Formmängel und ihre Sanktionen: Eine privatrechtsvergleichende Untersuchung 3161471628, 9783161603211, 9783161471629

Verträge sind nichtig, wenn sie den gesetzlichen Formerfordernissen nicht entsprechen. Diese generelle Nichtigkeitssankt

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Formmängel und ihre Sanktionen: Eine privatrechtsvergleichende Untersuchung
 3161471628, 9783161603211, 9783161471629

Table of contents :
Titel
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
I. Ausgangspunkt
1. Die Relevanz der Sanktionierung von Formmängeln für das Verhältnis von Freiheit und Zwang beim formgebundenen Schuldvertrag
2. Die Aktualität der Frage vor dem Hintergrund internationaler und europäischer Rechtsentwicklungen
II. Zur Methodik
1. Zur Ingebrauchnahme der rechtsvergleichenden Methode
2. Insbesondere: Zur Behandlung des europäisierten Vertragsrechts
Teil 1: Systematik der Formverfehlungsfolgen
§ 1 Sanktionssysteme
I. Das Modell des § 125 BGB: Formnichtigkeit als „Grundsatz“ oder „Regelrechtsfolge“?
1. Der Ausgangspunkt: § 125 BGB und die Lehre von der absoluten, amtswegig zu beachtenden Formnichtigkeit
2. Subjektiv-historische Aspekte
3. Leges speciales
4. Zwischenbefund
II. Kontrapunkt: Offenheit des Sanktionssystems im anglo-amerikanischen Rechtskreis
1. Die Offenheit des Sanktionssystems als Ausdruck eines zweckorientierten, additiven Formverständnisses
a. Zum Formverständnis im anglo-amerikanischen Rechtsbereich
b. Das Ergebnis des additiven Formverständnisses: Die Vielfalt der Formverfehlungsfolgen
c. „Formales“ Rechtsdenken und alternative Sanktionsmechanismen
aa. „Formales“ Rechtsdenken
bb. Formvorschriften als Musterbeispiel formalen Rechtsdenkens
cc. Formales Rechtsdenken und Sanktionstypus
2. Die Gefahr des Pluralismus: Inkonsistenzen
3. Zwischenbefund
III. Das „gemischte System“ im österreichischen Privatrecht
1. Die gesetzlichen Grundlagen
a. Das Fehlen eines Grundsatzes der Formnichtigkeit im ABGB
b. Auch § 886 Satz 1 ABGB enthält keinen Grundsatz der Formnichtigkeit
c. Jüngere gesetzliche Entwicklungen
2. Subjektiv-historische Argumente
3. Die Bewertung der Formnichtigkeit in der Lehre
4. Zwischenbefund
IV. Form und Sanktion im europäischen Vertragsrecht
1. Die Pluralität der Formverfehlungsfolgen
2. Primärrechtliche Vorgaben
3. Der europäische Entscheidungseinklang als Kriterium der Sanktionsbestimmung: Kollisionsrechtliche Absicherung der Effektivität der Zielerreichung
4. Die richtlinienrechtlichen Regelungen im einzelnen
a. Die Sanktionierung der Konstitutivformen
aa. Die Identifizierung als Konstitutivform
bb. Allgemeines zur Sanktionierung der Konstitutivformen
(1) Das Sanktionsziel: Folgenlose Lösung vom Vertrag
(2) § 33 BWG: Ein Beispiel EG-rechtswidriger Richtlinienumsetzung
cc. Die richtlinienrechtliche Vordeterminierung der Sanktionierung von Konstitutivurkunden im einzelnen
(1) Der Grad der Vordeterminierung
(2) Insbesondere: Fehlende Angaben in der (Vertrags-)Urkunde
(3) Die richtlinienrechtlichen Vorgaben als Mindeststandard
b. Nichtkonstitutive Urkunden
aa. Das Klagerecht des Begünstigten auf Beurkundung und die Präventivwirkung verstärkende Instrumente
bb. Prolongation von Widerrufsrechten
5. Sanktionsbedürftige Richtlinienvorschriften
6. Zwischenbefund
V. Gesamtbefund
§ 2 Die Gründe für die Formnichtigkeit und ihre Relevanz
I. Die Überdehnung der Nichtigkeit: „Integration“ in die Privatautonomie
1. Der Ansatz von Häsemeyer
2. Kritik
II. Vertragsfreiheit, Formfreiheit und Formzwang: Das Verhältnis und seine Folgerungen für die Sanktionierung von Formverfehlungen
1. Formfreiheit als Teil der Vertragsfreiheit
a. Allgemeines zur Vertragsfreiheit
aa. Vertragsfreiheit als Ausdruck der (wirtschaftlichen) Freiheit der Person
bb. Ökonomische Aspekte
cc. Vertragsfreiheit als Instrument der Planung
b. Vertragsfreiheit und Formfreiheit
c. Exkurs: Die historische Entwicklung der Vertragsfreiheit – von der Wirk- zur Zweckform
aa. Mittelalterlicher Formalismus
bb. Die Entwicklung modernen Vertragsrechtsdenkens
cc. Restriktive legislative Reaktionen
dd. Zwischenbefund
d. Mittelbare Einwirkung des Formzwanges auf die Abschluß- und Endigungsfreiheit
e. Mittelbare Einwirkung des Formzwangs auf die Inhaltsfreiheit
aa. Die Formkosten beschränken die Preisbestimmung der Parteien
bb. „Innere Formen“ standardisieren den Vertragsinhalt
cc. Formfreiheit als Teil der Inhaltsfreiheit?
f. Gesamtbefund
2. Konsequenzen für die Sanktionierung von Formverfehlungen
a. Allgemeines
b. Das Prinzip des gelindesten Mittels und die Formnichtigkeit
c. Das Prinzip der Effektivität des Formgebots
d. Ergebnis und Bedeutung für den Fortgang der Untersuchung
III. Der mangelnde Bezug von Formzweck und Formnichtigkeit
1. Exkurs: Das Problem der Diskussion der Formzwecke
2. Die Form als Seriositätsindiz, Garantin von Übereilungs- und Beratungsschutz sowie Transparenz
a. Allgemeines
b. Eine mangelhafte Willensbildung rechtfertigt keine Nichtigkeitsfolge
c. Der Vergleich der Formnichtigkeit mit der Vertragsanfechtung
d. Insbesondere: Vergleich zu § 118 BGB
e. Ergebnis
3. Die Form als Instrument der Beweissicherung, Prozeßvermeidung und -erleichterung
a. Die Idee des Beweiszwecks
b. Die nur geringfügige Bedeutung des Formzwecks der Beweissicherung aus subjektiv-historischer Sicht
c. Der Garantiewert der Form
aa. Abschlußklarheit
bb. Inhaltsklarheit
d. Schlußfolgerungen für Formzwang und Formsanktion
aa. Die Erleichterung der richterlichen Rechtsfindung
bb. Die erleichterte Rechtsverfolgung zugunsten des aus dem Vertrag Anspruchsberechtigten
cc. Der Schutz des Verpflichteten vor Prozeßbetrug
(1) Die Fragwürdigkeit dieses Formzwecks
(2) Die Möglichkeit umgekehrten Prozeßbetrugs als Folge der Nichtigkeit
(3) Die Möglichkeit umgekehrten Prozeßbetrugs trotz Beurkundung
e. Zusammenfassung
4. Die Publizitätswirkung der Form: Schutz öffentlicher Interessen und solcher Dritter
5. Insbesondere: Die „Immobilisierungsfunktion“ der Form bei der Veräußerung von GmbH-Geschäftsanteilen
IV. Insbesondere: Formelles Rechtsdenken als weitere, konzeptionelle Ursache des mangelnden Bezugs von Formnichtigkeit zu den Formzwecken
1. Das formelle Rechtsdenken und seine Konsequenzen
2. Ökonomische Analyse
3. Die Problematik der Vorteilsabwägung
4. Der von alledem unabhängige Wert der Form
V. Die Präventivfunktion der Nichtigkeit
1. Die Nichtigkeit als „einzig effektive Rechtsfolge“: Präventivwirkung
2. Die Explizierung des Arguments der Präventivfunktion bei Häsemeyer und Westerhoff
3. Kritik und Folgerungen
§ 3 Die Relativierung der Formnichtigkeit
I. Amtswegige Wahrnehmung versus einredeweise Geltendmachung der Nichtigkeit
1. Formvorschriften im Parteieninteresse
a. Bestandsaufnahme
b. Funktionale Aspekte: Präventivwirkung
c. Systematische Aspekte: Heilung als Dispositionsmöglichkeit der Parteien
d. Teleologische Aspekte
2. Formen im Drittinteresse
3. Formen im öffentlichen Interesse
II. Relative statt absoluter Nichtigkeit?
1. Die Abgrenzung der relativen von der einredeweise geltendzumachenden Nichtigkeit
2. Modelle relativer Nichtigkeit zugunsten einer Vertragspartei
a. Die Relativität der Undurchsetzbarkeit nach dem Statute of Frauds: Die personale Abstimmung der Sanktion mit dem Beweiszweck
b. S. 65 par. 1 i.V.m. s. 127 Consumer Credit Act (und vergleichbare Formvorschriften) versus § 6 Abs. 1 VerbrKrG: Die personale Abstimmung der Sanktion mit dem Zweck der Sicherung privatautonomer Entscheidungsfreiheit
c. Das österreichische Beispiel: Die ausdrückliche Regelung des § 3 Abs. 2 BTVG sowie des § 4 Abs. 1 Satz 2 TNG
3. Die Relativierung der Formnichtigkeit im deutschen, österreichischen und europäischen Vertragsrecht im allgemeinen
a. Die relative Nichtigkeit entspricht der Teleologie von Formvorschriften mit einseitiger Schutzrichtung
aa. Die Übertragung der teleologischen Argumente auf alle einseitig schützenden Formvorschriften
bb. Die Treu-und-Glauben-Judikatur des BGH als Beleg für die Richtigkeit der Relativierung
cc. Positivrechtliche Anhaltspunkte einer Relativierung
dd. Rückschluß für die Sanktionierung von konstitutiven Formvorschriften der EG-Richtlinien
b. Ein allfälliger Beweissicherungszweck widerspricht der Relativierung nicht
c. Systematische Erwägungen: Die Abstimmung relativer Nichtigkeit mit der Heilungsmöglichkeit und dem Anfechtungsrecht bei Willensmängeln
aa. Der gedankliche Zusammenhang der Heilung durch Erfüllung mit der relativen Nichtigkeit
bb. Die relative Nichtigkeit nähert sich der Anfechtung bei Willensmängeln
d. Die Optimierung privatautonomen Spielraums und Minimierung der Formkosten
e. Die Aufrechterhaltung und Steigerung der Präventivfunktion und damit der Effizienz des Formgebots
4. Die Bedeutung der „relativen Formnichtigkeit“ bei Formen im Parteieninteresse
a. Formen mit einseitiger Schutzrichtung
aa. Problemstellung
bb. Kein formloser Verzicht auf die Formnichtigkeit
cc. Die Möglichkeit formloser (endgültiger) Vernichtung des Vertrages
dd. Der Schutz der anderen Partei: Anbot der Formnachholung
b. Formen mit beiderseitiger Schutzrichtung
5. Relative Nichtigkeit und Drittschutz
a. Das Konzept relativer Nichtigkeit und die Teleologie der Formvorschriften im Drittinteresse
b. Systematische Argumente
c. Das Argument der Optimierung des Verhältnisses von Vertragsfreiheit und Formzwang
aa. Allgemeines
bb. § 566 BGB
cc. Ehegattenverträge gemäß NZwG
d. Die Effektivität der Formdurchsetzung: Präventivwirkung
e. Der wertpapierrechtliche Einwendungsausschluß gegenüber Erwerbern des Papiers als Beleg für die Richtigkeit der Relativierung der Nichtigkeit im Interesse des Drittschutzes
6. Die Relativierung der Nichtigkeit bei Formen im öffentlichen Interesse
a. Die Bezüglichkeit der Formnichtigkeit auf den Schutz öffentlicher Interessen: Teleologische Abstimmung
b. Wiederum: Effiziente Abstimmung von Vertragsfreiheit und Formzwang
c. Wiederum: Der Präventivgedanke und die Effektivität des Formgebots
d. Beispiele
aa. Die Aufhebung kartellrechtlichen Formzwangs in Österreich und Deutschland
bb. Die Abirrung des österreichischen OGH: Rezeption des § 125 BGB für nichtkonstitutive Formen im öffentlichen Interesse
cc. Formzwang als Registervoraussetzung: Die Bedeutung der relativierten Nichtigkeit insbesondere im Kollisionsrecht
§ 4 Die Materialisierung der Formverfehlungsfolgen
I. Einführender Exkurs: Die Eindämmung formalistischen Rechtsdenkens im Recht der letztwilligen Verfügungen
1. Die Kritik von Fritz von Hippel
2. Ansätze einer Erheblichkeitsprüfung de lege lata: § 2247 BGB
3. Die Erweiterung des Ansatzes in § 2247 BGB im anglo-amerikanischen Rechtskreis: Die Theorie der substantial compliance
II. Die Anwendung materieller Erwägungen bei der Entscheidung über die Formverfehlungssanktion im Bereich des Schuldvertragsrechts
1. Bedarf
a. Allgemeines
b. Differenzierung nach Formtypen
2. Die Bemessung der Erheblichkeit von Äußerlichkeiten betreffenden Formmängeln
a. Ansätze einer Erheblichkeitsprüfung
aa. Formalismus als Rechtsmißbrauch: Die Entscheidung des LG Bremen
bb. Gleichwertigkeitsprüfung durch den BGH: Beurkundungspflicht eines Gesellschafterbeschlusses nach § 48 Abs. 3 GmbHG
cc. Die Sollvorschriften des Beurkundungsgesetzes als artverwandte Beispiele
dd. § 18 Abs. 5 Satz 1 GesmbHG: Die Ansicht von Aicher und Torggler
b. Die Anerkennung ausländischer „Substitutionsformen“ als am Formzweck ausgerichtete Anwendung der Theorie der substantial compliance: Der Beitrag des Kollisionsrechts zur Materialisierung der Formverfehlungsfolgen
c. Der gegenteilige Grundsatz: Die Ablehnung formzweckorientierter Gleichwertigkeitsprüfung im Schuldvertragsrecht im allgemeinen
aa. Das Ausgangsbeispiel: OLG Koblenz zu § 12 Abs. 3 (dt.) VVG
bb. Die vordergründige Berücksichtigung des Formzwecks durch das OLG Koblenz
cc. Die Zulässigkeit mechanischer Unterschriftsverfahren bei ähnlichen Formvorschriften
dd. Der verfehlte Verweis des OLG Koblenz auf die BGH-Rechtsprechung zur Bürgschaftsform
ee. Zwischenbefund
ff. Versteckte Erheblichkeitsprüfung: Die formzweckorientierte Bestimmung des Formtatbestandes
3. Erheblichkeitsprüfung von Inhaltsmängeln im Bereich „traditioneller“ Formen
a. Problemaufriß
b. Prüfung abstrakter Erheblichkeit
aa. Collateral contracts in der englischen Rechtsprechung
bb. Die BGH-Rechtsprechung zu formlosen Nebenabreden ohne wesentliche Bedeutung
cc. Der OGH zur Form der GmbH-Anteilsveräußerung
dd. Prüfung subjektiver Erheblichkeit: Das englische equity-Institut der rectification
c. Gesetzliche Auflistung der erheblichen Formverstöße im europäischen Richtlinienrecht und in den deutschen Umsetzungsgesetzen
d. Beispiele der Prüfung konkreter Erheblichkeit des Formmangels
aa. S. 127 Consumer Credit Act: Die schadensersatzrechtliche Sanktionierung und ihre mögliche Bedeutung für die Umsetzung von Formvorschriften des europäischen Verbrauchervertragsrechts
bb. Die Prüfung konkreter Erheblichkeit von Formmängeln in Mietkündigungsschreiben durch die englische Rechtsprechung
cc. Das Wechselspiel von Form und §§ 871, 872 ABGB
4. Befund
§ 5 Alternative Sanktionsmechanismen
I. Durchsetzung der Form
1. Nachträgliche Formdurchsetzung
2. Generalpräventive Mittel
II. Widerrufs- bzw. Rücktrittsrechte
1. Allgemeines
2. Widerrufsrecht und Nichtigkeit im Vergleich
a. Widerrufsrechte sind Gestaltungsrechte
b. Widerrufsrechte sind befristet
c. Das formelle Rechtsdenken bleibt erhalten
d. Insbesondere: Die Verlängerung von ohnehin gewährten Widerrufsrechten
III. Formzwingendes Privatrecht und Vertragsmodifikation
1. Begriff
2. Die Unterscheidung von anderen Formen der Vertragsmodifikation
3. Charakteristische Elemente formzwingenden Privatrechts
a. Einseitige Schutzrichtung
b. Sanktion für Inhaltsmängel
c. Informed choice als Regelungsziel
d. Die funktionale Unterscheidung formzwingenden und halbzwingenden Vertragsrechts: Wettbewerbsintensivierung statt Standardisierung
e. Insbesondere: Die Wettbewerbsintensivierung durch Formzwang im allgemeinen und das formzwingende Privatrecht im besonderen
f. Inhärente Grenzen der Wettbewerbsintensivierung
IV. Zur steigenden Bedeutung abweichender Sanktionsmechanismen im europäischen Verbrauchervertragsrecht: Von konstitutiven Abschlußformen zu Verhandlungsformen und zum Stufenbau der Formvorschriften
1. Vorbemerkungen
2. Abschlußformen
a. „Klassische“ Abschlußformen
b. Die Dokumentation des Vertragsabschlusses: Bestätigungsurkunden
c. Insbesondere: Formalisierte Belehrung über bestehende Widerrufs- bzw. Rücktrittsrechte
aa. Grundlagen
bb. Die Funktion der Widerrufsbelehrung
cc. Die Komplementärwirkung von Vertragsurkunden
(1) Das Zusammenspiel von Vertragsurkunde und Rücktrittsrecht
(2) Das Gegenbeispiel: Haustürgeschäft-Richtlinie
(3) Die systematische Auslegung der Haustürgeschäft-Richtlinie
(4) Deutsches versus französisches Regelungsmodell
3. Verhandlungsformen
a. Verhandlungsformen als Spezialität europäischen Verbrauchervertragsrechts
b. Der Typus der vorvertraglichen Formen
c. Qualitative Steigerung: Prospekthaftungsvorschriften
d. Ergänzung: Formalisierung der Werbetätigkeit des Unternehmers
4. Befund: Der Stufenbau der Formvorschriften als Ausdruck eines realen Vertragsschlußverständnisses des Richtliniengebers
a. Der Stufenbau der Formvorschriften
b. Das Verhältnis zum tradierten Vertragsverständnis
aa. Die Legitimation des Vertrages durch formalisierte Abschlußverfahren
bb. Das realistische Vertragsverständnis der Richtlinien
5. Rückschlüsse für die Sanktionierung
a. Allgemeines
b. Leitlinien der Sanktionsbestimmung
aa. Relative Nichtigkeit
bb. Die Prüfung materieller Erheblichkeit
cc. Widerrufsrechte
(1) Bestätigungsurkunden und allgemeine Widerrufsrechte
(2) Das Widerrufsrecht als adäquate Sanktion für formalisierte Informationspflichten
cc. Formzwingendes Vertragsrecht
dd. Insbesondere: Prospektangaben
ee. Ergänzung: Generalpräventive Vorkehrungen
Teil 2: Die Beschränkung der Reichweite der Nichtigkeitssanktion
§ 6 Restgültigkeit bei Teilnichtigkeit
I. Die Teilnichtigkeit als Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsprinzips
II. Das gegenläufige Konzept des § 139 BGB: Gesamtnichtigkeit zum Schutz der Privatautonomie?
III. Die Vermutung der Restgültigkeit im österreichischen Vertragsrecht
IV. Die Tendenz zur Aufrechterhaltung teilnichtiger Verträge in England (mit einem Blick auf die Situation in den USA)
1. Das Institut der severance: Allgemeines
2. Keine Anwendung des severance-Prinzips bei formmangelhaften Verträgen?
3. Die Substitutionswirkung anderer Rechtsbehelfe
4. Die Situation in den USA
V. Die Parallelentwicklung in Deutschland: Umkehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses durch Rechtsprechung und Lehre
VI. Einzelheiten und ihre Bedeutung für formgebundene Rechtsgeschäfte
1. Die Einheitlichkeit des Rechtsgeschäfts
a. Die Bedeutung der „Einheitlichkeit“ des Rechtsgeschäfts nach § 139 BGB
aa. Strikte und wirtschaftliche Einheitlichkeit
bb. Die Kritik des Verständnisses von der wirtschaftlichen Einheitlichkeit: Fragestellung
cc. Versuche, die Bestimmung der Einheitlichkeit von jener des hypothetischen Aufrechterhaltungswillens zu trennen: Kritik
dd. Wechsel des Ausgangspunktes: Keine Vermutung der Gesamtnichtigkeit bei nur wirtschaftlicher Einheit
b. Die mangelnde eigenständige Bedeutung der „Einheitlichkeit des Rechtsgeschäfts“ im österreichischen, englischen und US-amerikanischen Recht
aa. Die mangelnde Bedeutung dieser Frage
bb. Insbesondere: Die englische Rechtsprechung zu den sogenannten collateral contracts
cc. Insbesondere: § 147 par. 3 Restatement 2d, Contracts
2. Die verfehlte Vermengung der Teilnichtigkeitsfrage mit jener der Reichweite des Formtatbestands
a. Die Erstreckung des Formgebots mit Hilfe des § 139 BGB: Ein Trugschluß
aa. Der verfehlte Ansatz
bb. Die Rechtsprechung im einzelnen
(1) Rechtsprechungsbeispiele, in denen richtig differenziert wurde
(2) Fälle gleichzeitiger Erstreckung und Rücknahme des Formgebots
(3) Die wirklich kritischen Fälle: Die Erstreckung des Formgebots und Rückerstreckung der Nichtigkeit
(4) Ergebnis: Keine Erstreckung des Formgebots nach § 139 BGB
b. Kontrast: Die ergebnisorientierte englische Rechtsprechung
c. Die richtige Trennung der beiden Fragen durch den OGH
3. Die Teilbarkeit des (einheitlichen) Rechtsgeschäfts und die Teilnichtigkeit
a. Teilbarkeit
b. Teilnichtigkeit
4. Tatsächlicher und „hypothetischer“ Parteiwille
a. Die Diskussion in Deutschland: Ergänzende Vertragsauslegung oder objektivierte richterliche Wertung?
b. Das Bewußtsein der Parteien hinsichtlich der Nichtigkeit: Kein (unwiderlegbarer) Standardfall des Aufrechterhaltungswillens
c. Der Auslegungs- und Geschäftsgrundlagenansatz in § 878 Satz 2 ABGB
d. Die Bedeutung des Parteiwillens in der englischen Rechtsprechung
aa. Der Grundsatz: Die am Parteiwillen orientierte englische Rechtsprechung
bb. Die Konstruktion von unselbständigen Nebenabreden als collateral contracts: Ein Auslegungstrick zur Aufrechterhaltung des Gesamtgeschäfts durch Umgehung der Teilnichtigkeitsproblematik
(1) Die Bestätigung des Auslegungsansatzes durch die collateralcontracts-Rechtsprechung
(2) Die wahre Rechtfertigung der collateral-contracts-Rechtsprechung
cc. Rectification
dd. Die Komplementärwirkung der parol evidene rule bei strikt einheitlichen Verträgen
ee. Der Restbereich „zwingender Gesamtnichtigkeit“
ff. Befund
e. Der Parteiwille als entscheidendes Kriterium in den USA
§ 7 Konversion
I. Allgemeines
II. Die Umdeutung als Komplementärinstitut zur Aufrechterhaltung des Geschäftsrests bei Teilnichtigkeit: dargestellt anhand §§ 139 und 140 BGB
1. Die Unterscheidbarkeit der Institute
a. Die Formel von der qualitativen und quantitativen Teilnichtigkeit
b. Insbesondere: Die Abgrenzung von Teilnichtigkeit und Konversion bei strikt einheitlichen Geschäften
c. Die Gefahr der Überdehnung der Formel von der qualitativen Teilnichtigkeit
2. Die Nähe der Institute und ihre Komplementärwirkung
III. Einzelfragen der Konversion und ihre Bedeutung für das Verhältnis von Freiheit und Zwang beim formgebundenen Vertrag
1. Zur „Nichtigkeit“ des Rechtsgeschäfts: Geht Auslegung der Umdeutung vor?
a. Die deutsche Diskussion und ihre Relevanz
b. Die Erheblichkeit der Frage unter anderen Vorzeichen in Österreich
aa. Konversion als Auslegung: Allgemeines
bb. Ist § 914 ABGB auf nichtige Verträge unanwendbar?
cc. Zur Bedeutung spezieller Konversionsnormen
dd. Wiederum: Hervorhebung des funktionellen Aspekts
c. Die Zurückhaltung der englischen Rechtsprechung als Ursache mangelnder Relevanz der Frage
2. Die Ermittlung des (gültigen) Konversionsgeschäfts anhand des (hypothetischen) Parteiwillens
a. Allgemeines
b. Insbesondere: Umdeutung in ein typisiertes Rechtsgeschäft
c. Das Verbot der Umgehung des Formzwecks: Die Abstimmung der Reichweite des Formgebots mit dem Konversionsrahmen
aa. Allgemeines
bb. Musterfälle: Die formungültige Bürgschaft
(1) Rechtsprechungsbeispiele
(2) Kritik
(3) Die Erstreckung dieser Grundsätze auf das österreichische Recht
cc. Verstoß gegen die Formvorschrift des § 34 GWB a.F
dd. Scheckakzepte durch Banken
ee. Befund: Die komplementäre Abgrenzung der Reichweite des Formgebots vom Konversionsrahmen
3. Die zentrale Bedeutung des tatsächlichen oder hypothetischen Parteiwillens
a. Zum Begriff des hypothetischen Parteiwillens
b. Die Unkenntnis der Nichtigkeit
c. Das Kriterium der identen wirtschaftlichen Wirkungen
aa. Das Paradebeispiel: Umdeutung wechsel- und scheckrechtlicher Erklärungen
(1) Allgemeines
(2) Die insofern umdeutungsfreundliche englische Rechtsprechung
(3) Die österreichische und deutsche Rechtsprechung
(4) Insbesondere: Die deutsche Rechtsprechung zur Umdeutung gezogener Wechsel
bb. Die Affinität der wirtschaftlichen Folgen im übrigen
d. Keine Intensivierung von Rechtsfolgen und Rechtszwang
aa. Grundsatz
bb. Der Musterfall: Keine Umdeutung der Bürgschaft in einen Schuldbeitritt oder eine Garantieerklärung
cc. Die Präzisierung des Grundsatzes im Sinne eines Kriteriums des hypothetischen Parteiwillens
(1) Die Problemlosigkeit der Umdeutung unentgeltlicher Verträge
(2) Das Problem der Umdeutung synallagmatischer Verträge
e. Insbesondere: Die Umdeutung synallagmatischer Verträge unter Wahrung der subjektiven Äquivalenz
§ 8 Geltungserhaltende Auslegung
I. Die geltungserhaltende Auslegung als Ergebnis einer kombinierten Anwendung von Teilnichtigkeit und Konversion
II. Schlußfolgerung: Die Verschmelzung der Institute zur „geltungserhaltenden Auslegung“
III. Die aufrechterhaltende Auslegung als „gesetzeskonforme“ Auslegung bei formnichtigen Verträgen
1. Das Problem
2. § 1a Abs. 1 AbzG schließt geltungserhaltende Auslegung nicht aus
3. Geltungserhaltende Auslegung und Übereilungsschutz
4. Die Fiktion von Tatbestandselementen
IV. Die Bedeutung des Auslegungs- und Geschäftsgrundlagenansatzes für Österreich
§ 9 Die relative Nichtigkeit des Geschäftsrests
I. Problemstellung
II. Die Rechtsprechung in England und USA
1. Die Aufrechterhaltung des Geschäftsrests bei Verzicht auf eine nicht beurkundete Klausel, die nur zugunsten der verzichtenden Partei wirkt
2. Die Aufrechterhaltung des Gesamtgeschäfts bei Bereitschaft zur Erfüllung der nicht beurkundeten Klausel durch die daraus ausschließlich benachteiligte Partei
3. Die teilweise Bestätigung der englischen Rechtsprechung im US-amerikanischen Recht
III. Der Stand der Diskussion und eigener Lösungsansatz nach deutschem BGB
1. Die Aufrechterhaltung des Geschäftsrests durch Verzicht auf begünstigende Klauseln
2. Die Anwendung des Prinzips auf formnichtige Verträge
a. Der Ansatz bei Larenz
b. Die Erstreckung des Prinzips auf formnichtige Verträge
3. Die Erstreckung des Prinzips auf Fälle der Bereitschaft zur Erfüllung nichtiger, ausschließlich benachteiligender Klauseln: Kritik
a. Die spiegelbildliche Lösung dieser Fälle durch Flume
b. Kritik I: Die Ausscheidung der Fälle gesamtnichtiger, strikt einheitlicher Verträge
c. Kritik II: Bedenken gegen die Ansicht Flumes in Fällen der Teilnichtigkeit
d. Ergebnis
4. Die Unterscheidungsfähigkeit der beiden Fallvarianten
5. Die Behandlung gesamtnichtiger, nicht umdeutbarer Rechtsgeschäfte
6. Die Verallgemeinerung des Gedankens
7. Die mangelnde Relevanz einer Klausel: Kein Anwendungsfall der Relativierung derivativer Nichtigkeit
IV. Die Erstreckbarkeit dieser Grundsätze auf österreichisches Recht
§ 10 Bestimmende Nichtigkeitsnormen: Rechtsfolgenbestimmung ohne Rücksicht auf den (hypothetischen) Parteiwillen
I. Allgemeines: Die Subsidiarität der Teilnichtigkeitsbestimmungen
II. Die Anwendbarkeit auf Konversionsfälle
III. Die interessierenden Fallgruppen bestimmender Nichtigkeitsnormen
IV. Die Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Vertragsfreiheit
V. Die Bedeutung bestimmender Nichtigkeitsnormen beim Formzwang
1. Der Ersatz formnichtiger Klauseln durch „formzwingendes“ Privatrecht: Bestimmende Nichtigkeitsnormen mit Substitutionsnormen
a. Bestimmende Nichtigkeitsnormen mit Substitutionsnormen: Formzwingendes Privatrecht
b. Der Musterfall: Vertragsmodifikation nach Verbraucherkreditrecht
aa. Die Regelung des deutschen Verbraucherkreditgesetzes
(1) Die Formvorschrift
(2) Die Sanktion: allgemeines
(3) Die Vertragsmodifikation bei Kreditverträgen im Abwicklungsstadium
bb. Die Bedenken gegen diese Regelung von Häsemeyer
(1) Die Position von Häsemeyer und ihre Kritik
(2) Insbesondere: Die Härte der Sanktion
(3) Die Legitimation des Sanktionstypus der „Teilnichtigkeitsbestimmung mit Substitutionsnorm“
cc. Die „richterrechtliche“ Variante im englischen Consumer Credit Act 1974
dd. Die „Sanktionslosigkeit“ im österreichischen Recht als Verstoß gegen die Verbraucherkredit-Richtlinie
ee. Zwischenbefund: Finalisierung der Rechtsfolgen
c. Die gesetzliche Umdeutung formmangelhafter befristeter Mietverträge
aa. § 566 BGB
bb. § 29 MRG
(1) Die Vorschrift und ihre Wirkungen
(2) Zur Kritik an § 29 MRG und der dazu ergangenen Rechtsprechung
d. Sonderfälle des EG-Richtlinienrechts: Formbindung der Abweichung von vorvertraglichen Zusagen
2. Bestimmende Nichtigkeitsnormen ohne Substitutionsvorschrift
a. Die zwingende Gesamtnichtigkeit
b. Die zwingende Aufrechterhaltung eines Geschäftsrests bzw. Ersatzgeschäfts
aa. S. 2–201 par. 1 UCC: Der vermutete hypothetische Parteiwille
bb. § 956 ABGB: Musterbeispiel einer bestimmenden Konversionsnorm im Bereich der Formnichtigkeit
cc. Bestimmende Nichtigkeitsnormen ohne Substitutionsnorm im Verbraucherkreditrecht
3. Exkurs: Offene Teilnichtigkeitsfragen im deutschen VerbrKrG
a. Die Problematik und drei Lösungsvarianten
b. Der Wortlaut des § 6 Abs. 1 VerbrKrG: Gültigkeit trotz Fehlbeurkundung
c. Keine Anwendung der §§ 139, 140 BGB
d. Keine „automatische Teilnichtigkeit“
aa. Die beiden Argumente von Ulmer für diese Variante
bb. Kritik des ersten Arguments
cc. Kritik des zweiten Arguments
Teil 3: Nichtigkeitsdurchbrechungen
§ 11 Die Heilung des Vertrags infolge vollständiger Erfüllung
I. Der US-amerikanische und englische Grundsatz als „Selbstverständlichkeit“
II. Der allgemeine Heilungsgrundsatz in Österreich
1. § 1432 ABGB: Rückforderungsausschluß oder allgemeiner Heilungstatbestand?
a. Die Vorschrift, ihre Auslegung durch Pisko und die h.L
b. § 1432 ABGB und das Titelerfordernis für den Eigentumserwerb
c. § 1432 ABGB ist nur als echte Heilungsnorm zu erklären
aa. Die auf Häsemeyer gestützten Ansichten von Wilhelm und Berger
bb. Die unterschiedliche Ausgangslage in Österreich und Deutschland
cc. Die Problematik der Sekundäransprüche
dd. Die Konsequenzen anderer Ansichten
(1) Der Widerspruch zum historischen Gesetzgeberwillen
(2) Das unerträgliche Ergebnis der Gegenansichten in Fällen der Gewährleistung (und des Leistungsverzugs)
(3) Das unerträgliche Ergebnis der Gegenansichten in Fällen vertraglicher Schadenersatzansprüche
(4) Das unerträgliche Ergebnis der Gegenansichten im Fall der laesio enormis
d. Befund
2. Insbesondere: § 3 Abs. 2 BTVG
3. Exkurs: Der „besondere“ Heilungstatbestand des § 943 ABGB bzw. § 1 Abs. 1 lit. d NZwG
4. Der allgemeine Heilungstatbestand, das Fehlen einer allgemeinen Heilungsdogmatik und die „Subsidiarität“ des § 1432 ABGB
a. Das Fehlen einer allgemeinen Heilungsdogmatik trotz oder wegen der Existenz eines allgemeinen Heilungstatbestandes
b. Der negative Ansatz: Die Heilungsfeindlichkeit der österreichischen Lehre
5. Zur Bedeutung des Formzwecks (insbesondere dessen Schutzrichtung) für die dogmatische Begründung der Heilung
a. Allgemeiner Ansatz: Keine Beeinträchtigung von Drittschutzinteressen
b. Inbesondere: Heilungsmöglichkeit bei § 1 Abs. 1 lit. a bis c NZwG?
aa. Nur marginale Bedeutung des Gläubigerschutzes?
bb. Der Formzweck spricht für die Heilung
cc. Weitere Aspekte
dd. Die Heilung bei § 1 Abs. 1 lit. a bis c NZwG als Ausnahme
c. Der Vergleich zur Situation bei Formen, die dem Schutz der Parteien dienen
aa. Der Vergleich als gedanklicher Anstoß zur Entwicklung einer Heilungsdogmatik
bb. Der mangelnde Erklärungswert der Formzweckgewährleistung durch Erfüllung
(1) Die Erfüllung als „rechtfertigender Willensakt“
(2) Der „Zweck“ der am Formzweck ausgerichteten Heilungsdogmatik
(3) Sonstige negative Konsequenzen der Lehre vom „rechtfertigenden Willensakt“
cc. Der verbleibende Bedarf nach einer Heilungsdogmatik
dd. Ansätze einer Heilungsdogmatik in Österreich
(1) Vertrauensschutz: Allgemeines
(2) Anhaltspunkte in den Gesetzesmaterialien und bei Zeiller
(3) Der Vertrauensschutz in der Rechtsprechung des OGH
d. Folgerung: Keine Einschränkung der Heilung aus Formzweckgründen
aa. Allgemeines
bb. Insbesondere: Ehegattenverträge gemäß NZwG
(1) Besondere „Drucksituation“?
(2) Kritik weiterer Argumente
6. Befund: Die Formzweckdiskussion als Indikator mangelnder Heilungsdogmatik
III. Der Streit um die Heilung in Deutschland
1. Die Heilungstatbestände und ihre Analogiefähigkeit
a. Die Tatbestände und der Streit um deren Analogiefähigkeit
b. Die h.L. der beschränkten Einzelanalogie
c. Die Argumente für eine Gesamtanalogie
d. Der Positivbefund: Die intensive dogmatische Diskussion der Frage in Deutschland
2. Subjektiv-historische Anhaltspunkte für eine dogmatische Erklärung der „Heilung“ (zugleich eine Kritik der Thesen von Pohlmann)
a. Die Gründe für die Nichteinführung eines generellen Heilungstatbestands
aa. Die beiden Anträge zugunsten eines allgemeinen Heilungstatbestandes
bb. Die überzogene Schlußfolgerung: Ausschluß eines allgemeinen Heilungstatbestandes
cc. Die mangelnde gedankliche Durchdringung der Heilungsfrage
b. Negativabgrenzung: Formzweckerreichung kein Heilungsgrund
aa. Allgemeines
bb. Insbesondere: § 766 Satz 2 BGB
cc. Schlußfolgerung: Die Heilung durch Erfüllung kann durch eine behauptete Formzweckerreichung nicht erklärt werden
c. Positivabgrenzung: „Rechtssicherheit“ zum Schutz des Bestandsinteresses einer (der) Vertragspartei(en) als gesetzgeberisches Motiv
aa. Die Notwendigkeit einer inhaltlichen Bestimmung des Begriffes der „Rechtssicherheit“
bb. „Objektive“ Rechtssicherheit nach Pohlmann
cc. Rechtssicherheit im Sinne erleichterter Rechtsfindung?
dd. Rechtssicherheit im Interesse des Geschäftsverkehrs?
ee. Rechtssicherheit im Parteieninteresse: § 313 Satz 2 BGB
ff. Die ähnlich gelagerten Erwägungen bei § 518 BGB
gg. Die gleichgelagerten Erwägungen bei § 15 Abs. 4 GmbHG
hh. Der Vertrauensschutz als Ausgangspunkt für die Heilung nach § 6 Abs. 2 und Abs. 3 VerbrKrG
3. Die Theorie der formlos gültigen Rechtsgrundabreden
a. Formwidrige Verträge als Rechtsgrundabreden
b. Technische Probleme der Konstruktion von Rechtsgrundabreden
c. Die Lösung der technischen Probleme durch Häsemeyer
d. Konsequenzen
e. Die legislative Abkehr vom Lösungsansatz Häsemeyers
f. Folgerung
4. Erfüllung als Bestätigung des formnichtigen Vertrages?
5. Heilung als Anwendungsfall des Vertrauensschutzes
a. Der Ansatz von W. Lorenz
b. Die Tauglichkeit dieses Erklärungsansatzes
c. Die Bestätigung der Ergebnisse subjektiv-historischer Interpretation
d. Die Heilung als gesetzliche Typisierung des Vertrauensschutzes
§ 12 Die Heilung des Vertrags infolge Teilerfüllung: Der Gedanke der Part Performance
I. Teilweise Heilung bei teilweiser Erfüllung?
1. Teilweise Erfüllung unentgeltlicher Geschäfte
2. Teilweise Erfüllung entgeltlicher Verträge
II. Sonderfälle: Vollständige Heilung durch einseitige Leistung bei entgeltlichen Verträgen
1. Die vollständige Heilung durch einseitige Erfüllung als Beispiel der Relativierung der Nichtigkeit in Österreich
2. Im deutschen Recht
3. Befund
III. Die dynamische Rechtsentwicklung in England und USA: Part performance zwischen rule of evidence und rule of equity
1. Allgemeines zur doctrine of part performance
a. Historisches: part performance als Zwillingsschwester des Formzwangs
b. Die Zweigliedrigkeit des Rechtsinstituts: § 2–201 UCC und die equitable doctrine of part performance
2. Die equitable doctrine of part performance
a. Ursprung und „klassische“ Ausprägung durch Maddison v Alderson
aa. Der Ausgangspunkt: Vermeidung von fraud
bb. Die außervertragliche Natur des Anspruchs
cc. Die Berücksichtigung des Formzwecks: das evidentia-rei-Erfordernis
dd. Beispiele zum evidentia-rei-Erfordernis
ee. Das equitable Element: detriment to the party
ff. Weitere Voraussetzungen
(1) „Im übrigen“ gültiger Vertrag
(2) Die Beschränkung auf Verträge, die mit specific performance durchsetzbar sind, jedoch nicht auf Grundstücksgeschäfte
gg. Die Rechtsfolgen
hh. Die gesetzliche Anerkennung der doctrine of part performance in s. 40 Law of Property Act 1925
b. Die Periode nach dem Inkrafttreten des Law of Property Act 1925 bis Steadman v Steadman (1974):
c. Steadman v Steadman: Höhepunkt und Niedergang der doctrine of part performance?
aa. Schilderung des Falles
bb. Die Gründe und ihre Relevanz
cc. Die dissenting opinions
dd. Die Bedeutung der dissenting opinions: Re Gonin
ee. Die legislative Reaktion: s. 2 Law of Property (Miscellaneous Provisions) Act 1989
d. Zwischenbefund der englischen Rechtsentwicklung
e. Die Bestätigung der englischen Rechtsentwicklung im US-amerikanischen Recht
aa. Die Bestätigung der Entwicklung bei Grundstücksverträgen
bb. Die weitere „Ausdehnung“ des estoppel-Prinzips
§ 13 Die Heilung zum Schutz legitimer Erwartungen in England und anderen anglo-amerikanischen Rechten: Estoppel
I. Allgemeines
II. Die Zweigleisigkeit der englischen Entwicklung: Promissory und proprietary estoppel
1. Die Anerkennung und Ausprägung des promissory estoppel durch die englische equity-Rechtsprechung
a. Anerkennung und Rechtsnatur
b. Die Anlehnung an das estoppel by representation sowie die (versuchte) Aussöhnung mit dem Vertragsrecht
c. Die Voraussetzungen im einzelnen
d. Die Rechtsfolgen
e. Befund
2. Der Lückenfüller: proprietary estoppel
a. Zur Rechtsnatur des proprietary estoppel
b. Die Voraussetzungen im einzelnen
c. Die Flexibilität der Rechtsfolgen
d. Befund
3. Die Verschmelzung der estoppel-Instute in einer „unconscionability-Doktrin“: Englische Tendenzen und australischer Vollzug
a. Unconscionability als gemeinsame Klammer der estoppel-Institute
b. Der Vollzug dieser Entwicklung in Australien
c. Die (progressive) Reaktion der englischen Lehre
III. Exkurs: Die nichtigkeitsbeschränkende Regelung des neuen schottischen Requirements of Writing (Scotland) Act 1995
§ 14 Der Schutz legitimer Erwartungen in Deutschland und Österreich – Teil I: Die Haftung für Verschulden bei Vertragsschluß
I. Die schadensersatzrechtliche Prägung der culpa in contrahendo
II. Die Fallgruppen der culpa in contrahendo im allgemeinen
III. Die Eingrenzung auf formspezifische Fragen
IV. Formnichtigkeit und culpa in contrahendo
1. Die Verletzung vorvertraglicher Pflichten und deren Folgen
a. Die Vereinbarkeit der Haftung aus culpa in contrahendo mit dem Formzwang
b. Das Element der Rechtswidrigkeit als Voraussetzung einer Haftung
c. Die Diskussion um den Haftungsumfang: Symptom des Unbehagens wegen ausufernder Ingebrauchnahme der c.i.c.-Haftung
aa. Der Ersatz des negativen Vertragsinteresses
bb. Der Versuch der Beschränkung des Umfanges des Schadensersatzes auf das negative Interesse: Kritik
cc. Ergebnis: Die Diskussion des Haftungsumfangs ist ein Symptom des Unbehagens gegenüber der schadensersatzrechtlichen Haftung
2. Exemplifizierung der Überdehnungsgefahr: Die Haftung bei grundlosem Abbruch von Vertragsverhandlungen
V. Zwischenbefund
VI. Die Rezeption dieser c.i.c.-Figur in Österreich
1. Die Rezeption in Lehre und Rechtsprechung und abweichende Ansichten
2. Die dennoch bestehende Ergebnisrelevanz der Meinungsdivergenzen in Österreich
a. Die Analogiegrundlage für eine allgemeine c.i.c.-Haftung
aa. Die Ergebnisrelevanz der Frage nach der Analogiegrundlage
bb. Die mangelnde Ergebnisrelevanz für den Bereich vorvertraglicher Aufklärungspflichten
b. C.i.c. und Mitverschuldenseinwand
aa. Die mangelnde Überzeugungskraft der Lehre von der Kulpakompensation bei Haftung aus Verletzung vorvertraglicher Pflichten
bb. Die mangelnde Überzeugungskraft einer Beschränkung der Kulpakompensation auf den unmittelbaren Anwendungsbereich des § 878 Satz 3 ABGB bzw. Art. 8 Nr. 11 4. EVHGB
3. Insbesondere: Die verfehlte schadenersatzrechliche Konstruktion der Haftung für in Aussicht gestellten Vertragsschluß
a. Das Fehlen einer Abschlußpflicht
b. Insbesondere: Analogie zu § 1003 ABGB
c. Insbesondere: Rechtfertigungsgründe für den Abbruch von Vertragsverhandlungen
4. Zwischenbefund
VII. Die Rückständigkeit der c.i.c.-Lösung gegenüber den estoppel-Instituten anglo-amerikanischer Rechtsordnungen
1. Die Bestätigung der Thesen von Köndgen zum Verhältnis von c.i.c. zu (promissory) estoppel
2. Die Rückständigkeit der estoppel-Modelle auf Rechtsfolgenseite
§ 15 Der Schutz legitimer Erwartungen in Deutschland und Österreich – Teil II: Die anspruchsbegründende Kraft von Treu und Glauben (§ 242 BGB)
I. Die Rechtsprechungsentwicklung in Deutschland
1. Die Ursprünge
2. Die (aktuelle) Rechtsprechung des BGH
a. Allgemeines
b. Das Kriterium der Existenzgefährdung
c. Das Kriterium der Treuepflichtverletzung
d. Die Berufung auf die Nichtigkeit nach Genuß erheblicher Eigenvorteile
e. Die „zweckwidrige Berufung auf die Formnichtigkeit“ als Falltypus relativer Nichtigkeit
f. Die Nichtigkeitsdurchbrechungen als Fallbeispiele reiner Billigkeitsjudikatur
II. Die Heilungsähnlichkeit der auf Sittenwidrigkeit gestützten österreichischen Rechtsprechung
1. Die Widersprüchlichkeit der vorhandenen Rechtsprechungsbeispiele
2. Die Nähe dieser Rechtsprechung zur Heilung durch Erfüllung
III. Die Behandlung der Erfüllungshaftung in der Literatur
1. Die neutrale Übernahme der Rechtsprechungsergebnisse
2. Erweiternde, einschränkende und ablehnende Haltungen
a. Der teils einschränkende, teils erweiternde Ansatz bei W. Lorenz
b. Der wesentlich restriktivere Ansatz bei Gernhuber
c. Der grundsätzliche Angriff von Häsemeyer auf die Treu-und-Glauben-Rechtsprechung
3. Die Vertrauenshaftung nach Canaris
4. Die Position von Stoll im Vergleich zu Canaris: Grundsätzliche Bewertung und weiterführende Aspekte
a. Die Bewertung der Position von Stoll
b. Weiterführende Aspekte
5. Weitere Literaturstimmen
6. Die Vereinbarkeit der Vertrauenshaftung mit dem Grundsatz der Privatautonomie
a. Vertrauenshaftung versus Exklusivität rechtsgeschäftlicher Geltungsanordnung
b. Exklusivität beim formgebundenen Rechtsgeschäft?
c. Stellt eine Vertrauenshaftung die Rechtsordnung in Frage?
d. Schutz der Freiheit der Vertragsparteien als Hinderungsgrund einer Vertrauenshaftung?
7. Die Anerkennung der Vertrauenshaftung in Österreich: Die auf Canaris und Bydlinski gestützte Ansicht von Mader
a. Die Bedeutung des Rechtsprechungsbefundes
b. Die österreichische Lehre: Allgemeines
c. Der Begründungsansatz: Systemanalogie zum Recht der Willenserklärungen
d. Die Exemplifizierung: Die rechtsvergleichende Bedeutung des § 418 ABGB
e. Die Einschränkung der Haftung auf Fälle rechtlichen Vertrauens
f. Haftung nur für Wissenserklärungen?
g. Die Identität der weiteren Tatbestandsvoraussetzungen nach Mader und Canaris
8. Vertrauens- oder Versprechenshaftung? – Die Erfüllungshaftung zwischen Selbstbindung und heteronomer Zurechnung
a. Terminologisches: Schutz legitimer Erwartungen nach Köndgen
b. Vom Wesen des Schutzes legitimer Erwartungen: Selbstbindung oder heteronome Zurechnung?
IV. Verfeinerung der Formel von der Vertrauenshaftung nach Canaris
1. Allgemeines
a. Zur Methode
b. Der Ausgangspunkt: Wertungsvergleich zu den Heilungstatbeständen
c. Der Einwand des Fehlens eines allgemeinen Heilungstatbestandes in Deutschland
d. Der dürftige Begründungsstil des historischen Gesetzgebers
2. Der erforderliche Grad der Vertrauensinvestition
a. Die Bestätigung des Erfordernisses irreversibler Vertrauensdispositionen
b. Die Quantität der Vertrauensdisposition
3. Die Relativierung der subjektiven Voraussetzungen: Typenbildung
a. Kenntnis oder Kennenmüssen der Formnichtigkeit
b. Kenntnis bzw. Kennenmüssen der Vertrauensdisposition und gleichgelagerte Situationen
c. Das Element der erhöhten Zurechenbarkeit
d. Einseitige Zurechnung trotz beiderseitig mangelnder Gutgläubigkeit?
4. Eine Formzweckerfüllung ist in concreto nicht erforderlich
a. Die Unerheblichkeit des Kriteriums der Zweckerreichung
b. Die Erheblichkeit der Zweckrichtung
§ 16 Der Schutz legitimer Erwartungen in Deutschland und Österreich – Teil III: Fortentwicklung zur culpa in contrahendo ohne culpa?
I. Die Haftung für grundloses Abbrechen der Vertragsverhandlungen – ein Bindeglied zwischen Erfüllungshaftung und (verschuldensabhängiger) incontrahendo-Haftung?
1. Die deutsche Rechtsprechung im allgemeinen
2. Die Bedeutung für formpflichtige Rechtsgeschäfte
a. Die Position der Rechtsprechung
b. Die kontroversiellen Reaktionen in der Literatur
aa. Die Kontroverse von Kapp und Küpper
bb. Die unbekümmerte Sicht von Emmerich
c. Kritik der von der Rechtsprechung vorgetragenen Argumente
aa. Das Argument anderweitiger Vorsorge
bb. Der Formzweck des § 15 GmbHG
cc. Die Unterscheidung „an sich wirksamer“ von „nichtigen“ Willenserklärungen
dd. Die Vermeidung jeglichen Abschlußzwanges
ee. Die Formpflicht als allgemein bekanntes Faktum
d. Das verbleibende Problem: Die Freiheitsgarantie der Formvorschriften
aa. Der beschränkte Geltungsbereich des Arguments
bb. Die Konkretisierung des Arguments der Freiheitsgarantie
cc. Die Abstimmung mit der Erfüllungshaftung gemäß § 242 BGB
3. Die dogmatische Bedeutung der Rechtsprechung zur Haftung für den grundlosen Abbruch von Vertragsverhandlungen
a. Die Besonderheit der Rechtsprechungsbeispiele
b. Der dogmatische Erklärungsansatz: Jherings Lehre von der culpa in contrahendo
c. Gleichlautende und ähnliche Literaturstimmen
d. Die Bedeutung derartiger Erklärungsansätze
4. Die verbleibende Rückständigkeit gegenüber den estoppel-Instituten
II. Die Zuordnung der Haftung aus §§ 307 und 309 BGB
1. Der verfehlte schadensersatzrechtliche Ansatz
a. Die Unterscheidung zu § 122 BGB
b. Die Kritik der schadensersatzrechtlichen Konstruktion der Haftung aus §§ 307, 309 BGB: Ausgangspunkt
c. Das Fehlen eines rechtswidrigen Verhaltens
d. Das fehlende Verschuldenselement
e. Die unstimmige Regelung des Mitverschuldens
2. Die Schlußfolgerung: Einordnung in das System des Schutzes legitimer Erwartungen
a. Die Vergleichbarkeit des Rechtsgedankens des § 122 BGB mit jenem in §§ 307, 309 BGB
b. Das Verschuldenskriterium der §§ 307, 309 BGB als Risikozurechnungskriterium, welches auch § 122 BGB implizit unterliegt
c. Die Erfüllungshaftung des § 179 Abs. 1 BGB und die §§ 307, 309 BGB
d. Die Widerspruchsfreiheit der Einordnung unter die „Vertrauenshaftung“
III. Die Erweiterungsfähigkeit der Haftung aus §§ 307, 309 BGB
IV. Die Bedeutung dieser Haftungsgrundlage
V. Zur Analogiefähigkeit der „Vertrauenshaftung“ nach §§ 307, 309 BGB für Fälle der Formnichtigkeit nach § 125 BGB
1. Die grundsätzliche Analogiefähigkeit der §§ 307, 309 BGB
2. Die Analogiefähigkeit im Bereich der Formnichtigkeit bei Schutz von Dritt-, Verkehrs- und öffentlichen Interessen
3. Die Analogiefähigkeit im Bereich der Formnichtigkeit bei Schutz von Partei(en)interessen
a. Andere Formzwecke als der Übereilungsschutz
b. „Vertrauenshaftung“ und Übereilungsschutz I: Die Haftung des nicht geschützten Vertragsteils
aa. Zur Bedeutung der Frage trotz relativer Nichtigkeit
bb. Die teleologische Begründung einer Haftung trotz relativer Nichtigkeit
cc. Die Bestätigung des Ergebnisses durch Vergleich zur absoluten Nichtigkeit
dd. Die zeitliche Begrenztheit der Dispositionsmöglichkeit
ee. Ausnahme: Nichtige unentgeltliche Geschäfte
c. Vertrauenshaftung und Übereilungsschutz II: Die Haftung bei Schutz beider Parteien
aa. Das Problem
bb. Der Vergleich zur Erfüllungshaftung aufgrund § 242 BGB
cc. Die Haftung als Instrument der Berücksichtigung individueller Ungleichheit
dd. Das Gegenargument des faktischen Erfüllungsdruckes spielt anderswo auch keine Rolle
ee. Der faktische Erfüllungsdruck wird auch im Bereicherungsrecht nicht berücksichtigt
ff. Der faktische Erfüllungsdruck ist ohnehin unvermeidlich
d. Vertrauenshaftung und Übereilungsschutz III: Die Haftung der allein geschützten Partei
aa. Haftung des Bürgen?
bb. Haftung des Schenkers?
cc. Sonderfall: Formvorschriften als Instrument des Schutzes des Schwächeren
VI. Die verbleibenden Unterschiede zu den estoppel-Instituten: Beurteilung de lege lata und rechtspolitische Erwägungen
1. Auf Rechtsfolgenseite
2. Auf Tatbestandsseite: Das Erfordernis subjektiver Zurechenbarkeit
VII. Die Fruchtbarmachung des Vertrauenshaftungsansatzes im österreichischen Recht
1. Die prima-facie-Übertragbarkeit des Befundes zum deutschen Recht ins österreichische Privatrecht und offene Fragen
2. Zur subjektiv-historischen Aussagekraft des Arguments von Welser
3. Zum Gegenargument der „Singularität“ des § 878 ABGB
a. Die vermeintliche Singularität der Vorschrift
b. Die Unerheblichkeit der Singularität
c. § 878 ABGB ist in Wirklichkeit gar keine singuläre Vorschrift
d. Die Irrelevanz des Arguments, dem ABGB fehle es an einer Parallelbestimmung zu § 122 BGB
4. Die Übertragbarkeit der Sachargumente einer analogen Erstreckung des § 878 ABGB
5. Die rechtspolitische und systematische Überlegenheit dieser Position
a. Der rechtspolitische Vorteil: Gleichzug mit den estoppel-Instituten
b. Der systematische Vorteil: Behebung innerer Widersprüche
c. Die Erweiterungsfähigkeit des Ansatzes
6. Befund
Zusammenfassung: 8 Thesen zu „Formmängel und ihre Sanktionen“
Literaturverzeichnis
Verzeichnis der zitierten Entscheidungen aus anglo-amerikanischen Rechtsordnungen
I. England
II. USA
III. Kanada
IV. Australien

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Beiträge zum ausländischen und internationalen Privatrecht 67 Herausgegeben vom

Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren:

Jürgen Basedow, Klaus J. Hopt und Hein Kötz

ARTIBUS ING

9gu J8iR. KM-t 1-80.1

Helmut Heiss

Formmängel und ihre Sanktionen Eine privatrechtsvergleichende Untersuchung

Mohr Siebeck

Helmut Heiss: geboren 1963 in Innsbruck; Studium an der Universität Innsbruck (Sponsion 1985, Promotion 1987); Studium an der University of Chicago (LL.M. 1990); Habilitation für die Fächer „Österreichisches, europäisches und internationales Privatrecht sowie Privat­ rechtsvergleichung" 1997; derzeit ao. Univ.-Prof. an der Abteilung für Privatrechtsver­ gleichung und Internationales Privatrecht an der Universität Innsbruck.

Die Deutsche Bibliothek- CIP-Einheitsaufnahme Heiss, Helmut: Formmängel und ihre Sanktionen : Eine privatrechtsvergleichende Untersuchung/ Helmut Heiss. - Tübingen : Mohr Siebeck, 1999 (Beiträge zum ausländischen und internationalen Privatrecht ; 67) ISBN 3-16-147162-8 / eISBN 978-3-16-160321-1 unveränderte eBook-Ausgabe 2022

© 1999 J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikro­ verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständigem Werkdruckpapier der Papierfabrik Niefern gedruckt und von der Großbuchbinderei Heinr. Koch in Tübingen gebunden.

ISSN 0720-1141

Vorwort Die vorliegende Arbeit stellt eine leicht überarbeitete Fassung meiner Habilitationsschrift dar. Sie befindet sich auf dem Stand von Sommer 1998, wobei später erschienene Literatur und Rechtsprechung nach Möglichkeit noch eingearbeitet wurden. Verschiedenen Persönlichkeiten und Institutionen möchte ich herzlichst danken: Zuallererst Herm Em.O.Univ.-Prof. Dr. Fritz Reiehert-Facilides^ LL.M., der die Arbeit betreut hat. Ihm war mein wissenschaftliches Fortkommen stets ein persönliches Anliegen; durch ihn habe ich über die Jahre hinweg mannigfaltige Förderung erfahren. Mein Dank gilt auch Herm Univ.-Prof Dr. Anton K. Schnyder, LL.M., für die Erstellung des Zweitgutachtens. Dankbar verbunden bin ich ferner dem Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg, das mir elf Monate lang vorzügliche Arbeitsbedingungen geboten hat. Dasselbe gilt für das Centre for the Advanced Study of European and Comparative Law der University of Oxford, wo ich für einen weiteren Monat als Gast freundschaftlich aufgenommen wurde. Den Herren Direktoren des Max-Planck-Institutes danke ich ferner für die Aufnahme der Schrift in die Reihe der Beiträge zum ausländischen und internationalen Privatrecht. Auch finanzielle Unterstützung durch die Institutionen der Forschungsforderung wurde mir zuteil. Daher möchte ich an dieser Stelle dem österreichischen Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, der mich durch die Gewährung eines einjährigen Erwin-Schrödinger-Auslandsstipendiums in meinem Vorhaben unterstützt hat, meinen herzlichen Dank aussprechen. In vielerlei Hinsicht habe ich persönliche Förderung erfahren. Meine Eltern haben mir nicht nur zur Seite gestanden, sondern auch so manche Alltagslast abgenommen. Meinem Bruder, Herm Mag. Herbert Heiss, danke ich besonders für die hervorragende Betreuung in allen computertechnischen Angelegenheiten; meiner Schwester, Frau MMag. Margit Rauch, für die drucktechnische Gestaltung der Arbeit. Ferner habe ich im Kollegenkreise Persönlichkeiten vorgefunden, die mir in langen Diskussionen wertvolle Anregungen und Kritik gegeben oder - nicht weniger wichtig - einfach zugehört haben. Namentlich danke ich Herm RA Dr. Bernhard Lorenz, LL.M., sowie - aus „Hamburger Zeiten“ - Frau Professor Dr. Noemi Downes, Herrn Dr. Hanno Merkt, LL.M., und Herm Dr. Oliver Remien.

Innsbruck, Dezember 1998

Helmut Heiss

Inhaltsübersicht

Vorwort.......................................................................................................................... V

Abkürzungsverzeichnis...................................................................................... XXXIII

Einleitung....................................................................................................................... 1 Teil 1 Systematik der Formverfehlungsfolgen.............................................................. 9

§

1 Sanktionssysteme................................................................................................... 9

§

2 Die Gründe für die Formnichtigkeit und ihre Relevanz..................................... 39

§

3 Die Relativierung der Formnichtigkeit............................................................... 82

§

4 Die Materialisierung der Formverfehlungsfolgen............................................108

§

5 Alternative Sanktionsmechanismen...................................................................131

Teil 2 Die Beschränkung der Reichweite der Nichtigkeitssanktion........................ 153

§

6 Restgültigkeit bei Teilnichtigkeit...................................................................... 153

§

7 Konversion......................................................................................................... 190

§

8 Geltungserhaltende Auslegung......................................................................... 214

§

9 Die relative Nichtigkeit des Geschäftsrests..................................................... 219

§ 10

Bestimmende Nichtigkeitsnormen: Rechtsfolgenbestimmung ohne Rücksicht auf den (hypothetischen) Parteiwillen.................................... 234

Teil 3 Nichtigkeitsdurchbrechungen.......................................................................... 251 § 11

Die Heilung des Vertrags infolge vollständiger Erfüllung............................ 251

§ 12

Die Heilung des Vertrags infolge Teilerfüllung: Der Gedanke der Part Performance...................................................................................................... 293

§13

Die Heilung zum Schutz legitimer Erwartungen in England und anderen angloamerikanischen Rechten: Estoppel................................................. 326

§ 14

Der Schutz legitimer Erwartungen in Deutschland und Österreich Teil I: Die Haftung für Verschulden bei Vertragsschluß........................352

§ 15

Der Schutz legitimer Erwartungen in Deutschland und Österreich Teil II: Die anspruchsbegründende Kraft von Treu und Glauben (§ 242 BGB).......................................................................................................376

§ 16

Der Schutz legitimer Erwartungen in Deutschland und Österreich Teil III: Fortentwicklung zur culpa in contrahendo ohne culpa?................. 419

Zusammenfassung: 8 Thesen zu „Formmängel und ihre Sanktionen“.................... 459

Literaturverzeichnis.................................................................................................... 461 Verzeichnis der zitierten Entscheidungen aus anglo-amerikanischen Rechtsordnungen....................................................................................................... 493

Sachregister.................................................................................................................501

Inhaltsverzeichnis Vorwort.......................................................................................................................... V

Abkürzungsverzeichnis..................................................................................... XXXIIIII Einleitung......................................................................................................................... 1

Ausgangspunkt......................................................................................................... 1 1. Die Relevanz der Sanktionierung von Formmängeln für das Verhältnis von Freiheit und Zwang beim formgebundenen Schuldvertrag................. 1 2. Die Aktualität der Frage vor dem Hintergrund internationaler und europäischer Rechtsentwicklungen............................................................ 2 II. Zur Methodik.......................................................................................................... 3 1. Zur Ingebrauchnahme der rechtsvergleichenden Methode................ 3 2. Insbesondere: Zur Behandlung des europäisierten Vertragsrechts... 5

I.

Teil 1 Systematik der Formverfehlungsfolgen............................................................. 9 § 1 Sanktionssysteme.................................................................................................... 9

Das Modell des § 125 BGB: Formnichtigkeit als „Grundsatz“ oder „Regelrechtsfolge“?.................................................................................... 9 1. Der Ausgangspunkt: § 125 BGB und die Lehre von der absoluten, amtswegig zu beachtenden Formnichtigkeit............................................. 9 2. Subjektiv-historische Aspekte..............................................................11 3. Leges speciales.................................................................................... 13 4. Zwischenbefund................................................................................... 13 II. Kontrapunkt: Offenheit des Sanktionssystems im anglo-amerikanischen Rechtskreis.................................................................................................. 14 1. Die Offenheit des Sanktionssystems als Ausdruck eines zweckorientierten, additiven Formverständnisses.................................... 14 a. Zum Formverständnis im anglo-amerikanischen Rechtsbereich.14 b. Das Ergebnis des additiven Formverständnisses: Die Vielfalt der Formverfehlungsfolgen........................................................................ 15 c. „Formales“ Rechtsdenken und alternative Sanktionsmechanismen....... 17 aa. „Formales“ Rechtsdenken...................................................................17 bb. Formvorschriften als Musterbeispiel formalen Rechtsdenkens...... 17 cc. Formales Rechtsdenken und Sanktionstypus.................................... 18 2. Die Gefahr des Pluralismus: Inkonsistenzen.......................................18 3. Zwischenbefund................................................................................... 19 III. Das „gemischte System“ im österreichischen Privatrecht................................. 19 1. Die gesetzlichen Grundlagen................................................................19 a. Das Fehlen eines Grundsatzes der Formnichtigkeitim ABGB...............19 b. Auch § 886 Satz 1 ABGB enthält keinen Grundsatz der Formnichtigkeit..................................................................................... 20 c. Jüngere gesetzliche Entwicklungen........................................................ 20 2. Subjektiv-historische Argumente........................................................20 I.

3. Die Bewertung der Formnichtigkeit in der Lehre............................. 21 4. Zwischenbefund.................................................................................. 23 IV. Form und Sanktion im europäischenVertragsrecht...........................................24 1. Die Pluralität der Formverfehlungsfolgen.......................................... 24 2. Primärrechtliche Vorgaben................................................................. 24 3. Der europäische Entscheidungseinklang als Kriterium der Sanktionsbestimmung: Kollisionsrechtliche Absicherung der Effektivität der Zielerreichung.......................................................................................... 25 4. Die richtlinienrechtlichen Regelungen im einzelnen.......................... 28 a. Die Sanktionierung der Konstitutivformen.............................. 28 aa. Die Identifizierung als Konstitutivform............................................ 28 bb. Allgemeines zur Sanktionierung der Konstitutivformen.................. 30 (1) Das Sanktionsziel: Folgenlose Lösung vom Vertrag............... 30 (2) § 33 BWG: Ein Beispiel EG-rechtswidriger Richtlinienumsetzung............................................................... 31 cc. Die richtlinienrechtliche Vordeterminierung der Sanktionierung von Konstitutivurkunden im einzelnen........................................31 (1) Der Grad der Vordeterminierung..............................................31 (2) Insbesondere: Fehlende Angaben inder(Vertrags-)Urkunde ....32 (3) Die richtlinienrechtlichen VorgabenalsMindeststandard..........32 b. Nichtkonstitutive Urkunden......................................................33 aa. Das Klagerecht des Begünstigten auf Beurkundung und die Präventivwirkung verstärkende Instrumente............................... 33 bb. Prolongation von Widerrufsrechten................................................... 34 5. Sanktionsbedürftige Richtlinienvorschriften...................................... 36 6. Zwischenbefund...................................................................................37 V. Gesamtbefund....................................................................................................... 38

§

2 Die Gründe für die Formnichtigkeit und ihre Relevanz................................... 39

Die Überdehnung der Nichtigkeit: „Integration“ in die Privatautonomie......... 39 1. Der Ansatz von Häsemeyer................................................................ 39 2. Kritik.................................................................................................... 40 II. Vertragsfreiheit, Formfreiheit und Formzwang: Das Verhältnis und seine Folgerungen für die Sanktionierung von Formverfehlungen................... 42 1. Formfreiheit als Teil der Vertragsfreiheit........................................... 42 a. Allgemeines zur Vertragsfreiheit.............................................. 42 aa. Vertragsfreiheit als Ausdruck der (wirtschaftlichen) Freiheit der Person............................................................................................42 bb. Ökonomische Aspekte........................................................................43 cc. Vertragsfreiheit als Instrument der Planung......................................44 b. Vertragsfreiheit und Formfreiheit............................................. 44 c. Exkurs: Die historische Entwicklung der Vertragsfreiheit - von der Wirk- zur Zweckform.......................................................................... 45 aa. Mittelalterlicher Formalismus............................................................. 45 bb. Die Entwicklung modernen Vertragsrechtsdenkens.........................47 cc. Restriktive legislative Reaktionen..................................................... 49 I.

dd. Zwischenbefund................................................................................... 50 Mittelbare Einwirkung des Formzwanges auf die Abschluß- und Endigungsfreiheit.................................................................................. 50 e. Mittelbare Einwirkung des Formzwangs auf dieInhaltsfreiheit.52 aa. Die Formkosten beschränken die Preisbestimmung der Parteien . . . 52 bb. „Innere Formen“ standardisieren den Vertragsinhalt........................55 cc. Formfreiheit als Teil der Inhaltsfreiheit?........................................... 56 f. Gesamtbefund.............................................................................. 56 56 2. Konsequenzen für die Sanktionierung von Formverfehlungen........ 56 a. Allgemeines................................................................................. 57 b. Das Prinzip des gelindesten Mittels und die Formnichtigkeit.. 57 c. Das Prinzip der Effektivität des Formgebots............................. 59 d. Ergebnis und Bedeutung für den Fortgang der Untersuchung. III. Der mangelnde Bezug von Formzweck und Formnichtigkeit............................. 59 1. Exkurs: Das Problem der Diskussion der Formzwecke................... 59 2. Die Form als Seriositätsindiz, Garantin von Übereilungs- und Beratungsschutz sowie Transparenz............................................................. 61 a. Allgemeines................................................................................ 61 b. Eine mangelhafte Willensbildung rechtfertigtkeine Nichtigkeitsfolge...62 c. Der Vergleich der Formnichtigkeit mit derVertragsanfechtung.63 d. Insbesondere: Vergleich zu § 118 BGB................................... 64 e. Ergebnis..................................................................................... 64 Die Form als Instrument der Beweissicherung, Prozeßvermeidung und . ........................................................................................................................ 65 a. Die Idee des Beweiszwecks..................................................................... 65 b. Die nur geringfügige Bedeutung des Formzwecks der Beweissicherung aus subjektiv-historischer Sicht............................... 65 c. Der Garantiewert der Form....................................................... 67 aa. Abschlußklarheit................................................................................. 67 bb. Inhaltsklarheit...................................................................................... 67 d. Schlußfolgerungen für Formzwang und Formsanktion............69 aa. Die Erleichterung der richterlichen Rechtsfindung........................... 69 bb. Die erleichterte Rechtsverfolgung zugunsten des aus dem Vertrag Anspruchsberechtigten....................................................69 cc. Der Schutz des Verpflichteten vor Prozeßbetrug............................. 70 (1) Die Fragwürdigkeit dieses Formzwecks................................... 70 (2) Die Möglichkeit umgekehrten Prozeßbetrugs als Folge der Nichtigkeit................................................................................ 70 (3) Die Möglichkeit umgekehrten Prozeßbetrugs trotz Beurkundung............................................................................70 e. Zusammenfassung...................................................................... 71 4. Die Publizitätswirkung der Form. Schutz öffentlicher Interessen und solcher Dritter........................................................................................... 71 5. Insbesondere: Die „Immobilisierungsfunktion" der Form bei der Veräußerung von GmbH-Geschäftsanteilen........................................... 73 d.

IV.

V.

Insbesondere: Formelles Rechtsdenken als weitere, konzeptionelle Ursache des mangelnden Bezugs von Formnichtigkeit zu den Formzwecken..... 74 1. Das formelle Rechtsdenken und seine Konsequenzen........................ 74 2. Ökonomische Analyse........................................................................75 3. Die Problematik der Vorteilsabwägung............................................ 76 4. Der von alledem unabhängige Wert der Form................................... 78 Die Präventivfunktion der Nichtigkeit.................................................................78 1. Die Nichtigkeit als „einzig effektive Rechtsfolge“: Präventivwirkung....... 78 2. Die Explizierung des Arguments der Präventivfunktion bei Häsemeyer und Westerhoff..........................................................................................79 3. Kritik und Folgerungen...................................................................... 80

§ 3 Die Relativierung der Formnichtigkeit................................................................ 82

Amtswegige Wahrnehmung versus einredeweise Geltendmachung der Nichtigkeit................................................................................................... 82 1. Formvorschriften im Parteieninteresse...............................................82 a. Bestandsaufnahme...................................................................... 82 b. Funktionale Aspekte:Präventivwirkung.................................... 83 c. Systematische Aspekte: Heilung als Dispositionsmöglichkeit der Parteien...................................................................................................... 84 d. Teleologische Aspekte............................................................... 86 2. Formen im Drittinteresse......................................................................86 3. Formen im öffentlichen Interesse........................................................ 86 II. Relative statt absoluter Nichtigkeit?.................................................................... 87 1. Die Abgrenzung der relativen von der einredeweise geltendzumachenden Nichtigkeit............................................................... 87 2. Modelle relativer Nichtigkeit zugunsten einer Vertragspartei................... 87 a. Die Relativität der Undurchsetzbarkeit nach dem Statute ofFrauds. Die personale Abstimmung derSanktion mit dem Beweiszweck............ 87 b. S. 65 par. 1 i.V.m. S. 127 Consumer Credit Act (und vergleichbare Formvorschriften) versus § 6 Abs. 1 VerbrKrG: Die personale Abstimmung der Sanktion mit dem Zweck der Sicherung privatautonomer Entscheidungsfreiheit.................................................... 88 c. Das österreichische Beispiel: Die ausdrückliche Regelung des §3 Abs. 2 BTVG sowie des § 4 Abs. . 1 Satz 2 TNG........ 89 3. Die Relativierung der Formnichtigkeit im deutschen, österreichischen und europäischen Vertragsrecht im allgemeinen.......................................... 89 a. Die relative Nichtigkeit entspricht der Teleologie von Formvorschriften mit einseitiger Schutzrichtung.................................... 89 aa. Die Übertragung der teleologischen Argumente auf alle einseitig schützenden Formvorschriften.................................................... 89 bb. Die Treu-und-Glauben-Judikatur des BGH als Beleg für die Richtigkeit der Relativierung............................................................. 90 cc. Positivrechtliche Anhaltspunkte einer Relativierung...................... 91 dd. Rückschluß für die Sanktionierung von konstitutiven Formvorschriften der EG-Richtlinien................................................ 91 I.

b. Ein allfälliger Beweissicherungszweck widerspricht der Relativierung nicht....................................................................................................... 91 c. Systematische Erwägungen: Die Abstimmung relativer Nichtigkeit mit der Heilungsmöglichkeit und dem Anfechtungsrecht bei Willensmängeln.................................................................................... 92 aa. Der gedankliche Zusammenhang der Heilung durch Erfüllung mit der relativen Nichtigkeit.....................................................................92 bb. Die relative Nichtigkeit nähert sich der Anfechtung bei Willensmängeln............................................................................93 d. Die Optimierung privatautonomen Spielraums und Minimierung der Formkosten.......................................................................................... 94 e. Die Aufrechterhaltung und Steigerung der Präventivfunktion und damit der Effizienz des Formgebots....................................................94 4. Die Bedeutung der „relativen Formnichtigkeit“ bei Formen im Parteieninteresse......................................................................................... 95 a. Formen mit einseitiger Schutzrichtung.................................................. 95 95 aa. Problemstellung............................................................................ 96 bb. Kein formloser Verzicht auf die Formnichtigkeit....................... cc. Die Möglichkeit formloser (endgültiger) Vernichtung des Vertrages............................................................................................ 96 dd. Der Schutz der anderen Partei: Anbot der Formnachholung.......... 97 b. Formen mit beiderseitiger Schutzrichtung................................ 97 5. Relative Nichtigkeit und Drittschutz.................................................. 98 a. Das Konzept relativer Nichtigkeit und die Teleologie der 98 Formvorschriften im Drittinteresse..................................................... b. Systematische Argumente........................................................99 c. Das Argument der Optimierung des Verhältnisses von Vertragsfreiheit und Formzwang....................................................... 100 aa. Allgemeines...................................................................................... 100 bb. § 566 BGB....................................................................................... 100 cc. Ehegattenverträge gemäß NZwG................................................... 101 d. Die Effektivität der Formdurchsetzung:Präventivwirkung..... 102 e. Der wertpapierrechtliche Einwendungsausschluß gegenüber Erwerbern des Papiers als Beleg für die Richtigkeit der Relativierung der Nichtigkeit im Interesse des Drittschutzes.............. 102 6. Die Relativierung der Nichtigkeit bei Formen im öffentlichen Interesse.. 103 a. Die Bezüglichkeit der Formnichtigkeit auf den Schutz öffentlicher Interessen: Teleologische Abstimmung............................................. 103 b. Wiederum: Effiziente Abstimmung von Vertragsfreiheit und Formzwang.......................................................................................... 104 c. Wiederum: Der Präventivgedanke und die Effektivität des Formgebots......................................................................................... 105 d. Beispiele.................................................................................................. 105 aa. Die Aufhebung kartellrechtlichen Formzwangs in Österreich und Deutschland................................................................................. 105

bb. Die Abirrung des österreichischen OGH: Rezeption des § 125 BGB für nichtkonstitutive Formen im öffentlichen Interesse............................................................................................ 106 cc. Formzwang als Registervoraussetzung: Die Bedeutung der relativierten Nichtigkeit insbesondere im Kollisionsrecht....... 107 § 4 Die Materialisierung der Formverfehlungsfolgen.............................................. 108

Einführender Exkurs: Die Eindämmung formalistischen Rechtsdenkens im Recht der letztwilligen Verfügungen........................................................108 1. Die Kritik von Fritz von Hippel........................................................108 2. Ansätze einer Erheblichkeitsprüfung de lege lata. § 2247 BGB............ 108 3. Die Erweiterung des Ansatzes in § 2247 BGB im anglo-amerikanischen Rechtskreis: Die Theorie der substantial compliance................................109 II. Die Anwendung materieller Erwägungen bei der Entscheidung über die Formverfehlungssanktion im Bereich des Schuldvertragsrechts.................... 111 1. Bedarf................................................................................................. 111 a. Allgemeines...............................................................................111 b. Differenzierung nach Formtypen.............................................111 2. Die Bemessung der Erheblichkeit von Äußerlichkeiten betreffenden Formmängeln........................................................................................... 112 a. Ansätze einer Erheblichkeitsprüfung....................................... 112 aa. Formalismus als Rechtsmißbrauch: Die Entscheidung des LG Bremen......................................................................................... 112 bb. Gleichwertigkeitsprüfung durch den BGH: Beurkundungspflicht eines Gesellschafterbeschlusses nach § 48 Abs. 3 GmbHG........... 113 cc. Die SollVorschriften des Beurkundungsgesetzes als artverwandte Beispiele............................................................................................ 113 dd. § 18 Abs. 5 Satz 1 GesmbHG: Die Ansicht von Aicher und Torggler...................................................................................... 114 b. Die Anerkennung ausländischer „Substitutionsformen“ als am Formzweck ausgerichtete Anwendung der Theorie der substantial compliance . Der Beitrag des Kollisionsrechts zur Materialisierung der Formverfehlungsfolgen................................................................ 114 c. Der gegenteilige Grundsatz: Die Ablehnung formzweckorientierter Gleichwertigkeitsprüfung im Schuldvertragsrecht im allgemeinen..... 115 aa. Das Ausgangsbeispiel: OLG Koblenz zu § 12 Abs. 3 (dt.)WG.. 115 bb. Die vordergründige Berücksichtigung des Formzwecks durch das OLG Koblenz............................................................................. 116 cc. Die Zulässigkeit mechanischer Unterschriftsverfahren bei ähnlichen Formvorschriften............................................................. 117 dd. Der verfehlte Verweis des OLG Koblenz auf die BGH­ Rechtsprechung zur Bürgschaftsform........................................ 117 ee. Zwischenbefund................................................................................. 118 ff. Versteckte Erheblichkeitsprüfung: Die formzweckorientierte Bestimmung des Formtatbestandes........................................... 118

I.

Erheblichkeitsprüfung von Inhaltsmängeln im Bereich „traditioneller“ Formen.......................................................................................................119 a. Problemaufriß........................................................................... 119 b. Prüfung abstrakter Erheblichkeit.............................................120 aa. Collateral contracts in der englischen Rechtsprechung................ 120 bb. Die BGH-Rechtsprechung zu formlosen Nebenabreden ohne wesentliche Bedeutung..................................................................... 121 cc. Der OGH zur Form der GmbH-Anteilsveräußerung...................... 122 dd. Prüfung subjektiver Erheblichkeit: Das englische equity-Institut der rectification........................................................................... 123 c. Gesetzliche Auflistung der erheblichen Formverstöße im europäischen Richtlinienrecht und in den deutschen Umsetzungsgesetzen........................................................................... 125 d. Beispiele der Prüfung konkreter Erheblichkeit des Formmangels.... 126 aa. S. 127 Consumer Credit Act. Die schadensersatzrechtliche Sanktionierung und ihre mögliche Bedeutung für die Umsetzung von Formvorschriften des europäischen V erbrauchervertragsrechts................................................................ 126 bb. Die Prüfung konkreter Erheblichkeit von Formmängeln in Mietkündigungsschreiben durch die englische Rechtsprechung. . . 128 cc. Das Wechselspiel von Form und §§ 871, 872 ABGB.................... 128 4. Befund................................................................................................. 130

3.

§ 5 Alternative Sanktionsmechanismen.................................................................... 131

Durchsetzung der Form....................................................................................... 131 1. Nachträgliche Formdurchsetzung...................................................... 131 2. Generalpräventive Mittel................................................................... 132 II. Widerrufs- bzw. Rücktrittsrechte.......................................................................132 1. Allgemeines......................................................................................... 132 2. Widerrufsrecht und Nichtigkeit im Vergleich.................................. 133 a. Widerrufsrechte sind Gestaltungsrechte................................. 133 b. Widerrufsrechte sind befristet................................................. 133 c. Das formelle Rechtsdenken bleibt erhalten.............................134 d. Insbesondere. Die Verlängerung von ohnehin gewährten Widerrufsrechten................................................................................ 134 III. Formzwingendes Privatrecht und Vertragsmodifikation............................... 134 1. Begriff.................................................................................................. 134 2. Die Unterscheidung von anderen Formender Vertragsmodifikation........135 3. Charakteristische Elemente formzwingenden Privatrechts.............. 135 a. Einseitige Schutzrichtung......................................................... 135 b. Sanktion für Inhaltsmängel....................................................... 136 c. Informed choice als Regelungsziel......................................... 136 d. Die funktionale Unterscheidung formzwingenden und halbzwingenden Vertragsrechts: Wettbewerbsintensivierung statt Standardisierung...................................................................................... 136 I.

e. Insbesondere: Die Wettbewerbsintensivierung durch Formzwang im allgemeinen und das formzwingende Privatrecht im besonderen... 137 f. Inhärente Grenzen der Wettbewerbsintensivierung................. 138 IV. Zur steigenden Bedeutung abweichender Sanktionsmechanismen im europäischen Verbrauchervertragsrecht: Von konstitutiven Abschlußformen zu Verhandlungsformen und zum Stufenbau der F ormvorschriften............................................................................................... 138 1. Vorbemerkungen.................................................................................. 138 2. Abschlußformen................................................................................... 138 a. „Klassische“ Abschlußformen................................................... 138 b. Die Dokumentation des Vertragsabschlusses: Bestätigungsurkunden. 139 c. Insbesondere: Formalisierte Belehrung über bestehende Widerrufsbzw. Rücktrittsrechte............................................................................... 139 aa. Grundlagen.........................................................................................139 bb. Die Funktion der Widerrufsbelehrung............................................. 140 cc. Die Komplementärwirkung von Vertragsurkunden....................... 140 (1) Das Zusammenspiel von Vertragsurkunde und Rücktrittsrecht 140 (2) Das Gegenbeispiel: Haustürgeschäft-Richtlinie ......... 141 (3) Die systematische Auslegung der Haustürgeschäft-Richtlinie.. 141 (4) Deutsches versus französisches Regelungsmodell.... 142 3. Verhandlungsformen.................................................................................... 143 a. Verhandlungsformen als Spezialität europäischen 143 Verbrauchervertragsrechts............................................................... 144 b. Der Typus der vorvertraglichen Formen.......................................... 144 c. Qualitative Steigerung: Prospekthaftungsvorschriften................... 146 d. Ergänzung: Formalisierung der Werbetätigkeit des Unternehmers 4. Befund: Der Stufenbau der Formvorschriften als Ausdruck eines realen VertragsschlußVerständnisses des Richtliniengebers................................. 147 a. Der Stufenbau der Formvorschriften.................................................... 147 b. Das Verhältnis zum tradierten Vertragsverständnis............................. 147 aa. Die Legitimation des Vertrages durch formalisierte Abschlußverfahren...................................................................... 147 bb. Das realistische Vertragsverständnis der Richtlinien..................... 148 5. Rückschlüsse für die Sanktionierung.......................................................... 149 a. Allgemeines............................................................................................. 149 b. Leitlinien der Sanktionsbestimmung...................................................... 149 aa. Relative Nichtigkeit......................................................................... 149 bb. Die Prüfung materieller Erheblichkeit............................................. 150 cc. Widerrufsrechte................................................................................ 150 150 (1) Bestätigungsurkunden und allgemeine Widerrufsrechte.......... (2) Das Widerrufsrecht als adäquate Sanktion für formalisierte Informationspflichten............................. 151 cc. Formzwingendes Vertragsrecht............................. 151 dd. Insbesondere: Prospektangaben............................. 152 ee. Ergänzung: Generalpräventive Vorkehrungen............................. 152

Teil 2 Die Beschränkung der Reichweite der Nichtigkeitssanktion....................... 153 §

6 Restgültigkeit bei Teilnichtigkeit..........................................................153

I. Die Teilnichtigkeit als Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsprinzips................. 153 II. Das gegenläufige Konzept des § 139 BGB: Gesamtnichtigkeit zum Schutz der Privatautonomie?............................................................................... 153 III. Die Vermutung der Restgültigkeit im österreichischen Vertragsrecht......... 154 IV. Die Tendenz zur Aufrechterhaltung teilnichtiger Verträge in England (mit einem Blick auf die Situation in den USA)....................................................... 156 1. Das Institut der severance. Allgemeines...........................................156 2. Keine Anwendung des severance-Ynnzips bei formmangelhaften Verträgen?................................................................................................156 3. Die Substitutionswirkung anderer Rechtsbehelfe............................ 157 4. Die Situation in den USA................................................................. 157 V. Die Parallelentwicklung in Deutschland: Umkehrung des Regel-Ausnahme­ Verhältnisses durch Rechtsprechung und Lehre..................................... 158 VI. Einzelheiten und ihre Bedeutung für formgebundene Rechtsgeschäfte........ 159 1. Die Einheitlichkeit des Rechtsgeschäfts............................................ 159 a. Die Bedeutung der „Einheitlichkeit“ des Rechtsgeschäfts nach § 139 BGB..................................................................................................... 159 aa. Strikte und wirtschaftliche Einheitlichkeit...................................... 159 bb. Die Kritik des Verständnisses von der wirtschaftlichen Einheitlichkeit: Fragestellung........................................................... 159 cc. Versuche, die Bestimmung der Einheitlichkeit von jener des hypothetischen Aufrechterhaltungswillens zu trennen: Kritik.160 dd. Wechsel des Ausgangspunktes: Keine Vermutung der Gesamtnichtigkeit bei nur wirtschaftlicher Einheit......................... 161 b. Die mangelnde eigenständige Bedeutung der „Einheitlichkeit des Rechtsgeschäfts“ im österreichischen, englischen und USamerikanischen Recht........................................................................ 163 aa. Die mangelnde Bedeutung dieser Frage..........................................163 bb. Insbesondere: Die englische Rechtsprechung zu den sogenannten collateral contracts.................................................... 164 cc. Insbesondere: § 147 par. 3 Restatement 2d, Contracts................ 164 2. Die verfehlte Vermengung der Teilnichtigkeitsfrage mit jener der Reichweite des Formtatbestands............................................................. 165 a. Die Erstreckung des Formgebots mit Hilfe des § 139 BGB: Ein Trugschluß.......................................................................................... 165 aa. Der verfehlte Ansatz......................................................................... 165 bb. Die Rechtsprechung im einzelnen.....................................................166 (1) Rechtsprechungsbeispiele, indenen richtig differenziert wurde 166 (2) Fälle gleichzeitiger Erstreckung und Rücknahme des Formgebots............................................................................. 166 (3) Die wirklich kritischen Fälle: Die Erstreckung des Formgebots und Rückerstreckung der Nichtigkeit.............. 167

Ergebnis: Keine Erstreckung des Formgebots nach § 139 BGB................................................................................... 170 b. Kontrast: Die ergebnisorientierte englische Rechtsprechung............... 170 c. Die richtige Trennung der beiden Fragen durch den OGH...171 3. Die Teilbarkeit des (einheitlichen) Rechtsgeschäfts und die Teilnichtigkeit............................................................................................... 172 a. Teilbarkeit................................................................................ 172 b. Teilnichtigkeit........................................................................... 173 4. Tatsächlicher und „hypothetischer“ Parteiwille............................... 174 a. Die Diskussion in Deutschland: Ergänzende Vertragsauslegung oder objektivierte richterliche Wertung?......................................................... 175 b. Das Bewußtsein der Parteien hinsichtlich der Nichtigkeit: Kein (unwiderlegbarer) Standardfall des Aufrechterhaltungswillens........... 177 c. Der Auslegungs- und Geschäftsgrundlagenansatz in § 878 Satz 2 ABGB....................................................................................................... 178 d. Die Bedeutung des Parteiwillens in der englischen Rechtsprechung... 180 aa. Der Grundsatz: Die am Parteiwillen orientierte englische Rechtsprechung................................................................................. 180 bb. Die Konstruktion von unselbständigen Nebenabreden als collateral contracts. Ein Auslegungstrick zur Aufrechterhaltung des Gesamtgeschäfts durch Umgehung der Teilnichtigkeitsproblematik.............................................................. 181 (1) Die Bestätigung des Auslegungsansatzes durch die collateralcontracts-^Qcht^Qchxin%........................................................... 181 (2) Die wahre Rechtfertigung der collateral-contractsRechtsprechung..................................................................... 183 cc. Rectification...................................................................................... 184 dd. Die Komplementärwirkung der parol evidene rule bei strikt einheitlichen Verträgen............................................................... 185 ee. Der Restbereich „zwingender Gesamtnichtigkeit“........................ 187 ff. Befund.............................................................................................. 188 e. Der Parteiwille als entscheidendes Kriterium in den USA.... 188

(4)

§7 Konversion.......................................................................................................... 190 I. Allgemeines.......................................................................................................... 190 II. Die Umdeutung als Komplementärinstitut zur Aufrechterhaltung des Geschäftsrests bei Teilnichtigkeit: dargestellt anhand §§139 und 140 BGB........................................................................................................... 190 1. Die Unterscheidbarkeit der Institute................................................ 191 a. Die Formel von der qualitativen und quantitativen Teilnichtigkeit...... 191 b. Insbesondere: Die Abgrenzung von Teilnichtigkeit und Konversion bei strikt einheitlichen Geschäften..................................................... 191 c. Die Gefahr der Überdehnung der Formel von der qualitativen Teilnichtigkeit...................................................................................... 192 2. Die Nähe der Institute und ihre Komplementärwirkung.................. 192

III.

Einzelfragen der Konversion und ihre Bedeutung für das Verhältnis von Freiheit und Zwang beim formgebundenen Vertrag...............................193 1. Zur „Nichtigkeit“ des Rechtsgeschäfts: Geht Auslegung der Umdeutung vor?........................................................................................... 193 a. Die deutsche Diskussion und ihre Relevanz...........................193 b. Die Erheblichkeit der Frage unter anderen Vorzeichen in Österreich . 194 aa. Konversion als Auslegung: Allgemeines.......................................... 194 bb. Ist § 914 ABGB auf nichtige Verträge unanwendbar?...................195 cc. Zur Bedeutung spezieller Konversionsnormen...............................195 dd. Wiederum: Hervorhebung des funktionellen Aspekts.................... 196 c. Die Zurückhaltung der englischen Rechtsprechung als Ursache mangelnder Relevanz der Frage.........................................................197 2. Die Ermittlung des (gültigen) Konversionsgeschäfts anhand des (hypothetischen) Parteiwillens............................................................... 197 a. Allgemeines............................................................................... 197 b. Insbesondere: Umdeutung in ein typisiertes Rechtsgeschäft.199 c. Das Verbot der Umgehung des Formzwecks: Die Abstimmung der Reichweite des Formgebots mit dem Konversionsrahmen................... 200 aa. Allgemeines...................................................................................... 200 bb. Musterfälle: Die formungültige Bürgschaft................................... 200 (1) Rechtsprechungsbeispiele........................................................ 200 (2) Kritik......................................................................................... 201 (3) Die Erstreckung dieser Grundsätze auf das österreichische Recht.......................................................................................202 cc. Verstoß gegen die Formvorschrift des § 34 GWB a.F................... 203 dd. Scheckakzepte durch Banken..........................................................204 ee. Befund: Die komplementäre Abgrenzung der Reichweite des Formgebots vom Konversionsrahmen...................................... 205 3. Die zentrale Bedeutung des tatsächlichen oder hypothetischen Parteiwillens............................................................................................ 205 a. Zum Begriff des hypothetischen Parteiwillens........................205 b. Die Unkenntnis der Nichtigkeit.............................................. 206 c. Das Kriterium der identen wirtschaftlichenWirkungen......... 206 aa. Das Paradebeispiel: Umdeutung wechsel- und scheckrechtlicher Erklärungen................................................................................. 206 (1) Allgemeines...............................................................................206 (2) Die insofern umdeutungsfreundliche englische Rechtsprechung..................................................................... 207 (3) Die österreichische und deutsche Rechtsprechung................ 207 (4) Insbesondere: Die deutsche Rechtsprechung zur Umdeutung gezogener Wechsel................................................................208 bb. Die Affinität der wirtschaftlichen Folgen im übrigen..................... 209 d. Keine Intensivierung von Rechtsfolgen und Rechtszwang.... 209 aa. Grundsatz.......................................................................................... 209 bb. Der Musterfall: Keine Umdeutung der Bürgschaft in einen Schuldbeitritt oder eine Garantieerklärung.............................. 210

cc. Die Präzisierung des Grundsatzes im Sinne eines Kriteriums des hypothetischen Parteiwillens...................................................... 210 (1) Die Problemlosigkeit der Umdeutung unentgeltlicher Verträge....................................................................................... 210 (2) Das Problem der Umdeutung synallagmatischer Verträge.... 211 e. Insbesondere: Die Umdeutung synallagmatischer Verträge unter Wahrung der subjektiven Äquivalenz............................................... 212

§ 8 Geltungserhaltende Auslegung......................................................................... 214 Die geltungserhaltende Auslegung als Ergebnis einer kombinierten Anwendung von Teilnichtigkeit und Konversion....................................214 II. Schlußfolgerung: Die Verschmelzung der Institute zur „geltungserhaltenden Auslegung“................................................................................................ 214 III. Die auffechterhaltende Auslegung als „gesetzeskonforme“ Auslegung bei formnichtigen Verträgen.......................................................................... 215 1. Das Problem....................................................................................... 215 2. § la Abs. 1 AbzG schließt geltungserhaltende Auslegung nicht aus........ 215 3. Geltungserhaltende Auslegung und Übereilungsschutz.................. 216 4. Die Fiktion von Tatbestandselementen............................................ 216 IV. Die Bedeutung des Auslegungs- und Geschäftsgrundlagenansatzes für Österreich.................................................................................................. 217

I.

§ 9 Die relative Nichtigkeit des Geschäftsrests....................................................... 219 I. Problemstellung.................................................................................................... 219 II. Die Rechtsprechung in England und USA........................................................ 219 1. Die Aufrechterhaltung des Geschäftsrests bei Verzicht auf eine nicht beurkundete Klausel, die nur zugunsten der verzichtenden Partei wirkt . 220 2. Die Aufrechterhaltung des Gesamtgeschäfts bei Bereitschaft zur Erfüllung der nicht beurkundeten Klausel durch die daraus ausschließlich benachteiligte Partei............................................................ 221 3. Die teilweise Bestätigung der englischen Rechtsprechung im USamerikanischen Recht............................................................................. 222 III. Der Stand der Diskussion und eigener Lösungsansatz nach deutschem BGB .223 1. Die Aufrechterhaltung des Geschäftsrests durch Verzicht auf begünstigende Klauseln.......................................................................... 223 2. Die Anwendung des Prinzips auf formnichtige Verträge................ 224 a. Der Ansatz bei Larenz............................................................ 224 b. Die Erstreckung des Prinzips auf formnichtige Verträge..... 224 3. Die Erstreckung des Prinzips auf Fälle der Bereitschaft zur Erfüllung nichtiger, ausschließlich benachteiligender Klauseln: Kritik................ 225 a. Die spiegelbildliche Lösung dieser Fälle durch Flume.......... 225 b. Kritik I: Die Ausscheidung der Fälle gesamtnichtiger, strikt einheitlicher Verträge............................................................................. 225 c. Kritik II: Bedenken gegen die Ansicht Fiumes in Fällen der T ................................................................................................................226 d. Ergebnis................................................................................... 228

4. Die Unterscheidungsfähigkeit der beiden Fallvarianten.................... 229 5. Die Behandlung gesamtnichtiger, nicht umdeutbarer Rechtsgeschäfte . . . 230 6. Die Verallgemeinerung des Gedankens.............................................231 7. Die mangelnde Relevanz einer Klausel: Kein Anwendungsfall der Relativierung derivativer Nichtigkeit..................................................... 232 IV. Die Erstreckbarkeit dieser Grundsätze auf österreichisches Recht.................. 233

§ 10 Bestimmende Nichtigkeitsnormen: Rechtsfolgenbestimmung ohne Rücksicht auf den (hypothetischen) Parteiwillen.....................

234

234 I. Allgemeines: Die Subsidiarität der Teilnichtigkeitsbestimmungen...... 235 II. Die Anwendbarkeit auf Konversionsfälle............................................... 235 III. Die interessierenden Fallgruppen bestimmender Nichtigkeitsnormen 236 IV. Die Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Vertragsfreiheit............... 236 V. Die Bedeutung bestimmender Nichtigkeitsnormen beim Formzwang. 1. Der Ersatz formnichtiger Klauseln durch „formzwingendes“ Privatrecht: Bestimmende Nichtigkeitsnormen mit Substitutionsnormen.237 a. Bestimmende Nichtigkeitsnormen mit Substitutionsnormen: 237 Formzwingendes Privatrecht b. Der Musterfall: Vertragsmodifikation nach Verbraucherkreditrecht... 23 7 aa. Die Regelung des deutschen Verbraucherkreditgesetzes............. 237 (1) Die Formvorschrift..................................................... 237 (2) Die Sanktion: allgemeines......................................... 238 (3) Die Vertragsmodifikation bei Kreditverträgen im 238 Abwicklungsstadium................................. 238 bb. Die Bedenken gegen diese Regelung von Häsemeyer................. (1) Die Position von Häsemeyer und ihre Kritik............ 238 (2) Insbesondere: Die Härte der Sanktion...................... 239 (3) Die Legitimation des Sanktionstypus der „Teilnichtigkeitsbestimmung mit Substitutionsnorm“..239 cc. Die „richterrechtliche“ Variante im englischen Consumer Credit Act 1974................................. 240 dd. Die „Sanktionslosigkeit“ im österreichischen Recht als Verstoß gegen die Verbraucherkredit-Richtlinie................................. 242 ee. Zwischenbefund: Finalisierung der Rechtsfolgen......................... 242 c. Die gesetzliche Umdeutung formmangelhafter befristeter Mietverträge................................. 243 aa. § 566 BGB................................. 243 bb. §29 MRG....................................................................................... 244 (1) Die Vorschrift und ihre Wirkungen........................... 244 (2) Zur Kritik an § 29 MRG und der dazu ergangenen Rechtsprechung................................. 244 d. Sonderfälle des EG-Richtlinienrechts: Formbindung der Abweichung von vorvertraglichen Zusagen.................................... 245 2. Bestimmende Nichtigkeitsnormen ohne Substitutionsvorschrift............. 246 a. Die zwingende Gesamtnichtigkeit........................................................ 246

b. Die zwingende Aufrechterhaltung eines Geschäftsrests bzw. Ersatzgeschäfts................................................................................... 246 aa. S. 2-201 par. 1 UCC. Der vermutete hypothetische Parteiwille... 246 bb. § 956 ABGB: Musterbeispiel einer bestimmenden Konversionsnorm im Bereich der Formnichtigkeit......................... 247 cc. Bestimmende Nichtigkeitsnormen ohne Substitutionsnorm im Verbraucherkreditrecht....................................................................247 3. Exkurs: Offene Teilnichtigkeitsfragen im deutschen VerbrKrG.............. 248 a. Die Problematik und drei Lösungsvarianten......................... 248 b. Der Wortlaut des § 6 Abs. 1 VerbrKrG: Gültigkeit trotz Fehlbeurkundung..................................................................................... 248 c. Keine Anwendung der §§ 139, 140BGB................................249 d. Keine „automatische Teilnichtigkeit“...................................... 249 aa. Die beiden Argumente von Ulmer für diese Variante................... 249 bb. Kritik des ersten Arguments............................................................ 249 cc. Kritik des zweiten Arguments......................................................... 250 Teil 3 Nichtigkeitsdurchbrechungen......................................................................... 251

§ 11 Die Heilung des Vertrags infolge vollständiger Erfüllung............................. 251

I. Der US-amerikanische und englische Grundsatz als „Selbstverständlichkeit“ ...251 II. Der allgemeine Heilungsgrundsatz in Österreich............................................. 252 1. § 1432 ABGB: Rückforderungsausschluß oder allgemeiner Heilungstatbestand?................................................................................. 252 a. Die Vorschrift, ihre Auslegung durch Pisko und die h.L....... 252 b. § 1432 ABGB und das Titelerfordernis für den Eigentumserwerb...... 253 c. § 1432 ABGB ist nur als echte Heilungsnorm zu erklären... 254 aa. Die auf Häsemeyer gestützten Ansichten von Wilhelm und Berger.......................................................................................... 254 bb. Die unterschiedliche Ausgangslage in Österreich und Deutschland................................................................................. 254 cc. Die Problematik der Sekundäransprüche........................................ 255 dd. Die Konsequenzen anderer Ansichten............................................ 255 (1) Der Widerspruch zum historischen Gesetzgeberwillen..........255 (2) Das unerträgliche Ergebnis der Gegenansichten in Fällen der Gewährleistung (und des Leistungsverzugs)...................... 256 (3) Das unerträgliche Ergebnis der Gegenansichten in Fällen vertraglicher Schadenersatzansprüche................................ 257 (4) Das unerträgliche Ergebnis der Gegenansichten im Fall der laesio enormis....................................................................... 258 d. Befund....................................................................................... 258 2. Insbesondere: § 3 Abs. 2 BTVG...................................................... 258 3. Exkurs: Der „besondere“ Heilungstatbestand des § 943 ABGB bzw. § 1 Abs. 1 lit. dNZwG........................................................................... 259 4. Der allgemeine Heilungstatbestand, das Fehlen einer allgemeinen Heilungsdogmatik und die „Subsidiarität“ des § 1432 ABGB............. 260

Das Fehlen einer allgemeinen Heilungsdogmatik trotz oder wegen der Existenz eines allgemeinen Heilungstatbestandes...................... 260 b. Der negative Ansatz: Die Heilungsfeindlichkeit der österreichischen Lehre................................................................................................... 260 5. Zur Bedeutung des Formzwecks (insbesondere dessen Schutzrichtung) für die dogmatische Begründung der Heilung............................................262 a. Allgemeiner Ansatz: Keine Beeinträchtigung von Drittschutzinteressen.......................................................................... 262 b. Inbesondere: Heilungsmöglichkeit bei § 1 Abs. 1 lit. a bis c NZwG?..262 aa. Nur marginale Bedeutung des Gläubigerschutzes?................. 262 bb. Der Formzweck spricht für die Heilung......................................... 263 cc. Weitere Aspekte............................................................................... 264 dd. Die Heilung bei § 1 Abs. 1 lit. a bis c NZwG als Ausnahme......... 264 c. Der Vergleich zur Situation bei Formen, die dem Schutz der Parteien dienen................................................................................... 265 aa. Der Vergleich als gedanklicher Anstoß zur Entwicklung einer Heilungsdogmatik............................................................................. 265 bb. Der mangelnde Erklärungswert der Formzweckgewährleistung durch Erfüllung.......................................................................... 265 (1) Die Erfüllung als „rechtfertigender Willensakt“...................... 265 (2) Der „Zweck" der am Formzweck ausgerichteten Heilungsdogmatik..................................................................266 (3) Sonstige negative Konsequenzen der Lehre vom „rechtfertigenden Willensakt“............................................... 267 cc. Der verbleibende Bedarf nach einer Heilungsdogmatik................. 267 dd. Ansätze einer Heilungsdogmatik in Österreich.............................. 268 (1) Vertrauensschutz: Allgemeines................................................ 268 (2) Anhaltspunkte in den Gesetzesmaterialien und bei Zeiller.... 268 (3) Der Vertrauensschutz in der Rechtsprechung des OGH....... 269 d. Folgerung: Keine Einschränkung der Heilung aus Formzweckgründen............................................................................270 aa. Allgemeines....................................................................................... 270 bb. Insbesondere: Ehegattenverträge gemäß NZwG............................ 270 (1) Besondere „Drucksituation“?.................................................. 270 (2) Kritik weiterer Argumente.......................................................271 6. Befund: Die Formzweckdiskussion als Indikator mangelnder Heilungsdogmatik.................................................................................... 272 III. Der Streit um die Heilung in Deutschland....................................................... 273 1. Die Heilungstatbestände und ihre Analogiefähigkeit....................... 273 a. Die Tatbestände und der Streit um deren Analogiefähigkeit.273 b. Die h.L. der beschränkten Einzelanalogie.............................. 273 c. Die Argumente für eine Gesamtanalogie................................ 274 d. Der Positivbefund: Die intensive dogmatische Diskussion der Frage in Deutschland.................................................................................... 276 2. Subjektiv-historische Anhaltspunkte für eine dogmatische Erklärung der „Heilung“ (zugleich eine Kritik der Thesen von Pohlmann).............. 276

a.

a. Die Gründe für die Nichteinführung eines generellen 276 Heilungstatbestands......................................................................... aa. Die beiden Anträge zugunsten eines allgemeinen Heilungstatbestandes..................................................................... 276 bb. Die überzogene Schlußfolgerung: Ausschluß eines allgemeinen 277 Heilungstatbestandes............................................................... cc. Die mangelnde gedankliche Durchdringung der Heilungsfrage . . . 278 b. Negativabgrenzung: Formzweckerreichung kein Heilungsgrund...... 278 278 aa. Allgemeines............................................................................... 279 bb. Insbesondere: § 766 Satz 2 BGB............................................ cc. Schlußfolgerung: Die Heilung durch Erfüllung kann durch eine behauptete Formzweckerreichung nicht erklärt werden.............. 280 c. Positivabgrenzung: „Rechtssicherheit“ zum Schutz des Bestandsinteresses einer (der) Vertragspartei(en) als 280 gesetzgeberisches Motiv.................................................................. aa. Die Notwendigkeit einer inhaltlichen Bestimmung des Begriffes der „Rechtssicherheit“.................................................................... 280 bb. „Objektive“ Rechtssicherheit nach Pohlmann............................... 281 cc. Rechtssicherheit im Sinne erleichterter Rechtsfindung?.............. 281 dd. Rechtssicherheit im Interesse des Geschäftsverkehrs?................ .282 ee. Rechtssicherheit im Parteieninteresse: § 313 Satz 2 BGB........... 282 ff. Die ähnlich gelagerten Erwägungen bei § 518 BGB.................... 283 gg. Die gleichgelagerten Erwägungen bei § 15 Abs. 4 GmbHG....... 284 hh. Der Vertrauensschutz als Ausgangspunkt für die Heilung nach § 6 Abs. 2 und Abs. 3 VerbrKrG.................................................. 285 3. Die Theorie der formlos gültigen Rechtsgrundabreden.............. 286 286 a. Formwidrige Verträge als Rechtsgrundabreden............................ 286 b. Technische Probleme der Konstruktion von Rechtsgrundabreden 287 c. Die Lösung der technischen Probleme durch Häsemeyer............. 287 d. Konsequenzen.................................................................................. 288 e. Die legislative Abkehr vom Lösungsansatz Häsemeyers.............. f. Folgerung.......................................................................................... 289 4. Erfüllung als Bestätigung des formnichtigen Vertrages? 289 290 5. Heilung als Anwendungsfall des Vertrauensschutzes.... a. Der Ansatz von W. Lorenz....................... 290 290 b. Die Tauglichkeit dieses Erklärungsansatzes.............. c. Die Bestätigung der Ergebnisse subjektiv-historischer Interpretation .291 d. Die Heilung als gesetzliche Typisierung des Vertrauensschutzes....... 291 § 12 Die Heilung des Vertrags infolge Teilerfüllung: Der Gedanke der Part Performance............................................................................................

293

I. Teilweise Heilung bei teilweiser Erfüllung?....................................................... 293 1. Teilweise Erfüllung unentgeltlicher Geschäfte............................. 293 2. Teilweise Erfüllung entgeltlicher Verträge.................................. 293 II. Sonderfälle: Vollständige Heilung durch einseitige Leistung bei entgeltlichen Verträgen.................................................................................................

Die vollständige Heilung durch einseitige Erfüllung als Beispiel der Relativierung der Nichtigkeit in Österreich............................................ 294 2. Im deutschen Recht........................................................................... 295 3. Befund................................................................................................ 296 III. Die dynamische Rechtsentwicklung in England und USA: Partperformance zwischen rule of evidence und rule ofequity......................................... 296 1. Allgemeines zur doctrine ofpart performance.............................. 296 a. Historisches: partperformance als Zwillingsschwester des Formzwangs............................................................................................ 296 b. Die Zweigliedrigkeit des Rechtsinstituts: § 2-201 UCC und die equitable doctrine ofpart performance............................................ 297 2. Die equitable doctrine ofpart performance.................................... 299 a. Ursprung und „klassische“ Ausprägung durch Maddison v Alderson .299 aa. Der Ausgangspunkt: Vermeidung von fraud.......................... 299 bb. Die außervertragliche Natur des Anspruchs...................................299 cc. Die Berücksichtigung des Formzwecks: das evidentia-rei............................................................................................................300 dd. Beispiele zum evidentia-rei-Erfordemis......................................... 301 ee. Das equitable Element: detriment to the party.............................. 304 ff. Weitere Voraussetzungen................................................................ 306 (1) „Im übrigen“ gültiger Vertrag................................................. 306 (2) Die Beschränkung auf Verträge, die mit specific performance durchsetzbar sind, jedoch nicht auf Grundstücksgeschäfte...... 306 gg. Die Rechtsfolgen.............................................................................. 307 hh. Die gesetzliche Anerkennung der doctrine ofpart performance in 5. 40 Law of Property Act 1925 .................................................. 308 b. Die Periode nach dem Inkrafttreten des Law of Property Act 1925 bis Steadman v Steadman (1974):.......................................................... 308 c. Steadman v Steadman: Höhepunkt und Niedergang der doctrine of part performance?...............................................................................310 aa. Schilderung des Falles......................................................................310 bb. Die Gründe und ihre Relevanz.........................................................310 cc. Die dissenting opinions................................................................... 312 dd. Die Bedeutung der dissenting opinions: Re Gonin........................315 ee. Die legislative Reaktion: s. 2 Law of Property (Miscellaneous Provisions) Act 1989.................................................................. 316 d. Zwischenbefund der englischen Rechtsentwicklung............. 318 e. Die Bestätigung der englischen Rechtsentwicklung im USamerikanischen Recht........................................................................ 319 aa. Die Bestätigung der Entwicklung bei Grundstücksverträgen...... 319 bb. Die weitere „Ausdehnung“ des estoppel-Ennzvps.......................... 322 1.

§13 Die Heilung zum Schutz legitimer Erwartungen in England und anderen anglo-amerikanischen Rechten: Estoppel................................................ 326

I.

Allgemeines

326

Die Zweigleisigkeit der englischen Entwicklung: Promissory und proprietary estoppel................................................................................... 327 1. Die Anerkennung und Ausprägung des promissory estoppel durch die englische equity-Rechtsprechung............................................................ 327 a. Anerkennung und Rechtsnatur............................................... 327 b. Die Anlehnung an das estoppel by representation sowie die (versuchte) Aussöhnung mit dem Vertragsrecht...................................327 c. Die Voraussetzungen im einzelnen......................................... 329 d. Die Rechtsfolgen..................................................................... 331 e. Befund.......................................................................................332 2. Der Lückenfüller: proprietary estoppel............................................ 332 a. Zur Rechtsnatur desproprietary estoppel............................. 332 b. Die Voraussetzungen im einzelnen......................................... 336 c. Die Flexibilität der Rechtsfolgen............................................ 341 d. Befund...................................................................................... 344 3. Die Verschmelzung der estoppel-Institute in einer „unconscionabilityDoktrin“: Englische Tendenzen und australischer Vollzug................... 346 a. Unconscionability als gemeinsame Klammer der estoppel-Institute ... 346 b. Der Vollzug dieser Entwicklung in Australien...................... 347 c. Die (progressive) Reaktion der englischen Lehre.................. 347 III. Exkurs: Die nichtigkeitsbeschränkende Regelung des neuen schottischen Requirements of Writing (Scotland) Act 1995 ....................................... 350

II.

§

14 Der Schutz legitimer Erwartungen in Deutschland und Österreich Teil I: Die Haftung für Verschulden bei Vertragsschluß................................ 352

I. Die schadensersatzrechtliche Prägung der culpa in contrahendo.................... 352 II. Die Fallgruppen der culpa in contrahendo im allgemeinen.............................353 III. Die Eingrenzung auf formspezifische Fragen................................................. 354 IV. Formnichtigkeit und culpa in contrahendo..................................................... 354 1. Die Verletzung vorvertraglicher Pflichten und deren Folgen.......... 354 a. Die Vereinbarkeit der Haftung aus culpa in contrahendo mit dem Formzwang.......................................................................................... 354 b. Das Element der Rechtswidrigkeit als Voraussetzung einer Haftung .355 c. Die Diskussion um den Haftungsumfang: Symptom des Unbehagens wegen ausufemder Ingebrauchnahme der c.i.c.-Haftung................ 356 aa. Der Ersatz des negativen Vertragsinteresses..................................356 bb. Der Versuch der Beschränkung des Umfanges des Schadensersatzes auf das negative Interesse: Kritik................ 357 cc. Ergebnis: Die Diskussion des Haftungsumfangs ist ein Symptom des Unbehagens gegenüber der schadensersatzrechtlichen Haftung........................................................................................359 2. Exemplifizierung der Überdehnungsgefahr: Die Haftung bei grundlosem Abbruch von Vertragsverhandlungen..........................................................359 V. Zwischenbefund........................ ......................................................................... 363 VI. Die Rezeption dieserc.i.c.-Figur in Österreich................................................ 363

Die Rezeption in Lehre und Rechtsprechung und abweichende Ansichten.................................................................................................. 363 2. Die dennoch bestehende Ergebnisrelevanz der Meinungsdivergenzen in Österreich................................................................................................. 364 a. Die Analogiegrundlage für eine allgemeinec.i.c.-Haftung..... 364 aa. Die Ergebnisrelevanz der Frage nach der Analogiegrundlage...... 364 bb. Die mangelnde Ergebnisrelevanz für den Bereich vorvertraglicher Aufklärungspflichten......................................................................... 365 b. C.i.c. und Mitverschuldenseinwand........................................ 366 aa. Die mangelnde Überzeugungskraft der Lehre von der Kulpakompensation bei Haftung aus Verletzung vorvertraglicher Pflichten............................................................................................ 366 bb. Die mangelnde Überzeugungskraft einer Beschränkung der Kulpakompensation auf den unmittelbaren Anwendungsbereich des § 878 Satz 3 ABGB bzw. Art. 8 Nr. 11 4. ............................. 368 3. Insbesondere: Die verfehlte schadenersatzrechliche Konstruktion der Haftung für in Aussicht gestellten Vertragsschluß................................ 369 a. Das Fehlen einer Abschlußpflicht........................................... 369 b. Insbesondere: Analogie zu § 1003 ABGB............................. 370 c. Insbesondere: Rechtfertigungsgründe für den Abbruch von Vertragsverhandlungen........................................................................... 371 4. Zwischenbefund................................................................................. 372 VII. Die Rückständigkeit der c.i.c. -Lösung gegenüber den estoppel-Instituten anglo-amerikanischer Rechtsordnungen.................................................. 373 1. Die Bestätigung der Thesen von Köndgen zum Verhältnis von c.i.c. zu (promissory) estoppel.............................................................................. 373 2. Die Rückständigkeit der estoppel-Modelle auf Rechtsfolgenseite. 374 1.

§ 15 Der Schutz legitimer Erwartungen in Deutschland und Österreich Teil II: Die anspruchsbegründende Kraft von Treu und Glauben (§ 242 BGB)...................................................................................................... 376

Die Rechtsprechungsentwicklung in Deutschland............................................. 376 1. Die Ursprünge...............................................................................................376 2. Die (aktuelle) Rechtsprechung des BGH......................................... 377 a. Allgemeines........................................................................................... 377 b. Das Kriterium der Existenzgefährdung............................................... 378 c. Das Kriterium der Treuepflichtverletzung........................................... 379 d. Die Berufung auf die Nichtigkeit nach Genuß erheblicher Eigenvorteile...................................................................................... 380 e. Die „zweckwidrige Berufung auf die Formnichtigkeit“ als Falltypus relativer Nichtigkeit........................................................................... 380 f. Die Nichtigkeitsdurchbrechungen als Fallbeispiele reiner Billigkeitsjudikatur............................................................................ 380 II. Die Heilungsähnlichkeit der auf Sittenwidrigkeit gestützten österreichischen Rechtsprechung....................................................................................... 381 1. Die Widersprüchlichkeit der vorhandenen Rechtsprechungsbeispiele...... 381

I.

2. Die Nähe dieser Rechtsprechung zur Heilung durch Erfüllung..... 382 Die Behandlung der Erfüllungshaftung in der Literatur................................ 383 1. Die neutrale Übernahme der Rechtsprechungsergebnisse.............. 383 2. Erweiternde, einschränkende und ablehnende Haltungen............... 385 a. Der teils einschränkende, teils erweiternde Ansatz bei W. Lorenz....... 385 b. Der wesentlich restriktivere Ansatz bei Gernhuber.............. 385 c. Der grundsätzliche Angriff von Häsemeyer auf die Treu-und-Glauben-Rechtsprechung.................................................. 386 3. Die Vertrauenshaftung nach Canaris........................................................387 4. Die Position von Stoll im Vergleich zu Canaris. Grundsätzliche Bewertung und weiterführende Aspekte............................................... 390 a. Die Bewertung der Position von Stoll................................... 390 b. Weiterführende Aspekte.......................................................... 391 5. W eitere Literaturstimmen.......................................................................... 396 6. Die Vereinbarkeit der Vertrauenshaftung mit dem Grundsatz der Privatautonomie....................................................................................... 396 a. Vertrauenshaftung versus Exklusivität rechtsgeschäftlicher Geltungsanordnung.................................................................................. 396 b. Exklusivität beim formgebundenen Rechtsgeschäft?............. 397 c. Stellt eine Vertrauenshaftungdie Rechtsordnungin Frage?....398 d. Schutz der Freiheit der Vertragsparteien als Hinderungsgrund einer Vertrauenshaftung?..................................................................................399 7. Die Anerkennung der Vertrauenshaftung in Österreich: Die auf Canaris und Bydlinski gestützte Ansicht von Mader.......................................... 400 a. Die Bedeutung des Rechtsprechungsbefundes...................... 400 b. Die österreichische Lehre: Allgemeines................................. 401 c. Der Begründungsansatz: Systemanalogie zum Recht der Willenserklärungen............................................................................. 402 d. Die Exemplifizierung: Die rechtsvergleichende Bedeutung des §418 ABGB............................................................................................ 402 e. Die Einschränkung der Haftung auf Fälle rechtlichen Vertrauens....... 403 f. Haftung nur für Wissenserklärungen?.................................... 404 g. Die Identität der weiteren Tatbestandsvoraussetzungen nach Mader und Canaris............................................................................................. 405 8. Vertrauens- oder Versprechenshaftung? - Die Erfüllungshaftung zwischen Selbstbindung und heteronomer Zurechnung........................ 406 a. Terminologisches: Schutz legitimer Erwartungen nach Köndgen....... 406 b. Vom Wesen des Schutzes legitimer Erwartungen: Selbstbindung oder heteronome Zurechnung?............................................................... 406 IV. Verfeinerung der Formel vonder Vertrauenshaftung nach Canaris...............408 1. Allgemeines......................................................................................... 408 a. Zur Methode............................................................................. 408 b. Der Ausgangspunkt: Wertungsvergleich zu den Heilungstatbeständen......................................................................... 409 c. Der Einwand des Fehlens eines allgemeinen Heilungstatbestandes in Deutschland........................................................................................ 410

III.

d. 2.

a. b.

3. a. b. c. d.

4.

a. b.

Der dürftige Begründungsstil des historischen Gesetzgebers............... 411 Der erforderliche Grad der Vertrauensinvestition .......................... 411 Die Bestätigung des Erfordernisses irreversibler Vertrauensdispositionen.......................................................................... 411 Die Quantität der Vertrauensdisposition................................. 412 Die Relativierung der subjektiven Voraussetzungen: Typenbildung........ 414 Kenntnis oder Kennenmüssen der Formnichtigkeit................414 Kenntnis bzw. Kennenmüssen der Vertrauensdisposition und gleichgelagerte Situationen............................................................... 414 Das Element der erhöhten Zurechenbarkeit............................ 415 Einseitige Zurechnung trotz beiderseitig mangelnder Gutgläubigkeit?415 Eine Formzweckerfüllung ist in concreto nicht erforderlich.......... 417 Die Unerheblichkeit des Kriteriums der T^tckerreichung ...417 Die Erheblichkeit der Zv^eckrichtung.................................... 417

§ 16 Der Schutz legitimer Erwartungen in Deutschland und Österreich Teil III: Fortentwicklung zur culpa in contrahendo ohne culpal................. 419

I.

Die Haftung für grundloses Abbrechen der Vertragsverhandlungen - ein Bindeglied zwischen Erfüllungshaftung und (verschuldensabhängiger) incontrahendo-Ha^ung?............................................................................. 419 1. Die deutsche Rechtsprechung im allgemeinen................................. 419 2. Die Bedeutung für formpflichtige Rechtsgeschäfte......................... 420 a. Die Position der Rechtsprechung........................................... 420 b. Die kontroversiellen Reaktionen in der Literatur.................. 422 aa. Die Kontroverse von Kapp und Küpper......................................... 422 bb. Die unbekümmerte Sicht von Emmerich........................................ 423 c. Kritik der von der Rechtsprechung vorgetragenen Argumente........ 424 aa. Das Argument anderweitiger Vorsorge.................................... 424 bb. Der Formzweck des § 15 GmbHG.................................................. 425 cc. Die Unterscheidung „an sich wirksamer“ von „nichtigen“ Willenserklärungen........................................................................... 425 dd. Die Vermeidung jeglichen Abschlußzwanges................................ 425 ee. Die Formpflicht als allgemein bekanntes Faktum........................... 426 d. Das verbleibende Problem: Die Freiheitsgarantie der Formvorschriften.................................................................................... 426 aa. Der beschränkte Geltungsbereich des Arguments.......................... 426 bb. Die Konkretisierung des Arguments der Freiheitsgarantie...........427 cc. Die Abstimmung mit der Erfüllungshaftung gemäß § 242 BGB... 427 3. Die dogmatische Bedeutung der Rechtsprechung zur Haftung für den grundlosen Abbruch von Vertragsverhandlungen...................................... 428 a. Die Besonderheit der Rechtsprechungsbeispiele................... 428 b. Der dogmatische Erklärungsansatz: Jherings Lehre von der culpa in contrahendo....................................................................................... 428 c. Gleichlautende und ähnliche Literaturstimmen.......................430 d. Die Bedeutung derartiger Erklärungsansätze........................ 430 4. Die verbleibende Rückständigkeit gegenüber den estoppel-Instituten..... 431

II. Die Zuordnung der Haftung aus §§ 307 und 309 BGB...................................... 431 1. Der verfehlte schadensersatzrechtliche Ansatz.......................................... 431 a. Die Unterscheidung zu § 122 BGB....................................................... 431 b. Die Kritik der schadensersatzrechtlichen Konstruktion der Haftung aus §§ 307, 309 BGB: Ausgangspunkt.............................................432 c. Das Fehlen eines rechtswidrigen Verhaltens......................................... 432 d. Das fehlende Verschuldenselement........................................................ 434 e. Die unstimmige Regelung des Mitverschuldens....................................434 2. Die Schlußfolgerung: Einordnung in das System des Schutzes legitimer Erwartungen............................................................................................ 435 a. Die Vergleichbarkeit des Rechtsgedankens des § 122 BGB mit jenem in §§ 307, 309 BGB.................................................................435 b. Das Verschuldenskriterium der §§ 307, 309 BGB als Risikozurechnungskriterium, welches auch § 122 BGB implizit unterliegt............................................................................................ 436 c. Die Erfüllungshaftung des § 179 Abs. 1 BGB und die §§ 307, 309 BGB......................................................................................................... 437 d. Die Widerspruchsfreiheit der Einordnung unter die 437 „Vertrauenshaftung“............................... III. Die Erweiterungsfähigkeit der Haftung aus §§ 307, 309 BGB..................... 438 IV. Die Bedeutung dieser Haftungsgrundlage....................................................... 438 V. Zur Analogiefähigkeit der „Vertrauenshaftung“ nach §§ 307, 309 BGB für 439 Fälle der Formnichtigkeit nach § 125 BGB.......................................... 439 1. Die grundsätzliche Analogiefähigkeit der §§ 307, 309 BGB........ 2. Die Analogiefähigkeit im Bereich der Formnichtigkeit bei Schutz von 440 Dritt-, Verkehrs- und öffentlichen Interessen..................................... 3. Die Analogiefähigkeit im Bereich der Formnichtigkeit bei Schutz von Partei(en)interessen............................................................................... 441 a. Andere Formzwecke als der Übereilungsschutz............................ 441 b. „Vertrauenshaftung“ und Übereilungsschutz I: Die Haftung des nicht geschützten Vertragsteils............................................................ 443 aa. Zur Bedeutung der Frage trotz relativer Nichtigkeit.................. 443 bb. Die teleologische Begründung einer Haftung trotz relativer Nichtigkeit...................................................................................... 443 cc. Die Bestätigung des Ergebnisses durch Vergleich zur absoluten 443 Nichtigkeit............................... dd. Die zeitliche Begrenztheit der Dispositionsmöglichkeit............. 443 ee. Ausnahme: Nichtige unentgeltliche Geschäfte............................ 444 c. Vertrauenshaftung und Übereilungsschutz II: Die Haftung bei Schutz beider Parteien.................................................................... 444 aa. Das Problem............................................................................. 444 bb. Der Vergleich zur Erfüllungshaftung aufgrund § 242 BGB. 445 cc. Die Haftung als Instrument der Berücksichtigung individueller Ungleichheit................................................................................... 446 dd. Das Gegenargument des faktischen Erfüllungsdruckes spielt anderswo auch keine Rolle.....................................................

ee. Der faktische Erfüllungsdruck wird auch im Bereicherungsrecht nicht berücksichtigt..................................................................... 447 ff. Der faktische Erfüllungsdruck ist ohnehin unvermeidlich.............. 448 d. Vertrauenshaftung und Übereilungsschutz III: Die Haftung der allein geschützten Partei....................................................................................448 aa. Haftung des Bürgen?........................................................................448 bb. Haftung des Schenkers?................................................................... 449 cc. Sonderfall: Formvorschriften als Instrument des Schutzes des Schwächeren..................................................................................... 450 VI. Die verbleibenden Unterschiede zu den estoppel-Instituten: Beurteilung de lege lata und rechtspolitische Erwägungen....................................... 450 1. Auf Rechtsfolgenseite........................................................................450 2. Auf Tatbestandsseite: DasErfordernis subjektiver Zurechenbarkeit........ 451 VII. Die Fruchtbarmachung des Vertrauenshaftungsansatzes im österreichischen Recht......................................................................................................... 451 1. Die prima-facie-Übertragbarkeit des Befundes zum deutschen Recht ins österreichische Privatrecht und offene Fragen...................................... 451 2. Zur subjektiv-historischen Aussagekraft des Arguments von Welser...... 452 3. Zum Gegenargument der „Singularität“ des § 878 ABGB.............453 a. Die vermeintliche Singularität der Vorschrift........................ 453 b. Die Unerheblichkeit der Singularität...................................... 453 c. § 878 ABGB ist in Wirklichkeit gar keine singuläre Vorschrift....... 454 d. Die Irrelevanz des Arguments, dem ABGB fehle es an einer Parallelbestimmung zu § 122 BGB........................................................ 454 4. Die Übertragbarkeit der Sachargumente einer analogen Erstreckung des § 878 ABGB................................................................................................. 455 5. Die rechtspolitische und systematische Überlegenheit dieser Position.. 456 a. Der rechtspolitische Vorteil: Gleichzug mit den estoppel-Instituten ...456 b. Der systematische Vorteil: Behebung innerer Widersprüche......... 456 c. Die Erweiterungsfähigkeit des Ansatzes.......................................... 457 6. Befund............................................................................................... 458 Zusammenfassung: 8 Thesen zu „Formmängel und ihre Sanktionen . ..................459 Literaturverzeichnis.................................................................................................... 461 Verzeichnis der zitierten Entscheidungen aus anglo-amerikanischen Rechtsordnungen..................................................................................

493

I. England.............................................................................................. II. USA.................................................................................................. III. Kanada............................................................................................. IV. Australien.......................................................................................

493 498 499 499

Sachregister..........................................................................................

501

Abkürzungsverzeichnis A A.A. ABA ABGB ABI. Abs. AbzG AC AcP a.F. AG Ala.Civ.App. ALI AllER

ALR

Alta. Anfo

Anstr AppCas ArbuR arg. Ariz.Ct.App. Art. Assoc. Assur. AT AußStrG

B&C B. BAG BB BCLC Beav BesT BeurkG BGB BGBl. BGH BGHZ Blg.st.Prot.

Atlantic Reporter anderer Ansicht American Bar Association Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch Amtsblatt Absatz Abzahlungsgesetz Appeal Cases Archiv für die civilistische Praxis alte Fassung Aktiengesellschaft bei Entscheidungszitaten: Amtsgericht Court of Civil Appeals (Alabama) American Law Institute All England Law Reports Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten bei Entscheidungszitaten: Australian Law Reports Alberta (Canada) Anfechtungsordnung Anstruther's Exchequer Reports Law Reports, Appeal Cases Arbeit und Recht argumentum Court of Appeals (Arizona) Artikel Association Assurance Allgemeiner Teil Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen Bamewall and Cresswell's King s Bench Reports Baron Bundesarbeitsgericht Der Betriebs-Berater Butterworths Company Law Cases Beavan's Rolls Court Reports Besonderer Teil Beurkundungsgesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Beilage zu den stenographischen Protokollen

XXXIV

BT-DS BTVG

Btx Burr BVerfG BVergG BWG bzw. ca. CB C.B. C.i.c. C.J. CA Cal. Cal.Ct.App. Cal.Rptr. CB CCLR Ch Ch.J. ChD Cir. Cmd. CMLRev

Co. Colo.Ct.App. Com.Ct. Conn. Conv Corp. CR (oder: CuR) Ct.Cl. D.Mass D.Utah DB Deed. Del. Dept. dgl. Dist. DLR

Abkürzungsverzeichnis

Bundestags-Drucksache Bundesgesetz, mit dem Regelungen über den Erwerb von Rechten an Gebäuden und Wohnungen von Bauträgern getroffen werden (Bauträgervertragsgesetz - BTVG) und das Wohnungseigentumsgesetz 1975 geändert wird Bildschirmtext Burrows' Kings Bench Report Bundesverfassungsgericht Bundesvergabegesetz Bankwesengesetz beziehungsweise cirka Common Bench Reports Court Baron culpa in contrahendo Chief Justice Court of Appeal Supreme Court (California) Court of Appeal (California) West's California Reporter Common Bench Report Consumer Credit Law Reports Law Reports, Chancery Division (seit 1891) Chief Justice Law Reports, Chancery Division (1875 - 1890) Circuit Command Paper (Paper represented by Command of Her Majesty) Common Market Law Review Company Court of Appeals (Colorado) Commercial Court Supreme Court (Connecticut) Conveyancer & Property Lawyer Corporation Computerrecht Court of Claims District Court (Massachusetts) District Court (Utah) Der Betrieb Deceased Supreme Court (Delaware) Department dergleichen District Dominion Law Reports

DNotI-Report DNotZ DRdA Dt. EC EC-Karte ecolex ed. (eds.) EDI EF EG

EGCS EGLR EGV endg. Eq ERPL et al. etc. EuGH EuR EuZW EvBl EWG EWiR EWR EWS Ex F f(f) FamL FamRZ FAZ Fed.Ct. FG Fla.Dist.Ct.App. FLR FN FS FSupp GBG

GesmbHG GesRZ

Informationsdienst des Deutschen Notarinstituts Deutsche Notar-Zeitschrift Das Recht der Arbeit Deutsch European Community Euroscheck-Karte ecolex - Fachzeitschrift für Wirtschaftsrecht editor (editors) Electronic Data Interchange Ehe- und familienrechtliche Entscheidungen Europäische Gemeinschaft als Literaturfundstelle: Estates Gazette Estates Gazette Case Summaries Estates Gazette Law Reports Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft endgültig Equity European Review of Private Law et alia et cetera Europäischer Gerichtshof Europarecht Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Evidenzblatt der Rechtsmittelentscheidungen Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäischer Wirtschaftsraum Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht Exchequer Reports Federal Reporter folgend(e) Family Law Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Frankfurter Allgemeine Zeitung Federal Court Festgabe District Court of Appeal (Florida) Family Law Reports Fußnote Festschrift Federal Supplement Bundesgesetz vom 2. Feber 1955 über die Grundbücher (Allgemeines Grundbuchsgesetz 1955 - GBG 1955) Gesetz über die Gesellschaft mit beschränkter Haftung „Der Gesellschafter“, Zeitschrift für Gesellschafts- und Unternehmensrecht

XXXVI GG GiurIt

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G1UNF GmbH GmbHG

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i.d.F. i.e.S. i.S.d. i.V.m. IBLJ ICLQ

Id. IECL Ill.App.Ct. ILR

immolex Inc. Ind.Ct.App. InfVO

insb. IPRax IPRG IRLIB

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A bkürzungsverzeichnis

Grundgesetz Giurisprudenza italiana Sammlung von zivilrechtlichen Entscheidungen des kk Obersten Gerichtshofes Sammlung von zivilrechtlichen Entscheidungen des kk Obersten Gerichtshofes, Neue Folge Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Gedenkschrift Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen herrschende Lehre Hare s Vice Chancellor s Report Harvard Law Review Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften High Court (of Australia) Herausgeber (herausgegeben) House of Lords Clark s House of Lords Cases Housing Law Reports Höfeordnung Halbsatz Handelsrechtliche Entscheidungen in der Fassung im engeren Sinne im Sinne des (der) in Verbindung mit International Business Law Journal International and Comparative Law Quarterly Supreme Court (Idaho) International Encyclopedia of Comparative Law Appellate Court (Illinois) Irish Law Reports immolex - Neues Miet- und Wohnrecht Incorporation

Court of Appeals (Indiana) Verordnung über die Informationspflichten von Reiseveranstaltern (InfVO) vom 14.11.1994, BGBl. 1994 I 3436 insbesondere Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts Bundesgesetz vom 15. Juni 1978 über das internationale Privatrecht Industrial Relations Legal Information Bulletin Journal of International Law and Business

J. JA JB1 JCP JheringsJb

JL&Econ JO JR Jura JuS JW JZ KartG KBD KG Berlin KO KOM KSchG Ky. L.C. L.J. Law Com. leg.cit. LG Lit lit. LJ LJZ Lloyd's Rep LM LQ LQR LR LRev LSG LSt LT Ltd. m.E. M.R. m.w.N. MaklerG

Man&G

Justice Juristische Arbeitsblätter Juristische Blätter Journal of Consumer Policy Jherings Jahrbücher der Dogmatik des bürgerlichen Rechts Journal of Law and Economics Journal Officiel (französisch-sprachige Ausgabe der ABI der EG) Juristische Rundschau Juristische Analysen Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Kartellgesetz Law Reports, King s Bench Division Kammergericht Berlin Konkursordnung Kommissionspapiere der EG Konsumentenschutzgesetz Kentucky Lord Chancellor Lord Justice Law Commission legis citatis Landgericht Litigation litera Law Journal Liechtensteinische Juristenzeitung Lloyd's Law Reports Nachschlagewerk des BGH in Zivilsachen, hg. von Lindenmaier und Möhring Law Quarterly The Law Quarterly Review Law Reports Law Review Law Society's Gazette Legal Studies Law Times Reports Limited meines Erachtens Master of the Rolls mit weiteren Nachweisen Bundesgesetz über die Rechtsverhältnisse der Makler und über Änderungen des KSchG (Maklergesetz - MaklerG) Manning and Granger’s Common Pleas Reports

Mass. Mass. App.Ct.. Md.Ct.Spec.App. MDR Me. MietSlg Minn. Mo.Ct.App. MüKo N.J. Super Ct. A D. NE NJW NJW-RR NLJ NO No No. Nr. NSWLR NW NY NYS NZ NZwG

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OLGE Ont. Or. P P&CR Pa D&C Pa. par. PC PflVG

Supreme Judicial Court (Massachusetts) Appeals Court (Massachusetts) Court of Special Appeals (Maryland) Monatsschrift für Deutsches Recht Supreme Judicial Court (Maine) Mietrechtliche Entscheidungen Supreme Court (Minnesota) Court of Appeals (Missouri) Münchener Kommentar zum BGB New Jersey Superior Court Appellate Division North Eastern Reporter Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungsreport New Law Journal Notariatsordnung Numero Number Nummer New South Wales Law Reports North Western Reporter New York New York Supplement Österreichische Notariats-Zeitung Gesetz vom 25. Juli 1871, betreffend das Erfordernis der notariellen Errichtung einiger Rechtsgeschäfte (Notariatszwangsgesetz) österreichisch Österreichisches Bankarchiv Oberster Gerichtshof Official Journal Oxford Journal of Legal Studies Österreichische Juristenzeitung Oberlandesgericht OLG-Rechtsprechung Neue Länder (für Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen) Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen Ontario Supreme Court (Oregon) Pacific Reporter Property and Compensation Reports Pennsylvania District and County Reports Supreme Court (Pennsylvania) Paragraph Privy Council Pflichtversicherungsgesetz

Pkt. Q.C. QB R.L RabelsZ

Red. RdW RG RGBl. RGRK

RGZ RIW Rn. RPC RR RZ Rz S./s. S.D.N.Y. ScandStL SchG SE SeuffA SI Sig SLT So Soc. Str. SW Swanst sz TLR TNG

TzWrG u.a. UCC UK ULA

Punkt Queen's Counsel Law Reports, Queen's Bench Supreme Court (Rhode Island) Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Redaktion Recht der Wirtschaft Reichsgericht Reichsgesetzblatt Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes (hg. von den Mitgliedern des BGH) Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Recht der internationalen Wirtschaft Randnummer Reports of Patent, Design & Trade Mark Cases Revised Reports Österreichische Richterzeitung Randziffer section Southern District New York Scandinavian Studies in Law Scheckgesetz South Eastern Reporter Seuffert’s Archiv Statutory Instrument Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Gerichtshofs der EG Scots Law Times Southern Reporter Society strittig South Western Reporter Swanston's Chancery Reports Entscheidungen des österreichischen Obersten Gerichtshofes in Zivilsachen Times Law Reports Bundesgesetz über den Erwerb von Teilzeitnutzungsrechten an unbeweglichen Sachen (Teilzeitnutzungsgesetz - TNG) Gesetz über die Veräußerung von Teilzeitnutzungsrechten an Wohngebäuden (Teilzeit-Wohnrechtegesetz - TzWrG) unter anderem Uniform Commercial Code United Kingdom Uniform Laws Annotated

XL UN UNCITRAL UNIDROIT Unterabs. UPa J Int'l Bus L

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VC. VerbrKrG Vern VersR VersVG Ves Vgl. VuR WG VW W.Va. Wash. Wash.Ct.App. WB1 WEG WG WiB Wis.Ct.App. WLR WM WoBl WR wrp WuB Wyo. Z z.B. ZAS ZEuP ZfRV ZGR ZIP ZMR ZPO ZRP ZvglRWiss ZVR

A bkürzungsverzeichnis

United Nations United Nations Commission on International Trade Law International Institute for the Unification of Private Law Unterabsatz University of Pennsylvania Journal of International Business Law University of Pennsylvania Law Review United States of America versus Vice Chancellor Verbraucherkreditgesetz Vernon s Chancery Reports V ersicherungsrecht Versicherungsvertragsgesetz (ö.) Vesey, Jr., Chancery Reports vergleiche Verbraucher und Recht Versicherungsvertragsgesetz (dt.) Versicherungswirtschaft West Virginia Washington Court of Appeals (Washington) Wirtschaftsrechtliche Blätter Wohnungseigentumsgesetz Wechselgesetz Wirtschaftsrechtliche Beratung Court of Appeals (Wisconsin) Weekly Law Reports Wertpapier-Mitteilungen Wohnrechtliche Blätter The Weekly Reporter Wettbewerb in Recht und Praxis Entscheidungssammlung für Wirtschafts- und Bankrecht Wyoming Ziffer zum Beispiel Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Rechtsvergleichung Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Miet- und Raumrecht Zivilprozeßordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft Zeitschrift für Verkehrsrecht

Stünden wir an einem Anfang, wäre heute unser Zivilrecht neu zu formulieren, so würde die Arbeit meines Erachtens bei den gesetzlichen Formvorschriften und ihrer Sanktion einzusetzen haben. Es wäre ... die Sanktionsvorschrift des § 125 BGB ihrer Starrheit zu berauben; sie wäre elastischer zu gestalten.

Helmut Coing1

Einleitung I. Ausgangspunkt

1. Die Relevanz der Sanktionierung von Formmängeln für das Verhältnis von Freiheit und Zwang beim formgebundenen Schuldvertrag

Den Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit bilden die angeführten Worte Coings. Es soll - jedenfalls für den Bereich des Schuldvertragsrechts - untersucht werden, ob die beklagte Starre der Formvorschriften wie auch der Nichtigkeitssanktion durch Rechtsfolgendifferenzierung zumindest gemildert werden kann. Zwar scheint das Plädoyer von Coing die deutsche Zivilrechtsdogmatik kaum beeinflußt zu haben, doch hat es auch keinen direkten Widerspruch gefünden.2 Um so mehr muß es verwundern, wenn spätere Arbeiten die (absolute, amtswegig zu beachtende) Formnichtigkeit nach § 125 BGB pauschal als die einzig denkbare Sanktion hervorheben3 oder aber teleologische Gesichtspunkte, denen keineswegs ihre prinzipielle Berechtigung abgesprochen wird, bei der Rechtsfolgenbestimmung aus Gründen der „Rechtssicherheit“ nicht weiterverfolgen4. Noch mehr verwundert es, daß auch in Österreich - trotz abweichendem gesetzlichen Prinzip (§ 883 ABGB) die undifferenzierte Nichtigkeitsfolge als Sanktion unbestrittene Anerkennung findet.5 Die gerade auch im deutschen Recht vorzufindenden gesetzlichen Abweichungen6 geben hingegen schon rein äußerlich Anlaß, sich der Frage neuerlich zu nähern. Verstärkt wird dieser Impuls durch die alternativen Sanktionssysteme der anglo-amerikanischen Rechtsordnungen sowie des 1 DNotZ 1965 (Sonderheft Dt. Notartag 1965) 29 (46). 2 Umgekehrt ist die Klageführung gegen die Formvorschriften nicht neu: Vgl. nur von Tuhr 496, der die Formvorschriften als den „willkürlichsten Teil einer Rechtsordnung“ bezeichnet. 3 Häsemeyer (insb.) 287ff. 4 So jüngst Hagen in FS Schippel 173 (177f). 5 Statt vieler Koziol/Welser I 151, die auf die in den einzelnen Formvorschriften häufig vorzufindende Nichtigkeitssanktion verweisen und überdies meinen, „daß der Zweck der Formvorschriften nur auf diese Weise erreicht werden kann“ (152). 6 Vgl. nur § 566 BGB oder § 6 VerbrKrG.

europäischen Vertragsrechts. Die neuerliche Annäherung geht von zwei Beobachtungen aus: Form als den Parteien aufgezwungene Schale ihres „SichVertragens“ tritt - erstens - deswegen mit Billigkeitsaspekten in Konflikt, weil sie im Sinne Coings - Starre erzeugt. Diese Starrheit ergibt sich - zweitens - gerade (auch) aus der Zweckblindheit der Nichtigkeit als Folge von Formmängeln. Gerade wegen dieser Rechtsfolge wird Form häufig als bloß äußerlicher Zwang empfunden. Denn die durch Formzwang erzeugte Freiheitsbegrenzung nimmt mit der Strenge der Sanktion zu. Es muß daher das Ziel dieser Arbeit sein, die Sanktion(en) der Formverfehlung sachgerecht auszuformulieren. 2. Die Aktualität der Frage vor dem Hintergrund internationaler und europäischer Rechtsentwicklungen Coing hat trotz des von ihm aufgezeigten Bedarfs nach einer Flexibilisierung keinen Zweifel daran gelassen, daß er mit einer Novellierung des BGB insgesamt, aber auch mit einer Abänderung des § 125 BGB im speziellen keineswegs rechnet.7 Und die Internationalisierung des Schuldvertragsrechts hat bisher - jenseits europarechtlicher Entwicklungen - keinen solchen Novellierungsbedarf an die nationalen Gesetzgeber herangetragen. Denn sie verfolgt - insbesondere im Handelsrecht - ohnedies einen Kurs der Entformalisierung: Das UN-Kaufrecht8 kennt genausowenig einen Formzwang wie die Principles of International Commercial Contracts.9 Indessen sind es junge europarechtliche Entwicklungen, die den Vorstellungen Coings entgegenkommen könnten. Im Richtlinienrecht der EG zum Vertragsrecht10 findet sich eine Vielzahl an Formvorschriften, deren Typizität11 eine sachgerechte Sanktionierung mittels der Formnichtigkeit so pauschal nicht mehr zulassen wird. Die Umsetzungsverpflichtung der EGMitgliedstaaten12 muß folglich zu einer (teilweisen) Abkehr von § 125 BGB und auch dem in Österreich vertretenen „Prinzip“ der Formnichtigkeit fuhren. Freilich braucht das nicht in einer dramatischen Kehrtwendung zu erfolgen, ja, es wäre eine solche ihrerseits verfehlt. Man braucht § 125 BGB oder aber ein „Prinzip“ der Formnichtigkeit nicht grundsätzlich umzustürzen, wenn man sich nur bewußt macht, wie viel des Prinzipiencharakters durch Sondervorschriften verlorengeht.13 Und diese Sondervorschriften geben dann ihrerseits Anlaß, die Bewertung der 7 Coing DNotZ 1965 (Sonderheft Dt. Notartag 1965) 29 (46). 8 Siehe Art. 11 UN-Kaufrecht; hierzu allgemein Karollus 78ff, sowie Schlechtriem in von Caemmerer/Schlechtriem Art. 11 UN-Kaufrecht Rz. Iff; insbesondere zur Bedeutung der gemäß Art. 12 UN-Kaufrecht möglichen nationalen Vorbehalte: Schlechtriem in von Caemmerer/Schlechtriem Art. 12 UN-Kaufrecht Rz 2f; zur entformalisierenden Wirkung in Australien (Victoria) Khoury Law Institute Journal 64 (1990) 822; zu nationalen Formvorschriften vergleichend Rabel 108ff. 9 Art. 1.2 der Principles\ hierzu UNIDROIT 8f. 10 Dabei handelt es sich überwiegend um Richtlinien zum Verbraucherschutzrecht; überhaupt wird gerade zum Schutz des Verbrauchers die Einführung neuer oder doch strengerer Formvorschriften gefordert: z.B. Messner NZ 1992, 191. 11 Hierzu Heiss in Schnyder/Heiss/Rudisch (Hg.) 87; der Bezug des europäischen Vertragsrechts zur notariellen Praxis wird von Kauftiold DNotZ 1998, 254 näher erläutert. 12 Art. 189 Abs. 3 EGV. 13 Zu den Sanktionsmechanismen im europäischen Vertragsrecht unten § 1IV..

Formnichtigkeit neuerlich zu überdenken und die Frage nach tauglichen Alternativen zu stellen. IL Zur Methodik 1. Zur Ingebrauchnahme der rechtsvergleichenden Methode

Die Arbeit folgt in ihrem Konzept der rechtsvergleichenden Methode, wobei als Bezugsgrößen das deutsche, österreichische, englische und (insoweit es über das englische hinaus zur Diskussion Weiterführendes beizutragen vermag) USamerikanische Recht, aber auch das europäisierte Schuldvertragsrecht dienen.14 Rechtsvergleichung als wissenschaftliche Disziplin und erkenntnisversprechende Methode war und ist Gegenstand theoretischer Diskussion.15 Indessen sollte der Wert rechtsvergleichenden Arbeitens im grundsätzlichen ebenso außer Streit stehen wie die komparatistische Arbeitsmethodik16; dies kann hier vorausgesetzt werden. Aus pragmatischer Sicht ist die Komparatistik auch im Rahmen der Rechtswissenschaft angesichts internationaler (nicht zuletzt europarechtlicher) Entwicklungen heute ohnehin nicht mehr wegzudenken. Denn gerade die Ausarbeitung europäisierten Privatrechts und seine Umsetzung in nationale Rechtsvorschriften setzen eine intensive rechtsvergleichende Aufarbeitung der betreffenden Regelungsmaterie voraus.17 Freilich kann dabei Rechtsvergleichung ohne Rechtsdogmatik nicht auskommen, sie kann diese insbesondere nicht ersetzen.18 Und auch die vorliegende Arbeit sucht zwischen Komparatistik und Dogmatik einen Ausgleich, mehr noch: ein symbiotisches Zusammenwirken.19 20 Dieses wird zu erreichen getrachtet, indem ein Dialog der Rechtsordnungen2^

14 Vereinzelt wird auch auf australische und schottische Rechtsentwicklungen exkursartig eingegangen. 15 Zur Methode nur Zweigert/Kötz 3 iff; Constantinesco II passim; Großfeld, Kernfragen, 1 Iff; Rheinstein 16ff; auch Schnitzer 34ff; zur Methode intersystemarer Rechtsvergleichung Bartels 83ff; zum Begriff und zur Einteilung der Rechtsvergleichung etwa die Übersicht bei Mänhardt/Posch 103. 16 Grundlegend insofern Zweigert/Kötz 3 Iff (zur funktionalen Ausrichtung insb. 33ff). 17 Vgl. nur die wissenschaftliche, insbesondere rechtsvergleichende Aufbereitung des europäisierten internationalen Versicherungsvertragsrechts im Rahmen internationaler Symposien (Reichert-Facilides Fritz!d'Oliveira Hans-Ulrich Jessurun [eds.], International Insurance Contract Law in the EC, Deventer 1993; Reichert-Facilides Fritz [Hg.], Aspekte des internationalen Versicherungsvertragsrechts im EWR, Tübingen 1994), die das österreichische Umsetzungsgesetz (Bundesgesetz über internationales Versicherungsvertragsrecht für den EWR, BGBl. 1993/89 i.d.F. BGBl. 1993/437, BGBl. 1994/508) unmittelbar beeinflußt hat; gerne spricht man im Zusammenhang von angewandter Rechtsvergleichung Mänhardt/Posch 106f; vgl. auch de Groot/Schneider in FS Kokkini-Iatridou 53 (62fi). 18 Zum Thema nur Zweigert RabelsZ 15 (1949/50) 5; sowie die deutliche Absage an ein Ersetzen der Rechtsdogmatik durch Rechtsvergleichung bei Dölle RabelsZ 34 (1970) 403; zum Streit auch Großfeld, Macht und Ohnmacht, 23ff, aus dem US-amerikanischen Bereich jüngst (kritisch) Zekoll Tulane LRev 70 (1996) 2719. 19 Zur Fortentwicklung nationaler Dogmatik durch Rechtsvergleichung auch schon Sandrock 5 Iff. 20 Deren unterschiedlicher Stil freilich im Auge zu behalten ist; zum Stil Zweigert/Kötz 62ff; Markesinis LQR 110 (1994) 607; zu den einzelnen weltweit vertretenen Modes ofThought, die

hergestellt wird, der durchaus dem Muster sokratischer Dialektik folgt: Die kritische Auseinandersetzung mit einer Thematik durch Rede und Gegenrede jeweils verkörpert in den nationalen Lösungsmodellen - soll vor der Prämisse einer funktionalen Sichtweise den Blick auf problemadäquate und interessengerechte Lösungsansätze freimachen. Damit offenbaren sich bereits mehrere Wesenszüge der Arbeit. Zunächst geht es keineswegs darum, durch Anwendung der rechtsvergleichenden Methode den Anspruch zu erheben, das „richtige Recht“ im Sinne einer jederzeit gültigen, gleichsam a priori vorgegebenen und über den nationalen Rechtsordnungen anzusiedelnden Lösung zu finden.21 Vielmehr soll die vergleichende Sichtweise das Verständnis für das (national gebundene) Recht in seiner Funktion aber auch in seinem Funktionieren schärfen.22 So geht es beispielsweise nicht darum, dem nationalen Gesetzgeber hinsichtlich seiner durch Formzwang verfolgten Ziele Vorgaben zu machen. Es wird vielmehr versucht, durch den beschriebenen Dialog der Rechtsordnungen die Bedeutung der Ziele, die Tauglichkeit und Adäquanz der eingesetzten Mittel und die Konsequenzen der bestehenden Rechtslage aufzuspüren. Ein derart gewonnenes, auf Funktionalität gerichtetes Urteil regt dann freilich dazu an, die behandelte Rechtsfrage und das Ergebnis der Vergleichung unter dogmatischen Gesichtspunkten in die jeweilige Rechtsordnung hinein weiter zu verfolgen und zu vertiefen. Das geschieht in dieser Arbeit jedenfalls für das deutsche und österreichische Recht, die sohin zwar nicht als Erkenntnisquelle, wohl aber als Gegenstand dogmatischer Fortentwicklung eine größere Rolle spielen. Bei allem wird versucht, das Voranstellen funktionaler Erwägungen besonders zu unterstreichen und daher den Dialog der Rechtsordnungen ganz unmittelbar zu vollziehen, indem - entgegen bisweilen vorzufindender Beispiele rechtsvergleichender Arbeiten - keine in sich geschlossenen und lückenlosen Länderberichte geboten werden. Es soll nicht nationales Recht zunächst in all seinen Details unabhängig von deren Eignung, zum Dialog etwas beizutragen, einfach dargestellt und der funktional­ rechtsvergleichende Ansatz dann an das Ende verbannt werden.23 Demgemäß wird auch auf einen „rechtsvergleichenden Schlußteil“ verzichtet. Der Dialog soll sich vielmehr vom Anfang an bis hin zum Schluß unmittelbar vollziehen. Gewiß, es werden auch in sich geschlossene Ausführungen zu den Einzelrechtsordnungen gemacht; nicht nur aber insbesondere dort, wo eine rechtsvergleichend gewonnene Erkenntnis in die nationale Rechtsordnung hinein dogmatisch weiterverfolgt wird. Dennoch verstehen sich alle Ausführungen jeweils als ein Diskussionsbeitrag zu einem vorweg nach funktionalen Aspekten bestimmten Rechtsproblem. Diese Ausführungen zu den verschiedenen Rechtsordnungen in ihrer wechselseitigen Bezüglichkeit bilden dann ganz unmittelbar das rechtsvergleichende Ergebnis dieser wohl auch für die Stilfrage mitentscheidend sind, ausführlich und beeindruckend Fikentscher 157ff. 21 Zur „Suche nach dem besseren Recht“ de Groot/Schneider in FS Kokkini-Iatridou 53. 22 Das gilt nicht zuletzt auch für das „eigene“ Recht: hierzu Constantinesco 33 5ff. 23 Insofern ähnlich dem Ansatz von Rothoeft If: „Aber auch eine dualistische Methode, wonach die Rechtsordnungen zunächst gesondert in ihrer (mehr oder weniger ausgeprägten) systematischen Verflechtung betrachtet und sodann die verschiedenartigen Texturen dieser Flechtwerke miteinander verglichen würden, sollte nur die Vorstufe zu einer von der Sachlogik bestimmten Gesamtschau sein.“

Arbeit: Es wäre Grund zur Freude, wenn dieser Ansatz das Wohlwollen oder gar Gefallen des Lesers finden könnte. 2. Insbesondere: Zur Behandlung des europäisierten Vertragsrechts

Ein vertiefendes Wort ist zur Ingebrauchnahme des europäischen Richtlinienrechts zu sagen, weil dieses im Rahmen des angestellten Vergleichs eine selbständige Bezugsgröße darstellt. Den Ausgangspunkt dieser Ingebrauchnahme stellt die Beobachtung eines sich im europäischen Richtlinienrecht verdichtenden Vertragsrechts dar, das insbesondere im Verbrauchervertragsrecht eine Vielzahl von Formvorschriften kennt. Allerdings handelt es sich dabei - insofern von den als Vergleichsgrundlage herangezogenen nationalen Rechtsordnungen abweichend keineswegs um ein wissenschaftlich-systematisch aufgearbeitetes Rechtsgebiet, sondern um juristischen Rohstof, der erst einer Systematisierung bedarf.24 Eine solche scheint schon deshalb gewinnbringend, weil einerseits das europäische Verbrauchervertragsrecht eine beträchtliche Dichte aufweist25, andererseits diesem 24 Zu dieser Methode Heiss 1995, 54 (58ff), mit Ausführungen zur Charakteristik des so gewonnenen „europäischen Vertragsrechts“ als Metavertragsrechts und zum Einfluß des Mindeststandardprinzips; speziell zu den Formvorschriften wurde ein „erster Schritt“ schon unternommen. Heiss in Schnyder/Heiss/Rudisch (Hg) 87 (insb. 93ff); zur Bedeutung des Verbraucherrechts für die Entwicklung eines europäischen Zivilrechts Tonner JZ 1996, 533; eine Systematisierung vermag auch gewisse Schwächen europäischer Legistik (vgl. nur Cooper/Child EuZW 1994, 577) zu überwinden und erleichtert die Auslegung der Richtlinien wie auch der Umsetzungsgesetze; zu Auslegungsfragen Bleckmann ZGR 1992, 364; Lutter JZ 1992, 593; sowie Behrens EuZW 1994, 289; zur rechtswissenschaftlichen Systembildung allgemein Bydlinski, Rechtsfindung, 14 und - abgrenzend gegenüber dem rechtsvergleichenden Ansatz - 42f. 25 Den europarechtlichen Teilen liegen insbesondere folgende Richtlinien(entwürfe), die freilich nicht nur Verbraucherverträge betreffen, zugrunde: Richtlinie des Rates vom 20.12.1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (85/577/EWG), ABI. 1985 Nr. L 372/31; Richtlinie des Rates vom 22.12.1986 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit (87/102/EWG), ABI. 1987 Nr. L 42/48 i.d.F. ABI. 1990 Nr. L 61/14 (eine Novellierung ist mit ABI. 1996 Nr. C 235/8 in Aussicht genommen); Richtlinie des Rates vom 13.6.1990 über Pauschalreisen (90/314/EWG), ABl. 1990 Nr. L 158/59; Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5.4.1993 über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, ABI. 1993 Nr. L 95/29; Richtlinie 94/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.10.1994 zum Schutz der Erwerber im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Verträgen über den Erwerb von Teilzeitnutzungsrechten an Immobilien, ABI. 1994 Nr. L 280/83; Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.5.1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, ABI. 1997 Nr. L 144/19 („Teleshopping-RL“), Richtlinie 97/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.1.1997 über grenzüberschreitende Überweisungen, ABI. 1997 Nr. L 43/25; Richtlinie 98/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen, ABI. 1998 Nr. L 166/51; Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Koordinierung der Rechts­ und Verwaltungsvorschriften über Versicherungsverträge, ABI. 1979 Nr. C 190/2 i.d.F. ABI. 1980 Nr. C 355/30; Richtlinie 93/22/EWG des Rates vom 10.5.1993 über Wertpapierdienstleistungen, ABI. 1993 Nr. L 141/27; Richtlinie des Rates vom 18.12.1986 zur Koordinierung der Rechte der Mitgliedstaaten die (selbständigen) Handelsvertreter betreffend, ABI. 1986 Nr. L 382/17; Richtlinie des Rates vom 14.10.1991 über die Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung des Arbeitnehmers über die für seinen Arbeitsvertrag oder sein Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen, ABI. 1991 Nr. L 288 /32.

ein klar zutage tretendes verbraucherpolitisches Konzept26 unterliegt, das den Blick auf - gerade auch den Formvorschriften unterliegende - Schutzzwecke freigibt.27 Daraus folgt: Europäisiertes Vertragsrecht wird nicht einfach als Bezugsgröße herangezogen, sondern vorerst innerhalb des Bezugsrahmens (also abgestimmt auf die jeweils diskutierte Fragestellung) systematisiert. Die Ergebnisse, wie sie durch die Systematisierung erzielt werden, verkörpern den Diskussionsbeitrag der EG zum angestrebten Dialog der Rechtsordnungen; in seiner systematisierten Form wird das Schuldvertragsrecht der EG-Richtlinien zur eigenständigen Bezugsgröße vergleichender Betrachtung, und in dieser Systematik ist es geeignet, am Dialog teilzunehmen. Indessen ist damit zugleich die weiter gesteckte Thematik der europäischen Privatrechts-28 bzw. (enger) der Vertragsrechtsvereinheitlichung29 angesprochen. Von ganz unterschiedlicher Seite nähert man sich im Schrifttum dieser Thematik und ganz unterschiedliche Methoden werden vorgeschlagen: Beachtung verdient die Idee, durch eine Europäisierung von Rechtswissenschaft und -lehre eine langsame und behutsame Entwicklung hin zur Rechtseinheit einzuleiten.30 Darüber hinaus werden rechtsvergleichende Vorarbeiten für eine

26 Hierzu Krämer, passim; Reich (insb.) 30 Iff; ders. ZEuP 1994, 381; E.von Hippel RabelsZ 45 (1981) 353; Heiss ZEuP 1996, 625 ; Micklitz/Reich EuZW 1992, 593; Goyens CMLR.&V 29 (1992) 71; Schuhmacher in Schuhmacher (Hg.) 235; Courtois in Schuhmacher (Hg.) 1; van Miert EuZNJ 1990, 401; Kohte EuZW 1990, 150; Rambow EuR 1981, 240; dynamisch auch die EG selbst, insbesondere im Zweiten dreijährigen Aktionsplan über Verbraucherpolitik (1993-1995): „Der Binnenmarkt im Dienst der europäischen Verbraucher“, KOM (93) 378 endg.; sowie die „Verbraucherpolitischen Prioritäten (1996-1998)“, KOM (95) 519 endg.; weitergreifend und konzeptionell: Reichert-Facilides in Schnyder/Heiss/Rudisch (Hg.) 1; E. von Hippel JZ 1984, 953; ders., Verbraucherschutz, passim; zum Bezug von „Politik“ und Privatrecht Zöllner JuS 1988, 329; mit europarechtlichem Bezug Rittner JZ 1990, 838. Fraglich geblieben ist bei aller Rechtsangleichung der Verbraucheibegriff, wenngleich die verschiedenen „Erscheinungsformen“ sicherlich einer Kategorisierung zugänglich sind; zum Thema Medicus in FS Kitagawa 471; Mortelmans/Watson Tijdschrift voor consumentenrecht 1995, 229; Dreher JZ 1997, 167; auch Kleindiek in Hommelhoff'Jayme/Mangold (Hg.) 297; und Rudisch in Schnyder/Heiss/Rudisch (Hg.) 191 (219ff); zum Leitbild eines europäischen Verbrauchers Meyer wrp 1993, 215; Hommelhoff 6ff mit Rückschlüssen auf die Gestaltung des Gemeinschaftsprivatrechts 44. 27 Zur Beziehung von Verbraucherpolitik in Europa und dem Zweck europäischer Formvorschriften Heiss in Schnyder/Heiss/Rudisch (Hg.) 87 (93ff). 28 Hierzu aus dem reichhaltigen deutschsprachigen Schrifttum: Kötz in FS Zweigert 481; Tilmann in Müller-Graff (Hg.) 485; ders. in FS Oppenheim 495; ders. JZ 1991, 1023; ders. ZEuP 1995, 534; Müller-Graff in Müller-Graff (Hg.) 7; ders. NJW 1993, 13; Beitzke ZSRN 1964, 80; Blaurock in Starck (Hg.) 90; ders. JZ 1994, 270; Hondius/Storme ERPL 1 (1993) 21; Bangemann ZEuP 1994, 377; Großfeld/Bilda ZfRV 1992, 421; Ulmer JZ 1992, 1; Remien JZ 1992, 277; ders. ZfRV 1995, 116 (insbesondere 119f); Hommelhoff AcP 192 (1992) 71; Sandrock EWS 1994, 1; Huber in FS Everling 493; Kohler ZEuP 1995, 482; Taupitz, der freilich (60ff) von einer „Hinwendung zum Kollisionsrecht“ spricht; sehr kritisch Hauschka JZ 1990, 521; jüngst wiederum Sonnenberger JZ 1998, 982. 29 Hierzu aus dem ebenso reichhaltigen deutschsprachigen Schrifttum: Lando in Müller-Graff (Hg.) 473; Drobnig in FS Steindorff 1141; Remien ZvglRWiss 87 (1988) 105; Joerges/Brüggemeier in Müller-Graff (Hg.) 233; Zimmermann JZ 1995, 477; Heiss ZfRV 1995, 54; jüngst wiederum m.w.N. Basedow CMLRev 35 (1998) 821. 30 Kötz in FS Zweigert 481; ders. in Reichert-Facilides (Hg.) 21; ders. JZ 1992, 20; Flessner RabelsZ 56 (1992) 243; Willoweit/Großfeld JZ 1990, 605; Junker JZ 1994, 921; Coing NJW 1990, 937; für Österreich: Heiss in Heiss/Rungg (Hg.) 45.

spätere Kodifikation gefordert31 und geleistet32. Für die vorliegende Arbeit aber gilt: Sie nimmt auf diese Formen europäischer Rechtsangleichung keinen direkten Bezug; freilich ist das ihr unterliegende rechtsvergleichende Bemühen letztlich auf ein ähnliches Ziel ausgerichtet - der Herausarbeitung allgemeiner Prinzipien. Ähnlich hat ja schon Coing klar zum Ausdruck gebracht, daß nur eine Rechtsordnung mit „festen, rational begründeten Prinzipien“ einen „wirklichen Beitrag zur Entwicklung eines einheitlichen Rechtes in Europa“ leisten könne.33 Womöglich vermag die vorliegende Arbeit hierzu ein wenig beizutragen.

31 Kötz in FS Zweigert 481; Lando in Müller-Graff (Hg.) 473; Drobnig in FS Steindorff 1141; Remien ZvglRWiss 87 (1988) 105; Heiss ZfRV 1995, 54; Mansel JZ 1991, 529; der Rechtsgeschichte kommt bei allem ein erheblicher Stellenwert zu, vgl. nur Zimmermann JZ 1992, 8. 32 Die Arbeit der „Lando-Kommission" hat inzwischen auch einen ersten Teil der von ihr zu entwickelnden Principles ofEuropean Contract Law vorgelegt: Lando/Beale (des.) passim; hierzu (statt vieler) Zimmermann JZ 1995, 477. 33 Coing DNotZ 1965 (Sonderheft Dt. Notartag 1965) 29 (50).

Teil 1 Systematik der Formverfehlungsfolgen §1 Sanktionssysteme

I. Das Modell des § 125 BGB: Formnichtigkeit als „Grundsatz" oder „Regelrechtsfolge“? 1. Der Ausgangspunkt: § 125 BGB und die Lehre von der absoluten, amtswegig zu beachtenden Formnichtigkeit

§125 Satz 1 BGB ordnet für Formverfehlungen eindeutig die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts an.1 Da die Vorschrift dem Dritten Abschnitt des Ersten Buches (Allgemeiner Teil) des BGB angehört, gilt sie als Generaltatbestand für alle Rechtsgeschäfte, insbesondere auch für die schuldrechtlichen.2 Die zu § 125 BGB ergangene Literatur und Rechtsprechung ergeben ein weitgehend einheitliches Bild. Betont wird die generelle Geltung der Nichtigkeitssanktion für Formverfehlungen. Sie sei erforderlich, weil sonst die Formvorschrift wertlos würde.3 Die Nichtigkeit sei eine absolute und vom Richter amtswegig zu beachten.4 Auch Dritte könnten sich darauf berufen;5 dies sogar dann, wenn ein gegenteiliges Anerkenntnisurteil vorliege, sich dessen Rechtskraft jedoch nicht auf den jeweiligen Dritten erstrecke.6 Ein rechtliches Interesse brauche der Dritte dabei nicht nachzuweisen, die Geltendmachung soll ihm jedenfalls möglich sein.7 Dies korrespondiert mit der amtswegigen Beachtung der Formnichtigkeit, womit es im Sinne einer solch strengen Auffassung bereits unrichtig ist, überhaupt von einer „Geltendmachung“ der Nichtigkeit zu sprechen.8 Bei Vorliegen der Voraussetzungen hat das Gericht

1 Siehe nur Heinrichs in Palandt § 125 BGB Rz. 10 (wobei immerhin auf die allgemeinen Abweichungen - also die ex-nunc-Wirkung der Nichtigkeit - bei vollzogenen Gesellschafts- und Arbeitsverträgen hingewiesen wird); Hefermehl in Soergel I § 125 BGB Rz. 25. 2 Zur ganz generellen Nichtigkeitsanordnung unabhängig von Rechtsbereich und Formzweck auch Coing DNotZ 1965 (Sonderheft Dt. Notartag 1965) 29 (32). 3 Statt vieler Hefermehl in Soergel-Siebert I § 125 BGB Rz. 25. 4 Förschler in MüKo I § 125 BGB Rz. 29; Brox in Erman I § 125 BGB Rz. 18; Dilcher in Staudinger12 I § 125 BGB Rz. 28; Wuflca in Staudinger II1 § 313 BGB Rz. 198; Krüger-Nieland in RGRK I § 125 BGB Rz. 38f; Hefermehl in Soergel I § 125 BGB Rz. 25f; Larenz 412ff; für §313 BGB auch Heinrichs in Palandt § 313 BGB Rz. 45; Wolf in Soergel II § 313 BGB Rz. 88; aus der Judikatur: BGH 13.12.1968 LM § 125 BGB Nr. 29; sowie BGH 22.3.1991 NJW-RR 1991, 1031 (1032). 5 Deutlich Brox in Erman I § 125 BGB Rz. 18. 6 Krüger-Nieland in RGRK I § 125 Rz. 38ff. 7 So jedenfalls Hefermehl in Soergel I § 125 Rz. 26, der sich hierfür auf RG 3.6.1918 RGZ 93, 74 (76) beruft, wobei es dort aber um eine Nichtigkeit nach § 138 BGB ging. 8 In diesem Sinne letztlich auch Hefermehl in Soergel I § 125 BGB Rz. 26 unter Verweis auf BGH 13.12.1968 LM § 125 BGB Nr. 29.

den Formmangel wahrzunehmen, und zwar auch noch in der Revisionsinstanz.9 Auf Formwahrung kann daher auch nicht geklagt werden.10 Eine Differenzierung der Rechtsfolgen etwa nach der personalen Schutzrichtung der Form oder den jeweiligen Formzwecken wird dabei nicht angestrebt.11 Flume betont zwar, daß die Anordnung der Nichtigkeit in § 125 Satz 1 BGB in ihrer Allgemeinheit nicht richtig sei, stellt den Konstitutivformen dann aber nur bloße „Soll-Formen“ und reine „Beweis-Formen“ gegenüber.12 Auch Medicus betont die Möglichkeit der Derogation der Nichtigkeitssanktion durch leges speciales)3 Solcher Ansicht zufolge wird die Formnichtigkeit zur „Regelrechtsfolge“, die nur vorbehaltlich abweichender gesetzlicher Anordnungen gilt. Indessen ist auch bei diesen Autoren die Überzeugung, Formnichtigkeit sei die einzig effiziente Rechtsfolge der Formverfehlung, nicht geschwunden. Indem sie nämlich lediglich auf die Möglichkeit sogenannter „Soll-“ oder „Beweisformen“14 hinweisen, setzen sie gegenüber der Formnichtigkeit nur einen Kontrapunkt, begründen sohin die Zulässigkeit von (gesetzlichen) Durchbrechungen, die im Fehlen einer Rechtsfolge bestehen sollen. Nicht hingegen wird an abweichende Sanktionen gedacht. Medicus betont immerhin, daß sich vermittels der Nichtigkeitssanktion die schon vom historischen Gesetzgeber15 vorausgesehenen negativen Auswirkungen (Mißbrauchsfälle) deutlich zeigen würden, womit er die Legitimität der Billigkeitsrechtsprechung, die wiederholt die Nichtigkeit durchbricht, andeutet.16 Überhaupt belegt die geführte Diskussion zur Durchbrechung der Formnichtigkeit in Härtefallen eine gewisse Unzufriedenheit mit der umfassenden Nichtigkeitsregel. Die Starre der Nichtigkeitssanktion wird oft als unangemessen17, ja manchmal erwähnt seien die Mißbrauchsfälle - sogar kontraproduktiv empfunden.18 Am Befund der Formnichtigkeit nach § 125 BGB ändert all dies indessen nichts: An der absoluten, amtswegig zu beachtenden Nichtigkeit wegen Formmangels wird festgehalten. 9 BGH 13.12.1968 LM § 125 BGB Nr. 29; ihm folgend Hefermehl in Soergel I § 125 BGB Rz. 26. 10 Dilcher in Staudinger12 I § 125 BGB Rz. 28. 11 Diese Formzweckblindheit fuhrt freilich zu „einer gewissen Starrheit“: so Coing DNotZ 1965 (Sonderheft Dt. Notartag 1965), 29f (32); vorsichtig gegenüber teleologischen Begründungen aus Rücksichtnahme auf die Rechtssicherheit Hagen in FS Schippel 173 (für die Nichtigkeitssanktion insbesondere 177f); er meint gar, § 125 BGB sei aus Gründen der Rechtssicherheit „streng tatbestandsmäßig“ auszulegen (179); gemeint ist freilich eine wörtliche Auslegung ohne Rücksichtnahme auf teleologische Erwägungen. 12 Flume 267ff. 13 Medicus 236; vgl. auch den ursprünglichen Gesetzesvorschlag bei Mugdan (Hg.) I LXXXI. 14 Richtig bei allem von Tuhr 501, der von Beweisformen dann spricht, wenn von der Einhaltung der Form die Beweisbarkeit des Rechtsgeschäfts abhängt. 15 Hierzu sogleich unten § 11. 2.. 16 Medicus 236. 17 Deutlich Coing DNotZ 1965 (Sonderheft Dt. Notartag 1965) 29 (32); dabei hält er ein an die Auslegung des § 134 BGB angelehntes Verständnis des § 125 BGB durchaus für möglich: Die Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB komme aber nur zum Tragen, wenn sie vom Verbotszweck gefordert würde (32f). 18 Siehe in diesem Zusammenhang jüngst Kötz 138, der für Formvorschriften im Interesse von Verbrauchern oder sonst schutzwürdigen Personen zu Recht darauf hinweist, die Formnichtigkeit würde diesen häufig nicht dienen.

2. Subjektiv-historische Aspekte

Der historische Gesetzgeber - diese Beobachtung sei hier vorangestellt - definiert den im § 125 BGB verwendeten Begriff der Nichtigkeit zwar nicht durch Gesetz, beschreibt ihn aber in den Motiven zum BGB.19 Demnach bedeutet Nichtigkeit, daß das Rechtsgeschäft „hinsichtlich der gewollten rechtlichen Wirkungen so angesehen wird, als ob es nicht vorgenommen worden wäre“.20 Besonders betont wird, daß davon andere als die „gewollten“ Rechtsfolgen nicht berührt werden.21 Und der Gesetzgeber bedient sich eben dieses Nichtigkeitsbegriffes auch in § 125 BGB. Die allgemeine Anordnung der Formnichtigkeit in § 125 Satz 1 BGB ist dabei als Ausdruck rationeller Gesetzgebungstechnik22 - wie sie dem BGB insgesamt zu eigen ist23 - sowie der Vorstellung, es handle sich dabei um die einzig effektive Sanktion, anzusehen. Ersteres wird in den Motiven besonders deutlich: Demnach gehört die Bestimmung der Formnichtigkeit „zu jenen Regeln, welche einen den einzelnen Vorschriften zu Grunde liegenden Gedanken zusammenfassen und im Interesse der Vereinfachung der Sprache und der Förderung der Durchsichtigkeit aufgestellt sind“.24 Gesetzliche Formvorschriften brauchen die Nichtigkeitssanktion nicht mehr eigens auszusprechen, diese wird a priori und generell angeordnet. Hingegen war im ersten Entwurf („§ 91“) noch ein Gesetzesvorbehalt enthalten, wonach die Nichtigkeitssanktion nur eintrete, „sofern nicht ein Anderes bestimmt ist“. Zwar wurde dieser Halbsatz gestrichen, der Sache nach ist aber klar, daß der Gesetzgeber in Spezialbestimmungen vom Nichtigkeitsprinzip abweichen kann. Der zitierte Halbsatz dürfte somit ebenfalls der rationellen Gesetzesfassung zum Opfer gefallen sein. Wollte der Gesetzgeber nur Überflüssiges weglassen, als er den zweiten Halbsatz strich, so wird bereits an dieser Stelle deutlich, daß § 125 BGB keinerlei Ausschließlichkeitsanspruch stellt.25 Der zweite Grund für die allgemeine Nichtigkeitsanordnung liegt in der Überzeugtheit des historischen Gesetzgebers, die Nichtigkeitssanktion sei das einzig zielführende Mittel zur Durchsetzung der Form. Dies zeigen die Materialien, welche zwar die Möglichkeit von Ausnahmevorschriften (also sanktionslosen Formvorschriften) betonen, an eine sanktionierte Formvorschrift, deren Rechtsfolge eine andere als die der Nichtigkeit

19 Zur geschichtlichen Entwicklung des Nichtigkeitsbegriffs überhaupt H. Hübner in FS Wieacker 399 (401). 20 Motive 1217. 21 Genannt wird ausdrücklich „culpa in contrahendo^-, siehe Motive I 217; vgl. auch Coing DNotZ 1965 (Sonderheft Dt. Notartag 1965) 29 (32); hierzu unten § 14 (insb. IV. 1. a.) und § 16. 22 Mugdan I 452. 23 Vgl. Zweigert/Kötz 143ff (145). 24 Mugdan I 452. 25 Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch, daß gerade im Rahmen des § 134 BGB (Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen ein Verbotsgesetz), der einen dem in § 125 BGB gestrichenen vergleichbaren Halbsatz enthält, eine Abweichung von der Nichtigkeitssanktion schon dann angenommen wird, wenn das einzelne Verbotsgesetz nach seinem Sinn und Zweck eine abweichende Sanktionierung erfordert; hierzu Medicus 243, der § 134 BGB eine Rolle als Zweifelsregel zuweist.

ist, hingegen nicht denken26. Zwar finden sich in den Materialien vereinzelt auch Hinweise auf alternative Sanktionsmechanismen, wie etwa die Gewährung eines Rücktrittsrechts; sie werden aber als schwer gestaltbar und im übrigen aus dem Rahmen fallend nicht verfolgt.27 Dabei hätten die Schöpfer des BGB durchaus auf damalige österreichische Literatur28, die von verschiedenen Sanktionsmöglichkeiten spricht, zurückgreifen können. Die Motive übersehen allerdings keineswegs die rechtspolitischen Bedenken gegen die - nicht zuletzt wegen der rigorosen Nichtigkeitssanktion - starren Formgebote. Sehr wohl kommt die Zweischneidigkeit gebotener Formalisierung gerade für die wirtschaftlich schwachen und geschäftlich unbewanderten Personen, denen doch der Schutz der Formgebote gelten sollte, zum Ausdruck. Die Form könnte zu einem Fallstrick werden, „in dem der Unkundige zu seinem Schaden sich verwickelt, während ein gewissenloser Gegner in der Form eine willkommene Handhabe zur Übervorteilung sieht“.29 An der Nichtigkeitssanktion ändert dies allerdings zunächst nichts, die Rechtsfolgen werden eben nicht auf den konkreten Normzweck abgestimmt. Das BGB erweist sich jedenfalls prima facie auf der Rechtsfolgenseite als gegenüber dem Zweck der Form blind. Ein ganz vorrangiger Grund für diesen Glauben des historischen Gesetzgebers an die Effizienz und Adäquanz der Formnichtigkeit dürfte im übrigen auch darin gelegen sein, daß der Vorentwurf zum BGB - gerade was den Bereich des Schuldvertragsrechts angeht - Formvorschriften im Parteieninteresse nicht kannte, die Sanktion sohin auf den Schutz von Dritt- und öffentlichen Interessen gerichtet war.30 Gerade für diese Formvorschriften war der Verfasser des Vorentwurfs von der Nichtigkeit als adäquater Sanktion überzeugt.31 Beim (späteren) Einfügen von Formen im Parteieninteresse hat man diesen Punkt dann nicht mehr hinreichend beachtet.32 Allerdings blieb die Inadäquanz der Nichtigkeitsfolgen nicht unbemerkt33: Die Heilungsvorschriften stellen einen Versuch dar, übertriebene Härten zu vermeiden.34 Insgesamt gilt sohin: Nichtigkeit als Generalsanktion hat ihren Grund in rationeller Gesetzgebungstechnik und der Überzeugtheit des historischen Gesetzgebers, hiermit das einzig effektive Sanktionsinstrument gewählt zu haben. Diese Konsequenz im Rahmen der

26 Mugdan II 835. 27 Siehe zum Beispiel die Motive zum § 313 BGB bei Mugdan II 105, wo man glaubte, anstelle der unklaren und schwierig zu gestaltenden Sanktion des Rücktrittsrechts die Generalsanktion der Nichtigkeit mit Heilungsmöglichkeit setzen zu können, weil damit eine zugleich klare und den Billigkeitsaspekten Genüge tuende Regelung geschaffen würde. 28 Vgl. etwa Kirchstetter 463; Stubenrauch 47; bei anderen Fragen nehmen die Motive verschiedentlich auf das erheblich ältere ABGB Bezug. 29 Mugdan I 451; vgl. auch die Motive zur Heilungsvorschrift des § 313 BGB, wo betont wird, man wolle nicht an der unbeschränkten Formnichtigkeit festhalten. 30 Hierzu ausführlich Pohlmann 75ff. 31 Weswegen auch eine Heilung als wesensfremd erschien; auch hierzu Pohlmann 75ff; daß im übrigen der Schutz öffentlicher und Drittinteressen die absolute Nichtigkeit nicht (immer) zwingend erfordert, darauf wird unten § 3 II. 5. und 6. eingegangen. 32 Zur mangelnden gedanklichen Durchdringung des Sanktionsproblems Coing DNotZ 1965 (Sonderheft Dt. Notartag 1965) 29 (32). 33 Vgl. die Motive zu § 313 BGB bei Mugdan (Hg.) II 105. 34 Näheres hierzu unten § 11III. 2..

Sanktionierung zwingt dann dazu, die keineswegs übersehenen Härten - jedenfalls bis hin zur Heilung durch Erfüllung - in Kauf zu nehmen. 3. Leges speciales Der deutsche Gesetzgeber hat von der schon angesprochenen Möglichkeit, alternative Sanktionsmechanismen anzusetzen, wiederholt Gebrauch gemacht.35 Musterbeispiele seien hier kurz angeführt. So findet sich schon im Mietrecht des BGB die Vorschrift des § 566: Vertragsmodifikation ersetzt hier die Nichtigkeitssanktion. Das Verbraucherkreditgesetz kennt solche Modifikationen des Vertragsinhalts, wenn das Kreditverhältnis in Vollzug gesetzt und der Formmangel damit geheilt ist.36 Im Versicherungsvertragsgesetz wird dem Versicherer eine Beurkundungspflicht auferlegt, die grundsätzlich nicht konstitutiven Charakter besitzt.37 Im Arbeitsrecht wiederum begegnen wir einer (deklarativen) Beurkundungspflicht des Arbeitgebers, zu deren Durchsetzung dem Arbeitnehmer ein Klagerecht zukommt.38 Im Wertpapierrecht schließlich kennen wir den Ausschluß jener Einwendungen gegenüber dem aus dem Papier Berechtigten insoweit es sich nicht um den ursprünglichen Einredegegner handelt -, welche sich nicht aus der Urkunde selbst ergeben. Soweit es sich nicht um konstitutive Elemente eines Wertpapiers handelt, sind nicht verbriefte Einwendungen Dritten gegenüber unwirksam.39 4. Zwischenbefund

Nach dem Befund dieses Überblicks zur lex lata ist die in der Überschrift gestellte Frage klar im Sinne der Formnichtigkeit als einer Regelrechtsfolge ohne Grundsatzcharakter zu beantworten. Die Materialien zum BGB zeigen, daß der Gesetzgeber die Nichtigkeit als im Regelfall angebrachte Sanktion ansah, zumal ihm andere Mechanismen offenbar ineffektiv zu sein bzw. schwer ausgestaltbar schienen. Doch hebt der historische Gesetzgeber die Möglichkeit, abweichende Sanktionen bzw. Ausnahmen von der Nichtigkeitssanktion vorzusehen, hervor und belegt damit den nicht ausschließlichen Charakter der Nichtigkeit nach § 125 BGB. Auch bezeichnet er § 125 BGB als eine Vorschrift, die um der rationellen Gesetzesfassung willen eine Gemeinsamkeit „vor die Klammer zieht“. Damit wird § 125 BGB der rationellen Gesetzgebungstechnik wegen ins BGB eingeführt und nicht, um mit ihm einen unverbrüchlichen Grundsatz zu proklamieren. Aus subjektiv-historischer Sicht kann daher nicht behauptet werden, der Gesetzgeber habe der Rechtsfolge der Nichtigkeit eine solche innere Nähe zum Formgebot 35 Vgl. auch den Katalog an abweichenden Sanktionen bei Westerhoff AcP 184 (1984) 341 (376), eine Bewertung dieser alternativen Sanktionssysteme erfolgt unten § 5. 36 Vgl. im einzelnen § 6 VerbrKrG. 37 Siehe § 3 WG. 38 Hierzu Krauß WiB 1995, 819 (821). 39 Siehe nur Art. 17 WG; hierzu Baumbach/Hefermehl Art. 17 WG Rz. 1: „Einwendungen, die den nicht schriftgemäßen Wechseltatbestand betreffen“ (anders eben für „urkundliche Einwendungen“, Rz. 27ff). Der Einwendungsausschluß bezieht sich jeweils nur auf Dritte (Rz. 15).

zugeschrieben, daß eine demgegenüber abweichende Sanktionierung als wesensfremd erscheinen müßte. Der Gesetzgeber selbst ist ja schon im BGB, insbesondere aber im Rahmen späterer Gesetzgebungsakte, von § 125 BGB wiederholt abgewichen. Er hat im übrigen schon im BGB die Konsequenzen der Nichtigkeit z.B. mittels Heilungsvorschriften deutlich gemildert. II. Kontrapunkt: Offenheit des Sanktionssystems im anglo-amerikanisehen Rechtskreis

1. Die Offenheit des Sanktionssystems als Ausdruck eines zweckorientierten, additiven Formverständnisses

a. Zum Formverständnis im anglo-amerikanischen Rechtsbereich Wenn heute die ganz überwiegende Anzahl der Schuldverträge überall im anglo­ amerikanischen Rechtskreis formfrei geschlossen werden kann, so ist dies das Ergebnis eines historischen Entwicklungsprozesses, der mit der Zulassung einer schadensersatzrechtlich zu verstehenden action of assumpsit aufgrund formloser Vertragsversprechen durch den sogenannten Slade's Case seinen prinzipiellen Abschluß erfährt.40 Wird die Form damit ihrer Wirkkraft beraubt, so erscheint es nur folgerichtig, wenn später ins Leben gerufene gesetzliche Formerfordernisse keine Wesensmerkmale von Verträgen, sondern bloß additive Wirksamkeitsvoraussetzungen darstellen. Grundsätzlich unterscheidet sich hier das englische Verständnis nicht von jenem im deutschen Rechtskreis.41 Indessen ist es dem Fallrechtssystem zuzuschreiben, daß - entgegen der Entwicklung in kontinentaleuropäischen Ländern - der förmliche Vertrag nicht völlig aufgegeben oder gar durch Federstrich des Gesetzgebers beseitigt wurde. Vielmehr existiert er weiter, wenngleich in vergleichsweise rudimentärer Bedeutung.42 Auch erfüllt die Form selbst in ihrem genuinen Anwendungsbereich der formal contracts heute eine klare Funktion: Sie ersetzt das für formfreie Verträge vorausgesetzte considerationErfordernis, stellt sohin im Sinne Zweigerts ein Seriositätsindiz dar.43 Auch insofern ist ein klarer Wandel von bloßer Wirkform zu einer Zweckform zu beobachten. Nichtsdestoweniger wird das common law of contracts nach wie vor in jenes der formal contracts und das andere der informal oder simple contracts (wozu auch gesetzlich formpflichtige Verträge zählen!) eingeteilt.44 45 Wenn aber sogar Verträge, die nach dem Statute of Frauds^5 oder anderen gesetzlichen Vorschriften 40 Vgl. hierzu nur den Überblick über die geschichtliche Entwicklung bei Simpson in Cheshire/Fifoot/Furmston 6; hierzu auch unten § 2 II. 1. c.. 41 Zum heute international vorherrschenden Verständnis der Form als bloß additives Wirksamkeitserfordernis von Mehren in IECL VII/10 9. 42 Vgl. hierzu auch Gerauer Jura 1988, 577; zur auch in den USA gesunkenen Bedeutung Murray 200 (Aufhebung der Unterscheidung von sealed und unsealed instruments)\ zur Bedeutung im australischen Recht Allan/Hiscock 227f. 43 JZ 1964, 349. 44 Vgl. nur Whittaker in Chitty 118; für die USA besonders deutlich Murray 29f. 45 Zu dessen Geltung auch in den USA §§ 1 lOff Restatement 2d, Contracts; ferner Scott/Leslie 324f mit Fallbeispielen.

formbedürftig sind46, zu den informal contracts gezählt werden, dann wird deutlich, wie sehr man sich im englischen Recht des additiven Charakters der gesetzlich vorgeschriebenen Form bewußt ist. Dem Vertrag oder - allgemeiner - dem Rechtsgeschäft ist eine Formpflicht „an sich“ nicht zu eigen; Form ist kein Tatbestandsmerkmal, der Vertrag wird vielmehr als von der Form unabhängig gedacht. Formerfüllung wird vom Gesetzgeber zur Pflicht gemacht; Pflichtverletzungen fuhren zwar zu Sanktionen, bedeuten aber nicht, daß der Vertrag als solcher - sozusagen „definitionsgemäß“ - nicht zustande gekommen ist. b. Das Ergebnis des F ormverfehlungsfolgen

additiven

Formverständnisses:

Die

Vielfalt

der

Infolge dieser tradierten Einteilung in förmliche und nicht förmliche Verträge stellt in anglo-amerikanischen Rechtsordnungen die Nichtigkeit bei den simple contracts keineswegs die einzig denkbare Sanktion für Verstöße gegen gesetzliche Formvorschriften dar. Ist man sich dort nämlich des additiven Charakters der gesetzlichen Form besonders bewußt, so folgt, daß Formwahrung nicht notwendig eine Gültigkeitsvoraussetzung bildet, sondern dem jeweils unterliegenden Zweck eine zielorientierte und adäquate Sanktion zur Seite zu stellen ist. Gerade Adäquanz und Zielgerichtetheit aber machen ein Abweichen von der Nichtigkeitssanktion in vielen Fällen unerläßlich. Freilich gibt es auch für simple contracts Formvorschriften, deren Verletzung den Vertrag nichtig macht.47 Bemerkenswerterweise sind es gerade Mängel alternativer Sanktionsmechanismen, wie sie aus der in Einzelfragen nicht einsichtigen Regelung des Statute of Frauds resultieren, die den englischen Gesetzgeber dazu veranlaßt haben, aus Gründen der Rechtsklarheit zur Sanktion der Nichtigkeit bei formmangelhaften Grundstücksgeschäften überzugehen.48 Häufiger wird jedoch eine Formverfehlung mit dem - in mancherlei Hinsicht - gelinderen Mittel der mangelnden Durchsetzbarkeit des Vertrages sanktioniert.49 Soll durch die Form als Beweismittel der Prozeßbetrug verhindert werden (der „Zweck“ des Statute of Frauds), so korrespondiert damit die Sanktion der Unklagbarkeit formwidriger Verträge. Der Vertrag selbst wird hingegen - materiellrechtlich - als gültig zustande gekommen angesehen, ihm fehlt lediglich die prozessuale Durchsetzbarkeit.50 Im Einzelfall freilich kann die Verweigerung der Durchsetzung eine weit härtere Sanktion bedeuten: Verträge, die nach englischem common law nicht nichtig, sondern unenforceable sind, lassen nämlich keinerlei Rechtsbehelf zu; sie schließen im 46 Vgl. nur die Auflistung bei Downes 126ff. 47 Siehe z.B. s. 2 Law of Property (Miscellaneous Provisions) Act 1989; zur hiermit vollzogenen Änderung gerade auf Sanktionsseite gegenüber der alten 5. 40 Law of Property Act 1925 Firstpost Homes Ltd v Johnson (1995) 1 WLR 1567 (1571). 48 Law Corn. No. 164, 2f. 49 So die Sanktion bei Verstößen gegen 5. 4 Statute of Frauds 1677; zu unterschiedlichen Sanktionierungen von Formverfehlungen nach den Statutes of Frauds in verschiedenen Rechtsordnungen des anglo-amerikanischen Rechtskreises, insbesondere innerhalb der USA sogleich unten § 1II. 2.. 50 Dabei ist fraglich, inwieweit der Vertrag als Verteidigungsmittel verwendet werden kann; hierzu Williams LQR 20 (1934) 532.

allgemeinen auch Bereicherungsansprüche (restitution) aus.51 Bei allem kann das Versagen der Durchsetzbarkeit relativ, also nur zugunsten einer (geschützten) Partei wirken; es mag aber auch beide Parteien treffen. Formverfehlungen können auch überhaupt keinen Einfluß auf die Gültigkeit und Durchsetzbarkeit des Vertrages haben, sondern Strafsanktionen nach sich ziehen.52 Hinzu treten weitere (privatrechtliche) Rechtsfolgen, insbesondere auch ein Eingriffin den Vertragsinhalt selbst, wobei z.B. zum Zwecke der Substitution formwidriger Vertragsbestimmungen auf den hypothetischen Parteiwillen abgestellt wird.53 In gewissen Fällen bleibt der Vertrag trotz Formfehlers gültig, wobei einer Partei das Recht eingeräumt wird, eine Formalisierung zu fordern.54 Auf diese Sanktionsmechanismen braucht hier nicht weiter eingegangen zu werden.55 Bemerkenswert - im Vergleich und in Kontrast zur Lage in Deutschland - erscheint indessen, daß das Schrifttum keineswegs die Nichtigkeit oder die mangelnde Durchsetzbarkeit als Standardsanktion hervorhebt, sondern vielmehr nachdrücklich auf die Vielfältigkeit der Sanktionsmechanismen verweist.56 Die Vertragsnichtigkeit ist sohin weder vorrangige Sanktion, noch denknotwendig die einzig mögliche und auch nicht die einzig effektive. Die Formverfehlungsfolge ist völlig beliebig oder besser - den Kriterien der Sachgerechtigkeit und Adäquanz unterworfen. In Einzelfällen wird sogar geprüft, ob die Rechtsfolge der Ungültigkeit teleologisch gefordert wird.57 All dies will im übrigen nicht heißen, daß im anglo-amerikanischen Rechtskreis vorzufindende Sanktionsmechanismen stets formzweckgerecht und 51 Speziell für unenforceability mangels Form Sweet v Lee (1841) 3 Man&G 452 (467f); allerdings soll restitution jedenfalls bei „ total failure of consideration " zur Anwendung kommen (so Beatson in Chitty I 1430f), wenn und solange der Zweck der Formvorschrift damit nicht unterlaufen wird (vgl. zu letzterem Aspekt Orakpo v Manson Investments Ltd [1978] AC 95); anders für die USA Calamari/Perillo 834ff. 52 Zu fiskalischen bzw. strafrechtlichen Sanktionen mangelnder Formalisierung siehe z.B. Cheshire/Fifoot/Furmston 227; ferner Whittaker in Chitty I 264f mit FN 17; aus der Rechtsprechung siehe Shaw v Groom (1970) 2 QB 504. 53 Consumer Credit Act 1974; vgl. die Kurzdarstellung der Sanktionsvarianten dieses Gesetzes bei Treitel 164f. 54 Diese Variante ist im US-amerikanischen Restatement 2d, Contracts, enthalten und wohl ein Produkt unklarer, sachlich nicht einleuchtender Rechtsfolgenbestimmungen des Statute of Frauds, die durch diese Variante gemildert werden sollen; hierzu Farnsworth II175. 55 Zu alternativen Sanktionsmechanismen ausführlich unten § 5. 56 Siehe nur Cheshire/Fifoot/Furmston 226f; insb. aber Treitel 164f, der die einzelnen Sanktionsmechanismen als gleichwertig und offenbar aus dem jeweiligen Sachzusammenhang erfließend behandelt; ebenso Whittaker in Chitty I 264f; vgl. auch Atiyah 167, der etwa die Sanktionierung durch Geldstrafen nicht nur akzeptiert, sondern hinsichtlich ihrer Effizienz ausdrücklich bevorzugt. Jedoch weist er - wohl unzutreffend - zugleich auf mögliche negative Folgewirkungen dieser Sanktionsform im Vertragsrecht hin: Er fürchtet nämlich, formwidrige Verträge könnten wegen Verstoßes gegen gesetzliche Verbote nichtig sein; hierzu mit gegenteiligem Ergebnis Shaw v Groom (1970) 2 QB 504; zum Pluralismus der Formverfehlungsfolgen in Australien Allan/Hiscock 228ff. 57 So - ablehnend - Bridgers v Stanford (1991) 88 (24) LSG 41, wo zur Beurteilung eines Mietkündigungsschreibens, dem eine gesetzlich geforderte Angabe fehlte, ein purposive approach verwendet wird und letztlich geschlossen wird, aus dem Weglassen der Angabe könne nach Sinn und Zweck nicht die Ungültigkeit der Kündigung folgen; Ansätze einer teleologischen Auslegung finden sich im übrigen auch bei s. 2 Law of Property (Miscellaneous Provisions) Act 1989: Hoffmann, J, in Spiro v Glencrown Properties Ltd (1991) 1 AUER 600 (607).

effektiv seien. Es besagt lediglich, daß man dort von einer bestimmten Sanktionierung nicht in derselben Weise wie in Deutschland präokkupiert ist. c. „Formales“ Rechtsdenken und alternative Sanktionsmechanismen

aa. „Formales“ Rechtsdenken Schon diese erste Betrachtung der vorzufindenden Mehrzahl von Rechtsfolgen in anglo-amerikanischen Rechten macht deutlich, daß auch bei alternativer Sanktionierung die Frage, ob denn im Einzelfall der Formzweck (trotz Formmangels) erreicht oder (wegen Formfehlers) vereitelt ist, für das Eintreten der Sanktionen keine Rolle spielt oder doch: nicht zu spielen braucht.58 Formellem Rechtsdenken entsprechend, treten die Folgen der Formverfehlung auch dann ein, wenn die materiellen Gründe für die Form gar nicht vorliegen.59 Insbesondere Atiyah hat auf die Vorzüge solch formellen Rechtsdenkens hingewiesen: Kostenersparnis und Vermeidung von Fehlern können diesen Denkprozeß legitimieren.60

bb. Formvorschriften als Musterbeispiel formalen Rechtsdenkens Dabei sind Formvorschriften nur ein Musterbeispiel unter mehreren beliebig wählbaren Erscheinungsformen solchen Rechtsdenkens gerade auch im Vertragsrecht.61 Das Fehlen der Form indiziert das Vorliegen jener gerade durch die Formwahrung zu vermeidenden Gefahr; damit wird eine Vermutung62 etabliert, die entsprechende Rechtsfolgen auslösen muß. Diese durch Formvorschriften etablierten Vermutungen sind meist negativer Natur: Bezweckt die Form etwa die Beweissicherung, so wird zwar an den Formmangel die Vermutung des Nichtvorliegens der formfrei gesetzten Handlungen geknüpft (und diese Vermutung durch entsprechende Sanktionen effektuiert), nicht hingegen der gewahrten Form notwendig auch volle Beweiskraft zugesprochen. Soll die Form vor Übereilung schützen, so folgen einem Fehlen der Form jedenfalls entsprechende Sanktionen -

58 Auch in Deutschland wird schon auf Tatbestandsseite ein derart formales Rechtsdenken angelegt (BGH 7.10.1994 NJW 1994, 3346 m.w.N.), das sich dann sozusagen auf die Sanktionsseite hin erstreckt. Es ist freilich nicht ausgeschlossen, die Sanktion an der tatsächlichen Beeinträchtigung des Formzwecks festzumachen; einen solchen Ansatz verfolgt z.B. der Consumer Credit Act, der die Rechtsfolgenbestimmung im einzelnen dem Richter überläßt, diesen aber bei der Determinierung an konkrete, dem Verbraucher aus dem Formmangel erfließende Nachteile bindet; Details hierzu unten § 4 II. 3. d. aa.. 59 Man kann hier freilich schon früher ansetzen: Schon das Formgebot kommt unabhängig davon zur Anwendung, ob seine Zwecke im Einzelfall von Relevanz sind; vgl. nur Enderlein 239. 60 Allgemein Atiyah/Summers 5f und - besonders für Gesetzesrecht - 96ff; speziell zu Formvorschriften im Vertragsrecht und deren Funktion Summers Journal of Contract Law 9 (1995) 29 (33). 61 Zu alledem siehe Atiyah, Essays, 93 (108ff). 62 Den Ansatz, wonach formelles Rechtsdenken zu gesetzlichen Vermutungen fuhrt, die im Einzelfall widerlegbar oder unwiderlegbar bzw. auch nur durch bestimmte Umstände widerlegbar sind, wählt Atiyah zum Ausgangspunkt seiner gesamten Überlegungen zur Frage, warum bloße Vertragsversprechen überhaupt durchsetzbar sein sollen; hierzu Atiyah, Essays, 112f.

wiederum unabhängig davon, wie genau sich die betreffende Vertragspartei den Vertragsschluß tatsächlich überlegt hat. Indessen schließt die Formwahrung einen Mangel der Überlegung nicht aus: Sie führt denn auch nicht zu höherer Bestandskraft des Vertrages z.B. im Sinne des Ausschlusses der Irrtumsanfechtung etc..

cc. Formales Rechtsdenken und Sanktionstypus

Ein derart formelles Rechtsdenken enthebt den Gesetzgeber indessen nicht der Pflicht, die jeweils gewählte Art der Sanktion zu legitimieren. Geht man nämlich mangels Formwahrung - „formell“ davon aus, daß sich eine (durch Formerfüllung) zu vermeidende Gefahr verwirklicht hat, so kann daran eine zweckadäquate Sanktion geknüpft werden. Diese braucht nicht (stets) in der Nichtigkeit zu bestehen. Nichts in den Ausführungen von Atiyah deutet demgemäß daraufhin, daß die Form stets durch Nichtigkeit oder funktional gleichwertige Sanktionsmechanismen durchgesetzt werden müßte. Formalisiertes Rechtsdenken hat schon für sich den resultierenden Mangel an Einzelfallgerechtigkeit zu verantworten, weil die jeweils etablierte Vermutung nicht auf ihr Zutreffen im Einzelfall hinterfragt wird. Inadäquate Rechtsfolgen verstärken diesen Effekt, können ihn im Einzelfall auch zur Unerträglichkeit steigern, wenn dem Rechtsunterworfenen zwar der Grund für die formelle Entscheidungsbegründung einsichtig gemacht werden kann, der Blick für den Sanktionstypus hingegen verschlossen bleiben muß. Die Abstimmung von Formzweck und Formsanktion entpuppt sich als zur Vermeidung von inadäquaten Ergebnissen notwendig. Kurzum: Der materielle Gehalt der durch die Formverfehlung etablierten Vermutung sollte im Sanktionstypus ihren Niederschlag finden. Das setzt freilich voraus, daß man sich über Sinn und Zweck einer konkreten Formvorschrift einig ist. Jedenfalls verlangt das formelle Rechtsdenken keineswegs nach der Nichtigkeit als Formverfehlungsfolge. 2. Die Gefahr des Pluralismus: Inkonsistenzen

Dem - wie oben betont - nicht zuletzt historisch zu verstehenden Pluralismus der Rechtsfolgen von Formmängeln unterliegt indessen kein einheitliches Prinzip, worin eine Schwäche anglo-amerikanischer Rechte zu sehen ist. Es ist im Einzelfall keineswegs einsichtig, warum die Statutes of Frauds verschiedener USamerikanischer Bundesstaaten im Sprachgebrauch selbst dann voneinander abweichen, wenn sie im Ergebnis dasselbe meinen.63 So sprechen diese Vorschriften z.B. einmal von void, ein anderes Mal von invalid contracts:64 Diese Inkonsistenzen gehen wohl auf einen Mangel an dogmatischer Durchdringung der Thematik in der

63 Ausführlich zu den Rechtsfolgebestimmungen US-amerikanischer Statutes of Frauds Jaeger in Williston III 695ff. 64 So die Beobachtungen von Farnsworth II 163f, für die verschiedenen Teilrechtsordnungen der Bundesstaaten in den USA.

Lehre und das Fehlen einer einheitlichen Kodifikation zurück.65 Die aufgezeigte Disharmonie ist allerdings im interpretativen Wege zu beseitigen, womit sich etwaige WertungswiderSprüche, die immer dann auftreten, wenn Formvorschriften, denen ein gemeinsamer Zweck unterliegt, verschieden sanktioniert werden (also nicht nur ein und dieselbe Sanktion terminologisch verschieden behandelt wird), weitgehend auflösen.66 67 Letztendlich handelt es sich also um ein legistisches Problem; hingegen können diese legistischen Mängel den grundsätzlichen Wert eines hinsichtlich des Sanktionsmechanismus offenen Systems nicht in Frage stellen, weil einem solchen erweiterte Möglichkeiten für einen Ausgleich des Verhältnisses von Privatautonomie und Formzwang an die Hand gegeben sind. 3. Zwischenbefund

Insgesamt belegen anglo-amerikanische Rechte mit ihrer Zuordnung der gesetzlich formpflichtigen Verträge zu den simple contracts, daß gesetzlicher Formzwang zweckgebunden und additiv zu verstehen ist, die Rechtsfolgen der Formverfehlung daher keineswegs in der Versagung der Rechtsgültigkeit des Vertrages bestehen müssen. Die tatsächliche Benützung alternativer Sanktionsmechanismen zeigt fernerhin, daß etwa der englische Gesetzgeber einen Grundsatz, wonach die Nichtigkeit die einzig effektive Sanktion darstelle, schlichtweg nicht kennt. Gleichzeitig schließt dies keineswegs aus, daß die dem formellen Rechtsdenken zugeschriebenen Rationalisierungseffekte genützt werden: Formelles Rechtsdenken und Sanktionstypus stehen in keinem inneren Zusammenhang.

III.

Das „gemischte System" im österreichischen Privatrecht

1. Die gesetzlichen Grundlagen a. Das Fehlen eines Grundsatzes der Formnichtigkeit im ABGB

In deutlichem Gegensatz zum BGB spricht das ABGB nicht nur den Grundsatz der Formfreiheit klar aus (§ 883)67, sondern ordnet auch für die Fälle von Formfehlern keine generelle Nichtigkeitssanktion an.68 Auch die einzelnen Formvorschriften bergen zunächst nicht notwendig die Anordnung der Nichtigkeit bei Formverstoß in sich. So knüpft § 943 ABGB an die Formwidrigkeit des bloßen Schenkungsversprechens lediglich die mangelnde Klagbarkeit der Schuld. Hier entsteht eine Naturalobligation, also eine nicht erzwingbare (insbesondere nicht einklagbare) Schuld. Auch spricht § 1432 ABGB von Fällen, „welche nur aus Mangel der Förmlichkeiten ungültig“ sind; diese Formulierung zeigt für sich, daß 65 Insbesondere liegt das jeweilige Inkrafttreten der Formvorschriften zeitlich sehr weit auseinander. 66 Zur interpretativen Bereinigung Farnsworth II 163f. 67 Zum Grundsatz der Formfreiheit im österreichischen Recht auch Dehn 26ff. 68 In diesem Sinne jüngst auch Langer 49 unter Verweis auf OGH 15.3.1987 SZ 60/40 = JB1 1987, 784: „Die Rechtsfolgen der Nichteinhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Form müssen in jedem Einzefall nach dem Zweck der Norm geprüft werden“.

der Gesetzgeber der Form geringeres Gewicht beimißt als anderen Nichtigkeitsgründen, was sich im Ergebnis dadurch bestätigt, daß er eine Heilung durch Erfüllung zuläßt. Gewiß, man kann „nur“ auch im Sinne von „ausschließlich“ verstehen: Voraussetzung der Heilung nach § 1432 ABGB ist eben, daß - außer der Formnichtigkeit - kein anderer Nichtigkeitsgrund vorliegt.69 Indessen zeigt sich gerade auch in einem solchen Verständnis des Wörtchens „nur“ in § 1432 ABGB die abgestufte Gewichtung der verschiedenen Nichtigkeitsgründe durch den Gesetzgeber: Denn eine Heilung durch Erfüllung gemäß § 1432 ABGB gibt es eben nur bei der Formnichtigkeit. b. Auch § 886 Satz 1 ABGB enthält keinen Grundsatz der Formnichtigkeit

Fraglich könnte allenfalls die Bedeutung des § 886 Satz 1 ABGB sein, wonach bei gesetzlichem Schriftformerfordernis der Vertrag - im allgemeinen - durch die Unterschrift der Parteien „zustande kommt“. Doch sollte diese Bestimmung - sie wurde durch die dritte Teilnovelle eingeführt - bloß die „Perfektion der Form“ regeln und die Frage des Verhältnisses von Form und Perfektion des Vertrages eben offenlassen bzw. den Bestimmungen der §§ 884 und 885 ABGB vorbehalten. Dies kommt in der Begründung deutlich zum Ausdruck.70 § 886 Satz 1 ABGB definiert somit lediglich die Schriftform.71 c. Jüngere gesetzliche Entwicklungen Alledem gegenüber ist vor allem das Notariatszwangsgesetz zu nennen, das die Ungültigkeit des nicht formgerecht geschlossenen Geschäfts anordnet (§ 1 Abs 1 NZwG). Dasselbe gilt für die Bürgschaftsform nach § 1346 Abs 2 ABGB. Die durch die dritte Teilnovelle72 zum ABGB eingefugte Formvorschrift verlangt für die Gültigkeit des Bürgschaftsvertrages, daß sich der Bürge schriftlich verpflichtet. Aber auch Gegenbeispiele lassen sich anfuhren. Dabei handelt es sich um Formvorschriften, welche die Gültigkeit des Geschäfts von einem allfälligen Formfehler ausdrücklich unberührt lassen (vgl. z.B. § 24 Abs 3 KSchG; § 33 Abs 2 BWG; so im übrigen schon § 3 VersVG). Der Gesetzesüberblick zeigt sohin keine einheitliche, wohl auch keine „primäre“ oder im Zweifel anzuwendende Sanktion. 2. Subjektiv-historische Argumente

Die ursprüngliche Ablehnung des Gesetzgebers richtet sich nicht nur gegen zu weitgehende Formpflichten.73 Er sieht vielmehr in der Nichtigkeit auch keine 69 So auch Dehn 170. 70 Materialien zur 3. Teilnovelle 267. 71 Dadurch löst sich der z.B. bei Langer 49 (samt Nachweisen zur Rechtsprechung zu § 886 ABGB) geortete Widerspruch von § 883 ABGB zu § 886 ABGB auf. 72 Und zwar durch deren § 97. 73 Zum besonderen Stellenwert der Formfreiheit gerade im österreichischen Recht Faistmantel in 10. Dt. Juristentag 1112 (116): „Im österr. bürg. Ges.-Buche dagegen treten die Anschauungen der sogenannten naturrechtlichen Schule am unverhülltesten zu Tage. Eine größere Freiheit in der allgemeinen Form des Vertragsabschlusses gestattet kein anderes deutsches Gesetzbuch.“

allgemein zutreffende Sanktion. Nicht zuletzt ihre bisweilen überzogene Strenge hat den Gesetzgeber dazu motiviert, eine Heilung durch Erfüllung in § 1432 ABGB zuzulassen, womit selbst eine im Einzelfall angeordnete Nichtigkeit zur Unklagbarkeit reduziert wird. Dabei verfolgt der historische Gesetzgeber durchaus pragmatische Ziele: Die unbedingte Nichtigkeit ohne Heilungsmöglichkeit könnte leicht zu einer Vielzahl von Prozessen aus dem Titel der ungerechtfertigten Bereicherung führen74, ein Nachteil, der offenbar (nach Ansicht des historischen Gesetzgebers) durch die Vorteile des Formzwangs nicht ausgeglichen wird. Folglich kann auf eine nur formnichtige Schuld Bezahltes nicht zurückgefordert werden. Eine geringe Änderung dieser formzwang- wie auch formnichtigkeitsfeindlichen Haltung zeigt das Notariatszwangsgesetz, welches die Ungültigkeit des formwidrig geschlossenen Vertrags vorschreibt (ohne allerdings die Einschränkung durch § 1432 ABGB oder gar den Grundsatz der Formfreiheit nach § 883 ABGB zu beseitigen). Diese Anordnung der Ungültigkeit in Einzelbestimmungen ändert freilich am Grundsatz nichts: Die Nichtigkeit ist nicht generell vorgeschrieben, Formverstöße lösen jeweils nur die in den einzelnen Formvorschriften vorgesehenen Folgen aus.75 Gewiß, auch dem ursprünglichen ABGB-Gesetzgeber schwebte als naheliegende Sanktion für Formverstöße die Nichtigkeit vor. Dies kommt darin zum Ausdruck, daß § 883 ABGB von der „Verbindlichkeit“ und nichts anderem spricht und letztlich eben auch § 1432 ABGB auf formnichtige Geschäfte Bezug nimmt. Einen Grundsatz der Formnichtigkeit können diese Vorschriften indessen nicht begründen. Den §§ 883, 1432 ABGB ist im historischen Kontext nicht viel mehr zu entnehmen, als daß die Nichtigkeit als Sanktionsmechanismus in Frage kommt. Weder fordern sie Formnichtigkeit, noch machen sie diese zu einer Regelrechtsfolge. 3. Die Bewertung der Formnichtigkeit in der Lehre

Was die österreichische Rechtsliteratur angeht, so ist der Einfluß des deutschen BGB nicht zu leugnen. Vor dessen Inkrafttreten erschienene (österreichische) Werke geben sich dem Nichtigkeitsprinzip gegenüber noch eher unbekümmert. So differenziert etwa Kirchstetter sehr genau zwischen Ungültigkeit, Unklagbarkeit und Versagen „erhöhter Wirksamkeit“ (etwa der Eintragungsfähigkeit eines Vertrages ins Grundbuch)76. Auch Stubenrauch unterscheidet noch scharf zwischen mangelnder Gültigkeit und bloßer Unklagbarkeit formwidriger Verträge. Er behandelt, wie auch Kirchstetter, beide Sanktionen als gleichrangig, d.h., eben in Auswahl und Anordnung der einzelnen Formvorschrift überlassen.77 Kein derart einheitliches Bild kann von der jüngeren Lehre gezeichnet werden. Wohl betont Gschnitzer, daß FormVorschriften neben der Anordnung des Formzwanges auch die Sanktion für Formverfehlungen festlegen müssen78, doch neigt der überwiegende

74 Ofner, Urentwurf II, 584. 75 Deutlich z.B. Mayrhofer in Ehrenzweig, Schuldrecht AT, 162f. 76 Kirchstetter 463. 77 Stubenrauch 47. 78 Gschnitzer in Klang IV/1 254f; Gschnitzer AT1 206.

Teil der Lehre - unter Berufung auf eine Entscheidung des OGH79 - dazu, zumindest im Zweifel Nichtigkeit als Sanktion anzunehmen.80 Dies wird zunächst damit begründet, daß nur mittels der Nichtigkeitssanktion der Formzweck (!) erfüllbar sei.81 Berger bringt dies dahingehend zum Ausdruck, daß dem Gesetzgeber nichts anderes als die Anordnung der von Amts wegen zu beachtenden Nichtigkeitssanktion übrig bleibe, wolle er der Formvorschrift praktische Effizienz beilegen.82 Hinzu treten verschiedene Einzelbestimmungen, insbesondere jene des NZwG, die jeweils die „Ungültigkeit“ formwidriger Geschäfte festschreiben, allerdings ohne daß daraus - im induktiven Wege - ausdrücklich auf ein allgemeines Prinzip geschlossen würde.83 Rummel wiederum will § 601 ABGB, der für formwidrige letztwillige Verfügungen deren Nichtigkeit anordnet, analog auf Rechtsgeschäfte unter Lebenden erstrecken.84 Diese Nichtigkeit sei dann auch wiederum in Entsprechung zur deutschen Lehre - von Amts wegen wahrzunehmen.85 Dabei wird allerdings zugleich betont, daß - vor allem wegen der Heilungsmöglichkeit durch Erfüllung gemäß § 1432 ABGB - der Nichtigkeit bei Geschäften unter Lebenden wesentlich geringere Bedeutung zukomme. Im übrigen - auch das wird freilich eingeräumt - bestünden auch sanktionslose Formvorschriften bzw. solche mit bloßer Strafsanktion. Letztlich gelangt Rummel zum Schluß, daß in Zweifelsfällen der Formzweck auch über die Sanktion für Formverfehlungen entscheide.86 Mit dem Abstellen auf den Formzweck aber dürfte die Nichtigkeitssanktion (die kurz zuvor noch als „im allgemeinen“ geltend bezeichnet wurde) selbst den Charakter als Zweifelsregel verlieren. Wenn Rummel nämlich im Zweifel den Formzweck über die Sanktion entscheiden läßt, dann wird deutlich, daß er die Nichtigkeit jedenfalls nicht als vorgegebene (einzig effektive) Sanktion ansieht und sie im übrigen auch nicht in jenen Fällen zur Anwendung beruft, in denen der Gesetzgeber die Sanktionsfrage nicht ausdrücklich geregelt hat (der Nichtigkeit sohin keine Lückenfüllungsfunktion zukommt).87 88 Dieser Ansicht folgt auch Holzer^, der wiederum vorbringt, ein der jeweiligen Formvorschrift 79 OGH 17.4.1984 DRdA 1985, 123 (Holzer). 80 Koziol/Welser I 152; Rummel in Rummel I § 886 ABGB Rz. 14; Apathy in Schwimann V § 883 ABGB Rz. 7; letztlich auch Faistenberger/Barta/Markl in Gschnitzer AT2 741. 81 Koziol/Welser I 152. 82 Berger 48. 83 Vgl. Koziol/Welser I 152; Faistenberger/Barta/Markl in Gschnitzer AT2 741. 84 Rummel in Rummel I § 886 ABGB Rz. 14; für § 601 ABGB vertritt Welser jedenfalls beschränkt die Meinung, es bestehe bloß relative Nichtigkeit (Welser in Rummel I § 601 ABGB Rz. 4): Demnach seien - von einer prima-facie-Prüfung, ob überhaupt eine Urkunde vorliegt, die ihrer äußeren Form und ihrem Inhalt nach eine letztwillige Verfügung darstellt (vgl. § 123 AußStrG), abgesehen - Formmängel von den Parteien geltend zu machen; im Ergebnis bedeute dies „eine Art ‘relative Nichtigkeit’, 'Anfechtbarkeit' oder 'Vernichtbarkeit' „ (Welser in Rummel I § 601 ABGB Rz. 4); vgl. auch Hummel NZ 1955, 113 für das Abhandlungsverfahren. 85 Anders hingegen in bezug auf § 601 ABGB Welser in Rummel I § 601 ABGB Rz. 4; anders auch OGH 9.10.1986 JB1 1987, 111 (112), der meint, die Formverfehlung müsse von den Parteien geltend gemacht werden, wobei er zuerst allerdings fordert, daß zumindest nach „äußerer Form und Inhalt“ eine letztwillige Verfügung vorliegen muß. 86 Rummel in Rummel I § 886 Rz. 14 (am Ende) unter Verweis auf OGH 5.3.1987 JB1 1987, 784 = SZ 60/40. 87 Rummel in Rummel I § 886 Rz. 14. 88 DRdA 1985, 123 (125).

zugrundeliegender Beweissicherungszweck könne im Zweifel nicht zur Nichtigkeitssanktion fuhren. Darauf ist hier nicht weiter einzugehen, zumal zum Verhältnis von Formzweck und Nichtigkeitssanktion noch eigens Stellung genommen wird.89 Hervorgehoben sei hier nur die im Ansatz andersgelagerte Haltung eines Teils der österreichischen Lehre gegenüber der deutschen: Während nämlich Vertreter der Nichtigkeitssanktion (jedenfalls als Zweifelsrechtsfolge) auf die Effektivität der Durchsetzung des Formgebots abstellen und deshalb aus praktischen Gründen (Präventivwirkung) § 125 BGB sozusagen „teleologisch rezipieren“, scheinen Rummel und Holzer zu einer Abstimmung von Formzweck und Sanktionstypus bereit. Damit aber würden Adäquanz und Zweckgerichtetheit zu entscheidenden Faktoren. 4. Zwischenbefund

Das österreichische Recht kennt keine einheitliche Sanktion bei Formverfehlung. Anderslautende Aussagen in der österreichischen Literatur gehen auf die Überzeugung dieser Autoren zurück, Nichtigkeit sei die denkmöglich einzige Sanktion, wenn man das Gesetz mit Verbindlichkeit ausstatten und nicht zu einem bloßen Ratgeber degradieren will. Indessen zeigen nicht zuletzt die Beispiele abweichender Sanktionsmechanismen, wie sie in verschiedenen Formvorschriften zu finden sind, daß diese Aussage so pauschal nicht zutrifft.90 Darüber hinaus verträgt sich die dargelegte strikte Ansicht auch nicht mit dem im österreichischen ABGB so stark ausgeprägten Grundsatz der Formfreiheit: Eine Zweifelsregel im Sinne einer Nichtigkeitssanktion gibt es nicht.91 Richtig leiten Faistenberger/Barta/MarkP2 aus dem Grundsatz der Formfreiheit („Ohne Norm keine Form“) auch ab, der Gesetzgeber müsse in jeder Formvorschrift neben dem Formgebot auch die Folge der Formverfehlung angeben. Demgegenüber basiert die auch bei diesen Autoren vorzufindende Aussage, Formverfehlung bewirke regelmäßig Ungültigkeit, lediglich auf der tatsächlichen Beobachtung der Häufigkeit dieser Sanktion, wenngleich betont wird, daß die Sanktionen mannigfaltig seien.93 Mangels ausdrücklicher Sanktion in der jeweiligen Formvorschrift bleibt die Rechtsfolgenbestimmung eine Aufgabe der Auslegung.94 Führt diese zu keinem Ergebnis, dann ist von einer sanktionslosen Formvorschrift auszugehen.95 Freilich können dann immer noch sekundäre Rechtsfolgen, insbesondere Schadenersatzansprüche, eintreten.96 Für jene Fälle, in denen die Nichtigkeit 89 Siehe unten § 2 III.. 90 Zu diesen alternativen Sanktionsmechanismen allgemein unten § 5. 91 So auch Coing DNotZ 1965 (Sonderheft Dt. Notartag 1965) 29 (32 und 42). 92 In Gschnitzer AT2 730. 93 Faistenberger/Barta/Markl in Gschnitzer AT2 740ff. 94 Wofür auf den Formzweck abstellende teleologische Erwägungen anzustellen sind: So Coing DNotZ 1965 (Sonderheft Dt. Notartag 1965) 29 (42). 95 Das genaue Gegenteil bewirkt freilich der OGH, der ungeachtet der Tatsache, daß eine Formvorschrift nach Auslegungsgrundsätzen eben nicht als konstitutives Formgebot aufzufassen ist, Formmängel dennoch mit Nichtigkeit sanktioniert; siehe OGH 29.8.1994 ecolex 1996, 521 sowie die zutreffende Kritik NQnMadl ecolex 1996, 518. 96 Hierzu unten § 4 II. 3. d. aa..

angeordnet ist, schließt sich an das Gesagte eine weitere Beobachtung an: Wenngleich die wohl überwiegende Lehre im Falle der Nichtigkeit von deren amtswegigen Wahrnehmung ausgeht97, sind hier deutlich Unsicherheiten zu spüren, die wohl ihrerseits auf das Fehlen einer dem § 125 BGB entsprechenden Vorschrift zurückzufuhren sind. IV. Form und Sanktion im europäischen Vertragsrecht

1. Die Pluralität der Formverfehlungsfolgen

Das auf SchuldVerträge (insbesondere Verbraucherverträge) bezügliche EGRichtlinienrecht verfolgt bei der Sanktionierung von Formverstößen kein einheitliches Konzept. Teils läßt es die Frage der Sanktion völlig offen, teils gibt es nur allgemeine Hinweise auf die Art und Weise der Durchsetzung. Mancherorts begnügt es sich mit der Inpflichtnahme der Mitgliedstaaten, die Durchsetzung der Formwahrung zu gewährleisten, vereinzelt gibt es auch eigene Sanktionen vor. Diese Pluralität und - wegen im einzelnen stark abweichender Textierung in den Richtlinien - scheinbare Konzeptlosigkeit fordern dazu heraus, zunächst auf allgemeine Aspekte der Sanktionierung von Richtlinienbestimmungen, wie sie sich aus dem Primärrecht der EG ergeben, einzugehen. Anhand des so gewonnenen Instrumentariums sollen dann die Vorgaben des Richtlinienrechts einer näheren Betrachtung unterzogen werden. 2. Primärrechtliche Vorgaben

Gemäß Art. 189 Abs. 3 EG-Vertrag sind Richtlinien für die Mitgliedstaaten „hinsichtlich des zu erreichenden Ziels“ verbindlich. Ihre Umsetzung in das nationale Recht hat daher die Zielerreichung im Sinne der Richtlinie sicherzustellen. Naturgemäß kommt den Sanktionen, welche die Mitgliedstaaten für Verstöße gegen umgesetzte Richtlinienbestimmungen vorsehen, große Bedeutung zu, weil Gesetze regelmäßig und vor allem verläßlich nur in jenem Grade verhaltenssteuemd wirken, in welchem sie auch effektiv sanktioniert werden.98 Es kann daher kaum verwundern, daß der EuGH mit Fragen der Ausgestaltung von Rechtsfolgen wiederholt befaßt war und hierzu klare Vorgaben entwickelt hat. Dabei sind zwei von ihm entwickelte Grundsätze besonders hervorzuheben: Zum einen wird die Durchsetzbarkeit subjektiver Ansprüche garantiert.99 Gewährt das Richtlinienrecht subjektive Rechte, dann haben die Mitgliedstaaten (unter anderem) prozessuale Möglichkeiten ihrer Durchsetzung - insbesondere den Zugang zu den ordentlichen Gerichten - vorzusehen.100 In dieselbe Richtung weisen Äußerungen der

97 Siehe nur Rummel in Rummel I § 886 ABGB Rz 14 m.w.N. zur Rechtsprechung; ebenso Fenyves in Ruppe (Hg.) 59 (80f) unter Verweis auf OGH 3.4.1957 EvBl 1957/219. 98 Hierzu nur Steindorff in Brüggemeier (Hg.) 131 (144); ders. Jura 1992, 561. 99 Hierzu etwa Hetmeier in Lenz (Hg.) Art. 189 EGV Rz. 12; Geiger Art. 189 EGV Rz. 9 verlangt, daß die Sanktion „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ ist. 100 Siehe EuGH 23.5.1985 Sig 1985, 1661 (1673 Rn. 23); bestätigt in EuGH 9.4.1987 Sig 1987, 1733 (1742 Rn. 7); EuGH 28.2.1991 Sig 1991, 1-825 (870 Rn. 19); sowie EuGH 17.10.1991 Sig

Kommission in ihrem Grünbuch über den Zugang der Verbraucher zum Recht101. 102 Das verallgemeinerungsfähige Prinzip des „ubi ius, ibi remediuiniC1Q2 sowie das Bestehen auf Einräumung vollen Schutzes103 zeugen von dieser Haltung der Kommission. Zum zweiten haben die Mitgliedstaaten Verletzungen subjektiver Rechte, wie sie von der Richtlinie eingeräumt werden, materiellrechtlich adäquat zu sanktionieren. Wichtig für das Adäquanzurteil ist die Zielerreichung der Richtlinienbestimmung.104 Paradigmatische Bedeutung kommt hier der EuGH­ Rechtsprechung zum Verbot der Diskriminierung nach Geschlecht beim Zugang zur Beschäftigung zu. Werden Bewerberinnen diskriminiert, so verstößt dies zwar gegen die Gleichberechtigungs-Richtlinie105, allerdings gibt die Richtlinie ihrerseits keine konkreten Sanktionsmechanismen vor. Damit ist die Rechtsfolgenbestimmung dem mitgliedstaatlichen Recht vorbehalten, doch hat der EuGH deutlich gemacht, daß unter allen in Betracht kommenden Sanktionsmechanismen nur solche gewählt werden dürfen, die eine vollständige Zielerreichung gewährleisten. Dies bedeutet, daß zwar anstelle eines Rechts auf Anstellung auch Schadensersatz als Sanktion gewählt werden kann, doch muß dieser das gesamte Erfüllungsinteresse umfassen und nicht nur die Vertrauensschäden (also das sogenannte negative Vertragsinteresse).106 Nicht (nur) die Rechtsnatur des vom nationalen Recht gewährten Anspruchs107 interessiert sohin, sondern die Effektivität der Zielerreichung. Die beiden Grundsätze des prozessualen Zugangs zur Gerichtsbarkeit der Mitgliedstaaten sowie der Effektivität der Sanktionierung der Richtlinienvorschriften stellen damit qualitative Vorgaben auch für die Sanktionierung der Formvorschriften des in EG-Richtlinien enthaltenen (Verbraucher-)Vertragsrechts dar. 3. Der europäische Entscheidungseinklang als Kriterium der Sanktionsbestimmung: Kollisionsrechtliche Absicherung der Effektivität der Zielerreichung

Als Ausdruck effektiver Richtlinienumsetzung kann ferner die Forderung erhoben werden, der einzelne Mitgliedstaat müsse bei der nationalen Durchführung nicht nur auf eine Einordnung ins nationale Rechtssystem achten, sondern auch die 1991, 1-4983 (5023 Rn. 13); vgl. auch Hetmeier in Lenz Art. 189 EGV Rz. 12; sowie Brealey/Hoskins 54f m.w.N. zur EuGH-Rechtsprechung. 101 Grünbuch KOM (93) 576 endg. 79. 102 Grünbuch KOM (93) 576 endg. 79; vgl. auch 85, wonach jeder, der in seinen Rechten verletzt ist, seine Rechte soll geltend machen können. 103 Grünbuch KOM (93) 576 endg. 80. 104 Vgl. Grabitz in Grabitz/Hilf (Hg.) Art. 189 EGV Rz. 59; Streinz 118f. 105 Richtlinie des Rates vom 9.2.1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf Arbeitsbedingungen, ABI. 1976 Nr. L 39/40. 106 Z.B. EuGH 10.4.1984 EuR 1984, 311 = Sig 1984, 1891; hierzu und zur Bedeutung privatrechtlicher Sanktionen allgemein auch Steindorff in Brüggemeier (Hg.) 131 (144f); ferner Brealey/Hoskins 54 m.w.N.; aus jüngerer Zeit noch weitergreifend EuGH 8.11.1990 Sig 1990, I3941; EuGH 22.4.1997 Sig 1997,1-2195; hierzu Brüggemeier ZEuP 1998, 752 m.w.N.. 107 Im gegebenen Fall standen mögliche vertragliche Ansprüche solchen schadensersatzrechtlicher Natur gegenüber.

Gemeinschaft im Auge behalten. Ganz allgemein betonen etwa Micklitz und Reich, den Mitgliedstaaten sei durch Art. 5 EG-Vertrag - im Rahmen ihrer durch das Subsidiaritätsprinzip „zurückgewonnenen“ Verbraucherschutzkompetenzen - die Verpflichtung auferlegt, sozusagen den „europäischen Verbraucher“ zu schützen, insofern also Verantwortung für den Binnenmarkt der Verbraucher zu übernehmen.108 Ganz gewiß kann dieser Gedanke in noch stärkerem Maße für die Umsetzung europäischen Verbraucherschutzrechts fruchtbar gemacht werden, wo die effet-utile-Rechtsprechung des EuGH dem Richtlinienrecht größtmögliche Wirksamkeit garantieren will.109 Die Harmonisierungsakte der EG wollen überall in Europa materiell gleichwertigen Verbraucherschutz (jedenfalls im Sinne eines Mindeststandards) herstellen; dieser soll stets Anwendung finden und zwar ganz unabhängig davon, welchem Recht der Verbrauchervertrag unterliegt. Dies geht im einzelnen so weit, daß diverse Richtlinien die Mitgliedstaaten verpflichten, den Schutz auch bei Anwendbarkeit des Rechts eines Drittstaates zu garantieren.110 Für das Vertragsrecht scheint die Sachlage auf ersten Blick klar: Das EVÜ bestimmt idealtypisch gesprochen - das Vertragsstatut in einheitlicher Weise, und weil jedes mitgliedstaatliche Schuldvertragsrecht die entsprechenden harmonisierten Regeln enthalten muß, ist der internationale Entscheidungseinklang im geeinten Europa gesichert. Das setzt indessen voraus, daß die ihrer Natur nach als „vertragsrechtliche Verbraucherbestimmungen“ aufzufassenden Vorschriften der Richtlinien auch als schuldvertragsrechtliche Normen umgesetzt werden. Wird hingegen in andere Rechtsgebiete ausgewichen, so kann im Einzelfall die Gewährung von Verbraucherschutz „überall in Europa“ durchbrochen werden; das Kollisionsrecht reißt Löcher in das vordergründig harmonisierte Verbrauchervertragsrecht. Das gilt für Formvorschriften insbesondere mit Blick auf prozeßrechtliche Sanktionen. Solche sind nach dem Muster des englischen Statute of Frauds bekannt, wonach diverse Verträge nur bei Verschriftlichung gerichtlich durchsetzbar sind. Über die kollisionsrechtliche Behandlung der Statutes of Frauds des anglo-amerikanischen Rechtskreises herrscht nach wie vor Streit111, womit zumindest Unklarheit besteht, ob Statute-of-Frauds-Bestimmungen von ausländischen Gerichten angewandt werden oder aber als Prozeßrecht für diese unbeachtlich sind. Prozeßrechtlich sanktionierte Formen werden insofern dem erforderlichen europäischen Entscheidungseinklang nicht gerecht. Ähnliche Überlegungen sind auch im Hinblick auf öffentlichrechtliche Verankerungen von Formvorschriften des Richtlinienrechts anzustellen. Gerade der österreichische Gesetzgeber hat wiederholt privatrechtlich zu verstehende Richtlinienbestimmungen in öffentlichrechtlichen Umsetzungsgesetzen versteckt. Das trifft ganz deutlich etwa auf die Formvorschrift für (durch Banken gewährte) Verbraucherkredite nach § 33 BWG zu, aber z.B. auch für jene Formvorschriften der Pauschaireisen-Richtlinie, 108 Micklitz/Reich EuZW 1992, 593 (595). 109 Hierzu nur Pühs 80f sowie - speziell zur Richtlinienumsetzung - 97ff. 110 Siehe z.B. Art. 6 Abs. 2 Richtlinie über mißbräuchliche Vertragsklauseln, wobei eine Nahebeziehung zum Recht eines der Mitgliedstaaten gefordert wird; Art 9 Timeshare-Richtlinie für die Fälle in denen die Immobilie in einem Mitgliedstaat belegen ist; ferner Art 12 Abs 2 Teleshopping-Richtlinie; zu diesem Typus von Kollisionsnormen Basedow in Schnyder/Heiss/Rudisch (Hg.) 11 (27fi). 111 Vgl. nur Donath IPRax 1994, 333.

die im Gewerberecht umgesetzt wurden.112 Gewiß, in den meisten Fällen gewährleistet der Vorbehalt des Art. 5 i.V.m. Art. 9 Abs. 5 EVÜ und - insoweit Art. 5 i.V.m. Art. 9 Abs. 5 EVÜ nicht zur Anwendung kommt - die (z.B. im Banken- und Versicherungssektor gegebene) staatliche Aufsicht die Einhaltung der entsprechenden Vorschriften. Dennoch: Kollisionsrechtliche Umgehungen sind auch hier konstruierbar. So etwa, wenn ein niederländisches Reisebüro mit einem deutschen Reisenden unter Umständen kontrahiert, die eine freie Rechtswahl zulassen.113 Wenn in einem solchen Fall österreichisches Recht als Vertragsstatut vereinbart wird, dann werden die Formvorschriften ausgeschaltet: Die Niederlande und Deutschland haben nämlich das Pauschalreiserecht privatrechtlich ausgestaltet114, die Rechtswahl umgeht aber diese Vorschriften (jenseits von Normen mit Eingriffscharakter). Österreichs gewerberechtliche Vorschriften können zwar im Rahmen der Verweisung auf österreichisches Recht auch auf ein niederländisches Reisebüro zur Anwendung gebracht werden;115 das hilft indessen gerade mit Blick auf die Frage der Rechtsfolgen häufig nicht wirklich weiter, so etwa bei bloßen Strafsanktionen.116 Das Problem wäre freilich leicht vermeidbar: Der österreichische Gesetzgeber müßte sich nur zum eigenen Rechtssystem bekennen und solche Rechtsregeln, die „das Rechtsverhältnis der Parteien unter sich regeln“117, im Privatrecht verankern; die kollisionsrechtlichen Probleme verschwinden unmittelbar. Insgesamt sind daher Formvorschriften in einer Weise umzusetzen, die eine kollisionsrechtliche Umgehung (nach Möglichkeit) nicht zuläßt. Für eine solche Auffassung spricht im übrigen nicht nur das Prinzip effektiver Richtlinientransformation nach Primärrecht, sondern auch das im Richtlinienrecht bisweilen vorzufindende Prinzip kollisionsrechtlicher Absicherung von Verbraucherschutz. Die Richtlinien über mißbräuchliche Vertragsklauseln118,

112 Kritisch hierzu auch Mayrhofer ZfRV 1996, 229 (230), der meint, die gewerberechtliche Umsetzung dürfe „nicht zum Schluß verleiten, daß diese Vorschriften zivilrechtlich ohne Bedeutung sind.“ So auch M.Bydlinski in Schuhmacher (Hg.) 211 (218). Die zivilrechtliche Relevanz wird jedoch geringer sein, als es die Richtlinie erfordert: In Frage kommen Ansprüche auf gerichtliche Durchsetzung, Schadenersatzansprüche, eventuell Anfechtungsrechte gemäß § 871 Abs 2 ABGB. Zurecht daher die ins Grundsätzliche gehende Kritik an der Umsetzung formalisierter Informationspflichten nach der Dritten Richtlinie Lebensversicherung bei ReichertFacilides VW 1994, 561. Sie hat insofern gefruchtet, als im Wege der Einfügung des neuen § 5a WG jedenfalls eine zivilrechtliche Sanktion bereitgestellt wurde, hierzu Dörner/Hoffrnann NJW 1996, 153. 113 Z.B.: Reisender ist nicht privater Endverbraucher; oder: die konkreten Voraussetzungen für ein Verbrauchergeschäft nach Art 5 EVÜ liegen nicht vor (grenzüberschreitend „aktiver“ Verbraucher). 114 Siehe nur die rechtsvergleichenden Nachweise bei Mayrhofer ZSRN 1996, 229 (230 mit FN 12 und 13). 115 Deutlich in diesem Sinne aus österreichischer Sicht: Schwimann in Rummel II Vor § 1 IPRG Rz. 41 (mit vielen Nachweisen zu gleichlautendem deutschem Schrifttum): „Dabei kann ohne weiteres über die Grenzen des fremden Zivilrechtes hinaus auch fremdes öffentliches Recht mit einbezogen werden“. 116 Konsequent daher auch der von Schwimann in Rummel II Vor § 1 IPRG Rz. 41 verwendete Zusatz „... sofern es das Sachergebnis beeinflußt“. 117 Eingehend und pointiert zu dieser Problematik Reichert-Facilides VW 1994, 561. 118 Art 6 Abs 2 Richtlinie über mißbräuchliche Vertragsklauseln.

zum Timesharing119 sowie zum Teleshopping120 enthalten nämlich Vorschriften, die einer kollisionsrechtlichen Umgehung des Verbraucherschutzes durch Wahl des Rechts eines Drittstaates vorbeugen wollen. Diese Klauseln setzen somit logisch voraus, daß die Wahl des Rechts eines Mitgliedstaates den Verbraucherschutz nicht umgehen kann.

4. Die richtlinienrechtlichen Regelungen im einzelnen

a. Die Sanktionierung der Konstitutivformen

aa. Die Identifizierung als Konstitutivform Das Richtlinienrecht enthält klassische Abschlußformen, wie sie wohl in allen nationalen Rechtsordnungen bekannt sind. Der Abschluß des Vertrages selbst unterliegt dem Formzwang, der Vertrag kommt folglich nur bei Verwendung der vorgeschriebenen Form gültig bzw. vollwirksam zustande. Ob freilich die im einzelnen vorgesehenen Formen „Abschlußformen“ sind, also konstitutive Wirkung entfalten, ist jeweils eigens zu prüfen. Dabei ist der Richtliniengeber in seinen Formulierungen regelmäßig dann sehr deutlich, wenn es sich gerade nicht um Konstitutivformen handelt.121 Solche Formvorschriften, die entweder den bereits erfolgten Vertragsschluß tatbestandsgemäß voraussetzen122 oder aber bereits im vorvertraglichen Stadium zu erfüllen sind123, können keine unmittelbar konstitutive Wirkung besitzen, das versteht sich. Deutlich sind auch die Handelsvertreter- sowie Arbeitsnachweise-Richtlinie, wo grundsätzlich nur Bestätigungsurkunden auszustellen sind, der einzelne Mitgliedstaat diese jedoch zu Konstitutivurkunden erheben kann.124 125 Nicht eindeutig ist die Sprache des Richtliniengebers hingegen andernorts: Wird lediglich betont, daß der Vertrag „der Schriftform bedarf425, so deutet diese Formulierung wohl auf eine Konstitutivform, zweifelsfrei schlüssig ist dies allerdings nicht. Ihr könnte auch ein bloßer Zwang zur Ausstellung von Bestätigungsurkunden, also zur nachträglichen bzw. dem Vertragsschluß unmittelbar folgenden Verschriftlichung des geschlossenen Vertrages entnommen werden. Die Unsicherheit rührt daher, weil man gewohnt ist, den Konstitutivcharakter einer Formvorschrift aus den Rechtsfolgebestimmungen 119 Art 9 Timeshare-Richtlinie. 120 Art 12 Abs 2 Teleshopping-Richtlinie. 121 Anderes gilt freilich für Art. 20 Abs. 2 Handelsvertreter-Richtlinie: Konkurrenzklauseln bedürfen schon nach der Richtlinie zu ihrer Gültigkeit der schriftlichen Vereinbarung. Es handelt sich wohl um den einzigen Fall des Richtlinien-Vertragsrechts, in dem die Nichtigkeitssanktion direkt ausgeprochen wird. 122 Z.B. Art. 4 Abs. 2 lit. b letzter HS. Pauschalreisen-Richtlinie; hierzu Meyer/Kubis ZvglRWiss 92 (1993) 179 (208); Art. 5 Teleshopping-Richtlinie; Art. 2 Versicherungsvertragsrecht-Richtlinienentwurf. 123 Z.B. Art. 4 Abs. 2 lit. b Pauschalreisen-Richtlinie; vgl. auch Art. 4 Teleshopping-Richtlinie. 124 Siehe Art. 13 Handelsvertreter-Richtlinie; sowie Art. 6 1. Gedankenstrich Arbeitsnachweise-Richtlinie, wonach diese Richtlinie die nationalen Vorschriften über die Form des Arbeitsvertrages nicht berührt. 125 So z.B. Art. 4 Abs. 1 Satz 1 Verbraucherkredit-Richtlinie; Art. 4 1. Gedankenstrich Timeshare-Richtlinie.

herauszulesen. Gerade an der Spezifizierung derartiger Rechtsfolgen mangelt es aber im Zusammenhang mit Formvorschriften der hier beschriebenen Art.126 Dies leuchtet insofern ein, als der Richtliniengeber nur Zielvorgaben zu machen braucht, er im übrigen aber die nationale Systematik vor Brüchen bewahrt, wenn er es den Mitgliedstaaten überläßt, die vorgegebenen Ziele mit Hilfe funktional gleichwertiger Rechtsfolgen, die dem jeweiligen heimischen Rechtssystem entsprechen, zu verfolgen. Deutlich äußert sich etwa der Wirtschafts- und Sozialausschuß zum ursprünglichen Vorschlag einer Verbraucherkredit-Richtlinie: „Zu den rechtlichen Folgen, die der Richtlinienvorschlag im Falle der Nichteinhaltung der Bestimmungen über den schriftlichen Vertrag vorsieht, meint der Ausschuß, daß die Richtlinie bezüglich der Harmonisierung der Rechtsvorschriften klare Ziele setzen muß, ...; den Mitgliedstaaten obliegt es dann, diese Ziele zu verwirklichen, indem sie die erforderlichen Rechtsinstrumente schaffen.“127 Auf die Sanktionsseite bezogen kann dies nur heißen, daß der Richtliniengeber nur vorzugeben braucht, daß es sich um eine Konstitutivform handelt, und es den Mitgliedstaaten überlassen bleibt, die genauen Rechtsfolgen im Sinne dieser Zielvorgabe zu bestimmen. Ob formwidrige Verträge dabei als nicht existent, (absolut oder relativ) nichtig128 oder aber nicht durchsetzbar129 behandelt werden, das liegt im Ermessen der Mitgliedstaaten.130 Derartige Lösungen können - aus europarechtlicher Sicht - als im wesentlichen funktional gleichwertig angesehen werden. Dies fuhrt aber dazu, daß der Rechtsanwender bzw. - ihm durch die erforderliche Umsetzung in nationales Recht vorangehend - der nationale Gesetzgeber bei der Bestimmung der Zielrichtung einer Formvorschrift des Richtlinienrechts auf die dortige Formulierung ihrer Tatbestandsseite beschränkt ist.131 Dabei erscheint eine systematische Erfassung des Bestandes solcher Formvorschriften hilfreich.132 Denn jene Zweifel, die der Annahme einer Konstitutivwirkung aufgrund einer Wortlautinterpretation z.B. des Art. 4 Timeshare-Richtlinie noch entgegenstehen, können durch einen Rückgriff auf die Regelung der Vertragsform in anderen Richtlinien endgültig 126 Weder Art. 4 Verbraucherkredit-Richtlinie noch Art. 4 Timeshare-Richtlinie geben explizite Rechtsfolgen vor. 127 Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Verbraucherkredit, ABI. 1980 Nr. C 113/22 (26) (Hervorhebungen nicht im Original). 128 So etwa die Rechtsfolge nach deutschem BGB; siehe § 125 BGB. 129 So etwa die Regelung in 5. 4 des englischen Statute of Frauds, dessen prozessuale Rechtsfolgen hingegen auf andere europarechtliche Bedenken stoßen; hierzu oben § 1IV. 3.. 130 Insofern ist es überzogen, wenn Graf ÖBA 1994, 4 (10), für den Fall der Nicht- oder Falschangabe des effektiven Jahreszinses meint, daß nur eine Möglichkeit der Rechtsgestaltung vorhanden sei, nämlich jene des deutschen Verbraucherkreditgesetzes. So richtig seine Kritik an der österreichischen Umsetzung der Richtlinie ist, so impliziert seine strikte Aussage zugleich die Unzulänglichkeit z.B. der englischen Umsetzung. England läßt eine Durchsetzung des Kreditvertrages nur durch eine „order^ des Gerichts, das nach Vernunftsgrundsätzen entscheidet (hierzu unten § 4 II. 3. d. aa. und § 10 V. 1. b. cc.) zu. Die Aussage von Graf ist daher dahingehend zu berichtigen, daß nur eine der deutschen funktional gleichwertige Sanktionsregelung den Vorgaben der Verbraucherkredit-Richtlinie entspricht. 131 Anders lediglich Art. 20 Abs. 2 lit. a Handelsvertreter-Richtlinie für die Konkurrenz­ Klausel. 132 Zur Methode Heiss ZfRV 1995, 54 (58f); ders. in Schnyder/Heiss/Rudisch (Hg.) 87 (91f).

zerstreut werden. Zum einen ist der Richtliniengeber bei der Statuierung von Deklarativformen regelmäßig sehr deutlich. Hätte er auch den Timeshare-Vertrag bloß einer deklarativ wirkenden Beurkundung unterwerfen wollen, so hätte er sich seines üblichen Sprachgebrauchs bedienen können. Wenn er also im Rahmen der Timeshare-Richtlinie davon spricht, daß der Vertrag „der Schriftform bedarf4, dann verfolgte er hier offenbar ein anderes Ziel, nämlich die Statuierung einer Konstitutivform. Zum selben Ergebnis fuhrt ein Vergleich zur Verbraucherkredit­ Richtlinie, deren Art. 4 Abs. 1 ebenfalls davon spricht, daß der Vertrag „der Schriftform bedarf4. Dort sind jedenfalls die nicht deutschsprachigen Texte133 hinreichend bestimmt, um unzweideutig von einer Konstitutivform ausgehen zu können.134 Der englische Text135 136 lautet: „Credit agreements shall be made in writing".136 Der französische Text137 138 entspricht 139 dem: ,,Les contrats de credit sont etablis par ecrit ul33 Besonders deutlich macht der französische Text den konstitutiven Charakter der Form des Kreditvertrags auch durch eine in den Erwägungsgründen vom Richtlinienwortlaut abweichende Formulierung. Im 16. Erwägungsgrund heißt es: „... les contrats de credit sont conclus par ecrit ...".139 Sohin ist für den Bereich der Verbraucherkredit-Richtlinie, sowie - wegen nahezu identen Wortlauts - auch der Timeshare-Richtlinie jeweils von Konstitutivformen auszugehen. Die vom nationalen Umsetzungsgesetz vorzusehenden Sanktionen haben dem Rechnung zu tragen.

bb. Allgemeines zur Sanktionierung der Konstitutivformen (1) Das Sanktionsziel: Folgenlose Lösung vom Vertrag

Die Identifizierung einer Formvorschrift als einer solchen konstitutiven Charakters bedeutet nicht notwendig die Pflicht zur Sanktionierung von Formverfehlungen durch Nichtigkeit. Mehrere funktional gleichwertige Sanktionsmechanismen kommen in Frage. Der absoluten Nichtigkeit steht eine relative, sohin nur zugunsten des Verbrauchers wirkende, gegenüber. Im Ergebnis werden der Konstitutivform auch Anfechtungsrechte und perpetuierte Widerrufs- bzw. Rücktrittsrechte des Verbrauchers gerecht. Stets geht es also um die folgenlose Lösung (des Verbrauchers) von der Vertragsbindung, die einzig dem Konstitutivcharakter einer Formvorschrift gerecht werden kann. Wegen der oben geforderten Binnenmarktorientiertheit der Sanktionierung müssen rein prozessuale Rechtsfolgen allerdings ausscheiden, weil sie den europäischen Entscheidungseinklang beeinträchtigen.140 133 Während bei der Timeshare-Richtlinie auch der englische Text nur von „shall be in yvriting^ spricht. 134 So im Ergebnis - wenngleich ohne nähere Begründung - wohl auch Dassesse/Isaacs/Peun 360f. 135 OJ 1987 No. L 42/48 (50). 136 Hervorhebung nicht im Original. 137 JO 1987 N° L 42/48 (50). 138 Hervorhebung nicht im Original. 139 JO 1987 N° L 42/48 (49) (Hervorhebung nicht im Original). 140 Siehe oben § 1IV. 3..

(2) § 33 BWG: Ein Beispiel EG-rechtswidriger Richtlinienumsetzung141

Klar EG-rechtswidrig ist demzufolge die Umsetzung der Verbraucherkredit­ Richtlinie in Österreich:142 Eine Formvorschrift, deren Verletzung nach ausdrücklichem Gesetzeswortlaut auf die Rechtsgültigkeit des Verbrauchervertrages keinen Einfluß hat143, sondern ausschließlich verwaltungsstrafrechtliche Konsequenzen nach sich zieht144, bleibt nicht nur hinter den Vorgaben der Verbraucherkredit-Richtlinie zurück145, sondern verstößt auch gegen die Vorgaben des EG-Vertrags und insbesondere der oben dargelegten EuGH-Judikatur.146 Dieser Befund kann auch nicht durch einen Verweis auf § 871 Abs. 2 ABGB restlos beseitigt werden. Zwar wird - wegen des Informationszwecks der zwingenden Vertragsangaben - das Fehlen eines zwingenden Vertragsbestandteils regelmäßig zur Anwendung des § 871 Abs. 2 ABGB fuhren, doch gewährt dieser dem Verbraucher nur dann ein Recht zur Anfechtung des Vertrages, wenn er einen erheblichen Irrtum tatsächlich nachweist. Indessen sind nach der Verbraucherkredit-Richtline der Nachweis eines konkreten Irrtums und dessen Erheblichkeit keine Voraussetzungen für das Eintreten von Sanktionen.147 cc. Die richtlinienrechtliche Vordeterminierung Konstitutivurkunden im einzelnen

der

Sanktionierung

von

(1) Der Grad der Vordeterminierung

Teilweise sind die Sanktionen für Konstitutivformen in den Richtlinien - mehr oder weniger präzise - vorgezeichnet. Art. 20 Abs. 2 lit. a Handelsvertreter-Richtlinie knüpft an die Formwidrigkeit von Wettbewerbsverboten ihre Ungültigkeit. Dasselbe gilt nach der Pauschalreisen- und Timeshare-Richtlinie für (formwidrige) Abweichungen von den Prospektangaben.148 Den Mitgliedstaaten bleibt hier also 141 Demgegenüber schafft das Umsetzungsgesetz zur Timeshare-Richtlinie eine Konstitutivform (§ 4 Abs. 1 TNG) und entspricht damit den Vorgaben der Richtlinie. 142 Unkritisch demgegenüber Chini/Fröhlichsthal § 33 BWG FN 6; Laurer in Fremuth/Laurer/Linc/Pötzelberger/Ruess § 33 BWG Rz. 3. 143 Siehe § 33 Abs. 2 BWG; gegenteilig noch der Entwurf des BWG - hierzu Koziol in Avancini/Iro/Koziol II 106. 144 Siehe § 98 Abs. 3 BWG; zum Problem nur sehr beschränkten Umsetzungswillens der Mitgliedstaaten („Minimalumsetzung“) Lehofer JCP 17 (1994) 3. 145 Das ist zu Graf ÖBA 1994, 4, der scharfe Kritik an den österreichischen Sanktionsmechanismen übt (vgl. 9f), noch zu ergänzen. 146 Zu den primärrechtlichen Vorgaben oben § 1IV. 2.. 147 In jedem Fall aber ist klar, daß § 33 BWG nicht so verstanden werden darf, daß Formfehler auch im Rahmen anderer Vertragsvernichtungsgründe (Irrtumsanfechtung) keine Rolle spielen. Denn auch in einem solchen Sinne könnte der Wortlaut seines Absatzes 2 verstanden werden, wonach Formfehler auf die Gültigkeit des Vertrages keinerlei Einfluß haben. 148 Siehe Art. 3 Abs. 2 Timeshare-Richtlinie, der das Informationsschriftstück zum Vertragsbestandteil erhebt und Abweichungen nur unter Wahrung formaler Kriterien zuläßt; in demselben Sinne auch Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Pauschalreisen-Richtlinie; zu letzterer Tonner EuZW 1990, 409 (410); zu diesen „Prospekthaftungsvorschriften“ auch unten § 5 IV. 3. c. und § 10 V. 1. d..

kein Wahlrecht: Formwidrige Wettbewerbsverbote und Änderungsvereinbarungen sind ungültig. Hingegen können die Mitgliedstaaten den schon beschriebenen Freiraum im Rahmen der Sanktionierung der konstitutiven Abschlußformen der Verbraucherkredit- und Timeshare-Richtlinie nützen. Die einzige Vorgabe des Richtlinienrechts ist hier der Konstitutivcharakter der Abschlußformen.149

(2) Insbesondere: Fehlende Angaben in der (Vertrags-)Urkunde Die Mitgliedstaaten können auch die Folgen eines Fehlens von „Mindestangaben“ in der Vertragsurkunde im einzelnen unterschiedlich regeln. Hierbei geht es um Formmängel, die nur im Fehlen einzelner, von der Richtlinie als Urkundeninhalt zwingend vorgeschriebener Angaben bestehen. Breiten Spielraum läßt z.B. die Verbraucherkredit-Richtlinie.150 Wird der Verbraucherkreditvertrag zwar schriftlich geschlossen, fehlt es aber an einzelnen Angaben („sonstige wesentliche Vertragsbestimmungen“, die nach der Verbraucherkredit-Richtlinie nur angegeben werden sollen151), so stellt sich die Frage der Sanktionierung von neuem: Die Mitgliedstaaten mögen wiederum die Nichtigkeitssanktion daran knüpfen, sie können aber für das Fehlen einzelner Angaben auch hiervon abgehen. Einen Alternativweg zeichnet die Timeshare-Richtlinie vor. Sie knüpft an das Fehlen einzelner Angaben nur die Verlängerung des Widerrufsrechts des Verbrauchers, wie es diesem ohnehin ganz allgemein (also unabhängig von Formfehlern) gemäß Art. 5 der Richtlinie zusteht.152 Die Richtlinie läßt davon aber die mitgliedstaatliche Sanktionierung nicht nur des Fehlens der Form insgesamt, sondern auch einzelner Angaben durch Ungültigkeit des Vertrages unberührt.153 Der Mitgliedstaat hat sohin an das Fehlen einzelner Angaben in der Vertragsurkunde jedenfalls die Prolongation des Rücktrittsrechts zu knüpfen, kann diese Sanktion aber im Sinne einer Nichtigkeitsfolge verschärfen. Indessen sind die Mitgliedstaaten nicht gehalten, das Fehlen einzelner Angaben mit Nichtigkeit zu sanktionieren. (3) Die richtlinienrechtlichen Vorgaben als Mindeststandard In der Handelsvertreter-Richtlinie wird den Mitgliedstaaten die Option freigelassen, die gesamte Vertragsurkunde zur Konstitutivform zu erheben.154 Freilich bedarf es bei den Richtlinien zum Verbrauchervertragsrecht keiner Hervorhebung einer derartigen Option, weil diese meist nur Mindeststandards vorsehen, zugunsten des 149 Hierzu oben § 1IV. 4. a.. 150 Siehe Art. 4 Abs. 3 Verbraucherkredit-Richlinie, der für die „übrigen wesentlichen Vertragsbestimmungen“ (das sind alle Angaben, außer jener betreffend den Effektivzinssatz) nur eine Soll-Bestimmung kennt; den Mitgliedstaaten wird dann im Anhang I der Richtlinie eine Menueauswahl zur Verfügung gestellt, aus der sie einzelne Angaben herausgreifen und für zwingend erklären können. Sanktionsmechanismen werden nicht vorgegeben. 151 Siehe Art. 4 Abs. 3 Verbraucherkredit-Richtlinie; wenn aber die Richtlinie die Angabe der sonstigen Vertragsbestimmungen nicht zwingend vorsieht, dann erstreckt sich der Konstitutivcharakter der Vertragsurkunde darauf eben nicht; den Mitgliedstaaten kommt insofern ein Ermessensspielraum zu. 152 Siehe im einzelnen Art. 5 Timeshare-Richtlinie. 153 Siehe Art. 5 Pkt. 1 Timeshare-Richtlinie. 154 Siehe Art. 13 Abs. 2 Handelsvertreter-Richtlinie.

Verbrauchers (genauer: zur Erhöhung des Verbraucherschutzes) sohin von den Richtlinienbestimmungen abgewichen werden kann.155 Die Erhebung von Formen des Richtlinienrechts zu Konstitutivformen stellt regelmäßig keine Beeinträchtigung der Verkehrsfreiheiten des EG-Vertrages dar. Insoweit sohin der Konstitutivcharakter im Einzelfall geeignet ist, den Schutz des Verbrauchers zu erhöhen, besteht darin eine mitgliedstaatliche Option. Dabei wird man letztlich einen Schritt weitergehen müssen: Bei solchen Formvorschriften, die zwar nach den Richtlinien als Deklarativformen konzipiert sind, aber in dieser Form nicht angemessen durchgesetzt werden können156, wird man im Sinne der Effektivität des europäischen Verbrauchervertragsrechts die Vertragsgültigkeit an die Formwahrung knüpfen müssen. Voraussetzung aber ist stets, daß die Nichtigkeit geeignet ist, den Verbraucherschutz zu erhöhen, weil nur in diesem Sinne die Richtlinie Mindeststandards aufstellt. b. Nichtkonstitutive Urkunden

Eine große Anzahl an Formvorschriften des Richtlinienrechts statuiert nicht konstitutiv wirkende Formerfordernisse. Sie gewähren dem Verbraucher einen Anspruch auf Aushändigung einer Vertragsurkunde, die vom Unternehmer auszustellen ist.157 Wenngleich diese Bestimmungen in ihrem Wortlaut im einzelnen abweichen, wird jeweils deutlich, daß es sich um (einseitige) Bestätigungsurkunden handelt; teils wird ausdrücklich betont, die Urkunde diene nur Beweiszwecken.158 Was die Sanktionierung von Verstößen gegen derartige einseitige Beurkundungspflichten anlangt, enthalten die Richtlinien wiederum einzelne Vorgaben. aa. Das Klagerecht des Begünstigten auf Beurkundung und die Präventivwirkung verstärkende Instrumente

Die Arbeitsnachweise-Richtlinie bestimmt, daß dem Arbeitnehmer ein Klagerecht auf Urkundenaushändigung vor den ordentlichen Gerichten einzuräumen ist.159 Wenn andere Richtlinien die Aufgabe der Rechtsfolgenbestimmung ausdrücklich 155 Siehe Art. 15 Verbraucherkredit-Richtlinie; Art. 8 Pauschalreisen-Richtlinie; Art. 8 Richtlinie über mißbräuchliche Vertragsklauseln; Art. 14 Teleshopping-Richtlinie; Art. 11 Timeshare-Richtlinie; Art. 7 Arbeitsnachweise-Richtlinie. 156 Vgl. z.B. die Problematik effizienter Sanktionierung der Pflicht des Unternehmers zur Aushändigung einer vorbereitenden Vertragsurkunde nach der Pauschalreisen-Richtlinie und der Timeshare-Richtlinie; freilich bietet sich dort eher ein Widerrufsrecht als die Nichtigkeit als Sanktionstyp an. 157 Siehe Art. 13 Abs. 1 Handelsvertreter-Richtlinie; Art. 4 Abs. 2 Pauschalreisen-Richtlinie; Art. 2 Versicherungsvertragsrecht-Richtlinienvorschlag; Art. 5 Abs. 1 Teleshopping-Richtlinie; ein Aushändigungsanspruch wird im übrigen auch bei Konstitutivformen gewährt: siehe Art. 4 Abs. 1 Satz 2 Verbraucherkredit-Richtlinie; dasselbe muß auch für Art. 4 Timeshare-Richtlinie gelten, weil sonst die dort enthaltenen Sprachenregelungen wenig Sinn ergeben; insbesondere wird dies auch durch die deutliche Formulierung der Aushändigungspflicht des Unternehmers einer Urkunde in der flingua res sitae" klar. 158 So Art. 2 Abs. 6 Versicherungsvertragsrecht-Richtlinienvorschlag. 159 Art. 8 Abs. 1 Arbeitsnachweise-Richtlinie.

den Mitgliedstaaten übertragen160 bzw. nur den Anspruch des Verbrauchers auf Beurkundung, nicht aber eine Sanktion vorsehen, so muß es dem Verbraucher im Sinne der EuGH-Rechtsprechung161 schon nach primärem EG-Recht (Gebot gerichtlicher Durchsetzbarkeit subjektiver Rechte) jedenfalls offenstehen, sein Recht (auf Beurkundung des Geschäfts) dem Unternehmer gegenüber gerichtlich geltend zu machen. Das mag im Einzelfall - so wie bei der Arbeitsnachweise-Richtlinie162 nach den Vorstellungen des EG-Richtliniengebers zur vollständigen Zweckerreichung genügen. Indessen kann auch hier die Effektivität der Rechtsdurchsetzung gesteigert werden; und bereits die Richtlinienbestimmungen gehen hier in Einzelfällen über die bloße Durchsetzbarkeit hinaus. So sehen die Richtlinie über mißbräuchliche Vertragsklauseln163 und jene zum Teleshopping164 jeweils Verbandsklagerechte vor, welche die Effektivität der Richtlinienbestimmungen erhöhen. Diese Verbandsklagerechte scheinen in jüngster Zeit ganz allgemein an Bedeutung zu gewinnen.165

bb. Prolongation von Widerrufsrechten Dort, wo die Richtlinie dem Verbraucher vermittels der Urkunde diverse Aktionsmöglichkeiten (insbesondere die Nachprüfung des bereits geschlossenen Vertrages) eröffnen will, erscheint die bloße gerichtliche Durchsetzbarkeit nicht ausreichend. Die Effektivität der Richtlinienumsetzung erfordert ein Mehr.166 Einen wichtigen Anhaltspunkt bietet die Timeshare-Richtlinie. Zwar ist dort die Vertragsurkunde eine Konstitutivform, doch braucht dies, will man dem Art. 5 Pkt. 1. 2. und 3. Gedankenstrich Timeshare-Richtlinie einen genuinen Anwendungsbereich zumessen, nicht notwendig auf das Fehlen nur einzelner Angaben erstreckt werden.167 Von vornherein sieht ja der Anhang zur Timeshare­ Richtlinie keine vollständige Verbriefung, sondern nur einen umfangreichen Inhaltekatalog vor. Wenngleich Art. 5 Timeshare-Richtlinie es den Mitgliedstaaten unbenommen läßt, nicht nur beim Fehlen der Schriftform insgesamt, sondern auch für das Weglassen einzelner geforderter Mindestangaben den Vertrag zu vernichten, gewährt er bei Verletzung der Angabepflichten als „Mindestsanktion“ eine

160 Deutlich die Inpflichtnahme der Mitgliedstaaten in Art. 4 Abs. 3 Haustürgeschäft­ Richtlinie; vgl. auch Art. 31 Abs. 4 Dritte Richtlinie-Lebensversicherung, wonach der Mitgliedstaat der Verpflichtung die „Durchführungsvorschriften" erläßt; ferner Art. 10 T imeshare-Richtlinie. 161 Insbesondere EuGH 23.5.1985 Sig 1985, 1661 (1673 Rn. 23); hierzu oben § 1IV. 2.. 162 Dasselbe gilt für die Bestätigungsurkunde nach Art. 13 Abs. 1 Handelsvertreter-Richtlinie. 163 Siehe Art. 7 Richtlinie über mißbräuchliche Vertragsklauseln, der seinem Sinn gemäß auch für die Form des Art. 5 („klar und verständlich“) zu gelten hat. 164 Siehe Art. 11 Abs. 2 Teleshopping-Richtlinie. 165 Hierzu nunmehr die Richtlinie 98/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen, ABI. 1998 Nr. L 166/51. 166 EuGH 10.4.1984 EuR 1984, 311 = Sig 1984, 1891; auch EuGH 22.4.1997 Sig 1997, 1-2195; hierzu oben § 1IV. 2.. 167 Zur dogmatischen „Unsauberkeit“ eines widerrufbar nichtigen Vertrages Martinek ZEuP 1994, 470 (490).

Verlängerung des Widerrufsrechts.168 Das ist ein entscheidender Schritt zur Flexibilisierung der Rechtsfolgenseite, welche auch die tradierte Gegenüberstellung von bloßen Beweis- und „echten“ Konstitutivformen auflöst. Einseitige Beurkundungspflichten können damit - selbst wenn sie nur nach Bestätigungsurkunden verlangen169 - Einfluß auf das Vertragsschicksal haben, wenn dies vom Formzweck gedeckt wird. Dies ist gerade bei der Urkunde nach der Timeshare-Richtlinie der Fall. Diese soll den Erwerber nicht nur über sein Widerrufsrecht unterrichten, sondern ihm auch den Timesharevertrag detailliert zur Kenntnis bringen. Dadurch wird dem Verbraucher Gelegenheit zur Überlegung und eine weitere Chance zur Produktvergleichung gegeben. Die erzeugte Markttransparenz nützt freilich nur dann, wenn sich der Verbraucher vom bereits geschlossenen Vertrag wieder lösen kann, was beim Timesharing binnen einer Frist von 10 Tagen möglich ist.170 Nochmalige Überlegung und (dafür erforderliche) Markttransparenz werden sohin durch eine kombinierte, formgerecht zu erfüllende Aufklärungspflicht über das Bestehen eines Widerrufsrechts sowie über den Vertragsinhalt gewährleistet.171 Wird dem Verbraucher die erleichterte Vergleichbarkeit infolge Nicht- oder Falschangabe einzelner informationspflichtiger Umstände genommen, so prolongiert sich das Widerrufsrecht.172 Ein ganz ähnliches System unterliegt auch der Teleshopping-Richtlinie, wo die auszuhändigenden Urkunden nicht konstitutiven Charakter haben. Werden dem Verbraucher bei Lieferung der bestellten Waren bzw. bei Erbringung der bestellten Dienstleistungen nicht zugleich jene Informationen schriftlich oder doch auf einem sonstigen dauerhaften Datenträger gegeben, wie sie in Art. 5 i.V.m. Art. 4 der Teleshopping­ Richtlinie vorgeschrieben sind, so prolongiert sich das Rücktrittsrecht nach Art. 6. Dabei stellt die Timeshare-Richtlinie die Prolongation des Widerrufsrechts in unmittelbaren Bezug zur Bedeutung der weggelassenen Angabe: Nicht jedes Fehlen einer Information führt zur Verlängerung der Rücktrittsfrist, sondern nur dasjenige bestimmter, offenbar für besonders wichtig gehaltener Informationen.173 Für weitere, vom Richtlinienrecht sanktionslos gelassene Kombinationen von Rücktrittsrecht und Belehrung über Vertragsinhalt und Widerrufsrecht ist mit alledem zugleich ein möglicher Sanktionsmechanismus vorgezeichnet. Das trifft etwa auf die Dritte Richtlinie Lebensversicherung174, aber auch auf die Haustürgeschäft-Richtlinie175 zu.

168 Art. 5 Timeshare-Richtlinie. 169 Was, das sei hier nochmals betont, bei der Vertragsform nach der Timeshare-Richtlinie (Art. 4) grundsätzlich nicht der Fall ist. 170 Siehe Art. 5 Pkt. 1 1. Gedankenstrich Timeshare-Richtlinie. 171 Zu diesem Zweck der Kombination von Widerrufsrechten mit formalisierten Belehrungspflichten Heiss in Schnyder/Heiss/Rudisch (Hg.) 87 (98). 172 Siehe im einzelnen Art. 5 Pkt. 1 2. und 3. Gedankenstrich Timeshare-Richtlinie. 173 Siehe Art. 5 Pkt. 1 Timeshare-Richtlinie. 174 Siehe die Belehrungspflichten des Versicherers nach Anhang II der Dritten Richtlinie Lebensversicherung, welche sowohl den Vertragsinhalt als auch ein bestehendes Rücktrittsrecht umfassen. 175 Auch hier sind - neben dem Hinweis auf das Rücktrittsrecht - gewisse Mindestangaben zum Vertragsinhalt in die Belehrung aufzunehmen; hierzu Heiss in Schnyder/Heiss/Rudisch (Hg.) 87 (99f).

5. Sanktionsbedürftige Richtlinienvorschriften Formvorschriften können, mangels Vordeterminierung im Richtlinienrecht, einer Sanktionierung durch das Recht der Mitgliedstaaten bedürfen. Dies gilt z.B. dann, wenn sie einer Sanktion im Richtlinienrecht überhaupt entbehren176, oder aber der Richtlinie unmittelbar nur die gerichtliche Durchsetzbarkeit der Formalisierung entnommen werden kann; also eine Rechtsfolge, die auch in Fällen richtlinienrechtlich sanktionslos gelassener Formvorschriften von der EuGH­ Rechtsprechung jedenfalls garantiert wird.177 Indessen fordert die Rechtsprechung des EuGH eine effektive Zielerreichung der Richtlinienbestimmungen durch die Umsetzungsvorschriften178, und hier wird die bloße gerichtliche Durchsetzbarkeit häufig zu kurz greifen. Nach dem oben beschriebenen Muster der Timeshare­ Richtlinie sollen nämlich viele Formalisierungsvorschriften der reiflichen Überlegung des Vertragsschlusses durch den Verbraucher dienen. Dabei stehen jene Vorschriften im Vordergrund, die dem Unternehmer die Pflicht auferlegen, dem Verbraucher noch im Vertragsverhandlungsstadium formalisierte Belehrungen179 oder gar vorbereitende Vertragsurkunden180 auszuhändigen. Hier ist die richtlinienrechtlich intendierte Beeinflussung der Entscheidung des Verbrauchers durch Gewährung vertragsschlußrelevanter Informationen (Transparenzgebot181) unmittelbar evident. Freilich lassen sich entsprechende Sanktionsmechanismen finden. Das Unterlassen von obligatorischen Hinweisen auf Klauseln, die den Verbraucher belasten (insbesondere Nebenkosten, aber auch Haftungsfreizeichnungen, Änderungsvorbehalte, etc.), kann im Regelfall dadurch final sanktioniert werden, daß dem Unternehmer die Berufung auf derartige Klauseln versagt wird.182 Falschinformation oder auch nur intransparente Information über solche Vertragsbestimmungen kann die Berufung des Unternehmers auf dasjenige Maß der Klausel beschränken, das dem Verbraucher mitgeteilt wurde. Auch können undeutliche Klauseln in jenem Sinne ausgelegt werden, wie sie der Verbraucher verstehen mußte.183 Anderes wird bei Produktangabepflichten zu gelten haben.184 Diese sind zumeist nur im Markt-, 176 Insbesondere wenn die Rechtsfolgenfrage (ausdrücklich) den Mitgliedstaaten überlassen wird; siehe Art. 4 Abs. 3 Haustürgeschäft-Richtlinie; Art. 31 Abs. 4 Dritte Richtlinie­ Lebensversicherung; ferner Art. 10 Timeshare-Richtlinie, die freilich gewisse Vorgaben für die Sanktionierung enthält. 177 Zur diesbezüglichen EuGH-Rechtsprechung oben § 1IV. 2.. 178 Zur diesbezüglichen EuGH-Rechtsprechung oben § 1IV. 2.. 179 Z.B. Art. 31 Dritte Richtlinie-Lebensversicherung; vgl. auch Art. 4 Teleshopping-Richtlinie, wo freilich auf die jeweils verwendete Fernkommunikationstechnik abgestellt wird (Abs. 2). 180 Z.B. Art. 4 Abs. 2 lit. b Pauschaireisen-Richtlinie. 181 Zum Transparenzgebot als Zweck europäischer Formvorschriften Heiss in Schnyder/Heiss/Rudisch (Hg.) 87 (93f). 182 Vgl. nur den diesbezüglichen Ansatz in der Timeshare-Richtlinie (Art. 3 Abs. 2) und der Pauschaireisen-Richtlinie (Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2) für formwidrige Änderungsvereinbarungen. 183 Vgl. nur den allgemeinen Grundsatz des Art. 5 Richtlinie über mißbräuchliche Vertragsklauseln; vgl. auch den Ansatz im deutschen VerbrKrG (§ 6 Abs. 2 und Abs. 3). 184 Siehe z.B. die „produktbezogenen“ Angabepflichten im Anhang zur Timeshare-Richtlinie; in Art. 3 Abs. 2 und Art. 4 Pauschaireisen-Richtlinie; oder in Art. 4 und Art. 5 Teleshopping­ Richtlinie.

insbesondere Preisvergleich und bezogen auf die individuelle Bedarfssituation des Verbrauchers zu werten. Hier wird - wenn die Angaben fehlen - nur ein Vertragslösungsrecht als Sanktion in Frage kommen. So z.B. nach dem Muster des österreichischen § 871 Abs. 2 ABGB, der Irrtümer über Tatsachen, die den Gegenstand einer Informationspflicht des Unternehmers bilden, jedenfalls zu anfechtungsberechtigenden und nicht zu Motivirrtümern zählt. Indessen könnte die Sanktion wirksamkeitserhöhend dahingehend verschärft werden, daß es auf den Nachweis eines Irrtums des Verbrauchers erst gar nicht ankommt, sondern die unterlassene Aufklärung unmittelbar zur Anfechtung berechtigt. Letztlich bedeutet dies die Statuierung von Widerrufsrechten. Sind die Angaben unrichtig, so kommt ferner eine Haftung des Unternehmers für solche Fehler in Frage.185 Insofern finale Sanktionen (insbesondere Teilnichtigkeiten, Vertragsmodifikationen und Anfechtungsrechte infolge veranlaßten Irrtums) nicht gefunden werden können, ist auf allgemeine Sanktionsmechanismen zurückzugreifen. Am einfachsten, aber auch am oberflächlichsten und ungehobeltsten wird dem durch Nichtigkeitsbestimmungen Rechnung getragen. Dem einseitigen Schutzzweck entsprechend, wird die relative Nichtigkeit im Vordergrund stehen. Will man ein zu langes Fortbestehen hinkender Rechtsgeschäfte verhindern, dann bieten sich Widerrufsrechte an, die befristet sein können. Das vorgenommene Aufzeigen derartiger Sanktionsmöglichkeiten in Bereichen, die vom Richtlinienrecht nicht vorgeregelt werden, verfolgt freilich an dieser Stelle nur folgenden Zweck: Es soll deutlich gemacht werden, daß es dem nationalen Gesetzgeber weder aufgrund primärrechtlicher Quellen (also des EGVertrags) noch aufgrund des Sekundärrechts der Richtlinien186 geboten ist, sich stets oder doch regelmäßig der Nichtigkeit als Sanktion zu bedienen. Im Gegenteil: Den Vorgaben des Primärrechts wie auch des Richtlinienrechts ist tendenziell ein System pluralistischer Formverfehlungsfolgen zu entnehmen. 6. Zwischenbefund

Vier Beobachtungen können an das Ende der Ausführungen zum europäisierten Vertragsrecht gestellt werden. Erstens: Die Vielzahl und Artverschiedenheit der dort vorzufindenden Formvorschriften geben auch der Frage der Sanktionierung neue Relevanz. Zweitens: Das Primärrecht der EG macht es den Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer Umsetzungstätigkeit zur Pflicht, für die gerichtliche Durchsetzbarkeit von in der Richtlinie vorgesehenen Rechtspositionen und überhaupt für eine angemessene Sanktionierung von Verstößen gegen Rechtspflichten zu sorgen. Drittens: Dem Richtlinienrecht ist bereits ein Pluralismus an Formverfehlungsfolgen, in dessen Rahmen die Nichtigkeit nur eine - keineswegs übergeordnete - Rolle spielt, zu entnehmen. Ein vorweg gebildetes System an Sanktionen unterliegt den Richtlinienvorschriften dabei allerdings wohl nicht. Freilich kristallisieren sich in der Vielzahl der Regelungen gewisse - oben dargelegte - Sanktionstypen heraus; auf 185 Vgl. die beschränkte Konstitutivwirkung der Form von Abweichungen von Prospekten im Rahmen der Timeshare-Richtlinie und Pauschalreisen-Richtlinie; hierzu unten § 5 IV. 3.c.. 186 Dieses kann freilich im Einzelfall solche Vorgaben machen (vgl. nur Art. 20 Abs. 2 lit. a Handelsvertreter-Richtlinie); jedoch ist auch dem Richtlinienrecht ein Grundsatz der Formnichtigkeit eben gerade nicht zu entnehmen.

ihrer Grundlage kann eine Systematisierung aufbauen. Viertens: Es wird der Phantasie der Umsetzungsgesetzgeber überlassen sein, für jede einzelne Formvorschrift des Richtlinienrechts (ohne vorbestimmte Verfehlungsfolge) eine möglichst zweckadäquate Sanktion zu finden. Ob dies überall möglich ist, darum hat sich der Richtliniengeber nicht gekümmert.187 Im Rahmen einer Prüfung der Richtlinienkonformität von Umsetzungsgesetzen muß daher auch die Frage der Sanktionierbarkeit einen Aspekt der Beurteilung bilden. V. Gesamtbefund

Schon die Länderberichte haben gezeigt, daß ein allgemeiner Grundsatz der Formnichtigkeit nicht besteht. Für Deutschland ist die Nichtigkeit zwar Regelrechtsfolge, Grundsatzcharakter kommt ihr hingegen nicht zu. Für Österreich ist selbst dies abzulehnen und in England gilt der Grundsatz von vornherein nicht. Das europäische Richtlinienrecht zum (Verbraucher-)Vertragsrecht zeigt deutlich eine Tendenz zum Pluralismus der Formverfehlungsfolgen je nach Zweck der Form; diese Entwicklung wird sich freilich auch auf Deutschland auswirken und die tatsächliche Bedeutung der Nichtigkeit nach § 125 BGB wohl erheblich schmälern. Formnichtigkeit ist sohin keine natürlich vorgegebene Sanktion, sie ist vielmehr ihrerseits legitimationsbedürftig. Daher ist im folgenden die Frage nach den Gründen für die Formnichtigkeit, nach deren Relevanz und nach dem Verhältnis von Nichtigkeitssanktion zu den Formzwecken zu stellen.

187 Zur zweckadäquaten Sanktionierbarkeit der Formverfehlung als Voraussetzung für die Effizienz der Form: Heiss in Schnyder/Heiss/Rudisch (Hg.) 87 (96).

§2

I. Die Überdehnung der Nichtigkeit: „Integration“ in die Privatautonomie 1. Der Ansatz von Häsemeyer

Die weitgehend einhellige deutsche Lehrmeinung von der (absoluten und von Amts wegen wahrzunehmenden) Nichtigkeit wird von Häsemeyer (sozusagen) auf die Spitze getrieben.1 Nichtigkeit sei Ausdruck der Einheit von Rechtsgeschäft und Form, womit das formgebundene Rechtsgeschäft „im Schnittpunkt überindividueller und privatautonomer Zurechnung“ stehe. Als logische Folge von Formmängeln käme daher einzig die unbedingte Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts in Frage.2 Konsequent werden dann gesetzliche3 und durch die Rechtsprechung4 herangebildete Durchbrechungen als verfehlt verworfen.5 Ganz leicht nachzuvollziehen ist dies freilich nicht, und - soweit ersichtlich - ist man den Ausführungen Häsemeyers jedenfalls in Deutschland insofern auch nicht gefolgt.6 Zunächst wird der Formzwang von Häsemeyer direkt auf das Rechtsgeschäft bezogen, woraus er folgert, daß bloße Beweismittelbeschränkungen keine dem Wesen der Form gerecht werdenden Sanktionen darstellen.7 Bei allem finde die gesetzliche Form ihre Grundlage in der Privatautonomie, weil sie rechtsgeschäftliches Tatbestandselement sei.8 Die Form als objektiver Ordnungsfaktor werde „im einzelnen Rechtsgeschäft von der Privatautonomie mediatisiert“.9 Die Beobachtung der Form löse diese vom Formgebot ab, damit löse sie sich im einzelnen Rechtsgeschäft auch von ihren Funktionen. Inhalt und Form würden damit untrennbar verbunden. Die Form gehe „als unselbständiger Faktor ohne unmittelbare eigene Relevanz in der privatautonomen Regelung auf.“10 Die negative Seite dieses Ansatzes bedeute, daß auch das formfehlerhafte Rechtsgeschäft als ein Akt der Selbstbestimmung zu respektieren sei. Man dürfe die Form, somit den „Einfluß, den die Beobachtung der Form auf das Rechtsgeschäft gehabt hätte, dem formlosen Geschäft nicht hinzurechnen.“11 Ein solcher Einbau neuer Inhalte in den Vertrag würde die Freiheit zur Selbstbestimmung

1 Häsemeyer 197, 202, 225ff, 307. 2 Häsemeyer (insb.) 230. 3 Insb. § 566 BGB. 4 Sie läßt bei formnichtigen Verträgen bisweilen Erfüllungsansprüche folgen; hierzu unten § 15 I.. 5 Häsemeyer (insb.) 3Off. 6 In Österreich hingegen hat man jedenfalls die Formel von der Mangelfolge“ der Nichtigkeit (Häsemeyer 287) teilweise übernommen: Verweis auf Wilhelm 177ff (180), der wiederum ausdrücklich (auch) nimmt. 7 Häsemeyer 197f und 202. 8 Hierzu und zum Folgenden Häsemeyer 226ff. 9 Häsemeyer 227. 10 Häsemeyer 227. 11 Häsemeyer 227f.

aus Treu und Glauben

„allein angemessenen vgl. Berger 49, unter auf Häsemeyer Bezug

einschränken.12 Vertragsmodifikationen kämen daher als Sanktion der Formverfehlung nicht in Frage. Zu alledem komme hinzu, daß die Verbindlichkeit formgebundener Geschäfte auf einem Zusammenwirken objektiver Ordnung und privatautonomer Selbstbindung beruhe.13 In ihrem Geltungsgrund aber seien beide unabhängig. Daraus folge, daß die Parteien über den Formzwang nicht disponieren dürften; umgekehrt dürften „normative Entscheidungen über die Geltung des Formzwanges nicht in die Privatautonomie eingreifen“.14 Der Grundsatz der Privatautonomie werde von der Form nicht angetastet; die Vertragsfreiheit werde vielmehr „vorausgesetzt, garantiert und mit größerer Glaubwürdigkeit ausgestattet“.15 Deshalb dürften die Formgebote nicht am jeweiligen Parteiverhalten ausgerichtet werden. Insgesamt folge aus all diesen Erwägungen die „absolute und bedingungslose Nichtigkeit“ als „einzig mögliche Folge von Formmängeln“.16 2. Kritik

Grundsätzliche Zustimmung verdient Häsemeyer, wenn er eine prozessuale Sanktionierung materiell-privatrechtlicher Formvorschriften ablehnt. Materiellrechtliche Formen sind auch materiellrechtlich zu sanktionieren. Was hier stört, ist indessen die apriorische Vorgabe dieses Satzes - gleich einem Dogma, das selbst der Gesetzgeber nicht zu brechen imstande sei. Genau besehen ist man etwa in Österreich (jedenfalls im praktischen Ergebnis) gar nicht so weit von der englischen prozessualen Sanktionierung entfernt, weil die Formnichtigkeit nicht das Fehlen einer Verpflichtung an sich, sondern nur deren mangelnde Klagbarkeit bewirkt.17 Indessen ist richtig, daß eine auf prozessuale Zweckrichtungen abzielende Formvorschrift ins Prozeßrecht einzugliedern und prozeßrechtlich zu sanktionieren ist: Will man also mit dem Zwang zur Form eine Beweismittelbeschränkung einfuhren, so wäre ein solches Anliegen systemkonform im Prozeßrecht zu verfolgen.18 Grundsätzlichere Probleme werfen freilich die weiteren Ausführungen zum Verhältnis von Formzwang und Privatautonomie auf. Hier stört zunächst, daß Häsemeyer die Form offenbar zum Tatbestandsmerkmal des Rechtsgeschäfts machen will. Dies verträgt sich nicht mit der Rechtsfolge der Formverfehlung, also der Nichtigkeit. Fehlt es an einem rechtsgeschäftlichen Tatbestandselement (hier: der Form), so müßte daraus die Annahme eines NichtRechtsgeschäfts19 folgen, nicht jene eines nichtigen, ja womöglich gar heilbar nichtigen.20 Besonders brisant werden Häsemeyers Ausführungen aber an jenem 12 Häsemeyer 228. 13 Häsemeyer 228. 14 Häsemeyer 229. 15 Häsemeyer 230. 16 Häsemeyer 230. 17 Und zwar infolge der Heilungsbestimmung des § 1432 ABGB. 18 Wie es eben beim Statute of Frauds wegen seiner historischen Zweckrichtung der Vermeidung des Prozeßbetrugs der Fall ist: Rechtsfolge ist die mangelnde Klagbarkeit, der Vertrag kann im Ergebnis nur schriftlich bewiesen werden. 19 Zur Unterscheidung nichtiger Rechtsgeschäfte von Nicht-Rechtsgeschäften Flume 550. 20 Konsequent versucht Häsemeyer, 240ff, dann auch die Heilung als eine teilweise Rücknahme des Formgebots zu erklären; hierzu (kritisch) unten § 13 III. 3..

Punkt, in dem er sich entschließt, Vertragsmodifikationen als Folge des Formmangels als eine (unzulässige?!) Einschränkung der Privatautonomie zu bewerten. Auch hier ist die apriorische Haltung kaum verständlich. Richtig ist an Häsemeyers Ausführungen, daß die Form - jedenfalls in traditioneller Prägung entweder auf den Inhalt des Rechtsgeschäfts gar nicht einwirken will, oder aber soweit sie Übereilungsschutz bietet - die Einflußnahme regelmäßig nicht konkret feststellbar ist. Zu unbestimmt und afinal ist der Zweck des Übereilungsschutzes, als daß daran finalisierte Rechtsfolgen derart geknüpft werden könnten, daß an die Stelle des formwidrigen Vertrages jener gesetzt würde, den die Parteien bei Formwahrung geschlossen hätten. Aber das muß nicht zum apriorischen Prinzip erhoben werden; zum einen mag im Einzelfall die Form tatsächlich vor ganz bestimmten Vertrdigsinhalten schützen wollen. Solche kann der Gesetzgeber teilnichtig erklären oder abändem, wenn die Form nicht eingehalten wird.21 22 Zum anderen schließt die mangelnde Ermittelbarkeit des bei Formwahrung (hypothetisch) geschlossenen Vertrages eine Sanktionierung der Formverfehlung durch Inhaltsmodifikation nicht aus. Zwar ist es richtig, daß eine gesetzliche Vertragsgestaltung vom rechtsgeschäftlichen Parteiwillen nicht gedeckt (und insofern heteronom) ist, doch kann nichts darüber hinwegtäuschen, daß dies der Gesetzgeber an anderer Stelle ohne großes Zögern tut. Man denke an den beachtlichen Umfang (halb-)zwingenden Rechts, insbesondere aber an das dispositive Vertragsrecht, das zur Lückenfüllung privatautonomer Regelungen herangezogen wird. Selbst im Falle der Lückenfüllung durch dispositives Privatrecht kann nämlich von einer genuinen Selbstbestimmung der Parteien nicht mehr gesprochen werden. Was aber spricht in Fällen, in denen entsprechende Zweckerwägungen einen Formzwang legitimieren, gegen eine gesetzliche Vordeterminierung des Vertragsinhalts, von dem dann nur formalisiert abgewichen werden darf? Wenn derartiger Formzwang dem Übereilungsschutz dienen soll, so geschieht dies eben nicht dadurch, daß den Parteien der formwidrige Vertrag mittels Nichtigkeit genommen wird, sondern indem anstelle der „unbedachten“ Rechtsfolgen gesetzlich vordefinierte treten. Der Übereilungsschutz betrifft in diesen Fällen weniger das „Ob“ der vertraglichen Bindung als das „Wie“. Technisch gesehen stellt dies doch nur die Etablierung vertragsrechtlicher Regeln dar, die weder als völlig dispositiv noch als echt (halb-)zwingend bezeichnet werden können. Dürfen die Parteien von solchen Regeln nur formalisiert abweichen, so hat man hier von formzwingendem Pnvatrechf12 zu sprechen. Im Ergebnis freilich bedeutet dies eine Sanktionierung des Formmangels durch Vertragsmodifikation.23 Und was soll den Gesetzgeber ferner davon abhalten, andere Sanktionsmechanismen zu verwenden, etwa eine klageweise Durchsetzung der Form, wie sie das deutsche Recht z.B. bei den Arbeitsnachweisen kennt?24 Auch 21 Vgl. wiederum näher unten § 10. 22 Hierzu näher unten § 5 III.. 23 Zu diesen Sanktionsmechanismen unten § 5 III. und § 10 V. 1.. 24 Gesetz über den Nachweis der für ein Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Bedingungen (Nachweisgesetz - NachwG), BGBl. 1995 I 946; siehe dessen § 2 Abs. 1 S. 1 - der dort gewährte Anspruch auf Aushändigung eines Arbeitsnachweises ist - schon mangels anderweitiger Sanktionen - freilich einklagbar; zur Forderung nach effektiven Durchsetzungsrechten Lörcher ArbuR 1994, 450 (454).

hier geht es um eine Verschriftlichung, sohin um eine Formalisierung, und auch hier muß die Form durchgesetzt werden. Doch läßt der Gesetzgeber - infolge der speziellen Zweckrichtung - ein Klagerecht auf FormWährung genügen. Aus dem Wesen der Vertragsfreiheit folgt prima facie nichts, was den Gesetzgeber hindern könnte, derartige Formverfehlungsfolgen vorzusehen. Die Privatautonomie fordert also keineswegs die Nichtigkeitssanktion. Indessen ist mit der Ansicht Häsemeyers das Verhältnis von Privatautonomie und Formzwang, insbesondere dessen Durchsetzung vermittels Nichtigkeit, angesprochen. Auf dieses Verhältnis soll folgend weiter eingegangen werden. II. Vertragsfreiheit, Formfreiheit und Formzwang: Das Verhältnis und seine Folgerungen für die Sanktionierung von Formverfehlungen 1. Formfreiheit als Teil der Vertragsfreiheit

a. Allgemeines zur Vertragsfreiheit aa. Vertragsfreiheit als Ausdruck der (wirtschaftlichen) Freiheit der Person

Die Vertragsfreiheit ist das tragende Prinzip des Schuldvertragsrechts. Das Recht der Schuldverträge ist gerade unter der Prämisse der Freiheit zu verstehen, wonach sich jedermann im Rahmen der bestehenden Gemeinschaftsordnung durch gegebenes Versprechen verpflichten kann. Dabei wird das Prinzip der Vertragsfreiheit, der Liberty of contract\ unter mehreren Aspekten legitimiert: Zuvorderst sind naturrechtliche Ideen zu nennen, die besonders zu Zeiten des Absolutismus mit all seinen doktrinären, wenn auch gegebenenfalls fürsorglichen Bevormundungen des Bürgers großen Anklang finden müssen.25 In modernen Gesellschaften mag dieses Freiheitsideal nicht mehr die Triebkraft jener Zeiten entfalten26, doch ist bis zum heutigen Tag die aufklärerische Idee der Freiheit des Individuums ein tragender Gedanke der Gestaltung der Gesellschaftsordnung und in seinem Zuständigkeitsbereich - auch des Schuldvertragsrechts.27 Besonders deutlich äußert sich Flume. „Der Staat ist nach dem Geltungssinn des Grundgesetzes eine Gemeinschaft von Menschen, deren Person-Sein, d.h. Selbstbestimmung, zum Wesensgehalt auch der Gemeinschaft gehört“.28 Die Privatautonomie - im Schuldvertragsrecht wird von Vertragsfreiheit gesprochen -

25 Atiyah 7f (Periode des classical contract law, die bis etwa 1870 währt); unter Berufung auf ihn Richards 5f, der vor allem auf naturrechtliche Vorstellungen und damit auf den Zusammenhang von „Freiheit des Eigentums“ und „Vertragsfreiheit" verweist; zum geschichtlichen Zusammenhang von Eigentums- und Vertragsfreiheit auch Ibbetson Journal of Legal History 13 (1992) 1. 26 Vgl. z.B. aus dem deutschsprachigen Raum Kramer passim; Atiyah, Rise and Fall, passim; ders. 15f aber auch 27ff (wo ein gewisses Wiederaufleben klassischen Vertragsverständnisses beobachtet wird); ihm folgend Richards 6ff. 27 Siehe Weber in Kronman/Posner 230. 28 Flume in Hundert Jahre 1 135 (136); ähnlich für die USA Pound 422ff.

stellt dabei einen Teilbereich dieses allgemeinen Selbstbestimmungsprinzips dar.29 Ihr kommt auch verfassungsrechtlicher Schutz zu.30 Die Privatautonomie ermöglicht es dem einzelnen, seine Rechtsverhältnisse nach eigenen Vorstellungen zu gestalten.31 32 Das Rechtsgeschäft wird folgerichtig als die „Emanation jenes vorausgesetzten freien Subjektwillens"32 begriffen.

bb. Ökonomische Aspekte Alledem treten ökonomische Überlegungen zur Seite.33 Arbeitsteilige Wirtschaft ist nur unter der Prämisse möglichst störungsfreien Güteraustausches denkbar; dieser 29 Hierzu z.B. Flume Iff; Schapp 50ff; Raiser in Hundert Jahre I 101; aus dem amerikanischen Schrifttum Pound Yale LJ 18 (1908/9) 454; Williston Cornell LQ 6 (1921) 365; Llewellyn Yale LJ 40 (1931) 704; Braucher Yale LJ 78 (1969) 598. 30 Wobei das Verhältnis von Verfassungsrecht und Privatrecht stets ein schwieriges war: In Deutschland etwa hat man den Privatrechtsgesetzgeber von einer verfassungsrechtlichen Kontrolle weitgehend freizustellen getrachtet; hierzu Huber (insbesondere) 16ff; Flume in FS Hundert Jahre 1 135 (138); differenziert Roscher 42ff, wobei aber auch dort das Grundrecht „Vertragsfreiheit“ als vom Privatrecht abhängig konstruiert wird 46ff; Niebler in FS 125 Jahre Bayerisches Notariat 131; anders Canaris AcP 184 (1984) 201, der auch den Privatrechtsgesetzgeber an verfassungsrechtliche Vorgaben binden will; vgl. Laufke in FS Lehmann 145; auch Fikentscher, Schuldrecht, 72ff; im Sinne einer Optimierungsaufgabe des einfachen Gesetzgebers Höfling 36ff; Vertragsfreiheit begegnet schließlich als Zweifelsregel zugunsten der Freiheit bei Schneider in Hundert Jahre II 263; für Österreich z.B. Wenger 116ff; Fröhler 15; eine neue Qualität der deutschen BVerfG-Judikatur zur Vertragsfreiheit könnte aus der sogenannten „Bürgschaftsrechtsprechung“ hervorgehen: hierzu nur Gemhuber JZ 1995, 1086; auch Hillgruber ZRP 1995, 6; zum Gedanken des Schutzes „vor sich selbst“ Singer JZ 1995, 1133; insgesamt zu den möglichen Folgewirkungen Zöllner AcP 196 (1996) 1; aus österreichischer Sicht ausführlich OGH 27.3.1995 JB1 1995, 651. Für die USA ist eine Entwicklung von einer stark wirtschaftsliberalen Ausrichtung der Supreme-Court-JyiöxkaXxLT (sogenannte Lochner-Ära) hin zu einer weitgehenden Abstinenz von Kontrollen freiheitsbegrenzender Gesetze (sogenannte New-Deal-Ära) zu beobachten. Neuerdings aber wird eine materielle, wertend ausgerichtete Kontrolle gefordert: Zu alledem Henkin Columbia Journal of Transnational Law 32 (1994) 97; Shell California LRev 81 (1993) 431; Rotunda/Nowak/Young 25ff; Schwartz 92ff; Willoughby 1802ff; Chase/Ducat 460ff; Rotunda 359ff; Murphy/Fleming/Harris 940ff; Farber/Frickey 63ff; Harrison Virginia LRev 83 (1997) 493. Im Europarecht freilich taucht die Frage erneut und unter zum Teil anderer Akzentgebung auf; hierzu etwa Canaris in FS Lerche 873. 31 Flume in Hundert Jahre I 135 (136); für Österreich: Koziol/Welser I 82; vgl. Rummel in Rummel I § 859 ABGB Rz. 15. 32 Raiser in Hundert Jahre I 101 (102); und zwar unabhängig davon, ob man den Begriff des Rechtsgeschäfts als „vorgegeben“ oder schlicht als Abstraktionsbegriff aus der Summe der durch das Privatrecht „anerkannten Aktstypen für die Gestaltung von Rechtsverhältnissen“ (so Flume in Hundert Jahre I 152) ansieht; entsprechendes gilt für Österreich: Wenn zum Teil auch nicht rechtsgeschäftliches Handeln, z.B. die freie Ausübung subjektiver Rechte, zum Schutzbereich der Privatautonomie gezählt wird, so nähert sich der Begriff dem der allgemeinen Handlungsfreiheit (vgl. hierzu oben § 2 II. 1. a.), die wohl ein Freiheitsrecht des einzelnen gegenüber dem Staat darstellt, der jedoch das Element der verbindlichen Gestaltung fehlt; vgl. etwa Wölfin Grundlagen des Vertrags- und Schuldrechts 21. Es ist im übrigen nur folgerichtig, wenn etwa in Österreich von rechtsgeschäftlicher Privatautonomie gesprochen wird. Wenngleich dies in gewissem Sinne eine Tautologie darstellt, wird dadurch hervorgehoben, daß nicht jeder von der Rechtsordnung gewährte Freiraum der Privatautonomie zuzuordnen ist; vgl. Bydlinski 116f. 33 Im Detail hierzu siehe Schäfer/Ott 32 Iff, die - bezogen auf die Vertragsfreiheit - von einem „Schmiermittel der Wirtschaft“ sprechen (324), weil die Zahl und der Umfang von Transaktionen

wiederum ist auf ein Mindestmaß an Vertragsfreiheit angewiesen. Solch freier Güteraustausch kann sich nur dann vollziehen, wenn zum Eigentum an den Gütern nicht nur das Recht an der Sache selbst und damit die Ausschließung anderer hiervon gezählt wird, sondern auch dessen Veräußerbarkeit.34 Dieses System soll eine optimale Befriedigung der Bedürfnisse des Individuums garantieren.35 Indem nämlich die Vertragsfreiheit das freie Abstimmen von Angebot und Nachfrage ermöglicht, wird über den Markt sichergestellt, daß Produzenten Güter zur Verfügung stellen, die von den Verbrauchern nachgefragt werden und zwar zu Preisen, welche die Verbraucher zu zahlen bereit sind.36 Ökonomisch effizient37 ist dieses System, weil es bei Ressourcenknappheit Güter dem Bestbieter zuweist, der zugleich der Bestnützer sein muß, weil ansonsten ein anderer mehr bieten würde. Das gilt freilich nur bei einem - in der Realität niemals gegebenen38 - Fehlen von Transaktionskosten.39 cc. Vertragsfreiheit als Instrument der Planung

Schließlich ermöglicht es die Vertragsfreiheit den Parteien, die Zukunft nach ihren gegenwärtigen Vorstellungen zu gestalten; Vertragsfreiheit wird solcherart zum Instrument der Planung: Das Korrelat zur Freiheit, die Bindung an das gegebene Wort, garantiert Sicherheit im Geschäftsverkehr und erlaubt insbesondere Kreditierungen. Gäbe es sie nicht, so würden Transaktionen wohl stets nur Zug um Zug durchgeführt werden. Jede Transaktion würde einem Austausch von Spionen gleichen, die man gleichzeitig über eine Brücke gehen läßt.40 In ihrem eigentlichen Wortsinne bedeutet Vertragsfreiheit sohin die Möglichkeit des einzelnen, „private Vereinbarungen mit rechtsverbindlicher Wirkung zu schließen“41. b. Vertragsfreiheit und Formfreiheit Die Vertragsfreiheit wird unstreitig in die Abschluß-, Inhalts- und Endigungsfreiheit unterteilt42 Jedenfalls in Österreich wird ihr aber auch generell die Formfreiheit

steigen; im Sinne einer Lehre von der „ökonomisch-sozialen Funktion des Vertrages“ auch Raiser in Hundert Jahre I 101 (120). 34 Eigentums- und Vertragsfreiheit sind die Eckpfeiler einer „Privatrechtsgesellschaft“: Bydlinski in FS Raisch 7 (17). 35 Zu Begrenzungen der Vertragsfreiheit gerade wegen „Marktversagens“ z.B. Trebilcock (insb.) 102ff.; auch Flessner/Kötz RabelsZ 29 (1965) 805; kritisch gegenüber Eingriffen in die Vertragsfreiheit z.B. Medicus, Abschied, 19ff; Hillgruber ZRP 1995, 6; zum Wandel des Begriffs „Vertragsfreiheit“ schon Raiser JZ 1958, 1. 36 Zum Markt als insofern rechtliche Institution Weber JB1 1994, 792. 37 Zum Effizienzkriterium im Recht jüngst wieder Hardin UPaLRev 144 (1996) 1987. 38 Zum Modell des „vollständigen Vertrages“ Schäfer/Ott 325ff; zum ökonomischen Modelldenken einführend Varian Iff. 39 Die aber insbesondere auch durch gesetzlichen Formzwang erzeugt werden: Hierzu unten § 2 II. 1. d. und e.. 40 Zu alledem Atiyah 1-7. 41 Laufke in FS Lehmann 145. 42 Statt vieler Larenz 41 f.

unterstellt;43 dies vermag im geschichtlichen Kontext nicht zu verwundern, waren es doch auch im besonderen Maße naturrechtliche Ideen, welche zur Einfügung des Grundsatzes der Formfreiheit ins ABGB führten. Demgegenüber wird diese Frage im anglo-amerikanischen Rechtskreis von den meisten Autoren nicht weiter erörtert. Einzelstimmen bejahen die Frage jedoch deutlich: Ein Vertragsrechtssystem, das auf dem Prinzip der Vertragsfreiheit aufbaut, muß „die Formalitäten für das wirksame Zustandekommen eines Vertrags auf das unerläßliche Mindestmaß herabsetzen. Sie muß sich zum Prinzip der Formfreiheit bekennen.“44 Auch für Deutschland kann die Zugehörigkeit der Formfreiheit zur Vertragsfreiheit aufgrund der herrschenden Lehre nicht mit letzter Klarheit beantwortet werden.45 Zwar fehlt es an ausdrücklichen Gegenmeinungen, doch fehlt es wohl auch an einer näheren Auseinandersetzung mit dieser Frage.46 Freilich, viele Lehrmeinungen47 und wohl auch die Rechtsprechung48 gehen ganz selbstverständlich von der Zugehörigkeit der Formfreiheit zur Vertragsfreiheit aus. Nähere Begründungen fehlen indessen zumeist. Im folgenden sollen daher drei Ansatzpunkte für eine Integration des Grundsatzes der Formfreiheit in den weiteren der Vertragsfreiheit gewählt werden: Die geschichtliche Entwicklung der Vertragsfreiheit, die Einwirkung des Formzwangs auf die Abschluß- und Endigungsfreiheit sowie auf die Inhaltsfreiheit. c. Exkurs: Die historische Entwicklung der Vertragsfreiheit - von der Wirk- zur Zweckform aa. Mittelalterlicher Formalismus Der unmittelbare Bezug von Formfreiheit und Vertragsfreiheit zeigt sich am deutlichsten im geschichtlichen Werdegang der Privatautonomie, welcher im Bereich des Schuldvertragsrechts insbesondere vom Abschütteln lästiger, den

43 Koziol/Welser I 204f; Faistenberger/Barta/Eccher in Gschnitzer, Schuldrecht AT2,10f; Rummel in Rummel I § 859 ABGB Rz. 16. 44 Kessler in FS M. Wolff 70; vgl. auch E. von Hippel, Kontrolle, 68 in FN 84; deutlich Koffinan/MacDonald 4, die in der Formvorschrift der 5. 2 Law of Property (Miscellaneous Provisions) Act 1989 eine Einschränkung der Vertragsfreiheit erblicken. 45 Vgl. auch H. Huber 12, der auf die Unklarheit aufmerksam macht und für das schweizerische Recht eine Eingliederung der Formfreiheit in die Vertragsfreiheit - ohne Begründung - ablehnt; ausdrücklich zugerechnet wird die Formfreiheit zur Vertragsfreiheit demgegenüber bei Esser/Schmidt, Schuldrecht 1, 144f; ebenso Wolf in Grundlagen des Vertrags- und Schuldrechts, 62 (153f). 46 Ausgenommen freilich Häsemeyer 207ff; die mangelnde Vertiefung der Frage insbesondere aus rechtspolitischer Sicht - bemängelt auch Basedow 239. 47 Modellhaft Esser/Schmidt, Schuldrecht I, 144f; vgl. auch Taupitz AcP 192 (1992) 341 (346); sowie Laufke in FS Lehmann 145 (145), die Formzwang als eine Einschränkung der Vertragsfreiheit per se bewerten; ausdrücklich jüngst Michalski WM 1998, 1993 (1993). 48 So wohl auch das BVerfG 28.1.1992 NJW 1992, 1379, das formelle Anforderungen (Pflicht zur Angabe von Gründen) an Kündigungen von Wohnraummietverträgen jedenfalls nach Art 14 GG auf ihre Verfassungskonformität prüft und dabei darauf abstellt, ob es sich nur um „leeren Formalismus“ handelt.

Rechtsverkehr hemmender Wirkformen gekennzeichnet ist.49 Mittelalterliches Recht — zum Teil als archaisches Recht bezeichnet50 — ist von starkem Rechtsformalismus geprägt.51 Rechtsvorgänge, die selbst abstrakt, also nicht sinnlich wahrnehmbar sind, bedürfen in älteren Kulturen der Verkörperung. Die Art und Weise ist dabei unterschiedlich, und gerade im deutschen Recht zeigt sich eine Vielfalt an Symbolik, die wiederum regional differiert, weil es an einem einheitlichen Recht wie auch an einer (starken) zentralisierten Rechtsprechung fehlt.52 Die Verkörperung macht den Rechtsvorgang sinnfällig, somit publik und verständlich. Sie verleiht dem Rechtsakt zugleich Solennität, die erst eine Unterscheidung von Rechtserheblichem zu Vorgängen, die rechtlich bedeutungslos sind, ermöglicht. So ist es auch zu verstehen, wenn gesagt wird: „Die Form ist die älteste Norm“.53 Nach altem Rechtsverständnis gibt es kein Recht ohne Form, zugleich ist aber die Form selbst das Recht. Das hat Konsequenzen, weil etwa für die Verbindlichkeit von Verträgen nicht auf die materielle Willenseinigung bzw. auf (wechselseitige) Versprechen der Parteien abgestellt wird, sondern auf die Beobachtung der entsprechenden Förmlichkeiten.54 Wortformalismen wie auch Symbolen kommt eine magische Wirkung zu.55 Irrtum der Parteien, ja selbst Arglist und Zwang können diese Magie der Riten nicht brechen.56 All dies gilt gerade auch für das alte deutsche Recht. Anderslautende Thesen, nach denen im alten germanischen Recht bereits der Grundsatz „Ein Mann ein Wort, ein Wort ein Mann“57 gegolten haben soll, sind

49 Gerade in diesem Sinne zählt auch Scherrer, 9, 14f (römische Rechtsentwicklung) und 18ff, die Formfreiheit zur Vertragsfreiheit; zur Entwicklung von der Wirkform zur Zweckform speziell fürs deutsche Recht auch Dilcher in Staudinger1^ I § 125 BGB Rz. 2ff; soziologisch zur Entwicklung vom Formalismus zur Formfreiheit Weber 397ff. 50 So die These von Ebel 15: Er spricht vom archaischen Recht bis in die Zeit des Hochmittelalters. 51 Wie überhaupt sich „Recht“ als normative Ordnung neben Religion und Moral zunächst verfahrensmäßig abgehoben, also formalisiert etabliert: vgl. hierzu ausführlich Fikentscher, Methoden I, 157. 52 Zur Vielfalt auch Ebel 10 m.w.N.; zur geschichtlichen Entwicklung allgemein ders., Berichtigung, 29ff; vgl. auch die Beispiele des Rechtsformalismus im deutschen Recht bei Manigk 73f. 53 So Ebel 14; vgl. Fikentscher, Methoden I, 157; zum archaischen Recht und dessen Bindung an Formen im Gegensatz zur Billigkeit als modernerem Rechtsprinzip auch Coing DNotZ 1965 (Sonderheft Dt. Notartag 1965), 29. 54 Plastisch Ebel 14: „Das Recht ergänzt nichts, was nicht gesprochen ist, zieht aber auch nichts von dem ab, was gesprochen ist.“ 55 Über symbolisiertes Rechtsdenken heute siehe Großfeld, Zeichen und Zahlen im Recht, passim. 56 Siehe Kötz 119 in FN 3: Er verweist auf die biblische Geschichte von Jakob, dem wegen seiner Leistungen als Knecht die Hand der schönen Rahel versprochen ist. Der listige Brautvater hat aber eine zweite - häßliche - Tochter, Lea. Die Trauungszeremonie wird tatsächlich mit der verschleierten - Lea vollzogen. Jakob entdeckt erst am nächsten Tag die Arglist. Dennoch, es kommt ihm nicht in den Sinn, die Gültigkeit der (formgerecht!) geschlossenen Ehe zu bezweifeln. Weitere Beispiele solch förmlichen Rechtsdenkens finden sich bei Ebel 15 (der eine isländische Geschichte als Beleg anführt); vgl. auch Coing DNotZ 1965 (Sonderheft Dt. Notartag 1965), 29ff (30) zu diesem Konflikt von Form und Wille im römischen Recht. 57 Auf ihn beruft sich indessen noch Zeiller III/l 59; hierzu Feistmantel in Verhandlungen des lO.dt. Juristentages, 112 (116ff).

überholt.58 Vielmehr werden auch im germanischen Recht verschiedenste Formen verwendet, unter denen der Eid eine prädominierende Rolle einnimmt.59 Mit alledem korrespondiert ein formales mittelalterliches Prozeßrecht.60 61 Nicht obliegt es dem Richter, die materielle Wahrheit zu ermitteln, sondern es steht dem Beklagten regelmäßig frei, durch Eid (notfalls durch eine bestimmte Anzahl an Eideshelfem bestärkt) die erhobene Klage zurückzuweisen („Beweisvorzug des Beklagten“; in England auch: Recht des Beklagten to wage his Ferner gewährt das englische common law nur dann Rechtsschutz, wenn dem Kläger eine sogenannte also eine formalisierte Klagsformel, zur Verfügung steht.62 63 Dabei gibt es drei - für das Vertragsrecht relevante - Klagsformen. Die älteste ist die action of deb1f\ ihr treten die action of detinue64 sowie die action of covenant65 zur Seite. In fortschrittlicheren Bereichen - nämlich den kaufmännischen - vollzieht sich allerdings bereits in dieser Zeit eine Entwicklung hin zur Entformalisierung: Eigene gewohnheitsrechtliche Regeln und spezielle Gerichte (local courts) sichern den „Märkten“ eine progressive Rechtsentwicklung. Und auch in Deutschland ist es zunächst der kommerzielle Bereich, der sich - aus immanenten Gründen - vom Formgebot emanzipiert. Im Recht einzelner deutscher Städte findet man daher bereits im 13. Jahrhundert ein Prinzip der Formfreiheit.66

bb. Die Entwicklung modernen Vertragsrechtsdenkens Im Bereich weltlicher Gerichtsbarkeit67 ist es der Court of Chancery, der durch Rückgriff auf schadensersatzrechtliche Klageformeln den Anstoß für ein modernes 58 Scherrer 18f; Seuffert 5ff m.w.N.. 59 Näheres bei Scherrer 19f. 60 Zu den unerträglichen Folgen des formalistischen Prozeßrechts (insbesondere für weniger gebildete Bevölkerungsschichten) siehe - für Deutschland - Ebel 30f, der insbesondere auch auf N.Cusanus verweist; ähnlich für England Kessler JZ 1988, 109 (110), der den Fall, in dem ein der lateinischen Sprache nicht mächtiger Kläger statt auf Lieferung von buntem Tuch auf die Lieferung „bunter Damen“ klagte, als Beispiel heranzieht. 61 Für England: Plucknett 115f, 363f; für Deutschland: Ebel 17ff; zur internationalen Entwicklung hin zur freien Beweiswürdigung Cappelletti/Garth in IECL XVI/1 3 3ff. 62 In mancherlei Hinsicht der römischrechtlichen actio vergleichbar; hierzu Peter passim. 63 Detailliert Pollock/Maitland 203ff; Simpson 6f sowie - zur Abgrenzung von der action of covenant - 17f; Kiralfy in Potter’s 452f; Roebuck 103f; vgl. auch Geldsetzer 44f; zur Flexibilisierung dieser Klagsformel durch die quid-pro-quo-Formel Pollock/Maitland 212; ferner Holdsworth MichiganLRev 9 (1913) 347; ausführlich ders. VIII 2ff. 64 Siehe z.B. Richards 3f; Simpson 7; Kiralfy in Potter’s 454f. 65 Detailliert Pollock/Maitland 216ff; Simpson 9ff; Kiralfy in Potter’s 456ff (der ferner auf die geschichtlich wenig bedeutende - action of account verweist, 458f); Roebuck 103; vgl. auch Geldsetzer 44f. 66 Zu alledem Scherrer 20. 67 Bei allem ist der Einfluß des kanonischen Rechts mit seinem Prinzip der Versprechenstreue nicht zu übersehen, wenngleich es an unmittelbaren Beweisen für einen direkten Einfluß fehlt: Das Prinzip der Versprechenstreue geht insbesondere auf ein Dekret Gratians zurück: hierzu etwa Helmholz in Barton (ed.) 48 (50); siehe ferner Donahue Tulane LRev 66 (1992) 1745, der das kanonische Recht als Brücke zwischen ius commune und englischem common law betrachtet; gerade der auch in England vorhandene Einfluß des kanonischen - aber auch des römischen Rechts auf die Rechtslehre läßt Rückschlüsse auf eine letztlich gar nicht so grundsätzliche Unterschiedlichkeit des civil law und des common law tm. siehe Zimmermann in Müller-Graff

Vertragsrecht gibt. Herangezogen wird die „tortious action for trespass on the caseu, die für das Vertragsrecht unter der Bezeichnung „action of trespass on the case on cm assumpsit“ (später kurz „assumpsit) ihren Siegeszug zur Standardklagsformel gegenüber den alten, allzu formellen actions of debt und covenant beschreitet. Sobald diese action of assumpsit auch für bloße Verpflichtungsgeschäfte (ohne - wie ursprünglich erforderlich - Vorleistung einer Partei) genutzt wird, kann von der Existenz eines modernen Vertragsrechts gesprochen werden: Den Markstein und Wendepunkt verkörpert dabei der sogenannte Slade'’s case aus dem Jahre 1602.68 Für Deutschland wird die Entformalisierung des Vertragsrechts bisweilen in Beziehung zur Rezeption römischen Rechts gesetzt. Indessen ist dies zu relativieren: Römisches Vertragsrecht hat sich seinerseits vom Formalismus nie vollständig verabschieden können69, und ganz allgemein wird heute zur Rezeption die Auffassung vertreten, römisches Recht sei nicht als solches übernommen worden, sondern habe als „Methode und Disziplin“70 gegolten, was wegen seiner wissenschaftlichen Überlegenheit auch der frühliberalen Wirtschaftsgesellschaft dienlich gewesen sei, aber eben nicht bedeute, daß rechtliche Schöpfungen notwendig dem römischen Recht entspringen.71 Vielmehr wird der Verdienst der Überwindung des Vertragsformalismus des älteren deutschen Rechts wie auch der Vertragstypik des justinianischen Rechts dem Usus modernus zugeschrieben72, der sich in verwissenschaftlichter Weise mit den Quellen des römischen wie auch des kanonischen73 und germanischen Rechts auseinandersetzt. Rechtsphilosophische Strömungen (Naturrecht)74 und ökonomische Effizienzerwägungen75 verstärken die (Hg.) 47; vgl. zum Einfluß des kanonischen Rechts auf die Rechtsgeschäftslehre allgemein auch Behrends in Vallauri/Dilcher (Hg.) 957; vgl. auch Schlosser 58; das kanonische Recht soll dabei aber nur ein „Rohmaterial“ zur Verfügung gestellt haben; vgl. Helmholz in Barton (ed.) 49 (52); ähnlich für die deutsche Rechtsentwicklung Ebel 24. 68 Zur Entwicklung der action of assumpsit hin zur allgemeinen Klageformel aus (formlosen) Versprechen eindringlich Milsom 314ff; Plucknett 637ff; auch Kiralfy in Potter’s 460ff; allgemein zur Bedeutung der action of assumpsit für die Entwicklung des modernen Vertragsrechts Cooke/Oughton 8ff; zur relativ späten Entwicklung Pollock/Maitland 184f; zum verbleibenden „Formalerfordernis" der consideration Cooke/Oughton 9 mit dem interessanten Verweis auf Lord Mansfield in Pillans and Rose v Van Mierop and Hopkins (1765) 3 Burr 1664, der Verträge ohne consideration als nuda pacta bezeichnen wollte. 69 Vgl. Kaser 229, der nur hinsichtlich der formfreien Schuldverträge vom Aufkommen des Vertragsgedankens spricht; den Formalgeschäften wird dieser nachträglich unterschoben; er betont auch, daß das römische Recht den Formalismus nie ganz aufgegeben hat (230); ähnlich Honsell/Mayer-Maly/Selb 250f und - zu den pacta - 254f; über den „Zug zur Formfreiheit" auch Hausmaninger/Selb 258; Dulckeit in FS Schulz I 148 (153ff); ferner Scherrer 9ff; besonders deutlich Seuffert Iff und 13ff. 70 Wieacker 202; ähnlich Schlosser 62. 71 Wieacker 203. 72 Wieacker 242. 73 Zum Einwirken christlicher Gedankenstrukturen bei der Entwicklung der Rechtsgeschäftslehre allgemein Behrends in Vallauri/Dilcher (Hg.) 957; auch Coing I 399f. 74 Vgl. nur die minutiöse Darstellung der einschlägigen vernunftsrechtlichen Entwicklungen bei Wieacker 293ff; zum Freiheitsaspekt allgemein z.B. Grziwotz in FS Schippel 9 (13ff). 75 Zu den diesbezüglichen geschichtlichen Aspekten insbesondere Schlosser 58; Farnsworth Columbia LRev 69 (1969) 577; zur ideologischen Aufgeladenheit dieser Lehren wirtschaftlicher Freiheit des Bürgers Grziwotz in FS Schippel 9 (16ff).

Tendenz zur Entformalisierung des Vertragsrechts. Der Einzug der Formfreiheit in die Gesetzgebung vollzieht sich dann - für das allgemeine Privatrecht - Schritt für Schritt, vielleicht besser: Partikularrecht für Partikularrecht.76 In ihnen kommt die Entformalisierung in jeweils unterschiedlichem Maße zum Ausdruck.77 Erst das bayerische Landrecht von 1756 kennt den Grundsatz der Klagbarkeit aller obligatorischer Verträge (also ohne Typenbindung) und damit eine weitgehende Entformalisierung. Der Einfluß des Naturrechts ist dabei unverkennbar.78 Deutlich in dessen Zeichen steht auch der Grundsatz der Formfreiheit in § 883 ABGB von 1811.79 Dasselbe gilt für das alte deutsche HGB, das Handelsgeschäfte jeder Formpflicht entbindet.80 Den Kodifikatoren des BGB schließlich erscheint der Grundsatz so selbstverständlich, daß ihn der Gesetzgeber nicht mehr gesetzlich festschreiben muß, sondern als ohnehin feststehend voraussetzen kann.81 cc. Restriktive legislative Reaktionen

Entwicklungsprozesse gehen selten ohne (partielle) Rückschläge vonstatten. Auch der soeben skizzierte Weg der Entformalisierung des Vertragsrechts birgt solche Beispiele. Ist mittelalterlicher Formalismus häufig als einseitige Belastung des Klägers bezeichnet worden, so wertet man später die völlige Formfreiheit als eine Begünstigung des Klägers, die ihrerseits Mißbrauchsbedenken hervorruft.82 83 Mit der Einführung des Statute of Frauds 167783, der eine ganze Reihe von Verträgen unter ein Schriftformerfordernis stellt, wird ein gewisser Rückschritt zum Formalismus vollzogen.84 Dasselbe gilt im deutschen Rechtskreis namentlich für das preußische Allgemeine Landrecht, das - wegen genau desselben Mißtrauens des Gesetzgebers gegenüber der Fähigkeit der Gerichte, die materielle Wahrheit zu erforschen Verträge von bestimmter (finanzieller) Bedeutung einem Formzwang unterwirft.85 Aber auch andere Komponenten sind im Spiel: Die deutliche Abkehr vom 76 Auch das gemeine Recht ging freilich mit der Anerkennung der Willenserklärung als Verpflichtungsgrundes von einem Grundsatz der Formfreiheit aus; vgl. Dilcher in Staudinger12 I § 125 BGB Rz. 2. 77 Siehe hierzu die detaillierte Analyse der Partikularrechte bei Seuffert 144f. 78 Seuffert 165f. 79 Siehe nur Zeiller III/1 56ff; zur Bedeutung Form in den (anderen) Kodifikationen des 19. Jahrhunderts Coing II 443. 80 Art 317 HGB; hierzu von Tuhr 496. 81 Ursprünglich war daran gedacht, den Grundsatz der Formfreiheit ausdrücklich zu verankern (zur Begründung des Grundsatzes siehe die Motive bei Mugdan I 450ff); demgegenüber wird schon in den Protokollen zum Ausdruck gebracht, der Grundsatz sei kein „Rechtssatz sondern ein legislativpolitisches Prinzip“ und sohin „selbstverständlich und nur im Hinblick auf die abweichende Bedeutung des Formzwanges im preuß. und franz. Rechte von vorübergehendem Werthe" (Protokolle bei Mugdan I 696); die Denkschrift schließlich wiederholt den Grundsatz, wenngleich er letztlich - entgegen urprünglichen Entwürfen - im Gesetzestext nicht ausdrücklich verankert wird (Denkschrift bei Mugdan I 835). 82 Zu diesem Aspekt z.B. Simpson 599. 83 Rechtshistorisch hierzu Holdsworth VI 379ff; Simpson 601ff; Hening UPaLRev 61 (1913) 283 (1913); aus der Sicht vergleichender Rechtsgeschichte Rabel LQR 63 (1947) 175. 84 Zur Evaluierung dieses Rückschritts Simpson 619f. 85 Insofern dem System des französischen code civil gleich, siehe von Tuhr 496; zum ALR auch Dilcher in Staudinger12 I § 125 BGB Rz. 2.

Formalismus durch § 883 ABGB hat nicht zuletzt die Bedeutung des Notariats schwinden lassen. Die Einführung des Notariatszwangsgesetzes 1871 steht daher gerade auch unter dem Stern der Wiedergeburt vorkehrender Rechtspflege in Österreich. Bei allem dürfen zwei Aspekte aber nicht übersehen werden: Der „Rückschritt“ ist in der Hauptsache durch ein unzulängliches oder doch für unzulänglich gehaltenes Prozeßsystem bedingt, nicht durch einen Glauben an die Solennität bestimmter Formen. Weiters sind die Formvorschriften - gerade auch (wie schon seinem Titel zu entnehmen ist) des Statute of Frauds - eindeutig Zweckformen. Mit der Wirkform mittelalterlichen Rechts sind sie nicht mehr zu vergleichen. dd. Zwischenbefund

Schon dieser kurze Exkurs in die Rechtsgeschichte zeigt, daß die Formfreiheit einen essentiellen Bestandteil der Vertragsfreiheit bildet. Die Entwicklungsgeschichte des modernen Vertragsdenkens demonstriert einläßlich, daß Formen nur noch als Zweckformen zu rechtfertigen sind. Im Grundsatz kommt den Parteien die Wahl der (äußeren) Form zu. d. Mittelbare Einwirkung Endigungsfreiheit

des

Formzwanges

auf

die

Abschluß-

und

Formzwang soll nach Häsemeyer^6 keinen Ausschluß, ja nicht einmal eine echte Einschränkung der Abschlußfreiheit bedeuten. Solange die Form verfügbar und die Reichweite des Formgebots klar sei, könnten die Parteien die Form wahren, der Abschlußfreiheit werde kein Abbruch getan. Häsemeyer übersieht zwar keineswegs die Kosten der Formalisierung86 87, die er insbesondere bei der Notwendigkeit, Urkundspersonen heranzuziehen, erkennt, und er bezeichnet sie auch als Hemmnis für die Abschlußfreiheit, doch komme es eben auf den Grad der Hemmung an. Im übrigen verweist er auf die Funktion der Formalisierung, reifliche Überlegung und Klarheit der Parteien hinsichtlich des Rechtsgeschäfts sicherzustellen, wodurch ja gerade privatautonome Entscheidungen nicht behindert, sondern sogar gefordert würden. Beides ist nicht unrichtig, doch trifft es nicht in allen Fällen zu, daß der Grad der Beeinträchtigung zu gering ist, um die Legitimität von Formvorschriften zu vereiteln. Der Grad des Hemmnisses ist nämlich zum jeweiligen Gegenstand des Rechtsgeschäfts in Relation zu setzen. Nur dann zeigt sich, ob die Kosten der Form auch prohibitiv sein können. Genannt seien etwa Bagatellgeschäfte, die dennoch ihrer Typizität wegen einer Mitwirkung einer Urkundsperson bedürfen. Hier können die Kosten der Formalisierung das Geschäft als unwirtschaftlich erscheinen lassen, die Abschlußfreiheit wird in diesem Bereich faktisch ausgeschlossen. Ein leicht zu formendes Beispiel bilden hier „kleine“ Tauschverträge zwischen Ehegatten nach österreichischem Recht. Sie sind gemäß § 1 Abs. 1 lit. b NZwG notariatsaktspflichtig, sohin mit Kosten und Mühen verbunden. Wenn daher eine 86 Häsemeyer 209. 87 Vgl. auch von Tuhr 498: Jede Form, auch die leichteste, ist eine Erschwerung des rechtlichen Verkehrs“.

Ehefrau mit ihrem Ehemann übereinkommt, ein Buch gegen ein anderes zu tauschen, so ist dieser Vertrag mangels Notariatsakts nichtig. Von Heilungsmöglichkeiten - die ja wegen des Gläubigerschutzes bisweilen bestritten werden - hier einmal abgesehen88, ist klar, daß sich kein Ehepaar auch nur die Mühe machen wird, zum Notar zu gehen. Freilich, die „normative Kraft des Faktischen“ wird sich dieser Fälle annehmen, streitig werden sie nicht; und dennoch: Auch wichtigere Geschäfte werden wegen ihrer Kostenbeladenheit die Parteien vor die Qual der Wahl stellen, sich kostenintensiv abzusichern oder aber aus Kostengründen auf die rechtliche Sicherheit (nämlich die Formgültigkeit) zu verzichten. Denn offenkundig wirken die Formkosten nicht nur in jenen Fällen prohibitiv, in denen sie den Wert des Vertragsgegenstandes erreichen oder gar übersteigen. Die Wirkung tritt vielmehr schon dann ein, wenn die Formkosten die subjektive Äquivalenz aufheben. Wertet nämlich ein Verkaufsinteressent die Sache mit 100,-, ein Kaufinteressent aber mit 110,- so würde ohne Transaktionskosten das Geschäft vollzogen werden. Der Kaufpreis würde sich irgendwo zwischen 100,- und 110,- bewegen. Übersteigen aber die Formkosten den Unterschied an subjektiver Wertschätzung (z.B. 11,-), dann verlieren beide Teile das Interesse am Geschäft. Der Käufer ist nicht bereit, die Kosten zu tragen und mehr als 99,- zu bezahlen; soll der Verkäufer die Kosten tragen, müßte der Käufer 111,- bezahlen, weil sonst der Verkäufer weniger bekäme, als ihm die Sache wert ist. Im Sinne dieser Erwägungen war es ein Grund für die Einfügung der Heilungsmöglichkeit in §313 BGB, daß kleine Grundstücksgeschäfte nicht wegen der Formkosten unterbunden werden sollen.89 Und all dies gilt ganz besonders für die notarielle Form bei der Veräußerung von GmbH-Geschäftsanteilen90, dessen vornehmlicher Zweck es ist, die Veräußerbarkeit der Anteile faktisch zu hemmen. Hier wird die Einschränkung der Abschlußfreiheit geradezu zum Gesetzeszweck erhoben! Bisweilen finden sich auch Formerleichterungen, die einer prohibitiven Wirkung vorbeugen: So etwa in § 3 VVG/VersVG in Deutschland und Österreich, wo wegen des Massengeschäftscharakters des Versicherungsvertrages nicht jede Police handschriftlich zu signieren ist, sondern eine Nachbildung der eigenhändigen Unterschrift genügt.91 Ähnliches gilt, wenn vereinzelt anstelle der Schriftlichkeit ein Telegramm oder eine Telefax-Mitteilung als ausreichend angesehen wird.92 Eine Analogisierung solcher Ausnahmevorschriften wird in der österreichischen Rechtsprechung jedoch abgelehnt.93 Weiters wird berichtet, daß die Gründe für eine 88 Hierzu unten § 11II. 5. b.. 89 Hierzu unten § 11III. 2. c. ee.. 90 Deutschland: § 15 Abs. 4 GesmbHG; Österreich: § 76 Abs. 2 GmbHG. 91 Hierzu nur Möller in Bruck/Möller § 3 WG Rz. 11; für Österreich: Schauer 91. 92 Z.B. Art. 13 UN-Kaufrecht; § 577 Abs. 3 ZPO für Schiedsvereinbarungen: hierzu ausführlich Fasching ÖJZ 1989, 289; zur früheren Rechtslage OGH 15.12.1937 RZ 1938, 61 (Stampiglie unzureichend); ähnlich OGH 7.2.1933 SZ 15/29; sowie OGH 29.10.1935 SZ 17/150; OGH 12.11.1952 SZ 25/302 (Telegramm genügt nicht); anders wegen Anwendung des Art. II Abs. 2 UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche OGH 21.2.1978 SZ 51/18; im Prozeßrecht wird das Einbringen von Rechtsmitteln durch Telefax auch in Österreich zugelassen: OGH 16.12.1992 JB1 1993, 732 (Gitschthalery, insgesamt zur Frage der Schriftformwahrung durch Telefax Rummel in FS Ostheim 211; ferner Wilhelm ecolex 1990, 208. 93 OGH 2.7.1993 JB1 1994, 119 (Rummel).

jüngste Modernisierung des New York Statute of Frauds in der Behinderung von kommerziellen Transaktionen94, die üblich per Telefon oder elektronisch vorgenommen werden, durch restriktive Formvorschriften gelegen sind. Tatsächliche Beobachtungen zeigen, daß - mangels Verfügbarkeit der Form - die Parteien in den rechtsfreien Raum abgedrängt worden waren.95 Auch das EGRichtlinienrecht bietet Beispiele prohibitiver Formkosten. Es handelt sich um Fälle, in denen der EG-Gesetzgeber vom Formgebot abgesehen hat, um eine prohibitive Wirkung zu vermeiden. Dies gilt z.B. für die Pauschalreisen-Richtlinie. Sie unterwirft auch das vorvertragliche Verhandlungsstadium diversen Förmlichkeiten. Diese sollen allerdings dann nicht zur Anwendung kommen, wenn dies das Anbieten und Buchen von sogenannten last-minute-Reisen gefährden würde.96 Hier geht es insbesondere um die zeitliche Dimension der Formalisierung: Wer es eilig hat, ein günstiges Angebot zu ergreifen, der soll nicht durch langwierige Formalisierungen des Geschäfts seiner Möglichkeiten beraubt werden. Eine ähnliche Regelung findet man in der Teleshopping-Richtlinie.97 Dort werden diverse Beurkundungspflichten zurückgenommen, wenn sich der Femabsatz im Wege EDV-gestützter Kommunikation vollzieht.98 99 Es soll also die Verwendung neuer, kostengünstiger Technologien nicht behindert werden. Damit zeigt sich, daß Formzwänge sehr wohl prohibitive Transaktionskosten erzeugen können. Dies beweist zugleich, daß Formvorschriften nicht immer durch deren „Richtigkeitsgewähr“ für die reifliche Überlegung der Parteien gerechtfertigt werden können. Lassen nämlich die Kosten der Form den Geschäftsabschluß unwirtschaftlich erscheinen, so kommt der Warnungsfunktion keine Bedeutung mehr zu. Vernünftige Parteien werden das Geschäft auch nach reiflicher Überlegung nicht abschließen, dennoch geschlossene Geschäfte verursachen den Parteien Kosten, wie sie auch ein „unbedacht“ geschlossener Vertrag nicht aufgeworfen hätte und machen somit die Parteien jedenfalls zu „Opfern“. Für die Endigungsfreiheit gilt, jedenfalls soweit ein contrarius actus erforderlich ist, freilich dasselbe wie für die Abschlußfreiheit. e. Mittelbare Einwirkung des Formzwangs auf die Inhaltsfreiheit

aa. Die Formkosten beschränken die Preisbestimmung der Parteien

Obgleich nicht auf den ersten Blick sichtbar, wirkt die Form auch negativ" auf den Inhalt der Verträge ein. Zunächst ist zu bedenken, daß es die Inhaltsfreiheit in erster 94 Es geht um Geldtauschtransaktionen (rate-swaps, etc.). 95 Forster International Financial LRev 1994 No. 11, 17; ähnlich Johnston UPaLRev 144 (1996) 1859, sowie E.A.Posner UPaLRev 144 (1996) 1971 (1974). 96 Art. 4 Abs. 2 lit. c Pauschalreisen-Richtlinie. 97 Vorvertragliche Unterrichtungen sind dort „der verwendeten Fernkommunikationstechnik" anzupassen, brauchen also nicht notwendig schriftlich zu erfolgen; hingegen ist nach Vertragsschluß (spätestens bei Vertragserfüllung) eine schriftliche Bestätigung der Informationen auszustellen (siehe Art. 4 und Art. 5 Teleshopping-Richtlinie). 98 Siehe Art. 5 Abs. 2 Teleshopping-Richtlinie. 99 Freilich erwartet man von der Form typischerweise einen positiven Einfluß auf den Inhalt der Verträge; vgl. nur Enderlein 243, der das Formgebot als eine „rationalitätserhöhende Maßnahme“ einstuft, die freilich nicht an eine konkrete Gefährdung, sondern an die bloße Möglichkeit einer Gefährdung anknüpft (239f); für Österreich Dehn 45f.

Linie den Parteien überläßt, das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung frei zu bestimmen, ^tat pro ratione voluntas^ meint letztlich, daß es auf eine inhaltliche „Richtigkeit“ der Verträge nicht ankommt; sie gelten, weil sie gewollt sind, nicht weil sie in irgendeiner Weise „objektiv richtig“ sind. Gerade die Bestimmung des Äquivalenzverhältnisses wird aber durch die Formalisierungskosten beeinflußt, weil diese den Spielraum der Parteien bei der Preisbestimmung beschränken. Wenn sich diese Kosten als nicht prohibitive Transaktionskosten niederschlagen, so werden sie von den Parteien zwar in Kauf genommen, doch verändern sie deren freien Gestaltungsspielraum. Daß dieser Umstand gerade im (internationalen) Handelsverkehr100 eine gewichtige Rolle spielt, kann anhand rechtstatsächlicher Berichte veranschaulicht werden. So hat Basedow nachdrücklich auf die Beurkundungskosten im Transportvertragsrecht hingewiesen.101 Seine daraus abgeleitete Forderung nach einer gesetzlichen Anerkennung von elektronischen Dokumenten102 ist weit über den Bereich der Transportpapiere, ja weit über den Bereich des gesamten Wertpapierrechts103 hinaus und nicht zuletzt auch im Schuldvertragsrecht104 allgemein von Relevanz. 100 Zur Beeinträchtigung der Vertragsfreiheit durch Formkosten mit Blick auf elektronische Dokumente Kozolchyk in King (ed.) 21. 101 Siehe Basedow 239ff; ders. in Kreuzer (Hg.) 67, zur Akzeptanz elektronischer Dokumente in internationalen Abkommen zum Transportrecht Gliniecki/Ogada Northwestern J Inti L & Bus 13 (1992) 117; auch Urbach in Goode (ed.) 105; ferner zu Entwicklungen im englischen Bill of Lading Law Davenport Butterworths Journal of International Banking and Financial Law 1992, 305 (306 und 307); ausführlich Grönfors 63ff und 77ff. 102 Elektronische Dokumente sind ja generell nicht geeignet, Formgeboten (z.B. der Schriftform) zu genügen; vgl. nur Paefgen 44ff. 103 Wenngleich dort ein ganz besonderes Bedürfnis nach Entformalisierung besteht: Deutlich Drobnig in Kreuzer (Hg.) 11 (14f), der den Grund für den Entformalisierungsdruck gerade im Erfolg des Wertpapiers als solchem sieht; es sind also ebenjene Gründe, die für die Schaffung von Wertpapieren sprachen, welche jetzt für eine Entstofflichung ins Treffen geführt werden; ders. in King (ed.) 225; ferner Baumbach/Hefermehl WPR Rz. 90ff mit weiteren Nachweisen zur einschlägigen deutschen Literatur; Reed 11 Iff; Handschin 39ff; vgl. insbesondere die Ablehnung der Einführung eines elektronischen Abwicklungssystems an der Londoner Börse, die 1993 für Aufregung gesorgt hat und wo von einem „Desaster“ gesprochen wurde: hierzu FAZ 13.3.1993, 12: „Wut in der Londoner City über Börsenentscheidung“; zum elektronischen Handel an der Frankfurter Börse Kümpel WM 1992, 249; über Rationalisierungsnotwendigkeiten im Wertpapierhandel auch Dechamps Iff; zu scheckrechtlichen Entwicklungen Grünwald ÖBA 1987, 548; für die USA OKeefe UPa J Int'l Bus L 15 (1994) 105; für England z.B. Hedley 152f; über das Wertpapier hinaus ist der Prozeß der Entstofflichung insbesondere im Geldwesen zu beobachten und dort auch schon Realität: Vgl. etwa Frotz in Kreuzer (Hg.) 117; ferner aus der Tagespresse etwa Braunberger, Der Stoff aus dem die Träume sind ist längst entstofflicht, FAZ 9.3.1995, 3; ausführlich Weimer, In Zukunft zählt die Zahlungselektronik, FAZ 16.6.1990, 13; Steinborn, La signature, c'est moi, FAZ 3.6.1996, 33; zur EC-Karte Weimer, Die Note mit dem blau-roten Logo, FAZ 8.5.1993, 13; zu „Kartengesteuerten Dienstleistungen“ auch die Verlagsbeilage Nr. 50 zur FAZ 1.3.1994; zum Electronic Funds Transfer auch Goode in Goode (ed.) 15ff; zu den Änderungen im US-amerikanischen UCC ALI-ABA Course of Study Materials, The Emerged and Emerging New UCC, Iff und 259ff; siehe auch zum US-amerikanischen Electronic Funds Transfer Act: Poullet/Vandenberghe (eds.), passim, sowie den Textanhang 349ff. 104 Die diesbezügliche Literatur ist kaum überschaubar: Früh schon zur Problematik telegraphischen Vertragsschlusses Achenbach, passim, der insbesondere auf kollisionsrechtliche Probleme eingeht; schon 1889 hat Maas, passim, - in freilich vom heutigen Computerwesen

Und tatsächlich scheint man z.B. in Deutschland auf neue (oder auch: gar nicht mehr ganz so neue) technische Gegebenheiten zu reagieren. Nach den Vorstellungen des deutschen Notariats sollen im Wege einer Änderung des BGB elektronische Dokumente schriftlichen Urkunden und soll die elektronische Unterschrift der eigenhändigen in ihren rechtlichen Wirkungen weitgehend gleichgestellt werden.105 Freilich bleibt es auch nach diesen Vorschlägen dem Gesetzgeber überlassen, im Einzelfall zu entscheiden, ob elektronische Dokumente den Formzwecken gerecht werden106 und daher anstelle der Schriftform oder der unterschiedlichem Sinne - vom „Vertragsschluß auf elektronischem Wege“ gesprochen; aus der jüngeren Literatur: Fritzsche/Malzer DNotZ 1995, 3 (17) m.w.N.; Paefgen 44f; Lochmann NJW 1984, 405 (408) für das Btx; hierzu auch Kreis 89ff; Jaburek 54, wonach Btx-Mitteilungen den Ratenbrief nach KSchG nicht ersetzen; ähnlich Köhler CR 1986, 621 (623f); Kuhn 125ff; Nogossek CuR 1986, 353 (356ff) zu anglo-amerikanischen Rechten (insbesondere den Statutes of Frauds)', auch Millard in Walden (ed.) 43 (46ff); Costes IBLJ 1994, 735; Parisi 121ff; Franceschelli Giurlt 1988, IV, 314; zur künftigen Bedeutung im Versicherungswesen siehe den Tagungsbericht von Kreuznacht VersR 1996, 171 (Vortrag von B. Honsel, Rechtliche Rahmenbedingungen des papierarmen Versicherungsvertriebs). 105 Siehe den Gesetzesvorschlag der deutschen Bundesnotarkammer, präsentiert im Rahmen des 2. Forums „Elektronischer Rechtsverkehr“ beim XXI. Internationalen Kongreß des Lateinischen Notariats, Berlin 3.6.1995 (die Tagungsmaterialien wurden von der deutschen Bundesnotarkammer [Hg ] publiziert), wonach unter anderem folgender § 126a in das BGB eingefugt werden soll: „§ 126a. (1) Ist durch Gesetz die elektronische Form vorgeschrieben, so muß der Aussteller der Erklärung dem Text seinen Namen hinzusetzen und beides elektronisch unterzeichnen (elektronische Unterschrift). Die elektronische Unterschrift muß in einem als sicher anerkannten Verfahren erklärungsabhängig und unterzeichnerabhängig hergestellt werden. Erklärung und Unterschrift müssen dauerhaft und lesbar wiedergegeben werden können. Die elektronische Unterschrift muß auf eine notarielle Urkunde verweisen, in der der Aussteller die Zuordnung des verwendeten Unterschriftsschlüssels zu seiner Person erklärt hat, die Erklärung wiedergeben und die Stelle nennen, bei der der Unterschriftsschlüssel überprüft werden kann. (2) Die Anerkennung von Verfahren nach Abs 1 Satz 2 erfolgt durch das Bundesministerium des Innern. Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Anforderungen an diese Verfahren zu regeln. Die Zulassung von Stellen, die für die Ausgabe, Verwaltung und Überprüfung von Unterschriftsschlüsseln zuständig sind, erfolgt durch das Bundesministerium .... Das Nähere regelt ein Bundesgesetz. (3) Bei einem Vertrag gilt § 126 II entsprechend. (4) Die elektronische Form wird durch die schriftliche Form sowie die notarielle Beurkundung ersetzt.“ Zu rechtlichen Problemen digitaler Signaturverfahren Hohenegg/Tauschek BB 1997, 1541, vgl. im gegebenen Zusammenhang auch die Bemühungen des Europarates zur Entformalisierung diverser Dokumente: Europarat, Harmonisation of laws relating to the requirement of written proof and to the admissibility of reproductions of documents and recordings on Computers, Empfehlung Nr. R (81) 20 vom 11.12.1981 samt Erläuterungen; zu UN-Bemühungen rund um die Ingebrauchnahme von EDI's im internationalen Rechtsverkehr Kilian CR 1994, 657; ferner den Abdruck eines UNCITRAL Model Law on International Credit Transfer in Uniform Law Review 1992II 30f; mit Bezug auf das UN-Kaufrecht Nicoll The Journal of Business Law 1 (1995) 21. 106 Was freilich beim Formzweck des Übereilungsschutzes zweifelhaft sein dürfte; jedenfalls für das - im allgemeinen für die Schriftform nach § 766 BGB ungenügende - Telefax will Cordes NJW 1993, 2427, den Übereilungsschutz für gewährleistet ansehen; für die Formvorschriften im Verbraucherschutzrecht plädieren Fritzsche/Malzer DNotZ 1995, 3 (17) für eine Prüfung des jeweiligen Formzwecks und stehen insofern der Zulassung von elektronischen Dokumenten durchaus aufgeschlossen gegenüber (17ö); zur Formzweckprüfung auch Bright 3ff; sowie JVright, Electronic Commerce, 273ff; im übrigen konzentriert sich die literarische Auseinandersetzung mit

notariellen Beurkundung verwendet werden können. Einen ersten Schritt hat der deutsche Gesetzgeber bereits getan: Mit dem neuen Signaturgesetz läßt er die digitale Signatur zu107 und kündigt in den Materialien auch eine (teilweise) Gleichstellung elektronischer Dokumente mit der Schriftform an.108 All dies zeigt, daß die keineswegs zu vernachlässigenden Formkosten die Möglichkeiten der Preisbildung durch die Parteien beschränken. Bei Formfreiheit bleibt es nämlich der Parteienvereinbarung überlassen, Formnutzen und -kosten abzuwägen und sich letztlich nach Gutdünken und entsprechend den Umständen des Einzelfalles für die Formalisierung und damit Verteuerung oder für die Formlosigkeit und den Erhalt des Spielraumes bei der Preisbemessung zu entscheiden.109 Gesetzlicher Formzwang hingegen nimmt den Parteien diese Abwägungsmöglichkeit, die Formalisierungskosten werden zu Fixkosten, und zwar, wegen der abstrahierenden Sichtweise des Gesetzgebers, losgelöst von den Umständen und Bedürfnissen des Einzelfalls.

bb. „Innere Formen“ standardisieren den Vertragsinhalt Die Beschränkung der Inhaltsfreiheit der Parteien wird graduell verschärft, wenn zu den äußeren Formen innere hinzutreten; insofern diese den Vertragsinhalt standardisieren, schränken sie die Inhaltsfreiheit jedenfalls dadurch ein, daß sich die Parteien standardisierter Begrifflichkeiten zu bedienen haben. Und derartige Standardisierungen des Vertragsinhalts bzw. der Art und Weise seiner Präsentation in der formalisierten Vertragsausfertigung kennzeichnen gerade das neuere EGVerbrauchervertragsrecht.110 So wird der nach der Verbraucherkredit-Richtlinie in der Vertragsurkunde anzugebende Effektivzinssatz in seiner Berechnungsmethode vordefiniert.111 Die Timeshare-Richtlinie112 wiederum bringt die Pflicht, verschiedenste Angaben in die Vertragsurkunde aufzunehmen, die bei bloß äußerer Formpflicht nicht notwendig aufscheinen müßten. Diese Tendenz, Vertragsinhalte zu standardisieren, betrifft freilich nur die Art der Präsentation des Vertragsinhalts in der Urkunde. Aber bereits darin liegt ein gewisser Typisierungszwang, weil die

dem Themenkomplex hauptsächlich auf die Gewährleistung der Authentizität elektronischer Signaturverfahren - vgl. z.B. Pordesch/Nissen CR 1995, 562; ferner Schuppenhauer DB 1994, 2041, auch Fritzsche/Malzer DNotZ 1995, 3 (21f); Reed 9 Iff; Zankl NZ 1996, 161; ausführlich Goebel/Scheller 25f und 33ff. 107 Ausführlich hierzu Mälzer DNotZ 1998, 96, ferner Bieser CR 1996, 564. 108 Auch hierzu m.w.N. Mälzer DNotZ 1998, 96 (99). 109 Daß von dieser Möglichkeit seitens der Praxis auch im Sinne der Formalisierung Gebrauch gemacht wird, zeigt nicht nur die tatsächlich hohe Anzahl an Beurkundungen von Verträgen, sondern auch die gelegentlich anzutreffende Behauptung, die Verschriftlichung der Bankgarantie sei ein Formzwang kraft Handelsbrauchs, so Weth AcP 189 (1989) 303 (308). 110 Zu inneren Formen des Richtlinienrechts allgemein Heiss in Schnyder/Heiss/Rudisch (Hg.) 87 (93). 111 Anhang II zur Verbraucherkredit-Richtlinie; kritisch zur Berechnungsmethode des effektiven Jahreszinssatzes Reich 256f; eine Änderung der Richtlinie soll nunmehr einheitliche Berechnungsmethoden sichern: siehe den Änderungsvorschlag ABI. 1996 Nr. C 235/8; zur Funktion der Standardisierung der Angabe des Zinssatzes Duggan ICLQ 35 (1986) 87. 112 Siehe den Anhang zur Timeshare-Richtlinie.

Parteien in ihrer Sprachwahl nicht mehr frei sind, sie haben sich vorgefertigter Terminologien zu bedienen (vgl. nur die Definition des Effektivzinssatzes). cc. Formfreiheit als Teil der Inhaltsfreiheit? Formfreiheit ist nach alledem gerade auch um der Inhaltsfreiheit willen gefordert. Dabei ist es allerdings irreführend, wenn die Formfreiheit als eine Unterkategorie der Inhaltsfreiheit bezeichnet wird.113 Denn der Formzwang kann - wie schon dargelegt - jedenfalls de facto Auswirkungen auf die Abschlußfreiheit haben (wenn also die Form nicht nur einen Teuerungsfaktor darstellt, sondern prohibitiv wirkt). Im Lichte dessen wäre der Grundsatz der Formfreiheit der Abschlußfreiheit zu unterstellen. Richtigerweise wird man jedoch der Formfreiheit im Rahmen der Vertragsfreiheit einen eigenen Platz zuweisen müssen. Unter die Abschluß-, Inhaltsund Endigungsfreiheit läßt sie sich nämlich nicht widerspruchslos einordnen114, auch wenn Formen indirekt auf diese einwirken und sohin die Formfreiheit von deren Schutz mitumfaßt ist.

f. Gesamtbefund Es zeigt sich, daß die Formfreiheit mit der allgemeinen Vertragsfreiheit verschmolzen ist. Geschichtlich vollzieht sich die Entwicklung der Vertragsfreiheit im allgemeinen gerade durch ein Abschütteln von hemmendem Formalismus. Der Freiheits- aber auch der Verantwortlichkeitsgedanke, die beide der Vertragsfreiheit unterliegen, erstrecken sich nicht nur auf Abschluß und Inhalt, sondern auch auf das „wie“, sohin auf die Form. Die negativen, zum Teil prohibitiven Auswirkungen des Formzwangs auf die Abschluß- und Inhaltsfreiheit machen die Formfreiheit schließlich zu einem begriffsnotwendigen Bestandteil der Vertragsfreiheit im allgemeinen. 2. Konsequenzen für die Sanktionierung von Formverfehlungen

a. Allgemeines Zählt man nach alledem die Formfreiheit der Vertragsfreiheit zu und wertet Formzwänge demgemäß als Beschränkungen, so ist zugleich die Frage gestellt, ob dieses Ergebnis auch für die Sanktionierung etwaiger Formverfehlungen eine Rolle spielen muß. Dabei scheint die Antwort vorderhand klar zu sein: Geht man vom Prinzip der Vertragsfreiheit als Freiheitsrecht aus, dann bedarf jeder Formzwang einer Rechtfertigung.115 Formzwang aber verwirklicht sich gerade durch die für Formverfehlungen drohende Sanktion, womit die Sanktionsseite in den Mittelpunkt der Betrachtung rückt: Denn als Einschränkung der Vertragsfreiheit hat Formzwang den Kriterien der Erforderlichkeit, Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit zu 113 So aber Rummel in Rummel I § 859 ABGB Rz. 16. 114 Und zwar auch nicht unter eine Kombination dieser Freiheiten. 115 Woraus - dem geschichtlichen Werdegang der Vertragsfreiheit entsprechend - zu allererst folgt, daß nur Zweckformen zulässig sind, reine Wirkformen demgegenüber mit der Vertragsfreiheit kollidieren.

entsprechen.116 Das muß als innere Schranke wie auch als Auftrag zur effektiven Sanktionierung gelten.117 b. Das Prinzip des gelindesten Mittels und die Formnichtigkeit

Wählt man die Sanktion der Nichtigkeit als Ausgangspunkt der hiesigen Überlegungen, so stellt der Aspekt der Formzweckverfolgung zunächst eine Beschränkung dar: Wenn andere - gelindere - Mittel als die (absolute, von Amts wegen wahrzunehmende) Formnichtigkeit zur Formzweckerreichung bzw. Formdurchsetzung ausreichen, so ist ihnen der Vorzug zu geben, weil sie die Vertragsfreiheit stärker schonen. Wenn z.B. der EG-Gesetzgeber mit der Arbeitsnachweise-Richtlinie118 nur das Ziel verfolgte, dem Arbeitnehmer eine Information über seine arbeitsvertragliche Position zu verschaffen, dann wird mit einem (klagbaren) Anspruch des Arbeitnehmers auf Aushändigung der Urkunde der Zweck erreicht.119 Sekundärrechtsfolgen werden zur Seite treten: Pflichtverletzungen des Arbeitgebers können sich zu Austrittsgründen verdichten, gegebenenfalls sind auch Schadensersatzansprüche120 denkbar.121 Wenn stärker präventiv wirkende Instrumente eingreifen sollen, könnte auch eine Strafsanktion etabliert werden.122 Die Nichtigkeit wäre demgegenüber eine unverhältnismäßige und aus der Sicht des Formzwecks kontraproduktive Sanktion.123 Die Steigerung der Sanktion hin zur Formnichtigkeit wäre daher aus europarechtlicher Sicht zwar zulässig124, der Sache nach aber nicht legitim. Sie würde in Widerspruch zum Prinzip der Formfreiheit treten, wenn man nicht der Verschriftlichung des Arbeitsvertrages - wiederum: europarechtlich zulässig - weitere Zwecke (z.B. einen Übereilungsschutz) unterlegen will. c. Das Prinzip der Effektivität des Formgebots

Brisanter ist die Beobachtung, Formfreiheit als Teil der Vertragsfreiheit verlange wenn Formzwänge angebracht erscheinen - eine effektive Sanktion, unter Umständen also auch eine stärkere als die der Nichtigkeit. Sie hat von folgender Überlegung auszugehen: Nicht immer ist die Nichtigkeit die schärfste Sanktion und nicht immer greift eine mildere Sanktion weniger in die Form- und damit Vertragsfreiheit ein als eine schärfere. Der Grund hierfür liegt im Kriterium der Effektivität der Zweckverfolgung, dem die Sanktion zu dienen hat. Stellt nämlich 116 Vgl. auch Westerhoff AcP 184 (1984) 341 (356); speziell zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Privatrecht Medicus AcP 192 (1992) 35. 117 Zu den europarechtlichen Vorgaben für die nationalrechtlichen Sanktionsvorschriften oben § 1IV. 2. und 3.. 118 Vgl. grundsätzlich Art. 2 Arbeitsnachweise-Richtlinie. 119 Vgl. zur Sanktionierung insb. Art. 8 Arbeitsnachweise-Richtlinie. 120 Hierzu aus europarechtlicher Sicht Lörcher ArbuR 1994, 450 (454f). 121 Weiterführende Gedanken zu den Rechtsfolgen bei Stückemann BB 1995, 1846 (1848). 122 Zur Strafsanktion auch Lörcher ArbuR 1994, 450 (455). 123 Freilich wäre auch die Präventivwirkung der Formnichtigkeit bei der Abwägung zu berücksichtigen; zu ihr unten § 2 V.. 124 Die Richtlinie stellt ja nur einen Mindeststandard dar; siehe Art. 7 Arbeitsnachweise­ Richtlinie.

eine Sanktion weder die Erreichung des Formzwecks noch die Präventivwirkung (den Anreiz zur Befolgung der Formvorschrift) sicher, dann werden nur Kosten aufgeworfen, die erstrebten Ziele hingegen nicht erreicht. Demgegenüber ist vom Gesetzgeber zu fordern, daß er sich bei der Verfolgung seiner Formziele effektiver Sanktionen bedient; also solcher, die entweder den Formzweck realisieren oder aber über ihre Präventivwirkung die Wahrung der Form selbst und damit (indirekt) auch des Formzwecks sicherstellen. Das liegt gerade im Interesse der Vertragsfreiheit selbst. Ein Eingriff setzt entsprechend schützenswerte Interessen voraus. Nimmt sich der Gesetzgeber ihrer an, dann ist von ihm konsistentes Verhalten insofern zu fordern, als er in Tatbestand und Sanktion die Zweckerreichung sicherzustellen hat. Freilich wird genau dieses Argument nicht selten für eine Nichtigkeitssanktion sprechen, weil ihr jedenfalls eine starke Steuerungswirkung zu bescheinigen ist.125 Bisweilen kann sie aber auch nicht ausreichen: Ein gewichtiger Grund, warum der deutsche Gesetzgeber bei in Vollzug gesetzten formfehlerhaften Verbraucherkreditverträgen die Sanktion der Nichtigkeit durch eine Modifikation des Vertragsinhalts ersetzt hat126, dürfte gerade darin zu sehen sein, daß die bloße Nichtigkeit den Interessen des Verbrauchers (insbesondere wegen der bereicherungsrechtlichen Folgen) nicht entgegenkommt127, dieser also die Frage der Formnichtigkeit häufig nicht aufwerfen wird. Zugleich ist die Nichtigkeit für den Kreditgeber unter Umständen nicht entsprechend einschneidend und fuhrt daher zur Fehlsteuerung. Hier ist es der Effizienz des Formgebots zuträglich, die Nachteile eines Formfehlers einseitig auf den Kreditgeber zu verlagern, sohin Vertragsmodifikationen zugunsten des Verbrauchers folgen zu lassen. Zugleich wird bei der Regelung des § 6 Abs. 2 VerbrKrG deutlich, daß die Rechtsfolgen auf den beabsichtigten Verbraucherschütz hin (also: zweckfinal) ausgerichtet wurden. Denn das Ziel lautet, daß intransparente Kreditbedingungen dem Verbraucher nicht zum Schaden gereichen sollen. Die Rechtsfolge der Anpassung des Zinssatzes verfolgt diesen Zweck adäquat. Zwar kann nicht vorausgesagt werden, welchen Vertrag der Verbraucher bei ordnungsgemäßer Formalisierung und damit Transparenz der Zinskonditionen geschlossen hätte. Immerhin aber ist durch die Vorschriften zur Reduktion der Zinshöhe wegen fehlender oder mangelhafter Angabe des effektiven Zinssatzes sichergestellt, daß der Verbraucher einen Vertrag erhält, den er ganz sicherlich geschlossen hätte. Es bedarf nämlich nur die intransparente Zinsklausel einer Sanktion, nicht aber der im übrigen formgültige Vertrag. Der Übereilungsschutz des Konsumenten ist damit jedenfalls erreicht, ohne daß dieser den negativen Konsequenzen der Nichtigkeit (nämlich der sofortigen Rückabwicklung) ausgesetzt wird. Umgekehrt gibt diese Sanktion dem Kreditgeber regelmäßig größeren Anreiz zur Formwahrung als die Nichtigkeitsfolge; sie erhöht die Effektivität des Formgebots.

125 Die freilich auch über Strafsanktionen - welche die Gültigkeit des Vertrages unberührt lassen - angestrebt werden können; positiv zur Effektivität solcher Strafsanktionen A tiyah 167. 126 Siehe § 6 Abs. 2 VerbrKrG. 127 Allgemein in diesem Sinne Kötz 138: „Hier würde der geschützten Vertragspartei ein schlechter Dienst erwiesen, wenn man im Falle unterlassener Belehrung den Vertrag als im ganzen ungültig ansähe.“

d. Ergebnis und Bedeutung für den Fortgang der Untersuchung

Die beiden Prinzipien des gelindesten Mittels sowie der Effektivität des Formgebots belegen endgültig, daß die Formnichtigkeit keinesfalls diejenige Sanktion ist, welche von der Vertragsfreiheit zwingend gefordert wird. Im Gegenteil: Mildere (aber dennoch effektive) Sanktionen sind vorzuziehen; umgekehrt können im Einzelfall auch schärfere Sanktionen gefordert sein. Die Nichtigkeit stellt damit schon prinzipiell nur eine, wenngleich häufig zu beobachtende Rechtsfolge dar. Dieses Ergebnis soll im folgenden noch bestärkt werden, indem aufgezeigt wird, daß die Nichtigkeit keinen inneren Bezug zu den Formzwecken aufweist, sondern nur als Instrument der Prävention zu rechtfertigen ist. Damit soll deutlich werden, daß Formvorschriften auch konzeptionell nicht nach der Nichtigkeit als „sachlogischer“ Sanktion verlangen. III. Der mangelnde Bezug von Formzweck und Formnichtigkeit

Die obigen Ausführungen haben schon mehrfach angedeutet, daß die Formzwecke die Sanktion der Nichtigkeit nicht zwingend verlangen. Es ist indessen näher darzutun, daß zwischen den Gründen für die Form und jenen für die Nichtigkeitssanktion128 kein oder doch kein ausreichender innerer Bezug besteht. 1. Exkurs: Das Problem der Diskussion der Formzwecke

Will man die Formzwecke zur Sanktion für Formmängel in Bezug setzen, so ist vorweg kurz zur Formzweckdiskussion im allgemeinen Stellung zu nehmen. Es ist häufig ein Charakteristikum von Formvorschriften, daß sie nicht scharf definierte Ziele verfolgen, sondern ihre Zweckrichtung sehr allgemein, vielschichtig und insgesamt afinal gehalten ist. Diese mangelnde Finalität äußert sich in recht vagen Formzweckbeschreibungen und in einer Bündelung der Formzwecke. Formfunktionen wie jene der Sicherstellung rechtserheblichen Willens der Parteien (Form als „Seriositätsindiz“), des Übereilungsschutzes, der Beweissicherung, der Prozeßvermeidung und -Vereinfachung, der Immobilisierung von GmbHGeschäftsanteilen etc. haben für sich genommen einen nur vage faßbaren Gehalt. Man hat sich wohl insgesamt auch recht wenig Gedanken gemacht, welche Risiken und Chancen des Vertragsschlusses und der Vertragsgestaltung hier tatsächlich von den Formvorschriften ins Visier genommen werden.129 Diese mangelnde Durchleuchtung fallt deshalb so leicht, weil man mit der Nichtigkeitssanktion ein ebenso afinales Sanktionsinstrument zur Verfügung hat, das von der Frage, ob die Risiken des Fehlens der Form konkret vorliegen, ohnehin losgelöst ist.130 Hinzu 128 Zur Unterscheidung Westerhoff AcP 184 (1984) 341 (346). 129 Hinzu kommt, daß man sich bei einigen Formvorschriften über den Formzweck keineswegs einig ist; vgl. nur BGH 8.12.1992 BGHZ 121, 1 für den Formzweck des § 781 BGB m.N. zur Diskussion im Schrifttum. 130 So jedenfalls § 125 BGB, aber auch in Österreich wird gerne die Meinung vertreten, Formnichtigkeit sei die einzig effektive Sanktion (Berger 48f; Wilhelm 180); unbeachtet bleiben jeweils die zutreffenden Ausführungen von Coing DNotZ 1965 (Sonderheft Dt. Notartag 1965), 29ff (32), der auf die unterschiedlichen Zwecke und deren unterschiedlichen

kommt, daß es wohl keine Formvorschrift gibt, für deren Existenzberechtigung nicht zugleich mehrere Formzwecke angeführt werden.131 Dabei soll hier freilich unbestritten bleiben, daß jede Formwahrung sämtliche Formzwecke erfüllt; und zwar unabhängig davon, welcher den Grund für die Einführung der Formvorschrift bildet. Es ist indessen suspekt, daß für die Legitimation von Formvorschriften stets ein ganzes Bündel an Formzwecken vorgelegt wird. Ja, bisweilen hat man den Eindruck, der Formzwang wird zunächst wegen eines Formzwecks eingeführt und später - entweder weil man die mangelnde Tragfähigkeit des eigentlichen Formzwecks erkennt132, oder aber weil man sich an den Kanon der Formzwecke schon so gewöhnt hat, daß man ihn ohnehin automatisch bei jeder Formvorschrift vollständig anführt, - um alle anderen möglichen Formzwecke ergänzt. Auch in den einzelnen Gesetzgebungsverfahren wird dies deutlich. Im Rahmen der Diskussion rund um die Einführung eines Notariatszwangsgesetzes in Österreich hat der damalige Justizminister zur Rechtfertigung von Formzwang und Formnichtigkeit den Schutz der Parteien bei Ehegattenverträgen plötzlich zu einem dem Gläubigerschutz gleichwertigen Formzweck erhoben.133 Hingegen rechtfertigen die Motive zur ersten Regierungsvorlage mit dem Parteischutz nicht den Formzwang selbst, sondern vielmehr die Tatsache, daß dieser allen Transaktionen auferlegt werden solle, wenngleich er aus der Sicht des Drittschutzes nur in einer begrenzten Anzahl von Fällen vonnöten sei. Diese Beschränkung redlicher Vertragsparteien sei durch das Allgemeininteresse gerechtfertigt und gereiche den Parteien eben zugleich zum Vorteil.134 Deutlicher wird das Nachschieben von Formzwecken noch bei §313 BGB. Die Motive ringen noch um eine Begründung für den Formzwang, finden sie dann freilich in der sozialen Bedeutung des Grundstückeigentums, in den weitreichenden und langfristigen juristischen Konsequenzen und in der Beobachtung „ernster Übelstände“ infolge des fehlenden Formzwangs (worin immer diese bestehen mögen).135 Vom Beweiszweck ist nicht die Rede. Dasselbe gilt für die Protokolle, die sich dem Petitum nach einem Formzwang anschließen.136 In der Denkschrift hingegen ist dann plötzlich wie selbstverständlich auch vom Beweiszweck die Rede, wenngleich noch hervorgehoben wird, der Übereilungsschutz sei der wichtigste Grund.137 All dies gilt in mindestens demselben Maße auch für anglo-amerikanische Rechtsordnungen. Historisch steht der Beweissicherungszweck deutlich im Vordergrund. Es herrscht indessen schon seit längerem weitgehende Übereinstimmung, daß dieser Zweck unter Inkaufnahme Zielrichtungen verweist. Insbesondere sollte es seinen Ausführungen zufolge einen deutlichen Unterschied machen, ob die Form dem Schutz der Parteien oder von Dritten bzw. der Öffentlichkeit dient; hierzu auch unten § 3. 131 Grundlegend Heidrich AcP 147 (1947) 89; zur „Mannigfaltigkeit“ der Formzwecke schon allgemein von Tuhr 497; auch Henrich 152; vgl. auch Michalski WiB 1997, 785 (786); rechtsvergleichend zu den vielfältigen Formzwecken von Mehren/Gordley 896ff; kritisch zur Bündelung von Formzwecken auch Aamio ScandLSt 15 (1971) 11 (20). 132 Vgl. für die Veräußerung von GmbH-Geschäftsanteilen P. Bydlinski 34ff. 133 Siehe die Stellungnahme des Justizministers bei Kaserer 120. 134 Siehe die Motive bei Kaserer 13f. 135 Siehe die Motive bei Mugdan II104. 136 Siehe die Protokolle bei Mugdan II 620 (lediglich bei der Wahl des Formtypus - notarielle Beurkundung - spielte die Beweissicherung auch eine Rolle). 137 Siehe die Denkschrift bei Mugdan II 1237.

allzu hoher Kosten erreicht wird und im übrigen durch die Entwicklungen des Zivilverfahrensrechts aber auch der tatsächlichen Verhältnisse obsolet geworden ist. Indessen hat man sich keineswegs auf die Feststellung der Überkommenheit des legislativ intendierten Zwecks beschränkt, sondern hat dem funktionslos gewordenen Statute of Frauds neue Aufgaben zugemessen.138 Die Addition und Bündelung der Formzwecke erleichtert freilich nicht die Interpretationsaufgaben139, und schwerlich kann die Bündelung überzeugen. Denn es ist nicht recht einsehbar, wieso der Grundstückskaufvertrag, nachdem man festgestellt hat, daß die Parteien wegen der sozialen Bedeutung und rechtlichen Tragweite des Schutzes bedürfen, plötzlich auch zu denjenigen Verträgen zählen soll, wo im Unterschied zu allen nicht formpflichtigen Geschäften auch ein besonderes Bedürfnis nach Beweissicherung vorliegt. Mehr noch gilt dies freilich für die Immobilisierung der GmbH-Geschäftsanteile, wie sie durch die notarielle Form bezweckt wird. Ist damit wirklich schon sichergestellt, daß Geschäftsanteilsveräußerungsverträge auch stets der Beweissicherung bedürfen? Und es hat den Anschein, daß auch die Rechtspraxis in Situationen, in denen sie um eine Erklärung verlegen ist, gerne nach einem „passenden“ Formzweck sucht.140 Die Gefahr, die dahinter steht, ist klar: Ausufemde Begründungen können in späteren Fällen negative Beispielsfolgen auslösen. Erweitert man den Zweckbereich einer Formvorschrift, dann wird man häufig auch den Bereich analoger Anwendung erweitern; zugleich wird es schwieriger, teleologische Interpretationsmethoden, die den Formzwang sachgerecht ausmessen könnten, zu verwenden. Das muß sich - jedenfalls indirekt auch auf die Sanktion auswirken. Daher sollen die Formzwecke im folgenden isoliert, also nach in sich homogenen Gruppen untersucht werden. Eine Bündelung heterogener Formzwecke wird hier bewußt vermieden. 2. Die Form als Seriositätsindiz, Garantin von Übereilungs- und Beratungsschutz sowie Transparenz

a. Allgemeines

Die wohl naheliegendste Variante der Inbezugsetzung der Formnichtigkeit zu den Formzwecken ist das Abstellen auf die Funktion der Form als Seriostitätsindiz und - als dessen Steigerung - als Garantin reiflicher Überlegung, rechtlicher Beratung und Transparenz. Hier erscheint es zunächst nicht fernliegend, dem Vertrag seine Geltung zu versagen, wenn und solange ein „gereifter“ Wille, der wiederum nur bei Formwahrung vorliegt, nicht zum Ausdruck gekommen ist. Damit wird dem Formzweck jedenfalls vordergründig entsprochen. Freilich ist sogleich eine Einschränkung zu machen. Die Aussage ist nämlich nur dann gültig, wenn man typisiert von der mangelnden Ernstlichkeit bzw. Überlegtheit formwidriger Willenserklärungen ausgeht, was im Einzelfall nicht zwingend zutreffen muß; 138 Vgl. nur die Auflistung der möglichen Formzwecke bei Perilio Fordham LRev 43 (1974) 39. 139 Die schon deshalb schwierig ist, weil die Gesetzgeber ihre Motive bisweilen nicht deutlich äußern; hierzu Aamio ScandLSt 15 (1971) 11 (20). 140 Vgl. nur die Kritik bei Westerhoff JR 1986, 269 (270).

dennoch wird - ganz besonders deutlich im deutschen Recht infolge § 125 BGB die Nichtigkeit bei (anderweitiger) Formzweckerreichung im Einzelfall keineswegs zurückgenommen.141

b. Eine mangelhafte Willensbildung rechtfertigt keine Nichtigkeitsfolge Aber auch andere (materielle) Gründe sprechen gegen die Annahme, die Formnichtigkeit diene der konsequenten Durchführung des Formzwecks. Dieser Rückschluß ergibt sich aus einem genaueren Überdenken der Form als „Seriositätsindiz“ bzw. Mittel des Übereilungs- und Beratungsschutzes sowie der Transparenz. Als ein solches Instrument schärft die Form bei ihrem Schützling das Bewußtsein der Verbindlichkeit des (rechtsgeschäftlichen) Handelns, regt zum Überdenken an und garantiert - bei Zwang zu rechtlicher Beratung (insbesondere durch Notare) bzw. durch Transparenzvorschriften - Entscheidungen auf der Grundlage vollständiger (rechtlicher) Information. Die Schärfung des Bewußtseins der Verbindlichkeit und die Anregung zur Überlegung gewährleisten das Vorhandensein eines Erklärungsbewußtseins, das mit Blick auf die eingegangene Verbindlichkeit wie auch den Inhalt der Willenserklärung gereift ist. Die sichergestellte Überlegung, besonders aber die rechtliche Beratung etwa durch den Notar beugen Fehlvorstellungen, insbesondere Rechtsfolgeirrtümern vor, weil dem Notar zu allererst die Aufgabe obliegt, über die rechtliche Tragweite des Geschäfts aufzuklären.142 Fehlt es demgegenüber an der Form, dann liegt selbst bei „typischen“ Fällen nichts anderes vor als ein Mangel der subjektiven Willensbildung. Ein Blick auf andere Fälle mangelhafter Willensbildung zeigt sogleich die Inadäquanz der Nichtigkeitssanktion. Sowohl das mangelnde Erklärungsbewußtsein, der Irrtum über Tatsachen wie auch der Rechtsfolgeirrtum sind Umstände, welche ohne Formvorschrift entweder zur Anfechtung berechtigen (z.B.: fehlendes Erklärungsbewußtsein143; Tatsachenirrtum144) oder aber überhaupt unbeachtlich sind (z.B.: Rechtsfolgeirrtum145).146 Es verwundert insofern, wenn Formfehler, die materiell zu denselben Mängeln interner Willensbildung fuhren, mit der abweichenden Sanktion der Nichtigkeit geahndet werden.

141 Deutlich etwa Westerhoff AcP 184 (1984) 341 (354), der die Fälle mangelnder Ernstlichkeit bzw. mangelnder Überlegung als atypisch bezeichnet und insofern sogar verfassungsrechtliche Bedenken anmeldet. Dann müßte man freilich nicht nur die Nichtigkeitssanktion, sondern die Formvorschrift für sich in Frage stellen. 142 Siehe § 17 Abs. 1 BeurkG. 143 Zur bloßen Anfechtbarkeit richtig Kramer in MüKo I § 118 BGB Rz. 9. Richtig ist diese Ansicht unter anderem deshalb, weil § 118 BGB schon in seinem unmittelbaren Anwendungsbereich zu weit geraten ist. 144 Siehe § 119 BGB. 145 Im einzelnen zur Beachtlichkeit des Rechtsirrtums allgemein Mayer passim. 146 Zur Vertragsanfechtung wegen mistake nach englischem Recht siehe Beale in Chitty I 293ff.

c. Der Vergleich der Formnichtigkeit mit der Vertragsanfechtung Das Anfechtungsrecht kann im Vergleich zur Nichtigkeit auch als schärfere Sanktion bewertet werden, weil es dem Anfechtungsberechtigten ein Wahlrecht einräumt, das prima facie den Anfechtungsgegner seiner Willkür aussetzt. Diese insofern strengere Folge könnte z.B. für die Fälle der Irrtumsanfechtung damit gerechtfertigt werden, daß das Anfechtungsrecht an engere Voraussetzungen geknüpft ist als die Formnichtigkeit. Anfechtungsvoraussetzung bei Irrtum sind insbesondere das tatsächliche Vorliegen des Willensmangels, die Erheblichkeit des Irrtums und dessen Kausalität für den Vertragsschluß. In Österreich bedarf es weiters der einschränkenden Voraussetzungen des Veranlassens, offenbar Auffallenmüssens bzw. der rechtzeitigen Aufklärung des Irrtums.147 Anstelle der einschränkenden Voraussetzung der rechtzeitigen Aufklärung tritt für Deutschland eine Milderung der Wirkungen der Anfechtung, indem dem Anfechtenden eine Ausgleichshaftung auf das negative Vertragsinteresse auferlegt wird.148 Demgegenüber sind die Rechtsfolgen der Formverfehlung alleine an den Formfehler geknüpft. Trotzdem bleibt uneinsichtig, warum daraus eine vom Recht der Willensmängel abweichende Sanktionierung folgen sollte. Denn eine Formnichtigkeit selbst in jenen Fällen eintreten zu lassen, in denen die geschützte Partei dies gar nicht will, erhöht lediglich (unnötig) die Kosten der Formnichtigkeit: Der Partei wird die Nichtigkeit des Vertrages aufgedrängt, wenngleich diese (jedenfalls aufgrund einer ex-post-Betrachtung) ihren Interessen zuwiderläuft. Demgegenüber ist die Nichtigkeit zweckwidrig der nicht geschützten Partei dienlich.149 Jede Berufung dieser Partei auf die Nichtigkeit bringt die Kosten der Formnichtigkeit mit sich, ohne daß ein daraus gezogener Nutzen gegengerechnet werden könnte. Bei Formvorschriften im Interesse beider Parteien wirkt die Durchsetzung der Formnichtigkeit ohne Geltendmachung durch eine der Parteien oktroyistisch. Statt Schutz vor Übereilung bewirkt sie eine Bestrafung mangelnden Wohl verhaltens, bringt folglich ebenfalls nur Kosten ohne unmittelbaren Nutzen. Hingegen wäre ein Anfechtungsrecht des geschützten Teils sehr wohl auch hier zu rechtfertigen. Entscheidet sich der Schützling der Form für die Aufrechterhaltung des Vertrages, dann wird der nicht geschützte Teil an dem festgehalten, wozu er seine Zustimmung („formgültig“) gegeben hat. Liegen hingegen Gründe vor, die dem geschützten Teil eine Vertragslösung opportun erscheinen lassen, dann geschieht dem nicht Geschützten nur eben jenes „Unrecht“, welches auch die Nichtigkeit mit sich bringt.150

147 Siehe § 871 ABGB. 148 Siehe § 122 BGB. 149 Vgl die Ausführungen zur ökonomischen Analyse - wenngleich bezogen auf die Unklagbarkeit nach dem Statute ofFrauds - unten § 2 IV. 2.. 150 Ein opportunistisches Verhalten des Anfechtungsberechtigten wäre beim Formmangel ebenso wie bei anderen Anfechtungsgründen durch eine Befristung des Gestaltungsrechts hintanzuhalten.

d. Insbesondere: Vergleich zu § 118 BGB

Die (Form-)Nichtigkeit könnte auch durch einen Verweis auf die Fälle mangelnder Ernstlichkeit zu rechtfertigen getrachtet werden: § 118 BGB sieht für die Scherzerklärung ausdrücklich Nichtigkeit und nicht nur eine Anfechtbarkeit vor.151 Dieser Fall ist freilich deshalb mit der Formnichtigkeit nicht vergleichbar, weil hier der Erklärende seinerseits von vornherein nicht an die Gültigkeit der Willenserklärung denkt (er ja vielmehr davon ausgeht, der Partner werde die Scherzabsicht durchschauen), ein Bedürfnis, dem Erklärenden (wahlweise) den Vorteil des Geschäfts zu belassen, sohin nicht besteht.152 Aus diesem Blickwinkel betrachtet, paßt dort die Rechtsfolge der Nichtigkeit. Die Fälle formnichtiger Erklärungen liegen indessen regelmäßig anders. Die von der Form geschützte Partei (es mögen auch beide Teile darunterfallen) will den Vertrag tatsächlich schließen. Ginge der Gesetzgeber in Fällen der Formverfehlung typisiert von einem Mangel der Willensbildung aufseiten der geschützten Partei(en) aus, dann wäre ein Anfechtungsrecht systematisch gesehen überzeugender; jedenfalls aber müßte dann die amtswegige Beachtung der Formnichtigkeit wegfallen, weil man es den Parteien jedenfalls freistellen müßte, ex post (!) zu beurteilen, ob sie den Schutz des Gesetzes in Anspruch nehmen wollen oder nicht. Es ist schlichtweg nicht erklärbar, warum es einer amtswegigen Wahrnehmung der Nichtigkeit bedarf, wenn nur die Parteien vor den Konsequenzen ihrer mangelnden internen Willensbildung geschützt werden sollen.

e. Ergebnis

Insgesamt zeigt sich: Nichtigkeit kann zwar prima facie auf den Formzweck der Übereilung bezogen werden, weil es konsequent erscheint, einer übereilten Willenserklärung ihre Bindungskraft zu nehmen. Indessen fuhrt die absolute, von Amts wegen zu beachtende Nichtigkeit jedenfalls zu einem Übermaß an Sanktion. Daß im übrigen auch andere Rechtsfolgen die mangelhafte Willensbildung angemessen sanktionieren können (z.B. Vertragsmodifikationen, wie sie ja z.B. auch im Irrtumsrecht153 oder im Falle des Wegfalls der Geschäftsgrundlage154 bekannt sind), sei hier nur noch angefügt.

151 Siehe § 122 BGB. 152 Ob freilich das BGB mit dieser Regelung den Vertrauensschutz des Erklärungsempfängers hinreichend sicherstellt, das sei dahingestellt; ihm wird ja in Fällen der Scherzerklärung nur das negative Interesse zugesprochen (§ 122 BGB). 153 Ausdrücklich für Österreich § 872 ABGB: Vertragsanpassung. 154 Allgemein statt vieler Medicus 335f; für Österreich zur Geschäftsgrundlagentheorie Bydlinski ÖBA 1996, 499.

3. Die Form als Instrument der Beweissicherung, Prozeßvermeidung und -erleichterung

a. Die Idee des Beweiszwecks „Die beobachtete Form sichert endlich den Beweis des Rechtsgeschäftes seinem Bestände und Inhalte nach für alle Zeit; sie führt auch zur Verminderung oder doch zur Abkürzung und Vereinfachung der Prozesse.“155 Beweissicherung156, Prozeßvermeidung157 und Prozeßerleichterung sind interdependente Zielsetzungen der Form. Dabei wird davon ausgegangen, das Vorliegen einer Beurkundung würde die Ermittlung der Tatsache des Vertragsabschlusses wie auch dessen Inhalts unmittelbar ermöglichen. Tatsächlich führt die erfolgte und richtige Beurkundung zu einer erleichterten Wahrnehmbarkeit des Abschlusses wie auch des Inhalts eines Vertrages: Das gilt für die Parteien ebenso wie für etwaige (interessierte) Dritte, Behörden und Gerichte. b. Die nur geringfügige Bedeutung des Formzwecks der Beweissicherung aus subjektiv-historischer Sicht158

Bei allem ist bemerkenswert, daß der Beweiszweck gerade im Rahmen konstitutiver Formgebote - jedenfalls aus subjektiv-historischer Sicht - eine nur nachgeordnete Rolle spielt. In Deutschland und Österreich haben die Gesetzgeber anläßlich der Einführung verschiedenster konstitutiver Formvorschriften den Beweiszweck (in den Gesetzesmaterialien) entweder gar nicht eigens hervorgehoben oder doch nur am Rande erwähnt.159 Freilich gibt es auch im Schuldvertragsrecht 155 Siehe die Motive zum BGB bei Mugdan 1451 (Hervorhebungen nicht im Original). 156 Wenn bisweilen darüberhinaus von „Gewährsfunktion“ gesprochen wird, so handelt es sich dabei auch wiederum nur um einen Teilaspekt der Beweissicherung; siehe z.B. Heckschen 27 und 37. 157 Freilich stellen die Formvorschriften ihrerseits gerne eine Quelle für Rechtsstreitigkeiten dar; vgl. nur für die „neue“ Vorschrift der s. 2 Law of Property (Miscellaneous Provisions) Act 1989: Thompson Conv 1995, 319 (324). 158 Vgl. hierzu auch Dehn 89f. 159 Für Österreich: Siehe hinsichtlich der Schenkungsform Zeitler III/l 159ff; hinsichtlich der Bürgschaftsform Kaiserliche Verordnung über die 3. Teilnovelle mit Materialien, 270 (im deutlichen Gegensatz zur Begründung beim Erbschaftskauf, wo - wegen der Bedeutung für Dritte - der Beweiszweck jedenfalls auch betont wird; hier zeigt sich, daß im erbrechtlichen Kontext stehende Formvorschriften stärker auf den Beweiszweck ausgerichtet sind); für Deutschland: Die Motive zu § 125 BGB sprechen nur von der Beweisfunktion der beachteten Form; der Nichtigkeit mangels Form kann hier also nur Präventivfunktion zukommen; die Materialien zu § 766 BGB (Bürgschaft) lassen auf einen Beweiszweck nicht schließen, erwähnt wird nur die Klarstellung hinsichtlich der besicherten Schuld (Motive bei Mugdan II 368f); zum Formzweck des § 766 BGB ausführlich zuletzt Fischer JuS 1998, 205 (206ff); die Protokolle erwähnen nur die Funktion der Form als Seriositätsindiz (bei Mugdan II 1019), bestreiten aber insbesondere den Nutzen der Form im Hinblick auf die Klarlegung des Vertragsinhalts (1020), was die Kommissions-Berichte (XII. Kommission) - nach nochmaliger Klarlegung, daß der Übereilungsschutz gesetzgeberisches Motiv sei - ausdrücklich bestätigen (Mugdan II 1295); die Motive zu § 313 BGB (Mugdan II 104f) heben den Beweiszweck jedenfalls nicht hervor; in den Protokollen (Mugdan II 620f) wird der Beweiszweck ebenfalls nicht als entscheidendes Kriterium des Formzwanges angesehen;

„Beweisformen“; also solche, bei denen die Beweisbarmachung des Abschlusses und des Inhalts von Verträgen im Vordergrund steht.160 Diese Formvorschriften werden aber vom Gesetzgeber häufig gerade nicht mit Nichtigkeitsfolgen ausgestattet.161 Nicht umsonst wird selbst im anglo-amerikanischen Rechtskreis für den Bereich des Statute of Frauds der historische Zweck der Vermeidung des Prozeßbetrugs (eben durch das Erfordernis schriftlichen Beweises162) immer stärker zurückgedrängt163 und durch andere Normzwecke ersetzt.164 Und geradezu mustergültig hat Schottland jüngst prozessuale Beweisformen ganz radikal und überzeugt abgeschafft.165 Es hat den Anschein, als sei der Glaube an den Wert vereinfachter Rechtsfindung durch Beweismittelbeschränkungen verlorengegangen. Im Ergebnis wird man daher klare Hinweise fordern müssen, will man einer Formvorschrift des Schuldvertragsrechts einen HauptTw^ok der Beweissicherung lediglich die Art der Form (notarielle Beurkundung) wird so gewählt, daß ein höherer Grad an Beweissicherung erreicht wird. Erst die Denkschrift (Mugdan II 1237) spricht dann vom Beweiszweck; die untergeordnete Bedeutung des Beweiszwecks wird auch im Zuge der Änderung des § 313 BGB klar: „§313 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) bezweckt ... lediglich, den Eigentümer eines Grundstücks vor übereilten und unüberlegten Veräußerungen zu bewahren“ (BT-DS 7/63 vom 16.1.1973, 5, wo freilich in erster Linie die einseitige Schutzrichtung gemeint ist; stünde allerdings der Beweiszeck im Vordergrund, so hätte die Vorschrift des § 313 BGB gar nicht novelliert werden brauchen, zumal eine Gesamtverbriefung stets Gültigkeitsvoraussetzung ist); bei §518 BGB (Schenkungsform) stehen wiederum Übereilungsschutz und Seriositätsgarantie im Vordergrund (Motive bei Mugdan II 162f), Vorbeugung gegen Umgehung der Formvorschriften für letztwillige Verfügungen kommt hinzu (Motive bei Mugdan II 162f); diese Gründe werden in den Protokollen bestätigt (Mugdan II 741); anders soll nach dem BGH (unter Berufung auf die Protokolle zum BGB) § 781 BGB (der eine Konstitutivform enthält) ausschließlich Beweiszwecken dienen: BGH 8.12.1992 BGHZ 121,1 (4f); auch bei § 566 BGB, der freilich keine konstitutive Formvorschrift ist, sollen Beweiszwecke zugunsten der Parteien zumindest eine Rolle spielen, hierzu Emmerich in Staudinger II3 § 566 BGB Rz. 3 m.w.N.. 160 Sie dienen einer jederzeitigen Kenntnisnahme des Vertragsinhalts durch die Partei(en) (vgl. z.B. ausdrücklich in diesem Sinne die Begründung zu § 3 WG, 16) und auch zu Beweiszwecken im Prozeß; letzteres unabhängig davon, ob die Partei als Kläger oder Beklagter auftritt; daß aber gerade bei Auftreten als Kläger die Nichtigkeit eine besonders widersinnige Sanktion wäre, hierzu sogleich unten § 2 III. 3. d. bb.. 161 So vor allem in Österreich für Dokumentationspflichten des Unternehmers im Verbraucherrecht; vgl. z.B. § 24 KSchG, der - mustergültig für solche Vorschriften - den Ratenbrief regelt, ihm aber ausdrücklich die Konstitutivwirkung abspricht (§ 24 Abs. 3 KSchG); ebenso § 33 Abs. 2 BWG; freilich widersprechen gerade diese Vorschriften europarechtlichen Vorgaben (hierzu oben § 1 IV. 4. a. bb. [2]), weil diese eben nicht reine Beweisformen schaffen wollten und daher den Urkunden konstitutive Bedeutung beigelegt haben; im übrigen kann der Formzweck auch ohne Nichtigkeitssanktion über die bloße Beweissicherung hinausreichen, vgl. Atiyah 166f für eine ganze Reihe nicht-konstitutiver Formerfordernisse; für Österreich und Deutschland ist ferner auf den - verzichtbaren! - Anspruch des Versicherungsnehmers auf Aushändigung einer Versicherungspolice hinzuweisen; vgl. § 3 (dt.)WG/(ö.)VersVG. 162 Zum Beweiszweck allgemein Chitty, I, in Lavery v Pursell (1888) 39 ChD 508 (513): Es solle der Vertrag nicht mithilfe von „slippery testimony of men's memories“ bewiesen werden. 163 Fridman University of Toronto LJ 35 (1985) 43 (46ff) spricht überhaupt von einem Verlust des historischen Gesetzeszwecks und erwägt die Anwendbarkeit anderer Formzwecke (48ff); Wilkinson Conv 1967, 182 (183f) bezeichnet den Formzwang als Instrument der Beweissicherung geradezu als kontraproduktiv (vgl. insbesondere seine Aussagen auf den Seiten 185 und 186). 164 Vor allem Perilio Fordham LRev 43 (1974) 39. 165 Siehe den Requirements of Writing (Scotland) Act 1995; hierzu Scottish Law Commission 22ff(26f).

unterstellen. Freilich ist dies bei teleologischer Betrachtung nicht ganz ausgeschlossen, auch wenn der historische Gesetzgeber diesem Zweck keinen besonderen Stellenwert zugemessen hat.166

c. Der Garantiewert der Form aa. Abschlußklarheit

Deutlich gefordert wird die Abschlußklarheit. Die Unterschrift auf einer Vertragsurkunde ist tatsächlich ein kaum zu entkräftendes Indiz des Zustandekommens des Vertrages (bzw. jedenfalls der Abgabe darauf gerichteter Willenserklärungen).167 Und gerade moderne, spieltheoretische Ansätze knüpfen an diese äußerliche Erkennbarkeit des Vertragsschlusses an. Wenn nämlich keine Partei aufgrund bloß mündlicher Erklärungen vertragliche Bindungen behaupten kann, dann werden Geschäftspartner viel offener in Vertragsgespräche eintreten, und sie brauchen nicht mögliches opportunistisches Verhalten der Gegenseite (Abbruch der Vertragsverhandlungen unter gleichzeitiger Behauptung, ein Vertrag bestimmten Inhalts sei zustande gekommen) zu bedenken.168 Fälle, in denen die Form die Abschlußklarheit nicht garantiert, sind demgegenüber selten, wenngleich keineswegs ausgeschlossen: Die Urkunde kann gefälscht sein, eine Unterschrift mag - wenngleich echt - erzwungen, durch Drohung veranlaßt oder unter Anwendung von Arglist erschlichen sein. Das Fehlen solcher Umstände vermag die Form nicht zu garantieren.

bb. Inhaltsklarheit Demgegenüber ist die Funktion der Inhaltsklarheit stark eingeschränkt. Die Verbriefung garantiert, auch wenn sie durch den Notar erfolgt, keineswegs die exakte Wiedergabe des tatsächlich Vereinbarten. Schon die Motive zum BGB haben hier keinen Hehl aus ihren Zweifeln an der Beweissicherung gemacht.169 Würde die tatsächlich erfolgte Formalisierung die Übereinstimmung von gewolltem und beurkundetem Vertragsinhalt wirklich garantieren, dann könnte man wiederum jene Beweisregeln auferstehen lassen, die den Nachweis ergänzender, insbesondere aber abweichender formloser Abreden für unzulässig erklären. Durch alle Rechtsordnungen hindurch hat man diese Regel aber (fast vollständig) aufgegeben. Das BGB hat diese Regel nie gekannt.170 Das österreichische Recht hat im Rahmen 166 So wohl - mit Blick auf § 781 BGB - BGH 8.12.1992 BGHZ 121, 1; für § 566 BGB jüngst Michalski WM 1998, 1993 (1994ff). 167 Es müssen schon exzeptionelle Umstände voliegen, um diese Indizwirkung zu beseitigen. 168 Zu alledem ausführlich jüngst Baird/Gertner/Picker 159ff; man fragt sich freilich, ob diese Überlegung den Formzwang rechtfertigen kann: Denn es ist den Parteien jederzeit möglich, die mangelnde Bindung klarzulegen {subject to contract clauses) und den Vertragsschluß selbst durch vorherige Vereinbarung einer Formpflicht zu unterwerfen. 169 Vgl. die Motive bei Mugdan I 451: „Die Urkunde ... bietet aber keine Sicherheit dafür, daß das Geschriebene auch dem wirklichen Willen und den getroffenen Vereinbarungen der Parteien entspricht.“ 170 Selbst notarielle Urkunden (z.B. über einen Grundstückskauf) begründen nur eine Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit; siehe z.B. BGH 19.6.1998 NJW-RR 1998, 1470.

der dritten Teilnovelle eine derartige Beweisregel (§ 887 ABGB) — gerade weil sie oft mißbraucht wurde171 - außer Kraft gesetzt.172 Das englische Recht wiederum kennt zwar eine ähnliche Regel (parol evidence rule\ doch setzt diese — auch bei formgebundenen Geschäften — den Parteiwillen voraus, die Urkunde zum abschließenden Vertragsinhalt zu erheben.173 Gerade in diesem Sinne kann aber auch im Auslegungswege einzelnen Vertragsurkunden abschließender Charakter zukommen, worauf die Begründung zur Streichung des § 887 ABGB ausdrücklich verweist.174 Das englische Recht hat ferner in immer stärkerem Maße eine rectification der fehlerhaften Urkunde erlaubt.175 Im übrigen darf nicht übersehen werden, daß auch die bloße Interpretation der formrichtigen Urkunde häufig den Beweis der Vertragsverhandlungen und sonstiger, außerhalb der Urkunde gelegener Umstände erfordert; und zwar auch dann, wenn man der deutschen Andeutungslehre folgt. Allein damit begegnet man wiederum allen Beweisproblemen. Und überdies kann die Form gerade dazu benützt werden, mündlich nicht vereinbarte Klauseln zu unterschieben. Mißbräuche, wie sie aus der Verwendung (schriftlicher!) AGB bekannt sind, bezeugen diese These: Form erlaubt eine Verdichtung der Information; die Vielzahl an Informationen auf einem Informationsträger fuhren zur mangelnden Kenntnisnahme und damit zur Vereinbarung von eigentlich Ungewolltem. Vertragsinhalte, die nicht Gegenstand der Vertragsverhandlungen waren, können so „heimlich“ in die Urkunde wandern. Bisweilen weichen vorformulierte Klauseln von den mündlich getroffenen Abreden ab und geben dann den Vertragswillen der Parteien nur unzureichend wieder.176 Insgesamt zeigt sich, daß der Formzweck der Abschluß- und insbesondere der Inhaltsklarheit nur dann erfüllt ist, wenn auch tatsächlich eine richtige und vollständige Beurkundung vorgenommen wird. Eine solche kann aber niemals garantiert werden, worunter die Erfüllung des Beweiszweckes (im Sinne der Klarstellung des Vertragsinhalts) durch Formzwang eben leidet.

171 Siehe die Materialien in Kaiserliche Verordnung über die 3. Teilnovelle, 269. 172 Zur Begründung, die sich gerade auf mißbräuchliche Inanspruchnahme dieser Regelung bezieht, siehe Kaiserliche Verordnung über die 3. Teilnovelle mit Materialien, 268f. 173 Siehe nur die Schlußfolgerung aus einer eingehenden Analyse durch die Law Commission, Law Com. No. 154, The Parol Evidence Rule, 27; so auch Guest in Chitty I 60 If; gerade dort, wo solche Schlußfolgerungen nicht gezogen werden, sohin von einer tendenziell mechanischen Regel ausgegangen wird, wird die Regel als formalistisch empfunden und eine Aufweichung durch promissory estoppel vorgeschlagen und prognostiziert; hierzu für die USA Metzger Vanderbilt LRev 36 (1983) 1353. 174 Kaiserliche Verordnung über die 3. Teilnovelle mit Materialien, 268f (insb. 269: wo gerade der Ausschluß nicht verbriefter Klauseln infolge vertraglicher Vereinbarung als der „wertvolle Kern " der seinerzeitigen gesetzlichen Regelung nach § 887 ABGB bezeichnet wird). 175 Hierzu allgemein Martin in Hanbury & Martin 823ff; Baker/Langan in Snell’s Equity 626; auch Law Com. No. 154, 15f; die Entwicklung und Fortbildung dieses Instituts wird in sehr subtiler Weise bei B. Lorenz, 170ff, dargestellt. 176 Nicht umsonst fordert Art. 5 Richtlinie über mißbräuchliche Vertragsklauseln die „klare und verständliche“ Formulierung schriftlicher, vorformulierter Klauseln.

d. Schlußfolgerungen für Formzwang und Formsanktion

Formzwang stimuliert Formwahrung (und zwar über jenen Anreiz hinaus, den schon die allgemeine Beweislast ausübt); damit dient er letztlich dem Beweiszweck. Für die Sanktionsseite aber ist damit nichts gesagt. Denn zunächst muß klar sein, daß die bloße Vorlage von Urkunden, die äußerlich dem Bild einer vollständigen Vertragsurkunde entsprechen, den Gegenbeweis mangelnder Echtheit und Unrichtigkeit nicht ausschließen kann. Liegt keine oder nur eine unvollständige bzw. unrichtige Urkunde vor, dann fragt sich, ob die Nichtigkeitsfolge angesichts des Formzwecks der Beweissicherung adäquat erscheint. Bei der Beurteilung sollen drei verschiedene Zielrichtungen der Abschluß- und Inhaltsklarheit im Vordergrund stehen. aa. Die Erleichterung der richterlichen Rechtsfindung Zum einen könnte die Form dem „öffentlichen“ Interesse der leichten und kostengünstigen Rechtsfindung dienen. Es könnte vorgetragen werden, dem Richter fiele die Tatsachenfindung (Abschluß und Inhalt des Vertrages) leichter, wenn ihm Urkunden vorgelegt werden. Mangels Urkundenvorlage brauche der Richter - eben wegen der Nichtigkeitssanktion - kein schwieriges Erkenntnisverfahren durchzufuhren. Das gilt indessen in dieser Form schon bei der Abschlußklarheit nicht: Man braucht nur an all jene Fälle zu denken, in denen an den formwidrigen Vertrag Sekundäransprüche (insbesondere Haftungen aus culpa in contrahendo1'11) geknüpft werden. Hier hat der Richter den Abschluß des Vertrages als Vorfrage zu prüfen, er sieht sich sohin vor dieselben Schwierigkeiten gestellt wie im Rahmen einer Durchsetzung eines formlosen Vertrages. Traut man aber dem Richter bei der Ermittlung von Abschluß und Inhalt des Vertrages nicht, oder will man ihm den entsprechenden Aufwand nicht zumuten, so vermag nicht ganz einzuleuchten, wieso er dieselbe Aufgabe unbehelligt wahrnehmen darf, wenn Sekundäransprüche zur Diskussion stehen. Und noch deutlicher wird dies bei Inhaltsmängeln: Gerade wegen der Nichtigkeitssanktion muß der Richter jede behauptete Unrichtigkeit der Urkunde prüfen. Erst wenn eine Unrichtigkeit der Urkunde bewiesen ist, kann er die Nichtigkeitssanktion folgen lassen. Auch hier sieht sich der Richter wiederum gezwungen, ein Erkenntnisverfahren durchzufuhren und die Entscheidungsschwierigkeiten zu meistem. Die Nichtigkeitssanktion bei Formfehlern verhilft dem Richter nicht zu einer erleichterten Rechtsfindung.

bb. Die erleichterte Rechtsverfolgung Anspruchsberechtigten

zugunsten

des

aus

dem

Vertrag

Geradezu kontraproduktiv erscheint die Formnichtigkeit, wenn man auf die erleichterte Rechtsverfolgung (erleichterte Geltendmachung von Ansprüchen aus Schuldverträgen) abstellt. Hat es ein Anspruchsteller schon verabsäumt, sich durch Beurkundung den Beweis zu sichern, dann schadet es ihm nur noch mehr, wenn

177 Hierzu unten § 14 und § 16.

man ihn auch noch aller anderen Beweismittel beraubt.178 Warum sollte es ihm verwehrt sein, den vollständigen Beweis für Abschluß und Inhalt des Vertrages zu erbringen, wenn er doch die diesbezüglichen Kosten und Mühen nicht scheut? cc. Der Schutz des Verpflichteten vor Prozeßbetrug

(1) Die Fragwürdigkeit dieses Formzwecks

Jene Partei, die aus dem Vertrag in Anspruch genommen wird, würde freilich das Argument ins Spiel bringen, die Formnichtigkeit schütze sie vor Prozeßbetrug. Durch den Formzwang wird verhindert, daß Gerichtsirrtümer zu ihren Lasten gehen. Ein solcher Beweisvorzug des Beklagten wird sich indessen beim heutigen Stand der Entwicklung des Zivilverfahrens - jedenfalls für das Schuldvertragsrecht - nur selten überzeugend vertreten lassen, weil auch hier die Beweislast und das Beweismaß den erforderlichen Schutz gewährleisten.179 (2) Die Möglichkeit umgekehrten Prozeßbetrugs als Folge der Nichtigkeit

Und auch dort, wo dem Gesetzgeber die Vermeidung von Prozeßbetrug angebracht erscheint, ist (als „Formkostenfaktor“) zu bedenken, daß der Formzwang - gerade wegen der Nichtigkeitssanktion (!) - ebenso leicht zum umgekehrten Prozeßbetrug fuhrt: Die in Anspruch genommene Partei kann sich einfach der Haftung entziehen, obgleich die Beweislast und das Beweismaß erfüllt sind! Der bloße Verweis auf die mangelnde Formalisierung macht alle anderen Beweismittel automatisch zunichte. Selbst ein „Geständnis“ des in Anspruch genommenen Vertragsteils - es schließt einen Prozeßbetrug am offensichtlichsten aus - würde diesem nicht schaden, weil die Nichtigkeit von Amts wegen zu beachten ist und von der tatsächlichen Beweislage nicht abhängt. Ein „Geständnis“ könnte dem Geschützten wegen der Absolutheit der Nichtigkeitssanktion auch dann nicht nützen, wenn er selbst am Vertrag festhalten möchte. (3) Die Möglichkeit umgekehrten Prozeßbetrugs trotz Beurkundung Selbst bei Beurkundung des Vertrages kann außerdem umgekehrter Prozeßbetrug durch Vortäuschen von Formfehlern erfolgen. Infolge der Regeln über die Teilnichtigkeit genügt es häufig, den Nachweis über eine angeblich vereinbarte aber nicht beurkundete Abrede im Wege des Prozeßbetrugs zu erbringen, um den gesamten Vertrag zu Fall zu bringen. Die Formnichtigkeit macht diese Form des Prozeßbetrugs erst möglich. Solche Ergebnisse sind mindestens ebenso abzulehnen, ihre negativen Wirkungen mindestens ebenso stark. Jedenfalls aber wird wiederum deutlich, daß die Formnichtigkeit den Formzweck auf der Sanktionsseite nicht adäquat weiterverfolgt. 178 In diesem Sinne auch Westerhoff KzV 184 (1984) 341 (353). 179 Gerade die Zurückdrängung von Statute-of-Frauds-Bestimmungen im englischen Recht beweist die mangelnde Rechtfertigung des Formzwecks der Vermeidung des Prozeßbetrugs; hierzu auch unten IV. 3..

e. Zusammenfassung Formnichtigkeit und Beweiszweck - insofern dieser den Formvorschriften überhaupt unterlegt werden kann — stehen in keinem inneren Zusammenhang. Das wird besonders deutlich, wenn man auf die Erleichterung richterlicher oder behördlicher Rechtsfindung oder - noch deutlicher - auf eine durch die Form erleichterte Anspruchsverfolgung abstellt. Dies soll nicht heißen, daß Form und Formzwang diesen Funktionen nicht dienlich seien, vielmehr bedeutet dies, daß die Formnichtigkeit diesen Aspekten nicht gerecht wird, ja womöglich kontraproduktiv ist. Am ehesten läßt sich die Nichtigkeit mit dem Formzweck der Vermeidung des Prozeßbetrugs begründen, doch geht auch hier die absolute, amtswegig wahrzunehmende Nichtigkeit zu weit und sind im übrigen Zweifel ein der Adäquanz dieser Sanktion deshalb anzumelden, weil gerade sie opportunistisches Verhalten aufseiten des Geschützten und, wenn der Formschützling am Vertrag festhalten möchte, auch des nicht geschützten Vertragsteils (!) ermöglichen („umgekehrter Prozeßbetrug“).

4. Die Publizitätswirkung der Form: Schutz öffentlicher Interessen und solcher Dritter Die durch Form (wenngleich nur begrenzt) erzeugte Publizitätswirkung kann dem Schutz Dritter180 bzw. öffentlicher Interessen181 dienen. Hier könnte prima facie die amtswegig zu beachtende, absolute Nichtigkeit mit der Behauptung gerechtfertigt werden, diese geschützten Interessen seien sonst gefährdet, zumal ja weder der Dritte noch die „Öffentlichkeit“ als Partei im Rechtsstreit aus dem Vertrag vertreten sind. Der Zivilrichter fungiert hier sozusagen als Sachwalter dieser Interessen; er verhindert die Durchführung des Vertrages, damit auch die Beeinträchtigung von Dritt- und öffentlichen Interessen. Zweifel an der Geeignetheit, insbesondere aber an der Adäquanz der Nichtigkeitssanktion kommen indessen auf, wenn man sich den materiellen Gehalt solchen „Schutzes von Dritt- und öffentlichen Interessen“ ansieht. Letztlich handelt es sich um Publizitätsinteressen, d.h. um solche an der Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit des zwischen den Parteien etablierten Rechtsverhältnisses.182 Die absolute, amtswegig wahrzunehmende Nichtigkeit ist hierfür aber nicht erforderlich. Vielmehr wäre es völlig ausreichend, wenn der 180 Indem z.B. betrügerische Machenschaften ex post verhindert werden; nicht verhindern kann die Form freilich, daß die Parteien von vornherein ein Geschäft formgültig aber nur zum Schein vornehmen. Im Extremfall könnte man daran denken, daß etwa Ehegatten einen nach österreichischem Recht notariatsaktspflichtigen Vertrag formgerecht zum Schein schließen, zugleich aber eine private Urkunde errichten, in der sie den Scheincharakter ausdrücklich bestätigen. Je nach tatsächlicher Entwicklung würden sie sich dann auf das Scheingeschäft berufen oder auch nicht. Dabei handelt es sich freilich nur um eine von vielen möglichen Varianten. 181 Hier erleichtert die Form insbesondere die öffentliche Kontrolle privater Rechtsgeschäfte. 182 Vgl. nur den Schutzzweck der Formpflicht von bestimmten Ehegattenverträgen in Österreich nach dem NZwG; hierzu Rummel in Rummel I § 886 ABGB Rz. 8: „Schutz ... durch Erschwerung von Scheingeschäften“.

Vertrag bis zur Formwahrung undurchsetzbar bliebe, wobei den Parteien ein gegenseitiger Anspruch auf Beurkundung zugestanden werden könnte. Nach Beurkundung, die notfalls durch eine Partei gerichtlich erzwungen werden könnte, wäre die Form und damit der Formzweck verwirklicht. Damit stünde der Durchsetzung des Vertrages selbst gewiß nichts mehr entgegen. Daher ist die Nichtigkeit jedenfalls im Innenverhältnis nicht zwingend. Bei öffentlicher Kontrolle von Verträgen könnte die Sanktion für Formfehler im übrigen in einer Verknüpfung mit der erforderlichen behördlichen Genehmigung gefunden werden: Verträge, die nicht (oder unrichtig) formalisiert sind, werden nicht genehmigt, woraus alleine sich die entsprechenden Konsequenzen (sie hängen freilich vom einzelnen Kontrollgesetz ab) ergeben. Im Falle des Drittschutzes würde es häufig genügen, wenn - im Gegensatz zur Nichtigkeit - der Vertrag nur Dritten gegenüber unwirksam wäre, im Innenverhältnis indessen volle Wirkung entfalten würde. Im praktischen Ergebnis kommt dies der Einräumung eines Anfechtungsrechts gleich. Beispiele für den Schutz Dritter bilden etwa das österreichische Notariatszwangsgesetz, insoweit es dem Gläubigerschutz dient, und § 566 BGB, insofern man ihn als eine Vorschrift zum Schutz zukünftiger Erwerber des Mietobjekts versteht.183 Für das österreichische Notariatszwangsgesetz wird die mangelnde Legitimation der absoluten, amtswegig zu beachtenden Nichtigkeit (auch im Innenverhältnis) ausschließlich wegen des Drittschutzinteresses nicht zuletzt dadurch deutlich, daß in einem späteren Stadium des Gesetzgebungsverfahrens der Parteischutz dem Drittschutz als gleichberechtigter Gesetzeszweck zur Seite gestellt wurde.184 Offenbar hat man gespürt, daß der Drittschutz allein keine ausreichende Grundlage für die weitreichende Rechtsfolge der Nichtigkeit bilden würde. § 566 BGB weicht nun schon im Grunde ab, weil er eben gar keine Nichtigkeit, sondern eine Vertragsmodifikation als Rechtsfolge bestimmt. Indessen wird auch hier deutlich, daß die Sanktionierung inter partes nicht erforderlich ist. § 566 BGB, der trotz Ausrichtung auf den Schutz des Erwerbers die Vertragsmodifikation auch inter partes vorsieht, hat nämlich starke Kritik erfahren und sollte wohl dahingehend korrigierend ausgelegt werden, daß sich (nur) Dritterwerber auf die gesetzlichen Folgen berufen können.185 Die Nichtigkeit, wie sie § 125 BGB vorsieht, ist also auch bei der Verfolgung von Drittinteressen regelmäßig inadäquat. Für den Schutz öffentlicher Interessen bildete bis in die jüngste Vergangenheit § 34 GWB a.F.186 ein Beispiel.187 Wieso, so muß 183 Zu § 566 BGB auch Henrich 153ff, der aber selbst den Formzweck aktualisierend ausdehnen will. 184 Vgl. nur den damaligen Justizminister Habietinek in Kaserer (Hg.) 120; zur oft betriebenen Strategie des Nachschiebens von ursprünglich nicht relevanten Gründen Westerhoff JR 1986, 269 (270): „Die nachträgliche Suche nach einem 'Formzweck' ist wenig sinnvoll; denn wenn man hier nur intensiv genug forscht, wird man immer fündig werden“. 185 Vehement Häsemeyer 34ff, 11 Off und insb. 289ff. 186 Zu dessen Aufhebung unten § 3 II. 6. d. aa.. 187 Freilich herrschte zunächst auch dort Streit, ob § 34 GWB a.F. vielleicht doch auch den Schutz der Parteien selbst ins Visier genommen hat, vgl. nur - unter ausführlicher Wiedergabe der Diskussion - OLG Frankfurt 16.11.1961 NJW 1962, 870; deutlich im Sinne nur öffentlicher Kontrollfunktion demgegenüber BGH 25.6.1985 LM § 34 GWB Nr. 25; BGH 7.7.1992 LM § 36 GWB Nr. 30; in diesem Sinne insb. auch Emmerich in Immenga/Mestmäcker § 34 GWB Rz. 9ff.

man sich fragen, soll die Sicherstellung der Kontrolle wettbewerbsbeschränkender Verträge die (umfassende) Nichtigkeit inter partes rechtfertigen? Jedenfalls ein (beiden Parteien zukommendes) Klagerecht auf Beurkundung würde doch die Formwahrung und damit Formzweckerreichung viel besser sicher stellen! Damit würden die Parteien nicht unnötig belastet, das öffentliche „Überwachungsinteresse“ aber sehr wohl erfüllt, weil mangels Vorlage einer Vertragsurkunde keine Genehmigung stattfindet. Demgegenüber kann sich bei absoluter Nichtigkeit jede Partei der Vertragshaftung ein für allemal entziehen, wenngleich ihr der Schutz des Gesetzes überhaupt nicht zukommt! Es fallt daher gerade unter diesem Aspekt auf, daß die Formvorschrift in Deutschland188 jüngst, in Österreich schon vor einigem beseitigt wurde.189 Insgesamt zeigt sich wiederum: Nichtigkeit bezieht im Zusammenhang mit dem Schutz von Dritt- und öffentlichen Interessen ihre Legitimation zunächst aus einer Vermeidung von Umgehungen des Formgebots. Dieses Ziel ist aber auch durch andere, insbesondere durch gelindere Mittel erreichbar. Relative Unwirksamkeit gegenüber Dritten und Nichtgenehmigung des Geschäfts mangels Form reichen aus, um Dritt- und öffentliche Interessen zu befriedigen.190 5. Insbesondere: Die „Immobilisierungsfunktion“ der Form bei der Veräußerung von GmbH-Geschäftsanteilen

Eine Sonderfunktion beschreibt die „Immobilisierung“ der GmbH-Geschäftsanteile. Freilich kann die „Immobilisierung“ als solche keinen legitimen Regulierungszweck darstellen: Zur Eigentumsgarantie und - damit im Zusammenhang - zur Vertragsfreiheit gehört auch die freie Veräußerbarkeit. Das gilt für GmbHGeschäfstanteile im Grundsatz genauso, wie für andere Sachen und Rechte. Den leichtgängigen Handel mit GmbH-Geschäftsanteilen nur um seiner Verhinderung willen zu verhindern, ist von vomeherein illegitim.191 Daher bedarf der „Formzweck“ der Immobilisierung seinerseits eines ihn legitimierenden materiellen Grundes. Es überrascht daher nicht, daß die Form der Veräußerung von GmbHGeschäftsanteilen hinsichtlich ihrer konkreten Zielrichtung erhebliche Diskussionen ausgelöst hat, wobei man - insbesondere in jüngerer Zeit - versucht hat, den hinter

188 Bunte BB 1998, 1600 (1600) legt im einzelnen dar, daß es genau die hier dargelegten Gründe waren, welche den Gesetzgeber zur Aufgabe des § 34 GWB bewogen haben. 189 Selbst schlüssige Kartellverträge sind sohin gültig; siehe Gugerbauer 36. 190 Näheres unten § 3 I. 2. und 3. sowie § 3 II. 5. und 6.. 191 Insofern sind Erklärungsversuche, die ausschließlich an den historischen Gesetzgeberwillen anknüpfen, einen leichtgängigen Handel zu unterbinden, nicht geeignet, den Formzweck zu legitimieren: So aber Reich-Rohrwig 626; auch Hueck in Baumbach/Hueck § 15 GmbHG Rz. 29; weitgehend auch noch Jasper in Priester/Mayer (Hg.) 283; sowie Winter in Scholz § 15 GmbHG Rz. 51; auch Dehn 114, die meint: „Die Verhinderung dieses Handels ist Zweck an sich(,\ Koppensteiner § 76 GesmbHG Rz. 16, der allerdings teleologisch und aktualisierend den Zweck der Klarstellung hinsichtlich der Innehabung der Gesellschafterposition anerkennen will; G. H. Roth § 15 GmbHG Pkt. 5.1. stellt demgegenüber den Immobilisierungszweck als solchen richtig in den Hintergrund und kehrt andere Formzwecke hervor (insbesondere - und insofern wie Koppensteiner, jedoch deutlicher - die Klarstellungsfunktion).

der Immobilisierung stehenden Gedanken als einen solchen der Beweissicherung192 oder aber des Übereilungsschutzes193 zu beschreiben.194 Soweit eine Aufladung des Immobilisierungszweckes durch Formzwecke in klassischem Sinne erfolgt, kann aber für die Beurteilung der Formzweckbezogenheit und Adäquanz der Nichtigkeitssanktion auf die jeweiligen obigen Ausführungen verwiesen werden. Insoweit man indessen beim (illegitimen) Formzweck der Immobilisierung verbleiben will, erscheint die Formnichtigkeit erneut als übertrieben harte Sanktion: Bloße Undurchsetzbarkeit des Vertrages würde völlig ausreichen und es spräche nichts dagegen, beiden Parteien einen Anspruch auf Beurkundung zuzubilligen; denn diese Durchsetzung der Form ist mindestens ebenso beschwerlich und langwierig wie die „freiwillige" Formalisierung, erschwert sohin den Handel in ebenso wirksamer Weise. Einem börsenartigen Handel läßt sie jedenfalls keinen Raum. IV. Insbesondere: Formelles Rechtsdenken als weitere, konzeptionelle Ursache des mangelnden Bezugs von Formnichtigkeit zu den Formzwecken 1. Das formelle Rechtsdenken und seine Konsequenzen

Auch konzeptionell ist die Sanktion der Formnichtigkeit vom jeweils zugrundeliegenden Formzweck wegen eben jenes formellen (typisierten195) Rechtsdenkens abgekoppelt, wie es Atiyah196 beschrieben hat: Der Formmangel indiziert den Mangel reiflicher Überlegung bzw. die Gefahr des Prozeßbetruges, etc. Ob diese Indikation im Einzelfall auch zutreffend ist, wird erst gar nicht weiter geprüft, aus dem Formmangel folgt unweigerlich die Sanktion. Die darin liegende Vereinfachung der Rechtsfindung und - damit zusammenhängend - die generalpräventive Ausrichtung der Formnichtigkeit aber haben Folgen: Wenn man formwidrige Verträge generell für übereilt oder nicht beweisbar und damit nichtig erklärt, dann erleichtert das zwar die Rechtsfindung, man nimmt aber zugleich eine Reihe von Fehlentscheidungen in Kauf. Zahlreiche Fälle, in denen tatsächlich ein Vertragsschluß vorlag - noch dazu ein wohlüberlegter - werden dem Nichtigkeitsgebot geopfert.

192 Vgl. jüngst Koppensteiner § 76 GmbHG Rz. 16, der den Gedanken des Übereilungsschutzes ausdrücklich ablehnt, ein „Klarstellungsinteresse“ hingegen, auch wenn der historische Gesetzgeber daran nicht gedacht habe, aus teleologischen Gründen anerkennt; besonders deutlich G. H. Roth § 15 GmbHG Pkt. 5.1.. 193 Diesbezüglich indessen mit ganz konträrem Ergebnis: Häsemeyer, 189f, meint, die Form diene dem Schutz des Veräußerers; P. Bydlinski, 35ff, hingegen entnimmt den Gesetzesmaterialien einen auf Erwerberschutz gerichteten Willen, lehnt demgegenüber den Veräußererschutz - nach kurzem Zweifeln - ab; auch Zutt in Hachenburg § 15 GmbHG Rz. 9 scheint den Immobilisierungszweck mit einem Übereilungsschutz gleichzusetzen. 194 Wiederum fallt die Kumulierung der Formzwecke auf: Siehe nur die Darstellung des Meinungsstandes zu § 76 GesmbHG bei Feil in Gellis § 76 GesmbHG Rz. 7. 195 Kritisch Westerhoff AcP 184 (1984) 341 (354 und 359f), der darin keinen Rechtfertigungsgrund für die Formnichtigkeit sieht. 196 Siehe Atiyah, Essays, 93 (108ff).

2. Ökonomische Analyse Diese Vorgangsweise erzeugt Kosten, wie sie gerade von Vertretern der ökonomischen Analyse des Rechts keineswegs übersehen wurden. Braunstein hat auf eben diese negativen ökonomischen Konsequenzen im einzelnen hingewiesen.197 Er stellt dabei die Ermöglichung opportunistischen Verhaltens durch die ohne Rücksicht auf die Umstände des Einzelfalls eintretenden Sanktionen in den Vordergrund.198 Als Beispiel dient ein formpflichtiger, tatsächlich jedoch mit einem Käufer Kl formwidrig geschlossener Grundstückskaufvertrag. Infolge mangelnder Durchsetzbarkeit bleibt es dem Verkäufer (V) unbenommen, sich nach einem besseren Käufer umzusehen. Findet er einen zweiten Käufer (K2), der einen höheren Kaufpreis bietet, wird V opportunistisch handeln und zwar unabhängig davon, ob sein „Vertragsbruch“ als effizient einzustufen ist oder nicht. Letzteres hängt wiederum davon ab, ob der Mehrerlös durch den Zweitverkauf höher ist als die sogenannten expectation damages199 200 des Kl. Weil aber diese expectation damages infolge der Formwidrigkeit nicht zu ersetzen sind, wird V auch einen sogenannten inefficient breach of contract begehen. Ein solcher ist - aus ökonomischer Sicht - zunächst tolerierbar, weil das Coase-Theorem200 garantiert, daß trotz interner Vermögensverschiebungen201, die der inefficient breach mit sich bringt, das Grundstück letztlich von demjenigen erworben wird, der ihm den höchsten Wert zuspricht und sohin den größten Nutzen daraus zieht. Denn der enttäuschte Kl wird sich in Fällen des inefficient breach an K2 wenden und von ihm das Grundstück erwerben. Die Tatsache, daß Kl einen höheren Kaufpreis aufwenden wird müssen, ist für ihn gewiß schmerzlich, der wohlfahrtssteigernde Effekt aber wird dadurch nicht gestört. Die drei im Spiel befindlichen Akteure (V, Kl, K2) sind insgesamt schlußendlich in der besseren Position als ohne die Transaktionen.202 Das gilt allerdings nur, wenn und solange keine Kosten entstehen, die ohne Vertragsbruch nicht entstanden wären. Dem Coase-Theorem insgesamt unterliegt ja die hypothetische Vorstellung von einer Welt, in der es keine Transaktionskosten gibt. Diese Hypothese ist freilich surreal, weswegen sich die Diskussion um die sozialen Kosten der Formnichtigkeit und damit des beschriebenen opportunistischen Verhaltens unmittelbar auf die Transaktionskosten zu konzentrieren hat. Denn jede Steigerung der Transaktionskosten im Vergleich zu denjenigen ohne Vertragsbruch ist ein Effizienzverlust, auch wenn der gesamtwirtschaftliche Erfolg, Güter in den Händen derjenigen Person enden zu lassen, welche den größten Nutzen zieht, letztlich nicht verstellt wird. Braunstein weist zu Recht darauf hin, daß derartige Transaktionskosten auch prohibitive Wirkungen entfalten können. Übersteigen die Transaktionskosten nämlich den erhöhten Nutzen des Kl, dann wird er vom Kauf Abstand nehmen, eine effiziente 197 Braunstein Utah LRev 1989, 383. 198 Braunstein Utah LRev 1989, 383 (392f). 199 Der Ausdruck „expectation damages" meint jene Differenz in Geld, um welche sich die Position des Kl verbessert hätte, wenn der Vertrag erfüllt worden wäre. 200 Siehe Coase JL&Econ 3 (1960) 1; hierzu Posner 42ff; Schäfer/Ott 80ff; Varian 535ff. 201 Die freilich ihrerseits Gerechtigkeitsfragen aufwerfen. 202 Siehe Braunstein Utah LRev 1989, 383 (400f).

Güterverteilung wird hierdurch vereitelt. Hierzu zählt auch der von Braunstein angeführte Fall, daß der zweite (formgültige) Vertrag ein Verbot der Weiterveräußerung enthält, sodaß die Zustimmung des ursprünglichen Verkäufers eingeholt (und bezahlt) werden müßte. Hinzu treten Vertrauensschäden, die ebenfalls eine effiziente Güterverteilung letztlich verhindern können. So etwa wenn K2 schon auf das Grundstück Aufwendungen getätigt hat, welche dem Kl nicht zum Nutzen gereichen.203 Eine realistische Einschätzung wird darauf hinauslaufen, daß die Kosten häufig prohibitiv sein werden. Transaktionkosten wirft jedes Geschäft auf, die Duplizierung der Transaktion verdoppelt dann auch diese. Personen handeln regelmäßig im Vertrauen auf getätigte und abgewickelte Verträge, sodaß frustrierte Aufwendungen sehr wahrscheinlich sind. Die sozialen Kosten der Formnichtigkeit sind dementsprechend als hoch einzuschätzen. Braunstein meint daher, die Durchbrechungen der Formsanktion, wie sie die Judikatur entwickelt hat, dienten hauptsächlich der Internalisierung der beschriebenen negativen externen Effekte.204 Weil aber auch diese Durchbrechungen nur einen Teil der Kosten internalisieren, fordert er konsequenterweise die Abschaffung des Statute of Frauds 205 3. Die Problematik der Vorteilsabwägung

Freilich mag man Braunstein vorwerfen, er übersehe die positiven Effekte der Form.206 Auf sie hat etwa Atiyah nachdrücklich hingewiesen. Aber auch er zweifelt, ob die Vorteile der Form die Inkaufnahme ihrer Nachteile rechtfertigen; doch beschränkt er seinen Standpunkt auf die Feststellung, man müsse eben wissen, was einem mehr wert sei.207 Es ist aber vergleichsweise einfach, diese Frage aufzuwerfen, sie zu beantworten ist hingegen fast unmöglich.208 Denn es liegt naturgemäß keinerlei Zahlenmaterial über positive und negative ökonomische Auswirkungen von Formpflichten vor.209 Der althergebrachten Diskussion über Sinn und Unsinn des Statute of Frauds mag hier paradigmatische Bedeutung zuerkannt werden. In diesem Punkt kommen selbst Koautoren nicht zu übereinstimmenden Ergebnissen. So diskutieren White und Summers in ihrem

203 Vgl. im einzelnen Braunstein Utah LRev 1989, 383 ( 401f). 204 Hierzu Braunstein Utah LRev 1989, 383 (416ff). 205 Braunstein Utah LRev 1989, 383 (422ff). 206 Braunstein Utah LRev 1989, 383 (3 9 If) sieht im Statute of Frauds nur ganz geringfügige Vorteile. Freilich kann auch er nicht auf Beweise zurückgreifen, sondern muß sich auf Erfahrungen führender Juristen verlassen, wie etwa auf ein Zitat (FN 30) von Corbin Yale LJ 59 (1950) 821 (832): .A^hough there have been many assertions of the beneficience of the Statute, they usually betray their own superficiality..^\ eine ökonomische Untersuchung über mögliche Nutzen aus dem Statute of Frauds unternehmen Johnston UPaLRev 144 (1996) 1859, sowie E.A. Posner UPaLRev 144 (1996) 1971. Beide aber zweifeln - zumindest in bestimmten Situationen - an der Sinnhaftigkeit des Formzwangs. 207 Atiyah 165; ders., Essays, 93 (109). 208 Vgl. etwa auch von Mehren in IECL VII/10 5. 209 Vgl. auch E.A.Posner UPaLRev 144 (1996) 1971 (1986), der abschließend fordert, eine Studie über den Nutzen des Statute of Frauds anzustellen, um den jahrhundertealten Streit um dessen Sinn und Unsinn zu beenden.

gemeinsamen Werk zum Uniform Commercial Code210 die Vor- und Nachteile des Statute of Frauds, lassen dann aber den Leser ohne klare Antwort, weil sie selbst unter sich unterschiedlichen Meinungen folgen.211 Allerdings finden sich Belege für die Kostenintensität der Nichtigkeit bzw. der mangelnden Durchsetzbarkeit formfehlerhafter Verträge in der englischen Rechtsentwicklung. Die meisten der Verträge, welche ehedem nach dem Statute of Frauds mangels Form gerichtlich nicht durchsetzbar waren, wurden 1954 von der Formpflicht entbunden.212 Dies hat man wegen der negativen Auswirkungen des Formzwangs mit großer Überzeugtheit getan: Ein Bericht des Law Revision Committee aus 1937 zählt die Hauptkritikpunkte auf213; insoweit sie für gegenständliche Arbeit von Interesse sind, umfassen sie die geänderten Umstände (die Entwicklung des zivilprozessualen Verfahrens verbunden mit einem größeren Vertrauen in die Fähigkeit der Gerichte, den Sachverhalt auch ohne Form wahrheitsgemäß festzustellen), die Ermöglichung fraudulösen, sohin opportunistischen Verhaltens und damit die Erzeugung sozialer Kosten, denen kein vergleichbarer sozialer Nutzen gegenübersteht, sowie die Bedürfnisse modernen Rechtsverkehrs und die willkürliche Auswahl der formpflichtigen Verträge.214 Mit Blick auf die Sanktion steht freilich die Kostenbelastung durch opportunistisches Verhalten im Vordergrund. Und tatsächlich war man teilweise bemüht, diese Kosten zumindest einzugrenzen. Stimmen in der Literatur plädierten dafür, die Sanktion jedenfalls insoweit auf den Formzweck abzustimmen, als - infolge des Beweiszwecks des Statute of Frauds die Rechtsfolgen zumindest dann ausgeschlossen sein sollen, wenn der Beklagte gar nicht bestreitet, daß der Vertrag zustande gekommen ist.215 Auch wurde dafür geworben, durch Ausnahmen - Stichwort estoppel - die Kosten der Formsanktion möglichst klein zu halten.216 Fernerhin wurde vorgeschlagen, anstelle der Formpflicht das Beweismaß zu erhöhen oder doch Beweismittel, die ebenso verläßlich sind wie die Schriftform, zuzulassen.217 Jedenfalls aber wurden gegen die Bedenken des Law Revision Committee in der Literatur keine Einwände erhoben218, was das Law Reform Committee wiederum dazu ermutigte, den Absurditäten und Ungerechtigkeiten des Statute of Frauds nochmals Ausdruck zu verleihen und den Vorschlägen des Law Revision Committee ganz weitgehend zu folgen. Die Vorschläge des Law Reform Committee wurden 1954 durch den Law Reform (Enforcement of Contracts) Act Gesetz. Seitdem fehlen jegliche Beteuerungen, die 210 Siehe White/Summers 92ff. 211 Zur Frage auch Farnsworth II 85f m.w.N.. 212 Law Reform (Enforcement of Contracts) Act 1954; hierzu insbesondere Franklin Cornell LQ 40 (1995) 581 mit zahlreichen weiteren Nachweisen, insbesondere zu Kritikern am Statute of Frauds. 213 Law Revision Committee, Sixth Interim Report (1937) Cmd. 5449. 214 Law Revision Committee, Sixth Interim Report (1937) Cmd. 5449, 6ff. 215 Vgl. die enstprechenden Ausführungen bei Stevens Cornell LQ 37 (1952) 355 (381). 216 Stevens Cornell LQ 37 (1952) 355 (378f), der sich für die Zulassung der estoppelAusnahme durch eine Weiterentwicklung seit jeher bestanden habender part-performanceAusnahmen einsetzt. 217 Hierzu Franklin Cornell LQ 40 (1955) 586 mit FN 49; die Erhöhung des Beweismaßes schlägt Perillo Fordham LRev 43 (1974) 39 (82f), als Schlußfolgerung aus seiner Beobachtung vielerlei „ dysfunctions ofform^Nor. 218 Siehe Law Reform Committee, First Report (1953) Cmd. 8809, 3 (unter Pkt. 4.).

auf ein Vermissen der damals aufgegebenen Statute-of-Frauds-BesümmingQn schließen ließen. Es scheint ganz so, als ob die Kosten, wie sie infolge der Undurchsetzbarkeit formfrei geschlossener Verträge entstehen, den Nutzen der Vermeidung des Prozeßbetrugs deutlich überstiegen. Zwar findet sich auch ein Beispiel, wo man in modernen Zeiten gemeint hat, den Anwendungsbereich des Statute of Frauds erweitern zu müssen: So hat der US-amerikanische Bundesstaat Texas im Jahre 1987 die Formpflicht auf Verträge erweitert, die im Hinblick auf außereheliche Lebensgemeinschaften geschlossen werden.219 Doch indizieren rechtstatsächliche Berichte wiederum, daß der Erfolg gering sein dürfte.220 Eine Kosten-Nutzen-Analyse läßt sohin Zweifel an der Formnichtigkeit bzw. Undurchsetzbarkeit des Vertrages als einer effizienten Rechtsfolge aufkommen. 4. Der von alledem unabhängige Wert der Form

Es ist jedoch sogleich hinzuzufugen, daß diese (negative) Bewertung für die Form an sich nicht gilt. Niemand spricht der Form - wenn sie gewahrt wird - ihren Nutzen ab. Die hier aufgeworfenen Kostenargumente betreffen hingegen nur das mit der Form regelmäßig verbundene formelle Rechtsdenken, wonach Mängel der Form auch dann sanktioniert werden, wenn die materiellen Gründe es gar nicht erfordern. V. Die Präventivfunktion der Nichtigkeit

1. Die Nichtigkeit als „einzig effektive Rechtsfolge“: Präventivwirkung

Die vorstehenden Ausführungen haben den mangelnden Bezug von Nichtigkeitssanktion und Formzweck dargelegt. Die Formnichtigkeit hat sich dabei als dem Formzweck gegenüber weitgehend neutral, jedenfalls aber als ein Übermaß an Reaktion auf Formmängel erwiesen. Dennoch wird im deutschen Schrifttum keine Forderung nach einer Aufgabe oder doch Beschränkung des § 125 BGB erhoben221 und in Österreich wird - gerade wegen (!) des Fehlens einer vergleichbaren Regelung - die Nichtigkeit als einzig effektive Rechtsfolge ebenso propagiert 222 Eine gewisse Phantasielosigkeit ist da unübersehbar, doch sind es durchaus auch sachliche Gründe, die diese Ansicht stützen. Obgleich nämlich „effektiv“ nicht bedeuten kann, daß der Formzweck durch die Nichtigkeit erreicht wird, so glaubt man offenbar stark an die Präventivfunktion dieser Sanktion. Angesichts der Androhung so einschneidender Folgen wie jener der völligen Nichtigkeit des Geschäfts werden sich die Parteien redlich darum bemühen, die Form zu wahren.

219 Hierzu Brixey Houston LRev 25 (1988) 979. 220 Vgl. nur die Analyse von Brixey Houston LRev 25 (1988) 979. 221 Ausgenommen freilich Coing DNotZ 1965 (Sonderheft Dt. Notartag 1965) 29 (46). 222 Insb. Berger 48f; Wilhelm 177ff.

2. Die Explizierung des Arguments der Präventivfunktion bei Häsemeyer und Westerhoff Auch Häsemeyer geht von der Annahme aus, daß es ineffektiv sei, Formen in bloße Sollvorschriften zu kleiden.223 Die spezielle Sanktion der Nichtigkeit rechtfertigt er - neben anderen Umständen - dann in Anlehnung an Larenz22^ mit dem Steuerungsgedanken. Dabei stellt er maßgeblich auf den (Verhaltens-) Gebotscharakter der Formvorschriften ab und weist der Nichtigkeit die Funktion zu, die Einhaltung des Gebots sicherzustellen.225 Daraus folge insbesondere, daß die Rechtsordnung vom Formgebot nicht dispensieren dürfe. Dies sei der Ausgangspunkt der Integration des Formzwangs in die Privatautonomie.226 Demnach erfülle die Formnichtigkeit eine Präventivfunktion und zwar auch dann noch, wenn die Parteien bereits gegen das Gebot verstoßen hätten und ein konkreter Rechtsstreit vorliege. Denn mittels der Nichtigkeit werde den Parteien und auch Dritten die Folgewirkung der Mißachtung des Formgebots bewußt und dies habe freilich für zukünftige Vertragsschlüsse und solche Dritter eine erzieherische Wirkung. Dies nötige auch dazu, bei der Beurteilung der Formverfehlungsfälle eine ex-ante- und nicht eine ex-post-Betrachtung anzulegen.227 Daher werden auch Lockerungen des Formgebots jeglicher Art verworfen. Diese würden die notwendige Steuerung des Parteienverhaltens beeinträchtigen. Als Beleg hierfür zitiert Häsemeyer jenen Fall, in dem - mit Blick auf die Treu-und-Glauben-Rechtsprechung des BGH - die Gültigkeit des Vertrages trotz Formmangels ausdrücklich vereinbart wurde. Hier stelle sich also der Rechtsverkehr auf die Auflockerung des Formzwangs ein 228 In ähnlichem Sinne hat Westerhoff die „Verhaltenssteuerung“ durch die Formnichtigkeit als deren eigentlich entscheidenden Grund angesehen.229 Weil nämlich - wenn erst einmal die Form verabsäumt ist und es zum Prozeß kommt - der Formzweck ohnehin nicht mehr erreichbar sei, man aber nicht automatisch von einem übereilten Vertrag sprechen könne, legitimiere sich die Formnichtigkeit in ihrer Beispielswirkung. Freilich übersieht er nicht die „Kosten“, die hier den Parteien im Interesse der Allgemeinheit auferlegt werden, doch hält Westerhoff diese Belastung des einzelnen zugunsten der Allgemeinheit - gerade auch aus verfassungsrechtlicher Sicht - für gerechtfertigt.230 Im Rahmen seiner Überlegungen stellt Westerhoff auf eine wertende Methode ab und prüft auf ihrer Grundlage, inwieweit die Formnichtigkeit zur Verhaltenssteuerung erforderlich, geeignet und verhältnismäßig ist.231 Dabei fällt auf, daß Westerhoff gerade in der Frage möglicher Durchbrechungen der Nichtigkeit eine gegenüber Häsemeyer deutlich offenere Position bezieht. Mittels der Kriterien der Geeignetheit und Erforderlichkeit will er schon dann eine 223 Häsemeyer 196. 224 Larenz 413. 225 Häsemeyer 203ff. 226 Häsemeyer 204. 227 Zu alledem Häsemeyer 204f. 228 Häsemeyer 305. 229 Westerhoff^ 184 (1984) 341 (354ff). 230 Westerhoff AcP 184 (1984) 341 (355). 231 Westerhoff AcP 184 (1984) 341 (356 und - zur Bewertung der Formnichtigkeit - 358ff).

Durchbrechung erlauben, wenn eine Partei der anderen durch ihren Wortbruch erheblichen Schaden zufugt.232 Offenbar sollen diese Ausnahmen von der Nichtigkeitssanktion die Präventivwirkung nicht so empfindlich stören, daß eine Enttäuschung der Erwartung der vertrauenden Partei dadurch gerechtfertigt würde. 3. Kritik und Folgerungen

Ihre stärkste Rechtfertigung erfahrt die Nichtigkeit durch ihre verhaltenssteuernde Wirkung. Mit der Präventivwirkung kann man es insbesondere rechtfertigen, warum sich die (absolute, von Amts wegen zu beachtende) Formnichtigkeit auch gegen den Schutzadressaten der Formvorschrift richtet. Die Präventivwirkung erstreckt sich dann eben gleichermaßen auf beide Parteien, ganz egal, wer von der Form geschützt werden soll. Damit aber wird Form zu strengem Recht, denn es wird im einzelnen Verfahren nicht mehr notwendig zwischen den Parteien Recht gesprochen. Vielmehr wird auf die Natur der Formvorschriften als Verhaltensgebote abgestellt, um deretwillen im Einzelfall die Form(nichtigkeit) grundsätzlich nicht relativierbar sei. Formmängel müssen wegen der (erwünschten) Beispielsfolgen jedenfalls sanktioniert werden. Tatsächlich wird man gerade der Nichtigkeit eben diese Präventivwirkung im allgemeinen nicht absprechen können: Die drohende Nichtigkeitssanktion ist geeignet, das Parteienverhalten im gewünschten Sinne zu steuern. Indessen ist auch in diesem Zusammenhang wiederum auf die schon dargelegten Nachteile und Kosten der Nichtigkeit hinzuweisen.233 Wenngleich nämlich die Formnichtigkeit stark präventiv wirkt, so ist sie damit noch nicht zur einzig effektiven Formverfehlungsfolge erhoben: Zum einen mag die Nichtigkeitssanktion relativierbar sein, ohne daß eben jener steuernde Effekt aufgegeben oder beeinträchtigt würde; ja, es bedarf durchaus der Überlegung, ob eine Relativierung der Nichtigkeit die Präventivwirkung womöglich auch erhöhen könnte.234 Außerdem können andere Mittel (Vertragsmodifikationen, Strafsanktionen) - insbesondere gelindere Mittel als die Nichtigkeit - hinreichende Präventivwirkungen erzeugen, die entweder als schonenderer Eingriff in die Vertragsfreiheit (bei gleichzeitiger Wahrung der Prävention) oder aber als Rechtsfolgen höherer Effizienz (was einen womöglich stärkeren Eingriff in die Vertragsfreiheit legitimiert) der Nichtigkeitssanktion vorgehen. Insgesamt aber folgt aus dem bloßen Präventivgedanken als eigentlich entscheidendem Grund für die Nichtigkeit, daß jede formzweckadäquate Sanktion vorzugswürdig ist. Damit freilich kann man dem deutschen § 125 BGB zunächst nichts von seiner Grundsatzbedeutung nehmen.235 Für das österreichische Recht aber bestätigt sich, daß mangels einer § 125 BGB vergleichbaren Vorschrift im Zweifel eben nicht die Formnichtigkeit als Sanktion eingreift, sondern das gelindeste Mittel. Nur wenn dem Gesetzgeber zugesinnt werden kann, er habe der Form um der Präventivfunktion willen eine konstitutive Wirkung zusprechen wollen, kann die Nichtigkeit folgen. „Automatisch“ gilt die Nichtigkeit sohin nicht. Für England gilt 232 Westerhoff AcP 184 (1984) 341 (358ff und insb. 363f). 233 Siehe soeben zum formellen Rechtsdenken § 2IV. 2.. 234 Hierzu unten § 3 II. 3. e.. 235 Zu Möglichkeiten der Relativierung indessen sogleich unten § 3

angesichts der dort vorzufindenen Sanktionsvielzahl ein Prinzip der Formnichtigkeit ohnehin nicht. De lege ferenda ist die Frage überdies - für Deutschland, Österreich und England in gleichem Maße - insofern von doppelter Bedeutung, als mit dem Richtlinienrecht der EG eine Vielzahl neuer Formvorschriften auch und gerade hinsichtlich der Frage ihrer Sanktionierung zur Umsetzung kommen.236 Und de lege lata sind formzweckkonforme Ausgestaltungen der Nichtigkeitssanktion zulässig, wenn und solange sie den Präventivzweck der Nichtigkeitssanktion nicht unterlaufen. Solchen Gestaltungsmöglichkeiten wie auch alternativen Sanktionsmöglichkeiten ist daher vertieft nachzugehen.

236 Zu den europäischen Formvorschriften und den alternativen Sanktionsmechanismen im allgemeinen unten § 5 IV.

§3

I. Amtswegige Wahrnehmung versus einredeweise Geltendmachung der Nichtigkeit 1. Formvorschriften im Parteieninteresse a. Bestandsaufnahme

Der Grundsatz der amtswegigen Wahrnehmung der Formnichtigkeit herrscht in Deutschland1 und Österreich2 3vor. Das englische Recht kennt ja eine echte Formnichtigkeit nur in s. 2 Law of Property (Miscellaneous Provisions) Act 1989^ und in s. 9 Bills of Sale Act (1878) Amendment Act 18824. Ob dabei der Mangel der Form von Amts wegen zu beachten ist, bleibt jedenfalls für den Law of Property (Miscellaneous Provisions) Act vorerst noch unklar, zumal in der Literatur betont wird, die Regelung seiner 5. 2 werfe mit Blick auf die Nichtigkeitssanktion viele Fragen und Zweifel auf5 Für die Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot ist die Relativität der Sanktion allerdings anerkannt, sodaß es auch im Belieben einer Partei stehen kann, den Vertrag gerichtlich durchzusetzen oder aber durch Einrede zu vernichten.6 Für funktional der Formnichtigkeit ähnliche Sanktionen (unenforceability nach Statute of Frauds) wird ebenfalls die einredeweise Geltendmachung vertreten.7 Darin liegt zunächst ein Privileg des von der Form Geschützten, weil es seiner Willkür anheimgegeben ist, ob der Vertrag vor Gericht Bestand haben wird oder nicht. Allerdings wird auch die Kehrseite betont: Die Geltendmachung wird zur Pflicht, weil das Gericht ansonsten den Formmangel nicht weiter beachtet.8 Freilich steht diese Behandlung der unklagbaren Vertragsschuld im Zusammenhang mit der prozessualen Natur solcher Formvorschriften9: Trotz Formmangels wird nämlich der Vertrag als materiellrechtlich vollgültig angesehen, die mangelnde Klagbarkeit betrifft nur die prozessuale Durchsetzbarkeit. Damit steht es im Einklang, daß aufgrund des formwidrigen Vertrages erbrachte Leistungen grundsätzlich nicht zurückgefordert werden können10 und - ganz allgemein gesprochen - daß der formwidrige Vertrag sehr wohl als Verteidigungsmittel verwendet werden darf11 bzw. als Grundlage all 1 Siehe oben § 11. und § 1III.. 2 Zur Sanktionierung von Formmängeln im englischen Recht § 1II.. 3 Zur Einreihung unter die sogenannten void contracts Whittaker in Chitty 1 19, 264 i.V.m. FN 11,287. 4 Zur Einreihung unter die sogenannten void contracts Whittaker in Chitty I 264 i.V.m. FN 11. 5 Auch hierzu Whittaker in Chitty I 20. 6 Wiederum Whittaker in Chitty I 20. 7 Z.B. Furmston in Cheshire/Fifoot/Furmston 218; deutlich für die USA Farnsworth II 165; für die alte Form des Grundstücksveräußerungsvertrages auch von Hoffmann 116. 8 Siehe Furmston in Cheshire/Fifoot/Furmston 218; deutlich auch The Law Commission No. 164, 1. 9 Zum Zusammenhang mit der prozessualen Natur dieser Vorschrift siehe Furmston in Cheshire/Fifoot/Furmston 218. 10 Vgl. Whittaker in Chitty I 278f für 5. 40 Law ofProperty Act 1925. 11 Murray 366.

jener Ansprüche dienen kann, deren Durchsetzung nicht auch die Durchsetzung des Vertrages bedeutet.12 Aus alledem wird zunächst eines klar: Das englische Recht hält es aus generalpräventiven Gründen nicht für erforderlich, den Formfehler von Amts wegen zu sanktionieren. Und der Beweiszweck des Statute of Frauds bzw. genauer - der Schutz vor ungerechtfertigter Inanspruchnahme durch Prozeßbetrug erfordert keine Berücksichtigung des Formmangels, wenn sich die betroffene Partei auf diesen gar nicht beruft oder es gar nicht um die Durchsetzung des Vertrages geht oder aber die geschützte Partei Vertragsschluß und -inhalt (direkt oder indirekt) selbst zugesteht. Für Deutschland und Österreich (jedenfalls insoweit dort die Formverfehlung zur absoluten Nichtigkeit fuhrt) muß eine solche Anschauung prima facie am Nichtigkeitsbegriff scheitern. Wenn nämlich ein Mangel des Rechtsgeschäfts zur Nichtigkeit fuhrt, dann kommt eine - wenn auch nicht im Wege der Legaldefinition - vorgefertigte und schablonenhafte Begrifflichkeit von der materiellen Unwirksamkeit zur Anwendung.13 Diese Nichtigkeit soll amtswegig zu beachten sein. b. Funktionale Aspekte: Präventivwirkung

Ein Blick auf die Funktion der Formnichtigkeit zeigt demgegenüber, daß die erstrebte Generalprävention die amtswegige Beachtung des Formmangels nicht rechtfertigen kann. Denn diese Funktion ist auch bei prozessualer Parteienherrschaft über das Vertragsschicksal gewahrt. Es leuchtet unmittelbar ein, daß die abschreckende Wirkung der Nichtigkeitssanktion keine geringere ist, wenn sie nur auf Einrede hin beachtet wird. Keine Vertragspartei wird sich darauf verlassen, ihr Geschäftspartner werde im Streitfälle die Einrede der Formnichtigkeit nicht erheben. Solange sich aber die Parteien ohnehin einig sind, ein Prozeß daher nicht stattfindet, verhindert auch die amtswegige Beachtung der Formnichtigkeit nicht die (mögliche) Umgehung der Form. Anderes könnte nur dann gelten, wenn die Nichtigkeit auch ohne Zivilprozeß von Amts wegen durchgesetzt würde. So etwa, wenn durch amtliche Intervention ein Rechtsgeschäft als formnichtig erkannt und die Rückabwicklung bereits erbrachter Leistungen erzwungen würde. Gerade das ist aber regelmäßig nicht der Fall.14 Schon für den allgemeinen Nichtigkeitsbegriff hat daher Pawlowski jene Nichtigkeitsfälle, die gemeiniglich als von Amts wegen zu beachten bezeichnet werden, der Kategorie der Antragsnichtigkeit zugeordnet.15 Denn recht besehen folgt die amtswegige Beachtung ja stets einer Parteiendisposition (Prozeßführung) nach. Außergerichtlich ist es den Parteien anheimgegeben, den Vertrag als vollgültig zu behandeln. Man wird dem gewiß einwenden, daß eben die Präventivwirkung der Nichtigkeitsdrohung zur Vermeidung von Umgehungen ausreichend sei, einer „aktiven“ amtlichen 12 Besonders deutlich Farnsworth II168. 13 Zur Begrifflichkeit und insb. zur geschichtlichen Entwicklung des Begriffs H. Hübner in FS Wieacker 399. 14 Ein Gegenbeispiel stellt in gewisser Weise § 925a BGB dar: Durch ihn soll die Durchführung formwidriger Verträge (im Ergebnis: die Grundbucheintragung) auch dann verhindert werden, wenn beide Parteien die Durchführung des (formlosen und daher formnichtigen) Vertrages wünschen. 15 Pawlowski 120ff und 140ff.

Intervention bedürfe es sohin nicht. Gerade dieses Argument ist aber auch bei einem Erfordernis der einredeweisen Geltendmachung der Nichtigkeit ins Treffen zu fuhren. Denn es kann nicht angenommen werden, zwei Parteien würden sich streiten, einen Prozeß fuhren und sich dennoch nicht auf die Formnichtigkeit berufen. Die Nichtgeltendmachung setzt sohin eine - wohl nur selten eintretende Situation voraus, in der den Parteien trotz der sich im Prozeß emanierenden Streitigkeiten am Bestand des Vertrages gelegen ist. In diesen Fällen stört es aus dem Blickwinkel der Generalprävention nicht, von der Vernichtung abzusehen.16 c. Systematische Aspekte: Heilung als Dispositionsmöglichkeit der Parteien

Im übrigen hat ja schon der Gesetzgeber die Nichtigkeit wegen Formmangels einer weit größeren Dispositionsbefugnis der Parteien unterworfen als andere Nichtigkeitsgründe. Besonders für Österreich ist die Heilungsmöglichkeit nach § 1432 ABGB hervorzuheben.17 Sie erlaubt es den Parteien, dem Vertrag durch bloßen Vollzug Bestand zu verleihen. Der Fall der Nichtgeltendmachung im streitigen Verfahren ist aber jenem der freiwilligen Erfüllung bei wertender Betrachtung durchaus gleichzusetzen. In beiden Fällen steht es dem Gegner des Anspruchstellers frei, die Leistung unter Verweis auf den Formmangel zu verweigern (sei es durch Nichterfüllung, sei es durch Erhebung der Einrede der Formwidrigkeit). Weder aus generalpräventiven Gründen noch wegen der Formzwecke ist eine amtswegige Beachtung der Formverfehlung geboten. Noch deutlicher wird die Situation, wenn man den Fall der Formnichtigkeit mit anderen in § 1432 ABGB behandelten Fällen vergleicht. Neben den formnichtigen Verträgen erwähnt die Bestimmung die verjährten Forderungen und solche, die nicht klagbar sind. Für wohl alle Anwendungsfälle dieser unklagbaren Forderungen wird die Geltendmachung durch Einrede vertreten.18 Wenn also § 1432 ABGB die Formnichtigkeit im Ergebnis zur Unklagbarkeit reduziert, dann ist tatsächlich eine Prozeßherrschaft der Parteien über den Vertragsbestand vertretbar und adäquat. Damit ist zugleich auch die Grenze dieser Parteienherrschaft aufgezeigt: Sie muß dort gezogen werden, wo auch Heilung durch Erfüllung ausscheidet, weil diese Disponibiliät solche Interessen beeinträchtigt, die nicht von den Vertragsteilen 16 Anders freilich die deutsche Rechtsprechung: Siehe BGH 13.12.1968 LM § 125 BGB Nr. 29; es in das Belieben der Parteien zu stellen, sich auf sie begünstigende, wenngleich mangelbeladene rechtsgeschäftliche Regelungen zu berufen, birgt übrigens ein liberales Gedankengut, das auch für die Entwicklung von Anfechtungsrechten eine wichtige Rolle spielte; hierzu ausführlich Harder AcP 173 (1973) 209 (226); unbenommen bleibt den Parteien freilich stets, durch Prozesserklärung auf den aus der Formnichtigkeit resultierenden Anspruch (z.B. auf Herausgabe der geleisteten Sache) zu verzichten: so D.Reichert-Facilides 62 in FN 258; einschränkend zur Dispositionsbefugnis der Parteien im Prozeß Cahn AcP 198 (1998) 35 (60f). 17 Hierzu unten § 11II. 1.. 18 Manche Literaturstimmen vertreten für die Unklagbarkeit nach § 1271 ABGB (Wett- und Spielschulden) eine abweichende Meinung: vgl. den Überblick bei Krejci in Rummel II §§ 1267­ 1274 ABGB Rz. 77. Dabei wird indessen hauptsächlich auf die Durchsetzung von Allgemeininteressen abgestellt, sohin auf einen Grund, der auch bei der Formnichtigkeit (siehe sogleich unten § 3 I. 3.) zur amtswegigen Beachtung führen muß; vgl. Krejci in Rummel II §§ 1267-1274 ABGB Rz. 77; Wolff, in Klang V 990f, äußert sich zwar im Sinne der amtswegigen Beachtung, doch soll ein Verzicht auf die Einwendung der Unklagbarkeit gültig sein.

selbst vertreten werden.19 Eine Wahrnehmung von Interessen der Öffentlichkeit bzw. Dritter kann aber von den Parteien selbst nicht erwartet werden. Solche Interessen sind vielmehr amtswegig durchzusetzen, wenn und solange die gerichtliche Durchsetzung des formmangelhaften Geschäfts inter partes eben diese Interessen gefährdet.20 Nach alledem ist es nur systemgerecht, bei Formvorschriften im Parteieninteresse die amtswegige Beachtung der Nichtigkeit zurükzunehmen. Für das deutsche Recht stützt vor allem die Heilungsmöglichkeit die Ansicht, Formmängel seien durch Einrede geltend zu machen. Denn ganz offenbar steht auch hier die Formnichtigkeit - im Gegensatz zu anderen Arten der Nichtigkeit - zur (beschränkten) Disponibilität der Parteien.21 Für die spezielle Heilungsvorschrift des § 313 Satz 2 BGB jedenfalls wird - neben anderen Erwägungen - vom historischen Gesetzgeber gerade der Vorteil der Disponibilität des Formzwangs hervorgehoben. Insbesondere bei weniger bedeutenden Grundstücksveräußerungsverträgen stellt die Heilung durch Erfüllung ein Instrument der Vermeidung prohibitiver Wirkungen der Formkosten dar.22 Damit wird der Form etwas von ihrem Oktroyismus genommen. Allerdings nur ein kleiner Teil, weil mittels des nachträglich eingefugten23 § 925a BGB wiederum sichergestellt sein soll, daß Grundbucheintragungen nur vorgenommen werden, Heilung sohin nur eintritt, wenn eine (wenngleich womöglich inhaltlich mangelhafte) Vertragsbeurkundung stattgefunden hat.24 Dabei knüpft § 925a BGB an die Beurkundung der Auflassung an, weil der Grundbuchrichter selbst das Bestehen und die Gültigkeit des Titelgeschäfts nicht zu prüfen hat.25 Demnach sollen Auflassungserklärungen vom Notar26 nur entgegengenommen werden, wenn die Urkunde gemäß §313 BGB gleichzeitig errichtet oder vorgelegt wird. Auch in allen weiteren Fällen der Heilung wird die Nichtigkeit zur Disposition gestellt: Die Erfüllung in Kenntnis oder Unkenntnis des Mangels führt zur Vertragsgültigkeit. Damit aber erscheint auch nach deutschem Recht ein Erfordernis der einredeweisen Geltendmachung der Nichtigkeit jedenfalls bei solchen Formvorschriften vertretbar, die eine Heilung durch Erfüllung zulassen.

19 Hierzu unten § 11II. 5.. 20 Was freilich bei dem Drittschutz dienenden Formvorschriften häufig nicht der Fall ist; hierzu sogleich unten § 3 I. 2.; daß im übrigen die österreichische Rechtsprechung - aus jüngerer Zeit etwa OGH 11.1.1996 ZVR 1997/34 - immer wieder undifferenziert betont, die Nichtigkeit gemäß § 879 ABGB sei nur auf Einrede hin zu beachten, ist bedenklich. Freilich begünstigt diese Rechtsprechung die hier vertretene Ansicht, eine Geltendmachung sei jedenfalls bei Formen im Parteieninteresse erforderlich. 21 Wobei hier nicht darauf einzugehen ist, ob das deutsche Recht ein allgemeines Prinzip der Heilung durch Erfüllung kennt; zur Heilung unten § 11 III.. 22 Siehe die Denkschrift bei Mugdan II 1237. 23 Siehe das Gesetz vom 5.3.1953 BGBl. 1953 I 33; Vorläufer dieser Bestimmung war die Verordnung vom 11.5.1934 RGBl. 1934 I 378. 24 Hierzu auch Heckschen 28. 25 So schon die Motive, wonach eine nicht heilbare Nichtigkeit den Grundbuchrichter zum Irrtum verleiten könnte, er dürfe keine Eintragungen bzw. Beurkundungen von Auflassungen ohne Vorlage der Urkunde über das Titelgeschäft vornehmen; siehe hierzu die Motive bei Mugdan II105. 26 Oder von einer sonstigen zuständigen Stelle; siehe § 925 BGB.

d. Teleologische Aspekte

Fraglos entspricht dies auch Sinn und Zweck von Formvorschriften, die Parteieninteressen dienen wollen. Denn insoweit es um den Schutz der Parteien geht, ist eine amtswegige Wahrnehmung der Formnichtigkeit aus der Sicht der geschützten Partei(en) unnötig und bisweilen kontrapoduktiv. Denn jedenfalls im Streitfälle, also ex post, kann es den Parteien überlassen werden, selbst darüber zu entscheiden, ob sie die Einrede der Formnichtigkeit erheben wollen. 2. Formen im Drittinteresse Dient die Form Drittinteressen, so spricht zwar prima facie manches dafür, den Richter des inter partes ausgetragenen Rechtsstreits zum Sachwalter der nicht am Verfahren beteiligten Interessenträger zu ernennen, doch ist dies nicht immer zwingend geboten: Meistens stört die Durchsetzung des Vertrages inter partes die Interessen von nicht am Vertrag beteiligten (wenngleich durch die Formvorschrift geschützten) Dritten nicht. Ein Interesse Dritter an der Vertragsform liegt nämlich nur in Ausnahmesituationen vor. So etwa, wenn ein Dritter in die Position eines Vertragsteils nachrückt (ein Fall, auf den z.B. § 566 BGB abstellt), oder aber, wenn Gläubiger auf das Vermögen ihres Schuldners zugreifen wollen (vgl. den Gläubigerschutzzweck des § 1 NZwG). In beiden Fällen handelt es sich nur um Eventualsituationen, die Interessengefährdung tritt also nur bedingt ein. Regelmäßig genügt es dann auch, wenn die entsprechenden Verträge diesen Dritten gegenüber nichtig sind, eine schon vorzeitige amtswegige Beachtung der Ungültigkeit durch das Gericht bei Streitigkeiten inter partes ist nicht erforderlich. Sie bringt häufig auch nicht viel, weil schon dargelegt wurde, daß die amtswegig wahrzunehmende Nichtigkeit zumeist nur eine Antragsnichtigkeit darstellt; sie greift also ihrerseits nur in jenen (selteneren) Fällen, in denen die Parteien des Vertrages einen Rechtsstreit fuhren.

3. Formen im öffentlichen Interesse

Eine amtswegige Wahrnehmung des Formmangels leuchtet indessen bei Formen im öffentlichen Interesse ein. Behörden sind insofern Exekutoren von Allgemeininteressen. Gerade die häufig vorzufindende Kontrollform (Formalisierung des Vertrages, um ihn durch Behörden nachvollziehbar und damit kontrollierbar zu machen) und (je nach Ausprägung) auch die Registerform könnten umgangen werden, wenn der Formmangel nur auf Einrede einer Partei beachtet würde. Ein Einrederecht etwa der Kontrollbehörde kommt demgegenüber aus praktischer Sicht nicht in Frage, weil sie im Prozeß nicht Parteistellung hat und regelmäßig von solchen Verfahren auch nichts wissen wird. Von der Frage, ob der Formmangel von Amts wegen zu beachten ist, muß freilich jene unterschieden werden, ob die Sanktion in einer absoluten Nichtigkeit bestehen soll oder ob andere Sanktionsmittel geeigneter erscheinen.27 27 Vgl. hierzu unten § 3 II. 6. (Relativierung) und zu alternativen Sanktionsmechanismen allgemein § 5.

II. Relative statt absoluter Nichtigkeit?28 1. Die Abgrenzung der relativen von der einredeweise geltendzumachenden Nichtigkeit

Von der prozessualen Geltendmachung ist die personale Relativierung der Formnichtigkeit zu unterscheiden. Ein Gleichlauf von absoluter Nichtigkeit und amtswegiger Wahrnehmung einerseits, relativer Nichtigkeit und Notwendigkeit prozessualen Sich-Berufens auf den Formmangel andererseits geht nicht automatisch vonstatten. Denn es ist durchaus denkbar, die Nichtigkeit absolut (also gegenüber jedermann) wirken zu lassen, im Prozeß aber nur dann zu beachten, wenn sich die Prozeßparteien darauf berufen, mögen diese auch nicht die unmittelbaren Vertragsparteien sein. Umgekehrt ist es - zumindest theoretisch denkbar, daß die Nichtigkeit nur gegenüber bestimmten Personen wirkt, sie aber von Amts wegen wahrzunehmen ist. Indessen wird schon aus obigen Ausführungen zur Wahrnehmung des Formmangels von Amts wegen deutlich, daß absolute Nichtigkeit und Amtswegigkeit einerseits, relative Nichtigkeit und Parteiendiskretion im Prozeß andererseits regelmäßig Begriffspaare bilden, zumal die Gründe für die jeweilige Typenfindung weitgehend ident sind. Die Relativierung der Nichtigkeitssanktion geht dabei über die einredeweise Geltendmachung hinaus, zumal das Vertragsschicksal der Disposition einer Partei allein anheimgegeben ist, die andere hingegen hierauf keinen Einfluß hat. 2. Modelle relativer Nichtigkeit zugunsten einer Vertragspartei

a. Die Relativität der Undurchsetzbarkeit nach dem Statute of Frauds. Die personale Abstimmung der Sanktion mit dem Beweiszweck

Seit jeher geht der Statute of Frauds von der nur relativen Undurchsetzbarkeit formloser Verträge aus. Seinem Sinn - Vermeidung von Prozeßbetrug - gemäß, bedarf es von vornherein nur einer Formalisierung durch diejenige Partei, die in Anspruch genommen wird.29 Bei entgeltlichen Verträgen (z.B. gemäß der mittlerweile überholten 5. 40 Law of Property Act 1925) führt dies zur einseitigen Durchsetzbarkeit, wenn nur eine Partei die Beurkundung unterfertigt hat.30 Hier liegt der Grund der Relativierung in einer Abstimmung mit dem Formzweck: Dieser schützt die Parteien vor Prozeßbetrug; jener Partner, der die Formalisierung vorgenommen hat, ist aber durch die verwirklichte Form geschützt, der Undurchsetzbarkeit zu seinen Gunsten bedarf es nicht mehr. Dasselbe gilt bei Fehlen jeglicher Formalisierung, wenn der Schutz der Form von vornherein nur einer Partei zukommt. 28 Im Anschluß an Beer 61 und Collier 106f sei hier keine Unterscheidung zwischen „Nichtigkeit“ und „Unwirksamkeit“ getroffen. Zum (modernen) Verständnis der „relativen Unwirksamkeit“ Beer 86ff; sowie Strohal in 100 Jahre ABGB II 747. 29 Kritisch demgegenüber Fridman University of Toronto LJ 35 (1985) 43 (59). 30 Vgl. s. 4 Statute of Frauds und 5. 40 Law of Property Act 1925 {^...by the party to be Charged...“).

b. S. 65 par. 1 i.V.m. s. 127 Consumer Credit Act (und vergleichbare Formvorschriften) versus § 6 Abs. 1 VerbrKrG: Die personale Abstimmung der Sanktion mit dem Zweck der Sicherung privatautonomer Entscheidungsfreiheit Eine echte relative Undurchsetzbarkeit formwidriger Verträge kennt der englische Consumer Credit Act. Seine 5. 65 par. 1 läßt i.V.m. s. 127 eine Durchsetzung des Vertrages gegenüber dem Kreditnehmer entweder gar nicht oder nur mit Hilfe eines gerichtlichen Beschlusses zu. Hingegen steht dem Konsumenten jedes Durchsetzungsmittel offen. Dasselbe gilt nach 5. 5 par. 2 Timeshare Act, wenn es der Timeshare-Unternehmer unterläßt, dem Käufer eine Urkunde über den Vertragsinhalt und eine Belehrung über das Widerrufsrecht auszuhändigen. Hier ist der Timeshare-Vertrag dem Käufer gegenüber undurchsetzbar, dem Käufer steht fernerhin ein jederzeit ausübbares Rücktrittsrecht zu. Und dieselbe Regelung begegnet uns auch in 5. 4 par. 1 The Consumer Protection (Cancellation of Contracts Concluded a^ay from Business Premises) Regulations 198731: Dort wird die relative Undurchsetzbarkeit an die Nichtaushändigung der Widerrufsbelehrung geknüpft. Damit wird bei nur einseitiger Schutzrichtung auch beim Formzweck, die freie und überlegte Entscheidung zu sichern, die Rechtsfolge relativiert. Wiederum fällt die Unbekümmertheit des englischen Gesetzgebers auf: Er fühlt sich nicht an irgendwelche Vorgaben, wie sie aus der Natur der Formvorschrift erfließen könnten, gebunden, sondern statuiert eine ihm adäquat erscheinende Rechtsfolge. In deutlichem Gegensatz hierzu steht der Wortlaut der Regelung des § 6 VerbrKrG. Er spricht - ganz analog § 125 BGB - schlicht von der Nichtigkeit des Vertrages. Die ganz überwiegende Literatur setzt den Nichtigkeitsbegriff des § 6 VerbrKrG jenem in § 125 BGB gleich, wobei sie entweder schlicht von Nichtigkeit spricht, ohne eine Differenzierung zu § 125 BGB einzufuhren31 32, oder gar ausdrücklich die Identität der Rechtsfolgen nach §125 BGB und § 6 VerbrKrG hervorhebt.33 Gegenstimmen sind nur vereinzelt zu finden. Ulmer etwa hat sich - dem Formzweck entsprechend - für eine nur relative Nichtigkeit ausgesprochen.34 Demnach soll es dem Verbraucher unbenommen bleiben, auf Durchführung des Vertrages zu bestehen. So sehr diese Meinung gerade aus teleologischen Gründen zu überzeugen vermag, so sehr muß man sich auch bewußt machen, daß sie - auch wenn man sie zunächst einmal auf § 6 VerbrKrG beschränken will - der bestehenden Dogmatik zur absoluten, von Amts wegen zu beachtenden Formnichtigkeit jeden Boden entzieht. Das auch nur einmalige Abweichen von der schablonenhaft vorgefertigten Begrifflichkeit der Nichtigkeit (entgegen dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 VerbrKrG!) muß einen Rückkoppelungseffekt auf alle anderen nur im Interesse einer Vertragspartei 31 SI1987/2117. 32 Vgl. Kümpel 381; Wagner-Wieduwilt in Bruchner/Ott/Wagner-Wieduwilt § 6 VerbrKrG Rz. 3; Klingsporn/Rebmann in Erman I § 6 VerbrKrG Rz. 2. 33 Bülow § 6 VerbrKrG Rz. 5a (wo ausgeführt wird, § 6 Abs 1 VerbrKrG wiederhole die Rechtsfolge der Nichtigkeit nach § 125 BGB); ähnlich Kessler in von Westphalen/Emmerich/Kessler § 6 VerbrKrG Rz. 4 und 6 (wo insbesondere behauptet wird, auch der Verbraucher könne den Vertrag nicht durchsetzen). 34 Ulmer in Ulmer/Habersack § 6 VerbrKrG Rz. 13; ders. in MüKo III § 6 VerbrKrG Rz. 13.

aufgestellten Formerfordernisse erzeugen. Nirgendwo wäre die Vorstellung von der absoluten Nichtigkeit ungeprüft zu halten. Blickt man auf die zahlreichen Formvorschriften des europäischen Vertragsrechts, die allesamt dem Schutz der schwächeren Partei dienen, so wird fernerhin deutlich, daß die relative Nichtigkeit jedenfalls quantitativ zur weit wichtigeren Rechtsfolge würde. c. Das österreichische Beispiel: Die ausdrückliche Regelung des § 3 Abs. 2 BTVG35 sowie des § 4 Abs. 1 Satz 2 TNG36

Mit § 3 Abs. 2 BTVG findet sich in Österreich neuerdings eine ausdrückliche gesetzliche Anordnung relativer Nichtigkeit.37 Diese relative Nichtigkeit stützt sich auf die einseitige Schutzrichtung des BTVG: Geschützt wird nämlich nur der Erwerber. Dasselbe gilt für die Sprachenvorschrift des § 5 Abs. 1 TNG: Ihre Verletzung wird von § 4 Abs. 1 Satz 2 TNG durch relative Unwirksamkeit sanktioniert. Zwar findet sich mit § 4 TNG38 eine ebensp junge, einseitig schützende Formvorschrift, welche die Anordnung einer nur relativen Nichtigkeit nicht kennt, doch läßt sich eine unterschiedliche Behandlung dieser Formvorschriften - entgegen der Ansicht des historischen Gesetzgebers39 - nicht rechtfertigen. Will man Systembrüche vermeiden, so muß § 3 BTVG konsequent zur Relativierung der Nichtigkeit bei allen Formvorschriften mit einseitiger Schutzrichtung fuhren.

3. Die Relativierung der Formnichtigkeit im deutschen, österreichischen und europäischen Vertragsrecht im allgemeinen

a. Die relative Nichtigkeit entspricht der Teleologie von Formvorschriften mit einseitiger Schutzrichtung40 aa. Die Übertragung der teleologischen Argumente auf alle einseitig schützenden Formvorschriften § 6 Abs. 1 VerbrKrG ist nicht die einzige Bestimmung, der es um den Schutz (der Entscheidungsfreiheit) nur einer Partei geht. Hierzu sind - um nur einige wenige Beispiele zu nennen - die Schenkungsform (§518 BGB; in Österreich: § 1 Abs. 1 lit. d NZwG), die Bürgschaftsform (§ 766 BGB; in Österreich: § 1346 Abs. 2 ABGB), für Österreich ferner die Form des Bauträgervertrages (§ 3 BTVG) sowie der Notariatszwang für Urkunden über von Tauben, die nicht lesen können, und 35 Bauträgervertragsgesetz BGBl. 1 1997/7. 36 Teilzeitnutzungsgesetz BGBl. 1 1997/32. 37 Hierzu etwaiBöhm immolex 1997, 51 (52). 38 Hierzu Stabentheiner immolex 1997, 118 (120) m.w.N. zur Literatur in FN 1. 39 Dieser will die absolute Nichtigkeit damit rechtfertigen, daß ein Rechtsirrtum bezüglich der Formfrage praktisch ausgeschlossen sei; zu dieser Begründung kritisch und mit Nachweisen Heiss/Rudisch ecolex 1997, 238 (240); verfehlt ist der Vorwurf bei Stabentheiner, 38, diese Kritik würde die in der Regierungsvorlage gegebene Begründung nicht berücksichtigen. 40 Insofern könnte die relative Nichtigkeit auch als das Ergebnis einer „rechtsfolgenbezogenen Normauslegung" bezeichnet werden, wie sie Cahn JZ 1997, 8 (16ff) vorschlägt; daß die relative Nichtigkeit ihrerseits nicht alle Konflikte zwischen dem jeweiligen Normzweck und dem allgemeinen Nichtigkeitsbegriff löst (Cahn JZ 1997, 8 [14]), widerspricht diesem Ergebnis nicht.

Stummen, die nicht schreiben können, getätigte Geschäfte (§ 1 Abs. 1 lit. e NZwG), nach mancher Literaturmeinung auch die Form der GmbHGeschäftsanteilsveräußerung (vgl. § 15 Abs. 4 GmbHG; in Österreich: § 76 Abs. 2 GmbHG41) zu zählen. Hinzu treten aus dem europäischen Richtlinienrecht die (Konstitutiv-)Formen des Art. 4 Timeshare-Richtlinie, des Art. 4 Abs. 1 Verbraucherkredit-Richtlinie und des Art. 20 Abs. 2 Handelsvertreter-Richtlinie. Für all diese Formen könnte in Anlehnung an Ulmer gesagt werden: Mit Rücksicht auf den einseitig wirkenden Formzweck könne der geschützte Teil nach Entdecken des Formmangels am formnichtigen Vertrag festhalten und vom (nicht geschützten) Vertragspartner Erfüllung zu den (formnichtig) vereinbarten Bedingungen verlangen.42

bb. Die Treu-und-Glauben-Judikatur des BGH als Beleg für die Richtigkeit der Relativierung Die Anwendung eines solchermaßen relativierten Nichtigkeitsbegriffs würde ersichtlich einen Teil der BGH-Rechtsprechung zur Durchbrechung der Formnichtigkeit mittels Treu und Glauben überflüssig machen.43 Gerade in Fällen, in denen die Schutzrichtung der Form nur einseitig ausgerichtet ist, stellt nämlich der BGH an eine Durchbrechung der Formnichtigkeit (gestützt auf § 242 BGB) nur sehr geringe Anforderungen; er rückt dabei hauptsächlich die hier vorgetragenen teleologischen Argumente in den Vordergrund. Werden z.B. Grundstücke im Zuge einer Geschäftsbesorgung zwar in eigenem Namen aber im Auftrag eines Dritten erworben, so ist klar, daß der Beauftragte des Schutzes der Form nach § 313 BGB gar nicht bedarf. Daher stellt der BGH fest, daß in diesen Fällen die Formpflicht nur hinsichtlich der Erwerbspflicht des Auftraggebers besteht.44 45 Teleologisch gesehen konsequent meint dann der BGH: „Der Formzwang für die Erwerbsverpflichtung des Auftraggebers dient nicht dem Schutz des Beauftragten. Es sind daher Fälle denkbar, in denen es mit Treu und Glauben schlechterdings nicht zu vereinbaren ist, wenn der Beauftragte das in Ausführung des Auftrags erworbene Eigentum unter Berufung auf eine dem Schutz des Auftraggebers dienende Formvorschrift nunmehr für sich behalten könnte. "45 Und dasselbe Ergebnis erreicht der BGH auch bei einer

41 Wobei bemerkenswert ist, daß in Deutschland bisweilen vertreten wird, die Form solle dem Interesse des Veräußerers dienen (vgl. Häsemeyer 189f), wohingegen in Österreich zumindest eine Stimme auszumachen ist, derzufolge die Anteilsveräußerungsform im Erwerberinteresse vorgeschrieben sei (vgl. P. Bydlinski 35ff). 42 Hierbei handelt es sich um eine Verallgemeinerung der Aussage von Ulmer in MüKo III § 6 VerbrKrG Rz. 13; ders. in Ulmer/Habersack § 6 VerbrKrG Rz. 13; gerade in der personalen Schutzrichtung von Normen hat ferner H. Hübner in FS Wieacker 399 (404, 405) den Ansatz für eine ganz allgemeine (also keineswegs auf Formvorschriften beschränkte) Relativierung der Nichtigkeit gefunden. 43 Vgl. auch Beckmann 224ff, der richtig betont, die Treu-und-Glauben-Judikatur relativiere die Formnichtigkeit jedenfalls im Ergebnis. 44 Zuletzt BGH 2.5.1996 NJW 1996, 1960 m.N. hinsichtlich der Vorläuferentscheidungen. 45 Siehe zuletzt BGH 2.5.1996 NJW 1996, 1960 (wenngleich dort aufgrund der Umstände des Falles kein Verstoß gegen Treu und Glauben vorgelegen haben soll) unter Bestätigung mehrerer Vorentscheidungen: BGH 5.11.1982 BGHZ 85, 245; BGH 7.10.1994 BGHZ 127, 168 = LM § 313

formmangelhaften Honorarvereinbarung eines Rechtsanwaltes mit seinem Klienten. Absolute Nichtigkeit hätte aufgrund der speziellen Umstände des Falles dazu geführt, daß sich der Anwalt auf die Formnichtigkeit der Honorarvereinbarung berufen und das - in concreto höhere (!) - tarifliche Entgelt kassieren hätte können. Ein Resultat, welches der BGH freilich nicht zuließ.46 Im Ergebnis wird jeweils die Nichtigkeit relativiert.

cc. Positivrechtliche Anhaltspunkte einer Relativierung

Mit dem Teilzeit-Wohnrechtegesetz47 liegt nunmehr in Deutschland ein erster Hinweis darauf vor, daß der gesetzgeberische Wille auf eine nur relative Nichtigkeit gerichtet ist. Denn obschon das Gesetz in seinem § 3 Abs. 1 letzter Satz wie auch seinem § 3 Abs. 2 letzter Satz direkt auf § 125 BGB verweist, wird in der Begründung48 an einer Stelle nur davon gesprochen, daß dem Erwerber auch in jenen Fällen, in denen sich die Nichtigkeitssanktion mit jener des Widerrufsrechts überschneidet, die Berufung auf die Nichtigkeit möglich sein soll. Damit wird zum Ausdruck gebracht, daß die Nichtigkeit - in Verlängerung der einseitigen Schutzrichtung des Formzwecks - nur dem Erwerber dienen soll. An eine Berufung des Veräußerers auf die Formnichtigkeit wird nicht gedacht, sie wäre auch sinnwidrig. Für Österreich wurde auf die ausdrückliche Anordnung relativer Nichtigkeit im BTVG und (soweit es die Vertragssprache angeht) im TNG schon hingewiesen.49 dd. Rückschluß für die Sanktionierung von konstitutiven Formvorschriften der EGRichtlinien Daraus folgt für die (konstitutiven) europäischen Formvorschriften der Verbraucherkredit- und Timeshare-Richtlinie, daß sie jedenfalls nicht mittels absoluter Nichtigkeit sanktioniert werden müssen, weil die relative Nichtigkeit die erforderliche Formdurchsetzung garantiert und zugleich unnötige Formkosten vermeidet.50

b. Ein allfälliger Beweissicherungszweck widerspricht der Relativierung nicht Der Beweissicherungszweck wiederum - insoweit er überhaupt eine Rolle spielt51 spricht keineswegs gegen die Relativierung. Wie dargetan, kann er - bei Sanktionierung durch Nichtigkeit - nur die Vermeidung des Prozeßbetrugs

BGB Nr. 137 (Wolf) = WM 1994, 2202; zurückhaltender BGH 2.5.1996 DNotZ 1998, 941; vgl. zu ähnlichen Rechtsprechungsergebnissen in Zusammenhang mit § 766 BGB Reinicke/Tiedtke 40. 46 BGH 26.10.1955 BGHZ 18, 340 (349). 47 Siehe BGBl. 1996 I S. 2154. 48 BR-DS 887/95 vom 29.12.1995, 22. 49 Siehe § 3 Abs. 2 BTVG; sowie § 4 Abs. 1 S. 2 TNG. 50 Mag eine solche Sanktionsweise auch europarechtlich zulässig sein. 51 Vgl. oben § 2 III. 3. b., wonach bei den meisten Formvorschriften der Beweiszweck nur eine untergeordnete Rolle spielt.

bedeuten52, bezieht sich sohin wiederum deutlich auf ein subjektives Interesse einer beteiligten Partei. Keinesfalls fordert dieser Formzweck mehr als eine Nichtigkeit zugunsten des Geschützten.53 c. Systematische Erwägungen: Die Abstimmung relativer Nichtigkeit mit der Heilungsmöglichkeit und dem Anfechtungsrecht bei Willensmängeln aa. Der gedankliche Zusammenhang der Heilung durch Erfüllung mit der relativen Nichtigkeit Indessen ist das teleologische Argument keinesfalls das einzige, das in Richtung einer relativen Nichtigkeit zeigt. Systematische Erwägungen kommen hinzu. Eine bloß relative Nichtigkeit steht nämlich im Einklang mit den vielen Fällen der Heilung des Vertrages.54 So etwa in Österreich, wo ganz allgemein davon die Rede ist, Heilung trete immer dann ein, wenn jene Leistung erbracht wird, um deretwillen die Form vorgeschrieben ist.55 Gleichgelagert sind die meisten Fälle der Heilung durch einseitige Leistungserbringung im deutschen Recht. Für die Schenkungs- und die Bürgschaftsform gilt dies unmittelbar, für den GmbHAnteilsveräußerungsvertrag dann, wenn man mit Häsemeyer56 den Zweck der Form nach § 15 GmbHG im Schutz des Veräußerers vor Übereilung sieht. Indessen sind im deutschen Recht deutlich Fälle auszumachen, in denen diese Konstruktion nicht zutrifft. So etwa nach § 313 BGB heutiger Fassung, zumal die Form beide Parteien schützt, die bloße grundbücherliche Durchführung indessen den Vertrag validiert. Ebenso deutlich gilt dies für § 6 Abs. 2 VerbrKrG: Hier ist es die Auszahlung des Kredits durch den (gar nicht geschützten) Kreditgeber, die den Vertrag heilt. Damit wird deutlich: Heilung kann nicht (immer) mittels relativer Nichtigkeit erklärt werden.57 Indessen geht es hier nicht darum, die dogmatische Natur der Konvaleszenz zu klären, sondern aufzuzeigen, daß Heilung durch Erfüllung seitens des geschützten Teils im Ergebnis zur relativen Nichtigkeit führt.58 Man kann diese Feststellung anhand der Frage festmachen, ob der nicht geschützte Empfänger die Heilung verhindern kann, indem er die Leistung nicht annimmt. Ein solches Verweigerungsrecht anzunehmen, besteht in solchen Fällen kein Grund.59 Die Situation wird noch deutlicher, wenn man an die Heilung kraft vollständiger Erfüllung bei Formvorschriften, die den Interessen beider Parteien dienen, denkt. Trotz absoluter Formnichtigkeit, auf die sich ja jedermann - also auch ein Dritter 52 Oben § 2 III. 3. d. cc.. 53 Zum Verhältnis dieses Formzwecks zur (absoluten) Formnichtigkeit oben § 2 III. 3.. 54 So auch Beckmann 164f. 55 Näheres unten § 12 II. 1.. 56 Häsemeyer 189f. 57 So allerdings kursorisch U. Hübner in FS H. Hübner 487 (493). 58 Das überrascht nicht, wenn man mit Coing, DNotZ 1965 (Sonderheft Dt. Notartag 1965) 29 (32), davon ausgeht, der deutsche Gesetzgeber habe gerade bei den Formvorschriften des Schuldvertrages im Parteieninteresse die Starrheit seiner Regelung gespürt und daher die Heilungsvorschriften eingebaut. 59 Und zwar auch und ganz besonders dann nicht, wenn man mit Häsemeyer bei derart heilbar nichtigen Verträgen von relativen Rechtsgrundabreden ausgeht; siehe Häsemeyer (insb.) 248f; näheres unten § 11III. 3..

berufen darf, wird mit der Heilungsmöglichkeit den Parteien eine Dispositionsmöglichkeit an die Hand gegeben, die zur Relativität der Nichtigkeit in dem Sinne fuhrt, daß Dritten eine Berufung hierauf eben nicht (mehr) möglich ist.

bb. Die relative Nichtigkeit nähert sich der Anfechtung bei Willensmängeln Von dieser Relativierung durch Heilungsnormen abgesehen, erscheint die relative Nichtigkeit im Gesamtgefüge der Rechtsfolgen von mängelbehafteten Rechtsgeschäften auch adäquat. Insoweit es nämlich um die nachdrückliche Sicherstellung privatautonomer Entscheidungen geht, folgt aus einem Mangel der Form eine hinsichtlich der Willensbildung unvollkommene rechtsgeschäftliche Regelung. Es wurde schon dargetan, daß die Typizität der in Frage kommenden Willensmängel einen Vergleich zu den Gründen für eine Anfechtung zulassen, sich den anderen Nichtigkeitsgründen60 gegenüber hingegen als heterogen ausmachen.61 Ausgenommen sind nur jene Tatbestände verbotswidriger oder sittenwidriger Verträge, wo das Unwerturteil, welches die Nichtigkeit bewirkt, gerade in der Beschränkung der Willensfreiheit einer Vertragspartei liegt. Es ist aber genau dieser Bereich Verbots- und sittenwidriger Verträge, für den Krejci aus eben denselben Gründen eine Relativierung der Nichtigkeitsfolgen vertreten hat.62 Und mit sehr ähnlichen Erwägungen hat auch U.Hübner für das deutsche Recht die Relativierung der Nichtigkeit gefordert.63 Für das englische Recht spricht Whittaker aufgrund derselben Überlegungen - fast selbstverständlich - von bloß relativer Nichtigkeit.64 Die Relativierung der Nichtigkeit bringt die Sanktion von Formmängeln deutlich in die Nähe der Anfechtungsrechte und damit mit diesen in systematische Harmonie.65

60 So etwa gegenüber der Nichtigkeit wegen Verbotswidrigkeit (§ 134 BGB; § 879 ABGB) oder Sittenwidrigkeit (§138 BGB; § 879 ABGB); zur Nichtigkeit wegen mangelnder Ernstlichkeit gemäß § 118 BGB oben § 2 III. 2. d.. 61 Hierzu schon oben § 2 III. 2. b.. 62 Krejci in Bydlinski/Krejci/Schilcher/Steininger 127 (130 und 138f) mit einem Plädoyer für ein bewegliches System; ders. in Rummel I § 879 ABGB Rz. 250; wenn Krejci (ebendort) seine eigene Position einschränkt, indem er auf Fälle (gerade im Arbeitsrecht) verweist, in denen der geschützte Teil eben die Nichtigkeit regelmäßig nicht geltend macht, sondern die tatsächliche Vereinbarung duldet oder sogar ausdrücklich bestätigt, so hat dies mit der Frage relativer Nichtigkeit nicht unmittelbar zu tun, sondern mit der zwingenden Natur dieser Rechtsfolge. Duldung oder ausdrückliche Bestätigung heilen eben den nichtigen Vertrag nicht. Eine andere Frage ist es, ob der Geschützte die relative Nichtigkeit einwenden muß oder diese vom Gericht amtswegig beachtet wird. Aber auch in letzterem Falle braucht die Nichtigkeit nicht notwendig eine absolute zu sein: Sie mag etwa in Streitfällen, in denen der Geschützte keine Parteistellung hat, unerheblich sein. 63 Es entspricht z.B. dem Ansatz von Krejci (Abstellen auf die Verdünnung des Vertragswillens), wenn U. Hübner in FS H. Hübner 487 (501) etwa im Bereich des § 138 BGB dann relative Nichtigkeit annimmt, wenn eine Ausnützung von Übermachtpositionen oder eine Knebelung konstatiert wird; auch Damm JZ 1986, 913 (926) plädiert ganz allgemein für die stärkere Berücksichtigung betroffener Interessen bei der Rechtsfolgenbestimmung. 64 Whittaker in Chitty I 20. 65 Hierzu schon oben § 2 III. 2. b. und c..

d. Die Optimierung privatautonomen Spielraums und Minimierung der Formkosten

Die Relativierung der Nichtigkeit stimmt fernerhin das Ziel der Formzweckverfolgung mit jenem der Gewährung möglichst weitgehender Privatautonomie ab. Damit reduziert sie zugleich deutlich die Kosten der Form, ohne deren Effizienz zu gefährden. Die bloß relative Nichtigkeit respektiert den freien Parteiwillen jedenfalls insoweit, als eine Negierung vom Formgebot her gar nicht gefordert ist. Sie bindet den nicht geschützten Teil, was nur konsequent ist, weil er sich nach der gesetzgeberischen Absicht auch ohne Form verpflichten kann. Über die Wahlmöglichkeit zugunsten des Geschützten stellt die relative Nichtigkeit ferner sicher, daß die Kosten der Formnichtigkeit jedenfalls dann nicht zum Tragen kommen, wenn sie offenkundig mit keinerlei Formnutzen korrespondieren. Will der Geschützte die Nichtigkeit nämlich (ex post!) gar nicht, dann handelt es sich jedenfalls um Situationen, in denen der Gesetzgeber seine Sorge um die betreffende Vertragspartei beruhigt zurückstellen kann. e. Die Aufrechterhaltung und Steigerung der Präventivfunktion und damit der Effizienz des Formgebots Die Macht des geschützten Teils, das Vertragsschicksal bestimmen zu können, senkt dabei keineswegs die Effizienz des Formgebots. Zunächst werden nämlich die Formvorteile jeden Formschützling nach wie vor dazu ermutigen, die Form zu wahren. Sollte man aber davon ausgehen, der wegfallende Zwang der Formnichtigkeit führe zu einem sorgloseren Verhalten des Geschützten, so wird diese mögliche Effizienzsenkung durch eine Steigerung auf der anderen Vertragsseite mehr als ausgeglichen. Denn angesichts der bloß einseitig entstehenden Bindung wird der Geschäftspartner des Formadressaten unbedingt auf Formwahrung beharren. Und gerade von ihm ist eine Formwahrung eher zu erwarten als vom Geschützten selbst. Damit aber würden zugleich in weiten Teilen jene Bedenken des historischen BGB-Gesetzgebers zerstreut, wonach die Form gerade für die „wirtschaftlich schwachen und geschäftlich unbewanderten Personen“ ein „zweischneidiges Schwert“ bilde.66 Das bezieht der BGB-Gesetzgeber wohl zu allererst auf die Tatsache, daß es gerade durch die Schriftform leichter werde, dem (unerfahrenen) Partner nicht ausgehandelte Vertragsinhalte zu unterschieben; und hierbei handelt es sich gewiß um Probleme, die nur durch Transparenzvorschriften (z.B. durch ein Verlangen nach „hervorgehobenem Druck“) beseitigbar sind.67 Aber auch die mangelnde Kenntnis der Formvorschrift wird zu dieser Zweischneidigkeit gezählt, und auch hier sind Mißbräuche denkbar, zumal in jenen Fällen, in denen der geschützte Teil auf den Vertrag angewiesen ist. Dies trifft zu, wenn er z.B. bei einem gemeinnützigen Wohnbauunternehmen (also auf einem oligopolistisch organisierten Markt) eine Eigentumswohnung kauft, bzw. wenn er im Vertrauen auf die vermeintliche Gültigkeit des Vertrages disponiert hat. Hier können Situationen eintreten, in denen der überlegene Vertragspartner opportunistisch handelt; so etwa, 66 Vgl. die Motive bei Mugdan 1451. 67 Gerade in diesem Sinne sind viele Formvorschriften des EG-Richtlinienrechts zu verstehen; vgl. Heiss in Schnyder/Heiss/Rudisch (Hg.) 87 (93f).

wenn er auf Drängen des geschützten Teils zwar eine nachträgliche Beurkundung des Vertrages zusagt, nunmehr aber Konditionen fordert, die er ehedem nicht erzielen hätte können. Solche Wirkungen können vermieden werden, indem man die Formnichtigkeit relativiert. Der regelmäßig zu unterstellende Wissensvorsprung geschäftsgewandter Vertragsteile verliert durch die relative Nichtigkeit sein Benachteiligungspotential. Auch dies steigert die Effizienz des Formgebots. 4. Die Bedeutung der „relativen Formnichtigkeit“ bei Formen im Parteieninteresse

a. Formen mit einseitiger Schutzrichtung aa. Problemstellung Die bisherigen Ausführungen sprachen von der relativen Nichtigkeit schlichtweg im Sinne einer personalen Ausrichtung der Sanktion. Indessen fragt sich, wie dieser Zustand eines relativ formnichtigen Vertrages und insbesondere auch die gegenseitige Stellung der Parteien zueinander zu beschreiben sind. Denn mit dem schlichten Hinweis, dem geschützten Teil sei die Durchsetzung des Vertrages möglich, dem nicht geschützten hingegen versagt, sind die entscheidenden, im Zusammenhang auftretenden Fragen nicht beantwortet. Die Eckpunkte des sich eröffnenden Problemfeldes können dabei anhand zweier Fallkonstellationen beschrieben werden: Zum einen könnte ein Formschützling den formwidrigen Vertrag als gültig behandeln, insbesondere auch Ansprüche geltend machen, die vom nicht geschützten Partner befriedigt werden. Weil in solchen Fällen die Formwidrigkeit ja keineswegs beseitigt wird, fragt es sich, ob der geschützte Teil Leistungen in Anspruch nehmen kann, zu deren Erbringung sein Vertragspartner verpflichtet ist, um sich dann zu einem späteren Zeitpunkt auf die Nichtigkeit des Vertrages zu berufen und Rückabwicklung zu begehren. Bei einer personalen Relativierung der Nichtigkeit wäre dies wohl die konsequente Folge. Oder würde es dem relativen Charakter eher angemessen sein, daß der geschützte Teil dann, wenn er den Vertrag als gültig behandelt, sich seiner Einrede begibt? Umgekehrt könnte eine zweite Fallkonstellation gerade darin bestehen, daß sich der geschützte Teil ständig unter Berufung auf den Formmangel der Leistungspflicht entzieht, später aber - unter Berufung auf die nur relative Nichtigkeit - den Vertrag durchsetzt. Kurzum: In beiden Fällen geht es um die Begrenzung der Willkürsherrschaft des geschützten Teils über das Vertragsschicksal. Gefordert ist Rechtsklarheit zugunsten des Vertragspartners; hinkende Rechtsgeschäfte sollen verhindert werden.68 68 Auf diesen Aspekt verweist besonders Hagen in FS Schippel 173, der eine Relativierung durch Abstimmung der Sanktion auf den Schutzbereich der Formvorschrift für nicht undenkbar hält und richtig darauf verweist, daß die Rechtsprechung über Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu sehr verwandten Ergebnissen in Einzelfallen gelangt, letztlich aber die relative Nichtigkeit als „aus praktischen Gründen unerwünscht“ beurteilt, weil hinkende Rechtsverhältnisse entstehen würden. Freilich kann man dann die Rechtsprechung zu § 242 BGB mit eben derselben Begründung in Frage stellen; zum Problem aus englischer Sicht wegen spezieller Umstände beim Statute of Frauds (bzw. bei 5. 40 Law of Property Act 1925) Annand LQR 105 (1989) 553 (556) unter Verweis auf Farrell v Green (1974) 232 EG 587.

bb. Kein formloser Verzicht auf die Formnichtigkeit

Als teilweise antinomische Prinzipien stehen sich dabei die zwingende, sohin unverzichtbare Natur der Formnichtigkeit einerseits, der Vertrauensschutz mit Blickrichtung auf den Partner des Geschützten andererseits gegenüber. Es ist ebenso denkbar, die Berufung auf die Nichtigkeit stets zuzulassen, wie auch diese Einrede schon dann zurückzunehmen, wenn der Formadressat auch nur irgendeine Leistung aus dem Vertrag in Anspruch genommen hat bzw. überhaupt in irgendeiner Weise den Vertrag bestätigt hat. Verschiedene Varianten stehen zur Verfügung. So etwa die Lösung des englischen Timeshare Act, dessen s. 5 par. 3 die relative Unklagbarkeit wie auch das (infolge des Formmangels grundsätzlich perpetuierte) Rücktrittsrecht zurücknimmt, wenn und sobald der Käufer in irgendeiner Weise den Vertrag bestätigt. Umgekehrt entspricht es dem Nichtigkeitsbegriff des § 125 BGB, die Berufung auf die Formnichtigkeit auch dann noch zuzulassen, wenn der Geschützte darauf (formlos) verzichtet. Indessen ist auch hier die Nichtigkeit wiederum nicht völlig unverzichtbar. Jedenfalls insoweit Heilungsvorschriften eingreifen, kommt der Erfüllung die Wirkung eines Verzichts auf die Einrede der Formnichtigkeit zu. Auch zeigt § 6 Abs. 2 VerbrKrG, daß schon eine Beanspruchung des Kredits durch den Verbraucher den Vertrag validieren kann, wenngleich hier freilich Vertragsmodifikationen den Schutz, wie er zunächst von der Nichtigkeit gewährt wird, substituieren. Indessen handelt es sich bei § 6 Abs. 2 VerbrKrG ersichtlich um eine Sonderbestimmung, die zwar für eine legislatorische Behandlung ähnlicher Problemlagen Pate stehen mag, aus der aber ein generelles Prinzip nicht ableitbar ist. Vorbehaltlich der Heilung durch Erfüllung und ihr gleichkommender Institute des Vertrauensschutzes ist die Formnichtigkeit nicht verzichtbar. Das Problem des Schutzes des Vertragspartners ist daher über eine formlose Bestätigung des Vertrages allgemein nicht zu lösen: Offenkundig würde durch die Möglichkeit formloser Bestätigung das Formgebot (jedenfalls teilweise) unterlaufen. cc. Die Möglichkeit formloser (endgültiger) Vernichtung des Vertrages Hingegen läßt es sich mit der Formnichtigkeit vereinbaren, wenn der Formadressat auf die Durchsetzung des Vertrages endgültig verzichtet, er sohin diese Wahlmöglichkeit formfrei aufgibt. Denn die Form will ihn vor mangelnder Willensbildung bei Eingehen der Vertragsverbindlichkeit schützen. Die endgültige Vernichtung des Vertrages liegt sohin in der Zielrichtung der Form, sie kann formfrei erfolgen. Man kann sich dabei der von Häsemeyer mit personaler Schutzrichtung versehenen Denkfigur der Rechtsgrundabreden bedienen.69 Demnach verpflichtet sich der nicht geschützte Teil wirksam, wohingegen das Leistungsversprechen des Formadressaten nur eine Rechtsgrundabrede erzeugt. Zwei Konsequenzen bringt diese Konstruktion notwendig mit sich: Der nicht geschützten Partei muß ein Zurückbehaltungsrecht an der eigenen Leistung zustehen, solange der Bestand des Vertrages nicht gesichert ist. Dem Geschützten 69 Zur Wirkungsweise von relativen Rechtsgrundabreden im einzelnen siehe Häsemeyer 25 Iff

aber muß es jederzeit freistehen, die Rechtsgrundabrede und damit den Gesamtvertrag endgültig zu vernichten. Letzteres läßt sich unproblematisch und mangels Formzweckgefährdung - formfrei umsetzen: Der Formadressat hat das Recht, von der Rechtsgrundabrede jederzeit zurückzutreten, mit dem Rücktritt fällt der Vertrag endgültig dahin.

dd. Der Schutz der anderen Partei: Anbot der Formnachholung Der nicht geschützte Partner kann sich seinerseits Klarheit verschaffen, indem er nicht nur seine Leistung zurückhält, sondern Formalisierung anbietet. Mit der Rückweisung des Angebots der Formalisierung durch den Formschützling ist zugleich ein Rücktritt von der Rechtsgrundabrede verbunden. Auch damit fallt der Vertrag endgültig dahin, und dem Vertragsgegner ist Klarheit verschafft. Läßt sich der Geschützte indessen auf die Formwahrung ein, so wird ihm ohnehin all jener Schutz zuteil, wie er vom Gesetzgeber vorgesehen ist. Dabei sollte diese Konstruktion auch in der Lage sein, opportunistisches Verhalten der geschützten Partei mit Blick auf getätigte Vertrauensinvestitionen seines Partners hintanzuhalten. Denn auch bei absoluter Nichtigkeit werden Vertrauensdispositionen stets so lange getroffen, wie der Formmangel nicht erkannt wird und die Parteien daher an die Formgültigkeit glauben. Erst wenn den Parteien der Formmangel bewußt wird, können sie entsprechende Maßnahmen treffen. Dasselbe gilt bei relativer Nichtigkeit: Erkennt der nicht geschützte Teil den Formmangel, dann liegt es bei ihm, den Formschützling zur Formwahrung oder aber zum Rücktritt aufzufordern. Sollte aber der begünstigte Teil Kenntnis von der Formnichtigkeit erlangen, so stellen die drohenden Schadensersatzsanktionen eine deutliche Präventivwirkung gegenüber jeglicher zögerlicher Ausübung des Rücktrittsrechts dar: Mit Kenntnisnahme vom Formmangel tritt nämlich die weiter unten im einzelnen beschriebene70 - culpa-in-contrahendo-Haftung ein, welche (analog §§ 307, 309 BGB) an eine Kenntnis oder ein Kennenmüssen des Nichtigkeitsgrundes anknüpft. b. Formen mit beiderseitiger Schutzrichtung

Das soeben entwickelte Modell der Relativierung des Nichtigkeitsbegriffs läßt sich freilich auf jene Fälle übertragen, in denen der Schutz der Form beiden Vertragsteilen zukommen soll.71 Hier kann jede der beiden Parteien die andere zur nachträglichen Formwahrung auffordern. Eine Verweigerung durch den anderen Teil fuhrt zum Rücktritt vom formlosen Geschäft und der Vertrag ist endgültig vernichtet.

70 Siehe unten § 14 und (insb.) § 16. 71 Hier ist freilich die Problematik hinkender Rechtsgeschäfte nicht so virulent wie bei Formen mit einseitiger Schutzrichtung.

5. Relative Nichtigkeit und Drittschutz a. Das Konzept relativer Nichtigkeit und die Teleologie der Formvorschriften im Drittinteresse

Die dargelegte Relativierung der Nichtigkeit je nach Schutzrichtung der Form müßte konsequent dahingehend weiterverfolgbar sein, daß bei Schutz solcher Interessen, deren Träger nicht die Vertragsparteien sind, eine auf die tatsächlichen Interesseträger beschränkte Nichtigkeit ausreichen müßte. Das gilt freilich nur dann, wenn die Form nur solche Drittinteressen verfolgt.72 Es ist sohin der Frage nachzugehen, ob sich eine Gültigkeit inter partes mit der auf Nichtparteieninteressen abzielenden Schutzrichtung derart vereinbaren läßt, daß diese Fremdinteressen durch die Relativität der Nichtigkeit nicht gefährdet werden. Hierfür sind zunächst die potentiellen Interessen dieser von der Form begünstigten Dritten herauszuschälen. Denn recht besehen kann es jedenfalls nicht um den Schutz und die Garantie ihrer privatautonomen Entscheidungsfreiheit gehen. Mangels Parteistellung haben sie auf den Vertrag keinen Einfluß, eines solchen Schutzes bedürfen sie nicht. Vielmehr geht es bei den Drittinteressen um die Möglichkeit der (zuverlässigen) Kenntnisnahme von Vertragbestand und -inhalt. Ein solches Interesse ergibt sich immer dann, wenn der Vertrag auch die Position des Dritten berührt; angesichts der obligatorischen Natur schuldrechtlicher Rechtsgeschäfte handelt es sich um Ausnahmesituationen. In Frage kommen Fälle der Sukzession in die Rechtsposition eines Vertragspartners; so etwa nach deutschem Recht im Falle der Veräußerung eines vermieteten Grundstücks.73 Hier soll es dem Erwerber des Grundstücks, der in den Mietvertrag ex lege eintritt, möglich sein, infolge schriftlicher Beurkundung des Mietvertrags die Bedingungen und insbesondere die Dauer des Mietverhältnisses (damit auch das Bestehen von Auflösungsmöglichkeiten) zu ersehen. Ähnlich will das österreichische NZwG Gläubiger vor einer Vermögensverschleierung im Insolvenzfall des Schuldners schützen, indem der Abschluß und der Inhalt bestimmter Ehegattenverträge objektiv nachvollziehbar gemacht werden. § 1 Abs. 1 lit. a-c NZwG stellt daher diverse Rechtsgeschäfte unter Notariatsaktspflicht.74 Beide Formvorschriften im Drittinteresse kennen indessen ihrem Wortlaut nach keine Relativierung der Rechtsfolge. § 566 BGB sanktioniert den Formfehler mit der Fiktion, der Mietvertrag sei auf unbestimmte Zeit geschlossen und damit einer vorzeitigen Auflösung leichter zugänglich. Er unterscheidet eben nicht zwischen den Rechtsbeziehungen inter partes und jenen zum (potentiellen) Erwerber des Mietobjekts. Ebenso sieht § 1 NZwG schlicht die Ungültigkeit des Vertrages vor, ohne zwischen Innen- und Außenverhältnis zu unterscheiden. Dabei wird allerdings für den Tatbestand der lit. c durchaus eine Relativierung der Rechtsfolge vertreten: Formwidrige Bestätigungen über den Empfang des Heiratsgutes sollen

72 Zur Problematik der Kumulierung von Formzwecken schon oben § 2 III. 1.. 73 Siehe § 571 Abs. 1 BGB. 74 Wenngleich der Formzweck des Notariatszwangsgesetzes auch im Übereilungsschutz für die Parteien liegen soll.

Konkursgläubigern gegenüber nicht wirken.75 Allerdings gilt es zu § 1 Abs. 1 lit. a und b NZwG anzufugen, daß der historische Gesetzgeber betont hat, die Form würde nicht nur dem Drittschutz, sondern auch dem Parteienschutz dienen. Wegen der Bündelung von Parteien- und Drittinteressen leuchtet eine nach allen Richtungen ausstrahlende Sanktion ein.

b. Systematische Argumente

Im Gegensatz zu den Formvorschriften im Parteieninteresse kann für eine Relativierung der Formnichtigkeit bei Schutz von Drittinteressen weder ein systematischer Vergleich zu den Rechtsfolgen von Willensmängeln noch zu den Heilungstatbeständen ins Treffen geführt werden. Dennoch zeigt auch hier ein Vergleich zu anderen Fällen von Drittschutz im Schuldvertragsrecht, daß eine Relativierung der Rechtsfolgen durchaus systemkonform ist. Besonders deutlich wird dies für die Form der Ehegattenverträge nach österreichischem NZwG, insoweit diese dem Gläubigerschutz dienen sollen. Denn der Schutz der Gläubiger vor Transaktionen des Schuldners, die dieser tatsächlich vornimmt oder aber auch nur vortäuscht, um seine Kreditoren im Konkursfall zu verkürzen, ist eben nicht nur Gegenstand des NZwG. Derselbe Gläubigerschutzzweck unterliegt auch der Anfechtungsordnung sowie den Anfechtungsbestimmungen der KO.76 Dort aber wird den Gläubigem schlicht ein Anfechtungsrecht eingeräumt, (absolute) Nichtigkeit kennen diese Regelungen nicht. Und gerade für das deutsche Recht, dem die Figur der relativen Unwirksamkeit durchaus geläufig ist77, wird für die Bestimmung des § 566 BGB eine relative Unwirksamkeit mehr oder weniger ausdrücklich vertreten.78 Die gesetzliche Regelung, nach deren Wortlaut die Rechtsfolge der Formverfehlung auch inter partes wirken soll, wird als verunglückt angesehen.79 Häsemeyer zieht die naheliegende Konsequenz; obwohl er ein Verfechter absoluter, von Amts wegen zu beachtender Nichtigkeit ist, hält er die Unwirksamkeit des Mietvertrages dem Erwerber gegenüber für die richtige und passende Lösung.80 Freilich leuchtet hier nicht ganz ein, warum der Vertrag insgesamt und nicht nur die zeitliche Befristung dem Erwerber gegenüber unwirksam sein soll, wie es eigentlich der Regelung des § 566 BGB entsprechen würde. Häsemeyer hält diese Einschränkung offenbar nicht für zielführend, weil er betont, man könnte zwar für das Außenverhältnis noch auf § 566 Satz 2 BGB zurückgreifen, doch hätte dies doch wohl kaum praktische Bedeutung.81 Freilich mag es im Ergebnis zur Auflösung des Vertrages führen, wenn man die Rechtsfolge des § 566 Satz 2 BGB dem Dritten gegenüber aufrecht erhält. Das zwingt allerdings nicht dazu, das Gesetz weiter zu berichtigen als erforderlich. Es hat daher bei der Rechtsfolge der Unwirksamkeit der Befristungsabrede zu bleiben, allerdings wirkt 75 So Petrasch in Rummel II § 1225 ABGB Rz. 2. 76 Siehe §§ 27 - 43 KO sowie die Anfo. 77 Vgl. nur Beer passim. 78 Dagegen demgegenüber der BGH 24.6.1998 ZIP 1998, 1397 (1400). 79 Vgl. nur die „versteckte Berichtigung“ dieser Bestimmung in der deutschen Rechtsprechung, wie sie Häsemeyer, 11 Iff, aufzeigt. 80 Häsemeyer 294. 81 Häsemeyer 294 in FN 51.

diese eben nur gegenüber Dritterwerbern. Daraus folgt weiters, daß jede der Mietvertragsparteien eine Formwahrung fordern kann.82 Insoweit man nur auf den Drittschutz abstellt, hat selbiges auch für die Ehegattenvertragsformen des NZwG zu gelten. Wegen des vom NZwG daneben verfolgten Parteischutzes kann dies freilich nur nach Erfüllung des Vertrages inter partes gelten. Löst man nämlich die „Ungültigkeit“ im Sinne des § 1 Abs. 1 NZwG in eine solche inter partes und eine andere mit Außenwirkung auf, dann kann eine Heilung durch Erfüllung zumindest83 im Verhältnis der Parteien zueinander eintreten. Was verbleibt ist allenfalls84 eine relative Unwirksamkeit gegenüber den Gläubigem.85 Wiederum muß es dann beiden Parteien offenstehen, eine Nachholung der Form zu fordern. Ein Beispiel einer Unwirksamkeit nur gegenüber den Gläubigem findet sich übrigens in § 1226 ABGB: Wenn die Bestätigung, ein Heiratsgut empfangen zu haben, erst nach Konkurseröffnung ausgestellt wird, dann hat sie den Gläubigem gegenüber kein Beweiskraft. Im Verhältnis zwischen Geber und Empfänger soll sie jedoch wirksam sein.86 c. Das Argument der Optimierung des Verhältnisses von Vertragsfreiheit und Formzwang

aa. Allgemeines

Stellt man auf das dritte Argument zugunsten einer Relativierung der Nichtigkeit eine gegenseitig schonende Abstimmung von Formzwang und Vertragsfreiheit - ab, so wird der Wert einer nur zielgerichteten Nichtigkeit in besonderer Weise deutlich. Reicht nämlich die Nichtigkeit dem Dritten gegenüber zu dessen Schutz aus, so ist sie inter partes überhaupt nicht mehr zu rechtfertigen. bb. § 566 BGB

Für die Formvorschrift des § 566 BGB zeigt sich, daß das Drittinteresse erst mit dem Erwerb der Liegenschaft aktuell wird. Wenn aber in diesem Zeitpunkt mangels Verschriftlichung des Mietvertrages dessen Befristungsabrede nicht gegen den Dritten wirkt, dann sind die relevanten Drittinteressen vollinhaltlich gewahrt, gleichgültig, ob die Parteien und - wenn sie einen Rechtsstreit ausgetragen haben sollten - die Gerichte den Vertrag inter partes als (auch) hinsichtlich der Befristung gültig angesehen haben. Das wird in all jenen - zahlenmäßig keineswegs zu 82 So auch Häsemeyer 294; einschränkend wohl Voelskow in MüKo III § 566 BGB Rz. 13 und 17, wonach ein Vertragsteil die Nachholung der Form offenbar nur dann fordern kann, wenn Verschriftlichung verabredet war; zur gleichgelagerten, auf § 242 BGB fußenden BGH­ Rechtsprechung Michalski WM 1998, 1993 (2009). 83 Weiter unten wird freilich noch dargetan, daß es gerade bei § 1 Abs. 1 NZwG dieser Aufspaltung in Innen- und Außenverhältnis gar nicht bedarf, weil wegen der dort vorliegenden besonderen Umstände überhaupt völlige Heilung anzunehmen ist: hierzu unten § 11II. 5. b.. 84 Siehe vorige FN. 85 Zur Fortentwicklung dieser relativen Unwirksamkeit hin zu einem Anfechtungsrecht siehe sogleich unten § 3 II. 5. c. cc.. 86 So Petrasch in Rummel II § 1226 ABGB Rz. 1.

vernachlässigenden - Fällen um so deutlicher, in denen das Mietverhältnis abgewickelt wird, ohne daß es überhaupt jemals zu einer Veräußerung der Liegenschaft kommt. cc. Ehegattenverträge gemäß NZwG

Nicht ganz so evident ist die Lage beim Gläubigerschutz nach dem NZwG. Und dennoch hat auch hier selbiges zu gelten. Denn auch die Publizität von Ehegattenverträgen, wie sie das NZwG anstrebt, wird letztlich erst im Insolvenzfalle relevant. Solange der Gläubiger seine Ansprüche im Vermögen des einen Ehegatten und Schuldners gedeckt sieht, bedarf er des Schutzes des Notariatsaktes nicht und legt auch keinen Wert darauf. Geschützt werden soll er hingegen, wenn die Vermögensmittel des Schuldners nicht ausreichen und dieser behauptet, Vermögensteile an seinen Ehegatten veräußert zu haben, oder aber die Gläubigerrechte dadurch verkürzt, daß er vorgibt, seinem Ehegatten gegenüber Schulden zu haben (insbesondere aus Darlehens- und Rentenverträgen). Die relative Nichtigkeit schützt die Gläubiger vollständig: Behaupten die Ehegatten, es bestünden Verbindlichkeiten des insolventen Teils dem anderen Ehepartner gegenüber, so fuhrt die relative Unwirksamkeit des Titelgeschäfts zur Nichtberücksichtigung dieser vermeintlichen Forderungen im Insolvenzverfahren. Damit aber werden die Gläubiger vollständig geschützt. Haben die Parteien hingegen das Geschäft vollzogen (oder behaupten sie, ein solches vollzogen zu haben), so können die Gläubiger aufgrund der relativen Nichtigkeit Rückabwicklung verlangen. Auch hier werden also ihre Ansprüche vollinhaltlich, oder besser: ebenso gut wie durch absolute Nichtigkeit, gewahrt. Hinsichtlich aller angeführter Risiken nützt dem Gläubiger eine absolute, amtswegig wahrzunehmende Nichtigkeit nichts. Solange nämlich keine Insolvenzgefahr droht, haben die Parteien keinen Grund, ein Rechtsgeschäft vorzuspiegeln, sie werden also insbesondere nicht vor Gericht gehen und Ansprüche aus einem angeblichen Geschäft geltend machen. Sollten sie dies trotz allem beabsichtigen, dann garantiert gerade die Wirksamkeit inter partes, daß jener Ehegatte, der seinen Gläubigem Geschäfte vorspiegeln will, die Lust dazu verlieren wird. Denn mit rechtskräftiger Feststellung seiner Pflichten ist er seinem Ehegatten gegenüber gebunden (was in den hier erörterten Fällen der Vermögensverschleierungen zu Zeiten der Liquidität gerade nicht erwünscht ist) und die Bindung hilft ihm den Gläubigem gegenüber eben wegen der relativen Nichtigkeit nicht. Sollten indessen die Parteien ein formloses Geschäft wirklich geschlossen haben, dann schadet eine Wirksamkeit inter partes^1 den Gläubigern nicht. Trotz gerichtlicher Anerkennung von Leistungspflichten garantiert die nach außen verbleibende Nichtigkeit die Rückabwickelbarkeit im Insolvenzfall. Insgesamt wäre daher erwägenswert, die „Ungültigkeit“ des NZwG, insoweit sie den Schutz der Gläubiger will, durch eine „Anfechtbarkeit“ zu ersetzen. Zum einen wird im österreichischen Recht auch an anderer Stelle die gesetzlich angeordnete Unwirksamkeit des Geschäfts aus

87 Die freilich wegen des intendierten Parteienschutzes vor Erfüllung nicht vorliegt; vor Erfüllung können sich vielmehr auch die Parteien selbst auf die Nichtigkeit berufen. Allerdings könnten die Parteien die Geltendmachung unterlassen, was zur inter-partes-Wirksamkeit führt.

systematischen Gründen im Sinne bloßer Anfechtbarkeit interpretiert.88 Systematische Argumente legen auch im hier gegebenen Zusammenhang eine Interpretation der Unwirksamkeit als Anfechtbarkeit nahe: Dies folgt aus einer Abstimmung der Unwirksamkeit nach NZwG mit den Anfechtungsbestimmungen der Anfo und der KO. Sämtliche dort angeführten Vertragsvernichtungsmöglichkeiten bestehen in der Gewährung eines Anfechtungsrechts zugunsten der Gläubiger. Es ist sinnwidrig, die Rechtsfolge bei bloß formwidrigen Ehegattenverträgen zu verschärfen. Im übrigen würde bei der hier vertretenen Anfechtbarkeit der Schutz der Gläubiger vor benachteiligenden (vorgetäuschten) Geschäften erheblich erhöht, weil auch für den Bereich der Formwidrigkeit nach NZwG der Rückabwicklungsmodus der AnfO bzw. der KO zur Anwendung käme. Denn gerade die Vortäuschung von Bereicherungslagen erscheint aus Perspektive des Gläubigerschutzes in mancherlei Hinsicht mindestens ebenso gefährlich wie das Vorgeben wirksamer Verträge.89 Die Rückabwicklungsgrundsätze der Anfo bzw. KO würden diesem Problem jedenfalls teilweise begegnen. Ferner ermöglicht es die relative Nichtigkeit den Gläubigem, das Geschäft aufrecht zu erhalten, wenn dies im Einzelfall für sie günstig sein sollte.

d. Die Effektivität der Formdurchsetzung: Präventivwirkung

Auch unter dem Blickwinkel der Effektivität des Formgebots bestehen gegen die Relativierung der Nichtigkeit keine Bedenken. Die Gefahr der Vernichtung von dritter Hand erzeugt ausreichenden Formalisierungsdruck. Darüber hinaus wird die Effektivität des Formgebots dadurch gesteigert, daß jede Partei Formalisierung fordern kann. Mit einer einseitigen Formdurchsetzung ist auch zu rechnen: Solange sich nämlich die Umstände nicht dergestalt ändern, daß beide Parteien ihr Interesse am Vertrag verlieren, wird zumindest eine an der Durchsetzung des Vertrages interessiert sein und als Vorbedingung die Formalisierung fordern. Wann immer dies zur (nachträglichen) Formwahrung fuhrt, wird der Formzwang erfüllt und der Formzweck damit erreicht. Im Gegensatz dazu vernichtet die absolute Nichtigkeit den Vertrag auch schon in einem Zeitpunkt, in dem der Drittschutz noch gar nicht aktuell geworden ist und sich der Formmangel noch beheben ließe. Insgesamt also steht auch die Präventivwirkung einer Relativierung der Formnichtigkeit nicht entgegen, ja sie spricht sogar dafür. e. Der wertpapierrechtliche Einwendungsausschluß gegenüber Erwerbern des Papiers als Beleg für die Richtigkeit der Relativierung der Nichtigkeit im Interesse des Drittschutzes

Die Formvorschriften des Wertpapierrechts dienen dem Verkehrsschutz. Die in Frage stehenden Verkehrsschutzinteressen sind als Drittanliegen individualisierbar; der effiziente Schutz des einzelnen Dritten stellt zugleich (kollektiv betrachtet) den Verkehrsschutz sicher. Beläßt man es bei der Sicht auf den einzelnen Dritten, dann 88 Vgl. nur § 871 ABGB für die Irrtumsanfechtung; ferner § 870 ABGB für die Anfechtung wegen Arglist und Drohung. 89 Hierzu schon IVilburg in Klang VI461.

wird das dargelegte Konzept der Relativierung neuerlich bestätigt. Beispiele aus dem Wechselrecht belegen jeweils Einzelaspekte: Erstens fällt auf, daß die Kreation des Wechsels durch Formalisierung keinesfalls dem Übereilungsschutz dienen kann. Denn jeder, der wechselfähig ist, kann sich auch mündlich zur Ausstellung eines Wechsels verpflichten. Formlose Versprechen zur Ausstellung von Wechseln sind sohin (inter partes} verbindlich. Zweitens braucht der Wechsel, um überhaupt gültig zu sein, nur bestimmte Mindestkriterien an Formzwang erfüllen.90 Entspricht der Wechsel diesen Mindeststandards, gibt er aber nicht den wahren Willen des Ausstellers wieder, so wird - ganz im Sinne der Zweckrichtung der Form unterschieden. Inter partes (also im Verhältnis von Aussteller zum ersten Nehmer) gelten auch wechselrechtlich die wahren Abmachungen. Es kommt hier also zu gar keiner Nichtigkeit, vielmehr wird der Wechsel einfach nach dem wahren Willen der Parteien ausgelegt und (soweit nötig) ergänzt oder berichtigt. Die funktionale Ausrichtung der Sanktionierung von Formmängeln offenbart sich dann mit Blick auf potentielle Erwerber, also auf Dritte. Die tatsächliche Verwendung des Wechsels als Umlaufpapiers durch die Verkehrsteilnehmer ist nur dann gewährleistet, wenn diese auf die Wirksamkeit des Wechsels, so wie sie ihn (gutgläubig) erwerben, vertrauen dürfen. Daraus aber folgt, daß die Urkunde, so wie sie vorliegt, gültig sein muß, während alle Abreden, die dort nicht aufscheinen, dem Dritterwerber gegenüber ungültig sein müssen (ohne daß dies zur Gesamtvernichtung fuhren würde91). Auch hier sind formlose Abreden Dritten gegenüber unwirksam, womit deren Schutz funktional vollwertig gesichert ist. In wechselrechtlichen Sonderfällen läßt sich im übrigen die Relativierung der Formnichtigkeit ohnehin nicht umgehen: So hatte der OGH über das Schicksal eines nach Wechselrecht formgültigen Wechsels zu entscheiden, der zugleich der Formpflicht des § 1 NZwG unterlag, diese Form aber nicht wahrte. Die resultierende Nichtigkeit konnte - aus der Sicht des Verkehrsschutzes nur allzu verständlich - eben nur inter partes wirken. Das Verkehrsinteresse erforderte die wechselrechtliche Gültigkeit gegenüber Dritten, ließ demgegenüber eine Nichtigkeit inter partes ohne weiteres zu. Auch darin liegt eine Abstimmung der Formnichtigkeit mit der personalen Schutzrichtung der Formvorschrift. 6. Die Relativierung der Nichtigkeit bei Formen im öffentlichen Interesse

a. Die Bezüglichkeit der Formnichtigkeit auf den Schutz öffentlicher Interessen: Teleologische Abstimmung

Formzwang im öffentlichen Interesse dient der erleichterten Überwachung (Kontrollfunktion) bzw. der Publikmachung rechtlicher Vorgänge (Form als Registrierungsvoraussetzung). Insoweit Vertragsschlüsse einer Überwachung bzw. Registrierung bedürfen, fällt diese um so leichter, je nachvollziehbarer Abschluß und Inhalt des Vertrages sind. Formalisierung bedeutet auch hier, die beschränkte Publizitätswirkung der Form zu nützen. Formwidrige Verträge müssen dann - dem 90 Siehe Art. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 WG für den gezogenen Wechsel; es kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben, ob diese Mindeststandards nicht ihrerseits zu hoch gegriffen sind. 91 Insofern ähnelt diese Situation den bestimmenden Teilnichtigkeitsnormen; hierzu unten § 10.

Relativierungskonzept folgend - der Öffentlichkeit gegenüber nichtig sein. Dies kann freilich nichts anderes bedeuten, als daß die öffentlichen Behörden dem Vertrag die Anerkennung versagen, solange dem ordre public nicht durch Formalisierung Rechnung getragen ist. Dann aber leuchtet ein, daß z.B. Zivilgerichte den Parteien die Durchsetzung des Vertrages92 mangels Formwahrung versagen werden, wenn überhaupt das öffentliche Interesse mittels Nichtigkeitssanktion verfolgt werden soll.93 Das korreliert etwa zur Nichtigkeit wegen im öffentlichen Interesse aufgestellter Verbote.94 Ein solches Vorgehen mündet regelmäßig in der amtswegigen Berücksichtigung der Nichtigkeit, somit in der Undurchsetzbarkeit (auch) inter partes. Indessen erfordert das öffentliche Interesse nur eine Nichtdurchsetzung des Vertrages, nicht hingegen eine Nichtdurchsetzung der Form. Man kann also den Vertrag sehr wohl als inter partes materiell wirksam qualifizieren, seine Durchsetzung aber an den vorherigen Vollzug der Formalisierung knüpfen. In Abstimmung mit dem öffentlichen Interesse bedeutet damit die Wirksamkeit inter partes, daß zwar keiner Partei (und auch nicht beiden bzw. allen gemeinsam) die Durchsetzung des Vertrages möglich ist, sehr wohl aber jeder Vertragspartner die Formwahrung fordern kann. Klagt sohin eine Partei auf Beurkundung, dann würde eine amtswegige Wahrnehmung der Nichtigkeit nicht nur keinem Parteieninteresse dienen, sondern ganz besonders dem öffentlichen Interesse widersprechen. Denn mit der Durchsetzung der Form werden auch die Formzwecke vollinhaltlich gewahrt. Es liegt nun aber gerade im öffentlichen Interesse, daß die Form durchgesetzt wird. Teleologisch spricht sohin alles für eine derartige Relativierung. Im Ergebnis bedeutet dies eine von Amts wegen zu beachtende, schwebende Unwirksamkeit des Geschäfts, die jedoch jederzeit durch Formalisierung (auf Verlangen auch nur eines Vertragsteils) beendet werden kann. b. Wiederum: Effiziente Abstimmung von Vertragsfreiheit und Formzwang

Ganz offenkundig steht auch diese Relativierung der Nichtigkeit im Zeichen möglichst weitgehender Schonung der den Parteien zukommenden Vertragsfreiheit. Es besteht schlichtweg kein Grund, den Parteien die Durchsetzung der Form, welche doch dem öffentlichen Interesse dienen soll, zu versagen. Präventivgedanken, das wird gleich anschließend noch zu zeigen sein, können einen solchen Eingriff nicht rechtfertigen. Damit aber ist die Relativierung der Nichtigkeit

92 Bei Registrierungsnotwendigkeit (z.B. Grundstückserwerb, Eintragung gesellschaftsrechtlich registrierungspflichtiger Umstände) wird die Eintragung verweigert. Vgl. z.B. für Österreich § 94 Abs. 1 Z. 4 GBG, wonach Eintragungen nur vorgenommen werden dürfen, wenn „die Urkunden in der Form vorliegen, die zur Bewilligung einer Einverleibung, Vormerkung oder Anmerkung erforderlich ist"; siehe auch OGH 13.12.1994 NZ 1996, 205, wo allerdings ein Formgebot durchgesetzt wurde (§ 956 ABGB), das im Parteieninteresse aufgestellt ist. 93 In Frage kommen gerade im Zusammenhang mit öffentlichen Interessen auch alternative Sanktionen, z.B. Strafen; hierzu unten § 5 I. 2.. 94 Auch U. Hübner in FS H. Hübner 487ff (502a.E.), der sonst für eine Relativierung plädiert, spricht hier von absoluter Nichtigkeit; ebenso - für die Formvorschrift des § 34 GWB a.F. Beckmann 340.

gerade mit Blick auf die Vertragsfreiheit, die nicht über das erforderliche Maß hinaus beschränkt werden soll, geboten.

c. Wiederum: Der Präventivgedanke und die Effektivität des Formgebots Es wurde soeben schon angedeutet, daß gerade der Präventivgedanke und die Effektivität des Formgebots die auch inter partes wirkende Nichtigkeit nicht rechtfertigen können. Solange dem formlosen Vertrag die Durchsetzung versagt bleibt, vermag man einen Mangel an Abschreckungskraft nicht zu begründen. Die Formdurchsetzung aber erhöht nur die Effektivität des Gebots, weil die Form beim Schutz öffentlicher Interessen (Publizitätswirkung) nachholbar ist. Wenn also jede Partei zum Exekutor des Formzwangs gemacht werden kann, dann wird das Formgebot in seiner Wirkung eben noch kraftvoller ausgestaltet, zumal die Vertragsparteien das größte Interesse an der Durchsetzbarkeit und damit an der Formwahrung haben. d. Beispiele

aa. Die Aufhebung kartellrechtlichen Formzwangs in Österreich und Deutschland Ein kurzer Blick auf das deutsche und österreichische Kartellrecht vermag den Befund zu bestätigen und zu erweitern. Für § 34 GWB a.F. wurde der Schutz öffentlicher Interessen in den Vordergrund gestellt.95 Dennoch - oder gerade deswegen96 - sollte die Rechtsfolge der Formverfehlung in der absoluten, von Amts wegen zu berücksichtigenden Nichtigkeit bestehen.97 Damit aber setzte sich der Formzwang allen oben dargelegten Einwänden aus. Insbesondere ist der Eingriff in die Vertragsfreiheit der Parteien durch eine Nichtigkeit, die auch ein Verlangen nach Formwahrung nicht zuläßt, nicht zu rechtfertigen.98 Beispiele sind leicht zu bilden: So etwa ein Vertrag, der eine wettbewerbsbeschränkende Abrede enthält, der jedoch nicht formalisiert und genehmigt wird. Was soll gelten, wenn z.B. nach einem Jahr Vertragslaufzeit eine Partei die Genehmigungspflicht und damit die Formpflicht entdeckt99, die andere hingegen wegen veränderter ökonomischer Umstände am Vertrag kein Interesse mehr besitzt? Soll es der Vertragstreuen Partei wirklich versagt sein, jedenfalls pro futuro die Form durchzusetzen und die Genehmigung nachzuholen100? Soll sie darüber hinaus zur Rückabwicklung 95 BGH 25.6.1985 LM § 34 GWB Nr. 25; BGH 7.7.1992 LM § 34 GWB Nr. 30; aus der Literatur Emmerich in Immenga/Mestmäcker § 34 GWB Rz. 9ff; vgl. aber noch OLG Frankfurt 16.11.1961 NJW 1962, 870. 96 Vgl. U. Hübner in FS H. Hübner 487ff (502 a.E.). 97 Was schlicht durch die Anwendbarkeit des § 125 BGB begründet wird. 98 Das heben auch die Gesetzesmaterialien zur Abschaffung der Formvorschrift hervor, vgl. Bunte BB 1998, 1600 (1600 m.w.N.). 99 Daß die Vertragsteile den Mangel erst entdecken, wenn schon abgewickelt wurde bzw. sich der Vertrag schon im Vollzugsstadium befindet, wird ja auch nicht durch die amtswegig wahrzunehmende, absolute Nichtigkeit verhindert. 100 Gegen die Durchsetzbarkeit der Form (unter Berufung auf die Rechtsprechung) Emmerich in Immenga/Mestmäcker § 34 GWB Rz. 112. Die Nachholbarkeit der Form heißt freilich nicht notwendig Rückwirkung-, eine solche hängt vielmehr vom Vorliegen einer

verpflichtet sein und womöglich ihre Vertrauensschäden selbst tragen? Man hätte daher § 34 GWB a.F. so verstehen müssen, daß er einer Durchsetzung der Form und - darauffolgend - des Vertrages durch die Parteien nicht entgegenstand. Daß gerade ein solcher Formzwang auch effektiv ist, wird nicht zuletzt am österreichischen Kartellgesetz deutlich. Es kennt für Kartellverträge keine konstitutive Form.101 Hingegen ist sehr wohl vorgeschrieben, daß einem Genehmigungsantrag102 bzw. einer Anzeige103 eine Urkunde über die Vereinbarung anzuschließen ist.104 Unterbleibt die Vorlage der Urkunde, so wird die Genehmigung nicht erteilt. Damit liegt bei formlos geschlossenen Verträgen jedenfalls ein nicht genehmigtes, damit zunächst gesetzwidriges Kartell vor.105 Als solches ist es schwebend unwirksam. Dies heißt, daß es zunächst weder genehmigt wird noch von den Parteien durchgesetzt werden kann, jede Partei aber auf die Genehmigung hinwirken muß. Damit erreicht man ein Ergebnis, wie es nicht nur im Kartellrecht, sondern z.B. auch im Grundverkehrsrecht vorzufinden ist. Auch dort bestehen Mitwirkungspflichten mit Blick auf die Erlangung der behördlichen Genehmigung, und auch dort kann diese Kooperationspflicht im Herstellen vorlagefähiger Dokumente bestehen.106 Folglich ist jede Partei zur Formalisierung verpflichtet107, weil diese Genehmigungsvoraussetzung ist. Im funktionalen Ergebnis bedeutet dies die Anerkennung eben jenes oben dargelegten Modells der Relativierung der Formnichtigkeit: Der Vertrag bleibt so lange undurchsetzbar, bis seine Formalisierung erzwungen und die Genehmigung erteilt wird. Auf Formwahrung aber hat jede Partei Anspruch. Der deutsche Gesetzgeber hat sich im Wege der Abschaffung des § 34 GWB a.F. nunmehr diesem Modell angeschlossen.108

bb. Die Abirrung des österreichischen OGH: Rezeption des § 125 BGB für nichtkonstitutive Formen im öffentlichen Interesse Angesichts des Befundes zur österreichischen Gesetzgebung im Kartellrecht überrascht es besonders, wenn der OGH in offenbarer Abweichung von der Formzweckbeeinträchtigung ab und außerdem von der Frage, ob die betreffenden behördlichen Genehmigungen ihrerseits rückwirken können. 101 Hierzu Gugerbauer § 62 KartG Rz. 1. 102 Hierzu § 23 KartG. 103 Hierzu § 58 KartG. 104 Siehe § 62 Z. 1 KartG. 105 Siehe § 18 Abs. 1 Z. 1 KartG. 106 Vgl. zur „schwebenden Unwirksamkeit“ von grundverkehrsrechtlich nicht bewilligten Verträgen in Österreich zuletzt ausführlich Markl/Oberhofer WoBl 1992, 169 (174 zur schwebenden Unwirksamkeit) und 180 (zur Pflicht, an Beurkundungen mitzuwirken); ein ähnliches Konzept verfolgt der OGH auch im Jagdrecht: vgl. OGH 5.3.1987 SZ 60/40, wo unterschieden wird, ob ein Kläger Beurkundung fordert, oder aber bereits Rechte aus dem Vertrag geltend macht. 107 Insofern dürfte der Hinweis bei von Hoffmann 112, ein „Landwirt, der seinen Verkaufsentschluß bereut“ würde damit auch die Grundverkehrsbehörde beeindrucken und - das ist die offenbare Konsequenz - eine Nichtgenehmigung des Geschäftes erreichen, wohl fehlgehen, auch wenn er sich insb. auf Hofmeister 367, berufen kann. 108 Der Gesetzgeber hat insbesondere erkannt, daß es für die Kartellaufsicht eines konstitutiven Formerfordernisses nicht bedarf; auch zu diesem Aspekt Bunte BB 1998, 1600 (1600 m.w.N.).

gesetzgeberischen Linie beim Formgebot nach § 46 Abs. 2 Apothekengesetz (ApG) eine de-facto-Rezeption des § 125 BGB vornimmt und „formwidrige Apothekenveräußerungsverträge“ für nichtig erklärt.109 Dies stört zunächst deshalb, weil dem Wortlaut des § 46 Abs. 2 ApG deutlich die gesetzgeberische Absicht zu entnehmen ist, die Vorlage beglaubigter Urkunden zwar für die Durchführung des Verfahrens zur Erteilung der Apothekenkonzession an den Erwerber zwingend zu fordern, den Dokumenten aber für die zivilrechtliche Gültigkeit des Veräußerungsvertrages inter partes keine Bedeutung beizumessen.110 Das alles wird durch die offensichtliche Parallele der Teleologie dieser Formvorschrift zu jener des KartellG bestärkt: Auch im Rahmen des Konzessionsverfahrens nach dem ApG ist die Vorlage von formgemäßen Urkunden erforderlich; erst mit ihrer Präsentation können das Verfahren durchgeführt und die Konzession erteilt werden. Nichts zwingt dazu, dieser Form inter partes Konstitutivwirkung beizumessen. Die Verweigerung der Konzessionserteilung genügt zur Formdurchsetzung vollkommen, die Gültigkeit inter partes mit der Wirkung, daß jede Partei die Formwahrung verlangen kann, dient dann dem Vollzug der Form. Die Entscheidung des OGH ist daher nicht zuletzt deshalb falsch, weil sie teleologisch nicht zu überzeugen vermag.

cc. Formzwang als Registervoraussetzung: Die Bedeutung der relativierten Nichtigkeit insbesondere im Kollisionsrecht Registrierungen werden häufig nur aufgrund entsprechender Urkunden vorgenommen.111 Dies bedeutet indessen nicht, daß das zugrundeliegende, nicht formalisierte Geschäft nichtig zu sein braucht. Vielmehr genügt es, ihm die Registrierungsfähigkeit abzuerkennen bzw. es in obigem Sinne für schwebend unwirksam zu erklären. Die Durchsetzung der Form ist daher keineswegs ausgeschlossen. Dies hat in kollisionsrechtlichem Zusammenhang besondere Bedeutung. Dort wird etwa von Schwimann die Auffassung vertreten, Registerformen seien als Eingriffsnormen gesondert anzuknüpfen, weswegen die Alternativanknüpfung nach § 8 (ö)IPRG112 außer Betracht bleibe.113 Folgt man indessen dem hier vorgestellten Konzept relativierter Nichtigkeit, so kann gerade auch im internationalen Rechtsverkehr die materielle Gültigkeit des Rechtsgeschäfts von der Registrierungsfähigkeit getrennt werden. Ist sohin ein Rechtsgeschäft nach § 8 IPRG bzw. Art. 9 EVÜ materiell gültig, so kann auf die Wahrung der Registerform von jeder Partei bestanden werden. Registerformen brauchen daher nur hinsichtlich der Registerfähigkeit von Urkunden als Eingriffsnormen aufgefaßt zu werden, die Frage der materiellen Gültigkeit kann weiterhin § 8 (ö)IPRG bzw. Art. 9 EVÜ, die insofern eben nicht verdrängt werden, überlassen bleiben. 109 OGH 29.8.1994 ecolex 1996, 521. 110 Siehe nur die überzeugende Kritik bei Madl ecolex 1996, 518. 111 Siehe z.B. für Österreich § 31 sowie § 94 Abs. 1 Z. 4 GBG. 112 Für Schuldverträge gilt freilich seit 1.12.1998 auch in Österreich Art. 9 EVÜ. 113 Sch^imann in Rummel II § 8 IPRG Rz. 9; zur Frage auch Schwind 195f, der davon ausgeht, der (ausländischen) Ortsform entsprechende Geschäfte können auch die Grundlage von Eintragungen im Inland darstellen; zu Ausnahmen vom Grundsatz der alternativen Verweisung nach deutschem Recht Kropholler 288ff.

§4

I. Einführender Exkurs: Die Eindämmung formalistischen Rechtsdenkens im Recht der letztwilligen Verfügungen 1. Die Kritik von Fritz von Hippel

Fritz von Hippel hat sich schon früh der Frage angenommen, wie reiner Formalismus (also solches Formdenken, das durch keine adäquate Zweckverfolgung zu rechtfertigen ist) unter dogmatischen Gesichtspunkten bekämpfbar ist.1 Es geht ihm dabei z.B. um Datierungs- und Ortsangabepflichten bei Testamenten, wie sie ehedem existierten und in vielen Fällen zur Nichtigkeit des Testaments führten, ohne daß der Mangel auch nur irgendwie hätte erheblich werden können.2 Derartiger Formalismus freilich stört, und Fritz von Hippel fordert die deutsche Rechtsprechung ganz offen zu korrigierender Auslegung der Formvorschriften auf, um damit Sinn und Zweck des Gesetzes zu entsprechen.3 Bloßer Formalismus dürfe demnach nicht zur Nichtigkeit fuhren. Damit aber will er dem Richter die Aufgabe zuweisen, sich bei Formmängeln4 die Frage zu stellen, ob die Urkunde „auf den Leser den Eindruck einer abgeschlossenen und nicht unselbständigen Willenserklärung des Erblassers“ macht.5 Testamente, die dem Gesetzesbuchstaben nicht gerecht werden, sind sohin als gültig zu behandeln, wenn der Mangel der Form keinerlei Zweifel an der Echtheit des Testaments und seiner Beweiskraft aufkommen läßt. Bei den Datums- und Ortsangabepflichten etwa steht der Beweissicherungszweck im Vordergrund, und insofern er gar nicht gefährdet ist, liegt eben ein nur unerheblicher Formmangel vor.

2. Ansätze einer Erheblichkeitsprüfung de lege lata. § 2247 BGB Der deutsche Gesetzgeber hat auf die Kritik seitens Fritz von Hippel reagiert. Das BGB enthält in der heutigen Fassung seines § 2247 nur eine Soll-Vorschrift betreffend Datums- und Ortsangabe im eigenhändigen Testament. Ihre Verletzung fuhrt nicht zwingend zur Nichtigkeit, sondern läßt einen sonstigen Beweis dieser Daten zu. Nur wenn der Beweis nicht erbracht werden kann, folgt die Nichtigkeit des Testaments. Im Ergebnis also fuhrt der Formmangel nur zu einer speziellen Verteilung der Beweislast: Sie trifft diejenige Person, die sich auf das (formmangelhafte) Testament beruft. Damit freilich geht § 2447 BGB über die Hippelsche Lösung hinaus. Sie läßt nämlich sonstigen Beweis des Datums oder 1 Siehe seine aus 1935 stammende Schrift mit dem trefflichen Titel „Formalismus und Rechtsdogmatik“. 2 Vgl. nur die vielfältigen Hinweise auf solche Rechtsprechung in Deutschland bei F. von Hippel 21. 3 F. von Hippel 15Off. 4 Siehe etwa das Beispiel der nicht eigenhändigen Beifügung des Datums und des Ortes bei F. von Hippel 152f; zu „Formalaspekten“ im Zusammenhang mit dem Unterschriftserfordernis Köhler in FS Schippel 209. 5 F von Hippel 152.

Ortes der Errichtung selbst dann zu, wenn die fehlende oder fehlerhafte Angabe erheblich ist. Von Hippel hingegen wollte den Formfehler nur dann unerheblich sein lassen, wenn die tatsächlich vollzogene, wenngleich mangelhafte Form dem Formzweck gleichwohl gerecht wird. § 2447 BGB erlaubt die Formzweckerreichung hingegen auch auf anderem Wege als durch Formalisierung. Man mag sich fragen, welche Funktion die Formvorschrift hier eigentlich noch erfüllt: Schon die allgemeine Beweislastverteilung und das anzulegende Beweismaß fuhren doch im Regelfall dazu, daß Umstände, welche schriftlich dokumentiert sind, keines weiteren Beweises bedürfen. Nicht dokumentierte Tatsachen aber müssen stets von derjenigen Partei bewiesen werden, die sich darauf beruft. Für die Datierungs- und Ortsangabepflicht kann die Antwort gewiß gleich gegeben werden: Ohne eine entsprechende Angabepflicht wäre das Testament jedenfalls gültig, eine sich darauf stützende Partei müßte also im Regelfall diese Daten gar nicht beweisen. Insofern zwingt diese „Soll"-Vorschrif sehr wohl zur Datumsangabe, muß doch ein Testator mit dem Beweisnotstand des von ihm Bedachten und sohin mit der Nichtigkeit des Testaments rechnen. Auf andere Formverfehlungen freilich würde das angedeutete Gegenargument passen. Hierauf wird sohin zurückzukommen sein.6 3. Die Erweiterung des Ansatzes in § 2247 BGB im anglo-amerikanischen Rechtskreis: Die Theorie der substantial compliance

Gerade für den Bereich der letztwilligen Verfügungen wird im anglo­ amerikanischen Raum gerne eine Lehre von der substantial compliance vertreten, die den Ansatz des § 2447 BGB noch erweitert.7 Sie hat auch gesetzgeberischen Niederschlag gefunden: In mehreren australischen Einzelrechtsordnungen und auch in Israel wurden entsprechende Bestimmungen ins Testamentsrecht aufgenommen.8 Eine ähnliche Regelung enthält der US-amerikanische Uniform Probate Code 1990.9 Formfehler sollen demnach keine Rolle spielen, wenn der testamentarische Wille des Erblassers außer Zweifel steht und die Formfunktionen auf andere Weise - nachweislich - erfüllt sind.10 ^Substantial compliance^ bedeutet zunächst, daß eine Urkunde vorliegen muß, die einem perfekten Testament zumindest nahe kommt. Einzelne Formfehler können aber durch den Nachweis der tatsächlichen Formzweckerfüllung behoben werden. Bereits an dieser Stelle ist freilich die Frage wieder aufzugreifen11, welchen Sinn denn eigentlich ein Formzwang hat, der sich durch den Nachweis tatsächlicher Formzweckerreichung erübrigt. Die Antwort liegt 6 Siehe die Behandlung der Theorie der substantial compliance sogleich unten § 4 I. 3.. 7 Wobei Summers, LQR 106 (1990) 407, diese doctrine vor dem erweiterten Hintergrund des practical legal criticism betrachtet. 8 Siehe Miller ICLQ 36 (1987) 559 (565ff): Queensland, South Australia, Manitoba (alle Australien) sowie Israel; in der Rechtsprechung US-amerikanischer Gerichte wird die Regel zum Teil ebenfalls zur Anwendung gebracht; so für Louisiana Bonfleld Tulane LRev 70 (1996) 1893 (1900ff) mit einer Analyse der Rechtsprechung. 9 Siehe S. 2-503, die eine generelle dispensing power bei Vorliegen von clear and convincing evidence enthält; kritisch hierzu Bonfleld Tulane LRev 70 (1996) 1893. 10 Vgl. nur Langbein HarvLRev 88 (1975) 489 (513ff). 11 Siehe soeben oben § 4 I. 2..

in zweierlei: Zum einen im nochmaligen Hinweis, daß immerhin weitgehende Formwahrung vorliegen muß, die Form selbst also schon das meiste zur Überzeugung beiträgt, die Formzwecke seien gewahrt.12 Damit hängt - zum anderen - zusammen, daß das Beweismaß um so höher wird, je substantieller die Formverfehlung sich darstellt. Das wird etwa an einem von Langbein gegebenen Beispiel besonders deutlich: So sei eine nicht unterfertigte Urkunde niemals geeignet, das Erfordernis der substantial compliance zu erfüllen. Die Unterschrift sei eine zuverlässige Garantin für die Ernstlichkeit des Willens des Testators und ein sicherer Beweis der Errichtung des Testaments und deswegen durch anderweitige Beweismittel nicht ersetzbar.13 Die (unzureichende) Urkunde und die außerhalb der Urkunde liegenden Beweismittel müssen demnach gemeinsam die Formzweckerreichung in gleicher Weise garantieren wie die Form selbst. Bisherige praktische Erfahrungen wie auch konzeptionelle Erwägungen scheinen die Berechtigung einer substantial-compliance-Doktnn zu bestätigen. So sieht sich Miller sowohl durch die bisherige Praxiserfahrung mit substantial-complianceBestimmungen wie auch durch theoretische Erwägungen darin bestärkt, daß diese Lehre weder den Formzwang in Frage stellt, noch - über einen längeren Zeitraum hinweg - die Prozeßhäufigkeit erhöht, und auch nicht die Rechtssicherheit oder Administrierbarkeit beeinträchtigt.14 Zu beachten ist indessen noch, daß die von Miller geschilderten substantial-compliance-^QsVmrtixxngeri, wie sie sich in einigen (Teil-)Rechtsordnungen finden, nicht voll und ganz dem Konzept von Langbein entsprechen. Sie erlauben es dem Richter schlichtweg, trotz Formmangels das Testament als gültig zu behandeln, wenn er von dessen Bestehen und Gültigkeit überzeugt ist.15 Keineswegs muß die Erfüllung des Formzwecks selbst durch einen der Schriftform entsprechend starken Beweis erwiesen sein. Damit aber scheint der Formzwang als solcher in Frage gestellt: Schließlich könnte man es dann den Parteien im Streit um die Erbschaft schlicht und einfach freistellen, mit Hilfe jeglicher Beweismittel das Bestehen einer letztwilligen Verfügung nachzuweisen. Indessen liegt der Unterschied auch hier in der Erheblichkeit des Formmangels: Substantial compliance setzt doch letztlich eine weitgehende Formwahrung voraus. Oder umgekehrt formuliert: Der Formfehler darf angesichts des Formzwecks nicht von durchschlagender Erheblichkeit sein. Letztendlich wird also die Erheblichkeit des Formfehlers geprüft. Freilich sind in der Literatur auch kritische Stimmen wahrzunehmen: Gerade gegen eine generelle dispensing po^er, wie sie 5. 2-503 Uniform Probate Code kennt, wurden Bedenken erhoben.16 Indessen wurde daraus kein Plädoyer für eine Beseitigung der substantial-comphance-^^\ abgeleitet, 12 Vgl. nur Langbein HarvLRev 88 (1975) 489 (513): „The substantial compliance doctrine ... is surely not a rule ofno formalities^ (Hervorhebungen nicht im Original). 13 Langbein HarvLRev 88 (1975) 489 (518); dasselbe gilt freilich für das Schriftformgebot überhaupt (518ff). 14 Im einzelnen Miller ICLQ 36 (1987) 559 (575ff); a.A. wohl Bonfleld Tulane LRev 70 (1996) 1893 (1904) mit Ausführungen zu rechtstatsächlichen Situation in Australien (1905). 15 Siehe die Textierungen der Bestimmungen bei Miller ICLQ 36 (1987) 559 (566ff). 16 Siehe Bonfleld Tulane LRev 70 (1996) 1893 (1906ff), der negative Auswirkungen aufzeigt: Er sieht die Gefahr im Anwachsen von Streitfällen (er spricht unter anderem von einem Jitigation iceberg^); diese Gefahr dürfte sich indessen ganz konkret auf die dispensing power beziehen, nicht hingegen auf die Anwendung von substantial-compliance-^Qg^Xn.

sondern - sozusagen als „Minimalforderung“ - geltend gemacht, den Testatoren müsse doch wenigstens optional die Möglichkeit zustehen, durch Verwendung notarieller Formen bestimmte Tatsachen von vornherein außer Streit zu stellen. An die Formwahrung seien daher entsprechende positive Wirkungen zu knüpfen.17 Mit dieser Forderung ist die Anwendung einer substantial-compliance-W^gQX ohne weiteres vereinbar.

II. Die Anwendung materieller Erwägungen bei der Entscheidung über die Formverfehlungssanktion im Bereich des Schuldvertragsrechts 1. Bedarf

a. Allgemeines

Geht man in Anlehnung an die dargetanen Beispiele einmal davon aus, daß man unerhebliche Formverstöße von den erheblichen scheiden kann, dann liegt ein Bedarf nach einer materiellen Betrachtung bei der Rechtsfolgenbestimmung auf der Hand: Man würde automatisch all jene Kosten sparen, die sich aus der Annullierung respektierungswürdiger Transaktionen ergeben. Zugleich würde die Präventivfunktion der Formnichtigkeit keinesfalls eingeschränkt. Denn die Parteien würden ja stets nur insoweit zur Formverfehlung „animiert“, als deren Einhaltung ohnehin nicht erforderlich ist. Insoweit also der Form eine konkrete Aufgabe zukommt, würde deren Erfüllung nach wie vor präventiv sichergestellt. Weiter braucht aber die Präventivwirkung nicht zu reichen, weil aus einer gesteigerten Formwahrung kein weiterer Nutzen mehr erfließt. b. Differenzierung nach Formtypen

Indessen ist beim Bedarf anderweitig zu differenzieren. Je nach Typus der Formvorschrift hat nämlich die Materialisierung der Formverfehlungsfolgen andere praktische Bedeutung. Dementsprechend ist auch der Bedarf nach einer solchen zweckorientierten Betrachtungsweise je nach Formtypus unterschiedlich stark ausgeprägt. Folgt man nämlich dem hier vorgeschlagenen Weg der Relativierung der Formnichtigkeit, dann ergibt sich bei Formen im öffentlichen wie auch im Drittinteresse wesentlich geringerer Bedarf nach einer substantial-complianceDoktrin. Bei diesen Formtypen steht es den Parteien ja frei, nachträglich auf Formwahrung zu bestehen. Damit ist es aber stets möglich, der Nichtigkeit durch Nachholung der Form zu entkommen; und dies ganz unabhängig davon, ob der Formfehler erheblich ist oder nicht. Das beseitigt zwar den Bedarf nach einer Erheblichkeitsprüfung nicht restlos, schränkt ihn aber deutlich ein.18 Viel drastischer stellt sich hingegen die Sanktionierung von Verstößen gegen Formvorschriften dar, die im Interesse einer oder beider Parteien aufgestellt wurden. In diesen Fällen 17 Im einzelnen Bonfield Tulane LRev 70 (1996) 1893 (1919). 18 Der Bedarf ergibt sich freilich bei Formen zum Zwecke des Drittschutzes dann von Neuem, wenn das Interesse des Dritten aktuell wird.

kommt der Frage der Erheblichkeitsprüfung entscheidende Bedeutung zu. Die Untersuchung hat daher insbesondere jene (konstitutiven) Formvorschriften des Schuldvertragsrechts ins Blickfeld aufzunehmen, die es mit dem Schutz der Parteien oder doch einer Partei zu tun haben, sohin insbesondere mit den Funktionen der Gewährleistung ernsthaften Bindungswillens, der Überlegtheit und Informiertheit bzw. der Beweissicherung im Interesse einer Partei. 2. Die Bemessung Formmängeln

der

Erheblichkeit

von

Äußerlichkeiten

betreffenden

a. Ansätze einer Erheblichkeitsprüfung

aa. Formalismus als Rechtsmißbrauch: Die Entscheidung des LG Bremen

An erster Stelle sind reine „Formalfehler“ zu nennen, also Formalisierungen, die hinsichtlich ihrer Äußerlichkeiten19 zu beanstanden, inhaltlich hingegen fehlerfrei sind. Der Falltypus kann anhand einer Entscheidung des LG Bremen dargestellt werden, weil dieses in einem das Schuldvertragsrecht (konkret: einen Fall aus dem Verbraucherkreditrecht) betreffenden Fall ein den HippeHchQn Argumenten nahekommendes Ergebnis erzielt.20 Der Verbraucher und Kläger brachte vor, die Formvorschrift des § 4 Abs. 1 VerbrKrG (insbesondere die Pflicht zur Angabe des effektiven Jahreszinssatzes) sei verletzt, weil der Kreditvertrag in zwei getrennten Urkunden niedergelegt und unterfertigt worden sei. Er begehrt daher die Reduktion des Zinssatzes gemäß § 6 Abs. 2 VerbrKrG als Sanktion für die Formverfehlung. Das LG Bremen ließ die Klage schon am Formgebot scheitern: Die körperliche Verbindung von mehreren Urkundenteilen sei nämlich zur Formwahrung (jedenfalls nach der konkret vorliegenden Sachlage) nicht erforderlich. Mangels Formverfehlung kämen auch keine Sanktionen in Frage.21 Es fuhrt aber ferner in „salvatorisch“ anmutender Manier aus: „Das Beharren der Kläger auf einer körperlichen Verbindung von Haupturkunden und Anlagen stellt nach alledem eine mit den Grundsätzen von Treu und Glauben unvereinbare, überflüssige Förmelei dar, ihr Verlangen nach Herabsetzung der vereinbarten Teilzahlungen grenzt nach den getroffenen Erwägungen an Rechtsmißbrauch.“22 Damit will das LG Bremen dem Formmangel jedenfalls dann keine Relevanz beimessen, wenn die erfolgte, wenngleich mangelhafte Beurkundung dem Formzweck nichtsdestoweniger gerecht wird. Eine Urkunde, die nur hinsichtlich äußerer Formalitätskriterien Mängel aufweist, deren Echtheit dennoch garantiert ist und die alle verfolgten Formzwecke erfüllt, kann keine Sanktionen nach sich ziehen: Jedes andere Ergebnis muß sich den Vorwurf der Unbilligkeit gefallen lassen.23 Dabei geht es nicht darum, ob der 19 So z.B. wenn eines der essentiellen Kriterien für die Anerkennung einer Unterschrift als „eigenhändig“ nicht erfüllt ist: Hierzu jüngst wiederum Köhler in FS Schippel 209 m.N. zur früheren Literatur und Rechtsprechung. 20 Siehe LG Bremen 1.11.1994 WM 1995, 155. 21 Siehe LG Bremen 1.11.1994 WM 1995, 155 (156). 22 LG Bremen 1.11.1994 WM 1995, 155 (156). 23 Gelegentlich taucht dieser Aspekt auch in der jüngeren Literatur explizit auf und wird zur Grundlage von Entscheidungen über die Formgültigkeit von Rechtshandlungen gemacht: so etwa

Formzweck aufgrund vorliegender besonderer Umstände im Einzelfall (womöglich aufgrund konkret-parteienbezogener, subjektivierter Betrachtung) trotz Formmangels gewahrt ist; vielmehr liegen solche Mängel der Äußerlichkeit vor, die von vornherein ungeeignet sind, Zweifel an der Richtigkeit und Echtheit der Urkunde aufkommen zu lassen. Die Form selbst, wenngleich mangelhaft, garantiert insoweit die Funktionserfüllung. Im wesentlichen sind hier jene Fallgestaltungen adressiert, wie sie Fritz von Hippel für das Testamentsrecht ins Visier genommen hat24, und die in einigen (Teil-)Rechtsordnungen des anglo-amerikanischen Rechtskreises zur Herausbildung der substantial-compliance-Doktnn geführt haben.25

bb. Gleichwertigkeitsprüfung durch den BGH: Beurkundungspflicht Gesellschafterbeschlusses nach § 48 Abs. 3 GmbHG

eines

Der BGH hat sich einer Gleichwertigkeitsprüfung nicht völlig abgeneigt gezeigt.26 Ein Alleingesellschafter einer GmbH hatte beschlossen, dem Geschäftsführer fristlos zu kündigen. Der Beschluß war nach § 48 Abs. 3 GmbHG beurkundungspflichtig; jedoch meint der BGH, die schriftliche Kündigung würde den Zweck der Beurkundungsvorschrift (Sicherheit hinsichtlich von Beschlüssen in einer Einmann­ GmbH zu schaffen, um Manipulationen zu Lasten Dritter auszuschließen) vollständig erfüllen. Der Beschluß war sohin voll wirksam.27 Zustimmung begegnet dem BGH in der Literatur: „Alles andere wäre, darin ist dem BGH zuzustimmen, unangemessene Förmelei.“28

cc. Die Sollvorschriften des Beurkundungsgesetzes als artverwandte Beispiele29 Reichhaltiges Anschauungsmaterial liefern ferner jene FormvorSchriften, die es mit der notariellen Beurkundung zu tun haben. Kaum irgendwo anders herrschen so viele Formalismen. Es überrascht daher nicht, daß etwa im deutschen Beurkundungsgesetz zahlreiche „Sollvorschriften“ vorzufinden sind.30 Der deutsche Gesetzgeber hat hier klar erkannt, daß bei aller erstrebter Vollständigkeit der Beurkundung nicht jedes Versäumnis zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes fuhren bei Weipert in seiner Anmerkung zu einer § 48 Abs. 3 GmbHG betreffenden BGH-Entscheidung EWiR § 48 GmbHG 1995, 893 (894). „... Alles andere wäre,..., unangemessene Förmelei.“ 24 F. von Hippel, Formalismus und Rechtsdogmatik. 25 Hierzu oben § 4 I. 3.. 26 BGH 27.3.1995 NJW 1995, 1750 = WM 1995, 643 = DB 1995, 1169 = BB 1995, 1102 = EWiR § 48 GmbHG 1/1995, 893 {Weiperty, vgl. auch - allerdings nur für den vereinbarten Formzwang- BGH 21.2.1996 NJW 1996, 2501. 27 Wobei allerdings die Sanktionierung eines Formmangels nach § 48 Abs. 3 GmbHG ohnehin ungeklärt ist; siehe Weipert in seiner Urteilsanmerkung EWiR § 48 GmbHG 1/1995, 893 (894). 28 So Weipert in seiner Urteilsanmerkung EWiR § 48 GmbHG 1/1995, 893 (894). 29 Auch das BGB kennt im übrigen schon Sollvorschriften: Siehe von Tuhr 501. 30 Siehe etwa § 5 Abs. 2 Satz 2; § 9 Abs. 2; § 10; § 11; § 12; § 13 Abs. 1 Satz 2 und 4; § 13 Abs. 3 Satz 2; § 13a; 14 Abs. 2; (weitgehend) § 16; § 17; § 18; § 19; § 20; § 21; § 22; § 24 Abs. 1 Satz 1 und 3; § 25 Satz 2; § 26; § 44; § 45 Abs. 1; § 46 Abs. 1 und 3; § 49 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 und Abs. 4; § 50 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 3 Satz 2; § 53 BeurkG - womit nur die auf Schuldverträge anwendbaren Sollvorschriften aufgelistet sind.

kann. Sollvorschriften sind hier zugleich nicht bloßer Ratschlag an die Parteien31, weil ihre Einhaltung durch die Einrichtung des Notariats institutionell abgesichert ist. Letztlich verfolgt das deutsche Beurkundungsgesetz damit für die Formgültigkeit beurkundungspflichtiger Rechtsgeschäfte eine Politik der substantial compliance unter Zugrundelegung bestimmter Mindesterfordernisse und institutioneller Absicherung der Wahrung bloßer Soll-Formen. All jene Formalien, die nur Gegenstand von Sollvorschriften sind, bilden Anschauungsmaterial für hinsichtlich der Vertragsgültigkeitsfrage „läßliche Formfehler“.

dd. § 18 Abs. 5 Satz 1 GesmbHG: Die Ansicht von Aicher und Torggler Auf eine Erheblichkeitsprüfung läuft auch die Ansicht von Aicher und Torggler zu § 18 Abs. 5 Satz 1 GesmbHG hinaus.32 Die Bestimmung sieht vor, daß über Insichgeschäfte des Alleingesellschafters unverzüglich eine Urkunde zu errichten ist. Die Folgen mangelnder Formalisierung gibt das Gesetz selbst nicht an. Aicher und Torggler gehen von der Nichtigkeit des Geschäftes aus, wollen diese aber zurücknehmen, wenn es gelingt, einen „ausreichenden Manifestationsakt“ nachzuweisen.33 Die Form soll also substituierbar sein. b. Die Anerkennung ausländischer „Substitutionsformen“ als am Formzweck ausgerichtete Anwendung der Theorie der substantial compliance. Der Beitrag des Kollisionsrechts zur Materialisierung der Formverfehlungsfolgen

Während das Beurkundungsgesetz selbst im einzelnen zwischen echtem Formzwang und bloßen Soll-Formen unterscheidet, die Entscheidung über die Erheblichkeit also nicht dem Richter überläßt, findet sich mit der Anerkennung ausländischer Urkunden, insbesondere solcher, die von ausländischen Urkundspersonen verfaßt werden, ein im geltenden Recht verankertes Beispiel für die Anwendung von substantial-complianceÄFotxXQgang^n. Denn ausländische Urkunden müssen, um Anerkennung zu finden, keineswegs den (zwingenden deutschen oder österreichischen) Formvorschriften gerecht werden, sondern nur die Gleichwertigkeit mit formgerechten (deutschen oder österreichischen) Urkunden garantieren.34 Hervorzuheben ist, daß sich diese Prüfung nicht zuletzt am jeweiligen Formzweck orientiert: Dieser muß durch die ausländische Beurkundung in

31 Vielfach wird ja gesagt, bloße Soll-Vorschriften (ohne daß sie sich an eine Amtsperson richten) seien als eine Art gesetzliche Empfehlung entbehrlich oder doch ineffektiv: vgl. z.B. Flume 276; ihm folgend Larenz 413. 32 Aicher/Torggler GesRZ 1996, 197. 33 Aicher/Torggler GesRZ 1996, 197 (212). 34 Spellenberg in MüKo X Art. 11 EGBGB Rz. 47 (mit zahlreichen weiteren Hinweisen in FN 145); BGH 16.2.1981 BGHZ 80, 76; vgl. aber BGH 2.10.1988 BGHZ 105, 324, worauf gestützt das LG Augsburg die Gleichwertigkeitsprüfung in Teilbereichen zurücknimmt, LG Augsburg 4.6.1996 DB 1996, 1666; kritisch - jedenfalls was die Beurkundung von Willenserklärungen angeht - jüngst Reithmann DNotZ 1995, 360 (361fi); jüngst wiederum im Sinne einer Substitutionswirkung ausländischer Urkunden (mit Blick auf § 15 Abs. 4 GmbHG) OLG München 19.11.1997 RIW 1998, 147.

vergleichbarer Weise gewährleistet sein.35 Daraus folgt freilich, daß übertriebene Anforderungen des heimischen Rechts nicht auf ausländische Urkunden übertragen werden können; funktionslose Formstrenge kann sohin unterschritten werden, weil damit eben kein Funktionsverlust verbunden ist. Gelegentlich wird sogar gesagt, man dürfe bei der Anerkennungsfrage „nicht kleinlich“ sein.36 37 Bei allem ist die Anerkennung gleichwertiger ausländischer Urkunden keineswegs ein kollisionsrechtliches Produkt, sondern entspringt dem Sachrecht.37 Gewiß, die Tatsache, daß Parteien im Ausland keine öffentlichen Urkundspersonen des Heimatlandes in Anspruch nehmen können, läßt den Bedarf nach einer Gleichwertigkeitsprüfung im internationalen Rechtsverkehr wesentlich gewichtiger erscheinen. Dennoch ist es nicht zu rechtfertigen, ausländischen Urkunden nach heimischem Sachrecht eine Gleichwertigkeitsprüfung zukommen zu lassen, inländischen aber trotz möglicher Gleichwertigkeit jegliche Beachtung zu verwehren. Der Vorwurf an die Parteien, sie hätten sich um die gesetzliche Form kümmern können und sollen, kann angesichts der Vorlage einer Verbriefung, die allen Formzwecken gerecht wird, die Verweigerung der Anerkennung nicht begründen. Im übrigen ist die Anerkennung bei Gleichwertigkeit auch in reinen Inlandsfällen nicht völlig unbekannt. Gesetzliche Vorschriften, nach denen die eine Form durch bestimmte andere, grundsätzlich durch jede strengere Form ersetzt wird, finden sich.38 Formell ungenügende Urkunden werden aber - und hierin liegt der entscheidende Unterschied - (jedenfalls im Schuldvertragsrecht) nicht daraufhin untersucht, ob sie die verfolgten Formzwecke vollinhaltlich zu gewährleisten imstande, also teleologisch betrachtet gleichwertig sind. c. Der gegenteilige Grundsatz. Die Ablehnung formzweckorientierter Gleichwertigkeitsprüfung im Schuldvertragsrecht im allgemeinen

aa. Das Ausgangsbeispiel: OLG Koblenz zu § 12 Abs. 3 (dt.)WG Trotz dieser vereinzelt vorzufindenden Beispiele wird eine Erheblichkeitsprüfung im Grundsatz regelmäßig verneint. Formalistische Begründungsmuster werden dabei immer wieder sichtbar. So etwa anhand einer jüngeren Entscheidung des OLG Koblenz zu § 12 Abs. 3 (dt.)WG.39 Nach § 12 Abs. 3 (dt.)VVG kann der Versicherer dem Versicherungsnehmer gemeinsam mit seiner Deckungsablehnung eine Klagefrist setzen, deren ungenütztes Verstreichenlassen alle Ansprüche aus 35 Spellenberg in MüKo X Art. 11 EGBGB Rz. 47; siehe auch von Bar II 436f; Kegel 464f; eine Analyse der bezüglichen Rechtsprechung findet sich jüngst bei Schönwerth 117ff; so auch für Österreich: Schwimann 98 m.w.N.; anders demgegenüber für Verfahrensvorschriften OGH 28.4.1994 WB1 1994, 381; für die Form des § 15 GmbHG Merkt ZIP 1994, 1417; einschränkend demgegenüber Großfeld/Berndt RIW 1996, 625; zum Problem jüngst OLG München 19.11.1997 RIW 1998, 147, das die Beurkundung durch einen schweizerischen Notar für ausreichend hält. 36 Spellenberg in MüKo X Art. 11 EGBGB Rz. 50. 37 Siehe nur Spellenberg in MüKo X Art. 11 EGBGB Rz. 44. 38 Siehe nur § 126 Abs. 3, § 127a, § 129 Abs. 2 BGB oder § 886 Satz 2 ABGB. 39 OLG Koblenz 16.6.1996 VersR 1996, 700; zu § 12 Abs. 3 WG eingehend Prölss in Prölss/Martin § 12 WG Rz. 20ff; zur Form des Ablehnungsschreibens des Versicherers Möller in Bruck/Möller § 12 WG Rz. 27; zur österreichischen Rechtslage Schauer 207ff.

dem Versicherungsfall präkludiert. Die Wirksamkeit der Ingangsetzung dieser Klagefrist setzt aber eine schriftliche Ablehnung der Ansprüche sowie eine Information über die Frist und die Wirkung deren Verstreichenlassens voraus. Im konkreten Fall konnte der Zugang des Originals des Ablehnungsschreibens an den Versicherungsnehmer nicht bewiesen werden. Der Versicherer hatte aber auch noch eine Kopie übersandt, die - nachweislich - dem Versicherungsnehmer zugegangen war. Die Frage nach der Gültigkeit dieses Ablehnungsschreibens wurde vom Gericht aufgrund des Formmangels (mangelnde eigenhändige Unterschrift) verneint.40 Gewiß, die bloß fotomechanische Nachbildung der eigenhändigen Unterschrift birgt ein gewisses - wenngleich nicht sehr großes - Fälschungsrisiko. Und sicherlich stellt die bloß mechanische Wiedergabe einer Unterschrift keinen gleich hohen Zurechnungsfaktor dar wie diese selbst. Doch geht es bei § 12 Abs. 3 (dt.)WG gewiß nicht um den Schutz des Versicherers vor Unterschriftsfälschung und auch nicht um die Gewährleistung höherer Zurechenbarkeit der verkörperten Willenserklärung. Schließlich dient das Ablehnungsschreiben zu allererst seinen Interessen (Ingangsetzung der Klagefrist), eine etwaig unerkannte „Fälschung“ käme ihm sohin höchstens entgegen. Ein Schutz vor Zurechnung einer womöglich nicht hinreichend überlegten Erklärung scheidet im gegebenen Zusammenhang ohnehin aus. Für den Versicherungsnehmer schließlich spielt die Verletzung des Unterschriftlichkeitsgebots keine Rolle; seine Information wird auch ohne eigenhändige Unterschrift sichergestellt. Die Formfunktionen können hier also gewahrt sein, auch wenn keine gesteigerte Echtheitsgarantie bzw. Zurechenbarkeit gegeben ist.

bb. Die vordergründige Berücksichtigung des Formzwecks durch das OLG Koblenz Bemerkenswert ist bei allem, daß das OLG Koblenz keineswegs nur den Mangel der eigenhändigen Unterschrift feststellt, sondern sehr wohl auf den Schutzzweck der Formvorschrift des § 12 Abs. 3 (dt.)WG selbst abhebt, um seinem Ergebnis (vordergründigen) Sinn zu verleihen. Schließlich sei es erforderlich, daß dem Versicherungsnehmer die Rechtsfolgen des Ablehnungsschreibens in einer „den Anforderungen des § 12 Abs. 3 WG genügenden verläßlichen Weise, zu denen auch die Schriftlichkeit gehört, vor Augen geführt werden.“41 Die Entscheidungen und sohin das weitere Verhalten des Versicherungsnehmers sollen auf Grundlage vollständiger Information, also irrtumsfrei erfolgen. Es sei gerade dieser Schutzzweck, der eine Übertragung gegenteiliger Rechtsprechung zu prozeßrechtlichen Formvorschriften42 auf § 12 Abs. 3 (dt.)WG verbiete.43 Dabei erscheint die Entscheidung gerade im Lichte dieser Formzweckerwägungen deshalb sehr instruktiv, weil es sich hier um einen Formzwang handelt, der den Schutz des Versicherungsnehmers bezweckt, also jener Partei, die selbst die Urkunde gar nicht 40 OLG Koblenz 16.6.1996 VersR 1996, 700 (701). 41 OLG Koblenz 16.6.1996 VersR 1996, 700 (701); ähnlich für § 3 Nr. 3 S. 3 PflVG BGH 18.2.1997 NJW 1997, 2521. 42 Zu diesen eingehend Vollkommer 260. 43 OLG Koblenz 16.6.1996 VersR 1996, 700 (701).

zu fertigen braucht. Der Übereilungsschutz bzw. die Seriositätsgarantie scheiden damit als Formzwecke aus. Im Vordergrund steht die vom OLG Koblenz zu Recht hervorgehobene Information des Versicherungsnehmers. Vor dem Hintergrund dieses Schutzzweckes aber erscheint der Formfehler mangelnder eigenhändiger Unterschrift nur noch als unerheblicher „Formalfehler". Wenn das OLG Koblenz also gerade im Formzweck eine Stütze seiner Rechtsansicht sieht, so irrt es. Die Kopie erfüllt nämlich den Informationszweck ebenso gut wie das Original selbst.44 45 cc. Die Zulässigkeit Formvorschriften

mechanischer

Unterschriftsverfahren

bei

ähnlichen

Das Ergebnis bestätigt sich durch einen Blick auf § § 3 und 39 (dt.)VVG.45 Für die allgemeine Formpflicht des WG, die Policierungspflicht des Versicherers, wird nämlich kraft ausdrücklicher Gesetzesbestimmung die Nachbildung der eigenhändigen Unterschrift für ausreichend erklärt. Zumal es sich auch bei der Versicherungspolice um eine einseitig vom Versicherer auszustellende Urkunde handelt, hätte eine Analogisierung jedenfalls erwogen werden können. Dieses Analogieargument wird um so drückender, als auch § 39 (dt.)WG (auch er enthält, wie § 12 Abs. 3 [dt.]WG, eine Formpflicht für die Nachfristsetzung bei Prämienzahlungsverzug sowie eine formalisierte Aufklärungspflicht hinsichtlich etwaiger nachteiliger Rechtsfolgen für den Versicherungsnehmer) eine Formerleichterung beschert, indem er die Nachbildung der eigenhändigen Unterschrift genügen läßt.

dd. Der verfehlte Verweis des OLG Koblenz auf die BGH-Rechtsprechung zur Bürgschaftsform Formzweckerwägungen lassen daher auch den Verweis des OLG Koblenz auf jene BGH-Rechtsprechung ins Leere gehen, die eine Fernkopie für eine Bürgschaftserklärung als nicht ausreichend beurteilt46. Bei der Bürgschaftserklärung geht es nämlich gerade um den Schutz des Unterzeichnenden selbst. Vermeidung der Umgehung bzw. Auflockerung des Übereilungsschutzes und Ausschluß von Fälschungsrisiken können hier für eine Nichtanerkennung nicht eigenhändig gezeichneter Urkunden ins Treffen geführt werden (wenngleich auch dort die Frage der Legitimität des Ausschlusses moderner Kommunikationstechniken zu prüfen wäre). Ganz gewiß aber rechtfertigt der Informationszweck der Form nach § 12 Abs. 3 (dt.)WG das Insistieren auf eigenhändige Signierung im Sinne von § 126 BGB nicht.

44 Vgl. für das Erfordernis der Verwendung eines eingeschriebenen Briefes nach § 66 GesmbHG in Österreich die ähnlich gelagerten Überlegungen bei Karollus ecolex 1997, 431, der freilich über eine bloße Prüfung abstrakter Erheblichkeit hinausgeht. 45 Dasselbe gilt - in noch stärkerem Maße - für Österreich: Siehe dessen §§ 3 und 39 VersVG; ganz allgemein anerkennt das österreichische Recht darüberhinaus eine Nachbildung der eigenhändigen Unterschrift, wenn dies im Geschäftsverkehr üblich ist: Siehe § 886 letzter Satz ABGB. 46 BGH 28.1.1993 BGHZ 121, 224 = NJW 1993, 1126.

ee. Zwischenbefund Eine Erheblichkeitsprüfung - etwa nach dem Modell der substantial-complianceDoktrin - müßte daher dem Ablehnungsschreiben des Versicherers (bzw. der zugestellten Kopie) Wirksamkeit bescheinigen, zumal die Form - so wie sie ausgeführt wurde - aus sich heraus die Formfunktion erfüllt. Dabei ist es freilich aus funktionaler Sicht egal, ob man den Formzwang selbst oder nur die Nichtigkeit zurücknimmt. Es ist sohin einerlei, ob man das Formgebot als erfüllt betrachtet oder trotz Formalfehlers keine Sanktionen eintreten läßt: Beides fuhrt zur Gültigkeit. Jedenfalls ist die drohende Formnichtigkeit stets Motiv der Beschränkung des Formgebots: Wenn der Tatbestand von der Form des Vertrages ganz pauschal spricht, dann erklären sich einschränkende Interpretationen eben gerade aus der sonst drohenden Nichtigkeitssanktion, die aber - mangels Formzweckgefährdung überflüssig ist. ff. Versteckte Erheblichkeitsprüfung: Die formzweckorientierte Bestimmung des Formtatbestandes

Tatsächlich lassen sich auf Tatbestandsebene Rechtsprechungstendenzen ausfindig machen, die dem Formgebot wegen des Formzwecks besondere Schärfe verleihen oder - umgekehrt - ihm unnötige Schärfe nehmen.47 So hat etwa der OGH für die Formpflicht der qualifizierten Mahnung nach § 39 (ö)VersVG ausgesprochen, daß die Plazierung des Mahnschreibens auf einer einen Zahlschein nur verlängernden Allonge nicht wirksam ist.48 Vom Ergebnis her ähnlich forderte der BGH ehedem zur Verlängerung eines (befristeten) Mietvertrages die Verbindung der Urkunde über die Verlängerung mit der ursprünglichen Vertragsurkunde.49 Der BGH hat außerdem durch seine Rechtsprechung Formgebote „richterrechtlich“ geschaffen.50 Ganz einerlei, ob man in der einen Formverschärfung Sinn erkennen, der anderen hingegen solchen absprechen muß: Die Rechtsprechung stellt jedenfalls auf der Tatbestandsseite des Formzwangs sehr wohl auf den Formzweck ab; damit beeinflußt sie unmittelbar auch die Rechtsfolgenseite. Auch Formerleichterungen 47 Zu solch teleologischer Interpretation des Formzwangs jüngst Hagen in FS Schippel 173 (174f); aus der Rechtsprechung in jüngerer Zeit BGH 5.11.1997 JZ 1998, 464 (Bülow). 48 Rechtsprechung bei Heiss/Lorenz § 39 VersVG Rz. 12; ähnlich hat das OLG Hamm sogar an die richterrechtlich geschaffene Aufklärungspflicht des Versicherers über die rückwirkende Leistungsfreiheit des Versicherers bei Erstprämienzahlungsverzug nach vorläufiger Deckung gemäß § 1 Nr. 2 Satz 4 AKB „wegen der weitreichenden und nicht selten existenzbedrohenden Folgen“ „strenge Anforderungen“ (umfassende und unmißverständliche Aufklärung) gestellt. Hier geht es also um Steigerung der Transparenz durch besonders hohe Anforderung an den Inhalt der Belehrung; siehe OLG Hamm 6.7.1994 NJW-RR 1995, 1115. 49 Siehe zur diesbezüglichen Rechtsprechung nur Putzo in Palandt § 566 BGB Rz. 17; ferner Varadinek ZMR 1997, 562; zum Abweichen des BGH von seiner Rechtsprechung z.B. BGH 14.1.1997 NJW 1997, 2182 (2183): Diese Entscheidung lehnt das Erfordernis körperlicher Verbindung jedenfalls für die Formvorschrift des § 34 GWB a.F. ab; sie deutet ferner die endgültige Abkehr des BGH von seiner Rechtsprechung zu § 566 BGB an; eine solche kann wohl in BGH 24.9.1997 MDR 1998, 31 (Stemel) = JZ 1998, 520 = BGHZ 136, 357 gesehen werden; ausführlich hierzu Michalski WM 1998, 1993 (2003f); ferner Lenz/Schlößer MDR 1998, 1. 50 Z.B. BGH 16.11.1993 BGHZ 124, 151.

sind - gerade weil sie mit dem Formzweck vereinbar sind - feststellbar. So verlangte der BGH bei § 34 GWB a.F. keine körperliche Verbindung der einzelnen Blätter einer Vertragsurkunde, weil eine abstrakte Erheblichkeitsprüfung angesichts des Formzwecks der Kontrolle negativ ausfällt.51 Ferner hält das OLG Celle eine „Oberschrift“ eines privatschriftlichen Testaments dann für ausreichend, wenn für eine Unterschrift nicht genügend Raum verbleibt: „...denn mangels freien Raumes kann dann eine solche Unterschrift als Fortsetzung und Abschluß des darunterstehenden Testaments angesehen werden“.52 Kurzum: Die tatsächlich gewählte Form garantiert die Verwirklichung des Formzwecks schon abstrakt genauso wie die vorgeschriebene „Unterschrift“. Weitere einschlägige Rechtsprechungsbeispiele liegen vor. Sie betreffen aber nicht äußerlich mangelhafte Urkunden, sondern Fehlbeurkundungen (Inhaltsmängel). Auf diese wird sogleich eigens eingegangen.53 3. Erheblichkeitsprüfung von Inhaltsmängeln im Bereich „traditioneller“ Formen a. Problemaufriß

Man wird den vorstehenden Darlegungen - insoweit sie eine Erheblichkeitsprüfung bejaht haben - einwenden müssen, daß sie sich überwiegend auf Typen von Formvorschriften beziehen, die eher selten54 sind oder doch nicht dem Standardtypus von auf Übereilungsschutz (wie er häufig auch bei bloßer Schriftform im Vordergrund steht) oder die Sicherstellung rechtlicher Beratung (wie sie der österreichische Notariatsakt bzw. die deutsche notarielle Beurkundung gewährleisten) gerichteten Formerfordernissen entsprechen. Gerade für diese Standardtypen von Formvorschriften ist daher die Anwendbarkeit materieller Erwägungen bei der Rechtsfolgenbestimmung erst zu belegen. Indessen können dagegen keinerlei grundlegende Bedenken bestehen. Vielmehr stellt sich als eigentlich entscheidend die Frage dar, welche Kriterien zur Beurteilung der Erheblichkeit herangezogen werden können bzw. welche Kriterien die Treffsicherheit eines solchen Tests gewährleisten. Es ist ja schon mehrfach konstatiert worden, daß die Formzwecke des Übereilungschutzes und der Sicherstellung rechtlicher Beratung ganz allgemein gehalten - afinal - sind. Denn es läßt sich nicht viel mehr sagen, als daß die Form vor übereilten und nur mangelhaft überlegten Vertragsschlüssen schützen und damit in positiver Weise auf die Vertragsgestaltung einwirken will. Mangels vorschriftsgerechter Formalisierung 51 Siehe im einzelnen die abstrakte Erheblichkeitsprüfung, welche der BGH 14.1.1997 NJW 1997, 2182 (2183 sub b.) durchfuhrt. 52 OLG Celle 24.6.1996 NJW 1996, 2938. 53 Siehe sogleich § 4 II. 3.. 54 Die Immobilisierungsfunktion der Form nach § 76 (ö.)GesmbHG bzw. § 15 (dt.)GmbHG trägt tatsächlich singulären Charakter. Hingegen handelt es sich bei den formalisierten Aufklärungs-, Informations- und Warnpflichten zahlenmäßig - insbesondere auch durch Einflüsse europäischen (Veibraucher-)Vertragsrechts - um sehr relevante Formvorschriften, die aber gehäuft erst in jüngerer Zeit auftreten; zu den europarechtlichen Hintergründen Heiss in Schnyder/Heiss/Rudisch (Hg.) 87.

läßt sich regelmäßig keine Aussage dahingehend treffen, welchen Vertrag die Parteien bei Formwahrung geschlossen hätten, insbesondere auch nicht, ob sie vom Vertragsschluß oder dessen konkreten Inhalt Abstand genommen hätten. Hier tut sich ein Gegensatz gegenüber anderen Fällen mangelhafter Willensbildung auf. Im Irrtumsrecht etwa wird ja für die Zulässigkeit der Anfechtung eine kausale Einwirkung auf den Abschluß bzw. den Inhalt des Vertrages gefordert und im einzelnen geprüft.55 Ein vergleichbares Vorgehen scheint bei Formfehlern prima facie schwierig. Angesichts dieses Ausgangsbefundes sollen im folgenden Beispiele bereits bestehender (Ansätze von) Erheblichkeitsprüfungen nach geltendem Recht aufgezeigt und auf ihre Verallgemeinerungsfähigkeit hin untersucht werden. b. Prüfung abstrakter Erheblichkeit aa. Collateral contracts in der englischen Rechtsprechung

Hält man sich noch einmal die Situation beim häufigsten Willensmangel, dem Irrtum, vor Augen, so kann nicht übersehen werden, daß dort sehr wohl auch eine (abstrakte) Prüfung dahingehend erfolgt, ob der geltend gemachte Irrtum für den Vertragsschluß von Bedeutung gewesen sein konnte (Scheidung des erheblichen vom unerheblichen Irrtum).56 Derselbe Begriff der Erheblichkeit begegnet uns auch andernorts. So etwa bei der vorvertraglichen Anzeigepflicht seitens des Versicherungsnehmers gemäß §§ 16ff WG.57 Auch dort wird nämlich zwischen solchen Umständen, die aus der Sicht des Versicherers für die Übernahme des zu versichernden Risikos (also für den Vertragsschluß) wesentlich sind und anderen, auf die das nicht zutrifft, unterschieden. Nur bei Nicht- oder Falschanzeige von erheblichen Umständen steht dann dem Versicherer ein Rücktrittsrecht zu.58 Und ein ähnlicher Schritt wäre in Fällen mangelhafter Formalisierung - und zwar gerade beim so häufigen Formfehler der Weglassung einzelner Klauseln - durchaus denkbar. Eine solche Prüfung müßte der Frage nachgehen, ob angesichts des verfolgten Formzwecks die in Rede stehende FormVerfehlung überhaupt tauglich war, z.B. die hinreichende Überlegung der Partei(en) zu gefährden. Ist die erhöhte Ernstlichkeit der Willensbildung bei einem gemäß §313 BGB formpflichtigen Grundstückskaufvertrag wirklich dadurch in Frage zu stellen, daß eine nur nebensächliche Abrede vergessen wurde, in die notarielle Urkunde aufzunehmen? Tatsächlich scheinen englische Gerichte diesem Aspekt Bedeutung beizumessen, wenn sie - mit viel Judiz aber aufgrund fehlerhafter rechtlicher Konstruktion - der Nichtbeurkundung einzelner Abreden kaum Bedeutung beimessen und den Vertrag als vollwirksam behandeln. Gemeint ist hier die Rechtsprechung zu den sogenannten collateral contracts. Konstruktiv haben diese Entscheidungen freilich mit einer 55 Vgl. für Deutschland: § 119 BGB; Österreich: § 871 ABGB; rechtsvergleichend hierzu Kötz 56 Vgl. nur Medicus 295, der - zusätzlich zur Beachtlichkeit des Irrtums - aufgrund § 119 Abs. 1 BGB auch eine „vernünftige“ Kausalität fordert; für Österreich: siehe die Unterscheidung von wesentlichen Irrtümern und unwesentlichen in §§ 871 und 872 ABGB. 57 In Deutschland und Österreich: §§ 16ff V(ers)VG; zur Erheblichkeit Prölss in Prölss/Martin §§ 16, 17 WG Rz. 2; Möller in Bruck/Möller § 16 WG Rz. 25ff; für Österreich: Schauer 108. 58 Siehe § 16 Abs. 2 (dt.)WG (bzw. [ö.]VersVG).

Erheblichkeitsprüfung nichts zu tun: Eine nicht formalisierte Abrede wird zum eigenständigen Vertrag hochstilisiert, der seinerseits nicht formpflichtig ist. Demgemäß liegen ein formalisierter und ein formfreier Vertrag vor, die beide unabhängig voneinander Geltung haben.59 Diese Konstruktion kann aber schon deshalb nicht überzeugen, weil in diesen Fällen zumeist unselbständige Vertragsteile zu selbständigen erklärt werden, indem man die consideration für diese Klauseln eben im Abschluß des (Haupt-)Vertrages sieht.60 Damit allein wird aber deutlich, daß die im Hauptvertrag enthaltene Gegenleistung partiell zur consideration (auch) für den collateral contract (der gewöhnlich eine besondere Zusage für den Fall der Vertragsfertigung beinhaltet) wird. Entscheidend für die Anerkennung der collateral contracts dürfte demgegenüber das Judiz englischer Richter sein.61 Es leuchtet ihnen schlicht und einfach nicht ein, warum eine nur unerhebliche Nebenabrede mangels Formalisierung den Gesamtvertrag zu Fall bringen soll. Deutlich sind hier etwa die Worte des Richters Baker, der meint, es wäre höchst unglücklich, den Vertrag am Formfehler hinsichtlich nur einer Nebenabrede scheitern zu lassen.62 Freilich, das Versteckthalten dieses Vorgehens hinter der Formalkonstruktion des „collateral contracf verhindert eine offene Auseinandersetzung mit der Frage der Erheblichkeit der Nichtbeurkundung von Nebenabreden und damit auch das Herausarbeiten justiziabler Entscheidungsmaxime. Klare Delimitierungskriterien liegen daher nicht vor.

bb. Die BGH-Rechtsprechung zu formlosen Nebenabreden ohne wesentliche Bedeutung3 Auch dem BGH ist das Erheblichkeitsdenken nicht ganz fremd. Für geschlossene Grundstückskaufverträge, deren Abwicklung sich unvorhergesehene Komplikationen entgegenstellen, hat er erkannt, daß nur der erleichterten Abwicklung dienende Nebenabreden formlos wirksam sind.64 Freilich ist hieran Kritik geäußert worden, insbesondere weil diese Rechtsprechung zu Rechtsunsicherheit führe und dem Beweiszweck nicht Rechnung trage.65 Wegen der 59 Siehe nur Wedderburn Cambridge LJ 1959, 58; detaillierter unten § 6 VI. 4. d. bb.. 60 Zu dieser Konstruktion siehe die unten § 6 VI. 4. d. bb. angeführte englische Rechtsprechung. 61 In diesem Sinne wohl auch die recht deutlichen Ausführungen von Haley Anglo- American LRev 22 (1993) 498 (507 und 51 If); ebenso Adams Conv 1995, 364 mit mehreren Hinweisen auf die Rechtsprechung. 62 Baker, Q.C., in Record v Bell (1991) 1 WLR 853 (862 letzter Absatz). 63 Aus § 125 BGB wird ja gerne auch ein Prinzip der vollständigen Verbriefung abgeleitet; vgl. z.B. Brox in Erman I § 125 BGB Rz. 4, der zunächst Formalisierung aller Nebenabreden fordert, dann aber auf den Formzweck verweist; ferner Krüger-Nieland in RGRK I § 125 BGB Rz. 14f; insgesamt erscheint es von vornherein verfehlt, einen Grundsatz der Gesamtverbriefung etablieren zu wollen, jedenfalls aber kann er sich nicht aus der Rechtsfolgenbestimmung des § 125 BGB ergeben; die verfehlten Versuche, aus den Rechtsfolgenbestimmungen Rückschlüsse auf die Tatbestandsseite des Formzwanges zu ziehen, werden eingehender im Zusammenhang mit der Frage der Teilnichtigkeit besprochen; hierzu unten § 6 VI. 6.. 64 So schon BGH 2.10.1957 LM Nr. 14 zu §313 BGB; zuletzt im Grundsatz bestätigend, wenngleich in concreto ablehnend BGH 9.11.1995 NJW 1996, 452. 65 So Wufka in Staudinger II1 § 313 BGB Rz. 181.

eingrenzenden Voraussetzung der Abwicklungserleichterung will aber Wufka aufgrund „verständnisvoller ergänzender Vertragsauslegung“ zum selben Ergebnis kommen.66 Warum eine solche Regelung nach dem hypothetischen Parteiwillen hingegen mit der Rechtssicherheit und dem Beweiszweck vereinbar sein soll, die Regelung der Parteien (also der tatsächliche Wille) hingegen nicht, bleibt dabei jedenfalls teleologisch - unbeantwortet. Teilweise wird - trotz Formbedürftigkeit von Änderungsvereinbarungen - eine Ausnahme für „Bagatelländerungen“ gemacht:67 Der BGH fordert bei Änderungsvereinbarungen zu bereits (formgültig) geschlossenen Grundstücksverträgen als Voraussetzung für die Formnichtigkeit, daß sich die „begründete Verpflichtung in rechtlich erheblicher Weise verändert“.68 Solch erhebliche Veränderung soll nicht gegeben sein, wenn die neuen Abreden nur der leichteren Abwicklung dienen69, oder aber der Änderungsvertrag zwischen Auflassung und grundbücherlicher Umschreibung erfolgt.70 Damit aber wird eine Erheblichkeitsprüfung eingeführt, und es vermag nicht mehr einzuleuchten, wieso eine nicht beurkundete „Bagatellklausel“ zur Gesamtnichtigkeit (!) fuhren soll, davon aber eine Ausnahme gemacht wird, wenn die Vereinbarung der Bagatellklausel dem eigentlichen Vertragsschluß nachfolgt. Warum soll man in Fällen von Bagatellklauseln nicht von vornherein - sachgerecht (!) - von der Unerheblichkeit des Formmangels ausgehen? cc. Der OGH zur Form der GmbH-Anteilsveräußerung

Der OGH vertritt für die Form von GmbH-Anteilsveräußerungsverträgen den Standpunkt, daß auch eine nur teilweise Beurkundung angesichts des Formzwecks der Immobilisierung ausreichen kann.71 Darüber hinausgehend wird in der Literatur die Meinung vertreten, eine bloße Angabe der essentialia negotii wäre ausreichend.72 Koppensteiner fuhrt aus, weder der Rechtsgrund brauche angegeben zu werden noch die Nebenabreden, und auch eine Fehlbeurkundung des Kaufpreises sei unschädlich.73 Begründung: „All dies läßt sich aus dem Formzweck ableiten “74

66 So Wufka in Staudinger II1 § 313 BGB Rz. 181. 67 Siehe nur Zeller 146f m.w.N.. 68 Siehe nur BGH 9.11.1995 NJW 1996, 452. 69 BGH 9.11.1995 NJW 1996, 452 unter Bestätigung der Entscheidung BGH 27.10.1972 NJW 1973, 37. 70 BGH 9.11.1995 NJW 1996, 452 unter Bestätigung der Entscheidung BGH 27.10.1972 NJW 1973, 37. 71 OGH 25.4.1963 SZ 36/68; zur Rechtsprechung des OGH - insofern zustimmend - Schauer RdW 1986, 358. 72 Koppensteiner § 76 GesmbHG Rz. 20; auch Kastner/Doralt/No^otny, 423, vertreten die Gültigkeit von nicht beurkundeten Nebenabreden. 73 Koppensteiner § 76 GesmbHG Rz. 20; siehe auch P. Bydlinski 65ff mit Hinweisen zur österreichischen Rechtsprechung (66). 74 Koppensteiner § 76 GesmbHG Rz. 20.

dd. Prüfung subjektiver rectification

Erheblichkeit:

Das

englische

equity-Institut

der

Ist den Parteien bei der Beurkundung lediglich ein „Fehler" unterlaufen, so hat dies regelmäßig auf die reifliche Überlegtheit der Willenserklärung keinen Einfluß. Gehen nämlich die Parteien von einem bestimmten Urkundeninhalt aus, obgleich dieser in Wahrheit gar nicht gegeben ist, dann ist der Warneffekt der Form ebenso hoch wie bei Formwahrung. Und tatsächlich besteht in England eine auf equityPrinzipien aufbauende Rechtsprechung, wonach vermeintlich richtige, tatsächlich aber falsche Beurkundungen verbesserungsfähig sind (rectification).15 Dies soll gerade auch bei gesetzlichem Fornizwang gelten und zwar auch im Rahmen der Konstitutivform der nunmehrigen s. 2 Law of Property (Miscellaneous Provisions) Act 1989.75 76 Allerdings, das ist sogleich einzuräumen, baut dieses Institut der rectification nicht auf der Überlegung auf, der Formzweck sei durch die (wenngleich fehlerhafte) Urkunde gewahrt. Vielmehr handelt es sich um eine bewußte Billigkeitskorrektur des strengen Formrechts.77 Dies gilt schon beim „Regelfall“ der rectification, nämlich dem Vorliegen eines beiderseitigen Irrtums.78 Es wird bei bloß einseitigem (aber zurechenbarem) Irrtum noch deutlicher.79 Jedoch läßt sich gerade bei solchen Formvorschriften, die dem Übereilungsschutz dienen sollen, der Formzweck mit einem (Billigkeits-)Anspruch auf Berichtigung der Urkunde zumindest bei beiderseitigem Irrtum über den Urkundeninhalt unmittelbar vereinbaren.80 Die Forderung nach einem der rectification nachgebildeten Institut ist daher auch für Deutschland bereits erhoben worden. Insbesondere Häsemeyer will die Nichtigkeitssanktion immer dann zurücknehmen, wenn die Parteien irrtümlich von der fehlerfreien Beurkundung ausgegangen sind.81 Sein Ansatz hat indessen in der Rechtsprechung keine Beachtung gefunden bzw. ist umgangen

75 Hierzu Beale in Chitty I 320ff; Law Com. No. 154, 15f; Treitel 297ff; Martin in Hanbury & Martin 823ff; Baker/Langan in Snell's Equity 626ff; zur Anwendung auch in Schottland seit dem Law Reform (Miscellaneous Provisions) (Scotland) Act 1985: George Thompson Services Ltd v Moore 1993 SLT 634. 76 Siehe s. 2 par. 4 Law of Property (Miscellaneous Provisions) Act 1989; auch Law Com. No. 164, 14 unter Verweis auf die Ausführungen zur alten Rechtslage (20), sowie ausdrücklich in den explanatory notes zum Gesetzesvorschlag (25); deutlich Wright v Robert Leonard (Developments) Ltd. (1994) EGCS 69. 77 Das gilt ganz besonders, wenn rectification gewährt wird, obwohl nur eine Partei in Irrtum war; hierzu insbesondere Samuel/Rinkes 110, die zwar - unter Verweis auf Thomas Bates & Son v Wyndham’s (Lingerie) Ltd. (1981) 1 WLR 505 - nicht sharp practice aber doch irgendeine ungerechtfertigte Bereicherung oder eine Form der mißbilligten Rechtsausübung fordern; zur diesbezüglichen Entwicklung auch B. Lorenz 170ff. 78Auch Stuart-Smith, L.J., in Commission for the New Towns v Cooper (Great Britain) Ltd. (1991) 2 WLR 677 (691) bezeichnet den beiderseitigen Irrtum als „the commonest circumstance in which rectification isgranted". 79 Auch hierzu Stuart-Smith, L.J., in Commission for the New Towns v Cooper (Great Britain) Ltd. (1991) 2 WLR 677 (69 If) mit einer detaillierten Judikaturanalyse. 80 Zu den Kriterien der rectification im Falle beiderseitigen Irrtums grundsätzlich Josceleyne v Nissen (1970) 2 QB 86. 81 Häsemeyer 270ff, insbesondere 271: „Mehr als das Bemühen, dem Formgebot zu folgen, kann angesichts der sonst drohenden Formnichtigkeit nicht verlangt werden“.

worden.82 Dabei könnte er gerade in Form einer Weiterentwicklung der falsademonstratio-^Q^Q^3 umgesetzt werden. Denn diese ist funktional mit dem Institut der rectification verwandt: Beidesmal geht es um eine Abweichung des objektiven Erklärungsinhalts vom subjektiven, die jedoch keine Rolle spielt, weil die Parteien vom „wahren“ Inhalt ausgehen und sich dadurch der Warneffekt vollständig vollzieht. Das wird besonders bei bloßen Fehlformulierungen deutlich, weil hier eine interpretative rectification schon durch das Institut der falsa-demonstratio-^Q^\ im herkömmlichen Sinne möglich ist. Bei überhaupt fehlenden, vermeintlich aber enthaltenen Klauseln könnte gerade in der vorbehaltlosen Unterschrift, die im Glauben an das Vorhandensein der Klausel im Text geleistet wird, die falsa demonstratio gesehen werden, die zur Korrektur berechtigt.84 Jedenfalls ist qualitativ zwischen den Fällen, in denen irrtümlich objektiv Unzutreffendes erklärt wird, und jenen, in denen in der Urkunde Klauseln fehlen, die für geschrieben gehalten werden, kein Unterschied zu erkennen.85 Und tatsächlich hat die Rechtsprechung jedenfalls den umgekehrten Fall für unschädlich gehalten: Scheinen in der Vertragsurkunde Abreden auf, die gar nicht vereinbart wurden (irrtümliche „Überformalisierung“), so soll dies unschädlich sein;86 ein Fall, der dem (irrtümlichen) Fehlen einer Klausel näher steht als der falsa-demonstratio-^QgeX 31 82 Siehe die detaillierte Judikaturanalyse bei Brox JA 1984, 549 (55 If) für Fälle des § 313 BGB; zur Auslegung formbedürftiger Willenserklärungen durch die Rechtsprechung auch Wieser JZ 1985, 407 (408). 83 Hierzu ausführlich Häsemeyer 270ff; vgl. auch Hefermehl in Soergel I § 125 BGB Rz. 20 m.w.N. in FN 8, der zwischen Andeutungslehre und falsa-demonstratio-^&ge\ einen Widerspruch ortet; deutlich Brox JA 1984, 549 (553 mit zahlreichen Hinweisen auf zustimmende Literatur in FN 23); auch Medicus 126ff; allgemein wird ja zumindest die falsa-demonstratio-^&geX auch für formpflichtige Rechtsgeschäfte anerkannt: Z.B. Medicus 128; Hagen in FS Schippel 173 (181); Köbl DNotZ 1983, 598; M.Reinicke JA 1980, 455; Flume NJW 1983, 2007; anders Wieling AcP 172 (1972) 297; für Urkunden im öffentlichen Interesse (Kontrollfunktion der Form nach § 34 GWB a.F.) soll allerdings ein strenger Maßstab an Vollständigkeit und Klarheit des Urkundeninhalts angelegt werden: so OLG Frankfurt 16.11.1961 NJW 1962, 870. 84 Die Unterschrift deutet das Vereinbarte vielfach genauso gut an, wie andere Hinweise, die in der Rechtsprechung als ausreichend angesehen wurden: Vgl. zur „verdeckten Umgehung“ der Andeutungsformel durch die Judikatur Bernard 68f. 85 So auch in aller Deutlichkeit Brox JA 1984, 549 (553ff), der die Formzwecke einer detaillierten Einzeluntersuchung unterzieht und die Andeutungslehre schließlich ablehnt; in diesem Sinne auch Medicus 128; wohl auch Reinicke/Tiedtke 26; a.A. Scherer 78 unter dezidierter Ablehnung der Ansicht von Häsemeyer und unter Betonung des Beweiszwecks; ebenfalls a.A. Bernard 116ff; im übrigen kann die Unterscheidung in nicht beurkundete und falsch beurkundete Abreden im Einzelfall ohnehin schwierig sein, und zwar auch dann, wenn man es als entscheidendes Kriterium ansieht, ob das Vereinbarte in der Urkunde nur „unrichtig ausgedrückt“ sei; hierzu Wujka in Staudinger II1 §313 BGB Rz. 219; vgl. auch das unbefriedigende Ergebnis in OLG Frankfurt 5.5.1994 NJW-RR 1995, 79, wo die Parteien an einem Rechenfehler des Notars festgehalten wurden (wenngleich kein „klassischer“ Fall der Andeutungslehre vorlag); vgl. ferner BGH 12.7.1996 NJW 1996, 2792: Was in der Vertragsurkunde „allgemein“ bezeichnet wurde, ist formgültig vereinbart, auch wenn die Urkunde zum „näher Vereinbarten“ schweigt. 86 Siehe OLG Düsseldorf 20.4.1995 ZMR 1995, 404 = EWiR §566 BGB 1/1995, 1067 (Eckert)\ der Fall freilich betraf § 566 BGB, berührte sohin Formvorschriften mit dem Zweck des Drittschutzes; auf eben diesen Umstand bezieht sich dann auch die Kritik in der Urteilsanmerkung von Eckert.

Es zeigt sich, daß ein Institut der rectification mit dem Formzweck des Übereilungsschutzes vereinbar ist:87 88 Irrtümliches Weglassen einer Klausel tut der Warnfunktion der Form keinen Abbruch. Der Beweiszweck wird durch den Vergriff im Ausdruck (falsa demonstratio^9) genauso beeinträchtigt wie durch das Weglassen einer Klausel. Will man aber das Formgebot nicht dahin überdehnen, daß man den Parteien die Freiheit nimmt, ihre Willenserklärungen in der ihnen eigenen Sprache abzufassen, dann müssen Fehlbezeichnung und irrtümliches Fehlen von Abreden unschädlich sein.90 c. Gesetzliche Auflistung der erheblichen Formverstöße Richtlinienrecht und in den deutschen Umsetzungsgesetzen

im

europäischen

Bei allem braucht das Urteil über die Wesentlichkeit eines inhaltlichen Mangels von Urkunden nicht stets vom Richter im Einzelfall gefällt werden; auch gesetzliche Vordeferminierungen sind möglich und existieren de lege lata. Sie finden sich im europäischen Richtlinienrecht ebenso wie in den (diesbezüglichen) deutschen Umsetzungsgesetzen (bzw. Entwürfen). So schreibt die Verbraucherkredit­ Richtlinie einen bestimmten Mindestinhalt der Vertragsurkunde vor; alle anderen „wesentlichen“ Vertragsbestandteile sollen in der Urkunde aufscheinen - zwingend ist dies eben nicht, weshalb deren Weglassung nach Richtlinienrecht nicht notwendig zur Nichtigkeit des Vertrages fuhrt.91 Weitergehend kennt die Timeshare-Richtlinie eine Konstitutivform, wobei auch Einzelangaben über verschiedenste vertragswesentliche Umstände in der Urkunde enthalten sein müssen.92 Doch wird an das Fehlen solcher Einzelangaben nicht (zwingend) die Nichtigkeit geknüpft; vielmehr verlängert sich das jedenfalls (also auch bei vollständiger Formwahrung) dem Verbraucher eingeräumte Widerrufsrecht. Das Ausmaß der Verlängerung ist dabei je nach Erheblichkeit der unterbliebenen Einzelinformation verschieden.93 Ähnlich kennt das deutsche VerbrKrG Angaben in der Vertragsurkunde, deren Weglassung nicht zur Nichtigkeit des Gesamtvertrages fuhrt.94 Freilich ist dieser Fall von den genannten Richtlinienbestimmungen 87 Vgl. im übrigen von Tuhr 507f, der selbst bei einer Fehlbeurkundung des Preises in einem Grundstückskaufvertrag von der Formgültigkeit des verdeckten Geschäfts (also jenes mit dem „wahren“ Kaufpreis) ausgeht, wenn der Kaufpreis zu hoch angegeben ist. 88 Vgl. aber Bernard 71 ff, der meint, Formvorschriften könnten das Andeutungserfordernis nicht aus sich heraus begründen, dann aber (116ff, insb. 120ff) die Meinung Häsemeyers ablehnt, weil sie mit dem Formzweck nicht vereinbar sei. 89 Freilich wird gerade wegen der Anerkennung der falsa-demonstratio-R.ege\ beim formgebundenen Rechtsgeschäft eine Beeinträchtigung des Beweiszwecks befurchtet, letztlich aber als nicht entscheidend bewertet: So Hagen in FS Schippel 173 (181) unter Berufung auf die Rechtsprechung des V. Zivilsenats des BGH (Nachweise dort). 90 Zur Gefahr der Übersteigerung des Formzwangs bei Ablehnung selbst einer falsademonstratio-Regei auch Brox JA 1984, 549 (553). 91 Siehe hierzu die Regelung des Art. 4 Abs. 3 Verbraucherkredit-Richtlinie. 92 Siehe Art. 4 i. V.m. Anhang Timeshare-Richtlinie. 93 Siehe Art. 5 Timeshare-Richtlinie mit seiner nach Formfehlern differenzierenden Verlängerung des Widerrufsrechts. 94 Vgl. § 6 Abs. 1 VerbrKrG in dessen Aufzählung der Nichtigkeitsfalle die Nichtangabe von zu bestellenden Sicherheiten nach § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 lit. g und Nr. 2 lit. f VerbrKrG fehlt.

unterscheidbar, weil es hier jedenfalls zu einer Teilnichtigkeitssanktion kommt: So sind z.B. Klauseln über zu bestellende Sicherheiten mangels Aufnahme in die Urkunde nichtig, der Restvertrag bleibt davon unberührt.95 Dem Richtlinienrecht entspricht es indessen, wenn das VerbrKrG zwar den gesamten Kreditvertrag dem Formgebot unterwirft96, die Nichtigkeitssanktion hingegen nur an das Fehlen der Form „insgesamt“97 oder aber an die mangelnde bzw. falsche Beurkundung bestimmter (aufgelisteter) Angaben98 knüpft.99 Und wiederum in direkter Übereinstimmung mit dem Richtlinienrecht sieht das deutsche Teilzeit­ Wohnrechtegesetz (TzWrG) eine Differenzierung von zur Nichtigkeit führenden Formmängeln und sonstigen vor. Und hierbei kommt es gerade auf die „Wesentlichkeit“ derjenigen Vertragsinhalte, die formfehlerhaft sind, an. Demnach gilt: Wesentliche Vertragsbestandteile müssen bei sonstiger Nichtigkeit vorschriftsgemäß formalisiert werden; fehlen hingegen andere - zwingend vorgesehene - Angaben in der Vertragsurkunde, so folgt hieraus lediglich eine Verlängerung des Widerrufsrechts.100 d. Beispiele der Prüfung konkreter Erheblichkeit des Formmangels

Zuletzt finden sich Beispiele, in denen Formmängel nur sanktioniert werden, wenn sie im konkreten Einzelfall erheblich geworden sind. Vorauszuschicken ist allerdings, daß es sich bei den sogleich angeführten Beispielen um Formvorschriften handelt, die konkrete Angaben in der Urkunde fordern, deren Fehlen eine mangelnde Unterrichtung (jedenfalls) einer Partei verursacht, welche wiederum dadurch adäquat sanktionierbar ist, daß man die nicht unterrichtete Partei in jene Lage versetzt, in der sie bei vollständiger Information wäre, oder aber eine Vernichtung des Vertrages an konkrete Willensmängel bindet. Eine Übertragbarkeit solcher Sanktionsmechanismen auf Formpflichten im allgemeinen ist indessen nicht ausgeschlossen: Fehlt in der Vertragsurkunde eine Klausel, so könnte für das Eintreten von Rechtsfolgen durchaus der Nachweis einer diesbezüglich konkret mangelhaften Willensbildung gefordert werden.

aa. S. 127 Consumer Credit Act Die schadensersatzrechtliche Sanktionierung und ihre mögliche Bedeutung für die Umsetzung von Formvorschriften des europäischen Verbrauchervertragsrechts Ein Modell konkreter Erheblichkeitsprüfung bietet s, 127 des englischen Consumer Credit Act. Eine fehlerhafte Angabe des effektiven Jahreszinssatzes ermächtigt den 95 Zur Natur des § 6 VerbrKrG als bestimmender Nichtigkeitsnorm, die § 139 BGB teilweise derogiert, unten § 10 V. 1. b. und § 10 V. 3.. 96 § 4 VerbrKrG. 97 § 6 Abs. 1 1. Alternative VerbrKrG. 98 § 6 Abs. 1 2. Alternative VerbrKrG. 99 Zum Schicksal der von § 6 Abs. 1 VerbrKrG nicht erfaßten Klauseln § 10 V. 3.. 100 Zu alledem § 3 Abs. 1 letzter Satz i.V.m. § 5 Abs. 4 TzWrG; jeweils im hier vertretenen Sinne kommentiert in der Begründung zum Entwurf BR-DS 887/95 vom 29.12.1995, 22 (Nichtigkeit nur beim Fehlen wesentlicher Vertragsbestandteile) und 26 (Verlängerung der Frist für den Widerruf seitens des Erwerbers).

Richter zu angemessener Sanktionierung (insbesondere zu einer Vertragsmodifikation durch Anpassung des Zinssatzes). Die Bemessung der Zinssatzmodifikation hat dabei anhand der konkreten Nachteile, die dem Verbraucher durch die fehlerhafte Angabe entstanden sind, zu erfolgen.101 Der Sache nach geht es also um Schadensersatz. Und dieser Ansatz ist gewiß verallgemeinerungsfähig, wenngleich inhärente Begrenzungen unübersehbar sind. Zwei Punkte sind hervorzuheben: Erstens setzt eine Schadensersatzpflicht voraus, daß die fehlerhafte Formalisierung einer Partei zurechenbar ist, daß also eine Partei der anderen gegenüber zur Formwahrung verpflichtet war. Hierbei ist an strukturelle Ungleichgewichtslagen zu denken, wie sie gerade im Verbraucherrecht (auch das Beispiel des Consumer Credit Act ist ja diesem entnommen) vorzufinden sind. Bei Formvorschriften im allgemeinen (z.B. bei der Form nach § 313 BGB) liegt eine derartige Situation nicht vor. Auch ist eine Schadensersatzpflicht, zweitens, im allgemeinen nur denkbar, wenn es sich um den Schutz einer Partei durch Information über konkrete Umstände handelt. Traditionelle Formvorschriften, die nur eine ganz allgemeine Hervorhebung der Bedeutung des zu schließenden Geschäfts bezwecken, sind hierfür zu afinal ausgestaltet. Damit zusammenhängend muß sich die Information auf Umstände beziehen, deren Nichtbeachtung meßbare Schäden nach sich ziehen können. Insgesamt also läßt sich die Schadensersatzvariante auf Formvorschriften traditioneller Prägung nur schwer übertragen. Das allein schmälert ihre Bedeutung allerdings nicht: Denn die in den Richtlinien zum europäischen Verbrauchervertragsrecht enthaltenen Formvorschriften kennen eine Vielzahl von Beurkundungszwängen (konstitutiver wie auch nicht-konstitutiver Natur), die auf die Information des Verbrauchers durch den Unternehmer abstellen.102 Zu ihrer Sanktionierung im Rahmen der Umsetzungsgesetze kann die Schadensersatzvariante in zweifachem Sinne herangezogen werden: Erstens kann sie als Sanktion ausdrücklich bestimmt werden, wenn damit der Formzweck, insbesondere aber auch die nötige Präventivwirkung erreichbar erscheint. Allerdings ist zu bedenken, daß man damit allein häufig dem Ziel der Richtlinien nicht völlig gerecht wird. Denn diese wollen einer mangelnden Information des Verbrauchers selbst dann Rechnung tragen, wenn dieser keinen konkreten, finanziellen Schaden erlitten hat Außerdem bleiben schadensersatzrechtliche Folgen auch bei andersartiger Sanktionierung nach allgemeinen Grundsätzen vorbehalten, zumal ja Fehlbeurkundungen in diesen Fällen eine Pflichtverletzung des Unternehmers darstellen. In der Tat zeigen die bisherigen Umsetzungsaktivitäten in Deutschland und Österreich eine Präferenz dieser Gesetzgeber für nicht primär schadensersatzrechtliche Sanktionierung, ohne freilich derartige Folgen aufgrund allgemeinen Schadensersatzrechts auszuschließen. Und gerade die Finalität der im Richtlinienrecht häufig minutiös ausformulierten Formvorschriften dürfte die Bedeutung schadensersatzrechlicher Folgen wachsen lassen.

101 Im einzelnen siehe unten § 10 V. 1. b. cc. 102 Hierzu unten § 5 IV. 2. b. und c. sowie 3.

bb. Die Prüfung konkreter Erheblichkeit von Formmängeln Mietkündigungsschreiben durch die englische Rechtsprechung

in

Bestimmte Angaben müssen nach englischem Recht in Kündigungsschreiben nach 5. 25 Landlord and Tenant Act enthalten sein. Das Fehlen solcher Angaben fuhrt grundsätzlich zur Ungültigkeit der Kündigung. Doch hat die englische Rechtsprechung die Ungültigkeit nur bei konkreter Erheblichkeit folgen lassen, oder, negativ formuliert, die Ungültigkeit zurückgenommen, wenn die Fehlangabe unerheblich war.103 104 Und dies fuhrt z.B. in Tegerdine v BrooksXQ4 zur Aufrechterhaltung der Kündigung mangels konkreter Erheblichkeit des Formmangels.105 106 Umgekehrt ist die Kündigung in Morrow v NadeemlQ6 wegen konkreter Erheblichkeit der Falschangabe107 unwirksam: Die Mieterin hatte nämlich im Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben des Kündigungsschreibens disponiert.108 cc. Das Wechselspiel von Form und §§ 871, 872 ABGB

Eine weitere Möglichkeit der Finalisierung von Formverfehlungsfolgen ergibt sich aus einem Zusammenspiel der Formvorschrift mit den Regeln der Irrtumsanfechtung. Dient nämlich die Form der Befriedigung von Informationsbedürfnissen, dann kann an einen Inhaltsmangel ein Recht zur Irrtumsanfechtung geknüpft werden. Dies setzt jedenfalls voraus, daß der Formmangel auch tatsächlich einen Irrtum provoziert hat109 und dieser erheblich ist. Freilich ist die Irrtumsanfechtung im allgemeinen an weitere Voraussetzungen geknüpft, jedenfalls wenn sie für den Anfechtenden ohne nachteilige Rechtsfolgen vonstatten gehen soll. Im österreichischen ABGB wird Veranlassung bzw. offenbares Auffallenmüssen durch den Anfechtungsgegner oder aber eine rechtzeitige Aufklärung von Seiten des Anfechtenden gefordert.110 Das deutsche BGB läßt der Anfechtung wegen Irrtums eine Haftung des Anfechtenden für Vertrauensschäden folgen, die nur bei Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis des Irrtums aufseiten des Anfechtungsgegners ausgeschlossen ist.111 Diese einengenden Kriterien behindern eine Irrtumsanfechtung dann nicht, wenn dem 103 Siehe diesen Gedanken schon in Barclays Bank Ltd. v Ascott (1961) 1 WLR 717 (722) unter Berufung auf Bolton’s (House Furnishers) Ltd. v Oppenheim (1959) 1 WLR 913. 104 Tegerdine v Brooks (1978) 36 P&CR 261; demgegenüber scheint die englische Rechtsprechung gegenüber vertraglich vereinbarten Angabepflichten zurückhaltender zu sein und eine Unerheblichkeit nur in krassen Fällen anzunehmen: hierzu Mannai Investment Co. Ltd. v Eagle Star Life Assurance Co. Ltd. (1996) 1 AUER 55 (CA). 105 Ähnlich, jedoch mehr in Richtung eines substantial-compliance~hxgamQn\.s gehend auch Dudley Metropolitan Borough Council v Bailey (1991) 10 EG 140. 106 Morrow v Nadeem (1986) 1 WLR 1381. 107 Sie betraf die Identität des Vermieters. 108 Sie hatte infolge falscher Identitätsangabe nicht den Vermieter sondern dessen Vertreter geklagt. 109 Hierbei ist insbesondere auch an eine Verursachung durch Unterlassung der Aufklärung wegen Weglassens einzelner Klauseln zu denken. 110 Siehe § 871 ABGB. 111 Siehe § 122 i.V.m. § 119 BGB.

Anfechtungsgegner eine Beurkundungspflicht obliegt. Damit ist wiederum vorrangig an strukturelle Ungleichgewichtslagen, sohin insbesondere an das Verbrauchervertragsrecht zu denken. In diesen Fällen kommt für das österreichische Recht unterstützend hinzu, daß ein Irrtum über solche Umstände, hinsichtlich derer eine Aufklärungspflicht des Vertragspartners besteht, stets als Geschäftsirrtum und nicht als (unbeachtlicher) Motivirrtum anzusehen ist.112 113 Bei allem versteht sich, daß die Irrtumsanfechtung zunächst nur dann erfolgsversprechend sein kann, wenn die Pflicht zur Information eines Vertragsteils durch Formalisierung vor oder bei Vertragsschluß erfüllt werden muß. Hier sind exemplarisch jene Formvorschriften des europäischen Verbraucher-Richtlinienrechts zu nennen, die schon vor Vertragsschluß formalisierte Informationsgewähr vorschreiben, oder aber mit Vertragsunterzeichnung durch den Verbraucher die vollständige Information sicherstellen.113 Grundsätzlich nicht hierher gehören indessen solche Formvorschriften, die einem Vertragspartner eine Pflicht zur nachvertraglichen Formalisierung und Urkundenaushändigung an den anderen Teil auferlegen.114 Denn die Unterlassung der Aushändigung solcher Urkunden kann schon aus Gründen der zeitlichen Abfolge der Geschehnisse nicht kausal für einen unterlaufenen Irrtum gewesen sein. Für Österreich könnte man freilich eine irrtumsrechtliche Sanktionierung noch über den Fall der rechtzeitigen Aufklärung versuchen: Unterbleibt die Aufklärung des Irrtums, weil der andere Teil keine Bestätigungsurkunde ausgehändigt hat, so könnte hierin ein die Anfechtungsmöglichkeit zeitlich hinausschiebendes venire contra factum proprium gesehen werden. Ähnlich könnte freilich nach deutschem Recht die Vertrauensschadenshaftung des Anfechtenden dadurch eingeengt werden, daß man ihm den Einwand zubilligt, die Anfechtung hätte früher (insbesondere: vor Entstehen von Vertrauensschäden) erfolgen können, wenn die Aufklärung durch rechtzeitige Aushändigung der Bestätigungsurkunde erfolgt wäre. Insgesamt taugt die Irrtumsanfechtung als Sanktion solcher Formmängel, die dem (vorvertraglichen) Informationsbedürfnis eines Vertragsteils durch Beurkundungspflichten seines Partners Rechnung tragen. Demgegenüber kann die Anfechtung wegen Irrtums als Rechtsfolge den tradierten Formvorschriften schon deshalb nicht gerecht werden, weil den Anfechtungsgegner keine Pflicht zur Gewährleistung der Formerfüllung trifft115 und ihm daher ein allfälliger Irrtum nicht zurechenbar ist. Indessen könnten Irrtumsanfechtungsfolgen unter der Bedingung einer Modifikation ihrer Voraussetzungen auch für traditionelle Formvorschriften in Gebrauch genommen werden: Für Österreich müßte das subjektive Zurechnungskriterium der Veranlassung bzw. des offenbar Auffallenmüssens entfallen. Nicht zwingend hingegen ist ein Entfall der Haftung des Anfechtenden für Vertrauensschäden des Anfechtungsgegners in Deutschland. Hier handelt es sich vielmehr um eine Frage der verfolgten Rechtspolitik bei der Regulierung von Formverfehlungsfolgen: Will man eine folgenlose Bindungsfreistellung des Schutzadressaten der Formvorschrift, oder soll die Anfechtung, die ja auf einem Mangel der subjektiven Willensbildung 112 So ausdrücklich § 871 Abs. 2 ABGB. 113 Im einzelnen unten § 5 IV. 2. b. und c. sowie 3.. 114 Z.B. für Deutschland und Österreich mustergültig: § 3 (dt.)WG bzw. (ö.)VersVG. 115 Das gilt ganz besonders dann, wenn die Form auch seinem Schutz dient.

aufbaut, dem Anfechtungsgegner zumindest keine Vertrauensschäden zufügen?116 Mithilfe der Anfechtung wäre jedenfalls ein Weg gefunden, den im Einzelfall unbefriedigenden Folgen blinder Formnichtigkeit zu entgehen und eine Sanktionierung nur dort zuzulassen, wo diese nachweislich erforderlich ist, weil tatsächlich ein Mangel subjektiver Willensbildung vorliegt, und damit die Berufung auf den Formmangel nicht aus schutzzweckfremden Erwägungen erfolgt. 4. Befund

Insgesamt zeichnen sich zwei Möglichkeiten der Materialisierung von Formverfehlungsfolgen ab: Eine teleologische Reduktion der Formnichtigkeit auf Fälle erheblicher Formverstöße unter grundsätzlicher Beibehaltung der Formnichtigkeit (Prüfung abstrakter Erheblichkeit) einerseits, die Etablierung abweichender Formverfehlungsfolgen, welche von vornherein den Nachweis konkreter Erheblichkeit des Formmangels für ihr Eintreten voraussetzen, andererseits. Nur die erste Variante ist de lege lata vertretbar, weil nur sie das formelle Rechtsdenken, wie es den Formvorschriften im allgemeinen und § 125 BGB im speziellen unterliegt, wahrt. Solche Reduktion kann sich auf die subjektive (falsa demonstratio, rectification) oder aber auf die objektive Unerheblichkeit des Formmangels beziehen. Die Prüfung konkreter Erheblichkeit (tatsächliche Verfehlung des Formzwecks) setzt demgegenüber legislative Schritte voraus, weil darin bereits der Formnichtigkeit gegenüber alternative Sanktionen zu sehen sind.

116 Zur Haftung für Vertrauensschäden wegen Formnichtigkeit (aus dem Titel der culpa in contrahendo) allgemein unten§ 14 und § 16.

§5

Zuletzt seien drei (weitere1) Formen alternativer Sanktionsmechanismen erwähnt. Sie geben freilich kein vollständiges Bild, denn es existiert eine ganze Reihe solch andersartiger Rechtsfolgen.2 Indessen repräsentieren sie die wohl wichtigsten und zukunftsträchtigsten Typen; ihnen ist insbesondere auch die Fähigkeit zur Ablösung der Nichtigkeit als Regelrechtsfolge zu bescheinigen. Hierbei handelt es sich zum einen um Mechanismen, die auf die Durchsetzung der Form hinzielen; des weiteren um die Ersetzung der Nichtigkeit durch einseitige Gestaltungsrechte, also Widerrufs- bzw. Rücktrittsrechte\ zuletzt ist auf den Typus des formzwingenden Privatrechts einzugehen. In einem Streifzug durch das Vertragsrecht der EGRichtlinien soll ferner dargetan werden, daß diesen alternativen Sanktionsmechanismen durch die europäische (Vertrags-)Rechtsharmonisierung wachsende Bedeutung zukommt.

I. Durchsetzung der Form

Die Formnichtigkeit hat sich insbesondere als ein generalpräventives Mittel zur Durchsetzung der Form erwiesen. Zur Sicherstellung der Formwahrung durch die Nichtigkeitsdrohung existieren aber auch Alternativen. 1. Nachträgliche Formdurchsetzung

An erster Stelle sind Individualklagerechte auf Formwahrung zu nennen. Sie werden bisweilen durch Gesetz ausdrücklich anstelle anderer Sanktionen eingeräumt.3 Dem Klagerecht können weitere Durchsetzungsmechanismen ergänzend zur Seite treten. Eine Einbindung in das synallagmatische Leistungsverhältnis etwa erlaubt die Zurückhaltung der eigenen Leistung bis zur (gebotenen) Formalisierung durch den Geschäftspartner.4 Diese Sanktionstypen 1 Die soeben beschriebene Möglichkeit einer konkreten Erheblichkeitsprüfung hat sich ja bereits als eine alternative Sanktion herausgestellt. 2 Vgl. nur die Auflistung bei Westerhoff AcP 184 (1984) 341 (376f). 3 Z.B. § 3 (dt.)WG, § 3 (ö.)VersVG; ferner wohl auch § 33 BWG; § 24 KSchG; solche Formen sind gerade auch im europäischen Richtlinienrecht zu finden: siehe insb. die Verbriefungspflicht gemäß der Arbeitsnachweise-Richtlinie; zur Durchsetzung siehe deren Art 8; die entsprechende Sanktionierung findet sich auch im österreichischen Umsetzungsgesetz: siehe § 2 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz 1993; zur (entsprechenden) Rechtslage in Deutschland Lörcher ArbuR 1994, 450; Stückemann BB 1995, 1846; Schiefer DB 1995, 1910. 4 Siehe - noch unter der Geltung des Ratengesetzes - für den Ratenbrief OGH 5.3.1969 SZ 42/37; ferner Apathy in Schwimann VI § 24 KSchG Rz. 6; Mayrhofer in Krejci 496; so auch infolge § 35 Satz 2 (dt.)WG und (ö.)VersVG für die Policierungspflicht des Versicherers nach § 3 (dt.)WG bzw. (ö.)VersVG. Freilich ist hier das Wechselspiel einer Prämiennichtzahlung mangels Beurkundung mit den Regeln über den Prämienzahlungsverzug zu bedenken: Infolge der Einlösungsklausel im § 38 (dt.)WG beginnt nämlich die Deckungspflicht des Versicherers erst mit Zahlung der Erstprämie; will man diese Regel auch im Falle des § 35 Satz 2 WG anwenden, so wird dieser zu einer stumpfen Waffe: Gegen eine Anwendung des Einlösungsprinzips spricht freilich der in der deutschen - wie übrigens auch in der österreichischen - Rechtsprechung anerkannte Grundsatz, daß sich der Versicherer auf den Prämienzahlungsverzug nicht berufen

sind freilich nur in solchen Fällen anwendbar, in denen es nicht um präventiven Rechtsschutz geht. Damit stellen sie nur in wenigen Fällen eine Alternative zur Nichtigkeit dar.

2. Generalpräventive Mittel Generalpräventive Wirkung entfalten demgegenüber strafrechtliche Sanktionen, aufsichtsrechtliche Rechtsbehelfe sowie Verbandsklagerechte.5 Atiyah bescheinigt strafrechtlichen Sanktionen eine starke Wirkung.6 Tatsächlich wird eine Strafdrohung an eine oder beide Parteien den erforderlichen Druck zur Formwahrung erzeugen. Sie vermeidet dabei alle Kosten, die bei absoluter und amtswegig zu beachtender Nichtigkeit auftreten. Umgekehrt sind inhärente Nachteile nicht zu übersehen. Zum einen garantieren straf- und aufsichtsrechtliche Sanktionen ebenso wie Verbandsklagerechte keinen individuellen Rechtsschutz;7 denn die Strafe für Formverstöße hilft dem Formschützling nicht. Überdies ist der Verwaltungsaufwand nicht zu übersehen: Schon prima facie scheint es unmöglich, jedem Formmangel ein Straf- oder Aufsichtsverfahren oder eine Verbandsklage folgen zu lassen. Zu Sanktionen wird es daher wohl nur bei Massengeschäften8 und nur bei gehäufter Mißachtung der Form kommen. In solchen Bereichen können Strafdrohungen, aufsichtsrechtliche Konsequenzen und Verbandsklagen die regelmäßige Befolgung der Form sicherstellen; Ausreißer verhindern sie nicht. Daher stellen diese Sanktionsmechanismen zwar eine echte Alternative9 zur Nichtigkeit dar, sie sind aber wohl nur bei Verträgen mit Massengeschäftscharakter tatsächlich brauchbar.

II. Widerrufs- bzw. Rücktrittsrechte

1. Allgemeines

Auch Widerrufsrechte bzw. Rücktrittsrechte haben Einzug in das System der Formsanktionen gehalten. Sie bewirken - von dogmatischen Feinheiten ihrer Konstruktion kann hier abgesehen werden10 - im Ergebnis allesamt eine Lösung vom Vertrag mit Wirkung ab initio. Ihrer Grundidee nach gewährleisten sie einen kann, wenn er selbst diesen zu vertreten hat. Für Österreich ist die Situation ohnehin durch die Neufassung des § 38 VersVG im Zuge der VersVG-Novelle 1994 entschärft. 5 Verbandsklagerechte kennen z.B. Art. 7 Abs. 2 Richtlinie über mißbräuchliche Vertragsklauseln; Art. 11 Abs. 2 Teleshopping-Richtlinie; der Anwendungsbereich von Verbandsklagerechten wurde unlängst durch die Richtlinie 98/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen, ABI. 1998 Nr. L 166/51, erheblich erweitert. 6 Atiyah 167. 7 Was aber insbesondere europarechtlich - im Falle der Richtlinientransformation - bedenklich ist; vgl. hierzu die Ausführungen zum österreichischen § 33 BWG, oben § 1IV. 4. a. bb. (2). 8 Konsumentengeschäfte zählen häufig hierzu. 9 Unter Umständen freilich auch eine Ergänzung. 10 Allgemein zur Rechtsnatur Fuchs AcP 196 (1996) 313 (318ff); zur gesetzlichen Ausgestaltung der Widerrufsrechte im deutschen Recht Kemper 228ff.

über den Vertragsschlußzeitpunkt hinaus verlängerten präventiven Rechtsschutz: Der Widerrufsberechtigte kann sich seinen schon getroffenen Entschluß nochmals überlegen. 2. Widerrufsrecht und Nichtigkeit im Vergleich a. Widerrufsrechte sind Gestaltungsrechte

Widerrufsrechte unterscheiden sich von der absoluten, amtswegig zu beachtenden Nichtigkeit zunächst durch ihren Charakter als Gestaltungsrechte. Es folgt, daß sich nur der Schutzadressat auf Formfehler berufen kann; umgekehrt muß er sein Widerrufsrecht ausüben, sonst bleibt der Vertrag bestehen. Damit haben diese Widerrufsrechte all jene Vorzüge für sich, wie sie auch für die Relativierung der Nichtigkeit als Argumente benutzt wurden.11 b. Widerrufsrechte sind befristet Die übliche Befristung der Widerrufsrechte macht einen ganz erheblichen Unterschied zur Nichtigkeit aus: Sie beugt jenen Fällen vor, in denen eine Partei gewichtige Vertrauensdispositionen vorgenommen hat, beschränkt also die Vertrauensenttäuschung, die der Widerrufsgegner hinzunehmen hat.12 Denn Vertrauensdispositionen werden mit Zeitverlauf immer größer und immer schwieriger rückführbar. Freilich wird dieser Schutz nur recht mechanisch garantiert, steht doch keineswegs fest, daß kurze Zeit nach Vertragsschluß nicht schon erhebliche und irreversible Vertrauensdispositionen getroffen werden. Immerhin aber sind bei zeitlich begrenzten Widerrufsrechten jene Fälle exorbitanter Vertrauensschäden regelmäßig undenkbar, wie sie die Rechtsprechung in den sogenannten Hofübergabe- und ähnlichen Fällen zur Durchbrechung der Formnichtigkeit mittels Treu und Glauben bewogen haben.13 Und es entspricht allgemeiner Lebenserfahrung, daß eine Lösung vom (vermeintlich) schon fest geschlossenen Vertrag um so leichter erträglich ist, je schneller sie erfolgt. Zugleich sinkt mit dem Zeitverlauf die Überzeugungskraft einer Berufung auf die Formnichtigkeit: Je mehr Zeit vergeht, desto unglaubwürdiger wird die Inanspruchnahme des Übereilungsschutzes und umso größer wird die Wahrscheinlichkeit, daß sich der Formschützling mit der Geltendmachung des Formmangels opportunistisch verhält. Befristete Widerrufs- und Rücktrittsrechte sind daher ein zukunftsträchtiges Instrument zur Entlastung des Spannungsverhältnisses zwischen Gewährung von Übereilungsschutz und dem Prinzip der Versprechenstreue (sohin der Vermeidung von Vertrauensenttäuschungen). Denn über die Bestimmung der Dauer des Widerrufsrechts (insbesondere nach der Schwere des Formverstoßes) können die Interessen der geschützten Vertragspartei gegen das Bestandsinteresse des anderen 11 Siehe oben § 3 (insb.) II. 3.. 12 Trotzdem gegen eine Einräumung einer Grundstückskaufverträgen Note 1987 Conv 313 (315). 13 Hierzu unten § 15 (insb.) I. 2. b..

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Teils abgewogen werden.14 Freilich schwindet eine solche Unterscheidung der Nichtigkeit von den Widerrufsrechten, wenn etwa der österreichische Gesetzgeber in § 4 Abs. 1 Satz 2 TNG die Unwirksamkeit wegen Formmangels (Nichtbeachtung der Sprachenvorschrift des § 5 Abs. 1 TNG) relativiert und das Recht zur Berufung auf den Formmangel auf zwei Jahre befristet.15 c. Das formelle Rechtsdenken bleibt erhalten

Bei allem gleichen Widerrufsrechte der Nichtigkeitssanktion insofern, als ihr Eingreifen nicht vom Vorliegen einer konkret mangelhaften Willensbildung des Widerrufsberechtigten (oder einer sonstigen, konkreten Formzweckbeeinträchtigung) abhängt. Doch werden bisweilen Kriterien (abstrakter) Erheblichkeit eingeführt, indem die Dauer der Widerrufsfrist je nach Art und Ausmaß des Formverstoßes unterschiedlich bemessen wird.16 d. Insbesondere: Die Verlängerung von ohnehin gewährten Widerrufsrechten

Bisweilen werden Widerrufsrechte auch bei ordnungsgemäßer Formalisierung eingeräumt. Formvorschriften können hier den Übereilungsschutz komplettieren. Deklarativurkunden garantieren den Zugang zum Vertragsinhalt, und die Widerrufsfrist gibt eine Nachdenkpause. Bei Vorliegen von Formmängeln wird diese cooling-off-VQHQ^ verlängert, weil jeder Formfehler den Zugang zu vertragsbezogener Information und somit die Nachprüfung des getätigten Geschäfts erschwert. Dadurch kommt es wiederum zu einem Ausgleich zwischen Übereilungsschutz und Vertrauen auf den Bestand des Vertrages.

III. Formzwingendes Privatrecht und Vertragsmodifikation

1. Begriff

Formzwingendes Privatrecht läßt anstelle nicht oder mangelhaft formalisierter Vertragsabreden gesetzliche Regelungen treten, fuhrt also im Ergebnis zur Vertragsmodifikation. Es schiebt sich damit in seiner Zwangsqualität zwischen

14 Im wesentlichen handelt es sich hierbei um jene Aspekte, die auch den Ausschlag für die Neuregelung in Schottland gegeben haben (5. 1 par. 3,4 Requirements of IVriting [ScotlandJAct 1995); hierzu unten § 13 III.. 15 Vgl. auch § 3 Abs. 2 BTVG, wo allerdings keine feste Frist bestimmt wird, sondern das Recht zur Berufung auf den Formmangel mit dem Ende der Sicherungspflicht erlischt. Aus § 7 Abs. 5 (Ende der Sicherungspflicht) wird deutlich, daß dann ein Zustand gegeben ist, der den Tatbeständen der Heilung durch Erfüllung nahesteht. 16 Vgl. etwa die Regelung in Art. 5 Timeshare-Richtlinie; hierzu z.B. Pittl WoBl 1995, 208 (213f); vgl. ferner den Ansatz des österreichischen Umsetzungsgesetzes, der (im Ergebnis) das jedenfalls bestehende - Rücktrittsrecht bei Fehlen „besonders bedeutsamer“ Angaben verlängert, allerdings keine „Zwischenstufe“ für das Weglassen von nicht besonders bedeutsamen Angaben kennt; siehe § 6 Abs. 2 TNG.

dispositives und zwingendes Privatrecht1'1, und zwar regelmäßig zwischen dispositives und halb- oder einseitig zwingendes Recht, zumal formzwingendes Privatrecht regelmäßig zugunsten (nur) einer Partei wirkt.17 18 2. Die Unterscheidung von anderen Formen der Vertragsmodifikation

Das Ergebnis der Vertragsmodifikation wird freilich auch in anderem Zusammenhang erreicht. Die Aufrechterhaltung des Vertrages in Fällen der Teilnichtigkeit und jene durch Konversion zielen letztlich ebenfalls auf eine Inhaltsänderung ab.19 Und wenn im Zusammenhang mit der Materialisierung der Formverfehlungsfolgen nicht zuletzt im Recht der Irrtumsanfechtung Anleihen genommen wurden, so kann dies jedenfalls in Österreich wiederum zur Vertragsmodifikation fuhren: § 872 ABGB läßt bei unwesentlichen Irrtümern eine Vertragsmodifikation zum Zwecke der Irrtumsbereinigung zu. Der entscheidende Unterschied liegt indessen in der Ausrichtung dieser Inhaltsänderungen. Teilnichtigkeit, Konversion und auch § 872 ABGB orientieren sich allesamt am (hypothetischen) Parteiwillen, verstehen sich sohin als Instrumente der Durchführung des tatsächlich oder doch ersatzweise Gewollten. Hingegen tritt das formzwingende Privatrecht in Gestalt gesetzlich fixierter Vorregelungen auf, die sich an einem objektiven Interessenausgleich orientieren und von denen eben nur formalisiert abgewichen werden darf. 3. Charakteristische Elemente formzwingenden Privatrechts

a. Einseitige Schutzrichtung

Formzwingendes Vertragsrecht dient regelmäßig dem Schutz einer (der schwächeren) Partei. Die gesetzliche Vorregelung (z.B. die Anwendung des gesetzlichen Zinssatzes mangels Angabe des effektiven Jahreszinssatzes in der Verbraucherkrediturkunde20) begünstigt diesen Vertragsteil. Darin liegt zugleich die eigentliche Rechtfertigung einer derartigen gesetzlichen Vorregelung: Denn es geht regelmäßig um Situationen, in denen die Nichtigkeit der geschützten Partei nicht hilft bzw. womöglich gar schadet. So etwa in Fällen des Verbraucherkredits, wenn dieser ausbezahlt wurde. Die Formnichtigkeit würde zur bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung fuhren, was den Verbraucher - insbesondere wenn er über die Kreditsumme schon verfugt hat - in Bedrängnis bringen kann. Dasselbe gilt für 17 Ähnlich ganz allgemein für Formzwänge E.A.Posner UPaLRev 144 (1996) 1971 (1981f); indessen geht es zu weit, auch in der bloßen Vernichtung oder Undurchsetzbarkeit eine „Lückenfüllungsnorm“ zu sehen, jedenfalls aber verwischt solche Ansicht die qualitativen Unterschiede zwischen herkömmlichem Formzwang und dem hier so bezeichneten formzwingenden Privatrecht. 18 Anders hingegen der Reformvorschlag von Wilkinson Conv 1967, 254 (257), der für Grundstücksgeschäfte einen gesetzlichen Standardvertrag schaffen will, von dem nur formalisiert abgewichen werden darf. 19 Im einzelnen unten § 6 und § 7. 20 Siehe z.B. die deutsche Regelung in § 6 VerbrKrG, die freilich erst nach Invollzugsetzung des Kreditgeschäfts eingreift.

befristete Mietverträge ohne Form (z.B. im Sinne des österreichischen § 29 MRG). Infolge Nichtigkeit müßte der Mieter den Mietgegenstand unmittelbar zurückstellen. Formzwingendes Privatrecht dient also zuvorderst dem Interesse der geschützten Partei am Vertragsbestand und sanktioniert den anläßlich des Vertragsschlusses herrschenden Mangel an Transparenz durch Etablierung einer dem Geschützten günstigen Regelung. Damit ist zugleich die nötige Präventivwirkung erreicht: Will der nicht geschützte Vertragsteil die gesetzliche Vorregelung umgehen, so hat er sich an die Form-, insbesondere Transparenzvorschriften zu halten. b. Sanktion für Inhaltsmängel

Formzwingendes Vertragsrecht ist vorrangig eine Sanktion für inhaltliche Mängel von Vertragsurkunden, nur selten hingegen für gänzliches Unterbleiben der Formalisierung.21 Es begegnet daher - rechtstechnisch gesehen - vor allem in der Gestalt von bestimmenden Teilnichtigkeitsvorschriften mit Substitutionsnormen.22 c. Informed choice als Regelungsziel

Die vorgeschriebene Form soll dabei sicherstellen, daß Abweichungen von der gesetzlichen Vorregelung nur „sehenden Auges“, also aufgrund entsprechender Warnung und (insbesondere) vollständiger und zutreffender Information des geschützten Vertragsteils erfolgen können. Insoweit es hier z.B. um Verbraucherschutz geht, sind formalisierte (also transparente) Abweichungen von der gesetzlichen Regelung sehr wohl auch zu Lasten des Konsumenten zulässig. d. Die funktionale Unterscheidung formzwingenden und halbzwingenden Vertragsrechts: Wettbewerbsintensivierung statt Standardisierung

Man mag daran die Frage knüpfen, warum denn nicht die gesetzliche Vorregelung insgesamt zugunsten des Verbrauchers zwingend erklärt wird; was nützt es dem Verbraucher, wenn z.B. schriftliche Abweichungen von der gesetzlichen Vorregelung doch wieder möglich sind? Die Antwort freilich liegt in der unterschiedlichen Wirkung von zwingendem Vertragsrecht und Formzwang (und 21 Eine Ausnahme bildet § 566 BGB: Mietverträge, die auf mehr als ein Jahr befristet sind, bedürfen der Schriftform. Wird diese nicht erfüllt, so wird der Vertrag in einen unbefristeten umgedeutet; ähnlich regelt das österreichische MaklerG den Courtageanspruch des Versicherungsmaklers in seinem § 30 durch eine formzwingende Bestimmung: Wenn nicht ausdrücklich und schriftlich anderes vereinbart ist, so gebührt dem Versicherungsmakler vom Kunden keinerlei Provision oder sonstiges Entgelt. Die Ansprüche des Maklers richten sich dann ausschließlich gegen den Versicherer. Hier ist freilich die Formvorschrift von vomeherein auf die Entgeltabrede beschränkt. Freilich kennen wir formzwingendes Privatrecht in einem weiteren Sinn überall dort, wo eine Regelung der gegenseitigen Ansprüche auch ohne (formgültigen) Vertrag ohnehin unerläßlich ist; angeführt sei (aus dem österreichischen Recht) § 19 WEG: Ein vom Gesetz abweichender Kostenverteilungsschlüssel bedarf der Schriftform. Die Unwirksamkeit einer mündlichen Vereinbarung fuhrt dann freilich zur gesetzlichen Kostenaufteilung. 22 Hierzu mit Beispielen unten § 10 V. 1..

damit formzwingendem Privatrecht) auf den Wettbewerb: (Halb-)zwingendes Vertragsrecht setzt der Inhaltsfreiheit Grenzen, die selbst dann zu beachten sind, wenn sie - die Idealvoraussetzung vollständigen Wettbewerbes einmal unterstellt den Marktverhältnissen nicht entsprechen bzw. der individuellen Interessenlage des Geschützten gar nicht gerecht werden. Demgegenüber vermag formzwingendes Vertragsrecht marktwirtschaftliches Verhalten zu stimulieren, es intensiviert und optimiert den Wettbewerb. Formzwang überläßt nämlich den Inhalt des Vertrages und sohin insbesondere die Bestimmung von Qualität und Preis der angebotenen Produkte tatsächlich dem freien Wettbewerb23, stellt aber durch Förderung der (autonom bleibenden) Verbraucherentscheidung (Gewährleistung einer informed choice durch Transparenzvorschriften) eine Positivauslese qualitativ höherwertiger bzw. billigerer Produkte sicher; kurzum: Formzwang und ganz speziell formzwingendes Privatrecht lassen den Kräften des Wettbewerbs weitgehend unbeschränkte Macht, beugen aber asymmetrischen Informationsverteilungen und damit einer Ursache für Marktversagen vor. Es geht im Unterschied zu zwingendem Vertragsrecht nicht um Fixierung und Standardisierung (mit den häufig beklagten Teuerungseffekten für alle Verbraucher), sondern um den Versuch der Wettbewerbsintensivierung, der Steigerung von Effizienz (was - abgesehen von den Formkosten - zu kollektiven Preissenkungen fuhren müßte).24 Gerade im Kontext der Verwirklichung eines europäischen Binnenmarktes muß diesem Modell der Vorzug vor starren Regulierungen gegeben werden.25

e. Insbesondere: Die Wettbewerbsintensivierung durch Formzwang im allgemeinen und das formzwingende Privatrecht im besonderen

Diese Wettbewerbsintensivierung unterliegt dem Formzwang insgesamt, wird aber durch formzwingendes Vertragsrecht gesteigert und abgerundet. Die Steigerung folgt aus der stärkeren Generalprävention, wie sie Vertragsmodifikationen häufig auszeichnet. Die Abrundung betrifft demgegenüber die Weiterverfolgung des Formzwecks auf Rechtsfolgenseite: Soll die Form eine informed choice hinsichtlich bestimmter Vertragsinhalte und -risiken gewährleisten, dann wird dieser Zweck durch Vorschaltung einer gesetzlichen Vertragsgestaltung, die bei Formverstößen zur Anwendung kommt, zugunsten des Geschützten entsprechend weiterverfolgt.

23 Hier wird freilich unterstellt, daß die Kosten der Form nur gering sind; zu den ansonsten drohenden Gefahren für Abschluß- und Inhaltsfreiheit oben § 2 II. 1. d. und e.. 24 So auch das Ziel des Richtlinienrechts, durch Transparenz Wettbewerb zu fördern; siehe insbesondere die Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Grenzüberschreitender Zahlungsverkehr in der EU: Transparenz, Effizienz und Stabilität“, ABI. 1995 Nr. C 236/1 (3); hierzu die Transparenzvorschriften in Art. 3 und 4 Richtlinie 97/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.1.1997 über grenzüberschreitende Überweisungen, ABI. 1997 Nr. L 43/25. 25 Man spricht gerade im europäischen Kontext gerne von marktkomplementärem Verbraucherschutz; siehe Reich 399; damit korrespondiert das Bild vom „mündigen Verbraucher“, hierzu m.w.N. Heiss in Schnyder/Heiss/Rudisch (Hg.) 87 (90); ferner Tilmann in FS Piper 481ff.

f Inhärente Grenzen der Wettbewerbsintensivierung

Indessen wird ebenso deutlich, daß diese Wettbewerbsintensivierung nur dann stattfinden kann, wenn zum einen genügend Wettbewerber vorhanden sind (also keine Monopol- oder Oligopolsituationen vorliegen26), zum anderen der Verbraucher eben durch die Form tatsächlich in die Lage versetzt wird, effiziente Nachfrageentscheidungen zu treffen.27 Wo dies nicht der Fall ist, können Formzwang im allgemeinen und formzwingendes Privatrecht im speziellen das (halb-)zwingende Privatrecht nicht ersetzen.28 IV. Zur steigenden Bedeutung abweichender Sanktionsmechanismen im europäischen Verbrauchervertragsrecht: Von konstitutiven Abschlußformen zu Verhandlungsformen und zum Stufenbau der Formvorschriften29

1. Vorbemerkungen Nationale Formvorschriften bekannter Prägung haben weit überwiegend mit dem Abschluß des Vertrages zu tun. Entweder unterliegt der Vertragsschluß einem konstitutiven Formerfordernis, oder er ist nachträglich durch Beweisurkunden zu dokumentieren. Europäische Formvorschriften des Verbrauchervertragsrechts30 weichen hiervon in mehrfachem Sinne ab: Im Rahmen der den Vertragsabschluß regelnden Formen treten den gängigen Formalisierungsmechanismen modernere zur Seite. Noch auffälliger tritt fernerhin zutage, daß häufig nicht der Abschluß des Vertrages formalisiert wird, sondern das Vertragsverhandlungsstadium. Damit tritt das Institut der Formvorschriften in einem bisher weithin unbekannten, jedenfalls bisher unbedeutenden Gewände neu auf. Der unmittelbar folgende Überblick soll dies im einzelnen verdeutlichen. 2. Abschlußformen

a. „Klassische“ Abschlußformen

Zunächst finden sich im Richtlinienrecht klassische Abschlußformen. Sie unterwerfen den Vertragsschluß selbst der Form und knüpfen daran Rechtsfolgen, die zwar im einzelnen unterschiedlich ausgeprägt sein können, materiell jedoch mit 26 Gerade aus diesem Grund sehr kritisch gegenüber dem Informationsmodell im Verbraucherschutz, Simitis 97ff; optimistischer hingegen Lauer 280ff 27 Hier geht es freilich zu allererst um die Beurteilung der Qualität von angebotenen Produkten und deren Vergleichbarkeit am Markt, sohin um Transparenzfragen; zur Transparenzfunktion der Formvorschriften des EG-Richtlinienrechts Heiss in Schnyder/Heiss/Rudisch (Hg.) 87 (93f); speziell zur Transparenzfunktion der Timeshare-Richtlinie (mit Blick auf den spanischen Timeshare-Markt) Downes JCP 1995, 433. 28 Siehe Heiss in Schnyder/Heiss/Rudisch (Hg.) 87 (95). 29 Die unmittelbar folgenden Ausführungen fußen auf dem Beitrag Heiss in Schnyder/Heiss/Rudisch (Hg.) 87. 30 Der gleich folgende Überblick beschränkt sich nicht nur auf Formvorschriften in Richtlinien zum Verbraucherschutz; diese stellen aber den Gutteil der einschlägigen Formvorschriften dar.

der Gültigkeit des Vertrages zu tun haben. Sie wurden weiter oben schon als Konstitutivformen identifiziert.31

b. Die Dokumentation des Vertragsabschlusses: Bestätigungsurkunden

Von den Beispielen konstitutiver Formerfordernisse in der Verbraucherkredit“ und Timeshare-Richtlinie abgesehen, enthalten die Richtlinien nur Deklarativformen, also den Zwang zur Verschriftlichung des bereits formlos geschlossenen Vertrags. Deutlich sind hier die Handelsvertreter-32 sowie die Arbeitsnachweise-Richtlinie33. Letztere zielt ja in ihrer Gesamtheit darauf ab, dem Arbeitnehmer einen Anspruch auf schriftlichen Nachweis seiner Rechte und Pflichten zu gewähren. Keinen Zweifel lassen aber auch die Pauschalreisen-Richtlinie34, der Vorschlag für eine Versicherungsvertragsrecht-Richtlinie35 sowie die Teleshopping-Richtlinie36. Es handelt sich dabei vorwiegend um Urkunden, die vom Unternehmer einseitig auszustellen und dem Verbraucher auszuhändigen sind. Hervorzuheben ist, daß diesen Formvorschriften, jedenfalls was ihre Quantität anlangt, wachsende Bedeutung zukommt. Nach entsprechender Umsetzung in nationales Recht wird man diese, um ihnen wirklich gerecht zu werden, nicht mehr als einzelne Ausnahmen zu den „eigentlichen“ Formvorschriften mit konstitutiver Wirkung begreifen dürfen.

c. Insbesondere: Formalisierte Belehrung über bestehende Widerrufs- bzw. Rücktrittsrechte aa. Grundlagen Im Zuge des Vertragsschlusses sind ferner jene Vorschriften von Bedeutung, die dem Konsumenten einen Anspruch einräumen, vom Unternehmer in formeller Weise (und zwar regelmäßig schriftlich) auf ein bestehendes Rücktritts- oder Widerrufsrecht hingewiesen zu werden. Solche Vorschriften enthalten die Haustürgeschäft-Richtlinie37, die Timeshare-Richtlinie38, die Dritte RichtlinieLebensversicherung39 sowie die Teleshopping-Richtlinie.40 Der Bezug zum 31 Siehe oben § 1IV. 4. a. aa.. 32 Siehe Art. 13 Abs. 1 Handelsvertreter-Richtlinie. 33 Siehe insb. Art. 2 und Art. 3 Arbeitsnachweise-Richtlinie. 34 Siehe Art. 4 Abs. 2 lit. b Pauschalreisen-Richtlinie, die nur das Aushändigen der schriftlich niedergelegten Vertragsbedingungen vor Vertragsschluß und - nach Vertragsschluß - einer „Abschrift des Vertrages“ fordert. Zwar geht der Richtliniengeber offensichtlich auch hier von einem schriftlichen Vertragsschluß aus, doch unterläßt er es, einen solchen zwingend vorzuschreiben. 35 Siehe Art. 2 Versicherungsvertragsrecht-Richtlinienvorschlag. 36 Siehe Art. 5 Teleshopping-Richtlinie, dessen Titel bezeichnend „Schriftliche Bestätigung der Informationen“ lautet. 37 Art. 4 Haustürgeschäft-Richtlinie. 38 Art. 4 1. Gedankenstrich i.V.m. Anhang lit. 1 sowie Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Anhang lit. 1 Timeshare-Richtlinie. 39 Art. 31 Abs. 1 i.V.m. Anhang II Pkt. a.13 Dritte Richtlinie-Lebensversicherung. 40 Art. 4 Abs. 1 lit. f und Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 2 1. Gedankenstrich Teleshopping-Richtlinie.

Vertragsschluß ergibt sich bei diesen Vorschriften jeweils aus der Wirkungsweise eines allenfalls erklärten Rücktritts: Der Konsument entledigt sich nachträglich der Bindung aus dem bereits geschlossenen Geschäft. Sohin hängt das Zustandekommen oder doch volle Wirksamwerden des Vertrages von der Nichtausübung des Rücktrittsrechts durch den Verbraucher ab. Die Form unterstützt hier die Belehrungspflicht, indem sie im wesentlichen als zusätzlicher Warnfaktor wirkt, aber auch Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit erhöht. Zuletzt erübrigt sie ex post gesehen auch Streitigkeiten über die tatsächlich erfolgte Belehrung.

bb. Die Funktion der Widerrufsbelehrung Die formalisiert zu gewährende Belehrung ist dabei final auf den Vertragsschluß ausgerichtet. Indem sie den Verbraucher noch einmal vor dem getätigten Geschäft warnt und ihm den Notweg des Rücktritts weist, ist dieser zu neuerlicher Überlegung ohne jeglichen „psychologischen Kaufzwang oder -druck“ angehalten. Er mag sich selbst nochmals prüfen oder aber Fachleute zu Rate ziehen. In letzterem Falle ist ihm zugleich mit der cooling-off-^nst die Möglichkeit eingeräumt, sich nachträglich einen Marktüberblick zu verschaffen. Dies mag auch im Interesse derjenigen Anbieter sein, die qualitativ höherwertige Leistungen und/oder dieselbe Leistung billiger erbringen. Regelmäßig wird der Verbraucher nämlich gerade dann vom Vertrag zurücktreten, wenn er dieselbe Leistung am Markt günstiger angeboten bekommt oder aber zum selben Preis bessere Qualität erhält.

cc. Die Komplementärwirkung von Vertragsurkunden (1) Das Zusammenspiel von Vertragsurkunde und Rücktrittsrecht Diese letztere Funktion der verlängerten Produktprüfungsmöglichkeit für den Verbraucher ist allerdings dann in Frage zu stellen, wenn der Verbraucher nicht zugleich mit der Unterrichtung betreffend das Rücktrittsrecht auch entsprechende Informationen über das von ihm getätigte Geschäft erhält. Volle faktische Wirksamkeit erhält die formalisierte Belehrung über das Widerrufsrecht nur dann, wenn ihr ein Vertragsdokument helfend zur Seite tritt. Dieses erst ermöglicht eine zuverlässige Überprüfung des geschlossenen Geschäfts. Die Timeshare-Richtlinie, die dritte Richtlinie-Lebensversicherung und auch die Teleshopping-Richtlinie kennen allesamt die formalisierte Belehrung und einen Anspruch des Verbrauchers auf Aushändigung einer Vertragsurkunde.41

41 Widerrufsrechtsbelehrungen'. Art. 4 1. Gedankenstrich i.V.m. Anhang lit. 1 sowie Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Anhang lit. 1 Timeshare-Richtlinie; Art. 31 Abs. 1 i.V.m. Anhang II Pkt. a.13 Dritte Richtlinie-Lebensversicherung; Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 2 1. Gedankenstrich Teleshopping­ Richtlinie. Zur Vertragsform siehe die gemäß Art. 31 Abs. 1 i.V.m. Anhang II Dritte Richtlinie­ Lebensversicherung, Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 Timeshare-Richtlinie sowie Art. 4 und Art. 5 Teleshopping-Richtlinie zu gewährenden Informationen über den Vertragsinhalt.

(2) Das Gegenbeispiel: Haustürgeschäft-Richtlinie

Die Haustürgeschäft-Richtlinie kennt wohl eine formalisierte Belehrung des Verbrauchers über sein Widerrufsrecht, das Belehrungsschreiben braucht aber nur solche Angaben zu enthalten, die eine „Identifizierung“ des Vertrages ermöglichen. Fraglich bleibt, wie weit diese Identifizierung zu reichen hat. Bestimmt weiß jeder Konsument, welcher von ihm geschlossene Vertrag gemeint ist, wenn etwa nur der allgemeine Vertragstyp und das Datum des Abschlusses im Belehrungsschreiben angeführt sind. Eine Überprüfung des Vertragsinhalts erlauben derartige Angaben hingegen nicht. Dies ist aber gerade bei Haustürgeschäften besonders bedauerlich, weil es hier nicht nur um die Überprüfung des eigenen, womöglich übereilten Vertragsschlusses geht, sondern der Konsument bei Information über den Vertragsinhalt auch überprüfen kann, ob die von Vertretern (womöglich nur mündlich) getätigten Zusagen auch aus Sicht des Unternehmers Vertragsinhalt geworden sind. Findet er in der Vertragsbeschreibung derartige Zusagen nicht wieder, so mag er sich im Rahmen der Rücktrittsfrist oft beschwerliche Debatten über diese Zusagen und deren Zurechenbarkeit sparen wollen und sich im Wege des Rücktritts zumindest schadlos halten.

(3) Die systematische Auslegung der Haustürgeschäft-Richtlinie Blickt man auf die Materialien zur Richtlinie, so bleiben ebenfalls Zweifel über die Bedeutung der Wendung „Angaben zur Identifizierung des Vertrages“ übrig. Im wesentlichen stellt die Verpflichtung zur Identifizierung des Vertrages nämlich ein Relikt dar, das von ursprünglich in den Entwürfen sehr weitreichend angelegten Formvorschriften übriggeblieben ist. Die Vorentwürfe enthielten nämlich sehr strenge, konstitutive Formerfordernisse.42 In der endgültigen Richtlinie aber blieb, entgegen deutlicher Forderungen nach einer sofortigen Aushändigung einer Vertragsurkunde an den Verbraucher seitens des Wirt Schafts- und Sozialausschusses42 43 wie auch des Europäischen Parlaments44, nur das Identifizierungserfordernis, dessen Reichweite durch diese Entwicklung nicht erhellt wird. Versprechend erscheint aber eine systematisierende Sichtweise. Des Instruments formalisierter Belehrungspflichten über das bestehende Rücktrittsrecht hat man sich nämlich später auch in anderen Richtlinien bedient.45 In diesen Richtlinien tritt klar die Absicht des Richtliniengebers zutage, der Rücktrittsrechtbelehrung auch Informationen über den Vertragsinhalt anzuschließen. Dies gilt in besonderem Maße für so komplexe und komplizierte Vertragstypen wie Lebensversicherungen und Timeshare-Verträge. Es gilt aber auch bei situationsbedingtem Schutzbedarf, wie etwa nach der Teleshopping42 Siehe Art. 3 und Art. 4 des ersten Vorschlags ABI. 1977 Nr. C 22/6 (8), sowie die Änderung des Art. 4 durch den geänderten Vorschlag ABI. 1978 Nr. C 127/6 (7). 43 ABI. 1977 Nr. C 180/39 (41). 44 Entschließung mit der Stellungnahme des Europäischen Parlaments ABI. 1977 Nr. C 241/26 (26 und 29). 45 Art. 4 1. Gedankenstrich i.V.m. Anhang lit. 1 sowie Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Anhang lit. 1 Timeshare-Richtlinie; Art. 31 Abs. 1 i.V.m. Anhang II Pkt. a.13 Dritte Richtlinie­ Lebensversicherung; Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 2 1. Gedankenstrich Teleshopping-Richtlinie.

Richtlinie, wenn also der Vertragstyp möglicherweise gar keine besondere Komplexität aufweist. Überall dort wird die Belehrung über das Rücktrittsrecht um eine Vertragsinhaltsangabe ergänzt46 und der Schutz des Verbrauchers dadurch im oben beschriebenen Sinne vervollständigt. Dies rechtfertigt auch eine extensive Interpretation des Begriffes der „Identifizierung des Vertrages“ in der Haustürgeschäft-Richtlinie.47 Demzufolge ist zur Identifizierung auch eine Beschreibung des Vertragsinhalts erforderlich. (4) Deutsches versus französisches Regelungsmodell

Ein Einwand gegen das hier verwendete extensive Verständnis der „Identifizierung des Vertrages“ könnte vom deutschen Verständnis anläßlich der Umsetzung ausgehen. Es fällt auf, daß § 2 Abs. 1 Satz 3 HausTWG ausdrücklich besonderen Wert darauf legt, daß die Rücktrittsrechtsbelehrung „keine anderen Erklärungen“ enthält als eben die Information selbst. Indessen ist diese Einschränkung schon dahingehend zu modifizieren, daß sie nach dem klaren Wortlaut des Art. 4 Abs. 2 Haustürgeschäft-Richtlinie jedenfalls Angaben enthalten muß, die eine Identifizierung des Vertrages ermöglichen. In diesem Sinne wird § 2 Abs. 1 Satz 3 HausTWG in Deutschland auch verstanden.48 Deutlich tritt aber die Absicht des Gesetzgebers hervor, den Warneffekt des Belehrungsschreibens nicht durch ein „Verstecken“ der Information in einer umfangreichen Vertragsurkunde verwässern zu lassen. Das ist freilich ein berechtigtes Anliegen, und es steht dem nationalen Gesetzgeber gewiß frei, Belehrung und Vertragsinhaltsdokumentation zu trennen.49 Die sich auf europäischer Gemeinschaftsebene aufdrängende Frage heißt indessen. Hat der Richtliniengeber einen zumindest ähnlichen Schutzgedanken verfolgt, als er in Art. 4 Abs. 2 Haustürgeschäft-Richtlinie lediglich von der Identifizierung des Vertrages sprach? Die einschlägigen deutschen Vorschriften gehen ja jedenfalls von einem solchen Verständnis aus, weil in ihnen sonst die Pflicht zur Aushändigung von Vertragsinformationen zu ergänzen wäre. Indessen lehrt ein Blick auf die französische Rechtslage, daß dort die entsprechenden Richtlinienbestimmungen eben gerade in umgekehrtem Sinne aufgefaßt worden sind.50 Frankreich schreibt unter Androhung der Nichtigkeitssanktion die Aushändigung einer Vertragsurkunde vor, die eine Reihe von Angaben zu enthalten hat, darunter (als an letzter Stelle 46 Siehe die gemäß Art. 31 Abs. 1 i.V.m. Anhang II Dritte Richtlinie-Lebensversicherung, Art. 3 Abs. 1 und Art. 4 Timeshare-Richtlinie sowie Art. 4 und Art. 5 Teleshopping-Richtlinie zu gewährenden Informationen über den Vertragsinhalt. 47 Art. 4 Abs. 2 Haustürgeschäft-Richtlinie. 48 Putzo in Palandt § 2 HausTWG Rz. 6ff (betreffend Form und Inhalt samt „Verbindungsverbot“ der Widerrufsbelehrung); die englische Regelung (SI. 1987/2117. The Consumer Protection [Cancellation of Contracts Concluded away from Business Premises] Regulations 1987 s. 4 par. 3) stellt es frei, die Widerrufsbelehrung mit der Vertragsurkunde zu verbinden, stellt dann aber Mindestkriterien an die Lesbarkeit. 49 Die Haustürgeschäft-Richtlinie statuiert gemäß ihrem Art. 8 nur Mindeststandards; allerdings hätte der deutsche Gesetzgeber nach der hier vertretenen Interpretation der Haustürgeschäft-Richtlinie auch eine Information über den wesentlichen Vertragsinhalt vorschreiben müssen. 50 Loi n° 72-1137 du 22 decembre 1972 relative a la protection des consommateurs en mattere de demarchage et e vente ä domicile.

genannten Punkt) auch den Hinweis auf das bestehende Rücktrittsrecht.51 Gewiß, das Gesetz stammt aus einer Zeit lange vor Inkrafttreten der Haustürgeschäft­ Richtlinie, es hätte aber eben in der beschriebenen Form nicht aufrechterhalten werden können, wenn der Richtliniengeber auf den vom deutschen Gesetz verfolgten Schutzzweck abgestellt haben sollte. Es hätte zumindest die Rücktrittsbelehrung zu einem eigenen Schriftstück gemacht werden müssen. Sollte hingegen die Richtlinie in ihrer Zielsetzung dem französischen Modell entsprechen, dann läßt sich die deutsche Regelung keinesfalls mehr rechtfertigen. Subjektiv­ historische Hinweise, die außerhalb des Richtlinienwortlautes liegen, lassen sich hierzu nicht finden. Indessen zeigt der Richtliniengeber gerade eben in den Folgerichtlinien, in denen er sich neuerlich des Rücktrittsrechts und einer diesbezüglichen formalisierten Aufklärungspflicht seitens des Unternehmers bedient, daß es ihm auf die Trennung von Vertragsurkunde und Belehrung nicht entscheidend ankommt. Hierin mag man mit Recht ein rechtspolitisches Defizit sehen. Gewiß wären eine drucktechnische Hervorhebung, insbesondere aber ein (zusätzliches!) separates Schreiben besser geeignet, zum nochmaligen Überdenken des Geschäftsentschlusses anzuregen, und besteht gerade hierin eine Möglichkeit einzelstaatlicher Verbraucherschutzgesetzgebung auf höherem Schutzniveau. Indessen stellt der Richtliniengeber hierauf selbst bei situativ gewährtem Schutz gegen ähnliche Gefahrenlagen wie bei Haustürgeschäften nicht ab, was durch die Teleshopping-Richtlinie belegt wird.52 Und auch für den Bereich der Lebensversicherung und der Timeshare-Verträge tritt das Konzept einer Kombination von formalisierter Aufklärung über das Rücktrittsrecht mit der Dokumentation des Vertragsinhalts eindeutig zutage.53 Dies berechtigt zur Annahme, daß es dem Richtliniengeber auch im Rahmen von Art. 4 Abs. 2 Haustürgeschäft-Richtlinie um die Angabe des wesentlichen (wenngleich angesichts des Wortlauts sicherlich nicht vollständigen) Vertragsinhalts ging und nicht um die Isolierung des Belehrungsschreibens aufgrund dargelegter Erwägungen. 3. Verhandlungsformen

a. Verhandlungsformen als Spezialität europäischen Verbrauchervertragsrechts

Es ist eine Spezialität des Richtlinienrechts, daß häufig nicht (oder aber: nicht nur) der Abschluß des Vertrages einer der oben dargelegten Formzwänge unterworfen wird, sondern bereits die Vertragsverhandlungen. Diese Formvorschriften wollen bereits im Verhandlungsstadium Transparenz schaffen und den Unternehmer im Falle eines tatsächlich folgenden Vertragsschlusses an seine vorab gegebenen Versprechen binden, weil auf diesen der (psychologische) Vertragsschlußwille des Konsumenten aufbaut. Transparenz nützt nämlich im Verhandlungsstadium nur dann, wenn die Identität zwischen dem in der Werbung bzw. in den

51 Art. 2 leg. cit.. 52 Siehe Art. 4 und Art. 5 Teleshopping-Richtlinie. 53 Siehe Anhang zur Timeshare-Richtlinie; Lebensversicherung.

ferner

Anhang

II

Dritte

Richtlinie­

Verkaufsgesprächen angepriesenen Produkt und jenem, das im Vertrag versprochen wird, sichergestellt ist. b. Der Typus der vorvertraglichen Formen

Dies erfolgt regelmäßig im Wege von bereits vor Vertragsabschluß dem Verbraucher auszuhändigenden schriftlichen Informationen über die Identität des Unternehmers, den Vertragsgegenstand (das „Produkt“) bzw. verschiedene Vertragsinhalte. Zeitlich knüpfen diese Informationspflichten an die Aufnahme rechtsgeschäftlichen Kontakts an. Sie sind also entweder unmittelbar bei Kontaktaufnahme54 oder aber nach gereiften Vertragsverhandlungen55, jedenfalls aber dem Vertragsschluß vorangehend zu erfüllen. Die vorzufindenden Beispiele sind vielfältig. So hat etwa nach der Verbraucherkredit-Richtlinie der Kreditgeber dem Verbraucher bereits im Verhandlungsstadium den anfallenden effektiven Jahreszins zu nennen.56 Die dritte Richtlinie-Lebensversicherung enthält eine Reihe an formalisierten Aufklärungspflichten, die vorvertraglich zu erfüllen sind und Fragen der Identität des Versicherers, des Versicherungsprodukts, des auf den Versicherungsvertrag anwendbaren Rechts, des Rücktrittsrechts des Versicherungsnehmers, sowie bestimmter Einzelheiten der Vertragsgestaltung (Prämie, Dauer, etc.) umfassen.57 Ähnlich sieht die Wertpapier-Richtlinie die Zurverfügungstellung aller erforderlichen Informationen an den Anleger „in geeigneter Form“ vor.58 Stärker auf den in Aussicht genommenen Vertragsschluß hin orientiert wirken die Angaben, die nach der Teleshopping-Richtlinie in der Aufforderung zum Vertragsschluß enthalten sein müssen. Diese muß dem Verbraucher nämlich bereits ein fertiges Konzept des in Aussicht genommenen Vertrages liefern.59 Allerdings braucht die Aufforderung nicht notwendig in Schriftform erfolgen, es genügt vielmehr jene Form, die der benützten Kommunikationstechnik entspricht. Für den Fall schriftlicher Kommunikation fuhrt dies allerdings sehr wohl zur Verschriftlichung auch der Aufforderung zum Vertragsschluß.

c. Qualitative Steigerung: Prospekthaftungsvorschriften Einen entscheidenden Schritt weiter gehen die Pauschalreisen- und die Timeshare­ Richtlinie. Zunächst verstärken sie - ähnlich der Teleshopping-Richtlinie - die vorvertraglichen Informationspflichten, indem einerseits die Angaben des (nicht obligatorisch zu verwendenden) Reiseprospekts60, andererseits der Inhalt des 54 Vgl. Art. 3 Abs. 1 Timeshare-Richtlinie. 55 Vgl. Art. 4 Abs. 2 lit. b Pauschalreisen-Richtlinie. 56 Art. 3 Verbraucherkredit-Richtlinie. 57 Art. 31 Dritte Richtlinie-Lebensversicherung; hierzu (aus deutscher Sicht) Schwintowski in Basedow/Schwark/Schwintowski (Hg.) 11. 58 Art. 11 Abs. 1 5. Gedankenstrich Wertpapier-Richtlinie. 59 Art. 4 Teleshopping-Richtlinie. 60 Art. 3 Abs. 2 Pauschalreisen-Richtlinie; hinzu treten vorvertragliche Aufklärungspflichten bezüglich Visa- und gesundheitspolizeilicher Vorschriften, siehe Art. 4 Abs. 1 lit. a Pauschalreisen-Richtlinie.

(zwingend vorgesehenen) Informationsschreibens beim Timesharing61 recht detailliert vordeterminiert werden. Das Informationsschreiben beim Timesharing ist dem Kunden sofort auszuhändigen, wenn dieser nach Informationen fragt, im Regelfall also unmittelbar bei erster Kontaktaufnahme.62 Die geforderten Angaben umfassen bei der Pauschalreisen-Richtlinie im wesentlichen das Produkt, also das Reisearrangement selbst.63 Das Schriftstück nach der Timeshare-Richtlinie hat über eine minutiöse Darstellung des Produkts (Immobilie samt Einrichtungen, Service, Verwaltung, etc.) hinaus auch Angaben zum Preis, zur Identität des Timeshare­ Unternehmers sowie zum Rücktrittsrecht zu enthalten. Entscheidend aber ist bei beiden Richtlinien, daß die jeweiligen Angaben des Unternehmers Vertragsbestandteil werden.64 Ein Abweichen von den im Reiseprospekt bzw. Timeshare-Informationsschriftstück enthaltenen Angaben wird zwar nicht ausgeschlossen, jedoch sachlich und verfahrensmäßig eingeschränkt. Im einzelnen gilt nach der Pauschalreisen-Richtlinie, daß Änderungen vor Vertragsschluß nur dann möglich sind, wenn der Prospekt auf mögliche Abweichungen ausdrücklich hinweist und diese dem Verbraucher klar mitgeteilt werden.65 Im übrigen bewirkt ja insbesondere die Pflicht des Unternehmers, dem Konsumenten vor Vertragsschluß ein Schriftstück (oder doch ein gleichwertiges Kommunikationsmittel) auszuhändigen, das alle Vertragsbestimmungen zu enthalten hat, daß der Verbraucher noch vor dem Eingehen von Verpflichtungen die Vertragsentstehung vom Aushändigen des Prospekts bis hin zur finalisierten, nur noch durch eine entsprechende Willenserklärung „zu bestätigenden“ Vertragsurkunde nachvollziehen kann.66 Nach Vertragsschluß, so die wenig überraschende Regelung der Richtlinie, ist eine Änderung durch Vereinbarung der Parteien ohne weiteres möglich.67 Ähnliches gilt für die Timeshare-Richtlinie. Auch sie läßt freilich eine Änderungsvereinbarung der Parteien zu, bestimmt aber, daß diese „ausdrücklich“ zu erfolgen hat.68 Im übrigen sind Änderungen von Angaben des Informationsschriftstücks nur aufgrund solcher Umstände zulässig, auf deren Eintritt der Unternehmer keinen Einfluß hat.69 In jedem Falle sind solche Änderungen dem Verbraucher vor Vertragsschluß mitzuteilen und ist auf sie im Vertrag ausdrücklich hinzuweisen.70 Damit wird in den beiden Regelungen ähnliches zu erreichen versucht: Im Rahmen des Angebots von Pauschalreisen stellt der Reiseprospekt ein typisches Vertragsverhandlungsinstrument dar. Die zu 61 Art. 3 Abs. 1 Timeshare-Richtlinie. 62 Art. 3 Abs. 1 Timeshare-Richtlinie. 63 Art. 3 Abs. 2 Pauschalreisen-Richtlinie. 64 Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Pauschalreisen-Richtlinie (arg.: „...binden den Veranstalter bzw. den Vermittler...“); Art. 3 Abs. 2 Timeshare-Richtlinie (arg.: „... Bestandteil des Vertrags ...“). 65 Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 1. Gedankenstrich Pauschalreisen-Richtlinie. 66 Siehe Art. 4 Abs. 2 lit. b insb. auch i.V.m. lit. a Pauschalreisen-Richtlinie. 67 Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 2. Gedankenstrich Pauschalreisen-Richtlinie; diese Regelung betrifft nur Änderungen des bereits geschlossenen Vertrages, weil sie von „später“ erfolgenden Änderungen spricht, was offenbar zu den Änderungen, die (nach der Regelung des 1. Gedankenstrichs derselben Bestimmung) „vor Abschluß des Vertrages“ dem Verbraucher mitzuteilen sind, kontrastiert. 68 Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Timeshare-Richtlinie. 69 Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Timeshare-Richtlinie. 70 Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Timeshare-Richtlinie.

erbringenden Leistungen können aus Distanzgründen nicht direkt besichtigt werden, Entscheidungsgrundlage des Verbrauchers bildet daher der mehr oder weniger zutreffende Prospekt. Dieser enthält häufig den Hinweis, daß Änderungen vorbehalten sind. Darüber hinausgehend wird für das Timesharing ein „Schriftstück“, das man ebenfalls als Prospekt bezeichnen kann, zwingend vorgesehen. Auch hier gilt, daß sich der Verbraucher auf den Prospekt verlassen darf, schon weil die Distanz zum Timeshare-Objekt regelmäßig eine Besichtigung verhindert. Durch die beschriebene Automatik des Richtlinienrechts, die diese Schriftstücke zum Vertragsinhalt erhebt, wird mit Hilfe von Vertragsverhandlungsformen ihrer Wirkung nach eine rechtsgeschäftliche Prospekthaftung erzeugt, die über eine culpa-in-contrahendo-113^\ing, (auf das negative Vertragsinteresse) hinausgeht und im übrigen allgemeine rechtsgeschäftliche Diskussionen über die Wirkung von allgemeinen Zusagen, Äußerungen und Darstellungen in Prospekten71 erübrigt. Der Unternehmer wird unabhängig von Klauseln in den Prospekten, wonach „Änderungen vorbehalten“ sind, an seine formalisierten Angaben im Prospekt gebunden. Zugleich wird aber der Verhandlungsspielraum intentionsgemäß nicht beschränkt, sondern lediglich ebenfalls formalisiert. Die rechtsgeschäftliche Prospekthaftung tritt eben dann nicht ein, wenn von den Prospektangaben in formalisierter Weise abgegangen wird. Prospektangaben besitzen sohin Verbindlichkeit vorbehaltlich formalisierten Abweichens. Das fuhrt zu einer Formalisierung des Vertragsschlußprozesses, die weitreichende Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Vertragsverhandlungen schafft. d. Ergänzung: Formalisierung der Werbetätigkeit des Unternehmers

Ergänzt und erweitert werden diese Vertragsverhandlungsformen durch eine (freilich nicht so weitreichende) Formalisierung allgemeiner Werbemaßnahmen der Unternehmer. Neben teilweise vorzufindenden allgemeinen Vorschriften, nach denen die Werbung der Unternehmer den einschlägigen Vorschriften des Lauterkeitsrechts zu entsprechen hat72, wird auch ein Verbot „irreführender Angaben“ ausgesprochen73. Für den Kontext der Formvorschriften bedeutender sind allerdings jene Vorschriften, die bereits in der allgemeinen Werbung gewisse Mindestangaben fordern74, insbesondere solche, die auf die Erhältlichkeit eines Prospekts in besprochenem Sinne hinweisen.75

71 Man beachte in diesem Zusammenhang, daß diese Haftungsfragen nicht nur nationalrechtlich schwer zu beantworten sind, sondern im internationalen Vergleich im einzelnen stark abweichen können. 72 Z.B. Art. 3 Verbraucherkredit-Richtlinie. 73 Z.B. Art. 3 Abs. 1 Pauschalreisen-Richtlinie. 74 Art. 3 Verbraucherkredit-Richtlinie; Art. 3 Abs. 3 Timeshare-Richtlinie. 75 So Art. 3 Abs. 3 Timeshare-Richtlinie.

4. Befund: Der Stufenbau der Formvorschriften als Ausdruck eines realen Vertragsschlußverständnisses des Richtliniengebers a. Der Stufenbau der Formvorschriften Das gezeichnete Bild der Formalisierung des Vertragsverhandlungsstadiums bis hin zum Vertragsschluß ergibt zusammengenommen einen Stufenbau der Formvorschriften. Begonnen vom Aufmerksamwerden aufgrund allgemeiner Werbung bis hin zum eigentlichen Vertragsschluß und auch darüber hinaus wird der Konsument durch Formvorschriften in bestimmten Abschnitten der Vertragsverhandlungen geschützt. Teils erfolgt dies in Form von statischen Momentaufnahmen des Verhandlungsstadiums76, teils in dynamisierter Form.77 Einzelne Stufen bilden die formalisierte Werbung, Formalisierungen im Verhandlungsstadium (Prospekte; formalisierte Aufklärungspflichten), das formalisierte Prozedere für Abweichungen von Prospektangaben, „vorbereitende“ Vertragsurkunden, die noch vor Vertragsschluß auszuhändigen sind, klassische Abschlußformen und Bestätigungsurkunden, letztere insbesondere im beschriebenen Zusammenwirken mit formalisierten Aufklärungspflichten betreffend bestehende Rücktrittsrechte78. 79 Konsument und Unternehmer beschreiten sozusagen von der Anbahnung rechtsgeschäftlichen Kontaktes an einen gemeinsamen Weg, der sie Stufe um Stufe dem Vertragsschluß näher bringt. b. Das Verhältnis zum tradierten VertragsVerständnis

aa. Die Legitimation des Vertrages durch formalisierte Abschlußverfahren Dieser Stufenbau mit seinen ihm eigenen Schutzmechanismen steht in einer eigengeprägten Relation zur allgemeinen Rechtsgeschäftslehre. Die Formvorschriften wollen den freien und überlegten Subjektwillen gewährleisten. Der Stufenbau der Formalisierungen soll die Richtigkeit der Verträge im Sinne der Willensfreiheit der Parteien fördern, er legitimiert privatautonom getroffene Vereinbarungen durch formalisierte Vertragsschlußverfahren.19 Die Form sichert die Überlegtheit der Abschlußentscheidung des Konsumenten nicht durch höchst abstrakte Warnung, wie sie klassische Abschlußformen bieten, sondern durch ein formalisiertes Verfahren hin zum Vertragsschluß, das teils final ausgerichtete Warnungen für den Konsumenten enthält.

76 So die beschriebenen Prospektaushändigungspflichten, wie auch die „vorbereitende“ Vertragsurkunde nach Art. 4 Abs. 2 lit. b Pauschalreisen-Richtlinie. 77 So die oben beschriebenen formalisierten Wege, Abweichungen von den Prospektangaben zu vereinbaren. 78 Hierzu oben § 5 IV. 2. und 3.. 79 Zum Gedanken der Legitimation durch Verfahren ganz allgemein Luhmann, Rechtssoziologie II259; ders., Verfahren, passim.

bb. Das realistische Vertragsverständnis der Richtlinien

Damit beweisen diese europäischen Richtlinien einigen Mut zu einer wirklichkeitsnahen Sichtweise des Vertragszustandekommens. Gemeiniglich wird ja unter dem Vertragsbegriff ein Sichtreffen zweier oder mehrerer übereinstimmender Willenserklärungen80 verstanden, was aber für sich eine nicht unbedingt realitätsnahe Formalisierung der Betrachtungsweise darstellt. Kompliziertere Vertragsschlüsse, denen entsprechend längere und komplexere Vertragsverhandlungen vorangehen, können häufig nicht klar in abgrenzbare Angebots- und Annahmevorgänge aufgeschlüsselt werden. Solche Vertragsschlüsse sind als Produkt gegenseitigen Vorschlagens, Modifizierens und Akzeptierens, also besser als komplexe Mechanismen zu verstehen. Die infolge der klassischen Vertragsdefinition vorzunehmende Aufgliederung in Angebot und Annahme soll dann das Verhandlungsstadium vom Abschluß trennen, soll unverbindliche Äußerungen des Verhandlungsstadiums von vertraglichen Zusagen unterscheiden. Die tatsächliche Unmöglichkeit einer solch scharfen Trennung hat nun gerade dazu geführt, den klassischen Abschlußformen eine Klarstellungsfunktion zu unterlegen. Mithilfe der Form soll klargestellt werden, was unter die formlosen und daher unverbindlichen Verhandlungen einzureihen ist, zum Vertragsinhalt werden hingegen nur die formalisierten Erklärungen. Indessen haben gerade auch diese Versuche gezeigt, daß man den „Vertrag“ als Produkt übereinstimmender Willenserklärungen nicht einfach von seinem Aushandeln abnabeln kann, ohne zugleich zu höchst unzufriedenstellenden Ergebnissen zu gelangen.81 Z.B. fuhrt eine Auslegung der schriftlichen Urkunde nur aus sich heraus, also in ausschließlicher Angewiesenheit auf den Vertragswortlaut, allzu leicht zu „beiderseits ungewollten Verträgen“.82 Die Zulassung des Beweises mündlicher Absprachen jedenfalls zum Zwecke der Interpretation des schriftlichen Vertrages ist daher heute allgemein akzeptiert und unerläßlich.83 Den gewünschten klarstellenden Effekt konnten die Formvorschriften damit nicht in vollem Umfang erzielen. Demgegenüber erscheint es erfolgversprechender, wenn man in der realitätsbezogenen Manier der Richtlinien den Verhandlungsfortgang dokumentiert, sodaß Streitigkeiten rund um den Vertragsinhalt unter Rückgriff auf sichere Erkenntnisquellen über die Verhandlungen gelöst werden können. Nicht Abnabeln des Vertrages vom Verhandlungsstadium heißt das Leitmotiv, sondern Sicherstellung der ohnehin unverzichtbaren Erkenntnisquellen über das vorvertragliche Verhältnis der Parteien. Mit dieser Dokumentation der Vertragsverhandlungen, insbesondere mit Hilfe der formalisierten Aufklärungspflichten, wird zugleich ein erheblicher Warneffekt zugunsten des Konsumenten erreicht.

80 Zu den Schwierigkeiten, diese Willenserklärungen juristisch zu fassen Schapp 8ff. 81 Wozu etwa die Andeutungslehre zählt; zu ihr kritisch Häsemeyer 125ff; ablehnend auch Brox JA 1984, 549. 82 Vgl. hierzu Bydlinski 36f, der - in etwas anderem Zusammenhang - von „beidseitig unbewußtem Vertragsschluß“ spricht. 83 Vgl. für das englische common law Treitel 18If; für Deutschland die zutreffende Kritik an der Andeutungslehre durch Häsemeyer 125f und 264ff.

5. Rückschlüsse für die Sanktionierung a. Allgemeines

Schon oben wurde die Wirkung des europäischen Richtlinienrechts als Einfallstor für einen Pluralismus der Formverfehlungsfolgen dargestellt.84 Vorgaben des primären wie auch sekundären Gemeinschaftsrechts sind die vorrangige Ursache. Jedoch sind es auch Sachgesetzlichkeiten, die den Weg in dieselbe Richtung weisen: Der soeben aufgezeigte Stufenbau der Formvorschriften im europäischen Verbrauchervertragsrecht läßt die Prognose zu, daß die dargelegte Relativierung der Nichtigkeit, die Materialisierung der Sanktionsvoraussetzungen und die alternativen Sanktionsmechanismen nach Abschluß der Richtlinientransformation in den verschiedenen nationalen Rechten erheblich an Bedeutung gewonnen haben werden. Die Eigenheiten der Formvorschriften, welche sich im geschilderten Stufenbau widerspiegeln, verstärken den schon durch primär- und sekundärrechtliche Sanktionsvorgaben eingeschlagenen Weg hin zum Pluralismus der Rechtsfolgen von Formfehlern. Tatsächlich bestätigt sich diese Aussage in einer Beobachtung, die Kötz bereits zum aktuellen Stand er EG-Richtlinienumsetzung anstellt: Gerade auf der Sanktionsseite „...finden wir ein bizarres Potpourri an nationalen Lösungen.“85 Gewiß bedeutet dies - ganz im Sinne der Prognose von Coin^6 - keinen grundsätzlichen Eingriff in das BGB, jedoch scheint die Zeit gekommen, in der äußere Einflüsse, wie sie Coing selbst schon in der europäischen Rechtsvereinheitlichung gesehen hat87, die Bedeutung der starren Regelung des § 125 BGB spürbar verringern. Dies soll im folgenden anhand der einzelnen Sanktionstypen und jeweils zugehöriger Einzelbeispiele dokumentiert werden. Die gebotenen Beispiele stellen zugleich - pars pro toto - die diversen Formtypen vor, wie sie sich aus dem Richtlinienrecht herausschälen sollten. b. Leitlinien der Sanktionsbestimmung

aa. Relative Nichtigkeit

Konstitutivformen des europäischen Richtlinienrechts verlangen nach der Nichtigkeit oder einer gleichwertigen Sanktion. In jedem Falle aber bietet sich eine Relativierung der Nichtigkeitsfolge an. Hierfür spricht zunächst die einseitige Schutzrichtung der Form.88 Eine personale Ausrichtung der Nichtigkeitsfolge drängt sich bei den europäischen Formvorschriften aber ganz besonders deshalb auf, weil diese die Beurkundung des Geschäfts dem Unternehmer (ausdrücklich oder implizit) zur Pflicht machen. Diese Pflicht folgt für die beiden Konstitutivformen der 84 Siehe oben § 1IV.. 85 Kötz 139 mit Beispielen. 86 Coing DNotZ 1965 (Sonderheft Dt. Notartag 1965) 29 (46), der klarmacht, daß er mit einer Überarbeitung des BGB und damit auch des § 125 BGB in absehbarer Zeit nicht rechnet. 87 Coing DNotZ 1965 (Sonderheft Dt. Notartag 1965) 29 (50) meint, nur jene Rechtsordnung werde der europäischen Rechtsvereinheitlichung etwas anzubieten haben, die „feste, rational begründete Prinzipien zu bieten vermag“. 88 Hierzu oben § 3 II. 3. a..

Verbraucherkredit- und der Timeshare-Richtlinie insbesondere aus zweierlei: Erstens ist der Unternehmer zur Aushändigung der Urkunde an den Verbraucher verpflichtet.89 Zweitens sind die im Vertragsdokument zu gewährenden Angaben stets solche, über die der Unternehmer den Verbraucher zu informieren hat.90 Diese beiden Aspekte machen deutlich, daß die Formwahrung dem Unternehmer aufgegeben ist. Die mangelnde Form sollte daher durch relative Nichtigkeit sanktioniert werden.

bb. Die Prüfung materieller Erheblichkeit

Zugleich laden die Formvorschriften der EG-Richtlinien auch zur Prüfung materieller Erheblichkeit ein. Denn häufig geben die Formvorschiften minutiöse Anweisungen, welche Angaben in den Vertrag aufzunehmen sind und wie die Ausgestaltung im einzelnen zu erfolgen hat.91 Solch detaillierte Regelung läßt in vermehrter Zahl Formverstöße erwarten, die ihrer Art nach (also: abstrakt) ungeeignet sind, den Formzweck zu gefährden. Sie sollten daher auch keine Sanktionen auslösen.

cc. Widerrufsrechte (1) Bestätigungsurkunden und allgemeine Widerrufsrechte

Deklarativformen (z.B. jene der Pauschalreisen- und Teleshopping-Richtlinie sowie des Versicherungsvertragsrecht-Richtlinienvorschlags92) wollen bisweilen den Übereilungsschutz, wie ihn Widerrufsrechte auch noch nach Vertragsschluß gewährleisten, vervollständigen.93 Die Bestätigungsurkunde gewährt die Information über das getätigte Geschäft, welche erst die nochmalige Überlegung garantiert. Dieses typische94 Wechselspiel von Form und allgemeinem Widerrufsrecht ist auf Rechtsfolgenseite dadurch weiterverfolgbar, daß einem Formmangel eine entsprechende Verlängerung, womöglich gar eine Perpetuierung des allgemeinen Widerrufsrechts folgt. Die Timeshare-Richtlinie sieht diese Sanktion ausrücklich vor, wenn nur einzelne Angaben fehlen.95 Dasselbe gilt für die

89 So ausdrücklich und in unmittelbarem Anschluß an die Etablierung des Formzwangs Art. 4 Abs. 1 Satz 2 Verbraucherkredit-Richtlinie. 90 Vgl. die Angabepflichten nach Art. 4 Abs. 2 und 3 Verbraucherkredit-Richtlinie; sowie Art. 4 1. Gedankenstrich i.V.m. dem Anhang Timeshare-Richtlinie. 91 Siehe nur Anhang II Dritte Richtlinie-Lebensversicherung; Anhang Timeshare-Richtlinie; Anhang Pauschalreisen-Richtlinie; Art. 5 Teleshopping-Richtlinie; auch Art. 4 Abs. 2 Verbraucherkredit-Richtlinie. 92 Siehe Art. 4 Abs. 2 lit. b letzter HS. Pauschalreisen-Richtlinie; Art. 5 Abs. 1 Teleshopping­ Richtlinie; Art. 2 Abs. 1 Versicherungsvertragsrecht-Richtlinienvorschlag. 93 Insb. bei Art. 5 Abs. 1 Teleshopping-Richtlinie; vgl. aber auch die Informationspflichten gemäß Art. 31 i.V.m. Anhang II Dritte Richtlinie-Lebensversicherung; hierher gehören auch die Vertragsangaben nach Art. 4 1. Gedankenstrich Timeshare-Richtlinie, deren Fehlen gerade durch eine Verlängerung des Rücktrittsrechts gemäß Art. 5 sanktioniert wird. 94 Siehe hierzu oben § 5 IV. 2. c. (insb.) cc.. 95 Siehe im einzelnen Art. 5 Timeshare-Richtlinie.

schriftliche Bestätigung gemäß der Teleshopping-Richtlinie.96 97 Diese 98 Folge bietet sich freilich auch bei anderen, ähnlich gestalteten Formvorschriften an. (2) Das Widerrufsrecht Informationspflichten

als

adäquate

Sanktion

für

formalisierte

Widerrufsrechte bieten sich ferner bei vorbereitenden Vertragsurkunden91 und vorvertraglichen Infonnationspflichten9^ an; und zwar ganz unabhängig davon, ob ein allgemeines Widerrufsrecht besteht oder nicht.99 Denn ein Formmangel beeinträchtigt die Information des Verbrauchers und fuhrt so zu einer fehlerhaften Willensbildung. Dem Konsumenten ist daher eine Möglichkeit zur Vertragslösung zuzugestehen. Dies jedenfalls dann, wenn die vorvertragliche Information vertragsschlußrelevante Umstände betrifft. Ein Musterbeispiel bilden die Produktangabepflichten gemäß der Teleshopping-Richtlinie100, die freilich keine Ausnahme sind.101 In all diesen Fällen gilt, daß die Vertragsurkunde zwar grundsätzlich nur deklarative Bedeutung hat, Formmängel aber wegen des Widerrufsrechts zur Vertragslösung fuhren können. cc. Formzwingendes Vertragsrecht

Die Vertragslösung hilft dem Verbraucher nicht immer weiter. Solche Fälle haben sich als Anwendungsfelder für formzwingendes Vertragsrecht erwiesen.102 Das Richtlinienrecht liefert wiederum einige Beispiele von Formvorschriften, in denen eine Sanktionierung durch formzwingendes Vertragsrecht zwar nicht vorgeschrieben wird, jedoch höchst angebracht erscheint. Dies sei hier an einem kollisionsrechtlichen Beispiel demonstriert, weil dort auch schon eine Sanktionierung mittels formzwingendem Privatrecht vorgeschlagen wurde: Art. 31 Abs. 1 i.V.m. Anhang II Pkt a.16 Dritte Richtlinie-Lebensversicherung verlangt vom Versicherer eine formalisierte vorvertragliche Information des (potentiellen) Versicherungsnehmers über eine vorgeschlagene Rechtswahl. An die Unterlassung dieser Information ein (perpetuiertes) Widerrufsrecht zu knüpfen, erscheint in vielen Fällen nicht effizient. Denn insbesondere nach erheblichem Zeitverlauf ist eine Auflösung der Lebensversicherung aus Sicht des Versicherungsnehmers meist kontraproduktiv. Reichert-Facilides hat daher im Rahmen eines von ihm 96 Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 3 Teleshopping-Richtlinie. 97 Vgl. nur Art. 4 Abs. 2 lit. b Pauschalreisen-Richtlinie, wonach der Vertragstext dem Reisenden schon vor Vertragsschluß auszuhändigen ist. 98 Siehe nur Art. 31 i.V.m. Anhang II Dritte Richtlinie-Lebensversicherung; auch Art. 4 Teleshopping-Richtlinie; sowie Art. 4 Abs. 1 Pauschalreisen-Richtlinie. 99 Freilich muß dann der Informationsmangel das Widerrufsrecht über die allgemeine Widerrufsfrist hinaus verlängern; ganz besonders gilt dies freilich für formalisierte Informationspflichten über das Bestehen von Widerrufsrechten: Vgl. Art. 31 i.V.m. Anhang II Pkt. a.13 Dritte Richtlinie-Lebensversicherung; Art. 5 Abs. 1 1. Gedankenstrich Teleshopping­ Richtlinie; Art. 4 1. Gedankenstrich i.V.m. Anhang lit. 1 Timeshare-Richtlinie. 100 Siehe die vorvertraglichen Informationspflichten gemäß Art. 4 Teleshopping-Richtlinie. 101 Siehe wiederum Art. 31 i.V.m. Anhang II Dritte Richtlinie-Lebensversicherung; auch Art. 3 Timeshare-Richtlinie; sowie Art. 4 Abs. 1 Pauschalreisen-Richtlinie 102 Siehe § 5 III..

vorgeschlagenen Umsetzungsgesetzes eine Sanktion formuliert, die in vielem dem hier dargelegten Konzept des formzwingenden Rechts entspricht.103 Diesem Vorschlag zufolge soll nämlich eine Rechtswahl insofern unwirksam sein, als sie zum Nachteil des Versicherungsnehmers ausschlägt. Damit wird die (an sich) dispositive objektive Anknüpfung formzwingend. dd. Insbesondere: Prospektangaben Angaben in Prospekten104 werden von der Pauschalreisen- und Timeshare-Richtlinie für verbindlich erklärt, genauer: für formzwingend, zumal Abweichungen wohl zulässig, jedoch an die Form gebunden sind. Formlose Abweichungen werden daher mithilfe von bestimmenden Teilnichtigkeitsnormen sanktioniert: Sie gelten als nicht vereinbart, der Restvertrag bleibt unter Zugrundelegung der Prospektbestimmungen aufrecht. Im Ergebnis gelangt man zu einer rechtsgeschäftlichen Prospekthaftung. Dieses Modell bietet sich immer dann an, wenn vorvertragliche Informationen ausgehändigt werden; es ist freilich ungeeignet, die Aushändigung solcher Informationen durchzusetzen. Darin unterscheidet sich die Sanktion der Prospekthaftung von den zuvor dargelegten Optionen der Widerrufsrechte wie auch des formzwingenden Vertragsrechts.

ee. Ergänzung: Generalpräventive Vorkehrungen

Dort wo die beschriebenen Sanktionstypen Zweifel an der erforderlichen generalpräventiven Wirkung aufkommen lassen, stehen weitergehende Präventivmaßnahmen zur Verfügung: Strafdrohungen, Verbandsklagen und Aufsichtsmittel sind hervorzuheben. So kennen die Teleshopping-Richtlinie und die Richtlinie über mißbräuchliche Klauseln jedenfalls Verbandsklagerechte.105 Dieses Instrument wurde kürzlich durch eine eigene Richtlinie auf diverse andere Richtlinien des Verbraucher(vertrags)rechts erstreckt.106 Strafsanktionen bieten sich z.B. als Ergänzung des Klagerechts des Arbeitnehmers nach Art. 8 Arbeitsnachweise-Richtlinie an. Denn dort, wo das einzige Mittel der Formdurchsetzung eine Klage des sozial schwächeren Partners ist, sind generalpräventive Maßnahmen höchst willkommen. Und für die Durchsetzung der formalisierten Informationspflichten des Versicherers gemäß Art. 31 i.V.m. Anhang II Dritte Richtlinie-Lebensversicherung liegen aufsichtsrechtliche Folgen angesichts der bestehenden, ausgeprägten Fachaufsicht im Versicherungswesen als (begleitende) Sanktion nahe.

103 Reichert-Facilides in Reichert-Facilides (Hg.) 75 (78; dort: Art. 37f Abs. 2 EGBGB); freilich greift die Sanktion dort weiter, weil sie auch Fälle objektiver Anknüpfung umfaßt. 104 Siehe Art. 3 Abs. 1 Timeshare-Richtlinie; Art. 3 Abs. 1 Pauschalreisen-Richtlinie. 105 Siehe Art. 11 Abs. 2 Teleshopping-Richtlinie; Art. 7 Abs. 2 Richtlinie über mißbräuchliche Vertragsklauseln. 106 Richtlinie 98/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen, ABI. 1998 Nr. L 166/51.

Teil12

...

Die Beschränkung der Reichweite der Nichtigkeitssanktion §6 Restgültigkeit bei Teilnichtigkeit

I. Die Teilnichtigkeit als Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsprinzips

Bezieht sich eine „Nichtigkeitsnorm“1 nur auf einen Teil eines Rechtsgeschäfts, so kommen vornehmlich zwei Regelungsmodelle in Frage: Entweder fuhrt die Teilnichtigkeit zur Annullierung des gesamten Rechtsgeschäfts, oder aber der von der Nichtigkeitsnorm nicht erfaßte Teil wird als selbständiges Rechtsgeschäft aufrecht erhalten. Insoweit hier die Rechtsordnung den formgültigen Teil auffechterhält, erfolgt eine erhebliche Einschränkung oder doch Begrenzung der Nichtigkeitssanktion. Teilnichtigkeitsfolgen sind daher zuvorderst unter dem Aspekt zu sehen, daß die Rechtsordnung auch dann, wenn ein Eingriff in die Privatautonomie erforderlich ist, dem Parteiwillen größtmögliche Anerkennung zukommen lassen will. Deutlich äußert sich diesbezüglich das US-amerikanische Restatement 2dt Contracts. Danach sei die Teilbarkeit nichtiger Verträge „a general technique by ^hich a court can mitigate the harshness of a rule that bars a party from enforcing an agreement by apportioning the performances into corresponding pairs of part performance and then enforcing the agreement as to only one part.^2 II. Das gegenläufige Konzept des § 139 BGB: Gesamtnichtigkeit zum Schutz der Privatautonomie?

Das BGB wählt im Grundsatz die erste Lösung und setzt damit einen Akzent für unumschränkte Nichtigkeit.3 Von diesem Prinzip wird jedoch sogleich einiges zurückgenommen. Es soll nämlich Restgültigkeit obwalten, sobald anzunehmen sei, das Rechtsgeschäft würde auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein. § 139 BGB mißt also dem (hypothetischen) Parteiwillen entscheidende Bedeutung bei. Die Regelung soll der Parteiautonomie dienen.4 Durch Gesamtnichtigkeit werde nämlich in keiner Weise in den Vertragsinhalt eingegriffen. Tatsächlich bleibt der Parteiwille insofern unberührt, als sicherlich kein Rechtsgeschäft (auch kein „zurechtgeschnittenes“) aufgedrängt wird. Das Phänomen des „beiderseits ungewollten“5, vom Richter geschaffenen und damit oktroyierten Vertrags taucht

1 Zum Begriff Damm JZ 1986, 913 (916). 2 Comment a. zu § 183 Restatement 2d, Contracts. 3 Dies im Gegensatz zum früheren Gemeinen Recht: siehe die Nachweise bei H. Roth in Staudinger I § 139 BGB Rz. 1; hierzu und zur Kodifikationsgeschichte des § 139 BGB Lamp 9ff; zur geschichtlichen Entwicklung auch Lang Iff. 4 Nachweise bei Hefermehl in Soergel I § 139 BGB Rz. 1; vgl. RG 1.5.1908 JW 1908, 445 und Flume 582: „...§ 139 gibt dem Richter keine Legitimation zu ‘richterlicher Gestaltung' des Rechtsverhältnisses...“; kritisch Mayer-Maly in GS Gschnitzer 283. 5 Vgl. auch Bydlinski 36ff („beidseitig unbewußter Vertragsschluß“).

gewiß nicht auf.6 Indessen weist die (vollständige) Annullierung des Rechtsgeschäfts ihrerseits oktroyistische Züge auf. Nur dies kann gemeint sein, wenn § 139 BGB bisweilen als Ausdruck einer „sehr problematischen, weil sehr doktrinären Wertentscheidung“ bezeichnet wird.7 Auch wenn die Gesamtnichtigkeit nicht in die inhaltliche Gestaltung des Geschäfts eingreift, so negiert sie doch rechtsgeschäftliches Versprechen und enttäuscht damit auch das Vertrauen des Geschäftspartners in die Versprechenstreue völllig. Dies gilt verstärkt, wenn die Vertragsabwicklung schon begonnen oder womöglich gar beendet wurde. Stets geht es bei der Regelung der Teilnichtigkeitsfrage also um die Verteilung des Vertragsrisikos, womit keineswegs gesichert ist, daß der Grundsatz der Privatautonomie die Gesamtnichtigkeit als Rechtsfolge fordert. Denn womit ist begründbar, daß das völlige Negieren des mit Rechtsfolgewillen geäußerten Versprechens der einen Partei und die völlige Enttäuschung des Vertrauens der anderen die Privatautonomie weniger beeinträchtigt, als das Festhalten der Parteien an einem Vertragsrest?8 Der mit Streitigwerden des Falles auftretende Lösungswille einer Partei kann hier naturgemäß kein Argument liefern. Umgekehrt gewährleistet doch das Aufrechterhaltungskriterium des „hypothetischen Parteiwillens“ einen möglichst schonenden Eingriff der Rechtsordnung in privatautonome Akte. Eine aus der Nichtigkeit resultierende Begrenzung privatautonomer Gestaltung wird also durch Restgültigkeit gemildert.9 Das von den Vertragspartnern nicht unmittelbar bedachte Vertragsrisiko wird nach Möglichkeit im Sinne der Parteienregelung verteilt. § 139 BGB hat sich dieser Argumentation auch nicht verschlossen, wenn er, recht besehen, den Parteiwillen im Sinne der Gesamtnichtigkeit nur vermutet. Oktroyistisch erscheint daher nur diese Zweifelsregel.

III. Die Vermutung der Restgültigkeit im österreichischen Vertragsrecht Es verwundert insofern nicht, wenn das österreichische Vertragsrecht vom gegenteiligen Modell ausgeht. Das ABGB enthält in seinem § 878 Satz 2 für den Fall anfänglicher Unmöglichkeit der versprochenen Leistung eine Teilnichtigkeitsbestimmung, die nach herrschender Lehre10 und Rechtsprechung11 -

6 In diesem Sinne auch Lamp 79f. 7 Mayer-Maly in MüKo I § 139 BGB Rz. 3. 8 Vgl. Hefermehl § 139 BGB Rz. 1, der meint, Restgültigkeit und Gesamtnichtigkeit seien gleichermaßen mit dem Prinzip der Privatautonomie vereinbar. 9 Vgl. Larenz 463 in FN 30, der von einer Verbindung von Privatautonomie und ergänzender objektiver Wertung spricht; zur Problematik der dabei verursachten Änderung subjektiver Leistungsäquivalenz Hefermehl in Soergel I § 139 BGB Rz. 1. 10 Vgl. nur Koziol!Welser I 141; Rummel in Rummel I § 878 Rz. 4; Apathy in Schwimann V § 878 Rz. 8; Gschnitzer in Klang IV/1 168, der allerdings auf einen möglichen abweichenden Zweck der Nichtigkeitsnorm aufmerksam macht; siehe auch Illedits 28f. 11 Vgl. nur - gerade für die Formnichtigkeit - OGH 7.7.1983 SZ 56/119: „Damit hat ... grundsätzlich die Regel des § 878 Satz 2 ABGB zu gelten, wonach bei gleichzeitiger Vereinbarung von Möglichem und Unmöglichem, aber auch, wie hier, Formrichtigem und Formmangelhaftem ..., der Vertrag in ersterem Teile gültig bleibt, wenn nicht aus ihm hervorgeht, daß kein Punkt von dem anderen abgesondert werden könne“; vgl. ferner OGH 24.1.1983 SZ 56/11.

bis auf Fälle der Gesetz- und Sittenwidrigkeit12 - analogiefähig ist. Demnach soll mangels abweichenden Parteiwillens, also „im Zweifel“ - die Nichtigkeit eines Teils die Restgültigkeit des anderen Teils nicht hindern.13 Und dies soll gerade auch für die Formnichtigkeit gelten.14 Die für den Bereich des § 879 ABGB angeführten Gründe des öffentlichen Interesses (prdre public), welche eine Analogie zu § 878 Satz 2 ABGB nicht zulassen, liegen eben bei der Formnichtigkeit nicht vor. Hingegen ist klar, daß eine Formvorschrift der Regel des § 878 Satz 2 ABGB vorgehen und damit als bestimmende Nichtigkeitsnorm erscheinen kann, was letztlich durch Auslegung der Formvorschrift und damit anhand der Formzwecke zu ermitteln ist. Handelt es sich indessen nicht um eine derart bestimmende Nichtigkeitsnorm, dann bleibt es hinsichtlich der Frage der Restgültigkeit bei deren Vermutung im Sinne von § 878 Satz 2 ABGB.15 Die Aufrechterhaltung des Geschäftsrests bei Zweifel über den Parteiwillen schont diesen nicht nur weitestgehend, indem es ihn wenigstens teilweise respektiert, sondern hat auch weitere positive Aspekte für sich: So vermeidet sie Eingriffe in gesicherte, oder doch für gesichert gehaltene Rechtspositionen16 und erhält den Geschäftsrest als Wert für sich.17 Letztere Aspekte werden um so stärker, je weiter die Vertragsabwicklung bereits fortgeschritten ist. Sie unterläßt es sohin, zielverwirklichte Austauschprozesse weiter als nötig zu unterlaufen, damit Kosten zu verursachen und geschehene Wertschöpfungen zu zerstören.18

12 Hier soll die Teilnichtigkeitsfrage ganz vom Sinn und Zweck der Nichtigkeitsnorm abhängen; vgl. - insofern deutlich - OGH 28.10.1971 SZ 44/166; sowie OGH 17.12.1947 JB1 1948, 423; LGZ Wien 15.9.1982 MietSlg 34.120; allerdings soll es nach überzeugender Ansicht „subsidiär“ auch auf den hypothetischen Parteiwillen ankommen, hierzu Rummel in Rummel I § 878 ABGB Rz. 5; das widerspricht freilich der Ansicht Gschnitzers (in Klang IV/1 169) nicht, zumal dieser betont, daß man trotzdem von analoger Anwendung des § 878 Satz 2 ABGB sprechen kann; deutlicher die zweite Auflage seines Lehrbuches: § 878 Satz 2 ABGB sei auf Fälle der Unerlaubtheit analog erstreckbar, doch dürfen sich die Vertragsparteien auf einen verbotenen Willen (zur Aufrechterhaltung des Geschäftsrests) eben nicht berufen (Faistenberger/Barta/Oberhofer in Gschnitzer AT2 555); dagegen aber Mayer-Maly in GS Gschnitzer 265 (272). 13 Deutlich z.B. Faistenberger/Barta/Oberhofer in Gschnitzer AT2 554; Rummel in Rummel I § 878 ABGB Rz. 4. 14 Vgl. nur OGH 7.7.1983 SZ 56/119. 15 Rummel in Rummel I § 878 ABGB Rz. 4 (deutlich: „... im Zweifel ...“) sowie § 886 ABGB Rz. 15 (wo § 878 Satz 2 ABGB angewandt wird, wenn die Nichtigkeitsnorm die Teilnichtigkeitsfrage nicht regelt). 16 Vgl. Mayer-Maly in GS Gschnitzer 265 (278). 17 So Mayer-Maly in GS Gschnitzer 265 (283) für das ABGB allgemein. 18 Damit fugt es sich, wenn der OGH meint, aus § 878 ABGB ergebe sich „als Ziel der Vertragsauslegung, die gesunden Vertragsteile nach Möglichkeit aufrechtzuerhalten“; OGH 29.2.1972 EF 17.888.

IV. Die Tendenz zur Aufrechterhaltung teilnichtiger Verträge in England (mit einem Blick auf die Situation in den USA) 1. Das Institut der severance. Allgemeines

Auch die englische Rechtsprechung gelangt in den Teilnichtigkeitsfallen zu einer ähnlichen, aufrechterhaltungsfreundlichen Haltung. Freilich hat sie keinen abstrakten Rechtssatz im Sinne einer Vermutung der Restgültigkeit entwickelt. Jedoch ist ihr eine klare Tendenz zur Aufrechterhaltung des für sich gültigen Vertragsteils und darüber hinaus häufig auch des gesamten Vertrages zu entnehmen.19 Ja, es ist davon die Rede, daß die Ungültigkeit einer Klausel die Wirksamkeit des Restvertrages regelmäßig nicht beeinflußt.20 Insgesamt neigt die englische Rechtsprechung zur Aufrechterhaltung des Geschäftsrests immer dann, wenn der nichtige Teil einfach „weggestrichen“ werden kann. Drei Kriterien sind hierbei zu beachten: Zuallererst muß die Klausel mechanisch streichbar sein - Anpassungen finden nicht statt. Weiters muß auch ohne die Klausel das consideration-Erfordems gewahrt sein. Zuletzt darf die Streichung den Vertragscharakter nicht grundsätzlich verändern.21 2. Keine Anwendung des severance-Prinzips bei formmangelhaften Verträgen?

Derartige Aussagen beziehen sich allerdings nicht auf formmangelhafte, sondern auf sonst (insbesondere wegen Gesetzesverstoßes) nichtige Verträge. Soweit ersichtlich, wurde die Methodik der severance eines strikt einheitlichen Vertrages durch mechanisches Streichen einer nicht formalisierten Klausel und Aufrechterhaltung des Geschäftsrests bisher nicht angewandt. Im Hinblick auf die Vorschrift der 5. 2 Law of Property (Miscellaneous Provisions) Act 1989, welche die vollständige schriftliche Fassung von Grundstücksgeschäften vorsieht, wird wohl die Gesamtnichtigkeit auch bei Formverfehlung nur hinsichtlich einer einzelnen Klausel als geradezu selbstverständliche Folge angesehen.22 Dies mag angesichts der sonst durchaus bevorzugten Aufrechterhaltung von Geschäftsresten schwerlich zu überzeugen. Der Grund hierfür dürfte allerdings in der Begrifflichkeit des „formalisierten Vertrages“ liegen, wie sie in England zur Anwendung kommt. Von einem schriftlichen Vertrag wird nur dann gesprochen, wenn er von den Parteien in der Absicht gezeichnet wurde, die Urkunde zum abschließenden Vertragsinhalt zu erheben. Fehlt diese Absicht, haben also die Parteien die Formalisierung im Bewußtsein der Unvollständigkeit der Urkunde geschlossen, so liegt Schriftlichkeit eben gar nicht vor.23 19 Vgl. nur - selbst für den Fall des Verstoßes gegen gesetzliche Verbote -Atiyah 350f; sowie für die Formvorschrift der s. 2 Law of Property (Miscellaneous Provisions) Act 1989 - Treitel in Chitty on Contracts 1287f unter Verweis auf Record v Bell (1991) 1 WLR 853 . 20 Atiyah 340 (für restraint-of-trade clauses). 21 Sadler v Imperial Life Assurance Co. Ltd. (1988) 357 IRLIB 12; siehe im einzelnen die Judikaturanalyse bei Prentice in Chitty I 878ff. 22 Vgl. IVhittaker in Chitty on Contracts 286; ferner Baker, Q.C., in Record v Bell (1991) 1 WLR 853 (862 erster Absatz). 23 Zu dieser Begrifflichkeit Law Commission, Working Paper No. 164, 14 unter Direktzitat der Ausführungen in Working Paper No. 154, 39, zur parol evidence rule.

3. Die Substitutionswirkung anderer Rechtsbehelfe

Demgegenüber hat die englische Rechtsprechung gerade im Zusammenhang mit formmangelhaften Verträgen andere Instrumente entwickelt, die in der wohl überwiegenden Anzahl von Fällen teilweiser Formverfehlung den Geschäftsrest und vielfach sogar das Gesamtgeschäft aufrecht erhalten. Das Gesamtgeschäft wird „gerettet“, wenn die englische Judikatur mit dem Instrument der rectification, ein Mittel zur Berichtigung irrtümlicher Fehlbeurkundungen, arbeitet.24 Das Institut der collateral contracts25 fuhrt zur Aufrechterhaltung des Geschäftsteils, der als collateral (also selbständig und in seinem Bestand nicht vom eigentlichen Vertrag abhängig) verstanden wird. Je nachdem, ob es sich beim Hauptgeschäft um ein formwirksames Rechtsgeschäft handelt oder nicht, kommt es im Ergebnis zur Gesamt- oder Restgültigkeit.26 Zur Restgültigkeit gelangt die Rechtsprechung überdies in jenen Fällen, in denen auf Grundlage der parol evidence rule Beweise über mündlich getroffene Nebenabreden erst gar nicht zugelassen werden.27 Ferner hat die Rechtsprechung bei einheitlich geschlossenen, zusammengesetzten Geschäften den vollständig verbrieften Part trotz Unwirksamkeit des nicht vollständig dokumentierten Teils aufrechterhalten.28 Wie noch darzulegen sein wird, ist damit ein Instrumentarium geschaffen, das die Aufrechterhaltung teilweise formwidriger Verträge sowohl bei zusammengesetzten Geschäften wie auch bei strikt einheitlichen weitgehend erlaubt.29 4. Die Situation in den USA Auch für die USA wird von Farnsworth berichtet, divisibility habe bei formwidrigen Verträgen kaum Bedeutung erlangt.30 Das muß dort besonders verwundern, mißt doch § 147 par. 3 Restatement 2d, Contracts, gerade für die Teilnichtigkeitsfrage dem Kriterium aufrechterhaltender Auslegung entscheidende Bedeutung bei.31 Eine Erklärung bieten die Beispiele 6 und 7 zu § 147 par. 3 Restatement 2d, Contracts. Während dort nämlich bei einem strikt einheitlichen Vertrag die Unteilbarkeit angenommen wird, die nur durch Verzicht auf einseitig begünstigende Abreden behebbar ist, wird bei bloß im Zusammenhang geschlossenen Verträgen die Aufrechterhaltung bejaht. Dies entspricht wohl der 24 Zur rectification unten § 6 VI. 4. d. cc.. 25 Hierzu unten § 6 VI. 4. d. bb.; allgemein hierzu Prentice in Chitty I 868ff. 26 Zum praktischen Resultat, wonach Vertragsteile bzw. verbundene Geschäfte regelmäßig für nichtig erklärt werden, wenn der (formpflichtige) Hauptvertrag nichtig ist, hingegen für gültig, wenn der Hauptvertrag seinerseits formfehlerfrei geschlossen ist, unten § 6 VI. 2. b.. 27 Hierzu im einzelnen unten § 6 VI. 4. d. dd.. 28 Siehe Wood v Benson (1831) 37 RR 635; daß es sich um eine teilweise Unwirksamkeit wegen Formmangels handelte, geht aus den Ausführungen von Lord Lyndhurst, C.B., (639) hervor: Zur Begründung der Unwirksamkeit des anderen Teils wird ausgeführt, die schriftliche Urkunde würde die consideration nicht anfuhren (also nicht: es würde an einer consideration überhaupt fehlen). 29 Siehe unten § 6 VI. 4. d.. 30 Farnsworth II 169ff; vgl. auch Calamari/Perillo 829f. 31 Deutlich insofern Comment c. zu § 147 par. 3 Restatement 2d, Contracts.

Auffassung, eine Vermutung der Gesamtnichtigkeit lasse sich - wenn überhaupt nur bei strikt einheitlichen Geschäften rechtfertigen.32 Die geringe Bedeutung der Teilnichtigkeit in den USA ist sohin hauptsächlich auf strikt einheitliche Geschäfte zu beziehen.33 Gerade in diesem Bereich hat sich ja auch für das englische Recht schon gezeigt, daß das Instrument der severance nicht herangezogen wird, sondern andere Mittel der Aufrechterhaltung des Geschäfts(rests) dienen. V. Die Parallelentwicklung in Deutschland: Umkehrung des Regel-Ausnahme­ Verhältnisses durch Rechtsprechung und Lehre

Auch für das deutsche Recht ist man mittlerweile vom Grundkonzept des § 139 BGB in Richtung der für Österreich und England dargelegten Modelle abgewichen.34 Zweierlei hat die Bedeutung der Gesamtnichtigkeit schwinden lassen. Erstens wird der Auffechterhaltungswille nicht als Wille der Parteien im psychologischen Sinne verstanden35, sondern als ein Instrument zur Vornahme einer Abwägung der den beiden Parteien eigenen, nach ihren individuellen Verhältnissen gegebenen Interessen.36 Ähnlich der ergänzenden Vertragsauslegung wird - freilich nur dann, wenn kein entgegenstehender tatsächlicher Parteiwille erkennbar ist darauf abgestellt, was redliche Partner unter Berücksichtigung von Treu und Glauben und der Verkehrssitte vereinbart hätten.37 Und dabei hat sich die Rechtsprechungspraxis aufrechterhaltungsfreundlich gezeigt, weswegen z.B. H.Roth ganz allgemein von der Subsidiarität des § 139 BGB spricht.38 Zweitens soll §139 BGB auch deshalb nur „subsidiäre“ Bedeutung zukommen, weil seiner Regelung ausdrücklich abweichende Gesetzesvorschriften ebenso vorgehen, wie auch Nichtigkeitsnormen, deren Norm-, insbesondere Schutzzweck, eine Abweichung von § 139 BGB fordern. Freilich kann ein Abgehen vom § 139 BGB nicht nur durch zwingende Aufrechterhaltung des Geschäftsrests, sondern gerade auch in Form einer Totalnichtigkeit erfolgen; jedoch sind erstere Fälle eben

32 Siehe auch die entsprechenden Erwägungen mit Blick auf die Gesamtnichtigkeitsvermutung im deutschen § 139 BGB, unten § 6 VI. 1. a. dd.. 33 Tatsächlich berufen sich die Entscheidungen, in denen eine Teilaufrechterhaltung abgelehnt wurde, auch auf die Unteilbarkeit der vereinbarten Gegenleistung: Z.B. Mellencamp v Riva Music Ltd. 698 FSupp 1154 (SD NY 1988) (1162) m.w.N.; teils wird auch hervorgehoben, daß bei Abtrennung bestimmter Teile des Vertrages die anderen inhaltlos würden: ^meaningless^}. Howland v Iron Fireman Mfg. Co. 213 P2d 177 (Or. 1949) (197) mit zahlreichen weiteren Nachweisen zu Rechtsprechung und Lehre; bei Teilbarkeit der Leistungen wird hingegen eine Aufrechterhaltung bejaht: Hornady v Plaza Realty Co., Inc. 437 So2d 591 (Ala.Civ.App. 1983) (593); Buttorff v United Electric Laboratories, Inc. 459 SW2d 581 (Ky. 1970) (587f); Blue Valley Creamery Co v Consolidated Products Co. 81 F2d 182 (8th Cir. 1936); besonders weitgehend im Sinne der Aufrechterhaltung sind kalifornische Gerichte, z.B. White Lighting Co. v Wolfson 438 P2d 345 (Cal. 1968) (350); Landes Const. Co., Inc. v Royal Bank of Canada 833 F2d 1365 (9th Cir. 1987) (1370) m.w.N. zur Rechtsprechung. 34 Vgl. z.B. H. Hübner in FS Wieacker 399 (403) m.w.N.. 35 Ermittelbarer tatsächlicher Parteiwille geht ohnedies vor, vgl. Hefermehl in Soergel I § 139 BGBRz.§6 VI. 4. d. 34. 36 Dabei schon sehr aufrechterhaltungsfreundlich RG 1.6.1932 RGZ 107, 39. 37 Im einzelnen zum hypothetischen Parteiwillen unten § 6 VI. 4.. 38 H Roth in Staudinger I § 139 BGB Rz. 3.

entsprechend häufiger vorzufinden. Die Bedeutung dieser Mechanismen speziell für die Formnichtigkeit wird noch eigens darzulegen sein.39 VI.

Einzelheiten und ihre Bedeutung für formgebundene Rechtsgeschäfte

1. Die Einheitlichkeit des Rechtsgeschäfts a. Die Bedeutung der „Einheitlichkeit" des Rechtsgeschäfts nach § 139 BGB

aa. Strikte und wirtschaftliche Einheitlichkeit

§ 139 BGB kommt nur bei einheitlichen Rechtsgeschäften zur Anwendung. Bei getrennten Rechtsgeschäften, das versteht sich, kommt das Prinzip der Gesamtnichtigkeit nicht zum Tragen. Ihre Gültigkeit ist völlig separat zu beurteilen. Einheitlichkeit liegt vor, wenn alle Bestimmungen in ein Rechtsgeschäft gekleidet, also Bestandteile dessen sind („strikte Einheitlichkeit“40). Dies schließt keineswegs aus, daß ein Rechtsgeschäft Elemente mehrerer Geschäfte enthält, wenn nur die vertretenen Geschäftstypen inhaltlich derart miteinander verknüpft werden, daß eine Trennung in mehrere separate Rechtsgeschäfte gar nicht möglich ist (insbesondere also die sich einander gegenüberstehenden Leistungen untrennbar verschmolzen sind). Aber auch getrennte Rechtsgeschäfte werden als einheitlich behandelt, wenn sie derart Zusammenhängen, daß sie „miteinander stehen und fallen“ (was gelegentlich als wirtschaftliche Einheit bezeichnet wird41). Entscheidend hierfür ist der Parteiwille bzw. - ergänzend - Sinn und Zweck der Geschäfte, wonach zu beurteilen ist, ob die mehreren Rechtsgeschäfte nur als Einheit eine sinnvolle Regelung ergeben. bb. Die Kritik des Verständnisses von der wirtschaftlichen Einheitlichkeit. Fragestellung In diesem Zusammenhang ist die Frage von Bedeutung, ob bei derartiger Interpretation der Einheitlichkeit von zusammengesetzten Rechtsgeschäften das Vorliegen eines hypothetischen Aufrechterhaltungswillens - auf ihn wird weiter unten eingegangen42 - hinsichtlich des nicht formnichtigen Rechtsgeschäfts überhaupt noch prüfungsbedürftig ist. Wenn bei zusammengesetzten Rechtsgeschäften schon die Einheitlichkeit nach dem Kriterium des „miteinander Stehens und Fallens“ bejaht wird, und dies nicht notwendig tatsächlich geäußertem Parteiwillen zu entnehmen ist, sondern eben notfalls durch ergänzende 39 Hierzu unten § 10. 40 Hierzu Hefermehl in Soergel I § 139 BGB Rz. 16. 41 Hefermehl in Soergel I § 139 Rz. 17; ähnlich H. Roth in Staudinger I § 139 BGB Rz. 39, der aber deutlicher als andere auf den dahinterstehenden Einheitlichkeitswillen der Parteien abstellt; ausdrücklich und deutlich BGH 23.2.1968 BGHZ 50, 8 (13); ferner BGH 20.5.1966 LM § 139 BGB Nr. 34 mit zahlreichen weiteren Nachweisen (wo übrigens betont wird, bloß wirtschaftliche Einheit reiche nicht aus, sie sei vielmehr nur als starkes Indiz für die rechtliche Einheit anzusehen). 42 Siehe unten § 6 VI. 4..

Vertragsauslegung ermittelt wird, dann stellt doch das weitere Abstellen auf einen hypothetischen Parteiwillen zur Aufrechterhaltung des nicht formwidrigen Geschäfts nur noch eine Wiederholungsaufgabe dar. cc. Versuche, die Bestimmung der Einheitlichkeit von jener des hypothetischen Auffechterhaltungswillens zu trennen: Kritik

Mayer-Maly^3 und mit ihm der BGH43 44 bestreiten dies. Sie trennen die Frage der Einheitlichkeit der Rechtsgeschäfte vom hypothetischen Auffechterhaltungswillen der Parteien und gehen diesen Fragen in jeweils eigenen Fallprüfungsabschnitten nach. Blickt man jedoch auf die Determinante für das Vorliegen der Einheitlichkeit bei zusammengesetzten Geschäften, so mögen Zweifel aufkommen, ob hier nicht die Einheitlichkeit bereits die Möglichkeit des Vorliegens eines hypothetischen Auffechterhaltungswillens ausschließt. Wird nämlich die Zusammengehörigkeit zweier unterschiedlicher Rechtsgeschäfte daran gemessen, ob nach dem Parteiwillen (der eben nicht zuletzt auch dem Geschäftszweck entnommen wird) das eine Geschäft mit dem anderen „stehen und fallen“ soll, so heißt dies doch, daß Nichtigkeit des einen gerade auch Nichtigkeit des anderen hervorrufen soll. Wie aber sollte angesichts solcherart ermittelten Parteiwillens dann noch ein hypothetischer Parteiwille zur Aufrechterhaltung des von der Nichtigkeit nicht betroffenen Geschäfts feststellbar sein? Es klingt doch recht verschraubt, wenn man annehmen würde, die Parteien hätten das eine Geschäft nicht ohne das andere vorgenommen, bei Kenntnis der Nichtigkeit des einen jedoch das andere „zur Not“ auch alleine abgeschlossen. Gerade das will der BGH aber offenbar sagen, wenn er für die Frage der Einheitlichkeit auf den realen, für die Frage der Auffechterhaltung des Geschäftsrests hingegen auf den hypothetischen Partei willen abstellt.45 Es ist aber eine reine Fiktion, wenn der BGH zunächst den realen Parteiwillen darauf prüft, ob beide Geschäftsteile miteinander stehen oder fallen sollen, dann aber hypothetisch diesen realen Parteiwillen durch einen Auffechterhaltungswillen ersetzt. Mehr noch, der BGH widersetzt sich damit zugleich der ganz herrschenden Ansicht, wonach ein realer Parteiwille dem hypothetischen vorgehe.46 Letztlich läßt ein Blick auf die Prüfungsmaßstäbe des BGH die Hypothese legitim erscheinen, daß sich die Beurteilung der Einheitlichkeit mehrerer Rechtsgeschäfte tatsächlich in eben jener Weise vollzieht, wie sie auch bei der Ermittlung des (hypothetischen) Auffechterhaltungswillens vorzufinden ist. Abschließendes kann hierzu nicht vermerkt werden, weil der BGH die Prüfung des (hypothetischen) Parteiwillens als Tatsachenfrage behandelt und daher die „Feststellungen“ der Untergerichte nicht mehr überprüft.47 Jedoch bestätigt ein Blick in die einschlägige Rechtsliteratur, daß eine wirkliche Abgrenzung der Kriterien der Einheitlichkeit von jenen, die den (hypothetischen) Aufrechterhaltungswillen bestimmen, nicht gefunden wurde;48 die 43 Mayer-Maly in MüKo I § 139 BGB Rz. 19 unter Verweis auf Nassal BB 1988, 1264. 44 BGH 14.4.1986 NJW 1986, 2642; BGH 20.5.1966 LM § 139 BGB Nr. 34. 45 Ausdrücklich im Sinne dieser Unterscheidung BGH 20.5.1966 LM § 139 BGB Nr. 34. 46 Hierzu unten § 6 VI. 4.. 47 Siehe z.B. BGH 20.5.1966 LM § 139 BGB Nr. 34.

Bewertungselemente sind - jedenfalls solange man dem Richter nicht einen mehr oder weniger weiten Ermessensspielraum einräumen will — eben dieselben.

dd. Wechsel des Ausgangspunktes: Keine Vermutung der Gesamtnichtigkeit bei nur wirtschaftlicher Einheit Bei allem ist - wohl entscheidend - hervorzuheben, daß es Mayer-Maly bei seinem Hinweis auf die Unterschiedlichkeit der Tatbestandsmerkmale des § 139 BGB nicht zuletzt darum geht, die strengen Voraussetzungen für das Vorliegen eines zusammengesetzt einheitlichen Rechtsgeschäfts zu senken, also vom Erfordernis eines Einheitlichkeitswillens der Parteien im Sinne des „miteinander Stehens und Fallens" der Rechtsgeschäfte abzugehen. Er meint nämlich, man könne die Einheitlichkeit rascher (also wohl schon bei bloß äußerlicher Einheit, z.B. zeitlichem Gleichlauf des Abschlusses von Verträgen zwischen denselben Beteiligten48 49) bejahen, wenn man sich dessen bewußt bliebe, daß die Frage der Aufrechterhaltung des von der Nichtigkeit nicht betroffenen Teils zusätzlich nach dem hypothetischen Parteiwillen zu beurteilen sei.50 Tatsächlich spricht denn auch der BGH mancherorts nicht mehr von „miteinander stehen und fallen“, sondern schlicht von „Gesamtvereinbarung“.51 Entscheidend ist an dieser Ansicht von Mayer-Maly eine Konsequenz, welche dieser selbst nicht so deutlich zum Ausdruck bringt: Wird die „Einheitlichkeit“ mit dem „(hypothetischen) Parteiwillen im Sinne des gemeinsamen Stehens oder Fallens der Rechtsgeschäfte“ gleichgesetzt52, dann wird schon auf 48 So stellt etwa Larenz, 457f, für die Einheitlichkeit zunächst darauf ab, ob es sich um zwei Verträge handelt, von denen jeder für sich eine in sich geschlossene Regelung enthält, oder ob die Parteien beabsichtigten, das eine Geschäft solle mit dem anderen „stehen oder fallen“; fehlt es an einem realen Parteiwillen, so soll der Inhalt der getroffenen Vereinbarung entscheiden, z.B. die Frage, ob die getroffenen Regelungen so miteinander verbunden wurden, daß sie nur gemeinsam eine sinnvolle Regelung ergeben; kurzum: Larenz wendet all jene Kriterien an, die eben gerade auch für die Bestimmung des (hypothetischen) Auffechterhaltungswillens der Parteien relevant sind. Resümierend meint Larenz, 463, zur Frage der Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens, die Erwägungen, welche der Richter anzustellen habe, wären jenen der ergänzenden Vertragsauslegung und Anpassung an die geänderte Geschäftsgrundlage ähnlich. Ganz in diesem Sinne meint auch Flume, 571, Einheitlichkeit setze voraus, daß die Regelungen nur als Ganzes gewollt seien; dabei müsse sich für alle Beteiligten das Geschäft als einheitliches darstellen; Flume kann sohin den Unterschied zum (hypothetischen) Parteiwillen zur Aufrechterhaltung nur darin sehen, daß der Richter mangels ermittelbaren Willens eine Wertung vorzunehmen hat (578); jedoch macht Flume selbst deutlich, daß diese Wertung eben unter Zugrundelegung des Geschäftszwecks vorzunehmen ist, womit gerade wieder die Frage aufgeworfen wird, wo eigentlich der Unterschied zur Bestimmung der Einheitlichkeit zu suchen ist; wenn Flume im übrigen bei der Ermittlung des hypothetischen Auffechterhaltungswillens noch weiter geht insbesondere also über den Geschäftszweck und dgl. hinaus weitere, objektivierende Umstände einfließen läßt - dann ist ihm hierin ohnedies nicht zu folgen, weil es eine Fehlinterpretation des hypothetischen Parteiwillens darstellt (hierzu unten § 6 VI. 4.); vgl. auch die Bestimmung der Einheitlichkeit bei H. Roth in Staudinger I § 139 BGB Rz. 36ff (insbesondere 38 und 39). 49 Klar gegen eine rein äußerliche Enheitlichkeit Fischer in FS Wach I 186, der betont, daß die Zusammenfassung mehrerer selbständiger Rechtsgeschäfte in einer Urkunde nicht zur Anwendung des § 139 BGB führt, vielmehr obwalte eine Vermutung der Restgültigkeit. 50 Mayer-Maly in MüKo I § 139 BGB Rz. 19. 51 BGH 14.4.1986 NJW 1986, 2642 (2643); dagegen von Esch 34f m.w.N.. 52 Und genau das macht ja der BGH im Ergebnis - vgl. die oben angeführte Rechtsprechung.

Tatbestandsebene die Vermutung des § 139 BGB zugunsten des Fehlens eines Aufrechterhaltungswillens ausgehebelt. Dies hat zur einfachen Konsequenz, daß diese Vermutung erst gar nicht wirksam wird, zumal die Einheitlichkeit des Rechtsgeschäfts eine essentielle Anwendungsvoraussetzung des § 139 BGB bildet. Nur wenn die Einheitlichkeit nach einem Maßstab beurteilt wird, welcher im Sinne von Mayer-Maly unter dem des hypothetischen Auffechterhaltungswillens anzusiedeln ist, kann die gesetzliche Gesamtnichtigkeitsvermutung wirksam werden. Hingegen ist eines klarzustellen: Es kann bei der Diskussion nur um eben diese Vermutung gehen, nicht hingegen darum, dem hypothetischen Parteiwillen einen legitimen Anwendungsbereich zu belassen. Auch wenn nämlich die Einheitlichkeit der Rechtsgeschäfte nach dem Kriterium des hypothetischen Parteiwillens bemessen wird, verbleibt diesem volle Anwendung und volles Gewicht; nur eben auf einer anderen Ebene der Fallprüfung. Geht es aber letztlich nur um die Vermutung mangelnden Auffechterhaltungswillens, so fragt sich, ob es sinnvoll sein kann, durch ein Herabsetzen der Kriterien der Einheitlichkeit dieser Präsumption noch weiteren Anwendungsbereich zu verschaffen. Wird nämlich § 139 BGB sogar in seinem genuinen Anwendungsbereich der strikt einheitlichen Rechtsgeschäfte von MayerMaly als „sehr problematische weil sehr doktrinäre Wertentscheidung“ bezeichnet53, so besteht nicht nur kein Anlaß, seinen Anwendungsbereich auszuweiten, sondern aller Grund, ihn restriktiv zu interpretieren. Daher ist zu erwägen, auf zusammengesetzte und daher nur wirtschaftlich einheitliche Geschäfte § 139 BGB erst gar nicht anzuwenden und dessen Anwendungsbereich gerade auf strikt einheitliche Geschäfte zu beschränken.54 Das folgt nicht nur aus der restriktiven Interpretation infolge seiner als doktrinär empfundenen Grundwertung, sondern geht Hand in Hand mit der Tatsache, daß eine Vermutung mangelnden Aufrechterhaltungswillens letztlich - wenn überhaupt - nur im Bereich strikt einheitlicher Geschäfte zu halten ist: Bei strikt einheitlichen Verträgen stellt nämlich eine Aufrechterhaltung des Geschäfts stets einen Eingriff in die Wertentscheidung der Parteien - bei synallagmatischen Verträgen eine Beeinträchtigung der subjektiven Äquivalenz - dar.55 Auch wenn man einen Grundstückskaufvertrag aufrechterhalten kann, indem man die nicht beurkundete Nebenabrede einfach streicht, so darf nicht übersehen werden, daß der vereinbarte Preis auch für diese Nebenabrede das Entgelt darstellt. Hingegen wäre es realitätsfern, aus einem wenn auch nur losen - Zusammenhang selbständiger Verträge bzw. Rechtsgeschäfte, der ja nach Ansicht von Mayer-Maly jedenfalls unter den für den hypothetischen Parteiwillen maßgeblichen Kriterien anzusiedeln wäre, die Vermutung der Gesamtnichtigkeit ableiten zu wollen.56 Umgekehrt führt die Nichtanwendung des § 139 BGB keineswegs zu einer generellen Aufrechterhaltung des (form-)gültigen Geschäfts: Wie noch zu zeigen sein wird57, unterliegt dem 53 Mayer-Maly in MüKo I § 139 BGB Rz. 3. 54 A.A. freilich die h.L.: Statt vieler Hefermehl in Soergel I § 139 BGB Rz. 17. 55 Das entspricht ja auch dem Verständnis im englischen, insbesondere aber USamerikanischen Recht; hierzu oben § 6 IV. 4.. 56 Vgl. auch Fischer in FS Wach I 179 (186), der meint, die Zusammenfassung mehrerer selbständiger Geschäfte in einer Urkunde führe nicht zur Anwendung des § 139 BGB, vielmehr gelte eine Restgültigkeitsvermutung. 57 Siehe unten § 6 VI. 4..

Kriterium des hypothetischen Parteiwillens letztlich58 ein Geschäftsgrundlagenargument, das für sich auf (wenngleich nur lose) gekoppelte Geschäfte anwendbar ist. Fällt daher mit dem nichtigen Geschäft zugleich die Geschäftsgrundlage des für sich genommen gültigen Rechtsgeschäfts dahin, so ist die Nichtigkeitsfolge darauf zu erstrecken. Im Unterschied zu den strikt einheitlichen Rechtsgeschäften ist dies bei gekoppelten Geschäften hingegen nicht zu vermuten.59 60Daß die Rechtsprechung anhand ihres die Einheitlichkeit begründenden Kriteriums des „miteinander Stehens oder Fallens“ zum selben Ergebnis kommt, die Aufrechterhaltung nach hypothetischem Parteiwillen sohin nur noch die Wiederholung eines bereits durchgeführten Denkprozesses ist, bestärkt die hier vertretene Ansicht.

b. Die mangelnde eigenständige Bedeutung der „Einheitlichkeit des Rechtsgeschäfts“ im österreichischen, englischen und US-amerikanischen Recht

aa. Die mangelnde Bedeutung dieser Frage Angesichts der zu § 139 BGB getätigten Ausführungen ist es keine Überraschung, wenn für das österreichische, englische und US-amerikanische Vertragsrecht eine eigenständige Bedeutung der Frage der Einheitlichkeit des Rechtsgeschäfts bzw. der -geschäfte geleugnet wird. Wiewohl auch hier manchmal von der Einheitlichkeit oder von funktional Entsprechendem (z.B. ^entire contract^) gesprochen wird, ist dem nur für die Frage der Aufrechterhaltung (also für die Frage, ob die Teilnichtigkeit auf das Gesamtgeschäft erstreckt werden soll oder nicht) Bedeutung beizumessen. Hingegen stellt die Einheitlichkeit keine Voraussetzung für die Anwendung der Vermutung der Restgültigkeit dar. Geht nämlich das österreichische Recht selbst bei strikt einheitlichen Geschäften von einer (generellen) Vermutung der Restgültigkeit61 aus, so ist klar, daß diese Vermutung um so stärker wird, je weniger die zu betrachtenden Teile oder Geschäfte schon äußerlich miteinander zu tun haben.62 Und wenn der englischen Rechtsprechung jedenfalls keine Vermutung der Gesamtnichtigkeit (weder bei strikt einheitlichen noch bei gekoppelten Verträgen) entnommen werden kann, dann spielt der Begriff der Einheitlichkeit eben nur für die Nichtigkeitserstreckung eine Rolle. Ohne daß es einer besonderen Einheitlichkeit bedürfte, ist sohin die Beschränkung der Nichtigkeit auf den von der Nichtigkeitsnorm umfaßten Teil bzw. das von ihr 58 „Letztlich" deshalb, weil andere Kriterien, insbesondere ein tatsächlicher Parteiwille vorgehen. 59 So offenbar auch LG Düsseldorf 10.3.1989 WM 1989, 1126 (1127), das im Rahmen eines sale-and~lease-back-Vertrages § 139 BGB auf den strikt einheitlichen Leasingvertrag anwendet, dessen Nichtigkeit dann aber nach der Geschäftsgrundlagendoktrin auf den Kaufvertrag erstreckt. 60 Deutlich für die USA: § 147 par. 3 Restatement 2d, Contracts. 61 Für England kann freilich, das sei hier nochmals erwähnt, nicht von einer „Vermutung“ im technischen Sinne gesprochen werden, sondern von einer Tendenz der Rechtsprechung zur Aufrechterhaltung gültiger Geschäftsteile; hierzu oben § 6 IV. 62 Vgl. auch OGH 7.7.1983 SZ 56/119: „Damit hat, bei den hier nebeneinander geschlossenen Verträgen umso mehr wie bei einem einzigen Vertrag, grundsätzlich die Regel des § 878 Satz 2 ABGB zu gelten“ (also die Vermutung der Restgültigkeit; Hervorhebungen nicht im Original).

betroffene Geschäft stets nach dem Parteiwillen (notfalls eben in seiner hypothetischen Form) zu beurteilen. Die Frage strikter Einheitlichkeit oder bloßer Koppelung entfaltet hier freilich eine im einzelnen unterschiedliche Indizwirkung.

bb. Insbesondere: Die englische Rechtsprechung zu den sogenannten collateral contracts

All dies wird auch anhand der englischen Rechtsprechung zu zeigen sein, die bloße Nebenabreden gerne als selbständige Geschäfte (collateral agreements) konstruiert, um ihnen neben dem Hauptvertrag trotz mangelnder (eigener) Formalisierung Wirkung zu belassen und damit die Frage der Nichtigkeit des an sich formgültig geschlossenen Vertrages von vornherein zu umgehen. Während die Interpretation von Nebenabreden als Bestandteil des Vertrages zur Folge haben kann, daß diese Abreden ebenfalls formpflichtig sind und damit deren Formmangel die Frage der Restgültigkeit des förmlich geschlossenen Hauptvertrages aufwerfen würde63, entzieht man sich dieser Frage von vornherein, indem man die Geschäfte derart in selbständige Teile zerlegt, daß die Nebenabrede nicht mehr eigens formpflichtig erscheint. Der Hauptvertrag hingegen ist in solchen Fällen ohnehin formgemäß geschlossen.

cc. Insbesondere: § 147 par. 3 Restatement 2d, Contracts Besonders deutlich spiegelt sich all dies im US-amerikanischen Restatement 2d, Contracts wider. Dessen § 147 par. 3 sieht - in äußerlicher Ähnlichkeit zur Nichtigkeitsvermutung nach § 139 BGB - schlicht und einfach die Erstreckung der Formverfehlungsfolgen auf alle Versprechen eines Vertrages vor. Jedoch wird bei näherem Hinsehen wiederum unmittelbar klar, daß es sich dabei nicht um eine Rechtsregel, sondern um eine Auslegungsfrage handelt, bei der die „Einheitlichkeit“ nur insofern relevant ist, als sie eben zur Erstreckung der Sanktion auf den Gesamtvertrag fuhrt. Die Prüfung der Einheitlichkeit schließt auch hier bereits die Prüfung des Auffechterhaltungswillens der Parteien hinsichtlich des nicht der Formpflicht unterworfenen Teils ein. Im Comment wird ausgeführt, daß die Einheitlichkeit eben danach zu beurteilen ist, ob der Vertrag (insbesondere hinsichtlich der consideration) teilbar ist und dem Parteiwillen durch die Teilung nicht Gewalt angetan wird. All dies ist den Vertragsbestimmungen und deren Interrelationen zu entnehmen.64 Auch hier wird deutlich, daß Einheitlichkeit und hypothetischer Auffechterhaltungswille nicht gesondert zu prüfen sind. Es handelt sich um denselben gedanklichen Vorgang.

63 Was - wie dargelegt - wegen des englischen Formbegriffs zur Gesamtnichtigkeit fuhren müßte. 64 Comment c. zu § 147 par. 3 Restatement 2d, Contracts.

2. Die verfehlte Vermengung der Teilnichtigkeitsfrage mit jener der Reichweite des Formtatbestands a. Die Erstreckung des Formgebots mit Hilfe des § 139 BGB: Ein Trugschluß

aa. Der verfehlte Ansatz Weil sich Formgebote regelmäßig auf das gesamte Rechtsgeschäft erstrecken, dehnt die Rechtsprechung bei zusammengesetzten (und als einheitlich anzusehenden) Rechtsgeschäften die Formpflicht auch auf das - isoliert betrachtet - nicht dem Formzwang unterworfene Geschäft aus. Beispiele hierfür bieten etwa Grundstücksveräußerungsverträge, die „einheitlich“ mit Kaufverträgen über bewegliche Sachen abgeschlossen werden.65 Ferner ein Verkauf von Anteilen an einer GmbH&CoKG, der sowohl Kommanditgesellschaftsanteile als auch solche an der Komplementär-GmbH betrifft.66 In diesen Fällen betrifft das Formgebot und damit die Nichtigkeit unmittelbar auch das an sich nicht formpflichtige Rechtsgeschäft. Allerdings ist es methodisch verfehlt, wenn die bloße Einheitlichkeit zweier Rechtsgeschäfte automatisch zur Erstreckung des Formgebots und damit der Nichtigkeit nach § 125 BGB führen soll. Wenn Rechtsgeschäfte miteinander stehen und fallen sollen, eines somit nicht ohne das andere geschlossen wäre, heißt dies noch lange nicht, daß die Formvorschriften des einen Geschäfts auf das andere erstreckt werden müssen.67 Diese Frage ist vielmehr selbständig anhand des Formzwecks zu beurteilen.68 Hingegen bedeutet die Einheitlichkeit der Geschäfte

65 Siehe RG 7.12.1921 RGZ 103, 295. 66 BGH 14.4.1986 NJW 1986, 2642. 67 So aber - gerade unter Berufung auf die Rechtsprechung - Heinrichs in Palandt § 313 BGB Rz. 32ff; auch Hefermehl in Soergel I § 125 BGB Rz. 8 stellt auf das „miteinander Stehen und Fallen“ ab; ebenso unter Verweis auf die Kriterien des § 139 BGB Wölfin Soergel II § 313 BGB Rz. 67. 68 Dabei muß keineswegs folgen, daß die Einheitlichkeit im Sinne des miteinander Stehens und Fallens schon die Beurkundungspflicht auslöst. Vielmehr wäre gerade dann nach dem Formzweck zu prüfen, ob dieser eine Mitbeurkundung des „in Einheit“ geschlossenen anderen Geschäfts erfordert; das wird selbst bei Wufka in Staudinger II1 §313 BGB Rz. 159f nicht wirklich deutlich, wenngleich er - insofern wie hier - die Teilnichtigkeitsfrage des § 139 BGB im Ansatz strikt von der Formerstreckungsfrage trennt (Rz. 161). Auch bei ihm scheint indessen die Grundhaltung vorzuliegen, ein Verknüpfungswille der Parteien würde auch sofort zur Formgebotserstreckung fuhren. Auch die von ihm zahlreich angeführten Beispiele (Rz. 167f) wären vor dem Formzweck neuerlich zu überdenken (so etwa die generalisierende Sicht in Rz. 171: Formzwangerstreckung soll immer dann folgen, wenn sich beim sogenannten Bauherrenmodell das Vertragswerk als einheitliches Geschäft darstellt. Später abgeschlossene Verträge sollen dann aber nicht mehr beurkundungspflichtig sein [Rz. 172]). Es bleibt die Frage nach dem Warum der Formzwangerstreckung: Es wird nämlich nicht klar, daß die bloße Kombination der Geschäfte auch schon dazu fuhrt, daß der Übereilungsschutz nur durch Gesamtverbriefung erreicht werden kann. Richtig demgegenüber der Ansatz bei Heckschen 43ff, 89ff, 107ff, 127ff, 135f und 143f, der jeweils auf die Formzwecke abstellt; es überrascht nicht, daß auch er der generellen Beurkundungspflicht aller Verträge im Bauherrnmodell kritisch gegenübersteht (122); auf den Formzweck stellt der BGH im übrigen auch bei § 34 GWB a.F. ab. BGH 9.7.1985 LM § 34 GWB Nr. 24.

zunächst nur, daß das eine (zumindest) Geschäftsgrundlage für das andere Rechtsgeschäft wird.69

bb. Die Rechtsprechung im einzelnen (1) Rechtsprechungsbeispiele, in denen richtig differenziert wurde Die geschilderte Begründung ist in der Rechtsprechung nicht durchgängig vorzufinden. So hat der BGH die Vownnichtigkeit eines Grundstücksveräußerungsvertrages „im Zweifel“ auch auf die darin enthaltene Auflassungsvollmacht erstreckt und sich dabei ausdrücklich auf § 139 BGB gestützt, also nicht auf die Erstreckung des Formgebots selbst.70 Für einen Kaufvertrag betreffend GmbH-Geschäftsanteile, der mit einer Treuhanderklärung verbunden war, wurde die selbständige Formpflichtigkeit der Treuhanderklärung offen gelassen, die Erstreckung des Formgebots gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG nicht erwogen, weil die Treuhanderklärung nach Ansicht des Gerichts jedenfalls nach § 139 BGB nichtig war.71 Hier wird also zwischen Formgebots- und Formnichtigkeitserstreckung klar unterschieden. Die Frage war jedoch in den angeführten Fällen bei ergebnisorientierter Betrachtungsweise gar nicht entscheidungserheblich, weil auch bei anderem Lösungsweg das Ergebnis (nämlich: Gesamtnichtigkeit) dasselbe geblieben wäre.

(2) Fälle gleichzeitiger Erstreckung und Rücknahme des Formgebots

In anders gelagerten Fällen macht es aber einen Unterschied, ob das Formgebot das gesamte Geschäft betrifft oder ob sich nur die Rechtsfolge, nämlich die Formnichtigkeit nach § 125 BGB, wegen Teilnichtigkeit „im Zweifel“ auf den (für sich genommen) formgültigen Teil erstreckt. Ein die Problematik erhellendes Rechtsprechungsbeispiel bildet der Fall, in dem ein formpflichtiges aber formwidrig geschlossenes Geschäft mit einem formfreien Rechtsgeschäft eine Einheit bildet. Hier bewirkt die Erstreckung des Formgebots, wie sie die deutsche Rechtsprechung vorsieht, auch die Erstreckung der Nichtigkeit. Für eine unmittelbare Anwendung des § 139 BGB mangelt es, wie der BGH konsequent folgert, an der Teilnichtigkeit, weil der Gesamtvertrag formpflichtig, das Geschäft aber insgesamt formwidrig und damit auch zur Gänze formnichtig ist.72 Offensichtlich erkennend, daß dieses Ergebnis dem Sinn des § 139 BGB widerspricht, prüft der BGH dennoch die Teilbarkeit und den hypothetischen Auffechterhaltungswillen der Parteien unter Verweis auf den Rechtsgedanken des § 139 BGB, wonach „sich ein Nichtigkeitsgrund auf den abtrennbaren Teil einer Gesamtvereinbarung, für den er 69 Ausdrücklich a.A. BGH 23.2.1968 BGHZ 50, 8, wo für die Frage der Reichweite des § 181 BGB (Verbot von Insichgeschäften) ausdrücklich der Maßstab des § 139 BGB herangezogen wird. 70 BGH 17.3.1989 BB 1989, 1227; wenngleich der BGH im konkreten Fall die Auflassungsvollmacht für gültig ansah, weil sie gerade der Vollziehung und damit Heilung des Grundstücksgeschäfts dienen sollte; vgl. auch BGH 20.6.1980 NJW 1981, 222, wo § 139 BGB richtig als Grundlage zur Erstreckung der Nichtigkeit behandelt wird. 71 BGH 6.7.1961 BGHZ 35, 272; vgl. auch BGH 30.10.1970 NJW 1971, 93 (94). 72 BGH 14.4.1986 NJW 1986, 2642.

sich nur aus dessen Zusammenhang mit einem anderen Teil der Vereinbarung ergeben könnte, nicht erstreckt, wenn die abtrennbare Teilregelung auch ohne den anderen Teil der Vereinbarung getroffen und dann von vornherein von dem Nichtigkeitsgrund nicht berührt worden wäre.“73 Im konkreten Fall bleibt die Frage mangels hinreichender Sachverhaltsfeststellungen unentschieden. Indessen vermag schon die Argumentationsstruktur nicht zu überzeugen. Welcher Begriff der Einheitlichkeit unterliegt dieser Rechtsprechung eigentlich: Genügt zeitliche Einheit oder optische, d.h. eine solche, die sich etwa aus der „Verpackung“ mehrerer Geschäfte in einer rechtsgeschäftlichen Erklärung ergibt, oder überhaupt irgendein und jeglicher Zusammenhang mehrerer Rechtsgeschäfte? Wieso wird ein Formgebot auf einen (selbständigen!) „Teil“ einer Vereinbarung erstreckt, wenn die Parteien das Rechtsgeschäft auch getrennt vorgenommen hätten, und deshalb der betreffende Teil im Ergebnis doch (formfrei) auffechterhalten wird? Wenn der BGH § 139 BGB seinem „Rechtsgedanken“ nach heranzieht, um den für sich nicht formpflichtigen Teil zu retten, dann nimmt er jedenfalls im Ergebnis das Formgebot selbst wieder zurück.74 Dies obwohl die FormerStreckung doch auch zur Erstreckung des Übereilungsschutzes fuhrt: Genau dieser wird aber mit der Rücknahme des Formgebots wieder entzogen. Dieses Ergebnis läßt sich mit dem Rechtsgedanken des § 139 BGB schwerlich begründen. Fernerhin bleibt uneinsichtig, warum der BGH in der angeführten Entscheidung nicht von vornherein das Formgebot auf den von der Formvorschrift unmittelbar betroffenen Teil beschränkt und für den Geschäftsrest ganz einfach die Nichtigkeitsfrage nach Geschäftsgrundlagenerwägungen (also den Kriterien des § 139 BGB) gelöst hat. Die Frage der Nichtigkeitserstreckung löst sich dann von selbst: Wurde schon festgestellt, die Verträge wären auch unabhängig voneinander geschlossen worden, so ist der (hypothetische) Aufrechterhaltungswille ohnehin erwiesen.

(3) Die wirklich kritischen Fälle: Rückerstreckung der Nichtigkeit

Die Erstreckung des Formgebots und

Wirklich kritisch sind jene Fälle, in denen festgestellt wird, die Parteien hätten ein Rechtsgeschäft eben nicht ohne das andere abgeschlossen. Dann fuhrt nämlich eine Formgebotserstreckung zur Gesamtnichtigkeit, während man im Falle der (bloßen) Erstreckung der Nichtigkeit zu unterscheiden hat: Wird der originär formpflichtige Teil (also z.B. der Grundstückskauf nach §313 BGB) formwidrig geschlossen, dann erstreckt sich seine Nichtigkeit nach § 139 BGB auch auf den (für sich genommen) formgemäßen Teil. Die Situation entspricht hier im Ergebnis jener bei Formgebotserstreckung.75 Entscheidende Bedeutung kommt der Frage hingegen dann zu, wenn beide Rechtsgeschäfte für sich formgemäß geschlossen werden76, sie 73 BGH 14.4.1986 NJW 1986, 2642 (2643). 74 Das wird auch aus der Formulierung des BGH deutlich, spricht er doch von der Rücknahme des „Nichtigkeitsgrundes“. 75 Freilich erübrigt sich hier jedwede weitere Anwendung des „Rechtsgedankens des § 139 BGB“. 76 Oder aber das formpflichtige Geschäft geheilt wurde bzw. durch Konversion etc. aufrechtzuerhalten ist.

aber zueinander derart in Bezug stehen, daß sie miteinander stehen oder fallen sollen. Eine Erstreckung des Formgebots fuhrt nämlich auch hier unweigerlich zur Gesamtnichtigkeit; ein Ergebnis, das angesichts der - isoliert betrachtet gegebenen Formgerechtheit beider Rechtsgeschäfte vorderhand kaum einzuleuchten vermag. Demgegenüber fuhrt in diesen Fällen die Erstreckung (nur) der Formnichtigkeit zur Gesamtgültigkeit, weil beide Geschäftsteile formgültig sind, ein Fall der Teilnichtigkeit daher nicht vorliegt. Wiederum sind es Rechtsprechungsbeispiele, die sehr schön zeigen, daß man die Regelung des § 139 BGB nicht als Mittel zur Erweiterung des Formgebots benützen darf Die Ansicht der Rechtsprechung fuhrt nämlich zu so extremen Ergebnissen, wie sie etwa das Reichsgericht erzielt hat.77 Es hatte einen Fall zu entscheiden, in dem ein Grundstückskauf (für sich genommen) formgültig errichtet worden war. Zugleich war aber auch ein nicht notariell beurkundeter Kaufvertrag über zugehöriges Vieh geschlossen worden. Das Reichsgericht hat die Frage der Einheitlichkeit - gemessen an den Kriterien des § 139 BGB - letztlich offengelassen, jedoch für den Fall ihres Vorliegens unmißverständlich ausgesprochen, daß sich dann das Formgebot des Grundstückskaufs auf den Viehkauf erstreckt. Da dieser Viehkauf jedoch nicht in der für Grundstücksveräußerungsverträge notwendigen Form geschlossen worden sei, würde sich seine Formnichtigkeit wegen der Einheitlichkeit der beiden Rechtsgeschäfte auf den an sich formgültigen Grundstücksveräußerungsvertrag (sozusagen) „zurückerstrecken“.78 Ob all dies vom Formzweck getragen ist oder diesen womöglich sogar konterkariert, wird erst gar nicht überlegt. Die bloße Tatsache der Einheitlichkeit der Rechtsgeschäfte in beschriebenem Sinne soll das Formgebot erstrecken und begründet folglich die „Nichtigkeitsreflexwirkung“ wie dargelegt. Dabei fällt auf, daß das Reichsgericht die Frage der Teilnichtigkeit nach § 139 BGB gar nicht prüft, obwohl es sich bei dieser Fallkonstellation um Teilnichtigkeit handelt, weil ein Rechtsgeschäft dem Formgebot entspricht, das andere hingegen nicht. Ganz offensichtlich ist das einheitliche Rechtsgeschäft auch teilbar, dann müßte aber das Vorliegen eines hypothetischen Parteiwillens zumindest dahingehend geprüft werden, ob die Parteien den Grundstückskauf auch ohne den formungültigen Bestandteil des Viehkaufes geschlossen hätten.79 Im Falle der Bejahung dieser Frage bleibt wiederum uneinsichtig, warum denn der Viehkauf ungültig bleiben sollte. Auch diesbezüglich könnte ein hypothetischer Parteiwille in Richtung gesonderter Vornahme festgestellt werden, ja zumeist wird dies eben gerade dann vorliegen, wenn auch der Grundstückskauf gesondert vorgenommen wäre. Warum aber sollte dann nicht Gesamtgültigkeit eintreten? Indessen kann hier auf die weiter oben gemachten Ausführungen verwiesen werden, wonach ein solcher hypothetischer Parteiwille undenkbar ist, wenn schon im Zuge der Prüfung der Einheitlichkeit der Rechtsgeschäfte festgestellt wird, daß das eine nicht ohne das andere geschlossen wäre. Vielleicht ist gerade hierin der Grund zu finden, warum das Reichsgericht die Teilnichtigkeitsfrage erst gar nicht prüft; schließt es doch ohne weitere Ausführungen von der „Einheitlichkeit“ auf die derivative 77 RG 7.12.1921 RGZ 103, 295. 78 RG 7.12.1921 RGZ 103, 295 (298). 79 Diese Frage ist gemäß h.L. nach und gesondert von der Frage der Einheitlichkeit der Rechtsgeschäfte zu prüfen; vgl. Mayer-Maly in MüKo I § 139 Rz. 19.

Formbedürftigkeit des zweiten Rechtsgeschäfts und von dessen mangelnden Form gleichsam „automatisch“ wieder retour auf die Nichtigkeit des „an sich“ formgerechten ersten Vertrages. Ebenso deutlich tritt die Gesamtproblematik dann auch in einer Parallelentscheidung des BGH80 zutage, bei der wiederum die Art und Weise der Erstreckung des Formgebots selbst besonders stört. Nachdem der BGH unter Heranziehung der Formvorschrift des § 313 BGB die Beurkundungspflicht des verbundenen Geschäfts bereits verneint hat (!), fuhrt er wörtlich (!) aus: „Zu erörtern blieben vielmehr noch die Auswirkungen des § 139 BGB. Stehen nämlich zwei an sich selbständige Vereinbarungen in einem Verhältnis gegenseitiger Abhängigkeit dergestalt, daß keines von ihnen nach den Vorstellungen der Vertragsschließenden für sich allein gelten soll, sondern beide gemeinsam miteinander ’stehen und fallen', so bilden sie im Sinne von § 139 BGB Teile eines Gesamtgeschäfts, und das wiederum hat zur Folge, daß die etwaige ^Qxvabedürftigkeit des einen von ihnen auch das andere ergreift“.81 Und all dies wird gerade unter dem Aspekt geprüft, daß dann eben auch der an sich formgemäß geschlossene Grundstückskauf (wegen der bereits beschriebenen Nichtigkeitsreflexwirkung) nichtig wäre. Aus eben diesem Grund ist auch eine weitere Entscheidung82 besonders bedenklich: Ein Bauvertrag, der die Errichtung eines Hauses auf einem erst zu erwerbenden (!) Grundstück zum Inhalt hat, soll wegen §§313, 125 BGB nichtig sein. In konkretem Zusammenhang war nämlich der Grundstückskaufvertrag nicht zustande gekommen, der Bauvertrag selbst aber nicht notariell beurkundet worden. Man fragt sich wiederum, ob der BGH dasselbe Ergebnis auch bei (formgültigem) Zustandekommen des Grundstückskaufvertrages erreicht hätte: Dann würde es nämlich - erstens - (wegen der Formgebotserstreckung) zur Nichtigkeit des Bauvertrages, und folglich - zweitens - zur Nichtigkeit des Grundstückskaufes nach § 139 BGB und - drittens - wegen „Anwendung des Rechtsgedankens des § 139 BGB“ möglicherweise doch wieder zur Teilgültigkeit des Grundstückskaufvertrages kommen - eine wenig überzeugende Konstruktion.

80 BGH 31.5.1974 WM 1974, 720. 81 BGH 31.5.1974 WM 1974, 720 (722) (Hervorhebungen nicht im Original); kritisch aus anderen Gründen, zustimmend jedoch hinsichtlich der Begründung der Formgebotserstreckung aufgrund § 139 BGB Korte DNotZ 1984, 3 und 82 (8): „...dann lag zwischen beiden Teilen die von § 139 BGB verlangte Einheit vor mit der Folge, daß das einheitliche Geschäft insgesamt zu beurkunden gewesen wäre“; ähnlich wiederum BGH 14.7.1994 DNotZ 1995, 295 (297) = WM 1994, 1711 (1712) = DB 1994, 2335 (2335) = LM § 139 BGB Nr. 82; ferner BGH 10.12.1993 DNotZ 1994, 303 (304) = LM § 125 BGB Nr. 46 = NJW 1994, 720 (720); OLG Thüringen 24.5.1995 DNotI-Report 1/1996, 6; materiell dasselbe gilt für jene Entscheidungen, die zwar nicht ausdrücklich auf § 139 BGB rekurrieren, jedoch seine Kriterien („miteinander stehen oder fallen“) verwenden: OLG Düsseldorf 30.8.1994 DNotI-Report 22/1994, 7; BGH 11.5.1995 WM 1995, 1449 (1450); Thüringer OLG 24.5.1995 OLG-NL 1995, 231; Brandenburgisches OLG 5.12.1995 OLG-NL 1996, 169; demgegenüber liberaler wohl OLG Hamm 9.11.1995 DNotl 5/1996, 41; ferner aber BGH 12.7.1979 DNotZ 1980, 344 (Wolfsteiner)} BGH 16.9.1988 DNotZ 1989, 501, wo betont wird, daß die Vertragsparteien der gekoppelten Verträge nicht ident zu sein brauchen. 82 BGH 16.12.1993 NJW 1994, 721; wohl nicht minder bedenklich BGH 15.1.1962 NJW 1962, 586, wo die Ansicht vertreten wird, auch eine im Zusammenhang mit einem Grundstückskaufvertrag abgegebene Bürgschaftserklärung bedürfe der Form des § 313 BGB.

(4) Ergebnis: Keine Erstreckung des Formgebots nach § 139 BGB Mit § 139 BGB haben all diese Ergebnisse nichts gemein. Der Bestimmung geht es nicht um eine Erstreckung der Formbedürftigkeit, nach ihr sollen die Parteien lediglich nicht an einen (form-)gültigen Vertrag gebunden werden, den sie bei Kenntnis der Nichtigkeit des „in Einheit“ geschlossenen (nichtigen) Geschäftsteils nicht eingegangen wären. Die Formerstreckung ist hiervon zu trennen, § 139 BGB betrifft nur die Reichweite der Rechtsfolge, nicht hingegen die Reichweite des Formgebots selbst. Die Reichweite des Formgebots ist unabhängig anhand des Zwecks der Formvorschrift zu ermitteln, die Erstreckung der JEarwiichtigkeit auf für sich genommen formgültige Teile folgt demgegenüber den Kriterien des § 139 BGB. b. Kontrast: Die ergebnisorientierte englische Rechtsprechung

Wie gedanklich nahe sich die Reichweite des Formgebotes und jene der Nichtigkeit stehen, zeigt auch die englische Rechtsprechung. In jenen Fällen, in denen der genuin formpflichtige Teil formmangelhaft ist, wird die Sanktion auch auf abhängige Rechtsgeschäfte erstreckt. Dabei wird jedoch vorderhand nicht klar, ob dieses Ergebnis über eine Erstreckung des Formgebots oder aber nur der Formnichtigkeit erreicht wird. Für eine bloße Rechtsfolgenerstreckung sprechen wohl Formulierungen, die den gesamten Vertrag als nichtig bezeichnen, wenn nur ein Teil nichtig ist.83 Hingegen scheint das Formgebot gemeint zu sein, wenn es heißt, der Statute of Frauds sei auf den gesamten Vertrag anzuwenden, wenn ihm auch nur ein Teil unterliegt.84 Diese Fälle zeichnen sich jedoch gerade dadurch aus, daß ohnehin wegen einheitlicher consideration ein strikt einheitliches Geschäft vorliegt.85 86Aus ihnen läßt sich nur sehr bedingt eine Aussage für bloß zusammengesetzte Geschäfte ableiten. Hingegen spricht Lord Campbell, Ch.J., in Hodgson v. Johnson jedenfalls obiter aus, daß bei bloß zusammengesetzten Geschäften die heilende Wirkung einer part performance^ auch den anderen Geschäftsteil durchsetzbar macht.87 In diesem Sinne äußert sich auch das USamerikanische Restatement 2d, Contracts. In inhaltlicher Entsprechung sieht nämlich dessen § 147 par. 2 die Gültigkeit des Gesamtgeschäfts vor, wenn nur der formpflichtige Teil durchsetzbar bzw. erfüllt wird. Dies läßt sich wohl nur dadurch erklären, daß lediglich die Rechtsfolge auf das zusammenhängende Geschäft erstreckt wurde. Auch wird anhand „kritischer“ Fallgestaltungen besonders deutlich, daß es sich nur um eine Ausdehnung der Sanktion handeln kann: 83 Z.B. Thomas v Williams (1830) 34 RR 535; Cooke v Tombs (1794) 2 Anstr 420. 84 Z.B. Jervis, Ch.J., in Harman v Reeve (1856) 107 RR 418 (422), wobei hier ein Fall mangelnder Teilbarkeit vorlag; ähnlich Wilde, Ch.J., in Vaughan v Hancock (1846) 71 RR 483 (484); siehe auch Christopher Bentham v Philip D. Hardy (1843) 6 ILR 179; Ram Narayan s/o Shankar and another v Rishad Hussain Shah s/o Tasaduq Hussain Shah (1979) 1 WLR 1349. 85 Besonders deutlich wird z.B. in Ram Narayan s/o Shankar and another v Rishad Hussain Shah s/o Tasaduq Hussain Shah (1979) 1 WLR 1349 (1352) auf die Einheitlichkeit des Preises abgestellt. 86 Zu ihr unten § 12. 87 Lord Campbell, Ch.J- in Hodgson v Johnson (1858) 113 RR 830 ( 833).

Ansonsten wäre es nämlich nicht erklärbar, wieso ein (formloser!) Möbelkauf, der im Zusammenhang mit einem Grundstückskauf geschlossen wird, mit den Sanktionen eines Fommangels beladen sein soll, wenn der Grundstückskauf formfehlerhaf ist, nicht aber, wenn dieser formgerecht vorliegt.88 Diese unterschiedliche Behandlung läßt sich nur dann rechtfertigen, wenn man die Rechtsprechung im Sinne einer Sanktionserstreckung interpretiert. Während nämlich in den ersteren Fällen die Unwirksamkeit des formpflichtigen Vertrages auf den nicht formpflichtigen Teil übergreift, mangelt es bei Formgültigkeit des formpflichtigen Vertrages am Kriterium der Teilnichtigkeit. Nur so vermögen die Ergebnisse der „Möbelkauffalle“ einzuleuchten. Eine Erstreckung des Formgebots müßte hingegen in beiden Fällen zur Nichtigkeit (jedenfalls) des Möbelkaufs fuhren. Jedoch scheint dieses Ergebnis von den englischen Gerichten nicht so sehr bewußt abgeleitet, als vielmehr durch Gespür für sachgerechte Lösungen erfaßt worden zu sein. Unter der Geltung der neuen s. 2 Law of Property (Miscellaneous Provisions) Act 1989 gewinnt diese Frage verstärkt an Bedeutung, weil eine Formverfehlung nicht bloß zur gerichtlichen Undurchsetzbarkeit, sondern zur Nichtigkeit des Vertrages fuhrt. Für den neuen Rechtszustand aber hat die Rechtsprechung bereits klargelegt, daß sich das Formgebot, dem der eine Geschäftsteil, ein Grundstücksgeschäft, unterliegt, eben nicht auf den anderen Teil erstreckt.89 Wiederum wird deutlich, daß das verbundene Geschäft nur als Ergebnis einer Sanktionserstreckung nichtig sein kann. c. Die richtige Trennung der beiden Fragen durch den OGH

In dogmatisch einwandfreier Weise hat der OGH für das österreichische Recht die Fragen der Reichweite des Formgebots und jener der Formnichtigkeit klar abgegrenzt. Im Anlaßfall waren GmbH-Geschäftsanteile und Anteile an einer Kommanditgesellschaft zusammen verkauft worden.90 Nach Feststellung der Formfreiheit von Veräußerungsverträgen betreffend Geschäftsanteile an einer Kommanditgesellschaft prüft der OGH die Frage der Formerstreckung anhand des Formzwecks des § 76 GesmbHG.91 Auf dieser Grundlage vermag der OGH einen Fall der Teilnichtigkeit (Nichtigkeit eines Geschäftes im Rahmen eines zusammengesetzten Geschäfts) zu diagnostizieren, auf den er dann das entsprechende Instrumentarium anwendet: Vorrangig zählt der tatsächliche Parteiwille, gefolgt vom Geschäftszweck und - zuletzt - Erwägungen zur

88 Vgl z.B. die Sachverhalte in Vaughan v Hancock (1846) 71 RR 483 und in Record v Bell (1991) 1 WLR 853 (wobei letztere Entscheidung auch noch andere Nebenvereinbarungen betraf); vgl. auch Cooke v Tombs (1794) 2 Anstr 420, wo schon der formpflichtige Teil formungültig war und diese „Nichtigkeit“ dann erstreckt wurde. 89 Tootal Clothing Ltd v Guinea Properties Ltd. (1992) 64 P&CR 452 (CA) (456). 90 OGH 7.7.1983 SZ 56/119. 91 Nichts anderes kann gemeint sein, wenn der OGH unmittelbar im Anschluß an die Feststellung der grundsätzlichen Formfreiheit von KG-Geschäftsanteilveräußerungen davon spricht, auch der Formzweck des § 76 GesmbHG schließe die Gültigkeit des Geschäfts nicht aus; siehe OGH 7.7.1983 SZ 56/119 (523).

Geschäftsgrundlage.92 Ergebnis: Formvorschriften bestimmen selbst über ihre Reichweite, § 878 Satz 2 ABGB hingegen regelt die Reichweite der Nichtigkeit. 3. Die Teilbarkeit des (einheitlichen) Rechtsgeschäfts und die Teilnichtigkeit

a. Teilbarkeit

Unteilbare Rechtsgeschäfte trifft jedenfalls Gesamtnichtigkeit. Restgültigkeit kommt nur bei teilbaren Geschäften in Frage. Die Teilbarkeit hängt wiederum davon ab, ob das um den nichtigen Teil reduzierte Rechtsgeschäft noch als ein solches Bestand haben kann. Das wird nicht zuletzt auch anhand der englischen Rechtsprechung deutlich, wenn sie eine Ergänzung des formgerecht erfolgten, für sich aber nicht bestandsfähigen Teils durch nichtformalisierte Beweismittel nicht zuläßt.93 Die formalisierte Erklärung muß sohin ihrerseits alle Merkmale eines gültigen Rechtsgeschäfts aufweisen. Dies ist bei nicht strikt einheitlichen Rechtsgeschäften stets der Fall, weil bei wirtschaftlicher Einheitlichkeit mehrerer Rechtsgeschäfte das von der Nichtigkeitsnorm erfaßte Geschäft vom anderen leicht getrennt werden kann.94 Für strikt einheitliche Rechtsgeschäfte hingegen wurden in der deutschen Lehre95 drei Fallgruppen der Teilbarkeit entwickelt, die auch für Österreich und England Geltung beanspruchen können: objektive Teilbarkeit, wenn die Teilnichtigkeit nicht die wesentlichen Bestandteile (essentialia) eines Geschäfts erfaßt96; subjektive Teilbarkeit, wenn am Rechtsgeschäft auf einer Seite mehrere Personen beteiligt sind, sich die Nichtigkeitsnorm aber nur auf einen Teil dieser Personen bezieht;97 quantitative Teilbarkeit, wenn ein Übermaß (an zeitlicher Bindung, Entgelt98, etc.) auf ein zulässiges Ausmaß gesenkt werden kann.99 Für Fragen der Formnichtigkeit sind es freilich ganz vorrangig Fälle objektiver Teilbarkeit, die im Vordergrund stehen. Ihnen stehen Fälle einheitlich abgeschlossener (aber jeweils selbständig bestandsfähiger) Verträge gleich.

92 OGH 7.7.1983 SZ 56/119 (524). 93 Deutlich Holmes v Mitchell (1859) 121 RR 536. Freilich handelt es sich dabei stets um Fälle, in denen rectification nicht möglich war. 94 Im Sinne der sogleich für strikt einheitliche Rechtsgeschäfte getroffenen Unterscheidung handelt es sich um einen Fall objektiver Teilbarkeit; vgl. im übrigen für USA Comment c. zu § 147 par. 3 Restatement 2d, Contracts, wonach es insbesondere auf die Teilbarkeit der consideration und die Zuordenbarkeit der einzelnen Teile zu verschiedenen Gegenversprechen ankommt. 95 Siehe von Esch 53 ff; Damm in Alternativkommentar I § 125 BGB Rz. 13ff. 96 Hierbei handelt es sich um den „Standardfall"; vgl. Hefermehl in Soergel I § 139 BGB Rz. 26. 97 Hierzu Hefermehl in Soergel I § 139 BGB Rz. 27. 98 Str.; vgl. H. Roth in Staudinger I § 139 BGB Rz. 68ff; für Österreich: § 917a ABGB; für England: siehe die Rechtsprechungsentwicklung zu restraint-of-trade clauses bei Atiyah 340, wo von einer Reduktion der Klausel auf das zulässige Maß die Rede ist. 99 Im einzelnen Hefermehl in Soergel I § 139 BGB Rz. 29 mit Beispielen.

b. Teilnichtigkeit

Der Nichtigkeitsgrund darf nur einen Teil des Geschäfts erfassen. Diese Selbstverständlichkeit wird bei bestimmten Fallkonstellationen bisweilen übersehen. Hierbei handelt es sich um Fälle, in denen das Gesamtgeschäft formfrei geschlossen wird, obgleich es als Ganzes dem Formgebot untersteht, weil der genuin formpflichtige Teil die Formerstreckung auf den nur derivativ formpflichtigen Geschäftsteil bewirkt. So z.B. wenn die deutsche Rechtsprechung - freilich verfehltermaßen - aus der Einheitlichkeit von Verträgen die Erstreckung der Form ableitet100: Dann unterliegen alle Teile des als einheitlich gedachten Geschäfts der Formpflicht. Wird diese insgesamt nicht befolgt, dann liegt Gesamtnichtigkeit vor, § 139 BGB kann somit nicht zur Anwendung kommen.101 Dasselbe gilt, wenn ein strikt einheitliches Geschäft insgesamt formpflichtig ist, es aber vollständig formwidrig geschlossen wird.102 Hier kann mithilfe § 139 BGB nicht derjenige Teil, welcher die Formpflicht des Gesamtgeschäfts begründet, „abgeschnitten“ werden, weil die Bestimmung bei Gesamtnichtigkeit eben nicht gilt. Damit handelt es sich bei Fällen der Aufrechterhaltung von (insgesamt formpflichtigen und insgesamt formwidrig geschlossenen) Verträgen unter Wegstreichung jener Abrede, welche die Formpflicht des Gesamtvertrages begründet, in Wahrheit nicht um einen Anwendungsfall der Teilnichtigkeitsbestimmungen, sondern um eine Umdeutung.103 Das läßt sich anhand zweier deutscher Entscheidungen demonstrieren. Der BGH hatte einen Fall zu behandeln, in dem ein Grundstückskaufvertrag notariell beurkundet wurde (!), dieser aber entgegen der Parteienabsicht keine Sicherungsabrede enthielt.104 In Wirklichkeit aber sollte das Grundstück nur zur Sicherung einer Darlehensverbindlichkeit an den Darlehensgeber veräußert und nach Rückzahlung des Darlehens an den Schuldner rückübereignet werden. Die Sicherungsabrede wurde laut BGH stillschweigend vereinbart, wäre aber ihrerseits beurkundungspflichtig gewesen. Weil aber der Kaufvertrag ohne Sicherungsabrede nicht geschlossen worden wäre, ist gemäß § 139 BGB die Nichtigkeit der Sicherungsabrede auf den restlichen (für sich genommen formgültigen) Kaufvertrag zu erstrecken; es handelt sich um einen klaren Anwendungsfall des § 139 BGB. Ähnlich - und doch in der Frage der Teilnichtigkeit entscheidend anders - der Fall eines „sale-and-lease-back-Vertrages“. Ein formgültig geschlossener Kaufvertrag wurde in Einheit mit einem Leasingvertrag geschlossen. Im Ergebnis hat also der Veräußerer „sein“ Grundstück an den Leasinggeber veräußert und zugleich wieder geleast. Der Leasingvertrag enthielt ein Ankaufsrecht des Leasingnehmers, ohne welches der Leasingvertrag nicht geschlossen worden wäre. Bei der Konstruktion des „sale-and-lease-back" geht es - wirtschaftlich gesehen - nämlich um 100 Hierzu oben § 6 VI. 2.. 101 Insofern zunächst konsequent BGH 14.4.1986 NJW 1986, 2642 (2643), der dann aber § 139 BGB doch seinem Rechtsgedanken nach anwenden will. 102 Unrichtig daher eben dieses Beispiel bei Hefermehl in Soergel I § 139 BGB Rz. 4. 103 Zutreffend der BGH 5.2.1980 NJW 1980, 2517, der einen Automatenaufstellungsvertrag mit Ausschließlichkeitsbindung, welcher in seiner Gesamtheit formpflichtig ist, in einen ebensolchen Vertrag ohne Ausschließlichkeitsbindung umdeutet; hierzu im übrigen unten § 7 II. 1. b. und III. 2. c. cc.. 104 BGH 27.10.1982 WM 1982, 1362.

Kreditaufnahme. Nach Entrichtung der Leasingraten will somit der Leasingnehmer das Grundstück wieder zurückbekommen. Die im Leasingvertrag enthaltene Ankaufsrechtklausel fuhrt daher zur Gesamtformbedürftigkeit des (strikt einheitlichen) Leasingvertrages und damit zu dessen Gesamtnichtigkeit, womit es an der Teilnichtigkeit als Tatbestandsvoraussetzung für die Anwendung des § 139 BGB fehlt.105

4. Tatsächlicher und „hypothetischer“ Parteiwille

Aufrechterhaltung des Geschäftsrests kommt nur in Frage, wenn „anzunehmen ist“, daß er auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde. Es wird somit auf den tatsächlichen, notfalls den hypothetischen Parteiwillen106 abgestellt. Ermittelbarer tatsächlicher Parteiwille ist vorrangig zu respektieren.107 Ja, es wird für Deutschland gerade im Hinblick auf tatsächlichen, abweichenden Parteiwillen von der Dispositivität des § 139 BGB gesprochen.108 Als zentral ist hingegen die Abgrenzung und Einordnung des sogenannten „hypothetischen Parteiwillens“ anzusehen. Je nach Art und Weise der Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens kommt nämlich der Privatautonomie für die Lösung der Teilnichtigkeitsproblematik eine größere oder kleinere Bedeutung zu. Versteht man darunter eine im wesentlichen objektivierte, gesetzliche oder richterliche Ermessensentscheidung, so mißachtet eine etwaige Restgültigkeit die Privatautonomie nicht weniger als eine Gesamtnichtigkeit. Wird der hypothetische Parteiwille hingegen anhand der Vertragsregelung und der Interessenlage der Vertragspartner ermittelt, so erfährt das rechtsgeschäftliche Tätigwerden der Parteien größtmöglichen Respekt. Damit entscheidet die Frage, wie der Begriff des hypothetischen Parteiwillens zu verstehen ist, zugleich auch über den Stellenwert der Privatautonomie im gegebenen Sachzusammenhang.

105 Das übersieht das LG Düsseldorf 10.3.1989 WM 1989, 1126; die Frage der Aufrechterhaltung des Leasingvertrages ohne Ankaufsrechtklausel wäre sohin eine Frage der Umdeutung gewesen. 106 Die Respektierung des hypothetischen Parteiwillens ist vom historischen Gesetzgeberwillen intendiert, wenngleich die Gesetzwerdung des § 139 BGB auch andere Anhaltspunkte (insbesondere für eine objektivierende Sichtweise) liefert (ausführlich hierzu Mayer-Maly in GS Gschnitzer 265 [275ff]); dies entspricht nicht zuletzt dem Wortlaut des § 139 BGB (vgl. dessen konjunktivistische Fassung). 107 Vgl. nur für Deutschland: Medicus 193f; allgemein zum Vorrang tatsächlichen Parteiwillens vor dem hypothetischen: BGH 31.1.1995 NJW 1995, 1212; vgl. für die Wirkung einer salvatorischen Klausel jüngst wiederum BGH 30.1.1997 EWiR §766 BGB 1/97, 649 (Blaurock\y für Österreich: OGH 7.7.1983 SZ 56/119 (524: wo vorweg festgestellt wird, daß keine die Teilnichtigkeitsfrage regelnde Parteienabrede vorliegt); OGH 17.2.1966 EvBl 1966/255, wo schon der tatsächliche Parteiwille keine Teilauffechterhaltung zuließ; ähnlich OGH 27.10.1994 NZ 1996, 336; siehe ferner OGH 20.4.1995 WB1 1996, 378. 108 Mayer-Maly in FS Flume 621 (623), der dort zugleich die Grenzen aufzeigt, die der Privatautonomie auch in diesem Bereich gesetzt sind.

a. Die Diskussion in Deutschland: objektivierte richterliche Wertung?

Ergänzende

Vertragsauslegung

oder

Der hypothetische Parteiwille wird heute nicht mehr in ausschließlich psychologischem Sinne verstanden109, sondern ähnlich einer „Durchschnittsbetrachtung“ danach bemessen, was vernünftige Parteien in einer derartigen Situation nach Treu und Glauben vereinbart hätten.110 Im wesentlichen soll dies auf eine Interessenabwägung durch den Richter hinauslaufen.111 Allerdings darf er diese nicht nach freiem Ermessen vornehmen, sondern hat sich auf die konkret gegebenen Umstände und insbesondere auf die von den Parteien ins Auge gefaßte Zielsetzung zu stützen.112 Dabei wird allerdings nicht jede Parteienabsicht berücksichtigt, vielmehr ist von vernünftigen und redlichen, den Geboten von Treu und Glauben folgenden Parteien auszugehen.113 Darin liegt, der ergänzenden Vertragsauslegung insofern entsprechend, ein objektivierendes Element. Gelegentlich meint der BGH gar, die Frage der Gesamtnichtigkeit sei „losgelöst von den Vorstellungen der Beteiligten“, sohin allein aufgrund einer objektiven Interessenabwägung zu beurteilen.114 Eine rein objektive Betrachtung ist indessen abzulehnen.115 Sie löst sich völlig vom Parteiwillen, wie er im Rechtsgeschäft zum Ausdruck kommt, und wird damit vom Wortlaut und von der Intention des § 139 BGB116 nicht mehr getragen. Richtig ist hingegen, daß nicht nur auf den unmittelbaren Vertragsinhalt abzustellen ist, sondern auf die vollständige „Verständigung“ der Parteien, welche für den Abschluß des Rechtsgeschäfts erheblich war. Darin liegt ein über die eigentliche Vertragsauslegung hinausgehendes Element, ähnelt dieser aber zugleich, weil eben der ergänzenden Vertragsauslegung bekannte, objektivierende Beurteilungskriterien eingreifen: Unter Zugrundelegung der Verständigung der Parteien soll - ganz nach den Maßstäben der ergänzenden Vertragsauslegung - bestimmt werden, ob redliche, nach Treu und Glauben handelnde Parteien unter den von ihnen vorgefundenen Umständen und nach den von ihnen im Vertrag zum Ausdruck kommenden Zweckvorstellungen das Rechtsgeschäft auch nur hinsichtlich des formgültigen Teils vorgenommen hätten. So betrachtet überrascht es nicht, wenn Larenz meint, es sei ein der ergänzenden Vertragsauslegung und der Lehre von der Geschäftsgrundlage „ähnliches“ Vorgehen der Rechtsprechung erforderlich.117 Das Argument der 109 Vgl. Hefermehl in Soergel I § 139 BGB Rz. 34. 110 So Hefermehl in Soergel I § 139 BGB Rz. 34; vgl. auch H. Roth in Staudinger I § 139 BGB Rz. 75 unter Verweis auf die Rechtsprechung. 111 So Larenz 462f m.w.N. in FN 28. 112 Sehr ähnlich Hefermehl in Soergel I § 139 BGB Rz. 34 und Rz. 38 (Begrenzung des hypothetischen Parteiwillens durch den tatsächlichen). 113 Zu den relevanten Kriterien siehe Hefermehl in Soergel I § 139 BGB Rz. 36ff. 114 BGH 30.10.1970 NJW 1971, 93f (94); ganz gegenteilig aber in jüngerer Zeit für den Fall der Konversion (wo es ja ebenfalls auf den hypothetischen Parteiwillen ankommt) BGH 30.3.1994 LM § 140 BGB Nr. 22 = NJW 1994, 1785. 115 Siehe hierzu von Esch 76; Hefermehl in Soergel I § 139 BGB Rz. 34; H Roth in Staudinger I § 139 BGB Rz. 75. 116 Arg.: „...vorgenommen sein würde...“; damit wird offensichtlich auf das Parteiverhalten Kenntnis der (Teil-) Nichtigkeit unterstellt - abgestellt. 117 Larenz 463.

Geschäftsgrundlage könnte dann tatsächlich auch den Streit schlichten, ob § 139 BGB nur ein Fall ergänzender Vertragsauslegung oder doch ein „Mehr“ ist. Zum einen erlaubt die Lehre von der Geschäftsgundlage schon wegen ihrer nur subsidiären Anwendung die vorrangige Entscheidung der Teilnichtigkeitsfrage nach Maßstäben der Vertragsauslegung; sie steht also, auch wenn man sie selbst nicht in den Bereich der Vertragsauslegung einordnen will, nicht mit dieser in Widerspruch. Zum anderen entfernt sie sich nicht völlig vom Parteiwillen und den durch ihn gesetzten, subjektiven Wertmaßstab und fuhrt auch nicht zu reinen Spekulationen und Mutmaßungen des Richters. Nach der bildhaften und treffenden Beschreibung durch Fikentscher gehe es nämlich darum, die gesetzestypische, verkehrstypische und einzelvertragliche Zuordnung des Vertragsrisikos auf die Motive der Parteien, welche die Geschäftsgrundlage bilden, zu verlängern.118 Gerade unter Berufung auf ihn hat Medicus die Lehre von der Geschäftsgrundlage selbst der ergänzenden Vertragsauslegung zugeordnet.119 Wenngleich diese Frage hier nicht abschließend geklärt zu werden braucht, fällt auf, daß sich in der Argumentation von Medicus der Kreis wiederum schließt: Wird hier nämlich § 139 BGB als eine gesetzliche Ausprägung der Lehre von der Geschäftsgrundlage verstanden, die subsidiär zur Vertragsauslegung zur Anwendung gelangt, so zeigt Medicus seinerseits anhand von § 139 BGB, daß das im Rahmen der clausula rebus sic stantibus verwendete Kriterium des hypothetischen Parteiwillens dem BGB selbst zu eigen ist.120 Es liegt daher nur nahe, die Regelung des § 139 BGB als Ausdruck der Geschäftsgrundlagenlehre zu verstehen, und zwar als einen Fall des Fehlens der Geschäftsgrundlage.121 Zugleich ist damit klargestellt, daß der Richter bei der Anwendung der Teilnichtigkeitsregel nicht irgendwelche Absichten und Ziele ermitteln soll, welche die Parteien jeweils für sich mit dem Vertragsschluß verfolgt haben, ohne sie zur Geschäftsgrundlage zu machen.122 Dies würde das Vertragsrisiko, um das es bei § 139 BGB stets geht, einseitig verteilen, weil nicht beachtlichen inneren Vorgängen (geheimen Vorbehalten; Motivirrtümern) plötzlich zu Lasten der anderen Partei Erheblichkeit zukäme.123 Letztere Gefahr besteht, wenn die deutsche Rechtsprechung es ausschließlich der Beweiswürdigung des Tatsachenrichters überläßt, einen entsprechenden (hypothetischen) Parteiwillen zu

118 Fikentscher, Geschäftsgrundlage, 44; ähnlich für die ergänzende Vertragsauslegung Ehricke RabelsZ 60 (1996) 661 (686), der meint, „wichtigster Anknüpfungspunkt" sei der „erkennbare Vertragsplan der Parteien“. 119 Medicus in FS Flume 629 (644).; dagegen - jedenfalls für das österreichische Recht - jüngst Bydlinski ÖBA 1996, 499. 120 Medicus in FS Flume 629 (647). 121 In diesem Sinne für die Konstruktion des sale-and-lease-back-NQT\i2Lg&s LG Düsseldorf 10.3.1989 WM 1989, 1126 (1127). 122 Offenbar a.A. Medicus 194, der auch bloß innere Vorgänge (insbesondere nicht geäußerte, wirtschaftlich unsinnige Motive) für Gesamtvernichtung ausreichen lassen will; insofern offen Mayer-Maly in MüKo I § 139 BGB Rz. 26; auch Hefermehl in Soergel I § 139 BGB Rz. 34; im hier vertretenen Sinne aber müssen jene Lehrmeinungen verstanden werden, die § 139 BGB als einen Fall der ergänzenden Vertragsauslegung ansehen oder doch das Merkmal des hypothetischen Parteiwillens gedanklich der Methode ergänzender Vertragsauslegung gleichsetzen - vgl. nur Dilcher in Staudinger12 I § 139 BGB Rz. 24f. 123 Vgl. insbesondere die Folgen einer wörtlichen Anwendung der Ansicht von Medicus 194.

ermitteln.124 Hier wird der Eindruck erweckt, es seien eben sämtliche Parteiabsichten zu ermitteln, auch wenn sie nicht zur Geschäftsgrundlage (oder gar zum Vertragsinhalt) erhoben wurden. Freilich sind für die Beurteilung nach hypothetischem Parteiwillen entsprechende Sachverhaltsfeststellungen erforderlich; die rechtliche Beurteilung, wie sie sich stufenweise nach tatsächlichem Parteiwillen, ergänzender Vertragsauslegung und zuletzt nach der Lehre von der Geschäftsgrundlage vollzieht, darf aber nicht pauschal einer Tatsachenfeststellung gleichgestellt werden. Abschließend gilt es noch auf einen systematischen Vorteil der hier vertretenen Ansicht hinzuweisen: Wird § 139 BGB als Vertragsauslegungssowie Geschäftsgrundlagenregel angesehen, so gelten für strikt einheitliche Geschäfte dieselben Beurteilungsmaßstäbe wie bei getrennten (wenngleich gekoppelt geschlossenen) Verträgen. Bei diesen kommt ja nach der hier vertretenen Auffassung die Vermutung der Gesamtnichtigkeit nach § 139 BGB nicht zur Anwendung; dennoch ist freilich auch bei zusammengesetzten Geschäften im Wege der Vertragsauslegung und nach Geschäftsgrundlagenerwägungen zu entscheiden, ob der formgültige Vertrag ohne den formnichtigen vorgenommen sein würde. Lediglich die Vermutung des § 139 BGB findet also bei gekoppelten Verträgen keine Anwendung.125 Die entscheidungsrelevanten Kriterien für eine Aufrechterhaltung von Geschäftsresten aber sind jeweils dieselben. Und damit steht § 139 BGB systematisch mit den Grundsätzen der Rechtsgeschäftslehre sowie des allgemeinen Vertragsrechts126 im Einklang. b. Das Bewußtsein der Parteien hinsichtlich der Nichtigkeit: Kein (unwiderlegbarer) Standardfall des Aufrechterhaltungswillens Eine eigene Lösung hat die deutsche Rechtsprechung für jene Fälle entwickelt, in denen sich die Parteien bei Vertragsschluß der Teilnichtigkeit bewußt waren. Das Bewußtsein der Nichtigkeit bedeute mangelnden Rechtsfolgewillen, sodaß ein Rechtsgeschäft im Rechtssinne von vornherein nur hinsichtlich des von der Nichtigkeit nicht erfaßten Teils vorliege.127 Dennoch enthebt nach Ansicht des BGH auch diese Konstruktion nicht der Anwendung zumindest des Rechtsgedankens des §139 BGB: Es ist nämlich auch dann zu klären, ob die Parteien das (restliche) Rechtsgeschäft als selbständig abschließen wollten.128 Gerade hierüber soll jedoch die Feststellung des mangelnden Rechtsfolgewillens noch nichts aussagen. Diese 124 Vgl. z.B. BGH 20.5.1966 LM § 139 BGB Nr. 34; deutlich die Kritik von Mayer Maly in FS Flume 621 (628); auch Larenz 462, meint, es gehe eben nicht um die „Feststellung einer psychischen Tatsache“; vgl. auch Ulmer in FS Steindorff, 799 (806), wonach es nicht um die Feststellung der tatsächlichen Vorstellungen der Parteien bei Vertragsschluß gehe; insofern erscheint es allerdings nicht konsequent, wenn später (807) ganz pauschal auf die mögliche Bedeutung eines feststellbaren abweichenden Willens einer Partei abgestellt wird. 125 Zur mangelnden Geltung der Gesamtnichtigkeitsvermutung bei gekoppelten Verträgen oben § 6 VI. a. dd.. 126 Insbesondere also mit den Prinzipien der Vertragsauslegung und jenen der Geschäftsgrundlage. 127 Siehe BGH 29.6.1966 BGHZ 45, 376; RG 19.10.1928 RGZ 122, 138; RG 27.4.1912 RGZ 79, 303; zur Unanwendbarkeit dieser Rechtsprechung in speziellen Situationen BGH 31.11.1998 NJW 1999, 351. 128 So BGH 29.6.1966 BGHZ 45, 376.

Ansicht - so pauschal formuliert - muß verwundern: Wie können Parteien, die sich der Nichtigkeit, sohin der Nichterzwingbarkeit eines Versprechens bewußt sind, behaupten, sie hätten den für sich gültigen Teil nicht ohne den nichtigen geschlossen? Die Erklärung wird in jener Erwartungshaltung zu suchen sein, auf deren Grundlage (trotz Kenntnis von der Nichtigkeit) auch eine condictio causa data causa non secuta gewährt wird. Wer in Erwartung einer Gegenleistung selbst eine Leistung erbringt, dann aber enttäuscht wird, der soll - entgegen der allgemeinen Regel des § 817 BGB - seine Leistung zurückfordern können, auch wenn er wußte, daß der Leistungsempfänger zu nichts verpflichtet war.129 Wenngleich der Parteiwille hier nicht auf die Kreation (gerichtlich) durchsetzbarer Versprechen gerichtet ist, soll die tatsächliche Erfüllung des (nichtigen) Versprechens dennoch Geschäftsgrundlage sein. Im übrigen muß die Kenntnis der Nichtigkeit nicht notwendig (völlig) mangelnden Rechtsfolgewillen bedeuten. Dies belegt schon die Tatsache, daß auch nichtige Rechtsgeschäfte durchaus rechtsgeschäftliche (Teil-) Wirkungen entfalten können.130 Bei heilbaren Rechtsgeschäften etwa mag es durchaus sein, daß die Parteien den rechtlich erheblichen Willen hatten, die Rechtsgrundabrede für die Heilung zu schaffen. Dies beweist etwa der Fall einer formnichtigen Grundstücksveräußerung, mit der zugleich an einen Dritten eine Vollmacht zur Auflassung des Grundstücks erteilt wurde. Weil die nach Ansicht des BGH formgültige Auflassungsvollmacht gerade dazu dienen sollte, die Heilung des nichtigen Vertrags sicherzustellen, wurde die Nichtigkeit nicht auf die Vollmachtserklärung erstreckt.131 Hier hatte der Veräußerer gerade den Rechtsfolgewillen, eine Basis für die Heilung herzustellen. Trotz Kenntnis der Parteien von der Nichtigkeit kann daher ein Fehlen des Rechtsfolgewillens nicht generell angenommen werden. Indessen stellt eben diese Kenntnis, in der prima facie eine bewußte Übernahme des Risikos der Nichtdurchsetzbarkeit des nichtigen Teils des Rechtsgeschäfts liegt, ein starkes Indiz für einen (hypothetischen) Parteiwillen zur Aufrechterhaltung des Geschäftsrests dar. c. Der Auslegungs- und Geschäftsgrundlagenansatz in § 878 Satz 2 ABGB

Die für Deutschland dargelegte Diskussion vollzieht sich in Österreich in sehr ähnlicher Weise. Freilich läßt § 878 Satz 2 ABGB schon seinem Wortlaut nach eine rein objektive Wertung des Richters nicht zu und wird eine solche auch nirgends behauptet.132 Dem Gesetz soll daher nichts anderes unterliegen als ein Auftrag zur Vertragsauslegung, die nach den Maßstäben des § 914 ABGB zu erfolgen hat.133 Bleiben Zweifel, dann folgt Restgültigkeit. Im einzelnen bedient man sich hier 129 Ebenso meint Flume, 576, die Erfüllung der nichtigen Vereinbarung könne Bedingung des anderen Vertrages sein. 130 Vgl. hierzu Pawlowski 37f und passim. 131 BGH 17.3.1989 BB 1989, 1227; ausführlich zum Problem der Erstreckung der Formbedürftigkeit des Hauptgeschäftes auf Bevollmächtigung und Vertretergeschäft Müller­ Freienfels 264ff; speziell für die Auflassungsvollmacht 274ff. 132 § 878 Satz 2 ABGB: „...wenn anders aus dem Vertrag nicht hervorgeht...“ (Hervorhebung nicht im Original). 133 Deutlich Koziol! Welser I 141.

allerdings einer nicht ganz deutlichen Terminologie. So meint etwa Gschnitzer zunächst, die Frage der Teilnichtigkeit sei eine solche der Auslegung, und fahrt dann fort, der Wille einer Partei, welcher der anderen erkennbar war, reiche für Gesamtnichtigkeit aus.134 Das entspricht aber in dieser Form eben nicht den Regeln der Auslegung. Der Wille einer Partei kann nur dann entscheidend sein, wenn er zum Vertragsinhalt oder doch zur Geschäftsgrundlage erhoben wurde. Ansonsten ergäbe sich wiederum die generelle Beachtlichkeit von (wenngleich erkennbaren) Motivirrtümern und damit eine einseitige Verteilung des Vertragsrisikos. Ebenso ist es mißverständlich, wenn Gschnitzer meint, mangels feststellbaren Parteiwillens müsse der Richter Mutmaßungen anstellen, was sogar dem Regelfall entsprechen soll, weil die Parteien eben regelmäßig nicht an den Fall einer Teilnichtigkeit denken würden.135 Gschnitzer selbst schränkt dies auch sogleich wieder ein, indem er betont, Natur und Zweck des Vertrages würden die Frage entscheiden.136 Nichts anderes ist zu sagen, wenn Rummel den Willen auch nur einer Partei bereits dann gelten lassen will, wenn dieser nur nachweisbar ist.137 Indessen zeigt auch bei Rummel der Zusammenhang, in dem diese Aussagen getroffen werden, daß es um Vertragsauslegung und - im Rahmen der Berücksichtigung hypothetischen Parteiwillens - eine Abwägung geht, die jener bei ergänzender Auslegung, Konversion, Anpassung wegen unerheblichen Irrtums oder Wegfall der Geschäftsgrundlage „ganz gleicht“138. Damit aber können Parteiabsichten und -motive nur dann von Relevanz sein, wenn sie entweder Vertragsinhalt oder doch Geschäftsgrundlage geworden sind. Wiederum fließen dabei objektivierende Elemente - ganz wie bei der ergänzenden Vertragsauslegung - in die Wertung ein, indem der Vertrag als eine „Ordnung mit eigener, objektivierbarer Sinnhaftigkeit" angesehen wird, und die „Typizität der Ziele der im Vertrag verbundenen Berechtigungen und Verpflichtungen“ den Maßstab für den hypothetischen Parteiwillen bilden sollen.139 Diese Aussage Mayer-Malys erinnert in besonderem Maße an Fikentschers Bild von der Verlängerung der gesetzestypischen, verkehrstypischen und einzelvertraglichen Zuordnung des Vertragsrisikos.140 Besonders deutlich bringt all dies Welser zum Ausdruck, der bei (äußerlicher!) Einheitlichkeit des Geschäfts § 878 Satz 2 ABGB per analogiam, bei getrennten Geschäften hingegen die Lehre von der Geschäftsgrundlage anwenden will und dann fortfährt: „Der Sache nach besteht kein Unterschied: Es ist entweder in analoger Anwendung des § 878 ABGB oder aus Erwägungen der Geschäftsgrundlage zu fragen, ob die Parteien der gesellschaftsrechtlichen Vereinbarung diese geschlossen hätten, wenn sie vor der Wahl gestanden wären, entweder gar nichts oder nur den gesellschaftsrechtlichen Teil vereinbaren zu 134 Gschnitzer in Klang IV/1 167. 135 Gschnitzer in Klang IV/1 167. 136 Gschnitzer in Klang IV/1 168. 137 Rummel in Rummel I § 878 ABGB Rz. 4. 138 So fast wörtlich Rummel in Rummel I § 878 ABGB Rz. 4; vgl. auch - für die ergänzende Vertragsauslegung ganz allgemein - OGH 19.3.1974 JB1 1975, 161 (165) = ZAS 1976, 216 (Rummel). 139 Mayer-Maly in GS Gschnitzer 265 (274); vgl. auch denselben in FS Flume 621 über die Bedeutung des tatsächlichen Parteiwillens für den hypothetischen. 140 Hierzu oben § 6 VI. 4. a..

können.“141 Was aber bedeutet dies anderes, als daß § 878 Satz 2 ABGB ein Auftrag zur Vertragsauslegung und in letzter Konsequenz ein Geschäftsgrundlagenargument unterliegt? Mit aller Deutlichkeit und dogmatischer Schärfe widmet sich auch der OGH der Frage der Teilnichtigkeit: Er prüft zunächst, ob die Nichtigkeitsnorm selbst gemäß ihrer Zweckrichtung eine bestimmende Anordnung hinsichtlich der Frage der Teilnichtigkeit enthält.142 Danach überläßt er es - gemäß § 878 Satz 2 ABGB - dem Vertragsinhalt, eine solche Regelung vorzusehen und stellt in letzter Konsequenz auf Geschäftsgrundlagenerwägungen ab.143 Damit hat sich der Wille der Parteien zur Gesamtvernichtung des Geschäfts aus Vertragsauslegung, ergänzender Vertragsauslegung oder - letztlich - wegen Fehlens der Geschäftsgrundlage zu ergeben. Dabei kann auch an dieser Stelle offen bleiben, ob das Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage seinerseits nur ergänzende Auslegung oder doch mehr ist.144 d. Die Bedeutung des Parteiwillens in der englischen Rechtsprechung

aa. Der Grundsatz: Die am Parteiwillen orientierte englische Rechtsprechung Auch die englische Rechtsprechung stellt bei der Entscheidung über teilweise oder vollständige Unwirksamkeit145 von Verträgen grundsätzlich auf den Parteiwillen ab.146 Das zeigt die Rechtsprechung zu gekoppelten Verträgen besonders deutlich. Manchmal wird die Frage der Einheitlichkeit und damit Gesamtnichtigkeit von Verträgen freilich ohne weitere Begründung einfach bejaht oder verneint.147 Besonders wenig zur Klärung der Frage vermögen ferner Formulierungen englischer Richter beizutragen, nach denen es darauf ankommen soll, ob der aufrecht zu erhaltende Vertrag „wirklich ein unabhängiger Vertrag“ ist oder beide zusammen „wirklich eins und untrennbar“ sind.148 Jedoch nähern sich jene Fälle einer Vertragsauslegung, in denen auf eine eigene consideration für den aufrecht zu erhaltenden Geschäftsteil abgestellt wird.149 Gewiß, das Erfordernis einer 141 Welser GesRZ 1976, 34 (38). 142 OGH 7.7.1983 SZ 56/119 (523). 143 OGH 7.7.1983 SZ 56/119 (523f), wenngleich er im konkreten Fall die Frage letztlich mangels Erheblichkeit offen läßt (525). 144 Hierzu jüngst Bydlinski ÖBA 1996, 499. 145 Der Ausdruck „Unwirksamkeit“ soll hier unabhängig davon verwendet werden, ob im Einzelfall bloß das Klagerecht versagt wird oder gar Nichtigkeit vorliegt; zur Pluralität der Formverfehlungsfolgen im englischen Recht oben § 1II.. 146 So auch die Beurteilung der Rechtsprechung in Halsbury’s , Volume 9, 94; ferner - für guarantees - Andrews/Millett 39f (arg.: „...as a matter of construction..Ii[^Q]')\ in diesem Sinne auch Whittaker in Chitty I 287 (arg.: ^...the court feit ab le to construe the oral agreement as to the new term as an independent collateral contract...^), wobei sich die Ausführungen auf Record v Bell (1991) 1 WLR 853 beziehen. 147 So etwa der Rückschluß der Richter auf Einheitlichkeit der Verträge in Mechelen v Eliza Wallace (1837) 45 RR 669 (676); ferner Morris, J., in Savage v Canning (1867) 16 WR 133 (135); vgl. auch Chater v Beckett (1797) KB 418, wo einvernehmlich die Einheitlichkeit des Vertrages festgestellt wird, ohne dies näher zu begründen; ähnlich Bigg v Whisking (1853) 14 CB 195. 148 So aber Hawke, J., in Hawkesworth and another v Turner (1930) TLR 389 (390). 149 So z.B. Lord Tenterden, Ch.J., in Thomas v Williams (1830) 34 RR 535 (539) wenngleich dann später (540) wiederum schlicht auf die Einheitlichkeit der Verträge abgestellt wird; vgl. auch

eigenständigen consideration ist schon eine Voraussetzung der Teilbarkeit der Verträge überhaupt; ansonsten kann nämlich der von der Formsanktion nicht betroffene Teil für sich kein gültiges Geschäft darstellen. Jedoch liegt in der Trennung der consideration durch die Parteien bereits ein erstes Indiz für deren Aufrechterhaltungswillen im Falle der Teilnichtigkeit. Tatsächlich führt genau diese Argumentation dann in Wood v Benson trotz Vorliegens nur einer consideration zur Aufrechterhaltung des für sich besehen gültigen Vertragsteils.150 Der Grund für dieses Ergebnis ist in der Ansicht der Richter zu finden, die verbriefte consideration (Lieferung von Gas) beziehe sich zur Gänze auf ein in die Zukunft gerichtetes Versprechen (Zahlung des Kaufpreises des zu liefernden Gases), nicht hingegen auf das in derselben Urkunde verkörperte zweite Versprechen der Begleichung von Schulden für ehedem geliefertes Gas. Solcher Interpretation zufolge konnten die Richter das vollständig verkörperte Versprechen als gültigen Teil des Gesamtvertrages aufrecht erhalten und nur den nicht vollständig verbrieften Teil für unwirksam erklären.151 Verstärkt tritt die Auslegungsmethode zutage, wenn auf den Hauptgegenstand des Vertrages abgestellt wird. Erscheint ein von der Formverfehlung nicht erfaßter Teil bloß als abhängig, wurde er also nur „in Hinblick auf den Hauptgegenstand“ (der vom formverfehlten Geschäftsteil umfaßt wird) geschlossen, so besteht an der Durchführung des Geschäftsrests kein Parteieninteresse.152 Derselbe Gedanke unterliegt schließlich auch jenen Entscheidungen, die eine Vertragsabrede als bloßes Zugehör zum (formwidrigen Haupt-) Vertrag bezeichnen.153

bb. Die Konstruktion von unselbständigen Nebenabreden als collateral contracts: Ein Auslegungstrick zur Aufrechterhaltung des Gesamtgeschäfts durch Umgehung der Teilnichtigkeitsproblematik (1) Die Bestätigung des Auslegungsansatzes durch die collateral-contractsRechtsprechung

Die englische Rechtsprechung verfolgt auslegungsorientierte Ansätze auch zur Aufrechterhaltung des Gesamtvertrages in Fällen strikt einheitlicher Geschäfte. Damit wird die Teilnichtigkeitsfrage im Auslegungswege einfach umgangen. Diese Fälle zeichnen sich dadurch aus, daß der Hauptvertrag formgerecht geschlossen wird, eine nicht beurkundete Nebenklausel aber den Bestand des Hauptvertrages Harman v Reeve (1856) 107 RR 418 (insbesondere Jervis, Ch.J., 422; und Williams, J., 423) für den Fall eines nicht teilbaren Preises; Wilde, Ch.J., in Vaughan v Hancock (1846) 71 RR 483 (484); Lord Lyndhurst, C.B., in Earl of Falmouth v Thomas (1832) 38 RR 584 (585); Hodgson v Johnson (1858) 113 RR 830 (Lord Campbell, Ch.J., 833; und Crompton, J., 833), wenngleich dort angedeutet wird, daß auch mehrere Verträge in einem Vertrag enthalten seine können (Erle, J., 833); Mayfield v Wadsley (1824) 3 B&C 357 wo deutlich auf die getrennte Preisvereinbarung abgestellt wird. 150 Wood v Benson (1831) 37 RR 635. 151 Siehe insbesondere die Ausführungen von Lord Lyndhurst, C.B., in Wood v Benson (1831) 37 RR 635 (639). 152 Deutlich Wilde, Ch.J., in Vaughan v Hancock (1846) 71 RR 483 (484); ähnlich Jervis, Ch.J., in Harman v Reeve (1856) 107 RR 418 (422). 153 So Pollock, C.B., in Foquet v Moor (1852) 86 RR 866 (870).

gefährdet. Zumal englische Gerichte in den Nebenvereinbarungen gerne einen eigenständigen Vertrag sehen, der gar nicht mitzubeurkunden ist, werden sowohl der Hauptvertrag als auch die Nebenvereinbarung insgesamt aufrechterhalten.154 Diese Methode fuhrt letztlich dazu, daß ein Fall der Teilnichtigkeit gar nicht vorliegt und daher die Problematik durch vordergründige Auslegungsmethoden umgangen wird.155 Die - gerade auch der jüngeren Vergangenheit entstammenden Fälle liegen häufig so, daß zwei Parteien kurz vor der (formalisierten) Perfektion eines Vertrages stehen. Jedoch weigert sich ein Vertragsteil, den Vertrag zu zeichnen, weil ihm eine für seinen Vertragsschluß willen erhebliche Vorbedingung nicht erfüllt scheint.156 Zwar lehnt es der andere Teil ab, diese Bedingung zum Inhalt des Vertragsdokuments zu machen, doch verspricht er, die Bedingung zu erfüllen, wenn nur der andere Partner den Vertrag wie vorliegend fertigt. So wird dann auch einvernehmlich verfahren. Nach der englischen Rechtsprechung soll die Nebenvereinbarung ein mündlicher collateral contract sein, dessen eigenständige consideration im Unterzeichnen des eigentlichen Vertrages liegen soll.157 158 Die Unterfertigung des Vertrages stelle eine eigenständige consideration dar, weil die zuvor getroffene mündliche Abrede den daraus berechtigten Teil nicht verpflichtet, den formalisierten Vertrag zu schließen. Vielmehr werde mit Hilfe eines unilateral contract der Vertragsschluß zur Bedingung der mündlichen Nebenabrede erhoben. Kurzum: Der andere Vertragsteil bleibt frei, den eigentlichen Vertrag zu schließen oder eben nicht. Schließt er ihn, so gibt er zugleich die consideration für den vorangegangenen mündlichen unilateral contract.^ In einzelnen Fällen wird die consideration allerdings auch in anderen Umständen gefunden, wichtig ist nur, daß eine solche auffindbar ist.159 Immer wieder wird dabei betont, daß die Inhalte des collateral agreement dem Vertragsinhalt nicht widersprechen.160 Vereinzelt wird 154 Vgl. auch Guest in Chitty 1604f. 155 Siehe Morgan v Griffith (1871) LR 6 Ex 70; Erskine v Adeane (1873) LR 8 Ch 756; Angell v Duke (1875) LR 10 QB 174; Archer v Hall (1859) WR 222 (Ch); Jameson v Kinmell Bay Land Comp., Ltd., (1931) TLR 593; Pitt v PHH Assett Management Ltd. (1993) 4 AUER 961 (CA); Record v Bell (1991) 1 WLR 853; vgl. auch Walford and others v Miles and another (1992) 1 AUER 453 (HL); Tootal Clothing v Guinea Properties Ltd (1992) 64 P&CR 452; zur diesbezüglichen Rechtsprechung auch Wedderburn Cambridge LJ 1959, 58 (71f). 156 Allgemein zum Konzept und zur Bedeutung der collateral contracts Wedderburn Cambridge LJ 1959, 58. 157 Siehe nur Morgan v Griffith (1871) LR 6 Ex 70; Jameson v Kinmell Bay Land Comp., Ltd., (1931) TLR 593; De Lasalle v Guildford (1901) 2 KB 215; zur „Konstruktion“ von collateral contracts allgemein auch Wells (Merstham), Ltd. v Buckland Sand and Silica Co., Ltd. (1964) 1 AUER 41. 158 Deutlich z.B. Angell v Duke (1875) LR 10 QB 174 (Lush, J., 178; ferner Archibald, J., 179); unter Berufung hierauf auch Collins, M.R., in Boston v Boston (1904) 1 KB 124 (127); Sir Mellish, L.J., in Erskine v Adeane (1873) LR 8 Ch 756 (766); Lord Hansworth, M.R., in Jameson v Kinmell Bay Land Comp., Ltd., (1931) TLR 593 (594); Baker, Q.C., in Record v Bell (1991) 1 WLR 853 (862). 159 So etwa ergeben sich keine consideration-Piü^mQ bei einer Aufrechnungsvereinbarung, hierzu Archer v Hall (1859) WR 222 (Ch); siehe ferner die Ausführungen von Gibson, L.J., in Pitt v PHH Assett Management Ltd. (1993) 4 AlIER 961 (CA) (965f), wo auf Verhandlungen mit anderen Interessenten verzichtet wird, wenn binnen zweier Wochen der Vertrag gefertigt werde; gegenteilig mangels einer gesetzten Frist für ein solches lockout agreement Walford and others v Miles and another (1992) 1 AUER 453 (HL).

schließlich deutlich, daß es für all diese Beurteilungen auf den Parteiwillen ankommt. Nichts anderes kann nämlich gemeint sein, wenn auf den „wirklichen Ablauf der Verhandlungen bis zum Vertragsschluß“ abgestellt wird.160 161 In Pitt v. PHH Assett Management Ltd wird dann ausdrücklich auf die Parteienvereinbarung Bezug genommen.162 In diesen Fällen wird ein sogenannter (nicht formpflichtiger) collateral contract häufig geradezu konstruiert, und man mag zu Recht fragen, ob die englische Rechtsprechung in diesen Fällen nicht weit über die Vertragsauslegung hinausgeht, diese also letztlich nur zur formalen Rechtfertigung vorschiebt.163 (2) Die wahre Rechtfertigung der collateral-contracts-Rechtsprechung

Allerdings werden gelegentlich auch objektivierende Elemente angesprochen, welche die Frage nach der eigentlichen Rechtfertigung der collateral-contractsRechtsprechung aufwerfen. Einerseits wird auf die Üblichkeit und Legitimität eines collateral contract abgestellt.164 Das läßt sich freilich noch mit Auslegungsgrundsätzen in Einklang bringen. Andererseits tritt aber der Ruf nach Gerechtigkeit zutage; darin dürfte sich äußern, daß die englische Rechtsprechung mit der Aufrechterhaltung von formlosen Nebenabreden sehr weit gegangen ist und sich ein Teil dieser Rechtsprechung eher mit estoppel-Instituten als mit Auslegungsgrundsätzen rechtfertigen ließe. So etwa schon, wenn in Erskine v. Adeane dem Kläger ein Anspruch zugesprochen wird, weil dies angesichts seiner Vertrauensinvestition (Vertragsschluß im Vertrauen auf die Einhaltung der mündlichen Zusage) aus Gründen materieller Gerechtigkeit geboten scheint.165 In City and Westminster Properties (1934) Ltd. v. Mudd schließlich wird das estoppelProblem direkt angesprochen.166 Auch mittels estoppel kann sohin ein teilnichtiges Geschäft vollwirksam werden. Tatsächlich vermag das Institut des estoppel einen Teil jener Fälle der collateral contracts, in denen die consideration des „unabhängigen Vertrages“ gerade im Abschluß des eigentlichen Vertrages gesehen wird, überzeugend zu begründen: Wer seinen Vertragspartner zur Zeichnung des Vertrages durch formlose Zusatzversprechen bewogen hat, soll sich hinterher nicht auf die Formwidrigkeit infolge Nichtaufnahme eben dieser weiteren Abreden berufen können. Dies allein dürfte aber nicht der Grund für die Herausbildung dieser collateral-contracts-Rechtsprechung gewesen sein. Vielmehr unterliegt der Judikatur ein klares Erheblichkeitsargument: Der Gesamtvertrag soll wegen der nur 160 Pigott, B., in Morgan v Griffith (1871) LR 6 Ex 70 (73); Sir Mellish, L.J., in Erskine v Adeane (1873) LR 8 Ch 756 (766). 161 Cockburn, C.J., in Angell v Duke (1875) LR 10 QB 174 (177). 162 Gibson, L.J., in Pitt v PHH Assett Management Ltd. (1993) 4 AUER 961 (CA) (965): „One has to look at yvhat was agreed..." 163 Zur aufrechterhaltungsfreundlichen Haltung englischer Gerichte auch .Atiyah 191. 164 Kindersley, V.C., in Archer v Hall (1859) WR 222 (Ch) (222). 165 Sir Meilis, L.J., in Erskine v Adeane (1873) LR 8 Ch 756 (766f); Baker, Q.C., in Record v Bell (1991) 1 WLR 853 (862). 166 Harmann, J., in City and Westminster Properties (1934) Ltd. v Mudd (1959) 1 Ch 129 (145ff); angesprochen aber letztlich nicht entscheidungserheblich auch bei Baker, Q.C., in Record v Bell (1991) 1 WLR 853 (862).

geringfügigen Formverfehlung nicht vernichtet werden.167 Die Widersprüchlichkeit des Verhaltens einer Partei (Veranlassung des Formfehlers und spätere Berufung auf den Formmangel) und/oder die Unerheblichkeit der Formverfehlung fuhren zur Aufrechterhaltung des Gesamtvertrages. Damit erweist sich, daß das englische Recht zwar vordergründig auf Auslegungsgrundsätze rekurriert, im einzelnen aber darüber hinaus geht, um die Aufrechterhaltung teilweise formwidriger Verträge zu erreichen. Vertrauensschutz und Unerheblichkeit des Formmangels sind dabei die entscheidenden Kriterien. cc. Rectification

Ein eigenes Rechtsinstitut zur interessengerechten Lösung von Fällen der Fehlbeurkundung hat die equity-Rechtsprechung entwickelt. Formfehler, die nur auf einen Irrtum zurückzufuhren sind, können korrigiert werden168, und zwar gerade auch dann, wenn der Urkunde infolge gesetzlichen Formzwangs konstitutive Bedeutung zukommt.169 Als Voraussetzung müssen beide Parteien von einem anderen Vertragsinhalt ausgehen als er dann (also nachdem man sich über den Inhalt bereits verständigt hat) in der Urkunde tatsächlich verkörpert wird. Dabei mag es sich ebenso gut um Schreibfehler handeln wie um Auslassungen oder Mitbeurkundungen von gar nicht vereinbarten Abreden.170 Dem beiderseitigen Irrtum wird ein nur einseitiger dann gleichgestellt, wenn die andere Partei von diesem wußte171, unter Umständen auch, wenn sie diesen veranlaßt hat172, womit auch im Bereich von rectification estoppel-Erw^^an^n Einzug halten173. Das Begehren nach rectification muß binnen angemessener Frist gerichtlich geltend gemacht werden.174 Es kann indessen mit einem Interpretationsstreit verbunden werden, der im Ergebnis dazu fuhrt, daß eine Klausel im Sinne der tatsächlichen Parteienverständigung zu verstehen ist und nicht im Sinne der schriftlichen 167 Siehe die deutliche Äußerung von Baker, Q.C., in Record v Bell (1991) 1 WLR 853 (862 letzter Absatz). 168 Treitel 136; Beale in Chitty I 320; Furmston 244. 169 S. 2 par. 4 Law of Property (Miscellaneous Provisions) Act 1989 nimmt ausdrücklich auf rectification Bezug; vgl. auch - ausdrücklich - Wright v Robert Leonard (Developments) Ltd. (1994) EGCS 69. 170 Treitel 136; Beale in Chitty I 320; grundlegend Josceleyne v Nissen (1970) 2 QB 86; für s. 2 Law of Property (Miscellaneous Provisions) Act 1989 auch Commission for New Towns v Cooper (Great Britain) Ltd. (1995) 2 WLR 677 (691); auch Wright v Robert Leonard (Developments) Ltd. (1994) EGCS 69. 171 Beale in Chitty I 323f; May 289f; rectification verläßt den engeren Bereich der Fälle von sharp practice, hierzu B. Lorenz 173f; eingehend die Diskussion in Commission for New Towns v Cooper (Great Britain) Ltd. (1995) 2 WLR 677 (69 If); deutlich etwa das Abgehen von sharp practice in Thomas Bates and Son Ltd. v Wyndham's (Lingerie) Ltd. (1981) 1 WLR 505. 172 Die überwiegende Anzahl der Fälle geht freilich von Kenntnis aus: A.Roberts & Co. v Leicestershire County Council (1961) Ch 555; Thomas Bates and Son Ltd. v Wyndham's (Lingerie) Ltd. (1981) 1 WLR 505; Riverlate Properties Ltd. v Paul (1975) Ch 133; zu alledem Commission for New Towns v Cooper (Great Britain) Ltd. (1995) 2 WLR 677 (693f), wo jedenfalls eine Vermutung einer Seite, die andere Partei könnte sich in Irrtum befinden, ausreichen soll. Vgl. auch Agip S.p.A. v Navigazione Alta Italia S.p.A. (1984) 1 Lloyd's Rep 353. 173 Vgl. Beale in Chitty I 324. 174 Treitel 138.

Formulierung.175 Hier finden rectification und die im deutschen und österreichischen Recht bekannte falsa-demonstratio^Q^X ihren Berührungspunkt.176 Diese Orientierung am Parteiwillen macht rectification — in Erweiterung seiner ursprünglichen Ausrichtung zu einem Auslegungsinstrument.177 Dabei ist rectification weder zum Zwecke der Lösung von Teilnichtigkeitsfällen geschaffen worden, noch beschränkt sich sein Anwendungsbereich hierauf. Es wird aber deutlich, daß es tatsächlich einen sehr gängigen Fall der Teilnichtigkeit löst: Den (beidseitigen oder zurechenbar einseitigen) Irrtum über die Vollständigkeit der Beurkundung. Im Verhältnis zur parol evidenc rule kommt rectification dabei eine Vorrangstellung zu.178

dd. Die Komplementärwirkung der parol evidene rule bei strikt einheitlichen Verträgen Insgesamt hat die Rechtsprechungsentwicklung bisher gezeigt: Teilnichtigkeitsfragen werden letztlich durch Erforschung des Parteiwillens entschieden. Dabei steht die Judikatur dem hypothetischen Parteiwillen im Sinne der österreichischen und deutschen Lehre und Rechtsprechung179 nicht so fern, stellt sie doch auch auf den Parteiwillen und den Zweck des Vertrages ab.180 Indessen bezieht sich die Judikatur - jedenfalls in ihrer formellen Argumentation - stets nur auf collateral agreements, nicht hingegen auf nicht formalisierte Nebenabreden bzw. sonstige nicht selbständige Vertragsbestandteile. Der Grund hierfür ist - neben der erweiterten Anwendung der collateral-contracts-Rechtsprechung und der Bedeutung von recitification - wohl in Fallgestaltungen zu finden, wie sie beispielsweise in Erskine v. Adeane^1 auftauchen: Mündliche Absprachen fallen unter die parol evidence rule, wenn der Vertrag schriftlich geschlossen wird.182 Ihr zufolge dürfen solche Nebenabreden vor Gericht nicht bewiesen werden, womit die Frage der Teilnichtigkeit erst gar nicht aufkommt. Im Ergebnis bedeutet dies jedenfalls prima facie eine völlig mechanische Lösung der Teilnichtigkeitsproblematik durch Abschneiden mündlicher Nebenabreden und unbedingtes Festhalten am formgemäßen Vertragsrest. Der Parteiwille scheint hier vollständig verdrängt. Jedoch sind ebenso Ausnahmen und Eingrenzungen dieses Grundsatzes vorzufinden, wie auch der Parteiwille bei genauerem Hinsehen nicht außer Betracht bleibt. Zu den Ausnahmen und Eingrenzungen zählen eben die dargestellten collateral agreements, mit deren Hilfe auch Nebenabreden als selbständige Verträge aufrechterhalten werden; daneben, ja sogar vorrangig, steht das Institut der rectification zur Verfügung. Insoweit es bei der Anwendung der 175 Treitel 138. 176 Zu Parallelitäten schon oben § 4 II. 3. b. dd.. 177 Deutlich B. Lorenz 171ff. 178 Beale in Chitty I 320f; zurparol evidence rule sogleich unten § 6 VI. 4. d. dd.. 179 Siehe oben § 6 VI. 4. a. und c.. 180 Hierzu oben § 6 VI. 4. d. aa.. 181 Erskine v Adeane (1873) LR 8 Ch 756. 182 Was eben voraussetzt, daß die englische Rechtsprechung sie nicht zu selbständigen collateral contracts uminterpretiert (vgl. oben § 6 VI. 4. d. bb.) oder rectification anwendbar ist (vgl. oben § 6 VI. 4. d. cc.).

parol evidence rule bleibt, kommt auch hier dem (hypothetischen) Parteiwillen entscheidende Bedeutung zu. Die Regel kommt nämlich nur dann zur Anwendung, wenn die Parteien beabsichtigen, den formalisiert geschlossenen Vertrag als abschließende Regelung gelten zu lassen. Genau besehen soll nämlich die parol evidence rule keine Regel objektiven Rechts, sondern vielmehr das Ergebnis der Vertragsinterpretation sein.183 Stets soll es daher möglich sein, die mangelnde diesbezügliche Absicht der Parteien darzutun und folglich auch nicht formalisiert vereinbarte Vertragsinhalte zu beweisen. Für formgebundene Rechtsgeschäfte bedeutet dies, daß der Nachweis formwidrig geschlossener Abreden im Falle der Nichtanwendbarkeit der parol evidence rule zum Eintritt der Formsanktionen fuhrt. Hinweise in der Rechtsprechung scheinen dagegen zu sprechen; sie betont bisweilen, das Formgebot würde alle außerhalb der formalisierten Erklärungen liegenden Beweismittel ausschließen.184 Indessen weist eine subtile Analyse der Law Commission1^5 richtig darauf hin, daß es hier um wertpapierrechtliche Fälle ging. Die Umlauffähigkeit des Papiers kann aber nur gesichert sein, wenn außerhalb der Urkunde liegende Umstände nicht beachtet werden; und zwar ohne daß die Nichtigkeit dieser Abreden die Gültigkeit der verbrieften Erklärung beeinflußt. Hingegen läßt sich daraus ein allgemeiner Grundsatz für alle formpflichtigen Geschäfte nicht ableiten.186 Ein solch allgemeiner Grundsatz würde auch jenen Entscheidungen widersprechen, die jedenfalls den Nachweis unvollständiger Beurkundung und damit des Formmangels erlauben.187 Im übrigen zeigt gerade Beckett v. Nurse^, daß die parol evidence rule im Bereich der formgebundenen Rechtsgeschäfte nicht anders wirkt als sonst. Zunächst wird nämlich von den Richtern geprüft, ob die vorgelegte Urkunde die abschließende vertragliche Regelung repräsentieren sollte, und hierfür wird auf den Parteiwillen abgestellt. Infolge Verneinung dieser Frage werden dann Beweise über formlos geschlossene aber formbedürftige Abreden zugelassen. Whittaker^9 will diese Vorgangsweise auch auf Verträge angewendet wissen, die nunmehr gemäß s. 2 Law of Property (Miscellaneous Provisions) Act 1989 (vollständig) schriftlich geschlossen werden müssen. Zwar spricht er nur von außerhalb der Vertragsurkunde liegenden schriftlichen Abreden, doch zeigt Record v. Bell190, daß auch mündliche Nebenabreden den Vertrag invalidieren können, die parol evidence rule sohin nicht rein mechanisch wirkt. Freilich wurde der Fall „gerettet“, indem die nicht formalisierte Klausel in einen collateral contract umkonstruiert wurde. Jedoch war 183 Hierzu Law Commission, Working Paper No. 154. 184 Siehe z.B. Mailland v Page (1870) LR 5 Ex 312; Young v Austen (1869) LR 4 CP 553; New London Credit Syndicate, Ltd. v Neale (1898) 2 QB 487; Kitchings and Coulthurst Company v Northern Leather Company of America and Doushkess (1914) 3 KB 907. 185 Law Commission, Working Paper No. 154, 24. 186 Die Law Commission, Working Paper No. 154, 24, verweist auch für solche Verträge, die schriftlich geschlossen werden müssen, auf die allgemein zur parol evidence rule konstatierte Ansicht, es handle sich dabei um ein Resultat der Vertragsauslegung (siehe den Verweis in Punkt 2.40 auf Punkt 2.7). 187 Siehe Beckett v Nurse (1948) 1 KB 535 zu s. 40 Law of Property Act 1925; vgl. ferner Whittaker in Chitty I 604 und FN 1 auf Seite 604. 188 (1948) 1 KB 535. 189 In Chitty I 604. 190 Record v Bell (1991) 1 WLR 853.

dieses Ergebnis nicht von vornherein klar, die Parteien(vertreter) mußten genauso gut mit einer gegenteiligen Entscheidung rechnen. Und zumal s. 2 Law of Property (Miscellaneous Provisions) Act 1989 Gesamtverbriefung vorschreibt, hätte die Teilnichtigkeitsfrage in diesem Fall relevant werden können. Tatsächlich berief sich der Beklagte(nvertreter) in Record v. Bell auch auf Gesamtnichtigkeit, weil er gestützt auf den behaupteten Formmangel - die Bezahlung des gekauften Hauses ebenso verweigerte wie die Leistung des Kaufpreises für Möbel.191 Die Ausführungen von Judge Baker, Q-C., lassen zu allererst keinen Zweifel aufkommen, daß gleichzeitig mit dem Hauskauf geschlossene weitere Kaufverträge betreffend Möbel nicht formpflichtig sind, sohin keine Teilnichtigkeitsfrage ergeben.192 Jedoch war der Hauskauf selbst nur unter der Bedingung der Garantie des Eigentums durch den Veräußerer geschlossen und diese Abrede eben nicht in die Vertragsurkunden aufgenommen worden. Und gerade die Aussage von Baker, wonach es sich um eine alltägliche Art der Transaktion handle und es höchst bedauerlich wäre, wenn diese Vorgangsweise zur Ungültigkeit des Vertrages führen würde193, macht deutlich, daß ein derartiger Formfehler bei Nichtanwendbarkeit der parol evidence rule grundsätzlich zur Gesamtvernichtung führen würde. ee. Der Restbereich „zwingender Gesamtnichtigkeit“ Der Rückschluß, daß außerhalb des Bereichs der Wirkkraft der collateral-contractKonstruktion, der rectification und des Auslegungsinstruments der parol evidence rule stets mechanisch Gesamtnichtigkeit eintreten würde, erscheint indessen vorderhand nicht zwingend. Wie es sich nämlich darstellt, erlaubt die englische Rechtsprechung bei anderen Unwirksamkeitsgründen sehr häufig ein einfaches „Streichen“ der allein unwirksamen Klausel. Als allgemeine Regel gilt z.B. bei verbotswidrigen Verträgen, daß eine solche Streichung möglich ist, wenn sie mechanisch, also ohne ein Neuschreiben des Vertrages durch den Richter erfolgen kann und im übrigen nicht gegen den Verbotszweck verstößt.194 Im Zusammenhang mit Formverfehlungen ist es freilich der erste Umstand der interessiert. Dabei wird darauf abgestellt, ob durch mechanisches Streichen ein Vertragsrest erhalten bleibt, der den Anwendungsbereich und den Zweck des ursprünglichen Vertrages nicht gesamtheitlich verändert.195 Hierbei soll es sich um eine Frage der Vertragsinterpretation im Einzelfall handeln.196 Will man nun die Regelung der s. 2 Law of Property (Miscellaneous Provisions) Act 1989 nicht als bestimmende Nichtigkeitsnorm in dem Sinne auffassen, daß jegliche Formverfehlung stets zwingend zur Gesamtnichtigkeit führt, so besteht zunächst kein Anlaß, die eben beschriebene Teilnichtigkeitsregelung nicht auch auf solcherart gelagerte Fälle der Formunwirksamkeit anzu wenden. Der eigentliche Grund für die Gesamtnichtigkeit 191 Siehe die Beschreibung des Parteivorbringens durch Baker, Q.C., in Record v Bell (1991) 1 WLR 853 (855a.E.). 192 Baker, Q.C., in Record v Bell (1991) 1 WLR 853 (862 letzter Absatz). 193 Baker, Q.C., in Record v Bell (1991) 1 WLR 853 (862 erster Absatz). 194 Hierzu Prentice in Chitty I 880. 195 Attwood v Lamont (1920) 3 KB 571 (580). 196 Miles v. Durham (1891) 1 Ch 576.

muß also anderswo liegen. Wie schon dargelegt, dürfte er darin zu finden sein, daß die Law Commission den Begriff des schriftlichen Vertrages mit eben jener Umschreibung ausfüllt, die auch bei der parol evidence rule Verwendung findet.197 Weil nämlich der Vertrag nicht nur schriftlich aufgezeichnet, sondern geschlossen werden muß, sei es unabdingbare Voraussetzung, daß die Parteien mit der Unterzeichnung des Vertrages beabsichtigen, die schriftliche Fassung verkörpere den gesamten Vertragsinhalt.198 Fehlt es an einem solchen Parteiwillen, so soll offenbar überhaupt kein schriftlicher Vertrag vorliegen.199 Solange man bei dieser Konstruktion bleibt, wird die Teilnichtigkeitsfrage nicht auftauchen, weil mangels Schriftlichkeit der Vertrag insgesamt nichtig ist. Diese Fälle markieren den Bereich zwingender Gesamtnichtigkeit bei bloß teilweiser Fehlbeurkundung. ff. Befund

Letztlich lassen sich die dargestellten, recht verstrickten Einzelergebnisse englischer Gerichte in zwei Kategorien zusammenfassen. Erstens kommt es bei der Frage der Aufrechterhaltung zusammenhängender Geschäfte auf den Parteiwillen an. Wäre ein Geschäft auch ohne das formwidrige abgeschlossen worden und bedarf es für sich keiner Form, so kann es aufrecht erhalten werden. Insofern entspricht die englische Judikatur deutschen und österreichischen Parallelfällen.200 Hingegen fuhrt zweitens - die formwidrige Vereinbarung einzelner Abreden eines einheitlichen Vertrages grundsätzlich zur Erstreckung der Formsanktionen auf das Gesamtgeschäft. Doch verkennt die Rechtsprechung die Härte dieses Ergebnisses keineswegs. Darin liegt der eigentliche Grund für eine sehr weitgehende englische Rechtsprechung, die mangels Restgültigkeitsbehelfs die Frage der Teilnichtigkeit umgeht, indem sie Nebenabreden als eigenständige Verträge konstruiert und den Regeln der collateral contracts unterwirft. Dies fuhrt bei formgemäßem Hauptgeschäft zur Gesamtwirksamkeit des Vertrages; und zwar gleich wie die equity-Rechtsprechung, welche mittels rectification bloß irrtümlich erfolgte Fehlbeurkundungen von der Sanktion verschont und den Vertrag so wirken läßt, wie es dem Parteiwillen entspricht. Teilnichtigkeit (also Aufrechterhaltung des für sich genommen gültigen Geschäfts) tritt demgegenüber bei Anwendung der parol evidence rule ein, die sich ihrerseits als ein Auslegungsinstrument erweist. e. Der Parteiwille als entscheidendes Kriterium in den USA Keinen Zweifel läßt das Restatement 2d, Contracts, an der entscheidenden Funktion des Parteiwillens. Zwar spricht sein § 147 par. 3 zunächst nur davon, die 197 Siehe Law Com. No. 164, 13f. 198 Law Com. No. 164, 14 unter Direktzitat der Ausführungen in Law Com. No 154, 39, zur parol evidence rule. 199 Das erklärt übrigens auch, warum behauptet wird, Verträge, die aufgrund eines Formgebots formalisiert geschlossen werden, zögen jedenfalls die Anwendung der parol evidence rule nach sich; vgl. im übrigen auch Simmonds SJ 134 (1990) 273 (274). 200 Der hypothetische Parteiwille wird dabei insofern herangezogen, als der gesonderte Auffechterhaltungswille im Lichte aller erwiesenen Umstände erforscht wird; hierzu Halsbury’s, Volume 9,94.

Versprechen im Rahmen eines Vertrages würden allesamt den Formsanktionen unterliegen, doch zeigt Comment c. zu dieser Bestimmung, daß die Beurteilung der Einheitlichkeit dem Parteiwillen unterliegt.201 Weil dem Parteiwillen durch die Teilnichtigkeit nicht Gewalt angetan werden dürfe, zeigt sich, daß ein bloß hypothetischer Parteiwille durchaus in Betracht gezogen wird. Deutlich ist insofern die Entscheidung Spensley Feeds v Livingston Feed & Lumbert2 Hier wird die Beweislast jener Partei auferlegt, welche einen Teil eines Vertrages durchsetzen möchte. Allerdings sind nur die Tatsachen zu beweisen, welche den Rückschluß auf die Teilbarkeit begründen. Dazu zählt insbesondere der Beweis der getroffenen Vereinbarungen. Die Teilbarkeit des Vertrages hingegen soll Rechtsfrage sein. Unteilbarkeit wird dabei angenommen, wenn der Vertrag nur als ganzes oder gar nicht gewollt ist.203

201 Vgl. auch White Lighting Co. v Wolfson 438 P2d 345 (Cal. 1968) (350): „by reference to the terms of the agreement. 202 381 NW2d 601 (Wis.Ct.App. 1985) (604). 203 Zu alledem Spensley Feeds v Livingston Feed & Lumber 381 NW2d 601 (Wis.Ct.App. 1985) (604f); unter Verweis auf Davies v ID. Wilson Co. 85 NW2d 459 (Wis.Ct.App. 1957)

§7 Konversion

L Allgemeines

Nichtige Rechtsgeschäfte, somit auch formnichtige, sind der Umdeutung (Konversion) zugänglich. Ja, die Formnichtigkeit wird bisweilen als Hauptanwendungsfall der Konversion nach § 140 BGB bezeichnet.1 Umdeutung ist ein Instrument der Aufrechterhaltung von Rechtsgeschäften, die in der vorgenommenen Form zwar nichtig, in einer anderen aber gültig sind und in dieser Form dem von den Parteien erwünschten (wirtschaftlichen) Erfolg zumindest sehr nahe kommen.2 3Der darin zum Ausdruck kommende favor negotifl wird also durch eine Flexibilisierung der Rechtsfolgen erreicht. Dadurch kommt es - methodisch der Teilnichtigkeitsregelung gleichend - zu einer Anpassung des Parteiwillens an die Vorgaben objektiver Ordnung.4 Dem Parteiwillen wird nämlich bis hin zur Grenze des Formgebots Geltung verliehen, der den Parteien zukommende Freiheitsraum somit weitestmöglich ausgeschöpft, und die Nichtigkeit beschränkt sich auf das nötige Maß. Dabei wird mangels Ermittelbarkeit eines tatsächlichen, auf Konversion gerichteten Parteiwillens - jedenfalls in Deutschland und Österreich5 - durchaus auf objektivierende Betrachtungsweisen6 zurückgegriffen. Freilich garantiert die Beschränkung durch den „hypothetischen Parteiwillen“ - wie eben auch im Rahmen ergänzender Vertragsauslegung7 - die nötige Nähe zum tatsächlichen Willen der Parteien.

II. Die Umdeutung als Komplementärinstitut zur Aufrechterhaltung des Geschäftsrests bei Teilnichtigkeit: dargestellt anhand §§ 139 und 140 BGB

Die grundsätzliche Unterscheidbarkeit wie auch immanente Nähe der beiden Institute läßt sich am besten anhand des deutschen BGB darstellen. Denn durch die Separierung der beiden Tatbestände in verschiedene Paragraphen (§§ 139 und 140 BGB) wird die Unterschiedlichkeit deutlich; zugleich aber indiziert das unmittelbare Aufeinanderfolgen dieser Bestimmungen ihre wechselseitige gedankliche Nähe.

1 Krampe 226 m.w.N. in FN 247. 2 Vgl. Hefermehl in Soergel I § 140 BGB Rz. 1; deutlich auch der OGH 3.9.1996 ecolex 1997, 85 (Wilhelm}: „...dem Willen der Stifterin im Wege der Konversion möglichst nahezukommen...“. 3 Vgl. Damm in Alternativkommentar I § 140 Rz. 1. 4 Vgl. Diederichsen, 191, der von der Möglichkeit, „eine von den Parteien verdorbene Situation wieder in Ordnung zu bringen“ spricht. 5 Im einzelnen siehe die folgenden Ausführungen. 6 Damm in Alternativkommentar I § 140 Rz. 2. 7 Zum Verhältnis von Umdeutung und Vertragsauslegung, insbesondere auch zur Bedeutung dieser Frage unten § 7III. 1..

1. Die Unterscheidbarkeit der Institute

a. Die Formel von der qualitativen und quantitativen Teilnichtigkeit Vielfach wird gesagt, § 140 BGB regle Fälle qualitativer Teilnichtigkeit, wogegen sich § 139 BGB auf die quantitative Teilnichtigkeit beziehen soll.8 Zur Abgrenzung der beiden Bestimmungen ist diese Formel gewiß anschaulich, trifft sie doch genau jene äußerlichen Umstände, auf welche die beiden Vorschriften abstellen: § 139 BGB knüpft an den „für sich genommen“ gültigen Geschäftsrest an und hält ihn durch Abtrennung des nichtigen Teils aufrecht, wohingegen sich § 140 BGB gerade des Geschäfts (oder auch: Geschäftsteils) annimmt, der von der Nichtigkeitsnorm betroffen ist. Dieses wird als ein Geschäft von solch anderer Qualität verstanden, welches das Formgebot nicht mehr verletzt. b. Insbesondere: Die Abgrenzung von Teilnichtigkeit und Konversion bei strikt einheitlichen Geschäften

Damit sollte klar sein, auch wenn dies häufig nicht beachtet wird, daß bei völlig formfrei geschlossenen9, strikt einheitlichen Rechtsgeschäften, auf die sich das Formgebot und damit die Formnichtigkeit insgesamt erstreckt, eine Teilnichtigkeit im Sinne von § 139 BGB nicht in Frage kommt. Zwar besteht hier die Versuchung, jenen Geschäftsteil zu eliminieren, der die Formpflicht begründet hat, doch kann dies eben nicht aus § 139 BGB folgen. Auch wenn beispielsweise die Verpflichtung zu einer Grundstücksveräußerung (§313 BGB) nur eine Nebenabrede bildet (z.B. bei Einräumung einer Option), so bedeutet die strikt einheitliche Einbindung derartiger Abreden in (z.B.) einen Mietvertrag, daß diese Verpflichtung in das synallagmatische Gesamtverhältnis ununterscheidbar einfließt. Bloßes Wegstreichen des nichtigen Teils und Aufrechterhaltung des formgültigen nach § 139 BGB ist dann eben nicht möglich, weil der Gesamtvertrag nichtig ist. Hingegen läßt sich genau dieses Ergebnis mittels § 140 BGB erreichen, indem der Vertrag in einen solchen ohne die entsprechende Abrede umgedeutet wird.10 Der Teilnichtigkeit verbleiben im Bereich strikt einheitlicher Verträge insbesondere jene Fälle, in denen

8 So etwa Hefermehl in Soergel I § 140 BGB Rz. 28. 9 Anderes gilt freilich, wenn formpflichtige Geschäfte teilweise dem Formgebot gemäß geschlossen werden; so etwa, wenn ein Grundstückskaufvertrag notariell beurkundet, dabei aber eine Klausel nicht in die Urkunde mitaufgenommen wird; speziell für § 34 GWB a.F. siehe die in BGH 12.5.1976 NJW 1976, 1743 (1744) aufgelisteten Fallgestaltungen der Anwendbarkeit des § 34 GWB a.F., wenngleich die dortige beispielhafte Aufzählung nicht abschließend ist. 10 Richtig daher der BGH, der z.B. einen formlosen Automatenaufstellungsvertrag mit Ausschließlichkeitsbindung als wegen § 34 GWB a.F. gesamtnichtig behandelt und dann im Wege der Umdeutung und nicht mithilfe des § 139 BGB als einen solchen Vertrag ohne die Auschließlichkeitsklausel aufrecht erhält; z.B. BGH 5.2.1980 NJW 1980, 2517; siehe auch die Hinweise auf die Umdeutungsmöglichkeit in BGH 25.6.1985 LM § 34 GWB Nr. 25; zu restriktiv demgegenüber Emmerich NJW 1980, 1363 (1367f) und zum Teil die ältere Rechtsprechung (BGH 12.5.1976 NJW 1976, 1743), die eine Umdeutung angesichts des Schutzes öffentlicher Interessen generell ausschließen wollen; umdeutungsfreundlicher demgegenüber Emmerich in Immenga/Mestmäcker § 34 GWB Rz. 111.

(nur) eine Nebenabrede nicht beurkundet wurde. Hier kann der für sich formgültige Teil mittels § 139 BGB aufrecht erhalten werden.

c. Die Gefahr der Überdehnung der Formel von der qualitativen Teilnichtigkeit Allerdings sollte die Formel von der qualitativen Teilnichtigkeit nicht dahingehend weiterformuliert werden, das gültige Rechtsgeschäft müsse im nichtigen enthalten sein.11 Das deutet nämlich auf einen ähnlich mechanischen Gedankengang hin, wie er bei der Teilbarkeit nach § 139 BGB vorgenommen wird. Während aber dort Teilbarkeit nur erfordert, daß durch mechanisches Wegstreichen des Teils, der von der Formvorschrift erfaßt wird, ein den Gültigkeitsvoraussetzungen entsprechendes Rechtsgeschäft übrigbleibt und nur die Frage dessen Geltung dem Kriterium des hypothetischen Parteiwillens überlassen bleibt, wird bei der Umdeutung das nichtige Rechtsgeschäft durch ein den Gültigkeitsvoraussetzungen ensprechendes ersetzt, welches seinerseits durch Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens bestimmt wird: Der (hypothetische) Parteiwille entscheidet hier also nicht nur über die Geltung des Konversionsgeschäfts, sondern auch über dessen Inhalt. Daß damit im Ergebnis wiederum regelmäßig nur solche Rechtsgeschäfte gemeint sein können, die jedenfalls nicht weiter gehen als von den Parteien im tatsächlichen Parteiwillen ausgedrückt, geht einzig auf das richtige Verständnis des Verhältnisses vom tatsächlichen zum hypothetischen Parteiwillen zurück: Jener ist zu allererst Schranke des hypothetischen Parteiwillens.12 Dann aber ist es eben nicht möglich, anstelle des nichtigen Rechtsgeschäfts irgendein anderes, wenngleich womöglich „objektiv“ als richtig empfundenes, zu setzen; insbesondere auch keines, das in seinen Wirkungen über das ursprünglich tatsächlich gewollte Geschäft hinausgeht. In diesem Sinne ist von qualitativer Teilnichtigkeit zu sprechen. 2. Die Nähe der Institute und ihre Komplementärwirkung

Bei allem darf nicht übersehen werden, daß die soeben beschriebene Unterscheidung kaum mehr beitragen kann, als im Einzelfall die Heranziehung der relevanten Bestimmung des BGB (§139 oder § 140) zu sichern. Blickt man hingegen auf die Funktion der beiden Aufrechterhaltungsinstrumente, so wird unmittelbar deutlich, daß sie kaum unterscheidbar sind, was eben schön in der Formel von der „Umdeutung als qualitativer Teilnichtigkeit“ ausgedrückt wird. Entscheidendes Gewicht kommt nämlich der Beobachtung zu, daß sich beide ein und desselben Kriteriums - des hypothetischen Parteiwillens - bedienen, um die von ihnen adressierten Fragen zu lösen. Damit läßt sich diesen beiden Instituten, die ja auch kombiniert zur Anwendung gebracht werden können, ein Prinzip der

11 Vgl. Hefermehl in Soergel I § 140 BGB Rz. 4 m.w.N.; wie hier auch Damm in Alternativkommentar I § 125 BGB Rz. 7: (Nur) die Wirksamkeitsvoraussetzungen des Konversionsgeschäftes müssen gewahrt sein; nichts anderes könne gemeint sein, wenn man sagt, das Konversionsgeschäft müsse im nichtigen enthalten sein. 12 Am deutlichsten sagt dies Mayer-Maly in FS Flume 1621 (624).

Aufrechterhaltung (form-)nichtiger Verträge Parteiwillens entnehmen.13

mit Hilfe

des

hypothetischen

III. Einzelfragen der Konversion und ihre Bedeutung für das Verhältnis von Freiheit und Zwang beim formgebundenen Vertrag

1. Zur „Nichtigkeit“ des Rechtsgeschäfts: Geht Auslegung der Umdeutung vor?

a. Die deutsche Diskussion und ihre Relevanz

Umdeutung setzt ein nichtiges Rechtsgeschäft voraus.14 Dies ist keine bloße Selbstverständlichkeit, sondern erlangt insbesondere durch den Hinweis Bedeutung, § 140 BGB sei nicht anwendbar, wenn Sondervorschriften wie jene des § 117 BGB über Scheingeschäfte zum Tragen kommen; ferner in der Feststellung, heilbare Rechtsgeschäfte seien nicht konvertierbar, wenngleich die Bedeutung dieser Aussage dadurch relativiert wird, daß umgedeutet werden kann, sobald wegen Leistungsverweigerung eine Heilung durch Erfüllung ausgeschlossen ist15; letztlich - und hierin liegt ein kritischer Punkt - dadurch, daß Auslegung des Vertrages der Umdeutung vorgehen soll.16 Damit ist bereits der tradierte Streit angesprochen, ob Auslegung tatsächlich der Umdeutung vorgehe, oder ob Umdeutung selbst nur aufrechterhaltende Auslegung bedeute.17 Indessen ist hier nur darauf hinzuweisen, daß die Nichtigkeit als Voraussetzung für die Umdeutung nicht gegen die Auffassung spricht, Konversion sei aufrechterhaltende Auslegung.18 Insoweit Auslegung nämlich vertragsergänzend (also insbesondere auf § 157 BGB gestützt) vor sich geht, dient sie der Ausfüllung von Lücken im Vertrag. Die Lücke kann nun gerade darin bestehen, daß die Parteien für den Fall der Nichtigkeit keine Regelung hinsichtlich der Aufrechterhaltungsfrage getroffen haben - eben weil sie diesen Umstand nicht bedacht haben; dann aber kann ergänzende Auslegung an die Nichtigkeit anknüpfen. Daß übrigens der vorzunehmende Aufrechterhaltungsschritt, nämlich die Erforschung des hypothetischen Parteiwillens, genau jenen Kriterien zu entsprechen hat, wie sie eben auch der ergänzenden Vertragsauslegung nach § 157 BGB unterliegen, läßt der Frage der „Umdeutung als Auslegung“ oder „Umdeutung 13 Hierzu noch unten § 8. 14 Wobei freilich nach dem Auslegungsansatz das umzudeutende Geschäft nur „als solches“ nichtig sein soll, hingegen würde die weitere Auslegung zum gültigen Konversionsgeschäft fuhren, Krampe 284. 15 Siehe nur H. Roth in Staudinger I § 140 BGB Rz. 14. 16 Statt vieler H. Roth in Staudinger I § 140 BGB Rz. 7. 17 Vgl. nur H. Roth in Staudinger I § 140 BGB Rz. 7 und 8, wo zwar von der Unterschiedlichkeit der Institute ausgegangen wird (Rz. 7), dann aber „zwei Berührungspunkte“ aufgezeigt werden (hypothetischer Parteiwille und dessen Begrenzung durch den tatsächlichen Parteiwillen). Der Unterschied wird also nur in der Frage des Bestehens einer Vertragslücke gesehen. 18 Freilich hat man ehedem befurchtet, die Umdeutung des nichtigen Rechtsgeschäfts könnte den Nichtigkeitsbegriff einschränken, und von daher einen der Auslegungsregel vergleichbaren Ansatz gewählt: Zu diesen Entwicklungen genauer H. Hübner in FS Wieacker 399 (403); funktional freilich kann keiner der Ansätze darüber hinwegtäuschen, daß Konversion im Ergebnis die Nichtigkeitsfolgen begrenzt.

als Gestaltung“ nicht mehr als terminologische Bedeutung. Der BGH seinerseits hat jüngst die Umdeutung ausdrücklich als einen Fall ergänzender Vertragsauslegung bezeichnet.19 Im Ergebnis ist im Sinne der Ausführungen zur Teilnichtigkeit festzuhalten: Das entscheidende Kriterium des hypothetischen Parteiwillens erfordert einen Denkschritt, wie er auch nach den Regeln über die ergänzende Vertragsauslegung sowie der Lehre von der Geschäftsgrundlage zu vollziehen ist. Damit ist auch für die Konversion insofern Identität dieser Institute zu konstatieren. b. Die Erheblichkeit der Frage unter anderen Vorzeichen in Österreich

aa. Konversion als Auslegung: Allgemeines Die eben für Deutschland skizzierte Diskussion hat auch in Österreich Relevanz. Obwohl es im ABGB an einem allgemeinen Konversionstatbestand fehlt, besteht auch hier keine Einigkeit, ob Konversion ergänzender Auslegung gleichsteht20 oder aber ein Mehr bedeutet21.22 Detailliert hat sich Binder dieser Frage angenommen.23 Den Gedanken Fiumes2^ von der „qualitativen Teilnichtigkeit“, der in überspitzter Form zu einer zu restriktiven Konversionslehre führe, verwirft Binder zu Recht25 und wohl mit genau jenen Argumenten, wie sie auch hier vertreten werden.26 Hingegen vermag es nicht zu überzeugen, wenn Binder meint, das Abstellen auf den wirtschaftlichen Erfolg im Sinne der Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens sei so weitreichend, daß man nur bei Vorliegen „eindeutiger positivrechtlicher Anhaltspunkte“ von Auslegung sprechen kann.27 Denn die Heranziehung des hypothetischen Parteiwillens ist doch gerade das klassische Instrument ergänzender Vertragsauslegung.28 Im Rahmen einer Judikaturanalyse zu § 914 Satz 2 ABGB alter Fassung kommt Binder schließlich zum Ergebnis, daß sich zwar Ansätze für ein Auslegungsverständnis finden lassen, einige der Entscheidungen hingegen auch ohne Konversionsinstrument (welcher Prägung auch immer) erklärbar sind.29 Wenn Binder schlußfolgert, diese Judikatur „ermuntere nicht dazu, § 914 zweiter Satz ABGB aF als Sitz eines allgemeinen Konversionsgebots zu begreifen“30, so spricht 19 BGH 30.3.1994 LM § 140 BGB Nr. 22 = NJW 1994, 1785, wo er auf die in der Revisionsinstanz nur eingeschränkt bekämpfbare Ermittlung hypothetischen Parteiwillens durch ergänzende Vertragsauslegung abstellt; ausdrücklich a.A. Hefermehl in Soergel I § 140 BGB Rz. 1 und 26, der aber wohl nur die einfache Auslegung meint. 20 So wohl Faistenberger/Barta/Oberhofer in Gschnitzer AT2 550ff (die insbesondere auf die Fassung des § 914 ABGB vor der 3. Teilnovelle verweisen). 21 So wohl Rummel in Rummel I § 914 Rz. 10a („Über ergänzende Auslegung hinausgehend, aber nach Zielen und Methoden mit dieser verwandt ist die Umdeutung [Konversion]“); insbesondere aber Binder 65ff. 22 Vereinzelt wird der Frage keine größere Relevanz beigemessen, und sie wird offengelassen, vgl. Koziol/Welser 155. 23 Binder 40ff. 24 Flume 593f. 25 Binder 42f. 26 Siehe soeben oben § 7 II. 1. c.. 27 Binder 45. 28 Statt vieler Rummel in Rummel I § 914 Rz. 12. 29 Binder 46f. 30 Binder 49.

die Judikaturanalyse jedenfalls auch nicht dagegen und gewiß nicht für eine Standortbestimmung der Konversion außerhalb der Auslegung.

bb. Ist § 914 ABGB auf nichtige Verträge unanwendbar? Wenn Binder ferner meint, § 914 ABGB diene der Lückenfüllung bei gültigen Verträgen, nicht hingegen bei nichtigen31, so verkennt er genau jenes Argument der Vertreter der Auslegungstheorie, wonach im Falle der Konversion eben eigentlich gar kein nichtiges Rechtsgeschäft vorliege. Noch vor Fällung des Nichtigkeitsurteils wird nämlich die einfache Auslegung durch ergänzende vervollständigt, indem ermittelt wird, ob die Parteien die Nichtigkeitssanktion in Kauf nehmen oder aber das Rechtsgeschäft als ein anderes - gültiges - auffechterhalten wollten. Im übrigen ist klar, daß alle nichtigen Rechtsgeschäfte zunächst ausgelegt werden müssen und man erst dann das Nichtigkeitsurteil fällen kann. Das wird bei gesetzes- und sittenwidrigen Verträgen besonders deutlich: Erst nach vollständiger Inhaltsermittlung im Wege der Auslegung kann ein Urteil gefällt werden; den Maßstab der Auslegung bildet fraglos § 914 ABGB. Dasselbe muß auch für das formgebundene Geschäft gelten. Erst Auslegung gibt Aufschluß über den Geschäftstypus und damit über seine Formbedürftigkeit und eventuelle Formnichtigkeit. Warum aber sollte es nicht mehr zur Auslegung zählen, wenn in Anbetracht drohender Formnichtigkeit der hypothetische Parteiwille zur Umdeutung herangezogen wird?

cc. Zur Bedeutung spezieller Konversionsnormen Binder weist aber auch auf die gesetzessystematische Einbettung spezieller Konversionsnormen des ABGB hin: Wenn man auffechterhaltende Auslegung zur Grundlage der Konversion erhebe, dann seien diese Sonderbestimmungen überflüssig, weil von nur deklaratorischer Natur.32 Gerade das trifft indessen nicht zu, weil sich sämtliche von Binder genannten, gesetzlichen Konversionstatbestände33 dadurch auszeichnen, daß sie das betroffene Rechtsgeschäft als ein anderes auffechterhalten, ohne den hypothetischen Parteiwillen zu erforschen. Es handelt sich daher um hinsichtlich der Auffechterhaltung bestimmende Normen, die eine Auslegung erübrigen und auch bei einem Verständnis der Konversion als Institut der Auslegung (§ 914 ABGB) als Spezialvorschriften gerade nicht überflüssig sind.34 Binder hingegen entnimmt diesen Bestimmungen im Wege der Gesamtanalogie ein Prinzip der Konversion

31 Binder 50. 32 Binder 51. 33 Binder 73ff; dasselbe gilt für die von Binder, 51, im Zusammenhang genannten Bestimmungen zur Teilnichtigkeit; einzig auf § 878 ABGB trifit dies nicht zu, doch liegt dessen Bedeutung weniger darin, von den Grundsätzen ergänzender Auslegung abzuweichen, sondern vielmehr eine Vermutung der Restgültigkeit zu schaffen; hierzu oben § 6 III.. 34 Anders übrigens die Situation bei § 140 BGB, der eben wie § 157 BGB auf den hypothetischen Parteiwillen, also das, was „redliche Parteien nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte vereinbart hätten“, abstellt.

nach Maßgabe des hypothetischen Parteiwillens.35 Er meint selbst, daß die bei der allgemeinen (!) Konversion zu stellende Frage nach dem hypothetischen Parteiwillen in Fällen gesetzlicher Spezialtatbestände entfalle, weil sie das „Ersatzgeschäft bereits nennen und den Aufrechterhaltungswillen der Parteien ohne nähere Prüfung unterstellen“.36 So gesehen ist aber höchst fraglich, ob die Konversionsnormen wirklich Grundlage einer Gesamtanalogie sein können, die den hypothetischen Parteiwillen zum entscheidenden Kriterium für die Umdeutung erhebt, obwohl diese Spezialtatbestände auf den hypothetischen Willen gar nicht abstellen. Es bedürfte dann auch eines Nachweises, daß diese Tatbestände den „hypothetischen Parteiwillen einfach unterstellen“ und nicht vielmehr anstelle dieses Kriteriums eine gesetzliche Wertung im Sinne des favor negotii setzen.

dd. Wiederum: Hervorhebung des funktionellen Aspekts Entscheidend dürfte indessen wiederum eine funktionale Sichtweise sein: Die Figur des hypothetischen Parteiwillens ist ein Hilfsmittel ergänzender Vertragsauslegung37; wenn aber Vertragsauslegung und Konversion dasselbe Mittel nutzbar machen, dann bleibt dem Streit um „Konversion als Auslegung“ oder „Auslegung vor Konversion“ auch an dieser Stelle nur terminologische Bedeutung. Denn auch wenn man meint, Konversion gehe über die ergänzende Vertragsauslegung hinaus, kann man dies mit im österreichischen Recht vorhandenen Rechtsfiguren in Einklang bringen: Läßt sich nämlich die Frage der Aufrechterhaltung durch Umdeutung nicht schon durch einfache oder ergänzende Vertragsauslegung beurteilen, dann kann - ganz analog der Situation in Teilnichtigkeitsfällen nach § 878 ABGB - auf das Institut der Geschäftsgrundlage zurückgegriffen werden. Weil es aber auch bei der Geschäftsgrundlage um die Frage nach dem hypothetischen Parteiwillen38 geht, ist der Streit um die Zugehörigkeit der Geschäftsgrundlagenlehre zur ergänzenden Vertragsauslegung wiederum funktional zweitrangig.39 Maßgeblich bleibt, daß sich die Frage der Konversion nach dem wohlbekannten Kriterium des hypothetischen Parteiwillens 35 Binder 78ff. 36 Binder 80. 37 Rummel in Rummel I § 914 Rz. 12. 38 Zur Ähnlichkeit der Beurteilungskriterien auch Bydlinski ÖBA 1996, 499 (505) jedenfalls für die Vertragsanpassung als Folge des Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Indessen ist der hypothetische Parteiwille freilich auch bei Aufhebung des Vertrages wegen Grundlagenwegfalls erheblich: Die Aufhebung kann nur dann legitim sein, wenn der hypothetische Parteiwille ergibt, die Parteien hätten den Vertrag bei Kenntnis vom Fehlen bzw. Wegfall der Geschäftsgrundlage eben nicht geschlossen; ein Kriterium, welches ja auch bei der Irrtumsanfechtung nach § 871 ABGB eine Rolle spielt. Wenn also Bydlinski das Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zum Bereich des Irrtumsrechts zählt, so ändert dies nichts an der Bedeutung des hypothetischen Parteiwillens und sohin an der Möglichkeit, aus dessen Anwendungsfeldern (§§ 914, 878, 871, 872 etc. ABGB) Gemeinsames statt Trennendes abzuleiten. 39 Wobei die richtige Zuordnung der Geschäftsgrundlagenlehre freilich dann im Bereich von Sekundärrechtsfolgen eine große Rolle spielen kann; so etwa, wenn man - wie Bydlinski ÖBA 1996, 499 (insb. 503) - die Geschäftsgrundlagenfalle in den Bereich des Irrtumsrechts einordnet: Dann ist das Fehlen bzw. der Wegfall der Geschäftsgrundlage (gerichtlich) geltend zu machen, das Recht zur Anfechtung verjährt - gleich dem Recht auf Irrtumsanfechtung - nach drei Jahren, etc..

beurteilt; also analog zu den Instituten der ergänzenden Vertragsauslegung und der Lehre von der Geschäftsgrundlage und damit analog zur quantitativen Teilnichtigkeit.

c. Die Zurückhaltung der englischen Rechtsprechung als Ursache mangelnder Relevanz der Frage Die englische Rechtsprechung zur Konversion betrifft nur solche Fälle, die sich wohl zwanglos als Auslegung charakterisieren lassen und daher die soeben behandelte Streitfrage eben nicht aufwerfen. Niemals ist die englische Rechtsprechung vom tatsächlichen Parteiwillen so weit abgewichen, daß diese Diskussion erforderlich geworden wäre. Freilich wird gerade damit der unmittelbare Bezug des Parteiwillens zur Umdeutung deutlich. So etwa, wenn die englische Rechtsprechung Annahmeerklärungen auf einer bill of exchange in eine promissory note umdeutet40. Denn sie wählt ganz selbstverständlich eben jenen Rechtsgeschäftstypus, der dem von den Parteien gewählten - jedoch nichtigen - am nächsten kommt, selbst aber nicht vom Nichtigkeitsgrund erfaßt wird. 2. Die Ermittlung des (gültigen) Konversionsgeschäfts anhand des (hypothetischen) Parteiwillens a. Allgemeines

Das umzudeutende Rechtsgeschäft muß die Gültigkeitsvoraussetzungen des Konversionsgeschäfts erfüllen. Im Rahmen dieser Prüfung ist allerdings nur auf allgemeine Gültigkeitsvoraussetzungen zu achten (Geschäftsfähigkeit, Form41, Gesetzes- und Sittenkonformität, etc). Nicht zu prüfen ist in diesem Zusammenhang - entgegen vielfach geäußerter Meinung42 und auch der Rechtsprechung43 das Vorliegen der „Tatbestandselemente“ des Konversionsgeschäftes („Enthaltensein des Konversionsgeschäfts im nichtigen Vertrag“). Selbiges ergibt sich nämlich aus dem hypothetischen Parteiwillen. Die

40 So in Mason v Lack (1929) 140 LT 696. 41 Hierzu insb. das von Krampe, 231, gebildete Beispiel der Umdeutung eines unentgeltlichen Grundstücksveräußerungsvertrages in einen unentgeltlichen Nutzungsvertrag, auf den die Formvorschrift des § 518 Abs. 1 Satz 1 BGB zutrifft. 42 So z.B. noch Dilcher in Staudinger12 I § 140 BGB Rz. 4; indessen wird vielfach nicht deutlich, ob das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale nicht doch (auch) anhand des hypothetischen Parteiwillens erfolgt; ebenso bleibt unklar, was die h.L. unter den Tatbestandsmerkmalen versteht; häufig hat es den Anschein, man würde darunter schlichtweg verstehen, die Gültigkeitsvoraussetzungen (u.a. also auch die Form) des Konversionsgeschäftes müßten gewahrt sein (so etwa, wenn Dilcher in Staudinger1^ I § 140 BGB Rz. 4 unter „alle Bestandteile“ die Geschäftsfähigkeit, Verfügungsmacht und Formerfordernisse versteht); siehe nunmehr H. Roth in Staudinger I § 140 BGB Rz. 21. 43 Vgl. jüngst BGH 30.3.1994 LM § 140 BGB Nr. 22 = NJW 1994, 1785; nach Reinicke, 97, soll diese Judikatur nur sagen wollen, die Rechtswirkungen des Konversionsgeschäfts dürften nicht weiter gehen als jene des nichtigen.

Tatbestandselemente sind also durch ergänzende Vertragsauslegung zu ermitteln.44 Richtig hat nämlich Reinicke auf eine Vielfalt von Rechtsprechungsbeispielen hingewiesen, in denen umgedeutet wurde, ohne daß das Konversionsgeschäft im nichtigen Rechtsgeschäft enthalten gewesen wäre.45 Erforderlich sei lediglich, daß das Konversionsgeschäft in seinen Rechtsfolgen nicht über das nichtige Geschäft hinausgehe. Dabei handelt es sich, wie noch ausgeführt wird46, wiederum um ein Element im Rahmen der Bestimmung des hypothetischen Parteiwillens.47 Im übrigen muß die hier vertretene Sichtweise jedenfalls im Ergebnis auch all jenen Stimmen unterstellt werden, die in der Konversion strikt ein Auslegungsinstrument sehen wollen. So meint Krampe, man könne einen formnichtigen Grundstücksveräußerungsvertrag in eine Nießbrauchsvereinbarung umdeuten, vorausgesetzt, diese sei in jenem enthalten.48 Hierfür sei erforderlich, daß sich der Grundstückskaufvertrag „auch oder hilfsweise^ als Zusage eines Nießbrauchs auslegen lasse. Hilfsweise Auslegung bedeutet aber doch nichts anderes, als daß sich nach den Regeln der ergänzenden Auslegung (also nach dem Kriterium des hypothetischen Parteiwillens) die ins Auge gefaßte Vereinbarung der Parteien als eine andere verstehen läßt, weil sie - Kenntnis der Parteien unterstellt (!) - gewollt sein würde. Die hier vertretene Auffassung erspart dann auch terminologisches Ausweichen auf Formeln wie jener, wonach zwischen nichtigem Geschäft und Konversionsgeschäft „Kongruenz“ bestehen müsse.49 Dieser Begriff soll dazu dienen, das Kriterium des Enthaltenseins des Konversionsgeschäfts im nichtigen zu „lindem“. Sprachlich besteht aber kein Unterschied, zumal auch Kongruenz jedenfalls im allgemeinen Sprachgebrauch - völlige Gleichheit bedeutet.50 Man spart sich schließlich nach der hier vertretenen Meinung auch den Hinweis, man dürfe das Erfordernis des Enthaltenseins nicht „wortwörtlich“ nehmen.51 Richtig ist freilich, daß das Konversionsgeschäft mit Hilfe des hypothetischen Parteiwillens ermittelbar sein muß, weil man ansonsten mit Fiktionen arbeiten würde.52 Das „Ergänzen“ von Tatbestandsmerkmalen nach Maßgabe des hypothetischen Partei willens stellt aber keine Fiktion dar. Denn auch im Bereich (allgemeiner) ergänzender Auslegung werden „Tatbestandsmerkmale“ ergänzt, zumal Vertragsklauseln in den Vertrag

44 Siehe Binder, 103f, dessen Ausführungen auch für die deutsche Rechtslage Geltung beanspruchen können; vgl. z.B. für Deutschland Reinicke, 97ff; deutlich auch H. Roth in Staudinger I § 140 BGB Rz. 21ff, der nur davon spricht, daß die Geschäfte in ihren wirtschaftlichen Wirkungen kongruent sein müßten, die Wirkungen des Konversionsgeschäfts nicht über diejenigen des nichtigen hinausgehen dürften und alle Gültigkeitsvoraussetzungen des Konversionsgeschäfts gewahrt zu sein hätten. 45 Reinicke 97ff. 46 Siehe unten § 7 HI. 3. d.. 47 So im Ergebnis wohl auch Kahl 184f. 48 Krampe 230. 49 So Mayer-Maly in MüKo I § 140 BGB Rz. 13 unter Verweis auf Zeiss WM 1963, 906 (908); ebenso H. Roth in Staudinger I § 140 BGB Rz. 21f; im Ergebnis freilich meinen diese Autoren dasselbe, wie es auch hier vertreten wird. 50 Vgl. nur Brockhaus, Enzyklopädie XII19, sub „kongruent“ Pkt 1: „in allen Punkten übereinstimmend, völlig gleich“. 51 So Hefermehl in Soergel I § 140 BGB Rz. 4. 52 Davor warnend auch Mayer-Maly in MüKo I § 140 BGB Rz. 13.

„hineininterpretiert“ werden, welche vom tatsächlichen Parteiwillen eben nicht umfaßt waren, weil man an die zu regelnde Fragestellung nicht gedacht hat.53 b. Insbesondere: Umdeutung in ein typisiertes Rechtsgeschäft

Die Vorstellung, wonach Konversion nur dann zulässig sei, wenn das Konversionsgeschäft im nichtigen enthalten ist, wird am ehesten von jenen englischen Konversionsentscheidungen gestützt, die ein formmangelhaftes, typisiertes Rechtsgeschäft (bill of exchange) in ein formgültiges anderes, aber ebenfalls typisiertes und daher formstrenges Geschäft (promissory note) umdeuten. Sie sind im gegebenen Zusammenhang deshalb hervorzuheben, weil sie ein Konversionsgeschäft betreffen, das nicht nur einem Zwang zur äußeren Form, sondern auch zu typisiertem Geschäftsinhalt unterliegt.54 Zwar geht das englische Recht nicht so weit, die ausdrückliche Bezeichnung als ein bestimmtes Wertpapier zu verlangen, auch muß keine bestimmte Redewendung gebraucht werden, doch hat die Urkunde einen bestimmten Mindestinhalt von bestimmter Qualität zu enthalten.55 Entsprechend der Konversionsvoraussetzung, wonach das Konversionsgeschäft den ihm eigenen Erfordernissen (hier: insbesondere den Formkriterien) zu entsprechen hat, prüft die englische Rechtsprechung deren Vorliegen. So wird z.B. in Mason v Lack56 57 ein Zahlungsversprechen, das nur den Namen des Akzeptanten enthält, damit als bill of exchange formungültig ist, als promissory note aufrechterhalten, weil dafür die Voraussetzungen erfüllt sind. Umgekehrt führt in Britannica Electric Lamp Works, Ltd v D. Mandle & Co., Ltd, & D. Mandler51 das Fehlen selbst der Form für promissory notes zur Verweigerung der Konversion. Doch wird auch bei diesen englischen Entscheidungen klar, daß es zunächst darauf ankommt, ob sich nach Auslegungsgrundsätzen die Erklärungen, welche als Annahme einer bill of exchange gedacht waren, auch als unbedingtes Zahlungsversprechen im Sinne einer promissory note verstehen lassen. Die so interpretierte Erklärung muß dann freilich ihrerseits entsprechend formalisiert vorliegen. Sie muß eben den Gültigkeitsvoraussetzungen des Konversionsgeschäfts entsprechen, was angesichts der besonderen Nähe der Ausstellung einer promissory note zur Annahme einer bill of exchange bedeutet, daß die Annahmeerklärung keine Bedingung enthält. Während nämlich die Annahme einer bill of exchange bedingt erfolgen kann, hat die Ausstellung einer promissory note unbedingt zu geschehen.58 Hier wird ein Element des Geschäftsinhalts zur besonderen Gültigkeitsvoraussetzung erhoben, weswegen das Vorliegen dieses „Tatbestandsmerkmals“ eigens zu prüfen ist. Nirgendwo in den besprochenen 53 Zur ergänzenden Vertragsauslegung für Österreich: Siehe Rummel in Rummel I § 914 ABGB Rz. 9ff; für Deutschland: ausführlich und rechtsvergleichend Lüderitz 390ff; allgemein Medicus 131f. 54 Zur Definition einer promissory note siehe s. 83 Bills of Exchange Act 1882; hierzu Chalmers & Guest on Bills of Exchange 656ff. 55 Im einzelnen Chalmers & Guest on Bills of Exchange 656ff. 56 Mason v Lack (1929) 140 LT 696; so auch Fielder v Marshall (1861) 3 LT 858. 57 Britannia Electric Lamp Works, Ltd. v D.Mandler & Co., Ltd. & D.Mandler (1939) 2 KB 129. 58 Chalmers & Guest on Bills of Exchange 676.

Entscheidungen aber wird daraus ein allgemeiner Grundsatz für die Konversion abgeleitet. c. Das Verbot der Umgehung des Formzwecks: Die Abstimmung der Reichweite des Formgebots mit dem Konversionsrahmen aa. Allgemeines

Im hier gegebenen Zusammenhang ist der häufig vorgebrachte Einwand zu behandeln, Konversion dürfe dem Zweck der Nichtigkeitsnorm nicht widersprechen, Umdeutung dürfe nicht zur Aushöhlung der Nichtigkeitsvorschrift fuhren.59 In diesem Sinne hat der BGH jüngst wieder hervorgehoben, es müßten für eine Umdeutung „gewichtige Anhaltspunkte“ vorliegen, ja sogar ein Ausnahmefall, der „sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalls ergeben“ müsse.60 Dabei handelt es sich zunächst um eine Selbstverständlichkeit: Das Konversionsgeschäft darf eben nicht demselben Nichtigkeitsgrund unterliegen wie das umgedeutete. Indessen kommt der Frage gerade bei formnichtigen Geschäften besondere Bedeutung zu. Formvorschriften sind oft typenspezifisch formuliert und könnten so wird es offenbar befurchtet - daher durch Umdeutung leicht umgangen werden. Der Rückschluß der h.L. lautet daher: Die Konversion ist unzulässig, wenn sie das Formgebot umgehen würde.61 Genau diese Schlußfolgerung ist jedoch in ihrer Allgemeinheit zu hinterfragen. Denn es leuchtet vorderhand nicht ein, daß eine Umdeutung in ein (hypothetisch) gewolltes Geschäft auch dann ausgeschlossen sein soll, wenn die Vornahme des Konversionsgeschäfts von vornherein formlos möglich gewesen wäre.

bb. Musterfälle: Die formungültige Bürgschaft (1) Rechtsprechungsbeispiele

Anschauungsmaterial hierzu liefert die deutsche Rechtsprechung, welche es ablehnt, formnichtige Bürgschaften in Kreditaufträge, Schuldbeitritte oder Garantiezusagen umzudeuten. Dabei haben freilich all jene Fälle außer Betracht zu bleiben, in denen es um rechtsgeschäftliche Erklärungen geht, welche schon nach einfacher Auslegung als formfrei gültiger Geschäftstypus erkannt werden.62 63In den Konversionsfällen aber stellt der BGH auf die Gefahr praktischer Entwertung der Formvorschrift des § 766 BGB ab 63 Daher lehnt er eine Umdeutung ab, wenn den Parteien das Wesen der Bürgschaft völlig klar vor Augen war, weil dann eben 59 Im einzelnen hierzu Kahl 299ff; Damm in Alternativkommentar I § 140 BGB Rz. 6; Hefermehl in Soergel I § 140 BGB Rz. 6; vgl. insbesondere Flume 596ff; gegen ihn Reinicke, 107, und Krampe, 229f. 60 BGH 30.3.1994 LM § 140 BGB Nr. 22 = NJW 1994, 1785. 61 Deutlich etwa Hefermehl in Soergel I § 140 BGB Rz. 6. 62 So BGH 8.3.1967 WM 1967, 341; hierzu Krampe, 233, entgegen Häsemeyer, 15. 63 BGH 28.3.1962 LM § 133 (B) BGB Nr. 7; vgl. auch OLG Hamm 15.1.1988 NJW 1988, 3022; anders BGH 27.5.1957 WM 1957, 883 (885), wo der BGH auf die Formzweckgefährdung eben nicht eingeht.

Auslegung (bis hin zur Ergänzung nach § 157 BGB) nicht einen anderen Rechtsgeschäftstypus ergeben könne.64 Ähnlich formuliert das OLG Hamm, die Konversion in einen Schuldbeitritt könne nur ausnahmsweise (immerhin!) erfolgen, regelmäßig lasse aber der Schutzzweck des § 766 BGB eine Umdeutung nicht zu.65 Indessen handelt es sich hier bereits um eine Fallvariante zur angeführten BGH­ Entscheidung, weil keine voll und ganz deutliche Erklärung vorlag, die Typenbestimmung sohin tatsächlich der Auslegung bedurfte. Und genau diese nimmt das OLG Hamm vor und gelangt zum Ergebnis, eine Bürgschaft sei gewollt. Es schließt folglich die Umdeutung wegen des Formzwecks des § 766 BGB aus. Auch wenn die Parteien den Rechtsgeschäftstypus nicht ganz so eindeutig vor Augen hatten, wird eine Umdeutung verweigert, ein entscheidendes Kriterium bietet die Präzision der Parteien im Ausdruck also nicht. Das sollte eigentlich selbstverständlich sein, fragt doch die Umdeutung nicht danach, welchen Geschäftstypus die Parteien ursprünglich wollten, sondern danach, was sie bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt hätten: Hierfür kann die Präzision im Ausdruck beim Abschluß des nichtigen Geschäfts nicht mehr als ein Anhaltspunkt sein. Gerade diese Frage bleibt somit in den angesprochenen Entscheidungen unbeantwortet. Ein weiteres Urteil läßt die Situation weiter unklar erscheinen.66 Jedenfalls mit Blick auf eine Umdeutung in einen Kreditauftrag meint hier der BGH, das Berufungsgericht habe die rechtsgeschäftlichen Erklärungen „unter Berücksichtigung der Interessenlage“ nicht als Kreditauftrag gewertet. Die Prüfling der Interessenlage deutet nun wohl auf ergänzende Vertragsauslegung, jedoch scheint es auch hier so, als ob das Gericht die Frage, was die Parteien nach ihrer Interessenlage bei Kenntnis der Nichtigkeit gewollt hätten, umgehen möchte. Denn es ist keineswegs ausgeschlossen, daß der Vertragszweck auch durch einen Kreditauftrag erreicht werden könnte. Ja, das wird sogar zumeist der Fall sein, zumal der Bürge erklärt, als ein solcher haften zu wollen, und weiter sich ergeben wird, daß der Kreditgeber regelmäßig die Pflicht zur Kreditvergabe in Kauf nehmen würde, um die Bürgenhaftung zu bewirken. Was stört, ist einzig der Schutzzweck des § 766 BGB. (2) Kritik Zu Recht hat daher Zeiss die ablehnende Rechtsprechung kritisiert.67 Er weist zunächst darauf hin, daß die Umdeutung in einen Schuldbeitritt bzw. ein Garantieversprechen68 schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil dies zu einer entscheidend verstärkten rechtlichen Bindung des Bürgen führen würde.69 Das treffe aber auf eine Umdeutung in einen Kreditauftrag nicht zu. Zur Vermeidung 64 BGH 28.3.1962 LM § 133 (B) BGB Nr. 7. 65 OLG Hamm 15.1.1988 NJW 1988, 3022. 66 BGH 27.5.1957 WM 1957, 883 (885). 67 Zeiss WM 1963, 906. 68 Die Umdeutung in ein Garantieversprechen scheidet freilich schon deswegen aus, weil man die Bürgschaftsform darauf analog erstrecken muß: Vgl. zuletzt Canaris in Larenz, Schuldrecht II/2, 23; ebenso (seit kurzem) OGH 14.7.1992 ecolex 1993, 17 unter Verweis auf vielfältige zustimmende - Literatur in Deutschland und Österreich; kritisch Wilhelm ecolex 1993, 14. 69 Zeiss WM 1963, 906 (906).

einer Aushöhlung des § 766 BGB schränkt dies Zeiss aber wieder ein, indem er eine Umdeutung nur dann zulassen will, wenn die Parteien zwar die Rechtsform der Bürgschaft gewählt haben, nach ihrer Interessenlage (insbesondere nach dem eigenen wirtschaftlichen Interesse des Bürgen an der Kreditvergabe) aber auch einen Kreditauftrag gewollt hätten. Dieser Ansatz ist richtig, aber nicht weil der Formzweck des § 766 BGB nicht umgangen werden darf, sondern weil er gar nicht umgangen werden kann. Denkt man nämlich an den genau umgekehrten Fall, daß die Parteien trotz Interessenlage wie bei einer Bürgschaft das Instrument des (formlosen) Kreditauftrags gewählt haben (womöglich sogar unter gezielter Bedachtnahme auf die Vorschrift des § 766 BGB), so fragt sich, ob diese Art der Umgehung der Formvorschrift möglich, die Umdeutung einer Bürgschaft aber ausgeschlossen sein soll; mit Recht wird man sagen, daß aus der Sicht des Formgebots ein und derselbe Fall unterschiedlich geregelt wird. Richtigerweise wird man daher § 766 BGB funktional verstehen müssen und dann die Formvorschrift auf Kreditaufträge, die eines eigenständigen Interesses des Auftraggebers entbehren, erstrecken; umgekehrt ist das Formgebot des § 766 BGB in den Fällen von Bürgschaften, bei denen sich der Kreditgeber dem Bürgen gegenüber zur Kreditgewährung verpflichtet, teleologisch zu beschränken: Will man sie nicht von vornherein vom Formgebot ausnehmen70, dann hat man jedenfalls die Umdeutung zuzulassen. (3) Die Erstreckung dieser Grundsätze auf das österreichische Recht Dasselbe muß für jene österreichische Judikatur gelten, welche den Schuldbeitritt von der Bürgschaft „im Zweifel“ nach dem Kriterium abgrenzt, ob der vermeintliche Bürge erkennbar (!) ein eigenes Interesse verfolgt oder nicht.71 Diese richtige Abgrenzung beantwortet hingegen die Konversionsfrage nicht: Hätten die Parteien - Kenntnis der Formnichtigkeit der Bürgschaft unterstellt - auch einen Schuldbeitritt gewollt? Und wiederum bleibt die Frage offen, was rechtens sein soll, wenn (womöglich gerade mit Blick auf die Formvorschrift des § 1346 ABGB) gezielt ein Schuldbeitritt erklärt wird, für den aber kein eigenständiges wirtschaftliches Interesse des „Bürgen“ gegeben ist. Auch hier muß also die auf eine „Bürgschaft“ gerichtete Verwendung des Instituts des Schuldbeitritts der Bürgschaftsform unterliegen.72 Bei Verwendung der Bürgschaft für eigene wirtschaftliche Interessen hingegen kommt auch eine Konversion in Frage. Freilich, grundsätzlich kann nicht in einen Schuldbeitritt umgedeutet werden, zumal damit der Pflichtenkreis des Bürgen erweitert würde (unmittelbare Haftung), worauf der „hypothetische Parteiwille“ nicht gerichtet ist. Indessen könnte die Konversion dann erfolgen, wenn sich der Bürge als „Bürge und Zahler“ verpflichtet und erkennbar eigene Interessen verfolgt. Sollten diese Ergebnisse rechtspolitisch unbefriedigend 70 Für eine Ausnahme vom Formgebot generell Canaris in Larenz, Schuldrecht II/2, 23. 71 Siehe OGH 7.4.1976 EvBl 1977/40. 72 Auf den Garantievertrag hat der OGH in einer der jüngeren Zeit entstammenden Judikaturänderung das Formgebot analog erstreckt; siehe OGH 14.7.1992 ecolex 1993, 17 unter Verweis auf vielfältige - zustimmende - Literatur in Deutschland und Österreich; kritisch Wilhelm ecolex 1993, 14.

erscheinen, so muß diese Unzufriedenheit der ungenügenden (zu engen) Formulierung des Formtatbestandes gelten, nicht der Geltungserhaltung durch Konversion.

cc. Verstoß gegen die Formvorschrift des § 34 GWB a.F. Ein weiteres Beispiel bildet die Konversion von Verträgen mit wettbewerbsbeschränkenden Klauseln. Gemäß § 34 GWB a.F. unterlagen diese einem Schriftformgebot. Zweck dieser Formvorschrift war es, eine erleichterte Kontrolle solcher Vertragsschlüsse zu gewährleisten. Sie diente somit öffentlichen Interessen.73 Anhand der Vertragsurkunden sollte den Kartellbehörden und Gerichten die Ermittlung des (vollständigen) Inhalts und damit die Kontrolle solcher Übereinkommen leichter gemacht werden.74 Diese ratio erforderte eine vollständige Verbriefung des Vertragsinhalts, eine Beschränkung des Formzwangs auf die eigentlich wettbewerbsbeschränkenden Klauseln genügte nicht.75 In der Rechtsprechung wurden Fälle sogenannter „Automatenaufstellungsverträge“ mit Ausschließlichkeitsbindung problematisch. Diese Ausschließlichkeitsklausel machte den Vertrag zu einem formpflichtigen nach § 34 GWB a.F.. Die Formpflicht erstreckte sich ihrem Zweck gemäß auf den gesamten Aufstellungsvertrag. Die Formnichtigkeit umfaßte dann ebenfalls den gesamten Vertrag. Freilich ist die Umdeutungsfrage erst gar nicht zu stellen, wenn man mit der hier vertretenen Ansicht davon ausgeht, jede Partei könne auf Formwahrung klagen: Sanierung heilt den Formmangel und macht Konversion überflüssig. Geht man hingegen mit der h.L. von der absoluten, von Amts wegen wahrzunehmenden Nichtigkeit aus, so stellt sich unmittelbar die Konversionsfrage: Sind (ehedem) formwidrige wettbewerbsbeschränkende Verträge einer Umdeutung in Geschäfte ohne Ausschließlichkeitsbindung zugänglich? Der BGH hat die Umdeutungsfähigkeit entgegen anderweitiger Literaturstimmen76 77 - bejaht. Sein Urteil bildet, von anderen interessanten Aspekten abgesehen, ein Beispiel für die Vorsicht des BGH, durch Umdeutung nicht den eigentlichen Formzweck zu unterlaufen. Erst nach Prüfung der Frage, ob eine Umdeutung die Mißbrauchsaufsicht behindern könnte, bejaht er mangels feststellbarer Behinderung die Konversion. Dabei scheut der BGH die Umdeutung nicht, wenngleich der Formzweck hier sogar im öffentlichen Interesse liegt. Gerade aus diesem Grund verneint etwa Emmerich11 eine Konversionsmöglichkeit. Entscheidend für den BGH ist aber nicht der Adressat der Formbegünstigung (Parteischutz; Schutz öffentlichen Interesses; etc.), sondern der Formzweck selbst.78 Dieser - nämlich die Sicherung der Kartellaufsicht - wird nicht

73 So Emmerich NJW 1980, 1363ff (13671). 74 Zu alledem Emmerich NJW 1980, 1363ff (1363f) 75 Hierzu OLG Celle 10.1.1975 BB 1975, 390f. 76 Emmerich NJW 1980, 1363 ff (13671) unter Verweis auf OLG Celle 10.1.1975 BB 1975, 390finFN64. 77 NJW 1980, 1363f (1367f). 78 Vgl. hingegen Häsemeyer 245ff, der für die Relativierung der Nichtigkeitssanktion lediglich die personale Zielrichtung des Formgebots heranzieht.

unterlaufen, wenn man den Vertrag in einen solchen umdeutet, welcher der Aufsicht gar nicht unterliegt.79

dd. Scheckakzepte durch Banken Eine Annahmeerklärung seitens der bezogenen Bank auf einem Scheck kann nach der Rechtsprechung des BGH nicht umgedeutet werden, weil dies dem Normzweck des Annahmeverbots widerspreche.80 Vorweg ist zu betonen, daß es sich dabei nicht um ein Formproblem handelt, weil die Annahmeerklärung nicht wegen Formwidrigkeiten „als nicht beigesetzt gilt“81, sondern jedenfalls unzulässig ist, damit der Scheck als Bargeldersatz und nicht als Umlaufpapier benützt wird. In England - auch hierauf ist gleich hinzuweisen - ist diese Problematik schon mangels Annahmeverbots unbekannt. Wenngleich es sich also nicht um Fälle der Formnichtigkeit handelt, so ist doch gerade die Diskussion rund um Art. 4 SchG in höchstem Maße geeignet, die Frage der Umgehung des Normzwecks durch Umdeutung zu illustrieren: Gerade aus Rücksicht auf den Zweck des Art. 4 SchG hat nämlich die deutsche Rechtsprechung die Umdeutung verneint. Wie wenig dies zu überzeugen vermag, verdeutlicht wiederum jene Rechtsprechung, die - in Deutschland82 ebenso wie in Österreich83 - Einlösungszusagen für wirksam hält. Deutlich drückt dies etwa der österreichische OGH aus: „Das Akzeptverbot des Art. 4 ScheckG steht außerscheckrechtlichen Einlösungszusagen der bezogenen Bank nicht entgegen“.84 Dann kann es aber nicht überzeugen, wenn behauptet wird, ein auf einem Scheck vermerktes Akzept könne „wegen des Schutzzweckes“ des Art. 4 SchG nicht in ein Einlösungsverprechen (eine Zahlungsgarantie) umgedeutet werden.85 Insbesondere erscheint es als ein rein formalistisches Argument, wenn behauptet wird, § 140 BGB komme nicht zur Anwendung, weil dieser ein „nichtiges“ Geschäft voraussetze, die Annahme aber als „nicht geschrieben gelte“.86 Ganz offenbar geht es darum, den Scheck als nicht angenommen anzusehen, was im Ergebnis Nichtigkeit des Akzepts bedeutet. Entscheidender ist hingegen, daß die scheckrechtliche Fiktion des „Nicht-Geschriebenseins“ doch nicht bedeuten kann, daß ein Akzept nicht zum Gegenstand einer Auslegung nach allgemein­ bürgerlichrechtlichen Gesichtspunkten gemacht werden kann. Wenn der Normzweck dies verbieten würde, dann würde er logisch auch alle anderen bürgerlichrechtlichen „Annahmen“ verbieten. Gerade das nimmt aber die Rechtsprechung nicht an.

79 Vgl. die detaillierte Analyse des BGH 5.2.1980 NJW 1980, 2517; siehe nunmehr auch Emmerich in Immenga/Mestmäcker § 34 GWB Rz. 111. 80 Nachweise bei Krampe 277 FN 399 und 400. 81 Vgl. Art. 4 SchG. 82 Z.B. BGH 14.4.1956 WM 1956, 1293. 83 Z.B. OGH 24.4.1992 RdW 1994, 40 (40 m.w.N.). 84 OGH 24.4.1992 RdW 1994, 40 (40). 85 A.A. Kahl 354f. 86 So offenbar Hefermehl in Baumbach/Hefermehl Art. 4 SchG Rz. 1.

ee. Befund: Die komplementäre Abgrenzung der Reichweite des Formgebots vom Konversionsrahmen Im Ergebnis wird man daher zur komplementären Abgrenzung der Reichweite des Formgebots vom Umdeutungsrahmen gelangen: Umdeutung ist nur dann zulässig, wenn sie in ein solches Rechtsgeschäft erfolgen kann, das von der Reichweite der Formvorschrift (auch in ihrem analogen Anwendungsbereich) nicht erfaßt wird. Wo der (analoge) Anwendungsbereich endet, beginnt der Konversionsrahmen. 3. Die zentrale Bedeutung des tatsächlichen oder hypothetischen Parteiwillens

Von ausschlaggebender Bedeutung ist nach alledem, daß das Konversionsgeschäft von den Parteien gewollt war bzw. gewesen sein würde, hätten sie die Nichtigkeit gekannt. Viele der von Rechtsprechung und Lehre aufgestellten „Tatbestandsmerkmale“ für die Konversion lassen sich diesem generellen Kriterium unterstellen.87

a. Zum Begriff des hypothetischen Parteiwillens Das Konversionsgeschäft soll nicht aufgezwängt werden: Die Umdeutung darf dem tatsächlichen Parteiwillen nicht widersprechen88, und es muß anzunehmen sein, daß die Parteien bei Kenntnis der Nichtigkeit das andere Rechtsgeschäft abgeschlossen hätten.89 Ermittelbarer tatsächlicher Parteiwille ist somit zu respektieren, erst jenseits seiner Grenzen kann der hypothetische Wille wirksam werden.90 Im Rahmen seiner Ermittlung sind jedoch durchaus objektivierende Sichtweisen anzulegen (insbesondere die Beurteilung nach „Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte“, also die Kriterien der ergänzenden Vertragsauslegung91). Auch hier ist darauf hinzuweisen, daß bloß einseitige Motive nicht zur Grundlage der Erforschung hypothetischen Parteiwillens herangezogen werden können; das wurde für den Bereich der Teilnichtigkeit schon gezeigt, es gilt im Rahmen der Konversion freilich genauso.92 Damit im Zusammenhang steht - und auch hier ist Begriffsgleichheit zum Fall der Teilnichtigkeit zu konstatieren -, daß die 87 Am weitesten fortgeschritten und daher strukturell deutlichsten ist wohl die Kommentierung von Mayer-Maly in MüKo I § 140 BGB Rz. 15-19, der die meisten Kriterien bereits demjenigen des hypothetischen Parteiwillens unterordnet (so etwa die Bedeutung der Kenntnis der Nichtigkeit, des tatsächlichen Parteiwillens, der Heranziehung der ökonomischen Zweckrichtung des Vertrages). 88 Hierzu insbesondere Mayer-Maly in FS Flume I 621 (624); ferner H. Roth in Staudinger I § 140 BGB Rz. 25, wonach sich ein wirklicher Parteiwille gegenüber dem hypothetischen selbst dann durchsetzt, wenn er unvernünftg sein sollte; kurzum, es gilt nach allgemeiner Regel: stat pro ratione voluntas. 89 Auch hierzu insbesondere Mayer-Maly in FS Flume I 621 (624). 90 So auch Hefermehl in Soergel I § 140 BGB Rz. 1 und 26; H Roth in Staudinger I § 140 BGB Rz. 25. 91 Vgl. H. Roth in Staudinger I § 140 BGB Rz. 25: nach den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung ...“, obgleich unmittelbar zuvor gesagt wird, Umdeutung gehe weiter als Auslegung (Rz. 24). 92 Für den Bereich der Konversion siehe auch Mühlhans NJW 1994, 1049.

Voraussetzungen der Umdeutung im Zeitpunkt der Vornahme des nichtigen Rechtsgeschäfts vorgelegen haben müssen.93 Insgesamt kann daher für den Begriff des hypothetischen Parteiwillens auf die Ausführungen zur Teilnichtigkeit verwiesen werden. Im folgenden soll es nur noch darum gehen, einzelne Kriterien und Fallbeispiele darzulegen.

b. Die Unkenntnis der Nichtigkeit Aus alledem folgt, daß bei tatsächlich gegebener Kenntnis der Parteien von der Nichtigkeit des Geschäfts eine Umdeutung grundsätzlich nicht in Frage kommt.94 Dies folgt für Deutschland bereits aus § 140 BGB: Die angeordnete Fiktion der Kenntnis zum Zwecke der Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens ist nur sinnvoll, wenn und solange die Parteien tatsächlich die Nichtigkeit nicht kannten. Im Falle der Kenntnis fehlt es an der zu schließenden Vertragslücke. All dies gilt selbstverständlich auch für Österreich, folgt doch der OGH ganz den Kriterien des § 140 BGB.95 Einzuengen ist dieses Ergebnis wiederum96 dadurch, daß manchmal Willenserklärungen, auch wenn sie in Kenntnis der Nichtigkeit abgegeben werden, dennoch mit Rechtsfolgewillen ausgestattet sein können: Zielt die (bewußt nichtige) Parteienabrede z.B. darauf ab, eine Rechtsgrundabrede für die Heilung durch Erfüllung zu schaffen, so kann - wenn Heilung nicht (mehr) in Frage kommt - eine Umdeutung stattfinden. Um Regelfälle handelt es sich hierbei freilich nicht.

c. Das Kriterium der identen wirtschaftlichen Wirkungen

aa. Das Paradebeispiel: Umdeutung wechsel- und scheckrechtlicher Erklärungen (1) Allgemeines Bei Zugrundelegung identer wirtschaftlicher Wirkungen des Konversionsgeschäfts wird es regelmäßig genügen, daß kein wesentlicher Grund gegen die Annahme eines (hypothetischen) Umdeutungswillens spricht.97 Daher lassen sich nichtige Wechselerklärungen sehr leicht in (kaufmännische oder bürgerlich-rechtliche) Anweisungen bzw. (bei Eigenwechseln) in kaufmännische Verpflichtungsscheine umdeuten, zumal dort wirtschaftliche Identität der Wirkungen bei gleichzeitig 93 BGH 5.2.1980 NJW 1980, 2517. 94 Hefermehl in Soergel I § 140 BGB Rz. 9; Krüger-Nieland/Zöller in RGRK I § 140 BGB Rz. 20; § 140 BGB setzt schon seinem Wortlaut gemäß Nichtkenntnis der Nichtigkeit voraus, ansonsten liegt eben eine ergänzungsbedürftige Vertragslücke nicht vor. 95 Vgl. insb. OGH 17.1.1985 SZ 58/12, wo der OGH auf die irrige Meinung der Parteien, die juristische Laien waren, abstellt. Kenntnis hätte daher Umdeutung in diesem Fall wohl ausgeschlossen; schon zuvor erhebt der OGH das, was die Parteien in Kenntnis der Nichtigkeit gewollt hätten, zum entscheidenden Kriterium. Die Prüfung kann aber nur dann vonstatten gehen, wenn es eben an tatsächlicher Kenntnis fehlt. 96 Ähnlich schon oben § 6 VI. 4. b. zu § 139 BGB. 97 Vgl. BGH 15.12.1955 BGHZ 19, 269 (273); hierzu Reinicke 100; eine andere Frage ist es freilich, ob bei Identität der wirtschaftlichen Folgen der Nichtigkeitsgrund des ursprünglich ins Auge gefaßten Rechtsgeschäfts neuerlich vorliegt, z.B. weil die Formvorschrift auf das Konversionsgeschäft analog zu erstrecken ist; hierzu oben § 7 III. 2. c..

reduzierter rechtlicher Zwangsintensität vorliegt. Das ist jedenfalls in der Lehre der hier vertretenen Berichtsländer anerkannt.98 99 (2) Die insofern umdeutungsfreundliche englische Rechtsprechung Der Umdeutung besonders aufgeschlossen ist hier die englische Rechtsprechung. Sie hält die Umdeutung einer Annahme einer bill of exchange in eine promissory note" ebenso für möglich, wie die Umdeutung einer bill of exchange bzw. eines cheque in eine allgemein-privatrechtliche Anweisung (prder to pay) oder Zahlungsermächtigung100 oder gar eine Abtretung (equitable assignment)101. Zuguterletzt können „mißratene“ wertpapierrechtliche Erklärungen auch als Anerkenntnisse102 ausgelegt werden. Insgesamt, so geht es aus der englischen Rechtsprechung in zum Teil wörtlichen Äußerungen hervor, wird nicht gezögert, die wertpapierrechtlichen Erklärungen zwar als nicht negotiabel, allgemein­ privatrechtlich aber als das, „was sie wirklich sind“, zu behandeln.103

(3) Die österreichische und deutsche Rechtsprechung

Auch der österreichische OGH hat die Umdeutung in eine bürgerlich-rechtliche Anweisung104 bzw. in eine Bestätigungsurkunde 105 anerkannt. Auch seiner Rechtsprechung mag man sohin entnehmen, daß formwidrige Papiere jeweils als jenes bürgerlich-rechtliche Institut aufrecht erhalten werden, das von den Parteien gemeint war.106 Entsprechendes gilt grundsätzlich für scheckrechtliche Erklärungen. Als Spezialfall einer Anweisung107 wird der formwidrig ausgestellte Scheck von der deutschen Rechtsprechung jedenfalls als Ermächtigung an den „Bezogenen“ aufrecht erhalten, den angewiesenen Betrag auszuzahlen. Wegen weiterreichender Rechtsfolgen scheidet hingegen eine Umdeutung in ein selbständiges Schuldversprechen, einen kaufmännischen Verpflichtungsschein oder einen

98 Für Deutschland: insbesondere Krampe 264f, mit einer detaillierten Kritik an anderslautender deutscher Rechtsprechung; für Österreich: G.H. Roth 23; für England: Chalmers & Guest on Bills of Exchange 29. 99 Siehe Mason v Lack (1929) 140 LT 696; Britannia Electric Lamp Works, Ltd. v D.Mandler & Co, Ltd. & D.Mandler (1939) 2 KB 129 (wenngleich hier die Umdeutung an anderen Umständen scheiterte); Fielder v Marshall (1861) 3 LT 858. 100 Siehe North & South Insurance Corporation, Ltd. v National Provincial Bank, Ltd. (1936) 1 KB 328. 101 Siehe Percival v Dunn (1885) 29 Ch 128. 102 Siehe Smith & his wife, administratrix of Eastling, v Nightingale (1818) 20 RR 694; vgl. auch Canada Permanent Trust Co. et. al. v Kowal et. al. (1981) 120 DLR (3d) 691 (Ont.), wo ebenfalls schuldkonstituierend ein unilateral contract angenommen wurde; ferner Abacus Cities Ltd. v Cornwall (1982) 43 Canadian Bankruptcy Reports 56 (Alta ). 103 Siehe die entsprechende Äußerung von Bamson, J., in North & South Insurance Corporation, Ltd. v National Provincial Bank, Ltd. (1936) 1 KB 328 (336). 104 OGH 10.4.1907 G1UNF 3.744. 105 OGH 8.3.1888 G1U 12.092. 106 Vgl. auch die Umdeutung einer Wechselbürgschaft auf einem formungültigen Wechsel in eine Bürgschaft nach bürgerlichem Recht durch den OGH 28.3.1996 WB1 1996, 287f. 107 So aus jüngerer Zeit AG Springe 4.6.1986 WM 1987, 309f.

Garantievertrag aus.108 All diese Rechtsgeschäftstypen begründen nämlich primäre Leistungspflichten des Ausstellers, während der Scheckaussteller gemäß Art. 12 SchG nur im Wege des Rückgriffs haftet.109

(4) Insbesondere: Die deutsche Rechtsprechung zur Umdeutung gezogener Wechsel

Zurückhaltender und das mag angesichts der ausdrücklichen Konversionsbestimmung des § 140 BGB verwundern - war die deutsche Rechtsprechung bis in die jüngere Vergangenheit bei gezogenen Wechseln. Formwidrige eigene Wechsel werden von der Rechtsprechung in Übereinstimmung mit der Literatur in kaufmännische Verpflichtungsscheine (§ 363 Abs. 1 Satz 2 HGB) bzw. abstrakte Schuldversprechen (§780 BGB) umgedeutet.110 Die Umdeutung eines gezogenen Wechsels wurde hingegen von der Rechtsprechung abgelehnt.111 Ausführliche Stellungnahmen in der Literatur, nicht zuletzt auch von Höchstrichtern verfaßte, belegen die Unhaltbarkeit der hierfür herangezogenen Gründe.112 Insbesondere vermag es nicht zu überzeugen, wenn in der Annahme des Wechsels durch den Bezogenen, die in einer bloßen Unterschriftsleistung besteht, kein rechtsgeschäftlicher Erklärungstatbestand erblickt wird.113 114 Freilich ist der bloße Skripturakt - will man ihn als eine sonstige Verpflichtungserklärung auffassen - im Lichte der Umstände interpretationsbedürftig. Eine derartige Interpretation muß aber zulässig sein, geht es doch nicht mehr um wechselrechtliche Verpflichtungen, also nicht mehr um die Negotiabilität. Der BGH ist daher von dieser Rechtsprechung jüngst auch abgewichen: „Mit der Begebung der auf den Wechseln befindlichen Unterschriften sind zugleich auch die Anforderungen an einen Vertrag nach § 780 BGB erfüllt."114 Ebenso kann die Ausstellung eines gezogenen Wechsels in eine kaufmännische Anweisung umgedeutet werden. Weil der Wechsel selbst nichts anderes als eine qualifizierte Form des Verpflichtungsscheins bzw. einer Anweisung ist, steht der Aufrechterhaltung nichts im Wege, weil sie zu identen wirtschaftlichen Wirkungen bei einem gleichzeitigen „Minus“ an Rechtszwang führt. Darauf deuten schon die Art. 1 und 75 WG hin, die bei Formverfehlung nicht Nichtigkeit der rechtsgeschäftlichen Erklärung anordnen, sondern die Form in die Begriffsbestimmung der Wechselerklärung aufnehmen. Das WG ordnet damit lediglich an, daß Anweisungen bzw. Verpflichtungserklärungen nur dann erhöhte, nämlich wechselrechtliche Wirksamkeit erlangen, wenn sie in gesetzlich vorgeschriebener, formalisierter Gestalt auftreten. Der daraus resultierende Wegfall solch erhöhter Wirksamkeit infolge Formverfehlung aber weist dem Rechtsanwender geradezu den Weg zur Umdeutung. Im übrigen zeigt 108 So auch jüngst OLG Hamm 14.10.1994 VuR 1995, 316. 109 OLG Karlsruhe 26.10.1976 NJW 1977, 589; OLG Düsseldorf 5.2.1973 WM 1973, 403f. 110 Insbesondere BGH 1.10.1987 ZIP 1988, 16f (18); weitere Nachweise zur älteren Rechtsprechung bei Krampe 267f. 111 Siehe hierzu die detaillierte Rechtsprechungsanalyse bei Krampe 269ff. 112 Nachweise bei Krampe 269f und Reinicke 102ff. 113 Nachweise bei Krampe 269 und 270. 114 BGH 30.11.1993 BGHZ 124, 263 (269) mit zahlreichen Hinweisen auf die (zur früheren Rechtsprechung kritische) Literatur und unter Aufgabe der gegenteiligen älteren Rechtsprechung.

die Rechtsprechung des BGH zur Konversion eines Prozeßvergleichs115, daß er die Doppelnatur von Rechtsgeschäften durchaus im Sinne der Befürwortung der Konversion nützt. Dem Prozeßvergleich kommt nämlich eine solche Doppelnatur die man freilich von jener des Wechsels abgrenzen mag, ohne daß dies die Vergleichbarkeit hinsichtlich der Konversionsmöglichkeiten wesentlich schmälert zu: Er ist einerseits Privatrechtsgeschäft, für das die Regeln des BGB gelten, andererseits und zugleich Prozeßhandlung, deren Wirksamkeit vom Verfahrensrecht abhängt. Der BGH bezeichnet den Prozeßvergleich als eine „Begleitform“ des materiellen Vergleichs, seine Wirksamkeit sei somit an dessen Gültigkeit geknüpft.116 Dies gelte hingegen nicht zwingend auch in umgekehrter Richtung. Vielmehr komme es auf den hypothetischen Parteiwillen an, der wiederum aus der getroffenen Vereinbarung samt den Begleitumständen zu ermitteln sei. War den Parteien im Lichte dieser Begleitumstände an der materiellen Regelung der Streitfrage gelegen, so könne der aus formellen Gründen nichtige Prozeßvergleich in einen gültigen materiellrechtlichen umgedeutet werden. Anderes gilt hingegen, wenn der Grund des Vergleichsschlusses gerade in der prozeßbeendenden Wirkung zu sehen ist.117 In diesem Fall wird die Umdeutung am mangelnden (hypothetischen) Konversionswillen scheitern. bb. Die Affinität der wirtschaftlichen Folgen im übrigen Das Kriterium wirtschaftlich gleichgelagerter Wirkungen gilt freilich auch sonst, weil es ein Kriterium bei der Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens darstellt. Doch ist keine wirtschaftliche Identität gefordert, vielmehr genügt Affinität der Folgen. Die wesentlichen wirtschaftlichen Wirkungen des neuen Rechtsgeschäfts müssen denjenigen des alten entsprechen.118 d. Keine Intensivierung von Rechtsfolgen und Rechtszwang

aa. Grundsatz Das Konversionsgeschäft darf grundsätzlich nicht weitergehen als das zu ersetzende, es muß also gegenüber dem zunächst ins Auge gefaßten Rechtsgeschäft ein rechtliches Minus sein, besser: es darf jedenfalls kein Plus darstellen.119 Die oben dargelegte Konversionsmöglichkeit wechselrechtlicher Erklärungen ist auch insofern ein Paradebeispiel. Dabei haben gerade die angeführten englischen 115 BGH 24.10.1984 NJW 1985, 1962. 116 BGH 24.10.1984 NJW 1985, 1962 (1963). 117 Siehe BGH 24.10.1984 NJW 1985, 1962 (1963). 118 Vgl. z.B. Damm in Alternativkommentar I § 140 Rz. 1: „Umsteigen auf einen anderen Modus der Zielverwirklichung...“; Hefermehl in Soergel I § 140 BGB Rz. 4; vgl. auch KrügerNieland/Zöller in RGRK I § 140 BGB Rz. 15, die z.B. eine Veränderung der subjektiven Äquivalenz durchaus hinnehmen wollen, wenn sie vom hypothetischen Parteiwillen getragen wird. 119 Damm in Alternativkommentar I § 140 BGB Rz. 7; Hefermehl in Soergel I § 140 BGB Rz. 5, wonach allerdings eine resultierende Änderung des Äquivalenzverhältnisses nicht stören soll; unter Umständen soll eine beiderseitige Reduktion der Pflichten erfolgen.

Rechtsprechungsbeispiele120 zu formnichtigen bills of exchange bzw. cheques gezeigt, daß die Umdeutung zu einem Konversionsgeschäft fuhren kann, das mit immerhin gleich starkem Erfüllungszwang ausgestattet ist.121

bb. Der Musterfall: Keine Umdeutung der Bürgschaft in einen Schuldbeitritt oder eine Garantieerklärung Bürgschaftserklärungen bedürfen gemäß § 766 BGB der Schriftform. Ein solches Formerfordernis fehlt bei anderen Rechtsgeschäftstypen, die zur Erreichung eines der Bürgschaft sehr ähnlichen Zieles herangezogen werden können. Dies gilt insbesondere für Schuldbeitritt und Garantieerklärung.122 Trotz ähnlichen wirtschaftlichen Effekts lehnt der BGH eine Umdeutung formnichtiger Bürgschaftserklärungen ab. Für die Rechtsgeschäftstypen Schuldbeitritt und Garantie leuchtet dies unmittelbar ein, weil eine Konversion zu intensiviertem Rechtszwang fuhren würde.123 Beide Rechtsgeschäftsformen stellen nämlich kein Minus gegenüber der Bürgschaftserklärung dar. Vielmehr belastet der Schuldbeitritt den Interzedenten stärker, weil kein Anspruch auf Vorausklage bzw. Vorausmahnung des Hauptschuldners besteht.124 Ähnliches gilt für die Garantieerklärung, weil es bei ihr am Prinzip der Akzessorietät fehlt.125 Die weiterreichenden Rechtsfolgen schließen die Umdeutung aus, weil nicht angenommen werden kann, der Bürge hätte auch die erhöhten Rechtswirkungen dieser anderen Geschäftstypen gewollt.126 In Österreich folgt dies - für die Standardfalle der unentgeltlich gegebenen Bürgschaften - schon aus der gesetzlichen Zweifelsregel, wonach anzunehmen ist, der Schuldner wolle sich die geringere Last auferlegen.127

cc. Die Präzisierung des Grundsatzes im Sinne eines Kriteriums des hypothetischen Parteiwillens (1) Die Problemlosigkeit der Umdeutung unentgeltlicher Verträge

Nicht immer läßt sich scharf zwischen „Plus“ und „Minus“ an rechtsgeschäftlichen Folgen bzw. Rechtszwang unterscheiden. Relativ einfach stellen sich unentgeltliche 120 Oben § 7 III. 2. b.. 121 Insbesondere bei Umdeutung einer Annahme einer bill of exchange in eine promissory note-, hierzu Mason v Lack (1929) 140 LT 696; Fielder v Marshall (1861) 3 LT 858. 122 Zum Kreditauftrag siehe oben § 7 III. 2. c. bb.. 123 Vgl. auch P. Bydlinski, Bürgschaft, lOff. 124 Etwas anderes kann dort gelten, wo sich jemand aufgrund eigenen wirtschaftlichen Interesses als „Bürge und Zahler“ verpflichtet hat; dann gehen die Rechtsfolgen des Schuldbeitritts nicht mehr über jenen der Bürgschaft hinaus. 125 Diese Unterschiede von Schuldbeitritt und Garantie einerseits, Bürgschaft andererseits übersieht Zeiss, WM 1963, 906f (910), wenn er meint, es bestehe zwischen ihnen „Kongruenz“. 126 So auch aus jüngerer Zeit OLG Hamm 15.1.1988 NJW 1988, 3022; der Formzweck des § 766 BGB soll ferner Zurückhaltung selbst bei bloß interpretativer Ermittlung des Rechtsgeschäftstyps dahingehend gebieten, daß ein Schuldbeitritt nicht leichtfertig angenommen werden dürfe. 127 Siehe § 915 ABGB.

Verträge dar: Wiederholt hat die Rechtsprechung unentgeltliche (!) Liegenschaftsveräußerungsverträge trotz Verstoßes gegen die Formvorschrift des §313 BGB mittels Umdeutung aufrecht erhalten. Im Mitgiftfall wurde das Veräußerungsgeschäft in eine Einräumung lebenslangen Nießbrauchs umgedeutet.128 Aus einem formungültigen Hofübergabevertrag wurde ein schuldrechtlicher Nießbrauch129, aus einem Vertrag zur Einräumung von Wohnungseigentum, der gegen die Formvorschrift des § 1 Abs. 2 WEG verstieß, die Zusage eines Dauerwohnrechts.130 (2) Das Problem der Umdeutung synallagmatischer Verträge

Es sind diese Entscheidungen zu Liegenschaftsveräußerungen, welche die Frage nach der Umdeutbarkeit (auch) entgeltlicher Verträge aufkommen ließen. Wenngleich nämlich Krampe zuzugeben ist, daß die oben genannten Rechtsprechungsbeispiele keine synallagmatischen Verträge betrafen131, so hat der BGH jedenfalls obiter auch deren Umdeutbarkeit klar bejaht.132 Dieser schließt eine Steigerung der Pflichten einer Partei, die dann für ein Minus an Gegenleistung denselben Geldbetrag zu entrichten hätte (insofern „mehr“ bezahlen müßte) nicht aus, wenn und solange dies dem hypothetischen Parteiwillen entnehmbar ist. In einem weiteren Fall, der einen Automatenaufstellungsvertrag mit Ausschließlichkeitsbindung betraf und sohin gemäß § 34 GWB a.F. formpflichtig gewesen wäre, bejahte der BGH ausdrücklich die Möglichkeit der Konversion in einen Vertrag ohne Exklusivitätsklausel.133 Zweifelsfrei darf man davon ausgehen, daß die Ausschließlichkeitsbindung nicht unerheblich war, daher Einfluß auf die Höhe der Gegenleistung gehabt hat. Dennoch hat der BGH unter Berufung auf den hypothetischen Parteiwillen die Umdeutungsmöglichkeit bejaht. Inwieweit das Urteil tatsächlich die Zulässigkeit der Umdeutung unter Inkaufnahme einer Verzerrung der subjektiven Äquivalenz zu tragen vermag, muß dennoch mit einem - wenngleich nur kleinen - Fragezeichen versehen werden. Die Klagsumstände zeigen nämlich, daß es sich um eine Klausel handelte, die ausschließlich einer Partei Vorteile brachte. Und es war diese Partei, die sich auf § 140 BGB berief und beteuerte, nicht nur der Prozeßgegner, sondern auch sie hätte notfalls den Vertrag ohne Ausschließlichkeitsbindung geschlossen.134 Man könnte daher diesen Fall besser unter jene einreihen, wo es um den Verzicht auf eine Klausel geht, die ausschließlich zum Vorteil der verzichtenden Partei wirkt.135 Aber trotz dieser 128 RG 6.4.1925 RGZ HO, 391; hierzu Krampe 228f. 129 RG 4.10.1937 JW 1937, 3153; hierzu Krampe 229. 130 BGH 28.11.1962 JZ 1963, 367 (Westermann) = NJW 1963, 339 = WM 1963, 140; hierzu Krampe 228. 131 Krampe 232. 132 BGH 28.11.1962 JZ 1963, 367 (Westermann) = NJW 1963, 339 = WM 1963, 140. 133 BGH 5.2.1980 NJW 1980, 2517; letztlich verweist der BGH freilich die Rechtssache an den Tatrichter zurück, weil er die Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens im Grundsatz als eine Tatfrage ansieht. 134 Siehe die Sachverhaltsfeststellungen und den Bericht über das Verfahren vor dem LG Köln in BGH 5.2.1980 NJW 1980, 2517. 135 Hierzu (nach deutschem Recht) unten § 9 III. 1..

möglichen Erklärungsvariante für den konkreten Fall läßt der Wortlaut der Entscheidung keinen Zweifel darüber, daß es dem BGH um die Überprüfung eines herkömmlichen Konversionsfalles ging.136 Freilich wird - auch wenn der BGH den Eingriff ins Äquivalenzverhältnis für möglich ansieht - größte Zurückhaltung angesagt sein. In der Regel wird es sich um solche Fälle handeln können, in denen nur eine geringfügige, daher „akzeptable“ Beeinträchtigung der Gegenleistung erfolgt. Damit aber ist das Kriterium der minderen Rechtsfolgen des Konversionsgeschäfts nicht als ein striktes Tatbestandsmerkmal, sondern als ein Beurteilungskriterium des hypothetischen Parteiwillens (freilich von erheblicher Bedeutung) anzusehen. Wichtiger wird diese Feststellung, wenn man nicht nur auf die Primärrechtsfolgen, sondern auch auf Sekundärrechtsfolgen, insbesondere Eventualverbindlichkeiten, blickt. Hier wird die Sachlage insofern zusätzlich verkompliziert, als häufig vorweg nicht beurteilbar ist, welches Rechtsgeschäft das Konversions- oder das nichtige Geschäft - ein Mehr an Rechtsfolgen schafft. Erst der tatsächliche Geschehensablauf wird hier Klarheit bringen. Jedoch kann hier wohl schon deshalb ein gelockerter Maßstab angelegt werden, weil sich Vertragsparteien häufig über bloß entfernt liegende Folgen ihres Rechtsgeschäfts keine Gedanken machen. Daher wird auch bei gültig zustande gekommenen Verträgen der Rechtsfolgenirrtum der Parteien im Prinzip für unerheblich gehalten. Weil aber die entfernter liegenden Rechtsfolgen des Konversionsgeschäfts die Parteien nicht stärker überraschen werden als jene des originären Geschäfts, kann hier - mangels gegenteiliger Anhaltspunkte für ein Fehlen des (hypothetischen) Konversionswillens - regelmäßig eine erleichterte Prüfung erfolgen. e. Insbesondere. Die Umdeutung synallagmatischer Verträge unter Wahrung der subjektiven Äquivalenz

Besonders umstritten ist die Zulässigkeit der Umdeutung zweiseitig verbindlicher, insbesondere synallagmatischer Verträge. Bedenken gegen eine Umdeutung werden bei diesen, zahlenmäßig bedeutendsten Vertragsarten dann vorgebracht, wenn die Konversion zugleich einen Eingriff ins Preisgefüge darstellt.137 Aber abgesehen davon, daß dies nicht notwendig bei jeder Konversion eines synallagmatischen Vertrages zutrifft, läßt der BGH keinen Zweifel daran, daß die Verzerrung des Äquivalenzverhältnisses noch kein endgültiges Hindernis für die Umdeutung zu sein braucht. Es können nämlich Umstände vorliegen, welche die Annahme eines hypothetischen Parteiwillens zur Aufrechterhaltung des Vertrages trotz geänderter Wertverhältnisse hinsichtlich der synallagmatisch verknüpften Leistungen rechtfertigen.138 Westermann hat darüber hinaus vorgeschlagen, bei umdeutungsbedingter Wertänderung einer Leistung auch den Wert der Gegenleistung entsprechend anzupassen.139 Freilich wurde dem mancherlei entgegengehalten: Einerseits meinten Vertreter der Auslegungstheorie, solche Ergebnisse könnten nicht mehr als Auslegung im weitesten Sinne verstanden 136 BGH 5.2.1980 NJW 1980, 2517. 137 Vgl. die Ausführungen von Krampe 23Off. 138 Vgl. auch Reinicke 113ff. 139 Westermann JZ 1963, 368 f (369).

werden140, zum anderen befürchtete man eine Gefahr für die Privatautonomie, wenn der vereinbarte Preis infolge Umdeutung vom Richter abgeändert würde.141 Indessen scheint Westermann in diesem Punkt fehlverstanden: Ihm geht es nämlich nicht um eine neue Preisbemessung durch den Richter, also keineswegs um die Festsetzung eines „gerechten Entgelts“. Vielmehr plädiert Westermann gerade für eine Veränderung der Gegenleistung unter Beibehaltung des von den Parteien festgesetzten Äquivalenzverhältnisses.142 In Relation zur Wertminderung der einen Leistung wird auch die Gegenleistung herabgesetzt. Soweit die Ermittlung solcher Werte im jeweiligen Einzelfall möglich ist, bleibt tatsächlich unklar, warum ein gewonnener hypothetischer Parteiwille die Umdeutung nicht stützen sollte. Warum also sollte die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts der Privatautonomie der Parteien mehr entgegenkommen als die Aufrechterhaltung mittels Umdeutung, wenn das mithilfe des hypothetischen Parteiwillens ermittelte Konversionsgeschäft die von den Parteien im nichtigen Rechtsgeschäft festgesetzte subjektive Äquivalenz wahrt?

140 Krampe 232. 141 Reinicke 115f. 142 Westermann JZ 1963, 368f (369); zustimmend Hefermehl in Soergel I § 140 BGB Rz. 5.

§8

I. Die geltungserhaltende Auslegung als Ergebnis einer kombinierten Anwendung von Teilnichtigkeit und Konversion Umdeutung und Teilnichtigkeit können nicht nur isoliert, sondern auch kombiniert zur Anwendung kommen. Dabei sollte man sich auf eine Diskussion des Vorrangs einer der beiden Aufrechterhaltungsvarianten erst gar nicht einlassen1, weil sie unfruchtbar ist. Ganz offenbar sind es verbindende Elemente, die beide Institute auszeichnen. Jede Abtrennung durch eine nur alternative oder bloß nacheinander gestaffelte Anwendung (erst Teilnichtigkeit, dann Umdeutung) wäre verfehlt und dem Wesen dieser Institute nicht entsprechend. Richtig hebt bereits Fischer die Möglichkeit einer kombinierten Anwendung von Teilnichtigkeits- und Konversionsregeln hervor.2 Das von ihm gewählte Beispiel3 zeigt, daß beide Institute weder unabhängig voneinander noch zeitlich nacheinander angewendet werden müssen, sondern in Interrelation treten, und sich beide Aufrechterhaltungsmechanismen gegenseitig bedingen bzw. unterstützen können: In einem Pachtvertrag war unter anderem vereinbart, daß die Konzession des Verpächters auf den Pächter übergehen soll. Diese Abrede verstieß gegen gewerberechtliche Bestimmungen und war daher gemäß § 134 BGB nichtig. Das KG Berlin hielt den Gesamtvertrag aufrecht, indem es die teilnichtige Bestimmung für sich einer Konversion nach § 140 BGB unterwarf. Die Abrede über die Übertragung der Konzession wurde in eine Garantie des Verpächters umgedeutet, dem Pächter werde die Konzession erteilt. Fischer betont, es sei hier die Konversion nur möglich gewesen, weil auch der Geschäftsrest nach Teilnichtigkeitsregeln Bestand hatte. Umgekehrt sei aber der von der Nichtigkeit nicht betroffene Teil nur aufrechterhalten worden, weil der nichtige Teil konversionsfähig war und man annehmen durfte, der Gesamtvertrag wäre mit dem insgesamt geänderten Inhalt geschlossen worden.4 II. Schlußfolgerung: Die Verschmelzung der Institute zur „geltungserhaltenden Auslegung" Das von Fischer dargelegte Beispiel sollte den Blick auf die Gemeinsamkeiten von Teilnichtigkeits- und Konversionsregel lenken. Ganz offenbar gehen § 139 und § 140 BGB beide davon aus, daß die Parteien bei Vertragsschluß den Nichtigkeitsumstand nicht bedacht5 und daher keine vorsorgende Regelung 1 Hingegen geht Hefermehl in Soergel I § 140 BGB Rz. 28 wohl von einem Vorrang des § 139 BGB aus. Allerdings wird auch bei seinen Ausführungen das kombinierte Wirken der Instrumente klar: Egal ob § 139 BGB zur Gesamtnichtigkeit oder Teilnichtigkeit fuhrt, die nichtigen Vertragsteile sind jeweils der Umdeutung nach § 140 BGB zugänglich. 2 Fischer in FS Wach I 179 (266). 3 Es geht zurück auf eine Entscheidung des KG Berlin 21.10.1904 OLGE 10, 140. 4 Siehe Fischer in FS Wach I 179 (266). 5 Daß in Sonderfallen die Regeln der §§ 139, 140 BGB selbst bei Kenntnis von der Nichtigkeit zur Anwendung kommen, hierzu schon oben § 6 VI. 4. b. und § 7 III. 3. b..

getroffen haben. Beide Institute überlassen es dem (hypothetischen) Parteiwillen, die Frage des Vertragsrisikos (Totalvernichtung oder Aufrechterhaltung eines Teils bzw. in anderer Form oder beides kombiniert) zu entscheiden. Dann aber erscheint es möglich, in Fällen der Nichtigkeit die Frage nach der Aufrechterhaltung des Vertrags ganz allgemein nach dem hypothetischen Parteiwillen zu entscheiden. So kann den §§ 139, 140 BGB ein Prinzip der geltungserhaltenden, z.B. gesetzes- und sittenkonformen Auslegung entnommen werden.6 Sie sind als Optimierungsinstrumente der Abstimmung von autonomer Parteiendisposition und objektiver Ordnung zu verstehen. Es überrascht keineswegs, daß angesichts der ausdrücklichen Bestimmungen der §§139 und 140 BGB, die nicht nur inhaltlich verwandt sind, sondern auch in ihrer Stellung im BGB unmittelbar aufeinanderfolgen, in Deutschland ein Prinzip „gesetzeskonformer Auslegung“ der Rechtsgeschäfte behauptet wird. In überzeugender Weise hat Hager ein solches Auslegungsinstitut unter anderem diesen beiden Vorschriften entnommen.7 Freilich ist auch an dieser Stelle darauf hinzuweisen, daß der Begriff der geltungserhaltenden Auslegung dann zu eng gefaßt ist, wenn man das den §§139 und 140 BGB unterliegende Geschäftsgrundlagenargument nicht mehr zur Auslegung zählen will. Indessen kommt dem auch hier keine praktische Bedeutung zu, weil man sich - unabhängig von der genauen dogmatischen Zuordnung - jeweils des hypothetischen Parteiwillens als Aufrechterhaltungskriteriums bedient.8

III. Die aufrechterhaltende Auslegung als „gesetzeskonforme“ Auslegung bei formnichtigen Verträgen 1. Das Problem

Dabei ist allerdings ins Licht zu rücken, daß Hager meint, Aufrechterhaltung durch gesetzeskonforme Auslegung sei bei formnichtigen Geschäften nicht möglich.9 An mehreren sogleich erörterten Teilaspekten macht er seine Ansicht fest.

2. § la Abs. 1 AbzG schließt geltungserhaltende Auslegung nicht aus

Behauptet Hager die Nichtanwendbarkeit des Prinzips geltungserhaltender Auslegung bei formnichtigen Verträgen, so geht er damit gerade auch im Sinne seiner eigenen Ausführungen zu weit. Er selbst behandelt nämlich die Aufrechterhaltung von Geschäften nach § 140 BGB als Fall geltungserhaltender Auslegung10; dabei bezweifelt er keineswegs, daß Konversion auch bei

6 Siehe insbesondere die im Grundsatz überzeugende Arbeit von Hager, Gesetzes- und sittenkonforme Auslegung und Aufrechterhaltung von Rechtsgeschäften, München 1983. 7 Hager interpretiert sowohl § 139 BGB (107f) als auch § 140 BGB (115f) als Fälle gesetzeskonformer Auslegung. Er folgert weiter, daß die beiden Vorschriften parallel anwendbar sind, insoweit es eben um die Frage gesetzeskonformer Fassung des Rechtsgeschäfts geht (158). 8 Wenn sohin im folgenden kurz von „geltungserhaltender Auslegung“ die Rede ist, dann sind damit eben auch die Geschäftsgrundlagenerwägungen gemeint. 9 Hager 170f. 10 Hager 115ff und 154ff.

formnichtigen Verträgen möglich ist.11 Wenn er § la Abs. 1 AbzG als Beispiel dafür anfuhrt, Auslegung könne die Beurkundung nicht ersetzen, so ist zweierlei zu entgegnen: Zum einen ist das Abzahlungsgesetz, wie es ehedem bestanden hat, in vielerlei Hinsicht in die Sondergruppe der bestimmenden Nichtigkeitsnormen einzureihen, die in dieser Arbeit eigens dargestellt werden sollen.12 Insoweit das Abzahlungsgeschäft aber - vor seiner Invollzugsetzung - schlicht „nichtig“ ist, besteht zunächst kein Anlaß, §§139 und 140 BGB nicht darauf anzuwenden; so etwa, wenn infolge der endgültigen Leistungsverweigerung des Abzahlungsverkäufers eine Heilung13 nicht mehr in Frage kommt. Folglich ist mit Hilfe des hypothetischen Parteiwillens die Frage der Teilnichtigkeit bzw. der Konversion zu prüfen.14 Anderes könnte nur gelten, wenn man § la Abs. 1 AbzG insgesamt als eine bestimmende Nichtigkeitsnorm ansehen würde, die selbst eine Prüfung nach §§ 139, 140 BGB ausschließt: Dann aber wäre § la Abs. 1 AbzG als eine untypische Formvorschrift zu bewerten, die ihrer Spezialität wegen für Formvorschriften im allgemeinen nichts auszusagen vermag. Wie immer man also § la Abs. 1 AbzG verstehen mag, er widerspricht jedenfalls nicht einer Anwendung der Prinzipien geltungserhaltender Auslegung bei formnichtigen Geschäften im allgemeinen. 3. Geltungserhaltende Auslegung und Übereilungsschutz Wenn Hager weiters auf den Zweck des § 313 Satz 1 BGB, die Beratung und Überlegung zu sichern, abstellt15, dann ist hervorzuheben, daß sich dieser Zweck z.B. bei teilweiser notarieller Beurkundung hinsichtlich des beurkundeten Parts erfüllt hat. Dasselbe gilt hinsichtlich eines nicht beurkundungspflichtigen Teils oder aber eines nicht beurkundungspflichtigen Ersatzgeschäfts im Rahmen der Konversion. Hier bedarf es eben nicht der Normzweckerfüllung, weil der Normzweck nicht nach Formalisierung des Geschäftsrests bzw. Konversionsgeschäfts verlangt. In beiden Fällen kann also von gesetzeskonformer Auslegung des Vertrages gesprochen weden. Freilich kann durch gesetzeskonforme Auslegung niemals jener Vertrag ermittelt und in der Folge auffechterhalten werden, welcher bei Formwahrung vereinbart worden wäre. 4. Die Fiktion von Tatbestandselementen

Plötzlich wechselt Hager dann seine Argumentationslinie und meint, die Ablehnung der geltungserhaltenden Auslegung beim formgebundenen Rechtsgeschäft entspreche der h.L., wonach Tatbestandsmerkmale im Rahmen des § 140 BGB

11 Hager 170 FN 8, wo er betont, Umdeutung dürfe den Formzweck nicht vereiteln, was aber bei gesetzeskonformer Auslegung ohnehin eine Selbstverständlichkeit ist; hierzu eben auch oben, wo die komplementären Anwendungsbereiche von Formgebot und Umdeutung dargelegt wurden, § 7 III. 2. c.. 12 Unten § 10. 13 Siehe § la Abs. 3 AbzG. 14 Insofern ist das Abzahlungsgesetz nämlich keine bestimmende Nichtigkeitssanktion. 15 Hager 170f.

nicht fingiert werden dürften.16 Zu dieser Frage wurde bereits Stellung genommen, auf die entsprechenden Ausführungen kann verwiesen werden.17 Angemerkt sei lediglich nochmals, daß es um eine Fiktion von Tatbestandselementen eben nicht geht, sondern - eigentlich ganz im Sinne der Ausführungen von Hager - um deren Ermittlung anhand des hypothetischen Parteiwillens. Insgesamt meint Hager wohl auch an dieser Stelle, die Bezeichnung als gesetzeskonforme Auslegung setze voraus, daß bei formwidrigen Geschäften dasjenige Rechtsgeschäft ermittelt wird, welches bei Formwahrung geschlossen worden wäre.18 Das ist freilich nicht möglich. Indessen hat geltungserhaltende („gesetzeskonforme“) Auslegung bei Formvorschriften zu bedeuten, daß sich das Rechtsgeschäft dem gesetzlichen Formgebot anpaßt: Aufrechterhalten wird ein Geschäft, welches vom Formgebot nicht erfaßt wird und dem hypothetischen Parteiwillen entspricht. IV. Die Bedeutung des Auslegungs- und Geschäftsgrundlagenansatzes für Österreich

Mit Blick auf Österreich sind hingegen jene Ausführungen von Hager von größerer Bedeutung, die ein Verständnis des § 140 BGB als eines Auslegungsinstruments nahelegen.19 20 Er folgt damit Krampe^, geht aber zugleich über dessen Ausführungen hinaus, weil er die Konversion in den größeren Zusammenhang der aufrechterhaltenden Interpretation stellt. Wenn Hager hingegen § 139 BGB nicht als Auslegungsregel ansehen will21, so bedarf dies einer - zumindest terminologischen - Korrektur. Zum einen kann nämlich nicht geleugnet werden, daß das Aufrechterhaltungskriterium des hypothetischen Parteiwillens ganz jenem nach § 140 BGB gleicht. Dies betont Hager ja selbst.22 Vielmehr geht es Hager um die Bereinigung jener Inkonsistenz, die § 139 BGB aufwirft, wenn man die „Gesamtnichtigkeitsvermutung“ anerkennt, weil dies zur Widerlegbarkeit einer Rechtsvermutung führen würde. Indessen skizziert er selbst die richtige Lösung: Einerseits gehe es nicht an, § 139 BGB als eine Regelung zu verstehen, die lediglich auf den realen Parteiwillen abstelle, der von jener Partei zu beweisen wäre, die sich auf die Restgültigkeit beruft. Andererseits soll die Regelung die Argumentationslast (besser wohl: die Beweislast hinsichtlich jener Umstände, die für eine Aufrechterhaltung sprechen) verteilen. Ohne einen Nachweis solcher Umstände, die für eine Aufrechterhaltung sprechen, ist daher auf ein Fehlen des Aufrechterhaltungswillens zu schließen. Dabei wäre es insgesamt angebracht, mit Mayer-Maly die mithilfe des Aufrechterhaltungskriteriums des hypothetischen Parteiwillens vollzogene Abkehr von einer „verunglückten Regelung“

16 Hager 170f. 17 Siehe oben § 7 III. 2. a.. 18 Ein solches Vorgehen ermöglicht § 139 BGB aber nicht; vgl. die wiederholten Beteuerungen, z.B. bei Larenz 463, der eine „richterliche Vertragskorrektur“ ablehnt; ferner Hefermehl in Soergel I § 139 BGB Rz. 41. 19 Siehe für die Umdeutung insbesondere Hager 154ff. 20 Krampe (passim). 21 Hager 15 Iff. 22 Hager 156ff.

einzugestehen.23 Letztlich ist also Hagers Aussage auf die „Gesamtnichtigkeitsvermutung“ in § 139 BGB zu beschränken, nicht hingegen auf das Kriterium zur Aufrechterhaltung (den hypothetischen Parteiwillen) zu erstrecken. Nur in diesem Sinne ist zu sagen, §139 BGB sei mehr als eine Auslegungsregel. Demgegenüber entspricht das Kriterium des hypothetischen Parteiwillens voll und ganz dem analogen Kriterium bei der ergänzenden Vertragsauslegung und der Konversion. Diese Erkenntnis ist freilich für das deutsche Recht nicht von unmittelbarer praktischer Relevanz, kann sie doch ein Institut der Aufrechterhaltung unter Zugrundelegung des Kriteriums des hypothetischen Parteiwillens aus §§139 und 140 BGB auch dann ableiten, wenn diese nicht (nur) als Fälle ergänzender Vertragsauslegung angesehen werden. Gerade in diesem Sinne hat ja Hager - genau so, wie es auch hier vertreten wird24 betont, daß jedenfalls dieselben Methoden verwendet werden.25 Ob man dann den Schluß zieht, §§ 139, 140 BGB seien Fälle der ergänzenden Vertragsauslegung, oder aber eine Unterschiedlichkeit weiter behauptet, ist aus funktioneller Sicht nachrangig. Hingegen ist der Ansatz, §§139 und 140 BGB als Spezialfälle ergänzender Auslegung und letztlich der Lehre von der Geschäftsgrundlage zu begreifen, für Österreich deshalb von besonderer Bedeutung, weil es dort an derartigen Spezialvorschriften, die ihrerseits eine Analogiegrundlage darstellen könnten, (teilweise) fehlt. Zwar findet sich eine Teilnichtigkeitsbestimmung in § 878 Satz 2 ABGB, die - wie dargelegt - eine Analogiebasis für andere Teilnichtigkeitsfalle in sich birgt, doch fehlt es an einem entsprechenden Gegenstück für die Konversion. Die von Binder als gesetzliche Konversionsfälle markierten Tatbestände des ABGB26 enthalten das Kriterium des hypothetischen Parteiwillens eben nicht. Sie können daher schwerlich als Analogiebasis für eine aufrechterhaltende Interpretation nach Maßgabe der ergänzenden Auslegung bzw. der Lehre von der Geschäftsgrundlage herangezogen werden. Sehr wohl kennt das ABGB indessen die ergänzende Vertragsauslegung und die Behandlung der Geschäftsgrundlagenfälle nach dem Kriterium des hypothetischen Parteiwillens.27 Die Einsicht, daß Fragen der Teilnichtigkeit und Konversion letztlich nach genau denselben Erwägungen behandelt werden wie ergänzende Auslegung und Geschäftsgrundlagenfälle allgemein, kann auch im Rahmen des österreichischen Rechts zur Anerkennung eines Prinzips geltungserhaltender Auslegung herangezogen werden. Teilnichtigkeitsregeln und Konversionsmöglichkeiten können - wie oben für das deutsche Recht dargelegt28 - kombiniert zur Anwendung gebracht werden.

23 Siehe Mayer-Maly in MüKo I § 139 BGB Rz. 2; zur Umkehrung der Vermutung durch die deutsche Rechtsprechung und Lehre oben § 6 V.. 24 Oben § 6 VI. 4. a. sowie § 7 III. 1.. 25 Hager 155 (Gleichwertigkeit von ergänzender Auslegung und § 140 BGB), sowie 156ff (Gleichwertigkeit von § 139 BGB und § 140 BGB). 26 Binder 7 Iff. 27 Siehe § 914 ABGB, sowie - für die Lehre von der Geschäftsgrundlage - Rummel in Rummel I § 901 ABGB Rz. 6; hierzu auch Bydlinski ÖBA 1996, 499 (505) trotz von der h.L. abweichender Konstruktion seiner Ansicht zum Wegfall der Geschäftsgrundlage. 28 Siehe oben § 81..

§’

I. Problemstellung

Es ist ferner auf solche Fallgestaltungen einzugehen, in denen das Instrument aufrechterhaltender Interpretation nicht zur Gültigkeit eines Geschäftsrests bzw. eines Ersatzgeschäfts fuhrt, weil es an einem entsprechenden hypothetischen Parteiwillen mangelt.1 Dann, so muß schlicht die Konsequenz lauten, erstreckt sich die Formnichtigkeit auch auf den Geschäftsrest bzw. das Ersatzgeschäft. Das ist jedenfalls im Bereich des § 139 BGB schon Folge einer Wortlautinterpretation, weil dieser Vorschrift zufolge die Nichtigkeit auf das gesamte Geschäft ausgedehnt wird. Folglich müßte z.B. in Deutschland die Nichtigkeit absolut und amtswegig wahrzunehmen sein, wenn und solange man der h.L. zu § 125 BGB folgt.2 Folgt man indessen dem Konzept der Relativierung der Nichtigkeit nach § 125 BGB, so würde die Qualität der Nichtigkeit des „an sich gültigen“ Geschäfts wiederum von der jeweiligen Schutzrichtung der Formvorschrift abhängen. Trotzdem wird in besonderen Fällen anders entschieden, wobei sich die Lehre diesen Entscheidungen jedenfalls im Ergebnis anschließt.3 Auch in England und den USA hat sich eine derartige Rechtsprechung etabliert.4 Auf diese, die derivative Nichtigkeit relativierende Rechtsprechung und Lehre, ist sohin näher einzugehen. II. Die Rechtsprechung in England und USA Am deutlichsten ist die Relativierung der Sanktion in England ausgesprochen worden. Es sind zwei Fallkonstellationen, in denen die Rechtsprechung die teilweise Fehlbeurkundung für unschädlich hält: Erstens, wenn es sich um die Nichtbeurkundung einer Klausel handelt, die ausschließlich zugunsten einer Partei wirkt und diese auf die Geltendmachung der Klausel verzichtet; zweitens, wenn es sich um eine Klausel ausschließlich zum Nachteil einer Partei handelt und diese sich bereit erklärt, die Klausel zu erfüllen. Indessen ist gleich an dieser Stelle anzufügen, daß diese Rechtsprechung, jedenfalls was das neue Formgebot der 5. 2 Law of Property (Miscellaneous) Provisions Act 1989 anlangt, überholt scheint. Denn es wird für diese neue Konstitutivform von der Nichtanwendbarkeit der dargelegten Rechtsprechung gesprochen.5 Allerdings wird im Schrifttum hervorgehoben, das Institut der rectification würde die meisten dieser Fälle ohnehin zufriedenstellend lösen.6

1 Nicht hierher gehören die Fälle, in denen Teilnichtigkeit oder Konversion schon an objektiven Tatbestandskriterien scheitern. 2 Zum Nichtigkeitsbegrif allgemein oben § 11.. 3 Hierzu sogleich unten § 9 III.. 4 Auch hierzu sogleich unten § 9 II.. 5 So Note 1987 Conv 313 (317), wobei freilich gerade deshalb der Vorwurf übertriebenen Formalismus erhoben wird (318); ebenso Note EG 1989, No. 8938, 127; ebenso Annand LQR 105 (1989) 553 (557). 6 So z.B. Thompson 1995 Conv 484 (486).

1. Die Aufrechterhaltung des Geschäftsrests bei Verzicht auf eine nicht beurkundete Klausel, die nur zugunsten der verzichtenden Partei wirkt Unstreitig wird in der englischen Rechtsprechung anerkannt, eine Partei könne die Durchsetzung des Vertrages fordern, wenn sie ihrerseits auf eine nicht beurkundete Klausel, die nur zu ihren Gunsten wirkt, verzichtet.7 8Wenn allerdings Morrell v Studd & Millington9 hierfür als Beleg angeführt wird, so trifft dies nicht ganz zu.9 In diesem Fall wurden nämlich die Formerfordernisse des Statute of Frauds für gewahrt angesehen, doch war der umstrittene Kaufvertrag vom Verkäufer nur unter der Bedingung einer Sicherheitsleistung für den noch zu bezahlenden Kaufpreisrest geschlossen worden. Diese Bedingung wurde nicht erfüllt, jedoch bestand der Verkäufer gar nicht mehr darauf Das Gericht billigte ihm die Aufrechterhaltung des Vertrages ohne die Bedingung zu10, zumal sie ausschließlich zu seinen Gunsten wirkte. Kurze Zeit später wird dieselbe Argumentation dann zur Lösung eines echten Formproblems herangezogen. In North v Loomes11 geht es um einen Grundstückskaufvertrag, der nach der Absicht der Parteien eine Abrede enthalten sollte, derzufolge der Käufer alle Kosten tragen müsse; diese Vereinbarung wurde aber nicht beurkundet. Das Gericht verweigert es hier dem Käufer, der zunächst die Einrede der mangelnden Form nach dem Statute of Frauds nur ganz pauschal erhoben hatte (weil es eben sein Interesse war, vom Vertrag ganz loszukommen), seine Einrede zu ergänzen, weil darin ein widersprüchliches Verhalten, insbesondere ein Ausnutzen des Gesetzes nach Günstigkeit erkannt wird. Aber das Gericht äußert sich gerade auch zur - freilich nur noch hypothetisch zu beurteilenden - Frage, ob eine derartige Einrede überhaupt möglich sei. Younger, J., führt dabei aus, daß die Klausel offenbar beiden Parteien nicht so wichtig war, als daß sie diese in die schriftliche Fassung übernommen hätten.12 Wenn diese Klausel nur einer Partei günstig sei, diese aber nicht auf Erfüllung bestehe, dann sei der Restvertrag durchsetzbar; kurzum: trotz Formzwangs gemäß Statute of Frauds sei das Prinzip der Verzichtbarkeit bloß begünstigender Abreden, wie es allgemein in Hawksley v Outram13 zum Ausdruck komme, anwendbar.14 In Ram Narayan s/o Shankar and another v Rishad Hussain Shah s/o Tasaduq Hussain Shah15 kann die Frage -

7 Siehe North v Loomes (1919) 1 Ch 378; Ram Narayan s/o Shankar and another v Rishad Hussain Shah s/o Tasaduq Hussain Shah (1979) 1 WLR 1349 (wo allerdings der Kläger eben nicht auf die Ansprüche aus der Klausel verzichtet hat); auch Hawkins v Price (1947) 1 Ch 645 bezweifelt im Grundsatz nicht die Gültigkeit dieser Rechtsprechung, meint aber, im gegebenen Falle handle es sich nicht um eine nur einseitig begünstigende Klausel und überdies um eine essentielle Abrede. 8 Morrell v Studd & Millington (1913) 2 Ch 648. 9 So aber Whittaker in Chitty 1271 mit FN 82. 10 Astbury, I, in Morrell v Studd & Millington (1913) 2 Ch 648 (660). 11 North v Loomes (1919) 1 Ch 378. 12 Younger, I, in North v Loomes (1919) 1 Ch 378 (385). 13 Hawksley v Outram (1892) 3 Ch 359. 14 Younger, I, in North v Loomes (1919) 1 Ch 378 (383). 15 Ram Narayan s/o Shankar and another v Rishad Hussain Shah s/o Tasaduq Hussain Shah (1979) 1 WLR 1349.

wenngleich sie sich gerade angesichts der prinzipiellen Unteilbarkeit des Vertrages16 gestellt hätte - offengelassen werden, weil der Kläger eben nicht auf die ihn begünstigende Klausel verzichtet.17 Obwohl bisweilen als gegenläufige Entscheidung zitiert18, bestätigt auch Hawkins v Price19 diese Rechtsprechung. Nirgends in dieser Entscheidung wird die Richtigkeit der soeben angeführten Judikatur bezweifelt, doch lassen zwei Umstände das Ergebnis anders ausfallen: Erstens beurteilt Evershed, J., die in Frage stehende Klausel als eine nicht ausschließlich begünstigende20; das braucht hier nicht weiter erörtert zu werden. Zweitens, und hierin liegt eine Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung, glaubt er, der Entscheidung North v Loomes das Kriterium der Unerheblichkeit der ausschließlich begünstigenden Klausel entnehmen zu können.21 Doch betont er selbst seine Zweifel und verweigert es, eine allgemeine Regel aufzustellen.22 Ferner wird in Scott v Bradley23, auch wenn es dort um den weiter unten behandelten, reversiven Fall geht24, gerade im Hinblick auf diese Rechtsprechung das Kriterium der Unwichtigkeit der begünstigenden Bestimmung, auf die verzichtet werden soll, ausdrücklich kritisiert. Plowman, J., fuhrt richtig aus, daß der Verweis auf die „Unwichtigkeit" der Klausel in North v Loomes nur die Erklärung bilden sollte, wie es zur Nichtbeurkundung kam, nicht hingegen eine Voraussetzung für ihre Verzichtbarkeit darstellte.25 Zusammenfassend gilt daher: Enthält ein Vertrag eine formwidrige Klausel, die nur zugunsten einer Partei wirkt, so ist es dieser Partei anheimgestellt, auf Erfüllung des formgetreuen Geschäfts zu bestehen, wenn sie auf die formwidrige Klausel verzichtet. 2. Die Aufrechterhaltung des Gesamtgeschäfts bei Bereitschaft zur Erfüllung der nicht beurkundeten Klausel durch die daraus ausschließlich benachteiligte Partei

Englische Gerichte haben nicht gezögert, den reversiven Fall nach denselben, eben dargelegten Kriterien zu entscheiden. Wirkt eine nicht beurkundete Klausel ausschließlich zu Lasten einer Partei, so steht es dieser frei, durch Erfüllung der Pflicht den Vertrag aufrecht zu erhalten. Das wurde in Martin v Pycroft erstmals ausdrücklich betont.26 Jedoch versucht Burgess v Cox, eine Differenzierung herbeizuführen, wonach zwar der Verzicht auf nichtbeurkundete günstige Klauseln zulässig sein soll, nicht hingegen die Aufrechterhaltung des Gesamtgeschäfts durch 16 So die deutlichen Ausführungen von Lord Russel of Killowen in Ram Narayan s/o Shankar and another v Rishad Hussain Shah s/o Tasaduq Hussain Shah (1979) 1 WLR 1349 (1352). 17 Siehe Lord Russel of Killowen in Ram Narayan s/o Shankar and another v Rishad Hussain Shah s/o Tasaduq Hussain Shah (1979) 1 WLR 1349 (1351). 18 Siehe Whittaker in Chitty 1271 mit FN 83. 19 Hawkins v Price (1947) 1 Ch 645. 20 Evershed, I, in Hawkins v Price (1947) 1 Ch 645 (657a.E.). 21 Evershed, I, in Hawkins v Price (1947) 1 Ch 645 (660). 22 Evershed, I, in Hawkins v Price (1947) 1 Ch 645 (659f). 23 Scott v Bradley (1971) 1 Ch 850. 24 Siehe sogleich unten § 9 II. 2.. 25 Siehe Plowman, J, in Scott v Bradley (1971) 1 Ch 850 (855); das wird von Whittaker in Chitty I 271, der nach wie vor ein Kriterium der Nichterheblichkeit der Klausel anfuhrt, wohl übersehen. 26 Vgl. Knight Bruce, L.J., in Martin v Pycroft (1852) 95 RR 324 (331).

Erfüllungsbereitschaft hinsichtlich einer ausschließlich benachteiligenden Klausel.27 Plowman, J,, analysiert diese Entscheidung in Scott v Bradley ausführlich.28 Er kommt zum Ergebnis, daß Burgess v Cox unvereinbar sei mit Martin v Pycroft, und folgt aufgrund hierarchischer Überlegungen (Martin v Pycroft wurde vom Court of Appeals entschieden) letzterer.29 30Doch hat es Plowman zuvor keineswegs unterlassen, jene literarischen Ausführungen von Megarry3Q wörtlich zu zitieren, welche die Entscheidung Burgess v Cox heftig kritisieren.31 Aber er braucht sich der Meinung von Megarry nicht ausdrücklich anzuschließen, erreicht er dasselbe Ergebnis doch schon, indem er der vorgehenden Court-of-Appeals-Ent3chQ\ä\in^ folgt. Die Kritik von Megarry läßt indessen an Deutlichkeit nichts vermissen. Er meint, die Entscheidung in Burgess v Cox widerspreche Martin v Pycroft32', ferner sei kein Unterschied zu jenen Fällen auszumachen, in denen eine Partei auf eine ihr ausschließlich günstige, nicht beurkundete Klausel verzichte. Beide Male gehe es doch um die Nichtbeurkundung einer Klausel, und beide Male erkläre eine Partei, den Nachteil aus dieser Klausel zu übernehmen, der anderen sohin den Vorteil zu gewähren.33 Ja, er verstärkt das Argument noch dadurch, daß es im Falle der Erfüllungsbereitschaft einer nicht beurkundeten, belastenden Klausel zur Gesamtdurchsetzung des Vertrages komme; hierzu - so die Ansicht von Megarry müsse ein Gericht eher bereit sein, als zu einer nur teilweisen Durchsetzung. Dies deshalb, weil in Wirklichkeit ein mündlicher Vertrag, der durch das memorandum zu beweisen sei, durchgesetzt werde.34 Das letzte Argument läßt sich freilich nur unter der Prämisse der Gültigkeit mündlicher Verträge, denen es wegen Nichtbeurkundung lediglich an der gerichtlichen Durchsetzbarkeit mangelt, halten. Für die neue Konstitutivform der s. 2 Law of Property (Miscellaneous Provisions) Act 1989 ist die Frage ohnehin gegenstandslos geworden.35

3. Die teilweise Bestätigung der englischen Rechtsprechung im US-amerikanischen Recht

Die angeführte englische Rechtsprechung hat auch in den USA Anerkennung gefunden. Im Restatement 2d, Contracts, findet sich § 147 par. 1, der die Durchsetzung von Verträgen erlaubt, wenn die Partei, für welche die nicht beurkundete Klausel ausschließlich günstig wirkt, auf diese Abrede verzichtet.36 Nicht hingegen wurde der gegenteilige Fall anerkannt: Es finden sich keine

27 So Harmann, J., in Burgess v Cox (1951) 1 Ch 383 (391). 28 Siehe Scott v Bradley (1971) 1 Ch 850. 29 Plowman, I, in Scott v Bradley (1971) 1 Ch 850 (857aE f). 30 Megarry LQR 67 (1951) 299ff. 31 Plowman, L, in Scott v Bradley (1971) 1 Ch 850 (857). 32 Megarry LQR 67 (1951) 299ff (300). 33 Megarry LQR 67 (1951) 299ff (301). 34 Megarry LQR 67 (1951) 299ff (301). 35 Siehe oben § 9 II.. 36 Hierzu - mit Hinweisen auf die US-amerikanische Rechtsprechung - Farnsworth II 170f; Calamari/Perillo 830; Murray 357; zur (weitgehend) identen Rechtslage vor dem Restatement 2d: Jaeger in Williston on Contracts III768.

Hinweise auf eine Möglichkeit, den Vertrag aufrecht zu erhalten, indem der formwidrige Teil, der ausschließlich nachteilig wirkt, erfüllt wird. III. Der Stand der Diskussion und eigener Lösungsansatz nach deutschem BGB 1. Die Aufrechterhaltung des Geschäftsrests durch Verzicht auf begünstigende Klauseln

Nach ständiger Rechtsprechung ist es einer Partei verwehrt, sich unter Berufung auf die Gesamtnichtigkeit nach § 139 BGB seiner Leistungspflichten zu entziehen, wenngleich der nichtige Teil ausschließlich zugunsten der anderen Partei wirkt und diese bereit ist, auf diesen Teil zu verzichten, also den Vertrag allein zu ihren Lasten mit reduziertem Inhalt gelten zu lassen37 Die Rechtsprechung operiert mit der Einrede der Arglist. Damit setzt sie sich freilich all jener Einwände aus, die auch sonst gegen das Gewähren einer „Einrede" gegen eine „unzulässige Rechtsausübung“ in Fällen, in denen es einer Rechtsausübung gar nicht bedarf, vorgebracht werden.38 Demgegenüber vertritt die Lehre bei gleichem Ergebnis die Auffassung, § 139 BGB sei in diesen Fällen einschränkend zu interpretieren.39 Das RG hingegen hat in einer Entscheidung einen solchen Grundsatz abgelehnt, weil es ein derartiges Prinzip im allgemeinen nicht gebe und ein solches insbesondere bei Formverfehlungen nicht in Frage komme.40 Offenbar soll anderes gelten, so fuhrt das RG unter Verweis auf frühere Rechtsprechung aus, wenn jene Partei, welche sich auf die Gesamtnichtigkeit beruft, die Gegenleistung schon empfangen hat und sich nunmehr ihrer eigenen Leistungspflicht entziehen will.41 Auch Larenz stellt gleich wie das RG - auf die bereits empfangene Gegenleistung entscheidend ab.42 Dabei wird freilich übersehen, daß sich der BGH vom Erfordernis der Leistungserbringung durch jene Partei, die sich auf die Gültigkeit des Vertragsrests beruft, längst distanziert hat.43 Was übrig bleibt, ist die Äußerung des RG, wonach diese Variante der Aufrechterhaltung des Geschäftsrests insbesondere bei Formnichtigkeit nicht in Frage komme. Indessen ist auch hieran zu Recht Kritik geäußert worden: Namentlich Flume hat auf die Inkonsistenz dieser Rechtsprechung mit solchen Entscheidungen, die andere Nichtigkeitsgründe 37 Vgl. statt vieler BGH 18.11.1966 LM § 139 BGB Nr. 36; zu dieser Rechtsprechung Flume 586f; Larenz 464ff; Hager 11 Off mit weiteren Rechtsprechungshinweisen in FN 20. 38 Siehe nur die diesbezügliche Kritik von Flume 587f zu RG 18.12.1917 RGZ 91, 359ff (361), das meint, jene Partei, welche die Leistung mangels Form verweigert, übe nur ein ihr zustehendes Recht aus. 39 So Flume 588; Larenz 464ff (insb. 465), der das ganze Kapitel unter die Überschrift der Einschränkung des § 139 BGB durch Treu und Glauben setzt. 40 RG 18.12.1917 RGZ 91, 359ff (361). 41 RG 18.12.1917 RGZ 91, 359ff (362). 42 Larenz 465 mit FN 37. 43 Insofern ausdrücklich und klar BGH 18.11.1966 LM § 139 BGB Nr. 36; dem BGH kommt es offenbar nur noch auf die „schlechte Absicht“, sich der eigenen Leistungspflicht zu entziehen, an; Larenz 465f in FN 37a.E., scheint den BGH als Beleg dafür zitieren zu wollen, die Einrede der Arglist stehe nur bei bereits erbrachter eigener Leistung offen; das lehnt der BGH aber, wie dargelegt, ausdrücklich ab; vgl. zur Aufgabe des Kriteriums durch den BGH auch Hefermehl in Soergel I § 139 BGB Rz. 46.

betreffen, hingewiesen.44 Seine Ablehnung gegenüber dieser Judikatur erfolgt keineswegs pauschal, sondern bezieht sich gerade auf den Ausschluß der Formnichtigkeit aus dem Anwendungsbereich dieser Rechtsprechung, berücksichtigt sohin gerade auch das Argument, die Einschränkung des § 139 BGB dürfe insbesondere in Fällen der Formnichtigkeit nicht erfolgen. Die Kritik ist berechtigt: § 139 BGB differenziert nicht nach Nichtigkeitsgrund und ist sohin auch auf die Formnichtigkeit nach § 125 BGB anzuwenden. Indessen ist freilich nicht auszuschließen, daß aus den jeweiligen Nichtigkeitsnormen Abweichendes zu entnehmen ist, sie also dem § 139 BGB vorrangige Bestimmungen enthalten. Solche Abweichungen können sich auch aus Sinn und Zweck der Nichtigkeitsnorm ergeben, sie bedürfen aber genauer Begründung im Einzelfall. Im Grundsatz ist die dargelegte Rechtsprechung auch auf den Bereich des § 125 BGB zu erstrecken. 2. Die Anwendung des Prinzips auf formnichtige Verträge

a. Der Ansatz bei Larenz

Für den Bereich der Formnichtigkeit findet sich eine Entscheidung des BGH45, die jedenfalls Larenz^6 in den hier gegebenen Kontext gestellt hat. Es ging um die formund gesetzwidrige Vereinbarung eines Erfolgshonorars mit bestimmter Höhe für einen Anwalt. Die Gesamtnichtigkeit nach § 139 BGB ließ der BGH nicht eintreten, weil dies dem Schutzzweck der anwendbaren Bestimmungen widersprechen würde.47 Er behandelte sohin diese Vorschriften als bestimmende Nichtigkeitsnormen. Die Vertragslücke, die damit entstand, wurde vom BGH aber nicht durch Rückgriff auf vorhandenes dispositives Recht, sondern aus Gründen des Verbots des venire contra factum proprium im Sinne der nichtigen Abrede geschlossen: Sie verpflichtete den Mandanten nämlich zu geringerer Honorarzahlung als die Gebührenordnung für Rechtsanwälte. Um einen wirklich einschlägigen Fall handelt es sich indessen nicht; der BGH hat im Ergebnis nicht dem Mandanten erlaubt, auf eine ihm günstige Klausel zu verzichten, sondern die Nichtigkeit der Abrede dem Zweck der Schutznorm(en) entsprechend nur zugunsten des Mandanten wirken lassen. Damit hat er - entsprechend der Schutzrichtung der Form - einen Fall relativer Nichtigkeit kreiert. Das bestätigt die auch in dieser Arbeit präferierte Lösung relativer Nichtigkeit48, paßt aber nicht in den hier besprochenen Kontext und ist daher im folgenden auszuklammern.

b. Die Erstreckung des Prinzips auf formnichtige Verträge Dennoch kann die herrschende Rechtsprechung zur Verzichtsmöglichkeit bei ausschließlich begünstigenden Klauseln auch auf formnichtige Verträge angewandt werden: Es wird nämlich durch den Verzicht auf eine formnichtige, günstige 44 Flume 588. 45 BGH 26.10.1955 BGHZ 18, 340. 46 Larenz 466f. 47 BGH 26.10.1955 BGHZ 18, 340 (349). 48 Hierzu oben § 3.

Klausel immer nur ein Vertrag aufrechterhalten, der seinerseits den Gültigkeitserfordernissen (insbesondere dem Formerfordernis) entspricht. Der Schutzzweck der Norm gebietet keinen Schutz derjenigen Partei, die den Vertrag gewiß auch im Sinne des Geschäftsrests geschlossen hätte, weil der Wegfall der teilnichtigen Bestimmung diesen Vertragsteil ausschließlich begünstigt. Kurzum: Rechtsprechung und Lehre stellen wiederum auf den (offensichtlichen) hypothetischen Willen jener Partei ab, die durch den Verzicht begünstigt wird. Damit stehen sie zugleich auch mit dem oben vertretenen Geschäftsgrundlagenansatz in Einklang: Ganz gewiß kann nämlich nicht gesagt werden, diese Partei hätte die Klausel zur Geschäftsgrundlage erhoben.49 Das einzige zu bedenkende Gegenargument stellt sohin die absolute (amtswegig zu beachtende) Nichtigkeit dar, zumal die Klausel regelmäßig für die verzichtende Partei Geschäftsgrundlage ist; ein Argument, das freilich auch in anderen Fällen der Nichtigkeit (so z.B. auch nach §§134 und 138 BGB) gilt. Auf dieses wird noch eigens einzugehen sein.50 3. Die Erstreckung des Prinzips auf Fälle der Bereitschaft zur Erfüllung nichtiger, ausschließlich benachteiligender Klauseln: Kritik a. Die spiegelbildliche Lösung dieser Fälle durch Flume

Flume will das spiegelbildliche Problem nach gleichgelagerten Erwägungen einer Lösung zuführen.51 Handelt es sich um eine ausschließlich benachteiligende Klausel, so soll die belastete Partei den Vertrag (im Ergebnis: vollständig) durchsetzen können, indem sie die Erfüllung dieser Abrede gewährleistet. Genauer: Die belastete Partei muß die formgemäße Wiederholung des Geschäfts anbieten.52 Wiederum soll dieses Ergebnis daraus folgen, daß der anderen Partei kein Nachteil entstehe, ihre Interessen sohin nicht beeinträchtigt seien. Das entspreche zwar nicht dem Wortlaut, aber dem Sinn des § 139 BGB, der ja insgesamt nur verhindern will, daß eine Partei an einen Vertrag gebunden werde, den sie selbst so niemals geschlossen hätte.53 b. Kritik I: Die Ausscheidung der Fälle gesamtnichtiger, strikt einheitlicher Verträge

Indessen treten hier - gerade für den Fall der Formnichtigkeit, den Flume als Hauptanwendungsbereich markiert (!) - Bedenken auf. Ein Beispiel soll diese veranschaulichen: In den von Flume skizzierten Bereich54 gehören insbesondere auch Fälle, in denen eine Einzelabrede, die strikt einheitlich in den Vertrag 49 Zum Geschäftsgrundlagenargument im Rahmen des § 139 BGB oben § 6 VI. 4. a. und c., sowie zu den identen Beinteilungskriterien im Rahmen des § 140 BGB oben § 7 III. 1.. 50 Näheres unten § 9 III. 6., wo auf die Relativierung der nur derivativen Nichtigkeit eingegangen wird. 51 Flume 588. 52 Flume, 588, selbst nennt den Fall der Formnichtigkeit als den Musterfall. 53 Flume 587f. 54 Flume, 587, geht ja vom Fallbeispiel RG 18.12.1917 RGZ 91, 359 aus.

eingebunden wird, eine Formpflicht für den ganzen Vertrag auslöst. So etwa, wenn ein Grundstücksleasingvertrag den Übergang des Eigentums zum Ende der Leasingzeit ohne weitere Zahlungen des Erwerbers vorsieht. Zu allererst ist hierzu zu sagen, daß es sich um einen mangels notarieller Beurkundung nach § 313 BGB gesamtichtigen Vertrag handelt, der allenfalls in einen Leasingvertrag ohne Erwerbsklausel umgedeutet werden kann. Das macht für sich noch nichts, weil nach der hier vertretenen Auffassung - das wird im einzelnen noch zu zeigen sein55 dieselben Prinzipien wie bei § 139 BGB auch im Zusammenhang mit § 140 BGB anzuwenden sind. Die dargelegte Klausel ist gewiß nur ungünstig für den Leasinggeber und nur günstig für den Leasingnehmer; es folgt, daß der Vertrag regelmäßig nicht umgedeutet werden kann, weil ersichtlich eine solche Einrede auf die Leasingraten Einfluß hat und der Erwerb des Grundstücks am Ende der Laufzeit gewiß zumindest Geschäftsgrundlage war. Bietet nun der Leasinggeber nachträgliche Beurkundung des „nichtigen Teils“ an, wie dies Flume vorschlägt56, so nützt dies nicht, weil der Gesamtvertrag formpflichtig ist. Würde er weitergehen und Gesamtbeurkundung anbieten, dann würde ein derartiges Vorgehen, wollte man den Leasingnehmer hierzu verpflichten, die Form insgesamt zur Disposition stellen. Demgemäß kann Fiumes Ansicht in dieser Fallgruppe nicht zutreffen.

c. Kritik II: Bedenken gegen die Ansicht Fiumes in Fällen der Teilnichtigkeit Fälle echter Teilnichtigkeit von strikt einheitlichen Verträgen sind freilich anders gelagert. Die eine Formpflicht begründenden Abreden (z.B. über Veräußerungsbzw. Erwerbspflichten betreffend Grundstücke) sind hier formgerecht beurkundet. Lediglich weitere Abreden, die ihrerseits keine Formpflicht begründen, sind nicht in die Urkunde aufgenommen worden. Belasten diese Nebenabreden ausschließlich eine Partei, so scheint prima facie nichts gegen die Zulässigkeit des Anbots nachträglicher Formalisierung zu sprechen. Genauere Betrachtung aber lehrt, daß auch hier im Ergebnis das Formgebot teilweise zur Disposition gestellt wird: Die Klausel war von vornherein formpflichtig, die Nachholung der Form aber steht nach h.L. einer Partei allein nicht zu; nach dem hier vertretenen Konzept relativer Nichtigkeit besitzt nur der geschützte Teil eine solche Dispositionsbefugnis. Nach letzterem Konzept aber kann nachträgliche Formwahrung von der geschützten Partei immer angeboten werden, also unabhängig davon, ob es sich um eine ihr günstige Abrede, um nachteilige Abreden oder gar um den Gesamtvertrag handelt. Ist die Abrede hingegen der nicht geschützten Partei nur nachteilig, so würde auch bei Zugrundelegung nur relativer Nichtigkeit (zugunsten der geschützten Partei!) vom Formgebot dispensiert, wenn man es der nicht geschützten Partei erlauben würde, nachträgliche Beurkundung anzubieten. Die schon unter Kritikpunkt I vorgebrachten Bedenken der Disponibilität des Formzwangs sind hier zwar kleiner, weil sie sich nur auf die (für die nicht geschützte Partei ausschließlich nachteilige, für die geschützte Partei sohin ausschließlich günstige) Klausel beschränken, aber eben nicht beseitigt. Und gerade teleologisch kann man die Fälle nicht ganz vom Formgebot ablösen. Gewiß, die nachträgliche Formalisierung verschlechtert die 55 Hierzu unten § 9 III. 5.. 56 Flume 588.

Situation der (geschützten) Partei nicht; darum geht es jedoch nicht (nur). Denn es wäre aus teleologischer Sicht der Frage nachzugehen, ob die Nichtbeurkundung einer dem geschützten Vertragsteil ausschließlich günstigen Abrede Auswirkungen auf den Übereilungsschutz haben kann; und diese Frage ist — entgegen erstem Anschein - zu bejahen. Denn jede Klausel wirkt in stärkerer oder schwächerer Weise auf die von der geschützten Partei zu erbringende Gegenleistung ein, wird von dieser also kalkuliert und damit in die Vertragsschlußüberlegungen einbezogen. Es ist sohin niemals ausgeschlossen, daß gerade mangelnder Übereilungsschutz hinsichtlich der (wenngleich nur günstigen) formnichtigen Abrede den Gesamtvertrag (insbesondere die Bestimmung der Gegenleistung des Formschützlings) negativ beeinflußt hat. Man kann dem entgegenhalten, daß dies nicht immer oder womöglich meistens nicht der Fall ist. Indessen läuft eine solche Argumentation auf eine Erheblichkeitsprüfung hinaus, die gerade von der h.L. nicht zugelassen wird.57 Und eine solche Erheblichkeitsprüfung wäre tatsächlich unerläßlich. Dies zeigt ein Blick auf - in der Praxis wiederholt aufgetretene58 Fallbeispiele. Gemeint sind jene Grundstückskäufe, bei denen der Kaufpreis nicht ordnungsgemäß notariell beurkundet wird: Dieser wird - aus welchen Gründen immer - zu niedrig angegeben. Kann in einem solchen Fall der Käufer nachträgliche Beurkundung des höheren Kaufpreises (also einer für ihn nur nachteiligen Klausel) anbieten? Der Ansicht von Flume zufolge offenbar schon. Denn dieselben teleologischen Argumente, wie sie von ihm vorgebracht werden59, können auch auf diesen Fall angewandt werden. Dennoch wird man aufgrund teleologischer Überlegungen zum gegenteiligen Ergebnis kommen: Die Höhe des Entgelts ist für den Übereilungsschutz des Verkäufers von Interesse, denn er kalkuliert ja von vornherein mit dem vollen Entgelt, womöglich sind aber seine Kalkulationen falsch, weil eben der Übereilungsschutz mangels Form nicht gewahrt ist, die Beratung des Notars nur teilweise erfolgt und im Hinblick auf die zu erwartende Gegenleistung unterbleibt. Auch können mit dem Kaufpreis zusammenhängend Sicherheiten vereinbart worden sein, die sich auf den nicht beurkundeten Kaufpreis nicht beziehen; vielleicht hätte gerade der Notar im Falle richtiger Beurkundung auch zur Besicherung dieses Kaufpreisteils geraten und der Verkäufer aufgrund der Beratung eine solche gefordert. Andere Klauseln mögen nicht in derart evidenter Weise für den Übereilungsschutz der begünstigten Partei erheblich sein, ganz aus dem Synallagma lassen sie sich indessen nicht herausschälen, ihre Erheblichkeit wäre also im einzelnen minutiös zu prüfen. Und ganz unerheblich sind die hier behandelten Klauseln nie. Denn stets setzen die hier beschriebenen Fälle voraus, daß der Restvertrag nicht schon über § 139 BGB auffechterhalten wird. Ist nämlich die (ausschließlich günstige) Abrede von der begünstigten Partei nicht zur Geschäftsgrundlage erhoben worden, dann löst sich die Problematik bereits über § 139 BGB. Das Angebot nachträglicher Formalisierung kommt sohin praktisch nur in jenen Fällen in Frage, in denen der geschützte Teil den Vertrag ohne die ihn 57 Vgl. die Ausführungen zur Erheblichkeitsprüfung oben § 4II. (insb.) 3.. 58 Zur Scheingeschäfts- und Formproblematik solcher Fälle Medicus 224f. 59 Flume 588 behandelt diese Fälle teleologisch ja gleichlaufend mit jenen, in denen der ausschließlich Begünstigte aus einer formwidrigen Klausel auf diese verzichtet, um den Geschäftsrest zu bewahren.

begünstigende Abrede nicht geschlossen hätte; damit allein aber ist eine Mindestrelevanz gegeben. d. Ergebnis Ein Anbot der Nachholung der Form (hinsichtlich des Gesamtgeschäfts oder auch nur eines Teils) ist daher nur in jenen Fällen möglich, wo schon das Gesamtgeschäft nur relativ nichtig ist, also bei Formvorschriften zugunsten nur einer Partei. Es ist dann aber auch nur diese Partei, die eine Nachholung der Form anbieten kann. Bedarf hingegen der Vertrag einer Formalisierung zum Schutz beider Parteien, so kann jene Partei, die aus der formnichtigen Klausel begünstigt wird, nicht zur nachträglichen Formalisierung gezwungen werden, weil die Schutzziele der Form, die im Rahmen des Gesamtvertrages auch zu ihren Gunsten bestehen, nicht verwirklicht würden. Diese Situation ist mit den Fällen des Verzichts auf ausschließlich begünstigende Abreden keineswegs vergleichbar. Offenbar besteht zwischen der Nichtigkeit des „für sich genommen“ formgültigen Teils (der ja beim Verzicht auf nicht beurkundete, ausschließlich günstige Abreden aufrecht erhalten wird) und jener des „für sich genommen“ formnichtigen (der bei Anbot nachträglicher Formalisierung zusammen mit dem ohnehin formwirksamen Geschäftsrest insgesamt aufrecht erhalten wird) ein qualitativer Unterschied, der einer Erklärung bedarf. Offensichtlich können der Verzicht auf eine formwidrige Abrede und das Anbot der Erfüllung der Form einer solchen Abrede trotz scheinbar identer Interessenlage eben nicht gleichgesetzt werden. Und hier scheint auch eine Berufung auf eine gegenteilige Rechtsprechung in England60 nicht angebracht. Die dort angeführten Entscheidungen betreffen nämlich allesamt die (alte) Bestimmung der x 40 Law of Property Act 1925, also eine in erster Linie auf Verhinderung von Prozeßbetrug angelegte Vorschrift. Gibt aber die ausschließlich belastete Partei die Verabredung der fraglichen Abrede zu, so scheint es unter dem dargelegten Formzweck leichter möglich, den Gesamtvertrag durchzusetzen.61 Mit Blick auf die neue Vorschrift der s. 2 Law of Property (Miscellaneous Provisions) Act 1989, welche eine Konstitutivform geschaffen hat, ist die geschilderte Rechtsprechung aber nicht mehr anwendbar. In den USA ist man der englischen Rechtsprechung in eben diesem Punkt ohnehin nicht gefolgt. Während ein Verzicht auf eine ausschließlich begünstigende Abrede möglich ist, läßt man ein Anbot der Formalisierung ausschließlich benachteiligender Abreden nicht zu.62

60 Hierzu oben § 9 II. 2.. 61 Man sollte in dem Zusammenhang bemerken, daß es für die „Formgültigkeit" nach 5. 40 Law of Property Act 1925 regelmäßig genügt, daß die Partei, die in Anspruch genommen wird, eine Vertragsurkunde (memorandum) unterfertigt hat. In den hier interessierenden Fällen, ist es aber genau diejenige Partei, die ohnehin den Vertrag durchsetzen will, welche eine sie belastende Klausel nicht mitgefertigt hat. Dann sollte es ihr aber offenstehen, dieses memorandum auch nachträglich zu fertigen; dabei ist es übrigens ein genereller Grundsatz im englischen Recht, daß das memorandum auch nachträglich erstellt werden kann. Insgesamt erleichtert daher die Konstruktion des Formerfordernisses nach s. 40 Law of Property Act 1925 die hier dargelegte Lösung. 62 Vgl. schon oben §91.3.

4. Die Unterscheidungsfähigkeit der beiden Fallvarianten

Die Unterscheidung, das haben schon die vorstehenden Ausführungen gezeigt, ist im zwingenden Recht zu suchen, also beim Formgebot und der aus ihm folgenden Nichtigkeit. Den entscheidenden Ansatz muß dabei die Qualität der Nichtigkeit bilden. Im Falle des Anbots der nachträglichen formgerechten Fassung liegt nämlich eine genuine Formnichtigkeit vor. Daher kann das Anbot höchstens dann zulässig sein kann, wenn die Form nur dem Schutz einer Partei dienen soll und diese die Formnachholung anbietet. Demgegenüber geht es bei der Aufrechterhaltung eines „für sich“ formgültigen Teils unter Verzicht auf die formnichtige Abrede um die Beseitigung einer nur derivativen Nichtigkeit. Das Nichtigkeitsurteil trifft nämlich den Geschäftsrest nur deshalb, weil die Parteien diesen formgültigen Teil nicht ohne den formnichtigen geschlossen hätten. Hier kann das Argument Fiumes, es gehe lediglich darum, die Parteien nicht an etwas festzuhalten, was sie so nicht vereinbart hätten63, noch verstärkt werden. Diese Nichtbindung der Parteien an Vertragsreste, welche so nicht geschlossen worden wären, entfließt nämlich nicht dem Formgebot, sondern einem Geschäftsgrundlagenargument. Sie dient daher gerade der Privatautonomie, weil den Parteien kein unerwünschter Vertrag aufgezwungen werden soll.64 Für Fälle des Fehlens der Geschäftsgrundlage aber ist es bezeichnend, daß sie nicht stets zur absoluten Nichtigkeit des Vertrages führen, sondern zunächst Anpassung stattfindet bzw. - je nach Lage der Umstände - auch ein nur einseitiges Vertragslösungsrecht gewährt wird.65 Dann aber kann bei einer formnichtigen Nebenabrede, die nur für eine Partei günstig ist, die derivative Nichtigkeit nach § 139 BGB jedenfalls als relativ qualifiziert werden und ist daher durch Einrede geltend zu machen.66 Vom Formgebot wird die Nichtigkeit nach § 139 BGB nicht gefordert, eine Abstimmung mit dem Parteiwillen ist sohin möglich. Im Falle ausschließlich vorteilhafter Abreden ist die formfehlerhafte Abrede nur für die begünstigte Partei Geschäftsgrundlage: Beruft sie sich nicht auf das Fehlen der Geschäftsgrundlage, so kann der Geschäftsrest aufrecht erhalten werden. Darin liegt zugleich eine systematische Überlegenheit der hier vertretenen Ansicht, weil keine dem Prinzip des § 139 BGB widersprechende - ex-post-Betrachtung angelegt zu werden braucht.67 68 Vielmehr führt § 139 BGB aufgrund einer ex-ante-Betrachtung68 zur relativen Nichtigkeit des „an sich formgültigen Teils“. Diese relative Nichtigkeit wird aber nur beachtet, wenn sie geltend gemacht wird. Hingegen kann die 63 Flume 587. 64 Zum hypothetischen Parteiwillen oben § 6 VI. 4.; dieselben Kriterien finden auch bei Fällen der Umdeutung Anwendung: § 7III. 3. a.. 65 Siehe nur Larenz 393, für den Fall der von ihm sogenannten subjektiven Geschäftsgrundlage; ferner ders.. Schuldrecht I, 329, für den Fall der von ihm sogenannten objektiven Geschäftsgrundlage; ob die Unterscheidung in objektive und subjektive Geschäftsgrundlage sinnvoll ist, darauf ist hier nicht einzugehen; siehe ferner die Zusammenfassung des Meinungsstandes bei Chiotellis 4ff; sowie Köhler JA 1979, 498 (504). 66 Auf eine relative Nichtigkeit läuft auch der Ansatz von Ulmer in FS Steindorff 799 (81 Iff, insbesondere 815) hinaus. 67 Kritisch hierzu Ulmer in FS Steindorff 799 (814). 68 Zur ex-ante-Betrachtung z.B. BGH 20.5.1966 LM § 139 BGB Nr. 34; BGH 5.11.1993 DNotZ 1994, 297 (300).

nachträglich formgerechte Fassung von (wenn auch ausschließlich belastenden) Nebenabreden nicht angeboten werden, weil dies zur Disponibilität des Formgebots in größerem oder kleinerem Ausmaß fuhren würde. 5. Die Behandlung gesamtnichtiger, nicht umdeutbarer Rechtsgeschäfte Der Fall des Verzichts auf eine teilnichtige (bloß begünstigende) Abrede ist auf Fälle der Gesamtnichtigkeit erstreckbar, wenn deren Umdeutung in ein formgültiges Geschäft an einer Klausel scheitert, die nur eine Partei begünstigt. So etwa im schon oben behandelten Beispiel eines Eigentumserwerbs an einer Liegenschaft zum Ende der Leasingzeit.69 Die Gültigkeit des Konversionsgeschäftes scheitert nämlich auch hier nur am hypothetischen Parteiwillen, nicht hingegen am Formerfordernis. Denn es ist nicht anzunehmen, daß der Vertrag auch ohne die Klausel zustande gekommen wäre. Im Sinne der Geschäftsgrundlagenerwägungen ist also davon auszugehen, daß die Parteien nicht die „Anpassung“ durch Umdeutung, sondern die Gesamtvernichtung gewollt hätten. Indessen können bei bloß begünstigenden Abreden die Geschäftsgrundlagenargumente wiederum nur zugunsten der aus der nichtigen Abrede begünstigten Partei vorgetragen werden. Nur sie wird durch das Fehlen dieser Geschäftsgrundlage benachteiligt, nur sie hat die Gültigkeit auch dieser günstigen Abrede überhaupt zur Geschäftsgrundlage erhoben, und daher ist auch nur ihr eine Berufung auf das Fehlen der Geschäftsgrundlage zuzubilligen. Wiederum ist - Geschäftsgrundlagenerwägungen folgend - die derivative, also aus mangelndem hypothetischen Auffechterhaltungswillen und nicht aus dem Formgebot selbst erfließende Nichtigkeit des Konversionsgeschäfts eine nur relative. Sie ist daher von dieser Partei geltend zu machen, muß aber nicht geltend gemacht werden. Der Verzicht auf die begünstigende Abrede ist also möglich. Auch hier braucht man nicht an die Stelle der durch §§ 139,140 BGB angelegten ex-anteBetrachtung eine ausnahmsweise ex-post-Betrachtung setzen:70 Vielmehr wirkt das Ergebnis der ex-ante-Betrachtung nur zugunsten einer Partei, die derivative Nichtigkeit ist von vornherein nur bei Geltendmachung durch diesen Vertragsteil wahrzunehmen. Es ist daher diese Variante der Aufrechterhaltung keineswegs auf Fälle einzuschränken, die § 139 BGB unterliegen; jene Fälle des § 140 BGB gehören wegen der gleichermaßen anwendbaren Geschäftsgrundlagenerwägungen ebenfalls hierher. Im Ausgangsbeispiel könnte demnach der Leasingnehmer auf den Eigentumserwerb mit Ablauf des Leasingvertrages verzichten, womit die Konversion des gesamtnichtigen Leasingvertrages in einen (formfreien) ohne Eigentumserwerbsklausel möglich wird. Der Unterschied zum Ansatz Fiumes bleibt derselbe: Durch die Umdeutung unter Streichung der Eigentumserwerbsklausel wird eben nicht über das Formgebot verfugt, sondern ein formfrei möglicher Vertrag aufrecht erhalten. Die formwidrige Klausel selbst wird also nicht wirksam, und zwar auch nicht durch nachträgliche Formalisierung.

69 Siehe dieses Beispiel schon oben § 9III. 3. b.. 70 So auch kritisch gegenüber solchen Ansätzen Ulmer in FS Steindorff 799 (814).

6. Die Verallgemeinerung des Gedankens Beleuchtet man die Frage der Teilnichtigkeit bzw. Konversion noch deutlicher unter dem Aspekt der Geschäftsgrundlagenerwägungen, wie sie durch das Kriterium des hypothetischen Parteiwillens in §§139 und 140 BGB verkörpert werden, so erscheint eine bloß begünstigende Wirkung der nichtigen Abrede, auf die verzichtet wird, keineswegs eine unabdingbare Voraussetzung einer Aufrechterhaltung des Geschäftsrests zu sein. Denn wiederum ist mit Flume hervorzuheben, daß es lediglich darum geht, die Parteien nicht an einem Geschäftsrest bzw. Konversionsgeschäft festzuhalten, das sie so (also ohne den nichtigen Teil bzw. in anderer als der nichtigen Geschäftsform) nicht geschlossen hätten.71 Nun mag es sein, daß beide Parteien den Geschäftsrest bzw. das Konversionsgeschäft nicht geschlossen hätten, daß also das Fehlen der Gültigkeit für beide die Unzumutbarkeit, am Geschäftsrest bzw. Konversionsgeschäft festgehalten zu werden, begründet. Wirkt allerdings das Fehlen der Geschäftsgrundlage nur zu Lasten einer Partei, weil nur sie das Geschäft nicht ohne den Rest oder nicht in veränderter Form geschlossen hätte, dann kann die Nichtigkeit entsprechend den Regeln über die Geschäftsgrundlage relativiert werden. Die bloß relative Nichtigkeit ist auch hier - um es in den Worten Fiumes zu sagen - „für den anderen Partner keine Belastung“.72 Das Kriterium der „ausschließlich begünstigenden Wirkung“ des nichtigen Geschäftsteils ist sohin keine unabdingbare Tatbestandsvoraussetzung, sondern charakterisiert lediglich den „Musterfall" des bloß einseitige Unzumutbarkeit erzeugenden Fehlens der Geschäftsgrundlage. Solche Fälle sind jedoch auch sonst, insbesondere bei kombiniertem Abschluß mehrerer Verträge denkbar. Es mag sehr gut sein, daß ein Käufer den Auftrag zum Bau eines Eigenheims nur zusammen mit dem Kaufvertrag über die Liegenschaft (wobei hier unterstellt wird, daß beide Verträge mit demselben Vertragspartner geschlossen werden) gibt, die Gültigkeit beider Verträge sohin zur Geschäftsgrundlage erhebt. Ganz gewiß ist ihm dann, wenn der Liegenschaftskauf formnichtig ist, auch die Lösung vom Werkvertrag möglich. Indessen braucht dies keinesfalls auch für den anderen Vertragsteil zu gelten. Hat der Liegenschaftsveräußerer und Werkunternehmer die Gültigkeit beider Verträge nicht zur Geschäftsgrundlage erhoben, und will sich der Käufer und Werkbesteller nicht auf die derivative Nichtigkeit des Werkvertrages berufen (z.B. weil er ein Nachbargrundstück erwerben konnte, wo das geplante Eigenheim für ihn genauso schön sein wird), so besteht überhaupt kein Grund, den Werkvertrag zu vernichten. Daher ist im Ergebnis festzuhalten: Wirkt sich das Fehlen der Geschäftsgrundlage nur zu Lasten einer Partei aus, so steht auch nur ihr ein Vertragslösungsrecht zu; dies ganz unabhängig davon, ob der nichtige Teil nur zu ihren Gunsten war oder auch nicht. Das Kriterium der Günstigkeit des nichtigen Teils stellt nur einen Musterfall dar, der regelmäßig standardisiert entschieden werden kann. Hingegen ist bei Geschäftsteilen, die begünstigend und benachteiligend wirken, die Geschäftsgrundlagenproblematik im einzelnen zu klären.

71 Flume 587. 72 Flume 588.

7. Die mangelnde Relevanz einer Klausel: Kein Anwendungsfall der Relativierung derivativer Nichtigkeit

Mithilfe zweier weiterer, vom RG entschiedener Fälle postuliert Flume eine neue Fallgruppe: § 139 BGB soll unanwendbar sein, „wenn der nichtige ‘Teil’ des Rechtsgeschäfts nicht relevant wird“.73 Im ersten Fall ging es um einen Pachtvertrag, der zu Lasten des Pächters auch für die Zeit nach Beendigung des Pachtverhältnisses ein Wettbewerbsverbot enthielt, sowie zu seinen Gunsten ein Vorkaufsrecht an der Bäckerei, welches die Formpflicht des § 313 BGB auslöste.74 Nach Durchführung und Beendigung des Pachtvertrages verstößt der Pächter gegen die Wettbewerbsklausel und wird vom Verpächter in Anspruch genommen. Der Einwand ist klar: Wegen des Vorkaufsrechts sei der gesamte Vertrag nichtig, sohin auch das Wettbewerbsverbot. Dabei trat der Vorkaufsfall gar nicht ein, die Klausel blieb also für immer irrelevant. Das RG entschied im Sinne der Klage des Verpächters, weil es im Verhalten des Pächters einen Verstoß gegen Treu und Glauben erblickte und daher die Einrede der Arglist zuließ.75 Auf Verstoß gegen Treu und Glauben befand das RG auch im zweiten Fall:76 Jemand hatte sich zur Gründung einer Baugenossenschaft verpflichtet. Als Honorar war - bei erfolgreicher Gründung - ein Betrag von 5.000,- RM, bei mißglückter Gründung jedenfalls eine Summe von 3.000,- RM vereinbart. Zugleich verpflichtete sich der Auftraggeber, Kaufangebote betreffend die fraglichen Grundstücke zu stellen. Die Formvorschrift des § 313 BGB wurde nicht eingehalten. Deshalb - so der Kläger sei der gesamte Vertrag nichtig und es stehe ihm eine „angemessene Vergütung“ in Höhe von 24.185,- RM zu. Für beide Fälle ist zunächst wiederum auf die hier vertretene Ansicht zu verweisen, daß es sich bei synallagmatischer Verknüpfung der die Formpflicht auslösenden Klausel mit dem Geschäftsrest um insgesamt formbedürftige und insgesamt formverfehlte Geschäfte handelt und daher Gesamtnichtigkeit eintritt, die im Sinne der Aufrechterhaltung allenfalls durch Umdeutung zu lösen sind. Zwar kommt es darauf angesichts der Wesensgleichheit von § 139 und § 140 BGB nicht entscheidend an, doch ist es unrichtig, wenn man nur vom „nichtigen Teil“ spricht. Bedenklich ist es daher auch, diese Fälle ausschließlich deshalb der Formnichtigkeit zu entziehen, weil die Klauseln, welche es mit der Grundstücksveräußerung zu tun haben, nicht aktuell geworden sind, ihnen also bei Betrachtung ex post keine praktische Relevanz zukommt. Denn die Aktualisierung der Veräußerungsabreden ist nicht das entscheidende Kriterium; entscheidend ist vielmehr, daß im Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine Formpflicht (und damit ein Bedürfnis nach Übereilungsschutz) hinsichtlich des gesamten Vertrages bestanden hat. Die synallagmatische Einbettung der

73 Flume 584ff; bestätigend, wenngleich in concreto verneinend BGH 8.10.1990 BGHZ 112, 288 (296). 74 Hierzu und zum Folgenden RG 12.11.1936 RGZ 153, 59; bestätigend BGH 8.10.1990 BGHZ 112, 288. 75 RG 12.11.1936 RGZ 153, 59; zustimmend Hefermehl in Soergel I § 139 BGB Rz. 45; bestätigend BGH 8.10.1990 BGHZ 112, 288. 76 RG 15.11.1921 SeuffA 77/114.

Liegenschaftsveräußerungsabrede zeigt nämlich deren unmittelbare Relevanz auch für den Restvertrag. An dieser Relevanz aber ändert sich durch Zeitablauf nichts und zwar auch dann nicht, wenn die Erwerbsmöglichkeit nicht genützt wird oder sich erst gar nicht bietet. Der Fall kann eben nicht durch bloßes Streichen einer relevanten Klausel aus dem synallagmatischen Gefüge gelöst werden, nur weil sie sich im tatsächlichen Geschehensablauf als nicht erheblich erwiesen hat. Ein Verzicht auf eine günstige Abrede kommt hier auch nicht in Frage, weil der die Gültigkeit geltend machende Teil durch die Klausel gerade belastet wird. Eine Nachholung der Formalisierung scheidet aus oben dargelegten Gründen ohnehin aus.77 78 Indessen betreffen die Beispiele jeweils Verträge, die nur zugunsten einer Partei formpflichtig waren (nur eine Partei hat eine Erwerbs- bzw. Veräußerungspflicht betreffend ein Grundstück übernommen). Dann aber kann man die Schutzwirkung der Formvorschrift auf eben diese Person beschränken, wohingegen der Erwerb eines Vorkaufsrechts bzw. eines Anspruchs, Grundstückskaufangebote zu erhalten, formfrei möglich ist. So gelangt man im Ergebnis zur relativen Nichtigkeit, wo wiederum nichts dagegen spricht, daß sich der geschützte Teil für die Aufrechterhaltung des Geschäfts entscheidet. Dabei kann es - entgegen Flume1^ - auch nicht darauf ankommen, ob für die Einräumung des Vorkaufsrechts ein gesondert ausgewiesenes Entgelt vereinbart wurde. Denn ein Entgelt bezahlt der Erwerber des Vorkaufsrechts ja in jedem Falle: entweder „inkludiert“ in den Pachtzins, oder aber durch eine gesonderte Zahlung. Die gesonderte Zahlung aber macht die Einräumung des Vorkaufsrechts ebensowenig zu seinem Schutz formpflichtig, weil er keine Erwerbspflicht eingeht. Beide Fälle hätten sich sohin auch über diesen Weg lösen lassen. Zuletzt ist klar, daß es sich bei den Fällen „nicht relevant gewordener Klauseln“ zumeist um vollständig abgewickelte Verträge handelt. Dann aber sind diese Fälle - wenn sie sich nicht schon über die relative Nichtigkeit lösen lassen - unter der Perspektive des § 242 BGB neu zu betrachten: Der fortgeschrittene Abwicklungsprozeß wird § 242 BGB häufig anwendbar machen.79 IV. Die Erstreckbarkeit dieser Grundsätze auf österreichisches Recht

In Österreich mangelt es, soweit ersichtlich, an einschlägigen Fallbeispielen. Doch garantiert der in Lehre und Rechtsprechung eingeschlagene Weg, § 878 Satz 2 ABGB als ein Auslegungsinstrument bzw. - subsidiär - als einen Fall der Lehre vom Fehlen der Geschäftsgrundlage zu betrachten80, die Anwendbarkeit der soeben für das deutsche Recht vorgetragenen Lösungen. Wegen der Identität der Aufrechterhaltungskriterien (hypothetischer Parteiwille) muß dies freilich auch für die Konversion gelten.

77 Siehe die Argumentation oben § 9 III. 3.. 78 Siehe Flume 586. 79 Zur Durchbrechung der Formnichtigkeit anhand § 242 BGB unten § 15; gerade die hier behandelte Rechtsprechung hat ihr Ergebnis auf Treu und Glauben gestützt und zwar mit Zustimmung der Lehre: Hefermehl in Soergel I § 139 BGB Rz. 45. 80 Hierzu oben § 6 VI. 4. c..

§10 Bestimmende Nichtigkeitsnormen: Rechtsfolgenbestimmung ohne Rücksicht auf den (hypothetischen) Parteiwillen

I. Allgemeines: Die Subsidiarität der Teilnichtigkeitsbestimmungen Die Blindheit des § 139 BGB gegenüber spezifischen Schutz- und Zweckrichtungen der jeweiligen Nichtigkeitsnorm hat zur Annahme seiner Subsidiarität1 - und zwar sowohl der darin angeordneten „Zweifelsregel“ der Gesamtnichtigkeit als auch der Ausnahmeregelung seines 2. Halbsatzes - geführt. Dabei wird die Diskussion im allgemeinen insbesondere im Hinblick auf das Verhältnis von § 134 BGB (Gesetzwidrigkeit) zu § 138 BGB (Sittenwidrigkeit) geführt. Während es sich der Gesetzgeber im 2. Halbsatz des § 134 BGB ausdrücklich vorbehält, Gesetzesverstößen durch alternative Sanktionsmechanismen zu begegnen, fehlt es dem § 138 BGB an einem vergleichbaren Pendant. Daraus könnte für die Sittenwidrigkeit der Rückschluß gezogen werden, die Nichtigkeitssanktion sei mit Blick auf die Teleologie der „Nichtigkeitsnorm“ nicht modifizierbar. Diese Haltung wird indessen zusehends kritisiert, was zwar nicht notwendig auf eine Aushöhlung des § 138 BGB hinausläuft, seine Bedeutung jedoch mehr oder weniger auf die einer Regelrechtsfolge reduziert. Dabei zeigt sich die Auflockerung der rigide anmutenden Nichtigkeitssanktion durch die Rechtsprechung gerade in Teilnichtigkeitsfällen besonders deutlich.2 Die Entscheidungskompetenz über die Aufrechterhaltung von Geschäftsteilen soll in erster Linie der Nichtigkeitsnorm, mangels ausdrücklicher Regelung deren Sinn und Zweck überlassen sein. Hier werden für die Nichtigkeit im allgemeinen ähnliche Rechtsprechungsentwicklungen beobachtet, wie sie für den speziellen Bereich der Formnichtigkeit oben3 dargestellt wurden: Zwischen Rechtsfolgebestimmungen, wie sie aus der Nichtigkeitsnorm gewonnen werden, und dem eigentlichen Anwendungsbereich des § 139 BGB wird nicht mehr differenziert, beides vermischt sich ineinander. Dies ist freilich methodisch zu kritisieren.4 Im praktischen Ergebnis aber wird gerne von einer weitgehenden Funktionslosigkeit des § 139 BGB für die Bewältigung von Teilnichtigkeitsfällen gesprochen.5 Insoweit all dies Fragen der Gesetz- und Sittenwidrigkeit von Verträgen betrifft, gilt es auch für Österreich und England. Die Teilnichtigkeitsregelung des § 878 ABGB wurde ja, das haben Mayer-Maly6 und

1 Vgl. Hefermehl in Soergel I § 139 Rz. 3 und 49ff; deutlich H. Roth in Staudinger I § 139 BGB Rz. 3f, der nicht nur wegen vorgehender Spezialregelungen (Rz. 5ff), sondern auch wegen der schon hervorgehobenen aufrechterhaltungsfreundlichen Rechtsprechung (Rz. 3f) von Subsidiarität spricht. 2 Zu alledem Damm JZ 1986, 913ff (915). 3 Siehe die Ausführungen zur verfehlten Erstreckung des Formtatbestandes aufgrund der Vorschrift des § 139 BGB, oben § 6 VI. 2.. 4 Siehe Damm JZ 1986, 913ff (916) m.w.N.. 5 H Roth JZ 1989, 41 Iff (416); gerade für den Bereich der Formnichtigkeit trifft dies indessen gewiß nicht zu. 6 Mayer-Maly in GS Gschnitzer 265 (270ff).

Gschnitzer1 nachgewiesen, im Rahmen der dritten Teilnovelle bewußt von § 879 ABGB (Gesetz- und Sittenwidrigkeit) getrennt, weil dem Gesetzgeber deutlich vor Augen war, daß im Falle der Gesetz- oder Sittenwidrigkeit die Frage der Total­ oder Teilvernichtung eines Geschäfts vorrangig nach dem Zweck der Nichtigkeitsnorm zu beurteilen ist. Damit erhält die Teilnichtigkeitsvorschrift die Rolle einer Subsidiärregel, die dann zur Anwendung kommt, wenn die Nichtigkeitsnorm weder die Gesamtnichtigkeit noch die Restgültigkeit zwingend fordert.78 Letztlich nichts anderes gilt in England, wo für Fälle der illegality jedenfalls nicht primär auf den hypothetischen Auffechterhaltungswillen abgestellt wird.9

II. Die Anwendbarkeit auf Konversionsfälle

Angesichts der Verwandtschaft von Teilnichtigkeit und Konversion ist im Zusammenhang zu betonen, daß sich die hier gemachten Ausführungen keinesfalls nur auf Teilnichtigkeitsfälle beschränken. Vielmehr finden sich auch solche bestimmende Nichtigkeitsnormen, die ohne Rücksicht auf den hypothetischen Parteiwillen ein gesamtnichtiges Rechtsgeschäft durch ein anderes, gültiges ersetzen. Es handelt sich sohin um gesetzliche Konversionsfälle.10 III. Die interessierenden Fallgruppen bestimmender Nichtigkeitsnormen

Im gegebenen Zusammenhang interessieren vornehmlich zwei Fallgestaltungen bestimmender Nichtigkeitsnormen. Sie wurden in der deutschen Lehre im einzelnen hervorgehoben: Nichtige Vertragsbestimmungen können einfach durch zwingendes Privatrecht11 ersetzt werden; Nichtigkeitsnormen können aber auch - ausdrücklich oder gemäß ihrem Sinn und Zweck - die zwingende Aufrechterhaltung des Geschäftsrests ohne Substituierung der nichtigen Vertragsteile anordnen.12 In diesen letzteren Fällen der Restgültigkeit werden etwaig entstehende Lücken durch dispositives Recht oder aufgrund ergänzender Vertragsauslegung gefüllt. Die Unterscheidung hat somit technische Bedeutung13, wenngleich weitere Differenzierungselemente auszmachen sind. Bei zwingenden Rechtsvorschriften, welche die Substitution des Vereinbarten durch die gesetzliche Regelung unausweichlich fordern, liegt bereits in der dadurch zwingenden 7 Gschnitzer in Klang IV/1 168f. 8 Rummel in Rummel I § 878 ABGB Rz. 5. 9 Zum Einfluß der illegality auf den Geschäftsrest bzw. auf collateral agreements Atiyah 350f. 10 Vgl. z.B. für Österreich die Auflistung der gesetzlichen Konversionsfalle bei Binder 73ff (für die Formnichtigkeit speziell 78) und unten § 10 V. 1. c. bb. zu § 29 MRG; für Deutschland siehe die Besprechung des § 566 BGB unten § 10 V. 1. c. aa.. 11 Siehe H. Roth JZ 1989, 41 Iff (413); als Folge der Restgültigkeit (gemäß § 139 BGB) kann die entstehende Lücke auch durch dispositives Recht auffüllbar sein, zur Lösung der Frage der Teilnichtigkeit tragen dispositive Vorschriften hingegen nichts bei; nicht ganz eindeutig insofern Sandrock AcP 159 (1960) 481 (486), wenngleich wohl auch seinen Ausführungen dasselbe Ergebnis zu entnehmen ist. 12 Sie können freilich auch die Gesamtvernichtung des Geschäfts fordern; auch dann fehlt es an einer Substitution des Vertragsinhalts durch gesetzliche Regelungen. 13 Sandrock AcP 159 (1960) 481ff (486).

Vertragsmodifikation eine erschließbare Anordnung der Restgültigkeit bzw. Gültigkeit des Ersatzgeschäfts. Bei anderen Nichtigkeitsnormen ist diese hingegen der Teleologie der Nichtigkeitsnorm zu entnehmen. IV. Die Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Vertragsfreiheit

Bei allem ist wiederum auf das Verhältnis zum Grundsatz der Vertragsfreiheit hinzuweisen. Wird nämlich die Teilnichtigkeits- bzw. Konversionsfrage von der Nichtigkeitsnorm geregelt, so sind die entscheidenden Kriterien objektiver Natur und stellen auf den Parteiwillen in tatsächlicher oder hypothetischer Form nicht ab. Jedoch hat Sandrock richtig darauf hingewiesen, daß eine der (beschränkten) Parteiautonomie verpflichtete Privatrechtsordnung nicht gehindert ist, die Teilnichtigkeitsfrage in einer vom Parteiwillen losgelösten Weise zu entscheiden.14 Dieses Argument ist zu verstärken: Im Sinne der „Optimierungsaufgabe“15, die der Gesetzgeber bei der (erforderlichen) Einschränkung von Freiheitsrechten zu erfüllen hat, hat er das jeweilige Ziel in effizienter Weise zu verfolgen.16 Entschließt er sich also zum Eingriff in die Vertragsfreiheit und unterwift er Rechtsgeschäfte einem Formzwang, so hat er den intendierten Schutzzweck auf der Sanktionsseite effektiv weiter zu verfolgen. Für Schutzvorschriften zugunsten marktschwächerer Parteien ist längst anerkannt, daß die (Gesamt-)Nichtigkeit zur Verfolgung des Schutzzweckes häufig untauglich ist.17 Gerade deshalb ist etwa in § 6 AGBG die Teilnichtigkeitsfrage in Form einer generellen Regel zugunsten der Restgültigkeit entschieden worden.18 Der Gesetzgeber ist genötigt, die Restgültigkeit bzw. sogar eine Inhaltsmodifikation unabhängig vom tatsächlichen oder hypothetischen Parteiwillen anzuordnen. Ein Gesetzeswerk, wie es das BGB verkörpert, das fast ausschließlich die formale Gleichheit der Parteien in sein Blickfeld einbezieht und sozialen Schutzzwecken gegenüber weitgehend blind ist, vermag freilich solch materiellem Schutzbedarf nicht gerecht zu werden; bestimmende Nichtigkeitsnormen sind dort - sogar in Form zwingenden Vertragsrechts - die Ausnahme.19 V. Die Bedeutung bestimmender Nichtigkeitsnormen beim Formzwang Vorweg ist klarzustellen, daß im Bereich der Formnichtigkeit von einer Funktionslosigkeit der §§139 und 140 BGB für die Bewältigung des Teilnichtigkeits- und Konversionsproblems nicht gesprochen werden kann. Selbst unter Zugrundelegung der gleich folgenden Ausführungen verbleibt den Vorschriften ein wichtiger und breiter Anwendungsbereich.20 Zwar kann man auch 14 Sandrock AcP 159 (1960) 481ff (488). 15 Hierzu aus grundrechtsdogmatischer Sicht Höfling 36ff. 16 Zu einem derart materiellen Verständnis der Vertragsfreiheit siehe auch Fuchs AcP 196 (1996) 313 (327fi). 17 Speziell für Formvorschriften Kötz 138. 18 Freilich setzt § 6 Abs. 3 AGBG eine Grenze der „Unzumutbarkeit“. 19 Ähnlich Sandrock AcP 159 (1960) 481ff (546). 20 Das beweisen auch die doch zahlreichen einschlägigen Entscheidungen; hierzu oben § 6 und §7.

im Bereich der Formnichtigkeit von einer Subsidarität der §§139 und 140 BGB (bzw. der entsprechenden englischen und österreichischen Institute) sprechen, weil selbstverständlich speziellere Normen (hier: bestimmende Nichtigkeitsnormen) den allgemeineren derogieren; auf den Regelfall der Formnichtigkeit trifft dies indessen nicht zu. Umgekehrt schmälert, das wird im Anschluß sogleich zu zeigen sein, dies auch nicht die Bedeutung der den allgemeinen Teilnichtigkeits- und Konversionsregeln vorgehenden gesetzlichen Lösungen. Gerade für den Fall der Formnichtigkeit wurden diese bisher nicht entsprechend erörtert. Sandrock meint, für die Formnichtigkeit würden sich keine Beispiele finden, wenngleich er deswegen nicht ausschließt, daß die „Formvorschrift in Ausnahmefällen bestimmende Nichtigkeitsnorm" sein könne.21 Jedoch zeigen jüngere Gesetzgebungsakte insbesondere solche zur Umsetzung des EG-Richtlinienrechts - daß auch Formvorschriften bestimmende Nichtigkeitsnormen sein können. 1. Der Ersatz formnichtiger Klauseln durch „formzwingendes“ Privatrecht: Bestimmende Nichtigkeitsnormen mit Substitutionsnormen a. Bestimmende Nichtigkeitsnormen mit Substitutionsnormen: Formzwingendes Privatrecht

Bisweilen werden teilnichtige Verträge dadurch auffechterhalten, daß die formmangelhafte Abrede durch eine gesetzliche Regelung ersetzt wird. Dabei handelt es sich um Fälle „formzwingenden Privatrechts“.22 b. Der Musterfall: Vertragsmodifikation nach Verbraucherkreditrecht

aa. Die Regelung des deutschen Verbraucherkreditgesetzes (1) Die Formvorschrift

§ 4 VerbrKrG unterwirft Verbraucherkreditverträge einem Schriftformerfordernis und legt außerdem den (Mindest-)Inhalt der Krediturkunde detailliert fest. Darunter finden sich für Kreditverträge im allgemeinen der Zwang zur Angabe des Zinssatzes23 sowie des effektiven Jahreszinses24. Bei Kreditverträgen, „die die Lieferung einer bestimmten Sache oder die Erbringung einer bestimmten anderen Leistung gegen Teilzahlungen zum Gegenstand haben“25 (Abzahlungsgeschäfte), sind insbesondere der Barzahlungspreis26, der Teilzahlungspreis27 und der effektive Jahreszins28 anzugeben.

21 Sandrock AcP 159 (1960) 481ff (542f mit FN 243). 22 Zum Charakter des formzwingenden Privatrechts im einzelnen oben § 5 III. 23 § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 lit. d VerbrKrG. 24 Im Detail siehe § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 lit. e VerbrKrG. 25 Siehe § 4 Abs. 1 Satz 2Nr. 2 VerbrKrG. 26 § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 lit. a VerbrKrG. 27 § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 lit. b VerbrKrG. 28 § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 lit. d VerbrKrG.

(2) Die Sanktion: allgemeines

Ein Fehlen dieser Angaben bewirkt gemäß § 6 Abs. 1 VerbrKrG grundsätzlich die Nichtigkeit des Gesamtvertrages. Die Regelung entspricht also zunächst § 125 BGB, allerdings tritt Gesamtnichtigkeit ohne Rücksicht auf § 139 BGB ein. Denn § 6 Abs. 1 VerbrKrG knüpft an das Fehlen auch nur einer der aufzuführenden Informationen die Nichtigkeit des Kreditvertrages. (3) Die Vertragsmodifikation bei Kreditverträgen im Abwicklungsstadium

Diese Sanktion wird jedoch beim allgemeinen Verbraucherkredit für den Fall der Inanspruchnahme des Kredits bzw. des Empfangs der Darlehensvaluta zurückgenommen.29 Dasselbe gilt bei Abzahlungsgeschäften, wenn die Sache übergeben bzw. die Leistung erbracht wird.30 Damit wird der Kreditvertrag geheilt, allerdings bei im einzelnen geändertem Vertragsinhalt. An die Stelle der formnichtigen Abreden treten gesetzliche Folgen. So schuldet der Verbraucher anstatt des vereinbarten Zinssatzes nur den gesetzlichen.31 Noch weiter geht § 6 Abs. 4 VerbrKrG: Ganz unabhängig davon, ob der Kreditvertrag gemäß § 6 Abs. 1 formgültig zustandekommt oder nach § 6 Abs. 2 oder 3 geheilt wird, ein zu niedrig angegebener Zinssatz wird verbindlich. All dies entspricht der Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers, weil die Nichtigkeit des Kreditvertrages nur die sofortige Rückzahlungs- wie auch Verzinsungspflicht nach Bereicherungsrecht auslösen und daher für den Konsumentenschutz eine äußerst unangemessene Sanktion darstellen würde. Der Zweck des Gesetzes, den Verbraucher vor schwer durchschaubaren Zinsklauseln zu schützen, würde durch die Nichtigkeitssanktion mit Rückabwicklung nicht effektiv erreicht. Daher gibt das Gesetz eine Zinshöhe vor, von der nur in formalisierter Weise abgewichen werden darf.

bb. Die Bedenken gegen diese Regelung von Häsemeyer (1) Die Position von Häsemeyer und ihre Kritik

Häsemeyer hat gegen die „Vorläuferbestimmung" von § 6 Abs. 3 VerbrKrG, also § la Abs. 3 AbzG, vehementen Protest erhoben.32 Die Vorschrift ließ den formmangelhaften Abzahlungskauf (erst) durch Übergabe der Sache zustande kommen und modifizerte den Vertragsinhalt, indem der Barzahlungspreis als (zinsenfrei) kreditiert galt. Die Zinsbefreiung wurde als „Sanktion“ gegen den Kreditgeber gewertet.33 Häsemeyer fordert anstelle dieser Zwangsänderung unumschränkte Nichtigkeit. Die Nichtigkeit reiche nämlich als Rechtsfolge aus, um den „berechtigten“ Abzahlungskäuferschutz zu gewährleisten. Er fragt, womit denn eigentlich der Käufer „das Geschenk einer Preisermäßigung“ verdiene. Freilich ist die Antwort wiederum klar: Weil dem Gesetzgeber die Totalnichtigkeit gemessen 29 § 6 Abs. 2 VerbrKrG. 30 § 6 Abs. 3 VerbrKrG. 31 § 6 Abs. 2 VerbrKrG. 32 Häsemeyer JuS 1980, Iff (8). 33 Nachweise bei Häsemeyer JuS 1980, Iff (8) FN 104.

am verfolgten Schutzzweck nicht adäquat erschien. Ging es der Formvorschrift darum, eine Auswahl des Konsumenten aufgrund vollständiger, leicht(er) verständlicher Information zu gewährleisten, so hat sich der Gesetzgeber aus zwei Gründen gegen eine blinde Nichtigkeit entschieden: Die Gewährung effektiven Schutzes für den Konsumenten einerseits und die Etablierung eines effektiven Anreizsystems zur formgerechten Fassung von Abzahlungsgeschäften andererseits. (2) Insbesondere: Die Härte der Sanktion

Die Opposition von Häsemeyer gegen die Sanktionierung dieser Formvorschrift richtet sich zunächst gegen deren Härte.34 Diese Kritik überzeugt angesichts der plötzlich eintretenden völligen Zinsenfreiheit, die der Verbraucher, mag er über die Höhe des Zinssatzes auch irregeleitet (oder zumindest nicht formgerecht aufgeklärt) worden sein, niemals erwartet hat. Derartige Kritik, selbst wenn sie - wie bei § la Abs. 3 AbzG - zutreffen sollte, vermag indessen die Art der Sanktionierung, nämlich den Ersatz vertraglicher Bestimmungen durch gesetzlich normierte Regelungen, nicht in Frage zu stellen. Gerade im Lichte der legislativen Entwicklung der Vorschrift mag die Kritik Häsemeyers nochmals bedacht werden: Nach dem nunmehr geltenden § 6 Abs. 3 VerbrKrG soll nicht jegliche Verzinsung entfallen, sondern der Zinssatz angepaßt werden, höchstens aber den gesetzlichen Zinsen entsprechen. Sollte der Zinssatz fälschlich zu niedrig angegeben worden sein, so reduziert er sich auf eben diesen niedereren Betrag. Hier geht es also in der Tat um eine auf die jeweilige Informationslage bzw. auf das jeweilige Informationsdefizit abgestimmte Sanktionsregelung. (3) Die Legitimation des Sanktionstypus der „Teilnichtigkeitsbestimmung mit Substitutionsnorm“

Indessen richtet sich die Kritik Häsemeyers gerade auch gegen den Sanktionstypus: Das Zustandekommen des Vertrages durch die Übergabe der Sache und unter Modifikation des Vertragsinhalts fiele „unter dogmatischen Aspekten völlig aus dem Rahmen“ und lehne „sich an die herkömmliche Heilung’ ... allenfalls äußerlich an“35 Tatsächlich warf gerade die Frage, ob der Vertrag geheilt würde oder erst durch die Übergabe zustandekam, erhebliche dogmatische Diskussionen auf.36 Diese wurden aber ebenfalls durch das VerbrKrG bereinigt. Gemäß § 6 Abs. 1 VerbrKrG kommt der Kreditvertrag zwar zustande, er ist aber nichtig. Aus der Formulierung des § 6 Abs. 2 und Abs. 3 VerbrKrG wird klar, daß es sich beim Wirksamwerden durch Invollzugsetzung um Heilungstatbestände handelt.37 Diese Heilung für sich ist noch kein dogmatischer Bruch. Das BGB selbst kennt eine Reihe von Heilungstatbeständen, und teilweise will die Lehre diese im Wege einer

34 So hebt Häsemeyer insbesondere hervor, daß die Sanktion auch jenen Verkäufer trifit, dem lediglich beim Niederschreiben der Urkunde ein Irrtum unterläuft (JuS 1980, Iff [8]). 35 Häsemeyer JuS 1980, Iff (8). 36 Nachweise bei Leenen AcP 188 (1988) 38Iff (390 mit FN 35). 37 A.A. Pohlmann 36.

Gesamtanalogie auf (fast) alle Fälle der Formnichtigkeit erstrecken.38 Daß die Heilung an die Auszahlung des Darlehens anknüpft, hängt mit dem Sinn dieser Konvaleszenz zusammen: Der Verbraucher soll den Kredit nicht mehr verlieren können; er wird in seinem Vertrauen auf den Bestand des Kreditvertrages, das durch die Auszahlung des Darlehensbetrages bzw. die Lieferung der Sache oder die Erbringung der Leistung bestärkt ist, geschützt. Die Aufrechterhaltung des Vertrages vermag auch opportunistisches Verhalten des Kreditgebers zu verhindern. Ein solches wäre nämlich jedenfalls dann denkbar, wenn man mit der h.L. von der absoluten Nichtigkeit ausgeht: Die Rückzahlungsverpflichtung kann einen starken Druck auf den Verbraucher ausüben, der ihn unter Umständen (und zwar wenn ihm aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse ein rasches Ersatzgeschäft nicht oder nur kostenbelastend zur Verfügung steht) zu einer Neuverhandlung des Vertrages unter schlechteren Konditionen bewegen wird. Dieses Druckmittel wird freilich durch die hier vertretene relative Nichtigkeit zurückgenommen; aber auch sie greift als Sanktion zu kurz, weil gerade nach Invollzugsetzung des Kreditgeschäfts der Verbraucher häufig ein nur sehr beeinträchtigtes Interesse an der Geschäftsvernichtung hat. Dies erklärt den Vertrauensschutz durch Heilung im Sinne von § 6 Abs. 2 und 3 VerbrKrG. Einziges dogmatisches Problem ist damit die nur teilweise Heilung, also die Beibehaltung einer Teilnichtigkeit und der Ersatz nichtiger Bestimmungen durch gesetzliche Regelungen. Nicht der Heilungsschritt ist dogmatisch fragwürdig, sondern allenfalls die beschriebene gesetzliche Vertragsmodifikation. Sieht man die Regelung jedoch, wie es hier vertreten wird, als eine Teilnichtigkeitsregelung an, die in Abweichung von § 139 BGB nicht auf den hypothetischen Parteiwillen abstellt, sondern die Restgültigkeit jedenfalls anordnet und für die entstehende Lücke eine Substitutionsnorm bereithält, so entspricht diese Regelung der für Teilnichtigkeitsfragen entwickelten Dogmatik. Die Subsidiarität des § 139 BGB läßt es zu, nach Sinn und Zweck der Nichtigkeitsnorm und unabhängig vom hypothetischen Willen der Vertragsparteien Restgültigkeit anzuordnen.39 40Dies ist sogar geboten, wenn es der Schutzzweck der Nichtigkeitsnorm erfordert. Daß dann Lücken der vertraglichen Regelung durch Rückgriff auf gesetzliche Bestimmungen geschlossen werden, ist seinerseits keine Besonderheit. Es handelt sich somit im Sinne von Sandrock um eine Teilnichtigkeitsbestimmung, die eine Substitutionsnorm bereithält. Sandrock hat hierfür im Bereich der Formvorschriften kein Beispiel gefunden, mit dem VerbrKrG (bzw. dessen Vorgänger, dem AbzG) hat der deutsche Gesetzgeber ein solches geschaffen. cc. Die „richterrechtliche“ Variante im englischen Consumer Credit Act 1974

Der englische Consumer Credit Act 1974 verfolgt ebenfalls eine Politik der Flexibilisierung der Rechtsfolgen. Allerdings überläßt er es dem Richter, die angemessenen Rechtsfolgen im Einzelfall zu bestimmen. Das Gesetz selbst sieht

38 So auch Häsemeyer 259ff. 39 Zu alledem oben § 10. 40 Sandrock AcP 159 (1960) 481

hierfür nur Grenzen und Richtlinien vor.41 Ganz allgemein ist ein formmangelhafter Konsumentenkreditvertrag nur durch eine gerichtliche order durchsetzbar.42 Einer derartigen enforcement order werden dabei Grenzen gesetzt, indem für bestimmte Fälle die Durchsetzbarkeit des Verbraucherkreditvertrages jedenfalls versagt sein soll.43 44 Liegen diese (engeren) Voraussetzungen hingegen nicht vor, so kann das Gericht in seiner enforcement ordert eine Modifikation des Vertragsinhalts vornehmen. Zuallererst und vorrangig erlaubt es s. 127 par. 2 Consumer Credit Act 1974, Zahlungs- oder Sicherheitsleistungspflichen des Verbrauchers zu mindern oder völlig aufzuheben. Allerdings, und hierin besteht eine gesetzliche Richtschnur für die richterliche Rechtsfolgenbestimmung, hat die Erleichterung der Verbindlichkeiten des Verbrauchers Nachteile auszugleichen, welche dieser durch den Formverstoß des Kreditgebers erlitten hat. Auf eben dieses Kriterium konzentriert sich auch die Rechtsprechung. So setzt sie den Kreditvertrag ohne jegliche Inhaltsänderung durch, wenn die Fehlbeurkundung keinerlei Nachteile für den Verbraucher brachte, ja dieser nicht einmal solche behauptet hat.45 Umgekehrt setzt die Vertragsmodifikation nicht notwendig den Nachweis konkreter Schäden voraus. Vielmehr wurde im Falle eines Darlehens mit sehr hohem Zinssatz, das einer in finanziell höchst angespannter Situation befindlichen Konsumentin gewährt worden war, der Zinsbetrag um 40 % gekürzt, weil der Kreditgeber es unterlassen hatte, die Vertragskopie auszuhändigen und die Bedenkfrist einzuräumen. Das Gericht ging davon aus, die Konsumentin hätte bei entsprechender Überlegung (infolge der Informationen über Vertragsinhalt wie auch Bedenkfrist) unter Umständen einen günstigeren Kredit bekommen können.46 47Die wohl aufschlußreichste Entscheidung erging im Fall Rank Xerox Finance Ltd v Hepple and Fennymore.41 Mehrere Formverstöße lagen vor, doch nur einer wurde wirklich relevant: Die Vertragsurkunde enthielt keine (oder doch keine verständliche) Regelung der Folgen der Vertragsverletzung. Der beklagte Verbraucher hatte ein gemietetes Kopiergerät vorzeitig zurückgestellt, weil er die Raten nicht mehr begleichen konnte und meinte, mit Rückstellung würden die Zahlungen aufhören. Hätte der Beklagte gewußt, daß er auch bei Rückstellung des Geräts die weiteren Mietzinse zu entrichten habe, so hätte er es behalten und anderweitig gewinnbringend eingesetzt.48 Daher hat das Gericht die Ansprüche des Kreditgebers gekürzt; dabei wird allerdings nicht klar, welche Kriterien es bei der Bemessung der Kürzung angewandt hat. Tatsächlich dürfte der Richter schlicht nach „billigem Ermessen“ entschieden haben.49 Diese Reduktionen der Leistungspflichten des Verbrauchers sind indessen keineswegs die einzigen Modifikationsmöglichkeiten, 41 Siehe^. 127 Consumer Credit Act 1974. 42 Siehe 5. 65 par. 1 Consumer Credit Act 1974; vgl. Regina v Modupe (1991) CCLR 29 (35). 43 Siehe s. 127 par. 3 Consumer Credit Act 1974. 44 Das Gericht ist freilich nicht gezwungen, eine enforcement order zu erlassen: 5. 127 par. 1 Consumer Credit Act 1974 erlaubt eben auch die gänzliche Versagung der Durchsetzung. 45 Nissan Finance UK Ltd. v Lockhart (1993) CCLR 39 (44). 46 National Guardian Mortgage Corp v Wilkes (1993) CCLR 1 (3). 47 Rank Xerox Finance Ltd. v Hepple and Fennymore (1994) CCLR 1. 48 Vgl. die Ausführungen von Judge Hague in Rank Xerox Finance Ltd. v Hepple and Fennymore (1994) CCLR 1 (13). 49 Rank Xerox Finance Ltd. v Hepple and Fennymore (1994) CCLR 1 (13).

welche dem englischen Richter zur Verfügung stehen. Das Gesetz50 ermöglicht auch einen Rückgriff auf die Kompetenzen nach s.135 und 5. 136 Consumer Credit Act 1974, wenngleich diese in Formverfehlungsfällen bisher nicht relevant geworden sind. S. 135 erlaubt es, die Wirksamkeit einzelner Abreden von bestimmten Bedingungen abhängig zu machen; gemäß s. 136 kann der Vertrag durch Einfügen neuer Bestimmungen in der enforcement order inhaltlich geändert werden.

dd. Die „Sanktionslosigkeit" im österreichischen Recht als Verstoß gegen die V erbraucherkredit-Richtlinie

Auch in Österreich ist gemäß § 33 BWG der Verbraucherkreditvertrag formpflichtig, und dasselbe gilt gemäß § 24 KSchG für Abzahlungsgeschäfte. Allerdings beeilt sich der österreichische Gesetzgeber in beiden Bestimmungen festzuhalten, daß der Mangel der Form auf die Gültigkeit des Geschäfts keinen Einfluß hat.51 Weder Nichtigkeit des Gesamtvertrages noch die weit subtileren Einzelfolgen bei teilweiser Fehlbeurkundung, wie sie die anderen beschriebenen Rechtsordnungen enthalten, finden Beachtung. Daß dies insbesondere europarechtlichen Vorgaben widerspricht, darauf wurde schon oben hingewiesen.52 ee. Zwischenbefund: Finalisierung der Rechtsfolgen Sowohl der englische Consumer Credit Act 1974 als auch das deutsche VerbrKrG haben gezeigt, daß die Gesetzgeber bei der Verfolgung bestimmter Schutzzwecke, die jedenfalls konkreter sind als ein allgemeiner Übereilungsschutz, die Sanktionen final ausrichten. Anstelle der „neutralen“ Nichtigkeit werden subtilere, auf den Schutzzweck aber auch auf Prävention ausgerichtete Rechtsfolgen eingesetzt. Fast ausschließlich schutzzweckfinal geht die englische Rechtsprechung - gestützt auf ihre Kompetenzen nach 5. 127 Consumer Credit Act 1974 - vor: Es geht im wesentlichen um den Ausgleich tatsächlich erlittener Nachteile, die Modifikation des Vertragsinhalts folgt sohin einem (wenngleich nicht strikt53 verwendeten) Kausalitätskriterium. Hingegen unterliegt den Sanktionsmechanismen des deutschen VerbrKrG wohl auch ein Präventionsstreben: Vertragsmodifikationen treten ein, ohne daß es dem Kreditgeber erlaubt sein soll, mangelnde Relevanz des Formzwecks im Einzelfall einzuwenden und so den Rechtsfolgen zu entgehen.

50 Siehe s. 127 par. 1 lit. ii Consumer Credit Act 1974. 51 Siehe § 24 Abs. 3 KSchG, hierzu Kosesnik-Wehrle/Lehofer/Mayer 147ff, die der mangelhaften Sanktionierung der Verbriefungspflicht keine Beachtung schenken; sowie § 33 Abs. 2 Satz 1 BWG, hierzu Laurer in Fremuth/Laurer/Line/Pötzelberger § 33 BWG Rz. 3, der ebenfalls der Sanktionsfrage keinerlei Beachtung schenkt, sondern lediglich feststellt: „Solche Verträge bedürfen der Schriftform, sind aber auch ohne Einhaltung derselben gültig.“ 52 Hierzu oben § 1IV. 4. a. bb. (2). 53 Siehe die Bemessung der Kompensationsbeträge in den Rechtsprechungsbeispielen oben § 10 V. 1. b. cc..

c. Die gesetzliche Umdeutung formmangelhafter befristeter Mietverträge

aa. § 566 BGB54 Gemäß § 566 BGB bedürfen Grundstücksmietverträge, welche für mehr als ein Jahr abgeschlossen werden, der Schriftform. Formverfehlung fuhrt zur Vertragsmodifikation in der Weise, daß der Vertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt. § 566 BGB wird gerne mit § la AbzG55 in Zusammenhang gesetzt, sanktionieren doch beide Formmängel durch eine Vertragsmodifikation.56 Indessen ist ein Unterschied nicht zu übersehen: Während bei § la AbzG der Formmangel tatsächlich auf einen Teil des Vertrages beschränkt ist (Nichtauffuhren der betreffenden Angaben), liegen die Fälle des § 566 BGB regelmäßig so, daß der gesamte Vertrag in nicht formgerechter Weise geschlossen wird.57 Solche Fälle können nach der hier vertretenen Auffassung58 nicht mittels § 139 BGB teilweise aufrechterhalten, sondern allenfalls gemäß § 140 BGB umgedeutet werden. Der BGH hat in eben diesem Sinne ja bereits entschieden: Es ging um Fälle von Automatenaufstellungsverträgen, die infolge von Ausschließlichkeitsklauseln der Formvorschrift des § 34 GWB a.F. unterlagen und zum Zwecke der Ermöglichung der staatlichen Kontrolle als Ganzes zu verbriefen waren. Mangels Schriftform wurde der Vertrag als insgesamt nichtig, jedoch in einen Automatenaufstellungsvertrag ohne Ausschließlichkeitsbindung umdeutbar angesehen.59 Es ist davon auszugehen, daß der BGH auch in Fällen des § 566 BGB ähnlich verfahren würde, würde es an der bestimmenden Nichtigkeitsnorm des § 566 BGB mangeln. Allerdings müßte dann stets der hypothetische Parteiwille geprüft werden, und genau dies erübrigt § 566 BGB: Als bestimmende Nichtigkeitsnorm deutet er den Mietvertrag in einen solchen auf unbestimmte Dauer um. § 566 BGB sollte daher als gesetzlich definierter, vom hypothetischen Parteiwillen unabhängiger Fall der Umdeutung betrachtet werden.60

54 Auch H. Roth in Staudinger I § 139 BGB Rz. 10 zählt die Vorschrift zu den von § 139 BGB abweichenden Spezialregelungen, also zu den bestimmenden Normen; ebenso Emmerich in Staudinger II3 § 566 BGB Rz. 54. 55 Siehe nunmehr die Sanktionsregelungen in § 6 VerbrKrG. 56 Z.B. Leenen AcP 188 (1988) 381ff (389f). 57 A.A. offenbar Reichel 62ff, der § 566 BGB als Ausnahme zu § 139 BGB ansieht; ebenso jüngst H. Roth in Staudinger I § 139 BGB Rz. 10; entscheidend erscheint hingegen, daß sie mit weitgehend ähnlichen Argumenten zum hier vertretenen Ergebnis gelangen. 58 Vgl. insb. oben § 7 II. 1. b.. 59 BGH 5.2.1980 NJW 1980, 2517. 60 Wiederum anders, wenngleich in der Argumentationsstruktur ähnlich Leenen AcP 188 (1988) 38Iff (389), der die Regelung auf der Ebene des Vertragszustandekommens ansiedelt, nicht auf jener der Wirksamkeit. Nach Leenen kommt somit der Mietvertrag von vornherein nur als unbefristeter zustande. Dem steht die Umdeutung jedoch gedanklich jedenfalls sehr nahe; im hier vertretenen Sinne Michalski WM 1998, 1993 (2006 m.w.N.).

bb. §29

(1) Die Vorschrift und ihre Wirkungen Das österreichische MRG enthält eine dem § 566 BGB sehr ähnliche Bestimmung. In bestimmten, gesetzlich aufgelisteten Fällen und unter Einhaltung bestimmter Bedingungen61 - insbesondere der Einhaltung der Schriftform - ist es möglich, den Mietvertrag zu befristen und dessen automatische Auflösung (ohne Kündigung) zum Endtermin zu bestimmen. Im Gegensatz zu § 566 BGB soll die Formvorschrift des § 29 MRG dem Interesse des Mieters dienen, die zeitliche Limitierung und automatische Lösung des Vertrages deutlich vor Augen zu haben.62 Daraus wird gefolgert, nicht der gesamte Mietvertrag werde durch diese Klausel formpflichtig, sondern nur die Befristungsabrede.63 Damit aber hat man es bei Formmängeln mit einem typischen Fall der Teil- und nicht Gesamtnichtigkeit zu tun. Der Formmangel fuhrt nicht dazu, daß der Mietvertrag als für unbestimmte Zeit geschlossen gilt, sondern es entfallt die automatische Vertragsauflösung nach Zeitablauf. Der Vermieter hat sich daher an die gesetzlichen Substitutionsnormen zu halten, welche für die Beendigung des Vertrages eine gerichtliche Aufkündigung erfordern.64 Seinem Sanktionstypus nach ist § 29 Abs. 1 Z. 3 MRG eine bestimmende Nichtigkeitsnorm, die für die (teil)nichtige Abrede eine Substitutionsnorm bereithält. (2) Zur Kritik an § 29 MRG und der dazu ergangenen Rechtsprechung

Auch § 29 MRG hat in der Lehre Kritik geerntet. Die einschlägigen Äußerungen sprechen für sich. Hanel meint: „Übrig bleibt vielleicht das Unbehagen, wie leicht man ... sich in Formerfordernissen, die noch dazu legislatorisch völlig mangelhaft aufgestellt wurden, verfangen und damit in den unerwarteten 'Genuß’ eines 'Dauermieters’ gelangen kann.“65 Faistenberger, Barta und Markl sprechen im Zusammenhang mit der Rechtsfolge des § 29 Abs. 1 Z. 3 MRG gar von der „Form als Falle!“.66 Diese gewiß richtigen Beobachtungen schließen aber letztlich alle an den nur mangelhaft formulierten Formtatbestand in § 29 Abs. 1 Z. 3 MRG an. Die Rechtsfolge wird nämlich in diesen Fällen deshalb als so hart (als „Falle“) empfunden, weil die Kompliziertheit des § 29 Abs. 1 Z. 3 MRG es unwahrscheinlich erscheinen läßt, daß den Parteien die Anwendbarkeit der Formvorschrift überhaupt bewußt war. Relevant wurden solche Fälle, in denen der 61 Zu den Fallgestaltungen und den zu erfüllenden Vorbedingungen siehe § 29 Abs. 1 Z. 3 lit. a bis e MRG. 62 So ausdrücklich die Rechtsprechung OGH 4.12.1987 SZ 60/263 (auf Seite 683) = JB1 1988, 451 (Hanel) unter Verweis auf die Urteilsanmerkung von Böhm JB1 1987, 659; vgl. ferner OGH 23.9.1987 SZ 60/182 (auf Seite 264 a.E.) = JB1 1988, 450; für stillschweigende Erneuerung des Vertrages auf unbestimmte Zeit siehe OGH 9.11.1988 JB1 1989, 177. 63 So Derbolav in Korinek/Krejci (Hg.) 429 (433) zur Vorgängerbestimmung des heutigen § 29 MRG. 64 Vgl. für Fälle der stillschweigenden und daher formwidrigen Verlängerung befristeter Mietverträge OGH 4.12.1987 SZ 60/263 (auf Seite 684) = JB1 1988, 451 (Hanel). 65 Hanel JB1 1988, 451 (454). 66 Faistenberger/Barta/Markl in Gschnitzer AT2 740.

OGH - noch dazu in Abkehr von früherer Rechtsprechung67 68 - 69erst nach Vollziehung komplizierter interpretativer Denkschritte zum Ergebnis der Formpflichtigkeit und damit auch zur Anwendung der Rechtsfolge der Vertragsmodifikation kam. Daß sich die dadurch belastete Partei als ein „Opfer in der Falle“ fühlte, ist sehr leicht nachvollziehbar. Wiederum ist aber nicht die Modifikation des Vertragsinhalts als Sanktion bedenklich, sondern die Art und Weise der Definition des Formzwangs. Wenn die Tatbestandsseite nur durch komplizierte juristische Überlegungen geklärt werden kann, dann trifft eine Rechtsfolge des Formmangels die belastete Partei immer aus heiterem Himmel. Rechtsprechung muß aus ihrer Sicht als Unrechtsakt angesehen werden. Die Art der Sanktionierung ist in diese Kritik indessen nicht aufzunehmen: Hätte der Formverstoß in den dargelegten Rechtsprechungsbeispielen zur Nichtigkeit des Gesamtvertrages geführt, dann wäre eben der Mieter die belastete Partei gewesen, die dann - mangels Erkennbarkeit des Formzwangs - von den Folgen der Formverfehlung „schuldlos“ getroffen worden wäre; ein Ergebnis, das mindestens genauso ungerecht empfunden würde. d. Sonderfälle des EG-Richtlinienrechts: Formbindung der Abweichung von vorvertraglichen Zusagen Eine Fortbildung zum „formzwingenden Privatrecht“ stellen jene Vorschriften im EG-Richtlinienrecht dar, die den Unternehmer an seine Angaben im Prospekt, den er im vorvertraglichen Stadium den Verhandlungen unterlegt hat, binden. Von Prospektangaben darf nur formgerecht abgegangen werden, Formmängel fuhren zur Geltung der Prospektangaben. Diese richtlinienrechtlichen Bestimmungen wurden schon dargetan, hier seien noch einzelne Umsetzungs(zwischen)ergebnisse präsentiert. So wird das englische Reiserecht zur Umsetzung der Pauschalreisen­ Richtlinie in den Package Travel, Package Holidays and Package Tours Regulations 199268, die sich kompetenzrechtlich auf den European Communities Act 197269 stützen, geregelt. X 6 der Regulations macht Angaben in Reiseprospekten zu implied warranties des Vertrags. Davon kann nur dann abgewichen werden, wenn der Prospekt selbst einen Vorbehalt enthält und jede Abweichung vor Vertragsschluß dem Kunden klar mitgeteilt wird.70 Der Abweichungsvorbehalt hat sohin im Prospekt schriftlich aufzuscheinen, jede Änderung ist klar mitzuteilen. Darin liegen zwar erst Ansätze einer Formalisierung, doch weisen diese in ganz bestimmte Richtung: Bestimmungen des Vertrages, die von Zusagen, wie sie im vorvertraglichen Stadium getroffen werden, ohne Beachtung bestimmter Mindestkriterien (u.a. auch Formen) abweichen, sind (teil)nichtig und werden durch eben jene vorvertraglichen Abreden ersetzt. Anstelle 67 OGH 9.10.1986 JB1 1987, 659 (Böhm). 68 SJ. 1992/3288. 69 Siehe dessen s. 2 par. 2. 70 Demgegenüber läßt die deutsche Verordnung über die Informationspflichten von Reiseveranstaltern (InfVO) vom 14.11.1994 (BGBl. 1994 I 3436) in ihrem § 1 Abs. 1 jegliche Abweichung durch vertragliche Einigung zu; dies widerspricht freilich den einschlägigen europarechtlichen Vorgaben (Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 1. Gedankenstrich Pauschalreisen­ Richtlinie).

des sonst vorzufindenden „zwingenden“ Privatrechts tritt die vorvertragliche Zusage. Ähnliches gilt für das Umsetzungsgesetz betreffend die Timeshare­ Richtlinie in Deutschland. Das TzWrG läßt Abweichungen vom (zwingend auszuhändigenden71) Prospekt nur zu, wenn diese im schriftlichen Vertrag „ausdrücklich und unter Hinweis auf die Abweichung vom Prospekt“ erfolgt.72 2. Bestimmende Nichtigkeitsnormen ohne Substitutionsvorschrift a. Die zwingende Gesamtnichtigkeit

Bestimmende Nichtigkeitsnormen können die Totalnichtigkeit des Vertrags ohne Berücksichtigung des hypothetischen Parteiwillens anordnen. Wiederum sind es die den Verbraucherkredit in England und Deutschland regelnden Gesetze, welche uns Beispiele liefern. So ist es nach 127 par. 3 Consumer Credit Act 1974 dem Gericht verwehrt, eine enforcement order zu erlassen, wenn nicht zumindest eine Urkunde vorliegt, die vom Schuldner gefertigt wurde und jedenfalls alle vorgeschriebenen Abreden enthält. Bestimmte Fälle teilweiser Nichtbeurkundung fuhren sohin zur Undurchsetzbarkeit des Gesamtvertrages. Auch das deutsche VerbrKrG kennt die ohne Rücksicht auf § 139 BGB eintretende Totalnichtigkeit trotz nur teilweiser Formverfehlung: Fehlt es an den in § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 lit. a bis f VerbrKrG und § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 lit. a bis e VerbrKrG vorgeschriebenen Angaben, so ist der Gesamtvertrag nichtig.73 Freilich kann dann der Vertrag auch nicht nach § 140 BGB in einen solchen ohne die nichtbeurkundete Abrede umgedeutet werden. b. Die zwingende Aufrechterhaltung eines Geschäftsrests bzw. Ersatzgeschäfts

aa. 5. 2-201 par. 1 UCC: Der vermutete hypothetische Parteiwille S. 2-201 UCC stellt an den Inhalt der Urkunde über Warenkäufe keine besonderen Anforderungen. Sein Beweissicherungszweck aber verlangt die Angabe jedenfalls der Menge der gekauften Waren. Sollte diese zwar angegeben aber falsch beziffert sein, so bildet die beurkundete Menge an Waren das oberste Limit der Durchsetzbarkeit. Damit tritt eine gesetzlich angeordnete quantitative Teilnichtigkeit ein. Das Nichtabstellen auf den hypothetischen Parteiwillen ist hier freilich als nicht besonders spektakuläre Ausnahme zu werten, zumal es sich bei Waren im Handelsverkehr, die nach Menge bemessen werden, regelmäßig um vertretbare Sachen handelt, deren Lieferung aus Verkäufer- wie auch Käufersicht regelmäßig auch dann sinnvoll ist, wenn die eigentlich vereinbarte Menge mangels Form nicht durchsetzbar ist. Der Sinn der s. 2-201 par. 1 UCC dürfte wohl in einer „gesetzlichen Vermutung des hypothetischen Parteiwillens“ zur Aufrechterhaltung des formgemäßen Teils gelegen sein; allerdings wird die Regelung offenbar als so 71 Im einzelnen § 2 TzWrG. 72 § 3 Abs. 3 TzWrG; kritisch hierzu Mäsch DNotZ 1997, 180 (195f). 73 Als bestimmende Nichtigkeitsnorm im hier vorgetragenen Sinne behandelt auch Ulmer in MüKo III § 6 VerbrKrG Rz. 14 die Vorschrift des § 6 Abs. 1 VerbrKrG.

selbstverständlich angesehen, daß es in der Literatur an Hinweisen zur genauen ratio mangelt.74

bb. § 956 ABGB: Musterbeispiel einer bestimmenden Konversionsnorm im Bereich der Formnichtigkeit75 Auch § 956 ABGB geht von einer gesetzlichen Vermutung des hypothetischen Parteiwillens aus76 Demnach wird eine Schenkung auf den Todesfall, die den Vorschriften des § 956 ABGB (darunter auch die Einhaltung der Schenkungsform) nicht entspricht, automatisch in ein Vermächtnis umgedeutet. Zumal § 956 ABGB unterstellt, daß ein hypothetischer Aufrechterhaltungswille regelmäßig vorliegt, verlangt die Vorschrift keine Prüfung der Frage im Einzelfall. Die Konversion tritt ex lege ein. cc. Bestimmende Nichtigkeitsnormen Verbraucherkreditrecht

ohne

Substitutionsnorm

im

Es finden sich ferner bestimmende Nichtigkeitsnormen, die aufgrund des verfolgten Schutzzwecks von den Teilnichtigkeits- und Konversionsregeln abweichen. Auch hierfür bietet das deutsche VerbrKrG treffende Beispiele. Gemäß § 6 Abs. 2 VerbrKrG sind nicht angegebene Kosten vom Verbraucher auch nicht geschuldet und Änderungen des Preises nur dann möglich, wenn auch die bestimmenden Faktoren angegeben sind; Sicherheiten77 können nur bei Angaben hierüber gefordert werden. Dies beinhaltet im Ergebnis eine Nichtigerklärung derartiger Klauseln unter Aufrechterhaltung des Restvertrags. Einer weiteren Vertragsmodifikation bedarf es hier nicht, weil bereits der Wegfall der belastenden Klauseln zum Verbraucherschutz hinreicht. Entscheidend ist wiederum, daß der Gesetzgeber die Teilnichtigkeitsfrage auf der Ebene der Nichtigkeitsnorm geregelt hat, somit Restgültigkeit unabhängig von § 139 BGB eintritt. Diese Regelungstechnik wird durch die gesteigerte Effizienz des erstrebten Verbraucherschutzes legitimiert; abermals geht es also um ein Schutzgesetz, dessen Zielverwirklichung bei Nichtigkeit nach § 125 BGB i.V.m. § 139 BGB nicht entsprechend gewährleistet wäre. Auch der englische Consumer Credit Act 1974 enthält Fallbeispiele, die 74 Siehe nur Squillante/Fonseca in Williston on Sales I 232ff; Quinn 2-80; Wallach 1-20. 75 Für den Bereich des Erbrechts findet sich ferner § 1253 ABGB, der allerdings aufgrund anderer Erwägungen zum gegenteiligen Ergebnis, nämlich zu einem Konversionsausschluß kommt. 76 So geht etwa Stanzl in Klang IV/1 630 deutlich davon aus, daß Schenkungen auf den Todesfall mangels Form in ein Vermächtnis umdeutbar sind, wenn er meint, dies ergebe sich auch deutlich genug aus § 956 Satz 1 ABGB; damit macht er immerhin klar, daß § 956 ABGB von einem stets vorfindbaren hypothetischen Parteiwillen ausgeht, diesen daher gesetzlich vermutet; auch Binder 78 weist auf die Identität der Willensrichtung bei Schenkung auf den Todesfall und Vermächtnis hin und liefert damit dieselbe Begründung zu § 956 ABGB; ganz allgemein unterstellt er übrigens allen gesetzlich bestimmend geregelten Konversionsfallen, daß sie den hypothetischen Parteiwillen zur Aufrechterhaltung in Form des Konversionsgeschäfts vermuten (Binder 80). 77 Die Sicherheiten betreffende Regelung kommt in Fällen des § 6 Abs. 3 VerbrKrG gleichermaßen zur Anwendung.

freilich an richterliches Ermessen gebunden sind. So etwa, wenn das Gericht den Kreditnehmer von der Pflicht zur Leistung bestimmter Zahlungen ganz entlasten, im Ergebnis also eine den Verbraucher belastende Abrede einfach streichen kann. Ganz besonders gilt dies für 5. 127 par. 5 Consumer Credit Act 1974. Er knüpft an die vorangestellte Bestimmung der s. 127 par. 3 an, wonach ein Kreditvertrag überhaupt nur dann gerichtlich durchgesetzt werden kann, wenn eine vom Kreditnehmer gezeichnete Urkunde vorliegt, die alle vorgeschriebenen Angaben enthält. Ist dies der Fall, fehlen hingegen andere vertragliche Bestimmungen, so kann der Richter den Vertrag so durchsetzen, als ob die fehlende Klausel nicht Vertragsbestandteil wäre. 3. Exkurs: Offene Teilnichtigkeitsfragen im deutschen VerbrKrG a. Die Problematik und drei Lösungsvarianten

Fraglich bleibt die Rechtsfolgenbestimmung nach deutschem VerbrKrG insbesondere in jenen Fällen, in denen zwar die Schriftform „insgesamt“ gewahrt wurde und auch die gemäß § 6 Abs. 1 VerbrKrG konstitutiv wirkenden Angaben enthalten sind, sonstige Vertragsteile aber in der Krediturkunde fehlen. Drei Lösungsvarianten stehen zur Auswahl: Erstens könnte mangels Aufnahme in die Nichtigkeitsanordnung des § 6 Abs. 1 VerbrKrG dem Formfehler überhaupt keine Wirkung zukommen, der Kreditvertrag damit insgesamt gültig sein. Zweitens könnte man ganz einfach die allgemeinen Teilnichtigkeitsregeln (§ 139 BGB), unter Umständen auch die Konversionsregeln (§ 140 BGB) zur Anwendung bringen. Drittens könnte von der automatischen Teilnichtigkeit dieser nicht formalisierten Vertragsteile unter Aufrechterhaltung des Geschäftsrests ausgegangen werden.78 b. Der Wortlaut des § 6 Abs. 1 VerbrKrG: Gültigkeit trotz Fehlbeurkundung Der Wortlaut des § 6 Abs. 1 VerbrKrG spricht gewiß für die erste Variante. Er knüpft die Nichtigkeit des Vertrages an das Fehlen der Schriftform „insgesamt“ oder aber an das Fehlen bestimmter, besonders wichtiger Angaben. Wird sohin der Kreditvertrag zwar schriftlich geschlossen (fehlt es also nicht „insgesamt“ an der Schriftform) und fehlen lediglich sonstige Abreden, dann kann man - mangels Nichtigkeitsanordnung in § 6 Abs. 1 VerbrKrG - von der Gültigkeit des Gesamtvertrages ausgehen.79 Dies entspricht im übrigen der VerkraucherkreditRichtlinie insofern, als auch diese zwar einen schriftlichen Vertragsschluß80, nicht aber eine Gesamtverbriefung81 vorsieht. 78 So Ulmer in MüKo III § 6 VerbrKrG Rz. 14. 79 Auch Ulmer in MüKo III § 6 VerbrKrG Rz. 14 spricht von der abschließenden Regelung der Fälle der Formnichtigkeit und Heilung eines Verbraucherkreditvertrages in § 6 VerbrKrG, spricht sich aber für eine unabhängig vom (hypothetischen) Parteiwillen eintretende Teilnichtigkeitslösung aus. 80 Siehe Art. 4 Abs. 1 Verbraucherkredit-Richtlinie; zum Konstitutivcharakter oben § 1 IV. 4. a. aa.. 81 Siehe Art. 4 Abs. 3 Verbraucherkredit-Richtlinie, wonach die Krediturkunde auch die sonstigen wesentlichen Vertragsinhalte angeben soll.

c. Keine Anwendung der §§ 139, 140 BGB Schon rechtstechnisch problematisch ist demgegenüber die zweite Variante: Beläßt man es bei der Anwendung der §§ 139, 140 BGB, so fragt sich, wie sich dann die Heilungsvorschriften des § 6 Abs. 2 und Abs. 3 VerbrKrG auswirken. Wird nämlich ein Kreditvertrag infolge § 139 oder § 140 BGB aufrecht erhalten und konsequenter Weise - aufgrund dieses gültigen Vertrages die Darlehenssumme ausbezahlt bzw. die Sache übergeben oder die Leistung erbracht, dann müßte doch die heilende Wirkung der Invollzugsetzung des Kreditgeschäftes (§ 6 Abs. 2 und Abs. 3 VerbrKrG) gerade auf die teilnichtige Abrede erstreckt werden. Denn eine Zulassung der Heilung in Fällen, in denen es an der Schriftform insgesamt mangelt, nicht hingegen in jenen, in denen nur einzelne, noch dazu weniger erhebliche Abreden nicht beurkundet werden, erscheint nicht sachgerecht. Weil es aber in diesen Fällen zwingend zur Heilung kommen würde, wäre man letztlich ohnehin bei der ersten Variante (Gesamtgültigkeit) angelangt. Anderes würde nur in jenen Fällen gelten, in denen infolge §§ 139, 140 BGB Gesamtnichtigkeit eintritt. Nur in diesen Fällen würde die Nichtigkeit eine Rolle spielen. Dieses Ergebnis, wonach nur in letzteren Fällen die §§ 139, 140 BGB praktisch Wirkung zeigen, in echten Teilnichtigkeitsfallen hingegen nicht, kann dem Gesetzgeber schwerlich als beabsichtigt zugeschrieben werden. d. Keine „automatische Teilnichtigkeit“

aa. Die beiden Argumente von Ulmer für diese Variante Es verbleibt die dritte Variante. Hierfür hat Ulmer vorgetragen, die Nebenabrede sei formnichtig, doch bliebe es dem Verbraucher unbenommen, am Kreditvertrag im übrigen festzuhalten. Dies entspreche auch den Erfahrungen mit Teilnichtigkeitsregelungen allgemein in Vebraucherschutzgesetzen. Im Interesse des Verbrauchers wird der Vertrag ohne die nichtige Klausel aufrecht erhalten.82

bb. Kritik des ersten Arguments Das erste Argument, wonach der Verbraucher trotz fehlender Nebenabrede die Durchführung des Restvertrags fordern kann, vermag indessen konstruktiv nicht zu überzeugen. Wenn nämlich § 6 Abs. 1 VerbrKrG - im Sinne Ulmers - eine § 139 BGB erübrigende, sohin bestimmende Nichtigkeitsnorm sein soll, dann ist der Restvertrag gültig, es sind also beide Parteien an ihn gebunden; eine bloß relative Nichtigkeit zugunsten des Verbrauchers hinsichtlich des formgültigen Teils, wie sie Ulmer zu konstruieren scheint, liegt also insofern nicht vor. Folge der relativen Nichtigkeit könnte es doch nur sein, daß der Verbraucher den Gesamtvertrag (also einschließlich der zu seinen Gunsten formnichtigen Nebenabrede) durchsetzen kann.

82 Siehe Ulmer in MüKo III § 6 VerbrKrG Rz. 14.

cc. Kritik des zweiten Arguments Es ist richtig, daß in verschiedenen Verbraucherschutzgesetzen ein teilnichtiger Vertrag zugunsten des Konsumenten ohne eine nichtige Klausel aufrecht erhalten wird.83 In diesen Fällen knüpft das Gesetz aber von vornherein an eine den Verbraucher unbillig benachteiligende Klausel an; und gerade diese Methode ist auch dem VerbrKrG zu eigen: In § 6 VerbrKrG werden verschiedene, dem Verbraucher nur nachteilige Klauseln als nicht vereinbart gewertet (z.B. die gemäß formloser Einigung vom Verbraucher zu bestellenden Sicherheiten). Die Übertragbarkeit dieses Ansatzes auf die formnichtigen sonstigen Nebenabreden aber muß schon daran scheitern, daß man im vorhinein gar nicht weiß, welchen Inhalt diese Abreden haben werden. Geht man davon aus, daß in fast allen Fällen der Kreditgeber die Urkunde aufsetzen wird84, dann könnte die bestimmende Teilnichtigkeitsanordnung diesen sogar dazu animieren, auf nur zugunsten des Verbrauchers getroffene Nebenabreden bei der Beurkundung zu „vergessen“. Wiederum könnte nur die relative Nichtigkeit des formungültigen Teils helfen. Aber auch diese - im Vergleich zu den Ausführungen Ulmers bereits modifizierte Lösung müßte § 6 VerbrKrG leicht korrigieren, um konsequent durchführbar zu sein. Denn die dargelegte Lösung hängt konstruktiv davon ab, daß man § 6 Abs. 1 VerbrKrG als bestimmende Nichtigkeitsnorm auffaßt, die dargelegten Rechtsfolgen eben dieser Vorschrift entnimmt.85 Dann aber müßte man diese Fälle der Teilnichtigkeit von der Heilungswirkung nach § 6 Abs. 2 und Abs. 3 VerbrkrG ausnehmen, wenngleich deren Formulierung gerade an Mängel nach Abs. 1 anknüpft. Würde man hingegen die Heilungswirkung nicht zurücknehmen, dann wäre man im Ergebnis wiederum bei der Variante 1 (Gesamtgültigkeit) angelangt: Denn der teilnichtige Vertrag würde jede Partei dazu berechtigen, den Vertrag in Vollzug zu setzen und sohin die Heilungswirkung herbeizuführen. Letztendlich sprechen daher die überwiegenden Gründe für die erstgenannte Lösung der Gesamtgültigkeit des Vertrages bei Nichtbeurkundung nur sonstiger (nicht durch § 6 Abs. 1 VerbrKrG sanktionierter) Nebenabreden.

83 Siehe nur § 6 AGBG. 84 Davon geht ersichtlich auch das VerbrKrG aus; das wird auch aus Art. 4 Abs. 1 Verbraucherkredit-Richtlinie deutlich, der eine Aushändigungsflicht gegenüber dem Verbraucher statuiert. 85 Insofern überzeugt es auch nicht, wenn Ulmer einmal § 125 BGB heranzieht, um das aus ihm abgeleitete - schon im allgemeinen fragwürdige - „Vollständigkeitsprinzip “ anzuwenden, und sohin sonstige Nebenabreden für nichtig befindet (MüKo III § 6 VerbrKrG Rz. 9), dann aber § 6 Abs. 1 VerbrKrG als lex specialis gegenüber § 125 BGB bezeichnet, die die Nichtigkeitssanktion der dort genannten Formmängel abschließend regeln würde (MüKo III § 6 VerbrKrGRz. 13).

Teil 3 Nichtigkeitsdurchbrechungen §H Die Heilung des Vertrags infolge vollständiger Erfüllung

I. Der US-amerikanische und englische Grundsatz als „Selbstverständlichkeit“

Für Formvorschriften vom Typus des Statute of Frauds ist es eine Selbstverständlichkeit, daß vollständige Erfüllung zur Heilung fuhrt.1 Sind die vertraglichen Ansprüche existent und lediglich unklagbar, so ist eine Rückforderung der erbrachten Leistungen nach vollständiger Abwicklung des Vertragsverhältnisses ausgeschlossen. Zugleich liegen bei vollständiger Erfüllung auch die Voraussetzungen der Doktrin der part performance vor, womit sich die Formpflicht regelmäßig erledigt.2 Daher ist nicht nur von einem Rückforderungsausschluß zu sprechen, sondern von Heilung. In dieser Form tritt uns Totalerfüllung nach wie vor im US-amerikanischen Restatement 2d, Contracts, entgegen. Dessen § 145 beläßt die Rechtsbeziehungen der Parteien nach vollständiger Erfüllung unangetastet. Dabei stellt der Comment als Begründung auf die bloße Unklagbarkeit formloser Versprechen ebenso ab wie auf die Hinfälligkeit der Formzwecke nach Erfüllung. Im Ergebnis sollen also die Rechtsbeziehungen der Parteien so zu behandeln sein, als ob der Vertrag seit jeher durchsetzbar gewesen wäre.3 Allerdings ist dieses Ergebnis für die Konstitutiviom der (englischen) s. 2 Law of Property (Miscellaneous Provisions) Act 1989 in Frage zu stellen. Die Bestimmung gibt ihrerseits keine ausdrückliche Antwort. Jedoch liegen bereits Rechtsprechungserkenntnisse vor, die den Weg im Sinne einer Heilung durch vollständige Erfüllung weisen. Tootal Clothing Ltd. v Guinea Properties Ltd.4 beschränkt - wenngleich obiter - die Bedeutung der Formvorschrift auf nicht erfüllte Verträge. Es stehe den Parteien frei, formwidrige Verträge zu erfüllen. Nach Erfüllung verliere das Formgebot seine Bedeutung.5 Heilung bedeutet zunächst, daß eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung ausgeschlossen ist.6 Aus mehreren Umständen wird indessen deutlich, daß der Rückforderungsausschluß nicht die einzige, sondern nur die erste und wichtigste Konsequenz darstellt. So etwa wenn der Richter in der angeführten Entscheidung von der Irrelevanz des Formgebots nach Erfüllung spricht.7 8So auch, wenn Whittaker^ die Rückabwicklung des erfüllten Vertrages als ein die Parteien überraschendes und ganz und gar nicht 1 So auch die rechtsvergleichend erfolgende Bewertung bei von Hoffmann 126. 2 Zur Doktrin unten § 12 III.. 3 Siehe Comment a. zu § 145 Restatement 2d, Contracts, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung. 4 (1991) 64 P&CR452. 5 Zwar kritisiert Haley, Anglo- American LRev 22 (1993) 498 (505f), diese Entscheidung, jedoch nur deswegen, weil aus ihrer Formulierung eine Möglichkeit, den Vertrag durch einseitiges Erfüllen zu heilen, abgeleitet werden könnte. Damit aber würde die Durchsetzbarmachung eines formwidrigen Vertrages in das Belieben jeder der beiden Parteien gestellt. 6 So auch und in Details weiterführend Whittaker in Chitty 1289. 7 Smith, L.J., in Tootal Clothing Ltd. v Guinea Properties Ltd. (1992) 64 P&CR 452 (455). 8 Whittaker in Chitty 1290.

erstrebenswertes Ergebnis der Formvorschrift bezeichnet, das eben „unfair“ sei. Diese materiellen Gesichtspunkte weisen nämlich in die Richtung des noch zu besprechenden Instituts des proprietary estoppeP. Vollständige Erfüllung heilt also den Vertrag. Bei allem tritt deutlich zutage, daß der Aspekt des Formzwecks (Übereilungsschutz) durchaus mit ins Kalkül gezogen worden ist. Denn Whittaker betont, die Möglichkeit, erbrachte Leistungen zurückfordern zu können, würde den Übereilungsschutz „verlängern“9 10; doch wird der Schutz bei vollständiger Leistung dem Interesse am Bestand des Vertrages klar nachgereiht: Die Heilung baut auf der Wertung auf, daß es trotz erwünschten Übereilungsschutzes unfair sei, das vollständig abgewickelte Vertragsverhältnis rückgängig zu machen. Damit wird bereits an dieser Stelle deutlich, daß der Wertungskonflikt zwischen Schutz durch Formvorschriften und Vertrauen in den Bestand abgewickelter Vertragsverhältnisse zugunsten des Vertrauensschutzes entschieden wird.11 Heilung bedeutet sohin tatsächlich und bewußt (!) eine Einschränkung des Schutzumfangs: Die Formnichtigkeit erlaubt es, die Erfüllung des Versprechens abzulehnen, nicht hingegen erfüllte Versprechen rückgängig zu machen. Das Gesetz mißbilligt also den Zwang zur Leistung, nicht hingegen die Aufrechterhaltung erfüllter Verträge. II. Der allgemeine Heilungsgrundsatz in Österreich

1. § 1432 ABGB: Rückforderungsausschluß oder allgemeiner Heilungstatbestand?

a. Die Vorschrift, ihre Auslegung durch Pisko und die h.L.

Das österreichische Recht kennt einen zentralen Heilungstatbestand: § 1432 ABGB. Er spricht zwar nicht von Heilung, schließt aber die Rückforderung einer Leistung aufgrund eines Vertrages, der nur aus Mangel der Form nichtig ist, aus. Seinem Wortlaut wie auch seiner systematischen Stellung nach ist § 1432 ABGB als bereicherungsrechtliche Bestimmung aufzufassen. Gerade in diesem Sinne versteht Pisko die Vorschrift.12 Er behandelt § 1432 ABGB als Sonderbestimmung zur condictio indebiti nach § 1431 ABGB.13 Konsequenterweise kann dann § 1432 ABGB nicht mehr sein als ein Ausschluß der condictio. Pisko lehnt es dementsprechend ab, der tatsächlichen Erfüllung über den Rückforderungsausschluß hinaus weitere Folgen zuzuschreiben.14 Das erscheint bei bloß einseitigen Leistungsversprechen noch vertretbar, weil dann Äquivalenzstörungen eben nicht in Betracht kommen. Hingegen bereitet diese Ansicht Probleme, wenn bei synallagmatischen Verträgen beide Teile ihre Leistungen erbracht haben, eine davon (insbesondere jene des Formschützlings) 9 Siehe unten § 13 II. 2.. 10 Whittaker in Chitty 1290. 11 Dieselbe Beobachtung ist auch für die Doktrin der part performance anzustellen; hierzu unten § 12 III.. 12 Siehe Pisko JB1 1934, 511. 13 Pisko JB1 1934, 511 (512); er verweist hierfür insbesondere auf das § 1432 ABGB einleitende Wort „Doch...“, das offensichtlich die Einleitung einer Ausnahme zu § 1431 ABGB darstellen muß. 14 Pisko JB1 1934, 511 (516) für Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche.

aber mangelhaft ist oder - z.B. wegen Mangelfolgeschäden - vertragliche Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden. Die heute ganz herrschende Lehre geht daher von einer vollständigen Heilung aus15, sodaß ab Erfüllung alle Ansprüche wie aus einem ursprünglich formgemäßen Geschäft geltend gemacht werden können. Die Richtigkeit dieser Ansicht läßt sich im einzelnen wie folgt begründen.

b. § 1432 ABGB und das Titelerfordernis für den Eigentumserwerb

Tatsächlich ist die Vorschrift bereicherungsrechtlich nicht vollständig zu erklären. Würde sie einen bloßen Ausschluß der condictio indebiti darstellen, könnten z.B. Sachen, die aufgrund eines formnichtigen Vertrages übergeben wurden, mit der Eigentumsklage zurückgefordert werden, wenn und solange kein originärer Eigentumserwerb stattfindet. Versteht man § 1432 ABGB als Bereicherungsausschluß, so würde er zumindest voraussetzen, daß die Formnichtigkeit nicht auch den Rechtsgrund für den Eigentumserwerb zerstört. Indessen kann man § 1432 ABGB nicht auf solche Formvorschriften beschränken, die dem formwidrigen Versprechen nur die Klagbarkeit entziehen, ihm aber als Rechtsgrund eines Verfügungsgeschäftes Geltung belassen.16 17 Sonst wäre § 1432 ABGB gerade in seinem hier besprochenen Teil funktionslos, weil solche Formvorschriften stets eine gültige Rechtsgrundabrede zustande kommen lassen und schon dadurch die condictio indebiti ausschließen würden. Zumindest hätte sich § 1432 mit der ohnedies enthaltenen Regelung begnügen können, wonach bei jenen Forderungen, „zu deren Eintreibung das Gesetz bloß das Klagerecht versagt“, die Rückforderung erbrachter Leistungen ausgeschlossen ist. Gerade die Formvorschrift des § 943 ABGB hätte damit bereits ihre Regelung erfahren. Im übrigen widerspräche eine solche Ansicht dem Wortlaut des § 1432 ABGB wie auch seiner Intention: Er nennt neben den nicht klagbaren Forderungen jene, die nur wegen Formmangels nichtig11 sind. Und dies hatte eben den Sinn, den Rückforderungsausschluß nicht nur auf unklagbare „obligationes naturales'' zu beschränken, sondern auch bei „obligationes civiliter invalidas" anwendbar zu machen.18 Dann aber muß nicht nur der bereicherungsrechtliche Rückforderungsanspruch, sondern auch die Eigentumsklage ausgeschlossen sein. Kurzum: Über bereicherungsrechtliche Wirkungen hinaus nimmt § 1432 ABGB der Formnichtigkeit insofern die Spitze, als er formnichtige Verträge generell zu obligationes naturales19 macht. Ein Ergebnis, das entdecken läßt, daß die Vorschrift mehr ist als bloß eine Ausnahme zur condictio indebiti. Und gerade aus 15 Z.B. KoziolAVelser I 156; Faistenberger/Barta/Markl in Gschnitzer AT2 741; Rummel in Rummel II § 1432 ABGB Rz. 5; Honsell/Mader in Schwimann VII § 1432 ABGB Rz. 6. 16 Tatsächlich versagte die „erste“ Formvorschrift im Schuldvertragsrecht des ABGB (§ 943) dem formmangelhaften Vertrag nur die Klagbarkeit. 17 Das ABGB spricht hiervon „ungültig“ (siehe § 1432 ABGB). 18 Dementsprechend wurde gerade der Text des (endgültigen) § 1432 ABGB gegenüber einem füheren Entwurf auf eine Anregung von von Pratobevera hin geändert; hierzu die Materialien bei Ofner II584; vgl. Dehn 173f (insb. 175). 19 Formnichtige Verträge werden heute allgemein als Naturalobligationen bezeichnet: statt vieler Koziol/Welser I 152.

dem „Titelerfordernis" beim Eigentumserwerb wird auch gerne die Heilung abgeleitet.20

c. § 1432 ABGB ist nur als echte Heilungsnorm zu erklären aa. Die auf Häsemeyer gestützten Ansichten von Wilhelm und Berger Zwar wäre nunmehr auch denkbar, die Regelung als bereicherungsrechtliche Sonderbestimmung zu verstehen, welche - jedenfalls nach Sinn und Zweck zugleich und darüber hinaus auch den Rechtsgrund eines formnichtigen Vertrages bestehen läßt, ohne daß dies weitergehende Heilungsfolgen hätte.21 Einen derartigen Erklärungsversuch hat in Deutschland Häsemeyer unternommen.22 23 Aber 24 25 auch sein Ansatz kommt nicht umhin, den Parteien aufgrund des formnichtigen Vertrages weitere Ansprüche (Sekundäransprüche) zuzuerkennen, um völlig ungereimte Ergebnisse zu vermeiden. Allerdings scheinen für Österreich jedenfalls Berger13 und Wilhelm14 bereit zu sein, diesen steinigen Weg zu gehen, um den Formzweck möglichst zu respektieren. Ihre Begründungslinien gleichen in vielem denjenigen, wie sie Häsemeyer15 für Deutschland skizziert hat. Insbesondere soll sich die Formnichtigkeit nur auf die Verpflichtung des Formschützlings erstrecken, während der nicht geschützte Teil seine Leistung schuldet. Leistungen des geschützten Vertragsteils sind nicht rückforderbar, weil der formnichtige Vertrag eine gültige Rechtsgrundabrede darstellt. Vertragsverletzungen (bzw. die daraus resultierenden Äquivalenzstörungen) lösen wegen der (weiterhin bestehenden) Nichtigkeit nur bereicherungsrechtliche Folgen aus.

bb. Die unterschiedliche Ausgangslage in Österreich und Deutschland Indessen unterscheiden sich die Ausgangslagen in Österreich und Deutschland schon dadurch grundlegend, daß das deutsche Recht dem System der abstrakten Verfügungsgeschäfte folgt.26 Damit reicht ein bereicherungsrechtlich zu verstehender Rückforderungsausschluß allemal aus, um eine vollzogene Übereignung endgültig werden zu lassen. Aufgrund des Titelerfordernisses im österreichischen Recht27 muß die den Rückforderungsausschluß beinhaltende Vorschrift - wie bereits dargelegt - aber mehr sein, als eine bloß bereicherungsrechtliche Regelung. Schon deshalb ist es nicht möglich, den Begründungsansatz von Häsemeyer vollständig zu übernehmen. 20 So Rummel in Rummel II § 1432 ABGB Rz. 5; so wohl auch Koziol/Welser I 152, die unmittelbar im Anschluß an die Aussage, formnichtige Verträge würden Naturalobligationen darstellen, meinen, Erfüllung heile „somit“ den Mangel der Form. 21 In diesem Sinne wohl Berger 41 (7 Iff); Wilhelm 183ff; weitgehend unproblematisch ist diese Ansicht freilich bei bloß einseitigen Leistungsverprechen. 22 Häsemeyer 240ff; hierzu ausführlich unten §11III. 3.. 23 Berger 41 (7Iff). 24 Wilhelm 183ff. 25 Häsemeyer 240ff. 26 Eigentum geht also durch Verfügung über, auch wenn kein gültiger Titel vorliegt; vgl. nur § 929 BGB für den Erwerb des Eigentums an beweglichen Sachen. 27 § 380 ABGB.

cc. Die Problematik der Sekundäransprüche Überdies will Häsemeyer den Parteien aufgrund des formnichtigen Vertrages sehr wohl Sekundäransprüche zuerkennen.28 Heilungsvorschriften sollen den Formzwang von den Rechtsgrundabreden, die zugleich mit jedem nichtigen Vertrag getroffen würden, zurücknehmen. Aus diesen Rechtsgrundabreden sollen auch entsprechende Sekundäransprüche folgen. Damit erreicht Häsemeyer ein von ihm aus systematischen Gründen erwünschtes Ziel: Indem er den Formzwang (auf Tatbestandsebene) zurücknimmt, diesen also nicht auf Rechtsgrundabreden erstreckt, umgeht er es, eine Einschränkung der Nichtigkeit durch Heilung annehmen zu müssen.29 Vor die Konsequenzen dieser Auffassung von der Heilung im Bereich der Sekundäransprüche gestellt, entscheidet sich Häsemeyer - ganz offenbar, um ein ohnehin sinnfälliges Ergebnis zu erreichen - den Rechtsgrundabreden auch die Verpflichtung (insbesondere) zur Gewährleistung zu implantieren. Vom Formzwang seien nur die Primärpflichten erfaßt, hingegen würden die Heilungsvorschriften „Rechtsgrundabreden mit begleitenden Sekundärpflichten“ bestehen lassen.30 Dann aber scheint es tatsächlich sinnvoller, von einer Heilung auszugehen: Denn § 1432 ABGB erspart es ohnehin nicht, darin ein Plus gegenüber einer rein bereicherungsrechtlichen Regelung zu sehen. Daher ist es angemessen, nicht nur die Erfüllung für sich als wirksam anzusehen, sondern auch Folgeansprüche anzuerkennen. Man kann dem § 1432 ABGB nicht die Intention entnehmen, den Eigentumsübergang wirken zu lassen und auch bereicherungsrechtliche Folgen abzuschneiden, das Äquivalenzverhältnis aber womöglich empfindlich zu stören, indem Sekundäransprüche versagt bleiben.31 Gerade der höchst aufwendige und schwerlich überzeugende Begründungsweg, den Häsemeyer zu bestreiten hat32, um das Bestehen dieser Ansprüche zu belegen, sollte ein abschreckendes Beispiel sein.

dd. Die Konsequenzen anderer Ansichten (1) Der Widerspruch zum historischen Gesetzgeberwillen Und die Konsequenzen, welche aus den Meinungen von Berger33 und Wilhelm34 folgen, können keinesfalls überzeugen. Gewiß spricht der Wortlaut des § 1432 ABGB für ihre Auffassung, doch kann es aufgrund der dargelegten Argumente nicht richtig sein, dabei stehen zu bleiben. Schon das Titelerfordernis hat ja gezeigt, daß man § 1432 ABGB so rein bereicherungsrechtlich nicht verstehen kann. Dann 28 Häsemeyer 247f. 29 Der allgemeine Nichtigkeitsbegriff steht in Widerspruch zu einer „Heilung“ durch Erfüllung, vgl. hierzu auch Cahn JZ 1997, 8 (10). 30 Häsemeyer 247. 31 Vgl. Dehn 266ff. 32 Häsemeyer der den Formzwang auf die primären Leistungspflichten beschränken will; hierzu unten § 11III. 3.. 33 Berger (71ff); Wilhelm 183ff. 34 Wilhelm 183ff

deutet aber alles darauf hin, daß der Gesetzgeber in § 1432 ABGB eine Regelung getroffen hat, die sich im Gesetzeswortlaut nur unvollkommen widerspiegelt. Dafür spricht im übrigen auch die Tatsache, daß die Erwähnung der echt formnichtigen Verträge, bei denen ohne § 1432 ABGB ein Erwerbstitel gar nicht vorliegen würde, erst relativ spät in der Diskussion des Gesetzesentwurfs eingefugt wurden.35 Der Gesetzgeber mag hier die genauen Konsequenzen hinsichtlich des Äquivalenzverhältnisses bei synallagmatischen Verträgen nicht hinreichend bedacht haben36; sein gesetzgeberischer Wille ist hingegen klar: Nach Erfüllung soll die Invalidierung nicht mehr zu Auseinandersetzungen fuhren, sondern Rechtsfrieden herrschen. Dem entspricht ausschließlich die Folgerung, das Geschäft heile mit Erfüllung. Dieses Ergebnis ist nichts anderes als ein konsequentes Fortdenken der gesetzgeberischen Regelung.

(2) Das unerträgliche Ergebnis der Gegenansichten in Fällen der Gewährleistung (und des Leistungsverzugs) Besonders deutlich wird die Unbilligkeit gegenteiliger Ansichten anhand Bergers Ausführungen zur Gewährleistung. Für die Gewährleistungsansprüche meint Berger formzwecktreu bleiben zu müssen und schließt sie daher infolge der Formnichtigkeit ebenso aus wie Erfüllungsansprüche.37 Bei Formvorschriften zum Schutz nur einer Partei besitze der nicht geschützte Vertragspartner keine Gewährleistungsansprüche. Bei Vorleistung durch den geschützten Teil führe dies entweder zur Gesamtrückabwicklung oder aber - bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 878 Satz 2 ABGB - zur teilweisen Kürzung der Gegenleistung. Nach Erbringung der Gegenleistung muß dies bedeuten, daß dem nicht geschützten Teil eine condictio causa data causa non secuta gewährt wird. Damit gelangt man zu einem der Preisminderung ähnlichen Ergebnis. Hingegen spreche nichts dagegen, dem allein von der Formvorschrift geschützten Geschäftspartner Gewährleistungsansprüche zuzuerkennen. Eine rein bereicherungsrechtliche Lösung führe im Ergebnis ohnedies zu einer Preisminderung, dann solle aber auch die Möglichkeit offenstehen, eine Verbesserung zu verlangen. Und konsequent „müsse selbstverständlich“ - bei Vorliegen der Voraussetzungen - auch Wandlung möglich sein. Und natürlich: Auch die Rechtsfolgen des Verzugs müßten eintreten.38 Gewährleistungsansprüche sollen konsequenterweise dann ausgeschlossen sein, wenn die Form dem Schutz beider Parteien dient. Dann hat wohl ausschließlich das Bereicherungsrecht über die Folgen von Schlechterfüllungen zu entscheiden. Der Richter freilich wird sich bei der Bemessung der Bereicherung an die Kriterien der Preisminderung halten. Daran wird zweierlei deutlich: Die bereicherungsrechtliche Lösung steht, erstens, der Heilung nicht so fern, weil in ihrem Rahmen ähnliche Erwägungen wie bei den Gewährleistungsansprüchen eine Rolle spielen werden. Sollte hingegen, zweitens, 35 Und zwar - wie dargelegt - aufgrund einer Anregung durch von Pratobevera-, siehe die Materialien bei Oftier II 584. 36 So auch Dehn 271. 37 Siehe Berger 41 (77). 38 Zu alledem Berger 41 (77).

ein Mangel vorliegen, der die Aufrechterhaltung des Vertrages nach den Kriterien des § 878 Satz 2 ABGB nicht rechtfertigt, so müßte rückabgewickelt werden; und zwar auch dann, wenn die Leistung schon lange zurückliegt, ja selbst dann, wenn die Gewährleistungsfrist abgelaufen ist; denn ein Gewährleistungsanspuch wird nicht geltend gemacht, sondern Rückforderung wegen Formnichtigkeit(!). Zwar wird man dem geschützten Partner zubilligen müssen, durch tatsächliches Gewährleisten die Rückabwicklung verhindern zu können, doch fuhrt dies im ökonomischen Ergebnis zur Verlängerung der Gewährleistungsfrist auf die Höchstdauer der Verjährungszeit der Bereicherungsklage (30 Jahre!), wann immer es im Interesse des von der Form geschützten Teils (!) gelegen ist, den Vertrag aufrecht zu erhalten.39 Sollte dieses Interesse nicht bestehen, so fuhrt die Ansicht zu einer Rückabwicklung wegen Entdeckens eines Mangels innerhalb der Verjährungsfrist der Bereicherungsklage (im Ergebnis: zur Wandlung des Vertrages nach über 29 Jahren). Ein wiederum mit der Intention des § 1432 ABGB nicht vereinbares Ergebnis. (3) Das unerträgliche Ergebnis der Gegenansichten in Fällen vertraglicher Schadenersatzansprüche

Die Lehre vom Rückforderungsausschluß müßte konsequent auch jegliche Schadenersatzansprüche aus Vertrag ablehnen. Mangels Leistungspflicht würden sie hinfällig. Ausgenommen wären wiederum die Schadenersatzverpflichtungen ex contractu der nicht geschützten Partei; sie müßte haften. Auch diese Äquivalenzstörung ist bereicherungsrechtlich nicht in den Griff zu bekommen. Dem nicht geschützten Vertragsteil wäre wohl zu raten, die „freiwillige“ Leistung des anderen nicht anzunehmen. Das kann er aber gerade nach den Konstruktionen von Berger und Wilhelm gar nicht. Schließlich soll seine Leistung ja (formzweckkonform!) tatsächlich geschuldet sein. Wenn nun der andere Teil sich erfüllungsbereit zeigt und ein Mangel seiner Leistung nicht erkennbar ist, dann gibt es keinen Grund, die Leistung abzulehnen, ohne damit in Annahme- und womöglich hinsichtlich der eigenen Leistung in Schuldnerverzug zu geraten. Kurzum: Der durch die Formvorschrift geschützte Teil kann unbekümmert leisten, Schadenersatzansprüche ex contractu braucht er nicht zu furchten. Wiederum sei nur noch darauf hingewiesen, daß gerade Häsemeyer, dessen Ausführungen den hier dargelegten Meinungen von Berger und Wilhelm vielfach zugrunde zu liegen scheinen, Schadensersatzansprüche im hier vorgetragenen Sinne bejaht.40 39 Flume 270 erkennt eben dieses Problem auch für das deutsche Recht in den Fällen mangelnder Heilungsvorschriften aber Bestehens eines Kondiktionsausschlusses nach § 814 BGB (Leistungserbringung in Kenntnis der Nichtigkeit). Er will es durch eine zeitliche Befristung des bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruchs durch Anwendung der Gewährleistungsfristen lösen; freilich ist er sich der Problematik dieses Schrittes bewußt: „Es dürfte sachgerecht sein, auf den Rückforderungsanspruch wegen Mangelhaftigkeit der Gegenleistung die für die Mängelansprüche geltenden Verjährungsvorschriften anzuwenden“ (270; Hervorhebungen nicht im Original). Man fragt sich freilich, wieso Flume - jedenfalls soweit es um Formvorschriften zum Schutz der Parteien geht - nicht doch eine Analogie zu den Heilungstatbeständen anerkennt (ablehnend 269); richtig wird das Problem auch bei Dehn 267 erkannt. 40 Häsemeyer 247f; so auch - wenngleich differenzierend - Dehn 287ff.

(4) Das unerträgliche Ergebnis der Gegenansichten im Fall der laesio enormis

Die Unbilligkeit gegenteiliger Ansichten zeigt sich auch an der Behandlung der Problematik der laesio enormis durch Berger41. Selbst den Einwand der laesio enormis will Berger nämlich nur dem von der Form geschützten Vertragsteil zuerkennen, dem nicht geschützten Partner hingegen verweigern42; ein Ergebnis ohne Überzeugungskraft, das noch dazu - auch in berichtigter Form - nicht imstande ist, zur Heilungsfrage Klärendes beizutragen. Denn es sollte klar sein, daß ein Einwand der laesio enormis auch dann vorgebracht werden kann, wenn die Gegenleistung bloß zur Rechtsgrundabrede erstarkt ist. Die „Gültigkeit im übrigen“ ist ja stets Voraussetzung der Heilung (in welcher Konstruktion auch immer) des Formmangels. Mit bereicherungsrechtlichen Erwägungen ist die Problematik der laesio enormis jedenfalls nicht in den Griff zu bekommen: Solange eine Berufung auf sie nicht zugelassen wird, erhält der von der Form nicht geschützte Teil ja die volle Gegenleistung wie vereinbart. Bereicherungen treten nicht ein, vielmehr erfolgen die Leistungen aufgrund gültiger Rechtsgrundabreden. d. Befund

§ 1432 ABGB ist eine Heilungsnorm. Als Bereicherungsausschluß ist die Vorschrift nicht erklärbar: Das zeigen das Erfordernis eines gültigen Titels für den Eigentumserwerb sowie die unerträglichen Folgewirkungen einer bereicherungsrechtlichen Konstruktion. Die Heilungswirkung entspricht auch Sinn und Zweck der Vorschrift am besten. 2. Insbesondere: § 3 Abs. 2 BTVG

Das vorstehende Ergebnis wird durch § 3 Abs. 2 BTVG bestätigt. § 3 Abs. 2 BTVG relativiert zunächst die Nichtigkeit, indem nur dem Erwerber die Berufung auf einen Formmangel gestattet wird. Der Erwerber verliert dieses Recht, sobald die sogenannte Sicherungspflicht des Bauträgers beendet ist. Im Ergebnis bedeutet dies eine echte Heilung des (relativ) unwirksamen Vertrages. Daß es sich hierbei um einen Tatbestand der Heilung durch Erfüllung handelt, ergibt sich aus § 7 Abs. 5 BTVG, der die Sicherungspflicht befristet: Diese Pflicht endet, wenn das Vertragsobjekt tatsächlich übergeben ist und die Erlangung der vereinbarten Rechtsstellung des Erwerbers gesichert ist. In diesem Zeitpunkt liegt aufgrund der üblichen Konstruktion von Bauträgerverträgen (Zahlung des Kaufpreises in Raten gemäß Baufortschritt43) auch Erfüllung seitens des Erwerbers vor, wenngleich dies vom Gesetz für die Heilung nicht gefordert ist. Das Gesetz nimmt somit die Unwirksamkeit des Bauträgervertrages in jenem Zeitpunkt vollständig zurück, in dem ein der Abwicklung des Vertrages sehr nahekommender Zustand herrscht. 41 Berger 41 (77). 42 Siehe Berger 41 (77), der dafür auf Wilhelm 188 verweist, der aber von der laesio enormis an ebenjener Stelle gar nicht spricht. 43 Siehe auch § 10 BTVG.

Damit steht § 3 Abs. 2 BTVG den Tatbeständen der Heilung durch vollständige Erfüllung zumindest sehr nahe. 3. Exkurs: Der „besondere“ Heilungstatbestand des § 943 ABGB bzw. § 1 Abs. 1 lit. d NZwG

In Zusammenhang mit der Heilung wird gerne auch § 943 ABGB genannt. Seinem Wortlaut nach handelt es sich aber um keine Heilungsvorschrift; er nimmt lediglich Handschenkungen vom Formgebot aus. Dieselbe Regelung ist in der Nachfolgebestimmung des § 1 Abs. 1 lit. d NZwG wiederzufinden. Der Bezug zur Heilung wird hergestellt, weil es als Wertungswiderspruch empfunden wird, wenn die Schenkung unter gleichzeitiger Übergabe des Schenkungsgegenstandes nicht einmal formpflichtig sein soll, das formlose Schenkungsversprechen hingegen selbst dann nicht wirksam werden sollte, wenn die Schenkung später erfüllt wird.44 Pisko lehnt diesen wertenden Vergleich ab, weil die Situationen eben nicht vergleichbar seien:45 Während sich nämlich ein Schenker zum Zeitpunkt der Abgabe des Schenkungsversprechens zweifellos darüber im Klaren ist, daß er zur Schenkung nicht verpflichtet ist, die Übergabe der Sache sohin indiziert, daß er die Schenkung wirklich will, ist dem die spätere Übergabe der geschenkten Sache in Unkenntnis der Formnichtigkeit nicht gleichzuhalten. Sollte hingegen der Schenker um die Nichtigkeit wissen und trotzdem erfüllen, so sei eine neue Schenkung unter gleichzeitiger Übergabe anzunehmen. Diese Ansicht von Pisko wird nicht zuletzt dadurch bestärkt, daß der Formzweck beim Schenkungsvertrag weder aus subjektiv-historischer noch aus teleologischer Sicht in einer reinen Seriositätsgarantie besteht. Zeiller hat ja im Zusammenhang mit § 943 ABGB keineswegs nur auf die Garantie des Vorhandenseins eines Verpflichtungsbewußtseins abgestellt, sondern gerade den Übereilungsschutz in den Vordergrund gerückt: Die Form solle verhindern, daß Schenkungsversprechen leichtfertig abgegeben und dann - eben weil sie verbindlich gemeint waren (!) schnell bereut werden.46 Und spätestens mit der Anhebung der Formqualität durch das NZwG (anstelle bloßer Schriftform wird ein Notariatsakt verlangt) läßt sich der Gedanke von der Schenkungsform als reinem Seriositätsindiz gewiß nicht mehr halten: Der Übereilungsschutz steht im Vordergrund. Gerade der Übereilungsschutz aber macht den Unterschied unmittelbar vollzogener zu nachträglich erfüllten Schenkungen im Sinne Piskos besonders deutlich. Freilich ist die praktische Bedeutung dessen gering, weil Pisko selbst einräumt, daß jedenfalls § 1432 ABGB

44 Vgl. nur Rummel in Rummel II § 1432 ABGB Rz. 5, der meint, für die Schenkung sei die Heilungswirkung der Erfüllung durch § 1 NZwG eindeutig; ferner OGH 28.3.1972 SZ 45/35 = NZ 1973, 126, wo für die Heilung auf das Kriterium der „wirklichen Übergabe“ i.S.d. § 1 Abs. 1 lit. d NZwG und nicht auf § 1432 ABGB abgestellt wird; zur „wirklichen Übergabe“ ferner: OGH 27.10.1992 JB1 1993, 312; OGH 17.9.1992 WB1 1993, 95 = ecolex 1993, 18 (Puck) (Sparbuch); OGH 28.6.1984 NZ 1984, 234; OGH 27.1.1960 JB1 1960, 492 (beide: wirkliche [außerbücherliche] Übergabe von Liegenschaften bzw. idellen Liegenschaftsanteilen). 45 Pisko JB1 1934,511 (516). 46 Siehe Zeiller III/1 159ff.

die Rückforderung ausschließt.47 Insofern ist dem Streit wenig Bedeutung beizumessen.48 Und mit den obigen Ausführungen kann auch für das Schenkungsversprechen wegen § 1432 ABGB Heilung durch Erfüllung angenommen werden.49 4. Der allgemeine Heilungstatbestand, das Fehlen einer Heilungsdogmatik und die „Subsidiarität“ des § 1432 ABGB

allgemeinen

a. Das Fehlen einer allgemeinen Heilungsdogmatik trotz oder wegen der Existenz eines allgemeinen Heilungstatbestandes

Nach alledem können formnichtige Verträge durch Erfüllung heilen. § 1432 ABGB differenziert dabei weder nach Formvorschriften noch nach Formzwecken. Er birgt daher ein allgemeines Heilungsprinzip. Im Vorhandensein der Generalnorm des § 1432 ABGB liegt wohl der Grund, warum sich die österreichische Lehre einer dogmatischen Erklärung der Heilung (und zwar unabhängig davon, ob Heilung als Gesamtwirksamwerden des Vertrages oder nur als Rückforderungsausschluß angesehen wird) weitgehend entzogen hat. Dogmatische Erklärungsmuster sind freilich vorhanden: So hat Wilhelm betont, § 1432 ABGB beruhe „auf einer Wertung zwischen dem Interesse an der Anfechtung einer unfreiwilligen Leistung und jenem an deren Behaltendürfen“.50 Das inkludiert etwa die Frage des Vertrauensschutzes des Empfängers der erbrachten Leistung. Dennoch hat man sich -jedenfalls bis in die jüngste Vergangenheit51 - über eine positive Begründung der Heilung wenig Gedanken gemacht.

b. Der negative Ansatz: Die Heilungsfeindlichkeit der österreichischen Lehre Hingegen hat die Lehre im Hinblick auf den Formzweck von der heilenden Wirkung der Erfüllung Abstriche gemacht: Es wird vertreten, Heilung komme nur nach Maßgabe des Formzwecks in Frage.52 Die Vorschrift des § 1432 ABGB sei insofern zu weit geraten und bedürfe der teleologischen Reduktion in solchen Fällen, in denen der Formzweck eine Heilung nicht zuläßt.53 Im wesentlichen kann hier mit

47 Pisko JB1 1934, 511 (514f) erkennt dies wegen anderen Formzwecks als bei den anderen Geschäften, die unter das NZwG fallen, an. 48 Vgl. z.B. auch OGH 16.9.1959 SZ 32/108, wo einerseits auf § 1432 ABGB abgestellt wird, der OGH dann aber betont, der Schenkungsvollzug hätte die gleiche Wirkung wie die wirkliche Übergabe im Zeitpunkt des Schenkungsversprechens. 49 Also jedenfalls infolge § 1432 ABGB. 50 Wilhelm 185; ihm folgend Berger 41 (69); sehr ähnlich P.Bydlinki in Harrer/Zitta (Hg.) 219 (434); Fenyves in Ruppe (Hg.) 59 (81) betont richtig, es sei umstritten, „was diese Bestimmung ausdrücken soll und welche Fälle sie deckt“. 51 Vgl. nunmehr Dehn, Formnichtige Rechtsgeschäfte und ihre Erfüllung, Wien 1998. 52 So im übrigen wohl auch der OGH 26.5.1998 ecolex 1998, 837. 53 Allen voran Pisko JB1 1934, 511, der nach dem Muster der zur Teilnichtigkeit und Konversion dargelegten bestimmenden Nichtigkeitsnormen verfahrt; Rummel in Rummel II § 1432 ABGB Rz. 5 (Heilung nur „nach Maßgabe des Formzwecks“); ihm folgend P.Bydlinksi in Harrer/Zitta (Hg.) 419 (4211); jedenfalls Bedenken wegen des Formzwecks äußern Koziol/Welser I

Pisko5A so verfahren werden, wie auch schon oben bei Teilnichtigkeit und Konversion: Nichtigkeitsnormen können die Frage der Heilung bestimmend regeln. Dies kann sich auch aus Sinn und Zweck der Vorschrift ergeben: Will eine Formvorschrift die Heilung durch Erfüllung ausschließen, dann geht letztere als lex specialis vor. Damit gelangt man auch für die Heilungsvorschrift des § 1432 ABGB zu deren Subsidiarität. Man spart sich insbesondere die Diskussion ob § 1432 ABGB wegen seines klaren Wortlauts einer teleologischen Interpretation zugänglich ist.54 55 Sie braucht nicht reduziert zu werden, wenn speziellere Vorschriften die Heilungsfrage vorrangig regeln. Eine Besonderheit ist hierin, wie auch schon bei bestimmenden Normen im Bereich von Teilnichtigkeit und Konversion, allerdings nicht zu sehen. Speziellere Vorschriften vermögen stets Ausnahmen von der Grundregel zu statuieren. Die Besonderheit liegt (wiederum) nur darin, daß die Nichtigkeitsnormen häufig nicht (ausdrücklich) auf § 1432 ABGB Bezug nehmen, eine Bestimmung der Nichtigkeitsfolgen auch hinsichtlich des Ausschlusses der Heilung sohin durch Interpretation ermittelt werden muß. Und hierfür zieht die Lehre zwar den Formzweck heran, geht aber zumeist nicht weiter auf Sinn und Zweck der Heilungsregelung ein. Die Unsicherheiten, die gerade im Zusammenhang mit der Einengung der Heilungswirkung auftreten, sind wiederum als ein Indiz für eine mangelnde Heilungsdogmatik zu werten. In der gesamten „Formzweckdiskussion“ wird nämlich niemals ganz klar, welchen Stellenwert und welche Bedeutung man eigentlich dem § 1432 ABGB beimißt.56 Und gerade diese Frage wird ebensowenig beantwortet, wenn man angesichts der positiven Gesetzesbestimmung des § 1432 ABGB Heilung (in welcher Form auch immer) einfach eintreten läßt, wie wenn man - minutiös aber einseitig auf den Formzweck abstellend - § 1432 ABGB in ein Eck weitgehender Bedeutungslosigkeit zurückdrängt.57 Ganz offenbar hat beides Gewicht: Es ist ein Ausgleich zwischen Zweck der Heilung und Zweck der Formvorschriften zu finden. Bei allem spricht der klare Wortlaut von § 1432 ABGB und seine generelle Fassung für eine heilungsfreundliche Auslegung.58 Auf einige Einzelheiten dieser Diskussion sei im folgenden eingegangen.

152; die Formzwecke erwägend, wenngleich in casu nicht entscheidend Fenyves in Ruppe (Hg.) 59 (80fi). 54 Pisko JB1 1934, 511 (513), wonach die eine Nichtigkeit anordnende Norm auch einen (eigenen) Rückgabeanspruch begründen kann. 55 Derartige Bedenken z.B. bei Honsell/Mader in Schwimann VII § 1432 ABGB Rz. 7; dagegen P.Bydlinksi in Harrer/Zitta (Hg.) 419 (42 If). 56 Bisweilen wird jedenfalls Ablehnung der Bestimmung deutlich; so bei P. Bydlinski in Harrer/Zitta (Hg.) 419 (421). 57 Vermittelnd neuerdings der Ansatz bei Dehn 257ff. 58 In diesem Sinne ist wohl auch die Äußerung von Honsell/Mader in Schwimann VII § 1432 ABGB Rz. 7 zu verstehen, wonach eine teleologische Interpretation angesichts des klaren Wortlauts der Bestimmung bedenklich sein soll.

5. Zur Bedeutung des Formzwecks (insbesondere dessen Schutzrichtung) für die dogmatische Begründung der Heilung a. Allgemeiner Ansatz: Keine Beeinträchtigung von Drittschutzinteressen Die Differenzierung nach dem Formzweck bedeutet „im österreichischen Kontext“ insbesondere, daß Drittinteressen nicht beeinträchtigt werden dürfen. § 1432 ABGB soll nur Formmängel heilen, die von Formvorschriften im Parteieninteresse herrühren. Hingegen sei dies bei Formen mit „Drittschutzfunktion“ durchwegs ausgeschlossen.59 Im Vordergrund der Diskussion stehen die Formvorschriften des § 1 Abs. 1 lit. a bis c NZwG. Die Beantwortung der Heilungsfrage soll auch hier davon abhängen, ob und in welchem Ausmaß man diesen Formvorschriften eine Drittschutzfunktion zuspricht. Den Materialien ist sowohl Gläubigerschutz als auch Parteienschutz zu entnehmen.60 Während frühere Autoren das eigentliche Gewicht der Formzwecke in den Gläubigerschutz verlagern61, weichen jüngere Stellungnahmen in der Literatur hiervon zum Teil ab. Fenyves läßt die Frage offen, hält also beide Varianten für durchaus vertretbar.62 Bei aller Unklarheit wird jedenfalls deutlich, daß eine Drittschutzfunktion die Heilung auschließen soll. b. Inbesondere: Heilungsmöglichkeit bei § 1 Abs. 1 lit. a bis c NZwG?

aa. Nur marginale Bedeutung des Gläubigerschutzes? Eine Heilung kann auch bei § 1 Abs. 1 lit. a bis c NZwG zugelassen werden, wenn man dem Gläubigerschutz nur ganz untergeordnete Bedeutung beimißt. P. Bydlinski etwa weist dem Gläubigerschutz höchstens marginale Bedeutung zu, indem er vom historischen Gesetzgeberwillen bewußt abweicht.63 Hinzu kommt, daß der historisch beabsichtigte Gläubigerschutz auch ohne Heilung ohnehin nicht erreicht wird.64 Der OGH scheint jedenfalls auf dieser Basis die Heilung durch Erfüllung trotz Drittschutzes zu begründen: Einerseits werde nämlich durch den Vollzug des Geschäfts der Formzweck teilweise erreicht, andererseits stehe den Gläubigem die Anfechtung offen, sodaß ihr Schutz nicht so stark in den Vordergrund trete.65

59 So am deutlichsten P. Bydlinski in Harrer/Zitta (Hg.) 419 (434). 60 Kaserer 13f (Gläubigerschutz, wie ihn schon die Motive zur ersten Regierungsvorlage als Formzweck enthielten); 119ff (wo - freilich erst viel später als der erste Regierungsentwurf Justizminister Dr. Habietinek den Formzwang auch mit tlbereilungsschutz zu erklären trachtet). 61 Vor allem Pisko JB1 1934, 511 (513). 62 Fenyves in Ruppe (Hg.) 59 (81f), der letztlich auf die Rechtsprechung verweist, welche Heilung zuläßt (82f). 63 P.Bydlinksi in Harrer/Zitta (Hg.) 419 (430f). 64 Vgl. auch Rummel in Rummel II § 1432 ABGB Rz. 5 m.w.N. zur gleichlautenden Rechtsprechung; Bydlinski in FS Schwind 27 (56 a.E. mit FN 38); Wilburg in Klang VI 461; vgl. auch Honsell/Mader in Schwimann VII § 1432 ABGB Rz. 7, die „primär“ auf die AnfO verweisen. 65 OGH 23.11.1972 SZ 45/127 mit Hinweisen auf weitere Rechtsprechung; gerade zur Judikatur siehe auch Rummel in Rummel II § 1432 ABGB Rz. 5.

bb. Der Formzweck spricht für die Heilung Ein weiteres, heilungsspezifisches Argument kann ergänzt werden. Anerkennt man nämlich den Formzweck des Gläubigerschutzes, so stellt es ein Pauschalurteil dar, wenn man glaubt, Nichtigkeit würde eben diesem Interesse selbst nach Erfüllung noch in jedem Falle dienen. Man halte sich vor Augen, wer denn eigentlich der Schutzbefohlene ist. Wer sind diese Gläubiger, die durch § 1432 ABGB geschützt werden sollen? Es handelt sich um einen nicht ein für allemal bestimmten Personenkreis, vielmehr scheiden alte Gläubiger nach Begleichung ihrer Forderung aus und treten neue durch weitere Kreditnahme hinzu; denn stets wird der Gläubigerschutz erst im Insolvenzfalle wirklich relevant. Solange ein Schuldner seinen Verbindlichkeiten nachkommt, stößt sich keiner seiner Gläubiger an Vermögenstransaktionen mit dem Ehegatten. Im Konkurs erst tritt die eigentliche Problematik der Vortäuschung von Vermögenstransaktionen zu Lasten der Gläubiger auf In diesem Zeitpunkt berufen sich jene Gläubiger, die bereits bei Abschluß des Geschäfts eine Forderung besaßen ebenso auf die Formnichtigkeit, wie alle anderen, die erst später ihre Forderung erworben haben. Diese haben aber wenn die Transaktion bereits vorher vollzogen wurde - gar nicht auf den Vermögensstand vertraut, wie sie ihn nun geltend machen. Das schadet zunächst nicht, weil es der Formvorschrift ja nur darum geht, vorgetäuschte Geschäfte zu verhindern; der Gläubiger kann auch auf jenes Vermögen zugreifen, auf dessen Vorhandensein er gar nicht vertraut hat. Solches Vermögen soll nur nicht plötzlich „zum Schein“ verschwinden. Hingegen ist dies - jedenfalls unter Zugrundelegung moderner Verhältnisse - deshalb bedenklich, weil ein Mangel der Heilung die Gläubiger des nicht insolventen Ehegatten, welche nach Vollzug des Geschäfts neu hinzukommen, benachteiligen kann (die ja zweifelsohne auch zu den von der Formvorschrift Geschützten gehören; ihr Schutz wird mangels Insolvenz ihres Schuldners nur nicht aktuell). Sie haben angesichts des Vollzugs des Ehegattengeschäfts auf die Zugehörigkeit bestimmter Güter zum Vermögen ihres Schuldners vertraut, vielleicht sogar aufgrund dieses Vertrauens Kredit gegeben. Durch die mangelnde Heilung werden sie unter gewissen Umständen doppelt bestraft: Das vom anderen Ehegatten herrührende Vermögensgut ist - wenn es noch unterscheidbar vorliegt - mangels Titels niemals Eigentum des solventen Ehegatten geworden, es unterliegt sohin dem unmittelbaren Zugriff der Gläubiger. Ist hingegen die eigene Leistung mit dem sonstigen Vermögen des insolventen Ehepartners vermischt worden, so ist die Rückforderung dessen als Konkursforderung geltend zu machen, was nur noch zur quotenmäßigen Vergütung führt. Das Ergebnis mag hinsichtlich des nicht insolventen Ehegatten noch damit begründet werden, daß er sich eben um eine formgerechte Fassung hätte bemühen müssen. Dasselbe Argument kann man freilich (später hinzutretenden) Gläubigem dieses Ehegatten nicht entgegenhalten. Sie werden selbstverständlich vorbringen, daß sie aufgrund des vollzogenen Geschäfts auf die putative Vermögenslage vertraut haben. Derartiges Vertrauen unter Hinweis auf den Gläubigerschutz zu enttäuschen, erscheint nicht angemessen. Umgekehrt kann es ebenso gut sein, daß die Gegenleistung des nicht insolventen Ehegatten noch unterscheidbar vorliegt. Dieser wird in all jenen Fällen, in denen der eigene Leistungsgegenstand

höherwertig war oder aber - tractu temporis - höherwertig geworden ist, über die Nichtigkeit des Geschäfts hocherfreut sein. Gewiß, es handelt sich hierbei um Einzelfalle, doch zeigen diese, daß die nicht heilbare Formnichtigkeit nicht notwendig zugunsten „der Gläubiger“ (nämlich aller, auch derjenigen des nicht insolventen Ehegatten) ausschlägt. Und es ist nicht recht verständlich womit die jeweils Betroffenen infolge des Fehlens einer Heilungsmöglichkeit diese Folgen (positiver wie negativer Art) verdient haben. cc. Weitere Aspekte All dies korrespondiert mit der ohnehin längst angestellten Beobachtung, daß die Formpflicht des NZwG jedenfalls den Gläubigerbetrug durch Vortäuschen von Kondiktionslagen nicht verhindern kann.66 Auch ist für kleine Geschäfte darauf hinzuweisen, daß Nichtigkeit trotz Vollzugs des Geschäfts einem gesetzlichen Verbot solcher Geschäfte gleichkommt. Mühe und Kosten der Formalisierung wirken prohibitiv, nehmen sohin im Ergebnis die Vertragsfreiheit der Ehegatten vollständig zurück. Ein derartiges Ergebnis ist angesichts des höchst zweifelhaften und umstrittenen Formzwecks bedenklich.67 Es geht sohin auch (wenngleich nicht vorrangig) um die Frage der Erheblichkeit. Im übrigen zeigt - um einen Blick ins Eherecht zu werfen - die Heilungsmöglichkeit des formnichtigen Ehevertrags68, daß Formmängel auch bei Schutz des Rechtsverkehrs, also „Dritter“, in Frage kommt. Ja, man mag das tatsächliche Vertrauen, welches der Rechtsverkehr der faktischen Ehe entgegenbringt, neben dem Bestandsinteresse der Ehegatten selbst sogar als Heilungsgrund ansehen; ein Argument, das bei § 1 NZwG zugunsten der Gläubiger des nicht insolventen Ehegatten vorzutragen ist.

dd. Die Heilung bei § 1 Abs. 1 lit. a bis c NZwG als Ausnahme Im Grundsatz hat demgegenüber bei Formen im Drittinteresse zu gelten, daß sie eine Heilung im Interesse der Parteien bzw. einer Partei am Bestand des Vertrags ausschließen. Eine Konvaleszenz läßt sich bei diesen Formvorschriften nur dann rechtfertigen, wenn die Erfüllung den Formzweck gewährleistet (was eben auch so geschehen kann, daß die Erfüllung eine Erreichung des Formzwecks genau so wenig garantiert wie die Form selbst69) oder aber die Aufrechterhaltung nach Erfüllung gerade dem Schutz des Vertrauens Dritter (Rechtsscheinsgedanke) dient. Die dargelegte Diskussion hat gezeigt, daß zwar auch im Bereich des § 1 Abs. 1 lit. 66 Hierzu weiterführend Dehn 97ff. 67 Vgl. auch den Gedanken bei P. Bydlinski in Harrer/Zitta (Hg.) 419 (425f und 435), der allerdings in die Gegenrichtung argumentiert, nämlich eine analoge Anwendung des Formzwangs nach § 1 Abs. 1 lit. b NZwG auch für die Schenkung unter Ehegatten verlangt, dann aber „gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke“ ausnehmen will; deutlicher sind die Materialien zur Heilungsvorschrift des §313 Satz 2 BGB, die hervorheben, man wollte mit der Heilungsmöglichkeit unter anderem auch kleine Grundstücksgeschäfte kostenmäßig entlasten. 68 § 21 Abs. 2 EheG. 69 Darauf stellt unter anderem auch Eccher 90 ab, wenn er meint, nach Übergabe des auf den Todesfall Geschenkten sei der Formzweck schon deswegen nicht mehr erreichbar, weil der Beschenkte ohne weiteres auch eine vollzogene Schenkung unter Lebenden behaupten kann.

a bis c NZwG eine Heilung möglich ist, dieses Ergebnis jedoch aus der Besonderheit dieser Formvorschriften resultiert. c. Der Vergleich zur Situation bei Formen, die dem Schutz der Parteien dienen

aa. Der Vergleich als Heilungsdogmatik

gedanklicher

Anstoß

zur

Entwicklung

einer

Wenngleich in den angeführten Beispielen gar nicht so klar ist, daß Drittschutz die Heilung stets ausschließt, so liegt dies letztlich eben daran, daß die Form dort ihr Schutzziel zu erreichen ohnehin nicht in der Lage ist, eine Formzweckerreichung also gar nicht vereitelt wird. Dasselbe müßte gelten, wenn die Erfüllung den Formzweck tatsächlich vollständig erübrigen würde. Ganz offensichtlich würde dann auch bei Formen im Drittinteresse nichts gegen eine Heilung sprechen. Offen bleibt freilich, warum der Drittschutz (hier einmal unterstellt, er wäre durch die Form effektiv gewährleistet) die Heilung immer dann ausschließen soll, wenn die Erfüllung den Formzweck nicht völlig erledigt. Denn eines könnte jedenfalls für Konvaleszenz vorgetragen werden: Bei Formen im Parteiinteresse fordert § 1432 ABGB keineswegs die Erledigung des Formzwecks.70 Dieser Befund regt an, die dogmatische Begründung der Heilung durch Erfüllung gerade mit Blick auf Formvorschriften, welche Parteieninteressen dienen, zu überdenken.

bb. Der mangelnde Erklärungswert der Formzweckgewährleistung durch Erfüllung (1) Die Erfüllung als „rechtfertigender Willensakt“

Heilung kann nicht mit dem Argument der Formzweckerreichung erklärt werden.71 Darüber vermögen keine Ausführungen hinwegzutäuschen; auch nicht jene, die von der Leistung als „rechtfertigendem Willensakt“ sprechen.72 Daß sich der Leistende dem Risiko gewachsen zeigt und die „Freiwilligkeit des Vertragsschlusses“ erneut bekundet, indem er eine Berufung auf die Formnichtigkeit unterläßt, sind wenig zugkräftige Argumente. Weder sagt die tatsächliche Leistungserbringung zwingend etwas über das Gewachsensein gegenüber dem Risiko des Vertrages aus, noch dieses Gewachsensein über die tatsächliche Erreichung des Formzwecks. Schutz vor Übereilung soll doch nicht nur dann gewährt werden, wenn aus einem Geschäft ruinöse Folgen drohen. Richtig ist lediglich das Gegenteil: Wem der Ruin droht, der wird sich mit allen erdenklichen Mitteln gegen Zahlungsverpflichtungen wehren; rein faktisch werden also ruinöse Geschäfte eher dazu verleiten, nach Mängeln des Geschäfts zu suchen. Das heißt aber nicht, daß das Gesetz den Formzweck zurücknimmt, weil - wie die Erfüllung beweisen soll - gar kein ruinöses Geschäft 70 Vgl. - zusätzlich zum Folgenden - auch die Diskussion hinsichtlich der Heilung einer Schenkung auf den Todesfall: Apathy JB1 1976, 393 (407) meint, aus der Erfüllung sei eben nicht auf die (gesteigerte) Ernstlichkeit der Erklärung zu schließen; demgegenüber verweist Eccher, 90, zu Recht auf die mangelnde Formzweckerreichung bei Heilung nach § 1432 ABGB im allgemeinen. Wie Eccher auch schon Ehrenzweig in 100 Jahre ABGB II 627 (674). 71 Vgl. hierzu (rechtsvergleichend) auch von Mehren in IECL VII/10 104; auch Dehn 164ff. 72 So Wilhelm 186.

vorlag. Auch das zweite Argument kann nicht vollständig überzeugen. Freilich, wer völlig unüberlegt gehandelt hat, der wird eher danach trachten, vom Geschäft wieder loszukommen. Dennoch, gerade wenn die Leistung im Nichtwissen von der Ungültigkeit des Geschäfts erbracht wird, sind leicht und regelmäßig Fälle vorstellbar, in denen jemand widerwillig aber pflichtbewußt leistet. § 1432 ABGB ist durch eine Formzweckerreichung nicht zu erklären, und zwar auch und gerade nicht im Bereich der Formvorschriften zum Schutz vor Übereilung einer Partei. Das wird auch anhand der Judikatur des OGH klar, der etwa die Übergabe auf den Todesfall als nicht heilbar formnichtig ansieht und dabei in aller erster Linie darauf abstellt, daß eine Heilung dem Formzweck zuwiderliefe.73 In mühevoller Begründung verweist er auf den Übereilungs- und Beweissicherungszweck der Vermächtnisform. Im Detail versucht der OGH nachzuvollziehen, inwieweit die tatsächliche Übergabe des Vermächtnisgegenstandes den Übereilungs- und Beweissicherungszweck erfüllt. Ergebnis: negativ - man fragt sich freilich, warum dann der OGH Heilung überhaupt irgendwann zuläßt. Denn in eben jenem Maße wie im geschilderten Fall werden auch sonst Formzwecke durch Heilung vereitelt. Die Antwort dürfte darin liegen, daß der OGH in Wirklichkeit die Erben als „Dritte“ vor der Gefahr unberechtigter Inanspruchnahme schützen wollte.74 Insgesamt folgt: In Fällen der Heilung wäre statt von „Formzweckerreichung“ besser von „Nichtbeachtung des Formzwecks“ angesichts der Erfüllung zu sprechen.75 Das deutet nämlich an, daß man sich auf die Suche nach Gründen begeben wird müssen, warum § 1432 ABGB nach Erfüllung den Formzweck nicht mehr weiterverfolgt. (2) Der „Zweck“ der am Formzweck ausgerichteten Heilungsdogmatik

Die beim Formzweck ansetzenden Erklärungsversuche scheinen auf der Überzeugung aufzubauen, der Formzweck müsse mittels Nichtigkeit bis zum Letzten weiterverfolgt, § 1432 ABGB daher restriktiv interpretiert werden.76 77 78 Indessen können diese Ansichten wegen ihres sklavischen Festhaltens an der Erfüllung des Formzwecks schon deswegen nicht überzeugen, weil der Gesetzgeber selbst den Formzweck in § 1432 ABGB offensichtlich hintangestellt hat. Berger11 und Wilhelm1^ übersehen dies keineswegs, nehmen aber die mangelnde Formzweckerreichung zum Anlaß, § 1432 ABGB aus teleologischen Gründen restriktiv zu interpretieren. Sie wollen den Formzweck bis ins letzte Detail und in die letzte Verästelung hin verfolgen. Dies geht ganz augenscheinlich zu Lasten der ratio des § 1432 ABGB: Er will Rückforderungsprozesse nach Erfüllung gerade vermeiden. Hingegen sind die dargelegten Ansichten geradezu darauf angelegt, derartige Streitigkeiten hervorzurufen und zu verkomplizieren. Es mag nun sehr 73 OGH 19.5.1983 SZ 56/79. 74 OGH 19.5.1983 SZ 56/79, wo mehrfach - auch unter Verweis auf Apathy JB1 1976, 393 (409) - auf den Drittschutz abgehoben wird, zum Aspekt des Drittschutzes oben § 11 II. 5. b.. 75 Ähnlich Wilhelm 183. 76 Zum mangelnden direkten Bezug von Formzweck und Formnichtigkeit oben § 2 III.. 77 Berger 41 (69f). 78 Wilhelm 184 meint, Durchbrechungen der Nichtigkeit seien immer dann möglich, wenn der Formzweck erreicht oder doch nicht mehr beachtenswert erscheint.

wohl sein, daß es Formzwecke (Drittschutz) gibt, die eine Heilung nicht zulassen. Daraus ist aber nicht zu folgern, daß Heilung stets ausgeschlossen ist, wenn der Formzweck dadurch irgendwie eingeengt wird.

(3) Sonstige negative Konsequenzen der Lehre vom „rechtfertigenden Willensakt“ Die Lehre Wilhelms vom „rechtfertigenden Willensakt“ fuhrt auch zu kaum überzeugenden Ergebnissen für den (eingegrenzten) Bereich seiner eigenen Arbeit. Er folgert nämlich, daß ein solcher „rechtfertigender Willensakt“ durch Leistungserbringung bei Gemeinden nur dann vorliegen kann, wenn dasjenige Organ, welches den Vertrag fertigt und dabei dem Formzwang und dessen Schutz untersteht, auch die Leistung erbringt oder zumindest deren Erbringung in Auftrag gibt. Das soll niemals der Fall sein, wenn der Gemeinderat als Kollegialorgan die Vertragsschlußkompetenz hat, zumal dieses Kollegialorgan weder die Leistung selbst erbringt noch zur Weisungserteilung eigens wieder zusammentritt. Im Falle der Vertragszeichnung durch den Bürgermeister soll Heilung nur dann in Frage kommen, wenn der Bürgermeister entweder persönlich (!) leistet oder aber die Leistung in Auftrag gibt.79 Hier wird deutlich, wie sehr am Übereilungsschutz festgehalten wird und wie wenig die ratio des § 1432 ABGB bedacht wird. Der Vertrauensschutz des Leistungsempfängers, dem § 1432 ABGB durch Versagen der Rückabwicklung dient, wird völlig außer Acht gelassen. Die Konsequenzen der Ansicht für alle Fälle des Handelns von juristischen Personen sind ebenfalls deutlich: Wenn ein Kollegialorgan (z.B. Vorstand), das nur gesamtvertretungsbefugt ist, den Vertrag formungültig abschließt, ein Mitglied desselben Kollegialorgans dann aufgrund seiner Geschäftsführungsbefugnis Anweisung zur Erfüllung gibt, und die Leistung tatsächlich erbracht wird, dürfte der Leistungsempfänger nicht auf § 1432 ABGB vertrauen. Anders hingegen, wenn das Kollegialorgan (Vorstand) einen Beschluß zur Leistungserbringung fällt. Schwer nachvollziehbar, daß die Rechtsposition des Leistungsempfängers derart von der internen Willensbildung abhängen soll. Der Leistungsempfänger wird es auch schwer haben, einen derartigen neuerlichen Beschluß zu beweisen; hingegen wird es der juristischen Person regelmäßig leicht fallen, sein Fehlen zu behaupten und - mangels anderer, nach außen gedrungener Anhaltspunkte - den Richter davon zu überzeugen. Entscheidend ist wiederum: Mit dem Zweck des § 1432 ABGB hat all dies nichts mehr zu tun, und der Formzweck wird durch die Ansicht in höchstens sehr fragwürdiger Weise unterstützt. Ganz gewiß wird der Formzweck nämlich auch bei derart restriktiver Ansicht nicht vollständig gewährleistet.

cc. Der verbleibende Bedarf nach einer Heilungsdogmatik Begnügt man sich alledem gegenüber für die Heilungswirkung mit der Erklärung, der Formzweck habe sich zwar nicht erledigt, sei aber nicht mehr so wichtig, so drängt sich wiederum ein Vergleich zu den Formvorschriften im Drittinteresse auf. Auch dort wird zweifelsohne der Formzweck teilweise - wenngleich unvollständig - durch die tatsächliche Erfüllung erreicht. Die Publizitätserfordernisse des 79 Siehe Wilhelm 186f; ihm insofern folgend Dehn 199f.

Verfügungsgeschäfts mögen einen Notariatsakt nicht vollständig ersetzen können (das sei hier einmal unterstellt), sie kommen aber der Zweckerreichung in vielen Fällen nahe. Warum, wenn es nur auf den Formzweck ankommt, soll daher die (weitgehende) Formzweckerreichung hier nicht ausreichen? Es zeigt sich jedenfalls, daß allein mit der Formzweckargumentation die unterschiedliche Behandlung von Drittschutzfällen nicht zu beantworten ist. Der rechtfertigende Grund der unterschiedlichen Behandlung hinsichtlich der Heilungsfolgen kann daher nicht im Grad der Zweckerreichung, sondern muß anderswo zu suchen sein.

dd. Ansätze einer Heilungsdogmatik in Österreich (1) Vertrauensschutz: Allgemeines Über die Heilung entscheidet nach alledem die ratio der Heilungsnorm. Einen ersten Ansatz, die unterschiedliche Behandlung zu erklären, stellt die Beobachtung dar, daß sich bei Formen im Parteiinteresse die geschützte Partei selbst des Schutzes entledigt. Allerdings nicht, weil sie durch die Erfüllung den Formzweck konsumiert hätte, sondern weil man es ihr bis zu einem bestimmten Grad zum Vorwurf machen kann, sich in eigenen Angelegenheiten nicht hinreichend sorgfältig gezeigt zu haben. Der Vorwurf ist einem geschützten Dritten nicht zu machen. Trotzdem ist es ein nur schwaches Argument, einer Partei den Schutz wieder zu entziehen, weil sie rechtsunerfahren war. Der Entzug des Schutzes, die bewußte Begrenzung der Verfolgung des Formzwecks durch den Gesetzgeber, kann nicht nur in diesem Vorwurf gründen, sondern muß zugleich im Schutz der Person des Leistungsempfängers liegen. Offenbar geht es nämlich § 1432 ABGB um den Schutz des Bestandes abgewickelter Geschäfte.

(2) Anhaltspunkte in den Gesetzesmaterialien und bei Zeiller Der Bestandsschutz kommt in den Materialien zum ABGB jedenfalls indirekt zum Ausdruck: Dort wird vor der Gefahr gewarnt, eine Möglichkeit nachträglicher Rückabwicklung könnte vielfach in Anspruch genommen werden.80 Von der Gewährleistung des Formzwecks durch Erfüllung (ob vollständig oder teilweise) ist keine Rede. Sehr wohl die Rede ist indessen von der grundsätzlich anderen Qualität der Formnichtigkeit. Es wird nämlich von den nur ungültigen aber nicht geradezu als verboten und unerlaubt anzusehenden Geschäften gesprochen.81 Zeiller hat die Ausnahme des § 1432 ABGB hinsichtlich aller Fälle mangelnder Klagbarkeit einer Schuld damit begründet, daß das Gesetz die Erfüllung nicht mißbillige, sondern nur nicht erzwinge; werde sie dennoch erbracht, so könne man sagen, das Gesetz vermute die Wissentlichkeit der Zahlung einer Nichtschuld.82 Ein auf ein formungültiges Versprechen hin Leistender soll daher erst gar nicht vortragen können, ihm sei das Fehlen der Klagbarkeit des Versprechens bei Leistungserbringung nicht bekannt gewesen. Kurzum: Diese subjektive 80 Siehe Oftier II 584. 81 Siehe Oftier II 584. 82 Zeiller IV 159.

Voraussetzung des Rückforderungsausschlusses wird zum Schutz des Empfängers der Leistung eliminiert. Zu diesen Fällen zählt Zeiller dann auch die aus Mangel der Form ungültigen Geschäfte.83 Als Beispiel verweist Zeiller auf den Erben, der formungültige Vermächtnisse erfüllt. Freilich wird aus alledem auch keine unmittelbare Begründung sichtbar. Jedenfalls aber muß klar sein, daß das Gesetz anders als bei Verträgen, welche gegen das Gesetz oder die guten Sitten verstoßen - die Erfüllung formnichtiger Geschäfte grundsätzlich nicht mißbilligt. Wenn aber Zeiller in der Bezahlung ein Anerkenntnis sieht und die Gesetzesmaterialien die Gefahr von gehäuften Rückabwicklungsfällen hervorheben, dann wird zumindest die Schutzrichtung der Heilungsvorschrift sichtbar: Geschützt wird das Vertrauen des Empfängers in den Bestand des Vertrages. Die als Unbill empfundene Rückabwicklung soll vermieden und nicht die Form durch Erfüllung ersetzt werden. (3) Der Vertrauensschutz in der Rechtsprechung des OGH

Eine ähnliche Begründung findet sich in der Judikatur des OGH dann, wenn es nicht um Parteischutz, sondern um Schutz des Rechtsverkehrs durch Heilung geht.84 Eine einschlägige Entscheidung hat es mit einem Beschluß einer GesmbH zu tun, den Gesellschaftsvertrag zum Zwecke der Erhöhung des Stammkapitals zu ändern. Zugleich erklärt eine Gesellschafterin, die erhöhte Stammeinlage zu übernehmen. Beide Rechtsakte sind formbedürftig (§§ 49 Abs. 1 und 52 Abs. 4 GesmbHG), beide werden nur mangelhaft formalisiert. Der Notar meldet die Gesellschaftsvertragsänderung beim Handelsregister an, die Eintragung wird kurz darauf vorgenommen. Später wird die GesmbH insolvent und die Übernehmerin der erhöhten Stammeinlage in Anspruch genommen. Diese beruft sich freilich auf Formfehler. Jedoch nimmt der OGH an, der Formfehler sei geheilt. Das gelingt ihm hinsichtlich des Gesellschaftsbeschlusses durch eine Analogie zum Aktienrecht, wo die Heilung von Beschlußmängeln durch Registereintragung ausdrücklich vorgesehen ist. Auf Formerreichung wird freilich nicht abgestellt, sondern auf den Normzweck der Heilung: Den Schutz des Vertrauens in den Bestand des Rechtsaktes (hier: des Beschlusses). Es fällt indessen auf, daß der OGH die Heilung auch hinsichtlich der Übernahmserklärung eintreten läßt, obwohl er selbst betont, die bezügliche Formvorschrift diene jedenfalls auch der Warnung des Übernehmers. Es wird augenfällig, daß der OGH hier den Vertrauensschutz über den Formzweck stellt. Dabei kann es nur eine Zusatzbegründung darstellen, wenn einerseits auf den durch Registereintragung erreichten Formzweck der Publizität, andererseits auf den zwar mangelhaft doch der äußeren Form nach vollzogenen Notariatsakt abgestellt wird. Die Heilungsvorschrift für registrierte Beschlüsse dient dem Vertrauensschutz ebenso wie die vom OGH in diesem Fall angenommene Heilung der Übernahmeerklärung. Dabei kann bei letzterer klarerweise von Heilung durch Erfüllung gar nicht gesprochen werden. Der durch Warnung zu schützende Teil hat ja weder zur Registrierung etwas beigetragen noch den Vertrag erfüllt. Wenn hier dennoch von Heilung gesprochen wird, dann kann diese nur auf dem Gedanken des Vertrauensschutzes aufbauen. ^Zeiller IV 160. 84 Siehe OGH 14.11.1984 SZ 57/174.

d. Folgerung: Keine Einschränkung der Heilung aus Formzweckgründen

aa. Allgemeines Es verbleibt die Frage, inwieweit Formvorschriften im Parteieninteresse überhaupt die Heilungsfrage bestimmend regeln können. Wiederum ist es nicht mehr als eine Selbstverständlichkeit, daß einzelne Vorschriften - auch wenn sie dem Parteieninteresse dienen - Regelungen enthalten können, die von § 1432 ABGB abweichen. Die Problematik ergibt sich daher nur in jenen Fällen, in denen eine ausdrückliche Regelung fehlt. Dann aber wird in der Regel ein Ausschluß der Heilung nicht in Frage kommen. Wie gezeigt, nimmt § 1432 ABGB die aus der Konvaleszenz resultierende Schutzverminderung zugunsten anderer Ziele (Bestands- und Vertrauensschutz) in Kauf. Davon abzuweichen besteht, jedenfalls solange nicht ganz besondere Umstände vorliegen, kein Anlaß.

bb. Insbesondere: Ehegattenverträge gemäß NZwG (1) Besondere „Drucksituation“?

P. Bydlinski will für die Form der Ehegattenverträge gemäß NZwG, der er vornehmlich Parteischutzfunktionen unterlegt, einen Unterschied aufzeigen. Während bei anderen formpflichtigen Verträgen davon ausgegangen werden könne, daß sich der Leistungserbringer vor Erfüllung das Geschäft „typischerweise“ noch einmal überlege (z.B. bei Bürgschaft und Schenkung), gelte dies gerade bei den Geschäften zwischen Ehegatten, wie sie in § 1 Abs. 1 lit. a - d NZwG geregelt sind, nicht.85 Dort sei vielmehr die „psychische Abhängigkeits- und Drucksituation“ hinsichtlich des Verfügungsgeschäfts ebenso stark ausgeprägt wie bei Abschluß des schuldrechtlichen Vertrages. Dabei versäumt es P. Bydlinski allerdings nicht, den Gläubigerschutz trotz aller zuvor dagegen vorgebrachter Bedenken jedenfalls noch „im Hintergrund mitschwingen“ zu lassen.86 Indessen geht es um die Frage der Legitimation des Heilungsausschlusses durch den Formzweck des Übereilungsschutzes. Und hier können die vorgebrachten Argumente nicht überzeugen. Zum einen ist die Unterscheidung gegenüber der Bürgschaft und der Schenkung in keiner Weise schlüssig. Gerade diese beiden Geschäftstypen kommen oft im familiären Kontext zustande, handelt es sich doch (typischerweise auch bei der Bürgschaft) um unentgeltlich gegebene vertragliche Versprechen, die ihren Grund häufig in der persönlichen Beziehung der Beteiligten zueinander haben.87 85 P. Bydlinski in Harrer/Zitta (Hg.) 410 (434). 86 Zu alledem P. Bydlinski in Harrer/Zitta (Hg.) 410 (434); wobei aber nicht klar wird, ob die Ablehnung der Heilung aus dieser additiven Berücksichtigung der Formzwecke folgen soll; in den folgenden Ausführungen geht P. Bydlinski jedenfalls nur auf den Aspekt des Übereilungsschutzes ein. 87 Gerade daraus rechtfertigt sich ja der Formzwang zur Sicherstellung der Seriosität und Vermeidung von Übereilung; subjektiv-historisch (in diesem Sinne) Kaiserliche Verordnung zur 3. Teilnovelle mit Materialien, 270; sowie (besonders deutlich) Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage (29 Blg.st.Prot. des Herrenhauses, XVIII. Session 1907) 129.

Auch bei diesen Geschäften bleibt sohin die Drucksituation erhalten. Zum anderen muß man sich vergegenwärtigen, welchen „Druck“ der Gesetzgeber hier vermeiden wollte. Der Schutzzweck der gründlichen Überlegung wurde ja für das NZwG erst während der Beratungen des Gesetzes sozusagen nachgeschoben. Dabei ging der damalige Justizminister Habietinek von zeitgenössischen Vorstellungen88 aus, die gerade bei aktualisierender Auslegung nicht tragfähig sind. „So ist es eine unleugbare Tatsache, daß dem Manne, sei es in Folge höherer Einsicht, sei es in Folge der gesellschaftlichen Stellung, die er einnimmt, gegenüber der Frau eine gewisse Präpotenz zukommt...“; ferner (zur Begründung des Übereilungsschutzes für den Ehemann): „Und ebenso gehört es umgekehrt keineswegs zu den Seltenheiten, daß der Mann durch Schwatzhaftigkeit, durch Liebenswürdigkeit und ähnliche Künste der Frau zur Errichtung von Rechtsgeschäften, zur Ausstellung von Urkunden verleitet wird“89; 90 - selbsterklärende Ausführungen, nicht erläuterungsbedürftig. (2) Kritik weiterer Argumente

Ein weiteres Argument von P. Bydlinski spricht eher für als gegen die Heilung. Häufig, so P. Bydlinski, werde nämlich Konkursverfangenheit des anderen Ehegatten vorliegen. Dann nütze die Vertragsnichtigkeit aber nur in jenen Fällen, in denen die Sache noch unterscheidbar vorhanden sei und(!90) kein Gutglaubenserwerb durch Dritte stattgefunden habe. Dieser Restzweck soll nach P. Bydlinski Beachtung finden. Allerdings kumuliert er dieses Argument mit einem weiteren: Die Fälle, in denen keine Insolvenz vorliege, dürften nicht übersehen werden. Das ist klar, weil es den Bestimmungen in § 1 Abs. 1 lit. a - d NZwG hinsichtlich der Parteieninteressen offenkundig nicht um Schutz vor Insolvenz des Geschäftspartners, sondern schlicht um Übereilungsschutz geht. Insolvenz ist keineswegs typischerweise vorausgesetzt. Bei „ausgesprochener Ungünstigkeit“ des Geschäfts für einen Teil aber gäbe es „Konstellationen“, „in denen der Notar aufgrund seiner Erfahrung und durch aufklärende Fragen für einen Teil kraß Nachteiliges ab wenden könnte“.91 Das Argument ist zweifach bedenklich. Zum ersten lehnen es Notare eben gerade ab, die Parteien hinsichtlich der Angemessenheit ihrer Leistungen zu belehren. „Es kann aber nicht Sache des Notars sein, sich über die Angemessenheit der Gegenleistung, die Zuverlässigkeit des Vertragspartners, die wirtschaftlichen Vor- und Nachteile des beabsichtigten Rechtsgeschäftes zu äußern oder Fragen der Bebaubarkeit des zu kaufenden Grundstückes, der ausreichenden Sicherheit für die Hypothek zu erörtern .... Das 88 Man mag im übrigen die Vermutung wagen, daß die Äußerungen des Justizministers schon damals als reichlich konservativ galten; vgl. nur die Ausführungen des Berichterstatters Unger (Kaserer 141): „Ich frage, verliert der Verheiratete etwa den Emst des Willens? Dieser steigert sich vielmehr! Verliert der Verheiratete etwa die Willensfreiheit? Warum? Ja wenn man von diesem Standpunkte ausgeht, so müßte man überhaupt über Ehegatten eine Art Curatel verhängen 89 Siehe die Äußerungen des Jusitzministers bei Kaserer 120. 90 P. Bydlinski (in Harrer/Zitta [Hg.] 419 [435]) spricht hier von „oder“, was wohl nicht gemeint sein kann. 91 P. Bydlinski in Harrer/Zitta (Hg.) 419 (435).

wäre Beratungstätigkeit. Sie kann der Notar nicht übernehmen ... ."92 P. Bydlinski selbst gesteht ein, daß der Notar regelmäßig nicht mehr tun kann, als „gezielt nachzufragen bzw. anzuregen, die Angemessenheit noch näher zu überprüfen“;92 93 und schon zuvor wurde klar, daß dies überhaupt nur bei kraß ungünstigen Geschäften erwartet werden kann. Wahrscheinlich wird der Notar die Äquivalenzstörung daher nicht beachten, verpflichtet ist er hierzu ohnehin nicht. Ein Rechtsprechungsbeispiel aus Deutschland belegt all dies. In einer Entscheidung des OLG München94 ging es um einen notariell beurkundeten GmbHGeschäftsanteilskauf. Trotz notarieller Beratung kam es dazu, daß der Kaufpreis um 220% überhöht war. Dem Notar ist das offenbar nicht aufgefallen, obgleich ihm sicherlich bekannt war, um welchen Geschäftsbetrieb es sich gehandelt hat, und er gewiß in der Lage gewesen wäre, den objektiven Marktwert des Unternehmens zu „erahnen“. Darüber dürfte sich der Notar jedoch - schon mangels Zuständigkeit erst gar keine Gedanken gemacht haben. Das Gericht sah sich genötigt, den Kauf wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB zu vernichten. Zum zweiten stellt P. Bydlinski damit letztlich wiederum nur auf den Formzweck der Übereilung ab; wie aber schon dargelegt, wird dieser bei Erfüllung nicht vollständig weiterverfolgt. Hier sind keine Unterschiede zu anderen Formtatbeständen zu erkennen. Der Schutz der Parteien wird sohin regelmäßig die Annahme einer bestimmenden Nichtigkeitsnorm, welche Heilung nach § 1432 ABGB ausschließt, nicht stützen können. 6. Befund: Die Formzweckdiskussion als Indikator mangelnder Heilungsdogmatik

Die dargelegte Diskussion rund um den Formzweck enthüllt sohin insgesamt ein Unbehagen mit der Heilungsvorschrift des § 1432 ABGB. Die Sorge um die Formzweckerreichung wird überall deutlich. Die eher restriktiven Ansichten P. Bydlinskis sind letztlich darauf zurückzufuhren, daß er insgesamt zu einer teleologischen Reduktion der Heilungsvorschrift des § 1432 ABGB tendiert, er also ganz allgemeine Bedenken gegen diese Vorschrift hat. Er nimmt von einer breiten teleologischen Reduktion nur Abstand, weil § 1432 ABGB „als Bestandteil des geltenden Rechts aber jedenfalls ein - sinnvoller - Anwendungsbereich verbleiben“ müsse.95 Von einem sinnvollen Anwendungsbereich will er aber offenbar nur dann ausgehen, wenn der Formzweck nicht gefährdet wird. Demgegenüber scheint es angebracht, § 1432 ABGB einen eigenen Sinn und damit legitimen Anwendungsbereich zuzuordnen. Kurzum: Das Scheitern der dargelegten Formzweckargumente fordert zur Beantwortung der Frage nach dem Sinn und Zweck, sohin der dogmatischen Rechtfertigung der Heilung heraus. Es ist genau diese Frage, welche in Österreich bisher nicht hinreichend beantwortet scheint. Ihr wird daher anhand des deutschen Rechts näher nachgegangen.

92 Wagner § 52 NO Rz. 7 a.E.. 93 P.Bydlinksi in Harrer/Zitta (Hg) 419 (435 FN 54). 94 OLG München 10.11.1993 BB 1995, 2235. 95 P. Bydlinski in Harrer/Zitta (Hg.) 419 (421).

III. Der Streit um die Heilung in Deutschland

1. Die Heilungstatbestände und ihre Analogiefähigkeit a. Die Tatbestände und der Streit um deren Analogiefähigkeit

Diverse Formvorschriften ordnen im Falle der Erfüllung formnichtiger Rechtsgeschäfte deren „Heilung“ an.96 Eine generelle Heilungsvorschrift kennt das BGB hingegen nicht. Im Schuldvertragsrecht enthalten die Vorschriften der §§313 Satz 2, 518 Abs. 2 und 766 Satz 2 BGB Heilungsbestimmungen. Hinzu treten außerhalb des BGB angesiedelte Heilungsnormen, insbesondere § 15 Abs. 4 GmbHG und § 6 Abs. 2 und 3 VerbrKrG. Die nur in Einzelbestimmungen anzutreffende Heilung wurde schnell Gegenstand eines Theorienstreits, der sich rund um die Frage der analogen Erstreckung von Heilungsvorschriften oder aber deren restriktiven Handhabung (mittels argumentum e contrario) drehte. Auch die Bildlichkeit des Begriffs „Heilung“, welcher Lebensnähe einerseits, wegen seiner Gebräuchlichkeit in Medizin und Religion aber auch Ästhetik und Sublimität eigener Art verkörpert, hat Anlaß zu dogmatischen Zweifeln und daran geknüpften Erklärungsversuchen gegeben. Für den Juristen ist schwer vorstellbar, daß ein von ihm als nullum gewerteter Lebenssachverhalt plötzlich als vollauf gesundes Wesen in Erscheinung tritt und alle Wirkungen kraftvoll entfaltet. Die Erklärungsversuche sind denn auch mannigfaltig.

b. Die h.L. der beschränkten Einzelanalogie Die vielfältigen Erklärungsversuche97 sollten nicht nur der systematischen Einordnung der Heilung in das System des BGB dienen, sondern gerade auch der Ableitung eines analogiefähigen Prinzips. Freilich steht dabei der Gedanke der Gesamtanalogie im Vordergrund. Indessen muß eine solcher Versuch scheitern, solange man sich auf keinen der beschriebenen Erklärungsansätze als jenen einigen kann, welcher alle Heilungstatbestände zu begründen imstande und auch auf diejenigen Formvorschriften, die eine Heilung nicht kennen, erstreckbar ist. Die heute herrschende Lehre zieht daher einen Umkehrschluß und lehnt eine Gesamtanalogie zu den bestehenden Heilungsvorschriften ab.98 Demgegenüber ist im Grundsatz anerkannt, daß die einzelnen Heilungsvorschriften einer analogen Erstreckung zugänglich sind, obwohl sie häufig als „Ausnahmevorschriften“99 96 Zentral sind die Heilungsbestimmungen in § 313 Satz 2, § 518 Abs. 2, § 766 Satz 2 BGB. 97 Zu ihnen unten § 11III. 2. bis 5.. 98 Larenz 413 FN 16 m.w.N.; Pohlmann 178ff m.w.N.; Heinrichs in Palandt § 125 BGB Rz. 11; Hefermehl in Soergel I § 125 BGB Rz. 28; Dilcher in Staudinger12 I § 125 BGB Rz. 35 (der allerdings auf die abweichenden - älteren - Lehrmeinungen ausdrücklich hinweist); mangels ausdrücklicher Heilungsvorschrift meint Martinek, NJW 1997, 1393 (1395), auch die Formnichtigkeit nach § 3 Abs. 1 TzWrG sei unheilbar; eine Leistung, welche aufgrund eines nach § 311 BGB formnichtigen Vertrages erbracht wurde, ist rückforderbar: BGH 29.6.1970 DNotZ 1971, 38; siehe ferner Brandenburgisches OLG 25.10.1995 OLG-NL 1996, 188 (189). 99 Der Ausdruck ist irreführend, weil jede Vorschrift als Ausnahme zu einem jeweils höheren oder allgemeineren Prinzip verstanden werden kann; hierzu deutlich Habscheid FamRZ 1968, 13 (13 m.w.N.).

bezeichnet werden. Dabei werden Analogiemöglichkeiten vor allem in zweierlei Sinne gesehen: Die Heilungsvorschriften werden auf Formvorschriften ohne Heilungsbestimmungen erstreckt, oder aber, soweit Formvorschriften mit gesetzlich ausdrücklich vorgesehener Heilungsmöglichkeit ihrerseits analog ausgeweitet werden, soll die Analogie auch die Heilung mitumfassen.100 c. Die Argumente für eine Gesamtanalogie

Das im Grundsatz von der h.L. und Rechtsprechung vertretene argumentum e contrario, wie es dem „Ausnahmecharakter“ der Heilungsvorschriften entnommen wird, wird schon früh mit systematischen Erwägungen bekämpft. Ausgangspunkt ist die Beobachtung von Reichel, wonach eine Ablehnung der Heilung bei vollständig abgewickelten Verträgen zu absurden Ergebnissen führe. Die Rückabwicklungsmöglichkeit nach 29 Jahren könne doch nicht der gesetzgeberische Wille gewesen sein, zumal sie zu einer unerträglichen Beunruhigung der „beati possidentes^ führen würde.101 Dieses Argument entspricht ja tatsächlich genau dem subjektiv-historischen Gesetzgeberwillen bei den Heilungstatbeständen.102 Und die Qualität der Nichtigkeit müsse sich doch bei Formverfehlung103 jedenfalls von jener bei Gesetzes- oder Sittenwidrigkeit unterscheiden.104 Zwar sei ein argumentum e contrario wegen des Fehlens eines allgemeinen Heilungstatbestandes denkbar, doch sei aus der Zulassung der Heilung in den besonderen Heilungstatbeständen bei auch nur teilweiser Erfüllung der Rückschluß ableitbar, der Gesetzgeber habe die Heilung bei vollständiger Erfüllung als selbstverständlich angesehen.105 Ein Zusammenlesen der BGBHeilungstatbestände106 mit jenem des § 15 Abs. 4 GmbHG mag das Argument verstärken. Auch dort wird die Heilung gesetzlich ausdrücklich bereits auf die einseitige Leistungserbringung erstreckt; und auch dort wird aus den Materialien deutlich, der Gesetzgeber habe ein anderslautendes Ergebnis „selbstverständlich“ abgelehnt.107 Das muß dann verstärkt in jenen Fällen gelten, wo vollständige Erfüllung vorliegt. Siber hat ergänzend auf den Wertungswiderspruch abgestellt, 100 So etwa kann ein (formnichtiger) Vorvertrag zu einem (formpflichtigen) Grundstückskaufvertrag heilen, hierzu im Detail Henrich 168ff; Wölf in Soergel II § 313 BGB Rz. 97; deutlich Wufka in Staudinger II1 § 313 BGB Rz. 289ff; BGH 18.12.1981 BGHZ 82, 398; hierzu kritisch, wenngleich nicht das Ergebnis betreffend, Pohlmann 194f; Reinicke/Tiedtke NJW 1982, 1430; für (formwidrige) Änderungsvereinbarungen siehe Zeller 163ff; siehe aber auch OLG Saarbrücken 27.1.1995 NJW-RR 1995, 1105; BGH 12.11.1996 NJW 1997, 654: Erklärt ein Verbraucher einen Schuldbeitritt zu einem Kreditvertrag, so bedarf dieser der Form nach § 4 VerbrKrG und wird durch die Auszahlung des Darlehens an den Darlehensnehmer nicht geheilt. 101 Reichel AcP 104 (1909) 1 (32). 102 Hierzu unten § 11III. 2.. 103 Zur anderen Qualität der Nichtigkeitssanktion bei Formmängeln von Tuhr 504: „Rechtsgeschäfte, bei denen ein Formfehler durch Erfüllung geheilt wird, können strenggenommen nicht als nichtig bezeichnet werden.“ w Reichel AcP 104 (1909) 1 (32). 105 Reichel AcP 104 (1909) 1 (33f). 106 Schon diese allein könnten ja die Analogiegrundlage bilden: So wohl auch von Tuhr 504, der dann aber meint, de lege lata sei an der Rechtsprechung zum Ausnahmecharakter der Heilungsvorschriften festzuhalten. 107 Hierzu unten § 11III. 2. c. gg..

den die gegenteilige Meinung heraufbeschwört.108 Es sei nämlich keineswegs einsichtig, warum ein entgeltliches Geschäft trotz vollständiger Erfüllung nicht heilen soll, ein unentgeltliches (dazu zählen regelmäßig auch Bürgschaften) hingegen schon. Im allgemeinen sei doch die Rechtsordnung bei unentgeltlichen Geschäften verpflichtungsfeindlicher. Hingegen sei die teilweise Heilung bei bloß partieller Erfüllung bei unentgeltlichen Geschäften leichter zu erklären, weil es dort der Lebenserfahrung entspricht, daß auch teilweise Heilung erwünscht ist.109 Mangels Zerlegbarkeit könne dies für entgeltliche Geschäfte nicht so allgemein gelten.110 Insgesamt folge daher: Vollständig abgewickelte Verträge heilen jedenfalls.111 Unentgeltliche heilen stets insoweit, als sie erfüllt werden; entgeltliche Verträge können eventuell schon dann heilen, wenn die vertragstypische Leistung erbracht worden ist und die einschlägigen Billigkeitsgründe dafür sprechen.112 Gerade Siber hat auch versucht darzutun, daß die rechtsgeschäftliche Schaffung von Rechtsgrundabreden113 von der Vertragsfreiheit mitumfaßt und auch in jenen Bereichen noch zulässig sei, in denen die Freiheit zur Schaffung von Verpflichtungen von der Rechtsordnung zurückgenommen werde.114 Das legitimiere - zusammen mit den dargelegten systematischen Erwägungen - die Analogie der Heilung in beschriebenem Sinne. Und obschon die daran anknüpfende Heilungslehre von Häsemeyer115 aufgrund diverser Bedenken und der neueren Rechtsentwicklung116 nicht in der Lage ist, die Heilungsfrage einer einheitlichen Erklärung zuzuführen, so zeigen doch auch seine Ausführungen, daß es dem Gesetzgeber bei der Formnichtigkeit um die Zurücknahme nur der primären Leistungsverbindlichkeit geht. Daß der Gesetzgeber mit seinen Heilungstatbeständen über die Konstruktion als Rechtsgrundabreden hinausgegangen ist, ändert daran nichts. Angesichts dieser sehr fundierten Lehrmeinungen überrascht es nicht, daß die starre und wenig motivierte Rechtsprechung, welche aufgrund des behaupteten Ausnahmecharakters der Heilungsvorschriften Analogien in großem Ausmaß ablehnt, etwa bei Habscheid geradezu die Frage nach dem Sinn wissenschaftlicher Beschäftigung auslöst: „Und wenn dann der BGH ... so bedeutende und fundierte Untersuchungen ... , die sich für eine Heilung aussprechen, einfach übergeht oder doch in seine Argumentation nicht einbezieht, was haben Lehre und Forschung dann noch für einen Sinn...!“117 Die Frustration ist berechtigt. Bereits Reichel hatte nämlich vor den Folgen des argumentum e contrario gewarnt: „Das argumentum e contrario ist das 108 Siber JheringsJb 70 (1921) 223 (242). 109 Siber JheringsJb 70 (1921) 223 (240). 110 Siber JheringsJb 70 (1921) 223 (241). 111 Siber JheringsJb 70 (1921) 223 (242). 112 Siber JheringsJb 70 (1921) 223 (241). 113 Zur Theorie der Rechtsgrundabreden in der deutschen Lehre und Rechtsprechung insb. Häsemeyer 96ff. 114 Siber JheringsJb 70 (1921) 223 (236fi). 115 Häsemeyer 240ff. 116 Die Neufassung des § 313 BGB und die Heilung nach § 6 Abs. 2 und 3 VerbrKrG lassen eine Erklärung der Heilung durch Rechtsgrundabreden im Sinne von Häsemeyer nicht mehr zu; hierzu unten § 11III. 3. e.. 117 Habscheid FamRZ 1968, 13 (13) als Erwiderung zu BGH 2.2.1967 FamRZ 1967, 465.

Handwerkszeug des Buchstabenjuristen“118 Die stereotype Berufung auf den Ausnahmecharakter von Vorschriften führe dazu, „den gesetzgeberischen Embrio flugs zu erdrosseln“.119 Die h.L. vom Ausnahmecharakter läßt sich sohin in ihrer Generalität nicht halten. In Analogie zu den gesetzlichen Heilungstatbeständen sind jedenfalls jene Fälle zu lösen, in denen vollständige Erfüllung vorliegt bzw. - bei Formzwang im ausschließlichen Interesse einer Partei - die geschützte Partei ihre Leistung erbracht hat.120 Eine noch weitergehende Analogie (insbesondere zu den Heilungsvorschriften des § 313 Satz 2 BGB und § 6 Abs. 2 und 3 VerbrKrG) ist wohl nicht möglich, jedoch kann nach Maßgabe des Verbots widersprüchlichen Verhaltens eine Durchbrechung der Formnichtigkeit in Frage kommen. Im Rahmen dieses Instituts sind die Heilungstatbestände wertend ins Kalkül zu ziehen.121

d. Der Positivbefund: Die intensive dogmatische Diskussion der Frage in Deutschland Indessen ist dem - vorderhand unerfreulichen - Befund auch Positives abzugewinnen. Denn die heftig geführte Diskussion hat sich insbesondere mit der Frage beschäftigt, wie Heilung durch Erfüllung zu rechtfertigen ist. 2. Subjektiv-historische Anhaltspunkte für eine dogmatische Erklärung der „Heilung“122 (zugleich eine Kritik der Thesen von Pohlmann123)

a. Die Gründe für die Nichteinführung eines generellen Heilungstatbestands aa. Die beiden Anträge zugunsten eines allgemeinen Heilungstatbestandes

Zu allererst drängt sich die Frage auf, welche Gründe für den BGB-Gesetzgeber ausschlaggebend waren, keine zentrale Heilungsnorm zu schaffen. Die Antwort bietet ein Studium der Kodifikationsgeschichte des BGB. Tatsächlich wurden nämlich zwei Anträge auf Aufnahme eines allgemeinen Heilungstatbestands eingebracht, dann aber wieder zurückgezogen. Der erste Antrag wollte eine allgemeine Heilungsvorschrift für alle Rechtsgeschäfte schaffen, sich also keineswegs auf Schuldverträge beschränken.124 Er wurde wegen seines 118 Reichel AcP 104 (1909) 1 (36). 119 Reichel AcP 104 (1909) 1 (36). 120 Vgl. auch den Versuch von Lange AcP 144 (1938) 149 (159fi), die analoge Erstreckung durch teleologische Erwägungen zu jeder einzelnen Formvorschrift zu rechtfertigen. 121 Vgl. schon Siber JheringsJb 70 (1921) 223 (241), der eine Analogie zu § 313 Satz 2 BGB ganz allgemein nur unter Berücksichtigung der Billigkeitsgründe vornehmen will; vgl. ferner W. Lorenz AcP 156 (1957) 381 (405), der wohl als erster in aller Deutlichkeit auf die Dynamisierungsmöglichkeiten der Heilungsvorschriften für die Relativierung der Formnichtigkeit mittels Treu und Glauben hingewiesen hat. 122 Zum Folgenden vgl. den detaillierten Überblick bei Pohlmann 38ff. 123 Pohlmann hat ihren eigenen Begründungsansatz hauptsächlich an einer historischen Interpretation festgemacht (insb. 65ff); daher können ihre Thesen mit den historischen Ausführungen gemeinsam erörtert werden. 124 Siehe Jakobs/Schubert, Allgemeiner Teil 1, 683f.

Anwendungsbereichs, der auch familienrechtliche und erbrechtliche Geschäfte einschließen sollte, von vornherein kritisiert.125 Der zweite Antrag sollte demgegenüber eine auf das Schuldvertragsrecht beschränkte Heilungsnorm schaffen.126 Allerdings begegnete man auch diesem mit Vorbehalten, zumal eine derartige Regelung die Vorteile der Form völlig untergrabe, sodaß auch dieser zurückgezogen wurde.127

bb. Die überzogene Schlußfolgerung: Heilungstatbestandes

Ausschluß

eines

allgemeinen

Daraus wurde bisweilen der Schluß gezogen, das BGB habe keinen allgemeinen Heilungstatbestand schaffen wollen.128 Indessen übersieht diese Ansicht, daß der zweite, auf das Schuldvertragsrecht beschränkte Antrag keine Heilung durch beiderseitige Erfüllung vorsah, sondern bereits bei Erfüllung durch (irgend)eine Partei der Vertrag wirksam werden sollte. Keinesfalls ist daraus zu schließen, der Gesetzgeber wollte keine generelle Heilungsnorm, vielmehr bleibt fraglich, ob nicht der Gesetzgeber die Heilung bei vollständiger Erfüllung eines entgeltlichen Schuldvertrages als selbstverständlich vorausgesetzt hat. Gerade in letzterem Sinne hat sich etwa Reichel vehement geäußert.129 Allerdings leitet er seine Meinung nicht aus den eben beschriebenen subjektiv-historischen Argumenten ab. Er geht vielmehr von den speziellen Heilungsvorschriften aus, welche auch teilweise Erfüllung zur Konvaleszenz hinreichen lassen. Aus deren Existenz schließt er, die vollständige Erfüllung müßte um so mehr zur Sanierung des nichtigen Geschäfts führen. Höchstwahrscheinlich hätte dies der Gesetzgeber als selbstverständlich angesehen.130 Gegen eine Gesamtheilung spricht allerdings aus subjektiv­ historischer Sicht, daß die Gesetzesmaterialien die Kondiktion der erbrachten Leistung ausdrücklich zulassen.131 Pohlmann hat aber verdienstvoll aufgezeigt, daß die entsprechende Passage in den Motiven zum endgültigen § 125 BGB der Begründung zum Vorentwurf von von Kübel wörtlich entspricht. Die erste Kommission hat diesen unbesehen übernommen. Doch ist von Kübel deshalb von der Unheilbarkeit ausgegangen, weil er Formvorschriften im Parteieninteresse überhaupt ablehnte, Formen sohin nur dem öffentlichen Interesse oder jenem Dritter dienen könnten. Die Divergenz, die sich durch die spätere Einfügung von Formvorschriften im Parteieninteresse ergab, wurde offenbar nicht erkannt.132 Insofern ist auch die entsprechende Passage der Motive nicht notwendig ein Beleg dafür, der Gesetzgeber sei von der grundsätzlichen Unheilbarkeit formnichtiger Verträge trotz Erfüllung ausgegangen.

125 Siehe Jakobs/Schubert, Allgemeiner Teil 1, 685. 126 Siehe Jakobs/Schubert, Allgemeiner Teil 1, 684f. 127 Siehe Jakobs/Schubert, Allgemeiner Teil 1, 685. 128 So insb. Pohlmann 77f und 87f. 129 Reichel AcP 104 (1909) 1 (34f). 130 Reichel AcP 104 (1909) 1 (34f). 131 Siehe Mugdan I 453. 132 Hierzu ausführlich Pohlmann 75ff.

cc. Die mangelnde gedankliche Durchdringung der Heilungsfrage Sehr überzeugend ist ferner die These Pohlmanns, der Gesetzgeber habe die Heilungsproblematik der formpflichtigen schuldrechtlichen Verträge unzureichend durchdacht. Dies sei auf eine recht zersplitterte Rechtslage vor dem BGB sowie mangelnde Zeit zur Vertiefung der Frage und auf eine zeitliche Verschiebung der Diskussionen zu den einzelnen Heilungsvorschriften rückführbar.133 Pohlmann belegt dann auch im einzelnen, daß bei anderen Formvorschriften die Heilungsfrage gar nicht gestellt worden war.133 134 Damit aber erhärtet sich die These, der historische Gesetzgeber habe die Heilungsfrage nicht hinreichend vertieft. Dies muß freilich Wertungswidersprüche zwischen den Formvorschriften mit Heilungsnormen und jenen, die einer solchen ermangeln, erwarten lassen.

b. Negativabgrenzung: Formzweckerreichung kein Heilungsgrund135 aa. Allgemeines

Die mangelnde Vertiefung der Heilungsproblematik durch den deutschen Gesetzgeber wird auch anhand der Materialien zu den einzelnen Heilungstatbeständen immer wieder deutlich. Stets finden sich Äußerungen von Anhängern einer Heilung wie von Kritikern. Beide Seiten werfen möglichst viele Argumente in die Waagschale, sodaß am Ende kein astreines Bild eines gesetzgeberischen Heilungsverständnisses gezeichnet werden kann. Durchgehend bringen Heilungsgegner vor, Konvaleszenz unterlaufe den Formzweck. Stets wird diesem Argument entgegengehalten, die Formfunktion bliebe angesichts des Erfordernisses der Leistungserbringung jedenfalls ausreichend gewahrt.136 Diese Begründung zeigt bereits, daß der Gesetzgeber die wegen der Heilung nur noch reduzierte Formzweckerreichung sehr deutlich vor Augen hatte, ja dies wird wiederholtermaßen offen ausgesprochen. So etwa, wenn in den Protokollen zu § 313 BGB der Mindermeinung, welche eine Aushöhlung der Formzwecke durch Heilung befürchtete, zugegeben wird, daß die „Rechtskonsequenz“ gegen die Heilung spreche, die Mehrheit aber aufgrund anderer Gesichtspunkte eine Konvaleszenz dennoch befürwortet.137 Ähnliches wird für die Heilung des 133 So Pohlmann 88f. 134 Vgl. die subjektiv-historischen Ausführungen von Pohlmann 85f. 135 Kritisch zu diesem Erklärungsversuch im allgemeinen Hefermehl in Soergel I § 125 BGB Rz. 29; anders hingegen Wolf in Soergel II § 313 BGB Rz. 95 jedenfalls für die Heilung nach § 313 Satz 2 BGB; auch Hart in Alternativkommentar I § 125 BGB Rz. 16 betont richtig, daß sich die Heilungsfalle allgemein nicht mit der Formzweckerreichung erklären lassen, geht dann allerdings davon aus, daß jedenfalls die Heilung in den Fällen tatsächlicher Kenntnis der Formnichtigkeit eine Nichtigkeitsbeschränkung infolge Zweckerreichung sei; auf die Formzweckerreichung stellt - für den Bereich des § 313 Satz 2 BGB - Ballhaus in RGRK II/l §313 BGB Rz. 110 ab. 136 Siehe z.B. Mugdan I 622 und 1275 (für die Heilung nach § 313 Satz 2 BGB), 163 und 745 (für die Heilung nach § 518 Abs. 2 BGB). 137 Deutlich insofern die Ausführungen in den Materialien bei Mugdan II 622 (betreffend die Heilung nach § 313 Satz 2 BGB); wenn demgegenüber von Hoffmann, 127, auf die Motive verweist, um darzutun, der subjektiv-historische Grund der Heilung liege in der Ansicht des

Schenkungsversprechens ausgeführt: Jene Gründe, welche ein Erreichen des Formzwecks nach Erfüllung erfordern, würden nicht überwiegen.138 Offenbar ging es auch hier um eine Abwägung des Bedürfnisses, den Formzweck nach Erfüllung weiter zu verfolgen, mit den Heilungsgründen. Daraus allein wird klar, daß der Gedanke der Formzweckerreichung nicht tragender Gedanke der Heilungsvorschriften gewesen sein kann. Anstoß für die Einfügung spezieller Heilungsvorschriften waren andere Gründe; die Tatsache, daß die Erfüllung die Formfunktionen zumindest teilweise gewährleistet, hat die Anerkennung der Konvaleszenz nur erleichtert.

bb. Insbesondere: § 766 Satz 2 BGB Einzig im Zusammenhang mit der Heilung nach § 766 Satz 2 BGB wird davon gesprochen, der Formzweck entfalle bei Erfüllung.139 Dies überrascht, war dem Gesetzgeber die mangelnde Formzweckerreichung doch sonst stets deutlich vor Augen. Erklärbar wird die Haltung des Gesetzgebers aus dreierlei Überlegungen. Zum einen hatte eine Mehrheit in der zweiten Kommission ernsthafte Zweifel geäußert, ob die Bürgschaftsform selbst tatsächlich imstande sei, der Übereilung und schwierigen Prozessen, welche infolge Mangels klarer Beweise befürchtet wurden, vorzubeugen.140 Ist aber die Form ein nur bedingt geeignetes Instrument zur Erreichung der genannten Normzwecke, so fallt es hier um so leichter, von der Gleichwertigkeit tatsächlicher Erfüllung auszugehen. Zum anderen ist die Heilung der formnichtigen Bürgschaft durch Erfüllung wohl insgesamt am allerwenigsten ausdiskutiert worden. Weder die erste noch die zweite Kommission hatten sie erwogen. Sie ist vielmehr als ein Kompromiß im Streit um einen allgemeinen schuldvertragsrechtlichen Heilungstatbestand anzusehen. Der Antrag auf Schaffung eines solchen wurde nämlich insbesondere deswegen zurückgezogen, weil als Kompromißlösung die Aufnahme einer Heilungsvorschrift auch für die Bürgschaft angeboten worden war.141 Damit aber war die Heilung formnichtiger Bürgschaftserklärungen erst spät zur Diskussion gekommen; die Unausgewogenheit des Heilungskonzepts tritt hier besonders zutage. Drittens ist gar nicht eindeutig, historischen Gesetzgebers, Erfüllung (formpflichtige Auflassung und Eintragung) erfülle den Formzweck, so geht der Hinweis fehl. Zum einen kann eine solche Ansicht des Gesetzgebers den Motiven nicht entnommen werden, denn das von von Hoffinann zum Teil wörtlich angeführte Zitat findet sich in den Motiven so nicht (vgl. bei Mugdan II 105). Die Motive sprechen demgegenüber von der leichten Handhabung des Heilungskriteriums und davon, daß die Nichtigkeit bis zur Erfüllung für den Formzweck vollkommen genüge. Daraus läßt sich keineswegs notwendig entnehmen, der Gesetzgeber habe gemeint, Erfüllung gewährleiste den Formzweck; vielmehr dürfte schon hier anklingen, daß man es als übertrieben angesehen hätte, den Formzweck auch nach Erfüllung weiter zu verfolgen. Jedenfalls aber die im Rahmen der Protokolle auftauchende explizite Diskussion zum Thema „Formzweckerreichung durch Erfüllung“ belegt, daß die „Zweckerreichung“ nicht historischer Grund war. Von Hoffinann selbst meint im übrigen, der Formzweck sei durch Erfüllung nicht erreichbar, womit auch er zumindest nach aktualisierender Auslegung zum hier vertretenen Ergebnis kommt. 138 Siehe die Protokolle bei Mugdan II 745. 139 So die Äußerung der 12. Kommission des Reichstags bei Mugdan II 1294. 140 Siehe die Protokolle bei Mugdan II 1020. 141 Siehe die Beratungen bei Jakobs/Schubert, Allgemeiner Teil 1, 685.

daß der historische Gesetzgeber die dargelegte Äußerung als Formzweckerreichung verstanden wissen wollte. Pohlmann hat richtig vermerkt, es könnte auch bloß gemeint gewesen sein, daß der Bürge von Anfang an nur gegen die Verpflichtungsbegründung zu schützen sei, was nach Erfüllung aber nicht mehr möglich sei.142 Gerade die Tatsache, daß der Gesetzgeber ansonsten immer deutlich erkennen läßt, daß er die Beeinträchtigung der Formzwecke durch die Heilung nicht übersehen hat, suggeriert die Richtigkeit dieser Auslegung. Wenn Pohlmann selbst in der Folge Überlegungen anstellt, inwieweit die Erfüllung einen Übereilungsschutz garantiere und daher den ursprünglichen Formzweck erreiche, und ferner davon ausgeht, der historische Gesetzgeber habe die Formzweckerreichung als entscheidend angesehen143, so überzeugt dies als subjektiv-historisches Argument nicht. Gleichartige Erwägungen fehlen von Seiten des Gesetzgebers, Pohlmanns Überlegungen suggerieren einen derartigen historischen Willen, Belege fehlen aber jenseits der geschilderten, mehrdeutigen Aussage. So wie bei anderen Formvorschriften kann der Grund für den Heilungstatbestand nicht in einer angeblichen Formzweckerreichung gesehen werden.144

cc. Schlußfolgerung: Die Heilung durch Erfüllung kann durch eine behauptete Formzweckerreichung nicht erklärt werden Insgesamt folgt sohin, daß der Gesetzgeberwille nicht darauf gerichtet war, der Erfüllung als einem alternativen Formzweckgaranten Anerkennung zu verschaffen. Verfehlt ist daher auch die Rechtsprechung, wonach sich der Formzweck durch Erfüllung erledige.145 c. Positivabgrenzung: „Rechtssicherheit“ zum Schutz des Bestandsinteresses einer (der) Vertragspartei(en) als gesetzgeberisches Motiv

aa. Die Notwendigkeit „Rechtssicherheit“

einer

inhaltlichen

Bestimmung

des

Begriffes

der

Verschiedene Autoren sehen den subjektiv-historischen Grund für die Einführung von Heilungsvorschriften (jedenfalls jener des § 313 Satz 2 BGB, aber auch des 142 Pohlmann 84. 143 Pohlmann 84. 144 Selbst für Grundstücksveräußerungsverträge kann das Argument der Formzweckerreichung, auch wenn auf die „Formpflicht“ der Auflassung hingewiesen wird (wie z.B. bei Ballhaus in RGRK II/l § 313 BGB Rz. 110), nicht gelten: Zwingend an der Auflassungsform ist nämlich nur die Abgabe der Erklärung bei gleichzeitiger Anwesenheit aller Parteien vor einer zuständigen Stelle (Notar), hingegen bedarf die Erklärung selbst keiner besonderen Form; vgl. nur Bassenge in Palandt § 925 BGB Rz. 3; so schon 5.12.1956 BGHZ 22, 312 (315) unter Bestätigung früherer, gleichlautender Rechtsprechung des RG. 145 Deutlich z.B. BGH 5.11.1982 NJW 1983, 566 (567) mit dem sehr zweifelhaften Argument, das Zwangsversteigerungsverfahren würde bis zum Zuschlag einen „gewissen“ Schutz vor Übereilung und unüberlegtem Handeln bieten; in diesem Sinne wohl auch BGH 28.1.1987 NJW 1987, 1628; insgesamt baut Reinicke, 1 If, sein Heilungsverständnis auf dem Aspekt der Formzweckerreichung auf, ohne freilich zu verkennen, daß die Heilungsvorschriften weitergreifen (12).

§518 Abs. 2 BGB) in der dadurch erreichten Rechtssicherheit.146 Gerade dieser Begriff sagt für sich jedoch noch nicht allzu viel aus. Dabei nützt es auch nicht, ihn in der Art Pohlmanns zu umschreiben, die darauf hinweist, „ein sachenrechtlich durch Grundstücksübereignung abgewickelter Vertrag sollte nicht mehr rückgängig gemacht werden können“147. Diese Aussage ist für sich ohne Erklärungswert, weil sie eben nicht kundtut, warum die Rückabwicklung ausgeschlossen sein soll. Sie birgt insbesondere keine Erklärung für die unterschiedliche Behandlung von formund aus anderen Gründen nichtigen Verträgen (bei denen eine „sachenrechtliche Abwicklung“ keineswegs die Rückforderung ausschließt). Die Rechtsprechung, welche den Aspekt der Rechtssicherheit durchaus betont, hat im übrigen verschiedentlich Heilung anerkannt, wenngleich noch kein „sachenrechtlich abgeschlossener“ Erwerbsvorgang, sondern nur Vollständigkeit des tatsächlichen Vollzugs vorlag.148

bb. „Objektive“ Rechtssicherheit nach Pohlmann Demgegenüber wird der Gedanke der Rechtssicherheit substantiiert, wenn Pohlmann auf die Sicherheit im Immobilienverkehr hinweist.149 Allerdings vermag man auch darunter mehreres zu verstehen. Rechtssicherheit im Geschäftsverkehr kann gerade im Interesse der beiden beteiligten Parteien geboten sein, man mag (darüber hinaus) an Dritte denken sowie an die Vereinfachung gerichtlicher Rechtsfindung. Ganz klar wird die Haltung Pohlmanns hierzu nicht; indessen zeigt ihre Abgrenzung zu jener Theorie, nach der die Heilungsvorschriften Ausdruck des Verbots des venire contra factum proprium sein sollen, daß sie das Rechtssicherheitsargument nicht als Anerkennung der Parteiinteressen ansehen, sondern „objektivieren“ will. Heilung trete nämlich „aus dem objektiven Interesse an Rechtssicherheit ein, unabhängig davon, ob der Empfänger schutzwürdig ist“150.

cc. Rechtssicherheit im Sinne erleichterter Rechtsfindung? Die Gesetzesmaterialien zeigen, daß es nicht um die Leichtigkeit der Rechtsfindung gehen kann. Im Rahmen der Beratungen zum BGB hat nämlich eine Minderheit in der zweiten Kommission richtig vorgetragen, mangelnde Heilung widerspreche nicht der „Rechtssicherheit“.151 Die richterliche Rechtsfindung wird durch ein unbeschränktes Nichtigkeitsurteil keinesfalls erschwert.

146 So Pohlmann 80f (für § 313 Satz 2 BGB) und 83 (für § 518 Abs. 2 BGB); dies. DNotZ 1993, 355 (362); Kanzleiter DNotZ 1986, 258 (263); Hagen DNotZ 1984, 267 (289). 147 Pohlmann 80f. 148 Vgl. BGH 10.12.1993 DNotZ 1994, 303 (304) = LM § 125 BGB Nr. 46 = NJW 1994, 720; BGH 18.12.1981 BGHZ 82, 398 = DNotZ 1982, 433 (Wolfsteiner). 149 Pohlmann 80f. 150 Pohlmann 93. 151 Siehe die Protokolle zu § 313 BGB bei Mugdan II622.

dd. Rechtssicherheit im Interesse des Geschäftsverkehrs?

Gewiß kann es auch nicht um ein „objektives“ Interesse des Geschäftsverkehrs im Sinne des Schutzes Dritter an der Heilung gehen. Zum einen ist nämlich schon die Formvorschrift selbst in keiner Weise auf den Schutz von Drittinteressen angelegt;152 doch ist das nicht eigentlich entscheidend. Wesentlich ist vielmehr, daß der Rechtsverkehr gerade im Hinblick auf den Handel mit Grundstücken gar keiner Absicherung bedarf. Eine Rückabwicklung beeinträchtigt diesen nämlich nicht: Wer an der Liegenschaft im Vertrauen auf das Grundbuch Rechte erworben hat, der wird geschützt; seine Rechtsposition wird auch durch „Rückabwicklung“ eben nicht gefährdet.153 Und insoweit im Einzelfall das Verpflichtungsgeschäft (z.B. der Grundstückskaufvertrag) für den Rechtsverkehr (z.B. für potentielle weitere Erwerber) von Interesse sein sollte, dient die Heilungsvorschrift diesem eben gerade nicht. Geheilt wird nämlich nicht die (fehlende oder - regelmäßig - inhaltlich falsche) Urkunde, sondern der formmangelhafte Vertrag. Die Urkunde selbst bleibt für Dritte eine nur unzureichende Auskunftsquelle. Infolgedessen ist an ein Interesse des „Grundstücksverkehrs“ von vornherein nicht zu denken. In diesem Sinne hat auch die Rechtsprechung die Heilung nach § 313 Satz 2 BGB eintreten lassen, wenn der Erwerber nach ausländischem (hier: spanischem) Recht Eigentum erworben hat, wenngleich mangels Eintragung im dortigen „Eigentumsregister“ (welche nicht konstitutiv wirkt) Dritte die Rechtsstellung des Erwerbers gefährden könnten.154 Auf den „Bekundungseffekt" der Grundbucheintragung nach deutschem Recht wird zwar eingegangen, doch kommt dem im Sinne des Verkehrsschutzes keine besondere Bedeutung zu. Die Sicherheit im Geschäftsverkehr kann nach alledem nicht der Grund für die Einführung der Heilungstatbestände gewesen sein. ee. Rechtssicherheit im Parteieninteresse: § 313 Satz 2 BGB

Verschiedene andere Autoren und auch die Rechtsprechung heben zwar auch die „Rechtssicherheit“ als gesetzgeberisches Motiv hervor, stellen aber noch im Nachsatz klar, daß es dabei um Parteiinteressen geht: Es solle verhindert werden, daß der Erwerber einer Rückabwicklungsgefahr für die Dauer von 30 Jahren ab Leistung ausgesetzt sei.155 Diese Autoren verstehen somit unter Rechtssicherheit nichts anderes als das Bestandsinteresse des Erwerbers. Die Richtigkeit dieser Ansicht folgt aus den Gründen, die den Gesetzgeber zur Einführung der Heilungsvorschrift bewogen haben. Durchaus ist von Rechtssicherheit die Rede156, doch wird stets klar, daß es um den Schutz der (putativen) Rechtsposition des Erwerbers geht. So etwa wird ausgeführt, man wolle die Nichtigkeit nicht unbegrenzt aufrechterhalten, weil die dreißigjährige Kondiktionsmöglichkeit zu weit

152 Vgl. die Beratungen bei Jakobs/Schubert, Schuldrecht I, 407. 153 Vgl. nur § 891 BGB. 154 Siehe BGH 9.3.1979 BGHZ 73, 291 = NJW 1979, 1773. 155 Deutlich Kanzleiter in MüKo II § 313 BGB Rz. 72; Hagen DNotZ 1984, 267 (289); aus der Rechtsprechung: BGH 17.3.1978 WM 1978, 793; BGH 3.5.1990 DNotZ 1991, 149; BGH 9.3.1979 BGHZ 73, 291 = NJW 1979, 1773. 156 So etwa in den Protokollen der zweiten Kommission bei Mugdan II622.

führe.157 Noch deutlicher äußert sich der historische Gesetzgeber an jener Stelle, wo er die Rechtssicherheit beeinträchtigt sieht, weil der Veräußerer dreißig Jahre lang auf Kosten des Erwerbers spekulieren könne.158 Und besonders klar sagen es die Protokolle: „Mit der Verkehrsauffassung und der Rücksicht auf Treu und Glauben würde es in Widerspruch stehen, wenn trotz der Gültigkeit des dinglichen Vertrages der obligatorische Vertrag auch dann ungültig bleiben sollte, wenn seine Erfüllung sich unter Mitwirkung des Grundbuchrichters vollzogen habe.“159 Diese Ausführung wird in der Denkschrift fast wortwörtlich wiederholt.160 Und die Motive zeigen, daß man das nichtigkeitsbeschränkende, von Treu und Glauben geforderte Ergebnis durch eine klare, sohin technisch einfach zu handhabende Regelung erreichen wollte.161 Könnte man noch deutlicher als durch diese Materialienzitate zum Ausdruck bringen, daß der Gesetzgeber die Treue des einen Teils, in welche der andere Glauben setzt, trotz Formmangels jedenfalls dann fordert, wenn die Grundstücksveräußerung vollzogen ist? Ganz offenbar und fraglos ging es dem historischen Gesetzgeber um die Sicherung der Rechtsposition des Erwerbers im Sinne einer von Treu und Glauben geforderten Entscheidung. Der historische Gesetzgeber bringt noch ein weiteres Argument, das gerne übersehen wird, ins Spiel. Die Heilung beläßt den Parteien die Möglichkeit, auch wirtschaftlich nur ganz unbedeutende Grundstücksgeschäfte abzuwickeln.162 Der Zwang zur notariellen Beurkundung soll nicht zu prohibitiven Transaktionskosten für das geplante Geschäft führen. Gewiß, hierin ist kein tragender Grund, sondern ein positiver Begleiteffekt der Heilung zu sehen. Aber auch er steht mit dem eigentlichen Heilungsgrund des Vertrauensschutzes in Harmonie. ff. Die ähnlich gelagerten Erwägungen bei § 518 BGB

Leicht verändert, wenngleich nicht grundsätzlich anders gelagert, sind die Gründe für die Heilung des Schenkungsversprechens. Hier ist es zunächst ein Vergleich zur Handschenkung, der eine Leistung in Kenntnis der Formnichtigkeit nicht kondizierbar erscheinen läßt.163 Das aber entspricht ohnehin einem allgemeinen Grundsatz des Bereicherungsrechts.164 Die Heilungsvorschrift selbst sollte Nachforschungen des Richters hinsichtlich der subjektiven Voraussetzung des Kennens der Nichtigkeit überflüssig machen. Damit würde die Heilungsmöglichkeit „praktikabel“ und vermeide auch Unbilligkeiten.165 Sowohl die Leichtigkeit der Rechtsfindung als auch der Vertrauensschutz des Erwerbers sind hier angesprochen. 157 So die Motive bei Mugdan II 105; hierzu als subjektiv-historischem Beweggrund auch Heckschen 28. 158 So die Protokolle bei Mugdan II622. 159 Siehe die Protokolle bei Mugdan II 622; in diesem Sinne sieht auch Coing DNotZ 1965 (Sonderheft Dt. Notartag 1965), 29ff (32), die Heilung als ein Instrument der Billigkeit an. 160 Siehe die Denkschrift bei Mugdan II 1237. 161 So die Motive bei Mugdan II105. 162 Siehe die Denkschrift bei Mugdan II 1237. 163 Zum Aspekt, wonach der Rechtsverkehr diese feinen Unterschiede zwischen Handschenkung und später vollzogenem Schenkungsversprechen nicht im einzelnen nachvollziehen werde, Kollhosser in MüKo III § 518 BGB Rz. 14. 164 Siehe § 814 BGB. 165 So die Protokolle bei Mugdan II741.

Die mangelnde Kenntnis der Formnichtigkeit seitens des Schenkers wiegt nicht schwer genug, um die Vertrauensenttäuschung des Beschenkten auch nach Erfüllung noch hinzunehmen. Letztlich wird ergänzend auf die Ausführungen zu §313 BGB verwiesen.166 Freilich weist Pohlmann mit Recht darauf hin, die dort angeführten Gründe würden nicht allesamt auf das Schenkungsversprechen passen.167 Doch betont sie selbst, daß diese jedenfalls teilweise übertragbar sind; und dies ist evidentermaßen gerade hinsichtlich jener Gründe der Fall, die auf den Schutz des Vertrauens des Erwerbers in den Bestand des Vertrages und damit seiner putativ erlangten Rechtsposition abstellen.168 All dies wird durch die zweite Kommission bestärkt, die entgegen einer (Minderheiten-)Meinung den Verweis auf die Gründe zu § 313 BGB belassen hat. Die Minderheit hatte geltend gemacht, die singuläre Vorschrift zur Heilung bei Grundstücksveräußerungsverträgen erkläre sich aus der „Eigenart des Grundbuchrechts“.169 Die Zurückweisung dieses Arguments spricht deutlich für eine Übertragung der dortigen Erwägungen auch auf die Heilung des Schenkungsversprechens und wohl auch für deren allgemeine Analogiefähigkeit. Insgesamt schält sich immer deutlicher heraus, daß das gesetzgeberische Interesse an Rechtssicherheit im Sinne einer Absicherung der Rechtsposition, welche der Erwerber putativ erlangt hat, zu verstehen ist.

gg. Die gleichgelagerten Erwägungen bei § 15 Abs. 4 GmbHG170 Die Abneigung des historischen Gesetzgebers, formnichtige Verträge nach ihrer Durchführung rückabzuwickeln, ist auch gesetzgeberisches Motiv für § 15 Abs. 4 GmbHG.171 Als ein Zeitgenosse des BGB geht auch das GmbHG trotz des Formzwecks der Immobilisierung der Geschäftsanteile in aller Selbstverständlichkeit davon aus, daß der dingliche Vollzug das obligatorische Grundgeschäft heilen muß. Das zeigt der Hinweis in der Begründung, wonach das obligatorische Grundgeschäft mit Vollzug wirksam werden müsse, andernfalls eben die Rückabwicklung drohe.172 So als ob die Vermeidung der Rückabwicklung eine Begründung für die Heilung darstellen würde, die jedem Leser sofort einleuchten 166 So die Protokolle bei Mugdan II741. 167 Siehe Pohlmann 83. 168 Selbst Kollhosser in MüKo III § 518 BGB Rz. 15 stellt die Heilung nach § 518 BGB in einen Systemzusammenhang mit § 313 und § 766 BGB, obwohl er bei der Entstehungsgeschichte und dem Normzweck (Rz. 14) durchaus (auch) eigenständige Erwägungen (Aufhebung der unterschiedlichen Behandlung von Handschenkung und später vollzogenem Schenkungsversprechen) anstellt. 169 Siehe die Protokolle bei Mugdan II742. 170 Im Schrifttum werden die Gründe für die Heilungsvorschrift zumeist nicht problematisiert, diese also selbstverständlich akzeptiert: So etwa Winter in Scholz § 15 GmbHG Rz. 72ff; Jasper in Scholz § 15 GmbHG Rz. 103; G. H. Roth § 15 GmbHG Pkt. 5.1.; Hueck in Baumbach/Hueck § 15 GmbHG Rz. 35; Zutt in Hachenburg § 15 GmbHG Rz. 61 bezeichnet die Heilungsvorschrift analog § 313 Satz 2 BGB - als eine besondere Form der Bestätigung; für Österreich, wo es an einer ausdrücklichen Heilungsnorm in § 76 GesmbHG fehlt, siehe die Kurzdarstellung des Meinungsstandes bei Feil in Gellis § 76 GmbHG Rz. 15. 171 Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, 1890-92 Anlage Nr. 660, 3715 (3738). 172 Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, 1890-92 Anlage Nr. 660, 3715 (3738).

würde. Es wird deutlich, daß der historische Gesetzgeber tatsächlich von der Evidenz dieses Arguments ausgegangen ist.

hh. Der Vertrauensschutz als Ausgangspunkt für die Heilung nach § 6 Abs. 2 und Abs. 3 VerbrKrG Der Schutz des Verbrauchervertrauens in die Gültigkeit und den Bestand des Vertrages stellt auch den Ausgangspunkt der Heilungsvorschrift des § 6 Abs. 2 und 3 VerbrKrG173 dar. An mehreren Stellen äußert sich die Begründung174 zur Heilungsfrage. Zunächst wird auf die Praktikabilität abgestellt175, ohne daß genauer erklärt würde, was darunter verstanden wird. Deutlich wird zunächst nur, daß das Gesetz der „Durchführung bereits vollzogener Geschäfte“ nicht im Wege stehen wolle. An anderer Stelle wird hingegen stärker herausgearbeitet, worum es geht. Nach Auszahlung des Darlehens soll der Verbraucher in seinem Bestandsinteresse nicht mehr enttäuscht werden, weil er sich auf die Nutzung des Kapitals eingestellt habe. Der sofortige Rückzahlungsanspruch des Kreditgebers, wie er nach Bereicherungsrecht folgen würde, soll vermieden werden.176 Dabei werden die Rechtsfolgen im Interesse des Verbraucherschutzes differenziert (z.B. durch eine Senkung des Zinssatzes), wodurch ein Kompromiß zwischen Verbraucher- und Kreditgeberinteressen hergestellt werden soll. Jener habe ein Interesse an der Nutzung des Kapitals, dieser am Erhalt von Zinsen.177 Der Ausgleich erfolgt insbesondere über eine Modifikation des Vertragsinhalts. Der Gesetzgeber geht hier mit der Aufrechterhaltung des Vertrages sehr weit. Nicht nur fallt auf, daß er die Vertragsgültigkeit an die Leistung durch jene Partei anknüpft, die gar nicht des Schutzes bedarf, sodaß das Argument der Formzweckerreichung durch die warnende Wirkung der Leistungserbringung hier von vornherein ausscheidet; auch stuft der Gesetzgeber das Interesse des Verbrauchers am Bestehenbleiben des Kreditvertrages nach Darlehensauszahlung so hoch ein, daß er in den Vertragsinhalt eingreift. Damit schützt er nicht nur das Vertrauen in den Bestand des Vertrages, sondern stimmt auch die Vertragskonditionen auf die Formpflichtverletzung ab. Denn eines ist klar: Auch wenn die Begründung für die Inhaltsmodifikation auf das Interesse des Verbrauchers genauso wie auf jenes des Kreditgebers abstellt, so wird 173 Tatsächlich handelt es sich bei § 6 Abs. 2 und Abs. 3 VerbrKrG zweifellos um eine Heilungsvorschrift. Die Unklarheiten, welche insofern noch die Vorgängerbestimmung des § la AbzG aufwarf, wurden nunmehr legistisch beseitigt. Daher ist Pohlmann (36) zu widersprechen, die hierin keinen Fall der Heilung sieht, nur weil einzelne Abreden inhaltlich modifiziert werden. Ihrer eigenen Definition der Heilung (29) wird sie damit nicht unbedingt gerecht, weil sie dort schlicht vom Wirksamwerden des ursprünglich nichtigen Vertrages spricht. Dies liegt nun in der Tat vor, wenngleich mit verändertem Inhalt. Hierin ist aber nichts anderes zu sehen als eine quantitative oder qualitative Teilheilung. Wesentlich bleibt doch immer, daß ein nichtiger Vertrag nach Leistungserbringung plötzlich zu einem vollwirksamen wird. Im Rahmen der Behandlung klassischer Heilungstatbestände kann sohin § 6 Abs. 2 und Abs. 3 VerbrKrG nicht ausgeklammert werden; dies umso mehr als der Bestimmung für die lex ferenda durchaus Vorbildcharakter zukommen könnte. 174BT-DS 11/5462. 175 BT-DS 11/5462, 12. 176 BT-DS 11/5462,21. 177 Zu alledem BT-DS 11/5462, 21.

dieser Kompromiß erst in einem zweiten Schritt erreicht. Voraussetzung ist stets die Aufrechterhaltung des Kreditvertrages, und diese geschieht deutlich im Interesse des Verbrauchers. Der Kreditgeber würde sich, davon kann ausgegangen werden, eher eine unbegrenzte Nichtigkeit wünschen als eine Aufrechterhaltung unter Zugrundelegung geänderter Vertragsbedingungen, z.B. des gesetzlichen Zinssatzes anstelle des vertraglich vereinbarten. Freilich läßt sich hier der Vertrauensschutz leichter motivieren als bei Formvorschriften im allgemeinen. Mit der typischen Unterlegenheit des Verbrauchers im Falle intransparenter Kreditkonditionen korrespondiert der gesetzliche Zwang zur Beurkundung. Damit kann diese sehr weitreichende Heilungsvorschrift auch auf einen einseitigen Vorwurf der Fehlbeurkundung zurückgreifen. Dieser Vorwurf an den Kreditgeber verbunden mit dem Vertrauen des Verbrauchers in den Bestand des Kreditvertrages ergeben die Heilung unter Vertragsmodifikation. 3. Die Theorie der formlos gültigen Rechtsgrundabreden

a. Formwidrige Verträge als Rechtsgrundabreden

Formwidrige Geschäfte sollen zugleich „formlos gültige“ Rechtsgrundabreden enthalten bzw. in solche umdeutbar sein.178 Mit ihrer Hilfe erklärt ein Teil der Lehre die Heilung durch Erfüllung. Die Rechtsordnung versagt zwar die Durchsetzbarkeit der Rechtsgrundabreden, deren Erfüllung läßt sie hingegen gelten, ja mehr noch, sie knüpft daran - jedenfalls in Einzelfällen179 - die Heilung des formnichtigen Geschäfts selbst. Diese Konstruktion von Rechtsgrundabreden versucht, die Heilungsfolge mit der „strengen“ Nichtigkeitssanktion gemäß § 125 BGB in Einklang zu bringen. Das eigentliche Verpflichtungsgeschäft bleibt dabei ein nullum, daneben besteht aber eine gültige Rechtsgrundabrede, die dann den Heilungseffekt zu erklären vermag.180 b. Technische Probleme der Konstruktion von Rechtsgrundabreden

Allerdings soll nach Häsemeyer keine echte Heilung im Sinne einer Zurücknahme der Nichtigkeit eintreten, sondern alles über den Rückforderungsausschluß erklärbar sein. Für einseitig verpflichtende Verträge bereitet dies weiter keine Schwierigkeit, hingegen scheint der Ansatz für entgeltliche Geschäfte dann unbrauchbar, wenn schon die Leistung durch eine Partei für die Heilung ausreichen soll (vgl. § 313 Satz 2 BGB; § 15 Abs. 4 GmbHG). Zweierlei fällt hierbei auf: Erstens wird bei Heilung 178 Vgl. hierzu Reichel AcP 104 (1909) 1 (3ff), der das Verhältnis von § 125 BGB zur condictio indebiti im einzelnen ausleuchtet; auf ihn gestützt insbesondere Siber JheringsJb 70 (1921) 223, der es auch zur Vertragsfreiheit zählt, Rechtsgrundabreden zu vereinbaren, die keine Verbindlichkeit erzeugen, aber doch ein Recht zum Behaltendürfen der Leistung; zur Theorie gesetzlich angeordneter Umdeutung siehe Krawielicki 128 und 132; in jüngerer Zeit hat vor allem Häsemeyer 240f den Ansatz der Rechtsgrundabreden fruchtbar gemacht, um den Nichtigkeitsbegriff mit den Heilungsfolgen in Einklang zu bringen (hierzu sogleich); ihm folgend Hefermehl in Soergel I § 125 BGB Rz. 29. 179 Zur Analogiefrage siehe oben § 11III. 1.. 180 Häsemeyer 242ff.

aufgrund nur einseitiger Erfüllung wohl stets eine Verbindlichkeit der anderen Partei begründet, welche sich durch einen Bereicherungsausschluß nicht erklären läßt. Zweitens stellt sich immer das Problem der Sekundäransprüche, deren Fehlen bei entgeltlichen Geschäften stets eine Störung der Äquivalenz nach sich zieht. c. Die Lösung der technischen Probleme durch Häsemeyer

Beide Fragen werden aber von Häsemeyer beantwortet. Die Äquivalenzstörungen will er verhindern, indem er annimmt, die Rechtsgrundabrede sei von sekundären Pflichten begleitet.181 Immerhin ist Häsemeyer hier gezwungen, jedenfalls Sekundärverbindlichkeiten anzuerkennen, obgleich doch die Rechtsgrundabrede grundsätzlich nur das Behaltendürfen (also den Rückforderungsausschluß) legitimiert. Eines ist damit bereits klar: Eine rein bereicherungsrechtliche Lösung der Heilungsproblematik ist hierin nicht zu sehen. Und das hat mit der Heilung bei nur einseitiger Leistungserbringung noch nichts zu tun. Das Äquivalenzproblem würde sich selbstverständlich auch stellen, wenn Heilung an beiderseitige Erfüllung geknüpft würde. Denselben Erklärungsansatz (der die Rechtsgrundabrede „begleitenden Pflichten“) benützt Häsemeyer dann auch, um die Heilung durch bloß einseitige Leistungserbringung zu rechtfertigen: Hier seien eben mit der Rechtsgrundabrede primäre Leistungspflichten verbunden.182 Das erklärt sich aus der Schutzrichtung der Form: Soll nur eine Partei geschützt werden, so steht nichts entgegen, den Formtypus auf deren Verpflichtung einzuschränken. Die nicht geschützte Partei kann sich formlos verpflichten, die geschützte hingegen nur eine Rechtsgrundabrede treffen, welche von Sekundärpflichten begleitet wird. Mit Erfüllung seitens des Formschützlings kann auch die Gegenleistung, die gültig versprochen ist, gefordert werden. d. Konsequenzen

Diese Konstruktion Häsemeyers hat aber zwei erhebliche Folgen: Zum einen muß sich Häsemeyer vom historischen Formzweck des § 15 GmbHG - der Immobilisierung der GmbH-Anteile - zugunsten eines Schutzes des Veräußerers vor Übereilung lösen.183 Und diesen Schluß leitet er eben aus dem Umstand der vorgesehenen Heilung ab. Dies ist freilich nicht unbedenklich, weil der historische Gesetzgeber die Heilungsvorschrift überhaupt nur damit begründet, der dingliche Vollzug des Geschäfts wäre ansonsten wieder angreifbar184; ihm geht es also um das Bestehenbleiben des vollzogenen Geschäfts. Es drängt sich hier der Eindruck auf, der Gesetzgeber sei selbstverständlich davon ausgegangen, vollzogene (wenngleich formwidrige) Verträge dürften nicht der Rückabwicklung unterliegen. Über eine bestimmte Schutzrichtung der Form hat er indessen wohl nicht nachgedacht, zumal der Schutzzweck ja in der Immobilisierung der Anteile liegen 181 Häsemeyer 247f. 182 Häsemeyer 248f. 183 Häsemeyer 189f. 184 Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, 1890-92, Anlage Nr. 660, 3738.

soll. Am Rande sei erwähnt, daß in Österreich bisweilen vertreten wird, die dort ebenfalls anzutreffende Form der GmbH-Anteilsveräußerungsverträge diene dem Übereilungsschutz des Erwerbers „durch Immobilisierung“ und nicht dem Schutz des Veräußerers.185 Die Verlagerung des Übereilungsschutzes ausschließlich auf die Veräußererseite ist sohin problematisch. Zum anderen muß man fragen, worin sich die Konstruktion Häsemeyers denn eigentlich noch von der hier vertretenen relativen Nichtigkeit unterscheidet. Die Annahme, der nicht geschützte Teil verpflichte sich formlos gültig, wenngleich das Geschäft mangels Verpflichtung des geschützten Vertragspartners absolut nichtig und die Nichtigkeit von Amts wegen zu beachten sei, leuchtet nicht ein. Zu dieser Konsequenz sieht man sich aber gezwungen, wenn man an anderer Stelle liest, die Formnichtigkeit entspreche in ihrer Wirkung genau derjenigen anderer Nichtigkeitsgründe. Es liege insbesondere kein Minus an Unwirksamkeit vor.186 Man fragt sich dann freilich, was die Nichtigkeit bedeutet: Diese Frage spitzt sich vor allem in jener Situation zu, in der ein geschützter Vertragsteil die versprochene Leistung anbietet, sein Partner hingegen die Annahme verweigert. Bei absoluter Nichtigkeit kann ihn eigentlich kein Vorwurf des Annahmeverzugs treffen. Es steht ihm frei, die eigene Leistung zu verweigern und eine Erfüllung durch die Gegenseite abzulehnen. Das widerspricht aber dem Ergebnis Häsemeyers insofern, als sich der nicht geschützte Vertragsteil doch formlos verpflichten können soll. Dann aber wäre es sinnwidrig, ihm die Annahmeverweigerung zuzubilligen. Folglich würde die Konvalidierung im Belieben des Veräußerers stehen. Im Ergebnis bedeutet dies relative Unwirksamkeit.

e. Die legislative Abkehr vom Lösungsansatz Häsemeyers

Alldem ist ferner anzufugen: Die Meinung Häsemeyers, welche dieser gerade anhand § 313 BGB entwickelt, wurde legislativ nicht anerkannt. Im Rahmen einer nach der Arbeit Häsemeyers ergangenen Novelle zu § 313 BGB wurde nämlich der Grundstückserwerber in den Schutz der Formvorschrift einbezogen.187 Die Begründung zum Gesetzentwurf legt den Einbezug der Erwerberinteressen im einzelnen dar, ja sie weist darauf hin, der Erwerber würde durch die Nichtigkeitsfolge in der gleichen Weise geschützt wie der Veräußerer.188 Offensichtlich geht der Gesetzgeber davon aus, es mache keinen Unterschied, ob jemand durch Heilung aufgrund eigener Erfüllungshandlung den Schutz der Form „verliert“, oder aber indem er die Leistung annimmt. Freilich wird man nach neuer Rechtslage dem Erwerber ein Annahmeverweigerungsrecht zugestehen müssen. Entscheidend aber ist, daß die nach Häsemeyer bloß als Rechtsgrundabrede anzusehende Willenserklärung des Erwerbers durch die Leistung des Veräußerers vollwirksam wird. Das kann mit der Vorstellung von Rechtsgrundabreden nicht

185 Vgl. P. Bydlinski 35ff; insbesondere 37: die besseren Argumente sprächen gegen den Schutz des Veräußerers. 186 Häsemeyer 287. 187 Siehe die Novelle vom 30.5.1973 BGBl. 1973 I 501; noch zur alten Rechtslage Wagner AcP 172 (1972) 452. 188 BT-DS 7/63, 5f (vom gleichen Schutz für Veräußerer und Erwerber durch die Nichtigkeit ist auf Seite 6 a.E. die Rede).

mehr erklärt werden. Dasselbe gilt - in wohl noch stärkerem Maße - bei § 6 Abs. 2 und 3 VerbrKrG. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber eine Aufrechterhaltung des Ansatzes von Häsemeyer unmöglich gemacht.

f. Folgerung

Schon die Erklärung Häsemeyers zur Wirksamkeit von Sekundärpflichten demonstriert, daß die Annahme reiner Rechtsgrundabreden als Heilungsgrund nicht ausreicht, der Formzwang vielmehr sogar nach seiner eigenen Ansicht nur die primären Leistungspflichten umfaßt und damit weniger weit reicht als andere Nichtigkeitsnormen.189 Weiters geht es Häsemeyer letztlich nur darum, die Heilung erklärbar zu machen, ohne die Formnichtigkeit einschränken zu müssen. Die Technik dieser Erklärung ist indessen ihrerseits nicht geeignet, die Unterschiedlichkeit der Formfälle von denen anderer Nichtigkeitsnormen zu erklären. Sie läßt nämlich genau jene entscheidende Frage nach dem ^arum dieser Beschränkung der Formvorschrift auf die primären Leistungspflichten offen, kann also die Heilung nicht motivieren. Genau darauf aber muß es bei funktionaler Sichtweise ankommen. Auch wenn die Erklärung Häsemeyers technisch zutreffen würde, bliebe die Frage nach dem Sinn der Beschränkung des Formgebots auf die primäre Leistungspflicht insbesondere deshalb offen, weil dem Gesetzgeber - wie dargelegt - durchaus bewußt war, daß die Heilungsmöglichkeit (egal, wie man sie technisch erklärt) die Formzwecke beeinträchtigt. Es verbleibt sohin der Bedarf, die Heilungswirkung nicht technisch zu beschreiben, sondern wertend zu motivieren. Warum also beziehen sich gesetzliche Verbote grundsätzlich auch auf Rechtsgrundabreden, Formvorschriften hingegen nicht? 4. Erfüllung als Bestätigung des formnichtigen Vertrages?

Kritik muß jedenfalls jene Ansicht finden, die in der Erfüllung eine Bestätigung sieht.190 Bloße Erfüllung verwirklicht nicht die Tatbestandselemente des § 141 BGB.191 Heilungstatbestände könnten freilich „Sonderfälle“ der Bestätigung sein; also Normen, welche die Bestätigung(swirkungen) im Falle der Erfüllung gesetzlich anordnen.192 Eine solche Konstruktion würde aber dogmatisch nichts erklären: Dann würde sich die Frage nach dem Grund des Wirksamwerdens nichtiger

189 Die nur reduzierte Nichtigkeitsqualität anerkennt angesichts der Heilungsvorschriften auch von Tuhr 504, der dann aber ebenfalls versucht die heilbar-formwidrige Schuld nicht als „Naturalobligation“, sondern „nur“ als „Rechtsgrundabrede“ zu konstruieren. Wie sehr auch von Tuhr sich dabei winden muß, veranschaulicht folgender Satz (505): „...; beim formwidrigen Geschäft besteht zunächst weder Forderung noch irgendwelche Verpflichtung; mit der Erfüllung entsteht aber eine Forderung, welche jedoch nur als Grundlage der bereits vollzogenen Leistung dient und daher einen Anspruch nicht hervorbringt.“ 190 Vgl. nur Kramer, Die Heilung formungültiger Grundstücksveräußerungsgeschäfte durch Auflassung und Eintragung als Bestätigung, Münster 1928; Lange AcP 144 (1938) 149 (156). 191 Zutreffend Pohlmann 49ff; sowie - detailliert - Häsemeyer 91 ff; ebenso Wufka in Staudinger II1 § 313 BGB Rz. 274. 192 So etwa für § 15 Abs. 4 Satz 2 GmbHG Zutt in Hachenburg § 15 GmbHG Rz. 61.

Rechtsgeschäfte eben auf diese besonderen Arten der Bestätigung beziehen.193 Der Erklärungsbedarf ist damit nicht gedeckt. Heilung als Bestätigung kann sohin kein tragfähiges Fundament ergeben.

5. Heilung als Anwendungsfall des Vertrauensschutzes a. Der Ansatz von W. Lorenz

Den wohl überzeugendsten Ansatz zur dogmatischen Erklärung der Heilungsvorschriften hat W. Lorenz194 geliefert: Durch die Heilungsvorschriften werde der Formzweck letztlich nicht so streng durchgeführt, sondern dem Interesse des Erwerbers, der auf die Rechtsgültigkeit vertraut hat, der Vorrang eingeräumt .195 Zwar betont W. Lorenz selbst, wie schwer es ist, die Heilungsbestimmungen des BGB auf ein einheitliches Prinzip zurückzufuhren; auch hebt er hervor, daß verschiedene Insuffizienzen der gesetzlichen Heilungstatbestände auf die nicht hinreichende Ausdifferenzierung der Formund Heilungsgründe im Gesetzgebungsverfahren zurückzufuhren sind196; und dennoch findet W. Lorenz den Heilungsgrund generell im Schutz des Vertrauens auf die Rechtsgültigkeit des Vertrages bzw. im Verbot, derartiges Vertrauen durch widersprüchliches Verhalten zu enttäuschen.197 b. Die Tauglichkeit dieses Erklärungsansatzes

W. Lorenz geht es bei seinem Erklärungsversuch bereits um einen die Heilung ergänzenden Schritt: Er will durch diesen Ansatz zugleich die Durchbrechung von Formvorschriften mittels Treu und Glauben (insbesondere dem daraus abgeleiteten Verbot des venire contra factum proprium) legitimieren. Aber gerade für die Heilungsfrage ist sein Ansatz besonders fruchtbar. Alle Heilungstatbestände können damit erklärt werden: Stets wird nach erfolgter (Teil-)Leistung das Vertrauen in den Bestand des Vertrages gesichert. Das gilt für die Heilungsvorschriften betreffend Schenkung und Bürgschaft198 ebenso, wie für Grundstücksgeschäfte, GmbHGeschäftsanteilsveräußerungen und Verbraucherkreditverträge. Dabei spielt es keine Rolle, ob die von der Formvorschrift geschützte Vertragspartei ihre Leistung erbracht hat oder ihr Partner. Wesentlich ist nur, daß die jeweilige Situation den Schutz des Vertrauens trotz weiterhin vorliegenden Formmangels erfordert. Mithilfe des Vertrauensschutzgedankens kann auch der Lehre von der Heilung als 193 Wenn sohin Dubischar in Alternativkommentar II §313 BGB Rz. 27 nicht von Bestätigung, sondern von einem „bestätigenden rechtsgeschäftlichen Akt“ spricht, dann liegt darin freilich ein bewußtes Abweichen vom Begriff der Bestätigung im Sinne von § 141 BGB. Dann aber ist dieser „Bestätigungsakt“ nicht mehr rechtsgeschäftlich erklärungsfähig, sondern muß anders gerechtfertigt werden. 194 W. Lorenz AcP 156 (1957) 381. 195 W. Lorenz AcP 156 (1957) 381 (396); zumindest ähnlich Nagel 39f. 196 W. Lorenz AcP 156 (1957) 381 (397). 197 W. Lorenz AcP 156 (1957) 381 (404f). 198 Daß der historische Gesetzgeber hier vom „Wegfall der Formzwecke" spricht, tut dem keinen Abbruch, sondern erleichtert es, das Vertrauen des Leistungsempfängers zu schützen.

Bestätigung etwas Richtiges entnommen werden. Auch wenn die Erfüllung sicherlich keine Bestätigung im Sinne des § 141 BGB darstellt, so wird durch die widerspruchslose Erfüllung das Vertrauen der Partei(en) in den Bestand des Vertrages sicherlich bekräftigt, die Gefahr der Enttäuschung sohin vergrößert und das Risiko von Vertrauensschäden erhöht. Insofern ist die „tatsächliche Bestätigung“ des Rechtsgeschäfts ein möglicher (Teil-)Grund für den Schutz des durch Leistungserbringung bekräftigten Vertrauens.199 Allerdings kein entscheidender: Denn jedenfalls bei Heilung von Verbraucherdarlehen durch Auszahlung der Kreditsumme liegt eine Bestätigung durch Erfüllung eben nicht vor.

c. Die Bestätigung der Ergebnisse subjektiv-historischer Interpretation In subjektiv-historischer Hinsicht wurde ja bereits aufgezeigt, daß der Gesetzgeber wiederholt auf die Unzumutbarkeit der Rückabwicklung nach (teilweiser) Erfüllung, auf Treu und Glauben, die redliche Verkehrsanschauung sowie auf die Rechtssicherheit im Sinne des Bestandsinteresses einer Partei hingewiesen hat.200 Dies soll hier nicht wiederholt werden; es genügt ein Seitenblick auf abweichende Meinungen: So hat Pohlmann das Argument der Rechtssicherheit jedenfalls bei §§313 Satz 2 und 518 Abs. 2 BGB als entscheidend hervorgehoben. Allerdings lehnt sie es ab, Konvaleszenz mithilfe des Verbots widersprüchlichen Verhaltens zu erklären. Sie sieht sich folglich genötigt, das Interesse an Rechtssicherheit als ein „objektives“ zu beschreiben.201 Ganz offenbar spürt Pohlmann, daß bei Anerkennung des Interesses der Partei(en) an Rechtssicherheit das Argument des venire-Satzes nicht mehr abzuwehren ist. Daß aber der Gesetzgeber das Rechtssicherheitsargument nicht objektiv verstanden hat, wurde oben dargelegt; auch wurde gezeigt, daß es als objektives Interesse inhaltslos, weil gerade bei § 313 BGB wegen des ohnehin durch das Grundbuchssystem bestehenden Verkehrsschutzes überflüssig wäre.202 d. Die Heilung als gesetzliche Typisierung des Vertrauensschutzes

Ganz offenbar steht bei den Heilungsnormen der Gedanke des Vertrauensschutzes im Vordergrund. Eines ist freilich klar: Durch die Typisierung dieses Schutzes im Institut der „Heilung durch Erfüllung“ ist es nicht erforderlich, das Vorliegen eines Vertrauenshaftungstatbestandes im Einzelfall zu prüfen. Verfehlt ist insofern die

199 In diesem Sinne ist wohl auch Zutt in Hachenburg § 15 GmbHG Rz. 61 zu verstehen, der von einer „besonderen Art von Bestätigung“ spricht. 200 Auch Lange AcP 144 (1938) 149 (152) spricht vom Gedanken des „quieta non movere"} freilich konstruiert er die Heilung letztlich als einen Fall „unechter Bestätigung“ (154f); der BGH spricht vereinzelt von „Bestandsschutz“ BGH 19.3.1993 DNotZ 1994, 294 (296); vgl. auch BGH 10.12.1993 DNotZ 1994, 300. 201 Pohlmann 93; auch Wuflca in Staudinger II1 § 313 BGB Rz. 238 spricht vom „Interesse der Rechtsordnung an der Aufrechterhaltung abgeschlossener sachenrechtlicher Tatbestände“ (freilich ohne zu erläutern, worin eigentlich dieses Interesse „der Rechtsordnung“ bestehen soll), schiebt dann aber „das Interesse der Beteiligten am dadurch eintretenden Rechtsfrieden" (ebendort) unmittelbar nach. 202 Hierzu oben § 11III. 2. c. dd..

Frage, ob denn die Regeln des venire-Satzes auf die Heilung durch Erfüllung im einzelnen zutreffen. Man muß das Verbot des venire contra factum proprium nicht notwendig in seiner durch § 242 BGB vorgegebenen Ausprägung wiederfinden, um feststellen zu können, daß es dieselben Vertrauensschutzerwägungen sind, die den Heilungsinstituten unterliegen.203 Die Erklärung als Vertrauensschutzinstrument ist für sich genügend, um die Teleologie der Heilungsnormen zu beschreiben, mag dieser Vertrauensschutz im einzelnen auch über die engen Voraussetzungen einer Haftung aus widersprüchlichem Verhalten hinausgehen. Dem historischen Gesetzgeber war dies auch bewußt. Er wollte die erforderliche Nichtigkeitsbeschränkung durch eine klare und technisch einfache Lösung erreichen. Der Gesetzgeber wollte den Vertrauensschutz ohne ein Abstellen auf subjektive Momente, also vorrangig mechanisch erreichen.204 Gerade darin sollte ein dynamisierungsfähiges Element hin zu einer subtileren, nicht rein mechanisch handzuhabenden Lösung gesehen werden. W. Lorenz hat ja seinerseits richtig darauf hingewiesen, die Rechtsprechung habe im Rahmen ihrer Treu-und-GlaubenJudikatur die bereits erheblich nichtigkeitsbeschränkende Wirkung der Heilungsvorschriften nicht beachtet.205 Darauf wird zurückzukommen sein.

203 Damit kann dahingestellt bleiben, ob die Ausführungen Pohlmanns (61f) und - für Österreich - Dehn (166f) im einzelnen zutreffen. Zwei Anmerkungen seien jedoch getan: Erstens ist es nicht überzeugend, wenn Pohlmann zunächst behauptet, die Unkenntnis der Formvorschrift und des § 125 BGB sei nicht schutzwürdig, sogleich aber in FN 96 auf die Ausnahmen nach § 242 BGB hinweist. Der venire-Ssdz, der gerade als Erklärung für die Treu-und-Glauben-Judikatur herangezogen werden kann (hierzu unten § 15), stellt sich schließlich als eine auf § 242 BGB gestützte Ausnahme dar. Zweitens gibt es sehr wohl Fälle, in denen das Vertrauen in eine in Wirklichkeit nicht bestehende Rechtslage geschützt wird; vgl. G. H. Roth in MüKo II § 242 BGB Rz. 333f und - speziell zur Erzeugung von Vertrauen darauf, der (formpflichtige) Vertrag sei geschlossen worden - Rz. 348. Damit aber erledigen sich die von Pohlmann angeführten restriktiven Voraussetzungen für ein „Vertrauen in die Nichtgeltendmachung des Rückforderungsrechts“ (62). 204 Vgl. hierzu die subjektiv-historischen Ausführungen oben § 11III. 2.. 205 W. Lorenz AcP 156 (1957) 381 (405: „Freilich hat das Reichsgericht... insbesondere aber das schon in den gesetzlichen Heilungsbestimmungen erkennbare begrenzende Moment dabei nicht verwertet “)

§12 Die Heilung des Vertrags infolge Teilerfüllung: Der Gedanke der Part Performance

I. Teilweise Heilung bei teilweiser Erfüllung?

1. Teilweise Erfüllung unentgeltlicher Geschäfte

Es sind zu allererst jene Sonderregelungen hervorzuheben, welche der nur teilweisen Erfüllung von formnichtigen Verträgen auch eine partielle Heilung folgen lassen. Das deutsche Recht kennt eine solche Regelung in § 766 Satz 2 BGB (arg.: „Soweit. . .“). Analog zu dieser Bestimmung wird eine solch quantitative Teilheilung auch für §518 Abs. 2 BGB bejaht. Teilweise wird darauf abgehoben, die Heilungsvorschrift bewirke einen Rückforderungsausschluß, für den bloß teilweise Erfüllung genauso hinreiche wie vollständige.1 Andererseits wird auf den (angeblichen) Sinn und Zweck der Heilungsvorschrift des § 518 Abs. 2 BGB abgestellt, wonach die Wirkungen einer tatsächlich erfüllten Versprechensschenkung denjenigen einer Handschenkung entsprechen sollten. Eine Handschenkung aber ist insofern gültig, als sie tatsächlich sofort vollzogen wird.2 Siber hat zutreffend ausgeführt, daß die teilweise Aufrechterhaltung eines unentgeltlichen Geschäfts bei teilweiser Erfüllung leicht möglich ist, weil eine solche der „Lebenserfahrung“ entspricht.3 Das wiederum soll wohl heißen, daß ein hypothetischer Parteiwille (im Sinne des § 139 BGB) zur Aufrechterhaltung des erfüllten Teils jedenfalls anzunehmen ist. Diese Begründung ist auf Österreich fraglos übertragbar; auch dort führt teilweise Erfüllung zur teilweisen Heilung einer Schenkung bzw. einer (unentgeltlichen) Bürgschaft. 2. Teilweise Erfüllung entgeltlicher Verträge Schwieriger ist die Sachlage hingegen bei entgeltlichen Geschäften. Eine teilweise Aufrechterhaltung kann schon an der Voraussetzung der Teilbarkeit scheitern. Es mag ferner am hypothetischen Parteiwillen fehlen, den erfüllten Teil als selbständiges Rechtsgeschäft gelten zu lassen. In diesen Fällen ist indessen die eigentliche Problematik nicht in den Heilungsvorschriften zu sehen, sondern hauptsächlich in § 139 BGB (bzw. § 878 ABGB), also der Teilnichtigkeitsfrage. Verschiedene Kombinationen sind denkbar. Betrifft die Formpflicht nur einen Teil des Geschäfts, so bewirkt dessen Erfüllung Gesamtgültigkeit.4 Hingegen kann die Erfüllung des nicht formgebundenen Teils Heilung nicht herbeiführen. Die nach wie vor formungültige Abrede bleibt nichtig, der Restvertrag bleibt nach der Regel des § 139 BGB bzw. § 878 ABGB nichtig. Es bedarf keiner Prüfung mehr, ob der erfüllte Teil nach hypothetischem Parteiwillen für sich allein gewollt wäre, weil diese Prüfung bereits vor der (teilweisen) Leistungserbringung gemäß der 1 Häsemeyer 250. 2 Auch hierauf stellt Häsemeyer (250) ergänzend ab. 3 Siber JheringsJb 70 (1921) 223 (240). 4 So ja auch nach englischem Recht bei part performance hinsichtlich des dem Statute of Frauds unterliegenden Teils: Hodgson v Johnson (1858) 63 RR 830.

Teilnichtigkeitsvorschrift des § 139 BGB durchzufuhren ist. Wäre ein derartiger hypothetischer Parteiwille gegeben, so wäre dieser Teil des Geschäfts ohnehin von Anfang an gültig gewesen. Die tatsächliche Erfüllung könnte allerdings ein Indiz dafür sein, daß die Parteien entgegen dem ursprünglichen bzw. hypothetischen Parteiwillen nunmehr ausdrücklich den Geschäftsrest auffechterhalten wollen. Das ist aber nichts anderes als eine Neuvornahme, allenfalls Bestätigung des Geschäfts ohne den die Nichtigkeit bewirkenden formpflichtigen Teil und unterliegt daher den Kriterien der Neuvornahme bzw. Bestätigung. Die eigentlich problematische Frage taucht auf, wenn sowohl der als selbständiges Rechtsgeschäft denkbare und erfüllte Teil wie auch der (selbständige oder unselbständige) nicht erfüllte Part formnichtig sind. Dann war die Teilnichtigkeitsfrage bis zur Erfüllung nicht zu stellen, sie muß sohin beantwortet werden. Dabei kann auf die Ausführungen zu § 139 BGB und § 878 ABGB verwiesen werden.5 Indessen ist zum deutschen Recht die Frage aufgetaucht, ob Grundstücksveräußerungsverträge mit Weiteroder Rückveräußerungsklauseln durch den Eigentumserwerb am Grundstück zur Gänze heilen, oder ob die Weiter- bzw. Rückveräußerungsklausel nichtig bleibt und sich die Frage der Teilgültigkeit des Restvertrages nach § 139 BGB richtet. Ähnliche Fragen tauchen auch beim GmbH-Geschäftsanteilserwerb auf, zumal auch dort Rück- und Weiterverkaufsklauseln üblich sind. Der BGH geht von einer Gesamtheilung aus.6 Pohlmann widerspricht zu Recht, weil der Schutzzweck des § 313 BGB sowie des § 15 Abs. 4 GmbHG die (selbständige) Formalisierung auch dieser Abreden erfordere. In Frage komme sohin nur Teilgültigkeit, was wiederum nach den Kriterien des § 139 BGB zu beurteilen sei.7 Zu beachten sind in diesen Fällen aber jedenfalls die Möglichkeiten der Relativierung der aus § 139 BGB folgenden derivativen Nichtigkeit, weil es sich zwar häufig um selbständig formpflichtige Abreden handeln wird, diese aber für einen Vertragsteil ausschließlich günstig und daher nur für diesen Geschäftsgrundlage waren. Dann aber muß der begünstigten Partei ein Wahlrecht zukommen.8 Auch diese Ausführungen sind auf Österreich bei Anwendung des § 878 ABGB voll übertragbar.9 10

II. Sonderfälle: Vollständige Heilung durch einseitige Leistung bei entgeltlichen Verträgen 1. Die vollständige Heilung durch einseitige Erfüllung als Beispiel der Relativierung der Nichtigkeit in Österreich

Der OGH hat in Anlehnung an eine Lehre Gschnitzers^ den formnichtigen Vertrag schon bei Erbringung derjenigen Leistung heilen lassen, welche den betreffenden 5 Siehe oben § 6. 6 BGH 29.5.1952 NJW 1952, 1171; BGH 15.11.1974 NJW 1975, 205; zum Problem auch BGH WM 1988, 1061 = NJW 1988, 2237; hierzu Pohlmann 117ff; zur Frage auch LG Düsseldorf 10.3.1989 WM 1989, 1126. 7 Pohlmann 123f. 8 Hierzu oben § 9. 9 Hierzu oben § 9 IV.. 10 Siehe Gschnitzer in Klang IV/1 256.

Vertragstypus charakterisiert.11 So meint der OGH, die Übergabe des Kaufgegenstandes sei bei einem formpflichtigen Kaufvertrag entscheidend; auf die Zahlung des Preises komme es dabei nicht an.12 Dies wird der Formulierung von Gschnitzer entnommen, wonach es genüge, wenn jene Leistung erbracht werde, um „deretwegen die Form vorgeschrieben ist“.13 Freilich drängt sich hier die Frage auf, ob es jedenfalls nur auf die Erbringung der charakteristischen Leistung ankommen soll oder aber lediglich gemeint ist, daß bei Formvorschriften zum Schutz einer Partei nur deren Leistung für die Heilung erforderlich und geboten ist. Der OGH geht bei seiner Formulierung, wonach als Leistung, um deretwegen die Form vorgeschrieben wird, die Vermögenszuwendung des Ehemannes an die Frau anzusehen sei14, offenbar von einer einseitigen Zielrichtung des NZwG aus. Er denkt wohl nur an die Fälle des erwerbstätigen Ehemannes, der seiner Frau Vermögensvorteile zukommen läßt. Das ist mehrfach bedenklich: Erstens wird die Sachlage stets dann unklar, wenn auch die Frau erwerbstätig ist; zweitens bleibt offen, was bei Tauschverträgen die entscheidende Leistung sein soll, wenngleich wohl der Denkrichtung des OGH nach stets die Leistungserbringung des Mannes den Ausschlag geben müßte. Drittens und entscheidend dürfte der OGH Gschnitzer fehlinterpretieren: Dieser wollte wohl nichts anderes als eine Relativierung des Formzwangs und damit auch der Heilungsmöglichkeit zum Ausdruck bringen. Wenn die Form nur dem Schutz einer Partei dient, dann reicht deren Erfüllung eben zur Heilung aus.15 In diesem Sinn kann wohl auch Koppensteiner verstanden werden, der den Kauf von GesmbH-Geschäftsanteilen für geheilt ansieht, wenn das Verfugungsgeschäft vollzogen wurde.16 Dies zeigt sich insbesondere in seiner ablehnenden Haltung gegenüber jener Ansicht, welche (nur!17) die Kaufpreiszahlung zur Voraussetzung der Heilung machen will18: Richtiger Ansicht zufolge diene nämlich die Formvorschrift nicht dem Erwerberschutz, sodaß es auf die Kaufpreiszahlung nicht ankomme. Jedenfalls aber wird aus alledem eines deutlich: Einseitige Leistungserbringung heilt das Gesamtgeschäft, wenn sie vom ausschließlich durch die Form begünstigten Vertragsteil erbracht wird. Zu Recht wird sohin die oben dargelegte, undeutliche Rechtsprechung kritisiert.19 2. Im deutschen Recht Das deutsche Recht kennt (anders als das österreichische) auch Fälle, in denen kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung einseitige Leistung zur Gesamtheilung fuhrt. Es sind die Bestimmungen des § 313 Satz 2 BGB, § 15 Abs. 4 GmbHG sowie des 11 OGH 23.11.1972 SZ 45/127; OGH 26.3.1964 SZ 37/43; ferner OGH 28.2.1973 EF 20.692. 12 OGH 23.11.1972 SZ 45/127; OGH 26.3.1964 SZ 37/43; ferner OGH 28.2.1973 EF 20.692. 13 Gschnitzer in Klang IV/1 256. 14 OGH 26.3.1964 SZ 37/43 (auf Seite 143). 15 So wohl auch Rummel in Rummel II § 1432 ABGB Rz. 5, der den OGH ebenfalls kritisiert. 16 Koppensteiner § 76 GesmbHG Rz. 25. 17 Koppensteiner § 76 GesmbHG Rz. 25 übersieht, daß P. Bydlinski, 61, gemäß seiner Lehre, die Form würde dem Erwerberschutz dienen, nur dessen Leistung (Kaufpreiszahlung) für die Heilung voraussetzt. 18 So P. Bydlinski 61. 19 Rummel in Rummel II § 1432 ABGB Rz. 5.

§ 6 Abs. 2 und 3 VerbrKrG, welche die Heilung in besonders deutlicher Weise ins Licht der Vertrauenshaftung rücken. Wenngleich dies schon den subjektiv­ historischen Argumenten auch zu den anderen, „klassischen“ Heilungstatbeständen entnommen werden konnte, ist es für die eben angeführten Fälle der einzig denkbare Lösungsansatz. § 15 Abs. 4 GmbHG und § 313 Satz 2 BGB knüpfen dabei die Heilung jeweils an die Erbringung der vertragstypischen Leistung. § 313 Satz 2 BGB enthält noch insofern eine Besonderheit, als der Erwerber, welcher von der Formvorschrift auch geschützt wird, seine Leistung für den Heilungseintritt nicht erbringen muß. Er verliert sohin seinen Schutz, wenn er die Leistung des Veräußerers annimmt. Am weitesten freilich geht § 6 Abs. 2 und 3 VerbrKrG. Hier wird die Heilung an die Erfüllung seitens des nicht geschützten Teils geknüpft, weil sie - im Gegensatz zur Nichtigkeit - die für den Schutz des Verbrauchers adäquate Folge ist. Heilung ist sozusagen der fortgesetzte Schutz durch Form. Freilich setzt dies voraus, daß dem Verbraucher diejenigen Risiken, welchen man mit dem durch Form gewährten Übereilungsschutz vorbeugen wollte, abgenommen werden: Der Vertragsinhalt wird zugunsten des Verbrauchers modifiziert. 3.

Befund

Die Entwicklung der Heilungsvorschriften hin zu einem Instrument verfeinerten Vertrauensschutzes, der auch Fälle nur teilweiser Erfüllung umfaßt, ist bisher eine rein legislative und auf Deutschland beschränkt geblieben. Die Rechtsprechung hat über die Heilungstatbestände - samt diversen Einzelanalogien - hinaus, den Vertrauensgedanken nicht für eine Rechtsfortbildung fruchtbar gemacht. Ein anderes Bild ist für die Entwicklung im anglo-amerikanischen Recht zu zeichnen; eine Darlegung der dortigen Entwicklungen verspricht daher Erkenntnisgewinn.

III. Die dynamische Rechtsentwicklung in England und USA. Part performance zwischen rule of evidence und rule of equity 1. Allgemeines zur doctrine ofpart performance

a. Historisches: partperformance als Zwillingsschwester des Formzwangs

Die doctrine ofpart performance ist so alt wie der Statute of Frauds selbst. Bereits dessen s. 17 machte nämlich den (formlosen) Warenkauf gerichtlich durchsetzbar, wenn nur ein Teil der Waren geliefert und angenommen wurde bzw. eine Teilzahlung erbracht wurde. Zwar wurde diese Bestimmung - wie auch ihre unmittelbare Nachfolgebestimmung, s. 4 Sale of Goods Act, - in England außer Kraft gesetzt und besitzt sohin nur noch exemplarische und historische Bedeutung, doch findet sie sich heute im US-amerikanischen UCC in dessen § 2-201 wieder: § 2-201 UCC enthält den Formzwang wie auch seine Durchbrechung durch part performance.20 Nicht lange dauert es indessen und die Rechtsprechung entwickelt neben der gesetzlichen part-performance-AusnahmQ auch eine solche in equity. 20 Hierzu sogleich § 12 III.

Gerade für Verträge betreffend Immobilien wird die Enttäuschung des Versprechensempfängers durch die Wirkung des Statute of Frauds, jedenfalls nachdem part-performance-Handlungen gesetzt worden sind, als zu hart empfunden. Fast selbstverständlich setzt sich daher sozusagen schon im Säuglingsalter des Statute of Frauds die englische Equity-Rechtsprechung über dessen Wortlaut hinweg.21 Sie setzt Grundstücksverträge bei Vorliegen von part performance trotz Formmangels gerichtlich durch: Als erster Fall wird Butcher v Stapely22 1686 mit Hilfe der doctrine of part performance entschieden.23 Die Ausnahme teilweise erfüllter Verträge von den Folgen des Statute of Frauds ist gewissermaßen eine Zwillingsschwester desselben. Formzwang und doctrine ofpart performance erblicken im wesentlichen zeitgleich das Licht der Welt. Keineswegs handelt es sich dabei um eine moderne Erscheinung.24 b. Die Zweigliedrigkeit des Rechtsinstituts: §2-201 UCC und die equitable doctrine ofpart performance

Die grundsätzliche Unterschiedlichkeit der beiden (historischen) Ausprägungen der part performance tritt bei näherer Betrachtung deutlich zutage. Den Statute-ofFrauds-Bestimmungen betreffend den Warenkauf geht es von vomeherein gar nicht um das Aufstellen eines Schriftformerfordernisses, sondern vielmehr darum, bei der Durchsetzung derartiger Verträge nicht ausschließlich auf Zeugenbeweise angewiesen zu sein. Besonders markant zeigt dies die Textierung der ursprünglichen s. 17 Statute of Frauds 1677. Sie nennt die Abfassung einer Urkunde (note oder memorandum) nur als eine mehrerer Möglichkeiten, mündliche Verträge durchsetzbar zu machen. Ja, es fällt auf, daß das Gesetz die Schriftform nicht einmal an erste Stelle reiht, sondern vielmehr an den Schluß nach allen anderen Alternativen. Part performance bildet hier keine Ausnahme, sondern eine Alternative zum Schriftformgebot.25 Indessen kann daraus nicht geschlossen werden, der historische Gesetzgeber sei von einer Gleichwertigkeit der in s. 17 Statute of Frauds zugelassenen Beweismittel ausgegangen. Es war eben nicht die Absicht des Gesetzgebers, ein Schriftformerfordernis zu erstellen, das dann ausnahmsweise durch andere Beweismittel von gleicher Überzeugungskraft ersetzt werden kann. Vielmehr ging es ihm um die Vermeidung von Situationen, in denen Gerichte ausschließlich aufgrund mündlicher Beweise entscheiden müssen. Daraus folgt: Die Vorschrift zur part performance enthält keine Formdurchbrechung; auch sind ihr keine Billigkeitsaspekte abzugewinnen. Unklar bleibt freilich, warum ausgerechnet beim Warenkauf die durch den Statute of Frauds erfolgende Beweismittelbeschränkung so verhältnismäßig schwach ausfällt, indem nicht notwendig auf schriftliche Dokumentation Wert gelegt wird. Die Vermeidung allzu

21 Hierzu auch von Hofftnann 128. 22 Butcher v Stapely (1686) 1 Vern 363. 23 Hierzu auch Fridman University of Toronto LJ 35 (1985) 43 (56). 24 Siehe nur die gründliche Darstellung der Urspünge der doctrine of part performance bei Williams 230ff. 25 Richtig betont auch Holdsworth VI 392, daß die ursprüngliche s. 17 Statute of Frauds mehrere Beweismittel zuläßt.

großer Beeinträchtigung des Handels, der natürlich von der Vorschrift betroffen ist, wie insgesamt dessen besondere Bedürfnisse mögen eine Rolle gespielt haben, wenngleich hierzu keine klaren Aussagen getroffen werden können. Jedenfalls hat sich die dargelegte Perspektive der s. 17 Statute of Frauds - bzw. ihrer unmittelbaren Nachfolgebestimmung in s. 4 Sale of Goods Act - in die heutige Zeit retten können. § 2-201 UCC baut - wenngleich sie in ihrer Textierung doch deutlich abweicht - auf demselben Gedanken auf. Der Beweiszweck ist bereits dem Wortlaut der Bestimmung unzweifelhaft zu entnehmen: Gefordert wird eine Urkunde „sufficient to indicate that a contract for sale has been made between the parties^ 26 27 Deutlich betonen die Comments zu § 2-201 UCC.21 „All that is required is that the ^riting afford a basis for believing that the offered oral evidence rests on a real transaction. " Entsprechend werden an die schriftliche Urkunde nur geringe Anforderungen gestellt. Sie braucht insbesondere den Vertragsinhalt weder vollständig noch präzise anzugeben.28 Dann erscheint es aber nur konsequent, daß andere Beweismittel, die bloß mündlichen zur Seite treten, ebenfalls als hinreichend angesehen werden. Daher bezeichen die Comments .partial performance'1 als Ersatz für die Urkunde.29 Auch bei § 2-201 UCC geht es klar um die Vermeidung von Prozessen, die ausschließlich auf mündlichen Beweisen aufgebaut werden. Hingegen wurde die Bestimmung gegenüber ihrer urspünglichen Vorläuferin in 5. 17 Statute of Frauds insofern verändert, als part performance dort eine Ausnahme zum Formgebot bildet. Darin liegt zwar nicht notwendig eine praktische Veränderung der Rechtslage30, aber doch eine Gewichtung. Die teilweise Leistung bzw. Zahlung des Kaufpreises heilt grundsätzlich nur teilweise und nur dann, wenn Teilbarkeit überhaupt gegeben ist.31 Jedoch sind auch hier Rechtsprechungstendenzen zur Gesamtauffechterhaltung zu verspüren, wenn eine Teilzahlung mit Bezug auf eine unteilbare Gegenleistung erbracht wird.32 Insgesamt geht es bei den hier beschriebenen Vorschriften um reine Beweiserwägungen: Insoweit part performance ein mündliches Versprechen zu indizieren in der Lage ist, wird es dem Schriftformgebot zur Seite gestellt. Die Funktionsweise ist mechanisch ausgerichtet, Billigkeitserwägungen unterliegen ihr nicht. Hingegen ist die equitable doctrine of part performance zu allererst auf Billigkeitserwägungen gestützt. „ Courts of Equity will not permit the Statute to be made an Instrument of fraud'^ lautet das klassische und in vielen Entscheidungen vorzufindende Zitat.33 „Fraud'' soll vorliegen, wenn eine Partei ihre Leistung unter Verweis auf den Statute of Frauds verweigert, nachdem sie die Leistung der anderen Partei erhalten und angenommen hat.34 Es ist diese Unbilligkeit, die der Partei, die eine part 26 § 2-201 UCC. 27 Official Comments 1 zu § 2-201 UCC. 28 Official Comments 1 zu § 2-201 UCC. 29 Official Comments 3 zu § 2-201 UCC. 30 Wenngleich natürlich die beiden Bestimmungen im einzelnen ohnehin nicht gleich sind. 31 Williamson v Martz 11 Pa D&C 2d 33 (Pa. 1956). 32 Hierzu Starr v Freeport Dodge 282 NYS2d 58 (Nassau County 1967); Bertram Yacht Sales Inc. v West 209 So2d 677 (Fla.Dist.Ct. App. 1968); Paloukos v Intermountain Chevrolet Co. 588 P2d 943 (Id. 1978); Thomaier v Hoffmann Chevrolet Inc. 410 NYS2d 645 (2d Dept. 1978). 33 Siehe nur Maddison v Alderson (1883) 8 AppCas 467 HL (474). 34 Buckmaster v Harrop (1802) 7 Ves 341 (346).

performance erbracht hat, ein equitable right verschafft. In dieser Ausrichtung entspricht die doctrine ofpart performance ganz traditionellen equity-Konzepten.35 Von den beiden Ansätzen muß die equitable doctrine of part performance jene sein, die nähere Beleuchtung verdient: Allein sie ist konzeptionell in der Lage, zur Frage der „Billigkeitsjudikatur“ in Fällen der Formnichtigkeit Lösungsansätze beizusteuern. Es interessieren ihr Werdegang, ihr aktueller Stand und ihre Entwicklungsperspektive.

2. Die equitable doctrine ofpart performance

a. Ursprung und „klassische“ Ausprägung durch Maddison v Alderson35 36 aa. Der Ausgangspunkt: Vermeidung von fraud

Billigkeitsgründe haben die equitable doctrine of part performance ins Leben gerufen. Sie sind es auch, die sie am Leben hielten. Durch alle Entwicklungsstadien hindurch war nämlich stets zweierlei klar: Liegt fraudulöses Verhalten vor, so soll 5. 4 Statute of Frauds jedenfalls keine Anwendung finden.37 Von Arglist i.e.S. abgesehen, galt stets für alle Fälle, daß die doctrine of part performance ihre Rechtfertigung in der Vermeidung von fraud (freilich in einem weiteren Sinne) findet.38 Die Durchbrechung der 5. 4 Statute of Frauds wird für erforderlich gehalten, weil ansonsten ein ungerechtes Ergebnis39, das nicht mehr im Sinne des Gesetzes sein könne, erreicht würde.40 41 bb. Die außervertragliche Natur des Anspruchs Der Anspruch aufgrund part performance basiert auf equity und nicht auf dem Vertrag selbst. Freilich wird im Ergebnis der formwidrige Vertrag durchgesetzt. Sobald eine part performance erbracht worden ist, bestehe die Wahl zwischen „ undoing what has been done", was eben nicht immer möglich bzw. gerecht sei, und „completing ^hat has been left undone“AX. So gesehen wird durch part performance der Vertrag „perfektioniert“, was im übrigen auch daraus deutlich wird, daß wiederholt auf die Gültigkeit des formwidrigen Vertrages und seine

35 Vgl. Williams 230f. 36 Maddison v Alderson (1883) 8 AppCas 467 HL. 37 Selbst Lord Blackburn, der ansonsten die doctrine of part performance als „anomaly“ bezeichnet, erkennt diese Ausnahme an, siehe Maddison v Alderson (1883) 8 AppCas 467 HL (490); vgl. auch später Wakeham v Mackenzie (1968) 2 AllER 783 (788), wo freilich Arglist nicht geltend gemacht worden war. 38 Siehe z.B. Wilson v The West Hartlepool Railway Company (1865) 139 RR 194; Selbome, L.C., in Maddison v Alderson (1883) 8 AppCas 467 HL (474); später Wakeham v Mackenzie (1968)2 AllER 783. 39 Siehe John Mundy v Hylton Jolliffe, and Sir William George Hylton Jolliffe (1839) 5 Ch 167 (177): „purpose ofpreventing the great injustice... 40 Selbome, L.C., in Maddison v Alderson (1883) 8 AppCas 467 HL (475). 41 So Selbome, L.C., in Maddison v Alderson (1883) 8 AppCas 467 HL (476).

„bloße“ Undurchsetzbarkeit verwiesen wird.42 Auch könne der Vertrag bei der Bestimmung der Rechtsfolgen in equity nicht außer Acht gelassen werden.43 Bezeichnend ist auch die anzutreffende Begründung, wonach part performance den Vertrag dem Anwendungsbereich des Statute of Frauds entreiße, indem mündlicher Beweis der Vertragsvereinbarung zulässig werde.44 Auf die Billigkeit als Verpflichtungsgrund wird daher abgestellt, um die Abweichung vom Wortlaut des Gesetzes45 46 zu legitimieren. Deshalb führt Selbome, L.C., in Maddison v Alderson aus: „In a suit founded on suchpart performance the defendant is really 'chargedf upon the equities resultingfrom the acts done in execution of the contract, and not (within the meaning of the Statute) upon the contract itself ... The matter has advanced beyond the stage of contract; and the equities ^which arise out of the stage y^hich it has reached cannot be administered unless the contract is regarded. ... it is not arbitrary or unreasonable to hold that when the Statute says no action is to be brought to Charge any person upon a contract concerning land, it has in view the simple case in which he is charged upon the contract only, and not that in yvhich there are equities resultingfrom res gestae subsequent to and arising out of the contract. "46

cc. Die Berücksichtigung des Formzwecks: das evidentia-rei-Erfordems47 Schon bald wurden die erforderlichen Billigkeitsvoraussetzungen mit dem durch s. 4 Statute of Frauds verfolgten Zweck der Beweissicherung kombiniert: Nicht jegliche Teilleistung sollte ausreichen, sondern nur eine solche, die notwendig den behaupteten Vertrag indizierte. Überdies müßten die Bestimmungen des Vertrages bewiesen sein.48 Im einzelnen wurde gefordert, die Handlungen der Parteien müßten ihre tatsächlichen Positionen derart verändern, daß aus deren Kontrastierung zur (als unverändert gedachten) rechtlichen Lage auf die Existenz eines Vertrages geschlossen werden kann.49 Handlungen, die genau so gut ohne Zugrundelegung eines Vertragsschlusses erklärt werden können, reichen demgegenüber nicht aus50;

42 Siehe nur Maddison v Alderson (1883) 8 AppCas 467 HL; Snelling v Thomas (1874) LR 17 Eq 303, wo der Vertrag als nudum pactum bezeichnet wird; später auch Wakeham v Mackenzie (1968) 2 AllER 783; dasselbe kommt im Ergebnis zum Ausdruck, wenn die Rechtsfolgen des Statute of Frauds jenen des Statute of Limitations gleichgesetzt werden, Wood v Midgley (1854) 104 RR 18; sowie bei Betonung, daß der Formmangel von der in Anspruch genommenen Partei geltend zu machen ist, Broughton v Snook (1938) 1 Ch 505. 43 Selbome, L.C., in Maddison v Alderson (1883) 8 AppCas 467 HL (476). 44 Siehe P.O.Lawrence, I, in Brough v Nettleton (1921) 2 Ch 25 (28). 45 Das galt freilich nur für den ursprünglichen Statute of Frauds-, im Law of Property Act 1925 wurde dann die doctrine ofpart performance gesetzlich anerkannt (siehe 5. 40 par. 2). 46 Selbome, L.C., in Maddison v Alderson (1883) 8 AppCas 467 HL (475f). 47 von Hoffmann, 129, datiert die Zeit des evidentia-rei-Erfordernisses in das späte 19. Jahrhundert. 48 Vgl. schon Gunter v Halsey (1739) 27 ER 381; siehe ferner die genaue Analyse der Entscheidung bei Williams 23 5f. 49 Vgl. Wigram, V.C., in Dale v Hamilton (1846) 71 RR 127 (135f); bestätigt durch Lord Cottenham, L.C., (1847) 71 RR 146. 50 Dale v Hamilton (1846) 71 RR 127; bestätigt durch Lord Cottenham, L.C., (1847) 71 RR 146.

die Handlungen müssen vielmehr nur mit Bezug auf einen Vertrag erklärbar sein.51 Beide Parteien müssen sich so verhalten, als ob der Vertrag in das Abwicklungsstadium getragen worden wäre.52 Immer muß sich aus den res gestae eine sogenannte evidentia rei53 ergeben, die den Vertrag indiziert.54 Die Handlungen, so wird es kurz umrissen, müssen unequivocal sein.55 Ist diese Hürde genommen, so können in einem zweiten Schritt die genauen Bedingungen des Vertrages mit Hilfe aller Beweismittel dargetan werden.56 57 dd. Beispiele zum evidentia-rei-Erfordernis

Ganz generell gilt es als unzweideutige Teilerfüllungshandlung, wenn dem Erwerber eines Rechts an einer Liegenschaft die Besitznahme gestattet wird und er diese tatsächlich vollzieht. Das wird 1920 in Hohler v Aston in aller Kürze und Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht: think that the possession taken ... was a possession taken obviously and unequivocally in pursuance of the contract^.51 Konkret hatten die Erwerber ihr altes Heim verlassen, waren in das neue Haus eingezogen und hatten demzufolge beträchtliche Kosten getragen.58 Die große Bereitschaft der Gerichte, bei Besitzwechsel die doctrine of part performance zur Anwendung zu bringen, hat die Regel beinahe zu einer mechanischen „Teilerfüllungsregel" im Sinne der oben beschriebenen s. 17 Statute of Frauds werden lassen.59 Von Vermeidung fraudulösen Handelns war nicht mehr viel übrig, was sich in Äußerungen englischer Richter z.B. in Ungley v Ungley zeigt: Besitznahme als Teilerfüllungshandlung soll den Vertrag sogar dann durchsetzbar machen, wenn diese nur eine Stunde gedauert hat.60 Die Besitznahme muß allerdings, um die erforderliche Beweiskraft zu besitzen, nach dem Vertragsschluß erfolgen. Wird der Besitz bereits im vorvertraglichen Verhandlungsstadium überlassen, so kann er - für sich genommen - kein taugliches Beweismittel für einen behaupteten späteren Vertragsschluß sein.61 Auch das wird freilich wieder eingeschränkt: Indem dem Erwerber auch nach Vertragsschluß der Besitz an der Liegenschaft überlassen bleibt, erhält die possession neuerlich die erforderliche 51 Vgl. Broughton v Snook (1938) 1 Ch 505 (511). 52 Vgl. Phillips v Edwards (1864) 140 RR 208. 53 Hierzu Williams 250f. 54 Selbome, L.C., in Maddison v Alderson (1883) 8 AppCas 467 HL (476). 55 Vgl. nur Selbome und O'Hagan in Maddison v Alderson (1883) 8 AppCas 467 HL (479 und 485); siehe auch Dickinson v Barrow (1904) 2 Ch 339; Hodson v Heuland (1896) 2 Ch 428; Sutherland v Briggs (1841) 1 Hare 26; Morphett v Jones (1818) 1 Swanst 172 (181). 56 Zu diesem zweistufigen Mechanismus siehe O'Hagan in Maddison v Alderson (1883) 8 AppCas 467 HL (484); offen blieb stets, ob die part~performanceAiandl\ing gerade ein Grundstücksgeschäft indizieren muß; hierzu Thompson Conv 1979, 402 (408); Chaproniere v Lambert (1917) 2 Ch 356; Steadman v Steadman (1976) AC 536; (restriktiv) In re Gonin, Deed. (1979) 1 Ch 16. 57 Hohler v Aston (1920) 2 Ch 420 (425). 58 Hohler v Aston (1920) 2 Ch 420 (420). 59 Vgl. auch die Selbstverständlichkeit, mit der in Morphett v Jones (1818) 1 Swanst 172 (181) part performance durch Besitznahme bejaht wird. 60 Malins, V.C., in Ungley v Ungley (1876) 4 ChD 73 (76) bestätigt in (1877) 5 ChD 887; hierzu auch Williams 249. 61 Hodson v Heuland (1896) 2 Ch 428.

Beweiskraft.62 Die englische Rechtsprechung erstellt schließlich einen ganzen Kanon von differenzierenden Entscheidungen. In Daniels v Trefusis wird die bloße Räumung des Hauses einer Besitznahme gleichgestellt. Auch sie bewirkt daher im Ergebnis Vollwirksamkeit des Vertrages.63 Dasselbe gilt, wenn das Haus ausgebaut wird.64 In Mason and another v Clarke erfüllt das Legen von Fallen und dergleichen die Kriterien der part performance eines Vertrages über die Einräumung diverser Jagdrechte.65 Fernerhin reicht gemäß Brough v Nettleton Inbesitznahme (gegen Bezahlung) samt Übersendung der für die Vertragsdurchführung erforderlichen Dokumente durch den Erwerber für part performance hin.66 67 Beachtenswert 68 ist insbesondere die Entscheidung Dickinson v Barrow.61 Eine Frau hatte ein Grundstück samt Haus, das gerade in Bau war und vom Veräußerer fertiggestellt werden sollte, gekauft. Bei Vertragsschluß nahm der Veräußerer auf Wunsch der Käuferin verschiedene Planänderungen vor. Die Käuferin leistete auch eine Anzahlung. Während der Bauarbeiten besuchte die Käuferin wiederholtermaßen die Baustelle, verlangte weitere Abänderungen sowie Korrekturen (wegen von ihr behaupteter Baumängel). Auch diesen Wünschen wurde entsprochen. Bemerkenswert ist das Ergebnis, zu dem das Gericht gelangt: Die bei Vertragsschluß vorgenommenen Planänderungen und die Anzahlung seien beide Bestandteil der mündlichen Vereinbarung und keine part performance.68 Hingegen liege eine part performance im Besuchen der Baustelle durch die Käuferin sowie deren Auftreten als Inhaberin von Ansprüchen anläßlich ihrer diversen Forderungen nach Änderungen und Korrekturen. Entscheidend ist, daß sich die Käuferin als Anspruchsberechtigte und nicht bloß als potentielle Käuferin gerierte, oder, wie es das Gericht formulierte: then it seems to me that I have an unequivocal act, and that she was not a mere trespasser, but was interested in the matter on the footing of a legal contract“69 Das Ausüben derartiger Rechtspositionen reicht offenbar zur Validierung des Vertrages aus. Besonders fällt auf, daß das Gericht sein Urteil explizit auf Zeugenaussagen stützt.70 Geht es bei der ganzen Diskussion um die Berücksichtigung des Beweissicherungszwecks der S. 4 Statute of Frauds, so wird hier gerade das evidentia-rei-Erfordernis verfehlt: Sollte der Statute of Frauds ursprünglich den Beklagten vor falschen Zeugenaussagen schützen, so macht es keinen Unterschied, ob die Fehlaussage den Vertragsschluß betrifft oder dessen Teilerfüllung. Solange die Teilerfüllung keine anderen Spuren hinterläßt als Zeugenbeweise, solange ist auch das Risiko des

62 Hodson v Heuland (1896) 2 Ch 428; Biss v Hygate (1918) 2 KB 314. 63 Daniels v Trefusis (1914) 1 Ch 788. 64 Sutherland v Briggs (1841) 1 Hare 26 (31). 65 Mason and another v Clarke (1955) AC 778. 66 Brough v Nettleton (1921) 2 Ch 25. 67 Dickinson v Barrow (1904) 2 Ch 339; ganz ähnlich Rawlinson v Ames (1925) 1 Ch 96. 68 Dickinson v Barrow (1904) 2 Ch 339 (342f); vgl. auch Rawlinson v Ames (1925) 1 Ch 96; zu Planungstätigkeiten siehe auch Gulding, J., in New Hart Builders Ltd. v Brindley (1975) 1 Ch 342 (353). 69 Dickinson v Barrow (1904) 2 Ch 339 (344); siehe auch Rawlinson v Ames (1925) 1 Ch 96. 70 Dickinson v Barrow (1904) 2 Ch 339 (343); so wohl auch in Rawlinson v Ames (1925) 1 Ch 96.

Prozeßbetrugs genau gleich hoch.71 72Die Entscheidung läßt sich daher nur rechtfertigen, wenn man davon ausgeht, daß es dem Gericht hier nicht um den Beweiswert der part performance gegangen ist. Es sind vielmehr die equityAspekte, welche den Ausschlag gegeben haben: Der Veräußerer hat das Haus ganz nach den Wünschen der Käuferin fertiggebaut. Ihn nunmehr mit einem „maßgeschneiderten Haus“, dessen sich die Käuferin durch ihre Weisungen und Beanstandungen schon bemächtigt hatte, zu belassen, erschien dem Gericht unbillig. Vor- und Nachteile der entsprechenden Änderungen sind der Käuferin zuzuweisen, ein Ergebnis, das mittels Vertragsdurchsetzung automatisch erreicht wird. Die Selbstverständlichkeit, mit welcher das Gericht den mündlichen Beweis der partperformance-^znäXxxn^n zuließ, überrascht auch und gerade im Hinblick auf die deutlichen Worte von Selbome in Maddison v Alderson12, wonach sich die Klugheit der Regelung des Statute ofFrauds gerade in solchen Fällen zeige, in denen sich die Entscheidung, wollte sie den Vertrag durchsetzen, ganz auf die mündlichen Aussagen einer Partei stützen müßte. Freilich, die beiden Fälle lassen sich unterscheiden: In Maddison v Alderson war es eine Parteienaussage, auf die das Gericht sein Ergebnis zu stützen gehabt hätte. In Dickinson v Barron hingegen konnte das Gericht auf Zeugen zurückgreifen; allerdings nicht auf unabhängige, sondern solche, die in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Veräußerer standen.73 Der eigentliche Unterschied dürfte somit darin bestehen, daß in Dickinson v Barrow die mündlichen und mündlich bewiesenen Teilerfüllungshandlungen selbst die Existenz des Vertrages hinreichend indizieren. Hingegen ging es bei Maddison v Alderson gerade darum, nicht mündlichen Teilerfüllungshandlungen durch Parteiaussagen Beweiskraft hinsichtlich des Vertragsschlusses beizulegen. Die als part performance vorgetragenen Handlungen bargen also für sich keinen hinreichenden Beweiswert. Daß diese Differenzierung allerdings ihrerseits angesichts der Zielrichtung des Statute of Frauds die unterschiedliche Behandlung der beiden Fälle nicht erklären kann, ergibt sich aus dem oben dargelegten Argument der Vermeidung des Prozeßbetrugs. Indessen sollte später in Steadman v Steadman gerade dieser Unterscheidung wiederum Erheblichkeit zukommen74 Darauf wird unten zurückzukommen sein.75 Im übrigen bildet gerade Maddison v Alderson das klassische Beispiel dieser Rechtsprechungsperiode für nicht hinreichende Teilerfüllungshandlungen:76 Gewiß wird niemand bezweifeln, daß Gründe für eine Billigkeitsentscheidung bestanden hätten. Der Beweissicherungszweck war indessen Grund genug, die billige Entscheidung nicht zu fällen. Am Erfordernis, der Zusammenhang der res gestae mit dem behaupteten Vertrag müsse vernünftigerweise aus den res gestae selbst erschließbar sein, mußte die Klägerin scheitern. Sie war bereits im Hause des später Verstorbenen tätig. Aufgrund einer mündlichen Zusage, wonach dieser ihr das Haus hinterlassen werde, 71 Vgl. auch Lord Simon of Glaisdale in Steadman v Steadman (1976) AC 536, der meint, die part-performance-Handlungen könnten mündliche sein, nur der Zusammenhang mit dem behaupteten Vertrag dürfe nicht mündlich bewiesen werden. 72 Maddison v Alderson (1883) 8 AppCas 467 HL (478). 73 Siehe Dickinson v Barrow (1904) 2 Ch 339 (343). 74 Steadman v Steadman (1976) AC 536 (564). 75 Siehe unten § 12 III. 2. c. bb.. 76 Maddison v Alderson (1883) 8 AppCas 467 HL .

verblieb die Klägerin unter Ausschlagung anderer Möglichkeiten zeit ihres Lebens im Hause und verrichtete all ihre Arbeiten unentgeltlich. Das Testament des Verstorbenen, in dem die Klägerin tatsächlich hinsichtlich des Hauses als Begünstigte aufschien, war ungültig. Alle von der Klägerin vorgenommenen Teilerfüllungshandlungen konnten ein zu Lebzeiten des Erblassers abgegebenes Versprechen des Hauses nicht hinreichend indizieren. Ganz allgemein wird in der Entscheidung, als ein Musterbeispiel einer nur zweideutigen und sohin nicht hinreichenden Teilerfüllungshandlung, die Zahlung von Geld genannt.77

ee. Das equitable Element: detriment to the party

Das Element des ungerechtfertigten Nachteils für eine Partei, das die Durchbrechung des Statute of Frauds legitimiert, wird ursprünglich darin gesehen, daß die leistende Partei kein Rückforderungsrecht besitzt, weil der formmangelhafte Vertrag einen gültigen Rechtsgrund für die Leistungserbringung darstellt. In der Annahme der Leistung unter Verweigerung der eigenen Leistung liegt ein nicht zu duldendes, widersprüchliches Verhalten des Empfängers. Indessen kommt es nicht notwendig darauf an, daß jene Partei, die sich auf die Gültigkeit des Vertrages beruft, ihre Leistung erbracht hat78 *Dies zeigt etwa der Fall Caton v Caton.19 Hier hatte der Verkäufer den Besitz des Landes an den Erwerber übertragen, der seinerseits Aufwendungen tätigte. In der Entscheidung wurde davon gesprochen, daß die Inbesitznahme und das Tätigen von Aufwendungen den Einwand der part performance rechtfertigen. Indessen fallt natürlich auf, daß hier zu allererst der Veräußerer eine Teilleistung erbracht hat, die vom Käufer lediglich angenommen wurde. Gerade darin soll aber bereits ein hinreichender Teilerfüllungstatbestand gelegen sein. Besitzwechsel stellt daher, so wie letztlich jede Leistung, einen gegenseitigen Akt dar: Mit der Aufgabe des Besitzes auf der einen Seite korrespondiert die Besitznahme auf der anderen.80 Und in Re Foster wird klar ausgesprochen, daß der Grund für die Bindung dessen, der den Besitz am Grundstück aufgegeben hat, in seiner Zustimmung zur Inbesitznahme durch den Erwerber gelegen ist.81 Auch wenn man in der Besitznahme eine Vollzugshandlung derjenigen Partei sieht, die sich auf die Durchsetzbarkeit des Vertrages beruft, so stellt doch die Zustimmung zur Besitznahme durch den Veräußerer den entscheidenden Zurechnungsgrund dar. Das reicht regelmäßig zur Durchsetzung des Vertrages durch beide Teile aus. Gewiß, wiederholt wird neben der 77 Selbome in Maddison v Alderson (1883) 8 AppCas 467 HL (478f); vgl. aber auch die dort (485) von O'Hagan geäußerten Zweifel; siehe auch die Folgeentscheidung Miller & Aldworth, Ltd. v Sharp (1899) 1 Ch 622 (625); vgl. aber auch ältere Entscheidungen, die sich diesbezüglich noch unbekümmert geben und auch Geldleistungen als part-performance-Handlungen erwähnen: John Mundy v Hylton Jolliffe, and Sir William George Hylton Jolliffe (1839) 5 Ch 167 (177). 78 Zweifelnd aber Goulding, J., in New Hart Builders Ltd. v Brindley (1975) 1 Ch 342 (353). 19 Caton v Caton (1866) LR 1 Ch 137. 80 Vgl. auch Wilson v The West Hartlepool Railway Company (1865) 139 RR 194 (204), wo das detriment des Erwerbers ganz einfach in dessen Rückstellungsverpflichtung bei mangelnder Durchsetzbarkeit gesehen wurde; gegenteiliges Vorbringen wurde ausdrücklich verworfen, bloßer Besitzwechsel als part performance behandelt. 81 Ex parte Foster. In re Foster (1883) 22 ChD 797.

Besitznahme auch das Aufsichnehmen von Kosten genannt82, doch wird ebenso häufig deutlich, daß bereits der drohende Zwang zur Rückstellung des Grundstücks ein ^detriment' hinreichenden Ausmaßes darstellt: Ungley v Ungley hat ja bereits im Zusammenhang mit der Beweiskraft der Teilerfüllungshandlungen gezeigt, daß die Inbesitznahme für nur eine Stunde ausreicht.83 Wilson v The West Hartlepool Railway Company stellt von vornherein nur auf die Besitzübertragung ab.84 85 Brough 86 87 v Nettleton^5 dann, wie weit die Wirkung der part performance reicht: Ein formwidrig geschlossener Bestandsvertrag enthielt auch eine Kaufoption. Die tatsächliche Invollzugsetzung durch Besitzübertragung heilte nach Ansicht des Gerichts nicht nur die bestandsrechtliche Seite des Vertrages, sondern seine Gesamtheit, sohin auch die Optionsabrede. Dabei hätte der Nachteil des Erwerbers im Falle einer gegenteiligen Entscheidung nicht einmal in einem unmittelbaren Besitzverlust bestanden, sondern lediglich in einem loss of contract^. Dennoch sollte die Besitzübertragung zur Validierung des (Gesamt-) Vertrages ausreichen. Man hätte noch vorbringen können, der Erwerber habe sich bereits auf die Ausübung des Optionsrechts eingerichtet, ja womöglich anderweitige Kaufangebote ausgeschlagen, sodaß sein detriment mehr sei als nur ein loss of contract. Indessen wurde dies weder vorgetragen noch vom Gericht ins Kalkül gezogen. Besitznahme fuhrt daher zur Validierung, weil die Rückforderung durch den Veräußerer ein detriment für den Erwerber bedeuten würde. Sie ist sohin die häufigste, wenngleich nicht die einzige Form einer part performance. Musterbeispiel bildet wiederum Dickinson v Barrow^^ wo die Beschwer für denjenigen, der den Vertrag durchzusetzen begehrte, gerade nicht eine Rückstellungsverpflichtung, sondern umgekehrt - das Behaltenmüssen der Liegenschaft samt Haus dargestellt hätte. Hier war es der Veräußerer, der die Durchsetzbarkeit des Vertrages wegen part performance behauptete, nachdem er das Haus ganz nach den individuellen Wünschen und Vorstellungen der Käuferin fertiggestellt hatte. Das Gericht gab ihm recht, ohne freilich zu begründen, worin seine Beschwer gelegen hätte. Richtigerweise wird man diese in der Tatsache der Aufwendung von Mühen und Kosten, das Haus nach den individuellen Vorstellungen der Käuferin fertigzustellen, zu sehen haben. Die Frustration dieser Aufwendungen sollte nicht der Veräußerer zu tragen haben. Dem Veräußerer wurde auch die Möglichkeit genommen, einen anderen Käufer zu einem Zeitpunkt zu finden, in dem mangels Fertigstellung dessen individuelle Wünsche noch berücksichtigt hätten werden können. Ein Haus, das auf die subjektiven Vorstellungen gerade der Käuferin ausgerichtet wurde, ist demgegenüber nicht so leicht zu veräußern.

82 Siehe Caton v Caton (1866) LR 1 Ch 137; auch in Crook v Corporation of Seaford (1870) LR 10 Eq 678 hatte der Erwerber erhebliche Kosten und Mühen investiert. 83 Ungley v Ungley (1876) 4 ChD 73 bestätigt in (1877) 5 ChD 887. 84 Wilson v The West Hartlepool Railway Company (1865) 139 RR 194 (204); vgl. auch Ex parte Foster. In re Foster (1883) 22 ChD 797. 85 Brough v Nettleton (1921) 2 Ch 25. 86 So Williams 249. 87 Dickinson v Barrow (1904) 2 Ch 339; ähnlich Rawlinson v Ames (1925) 1 Ch 96.

f. Weitere Voraussetzungen

(1) „Im übrigen“ gültiger Vertrag

Part performance kann dort nicht zur Durchsetzbarkeit von Ansprüchen fuhren, wo es - von der Formwidrigkeit abgesehen - ansonsten an einem gültigen Vertrag mangelt.88 Part performance substituiert also die Form, beseitigt hingegen nicht sonstige Mängel des Rechtsgeschäfts.89 Dabei kommt es (insbesondere) auf den Abschluß eines mündlichen Vertrages an. Ob darüber hinaus ein gegebenenfalls erstellter Entwurf für eine Urkunde einen im übrigen gültigen Vertrag verkörpert, ist unerheblich.90 Drastisch ist hier das Beispiel in Maddison v Alderson. Lord Blackburn bringt klar zum Ausdruck, daß das Inaussichtstellen einer Erbschaft keinen Vertragsschluß bedeutet, und damit die Handlungen der Klägerin, welche sie im Vertrauen auf die später zu erwartende Erbschaft setzt, keine part performance darstellen.91 Insgesamt scheint das Gericht von der Annahme eines mündlichen Versprechens nicht überzeugt gewesen zu sein, betont es doch ganz pauschal, daß die Prüfung der part performance nur vorgenommen wird, falls - abweichend von der Meinung des Gerichts - ein Vertrag zustande gekommen sein sollte. Die Frage erübrigte sich letztlich, weil schon part performance verneint wurde. (2) Die Beschränkung auf Verträge, die mit specific performance durchsetzbar sind, jedoch nicht auf Grundstücksgeschäfte

Alle dargelegten Fälle hatten es mit Grundstücksgeschäften zu tun. Entsprechend wurde mit der Übernahme der auf Liegenschaften bezogenen Statute-of-FraudsBestimmung in den Law of Property Act 192592 auch die Rechtsprechung zur part performance legislativ anerkannt: Der Law of Property Act 1925 verdrängt nach seiner ausdrücklichen Bestimmung in s. 40 par. 2 die doctrine ofpart performance nicht. Es wird daher gelegentlich betont, die doctrine of part performance sei auf Grundstücksgeschäfte beschränkt.93 Indessen trifft diese Aussage nur insofern zu, als eben andere Beispiele in der Rechtsprechung nicht zu finden94 und auch sehr unwahrscheinlich sind. Mancherorts wurde aber die theoretische Möglichkeit, die doctrine ofpart performance auch auf andere dem Statute of Frauds unterliegende 88 Vgl. z.B. Phillips v Edwards (1864) 140 RR 208; Biss v Hygate (1918) 2 KB 314; Stimson v Gray (1929) 1 Ch 629; Lindley, L.J., in Ex parte Foster. In re Foster (1883) 22 ChD 797 (811), wenngleich man hier m.E. doch von einem „agreement sprechen hätte können; ferner Maddison v Alderson (1883) 8 AppCas 467 HL. 89 Worin sie sich etwa vom Institut des proprietary estoppel unterscheidet; hierzu unten § 13 II. 2.. 90 Hodson v Heuland (1896) 2 Ch 428. 91 Maddison v Alderson (1883) 8 AppCas 467 HL (487). 92 Genauer: in dessen s. 40. 93 Z.B. Whittaker in Chitty I 279. 94 Auch in Britain v Rossiter (1879) 11 QB 123 war die Feststellung, die doctrine of part performance sei auf Fälle von Grundstücksgeschäften beschränkt, nur obiter getroffen worden, weil es sich um einen Vertrag handelte, der - auch wenn er der Form nicht ermangelt hätte - in equity nicht (mit specific performance) durchgesetzt worden wäre; hierzu eingehend Williams 239.

Vertragstypen anzuwenden, ausdrücklich betont.95 Wenn in anderen Entscheidungen von einer Beschränkung auf Grundstücksgeschäfte die Rede sei96, so sei es falsch, darin eine begriffsnotwendige Restriktion zu sehen.97 Vielmehr seien Grundstücksgeschäfte eben nur die gängigen Anwendungsfälle. Entscheidend sei vielmehr die Frage der Reichweite der equity-Rechtsprechung: Überall dort, wo in equity specific performance angeordnet werden könne, könne grundsätzlich auch die doctrine of part performance als eine equitable doctrine zur Anwendung gebracht werden.98 99 Die Streitfrage ist freilich von geringer praktischer Bedeutung, weil solche Fälle, in denen es um einen Vertrag geht, der dem Statute of Frauds unterliegt und zugleich mittels specific performance durchgesetzt würde, immer selten waren und heute - wegen der weitgehenden Beseitigung des Statute of Frauds" - ausgeschlossen erscheinen. Indessen ist die Diskussion geeignet, wiederum die equity-Natur des Rechtsinstituts der part performance zu unterstreichen. Wenngleich nämlich der Grund der Beschränkung auf mit specific performance durchsetzbare Versprechen im Fehlen anderer adäquater Rechtsbehelfe in equity zu sehen ist, nimmt damit die part-performanceRechtsprechung diese equitable elements in sich auf: Specific performance wird im Grundsatz dann gewährt, wenn bloßer Schadensersatz100 nicht interessengerecht erscheint.101

gg. Die Rechtsfolgen Alle angeführten Entscheidungen, die eine part performance annahmen, haben den (mündlichen) Vertrag durchgesetzt.102 Im Ergebnis wird stets der gesamte Vertrag vollwirksam. Das hat Brough v Nettleton klar herausgestrichen, zumal dort nicht nur jener Teil des Vertrages, auf den sich die part performance bezog, sondern auch die davon („an sich“) unberührte Kaufoption vollwirksam wurde.103 95 McManus v Cooke (1887) 35 ChD 681 (697). 96 Deutlich Brett, L.J., in Britain v Rossiter (1879) 11 QB 123 (129); vgl. aber auch in derselben Entscheidung (133) die Äußerung von Thesinger, L.J., wonach jedenfalls teleologische Erwägungen nicht gegen eine Ausdehnung der doctrine sprächen; entscheidend war für Thesinger vielmehr, daß man die doctrine ofpart performance allgemein restriktiv interpretieren solle und keinesfalls weitergehen dürfe, als es vor dem Judicature Act 1873 die equity-Gerichte taten; zur Verschmelzung von law and equity Evershed LQR 70 (1954) 326; sowie Baker LQR 93 (1977) 529. 97 Zweifel bereits bei Selbome, L.C., in Maddison v Alderson (1883) 8 AppCas 467 HL (474). 98 So deutlich McManus v Cooke (1887) 35 ChD 681 (697); ausführlich auch Chitty, J., in Lavery v Pursell (1888) 39 ChD 508 (518), wo ganz generell auf mittels specific performance durchsetzbare Verträge abgestellt, eine Gewährung von damages infolge part performance indessen ausgeschlossen wird. 99 Und zwar durch den Law Reform (Enforcement of Contracts) Act 1954; hierzu detailliert Franklin 40 Comell LQ 40 (1955) 581. 100 Gemeint sind freilich expectation damages, nicht nur reliance damages. 101 Siehe Treitel in Chitty I 1283ff; vgl. Beswick v Beswick (1968) AC 58; mit Blick auf Grundstücksgeschäfte für die USA Berkovich Annual Survey of American Law 1995, 319. 102 Vgl. hingegen die spätere Entscheidung Re Windle (a bankrupt), ex parte the trustee of the bankrupt v Windle and another (1975) 3 AllER 987 (ChD); zur prinzipiellen Möglichkeit, Schadensersatz anstelle von specific performance zuzusprechen, von Hoffmann 129. 103 Brough v Nettleton (1921) 2 Ch 25.

hh. Die gesetzliche Anerkennung der doctrine ofpart performance in 5. 40 Law of Property Act 1925

Mit dem Law of Property Act 1925 wurde die auf Grundstücksgeschäfte bezogene Bestimmung der 5. 4 Statute of Frauds in 5. 40 par. 1 des neuen Gesetzes übernommen. Zugleich wurde in 5. 40 par. 2 Law of Property Act 1925 die damals bereits existierende Rechtsprechung zur part performance ausdrücklich anerkannt und weiterhin vorbehalten. Damit wurde sozusagen der Formnutzen des alten Statute of Frauds im Grundsatz neuerlich bestätigt104, 105 zugleich 106 aber die aus Billigkeitsgründen erforderliche Einschränkung der Formverfehlungsfolgen anerkannt. b. Die Periode nach dem Inkrafttreten des Law of Property Act 1925 bis Steadman v Steadman (1974):

Angesichts der dargelegten, verfächerten Judikatur konnte die Folgerechtsprechung auf eine jedenfalls prima fade ausgereifte Lehre von der part performance zurückgreifen. Hauptquelle bildete die Entscheidung Maddison v Alderson. Indessen haben die nach Inkrafttreten des Law of Property Act 1925 ergangenen Entscheidungen den Rechtszustand nur der äußeren Form nach gewahrt, in Wirklichkeit aber versteckte Rechtsfortbildung betrieben. Inkonsistenzen der Doktrin mögen hierfür Ansporn gewesen sein. So etwa die strenge Forderung nach hinreichender evidentia rei, die dem Ausschluß bloß mündlicher Behauptungen im Sinne des Statute of Frauds dienen sollte, diese Aufgabe aber nicht erfüllte.105 So werden in Broughton v Snook106 die Prinzipien der alten Rechtsprechung in jener Form wiedergegeben, wie sie Fry in seinem damaligen Werk über Specific Performance zusammengefaßt hat, zugleich werden sie aber zumindest relativiert. Es wird deutlich wiederholt, die Teilerfüllungshandlungen dürften nur mit Bezug auf den Vertrag erklärbar sein, um dem Beweiszweck des Gesetzes Rechnung zu tragen.107 Auch wird das bekannte Prinzip hervorgehoben, wonach die Zahlung von Geld allein einen derartigen Beweiswert nicht vorzuweisen hat, Besitzüberlassung am Grundstück hingegen prima fade ein Grundstücksgeschäft indiziert.108 109 Ob allerdings die Handlungen nur ein Grundstücksgeschäft indizieren, sei nach der Gesamtheit der Umstände des Falles zu beurteilen, wobei es nicht notwendig schaden soll, daß „an ingenious mind might suggest some other explanation of the facts(o]^nn. Sie begegnet uns schließlich im Restatement 2nd, § 129, in einem estoppel-Gewand. In deutlicher Anlehnung an den Wortlaut der § 90 Restatement 2nd, Contracts, kehrt sie das equitable element des berechtigten Vertrauens samt entsprechenden Dispositionen in den Vordergrund. Unter Verweis auf mehrere Literaturmeinungen wird in der Reporters Note kurz und prägnant festgestellt: Former §197 has been entirely rewritten to accord with the overwhelming weight of American authority that the 'part performance doctrine' rests on 'estoppel' and 'virtual fraud' rather than on ideas of livery ofseisin or on evidentiary consideration^ .181 Das Element der evidentiary function wird zwar nicht restlos über Bord geworfen, jedoch seiner Bedeutung weitgehend beraubt. Obgleich nämlich Comment b ausfuhrt, neben dem Vertrauenselement unterliege der Bestimmung des § 129 auch der Beweiszweck, soll dieser Zweck bereits dann erfüllt sein, wenn entweder die Handlungen der Parteien selbst den Vertrag indizieren, oder aber sonst „clear and convincing evidence^ vorliegt. Einer evidentia rei bedarf es sohin nicht, sie nimmt die Gestalt einer alternativ zur Verfügung stehenden Möglichkeit, den Vertrag zu beweisen, ein.181 182 Daher gebraucht Dunham v Dunham die bereits geläufige Wendung, die Handlungen müßten auf einen mündlichen Vertrag zwischen den Parteien bezogen und mit einem solchen konsistent sein, nicht mehr im Sinne eines evidentia-reiErfordernisses. Vielmehr kann der mündliche Vertrag mit allen Beweismitteln dargetan werden. Bewiesener Vertrag und part performance dürfen sich dann freilich nicht inkonsistent zueinander verhalten.183 Ähnlich wird in Phillips v Britton - in Anlehnung an eine Entscheidung aus der Ära des ersten Restatement - klarer Beweis gefordert, wenngleich das Ergebnis durch den Hinweis abgesichert wird, die konkreten Umstände hätten auch nach dem Beweismaß der preponderance of evidence nicht auf einen Vertrag schließen lassen.184 Indessen wird auch hier keine evidentia rei gefordert, vielmehr werden alle Beweismittel zugelassen mit Ausnahme jener Parteienerklärungen, die diese unter sich abgegeben haben.185 Es fallt auf, daß auf das Restatement 2nd überhaupt kein Bezug genommen wurde, sodaß - mangels Entscheidungserheblichkeit - sogar die Frage offenbleibt, ob promissory estoppel (neben part performance) als Rechtsbehelf zur Verfügung steht.186 Allerdings weicht z.B. Deutsch v Budget Rent-A-Car vom generellen Trend der Aufgabe des evidentia-rei-Erfordernisses ab und statuiert ein solches jedenfalls im Ergebnis.187 Freilich wird bereits ein flexibler Test angewandt, indem die part-performance-H3nd\\xng nur einen „solchen“ Vertrag zu indizieren brauche, nicht hingegen die einzelnen Klauseln. Indessen wird auch dort deutlich, daß vor allem jüngere Präjudizien auf Billigkeitserwägungen aufbauen188, wohingegen es 181 Restatement 2nd, Contracts, § 129, Reporters Note, vor Comment a. 182 Restatement 2nd, Contracts, § 129, Comments b und d. 183 Vgl. Dunham v Dunham 528 A2d 1123 (Conn. 1987) (1130), wo schlichtweg darauf verwiesen wird, daß im unterinstanzlichen Verfahren das Vorliegen eines Vertragsschlusses verneint wurde; auf die Art der Beweismittel wird dabei nicht abgestellt. 184 Phillips v Britton 516 NE2d 692 (Ill.App.Ct. 5 Dist. 1987) (698). 185 Phillips v Britton 516 NE2d 692 (Ill.App.Ct. 5 Dist. 1987) (698). 186 Phillips v Britton 516 NE2d 692 (Ill.App.Ct. 5 Dist. 1987) (700). 187 Deutsch v Budget Rent-A-Car 517 A2d 491 (N.J. Super Ct. A.D. 1986) (492f). 188 Siehe Deutsch v Budget Rent-A-Car 517 A2d 491 (N.J. Super Ct. A.D. 1986) (493).

ältere Entscheidungen sind, die das evidentia-rei-Erfordernis zur Diskussion bringen.189 Insoweit ist es auch nicht verständlich, daß sich die Entscheidung pauschal auf § 129 Restatement 2nd, Contracts^ beruft. Wie dargelegt, lassen die Comments zum Restatement nämlich alle Beweismittel zu, um „clear and convincing evidence'' des Vertrages zu erbringen.190 Wenngleich das Gericht also im Ergebnis das evidentia-rei-^riordmüs durchaus flexibel handhabt, gelingt es ihm nicht, sich von diesem Kriterium insgesamt zu trennen und nur irgendwelchen, klaren Beweis zu fordern. Insgesamt reflektieren diese Entscheidungen die Mutation der part-performance-X)Q\Ann in ein estoppel-Institut nur unvollständig; der mit § 129 des Restatement 2nd, Contracts, vorgezeichnete Weg wird nur zögerlich beschritten. Hingegen zeichnet eine Mehrzahl an Entscheidungen, die seit dem Restatement 2nd, Contracts, ergangen sind, eben jenen Weg klar nach. Diese Urteile verweisen meist ausdrücklich auf § 129 Restatement 2nd, Contracts, entkleiden die doctrine of part performance ihrer Beweisfunktion und vollziehen die Wandlung hin zu einem am Vorbild des promissory estoppel orientierten Institut.191 Mit der Betonung dieser estoppel-Funktion geht auch eine Ausweitung des Anwendungsbereiches einher: Nicht nur Besitzübertragung verbunden mit teilweiser Kaufpreiszahlung oder aber wertvolle Aufwendungen auf das Grundstück fuhren zur Durchsetzbarkeit des Vertrages, sondern schlechthin irgendwelche Vertrauensdispositionen einer Partei. Fernerhin soll die action in reliance nach § 129 Restatement 2nd, Contracts, selbst dann möglich sein, wenn aufgrund überschneidender Anwendungsbereiche auch andere Statute-of-FraudsBestimmungen zur Anwendung kommen.192 Außerdem soll das Rechtsinstitut beiden Parteien, also auch dem Verkäufer, zugute kommen.193 Die Entwicklung der Doktrin zu einem estoppel-insüXxxt scheint sohin auch ein Abstreifen eben jener Fesseln mit sich zu bringen, welche der equitable doctrine ofpart performance aus geschichtlich-prozessualen Gründen noch anhafteten. Vollständig abgeschlossen wird dieser Prozeß mit § 129 Restatement 2nd, Contracts, indessen noch nicht: Es verbleibt insbesondere die historisch bedingte Beschränkung auf die Durchsetzung des formwidrigen Vertrages durch specific performance 194 Doch ist auch hier ein Trend erkennbar, die Begrenzung aufzugeben. Im Uniform Land Transactions Act 1975 (i.d.F. 1977) wird die Entwicklung der § 197 des ersten Restatement,

189 Vgl. die hierzu zitierten Entscheidungen in Deutsch v Budget Rent-A-Car 517 A2d 491 (N.J. Super Ct. A.D. 1986) (492f). 190 Deutlich Restatement 2nd, Contracts, § 129, Comment b aber auch d. 191 Vielfach wird hier ausdrücklich von estoppel gesprochen: Vgl. Pappas Industrial Parks, Inc. v Athena Psarros et. al. 511 NE2d 621 (Mass.App.Ct. 1987); Spensley Feeds v Livingston Feed & Lumber 381 NW2d 601 (Wis.Ct.App. 1985), wo besondere bundesstaatliche Vorschriften vorlagen; Combined Network, Inc. v Equitable Life Assurance Society of the United States 805 F2d 1292 (7th Cir. 1986); Winternitz v Summit Hills Joint Venture 532 A2d 1089 (Md. Ct. Spee. App. 1987), wo auf § 129 Restatement 2nd, Contracts, verwiesen wird, wenngleich in eine Sachprüfung aus anderen Gründen nicht einzutreten war. 192 Hierzu, samt Beispielen, Restatement 2nd, Contracts, § 129, Comment f. 193 Siehe Restatement 2nd, Contracts, § 129, Comment e. 194 Specific performance war der von den equity-Gerichten zur Verfügung gestellte Rechtsbehelf zur Durchsetzung vertraglicher Ansprüche in equity, zur fernerhin bestehenden Beschränkung auf specific performance siehe den Wortlaut in § 129 Restatement 2nd, Contracts.

Contracts, hin zu § 129 Restatement 2nd, Contracts, bereits mitverfolgt.195 Dem rechtsfortbildenden Charakter eines Uniform Law entsprechend196, wird die Beschränkung auf specific performance aufgegeben.197 Und wenngleich es offenbar dem Charakter der Uniform Laws entspricht, daß ihnen die Gesetzgebung der Bundesstaaten gerade im Liegenschaftsrecht häufig die Gefolgschaft versagt198, und dies auch auf den Uniform Land Transaction Act zutrifft, so werden jedenfalls sich abzeichnende oder doch wünschenswerte Rechtsentwicklungen vorgezeichnet und dadurch zu beschleunigen versucht. § 2-201 Uniform Land Transaction Act zeigt sohin in aller Klarheit die Bereitschaft, alle Limitierungen der ehemaligen partperformance-T)GYXnx\ aufzugeben und diese durch ein reines estoppelAnsüXxA zu ersetzen. bb. Die weitere „Ausdehnung“ des estoppel-Pnxmps

Tritt part performance in der Gestalt eines estoppel-Instituts - insbesondere angelehnt an § 90 Restatement 2ndy Contracts - auf, so löst sich seine Beschränkung auf Grundstücksgeschäfte automatisch auf.199 Promissory estoppel war von vornherein und niemals auf Grundstücksverträge beschränkt, fraglich war anfangs lediglich, ob damit auch die Rechtsfolgen des Statute of Frauds umgangen werden können.200 Seit dies aber anerkannt ist201, besteht keinerlei Anlaß, dieses Institut vertragstypusorientiert zu beschränken. Indem auch das Restatement 2nd in seinen Comments § 129 als spezielle Ausformung der estoppel-Regei bezeichnet, 195 Vgl. den Verweis von Comment 3 zu § 2-201 Uniform Land Transaction Act, 13 ULA 513, auf - die damals projektierte - § 197 Restatement 2nd, Contracts, die im endgültigen Restatement 2nd, Contracts mit § 129 beziffert wird. 196 Vgl. allgemein zur Arbeit der National Conference of Commissioners on Uniform State Laws: Thomas in Thompson on Real Property, Volume 2, 40ff (z.B. 41, wo vom Ziel gesprochen wird, im Rahmen der Rechtsharmonisierung „better law