Doch wann ist ein Preis oder eine Lieferzeit realistisch? Es kann vom Abnehmer wohl kaum verlangt werden, ab sofort keine Verhandlungen über den Preis oder die Lieferzeit mehr durchzuführen und einfach die Vorstellungen der anderen Vertragspartei (hier des Zulieferers) zu akzeptieren. Das widerspricht dem Wesen von Vertragsverhandlungen, in denen jede Partei versucht, die besten Konditionen für sich durchzusetzen. Dieses Bild von zwei in Verhandlung tretenden Gleichen trifft hier allerdings gerade nicht zu. Die Machtstellung des Abnehmers ermöglicht es ihm, je nach Einzelfall teilweise oder vollständig die Bedingungen zu diktieren. Dennoch kann von den Abnehmern nicht verlangt werden, jeglichen Wünschen des Zulieferers nachgeben zu müssen. Als Richtschnur sollte die Rechtsprechung sich 476

von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 12 f. Human Rights Watch, „Work Faster or Get Out“: Labor Rights Abuses in Cambodia’s Garment Industry, 2015, S. 38 f. 478 von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 11; Petro, The Future of Fashion Retailing: The Zara Approach (Part 2 of 3), Forbes, https://www.forbes.com/ sites/gregpetro/2012/10/25/the-future-of-fashion-retailing-the-zara-approach-part-2-of-3/#74 7f8fa17aa4 und Ferdow/Lewis/Machuca, 11 Harvard Business Review (2004), 109. 479 Siehe zu diesem Zusammenhang in der Einzelhandelsbranche ausführlich: von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 10 – 17 und Park-Poaps/Rees, 92 Journal of Business Ethics (2010), 308, beide m. w. N. 477

278

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

daran orientieren, ob mit dem gesetzten Preis oder der Lieferzeit eine Produktion ohne Gefahren für die Rechtsgüter der Stakeholder überhaupt möglich ist. Wenn nicht, spricht viel für eine Pflichtverletzung. Diese Formel hat die wünschenswerte Folge, dass die deutsche Gesellschaft bei jedem Liefervertrag gewissenhaft prüfen wird, ob ihre Vorgaben realistisch sind. Das gilt umso mehr, da das WertschöpfungskettenG der deutschen Gesellschaft für die Pflicht die Beweislast aufbürdet.480 Dieser Beurteilungsmaßstab reflektiert auch die Kriterien aus Abs. 1 S. 2, z. B. das der Wahrscheinlichkeit: Je unrealistischer die vom Abnehmer mittels seiner Machtstellung (z. B., weil er der einzige Abnehmer und aufgrund der Austauschbarkeit des Zulieferers nicht auf diesen angewiesen ist) gesetzte Lieferfrist ist, desto wahrscheinlicher wird der Zulieferer seinen Arbeitnehmern z. B. Trink- oder Toilettenpausen verbieten oder sie einschließen. Je drückender die Preise sind, desto wahrscheinlicher wird der Zulieferer die einsturzgefährdete Fabrik nicht in Stand halten oder dem Arbeitnehmer nicht die für den Betrieb einer gefährlichen Maschine erforderliche Schutzausrüstung zur Verfügung stellen. Dazu folgender, fiktiver Fall: Fall 5 Der deutsche Schuhvertreiber Teichmann (T) bezieht einen Teil seines Sortiments vom pakistanischen Zulieferer Z. T bestellt Anfang Oktober 2019 1.000 Stück des Modells X. Er setzt Z dafür eine Lieferfrist von zwei Monaten. Aus der Vergangenheit weiß T, dass Z diese Lieferfrist mit seinen derzeitigen Ressourcen (Personal + Maschinen) nicht wird einhalten können, ist aber der Meinung mit „etwas Druck“ ginge es schneller, als wenn er die (eigentlich notwendigen) drei Monate veranschlagen würde. Da T Zs einziger Kunde ist und er ihn als solchen nicht verlieren möchte, nimmt er den Auftrag dennoch an. Aus Gründen der Profitmaximierung und aus Sorge um den Verlust der Geschäftsbeziehung zu T zwingt er seine Arbeiter, statt bis 20 Uhr bis 2 Uhr nachts weiterzuarbeiten. Um sicherzugehen, schließt er die Türen zur Produktionshalle ab. Mitte Dezember 2019 nimmt T die Schuhe ab, weiß aber nichts von der Rechtsgutsverletzung. Pflichten von T?481 Ein systemisches Risiko in der Modebranche Asiens sind die zu kurzen Durchlaufzeiten für Warenlieferungen aufgrund derer es immer wieder zu Rechtsgutsverletzungen kommt. Bei ordnungsgemäßer Risikoanalyse wäre T darüber informiert gewesen. Jedenfalls, dass Z exzessive Überstunden von seinen Arbeitnehmern fordert, war für T daher vorhersehbar. Zudem ist die Kausalbeziehung zwischen seinem Drängen und der Rechtsgutsverletzung sehr stark. Zwar ist die Rechtsgutsverletzung zu weiten Teilen reversibel (Beendigung der Freiheitsberaubung und Kompensation) und im Vergleich zum Verlust des Lebens oder einer Gesundheitsschädigung eher gering. Das schließt die Pflicht, Maßnahmen zu ergreifen jedoch nicht per se aus. Hier traf T daher die Pflicht seinen Zulieferern keine unrealistischen Zeitvorgaben zu machen. Diese Pflicht hat T verletzt.

480

Siehe noch Kapitel 4, § 14 D.II.5.c) (S. 301 f.). Beispiel abgeändert übernommen von OECD, Leitfaden für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht für verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln, 2018, S. 74. 481

§ 14 Haftungsbezogene Aspekte eines WertschöpfungskettenG

279

bb) Mangelhafte Sicherheitsstandards im Zuliefererbetrieb Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass Abnehmer immer Preise drücken oder unrealistische Lieferzeiten veranschlagen. Auch wenn sie das nicht tun, kann aber z. B. die Fabrik des Zulieferers einsturzgefährdet sein482 oder nicht den lokalen Brandschutzbestimmungen entsprechen483, der Zulieferer seine Arbeitnehmer einschließen, um sie zur Arbeit zwingen484 oder sie ohne ausreichende Schutzkleidung mit giftigen Stoffen arbeiten lassen485. Den deutschen Abnehmer trifft hier die Pflicht, Maßnahmen zu ergreifen, um diese Rechtsgutsverletzungen zu verhindern. Welche konkreten Maßnahmen sind das? (1) Fehlende rechtliche Zutrittsbefugnisse Der Zulieferer ist ein separater Rechtsträger. Das deutsche Unternehmen hat daher keine rechtlichen Befugnisse, wie z. B. ein Zutrittsrecht, mit dem es einfach in dessen Betrieb Feuerlöscher installieren könnte, um Brandschutzvorschriften zu wahren oder mit Hilfe eines Statikers oder Architekten zu überprüfen, ob das Fabrikgebäude einsturzgefährdet ist. Es hat aber tatsächlichen Einfluss auf den Zulieferer. Wie an vielen Stellen bereits erwähnt (siehe auch sogleich in diesem Abschnitt), ist dieser häufig von ihm abhängig. Hieran knüpfen die folgenden Maßnahmen an. (2) Vorauswahl und Sanktionierung Vor Beginn der Geschäftsbeziehung muss die deutsche Gesellschaft bereits eine Vorauswahl treffen, welche Produktionsbetriebe am besten geeignet sind, die Standards umzusetzen.486 Dieses Kriterium sticht finanzielle Erwägungen (z. B. welcher Zulieferer das günstigste Angebot unterbreitet). Wurde eine Auswahl getroffen, muss in den Vertragsverhandlungen besprochen werden, inwiefern der Zulieferer Rechtsgutsverletzungen vorbeugt. Der Liefervertrag sollte Sanktionen vorsehen für den Fall, dass er diese Bedingungen nicht einhält. Bis dahin ist das nicht besonders innovativ. Ein solcher top-down approach wird bis dato ohnehin praktiziert. Angesichts der geltenden Rechtslage (je mehr Einmischung ins operative Geschäft, desto eher Haftung487) ist dieser Ansatz für Abnehmer auf den ersten Blick 482

Rana Plaza: Kapitel 1, § 2 B.V. (S. 46). KiK: Kapitel 1, § 2 B.III. (S. 45). 484 So geschehen in einer kambodschanischen Textilfabrik: Sokhean, Police Free Garment Workers Locked in at Night by Factory, The Cambodia Daily, https://english.cambodiadaily. com/news/police-free-garment-workers-locked-in-at-night-by-factory-85157/. 485 Wintek und Pestizide auf Ananasplantage: Kapitel 1, § 2 B.VI. (S. 47) und Kapitel 1, § 2 C.III. (S. 49). 486 So geht die BASF SE nach eigenen Angaben vor, siehe BASF SE, Verhaltenskodex für Lieferanten, https://www.basf.com/global/de/who-we-are/organization/suppliers-and-partners/ sustainability-in-procurement/supplier-code-of-conduct.html. 487 Siehe oben Kapitel 4, § 12 A.I. (S. 210). 483

280

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

vielversprechend. Sie können CSR-Engagement vorweisen, ohne sich zu sehr ins operative Geschäft des Zulieferers einzumischen und damit eine zivilrechtliche Haftung zu riskieren. (3) Langfristige Geschäftsbeziehungen und Kooperation zwischen Abnehmer und Zulieferer Darüber hinaus müssen die Vertragsparteien aber auch längerfristige Geschäftsbeziehungen anstreben. Bisher haben Zulieferer keine Anreize, die im code of conduct vom Abnehmer aufgestellten Anforderungen auch umzusetzen. Es gibt viele Zulieferer auf dem Markt. Deshalb und weil der Produktionsvorgang insbesondere im Einzelhandel nicht besonders komplex ist (also keine speziellen Maschinen o. Ä. angeschafft werden müssen) fällt es dem Abnehmer relativ leicht, einen Zulieferer zu ersetzen.488 Von dieser Möglichkeit machen Abnehmer häufig auch Gebrauch.489 Aus der Perspektive des Zulieferers besteht kein Anreiz, Kosten und Mühen aufzuwenden, um die Vorstellungen eines Abnehmers umzusetzen, der sich nach wenigen Aufträgen in einer Zeitspanne von wenigen Monaten einen neuen Zulieferer sucht. Aus dieser Möglichkeit, den Zulieferer jederzeit „fallen zu lassen“, ergibt sich auch der häufig vorliegende, faktische Einfluss des am Kopf der Lieferkette stehenden Unternehmens.490 In neueren Untersuchungen wird daher ein sog. Kooperationsmodell als erfolgsversprechend gefeiert.491 Das Modell wird vor allem in der Einzelhandels- und vermehrt auch Lebensmittelindustrie verwendet492, eignet sich jedoch generell für einen verbesserten Rechtsgüterschutz in Wertschöpfungsketten. Demzufolge begutachten Abnehmer und Zulieferer gemeinsam innerhalb einer langfristigen Geschäftsbeziehung die Missstände. Bei der Beseitigung dieser Missstände assistiert der Abnehmer. Zulieferer beklagen, dass Abnehmer häufig die lokalen Verhältnisse und Besonderheiten des jeweiligen Betriebs außer Acht lassen. Einer Studie zufolge ließe sich das leicht ändern, würden Zulieferer in das Aufstellen der Standards

488 Zu diesem Argument siehe von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 8 f.; Jørgensen/Pruzan-Jørgensen/Jungk/Cramer, Strengthening Implementation of Corporate Social Responsibility in Global Supply Chains, 2003, S. 27. 489 Aus diesem Grund wäre es kontraproduktiv, nur Zulieferer zu erfassen, zu denen eine „gefestigte Geschäftsbeziehung“ besteht. Diese setzt das französische Sorgfaltspflichtengesetz voraus. Ein solches Kriterium ist deshalb kontraproduktiv, da die Geschäftsbeziehung idealtypisch nicht besonders gefestigt ist. Eine Regelung läuft so Gefahr, die meisten Konstellationen, wegen der sie geschaffen wurde, gar nicht zu erfassen. 490 Für Nachweise siehe Kap. 4 Fn. 475. Eine solche typische Konstellation ohne nähere Begründung ablehnend, Rudkowski, RdA 2020, 239. 491 Dazu: von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 16 f. und 30 f.; Shift, From Audit to Innovation, 2013; Ernst & Young, The State of Sustainable Supply Chains, 2016, S. 30 – 33; Jørgensen/Pruzan-Jørgensen/Jungk/Cramer, Strengthening Implementation of Corporate Social Responsibility in Global Supply Chains, 2003, S. 22 – 26; ParkPoaps/Rees, 92 Journal of Business Ethics (2010), 308 f. 492 von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 30.

§ 14 Haftungsbezogene Aspekte eines WertschöpfungskettenG

281

miteinbezogen werden.493 Auch Audits mäßigen Kooperationsmöglichkeiten zwischen Zulieferer und Abnehmer. Deren Beziehung wird dadurch externalisiert. Eine Partei, die maßgeblich die Situation beeinflussen könne – der Abnehmer –, ist in den Vorgang der Risikoidentifikation gar nicht involviert.494 Es ergibt sich damit folgendes Bild. Mangelhafte Kommunikation und kurzfristige Geschäftsbeziehungen beeinträchtigen die Umsetzung von CSR-Standards am meisten. Diese beiden Kriterien müssen daher auch maßgeblicher Bestandteil der hier diskutierten Sorgfaltspflicht sein. Dafür bestünde unter einem WertschöpfungskettenG kein Hindernis mehr. Unternehmen können der Haftung entgehen, statt sie zu fürchten, erarbeiten sie gemeinsam mit dem Zulieferer eine Lösung. Es scheint allerdings zweifelhaft, dass Zulieferer von sich aus entsprechende Maßnahmen ergreifen. Daher müssen Abnehmer auch weiterhin Druck ausüben. Es muss im Vornherein kommuniziert werden, dass die Geschäftsbeziehung nur dann Bestand hat, wenn Zulieferer kooperieren. Setzen die Zulieferer die Vorgaben um, müssen die Abnehmer die Geschäftsbeziehung auch beibehalten. Dass ein anderer Zulieferer plötzlich einen günstigeren Preis bietet, ist dann kein Grund mehr, die Geschäftsbeziehung mit dem ersten Zulieferer zu terminieren. Anders läge es hingegen, erfüllt der Zulieferer den Auftrag wiederholt mangelhaft. Hier würde in unangemessener Weise in die Privatautonomie des Abnehmers eingegriffen, würde man ihn verpflichten, die Geschäftsbeziehung fortzuführen (bzw. ihm eine Pflichtverletzung vorzuwerfen, führt er sie nicht fort). Freilich kann der Abnehmer aber mit weiteren Zulieferern zusätzlich Geschäftsbeziehungen aufnehmen. Mit der Zeit entsteht so ein Netzwerk von wenigeren, aber in puncto Rechtsgüterschutz zuverlässigeren Zulieferern. Weiter kann dem an dieser Stelle nicht nachgegangen werden. Das Kooperationsmodell birgt eine Menge Potenzial für weitere Forschungsprojekte. Insbesondere die interdisziplinäre Kooperation von Juristen und Wissenschaftlern aus der Management- und supply chain-Forschung könnte hier leicht wertvolle Lösungsvorschläge erarbeiten. cc) Kauf vom Händler am Beispiel der Lieferkette von Metallerz Anders als bei der für den Einzelhandel typischen, individualisierten Bestellung verhandeln die Vertragsparteien beim Händlerkauf nicht. Hier bietet ein Händler ein unverarbeitetes Produkt auf dem Weltmarkt auf Preisbasis an.495 Der Abnehmer tritt dabei nicht in Kontakt mit dem produzierenden Betrieb, weiß möglicherweise gar nichts von diesem. Diese Art von Struktur findet sich insbesondere in der Rohstoffund Landwirtschaftsbranche. Aufgrund des mangelnden Kontakts des Abnehmers

493 Jørgensen/Pruzan-Jørgensen/Jungk/Cramer, Strengthening Implementation of Corporate Social Responsibility in Global Supply Chains, 2003, S. 25. 494 Ebd. 495 Zum Ganzen von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 25.

282

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

mit dem produzierenden Betrieb könnte man meinen, deutsche Unternehmen hätten hier keinen Einfluss.496 (1) Charakteristika dieser Art von Lieferketten Die deutsche Gesellschaft kann aber auch hier Maßnahmen zum Rechtsgüterschutz ergreifen, wie die folgende Darstellung am Beispiel der Wertschöpfungskette von Metallerz zeigt. Diese läuft wie folgt ab:497 In einer Mine wird Metallerz gewonnen. Dieses wird an einen Händler H im Abbauland verkauft, der bei lokalen Minen Metallerz einkauft. Dieser Händler H verkauft das Erz wiederum an einen Großhändler G in einem Nachbarland, der das Metallerz auf dem Weltmarkt anbietet. Hier könnten bereits deutsche Unternehmen Käufer sein. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass G das Metallerz erst noch an einen lokalen Schmelzer S verkauft, der von verschiedenen Großhändlern Metallerze einkauft und diese zu Metall weiterverarbeitet. Hier beginnt die Komponentenlieferkette: Zulieferer bauen aus diesem Metall Komponenten eines Endprodukts, die sie dann an den Hersteller des Endprodukts weiterverkaufen. Die folgende Graphik verdeutlicht den Vorgang.498 Diese sich dem Beispiel Metallerz bedienende Struktur steht idealtypisch für Lieferketten in der Rohstoff- und Landwirtschaftsindustrie (und der aus diesen Rohstoffen erwachsenden Produkte).499 Hofmann/Schleper/Blome zufolge ereignen sich Rechtsgutsverletzungen hauptsächlich in der Mine selbst. Diese Minen kontrollieren häufig bewaffnete Paramilitärs, die die Kumpel z. B. durch (die Androhung von) Körperverletzungen antreiben.500 Für die Pflichten des deutschen Abnehmers (im Folgenden A) kommt es darauf an, in welcher Stufe der Wertschöpfungskette er das Produkt abnimmt, wobei es deutliche Parallelen zwischen den Konstellationen gibt. Die realistischsten Konstellationen dürften sein, dass der deutsche Abnehmer (1) unverarbeitetes Metallerz bei G (Großhändler/Trader) kauft oder (2) bereits geschmolzenes Metall vom Schmelzer bezieht oder (3) eine fertige Komponente bei einem ausländischen Zulieferer erwirbt.

496

Ebd. Folgende Darstellung nach Hofmann/Schleper/Blome, 147 Journal of Business Ethics (2018), 118. 498 Übernommen von ebd. 499 von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 24. 500 Hofmann/Schleper/Blome, 147 Journal of Business Ethics (2018), 118. 497

§ 14 Haftungsbezogene Aspekte eines WertschöpfungskettenG

283

Abbildung 1: Wertschöpfungskette Metallerz501

(2) Pflichten beim Kauf vom Großhändler Kauft A von G (Trader), musste er bereits im Rahmen seiner Risikoanalyse herausfinden, woher dieser sein Metallerz bezieht. G lediglich zu fragen, ist keine ausreichende Maßnahme. Vielmehr muss er auch die Arbeitnehmer von G befragen, sich über die Umstände des Metallerzabbaus im Herkunftsland von G und den benachbarten Ländern informieren. Dabei ist es durchaus denkbar, dass er trotz sorgfältiger Risikoanalyse nicht von Rechtsgutsverletzungen Kenntnis erlangt. Es kann A dann keine Pflichtverletzung zur Last gelegt werden. In vielen Fällen wird A als Abnehmer jedoch problematische Zustände entdecken. Dann trifft ihn die Pflicht, innerhalb seiner Geschäftsbeziehungen darauf hinzuwirken, Rechtsgutsverletzungen zu verhindern. Die Pflicht erstreckt sich grundsätzlich auch auf tiefere Ebenen der Lieferkette. Dass bei G selbst als unmittelbarem Geschäftspartner von A keine Rechtsgutsverletzungen geschehen, ist also irrelevant. An dieser Stelle sind die Kriterien Verursachungsbeitrag, Nähe zum Schadensereignis und tatsächliches oder rechtliches Einflussvermögen zu berücksichtigen. Zwar kann hier kaum von einer

501 Abbildung übernommen von Hofmann/Schleper/Blome, 147 Journal of Business Ethics (2018), 118.

284

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

Verursachung durch A ausgegangen werden. Allerdings „perpetuiert“502 er die Situation durch Nachfrage bei G. G erwirtschaftet dadurch Profit und wird weiter bei den entsprechenden Minen Metallerz nachfragen. Diese Minen haben dadurch wiederum wirtschaftlichen Auftrieb und führen das mit Blick auf Rechtsgüterschutz problematische Geschäftsmodell fort. Zudem ist A in der Lieferkette nicht weit von der Mine entfernt. Vor G ging das Metallerz nur durch die Hände von H. A hat hier allerdings keinen rechtlich gesicherten Einfluss, da er mit G nur vertraglich und nicht gesellschaftsrechtlich verbunden ist. Ob er tatsächlichen Einfluss hat, hängt davon ab wie viel Metallerz er von G abnimmt, ob er also für G ein wichtiger Kunde ist. Anders als bei Zulieferern in der Einzelhandelsindustrie wird G als Großhändler an viele verschiedene Kunden verkaufen, nicht nur an A. Dennoch muss A hier G unter Androhung der Beendigung der Geschäftsbeziehung drängen, auf H Einfluss zu nehmen, sodass H problematische Minen zukünftig meidet. Damit wird er umso erfolgreicher sein, je wichtiger die Geschäftsbeziehung mit ihm für G ist. Verweigert sich G oder H, muss A die Geschäftsbeziehung mit G beenden und sich einen anderen Großhändler suchen.503 Nur so verwirklicht das WertschöpfungskettenG seinen Normzweck. Deutsche Unternehmen sollen ihre Produkte nur aus Materialien oder Komponenten herstellen, die unter menschenwürdigen Arbeitsbedingungen abgebaut oder produziert wurden. Und nur so vermag ein Gesetz etwas an der derzeitigen Situation von Wertschöpfungsketten zu ändern. (3) Pflichten beim Kauf vom Schmelzer Kauft A das Metall vom Schmelzer (S), verändern sich die Kriterien der Nähe zur Rechtsgutsverletzungen und das der Einflussmöglichkeit. Nach dem Schmelzen lässt sich in der Regel kaum mehr feststellen, woher das Metallerz stammt, da die Schmelzer Metallerz von verschiedenen Händlern beziehen und vermischen.504 Es lässt sich also nicht feststellen, welches Metall Konfliktmineralien enthält und welches nicht. A kann jedoch versuchen über S selbst oder Dritte herauszufinden, woher S sein Metallerz bezieht. Ergeben sich Hinweise auf Regionen, in denen 502

Formulierung und Argument bei von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 160. 503 Wenn G die Geschäftsbeziehung trotzdem fortführt, hängt eine Haftung freilich noch von anderen Tatbestandsmerkmalen ab, insbesondere der Kausalität. Die Verletzung der Pflicht (hier: Nicht-Beendigung der Geschäftsbeziehung zu G) ist nur dann kausal, wenn bei Beendigung der Geschäftsbeziehung der Schaden bzw. die Rechtsgutsverletzung ausgeblieben wäre. Das ist insbesondere dann der Fall, bestehen Anhaltspunkte dafür, dass G doch auf H Einfluss ausgeübt hätte, um die Geschäftsbeziehung mit A zu halten, hätte dieser ernsthaft davon Abstand genommen und so die betreffende Rechtsgutsverletzung sich nicht ereignet hätte. Dass die Pflichtverletzung des deutschen Unternehmens im Einzelfall auch kausal wird, ist somit unklar und von Einzelfall zu Einzelfall verschieden. Wissen Unternehmen von systemischen Rechtsgutsverletzungen in ihrer Lieferkette, haben sie freilich nur dann völlige Rechtssicherheit, wenn sie die Geschäftsbeziehung mit dem jeweiligen, problematischen Glied der Lieferkette beenden. 504 Hofmann/Schleper/Blome, 147 Journal of Business Ethics (2018), 119.

§ 14 Haftungsbezogene Aspekte eines WertschöpfungskettenG

285

bekanntermaßen Minen angesiedelt sind, die beispielsweise von Paramilitärs kontrolliert werden, ist A zu weiteren Nachforschungen verpflichtet. Das sind aber Fragen der Risikoanalyse. Angenommen A weiß, dass S von Großhändlern bezieht, die wiederum von problematischen Minen beziehen, sind die Pflichten ähnlich wie oben. A muss bei S darauf hinwirken, einen anderen Großhändler zu finden oder seinerseits G dazu zu drängen, Lieferbeziehungen zu problematischen Minen zu beenden. Von seiner Größe und dem Bestellvolumen ist abhängig, ob er auch auf G oder den Minenbetrieb, mit denen er in dieser Konstellation keine unmittelbare Vertragsbeziehung hat, Einfluss nehmen muss. Ist das nicht möglich oder weigern sich S bzw. G oder die Minenbetreiber, muss sich A einen anderen Metallzulieferer suchen.505 (4) Pflichten beim Komponentenkauf Die gleichen Pflichten treffen A beim Komponentenkauf. Auch hier muss er sich dafür einsetzen, dass der Zulieferer die Rohstoffe (in diesem Fall Metall) aus Betrieben bezieht, in denen es nicht zu systematischen Rechtsgutsverletzungen kommt. Ansonsten ist er auch hier verpflichtet die Geschäftsbeziehung zu beenden und sich einen anderen Zulieferer zu suchen. Je weiter er jedoch von der Rechtsgutsverletzung entfernt ist, desto wahrscheinlicher bleibt eine solche unentdeckt ohne, dass dem Abnehmer dafür eine Pflichtverletzung zur Last gelegt werden kann.506 dd) Rechtsgutsverletzung in nachgelagerten Ebenen der Lieferkette Der Kauf vom Händler veranschaulicht eine grundsätzliche Frage der Regulierung von Lieferketten. Inwiefern soll eine gesetzliche Regelung tiefere Ebenen der Lieferkette berücksichtigen?507 Wie am Beispiel von Metallerz gezeigt, gliedert sich eine Lieferkette in zahlreiche Stufen. Können sich Unternehmen überhaupt noch mit verhältnismäßigem Aufwand rechtskonform verhalten, verpflichtet sie ein Gesetz auch in tieferen Stufen der Lieferkette Maßnahmen zur Verhinderung von Rechtsgutsverletzungen zu treffen?508 Dafür, Unternehmen auch in tieferen Ebenen der Lieferkette Pflichten aufzuerlegen, sprechen verschiedene Argumente.

505

Kausalität wie in Kap. 4 Fn. 503. Das ist jedoch eine Frage der Risikoanalyse, siehe oben Kapitel 4, § 14 C.II.5. (S. 262). 507 Siehe auch die Fälle von Sklaverei auf thailändischen Fischerbooten und Wintek: Kapitel 1, § 2 C.II. (S. 49) und Kapitel 1, § 2 B.VI. (S. 47). 508 So die Kritik von Lück, NZG 2020, 1219 f. und des Präsidenten der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Ingo Kramer, Handelsblatt, BDA-Chef Kramer zum Lieferkettengesetz, https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/interview-bda-chef-kra mer-zum-lieferkettengesetz-selten-einen-gesetzentwurf-gesehen-der-so-weltfremd-ist/2621 0532.html?ticket=ST-2725174-YTfpmvW9RHLXAGJRfXia-ap1. 506

286

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

(1) Gründe für Pflichten betreffend Zulieferer in tieferen Ebenen der Lieferkette Zunächst kann nur so der Normzweck erreicht werden. Es kann kaum von einer Verbesserung der menschenrechtlichen Situation in Zuliefererbetrieben gesprochen werden, sind die Betriebe unmittelbarer Vertragspartner deutscher Unternehmen „sauber“ und verschieben sich systemische Rechtsgutsverletzungen einen Rechtsträger „nach hinten“. Verfassungsrechtlich gesprochen wäre die Vorschrift zwar dennoch zur Verfolgung des Zwecks geeignet, da hier nur verlangt wird, dass das Gesetz seinen Zweck fördert.509 Das ist aber lediglich Minimalvorgabe. Entscheidender, rechtspolitischer Maßstab sollte sein, ob ein WertschöpfungskettenG das Problem sachgerecht regulieren kann. Und das geht nur inklusive tieferer Ebenen der Wertschöpfungskette. Zweitens beugt es potenziellem Missbrauch vor, erstreckt sich die Pflicht, rechtsgüterschützende Maßnahmen zu ergreifen auch auf tiefere Ebenen der Lieferkette. Unternehmen könnten einen weiteren Rechtsträger zwischen sich und den Zulieferer schalten. So könnte z. B. ein von einer pakistanischen Fabrik beliefertes rumänisches, britisches oder polnisches Unternehmen gefertigte Kleidung nach Deutschland reexportieren. So wären die hier vorgeschlagenen Pflichten nur wenig effektiv. Aus diesem Grund gelten im Rahmen des SorgfaltspflichtenG gemäß § 5 I 2 mittelbare Zulieferer als unmittelbare Zulieferer, sofern ein Unternehmen „eine missbräuchliche Gestaltung der unmittelbaren Zuliefererbeziehung oder ein Umgehungsgeschäft vorgenommen hat“. Aus diesem Gründen ist es sachgerechter die Pflichten der deutschen Gesellschaft auch auf tiefere Ebenen der Wertschöpfungskette zu erstrecken und mit der Tiefe der Wertschöpfungskette die Pflichtenintensität abnehmen zu lassen. Das geschieht mittels der Kriterien „Einfluss“ und „Nähe zum Schadensereignis“. Nicht geeignet ist der Ansatz des französischen Wertschöpfungsgesetzes, die Pflicht nur auf solche Zulieferer zu erstrecken, zu denen eine „etablierte Geschäftsbeziehung“ besteht. Damit wird nicht nur Umgehungsmöglichkeiten Tür und Tor geöffnet. Das Gesetz droht damit sein Regelungsziel zu verfehlen, da Geschäftsbeziehungen zu den Zulieferern in vielen Branchen idealtypisch nur flüchtig, mithin gerade nicht „etabliert“ sind. Drittens sprechen auch die Einflussmöglichkeiten der deutschen Abnehmer für gesetzliche Pflichten hinsichtlich tieferen Ebenen der Lieferkette. Nicht immer, aber vor allem in der Textil- und Schuhindustrie haben die Abnehmer am Kopf der Wertschöpfungskette, also Unternehmen wie H&M, ZARA oder KiK erheblichen Einfluss auf den gesamten Fertigungsprozess innerhalb der Lieferkette.510 Die Beschränkung der Pflichten aus dem WertschöpfungskettenG auf die erste Zuliefererebene berücksichtigt nur bedingt die tatsächlichen Machtverhältnisse. Dennoch gibt es Konstel509

Z. B. Maunz/Dürig-GG/Grzeszick, Art. 19 GG Rn. 112. Park-Poaps/Rees, 92 Journal of Business Ethics (2010), 308; Geistfeld, JETL 2019, 142; Gordon, 102 Iowa Law Review (2017), 483; Brown, 34 UCLA Pacific Basin Law Journal (2017), 109. Dies insbesondere deshalb, da viele Zulieferer am Markt verfügbar sind und sich diese aufgrund des wenig komplexen Produktionsvorgangs leicht austauschen lassen (Letzteres gilt hingegen nicht für die Schuhindustrie), siehe dazu oben Kapitel 4, § 14 D.II.4.a)bb) (S. 279 f.). 510

§ 14 Haftungsbezogene Aspekte eines WertschöpfungskettenG

287

lationen, in denen Abnehmer keinen Einfluss auf die gesamte Lieferkette haben. Diese Konstellationen können dann aber mittels der flexiblen Kriterien „Nähe zum Schadensereignis“ und „Einfluss“ entsprechend berücksichtigt werden. Schließlich darf nicht verkannt werden, dass es Unternehmen viertens selbst in der Hand haben, die Anzahl der Stufen und Ausgestaltung ihrer Lieferketten zu bestimmen. Sie können im Ausland in eigenen Betrieben fertigen, niemand zwingt sie, sich in Lieferketten mit unterschiedlichen Rechtsträgern zu organisieren.511 (2) Einflussmöglichkeiten auf Zulieferer in tieferen Ebenen Wie bereits am Beispiel der Wertschöpfungskette von Metallerz gezeigt, müssen Unternehmen ihren Einfluss auf unmittelbare Vertragspartner oder auf tiefer in der Wertschöpfungskette liegende Beteiligte nutzen. Wie ebenfalls bereits angesprochen haben die deutschen Abnehmer auf diese allerdings weit weniger Einfluss. Der folgende Beispielsfall zeigt, dass solche Maßnahmen dennoch von Erfolg gekrönt sein können: Fall 6 Der finanzstarke, deutsche Automobilkonzern A bezieht seit Sommer 2014 von seinem französischen Zulieferer Z1 Batterien für eine Baureihe seiner Elektroautos. Z1 bezieht seine Batterien vom Zulieferer Z2 mit Sitz in der DR Kongo. Es stellt sich heraus, dass Arbeiter, die für die Herstellung dieser Batterien erforderliche seltenen Erden in Minen abbauen, zu Überstunden gezwungen werden.512 In Folge dieser Überstunden kommt es bei einigen Arbeitern immer wieder zu Erschöpfungserscheinungen wie z. B. Schwindelgefühle und Niedergeschlagenheit. Da für Z2 die lukrative Geschäftsbeziehung zu Z1 überaus wichtig ist, wäre er ohne Weiteres bereit gewesen, die Überstundenpolitik in seinem Unternehmen zu ändern. Da wiederum für Z1 die Geschäftsbeziehung zu A sehr wichtig ist, wäre auch er bereit gewesen, seinen Einfluss auf Z2 entsprechend auszuüben. Trotz sorgfältiger Risikoanalyse erfährt A erst im September 2016 durch eine Investigativreportage des Nachrichtenmagazins frontal23 von dem Vorfall, unternimmt aber bis heute nichts. Welche Pflichten treffen A unter einem WertschöpfungskettenG?

Das WertschöpfungskettenG findet Anwendung. Zwar reicht die Geschäftsbeziehung von A zum französischen Zulieferer Z1 nicht in ein Land, in dem typischerweise systemische Rechtsgutsverletzungen vorkommen (§ 2 Abs. 3). Jedoch eröffnet die Geschäftsbeziehung von Z1 zum kongolesischen Zulieferer Z2 den Anwendungsbereich. Des Weiteren ist fraglich wie weit A’s Pflicht, rechtsgüterschützende Maßnahmen zu ergreifen, reicht. Zunächst handelt es sich um mangelnden Arbeitsschutz in zentralafrikanischen Minen und damit um ein systemisches Risiko (§ 4 I 1). Die Beeinträchtigungen, die die Arbeiter erlitten, sind nicht uner511 Zutreffend Kieninger, Keine Angst vor einem Lieferkettengesetz, FAZ, https://www.faz. net/aktuell/politik/staat-und-recht/lieferkettengesetz-jetzt-keinen-papiertiger-schaffen-1694 5803.html. 512 Die Lieferkette ist an dieser Stelle stark vereinfacht und dürfte in der Realität mehr Ebenen haben. Der Fall dient dazu, die Funktionsweise des Gesetzes zu verdeutlichen.

288

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

heblich, jedoch nicht lebensgefährlich (qualitative Schwere des Schadens). A steht in keiner unmittelbaren Vertragsbeziehung zu Z2, es hat lediglich Lieferverträge mit Z1 geschlossen (Nähe zum Schadensereignis). A wusste seit September 2016 von den Vorfällen bei Z2. Da er seine Risikoanalyse sorgfältig durchgeführt hat, traf ihn erst im September 2016 die Pflicht Maßnahmen zu ergreifen (Vorhersehbarkeit). Hier hätte A insbesondere mittels seines Einflusses Z1 drängen müssen, auf Z2 einzuwirken, sodass dieser die Verhältnisse in der Mine verbessert. Diese Pflicht hat A verletzt.513 (3) Begrenzung der Pflicht auf die Lieferkette des Endprodukts Wie auch bei der Pflicht zur Risikoanalyse514 trifft die Pflicht, rechtsgüterschützende Maßnahmen zu ergreifen, die deutsche Gesellschaft nicht, wenn ein Zulieferer innerhalb seiner Lieferkette auch in einer anderen Branche tätig ist und innerhalb dieser eine Rechtsgutsverletzung droht. Fall 7 Der indische Zulieferer Z der deutschen Textilhandelskette T betreibt über zwei Tochtergesellschaften eine Textilsparte und eine Natursteinsparte. Nur in der Natursteinsparte kommt es bei Zulieferern dieser Tochtergesellschaft zu gravierenden Rechtsgutsverletzungen.515

T treffen in diesem Beispiel keine Pflichten. Seine Lieferkette erstreckt sich nur auf die Textilsparte von Z und dessen Zulieferer (die im Beispiel nicht erwähnt sind).516 (4) Tiefere Zuliefererebenen im SorgfaltspflichtenG Grundsätzlich (mit Ausnahme des oben erwähnten Sonderfalles der Umgehung der Risikoanalyse gemäß § 5 I 2 SorgfaltspflichtenG) legt das SorgfaltspflichtenG den deutschen Unternehmen keine Pflichten hinsichtlich tieferer Zuliefererebenen auf, sondern normiert nur Pflichten hinsichtlich der unmittelbaren Zulieferer, also hinsichtlich der ersten Zuliefererebene (§§ 2 VII, 6 IV, 7 I SorgfaltspflichtenG). Das ist bedauerlich, da so etwaigen Missbrauchsmöglichkeiten Tür und Tor geöffnet sind.517 Zwar verhindert der § 5 I 2 SorgfaltspflichtenG etwaige Umgehungskonstellationen. Er bezieht sich jedoch nur auf die Risikoanalyse. Hinsichtlich etwaiger 513 Und hier würde diese Pflichtverletzung wahrscheinlich auch zur Haftung von A führen. Denn laut Sachverhalt hätte Z2 bei entsprechendem Druck seine Überstundenpolitik entsprechend angepasst (Kausalität). Wäre A also seiner Pflicht nachgekommen, hätten Rechtsgutsverletzungen ab September 2016 verhindert werden können. 514 Kapitel 4, § 14 C.II.3.b) (S. 260). 515 Fall weitestgehend übernommen von Klinger/Krajewski/Krebs/Hartmann, Verankerung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen im deutschen Recht, 2016, S. 61. 516 Ebenso ebd. 517 Siehe dazu bereits oben Kapitel 4, § 14 D.II.4.a)dd)(1) (S. 286 ff.).

§ 14 Haftungsbezogene Aspekte eines WertschöpfungskettenG

289

Präventions- (§ 6 IV SorgfaltspflichtenG) und Abhilfepflichten (§ 7 I SorgfaltspflichtenG) fügte der Gesetzgeber keine solche Klausel ein. ee) Zulieferer weigert sich Maßnahmen umzusetzen Zulieferer sind eigenständige Rechtsträger. Obgleich deutsche Abnehmerunternehmen oft wirtschaftlichen Einfluss auf sie ausüben können, haben sie nicht die finale, rechtliche Entscheidungshoheit darüber, ob der Zulieferer die von ihnen geforderten Maßnahmen einführt. Zwar werden sie in vielen Fällen faktischen Einfluss ausüben können, dafür gibt es aber keine Garantie. Oben wurde bereits vorgegriffen: Die deutsche Gesellschaft muss die Geschäftsbeziehung beenden, sofern ihre Maßnahmen fehlschlagen und der Zulieferer an der Situation in seinem Betrieb nichts ändert. Das schränkt die unternehmerische Entscheidungsfreiheit ein. Die deutsche Gesellschaft trifft die Pflicht, die Vertragsbeziehung mit dem ausländischen Zulieferer zu beenden, obwohl sie zu den Rechtsgutsverletzungen im Zuliefererbetrieb nicht zwangsläufig beigetragen hat.518 (1) Gründe für die Pflicht zur Beendigung der Geschäftsbeziehung Drei Erwägungen rechtfertigen diese empfindliche Einschränkung unternehmerischer Freiheit. Zum einen verhindert sie, dass Abnehmer und Zulieferer kollaborativ die Pflichten des WertschöpfungskettenG umgehen. So wäre denkbar, dass sich Abnehmer und Zulieferer absprechen. Der deutsche Abnehmer droht seinem Zulieferer, die Geschäftsbeziehung zu beenden, der Zulieferer weigert sich dennoch, etwas an der Situation in seinem Betrieb zu verändern. Im Vornherein war abgesprochen, dass der Abnehmer die Geschäftsbeziehung nicht beenden wird, sondern nur droht, um seinen Pflichten aus dem WertschöpfungskettenG nachzukommen. Die Beteiligten dokumentieren diesen Schriftverkehr für potenzielle Gerichtsverfahren. Als Folge bliebe der status quo erhalten. Wenn der deutsche Abnehmer die Geschäftsbeziehung aber beenden muss, um seinen Pflichten aus dem WertschöpfungskettenG zu erfüllen, bringt eine solche Drohung wahrscheinlicher auch tatsächliche Veränderungen mit sich. Zweitens scheinen Unternehmen selbst die Beendigung der Geschäftsbeziehung als gangbaren Weg zu betrachten. So vereinbaren manche zumindest mit ihren Geschäftspartnern, sich bei Menschenrechtsverstößen vom Vertrag lösen zu können.519 Drittens hat die Pflicht, die Geschäftsbeziehung abzubrechen, eine starke Signalwirkung. Sie ist daher besonders geeignet, den Normzweck zu verwirklichen. Beendet ein deutscher Abnehmer die Geschäftsbeziehung deshalb mit einem Zulieferer, werden andere Zulieferer zunehmend darauf achten, Sicherheitsstandards einzuhalten. 518

Auch hier gilt wieder: Ob ein Unternehmen tatsächlich haftet, richtet sich danach, ob die Pflichtverletzung kausal war. Siehe dazu bereits oben Kap. 4 Fn. 503. 519 So z. B. die Lufthansa Group und BASF SE, siehe die Analyse von Bodenstein, Human Rights CMS, 2020, S. 87 und 92.

290

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

Ansonsten wäre eine Geschäftsbeziehung mit deutschen Abnehmern schlichtweg nicht mehr möglich. Dieser Effekt verstärkt sich zusätzlich, verabschiedet der europäische Gesetzgeber eine EU-weite Regelung. Die Pflicht, die Geschäftsbeziehung zu beenden, trifft die deutsche Gesellschaft auch dann, verweigert ein auf einer tieferen Ebene der Lieferkette angesiedelter Rechtsträger, systemische Rechtsgutsverletzungen abzustellen. Das beeinträchtigt die unternehmerische Freiheit faktisch noch mehr, weil hier die Einflussmöglichkeiten der deutschen Gesellschaft begrenzter sind.520 In dem Sinne würde eine solche Regelung tatsächlich den Grundsatz zu einem gewissen Grad aufweichen, dass Verantwortung immer auch Möglichkeiten der Einflussnahme voraussetzt.521 Das ist freilich kein wirtschaftsmenschenrechtliches Novum, sondern beispielsweise durch die Gefährdungshaftung in drastischerer Weise anerkannt. Darüber hinaus haben die Abnehmer die Möglichkeit, die Geschäftsbeziehung mit ihrem unmittelbaren Zulieferer zu beenden. Dass sie die hier vorgeschlagene Pflicht erfüllen und sich somit rechtskonform verhalten, ist durchaus möglich. Deshalb lässt sich hier auch nicht von einem Auseinanderfallen von „Bestimmungsgewalt und Verantwortung“522 sprechen. Es ist daher richtig, dass das WertschöpfungskettenG diese Fälle ebenfalls erfasst. Das Gesetz hat zum Ziel, dass für den deutschen Markt bestimmte Produkte überwiegend unter menschenwürdigen Bedingungen gefertigt werden. Dieses Ziel wird nur dann erreicht, ist die gesamte Lieferkette frei von systemischen Rechtsgutsverletzungen. Verweigern unmittelbare Zulieferer oder solche entlang der Lieferkette also, systemische Rechtsgutsverletzungen abzustellen, ist der deutsche Abnehmer verpflichtet, die Geschäftsbeziehung zu terminieren.523 (2) Wechselwirkungen mit anderen deliktischen Tatbestandsmerkmalen Damit besteht jedoch zunächst einmal die Pflicht, die Geschäftsbeziehung zu beenden. Davon muss getrennt werden, ob das Unternehmen auch tatsächlich haftet. Dies hängt zudem von weiteren Tatbestandsmerkmalen der jeweils anwendbaren Haftungsnorm ab. Den Zusammenhang zur Kausalität veranschaulicht folgender Fall:

520

Siehe oben Kapitel 4, § 14 D.II.4.a)dd) (S. 285 f.). Rudkowski, RdA 2020, 239, die eine solche Regelung deshalb nicht per se ablehnt, sondern an eine sorgsame Abwägung des Gesetzgebers appelliert. Schneider, NZG 2019, 1373 geht davon aus, Bestimmungsgewalt und Verantwortung fielen vollständig auseinander. 522 Schneider, NZG 2019, 1373. 523 Eine Beendigung der Geschäftsbeziehung nur in Extremfällen in Erwägung ziehend: Hübner, NZG 2020, 1414. 521

§ 14 Haftungsbezogene Aspekte eines WertschöpfungskettenG

291

Fall 8 Textilzulieferer Z mit Sitz in China stellt für das deutsche Bekleidungsunternehmen Trimark (T) T-Shirts und Hemden her. T ist Zs bester Kunde und nimmt ca. 85 % der produzierten Textilwaren ab. T führte in regulärem, zeitlichem Abstand eine ordnungsgemäße Risikoanalyse durch. Dabei erlangt es Kenntnis davon, dass die Fabrik, in dem Z produzieren lässt, möglicherweise einsturzgefährdet ist. Diese Gefahr wird vom Sachverständigen S bestätigt. T wirkt bei Z anschließend darauf hin, diesen Missstand in Ordnung zu bringen. Z bleibt untätig, auch nach mehrmaligen, intensiven Aufforderungen unter Androhung, die Geschäftsbeziehung zu beenden. T entscheidet sich dennoch dafür die Geschäftsbeziehung nicht abzubrechen. Schließlich stürzt die Fabrik ein, mehrere Menschen sterben, noch mehr werden verletzt. Hätte T die Geschäftsbeziehung abgebrochen, wären die Näher mangels Aufträge nicht zur Arbeit erschienen. Das Gebäude wäre leer eingestürzt. Haftet T den Geschädigten auf Schadensersatz? Variante: Z ist finanzstärker und hat noch andere Abnehmer. Das Auftragsvolumen von T beträgt nur 15 % der bei Z eingehenden Aufträge. Würde T die Geschäftsbeziehung beenden, würden die bei Z beschäftigten Näher dennoch in der einsturzgefährdeten Fabrik arbeiten. Haftung von T?

Das WertschöpfungskettenG findet Anwendung. Mangelnde Sicherheitsstandards chinesischer Textilfabriken sind vielen Berichten zufolge ein typisches Risiko dort (§ 2 III). Mangelnde Gebäudesicherheit in südostasiatischen Textilfabriken führte immer wieder zu Rechtsgutsverletzungen. Sicherheitsmängel in der Fabrik reproduzieren so lange Rechtsgutsverletzungen, bis sie abgestellt werden. Es handelt sich somit auch um eine systemische Rechtsgutsverletzung (§ 4 I 1). Hier war laut Sachverständigem eine Rechtsgutsverletzung wahrscheinlich. Es bestand Gefahr für Leib und Leben der Arbeiter, gewichtige Rechtsgüter. Die Rechtsgutsverletzung war ersichtlich ex ante irreversibel. T war zudem unmittelbar per Liefervertrag mit Z verbunden (Zulieferer der ersten Ebene). Ebenfalls ex ante stand fest, dass Z ohne die bedeutsamen Aufträge von T (85 %) nicht weiterproduzieren würde. Damit sind zwar auch Entlassungen wahrscheinlich. Dieser lediglich wirtschaftliche Schaden wiegt jedoch geringer als die eingetretenen, gravierenden Rechtsgutsverletzungen. Ts Sorgfaltspflicht beinhaltete hier den Abbruch der Geschäftsbeziehung. Dieser Sorgfaltspflicht ist T nicht nachgekommen. Chinesischem Deliktsrecht zufolge müsste die Pflichtverletzung auch kausal für den eingetretenen Schaden gewesen sein.524 Hätte T die Geschäftsbeziehung terminiert, wären die Näher mangels Aufträge nicht zur Arbeit erschienen. Die Pflichtverletzung war damit kausal. Vorbehaltlich der Erfüllung weiterer Tatbestandsmerkmale des chinesischen Deliktsrecht haftet T.

524

Das chinesische Deliktsrecht unterscheidet nicht zwischen haftungsausfüllender und haftungsbegründender Kausalität. Dass die Pflichtverletzung oder Handlung für den Schaden kausal sein muss, ist jedoch unbestritten, siehe Zheng/Trempel, RIW 2010, 516; Bu, Einführung in das Recht Chinas, 2017, S. 135 Rn. 6. Nähere Details des chinesischen Deliktsrechts müssen hier außer Betracht bleiben.

292

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

Auch in der Variante bestehen die gleichen Gefahren für Leib und Leben der Arbeiter. T ist somit verpflichtet, die Geschäftsbeziehung zu Z zu beenden. Diese Pflicht hat er auch verletzt. Jedoch war diese Pflichtverletzung nicht kausal für den Schaden. Die Sorgfaltsbemühungen von T wären aufgrund seiner geringen Einflussmacht leergelaufen. Der Fabrikbetrieb hätte fortgedauert und der Schaden wäre somit ohnehin eingetreten. Wenn sich ein Zulieferer innerhalb des Geschäftsbereichs der deutschen Gesellschaft weigert, die geforderten Maßnahmen umzusetzen, trifft die deutsche Gesellschaft die Pflicht, die Geschäftsbeziehung zu beenden. ff) Erhöhung des Einflusses deutscher Gesellschaften Ein Vorschlag der OECD zur Konkretisierung der Sorgfaltspflicht fordert von über keine entsprechenden Einflussmöglichkeiten verfügenden Unternehmen, diese auf Zulieferer zu erhöhen.525 So sollen systemische Rechtsgutsverletzungen dann doch verhindert werden können. Das OECD Papier schlägt als einflusserhöhende Maßnahmen vor, Sorgfaltspflichten in Lieferverträge zu implementieren oder langfristige Beziehungen zu den Zulieferern aufzubauen.526 Diese Maßnahmen sind überaus sinnvoll, erfordern aber nicht, dass die deutsche Gesellschaft ihren Einfluss erhöht. Wenn sie in den Liefervertrag bestimmte Standards integriert und dafür ihre wirtschaftliche Machtposition nutzt oder Lieferverträge langfristig ausgestaltet (wogegen Zulieferer sicher nichts einzuwenden haben werden), kommt sie damit ihrer Pflicht bereits im Rahmen ihres Einflussbereichs nach. Es sind jedoch auch einflusserhöhende Maßnahmen denkbar, die an dieser Stelle zu weit gehen würden. So ließe sich daran denken, die deutsche Gesellschaft müsse bei einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung von z. B. 15 % zusätzliche Anteile kaufen, um mehr Einfluss auf die Geschäftspraktiken der ausländischen Gesellschaft auszuüben oder Geldzahlungen an problematische Zulieferer innerhalb der Lieferkette erbringen, um diese dazu zu veranlassen, systemische Rechtsgutsverletzungen abzustellen. Eine solche Auslegung würde aber weit über den Normzweck hinausschießen. Zweck eines WertschöpfungskettenG kann nicht sein, die sozioökonomische Struktur ganzer Staaten zu ändern. Dafür sind Prozesse besser geeignet, die die betreffenden Staaten einbinden wie z. B. die Initiative der UN Working Group für einen Binding Treaty on Business and Human Rights. Ein deutsches (oder auch EU-) WertschöpfungskettenG ist eine Chance von deutschen (oder EU-ansässigen) Unternehmen zu verlangen, nur noch mit solchen Unternehmen Geschäfte zu machen, die gewisse Grundwerte reflektieren. Zu weit ginge es aber über die Marktmacht der eigenen Unternehmen die Wirtschaftsstruktur anderer Staaten zu ändern. Darauf zielt eine Pflicht zur Erhöhung des Einflusses aber ab. Darüber hinaus hätten Un525 OECD, Leitfaden für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht für verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln, 2018, S. 32 f., 82 f. 526 Ebd., S. 82.

§ 14 Haftungsbezogene Aspekte eines WertschöpfungskettenG

293

ternehmen dann keine Möglichkeit mehr, sich aus einem bestimmten Geschäftsfeld wieder zurückzuziehen. Insoweit treffen sie keine Pflichten. Es steht ihnen jedoch frei, ihren Einfluss auf Zuliefererbetriebe zu erhöhen. b) Konzern aa) Gesellschaftsrechtliche Einflussmöglichkeiten im Mutter-Tochter-Verhältnis Die deutsche Gesellschaft trifft die Pflicht, in den Betrieben ihrer Konzerngesellschaften Maßnahmen zu treffen, um Rechtsgutsverletzungen natürlicher Personen zu verhindern. Bei soeben beschriebenen, vertraglichen Bindungen kommt es eher auf die faktische, wirtschaftliche Macht des Abnehmers an. Nur mittels dieser kann er die Zustände im Zuliefererbetrieb beeinflussen. Im Mutter-Tochter-Verhältnis hat die Muttergesellschaft zwar ebenfalls Einflussmöglichkeiten. Doch wie macht sie das gesellschaftsrechtlich? Diese Frage ist Gegenstand der folgenden Ausführungen. Die Rede hier von Muttergesellschaften ist bewusst gewählt. Pflichten treffen nur Muttergesellschaften i. S. v. § 290 II HGB, also Gesellschaften, die die dort genannten Kriterien erfüllen. Ist das der Fall, spielt es allerdings keine Rolle, welche Funktion die Muttergesellschaft als Anteilseignerin einnimmt: ob sie also lediglich Investorin ist oder das Geschäft der Tochter operativ kontrolliert. (1) Kontrollrechte im deutschen Gesellschaftsrecht: Vertragsund faktischer Konzern Haben herrschendes und abhängiges Unternehmen einen Beherrschungsvertrag nach § 291 I 1 Alt. 1 AktG geschlossen (sog. Vertragskonzern), kann die herrschende Gesellschaft dem Vorstand der beherrschten Gesellschaft hinsichtlich der Leitung der Gesellschaft Weisungen erteilen, § 308 I 1 AktG. Das gilt auch, wenn diese Weisungen nachteilig für die beherrschte Gesellschaft sind, (§ 308 I 2 AktG). Die Weisung muss lediglich für die herrschende Gesellschaft vorteilhaft sein. In jedem Fall muss die beherrschte Gesellschaft der Weisung Folge leisten (§ 308 II AktG).527 Im faktischen Konzern kann die herrschende Gesellschaft formell und informell Einfluss nehmen.528 Tatsächliche, also außerhalb der aktienrechtlichen Zuständigkeitsordnung bestehende (informelle) Einflussmacht hat die herrschende AG insbesondere über ihren Einfluss auf Vorstand und Aufsichtsrat.529 Mit entsprechenden Mehrheitsbeteiligungen kann sie die Mitglieder des Aufsichtsrats der abhängigen 527

Poelzig, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion, 2018, S. 104. So die Unterscheidung von Paul, Informelle und formelle Einflussnahme des faktisch herrschenden Unternehmens auf die faktisch abhängige AG, 2013. 529 Poelzig, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion, 2018, S. 105. An dieser Stelle können nicht alle denkbaren Konstellationen der Einflussnahme aufgefächert werden. Siehe dazu Paul, Informelle und formelle Einflussnahme des faktisch herrschenden Unternehmens auf die faktisch abhängige AG, 2013, S. 55 – 65. 528

294

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

AG bestimmen, § 103 I AktG. Diese bestellen den Vorstand (§ 84 I 1 AktG). So kann die herrschende AG dem Vorstand der abhängigen AG Weisungen erteilen, die er formaljuristisch zwar nicht befolgen muss (§ 76 I AktG). In der Praxis wird er die Weisung jedoch ausführen, um erneut zum Vorstand berufen zu werden.530 Darüber hinaus kann die herrschende AG als Mehrheitsgesellschafterin die Hauptversammlung einberufen (§ 122 I AktG) und dort ihre Stimmrechte ausüben. Noch einfacher kann die Muttergesellschaft Einfluss nehmen, ist die Tochtergesellschaft als GmbH organisiert. Hier kann sie mittels der Gesellschafterversammlung gemäß § 37 I GmbHG die Tochter unmittelbar anweisen.531 Die herrschende Gesellschaft kann die Geschäftspolitik der Tochter somit maßgeblich bestimmen. Einer Beeinflussung im Sinne der hier vorgeschlagenen Sorgfaltspflicht steht daher aus Perspektive deutschen Konzernrechts nichts entgegen. (2) Internationales Gesellschaftsrecht Allerdings betreffen die Fälle hier grenzüberschreitende Beteiligungen. Internationalem Gesellschaftsrecht zufolge findet deutsches Gesellschaftsrecht hinsichtlich des Einflusses einer deutschen Konzernmutter auf die Geschäftspolitik der Tochter gar keine Anwendung. Das anwendbare Gesellschaftsrecht richtet sich nach dem Personalstatut der abhängigen Gesellschaft, weil das Konzernverhältnis auf der Beteiligung an dieser Gesellschaft fußt.532 Maßgeblich ist somit das Unternehmensrecht des Sitzstaats der Tochtergesellschaft, mithin ausländisches Recht. (3) Rechtsvergleichender Abriss gesellschaftsrechtlicher Kontrollrechte Das ändert jedoch nichts an den in (1) gefundenen Erkenntnissen. In den meisten Rechtsordnungen dürfte eine Gesellschaft mit Mehrheitsbeteiligung die Geschäftspolitik der Tochter bestimmen können, indem sie die Geschäftsführung (ab-) beruft bzw. damit droht: Argentinischem Gesellschaftsrecht zufolge bestellt und abberuft die Gesellschafterversammlung (Asamblea) der Sociedad de Responsbilidad Limitada (SRL) die Geschäftsführer (Gerentes).533 Gesellschafterbeschlüsse werden in der Regel mit absoluter Mehrheit gefasst.534 Bei Mehrheitsbesitz kann die deutsche Mutter dadurch die Geschäftspolitik der Tochter maßgeblich beeinflussen. Im brasilianischen Gesellschaftsrecht bedarf es einer 3/4-Mehrheit, um den Gesellschaftsvertrag zu ändern (Art. 1076 I i. V. m. Art. 1071 V Código Civil). Sollen 530 Paul, Informelle und formelle Einflussnahme des faktisch herrschenden Unternehmens auf die faktisch abhängige AG, 2013, S. 61. 531 Poelzig, in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion, 2018, S. 104. 532 MüKo-BGB/Kindler, IntGesR Rn. 681; Heckschen, in: Handbuch des internationalen GmbH-Rechts, 2016, S. 327 f.; von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 33. 533 Zum Ganzen: Bascopé, in: Handbuch des internationalen GmbH-Rechts, 2016, Argentinien, S. 425. 534 Ebd., S. 425 f.

§ 14 Haftungsbezogene Aspekte eines WertschöpfungskettenG

295

Geschäftsführer somit mittels Gesellschaftsvertrags ernannt werden, muss ebendiese / -Mehrheit auch beachtet werden. Gesellschafter-Geschäftsführer können hingegen per Gesellschafterbeschluss mit absoluter Mehrheit ernannt werden. Geschäftsführer, die nicht zugleich Gesellschafter sind, kann die Gesellschafterversammlung mit 2/3-Mehrheit berufen.535 Bei gesellschaftsvertraglicher Berufung eines Gesellschafter-Geschäftsführers kann die Gesellschafterversammlung diesen mit 2/3-Mehrheit abberufen, sofern der Gesellschaftsvertrag nichts anderes regelt (Art. 1063 § 1 Código Civil). Handelt es sich um einen Fremdgeschäftsführer reicht absolute Mehrheit aus (Art. 1019 Código Civil). Das gilt auch dann, wenn seine Ernennung im Gesellschaftsvertrag erfolgte und seine Abberufung diesen somit ändern würde.536 34

In China müssen ausländische Investoren bestimmte Gesellschaftsformen wählen, z. B. das Equity-Joint Venture, (EJV), Contractual oder Cooperative Joint Venture (CJV) oder das Wholly Foreign-Owned Enterprise (WFOE). Auch hier richtet sich die Benennung der Leitungsorgane nach den Beteiligungsverhältnissen.537 Gleiches gilt für England.538 Dieser knappe Abriss einiger ausländischen Rechtsordnungen zeigt, dass wie auch im deutschen Konzernrecht ein Mehrheitsgesellschafter die Geschäftspolitik des Tochterunternehmens maßgeblich bestimmen kann. Anders als in Lieferketten rührt die Macht der Muttergesellschaft von der Möglichkeit her, die Geschäftsleitung der Tochter abzuberufen. Die Vermutung liegt nahe, dass aufgrund dieser rechtlich gesicherten Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten Unternehmen in der Rohstoffextraktionsindustrie beinahe ausschließlich mittels konzernierter Konstellationen tätig werden.539 Anders als im Einzelhandel sind sie hier auf diese rechtliche Einflussabsicherung angewiesen: Die Rohstoffextraktionsbranche zeichnet sich durch einen hohen Investitionsaufwand (technisches Knowhow und fehlende Standardisierung der Prozesse) aus.540 Hier überlassen Unternehmen lieber nichts dem Zufall. Dennoch lässt sich nicht pauschal behaupten, Unternehmen am Kopf der Wertschöpfungskette hätten in der konzernierten Konstellation mehr Einfluss auf die nachgelagerten Rechtsträger.541 Es sind durchaus Fälle denkbar, in denen eine Abnehmergesellschaft aus der Textilindustrie einzige Kundin eines kleinen Zuliefererbetriebs ist. In diesem Fall hat der deutsche Abnehmer faktisch mindestens genauso viel Kontrolle. Die Einflussmöglichkeiten in der Konzernkonstellation sind lediglich rechtssicherer. In der vertraglichen Konstellation könnte ein Zuliefererbetrieb hin-

535 Zum Ganzen: Curschmann, in: Handbuch des internationalen GmbH-Rechts, 2016, Brasilien, S. 518. 536 Ebd. 537 Scheil, in: Handbuch des internationalen GmbH-Rechts, 2016, China, S. 576. 538 Tholen, Europäisches Konzernrecht, 2014, S. 151 f. 539 Siehe oben die Fälle in Kapitel 1, § 2 A (S. 32 ff.). 540 von Falkenhausen, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht, 2020, S. 22. 541 So Monnheimer/Nedelcu, ZRP 2020, 208.

296

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

gegen dem Abnehmer rechtlich Zutritt verwehren oder sich weigern, an ihn herangetragene Forderungen umzusetzen. bb) Aktive Handlung durch Tochterunternehmen Während in vielen Fällen die Rechtsgüter von Stakeholdern durch Unterlassen verletzt werden, nämlich mangels Implementierung von Sicherheitsstandards, so tragen Konzernunternehmen gelegentlich auch durch aktive Handlungen zu Rechtsgutsverletzungen bei. Meist treten jedoch die Rechtsgüter unmittelbar schädigende Dritte dazwischen. (1) Paramilitärs in Konfliktregionen So auch im Fall Nestlé, in dem die kolumbianische Tochtergesellschaft Cicolac einen Gewerkschafter als Guerilla-Kämpfer diffamierte. Hier hätte eine Risikoanalyse ergeben, dass die Milchbauern von denen Cicolac sein Milchpulver bezog, Paramilitärs finanzieren. Gewerkschafter sind für diese Paramilitärs ein Ziel. Durch ihre Forderungen nach höheren Löhnen oder verbesserten Arbeitsbedingungen könnte sich die Konzernmutter in Europa dazu veranlasst sehen Cicolac zu schließen (wie es dann auch geschah). Dadurch würde den Milchbauern ein entscheidender Einkäufer wegbrechen, wodurch wiederum eine wichtige Einnahmequelle der Paramilitärs versiegen würde. Unterhält eine deutsche Gesellschaft Tochterunternehmen in Konfliktregionen, muss es zunächst die lokale Lage verstehen. Dieser Schritt ist zwar eher Teil der Risikoanalyse, hat hier jedoch besondere Bedeutung. Anschließend muss es eine Strategie entwickeln, wie es in der entsprechenden Konfliktregion wirtschaften kann, ohne durch die Geschäftsaktivität den Konflikt zu verschärfen. Diesen Erkenntnissen entsprechend muss es sein lokales Tochtermanagement schulen und im Zweifelsfall unter Drohung ansonsten eine andere Geschäftsführung einzusetzen auch anweisen, sich deeskalierend zu verhalten. Im Nestlé-Fall hat das Cicolac Management einen Gewerkschafter und Arbeitnehmer als Guerilla-Kämpfer öffentlich diffamiert. Da Paramilitärs und Guerilleros in Kolumbien verfeindet sind, hebt dies jede Person für Paramilitärs als militärisches Ziel hervor. Nestlé hat hier keinerlei Maßnahmen zum Schutz der Gewerkschafter getroffen, obwohl diese nach dem Erhalt von Todesdrohungen Nestlé mehrfach um Hilfe gebeten hatten. Dass es tatsächlich zu einer Rechtsgutsverletzung kommt, war angesichts dieser Todesdrohungen und der angespannten, politischen Polarität in Kolumbien wahrscheinlich. Nestlé hat Cicolac auch nicht angewiesen, sensibel mit der Konfliktsituation umzugehen. Stattdessen distanzierte es sich soweit wie möglich von Cicolac und verwies immer wieder auf dessen rechtliche Selbstständigkeit, obwohl es hier durch Abberufung der Geschäftsführung die Geschäftspolitik von Cicolac ohne Weiteres bestimmen konnte. Aber auch wenn Cicolac den Gewerkschafter nicht diffamiert hätte, hätte Nestlé Maßnahmen ergreifen müssen. Gewerkschafter sind durch die latente Spannung mit

§ 14 Haftungsbezogene Aspekte eines WertschöpfungskettenG

297

Paramilitärs dauerhaft gefährdet. Nestlé hätte hier auf die Regierung einwirken können, Maßnahmen zum Schutz der Gewerkschafter zu ergreifen. Dabei schuldet es keinen Erfolg, da die kolumbische Regierung freilich nicht dazu verpflichtet ist, Anweisungen eines ausländischen Investors zu befolgen. Da die Regierungen der Gaststaaten jedoch großes Interesse an ausländischen Direktinvestitionen haben, ist nicht unwahrscheinlich, dass sie dem Verlangen Folge leisten. Es lässt sich jedoch keine Patentformel entwickeln, wie sich Unternehmen in Konfliktregionen verhalten müssen. In manchen Fällen haben Unternehmen nur die Wahl zwischen Pest oder Cholera. Angenommen, Nestlé hätte hier eine Strategie entwickelt wie es sich in Kolumbien verhält und so verhindert, dass Cicolac sich dementsprechend äußert, hätten die Paramilitärs die Gewerkschafter möglicherweise dennoch als eine Bedrohung für ihr Auskommen gesehen. Bleibt Nestlé in Kolumbien, besteht die Gefahr, dass Paramilitärs ihnen lästige Gewerkschafter aus dem Weg räumen, also fort. Verlegt oder verkauft Nestlé Cicolac, deuten die Paramilitärs dies ggf. als Folge von Gewerkschaftsaktivität und vergelten das entsprechend. Maßgeblich kann unter einem WertschöpfungskettenG daher nicht das Ergebnis sein (Rechtsgutsverletzung oder nicht), sondern ob die deutsche Gesellschaft Maßnahmen zum Rechtsgüterschutz der Beteiligten ergriffen hat. (2) Staatliche Sicherheitskräfte In den Fällen Shell, Monterrico Metals und Danzer unterstützten die jeweiligen lokalen Tochtergesellschaften die staatlichen Sicherheitsbehörden. Im Fall Shell stellte die nigerianische Tochter SPDC den nigerianischen Sicherheitskräften Kommunikationsmittel (Walkie-Talkies, Mobiltelefone), Lebensmittel und Fahrzeuge zur Verfügung. Die Angriffe auf die Ogoni-Dörfer wurden zudem von Firmengrundstücken der Shell-Tochter ausgeführt. Im Fall Monterrico Metals instruierte das Management der peruanischen Tochter gar die Sicherheitspolizei in ihren Geschäftsräumen. Daraufhin griff die Polizei Demonstranten mit scharfen Waffen an. Sie stand währenddessen in enger Kommunikation mit dem töchterlichen Management. Im Fall Danzer stellte die kongolesische Tochtergesellschaft Siforco den Sicherheitskräften Fahrzeuge zur Verfügung. Personal der Danzer-Tochter fuhr bei den Angriffen in diesen Fahrzeugen mit. Im Fall Monterrico Metals ist unklar, in welchem Sinne das Management der Tochter die Sicherheitskräfte instruierte. Hat es Anweisungen gegeben, die Demonstration gewaltsam niederzuschlagen und hat Monterrico Metals das Management vor Ort weder geschult noch Vorgaben gemacht, wie mit Anwohnern der Mine umgegangen werden soll? Dann hat es seine Sorgfaltspflicht verletzt. Hat das Management die Sicherheitskräfte allerdings angewiesen, bei der Demonstration möglichst friedlich vorzugehen und scharfe Munition gegen die Demonstranten nur einzusetzen, wenn sie selbst unmittelbar bedroht werden? Dann kann ein solcher Gewaltexzess Monterrico Metals nicht als Pflichtverletzung angelastet werden. In jedem Fall muss die Mutter mittels ihres Einflusses verhindern, dass die Tochter

298

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

Sicherheitskräften Mittel bereitstellt, mit deren Hilfe Gewalttaten an der örtlichen Bevölkerung verübt werden.542 Die Pflichten der deutschen Gesellschaft ändern sich jedoch mit dem Beteiligungsverhältnis. So haben 100- (Monterrico Metals/Danzer) und 30-prozentig (RDSC) beteiligte Gesellschaften unterschiedliche Einflussmöglichkeiten. Bei einer 30-prozentigen Beteiligung kann grundsätzlich lediglich erwartet werden, sich in der Gesellschafterversammlung für eine rechtsgüterschonende Geschäftspolitik einzusetzen. Doch auch weitere Kriterien sind relevant. So hielt RDSC zwar nur 30 % an der nigerianischen Tochtergesellschaft, war jedoch mit dem operativen Geschäft betraut. Ist gesellschaftsvertraglich vereinbart, dass ein Anteilseigner die Geschäfte führt, hat dieser auch mehr Pflichten. RDSC hätte hier daher die Operationen des nigerianischen Militärs nicht unterstützen dürfen. Oberste Grenze ist jedoch die Vermeidbarkeit. Kommt ein herrschender Gesellschafter dem das operative Geschäft leitenden Gesellschafter in die Quere und beruft die Geschäftsführung ab, kann dem das operative Geschäft leitenden Gesellschafter auch keine Pflichtverletzung vorgeworfen werden. In vielen Fällen haben deutsche Gesellschaften jedoch den entsprechenden Einfluss. Wie bereits im Kontext des gesellschaftsrechtlichen Trennungsprinzips erwähnt, haben 85 % der in Deutschland ansässigen Aktiengesellschaften einen Beteiligungsbesitz von 50 % oder mehr.543 cc) Mangelhafte Sicherheitsstandards in Konzerngesellschaften Ähnlich zur vertraglichen Konstellation544 gibt es auch hier Schadensfälle aufgrund mangelnder Sicherheitsstandards in den Betrieben der ausländischen Konzerngesellschaft. Dazu zählen die Fälle Bhopal, Shell, Cape plc und Vedanta Resources. Der größte Unterschied zur vertraglichen Konstellation liegt in der (rechtlich) engeren Verbindung zwischen Mutter- und Konzerngesellschaft. Während der Abnehmer seine Zulieferer nur faktisch beeinflussen kann, bedienen sich Unternehmen besonders in der Rohstoffindustrie der gesellschaftsrechtlichen Unternehmensorganisation. Die technischen Anforderungen sind hier komplexer. (1) Leckende Ölpipelines im Shell-Fall Im Shell-Fall hätte die Shell-Mutter ihre Einflussmacht nutzen müssen, um regelmäßige Kontrollen der Ölpipelines sicherzustellen. So hätte sie Lecks erkannt und diese wieder versiegelt. In Nigeria sind Ölpipelines mehrere Tausend Kilometer 542 Insbesondere hier spielt die Kausalität wieder eine große Rolle: Hätten die staatlichen Sicherheitskräfte oder Paramilitärs ohnehin gehandelt, wie sie gehandelt haben? Oder wären die Bemühungen von unternehmerischer Seite von Erfolg gekrönt gewesen? 543 Siehe mit weiteren Daten die Aufstellung der empirischen Studie von Köke, in: Kredit und Kapital 2001, 271. Ausführlich und m. w. N. zur Konzentration von Anteilsbesitz in deutschen Kapitalgesellschaften: Kalss, ZHR 171 (2007), 150 f. 544 Oben Kapitel 4, § 14 D.II.4.a) (S. 276 ff.).

§ 14 Haftungsbezogene Aspekte eines WertschöpfungskettenG

299

lang.545 Einen beträchtlicher Anteil davon betreibt Shell. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit lecken diese Pipelines gelegentlich. Bleiben Lecks über Tage oder gar Monate unentdeckt, ist der Schaden verheerend. Über 500 Tonnen Rohöl können innerhalb weniger Tage austreten.546 Insbesondere bei Öllecks spielt Reparabilität eine besondere Rolle. Es ist schwer, das verunreinigte Wasser wieder zu klären.547 (2) Dazwischentreten Dritter Eine Besonderheit im Shell-Fall: Shell wirft der lokalen Bevölkerung vor, 60 % der Lecks durch Sabotage selbst verursacht zu haben. Ob diese Zahl realistisch ist, kann hier nicht beantwortet werden. Unterstellt, der Vorwurf träfe zu, ist Shell dennoch verpflichtet auch diese Lecks wieder zu schließen. Denn durch die Lecks werden nicht nur die Saboteure selbst geschädigt, sondern auch andere, in der Nähe der Pipelines Wohnende. Das ist kein Novum. Die deutsche Verkehrspflichtendogmatik erkennt an, dass der Inhaber einer potenziell gefährlichen Anlage verpflichtet ist, diese auch gegen vorsätzliche Eingriffe Unbefugter zu sichern.548 Sind jedoch auch Saboteure auf Klägerseite vertreten, müssen sich diese ein Mitverschulden anrechnen lassen – in Nigeria, wo weitestgehend englisches Recht angewandt wird549, im Rahmen der contributory-negligence-Doktrin550. (3) Parallelen zur Lieferkettenkonstellation Dem Grunde nach gilt trotz der unterschiedlichen Einflussmöglichkeiten das Gleiche wie bei vertraglichen Beziehungen. Die Muttergesellschaft muss gemäß ihrem Einfluss (Stimmrechte/Einfluss auf die Geschäftsführung) Maßnahmen für adäquate Sicherheitsstandards in ihren Tochtergesellschaften ergreifen. Nicht in jedem Schadensfall liegt jedoch eine Pflichtverletzung. So trifft sie nicht der Vorwurf der Pflichtverletzung für die Handlungen eines entgegen entsprechenden Weisungen handelnden, töchterlichen Geschäftsführers, wenn sie Sorgfaltsmaßnahmen ergriffen hat und dessen Handlungen nicht vorhersehbar waren.

545

aspx. 546

Länderdaten.de, Pipelines, https://www.laenderdaten.de/energiewirtschaft/pipelines.

Taz, Schwere Vorwürfe gegen Shell, https://taz.de/Oelkatastrophe-in-Nigeria/!5055401/. Wikipedia, Ölkatastrophe im Nigerdelta, https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96lkata strophe_im_Nigerdelta#cite_note-9. 548 MüKo-BGB/Wagner, § 823 Rn. 485 f.; BeckOK-BGB/Förster, § 823 Rn. 332 f. 549 Dazu oben Kapitel 3, § 8 B.III.2.b)aa) (S. 154 ff.). 550 Dazu rechtsvergleichend v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht, 1999, Band II, S. 549 – 575 und Van Dam, European Tort Law, 2013, S. 375 – 382. 547

300

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

5. Beweislast Fraglich ist, wer welchen Teil des Haftungstatbestands innerhalb eines WertschöpfungskettenG sollte beweisen müssen. Bereits für den französischen Gesetzgeber war die Beweislast im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses ein umstrittenes Thema. Der ursprüngliche Entwurf zum loi de vigilance wies noch dem Beklagten die Beweislast zu. Im Laufe des Gesetzgebungsprozesses wurde dieses Detail jedoch gekippt.551 Vorab ist festzustellen, dass § 142 I ZPO, wonach das Gericht eine Partei zur Vorlage bestimmter Urkunden verurteilen kann, in diesem Kontext nur bedingt weiterhilft. Dafür müssten die Geschädigten erst einmal wissen, welche Dokumente offengelegt werden sollen. Das wissen sie aber gerade nicht.552 a) Allgemeine Kriterien zur Beweislastverteilung Ausgangspunkt für die Verteilung der Beweislast ist in Deutschland die von Rosenberg entwickelte Satzbaulehre oder Normentheorie. Danach muss jede Partei die ihr günstigen Normen beweisen.553 Demzufolge müssten die Geschädigten beweisen, dass die deutsche Gesellschaft ihre Pflicht, Maßnahmen zum Rechtsgüterschutz zu ergreifen, nicht erfüllt hat. Darüber hinaus müssen sie – je nach anwendbarer Rechtsordnung – mindestens auch Kausalität und Schaden beweisen. Die Rosenbergsche Formel ist jedoch nicht das einzige Beweislastprinzip. Daneben spielen ebenfalls die Nähe zu den zu beweisenden Tatbestandsmerkmalen554 (Aufklärungsmöglichkeiten555) sowie der Beitrag der Beweislastregelung zur Wahrheitsfindung und der Vermeidung einer Situation, in der weder der Tatsachenvortrag der einen, noch der anderen Partei bewiesen werden kann (non-liquet556) eine große Rolle. Diese Prinzipien fallen innerhalb der verschiedenen Tatbestandsmerkmale unterschiedlich ins Gewicht. 551 Nordhues, Die Haftung der Muttergesellschaft und ihres Vorstandes für Menschenrechtsverletzungen im Konzern, 2018, S. 313 f. m. w. N. zur französischen Literatur in Fn. 1044 und 1045. 552 Domej, Unternehmensverantwortung und internationales Recht, 2020, S. 258. 553 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 2018, S. 698. 554 Ebd., S. 697. Diese Nähe war im Rahmen der Schuldrechtsreform Grund für die Beweislastverteilung bei § 280 I 2 BGB, siehe z. B. Lorenz, NJW 2005, 1890. Dies wird teilweise als Widerspruch zum Deliktsrecht empfunden, wo sich der Gläubiger seinen Schuldner nicht aussuchen kann und so noch weniger Einblick hat, Rother, NJ 2012, 320 f. Siehe auch Spindler, in: Bamberger/Roth-BGB, 3. Auflage, § 823 Rn. 27: „Der vor allem in der Produkthaftung entwickelte Grundgedanke, dass der Verletzte keinen Einblick in Vorgänge des Schädigers hat und daher nicht mit dem Beweis solcher Tatsachen belastet werden kann, erscheint verallgemeinerungsfähig.“ Für eine Aufteilung nach Sphären, allerdings in Bezug auf Auskunftsansprüche, MüKo-BGB/Roth, 5. Auflage, § 242 BGB Rn. 91. 555 So die Umschreibung bei Musielak, Die Grundlagen der Beweislast im Zivilprozeß, 1975, S. 383. 556 Ebd. Hinsichtlich Auskunftspflichten und -ansprüchen de lege ferenda: Brand, NJW 2017, 3561.

§ 14 Haftungsbezogene Aspekte eines WertschöpfungskettenG

301

b) Modifikation kollisionsrechtlich nicht zur Anwendung berufener Tatbestandsmerkmale Zum Verständnis soll noch kurz eine kollisionsrechtliche Besonderheit hervorgehoben werden. Hier wird die „kleine“ kollisionsrechtliche Lösung vertreten. Das heißt, das WertschöpfungskettenG bringt mittels Eingriffsnorm nur die (Verkehrs-) Pflicht zur Anwendung, nicht den gesamten Haftungstatbestand (im deutschen Recht wäre das § 823 I BGB). Es wäre dennoch denkbar auch bezüglich Tatbestandsmerkmalen abseits der Pflicht (im Wesentlichen Kausalität und Schaden, die in den meisten Rechtsordnungen der Welt Voraussetzung sind) dem potenziellen Schädiger die Beweislast aufzubürden. Ein WertschöpfungskettenG wäre dann in puncto Kausalität und Schaden nur hinsichtlich der Beweislast, nicht aber hinsichtlich dieser Voraussetzungen selbst Eingriffsnorm. Das heißt jedoch nicht, dass eine solche Beweislastumkehr – nur weil systematisch machbar und wie sogleich noch zu zeigen sein wird – auch in der Sache wünschenswert ist. c) Pflicht Hinsichtlich der Pflicht, rechtsgüterschützende Maßnahmen innerhalb der Wertschöpfungskette zu ergreifen, sprechen gute Gründe dafür, der deutschen Gesellschaft die Beweislast aufzubürden. Innerhalb der Pflicht kommt es nämlich darauf an, ob der Abnehmer/die Muttergesellschaft z. B. auf die Zulieferer-/Konzerngesellschaft eingewirkt hat, ob er Preis und Lieferzeit drückt oder welche Weisungen der Tochter erteilt wurden. Konkret wird es hier häufig auf die Kommunikation der miteinander Geschäftsbeziehungen pflegenden Rechtsträger ankommen. Diese wird anhand von Schriftstücken oder Emails belegt. Auf diese Dokumente haben die Geschädigten keinen Zugriff, die deutsche Gesellschaft hingegen schon.557 Sie steht dem Tatbestandsmerkmal in puncto Aufklärungsmöglichkeiten näher. Insoweit ähnelt die Situation der Beweislage beim Kartellschadensersatz und der Produkthaftung. Bei der Produkthaftung ist die Beweislast zu Gunsten des Geschädigten umgekehrt.558 Beim Kartellschadensersatz stehen dem Geschädigten substanzielle Auskunftsansprüche zu.559 Auch der Wahrheitsfindung ist so am besten gedient. Was die deutsche Gesellschaft konkret getan hat, kommt am ehesten ans Licht, wenn sie diese Maßnahmen darlegen muss. Dass die deutsche Gesellschaft „lange zurückliegende Kommunikationsprozesse“ nachvollziehen muss560, ändert nichts an dieser Einschätzung. Wer sonst soll Zugang zu diesen 557

Ähnlich Marx/Bright/Pineau/Wouters, European Yearbook of Human Rights 2019, 182. Siehe § 1 IV ProdHG und Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 2018, S. 702. 559 Siehe § 33g GWB. Dazu Brand, NJW 2017, 3561. 560 So der Einwand von Zimmermann, Menschenrechtsverletzungen, internationales Deliktsrecht und Beweislast, Verfassungsblog, https://verfassungsblog.de/menschenrechtsverlet zungen-internationales-deliktsrecht-und-beweislast/, der zunächst die Beweislast dem Unter558

302

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

Kommunikationsprozessen haben, wenn nicht der Kommunizierende selbst? Selbst wenn dies im Nachhinein schwierig sein sollte, kann die deutsche Gesellschaft ihre Kommunikation immer noch erheblich besser nachvollziehen als die Geschädigten. Hinsichtlich der Pflicht sollte daher die deutsche Gesellschaft mit der Beweiserbringung belastet sein. Die Geschädigten haben mangels Einblicks in die Geschäftsbeziehungen sonst kaum Chancen eine Pflichtverletzung nachzuweisen.561 Eine andere Verteilung wäre nur bei entsprechenden, umfänglichen Dokumentations- und Berichterstattungspflichten denkbar.562 Solche sind dem deutschen Recht aber eher fremd. Teilweise werden sie sogar für „unvereinbar“ mit der deutschen Rechtstradition erachtet.563 d) Kausalität Die Kausalität zeichnet ein ambivalenteres Bild. Ob die Maßnahmen (die nun auf dem Tisch liegen) den eingetretenen Schaden auch verhindert hätten, hängt häufig von lokalen Umständen ab. Wie hat sich z. B. das beschriebene Kooperationsmodell564 auf die Arbeitssicherheit ausgewirkt? Das können die Arbeitnehmer des Zuliefererbetriebs mindestens genauso gut beurteilen wie die deutsche Gesellschaft. In anderen Fällen, insbesondere in konzernierten Konstellationen, wird es im Rahmen der Kausalität hingegen auf die faktischen und rechtlichen Einflussmöglichkeiten der Konzernmutter/des Abnehmers ankommen. Der Nachweis, inwiefern dieser Einfluss ausreicht, um die Konzerngesellschaft/den Zulieferer zu einem bestimmten Verhalten zu veranlassen, dürfte der deutschen Gesellschaft wohl leichter fallen als den Geschädigten. Allerdings unterscheidet sich die Situation in diesem Punkt von der Pflicht. Hier treten nämlich durchaus verschiedene Umstände nach außen. Die gesellschaftsrechtliche Beteiligung, wer die Geschäfte führt oder das Auftragsvolumen des Abnehmers – alles Kriterien zur Beurteilung der Einflussmöglichkeiten – sind durchaus auch den Geschädigten zugänglich. Hier lässt sich daher nicht zweifelsfrei feststellen, wem der Nachweis „am nächsten liegt“.

nehmen auferlegen und – sofern dieses bestimmte Dokumentationspflichten erfüllt – die Beweislast auf den Geschädigten verteilen möchte. 561 Haider, Haftung von transnationalen Unternehmen und Staaten für Menschenrechtsverletzungen, 2019, S. 557; Massoud, in: Transnationale Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen im Völkerrecht, 2013, 54; Görgen, Unternehmerische Haftung in transnationalen Menschenrechtsfällen, 2019, S. 488; Lorenzen, AuR 2020, Text bei Fn. 63; Winkelmüller/ Twardy, ARP 2020, 313; Pietropaoli, Business, Human Rights and Transitional Justice, 2020, S. 140. Mit dieser Begründung wird die Effektivität des französischen Sorgfaltspflichtengesetz, das nach einem umstrittenen Gesetzgebungsprozess keine Beweislastumkehr vorsieht, bezweifelt, siehe Nordhues, Die Haftung der Muttergesellschaft und ihres Vorstands für Menschenrechtsverletzungen im Konzern, 2018, S. 313 f. 562 So der Vorschlag von Zimmermann, siehe Kap. 4 Fn. 560. 563 Brand, NJW 2017, 3563. 564 Kapitel 4, § 14 D.II.4.a)bb) (S. 179 f.).

§ 14 Haftungsbezogene Aspekte eines WertschöpfungskettenG

303

Daher sollte an dieser Stelle die kollisionsrechtliche Dimension den Ausschlag geben: Für die Gerichte sind Klagen auf Grundlage eines WertschöpfungskettenG ohnehin schon kompliziert. Sie müssen nicht nur ausländisches Recht anwenden, sondern die hier konkretisierte, nach deutschem WertschöpfungskettenG zu beurteilende Pflicht dem jeweiligen ausländischen Haftungstatbestand zuordnen. Müssen sie innerhalb des ausländischen Tatbestands nun zusätzlich eine andere als im Sachrecht vorgesehene565 Beweislastverteilung vornehmen, wird ein WertschöpfungskettenG möglicherweise zu unpraktikabel. Darüber hinaus schont diese Lösung das Erfolgsortprinzip. Schließlich bestehen Zweifel daran, dass eine Beweislastumkehr innerhalb der Kausalität die Voraussetzungen einer Eingriffsnorm erfüllt. In Bezug auf die Pflicht ist nachvollziehbar, dass ohne eine entsprechende Beweislastumkehr der Normzweck nicht verwirklicht werden kann. Die Geschädigten haben keinen Einblick in die Geschäftsbeziehungen zwischen den beteiligten juristischen Personen. Die Beweislastumkehr ist daher essenziell für die Wahrung des öffentlichen Interesses des Forums (was wiederum Voraussetzung für den Erlass einer Eingriffsnorm ist, Art. 16 Rom II-VO, 9 I Rom I-VO). Bei der Kausalität wird es in sachlicher Hinsicht darum gehen, ob die Maßnahmen des deutschen, bzw. europäischen Unternehmens das ausländische Zulieferer- bzw. Konzernunternehmen dazu bewegt hätten, etwas an Sicherheitsstandards, Überstundenpolitik, etc. zu ändern. Dies hängt häufig davon ab, wie viel Einfluss der Abnehmer oder die Mutter hat. In der Konzernkonstellation richtet sich das u. a. nach dem Beteiligungsbesitz, ein Faktum, auf das die Kläger Zugriff haben dürften. Doch auch bei vertraglichen Verbindungen wissen die Arbeitnehmer häufig wie abhängig ihr Arbeitgeber von den Aufträgen beispielsweise westlicher Bekleidungsunternehmen ist. Im KiK-Fall stützten sie ihre Klage z. B. darauf, dass KiK einziger Abnehmer von Ali Enterprises war.566 Dementsprechend ist zweifelhaft, ob die Beweislastumkehr im Rahmen der Kausalität zur Verwirklichung des WertschöpfungskettenG und damit wiederum zur Wahrung des öffentlichen Interesses (Art. 16 Rom II, 9 I Rom I) erforderlich ist. Vorzugswürdig erscheint daher, die Voraussetzungen zur Kausalität und deren Beweislastregelung gemäß Art. 22 I Alt. 2 Rom II-VO der lex causae zu überlassen. Das muss nicht zwangsläufig nur Nachteile für die Geschädigten haben. Ereignet sich der Vorfall in einem in der Rechtstradition des common law stehenden Land, profitieren die Kläger gegebenenfalls von ausgiebigen Disclosure-Pflichten, wonach die Parteien die für die jeweiligen Tatbestandsmerkmale maßgeblichen Informationen offenlegen müssen.567 Im chinesischen Deliktsrecht trägt bei Umweltverschmutzungen der Schädiger die Beweislast für die Kausalität, bei der Haftung im

565

Regelungen über die Beweislast richten sich nach der lex causae, siehe Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 2020 Rn. 2340. 566 LG Dortmund, Urt. v. 10. 01. 2019, 7 O 95/15 – juris Rn. 11. 567 Dazu Brandt, Das englische Disclosure Verfahren, 2015, S. 41 – 74 und Brand, NJW 2017, 3558, 3561 f.

304

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

Hochrisikobereich (z. B. Atomkraftwerke, Kohlegruben) sogar für den gesamten Haftungstatbestand.568 e) Schaden Hinsichtlich des Schadens fällt die Zuordnung einfacher. Ob dem potenziell Geschädigten ein Schaden entstanden ist oder nicht kann dieser am besten selbst beurteilen. Hier muss der Gesetzgeber mithin – wie bei der Kausalität – keine Beweislastumkehr mittels Eingriffsnorm sicherstellen, sondern kann diese Frage der jeweils anwendbaren, ausländischen Rechtsordnung überantworten. Hier wird daher vorgeschlagen innerhalb des WertschöpfungskettenG nur hinsichtlich der Pflicht dem Schädiger die Beweislast aufzubürden. Die weiteren Tatbestandsmerkmale (und damit auch die Beweislast als Bestandteil der lex causae) sollten sich regulär nach der kollisionsrechtlich bestimmten Rechtsordnung richten.

E. Subsidiäre Inanspruchnahme der deutschen Gesellschaft (§ 5) I. Wortlaut §5 Subsidiäre Inanspruchnahme der deutschen Gesellschaft (1) 1Die Gesellschaft kann verweigern, die Geschädigten zu befriedigen, solange diese nicht erfolglos die Zwangsvollstreckung gegen die ausländische Gesellschaft versucht haben. 2 Der erfolglosen Zwangsvollstreckung steht es gleich, ist den Geschädigten die Klage gegen ausländische Gesellschaften aus sonstigen Gründen nicht zuzumuten, insbesondere, wenn a) Leib und Leben der Geschädigten oder diesen nahestehenden Personen bei Klageerhebung im Ausland gefährdet würde oder b) die Geschädigten im Ausland keinen Zugang zu einem rechtsstaatlichen Verfahren haben oder ein solcher mangelnder Zugang zu erwarten ist und eine Geltendmachung des Anspruchs gegen die ausländische Gesellschaft vor deutschen Gerichten nicht möglich ist. (2) Die Klageerhebung gegen ausländische Gesellschaften hemmt die Verjährung des Anspruchs gegen die deutsche Gesellschaft.

II. Konkretisierung und Begründung Diese Regelung soll sicherstellen, dass die deutschen Gesellschaften in verhältnismäßiger Weise in Anspruch genommen werden. Wenn die Geschädigten Befriedigung bei der Hauptverursacherin – idealtypisch ist das die ausländische 568

Zheng/Trempel, RIW 2010, 516.

§ 14 Haftungsbezogene Aspekte eines WertschöpfungskettenG

305

Konzern- bzw. Zulieferergesellschaft – ersuchen können, müssen sie dies zunächst auch tun. Darüber hinaus sind sie in diesen Fällen auch weniger schutzwürdig. Gleichzeitig stellt die Regelung durch die als Regelbeispiele ausgestalteten Ausnahmen in Abs. 1 S. 2 sicher, dass sie den Rechtsschutz der Geschädigten in keiner Weise beschneidet. Die Pflichten aus §§ 3 und 4 gelten unabhängig von § 5. Die Regelung hat lediglich zur Folge, dass sich Geschädigte nicht darauf berufen können, sofern sie noch nicht gegen die ausländische Konzern- oder Zulieferergesellschaft vorgegangen sind. In diesem Fall kann die deutsche Gesellschaft die Einrede der Vorausklage erheben. Die Einrede der Vorausklage wird hier nur teilweise (in Abs. 1 S. 1) im strengen Sinn des § 771 S. 1 BGB verstanden. Nach diesem Verständnis reicht nicht eine bloße Klage, sondern nur die erfolglose Zwangsvollstreckung aus, um die Einrede zu beseitigen.569 1. Konzern- bzw. Zulieferergesellschaft als idealtypisch Hauptverantwortliche Die Geschädigten müssen sich zunächst an die ausländische Konzern- oder Zulieferergesellschaft halten. Das ist deshalb sachgerecht, da die ausländische Gesellschaft innerhalb der Lieferkette oder des Konzerns den Schadensfall idealtypisch unmittelbar verursacht bzw. einen dem Schadenseintritt kausal näherstehenden Beitrag leistet. Diese verantwortet die Rechtsgutsverletzung nach geltenden, deliktischen Kriterien. Dies rührt daher, dass Unternehmen aus Gaststaaten im Ausland fast immer mittels Konzern- oder Zulieferergesellschaft operieren.570 Für sie ergibt es wenig Sinn auf die Vorteile der Haftungsbeschränkung bzw. des Rechtsträgerprinzips zu verzichten. Es ist daher sachgerecht, wenn Geschädigte nur dann Zugriff auf das Vermögen der Mutter- bzw. Abnehmergesellschaft haben, wenn sie gegen die Hauptverursacherin vorgegangen sind. Gibt es keine ausländische Konzern- oder Zulieferergesellschaft und wird die deutsche Gesellschaft selbst, z. B. mittels einer Niederlassung im Ausland tätig oder ist sie aus welchen Gründen auch immer ausnahmsweise selbst Hauptverantwortliche, gilt das nicht. Die Geschädigten können dann ohne Weiteres gegen sie vorgehen. Das wird allerdings nur sehr selten der Fall sein. Wie bereits erwähnt wird sich kaum ein grenzüberschreitend tätiges Unternehmen die Vorteile der Haftungsbeschränkung entgehen lassen und im Ausland risikoreiche Projekte mittels einer bloßen Niederlassung durchführen.

569

MüKo-BGB/Habersack, § 771 Rn. 1. In allen Fällen aus § 2 bedienen sich die ausländischen Unternehmen eines weiteren Rechtsträgers. 570

306

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

2. Verjährungshemmung Während die Geschädigten gegen die ausländische Konzern- bzw. Zulieferergesellschaft vorgehen, müssen sie sich auf die Hemmung der Verjährung entsprechend § 771 S. 2 BGB berufen können. Sie laufen ansonsten Gefahr, den Anspruch gegen die Mutter- bzw. Abnehmergesellschaft zu verlieren. Dabei kommt es (wie bei § 771 S. 2 BGB umstritten571) nicht darauf an, dass die Mutter- bzw. Abnehmergesellschaft die Einrede auch tatsächlich erhebt. Bei § 771 S. 2 BGB laufen die Gläubiger Gefahr, dass der Bürge nach erfolgloser Inanspruchnahme des Hauptschuldners sich nach Ablauf der Verjährungsfrist darauf beruft, zu keinem Zeitpunkt die Einrede der Vorausklage geltend gemacht zu haben. Diese, auch 20 Jahre nach Einführung der Vorschrift immer noch nicht geklärten Rechtsunsicherheiten gilt es hier zu vermeiden. Es wurde hier in Abs. 2 daher eine andere Formulierung gewählt. Sobald die Geschädigten gegen die ausländische Gesellschaft Klage erheben, ist die Verjährung des Anspruchs gegen die deutsche Gesellschaft gehemmt. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie vor gaststaatlichen oder deutschen Gerichten Klage erheben. Allerdings zählt die Verjährung gemäß Art. 15 lit. h) Rom II-VO zum materiellen Recht, untersteht somit dem Deliktsstatut.572 Da ausländisches Deliktsrecht in den Fällen hier regelmäßig Anwendung findet, würden die Gerichte die Vorschrift gar nicht beachten. Allerdings sind die Normen des WertschöpfungskettenG bei Eröffnung des Anwendungsbereichs international zwingend ausgestaltet.573 Somit verdrängt § 5 partiell zu einem anderen Ergebnis kommende, ausländische Verjährungsregelungen. 3. Voraussetzungen a) Unzureichende Haftungsmasse (Abs. 1 S. 1) Die Einrede steht der deutschen Gesellschaft nur dann zu, wenn die Geschädigten noch nicht erfolglos versucht haben, gegen die ausländische Gesellschaft zu vollstrecken. Wie bei § 771 BGB genügt ein einziger Vollstreckungsversuch, auch wenn die ausländische Gesellschaft danach wieder zu Vermögen kommt.574 Wann ein den deutschen Voraussetzungen entsprechender Vollstreckungsversuch unternommen wurde, beurteilt sich nach dem jeweiligen ausländischen Äquivalent. Bloße Klageerhebung reicht hingegen nicht.

571

Gegen das Erfordernis der Einrede der Vorausklage MüKo-BGB/Habersack, § 771 Rn. 8; Soergel-BGB/Gröschler, § 771 Rn. 5. Dafür: Schlößer, NJW 2006, 646; Staudinger/ Horn, § 771 Rn. 2; Erman-BGB/Zetzsche, § 771 Rn. 4; Palandt/Sprau, § 771 Rn. 3. 572 v. Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht, Band II, 2019, S. 381 f. 573 Siehe sogleich § 6 Kapitel 4, § 14 F. (S. 307). 574 MüKo-BGB/Habersack, § 771 Rn. 3.

§ 14 Haftungsbezogene Aspekte eines WertschöpfungskettenG

307

b) Sonstige Gründe (Abs. 1 S. 2) Der erfolglosen Zwangsvollstreckung steht es gleich, wenn die Geschädigten aus sonstigen Gründen nicht auf die ausländische Konzern- oder Zulieferergesellschaft zugreifen können. In diesen Fällen kann sich die deutsche Gesellschaft nicht auf die Einrede aus Abs. 1 S. 1 berufen. Die Regelbeispiele aus Abs. 1 S. 2 a) und b) erfordern beide, dass eine Klage vor deutschen Gerichten nicht möglich ist. Nur dann scheitert die Rechtsverfolgung durch die Geschädigten endgültig und diese können auf die deutsche Mutter- bzw. Abnehmergesellschaft zugreifen. Lit. a) und b) beziehen sich auf das weltweite Ausland. Eine Gefahr für Leib und Leben der Geschädigten könnte insbesondere im Gaststaat bestehen, versuchen Regierungen ausländische Direktinvestitionen im Land zu behalten und wollen deshalb mit allen Mitteln eine Klage gegen diese Investoren verhindern. Eine ähnliche Sachlage ist z. B. im Nestlé-Fall denkbar, in dem Industrielle mit Paramilitärs verwoben sind. Auch hier kann eine Klage Leib und Leben der Geschädigten gefährden, haben die Paramilitärs doch erhebliches Interesse am Fortgang der industriellen Tätigkeit (hier: Tätigkeit der kolumbianischen Nestlé-Tochter Cicolac). Es reicht jedoch auch, wenn eine solche Gefahr im Staat eines potenziellen, dritten Forums besteht, also im Nestlé-Fall weder in der Schweiz (als Sitzstaat des Mutterunternehmens) noch in Kolumbien (als Sitzstaat der Tochter Cicolac). Gleichermaßen bezieht sich lit. b) auf das gesamte Ausland. Wenn die Geschädigten im KiKFall zwar nicht in Pakistan, aber – aus welchen Gründen auch immer – in den USA oder Großbritannien gegen Ali Enterprise klagen können, so haben die Geschädigten Zugang zu einem rechtstaatlichen Verfahren und müssen dieses nutzen, bevor sie gegen KiK in Deutschland vorgehen können. Allerdings wird in diesen Fällen die Zwangsvollstreckung erfolglos sein. Im Beispiel wird Ali Enterprises in Großbritannien oder den USA keine Vermögenswerte haben, wodurch dann wieder Abs. 1 S. 1 greift – die Zwangsvollstreckung war hier erfolglos. Wenn von vornherein klar ist, dass Ali Enterprises in den USA oder Großbritannien keine Vermögenswerte hat, können die Geschädigten also direkt in Deutschland Klage gegen KiK erheben.

F. Kollisionsrechtlicher Anwendungsbefehl (§ 6) I. Wortlaut §6 Kollisionsrechtlicher Anwendungsbefehl 1 Sofern ein Sachverhalt in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes fällt, sind die Normen dieses Gesetzes international zwingend. 2Sie finden ohne Rücksicht auf das nach internationalem Privatrecht für außervertragliche Schuldverhältnisse maßgebende Recht Anwendung.

308

Kap. 4: Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda

II. Konkretisierung und Begründung575 Nach dem zum internationalen Privatrecht Gesagten wäre ein WertschöpfungskettenG ohne kollisionsrechtlichen Anwendungsbefehl vergebene Mühe. Es wäre schlicht nicht zur Anwendung berufen. Will der deutsche Gesetzgeber ein Déjà-vu der internationalprivatrechtlichen Unsicherheiten des französischen WertschöpfungskettenG vermeiden,576 muss er seiner Regelung daher einen deutlichen kollisionsrechtlichen Anwendungsbefehl beifügen. Dieser erhebt die Vorschriften des WertschöpfungskettenG zur Eingriffsnorm im formalen Sinne, zur international zwingenden Sachnorm.577 Das deutsche erkennende Gericht geht dabei wie folgt vor. Es prüft den Anwendungsbereich (B.). Sofern dieser den vorliegenden Fall erfasst und die Voraussetzungen von § 5 vorliegen, wendet er die nach regulärem internationalprivatrechtlichem Vorgehen zuvor bestimmte Rechtsordnung unter Maßgabe von C. und D. an.

575 Siehe zu den verschiedenen Ausgestaltungsmöglichkeiten der Eingriffsnorm oben Kapitel 3, § 10 C.II. (S. 182 f.). 576 Mittwoch, RIW 2020, 403. Ausführlicher zur internationalprivatrechtlichen Würdigung des französischen WertschöpfungskettenG Nasse, ZEuP 2019, 796 – 800. 577 Zur Terminologie und zu weiteren Bezeichnungen siehe Köhler, Eingriffsnormen – der „unfertige Teil“ des europäischen IPR, 2013, S. 10 f.

Kapitel 5

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse A. Völkerrechtliche Jurisdiktionsbegrenzungen (S. 51 – 69) Auch IZPR und IPR unterliegen als Form staatlicher Hoheitsausübung völkerrechtlichen Grenzen. Für die internationale Zuständigkeit von Zivilgerichten und materiell-rechtliche Regelungen von Auslandssachverhalten spielt das Einmischungsverbot zwar keine Rolle. Das genuine-link-Erfordernis begrenzt staatliche Hoheitsgewalt jedoch unabhängig von Art und zugehörigem Rechtsgebiet des Hoheitsakts. Vergleiche mit anderen Rechtsgebieten zeigen allerdings, dass die internationale Zuständigkeit sowie die zivilrechtliche Regelung von Auslandssachverhalten nur in geringem Maße in die Souveränität anderer Staaten eingreifen. Es dürfen im IZPR und IPR daher keine zu hohen Anforderungen an einen solchen genuine-link gestellt werden. Völkerrechtlichen Erfordernissen an einen Inlandsbezug genügen daher die Kriterien Inlandsvermögen, mehrfache Warenlieferungen nach Deutschland, die nicht unerhebliche Beteiligung deutscher an ausländischen Gesellschaften, nicht unerhebliche Vertragsbeziehungen zu ausländischen Gesellschaften und die deutsche Staatsangehörigkeit einer Gesellschaft. Dabei können Gesellschaften mit Sitz im Ausland völkerrechtlich als Deutsche gelten, sofern eine deutsche Gesellschaft diese im Ausland ansässige Gesellschaft kontrolliert. B. Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte I. Justizsysteme der Gaststaaten und Klagegegner (S. 70 – 75)

Geschädigte nehmen aus einem bestimmten Grund den langen Weg zum deutschen Justizsystem auf sich. Es gibt zahlreiche Hinweise, dass die Justizsysteme vieler Gaststaaten nicht unabhängig agieren. Diese Situation verschärft sich, da ausländische Direktinvestitionen für viele Entwicklungsländer wirtschaftlich unentbehrlich sind. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die gaststaatliche Exekutive Gerichtsprozesse im Sinne ausländischer Investoren beeinflusst. Es gibt jedoch auch Gegenbeispiele. Hier darf nicht pauschalisiert, sondern jeder Einzelfall muss für sich betrachtet werden. Dabei bleibt eine gewisse Tendenz jedoch unübersehbar. Als Klagegegnerin kommt entweder die deutsche Mutter- oder Abnehmergesellschaft oder die ausländische Konzern- oder Zulieferergesellschaft in Betracht.

310

Kap. 5: Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse II. Internationale Zuständigkeit für deutsche Mutteroder Abnehmergesellschaften (S. 75 – 76)

Art. 4 I i. V. m. Art. 63 I a), b) und c) Brüssel Ia-VO zufolge können Gesellschaften mit Satzungssitz, Verwaltungssitz oder mit Hauptniederlassung in Deutschland vor deutschen Gerichten verklagt werden. III. Internationale Zuständigkeit für ausländische Konzernoder Zulieferergesellschaften (S. 76 – 128) 1. Brüssel Ia-VO (S. 77 – 80)

Die abschließenden Regelungen der Art. 20 ff. Brüssel Ia-VO schließen nur Ansprüche aus einem individuellen Arbeitsvertrag aus. Der Ausschluss betrifft mithin nicht etwaige konkurrierenden deliktischen Ansprüche. Darüber hinaus enthält Art. 20 I Brüssel Ia-VO eine Ausnahme zugunsten von Art. 8 Nr. 1 Brüssel Ia-VO. Aus Art. 21 II Brüssel Ia-VO ergibt sich kein Gerichtsstand für Klagen gegen eine ausländische Konzern- bzw. Zulieferergesellschaft, die zugleich Arbeitgeberin ist. Darüber hinaus kennt die VO keinen Konzerngerichtsstand. Ausländische Konzerngesellschaften können mithin nicht am Satzungs- oder Verwaltungssitz der Konzernmutter verklagt werden. Darüber hinaus lässt sich Art. 8 Nr. 1 Brüssel Ia-VO nicht auf drittstaatliche Sekundärbeklagte übertragen. Die Vorschrift ist nur anwendbar, haben Primär- und Sekundärbeklagter ihren Sitz in einem oder mehreren der Mitgliedsstaaten. 2. Nationales Prozessrecht (S. 80 – 127) a) Anwendbarkeit deutscher Zuständigkeitsvorschriften (S. 80 – 83)

Weder Art. 20 Brüssel Ia-VO („unbeschadet des Artikel 6“) noch Art. 6 I Brüssel Ia-VO versperren den Zugriff auf nationales Prozessrecht in den vorliegenden Fällen. Aus der in Art. 6 I Brüssel Ia-VO enthaltenen Phrase „vorbehaltlich des Artikels 21 Absatz 2“ lässt sich nicht schließen, dass nationale Gerichtsstände bei Vorliegen des Art. 21 II Brüssel Ia-VO überhaupt nicht mehr zur Anwendung kommen sollen. Vielmehr definiert die VO durch den Verweis auf Art. 21 II Brüssel Ia-VO einen Mindeststandard, der neben den nationalen Gerichtsständen zur Anwendung kommen soll. b) Nationale Ankergerichtsstände (S. 83)

Für eine Streitgenossenschaft nach der deutschen ZPO muss bereits im Vornherein die internationale Zuständigkeit beider Beklagten vorliegen. Sie kann daher keine internationale Zuständigkeit für ausländische Gesellschaften begründen. c) Gerichtsstand der unerlaubten Handlung, § 32 ZPO (S. 84 – 90)

Der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung kommt nur dann in Betracht, handelt die deutsche Gesellschaft als Mittäterin oder Teilnehmerin des Delikts der ausländischen Gesellschaft. Die Tatbeiträge der deutschen und ausländischen Gesellschaft würden dann wechselseitig zugerechnet werden. Damit würde eine in Deutschland

Kap. 5: Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

311

belegene Handlung der ausländischen Gesellschaft fingiert und § 32 ZPO aktiviert. Ob eine Beteiligung vorliegt, richtet sich nach der lex fori, nicht der lex causae. Maßgeblich ist mithin § 830 BGB. Materiell-rechtlich scheidet eine solche Beteiligung regelmäßig aus. Da der Kläger eine solche Beteiligung aber lediglich schlüssig behaupten muss, ist nicht völlig ausgeschlossen, dass Geschädigte mittels § 32 ZPO einen Gerichtsstand in Deutschland begründen können. d) Vermögensgerichtsstand, § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO (S. 90 – 107)

§ 23 S. 1 Alt. 1 ZPO stärkt den Justizanspruch des Klägers. Er ermöglicht ihm die Vollstreckung in in Deutschland belegene Vermögenswerte. Verfassungsrechtlich muss jedoch der Justizanspruch des Klägers mit dem des Beklagten in Ausgleich gebracht werden. Der Beklagte hat ein Recht darauf, nicht irgendwo auf der Welt in ein Zivilverfahren verwickelt zu werden. Der BGH fordert einen über die Vermögensbelegenheit hinausgehenden Inlandsbezug. Bei solchen zusätzlichen Anforderungen an den Inlandsbezug wird dem Kläger jedoch im Inland belegenes Beklagtenvermögen entzogen. Er kann auch auf anderem Wege, z. B. mittels Anerkennung im Ausland erstrittener Urteile nicht auf dieses zugreifen, da im Verhältnis zu vielen Ländern (insbesondere zu den Gaststaaten hier) die Gegenseitigkeit nicht verbürgt ist. Der Justizanspruch des Klägers fällt daher schwerer ins Gewicht als der des Beklagten. Dies gilt allerdings nur bei erheblichen, im Inland belegene Beklagtenvermögen. Ein Regenschirm oder Obstkorb ist nicht ausreichend. In den Fällen, in denen das Inlandsvermögen völlig unerheblich ist, überwiegt das Beklagteninteresse. In dieser Auslegungsvariante ist § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO verfassungswidrig, lässt sich jedoch durch höhere Anforderungen an den Vermögensbegriff verfassungskonform auslegen. § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO steht im Einklang mit dem Völkerrecht. Inländische Vermögenswerte erfüllen die Anforderungen des genuine-link-Erfordernisses. Es sind verschiedene verfassungskonforme Auslegungsvarianten von § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO denkbar: Beschränkung des Vermögensbegriffs auf entweder die Pfändbarkeit des Vermögens, auf die Kosten der Zwangsvollstreckung oder auf einen anteiligen Prozentsatz am Inlandsvermögen. Die letzte Lösung entspricht am ehesten dem gesetzgeberisch vorgegebenen Zweck der Vorschrift – der Vollstreckungsmöglichkeit im Inland. Sie verdient daher den Vorzug. In Theorie könnten die Geschädigten in den Fällen hier somit gegen ausländische Konzern- oder Zulieferergesellschaften klagen, sofern diese in Deutschland nennenswertes Vermögen haben. Darunter fallen auch Forderungen gegen die in Deutschland ansässige Mutter- oder Abnehmergesellschaft bzw. irgendeinen in Deutschland ansässigen Schuldner (§ 23 S. 2 Alt. 1 ZPO). In der Praxis ist jedoch unwahrscheinlich, dass der BGH von seiner einen über die Vermögensbelegenheit hinausgehenden Inlandsbezug fordernden Rechtsprechung in naher Zukunft abweicht. Dennoch sind über das Inlandsvermögen hinausgehende Inlandsbezüge nicht völlig ausgeschlossen. Als solche kommt insbesondere ein Liefervertrag zwischen

312

Kap. 5: Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

einem deutschem und einem ausländischen Unternehmen in Betracht, wenn es in Folge der Beauftragung zu einer Rechtsgutsverletzung kommt. Darüber hinaus kann ein solcher Inlandsbezug vorliegen, wenn eine deutsche Gesellschaft an der ausländischen, beklagten Gesellschaft nicht völlig unerhebliches Anteilseigentum hält oder wenn das ausländische Konzern- oder Zuliefererunternehmen vom deutschen Mutter- oder Abnehmerunternehmen wirtschaftlich abhängig ist. e) Forum necessitatis (Notzuständigkeit) (S. 107 – 127)

Die Notzuständigkeit ist in Deutschland von Rechtsprechung und Literatur allgemein anerkannt, jedoch nicht gesetzlich geregelt. Sie hat ihren Ursprung im verfassungsrechtlich garantierten Justizanspruch und in Art. 6 EMRK. Anders als bei § 23 ZPO kommt dem Justizanspruch des Beklagten („Anspruch auf Freiheit von exorbitanter Justiz“) hier nur untergeordnete Bedeutung zu. Der Justizanspruch des Klägers, der nirgends sonst auf der Welt ein faires Verfahren erlangen kann, überwiegt. Der Justizanspruch reicht international weit genug, um die hier thematisierten Konstellationen zu erfassen. Aus völkerrechtlichen Gründen müssen Staaten keine Notzuständigkeit einrichten. Dies griffe in unangemessener Weise in ihre Souveränität ein. Gleichzeitig dürfen Staaten jedoch eine Notzuständigkeit einrichten. Sie dürfen dies aber nur unter Berücksichtigung des für alle Formen von auslandsbezogener Hoheitsausübung geltenden genuine-link-Erfordernis. Gerichte können sich auf der Basis von forum necessitatis für international zuständig erklären, wenn (1) der Kläger die internationale Zuständigkeit auf keinem anderen Wege begründen kann. Die Notzuständigkeit ist subsidiär gegenüber anderen Gerichtsständen. (2) ein Rechtsschutzhindernis vorliegt. Dies wiederum ist der Fall, wenn die Klageerhebung im ausländischen Forum unmöglich oder unzumutbar ist. Unmöglichkeit liegt insbesondere dann vor, wenn im eigentlich zuständigen Forum die Rechtspflege in Folge von Krieg oder anderen gewaltsamen Konflikten stillsteht. Ein ausländisches Forum ist für den Kläger insbesondere dann unzumutbar, wenn hinreichend substanzielle Anhaltspunkte für korrupte Handlungen der Richter vorliegen, die Einflussnahme der Regierung des Forumsstaats auf das Gerichtsverfahren zu erwarten ist oder einem politischen Flüchtling bei Rückkehr in den Forumsstaat die Inhaftierung oder Schlimmeres droht. Die durch ein solches Urteil möglicherweise hervorgerufenen diplomatischen Komplikationen sind weder völkerrechtlich noch sonst beachtlich: Völkerrechtlich überschreiten auf der Notzuständigkeit basierende Urteile nicht die Schwelle zulässiger politischer Statements. Darüber hinaus haben Parteiinteressen im internationalen Zivilprozessrecht mehr Gewicht als Staatsinteressen. (3) der Rechtsstreit irgendeinen Bezug nach Deutschland aufweist. Ein solcher liegt vor bei bereits bestehenden oder auch künftigen Vollstreckungsaussichten in Beklagtenvermögen und dem inländischen Sitz einer Mutter- oder Abnehmerge-

Kap. 5: Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

313

sellschaft der Beklagten, sofern diese nicht völlig unerheblichen Einfluss auf ihre Konzern- oder Zulieferergesellschaften hat. IV. Internationale Zuständigkeit de lege ferenda (S. 128 – 132)

Der Gesetzgeber sollte sicherstellen, dass Gerichte § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO wieder ohne einen über die Vermögensbelegenheit hinausgehenden Inlandsbezug anwenden können. Die Notzuständigkeit sollte in Gesetzesform gegossen werden. Optimalerweise geschieht dies auf europäischer Ebene durch einen neu eingefügten Artikel (26a) in die Brüssel Ia-VO. Ein solches Vorgehen bewegt sich im Rahmen der Unionskompetenz aus Art. 81 AEUV. Zusammen mit dem wortlautgetreu angewandten § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO bieten diese beiden Gerichtsstände ausreichenden Rechtsschutz für Klagen gegen ausländische Gesellschaften. Die durch den EU draft report eingefügte Änderung des Art. 8 Nr. 5 Brüssel Ia-VO kann nicht überzeugen. Der europäische Gesetzgeber sollte diesen Vorschlag gut überdenken. Eher wünschenswert wäre die Ausweitung von Art. 8 Nr. 1 Brüssel Ia-VO auf Drittstaatenbeklagte. C. Anwendbares Recht (S. 133 – 185) I. Klagen gegen deutsche Mutter- oder Abnehmergesellschaften (S. 133 – 170)

Deutsche Mutter- oder Abnehmergesellschaften wirken im Ausland regelmäßig mittels dort inkorporierter Konzern- oder Zulieferergesellschaften. Die deutsche Gesellschaft und die Geschädigten kontrahierten nicht miteinander. Allerdings schließen deutsche Abnehmer mit ausländischen Zulieferern häufig Warenlieferungsverträge. Durch in diesen enthaltene codes of conduct könnte der Abnehmer Pflichten zu Gunsten der Arbeitnehmer des Zulieferers übernommen haben. Nach deutschem Verständnis ließe sich mittels der Figur des Vertrags (mit Schutzwirkung) zu Gunsten Dritter zwischen deutscher Gesellschaft und ausländischen Geschädigten aber möglicherweise doch ein vertragliches Verhältnis begründen. 1. Vertragliche Ansprüche (S. 134 – 140) a) UN-Kaufrecht (S. 134 – 137)

Hinsichtlich der einem Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter oder einem Vertrag zu Gunsten Dritter zugrundeliegenden Sachverhaltskonstellationen ist der Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts eröffnet. In vielen Fällen – je nach Sitzstaat des Zulieferers – ist das UN-Kaufrecht auch in räumlich-persönlicher Hinsicht anwendbar. Gemäß Art. 7 II CISG ist für die dem Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter zugrundeliegenden Sachverhaltskonstellationen jedoch das nationale bzw. in Europa das europäische Kollisionsrecht maßgeblich: Diese Fälle regelt das CISG nicht ausdrücklich. Sie lassen sich auch nur schlecht mittels der vertragsrechtlichen Prinzipien des CISG lösen. Etwaige, möglicherweise aus einem Vertrag zu Gunsten Dritter folgenden Ansprüche richten sich hingegen nach CISG, sofern der räumlich-persönliche Anwendungsbereich eröffnet ist und die Parteien das UN-Kaufrecht nicht abgewählt haben.

314

Kap. 5: Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse b) Rom I-VO (S. 137 – 140)

Während für die dem Vertrag zu Gunsten Dritter unterfallenden Konstellationen der sachliche Anwendungsbereich der Rom I-VO eröffnet ist, unterfallen die dem Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter zugrundeliegenden Sachverhalte nicht deren sachlichen Anwendungsbereich. Bei diesen Konstellationen fehlt es an der für Verträge typischen „freiwillig eingegangenen (Selbst-)Verpflichtung“. Das Rechtsinstitut schließt im deutschen Recht Schutzlücken des Deliktsrechts. Diesen Befund bestätigen rechtsvergleichende Erwägungen. Ein Vertrag zwischen Mutter-/ Abnehmergesellschaft und Konzern-/Zulieferergesellschaft mit Schutzwirkung zu Gunsten der mit der Geschäftstätigkeit der Konzern-/Zulieferergesellschaft in Berührung kommender Dritte kann daher nicht vertraglich, sondern nur deliktisch qualifiziert werden. Die der Rom I-VO unterfallenden Fallkonstellationen des Vertrags zu Gunsten Dritter – sofern nicht bereits vom CISG erfasst – bestimmen nicht hingegen nach der Rom I-VO. Da Hauptzweck des Warenlieferungsvertrags jedoch die Herstellung und Lieferung von Einzelhandelswaren ist, ist gemäß Art. 4 I a) bzw. b) Rom I-VO das Recht am Sitz des Verkäufers bzw. Dienstleisters anwendbar. Es gilt somit ausländisches Recht. 2. Deliktische Ansprüche (S. 141 – 169) a) Sachlicher Anwendungsbereich der Rom II-VO bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen, Art. 1 II lit. g) Rom II-VO (S. 141 – 143)

Anders als eine deutsche, materiell-rechtliche Betrachtung vermuten lässt, sind Zwangs-, Kinderarbeit und Diskriminierung nicht von der Bereichsausnahme betreffend allgemeine Persönlichkeitsrechte ausgenommen. Sie richten sich regulär nach der Rom II-VO. Darüber hinaus muss die Bereichsausnahme eng ausgelegt werden. Sie findet keine Anwendung auf Verleumdungen durch den Arbeitgeber, geheime Überwachung am Arbeitsplatz oder die Ausforschung privater Informationen vor der Einstellung. b) Art. 7 Rom II-VO (S. 143 – 150)

Rechtsgutsverletzungen und Umweltschädigungen fallen oft zusammen, Art. 7 Rom II-VO ist daher für die Fälle hier relevant. Obgleich sich der EuGH im Kontext von Art. 8 II Rom II-VO bei Bestimmung des Handlungsorts für die Einheitslösung entschied, lässt sich sein Urteil nicht für die Bestimmung des Handlungsorts in Art. 7 Rom II-VO heranziehen. Zwar ist die einheitliche Auslegung europäischer, internationalprivatrechtlicher Bestimmungen hohes Gut im Unionsrecht. Doch hielt der Verordnungsgeber im Rahmen des Art. 7 Rom II-VO das Wahlrecht des Geschädigten bei Umweltschädigungen für wichtiger als damit einhergehende Rechtsunsicherheiten. Relevant für die Bestimmung des Handlungsorts im Rahmen von Art. 7 Rom II-VO sind damit gleichermaßen Handlungen (und Unterlassungen) der Mutter- bzw. Abnehmergesellschaften wie auch solche von Konzern- bzw. Zulieferergesellschaften.

Kap. 5: Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

315

Der Erfolgsort liegt im Gaststaat und zwar dort, wo der Schaden eingetreten ist. Unterscheiden sich Handlungs- und Erfolgsort, eröffnet Art. 7 Rom II-VO den Geschädigten ein Wahlrecht. Art. 7 Rom II-VO lässt sich nicht analog auf Menschenrechtsverletzungen anwenden. Zwar haben die Menschenrechte und die Umwelt einen gleichrangigen unionsrechtlichen Stellenwert. Doch handelt es sich bei Menschenrechtsverletzungen zivilrechtlich um deliktische Rechtsgutsverletzungen. Hier besteht daher – anders als bei Umweltschädigungen – kein interstaatliches Rechtsgefälle. Es fehlt für eine Analogie daher an einer, auch im Unionsrecht erforderlichen, vergleichbaren Interessenlage. c) Art. 4 Rom II-VO (S. 151 – 160)

Der Erfolgsort (Abs. 1) liegt am Ort des Schadenseintritts, mithin am Ort der Fabrik, der Plantage, der Mine oder im Umkreis eines Bauprojekts. Es lässt sich hier nicht an den Ort der Sorgfaltspflichtverletzung anknüpfen. Das Gericht wendet gaststaatliches Recht an. Nichts anderes ergibt sich aus Abs. 2. Die Parteien haben keinen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltsort. Es gibt auch keine „offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen Staat“ (Abs. 3) in Gestalt eines Vertrages. Ein Vertrag zu Gunsten Dritter (der Geschädigten) liegt tatbestandlich in den Konstellationen hier nicht vor. Gleiches gilt für einen Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter. Letzterer wird zudem unionsautonom außervertraglich qualifiziert, erfüllt das Regelbeispiel daher bereits tatbestandlich nicht. Davon abgesehen überwiegen die Verbindungen in den ausländischen (Gast-)Staat. Dieses Ergebnis – Anwendung ausländischen Rechts – sollte auch nicht im Interesse des Opferschutzes korrigiert werden. Die solchen Erwägungen vorgelagerte, normative Prämisse ist bereits zweifelhaft: Ausländisches Deliktsrecht ist nicht „schlechter“ als deutsches Recht, sondern bietet in manchen Fällen sogar höhere Schadenssummen und ist an weniger tatbestandliche Voraussetzungen geknüpft. Ein solches Ergebnis zeigt sich jedenfalls hinsichtlich nigerianischem, pakistanischem, chinesischem und indischem Deliktsrecht. Nigerianisches, pakistanisches und indisches Deliktsrecht orientiert sich am englischen common law of torts. Dieses sieht ohne Weiteres dem deutschen Recht ebenbürtige Deliktstatbestände für fahrlässige Rechtsgutsverletzungen vor. Chinesisches Deliktsrecht kennt sogar dem deutschen Recht entsprechende und an dieses angelehnte Verkehrspflichten. d) Art. 17 Rom II-VO (S. 160 – 163)

Da die vom EuGH zu Art. 8 II Rom II-VO entwickelte Einheitslösung (zwar nicht auf Art. 7) aber im Sinne kohärenter Auslegung internationalprivatrechtlicher Bestimmungen innerhalb der Rom-VOen auf Art. 17 übertragen werden muss, unterscheiden sich Handlungs- und Erfolgsort nicht. Der Handlungsort liegt am Ort der

316

Kap. 5: Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

Handlung der ausländischen Konzern- oder Zulieferergesellschaft. Damit kann Art. 17 ohnehin nichts an der Anwendung ausländischen Rechts ändern. e) Art. 16 Rom II-VO (S. 163 – 168)

De lege lata müssen derzeit § 84 I AMG und § 5 I JArbSchG als deutsche Eingriffsnormen angewandt werden. § 823 II BGB i. V. m. den Normen des StGB sind keine Eingriffsnormen. Angesichts seiner Gesetzgebungsgeschichte kommt das jüngst verabschiedete Sorgfaltspflichtengesetz jedoch nicht als Eingriffsnorm in Betracht. Zwar verfolgt das neu verabschiedete SorgfaltspflichtenG durchaus eine im öffentlichen Interesse liegende Zielsetzung und käme insoweit als Eingriffsnorm i. S. d. Art. 16 Rom II-VO grundsätzlich in Betracht. Angesichts seiner Gesetzgebungsgeschichte kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass es internationalprivatrechtlich zwingend gelten soll. Im Gesetzgebungsprozess wurde sowohl die Änderung der zivilrechtlichen Haftungslage wie auch die Ausgestaltung des SorgfaltspflichtenG als Eingriffsnorm eingehend diskutiert. Der Gesetzgeber hat sich dann aber ausdrücklich gegen eine solche Regelung entschieden, diese Entscheidung ist zu respektieren. Nicht abschließend geklärt werden konnte die Frage, ob ein mitgliedsstaatliches Gericht Eingriffsnormen anderer Mitgliedsstaaten anwenden muss. Angesichts der Komplexität dieses Themas und bereits veröffentlichter anderer Studien zu dieser Frage, wurde dem nicht weiter nachgegangen. f) Art. 26 Rom II-VO (S. 168 – 169)

Das zur Anwendung berufene Deliktsrecht verstößt nicht in offensichtlicher Weise gegen die deutsche öffentliche Ordnung. Ausländisches Deliktsrecht bietet nicht zwangsläufig einen geringeren Schutzstandard. Es schützt durch seine zivilrechtlichen Normen als deren Kehrseite die Menschenrechte genauso wie deutsches Deliktsrecht. Die mangelhafte gerichtliche Durchsetzung von Ansprüchen ist keine Frage der Rechtsordnung, sondern des Rechtssystems. Sie erfüllt Art. 26 Rom II-VO bereits tatbestandlich nicht. Der Vorschrift kommt in den Fällen hier keine Bedeutung zu. 3. Gesellschaftsrechtliche Ansprüche (S. 170)

Die Haftung der Muttergesellschaft für deliktische Verbindlichkeiten der Tochter im Wege des Durchgriffs ist nach Art. 1 II lit. d) Rom II-VO gesellschaftsrechtlich und nicht deliktisch zu qualifizieren. Sie wird daher nicht nach der Rom II-VO, sondern nach deutschem, internationalen Gesellschaftsrecht bestimmt, und zwar nach dem Statut der ausländischen Tochtergesellschaft. Somit gelangt der Rechtsanwender auch hier zum ausländischen Recht.

Kap. 5: Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

317

II. Klagen gegen ausländische Konzern- und Zulieferergesellschaften (S. 171 – 174) 1. Vertragliche Ansprüche (S. 171 – 174)

Gegen ausländische Konzern- oder Zulieferergesellschaften haben Geschädigte häufig vertragliche und deliktische Ansprüche. Die vertraglichen Ansprüche bestehen aufgrund des zwischen Konzern- bzw. Zulieferergesellschaft und Geschädigten häufig vorhandenen Arbeitsverhältnisses. Zwar ergibt sich aus den mitgliedsstaatlichen Rechtsordnungen kein einheitliches Bild dahingehend, wie solche Ansprüche wegen der Verletzung vertraglicher Schutzpflichten qualifiziert werden sollen. Jedoch enthalten Verträge häufig eigene und auch konkretere Pflichten als deliktische Verkehrspflichten. Diese können im Einzelfall über deliktische Verkehrspflichten hinausreichen. Eine Hinzuziehung des Vertrags ist daher häufig doch notwendig, um den jeweiligen Rechtsstreit zu entscheiden, weshalb sich diese Ansprüche nach der Rom I-VO richten. Gemäß Art. 8 II Rom I-VO ist für aus der Verletzung aus einem Individualarbeitsvertrag stammender Pflichten das Recht des Staates, in dem die Arbeit verrichtet wird, hier mithin das des Gaststaats maßgeblich. Ansprüche wegen der Verletzung vertraglicher Schutzpflichten richten sich mithin nach ausländischem Recht 2. Deliktische Ansprüche (S. 174)

Deliktische Ansprüche beurteilen sich vollständig nach ausländischem Recht. Insofern ergibt sich hinsichtlich von Klagen gegen die ausländische Konzern- bzw. Zulieferergesellschaft nichts neues, außer dass eine Anwendung deutschen Rechts über den Handlungsort aus Art. 7 Rom II-VO nicht in Betracht kommt. III. Anwendbares Recht de lege ferenda (S. 175 – 185) 1. Sachgerechte kollisionsrechtliche Ausgangslage (S. 175 – 176)

Nur bei koinzident vorliegenden Umweltschäden kann bei Klagen gegen die deutsche Mutter- oder Abnehmergesellschaft deutsches Recht zur Anwendung gelangen. Ansonsten bleibt es bei der Anwendung von Erfolgsortrecht, also dem Recht der Gaststaaten. Diese Anknüpfung ist sachgerecht. Ein Wahlrecht der Geschädigten bei „Menschenrechtsverletzungen“ wie es der draft report des EU-Parlaments vorschlägt, kann nicht überzeugen und sollte vom europäischen Gesetzgeber gut überdacht werden. Das in Europa geltende, fein austarierte Kollisionsrecht ist sachgerecht. Die Fälle hier geben dem Gesetzgeber keinen Anlass, daran etwas zu ändern. 2. Eingriffslösung vs. Ubiquitätsprinzip (S. 176 – 180)

Die Ausgestaltung des WertschöpfungskettenG als Eingriffsnorm bietet aus verschiedenen Gründen mehr Rechtssicherheit als die Wiedereinführung eines Wahlrechts des Geschädigten und überwiegt daher einen Nachteil der Eingriffslösung.

318

Kap. 5: Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse 3. WertschöpfungskettenG als Eingriffsnorm (S. 180 – 185) a) Völkerrechtskonformität präskriptiver Jurisdiktion (S. 181 – 182)

Unproblematisch kann der nationale Gesetzgeber den in seinem Staat ansässigen Unternehmen Sorgfaltspflichten auferlegen. Hinsichtlich ausländischen Konzernund Zulieferergesellschaften kann er das, weisen diese einen Bezug nach Deutschland auf. Als ein solcher kommt die nicht unerhebliche Beteiligung einer deutschen an der ausländischen Gesellschaft, nicht unerhebliche vertragliche Verbindungen zu einer deutschen Gesellschaft oder die deutsche Staatsangehörigkeit der vom Gesetz erfassten Gesellschaft in Betracht. b) „Kleine“ kollisionsrechtliche Lösung (S. 182 – 185)

Nur die im WertschöpfungskettenG enthaltenen deliktischen Pflichten sollten als international zwingend ausgestaltet werden. Diese Lösung verdient den Vorzug gegenüber einem eigenen wirtschaftsmenschenrechtlichen Tatbestand oder einer vollständigen kollisionsrechtlichen Anwendung von § 823 I BGB. D. Materiell-rechtliche Haftungsregeln de lege ferenda (S. 186 – 308) I. Materielle, geltende Rechtslage (S. 188 – 209)

Ein Vertrag (mit Schutzwirkung) zu Gunsten Dritter scheidet regelmäßig aus, da deutsche Mutter-/Abnehmerunternehmen in ihren codes of conduct keine verbindlichen Rechtspflichten auf sich nehmen wollen. Aus den gleichen Gründen scheitert ein Anspruch im englischen Recht. Hinsichtlich der übrigen Rechtsinstitute gilt: Je weniger Kontrolle die Mutter- bzw. Abnehmergesellschaft auf das ausländische Unternehmen ausübt, desto unwahrscheinlicher treffen sie Schadensersatzansprüche. Generell haften deutsche Unternehmen für die mit der Geschäftstätigkeit ihrer Töchter und Zulieferer in Berührung kommenden Dritten nur in Ausnahmefällen. Spezielle Regelungen zum Schutz der Menschenrechte vor unternehmerischer Aktivität gibt es in Frankreich, den USA, Kalifornien, Großbritannien und den Niederlanden. Doch nur das französische loi de vigilance und der in seinem Anwendungsbereich allerdings stark eingeschränkte Victims of Trafficking and Violence Protection Act koppeln Pflichten an eine zivilrechtliche Haftung. II. Erforderlichkeit rechtsträgerübergreifender Sorgfaltspflichten (S. 209 – 226) 1. Zweifelhafte Anreizstruktur der geltenden Rechtslage (S. 210 – 213)

Die derzeitige Rechtslage verwirklicht den hier angestrebten Zweck – Vermeidung von Rechtsgutsverletzungen in der Wertschöpfungskette – nicht, sondern setzt vielmehr Anreize, sich so weit wie möglich aus den Operationen von Konzern- und Zulieferergesellschaften fernzuhalten. Leitungsorgane deutscher Mutter- und Abnehmergesellschaften haften herrschender Auffassung zufolge den Gesellschaftern, sofern sie rechtsgüterschützende Maßnahmen ergreifen und diese nicht ökonomisch rechtfertigen können. Aufgrund des damit verbundenen Haftungsrisikos ergreifen sie solche Maßnahmen nicht.

Kap. 5: Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

319

2. Zusammenspiel von Transnationalisierung und Verhaltensanreizen (S. 213 – 220)

Transnationalisierung führt aus verschiedenen Gründen zu einem Haftungsvakuum. In vielen Fällen können weder Mutter- oder Abnehmerunternehmen noch ausländische Konzern- und Zuliefererunternehmen für Schäden haftbar gemacht werden. Die derzeitige deliktische wie gesellschaftsrechtliche Haftungslage und das gesellschaftsrechtliche Trennungsprinzip verleiten in konzernierten Unternehmensbeziehungen dazu, risikobehaftete Operationen an gering kapitalisierte Töchter auszulagern und sich von diesen zu distanzieren. Das Gleiche gilt für outsourcing in der Lieferkettenkonstellation. Hier handelt es sich mangels konzernierter Verbindung erst recht um zwei separate Rechtsträger, weshalb die gleichen Bedenken wie hinsichtlich der Haftungsbeschränkung greifen. Die Kombination aus Verhaltensanreizen und Transnationalisierung machen Textilproduktion in z. B. Bangladesch gefährlich. Die gleiche Fertigung wäre in Deutschland unbedenklich. Zwar ist denkbar, dass ein deutscher Abnehmer sich von einem deutschen Zulieferer beliefern lässt, hier also keine Transnationalisierung, aber die gleichen Verhaltensanreize vorlägen. Käme es aber zu in der Größenordnung mit Rana Plaza vergleichbaren Katastrophen, würde der deutsche Abnehmer massiven Reputationsschäden oder einem allgemeinen Boykottaufruf zum Opfer fallen. 3. Kein das Problem angemessen regulierender status quo (S. 221 – 222)

Weder freiwillige Selbstverpflichtungen von Unternehmen, soft law wie z. B. die UN-Guiding Principles oder Berichtspflichten wie z. B. die EU-CSR-Richtlinie können das Problem zufriedenstellend lösen. 4. Sorgfaltspflichten als Lösung (S. 222 – 225)

Die Pflicht rechtsgüterschützende Maßnahmen ergreifen zu müssen, stellt wirksame Verhaltensanreize wieder her. Deliktische Verkehrspflichten in Gestalt von Sorgfaltspflichten sind als dogmatischer Ausgangspunkt der Durchgriffshaftung, dem Vertrag (mit Schutzwirkung) zu Gunsten Dritter, der Gefährdungshaftung oder einem eigenem wirtschaftsmenschrechtlichem Haftungstatbestand überlegen. III. Politische und rechtliche Bedenken (S. 226 – 247) 1. Politisch (S. 226 – 233)

Wettbewerbsnachteile einzelner Wirtschaftsstandorte lassen sich per se gegen jede Regulierung ins Feld führen. Sie sind als Argument gegen ein WertschöpfungskettenG daher nicht hinreichend. Da sich die Kosten für mehr Arbeitssicherheit in Grenzen halten, ist unwahrscheinlich, dass die meisten transnationalen Unternehmen in Folge rechtssicher ausgestalteten Verkehrspflichten sämtliche Produktion wieder nach Deutschland zurückverlagern. Anders als teilweise behauptet, würde ein WertschöpfungskettenG den Rechtsgüterschutz in den Gaststaaten erheblich verbessern. Da Deutschland für die Umsetzung einer potenziellen, europäischen

320

Kap. 5: Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

Richtlinie auf seinen Konkretisierungsprozess im Rahmen eines eigenen WertschöpfungskettenG zurückgreifen kann, macht eine europäische Regelung eine Deutsche nicht obsolet. Aufgrund der trotz gesetzlicher Regelung verbleibenden Risiken und fehlenden Rentabilität bei auf ein WertschöpfungskettenG gestützter Klagen steht eine schädliche Klageindustrie nach US-amerikanischem Vorbild nicht zu besorgen. 2. Rechtlich (S. 233 – 247) a) Verhaltenssteuerung durch Privatrecht (S. 233 – 235)

Die Verhaltenssteuerung durch Privat- bzw. Deliktsrecht ist nicht nur zulässig, sondern auch wünschenswert. b) Gesellschaftsrechtliches Trennungsprinzip (S. 235 – 243)

Obwohl für das gesellschaftsrechtliche Trennungsprinzip gewichtige, ökonomische Argumente streiten, lassen sich diese bei der Tätigkeit juristischer Personen, insbesondere in Konzernstrukturen, anzweifeln. Nicht volkswirtschaftlich, sondern in erster Linie für die Gesellschafter vorteilhafte Projekte werden gefördert. Volkswirtschaftlich eignen sich Gesellschafter besser als Deliktsgläubiger dazu, Schäden zu vermeiden. Den Gesellschaftern Pflichten aufzuerlegen ist daher sachgerecht. Selbst, wenn man dieser ökonomischen Argumentation nicht folgt, steht die Haftungsbeschränkung als lediglich einfachgesetzliches Leitprinzip einer auf Wunsch des Gesetzgebers eingeführten Regelung nicht entgegen. c) Keine Sperrwirkungen gesellschaftsrechtlicher Ausgleichmechanismen (S. 243)

Konzernrechtliche Ausgleichmechanismen (§§ 304 f. AktG) fangen nicht in ausreichender Weise die sich aus der rechtlichen Segmentierung von Mutter- und Konzerngesellschaft ergebenden Risiken für die Haftungsinteressen der (Delikts-) Gläubiger ein. Selbst, wenn sie das täten, kann sich der Gesetzgeber durch eine entsprechende Regelung umentscheiden. d) Verhältnis zu vertraglichen Haftungsgrundlagen (S. 244 – 246)

Die Pflichten aus einem potenziellen WertschöpfungskettenG stehen nicht in Widerspruch zum vertraglichen Haftungsregime. e) Haftung für das Verhalten Dritter (S. 246 – 247)

Die Kritik an rechtsträgerübergreifenden Verkehrspflichten, Unternehmen müssten so für das Verhalten Dritter einstehen, ohne, dass sie die entstandenen Schäden hätten verhindern oder das Verhalten des Dritten (Zulieferer/Konzerngesellschaft) sonst irgendwie hätten beeinflussen können, überzeugt nicht. Einflussvermögen spielt bei der Reichweite von Pflichten durchaus eine Rolle und Unternehmen schulden auch keine Erfolgspflicht. Eine solche Haftung für das Verhalten Dritter ist darüber hinaus nicht neu, wie die §§ 1 I 1, 4 II ProdHaftG und §§ 14 AEntG, 13 MiLoG zeigen.

Kap. 5: Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

321

IV. Regelungsvorschlag haftungsbezogener Aspekte eines WertschöpfungskettenG (S. 247 – 308) 1. Normzweck (§ 1) (S. 248)

Das WertschöpfungskettenG dient dem Zweck, die negativen Auswirkungen des Zusammenspiels von Transnationalisierung und geltenden, materiell-rechtlichen Verhaltensanreizen zu minimieren. Es soll Rechtsgutsverletzungen im Dunstkreis der wirtschaftlichen Aktivität ausländischer Tochter- und Zuliefergesellschaften vermindern. 2. Anwendungsbereich (§ 2) (S. 249 – 256)

Das WertschöpfungskettenG erfasst keine ausländischen Konzern- und Zulieferergesellschaften. Das Problem lässt sich nicht materiell-rechtlich, sondern mittels IZPR, namentlich § 23 S. 1 Alt. 1 ZPO, der Notzuständigkeit und eines sich auf Drittstaaten erstreckenden Art. 8 Nr. 1 Brüssel Ia-VO lösen. Das Gesetz verpflichtet alle Gesellschaften mit Sitz, Hauptverwaltung oder -niederlassung in Deutschland, die zwei der drei Kriterien erfüllen: (1) 20.000.000 E Bilanzsumme, (2) 40.000.000 E Umsatzerlös, (3) im Jahresdurchschnitt 250 Arbeitnehmer. Kleine Unternehmen mit weniger als 12.000.000 E Umsatz oder weniger als 50 Arbeitnehmern erfasst das Gesetz überhaupt nicht. Mittelgroße Unternehmen, die über dieser Schwelle liegen, werden erfasst, sofern sie in einem Hochrisikosektor oder einem Konflikt- und Hochrisikogebiet tätig sind. Diese Begriffe muss der Rechtsanwender restriktiv auslegen. Nur natürliche Personen können sich auf die Pflichten aus dem Gesetz berufen. Der Anwendungsbereich des Gesetzes und die damit verbundenen Pflichten finden nur auf grenzüberschreitende Geschäftstätigkeiten Anwendung. Nicht erfasst werden innerdeutsche Geschäftsbeziehungen. Der Anwendungsbereich erstreckt sich nur auf Geschäftstätigkeiten in solchen Ländern, in denen Stakeholder typischerweise – das heißt, wenn sich Berichte über systemische Rechtsgutsverletzungen über einen längeren Zeitraum häufen – Gefahren ausgesetzt sind. 3. Risikoanalysepflicht (§ 3) (S. 256 – 262)

Inhalt und Reichweite der Risikoanalyse richten sich nicht nach ökonomischen Kriterien, ob also die Gesellschaft z. B. Reputationsschäden fürchtet. Maßgeblich ist vielmehr, wie die Gesellschaft am ehesten die Wahrheit ermitteln kann. Die Risikoanalysepflicht betrifft die gesamte Wertschöpfungskette und nicht nur Tier-1Zulieferer. Eine Risikoanalyse muss mindestens einmal jährlich und bei besonderen Anlässen öfter durchgeführt werden. 4. Pflicht rechtsgüterschützende Maßnahmen zu ergreifen (§ 4) (S. 262 – 304) a) Erfasste Rechtsgüter (S. 263 – 271)

Deliktsrechtliche und menschenrechtliche Rechtsgüter unterscheiden sich erheblich. Derzeit sind Menschenrechte noch nicht konkret genug, um sie pauschal

322

Kap. 5: Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

zivilrechtlich in Gestalt deliktischer Rechtsgüter anzuwenden. Weitere Untersuchungen zum Thema könnten jedoch einen „deliktischen Kern“ der für Unternehmen geltenden Menschenrechte bestimmen. So ließe sich ein WertschöpfungskettenG ggf. um weitere Rechtsgüter ergänzen. Stand jetzt sollte sich der deutsche Gesetzgeber auf die bereits erfassten Rechtsgüter wie z. B. Leben, Leib und Freiheit beschränken. Ist die Diskussion weiter fortgeschritten und liegen erste Praxiserfahrungen aus anderen nationalen WertschöpfungskettenG vor, ließe sich der Rechtsgüterkatalog im Rahmen einer europäischen Regelung noch weiter anreichern. Hinsichtlich existenzsichernder Löhne könnte der Gesetzgeber beispielsweise einen sich nach Ländern und Branchen unterscheidenden Mindestlohn festsetzen. Diesen könnte er als ein deliktisches Rechtsgut ausgestalten. Insoweit würde dann auch die Sorgfaltspflicht gelten. b) Systemische Rechtsgutsverletzung (S. 271 – 274)

Eine systemische Rechtsgutsverletzung liegt vor, wenn eine Struktur oder das Fehlen einer Struktur Rechtsgutsverletzungen reproduziert. Systemische Rechtsgutsverletzungen lassen sich ex ante prophezeien. c) Konkretisierung der Pflichten in Lieferketten (S. 275 – 293)

Das Drücken von Preis und Lieferzeit ist pflichtwidrig, wenn mit dem für die Warenlieferung gezahlten Preis oder der veranschlagten Lieferzeit eine gefahrlose Produktion nicht möglich war. Die deutsche Gesellschaft kann mittels ihres wirtschaftlichen, faktischen Einflusses auf Zulieferer die dortigen Sicherheitsstandards positiv beeinflussen. Dazu gehört es, vor Beginn der Geschäftsbeziehungen solche Zulieferer auszuwählen, die am ehesten bereit sind, entsprechende Standards durchzusetzen. Geschäftsbeziehungen müssen langfristig geplant werden. Abnehmer und Zulieferer müssen kooperativ zusammenarbeiten, um Missstände zu identifizieren und zu beheben. Auf eine solche Zusammenarbeit muss die deutsche Gesellschaft drängen. Beim Kauf von z. B. unverarbeitetem Metallerz vom lokalen Großhändler, der sein Metallerz aus problematischen Minen bezieht, muss der deutsche Abnehmer unter Androhung der Beendigung der Geschäftsbeziehung den Großhändler dazu drängen, auf eine Verbesserung der Bedingungen in der Mine hinzuwirken. Kann oder will der Großhändler dies nicht, muss der deutsche Abnehmer die Geschäftsbeziehung beenden. In Folge der idealtypisch großen wirtschaftlichen Macht des am Kopf der Lieferkette stehenden Unternehmens, können auch Maßnahmen hinsichtlich tiefer in der Lieferkette liegender Rechtsträger von Erfolg gekrönt sein. Aus Sorge um den Abbruch der Geschäftsbeziehungen werden Rechtsträger innerhalb der Lieferkette den Forderungen häufig nachkommen. Die Pflicht erstreckt sich auch auf diese Rechtsträger.

Kap. 5: Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

323

Die deutsche Gesellschaft muss die Geschäftsbeziehung beenden, wenn der Zulieferer sich weigert, Produktionsbedingungen rechtsgüterschonender zu gestalten. Dies gilt auch, drohen oder ereignen sich die Rechtsgutsverletzung in tieferen Ebenen der Lieferkette. Nur so lassen sich Umgehungskonstellationen vermeiden. Die deutsche Gesellschaft trifft hingegen keine Pflicht, ihren Einfluss zu erhöhen. d) Konzernkonstellationen (S. 293 – 299) aa) Einflussmöglichkeiten im Mutter-Tochter-Verhältnis (S. 293 – 295)

Pflichten treffen nur Muttergesellschaften i. S. v. § 290 II HGB. Im deutschen Recht übt die Muttergesellschaft ihren Einfluss entweder mittels Weisungsrechts oder im faktischen Konzern über Einwirkungen auf Vorstand und Aufsichtsrat aus. Sie kann auch die Hauptversammlung einberufen und dort entsprechend abstimmen. Deutsches Unternehmensrecht ist jedoch nach den Grundsätzen des deutschen, internationalen Gesellschaftsrechts dafür irrelevant. Maßgeblich ist ausländisches, am Statut der Tochtergesellschaft geltendes Gesellschaftsrecht. Im argentinischen, brasilianischen, chinesischen und englischen Gesellschaftsrecht entsprechen die Einflussmöglichkeiten – zumindest in Form der Einflussnahme über die Leitungsorgane – weitestgehend dem deutschen Konzernrecht. Eine Muttergesellschaft kann somit die Operationen ihrer Tochter kontrollieren. bb) Fallgruppen (S. 296 – 299)

Die deutsche Muttergesellschaft muss verhindern, dass die ausländische Konzerngesellschaft staatlichen Sicherheitskräften bei rechtsgüterbeeinträchtigenden Handlungen zuarbeitet. Hinsichtlich mangelhafter Sicherheitsstandards im Tochterunternehmen müssen Mutterunternehmen mittels Kontrollen und Schulungen darauf hinwirken, Rechtsgutsverletzungen zu minimieren. e) Beweislast (S. 300 – 304)

Die deutsche Gesellschaft trifft die Beweislast hinsichtlich der Frage, ob sie sich pflichtgemäß verhalten hat. Die Beweislast für die restlichen Merkmale des Haftungstatbestands (Kausalität, Schaden, je nach anwendbarer Rechtsordnung gegebenenfalls noch weiterer Voraussetzungen) richtet sich nach ausländischem Recht. Sie dürfte regelmäßig der den Anspruch geltend machenden Partei, mithin den Geschädigten obliegen. Allerdings gibt es in ausländischen Rechtsordnungen wie z. B. der Chinesischen auch hier Umkehrungen der Beweislast. 5. Subsidiäre Inanspruchnahme der deutschen Gesellschaft (§ 5) (S. 304 – 307)

Die deutsche Gesellschaft kann sich grundsätzlich mit dem Einwand verteidigen, die Geschädigten hätten noch nicht versucht, gegen die ausländische Tochter- bzw. Zulieferergesellschaft vorzugehen. Dies gilt jedoch nicht, können die Geschädigten aus verschiedenen Gründen nicht gegen diese vorgehen, z. B. weil ihnen oder ihren Angehörigen Gefahren im Forumsstaat drohen (Abs. 1 S. 2 lit. a) oder sie im Ausland keinen Zugang zu einem rechtsstaatlichen Verfahren haben (Abs. 1 S. 2 lit. b) und in

324

Kap. 5: Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

Deutschland Gerichte hinsichtlich der ausländischen Gesellschaft international unzuständig sind. 6. Kollisionsrechtlicher Anwendungsbefehl (§ 6) (S. 307 – 308)

Die Pflichten aus dem WertschöpfungskettenG müssen international zwingend ausgestaltet werden. Dies gilt auch hinsichtlich der Verjährungshemmung und Einrede der Vorausklage in § 5.

Anhang: Vorschlag für ein WertschöpfungskettenG §1 Normzweck Dieses Gesetz hat zum Ziel, Rechts- und Rechtsgutsverletzungen in grenzüberschreitenden Wertschöpfungsketten zu minimieren. §2 Anwendungsbereich (1) Die Pflichten dieses Gesetzes finden Anwendung auf alle 1. großen Gesellschaften, die allein oder mit den von ihnen beherrschten oder sie beherrschenden Gesellschaften als große Kapitalgesellschaften im Sinne von § 267 HGB gelten, und 2. mittelgroße Gesellschaften, die allein oder mit den von ihnen beherrschten oder sie beherrschenden Gesellschaften als mittelgroße Kapitalgesellschaften im Sinne von § 267 HGB gelten, und darüber hinaus a) in einem Hochrisikosektor oder b) in Konflikt- und Hochrisikogebieten tätig sind, sofern sie ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder -niederlassung in Deutschland haben (die Gesellschaft). (2) Berechtigt unter diesem Gesetz sind ausschließlich natürliche Personen. (3) Die Pflichten aus diesem Gesetz finden nur auf Geschäftstätigkeiten in solchen Ländern Anwendung, in denen die Stakeholder typischerweise Gefahren ausgesetzt sind. (4) Geschäftstätigkeit im Sinne dieses Gesetzes umfasst sowohl die Sphäre des eigenen, deutschen Rechtsträgers als auch die Sphäre von Gesellschaften innerhalb der Lieferkette oder des Konzerns (Wertschöpfungskette). §3 Risikoanalysepflicht (1) Die Gesellschaft hat eine Risikoanalyse durchzuführen. (2) 1Sie hat dabei zu untersuchen, ob im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit natürlichen Personen eine Rechtsgutsverletzung droht. 2Die Untersuchungspflicht ist hinsichtlich der Tiefe innerhalb der Wertschöpfungskette nicht auf das Einflussvermögen der Gesellschaft begrenzt. Sie richtet sich insbesondere nach der Größe der Gesellschaft, ihrem Einflussvermögen und danach, wo Risiken regelmäßig zu erwarten sind. 3Welche Geschäftsbereiche

326

Anhang: Vorschlag für ein WertschöpfungskettenG

zuvörderst betrachtet werden, hängt insbesondere vom Ort und der Art der Geschäftstätigkeit, der Wahrscheinlichkeit des Schadens, der Möglichkeit seiner Reparabilität und der Bedeutung des Schutzguts ab. (3) 1Die Risikoanalyse ist einmal jährlich durchzuführen. 2Zu bestimmten Anlässen, insbesondere bei der Erschließung neuer Geschäftsfelder, der Zunahme sozialer Spannungen im Geschäftsbereich oder bei Hinweisen durch Dritte, ist die Risikoanalyse erneut vorzunehmen. (4) Die Gesellschaft trifft für die Durchführung der Risikoanalyse die Beweislast. §4 Pflicht rechtsgüterschützende Maßnahmen zu ergreifen (1) 1Droht im Rahmen der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft einer natürlichen Person eine systemische Rechts- oder Rechtsgutsverletzung, trifft die Gesellschaft die Pflicht, darauf hinzuwirken, eine solche Verletzung zu verhindern oder zu mildern. 2Die zu ergreifenden Maßnahmen richten sich nach – der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, – der quantitativen und qualitativen Schwere des Schadens, – der Möglichkeit zur Reparabilität des Schadens, – dem Verursachungsbeitrag, – der Nähe zum Schadensereignis, – der Vorhersehbarkeit, – dem tatsächlichen oder rechtlichen Einflussvermögen – und den Ressourcen der jeweiligen Gesellschaft. (2) Die Gesellschaft trifft insoweit die Beweislast. §5 Subsidiäre Inanspruchnahme der deutschen Gesellschaft (1) 1Die Gesellschaft kann verweigern, die Geschädigten zu befriedigen, solange diese nicht erfolglos die Zwangsvollstreckung gegen die ausländische Gesellschaft versucht haben. 2 Der erfolglosen Zwangsvollstreckung steht es gleich, ist den Geschädigten die Klage gegen ausländische Gesellschaften aus sonstigen Gründen nicht zuzumuten, insbesondere, wenn a) Leib und Leben der Geschädigten oder diesen nahestehenden Personen bei Klageerhebung im Ausland gefährdet würde oder b) die Geschädigten im Ausland keinen Zugang zu einem rechtsstaatlichen Verfahren haben oder ein solcher mangelnder Zugang zu erwarten ist und eine Geltendmachung des Anspruchs gegen die ausländische Gesellschaft vor deutschen Gerichten nicht möglich ist. (2) Die Klageerhebung gegen ausländische Gesellschaften hemmt die Verjährung des Anspruchs gegen die deutsche Gesellschaft.

Anhang: Vorschlag für ein WertschöpfungskettenG

327

§6 Kollisionsrechtlicher Anwendungsbefehl 1 Sofern ein Sachverhalt in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes fällt, sind die Normen dieses Gesetzes international zwingend. 2Sie finden ohne Rücksicht auf das nach internationalem Privatrecht für außervertragliche Schuldverhältnisse maßgebende Recht Anwendung.

Literaturverzeichnis Adams, Michael, Eigentum, Kontrolle und beschränkte Haftung. Baden-Baden 1991. Aden, Menno, Internationale Notzuständigkeit. ZVglRWiss 2007, S. 490 ff. Adomeit, Klaus/Hähnchen, Susanne, Latein für Jurastudierende. Ein Einstieg in das Juristenlatein. 6. Aufl. München 2015. Ahmed, Farid, At Least 117 killed in factory fire at Bangladeshi clothing factory. CNN 25. 11. 2012: https://edition.cnn.com/2012/11/25/world/asia/bangladesh-factory-fire/index.html (abgerufen 20. 11. 2020). Akehurst, Michael, Jurisdiction in International Law. 46 British Yearbook of International Law 145 (1972 – 1973). Alam, Khorshed, Die Arbeitsgesetzgebung in Bangladesch – Schwierigkeiten der Umsetzung, in: Gisela Burckhardt (Hrsg.), Corporate Social Responsibility – Mythen und Maßnahmen. Unternehmen verantwortungsvoll führen, Regulierungslücken schließen. 2. Aufl. Wiesbaden 2013, S. 65 ff. Aldag, Ole, Menschenrechtsbezogene Sorgfaltspflichten von Unternehmen im System der Rom II-VO. JURA 2020, S. 1214 ff. Alvarez, José E., Are Corporations „Subjects“ of International Law? 9 Santa Clara Journal of International Law 1 (2011). Amnesty International, The True ,Tragedy‘. Delays and Failures in Tackling Oil Spills in the Niger Delta. London 2011: https://www.amnestyusa.org/wp-content/uploads/2017/04/afr44 0182011en.pdf (abgerufen 03. 11. 2020). Amnesty International, UK giving green light for corporate crime. 23. 07. 2015: https://www.am nesty.org/en/latest/news/2015/07/UK-giving-green-light-for-corporate-crime/ (abgerufen 03. 11. 2020). Amnesty International/Greenpeace, The Toxic Truth. About a Company Called Trafigura, a Ship Called the Probo Koala, and the Dumping of Toxic Waste in Côte D’Ivoire. London/ Amsterdam 2011: https://www.amnesty.org/download/Documents/AFR310022012EN GLISH.PDF (abgerufen 03. 11. 2020). Anderson, Michael, Transnational Corporations and Environmental Damage: Is Tort Law the Answer? 41 Washburn Law Journal 399 (2002). Anker, Richard, A New Methodology for Estimating Internationally Comparable Poverty Lines and Living Wage Rates. Genf 2005: https://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/–dgreports/– integration/documents/publication/wcms_079165.pdf (abgerufen 09. 10. 2021). Apple, Apple Supplier Responsibility. Progress Report 2011: https://www.apple.com/supplierresponsibility/pdf/Apple_SR_2011_Progress_Report.pdf (abgerufen 20. 11. 2020).

Literaturverzeichnis

329

Arendt, Guy/Schmitt, Alex/Trevisan, Fabio, Comparative Study of „Residual Jurisdiction“ in Civil and Commercial Disputes in the EU. National Report for Luxembourg. Luxemburg 2007. Armour, John/Hertig, Gerard/Kanda, Hideki, Transactions with Creditors, in: Reinier Kraakman et al. (Hrsg.), The Anatomy of Corporate Law. A Comparative and Functional Approach. 2. Aufl. Oxford 2017, S. 109 ff. Arnauld, Andreas von, Völkerrecht. 4. Aufl. Heidelberg 2019. Arndt, Adolf, Die Gesetzlichkeit des Richters als Strukturprinzip der rechtsprechenden Gewalt. JZ 1953, S. 633 ff. Arndt, Adolf, Die Gesetzlichkeit des Richters. DRiZ 1959, S. 171 f. Asmussen, Sven, Haftung für CSR. Tübingen 2020. Asmussen, Sven/Wagner, Gerhard, Menschenrechtsklagen vor englischen Gerichten: Von Yachten zu Konzernen. Entscheidung des Supreme Court of the United Kingdom vom 10. 4. 2019. ZEuP 2020, S. 979 ff. Aubart, Andrea, Die Behandlung der dépeçage im europäischen Internationalen Privatrecht. Tübingen 2013. Augenstein, Daniel, Study of the Legal Framework on Human Rights and the Environment Applicable to European Enterprises Operating Outside the European Union. Edinburgh 2008. Augenstein, Daniel, The Human Rights Dimension of Environmental Protection in EU External Relations Post-Lisbon. 26. 09. 2011: https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=1 933675 (abgerufen 20. 11. 2020). Augenstein, Daniel/Jägers, Nicola, Judicial Remedies: The Issue of Jurisdiction, in: Juan José Álvarez Rubio und Katerina Yiannibas (Hrsg.), Human Rights in Business. Removal of Barriers to Access to Justice in the European Union. London/New York 2017, S. 7 ff. Bachmann, Birgit, Der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung im Internet. IPRax 1998, S. 179 ff. Bachmann, Gregor/Eidenmüller, Horst/Engert, Andreas/Fleischer, Holger/Schön, Wolfgang, Rechtsregeln für die geschlossene Kapitalgesellschaft. Berlin 2012. Bachmann, Johannes Friedrich, Universalisierung des Europäischen Zivilverfahrensrechts. Die unilaterale Erstreckung des Europäischen Zivilverfahrensrechts auf Drittstaatensachverhalte. Berlin 2020. Baier, Carolin, Strengere Sorgfaltspflichten für verantwortungsvolle Lieferketten? DB 2020, S. 1801. Baldwin, Richard E./Wyplosz, Charles, The economics of European Integration. 6. Aufl. London 2020. Bälz, Ulrich, Einheit und Vielheit im Konzern, in: Fritz Baur (Hrsg.), Funktionswandel der Privatrechtsinstitutionen. Festschrift für Ludwig Raiser zum 70. Geburtstag. Tübingen 1974, S. 287 ff. Bamberger, Heinz Georg/Roth, Herbert (Hrsg.), Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Band 2, §§ 611 – 1296 AGG – ErbbauRG – WeG. 3. Aufl. München 2012 [zitiert als: Bearbeiter, in: Bamberger/Roth-BGB, §].

330

Literaturverzeichnis

Banktrack, Rio Blanco Copper Mine: https://www.banktrack.org/project/rio_blanco_copper_mi ne (abgerufen 20. 11. 2020). Bar, Christian v., Vertragliche Schadensersatzpflichten ohne Vertrag? JuS 1982, S. 637 ff. Bar, Christian v., Gemeineuropäisches Deliktsrecht. Band I: Die Kernbereiche des Deliktsrecht, seine Angleichung in Europa und seine Einbettung in die Gesamtrechtsordnungen. München 1996. Bar, Christian v., Gemeineuropäisches Deliktsrecht. Band II: Schaden und Schadensersatz, Haftung für und ohne eigenes Fehlverhalten, Kausalität und Verteidigungsgründe. München 1999. Bar, Christian v./Mankowski, Peter, Internationales Privatrecht. Band I. Allgemeiner Teil. 2. Aufl. München 2003. Bar, Christian v./Mankowski, Peter, Internationales Privatrecht. Band II. Besonderer Teil. 2. Aufl. München 2019. Bascopé, Hugo, Argentinien, in: Rembert Süß und Thomas Wachter (Hrsg.), Handbuch des internationalen GmbH-Rechts. 3. Aufl. Bonn 2016, S. 413 ff. Basedow, Jürgen, Das amerikansiche Pipeline-Embargo vor Gericht. RabelsZ 47 (1983), S. 147 ff. BASF SE, Verhaltenskodex für Lieferanten: https://www.basf.com/global/de/who-we-are/orga nization/suppliers-and-partners/sustainability-in-procurement/supplier-code-of-conduct.html (abgerufen 30. 11. 2020). Baumbach, Adolf/Hueck, Alfred, Beck’sche Kurz-Kommentare. Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung. 22. Aufl. München 2019 [zitiert als: Bearbeiter, in: Baumbach/Hueck-GmbHG, §]. Baur, Fritz, Der Anspruch auf rechtliches Gehör. AcP 153 (1953), S. 393 ff. Bayreuther, Frank, Generalunternehmerhaftung nach dem Mindestlohngesetz und dem Arbeitnehmerentsendegesetz. Umfang, Grenzen, Haftungsvermeidung und notwendige gesetzliche Anpassungen. NZA 2015, S. 961 ff. BBC, Trafigura Statement. BBC 13. 05. 2009: http://news.bbc.co.uk/2/hi/programmes/news night/8049024.stm (abgerufen 20. 11. 2020). BBC, Frantic search for survivors after Dhaka building collapse. 25. 05. 2013: https://www.bbc. com/news/world-asia-22289362 (abgerufen 20. 11. 2020). Beale, Sara Sun, The Trafficking Victim Protection Act: The Best Hope for International Human Rights Litigation in U.S. Courts? 50 Case Western Reserve Journal of International Law 17 (2018). Beck’scher Online Großkommentar zum Zivilrecht, hrsg. von Beate Gsell, Wolfgang Krüger, Stephan Lorenz und Christoph Reymann. München 2020 [zitiert als: BeckOGK/Bearbeiter, Art./§]. Beck’scher Online Kommentar BGB, hrsg. von Wolfgang Hau und Roman Poseck. München 2020 [zitiert als: BeckOK-BGB/Bearbeiter, Art./§]. Beck’scher Online Kommentar GG, hrsg. von Volker Epping und Christian Hillgruber. München 2020 [zitiert als: BeckOK-GG/Bearbeiter, Art.].

Literaturverzeichnis

331

Beck’scher Online Kommentar Sozialrecht, hrsg. von Christian Rolfs, Richard Giesen, Ralf Kreikebohm und Peter Udsching. München 2020 [zitiert als BeckOK-Sozialrecht/Bearbeiter, §]. Beck’scher Online Kommentar ZPO, hrsg. von Volkert Vorwerk und Christian Wolf. München 2020. [zitiert als: BeckOK-ZPO/Bearbeiter, Art./§]. Benicke, Christoph, Deliktische Haftung mehrerer nach § 830 BGB. JURA 1996, S. 127 ff. Bergman, David, Bangladesh factory fire kills 111 garment workers. The Telegraph 25. 11. 2012: https://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/asia/bangladesh/9701826/Bangladeshfactory-fire-kills-111-garment-workers.html (abgerufen 20. 11. 2020). Bergsteiner, Harald/Avery, Gayle C., Misleading Country Rankings Perpetuate Destructive Business Practices. 159 Journal of Business Ethics 863 (2019). Bertele, Joachim, Souveränität und Verfahrensrecht. Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht. Tübingen 1998. Bidell, Daniela, Die Erstreckung der Zuständigkeiten der EuGVO auf Drittstaatensachverhalte. Unter besonderer Berücksichtigung des Kommissionsvorschlags KOM (2010) 748 eng. Frankfurt am Main 2014. Bittighofer, Andreas, Der internationale Gerichtsstand des Vermögens. Eine rechtsvergleichende Studie zur Zuständigkeit deutscher Gerichte aufgrund inländischer Vermögensbelegenheit. Frankfurt am Main 1994. Blitt, Robert C., Beyond Ruggie’s Guiding Principles on Business and Human Rights: Charting an Embracive Approach to Corporate Human Rights Compliance. 48 Texas International Law Journal 33 (2012). Blumberg, Phillip I., Limited Liability and Corporate Groups. 11 The Journal of Corporation Law 574 (1986). Blumberg, Phillip I., The Transformation of Modern Corporation Law: The Law of Corporate Groups. 37 Connecticut Law Review 605 (2005). BMAS/BMZ, Entwurf für Eckpunkte eines Bundesgesetzes über die Stärkung der unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in globalen Wertschöpfungsketten vom 10. 03. 2020: https://die-korrespondenten.de/fileadmin/user_up load/die-korrespondenten.de/Lieferkettengesetz-Eckpunkte-10.3.20.pdf (abgerufen 20. 11. 2020) [zitiert als: BMAS/BMZ, Eckpunktepapier]. BMZ, Inoffizieller Entwurf für ein nachhaltiges Wertschöpfungskettengesetz vom 01. 02. 2019: https://die-korrespondenten.de/fileadmin/user_upload/die-korrespondenten.de/SorgfaltGe setzentwurf.pdf (abgerufen 20. 11. 2020) [zitiert als: BMZ, Inoffizieller Entwurf für ein WertschöpfungskettenG]. Bodenstein, Claudia Jasmin Regina, Human Rights CMS. Die Erforderlichkeit einer Human Rights Due Diligence in der Wertschöpfungskette eines Wirtschaftsunternehmens. BadenBaden 2020. Boele, Richard, OGONI. Report of the UNPO Mission to Investigate the Situation of the Ogoni in Nigeria. February 17 – 26, 1995. Den Haag 1995: https://unpo.org/images/reports/ogoni1 995report.pdf (abgerufen 20. 11. 2020).

332

Literaturverzeichnis

Boele, Richard/Fabig, Heike/Wheeler, David, Shell, Nigeria and the Ogoni. A study in unsustainable Development. 9 Sustainable Development 121 (2001). Böhm, Peter, Anmerkung zu OGH, Urt. v. 15. 09. 1987, 4 Ob 568/87. Juristische Blätter 1988, S. 386 ff. Bohrer, Melanie, Der morsche Baum. Verkehrssicherheit und Fahrlässigkeit in der Rechtsprechung des Reichsgerichts. Frankfurt am Main 2010. Bollweg, Hans-Georg/Doukoff, Norman/Jansen, Nils, Das neue chinesische Haftpflichtgesetz. ZChinR 2011, S. 91 ff. Bomsdorf, Tobias/Blatecki-Burgert, Berthold, Haftung deutscher Unternehmen für „Menschenrechtsverstöße“. ZRP 2020, S. 42 ff. Bradley, Curtis A., Universal Jurisdiction and U.S. Law. University of Chicago Legal Forum 2001, S. 323 ff. Brand, Peter-Andreas, Grenzen zivilprozessualer Wahrheit und Gerechtigkeit. Disclosure- und Discovery-Elemente im deutschen Zivilverfahrensrecht. NJW 2017, S. 3558 ff. Brandt, Verena, Das englische Disclosure-Verfahren: ein Modell für Zugang zu Information und Beweis im deutschen Zivilprozess? Tübingen 2015. Breidenstein, Matthias, Das anwendbare Recht bei Schutzanordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz. FamFR 2012, S. 172 ff. Brinkmann, Moritz, Zwei (von vielen) Fragen zum Gerichtsstand des Vermögens, in: Thomas Ackermann, Johannes Köndgen (Hrsg.), Privat- und Wirtschaftsrecht in Europa: Festschrift für Wulf-Henning Roth zum 70. Geburtstag. München 2015, S. 37 ff. Brown, Ronald C., Up and Down the Multinational Corporations’ Global Labor Supply Chains: Making Remedies That Work in China. 34 Pacific Basin Law Journal 103 (2017). Brüggemeier, Gert, Haftungsrecht. Struktur, Prinzipien, Schutzbereich. Ein Beitrag zur Europäisierung des Privatrechts. Berlin u. a. 2006. Brunk, Bastian, A step in the right direction, but nothing more – A critical note on the Draft Directive on mandatory Human Rights Due Diligence. conflictoflaws.net 26. 10. 2020: https://conflictoflaws.net/2020/a-step-in-the-right-direction-but-nothing-more-a-critical-noteon-the-draft-directive-on-mandatory-human-rights-due-diligence/ (abgerufen 20. 11. 2020). Brunn, Christoph (Hrsg.), Impact Measurement and Performance Analysis of CSR. Report on cross-WP compilation and assessment of CSR performance & impacts on EU objectives. Wien 2013: https://www.oeko.de/oekodoc/2243/2015-025-en.pdf (abgerufen 20. 11. 2020). Bu, Yuanshi, Kodifikation des chinesischen Deliktshaftungsrechts: Übersicht und kritische Fragen. ZfRV 2010, S. 218 ff. Bu, Yuanshi, Einführung in das Recht Chinas. 2. Aufl. München 2017. Buchner, Benedict, Kläger- und Beklagtenschutz im Recht der internationalen Zuständigkeit. Tübingen 1997. Bueno, Nicolas/Bright, Claire, Implementing Human Rights Due Diligence Through Corporate Civil Liability. 69 International and Comparative Law Quarterly 789 (2020).

Literaturverzeichnis

333

Bundesregierung, Gesetzesentwurf. Entwurf eines Gesetzes über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten. Drucksache 19/28649: https://dserver.bundestag.de/btd/1 9/286/1928649.pdf (abgerufen 09. 10. 2021). Bunting, Nikolaus, Konzernweite Compliance – Pflicht oder Kür? ZIP 2012, S. 1542 ff. Burckhardt, Gisela, Zusammenfassung der Beiträge und Fazit: Mangelnder Schutz der Betroffenen, in: Gisela Burckhardt (Hrsg.), Corporate Social Responsibility – Mythen und Maßnahmen. Unternehmen verantwortungsvoll führen, Regulierungslücken schließen. 2. Aufl. Wiesbaden 2013, S. 77 ff. Business & Human Rights Resource Center, Union Carbide/Dow lawsuit (re Bhopal): https:// www.business-humanrights.org/en/latest-news/union-carbidedow-lawsuit-re-bhopal/ (abgerufen 03. 11. 2020). Business & Human Rights Resource Center, EU-Justizkommissar kündigt Gesetzesentwurf für europäisches Lieferkettengesetz an: https://www.business-humanrights.org/de/neuste-mel dungen/eu-justizkommissar-k%C3%BCndigt-gesetzentwurf-f%C3%BCr-europ%C3%A4is ches-lieferkettengesetz-an/ (abgerufen 20. 11. 2020). Buxbaum, Hannah, The Viability of Enterprise Jurisdiction. A Case Study of the Big Four Accounting Firms. 48 UC Davis Law Review 1769 (2015). Calliess, Christian/Ruffert, Matthias (Hrsg.), EUV/AEUV. Das Verfassungsrecht der Europäischen Union mit Europäischer Grundrechtecharta. Kommentar. 5. Aufl. München 2016 [zitiert als: Calliess-Ruffert/Bearbeiter, Art.]. Calliess, Gralf-Peter/Renner, Moritz (Hrsg.), Rome Regulations. Commentary. 3. Aufl. New York 2020 [zitiert als: Calliess-Rome Regulations/Bearbeiter, Art.]. Carter, Barry E., Economic Coercion, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law. Volume III. Oxford 2012, S. 291 ff. Cassels, Jamie, Outlaws: Multinational Corporations and Catastrophic Law. 31 Cumberland Law Review 311 (2001). Castermans, Alex Geert/Van der Weide, Jeroen, The Legal Liability of Dutch Parent Companies for Subsidiaries’ Involvement in Violations of Fundamental, Internationally Recognised Rights. 17. 06. 2010: https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=1626225 (abgerufen 27. 10. 2020). Ceresna, Laura, Textilarbeiterinnen in Indien können ihre Rechte nicht einklagen, in: Gisela Burckhardt (Hrsg.), Corporate Social Responsibility – Mythen und Maßnahmen. Unternehmen verantwortungsvoll führen, Regulierungslücken schließen. 2. Aufl. Wiesbaden 2013, S. 69 ff. Che, Yeon-Koo/Spier, Kathryn E., Strategic Judgement Proofing. 39 The RAND Journal of Economics 926 (2008). Cheremisinoff, Nicholas P., Pollution Control Handbook for Oil and Gas Engineering. Beverly 2016. Cobain, Ian, Abuse claims against Peru police guarding British firm Monterrico. The Guardian 18. 10. 2009: https://www.theguardian.com/environment/2009/oct/18/british-mining-firm-pe ru-controversy (abgerufen 20. 11. 2020).

334

Literaturverzeichnis

Coomber, Andrea, Strategically litigating equality – reflections on a changing jurisprudence. 15 European Anti-discrimination Law Review 11 (2012). Cragg, Brian, Home is Where the Halt Is: Mandating Corporate Social Responsibility through Home State Regulation and Social Disclosure. 24 Emory International Law Review 735 (2010). Croser, Marilyn, Unilever: time for real leadership on human rights. CORE 17. 07. 2018: https:// corporate-responsibility.org/unilever-time-real-leadership-human-rights/ (abgerufen 20. 11. 2020). Curschmann, Jan, Brasilien, in: Rembert Süß und Thomas Wachter (Hrsg.), Handbuch des internationalen GmbH-Rechts. 3. Aufl. Bonn 2016, S. 501 ff. Cusumano, Emma/Ryerson, Charity, Is the California Transparency in Supply Chains Act Doing More Harm than Good? Corporate Accountability Lab 25. 07. 2017: https://corpac countabilitylab.org/calblog/2017/7/25/is-the-california-transparency-in-supply-chains-actdoing-more-harm-than-good (abgerufen 20. 11. 2020). Dannemann, Gerhard, Jurisdiction based on the Presence of Assets in Germany: A Case Note. 41 International and Comparative Law Quarterly 632 (1992). Danzer Group, Statement of Danzer Group to the Greenpeace Report of 7th November 2011. 09. 11. 2011: http://www.fsc-watch.org/docs/Danzer_statement_about_GP_report_09_11_2 011.pdf (abgerufen 20. 11. 2020). Das Erste, Deutschland: Lieferkettengesetz vor dem Aus? ARD-Europamagazin 17. 06. 2020: https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/europamagazin/videos/deutsch land-lieferkettengesetz-vor-dem-aus-video-100.html (abgerufen 20. 11. 2020). Davarnejad, Leyla, Menschenrechtsverantwortung multinationaler Unternehmen und Corporate Social Responsibility (CSR). Zugleich ein Beitrag zur Verbindlichkeit von Verhaltenskodizes internationaler Organisationen als Soft Law. Baden-Baden 2020. Davinic´, Marko, Importance of Nation-State in the Globalized World. 3 Belgrade Law Review 216 (2008). Dearborn, Meredith, Enterprise Liability: Reviewing and Revitalizing Liability for Corporate Groups. 97 California Law Review 195 (2009). Degenhart, Christoph, Staatsrecht I. Staatsorganisationsrecht. Mit Bezügen zum Europarecht. 31. Auflage. München 2015. De Schutter, Olivier, Extraterritorial Jurisdiction as a tool for improving the Human Rights Accountability of Transnational Corporations. Louvain 2006. De Schutter, Olivier, Towards a New Treaty on Business and Human Rights. 1 Business and Human Rights Journal 41 (2015). De Schutter, Olivier, Towards Mandatory Due Diligence in Global Supply Chains. Louvain 2020. Determann, Lothar/Mühling, Moritz Johanes, Unternehmen müssen publizieren, ob sie Menschenrechtsverletzungen durch Lieferanten bekämpfen. California Transparency Supply Chains Act – auf europäische Konzerne mit kalifornischer Präsenz anwendbar. CCZ 2012, S. 117 ff.

Literaturverzeichnis

335

Detterbeck, Steffen, Streitgegenstand, Justizgewährungsanspruch und Rechtsschutzanspruch. AcP 192 (1992), 335 ff. Deutsch, Erwin, Das Verhältnis von Mittäterschaft und Alternativtäterschaft im Zivilrecht. JZ 1972, S. 105 ff. Deutsche Wirtschaftsnachrichten, Katzen-Futter: Nestlé wegen Beihilfe zur Sklaverei angeklagt. Deutsche Wirtschaftsnachrichten 01. 09. 2015: https://deutsche-wirtschafts-nachrich ten.de/2015/09/01/katzen-futter-nestle-wegen-beihilfe-zur-sklaverei-angeklagt/ (abgerufen 20. 11. 2020). Diamond, Stuart, The Bhopal Disaster: How it Happened. The New York Times 28. 01. 1985: https://www.nytimes.com/1985/01/28/world/the-bhopal-disaster-how-it-happened.html (abgerufen 03. 11. 2020). Diaz, Victor Manual, Litigation in U.S. Courts of Product Liability Cases Arising in Latin America. 20 Arizona Journal of International & Comparative Law 87 (2003). Dicey, A. V./Morris, J. H. C./Collins, Lawrence (Hrsg.), The Conflict of Laws. 14. Aufl. London 2006. Dickinson, Andrew, The Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council on Jurisdiction and Enforcement of Judgements in Civil and Commercial Matters (Recast). Sydney Law School Research Paper No. 11/58. Sidney 2011. Dietz, Michelle/Gerber, Amelie/Groneberg, David/Bendels, Michael, Die Katastrophe von Bhopal. Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie 2017, S. 276 ff. Die Welt, Massenkollaps in H&M-Zuliefererfirma in Kambodscha. Die Welt 25. 08. 2011: https://www.welt.de/wirtschaft/article13565203/Massenkollaps-in-H-M-Zulieferfirma-inKambodscha.html (abgerufen 20. 11. 2020). Dodge, William S./Roberts, Anthea/Stephan, Paul B., Jurisdiction to Adjudicate Under Customary International Law. opinio juris 11. 09. 2018: http://opiniojuris.org/2018/09/11/33646/ (abgerufen 01. 12. 2020). Domej, Tanja, Die Neufassung der EuGVVO. Quantensprünge im europäischen Zivilprozessrecht. RabelsZ 78 (2014), S. 508 ff. Domej, Tanja, Zivilrechtliche Rechtsdurchsetzungsinstrumente, in: August Reinisch et al. (Hrsg.), Unternehmensverantwortung und internationales Recht. Heidelberg 2020, S. 229 ff. Donnelly, Jack, Human Rights: a new standard of civilization? 74 International Affairs 1 (1998). Dörr, Oliver, Weitere Rechtsquellen des Völkerrechts, in: Volker Epping, Wolff Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Völkerrecht. Ein Studienbuch. 7. Aufl. München 2018, S. 536 ff. [zitiert als Dörr, in: Ipsen, Völkerrecht]. Dowling, Paul, Limited liability and separate corporate personality in multinational corporate groups. Conceptual flaws, accountability gaps, and the case for profit-risk liability, in: Lisbeth Enneking et al. (Hrsg.), Accountability, International Business Operations, and the Law. Providing Justice for Corporate Human Rights Violations in Global Value Chains. Oxon und New York 2020, S. 219 ff. Drygala, Tim/Staake, Marco/Szalai, Stephan, Kapitalgesellschaftsrecht. Mit Grundzügen des Konzern- und Umwandlungsrechts. Berlin/Heidelberg 2012.

336

Literaturverzeichnis

Dutta, Anatol, Das Statut der Haftung aus Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte. IPRax 2009, S. 293 ff. Dutta, Anatol, Gleichlauf von forum und ius – ein legitimes Ziel des internationalen Privatrechts?, in: Christoph Benicke und Stefan Huber (Hrsg.), National, International, Transnational: Harmonischer Dreiklang im Recht. Festschrift für Herbert Kronke zum 70. Geburtstag. Bielefeld 2020, S. 51 ff. Dutta, Anatol, Internationale Zuständigkeit für privatrechtliche Klagen gegen transnational tätige Unternehmen wegen Verletzungen von Menschenrechten und von Normen zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen im Ausland, in: August Reinisch et al. (Hrsg.), Unternehmensverantwortung und Internationales Recht. München 2020, S. 39 ff. Dütz, Wilhelm, Rechtsstaatlicher Gerichtsschutz im Privatrecht. Bad Homburg 1970. Dyer, Clare, South African asbestos victims win £21m. The Guardian 22. 12. 2001: https://www. theguardian.com/uk/2001/dec/22/world.claredyer (abgerufen 03. 11. 2020). Easterbrook, Frank H./Fischel, Daniel R., Limited Liability and the Corporation. 52 The University of Chicago Law Review 89 (1985). Ebenroth, Carsten Thomas/Offenloch, Thomas, Kollisionsrechtliche Untersuchung grenzüberschreitender Ausgliederungen. RIW 1997, S. 1 ff. Eberl-Borges, Christina, Einführung in das chinesische Recht. Baden-Baden 2018. ECCHR, Die Ermordung des Nestlé Arbeiters Romero in Kolumbien: https://www.ecchr.eu/fall/ die-ermordung-des-nestle-arbeiters-romero-in-kolumbien/ (abgerufen 17. 07. 2021). ECCHR, Fallbeschreibung Lahmeyer. ECCHR Mai 2016: https://www.ecchr.eu/fileadmin/Fall beschreibungen/Fallbeschreibung_Lahmeyer_2016Mai.pdf (abgerufen 20. 11. 2020). Eckerman, Ingrid, The Bhopal Saga. Causes and Consequences of the World’s Largest Industrial Desaster. Stockholm 2004. ECPIL ! siehe Magnus, Ulrich/Mankowski, Peter Ehricke, Ulrich, Zur Teilnehmerhaftung von Gesellschaftern bei Verletzungen von Organpflichten mit Außenwirkung durch den Geschäftsführer einer GmbH. ZGR 2000, S. 351 ff. Eickenjäger, Sebastian, Menschenrechtsberichterstattung durch Unternehmen. Tübingen 2017. Eidenmüller, Horst, Effizienz als Rechtsprinzip. Tübingen 1995. Eidenmüller, Horst, § 4 Gesellschaftsrecht, in: Horst Eidenmüller (Hrsg.), Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht. München 2004, S. 85 ff. Emmerich, Volker/Habersack, Mathias/Schürnbrand, Jan, Aktien- und GmbH-Konzernrecht. Kommentar. 9. Auflage. München 2019. Empt, Martin, Corporate Social Responsibility. Das Ermessen des Managements zur Berücksichtigung von Nichtaktionärsinteressen im US-amerikanischen und deutschen Aktienrecht. Berlin 2004. Engel, Christoph, Besprechung von Williamson. Die ökonomischen Institutionen des Kapitalismus. RabelsZ 57 (1993), S. 556 ff. Engert, Andreas/Groh, Gunnar, Internationaler Kapitalanlegerschutz vor dem Bundesgerichtshof. IPRax 2011, S. 458 ff.

Literaturverzeichnis

337

Enneking, Lisbeth, Crossing the Atlantic? The Political and Legal Feasibility of European Foreign Direct Liability Cases. 40 The George Washington International Law Review 903 (2009). Enneking, Lisbeth, Judicial Remedies. The Issue of Applicable Law, in: Juan José Álvarez Rubio, Katerina Yiannibas (Hrsg.), Human Rights in Business. Removal of Barriers to Access to Justice in the European Union. Oxon/New York 2017, S. 38 ff. Epping, Volker, Der Staat als die Normalperson des Völkerrechts, in: Knut Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht. Ein Studienbuch. 6. Aufl. München 2014, S. 49 ff. [zitiert als Epping, in: Ipsen, Völkerrecht, 2014]. Epping, Volker, Völkerrechtssubjekte, in: Volker Epping, Wolff Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Völkerrecht. Ein Studienbuch. 7. Aufl. München 2018, S. 73 ff. [zitiert als: Epping, in: Ipsen, Völkerrecht, 2018, S.]. Erman Bürgerliches Gesetzbuch. Handkommentar, hrsg. von Harm Peter Westermann, Barbara Grunewald und Georg Maier-Reimer. Band I und II. 16. Aufl. Köln 2020 [zitiert als: ErmanBGB/Bearbeiter, Art./§]. Ernst & Young, The state of sustainable supply chains. 2016. Europäisches Kollisionsrecht ! siehe Weller, Matthias European Coalition for Corporate Justice, EU Model Legislation on Corporate Responsibility to Respect Human Rights and the Environment. Brussels 2020: https://corporatejustice.org/2 020-legal-brief.pdf (abgerufen 20. 11. 2020). European Commission, Study on due diligence requirements through the supply chain. Final report. Luxemburg 2020. European Parliament, Study: Access to legal remedies for victims of corporate human rights abuses in third countries. Brussels 2019. European Parliament, Draft Report with recommendations to the Commission on corporate due diligence and corporate accountability (2020/2129(INL)) vom 11. 09. 2020: https://www.eu roparl.europa.eu/doceo/document/JURI-PR-657191_EN.pdf (abgerufen 20. 11. 2020) [zitiert als: European Parliament, Draft Report]. European Parliament, Corporate due diligence and corporate accountability. European Parliament resolution of 10 March 2021 with recommendations to the Commission on corporate due diligence and corporate accountability (2020/2129(INL)): https://www.europarl.europa. eu/doceo/document/TA-9-2021-0073_EN.pdf (abgerufen 30. 07. 2021) [zitiert als: European Parliament, Draft Report (updated)]. Eweje, Gabriel, Environmental Costs and Responsibilities Resulting from Oil Exploration in Developing Countries: The Case of the Niger Delta of Nigeria. 69 Journal of Business Ethics 27 (2006). Falkenhausen, Marie von, Menschenrechtsschutz durch Deliktsrecht. Unternehmerische Pflichten in internationalen Lieferketten. Tübingen 2020. Fawcett, James J., The Impact of Article 6(1) of the ECHR on Private International Law. 56 International and Comparative Law Quarterly 1 (2007). Fetsch, Johannes, Eingriffsnormen und EG-Vertrag. Die Pflicht zur Anwendung der Eingriffsnormen anderer EG-Staaten. Tübingen 2002.

338

Literaturverzeichnis

Finnish Ministry of Economic Affairs and Employment, Judicial Analysis on the Corporate Social Responsibility Act. Helsinki 2020. Fischer, Gerfried, Schadensersatzansprüche wegen Menschenrechtsverletzungen, in: Jürgen Goydke (Hrsg.), Vertrauen in den Rechtsstaat. Beiträge zur deutschen Einheit im Recht. Festschrift für Walter Remmers. Köln u. a. 1995, S. 447 ff. Fischer-Lescano, Andreas, Natur als Rechtsperson. Konstellationen der Stellvertretung im Recht. ZUR 2018, S. 205 ff. Fleischer, Holger, Corporate Social Responsibility. Vermessung eines Forschungsfeldes aus rechtlicher Sicht. Die AG 2017, S. 509 ff. Fleischer, Holger, Geschäftsherrenhaftung in Konzernlagen und Lieferketten: Eine rechtsvergleichende Skizze im Lichte der Konzernverantwortungsinitiative, in: Matthias P. Müller, Lucas Forrer und Floris Zuur (Hrsg.), Das Aktienrecht im Wandel. Zum 50. Geburtstag von Hans-Ueli Vogt. Zürich/St. Gallen 2020, S. 145 ff. Fleischer, Holger/Danninger, Nadja, Konzernhaftung für Menschenrechtsverletzungen – Französische und schweizerische Reformen als Regelungsvorbilder für Deutschland? DB 2017, S. 2849 ff. Fleischer, Holger/Korch, Stefan, Konzerndeliktsrecht: Entwicklungsstand und Zukunftsperspektiven. DB 2019, S. 1944 ff. Fleischer, Holger/Korch, Stefan, Zur deliktsrechtlichen Verantwortlichkeit von Auftraggebern in der Lieferkette. ZIP 2019, S. 2182 ff. Fleischer, Holger/Korch, Stefan, Okpabi v Royal Dutch Shell und das deutsche Deliktsrecht in Konzernlagen. ZIP 2021, S. 709 ff. Forcese, Craig, Deterring „Militarized Commerce“: The Prospect of Liability for „Privatized“ Human Rights Abuses. 31 Ottawa Law Review 171 (1999 – 2000). Forensic Architecture, The Ali Enterprise Factory Fire. 30. 01. 2018: https://forensic-architec ture.org/investigation/the-ali-enterprises-factory-fire (abgerufen 27. 01. 2021). Forkel, Hans, Immissionsschutz und Persönlichkeitsrecht. Eine privatrechtliche Untersuchung. Köln 1968. Forstmoser, Peter, Schutz der Menschenrechte – eine Pflicht für multinationale Unternehmen?, in: Angela Cavallo et al. (Hrsg.), Liber Amicorum für Andreas Donatsch. Im Einsatz für Wissenschaft, Lehre und Praxis. Zürich 2012, S. 703 ff. Frankl, Victor, …und trotzdem Ja zum Leben sagen. Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager. Wien 1946. Frapard, Mathile, Das französische Gesetz zur Überwachungspflicht: ein innovatives Gesetz für eine gerechtere Globalisierung. AuR 2018, S. 302 ff. Frauendorf, Lutz, Die Entschädigung für NS-Zwangsarbeit – ein aktuelles Problem. ZRP 1999, S. 1 ff. Frenz, Walter, Öffentliches Recht. Eine nach Anspruchszielen geordnete Darstellung zur Examensvorbereitung. 8. Aufl. München 2019. Friedman, Milton, Kapitalismus und Freiheit. 7. Aufl. München 2010.

Literaturverzeichnis

339

Fromm, Thomas/Herrmann, Boris/Obermaier, Frederik/Ritzer, Uwe, „Keine Mängel festgestellt“. Süddeutsche Zeitung 29. 01. 2019: https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/brasilienstaudamm-dammbruch-1.4306270 (abgerufen 20. 11. 2020). Frynas, Jedrzej George, Legal Change in Africa: Evidence from Oil-Related Litigation in Nigeria. 43 Journal of African Law 121 (1999). Fuchs, Felix, Das Haager Übereinkommen vom 2. Juli 2019 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile in Zivil- oder Handelssachen. GWR 2019, S. 395 ff. Fuchs, Gesine, „Strategische Prozessführung“ als Partizipationskanal, in: Dorothée de Nève und Tina Olteanu (Hrsg.), Politische Partizipation jenseits der Konventionen. Opladen/ Berlin/Toronto 2013, S. 51 ff. Galicˇ , Alesˇ, Extension of the weaker party protection in the Brussels I Recast to third-state defendants: removing national law or providing minimum standards? EuLF 2016, S. 1 ff. Garcia-Castrillón, Carmen Otero, International Litigation Trends in Environmental Liability: A European Union-United States Comparative Perspective. 7 Journal of Private International Law 551 (2011). Garner, Bryan A., Black’s Law Dictionary. 10. Aufl. Dallas 2015. Geimer, Reinhold, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile. Insbesondere zur Frage der Präklusion neuer Tatsachen und der Bindung an die tatsächlichen Feststellungen des ausländischen Gerichts. Bielefeld 1966. Geimer, Reinhold, Verfassung, Völkerrecht und Internationales Zivilverfahrensrecht. ZfRV 1992, S. 321 ff. und Fortsetzung, S. 401 ff. Geimer, Reinhold, Verfassungsrechtliche Vorgaben bei der Normierung der internationalen Zuständigkeit, in: Franz Matscher, Ignaz Seidel-Hohenveldern (Hrsg.), Europa im Aufbruch. Festschrift Fritz Schwind zum 80. Geburtstag. Wien/Mainz 1993, S. 17 ff. Geimer, Reinhold, Forum Condefensoris, in: Dietmar Baetge, Jan von Hein und Michael von Hinden (Hrsg.), Die richtige Ordnung. Festschrift für Jan Kropholler zum 70. Geburtstag. Tübingen 2008, S. 777 ff. Geimer, Reinhold, Internationales Zivilprozessrecht. 8. Aufl. Köln 2020. Geimer, Reinhold/Schütze, Rolf A./Hau, Wolfgang (Hrsg.), Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen. Loseblatt-Handbuch mit Texten, Kommentierungen und Länderberichten. Band VI. Stand: August 2020 [zitiert als Bearbeiter, in: Geimer/Schütze/Hau – Internationaler Rechtsverkehr, Band VI, S.]. Geistfeld, Mark A., The Law and Economics of Tort Liability for Human Rights Violations in Global Supply Chains. JETL 2019, S. 130 ff. Gentleman, Amelia, UK firms must show proof they have no links to slave labour under new rules. The Guardian 28. 10. 2015: https://www.theguardian.com/world/2015/oct/28/uk-compa nies-proof-no-links-slave-labour-supply-chain (abgerufen 11. 11. 2020). George, Erika R./Laplante, Lisa J., Access to Remedy. Treaty Talks and the Terms of a New Accountability Accord, in: Surya Deva und David Bilchitz (Hrsg.), Building a Treaty on Business and Human Rights. Context and Contours. Cambridge 2017, S. 377 ff.

340

Literaturverzeichnis

Gereffi, Gary/Humphrey, John/Sturgeon, Timothy, The governance of global value chains. 12 Review of International Political Economy 78 (2005). Gerhardt, Walter, Bundesverfassungsgericht, Grundgesetz und Zivilprozeß, speziell: Zwangsvollstreckung. ZZP 1982, S. 467 ff. Gernand, Isabell, Fragen und Antworten zum UK Modern Slavery Act 2015 – Mit welchen Maßnahmen können Unternehmen Menschenhandel und Zwangsarbeit in ihren Lieferketten effektiv verhindern? CCZ 2016, S. 102 ff. Gillard, Emanuela-Chiara, Business goes to war: private military/security companies and international humanitarian law. 88 International Review of the Red Cross 525 (2006). Gilles, Stephen G., The Judgement-Proof Society. 63 Washington & Lee Law Review 603 (2006). Glenn, H. Patrick, Legal Traditions of the World. Sustainable Diversity in Law. 2. Aufl. Oxford 2004. Global Justice Now, 69 of the richest 100 entities on the planet are corporations, not governments. 17. 10. 2018: https://www.globaljustice.org.uk/news/2018/oct/17/69-richest-100-enti ties-planet-are-corporations-not-governments-figures-show (abgerufen 20. 11. 2020). Gloria, Christian, Der Staat im Völkerrecht, in: Knut Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht. 5. Aufl. München 2004, S. 276 ff. [zitiert als: Gloria, in: Ipsen, Völkerrecht, 2004, S.]. Godt, Christine, Haftung für ökologische Schäden. Verantwortung für Beeinträchtigungen des Allgemeingutes Umwelt durch individualisierbare Verletzungshandlungen. Berlin 1997. Gordon, Jennifer, Regulating the Human Supply Chain. 102 Iowa Law Review 445 (2017). Görgen, Theresa, Unternehmerische Haftung in transnationalen Menschenrechtfällen. Eine Untersuchung der zivilrechtlichen Haftung unter besonderer Berücksichtigung der UNLeitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Baden-Baden 2019. Grabitz, Eberhard, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. AöR 98 (1973), S. 568 ff. Grabosch, Robert, Rechtsschutz vor deutschen Zivilgerichten gegen Beeinträchtigungen von Menschenrechten durch transnationale Unternehmen, in: Ralph Nikol, Thomas Bernhard, Nina Schniederjahn (Hrsg.), Transnationale Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen im Völkerrecht. Baden-Baden 2013, S. 69 ff. Grabosch, Robert, Unternehmen und Menschenrechte. Gesetzliche Verpflichtungen im weltweiten Vergleich. Friedrich-Ebert-Stiftung. Berlin 2019. Grabosch, Robert/Scheper, Christian, Die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht von Unternehmen. Politische und rechtliche Gestaltungsansätze. 2015. Graf Vitzthum, Wolfgang, Begriff, Geschichte und Rechtsquellen des Völkerrechts, in: Wolfgang Graf Vitzthum und Alexander Proelß (Hrsg.), Völkerrecht. 8. Aufl. Berlin/Boston 2019, S. 5 ff. Graser, Alexander/Helmrich, Christian (Hrsg.), Strategic Litigation. Begriff und Praxis. BadenBaden 2019.

Literaturverzeichnis

341

Grigoleit, Hans Christoph, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme im Recht der GmbH. Dezentrale Gewinnverfolgung als Leitprinzip des dynamischen Gläubigerschutzes. München 2006. Grigoleit, Hans Christoph, Regulierung von Related Party Transactions im Kontext des deutschen Konzernrechts. ZGR 2019, S. 412 ff. Großfeld, Bernhard, Internationales Unternehmensrecht. Das Organisationsrecht transnationaler Unternehmen. 2. Aufl. Heidelberg 1986. Grothe, Helmut, Exorbitante Gerichtszuständigkeiten im Rechtsverkehr zwischen Deutschland und den USA. RabelsZ 58 (1994), S. 686 ff. Grüger, Nicole Maria, Multi-State-Verletzungshandlungen: Wegweisende Entscheidung des EuGH in Sachen „Nintendo/BigBen“. GRUR-Prax 2018, S. 65 ff. Grunewald, Barbara, Können Gesellschaften Verrichtungsgehilfen iSv § 831 BGB sein? NZG 2018, S. 481 ff. Güngör, Volkan, Sorgfaltspflichten für Unternehmen in transnationalen Menschenrechtsfällen. Hamburg 2016. Günther, Lisa, Die Anwendbarkeit ausländischer Eingriffsnormen im Lichte der Rom I- und Rom II-Verordnungen. Saarbrücken 2011. Guobadia, Osahon O., The Relevance of the Judiciary in a Democratic Nigeria. 20 African Journal of International and Comparative Law 301 (2012). Habersack, Mathias, Gemeinwohlbindung und Unternehmensrecht. AcP 220 (2020), S. 595 ff. Habersack, Mathias/Ehrl, Max, Verantwortlichkeit inländischer Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen durch ausländische Zulieferer – de lege lata und de lege ferenda. AcP 219 (2019), S. 155 ff. Habersack, Mathias/Zickgraf, Peter, Deliktsrechtliche Verkehrs- und Organisationspflichten im Konzern. ZHR 182 (2018), S. 252 ff. Hahn, Rüdiger, Multinationale Unternehmen und die „Base of the Pyramid“. Neue Perspektiven von Corporate Citizenship und Nachhaltiger Entwicklung. Wiesbaden 2009. Haider, Katharina, Haftung von transnationalen Unternehmen und Staaten für Menschenrechtsverletzungen. Eine Untersuchung der Rechtsschutzmöglichkeiten am Maßstab des Völkerrechts, des Internationalen Zivilverfahrensrechts, des (Internationalen) Privatrechts, des Staatshaftungsrechts und des Strafrechts. Baden-Baden 2019. Hailer, Claudia, Menschenrechte vor Zivilgerichten – die Human Rights Litigation in den USA. Berlin 2006. Halfmeier, Axel, Transnationale Delikte vor nationalen Gerichten oder: Wie weiter nach dem Ende der amerikanischen Rechtshegemonie?, in: Peter Mankowski, Wolfgang Wurmnest (Hrsg.), Festschrift für Ulrich Magnus zum 70. Geburtstag. München 2014, S. 433 ff. Halfmeier, Axel, Zur Rolle des Kollisionsrechts bei der zivilrechtlichen Haftung für Menschenrechtsverletzungen, in: Markus Krajewski, Franziska Oehm, Miriam Saage-Maaß (Hrsg.), Zivil- und strafrechtliche Unternehmensverantwortung für Menschenrechtsverletzungen. Berlin/Erlangen 2018, S. 33 ff.

342

Literaturverzeichnis

Halpern, Paul/Trebilcock, Michael/Turnbull, Stuart, An Economic Analysis of Limited Liability in Corporation Law. 30 University of Toronto Law Journal 117 (1980). Haltern, Ulrich, Internationales Wirtschaftsrecht, in: Knut Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht. Ein Studienbuch. 6. Aufl. München 2014, S. 596 ff. [zitiert als: Haltern, in: Ipsen, Völkerrecht, 2014]. Hamburger Abendblatt, Entschädigung nach Fabrikbrand in Pakistan. Hamburger Abendblatt 12. 07. 2016: https://www.abendblatt.de/wirtschaft/article207823007/Entschaedigung-nachFabrikbrand-in-Bangladesch.html (abgerufen 20. 11. 2020). Hansmann, Henry/Kraakman, Reinier, Toward Unlimited Shareholder Liability for Corporate Torts. 100 The Yale Law Journal 1879 (1991). Harris, Kamala D., The California Transparency in Supply Chains Act. A Resource Guide. Sacramento 2015: https://oag.ca.gov/sites/all/files/agweb/pdfs/sb657/resource-guide.pdf (abgerufen 20. 11. 2020). Hartmann, Constantin, Zur Haftung von Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen im Ausland aus Sicht des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts, in: Markus Krajewski, Miriam Saage-Maaß (Hrsg.), Die Durchsetzung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen. Haftung und Berichtserstattung als Steuerungsinstrumente. Baden-Baden 2018, S. 281 ff. Hau, Wolfgang, Grundlagen der internationalen Notzuständigkeit im Europäischen Zivilverfahrensrecht, in: Reinhold Geimer und Rolf A. Schütze (Hrsg.), Recht ohne Grenzen. Festschrift für Athanassios Kaissis zum 65. Geburtstag. München 2012, S. 355 ff. Hauschka, Christoph E./Moosmayer, Klaus/Lösler, Thomas (Hrsg.), Corporate Compliance. Handbuch der Haftungsvermeidung im Unternehmen. 3. Aufl. München 2016. Heckschen, Heribert, § 6 Grenzüberschreitende Unternehmensverträge, in: Rembert Süß und Thomas Wachter (Hrsg.), Handbuch des internationalen GmbH-Rechts. 3. Aufl. Bonn 2016, S. 307 ff. Hein, Jan von, Europäisches Internationales Deliktsrecht nach der Rom II-Verordnung. ZEuP 2009, S. 6 ff. Hein, Jan von, Die Behandlung von Sicherheits- und Verhaltensregeln nach Art. 17 der Rom IIVerordnung, in: Herbert Kronke, Karsten Thorn (Hrsg.), Grenzen überwinden – Prinzipien bewahren. Festschrift für Bernd von Hoffmann zum 70. Geburtstag, Bielefeld 2011, S. 139 ff. Hein, Jan von, Back to the Future – (Re-)Introducing the Principle of Ubiquity for Businessrelated Human Rights Claims. conflictoflaws.net 12. 10. 2020: https://conflictoflaws.net/202 0/back-to-the-future-re-introducing-the-principle-of-ubiquity-for-business-related-humanrights-claims/ (abgerufen 20. 11. 2020). Heinen, Anna, Auf dem Weg zu einem transnationalen Deliktsrecht? – Zur Begründung deliktischer Sorgfalts- und Organisationspflichten in globalen Wertschöpfungsketten, in: Markus Krajewski, Miriam Saage-Maaß (Hrsg.), Die Durchsetzung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen. Baden-Baden 2018, S. 87 ff. Heinlein, Ingrid, Zivilrechtliche Verantwortung transnationaler Unternehmen für sichere und gesunde Arbeitsbedingungen in den Betrieben ihrer Lieferanten. NZA 2018, S. 276 ff.

Literaturverzeichnis

343

Heintschel von Heinegg, Wolff, Völkergewohnheitsrecht, in: Knut Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht. 6. Aufl. München 2014, S. 471 ff. [zitiert als Heintschel von Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht, 2014]. Heintschel von Heinegg, Wolff, Internationales öffentliches Seerecht, in: Volker Epping und Wolff Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Völkerrecht. Ein Studienbuch. 7. Aufl. München 2018, S. 795 ff. [zitiert als Heintschel von Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht, 2018]. Heinze, Christian, Bausteine eines Allgemeinen Teils des europäischen internationalen Privatrechts, in: Dietmar Baetge, Jan von Hein und Michael von Hinden (Hrsg.), Die richtige Ordnung. Festschrift für Jan Kropholler zum 70. Geburtstag. Tübingen 2008, S. 105 ff. Held, David/McGrew, Anthony/Goldblatt, David/Perraton, Jonathan, Global Transformations. Politics, Economics and Culture. Cambridge 1999. Heldrich, Andreas, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht. Berlin 1969. Hennies, Jörg Hagen, Entschädigung für NS-Zwangsarbeit vor und unter der Geltung des Stiftungsgesetzs vom 2. 8. 2000. Baden-Baden 2006. Hennings, Antje, Über das Verhältnis von multinationalen Unternehmen zu Menschenrechten. Eine Bestandsaufnahme aus juristischer Perspektive. Göttingen 2009. Herdegen, Mathias, Der „Fremde“ im Völkerrecht – Wandlungen eines Begriffs, in: Kay Hailbronner (Hrsg.), Die allgemeinen Regeln des völkerrechtlichen Fremdenrechts. Bilanz und Ausblick an der Jahrtausendwende. Beiträge anläßlich des Kolloquiums zu Ehren von Prof. Dr. Karl Doehring aus Anlaß seines 80. Geburtstages am 17. März 1999 in Konstanz. Heidelberg 2000, S. 11 ff. Hess, Burkhard, Staatenimmunität bei Distanzdelikten. Der private Kläger im Schnittpunkt von zivilgerichtlichem und völkerrechtlichem Rechtsschutz. München 1992. Hess, Burkhard, EMRK, Grundrechte-Charta und europäisches Zivilverfahrensrecht, in: HeinzPeter Mansel (Hrsg.), Festschrift für Erik Jayme. Band I. München 2004, S. 339 ff. Hess, Burkhard/Hübner, Rudolf, Die Revisibilität ausländischen Rechts nach der Neufassung des § 545 ZPO. NJW 2009, S. 3132 ff. Hesse, Konrad, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschlands. 20. Aufl. Heidelberg 1995. Hildyard, Nicholas, Neutral? Against What? Bystanders and Human Rights Abuses: the case of Merowe Dam. 37 Sudan Studies 19 (2008). Hilpold, Peter, Maßnahmen zur effektiven Durchsetzung von Menschen- und Arbeitsrechten – Völkerrechtliche Anforderungen, in: August Reinisch et al. (Hrsg.), Unternehmensverantwortung und Internationales Recht. München 2020, S. 185 ff. Hoffmann, Bernd von, Gegenwartsprobleme internationaler Zuständigkeit. IPRax 1982, S. 217 ff. Hofmann, Hannes/Schleper, Martin C./Blome, Constantin, Conflict Minerals and Supply Chain Due Diligence: An Exploratory Study of Multi-tier Supply Chains. 147 Journal of Business Ethics 115 (2018). Holle, Philipp Maximilian, Legalitätskontrolle im Kapitalgesellschafts- und Konzernrecht. Tübingen 2014.

344

Literaturverzeichnis

Hölters, Wolfgang, Aktiengesetz. Kommentar. 3. Aufl. München 2017 [zitiert als: Bearbeiter, in: Hölters-AktG, §]. Honsell, Heinrich, Römisches Recht. 8. Aufl. Berlin/Heidelberg 2015. Huber, Michael, Grundwissen – Zivilprozessrecht: Richterablehnung. JuS 2017, S. 211 ff. Huber, Peter (Hrsg.), Rome II Regulation. Pocket Commentary. München 2011 [zitiert als: Bearbeiter, in: Rome II Pocket Commentary]. Hübner, Leonhard, Grundlagen der Haftungsmöglichkeiten im nationalen Zivilrecht, in: Markus Krajewski, Franziska Oehm, Miriam Saage-Maaß (Hrsg.), Zivil- und strafrechtliche Unternehmensverantwortung für Menschenrechtsverletzungen. Berlin/Erlangen 2018, S. 13 ff. Hübner, Leonhard, Bausteine eines künftigen Lieferkettengesetzes. NZG 2020, 1411 ff. Hucke, Anja/Schröder, Henning, Umwelthaftung von Konzernen. Zugleich eine Stellungnahme zum Urteil des IX. Senats des BGH vom 14.5.1998 – IX ZR 56/95. DB 1998, S. 2205 ff. Hüffer, Uwe/Koch, Jens, Beck’sche Kurzkommentare. Aktiengesetz. 14. Aufl. München 2020 [zitiert als: Bearbeiter, in: Hüffer/Koch-AktG, §]. Human Rights Watch, „Work Faster or Get Out“. Labor Rights Abuses in Cambodia’s Garment Industry. New York 2015: https://www.hrw.org/sites/default/files/reports/cambodia0315_For Upload.pdf (abgerufen 20. 11. 2020). Humbert, Franziska/Braßel, Frank, Süsse Früchte, bittere Wahrheit. Die Mitverantwortung deutscher Supermärkte für menschenunwürdige Zuständige in der Ananas- und Bananenproduktion in Costa Rica und Ecuador. Berlin 2016. Huq, Fahian Anisul/Chowdhury, Ilma Nur/Klassen, Robert D., Social management capabilities of multinational buying firms and their emerging market suppliers: An exploratory study of the clothing industry. 46 Journal of Operations Management 19 (2016). Hüßtege, Rainer/Mansel, Heinz-Peter, Nomos Kommentar BGB. Band 6. Rom-Verordnungen. 3. Aufl. Baden-Baden 2019 [zitiert als: Bearbeiter, in: Hüßtege/Mansel, Nomos Kommentar zum BGB, Art.]. Initiative Lieferkettengesetz, Rechtsgutachten zur Ausgestaltung eines Lieferkettengesetzes. Berlin 2020. Inkota, Pressemappe Kakao und Make Chocolate Fair!: https://www.inkota.de/presse/presse mappen/make-chocolate-fair/ (abgerufen 11. 11. 2020). International Commission of Jurists, Corporate Complicity & Legal Accountability. Volume 3: Legal Remedies. Genf 2008. Internationales Vertragsrecht, hrsg. von Franco Ferrari et al. Kommentar. Rom I-VO – CISG – CMR – FactÜ. 3. Aufl. München 2018 [zitiert als: Bearbeiter, in: Internationales Vertragsrecht, 2018, S.]. Ipsen, Knut, Regelungsbereich, Geschichte und Funktion des Völkerrechts, in: Volker Epping und Wolff Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Völkerrecht. Ein Studienbuch. 7. Aufl. München 2018, S. 1 ff. [zitiert als: Ipsen, in: Ipsen, Völkerrecht, 2018, S.]. Jain, Abhimanyu George, Universal Civil Jurisdiction in International Law. 55 Indian Journal of International Law 209 (2015).

Literaturverzeichnis

345

Jandoli, Vincenzo, The „Italian Torpedo“. IIC 2000, S. 783 ff. Jellinek, Georg, System der subjektiven öffentlichen Rechte. 2. Aufl. Darmstadt 1963. Johnson, David, Verhaltenskodex mit Lieferanten ist regelmäßig kein Vertrag zugunsten Dritter bzw. mit Schutzwirkung für Dritte. Anmerkung zu LG Dortmund, Urteil vom 10.01.2019 – 7 O 95/15. CCZ 2020, S. 103 ff. Jørgensen, Helle/Pruzan-Jørgensen, Peder Michael/Jungk, Margaret/Cramer, Aron, Strengthening Implementations of Corporate Social Responsibility in Global Supply Chains. Washington DC 2003. Joseph, Sarah, Corporations and Transnational Human Rights Litigation. Oxford 2004. Junker, Abbo, Internationales Privatrecht. 4. Aufl. München 2021. juris Praxiskommentar BGB, hrsg. von Markus Würdinger. Band 6: Internationales Privatrecht und UN-Kaufrecht. 9. Aufl. Saarbrücken 2020 [zitiert als: jurisPK/Bearbeiter, Art.]. Kalss, Susanne, Alternativen zum deutschen Aktienkonzernrecht. ZHR 2007, S. 146 ff. Kamminga, Menno T., Extraterritoriality, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law. Volume III. Oxford 2012, S. 1070 ff. Kaye, Peter, Civil Jurisdiction and Enforcement of Foreign Judgements. The Application in England and Wales of the Brussels Convention of 1968. Abingdon/Oxon 1987. Kegel, Gerhard/Schurig, Klaus, Internationales Privatrecht, 2004. Keppeler, Toni, Die Ermordung des Gewerkschafters Luciano Romero. WOZ 03. 03. 2012: https://www.woz.ch/-2809 (abgerufen 03. 11. 2020). Keppeler, Toni, Blut und Milch. taz 02. 06. 2012: https://taz.de/Blut-und-Milch/!588105/ (abgerufen 17. 07. 2021). Kieninger, Eva-Maria, Keine Angst vor einem Lieferkettengesetz. FAZ 11. 09. 2020: https:// www.faz.net/aktuell/politik/staat-und-recht/lieferkettengesetz-jetzt-keinen-papiertiger-schaf fen-16945803.html (abgerufen 20. 11. 2020). Kieninger, Eva-Maria, Vedanta v Lungowe: Ein Meilenstein für Klagen gegen europäische Konzernmütter für Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen durch drittstaatliche Tochtergesellschaften. IPRax 2020, S. 60 ff. Kiestra, Louwrens, The Impact of the European Convention on Human Rights on Private International Law. Den Haag 2014. Kingreen, Thorsten/Poscher, Ralf, Grundrechte. Staatsrecht II. 36. Aufl. München 2020. Kirshner, Jodie A., Why Is the U.S. Abdicating The Policing of Multinational Corporations to Europe? Extraterritoriality, Sovereignty, and the Alien Tort Statute. 30 Berkeley Journal of International Law 259 (2012). Kirshner, Jodie A., A Call for the EU to Assume Jurisdiction over Extraterritorial Corporate Human Rights Abuses. 13 Northwestern Journal of International Human Rights 1 (2015). Kischel, Uwe, Rechtsvergleichung. München 2015. Klein, Hans H., Rechtsweg und Justizverweigerung, JZ 1963, S. 591 ff.

346

Literaturverzeichnis

Kleiner, Laura/Leifker, Maren/Meder, Paul, Verhältnismäßig und zumutbar: Haftung nach dem LieferkettenG. September 2020: https://lieferkettengesetz.de/wp-content/uploads/2020/09/In itiative-Lieferkettengesetz_Verh%C3%A4ltnism%C3%A4%C3%9Fig-und-zumutbar_Haf tung-nach-dem-LieferkettenG.pdf (abgerufen 17. 07. 2021). Kleinert, Ursula/Mayer, Volker, Related-Party-Transactions nach dem Referentenentwurf zu ARUG II. Neue Haftungsfallen für Organmitglieder und wesentliche Änderungen im Recht des faktischen Konzerns. EuZW 2019, S. 103 ff. Kleinstück, Till, Due Process-Beschränkungen des Vermögensgerichtsstandes durch hinreichenden Inlandsbezug und Minimum Contacts. Eine rechtsvergleichende Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung des US-amerikanischen und österreichischen Rechts. München 1994. Klement, Jan Hendrik, Verantwortung: Funktion und Legitimation eines Begriffs im öffentlichen Recht. Tübingen 2006. Klinger, Remo/Krajewski, Markus/Krebs, David/Hartmann, Constantin, Verankerung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen im deutschen Recht. Gutachten. März 2016. Klöhn, Lars/Schmolke, Klaus Ulrich, Unternehmensreputation (Corporate Reputation). Ökonomische Erkenntnisse und ihre Bedeutung im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht. NZG 2015, S. 689 ff. Knöfel, Oliver L., Außenpolitik im Zivilprozess, in: Reinhold Geimer, Athanassios Kaissis, Roderich Thümmel (Hrsg.), Ars aequi et boni in mundo: Festschrift für Rolf A. Schütze zum 80. Geburtstag. München 2015, S. 243 ff. Kobrin, Stephen J., Private Political Authority and Public Responsibility: Transnational Politics, Transnational Firms, and Human Rights. 19 Business Ethics Quarterly 349 (2009). Koch, Moritz/Sigmund, Thomas, Interview. BDA-Chef Kramer zum Lieferkettengesetz: „Selten so einen Gesetzesentwurf gesehen, der so weltfremd ist“. Handelsblatt 23. 09. 2020: https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/interview-bda-chef-kramer-zum-lieferket tengesetz-selten-einen-gesetzentwurf-gesehen-der-so-weltfremd-ist/26210532.html?ticket= ST-10510475-FPBNeQmLV9p3Bo9MwfJH-ap3 (abgerufen 20. 11. 2020). Koechel, Felix, § 23 ZPO als genereller Klägergerichtsstand? IPRax 2014, S. 312 ff. Köhler, Andreas, Eingriffsnormen – der „unfertige“ Teil des europäischen IPR. Tübingen 2013. Köke, Jens, New evidence on ownership structures in Germany. Kredit und Kapital 2001, S. 257 ff. König, Carsten, Deliktshaftung von Konzernmuttergesellschaften. AcP 217 (2017), S. 611 ff. Koppenol-Laforce, Marielle/Vermeulen, Freerk, Comparative Study of „Residual Jurisdiction“ in Civil and Commercial Disputes in the EU. National Report for Netherlands. Amsterdam 2007. Kort, Michael, Gemeinwohlbelange beim Vorstandshandeln. NZG 2012, S. 926 ff. Koskenniemi, Martti, From Apology to Utopia. The Structure of International Legal Argument. Cambridge 2006. Kötz, Hein, Europäisches Vertragsrecht. 2. Aufl. Tübingen 2015.

Literaturverzeichnis

347

Kötz, Hein, Deliktshaftung für selbstständige Unternehmer. ZEuP 2017, S. 283 ff. Koziol, Helmut, Die Sicherstellungshaftung – eine weitere Spur im Haftungsrecht? AcP 219 (2019), S. 376 ff. Kralik, Winfried, Die internationale Zuständigkeit, ZZP 1961, S. 1 ff. Kramer, Birgit, Wann haftet ein deutsches Unternehmen für extraterritoriale Menschenrechtsverletzungen? RIW 2020, S. 96 ff. Kramer, Xandra, Private International Law Responses to Corruption, in: International Law and the Fight against Corruption. Den Haag 2012, S. 99 ff. Kramer, Xandra, Shell litigation in the Dutch courts – milestones for private international law and the fight against climate change. conflictoflaws.net 26. 05. 2021: https://conflictoflaws. net/2021/shell-litigation-in-the-dutch-courts-milestones-for-private-international-law-andthe-fight-against-climate-change/. Kreuter-Kirchhof, Charlotte, Wirtschaft und Kultur im Völkerrecht, in: Wolfgang Graf Vitzthum und Alexander Proelß (Hrsg.), Völkerrecht. 8. Aufl. Berlin/Boston 2019, S. 585 ff. Kreuzer, Karl, Culpa in contrahendo und Verkehrspflichten. Ein rechtsvergleichender Beitrag zur Begrenzung der Haftung nach Vertragsrecht. Freiburg/Brsg. 1971. Krisch, Nico, Entgrenzte Jurisdiktion: Die extraterritoriale Durchsetzung von Unternehmensverantwortung, in: August Reinisch et al. (Hrsg.), Unternehmensverantwortung und Internationales Recht. Heidelberg 2020, S. 11 ff. Kropholler, Jan, Internationale Zuständigkeit, Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts. Band I. Supranationale und Internationale Gerichte. Tübingen 1982. Kropholler, Jan, Möglichkeit einer Reform des Vermögensgerichtsstandes. ZfRV 1992, S. 1 ff. Kropholler, Jan, Internationales Privatrecht. 6. Aufl. Tübingen 2006. Kubis, Sebastian, Internationale Zuständigkeit bei Persönlichkeits- und Immaterialgüterrechtsverletzungen. Bielefeld 1999. Kübler-Wachendorff, Maximilian, Das forum necessitatis im europäischen Zuständigkeitsrecht. Tübingen 2021. Kühl, Kristian, Strafrecht. Allgemeiner Teil. 8. Aufl. München 2017. Kunig, Philip, Intervention, Prohibition of, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law. Volume VI. Oxford 2008, S. 289 ff. Kutscher-Puis, Fabienne, Neues zum Lieferkettengesetz? Ausblick nach Frankreich. ZVertriebsR 2020, S. 174 ff. Landers, Jonathan M., A Unified Approach To Parent, Subsidiary, and Affiliate Questions in Bankruptcy. 42 The University of Chicago Law Review 589 (1975). Lange, Niels L., Der Matrixkonzern. Eine Untersuchung über die Leitung und Haftung im Matrixkonzern. Berlin 2020. Larenz, Karl, Lehrbuch des Schuldrechts. Erster Band. Allgemeiner Teil. 14. Aufl. München 1987. Larenz, Karl, Methodenlehre der Rechtswissenschaft. 6. Aufl. Berlin u. a. 1991.

348

Literaturverzeichnis

Lau, Martin, Introduction to the Pakistani Legal System, with special reference to the Law of Contract. 1 Yearbook of Islamic & Middle Eastern Law 3 (1994). Leebron, David W., Limited Liability, Tort Victims and Creditors. 91 Columbia Law Review 1565 (1991). Lehmann, Matthias/Eichel, Florian, Globaler Klimawandel und Internationales Privatrecht. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht für transnationale Klagen wegen klimawandelbedingter Individualschäden. RabelsZ 83 (2019), S. 78 ff. Leible, Stefan/Lehmann, Matthias, Die Verordnung über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom I“). RIW 2008, S. 528 ff. Leigh Day, Asbestos and Cape plc: https://www.leighday.co.uk/International/Corporate-accoun tability/Workers-health-industrial-disease/Asbestos (abgerufen 20. 11. 2020). Leigh Day, Peruvian torture claimants compensated by UK mining company. 20. 06. 2011: https://www.leighday.co.uk/News/2011/July-2011/Peruvian-torture-claimants-compensatedby-UK-minin (abgerufen 20. 11. 2020). Leigh Day, Unilever’s Kenyan tea workers appeal to the UK Supreme Court. 9. 07. 2019: https:// www.leighday.co.uk/News/2019/July-2019/Unilevers-Kenyan-tea-workers-appeal-to-theUK-Supr (abgerufen 20. 11. 2020). Leite, Antonio Pinto et al., Comparative Study of „Residual Jurisdiction“ in Civil and Commercial Disputes in the EU. National Report for Portugal. Lissabon 2007. Lenz, Carl Otto/Borchardt, Klaus-Dieter (Hrsg.), EU-Verträge Kommentar. EUV – AEUV – GRCh. 6. Aufl. Köln/Wien 2013 [zitiert als: Lenz-Borchardt/Bearbeiter, Art.]. Lepsius, Oliver, Gesetzesstruktur im Wandel. Teil 1: Strukturmerkmale der Kodifikation. JuS 2019, S. 14 ff. Leuerning, Dieter/Rubner, Daniel, Das Schädigungsverbot im GmbH-Konzernrecht. NJWSpezial 2018, S. 527 ff. Lin, Li-Wen, Corporate Social Accountability Standards in the Global Supply Chain: Resistance, Reconsideration and Resolution in China. 15 Cardozo Journal of International and Comparative Law 321 (2007). Linke, Hartmut/Hau, Wolfgang, Internationales Zivilverfahrensrecht. 7. Aufl. Köln 2018. Linsi, Liina/Lepik, Liina Naaber, Comparative Study of „Residual Jurisdiction“ in Civil and Commercial Disputes in the EU. National Report for Estonia. Tallinn 2007. Liu, Xiaoxiao/Pißler, Knut Benjamin, Gesetz der Volksrepublik China über die Haftung für die Verletzung von Rechten. ZChinR 2010, S. 41 ff. Lobbypedia, Lobbyismus in der EU: https://lobbypedia.de/wiki/Lobbyismus_in_der_EU (abgerufen 04. 11. 2020). LoPucki, Lynn M., The Death of Liability. 106 The Yale Law Journal 1 (1996). Lorenz, Stephan, Schuldrechtsreform 2002: Problemschwerpunkte drei Jahre danach. NJW 2005, S. 1889 ff. Lorenz, Stephan, Grundwissen – Zivilrecht: Vertretenmüssen (§ 276 BGB). JuS 2007, 611 ff. Lorenzen, Stephanie, Resiliente Wertschöpfungsketten per Gesetz? AuR 2020, S. 244 ff.

Literaturverzeichnis

349

Lotz, Maximilian, Grenzüberschreitende Einflussnahme im Konzern. Tübingen 2020. Lübbe, Anna, „Systemische Mängel“ im Dublin-Verfahren. ZAR 2014, S. 105 ff. Lück, Maximilian, Neuere Entwicklungen in Brüssel: COVID-19 und Nachhaltigkeit – die zwei Hauptthemen in Brüssel. NZG 2020, 1219 ff. Lüttringhaus, Jan D., Grenzüberschreitender Diskriminierungsschutz – Das internationale Privatrecht der Antidiskriminierung. Tübingen 2010. Lüttringhaus, Jan D., Kaufrechtliche Gewährleistungsansprüche bei „ethischen“ Produkten und öffentlichen Aussagen zur Corporate Social Responsibility. AcP 219 (2019), S. 29 ff. Magnus, Ulrich, Anwendbares Recht, Schutz- und Freiheitsinteressen im Nord-Süd-Verhältnis, in: Werner Meng et al. (Hrsg.), Das internationale Recht im Nord-Süd-Verhältnis. Referate und Thesen. Heidelberg 2005, S. 77 ff. Magnus, Ulrich/Mankowski, Peter (Hrsg.), European Commentaries on Private International Law. ECPIL. Volume III. Rome II Regulation. Köln 2019 [zitiert als: ECPIL/Bearbeiter, Art.]. Mallat, Chibli, Commercial Law in the Middle East: Between Classical Transactions and Modern Business. 48 The American Journal of Comparative Law 81 (2000). Mancuso, Salvatore, The New African Law: Beyond the Difference Between Common Law and Civil Law. 14 Annual Survey of International and Comparative Law 39 (2008). Mankowski, Peter, Anmerkung zu OLG Hamm, Beschl. V. 21.05.2019 – 9 U 44/19 (KiK-Fall). EWiR 2019, S. 739 ff. Mann, Frederick Alexander, The Doctrine of Jurisdiction in International Law. 111 Recueil des Cours de l’Academie de Droit International 9 (1964). Mansel, Heinz-Peter, Vermögensgerichtsstand und Inlandsbezug bei der Entscheidungs- und Anerkennungszuständigkeit am Beispiel der Anerkennung US-amerikanischer Urteile in Deutschland, in: Heinz-Peter Mansel et al. (Hrsg.), Festschrift für Erik Jayme. Band I. München 2004, S. 561 ff. Mansel, Heinz-Peter, Internationales Privatrecht de lege lata wie de lege ferenda und Menschenrechtsverantwortlichkeit deutscher Unternehmen, ZGR 2018, S. 439 ff. Mansel, Heinz-Peter/Thorn, Karsten/Wagner, Rolf, Europäisches Kollisionsrecht 2017: Morgenstunde der Staatsverträge? IPRax 2018, S. 121 ff. Mares, Radu, Responsibility to Respect: Why the Core Company Should Act When Affiliates Infringe Human Rights, in: Radu Mares (Hrsg.), The UN Guiding Principles on Business and Human Rights. Foundations and Implementation. Leiden/Boston 2012, S. 169 ff. Marin, Dalia, So macht Deutschland die Armen der Welt nur noch ärmer. Die Welt 18. 09. 2020: https://www.welt.de/wirtschaft/article215991662/Lieferkettengesetz-Deutschlands-Plan-scha det-Entwicklungslaendern.html (abgerufen 20. 11. 2020). Mark, Jürgen/Ziegenhain, Hans-Jörg, Der Gerichtsstand des Vermögens im Spannungsfeld zwischen Völkerrecht und deutschem internationalen Prozeßrecht. NJW 1992, S. 3062 ff. Markesinis, Basil S., An Expanding Tort Law – The Price of a Rigid Contract Law. 103 Law Quarterly Review 354 (1987).

350

Literaturverzeichnis

Martiny, Dieter, Anerkennung ausländischer Entscheidungen nach autonomem Recht, in: Max Planck Institut für Ausländisches und Internationales Privatrecht (Hrsg.), Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts. Band III/1. Tübingen 1982. Martiny, Dieter, Zur Einordnung und Anknüpfung der Ansprüche und der Haftung Dritter im Internationalen Schulrecht, in: Peter Mankowski, Wolfgang Wurmnest (Hrsg.), Festschrift für Ulrich Magnus zum 70. Geburtstag. München 2014, S. 483 ff. Marx, Axel/Bright, Claire/Pineau, Nina/Wouters, Jan, Corporate Accountability Mechanisms in EU Member States for Human Rights Abuses in Third Countries. European Yearbook on Human Rights 2019, S. 157 ff. Massoud, Sofia, „Unternehmen und Menschenrechte“ – überzeugende progressive Ansätze mit begrenzter Reichweite im Kontext der Weltwirtschaftsordnung, in: Ralph Nikol, Thomas Bernhard, Nina Schniederjahn (Hrsg.), Transnationale Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen im Völkerrecht. Baden-Baden 2013, S. 37 ff. Massoud, Sofia, Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten von transnationalen Unternehmen. Berlin/Heidelberg 2018. Matscher, Franz, IPR und IZVR vor den Organen der EMRK – Eine Skizze, in: Werner Barfuß (Hrsg.), Festschrift für Karl H. Neumayer zum 65. Geburtstag. Baden-Baden 1985, S. 459 ff. Matthes, Stefanie, Umwelthaftung unter der Rom II-VO. GPR 2011, S. 146 ff. Matthies, Heinrich, Die deutsche internationale Zuständigkeit. Frankfurt am Main 1955. Matusche-Beckmann, Annemarie, Das Organisationsverschulden. Tübingen 2001. Maunz, Theodor/Dürig, Günter (Begr.), Grundgesetz. Kommentar. München 2020 [zitiert als: Maunz/Dürig-GG/Bearbeiter, Art.]. Mayer, Pierre, Droit international privé et droit international public sous l’angle de la notion de competence. Revue critique de droit international privé 1979, S. 1 ff. McEvoy, John P., Forum of necessity in Quebec Private International Law: C.c.Q. art. 3136. Revue générale de droit 2005, S. 61 ff. McLeay, Fiona, Corporate Codes of Conduct and the Human Rights Accountability of Transnational Corporations. A Small Piece of a Larger Puzzle, in: Olivier De Schutter (Hrsg.), Transnational Corporations and Human Rights. Oxford 2006, S. 219 ff. Meder, Paul, Bericht des 3. Tages über ein UN-Abkommen für Wirtschaft und Menschenrechte. „Technische“ Vorschriften über Haftung, anwendbares Recht und gerichtliche Zuständigkeit als Herz des Treaty. 16. 10. 2019: https://www.globalpolicy.org/component/content/article/2 70-general/53148-2019-10-22-14-20-34.html (abgerufen 13. 01. 2021). Meder, Paul, IZPR und IPR in grenzüberschreitenden Menschenrechtsklagen. HuV 2020, S. 71 ff. Meeran, Richard, Tort Litigation against Multinational Corporations for Violation of Human Rights. An Overview of the Position Outside the United States. 3 City University of Hong Kong Law Review 1 (2011). Mende, Janne, Global Governance und Menschenrechte. Konstellationen zwischen Privatheit und Öffentlichkeit. Baden-Baden 2020.

Literaturverzeichnis

351

Mendelson, Nina A., A Control-Based Approach to Shareholder Liability for Corporate Torts. 102 Columbia Law Review 1203 (2002). Menell, Peter S., Legal Advising on Corporate Structure in the New Era of Environmental Liability. 3 Columbia Business Law Review 399 (1990). Meng, Werner, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht. Berlin/Heidelberg 1994. Mertens, Hans-Joachim, Anmerkung zu LG Frankfurt, Urt. v. 02.12.1975 – 3/8 O 186, 75. Die AG 1976, S. 47 ff. Mes, Peter, Der Rechtsschutzanspruch. Köln 1970. Mestmäcker, Ernst-Joachim, Staatliche Souveränität und offene Märkte. Konflikte bei der extraterritorialen Anwendung von Wirtschaftsrecht. RabelsZ 52 (1988), S. 205 ff. Meyer, Justus, UN-Kaufrecht in der deutschen Anwaltspraxis. RabelsZ 69 (2005), S. 457 ff. Meyer, Justus, UN-Kaufrecht in der österreichischen Anwaltspraxis. ÖJZ 2008, S. 792 ff. Meyer, Justus, UN-Kaufrecht in der schweizerischen Anwaltspraxis. SJZ 2008, S. 421 ff. Milleker, Erich, Der negative internationale Kompetenzkonflikt. Bielefeld 1975. Mills, Alex, Private Interests and Private Law Regulation in Public International Law Jurisdiction, in: Stephen Allen et al. (Hrsg.), The Oxford Handbook of Jurisdiction in International Law. Oxford 2019, S. 330 ff. Mittwoch, Anne-Christin, Die Notwendigkeit eines Lieferkettengesetzes aus der Sicht des Internationalen Privatrechts. RIW 2020, S. 397 ff. Möllers, Thomas M. J., Rechtsgüterschutz im Umwelt- und Haftungsrecht. Präventive Verkehrspflichten und Beweiserleichterungen in Risikolagen. Tübingen 1996. Möllers, Thomas M. J., Juristische Methodenlehre. 4. Aufl. München 2021. Monnheimer, Maria/Nedelcu, Philip, Wirtschaft und Menschenrechte – Kommt ein Sorgfaltspflichtengesetz? ZRP 2020, S. 205 ff. Mora, Paul David, Universal Civil Jurisdiction and Forum Necessitatis: The Confusion of Public and Private International Law in Naït-Liman v. Switzerland. 65 Netherlands International Law Review 155 (2018). Morse, Susan C., Safe Harbors, Sure Shipwrecks. 49 UC Davis Law Review 1385 (2016). Muchlinski, Peter, Multinational Enterprises and the Law. 2. Aufl. Oxford/New York 2007. Mülbert, Peter O., Soziale Verantwortung von Unternehmen im Gesellschaftsrecht. Die AG 2009, S. 766 ff. Müller, Hans-Friedrich, Die Einführung des Vertrages zu Gunsten Dritter in das englische Recht. RabelsZ 67 (2003), S. 140 ff. Müller-Hoff, Claudia/Saage-Maaß, Miriam, Menschenrechte vor Profit: So wird’s gemacht. Fallstudien zur Machbarkeit menschenrechtlicher Sorgfalt in Unternehmen. Berlin 2019. Münchener Kommentar zum BGB, Band 2: Schuldrecht – Allgemeiner Teil. §§ 241 – 432. Redig. von Wolfgang Krüger. 5. Aufl. München 2007 [zitiert als: MüKo-BGB/Bearbeiter, 5. Aufl., §].

352

Literaturverzeichnis

Münchener Kommentar zum BGB, Band 4: Schuldrecht – Besonderer Teil I. §§ 433 – 534. Finanzierungsleasing. CISG. Redig. von Harm Peter Westermann. 8. Aufl. München 2019 [zitiert als: MüKo-BGB/Bearbeiter, Art.]. Münchener Kommentar zum BGB, Band 7: Schuldrecht – Besonderer Teil IV. §§ 705 – 853. Partnerschaftsgesellschaftsgesetz Produkthaftungsgesetz. Redig. von Mathias Habersack. 8. Aufl. München 2020 [zitiert als: MüKo-BGB/Bearbeiter, §]. Münchener Kommentar zum BGB, Band 13: Internationales Privatrecht II Internationales Wirtschaftsrecht Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche (Art. 50 – 253). Redig. von Jan von Hein. 8. Aufl. München 2021 [zitiert als: MüKo-BGB/Bearbeiter, Art.]. Münchener Kommentar zum GmbHG, Band 1, §§ 1 – 34. Hrsg. von Holger Fleischer und Wulf Goette. 3. Aufl. München 2018 [zitiert als: MüKo-GmbHG/Bearbeiter, §]. Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Band 5: Viertes Buch. Handelsgeschäfte. Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften. Zweiter Abschnitt. Handelskauf. Dritter Abschnitt. Kommissionsgeschäft. §§ 343 – 406. CISG. Redig. von Barbara Grunewald. 5. Aufl. München 2021 [zitiert als: MüKo-HGB/Bearbeiter, Art.]. Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, Band 1, §§ 1 – 354. Hrsg. von Wolfgang Krüger und Thomas Rauscher. 6. Aufl. München 2020 [zitiert als: MüKo-ZPO/Bearbeiter, §]. Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, Band 2: §§ 355 – 945b. Hrsg. von Wolfgang Krüger und Thomas Rauscher. 6. Aufl. München 2020 [zitiert als: MüKo-ZPO/Bearbeiter, §]. Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, Band 3: §§ 946 – 1117. EGZPO GVG EGGVG UKlaG Internationales und Europäisches Zivilprozessrecht. Hrsg. von Wolfgang Krüger und Thomas Rauscher. 5. Aufl. München 2017 [zitiert als: MüKo-ZPO/Bearbeiter, Art.]. Musielak, Hans Joachim, Die Grundlagen der Beweislast im Zivilprozeß. Berlin 1975. Musielak, Hans-Joachim/Voit, Wolfgang (Hrsg.), Zivilprozessordnung mit Gerichtsverfassungsgesetz. Kommentar. 17. Aufl. München 2020 [zitiert als: Musielak/Voit-ZPO/Bearbeiter, §]. Nagel, Heinrich, Die Begrenzung des internationalen Zivilprozeßrechts durch das Völkerrecht. ZZP 1962, S. 408 ff. Nasse, Laura, Devoir de vigilance. Die neue Sorgfaltspflicht zur Menschenrechtsverantwortung für Großunternehmen in Frankreich. ZEuP 2019, S. 774 ff. Natale, Andrew J., Expansion of Parent Corporate Shareholder Liability Through the Good Samaritan Doctrine – A Parent Corporation’s Duty to Provide A Safe Workplace for Employees of its Subsidiary. 57 Cincinnati Law Review 717 (1988). Neue Zürcher Zeitung, Ex-Geheimdienstchef Kolumbiens verurteilt. Neue Zürcher Zeitung 14. 09. 2011: https://www.nzz.ch/ex-geheimdienstchef_kolumbiens_verurteilt-1.12497661 (abgerufen 03. 11. 2020). Nietner, Sarah, Internationaler Entscheidungseinklang im europäischen Kollisionsrecht. Tübingen 2015.

Literaturverzeichnis

353

Nomos Kommentar AGG, hrsg. von Wolfgang Däubler und Martin Bertzbach. 4. Aufl. BadenBaden 2018 [zitiert als: Nomos Kommentar AGG/Bearbeiter, §]. Nordhues, Sophie, Haftungsgrundlagen und Maßstäbe im Mutter-Tochter-Verhältnis, in: Markus Krajewski, Miriam Saage-Maaß (Hrsg.), Die Durchsetzung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen. Baden-Baden 2018, S. 125 ff. Nordhues, Sophie, Die Haftung der Muttergesellschaft und ihres Vorstands für Menschenrechtsverletzungen im Konzern. Eine Untersuchung de lege lata und de lege ferenda. BadenBaden 2019. n-tv, Massen-Kollaps in Kambodscha. Ermittlungen bei Puma-Zulieferer. 10. 04. 2011: https:// www.n-tv.de/wirtschaft/Ermittlungen-bei-Puma-Zulieferer-article3069286.html (abgerufen 03. 11. 2020). Nuyts, Arnaud, Study on Residual Jurisdiction. Review of Member States’ Rules Concerning the „Residual Jurisdiction“ of their Courts in Civil and Commercial Matters Pursuant to the Brussels I and II Regulations. General Report. Brüssel 2007. Nwapi, Chilenye, A Necessary Look into Necessity Jurisdiction. 47 University of British Columbia Law Review 211 (2014). Nwapi, Chilenye, Jurisdiction by Necessity and the Regulation of the Transnational Corporate Actor. 78 Utrecht Journal of International and European Law 24 (2014). OECD, Leitfaden für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht zur konstruktiven Stakeholderbeteiligung im Rohstoffsektor. Paris 2017. OECD, Due Diligence Guidance for Responsible Supply Chains in the Garment and Footwear Sector. Paris 2018. OECD, Leitfaden für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht für verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln. Paris 2018. Oehm, Franziska, Ein effektives Lieferkettengesetz? Verfassungsblog 23. 10. 2020: https://ver fassungsblog.de/ein-effektives-lieferkettengesetz/ (abgerufen 20. 11. 2020). Ofner, Helmut, Die Rom II-Verordnung – Neues Internationales Privatrecht für außervertragliche Schuldverhältnisse in der Europäischen Union. ZfRV 2008, S. 13 ff. Oltmanns, Sönke/Fuhlrott, Michael, Die Auftraggeberhaftung bei Verstößen gegen das MiLoG. NZA 2015, S. 392 ff. ORF, Schwere Vorwürfe gegen Staudammbetreiber in Brasilien. ORF 5. 11. 2019: https://orf.at/ stories/3143289/ (abgerufen 03. 11. 2020). Osieka, Gesine, Zivilrechtliche Haftung deutscher Unternehmen für menschenrechtsbeeinträchtigende Handlungen ihrer Zulieferer. Hamburg 2014. Ost, Konrad, Doppelrelevante Tatsachen im internationalen Zivilverfahrensrecht. Zur Prüfung der internationalen Zuständigkeit bei den Gerichtsständen des Erfüllungsortes und der unerlaubten Handlung. Frankfurt am Main 2002. Ostendorf, Patrick, Kollisionsrechtliche Stolpersteine bei Haftungsansprüchen gegen deutsche Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen ihrer ausländischen Zulieferer. IPRax 2019, S. 297 ff.

354

Literaturverzeichnis

Owen, Chris/Bristow, Adam, Supreme Court refuses permission to appeal in Unilever case. simmons + simmons: https://www.simmons-simmons.com/en/publications/ck0bagor z7ep70b94qy2xfp8u/190719-mass-torts-case-alert-supreme-court-refuses-permission-to-ap peal-in-unilever-case (abgerufen 08. 12. 2020). Oyarzábal, Mario J. A., Jurisdiction over International Electronic Contracts: A View on InterAmerican, Mercosur, and Argentine Rules. 19 Temple International & Comparative Law Journal 87 (2005). Palandt – Bürgerliches Gesetzbuch mit Nebengesetzen. 79. Aufl. München 2020 [zitiert als: Palandt/Bearbeiter, Art./§]. Papadimitropoulos, Antonios V., Schuldverhältnisse mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter. Ein Erklärungsmodell für die Entstehung von Schutzpflichten gegenüber Dritten. Berlin 2007. Park-Poaps, Haesun/Rees, Kathleen, Stakeholder Forces of Socially Responsible Supply Chain Management Orientation. 92 Journal of Business Ethics 305 (2010). Paschke, Marian, Extraterritoriale Sorgfaltspflichten von Außenwirtschaftsunternehmen zur Achtung von Menschenrechten ante portas. RdTW 2016, S. 121 ff. Paul, Jens Philippe, Informelle und formelle Einflussnahmen des faktisch herrschenden Unternehmens auf die faktisch abhängige AG. Baden-Baden 2013. Payandeh, Mehrdad, Deliktische Haftung von Unternehmen für transnationale Menschenrechtsverletzungen, in: Katharina Boele-Woelki et al. (Hrsg.), Festschrift für Karsten Schmidt zum 80. Geburtstag. Band II. München 2019, S. 131 ff. Peters, Anne/Gless, Sabine/Thomale, Chris/Weller, Marc-Philippe, Business and Human Rights: Making the Legally Binding Instrument Work in Public, Private and Criminal Law. Heidelberg 2020. Petersen, Niels/Towfigh, Emanuel V., § 1 – Ökonomik in der Rechtswissenschaft, in: Emanuel V. Towfigh und Niels Petersen (Hrsg.), Ökonomische Methoden im Recht. 2. Aufl. Tübingen 2017, S. 1 ff. Petrin, Martin, Assumption of Responsibility in Corporate Groups: Chandler v Cape plc. 76 Modern Law Review 603 (2013). Petrin, Martin/Choudhury, Barnali, Group Company Liability. 19 EBOR 771 (2016). Petro, Greg, The Future Of Fashion Retailing: The Zara Approach (Part 2 of 3). Forbes 25. 10. 2012: https://www.forbes.com/sites/gregpetro/2012/10/25/the-future-of-fashion-retailing-thezara-approach-part-2-of-3/?sh=2134251d7aa4 (abgerufen 20. 11. 2020). Pfeiffer, Thomas, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995. Pfeiffer, Thomas, Materialisierung und Internationalisierung im Recht der internationalen Zuständigkeit, in: Claus-Wilhelm Canaris et al. (Hrsg.), 50 Jahre Bundesgerichtshof. Festgabe aus der Wissenschaft. Band III. Zivilprozeß, Insolvenz, Öffentliches Recht. München 2000, S. 617 ff. Pförtner, Friederike, Internationales Privatrecht und Menschenrechte – kollisionsrechtliche Fragen zur zivilrechtlichen Haftung für „Menschenrechtsverletzungen“, in: Susanne Lilian Gössel (Hrsg.), Politik und Internationales Privatrecht. Tübingen 2017, S. 93 ff.

Literaturverzeichnis

355

Pförtner, Friederike, Menschenrechtliche Sorgfaltspflichten für Unternehmen – eine Betrachtung aus kollisionsrechtlicher Perspektive, in: Markus Krajewski, Miriam Saage-Maaß (Hrsg.), Die Durchsetzung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten von Unternehmen. Baden-Baden 2018, S. 311 ff. Pietropaoli, Irene, Business, Human Rights and Transitional Justice, Oxon/New York 2020. Poelzig, Dörte, Angriffe auf das konzernrechtliche Trennungsprinzip und ihre Folgen für die Konzernleitung, in: Gesellschaftsrechtliche Vereinigung (Hrsg.), Gesellschaftsrecht in der Diskussion 2017. Jahrestagung der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung (VGR). Köln 2018, S. 83 ff. Pohl, Miriam, Die Neufassung der EuGVVO – im Spannungsfeld zwischen Vertrauen und Kontrolle. IPRax 2013, 109 ff. Pollis, Adamantia, Cultural Relativism Revisited: Through a State Prism. 18 Human Rights Quarterly 316 (1996). Posner, Richard A., The Rights of Creditors of Affiliated Corporations. 43 The University of Chicago Law Review 499 (1976). Radwan-Röhrenschef, Marcin/Jankowska, Edyta, Comparative Study of „Residual Jurisdiction“ in Civil and Commercial Disputes in the EU. National Report for Poland. Warschau 2007. Raiser, Thomas, Konzernhaftung und Unterkapitalisierung. Besprechung von BGH, AG 1994, 179. ZGR 1995, S. 156 ff. Raoul-Duval, Pierre/Soyanov, Marie, Comparative Study of „Residual Jurisdiction“ in Civil and Commercial Disputes in the EU. National Report for France. Paris 2007. Rasch, Harold, Deutsches Konzernrecht. 5. Aufl. Köln u. a. 1974. Rausch, Anne, EU-Verordnung zu Konfliktmineralien – Weitere Sorgfaltspflichten in der Lieferkette. CCZ 2020, S. 355 ff. Rauscher, Thomas (Hrsg.), EuZPR – EuIPR. Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht. Kommentar. Band I. Brüssel Ia-VO. 4. Aufl. Köln 2016 [zitiert als: Bearbeiter, in: Rauscher EuZPR-EuIPR Kommentar, Art.]. Rauscher, Thomas (Hrsg.), EuZPR – EuIPR. Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht. Kommentar. Band II. Rom I-VO; Rom II-VO. 4. Aufl. Köln 2016 [zitiert als: Bearbeiter, in: Rauscher EuZPR-EuIPR Kommentar, Art.]. Redfield, Stephanie, Searching for Justice: The Use of Forum Necessitatis. 45 Georgetown Journal of International Law 894 (2014). Rehbinder, Eckhard, Konzernaussenrecht und allgemeines Privatrecht. Eine rechtsvergleichende Untersuchung nach deutschem und amerikanischem Recht. Bad Homburg u. a. 1969. Reinhart, Gert, UN-Kaufrecht. Kommentar zum Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 11. April 1980 über Verträge über den internationalen Warenkauf. Heidelberg 1991 [zitiert als: Reinhart, UN-Kaufrecht, Art.]. Reinke, Benedikt/Zumbansen, Peer, Transnational Liability Regimes in Contract, Tort and Corporate Law: Comparative Observations on ,Global Supply Chain Liability‘. King’s

356

Literaturverzeichnis

College London Dickson Poon School of Law Legal Studies Research Paper Series: Paper No. 2019 – 18. Renner, Moritz, Kollisionsrecht und Konzernwirklichkeit in der transnationalen Unternehmensgruppe. ZGR 2014, S. 452 ff. Renner, Moritz/Kuntz, Marie, Konzernhaftung und deliktsrechtliche Durchgriffshaftung, in: Markus Krajewski, Franziska Oehm, Miriam Saage-Maaß (Hrsg.), Zivil- und strafrechtliche Unternehmensverantwortung für Menschenrechtsverletzungen. Berlin/Erlangen 2018, S. 51 ff. Reu, Fritz, Die Staatliche Zuständigkeit im internationalen Privatrecht. Landes- und völkerrechtliche Forschungen zum internationalen Recht des Zivilprozesses, Strafprozesses, der Verwaltung und der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Marburg 1938. Rieder, Markus S., Related Party Transactions nach ARUG II – Relevanz des neuen Rechts im Licht von alten Leading Cases. ZfPW 2020, S. 129 ff. Riehm, Thomas, Vom Gesetz, das klüger ist als seine Verfasser – Zur Revisibilität ausländischen Rechts. JZ 2014, S. 73 ff. Ringleb, Al H./Wiggens, Steven N., Liability and Large-Scale, Long-Term Hazards. 98 Journal of Political Economy 574 (1990). Ristroph, Elisabeth Barrett, How Can the United States Correct Multinational Corporations’ Environmental Abuses Committed in the Name of Trade? 15 Indiana International and Comparative Law Review 51 (2004). Roberts, Anthea/Sivakumaran, Sandesh, The Theory and Reality of the Sources of International Law, in: Malcom D. Evans (Hrsg.), International Law. 5. Aufl. Oxford/New York 2018, S. 89 ff. Rome II Pocket Commentary ! siehe Huber, Peter Roorda, Lucas, Adjudicate This! Foreign Direct Liability and Civil Jurisdiction in Europe, in: Business and Human Rights in Europe: International Law Challenges (Hrsg. Angelica Bonfanti), London 2020, S. 195 ff. Roorda, Lucas/Ryngaert, Cedric, Business and Human Rights Litigation in Europe and Canada. The Promises of Forum of Necessity Jurisdiction. RabelsZ 80 (2016), S. 783 ff. Roorda, Lucas/Ryngaert, Cedric, Public International Law Constraints on the Exercise of Adjudicatory Jurisdiction in Civil Matters, in: Serena Forlati und Pietro Franzina (Hrsg.), Universal Civil Jurisdiction. Which Way Forward? Leiden/Boston 2021, S. 74 ff. Rosenberg, Leo/Schwab, Karl Heinz/Gottwald, Peter, Zivilprozessrecht. 18. Aufl. München 2018. Roth, Herbert, Die Reichweite der lex-fori-Regel im internationalen Zivilprozeßrecht, in: Wilfried Küper (Hrsg.), Beiträge zur Rechtswissenschaft. Festschrift für Walter Stree und Johannes Wessels zum 70. Geburtstag. Heidelberg 1993, S. 1045 ff. Roth, Wulf-Henning, Der Einfluß des Europäischen Gemeinschaftsrechts auf das Internationale Privatrecht. RabelsZ 55 (1991), S. 623 ff. Roth, Wulf-Henning, Europäische Kollisionsrechtsvereinheitlichung. Überblick – Kompetenzen – Grundfragen. EWS 2011, S. 314 ff.

Literaturverzeichnis

357

Rother, Frederik, Beweislast für Verschulden bei unerlaubter Handlung. NJ 2012, S. 317 ff. Rudden, Bernhard, Torticles. 6/7 Tulane Civil Law Forum 105 (1991 – 1992). Rudkowski, Lena, Arbeitsbedingungen in den globalen Lieferketten – Verantwortung deutscher Unternehmen de lege lata und de lege ferenda. RdA 2020, S. 232 ff. Rudkowski, Lena, Nachhaltigkeit in den internationalen Lieferketten als Haftungsrisiko für deutsche Unternehmen. CCZ 2020, S. 352 ff. Rühl, Gisela, Statut und Effizienz. Ökonomische Grundlagen des internationalen Privatrechts. Tübingen 2011. Rühl, Gisela, Die Haftung von Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen: Die französische loi de vigilance als Vorbild für ein deutsches Wertschöpfungskettengesetz?, in: Gregor Bachmann u. a. (Hrsg.), Festschrift für Christine Windbichler zum 70. Geburtstag am 8. Dezember 2020. Berlin/Boston 2020, S. 1413 ff. Rühl, Gisela, Human Rights in global supply chains: Do we need to amend the Rome II-Regulation? conflictoflaws.net 09. 10. 2020: https://conflictoflaws.net/2020/human-rights-inglobal-supply-chains-do-we-need-to-amend-the-rome-ii-regulation/ (abgerufen 20. 11. 2020). Rühl, Gisela, Towards a German Supply Chain Act? Comments from a Choice of Law and a Comparative Perspective, 28. 10. 2020: https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_ id=3708196 (abgerufen 06. 10. 2021). Rühl, Gisela, Unternehmensverantwortung und internationales Privatrecht, in: August Reinisch et al. (Hrsg.), Unternehmensverantwortung und internationales Recht. München 2020, S. 89 ff. Rünz, Sebastian, Neue Sorgfaltspflichten und Haftungsrisiken in der Lieferkette – Aktuelles zu deutschen und europäischen Gesetzesvorhaben. ZVertriebsR 2020, S. 291 ff. Saage-Maaß, Miriam, Unternehmen zur Verantwortung ziehen. Erfahrungen aus transnationalen Menschenrechtsklagen. Berlin 2017. Saage-Maaß, Miriam/Leifker, Maren, Haftungsrisiken deutscher Unternehmen und ihres Managements für Menschenrechtsverletzungen im Ausland. BB 2015, S. 2499 ff. Saage-Maaß, Miriam/Wesche, Philipp, Holding Companies Liable for Human Rights Abuses Related to Foreign Subsidiaries and Suppliers before German Civil Courts. Lessons from Jabir and Others v KiK. 16 Human Rights Law Review 370 (2016). Sachs, Bärbel/Krebs, David, Anforderungen an ein außenwirtschaftliches Compliance-Programm und seine Ausgestaltung in der Praxis. CCZ 2013, S. 60 ff. Sachs, Hans, Rechtsdurchsetzung bei Entscheidungen des IGH. Möglichkeiten und Grenzen des Sicherheitsrats. Beiträge aus Sicherheitspolitik und Friedensforschung 2005, S. 144 ff. Sarfaty, Galit A., Shining Light on Global Supply Chains. 56 Harvard International Law Journal 419 (2015). Savigny, Friedrich Carl von, System des heutigen römischen Rechts. Band VIII. Aalen 1974 (Neudruck der Ausgabe Berlin 1849). Sawall, Achim, Vergiftete chinesische Arbeiter klagen Apple an. Golem.de 22. 02. 2011: https:// www.golem.de/1102/81601.html (abgerufen 03. 11. 2020).

358

Literaturverzeichnis

Schack, Haimo, Vermögensbelegenheit als Zuständigkeitsgrund – exorbitant oder sinnvoll? § 23 ZPO in rechtsvergleichender Perspektive. ZZP 1984, S. 46 ff. Schack, Haimo, Internationale Zuständigkeit und Inlandsbeziehung, in: Andreas Heldrich (Hrsg.), Festschrift für Hideo Nakamura zum 70. Geburtstag am 2. März 1996. Tokio 1996, S. 493 ff. Schack, Haimo, Kohärenz im europäischen internationalen Deliktsrecht, in: Jan von Hein und Giesela Rühl (Hrsg.), Kohärenz im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht. Tübingen 2016, S. 279 ff. Schack, Haimo, Internationales Zivilverfahrensrecht mit internationalem Insolvenzrecht und Schiedsverfahrensrecht. 7. Aufl. München 2017. Schall, Alexander, Die Mutter-Verantwortlichkeit für Menschenrechtsverletzungen ihrer Auslandstöchter. ZGR 2018, S. 479 ff. Schall, Alexander, Rezension Sophie Nordhues, Die Haftung der Muttergesellschaft und ihres Vorstandes für Menschenrechtsverletzungen m Konzern. ZHR 2019, S. 725 ff. Schall, Alexander, Die Menschenrechtsverletzung bzw. die Missachtung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht als zivilrechtlicher Haftungstatbestand. Verfassungblog 06. 06. 2020: https://verfassungsblog.de/die-menschenrechtsverletzung-bzw-die-missachtung-der-men schenrechtlichen-sorgfaltspflicht-als-zivilrechtlicher-haftungstatbestand/ (abgerufen 20. 11. 2020). Scheil, Jörg-Michael, China, in: Rembert Süß und Thomas Wachter (Hrsg.), Handbuch des internationalen GmbH-Rechts. 3. Aufl. Bonn 2016, S. 553 ff. Schellhammer, Kurt, Zivilprozess. Gesetz – Praxis – Fälle. 16. Aufl. München 2020. Scherer, Andreas Georg, Multinationale Unternehmen und Globalisierung. Heidelberg 2003. Schinkels, Boris, „Dritthaftung“ von Gutachtern in Deutschland und England im Lichte der Verordnung Rom II. JZ 2008, 272 ff. Schlechtriem, Peter/Schwenzer, Ingeborg/Schroeter, Ulrich G., Kommentar zum UN-Kaufrecht (CISG). Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf. 7. Auflage. München 2019 [zitiert als: Schlechtriem/Schwenzer-CISG/Bearbeiter, Art.]. Schlößer, Daniel, Die Hemmung der Verjährung des Bürgschaftsanspruchs nach neuem Schuldrecht. NJW 2006, S. 645 ff. Schlosser, Peter, Das internationale Zivilprozeßrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und Österreich, in: Walter H. Rechberger und Rudolf Welser (Hrsg.), Festschrift für Winfried Kralik zum 65. Geburtstag. Verfahrensrecht – Privatrecht. Wien 1986, S. 287 ff. Schlosser, Peter, Einschränkung des Vermögensgerichtsstandes. IPRax 1992, S. 140 ff. Schmalenbach, Kirsten, Multinationale Unternehmen und Menschenrechte. AVR 39 (2001), S. 57 ff. Schmidt, Karsten, Konkursantragspflichten bei der GmbH und bürgerliches Deliktsrecht. Sanktions- und Koordinationsprobleme um § 64 GmbHG. JZ 1978, S. 661 ff. Schmidt, Siegmar, Soft Power or Neo-colonialist Power? African Perceptions of the EU. 4 Review of European Studies 100 (2012).

Literaturverzeichnis

359

Schneider, Björn, Menschenrechtsbezogene Verkehrspflichten in der Lieferkette und ihr problematisches Verhältnis zu vertraglichen Haftungsgrundlagen. Über ein drohendes haftungsrechtliches Dilemma als Ergebnis der CSR-Debatte. NZG 2019, S. 1369 ff. Scholz, Florian, Alles neu im Europäischen Zivilprozessrecht? Ecolex 2015, S. 4 ff. Schramm, Dorothee, Ausländische Eingriffsnormen im Deliktsrecht. Ein Beitrag zu Art. 19 IPRG und Art. 12 Abs. 1 des Entwurfs einer Rom-II-VO. Bern 2005. Schröder, Jochen, Internationale Zuständigkeit. Entwurf eines Systems von Zuständigkeitsinteressen im zwischenstaatlichen Privatverfahrensrecht aufgrund rechtshistorischer, rechtsvergleichender und rechtspolitischer Betrachtungen. Band 1 und 2. Opladen 1971. Schröder, Rainer, Zwangsarbeit: Rechtsgeschichte und zivilrechtliche Ansprüche (Schluß). JURA 1994, S. 118 ff. Schulz, Michael, Das Alien Tort Statute und transnationale Deliktsklagen. Im Kontext der Menschenrechtsverantwortung multinationaler Unternehmen. Baden-Baden 2016. Schumann, Ekkehard, Der internationale Gerichtsstand des Vermögens und seine Einschränkungen, in: A. Giuffrè (Hrsg.), Studi in onore di Enrico Tullio Liebman. Volume Secondo. Mailand 1979, S. 380 ff. Schütze, Rolf A., Das Vermögen als Anknüpfungspunkt für die internationale Zuständigkeit, in: Gerhard Lüke (Hrsg.), Festschrift für Akira Ishikawa zum 70. Geburtstag am 27. November 2001. Berlin 2001, S. 493 ff. Schütze, Rolf A., Die Notzuständigkeit im deutschen Recht, in: Ludwig Bittner et al. (Hrsg.), Festschrift für Walter H. Rechberger zum 60. Geburtstag. Wien u. a. 2005, S. 567 ff. Schütze, Rolf A./Gebauer, Martin (Hrsg.), Zivilprozessordnung und Nebengesetze. Großkommentar. Band I. Einleitung; §§ 1 – 49 ZPO. 5. Aufl. Berlin/Boston 2020 [zitiert als: Wieczorek/Schütze-ZPO/Bearbeiter, §]. Schwab, Klaus, The Global Competitiveness Report 2018. Genf 2018: http://www3.weforum. org/docs/GCR2018/05FullReport/TheGlobalCompetitivenessReport2018.pdf (abgerufen 20. 11. 2020). Schwarze, Jürgen, Die Jurisdiktionsabgrenzung im Völkerrecht. Neuere Entwicklungen im internationalen Wirtschaftsrecht. Baden-Baden 1994. Schwarze, Jürgen/Becker, Ulrich/Hatje, Armin/Schoo, Johann (Hrsg.), EU-Kommentar. 4. Aufl. Baden-Baden 2019 [zitiert als: Bearbeiter, in: Schwarze-EU-Kommentar, Art.]. Schweiger, Rebecca, Analogiebildung durch den EuGH im europäischen Privatrecht. Berlin 2012. Seck, Sara L., Home State Responsibility and Local Communities: The Case of Global Mining. 11 Yale Human Rights & Development Journal 177 (2008). Semu-Banda, Pilirani, Malawi: ,If EPAs Are So Good, Why Force Us to Sign?‘. allAfrica 23. 04. 2008: https://allafrica.com/stories/200804230768.html (abgerufen 02. 12. 2020). Sepos, Angelos, Imperial power Europe? The EU’s relations with the ACP countries. 6 Journal of Political Power 261 (2013). Shah, Nasim Hasan, Pakistan, in: Viktor Knapp (Hrsg.), International Encyclopedia of Comparative Law. Volume I. National Reports. Tübingen 1996.

360

Literaturverzeichnis

Shavell, Steven, Economic Analysis of Accident Law. Cambridge 1987. Shaw, Malcolm N., International Law. Sixth Edition. Cambridge 2008. Sheldon, Dinah, Remedies in International Human Rights Law. 3. Aufl. Oxford 2015. Shell, SPDC – The Shell Petroleum Development Company of Nigeria: https://www.shell.com. ng/about-us/what-we-do/spdc.html (abgerufen 03. 11. 2020). Shift, From Audit to Innovation: Advancing Human Rights in Global Supply Chains. New York 2013: https://shiftproject.org/wp-content/uploads/2013/08/Shift_audittoinnovationsupplyc hains_2013.pdf (abgerufen 20. 11. 2020). Sidhu, Nancy/Blank, John/Ritter-Martinez, Kimberly/Guerro, Ferdinando, 2011 – 2012 Economic Forecast and Industry Outlook: Mid-Year Update. California & Southern California. Including the National & International Setting. Los Angeles 2011: https://laedc.org/re ports/11_12MidYearForecast.pdf (abgerufen 20. 11. 2020). Simon, Cornelius, Corporate Social Responsibility und globales Wirtschaftsrecht. ZGR 2018, S. 316 ff. Skinner, Gwynne, Beyond Kiobel: Providing Access to Judicial Remedies for Violations of International Human Rights Norms by Transnational Business in a New (Post-Kiobel) World. 46 Columbia Human Rights Law Review 158 (2014). Skinner, Gwynne, Rethinking Limited Liability of Parent Corporations for Foreign Subsidiaries’ Violations of International Human Rights Law. 72 Washington and Lee Law Review 1769 (2015). Skinner, Gwynne/McCorquodale, Robert/De Schutter, Olivier, The Third Pillar. Access to Judicial Remedies for Human Rights Violations by Transnational Business. 2013. Smart, Joko, Sierra Leone, in: Viktor Knapp (Hrsg.), International Encyclopedia of Comparative Law. Volume I. National Reports. Tübingen 1996. Snyder, David V., The New Social Contracts in International Supply Chains. 68 American University Law Review 1869 (2019). Soergel-BGB Kommentar mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, Band 11/2 Schuldrecht: §§ 759 – 779. Redig. von Peter Gröschler. 13. Aufl. Stuttgart 2015 [zitiert als: Soergel-BGB/ Bearbeiter, §]. Soergel-BGB Kommentar mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, Band 27/1 Rom II-VO; Internationales Handelsrecht; Internationales Bank- und Kapitalmarktrecht. Redig. von Thomas Pfeiffer. 13. Aufl. Stuttgart 2019 [zitiert als: Soergel-BGB/Bearbeiter, Art.]. Sokhean, Ben, Police Free Garment Workers Locked In at Night by Factory. The Cambodia Daily 08. 06. 2015: https://english.cambodiadaily.com/news/police-free-garment-workers-lo cked-in-at-night-by-factory-85157/ (abgerufen 20. 11. 2020). Sonnenberger, Hans-Jürgen, Eingriffsrecht – Das trojanische Pferd im IPR oder notwendige Ergänzung? IPRax 2003, S. 104 ff. Sousa, Mariana, A Brief Overview of Judicial Reform in Latin America: Objectives, Challenges, and Accomplishments, in: Eduardo Lora (Hrsg.), The State of State Reform in Latin America. Washington DC 2007, S. 87 ff.

Literaturverzeichnis

361

Spiegel, Giftskandal bei Apple-Zulieferer. Chinesische Arbeiter bitten Steve Jobs um Hilfe. Spiegel 22. 02. 2011: https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/giftskandal-bei-applezulieferer-chinesische-arbeiter-bitten-steve-jobs-um-hilfe-a-746963.html (abgerufen 20. 11. 2020). Spießhofer, Birgit, Unternehmerische Verantwortung, in: Hanno Kube et al. (Hrsg.), Leitgedanken des Rechts. Paul Kirchhof zum 70. Geburtstag. Band II. Heidelberg/Hamburg 2013, S. 1235 ff. Spießhofer, Birgit, Wirtschaft und Menschenrechte – rechtliche Aspekte der Corporate Social Responsibility. NJW 2014, S. 2474 ff. Spießhofer, Birgit, Unternehmerische Verantwortung. Zur Entstehung einer globalen Wirtschaftsordnung. Baden-Baden 2017. Spindler, Gerald, Unternehmensorganisationspflichten. Zivilrechtliche und öffentlich-rechtliche Regelungskonzepte. Köln u. a. 2001. Spindler, Gerald/Stilz, Eberhard (Hrsg.), Kommentar zum Aktiengesetz. Band 1, §§ 1 – 149. 4. Aufl. München 2019 [zitiert als: Spindler/Stilz-AktG/Bearbeiter, §]. Stahl, Caroline Helene, Haftung von Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen ihrer ausländischen Zulieferer. Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung kollisionsrechtlicher Fragen. Hamburg 2020 [zitiert als: Stahl, Haftung von Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen]. Stark, Florian, Die größte Gas-Katastrophe geschah im Frieden. Welt 03. 12. 2014: https://www. welt.de/geschichte/article134964811/Die-groesste-Gas-Katastrophe-geschah-im-Frieden. html (abgerufen 20. 11. 2020). Staudinger Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, §§ 765 – 778 BGB. Redig. von HeinzPeter Mansel. Berlin 2013 [zitiert als: Staudinger/Bearbeiter, §]. Staudinger Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, §§ 830 – 838 BGB. Redig. von Johannes Hager. Berlin 2018 [zitiert als: Staudinger/Bearbeiter, §]. Staudinger Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Art. 11 – 29 Rom I-VO, Art. 46b, c EGBGB; Verfahrensrecht für internationale Verträge. Redig. von Ulrich Magnus. Berlin 2016 [zitiert als: Staudinger/Bearbeiter, Art.]. Staudinger Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Einleitung zur Rom I-VO; Art. 1 – 10 Rom I-VO. Redig. von Ulrich Magnus. Berlin 2016 [zitiert als: Staudinger/Bearbeiter, Art.]. Staudinger Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Wiener UN-Kaufrecht (CISG). Redig. von Dagmar Kaiser. Berlin 2018 [zitiert als: Staudinger/Magnus, Art.]. Stein, Torsten/Buttlar, Christian v., Völkerrecht. 14. Aufl. München 2017. Stein/Jonas, Kommentar zur Zivilprozeßordnung. Band 1, §§ 1 – 252. 20. Aufl. Tübingen 1984 [zitiert als: Stein/Jonas-ZPO/Bearbeiter, 1984, §]. Stein/Jonas, Kommentar zur Zivilprozessordnung. Band 1, §§ 1 – 77. 23. Aufl. Tübingen 2014 [zitiert als: Stein/Jonas-ZPO/Bearbeiter, §]. Stein/Jonas, Kommentar zur Zivilprozessordnung. Band 6: §§ 511 – 703d. 23. Aufl. Tübingen 2018 [zitiert als: Stein/Jonas-ZPO/Bearbeiter, §].

362

Literaturverzeichnis

Stein/Jonas, Kommentar zur Zivilprozessordnung. Band 10: EuGVVO, GVG. 22. Aufl. Tübingen 2011 [zitiert als: Stein/Jonas-ZPO/Bearbeiter, Art.]. Stern, Klaus, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland. Band III/1. Allgemeine Lehren und Grundrechte. München 1988. Stöbener-De Mora, Patricia, Handelsrecht: Studie zu Regelungsoptionen für Anforderungen unternehmerischer Sorgfalt in Lieferketten. EuZW 2020, S. 211 f. Streinz, Rudolf (Hrsg.), EUV/AEUV. Vertrag über die Europäische Union. Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Charta der Grundrechte der Europäischen Union. 3. Aufl. München 2018 [zitiert als: Streinz-EUV/AEUV/Bearbeiter, Art.]. Stürner, Michael, Transnationale Menschenrechtsverletzungen im internationalen Privat- und Verfahrensrecht. 4 International Journal of Procedural Law 350 (2014). Stürner, Michael, Die Rolle des Kollisionsrechts bei der Durchsetzung von Menschenrechten, in: Katharina Hilbig-Lugani et al. (Hrsg.), Zwischenbilanz – Festschrift für Dagmar CoesterWaltjen zum 70. Geburtstag. Bielefeld 2015, S. 843 ff. Stürner, Michael, Internationales Privatrecht, in: Katja Langenbucher (Hrsg.), Europäisches Privat- und Wirtschaftsrecht. 4. Aufl. Baden-Baden 2017, S. 465 ff. Stürner, Michael, Zivilprozessuale Voraussetzungen für Klagen gegen transnationale Unternehmen wegen Menschenrechtsverletzungen, in: Markus Krajewski, Franziska Oehm, Miriam Saage-Maaß (Hrsg.), Zivil- und strafrechtliche Unternehmensverantwortung für Menschenrechtsverletzungen. Berlin/Erlangen 2018, S. 73 ff. Symeonides, Symeon C., Rome II and Tort Conflicts: A Missed Opportunity. 56 The American Journal of Comparative Law 173 (2008). Symeonides, Symeon C., The American Revolution and the European Evolution in Choice of Law: Reciprocal Lessons. 82 Tulane Law Review 1741 (2008). Szászy, István, Allgemeine Grundsätze zur Bestimmung der Gerichtsbarkeit im internationalen Zivilprozeßrecht. ÖZöR 1965, S. 422 ff. Szászy, István, International Civil Procedure: A Comparative Study. Budapest 1967. Täger, Philipp, Der Schutz von Menschenrechten im internationalen Investitionsrecht. Unter besonderer Beachtung der Rechte und Pflichten des Exportstaats. Baden-Baden 2011. tagesschau.de, Bergungsarbeiten in Bangladesch eingestellt. 1127 Tote, 2438 Verletzte. Tagesschau 13. 05. 2013: https://web.archive.org/web/20130607172807/http:/www.tagesschau. de/ausland/bangladesch-fabrikgebaeude104.html (abgerufen 20. 11. 2020). tagesschau.de, Unglück vor einem Jahr. Brasilien verklagt TÜV Süd wegen Dammbruch. Tagesschau 21. 01. 2020: https://www.tagesschau.de/ausland/tuev-sued-brasilien-anklage-1 01.html (abgerufen 03. 11. 2020). Takahashi, Koji, Review of the Brussels I Regulation: A Comment from the Perspectives of Non-Member States (Third States). 8 Journal of Private International Law 1 (2012). taz, Ölkatastrophe in Nigeria. Schwere Vorwürfe gegen Shell. taz 08. 11. 2013: https://taz.de/ Oelkatastrophe-in-Nigeria/!5055401/ (abgerufen 20. 11. 2020). Terwindt, Carolijn/Leader, Sheldon/Yilmaz-Vastardis, Anil/Wright, Jane, Supply Chain Liability: Pushing the Boundaries of the Common Law? JETL 2017, S. 261 ff.

Literaturverzeichnis

363

Teubner, Gunther, Netzwerk als Vertragsverbund. Virtuelle Unternehmen, Franchising, Just-intime in sozialwissenschaftlicher und juristischer Sicht. Baden-Baden 2004. Thole, Christoph, Die zuständigkeitsrechtliche Zurechnung des Handlungsorts unter § 32 ZPO und Art. 7 Nr. 2 EuGVVO n. F. (Art. 5 Nr. 3 EuGVVO a. F.), in: Caroline Meller-Hannich, Lutz Haertlein und Hans Friedhelm Gaul (Hrsg.), Rechtslage, Rechtserkenntnis, Rechtsdurchsetzung. Festschrift für Eberhard Schilken zum 70. Geburtstag. München 2015, S. 523 ff. Tholen, Laurenz, Europäisches Konzernrecht: Eine Untersuchung auf der Grundlage eines Vergleichs des deutschen und englischen Rechts. Berlin 2014. Thomale, Chris, Kapital als Verantwortung. Kritik der institutionellen Haftungsbeschränkung. AcP 218 (2018), S. 685 ff. Thomale, Chris, Chris Thomale on the EP Draft Report on Corporate Due Diligence. conflictoflaws.net 27. 10. 2020: https://conflictoflaws.net/2020/chris-thomale-on-the-ep-draft-re port-on-corporate-due-diligence/ (abgerufen 20. 11. 2020). Thomale, Chris/Hübner, Leonard, Zivilrechtliche Durchsetzung völkerrechtlicher Unternehmensverantwortung. JZ 2017, S. 385 ff. Thürk, Sophie Charlotte, Belegenheitsgerichtsstände. Tübingen 2018. Transparency International, People and Corruption: Asia Pacific. Global Corruption Barometer. Berlin 2017. Transparency International, CPI 2019: Tabellarische Rangliste. Transparency International Deutschland e. V.: https://www.transprency.de/cpi/cpi-2019/cpi-2019-tabellarische-rangliste/ (abgerufen 04. 11. 2020). UK Secretary of State for the Home Department, Independent Review of the Modern Slavery Act 2015: Final Report. London 2019: https://assets.publishing.service.gov.uk/government/ uploads/system/uploads/attachment_data/file/803406/Independent_review_of_the_Modern_ Slavery_Act_-_final_report.pdf (abgerufen 20. 11. 2020). Ulfbeck, Vibe/Ehlers, Andreas, Tort Law, Corporate Groups and Supply Chain Liability for Workers’ Injuries: The Concept of Vicarious Liability. 13 European Company Law Review 167 (2016). Ulfbeck, Vibe/Hansen, Ole, Interplay between contract and tort in the supply chain, in: Vibe Ulfbeck et al. (Hrsg.), Law and Responsible Supply Chain Management. Contract and Tort Interplay and Overlap. Oxon/New York 2019, S. 133 ff. Urbina, Ian, ,Sea Slaves‘: The Human Misery That Feeds Pets and Livestock. The New York Times 27. 07. 2015: https://www.nytimes.com/2015/07/27/world/outlaw-ocean-thailand-fi shing-sea-slaves-pets.html?hp&action=click&pgtype=Homepage&module=photo-spot-re gion®ion=top-news&WT.nav=top-news&_r=2 (abgerufen 20. 11. 2020). Van Dam, Cees, Tort Law and Human Rights: Brothers in Arms. On the Role of Tort Law in the Area of Business and Human Rights. JETL 2011, S. 211 ff. Van Dam, Cees, European Tort Law. 2. Aufl. Oxford 2013. Van Dam, Cees, Preliminary judgements Court of Appeal in the Shell Nigeria Case: https:// a08d648c-882d-400d-9329-2ae4b41a04b4.filesusr.com/ugd/786cf6_7154bdd2aa9b407192 506aea1a61849c.pdf (abgerufen 20. 11. 2020).

364

Literaturverzeichnis

Van de Walle, Nicolas, Privatization in Developing Countries: A Review of the Issues. 17 World Development 601 (1989). Van Hoek, Aukje, Transnational Corporate Responsibility: Some Issues with Regard to the Liability of European Corporations for Labour Law Infringements in the Countries of Establishment of Their Suppliers, 31. 03. 2008: https://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?ab stract_id=1113843 (abgerufen 20. 10. 2020). Vargas, Jorge A., Enforcement of Judgements in Mexico: The 1988 Rules of the Federal Code of Civil Procedures. 14 Northwestern Journal of International Law & Business 376 (1994). Verband der chemischen Industrie, Sammelklagen im Verbraucherrecht. Frankfurt am Main 2018: https://www.vci.de/vci/downloads-vci/publikation/flyer-vci-position-sammelklagenverbraucherrecht.pdf (abgerufen 20. 11. 2020). Verdross, Alfred/Simma, Bruno, Universelles Völkerrecht: Theorie und Praxis. 3. Aufl. Berlin 1984. Verheyen, Roda, Ein deutsches Lieferkettengesetz. Echte Chance für den Umweltschutz. Stellungnahme mit Schwerpunkt auf materielle Sorgfaltspflichten und Umsetzung am Beispiel besonders gefährlicher Chemikaliengruppen (Textilindustrie). Hamburg 2020: https://www.greenpeace.de/sites/www.greenpeace.de/files/publications/s03111-greenpeacelieferkettengesetz-stellungnahme-20200818.pdf (abgerufen 20. 11. 2020). Vetter, Jochen, Geschäftsleiterpflichten zwischen Legalität und Legitimität. Muss sich Ethik lohnen? ZGR 2018, S. 338 ff. Voice of America, Ivory Coast Government Panel Releases Toxic Waste Findings. Voice of America 31. 10. 2009: https://www.voanews.com/archive/ivory-coast-government-panel-re leases-toxic-waste-findings (abgerufen 20. 11. 2020). Wagner, Gerhard, Grundstrukturen des europäischen Deliktsrechts, in: Reinhard Zimmermann (Hrsg.), Grundstrukturen des europäischen Deliktsrechts. Baden-Baden 2003, S. 189 ff. Wagner, Gerhard, Prävention und Verhaltenssteuerung durch Privatrecht – Anmaßung oder legitime Aufgabe? AcP 206 (2006), S. 352 ff. Wagner, Gerhard, Die neue Rom II-Verordnung. IPRax 2008, S. 1 ff. Wagner, Gerhard, Haftung für Menschenrechtsverletzungen. RabelsZ 80 (2016), S. 717 ff. Wagner, Gerhard, Comparative Tort Law, in: Mathias Reimann und Reinhard Zimmermann (Hrsg.), The Oxford Handbook of Comparative Law. Oxford/New York 2019, S. 994 ff. Wagner, Gerhard, Haftung für Menschenrechtsverletzungen in der Lieferkette, ZIP 2021, S. 1095 ff. Walden, Daniel, Corporate Social Responsibility: Rechte, Pflichten und Haftung von Vorstand und Aufsichtsrat. NZG 2020, S. 50 ff. Walker, Lena, Lessons Learned – Die EU Holzhandelsverordnung als Beispiel für umweltbezogene Sorgfaltspflichten. Verfassungsblog 14. 06. 2020: https://verfassungsblog.de/les sons-learned-die-eu-holzhandelsverordnung-als-beispiel-fuer-umweltbezogene-sorgfalts pflichten/ (abgerufen 24. 11. 2020). Wang, Meng, Die deliktsrechtliche Verkehrspflicht im deutsch-chinesischen Vergleich. Berlin 2020.

Literaturverzeichnis

365

Ward, Halina, Securing Transnational Corporate Accountability through National Courts: Implications and Policy Options. 24 Hastings International and Comparative Law Review 451 (2001). Weil, David, The Fissured Workplace. Why work became so bad for so many and what can be done to improve it. Cambridge/London 2014. Weller, Marc-Philippe/Benz, Nina/Zimmermann, Anton, Klagen gegen ausländische Konzerngesellschaften im Inland: Der Vermögensgerichtsstand des § 23 ZPO als Konzerngerichtsstand. NZG 2019, 1121. Weller, Marc-Philippe/Hübner, Leonhard/Kaller, Luca, Germany, in: Catherine Kessedjian und Humberto Cantú Rivera (Hrsg.), Private International Law Aspects of Corporate Social Responsibility. Paris/Monterrey 2020 [zitiert als: PIL Aspects of CSR]. Weller, Marc-Philippe/Kaller, Luca/Schulz, Alix, Haftung deutscher Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen im Ausland. AcP 216 (2016), S. 387 ff. Weller, Marc-Philippe/Nasse, Laura, Menschenrechtsarbitrage als Gefahrenquelle. Systemkohärenz einer Verkehrspflicht zur Menschenrechtssicherung in Lieferketten?, in: Alfred Bergmann et al. (Hrsg.), Vom Konzern zum Einheitsunternehmen. Berlin 2020, S. 107 ff. Weller, Marc-Philippe/Thomale, Chris, Menschenrechtsklagen gegen deutsche Unternehmen. ZGR 2017, S. 509 ff. Weller, Matthias (Hrsg.), Europäisches Kollisionsrecht. Baden-Baden 2016 [zitiert als: Bearbeiter, in: Europäisches Kollisionsrecht, 2016]. Weller, Matthias/Pato, Alexia, Local parents as ,anchor defendants‘ in European courts for claims against their foreign subsidiaries in human rights and environmental damages litigation: recent case law and legislative trends. 23 Uniform Law Review 397 (2018). Wendelstein, Christoph, „Menschenrechtliche“ Verhaltenspflichten im System des Internationalen Privatrechts. RabelsZ 83 (2019), S. 115 ff. Wendt, Rudolf, Der Garantiegehalt der Grundrechte und das Übermaßverbot. Zu maßstabssetzenden Kraft der Grundrechte in der Übermaßprüfung. AöR 104 (1979), S. 414 ff. Wengler, Wilhelm, Völkerrecht. Berlin 1964. Westphalen, Friedrich Graf von, Einige Vorüberlegungen zum bevorstehenden Lieferkettengesetz. ZIP 2020, 2421 ff. Wick, Ingeborg, All die Textilschnäppchen – nur recht und billig? Arbeitsbedingungen bei AldiZulieferern in China und Indonesien. Siegburg 2007. Wieczorek, Bernhard, Zivilprozessordnung und Nebengesetze. Großkommentar. ! siehe bei Schütze, Rolf A./Gebauer, Martin Wiedemann, Herbert, Rezension von BGH, Urt. v. 24. 06. 2002. ZGR 2003, S. 283 ff. Wikipedia, amfori BSCI: https://de.wikipedia.org/wiki/Amfori_BSCI (abgerufen am 17. 07. 2021). Wilke, Jürgen, Nachrichtenwahl und Medienrealität in vier Jahrhunderten: eine Modellstudie zur Verbindung von historischer und empirischer Publizistikwissenschaft. Berlin 1984. Wilmowsky, Peter v., Europäisches Kreditsicherungsrecht. Sachenrecht und Insolvenzrecht unter dem EG-Vertrag. Tübingen 1996.

366

Literaturverzeichnis

Winkelmüller, Michael/Twardy, Inga, Perspektiven für ein Lieferkettengesetz. Eine erste Bewertung anhand der „Eckpunkte“. ARP 2020, S. 310 ff. Witting, Christian A., Liability of Corporate Groups and Networks. Cambridge 2018. Wolf, Christian, Renaissance des Vermögensgerichtsstandes?, in: Reinhold Geimer et al. (Hrsg.), Europäische und internationale Dimensionen des Rechts. Festschrift für DaphneAriane Simotta. Wien 2012, S. 717 ff. Wollenschläger, Peter, Zum Merkmal des hinreichenden Inlandsbezugs in § 23 ZPO. Auslegungsdifferenzen in den verschiedenen Verfahrensarten der Zivilprozeßordnung? IPRax 2002, S. 96 ff. Woody, Karen E., Conflict Minerals Legislation: The SEC’s New Role as Diplomatic and Humanitarian Watchdog. 81 Fordham Law Review 1315 (2012). World Justice Project, Rule of Law Index 2020. Washington DC 2020: https://worldjustice project.org/sites/default/files/documents/WJP-ROLI-2020-Online_0.pdf (abgerufen 20. 11. 2020). Yilmaz-Vastardis, Legal Opinion on English Common Law Principles of Tort. Jabir and Others v. Textilien und Non-Food GmbH. 07. 12. 2015: https://www.ecchr.eu/fileadmin/Juristische_ Dokumente/Legal_Opion_Essex_Jabir_et_al_v_KiK_2015.pdf (abgerufen 20. 11. 2020). Zerk, Jennifer, Multinationals and Corporate Social Responsibility. Limitations and Opportunities in International Law. Cambridge 2006. Zeuner, Albrecht, Der Anspruch auf rechtliches Gehör, in: Rolf Dietz, Heinz Hübner (Hrsg.), Festschrift für Hans Carl Nipperdey zum 70. Geburtstag. München/Berlin 1965, S. 1013 ff. Zheng, Shuji/Trempel, Eberhard, Das (neue) Deliktshaftungsrecht der VR China. RIW 2010, S. 510 ff. Ziegenhain, Hans-Jörg, Extraterritoriale Rechtsanwendung und die Bedeutung des genuinelink Erfordernisses. Eine Darstellung der deutschen und amerikanischen Staatenpraxis. München 1992. Zimmermann, Anton, Menschenrechtsverletzungen, Internationales Deliktsrecht und Beweislast. Verfassungsblog 09. 06. 2020: https://verfassungsblog.de/menschenrechtsverletzun gen-internationales-deliktsrecht-und-beweislast/ (abgerufen 20. 11. 2020).

Stichwortverzeichnis Seitenzahlen, die sich auf Fußnoten beziehen, sind kursiv, besonders relevante Seitenzahlen fett gesetzt. Aktuelle gesetzgeberische Entwicklungen 31 f. ALDI 44 Alien Torts Claim Act 209, 228 Analoge Anwendung von Art. 8 Nr. 1 Brüssel Ia-VO 80 f. Analogie im Europarecht 80 f., 149 f. Anerkennung ausländischer Urteile 37, 52 f., 77, 96 – 98 – Souveränität 52 f. Ankergerichtsstand siehe Mehrparteiengerichtsstand Anknüpfung für Sicherheits- und Verhaltensregeln (Art. 17 Rom II-VO) 160 – 163 Anwendungsbereich (§ 2 des Entwurfs) 249 – 256 – ausländische Gesellschaften 249 f. – persönlich 249 – 253 – räumlich 254 f. – sachlich 256 Arbeitnehmerentsendegesetz (§ 14) 247, 269 f. Arbeitnehmerschutzregime Brüssel Ia-VO 77 f., 81 – 83 – Vorrang im Rahmen der Brüssel Ia-VO 77 f. – Vorrang vor nationalem IZPR 81 – 83 Ausländisches Deliktsrecht siehe Gaststaatliches Deliktsrecht Beendigung der Geschäftsbeziehung 289 – 291 Beihilfe, neutrale 89 Berichtspflichten 202, 205, 222 Bestechung siehe richterliche Unabhängigkeit Beteiligung (Deliktsrecht) 86 – 89

Beweislast – chinesisches Deliktsrecht 158 – französisches loi de vigilance 200 – IPR 301 – Kausalität 302 f. – Pflicht 301 f. – Schaden 304 Bhopal 144, 211, 215; siehe auch Union Carbide Cape plc 37, 75, 195 Chinesisches Deliktsrecht 157 f., 184, 225, 291, 303 f. – Beweislast 158, 303 f. codes of conduct 30, 134 f., 140 f., 152, 189 – 191, 193, 244 f., 276, 280 common law of torts 155 – 157, 173, 195 CSR-Richtlinie (EU) 165, 198 Danzer 40 f., 63, 297 f. Deliktische Ansprüche im IPR – ausländische Konzern-/Zulieferergesellschaft 174 – Eingriffsnormen (Art. 16 Rom II-VO) 163 – 168 – Grundanknüpfung (Art. 4 Rom II-VO) 151 – 154, 159 – ordre public (Art. 26 Rom II-VO) 168 f. – Sachlicher Anwendungsbereich Rom IIVO bei Persönlichkeitsverletzungen 141 – 143 – Sicherheits- und Verhaltensregeln (Art. 17 Rom II-VO) 160 – 163 – Umweltschäden (Art. 7 Rom II-VO) 143 – 150 – Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums (Art. 8 Rom II-VO) 146 – 148

368

Stichwortverzeichnis

Deliktsgerichtsstand siehe Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (§ 32 ZPO) Deutsches IZPR, Anwendbarkeit 80 – 83 Diskriminierung 141 – 143, 264 Distanzdelikt 162 f. Dodd-Frank Act 200 – 202 draft report with recommendations to the Commission on corporate due diligence and corporate accountability 31 f., 129 f., 131, 176 – 180 – Ausgestaltung als VO 232 – Gerichtsstand am Ort des Tätigwerdens 131 – Notzuständigkeit 128 f. – Ubiquitätsprinzip 176 – 180 Durchgriffshaftung 170, 197 f., 224 – Anknüpfung im IPR 170 duty of care 156 f., 195

Einfluss – Abnehmer auf Zulieferer 276 f., 280, 286 – mittels Bestellung und Abberufung von Leitungsorganen 293 – 295 – Mutter- auf Konzerngesellschaft 293 – 296 Eingriffsnormen 163 – 168, 182 – 185, 220 f., 307 f. – § 6 des Entwurfs 307 f. – Anknüpfung (Art. 16 Rom II-VO) 163 – 168 – de lege ferenda 182 – 185 – im deutschen Recht 164 – 166 – Sorgfaltspflichtengesetz 166 f. Einheitstheorie 146 – 148 Entscheidungseinklang, siehe Internationaler Entscheidungseinklang Erfolgsort 85, 149, 151 f., 162 – § 32 ZPO 85 – Art. 4 Rom II-VO 151 f. – Art. 7 Rom II-VO 149 – de lege ferenda 175 f. Erfolgsortsprinzip 174 f., 184 f., 224, 254 f., 272, 303 – Schonung des 184 f., 224, 254 f., 272, 303 Existenzsichernde Löhne 267 – 271

Externalisierung siehe Gesellschaftsrechtliches Trennungsprinzip Forum necessitatis siehe Notzuständigkeit forum non conveniens 72 Französisches Sorgfaltspflichtengesetz siehe loi relative au devoir de vigilance Freihandelsabkommen 64 f., 67 – 69 Gaststaat – Definition 30 – Rechtstaatlichkeit 70 – 74 Gaststaatliches Deliktsrecht – China 157 f., 184, 225, 291, 303 f. – Indien 154, 156 – Nigeria 154 – 156 – Pakistan 155 – Schutzstandard 154 – 158 Gegenseitigkeit, Verbürgung der 96 – 98, 103 Generalunternehmer, Haftung des 247 genuine-link 56 – 67, 102, 118 f., 126 – 128, 181 f. – § 23 ZPO 102 – Barcelona Traction 63 f. – Inlandsvermögen 60 – IPR und IZPR 59, 60 – Kontrolltheorie 62 – 66 – Notzuständigkeit 118 f., 126 – 128, 129 – öffentliches Seerecht 58 – Staatsangehörigkeitsrecht 59 – Staatsangehörigkeit von Konzern- und Zulieferergesellschaften 61 – 66 – Strafrecht 58 – Warenlieferungen 61 – wirtschaftsmenschenrechtliche Fälle 60 Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (§ 32 ZPO) 84 – 90 – Beteiligung 88 f. – Maßgebliche Rechtsordnung für materiellrechtliche Elemente des § 32 ZPO 86 f. – Schlüssige Behauptung 89 f. Gesellschaftsrechtliches Trennungsprinzip 217, 235 – 243 – Externalisierung 238 – 241 – geeignete Risikoträger 241 f. – Risikoaversion natürlicher Personen 236 f.

Stichwortverzeichnis Große kollisionsrechtliche Lösung 182 f. Grundanknüpfung (Art. 4 Rom II-VO) – Erfolgsort 151 f. – Opferschutz 159 f. – Schutzstandard gaststaatlichen Deliktsrechts 154 – 158 – Vertrag (mit Schutzwirkung) zu Gunsten Dritter 152 f. Haftungsbeschränkung im Konzern siehe Gesellschaftsrechtliches Trennungsprinzip Handlungsort 85, 144 – 149, 160, 177 – § 32 ZPO 85 – Art. 7 Rom II-VO 144 – 149 – Art. 17 Rom II-VO 160, 162 f. Holzhandels-VO (EU) 207 Indisches Deliktsrecht 154, 156 Inlandsbezug 91, 99, 106 f., 126 – 128, 163, 169, 181 f.; siehe auch genuine-link – § 23 ZPO 91, 99, 106 f., 128 – Notzuständigkeit 118 f., 126 – 128, 129 Internationale Beziehungen 67 – 69, 121 – 123 Internationaler Entscheidungseinklang 87, 179, 184 f. – Ausfüllung materiell-rechtlicher Begriffe im IZPR 87 – Schonung des 179, 184 f., 255, 272 Internationales Gesellschaftsrecht 294 IPR de lege ferenda 174 – 185 – Eingriffslösung 182 – 185 – Entscheidungseinklang 184 f. – Erfolgsortsprinzip 175 f., 184 f. – Ubiquitätsprinzip 176 – 180 Justizanspruch 93 – 99, 112 – 116, 126 f. – Beklagter 94 f., 96 – Internationale Reichweite 114 – 116 – Kläger 94 f., 98 f. – Notzuständigkeit 112 – 116 – Vollstreckungsaussichten 115 Kausalität 158, 196, 284, 288, 290 f., 298 KiK 45 f., 51, 55, 78 f., 90 f., 156, 303, 307

369

Kinderarbeit 42, 141 – 143, 165, 206 f., 264 – niederländisches Wet Zorgpflicht Kinderarbeid 206 f. Klageindustrie 232 f. Kleine kollisionsrechtliche Lösung 182 – 185 Kollisionsrechtlicher Anwendungsbefehl (§ 6 des Entwurfs) 307 f. Kolonialzeit 154 – 156 Kontrolltheorie 62 – 66 Konzern-/Zulieferergesellschaft – Anwendbares Sachrecht (Delikt) 174 – Anwendbares Sachrecht (Vertrag) 171 – 174 – Anwendungsbereich WertschöpfungskettenG (§ 2) 249 f. – Definition 29 – Internationale Zuständigkeit 76 – 128 – Völkerrecht 62 – 65, 181 Konzerngerichtsstand 78 Konzernkonstellation – Einflussmöglichkeiten siehe Einfluss – Pflichten 296 – 299 Kooperation (Abnehmer und Zulieferer) 280 f. Kooperationsmodell siehe Kooperation (Abnehmer und Zulieferer) Korrelation Rechtsgutsverletzungen und Umweltschutz 143 f. Korruption siehe richterliche Unabhängigkeit Langfristige Geschäftsbeziehungen siehe Kooperation (Abnehmer und Zulieferer) Lieferkette – Definition 29 – unternehmerische Pflichten 276 – 293 loi relative au devoir de vigilance 167, 198 – 200, 208 f., 280, 286, 300, 302 – Beweislast 300 – etablierte Geschäftsbeziehung 286 – internationale Geltung 167, 302, 308 Machtasymmetrie Zulieferer – Abnehmer 276 f., 280, 286 Mehrparteiengerichtsstand (Art. 8 Nr. 1 Brüssel Ia-VO) 79 f., 132

370

Stichwortverzeichnis

Mehrparteiengerichtsstand (nationales Recht) 83 f. Menschenrechte – als Eingriffsnormen 164 f. – als Tatbestandsmerkmal 131, 177 f. – analoge Anwendung von Art. 7 Rom IIVO 149 f. – Ausübung von Jurisdiktionshoheit 63 – 65 – Deliktsrechtliche Generalklausel 224 – im Zivilrecht 149 f., 178, 250, 263 – 271 – Universalitätsprinzip 118 f. – Verhältnis zu deliktischen Rechtsgütern 178, 250, 263 – 271 – wirtschaftsmenschenrechtliche Gesetzgebung (Ausland) 198 – 209 Menschenrechte und Deliktsrecht 178, 250, 263 – 271 Mindestlohngesetz (§ 13) 247, 269 f. Mittäterschaft (Deliktsrecht) 86 – 89 Modern Slavery Act (UK) 205 f. Monterrico Metals 37 – 39, 297 f. Mosaiktheorie 146 – 148 Multi-State-Verletzungshandlungen 145 – 148 Mutter-/Abnehmergesellschaft – Anwendbares Sachrecht (Delikt) 141 – 169 – Anwendbares Sachrecht (Gesellschaftsrecht) 170 – Anwendbares Sachrecht (Vertrag) 134 – 140 – Definition 29 – Internationale Zuständigkeit 75 f. Neokolonialismus 67 – 69, 177 – 179 Nestlé 48 f., 210, 296 f., 307 Nigerianisches Deliktsrecht 154 – 156 Normzweck (§ 1 des Entwurfs) 248 Notzuständigkeit 107 – 128, 128 – 131 – de lege ferenda 128 – 131 – Erscheinungsformen in ausländischen Rechtsordnungen 109 – 112 – Gesetzgebungskompetenz, EU 129 f. – Inlandsbezug 126 – 128 – Internationale Beziehungen 121 – 123 – Konstellationen und Anerkennung 108 f.

– – – – – – – – –

Korruption 124 Krieg 120 f. politische Flüchtlinge 125 Subsidiarität 119 Unmöglichkeit 120 f. Unzumutbarkeit 121 – 126 Verfassungsmäßigkeit 112 – 116 Völkerrechtskonformität 117 – 119 Voraussetzungen 119 – 128

ordre public (Art. 26 Rom II-VO) 220 f.

168 f.,

Pakistanisches Deliktsrecht 155 Personalitätsprinzip 61 f., 181 Pflicht rechtsgüterschützende Maßnahmen zu ergreifen (§ 4 des Entwurfs) – Konkretisierung nach Fallgruppen 275 – 299 – Rechtsgüter 263 – 271 Pflicht zur Risikoanalyse (§ 3 des Entwurfs) 256 – 262 – Begrenzung auf Wertschöpfungskette des Endprodukts 260 f. – Wiederholung 261 Praktische Konkordanz 95, 97 Produktionsstaat siehe Gaststaat Qualifikation, IPR – dem Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter zugrunde liegender Konstellationen 137 – 139 – Durchgriffshaftung 170 – Haftung für verletzte Bestandsinteressen 172 f. Rana Plaza 46 f. Recht auf existenzsichernde Löhne 267 f., 269 – 271 Recht auf soziale Sicherheit 267 Rechtsgüter 263 – 271 – Diskrepanz Rechtsgüter und Menschenrechte 264 f. – Existenzsichernde Löhne 267 – Soziale Sicherheit 267 – Systemische Rechtsgutsverletzungen 271 – 274 – Umwelt 266

Stichwortverzeichnis Rechtsstaatlichkeit siehe richterliche Unabhängigkeit Revisibilität ausländischen Rechts 176 Richterliche Unabhängigkeit 70 – 74 Schutzstandard gaststaatlichen Deliktsrechts 154 – 158 Shell 33 – 36, 67, 83 f., 127 f., 145, 156, 219 f., 266, 297, 298 f. Sorgfaltspflicht – als Eingriffsnorm 176, 180 f., 182 – 185 – als Lösung 222 – 226 – Beweislast 300 – 304 – Definition 30 – de lege lata 194 – 197 – Dogmatischer Ausgangspunkt 223 – 226 – Drücken von Preis und Lieferzeit 276 – 279 – Haftung für das Verhalten Dritter 246 f. – im Konzern 293 – 299 – in der Lieferkette 275 – 292 – Kauf vom Händler 281 – 285 – Kausalität 284, 288, 290 f., 298 – Mangelhafte Sicherheitsstandards 279 – 281, 298 f. – rechtspolitische Erforderlichkeit 209 – 226 – Tiefere Ebenen der Lieferkette 285 – 288 – Verhältnis zu vertraglichen Haftungsgrundlagen 244 – 246 – Weigerung des Zulieferers 289 – 292 Sorgfaltspflichtengesetz 24, 28, 30 f., 161, 166 f., 186, 288 f. – als Eingriffsnorm 166 f. – tiefere Zuliefererebenen 286, 288 f. Soziale Sicherheit, Recht auf (Art. 22, 25 I AEMR) 267 Staatsangehörigkeit von Unternehmen 61 – 66; siehe auch Kontrolltheorie Subsidiäre Haftung der deutschen Gesellschaft (§ 5 des Entwurfs) 304 – 307 – Sinn und Zweck 305 f. – Verjährungshemmung 306

371

– Voraussetzungen 306 f. Systemische Mängel im Asylverfahren 272 f. Systemische Rechtsgutsverletzungen 271 – 274 Teilnahme (Deliktsrecht) 86 – 89 Tiefere Ebenen der Lieferkette 285 – 288 – Einflussmöglichkeiten des Abnehmers 287 f. top-down approach 279 tort of negligence 156 f., 195, 225 Trafigura 43 f., 144 Transparency in Supply Chains Act (Kalifornien) 203 – 205 Trennungsprinzip siehe Gesellschaftsrechtliches Trennungsprinzip Ubiquitätsprinzip 176 – 180; siehe auch Wahlrecht des Geschädigten Umwelt als Rechtsgut 266 f. Umweltschäden im IPR (Art. 7 Rom IIVO) 143 – 150 – Analoge Anwendung auf Menschenrechtsverletzungen 149 f. – Einheitstheorie 146 – 148 – Erfolgsort 149 – Handlungsort 144 – 149 – Mosaiktheorie 146 – 148 UN Guiding Principles on Business and Human Rights 161, 209, 221, 232, 225, 261 f., 263, 274 UN Working Group on Business and Human Rights 24, 68 f., 235, 292 Unilever 39 f. Union Carbide 32 f., 215, 240, 241; siehe auch Bhopal UN-Kaufrecht – Anwendungsbereich 134 – 136 – Verhältnis zum IPR 134, 136 f. Vale 51 Vedanta Resources 41 f., 83, 195 f. Verhaltensanreize – gesellschaftsrechtliches Trennungsprinzip 217, 235 – 243 – innergesellschaftliche Haftung von Leitungsorganen 212 f.

372

Stichwortverzeichnis

– Sorgfaltspflichten de lege lata 210 – 212 – Transnationalisierung 213 – 217 Verhaltenssteuerung durch Privatrecht 233 – 235 Verhältnis Menschenrechte und Deliktsrecht siehe Menschenrechte und Deliktsrecht Verjährungshemmung (§ 5 des Entwurfs) 306 Verkehrspflicht siehe Sorgfaltspflicht Vermögensgerichtsstand 90 – 107 – Auslegung 105 f. – Justizanspruch Beklagter 94 f., 96 – Justizanspruch Kläger 94 f., 98 f. – Praxis 106 f. – Verfassungskonforme Auslegung 99 – 102 – Verfassungsmäßigkeit 92 – 99 – Vermögensbegriff, Konkretisierung 99 f., 101 f., 105 f. – Völkerrechtskonformität 102 – 104 – weltweite Zirkulation von Urteilen 96 – 98 – Zusätzlicher Inlandsbezug 91, 106 f. Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter 135 – 139, 188 – 191, 223 f. – als offensichtlich engere Verbindung (Art. 4 Rom II-VO) 152 f. – materiell-rechtliche Haftung 188 – 191 – Qualifikation 137 – 139 – UN-Kaufrecht 135 – 137 Vertrag zu Gunsten Dritter 137, 191, 223, 244 f. – anwendbares Recht 137 Vertragliche Ansprüche im IPR – Anwendungsbereich Rom I-VO 137 – 139

– Bestandsinteressen des Vertragspartners 172 f. – gegen die Konzern-/Zulieferergesellschaft 171 – 174 – gegen die Mutter-/Abnehmergesellschaft 134 – 140 – Grundanknüpfung (Art. 4 Rom I-VO) 139 f. – Individualarbeitsverträge (Art. 8 Rom IVO) 173 f. Verwaltungsrechtliche Regulierung 31, 187, 234; siehe auch Sorgfaltspflichtengesetz – Verhältnis zum Haftungsrecht 234 – Kosten 234 Victims of Trafficking and Violence Protection Act 202 f., 208 f. Völkerrechtliche Jurisdiktionsbegrenzungen 51 – 66 – Einmischungsverbot 54, 55 – genuine-link 56 – 67, 102, 118 f., 126 – 128, 181 f. – präskriptive Jurisdiktion 181 f. Wahlrecht des Geschädigten 143, 159, 176 – 180 Wertschöpfungskette, Definition 29 Wet Zorgpflicht Kinderarbeid (Niederlande) 206 f. Wettbewerbsnachteile 227 – 229 Wintek 47 Zwangsarbeit

49, 141 – 143, 202, 264