Unerlaubte Kunst: Der öffentliche Raum als künstlerische Arena 9783839460726

Kunst im öffentlichen Raum bewegt sich oft am Rande der Legalität. Für Graffiti- und Street-Art-Künstler*innen macht ger

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Unerlaubte Kunst: Der öffentliche Raum als künstlerische Arena
 9783839460726

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Randolf Helmstetter Unerlaubte Kunst

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Randolf Helmstetter (Mag. art) studierte Kulturwissenschaften an der Kunstuniversität Linz.

Randolf Helmstetter

Unerlaubte Kunst Der öffentliche Raum als künstlerische Arena

Besonderer Dank gilt dem Land Oberösterreich, der Stadt Linz und dem Förderungsverein der Kunstuniversität Linz für die finanzielle Unterstützung der Publikation sowie der Kunstuniversität Linz und dem Förderungsverein der Kunstuniversität Linz für die finanzielle Unterstützung der Forschungsarbeit.

Förderungsverein der Kunstuniversität Linz Diese Publikation ist aus einer kulturwissenschaftlichen Abschlussarbeit an der Kunstuniversität Linz hervorgegangen, die für die Veröffentlichung überarbeitet wurde. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2022 transcript Verlag, Bielefeld Alle Rechte vorbehalten. Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Korrektorat: Marianne Eppelt, Leipzig Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-6072-2 PDF-ISBN 978-3-8394-6072-6 https://doi.org/10.14361/9783839460726 Buchreihen-ISSN: 2365-1806 Buchreihen-eISSN: 2702-9557 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: https://www.transcript-verlag.de Unsere aktuelle Vorschau finden Sie unter www.transcript-verlag.de/vorschaudownload

Inhalt

1. 1.1 1.2 1.3

Einleitung..................................................................... 9 Eingrenzung & Methodik ....................................................... 18 Forschungsstand ............................................................. 22 Freiheit von Kunst ............................................................ 26

2. 2.1 2.2 2.3

Öffentlicher Raum – Bestimmung des Unbestimmten ........................ 29 Der öffentliche Raum als Arena – alle sind Publikum, alle sind AkteurInnen ..... 33 Hegemonien im öffentlichen Raum – männlich dominierter Raum .............. 36 (Legale) Kunst im öffentlichen Raum .......................................... 39

3. 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5

Unautorisierte künstlerische Praktiken im öffentlichen Raum ............... 43 Graffiti ....................................................................... 48 Street Art .................................................................... 52 Artivism ...................................................................... 59 Unauthorized Public Interventions ............................................. 71 Unauthorized Public Art – Versuch einer Begriffsbestimmung ................... 81

4. 4.1 4.2 4.3

Die Rolle der Medien ......................................................... 85 Das Wechselspiel mit den Massenmedien ...................................... 90 Katalysator Internet – Instagramability & Co................................... 93 Öffentliche Diskussion ........................................................ 96

5. 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5

Rahmenbedingungen ........................................................ 101 Gründe für unautorisierte künstlerische Handlungen im öffentlichen Raum..... 101 Rollenbild und KünstlerInneninszenierung – Illegale Kunst in der Rezeption.... 104 Protagonistinnen ............................................................ 108 Taktiken unautorisierten Handelns ............................................ 111 Arbeitsbedingungen und Dokumentation ...................................... 114

5.6 Orte für die illegale Kunstproduktion im öffentlichen Raum. Orte der Macht/subtile Orte ............................................................ 116 5.7 Konspiratives Verhalten – künstlerische Kriminelle ........................... 120 5.8 UrheberInnenschaft/Anonymität .............................................. 121 5.9 Pekuniäre Verwertbarkeit .................................................... 125 6. Gesetz, Moral, Recht ......................................................... 127 6.1 (Un)nötige Rechtsbrüche?..................................................... 127 6.2 Recht, Gesetze und Verordnungen als definitionsbestimmende Aspekte von künstlerischen Praktiken, die im Konflikt mit dem Gesetz stehen . 130 6.3 Gesetze/Verordnungen/Vorschriften.......................................... 132 6.4 Kunstfreiheit ................................................................ 132 6.5 Die Crux mit der Kunstfreiheit/Berufung auf Kunst ........................... 134 6.6 Gesetzliche Übertretungen von KünstlerInnen ................................ 135 6.7 Moralische/ethische Fragen zu illegaler Kunst im öffentlichen Raum .......... 142 6.8 Double Standards............................................................ 146 7. 7.1 7.2 7.3

Grenzbereiche ............................................................... 151 Prank ....................................................................... 152 Urban Exploration ........................................................... 159 Guerilla Marketing ........................................................... 165

8.

Eine weitere Perspektive – Repressive Systeme und unautorisierte Kunst im öffentlichen Raum – Fallbeispiel Russland ............................... 169 8.1 Fördern repressive Systeme illegale künstlerische Praktiken im öffentlichen Raum? ........................................................... 172 8.2 Kleine Abfolge illegaler künstlerischer Aktionen im Außenraum in Russland bzw. der Sowjetunion................................................176 8.3 Veränderungen – ist der Zenit überschritten?................................. 192 9. 9.1 9.2 9.3 9.4 9.5 9.6 9.7

Fazit ......................................................................... 197 Rekapitulation ................................................................ 197 Standpunkt.................................................................. 199 Was bleibt von illegalen künstlerischen Projekten im Außenraum? ............ 199 Internet und digitale Verhandlung ............................................ 200 Physische Verhandlung (im Museum) – der Weg in den Kunst-Kosmos ......... 201 Es ist noch Platz im Museum ................................................. 205 Grenzen, Grenzverschiebungen............................................... 207

9.8 Ausblick...................................................................... 211 Literaturverzeichnis...............................................................215 Monografien, Aufsätze, Sammelbände...............................................215 Fachzeitzeitschriften, Journale, Einzelartikel ...................................... 224 Digitale Medienberichterstattung .................................................. 226 Themabezogene Webpräsenzen ................................................... 234 Juristische Texte.................................................................. 236 Filme und Videos.................................................................. 238 Rechercheinstrumente und Nachschlagewerke......................................241 Danksagungen ................................................................... 243 Bildanhang ....................................................................... 245

1. Einleitung

„Society produces space and space reproduces society.“1 So reformuliert Tim Cresswell in seinem Buch In Place/Out of Place. Geography, Ideology, and Transgression die gemeinhin bekannte Annahme, dass die von Menschen geschaffenen Räume umgekehrt auch uns und unsere Gesellschaft prägen. Für Kunst, die den Anspruch hat, in der Gesellschaft zu wirken, scheint der (eigenmächtige) Schritt in diese Räume – den öffentlichen Raum – daher geradezu logisch. Sie speist sich so direkt in die Korrelation zwischen Raum und Gesellschaft ein; im direkten Eingriff in die uns umgebende physische Wirklichkeit beeinflusst sie, wie die Gesellschaft sich ausformuliert. Wann Kunstschaffende erstmalig unautorisiert im öffentlichen Raum agierten, lässt sich nicht exakt bestimmen. Abseits früher, vereinzelter Ansätze der Avantgarden der 1910er/1920er Jahre2 kann eine breite, länderübergreifende Tendenz ab den 1960er Jahren festgestellt werden. Unter dem Einfluss der gesellschaftspolitischen Entwicklungen und auch der einfachen Verfügbarkeit neuer Medien wagten sich damals KünstlerInnen3 und Kreative mit unterschiedlichem Hintergrund in den öffentlichen Raum. Die künstlerischen Praktiken bzw. Bereiche, die sich dabei herausbildeten, sind vielfältig und stehen doch in Beziehung zueinander. Innerhalb dieser Arbeit werden sie im Sinne eines breit angelegten Verständnisses von Kunst als gleichberechtigt begriffen: als Gruppe von Aktivitäten, die sich auch wechselseitig beeinflussen und beeinflusst haben, und denen gemein ist, dass bei ihrer Ausführung Gesetze, Verordnungen und Regeln missachtet werden.

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Cresswell, Tim: In Place/Out of Place. Geography, Ideology, and Transgression, Minneapolis, 1996, S. 12. Hier sind vor allem Futurismus, Dadaismus und Surrealismus gemeint. Bei der Nennung der Funktionsbezeichnungen mit Binnen-I sind in diesem Buch stets alle Personen sämtlicher Geschlechter gemeint.

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Bisher gibt es in der deutschen und englischsprachigen Literatur keine Publikation, die das Feld als Ganzes zu fassen versucht hat. Bei der Recherche zu illegaler Kunst im Außenraum fällt auf, dass das Thema aus wissenschaftlicher Perspektive meist nur in Bezug zu den Bereichen Street Art und Graffiti verhandelt wird. Selten beziehen Überlegungen auch den Artivism4 mit ein. Diese Arbeit entstand aus der Grundannahme, dass neben diesen drei genannten Bereichen weitere illegale künstlerische Praktiken im Außen existieren, die weder dezidiert politisch sind noch dem aktuellen Verständnis von Graffiti und Street Art entsprechen. Die unautorisierte künstlerische Aneignung des Außenraums, den wir alle teilen, ist eine private Aktion, die unmittelbar Öffentlichkeit erzeugt.5 Die dabei verwendeten Medien (Performance, Installation etc.) wirken eingebettet in das Medium des öffentlichen Raums. Sie nutzen seinen Kontext und erlangen durch ihn Sichtbarkeit, wohingegen herkömmliche Kunst für die Erlangung von Öffentlichkeit das Medium der Ausstellung benötigt.6 Daneben existieren die (Massen-)Medien und in den letzten Jahrzehnten auch das Internet – im Sinne dieser Arbeit ebenfalls als Medium verstanden – als Orte, durch die künstlerische Arbeiten Öffentlichkeit erlangen können. (Genauer analysiert werden die Wirkungsmechanismen der verschiedenen Medien im Kapitel 4/Die Rolle der Medien. Da die für diese Arbeit relevanten Bereiche sich wechselseitig beeinflussen, wird aber auch schon früher immer wieder darauf eingegangen.) Kunst im Außenraum ist also sofort öffentlich, es gibt in gewisser Hinsicht kein „Entrinnen“.7

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In dieser Arbeit wird der Begriff Artivism benutzt für aktivistische künstlerische Praktiken – illegale, politische Kunst im Außenraum etc. Siehe Kapitel 3.3/Artivism. Wie Cresswell am Beispiel von Graffiti beschreibt, verschieben sich dabei die Grenzen zwischen Privatem und Öffentlichem. „Graffiti also challenges the dominant dichotomy between public and private space. It interrupts the familiar boundaries of the public and the private by declaring the public private and the private public.“ Cresswell: In Place/Out of Place. Geography, Ideology, and Transgression, S. 47. Diese Aussage bezieht sich in erster Linie auf die Gegenwart. An dieser Stelle muss Kunst im öffentlichen Raum mitgedacht werden, die in Form von Statuen auf Sockeln etc. schon seit Jahrhunderten, wenn nicht sogar seit der Antike, existiert. Da es sich dabei aber auch heute i.d.R. um Auftragskunst handelt, wird dieser Gedanke hier nicht weiter verfolgt. Für bestimmte Werke, die an schwer einsichtigen Orten platziert sind, trifft dies jedoch nur theoretisch zu.

1. Einleitung

Werken, die über die Medien Ausstellung oder etwa Fernsehen Öffentlichkeit erlangen, kann sich durch Fernbleiben (Ausstellung) oder das Ab- bzw. Umschalten (Fernsehen) entzogen werden. Die (komplette) Verweigerung des öffentlichen Raums ist hingegen praktisch nur sehr schwer realisierbar.8 Worin besteht aber der Unterschied zwischen genehmigter Kunst im öffentlichen Raum und den illegalen Praktiken? Auf der Produktionsseite gibt es eine Vielzahl von Vor- und Nachteilen, die in Kapitel 5/Rahmenbedingungen näher erörtert werden. Was bedeutet die Illegalität dabei für die Rezeption, sowohl direkt im Medium öffentlicher Raum als auch in zweiter Instanz, in einer anderen „medialen Verfasstheit“ 9 , eingebettet in andere Medien wie eine Ausstellung oder das Internet? Im Außenraum können RezipientInnen unvorbereitet auf legale und illegale Kunst stoßen. Genehmigte Praktiken beschränken sich jedoch spätestens seit den 1960ern nicht mehr auf traditionelle Formate wie Skulptur, sondern beinhalten u.a. auch performative, ephemere und subversive Projekte.10 Ist ohne zusätzliche Informationen, ohne die „offizielle“ Deklarierung von autorisierten Projekten als Kunst, überhaupt noch differenzierbar, was illegal ist und was legal? Und ist nicht gerade das Spiel mit dem Schein des Offiziellen, die Mimikry, wiederum etwas, das sich illegale Praktiken häufig zunutze machen? Kokettiert nicht umgekehrt die Werbung oft mit dem anrüchigen Impetus illegaler künstlerischer Praktiken? Macht es folglich für RezipientInnen in diesem Verwirrspiel überhaupt einen Unterschied, ob Projekte legal oder illegal realisiert werden? Alison Young führt in ihrem Buch Street Art, Public City. Law, Crime and the Urban Imagination für (Street-Art-)Werke, auf die RezipientInnen im öffent-

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Die Isolationspraktiken der japanischen Hikikomori – so werden in Japan Menschen bezeichnet, die ihre Wohnung nicht verlassen – zeigen jedoch, dass es innerhalb von Gesellschaften durchaus Tendenzen gibt, das Außen zu verweigern. (Prekäre) Beschäftigungsverhältnisse in Homeoffice-Tätigkeiten, die Zunahme von Lieferdiensten etc. sind Faktoren, die dieser Lebensweise Vorschub leisten. Vgl. Glaser, Katja: Street Art und neue Medien. Akteure – Praktiken – Ästhetiken, Bielefeld, 2017, S. 19. Es ist wichtig festzuhalten, dass das Gegensatzpaar hier ganz präzise legale Kunst im öffentlichen Raum – illegale Kunst im öffentlichen Raum heißen muss. Offiziell – informell wäre als Unterscheidung falsch, denn es gibt Beispiele illegaler Kunstprojekte, die öffentlich gefördert wurden. Umgekehrt ist nicht jedes informelle Projekt illegal.

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lichen Raum unvermittelt stoßen, den Begriff „situational“ ein.11 Der Aspekt der Illegalität beruht laut Young dabei entweder auf der tatsächlich illegalen Platzierung der Arbeit oder auf der „assumption“12 der BetrachterInnen zur Illegalität des Werks.13 Dieser Punkt offenbart, wie Kunst in ihrem jeweiligen Kontext gelesen wird, und dass bestimmte Kontexte im Zusammenspiel mit bestimmten Ästhetiken gewisse Schlussfolgerungen bei den RezipientInnen evozieren, mit den Worten von Tim Cresswell formuliert: „The place of an act determines (as much as it is determined by) the reaction to the act and the meanings accorded to it.“14 Oder etwas reduziert: „The geographical setting of actions plays a central role in defining our judgement of whether actions are good or bad.“15 Momente, in denen die Realität kippt, das Gewohnte gebrochen wird, haben unabhängig davon, ob sie unautorisiert oder legitimiert erzeugt werden, eine Qualität für RezipientInnen und ProduzentInnen. Dafür müssen die Situationen bzw. Werke allerdings überhaupt wahrgenommen werden, was scheinbar gar nicht so oft gelingt, wie ein Experiment aus dem belgischen Antwerpen nahelegt. Dort setzte im Jahr 2008 der renommierte Künstler Luc Tuymans in einer Seitenstraße eine ca. 2 x 3 m große Malerei auf einer Betonfassade um. Ohne weiterführende Informationen wurde die Wandmalerei gut sichtbar auf Höhe des Gehsteigs angebracht. Anschließend wurde mit einer versteckten Kamera erhoben, wie viele PassantInnen von dem neuen Kunstwerk Notiz nahmen. Das ernüchternde Ergebnis (107 von 2965 Personen in 48 Stunden) könnte dazu verleiten, Kunst im Außenraum generell infrage zu stellen.16 11 12

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Young, Alison: Street Art, Public City. Law, Crime and the Urban Imagination, Abingdon, 2014, S. 8. Assumption bedeutet im Englischen so viel wie „something that you accept as true without question or proof.“ Das Wort lässt sich daher mit dem deutschen Begriff Annahme nur schwer übersetzen, weil in diesem Wort der Aspekt der Vermutung impliziert wird. „[T]he illegality of the work existing either as a result of its placement without permission or through the assumptions about the work brought by the spectator.“ Ebd. S. 8. Cresswell: In Place/Out of Place. Geography, Ideology, and Transgression, S. 61. Ebd. S. 14. Vgl. Kranz, Olaf/Schmidt, Nora: Aus dem Rahmen gefallen: über das Fungieren von Street Art und anderen Kunstwerken dies- und jenseits des Kunstbetriebs, in: Soziale Systeme. Zeitschrift für soziologische Theorie, H. 2 (2010), S. 150f., https://nbn-resolving. org/urn:nbn:de:0168-ssoar-292518 abgerufen am 19.05.2021. Ein Video zu der Aktion

1. Einleitung

Ulrich Blanché führt dazu in Bezug auf Street Art verschärfend aus, dass diese für die meisten Menschen im Alltag nicht mehr als visueller Lärm sei. Darüber hinaus sei es oft sogar für Menschen, die sich für Street Art interessieren, schwer, die Werke im Außenraum zu entdecken: „Most passers-by on the street do not recognize Street Art if it is not a big mural that is in-your-face. For them, Street Art and Graffiti are often forms of visual noise that they ignore. Even most people who seek out Street Art online a lot tend to overlook Street Art on the street, as they are not trained to see it.“17 Ungeachtet dessen, dass in den routinierten Abläufen des Alltags illegale (und legale!) Kunstprojekte von vielen unentdeckt bleiben, formuliert Alison Young, wie die Werke, auf die wir unvermittelt stoßen, Kontroversen und Fragen in uns auslösen: „In facing the controversion offered by the encounter with the situational artwork, the spectator is inevitably placed in a position of response and responsibility regarding the artwork, required to answer for herself the questions, ›what is it?‹, ›who made this‹, and ›why?‹.“18 Hier drängt sich die bereits vorgebrachte Frage auf, ob ein Werk tatsächlich illegal sein muss, um diese Auseinandersetzung in der Rezeption im Außenraum herbeizuführen. Können nicht auch legitimierte Arbeiten, die ohne weiterführende Informationen im Stadtraum realisiert werden, und die das Kriterium des „Out of Place“19 erfüllen, die also am falschen Ort auftauchen bzw. an einem Ort, dem eine andere Bedeutung, andere Normen eingeschrieben sind, den gleichen Effekt haben? Dies scheint der Fall zu sein, aber in Bezug auf Youngs Konzept der situational artworks muss bedacht werden, dass vor dem Hintergrund ihrer Erscheinung diese Werke vermutlich ebenfalls als illegal gelesen werden. Wenn Erscheinungsbild und Örtlichkeit im Zusammenspiel den Eindruck einer illegalen Handlung vermitteln, wird der Aspekt der Legalität auf RezipientInnenseite nicht in Erwägung gezogen und wird somit

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findet sich auf YouTube, vgl. Van Der Haegen, Inge: Klara, Famous and Tuymans launch Klara.be, in: YouTube, veröffentlicht am 18.04.2008, https://www.youtube.com/watch?v =96TyAQ7KnVQ abgerufen am 19.05.2021. Blanché, Ulrich: Banksy. Urban Art in a Material World, Marburg, 2016, S. 52. Young: Street Art, Public City. Law, Crime and the Urban Imagination, S. 33. Vgl. Cresswell: In Place/Out of Place. Geography, Ideology, and Transgression.

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irrelevant. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass bestimmte Praktiken aufgrund des Kontexts, in den sie eingebettet sind und mit dessen inhärenten Normen sie kollidieren, als illegal gelesen werden, ganz gleich, ob sie unautorisiert durchgeführt wurden oder nicht.20 Demgegenüber gibt es Projekte, die sich perfekt in eine Umgebung einschreiben, die, obwohl sie illegal sind, als legitimiert gelesen werden. Zwischen diesen beiden Extremen gibt es unzählige Zwischentöne. Offizielle Filmdrehs, Sendungen wie Versteckte Kamera, AmateurInnen, die Prank-Videos21 erstellen usw. verwischen die Grenzen von Fiktion und Realität, lassen uns den öffentlichen Raum immer mehr auch als Raum fiktiver Handlungen, als artifiziellen Handlungsrahmen mitdenken.22 Ist nicht aber jede fiktive Handlung auch eine reale? In Bezug auf Formate wie Versteckte Kamera und das dabei sehr unterschiedliche Erleben von Realität ist das eine wichtige Frage, die in Kapitel 7/Grenzbereiche näher thematisiert wird. Das situative Momentum der Werke/Aktionen fördert beim Aufeinandertreffen mit ihnen im Außenraum das Interesse. Es ist aber meist die zweite Wirkungsebene, in der – über ein weiteres Medium vermittelt – der Regelverstoß als wichtiger Aspekt der Arbeit tragend und tatsächlich erfahrbar wird und einen Kommunikations- und Denkraum eröffnet.23 Er wirkt als Katalysator für die Verhandlung (szeneintern, innerhalb des Kunstbetriebs, gesamtöffentlich über Social Media und die Massenmedien), bringt eine zusätzliche Bedeutungsebene mit sich und wird als historisches, wahres Ereignis gelesen, das unser Verständnis der Wirklichkeit umschreibt. Während Kunst, wie Dagmar Fenner beschreibt, eine „Als-ob-Handlung“ darstellt24 bzw. die Konfrontationen, wie Pjotr Pawlenski bemerkt, in einem

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In der Regel sind sie tatsächlich illegal, aber da es auch legale Projekte gibt, die mit diesem Momentum spielen, muss dieser Aspekt hier mitbedacht werden. Vgl. Kapitel 7.1/Prank. Das ist eine westlich-urbane Sichtweise, die einerseits auf einem gewissen Maß an Medienkonsum gründet und die andererseits auf der Erfahrung basiert, dass solche Ereignisse (etwa ein Filmdreh) sich tatsächlich im städtischen Raum zutragen. Darüber hinaus gibt es im Grenzbereich Projekte, die illegal im erweiterten öffentlichen Raum passieren, aber nicht dort rezipierbar sind, sondern ausschließlich über weitere Medien. Hier kann schon von einer Aufführung/Inszenierung gesprochen werden. Vgl. Fenner, Dagmar: Was kann und darf Kunst? Ein ethischer Grundriss, Frankfurt/New York, 2013, S. 111. Der von Dagmar Fenner eingeführte Begriff „Als-ob-Handlung“ wird für diese Arbeit aufgegriffen und immer wieder verwendet.

1. Einleitung

symbolischen Raum stattfinden,25 verlassen illegale Projekte im Außenraum dennoch den rein fiktionalen Raum und werden zu realen Handlungen. Der Rechtsbruch als konstituierendes Moment lässt sie Teil einer weiteren Wirklichkeit werden, mit realen Konsequenzen für alle Involvierten (für die möglichen Geschädigten, die VerursacherInnen, die ZeugInnen, die Exekutive, die Judikative, im Extremfall sogar die Legislative26 ). Die Erfahrung bzw. das Bewusstsein dieser Wirklichkeit in situ – im öffentlichen Raum – hängt stark von der Lesart und dem Verständnis der RezipientInnen ab, wie sie also das Projekt innerhalb seines Kontextes auch in Bezug auf mögliche Reaktionen interpretieren. Der Regelverstoß wird in der medialen Verhandlung der Arbeiten (auf der Website der KünstlerInnen, in der Zeitung, in den Sozialen Medien etc.) ausgewiesen.27 Dadurch findet eine für alle RezipientInnen erfahrbare Kontextualisierung, unabhängig von der situativen Lesbarkeit des Projekts im Außenraum, statt. So eröffnen sich neue Assoziationsräume für das Werk, das in Zusammenhang mit den ausführenden KünstlerInnen28 und mit der Aktion gelesen wird, die ihm zugrunde liegt. Der Realisierungsvorgang und die Aktion sind also ein Teil der Arbeit, schreiben sich in ihre Bedeutung ein. Jedes illegale Projekt im Außenraum besteht daher aus der Aktion und den sie bedingenden Umständen, der Persönlichkeit der Künstlerin/des Künstlers, aus dem Werk selbst im klassischen Sinn, der Rezeption in erster Ebene (im Medium öffentlicher Raum), seiner medialen Repräsentation in einer „anderen 25

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Vgl. Danischewksi, Ilja/Velminski, Wladimir: Pjotr Pawlenski. Gefängnis des Alltäglichen. Gespräche, Berlin, 2016, S. 122. Auf den russischen Künstler Pjotr Pawlenski wird innerhalb dieser Arbeit immer wieder eingegangen, da sein Werk eine extreme Position darstellt. Die permanenten Rechtsbrüche von AkteurInnen aus den Bereichen Graffiti und Street Art haben auch die Gesetzgebung immer wieder zu Nachbesserungen/Verschärfungen veranlasst. Bzw. auch nicht ausgewiesen, nicht alle KünstlerInnen vermerken auf ihrer Website, dass Projekte unautorisiert sind, zum Teil wird dieser Aspekt bewusst offen gelassen und erschließt sich erst über Interviews etc. Im Fall von Street-Art- und Graffiti-Blogs, Foren, Facebook-Seiten etc. findet i.d.R. keine direkte Ausweisung statt, vielmehr werden entsprechende Projekte aufgrund von Beschaffenheit und Kontext automatisch als illegal verhandelt. Illegale Kunstwerke im Außenraum befördern die Frage nach den UrheberInnen. Auch wenn ihre Identität nicht in Erfahrung gebracht werden kann, so wirkt sich die Rolle der unautorisiert agierenden KünstlerInnen auf die Rezeption aus. Vgl. Young: Street Art, Public City. Law, Crime and the Urban Imagination, S. 33.

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Verfasstheit“29 über den lokalen Kontext hinaus sowie der Nachverhandlung/ Bedeutungszuschreibung/Vollendung in der Rezeption in zweiter Ebene und ggf. im Diskurs. Das Foto etwa eines Street-Art-Werks ist somit kein bloßes Foto der Arbeit, sondern ein Bestandteil davon, Street Art wechselt ihre „mediale Verfasstheit“ (Glaser).30 Die Korrelation zwischen den einzelnen Aspekten, die das Werk ausmachen, kann unterschiedlich stark ausgeprägt sein, sie unterliegt einer zeitlichen Abfolge. So kommt die Aktion vor dem Werk im klassischen Verständnis31 , die Rezeption in erster Ebene vor dem Werk in einer anderen „medialen Verfasstheit“ und in letzter Instanz die Rezeption in zweiter Ebene und die Verhandlung.32 Die Gewichtung der einzelnen Teile für das Projekt im Ganzen fällt für die verschiedenen Bereiche der unautorisierten Kunst im öffentlichen Raum unterschiedlich stark aus. Das klassische Werk verliert seinen exklusiven Status als die einzige Verkörperung der künstlerischen Idee, ist hier nur noch ein Aspekt unter mehreren. Während bei Street Art die Bedeutung des Werks im klassischen Sinne noch ziemlich zentral ist, kann sich dies bei Artivism etc. durchaus verschieben. Die künstlerische Arbeit im traditionellen Verständnis ist hier oft nur noch der Anlass, um Kommunikations- und Reflexionsprozesse zu initiieren. Die zeitlich-räumliche Komponente der unautorisierten Projekte im Außenraum ist dabei aufmerksamkeitsökonomisch wichtig, gerade durch ihren ephemeren Charakter und ihre Relation zu einem Ort wecken die Arbeiten Interesse. Zugleich bedingt beides aber auch die Kurzlebigkeit dieser Aufmerksamkeit, wie Katja Glaser darlegt.33 29

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Vgl. Glaser: Street Art und neue Medien. Akteure – Praktiken – Ästhetiken, S. 19. Wie Glaser beschreibt, ist zu bedenken, dass bereits an dieser Stelle sich andere AkteurInnen in das Werk einschreiben, da am medialen Übertragungsprozess der Arbeit neben den KünstlerInnen auch weitere Personen beteiligt sein können. Katja Glasers Formulierung „mediale Verfasstheit“ wird für diese Arbeit als Arbeitsbegriff übernommen und im Folgenden immer wieder verwendet. „Dies bedeutet, dass ein Street-Art-Werk niemals für sich allein steht, sondern dass seine (antizipierte) fotografische Dokumentation und die damit einhergehenden Anschlusspraktiken mitgedacht werden müssen.“ Ebd. S. 163. Performative Projekte bilden die Ausnahme, hier ist die Aktion das Werk. Die Rezeption in erster Ebene kann in seltenen Fällen entfallen, die veränderte „mediale Verfasstheit“ kann auch in der bloßen Weitergabe über das Medium Sprache erfolgen. Vgl. Glaser: Street Art und neue Medien. Akteure – Praktiken – Ästhetiken, S. 292f. Katja Glaser bezieht sich dabei vor allem auf eine größere mediale Öffentlichkeit und erläu-

1. Einleitung

Bei der Wirkung der Projekte müssen die KünstlerInnen in ihrer Rolle als GesetzesübertreterInnen mitbedacht werden. Immer verleiht der Regelverstoß ihren Anliegen Nachdruck, in einer positiven Rezeption kann er authentisierend wirken. Die AkteurInnen widersetzen sich dem Gesetz, ihnen kommt eine StellvertreterInnenfunktion für positiv gestimmte RezipientInnen zu, die im Sinne aktivistischer künstlerischer Ansätze auch eine Vorbildfunktion sein kann. Die David-gegen-Goliath-Konstellation, in der sich KünstlerInnen im Gegenüber zu Staat und mächtigen WirtschaftsträgerInnen sehen, trägt dabei ihren Teil zur Inszenierung bei, macht sie zu heldischen Identifikationsfiguren. In der negativ besetzten Wahrnehmung von Werken kippen diese positiven Zuschreibungen ins Gegenteil: Die KünstlerInnen werden zum Feindbild. Anmaßung, Überheblichkeit, Selbstüberschätzung und Effekthascherei prägen den Eindruck, den die RezipientInnen von ihnen haben. Jedes illegale Kunstprojekt erfährt positive und negative Resonanzen, das Verhältnis kann stark divergieren.34 Es ist genau diese Kontradiktion, das Spannungsfeld zwischen Pro und Kontra, das den unautorisierten künstlerischen Praktiken im öffentlichen Raum Relevanz verschafft. Das den Werken inhärente Konfliktpotenzial erzeugt im Sinne Rancières Kontroversen, durch die Dinge in Bewegung geraten können.35 In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Street Art oder Artivism überwiegt bezüglich der Rezeption dieser beiden Bereiche eine wohlwollende Grundhaltung der AutorInnen gegenüber dem Forschungsfeld. Vielleicht gerade weil für Street Art anerkannt ist, dass die AkteurInnen (mitunter ungewollt) Teil neoliberaler Wertschöpfungsprozesse sind – was im Grunde

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tert dies am Beispiel des Künstlers Paolo Cirio. Die zeitlich-räumliche Komponente ist jedoch auch für die Aufmerksamkeit in erster Instanz, also für die RezipientInnen im öffentlichen Raum, von Bedeutung. Das gilt auch für jedes legale Kunstwerk, überhaupt für jede menschliche Handlung. Klassische Galerie- und Museumskunst tangiert jedoch die Lebensrealität der meisten Menschen kaum. In Bezug auf die illegalen Kunstprojekte im Außenraum ist die Resonanz unmittelbarer, da die Werke einerseits öffentlich sichtbar sind und es anderseits Geschädigte gibt bzw. die Gesellschaft im Ganzen betroffen ist, wenn die Regeln, die als Gesellschaftsgrundlage dienen, gebrochen werden. Eine indifferente Haltung ist hier unwahrscheinlicher. Vgl. Wenzel, Anna-Lena: Grenzüberschreitungen in der Gegenwartskunst. Ästhetische und Philosophische Positionen, Bielefeld, 2011, S. 210.

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negativ ist, aber als Indiz gesehen werden kann, dass Street Art gesamtgesellschaftlich positiv wahrgenommen wird –, reflektieren abseits des Aspekts der Illegalität nur wenige WissenschaftlerInnen in der deutsch- bzw. englischsprachigen Literatur in Bezug auf die direkte Wirkung der Arbeiten mögliche ablehnende Haltungen von RezipientInnen.36 Für Artivism lässt sich ähnliches beobachten. Vor dem Hintergrund von repressiven Regimen oder aufgrund der vermeintlich hehren politischen Absichten der AkteurInnen werden die Praktiken allzu oft aus einem zustimmenden Blickwinkel verhandelt. Dabei werden andere Perspektiven selten mitbedacht und der Artivism aus dem rechten Spektrum – mit ganz anderen politischen Absichten – wird oft völlig vergessen.37 Einzig der Bereich Graffiti wird scheinbar differenzierter verhandelt, weil hier die gesamtgesellschaftliche Ablehnung größer und offensichtlicher ist.

1.1

Eingrenzung & Methodik

Sich dem umfangreichen und vielseitigen Feld der unautorisierten künstlerischen Praktiken im öffentlichen Raum anzunähern, ist kein leichtes Unterfangen. Zunächst muss ein Verständnis vom öffentlichen Raum erarbeitet werden, in der Form, wie dieser für diesen Text verstanden werden soll (Kapitel 2/Öffentlicher Raum – Bestimmung des Unbestimmten).

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Dabei geht es nicht darum, formal-ästhetische Qualitäten der Arbeiten infrage zu stellen, sondern lediglich zu artikulieren, dass es eine nicht unbeträchtliche Anzahl negativer Reaktionen auf Street Art gibt, unabhängig vom Ärgernis der Illegalität. Etwa in der Publikation Global Activism von Peter Weibel. Vgl. Weibel, Peter (Hg.): Global Activism. Art and Conflict in the 21st Century, Cambridge, 2015, oder in dem Text From Action Art to Artivism on Instagram. Vgl. Rodal, Bernárdez/Castillo, Graciela Padilla/ Sosa Sánchez, Roxana Popelka: From Action Art to Artivism on Instagram: Relocation and instantaneity for a new geography of protest, in: Catalan Journal of Communication & Cultural Studies, H. 1 (2019), S. 23-37, online: https://pdfs.semanticscholar.org/9eb4/ bd6ba50b04dd5a487fa63259545f7a3ac7c8.pdf abgerufen am 16.05.2021. In seinem Essay Wie frei ist die Kunst? bezieht Hanno Rauterberg hingegen auch rechtskonservative ArtivistInnen in seine Überlegungen mit ein. Er beschreibt dabei, wie verblüffend die Ähnlichkeiten zwischen den Strategien und Mitteln der rechten Identitären und des Zentrums für politische Schönheit sind. Vgl. Rauterberg, Hanno: Wie frei ist die Kunst? Der neue Kulturkampf und die Krise des Liberalismus, Berlin, 2018, S. 128f.

1. Einleitung

Darüber hinaus bezieht sich die Auseinandersetzung innerhalb dieser Arbeit vordergründig auf Projekte, die im Kontext der Bildenden Kunst verortet werden können.38 Unendliche Weiten Die Möglichkeit, nur einen Teilbereich zu untersuchen und den Fokus auf einzelne Praktiken – etwa unautorisierte Performances – zu beschränken, wurde mitbedacht. Im Hinblick auf die verschiedenen, sich überlagernden künstlerischen Taktiken, die sehr ähnlichen Mechanismen folgen, und im Sinne einer größtmöglichen Inklusion und der damit verbundenen Bewusstmachung für die Vielseitigkeit der Praktiken, wurde jedoch davon Abstand genommen und versucht, das Feld in seiner Gesamtheit zu betrachten. Dass ein Versuch der Vollständigkeit nicht glücken kann, ist unbestreitbar. Einerseits verändern sich die Praktiken ständig und formen dabei neue Ausdrucksweisen, andererseits fußt die gesamte Informationslage auf dem, was sich in Publikationen, Video- und Filmdokumenten sowie im Internet abbildet. Praktiken, die zwar illegal sind/waren, dabei aber nicht den Weg der medialen Veröffentlichung in zweiter Instanz einschlagen, bleiben somit unsichtbar. Es können innerhalb dieser Arbeit nur einige wenige Arbeiten exemplarisch herausgenommen und stellvertretend beschrieben und untersucht werden. Die hervorgehobenen Werke sollen dabei bestimmte Aspekte repräsentativ für die anderen Projekte vertreten. Die Auswahl erfolgte nach persönlicher Maßgabe in Hinblick darauf, ob sich bestimmte (gemeingültige) Qualitäten anhand des gewählten Beispiels besonders gut herauslesen lassen. Dem Text liegt nicht der Anspruch zugrunde, das Feld vollständig abzudecken, sondern lediglich der Wunsch eine Ahnung zu vermitteln von dem weitläufigen Bereich der unautorisierten künstlerischen Handlungen im öffentlichen Raum und den verschiedenen Aspekten, die relational mit diesen Praktiken in Verbindung stehen. Alle Facetten bis ins letzte Detail auszuleuchten, würde den Rahmen einer solchen Arbeit sprengen. Der Begriff „künstlerische Praktiken“ wird verwendet, weil in vielen Einzelfällen die Frage, ob es sich um Kunst handelt oder nicht, zwar durchaus berechtigt sein kann, aber innerhalb dieser Arbeit nicht erörtert werden soll. Es werden also auch Tätigkeiten im Grenzbereich Kunst und Protest sowie

38

Street Art und Graffiti werden oft nicht zur Bildenden Kunst gezählt. Innerhalb dieser Arbeit werden sie als Teil davon betrachtet.

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20

Unerlaubte Kunst

verschiedene unautorisierte kreative Aktivitäten im öffentlichen Raum, die sich im Internet abbilden, als künstlerische Praktiken tituliert. Der Konflikt mit dem Gesetz ist im erweiterten Sinn zu verstehen. Bei den Projekten, die untersucht werden, muss es nicht zwangsläufig zu einem juristischen Nachspiel kommen, wichtig ist nur, dass sie illegal, also ungenehmigt durchgeführt wurden und potenziell geahndet werden können. Methodik Ich untersuche die Thematik auf Basis einer Recherche, die sich auf vorhandene Publikationen, Zeitungsartikel sowie Internetseiten stützt. Mir ist bewusst, dass ich dadurch das Phänomen aus einem vor-gefilterten Blickwinkel verhandle, der nur ein Destillat der verschiedenen Positionen abbildet und dabei vor allem auf jene Projekte eingeht, die in zweiter Instanz eine besondere Sichtbarkeit erlangen konnten. Daneben flossen als eine Form der Feldrecherche persönliche Kontakte zu Street-Art- und Graffiti-KünstlerInnen (z.B. Zelle Asphaltkultur, Jens Besser, Aton „Make“ Polsky), Bekanntschaften mit einigen ArtivistInnen (z.B. Dennis Mustafin) sowie akademisch ausgebildeten bildenden KünstlerInnen, die z.T. illegal im öffentlichen Raum arbeiten (z.B. Margit Greinöcker, Katharina Gruzei, Rainer Nöbauer, Zweintopf), in die Auseinandersetzung mit dem Thema mit ein. Neben diesen AkteurInnen habe ich auch Personen, die an der Wissensbildung zu unautorisierter Kunst im öffentlichen Raum arbeiten oder an der Distribution dieser Kunst beteiligt sind, getroffen: etwa die Kunsthistorikerin Ilaria Hoppe mit dem Forschungsschwerpunkt Graffiti, Ilya Budraitkis, einen russischen Theoretiker mit Schwerpunkt Artivism, den Kurator und Theoretiker Robert Kaltenhäuser und den Kunsthistoriker Harald Hinz, die sich dem Feld Graffiti widmen oder den Galeristen Colin Linde von der Wiener Oxymoron Galerie, in der immer wieder illegale Positionen aus dem Bereich Street Art/Graffiti verhandelt werden. Darüber hinaus verfüge ich über einen persönlichen Bezug zum Thema, der auf eigenen praktischen Erfahrungen gründet, meine Sicht ist also zum Teil die Sicht von innen. Ausgehend von einer ersten ungenehmigten Kreidezeichnung an einem Gebäude – noch vor meiner Alphabetisierung, vermutlich zu DDR-Zeiten – lässt sich diese Spur über den ersten illegalen Farbauftrag mittels Sprühdose im Jahr 1994 bis in die Nullerjahre zurückverfolgen. Es beschränkt sich dieser frühe Blickwinkel von innen auf eine Perspektive, die in erster Linie eine Einsicht in den Bereich Graffiti (je nach Definition später

1. Einleitung

auch Street Art) liefert. Das ist insofern interessant, als damit eine gewisse Kenntnis dieses Feldes einhergeht, die vor dessen exzessiver Verhandlung im Internet einsetzt, somit die Erfahrung verschiedener medialer Wechselwirkungen mit einschließt. Seit Mitte der Nullerjahre habe ich ein gesteigertes Interesse an künstlerischen Praktiken jenseits von Graffiti und Street Art, die sich ungenehmigt den öffentlichen Raum aneignen. Gerade wegen dieses persönlichen Zugangs bin ich um größtmögliche Objektivität und eine neutrale Auseinandersetzung mit der Thematik bemüht. Der Text fußt daher vor allem auf wissenschaftlich belegbaren Quellen. Die teilweise vorhandene Innenperspektive kommt allenfalls ergänzend als zusätzlicher Aspekt zum Tragen. Es ist keinesfalls die Absicht dieser Arbeit, eine Genealogie zu formulieren, diese Aufgabe wird der Kunst-Geschichtsschreibung überlassen. Das Themenfeld wird aus einer Jetzt-Perspektive untersucht, frühe Positionen werden dabei zeitgenössischen Tendenzen gleichberechtigt gegenübergestellt. Ausgehend von der Beobachtung, dass ab ca. 1960 die selbstautorisierte Aneignung des öffentlichen Raums in der Kunst und darüber hinaus zu einem größeren Thema wurde, beginnt die Untersuchung mit diesem Zeitpunkt. Das Hauptaugenmerk dieser Arbeit liegt – nicht zuletzt aufgrund der vergleichsweise guten Publikationslage – auf den sogenannten westlichen Industrienationen, vornehmlich Zentral- und Westeuropa sowie Nordamerika. Als Recherchegrundlage für die Beschaffung von Fachlektüre dienten dabei die Onlinekataloge der Österreichischen Nationalbibliothek39 , der Deutschen Nationalbibliothek40 und der British Library41 , innerhalb derer zu einer Reihe von relevanten Termini Literatursuchen durchgeführt wurden. Darüber hinaus wurden diese Begriffe auch für die Suche über Internet-Suchmaschinen benutzt, um über weitere Kanäle Inhalte zu finden, die nicht in den Katalogen der Nationalbibliotheken gelistet sind. Zudem wurden KünstlerInnen-Websites, Museums-Websites, Zeitungs-Websites, Videoportale, Blogs etc. aufgesucht. Als weitere Perspektive wurde außerdem ein Blick auf Russland angestrengt (siehe Kapitel 8/Eine weitere Perspektive). Dies bot sich an, da im Zu-

39 40 41

Österreichische Nationalbibliothek, [Website], https://www.onb.ac.at/ abgerufen am 13.01.2021. Deutsche Nationalbibliothek, [Website], https://www.dnb.de/DE/Home/home_node. html abgerufen am 13.01.2021. British Library, [Website], https://www.bl.uk/ abgerufen am 13.01.2021.

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Unerlaubte Kunst

ge der Recherche der Verdacht aufkam, dass unterschiedliche politische Verhältnisse verschiedene Ausprägungen illegaler Kunst im öffentlichen Raum bedingen. Da ich zwar die kyrillischen Buchstaben lesen kann und einzelne Wörter verstehe, aber der russischen Sprache nicht mächtig bin, war auch hier die deutsch- bzw. englischsprachige Literatur besonders wichtig. Daneben flossen eine Archivrecherche in Moskau und Gespräche mit russischen KünstlerInnen und KulturaktivistInnen (vor allem aus Moskau) in die Recherche mit ein. Der Überblick – insbesondere zu Unauthorized Public Interventions42 und Artivism –, der sich mir im Rahmen der Recherche vermittelte, ist vermutlich stark verzerrt und gerade in diesen beiden Bereichen dadurch beeinflusst, dass besonders Projekte mit einer großen Anschlusskommunikation eine hohe Sichtbarkeit erlangen und nachfolgend in Publikationen etc. gelangen. Es sind also eher bekannte Referenzwerke, auf die ich mich innerhalb der Arbeit beziehe. Unscheinbare illegale Projekte müssen aber ebenso mitgedacht werden. Street Art und Graffiti sind bedeutend öfter im öffentlichen Raum anzutreffen und darüber hinaus i.d.R. langlebiger als etwa performative Aktionen aus dem Artivism. Hier fällt es leichter, unabhängig von Sekundärliteratur, direkt einen Eindruck von den verschiedenen Spielarten zu bekommen.

1.2

Forschungsstand

Das große und umfassende Thema der unautorisierten Kunstproduktion im öffentlichen Raum ist bisher kaum zusammenhängend erforscht worden. Zu den einzelnen Teilbereichen – also zum Beispiel zu Street Art – existieren Publikationen, die sich jedoch häufig nicht auf die illegalen Projekte beschränken, sondern einen breiten Zugang legen und sich einem Bereich im vollen Umfang widmen. Illegalität ist dabei nur ein Aspekt unter vielen. Zwei Publikationen, die einen umfassenden Eindruck vermitteln von den unautorisierten künstlerischen Praktiken im öffentlichen Raum und dabei den Begriff nicht zu eng fassen, sind als Orientierung für mein eigenes Verstehen der illegalen Kunst im öffentlichen Raum besonders wichtig: einerseits 42

Diesen Begriff führe ich im Kapitel 3/Unautorisierte künstlerische Praktiken im öffentlichen Raum ein, um die weiteren unautorisierten künstlerischen Praktiken im öffentlichen Raum abseits von Graffiti, Street Art und Artivism zu beschreiben.

1. Einleitung

das 1985 erschienene Buch Street Art von Allan Schwartzman43 sowie die Publikation legal / illegal. Wenn Kunst Gesetze bricht / Art beyond Law von der NGBK Berlin (2004)44 . Allan Schwartzman legt in seinem Band ein sehr breites Verständnis von Street Art an, er bezieht dabei sowohl legale, performative Praktiken mit ein, etwa die Künstlerin Mierle Laderman Ukeles45 , als auch frühe illegale Referenzen wie Christo und Jeanne Claude mit ihrem Werk Wall of Oil Barrels – The Iron Curtain46 von 1962 (Abb. 1), bei dem sie für einige Stunden die Rue Visconti in Paris durch eine Wand aus Ölfässern blockierten. Die Publikation der NGBK behandelt fast ausschließlich illegale Projekte, viele davon wurden im erweiterten öffentlichen Raum realisiert. Während hier auch performative aktivistische Praktiken einbezogen werden, werden die Bereiche Graffiti/Street Art mit Ausnahme von Harald Naegeli47 – dem Sprüher von Zürich – fast gänzlich ausgeklammert. Die beiden erwähnten Veröffentlichungen sind nicht wissenschaftlich, eine Arbeit, die aus wissenschaftlicher Perspektive das Feld als Ganzes begreift und untersucht, konnte ich im Rahmen meiner Recherche in der deutschen und englischsprachigen Literatur nicht finden. Dennoch bilden die beiden Bücher gemeinsam, in Ergänzung zueinander das gedankliche Fundament für mein Verständnis der unautorisierten künstlerischen Praktiken im öffentlichen Raum, das möglichst weit gefasst ist und auch Grenzbereiche mitbedenkt. Dieser Arbeit liegt die Auffassung zugrunde, dass das gesamte Feld der unautorisierten Kunst sich ständig verändert und im Zuge der vereinfachten Möglichkeiten von Produktion und Reproduktion neue AkteurInnen und neue Praktiken im Grenzbereich der Kunst entstehen. Insbesondere zu den Bereichen Graffiti und Street Art, aber auch zum Artivism wurde bereits sehr viel veröffentlicht, im wissenschaftlichen sowie im nicht-wissenschaftlichen Kontext. Die übrigen unautorisierten künstlerischen Praktiken im öffentlichen Raum – von mir mit dem Arbeitsbegriff Unauthorized Public Interventions benannt (siehe Kapitel 3.4/Unauthorized Public

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Vgl. Schwartzman, Allan: Street Art, New York, 1985. Vgl. Neue Gesellschaft für Bildende Kunst (Hg.): legal / illegal. Wenn Kunst Gesetze bricht / Art beyond Law, Stuttgart, 2004. Vgl. Schwartzman: Street Art, S. 42f. Ebd. S. 88ff. Vgl. Treeck, Bernhard van: Graffiti Lexikon. Legale und Illegale Malerei im Stadtbild, Berlin, 1998, S. 179ff.

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Unerlaubte Kunst

Interventions) – lassen sich schwer fassen und wurden bisher kaum beschrieben.48 Es existieren Publikationen, die sich im Kontext der Kunst dem Begriff der Interventionen widmen, dabei durchaus die subversive Geste im Blickfeld haben, aber für deren Verständnis der Aspekt der Illegalität nicht erforderlich ist und die zudem auch den Innenraum und die klassischen Repräsentationsorte der Kunst einbeziehen.49 Am ehesten deckt sich dieser von mir definierte Bereich mit einer Vielzahl der Positionen, die in legal / illegal. Wenn Kunst Gesetze bricht / Art beyond Law50 vorgestellt werden. Ursachen für diese dürftige Datenlage sind, dass KünstlerInnen einerseits nicht jedes Projekt als „illegal“ deklarieren, das ungenehmigt umgesetzt wurde. Beim Durchblättern eines Katalogs oder beim Scrollen durch eine Website fallen diese Projekte also nicht weiter auf, es sei denn, es wird von den KünstlerInnen so intendiert und entsprechend gekennzeichnet. Demgegenüber gilt für eine Vielzahl von Graffiti- oder Street-Art-Arbeiten allein schon durch den Ort der Realisierung und die Ästhetik die Grundannahme, dass es sich um illegale Werke handelt, was nicht zwangsläufig so sein muss. Darüber hinaus gibt es wenige KünstlerInnen, die das unautorisierte Arbeiten im Außenraum zur permanenten Methode machen und überwiegend auf diese Weise ihre Projekte realisieren. Zu den bereits erwähnten Grenzpraktiken (siehe Kapitel 7/Grenzbereiche – ich widme meine Aufmerksamkeit hier dem Prank, der Urban Exploration und dem Guerilla Advertising) gibt es eine unterschiedlich gute Publikationslage. Während das Thema Guerilla Advertising schon weitreichend wissenschaftlich behandelt wurde, fand in den Bereichen Urban Exploration und

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Es gibt scheinbar keine Publikation, die sich dezidiert illegaler Kunst im öffentlichen Raum widmet, die nicht zu den drei bereits erwähnten Richtungen Graffiti, Street Art und Artivism gehört. Die Recherche, die dieser Einschätzung zugrunde liegt, gestaltet sich schwierig, da es keinen Begriff für diesen Bereich gibt, dennoch kann aufgrund umfangreicher Sucharbeit mit entsprechenden Schlagworten angenommen werden, dass in dieser Richtung noch keine Beschreibung stattgefunden hat. Bildbände wie Tresspass (Taschen, 2010) oder Urban Interventions (gestalten, 2010) beinhalten sowohl Street-Art-Projekte als auch legale Arbeiten, legal / illegal. Wenn Kunst Gesetze bricht / Art beyond Law beschränkt sich nicht auf Projekte im Außenraum. Vgl. Hartmann, Doreen/Lemke, Inga/Nitsche, Jessica (Hg.): Interventionen. Grenzüberschreitungen in Ästhetik, Politik und Ökonomie, Paderborn, 2012. Vgl. Neue Gesellschaft für Bildende Kunst (Hg.): legal / illegal. Wenn Kunst Gesetze bricht / Art beyond Law.

1. Einleitung

Prank die Verhandlung lange Zeit vor allem szeneintern (Urban Exploration) bzw. über die Massenmedien (Prank) statt.51 Dies hängt damit zusammen, dass es sich bei beiden Praktiken um Phänomene handelt, die erst in der Wechselwirkung mit dem Internet für einen größeren Teil der Bevölkerung sichtbar wurden und die in diesem Sinne erst seit Kurzem ins Bewusstsein der Forschung rücken. Dennoch gibt es zu beiden Gebieten bereits einige wissenschaftliche Aufsätze, die im Zuge dieser Arbeit berücksichtigt wurden. Die Datenlage zur unautorisierten Kunst im öffentlichen Raum in Russland bzw. der Sowjetunion ist verhältnismäßig gut. Während seit der Perestroika einige Publikationen erschienen sind, die sich den jeweils aktuellen Kunstströmungen (Moskauer Aktionismus, Aktivistische Kunst/Artivism52 etc.) widmen und dabei zahlreiche Beispiele illegaler künstlerischer Aktionen/Projekte im Außenraum aufführen, gibt es zur (unautorisierten) Kunst im Außenraum zur Sowjetzeit jedoch wenig Material53 . Wie bereits beschrieben, stütze ich mich überwiegend auf englisch- bzw. deutschsprachige Literatur. In Ermangelung von Sprachkenntnissen habe ich also in Bezug auf mögliche russischsprachige Publikationen einen blinden Fleck, obschon Teile einzelner Werke händisch von mir übersetzt wurden. Durch Gespräche mit KünstlerInnen, KulturaktivistInnen etc., die Recherche im Archiv des NCCA54 und der Bibliothek des Moskauer Garage-Museums55 , habe ich aber versucht, mir ein umfassendes Wissen anzueignen, mögliche Lücken zu schließen und einen repräsentativen Überblick zu erlangen.

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In Bezug auf Prank meint das die (wissenschaftliche) Auseinandersetzung mit dem neuen, vom Internet getragenen Phänomen der Streiche im öffentlichen Raum, die oft von Laien umgesetzt werden, die z.T. durch ihre Aktionen eine hohe Bekanntheit erreichen. Der Begriff Artivism wird dabei von mir innerhalb dieser Arbeit verwendet. In den entsprechenden Publikationen wird er allenfalls als eine mögliche Bezeichnung für die Praktiken erwähnt. Dies liegt – wie sich im Laufe der Forschung herausstellte – daran, dass es zur Sowjetzeit quasi keine öffentlich sichtbaren illegalen Kunstprojekte gab (siehe Kapitel 8/Eine weitere Perspektive). National Center for Contemporary Art, [Website], vormals http://www.ncca.ru/ archiviert unter: http://ncca.ru/index.jsp abgerufen am 03.10.2021. Bibliothek des Garage Museums im Moskauer Gorki-Park, [Website], https://garagem ca.org/en/library abgerufen am 03.10.2021.

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Unerlaubte Kunst

1.3

Freiheit von Kunst

In seinem Esssay Wie frei ist die Kunst? beschreibt Hanno Rauterberg, dass durch das Internet eine „Zensur von unten“56 stattfinde, in der sich die Kunst den Empfindlichkeiten von „Affektgemeinschaften“ unterzuordnen hat. Er berichtet von regelrechten Mob-Mentalitäten, die sich in den Sozialen Medien beobachten lassen und die dadurch die Kunst und ihre Repräsentationsorte in ihrer Freiheit beschränken.57 „Die Freiheit des Netzes tendiert dazu, die Freiheit der Kunstinstitutionen einzuschränken [...]“58 , fasst er das Paradoxon zusammen und führt weiter aus „ […] dass Tabus, die lange als gebrochen galten, neue Gültigkeit gewinnen können, sobald sich das gesellschaftliche Klima verändert und damit die Rezeptionserfahrungen des Publikums anderen Reaktionsmustern folgen.“59 In Bezug auf Rauterbergs Einschätzung muss hinzugefügt werden, dass dies lediglich einen kleinen Teil der AkteurInnen betrifft, die sich künstlerisch betätigen – den privilegierten Teil der KünstlerInnenschaft, der aktiv am Geschehen in den Institutionen teilnimmt. Für die Mehrheit der Kreativen ist der Weg in die Öffentlichkeit der großen Museen nicht geebnet. Ihr Schaffen bildet sich in Artist-Run-Spaces oder anderen informellen Kontexten ab und trifft dabei nicht auf das gleiche öffentliche Entrüstungspotenzial. Die Freiheit der Kunst ist also vor allem im Bereich der (öffentlich finanzierten) Institutionen bedroht, die z.T. durch „vorauseilenden Gehorsam“60 mittels Selbstzensur kritische Positionen im Vorfeld aussieben. Es gibt jedoch künstlerische Praktiken, die abseits der klassischen Repräsentationsorte der Kunst eine Öffentlichkeit erreichen und oft gerade im Wechselspiel mit dem Internet Grenzen überschreiten und neue Freiheiten finden. Gemeint sind die künstlerischen Praktiken, die sich im Außenraum abbilden und dort unautorisiert agieren. Sie durchbrechen die Hegemonien im öffentlichen Raum und die Ausschlussmechanismen des Kunstbetriebs. KünstlerInnen, die diesen Arbeitsbereich nutzen, machen den Außenraum

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Rauterberg: Wie frei ist die Kunst? Der neue Kulturkampf und die Krise des Liberalismus, S. 16. Ebd. S. 51. Ebd. S. 52. Ebd. S. 58. Ebd. S. 118.

1. Einleitung

zu ihrem Medium. Losgelöst von formal-ästhetischen und inhaltlichen Beschränkungen agieren sie in ihm. Dabei erfahren sie für ihre künstlerischen Grenzüberschreitungen statt der von Rauterberg beschriebenen „Zensur von unten“ oft eine gegenteilige Legitimation „von unten“, die sich durch hohen Zuspruch (meist innerhalb der eigenen Blase61 ) äußert und dadurch, dass die jeweilige Arbeit viral erfolgreich ist bzw. eine hohe Verbreitung findet. Einerseits macht sie das für OpponentInnen schwerer angreifbar, andererseits können diese i.d.R. weder der ephemeren, physischen Projekte im öffentlichen Raum habhaft werden, noch eine Zensur im digitalen Raum erwirken.62 Für einen Shitstorm fehlen häufig die richtigen AdressatInnen, denn anders als ein aus öffentlichen Geldern finanziertes Museum sind BlogbetreiberInnen oder Internetportale keinen FördergeberInnen verpflichtet. Sie beziehen ihr (soziales) Kapital aus Klicks und gerade kontrovers diskutierte Projekte generieren oft hohe Klickzahlen. Darüber hinaus ist das Verhältnis von KünstlerInnen zu Museen ein anderes als das von KünstlerInnen zu BlogbetreiberInnen. Der Schritt in den öffentlichen Raum im Zusammenspiel mit der Nutzung des Internets kann für KünstlerInnen also ein großes Maß an Sichtbarkeit und Freiheit bedeuten. Wieso genügt es aber nicht, Werke im Atelier zu produzieren und diese sodann ins Internet zu stellen, um eine große Sichtbarkeit zu erlangen? Reichen nicht versierte künstlerische Fertigkeiten und pointierte Inhalte aus, um eine große Resonanz bei RezipientInnen zu erreichen? Die drei Faktoren, die illegale Kunstprojekte im Außenraum definieren, die Ortsgebundenheit, die zeitliche Limitation sowie das konsequenzbehaftete Ereignis (das transgressive Momentum, das verschiedene Aspekte beinhaltet, die private Aktion mit öffentlichem Charakter, den Regelverstoß etc.) wirken scheinbar authentisierend und verleihen den Werken eine große Anziehungskraft. Zudem kann als vierter Faktor das Publikum auf die Rezeption einwirken, PassantInnen fertigen u.U. eigene Fotos der Arbeit an und verbreiten diese im Internet. 61

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Der Begriff Blase meint hier homogene (zustimmende) Resonanzräume, die Menschen gleicher Interessen und Ansichten bilden. Im virtuellen Raum verstärken Algorithmen diese Tendenz, wie Eli Pariser darlegt, der 2011 im Bezug auf das Internet den Begriff der Filterblase bekannt machte. Vgl. Pariser, Eli: The Filter Bubble. What the Internet Is Hiding from You, New York, 2011. Nicht alle der Arbeiten beinhalten dabei das Internet als Ort der Verhandlung/ Rezeption. Dieser Abschnitt bezieht sich speziell auf jene Projekte, die im Internet eine größere Öffentlichkeit erreichen.

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Unerlaubte Kunst

Internet-Kunstfreiheit – Resonanzraum Aufgrund der Bottom-up-Struktur des Internets63 ist die Kunst heute in mancher Hinsicht freier denn je, weil das Internet den klassischen Repräsentationsorten der Kunst die Bedeutung streitig macht und zensurierende Partikularinteressen dort kaum durchsetzbar sind. Das heißt nicht, dass KünstlerInnen zuvor nicht ebenso frei waren, jedoch war das Erreichen einer, wie auch immer gestimmten Öffentlichkeit (die potenziell die Freiheit infrage stellen könnte) aufgrund der Exklusionsmechanismen des Kunstsystems weit schwieriger. Heute können durch das Internet KünstlerInnen jeder Richtung – selbst jene, die der politischen Rechten nahestehen, wie etwa der von Rauterberg erwähnte Street Artist Sabo aus Los Angeles64 – ihr Publikum finden und Öffentlichkeit erlangen. Innerhalb der Filterblasen, in denen wir uns im Netz bewegen, funktionieren diese Teil-Öffentlichkeiten dabei als positiver Resonanzraum, in dem die Struktur einiger Netzwerke kaum Möglichkeiten für Ablehnung vorsieht, wie Katja Glaser am Beispiel der „Like-Praktiken“ von Facebook beschreibt.65 Für KünstlerInnen kann es also eine Option sein, jenseits von Institution und Galerie, den Weg in den Außenraum einzuschlagen und im Zusammenspiel mit Internet und allenfalls Artist-Run-Spaces eine andere Narration zu erarbeiten. Für die Positionen, die in dieser Arbeit behandelt werden, gilt also, dass sie i.d.R. ohne einen institutionellen Rahmen realisiert werden.

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Wobei anfechtbar ist, dass das Internet tatsächlich eine Bottom-up-Struktur formt. Letztlich sind es große Konzerne, die Plattformen zur Verfügung stellen, die Distribution von Inhalten durch Algorithmen steuern und Kommunikationswege vorgeben. Vgl. Rauterberg: Wie frei ist die Kunst? Der neue Kulturkampf und die Krise des Liberalismus, S. 126. Vgl. Glaser: Street Art und neue Medien. Akteure – Praktiken – Ästhetiken, S. 140ff.

2. Öffentlicher Raum – Bestimmung des Unbestimmten

Das komplexe Thema des öffentlichen Raums soll an dieser Stelle in seinen Grundzügen behandelt werden. Dabei wird vor allem auf Aspekte eingegangen, die für diese Arbeit relevant scheinen. Zunächst wird die physische Dimension des öffentlichen Raums definiert, auf den sich die Kunstwerke, die in weiterer Folge vorgestellt werden, beziehen. „Was ist, wo beginnt der öffentliche Raum, wo endet er? Ist er das, was passiert, wenn man seine Wohnungstür öffnet? Ist er also durch eine Grenze definiert, durch eine Mauer, einen Zaun, und: ist jenseits dieser Grenze der private Raum? Oder gibt es ein »Dazwischen« und wie wird es wahrgenommen? Oder ist einfach alles schlicht »hybrid«?“1 Über den öffentlichen Raum wird viel geschrieben und noch mehr geredet. Trotzdem bleibt seine Definition schwammig, verschiedene wissenschaftliche Disziplinen denken ihn auf unterschiedliche Weise.2 Neben dem Aspekt des vermeintlich öffentlichen Eigentums gilt die allgemeine Zugänglichkeit für viele AutorInnen als eine Definitionsgrundlage.3

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Klamt, Martin: Ästhetik der Grenzen – Grenzen der Ästhetik: Zur Wahrnehmbarkeit des öffentlichen Raums aus Nutzersicht, in: Berding, Ulrich/Havemann, Antje/Pegels, Juliane/Perenthaler, Bettina (Hg.): Stadträume in Spannungsfeldern. Plätze Parks und Promenaden im Schnittbereich öffentlicher und privater Aktivitäten, Detmold, 2010, S. 190. Vgl. Selle, Klaus: Stadträume in Spannungsfeldern: Untersuchungsperspektiven. Neue Blicke auf Plätze, Parks und Promenaden, in: Berding/Havemann/Pegels/Perenthaler (Hg.): Stadträume in Spannungsfeldern. Plätze Parks und Promenaden im Schnittbereich öffentlicher und privater Aktivitäten, S. 25. Ebd. S. 26/27.

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Unerlaubte Kunst

„Unschärfen zeigen sich schon in der akademischen Begriffsdiskussion, die bedingt öffentliche, halböffentliche, semi-öffentliche, quasi öffentliche, veröffentlichte private, privat produzierte, öffentlich nutzbare und private öffentliche Räume kennt [...].“4 Straßen, Plätze und Parks, das sind die Orte, die am ehesten mit diesem Begriff assoziiert werden. Es handelt sich dabei um Bereiche, die in der Regel der öffentlichen Hand gehören und die ohne Einschränkungen zugänglich sind. Für diese Arbeit wird der öffentliche Raum im Sinne der Urbanistik als Möglichkeitsraum im Außen verstanden.5 Öffentlicher Raum und Öffentlichkeit bedingen einander. Volker Gerhardt hinterfragt in seinem Buch Öffentlichkeit. Die politische Form des Bewusstseins, ob Öffentlichkeit eine moderne Erscheinung ist, die erst mit der Verbreitung von Kommunikationsmedien entstand. Er führt an, dass es schon früher „Formen der Verständigung im Ganzen“6 gab, und fragt, ob diese nicht auch Öffentlichkeit produziert hätten?7 Wenn öffentliche Räume das „Ergebnis einer gesellschaftlichen Produktion in einem langfristigen historischen Entwicklungsprozess“8 sind, dann ist trotz der hierarchisch eingeschränkten Teilhabe in frühen Gesellschaften die Öffentlichkeit nicht erst im Zusammenspiel mit Buchdruck und Zeitung in den Salons des 17. Jahrhunderts entstanden, sondern schon viel früher im Außenraum.9 Im Habermas‘schen Sinne produzieren auch die Medien Öffentlichkeit.10 „Die durch Massenmedien zugleich vorstrukturierte und beherrschte Öffent-

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Klamt: Ästhetik der Grenzen – Grenzen der Ästhetik: Zur Wahrnehmbarkeit des öffentlichen Raums aus Nutzersicht, S. 190. Vgl. Wolfrum, Sophie: Stadt, Solidarität und Toleranz, in: Bundeszentrale für politische Bildung (Hg.): Aus Politik und Zeitgeschichte, H. 17 (2010), S. 9-15. Gerhardt, Volker: Öffentlichkeit. Die politische Form des Bewusstseins, München, 2012, S. 136. Ebd. Frey, Oliver: Urbane öffentliche Räume als Aneignungsräume. Lernorte eines konkreten Urbanismus?, in: Deinet, Ulrich/Reutlinger, Christian (Hg.): Aneignung als Bildungskonzept in der Sozialpädagogik, Wiesbaden, 2004, S. 221. Sehr gut wird das bei Habermas hergeleitet, der frühe Formen der Öffentlichkeit in der griechischen Antike beschreibt, vgl. Habermas, Jürgen: Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchung zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft, Frankfurt, 1990, S. 56. Vgl. Habermas: Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchung zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft.

2. Öffentlicher Raum – Bestimmung des Unbestimmten

lichkeit”11 stellt jedoch keinen öffentlichen Raum dar, da die aktive Teilhabe einseitig ist und festgeschriebene Rollen von SenderInnen und EmpfängerInnen bestehen. Abgesehen vom physischen öffentlichen Raum selbst, der von den in diesem Text behandelten KünstlerInnen als Medium genutzt wird, hat das Internet in jüngster Zeit an Relevanz gewonnen.12 Aufgrund der verhältnismäßig demokratischen Teilhabe wird dabei oft vom digitalen öffentlichen Raum gesprochen. Dass diese Bezeichnung nicht haltbar ist, lässt sich in Hinblick auf die privaten Firmen, welche die Kommunikation im Internet lenken und die Algorithmen, die den NutzerInnen dabei divergente, personalisierte Informationen zukommen lassen, belegen. „Wenn wir einen öffentlichen Platz, eine Straße oder ein öffentliches Gebäude betreten, verändern diese nicht ihre Form oder ihr Wesen entsprechend unserer Person“13 , bemerkt Andrew Keen dazu.14 Die Medien sind generell als Ort der Verhandlung von Kunst von großer Bedeutung, sie produzieren Öffentlichkeit und wohlwollend betrachtet, erfüllt zumindest das Internet teilweise die Kriterien eines öffentlichen Raums. Es werden für diese Arbeit jedoch nur künstlerische Projekte berücksichtigt, die im physischen öffentlichen Raum realisiert werden, darauf liegt deshalb das Hauptaugenmerk dieses Kapitels. Das Internet ist dabei dennoch von Bedeutung, da es für viele der Spielweisen der unautorisierten Kunst im öffentlichen Raum ein Ort ist, an dem die Werke in zweiter Instanz von einer größeren Öffentlichkeit rezipiert und verhandelt werden, wie in Kapitel 4/Die Rolle der Medien näher beschrieben wird. Da sich der Begriff des öffentlichen Raums kaum allgemeingültig definieren lässt und da viele der künstlerischen Werke, die für diesen Text von Belang sind, in Zwischenbereichen angesiedelt sind, die sich klassischen Kategorien des öffentlichen Raums verweigern, wird die Definition des öffentlichen Raums für diese Arbeit erweitert: Was für die Öffentlichkeit im physischen Raum sichtbar ist, ist auch öffentlich. Das bedeutet, alle künstlerischen Projekte oder Interventionen, die von Orten aus wahrnehmbar sind,

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Ebd. S. 28. Innerhalb dieser Arbeit in erster Linie als Ort der Verhandlung von Kunst im öffentlichen Raum in der „medialen Verfasstheit als Fotografie“ (Glaser) oder Video. Keen, Andrew: Virtueller und realer öffentlicher Raum, in: Hoidn, Barbara (Hg.): Demo:Polis. Das Recht auf öffentlichen Raum, Zürich, 2016, S. 18f. Sozialräumlich muss die Situation differenzierter betrachtet werden, gekoppelt an den eigenen Habitus (Bourdieu) erleben Menschen den öffentlichen Raum immer individuell.

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32

Unerlaubte Kunst

die ohne (offensichtliche) Zugangsbeschränkungen funktionieren und die somit für alle Menschen erreichbar sind, sind für die vorliegende Arbeit relevant. Damit sind auch sogenannte halböffentliche Räume wie Einkaufszentren, Bahnhöfe oder Privatstraßen mit Betretungsrecht gemeint. Die Definition soll außerdem städtische und ländliche Bereiche einbeziehen. Bezogen auf den Außenraum orientiert sich diese Erweiterung an der Panoramafreiheit 15 . Die Panoramafreiheit wird durch das Urheberrechtsgesetz geschützt und erlaubt es, sämtliche Gebäude („Werke der Baukunst“), die von öffentlichen Plätzen, Straßen etc. einsichtig sind, ohne Verwendung eines Stativs und unter Wahrung der Persönlichkeitsrechte fotografisch festzuhalten und die Aufnahmen auch zu veröffentlichen. Der Vorgarten eines Einfamilienhauses oder das Dach einer Fabrik sind definitiv keine öffentlichen Räume, sie zu betreten, übersteigt den legalen Aktionsrahmen, der der Allgemeinheit zugestanden wird. Dennoch sind diese Orte von öffentlichen Straßen oder Verkehrswegen sichtbar. Illegale Kunst im Außenraum orientiert sich nicht an Betretungsverboten. Interessante Orte, die öffentlich sichtbar sind, werden auch bespielt. Insbesondere für Street Art und Graffiti gehört ein Delikt wie das unerlaubte Betreten eines fremden Grundstücks – wodurch in der Regel der Tatbestand der Besitzstörung16 (Österreich) bzw. des Hausfriedensbruchs17 (Deutschland) erfüllt ist – zu den gängigen Gesetzesübertretungen. Um der Thematik gerecht zu werden, werden daher im Zuge dieser Arbeit nicht nur die illegalen Projekte behandelt, die sich tatsächlich im klassischen öffentlichen Raum befinden, sondern alle illegalen Kunstprojekte, die im Sinne dieser erweiterten Definition der öffentlichen Wahrnehmbarkeit im Außenraum rezipierbar sind. Wenn im Folgenden vom öffentlichen Raum, dem erweiterten öffentlichen Raum oder dem Außenraum18 geschrieben wird, so bezieht sich dies auf die erweiterte Definition. 15

16 17 18

§ 54 Abs. 1 Z 5 UrhG (Österreich), vgl. proLIBRIS Verlagsgesellschaft (Hg.): Urheberrechtsgesetz. Texte Materialien Judikatur, Linz, 2011, S. 207. Bezüglich dieser erweiterten Sichtweise vgl. auch Kanter, Eginhartz: Der öffentliche Raum als Feld menschlichen Handelns. KünstlerInnen als Grenzgänger, in: Heiden, Anne von der (Hg.): zwischen.räume, Linz, 2011, S. 31f. § 339 ABGB (Österreich), siehe Kapitel 6/Gesetz, Moral, Recht. § 123 StGB (Deutschland). Der Begriff Außenraum mag dabei irreführend sein, da er i.d.R. mit Bereichen assoziiert wird, die sich unter freiem Himmel befinden. Er wird in diesem Text etwas freier verwendet und meint auch die mehr oder weniger zugänglichen, zumindest aber sichtbaren Bereiche, die sich im erweiterten öffentlichen Raum außerhalb des Privat-

2. Öffentlicher Raum – Bestimmung des Unbestimmten

2.1

Der öffentliche Raum als Arena – alle sind Publikum, alle sind AkteurInnen

Das Wort Publikum geht auf das lateinische publicus zurück, das übersetzt so viel wie öffentlich heißt.19 In seiner ursprünglichen Bedeutung meinte es alles, was sich im Außen befindet.20 Daraus leitet sich für diese Arbeit das Verständnis eines Publikums ab, das nicht grundsätzlich nur eine passive Rolle einnehmen muss, sondern das als Gruppe aller Menschen im Außen gedacht wird, von denen jede bzw. jeder Einzelne auch jederzeit aktiv werden kann. Der öffentliche Raum wird als Arena definiert. Der Arenabegriff, der sich etymologisch auf die römischen Kampfplätze der Antike bezieht, wurde deshalb gewählt, weil der öffentliche Raum ein umkämpftes Terrain ist, mit sehr ungleichen Teilhabemöglichkeiten und einzelnen AkteurInnen, die andere Gruppen marginalisieren. Er ist also ein Bereich des Konflikts und anders als in der klassischen Arena wird das Publikum dabei nicht auf eine passive Rolle reduziert. Die Möglichkeit, ins Geschehen einzugreifen, besteht jederzeit. „Öffentlicher Raum ist, im Idealfall, ein potenzieller Konfliktraum, an dem vorhandene Reibungen zwischen Gruppen und Interessensphären ausgetragen werden können.“21 Jens Dangschat sieht in „Architektur, Städteund Landschaftsbau“ dabei „[...] die ›Bühne‹ für das Wechselspiel aus Positionierungen im Raum, Rollenübernahmen und Reproduktion sozialer Positionierungen“22 . Sobald wir den Privatraum verlassen, sind wir öffentlich und stoßen dabei auf ein potenzielles Publikum. Öffentlich zu sein, bedeutet demnach das Betreten und Nutzen eines Raums, der unser Handeln als öffentlich abzubilden vermag, „daß alles, was vor der Allgemeinheit erscheint, für jeder-

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raums befinden. Dies kann u.U. auch Einkaufszentren oder sogar öffentliche Gebäude einschließen. Vgl. Gerhardt: Öffentlichkeit. Die politische Form des Bewusstseins, S. 48. Vgl. auch Kernbauer, Eva: Das Publikum in der kunsttheoretischen Tradition, in: Kammerer, Dietmar (Hg.): Vom Publicum. Das Öffentliche in der Kunst, Bielefeld, 2012, S. 51. Vgl. Gerhardt: Öffentlichkeit. Die politische Form des Bewusstseins, S. 48. Broeckmann, Andreas: Ausweitung der Öffentlichkeitszone, in: Dinkla, Söke (Hg.): PubliCity. Constructing the Truth. Kunst im öffentlichen Raum, Nürnberg, 2006, S. 23. Dangschat, Jens: Symbolische Macht und Habitus des Ortes, Die ›Architektur der Gesellschaft‹ aus Sicht der Theorie(n) sozialer Ungleichheit von Pierre Bourdieu, in: Delitz, Heike/Fischer, Joachim: Die Architektur der Gesellschaft. Theorien für die Architektursoziologie, Bielefeld, 2009, S. 319.

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Unerlaubte Kunst

mann sichtbar und hörbar ist, wodurch ihm die größtmögliche Öffentlichkeit zukommt.“23 Dabei verläuft die Grenze jedoch keineswegs klar und kann nicht nur architektonisch/geografisch gedacht werden. „Die Grenzen zwischen dem Öffentlichen und Privaten waren nie statisch, auch die Inhalte beider Sphären verändern sich ständig.“24 Im physischen öffentlichen Raum gibt es (theoretisch) keine Zugangsbeschränkungen, alle dürfen ihn betreten, die Verhaltensweisen in ihm sind durch die geltenden Rechtsvorschriften einerseits und durch gesellschaftliche Konventionen andererseits vorgegeben. Da Raum jedoch immer auch als soziales Konstrukt gedacht werden muss, bilden sich in ihm Konfliktbeziehungen ab, die unterschiedliche Handlungsräume für die sich in ihm bewegenden Subjekte definieren. „Die Form, in der der Raum angeeignet wird, ist also ein Spiegel der Rangordnungen und Herrschaftsverhältnisse.“25 Die Teilhabe am öffentlichen Raum handeln verschiedene Interessengruppen in Aneignungsprozessen aus und jede Aneignung durch AkteurInnen bedeutet zugleich auch eine Marginalisierung anderer. Die Räume im Außen überlagern sich dabei, ebenso die Rollen, die wir im öffentlichen Raum einnehmen. Im vielschichtigen sozialräumlichen Gefüge sind wir an Aneignungs- und Ausgrenzungspraktiken ebenso beteiligt, wie wir von ihnen auch immer wieder betroffen sind. Als Ort für Kunst bietet der öffentliche Raum die maximale Inklusion. Keine Institution erreicht in gleichem Maße RezipientInnen unterschiedlichster Schichten. Stärker und unausweichlicher als der virtuelle Raum evoziert der öffentliche Raum auch zufällige Begegnungen abseits gesellschaftlicher Filterblasen. Die Auseinandersetzung ist dabei direkt und wird nicht wie im Internet durch Avatare und Profile verzerrt. Dennoch spiegeln sich Aspekte wie Sozialisierung, Bildung und ökonomische Möglichkeiten über Codes in der äußeren Erscheinung vieler Menschen wider und schaffen so soziale Barrieren für eine uneingeschränkte Interaktion. Physischer, gebauter öffentlicher Raum ist immer auch sozialer öffentlicher Raum, beide bedingen einander wechselseitig. Die Fortbewegung im physischen öffentlichen Raum wird auch durch Bildung, Erziehung, soziales Milieu, Interessen, vorhandene Infrastruktur etc. strukturiert, woraus eine selektive Frequentierung be-

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Arendt, Hannah: Viva activa oder Vom tätigen Leben, München/Zürich, 1994, S. 49. Vgl. Wolfrum: Stadt, Solidarität und Toleranz, S. 9. Dangschat: Symbolische Macht und Habitus des Ortes, Die ›Architektur der Gesellschaft‹ aus Sicht der Theorie(n) sozialer Ungleichheit von Pierre Bourdieu, S. 320.

2. Öffentlicher Raum – Bestimmung des Unbestimmten

stimmter Orte resultiert. Die Wahrnehmung des öffentlichen Raums ist also durchaus sozial gefiltert. Gesellschaftliche Ungleichheiten führen dazu, dass einige AkteurInnen den öffentlichen Raum stärker in Beschlag nehmen als andere – so zum Beispiel AutofahrerInnen.26 Die Erwartungen, die mit dem öffentlichen Raum und seiner Nutzung verbunden werden, unterscheiden sich stark.27 Dies wird bei der Ausgestaltung des öffentlichen Raums mitunter als Instrument genutzt, um den Aufenthalt bestimmter Gruppen zu fördern und andere von der Nutzung abzuhalten.28 ArchitektInnen und StadtplanerInnen entwerfen Räume, die auf einzelne Gruppen ansprechend oder abweisend wirken können. „Insbesondere, wenn der Raum aus subjektiver Sicht über signifikante Zeichen verfügt, die in der Regel mit markanten Gestaltungsmerkmalen einhergehen, kann der Raum dadurch auf symbolischer Ebene abgegrenzt und »personalisiert« werden […]. All dies signalisiert dem Nutzer […] an diesem Ort richtig, willkommen, gar zu Hause oder aber eher unerwünscht, fremd und nicht integrierbar zu sein.“29 Martin Klamt sieht darin ein „subtiles Regulierungsinstrument in Architektur und Städtebau“30 , Jens Dangschat spricht etwas kritischer sogar von der Architektur als Herrschaftsinstrument.31 Vor allem BetreiberInnen „eigen-

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Vgl. Häberlin, Udo W./Furchtlehner, Jürgen: Öffentlicher Raum für alle? Raumaneignung versus Gemeinwesen in der Wiener Praxis, in: Hauck, Thomas/Hennecke, Stefanie/Körner, Stefan (Hg.): Aneignung urbaner Freiräume. Ein Diskurs über städtischen Raum, Bielefeld, 2017, S. 171. Jugendliche etwa haben andere Ansprüche an ihn als Erwachsene, vgl. Kemper, Raimund/Reutlinger, Christian: Konstruktionszusammenhänge und Wirkungen des umkämpften öffentlichen Raums – eine Einführung, in: Kemper, Raimund/Reutlinger, Christian (Hg.): Umkämpfter öffentlicher Raum. Herausforderungen für Planung und Jugendarbeit, Wiesbaden, 2015, S. 13. I.d.R. von offizieller Seite, doch auch marginalisierte Gruppen schaffen durch informelle Raumaneignungen Situationen, die durch ihre Ästhetik für andere abweisend wirken (z.B. Heranwachsende, die sich in Ermangelung eigener Aufenthaltsorte urbane Brachflächen aneignen). Klamt: Ästhetik der Grenzen – Grenzen der Ästhetik: Zur Wahrnehmbarkeit des öffentlichen Raums aus Nutzersicht, S. 197. Ebd. Vgl. Dangschat: Symbolische Macht und Habitus des Ortes, Die ›Architektur der Gesellschaft‹ aus Sicht der Theorie(n) sozialer Ungleichheit von Pierre Bourdieu, S. 323.

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tumsrechtlich privater öffentlich zugänglicher Räume“32 machen davon Gebrauch. Darüber hinaus bemühen sich Gemeinden um „die Verbesserung der Funktionalität vernachlässigter oder heruntergekommener Orte“33 . Unter der Maxime Nutzungen zu optimieren und den öffentlichen Raum auszudefinieren, verschwinden dabei Möglichkeitsräume wie Brachen und marginalisierte Gruppen werden aus dem Stadtbild verdrängt.34 Öffentlicher Raum wird so zu einem fertig gedachten Raum, der den AkteurInnen keine Verwirklichungsmöglichkeiten lässt und der dadurch wichtige Merkmale eines sozialen, unabgeschlossenen Raums einbüßt. Wie Klamt aufgezeigt hat, wird dies durchaus bewusst praktiziert. „Fertige“ Räume sind jedoch nur in beschränktem Umfang Möglichkeitsräume und bieten für StadtbewohnerInnen kaum Potenziale für eine aktive Teilhabe. Zumindest in der Theorie ist es jedoch allen AkteurInnen möglich, die gleichen öffentlichen Räume aufzusuchen und an diesen aktiv oder passiv teilzuhaben.

2.2

Hegemonien im öffentlichen Raum – männlich dominierter Raum

„Der Begriff Hegemonie bezeichnet eine instabile Balance zwischen gesellschaftlichen Kräften, die um die Vorherrschaft ringen, mit dem Ziel der Herstellung von Konsens und allgemeiner Zustimmung.“35 Durch die Dominanz einiger AkteurInnen, die ihre Interessen erfolgreich durchsetzen können, gibt es auf der anderen Seite marginalisierte Gruppen, deren Belange nicht berücksichtigt werden. In dem für diese Arbeit definierten Sinn des öffentlichen Raums gibt es eine Vielzahl von Hegemonien, die parallel tragend werden und

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Klamt: Ästhetik der Grenzen – Grenzen der Ästhetik: Zur Wahrnehmbarkeit des öffentlichen Raums aus Nutzersicht, S. 197. Chin, Susan: Der Öffentliche Raum als Element der Stadtgestaltung, in: Hoidn (Hg.): Demo:Polis. Das Recht auf öffentlichen Raum, S. 32. Wie Jens Dangschat am Beispiel des Wiener Karlsplatzes beschreibt. Obdachlose und Drogenabhängige wurden durch die gezielte Umgestaltung des Platzes vertrieben. Vgl. Dangschat: Symbolische Macht und Habitus des Ortes, Die ›Architektur der Gesellschaft‹ aus Sicht der Theorie(n) sozialer Ungleichheit von Pierre Bourdieu, S. 326ff. Vgl. Marchart, Oliver: Die Soziologie der Kunst und die Kunst der Soziologie, in: Hartmann/Lemke/Nitsche (Hg.): Interventionen. Grenzüberschreitungen in Ästhetik, Politik und Ökonomie, S. 67.

2. Öffentlicher Raum – Bestimmung des Unbestimmten

so die Ausgestaltung und auch die Verhaltensweisen und Aktionsmöglichkeiten im öffentlichen Raum bestimmen. Die dominanten Kräfte verfügen dabei über die Gestaltungsmacht, der sich die untergeordneten Gruppen fügen müssen, das Kräfteverhältnis ist jedoch stets umkämpft36 . Beispiele für Hegemonien, die im öffentlichen Raum wirken, finden sich etwa in den Gegenüberstellungen AutofahrerInnen – FußgängerInnen/ RadfahrerInnen, Erwachsene – Jugendliche, Menschen mit festem Wohnsitz – Wohnungslose, Werbeindustrie – Gesamtbevölkerung und, historisch bedingt und noch immer wirkend, auch Männer – Frauen. Es sind dabei sowohl physische Strukturen als auch Normen bzw. Vorschriften sowie Verhaltensweisen, durch die der öffentliche Raum von den dominierenden Kräften gestaltet bzw. in Beschlag genommen wird. Bei der Recherche für diese Arbeit ist deutlich geworden, dass ein überproportional hoher Anteil der AkteurInnen, die den Außenraum für unautorisierte künstlerische Projekte nutzen, männlich ist.37 Daher wird an dieser Stelle die geschlechtsspezifische Prägung des öffentlichen Raums und die männliche Hegemonie in diesem untersucht. Dabei liegt das Hauptaugenmerk darauf, wie Frauen den öffentlichen Raum erleben und sich aneignen. Der öffentliche Raum ist männlich dominiert.38 Bis zur Entstehung der Passagen war es unüblich, dass Frauen sich allein im öffentlichen Raum bewegten.39 Die klassische Rollenverteilung, in der der Mann als Versorger die Wohnstätte verlässt, um einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, während die Frau daheim den Haushalt besorgt und sich um die Kinder kümmert, schaffte „Räume männlicher Arbeit, die außerhalb lagen und Räume weiblicher Arbeit, die an das Heim gebunden waren [...]“40 . Dieses stereotype Rollenbild wurde über Generationen weitergegeben.

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Vgl. Cresswell: In Place/Out of Place. Geography, Ideology, and Transgression, S. 57. Die Möglichkeit, dass Akteurinnen lediglich eine geringere Sichtbarkeit haben, sich auf der zweiten Ebene – der Verhandlung über Medien etc. – weniger in den Vordergrund drängen und daher weniger wahrgenommen werden, wurde mitbedacht, aber aufgrund mangelnder Plausibilität nicht weiter verfolgt. Dies bezieht sich in diesem Fall auf den Zustand und die jüngere Geschichte der westlichen Industrienationen. Vgl. Klamt: Ästhetik der Grenzen – Grenzen der Ästhetik: Zur Wahrnehmbarkeit des öffentlichen Raums aus Nutzersicht, S. 192. Kuhlmann, Dörte: Raum, Macht & Differenz. Genderstudien in der Architektur, Wien, 2003, S. 131.

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Unerlaubte Kunst

„Der öffentliche Raum musste gegen eine traditionell geschlechtliche Trennung, in der privat/öffentlich mit weiblich/männlich konnotiert ist, von Frauen erst als einer erkämpft werden, in dem Präsenz nicht nur als Objekt, sondern als Subjekt möglich ist (und auch mit Anerkennung und Legitimation einhergeht).“41 Die Form der Geschlechterseparation, die sich seit der Industrialisierung herausbildete und die im Zuge der Frauenemanzipation „[d]urch berufstätige Frauen, Kinogängerinnen, Konsumentinnen und Flaneurinnen, die langsam in den öffentlichen Raum vordrangen“,42 „unterminiert“43 wurde, wirkt trotz ihrer Ablösung noch heute nach. Vorherrschende konservative Methoden der Kindeserziehung befördern nach wie vor stereotype Rollenbilder, Mädchen wird dabei ein anderer Handlungsrahmen zugestanden als Jungen. Von Frauen werden andere Verhaltensweisen im öffentlichen Raum erwartet als von Männern. Erziehung und gesellschaftliche Konventionen verhindern, dass sie sich in gleichem Maße Raum aneignen wie Männer. Darüber hinaus wird der öffentliche Raum oft als potenzieller Gefahrenbereich wahrgenommen. Das auf den Außenraum bezogene Empfinden von Gefahr folgt dabei einer Logik, die zum Teil irrational ist. „[o]bwohl Frauen eher im privaten Raum bedroht sind, beziehen sich Unsicherheiten und Ängste (vor dem Hintergrund der Annahme einer erhöhten Gefährdung) in besonderem Maße auf den öffentlichen Raum. Gleichzeitig scheinen Männer […] in öffentlichen Räumen keine nennenswerten Unsicherheitsgefühle zu entwickeln, und das, obwohl dort vor allem Männer gefährdet sind.“44 Renate Ruhne erläutert dieses statistisch belegte Paradoxon in ihrem Buch Raum Macht Geschlecht (2011). Dennoch weist sie darauf hin, dass die empfundenen Unsicherheiten von Frauen im öffentlichen Raum keineswegs vernach-

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Kastners, Jens: Doppelte Interventionen. Feministische Effekte zwischen Kunstproduktion und sozialen Bewegungen, in: Hartmann/Lemke/Nitsche (Hg.): Interventionen. Grenzüberschreitungen in Ästhetik, Politik und Ökonomie, S. 76. Tacke, Alexandra: Rebecca Horn. Künstlerische Selbstpositionierungen im kulturellen Raum, Köln/Weimar/Wien, 2011, S. 40f. Ebd. Ruhne, Renate: Raum, Macht, Geschlecht. Zur Soziologie eines Wirkungsgefüges am Beispiel von (Un)Sicherheiten im öffentlichen Raum, Wiesbaden, 2011, S. 28/29.

2. Öffentlicher Raum – Bestimmung des Unbestimmten

lässigt werden dürfen, „[d]enn die mobilitätsbeschränkende Wirkung erlebter Unsicherheitsgefühle ist gleichwohl gegeben.“45 Eine Ursache für die „Unsicherheiten bei Frauen im öffentlichen Raum“ sieht sie in den Ausgehbeschränkungen früherer Zeiten, die zum Ziel hatten, die Sexualbeziehungen zu kontrollieren, und „die sich über normregulierte Aushandlungsprozesse in die heutige Zeit vermitteln.“46 Einige WissenschaftlerInnen sehen in der physischen Anlage mancher Räume bereits eine Ausgrenzung von Frauen, sogenannte „Angsträume“47 , Orte, an denen „durch funktionale Fehlplanungen oder durch die Lage in Gebieten hoher Kriminalität eine mangelnde soziale Kontrolle vorliegt“,48 verhindern demnach die Teilhabe von Frauen am öffentlichen Raum. Die soeben beschriebenen Faktoren sind möglicherweise eine Ursache für die unausgewogene Geschlechterverteilung bei unautorisierten künstlerischen Handlungen im öffentlichen Raum: Die Zahl der weiblichen Akteurinnen ist bedeutend geringer als die der Männer. Wenn ein gewisser Anteil an Frauen – der vermeintlich höher ist als bei den Männern – den öffentlichen Raum bereits als potenziellen Gefahrenbereich erlebt, ist dies kaum förderlich für die Realisierung unautorisierter künstlerischer Projekte in diesem. Dieser Gedanke wird in Kapitel 5/Rahmenbedingungen nochmals aufgegriffen.

2.3

(Legale) Kunst im öffentlichen Raum „Kunst ist ihrem Wesen nach öffentlich. Sie braucht die Öffentlichkeit als Empfängerin ihrer Botschaft, um wirklich und wirksam zu werden.“49

Aus diesem Verhältnis zwischen Kunst und Öffentlichkeit, das Oliver Scheytt beschreibt, lässt sich auch nachvollziehen, wieso Kunst außerhalb von Institutionen – im öffentlichen Raum – eine besondere Bedeutung zukommt. „Anders als im geschützten White Cube von Museen und Kulturinstitutionen ist

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Ebd. S. 31. Ebd. S. 19. Ebd. S. 53, Renate Ruhne arbeitet den interessanten Aspekt heraus, dass bei Befragungen zu Angsträumen Männer meist nicht einbezogen werden, diese aber vermutlich an diesen Orten ebenfalls ein verstärktes Unsicherheitsgefühl haben. Kuhlmann: Raum, Macht & Differenz. Genderstudien in der Architektur, S. 190/191. Scheytt, Oliver: Kunst und Öffentlichkeit, in: Dinkla (Hg.): PubliCity. Constructing the Truth. Kunst im öffentlichen Raum, S. 108.

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Unerlaubte Kunst

Kunst im öffentlichen Stadtraum [dabei jedoch R.H.] einer breiteren Öffentlichkeit ausgesetzt, die Kunst durchaus ambivalent aufnimmt.“50 Wo die Geschichte der Kunst im öffentlichen Raum beginnt, ist eine Definitionssache. „Depending on how one begins the record, public art has a history as ancient as cave painting [...]“51 , erkennt schon Suzann Lacy in ihrem Buch Mapping the terrain. Die vorliegende Arbeit orientiert sich an jener Phase, in der KünstlerInnen vermehrt beginnen, sich ohne institutionelle Anbindung öffentliche Räume anzueignen und in der Kunst im öffentlichen Raum anfängt, über Skulpturen auf Sockeln oder Wandbilder hinauszugehen. Dies ist etwa ab den 1960er Jahren, als die Ausstellung, die bis dahin den Rahmen bot, „in dem sich das Auftreten des Künstlers mit seiner Arbeit in der Öffentlichkeit manifestieren konnte“52 , von neuen Formen der künstlerischen Sichtbarkeit abgelöst wurde. In diese Zeit fällt auch das erstmalige, vermehrte Auftreten von illegalen Kunstprojekten im Außenraum. Auch wenn (legale) Kunst im öffentlichen Raum heute sehr unterschiedliche Formen annimmt und von temporären, performativen Projekten bis hin zu interaktiven Medieninstallationen reichen kann, bilden Vorschriften, Haftungen und Erwartungshaltungen von InitiatorInnen und Verantwortlichen doch stets ein Korsett. Unautorisierte Projekte im öffentlichen Raum bieten daher einen wichtigen Kontrapunkt zum etablierten Kunstgeschehen und eine Chance für Ideen, die sonst an Bürokratie, Sicherheitsauflagen, inhaltlichen Einschränkungen, etc. scheitern. Kunst im öffentlichen Raum wird oft für externe Zwecke eingesetzt, sei es im Rahmen sozialer künstlerischer Praktiken, bei denen KünstlerInnen Aufgaben aus dem Bereich der Sozialarbeit übernehmen oder im Zuge von (Stadt-)Aufhübschung und Street- bzw. City Branding.53 StadtentwicklerInnen haben erkannt, dass Kunst in der Wahrnehmung der BenutzerInnen Räume 50 51 52 53

Stih, Renata: Kunst im öffentlichen Raum als Metapher für die Stadt, in: Hoidn (Hg.): Demo:Polis. Das Recht auf öffentlichen Raum, S. 48. Lacy, Suzanne: Introduction. Cultural Pilgrimages and Metaphoric Journeys, in: Lacy, Suzanne (Hg.): Mapping the terrain. New Genre Public Art, Washington, 1995, S. 21. Bismarck, Beatrice von: Auftritt als Künstler, Köln, 2010, S. 10. Neben bildhauerischen Arbeiten, die von öffentlichen und privaten InteressenträgerInnen im Außenraum aufgestellt werden, wird insbesondere Street Art heute vielfach gezielt eingesetzt, in der Intention, einzelnen Vierteln/Arealen oder ganzen Ortschaften zu einem trendigen Image zu verhelfen. Vgl. Evans, Graeme: Graffiti art and the city. From piece-making to place-making, in: Ross, Jeffrey Ian (Hg.): Routledge Handbook of Graffiti and Street Art, Abingdon, 2016, S. 176.

2. Öffentlicher Raum – Bestimmung des Unbestimmten

zu Orten werden lassen kann, etwa durch ein Werk, das im „[…] Kontext seines Aufstellungsortes steht und einen Dialog zwischen „site“ und „work“ herstellt, sodass ein bisher aussageloser Ort zum „Sprechen“ gebracht wird.“54 Die „sozialräumlichen Grenzen“55 , die sich in der Welt der Museen und Galerien manifestieren, überwindet Kunst im öffentlichen Raum dabei nur teilweise. Insbesondere durch das Arbeiten mit vermeintlich benachteiligten Gesellschaftsgruppen schreiben gerade die sozialen, partizipativen künstlerischen Praktiken häufig deren Rolle als AußenseiterInnen fest. Gerald Raunig bemerkt dazu kritisch: „Es gibt gerade in den Praxen partizipativer, aktivistischer, interventionistischer Kunst haufenweise Fälle, die Plato bestätigen, indem sie die Kulturalisierung und Ästhetisierung, damit Kaschierung von politischen Ungleichheiten betreiben und in ihrer Fürsorge für "wirkliche Menschen, wirkliche Neighbourhoods" laufend das "Andere" erst konstruieren.“56 Obschon es scheint, als wenn unautorisierte Kunst im Außenraum aufgrund ihres subversiven Charakters vor diesen Fehlern gefeit wäre, ist auch ihre Rolle im öffentlichen Raum nicht nur positiv besetzt, wie im folgenden Kapitel herausgearbeitet wird.

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Matzner: Streifzüge durch den öffentlichen Raum – Anmerkungen zu Stadt und Öffentlichkeit im 21. Jahrhundert, in: Hoidn (Hg.): Demo:Polis. Das Recht auf öffentlichen Raum, S. 45. Vgl. Wenzel: Grenzüberschreitungen in der Gegenwartskunst. Ästhetische und Philosophische Positionen, S. 49f. Raunig, Gerald: Großeltern der Interventionskunst oder Intervention in die Form. Rewriting Walter Benjamins „Der Autor als Produzent“, in: Content XXI, H. 2 (2001), S. 4, online: http://contextxxi.org/IMG/pdf/cxxi200102_cle094fa2.pdf abgerufen am 14.04.2021.

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3. Unautorisierte künstlerische Praktiken im öffentlichen Raum

„Berühmte Männergestalten in Bronze als Denkmale oder repräsentative Großskulpturen vor Banken – so sah der öffentliche Raum bis in die 1960er Jahre aus. Erst danach wurde der public space als Kunstbegriff durch zahlreiche künstlerische Aktionen und die Möglichkeiten des Mediums Fernsehen revolutioniert. Neue, radikalere Denkweisen drangen in das städtische Umfeld ein. Das Eigentum am öffentlichen Raum wurde neu definiert, Künstler und Künstlerinnen rückten gezielt periphere Orte in den Mittelpunkt [...].“1 Seit den 1960er Jahren hat sich das Bewusstsein für den öffentlichen Raum stark gewandelt. Die SituationistInnen2 , Henri Lefebvre3 mit seinem Buch Le

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Stih, Renata: Kunst im öffentlichen Raum als Metapher für die Stadt, in: Hoidn (Hg.): Demo:Polis. Das Recht auf öffentlichen Raum, S. 48. Die Situationistische Internationale war „eine westeuropäische Bewegung, theoretisch begründet von Guy Debord, die nach einer Verbindung von Kultur und Politik suchte, sich dabei auf DADA und den Surrealismus berief und durch Straßentheater, Störungen an öffentlichen Orten und eine ästhetische Besetzung und Zweckentfremdung des städtischen Raumes Subversion im Alltag anstrebte. Es ging darum, Aktionen durchzuführen mit dem Ziel, bestehende Ordnungen zu unterlaufen und das urbane Territorium zumindest symbolisch neu zu strukturieren.“ Papenbrock, Martin: Vom Protest zur Intervention. Grundzüge politischer Kunst im 20. Jahrhundert, in: Hartmann/Lemke/Nitsche (Hg.): Interventionen. Grenzüberschreitungen in Ästhetik, Politik und Ökonomie, S. 35. Henri Lefebvre war ein französischer Philosoph. Sein 1968 erschienenes Buch Le Droit à la ville gilt als frühe Verschriftlichung des Ansatzes städtische, öffentliche Räume und Strukturen neu zu denken und die aktive Teilhabe an ihnen einzufordern. In diesem Zusammenhang muss auch Jane Jacobs’ The Death and Life of Great American Cities genannt werden, das bereits 1961 erschien und als fundierte Analyse der Probleme der amerikanischen Metropolen richtungsweisend war für den kritischen Urbanismus.

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Unerlaubte Kunst

Droit à la ville, die Fluxus-KünstlerInnen4 und viele weitere AkteurInnen5 waren Teil einer gesellschaftlichen Entwicklung, in der sich die Wahrnehmung des öffentlichen Raums veränderte. Damit wurde für künstlerische Praxen, die sich unautorisiert den Außenraum aneignen, der Grundstein gelegt. Diese Entwicklung muss im Kontext ihrer Zeit gelesen werden. Letztlich formulierte etwa Henri Lefebvre mit seinem „Recht auf Stadt“ etwas, das die ersten jugendlichen Graffiti-SprüherInnen in den Vereinigten Staaten in diesem Moment schon praktizierten. Rein zum Selbstzweck zwar, aber dennoch eigneten sie sich den öffentlichen Raum an, um ihre Namen zu verbreiten.6 Die gesamtgesellschaftliche Entwicklung und damals neu aufkommende Theorien führten dazu, dass Menschen verstärkt unautorisiert künstlerisch im öffentlichen Raum wirkten. Verschiedene Ausrichtungen entstanden zeitgleich. Sie stehen inhaltlich und praktisch miteinander in Beziehung und überlagern sich vielfach, sind im Grunde als ein Ganzes zu denken. Da sie dennoch verschiedene Ausprägungen hervorgebracht haben, werden sie hier im Sinne einer möglichst differenzierten Betrachtung und zum besseren Verständnis einzeln beschrieben.7

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Fluxus benennt eine heterogene Bewegung von internationalen KünstlerInnen, die in den frühen 1960er Jahren erstmals in Erscheinung trat. Ihre ephemeren Projekte/ Aktionen bewegten sich zumeist an der Grenze von Kunst und Alltag. Eine leitende Figur war der US-amerikanische Künstler George Maciunas. Vgl. Schmidt-Burkhardt, Astrit: Maciunas’ Learning Machines. From Art History to a Chronology of Fluxus, Wien, 2011, S. 9ff. Exemplarisch seien hier die KünstlerInnen um Allan Kaprow genannt, die mit Happenings seit Ende der 1950er Jahre neue künstlerische Ausdrucksformen u.a. im Außenraum erprobten. Diese Entwicklung war maßgeblich von Hans Namuths Fotografien und Filmen des malenden Jackson Pollock beeinflusst, wie Katja Glaser in Bezug auf Sarah Boxers Artikel CRITIC'S NOTEBOOK; The Photos That Changed Pollock's Life anmerkt. Vgl. Boxer, Sarah: CRITIC'S NOTEBOOK; The Photos That Changed Pollock's Life, in: The New York Times, veröffentlicht am 15.12.1998, online: https://www.nytimes.com/1998/1 2/15/arts/critic-s-notebook-the-photos-that-changed-pollock-s-life.html abgerufen am 04.03.2021. Vgl. Cresswell: In Place/Out of Place. Geography, Ideology, and Transgression, S. 47. Wie in der Einleitung angedeutet, gab es auch vor den 1960er Jahren vereinzelte Versuche von KünstlerInnen mit neuen (unautorisierten) Praktiken in den Außenraum vorzudringen, da aber erst ab den 1960er Jahren eine wirklich breite Tendenz in dieser Richtung zu beobachten ist, beginnt die Auseinandersetzung erst ab diesem Zeitpunkt.

3. Unautorisierte künstlerische Praktiken im öffentlichen Raum

Jede unautorisierte künstlerische Handlung im öffentlichen Raum ist politisch.8 Ein nicht genehmigter Eingriff in den Außenraum stellt die gültigen Konventionen, Regeln und Gesetze in Frage bzw. drückt aus, dass der bzw. die AkteurIn die Freiheit der künstlerischen Selbstverwirklichung für wichtiger erachtet als die gültigen Vorschriften.9 Selbst wenn Street-Art-KünstlerInnen farbenfrohe Bilder umsetzen, die eine positive Botschaft verbreiten sollen, ist das Überschreiten ihres zulässigen Handlungsrahmens ein Akt der Auflehnung gegen die geltenden Rechte und Normen. Wie im Einleitungstext dieser Arbeit erwähnt, wird der Begriff illegale Kunst häufig nur mit Street Art 10 und Graffiti11 in Verbindung gebracht. Unter dem Label Street Art werden seit Anfang der Nullerjahre verschiedene –

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Diese These setzt voraus, dass die Handlung vorsätzlich durchgeführt wird. Die Behauptung ist nicht unumstritten, da gerade Graffiti-SprüherInnen den politischen Aspekt ihres Handelns gerne von sich weisen. Ich schließe mich Ethel Seno an, die in der Publikation Trespass schreibt: „Selbst in ihren unpolitischsten Ausprägungen stellen Interventionen im urbanen Raum eine intuitive Rebellion gegen die Auffassung dar, dass Eigentumsrechte über den Rechten auf Freiheit der Gedanken und des Ausdrucks stehen.“ Seno, Ethel: Spielregeln, in: Seno, Ethel (Hg): Trespass. Die Geschichte zur Urbanen Kunst, Köln, 2010, S. 23. Ein gewisses politisches Moment ist daher m.E. allen illegalen künstlerischen Aktionen im Außenraum inhärent. „Intentional transgression is a form of resistance that creates a response from the establishment“ Cresswell: In Place/Out of Place. Geography, Ideology, and Transgression, S. 23. Street Art ist der Begriff, der sich inzwischen für unautorisierte, oft figurative, überwiegend zweidimensionale künstlerische Arbeiten im urbanen Raum durchgesetzt hat. Daneben existieren noch Begriffe wie Post-Graffiti oder Urban Art, die anfangs das Gleiche meinten. Vgl. Reinecke, Julia: Street-Art. Eine Subkultur zwischen Kunst und Kommerz, Bielefeld, 2007, S. 9, und vgl. Blanché, Ulrich: Something to s(pr)ay: Der Street-Artivist Banksy. Eine kunstwissenschaftliche Untersuchung, Marburg, 2010, S. 13. Der Begriff Urban Art wurde inzwischen zu einem Oberbegriff für sämtliche künstlerische Ausdrucksformen (legal und illegal) im (städtischen) öffentlichen Raum weiterentwickelt. Vgl. Hoppe, Ilaria: Introduction, in: Blanché, Ulrich/Hoppe, Ilaria (Hg.): Urban Art: Creating the Urban with Art. Proceedings of the International Conference at Humboldt-Universitat zu Berlin, Lissabon, 2018, S. 10ff. „1967 führte Robert […] Reisner [den Term R.H.] »Graffiti« in den amerikanischen Sprachraum ein. Er verwandte ihn als Überbegriff für subkulturelle Auf- und Inschriften.“ Treeck: Graffiti Lexikon. Legale und Illegale Malerei im Stadtbild, S. 101. Graffiti bezieht sich also zunächst auf Schrift, erst mit der Zeit wurde das Spektrum um figurative Darstellung etc. erweitert, wodurch eine Überlagerung mit dem Begriff Street Art entsteht.

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zunächst illegale – künstlerische Ausdrucksformen im öffentlichen Raum zusammengefasst.12 Das Feld der ungenehmigten Kunst im öffentlichen Raum ist allerdings komplexer. Einerseits existiert Street Art schon länger: Ausgehend von ersten Vorboten ab den 1960er Jahren13 ist sie schließlich seit ca. dem Jahr 2000 von einer Subkultur zu einem globalen Phänomen gewachsen und hat sich dabei (u.a. infolge von Kommerzialisierung) zunehmend in legale und verwertbare Bereiche verlagert. Dadurch trifft die Zuschreibung zur illegalen Kunst nicht mehr generell zu. Graffiti wurde bereits früher, ab etwa 1970, zu einem Massenphänomen, das sich zunächst vor allem auf die Westküste der USA konzentrierte. Seit den 1980er Jahren verbreitete sich diese künstlerische Ausdrucksform dann international.14 Daneben gibt es jedoch weitere KünstlerInnen, die unter Missachtung von Gesetzen und Regeln Projekte im öffentlichen Raum umsetzen, für die eine Zuschreibung zu Graffiti oder zur Street Art – zumindest so, wie der Begriff in der heutigen Zeit meist verstanden wird15 – nicht treffend ist. Es handelt sich dabei um den Artivism – die politisch-aktivistische Kunst – und daneben um weitere künstlerische Praktiken, die weder zu den Rich-

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Wie Emilio Egidio Bianco in seinem Aufstatz A brief history of street art as a term up to 2000 nachzeichnet, hat der Begriff seit seiner erstmaligen schriftlichen Verwendung – vermutlich um 1968 – eine sehr vielfältige Benutzung erfahren. Erst etwa seit dem Jahr 2000 fand eine Festschreibung auf den Bereich statt, der heute mehrheitlich damit assoziiert wird. Vgl. Bianco, Egidio Emiliano: A brief history of street art as a term up to 2000, in: Neves, Pedro Soares: Street Art & Urban Creativity. Scientific Journal, Changing times: Resilience H. 2 (2018), S. 108ff, online: http://sauc.website/journals/1/issues/ SAUC2018_v4_n2_final4_web.pdf abgerufen am 24.01.2021. Etwa dem französischen Street-Art-Künstler Gérard Zlotykamien oder einzelnen Beispielen, die in Allan Schwartzmans Street Art beschrieben werden. Vgl. Treeck: Graffiti Lexikon. Legale und Illegale Malerei im Stadtbild. Hier sei nochmals auf Emilio Egidio Biancos Aufstatz A brief history of street art as a term up to 2000 hingewiesen, in dem er versucht, anhand einer empirischen Forschung die Verwendung des Begriffs Street Art nachzuzeichnen. Er erwähnt dabei besonders Allan Schwartzman mit dessen Buch Street Art von 1985, in dem der Begriff erstmals in einem Verständnis verwendet wurde, das dem heutigen nahekommt. Schwartzman hatte dabei noch eine sehr offene Vorstellung des Feldes der „unsanctioned art“, bezog Graffiti in seinen Begriff von Street Art mit ein, ebenso tauchen in seinem Buch KünstlerInnen wie Ann Messner, Jenny Holzer oder Gordon Matta-Clark auf, die im aktuellen Verständnis nicht unbedingt mit Street Art assoziiert werden. Vgl. Schwartzman: Street Art.

3. Unautorisierte künstlerische Praktiken im öffentlichen Raum

tungen Graffiti oder Street Art noch zum Artivism passen und die in diesem Kapitel näher beschrieben werden sollen. Bezüglich der benutzen Medien, der Inhalte und Strategien gibt es unzählige Überlagerungen zwischen den verschiedenen Bereichen. Sie müssen als Gesamtheit von künstlerischen Praktiken verstanden werden, die unautorisiert mit dem Medium öffentlicher Raum umgehen. Eine klare Abgrenzung ist unmöglich und wäre für die Beschreibung von künstlerischen Arbeitsweisen, denen inhärent ist, dass bereits bei der Ausführung (juristische) Grenzen überschritten werden, geradezu widersinnig. Es sollen vielmehr die verschiedenen Richtungen, die gemeinsam die unautorisierte Kunst im öffentlichen Raum bilden, grob vorgestellt werden und auch wie sie sich wechselseitig beeinflussen. Die Abgrenzung untereinander erfolgt keineswegs, um die verschiedenen Bereiche in „High“ und „Low“16 zu trennen – festzulegen was „echte“ Kunst ist und was nicht, ist nicht die Aufgabe dieser Arbeit und entspricht auch nicht dem Gedanken eines offenen, wertungsfreien Kunstbegriffs. Vielmehr soll die Frage behandelt werden, wie sich die Felder der KünstlerInnen, die mit ihren Projekten unautorisiert in den öffentlichen Raum drängen, zusammensetzen. Diese Einteilung ist deshalb wichtig, weil abgesehen von einem gewissen politischen Moment, das sämtlichen ungenehmigten Arbeiten im Außenraum inhärent ist, die Beweggründe und Praktiken, die im Rahmen dieser Arbeit erfasst werden, stark divergieren. Letztlich geht es auch darum, aufzuzeigen, dass neben Graffiti, Street Art und Artivism noch weitere KünstlerInnen den öffentlichen Raum unautorisiert nutzen. Diese AkteurInnen handeln unabhängig voneinander und formieren sich weder wie bei Graffiti oder Street Art in einer Szene noch bestehen vordergründig politische bzw. soziale Anliegen wie beim Artivism. Einige setzen nur einmalig ein illegales Projekt im Außenraum um, andere verfolgen diese Praktik langfristig. Jeder Bereich wird in diesem Kapitel kurz beschrieben. Exemplarisch werden dabei – ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder Allgemeingültigkeit – künstlerische Projekte aus den einzelnen Feldern vorgestellt. Es würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, eine Genealogie der illegalen künstlerischen Praktiken im öffentlichen Raum zu erarbeiten. Dennoch werden frühe Tendenzen einbezogen, um eine grobe Orientierung und ein Verständnis der gesamten Entwicklung zu ermöglichen. 16

Vgl. Hoppe, Ilaria: High&Low, in: Pfisterer, Ulrich (Hg.): Metzler Lexikon Kunstwissenschaft: Ideen, Methoden, Begriffe, Stuttgart, 2011, S. 170-175.

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Unerlaubte Kunst

Neben Graffiti und Street Art behandelt dieses Kapitel also noch den Bereich Artivism sowie die übrigen Praktiken, die für diese Arbeit als Unauthorized Public Interventions bezeichnet werden. Als Überbegriff, unter dem sich alle diese Kunstformen versammeln, wird schließlich Unauthorized Public Art gewählt. Da die Begriffe Unauthorized Public Art und Unauthorized Public Interventions aufgrund ihrer Ähnlichkeit für Verwirrung sorgen können, sei dies hier für ein besseres Verständnis noch einmal schematisch dargestellt: UNAUTHORIZED PUBLIC ART Graffiti

Street Art

Artivism

Unauthorized Public Interventions

Graffiti und Street Art sind zwar als illegale Kunstformen entstanden, beide Begriffe schließen jedoch heute auch legale Praktiken mit ein. Auch Artivism ist nicht grundsätzlich illegal. Für eine klare Definition könnten daher innerhalb dieser Arbeit auch für diese drei Bereiche die Attribute Unauthorized Public vorangestellt werden. Im Sinne der einfacheren Lesbarkeit und weil insbesondere Graffiti und Street Art meist eo ipso mit illegalem Handeln assoziiert werden, wird jedoch davon abgesehen. Wenn im weiteren Text diese drei Felder beschrieben werden, bezieht sich dies in erster Linie auf die jeweiligen illegalen Praktiken im Außenraum.

3.1

Graffiti

Graffiti hat von allen Bereichen der unautorisierten künstlerischen Handlungen im öffentlichen Raum die größte Verbreitung und wurde vermutlich bereits am besten erforscht, dennoch wird es hier kurz vorgestellt. Das ursprünglich ausschließlich illegale Phänomen hat sich heute in Form von legalisierten Flächen, Auftragsarbeiten, Workshops etc. zunehmend auch in legale Bereiche verlagert. Für diese Arbeit bezieht sich der Begriff jedoch immer auf die illegale Ursprungsform. Street Art und Graffiti werden oft in einem Atemzug genannt. Obschon zwischen beiden eine starke Verwandtschaft bezüglich der verwendeten Medien und Techniken besteht, unterscheiden sich die Felder dennoch in mehreren Aspekten. Während das klassische Graffiti auf das sogenannte Wri-

3. Unautorisierte künstlerische Praktiken im öffentlichen Raum

ting17 , das illegale Schreiben von Pseudonymen im Außenraum, zurückgeht und Bildmotive in erster Linie als Dekoration dienen, ist bei Street Art die Schrift nur noch ein mögliches Ausdrucksmittel unter vielen. Graffitis werden üblicherweise mittels direktem Farbauftrag auf einem Träger realisiert, Street-Art-Werke hingegen werden oft im Vorfeld produziert und dann an Trägern angebracht und können auch dreidimensional sein. Traditionelles Graffiti richtet sich vor allem an szeneinterne RezipientInnen, Street Art hingegen versucht, ein größeres Publikum zu erreichen.18 Dies sind nur einige Punkte, in denen sich beide Felder unterscheiden, die Liste ließe sich fortsetzen, ebenso ließe sich eine Reihe von Gemeinsamkeiten finden, etwa das verstärkte Auftreten seit den frühen Nullerjahren oder die Absorbierung von sowohl Graffiti als auch Street Art durch die Popkultur und die zunehmende Tendenz zur Kommodifizierung. Es soll an dieser Stelle aber genügen zu verdeutlichen, dass Graffiti und Street Art zwar Gemeinsamkeiten haben, aufgrund ihrer unterschiedlichen Anlage aber gesondert betrachtet werden. „Es wäre falsch, Graffiti ausschließlich an den US-amerikanischen Kontext von Hip-Hop und Breakdance rückzubinden.“19 Obwohl es in seiner modernen, subkulturellen Form auf eine Entwicklung zurückgeführt werden kann, die in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre in Philadelphia begann20 (Abb. 2), müssen frühere Referenzen in die Überlegungen zu Graffiti mit einfließen. Hier seien exemplarisch die antiken Graffiti in Pompeji21 , der

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Writing ist die Eigenbezeichnung der SprüherInnen für ihre Betätigung und leitet sich von der ursprünglichen Tätigkeit des Schreibens ab. Vgl. Treeck: Graffiti Lexikon. Legale und Illegale Malerei im Stadtbild, S. 297ff. Vgl. Reinecke: Street-Art. Eine Subkultur zwischen Kunst und Kommerz, S. 109. Glaser: Street Art und neue Medien. Akteure – Praktiken – Ästhetiken, S. 32. Vgl. Blanché: Something to s(pr)ay: Der Street-Artivist Banksy. Eine kunstwissenschaftliche Untersuchung, S. 22. Cornbread (bürgerlich Darryl Alexander McCray), der ab ca. 1965 seinen Namen im Stadtraum von Philadelphia verbreitete, wird vielfach als Begründer des modernen Graffiti-Writings gehandelt. Vgl. Gastman, Roger/Neelon, Caleb (Hg.): The History of American Graffiti, New York, 2011, S. 48ff. Dabei handelte es sich um eine sehr ursprüngliche, schlichte Form von Graffiti. „[T]echnisch und inhaltlich sind antike Graffiti weniger mit modernem Graffiti-Writing als mit modernen (und anderen historischen) Besucherinschriften vergleichbar: mit Namen, Grüßen, Erinnerungsinschriften und Liebesschwüren, die man an Touristenattraktionen, Bahnhöfen und z.T. auch in öffentlichen Toiletten lesen kann, wo sie, häufig inspiriert von den Inschriften Anderer, mit gerade verfügbaren Materialien angebracht

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Unerlaubte Kunst

Österreicher Joseph Kyselak22 oder der Australier Arthur Stace genannt. Letzterer wurde bekannt, da er zwischen 1932 und 1967 den Stadtraum von Sydney mit seinen Eternity23 -Schriftzügen überzog, die er mit Kreide ausführte. Graffiti ist die ursprünglichste Form (kreativer) Äußerungen im öffentlichen Raum, es benötigt dafür nur einen gewissen Grad an Alphabetisierung und im Grunde nicht einmal das. „Graffiti as a form of self-expression goes back to the beginning of culture. Carving names on stones and trees, scrawling political pronouncements in walls to attempt to mobilize opposition to oppression, these are ways that those not granted power have chosen to speak beyond themselves.“24 Einige AutorInnen sehen bereits in den ersten Höhlenmalereien, also lange Zeit vor der Erfindung von Schrift, die Geburtsstunde von Graffiti.25 Wenn Graffiti in seiner Ausgangsform als Kritzelei begriffen wird und nicht nur auf das Schreiben von Wörtern und Namen reduziert wird, sondern jede Art von Darstellung beinhaltet, ist dieser Gedanke nachvollziehbar. Somit wäre Graffiti aber auch als die primitive Urform der menschlichen Bildherstellung zu begreifen. Den Menschen fehlten vor zehntausenden von Jahren schlichtweg die Mittel für elaborierte künstlerische Ausdrucksformen. Als Bildträger mussten Höhlenwände (innen) bzw. Felsen (außen) dienen26 , diesem Gedanken folgend, war die erste Kunst der Menschheit auch eine Kunst im Außen. Vergleicht man die Entwicklung, die die Graffitikultur seit den 1960ern gemacht hat, von einfachen Schriftzügen, die als Namen die Funktion der

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wurden.“ Lohmann, Polly: Graffiti als Interaktionsform. Geritzte Inschriften in den Wohnhäusern Pompejis, Berlin/Boston, 2018, S. 359. Vgl. Sachslehner, Johannes: Spinner, Schelme, Scharlatane. Porträts aus dem Wiener Narrenkastl, Wien/Graz/Klagenfurt, 2016, S. 69ff. Kyselak brachte seinen Namen bei ausgedehnten Reisen Anfang des 19. Jahrhunderts im Außenraum meist an Sehenswürdigkeiten an. Aufgrund seiner Vehemenz und Ausdauer geht seine Praxis dabei über bloßes Touristengraffiti hinaus. Vgl. Young: Street Art, Public City. Law, Crime and the Urban Imagination, S. 21. Schwartzman: Street Art, S. 106. Vgl. Ross, Jeffrey Ian: History, types and writers/artists of graffiti and street art, in: Ross (Hg.): Routledge Handbook of Graffiti and Street Art, S. 11. Zumindest haben an diesen Trägern frühmenschliche Spuren künstlerischen Ausdrucks überdauert. Es kann nur gemutmaßt werden, ob daneben weitere ephemere Werke entstanden sind, die heute nicht mehr existieren.

3. Unautorisierte künstlerische Praktiken im öffentlichen Raum

Selbstrepräsentation hatten, bis hin zu komplexen Wholecars27 von heute (Abb. 3), so zeichnet sich darin der Weg nach, den die Kunst im Ganzen seit den ersten Zeichnungen genommen hat sowie die Entwicklung, die auch jeder bzw. jede klassische MalerIn nimmt, von ersten Zeichenversuchen bis hin zu aufwändigen Leinwandarbeiten. Während NovizInnen der Kunst heute i.d.R. mit Papier, Stift und Pinsel die ersten Gehversuche machen28 und es bis zur Erlangung von Öffentlichkeit in Form von Ausstellungen ein langer Weg ist, lassen Graffiti-SprüherInnen eine breite Öffentlichkeit am persönlichen Entwicklungsprozess von Anfang an teilhaben. Der Lernprozess findet dabei dual im Außen und auf dem Papier statt. Insbesondere an leicht zugänglichen Orten wie etwa Unterführungen etc. sind daher Graffitis mit einer sehr archaischen Ästhetik zu finden, die oft an die ersten Gehversuche der Graffiti-AkteurInnen der späten 1960er Jahre erinnern (Abb. 4). Graffiti ist letztlich ein Medium, das prozessual gedacht werden kann. Einerseits gibt es AkteurInnen, die im Laufe ihrer Karriere eine Entwicklung vom Taggen29 bis hin zu aufwändigen Bildproduktionen ohne Buchstaben durchlaufen.30 Andererseits gibt es AkteurInnen, die bewusst innerhalb eines Bereichs verharren, etwa dem Taggen oder dem Style-Writing31 (Abb. 5). Da einzelne Graffiti-AkteurInnen sich heute von der Verwendung der Buchstaben emanzipiert haben, wird eine klare Unterscheidung von Graffiti und Street Art verunmöglicht bzw. stellt sich hier ein Bereich dar, in dem sich beide Praktiken überlagern. In jüngster Vergangenheit haben Murals32 27 28

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Wholecars werden Waggons genannt, die einseitig komplett besprüht sind. Vgl. Treeck: Graffiti Lexikon. Legale und Illegale Malerei im Stadtbild, S. 292f. Diese Nennung ist nur exemplarisch, in der sich verändernden Kunst- und Medienlandschaft kann abseits früher kindlicher Zeichenversuche der künstlerische Werdegang auch mit anderen Mitteln bestritten werden. Taggen bezeichnet das Schreiben des eigenen Namens (des Tags) im Jargon der SprüherInnen. Vgl. Treeck: Graffiti Lexikon. Legale und Illegale Malerei im Stadtbild, S. 266. Die Entwicklung von ausgereiften Fähigkeiten bedeutet jedoch nicht, dass einfache Ausdrucksformen wie einfarbige Tags nicht mehr ausgeführt werden. Meist wird das Taggen – vergleichbar mit dem Hinterlassen einer Art Unterschrift im öffentlichen Raum – weiterhin praktiziert. Style-Writing meint das Gestalten aufwändiger Schriftbilder. Vgl. Lohmann: Graffiti als Interaktionsform. Geritzte Inschriften in den Wohnhäusern Pompejis, S. 22. Als Murals werden großformatige, meist legale (Wand-)Bilder bezeichnet. Lange vor Graffiti und Street Art existierten sie bereits als ideologische Malereien z.B. in Sowjetrussland ab ca. 1917 (nach der Oktoberrevolution) u.a. auf Zügen und Schiffen sowie

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Unerlaubte Kunst

– großformatige Wandbilder – als Teil der Graffiti-Praxis an Bedeutung gewonnen. Diese Bilder werden häufig gesprüht und ein Großteil der AkteurInnen hat einen Graffiti-Hintergrund, Schriftgestaltungen tauchen dabei seltener auf (Abb. 6). Murals sind ebenso ein Teil der Street-Art-Praktik. Da diese Werke jedoch i.d.R. legal sind, soll diese Problematik hier nicht weiter von Bedeutung sein. Wenn in dieser Arbeit nachfolgend von Graffiti gesprochen wird, dann meint dies ausschließlich die illegalen Teile dieser Kultur. Ferner bezieht sich der Begriff Graffiti in erster Linie auf die Ausführung von Schriftgestaltungen mittels Farbauftrag.33 Dass ein Teil der SprüherInnen schon seit den 1970er Jahren auch motivische Darstellungen wie Character 34 in die Bilder integriert (Abb. 7), neuerdings sogar reine Bildmotive umgesetzt werden, führt zu einer Überschneidung mit dem Bereich der Street Art. Letztlich ist es in derlei Fällen oft die Selbstzuschreibung bzw. die Verwurzelung der KünstlerInnen, die ausschlaggebend dafür ist, ob sie eher im Street-Art- oder im Graffiti-Kontext verhandelt werden.

3.2

Street Art

Neue (illegale) künstlerische Ausdrucksformen, die seit Anfang der Nullerjahre verstärkt im öffentlichen Raum wahrnehmbar sind, werden inzwischen als Street Art 35 bezeichnet. Unter einer Vielzahl von Begriffen wie Post-Graffiti

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als Wandmalereien in Mexiko ab den 1920ern und in den USA ab den 1930ern. Vgl. Schwartzman: Street Art, S. 7, und vgl. Treeck: Graffiti Lexikon. Legale und Illegale Malerei im Stadtbild, S. 177f. Sogenannte Scratchings oder Etchings oder andere Sonderformen von Graffiti sollen hier nicht vergessen werden, aus platzökonomischen Gründen können diese aber nicht näher beschrieben werden und es bleibt bei der „klassischen“ Form von Graffiti, dem Farbauftrag. Ferner steht vor allem die Subkultur Graffiti mit ihrem ästhetischen Anspruch im Fokus, Latrinalia oder politische Parolen etc. werden nur am Rande mitgedacht. Character ist ein Begriff, der innerhalb der Graffiti-Szene für motivische (figurative) Darstellungen verwendet wird. Vgl. Treeck: Graffiti Lexikon. Legale und illegale Malerei im Stadtbild, S. 58ff. Der Street-Art-Begriff geht, wie Egidio Emiliano Bianco darlegt, weiter zurück bis in die 1960er Jahre. Damals wurden sämtliche Kunstformen, vor allem legale von Tanz bis Performance, die sich im öffentlichen Raum – auf der Straße – abbildeten, damit beschrieben. Erst etwa ab den 1980er Jahren bewegte sich der Begriff mehr in Richtung

3. Unautorisierte künstlerische Praktiken im öffentlichen Raum

oder Urban Art ist diese Bezeichnung die geläufigste.36 Allein die Street Art, als nur ein Bereich der unautorisierten künstlerischen Praktiken im öffentlichen Raum, ist so heterogen und facettenreich, dass der eine Gattungsbegriff kaum ausreicht. Die Arbeiten variieren in den eingesetzten Medien, Themen und Strategien. Die Definition der Werke als Street Art beruht lediglich auf der überwiegenden Realisierung bzw. Anbringung im Außenraum. Street Art entstand auf der Straße und folgt den Traditionen von Graffiti und Teilen der Kommunikationsguerilla37 , die Illegalität war dabei zunächst ein bestimmendes Merkmal.38 In der ersten wissenschaftlichen deutschsprachigen Publikation, die sich mit dem Thema befasst, Street-Art. Eine Subkultur zwischen Kunst und Kommerz von Julia Reinecke, wird der Ursprung der ersten StreetArt-AkteurInnen auf die Graffiti-Szene zurückgeführt, daher auch die Bezeichnung Post-Graffiti (seltener wird Street Art sogar ebenfalls als Graffiti bezeichnet und mit diesem gleichgesetzt39 ): „Die Street-Art-Akteure der ersten Generation, die Ende der 80er Jahre oder in den frühen 90ern aktive Writer waren, kamen mit der Zeit in das straffähige Alter. Die aufgebrachten Mühen und Anstrengungen verbunden mit dem Risiko ins Gefängnis zu kommen, wog sich für sie mit dem Ansehen, das sie lediglich in der Subkultur bekamen, irgendwann nicht mehr auf. Aus diesem Grund suchten sie nach neuen Formen, sich im öffentlichen Raum

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selbstautorisierter Kunst im Außenraum. Vgl. Bianco: A brief history of street art as a term up to 2000, S. 108ff. Vgl. Reinecke: Street-Art. Eine Subkultur zwischen Kunst und Kommerz, S. 9, und vgl. Blanché: Something to s(pr)ay: Der Street-Artivist Banksy. Eine kunstwissenschaftliche Untersuchung, S. 13. Kommunikationsguerilla kann als ein Teil der politischen, aktivistischen Kunst, des Artivism, verstanden werden. Der Begriff ist einer unter mehreren, die für dieses Phänomen existieren und wurde in der Publikation Handbuch für Kommunikationsguerilla (1997) eingeführt. Die Technik aus dem Gebiet der Kommunikationsguerilla, die in der Street Art Anwendung findet, ist vor allem das culture jamming – auch Adbusting genannt – das Manipulieren von Werbeinhalten. Vgl. autonome a.f.r.i.k.a. Gruppe/Blisset, Luther/Brünzels, Sonja (Hg.): Handbuch der Kommunikationsguerilla, Hamburg 1997, Vgl. auch Young: Street Art, Public City. Law, Crime and the Urban Imagination, S. 4f. Alison Young sieht in einem breiteren Verständnis sogar generell den Political Activism (Artivism) als einen weiteren Vorläufer von Street Art und unterlässt die Einschränkung auf Kommunikationsguerilla. Vgl. Young: Street Art, Public City. Law, Crime and the Urban Imagination, S. 18. Dies geschieht vor allem in den Medien; im wissenschaftlichen Diskurs wird zwischen Street Art und Graffiti differenziert.

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Unerlaubte Kunst

auszudrücken. Ihr Ziel war es nun, dass ihre Arbeiten von einer größeren Gruppe Menschen gesehen und akzeptiert werden und sie von dieser Gruppe Anerkennung erhalten.“40 Die ProtagonistInnen der Street Art – laut Reinecke vormalige GraffitiSprüherInnen – tauschten also lediglich die Tags41 gegen Logos oder Character 42 aus und erzielten dadurch eine größere Reichweite.43 Inzwischen hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass die AkteurInnen aus sehr unterschiedlichen Bereichen kommen (und kamen) und nur ein Teil von ihnen einen Graffiti-Hintergrund hat. Ulrich Blanché zeigt in seinem 2010 erschienen Buch Something to s(pr)ay: Der Street-Artivist Banksy. Eine Kunstwissenschaftliche Untersuchung am Beispiel der altgedienten Street-Art-Künstler Blek le Rat 44 und Shepard Fairey auf, dass schon in den frühen Jahren von Street Art nicht alle AkteurInnen einen Graffiti-Hintergrund hatten, sondern auch aus Bereichen wie der Skateboard-Kultur oder der Bildenden Kunst kamen.45 Die größere Verständlichkeit und somit vereinfachte Rezipierbarkeit, die Reinecke der Street Art bescheinigt, bietet dabei ein wichtiges

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Reinecke: Street-Art. Eine Subkultur zwischen Kunst und Kommerz, S. 169. Writer (Deutsch: Schreiber) nennen sich die klassischen Graffiti-SprüherInnen, die vorrangig Schriftzüge schreiben bzw. malen, selbst. Vgl. Treeck: Graffiti Lexikon. Legale und Illegale Malerei im Stadtbild, S. 297. Als Tag werden „Graffiti-Signaturen“ bezeichnet. Vgl. Treeck: Graffiti Lexikon. Legale und illegale Malerei im Stadtbild, S. 264ff. Auch einige Graffiti-KünstlerInnen fertigen Character an, diese sind jedoch oft mit einem Style (Schriftbild) verbunden. Die Bekanntheit mancher Street-Art-KünstlerInnen gründet auf einem einzelnen Character, der in verschiedenen Variationen wie ein Logo immer wiederkehrt. Vgl. Derwanz, Heike: Street Art-Karrieren. Neue Wege in den Kunstund Designmarkt, Bielefeld, 2013, S. 158. Vgl. Reinecke: Street-Art. Eine Subkultur zwischen Kunst und Kommerz, S. 170. Unter dem Namen Blek le Rat fertigt der Franzose Xavier Prou seit 1985 Schablonengraffitis – sogenannte Stencils – an. Vgl. Glaser: Street Art und neue Medien. Akteure – Praktiken – Ästhetiken, S. 36. Vgl. Blanché: Something to s(pr)ay: Der Street-Artivist Banksy. Eine kunstwissenschaftliche Untersuchung, S. 34. Diese Feststellung ist an späterer Stelle noch von Belang, da in den 1980er Jahren akademisch ausgebildete KünstlerInnen wie Jenny Holzer oder Barbara Kruger bereits unautorisiert im öffentlichen Raum arbeiteten und dabei einiges von dem vorwegnahmen, was knapp zwanzig Jahre später in der Street Art entstand.

3. Unautorisierte künstlerische Praktiken im öffentlichen Raum

Unterscheidungsmerkmal zum herkömmlichen Graffiti, das als Bestandteil eines in sich geschlossenen Diskurses für viele unentzifferbar ist.46 Anna Wacławek sieht ein Merkmal von Street Art darin, dass sie sich an die gesamte Bevölkerung wendet und durch eine deutliche Bildsprache darum bemüht ist. „[m]it jedermann zu kommunizieren.“47 Ansprechende Bildmotive und einfach zu vermittelnde Inhalte bestimmen viele Werke der Street Art. Sie polarisiert weniger als die klassischen Graffiti, die von vielen BetrachterInnen nur als kryptische Zeichen – bestenfalls als dekorative Wandbilder – wahrgenommen werden, führt aber die Tradition des illegalen Arbeitens im öffentlichen Raum fort. Der verwegene Nimbus der Illegalität trägt dabei maßgeblich zum hohen Popularitätsgrad von Street Art bei. Durch die Tendenz zur Gefälligkeit, den Drang, unterhaltsam zu sein und den BetrachterInnen ein Lächeln abzuringen48 , neutralisieren viele Werke der Street Art den negativen Aspekt des Vergehens teilweise wieder.49 Zudem verlegen sich viele KünstlerInnen vom Stencil-Sprühen (dem direkten Farbauftrag) auf das Tapezieren von zuvor im Atelier auf Papier erstellten Motiven, wodurch der Straftatbestand in den meisten Ländern nicht mehr erfüllt wird.50 „Das Unerwartete hinsichtlich Ort und Bildsprache ist eine der größten Qualitäten von Street Art.“51 , schreibt Anna Wacławek an anderer Stelle. In Bezug auf die Orte hat sie damit zumindest teilweise recht: Wenn wir uns im Stadtraum bewegen und um die nächste Ecke biegen, wissen wir nicht, was uns dort erwartet. Ein Street-Art-Werk wird somit zufällig entdeckt und 46 47 48 49

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Vgl. Taylor, Myra F./Pooley, Julie Ann/Carragher, Georgia: The psychology behind graffiti involvement, in: Ross (Hg.): Routledge Handbook of Graffiti and Street Art, S. 194. Wacławek, Anna: Graffiti und Street Art, Berlin/München, 2012, S. 80. Vgl. Blanché: Banksy. Urban Art in a Material World, S. 56. Dies trifft jedoch nicht für alle Arbeiten der Street Art zu, gerade KünstlerInnen, die Street Art machen und zugleich dem Artivism nahestehen, setzen auch provokante Bilder um, die weder visuell noch inhaltlich massenkompatibel sind und allenfalls der eigenen Peergroup gefallen. Näher wird darauf eingegangen in Kapitel 6/Gesetz, Moral, Recht. In Deutschland stellt wildes Plakatieren keine Straftat dar. „Auch wenn Street Art bis heute nicht als legale Kunstform gilt, hält sich die ,Gefahr‘, der sich Street-Art-Künstler im Zuge ihrer Kunstpraktik aussetzen im Rahmen. Da Street Art von rechtlicher Seite aus als „Ordnungswidrigkeit“ gehandelt wird, droht ihnen keine Strafverfolgung.“ Glaser: Street Art und neue Medien. Akteure – Praktiken – Ästhetiken, S. 115. Diese Aussage von Katja Glaser bezieht sich in erster Linie auf Plakatarbeiten und Aufkleber, der direkte Farbauftrag erfüllt wie bei Graffiti als Sachbeschädigung den Straftatbestand. Wacławek: Graffiti und Street Art, S. 96.

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macht sich ein gewisses Überraschungsmoment zunutze. Es sind jedoch vor allem trendige Szeneviertel auf der einen Seite und periphere Randbereiche wie Industriebrachen und Verkehrsinfrastruktur auf der anderen Seite, in denen wir auf Street Art stoßen.52 Überraschend ist die Begegnung mit Street Art also etwa im hippen Berlin-Friedrichshain nicht. Auch Ulrich Blanché merkt an, dass besonders reiche bzw. besonders arme Wohnviertel oft frei von Street Art sind.53 In Bezug auf die Bildsprache ist der Effekt sogar gegenteilig. Natürlich ist Street Art nicht abgeschlossen und findet ständig neue Formen und Ausdrucksweisen, um sich im öffentlichen Raum abzubilden. Der Kanon der Techniken und Strategien, die sich im öffentlichen Raum wiederholen, ist jedoch verhältnismäßig klein und die Überraschung, ob eines Stencils54 oder einer großformatigen Wandmalerei, hält sich in Grenzen.55 „Am auffälligsten ist, dass Street Artists mit eher traditionellen Kunsttechniken wie Schablonen, Druckgrafiken und Malerei hauptsächlich figurative Arbeiten anfertigen, die von realistischen Porträts [...] bis hin zu Comic-ähnlichen Figuren reichen [...].“56 Die Benutzung tradierter Techniken und Ästhetiken, die aus Kunst und Design bereits bekannt sind, sorgt dafür, dass viele Werke der Street Art sich bereits im ersten Moment, in dem man ihrer gewahr wird, als Kunst entschlüsseln. Bild und Signatur wiederholen die Codes der etablierten Kunstformen, das Potenzial eines Überraschungs- oder Irritationsmoments wird daher nur selten genutzt (Abb. 8).

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Anna Wacławek stellt selbst fest, dass manche Künstler es bevorzugen „[i]hre Kunst an Plätzen zu exponieren, die an der Peripherie einer Stadt liegen [...]“. Vgl. Wacławek: Graffiti und Street Art, S. 114. Vgl. Blanché: Banksy. Urban Art in a Material World, S. 52. Als Stencils werden mittels Schablone gesprühte Bilder bezeichnet. Vgl. Blanché: Something to s(pr)ay: Der Street-Artivist Banksy. Eine kunstwissenschaftliche Untersuchung, S. 29. „In dieser einseitigen Reflexion auf den Entdeckungsmoment ihrer [der Street Art, R.H.] ›Pieces‹ ebenso wie in der Inflationierung der Anwendung ihrer Techniken der reflexiven Aufmerksamkeit liegt das Risiko ihrer Veralltäglichung begründet. Ihre Formen verlieren durch Wiederholung ihre Unwahrscheinlichkeit und werden routiniert als unauffällige Auffälligkeit erwartbar. Sie werden damit paradoxerweise selbst zum Design, über das unsere Aufmerksamkeit routiniert hinweg gleitet.“ Kranz/Schmidt: Aus dem Rahmen gefallen: über das Fungieren von Street Art und anderen Kunstwerken dies- und jenseits des Kunstbetriebs, S. 172. Wacławek: Graffiti und Street Art, S. 30.

3. Unautorisierte künstlerische Praktiken im öffentlichen Raum

Einzelne KünstlerInnen brechen aus der figurativ-dominierten Bildwelt aus, etwa die Spanierin Nuria Mora, die abstrakte geometrische Malereien illegal im Stadtraum umsetzt (Abb. 9), oder die deutsche Künstlerin Barbara57 , die Textkommentare im öffentlichen Raum anbringt, mit denen sie sich u.a. auf Informationen bzw. Situationen bezieht, die sie dort vorfindet. Einige AkteurInnen, die deutliche Überschneidungen mit den Unauthorized Public Interventions haben, wie etwa der New Yorker Künstler Dan Witz oder fallweise auch der in Berlin lebende US-Amerikaner Brad Downey, gehen noch einen Schritt weiter: In irritierenden Installationen versuchen sie, die Trennung von Kunst und Alltag aufzuheben. Als Beispiel seien hier die Werke von Dan Witz genannt, etwa die Serie Ugly New Buildings, bei der er kleine Lüftungsgitter im öffentlichen Raum von New York auf Bodenniveau anbrachte. Hinter den Gittern waren schemenhaft Menschen, oft auch bloß Hände zu erkennen, die sich in Richtung Licht streckten und dabei zum Teil sogar aus dem Gitter herausragten58 (Abb. 10). Auf eine Signatur wird dabei verzichtet, die künstlerische Identitätsbildung und Zuschreibung der Werke findet über die eigene Website oder die Wiedergabe in Online- und Printmedien statt. Auch Arbeiten, die zwischen Werbung und Street Art changieren und die ihren wahren künstlerischen Inhalt nicht auf den ersten Blick offenlegen, gelingt es mitunter, einen echten Moment der Verwunderung zu erzeugen. „Mit Farben, Licht, knalligem Design, auffälligen Slogans und Formaten fügen Unternehmen den sonst uniformen Straßen ein visuelles Durcheinander hinzu. Eine Stadt ist damit nicht nur ein funktionaler Raum, durch den man sich bewegt, sie ist zugleich ein strategischer Raum, durch den man verkauft. Das Auftauchen von nicht genehmigter Kunst in der visuellen Kultur der Stadt ist ein erfrischender, wenn nicht sogar notwendiger Akt des Widerstands.“59 Nicht nur Anna Wacławek, auch andere AutorInnen sehen in Street Art einen Akt des visuellen Widerstands gegen die Omnipräsenz von Konsum- und Werbebotschaften. Ulrich Blanché meint dagegen in Bezug auf den britischen Street-Art-Künstler Banksy kritisch: „Man könnte Banksy entgegenhal-

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Ob sich hiner dem Pseudonym Barbara tatsächlich eine weibliche Person verbirgt, ist nicht bekannt. Fotografien der Werke finden sich auf der Internetseite von Dan Witz: https://www.da nwitz.com/index.php?article_id=45 abgerufen am 12.04.2021. Wacławek: Graffiti und Street Art, S. 112.

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Unerlaubte Kunst

ten, was er der Werbung vorwirft, dass nämlich der Betrachter oft keine Wahl hat, ob er sein Werk sehen will oder nicht, da es sich ja auf der Straße befindet.“60 Auch Heike Derwanz weist darauf hin, dass es eine enge Verflechtung gibt zwischen Street Art und Werbung.61 Nicht nur werden die gleichen städtischen Räume besetzt, die Strategien ähneln sich und nicht selten verdienen die Street-Art-KünstlerInnen ihren Lebensunterhalt sogar als Teil der Werbeindustrie.62 In Hinblick auf die Kritik vieler Street-Art-KünstlerInnen an der Konsumund Warenwelt ist es umso erstaunlicher, dass Street Art in Folge zunehmender Popularität immer weiter vermarktet wurde. Von Teilen der Street-ArtSzene wurden Kommerzialisierung und Verwertung bereitwillig angenommenen bzw. selbst betrieben (z.B. Shepard Fairey63 ), durch die Kommodifizierung gehen jedoch zwei bestimmende Aspekte teilweise verloren: die Illegalität und der öffentliche Raum. „Wann immer es jemandem gelingt, Zeichen zu setzen, die nicht der gegenwärtigen Konvention entsprechen, wird sich bald einer finden, der einen solchen Ausreißer wieder einfängt oder neutralisiert, indem er sich dessen Vokabular bemächtigt.“64 , so Markus Hanzer in seinem Buch Krieg der Zeichen. Übertragen auf Street Art kann die Absorbierung durch Werbung und Konsumkultur als Neutralisierung beschrieben werden. Street Art läuft dabei Gefahr, jede Form von Relevanz zu verlieren und zum Kitsch zu werden. Banksy-Tassen, Obey-T-Shirts, Street-Art-Spielfiguren65 – ob mit Einwilligung der KünstlerInnen oder nicht, der Vermarktung sind keine Grenzen gesetzt.66 Street Art-KünstlerInnen bauen ihre illegale Identität 60 61 62 63

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Blanché: Something to s(pr)ay: Der Street-Artivist Banksy. Eine kunstwissenschaftliche Untersuchung, S. 94. Vgl. Derwanz: Street Art-Karrieren. Neue Wege in den Kunst- und Designmarkt, S. 189. Vgl. Blanché: Banksy. Urban Art in a Material World, S. 82. Shepard Fairey ist durch das omnipräsente Konterfei eines Wrestlers (Andre the Giant) bekannt geworden, das er ausgehend von Los Angeles global im öffentlichen Raum platzierte. In verschiedener Form arbeitete er über Jahre mit dem Sujet, später in Verbindung mit dem Wort Obey (Deutsch: gehorche), mit der Zeit entstand daraus eine Marke. Vgl. Derwanz: Street Art-Karrieren. Neue Wege in den Kunst- und Designmarkt, S. 44ff. Hanzer, Markus: Krieg der Zeichen. Spurenlesen im urbanen Raum, Mainz, 2009, S. 243. Hier seien beispielhaft die Figuren des Street-Art-Künstlers und Designers Kaws genannt. Vgl. Ramírez-Montagut, Mónica: Kaws. 1993-2010, New York, 2010. „Online abrufbare, digitale Fotos machen es Street-Art-affinen Akteueren leicht, verschiedenste Street-Art-,Merchandisingprodukte‘ in Umlauf zu bringen; darunter Prints

3. Unautorisierte künstlerische Praktiken im öffentlichen Raum

markenartig auf. In dieser Anlage steckt ein enormes Vermarktungspotenzial. „Durch die Parallelisierung von Pop- und Street-Art wird tatsächlich deutlich, wie sehr sich beide der kapitalistischen Tradition des Markennamens bedienen und dabei ebenso zur Kultur der Kommerzialisierung beitragen, wie sie sie kritisieren.“67 Der Absatzmarkt scheint trotz des Ausverkaufs, der den konsumkritischen Anspruch der Street Art untergräbt und somit einen Teil ihrer Bedeutungsebene aushöhlt, nicht einzubrechen. Die KünstlerInnen sind als HeldInnen in Robin-Hood-Manier identitätsstiftend für Jugendliche und Erwachsene. In der Konsumwelt des 21. Jahrhunderts ist es daher nur selbstverständlich, dass eine Teilhabe an diesem Image in Form von Merchandisingprodukten angeboten wird.

3.3

Artivism

Artivism meint politisch-aktivistische Kunst. Schon diese Beschreibung steht auf wackeligen Füßen, denn „[e]s existiert bislang keine Definition politischer Kunst, vielmehr gehört diese nach wie vor zu den ›blinden Flecken‹ der Kunstgeschichtsschreibung.“68 Die Grundbedeutung des Wortes Polis (griechisch:

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und Poster, bedruckte Leinwände, T-Shirts, Magnetpins, Kaffeetassen, Handyhüllen etc. Diese Produkte zirkulieren zumeist ohne Absprache mit Referenz auf oder Wissen des Künstlers.“ Glaser: Street Art und neue Medien. Akteure – Praktiken – Ästhetiken, S. 189. Tatsächlich ist es insbesondere für Street-Art-KünstlerInnen, die anonym auftreten, schwierig gegen die Vermarktung ihrer Werke vorzugehen, wie auch Blanché am Beispiel von Banksy aufzeigt, der zwar selbst zu moderaten Preisen seine eigenen Arbeiten und diverse Merchandising-Artikel vertreibt, sich darüber hinaus aber mit einer ausufernden Form der Kommodifizierung seiner Werke durch Dritte konfrontiert sieht, gegen die er kaum vorgehen kann. Vgl. Blanché: Something to s(pr)ay, S. 115ff. In Deutschland können unerlaubt angebrachte Werke dabei trotz Eigentumsverletzung (Sachbeschädigung durch KünstlerInnen etc.) urheberrechtlichen Schutz genießen, wie Heike Derwanz bemerkt. Vgl. Derwanz: Street Art-Karrieren. Neue Wege in den Kunst- und Designmarkt, S. 182. Wacławek: Graffiti und Street Art, S. 161. Hartmann, Doreen/Lemke, Inga/Nitsche, Jessica: Einleitung: Interventionen. Grenzüberschreitungen in Ästhetik, Politik und Ökonomie, In: Hartmann/Lemke/Nitsche (Hg.): Interventionen. Grenzüberschreitungen in Ästhetik, Politik und Ökonomie, S. 13.

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Unerlaubte Kunst

Stadt/Staat) impliziert, dass damit auch die staatliche Kunst gemeint ist,69 um die es innerhalb dieser Arbeit allerdings nicht gehen soll. Seit der Jahrtausendwende ist die Protestkunst bzw. politisch-aktivistische Kunst – innerhalb dieser Arbeit bezeichnet als Artivism70 – im Zuge regionaler und globaler Krisen und Spannungen sowie in Wechselwirkung mit dem Internet neu erstarkt. Peter Weibel sieht im Artivism die möglicherweise erste neue Kunstform des 21. Jahrhunderts. Abgesehen von der besonderen Rolle des Internets und den damit verbundenen neuen Kommunikationskanälen, die maßgeblich am Erstarken des Artivism beteiligt sind, unterscheidet sich dieser jedoch kaum von früheren (illegalen) politischen Kunstformen, die in vielen Ländern seit den 1960er Jahren existieren. Artivism baut auf politischer Kunst und aktivistischen Ausdrucksformen auf, die damals unter Einfluss von künstlerischen Happenings, Performances, Aktionen etc. und auch neuer Formen des Theaters entstanden. „In der Kunst hatte es – parallel zu dem Ansatz der Situationistischen Internationale – auch praktische Entwicklungen gegeben, die starken Einfluss auf die Protestkultur haben sollten.“71

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Vgl. Papenbrock: Vom Protest zur Intervention. Grundzüge politischer Kunst im 20. Jahrhundert, S. 27. Artivism (auch Protest Art oder Activist Art) ist eine politische Ausrichtung innerhalb der Kunst. Eine Wortschöpfung, die sich aus den Wörtern Art und Activism zusammensetzt und kritische künstlerische Positionen bezeichnet, deren Werke auf aktuelle (politische) Geschehnisse oder Missstände Bezug nehmen. Die Illegalität der Projekte ist dabei kein Kriterium. Vgl. Weibel (Hg.): Global Activism. Art and Conflict in the 21st Century, S. 23. Martin Papenbrocks Zusammenfassung politischer Kunst steckt das Feld des Artivism, wie es innerhalb dieser Arbeit verstanden wird, gut ab: „Die Kunst, die sich kritisch mit der staatlichen Politik auseinandersetzt, die Position bezieht gegen hegemoniale Entwicklungen, die ein politisches Bewusstsein zu schaffen versucht, die über politische und soziale Missstände aufklärt, Öffentlichkeit herstellen und sozialpolitische Prozesse in Gang setzen will, wird – wenn sie in totalitären Regimen agiert – zumeist als Widerstandskunst bezeichnet, ansonsten als Protestkunst, als (sozial-)kritische Kunst oder – gerade wenn es um die jüngere Kunst geht – als Aktionskunst, als künstlerischer Aktivismus, als Interventionskunst oder zusammenfassend und vereinfachend als politische Kunst.“ Papenbrock: Vom Protest zur Intervention. Grundzüge politischer Kunst im 20. Jahrhundert, S. 27/28. Teune, Simon: Wie ein Fisch im Wasser der Zeichenwelt: Spaßguerilla seit den 1960er Jahren, in Psychologie und Gesellschaftskritik, H. 128 (2008), S. 44, online: https://nbn-re solving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-325787 abgerufen am 29.04.2021.

3. Unautorisierte künstlerische Praktiken im öffentlichen Raum

  „Die Studentenbewegung hatte umgekehrt einen politisierenden Effekt auf die Aktionskünste, die den experimentellen und spielerischen Charakter ihrer Anfangsjahre verloren und insbesondere in Europa zunehmend politisch agierten.“72 Artivism wird also innerhalb dieser Arbeit als ein Feld verstanden, in dem sich AkteurInnen aus einem politisierten Kontext und aus dem Kunstfeld treffen und das schon vor dem Internet bestand, einige handeln aus einem eher künstlerischen Selbstverständnis, andere aus einem politischen. Zu den frühen VertreterInnen zählen etwa die Niederländischen Provos73 (Abb. 11), die Subversive Aktion74 oder die KünstlerInnen des Wiener Aktionismus, um hier beispielhaft nur einige zu nennen. Artivism ist weder ausschließlich an den öffentlichen Raum gekoppelt noch dezidiert illegal, erfüllt aber diese beiden, für diese Arbeit relevanten Kriterien sehr oft. Im Konflikt mit gesellschaftlichen Konventionen und Normen, übermächtigen Regimen oder Interessenträgern, spielen der erweiterte öffentliche Raum und die sich in ihm vermittelnden Hegemonien eine wichtige Rolle. Um sich Gehör und Öffentlichkeit zu verschaffen, nutzen viele der ProtagonistInnen des Artivism den Außenraum als Möglichkeit, um (unautorisiert) politische Kunstaktionen umzusetzen. Die Anliegen sind dabei weit gestreut,

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Papenbrock, Martin: Happening, Fluxus, Performance: Aktionskünste in den 1960er Jahren, in: Klimke, Martin/Scharloth, Joachim (Hg.): 1968. Handbuch zur Kultur- und Mediengeschichte der Studentenbewegung, Stuttgart/Weimar, 2007, S. 138. Die Provos waren eine Bewegung, die Mitte der 1960er Jahre in erster Linie in Amsterdam aktiv war. Mit kreativen Protesten, Störaktionen, Happenings etc. opponierten sie gegen die gesellschaftlichen Verhältnisse. „[...] the Provos effectively used art forms in the service of social revolution, converting social and political life into a provocative theatrical confrontation between activist and authority, protester and police.“ Kempton, Richard: Provo. Amsterdam's Anarchist Revolt, New York, 2007, S. 13. Anlässlich der Hochzeit der niederländischen Kronprinzessin Beatrix mit dem deutschen Claus von Amsberg, am 10. März 1966 in Amsterdam zündeten sie zahlreiche Rauchbomben, um gegen die Verbindung zu protestieren und den Festzug visuell zu stören. Ebd. S. 59ff. Die Subversive Aktion war ein 1963 von Dieter Kunzelmann, Marion Steffel-Stergar, Peter Pusch und Frank Böckelmann gegründetes Kollektiv. Kunzelmann war zuvor Mitglied der Künstlergruppe SPUR und der Situationistischen Internationalen. Vgl. Neue Gesellschaft für Bildende Kunst (Hg.): legal / illegal. Wenn Kunst Gesetze bricht / Art beyond Law, S. 170.

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Unerlaubte Kunst

Demokratiebewegungen, BürgerrechtlerInnen, Anti-Kriegs-AktivistInnen, Frauenrechts-AktivistInnen, queere AktivistInnen, KlimaaktivistInnen, KonsumkritikerInnen etc. und sogar rechts-konservative AktivistInnen75 versuchen mit (illegalen) künstlerischen Aktionen im öffentlichen Raum, ihren Anliegen Sichtbarkeit zu verleihen.76 Wie Simon Teune feststellt, ist Humor dabei ein beliebtes Mittel, um Autoritäten zu untergraben. So hatten in den 1960ern viele der künstlerischen Protestformen das Ziel, „die staatlichen Organe, die Medien und die Mehrheit der Spießbürger lächerlich zu machen, um sie zu delegitimieren“77 , etwa die Subversive Aktion in Deutschland, die Provos in den Niederlanden oder die

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AkteurInnen wie die rechtsextremen Identitären müssen in Überlegungen zu kreativem, künstlerischem Protest mit einbezogen werden. Aktionen wie das Zumauern der Tür eines Wahllokals in Halle vor einer Probe-Landtagswahl für MigrantInnen (2016) müssen gleichberechtigt mit dem Artivism aus dem linken Spektrum betrachtet werden. Vgl. Zeit-Redaktion: Rechtsextreme Gruppe bekennt sich zu Mauerbau-Aktion, in: Zeit, veröffentlicht am 11.03.2016, online: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitg eschehen/2016-03/sachsen-anhalt-landtagswahl-migranten-probe-wahllokal-halle-z ugemauert abgerufen am 02.01.2021. Ein Indiz dafür, dass diese Aktionen auch im Selbstverständnis der AkteurInnn (Protest-)Kunst sind, ist etwa die Umsetzung einer Aktion in Augsburg im Rahmen der Kunst- und Literaturnacht 2018. Vgl. schwab: Donauwörth, wann wird gehandelt?, in: Identitäre Schwaben, [Website], veröffentlicht am 06.11.2018 https://identitaere-schwaben.de/2018/11/06/ankerzentrumdonauwoerth/ abgerufen am 02.01.2021. Auf die Idee, auch das rechte Lager mit in Überlegungen zum Artivism einzubeziehen, brachte mich der russische Kurator und Künstler Sergej Troschchenkow (englisch: Sergey Troshchenkov, russisch: Сергей Трощенков). Gemeinsam mit dem Künstler und Aktivisten Denis Mustafin ist er 2016 in einer Ausstellung im CCI Fabrika Moskau darauf eingegangen, dass viele Aktionen des rechts-orthodoxen russischen Aktivisten Dmitry „Enteo“ Tsorionov künstlerische Aspekte haben, die dem Artivism in nichts nachstehen. Weiterführende Informationen zu der Ausstellung in russischer Sprache finden sich u.a. auf dem Kunst-Blog Furfur, vgl. Сергей Бабкин: Выставка N-Teo: Заслуживает ли Дмитрий Энтео статуса современного художника?, in: Furfur, [Website], veröffentlicht am 23.03.2016, http:// www.furfur.me/furfur/culture/culture/217077-enteo abgerufen am 27.05.2021. Nicht unerwähnt sei hier als (unpolitischer) Sonderfall auch der Fan-Aktivismus, insbesondere von Fußball-Ultras, der ebenfalls immer wieder künstlerische Züge annimmt. Teune: Wie ein Fisch im Wasser der Zeichenwelt: Spaßguerilla seit den 1960er Jahren, S. 39.

3. Unautorisierte künstlerische Praktiken im öffentlichen Raum

Yippies78 und die Gruppe WITCH79 in den USA. Artivism kann aber nicht allein auf humoristische Taktiken reduziert werden. Schockierende Grenzüberschreitungen, die an den Grundfesten gesellschaftlicher Moralvorstellungen rütteln, oft ohne belustigende Intentionen, wurden bereits in den 1960er Jahren von den Wiener AktionistInnen praktiziert. KünstlerInnen wie Pjotr Pawlenski folgen dieser Tradition und sind auch heute darum bemüht, die Grenzen immer weiter auszureizen und so ihren politisch-künstlerischen Anliegen Nachdruck zu verleihen. Artivism als Ganzes ist noch nicht hinreichend erforscht80 , es sind letztlich verschiedene Strömungen, die zum Teil zeitlich versetzt in unterschiedlichen Ländern auftauchten und die entsprechend ihrer Spezifika unterschiedlich benannt wurden: MedienaktivistInnen, Pranksters81 , Spaßguerilla82 , Adbusting83 , Culture-Jamming84 , AktionistInnen, ProtestkünstlerInnen etc. sind 78

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Der Begriff Yippies bezeichnet die Mitglieder der am Silvesterabend 1967 gebildeten „Youth International Party“, einer gegenkulturellen Protestbewegung gegründet von Abbie Hoffman, Anita Hoffman, Nancy Kurshan, Jerry Rubin, Paul Krassner und Jim Fourrat. Vgl. autonome a.f.r.i.k.a. Gruppe/Blisset/Brünzels (Hg.): Handbuch der Kommunikationsguerilla, S. 140f, und vgl. Peariso, Craig J.: Radical Theatrics. Put-ons, Politics, and the Sixites, Seattle, 2014, S. 60. WITCH (Women’s International Terrorist Conspiracy from Hell) war eine lose organisierte feministische Aktivistinnenbewegung, die ab 1968 performative GuerillaAktionen durchführte. Vgl. McLeod, Kembrew: Pranksters. Making Mischief of the Modern World, New York, 2014, S. 146ff. Auch der Begriff Artivism selbst, der hier als Oberbegriff die verschiedenen künstlerischen Ansätze bündelt, ist keineswegs etabliert, sondern nur eine Möglichkeit, um die verschiedenen Praktiken des Feldes unter einer Bezeichnung zu erfassen. Pranksters ist ein Begriff, mit dem in einigen Publikationen die US-amerikanischen AkteurInnen der 1960er und 1970er Jahre bezeichnet werden, die mit humoristischen Guerilla-Praktiken in Erscheinung traten. Der Begriff bezieht sich heute auch auf die ErstellerInnen der YouTube-Prank-Videos (siehe Kapitel 7/Grenzbereiche). Spaßguerilla ist eine z.T. in Deutschland verwendete Bezeichnung für Formen des humoristischen politischen Protests. Vgl. Teune: Wie ein Fisch im Wasser der Zeichenwelt: Spaßguerilla seit den 1960er Jahren. Adbusting (Abb. 42) – oft auch als Subvertising bezeichnet – meint das Verändern, Manipulieren, Unterwandern von Werbeinhalten, oft in Bezug auf PlakatWerbekampagnen im öffentlichen Raum. Vgl. Lampert, Nicolas: A People's Art History of the United States. 250 Years of Activist Art and Artists working in Social Justice Movements, New York/London, 2013, S. 299f. Culture Jamming ist ein loser Begriff, der subversive, aktivistische Guerilla-Praktiken meint und dabei sowohl Adbusting, performative Praktiken, Computer-HackerInnen, Piratensender usw. einschließt, von denen einige im öffentlichen Raum stattfinden.

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Unerlaubte Kunst

dabei nur einige der verwendeten Bezeichnungen, die mal eine Technik, mal eine Gruppe von AkteurInnen bezeichnen. In einem Wirrwarr aus Definitionen, die sich z.T. gegenseitig überlagern, meinen verschiedene Begriffe dabei oft das Gleiche. Wie zu Beginn dieses Kapitels beschrieben, hat jede ungenehmigte künstlerische Handlung im öffentlichen Raum auch eine politische Konnotation. In einem breit angelegten Verständnis könnte jede unautorisierte künstlerische Aktion im Außenraum somit auch als Teil des Artivism gelten. Es sollen mit dem Begriff Artivism aber in erster Linie Projekte gemeint sein, die abseits des politischen Momentums der illegalen Realisierung auch einen politischaktivistischen Inhalt haben und die sich visuell von Street Art und Graffiti unterscheiden. Im Zuge des gesamtgesellschaftlichen Zeitgeists und unter dem Eindruck von Fluxus-Happenings, Institutionskritik, den SituationistInnen etc. bildeten AkteurInnen in den 1960ern neue, oft performative Praktiken aus, um im erweiterten öffentlichen Raum zu agieren. „Der kulturelle Innovationsschub der 1960er Jahre führte nicht zuletzt zu einer Veränderung des künstlerischen wie politischen Aktivismus. Eine systematische Auflistung von Möglichkeiten, tumultartige Situationen zu erzeugen, war bereits im Fluxus New-PolicyLetter, Nr. 6, aus dem Jahr 1963 zu finden […].“85 „Der Paradigmenwechsel vom Objekt zur Handlung als Form und Ausdruck der Kunst war nicht nur kunsttheoretisch, sondern auch gesellschaftspolitisch motiviert. Die Kunst wurde in den 1960er Jahren zunehmend als soziales Handlungsfeld begriffen, in dem alternative soziale Modelle und gesellschaftliche Verhaltensmuster erprobt werden konnten.“86 Diese Entwicklung fand nicht nur in den demokratischen Staaten der westlichen Welt statt, sondern lässt sich u.a. auch für einige der repressiven Länder

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Vgl. DeLaure, Marilyn/Fink, Moritz: Culture Jamming. Activism and the Art of Cultural Resistance, New York, 2017, S. 130ff. Neue Gesellschaft für Bildende Kunst (Hg.): legal / illegal. Wenn Kunst Gesetze bricht / Art beyond Law, S. 170. Wie im Text festgestellt wird, waren die proklamierten Ideen und Taktiken nicht politisch zielgerichtet, sondern dienten in erster Linie der Eigenwerbung von Fluxus. Vgl. auch Scan des Newsletters auf der Website des New Yorker MoMa: https://www.moma.org/collection/works/127661 abgerufen am 09.03.2021. Papenbrock: Happening, Fluxus, Performance: Aktionskünste in den 1960er Jahren, S. 137.

3. Unautorisierte künstlerische Praktiken im öffentlichen Raum

des Ostblocks sowie für Teile Südamerikas belegen.87 In den USA oder Westeuropa war dabei die Unzufriedenheit mit den herrschenden gesellschaftlichen Verhältnissen ein Faktor, der die Ausbreitung dieser Praxen beförderte. In den autoritären Staaten des Ostblocks bedingten daneben auch Zensur und (inhaltliche) Einschränkungen bei der Realisierung von Ausstellungen etc., dass KünstlerInnen den Weg in den Außenraum einschlugen. Nonkonforme Kunst war z.B. in der Sowjetunion nicht verboten, jedoch in ihren Möglichkeiten stark eingeschränkt.88 Es kann in diesem Fall schon der Schritt in den öffentlichen Raum, die bloße Verweigerung des staatlichen Kunst-Leitbilds, als politische Aktion verstanden werden. Einen unverblümten künstlerischen Protest, der wie in Westeuropa oder den USA den sozialen und politischen Unmut direkt äußerte und sich dabei medienwirksam inszenierte, gab es jedoch nicht.89 Entscheidend dafür war das sehr viel unausgewogenere Kräfteverhältnis zwischen Staat und KünstlerInnen und das Fehlen starker, unabhängiger Medien als Korrektiv, um die Position der KünstlerInnen zu stärken. Obschon AkteurInnen wie der tschechoslowakische Künstler und Musiker Milan Knížák90 , der polnische Künstler und Theaterregisseur Ta-

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Vgl. Christ, Hans D./Dressler, Iris (Hg.): Subversive Praktiken. Kunst unter Bedingungen politischer Repression. 60er-80er / Südamerika / Europa, Hamburg, 2010. Vgl. auch Greenspun, Joanne (Hg.): Primary Documents. A Sourcebook for Eastern and Central European Art since the 1950s, Cambridge, 2002, https://monoskop.org/images/b/b9/Primary_D ocuments_A_Sourcebook_for_Eastern_and_Central_European_Art_Since_the_1950s _2002.pdf abgerufen am 27.04.2021. Insgesamt ist die Informationslage dazu aber schlechter als für die USA/Westeuropa, zudem sind die Aktionen, die dokumentiert sind, weniger drastisch. Vgl. Erjavec, Aleš: Introduction, in: Erjavec, Aleš (Hg.): Postmodernism and the Postsocialist Condition. Politicized Art under Late Socialism, Berkeley/Los Angeles/London, 2003, S. 21. Bzw. müssen hier auch wieder eventuelle (Un)Sichtbarkeiten aus heutiger Perspektive mitreflektiert werden. In Ländern mit repressiven Regimen haben mögliche Formen künstlerischen Protests im Zweifelsfall eher heimlich und anonym agiert und folglich längerfristig keine Überlieferung erfahren. Milan Knížák ist ein tschechischer bzw. tschechoslowakischer Künstler und Musiker, der schon um 1962 mit seinen informellen Projekten in den Außenraum drängte. Scheinbar entwickelte er dabei ohne Kenntnis von Happenings und Fluxus eigenständig ähnliche Praktiken. Vgl. Kemp-Welch, Klara: Networking the Bloc. Experimental Art in Eastern Europe 1965–1981, Cambridge, 2018, S. 41ff. Ab Mitte der 1960er Jahre baute er Kontakte zu den Fluxus-KünstlerInnen um George Maciunas auf, seine Aktionen sind ebenso wie die von Tadeusz Kantor und Eugen Brikcius nicht vordergründig politisch.

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Unerlaubte Kunst

deusz Kantor 91 oder der tschechoslowakische Schriftsteller und Künstler Eugen Brikcius92 bereits in den 1960ern das Refugium der Kunst verließen, um den Außenraum für ihre Praxis zu nutzen, waren die Inhalte ihrer performativen Projekte nicht direkt politisch. Sowohl Knížák als auch Brikcius haben bei einzelnen ungenehmigten Aktionen auch die Exekutive auf den Plan gerufen. Brikcius wurde für die Durchführung eines Happenings im Prager Ledebur-Garten (Ledeburská zahrada) 1967 sogar verurteilt, konnte aber erfolgreich Berufung einlegen und dadurch bewirken, dass Happenings und damit verbundene deviante Verhaltensweisen im öffentlichen Raum in der Tschechoslowakei fortan nicht mehr verfolgt wurden.93 Da ihre Projekte aber keine explizit politischen Inhalte hatten, können sie nur unter der Prämisse, dass sie in einer geschlossenen Gesellschaft umgesetzt wurden, als Artivism verstanden werden. Abgesehen von vereinzelten Aktionen in den 1970er Jahren sind zielgerichtete künstlerisch-aktivistische Kunstformen im Ostblock vor allem aus den 1980er Jahren überliefert. Mit dem einsetzenden Korrosionsprozess der sozialistischen Staaten(-Gemeinschaft) begannen simultan KünstlerInnen in verschiedenen Ländern provokantere Ausdrucksformen im öffentlichen Raum zu erproben.94 Hier sei als Beispiel die polnische Orange 91

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Tadeusz Kantor war Theaterregisseur und Künstler. Er entwickelte mit offizieller Unterstützung einige performative Aktionen bzw. Happenings im Außenraum, wie etwa The Letter (1967) oder das Panoramic Sea Happening (1967), bei dem ein Dirigent auf einem Podest vor Publikum die Wellen der Ostsee dirigierte. Vgl. Sosnowska, Dorota: Impossible is Real, in: Performance Research. A Journal for the Performing Arts, H. 21 (2016), S. 70ff. veröffentlicht am 03.05.2016 online: http://dx.doi.org/10.1080/13528165.2016.1162 544 abgerufen am 09.03.2021. Eugen Brikcius ist ein tschechischer bzw. tschechoslowakischer Künstler und Schriftsteller, ab 1970 wandte er sich Praktiken im Außenraum zu, die der Land Art nahe stehen. Vgl. Art for Good: Eugen Brikcius / And the Word was made Flesh, [Website], http://w ww.artforgood.cz/en/vybrana-dila/brikcius abgerufen am 21.03.2021. Vgl. Art for Good: Eugen Brikcius / And the Word was made Flesh, [Website], http://ww w.artforgood.cz/en/vybrana-dila/brikcius abgerufen am 21.03.2021, eine genaue Schilderung findet sich unter der Rubrik „Thanksgiving / An Insult to the Feeling of the Working People?“ sowie im Innenteil des gescannten britischen Journals THE MAGAZINE vom Oktober 1968, das ebenfalls auf der Seite verfügbar ist. Mit der Zerschlagung des Prager Frühlings änderten sich im Zuge der Normalisierung jedoch das Klima und die Doktrin in der Tschechoslowakei. Den KünstlerInnen war es nicht mehr möglich, Projekte im Außenraum zu realisieren. Vgl. Bryzgel, Amy: Performance Art in Eastern Europe since 1960, Manchester, 2017, S. 18 und vgl. ebd. S. 70. Und vgl. Fowkes, Maja: The Green Bloc. Neo-avant-garde Art and Ecology Under Socialism, Budapest, 2015, S. 225. Vgl. Erjavec: Introduction, S. 47f.

3. Unautorisierte künstlerische Praktiken im öffentlichen Raum

Alternative (polnisch: Pomarańczowa Alternatywa) genannt, eine Gruppe von KünstlerInnen, SozialaktivistInnen etc., die sich in Wrocław in Reaktion auf die Verhängung des Kriegsrechts über Polen (1981-1983) gründete und die vor allem in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre aktiv war.95 Die überwiegend performativen Eingriffe der westlichen ArtivistInnen waren oft auf eine große mediale Wirkung aus. Ein prominentes Beispiel ist eine Aktion am 24. August 1967 rund um Abbie Hoffman und Jerry Rubin sowie weitere Personen, die sich später im selben Jahr als Yippies formieren sollten, bei der sie Dollarscheine von der ZuschauerInnentribüne der New Yorker Börse auf das Börsenparkett warfen (Abb. 12).96 ReporterInnen begleiteten das Spektakel, und auch wenn die Aktion vermeintlich keinen direkten Einfluss auf den Börsenhandel hatte, so lieferte sie doch eine spektakuläre Story und starke Bilder, die von den Medien verbreitet wurden. Das Ereignis wurde zum Mythos und heute finden sich widersprüchliche Aussagen zum Effekt der Performance. In einigen Werken – u.a. in Jerry Rubins Do it! – wird beschreiben, dass die Makler eifrig darum bemüht waren, die Banknoten aufzusammeln und in Folge sogar der Börsenticker aussetzte und der Handel für kurze Zeit still stand.97 Viele ArtivistInnen sind sich der Funktionsweise der Medien durchaus bewusst und verstanden (und verstehen) es, sie in ihrem Sinne zu nutzen: „The media does not report “news”, it creates it. An event happens when it goes on TV and becomes myth.“98 „If you don’t like the news, why not go out and make your own?“99 Neben den bisher beispielhaft genannten gibt bzw. gab es viele aktivistische AkteurInnen, die zwar künstlerische Praktiken für ihre Aktionen nutzen, 95

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Vgl. Marchlewski, Wojciech: Chronicle of the Events, in: Hoptman, Laura/Pospiszyl, Tomaš (Hg.): Primary Documents. A Sourcebook for Eastern and Central European Art since the 1950s, Cambridge, 2002, S. 271ff, und vgl. das virtuelle Museum der Orange Alternative, [Website], http://www.orangealternativemuseum.pl/#homepage abgerufen am 12.04.2021. Vgl. Neue Gesellschaft für Bildende Kunst (Hg.): legal / illegal. Wenn Kunst Gesetze bricht / Art beyond Law, S.171, und vgl. autonome a.f.r.i.k.a. Gruppe/Blisset/Brünzels (Hg.): Handbuch der Kommunikationsguerilla, S. 111f. Jerry Rubin war selbst Mitglied der Yippies, in seiner Streitschrift Do it!, die visuell an Marshall McLuhans The Medium is the Massage erinnert, schildert er die Aktivitäten der Yippies aus einer vermeintlich nicht ganz objektiven Sicht, trägt aber so auch zur Mythenbildung um ihre Aktionen bei. Vgl. Rubin, Jerry: Do it!, New York, 1970, S. 117. Ebd. S. 107. Abbie Hoffman zitiert nach McLeod: Pranksters. Making Mischief of the Modern World, S. 136.

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Unerlaubte Kunst

eine Zuschreibung zur Kunst jedoch ablehnen. Weder sind sie an Ruhm noch am Aufbau einer KünstlerInnen-Persönlichkeit interessiert. Diese Vorgehensweise, die in der Eingliederung der Projekte in die Kunst eine „Einschränkung der politischen Wirksamkeit“100 sieht, stemmt sich gegen Vereinnahmung und gegen die Hervorhebung eines KünstlerInnen-Ichs und erschwert retrospektiv die Sichtbarkeit. Da Bildproduktion und Dokumentation in diesem Fall oft nur einen geringen Stellenwert haben, verschwinden diese Aktionen mitunter aus dem Kanon der Überlieferung, auch wenn sie zur Zeit ihrer Realisierung eine große Signifikanz hatten: „It is perhaps natural that the purest and most inspired creative acts of humanity should exist only as partially recorded deeds, unheralded in history […].“101 Es sind vor allem jene Aktionen, bei denen Personen die Urheberschaft reklamieren – möglicherweise Hintergrundinformationen und weiteres Bildmaterial bereitstellen –, die schließlich Eingang in die Literatur finden. Umtriebige AkteurInnen, die oft mit Projekten aufgefallen sind, erlangen dabei eine besondere Aufmerksamkeit. Einige Street-Art-KünstlerInnen, deren Werke eine starke politische und sozialkritische Komponente aufweisen, wie etwa Banksy, werden auch als Street ArtivistInnen bezeichnet,102 seltener auch ganz zum Artivism gezählt. Umgekehrt eignen sich KünstlerInnen des Artivism und politische AktivistInnen Praktiken an, die heute vor allem mit Street Art assoziiert werden, um eine visuelle Ausdrucksform für ihre politischen Anliegen zu finden. Sie nutzen diese etablierte Sprache, damit ihre Thematiken Anklang finden, wie etwa der Medienkünstler und Netzaktivist Paolo Cirio bei seinem Projekt Street Ghosts.103 Street Art und Artivism sind heute eng miteinander verwoben und beeinflussen sich wechselseitig. Während Street Art in der Tradition von Graffiti und Kommunikationsguerilla (einem Teil von Artivism) steht, legt sich Artivism weniger auf bestimmte Medien fest, sondern greift auf jede Praktik zurück, die geeignet ist, um politische/sozialkritische Anliegen auszudrücken. Anders als bei Street Art und Graffiti spielen Monetarisierung

100 Wenzel: Grenzüberschreitungen in der Gegenwartskunst. Ästhetische und Philosophische Positionen, S. 12. 101 Kempton: Provo. Amsterdam's Anarchist Revolt, S. 12. 102 Vgl. Blanché: Something to s(pr)ay: Der Street-Artivist Banksy. Eine kunstwissenschaftliche Untersuchung. 103 Vgl. Glaser: Street Art und neue Medien. Akteure – Praktiken – Ästhetiken, S. 271f. Siehe Kapitel 4/Die Rolle der Medien.

3. Unautorisierte künstlerische Praktiken im öffentlichen Raum

und Kommodifizierung scheinbar kaum eine Rolle für den Bereich des Artivism. Da die ephemeren Aktionen kaum „Warenqualitäten“ aufweisen, die Ästhetik oft dem politischen Anliegen untergeordnet ist, können die AkteurInnen allenfalls durch die Verortung im Kunst-Kontext längerfristig von ihren Tätigkeiten profitieren und dies wird, wie bereits beschrieben, von vielen abgelehnt. Ausnahmen bilden etwa die KünstlerInnen der russischen PunkPerformance-Gruppe Pussy Riot. Da das Projekt auch als Bandformation konzipiert ist, werden auch die in der Musikbranche üblichen MerchandisingStrategien genutzt. Artivism ist heute ein globales Phänomen. Besonders in einigen repressiven Staaten kommt es immer wieder zu intensiven Wellen künstlerischen Protests; für Länder wie etwa Russland lässt sich eine Art Tradition nachweisen.104 Darauf wird in Kapitel 8/Eine weitere Perspektive näher eingegangen. Als etablierter Teil der Hegemonien im öffentlichen Raum gibt es für deviante, selbstermächtigte künstlerische Ausdrucks- und Protestformen heute eine gewisse Akzeptanz: „In den liberalen Demokratien sind [künstlerische, R.H.] Proteste – noch in ihrer militant systemoppositionellen Prägung – von einer verändernden Politikform zu einer geworden, die als ein Teil des politischen Tableaus funktioniert. Protest geht in dem Code von Regierung und Opposition auf. Er ist, in der Diktion des Situationismus, ein Teil des Spektakels geworden […].“105 Einerseits haben die AkteurInnen der 1960er und 1970er im Westen nachhaltig gesellschaftliche Konventionen aufbrechen und einen Toleranzbereich etablieren können. Andererseits ist fragwürdig, ob etwa konsumkritischer Medienaktivismus heute noch effektiv ist, denn „[i]nzwischen ist allzu deutlich geworden, dass die verfremdete Werbung bekannter Marken keine Kritik konstatiert und den Firmen auch keine Umsatzeinbußen zufügt, sondern sich nahtlos in den populären Diskurs der kommerziellen Warenwelt einreiht.“106

104 Diese beginnt je nachdem, ob der bloße Schritt in den Außenraum – das Verlassen des konformistischen Kontextes – schon als politisch verstanden wird, Ende der 1960er, spätestens aber mit der Perestroika, als sich viele KünstlerInnen politisierten. 105 Teune: Wie ein Fisch im Wasser der Zeichenwelt: Spaßguerilla seit den 1960er Jahren, S. 65. 106 Schäfer, Mirko Tobias: \run subversion.exe. Mythos und Praxis subversiver MedienNutzung, in: Hartmann/Lemke/Nitsche (Hg.): Interventionen. Grenzüberschreitungen in Ästhetik, Politik und Ökonomie, S. 204.

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Unerlaubte Kunst

Positiv betrachtet bietet das Internet im 21. Jahrhundert ein Instrument, das die Rolle der aktivistischen KünstlerInnen gegenüber dem Staat – insbesondere in repressiven Regimen – stärkt, indem es unabhängige Öffentlichkeiten schafft. Unverhältnismäßig hartes Vorgehen gegen ArtivistInnen kann in Folge zu weltweiten Protestwellen führen – wie etwa im Fall der russischen Punk-Performance-Gruppe Pussy Riot (2012). Für den Artivism ist das Internet also von noch essentiellerer Bedeutung als für Street Art und Graffiti, da es legitimierende Gegenöffentlichkeiten schafft, etwa während des Arabischen Frühlings (2010) oder der Protestwelle in Moskau (2011/2012). In Zeiten der Umwälzung verhelfen künstlerische Interventionen bzw. Aktionen den Protesten dabei zu einer anderen Form der Sichtbarkeit. Die (legale) Performance standing man107 (2013) des türkischen Künstlers Erdem Gündüz etwa wurde zu einem Symbol der Proteste rund um die Taksimbewegung in Istanbul. Erdem verharrte am 17. Juni 2013 acht Stunden lang reglos auf dem Taksimplatz und starrte in Richtung des Atatürk Kültür Merkezi Kulturzentrum, einem wichtigen Ort der Istanbuler Kulturszene, der im Zuge von Präsident Erdoğans Umgestaltungsplänen für das Gebiet um den Gezi-Park und den Taksim-Platz einem Einkaufszentrum und einer Moschee weichen sollte. Hunderte schlossen sich seinem stillen Protest an, das deviante Verhalten hatte sogar Verhaftungen zu Folge108 (Abb. 13). Artivism bzw. Activist Art wird im Zeitalter der digitalen Medien direkt geteilt und weitergeleitet. Künstlerische Arbeiten können daher binnen kurzer Zeit tausende Menschen erreichen und ggf. auch mobilisieren. Die Rolle der neuen Medien für Protestbewegungen darf, wie Mirko Tobias Schäfer feststellt, jedoch weder überschätzt noch ausschließlich positiv bewertet werden. TechnikoptimistInnen übersähen oft weitere positive Einflussfaktoren – im Fall des Arabischen Frühlings den etablierten, unabhängigen Fernsehsender Al Jazeera – oder auch Risiken wie den Informationsgewinn für Behörden, die ebenfalls Zugang zu in Sozialen Medien verbreiteten Inhalten haben.109 Zudem ist zu bemerken, dass die etablierten Social-Media-Kanäle letztlich

107 Vgl. Seymour, Richard: Turkey's 'standing man' shows how passive resistance can shake a state, in: The Guardian, veröffentlicht am 18.06.2013, online: https://www.theguardia n.com/commentisfree/2013/jun/18/turkey-standing-man abgerufen am 11.01.2021 und vgl. Weibel (Hg.): Global Activism. Art and Conflict in the 21st Century, S. 584ff. 108 Ebd. 109 Vgl. Schäfer: \run subversion.exe. Mythos und Praxis subversiver Medien-Nutzung, S. 209ff.

3. Unautorisierte künstlerische Praktiken im öffentlichen Raum

Privatfirmen gehören, also private Medien sind. Als Global Player mit wirtschaftlichen Interessen verfolgen die Konzerne eigene Zensierungspraktiken und verfügen über eine enorme Lenkungsmacht, die theoretisch auch gezielt missbraucht werden kann.

3.4

Unauthorized Public Interventions

1980 installierte die Künstlerin Ann Messner ohne Genehmigung drei Metallquader auf einer Verkehrsinsel in Manhattan (Abb. 14). Die Boxen hatten eine Höhe von ungefähr zwei Metern und eine Grundfläche von ca. 1 x 1 Meter. Sie wurden ohne weiterführende Informationen in einem Abstand von etwa zwei Metern zueinander aufgestellt.110 Zu dem Projekt mit dem Namen three stations sind keine direkten Reaktionen überliefert, außer, dass die Installation sechs Monate bestehen blieb, da die Stadtverwaltung nicht in der Lage gewesen sei, herauszufinden, welche ihrer Abteilungen das Aufstellen genehmigt haben könnte.111 Ann Messner wird u.a. in Allan Schwartzmans Publikation Street Art von 1985 vorgestellt. Schwartzman hatte – wie bereits erwähnt – eine weite Definition von Street Art, die neben Arbeiten, die dem derzeitigen Verständnis des Begriffs entsprechen, auch performative Praktiken und KünstlerInnen mit akademischer Ausbildung einbezog, die illegal in den Stadtraum eingriffen, etwa Ann Messner oder Barbara Kruger. Mit dem Street-Art-Begriff, wie er heute verwendet wird, korreliert dieses Verständnis nur noch bedingt. Da Messners Arbeit three stations weder dezidiert politisch bzw. aktivistisch ist – also nicht unbedingt in das Verständnis von Artivism passt – noch über die visuellen Merkmale von Street Art oder Graffiti verfügt, drängt sich die Frage auf, ob es eine vierte Richtung braucht, um weitere künstlerische Praktiken zu beschreiben, die unautorisiert im öffentlichen Raum agieren. Da es offensichtlich einen Bereich gibt, den die anderen drei Richtungen nicht abdecken, führe ich dafür die Bezeichnung Unauthorized Public Interven110

111

Bilder der Arbeit finden sich auf der Website der Künstlerin: Messner, Ann: three stations 1980, [Website], https://annmessner.net/portfolio_page/6167/ abgerufen am 10.01.2021. Vgl. Kimmelman, Michael: 35 REASONS NEW YORK CITY IS NEW, in: The New York Times, veröffentlicht am 11.09.1987, online: https://www.nytimes.com/1987/09/11/arts/ 35-reasons-new-york-city-is-new.html abgerufen am 02.01.2019, und vgl. Website der Künstlerin: https://annmessner.net/portfolio_page/6167/ abgerufen am 14.03.2021.

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Unerlaubte Kunst

tions ein. Die Unterscheidungsmerkmale zu den anderen Feldern sind dabei inhaltlicher, methodischer und visueller Natur. Gegenüber dem Artivism erfolgt die Unterscheidung vor allem auf einer inhaltlich-motivischen Ebene, durch das fehlende vordergründig aktivistische, politisch-soziale Anliegen. Gegenüber Graffiti und Street Art kann die Verschiedenheit meist auf visueller Ebene, aber auch in Bezug auf Inhalt und methodische Aspekte festgestellt werden. Anzumerken sei hier nochmals, dass diese vier Richtungen nur als Hilfsmittel dienen, um etwas Klarheit in die Unübersichtlichkeit der illegalen künstlerischen Praktiken im öffentlichen Raum zu bringen. Mögliche Unschärfen und Überlagerungen dieser provisorischen Gliederung werden mitreflektiert. Das Wort intervenieren ist lateinischer Abstammung (lateinisch: intervenire) und bedeutet im heutigen Sprachgebrauch in etwa „ins Geschehen eingreifen“.112 Es scheint daher als Beschreibung für selbstautorisierte künstlerische Handlungen im öffentlichen Raum geeignet. Die Bezeichnung Intervention, die historisch zunächst im militärischen Bereich verwendet wurde, findet schon seit geraumer Zeit Anwendung im Kontext der Kunst. Sie erfährt dabei aber sehr unterschiedliche Auslegungen: „Es zeigt sich, dass der Begriff der Intervention einerseits inflationär in verschiedenen Bereichen und Disziplinen verwendet wird, andererseits aber insbesondere im Kunstkontext ,unterdefiniert‘ ist, weil er weder in einschlägigen Lexika noch in relevanten Katalogen und Handbüchern aufgeführt wird.“113 In der Weise, wie er gemeinhin verwendet wird, sind damit auch legale Projekte, die nicht im Außenraum realisiert wurden, gemeint.114 Daher müssen im Sinne der Exaktheit und zur Abgrenzung dem Interventionsbegriff die beiden Attribute unauthorized und public vorangestellt werden, um klar zu machen, dass es um die ungenehmigten Interventionen im öffentlichen

112 113 114

Vgl. Dudenredaktion (Hg.): Duden. Deutsches Universalwörterbuch. Das umfassende Bedeutungswörterbuch der deutschen Gegenwartssprache, Berlin, 2015, S. 935. Hartmann/Lemke/Nitsche : Einleitung: Interventionen. Grenzüberschreitungen in Ästhetik, Politik und Ökonomie, S. 19. „Auffällig ist, dass der Begriff einerseits offizielle, institutionelle und staatliche Strategien beschreibt und andererseits verwendet wird, um subkulturelle, informelle, gegenstaatliche Taktiken zu bezeichnen.“ Borries, Friedrich von/Wegner, Friederike/ Wenzel, Anna-Lena: Ästhetische und politische Interventionen im urbanen Raum, in: Hartmann/Lemke/Nitsche (Hg.): Interventionen. Grenzüberschreitungen in Ästhetik, Politik und Ökonomie, S. 95.

3. Unautorisierte künstlerische Praktiken im öffentlichen Raum

Raum geht. Im Sinne des erweiterten öffentlichen Raums, der im Verständnis dieser Arbeit auch rurale Gebiete einschließt, sind folglich auch illegitime Land-Art-Praktiken Teil der Unauthorized Public Interventions.115 Einige AutorInnen sehen künstlerische Interventionen grundsätzlich in einem politischen Zusammenhang. Für diese Arbeit soll der Interventionsbegriff – abseits des Aspekts der Selbstermächtigung – entpolitisiert verstanden werden und sich rein auf das Moment des „ins Geschehen eingreifen“ beschränken. Für dieses vierte Feld des unautorisierten künstlerischen Handelns im öffentlichen Raum lassen sich zwei Tendenzen ausmachen: einerseits Projekte, die einen kommunikativen Prozess beinhalten, der für die Bedeutung des Werks konstitutiv ist (alle Projekte im Außenraum befördern potenziell eine Anschlusskommunikation, aber bei den Projekten, um die es in diesem Fall geht, ist der Kommunikationsprozess tatsächlich als Teil der Arbeit mitzudenken); andererseits Arbeiten, für die der Aspekt der Illegalität eine Randnotiz ist, die eher aus einer Art Pragmatismus ohne Genehmigung umgesetzt werden, ohne dass sich dadurch für die Wirkung ein Mehrwert ergibt. Wann sind unautorisierte Werke im öffentlichen Raum abgeschlossen? Wie bereits in der Einleitung dargelegt, ziehen viele Projekte einen kommunikativen Prozess nach sich, der als Teil des Werks verstanden werden kann. Dies gilt gleichsam für Arbeiten, die für ein großes Aufsehen sorgen, eine umfangreiche Medienberichterstattung erhalten und so auf der Makro-Ebene der Öffentlichkeit diskutiert werden, wie für Projekte, die im lokalen Kontext nur eine Mikro-Öffentlichkeit erreichen, die auf sie reagiert. Ist dieser Kommunikationsprozess von Beginn an einkalkuliert und fließt in die künstlerischen Überlegungen mit ein, müssen der anschließende Diskurs bzw. die Reaktionen auch als Teil der künstlerischen Arbeit verstanden werden. Diese durch die Werke ausgelösten Prozesse, die eher Fragen aufwerfen als zu beantworten, haben sich inzwischen auch Werbefirmen angeeignet und kryptische Kampagnen mit hoher Anschlusskommunikation lanciert (vgl. Kapitel 7/Grenzbereiche).

115

Aus Platzgründen wird dieser Bereich hier nicht ausgiebig behandelt. In Gedanken sind damit jedoch vor allem illegale Erdarbeiten etc. gemeint, die tatsächlich in die Umgebung eingreifen, weniger die fragilen Arrangements etwa von Blättern oder Zweigen im Wald.

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Der auf Suzanne Lacy zurückgehende Begriff New Genre Public Art beschreibt künstlerische Praktiken – zum Teil aktivistischer Natur –, bei denen die KünstlerInnen in partizipativen Prozessen in einem direkten Austausch mit der Bevölkerung stehen.116 Diese Definition scheint für ungenehmigte Projekte im Außenraum nicht zutreffend zu sein, jedoch argumentiert Daniel Sharp in seinem Aufsatz New Genre Public Art and the Law117 , dass dieser partizipative Prozess auch indirekt stattfinden kann, wodurch die Definition auch für illegale künstlerische Praktiken im öffentlichen Raum erweitert werden könne. In seinem Text beschreibt Sharp die Arbeit Park der US-amerikanischen Künstlerin Deborah Stratman (2000/2001) (Abb. 15). Sie baute ein kleines, weißes Wachhäuschen, das optisch dem von ParkplatzwärterInnen nachempfunden war und beschriftete es mit dem Wort „PARK“. Über einen Zeitraum von zwei Monaten wurde es unautorisiert an acht verschiedenen parkplatzartigen Orten in der südlichen Peripherie von Chicago aufgestellt. Während dieser Zeit erfuhr die Struktur, die Stratman zur Verfügung stellte, die verschiedensten Nutzungen. Sie wurde von Graffiti-WriterInnen getaggt und anschließend von der Stadtreinigung wieder gesäubert; von Menschen, die ihr Geld damit verdienen, Autos für andere Menschen zu parken und zu putzen, als Basisstation genutzt; von einem Betrüger in Beschlag genommen, der bei gutgläubigen AutofahrerInnen Geld fürs Parken abkassierte und schließlich Ende April 2001 gestohlen.118 Sharp sieht in Stratmans Arbeit eine Weiterentwicklung der New Genre Public Art. Durch ihr Objekt Park kommuniziere sie auf eine indirekte Weise mit den BetrachterInnen. Genau wie die KünstlerInnen der New Genre Public Art bekommt sie demnach auf ihr Werk eine Antwort. Ohne die künstlerische Begleitung fallen diese Antworten jedoch sehr individuell und unvorhersehbar aus. Sharp zeigt dabei auf, dass wir zu Unrecht davon ausgehen, dass die Einbeziehung der BetrachterInnen immer ein positiver Prozess sein muss. Anhand des von ihm gegebenen Beispiels schlägt er vor, die Grenzen von New Genre Public Art neu zu überdenken. Einerseits sollten auch indirekte oder ablehnende Interaktionen miteinbezogen werden, anderseits sollten Künst-

116 117 118

Vgl. Lacy: Mapping the terrain. Sharp, Daniel: New Genre Public Art and the Law, in: Agora, H. 11 (2016), S. 28-38, online: https://deepblue.lib.umich.edu/handle/2027.42/136587 abgerufen am 03.01.2021. Ebd.

3. Unautorisierte künstlerische Praktiken im öffentlichen Raum

lerInnen sich nicht darauf beschränken, soziale Thematiken zu bearbeiten.119 Obschon seine Verknüpfung von Stratmans Intervention mit den Praktiken der New Genre Public Art nur teilweise schlüssig ist, eröffnet Sharp in seinem Text einige interessante Assoziationsräume, die in meine Überlegungen zu den Unauthorized Public Interventions mit einfließen. Mit einer ähnlichen Taktik wie Stratmans Park arbeitete auch die eingangs erwähnte Ann Messner in ihrer Arbeit three stations. Während Stratmans Objekt jedoch die Mimikry einer bekannten Struktur war (eines Parkplatzhäuschens) und zugleich eine Nutzung offerierte, waren Messners mysteriöse Boxen nicht an eine mögliche Verwendung gekoppelt. Die drei Metallquader standen für sich und entzogen sich einer offensichtlichen Zweckzuschreibung. Beide Projekte können als Vorläufer für neue Praktiken gesehen werden, bei denen künstlerische Arbeiten unautorisiert und unadressiert im erweiterten öffentlichen Raum platziert werden und dort auf ein zufälliges Publikum stoßen. Die Kommunikation erfolgt sowohl bei Messner als auch bei Stratman indirekt. Der österreichische Künstler Leopold Kessler arbeitet mit ähnlichen Mitteln. Seine Arbeit Rekonstruktion (vormals Rekonstruktion/Volkertplatz, 2018) stellt eine subtile Intervention dar, die ebenfalls ohne weitere Information im Außenraum ausgesetzt wurde und auf die die Menschen aus der Nachbarschaft individuell reagierten. Das Projekt geht auf eine Straßensituation in Wien ein, in der ein Geldautomat neu in einer Hausfassade installiert wurde. Dabei wurde ein Graffiti, das sich zuvor auf der Wand befand, teilweise zerstört. Kessler baute eine Verblendung, mit der er den Geldautomaten verdeckte und die fehlenden Teile des Graffitis rekonstruierte120 (Abb. 16). Die Reaktionen der PassantInnen wurden in einem Video festgehalten. Sie fielen sehr unterschiedlich aus: Während die meisten Menschen die Abdeckung als legitim akzeptierten, gab es einzelne Personen, die sie zumindest hinterfragten. Anders als die beiden US-amerikanischen KünstlerInnen dokumentierte Kessler die Prozesse, wodurch seine Arbeit eine gewisse Nähe zu Formaten wie Versteckte Kamera aufweist. Einige Projekte gehen noch einen Schritt weiter und verlagern Reaktion und Kommunikation sogar überwiegend in den medialen Raum: Nur die Au-

119 Ebd. 120 Auf der Website des Künstlers ist die Arbeit dokumentiert. Die Videodatei wurde inzwischen (Stand September 2021) durch eine Gif-Animation ersetzt, ist aber in der Beschreibung der Arbeit noch mit angegeben. Vgl. http://www.leopoldkessler.net/?page _id=2570 abgerufen am 30.09.2021.

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genzeugInnen vor Ort – die PendlerInnen etc. – wurden am Morgen des 22. Juli 2014 der beiden weißen Flaggen gewahr, die auf den Pylonen der Brooklyn Bridge wehten. Die amerikanischen Flaggen, die normalerweise dort angebracht waren, wurden über Nacht entfernt und durch zwei ganz in weiß gehaltene Nachbildungen ersetzt. Die Öffentlichkeit erfuhr davon neben den Massenmedien auch über das Internet, wo sich in Wechselwirkung mit der Berichterstattung durch Fernsehen, Zeitungen, Radio etc. wilde Spekulationen um die Hintergründe der Aktion entfachten (Abb. 17). Die verantwortlichen Künstler, das Berliner Duo Wermke/Leinkauf, gaben diesem Kommunikationsprozess mehrere Wochen Zeit, bevor sie sich als Urheber bekannten und eine mögliche Intention für ihr Projekt mit dem Titel symbolic threats121 lieferten. Obwohl Arbeiten dieser Art künstlerische Konzepte zugrunde liegen, verfügen sie über eine gewisse Ambiguität und lassen Platz für eigene Assoziationen der BetrachterInnen. Die KünstlerInnen stellen mit ihren Werken eine Projektionsfläche zur Verfügung, die zwar eine gewisse Richtung vorgibt, aber der Rest – die inhaltlichen Zuschreibungen – kommt von der Öffentlichkeit. Medien spielen dabei eine zentrale Rolle, im Internet wird der Prozess um Vermutungen und krude Theorien noch beschleunigt. Es sind nicht mehr nur JournalistInnen, die über etwas informieren, sondern die Kommunikation kann über Soziale Medien ebenso von unten nach oben erfolgen. Anders entwickelte sich der Kommunikationsprozess um die Arbeit The BThing der Künstlergruppe Gelitin (zu jener Zeit noch Gelatin benannt), die sie im Jahr 2000 realisierten. Im Rahmen des Atelierprogramms World Views des Lower Manhattan Cultural Council hatten sie damals im 91. Stockwerk des World Trade Centers in New York ein Studio.122 An einem Sonntagmorgen im März entfernten sie ungenehmigt ein Fenster ihres Ateliers und installierten temporär einen selbstgebauten Balkon, den sie, nachdem er von allen Gruppenmitgliedern einzeln benutzt wurde, schon nach 19 Minuten wieder

121

122

Vgl. Spiegel-Redaktion: Berliner Künstler bekennen sich zum Flaggentausch, in: Spiegel, veröffentlicht am 12.08.2014, online: http://www.spiegel.de/panorama/flaggen-au f-brooklyn-bridge-berliner-kuenstler-bekennen-sich-zu-aktion-a-985805.html abgerufen am 16.09.2021. In diesem Artikel wird das Studioprogramm beschrieben: Vgl. Kocache, Moukhtar: Visual Arts Programs Taking a World View, in: Thing, [Website], http://www.thing.net/ ∼zhang/lowdown/html/worldV.html abgerufen am 03.05.2021.

3. Unautorisierte künstlerische Praktiken im öffentlichen Raum

demontierten.123 Außer den Künstlern und einigen eingeweihten Personen nahmen vermeintlich keine weiteren Menschen von der Intervention Notiz. Die Arbeit wurde zunächst nur im Kunst-Kontext anhand der Dokumentation verhandelt. Durch eine gleichnamige Publikation, die im Juni 2001 erschien, erreichte sie schließlich größere Bekanntheit. In dem Buch sind, wie die Journalistin Shaila K. Dewan bemerkt, ausschließlich Bilder abgedruckt, die die Begebenheit nur sehr undeutlich und zum Teil aus der Perspektive eines weit entfernten Helikopters abbilden (Abb. 18).124 Die Begebenheit wird somit zum urbanen Mythos, auch wenn ExpertInnen für digitale Bildmanipulation einräumten, dass die Bilder nicht nachbearbeitet sind.125 Erst mit dem im August 2001 in der New York Times erschienenen Artikel von Dewan erlangte das Projekt eine größere Öffentlichkeit, es entstand aber nicht das gleiche globale Medienecho wie bei der Flaggen-Aktion von Wermke/Leinkauf.126 Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 erfuhr ihre Arbeit jedoch eine Aktualisierung und wird seither regelmäßig im Kontext von Verschwörungstheorien um das Ereignis verhandelt.127 Die Rezeption in erster Ebene war bei Gelitins Projekt nur für wenige Eingeweihte möglich. Der von Boris Groys formulierte Gedanke, dass künstlerische Aktionen künftig nur noch aus der Dokumentation als Auslöser der wei-

Vgl. Seno (Hg.): Trespass. Die Geschichte des Urbanen Raums, S. 22f. Und vgl. Why is Gelitin’s B-Thing troubling & mysterious? In: Public Delivery, [Website], https://public delivery.org/gelitin-b-thing/ abgerufen am 03.05.2021. 124 Vgl. Dewan, Shaila K.: Balcony Scene (Or Unseen) Atop the World; Episode at Trade Center Assumes Mythic Qualities, in: The New York Times, veröffentlicht am 18.08.2001, online: https://www.nytimes.com/2001/08/18/nyregion/balcony-scene-un seen-atop-world-episode-trade-center-assumes-mythic-qualities.html abgerufen am 03.05.2021. Auf der Website von Gelitin ist auch ein Scan des Artikels abrufbar: http s://www.gelitin.net/uploaded/PDF/B-Thing/NYT180801.pdf abgerufen am 03.05.2021. 125 Vgl. Dewan, Shaila K.: Balcony Scene (Or Unseen) Atop the World; Episode at Trade Center Assumes Mythic Qualities, in: The New York Times, veröffentlicht am 18.08.2001, online: https://www.nytimes.com/2001/08/18/nyregion/balcony-scene-un seen-atop-world-episode-trade-center-assumes-mythic-qualities.html abgerufen am 03.05.2021. 126 Dies ist maßgeblich auf die damals noch nicht bestehenden Sozialen Netzwerke im Internet zurückzuführen, die heute als Multiplikatoren derartiger Projekte wirken und auch die Medienberichterstattung zu bestimmten Ereignissen befördern. 127 Etwa auf diesen beiden Seiten: Vgl. http://oneworld.press/?action=view&id=1092&mo dule=articles abgerufen am 03.05.2021 und vgl. https://www.markdotzler.com/Mark_D otzler/WTC_Artists.html abgerufen am 03.05.2021.

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teren Reflexion bestehen könnten (siehe Kapitel 4/Die Rolle der Medien), scheint für The B-Thing durchaus zutreffend zu sein. Durch das bewusst uneindeutige Bildmaterial, mit dem sie ihre Aktion im Nachhinein publik machten, konnten sie einerseits sich selbst vor juristischen Konsequenzen schützen, andererseits der Rezeption und der Auseinandersetzung mit der Arbeit auf RezipientInnenseite eine zusätzliche Dimension hinzufügen. Sehr deutlich lassen sich an dem Projekt die in der Einleitung geschilderten verschiedenen Aspekte, aus denen illegale Kunstprojekte im Außenraum bestehen, aufzeigen128 und auch, wie der Faktor Zeit und neue Kontexte (Stichwort 9/11) die Rezeption verändern können. Während Wermke/Leinkauf mit einer eindeutigen Aktion, aber einer vermeintlich uneindeutigen Geste, gezielt einen Skandal herbeiführten, steht beim Projekt von Gelitin eine uneindeutige Aktion einer eindeutigen Symbolik (der Balkon als Metapher für den Drang in einem hermetischen Bürogebäude das Fenster zu öffnen und nach draußen an die frische Luft zu treten) gegenüber. Die Öffentlichkeitswirksamkeit, die Wermke/Leinkauf mit ihrem Projekt im Außenraum erzielten, ist ein weiterer Grund, warum einige KünstlerInnen mit illegalen Projekten im öffentlichen Raum agieren. Jede unautorisierte künstlerische Aneignung des Außenraums wird innerhalb dieser Arbeit gleichberechtigt als nachvollziehbarer Impuls von KünstlerInnen verstanden, mit ihrer Kunst im Außen wirken zu wollen. Die ungenehmigte Umsetzung im Außenraum wirkt dabei jedoch nicht immer stimmig. Während die Arbeiten von Straatman, Messner oder Gelitin erst im öffentlichen Raum, eingebettet in den speziellen Kontext, zum intendierten Werk (bzw. Impuls) werden, gibt es andere Projekte, bei denen der Außenraum eher als Ort der Platzierung eines Werks/einer Handlung fungiert. Die illegale Handlung ist dabei zwar intendiert, aber während sie für die Werke inhaltlich nur eine Randnotiz ist, ist es in erster Linie ihr aufmerksamkeitsökonomischer Nutzen, der die KünstlerInnen veranlasst, ohne Genehmigung zu handeln. Neben einigen Street-Art-KünstlerInnen, auf die dies zutrifft, gibt es auch KünstlerInnen aus dem Artivism und den Unauthorized Public Interventions, deren Arbeiten scheinbar nicht zwingend unautorisiert im Außenraum umgesetzt wer-

128

Zur Erinnerung: die Aktion und die sie bedingenden Umstände, die Persönlichkeit der Künstlerin/des Künstlers, das Werk im klassischen Sinne, die Rezeption im Medium öffentlicher Raum, die mediale Repräsentation in einer „anderen Verfasstheit“ sowie die Nachverhandlung/Bedeutungszuschreibung/Vollendung in der Rezeption.

3. Unautorisierte künstlerische Praktiken im öffentlichen Raum

den müssten. KünstlerInnen der Unauthorized Public Interventions bewegen sich dabei formal oft in der Tradition konservativer Kunst im öffentlichen Raum. Ein Beispiel dafür bietet das Projekt Place de la Concorde des italienischen Bildhauers Francesco Visalli. Er errichtete im November 2013 illegal eine drei Tonnen schwere Skulptur in Rom gegenüber des Circus Maximus, die dort zwei Monate von der Stadtverwaltung unbemerkt blieb (Abb. 19).129 Visalli machte schließlich die Öffentlichkeit durch eine Pressemeldung auf seine Aktion aufmerksam. Die Presse reagierte verhalten bis kritisch und äußerte u.a. die Kritik, dass Visalli’s Aktion lediglich eine Form von PR-Kampagne sei.130 Der Künstler reagierte darauf mit einem Statement, das er u.a. auf seiner Website veröffentlichte.131 Laut seiner Aussage wollte er durch die Aktion u.a. eine Kritik an den Kulturinstitutionen der Stadt, ihrer Ignoranz und ihren fehlenden Konzepten üben und darüber hinaus auf die Sicherheitslücken innerhalb der Stadt hinweisen.132 So sehr die eigenmächtige, kreative Betätigung aller Menschen im Außenraum begrüßt werden kann, drängt sich im Hinblick auf Visallis Gesamtwerk und die Sonderrolle, die seine tradierte Skulptur durch ihre illegale Platzierung im Außenraum darin einnimmt, doch der Verdacht auf, dass die Medien in ihrer Kritik nicht ganz unrecht hatten. Wenn KünstlerInnen in ihrer Arbeit die Öffentlichkeit im Außen suchen, ist dies durchaus verständlich. Die Forderung, eine Grenzüberschreitung müsse dabei immer konzeptuell oder formal argumentierbar sein, ist im Sinne eines offenen, nicht festgelegten Verständnisses einer sich ständig verändernden Kunst nicht haltbar. Dennoch müssen KünstlerInnen sich bewusst sein, dass transgressive Aktionen, die nur auf den Skandal, das bloße Spektakel ausgelegt sind, zwar dem Zeitgeist der schnellen Aufmerksamkeitsheischerei (im Internet) entsprechen, aber darüber hinaus schnell platt und profan wirken können.

Vgl. Posse um illegale Stahlskulptur, in: ORF, veröffentlicht am 29.01.2014, https://orf. at/v2/stories/2216072/2216071/ abgerufen am 30.12.2021. 130 In einer extrem zugespitzten, eindimensionalen Betrachtungsweise könnte man diesen Vorwurf allen unautorisierten künstlerischen Praktiken im öffentlichen Raum machen. 131 Vgl. Visalli, Francesco: Una protesta »volutamente incompresa«, [Website des Künstlers], veröffentlicht am 25.02.2014, https://francescovisalli.it/post-progetti/monolite-al -circo-massimo-lettera-aperta/ abgerufen am 07.01.2021. Der Text ist auch in einer englischen Übersetzung abrufbar, wenn im Menü der Website die Sprache geändert wird. 132 Ebd.

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Unerlaubte Kunst

Neben den künstlerischen Interventionen im Außenraum, die intendiert gegen das Gesetz verstoßen und dabei meist einen Kommunikationsprozess auslösen, gibt es noch Arbeiten, für die eine Gesetzesüberschreitung beinahe irrelevant scheint, die aber dennoch ohne Autorisierung realisiert werden. Beispielhaft könnten hier die Interventionen von Eberhard Bosslet genannt werden, die er seit 1982 auf Ruinen etc. u.a. auf Teneriffa realisierte. Seine Werke, die er überwiegend ungenehmigt umsetzte und fotografisch festhielt, bewegen sich an der Grenze zur Land Art. Oft versah er dabei Gebäude, Relikte oder Straßen mit einem Farbauftrag, wodurch methodisch auch Bezüge zur Street Art bestehen (Abb. 20).133 Laut Bosslet sei für ihn der „unbeauftragte, unautorisierte und selbstermächtigte Eingriff in den öffentlichen Raum ein wesentliches Moment [...]“134 . Das Wissen um die selbstautorisierte Ausführung der Arbeiten kann in die Rezeption einwirken (in situ sowie im Ausstellungskontext), ist aber nicht der Hauptaspekt. Diese Form der künstlerischen Selbstermächtigung kann in anderen Fällen sogar zufällig passieren, da nicht in jedem Fall mitreflektiert wird, ob der juristische Rahmen die entsprechende künstlerische Betätigung zulässt. In der Regel wird die unautorisierte Handlung aber bewusst durchgeführt und beruht auf einer gewissen Pragmatik. Es geht dabei vor allem um unautorisierte künstlerische Projekte, bei denen eine mögliche Bestrafung in keinem Verhältnis zu dem Aufwand steht, der für eine offiziell genehmigte Realisierung betrieben werden müsste. Auch einzelne Projekte der Land Art fallen in diese Beschreibung. Die KünstlerInnen, die zu dieser Tendenz gehören, sind AkteurInnen, die einmalig oder gelegentlich unautorisiert Kunstprojekte umsetzen, und sei es nur die Platzierung eines bereits fertiggestellten Werks im Außenraum. Obschon sich daraus auch ein politisches Statement ableiten lässt – nämlich das Infragestellen des Handlungsrahmens, den das Gesetz im öffentlichen Raum zulässt – ist es i.d.R. vermutlich Pragmatismus, der dazu führt, dass diese KünstlerInnen, gemäß dem deutschen Sprichwort „Wer viel fragt, kriegt keine Antwort”135 unautorisiert agieren. Die Entscheidung

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134 135

Vgl. Material & Wirkung e.V. (Hg.): Bosslet. Obras en Espana | Works in Spain | Werke in Spanien, Berlin, 2014, online abrufbar unter https://www.yumpu.com/en/docum ent/view/59814315/eberhard-bosslet-interventionen-1982-2012-de-en-es abgerufen am 19.05.2021. E-Mail-Korrespondenz mit Eberhard Bosslet, August 2021. Sprichwort, dessen Bedeutung im Duden wie folgt erklärt wird: „man soll sich (überflüssige) Fragen sparen und stattdessen lieber selbstständig handeln“. Vgl. Dudenre-

3. Unautorisierte künstlerische Praktiken im öffentlichen Raum

beruht auf u.a. zeitökonomischen Aspekten und der Gefahr der Verunmöglichung einer Realisierung, die eine offizielle Anfrage aus Gründen der Sicherheit oder wegen Bauvorschriften etc. zur Folge haben kann. Der Aspekt der Illegalität wird dabei zur Fußnote und trägt nicht maßgeblich zur Funktionsweise des Kunstwerks bei. Die AkteurInnen handeln „[d]er Einsicht folgend, dass es besser ist, um Entschuldigung als um Erlaubnis zu bitten […]“.136 Neben (heute) berühmten KünstlerInnen wie Gordon Matta-Clark, für dessen Arbeit Day’s End137 (Abb. 21) es meines Erachtens eher unerheblich war, ob sie illegal oder legal realisiert wurde, handelt eine nicht ermittelbare Anzahl von KünstlerInnen zumindest einmal in ihrer Laufbahn nach dieser Vorgehensweise.138 Würde durch die permanente Wiederholung der unautorisierten Handlung die Übertretung nicht zum System und somit zu einem wesentlichen Aspekt für das Gesamtwerk, könnten einige der Street Art nahestehende KünstlerInnen hier angeführt werden, etwa der USAmerikaner Brad Downey.

3.5

Unauthorized Public Art – Versuch einer Begriffsbestimmung

Kultur- oder kunstwissenschaftliche Publikationen zu unautorisierter Kunst im öffentlichen Raum, die das Feld in seiner Gesamtheit abbilden, gibt es bisher nicht. Einige Schriften, etwa Heike Derwanz‘ Street Art-Karrieren oder die nicht-wissenschaftlichen Publikationen Street Art von Allan Schwartzman und Trespass von Ethel Seno, fassen den Street-Art-Begriff zwar etwas weiter und beziehen frühe illegale Arbeiten im Außenraum von KünstlerInnen

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daktion (Hg.): Der Duden in 12 Bänden. Band 11 – Redewendungen, Mannheim/Leipzig/ Wien/Zürich, 2002, S. 237. Vgl. Alegría, Blanca Zúñiga: Die Poesie des Raums, in: Hoidn (Hg.): Demo:Polis. Das Recht auf öffentlichen Raum, S. 69. Die Architektin und Professorin Blanca Zúñiga Alegría verwendet diese Formulierung in Bezug auf ihre eigene Lehrpraxis, bei der sie sich mit ihren StudentInnen Orte aneignet und diese modifiziert. Gordon Matta-Clarks Projekt Day's End von 1975, bei dem er Segmente aus den Wänden, dem Dach und dem Boden einer Halle am Pier 52 in New York herausschnitt, erfolgte illegal. Vgl. Kee, Joan: Models of Integrity. Art and Law in Post-Sixties America, Berkeley, 2019, S. 103ff. Es gibt dazu keine Statistik, daher kann keine wissenschaftlich verifizierbare Aussage über die Häufigkeit getroffen werden. Es sind neben Einzelbeispielen, die sich in den Karrieren berühmter KünstlerInnen wie Gordon Matta-Clark finden lassen, ausschließlich persönliche Gespräche mit KünstlerInnen, auf denen diese Aussage beruht.

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wie Jenny Holzer oder Barbara Kruger in ihre Definition mit ein,139 dennoch bleiben dies nur vereinzelte Ansätze, das Spektrum zu erweitern, zumal diese drei Veröffentlichungen auch autorisierte, also legale Projekte beinhalten. Artivism wird in Publikationen meist ebenfalls in seiner ganzen Breite verhandelt, wobei illegale Praktiken im Außenraum nur ein Teil sind. Als allgemeinen Oberbegriff für künstlerische Praktiken im (städtischen) Außenraum schlägt die Forschungsgruppe zum Thema Street Art/Graffiti um Ilaria Hoppe und Ulrich Blanché die Bezeichnung Urban Art 140 vor. Diese bezieht auch legale/autorisierte Praktiken, traditionelle Kunst im öffentlichen Raum und soziale Praktiken mit ein und ist somit für die in dieser Arbeit behandelten Ansätze nicht geeignet. Aus dem Feld der Rechtswissenschaften ist eine Reihe von Arbeiten zu Kunst und Recht hervorgegangen, in denen Themen wie Verkaufsrecht, Urheberrecht oder Restitutionsrecht behandelt werden. KunsthistorikerInnen haben sich sowohl mit kriminellen KünstlerInnen141 als auch mit Kriminalfällen, bei denen Kunst geraubt wurde, beschäftigt. Die Kunstfreiheit und ihre Grenzen werden nur in seltenen Fällen aus vornehmlich juristischen Perspektiven thematisiert.142 Die nicht-wissenschaftliche Publikation zur Ausstellung legal / illegal, die 2004 in der NGBK Berlin stattfand, bildet eine Ausnahme. Es werden darin verschiedenste illegale Kunstprojekte vorgestellt, der öffentliche Raum spielt jedoch nicht für alle der Arbeiten eine Rolle.143 Die vier soeben in diesem Kapitel vorgestellten Richtungen der illegalen Kunst im Außenraum sollen unter einem Sammelbegriff vereint werden. Es geht darum, einen Begriff zu finden, der allen illegalen Kunstprojekten gerecht wird, die im Außenraum realisiert werden und dort auch ihre Wirksamkeit entfalten. Wieso gibt es bisher noch keine Definition? Der Versuch, für die unautorisierten künstlerischen Praktiken im öffentlichen Raum eine Bezeichnung zu finden, ist ebenso problematisch, wie die 139 Vgl. Derwanz: Street Art-Karrieren. Neue Wege in den Kunst- und Designmarkt, S. 261f. 140 Vgl. Hoppe: Introduction, S. 10ff. 141 Vgl. Bredekamp, Horst: Der Künstler als Verbrecher. Ein Element der frühmodernen Rechtsund Staatstheorie, München, 2008. 142 Etwa in dieser Publikation: Noll, Alfred J.: Freiheit der Kunst und/oder Kunst der Freiheit, Wien, 2015. 143 Vgl. Neue Gesellschaft für Bildende Kunst (Hg.): legal / illegal. Wenn Kunst Gesetze bricht / Art beyond Law.

3. Unautorisierte künstlerische Praktiken im öffentlichen Raum

schwammigen Definitionen der unterschiedlichen Bereiche. Der gemeinsame Nenner für alle besteht lediglich darin, dass die Projekte illegal und im Außenraum realisiert werden, und dass bei der eigentlichen Umsetzung der Arbeiten keine ökonomischen Werte geschaffen werden,144 von denen die KünstlerInnen direkt profitieren können. Wäre es also besser die Street-ArtDefinition zu erweitern, anstatt einen neuen Begriff einzuführen? Dagegen spricht, dass die Street Art inzwischen in der Mitte der Gesellschaft angekommen und von der Popkultur absorbiert worden ist. Medien und die kapitalistische Verwertungsgesellschaft haben gleich zu Beginn der zweiten Welle, Anfang der Nullerjahre, sehr klar das neue Phänomen definiert und in erster Linie auf eingängige, z.T. dekorative Bilder und bestimmte Techniken reduziert. Der Aspekt der Illegalität ist nicht mehr konstituierend. Infolgedessen reicht der Street-Art-Begriff nicht aus, um auch all die anderen künstlerischen Praktiken aufzunehmen, die unautorisiert den öffentlichen Raum bespielen. Eine Erweiterung des Street-Art-Begriffs ist nicht möglich. Die Definition wird zudem durch ein mangelndes Bewusstsein für diesen Bereich der Kunst erschwert. Tatsache ist, dass unautorisierte Kunst im öffentlichen Raum kein zusammenhängendes Gefüge ist, keine Bewegung: Das gesamte Feld der AkteurInnen ist sehr heterogen, die KünstlerInnen treten vereinzelt in Erscheinung und kommen aus verschiedenen Hintergründen. Es gibt keine Internetseiten oder Magazine, die das Thema umfassend behandeln.145 Abgesehen von den Graffiti- und Street-Art-AktivistInnen verzichten die meisten KünstlerInnen auf die mythenhafte Identitätsbildung eines Alter Egos und die exzessive Nutzung Sozialer Medien. KünstlerInnen,

144 „Künstler, so systemkritisch sie auch sein mögen, schaffen für gewöhnlich mit ihrer Kunst Werte und stabilisieren damit, ob sie wollen oder nicht, das herrschende System.“ Papenbrock: Vom Protest zur Intervention. Grundzüge politischer Kunst im 20. Jahrhundert, S. 38. Diese Feststellung, die Martin Papenbrock als Distinktionsmerkmal von klassischer Kunst gegenüber Graffiti ausmacht, lässt sich allgemein für die unautorisierten künstlerischen Praktiken im öffentlichen Raum übertragen. Auch wenn die KünstlerInnen dabei ihr symbolisches Kapital (Bourdieu) vermehren und in zweiter Instanz die Möglichkeit besteht, mit Dokumentationen, legalen Faksimiles etc. Geld zu verdienen, schaffen sie in erster Instanz keine Werte, von denen sie selbst profitieren (Extrembeispiele, wie illegale Graffitis oder Street-Art-Arbeiten, die aus Wänden herausgebrochen werden, zeigen, dass andere sehr wohl versuchen, vom Schaffen der KünstlerInnen zu profitieren). 145 In den Bereichen Graffiti und Street Art gibt es wie bereits beschrieben Magazine, Blogs etc.

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die einmalig oder gelegentlich Projekte im öffentlichen Raum umsetzen und dabei die geltenden Rechtsvorschriften brechen, können nicht erfasst werden, es ist fast unmöglich, bei der Recherche auf sie zu stoßen. All das macht die unautorisierten Praktiken im öffentlichen Raum schwer greifbar – und so wissen viele vielleicht noch nicht einmal, dass neben Graffiti und Street Art noch andere illegale künstlerische Praktiken im Außenraum existieren. Für diese Arbeit wird daher der Sammelbegriff Unauthorized Public Art eingeführt. Das englische Public Art umfasst die gleiche Bedeutung wie die deutsche Bezeichnung Kunst im öffentlichen Raum. Die wörtliche Übersetzung ins Deutsche ist aber „öffentliche Kunst“ und funktioniert daher besser für die in Kapitel 2/Öffentlicher Raum hergeleitete Definition des erweiterten öffentlichen Raums, die neben Grenzbereichen wie Einkaufszentren etc. auch alle Orte einschließt, die von öffentlichen Plätzen und Verkehrswegen einsichtig sind, bzw. die ohne Eintrittsgelder im Alltag zugänglich sind.146 Die Trennung der illegalen Kunst in vier Ausrichtungen – Graffiti, Street Art, Artivism, Unauthorized Public Interventions – ist ein Provisorium. Alle Bereiche gehen fließend ineinander über und überschneiden sich vielfach. Eine Abgrenzung soll vermieden werden, es werden lediglich vier Tendenzen aufgezeigt. Dennoch bedarf es für diese Arbeit einer Definition, um in den folgenden Kapiteln die Beweggründe, Wirkungsmechanismen und Kommunikationsweisen der illegalen künstlerischen Praktiken untersuchen zu können.

146 Vgl. Matzner: Streifzüge durch den öffentlichen Raum – Anmerkungen zu Stadt und Öffentlichkeit im 21. Jahrhundert. S. 44: „Mit »Kunst im öffentlichen Raum« – für die der amerikanische Sprachgebrauch den deutlicheren Begriff der »Public Art«, der öffentlichen Kunst, bereithält – bezeichnet man gemeinhin Werke im Außenraum, die keinem musealen oder wie auch immer gearteten institutionellen Kontext verpflichtet sind.“

4. Die Rolle der Medien

Abgrenzung/Definition In diesem Kapitel wird untersucht, welche Bedeutung Medien für die unautorisierten künstlerischen Praktiken im öffentlichen Raum haben und wie die Mediennutzung dabei auch den künstlerischen Schaffensprozess beeinflusst (und umgekehrt). Damit sind jedoch weniger die Medien gemeint, die von den KünstlerInnen in situ bei der Ausführung im Außenraum genutzt werden (d.h. Performance, Schablonengraffiti etc.), sondern vielmehr sowohl die Transportmedien, über die das Projekt ggf. dokumentiert, weitervermittelt und verkörpert wird sowie die Massenmedien und das Internet, in denen die Arbeiten verhandelt werden. Aufgrund der schwierigen Bestimmung des Begriffs Medium1 und weil etwa die Einteilung in primäre, sekundäre, tertiäre (und quartäre) Medien nach Pross2 wenig sinnvoll ist für diese Arbeit3 , wird eine eigene Definition vorgenommen. Dies erfolgt grundsätzlich im Verständnis, dass der Medienbegriff und die Form, wie wir Medien verwenden, sich stetig wandeln und

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„Was Medien sind und tun, wie sie funktionieren und welche Effekte sie hervorbringen, der Ort, den sie innerhalb kultureller und sozialer Praktiken einnehmen, ihre Rolle als spezifische Kulturtechniken – all das und der Begriff des Mediums selbst lassen sich nicht auf eine elementare Definition und auf einen einfachen Schnitt oder Gegenstand reduzieren.“ Vogl, Joseph: Medien-Werden: Galileis Fernrohr, in: Engell, Lorenz/Vogl, Joseph: Mediale Historiographien, Weimar: Universitätsverlag, 2001, S. 121. (Textpassage erstmals als Zitat gefunden bei Katja Glaser. Vgl. Glaser: Street Art und neue Medien. Akteure – Praktiken – Ästhetiken, S. 62.). Vgl. Hickethier, Knut: Einführung in die Medienwissenschaft, Stuttgart/Weimar, 2010, S. 22f. Die Unterscheidung von Zeitungen als Sekundärmedium (ohne technisches Gerät rezipierbar) und Fernsehen als Tertiärmedium (EmpfängerInnen benötigen ein Gerät) bezieht sich m.E. zu sehr auf die technische Zugänglichkeit als Distinktionsmerkmal.

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vor dem Hintergrund, dass sich diese versuchte Einteilung auf die Praktiken bezieht, die in dieser Arbeit untersucht werden. Fotografie, Tonaufzeichnungen und Film/Video sind für die Projekte innerhalb dieser Arbeit vor allem Dokumentationsmedien. In der Folge werden sie jedoch oft zu einseitigen Kommunikationsmedien, die das Werk z.B. eingebettet in ein anderes Medium, etwa ins Fernsehen oder in eine Ausstellung über sein kurzes Bestehen im Außenraum hinaus verkörpern. Zeitung, Radio, Fernsehen/Film und Publikationen sind die einseitigen Massenmedien, das Internet ist ein Medium und ein Kommunikationsraum4 , in dem die neuen Medien in ihren vielseitigen Formen zum Ausdruck kommen. Der öffentliche Raum ist ebenfalls ein Medium, alle KünstlerInnen, die für diese Arbeit relevant sind, machen davon Gebrauch. Es gibt Richtlinien und Normen, wie dieses Medium benutzt werden darf, die sich regional unterscheiden. Mittels Übertretungen erweitern KünstlerInnen unser Verständnis vom Medium öffentlicher Raum, dadurch bedingte Normverschiebungen etc. sorgen dafür, dass sich das Medium öffentlicher Raum stetig verändert. Voraussetzung & Fragestellung Das Aufkommen neuer künstlerischer Praktiken in der Kunst ab den 1960er Jahren ist undenkbar ohne die vereinfachten Zugangsmöglichkeiten zu Medien wie Fotografie oder Film bzw. Video. Neuerungen im Consumer-Bereich, etwa bei der Fotografie die Agfa Optima Kamera5 und die Kodak Instamatic Kamera6 oder im Bereich des Bewegtbilds das Portapak System von Sony7 und das neue Super-8-Filmformat von Kodak8 , aber auch die Einführung der ersten Fotokopierer haben den KünstlerInnen eine Palette an Möglichkeiten eröffnet, ephemere künstlerische Projekte festzuhalten und zu vermitteln. Diese Entwicklung betraf alle neuen, temporären Projekte sowohl im Innenals auch im Außenraum, ganz gleich ob autorisiert oder illegal.9 4 5 6 7 8

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Vgl. Hickethier, Knut: Einführung in die Medienwissenschaft, S. 318ff. Erste Kleinbildkamera mit Programmautomatik ab 1959. Kleinbildkamera mit Kassettensystem für leichteres Einlegen des Films ab 1963. Erstes Videosystem mit der Sony Dv-2400 Portapak ab 1967/68 am US-amerikanischen Markt. Das Super-8-Filmformat wurde 1965 von Kodak eingeführt, wichtige Neuerung war dabei, dass der Film bereits in einer Kassette geliefert wurde (ähnlich wie bei der Instamatic Kamera), was die Handhabung extrem vereinfachte. Der folgende Abschnitt bezieht sich jedoch vor allem auf die illegitimen künstlerischen Arbeiten im öffentlichen Raum.

4. Die Rolle der Medien

Im Hinblick auf dadurch bedingte (mögliche) Veränderungen von künstlerischen Praktiken ist dies von besonderer Bedeutung. Wie stark greift der Gedanke an die Dokumentation und die spätere Rezipierbarkeit im Video/Film/ Foto bereits in die Konzeption von unautorisierten künstlerischen Handlungen im Außenraum ein? Sind die Projekte immer als ein Ganzes bestehend aus der Arbeit vor Ort und der Dokumentation zu denken? Oder gibt es KünstlerInnen, die sich dem entziehen, die jede mediale Materialisierung (abseits der Überlieferung durch Sprache) ablehnen? Foto/Video/Film als Teil des Werks Die Projekte der KünstlerInnen des Wiener Aktionismus, eine Bewegung, die bereits in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre in Erscheinung trat, waren nur teilweise illegal.10 Die Manifestation der Aktionen im öffentlichen Raum war für viele Projekte sehr wichtig – sie suchten die Provokation und den Eklat. Die Bildproduktion über den Moment der Handlung hinaus war dabei ein wesentlicher Aspekt. Ebenso spielten die Massenmedien eine Rolle. Indem sie in aufbauschender Weise über die KünstlerInnen berichteten, verhalfen sie den Aktionen zu einer größeren Öffentlichkeit. Auch bei vielen frühen Projekten in den USA, etwa dem yellow cab event 11, fand bereits eine umfassende Dokumentation statt. Joe Hawley, Mel Henderson und Al Young ließen 1969 ca. 100 Taxis (die genauen Angaben hierzu schwanken) gleichzeitig zu einer Kreuzung in San Francisco kommen und sorgten so 10

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Etwa der Wiener Spaziergang von Günter Brus, bei dem er von einem Polizisten aufgefordert wurde, mit zur Wache zu kommen und eine Geldstrafe wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses verhängt wurde. Vgl. Vogel, Sabine B.: Künstler mit massiver Konfliktbereitschaft, in: Die Presse, veröffentlicht am 12.03.2012, https://diepresse.com/h ome/kultur/kunst/5364602/Kuenstler-mit-massiver-Konfliktbereitschaft abgerufen am 09.11.2021. Vgl. auch Badura-Triska, Eva/Kandutsch, Kazuo: Kunst und Ordnungsmacht. Strafrechtliche und polizeiliche Verfolgung der Wiener Aktionisten, in: Badura-Triska, Eva/Klocker, Hubert/Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien: Wiener Aktionismus. Kunst und Aufbruch im Wien der 1960er-Jahre, Köln, 2012, S. 188. Vgl. Neue Gesellschaft für Bildende Kunst (Hg.): legal / illegal. Wenn Kunst Gesetze bricht / Art beyond Law, S. 83 und vgl. Wright, Andy: Back to the '70s, When a Traffic Jam Could Be Art, in: The New York Times, veröffentlicht am 12.03.2012, online: https://www.nytimes.com/2012/03/02/us/californias-1970s-conceptual-art-comeshome-to-berkeley-museum-of-art.html abgerufen am 09.11.2021. Darüber hinaus existiert eine nachbearbeitete Amateur-Abfilmung des Dokumentationsfilms: Moore, Mafalda Reis: Yellow Cab Event by Joe Hawley, Mel Henderson and Al Young, in: Vimeo, veröffentlicht am 25.03.2012, https://vimeo.com/39151031 abgerufen am 02.12.2021.

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für einen temporären Verkehrskollaps (Abb. 22). Das Projekt – inklusive des dadurch ausgelösten Polizeieinsatzes – wurde nicht nur vom Boden, sondern auch aus der Luft aus einem Helikopter gefilmt. Die Wahl der Kreuzung wurde möglicherweise auch in Bezug auf ihre bildästhetischen Qualitäten getroffen, aber die Arbeit war in ihrer Umsetzung keinesfalls den Dokumentationskriterien untergeordnet. Das bereits erwähnte Projekt Day’s End12 , von Gordon Matta-Clark am Pier 52 in New York, das er 1975 durchführte, wird über sein Bestehen hinaus durch Dokumentationsmedien repräsentiert. Die Arbeit existierte zwei Jahre, dennoch wurde sie bereits während der Entstehung gut dokumentiert und ist über einen gleichnamigen Super-8-Film und etliche Fotografien noch heute in Ausstellungen präsent und erlebbar. Der Film hat eine vorwiegend dokumentarische Funktion und transportiert die Arbeit und ihre Wirkungsweise nur teilweise. Auch die Fotografien geben nur einen kleinen Eindruck vom tatsächlichen Werk – es scheint, das Projekt wurde nicht im Hinblick auf seine mediale Vermittelbarkeit umgesetzt, sondern war tatsächlich sitespecific.13 Etwa zur selben Zeit, ab 1976, begannen in Moskau die KünstlerInnen der bis heute bestehenden Gruppe Kollektive Aktionen (russisch: Коллективные действия) ihre Reisen aus der Stadt (russisch: Поездок за город). Bei ihren ephemeren Projekten, die oft im Winter auf Äckern, Feldern oder in Wäldern rund um Moskau stattfinden, geht es um alternative Erfahrungen von Kunst. Es sind zurückgenommene, meist performative Interventionen, die sich nicht ohne weiteres erklären lassen bzw. die maßgeblich vom anschließenden Diskurs auf der Heimreise mitbestimmt sind, wie Boris Groys schreibt.14 In Weiterentwicklung dieses Diskurses wurden die TeilnehmerInnen bzw. RezipientInnen aufgefordert, ihre Gedanken zu den einzelnen Projekten aufzuschrei12

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Vgl. Friesinger, Günther (Hg.): URBAN HACKING. Paraflows 09, Wien 2009, o. S. Der gleichnamige Film zum Projekt Day's End ist auch online abrufbar: Meza, Pablo: DaysEnd.mov, in: YouTube, veröffentlicht am 24.11.2015, https://www.youtube.com/watch?v =N91f03XDOJw abgerufen am 04.01.2021. Diese Einschätzung stützt sich auch auf Aussagen von Matta-Clark, der laut Hila Peleg den Ort für die Öffentlichkeit erschließen wollte und eine parkartige Situation im Inneren des Gebäudes schaffen wollte. Vgl. Peleg, Hila: Day’s End, in: Canadian Centre for Architecture/Museum der Moderne Salzburg (Hg.): Out of the Box: Gordon Matta-Clark - Kurzführer zur Ausstellung, Teil Hila Peleg, Salzburg, 2021, S. 12. Vgl. Groys, Boris: History becomes Form. Moscow Conceptualism, Cambridge, 2010, S. 148. Die Aktionen werden ausgiebig dokumentiert.

4. Die Rolle der Medien

ben. Die so entstandenen Texte wurden zusammen mit Abbildungen der Arbeiten seit 1976 in mehreren kleinen Publikationen herausgegeben. Die Fotografie hat dabei als Transportmedium für die Aktionen einen hohen Stellenwert15 , wie Groys bemerkt. „The actions that Monastirsky organized undermine this claim to reality in that from the outset they are explicitly staged with an eye to the documentation later. The effect of reality only results from the participation in the production and later reading of this documentation.“16 Laut Groys spricht Andrei Monastirsky, die tragende Figur in der Gruppe der Kollektiven Aktionen, selbst von leeren Aktionen, die erst durch die spätere Reflexion real und mit Bedeutung gefüllt werden. Groys regt darüber hinaus an, über die Möglichkeit neuer Kunst nachzudenken, die nur noch aus Dokumentation besteht.17 Dieser Gedanke scheint aus aktueller Sicht etwa beim Projekt mole room zum Tragen zu kommen, welches 2012 von unbekannten KünstlerInnen in Wien umgesetzt wurde. In einem ungenutzten, unterirdischen Betriebsraum der Wiener U-Bahn an einem Stationsabgang wurde damals ein komplettes Kinderzimmer eingerichtet. Obschon es real existierte, war es für die Öffentlichkeit nur medial vermittelt erfahrbar in Form eines 2014 veröffentlichten YouTube-Videos, durch Fotografien und ein Interview in der Zeitschrift TheGap.18 Während für das Konzept dieser Arbeit der versteckte, unterirdische Raum mitten in Wien als inhaltlicher Bezugspunkt essentiell war und eine Bedeutung hatte, haben einige der Projekte, die in den vergangenen Jahren insbesondere aus dem Bereich der Street Art kamen, den Gedanken auf andere Weise verinnerlicht. Leer meint in dem Fall nicht, dass der Bedeutungsinhalt fehlt, sondern nur, dass die Aktionen selbst im realen physischen Raum der scheinbar unwichtigste Teil der Projekte sind und ihrer

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Ebd. S. 148f. Ebd. S. 151. Ebd. Vgl. ViennaAustriaOctober2012: mole-room, in: YouTube, veröffentlicht am 31.07.2014, https://www.youtube.com/watch?v=yjqNi9ARAQ4 abgerufen am 14.03.2021, und vgl. Niederwieser, Stefan/Lichtenegger, Franz: Maulwurf-Kunst im Wiener Untergrund, in: TheGap, veröffentlicht am 13.08.2014, https://thegap.at/maulwurf-kunst-im-wiener-un tergrund/ abgerufen am 14.03.2021. Der Raum befand sich außerhalb des öffentlich zugänglichen Bereichs der U-Bahn.

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medialen Abbildung untergeordnet werden.19 Aktuell hochfrequentierte Internet-Plattformen wie Instagram oder Facebook befeuern diese Praxis zusätzlich. „Was im Foto ,nicht funktioniert‘, setzt sich nicht durch. Street Artists schließen einzelne Werkformate und Spots teilweise explizit aus, sofern die fotografische Dokumentation dort nicht angemessen glückt – sprich der Spot ist zu abgelegen, es gibt zu viel Gegenlicht, die Perspektive ist verzerrt etc.“20

4.1

Das Wechselspiel mit den Massenmedien

Bereits in den 1960ern setzten einige AkteurInnen die Mechanismen der Medien für ihre Zwecke ein. Insbesondere die amerikanischen Yippies professionalisierten sich dabei schnell und reflektierten die Wirkungsweise der Massenmedien im Zusammenhang mit ihren Aktionen.21 In der BRD (aber auch in Österreich) gab es damals eine Frontbildung, in der die Presse den AkteurInnen/KünstlerInnen kritisch gegenüberstand.22 Eine verstärkte Tendenz, illegale Aktionen im Außenraum professionell und bildgerecht im Sinne der Dokumentation anzulegen (um damit im Idealfall im Zusammenspiel mit den Massenmedien eine große Aufmerksamkeit zu erzeugen) lässt sich laut Simon Teune dort ab den 1980er Jahren feststellen. Dabei waren es vor allem politische AkteurInnen, die mit Blick auf die Medienwirksamkeit ihre Projekte sehr präzise anlegten, wie Teune in einem Artikel über den kreativen Protest der Spaßguerilla in der BRD beschreibt. „Erst in den 1980er Jahren setzte sich bei Protestakteuren ein professioneller Umgang mit Massenmedien durch, der auf die Überlegung zurückging,

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Katja Glaser spricht für Werke die „an abgelegenen Orten entstanden sind, [etwa R.H.] im eigenen Hinterhof oder der hauseigenen Garage“ von Street Art „ohne Street“. Glaser: Street Art und neue Medien. Akteure – Praktiken – Ästhetiken, S. 107. „Die Relevanz des realräumlichen Spots löst sich im Falle der ,Street Art für das Internet‘ beinahe gänzlich auf; viel wichtiger als der physikalische Ort ist nun ihre digitale Situierung. Nicht mehr der hochfrequentierte Street-Art-Spot in Berlin Mitte wird vonseiten jener Künstler anvisiert, sondern die richtige URL.“ Ebd. S. 108. Ebd. S. 110. Vgl. Peariso: Radical Theatrics. Put-Ons, Politics, and the Sixties, S. 65. Vgl. Teune: Wie ein Fisch im Wasser der Zeichenwelt: Spaßguerilla seit den 1960er Jahren, S. 61.

4. Die Rolle der Medien

dass man auch deren Funktionslogik für die eigenen Ziele nutzbar machen könnte.“23 Es handelte sich dabei nicht nur um kreative Protestformen und die AkteurInnen agierten nicht immer aus einem künstlerischen Selbstverständnis. Dennoch hatten KünstlerInnen großen Einfluss auf die kreativen Praktiken der Protestkultur und greifen laut Teune auch heute verstärkt mit subversiven Aktionen in den öffentlichen Raum ein. „[v]or allem aus dem künstlerischen Feld, das auch schon in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wesentliche Impulse für die Verbreitung von subversivem Protest gegeben hatte, rekrutieren sich heute immer mehr Akteure subversiven Protestes. Immer öfter tragen politische Künstler ihre Anliegen in den öffentlichen Raum hinein.“24 Politische, öffentlichkeitswirksame (Protest-)Kunst lässt sich in den 1980ern auch für einige Staaten des Ostblocks nachweisen, wie Teune am Beispiel der Gruppe Orange Alternative25 in Polen darlegt. In der weitaus repressiveren Sowjetunion begannen erst Ende der 1980er/Anfang der 1990er Jahre KünstlerInnen damit, unter den Bedingungen des Wandels radikalere Projekte im Außenraum umzusetzen, die zugleich darauf abzielten, ein großes Medienecho zu erzeugen. Vor allem die Bewegung E.T.I (russisch: Движение Э.Т.И.) muss an dieser Stelle genannt werden, die laut Anatoli Osmolowski – dem wichtigsten Akteur dieser Gruppe – insgesamt 24 Aktionen durchgeführt hat.26 Weitere KünstlerInnen folgten darauf in den 1990er Jahren. Nur auf wenige Projekte traf die Definition „unautorisiert“ und „im Außenraum“ zu, insgesamt waren die Aktionen aber stets auf eine Skandalbildung aus und dabei oft „[p]lakativ-bildhaft visuell“27 , wie Gesine Drews-Sylla beschreibt. Ihr zu-

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Ebd. S. 62. Ebd. S. 61. Die Orange Alternative (Polnisch: Pomarańczowej Alternatywy) war eine künstlerische Protestbewegung in Polen in den 1980er Jahren, die von Wrocław aus zu einem nationalen Phänomen wurde. Vgl. das virtuelle Museum der Orange Alternative, [Website], http://www.orangealternativemuseum.pl/#homepage abgerufen am 12.04.2021. Vgl. Drews-Sylla, Gesine: Moskauer Aktionismus – Provokation der Transformationsgesellschaft, Paderborn, 2011, S. 66. Nur ein Bruchteil ihrer Aktionen wurde jedoch dokumentiert. Ebd. S. 16.

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folge ist der Moskauer Aktionismus28 der 1990er Jahre eine Reaktion auf die neuen Ausprägungen der Öffentlichkeit, die in Form von Regenbogenpresse und privaten Fernsehsendern im post-sowjetischen Russland sehr schnell entstanden.29 Die Medien waren ständig auf der Suche nach neuen Skandalen und die KünstlerInnen des Moskauer Aktionismus bedienten diesen Bedarf sehr effizient bzw. passten ihre künstlerischen Strategien daran an. Der von den Kollektiven Aktionen geprägte Begriff der „leeren“ Aktion scheint in manchen Fällen ebenfalls zutreffend zu sein. Anatoli Osmolowskis Arbeit Reise eines Nezesiudik ins Land der Brobdingnagger (Majakowski – Osmolowski) (russisch: Путешествие Нецезиудик в страну Бробдингнегов (Маяковский-Осмоловский))30 (Abb. 23) etwa ist eine Arbeit im Dazwischen. Osmolowski ließ sich am 11. September 1993 mittels Kran auf die rechte Schulter der Majakowski-Statue heben, die auf dem Moskauer Platz des Triumphs (russisch: Триумфальной площади) an der Kreuzung von Garten-Ring und der Twerskaja-Straße auf einem Sockel steht. Die überlebensgroße Statue (Gesamthöhe inkl. Sockel ca. 12 m) stellt den russischen Dichter Wladimir Majakowski in visionärer, heroischer Pose dar. Inmitten der schwierigen postsowjetischen Neuorientierungsprozesse posiert Osmolowski in Lederjacke und mit Zigarre in lässiger Haltung auf seiner Schulter, begibt sich so auf Augenhöhe mit dem Dichter und bricht zugleich die inhärente Ästhetik des Relikts aus der Sowjetzeit. Die Arbeit, zu der verschiedene Fotos existieren – was als Beleg für ihre performative Konzeption gelesen werden kann – ist ein hybrides Werk, der Rechtsbruch31 ein stilistisches Mittel, die zufälligen RezipientInnen vor Ort 28

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Moskauer Aktionismus ist ein Sammelbegriff, der neue, radikale KünstlerInnen und KünstlerInnengruppen aus der späten Sowjet-Zeit bis in die ausgehenden Neunziger Jahre umfasst, etwa von 1989 bis 1998. Der Begriff ist unzureichend, da er vor allem performative Praktiken meint und durch diese Einschränkung viele der ProtagonistInnen, die damals ebenso aktivistisch, jedoch nicht performativ arbeiteten, ausschließt, wie Drews-Sylla u.a. anhand einer Stellungnahme von Anatoli Osmolowski dazu belegt. Vgl. Drews-Sylla: Moskauer Aktionismus – Provokation der Transformationsgesellschaft, S. 76ff. Vgl. Ebd. S. 17. Vgl. Обухова, Александра (Hg.): Перформанс в России 1910-2010. Картография истории, Moskau, 2014, S. 125. Bei der Aktion setzte er sich 1993 auf die Schulter der ca. 12 m hohen Majakowski-Statue in Moskau. Die Aktion fand unautorisiert statt, vermutlich stellt sie keine Straftat dar, sondern einen Tatbestand entsprechend einer österreichischen Verwaltungsübertretung. Konsequenzen sind dazu nicht überliefert. In Gesprächen wurde mir aber vermittelt, dass

4. Die Rolle der Medien

sind durchaus willkommen, adressiert wird aber vor allem ein Publikum auf zweiter Ebene, über Ausstellung, Medienberichterstattung etc. Auf seiner Website wird sie sowohl als Performance als auch als FotoPerformance bezeichnet32 , auch in Publikationen wird sie als Performance beschrieben.33 Allein die Tatsache, dass es ihm damals möglich war, ohne Konsequenzen einen Kran zu mieten und sich auf die Schultern der Statue zu setzen, mache die Arbeit demnach zu einem Zeichen ihrer Zeit.34

4.2

Katalysator Internet – Instagramability & Co

Durch die Verbreitung und zunehmende Bedeutung des Internets wird die Diskrepanz zwischen dem Werk im physischen Raum (als Aktion, Installation etc.) und seiner Wiedergabe in anderen Medien auf die Spitze getrieben. Laut Katja Glaser hat für viele KünstlerInnen, die der Street Art zugerechnet werden können, das finale Dokumentationsfoto der Arbeit die höchste Priorität. Die Repräsentation des Werks im virtuellen Raum ist demnach inzwischen oft wichtiger als dessen Existenz im realen Raum. Die Konzeption und Umsetzung von Werken richten sich vermehrt nach Parametern wie der Dokumentierbarkeit vor Ort und der Nachvollziehbarkeit im Internet. Dadurch beschränken viele Street-Art-KünstlerInnen ihren Handlungsrahmen bzw. werden dadurch die Form und teilweise auch die Inhalte ihrer Kunstwerke mitbestimmt.35

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dieses Vergehen auch in den 1990er Jahren (mit einer Verwaltungsstrafe) hätte geahndet werden können und inzwischen (2021) wieder undenkbar wäre. Vgl. Osmolowski, Anatoli: «Путешествие Нецезиудик в страну Бробдингнеггов» (Маяковский-Осмоловский) - перформанс, [Website des Künstlers], http://osmopolis.co m/puteshestvie_v_brobdingneg/pages/id_185 abgerufen am 02.10.2021. In diesem Eintrag wird sie als Performance beschrieben, es existiert ein weiterer Eintrag, in dem sie, u.a. in einem Text von Konstantin Bochorow auch als Foto-Performance beschrieben wird. Vgl. Osmolowski, Anatoli: А.Осмоловский. Путешествие Нецезюдика в страну Бронденгнеггов (фотография перформанса), [Website des Künstlers], http://osmopolis. com/puteshestvie_v_brobdingneg/gallery/a_21 abgerufen am 02.01.2021. Etwa in der russischsprachigen Publikation Перформанс в России. 1910-2010. Картография истории, (deutsch: Performance in Russland. 1910-2010. Kartographie der Geschichte). Vgl. Обухова (Hg.): Перформанс в России 1910-2010. Картография истории, S. 125. Ebd. Vgl. Glaser: Street Art und neue Medien. Akteure – Praktiken – Ästhetiken, S. 107ff.

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Der bereits geäußerte Vorwurf, dass viele Werke der Street Art nur Bilder sind, die ohne (tieferen, inhaltlichen) Zusammenhang im öffentlichen Raum platziert werden, wird durch diese Beobachtung noch verstärkt. „Obwohl Fotografie und Graffiti oder Street Art oft Hand in Hand gehen, sieht man auf Fotografien von Graffitis nur selten etwas von der realen Umgebung des Werks“36 , schreibt Anna Wacławek. Sie zog aus dieser Analyse jedoch die falschen Schlüsse – ihr zufolge läge die Ursache dafür im Bewusstsein der AkteurInnen, dass sie ja nur Dokumentationsfotos anfertigen.37 Dies widerspricht Katja Glasers Beobachtung, dass bei Graffiti und Street Art inzwischen das Foto ebenso wichtig ist wie die Arbeit vor Ort. Obwohl sie wichtig sind für die Weiterentwicklung, können die Fotodokumente Wacławek zufolge nicht das gleiche leisten wie die Erfahrung im realen Raum: „Unsere Wahrnehmung von Graffiti oder Street Art aus der Distanz, besonders durch ins Internet gestellte Fotos, ist somit unvollständig, aber dennoch nicht unwichtig. Tatsächlich sind Fotografien von Graffitis die wichtigste Grundlage für die Existenz und Weiterentwicklung dieser Bewegung.“38 Bei dem von Katja Glaser beschriebenen Projekt Street Ghosts machte der Medienkünstler Paolo Cirio, der für die Serie einen Exkurs in die Street Art unternommen hat, jedoch eine gegenteilige Erfahrung.39 Für die Arbeit plakatierte er Fotografien von Menschen im Stadtraum von Berlin an exakt der gleichen Stelle, an der sie zuvor von Google Streetview aufgenommen wurden. Die Poster relokalisierten die im virtuellen Raum verfügbaren Bilder wieder im physischen Raum (Abb. 24). Tatsächlich blieben die Bilder jedoch weitestgehend unbeachtet wie Glaser zusammenfasst.40 „Erst das Verfassen einer Pressemitteilung und das Rückspeisen der Street Ghosts ins Internet, auf die Projektseite […] hätte letztlich zu großer Aufmerksamkeit geführt.“41 Die Rezeption war also maßgeblich an das Internet und die Massenmedien gekop-

36

37 38 39 40 41

Wacławek: Graffiti und Street Art, S. 178. Ihre Aussage bezieht sich im zweiten Satzteil zwar nur auf Graffiti, schließt aber Street Art mit ein, wie sich aus dem Kontext herauslesen lässt. Ebd. Ebd. S. 178f. Vgl. Glaser: Street Art und neue Medien. Akteure – Praktiken – Ästhetiken, S. 271ff. Ebd. S. 287. Ebd.

4. Die Rolle der Medien

pelt, die bloßen Arbeiten im Außenraum konnten nicht das Gleiche leisten wie ihre Abbilder im digitalen Raum.42 Das von Glaser beschriebene Beispiel ist kein Einzelphänomen, sondern für Street Art eher die Regel. Die häufig zweidimensionalen Arbeiten, die unautorisiert im öffentlichen Raum auftauchen, gehen oft in der visuellen Fülle des Stadtraums unter, sodass sie maximal noch für diejenigen sichtbar sind, die sich wirklich dafür interessieren.43 Eine Interaktion vor Ort, selbst eine gestörte wie bei Deborah Stratmans Park, findet nicht statt.44 Abgesehen davon, dass die Subtexte und Bildästhetiken schnell dechiffrierbar sind und dadurch die RezipientInnen nicht wirklich zur Response animiert werden, verhindert selbstverständlich auch die permanente Abwesenheit der KünstlerInnen einen Dialog, der sich etwa bei klassischer Malerei zumindest im Ausstellungskontext entwickeln kann. Die Bildbesprechung von Street Art (und Graffiti) findet im World Wide Web statt, dort besitzen auch die meisten AkteurInnen ihr digitales Archiv und inszenieren ihr Alter Ego. Erst der Transfer der Werke über die Fotografie ins Internet ermöglicht also eine Form der Auseinandersetzung, wodurch schließlich auch die Aufmerksamkeit für die Werke im physischen Raum erhöht wird. Innerhalb der Unauthorized Public Interventions bestehen sehr differente Formen der Kommunikation. Das Internet bzw. die Medien spielen dabei nicht immer eine wichtige Rolle, wie Daniel Sharp anhand Deborah Stratmans Arbeit Park aufzeigt. Die Kommunikation fand bei Park vor Ort und indirekt statt. Die Dokumentationsfotos, die das Objekt isoliert in menschenleeren Arealen der Chicagoer Peripherie zeigen, greifen, wie Sharp bemerkt, diesen Aspekt der inkompletten Kommunikation auf.45 Allein über das Bild offenbart sich die Bedeutung und die Wirkung der Arbeit nicht. Die zufälligen PassantInnen mussten sich dem realen Objekt physisch annähern, um herauszufinden (bzw. für sich zu entscheiden), was es damit auf sich hatte, und auch die BetrachterInnen der Dokumentationsfotografien können den Inhalt der Arbeit erst durch weiterführende Textinformationen verstehen.

42

43 44 45

Wacławeks Publikation erschien im englischen Original bereits 2011, Glasers Buch erst 2017. Im digitalen Zeitalter ist das eine Zeitspanne, in der sich die Mediennutzung und in Wechselwirkung dazu auch die Kunst sehr stark verändern können. Ebd. S. 106. Szeneinterne Kommunikation ist durchaus möglich, es kommt vor, dass Street-Artund Graffiti-KünstlerInnen untereinander im Stadtraum kommunizieren. Vgl. Sharp: New Genre Public Art and the Law, S. 33.

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Unerlaubte Kunst

4.3

Öffentliche Diskussion

Andere KünstlerInnen, die in die hergeleitete Definition der Unauthorized Public Interventions passen, wie das bereits erwähnte Künstlerduo Wermke/ Leinkauf mit ihrer Arbeit symbolic threats oder der Schweizer Künstler Christian Meier, der unerlaubt einen sichelförmigen Halbmond auf einem Schweizer Berggipfel installierte46 (Abb. 25), versuchen mit ihren Arbeiten ein größtmögliches Maß an Öffentlichkeit zu generieren. Ziel ist es, durch die physisch manifestierten Arbeiten einen medienübergreifenden Diskurs anzuregen, ein wichtiger Teil der Arbeit besteht also in der öffentlichen Auseinandersetzung. Dafür werden Ziele ausgesucht, die eine hohe symbolische Wirkung haben. Diese muss sich auch über das Bildmotiv, das später als Aufmacher für die Berichterstattung dient, vermitteln. Noch radikaler sind letztlich AkteurInnen, die aus dem Bereich des Artivism kommen, wie die KünstlerInnengruppe Woina (russisch: Война)47 , die feministische Künstlerinnengruppe Pussy Riot oder der Künstler Pjotr Pawlenski. Das physische Vollziehen der Tat ist essentiell, die meist performativen Projekte fordern die Öffentlichkeit heraus. Anders als die Arbeiten der Unauthorized Public Interventions, die seltener performativ sind und bei denen die BetrachterInnen oft mit fertigen Werken48 konfrontiert werden, ist hier der Akt von fundamentaler Bedeutung und wird medial festgehalten, um 46

47 48

Vgl. Ritter, Johannes: Gipfel der Freiheit, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, veröffentlicht am 08.09.2016, online: https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/menschen/schw eizer-installiert-halbmond-statt-gipfelkreuz-14426276.html abgerufen am 21.12.2021. Laut Johannes Ritter wollte Christian Meier mit seinem Werk „provozieren und eine Debatte über Religionen lostreten“. Ebd. Russisches KünstlerInnen-Kollektiv, das mit illegalen Aktionen ab der zweiten Hälfte der Nullerjahre in Erscheinung trat (siehe Kapitel 8/Eine weitere Perspektive). Die Arbeiten sind fertig ausgeführt, die tatsächliche „Vollendung“ (dieser Begriff ist eigentlich irreführend, da Arbeiten durch sich verändernde Kontexte etc. immer wieder neu gelesen werden können und somit immer nur situativ vollendet werden) des Werks findet bei (illegaler) Kunst in der Rezeption statt. Dies stellt Wacławek für Street Art schon 2011 fest. Vgl. Wacławek: Graffiti und Street Art, S. 96ff. Nato Thompson schreibt über den britischen Konzeptkünstler Stephen Willats, dass dieser schon seit den 1960ern die grundsätzliche Bedeutung der Rezeption der BetrachterInnen für das Kunstwerk betont. Vgl. Thompson, Nato: Seeing Power, New York, 2015, S. 140f. Auf Stephen Willats Website sind zudem zahlreiche Verschriftlichungen dazu zu finden, z.B. der Text A State of Agreement von 1976. Vgl. http://stephenwillats.com/texts/state-agree ment/ abgerufen am 04.02.2021.

4. Die Rolle der Medien

später weiterverbreitet zu werden. Dabei entscheiden die KünstlerInnen sehr bewusst, welche Bilder entstehen und verbreitet werden, sie filtern und bearbeiten so das reale Ereignis weiter. Besonders deutlich wird dies bei Pussy Riots Aktion Punk Prayer, der berühmten Performance in der Christ-ErlöserKathedrale in Moskau (Abb. 26). Es existiert eine große Diskrepanz zwischen dem fast banalen und unvertonten Ereignis, das auf den Originalaufnahmen zu sehen ist und für das die AkteurInnen bestraft wurden, und dem Video, das von der Gruppe erstellt wurde, um die Aktion in der (Medien-)Öffentlichkeit zu repräsentieren.49 Dies evoziert die Vermutung, dass das Projekt erst im Video seine intendierte Form findet. Die Arbeit verschiebt sich somit von der illegalen Performance im erweiterten öffentlichen Raum in den medialen Raum, kommt jedoch ohne den physischen Kontext nicht aus. Dieser Spagat betrifft viele der in dieser Arbeit verhandelten Projekte: Sie sind hybrid, ihre volle Wirkung entfalten sie erst über die mediale zweite Ebene. Dennoch ist das reale Handeln (mit den oft sehr realen Folgen für die KünstlerInnen) essentiell, um den Aktionen Authentizität zu verleihen. Das Kunstwerk geht mitunter über die bloße Aktion und die ausführliche Nachverhandlung in den öffentlichen Medien und den Sozialen Medien hinaus und zieht sich bis in den anschließenden Gerichtsprozess. Während dies bei Pussy Riot und Woina noch eher aus der Situation heraus entsteht, ist insbesondere beim Projekt Bedrohung (russisch: Угроза), das Pjotr Pawlenski 2015 umsetzte, alles so angelegt, dass sich die Arbeit über die Tat hinaus noch weiterentwickelt (Abb. 27).50 Die eigentliche Aufführung, die dazu dienen soll den Staat vorzuführen, beginnt erst im Gerichtssaal, wenn der Staatsanwalt die Anklage erhebt und „[d]ie brennende Tür erwähnt, den kulturellen Wert der Lubjanka, jenes Gebäudes, in dem so viele bedeutende Persönlichkeiten

49

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Vgl. PussyRiotEng: The original video of performance punk band Free Pussy Riot in Cathedral of Christ th [sic!] Saviour Moscow, in: YouTube, veröffentlicht am 06.08.2012, https://www.youtube.com/watch?v=PN5inCayfnM abgerufen am 20.08.2021. Dazu das offizielle Musikvideo der Aktion: imjustevil666: Pussy Riot-Punk Prayer.mp4, in: YouTube, veröffentlicht am 10.03.2012, https://www.youtube.com/watch?v=ALS92big4TY abgerufen am 03.01.2021. Vgl. auch Jonson, Lena: Art and Protest in Putin's Russia, Abingdon, 2015, S. 179. Beim Projekt Bedrohung setzte Pjotr Pawlenski im November 2015 als Protest gegen den staatlichen Terror in Russland eine Tür des berüchtigten Lubjanka-Gebäudes – der früheren Zentrale des KGB, heutige Moskauer Zentrale des FSB – in Brand. Anschließend wartete er vor dem Gebäude auf seine Verhaftung.

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Unerlaubte Kunst

der russischen Geschichte gefoltert und getötet wurden.“51 Die Medienberichterstattung, die (öffentliche) Meinungsbildung zu seinem Fall in den Sozialen Medien, sind Teil des Konzepts und dienen Pawlenski zufolge dazu, dass die Gesellschaft sich durch diesen Diskurs über grundsätzliche Themen verändert.52 Für die kreativen illegalen Praktiken, die der Populärkultur nahestehen, für Prank, Urban Exploration etc. (siehe Kapitel 7/Grenzbereiche) sind die neuen Medien, insbesondere das Internet, als Verhandlungsraum essentiell. Obwohl die meisten dieser Phänomene bereits vor dem Internet-Zeitalter existierten, konnten sie erst durch das Forum des Internets global an Bedeutung gewinnen. Anders als die „anerkannten“ künstlerischen Praktiken verfügten sie zuvor nicht über weitreichende Orte des Austauschs und der Bewusstseinsbildung.53 Das Internet ist daher maßgeblich verantwortlich für das Aufblühen und die stete Weiterentwicklung dieser Praktiken. Wie in diesem Kapitel aufgezeigt werden sollte, sind sämtliche unautorisierte künstlerische Praktiken im öffentlichen Raum an weitere Medien(nutzungen) gekoppelt. Vielfach wird kritisiert, dass das digitale Erleben einer Malerei auf Leinwand oder einer Skulptur in ihrer „Verfasstheit“ als digitale Fotografie auf einem Monitor in keiner Weise der physischen Erfahrung im Museum gleicht. Die Praktiken der Unauthorized Public Art finden hingegen zum Teil erst in der Nachverhandlung in der digitalen Welt, in der von den KünstlerInnen bestimmten Perspektive, ihre intendierte Form.54 Dabei werden verschiedene Gruppen adressiert und erreicht. Sind es insbesondere beim klassischen Graffiti vor allem szeneinterne RezipientInnen, 51

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Bota, Alice: Dieser Mann will ins Gefängnis, in: Zeit, veröffentlicht am 23.06.2016, http s://www.zeit.de/2016/25/pjotr-pawlenski-politischer-kuenstler-russland abgerufen am 09.12.2021. Vgl. auch Velminski, Wladimir: Zum Sprechen bringen. Der Fall »Freiheit« und die Medien der Wahrheitsfindung, in: Velminski, Wladimir (Hg.): Pjotr Pawlenski. Bürokratischer Krampf und die neue Ökonomie der politischen Kunst, Berlin, 2016, S. 105. Ebd. Urban Exploration hatte schon vor der Verbreitung des Internets einen Szenecharakter und es wurden auch Newsletter etc. veröffentlicht, z.B. vom australischen Cave Clan, der laut dem szeneinternen Autor Ninjalicious (bürgerlich Jeff Chapman) erstmals 1989 einen Newsletter veröffentlichte. Vgl. Ninjalicious: Access All Areas: A User's Guide to the Art of Urban Exploration, Toronto, 2005, S. 231. Die Praktiken werden ebenso in anderen Medien, wie Zeitungen oder Ausstellungen verhandelt. Die Anschlusskommunikation, die als Teil vieler Projekte gesehen werden muss, findet aber maßgeblich im Internet als Reaktion auf dort dargebotene digitale Abbilder der Werke statt.

4. Die Rolle der Medien

ist es bei Street Art oft eine größere Öffentlichkeit, im Falle der Stars der Szene sogar die Weltöffentlichkeit55 . Die AkteurInnen des Artivism haben ebenfalls eine große Reichweite, radikale Aktionen werden neben dem Internet häufig auch in den klassischen Medien besprochen. Die Unauthorized Public Interventions befinden sich häufig in einem kunstinternen Diskurs. Die Medien berichten zwar über Ereignisse, wenn sie für die Öffentlichkeit von Relevanz sind, ausgiebig verhandelt werden die Aktionen jedoch primär im Kunstkontext.

55

Wenn der britische Street-Art-Künstler Banksy eine neue Arbeit anfertigt, ist dies kurz darauf auch bei uns in den Medien.

99

5. Rahmenbedingungen

5.1

Gründe für unautorisierte künstlerische Handlungen im öffentlichen Raum

Wenn eine künstlerische Arbeit erst durch die unautorisierte Durchführung ihre volle Wirkung entfaltet, kann dies ein Grund für KünstlerInnen sein, illegal zu agieren. Dies betrifft vor allem Werke des Artivism und der Unauthorized Public Interventions, die darauf abzielen einen Diskurs auszulösen. Für Street Art und Graffiti war der Regelbruch ursprünglich konstitutiv. Beide Phänomene sind in der Illegalität entstanden. Der gesetzlose, verwegene Aspekt bestimmt noch heute maßgeblich die Faszination, die beide Felder ausüben, obschon sie sich zum Teil in legale Bereiche verlagert haben1 . Sehr pragmatisch ist der Schritt in die Illegalität, wenn die bürokratischen Hürden, die für die Umsetzung einer Idee zu bewältigen sind, in keinem Verhältnis zum eigentlichen Aufwand des Projekts stehen. Diese Voraussetzung wurde für einen Teil der Unauthorized Public Interventions in Kapitel 3/Unautorisierte künstlerische Praktiken im öffentlichen Raum beschrieben. Es geht um Fälle, in denen selbst KünstlerInnen, die per se nicht mit illegalen künstlerischen Praktiken assoziiert werden, aus Pragmatismus gegen geltendes Recht verstoßen. Ein weiterer Grund für illegale Umsetzungen kann der Ausschluss aus dem institutionellen Kunstsystem sein.2 Können KünstlerInnen am Kunstgeschehen in den Museen und wichtigen Ausstellungshäusern nicht aktiv teilhaben, weil bestimmte, der Kunstwelt immanente Ausschlussmechanismen 1

2

Die Unterscheidung zwischen Street Art – in Bezug auf die ausschließlich illegalen Praktiken – und Urban Art für legale Praktiken mit Street-Art-Ästhetik sowie weitere Formen legaler Kunst im Außenraum wird an dieser Stelle außer Acht gelassen. Tatsächlich gibt es nicht das Kunstsystem, die Kunstwelt ist eher als ein mehrschichtiges Geflecht zu denken mit Ebenen, die sich z.T. gegenseitig überlagern.

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Unerlaubte Kunst

(GatekeeperInnen3 etc.) die Partizipation verhindern, kann dies den Schritt in die unautorisierte Kunstproduktion im öffentlichen Raum bedingen.4 In einem repressiven Staat hingegen bilden inhaltliche und juristische Einschränkungen einen engeren Rahmen für den Aktionsraum von KünstlerInnen. Einerseits passiert es so leichter, dass eine Idee mit den gültigen Vorschriften kollidiert, andererseits bietet der Staat, der die Freiheit und Rechte seiner BürgerInnen einschränkt, größere Angriffsflächen und evoziert möglicherweise erst die Entstehung von illegalen, opponierenden künstlerischen Ausdrucksformen. Wird kritischen AkteurInnen zudem die Möglichkeit erschwert, über das klassische Medium der Ausstellung eine Öffentlichkeit zu erreichen, kann der Schritt in den Außenraum eine Reaktion darauf sein. Daneben kann der Succès de scandale für KünstlerInnen eine weitere Motivation sein, illegale Projekte im erweiterten öffentlichen Raum umzusetzen, um dadurch entweder dem künstlerischen Anliegen Nachdruck zu verleihen oder schlichtweg die eigene Bekanntheit zu steigern bzw. die Medienpräsenz zu erhöhen. Die Grenze zwischen Subversion und purer Provokation ist dabei schmal, wie Anne-Lena Wenzel in Bezug auf Jonathan Meese bemerkt.5 Die Wirkungsmächtigkeit überdeckt mitunter eventuelle Qualitäten der Kunst6 , wodurch diese „gefährlich nah zur Werbung [rückt, R.H.], der es primär um die Generierung von Aufmerksamkeit geht.“7

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Begriff Gatekeeping geht auf eine Studie von David Manning White aus dem Jahr 1950 zurück. Vgl. Derwanz: Street Art-Karrieren. Neue Wege in den Kunst- und Designmarkt, S. 145f. „[T]hese traditionally trained artists who have taken the streets have chosen to participate in daily life, to claim a voice the art world denied them.“ Schwartzman: Street Art, S. 43. Schwartzman bezieht sich hier auf die KünstlerInnen, die Ende der 1970er Anfang/Mitte der 1980er Jahre den Weg in den New Yorker Außenraum suchten, etwa Barbara Kruger, Keith Haring, Richard Hambleton, Ann Messner, Jenny Holzer, Mierle Laderman Ukeles (letztgenannte mit legalen, performativen Projekten) und viele weitere. Vgl. Wenzel: Grenzüberschreitungen in der Gegenwartskunst. Ästhetische und philosophische Positionen, S. 77. Meeses Projekte erfüllen strenggenommen nicht die Kriterien, um als Unauthorized Public Art zu gelten, da sie aber z.T. auf Skandalbildung und das Generieren größtmöglicher Öffentlichkeit abzielen, sollen sie hier trotzdem als Beispiel dienen. Ebd. S. 77. Ebd.

5. Rahmenbedingungen

Ein Beispiel dafür ist Meeses Hitlergruß-Performance, die er bei einer öffentlichen Uni-Veranstaltung 2012 in Kassel durchführte.8 Der Skandal gehört zum Gesamtkunstwerk Meese und sorgt für Schlagzeilen und Bekanntheit. Meeses (intendiert) inkonsistentes Spiel mit (deutsch-)nationaler Symbolik, das sich einer ähnlichen Strategie bedient, wie sie schon von der slowenischen Band Laibach9 in den 1980er Jahren erprobt wurde, gleitet jedoch mitunter in die bloße Inszenierung des Spektakels ab.10 Dem Künstler wurde der Prozess gemacht und im Sinne der Kunstfreiheit erfolgte ein Freispruch. Wird der Hitlergruß eindeutig im Kunstkontext, etwa bei einer Theatervorstellung, gezeigt, ist dies nicht streitbar. Eingebettet in den Rahmen eines Kulturereignisses ist seine Symbolhaftigkeit, die „Als-ob-Handlung“ (Fenner), sofort dechiffrierbar. Meeses Handlung fand in einem Zwischenbereich statt, weshalb für die zuständige Richterin die Schwierigkeit darin bestand, zu bestimmen, ob sie im Rahmen einer künstlerischen Performance erfolgte oder ob sie von der Privatperson Meese in einer Interviewsituation durchgeführt wurde. Die Aktion hat gezeigt, dass offizielle (angekündigte), öffentliche Auftritte von Kunstfiguren immer als symbolische Handlungen im Rahmen der Kunst verstanden werden können, ungeachtet ihres räumlichen Kontextes. Da die Kunsthochschule jedoch bereits a priori eine Zuschreibung im Feld der Kunst hat, liefert Meeses Handlung keine neuen Erkenntnisse, der Freispruch war erwartbar, die Aktion hat nicht im erweiterten öffentlichen Raum stattgefunden. Allenfalls lässt sich daraus ableiten, dass über sich verändernde Kontexte auch im Außenraum illegale Handlungen eine Legitimation erfahren können. Der künstlerische Wert der Aktion in Kassel ist umstritten, in erster Linie 8

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10

Vgl. Spiegel-Redaktion: Wie würden Sie entscheiden?, in: Spiegel, veröffentlicht am 14.08.2013, online: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/jonathan-meese-urteil-i m-hitlergruss-prozess-in-kassel-a-916177.html abgerufen am 04.11.2021. Die Kunstuniversität erfüllt streng genommen nicht die Kriterien des erweiterten öffentlichen Raums, da dieser sich auf die Orte bezieht, die nicht Teil des Kunst-Kosmos sind. Würde die Definition hier erweitert, müsste auch jedes Museum, jede Galerie als erweiterter öffentlicher Raum verstanden werden, was die Absicht des Begriffs aushöhlen würde. Vgl. Bryzgel: Performance art in Eastern Europe since 1960, S. 62ff. Laibach und ihr Kollektiv Neue Slowenische Kunst agierten dabei im repressiven Jugoslawien im Kontext des ideologisch aufgeladenen öffentlichen Raums (ebd.). Der Begriff wird hier in einer negativen Konnotation verstanden, Meeses gezielte Provokationen dienen in erster Linie der Erlangung von Öffentlichkeit. Wie Guy Debord in seinem vielschichtigen Konzept des Spektakels formuliert: „Das Spektakel will es zu nichts anderem bringen als zu sich selbst.“ Debord, Guy: Die Gesellschaft des Spektakels, Hamburg, 1978, S. 4.

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Unerlaubte Kunst

funktionierte sie als provozierter Eklat, mit der die Künstlerperson Meese Öffentlichkeit erzeugt hat. Wie Anna-Lena Wenzel in Bezug auf eine Arbeit des polnischen Künstlers Artur Żmijewski formuliert, wird dabei „[d]eutlich [...], wie schmal der Grat zwischen der Anregung einer kritischen Auseinandersetzung und der Offenlegung gesellschaftlicher Mechanismen durch künstlerische Arbeiten auf der einen Seite und dem Unbehagen gegenüber Aufmerksamkeitshascherei und gezielter Provokation durch den Künstler andererseits ist.“11 Zu dieser Problematik formulierte der Schweizer Künstler Thomas Hirschhorn in einem Interview in der Zeitschrift Du seine Perspektive als Künstler auf mögliche skandalträchtige Projekte: „Nie kann ein Skandal oder eine Provokation ein künstlerisches Ziel sein. Aber auch nie darf ich mich in meiner Arbeit beeinflussen lassen von der Möglichkeit, jemanden zu provozieren, oder von der Möglichkeit, einen Skandal auszulösen [...]“12

5.2

Rollenbild und KünstlerInneninszenierung – Illegale Kunst in der Rezeption

Wie bereits in der Einleitung formuliert, bestehen illegale künstlerische Projekte im Außenraum immer aus mehreren (Rezeptions- und Werk-)Ebenen.13 Die Rolle des Werks im klassischen Verständnis wird dabei zurückgenommen

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Wenzel: Grenzüberschreitungen in der Gegenwartskunst. Ästhetische und philosophische Positionen, S. 44. Zitat Thomas Hirschhorn nach Brigitte Ulmer. Ulmer, Brigitte: «Kunst ist nie neutral». Kunst und Macht III –Thomas Hirschhorn im Gespräch mit Brigitte Ulmer, in: Du, H. 817 (2011), S. 62. Zuerst in abgewandelter Form gefunden bei Fenner: Was kann und darf Kunst? Ein ethischer Grundriss, S. 229. Zur nochmaligen Erinnerung: Illegale Projekte im Außenraum bestehen i.d.R. aus der Aktion/Umsetzung und den sie bedingenden Umständen, der Persönlichkeit der Künstlerin/des Künstlers, dem Werk selbst im klassischen Sinne, der Rezeption in erster Ebene (im Medium öffentlicher Raum), seiner medialen Repräsentation in einer „anderen Verfasstheit“ über den lokalen Kontext hinaus sowie der Nachverhandlung/ Bedeutungszuschreibung/Vollendung in der Rezeption in zweiter Ebene und ggf. im Diskurs.

5. Rahmenbedingungen

und ist nur noch ein Aspekt in einem mehrschichtigen Gefüge, das prozessual und gekoppelt an die Rezeption gedacht werden muss.14 Die Illegalität bestimmt die Wahrnehmung der meisten Arbeiten maßgeblich, wird aber nicht immer in der gleichen Weise tragend. Während sie für Street Art und Graffiti i.d.R. aufgrund bestimmter Ästhetiken und der Ausführungsorte präsumiert wird, den Praktiken im klassischen Verständnis inhärent ist und somit schon in der ersten Ebene der Rezeption erfasst wird, fällt die Illegalität etwa bei Projekten der Unauthorized Public Interventions nicht immer ins Gewicht. An dieser Stelle soll untersucht werden, wie sich die Illegalität für jene Projekte, bei denen die RezipientInnen dieses Aspekts gewahr werden, auf die Wahrnehmung von Kunstwerk und KünstlerInnen auswirkt. Dabei muss unterschieden werden zwischen den Werken, die schon in der ersten Rezeptionsebene als illegal gelesen werden und jenen, die erst über die weitere Verhandlung, die Einbettung in einen anderen Kontext, diesen Aspekt eröffnen. Wie Alison Young am Beispiel Street Art beschreibt, stellen sich in der Konfrontation mit einem illegalen bzw. situativen Kunstwerk oft Fragen nach dem Wie, dem Warum und den UrheberInnen.15 Während diese Fragen im Zusammenhang mit performativen Projekten aus dem Artivism zumindest teilweise beantwortet werden können, ist bei anderen Praktiken, bei denen die AkteurInnen oft heimlich/unsichtbar agieren, der Sachverhalt uneindeutig. Es sind gerade diese ausgelösten Fragen, die den illegitimen Projekten im Außenraum Relevanz verschaffen können, zumindest aber das Interesse wecken. Für die Rezeption sind dabei die durch die BetrachterInnen imaginierte Umsetzung (technisch: also nachts, heimlich, mit eingeschränkten Möglichkeiten etc., und inhaltlich: durch die Illegalität) und die Rolle, die von den KünstlerInnen dabei eingenommen wird, von Bedeutung. Im Spektrum zwi-

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Wie Beatrice von Bismarck in Bezug auf Michael Fried feststellt, können Kunstwerke generell „[...] nicht [...] alle Eigenschaften in sich selbst lokalisieren [...].“ Vgl. Bismarck: Auftritt als Künstler, S. 144. Anna Wacławek zufolge sind dabei KünstlerInnen, Werk, BetrachterInnen und Ort allesamt Handelnde: „Es handelt sich um eine performative Sphäre in dem Sinne, dass Künstler, Werk, Betrachter und Ort alle Handelnde sind: der Künstler durch den Prozess der Exposition, Werk und Betrachter aufgrund der Rezeption und der Ort, weil er den Raum zur Konfrontation bietet, in dem das Werk unzählige Male vollendet wird.“ Wacławek: Graffiti und Street Art, S. 158. Vgl. Young: Street Art, Public City. Law, Crime and the Urban Imagination, S. 33.

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Unerlaubte Kunst

schen Pro und Kontra werden vielfältige Resonanzen ausgelöst.16 Das Spannungsfeld, das sich dadurch eröffnet, und die Kontroversen um die Werke sind zugleich ursächlich für die Faszination, die alle Projekte der Unauthorized Public Art ausüben können. Die positiv besetze Rezeption sieht die KünstlerInnen als Korrektiv, als sympathische Enfants Terribles erfüllen sie eine StellvertreterInnenfunktion für die BetrachterInnen, bestätigen durch ihre Übertretungen die Normen der Gesellschaft ebenso wie sie sie angreifen und zu ihrer Überwindung beitragen.17 Einige KünstlerInnen nehmen dabei zum Teil archetypische Rollen von Outlaws oder HeldInnen ein.18 „Künstler/innen übernehmen [...] mehrfache Funktionen – Funktionen, die den Aufgaben der Helden in der antiken Mythologie ähneln: Stellvertretend für die übrige Menschheit befreien sie sich von Restriktionen, die ihnen durch Gesetze, Traditionen oder Normen auferlegt wurden.“19 In der Figur von Pjotr Pawlenski spitzt sich dies in einer fast märtyrerhaften Inszenierung zu (siehe Kapitel 8/Eine weitere Perspektive). Während die illegal umgesetzten Projekte einiger AkteurInnen – etwa Messners three stations – eine eher freche Konnotation haben, die sich mitunter auch in einer selbstironischen KünstlerInnen-Inszenierung widerspiegelt (Abb. 28), gibt es gera-

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„[T]he street artwork can never be encountered simply as ›an image‹, or even as ›an image in public space‹. It is always encountered situationally: illicit, out of place, capable of re-purposing urban structures as settings for art, as a product of its situation.“ Young: Street Art, Public City. Law, Crime and the Urban Imagination, S. 32/33. Vgl. Bismarck: Auftritt als Künstler, S. 151. Von Bismarck bezieht sich in ihrem Gedanken auf das KünstlerInnenbild im 19. Jahrhundert. Das prominenteste Beispiel dieser KünstlerInnen-Figur ist Marina Abramović, deren Aktionen aber meist im klassischen Kunstkontext stattfinden. „Sie handelt als Künstlerin wie ein Held: Sie setzt Regeln außer Kraft, übertritt Gesetze, wenn nötig für höhere Ziele, ist rücksichtslos, Schmerzen und Strafen interessieren sie nicht. Ihre Ziele und Werte stehen über allem. Möglich, dass sie sich überwindet, dass sie Angst hatte, dass sie zögerte – aber Klarheit im moralischen Urteil und Unbedingtheit bei der Ausführung vertragen keine anhaltenden Kämpfe mit sich selbst, keine Selbstzweifel.“ Janhsen, Angeli: Das richtige Leben? Marina Abramović The Hero (2001), in: Helm, Katharina/Hubert, Hans W./Kuhli, Christina/Schreurs-Morét, Anna (Hg.): Künstlerhelden, Merzhausen, 2015, S. 312. Bismarck: Auftritt als Künstler, S. 23.

5. Rahmenbedingungen

de im Street-Art- und Graffiti-Bereich die Tendenz der AkteurInnen, sich als anonyme, unnahbare HeldInnen darzustellen20 (Abb. 29). Street-Art-KünstlerInnen artikulieren immer wieder, dass sie durch ihr Schaffen andere zum Handeln animieren wollen, dennoch ist die Konstellation, in der sie sich als GesetzesbrecherInnen von den BetrachterInnen absetzen, festgeschrieben. „Ein Held braucht insofern ein Gegenüber, mindestens einen, der kein Held ist. Ohne den Abstand zum Nichthelden wäre er kein Held, wie ein Künstler ohne Nichtkünstler kein Künstler wäre. Das Verhältnis ist zwingend und einseitig.“21 In der negativen Rezeption werden die KünstlerInnen als SpinnerInnen, Störenfriede etc. oder sogar als Bedrohung wahrgenommen. Jede Form von Kunst im öffentlichen Raum trifft auf ein Publikum, das überwiegend zufällig mit den Projekten konfrontiert wird. Dabei werden immer auch ablehnende Haltungen befördert. Bei legalen Projekten können formale und inhaltliche Aspekte oder die grundsätzliche Ablehnung von Kunst (im öffentlichen Raum) zu Missfallen und Unmut führen. Bei illegalen Arbeiten kommen die selbstermächtigende, illegitime Aktion der KünstlerInnen und deren Folgen erschwerend hinzu. Dieses transgressive Momentum, das bei einer gewissen RezipientInnenschaft gerade das Interesse weckt, ist für andere ein Stein des Anstoßes. So können selbst bei Werken, die potenziell ästhetisch ansprechend empfunden werden, die KünstlerInnen und ihre Arbeit negativ wahrgenommen werden. Die vermeintlich altruistische Gestaltung des öffentlichen Raums22 , die einen demokratischen Zugang aller zu Kunst erwirken will, wird dabei als undemokratische Zumutung empfunden, wie Alison Young im Kontext von Street Art formuliert: „It should be noted that opponents of street art offer a different vision of democracy; namely, that street artists remove individual choice by imposing

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Dies zeigt sich etwa bei fotografischen Selbstinszenierungen, bei denen die AkteurInnen sich häufig in heroischen Posen vor ihren Werken zeigen. Janhsen: Das richtige Leben? Marina Abramović The Hero (2001), S. 311. Insbesondere Street-Art-KünstlerInnen handeln oft aus dem Gedanken, dass sie dadurch, dass sie ihre Kunst gratis für alle im Außenraum anbringen, einen uneigennützigen, positiven Impuls im Außenraum setzen. Vgl. Wacławek: Graffiti und Street Art, S. 80, und vgl. Young: Street Art, Public City. Law, Crime and the Urban Imagination, S. 28.

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their works upon the passerby and by adopting an autocratic position with respect to other people’s property.“23

5.3

Protagonistinnen

Bei der Recherche für diese Arbeit konnte basierend auf der Publikationslage festgestellt werden, dass Frauen in allen Bereichen der unautorisierten Kunst im Außenraum unterrepräsentiert sind.24 Wie schon in Kapitel 2/Öffentlicher Raum beschrieben, ist der öffentliche Raum in unserer Gesellschaft traditionell männlich dominiert. Neben der männlichen Aneignung des Raums erschweren anerzogene Verhaltensmuster die Teilhabe für Frauen, Rollenzuschreibungen werden durch Politik und Massenmedien fortlaufend reproduziert. Wird diese Prägung nicht hinterfragt, ist es schwer, aus dem Muster auszubrechen. In Bezug auf das Feld Graffiti erkennt Ilaria Hoppe dazu: „Graffiti ist männlich dominiert, mehr noch dient Graffiti überhaupt dazu, Männlichkeit zu entwickeln und zu behaupten (Macdonald). Dazu werden bestimmte Geschlechtsstereotypen aktiviert und ständig wiederholt, wie Risikobereitschaft, Abenteuerlust, Kriminalität, Schmutz, Belastbarkeit, Mut und Stärke etc.“25

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25

Young: Street Art, Public City. Law, Crime and the Urban Imagination, S. 28. Die Publikationslage ist als Maßstab für die Aktivitäten und die Teilhabe von Akteurinnen nur begrenzt aussagekräftig. Um in Publikationen aufzutauchen müssen künstlerische Projekte medial oder rückgespeist in den Kunst-Kosmos (durch Ausstellungen in Museen etc.) eine gewisse Sichtbarkeit erlangen. Dass Frauen (und auch ethnische Minderheiten) dabei benachteiligt werden, ist spätestens seit den ersten Aktionen der artivistischen Künstlerinnengruppe Guerilla Girls Mitte der 1980er Jahre einer größeren Öffentlichkeit bekannt. Obschon sich die Situation inzwischen verbessert hat, existieren noch immer frappierende Ungleichheiten – vor allem im kommerziellen Galeriebereich und am Kunstmarkt – wie etwa die britische Freelands Foundation in einer mehrjährigen, aufeinander aufbauenden Studie seit 2015 für Großbritannien ermittelt hat. Vgl. McMillan, Kate/Freelands Foundation (Hg.): Representation of Female Artists in Britain During 2018, online: https://freelandsfoundation.imgix.net/documents/Represe ntation-of-Female-Artists-in-Britain-Research-2018.pdf abgerufen am 04.05.2021. Hoppe, Ilaria: Konservativ, Maskilistisch und Reaktionär: Sind Graffiti wirklich tot?, in: COGITATIO•FACTUM/Preußler, Jo (Hg.): The Death of Graffiti, Berlin, 2017, S. 109. Hierbei geht es vor allem um das klassische illegale Writing.

5. Rahmenbedingungen

Dieser Gedanke kann teilweise auch für die anderen unautorisierten künstlerischen Ausdrucksformen im öffentlichen Raum herangezogen werden. Die Eigenschaften, die maßgeblich notwendig sind, um nicht nur Graffiti, sondern illegale Projekte im Außenraum generell umzusetzen, haben demnach durch traditionelle Sozialisierung und Erziehung eine männliche Zuschreibung. Attribute wie Risikobereitschaft oder Stärke dienen dabei der Inszenierung einer (tendenziell männlichen) HeldInnenfigur. Dieses Narrativ wird schon im frühkindlichen Alter in Form von Märchen, Heldenerzählungen und Sagen etc. vermittelt. Da illegale künstlerische Handlungen im Außenraum oft einen aggressiven Gestus enthalten, besteht die Gefahr, dass darauf bei einer direkten Konfrontation mit Gewalt geantwortet wird. Darüber hinaus können mögliche Verhaftungen, das Ausgeliefertsein und polizeiliche Willkür generell ein weit größeres Abschreckungspotenzial haben als mögliche rechtliche Konsequenzen durch die Judikative. In besonderem Maße kann dies Frauen abschrecken, da auch beim Gegenüber – in der Exekutive oder bei privaten Sicherheitsdiensten – ein deutlicher Männerüberschuss herrscht.26 Im Falle einer Konfrontation ist es für weibliche AkteurInnen also statistisch sehr wahrscheinlich, von Männern verhaftet und erkennungsdienstlich behandelt zu werden. Die Machtkonstellation in Gewahrsam zwischen Mann (Exekutive) – Frau (Künstlerin) kann insbesondere in Ländern, in denen die Rechtsstaatlichkeit nur teilweise gegeben ist, die Angst vor möglicher sexueller Gewalt befördern.27 Die oft postulierte physische Unterlegenheit von Frauen – eine generalisierende Behauptung, die die Anlage hat, Frauen in ihrem Bewusstsein in eine schwächere Position zu drängen – impliziert zudem, dass weibliche AkteurInnen beim polizeilichen

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In Oberösterreich betrug der Frauenanteil bei der Polizei in der Exekutive im Jahr 2017 18,84 %. Vgl. Landespolizeidirektion Oberösterreich (Hg.): Zahlen, Daten, Fakten 2017, S. 7, online: https://www.polizei.gv.at/ooe/files_ooe/geschaeftsberichte/Geschaeftsberi cht_2017.pdf abgerufen am 29.04.2021. Ein aktuelles Beispiel sind sexuelle Übergriffe der Polizei in Hong Kong auf Aktivistinnen im Jahr 2019. Obwohl es sich dabei vermutlich nicht um aktivistische KünstlerInnen handelte, demonstriert dies, dass es durchaus vorkommt, dass Frauen in der Konfrontation mit dem überwiegend männlichen Polizeiapparat Opfer sexueller Gewalt werden. Vgl. Amnesty International: Sexual violence against Hong Kong protesters – what’s going on?, veröffentlicht am 20. Dezember 2019, online: https://www.amne sty.org/en/latest/news/2019/12/sexual-violence-against-hong-kong-protesters/ abgerufen am 06.03.2021.

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Unerlaubte Kunst

Zugriff (durch überwiegend männliche Polizisten) geringere Chancen hätten, sich der Verhaftung zu entziehen.28 Während für den Artivism und die Unauthorized Public Interventions der 1960er/1970er Jahre oder die Unauthorized Public Interventions im New York der 1980er die Teilhabe einiger weiblicher AkteurInnen überliefert ist29 , lässt sich bei Graffiti und Street Art, die in ihrer ursprünglichen Form illegal und anonym praktiziert werden, kaum seriös belegen, wie hoch der Anteil an Akteurinnen ist. Die Öffentlichkeit geht oft pauschal von Akteuren aus, wenn nicht der Name oder eine vermeintlich „weibliche“ Ästhetik eine Frau als Urheberin nahelegen. „[T]he writer/artist is invariably assumed to be male. Under the conditions of this particular gaze, girls and women who write graffiti or make street art are not visible.“30 Heike Derwanz bemerkt dazu „[...] dass ausgeprägte Rollenzuschreibungen von männlichen und weiblichen Akteuren aller Bereiche die Einteilung in zwei Geschlechter weiter fortschreiben, obwohl der Zugang zu allen Positionen in der Street-Art-Welt zunächst anonym oder medial erfolgen kann. Trotz der Anonymität der KünstlerInnen auf der Straße erfolgt nur selten ein Spiel mit Geschlechterrollen, wie es der New Yorker Künstler mit dem weiblichen Pseudonym Judith Supine evoziert.“31 Jessica N. Pabón führt dazu aus, dass es für Graffiti-/Street-Art-Akteurinnen sogar nachteilig sein kann, wenn sie sich als Frauen zu erkennen geben. Die Beurteilung ihrer künstlerischen Arbeiten würde dabei u.U. auf ihre Weib-

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Was keineswegs der Fall ist, die Generalisierung findet jedoch durch ihre ständige Wiederholung Eingang in das Bewusstsein von Frauen (und Männern) und wird dadurch zum Teil als Tatsache verinnerlicht. Z.B. aus dem Artivism die Gruppe WITCH und VALIE EXPORT, aus dem Feld der Unauthorized Public Interventions Judy Chicago mit ihren frühen Atmospheres Ende der 1960er – die allerdings eher im ruralen Bereich durchgeführt wurden – oder Bonnie Ora Sherk mit ihrer Performance-Serie sitting still ab 1970. Später die New Yorker Akteurinnen der 1980er Jahre wie Barbara Kruger, Ann Messner, Jenny Holzer, Ilona Granet, Becky Howland etc. Pabón, Jessica N.: Ways of being seen. Gender and the writing on the wall, in: Ross (Hg.): Routledge Handbook of Graffiti and Street Art, S. 78. Durch das Klischee vom per se männlichen Graffiti-Sprüher haben Frauen jedoch zumindest ein Unauffälligkeitsprivileg im Zusammenhang mit der Ausführung (Gedanke von Robert Kaltenhäuser im persönlichen Gespräch). Derwanz: Street Art-Karrieren. Neue Wege in den Kunst- und Designmarkt, S. 36.

5. Rahmenbedingungen

lichkeit reduziert, sodass nicht mehr das Können und die Qualität der Werke im Vordergrund stehen. „But women, because they are not the presumed doers, have to decide whether or not to make their gender difference visible, and if so, how to accomplish that task. Signaling yourself as “woman” automatically makes your artwork susceptible to judgments based on your gender rather than on your skill.“32

5.4

Taktiken unautorisierten Handelns

Für KünstlerInnen, die unautorisiert im öffentlichen Raum Projekte umsetzen, ist die Entscheidung, ob sie dies offensichtlich oder heimlich tun wollen, zentral. Während einige AkteurInnen sogar die direkte Konfrontation mit den OrdnungshüterInnen suchen, versuchen andere während der Realisierung unerkannt und unbehelligt zu bleiben.33 KünstlerInnen, die für ungenehmigte Handlungen im öffentlichen Raum nicht zur Rechenschaft gezogen werden wollen, haben vereinfacht dargestellt vier Handlungsoptionen: a) Sie können heimlich agieren und versuchen, ihre Projekte umzusetzen, ohne dass während der Umsetzung jemand davon Notiz nimmt. b) Sie können versuchen, ihre Handlung durch eine Verkleidung zu legitimieren, die zufälligen AugenzeugInnen vermittelt, dass die Aktion rechtmäßig umgesetzt wird. c) Aktionen werden sehr schnell umgesetzt, sodass eventuellen BeobachterInnen kaum die Zeit bleibt, zu reagieren bzw. überhaupt zu realisieren, was gerade passiert. d) Sie können durch die Ortswahl, etwa indem sie abgelegene Bereiche aufsuchen, die Chancen erhöhen, ein Projekt ungestört umzusetzen.

Häufig werden mehrere dieser vier Möglichkeiten miteinander verbunden, um einen für die jeweilige Situation günstigen Synergieeffekt zu erzielen.

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Pabón, Jessica N.: Ways of being seen. Gender and the writing on the wall, S. 79. Hier geht es nur um die Umsetzung, die den eigentlich kritischen Punkt vieler Projekte bildet. Einige KünstlerInnen arbeiten zwar heimlich, deklarieren aber nachträglich die AutorInnenschaft für die zuvor anonym realisierten Projekte.

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Unerlaubte Kunst

Ad 1.) heimlich Die heimliche Realisierung von künstlerischen Projekten zielt darauf ab, dass möglichst niemand Notiz nimmt von der Aktion. Die Uhrzeit der Umsetzung, die Lage des Ortes, an dem die Aktion stattfindet, die Zeit, die für die Umsetzung benötigt wird und das Aufsehen, das dabei erregt wird, sind die Parameter, die dabei den Erfolg eines Projekts bestimmen. Die Handlungen zu Zeiten durchzuführen, an denen Orte wenig frequentiert sind, z.B. in der Nacht, ist eine vor allem in der Street Art und bei Graffiti verbreitete Praxis. Prinzipiell kann aufgrund des Tag-Nacht-Rhythmus‘ unserer Gesellschaft nachts mit einem reduzierten Auftreten von Menschen im Außenraum gerechnet werden. Darüber hinaus kann die nächtliche Dunkelheit hilfreich sein, wenn es darum geht, bei unautorisierten Handlungen unentdeckt zu bleiben. Umgekehrt gibt es aber auch Orte, an denen einzelne AkteurInnen nachts besonders auffallen und die untertags im Trubel des Alltags besser bespielt werden können. Darauf wird in Option 2 näher eingegangen. Ad 2.) verkleidet Eine zweite Möglichkeit, die KünstlerInnen haben, um unbehelligt illegale Arbeiten im öffentlichen Raum umzusetzen, ist die Maskerade. Unter dem Deckmantel einer Verkleidung – beispielsweise mit Arbeitskleidung oder Warnwesten getarnt – ist es möglich, tagsüber an hoch frequentierten Orten Projekte umzusetzen. Die Verkleidung verschafft Autorität und weist die Rechtmäßigkeit der vollzogenen Handlung aus. Vor allem von KünstlerInnen der Unauthorized Public Interventions wird diese Strategie oft angewendet. Ein Beispiel dafür ist der österreichische Künstler Leopold Kessler, der oft professionelle Arbeitskleidung trägt, um tagsüber seine subtilen Interventionen zu realisieren.34 Das verkleidete Umsetzen von Kunstprojekten hat zudem stets ein performatives Moment, da die KünstlerInnen während der 34

Etwa bei seinem Projekt Perforation cal. 10 mm, bei dem er mit einem eigens angefertigten Werkzeug 10 mm große Löcher in Wiener Verkehrsschilder stanzte und so ein ländliches Phänomen – das Benutzen von Verkehrsschildern als Zielscheibe – in die Stadt transferiert hat. Er trägt dabei eine Warnweste, die auch von StraßenarbeiterInnen getragen wird. Vgl. [Website des Künstlers], http://www.leopoldkessler.net/ ?page_id=604 abgerufen am 03.10.2021. Auch bei anderen Projekten, wie etwa Intercom weist er sich durch professionelle Arbeitskleidung als autorisierter Arbeiter aus. Vgl. [Website des Künstlers], http://www.leopoldkessler.net/?page_id=928 abgerufen am 03.10.2021.

5. Rahmenbedingungen

Umsetzung in eine Rolle schlüpfen. Dies erläutert der US-amerikanische (Street-Art-)Künstler Leon Reid IV (auch bekannt als Darius Jones) in seinem Video „How to become invisible“35 sehr anschaulich. Ad 3.) schnell Eine schnelle Umsetzung erhöht grundsätzlich die Wahrscheinlichkeit, nicht belangt zu werden und ist immer vorteilhaft. Diese dritte Option beschreibt Aktionen, die offen, also vor AugenzeugInnen, ausgeführt werden, bei denen aber Handlungen durchgeführt werden, die sich durch keine noch so gute Verkleidung legitimieren lassen. Bei diesen Projekten muss mit einem möglichen Einschreiten von OrdnungshüterInnen gerechnet werden, was jedoch vermieden werden soll. Dieser Ansatz eignet sich selbstverständlich nur für Ideen, die sich auch innerhalb sehr kurzer Zeit realisieren lassen. Die KünstlerInnen machen sich durch ein hohes Durchführungstempo das Überraschungsmoment zunutze, die AugenzeugInnen werden überrumpelt. Bevor sie realisieren, was soeben passiert, ist die Aktion vorbei bzw. das Werk vollbracht. Möglicherweise alarmierte Ordnungskräfte treffen idealerweise zu spät ein. Diese Praxis ist vor allem bei AkteurInnen, die der Street Art oder dem Graffiti nahestehen, beliebt. Ad 4.) abgelegen Für KünstlerInnen, die im Außenraum Projekte verwirklichen wollen, dabei aber keinen bestimmten hoch frequentierten städtischen Raum bzw. Kontext benötigen, besteht die Option, an entlegenen Orten, etwa in Stadtwäldern oder auf Brachflächen, Arbeiten umzusetzen. Der Aspekt der Abgelegenheit, von dem die KünstlerInnen dabei profitieren, ist im weitesten Sinne eine andere Form von Heimlichkeit. Aber während das heimliche Arbeiten auch an sehr belebten Orten stattfindet und nicht ausschließt, dass viele Menschen der fertigen Projekte gewahr werden, ist bei der Realisierung in abgelegenen Bereichen die Sichtbarkeit i.d.R. sehr gering. Dadurch erhöhen sich die Chancen, Arbeiten erfolgreich und mit viel Zeit umsetzen zu können. Abgelegene Orte werden von allen Richtungen der Unauthorized Public Art für Projekte genutzt. Dem Dokumentationsmedium kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Für KünstlerInnen des Artivism eignen sich diese Orte jedoch nur 35

Reid IV, Leon (aka Darius Jones): How to become invisible, http://graffitiresearchlab.com /leon_reid/how2be_invisible_splitAudio_01_WEB.mov abgerufen am 10.02.2021.

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Unerlaubte Kunst

bedingt, da sie in erster Instanz keine große Öffentlichkeit generieren und bei performativen Projekten die zufälligen AugenzeugInnen fehlen. Eskalation Neben den soeben vorgestellten vier Optionen, die sich KünstlerInnen bieten, die unbehelligt im Außenraum agieren wollen, gibt es noch eine fünfte Taktik von illegaler Kunst im Außenraum. Es handelt sich dabei um die Projekte, bei denen ohne jede Vorsicht bewusst die Eskalation herbeigeführt wird. Das Auftreten von OrdnungshüterInnen, die Verhaftung und ein mögliches Gerichtsverfahren sind mitunter Teil des Projekts, in jedem Fall werden sie aber als Option in Kauf genommen. Es sind fast ausschließlich performative Praktiken, die diese Strategie verfolgen, das Ende ist im Voraus oft nicht planbar. Anders als die KünstlerInnen, die bei der Ausführung die Konfrontation vermeiden wollen, müssen AkteurInnen, die diese Praktik einsetzen, bereits vor Beginn die Konsequenzen ihrer Taten mitbedenken. Insbesondere für Pjotr Pawlenski sind diese Konsequenzen sogar Teil des Werks.

5.5

Arbeitsbedingungen und Dokumentation

Das unautorisierte künstlerische Arbeiten hat einige Vorteile, dennoch müssen bei allen illegalen künstlerischen Arbeiten auch Abstriche gemacht werden. Die Arbeitsbedingungen sind nicht vergleichbar mit genehmigten Realisierungen. Einerseits bieten sich inhaltlich und formal größere Freiheiten, andererseits müssen gestalterische Entscheidungen in der Ausführung – beispielsweise bei Platzierungen – oft sehr schnell und unmittelbar getroffen werden.36 Viele Werkstoffe haben lange Verarbeitungszeiten – da mehrtägige Realisierungen das Risiko des Misserfolgs um ein Vielfaches erhöhen, können sie nicht verwendet werden. Arbeiten im Illegalen ist also meist ein Kompromiss und oft weit entfernt von den Optimalbedingungen. Ein Beispiel dafür ist der Skulpturenpark Westautobahn, der im Sommer 2016 illegal auf einer

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Beispielsweise bei Woinas Aktion Хуй в плену у ФСБ (Dick captured by FSB). Die Ausführung der Zeichnung auf der Brücke leidet deutlich, da Sicherheitskräfte einschreiten und die KünstlerInnen bei der Ausführung behindern. Vgl. ssantoss00: Художники ебут ФСБ хуем, in: YouTube, veröffentlicht am 19.06.2010, https://www.youtube.com/ watch?v=Sw-rx6JqQIE&feature=youtu.be abgerufen am 20.12.2021. (Von YouTube als nicht jugendfrei deklariert, daher Anmeldung erforderlich).

5. Rahmenbedingungen

Verkehrsinsel an der Anschlussstelle der Österreichischen Bundesautobahnen A1/A3 südlich von Linz realisiert wurde. Das komplett von Autobahnen umgebene Eiland, das zusätzlich von hohen Lärmschutzmauern umfasst ist, lässt sich nur sehr schwer erreichen, ohne dabei Aufsehen zu erregen. Obschon die elf beteiligten KünstlerInnen, sobald sie das dicht bewachsene Areal inmitten des Verkehrslärms erreicht hatten, ungestört arbeiten konnten, stellte der Zugang zum Gelände und die Zulieferung von Arbeitsmaterialien eine große Schwierigkeit dar und limitierte und bestimmte so maßgeblich die Erscheinungsform der umgesetzten Arbeiten.37 Dokumentation Für die ephemeren illegalen Projekte im Außenraum ist die Dokumentation essentiell. Nicht nur unautorisierte Performances, auch alle anderen Arbeiten, die illegal im öffentlichen Raum realisiert werden, haben meist nur eine kurze Lebensdauer und müssen daher dokumentiert werden.38 Projekte, die besonders prominente Orte bespielen, können schon nach wenigen Stunden verschwunden sein. So etwa eine modifizierte Straßenlaterne, die Darius Jones (heute Leon Reid IV) 2004 in London installierte und die, wie er schildert, noch am selben Tag wieder demontiert wurde.39 Daneben gibt es auch Werke, die länger an Ort und Stelle verbleiben. Entweder, weil sie nicht entdeckt werden – so wie im Fall des italienischen Bildhauers Francesco Visalli, dessen drei Tonnen schwere Skulptur, die er in Rom gegenüber des Circus Maximus aufgestellte, fast zwei Monate von der Stadtverwaltung unbemerkt blieb40 – oder, wie im bereits erwähnten Fall von Ann Messners Installation three stations, weil die Stadtbehörden nicht herausfinden konnten, wer evtl. die Aufstellung bewilligt haben könnte.41

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Vgl.: Kanter, Eginhartz/Nöbauer, Rainer (Hg.): Skulpturenpark Westautobahn, Linz, 2016. Details zum Ablauf der Realisierung konnten bei einer Projektvorstellung durch die beteiligten KünstlerInnen mit anschließendem Publikumsgespräch am 30. November 2016 im Salon für Kunstbuch im 21er Haus in Wien in Erfahrung gebracht werden. Link zur Veranstaltung: [Website], http://salon-fuer-kunstbuch.at/blog/cat/salon/post/Auto bahn/ abgerufen am 09.04.2021. Sofern die Projekte nicht ohnehin im Hinblick auf ihre spätere Verfasstheit in einem anderen Medium konzipiert werden. Reid IV, Leon (aka Darius Jones): How to become invisible. Vgl. ORF-Redaktion: Posse um illegale Stahlskulptur, in: ORF, veröffentlicht am 29.01.2014, online: https://orf.at/v2/stories/2216072/2216071/ abgerufen am 30.12.2021. Vgl. Kimmelman: 35 REASONS NEW YORK CITY IS NEW.

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Unerlaubte Kunst

5.6

Orte für die illegale Kunstproduktion im öffentlichen Raum. Orte der Macht/subtile Orte

Der öffentliche Raum – insbesondere in der für diese Arbeit definierten Erweiterung – bietet eine enorme Palette unterschiedlicher Orte, die für illegale künstlerische Bespielungen geeignet sind. Von Fußgängerzonen und Prachtstraßen über Randbezirke, Verkehrsinfrastruktur und brachliegende Peripherien bis hin zu Wasserflächen und Waldgebieten – die Anzahl der möglichen Orte (und Kontexte) scheint unbegrenzt. Prinzipiell ist jeder Ort geeignet, denn illegale Kunst muss nicht um Erlaubnis fragen und kann daher auf jede beliebige Situation im Außenraum reagieren. Die Auswahl der Orte erfolgt dabei i.d.R. nach drei Kriterien: Sichtbarkeit – ist es für das Projekt wichtig, dass es eine große Öffentlichkeit erreicht oder kann es auch in einem peripheren Bereich realisiert werden, wo nur wenige RezipientInnen unmittelbar damit konfrontiert werden? Sicherheit – ist es für die KünstlerInnen wichtig, unbehelligt ihre Arbeit fertigzustellen? Bietet der Ort dafür die Möglichkeit oder ist gerade das Erscheinen und Einschreiten der Polizei für das Konzept wichtig? Kontext – Wird ein bestimmter Ort benötigt, damit die Arbeit ihre volle Wirkung entfalten kann oder handelt es sich sogar um ein ortsspezifisches Projekt, das maßgeschneidert ist für einen konkreten Kontext? Die Auswahl eines Ortes ist in der Regel abhängig vom Konzept.42 Es kann sowohl ausgehend von einer räumlichen Situation die Idee für eine künstlerische Arbeit geboren werden als auch auf Grundlage einer Idee eine passende Örtlichkeit für die Realisierung gesucht werden. Die Handlungsmöglichkeiten variieren dabei stark. In der Natur, etwa in einem Stadtpark, kann ohne größere Schwierigkeiten eine Installation aufgebaut werden. In einer Fußgängerzone hingegen hat eine solche Aktion selbst in ArbeiterInnen-Verkleidung nur eine geringe Aussicht auf Erfolg. Hier erfüllen Polizei oder lokale Sicherheitsfirmen nicht nur ihre Pflicht, sondern sind oft in besonderem Maße daran interessiert, die Interessen der lokalen HändlerInnen zu wahren. Extreme Beispiele dazu lassen sich beispielsweise

42

In Bezug auf Street Art und Graffiti, insbesondere das klassische Writing, ist der Begriff Konzept nicht immer zutreffend.

5. Rahmenbedingungen

für Kanada belegen, wo die Polizei sich häufig in der Rolle von Dienstleistern wiederfindet und Aufgaben im Interesse ihrer „Kundschaft“ übernimmt.43 Bereits beim Vergleich westlicher, liberaler Staaten fällt auf, dass die Gesetzgebung KünstlerInnen bzw. BürgerInnen generell sehr unterschiedliche Spielräume einräumt, um im öffentlichen Raum tätig zu werden. Es ist aber weniger die Gesetzgebung entscheidend, vielmehr sorgen unterschiedlich geartete gesellschaftliche Normen und Konventionen verschiedener Länder dafür, dass bestimmte Praktiken in einigen Staaten/Regionen „Out of place“44 sind und sofort verfolgt werden, während es in anderen einen größeren Toleranzrahmen gibt. Zudem variiert auch die Vehemenz der Exekutive, mit der das geltende Recht angewandt und durchgesetzt wird.45 In der Kriminalitätsstatistik gibt es lokal bzw. regional sehr große Unterschiede, durchaus mit einem gewissen Stadt-Land-Gefälle, die Ursachen dafür sind vielfältig.46 In Großstädten passieren demnach mehr Delikte. „In der Stadt nimmt die Überwachung durch das Kollektiv ab, weil die kollektive Aufmerksamkeit auf Grund der Zunahme von Volumen und Dichte der Bevölkerung nicht mehr imstande ist, »den Bewegungen eines jeden einzelnen zu folgen«“47 . Dadurch sind auch die Spielräume größer als im ländlichen Bereich, zugleich passiert visuell allerdings auch mehr. Künstlerische Projekte, die wahrgenommen werden sollen, müssen sich neben anderen visuellen Ausprägungen stärker behaupten. Die größere Toleranz im urbanen Raum ist also mutmaßlich auf die höhere Anonymität zurückzuführen. SoziologInnen und StadtentwicklerInnen haben in Studien ermittelt, dass der Grad der Identifizierung der BewohnerInnen mit dem eigenen Viertel/Quartier in Großstädten deutlich abnehmen kann gegenüber kleinstädtischen und ländlichen Bereichen.48 Nachbarschaftspflege ist daher eher die Ausnahme, die Zuständigkeit für das Erscheinungsbild des öffentlichen Raums wird bei anderen gesehen. Auch die 43

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48

Rigakos, George S.: Polizei konsumieren: Beobachtungen aus Kanada, in Eick, Volker/ Sambale, Jens/Töpfer, Eric (Hg.): Kontrollierte Urbanität – zur Neoliberalisierung städtischer Sicherheitspolitik, Bielefeld, 2007, S. 39ff. Vgl. Cresswell: In Place/Out of Place. Geography, Ideology, and Transgression. Vgl. Young: Street Art, Public City. Law, Crime and the Urban Imagination, S. 103. Vgl. Frevel, Bernhard: Kriminalität und lokale Sicherheit, in: Eckardt, Frank (Hg.): Handbuch Stadtsoziologie, Wiesbaden, 2012, S. 595ff. Schroer, Markus/Wilde, Jessica: Emile Durkheim, in: Eckardt (Hg.): Handbuch Stadtsoziologie, S. 68. Die Aussage bezieht sich auf die Theorien des französischen Soziologen Émile Durkheim zur Stadt. Vgl. Lauen, Guido: Stadt und Kontrolle, Bielefeld, 2011.

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Unerlaubte Kunst

Exekutive hat es in der Großstadt mit einer größeren Anzahl an Einsätzen zu tun. Künstlerische Projekte haben dabei nicht unbedingt die höchste Dringlichkeit. Bei einer hohen Anzahl an Einsätzen wird eine Priorisierung vorgenommen49 , verfügbare Einsatzkräfte werden nicht sofort zu einer künstlerischen Intervention im Ausmaß einer Verwaltungsübertretung (Ö.) bzw. Ordnungswidrigkeit (D.) beordert, sondern verfolgen zuerst schwerwiegendere Delikte. Inwiefern die umstrittene Broken-Windows-Theorie50 nach der eine einzelne verwahrloste Immobilie den Niedergang eines ganzen Stadtviertels zur Folge haben könne, bei der Ortswahl für unautorisierte Kunst zum Tragen kommt, bleibt offen. Gemäß dieser Annahme wären Unordnung und Kriminalität eng miteinander verflochten. Für kreative AkteurInnen, die illegal im öffentlichen Raum agieren und dabei unbehelligt bleiben wollen, wäre es im Rückschluss ratsam, besonders jene Orte zu nutzen, die bereits besprüht oder beschädigt sind, da hier die soziale Kontrolle zurückgeht. Da KünstlerInnen gemeinhin um Sichtbarkeit für ihre Projekte bemüht sind, ist es nicht verwunderlich, dass illegale Kunstprojekte oft an besonders prominenten, symbolträchtigen Stellen im öffentlichen Raum umgesetzt werden. Dies lässt sich für alle Bereiche dokumentieren, seien es GraffitiSprüherInnen, die sich gezielt exponierte Orte für ihre Werke suchen, oder ArtivistInnen wie die Gruppe WITCH, deren Aktionen in New York u.a. am Madison Square Garden oder der Börse stattfanden.51 Es geht dabei einerseits um die große Sichtbarkeit, andererseits wird gezielt der symbolische Gehalt prominenter Orte, die Hegemonie, die sich über sie vermittelt, gebrochen. Ein prominentes Beispiel dafür ist der Rote Platz in Moskau, der in den vergangenen drei Jahrzehnten für unzählige unautorisierte, konfrontative Projekte den Rahmen bildete, etwa für die Performance белое на красном

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50 51

Vgl. Fröhlich, Alexander: „Opfer von Straftaten fühlen sich alleingelassen“, in: Der Tagesspiegel, veröffentlicht am 07.06.2018, online: https://www.tagesspiegel.de/berlin/ berliner-polizeigewerkschaftschef-norbert-cioma-opfer-von-straftaten-fuehlen-sichalleingelassen/22653848.html abgerufen am 03.05.2021. Vgl. Harcourt, Bernard E.: Illusion of Order: The False Promise of Broken Windows Policing, Harvard, 2005. Vgl. McLeod: Pranksters. Making Mischief of the Modern World, S. 147ff., und vgl. McGill, Mary: Wicked W.I.T.C.H: The 60s Feminist Protestors Who Hexed Patriarchy, in: Vice, veröffentlicht am 28.10.2016, online: https://www.vice.com/en_us/article/43gd8p/wick ed-witch-60s-feminist-protestors-hexed-patriarchy abgerufen am 19.01.2021.

5. Rahmenbedingungen

(deutsch: Weiß auf Rot) von Denis Mustafin (russisch: Денис Мустафин), Georgi Dorochow (russisch: Георгии Дорохов) und Wlad Tschischenkow (russisch: Влад Чиженков).52 Mustafin, Dorochow und Tschischenkow marschierten dabei 2011 anlässlich des Jahrestags der Moskauer Siegesparade von 1945 mit weißen Flaggen über den Roten Platz und warfen sie sodann vor dem LeninMausoleum ab (Abb. 30).53 Wie in Kapitel 4/Die Rolle der Medien beschrieben, beeinflussen die Dokumentationsmöglichkeiten viele KünstlerInnen maßgeblich bei Platzierung/ Ausführung ihrer Projekte. Vielen ist es wichtig, dass die Örtlichkeit sich in die Werke einschreibt und so der Kontext im Foto/Bewegtbild vermittelt wird. Dies können bloße Stadtästhetiken sein, aber auch bekannte Wahrzeichen, die im Bild erkennbar sind, etwa beim französischen Street-Art-Künstler Invader, der seine gefliesten Pixel-Figuren immer wieder an besonders prominenten Orten befestigt, die im Foto sofort zu erkennen sind.54 „Die architektonischen Wahrzeichen einer Stadt schaffen [...] eine Bedeutungsebene: eine bestimmte Definition des Raums, ein bestimmtes visuelles Kennzeichen.“55 Insbesondere die reisefreudigen AkteurInnen der Street-Art-Szene nutzen dabei oft die vermeintlich typischen Ästhetiken der Metropolen, in denen sie ihre Arbeiten umsetzen. Sie schreiben sich in die Werke in ihrer „medialen Verfasstheit als Fotografie“ (Glaser) als Kontext ein (Abb. 31). Zum wechselseitig positiven Verhältnis zwischen Städten und (Street-Art-)KünstlerInnen bemerkt Heike Derwanz dabei: „Die KünstlerInnen brauchen den Namen be-

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Vgl. Обухова, Александра (Hg.): Перформанс в России 1910-2010. Картография истории, S. 220f. Ein Zusammenschnitt der Aktion, vertont und eingebettet in Archivaufnahmen lässt sich auch auf YouTube finden. Vgl. Steam Punk: Белое на красном, in: YouTube, veröffentlicht am 24.06.2011, https://www.youtube.com/watch?time_conti nue=1&v=OsMkCQ7Vxqs&feature=emb_logo abgerufen am 18.03.2021. Die Aktion ist insofern interessant, als sie – obwohl performativ – mit sehr ähnlichen Mechanismen bzw. Symbolen arbeitet wie Wermke/Leinkaufs spätere Flaggen-Aktion auf der Brooklyn Bridge. (In beiden Fällen die Attacke eines symbolträchtigen Raums von nationaler Bedeutung mit weißen Flaggen – die immer auch im Kontext ihrer Bedeutung bei kriegerischen Auseinandersetzungen gelesen werden, wo sie u.a. für die Kapitulation stehen). Zum Beispiel auf Fotos, die auf seiner Website veröffentlicht wurden, auf denen etwa in Paris im Bildhintergrund u.a. der Eiffelturm zu sehen ist oder in Wien das Riesenrad im Prater: [Website des Künstlers], https://www.space-invaders.com/world/paris/ und https://www.space-invaders.com/world/vienna/ abgerufen am 14.10.2021. Wacławek: Graffiti und Street Art, S. 158.

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Unerlaubte Kunst

kannter Städte in ihrer Vita und werten im Gegenzug durch ihre Anwesenheit die Städte auf.“56

5.7

Konspiratives Verhalten – künstlerische Kriminelle

Die differenten Formen unautorisierten künstlerischen Handelns im Außenraum erfordern unterschiedliche Vorsichtsmaßnahmen. Geringfügige Tatbestände, etwa das Anbringen von Street-Art-Aufklebern im öffentlichen Raum, werden anders geahndet als Projekte, die schwere Straftaten darstellen. Für KünstlerInnen, die gelegentlich kleine illegale Projekte umsetzen, sind weitreichende Vorsichtsmaßnahmen übertrieben. Bei marginalen Sachschäden oder Realisierungen in uneindeutigen, urbanen Randbereichen fühlt sich einerseits niemand zuständig57 und andererseits fehlen auf Behördenseite oft schlichtweg die personellen Kapazitäten für Ermittlungstätigkeiten. Da EigentümerInnen bzw. Verantwortliche von Liegenschaften nicht jeden kleinen Eingriff zur Anzeige bringen, gibt es häufig keinen Grund für die Polizei, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten. In der Fülle von alltäglichen Straftaten und Verwaltungsübertretungen/Ordnungswidrigkeiten, die vor allem im urbanen Raum passieren, können kleine Interventionen und Aktionen also durchaus unbehelligt und ohne Verfolgung existieren. Andere Arbeiten, für die KünstlerInnen nicht zur Rechenschaft gezogen werden wollen, erfordern hingegen in der Umsetzung ein gewisses Maß an konspirativem Verhalten, das sich nicht nur auf die Durchführung (heimlich, verkleidet etc.) beschränkt, sondern die Arbeitsweise generell beeinflusst. Wie alle Menschen hinterlassen KünstlerInnen permanent Spuren, im physischen wie im digitalen Raum. Sind für den Antransport von Arbeitsmaterialien Fahrzeuge notwendig, bilden Nummerntafeln eine Schwachstelle. Bei digitalen Dokumentationsfotos müssen Exif-Informationen entfernt werden, da sie andernfalls Standortdaten, Zeitangaben etc. verraten können. Im Internet sollten Anonymisierungs-Anwendungen wie der Tor-Browser benutzt und zudem ein stark variierendes UserInnenverhalten gepflegt werden. Fingerabdrücke, DNA oder Bewegungsanalysen können die AkteurInnen schwer belasten bzw. überführen. Im Falle einer Verhaftung bei 56 57

Derwanz: Street Art-Karrieren. Neue Wege in den Kunst- und Designmarkt, S. 8. So wie von Daniel Sharp in Bezug auf Deborah Stratsmans Projekt Park beschrieben. Vgl. Sharp: New Genre Public Art and the Law, S. 35.

5. Rahmenbedingungen

der Ausführung einer künstlerischen Straftat58 kann eine Hausdurchsuchung drohen, Dokumentationsmaterialien können Ermittlungsbehörden zusätzliche Beweise liefern. Illegale Street-Art- und Graffiti-KünstlerInnen arbeiten i.d.R. unter einem Pseudonym, das ihre Identität verschleiert. Während die Werke der Stars inzwischen durchaus goutiert werden, selbst wenn sie unautorisiert angebracht werden, müssen die übrigen AkteurInnen mit Verfolgung rechnen und sind daher darauf bedacht, unerkannt und unbehelligt zu bleiben. Einzelne ProtagonistInnen des Artivism, wie etwa die AkteurInnen des russischen KünstlerInnenkollektivs Woina, gingen so weit, sich komplett in den Untergrund abzusetzen.59 Dieser drastische Schritt bedingt, dass sich das gesamte Leben den Bedingungen und Anforderungen der illegalen Kunstproduktion unterwirft.

5.8

UrheberInnenschaft/Anonymität

Für KünstlerInnen, die im öffentlichen Raum unautorisierte Projekte umsetzen, ist der Umgang mit ihrer UrheberInnenschaft ein zentrales Thema. Wenn sie überwiegend illegal arbeiten, müssen sie für sich ermitteln, ob sie ihre Identität preisgeben und unter ihrem Klarnamen arbeiten wollen, oder ob sie die Anonymität bzw. ein Alter Ego für ihre Projekte bevorzugen. Anonym bzw. unter einem Pseudonym zu arbeiten ist naheliegend, da viele Projekte, die im öffentlichen Raum realisiert werden, im Falle einer Belangung empfindliche Bußgelder und Bestrafungen bis hin zum Freiheitsentzug nach sich ziehen können. Die Entscheidung, anonym zu arbeiten, scheint jedoch dem Anspruch vieler KünstlerInnen, mit ihrer Kunst bekannt zu werden, diametral entgegenzustehen. Die Verwendung von Pseudonymen bzw.

58 59

Hier geht es dezidiert um Straftaten, bei einer Verwaltungsübertretung/ Ordnungswidrigkeit wäre eine Hausdurchsuchung unverhältnismäßig. Vgl. Siegl, Elfie: Wir sind Partisanen, in: Deutschlandfunk Kultur, veröffentlicht am 25.04.2012, online: http://www.deutschlandradiokultur.de/wir-sindpartisanen.1013.de.html?dram:article_id=173149 abgerufen am 24.12.2021. Auch andere KünstlerInnen mussten zumindest emigrieren, um sich der Strafverfolgung zu entziehen, etwa Günter Brus (als Folge der nicht direkt im öffentlichen Raum realisierten Aktion Kunst und Revolution) oder Harald Naegeli (aufgrund seiner Graffiti- / Street-Art-Sachbeschädigungen).

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Unerlaubte Kunst

KünstlerInnennamen ist daher eher auf Street Art und Graffiti begrenzt. AkteurInnen, die der Richtung des Artivism nahestehen, werden bei den oft performativen Aktionen im Moment der Umsetzung öffentlich und können sich nur schwer der Exekutive entziehen. KünstlerInnen, die im weitesten Sinne zu den Unauthorized Public Interventions zählen, agieren oft anonym – etwa wenn subtile Eingriffe vorgenommen werden, die nur eine Mikro-Öffentlichkeit erreichen – und bekennen sich nachträglich zur AutorInnenschaft. Ein Projekt, das sich zwischen beiden Strategien bewegt, waren die mit Beton gefüllten Fußbälle, die anlässlich der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland entlang der Berliner Fanmeile auftauchten und die in Verbindung mit dem Schriftzug „Can u kick it?“ Fußballfans dazu animierten, die Bälle wegzuschießen (Abb. 32). In mehreren Fällen waren schwere Fußverletzungen die Folge, weshalb alsbald Polizei und Staatsschutz die Ermittlungen übernahmen.60 Die Verursacher waren zwei österreichische Künstler61 , eigentlich hätte die Aktion laut einem Interview im Magazin dérive ein „anonymer Kontrastpunkt“ zum Mega-Event WM sein sollen. Als dem Projekt jedoch eine große Öffentlichkeit zuteilwurde und die Polizei die beiden Täter ausforschte, entschieden diese sich, über Pressemeldungen an die Öffentlichkeit heranzutreten.62 Die Fußbälle streifen als künstlerische Intervention in ihrer Anlage das YouTube-Phänomen der beliebten Prank-Videos, verzichten jedoch auf das despektierliche Moment der medialen Aufzeichnung und Wiedergabe der Interaktion und belassen diese Abläufe der Phantasie.

60

61 62

Vgl. Spiegel-Redaktion: WM-Scherz. Staatsschutz ermittelt wegen Beton-Fußbällen, in: Spiegel, veröffentlicht am 04.07.2006, online: http://www.spiegel.de/panorama/wm -scherz-staatsschutz-ermittelt-wegen-beton-fussbaellen-a-425057.html abgerufen am 21.10.2021 und vgl. Frankfurter Frankfurter-Allgemeine-Onlineredaktion: Beton-Bälle angeblich eine Kunstaktion, in: Frankfurter Allgemeine, veröffentlicht am 06.07.2006, online: https://www.faz.net/aktuell/sport/fussball-wm-2006/nachrichten/berlin-betonbaelle-angeblich-eine-kunstaktion-1356275.html abgerufen am 19.12.2021. Attila Zsolt Tornyi und Maximilian Lacher von der Mediengruppe LM/LN. Vgl. Kalt, Daniel: Kunst ist kein Kinderspiel, in: dérive – Zeitschrift für Stadtforschung, H 26 (2007), S. 43ff.

5. Rahmenbedingungen

Street-Art- oder Graffiti-KünstlerInnen, die illegal operieren, benutzen i.d.R. ein Pseudonym. Namen wie Banksy, Swoon63 oder OX 64 werden als KünstlerInnennamen nicht hinterfragt, auch die geschlechtliche Zuschreibung scheint aufgrund der männlichen Dominanz im öffentlichen Raum klar. So wurde bei der Künstlerin Swoon anfangs von vielen vermutet, dass sie ein Mann ist.65 Ein Beispiel aus der anderen Richtung ist der US-amerikanische Künstler Frank Shepard Fairey, der als Shepard Fairey66 in der Street-Art-Szene bekannt ist. Er realisiert unter diesem Namen nicht nur Arbeiten im öffentlichen Raum, die illegal sind und den Tatbestand der Verwaltungsübertretung/ Ordnungswidrigkeit oder je nach Sachlage leichter Straftaten erfüllen, sondern auch legale, kommerzielle Kunst. Da mögliche NachahmungstäterInnen seine Arbeiten schlichtweg kopiert haben könnten, kann er jedoch nicht pauschal für alle Werke, die visuell seine Handschrift tragen, zur Verantwortung gezogen werden.67 Zudem sind die Arbeiten oft unsigniert, für Unkundige kann es daher schwer sein, auf die Person zu stoßen, die mutmaßlich dafür verantwortlich ist. Erfolgreiche Street-Art-KünstlerInnen haben ab einem gewissen Bekanntheitsgrad das „Problem“, dass ihre Arbeiten im Ausstellungskontext verhandelt werden oder dass sie für offizielle Projekte angefragt werden. Es gibt verschiedene Arten, damit umzugehen. Bemüht sich etwa der britische Künstler Banksy noch immer darum, seine Anonymität zu wahren, geben andere 63

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US-amerikanische Künstlerin, die vor allem für ihre Scherenschnitte bekannt ist, die sie im öffentlichen Raum plakatiert. Vgl. Schacter, Rafael (Hg.): The World Atlas of Street Art and Graffiti, London, 2013, S. 40ff. Französischer Street-Art-Künstler, der überwiegend Plakatwerbetafeln umgestaltet. Vgl. Bieber, Alain/OX/Ulrich, Andreas: OX. Affichage libre – Plakatkunst – Public posters, Leipzig, 2015. Vgl. Reinecke: Street-Art. Eine Subkultur zwischen Kunst und Kommerz, S. 120/121. Shepard Fairey ist vor allem für seine illustrativen Plakatarbeiten bekannt, etwa das Hope-Plakat, das er anlässlich des Obama-Wahlkampfs entwarf. Offiziell ist Frank Shepard Fairey sein bürgerlicher Name – ob dies wirklich so ist, lässt sich an dieser Stelle nicht weiter überprüfen. Hier bietet sich als Vergleich ein Blick auf Urteile aus dem Graffiti-Bereich an, bei denen festgestellt wurde, dass ertappte Graffiti-SprüherInnen nicht pauschal für weitere Taten mit dem selben Kürzel zur Rechenschaft gezogen werden können. Ein Beispiel dafür aus der Schweiz wird auf der Website, des auf Rechtsfragen im Zusammenhang mit Graffiti spezialisierten Anwaltsbüro Dr. Gau angeführt: StA Zürich-Limmat (Schweiz), Einstellungsverfügung vom 26.10.2009, [Website], http://www.graffitianwalt. de/graffiti-urteile/#A40 abgerufen am 09.03.2021.

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Unerlaubte Kunst

KünstlerInnen ihre Identität im Zuge der Kontextualisierung im Bereich der offiziellen Kunstwelt zumindest teilweise oder ganz preis. Einer ähnlichen Strategie wie Shepard Fairey folgen die meisten KünstlerInnen aus dem Bereich der Unauthorized Public Interventions. Für illegale Projekte, die sie im öffentlichen Raum realisieren, wird verzögert – etwa durch die Veröffentlichung auf der eigenen Website oder innerhalb einer Ausstellung – die UrheberInnenschaft reklamiert. Sie geben sich also mit Klarnamen als VerursacherInnen zu erkennen. Für subtile Arbeiten/Aktionen ist einzig die Ausführung der neuralgische Punkt. Wenn diese geglückt ist und die Projekte keine allzu große Öffentlichkeit erlangen, ist es für gewöhnlich kein Problem, sie innerhalb des Kunstkontexts zu präsentieren und als Teil des eigenen Werks zu verorten. Bei Aktionen, die auf ein größeres öffentliches Interesse stoßen, profitieren KünstlerInnen ebenfalls davon, wenn bis zum Bekenntnis der UrherberInnenschaft Zeit verstreicht. Dadurch können sich eventuelle Wogen etwas glätten, was zwar am Tatbestand nichts ändert, aber den öffentlichen Druck (auf Ermittlungsbehörden) etwas zurücknimmt. Bei einer besonders negativen Entwicklung kann im Zweifelsfall ganz vom Bekenntnis der AutorInnenschaft abgesehen werden. Darüber hinaus gibt es die Artivism-KünstlerInnen aus dem PerformanceBereich. Sie agieren meist ohne Pseudonym in der Öffentlichkeit und können sich der Ergreifung kaum entziehen. Ab einem gewissen Punkt kann diese Praxis das weitere Arbeiten unmöglich machen. Wenn die Delikte sich summieren und Gefängnisstrafen drohen, kann dies das Ende für die Kunstproduktion bedeuten, vorausgesetzt der Aufenthalt im Gefängnis wird nicht als Teil der Arbeit konzipiert, wie bei Pjotr Pawlenski. Ob es bei den KünstlerInnen der Unauthorized Public Interventions oder des Artivism, die illegale Projekte realisieren und sich als VerursacherInnen zu erkennen geben, die Tendenz gibt, KünstlerInnennamen zu verwenden, ist unklar. Für RezipientInnen ist es letztlich nebensächlich, ob die in einer Galerie gezeigte Künstlerin X tatsächlich den Namen X trägt, die Überprüfung ist für die Wahrnehmung des Werks nicht notwendig. Künstlerin X kann also in Ausstellungen, Publikationen etc. verhandelt werden und aktiv persönlich am Kunstgeschehen teilnehmen, ohne einer größeren Öffentlichkeit ihre Identität preiszugeben. Auf diese Weise kann Personen, die Regressansprüche gegenüber Künstlerin X einfordern wollen, der Weg dazu erschwert werden, da Künstlerin X als gemeldete Person nicht existiert. Der Grad der Anonymisierung hat eher eine Filterfunktion und ist nicht vergleichbar mit den

5. Rahmenbedingungen

Verschleierungsbemühungen einiger AkteurInnen aus den Bereichen Graffiti oder Street Art. Im Zweifelsfall sollte es für Geschädigte mithilfe von Exekutive und Judikative möglich sein, die wahren Personalien hinter dem KünstlerInnennamen zu ermitteln. Diese Form von Filter kann also die mögliche Verfolgung nicht verhindern, sondern lediglich erschweren und bietet ein gewisses Maß an Schutz.

5.9

Pekuniäre Verwertbarkeit „Street Art wird unentgeltlich und illegal im urbanen Raum angebracht. Die Street-Art-Aktivisten, die viel Zeit, Geld und Energie in ihre Arbeiten stecken, begrüßen es deshalb, wenn sich ihre Arbeit irgendwann auszahlt.“68

Wie Julia Reinecke in ihrem Buch Street-Art – eine Subkultur zwischen Kunst und Kommerz feststellt, erfolgt die Anbringung von Street Art im öffentlichen Raum zunächst ohne finanzielle Gegenleistung. Im Gegenteil, den KünstlerInnen droht, falls sie zur Rechenschaft gezogen werden, sogar ein finanzieller Verlust. Ulrich Blanché sieht im Akt der ungenehmigten Anbringung der Kunstwerke eine Reaktion auf Kapitalismus und Konsum, da sich die Arbeiten ursprünglich der Kommodifizierung und dem Verkaufsprinzip der Galerien entzögen.69 Die Möglichkeit der weiteren Verwertung mit einem pekuniären Nutzen ist aber nicht ausgeschlossen. Street-ArtKünstlerInnen ergreifen mit „[a]bgewandelten Arbeiten, die unabhängig von der Straße funktionieren“70 , aber auch durch Merchandisingprodukte die Möglichkeit, Profit aus ihrem Schaffen zu schlagen. Sowohl Street Art als auch Graffiti haben, wie bereits beschrieben, durch den Aufbau der anonymen, markenartigen KünstlerInnen-Identität die perfekte Anlage für eine Kommodifizierung. Als Teil der Popkultur im Grenzbereich von Kunst, Design und Kitsch sind beide Felder in einen enormen Verwertungsapparat eingegliedert. Die Nachfrage ist groß und es können auch unbekannte KünstlerInnen ihre Werke veräußern. Dies geht so weit, dass Personen, die selber keine Street-Art- oder Graffiti-KünstlerInnen sind, Geld verdienen, indem

68 69 70

Reinecke: Street-Art. Eine Subkultur zwischen Kunst und Kommerz, S. 138. Vgl. Blanché: Banksy. Urban Art in a Material World, S. 47. Reinecke: Street-Art. Eine Subkultur zwischen Kunst und Kommerz, S. 138.

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Unerlaubte Kunst

sie Werke (z.B. Fotodrucke) oder Gegenstände mit Graffiti- oder Street-ArtÄsthetik herstellen und anbieten.71 Vom Gesamtumsatz, der mit Street Art und Graffiti erzielt wird, machen Verkäufe an Museen und Sammlungen nur einen kleinen Teil aus, die überwiegend privaten InteressentInnen stoßen u.a. im Internet auf Plattformen wie Instagram auf die Werke, die sie in weiterer Folge direkt von den KünstlerInnen oder auch den Galerien erwerben.72 Für Artivism und die Unauthorized Public Interventions gestaltet sich die Situation anders. Auch die AkteurInnen dieser Felder haben theoretisch die Möglichkeit, finanziell von ihren illegal umgesetzten Projekten zu profitieren. Von den ephemeren Werken oder Aktionen bleiben meist nur Videos, Fotos oder sonstige Dokumentationsmaterialien zurück, die das Werk über sein Bestehen hinaus verkörpern und etwa in Form von Fotoeditionen die Möglichkeit zum Verkauf bieten. Abseits dieser Verkaufsoptionen vermehren die KünstlerInnen durch gelungene illegale künstlerische Projekte ihr symbolisches Kapital73 , was Ausstellungsmöglichkeiten, Förderungen oder Preise zur Folge haben kann74 . Während viele KünstlerInnen aus dem Artivism zunächst die institutionelle und kommerzielle Vereinnahmung ihrer Arbeit ablehnen,75 sind die KünstlerInnen aus dem Bereich der Unauthorized Public Interventions meist an den Kunstbetrieb angebunden. Sie rekontextualisieren ihre Werke abseits der Orte, an denen sie realisiert wurden, im Kunstumfeld, Verkäufe sind dabei nicht ausgeschlossen.

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Heike Derwanz erläutert dies am Beispiel der Spitalfieldsartmarket-Galerie (auch Smudge-Gallery) in London. Vgl. Derwanz: Street Art-Karrieren. Neue Wege in den Kunstund Designmarkt, S. 178ff. Dies geht aus mehreren Gesprächen mit Colin Linde, Leiter der Wiener OxymoronGalerie, hervor, in denen er seine Erfahrungen geschildert hat. Vgl. Reinecke: Street-Art. Eine Subkultur zwischen Kunst und Kommerz, S. 138. Julia Reinecke bezieht Pierre Bourdieus Feldtheorie auf die Street Art, diese Ableitung wird hier für die gesamte Unauthorized Public Art übernommen. Etwa für die Gruppe Woina, die für ihr Werk Хуй в плену у ФСБ mit dem russischen Innovatsiya Preis ausgezeichnet wurde. Vgl. Jonson: Art and Protest in Putin's Russia, S. 156ff. Anhand von Pussy Riot oder auch früheren russischen ProtagonistInnen des Artivism kann aufgezeigt werden, dass diese Haltung sich ändern kann.

6. Gesetz, Moral, Recht

6.1

(Un)nötige Rechtsbrüche?

Die Gründe, weshalb KünstlerInnen Projekte unautorisiert im öffentlichen Raum umsetzen, sind vielfältig. Nicht immer resultiert daraus eine Gesetzesübertretung und es muss unterschieden werden zwischen Arbeiten, bei denen der Rechtsbruch die Arbeit bedingt und solchen, für die die Illegalität nur einen Nebenaspekt darstellt. Dies soll anhand eines Vergleichs veranschaulicht werden. Viele Arbeiten der Street Art werden zwar illegal umgesetzt, würden jedoch auch als genehmigte Bilder funktionieren.1 Als Beispiel dienen hier die Arbeiten der US-amerikanischen Street-Art-Künstlerin Swoon.2 Komplexe Cut-Outs3 , die sie im öffentlichen Raum auf Mauern etc. klebt, sind zu ihrem Markenzeichen geworden (Abb. 33).4 Die meist figurativen Arbeiten funktionieren über ihre Bildlichkeit. Die Wände dienen als Trägermaterial, der Aspekt der Illegalität ist für die rein visuelle Bildwirkung irrelevant und lediglich als ein Subkontext, der Authentizität verleiht und das Interesse weckt, für die Künstlerin bzw. den Nimbus der Künstlerin von Bedeutung. In der Diskussion über Street Art werden die unautorisierten Übertretungen der AkteurInnen – etwa die Beschädigung fremden Eigentums – oft nur noch am Rande erwähnt. Für das Selbstverständnis der meisten AkteurInnen ist es wichtig, illegal zu arbeiten, die Hauptintention der Werke besteht jedoch 1 2 3

4

Die subversive Konnotation von Street Art, die bei einigen RezipientInnen ein Grundinteresse an dieser Kunst hervorruft, sei an dieser Stelle außer Acht gelassen. Vgl. Wacławek: Graffiti und Street Art. S. 85ff. Cut-Outs sind ausgeschnittene Arbeiten, meist aus Papier, die im öffentlichen Raum mit Kleister auf Trägermaterialien geklebt werden. Vgl. Reinecke: Street-Art. Eine Subkultur zwischen Kunst und Kommerz, S. 65. Vgl. Wacławek: Graffiti und Street Art. S. 85ff.

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Unerlaubte Kunst

nicht darin, die Gesetze zu hinterfragen.5 Werden die Arbeiten öffentlich besprochen, geht es daher meist darum, formale Aspekte oder mögliche, von der illegitimen Anbringung entkoppelte, Werkaussagen zu verhandeln. Auch in der Medienberichterstattung über die Street-Art-Werke wird der Aspekt der Illegalität, insbesondere bei inzwischen berühmten AkteurInnen, oft unterschlagen.6 Demgegenüber stehen als anderes Extrem Arbeiten aus der Richtung Artivism, die zielgerichtet Grenzen überschreiten, um so eine gesellschaftliche Debatte auszulösen, etwa Woinas’ Projekt Palastputsch (russisch: Дворцовый переворот)7 , bei dem sie im Jahr 2010 in St. Petersburg Polizeiautos umwarfen, um so metaphorisch ihrer Forderung nach einer Polizeireform Ausdruck zu verleihen (Abb. 34).8 Dieses Projekt wurde in der Öffentlichkeit vor allem im Hinblick auf die von den KünstlerInnen ausgeübte Tat besprochen. Auf die Bildwirkung bzw. visuell-ästhetische Aspekte wurde dabei nicht eingegangen.9 Es bedingt jedoch der „moralische Verstoß“ das Kunstwerk erst, er wird somit auch „ästhetisch relevant“10 . Als wesentlicher Teil der Arbeit be5 6

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Formale Charakteristika und evtl. Bildinhalte sind der Eigenschaft der Illegalität übergeordnet. Etwa in diesem Artikel zu einem neuen Werk von Banksy, in dem mit keiner Silbe erwähnt wird, dass es sich um eine vermeintlich illegale Arbeit handelt: SpiegelRedaktion: Neues Banksy-Graffiti in Wales entdeckt, in: Spiegel, veröffentlicht am 20.12.2018, online: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/banksy-neues-graffiti-an -garagenwand-in-wales-entdeckt-a-1244785.html abgerufen am 27.12.2021. Vgl. Jonson: Art and Protest in Putin's Russia, S. 154f. Und vgl. Plutser-Sarno, Alex: Новая акция группы Война «Дворцовый переворот», или «Хуёвому мусару – яйца мешают!», [Blogbeitrag], veröffentlicht am 19.09.2010, https://plucer.livejournal.com/297581.html abgerufen am 13.12.2021. Für ein Video wurde die Aktion in eine begleitende Geschichte eingebettet: Vgl. Pike Records: Помог ребенку – помог стране, in: YouTube, veröffentlicht am 22.09.2010, https://www.youtube.com/watch?v=3uBQBtnkmec abgerufen am 13.12.2021. Vgl. Jonson: Art and Protest in Putin's Russia, S. 154. Vgl. Gazeta.Spb-Redaktion: Скандальная арт-группа «Война» устроила в Петербурге «Дворцовый переворот», перевернув несколько милицейских машин (фото, видео), in: GAZETA.SPb, veröffentlicht am 20.09.2010, online: https://gazeta.spb.ru /377560-0/ abgerufen am 12.06.2021, und vgl. РБК-Redaktion: Активисты "Войны" перевернули машины милиции Петербурга. ВИДЕО, in: РБК, veröffentlicht am 20.09.2010, online: https://www.rbc.ru/society/20/09/2010/5703de529a79470ab50250c 3 abgerufen am 12.06.2021. Vgl. Fenner: Was kann und darf Kunst? Ein ethischer Grundriss, S. 67. Fenner stellt nachfolgend drei Positionen dazu vor, den ästhetischen Autonomismus, den ästhetischen Moralis-

6. Gesetz, Moral, Recht

fördert er den anschließenden Diskurs – die Illegalität bzw. der Rechtsbruch sind also konstituierend für das Werk, wohingegen formalen Aspekten weniger Bedeutung zukommt. Wenn die Aktion legal gewesen wäre, hätte sie nur einen symbolischen Gehalt, wäre eine „Als-ob-Handlung“11 und in erster Linie innerhalb der Kunstwelt verhandelt worden. Durch die unautorisierte Realisierung wird die Gesellschaft angegriffen und hinterfragt, erst dadurch entsteht die gesellschaftliche Debatte. Das radikale Projekt trägt dabei jedoch eher zur Verhärtung von Fronten bei als zu deren Auflösung im Rahmen einer gesellschaftlichen Konsensfindung. Künstlerische Projekte im Außenraum müssen jedoch keineswegs das Recht brechen, um wahrgenommen zu werden. Charlie Todd von der New Yorker Gruppe Improv Everywhere, deren Mitglieder performative Eingriffe im urbanen Raum vornehmen und so Gewohnheiten hinterfragen, meint dazu: „Improv Everywhere will keine Gesetze brechen. Natürlich gab es im Laufe der Jahre manchmal Ärger mit der Polizei, aber darum geht es uns nicht. Ich glaube nicht, dass es nötig ist Gesetze zu brechen, wir brechen viel mehr mit sozialen Normen, mit der Routine und den Gewohnheiten im öffentlichen Raum.“12 Unautorisierte performative Projekte, die lediglich die Konventionen dessen, was im öffentlichen Raum als normal empfunden wird, strapazieren, können eine ebenso hohe Wirkungsmacht haben wie illegale Projekte. Der Rechtsbruch muss in diesen Fällen also nicht angestrebt, sondern vielmehr als notwendiges Übel oder zusätzliches Register verstanden werden, das im Sinne einer konzeptuell schlüssigen Arbeit unter Umständen in Kauf genommen

11 12

mus und den ästhetischen Ethizismus. Während der ästhetische Autonomismus Kunstwerke völlig losgelöst von ihrem ethischen Wert sieht und sich im Sinne des ästhetischen Moralismus „der ethische Wert eines Kunstwerks auf seine Beurteilung auswirkt“, bildet der ästhetische Ethizismus den Mittelweg. Nach dieser Auffassung kann die Ethik eines Kunstwerks sich auf die ästhetische Qualität auswirken, „ist aber nicht immer von ästhetischer Relevanz und der ästhetische Wert des Werks hängt [...] nicht ausschließlich von seinem ethischen Wert ab.“ Ebd. S. 67f. Im Hinblick auf die Verschiedenartigkeit der in dieser Arbeit beschriebenen Praktiken und in Zusammenhang mit der individuellen Vollendung der Werke durch die RezipientInnen (Wacławek/Eco) scheint die Definition des ästhetischen Ethizismus am stimmigsten. Ebd. S. 111ff. Vgl. Arte Tracks: Urban Hackers, in: YouTube, veröffentlicht am 04.08.2015, https://www .youtube.com/watch?v=U758eIG_NDU abgerufen am 12.02.2021, Minute 4:25 bis 4:43. Ins Deutsche übersetzt durch die RedakteurInnen der Sendung.

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Unerlaubte Kunst

bzw. gezogen wird. Da die meisten AkteurInnen keine weitreichenden Kenntnisse auf dem Gebiet der Juristik haben und die Grenzen von Recht und Gesetz oft sehr unscharf verlaufen, ist es für viele KünstlerInnen im Vorfeld nicht genau abschätzbar, ob und welche Konsequenzen ein Projekt schlussendlich nach sich ziehen kann.

6.2

Recht, Gesetze und Verordnungen als definitionsbestimmende Aspekte von künstlerischen Praktiken, die im Konflikt mit dem Gesetz stehen

Die meisten Publikationen aus dem Bereich der Rechtswissenschaften zum Thema Kunst verhandeln in erster Linie „[...] die Urheberrechtsproblematik und Fragen des Kunstkaufs und des Kunsthandels [...].“13 Für diesen Text, der sich dezidiert auf den öffentlichen Raum bezieht, sind aber vor allem mutwillige künstlerische Gesetzesübertretungen jenseits des Urheberrechts relevant, die aus dem Handeln der KünstlerInnen im öffentlichen Raum resultieren. Gesetzesübertretungen im Zusammenhang mit dem Inhalt von Kunstwerken (Verletzung von Persönlichkeitsrechten, üble Nachrede/Beleidigung, Herabwürdigung religiöser Lehren, Wiederbetätigung etc.), die im Rahmen der Realisierungen passieren, jedoch nicht direkt an das künstlerische Wirken im Außenraum gekoppelt sind, werden dabei nicht weiter berücksichtigt. Alle ungenehmigten künstlerischen Handlungen im Außenraum werden innerhalb dieser Arbeit, unabhängig von der Schwere des jeweiligen Sachverhalts, als illegal14 bzw. unautorisiert bezeichnet. Da es unmöglich ist, den gesamten Rechtsbereich aller für diese Arbeit relevanten Länder zu erwähnen, wird hier nur auf die konstituierende Situation in Österreich und teilweise in Deutschland im Hinblick auf die gängigsten Tatbestände eingegangen. Dies geschieht in der Annahme, dass sich in den westlichen, demokratischen Staaten, denen das Hauptaugenmerk dieses Textes gilt, der gesetzliche Rahmen für künstlerische Betätigungen im Außenraum nicht eklatant von der Situation in Österreich bzw. Deutschland unterscheidet. Delikte wie Sachbeschädigung werden auch in anderen Län-

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Fenner: Was kann und darf Kunst? Ein ethischer Grundriss, S. 37. Vgl. Dudenredaktion (Hg.): Duden. Deutsches Universalwörterbuch. Das umfassende Bedeutungswörterbuch der deutschen Gegenwartssprache, S. 908.

6. Gesetz, Moral, Recht

dern geahndet.15 Wenn KünstlerInnen bei der Realisierung eines Projekts unerlaubt Bohrungen an einem Bauwerk vornehmen, müssen sie nicht nur in Österreich mit Konsequenzen rechnen. Welcher Rechtsprechung sie dabei genau unterliegen und wie die Bestrafung im Einzelfall ausfällt, soll an dieser Stelle nicht erörtert werden, da dies eine Aufgabe für JuristInnen ist. Die Unterscheidung, ob es sich bei kriminalstrafrechtlichen Delikten16 tatsächlich um Verbrechen handelt (was bei künstlerischen Übertretungen in der Regel kaum der Fall ist, da in Österreich erst ab einem Strafmaß von mindestens drei Jahren Gefängnis von Verbrechen gesprochen wird17 ) oder ob lediglich Vergehen vorliegen, ist nicht wesentlich. Ebenso wenig ist es von Belang, ob ein strafrechtlich relevantes Delikt verwirklicht ist, das in einer Gefängnisstrafe enden kann oder ob z.B. eine Ahndung nach dem Verwaltungsstrafrecht als Verwaltungsübertretung (bzw. in Deutschland äquivalent als Ordnungswidrigkeit) vorgenommen wird, was nur in seltenen Fällen zu kurzen Gefängnisaufenthalten führt. Zudem stellen auch zivilrechtliche Tatbestände, wie etwa Besitzstörung als Verstoß im Sinne des Sachenrechts18 , illegale Handlungen dar.

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Sowohl die Strafverfolgung als auch die Bestrafungen können jedoch sehr unterschiedlich ausfallen. In den USA oder den skandinavischen Staaten wird beispielsweise Sachbeschädigung in Form von Graffiti sehr viel härter bestraft als in Österreich. Auch in Großbritannien können Sachbeschädigungen, die einen Schadenswert von 5000 £ (Pfund) übersteigen, mit bis zu zehn Jahren Gefängnis deutlich härter geahndet werden als in Österreich. Vgl. Evans: Graffiti Art and the City: from piece-making to placemaking, S. 171. In anderen Regionen, etwa Südamerika, können andere Gesetze gelten. In der Stadt Bogotá besteht beispielsweise seit 2011 eine gewisse Toleranz gegenüber Graffiti, während gleichzeitig für bestimmte Bauten (Denkmäler etc.) ein besonderer Schutz definiert wurde. Ebd. S. 172. Vgl. dazu in Bezug auf Street Art auch Blanché: Banksy. Urban Art in a Material World, S. 47. Kriminalstrafrechtlich relevant sind jene Tatbestände, die durch das Strafgesetzbuch (StGB) beschrieben werden. Vgl. Bydlinski, Peter/Kneihs, Benjamin/Vollmaier, Peter (Hg.): Einführung in das österreichische Recht, Wien, 2014, S. 147. Eine Ausnahme bildet etwa die BanküberfallPerformance von Joe Gibbons 2014 (siehe Kapitel 6.6/Gesetzliche Übertretungen von KünstlerInnen), die nach österreichischer Definition als schwerer Raub ein Verbrechen darstellt. Vgl. Lukas, Meinhard/Rummel, Peter (Hg.): Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch. Teilband §§ 285 – 446 ABGB (Sachenrecht I), Wien, 2016, S. 100ff.

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Unerlaubte Kunst

6.3

Gesetze/Verordnungen/Vorschriften

Sobald wir den Privatraum verlassen und uns in den Außenraum begeben, der sich (wie in Kapitel 2/Öffentlicher Raum erläutert) aus sehr komplexen, „hybriden“ Formen von Räumen zusammensetzt, unterliegt unser Handeln einem vielschichtigen Gefüge aus Vorschriften, die sich gegenseitig überlagern:19 Gesetze und Verordnungen des Bundes, des Landes und der Gemeinde definieren dabei den Handlungsrahmen. In privaten, öffentlich zugänglichen Räumen greifen darüber hinaus die Vorschriften, die von den EigentümerInnen erlassen werden. Klassische öffentliche Räume, die tatsächlich der Stadt bzw. Gemeinde gehören, unterliegen dem „Eigentums- und Verfügungsrecht der Kommune“20 , in der sie sich befinden. Die Definition des öffentlichen Raums im Sinne der öffentlichen Sichtbarkeit erweitert das Feld auf teilweise private und private Bereiche im Außenraum – Räume, die nicht für die allgemeine Betretung vorgesehen sind und in denen bereits der bloße Aufenthalt eine illegale Handlung darstellt und entsprechende Konsequenzen (i.d.R. Besitzstörungsklage, in Deutschland Hausfriedensbruch) nach sich ziehen kann. All diese Gesetze und Vorschriften ordnen unser Zusammenleben und schreiben dabei Regeln fest, die dazu dienen, gesellschaftliche Normen, die ohnehin bereits von den meisten Menschen verinnerlicht sind, zu unterstützen und eventuelle Unwägbarkeiten im täglichen Miteinander vorzudefinieren.21

6.4

Kunstfreiheit

Die Kunstfreiheit wird durch das Österreichische Staatsgrundgesetz (StGG) garantiert. Als Gesetz im Verfassungsrang befindet sie sich somit auf der höchsten Stufe der österreichischen Rechtsordnung. Das Staatsgrundgesetz (StGG) garantiert erst seit 1982 unter § 17a die Freiheit der Kunst: „Das 19 20

21

Das heißt im Umkehrschluss selbstverständlich nicht, dass der Privatraum ein rechtsfreier Raum ist. Berding, Ulrich/Havemann, Antje/Pegels, Juliane/Perenthaler, Bettina: Trüffelnasen oder das Wissen im Verborgenen: Die STARS-Fallstudien, in: Berding/Havemann/ Pegels/Perenthaler (Hg.): Stadträume in Spannungsfeldern. Plätze Parks und Promenaden im Schnittbereich öffentlicher und privater Aktivitäten, S. 141. Vgl. Fenner: Was kann und darf Kunst? Ein ethischer Grundriss, S. 37.

6. Gesetz, Moral, Recht

künstlerische Schaffen, die Vermittlung von Kunst sowie deren Lehre sind frei.“22 Durch dieses Grundrecht wird insbesondere die inhaltliche und methodische Freiheit der Kunst geschützt. Doch auch dieser Freiheit sind Grenzen gesetzt, denn der Schutzbereich endet dort, wo gegen bestehende Gesetze verstoßen wird. Im Zweifelsfall muss ein Eingriff in die Kunstfreiheit verhältnismäßig sein und ein anderes Rechtsgut schützen. Werden durch Projekte von KünstlerInnen Dritte geschädigt oder sogar in ihren Grundrechten verletzt, muss abgewogen werden, ob das Recht der Kunstfreiheit diese Handlungen schützt. Wenn ein Verstoß nach dem Strafgesetzbuch (StGB) vorliegt, werden der Kunstfreiheit schnell Schranken gesetzt. „Juristisch gesehen findet das Recht auf Kunstfreiheit genauso wie das Recht auf Forschungsfreiheit seine Grenzen da, wo es mit anderen gesetzlich geschützten Grundrechten kollidiert.“23 Während kriminalstrafrechtlich relevante Taten vor Gericht verhandelt werden24 , münden Verwaltungsübertretungen – durch die zuständigen Verwaltungsbehörden (Bezirkshauptmannschaft, Landespolizeidirektion) i.d.R. ohne Prozess geahndet – in Verwaltungsstrafen.25 Die Konsequenzen sind dabei meist Geldstrafen. Bei geringfügigen Vergehen von KünstlerInnen im öffentlichen Raum, die einer Verwaltungsübertretung (Ö.) bzw. Ordnungswidrigkeit (D.) entsprechen, kann unter Verweis auf die Kunstfreiheit möglicherweise von der weiteren Strafverfolgung bzw. Belangung abgesehen werden. Mögliche durch die Handlung entstandene

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§17a StGG. Vgl. Rechtsinformationssystem des Bundes: Bundesrecht konsolidiert: Gesamte Rechtsvorschrift für Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, online: https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundes normen&Gesetzesnummer=10000006 abgerufen am 22.05.2021, und vgl. Noll: Freiheit der Kunst und/oder Kunst der Freiheit. In Deutschland gewährt das Grundgesetz nach Art. 5 Abs. 3 GG die Kunstfreiheit. Fenner: Was kann und darf Kunst? Ein ethischer Grundriss, S. 150. Von den im StGB gelisteten Delikten müssen allerdings lediglich Offizialdelikte (z.B. Diebstahl) von der Staatsanwaltschaft von Amts wegen zur Anklage gebracht werden. Bei Ermächtigungsdelikten findet die Strafverfolgung nur statt, wenn die Staatsanwaltschaft und die Polizei dazu ermächtigt werden. Bei Straftaten, die als Privatanklagedelikte deklariert sind, müssen Privatpersonen selbst Anklage erheben. Vgl. Beyrer, Michael/Birklbauer, Alois/Sadoghi, Alice (Hg.): Strafgesetzbuch. Praxiskommentar, Linz, 2017, S. 25. Ebd. S. 23.

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Unerlaubte Kunst

Schadenersatzansprüche Dritter sind damit nicht abgegolten und werden in zivilrechtlichen Prozessen gesondert geklärt.26

6.5

Die Crux mit der Kunstfreiheit/Berufung auf Kunst

Für RichterInnen und sonstige EntscheidungsträgerInnen beginnt die Schwierigkeit im Zusammenhang mit Kunst damit, festzustellen, ob es sich bei einem Werk um Kunst handelt und folglich das Recht der Kunstfreiheit zum Tragen kommt oder ob die AkteurInnen sich lediglich auf das Grundrecht der Kunstfreiheit berufen, ohne dass tatsächlich eine künstlerische Handlung vorliegt. Eine klare Definition dessen, was Kunst ist, wird von den VerfassungsgesetzgeberInnen vermieden.27 Alfred Noll arbeitet in seiner Publikation Freiheit der Kunst und/oder Kunst der Freiheit heraus, warum das Staatsgrundgesetz die (unmögliche) Definition vermeidet und die Kompetenz dafür an die zuständigen RichterInnen delegiert.28 Er sieht dafür drei Gründe: Erstens wird die Notwendigkeit der Ausarbeitung eines Kunstbegriffs als Fleißarbeit abgetan, zweitens ist schon der Versuch einer Definition des Kunstbegriffs per se unvereinbar mit der Kunstfreiheit, und drittens reicht es allemal aus, im konkreten Fall anhand eines typologischen Begriffs zu beurteilen, ob es sich um Kunst handelt.29 Auch in Deutschland ist die Situation nicht anders und die RichterInnen müssen von Fall zu Fall selbst entscheiden, ob ein Werk (bzw. eine Tat) der Kunst zuzuordnen ist oder nicht. „Das deutsche Bundesverfassungsgericht legt sich nicht auf einen genauen Kunstbegriff fest, sondern kombiniert fallbezogen die tragfähigsten Kriterien aus verschiedenen Theorien.“30

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Das Recht des Schadenersatz wird im ABGB unter § 1295 beschrieben. Vgl. Rechtsinformationssystem des Bundes: Bundesrecht konsolidiert, online: https://www.ris.bka.gv .at/Dokument.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Dokumentnummer=NOR12019037 abgerufen am 04.06.2021. Vgl. auch Barth, Peter/Dokalik, Dietmar/Potyka, Matthias (Hg.): Das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch samt den wichtigsten Nebengesetzen. Mit der wichtigen OGH-Judikatur im Überblick sowie weiterführenden Anmerkungen und Verweisen, Wien, 2018, S. 862ff. Vgl. Noll: Freiheit der Kunst und/oder Kunst der Freiheit, S. 9. Ebd. S. 8-14. Ebd. Fenner: Was kann und darf Kunst? Ein ethischer Grundriss, S. 22.

6. Gesetz, Moral, Recht

Angesichts künstlerischer Praktiken, die im Geist der Avantgarden auch heute um die Auflösung der Grenzen zwischen Kunst und Leben bemüht sind, ist dies kein leichtes Unterfangen.

6.6

Gesetzliche Übertretungen von KünstlerInnen

Welche gesetzlichen Übertretungen begehen KünstlerInnen im Zuge der Realisierung ihrer Projekte? In der Regel kollidieren ungenehmigte künstlerische Projekte im Außenraum mit Bundesgesetzen, etwa dem Strafgesetzbuch (StGB), dem Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB), dem Sicherheitspolizeigesetz (SPG) oder der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO). Je nach Sachlage, spricht man dabei fallbezogen von öffentlichem Recht31 und privatem Recht32 . Den Hauptanteil künstlerischer Delikte im öffentlichen Raum bildet vermutlich der Tatbestand der Sachbeschädigung33 nach § 125 StGB. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass eine anzahlmäßig sehr große Gruppe an AkteurInnen Street Art und Graffiti praktiziert und hier das illegale Anbringen von künstlerischen Arbeiten auf fremdem Eigentum die verbreitetste künstlerische Praxis ist. Geschieht dies durch direkten Farbauftrag, so ist in der Regel (aber nicht immer) der Tatbestand der Sachbeschädigung erfüllt. Eine Sachbeschädigung ist ein Ermächtigungsdelikt und wird vor Gericht nur dann verhandelt, wenn die Geschädigten dies beantragen und die Behörde dazu ermächtigen. Im Falle der Verurteilung drohen den KünstlerInnen in Österreich Geldstrafen oder bis zu maximal sechs Monate Freiheitsentzug (für schwere Sachbeschädigung mit einer Schadenshöhe über 5000 € Sach-

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„regelt die Beziehungen des Einzelnen zum Staat […]. Es wird mit Ausnahme des Strafrechts und Strafprozessrechts regelmäßig von Verwaltungsbehörden vollzogen. [Hervorhebung im Original]“ Beyrer/Birklbauer/Sadoghi (Hg.): Strafgesetzbuch. Praxiskommentar, S. 22. „regelt die Rechtsbeziehungen der Einzelnen untereinander […], wird grundsätzlich von Zivilgerichten vollzogen. [Hervorhebung im Original]“ Ebd. Vgl. Rechtsinformationssystem des Bundes: Bundesrecht konsolidiert, § 125 StGB, online: https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Dokumentn ummer=NOR12029668 abgerufen am 05.12.2021. Und vgl. Beyrer/Birklbauer/Sadoghi (Hg.): Strafgesetzbuch. Praxiskommentar, S. 213ff.

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Unerlaubte Kunst

wert maximal zwei Jahre, über 300.000 € Schadenshöhe bis zu fünf Jahre).34 Darüber hinaus besteht ein zivilrechtlicher Anspruch der Geschädigten auf Schadenersatz. Plakatarbeiten, Aufkleber etc., die unbefugt angebracht werden, sind ebenfalls illegal, aber in der Regel keine Sachbeschädigung35 , in Wien etwa stellt das einen Verstoß gegen die Plakatierungsverordnung dar, der gemäß dem Mediengesetz als Verwaltungsübertretung geahndet wird.36 Neben den lokalen Gemeindeverordnungen wird das Plakatieren außerhalb von Ortschaften auch durch die österreichische Straßenverkehrsordnung (StVO) verboten.37 Generell regelt die StVO insbesondere im städtischen Raum die meisten Abläufe und beschreibt dabei auch, welche Verhaltensweisen von FußgängerInnen (in diese Kategorie fallen KünstlerInnen bei der Umsetzung von Projekten) im Außenraum zulässig sind.38 Verstöße gegen

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Ebd. S. 215 und vgl. Rechtsinformationssystem des Bundes: Bundesrecht konsolidiert: Strafgesetzbuch § 126, online: https://www.ris.bka.gv.at/NormDokument.wxe?Abfrag e=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10002296&Artikel=&Paragraf=126&Anlage=& Uebergangsrecht= abgerufen am 25.05.2021. Diese Strafe fungiert als schuldangemessene Reaktion und hat zudem präventive Zwecke (gegenüber der Allgemeinheit und gegenüber den TäterInnen). Schadenersatzansprüche sind damit noch nicht abgegolten. Wenn sich Plakate nur mit großer Mühe entfernen lassen und dabei die darunterliegende Oberfläche in Mitleidenschaft gezogen wird, kann der Tatbestand der Sachbeschädigung (in Deutschland) auch beim Plakatieren erfüllt werden. Vgl. Jansen, Cathérine/Reuter-Wetzel, Christiane: „Wildes“ Plakatieren – strafbar und teuer, in: NWZ Guide, online: https://guide.nwzonline.de/themen/geld-und-recht/recht/wildesplakatieren-strafbar-und-teuer_a_1,0,175132987.html abgerufen am 10.01.2021. Vgl. Bachofner, Andreas: Plakatieren verboten. Der Verfassungsgerichtshof wies Anträge des Unabhängigen Verwaltungssenats Wien zur Plakatierungsverordnung der Bundespolizeidirektion Wien ab, in: Öffentliche Sicherheit. Das Magazin des Innenministeriums, H. 3/4 (2007), S. 146, online: https://www.bmi.gv.at/magazinfiles/2007/03_04/ files/plakatierverordnung.pdf abgerufen am 12.01.2021. § 84 StVO. Vgl. Rechtsinformationssystem des Bundes: Bundesrecht konsolidiert, § 84 StVO, online: https://www.ris.bka.gv.at/eli/bgbl/1960/159/P84/NOR40175089 abgerufen am 05.04.2021, und vgl. Pürstl, Gerhard (Hg.): Straßenverkehrsordnung mit erläuternden Anmerkungen unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien sowie einer Übersicht der Rechtsprechung, Wien, 2015, S. 924ff. Ebd. S. 864ff. Die Verhaltensvorschriften für FußgängerInnen werden unter Abschnitt VIII (§§ 76-78) definiert. Vgl. auch Rechtsinformationssystem des Bundes: Bundesrecht konsolidiert: Gesamte Rechtsvorschrift für Straßenverkehrsordnung 1960, online: https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrag e=Bundesnor men&Gesetzesnummer=10011336 abgerufen am 04.04.2021.

6. Gesetz, Moral, Recht

die StVO stellen Verkehrsübertretungen dar, die ebenso wie z.B. Verstöße gegen das Sicherheitspolizeigesetz (SPG) nach dem Verwaltungsstrafgesetz (VStG)39 bestraft werden. Das Verwaltungsstrafgesetz sieht für bestimmte Delikte die Möglichkeit eines verkürzten Verwaltungsstrafverfahrens vor, indem Strafen ohne ein Verfahren direkt entweder als Organstrafverfügung (§ 50 VStG40 ), als Anonymverfügung (§ 49a VStG41 ) oder als Strafverfügung (§§ 47-49 VStG42 ) verhängt werden. Bei schweren Fällen (im Fall der StVO z.B. vornehmlich Alkohol- und Drogendelikte von KFZ-LenkerInnen), in denen der Strafsatz 600 € übersteigt sowie in Situationen, in denen Privatpersonen eine Anzeige einbringen, werden Delikte im Rahmen eines ordentlichen Verwaltungsstrafverfahrens verhandelt und bestraft.43 Innerhalb der StVO ist vor allem der sehr vage gehaltene § 78 relevant, der anhand einiger weniger Beispiele beschreibt, was FußgängerInnen (respektive KünstlerInnen) auf Gehwegen untersagt ist, sowie die unter Abschnitt X angeführten Paragrafen (§§ 82ff), die die Benutzung von Straßen zu verkehrsfremden Zwecken regeln. Die erwartbaren Strafen für abweichendes Verhalten betragen dabei bis maximal 726 €44 , insbesondere für performative 39

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Vgl. Raschauer, Nicolas/Wessely, Wolfgang (Hg.): Kommentar zum VStG. Verwaltungsstrafgesetz mit den einschlägigen Bestimmungen des VwGVG, Wien, 2016. Vgl. auch Rechtsinformationssystem des Bundes: Bundesrecht konsolidiert: Gesamte Rechtsvorschrift für Verwaltungsstrafgesetz 1991, online: http://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abf rage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10005770 abgerufen am 24.05.2021. „Strafart und Strafsatz richten sich nach den Verwaltungsvorschriften“. Ebd. § 10 und Raschauer/ Wessely, Kommentar zum VStG. Verwaltungsstrafgesetz mit den einschlägigen Bestimmungen des VwGVG, S. 221. Bis maximal 90 € Strafhöhe, § 50, ebd. und Raschauer/Wessely, Kommentar zum VStG. Verwaltungsstrafgesetz mit den einschlägigen Bestimmungen des VwGVG, S. 652ff. Bis maximal 365 € Strafhöhe, § 49a, ebd. und Raschauer/Wessely, Kommentar zum VStG. Verwaltungsstrafgesetz mit den einschlägigen Bestimmungen des VwGVG, S. 716ff. Bis maximal 600 € Strafhöhe, § 47, ebd. und Raschauer/Wessely, Kommentar zum VStG. Verwaltungsstrafgesetz mit den einschlägigen Bestimmungen des VwGVG, S. 743ff. Das Verwaltungsstrafverfahren wird von der zuständigen Verwaltungsbehörde durchgeführt. „Straftaten und Strafsätze ergeben sich im Einzelnen aus den verschiedenen Verwaltungsvorschriften. [Hervorhebung im Original]“ Bydlinski/Kneihs/Vollmaier: Einführung in das österreichische Recht, S. 162. Vgl. § 99 Abs. 3 lit. d StVO: „(3) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, [...] d) wer Straßen ohne Bewilligung zu verkehrsfremden Zwecken (X. Abschnitt) benützt, insbesondere ohne Bewilligung eine nach § 82 bewilligungspflichtige Tätigkeit oder Herstellung vornimmt oder ohne Bewilligung

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Unerlaubte Kunst

Praktiken hält sich das Verlustrisiko also noch in Grenzen. Hinzu kommt das Sicherheitspolizeigesetz (SPG), das nach § 81 für „Störung der öffentlichen Ordnung“ Strafen bis maximal 500 € vorsieht.45 Allerdings können weitere Gemeindeverordnungen wirken, die zusätzliche Bestrafungen vorsehen. Die Aufstellung einer Skulptur kann dabei etwa mit baupolizeilichen Verordnungen kollidieren, wie im Fall der Wiener Künstlerin Ulrike Troger (Abb. 35).46 Wird zum Zweck der Montage dabei in den Asphalt/Bodenbelag eingegriffen, kann das den Tatbestand der Sachbeschädigung erfüllen, was i.d.R. eine Bestrafung der TäterInnen sowie eine Entschädigung der betroffenen Gemeinde nach sich zieht. Ein weiteres verbreitetes Delikt ist die Besitzstörung (§ 339 ABGB).47 Sie liegt vor, wenn Projekte auf Privatgrundstücken realisiert werden und dadurch Dritte in ihrem Besitz gestört werden. „Der Besitz mag von was immer für einer Beschaffenheit seyn, so ist niemand befugt, denselben eigenmächtig zu stören. Der Gestörte hat das Recht, die Untersagung des Eingriffes, und den Ersatz des erweislichen Schadens gerichtlich zu fordern.“48

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sportliche Veranstaltungen nach § 64 abhält, [...]“ Rechtsinformationssystem des Bundes: Bundesrecht konsolidiert: Gesamte Rechtsvorschrift für Straßenverkehrsordnung 1960, Fassung vom 24.05.2021, online: https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfr age=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10011336 abgerufen am 24.05.2021. Und vgl. Pürstl (Hg.): Straßenverkerhsordnung mit erläuternden Anmerkungen unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien sowie einer Übersicht der Rechtsprechung, S. 1111. Vgl. Keplinger, Rudolf/Pühringer, Lisa (Hg.): Sicherheitspolizeigesetz. Praxiskommentar, Linz, 2018, S. 257ff. Und vgl. Rechtsinformationssystem des Bundes: Bundesrecht konsolidiert: Gesamte Rechtsvorschrift für Sicherheitspolizeigesetz, online: https://www.ris.bka.gv. at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10005792 abgerufen am 24.05.2021. Ulrike Troger stellte ihre Skulptur Gigant ohne Baubewilligung vor dem Wiener Musikverein auf und wurde dafür angezeigt. Vgl. Die-Presse-Redaktion: „Gigant“: Wien genehmigt Skulptur, zeigt Künstlerin an, in: Die Presse, veröffentlicht am 18.12.2009, online: https://www.diepresse.com/529008/gigant-wien-genehmigt-skulptur-zeigt-kunst lerin-an abgerufen am 17.10.2021. Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) § 339, vgl. Lukas/Rummel (Hg.): Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch. Teilband §§ 285 – 446 ABGB (Sachenrecht I), S. 100ff. Und vgl. Rechtsinformationssystem des Bundes: Bundesrecht konsolidiert: Rechtsmittel des Besitzers bey einer Störung seines Besitzes, online: https://www.ris.bka.gv .at/eli/jgs/1811/946/P339/NOR12018065 abgerufen am 24.05.2021. Ebd.

6. Gesetz, Moral, Recht

Schon das unerlaubte Betreten fremder Grundstücke kann den Tatbestand erfüllen. Jedoch ist die diesbezügliche Beurteilung im Zusammenhang mit performativen Praktiken schwierig, weil Privatgrundstücke als solche ersichtlich sein müssen, etwa durch Umzäunung oder Beschilderung, und auch da die Definition der Störung nicht im Detail ausgeführt wird. Eine Installation hingegen, die unautorisiert auf einem Privatgrund realisiert wird, stört den Besitz in jedem Fall – sofern der Privatraum als solcher zu erkennen ist, ist die Aktion klagbar. Als Konsequenz kann entweder ein anwaltliches Mahnschreiben mit einer Unterlassungserklärung und einer Zahlungsaufforderung (für entstandene Bearbeitungskosten und eventuellen Schadenersatz) verfasst werden oder eine Besitzstörungsklage bei Gericht eingebracht werden. Beides setzt aber voraus, dass die StörerInnen bekannt sind. Die Österreichische Zivilprozessordnung sieht vor, dass eine Besitzstörungsklage innerhalb von 30 Tagen nach Feststellung der Störung und der Feststellung der Identität der Störerin bzw. des Störers eingebracht werden muss.49 Eine Verjährungsfrist im Falle von unbekannten TäterInnen ist nicht festgesetzt, könnte sich aber an der gültigen Fristenregelung für Schadenersatzklagen orientieren, die im Falle des Nichtbekanntwerdens der verursachenden Personen vorsieht, dass die Verjährungsfrist auf 30 Jahre angehoben wird.50 Bei (performativen) Projekten im städtischen Raum können neben Missachtungen der StVO und der Störung der öffentlichen Ordnung (Sicherheitspolizeigesetz) weitere Verstöße im Zusammenhang mit Landesgesetzen und Gemeindeverordnungen auftreten. Das Oberösterreichische Polizei-

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Vgl. Rechtsinformationssystem des Bundes: Bundesrecht konsolidiert: Zivilprozessordnung § 454, Fassung vom 29.07.2015, online: https://www.ris.bka.gv.at/NormDokument . w xe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10001699&FassungVom=2015-0729&Artikel=&Paragraf=454&Anlage=&Uebergangsrecht abgerufen am 24.05.2021. Vgl. Rechtsinformationssystem des Bundes: Bundesrecht konsolidiert: Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch § 1489, Fassung vom 24.05.2021, online: https://www.ris.bka.gv.a t/NormDokument.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10001622&Fassu ngVom=2021-05-24&Artikel=&Paragraf=1489&Anlage=&Uebergangsrecht abgerufen am 24.05.2021. Diese Orientierung wäre insofern plausibel, als eine Besitzstörung oft auch einen Schaden beinhaltet (etwa durch die Blockade der Zufahrt zu einem Privatparkplatz und die dadurch entstehenden materiellen Konsequenzen für die Betroffenen). Vgl. auch Barth/Dokalik/Potyka (Hg.): Das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch samt den wichtigsten Nebengesetzen. Mit der wichtigen OGH-Judikatur im Überblick sowie weiterführenden Anmerkungen und Verweisen, S. 998ff.

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Unerlaubte Kunst

strafgesetz51 hält dabei etwa unter § 1 Abs. 2 zur Wahrung des öffentlichen Anstandes an, ohne dies näher zu präzisieren: „Als Anstandsverletzung im Sinne des Abs. 1 ist jedes Verhalten in der Öffentlichkeit anzusehen, das einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte bildet.“52 Darüber hinaus regelt dieses Gesetz unter § 2 auch die Abwehr von Belästigungen und unter § 3 den Schutz vor störendem Lärm. Alle genannten Tatbestände werden als Verwaltungsübertretungen bestraft, die Anstandsverletzungen nach § 1 Abs. 2 können dabei bis zu 14.500 € Strafe nach sich ziehen. Auch Eigentumsdelikte können von KünstlerInnen im öffentlichen Raum verübt werden. Ein Beispiel ist Dennis Oppenheims Projekt Violations, bei dem er unzählige Radkappen von Autos stahl und sie u.a. zu einer temporären Installation auf einem Hügel in der Nähe des Gefängnisses der kalifornischen Hafenstadt San Quentin arrangierte (Abb. 36).53 Gewaltdelikte im Außenraum, die sich gegen Menschen richten, kommen verhältnismäßig selten vor, es konnte allenfalls bei Oleg Kuliks Hundeperformances (siehe Kapitel 8/Eine weitere Perspektive) die bewusste Verletzung von Menschen festgestellt werden sowie beim Projekt Can U kick it? der Mediengruppe LM/LN die Situation, dass ein Kunstprojekt die Selbstverletzung von ahnungslosen Menschen bewirkt hat.54

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Vgl. Rechtsinformationssystem des Bundes: Landesrecht konsolidiert Oberösterreich: Gesamte Rechtsvorschrift für Oö. Polizeistrafgesetz, Fassung vom 24.05.2021, online: https://w ww.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=LROO&Gesetzesnummer=10000161 abgerufen am 24.05.2021. Ebd. Vgl. Kee, Joan: Models of Integrity. Art and Law in Post-Sixties America, Berkeley, 2019, S. 27f. Das Foto der Installation wurde später vom Museum of Conceptual Art San Francisco als Postwurfsendung verschickt, die Radkappen wurden in einer Ausstellung in der Sonnabend Gallery in New York präsentiert. Ebd. Beim Projekt „Can U kick it?“ der Mediengruppe LM/LN, bei dem 2006 zur FußballWeltmeisterschaft Betonfußbälle im Berliner Stadtraum ausgelegt wurden, haben sich Menschen verletzt, die die täuschend echt aussehenden Betonfußbälle wegtreten wollten. Diese Verletzungen waren möglicherweise intendiert, wurden aber nicht aktiv durchgeführt. Vgl. Spiegel-Redaktion: WM-Scherz. Staatsschutz ermittelt wegen Beton-Fußbällen, und vgl. Frankfurter-Allgemeine-Onlineredaktion: Beton-Bälle angeblich eine Kunstaktion, in: Frankfurter Allgemeine, veröffentlicht am 06.07.2006, online: https://www.faz.net/aktuell/sport/fussball-wm-2006/nachrichten/berlin-beton-baelle-angeblich-eine-kunstaktion-1356275.html abgerufen am 19.12.2021.

6. Gesetz, Moral, Recht

Die Handlungen, die dafür sorgen, dass KünstlerInnen, die ungenehmigt im Außenraum agieren, Probleme mit dem Gesetz bekommen (z.B. Sachbeschädigung, Besitzstörung bzw. Hausfriedensbruch55 , Störung der öffentlichen Ordnung usw.) ähneln sich international. Die Rechtsprechung und die gesellschaftlichen Normen in den verschiedenen Ländern – wie also die Menschen vor Ort auf deviante Verhaltensweisen oder ungenehmigte Installationen reagieren – variieren stark und lassen den AkteurInnen damit unterschiedliche Spielräume. Daneben verfügt auch die Exekutive über einen gewissen Spielraum im Umgang mit ertappten DelinquentInnen. Darauf bezugnehmend bemerkt Alison Young: „It is not surprising to find that police officers exercise considerable amounts of discretion in determining whether or not to take action, formal or otherwise, against a graffiti writer or street artist.“56 In Ländern mit weniger ausgeprägter Rechtsstaatlichkeit kann dabei der Eindruck einer gewissen Willkür entstehen. Der in Jekaterinburg lebende Künstler Timofei Radya schrieb etwa in einer E-Mail-Korrespondenz über seine großformatigen Textbilder, die er ungenehmigt im öffentlichen Raum auf Gebäude malt, dass die Konsequenzen oft sehr unmittelbar sind und in Form von Gewaltanwendung erfolgen. Darüber hinaus erwähnte er, dass die Grenzen des Gesetzes in Russland sehr verschwommen seien.57

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Hausfriedensbruch wird in Österreich im Strafgesetzbuch unter § 109 normiert. Das Eindringen in Gebäude, umfriedete Bereiche etc. muss dabei gewaltsam erfolgen. Vgl. Beyrer/Birklbauer/Sadoghi: Strafgesetzbuch. Praxiskommentar, S. 189ff. Das deutsche Strafgesetzbuch ist strenger und definiert jede Form des unerlaubten Betretens als Hausfriedensbruch, gewaltsames Eindringen ist keine notwendige Voraussetzung. Vgl. Bock, Dennis (Hg.): Strafrecht. Besonderer Teil 1. Nichtvermögensdelikte, Berlin, 2018, S. 311ff. Young: Street Art, Public City. Law, Crime and the Urban Imagination, S. 119. An dieser Stelle sei angemerkt, dass laut verschiedenen Untersuchungen ein niedriger sozioökonomischer Status und auch die Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit sich vielfach negativ auf die Erfolgschancen im Aufeinandertreffen mit sowohl Exekutive als auch Judikative auswirken. Vgl. Institute of Medicine and National Research Council (Hg.): The Science of Adolescent Risk-Taking. Workshop Report, Washington, 2011, S. 24f. E-Mailverkehr mit Timofei Radya, 2016. Auf Besonderheiten in Russland wird in Kapitel 8/Eine weitere Perspektive noch eingegangen.

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Unerlaubte Kunst

6.7

Moralische/ethische Fragen zu illegaler Kunst im öffentlichen Raum „Freiheit, die wir meinen, ist die Freiheit unseres Tuns. Wir wollen (übrigens von Natur aus) tun und lassen, was wir wollen, und wenn uns etwas daran hindert, sehen wir unsere Freiheit eingeschränkt.“58

KünstlerInnen, die Projekte umsetzen, die gegen das geltende Recht verstoßen, beanspruchen für sich ein größeres Maß an Freiheit als ihnen im Rahmen der für alle gültigen Gesetze zusteht. Sie beeinträchtigen dadurch die Freiheit Dritter, denn unsere Freiheit findet ihre Grenze in der Freiheit anderer.59 Ob die geschädigte Partei eine Privatperson, ein Konzern oder die Öffentlichkeit ist, spielt juristisch und moralisch keine Rolle. Ethisch ergeben sich dadurch jedoch unterschiedliche Ausgangslagen, so kann es für das eigene Empfinden durchaus einen Unterschied machen, ob die Hauswand eines Einfamilienhauses oder die Fassade eines (unliebsamen) multinationalen Großkonzerns umgestaltet wird. Zu Silvester 2014 überfällt der US-amerikanische Künstler Joe Gibbons im Rahmen eines Kunstprojekts die Capital One Bank im New Yorker Chinatown und raubt sie aus.60 Mit dieser Aktion an der Schwelle zwischen Realität und Fiktion wagt er sich sehr weit über die Grenzen dessen hinaus, was im Rahmen der Kunstfreiheit gebilligt wird. Er nimmt dabei in Kauf, dass Dritte durch sein Projekt psychischen Schaden erleiden könnten. Als Konsequenz wurde Gibbons schließlich zu einem Jahr Gefängnis ohne Bewährung verurteilt.61 Ob die Arbeit, bei der es sich laut Gibbons um Performancekunst handelte62 , in die Kategorie Kunstprojekte im erweiterten öffentlichen Raum fällt, ist strittig, am ehesten handelt es sich um eine Videoperformance. Da 58

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Gerhardt, Volker: Freiheit, die wir meinen, in: Langbehn, Claus (Hg.): Recht, Gerechtigkeit und Freiheit. Aufsätze zur politischen Philosophie der Gegenwart, Paderborn, 2006, S. 190. Ebd. S. 194. Vgl. Remke, Michael: Professor raubt „im Namen der Kunst“ Banken aus, in: Welt, veröffentlicht am 17.01.2015, online: https://www.welt.de/vermischtes/article136456260/P rofessor-raubt-im-Namen-der-Kunst-Banken-aus.html abgerufen am 12.11.2021. Vgl. Remnick, Noah: Filmmaker Joe Gibbons Gets a Year in Prison for a Robbery He Called Performance Art, in: The New York Times, veröffentlicht am 13.07.2015, online: https://www.nytimes.com/2015/07/14/nyregion/filmmaker-joe-gibbons-gets-a-ye ar-in-prison-for-a-robbery-he-called-performance-art.html abgerufen am 04.01.2021. Ebd.

6. Gesetz, Moral, Recht

moralische/ethische Fragen für künstlerische Gesetzesübertretungen generell betrachtet werden sollen, wird die Arbeit an dieser Stelle – als Extrembeispiel – trotzdem berücksichtigt. Auch Tony Labats „kidnapp attempt“63 (1978), eine Aktion bei der er versuchte, den Künstler Lowell Darling, der als Gouverneur von Kalifornien kandidierte, zu entführen, ging weit über das hinaus, was für gewöhnlich mit künstlerischer Praxis assoziiert wird. Beide Projekte loten nicht nur juristische und moralische Grenzen aus, sie lassen sich auch in ihrem Wesen schwer fassen, beinhalten performative Aspekte bzw. sind im weitesten Sinne extreme Performances im (erweiterten) öffentlichen Raum. In beiden Fällen wurden andere Personen persönlich angegriffen. Das Strafmaß für Übergriffe dieser Art ist ungleich höher als etwa für Sachbeschädigung. In Österreich wären es Offizialdelikte, die immer in einem Strafprozess vor Gericht verhandelt werden müssen. Während die Ethik, die dem Handeln vieler Street-Art- und Graffiti-KünstlerInnen zugrunde liegt (u.a. Proklamierung des Anrechts auf aktive gestalterische Teilhabe am Außenraum) teilweise verständlich ist, scheinen die ethischen Standpunkte, die Gibbons und Labats Taten zugrunde liegen, kaum nachvollziehbar. Die Limits für ihre Projekte bestimmen KünstlerInnen auf Grundlage ihrer Ethik selbst. Dies kann durchaus mit einer graduellen persönlichen Normverschiebung einhergehen. AkteurInnen, die mit besonderer Vehemenz existierende Regeln und Vorschriften brechen, haben sich oft über einen längeren Erfahrungszeitraum und über eine Vielzahl von (künstlerischen) Vergehen ihre eigenen Grenzen neu gesetzt. Sie verlieren so Skrupel, den juristischen Rahmen zu überschreiten, den das Gesetz für die BürgerInnen vorgibt. Street-Art- und Graffiti-KünstlerInnen sind dafür ein naheliegendes Beispiel. An dieser Stelle soll jedoch der Weg Pjotr Pawlenskis nachverfolgt werden: Bei seiner Aktion Naht (2012, russisch: Шов), mit der er erstmals eine größere Öffentlichkeit erreichte, verletzte er noch sich selbst und allenfalls die gesellschaftlichen Normen, als er mit zugenähtem Mund und einem Banner im öffentlichen Raum von Sankt Petersburg erschien.64 Im Laufe seiner folgen-

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Vgl. Neue Gesellschaft für bildende Kunst (2004): legal / illegal: Wenn Kunst Gesetze bricht, S.124/125, und vgl. Phillips, Glenn (Hg.): California Video: Artists and Histories, Los Angeles, 2008, S. 153. Frenzel, Korbinian: „Ich bringe die Situation der Bürger auf den Punkt“, in: Deutschlandfunk Kultur, veröffentlicht am 20.10.2016, online: https://www.deutschlandfunkku ltur.de/aktionskuenstler-pjotr-pawlenski-ich-bringe-die-situation.1008.de.html?dram: article_id=369034 abgerufen am 18.11.2021.

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den Aktionen radikalisierte er sich zunehmend, immer neue Grenzen wurden überschritten, die Konfrontation mit der Staatsmacht wurde Teil der Projekte. Seine letzte Arbeit Erleuchtung (russisch: Освещение), bei der er im Jahr 2017 eine Filiale der Banque de France in der Nähe des Place de la Bastille in Paris anzündete, brachte ihm eine mehrjährige Gefängnisstrafe ein (Abb. 37).65 Der Gerichtsprozess und die Bestrafung sind für ihn dabei Teil der Arbeiten. Die Ethik, die seinen Aktionen zugrunde liegt, sieht die Menschen eingepfercht in gesellschaftliche Zwänge – in Russland ganz offensichtlich durch staatliche Repression, in Europa bzw. Frankreich durch ein System aus Gelderwerb und Konsum. Laut ihm ist „[d]as Leben des Menschen [...] ein permanenter Kampf um die eigene Subjektwerdung, um Selbstbehauptung, denn alle möglichen Kräfte und Ressourcen, die Interessen von anderen Menschen oder sonst irgendwem, ganze Gruppen arbeiten letzten Endes auf seine Objektivierung, auf seine Unterordnung hin.“66 Pawlenski möchte durch seine Arbeit zu einer Veränderung der Gesellschaft beitragen, mit seinen Werken äußere er dabei eine Kritik an der Gesellschaft, die andere selbst nicht formulieren könnten, da sie durch die Macht und ihre Mechanismen zerstreut würden.67 Vor diesen vermeintlich noblen Absichten scheint es nachvollziehbar, dass Delikte wie Sachbeschädigung für Pawlenski im Rahmen seiner Projekte durchaus vertretbar – wenn nicht erforderlich sind. Anders als Gibbons und Labat, deren Werke vor allem an kunstimmanente Fragestellungen anknüpfen (Überwindung der Grenzen der Kunst etc.), hat Pawlenksi ein gesellschaftliches Anliegen und kann daher seine Werke für sich selbst ethisch legitimieren. Während die Ausgangslage dafür in Russland – unter dem Eindruck staatlicher Repression etc. – eine relativ eindeutige Zielscheibe bietet, ist seine Kritik im europäischen Kontext – in Frankreich – zwar grundsätzlich nachvollziehbar, tut sich aufgrund der vielschichtigen Mechanismen und AkteurInnen, die gemeinsam die von ihm angeprangerten Zwänge erzeugen, jedoch schwer, die richtigen AdressatInnen zu finden.

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Vgl. Ханцевич, Олеся: Петр Павленский осужден за поджог Банка Франции, in: The Art Newspaper Russia, veröffentlicht am 11.01.2019, online: http://www.theartnewspap er.ru/posts/6498/ abgerufen am 09.04.2021. Danischewksi/Velminski: Pjotr Pawlenski. Gefängnis des Alltäglichen. Gespräche, S. 37. Ebd. S. 26.

6. Gesetz, Moral, Recht

Auch bei unautorisierten Projekten im öffentlichen Raum befördert möglicherweise eine nicht vorhandene „Rezipientenethik“68 immer radikalere Tendenzen, wie es Dagmar Fenner anhand der Nachfrage von gewaltverherrlichenden Filmen beschreibt.69 Die Werke multiplizieren ihre Öffentlichkeit über das Internet, sind keiner weiteren Kontrollinstanz ausgesetzt und treffen dort direkt auf die RezipientInnen. Innerhalb der eigenen Blase können die AkteurInnen so einen enormen Zuspruch erfahren, der die Reichweite von gewöhnlichen Ausstellungen um ein Vielfaches übertrifft. Hier liegt die Entscheidung, welche Art von Projekten rezipiert wird und ob/wie darauf reagiert wird, bei jedem bzw. jeder Einzelnen und nicht mehr bei der selektierenden Instanz des Museums. Viele (Street-Art-)KünstlerInnen, die unautorisiert im öffentlichen Raum Projekte realisieren, handeln in dem Gedanken, dass ihre Projekte dazu beitragen könnten, die Welt zu einem besseren Ort zu machen, so beschreibt es etwa Ulrich Blanché für den Street-Art-Künstler Banksy: „Banksys Ziel ist nach Eigenaussage also, die Welt mit Graffiti zu verbessern.“70 Er handelt demnach aus einer idealistischen Überzeugung und erhofft sich auch als Konsequenz seines Handelns einen positiven Effekt. Der Sachschaden, der dabei einer einzelnen Partei zugefügt wird, wird als notwendiges Übel vernachlässigt, eventuell ablehnende Haltungen und negative Reaktionen werden ausgeblendet. „In sozialethischer oder moralischer Hinsicht ist das künstlerische Tun immer dann ethisch problematisch, wenn dadurch das Wohlergehen von anderen Menschen oder auch Tieren beeinträchtigt wird [Hervorhebung im Original]“,71 schreibt Dagmar Fenner in ihrem Buch Was kann und darf Kunst?. Es sind in dieser Aussage jedoch nicht nur drastische Fälle wie Gibbons Banküberfall oder die Beton-Fußbälle der Mediengruppe LM/LN eingeschlossen, auch Sachbeschädigungen, Besitzstörungen, Störungen der öffentlichen 68 69

70 71

Fenner: Was kann und darf Kunst? Ein ethischer Grundriss, S. 36. „Neben den Kunstproduzenten und allen im Kunstbetrieb Mitwirkenden können auch noch die Kunstrezipienten Verantwortungsträger sein, indem sie etwa gewaltverherrlichende Filme auf DVD kaufen und mit ihrer Nachfrage die Produktion ankurbeln.“ Ebd. S. 153. Dies kann man in besonderer Weise auf die Bereiche Graffiti (wo allerdings sehr viele der RezipientInnen zugleich ProduzentInnen sind), stärker aber noch auf den Grenzbereich Prank (siehe Kapitel 7/Grenzbereiche) beziehen. Blanché: Something to s(pr)ay: Der Street-Artivist Banksy. Eine kunstwissenschaftliche Untersuchung. S. 97. Fenner: Was kann und darf Kunst? Ein ethischer Grundriss, S. 33.

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Unerlaubte Kunst

Ordnung etc. beeinträchtigen das Wohlergehen anderer Menschen und sind somit problematisch. Da ein solches Handeln i.d.R. jedoch weder psychische noch physische Folgen für die Betroffenen hat, lässt sich das Agieren der KünstlerInnen zwar nicht legitimieren, aber zumindest im Ansatz nachvollziehen. Wenn KünstlerInnen sich mit Bestrafungen arrangieren können (wie z.B. Pawlenski) und die Realisierung für sie ethisch vertretbar ist, gibt es quasi keine moralischen Grenzen. (Physische und psychische Unversehrtheit Dritter wird an dieser Stelle als Konsens vorausgesetzt). Der Grat zwischen radikalem künstlerischem Ansatz, Sensationsgier und bloßem Fanatismus ist jedoch schmal. Sind kontroverse, moralisch zweifelhafte Projekte nicht schlüssig und begründbar, riskieren die KünstlerInnen, selbst bei potenziellen BefürworterInnen auf Ablehnung zu stoßen, wie das deutsche KünstlerInnenkollektiv Zentrum für Politische Schönheit im Dezember 2019.72

6.8

Double Standards

Dass sich (neo-)liberale Gesellschaften auch über eine Form der Toleranz für gewisse rechtsbrechende künstlerische Praktiken definieren, dabei aber mit zweierlei Maß gemessen wird (bzw. mit einem juristisch nicht begründbaren Kunstverständnis), kann am Beispiel vom Umgang mit Graffiti und Street Art aufgezeigt werden. Young stellt fest, dass es scheine, als ob Polizeikräfte in der täglichen Begegnung mit illegaler Kunst eine Art ästhetische Bewertung vornähmen: „Police officers also appear to exercise a degree of aesthetic

72

Das Zentrum für Politische Schönheit hat im Dezember 2019 illegal eine Stele vor dem Bundestag errichtet, in die die menschlichen Überreste von Opfern des Holocaust eingearbeitet wurden. Mit der Aktion wollten sie vor dem politischen Rechtsruck und der Annäherung von CDU/CSU an die AfD warnen. Vgl. Mantei, Sebastian: Zentrum für Politische Schönheit sorgt für Verwirrung, in: Deutschlandfunk Kultur, veröffentlicht am 06.12.2019, online: https://www.deutschlandfunkkultur.de/stelen-mit-auschw itz-asche-zentrum-fuer-politische.1079.de.html?dram:article_id=465197 abgerufen am 08.02.2021, und vgl. Baganz, Dorian/Julino, Jonas: Kritik an Gedenksäulen-Aktion. Politik und Verbände empören sich über die jüngste Aktion des Zentrums für Politische Schönheit. Am Dienstag legte das Kollektiv nach, in: taz, veröffentlicht am 03.12.2019, online: https://taz.de/Asche-von-Schoah-Opfern-vor-Bundestag/!5647084/ abgerufen am 08.02.2021.

6. Gesetz, Moral, Recht

judgment about the illicit artworks they confront on the street.“73 Im Rahmen von Interviews, die sie international mit Street-Art- und Graffiti-AkteurInnen durchführte, wurde vielfach geäußert, dass seitens der Polizei Graffiti stärker verfolgt würde als Street Art.74 Aufgrund mutmaßlich höherer ästhetischer Qualitäten bzw. einer leichteren Zugänglichkeit wird Street Art also eine höhere Toleranz entgegengebracht als Graffiti (obschon juristisch bei einem direkten Farbauftrag in beiden Fällen die gleiche Straftat vorliegt). Kommt dabei auch noch ein pekuniärer Mehrwert, eine Wertschöpfung hinzu, wie im Fall von Banksy, nimmt dies extreme Züge an. Mit seiner globalen Bekanntheit trägt dieser Künstler maßgeblich zum positiven Image von London und Bristol bzw. Großbritannien bei. Seine Popularität lockt scharenweise BesucherInnen in Ausstellungen (die häufig nicht von ihm autorisiert sind75 ). Orte, an denen er seine Werke hinterlassen hat, werden zu Pilgerstätten – wenn die Arbeiten nicht sogar von der Wand abgelöst und aus ihrem Kontext gerissen werden.76 Der Künstler ist Teil der Wertschöpfungskette geworden und obwohl seine Hinterlassenschaften illegal sind, überwiegt der Mehrwert für die Allgemeinheit – oder für private InteressentInnen. Eine ernst gemeinte Strafverfolgung findet daher nicht statt. Mittels Beschattung, der Überwachung von Kommunikationskanälen und Geldtransfers sowie DNA-Abgleichen wäre es im Jahr 2020 ein Leichtes, seine Identität festzustellen (sofern sie nicht ohnehin bekannt ist77 ). Angesichts der energischen Verfolgung und drakonischen Bestrafung von Sachbeschädigung in Großbritannien78 würden die in Summe

73 74 75 76

77

78

Vgl. Young: Street Art, Public City. Law, Crime and the Urban Imagination, S. 104. Ebd. S. 103f. Auf seiner Website führt Banksy Ausstellungen auf, die ohne seine Autorisierung stattgefunden haben: https://www.banksy.co.uk/shows.html abgerufen am 02.01.2021. Vgl. Straub, Verena: Wer hat unseren Banksy geklaut?, in: Frankfurter Allgemeine, veröffentlicht am 22.03.2013, online: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunst markt/kunst-diebstahl-wer-hat-unseren-banksy-geklaut-12090636.html abgerufen am 02.01.2021. Zur Identität von Banksy gibt es viele Spekulationen, es ist wahrscheinlich, dass sein bürgerlicher Name Robin Gunningham ist. Vgl. Blanché: Banksy. Urban Art in a Material World, S. 206. Vgl. Oppenheim, Maya: Jailed with Rapists and Murderers: Why Is the Punishment for Graffiti in the UK So Extreme? in: Vice, veröffentlicht am 20.08.2015, online: http s://www.vice.com/en_uk/article/5gjkk3/harsh-sentences-for-graffiti-820 abgerufen am 14.02.2021.

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Unerlaubte Kunst

von ihm begangenen Delikte den Aufwand für derartige Verfolgungsmaßnahmen theoretisch rechtfertigen. Viele Werke Banksys tauchen (ebenso wie die Werke anderer Street-ArtKünstlerInnen) an vernachlässigten Objekten auf, die ohnehin bereits mit Graffitis etc. versehen sind, an Orten, die wir im Alltag aus unserem Bewusstsein verdrängen und für die ein Street-Art-Kunstwerk keine wesentliche Abwertung bedeutet. Wenn Wände bereits im Vorfeld illegal mit Graffiti gestaltet wurden, ist der Straftatbestand zumindest in Österreich nicht in jedem Fall gegeben, wie ein Beispiel aus Kärnten im Jahr 2013 zeigt. Dort wurde ein 23-jähriger Sprayer vom Vorwurf der schweren Sachbeschädigung freigesprochen, da die Stützmauer, die er besprühte bereits im Vorfeld mit anderen Graffitis versehen war.79 Durch die bewusste Vorauswahl der Träger für seine Arbeiten und das Wissen um seine Popularität – seinen Wert – kann Banksy die Wahrscheinlichkeit von Anzeigen und Strafverfolgung beinahe ausschließen. Ein Werk von Banksy bedeutet i.d.R. sogar eine Aufwertung. Solange die BesitzerInnen keine Anzeige bei der Polizei einbringen, werden seine Sachbeschädigungen auch nicht verfolgt.80 Wie bereits im Unterkapitel zu Street Art gezeigt, ist Street Art nicht gleich Street Art. Das Gros der ProtagonistInnen verfügt nicht annähernd über die Popularität eines Banksys – die künstlerischen Stile unterscheiden sich enorm und so auch die Akzeptanz in der Bevölkerung. All diese Faktoren beeinflussen die Wahrscheinlichkeit einer Anzeige und der Strafverfolgung maßgeblich. Über bunte, illustrative Bilder wird leichter hinweggesehen als über schwere Sachbeschädigungen, deren Sinn sich nicht erschließt.81 Demgegenüber steht die konträre Strategie, an unbe-

79

80

81

Vgl. ORF-Redaktion: Freispruch für Graffiti-Sprayer, in: ORF Kärnten, veröffentlicht am 25.09.2013, online: https://kaernten.orf.at/v2/news/stories/2605608/ abgerufen am 20.01.2021. Einer der wichtigsten Ermittler Großbritanniens im Bereich Graffiti, Colin Saysell, wird in einem Artikel des Guardian zitiert, in dem er angibt, dass er, würde er eine Beschwerde von ImmobilienbesitzerInnen bekommen, versuchen würde, selbst Bansky zu verhaften. Vgl. Weather, Mattew: No regrets for the police officer who wants to whitewash Banksy, in: The Guardian, veröffentlicht am 18.12.2014, online: https://www.theguardian.com/artanddesign/2014/dec/18/no-regrets-from-polic eman-on-mission-against-graffiti abgerufen am 02.05.2021. Vgl. Horne, Alex: Why Is Banksy the Only Person Allowed to Vandalise Britain's Walls? In: Vice, veröffentlicht am 03.10.2014, online: https://www.vice.com/en_uk/article/mv5 k3p/banksy-graffiti-allowed-clacton-293 abgerufen am 31.12.2021.

6. Gesetz, Moral, Recht

kannten (Graffiti-)AkteurInnen abschreckende Exempel zu statuieren und sie besonders hart zu bestrafen. Die oft performativen Praktiken aus dem Bereich des Artivism entziehen sich der Kommodifizierung und der weiteren Wertschöpfung, auch oberflächliche visuelle Beurteilungskriterien, wie schön (figurativ, bunt etc.) und hässlich (kryptische Tags, Einfarbigkeit usw.) greifen nicht. Präzedenzfälle für eine ungleiche Behandlung durch Exekutive und Justiz lassen sich nicht ermitteln. Die berühmten russischen AkteurInnen der vergangenen Jahre wurden alle hart bestraft, wobei das unverhältnismäßig harte Urteil gegen die damals im Ausland unbekannte Gruppe Pussy Riot einen gegenteiligen Effekt erzielte, sie international bekannt machte und eine Welle der Solidarität auslöste. Gruppen wie das deutsche Zentrum für politische Schönheit haben laut eigener Aussage bisher keinen der gegen sie geführten Prozesse verloren.82 Da sich Aktionen im Hinblick auf mögliche Delikte unterscheiden, lässt sich kaum ein Vergleich mit weniger bekannten KünstlerInnen anstrengen.83 Für die Unauthorized Public Interventions – das Feld innerhalb der Unauthorized

82

83

Vgl. Wienand, Lars: „Kassieren Sie Sofort-Bargeld“. Polit-Aktivisten stellen ChemnitzPranger ins Netz, in: t-online.de, veröffentlicht am 03.12.2018, online: https://www.t-o nline.de/nachrichten/deutschland/gesellschaft/id_84883656/-bargeld-bei-hilfe-polit-a ktivisten-stellen-chemnitz-pranger-ins-netz.html abgerufen am 16.05.2021. In Deutschland kämpft der Münchner Künstler Wolfram Kastner beispielsweise seit Jahren gegen Strafe und Schadenersatz wegen Sachbeschädigung, die ihm für eine Intervention an einem Kenotaph eines NS-Kriegsverbrechers auferlegt wurde. Vgl. Bodenstein, Gisa: Aktionskünstler Wolfram Kastner muss Schadensersatz zahlen, in: Humanistischer Pressedienst, veröffentlicht am 10.12.2018, online: https://hpd.de/arti kel/aktionskuenstler-wolfram-kastner-muss-schadensersatz-zahlen-16276 abgerufen am 16.03.2021, und vgl. Birkhof, Marina/Bretz, Jennifer: Verfahren ausgesetzt – Kastner kündigt bereits neue Protestaktionen an, in: chiemgau24.de, veröffentlicht am 17.04.2019, online: https://www.chiemgau24.de/chiemgau/traunstein/traunstein-ort2 9586/chiemsee-berufungsprozess-gegen-kuenstler-kastner-wegen-jodl-grab-landgeri cht-traunstein-12196642.html abgerufen am 13.05.2021. Der Künstler Alexander Karle wurde hingegen ebenfalls in Deutschland für eine performative Aktion, bei der er Liegestütze auf dem Altar einer katholischen Kirche machte, teilweise freigesprochen und lediglich verwarnt mit der Auflage 500 € an eine karitative Einrichtung zu spenden. Vgl. Spiegel-Redaktion: Gericht nennt Liegestütze auf Altar Kunst, in: Spiegel, veröffentlicht am 10.07.2017, online: https://www.spiegel.de/panorama/justiz/saarb ruecken-liegestuetzen-auf-altar-von-gericht-als-kunst-eingeschaetzt-a-1157014.html abgerufen am 04.05.2021.

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Unerlaubte Kunst

Public Art, das sich am schwierigsten greifen lässt – ist die Informationslage noch dürftiger, es lassen sich kaum Presseartikel zu möglichen Urteilen/ Strafen finden, wissenschaftliche Publikationen sind nicht vorhanden.

7. Grenzbereiche

Neben den Feldern der Unauthorized Public Art gibt es noch weitere Aktivitäten, die ungenehmigt im erweiterten öffentlichen Raum stattfinden und die über künstlerische bzw. kreative Merkmale verfügen. Es handelt sich dabei um Phänomene, die ebenfalls in den vergangenen Jahren durch das Internet und die vereinfachten Zugangsmöglichkeiten zu Produktionsmitteln und Distributionskanälen einen enormen Auftrieb erfahren haben. Vielfach bestehen Überlagerungen mit Praktiken aus der Unauthorized Public Art, weshalb eine nähere Analyse dieser Bereiche besonders interessant ist. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit und in dem Wissen, dass es weitere Formen der unautorisierten kreativen Produktion im öffentlichen Raum gibt, wird an dieser Stelle auf drei Aktivitäten vertiefend eingegangen, die aufgrund ihrer Popularität in den letzten Jahren besonders hervorgestochen sind. Es geht dabei um das Phänomen Prank, um Urban Exploration sowie um einzelne Guerilla-Marketing-Kampagnen. Das Publikum wird dabei teilweise direkt, vor allem aber über die Verbreitung von Medieninhalten im Internet adressiert. Die Absicht besteht bei diesen Praktiken (aktuell) eher in der Unterhaltung und nicht darin, einen kritischen Diskurs zu initiieren. Da einige der AkteurInnen sagen, dass sie durch ihr Handeln nicht bloß unterhalten bzw. sich selbst darstellen, sondern auch den menschlichen Alltag und seine Grenzen hinterfragen wollen, wird die Abgrenzung zur Kunst zum Teil schwierig. Den ProtagonistInnen aus den Grenzbereichen fehlt letztlich aufgrund des nicht vorhandenen kulturellen und sozialen Kapitals und des Habitus1 die Handhabe, um ihre Pro-

1

Bourdieu nach Dangschat, vgl. Dangschat: Symbolische Macht und Habitus des Ortes, Die ›Architektur der Gesellschaft‹ aus Sicht der Theorie(n) sozialer Ungleichheit von Pierre Bourdieu, S. 315ff.

152

Unerlaubte Kunst

jekte im Kontext der Kunst zu verorten, selbst wenn diese fallweise von der Anlage im Kunstfeld bestehen könnten.

7.1

Prank2 „Humans have been playing pranks on each other since prehistoric times, when we first learned how to manipulate social power through laughter at the expense of others.“3

Fernsehsendungen wie die 1961 erstmals ausgestrahlte Versteckte Kamera erfreuen sich bei deutschsprachigen FernsehzuschauerInnen großer Beliebtheit. Ursprünglich geht die Idee aber auf den US-Amerikaner Allen Funt zurück, der bereits 1948 mit der Sendung Candid Camera4 den Prototypen dieses Sendeformats erfand und der damit Pranks auch medial erlebbar machte.5 In den Sendungen werden performative Streiche, die mit einer versteckten Kamera aufgezeichnet wurden, dargeboten. Einzelne Personen werden dabei vorgeführt, indem ihnen eine Realität bzw. ein Ereignis vorgespielt

2

3 4 5

Das englische Wort Prank wird auf Deutsch mit Streich, seltener auch Schabernack, übersetzt. Vgl. Dudenredaktion/German Section of the Oxford University Press Dictionary Department (Hg.): The Oxford-Duden German Dictionary, Oxford, 1997, S. 1360. Der Begriff meint in einem offenen Verständnis also alle Arten von Streichen, die in der menschlichen Interaktion vorkommen und bezieht auch Kinderstreiche, Aprilscherze, schikanierende Späße usw. mit ein. Nachdem spätestens seit den 1960er Jahren KünstlerInnen und AktivistInnen immer wieder Aktionen und Projekte umgesetzt haben, die in den USA u.a. als Pranks bezeichnet wurden, hat der Begriff in den vergangenen Jahren durch das populär gewordene Phänomen der Video-Pranks auf Plattformen wie YouTube eine Aktualisierung erfahren, die in besonderem Maße medial dokumentierte Prank-Handlungen meint. Hobbs, Renee/Graf, Silke: YouTube pranking across cultures, in: First Monday, H. 7 (2015), o. S., online: https://doi.org/10.5210/fm.v20i7.5981 abgerufen am 13.01.2021. Deutsch: offene Kamera. Vgl. Terrace, Vincent: Encyclopedia of Television Shows, 1925 through 2007, Jefferson, 2009, S. 233. Vgl. WDR-Redaktion: 18. Juli 1961 – Fernseh-Premiere von „Vorsicht Kamera“, in: WDR, veröffentlicht am 18.07.2011, online: https://www1.wdr.de/stichtag/stichtag5582.html abgerufen am 02.01.2021. Obschon Pranks heute vielfach mit Videoformaten assoziiert werden und sich die nachfolgenden Gedanken in erster Linie auf diese beziehen, ist der Prank-Begriff offener und der mediale Übertrag der Handlungen keineswegs notwendige Bedingung.

7. Grenzbereiche

wird, welches sie in eine unangenehme oder komische Situation bringt. Diese Filme sind zwar moralisch fragwürdig – die Erheiterung der ZuschauerInnen passiert stets auf Kosten eines Opfers –, aber im Grunde meist harmlos.6 Die einfache Verfügbarkeit von Produktionsmitteln sowie Verbreitungskanälen hat dafür gesorgt, dass in den letzten Jahren unzählige Menschen privat damit begonnen haben, derartige Videos anzufertigen. Auf InternetVideoplattformen, allen voran YouTube, finden sich unter dem Begriff Prank neben tausenden relativ unverfänglichen Videos auch viele Filme, die diese Idee aufgreifen und zum Teil auf schockierende Weise bis ins Extrem betreiben. Unter dem Titel Prank posten Menschen rund um den Globus7 Videos, in denen zu sehen ist, wie Unwissende plötzlich mit lustigen, furchteinflößenden, komischen, verstörenden etc. Situationen konfrontiert werden. Dabei gibt es Aktionen, die entweder sehr einfach oder extrem überzogen sind und die sofort, oder nach einer Sekunde der Irritation von den Betroffenen als Inszenierung entschlüsselt werden können (und sollen). Andere führen sehr glaubwürdig eine realistische, z.T. hochkomplexe Sachlage herbei, die für die vorgeführten Personen nicht als Fiktion dechiffrierbar ist. Viele der Aktionen bzw. Videos werden dabei unautorisiert im öffentlichen Raum umgesetzt und beziehen unwissende, zufällig anwesende Personen mit ein.8 Juristische Grenzen scheinen für viele der AkteurInnen keine Rolle zu spielen, und so können in der Kategorie Prank auf YouTube neben 6

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Wie Renee Hobbs und Silke Graf in ihrem wissenschaftlichen Text YouTube pranking across cultures festhalten, handelt es sich um eine Drei-Wege-Beziehung: „[P]ranks are a form of interpersonal humiliation involving a three-way relationship between the one who humiliates, the victim, and the witnesses […].“ Hobbs/Graf: YouTube prankings across cultures, o. S. Pranks sind zu einem globalen Phänomen geworden, günstige Mobiltelefone mit Kamera ermöglichen auch Menschen mit vergleichsweise geringem Einkommen die Dokumentation ihrer Streiche und ihre Veröffentlichung im Internet. Es gibt unzählige Videos, die im privaten Bereich umgesetzt werden und dabei Personen aus dem sozialen Umfeld der Prankster vorführen. Da für diese Arbeit der erweiterte öffentliche Raum relevant ist, werden diese Videos nicht in die Überlegungen einbezogen. Aufgrund des Näheverhältnisses ist bei diesen Aktionen zudem die Illusion des vermeintlich realen Ereignisses oft sehr unglaubwürdig. Die betroffenen Personen reagieren zum Teil, als wären sie eingeweiht oder hätten aufgrund vorheriger Erfahrungen zumindest die Ahnung, dass es sich um ein inszeniertes Ereignis handeln könnte. Das ist ein Aspekt, der auch für alle anderen Prank-Videos im Außenraum mitbedacht werden muss. Es gibt eine nicht ermittelbare Anzahl von Videos, bei denen die „Opfer“ im Voraus informiert waren, die komplette Situation also inszeniert ist.

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Unerlaubte Kunst

harmlosen Streichen auch Videos gefunden werden, in denen Freiheitsberaubungen9 , sexuelle Belästigungen10 , Körperverletzungen11 , Eingriffe in den Straßenverkehr, Diebstähle12 usw. dokumentiert werden.13 Es sind diese besonders harschen, oft schockierenden Videos, die auf YouTube die höchsten Klickzahlen generieren. Hobbs und Graf schreiben in ihrer Arbeit, dass gerade diese sogenannten „Bad Pranks“, also diejenigen, in den Personen übel mitgespielt wird, sich aufgrund ihres transgressiven Charakters einer hohen Beliebtheit erfreuen und dabei mutmaßlich auch unsere Wahrnehmung von Normalität beeinflussen.14 Der Vorwand des Spaßes dient dabei als Schutzschild für Aktionen, in denen die betroffenen Personen sich in Situationen glauben, die zum Teil traumatisierend sein können und die auch nach der Auflösung nichts von

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Ein Beispiel dafür wäre ein vom britischen Youtuber Sam Pepper durchgeführter Prank, auf den auch Stefan Niggemeier in seinem Artikel Prank oder krank? eingeht. Vgl. Niggemeier, Stefan: Prank oder krank?, in: Frankfurter Allgemeine, veröffentlicht am 18.12.2015, online: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/youtube-videos-pran k-oder-krank-13962984.html abgerufen am 19.12.2021. Die Möglichkeit, dass diese besonders drastischen Streiche komplett inszeniert sind und auch das Opfer den fiktionalen Charakter der Handlungen kennt, muss in Betracht gezogen werden. Da das Originalvideo von Sam Pepper inzwischen entfernt wurde, hier die Quelle als Re-Upload auf dem Videoportal Dailymotion: Paahaey, Meeyat: KILLING BEST FRIEND PRANK | Ft. Sam & Colby | Sam Pepper, in: Dailymotion, https://www.dailymotion.com/video/x3hi3 vq abgerufen am 04.02.2021. Vgl. CBS Los Angeles: YouTube Star's Attempt To Disguise Sexual Assault As Prank Backfire, in: YouTube, veröffentlicht am 23.09.2014, https://www.youtube.com/watch?v=xF7B-nV69g abgerufen am 17.01.2021. Vgl. Ahillon, Paula: YouTube prankster Luke Erwin is charged with ASSAULT after ʻdamaging a manʼs eardrumʼ during air-horn stunt, in: MailOnline, veröffentlicht am 27.10.2019, https://www.dailymail.co.uk/news/article-7617595/YouTube-prankster-Luke -Erwin-charged-assault-air-horn-stunt.html abgerufen am 21.03.2021. Vgl. Tsui, Chris: YouTube 'Prankster' Removes Stop Signs, Is Charged with Felony, Asks Fans for Money, in: The Drive, veröffentlicht am 04.05.2017, online: https://www . thedrive. com/sheetmetal/9975/youtube-prankster-removes-stop-signs-is-chargedwith-felony-asks-fans-for-money abgerufen am 14.01.2021. Eine nicht ermittelbare Anzahl der Pranks sind durchinszeniert und stellen somit rein fiktive Handlungen dar. Es beziehen sich die Überlegungen nur auf Videos, in denen der Charakter der vermeintlichen „Als-ob-Handlungen“ (Fenner) nicht für alle beteiligten Parteien klar ist. Vgl. Hobbs/Graf: YouTube prankings across cultures, o. S.

7. Grenzbereiche

ihrer Bedrohlichkeit verlieren.15 Viele der besonders drastischen Pranks werden auch als „Social Experiment“ etc. betitelt, was wie der Versuch einer Art Legitimation der ,Streiche‘ wirkt. Obschon es immer wieder Proteste gibt gegen einzelne Prankster 16 , die besonders extreme Aktionen umsetzen und dabei sowohl moralisch als auch juristisch jegliche Grenzen ignorieren, muss auch die Rolle der RezipientInnen als „Verantwortungsträger“ (Fenner) mitbedacht werden, also die Schadenfreude und die Nachfrage nach den Dokumentationsvideos der Aktionen hinterfragt werden. Anders als die direkt von den Streichen betroffenen Personen und die zufälligen ZeugInnen der Ereignisse vor Ort, können zumindest die RezipientInnen, die in zweiter Instanz die Ereignisse am Computer auf Videoportalen nacherleben, sich gegen die Rezeption entscheiden. Ähnlich wie (fiktionale) Gewaltfilme ihren Absatz finden, werden jedoch auch diese Videos immer ein Publikum erreichen, wie die millionenfach geklickten Inhalte belegen.17 Ob alle BetrachterInnen (im Grunde auch die MacherInnen selbst) dabei über die „Medienkompetenz“18 verfügen, um zu erkennen, dass es sich hier nicht um die von Dagmar Fenner beschriebenen „Als-ob-Handlungen“ handelt, sondern um Ereignisse, die im Augenblick des Vorgangs zumindest von den Betroffenen sehr real erlebt werden, ist fraglich. „[E]in Künstler muss nicht nur im Werkbereich Verantwortung wahrnehmen, sondern auch im Wirkbereich, das heißt bezüglich der Wirkung seiner Kunstwerke auf die Rezipienten“19 , schreibt Fenner an anderer Stelle. Gerade bei Praktiken wie Prank, bei denen die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen, 15

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Die Deklaration der Aktionen als Prank schützt jedoch nicht vor Bestrafung, viele AkteurInnen wurden bereits zu (Gefängnis-)Strafen verurteilt. Vgl. Rogers, Katie: When YouTube Pranks Break the Law, in: The New York Times, veröffentlicht am 19.05.2016, online: https://www.nytimes.com/2016/05/20/technology/when-youtube-pranks-break -the-law.html abgerufen am 18.11.2021. Prankster, deutsch: Witzbold, werden diejenigen, die die Pranks durchführen, im Englischen genannt. Dies bestätigt die in Kapitel 1/Einleitung in Bezug auf Hanno Rauterbergs Essay formulierte These, dass Kunst bzw. künstlerisch-kreative Betätigung heute alles darf, denn schließlich erreicht jede noch so unmoralische/illegale Praktik in der virtuellen Welt ihr Publikum und somit eine Form der Legitimation. „Zur unerlässlichen Medienkompetenz der Rezipienten gehört die Fähigkeit, den Fiktionalitätscharakter eines Werks erkennen und zwischen realer und fiktiver Welt unterscheiden zu können. [Hervorhebung im Original]“ Fenner: Was kann und darf Kunst? Ein ethischer Grundriss, S. 192. Ebd. S. 152.

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Personen direkt betroffen sind (vor Ort) und indirekt teilhaben (Internet), sollten die ProduzentInnen reflektieren, wie die Ereignisse in erster bzw. zweiter Instanz aufgenommen werden. Hobbs und Grafe sehen in den ausgedehnten Diskursen in den Kommentarzeilen besonders heftiger Videos zumindest die Chance, dass sich im Dialog daraus eine Art Medienkompetenz entwickelt. „In any case, the high volume of comments on “bad prank” YouTube videos provides evidence that YouTube viewers recognize the need to share diverse interpretations of ambiguous texts. Controversial online videos that activate the need for discussion and opinion-sharing may advance media literacy competencies.“20 Zu Prank gibt es noch keine weitreichenden Studien, es drängt sich aber der Eindruck auf, dass die Anzahl männlicher Produzenten überproportional hoch ist im Vergleich zu den weiblichen Akteurinnen. Empirisch in keiner Weise aussagekräftige Stichproben, etwa die Suche nach dem Stichwort „Prank“ im Internet mittels der Suchmaschinen google.com und yahoo.com oder auf dem Videoportal youtube.com lieferten auf der ersten angezeigten Seite ca. 90 Prozent von Männern erstellte Inhalte. Diese Stichproben sind selbstverständlich nicht repräsentativ, da die Suchmaschinen auf komplexe Algorithmen zurückgreifen und dabei die bisherige Nutzung einbeziehen, also vermeintlich personalisierte Ergebnisse liefern. Eine Stichprobe über die anonymisierte Suchmaschine duckduck.go im Tor Browser führte jedoch zu einem ähnlichen Ergebnis und kann ein weiteres Indiz dafür sein, dass die meisten der (besonders sichtbaren) AkteurInnen männlich sind. Lara Williams stellt in einem Artikel, in dem sie sich mit besonders schockierenden, angsteinflößenden Prank-Videos auseinandersetzt, fest, dass es ausschließlich Männer sind, die diese Videos erstellen.21 Der von ihr zitierte Kriminologe Tony Blockley sieht in diesen Pranks eine Methode, die männliche Hegemonie zu reproduzieren.22 „In frightening someone […] you are asserting your power and control over them. The intense psychological drive to be dominant is predicated by an environment which aggrandises these values. Why do they do it? Because 20 21

22

Hobbs/Graf: YouTube prankings across cultures, o. S. Vgl. Williams, Lara: What the Popularity of Prank Culture Tells Us About Ourselves, in: Vice, veröffentlicht am 21.11.2016, online: https://www.vice.com/en_uk/article/dpkd3y/ why-are-we-so-obsessed-with-scaring-people abgerufen am 05.02.2021. Tony Blockley nach Lara Williams, ebd.

7. Grenzbereiche

they can. They can scare somebody. They can control someone. These men would never see the people they frighten as ›victims‹. They don't consider that person. They don't try to. They see that person as an object for their achievement – not as a person.“23 Ob sich dieser Trend in Bezug auf jene Prank-Inhalte, die tatsächlich Gesetzesübertretungen beinhalten, fortsetzt, kann nur gemutmaßt werden. Hier fehlt ein neutraler Suchbegriff, denn nicht jedes der Videos, bei denen Gesetze bzw. Verordnungen gebrochen werden, ist mit dem Label „illegal“ versehen. Auffällig ist, dass viele der Videos stereotype Rollenbilder reproduzieren. Exemplarisch kann hier das Video Five-O In The Hood Prank!24 genannt werden, bei dem der YouTuber Vitaly Zdorovetskiy auf den Straßen einer US-amerikanischen Stadt Personen nach Drogen fragt. Nachfolgend mimt er den verdeckten Ermittler und veranlasst so viele der Betroffenen zur Flucht. Bis auf eine Ausnahme sind sämtliche Personen, die der (weiße) Prankster im Video zwecks des Erwerbs von Drogen anspricht, People of Colour. Auch für Videos, bei denen dezidiert Frauen die Zielpersonen sind, lassen sich immer wieder übergriffige und stereotype Konzepte für die „Streiche“ der Prankster belegen.25 Darüber hinaus gibt es AkteurInnen, die politische Meinungsbildung verfolgen und Streiche oder „Social Experiments“ inszenieren, die bestimmte Bevölkerungsgruppen in einem besonders schlechten Licht darstellen, wie etwa der US-Amerikaner Joey Salads, der den RepublikanerInnen nahe stehen soll und als Trump-Unterstützer gilt.26 Bereits lange vor dem Phänomen der Prank-Videos auf YouTube und Co. kritisieren Andrea Juno und V. Vale 1987 einfache und erniedrigende Pranks, die lediglich Stereotype reproduzieren und den Betroffenen (bzw. RezipientInnen) keine neuen Horizonte eröffnen:

23 24 25 26

Ebd. VitalyzdTv: Five-O In The Hood Prank!, in: YouTube, veröffentlicht am 06.09.2013 https ://www.youtube.com/watch?v=XoVQaDbPna8 abgerufen am 02.01.2021. Vgl. Riceman: Chair Prank on Girls!!!, in: YouTube, veröffentlicht am 07.01.2020 https:// www.youtube.com/watch?v=WRsn66CYUwI abgerufen am 30.01.2021. Salads hat in oft komplett inszenierten Videos immer wieder People of Colour in einem besonders schlechten Licht dargestellt, etwa als intolerante Vandalen, die das Auto eines Trump-Unterstützers bzw. einer Trump-Unterstützerin zerstören. Vgl. Slattery, Peter: Drudge Falls for Fake Racist Pro-Trump Stunt, in: Daily Beast, veröffentlicht am 13.04.2017, online: https://www.thedailybeast.com/drudge-falls-for-fake-racist-pro-tru mp-stunt abgerufen am 17.02.2021.

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„[T]hese pointless humiliations do nothing to raise consciousness or alter existing power relationships. They are deeds which only further the statusquo; […] Basically these include all pranks radically recognizable as “cliches” – those which contribute no new poetic imagery.“27 Dabei wird das den Pranks innewohnende Potenzial z.T. verkannt: „Pranks are a type of trick that temporarily distorts or warps reality, bringing people into an unreal world for a short period of time;“28 der von Hobbs und Graf beschriebene Effekt, den die PranksterInnen mit ihren Streichen erzielen, hat durchaus eine Nähe zu einigen in der Bildenden Kunst verbreiteten Praktiken.29 So gibt es KünstlerInnen, die in ihrer Arbeit mit ähnlichen, wenngleich harmloseren Ansätzen, die eher am Konzept der Sendung Versteckte Kamera Anleihe nehmen, im öffentlichen Raum agieren. Hier sei etwa an das bereits erwähnte Projekt Rekonstruktion (vormals Rekonstruktion/ Volkertplatz) von Leopold Kessler erinnert, bei dem er einen neu errichteten Geldautomaten verschwinden ließ und mittels Videokamera die Reaktionen der Menschen auf die veränderte Situation aufzeichnete oder an die Projektserie Proyecto Filoctetes des argentinischen Künstlers Emilio García Wehbi. Wehbi platzierte im Jahr 2002 23 realistische Figuren im Stadtraum von Buenos Aires, die liegende/sitzende Menschen in meist hilfsbedürftigen Posen imitierten (Abb. 38). Die Puppen wurden so arrangiert, dass sie von den PassantInnen als echte Menschen wahrgenommen wurden, die Reaktionen

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Juno, Andrea/Vale, V. (Hg.): Re/Search #11: Pranks!, San Francisco, 1988, S. 4f. Juno und Vale gehen an dieser Stelle von den College Pranks aus. In der Relektüre lässt sich dieser Gedanke als grundsätzliche Kritik an trivialen, despektierlichen (Video-)Pranks fruchtbar machen. Hobbs/Graf: YouTube prankings across cultures, o. S. In der Publikation Re/Search Nr. 11 mit dem Titel Pranks! fand bereits 1987 eine Auseinandersetzung mit der Thematik statt, dabei lag der Focus auf Pranks als künstlerischen Praktiken. Vgl. Juno/Vale (Hg.): Re/Search #11: Pranks!. Carlo McCormick sieht dabei in seinem Essay Pranks and the Avant-Garde eine klare Verbindung früher avantgardistischer künstlerischer Praktiken zum Prank. „The subversive, revolutionary aspects of art for the past hundred years have been intimately connected with a tradition of pranks, hoaxes and mischievous trickery. Modern Art was born out of this heritage of iconoclastic attitudes.” McCormick, Carlo: Pranks and the Avant-Garde, in: Juno/Vale (Hg.): Re/Search #11: Pranks!, S. 201.

7. Grenzbereiche

auf die leblosen Körper wurden dokumentiert und später in einer Ausstellung präsentiert.30 Das junge und komplexe Thema kann an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden, es bedarf weiterer umfassender wissenschaftlicher Arbeiten, die sich mit dem Phänomen der Pranks und den Mechanismen im Zusammenhang mit der Wiedergabe auf Videoplattformen auseinandersetzen.

7.2

Urban Exploration

Urban Exploration bedeutet auf Deutsch so viel wie Stadterkundung. Der Begriff beschreibt die (unautorisierte) Erforschung (schwer zugänglicher) städtischer bzw. von Menschen geschaffener Bereiche wie etwa Hausdächer, Industrieruinen oder Tunnelanlagen durch in der Regel unautorisierte Laien.31 Dabei wird fast immer Dokumentationsmaterial in Form von Fotos und Videos erstellt.32 Da die Erkundungen in der Regel unbefugt stattfinden, machen sich die AkteurInnen bei ihren Touren zum Teil strafbar. Unbefugte menschliche Erkundungen der urbanen Umwelt finden bereits seit geraumer Zeit statt33 , die Entwicklung zu der Bewegung, die heute mit dem Begriff Urban

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Vgl. Röttger, Kati: Stadt als Bühne: Urbane Interventionen und die Raum-Zeit der Globalisierung, in: Hartmann/Lemke/Nitsche (Hg.): Interventionen. Grenzüberschreitungen in Ästhetik, Politik und Ökonomie, S. 136f. Eine Dokumentation des Projekts findet sich auch auf der Website des Künstlers: http://emiliogarciawehbi.com.ar/en/archivo/proye cto-filoctetes-lemnos-en-buenos-aires/ abgerufen am 04.05.2021. Vgl. Ninjalicious: Access All Areas: A User's Guide to the Art of Urban Exploration. Aufgrund meiner Kindheit und Jugend in einem Umfeld mit zahlreichen leicht zugänglichen Leerständen und Ruinen bin ich selbst eine Art Gelegenheits-Explorer ohne besondere Ambitionen. Seit ca. 2004 habe ich das Thema auch online etwas im Blick und verfolge als Rezipient, wie sich Urban Exploration im Internet vermittelt (zunächst in Foren, Internetseiten und Blogs) und durch dieses weiterentwickelt (durch YouTube, Facebook, Instagram etc.). „Documenting their own travels and experiences through photography is likely a major motivation for many urbexers.“ Mott, Carrie/Roberts, Susan M.: Not Everyone Has (the) Balls: Urban Exploration and the Persistence of Masculinist Geography, S. 4, veröffentlicht 2013, online: https://geography.as.uky.edu/sites/default/files/faculty_publicat ions/Mott%20and%20Roberts%20Antipode%202013.pdf abgerufen am 18.11.2021. Der Autor Ninjalicious hat in seiner Publikation Access All Areas: A User's Guide to the Art of Urban Exploration den Versuch unternommen, einen Zeitstrahl anzulegen. Vgl. Ninjalicious: Access All Areas: A User's Guide to the Art of Urban Exploration, S. 229ff.

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Unerlaubte Kunst

Exploration in Verbindung gebracht wird, hat einen ihrer Ursprünge Ende der 1970er Jahre in San Francisco.34 Die Absichten hinter Urban Exploration sind abgesehen von menschlicher Neugier vielseitig. Carrie Mott und Susan M. Roberts beschreiben die verschiedenen Aktivitäten, die unter diesem Begriff vereint werden, als sehr unterschiedlich und weisen darauf hin, dass es kein einheitliches Verständnis davon gibt, was Urban Exploration ist.35 Viele ExplorerInnen machen bei ihren Touren professionelle Fotos und präsentieren die Aufnahmen anschließend nicht nur in Blogs etc., sondern zum Teil auch in Ausstellungen.36 Einige von ihnen werden auch im Kontext der bildenden Kunst verhandelt. Die Interessensgebiete der Urban ExplorerInnen sind vielschichtig und umfassen die Ästhetik des Verfalls und seine Dokumentation (oft als Ruin Porn verunglimpft), (Abb. 39) die Erkundung aktiver Infrastrukturanlagen wie Tunnel- oder Abwassersysteme, die Auseinandersetzung mit Bunkern und Militäranlagen, das Aufsuchen besonders schwer zugänglicher/exponierter Orte wie Hochhausdächer usw. Carrie Mott und Susan M. Roberts kritisieren in ihrem Text Not Everyone Has (the) Balls: Urban Explorati-

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Vgl. ebd. S. 230. Dafür gibt es keine seriösen Quellen, verschiedene Blogs nennen den Suicide Club aus San Francisco als die erste Gruppe von AkteurInnen. Vgl. Wikipedia: Suicide Club (secret society), https://en.wikipedia.org/wiki/Suicide_Club_(secret_society) abgerufen am 12.12.2021. Vermutlich entstand das Phänomen simultan an verschiedenen Orten, auch in Australien gab es bereits ab den 1970er Jahren AkteurInnen die der modernen Form von Urban Exploration zugerechnet werden können. Vgl. Cushing, Nancy/Kilmister, Michael/Scott Nathan: No Vacancy: History and Meaning of Contemporary Ruins in a Regional Australian City, in: Lyons, Siobhan (Hg.): Ruin Porn and the Obsession with Decay, Cham, 2018, S. 172. Der Begriff Urban Exploration als Sammelbegriff wurde erstmalig in der Publikation Access All Areas: A User's Guide to the Art of Urban Exploration verwendet, die Jeff Chapman unter dem Pseudonym Ninjalicious veröffentlicht hat. Vgl. Jansson, André: »This Is Not Ruin Tourism«: Social Media and the Quest for Authenticity in Urban Exploration, in: Lyons (Hg.): Ruin Porn and the Obsession with Decay, S. 224. Gordon Matta-Clarks Film Substrait, der bereits 1976 entstand, gilt mitunter auch als frühes Beispiel für Urban Exploration. Für Russland bzw. die Sowjetunion wird angenommen, dass bereits seit den 1960er Jahren das Phänomen der sogenannten Digger, existiert. Dabei handelt sich um Menschen, die in Moskau das unterirdische Tunnel- und Kanalisationssystem erkunden. Vgl. Mott/Roberts: Not Everyone Has (the) Balls: Urban Exploration and the Persistence of Masculinist Geography, S. 4. Zum Beispiel in der jährlich stattfindenen, kuratierten Ausstellung urbEXPO in Bochum: [Website], http://www.urbexpo.eu/de/ abgerufen am 03.10.2021.

7. Grenzbereiche

on and the Persistence of Masculinist Geography37 , dass sich innerhalb der Szene hauptsächlich weiße Männer reproduzieren und zum Teil selbst als Eroberer inszenieren. Der Text stammt von 2013, der Hang einzelner AkteurInnen zur (Selbst-)Inszenierung im Bild war damals weit weniger ausgeprägt als heute. Die Dokumentation, das bloße Erfassen und Erkunden der Umwelt oder das Interesse an Relikten der Vergangenheit standen stärker im Vordergrund. Der Nervenkitzel in Form von besonders waghalsigen Erkundungen hielt sich dabei scheinbar noch in Grenzen, das Foto als dominierendes Medium, eingebettet in Blogs und Foren, funktionierte anders als die heutigen Action-Kameras, die immersive audiovisuelle Teilhabe der RezipientInnen ermöglichen. Innerhalb der letzten Dekade hat die Selbstinszenierung – befeuert durch die exzessive Nutzung dieser neuen Technologien und Medien in Verschränkung mit neuen (sozialen) Wiedergabemedien wie etwa YouTube – neue Ausmaße angenommen. Aufgrund der Illegalität der Aktionen waren bzw. sind die meisten AkteurInnen darum bemüht, ihre Identität nicht preiszugeben. Heute gibt es jedoch einige Urban ExplorerInnen, die keinen Hehl um ihre Person machen und sich offen und unter ihrem eigenen Namen präsentieren.38 Unter den überwiegend männlichen Urban ExplorerInnen hat dabei in den letzten Jahren das Roofing auch Rooftopping an Popularität gewonnen. Bei dieser Ausrichtung suchen die Urban ExplorerInnen vor allem hohe Bauwerke (Brücken, Hochhäuser, diverse Infrastruktur) für ihre Erkundungen auf (Abb. 40).39 Roofing hat seinen Ursprung in Russland, wo es seit der zweiten Hälfte der Nullerjahre praktiziert wird.40 Anfangs erzeugten die RooferInnen vor allem ästhetische Fotografien der Stadtlandschaften, erst später

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Vgl. Mott/Roberts: Not Everyone Has (the) Balls: Urban Exploration and the Persistence of Masculinist Geography. Dies ist mutmaßlich davon beeinflusst, dass die offene Zurschaustellung der eigenen Person der Funktionsweise der Sozialen Medien entspricht und zu größerem Interesse der RezipientInnen führt. Vgl. Branco, Luís Carlos S.: Flying Bodies: Skywalker and Rooftopper Youth Communities in Interaction with the Contemporary Megalopolis, in: Barker, Anthony/Callahan, David (Hg.): Body and Text: Cultural Transformations in New Media Environments, Cham, 2019, S. 81ff. Branco verwendet in seinem Text überwiegend den Begriff Skywalking, in dieser Arbeit hingegen wird die von den ersten russischen AkteurInnen gewählte Eigenbezeichnung Roofing verwendet. Ebd. S. 84.

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begannen sie, sich selbst auf den Bildern darzustellen und auch Videos, die ihre Aktionen dokumentieren, anzufertigen.41 Viele der AkteurInnen nutzen dabei ausgiebig das Internet, um ihre Fotos und Videos zu verbreiten und so Aufmerksamkeit zu generieren. In der Symbiose aus ausufernder Medienpräsenz auf verschiedenen Kanälen (YouTube, Facebook, Instagram etc.) und dem Wunsch, eine hohe Zahl an RezipientInnen zu erreichen, ist dabei auch die Ausrichtung extremer geworden.42 Während in den ersten Jahren spektakuläre Stadtansichten genügten, um viral erfolgreich zu sein, performen viele RooferInnen heute (akrobatische) Stunts und Kunststückchen in möglichst gefahrvollen Situationen.43 Durch die sozialen Medien erlangen sie Anerkennung und Profit, für die vermeintlichen HeldInnentaten werden dabei hohe Risiken eingegangen. Unfälle mit Todesfolge (z.B. Wu Yongning 201744 ) oder drastische Strafen sind mitunter die Konsequenzen. Der britische YouTuber Ally Law gerät beispielsweise in seinen Videos, in denen er zeigt, wie er meist nachts unerlaubt Hochhäuser, Shopping Malls, Schwimmbäder etc. erkundet oder Brücken erklimmt, regelmäßig in Polizeikontakt und wird verhaftet.45 Die Videos erreichen ein Millionenpublikum, die Faszination für die ZuschauerInnen besteht dabei in der Unmittelbarkeit der illegalen Streifzüge. Die Konstellation des einfachen jungen Mannes, der in der Rolle des Outlaws in fremde Machtbereiche vordringt, evoziert eine David-gegen-GoliathSituation, in der Ally Law (so wie zahlreiche andere AkteurInnen der Szene)

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Ebd. S. 84. In dieser exzessiven Mediennutzung und Selbstdarstellung besteht auch ein Abgrenzungsmerkmal zur älteren Praxis des Fassadenkletterns. Ebd. S. 87. Vgl. Wong, Tessa: Wu Yongning: Who is to blame for a daredevil's death?, in: BBC News, veröffentlicht am 16.12.2017, online: https://www.bbc.com/news/world-asiachina-42335014 abgerufen am 14.04.2021. Ally Law beschränkt sich nicht auf Roofing, sondern ist eher ein Urban Explorer, der verschiedene Bereiche des Feldes abdeckt und seine Aktionen exzessiv dokumentiert und veröffentlicht. Er ist insbesondere für seine Videoinhalte bekannt, eingebettet in packende Narrationen, geben sie seine Abenteuer wieder. Vgl. Law, Ally: ROOFTOP POLICE ESCAPE *Arrested*, in: YouTube, veröffentlicht am 16.10.2017, https://www.you tube.com/watch?v=JWm6LfFFRB4 abgerufen am 26.02.2021. Zugriff der Polizei ab Minute 8:03. Inzwischen hat Ally Law mehrere Gerichtsverhandlungen hinter sich. Auf seinem YouTube-Kanal (Ally Law) werden in letzter Zeit (Stand Juni 2021) nur noch Inhalte hochgeladen, die entweder außerhalb Großbritanniens, jenseits der britischen Gerichtsbarkeit erstellt wurden, oder schon vor längerer Zeit aufgenommen wurden.

7. Grenzbereiche

als furchtloser Held zur Identifikationsfigur für sein Publikum im Internet wird. Durch sein Handeln untergräbt er die Dominanz mächtiger wirtschaftlicher InteressenträgerInnen, das Katz-und-Maus-Spiel mit Polizei und Sicherheitsdiensten, gefilmt aus seiner Perspektive, bietet aufgrund seiner Authentizität einen größeren Spannungsmoment als Actionfilme oder ScriptedReality-Formate. Die Akteure um Ally Law, mit denen er in seinen Videos auftritt, sind allesamt männlich. Es hat sich scheinbar durch die neuen Medien und den vereinfachten Zugang zu Produktionsmitteln keine nennenswerte Verschiebung der Geschlechterverteilung innerhalb der Urban Exploration eingestellt. In der russischen Rooferszene gibt es zumindest einige Akteurinnen – allen voran Angela Nikolau –, die es auf YouTube und vor allem Instagram zu großer Bekanntheit geschafft haben.46 Nikolau inszeniert sich dabei aber immer wieder als leicht bekleidete Schönheit am Abgrund und bedient somit ein stereotypes Rollenbild.47 Eine Aktion von Ally Law, die abseits des performativen Aspekts von Roofing bzw. Urban Exploration eine weitere Verbindung zur Kunst schafft, ist in seinem Video SETTING UP BOUNCY CASTLE IN RIDICULOUS PLACES! Police came..48 dokumentiert. Im Video wird gezeigt, wie an einem gewöhnlichen Arbeitstag ungenehmigt eine Hüpfburg innerhalb der Londoner Waterloostation aufgebaut und benutzt wird. Die Polizei setzt dem Treiben schließlich ein Ende. Im Ansatz ähnelt dieses urbanistische Projekt sehr dem von den französischen SituationistInnen konzipierten Détournement, bei

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Vgl. Branco, Luís Carlos S.: Flying Bodies: Skywalker and Rooftopper Youth Communities in Interaction with the Contemporary Megalopolis, S. 85. Ihr hochprofessioneller Instagramauftritt und entsprechende Werbeschaltungen lassen darauf schließen, dass sie inzwischen mit ihrer Tätigkeit und ihrem Image Geld verdient. Auch auf ihrem YouTube-Kanal (Elevation), den sie gemeinsam mit ihrem Partner betreibt, sind nur noch hochwertig produzierte Videos zu finden. Ein Zusammenschnitt, den eine andere Person auf YouTube veröffentlicht hat, zeigt auch ältere Aufnahmen und gibt daher einen umfassenderen Eindruck ihrer Tätigkeit als Rooferin: Vgl. Tel & Mov: Riskiest Selfie Ever | World's Riskiest Selfie Girl | Angela Nikolau – PART 1 |, in: YouTube, veröffentlicht am 26.08.2016, https://www.youtube.com/watch?v =ydNLX2nig4I abgerufen am 09.01.2021. Law, Ally: SETTING UP BOUNCY CASTLE IN RIDICULOUS PLACES! Police came.., in: YouTube, veröffentlicht am 31.01.2018, https://www.youtube.com/watch?v=bIpVYg-X31 s abgerufen am 16.01.2021.

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dem mittels Zweckentfremdung, Entwendung oder Deplatzierung, Kontextverschiebungen vorgenommen wurden bzw. Umkodierungen stattgefunden haben. Urban Exploration bewegt sich an der Schwelle von kreativem Ungehorsam49 , ästhetischer Wirklichkeitserfahrung (und Wiedergabe), Wissensbildung und Abenteuersport. Die Verbindungen zwischen Urban Exploration und zeitgenössischer Kunst sind vielfältig. Sämtliche Bereiche des komplexen Feldes beinhalten kreative Aspekte, einige AkteurInnen sehen in ihrer (videoperformativen) Praxis Bezüge zur Kunst50 , andere fertigen hochwertige Fotografien von verlassenen Orten etc. an, die im Kunstkontext verhandelt werden. Demgegenüber gibt es klassische KünstlerInnen, die zu bestimmten verlassenen Orten/Gebäuden konzeptuelle (Foto-)Arbeiten entwickeln. Hinzu kommen jene KünstlerInnen, die verlassene Orte oder leerstehende Gebäude als Material/Kontext für (legale) Installationen oder aufwändig inszenierte Fotografien nutzen, wie etwa die Niederländerin Marjan Teeuwen51 oder der Franzose Georges Rousse52 . Daneben gibt es AkteurInnen wie etwa das Berliner Künstlerduo Wermke/ Leinkauf, die performative Projekte entwickelt haben, die in einem ähnlichen Kontext wie die Aktionen und Bilder der RooferInnen verortet werden können und die sich scheinbar nur aufgrund ihrer technischen Ausführung und ihrer inhaltlichen Einbettung von diesen unterscheiden53 (Abb. 41).

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Luís Carlos S. Branco sieht speziell im Roofing (er arbeitet mit dem Begriff Skywalking), und dabei in der Entstehungskonstellation im repressiven Russland, Aspekte subversiven politischen Aufbegehrens. „Russian skywalkers never talk directly about politics, but it is not very difficult to see that there are ideological elements in skywalking“. Branco, Luís Carlos S.: Flying Bodies: Skywalker and Rooftopper Youth Communities in Interaction with the Contemporary Megalopolis, S. 90. „Russian skywalkers are exercising their freedom of action which in an autocratic regime based upon a powerful state security apparatus and its surveillance structures is somehow a very strong ideological statement“. Ebd. S. 92. Ebd. S. 91. Vgl. Teeuwen, Marjan: Verwoest Huis Leiden, [Website der Künstlerin], https://www.ma rjanteeuwen.nl/gallery/verwoest-huis-leiden-2015/ abgerufen am 09.10.2021. Vgl. Rousse, Georges: Couleur, [Website des Künstlers], https://www.georgesrousse.co m/en/selections/serie/couleur/ abgerufen am 09.10.2021. Etwa ihre Arbeit Drifter, bei der eine Person an schwer zugänglichen Orten in großer Höhe (auf Hausdächern, Brückenbögen etc.) abgebildet wird. Vgl. Schacter, Rafael: The world atlas of street art and graffiti, London, 2013, S. 218/219 und vgl. Wermke/

7. Grenzbereiche

Weitere Grenzbereiche, die dem Feld nahestehen, aber eine noch stärkere sportliche Konnotation haben, sind etwa das S-Bahn- oder Train-surfing, bei dem Personen während der Bahnfahrt illegal an Waggons hängen oder auf diesen sitzen, stehen oder liegen, oder auch die Sportart Parcour, bei der die AkteurInnen sich in einem athletisch-ästhetischen Verständnis den städtischen Raum aneignen.

7.3

Guerilla Marketing

Es lässt sich darüber streiten, ob Werbung Kunst ist oder nicht, zumindest greift die Werbung als Form der angewandten Kunst immer wieder auf künstlerische Ausdrucksformen zurück. Für diese Arbeit ist das Guerilla Marketing54 interessant und dabei speziell jene Werbemaßnahmen, die unautorisiert im Außenraum realisiert werden.55 Bei dieser Art des Werbens geht es vereinfacht ausgedrückt darum, mit möglichst unkonventionellen Mitteln und minimalem Aufwand Werbebotschaften zu vermitteln. Prinzipiell bewegt sich das sehr vielseitige Feld des Guerilla Marketings eher im legalen Bereich, es gibt jedoch immer wieder Ausnahmen. „[Es herrscht R.H.] durch eine Vielzahl

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Leinkauf: Drifter, [Website der Künstler], https://www.wermke-leinkauf.com/en/works /drifter abgerufen am 09.10.2021. „Seit einigen Jahren erobern „neue“ kreative Kommunikationsformen den Bereich der Außenwerbung. Nicht immer sind eingesetzte Werbeträger, -medien und -ideen neu. Allerdings ist die Art und Weise der Werbeinszenierung in der Öffentlichkeit für die Konsumenten meist unbekannt und unerwartet. Die überwiegenden Formen dieser alternativen Kommunikationswege in der Außenwerbung werden in Praxis, Literatur und Wissenschaft unter dem Begriff Guerilla Marketing zusammengefasst.“ Krieger, Kai Harald: Guerilla Marketing. Alternative Werbeformen als Techniken der Produktinszenierung, Wiesbaden, 2012, S. 1. Hier geht es vor allem um das sogenannte Street Marketing. „Fast könnte man meinen, die Außenkommunikation entdeckt alte Werbeformate wieder. So machen sich neben den festen und gewohnten Werbeträgern Poster, Flyer, Banner, Sticker und Gratisprodukte als Formen der Wildplakatierung auf den Straßen „breit“. Hinzu kommen neue Techniken zur Platzierung von Logos und Markenbotschaften durch Kreidemalerei, Graffiti, Wash-away-Graffiti, Hochdruckreinigung, Lichtprojektionen, Pflanzen- oder Snow-Branding“. Ebd. S. 17ff. Dabei kann es auch zu Überschneidungen mit den beiden Guerilla-Außenwerbepraktiken Ambient Marketing und Sensation Marketing kommen. Ebd. S. 19.

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Unerlaubte Kunst

an unterschiedlichen Techniken und Werbemedien bei Praktikern, Agenturen und Wissenschaftlern ein diffuses Bild, welche Marketingpraktiken oder Strategien dem Guerilla Marketing zugeschrieben werden.“56 Die GuerillaWerbung im Außenraum ist u.a. maßgeblich durch das sogenannte Adbusting (siehe Kapitel 3/Unautorisierte künstlerische Praktiken im öffentlichen Raum) (Abb. 42) beeinflusst worden57 , das vor allem von AkteurInnen aus dem Artivism und von Street-Art-KünstlerInnen betrieben wird. Anselm Jappe bemerkt, dass die AdbusterInnen zum Teil beruflich mit der Werbeindustrie verbunden sind: „Formell besteht kein allzu großer Unterschied zwischen der Werbung und den sie kritisierenden ,Adbusters‘ (auch abgesehen davon, dass es sich offenbar oft um dieselben Personen handelt – einmal in der Woche, einmal am Wochenende).“58 Die Funktionsweisen der (legalen) Guerilla-Kampagnen ähneln in ihren Strategien oft stark den Projekten von Street-Art-KünstlerInnen, im (städtischen) Alltag der Menschen sollen sie schnell dechiffrierbar sein und zugleich auffallen59 (Abb. 43). Auch beim Guerilla-Marketing wird mit dem „Aha-Effekt“ gearbeitet, wie Blanché die bei Banksy vorkommende Praxis bezeichnet, „dass zwei dem Betrachter bekannte Bilder [im Fall der Werbung ist der Begriff Elemente treffender R.H.] kombiniert werden, die unterschiedlicher nicht sein können.“60 Street Art und (Guerilla-)Werbung haben sich in ihrer Entwicklung wechselseitig beeinflusst61 , es werden wie Julia Reinecke schreibt, die gleichen Grafikprogramme und Drucktechniken benutzt, viele der Street-Art-AkteurInnen haben eine Verbindung zur Werbeindustrie.62 56 57 58

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Ebd. S. 1. Vgl. autonome a.f.r.i.k.a. Gruppe/Blisset/Brünzels (Hg.): Handbuch der Kommunikationsguerilla, S. 96. Vgl. Jappe, Anselm: Die Situationisten und die Aufhebung der Kunst: Was bleibt davon heute? In: Hartmann/Lemke/Nitsche (Hg.): Interventionen. Grenzüberschreitungen in Ästhetik, Politik und Ökonomie, S. 49. So etwa eine Werbeaktion in der Züricher Innenstadt, bei der ein gelber Zebrastreifen teilweise durch eine Übermalung eingefasst wurde, die einer handelsüblichen Pommes-Verpackung der Fast-Food-Kette McDonalds nachempfunden war. Vgl. Ads of the World: McDonald’s. MacFries Pedestrian Crossing, veröffentlicht am 03.08.2010, online: https://www.adsoftheworld.com/media/ambient/mcdonalds_macfries_pedestr ian_crossing abgerufen am 19.10.2021. Blanché: Something to s(pr)ay: Der Street-Artivist Banksy. Eine kunstwissenschaftliche Untersuchung, S. 55. Ebd. S. 41. Vgl. Reinecke: Street-Art. Eine Subkultur zwischen Kunst und Kommerz, S. 143.

7. Grenzbereiche

Es profitiert davon vor allem die Werbung, die nicht nur die Ästhetiken und Strategien der Street Art (und von Graffiti) übernimmt (Abb. 44), sondern immer wieder auch mit dem anrüchigen Habitus von Street Art kokettiert und zum Teil illegale Werbekampagnen umsetzt, bei denen Firmenlogos oder Markenbotschaften mit Schablonen im Stadtraum auf Straßen und Gehwegen gesprüht werden (Abb. 45).63 Auch andere Aktionen des GuerillaMarketings wie etwa das Streetbranding, bei dem mittels Schablonen und Hochdruckreinigern Werbebotschaften auf verschmutzten Mauern und Wänden angebracht werden, können zumindest eine Verwaltungsübertretung (Ö.) bzw. Ordnungswidrigkeit (D.) darstellen. Aufsehenerregend war eine Aktion des Künstlers Brad Downey 2008 im Rahmen einer Werbekampagne für das Modelabel lacoste, die in Kooperation mit dem KaDeWe (Kaufhaus des Westens) in Berlin durchgeführt wurde. „Ich werde einen Feuerlöscher mit lacoste-grüner Farbe nehmen und ein Objekt, eine öffentliche Skulptur oder etwas Architektonisches, anmalen.“64 , so stand es laut dem Journalisten Benjamin Reuter in Downeys Beschreibung zu dem Projekt mit dem Namen Don´t worry about that shit, Rene. Während die AuftraggeberInnen eine Straftat in Kauf nahmen, war es letztlich das Gebäude der KooperationspartnerInnen – des KaDeWes – welches von Downey mittels Feuerlöscher einen grünen Farbauftrag erhielt.65 Die ganze Aktion scheint an der Grenze von Kommerz, Kunst und illegaler Handlung zu balancieren, wobei sich bis heute nicht aufklären lässt, ob es nicht doch ein durchgeplantes PR-Konzept war und 63

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So etwa in Hamburg, wo 2016 eine Werbeagentur im Rahmen einer Kampagne für die Firma Peugeot mit Kreidespray Stencils auf den Boden sprühte, die trotz der theoretisch wasserlöslichen Farbe aufgrund der Sondernutzung der öffentlichen Wege illegal waren (Abb. 45). Vgl. Pichlmair, Stefanie: Bußgeld für Werbung auf Fußweg in der Hamburger City, in: Hamburger Abendblatt, veröffentlicht am 27.11.2016, online: https://www.abendblatt.de/hamburg/hamburg-mitte/article208804 743/Bussgeld-fuer-Werbung-auf-Fussweg-in-der-Hamburger-City.html abgerufen am 19.10.2021. Vgl. auch Young: Street Art, Public City. Law, Crime and the Urban Imagination, S. 5, sowie vgl. Kost, Ryan: Twitter’s stenciled San Francisco street tweets #illegal #graffiti, city says, in: San Francisco Chronicle, veröffentlicht am 12.09.2019, online: https://www.sfchronicle.com/business/article/Twitter-breaks-law-to-put-tweets-o n-San-Francisco-14435785.php abgerufen am 09.01.2021. Downey, Brad, zitiert nach Reuter, Benjamin: Der Mann, der das KaDeWe grün besprühte, in: Welt, veröffentlicht am 11.06.2008, online: https://www.welt.de/regionale s/berlin/article2055731/Der-Mann-der-das-KaDeWe-gruen-bespruehte.html abgerufen 18.12.2021. Ebd.

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in der Inszenierung des vermeintlichen Skandals AuftraggeberInnen und Künstler kollaboriert haben. Dieser Exkurs zu den fluiden Randbereichen des Kosmos der illegalen künstlerischen Praktiken im öffentlichen Raum sollte weitere transgressive Praxen mit Bezügen zur Unauthorized Public Art vorstellen. Mit subversiven Taktiken durchbrechen sie den Alltag, verschieben Grenzen und erproben in der sich stetig verändernden Medienwelt immer neue Ausdrucksformen.

8. Eine weitere Perspektive – Repressive Systeme und unautorisierte Kunst im öffentlichen Raum – Fallbeispiel Russland

Um das Thema nicht aus einer Perspektive zu betrachten, die sich nur auf Westeuropa und die USA beschränkt, wurde Russland als weiteres Anschauungsgebiet herangezogen. Von Interesse war dabei vor allem, welche unautorisierten künstlerischen Annäherungen an den öffentlichen Raum zu verschiedenen Zeiten – auch während des Bestehens der Sowjetunion – stattfanden. Wie bereits anhand der Beispiele aus der damaligen Tschechoslowakei oder Polen aufgezeigt wurde, kommen unautorisierte künstlerische Ausdrucksformen im Außenraum auch in autoritären Staaten vor. Was macht den Blick auf Russland bzw. die Sowjetunion interessant? Warum bietet sich dieses Land für eine genauere Analyse an? Einerseits liegt eine gute Informationslage vor – in den vergangenen Jahren gab es eine umfassende internationale Medienberichterstattung über die unautorisierten Aktivitäten von einigen russischen KünstlerInnen. Andererseits gab es in Folge der jahrzehntelangen Ausgrenzung nicht-konformer künstlerischer Positionen (speziell zu Sowjetzeiten) immer Kunst im Untergrund, die mit den aktuellen Ausprägungen illegaler/regierungskritischer Kunst in Russland verglichen werden kann. In Folge der staatlichen Repression sind – heute gekoppelt mit der durch das Internet entstandenen Netzöffentlichkeit – neue radikale Formen der Protestkunst entstanden.1

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Die politisierten künstlerischen Positionen sind im Verständnis dieser Arbeit Teil des Artivism. Nachfolgend werden teilweise auch die Begriffe Aktionismus (1990er) und Aktivismus (ab ca. 2000) verwendet, mit denen diese künstlerischen Ausrichtungen/ Phasen in der Kunsttheorie bereits benannt wurden.

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Russland hat aufgrund seiner Geschichte eine sehr spezifische Prägung erfahren: Das Land bzw. seine EinwohnerInnen waren stets mit starker staatlicher Repression konfrontiert, während der Zarenzeit, zur Zeit des Kommunismus, aber auch heute.2 Schon Zar Nikolaus regierte Russland autokratisch und mit Härte. Während seiner Regierungszeit entstand „[e]ines der repressivsten Polizeiregime Europas“.3 Die Bedingungen, insbesondere unter den sowjetischen Diktatoren Lenin und Stalin, sind hinreichend bekannt und dokumentiert. Wie dramatisch die Einschränkungen der Freiheit während dieser Periode waren, wird hier nicht weiter ausgeführt. Das totalitäre kommunistische Regime, das bis 1991 existierte – aber bereits ab Mitte der 1980er im Zuge von Perestroika und Glasnost aufweichte – hinterließ nach seinem Zusammenbruch ein Vakuum, in dem KünstlerInnen vor allem in den 1990er Jahren ungeahnte Freiräume vorfanden und ohne jegliche staatliche Einflussnahme arbeiten konnten.4 Seit Beginn der Ära Putin entwickelt sich das Land jedoch wieder in eine entgegengesetzte Richtung. Durch die Regierung lanciert, findet eine Einschränkung von BürgerInnenrechten und die Rückbesinnung auf konservative Werte statt. Gesetzesverschärfungen gehen einher mit Geschichtsverklärung, dem Wiederbeleben des Stalin-Kults5 und der in Teilen der Bevölkerung entfachten Sehnsucht, zu alter Größe zurückzufin-

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3 4 5

Vielfach besteht die Meinung, dass Russland aufgrund seiner Größe, seiner Diversität, der geringen Bevölkerungsdichte etc. eine „starke“ (autoritäre) Führung braucht. Vgl. Loftus, Suzanne: Insecurity & the Rise of Nationalism in Putin’s Russia, Cham, 2019, S. 10f. In jedem Fall ist es notwendig, die Politik und die politische Geschichte nicht allein nach westlichen Maßstäben zu beurteilen (Ebd.). Nach dem Zerfall der Sowjetunion ist die Situation deutlich besser geworden, seit Anfang der Nullerjahre ist jedoch ein von Wladimir Putin beförderter verstärkter Konservativismus zu beobachten. Vgl. Jonson: Art and Protest in Putin's Russia, S. 31ff. Unter dem Deckmantel neuer Gesetze, etwa dem Anti-Gay-Propaganda-Gesetz, werden Minderheiten kriminalisiert und Menschenrechte verletzt. Vgl. Buyantueva, Radzhana: Analyse: LGBT-Bewegung und Homophobie in Russland, veröffentlicht am 19.02.2018, online: http://www.bpb.de/internationales/europa/russland/analysen/264904/analyselgbt-bewegung-und-homophobie-in-russland abgerufen am 02.01.2021. Möbius, Thomas: Russische Sozialutopien von Peter I. bis Stalin: Historische Konstellationen und Bezüge, Münster, 2015, S. 134. Vgl. Jonson: Art and Protest in Putin's Russia, S. 6 ff. Ebd. S. 33.

8. Repressive Systeme u. unautorisierte Kunst im öffentlichen Raum, Fallbeispiel Russland

den.6 Daraus ergibt sich für progressive illegale künstlerische Praktiken ein vielschichtiges Spannungsfeld. Während der Staat seit der Jahrtausendwende repressiver wurde, formierte sich im Untergrund eine KünstlerInnen- und AktivistInnenszene, die illegale oder unautorisierte Projekte umsetzt und deren radikalste AkteurInnen mit ungenehmigten Performances, Interventionen etc. stets darum bemüht sind (bzw. waren), Aufsehen zu erregen und ggf. neue Skandale zu provozieren, an denen sich der gesellschaftliche Diskurs aufreibt. Grundsätzliche demokratische Werte wie die Gleichberechtigung von Frauen und Männern – eine Errungenschaft aus der Zeit der Sowjetunion, die heute unter dem Einfluss von Staat und orthodoxer Kirche zunehmend geschwächt wird – existieren in Russland. Die (konsum-)kulturelle Ausrichtung – Werbung und Lifestyle-Magazine propagieren den Erwerb von Luxusartikeln und deren Zurschaustellung – kann als westlich bezeichnet werden. Russland wird innerhalb dieser Arbeit dennoch ganz bewusst als „eigener Kosmos“ Westeuropa und den USA gegenübergestellt. Diese Abgrenzung fußt historisch auf der während des Kalten Krieges etablierten Unterscheidung zwischen den Westmächten und dem Ostblock. Sie spiegelt aber auch ein Verständnis von Russland als einer andersartigen Nation, die weder westlich-europäisch noch asiatisch ist, welches Putin und seine Strategen seit einigen Jahren im Bewusstsein der Bevölkerung zu verankern suchen.7 „The creation of a new Russian identity became a central task for the regime’s ideologists. Putin chose a strategy of traditional, basic collective values.“8 Dabei wird laut Jonson ein kollektives Wir heraufbeschworen, das im Kontrast zum permanenten Unsicherheitsgefühl während der 1990er Jahre identitätsstiftend sein soll. Dieses neue Wir-Gefühl stehe in Verbindung

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Vgl. Loftus: Insecurity & the Rise of Nationalism in Putin’s Russia, S. 148. Dies geht sogar so weit, dass im Jahr 2000, nach der Machtübernahme Putins, die Sowjetische Nationalhymne wieder eingesetzt wurde, allerdings mit einem veränderten Text. (Ebd.) Jonson: Art and Protest in Putin's Russia, S. 31ff. Diese von der Regierung forcierte Abgrenzung ist so erfolgreich, dass auch junge Kunst- und Kulturschaffende in Moskau in Gesprächen oft von Europa und dem Westen reden und dabei Russland in diese Definition nicht miteinbeziehen. Die konstruierte Andersartigkeit wird in dieser Arbeit kritisch gesehen, müsste aber gesondert untersucht werden. Da sie von weiten Teilen der Bevölkerung angenommen wird, sich so fortwährend selbst manifestiert und somit real wird, wird sie für diese Arbeit dennoch aufgegriffen. Ebd. S. 9.

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mit dem „[…] unique Russian Path“9 , der auf der Idee aufbaut, dass Russland in Abgrenzung von westlichen Wertvorstellungen und Normen, basierend auf seiner besonderen Tradition seinen eigenen, spezifischen Platz in der Welt einnimmt.10 Neben diesen gesellschaftlichen Besonderheiten bedingt auch die Geografie Russlands eine außergewöhnliche Situation. Das flächenmäßig größte Land der Erde ist in elf Zeitzonen aufgeteilt und mit acht Einwohnern pro Quadratkilometer extrem dünn besiedelt. Unzählige verschiedene Ethnien sind in seiner Bevölkerung vereint. Durch die überwiegend ländliche Prägung, insbesondere der östlichen Landesteile, sind die Kunst-Zentren vor allem in den westlichen Ballungszentren Moskau und St. Petersburg auszumachen. Auch in anderen Städten, etwa im sibirischen Nowosibirsk oder in Jekaterinburg gibt es aktive Kunstszenen. In diesem Kapitel wird aber vor allem das Geschehen in der Hauptstadt Moskau untersucht.

8.1

Fördern repressive Systeme illegale künstlerische Praktiken im öffentlichen Raum?

Im Zuge der Auseinandersetzung mit dem Thema wurde festgestellt, dass in verschiedenen Staaten unterschiedliche Spielräume für KünstlerInnen bestehen, um unautorisiert im Außenraum zu agieren. Im Hinblick auf repressive Staaten drängt sich die Frage auf, ob KünstlerInnen vermehrt unautorisiert im Außenraum arbeiten. Könnte es sein, dass in Ländern mit schwach ausgeprägten demokratischen Strukturen, in denen Grundrechte zwar in der

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Ebd. S. 35. Ebd.

8. Repressive Systeme u. unautorisierte Kunst im öffentlichen Raum, Fallbeispiel Russland

Verfassung enthalten sind, die Verfassungswirklichkeit 11 diese aber stark beschränkt, Ausgrenzung, Kriminalisierung und Abdrängung eine Politisierung und Radikalisierung von KünstlerInnen bedingen? Hans Winkler schrieb über seine Recherche für die Ausstellung legal / illegal in der NGBK Berlin 2004 dazu, „[d]ass vor allem in Krisenzeiten häufig radikalere Aktionen zu verzeichnen sind“.12 Russland, das sich als Transformationsgesellschaft13 seit dem Ende der Sowjetunion quasi dauerhaft in einem Krisenzustand befindet, scheint daher besonders interessant zu sein. Von außen betrachtet, bestätigt sich der Verdacht zunächst, vor allem in Bezug auf die KünstlerInnen aus dem Bereich des Artivism. Durch die intensive Auseinandersetzung mit dem Land und seiner Kunstwelt im Zuge der Recherche für diese Arbeit, durch mehrere Aufenthalte in Moskau, Ausstellungsbesuche, Archivrecherchen im NCCA Moskau (National Center for Contemporary Art)14 und in der Bibliothek des Garage Museums, durch Gespräche mit KünstlerInnen, TheoretikerInnen und Kulturschaffenden lässt sich diese Annahme jedoch teilweise entkräften, insbesondere in Bezug auf die Zeit der UdSSR. Etwa ab dem Zusammenbruch der Sowjetunion gab es hingegen fast durchgehend AkteurInnen, die sehr konfliktbereit im öffentlichen Raum 11

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Verfassungswirklichkeit meint die Umsetzung der Verfassung: „Entscheidend ist […] wie die Vorgaben der Verfassung in Gesetzen und untergesetzlichen Bestimmungen konkretisiert und von Behörden und Gerichten ausgelegt werden. Dies gilt für das politisch sensible Beziehungsgeflecht zwischen Legislative und Exekutive, das in einer Verfassungsurkunde naturgemäß nur rahmenhaft geregelt sein kann und seine Ausprägung erst in der Verfassungspraxis erfährt.“ Schmidt, Carmen: Entstehung und Entwicklung der Verfassung der Russischen Föderation aus deutscher Sicht, in: Fadeev, Vladimir, I./Schulze, Carola (Hg.): Verfassungsentwicklung in Russland und Deutschland. Materialien des russisch-deutschen Symposiums anlässlich des 20. Jahrestages der Verfassung der Russischen Föderation am 25. und 26. September 2013 an der Universität Potsdam, Potsdam, 2014, S. 68. Neue Gesellschaft für Bildende Kunst (Hg.): legal / illegal. Wenn Kunst Gesetze bricht / Art beyond Law, S. 28. Vgl. Drews-Sylla: Moskauer Aktionismus – Provokation der Transformationsgesellschaft. Website des NCCA: http://www.ncca.ru/index abgerufen am 12.09.2021. Die Recherche im Archiv des NCCA fand im Frühjahr 2016 statt. Wenige Wochen nach meinen Besuchen dort wurde der Leiter entlassen, die unabhängige Institution in die staatliche ROSIZO-Struktur eingegliedert und somit einem stärkeren staatlichen Einfluss unterzogen. Vgl. Artforum-Redaktion: Russia’s National Center of Contemporary Art is Folded into ROSIZO, in: Artforum [Website], veröffentlicht am 25.05.2016, https://www.artforum.com/news/russia-s-national-center-of-contempo rary-art-is-folded-into-rosizo-60296 abgerufen am 05.01.2021.

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agierten, Grenzen des Erlaubten überschritten und damit Aufsehen erregten. Tatsächlich traten diese KünstlerInnen aber chronologisch nacheinander in Wellen auf und entsprachen nicht dem Mainstream, sondern belegten eher Randpositionen.15 In den letzten Jahren bestimmten die KünstlerInnen der Gruppen Woina und Pussy Riot sowie zuletzt der Künstler Pjotr Pawlenski das Geschehen. Auch sie traten nacheinander in Erscheinung, in der Reihenfolge, wie sie hier genannt werden. Ebenso gingen andere, weniger bekannte KünstlerInnen in den öffentlichen Raum und realisierten jenseits der Grenzen des Erlaubten Projekte, z.B. Denis Mustafin. Darüber hinaus gibt es viele ArtivistInnen, die mit weniger radikalen oder legalen Praktiken ihren künstlerischpolitischen Anliegen Gehör verschaffen wollen. Die letzte Welle, die während der Amtszeit von Präsident Dmitri Medwedew und im Zuge der Protestbewegungen 2011/12 an Fahrt aufnahm, scheint jedoch mittlerweile ein Ende gefunden zu haben. Die KünstlerInnen des Kollektivs Woina sind verstreut, aufgrund polizeilicher Verfolgung mussten einige Mitglieder in den Untergrund abtauchen und leben teilweise im Ausland, ein Mitglied ist bereits verstorben.16 Pussy Riot hat sich aufgelöst bzw. haben die beiden prominentesten Mitglieder, die vom Rest der Gruppe ausgeschlossen wurden, ihre Tätigkeiten unter der weiteren Verwendung des Namens eher in den legalen Bereich verlegt.17 Sie beteiligen sich aktiv am putinkritischen Diskurs und engagie-

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Es waren oft junge KünstlerInnen, die noch nicht etabliert waren und die noch nicht vom Kunstbetrieb vereinnahmt waren. Über die unautorisierten Aktionen im öffentlichen Raum generierten sie eine große Aufmerksamkeit. Die Bewegung E.T.I. ist ein Beispiel dafür. Es scheint als würden radikale Außenseiterpositionen später möglicherweise zugunsten einer Teilhabe am institutionalisierten Kunstgeschehen aufgegeben. Vgl.: RadioFreeEurope RadioLiberty: Russian Dissident Art Group Member Reported Dead, veröffentlicht am 24.09.2015, online: https://www.rferl.org/a/russia-voina-artist-nikola yev-dead/27268223.html abgerufen am 10.03.2021. Streng genommen ist der Status der Gruppe unklar. Die beiden Aktivistinnen Marija Wladimirowna Aljochina und Nadeschda Andrejewna Tolokonnikowa, die 2012 zweijährige Gefängnisstrafen antreten mussten, und die heute sehr erfolgreiche Karrieren unter dem Label Pussy Riot betreiben, wurden 2014 von den anderen Mitgliedern ausgeschlossen, mit der Begründung, dass sie nicht mehr die feministischen, anti-kapitalistischen Ideale der Gruppe vertreten würden. Vgl. Bode, Lisa de: Pussy Riot members announce split with freed duo in: Aljazeera America, veröffentlicht am 06.02.2014, online: http://america.aljazeera.com/articles/2014/2/6/pussy-riot-membersannouncesp lit.html abgerufen am 04.01.2021. Die anderen Mitglieder haben in weiterer Folge, um ihren politischen Idealen treu zu bleiben und sich Vermarktung und Star-Kult zu entziehen, Pussy Riot aufgelöst. Vgl. PUSSY_RIOT: Pussy Riot is dead, [Blog der Künstle-

8. Repressive Systeme u. unautorisierte Kunst im öffentlichen Raum, Fallbeispiel Russland

ren sich politisch, zugleich vermarkten sie ihr Image erfolgreich mittels Auftritten, Büchern und Merchandisingartikeln.18 Pjotr Pawlenski lebt in Frankreich im Exil und verbrachte zuletzt längere Zeit im Gefängnis, da er 2017 eine Filiale der Banque de France am Platz der Republik in Paris angezündet hat. Im Februar 2020 fiel er durch die Veröffentlichung eines despektierlichen Sex-Videos des Pariser Bürgermeister-Kandidaten Benjamin Griveaux auf, das diesen zum Rückzug seiner Bewerbung für das Amt veranlasste.19 In Anbetracht der kurzen Karrieren früherer aktivistischer KünstlerInnengruppen, etwa der Bewegung E.T.I., der Bombily Art Group oder der Art Group Radek, ist es wahrscheinlich, dass diese Phase des russischen Aktivismus bzw. Artivism nun vorüber ist. Nachfolgende junge KünstlerInnen, die sich in den letzten Jahren den öffentlichen Raum aneigneten, wie etwa Katrin Nenaschewa oder Daria Serenko verwenden eine weniger radikale Sprache.20 Die KünstlerInnen, die seit der Perestroika mit unautorisierten Projekten im öffentlichen Raum aufgefallen sind, hatten eine Tendenz performative Projekte umzusetzen, die in Richtung Artivism gehen. Die frühen Projekte waren zwar oft radikal, aber politisch weniger zielgerichtet, sie haben

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rinnen], https://pussy-riot.livejournal.com/ abgerufen am 04.03.2021. Auf den SocialMedia-Kanälen, die von den beiden ausgeschlossenen Aktivistinnen betrieben werden, tauchen in großen Abständen auch noch Aktionen aus Russland auf. Das letzte größere Ereignis war die Flitzer-Performance während des Finales der Fußballweltmeisterschaft 2018 in Russland. In diesem Onlineshop, auf den ein Twitter-Account mit dem Namen Pussy Riot (mutmaßlich betrieben von den beiden 2014 ausgeschlossenen Mitgliedern Aljochina und Tolokonnikowa) verweist, wird u.a. eine Modekollektion vertrieben, die von einer der beiden Ex-Pussy-Riot-KünstlerInnen mitgestaltet wurde: https://kultrab.com/vendor/ pussyriot/ abgerufen am 28.06.2020 (Angebot inzwischen auf der Seite nicht mehr verfügbar / Stand Dezember 2021). Vgl. auch Hahn, Rachel: Pussy Riot lanciert eine eigene Modelinie – natürlich mit bunten Sturmhauben, in: Vogue, veröffentlicht am 06.04.2018, online: https://www.vogue.de/mode/artikel/pussy-riot-lanciert-eine-ei gene-modelinie-naturlich-mit-bunten-sturmhauben abgerufen am 05.12.2021. Die Einnahmen kommen laut Rachel Hahn dem von den beiden KünstlerInnen gegründeten, unabhängigen (Online-)Medium MediaZona (russisch: Медиазо́на, https://zona.med ia/ abgerufen am 05.12.2021) zugute. Vgl. ZDF-Redaktion: Skurrile Erpressung – Was ein Sexvideo mit der Pariser Kommunalwahl zu tun hat, in: ZDF, veröffentlicht am 20.02.2020, online: https://www.zdf.d e/nachrichten/politik/paris-kommunalwahl-sexvideo-griveaux-100.html abgerufen am 26.02.2021. Vgl. Mikhaylova, Maria: Art and repression. Actionism and socially engaged practices in contemporary Russia, Bachelorarbeit, Tampere, 2020, S. 24.

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ebenfalls Bezüge zu den Unauthorized Public Interventions. In den vergangenen anderthalb Jahrzehnten konzentrierten sich die Praktiken im Außenraum (neben Street Art und Graffiti) insbesondere auf den Artivism, dennoch gab es KünstlerInnen wie etwa Timofei Radya21 mit stärkeren Bezügen in Richtung Unauthorized Public Interventions. Für Praktiken abseits von Artivism und Unauthorized Public Interventions – Street Art und Graffiti – lässt sich seit der Jahrtausendwende in den Städten ein stetes Wachstum feststellen, aber kein signifikant gesteigertes Auftreten gegenüber westeuropäischen Ländern. Graffiti als Subkultur existierte zu Sowjetzeiten nicht und hat seine Anfänge in den 1990ern. In der zweiten Hälfte der Nullerjahre nahm die Popularität von Street Art und Graffiti zu, dabei entwickelten sich auch politische Ausprägungen.22 Wie Lena Jonson anmerkt, haben sich mit wachsender Verbreitung und der Vereinnahmung durch legale, von offiziellen Stellen unterstützte Festivals vor allem unpolitische, konventionelle Formen durchgesetzt.23

8.2

Kleine Abfolge illegaler künstlerischer Aktionen im Außenraum in Russland bzw. der Sowjetunion

Im Hinblick auf die teilweise sehr radikalen künstlerischen Aktionen im öffentlichen Raum, die in den vergangenen Jahren in Russland stattgefunden haben, liegt die Vermutung nahe, dass der Grundstein dafür vielleicht schon in der Sowjetunion gelegt wurde und dass sich die jungen KünstlerInnen von heute auf eine Tradition berufen. Welche Quellen stehen für die Rückverfolgung der Geschichte der unautorisierten Kunst im Außenraum der Sowjetunion (bzw. in Russland) zur Verfügung? Aktionen, die nicht fotografisch oder filmisch dokumentiert wurden, haben es schwer, über die Mund-zu-MundPropaganda Eingang in die Kunstgeschichtsschreibung zu finden. Nonkonformistische KünstlerInnen, die nicht in das Schema des Staates passten, 21

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Timofei Radya kommt eigentlich auch aus dem Feld Street Art, kooperiert aber mittlerweile eher mit Institutionen und hat sich bezüglich Bildsprache etc. stark von Street Art emanzipiert. Seine Arbeiten changieren zwischen humoristischen Konzepten, sozialen Anliegen und politischen Inhalten. Jonson: Art and Protest in Putin's Russia, S. 177ff. Jonson unterscheidet nicht zwischen Street Art und Graffiti. Beispielsweise die Arbeiten des verstorbenen Street Art Künstlers Pawel 183 oder der Gruppe Gadiny (Гадины). Jonson: Art and Protest in Putin's Russia, S. 178f.

8. Repressive Systeme u. unautorisierte Kunst im öffentlichen Raum, Fallbeispiel Russland

standen als QuerdenkerInnen unter besonderer Beobachtung. Berücksichtigt man diese Umstände, so ist nachvollziehbar, dass selbst die nonkonformistischen KünstlerInnen Grenzen hatten, die sie einschränkten und die zu überschreiten ein unkalkulierbares Risiko darstellte. Einige wenige KünstlerInnen haben sich zu Sowjetzeiten in den öffentlichen Raum gewagt und dort mehr oder weniger illegal – selbstautorisiert trifft es an dieser Stelle besser – Projekte umgesetzt. Radikale Aktionen, wie sie in den vergangenen Jahren in Russland stattfanden, sind aus dieser Zeit weder dokumentiert noch überliefert worden und auch ZeitzeugInnen und KennerInnen der russischen bzw. sowjetischen Kunstwelt bestätigten, dass in der UdSSR nichts dergleichen stattgefunden hat.24 Ausgangspunkt für die folgende kleine Genealogie sind dokumentierte Projekte, die bis heute überliefert worden sind. Die Phänomene Street Art und Graffiti, die es in der Sowjetunion nicht gab und die erst seit den Nullerjahren in größerem Umfang auftraten, werden dabei nur gestreift. Anders als etwa beim brasilianischen Pichação25 gibt es hier keine Entwicklung, die eine spezielle, individuell russische Ästhetik und Methodik herausgebildet hat und deshalb besonders betrachtet werden müsste26 . Wo beginnt die Geschichte unautorisierter künstlerischer Handlungen im Außenraum in Russland bzw. der Sowjetunion? Sicher schon vor der BulldozerAusstellung (russisch: Бульдозерная выставка) im Jahr 1974.27 Nonkonformistische KünstlerInnen gab es in der Sowjetunion seit den 1950er-Jahren, ab den 1960er-Jahren fanden erste Wohnungsausstellungen statt, um die Werke für ein kleines Publikum zugänglich zu machen.28 Wann erstmals ProtagonistIn24 25

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U.a. merkte die Künstlerin Anna Jermolaewa im Austausch über dieses Kapitel an, dass es diese Form von radikalen Aktionen nicht gab. Vgl. Siwi, Marcio: Pixação: the story behind São Paulo's 'angry' alternative to graffiti, in: The Guardian, veröffentlicht am 06.01.2016, online: https://www.theguardian.com/citi es/2016/jan/06/pixacao-the-story-behind-sao-paulos-angry-alternative-to-graffiti abgerufen am 23.02.2021. Einige innovative Ansätze aus den Bereichen Graffiti und Street Art wurden in der Publikation Buffantgarde (2018) veröffentlicht. Vgl. Kusnetsow, Oleg/Stawrow, Konstantin (Hg.): Buffantgarde, Moskau, 2018. Da es sich dabei jedoch eher um Ausnahmeerscheinungen innerhalb des russischen Graffiti bzw. der russischen Street Art handelt und nicht wie beim Pixação um ein Breitenphänomen, wird an dieser Stelle nicht weiter darauf eingegangen. Vgl. Agamov-Tupitsyn, Victor: Бульдо́зерная вы́ ставка / The Bulldozer-Exhibition, Moskau, 2014. Vgl. Erofeev, Andreï/Martin, Jean-Hubert (Hg.): Kunst im Verborgenen. Nonkonformisten Rußland 1957-1995, München/New York, 1995, S. 27.

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nen den Schritt in den Außenraum wagten, ist nicht belegt. Von der KünstlerInnengruppe Bewegung (russisch: Движение), die sich mit kinetischer Kunst beschäftigte, sind ab den späten 1960er-, beginnenden 1970er-Jahren fotografisch festgehaltene Performances im Außenraum (u.a. in Wäldern sowie in Küstengebieten auf der Krim) bekannt.29 Diese Aktionen waren vermutlich nicht genehmigt, was jedoch zweitrangig ist, da sie zwar im Außenraum, aber im quasi-privaten Umfeld stattfanden. Die für uns heute harmlosen Handlungen wirken unpolitisch, müssen aber vor dem Hintergrund ihrer Zeit verstanden werden. „They were a social gesture in the process of searching for the dimension of free self-expression.“30 Sie fanden in der Sowjetunion, lange vor der Perestroika, statt. Öffentlich sichtbare künstlerische Praktiken, die nicht dem von Moskau oktroyierten Leitbild entsprachen, hätten durchaus ein Nachspiel für die TeilnehmerInnen haben können.31 Die AkteurInnen damals hatten andere Voraussetzungen als die ProtagonistInnen des Moskauer Aktionismus der 1990er-Jahre oder die späteren ArtivistInnen.32 Entsprechend waren ihre Aktionen auch weniger direkt. Das Erzeugen einer Gegenöffentlichkeit zu den staatlich gelenkten Medien war quasi unmöglich, obwohl die westlichen Mächte darum bemüht waren, die systemkritischen KünstlerInnen in Moskau – deren Arbeiten zum Teil nur zum Politikum wurden, weil sie die staatliche Linie des sozialistischen Realismus ablehnten – zu unterstützen. „Generally, from the late 1950s onwards, unofficial art was diligently supported by the diplomatic corps and by Western correspondents.“33 Die Bulldozer-Ausstellung im Jahr 1974 war eine Reaktion auf die Strenge des Regimes, das die KünstlerInnen, die nicht in das staatlich verordnete

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Vgl. Groys, Boris: History becomes Form. Moscow Conceptualism, S. 48f und Vgl. Обухова (Hg.): Перформанс в России 1910-2010. Картография истории, S. 60ff. Badovinac, Zdenka/Moderna galerija Ljubljana (Hg.): Body and the East, Ljubljana, 1998, S. 154. Unpolitische Kunst, die sich im Sinne der Autonomie der Kunst (nonkonformen) Ästhetiken widmete, die vom offiziellen Leitbild abwichen, hatte paradoxerweise immer auch eine politische Konnotation. Streng betrachtet gehören die meisten KünstlerInnen des Moskauer Aktionismus gemäß der Gliederung dieser Arbeit auch zum Artivism. Vgl. Agamov-Tupitsyn, Victor: Бульдо́зерная вы́ ставка / The Bulldozer-Exhibition, S. 59. Diese Aussage bezieht sich, wie Anna Jermolaewa im Austausch über dieses Kapitel angemerkt hat, nur auf die Hauptstadt Moskau.

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Schema passten, vom Kunstbetrieb ausschloss. Nachdem am 2. September 1974 ein Antrag zur Durchführung einer Ausstellung im südöstlichen Moskauer Stadtteil Beljaewo (russisch: Беляево) gestellt wurde, der als Kopie auch an ausländische JournalistInnen ging und es darauf keine Antwort gab, organisierten die KünstlerInnen – unter ihnen z.B. die Malerin Lidija Masterkowa (russisch: Ли́ дия Алексе́евна Мастерко́ ва) oder Alexander Melamid (russisch: Александр Данилович Меламид), die beide später emigrierten – die ungenehmigte (Protest-)Ausstellung im öffentlichen Raum selbst (Abb. 46).34 Dies war keine geschlossene Aktion der nonkonformistischen KünstlerInnenschaft, wichtige ProtagonistInnen, wie etwa Ilya Kabakov (russisch: Илья́ Иосифович Кабаков), lehnten die Aktion ab.35 Der Ausstellung auf der Freifläche wohnten einige BesucherInnen sowie ausländische JournalistInnen bei, die Staatsmacht ihrerseits war mit Wasserwerfern, Planierraupen, Müllwagen und ZivilpolizistInnen vor Ort. Als die KünstlerInnen begannen, ihre mitgebrachten Werke öffentlich zu präsentieren, griffen die zivilen OrdnungshüterInnen ein. Es kam zu Gewaltanwendung, viele Kunstwerke wurden zerstört und alle teilnehmenden KünstlerInnen festgenommen – all dies geschah vor den Augen der Weltpresse. Bis auf einen der beiden Organisatoren, Oskar Rabin (russisch: Оскар Яковлевич Рабин), der für eine Woche inhaftiert blieb, wurden alle TeilnehmerInnen bereits am selben Abend wieder freigelassen.36 Die KünstlerInnen der Bulldozer-Ausstellung ebneten durch diese Provokation des Machtapparates vor den Augen der internationalen Medien, die die 34 35 36

Vgl. Erofeev/Martin (Hg.): Kunst im Verborgenen. Nonkonformisten Rußland 1957-1995, S. 36. Vgl. Agamov-Tupitsyn, Victor: Бульдо́зерная вы́ ставка / The Bulldozer-Exhibition, S. 66. Ebd. S. 66ff. Bereits 1967 hatte es auf dem Gebiet der Sowjetunion – in Odessa in der Ukrainischen SSR – die sogenannte Zaun-Ausstellung (russisch: Заборная выставка, ukrainisch: Парканна виставка) gegeben. Walentin Dmitrijewitsch Chruschtsch (russisch: Валентин Дмитриевич Хрущ) und Stanislaw Iwanowitsch Sytschow (russisch: Станислав Иванович Сычёв) errichteten als Konsequenz auf die wiederholte Ablehnung ihrer Arbeiten für eine Ausstellung unerlaubt eine Schau mit ihren Werken auf einem Bauzaun vor der Oper von Odessa. Vgl. Golubovskiy, Yevgeniy: From the history of the Odessa avant-garde: The Fence Exhibition, in: MSIO, [Website], http ://msio.com.ua/en/component/content/article/316 abgerufen am 06.03.2021. Und vgl. агендарные художники нонконформисты украины. одесская группа. NON, S. 45, [digitale Publikation, fehlerhafte Seitenzahlen], Stepan Rybchenko: NON: Part 1: veröffentlicht am 23.02.2014, online: https://issuu.com/stepanryabchenko/docs/non._part_1 abgerufen am 09.05.2021.

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unverhältnismäßig harsche Reaktion der Staatsmacht dokumentierten, den Weg für eine Entschärfung der Kunst-Doktrin der Sowjetunion. Unter dem Druck und der Beobachtung der Weltöffentlichkeit musste das Regime auch künstlerische Positionen abseits des Sozialistischen Realismus zulassen. „Als moralische Kompensation wird den Künstlern eine Ausstellung im Park ‹Izmajlovo› gestattet“37 , die am 29. September 1974 stattfindet und einen enormen Zulauf an BesucherInnen erfährt. Gezielt wurde also von den KünstlerInnen eine Situation geschaffen, in der im Zusammenspiel der drei Aspekte Außenraum, Illegalität und Medien (gesellschaftliche) Grenzen neu ausgehandelt bzw. verschoben werden konnten. Die Bulldozer-Ausstellung kann als Initialzündung für die Moskauer bzw. sowjetischen KünstlerInnen gesehen werden, Schritte in den Außenraum zu unternehmen. Sie beförderte weitere, meist subtilere Praktiken. Besonders tat sich die bereits in Kapitel 4/Die Rolle der Medien erwähnte, zum Moskauer Konzeptualismus zählende KünstlerInnengruppe Kollektive Aktionen (russisch: Коллективные действия) um Andrei Monastyrski (russisch: Андре́й Ви́ кторович Монасты́ рский) hervor, die seit 1976 ihre Reisen aus der Stadt (Поездки за город) durchführt und bis heute aktiv ist.38 Ihre Arbeit Losung 1977 (russisch: ЛОЗУНГ – 1977)39 , ein Transparent, das 1977 in einem verschneiten Waldgebiet bei Moskau zwischen Bäumen aufgehängt wurde, bezog sich auf die sowjetische Tradition, propagandistische Spruchlosungen40 nicht nur bei Demonstrationen, sondern auch im Alltag im öffentlichen Raum zu platzieren. Sie benutzten einen Text, der über die Umstände ihrer Ankunft an diesem entlegenen Ort am Stadtrand von Moskau sinniert, die Beiläufigkeit seines Inhalts und die Deplatzierung in einem

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Vgl. Erofeev/Martin (Hg.): Kunst im Verborgenen. Nonkonformisten Rußland 1957-1995, S. 36. Auf der Website des Musikers Sergej Letow, der an zahlreichen Projekten der Kollektiven Aktionen mitgewirkt hat, lässt sich eine umfangreiche Dokumentation ihrer Aktivitäten finden. Vgl. Letow, Sergej: KOLLEKTIVNYE DEYSTVIYA (COLLECTIVE ACTIONS). THE DESCRIPTIONS, PHOTO, VIDEO AND AUDIO OF ALL THE ACTIONS, http://conceptu alism.letov.ru/KD-ACTIONS.htm abgerufen am 15.04.2021. Die letzte dokumentierte Aktion – THREE PORTRAITS (sequel of “75 bus”) (russisch: ć – fand am 11.10.2020 statt. Vgl. Groys, Boris: History becomes Form. Moscow Conceptualism, S. 149, und vgl. Обухова (Hg.): Перформанс в России 1910-2010. Картография истории, S. 78f. Parolen und Losungen waren in der Sowjetunion und anderen Staaten des Ostblocks ein Mittel des Staates, sich und seine Ideale im öffentlichen Raum zu reproduzieren.

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ruralen Gebiet höhlen die übliche Funktionsweise der Losungen aus. Die Formulierung „ICH BEKLAGE MICH ÜBER NICHTS UND MIR GEFÄLLT ALLES, UNGEACHTET DESSEN, DASS ICH NOCH NIE HIER WAR UND NICHTS ÜBER DIESE GEGEND WEISS“41 stammte aus einem Buch von Andrei Monastyrski, der tragenden Figur der KünstlerInnengruppe (Abb. 47). Für die nonkonformistischen Kunstprojekte, die ab den 1970ern42 im Außenraum realisiert wurden, dienten überwiegend ländliche Bereiche, wie Felder oder Stadtwälder, als Kulisse. Wie bereits erwähnt, ist strittig, ob diese ungenehmigten Zusammenkünfte und Projekte im Falle einer Konfrontation mit der Staatsmacht tatsächlich Konsequenzen gehabt hätten, vermutlich wären sie nicht geahndet worden.43 Die von der KünstlerInnengruppe Kollektive Aktionen oder auch der Gruppe Gnesdo (russisch: Гнездо, deutsche Übersetzung: Nest) im öffentlichen Raum bzw. Außenraum umgesetzten Projekte waren nach heutigem Verständnis zurückhaltend. Vor dem Hintergrund der damaligen Zeit müssen sie differenziert und in Hinblick auf ihre Bedeutung für die weitere Entwicklung unautorisierter Kunst im öffentlichen Raum in der UdSSR und Russland betrachtet werden. Die Aktion Demonstration44 der Gruppe Gnesdo von 1978, bei der die Künstler mit einem abstrakt gestalteten Transparent durch Moskau liefen (Abb. 48), kann als Vorläufer für weitere ähnliche Aktionen um die Jahrtausendwende gesehen werden. Sie ist ein früher Nachweis für unautorisierte künstlerische Praktiken in der Sowjetunion, die im städtischen Raum stattfanden. Die Aktion hinterfragte den staatlichen Machtanspruch und seine Symboliken auf subtile Weise, erst im Nachhinein stellte sich heraus, dass sie nicht strafbar war.45 Das Projekt greift etwa den Aktionen der Künstlergrup-

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Vgl. http://conceptualism.letov.ru/Kollektive-Aktionen-4.htm abgerufen am 10.07.21 18. Erste Performances der Gruppe Bewegung (russisch: Движение), die aber nicht zu den NonkonformistInnen gezählt wird, fanden bereits Ende der 1960er im Außenraum statt. Diese Annahme stützt sich u.a. auf eine Anmerkung von Anna Jermolaewa. Vgl. Обухова (Hg.): Перформанс в России 1910-2010. Картография истории, S. 68, und die russische Website artuzel.com (ART УЗЕЛ, deutsch: Kunstknoten), [Website], htt p://artuzel.com/content/Гнездо-группа abgerufen am 19.03.2021. (Die Jahreszahl der Aktion wird auf der Website und in der Publikation abweichend angegeben. Es wurde die Angabe aus der Publikation übernommen.) Ebd.

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pe Radek (russisch: Радек) voraus, die 200246 an hoch frequentierten Kreuzungen in Moskau die FußgängerInnenströme als Spontandemonstrationen inszenierten, indem sie sich mit englischsprachigen Nonsens-Transparenten mit übermalten Textteilen unter die PassantInnen mischten.47 Eine ähnliche Strategie lässt sich in den Monstrations erkennen, die Artjom Loskutow (russisch: Артём Александрович Лоскутов) erstmals 2004 in Novosibirsk organisierte und die an die Feierlichkeiten zum 1. Mai anknüpfen.48 Der Inhalt der offiziellen Demonstrationen wird von Loskutow und seinen KünstlerkollegInnen ausgehöhlt, indem sie mit Transparenten, auf denen sinnentleerte Slogans und Parolen geschrieben stehen, an den offiziellen Märschen zum 1. Mai teilnehmen. Entgegen der diesem Kapitel zugrundeliegenden Vermutung, dass während der Sowjetzeit unter dem Druck der Repression besonders radikale künstlerische Aktionen im öffentlichen Raum stattgefunden haben könnten, sind für diese Periode keine nennenswerten, von KünstlerInnen initiierten Vorfälle dokumentiert. Die Bulldozer-Ausstellung, bei der es sich nicht direkt um ein Kunstprojekt, sondern um die Vermittlung von Kunst im Medium einer Ausstellung im öffentlichen Raum handelte, bildet eher eine Ausnahme – gemeinsam mit einer Aktion an der Peter-und-Paul-Festung in Leningrad (heute St. Petersburg), auf die im Folgenden noch eingegangen wird. Mit dem Beginn der Perestroika veränderten sich die Arbeitsbedingungen. Plötzlich gab es größere Spielräume für die KünstlerInnen und so fanden auch konfrontativere Aktionen statt. Schon bevor dieses Kapitel der russischen Geschichte eingeläutet wurde, machte die Künstlergruppe SZ (russisch: Гру́ ппа СЗ) mit ihrer Arbeit Beschriftungen (russisch: Надписи), einer Reihe von Textkommentaren im öffentlichen Stadtraum einen Schritt in Richtung direkter Konfrontation. Einsilbige Ausrufe wie etwa „Hier!“ (russisch: ВОТ!) Oder „Wie!“ (russisch: КАК!) wurden mittels Schablonen auf Wände, La-

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Die Angaben dazu schwanken, einzelne Quellen geben auch 2000 als Jahr der Realisierung an. Vgl. Обухова (Hg.): Перформанс в России 1910-2010. Картография истории, S. 164. Zu dem Projekt gibt es auch ein Video: Yellow, Mark: Dmitri Gutov & RADEK group — Demonstration, 2000, in: Vimeo, veröffentlicht am 21.04.2011, https://vimeo.com/2269 3660 abgerufen am 17.12.2021. Vgl. Jonson: Art and Protest in Putin's Russia, S. 147ff. Loskutow organisierte die Monstrations gemeinsam mit der KünstlerInnengruppe Бабушка после похорон (deutsch: Großmutter nach der Beerdigung), (ebd.).

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ternen etc. im Stadtraum geschrieben (Abb. 49).49 Sie verließen damit die von den nonkonformistischen KünstlerInnen bevorzugten Bereiche – Parks, stadtnahe Wälder etc. –, in denen die meisten der Projekte im Außenraum in den 1970er-Jahren realisiert wurden. Die von ihnen durchgeführten künstlerischen Sachbeschädigungen waren in ihrer seriellen Form zur damaligen Zeit vermutlich ein Novum in der Sowjetunion, es ließen sich zumindest innerhalb der Recherche keine vergleichbaren Beispiele finden. Bemerkenswert ist die Koinzidenz mit dem Aufkeimen der Graffitibewegung in den Vereinigten Staaten bzw. in New York. Obschon die Anfänge dieser Subkultur in den 1960er-Jahren lagen, war der Zenit, die maximale Verbreitung erst Anfang der 1980er-Jahre erreicht. Filme wie Stations of the Elevated (1981) oder Wild Style (1984), die Graffiti international bekannt machten, existierten noch nicht, als SZ 1980 mit Schablonen ihre Kommentare in den öffentlichen Raum schrieben.50 Weniger Glück als die Akteure der Künstlergruppe SZ hatten die beiden Künstler Julius Rybakow (russisch: Ю́лий Андре́евич Рыбако́ в) und Oleg Wolkow (russisch: Олег Алексеевич Волков), die bereits im Jahr 1976 die politische Beschriftung „ВЫ РАСПИНАЕТЕ СВОБОДУ, НО ДУША ЧЕЛОВЕКА НЕ ЗНАЕТ ОКОВ!“51 an der Peter-und-Paul-Festung (russisch: Петропавловская крепость) in Leningrad durchführten (Abb. 50).52 Sie wurden ausgeforscht und verhaftet und wegen dieser und weiterer ähnlicher Taten zu einer sechs- bzw. siebenjährigen Gefängnisstrafe verurteilt.53 Die Aktion an diesem sehr exponierten Ziel war eine bewusste Provokation 49 50

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Vgl. Обухова (Hg.): Перформанс в России 1910-2010. Картография истории, S. 88f. Ebenfalls interessant ist in diesem Zusammenhang, dass im exakt gleichen Jahr (1980) in New York der US-amerikanische Künstler John Fekner damit begann, seine großformatigen, mit Schablonen ausgeführten Text-Kommentare im öffentlichen Raum zu hinterlassen. Vgl. Fekner, John: Charlotte Street, South Bronx, NY August 1980, [Website des Künstlers], http://johnfekner.com/feknerArchive/?p=72 abgerufen am 04.12.2021 und vgl. Seno (Hg.): Trespass. Die Geschichte des Urbanen Raums, S. 86ff. Deutsche Übersetzung etwa: Ihr kreuzigt die Freiheit, aber die menschliche Seele kennt keine Fesseln! Vgl. Harten, Jürgen (Hg.): Sowjetische Kunst um 1990, Köln, 1991, S. 265. Herwig Höller (Хервиг Хёллер) sieht darin sogar die erste politische Kunstaktion im öffentlichen Raum in der Sowjetunion. Vgl. Хёллер, Хервиг: «Вы распинаете свободу, но душа человека не знает оков!» Первая акция политического искусства в СССР, in: Colta, veröffentlicht am 04.08.2016, online: https://www.colta.ru/articles/art/11987-vyraspinaete-svobodu-no-dusha-cheloveka-ne-znaet-okov abgerufen am 02.01.2021. Vgl. Мынбаев, Артем: «...Душа человека не знает оков!» in: ОCТРОВА НЕ CВОБОДЫ, online: https://spb.iofe.center/node/25 abgerufen am 02.10.2021.

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und markiert neben der Bulldozer-Ausstellung einen der dramatischen Höhepunkte unautorisierten künstlerischen Handelns im öffentlichen Raum in der Sowjetunion. Als Reaktion auf die Festnahme führten solidarische KünstlerInnen an der Peter-und-Paul-Festung eine Open-Air-Ausstellung mit dem Titel „Ansammlung beweglicher Objekte mit und ohne Uniform“ durch. Sie rechneten offenbar damit, dass die OrdnungshüterInnen erscheinen würden, und reflektierten dies bereits im Ausstellungstitel.54 Die beiden beschriebenen illegalen Eingriffe in den öffentlichen Raum (die Beschriftungen der Gruppe SZ im Moskauer Stadtraum und die Aktion in Leningrad) sind insofern interessant, als sie den Modus der überwiegend performativen Projekte hinter sich ließen. Es wurden Projekte umgesetzt, die mittels Farbauftrag eine längere physische Präsenz im Außenraum erzielten. Die tendenziell unpolitischen Interventionen der Gruppe SZ gehörten dabei dem Verständnis dieser Arbeit folgend zu den Unauthorized Public Interventions. Gegen Ende der Perestroika traten neue KünstlerInnen in Erscheinung. Die zerfallende UdSSR bot AkteurInnen wie etwa der Bewegung E.T.I (russich: Движение Э.Т.И.) neue Freiheiten, um im öffentlichen Raum zu agieren. Bei ihrer Körperperformance Э.Т.И. – ТЕКСТ (Хуй на Красной площади)55 , bildeten sie im April 1991 auf dem Boden liegend mit ihren Körpern das Wort Хуй (deutsch: Schwanz). Die Aktion fand am Vorabend von Lenins Geburtstag auf dem Roten Platz vor dem Lenin-Mausoleum statt, sie attackierten damit das Herz des zerfallenden Staates (Abb. 51).56 Bereits 1978 hatte es eine ähnliche Performance der nonkonformistischen Künstlergruppe Fliegenpilz (russisch: Мухомор) im Schnee gegeben, die den Titel Wort (russisch: Слово) trug (Abb. 52).57 Während der Wortlaut bei beiden Aktionen derselbe war, können sie

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Vgl. Harten (Hg.): Sowjetische Kunst um 1990, S. 265. Deutsche Übersetzung etwa: E.T.I. – Text (Schwanz auf dem roten Platz). Schwanz ist im russischen Sprachgebrauch ein derbes Schimpfwort. Die Aktion scheint sich einzureihen in den Kanon männlicher künstlerischer Aneignungspraktiken im öffentlichen Raum, es waren jedoch auch Frauen an der Aktion beteiligt. Vgl. Обухова (Hg.): Перформанс в России 1910-2010. Картография истории, S. 122 und vgl. Drews-Sylla: Moskauer Aktionismus. Provokation der Transformationsgesellschaft, S. 66f. Auf seiner Website schreibt Anatoli Osmolowski, damals beteiligt, dass diese Aktion den Beginn des Moskauer Aktionismus markierte. Vgl. Osmolowski, Anatoli: «Э.Т.И. – ТЕКСТ» (в народе – «ХУЙ»), http://osmopolis.ru/eti_text_hui abgerufen am 05.05.2021. Vgl. Drews-Sylla: Moskauer Aktionismus. Provokation der Transformationsgesellschaft, S. 267ff.

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dennoch schwer miteinander verglichen werden. Beim Projekt der Gruppe Fliegenpilz vermittelt sich über die Fotografie – auf der lediglich die Körper der männlichen Künstler zu sehen sind – nicht, wo die Performance stattfand und die Aufnahme gemacht wurde. Der einzige Kontext, der sich ins Bild einschreibt, ist der schneebedeckte Untergrund, bei dem es sich vermutlich um eine verschneite Wiese o.ä. handelt. Die Performance der Bewegung E.T.I. 1991 passierte zu einer anderen Zeit und in einem anderen Kontext. 1978 wäre es für die Akteure der Gruppe Fliegenpilz undenkbar gewesen, ihre Aktion auf dem Roten Platz durchzuführen, sie hätte ernsthafte Konsequenzen gehabt.58 Die Performance im Schnee wird durch den Verzicht auf einen im Bild lesbaren Zusammenhang entpolitisiert, wohingegen sich im Bildaufbau der E.T.I.-Aktion der Lenin-Schriftzug am Mausoleum mit dem darunterliegenden Wort Schwanz zu einer derben Beleidigung verbindet, die politisch gelesen werden kann, zumindest aber eine krasse Provokation darstellt.59 Neben den KünstlerInnen der Bewegung E.T.I., die sich bereits 1992 wieder auflöste, kamen vor allem Alexander Brener (russisch: Александр Дави́ дович Бренер) und Oleg Kulik (russisch: Олег Борисович Кулик) ab den frühen 1990er-Jahren mit ihren performativen Arbeiten in Konflikt mit dem Gesetz. Kulik wurde für seine Performances bekannt, bei denen er in die Rolle eines Hundes schlüpfte. Nackt, nur an einem Halsband angekettet, performte er die Rolle zuerst 1994 vor der Marat Gel’man Galerie in Moskau und 1995 vor dem Kunsthaus in Zürich.60 Bei seiner Züricher Aktion, die den Titel Reservoir Dog trug und die er anlässlich einer Ausstellungseröffnung 58

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Obszöne Lexik war zu Sowjetzeiten streng verboten und erst mit der Perestroika setzte eine teilweise Enttabuisierung ein. Ebd. S. 136. Gegen die AkteurInnen der Bewegung E.T.I. wurde nach ihrer Aktion 1991 ein Verfahren „nach § 206, Abs. 2 Strafgesetzbuch der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik (RSFSR) eröffnet: Es läge eine Störung der öffentlichen Ordnung vor, eine Störung, die sich durch besondere Niedertracht und Zynismus auszeichne – ein Verbrechen, das mit einer Strafe von bis zu fünf Jahren Haft geahndet werden konnte.“ Meindl, Matthias: Reiner Aktivismus? Politisierung von Literatur und Kunst im postsowjetischen Russland, Köln/Weimar, 2018, S. 45. Das Verfahren wurde laut Osmolowski nach drei Monaten eingestellt, vgl. [Website des Künstlers], http://osmopolis.ru/eti_text_hui abgerufen am 05.05.2021. Das mögliche Strafmaß gibt eine Vorstellung davon, wie die Bestrafung unter anderen Vorzeichen – 1978 zu Zeiten Breschnews – vermutlich ausgefallen wäre. Meindl: Reiner Aktivismus? Politisierung von Literatur und Kunst im postsowjetischen Russland, S. 45f. Vgl. Drews-Sylla: Moskauer Aktionismus. Provokation der Transformationsgesellschaft, S. 93f und S. 167ff.

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des Malers Niko Pirosmani durchführte, hinderte er die BesucherInnen in aggressiver Weise daran, das Kunsthaus zu betreten. Da seine Performance nicht Teil des Eröffnungsprogramms war und auch nicht vom Museum autorisiert war, wurde er schließlich von der Polizei verhaftet und verbrachte die Nacht in Gewahrsam. Weitere Konsequenzen zog die Aktion jedoch nicht nach sich, da das Kunsthaus auf eine Anzeige verzichtete (Abb. 53).61 Alexander Brener hingegen formulierte in seinen Arbeiten oft eine Kritik gegen eine Übermacht, so etwa bei seiner Aktion Erster Handschuh (russisch: Первая перчатка), eine Reaktion auf den Tschetschenienkrieg, bei der er 1994 mit nacktem Oberkörper und Boxhandschuhen auf der Lobnoje-MestoPlattform auf dem Roten Platz stand und in Richtung Kreml rief „Jelzin, komm raus“, um so Boris Jelzin zu einem Boxkampf herauszufordern.62 Letztlich rief das, laut Drews-Sylla, die Milizeinheiten auf den Plan, die Aktion blieb aber folgenlos.63 Sowohl Kulik als auch Brener haben in ihren Arbeiten einen sehr aggressiven Gestus. Ende der 1990er-Jahre gesellten sich neue KünstlerInnen hinzu – etwa die bereits erwähnte Gruppe Radek oder die eigentlich aus Sibirien stammenden, eher im Bereich der Fotoperformance arbeitenden, Blue Noses (russisch: Синие носы), welche die „Provokation des Moskauer Aktionismus zu einer ironisierenden, aggressionsfreien und zunächst eher unpolitischen Form weiterentwickeln.“64 „Der Moskauer Aktionismus der 1990er Jahre suchte einerseits nach Formen des künstlerischen Ausdrucks in einer sich rapide wandelnden Gesellschaft. Andererseits war er aber auch noch Reflex auf das große Experiment der Sowjetunion, in deren letzten Phase die ersten spektakulären Aktionen stattfanden. Nicht umsonst wurde er auch als posttraumatische Kunst bezeichnet. Er ist die Kunst einer Gesellschaft im Übergang.“65 61

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Ebd. S. 171f. Ein Dokumentationsvideo der Aktion ist auf YouTube abrufbar: Oleg Kulik / Олег Кулик: Reservoir Dog, in: YouTube, veröffentlicht am 17.11.2015, https://www.yo utube.com/watch?v=Y84-AkdpajA abgerufen am 25.01.2021. Ebd. S. 105. Ebd. Ebd. S. 114. Beide Gruppen traten zwar in der Endphase des Moskauer Aktionismus in Erscheinung, die Frage, ob sie noch zu diesem gezählt werden können oder nur noch in dessen Tradition stehen, ist strittig und wurde von mehreren GesprächspartnerInnen verneint. Vgl. Drews-Sylla: Moskauer Aktionismus – Provokation der Transformationsgesellschaft, S. 12.

8. Repressive Systeme u. unautorisierte Kunst im öffentlichen Raum, Fallbeispiel Russland

Die gesellschaftlichen Transformationsprozesse, die laut Drews-Sylla im neuen Moskauer bzw. Russischen Aktionismus ihren künstlerischen Ausdruck fanden, waren jedoch mit Beginn der Ära Putin keineswegs abgeschlossen. Vielmehr forcierte die von Putin (und zeitweise Medwedew) betriebene Neuausrichtung des Landes eine Politisierung junger KünstlerInnen, die mit neuen, radikalen Konzepten im Außenraum tätig wurden, sie waren dabei in ihrer Sprache weniger ambivalent als die AktionistInnen der 1990er Jahre66 . Erst seit dem Abebben der letzten Welle des künstlerischen Protests, der Ausreise Pjotr Pawlenskis und der Stagnation (bzw. dem Ersticken) der oppositionellen Demokratiebewegungen scheint es inzwischen ruhiger geworden zu sein. In den beginnenden 2000er Jahren fanden unter dem Einfluss von Wladimir Putins Politik und den zunehmenden freiheitlichen Einschränkungen zahlreiche politische Kunstprojekte im öffentlichen Raum statt. Hier tritt die KünstlerInnengruppe Bombily (russisch: Бомбилы) hervor. Bei ihrer wohl bekanntesten Aktion Weiße Linie (russisch: Белая линия), die sie im Jahr 2007 durchführten, zeichneten sie unter Beteiligung von KünstlerInnen der Gruppe Woina eine durchgehende weiße Linie um das Machtzentrum des russischen Staats in der Moskauer Innenstadt, um so symbolisch die Bevölkerung vor den bösen Mächten der Regierung zu schützen (Abb. 54).67 Woina, die an diesem Werk schon beteiligt waren, markieren den Beginn einer neuen Generation von KünstlerInnen, die unautorisiert ihre Projekte im öffentlichen Raum realisieren. Die ProtagonistInnen scheinen in Bezug auf ihre Eingriffe in den Außenraum radikaler als alle zuvor in Erscheinung getretenen KünstlerInnen, auch drohende Konsequenzen wie Gefängnisstrafen schrecken sie scheinbar nicht ab. Während der Aktionismus der 1990er-Jahre eine harte, aber wenig zielgerichtete Sprache entwickelte, die auf den Moskauer Kon-

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Vgl. Meindl: Reiner Aktivismus? Politisierung von Literatur und Kunst im postsowjetischen Russland, S. 43. Einige der Projekte der AktionistInnen der 1990er Jahre können auch im Feld der Unauthorized Public Interventions verortet werden, später (ab ca. 2000) verschiebt sich die Ausrichtung hin zu einem Schwerpunkt mit überwiegend Projekten im Bereich des Artivism. Vgl. Обухова: Перформанс в России 1910-2010. Картография истории, S. 216. Ein Dokumentationsvideo der Aktion ist auf YouTube abrufbar: Бомбилы Шоферовы: Артгруппа "Бомбилы". Акция "Белая линия", in: YouTube, veröffentlicht am 23.06.2011, ht tps://www.youtube.com/watch?v=bjIJC8mvlB8 abgerufen am 25.01.2021.

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zeptualismus der Nonkonformisten reagierte,68 artikulieren sie in ihren Arbeiten einen klaren Protest gegen die Regierung und versuchen dabei, im öffentlichen Raum das zu formulieren, was von der Regierung im Sinne eines demokratischen Protests nicht zugelassen wurde bzw. wird. „Many came to the conclusion that since 2008-2009, individual art interventions had replaced the non-existent public political sphere. In the vacuum of a non-existent agora, art activists took over politics.“69 Die bereits erwähnten Woina, Pussy Riot und der Künstler Pjotr Pawlenski stachen dabei in besonders extremer Weise hervor. „Voina’s actions were intended from the start to create a shock effect in order to attract the attention of the media.“70 Woinas Arbeit Хуй в плену у ФСБ (Dick captured by FSB) war nur eine von vielen radikalen Aktionen, die sie durchführten. Bei dieser Aktion malten sie einen 65 Meter langen Penis auf eine Zugbrücke in St. Petersburg, die sich genau gegenüber der örtlichen FSB-Zentrale befindet.71 Videos der gut dokumentierten Aktion zeigen, wie sich die Brücke für die Durchfahrt eines Schiffes hebt und sich die gigantische Penis-Zeichnung dem Gebäude des russischen Inlandsgeheimdienstes entgegenstellt (Abb. 55).72 Sie bekamen für das illegale Projekt im Nachhinein Rückendeckung von großen Teilen der etablierten Kunstszene und 2011 wurde ihnen sogar der staatliche, russische Innovatsiya Preis für Bildende Kunst in der Hauptkategorie „Projekt des Jahres“ verliehen.73 „[T]he drawing of the phallus on a bridge became a sign of frustrated powerlessness and disagreement. The act became a political gesture that people loved [...]“74 , lautete die von Lena Jon-

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Vgl. Jonson: Art and Protest in Putin's Russia, S. 27. „Actionism was formulated as a reaction to Conecptualism, which the Actionists perceived as too intellectual and too focused on texts.“ (Ebd.) Ebd. S. 159. Ebd. S. 150. Vgl. Ebd. S. 153/154. Vgl. ssantoss00: Художники ебут ФСБ хуем. Die Aktion blieb von den KünstlerInnen unkommentiert, spricht aber für sich. Bereits in Zusammenhang mit der ХуйPerformance der Bewegung E.T.I. wurde erwähnt, dass Хуй (Schwanz) im russischen eine sehr derbe Beleidigung ist, entsprechend kann eine Penis-Zeichnung, die sich dem FSB-Gebäude entgegenreckt, verstanden werden. Vgl. Jonson: Art and Protest in Putin's Russia, S. 156. Ebd. S. 158.

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son zusammengefasste Begründung, mit der Ekaterina Degot die Entscheidung der Jury erläuterte. Anders als bei Pawlenskis späteren Aktionen hatten große Teile der Bevölkerung für Woinas Projekt Sympathie und konnten sich mit der Aussage im weitesten Sinne identifizieren. Die Legitimation von offizieller Seite75 in Form des verliehenen Preises ist ein besonderer Akt der Solidarisierung, auch wenn die KünstlerInnen den Preis aus ideologischen Gründen ablehnten (zwei Mitglieder der Gruppe wurden später rechtskräftig zu Gefängnisstrafen verurteilt wegen der Aktion Palastputsch, bei der sie Polizeiautos umwarfen76 ). Dass die Aktion der von Männern dominierten KünstlerInnengruppe mit ihrer Symbolik die männliche Dominanz im öffentlichen Raum visuell reproduziert, ist ein Aspekt, der dabei hinterfragt werden kann. Während es um Woina aufgrund zunehmender Schwierigkeiten durch die Strafverfolgung ruhiger wurde, zeichnete sich die für den Moskauer Aktionismus der 1990er bzw. den russischen Artivism ab den Nullerjahren symptomatische Ablöse durch eine nächste KünsterInnengruppe, die das Geschehen dominiert, ab. Die Akteurinnen von Pussy Riot, teilweise frühere Mitglieder von Woina, machten ab 2011 mit ersten Aktionen auf sich aufmerksam. Es waren vor allem Punkrock-artige Performances, die unangekündigt und illegal im öffentlichen Raum stattfanden (u.a. ebenfalls auf der Lobnoje-MestoPlattform auf dem Roten Platz mit ihrer Aktion Aufstand in Russland – Putin hat Schiss! (russisch: Бунт в России – Путин зассал!)77 (Abb. 56)). Durch die dezidiert weibliche Aneignung des öffentlichen Raums waren sie ein wichtiges Statement, nicht nur in Bezug auf die Vormachtstellung von Männern im öffentlichen Raum generell, sondern auch in Bezug auf die jahrzehntelange Dominanz von männlichen Künstlergruppen, die sich den öffentlichen Raum für ihre Projekte als Bühne zunutze machten.78

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Der staatliche Kunstpreis wurde ihnen auf Grundlage der Entscheidung einer unabhängigen Jury zugesprochen. (Ebd.) Vgl. Jonson: Art and Protest in Putin's Russia, S. 155. (Vgl. Kapitel 6/Gesetz, Moral, Recht). Vgl. Weibel, Peter (Hg.): Global Activism. Art and Conflict in the 21st Century, S. 285. Bei einigen KünstlerInnengruppen, etwa den Kollektiven Aktionen, der Bewegung E.T.I. oder Bombily waren auch Frauen involviert, aus heutiger Sicht sind es aber immer Männer, die als die federführenden Figuren dahinter dargestellt werden. Pussy Riot waren insofern bedeutend, als sie sich als rein weibliche Gruppe unautorisiert den öffentlichen Raum aneigneten und dabei eine große Sichtbarkeit erlangten.

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Ihre bekannteste Aktion, Punk Prayer, führten sie am 21.02.2012 in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale durch (Abb. 26).79 Mit der Wahl dieses Ortes, der allenfalls als erweitert öffentlich zu verstehen ist, da er ohne Zugangsbeschränkungen innerhalb der Öffnungszeiten betreten werden kann, attackierten sie einen der Eckpfeiler von Putins neuem Russland: die Orthodoxe Kirche. Mit dem Inhalt ihres Liedes, bei dem sie die heilige Mutter Gottes darum bitten, Putin zu vertreiben, greifen sie darüber hinaus auch den Staat bzw. die höchste Repräsentationsfigur des Staates an. Drei Mitglieder der Gruppe wurden angeklagt und wegen „Rowdytum und aus religiösem Hass“80 zu dreijährigen Gefängnisstrafen verurteilt.81 Ein derart drakonisches Urteil wäre in Österreich im Jahr 2012 undenkbar gewesen.82 Letztlich handelt es sich beim restriktiven Umgang des russischen Staates mit Pussy Riot um eine „Kriminalisierung von Kunst als Symptom“83 . Die Kunst ist in einer gesellschaftspolitischen Situation, die ohnehin schon „am Kochen“ ist, die einzige Form, dem gesamtgesellschaftlichen Dissens noch Ausdruck zu verleihen und somit nur „ein Symptom von etwas anderem“84 .

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Ebd. S. 179ff. Vgl. ORF-Redaktion: Weltweite Empörung und Kritik, in: ORF, veröffentlicht am 28.08.2012, online: https://orf.at/v2/stories/2136188/2136187/ abgerufen am 05.12.2021. Vgl. Jonson: Art and Protest in Putin's Russia, S. 185f. Die Angaben zum Strafmaß in erster Instanz sind widersprüchlich und schwanken zwischen zwei und drei Jahren. Im Berufungsprozess wurde die Strafe auf zwei Jahre reduziert, eine der drei Künstlerinnen kam zudem frei, da sie beweisen konnte, dass sie schon vor Beginn der Performance vom Sicherheitsdienst entfernt wurde. (Ebd.) Es gibt zwar kein vergleichbares Kunstprojekt, das dies belegt, jedoch bietet sich der Fall einer Oberösterreicherin zum Vergleich an, die in Hörsching (Bezirk LinzLand) 2014 in einer Kirche zwei Amateur-Pornofilme gedreht hat und dafür eine vergleichsweise milde Strafe erhielt, „eine bedingte Haftstrafe von drei Monaten sowie eine Geldstrafe in der Höhe 5.350 Euro“, also nicht ins Gefängnis musste. Auch wenn diese Aktion von ihrer Intention her dem Projekt von Pussy Riot diametral entgegensteht (es ist kein Akt des Feminismus, sondern es wird eine Handlung vorgenommen, die den vermeintlich männlichen Blick auf Weiblichkeit reproduziert), ist diese Übertretung zumindest in ihrer Schwere mit der Aktion von Pussy Riot vergleichbar. Vgl. Oberösterreichische-Nachrichten-Redaktion: Porno in Kirche gedreht: Darstellerin verurteilt, in: Oberösterreichische Nachrichten, veröffentlicht am 11.12.2014, online: https://www.nachrichten.at/oberoesterreich/Porno-in-Kirche-gedreht-Darstelle rin-verurteilt;art4,1556097 abgerufen am 12.09.2021. Zitat von Prof. Karin Harrasser aus einer Vorbesprechung dieser Arbeit. Ebd. (Harrasser)

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Die Inhaftierung der drei KünstlerInnen von Pussy Riot veranlasste wiederum Pjotr Pawlenski dazu, aktiv zu werden. Mit seiner Aktion Naht (russisch: Шов), bei der er 2012 mit zugenähtem Mund vor der St. Petersburger Kazan Kathedrale gegen die Gefangenschaft der drei Frauen protestierte, trat er erstmals öffentlichkeitswirksam in Erscheinung.85 Während er bei seinen Aktionen zunächst den eigenen Körper verletzte und inszenierte und sich dabei vor allem die Erregung öffentlichen Ärgernisses zuschulden kommen ließ, griff er in seinen späteren, kontroverseren Projekten den Staat an. Bei der bereits erwähnten Aktion am berüchtigten Lubjanka-Gebäude im November 2015 setzte er als Protest gegen den staatlichen Terror in Russland eine Tür der Zentrale des Moskauer FSB (frühere Zentrale des KGB) in Brand. Das Werk nannte er Bedrohung (russisch: Угроза) (Abb. 27).86 Anders als Graffitiund Street Art-KünstlerInnen oder auch die meisten ArtivistInnen versuchte er jedoch nicht, sich der Verhaftung zu entziehen, sondern lässt diese einschließlich der Gerichtsverhandlung zu einem Teil des Projekts werden.87 Während Pjotr Pawlenski inzwischen in Frankreich lebt und – sofern er nicht gerade eine Strafe verbüßen muss – die Behörden dort auf Trab hält, ist es ruhiger geworden um die aktivistische Kunst in Russland. Es gibt durchaus KünstlerInnen wie Katrin Nenaschewa oder Daria Serenko, die unautorisiert den Außenraum für ihre Ideen nutzen.88 Krasse Provokationen und Übertretungen kamen dabei in den letzten Jahren allerdings scheinbar nicht mehr vor. Inwiefern dafür die steten Gesetzesverschärfungen verantwortlich sind, die u.a. das Versammlungsrecht stark einschränken89 oder beispielsweise dazu führten, dass Nenaschewa 2016 für eine Performance auf dem Roten Platz,

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Vgl. Frenzel: „Ich bringe die Situation der Bürger auf den Punkt“. Ein frühes Beispiel einer ähnlichen Aktion lieferte übrigens Ulay (Frank Uwe Laysiepen), der sich 1976 im Ausstellungskontext selbst die Lippen zunähte. Vgl. Richards, Mary: Marina Abramović, Abingdon, 2010, S.19. Velminski: Zum Sprechen bringen. Der Fall »Freiheit« und die Medien der Wahrheitsfindung, S. 111. Ebd. S. 108. Vgl. Mikhaylova: Art and repression. Actionism and socially engaged practices in contemporary Russia, S. 60ff und S. 68f. Vgl. Smirnova, Julia: Wie Moskau Ein-Mann-Demos drakonisch bestraft, in: Welt, veröffentlicht am 08.12.2015, online: https://www.welt.de/politik/ausland/article14975729 7/Wie-Moskau-Ein-Mann-Demos-drakonisch-bestraft.html abgerufen am 06.04.2021.

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bei der sie sich in Gefangenenuniform die Haare scheren ließ, für 24 Stunden eingesperrt wurde,90 ist offen.

8.3

Veränderungen – ist der Zenit überschritten?

Die unautorisierte Kunst in Russland war von Anfang der 1990er-Jahre bis Mitte der 2010er-Jahre deutlich radikaler als die Praxis in Westeuropa.91 Es muss hinzugefügt werden, dass es sich dabei aber nur um eine marginale Anzahl an AkteurInnen handelt. Lena Jonson zitiert Pawel Mitenko, der eine mögliche Ursache für die Kämpfe, die die KünstlerInnen austragen, darin sieht, dass eine gesellschaftliche Revolution wie sie 1968 in der westlichen Welt ausgelöst wurde und in den 1980er Jahren in ähnlicher, abgeschwächter Weise in vielen osteuropäischen Staaten stattgefunden hat, in Russland nie passiert ist.92 Auch der Street-Art-Künstler und Aktivist Anton „Make“ Polsky gibt in einem Interview mit Alexander Kuritsyn an, dass es für ihn gerade aus diesem Grund interessanter sei, in Russland zu arbeiten. Durch KünstlerInnen und AktivistInnen wie beispielsweise die Provos in den Niederlanden hätten in Europa bereits gesellschaftliche Veränderungsprozesse stattgefunden, von denen Russland noch weit entfernt sei. Die Situation sei dadurch in Russland einerseits herausfordernder aber auch inspirierender.93 Unter den aktuellen Bedingungen der voll etablierten Konsumgesellschaft, in der auch das Internet permanent Ausflüchte und Ablenkungen bietet, ist es unwahrscheinlich, dass ein gesellschaftlicher Neuorientierungsprozess, wie er in den späten 1960er-Jahren in Westeuropa und Nordamerika 90

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Vgl. Zotova, Natalia: The Body of Russia, Given to Thee, in: The Russian Reader, veröffentlicht am 13.06.2016, online: https://therussianreader.com/2016/06/13/nenashevaperformance-center-e/ abgerufen am 06.04.2021. Hier muss unterschieden werden zwischen Aktionen wie Woinas Palaststurm (russisch: Дворцовый переворот), die auch in Westeuropa schwere Straftaten wären und anderen Projekten, die erst durch die Repression des Staates kriminalisiert werden und die in anderen Staaten nicht besonders streng geahndet werden würden. Vgl. Jonson: Art and Protest in Putin’s Russia, S. 187. Vgl. Kuritsyn, Alexander: We rather live in cities instead of countries. Conversation with Anton «Make» Polsky, one of the founders of partizaning.org, in: arterritory, veröffentlicht am 18.07.2014, online: https://arterritory.com/en/visual_arts/interviews/1106 2-we_rather_live_in_cities_instead_of_countries/ abgerufen am 03.04.2021. Es muss hier angemerkt werden, dass sich seit dem Interview im Jahr 2014 der Aktionsrahmen insbesondere für politische illegale Kunst im Außenraum stark verkleinert hat.

8. Repressive Systeme u. unautorisierte Kunst im öffentlichen Raum, Fallbeispiel Russland

stattgefunden hat, in abgewandelter Form in nächster Zeit nachgeholt wird. In Hinblick auf die schwierigen Übergangsjahre in den 1990ern, die alten ideologischen Eliten, die sich erneut in politischen und wirtschaftlichen Machtpositionen festsetzen konnten (etwa der Ex-KGB-Offizier Putin, der heute das Präsidentenamt bekleidet) und die bis heute fehlende umfassende Aufarbeitung der Sowjetzeit scheint eine gesamtgesellschaftliche Reform überfällig. Seit den letzten großen Protestwellen 2011/12 wurden jedoch die Einschränkungen und die Autokratie weiter ausgebaut.94 Pawlenskis Arbeiten, die die aktuellsten sind, die hier ausgiebiger verhandelt werden, können als Reaktion auf die vergeblichen Hoffnungen großer Teile der Gesellschaft auf einen Wandel verstanden werden, sie versinnbildlichen dabei die gesamtgesellschaftliche Resignation und Ohnmacht.95 Insgesamt betrachtet, wirkt die unautorisierte Kunst im Außenraum in Russland bzw. der UDSSR sehr männerdominiert. Erst mit Pussy Riot taucht erstmals eine ausschließlich weibliche Gruppe von Akteurinnen auf.96 Die künstlerischen Aneignungen wurden seit den 1960er-Jahren immer progressiver und kulminierten in den radikalen Performances Pjotr Pawlenskis. Die Sprache, die die KünstlerInnen dabei für ihre Projekte wählen, ist insbesondere seit dem Zerfall der Sowjetunion eine sehr laute und direkte. Viele Arbeiten wirken drastisch, sollen schockieren und eine große Öffentlichkeit generieren. Dies passiert sehr effizient, der Einsatz des Penis – ob als Wort geschrieben bei einer Performance (Bewegung E.T.I.), als riesengroße Zeichnung (Woina) oder bei einer Performance in Natura nackt zur Schau gestellt (Kulik, Pawlenski und viele weitere) – erfüllt immer wieder seinen Zweck und

94

95 96

Tatsächlich hat Putin jüngst eine Verfassungsreform beschließen lassen, die seine Macht ausweitet und ihm ermöglicht, bis 2036 im Amt zu bleiben. Das ausgeklügelte System Putin genießt jedoch Rückhalt in der Bevölkerungsmehrheit. „Putinism thrives not simply because Vladimir Vladimirovich Putin’s personality commands it, but because the majority of Russia’s population also wills it. This does not change or lessen the fact that President Putin is an authoritarian; however, the social dimension should be understood because it means that he is a creative authoritarian at that.“ Langdon, Kate C./Tismaneanu, Vladimir: Putin’s Totalitarian Democracy. Ideology, Myth, and Violence in the Twenty-First Century, Cham, 2020, S. 225. Diesen Gedanken äußerte der russische Kunstkritiker und Kurator Walentin Diakonow 2016 in einem privaten Gespräch. Zumindest sind sie die erste weibliche Gruppe, die mit ihren Projekten eine große Öffentlichkeit erreicht.

193

194

Unerlaubte Kunst

erzeugt einen Skandal. Ob eine Reflexion stattfindet, inwieweit dieses Symbol im öffentlichen Raum bestimmte Stereotype bedient, kann aufgrund der vorliegenden Informationen und Publikationsmaterialien zu wenig beurteilt werden.97 Konstatieren lässt sich, dass die KünstlerInnen, die in Russland unautorisiert im Außenraum agieren und dabei eine gewisse Bekanntheit erlangen, stets nur für einen gewissen Zeitraum aktiv sind und danach oft ihr künstlerisches Schaffen in den klassischen Kunstbetrieb eingliedern. Dies lässt sich aber auch für KollegInnen außerhalb Russlands feststellen, wie etwa Jenny Holzer, und es können nur Vermutungen über die Ursachen dafür angestellt werden. Einerseits kann die Strafverfolgung bzw. das grundsätzliche Unbehagen ob der unautorisierten Handlungen dazu führen, dass die KünstlerInnen ihre Arbeitspraxis verändern. Andererseits kann die These zutreffend sein, dass die Straße – im übertragenen Sinne der erweiterte öffentliche Raum – nur benutzt wird, um Aufmerksamkeit zu erzeugen, und damit als Sprungbrett für die eigene Karriere dient, wie es in Bezug auf die New Yorker KünstlerInnen der 1980er-Jahre und auf viele Street-Art-KünstlerInnen der heutigen Zeit oft geäußert wird.98 Darüber hinaus haben die KünstlerInnen möglicherweise das Potenzial des Außenraums nach ihrem Ermessen ausgeschöpft und suchen nach neuen künstlerischen Ausdrucksformen. Als Ursache für die weniger drastischen künstlerischen Vorstöße in den öffentlichen Raum während der Sowjetzeit können einerseits die harten Strafen und andererseits das Nichtvorhandensein unabhängiger Medien als Korrektiv gesehen werden. Heute ist es den KünstlerInnen des Artivism möglich, mittels Social Media eine Bottom-up-Öffentlichkeit zu erzeugen und so im Falle drastischer Verurteilungen zumindest einen Teil der Bevölkerung wachzurütteln, was allerdings nicht vor drakonischen Strafen schützt. Die Anliegen der KünstlerInnen sind existentieller als in Westeuropa, ihre Sprache ist drastischer, die Tatbestände, die dazu führen, dass KünstlerInnen in Russland in einen Konflikt mit dem Gesetz geraten, sind jedoch im Grunde oft ähnliche wie in anderen Ländern. Sachbeschädigung, Rowdytum, 97 98

Auch in den Dokumenten, die händisch aus dem Russischen übersetzt wurden, wurde dieser Aspekt nicht erwähnt. In Katja Glasers’ Beispiel der Street Ghosts des Medienkünstlers Paolo Cirio erwähnt dieser ebenfalls, dass er sich durchaus der fördernden Wirkung des Attributes Street Art für seine Arbeit bewusst war. Vgl Glaser: Street Art und neue Medien. Akteure – Praktiken – Ästhetiken, S. 291. Boris Groys bemerkt in Hinblick auf diese Problematik, dass die gezielte kommerziell orientierte Aufmerksamkeitshascherei durch politische Projekte deren Ambitionen aushöhlt. Vgl. Groys, Boris: Art Power, Cambridge, 2008, S. 16.

8. Repressive Systeme u. unautorisierte Kunst im öffentlichen Raum, Fallbeispiel Russland

Erregung öffentlichen Ärgernisses, Landfriedensbruch etc. Einzig der gegen Pussy Riot vorgebrachte Grund des „Rowdytums aus religiösem Hass“99 ist etwas exotisch. Daneben kommt in Russland inzwischen das Versammlungsrecht in extremer Ausprägung zum Einsatz. Es wurde als Reaktion auf die Proteste 2011/12 sukzessive verschärft und trifft dabei auch jene KünstlerInnen, die unautorisiert performativ im öffentlichen Raum arbeiten.100 Im Rückblick auf das in Kapitel 4/Die Rolle der Medien beschriebene wechselseitige Verhältnis von illegalen zeitgenössischen Kunstformen und dem Internet fällt in Bezug auf die russischen Praktiken des Artivism auf, dass die sich abzeichnende länderübergreifende Nivellierung künstlerischer und populärkultureller Praktiken durch das Internet in Russland scheinbar weniger stark wirkt. Die ProtagonistInnen des Artivism bedienen sich einer eigenständigen, auf Performance ausgerichteten Sprache und sind dabei eher in der Tradition der sowjetischen bzw. russischen KünstlerInnen zu verorten als im Einfluss globaler Tendenzen der Protestkunst.

Franke, Thomas: Ein wenig wie zu Sowjetzeiten, in: Deutschlandfunk Kultur, veröffentlicht am 26.09.2012, online: https://www.deutschlandfunkkultur.de/ein-wenig-wie-zusowjetzeiten.1013.de.html?dram:article_id=222618 abgerufen am 03.12.2021. 100 Die Einschränkungen gehen generell so weit, dass bereits AktivistInnen (in dem Fall geht es nicht um künstlerischen Protest) für friedliche Ein-PersonenDemonstrationen, die laut Verfassung nicht anmeldepflichtig sind, zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt wurden. Vgl. Smirnova: Wie Moskau Ein-Mann-Demos drakonisch bestraft. 99

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9. Fazit

9.1

Rekapitulation

In dieser Arbeit wurden die differenten Formen der unautorisierten Kunst im öffentlichen Raum untersucht. Dabei wurde festgestellt, dass es neben den Feldern Graffiti und Street Art und dem Artivism weitere Praktiken gibt, die illegal den öffentlichen Raum nutzen. Sie wurden als Unauthorized Public Interventions vorgestellt. Darüber hinaus wurde ein Überbegriff eingeführt, unter dem sich alle illegalen Kunstformen im öffentlichen Raum versammeln, die Unauthorized Public Art. Es geht dabei nicht darum, eine allgemeingültige Taxonomie zu schaffen1 , vielmehr sollte generell ein Bewusstsein für diese Praktiken befördert werden. Die vier Richtungen, die dabei ausgemacht werden, existieren parallel und überlagern sich vielfach. So gibt es etwa Überschneidungen zwischen Street Art und Graffiti, ebenso zwischen Artivism und Unauthorized Public Interventions oder zwischen Street Art und Artivism etc. Die untersuchten künstlerischen Praktiken sind stark an eine Mediennutzung gekoppelt bzw. bedingte die Entwicklung neuer Medien und deren Nutzung erst das Aufkommen der Praxen und ihre Verbreitung. Dies konnte einerseits in den 1960er-Jahren beobachtet werden, als sie erstmalig gehäuft auftraten, sowie ein weiteres Mal seit dem Siegeszug der digitalen Aufzeichnungsmedien, der Verbreitung des Internets und der Entstehung der Sozialen Medien seit der Jahrtausendwende. 1

Schon die einzelnen Felder sind in sich keineswegs abgeschlossen, sie müssen als Behelf verstanden werden, der dazu dient, die verschiedenartigen Ausprägungen unautorisierter Kunst im Außenraum etwas zu gliedern. Auch eine feste Zuschreibung einzelner KünstlerInnen zu einem Bereich ist keineswegs intendiert, da illegales Arbeiten vielfach nur einen Teil der Praxis ausmacht (viele AkteurInnen setzen daneben auch legale Projekte um), zudem können sie auch verschiedenen Tendenzen parallel nachgehen, z.B. Artivism und Unauthorized Public Interventions.

198

Unerlaubte Kunst

Im gleichen Maße wie die künstlerischen Praktiken von den neuen Möglichkeiten im digitalen Zeitalter Gebrauch machen und profitieren, haben auch andere Phänomene im Grenzbereich zur Kunst die neuen Potenziale entdeckt. Dabei sind neue Ausdrucksformen entstanden, die z.T. inhaltlich oder formal eine Nähe zur Kunst haben.2 Es wurde beschrieben, dass illegale Kunst im Außenraum nicht ausschließlich aus dem Projekt, dem klassischen Werk vor Ort besteht, sondern dass i.d.R. auch die Nachverhandlung der Arbeit in der „medialen Verfasstheit als Fotografie“3 oder Video etc. einen wichtigen Teil des Werks ausmacht.4 Zudem muss die illegale Durchführung – selbst wenn sie oft nicht unmittelbar erlebbar ist – im Rezeptionsprozess mitgedacht werden, da sie die Auseinandersetzung mit den Werken mitbestimmt. Weiters wurde demonstriert, wie Populärkultur, Werbung und Kulturindustrie etc. als Teile der kapitalistischen Verwertungsgesellschaft durch Rekuperation5 permanent versuchen, einzelne Bereiche der Unauthorized Public Art zu vereinnahmen und der Kommodifizierung zuzuführen.

2

3 4

5

Abseits von Prank und Urban Exploration sei dies hier am Beispiel des Künstlers Roman Signer beschrieben: Seine in Bewegtbild aufgezeichneten, experimentellen Projekte im Außenraum haben in den letzten Jahren teilweise ihre Exklusivität eingebüßt. Die einfache Verfügbarkeit von Aufzeichnungsmedien und die neuen Wiedergabeplattformen haben dazu geführt, dass sich etwa auf YouTube tausende Kreative, BastlerInnen, UnterhalterInnen tummeln, die experimentelle, nicht immer ganz legale Handlungen im Außenraum (auf Feldern, in Parks, auch im Privatgarten etc.) durchführen und auf Video festhalten, die ähnlichen Prinzipien folgen. Das Selbstverständnis dieser AkteurInnen (Habitus, kulturelles Kapital etc.), die Präsentation der Inhalte sowie die AdressatInnen unterscheiden sich zwar, jedoch erinnern die Ideen der Projekte oft an Signers Werk. Sein Ansatz wurde im Zuge der sich verändernden Medienverfügbarkeit und -nutzung teilweise von der Populärkultur absorbiert. Glaser: Street Art und neue Medien. Akteure – Praktiken – Ästhetiken, S. 19. Dies gilt auch für legale, ephemere Kunstformen, aber der Aspekt der Illegalität eröffnet eine weitere Dimension, die in der Nachverhandlung der Projekte tragend wird und eine hohe Anschlusskommunikation befördert. Der Begriff Rekuperation (französisch: récupération) geht auf die Situationistische Internationale zurück und meint die Wiedereingliederung, Zurückgewinnung, Wiederverwertung. Dies bedeutet in Bezug auf kritische, gegenkulturelle Praxen ihre Wiedereingliederung (und damit Neutralisierung) durch den Mainstream. „Das Spektakel ›lernt‹ aus der an ihm geübten Kritik und integriert sie in entschärfter Form.“ Orlich, Max Jakob: Situationistische Internationale. Eintritt, Austritt, Ausschluss, Bielefeld, 2011, S. 22.

9. Fazit

9.2

Standpunkt

Diese kulturwissenschaftliche Untersuchung ist nicht als Plädoyer für illegales künstlerisches Arbeiten im öffentlichen Raum zu lesen, vielmehr sollten die Möglichkeiten, die sich durch unautorisierte Aktionen im Außenraum für die Entwicklung von Kunst im Ganzen und ihre Rückwirkungen auf die Gesellschaft bieten, untersucht werden. Die hermetischen Räume der Kunst, in denen GatekeeperInnen den Diskurs bestimmen und über Sichtbarkeit etc. entscheiden, brauchen den öffentlichen Raum als Gegenpart. In ihm bilden sich illegale Projekte in Wechselwirkung mit dem medialen, digitalen Raum als Erweiterung des (Kunst-)Geschehens ab. Sie eröffnen neue Horizonte für die Gesellschaft, das Verständnis von Kunst und für den „Kunst-Kosmos“ insgesamt. Der Kunstbetrieb wird dabei um eine Dimension erweitert und die Hegemonie der Institutionen herausgefordert. Zudem verlässt unautorisierte Kunst im Außenraum den reinen Als-ob-Kontext 6 , indem sie den Alltagsraum zum Wirkbereich macht und in die Wirklichkeit eingreift.7

9.3

Was bleibt von illegalen künstlerischen Projekten im Außenraum?

Die Arbeiten beginnen mit den Gedanken der KünstlerInnen und finden ihre individuelle „Vollendung“8 in den Gedanken der RezipientInnen (vor Ort und

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8

Vgl. Fenner: Was kann und darf Kunst? Ein ethischer Grundriss, S. 111f. Wie beschrieben fallen die Eingriffe sehr unterschiedlich aus. Es existiert ein großes Spektrum: von Werken, die in der direkten Rezeption im Außen sofort als Kunstwerk dechiffriert werden (etwa klassische Street-Art-Werke), bis hin zu Projekten, die als Mimikry-Taktiken wie legitime Handlungen im öffentlichen Raum wirken. Mitunter werden dabei komplexe kommunikative Aushandlungsprozesse befördert, anhand derer sich die Gesellschaft über sich selbst verständigt. Vgl. Wacławek: Graffiti und Street Art, S. 98. Wacławek bezieht sich dabei auf Street Art und in erster Linie auf die Rezeption im Außenraum. Im Sinne der Vielschichtigkeit der situativen Werke der Unauthorized Public Art besteht ein Werk jedoch wie beschrieben nicht nur in seiner Verhandlung im Außen. Dass ein (offenes) Kunstwerk erst in der Rezeption „vollendet“ wird, wurde zuvor u.a. schon von Umberto Eco beschrieben (Opera aperta, 1962). Der Begriff „Vollendung“ muss als Behelf verstanden werden, suggeriert er doch eine Abgeschlossenheit der Projekte, die infrage gestellt werden sollte. Vgl. Groys, Boris: Art Power, S. 54.

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200

Unerlaubte Kunst

in der Weiterverhandlung in anderen medialen Kontexten). Dazwischen liegt die Umsetzung. Von den Werken/Aktionen bleiben Fotos, Videos, Notizen, Rechnungen, die Dokumentation der Realisierung, Publikationen, die von den KünstlerInnen selbst erstellt werden, AugenzeugInnenberichte verschiedener Art, die Besprechung in Sozialen Medien, ggf. Zeitungsartikel, Fernsehbeiträge etc. All diese Artefakte können Teil der Überlieferung und auch Teil des Werks werden, eingebettet in ein anderes Medium (Internet, Ausstellung o.ä.). Sie sind unvollständig und verkörpern dennoch das Werk oder zumindest einen Teil davon.

9.4

Internet und digitale Verhandlung

Die Sozialen Medien sind mächtige Multiplikatoren für KünstlerInnen, um Öffentlichkeit für ihr Werk zu generieren. Die kritische Auseinandersetzung mit diesem Werkzeug, sowohl im Graffiti- und Street-Art-Diskurs als auch im Artivism und bei den Unauthorized Public Interventions kommt dabei bisher scheinbar zu kurz. So sehr das Internet und die neuen Medien ein Garant für die Freiheit der Kunst sein können, schränken sie diese auch ein.9 „Die Digitalmoderne, in ihrem Wesen nonlinear, entwickelt eine andere Dynamik. Sie lässt sich als Ermächtigung beschreiben, denn im Museum, das immer ein durchmachteter Ort war, wirken nun Kräfte, die sich in den Foren des Netzes organisieren und über soziale Medien wie Twitter, Facebook oder Instagram rasch ein gewaltiges, ja globales Echo finden.“10 Was Rauterberg hier in einem kritischen Kontext beschreibt11 , kann auch aus einer positiven Perspektive gelesen werden. Die Mechanismen des Internets und der Sozialen Medien führen demnach gleichermaßen zur Einschränkung 9

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Dies meint sowohl den Werkbereich, da bestimmte Formate, Techniken, Thematiken etc. von den KünstlerInnen ausgeschlossen werden, da sie in der digitalen Wiedergabe im Netz nicht funktionieren, als auch den Wirkbereich in den Institutionen (aufgrund der von Hanno Rauterberg beschriebenen Partikularinteressen der InternetNutzerInnen, die Museen etc. zur Selbstzensur zwingen). Rauterberg: Wie frei ist die Kunst? Der neue Kulturkampf und die Krise des Liberalismus, S. 13f. Er bezieht sich im Folgenden auf den „Klicktivismus“, der gegen abweichende/kritische/störende künstlerische Positionen in den Museen mobil macht.

9. Fazit

der Freiheit der Museen wie sie deren Horizont in Form einer Demokratisierung erweitern.12 Dabei ist aber zu bedenken, dass eine zu starke Orientierung am Internet und seinen Trends zu einer massenkompatiblen Verflachung der Kunst(-Museen) führen kann.13 Eine breite Teilhabe aller Menschen an Kunst und Kultur ist wünschenswert, dieser Anspruch darf aber keine Doktrin bilden, da sonst die Freiheit der Kunst und das Schaffen der KünstlerInnen nachhaltig beeinflusst werden.

9.5

Physische Verhandlung (im Museum) – der Weg in den Kunst-Kosmos

Während es für viele der oft akademisch ausgebildeten KünstlerInnen aus dem Bereich der Unauthorized Public Interventions möglich ist, ihre Arbeiten in zweiter Instanz im klassischen Kunstfeld zu etablieren, ist es für die AkteurInnen aus anderen Feldern (Street Art, Graffiti, Artivism) weniger einfach, ihre Werke in den geschlossenen Diskurs der Kunstwelt einzuspeisen.14 „Die Anerkennung von Street Art erfolgte über den Kunstmarkt und nicht über die Kunstinstitutionen“15 , bemerkt Heike Derwanz. In einem breiteren Verständnis war es jedoch nicht allein der Kunstmarkt, sondern die virale Popularität, die die (weiterhin angefochtene) Akzeptanz in der Kunst-

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15

Indem sich Museen zum Beispiel aufgrund des verifizierbar großen Interesses (Klickzahlen) auch für Graffiti und Street Art öffnen. Anika Meier beschreibt dies in einem Artikel ihrer Kolumne in der Kunstzeitschrift Monopol mit einem anschaulichen Vergleich: „Eine Arbeit, die auf Instagram gefeiert wird, das ist eine gute Arbeit, könnte man folgern. Nur wäre dann ja auch die »Bild«-Zeitung das beste deutsche Medium, weil sie viel diskutiert und viel verkauft wird. Sichtbarkeit und Reichweite können kein Argument für Qualität sein.“ Meier, Anika: Das Jahrzehnt auf Instagram. Die Kunst wird zum Meme – Das Meme wird zur Kunst, in: Monopol, veröffentlicht am 31.12.2019, online: https://www.monopol-magazin.de/rueckblick-ins tagram abgerufen am 13.05.2021. Anerkennung durch die klassische Kunstwelt ist durchaus ein Ziel vieler AkteurInnen. Der Street-Art-Künstler Banksy etwa bezieht sich in seinen Aktionen regelmäßig auf die Institutionen der Kunst bzw. unterwandert mit Guerilla-Praktiken deren Ausschlussmechanismen, so etwa bei der Venedig-Biennale 2019. Vgl. Keener, Katherine: Banksy’s unauthorized stint in Venice, in: Art Critique, veröffentlicht am 23.05.2019, online: https://www.art-critique.com/en/2019/05/banksys-unauthorized-stint-in-venice/ abgerufen am 15.01.2021. Derwanz: Street Art-Karrieren. Neue Wege in den Kunst- und Designmarkt, S. 247.

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Unerlaubte Kunst

welt beförderte. Was Schwartzman in den 1980er-Jahren über die Werke der akademisch ausgebildeten New Yorker „Street-Art-KünstlerInnen“16 (Holzer, Kruger, Haring, Hambleton, Messner etc.) schrieb, die sich vom klassischen Kunst-Geschehen abwendeten, letztlich aber von diesem rekuperiert wurden – „[t]heir work was becoming too vital to pass by”17 –, lässt sich abgewandelt auch auf das Phänomen Street Art seit der Jahrtausendwende übertragen (too viral to pass by). Und auch Graffiti und Artivism finden häufig über das Außen und die folgende Verhandlung in den Sozialen Medien den Weg in die Institutionen.18 Es funktionieren also sämtliche Bereiche der Unauthorized Public Art auch in einer Rückkopplung an die institutionelle Kunstwelt, vielfach wird dies von den AkteurInnen angestrebt. Der Übertrag glückt jedoch nicht in allen Fällen. Insbesondere, wenn Werke 1:1 aus dem Außenraum in den Ausstellungsraum verpflanzt werden, büßen die Arbeiten ihre Bedeutung ein. Wenn also ein Stencil, anstatt unbefugt auf einem Gebäude im Außenraum, auf den Wänden einer Galerie oder gar auf einer Leinwand umgesetzt wird, fehlt der Kontext, die Bedeutung der illegalen Aktion. „Much of the meaning of graffiti lies in its subversion of the authority of urban spaces.”19 Was Cresswell hier für Graffiti beschreibt, lässt sich z.T. auch auf die anderen illegalen künstlerischen Praktiken im Außenraum übertragen, insbesondere auf Street Art. Die meist zweidimensionalen Arbeiten der Graffitiund Street-Art-KünstlerInnen haben oft keinen Ortsbezug im Sinne einer inhaltlichen bzw. intendierten formalen Auseinandersetzung mit der Umgebung.20 Durch die Illegalität wird jedoch der Gesamtkontext öffentlicher 16 17 18

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Der Begriff „Street-Art-KünstlerInnen“ ist insbesondere für Holzer, Kruger und Messner im Sinne dieser Arbeit eher unzutreffend. Schwartzman: Street Art, S. 98. Z.B. beim Graffiti-Projekt BundeskunstHALL OF FAME in der Bundeskunsthalle Bonn, 2015. Website zum Projekt: https://www.bundeskunsthalle.de/ausstellungen/archivie rte-ausstellungen/bundeskunsthall-of-fame.html abgerufen am 04.01.2020, oder bei der global aCtIVISm-Ausstellung 2013/2014 im ZKM Karlsruhe, die u.a. eine Vielzahl von KünstlerInnen aus dem Bereich des Artivism zeigte. Website zur Ausstellung: https://z km.de/de/event/2013/12/global-activism abgerufen am 04.01.2021. Cresswell: In Place/Out of Place. Geography, Ideology, and Transgression, S. 58. Viele Werke aus dem Bereich der Street Art werden im Innenraum (Atelier o.ä.) erstellt und erst durch die Anbringung im Außenraum wird dieser zum Wirkbereich. Einige Werke werden für einen bestimmten Ort konzipiert. Bei anderen entscheidet der zufällige Weg, den die KünstlerInnen (nachts) nehmen und die Stellen, auf die sie dabei stoßen, über die Platzierung eines Werks. „Obwohl es Kunstwerke der Street Art gibt,

9. Fazit

Raum, Privatbesitz etc. infrage gestellt, dadurch gewinnen die Werke ihre Bedeutung. Sie sind also nicht direkt ortsbezogen, aber zumindest kontextbezogen. Durch den Transfer in legale Bereiche (ins Museum oder auch durch legale Umsetzungen etc.) kommt dieser Kontext abhanden und mit ihm ein wichtiger Teil der Bedeutung der Arbeiten.21 An das Nachleben der Projekte und ihre mögliche Verhandlung im Kunstkontext sollten keine falschen Erwartungen gestellt werden. Eine ArtivismPerformance als Reenactment im Museum scheitert, ohne ihren realräumlichen Bezug22 bleibt sie ohne wirklichen Inhalt.23 Wenn KünstlerInnen andere, ähnliche Werke „aus ihrem Köcher ziehen“, die für den Ausstellungsraum konzipiert wurden, sind diese am Ende doch nur unzureichende Stellvertreter für die in diesem Fall abwesenden Arbeiten der Unauthorized Public Art. „Dokumentationsausstellungen“24 sind hingegen kein Kompromiss, sondern für Unauthorized Public Art das Optimum. Echte illegale Kunst im Außenraum

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die untrennbar mit ihren Ausstellungsorten verbunden sind, kann man Street Art im allgemeinen nur als ortsspezifisch betrachten, wenn »Ort« nicht mehr als gleichbedeutend mit einer bestimmten geografischen Öffentlichkeit betrachtet wird, wie zum Beispiel Plakatwände, Dächer, Wände, Brücken, Autobahnen oder einfach Straßen.“ Wacławek: Graffiti und Street Art, S. 133. Dies gilt jedoch nicht für alle Werke aus diesen beiden Feldern, es gibt auch ortsbezogene Graffiti- und Street-Art-Arbeiten. Würden sie an gleicher Stelle legal umgesetzt, wäre ihre Wirkung dadurch nicht wesentlich geschwächt. Auch die überwiegend ortsbezogenen Arbeiten der Unauthorized Public Interventions – etwa Gelitins The B-Thing (die Installation eines Balkons am World Trade Center im Jahr 2000) – verlören bei einer (hypothetischen) legalen Umsetzung nicht ihre Grundaussage und Bedeutung. Der realräumliche Bezug wird hier als die Alltagswirklichkeit im Außen gedacht, der Kunstraum hingegen als geschütztes Refugium für „Als-ob-Handlungen“. Ein Beispiel dafür ist das Reenactment der Performance standing man von Erdem Gündüz, das MitarbeiterInnen des ZKM Karlsruhe 2013 vor dem Museum durchgeführt haben. Vgl. ZKM | Karlsruhe: Duran Adam – Der stehende Mann am ZKM, in: YouTube, veröffentlicht am 03.07.2013, https://www.youtube.com/watch?v=zeaRMoRv4e0 abgerufen am 15.03.2021. Die Performance wurde im Jahr 2014 ein weiteres Mal im Beisein von Erdem Gündüz vor dem ZKM durchgeführt, ein Foto davon findet sich in der Publikation Global Activism. Vgl. Weibel (Hg.): Global Activism. Art and Conflict in the 21st Century, S. 587. Dieser Begriff ist, wie bereits erläutert, hier kritisch zu sehen, da die Repräsentation von illegaler Kunst in einer anderen „medialen Verfasstheit“ keineswegs reine Dokumentation, sondern Teil der jeweiligen Werke ist.

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Unerlaubte Kunst

ist dabei anwesend25 , nur in einer anderen „medialen Verfasstheit“ (Glaser). Daneben wirken herkömmliche, für den Ausstellungskontext produzierte Arbeiten wie potemkinsche Kunstwerke, die lediglich vorgeben, Graffiti/Street Art/Artivism/Unauthorized Public Interventions zu sein.26 Unauthorized Public Art besteht immer aus einem räumlich-temporär begrenzten Ereignis/Werk, das jedoch in einer anderen „medialen Verfasstheit“ fortbestehen kann bzw. erst in dieser Form und dem damit verbundenen Prozess umfassend rezipierbar wird. Nur in der Repräsentation in einem anderen Medium (Foto, Video, Text, Installation aus Dokumentationsmaterialien etc.) und gerade nicht als Replik auf einer Leinwand oder Museumswand, als Nachbau oder Reenactment, gelingt daher der Transfer in den Ausstellungskontext, kann die Arbeit fortwirken. Adaptierte Neukreationen können

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Boris Groys geht soweit zu behaupten, dass in Ausstellungen, in denen Kunst in Form von Kunst-Dokumentation gezeigt wird, die Dokumentationsmaterialien durch die Installation (mit ihrem topologisch-situativen Charakter) zu Originalen werden. „Art documentation, which by definition consists of images and texts that are reproducible, acquires through the installation an aura of the original, the living, the historical. In the installation the documentation gains a site – the here and now of a historical event. Because the distinction between original and copy is entirely a topological and situational one, all of the documents placed in the installation become originals.“ Groys: Art Power, S. 64. Bei Artivism und Unauthorized Public Interventions werden in Ausstellungen überwiegend die Arbeiten in einer anderen „medialen Verfasstheit“ gezeigt, allenfalls flankiert von Requisiten und Beiwerk (bzw. bei Unauthorized Public Interventions u.U. auch anderen (legalen) Arbeiten aus dem Oeuvre der KünstlerInnen, die mit dem Werk korrespondieren). In den Feldern Street Art und Graffiti wird hingegen oft der Versuch unternommen, (kommodifizierbare) Werke für den Ausstellungsraum zu schaffen. Sie haben mit den Originalen im Außenraum nichts mehr gemein (insbesondere wenn auf die flankierende Präsentation der illegalen Arbeiten in einer anderen „medialen Verfasstheit“ komplett verzichtet wird), sondern versuchen, lediglich deren Charakter und Merkmale wiederzugeben. Dies sind keine Arbeiten der Unauthorized Public Art, sondern gewöhnliche Arbeiten auf Leinwand o.ä., die mit der Ästhetik der illegalen Werke spielen und sich auf deren Authentizität berufen. Selbst wenn durch im Außenraum entwendete Träger für die Arbeiten (z.B. Papierkörbe, Straßenschilder, Zugsitze, Fenster etc.) versucht wird, den Werken Glaubwürdigkeit bzw. Illegalität einzuschreiben, gelingt dies meist nur unzureichend.

9. Fazit

allenfalls die Funktion eines Beiwerks erfüllen, das der Gesamtwirkung von Ausstellungen zuträglich ist.27 Ein ästhetisches Street-Art-Bild (auf einem mobilen Träger oder an der Museumsarchitektur) in einer Ausstellung ist also allenfalls eine Referenz auf die anderen Werke im Außen. Graffiti und Street Art verlieren einen Teil ihrer Relevanz durch den Übertrag (auf Leinwand etc.), der präsumierte illegale Kontext und der imaginierte performative Akt der Realisierung kommen abhanden.28 In einer Ausstellung können diese Arbeiten aber als Verweis auf das übrige Schaffen im öffentlichen Raum sehr wohl verstanden werden und sie bieten als verkäufliche Ware die Option konsumierbarer Teilhabe. Während die Arbeiten dabei im Vergleich zu ihren illegalen Aszendenten inhaltlich geschwächt werden, kommen ästhetisch-handwerkliche Aspekte verstärkt zum Tragen.29

9.6

Es ist noch Platz im Museum

Ob und wie eine Anbindung neuer, illegaler, viraler Phänomene an die Kunstwelt gelingt bzw. ob dies überhaupt erstrebenswert ist, bleibt offen. Die überwiegend immateriellen, videoperformativen Praktiken von Prank, Urban Exploration, Parkour & Co. entziehen sich konservativen Vorstellungen von Kunst(-Werken). Abgesehen davon, dass die AkteurInnen i.d.R. nicht aus einem künstlerischen Selbstverständnis agieren, knüpfen sie zum Teil

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Es offenbart sich schon in dem für diese Arbeit gewählten Oberbegriff für die Praktiken – Unauthorized Public Art – die Unmöglichkeit, die Werke abseits der anderen „medialen Verfasstheit“, als legale Repliken im Ausstellungsraum zu zeigen. Vgl. Baldini, Andrea: Dangerous Liaisons: Graffiti in da Museum, in: Baldini, Andrea/ Rivasi, Pietro (Hg.): Un(authorized)//commissioned, Mailand: Whole Train Press, 2018, S. 31f. Dies gilt ebenso für Artivism und Unauthorized Public Interventions, wenn KünstlerInnen versuchen die Werke für den Ausstellungsraum zu adaptieren, was, wie erwähnt, seltener vorkommt als bei Street Art und Graffiti. Der Wunsch und das Interesse vieler Menschen, sich mit illegaler Kunst im Außenraum auseinanderzusetzen, steht der Flüchtigkeit der meisten Projekte diametral entgegen. Jenseits der Erfahrung im öffentlichen Raum bieten neben dem virtuellen Raum und einzelnen Publikationen inzwischen auch immer wieder Ausstellungen in Offspaces, Galerien und Museen Gelegenheit zur Auseinandersetzung mit der Unauthorized Public Art – allerdings vornehmlich mit Street Art und Graffiti und selten mit einem Fokus, der sich ausschließlich illegalen Werken/Aktionen widmet.

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Unerlaubte Kunst

stärker an Unterhaltungs-, Sport-, und Actioninhalte an und die Selbstdarstellung rückt häufig in den Vordergrund.30 Dennoch eröffnen sich dabei neue, kreative Formate und es sind nicht mehr elitäre (akademische) Avantgarden, die die Kunst weiterentwickeln31 , vielmehr ist es im Wechselspiel verschiedener AkteurInnen und der Rezeption im Internet, die Schwarmintelligenz der Masse, aus der sich maßgeblich neue Ausformungen (illegaler) kreativer Praktiken herausbilden.32 Die Anbindung an die Populärkultur sollte dabei nicht grundsätzlich ein Ausschlusskriterium für die Verhandlung im Kunstkontext sein. Im Sinne der Fluxus-Maxime „Kunst ist Leben“33 verschiebt sich auch die klassische Kunst zunehmend in Richtung Alltag (und Massenkultur). Etablierte KünstlerInnen experimentieren mit den neuen Kommunikationskanälen, die Selbstinszenierung ist dabei ein wesentlicher Bestandteil.34 Ob die klassischen Repräsen30 31

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Was nicht grundsätzlich negativ gesehen werden muss, möglicherweise rückt in der Digitalmoderne das KünstlerInnen-Ich stärker in den Fokus. Speziell bei illegaler Kunst im Außenraum haben viele AkteurInnen ohnehin keinen akademischen Hintergrund, man denke an die Vielzahl oft sehr junger KünstlerInnen aus dem Graffiti- oder Street-Art-Bereich. Die Rezeptionsprozesse in den tendenziell bejahenden Sozialen Medien sind nicht wirklich partizipativ. Dennoch beeinflussen die Like-, Share-, und Kommentierungspraktiken, welche Tendenzen viral erfolgreich sind und entsprechend weiterverfolgt und entwickelt werden. In diesem Zusammenhang sei nochmals auf die Möglichkeit der Verflachung der Kunst als Nachteil der Mechanismen der Sozialen Medien hingewiesen. Auch „Kunst = Leben“ oder „Leben ist Kunst“ etc. Diese mit dem Fluxus in Verbindung gebrachte Parole lässt sich laut Dorothee Richter maßgeblich auf den Künstler Wolf Vostell zurückführen. Vgl. Richter, Dorothee: Fluxus. Kunst gleich Leben? Mythen um Autorschaft, Produktion, Geschlecht und Gemeinschaft, Zürich, 2012, S. 135. Vgl. auch Vinzenz, Alexandra: Vision ›Gesamtkunstwerk‹. Performative Interaktion als künstlerische Form, Bielefeld, 2018, S. 252. Ein prominentes Beispiel ist Ai Weiwei, der schon seit Jahren die Möglichkeiten der totalen Inszenierung des eigenen Lebens und Schaffens über alle erdenklichen Medienkanäle im Internet erprobt. Vgl. Zand, Bernhard/Brinkbäumer, Klaus: „Ich lebe im Internet“, in: Der Spiegel, veröffentlicht am 13.01.2014, online: https://www.spiegel.de /spiegel/print/d-124381322.html abgerufen am 08.04.2021. Twitter-Profil von Ai Weiwei: https://twitter.com/aiww?lang=de abgerufen am 08.04.2021, Instagram-Profil von Ai Weiwei: https://www.instagram.com/aiww/?hl=de abgerufen am 08.04.2021. Umgekehrt wurden bereits prominente Social-Media-AkteurInnen wie die US-Amerikanerin Kim Kardashian in Bezug auf die mögliche Nähe ihrer Praxis zur Kunst besprochen. Vgl. Wyss, Ismene: Wie viel Kunst steckt in Kim Kardashian West? Soziale Medien in der Gegenwartskunst, in: Bassing-Kontopidis, Antonie/Hindelang, Laura/Matter, Char-

9. Fazit

tationsorte der Kunst (Museen, Galerien, Offspaces) für die neuen, kreativen Ausdrucksformen überhaupt von Relevanz sind, ist unklar.

9.7

Grenzen, Grenzverschiebungen „Statt zu behaupten, die Avantgarden am Anfang des 20. Jahrhunderts hätten schon alle Grenzen überschritten, soll gezeigt werden, dass die Möglichkeiten von Grenzüberschreitungen unerschöpflich sind, weil sich stets neue Grenzen und Grenzverläufe bilden.“35

Die staatliche bzw. gesamtgesellschaftliche Entwicklung zu größerer Freiheit und mehr (Audrucks-)Möglichkeiten im öffentlichen Raum, die sich in Westeuropa seit den 1960er-Jahren vollzogen hat, ist keineswegs unumstößlich, sondern im Gegenteil ein fragiler Prozess, der auch umgekehrt werden kann. Neben dem historischen Beispiel der Tschechoslowakei, die nach der Zerschlagung des Prager Frühlings 1968 in die Periode der Normalisierung überführt wurde36 , war dies unlängst in Russland37 oder Hong Kong38 zu beobachten. Auch in Österreich gibt es Bestrebungen konservativer Kräfte, Rechte einzuschränken und Gesetze zu verschärfen, etwa im Herbst 2019, als

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lotte/Wagner, Filine (Hg.): Into the Wild. Kunst und Architektur im globalen Kontext, München, 2018, S. 135ff. Wenzel: Grenzüberschreitungen in der Gegenwartskunst. Ästhetische und Philosophische Positionen, S. 25. Nach dem Tod Stalins 1953 hatte sich das gesellschaftliche Klima in der Tschechoslowakei allmählich gelockert, dies gipfelte 1968 im Prager Frühling. Mit seiner Zerschlagung durch die Intervention der Sowjetunion und weiterer Staaten des Warschauer Pakts wurden die zuvor bestehenden (künstlerischen) Freiheiten im Zuge der Normalisierung stark eingeschränkt. Vgl. Bryzgel: Performance Art in Eastern Europe since 1960, S. 18 und vgl. ebd. S. 70. Und vgl. Fowkes: The Green Bloc. Neo-avant-garde Art and Ecology Under Socialism, S. 225. Als Reaktion auf die Protestbewegungen der Jahre 2011/12 wurden in Russland die Gesetze immer weiter verschärft. Vgl. Jonson: Art and Protest in Putin's Russia, S. 217ff. Das Zentralkomitee in Peking ist spätestens seit der gescheiterten Proteste in Hong Kong 2014 darum bemüht, die Rechte der Menschen in der chinesischen Sonderverwaltungszone sukzessive auszudünnen. Vgl. Amnesty International (Hg.): Beijing’s »Red Line« in Hong Kong. Restrictions on Rights to Peaceful Assembly and Freedom of Expression and Association, London, 2019, online: https://www.amnesty.de/sites/default/files/201 9-09/Amnesty-Bericht-Hongkong-Meinungsfreiheit-September2019.pdf abgerufen am 05.06.2021.

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Unerlaubte Kunst

während der Übergangsregierung unter Brigitte Bierlein die ÖVP versuchte, ohne ausreichende Begutachtung eine massive Ausweitung des strafrechtlich relevanten Delikts Hausfriedensbruch durchzusetzen.39 Global gibt es in den vergangenen Jahren eine Tendenz, dass sich demokratische Staaten in Richtung Autoritarismus entwickeln.40 Wohin dies führen kann, demonstrieren einzelne Länder wie der Stadtstaat Singapur bereits, in dem durch z.T. absurde Gesetze der Handlungsrahmen der BürgerInnen beschränkt wird und drakonische Strafen die Durchsetzung dieser Bestimmungen erwirken sollen.41 Derartige Situationen scheinen (artivistische) ille39

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Der Tatbestand Hausfriedensbruch sollte erweitert werden und nicht nur das gewaltsame Eindringen in Privat- oder Betriebsräume bzw. dazugehörende umfriedete Bereiche umfassen, sondern auch das gewaltfreie unautorisierte Betreten dieser Areale. Diese Aktion hätte laut der Journalistin Irene Brickner in erster Linie TierschützerInnen und JournalistInnen betroffen. Vgl. Brickner, Irene: ÖVP wollte hastig den Hausfriedensbruch-Paragrafen verschärfen, in: Der Standard, veröffentlicht am 04.10.2019, online: https://www.derstandard.at/story/2000109464835/oevp-wollte-has tig-den-hausfriedensbruch-paragrafen-verschaerfen abgerufen am 16.05.2021. Auch für die illegalen künstlerischen Praktiken im Außenraum hätte diese Verschärfung Konsequenzen gehabt. Das gewaltfreie, unerlaubte Betreten vieler Bereiche, die im Zuge der Realisierung von den AkteurInnen aufgesucht werden, wird bisher maximal als Besitzstörung, also als Verwaltungsübertretung, geahndet. Mit der ÖVP-Novelle wäre es zu einer Kriminalisierung gekommen, da diese Delikte fortan strafrechtlich relevant gewesen wären. Dies dokumentiert z.B. die internationale, unabhängige Organisation Freedom House in ihrem Bericht Freedom in the World 2019. Democracy in Retreat, der auf ihrer Website abrufbar ist, online: https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2019/democ racy-retreat abgerufen am 09.03.2021. Ein besonders groteskes Beispiel ist das Verbot des Imports und Verkaufs von Kaugummi (Vgl. Singapore Statutes Online, online: https://sso.agc.gov.sg/SL/272A-RG4?DocD ate=20161028 und https://sso.agc.gov.sg/SL/283-RG2?DocDate=20161028abgerufen am 12.05.2021). Für diese Arbeit ist aber vor allem der 1966 eingeführte Vandalism Act (damals als Punishment for Vandalism Bill) relevant. Er sieht für Vandalismus neben wahlweise Geld- oder Gefängnisstrafe immer körperliche Züchtigung in Form von Stockschlägen vor. Vgl. Singapore Statutes Online, online: https://sso.agc.gov.sg/Act/VA196 6 abgerufen am 12.05.2021. Vgl. auch Rajah, Jothie: Authoritarian Rule of Law. Legislation, Discourse and Legitimacy in Singapore, Cambridge, 2012, S. 65ff. Interessant ist dabei Rajahs Analyse, dass das Gesetz bei seiner Einführung im damals ein Jahr alten Staat Singapur darauf abzielte, die Sichtbarkeit der Opposition im öffentlichen Raum zu unterdrücken: „[T]he Vandalism Act, in its original formulation, was not really about vandalism but about the visible expression of opposition politics in the public domain“. Ebd. S. 67.

9. Fazit

gale künstlerische Projekte im Außenraum geradezu herauszufordern, da opponierende, sichtbare Kunst als Korrektiv und zur Bewusstseinsbildung wichtig ist. Wie jedoch innerhalb dieser Arbeit im Zusammenhang mit der Sowjetunion aufgezeigt wurde, ist in Konstellationen, in denen ein übermächtiger Staat Gegenöffentlichkeiten unterdrückt und mit voller Härte gegen AbweichlerInnen vorgeht, das Vorkommen von illegaler Kunst im Außenraum eher eine Ausnahme.42 Wie (illegale) Kunst im Außenraum abseits der westlichen Welt, in Kontexten, in denen auch große Teile der Architektur und des Außenraums in informellen Prozessen entstehen, aussieht/aussehen kann, müsste an anderer Stelle untersucht werden. Ob angesichts der diffus verlaufenden Grenzen zwischen Privatem und Öffentlichem das Attribut „illegal“ dabei überhaupt zutreffend sein kann, bleibt offen. Aber auch Liberalisierungsprozesse können KünstlerInnen vor ungeahnte Probleme stellen. Wenn das Bezugssystem (der repressive Staat) sich verändert, können Praktiken von DissidentInnen mit einem Mal obsolet werden. Thomas Florschütz beschreibt dies in Bezug auf den Künstler Klaus HähnerSpringmühl, der eine tragende Figur in der oppositionellen Kunstszene der DDR der 1980er Jahre war: „Seine Arbeit kam aus einer Situation der Kommunikation, in deren Zentrum er selbst stand. Und das funktionierte in der abgeschotteten Szene der DDR viel besser, später hatten die Leute ja ganz andere Möglichkeiten [...] Wichtig war auch das Inoffizielle, das fiel dann nach 1990 ja weg. Jetzt konnte jeder machen, was er wollte.“43 42

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Für Singapur ließe sich u.a. das geringe Vorkommen bzw. nahezu Nichtvorhandensein von illegalem Graffiti als Indiz für die einschüchternde Wirkung der rigiden Bestimmungen anführen. Obschon sich dort in der Anfangszeit eine kleine Szene herausgebildet hat, die u.a. unautorisiert arbeitete, spielt sich das Geschehen heute fast ausschließlich im legalen Bereich ab. Vgl. KRINGE: A Short History of Singapore's Graffiti Movement, in: Vice, veröffentlicht 20.11.2018, online: https://www.vice.com/en_asia/art icle/vbavj8/short-history-graffiti-singapore abgerufen am 04.05.2021. Graffitis in Form von einfachen Tags etc. lassen sich dennoch finden, dies ist allerdings so bemerkenswert, dass es sogar Anlass für eine Bewusstmachung in (Online-)Medien ist. Vgl. Lau, Rachel: Street Graffiti: Proof that Singapore Hasn’t Lost Its Soul, in: Rice, veröffentlicht am 07.10.2017, online: https://www.ricemedia.co/street-graffiti-proof-singapores-hasn t-lost-its-soul/ abgerufen am 04.05.2021. Thomas Florschütz, zitiert nach Raabe/Schlehahn. Raabe, Andreas/Schlehahn, Britt: Wie eine Wunderkerze, in: kreuzer, H. 10 (2016), S. 26.

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Unerlaubte Kunst

Ähnlich geschwächt lesen sich auch Pjotr Pawlenskis neuere Arbeiten, denen unter den veränderten Bedingungen im liberalen, französischen Exil ihr Bezugssystem fehlt. Illegale Kunst im Außenraum entsteht meist aus einer eindeutigen Machtkonstellation, in der die KünstlerInnen die vermeintlich schwächere Position innehaben.44 Graffiti in seiner modernen Form wurde von überwiegend minderjährigen Jugendlichen begründet und kann somit als eine Art Urimpuls der Machtlosen verstanden werden.45 Verändert sich der Kontext bzw. das Kräfteverhältnis kann das die Bedeutung der illegalen künstlerischen Praktik aushöhlen.46 Dies bezieht auch die mögliche Ermächtigung von KünstlerInnen – bedingt durch ihren Bedeutungs- oder Popularitätszuwachs – mit ein. Ab dem Moment in dem AkteurInnen zur wertvollen Marke werden, wird die Straftat/der Verstoß quasi obsolet, wie im Fall Banksy.47 Kann illegale Kunst im Außenraum also auf Dauer nur glaubwürdig sein, wenn auf AutorInnenschaft und „Markenbildung“ verzichtet wird? Erklärt sich daraus, warum fast alle AkteurInnen, die innerhalb dieser Arbeit unter-

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Dieses Kräfteverhältnis darf allerdings nicht zu ungleich sein, Autoritarismus und Totalitarismus führen Situationen herbei, in denen illegale Kunst im Außenraum quasi zum Erliegen kommt, wie das Beispiel Singapur verdeutlicht. Hier ist weniger die Konstellation der marginalisierten People of Colour (die einen großen Teil der frühen Graffiti-AkteurInnen ausmachten) gegenüber der Mehrheitsgesellschaft gemeint als generell das Verhältnis minderjährige Jugendliche – Erwachsenenwelt. Dies bezieht sich auf die Entstehungs-Konstellation Ende der 1960er / Anfang der 1970er Jahre, mit überwiegend minderjährigen AkteurInnen. Viele der heute aktiven SprüherInnen sind volljährig und haben ihre Jugend lange hinter sich, zudem gibt es auch Graffiti-KünstlerInnen, die erst im Erwachsenenalter beginnen. Die Veränderung kann durch verschiedene Ursachen bedingt sein, etwa staatliche Reformen, den Wechsel des Ortes bzw. des Landes oder den Bedeutungs- und Popularitätszuwachs der KünstlerInnen und die damit einhergehende Ermächtigung. Banksys „Sachbeschädigungen“ sind heute in Wirklichkeit „Aufwertungen“ durch seine Marke. Das eigentliche Kunststück beruht in der Verschleierung seiner Identität. Die Aufrechterhaltung des Alter Egos ist unbedingt notwendig, nicht nur, weil andernfalls der Mythos gefährdet wäre. Es befände sich sonst auch der Staat in der Bredouille, da er Banksy verfolgen und gegen ihn prozessieren müsste – und das, obwohl er bzw. weite Teile der Öffentlichkeit Banksys Werke inzwischen wertschätzen. Andernfalls würde ein Double-Standard etabliert, durch den belegbar wäre, dass dem erfolgreichen, illegalen Künstler andere Rechte eingeräumt werden als den weniger bekannten KollegInnen, dass die Ästhetik (bzw. kommerzieller Erfolg) also Einfluss auf die Anwendung des Rechts hätte.

9. Fazit

sucht wurden und die z.T. über Jahrzehnte aktiv waren bzw. sind, mit der Zeit ihre Praxis in überwiegend legale Bereiche verlegt haben?

9.8

Ausblick

Die Gesellschaft und die Faktoren öffentlicher Raum, Recht und Medien befinden sich in einem stetigen Wandel. Dadurch bedingt verändern sich auch die Möglichkeiten der Unauthorized Public Art kontinuierlich. Illegale Kunst im Außenraum, die sich vom Werk im klassischen Sinne emanzipiert, erprobt dabei neue Ausdrucksweisen, die z.T. medial kaum greifbar sind. Videoperformative Praxen aus dem Graffiti- oder Street-Art-Bereich balancieren an der Grenze zwischen Kunst und Extremsport, sie vereinen so verschiedene, scheinbar konträre Genres.48 Dieser Prozess hat das Potenzial, neue künstlerische Ausdrucksformen entstehen zu lassen. Umgekehrt gehen auch Praktiken aus den Grenzbereichen, die a priori keine Bezüge zur Kunst haben, durch die veränderte Medienwelt und Mediennutzung auf die Kunst zu.49 Das unmittelbare Erleben von Ereignissen über (Live-)Videostreams,

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Seit Graffiti in den 1970er und 1980er Jahren erstmals filmisch festgehalten wurde (etwa in Stations of the Elevated (1981), Style Wars (1983) oder der Fernseh-Dokumentation Watching my name go by (1976)), hat sich innerhalb der Szene ein eigenes Genre des Graffiti-Films herausgebildet. Die von den AkteurInnen selbstproduzierten Filme zeigten anfangs noch überwiegend fertige Bilder und nur gelegentlich SprüherInnen bei der Ausführung. Inzwischen gibt es dabei einen Schwerpunkt, der sich ausschließlich dem Trainwriting – dem Besprühen von Zügen – widmet und dabei vor allem die Ausführung und die mit dem Tatvorgang verbundenen Abläufe dokumentiert. Der filmischen Dokumentation der Aktion wird dabei mehr Aufmerksamkeit geschenkt als dem dabei entstandenen „Werk“ im klassischen Sinn, der Actiongehalt der Handlung steht im Vordergrund. Diese Entwicklung gipfelt in den Videos der brasilianischen Pixadores (so nennen sich die KünstlerInnen, die Pixação – die brasilianische Sonderform des Graffiti – praktizieren, die sich vor allem in São Paulo ästhetisch eher auf die HeavyMetal-Kultur beruft). In ihren Videos dokumentieren sie, wie sie ohne Sicherung an Hausfassaden emporklettern, um dort in schwindelerregender Höhe ihre runenartigen Schriftzüge anzubringen, immer vom todbringenden Absturz bedroht. Ein Beispiel dazu liefert etwa dieses kurze Video: hemp, Marola: PIXAÇÃO, ESCALADA EM PREDIO, in: YouTube, veröffentlicht am 18.07.2016, https://www.youtube.com/watch?v= FWjeC1h2A1I abgerufen am 13.01.2021. Einige illegale, kreative Praktiken im Außenraum haben eher die Tendenz sich in Richtung Actionsport und Thrill-seeking zu entwickeln.

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eingebettet in Soziale Medien, fördert dabei weitere (illegale) Ausdrucksformen im öffentlichen Raum mit performativen Aspekten. Es ist denkbar, dass insbesondere aus den Grenzbereichen Prank und Urban Exploration neue Formate entstehen, die in die Kunstlandschaft vordringen oder dass beide Bereiche zumindest Einfluss auf die unautorisierte Kunst im Außenraum haben. AkteurInnen aus dem Artivism lösen die Grenze zwischen Kunst(-Werk) und Leben gänzlich auf, fordern mit polarisierenden Projekten Exekutive und Judikative immer aufs Neue heraus und strapazieren dabei die Kunstfreiheit bis aufs Äußerste. Daneben erproben KünstlerInnen aus den überwiegend nicht-akademischen Feldern Graffiti und Street Art neue, illegale Praktiken im Außenraum, die in andere Bereiche der Bildenden Kunst vordringen, etwa in Form von Videoperformances50 oder in Form von Konzept-Graffiti51 . Street-ArtKünstlerInnen stellen in Museen für zeitgenössische Kunst aus52 , umgekehrt erhalten illegale Projekte der Unauthorized Public Interventions öffentliche Förderungen, werden von Museen kommissioniert und z.T. in Festivals etc. integriert53 . Die illegalen Praktiken im öffentlichen Raum führen nicht nur eine Diversifizierung der Kunstlandschaft herbei, sie sind zugleich Teil einer

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Etwa Nug & Pike mit ihrer Videoperformance It's so fresh I can't take it (2001). U.a. auf YouTube veröffentlicht: Vgl. aizrtv: ITS SO FRESH, in: YouTube, veröffentlicht am 18.03.2010, https://www.youtube.com/watch?v=vP5uUqz4SHk abgerufen am 13.01.2021. (Nug hat jedoch später Kunst studiert. Vgl. Schacter (Hg.): The World Atlas of Street Art and Graffiti, S. 229). Illegale Graffitiprojekte, die zum Teil Anleihe nehmen an Konzeptkunst, wurden in der Publikation Art Inconsequence für Deutschland im Jahr 2007 erstmals umfangreich dokumentiert. Vgl. Kaltenhäuser, Robert (Hg.): Art Inconsequence. Advanced vandalism, Mainaschaff, 2007. Begleitend zum Buch wurde ein Film veröffentlicht, er ist auf YouTube online abrufbar: Vgl. Spol, William: Graffiti Art Inconsequence Advanced Vandalism 2007, in: YouTube, veröffentlicht am 25.06.2015, https://www.youtube.com/watch? v=GgNdqYcjR0Y abgerufen am 09.04.2021. Etwa der französische Street-Art-Künstler JR im Museum Frieder Burda in BadenBaden. Vgl. Wiensowski, Ingeborg: Street-Art in Baden-Baden. Störmanöver in der Kurstadt, in: Der Spiegel, veröffentlicht am 25.02.2014, online: https://www.spiegel.d e/kultur/gesellschaft/street-art-ausstellung-jr-baden-baden-im-museum-frieder-burd a-a-955379.html abgerufen am 13.06.2021. Wie bereits erwähnt, entsprechen diese rein legalen Projekte nicht mehr der Definition von Street Art, sondern eher der von Blanché/Hoppe formulierten Definition der Urban Art. Da dies nicht nur positiv wahrgenommen wird, wird an dieser Stelle bewusst auf Belege verzichtet. Es lassen sich aber international zahlreiche Beispiele finden.

9. Fazit

Entwicklung, innerhalb derer die klare Dichotomie Kunst – Nicht-Kunst immer weiter aufgelöst wird. Unauthorized Public Art hat dabei theoretisch alle Freiheiten. Im Sinne einer Ethik, die das Leben anderer Menschen respektiert, findet sie jedoch die Grenzen ihrer Möglichkeiten im Anspruch Dritter auf psychische und physische Unversehrtheit.54 Unauthorized Public (Art) für alle Demokratisch gewählte, politische AkteurInnen entwerfen im Zusammenspiel mit wirtschaftlichen InteressenträgerInnen den Außenraum.55 Den übrigen Menschen bietet sich im Falle der Volljährigkeit durch ihr Wahlrecht die Möglichkeit, indirekt darauf Einfluss zu nehmen, welche Ausrichtung diese Ausgestaltungsprozesse haben.56 Daneben bieten BürgerInnenbegehren und ähnliche demokratische Instrumente Optionen zur Mitgestaltung. Im Rahmen der gesetzlichen bzw. behördlichen Bestimmungen kann zudem am Außenraum partizipiert werden. Ein Gestaltungsrecht, das über immaterielle, temporäre Einflussnahme hinausgeht, existiert dabei i.d.R. nicht.57

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Die psychische Unversehrtheit lässt sich schwer bemessen. Dass z.B. die unerlaubte Umgestaltung einer Privatgarage für Betroffene nicht nur materielle, sondern auch psychische Konsequenzen haben kann (Erschütterung des Glaubens an die Unverletzlichkeit des Eigentums etc.), kann an dieser Stelle nicht weiter ausgearbeitet werden. Es geht in erster Linie um mit der Tatbegehung verbundene, psychisch belastende Situationen (etwa im Fall von Joe Gibbons Banküberfall). Inhaltliche Aspekte, die über den im satirischen Kontext etablierten Toleranzbereich hinausgehen und die die Anlage haben, Dritte psychisch zu schädigen, müssten im Einzelfall untersucht werden. Im öffentlichen Raum zentraleuropäischer Städte manifestieren sich daneben i.d.R. auch z.T. jahrhundertealte Konzepte, Ideen, Ideologien von keineswegs demokratisch gewählten Herrschenden und Glaubensgemeinschaften. Dies setzt auf regionaler Ebene voraus, dass sie gemeldete EinwohnerInnen einer Gemeinde sind. Auf nationaler Ebene ist sogar die Staatsbürgerschaft erforderlich (sowohl in Österreich als auch in Deutschland). Viele Gemeinden bieten u.a. über (Wahl-)Werbetafeln und Veranstaltungsankündigungen die Möglichkeit (i.d.R. gegen Entgelte), temporär physische Bild-/ Informationsträger im öffentlichen Raum aufzustellen. (An dieser Stelle ist nicht der im Sinne dieser Arbeit erweiterte öffentliche Raum gemeint, sondern der öffentliche Raum im klassischen Sinne – Straßen, Plätze, Gehwege, kommunale Flächen etc.). Daneben gibt es in vielen Orten für Graffiti- und Street-Art-KünstlerInnen legale Flächen, die beliebig gestaltet werden können. Dieses Angebot richtet sich jedoch in erster Linie an die AkteurInnen dieser beiden Felder.

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Es manifestiert sich im Außenraum also eine Wirklichkeit, auf die die meisten Menschen nur sehr begrenzt Einfluss nehmen können58 , die aber zugleich ihr Leben und ihren Alltag bestimmt. „Like a book, the landscape is created by authors, and the end product attempts to create certain meanings. But also, like a book, the people who »read« the landscape and its places can never be forced to read it in only one way.“59 Cresswells Metapher entwirft den Außenraum als fertiges Buch. Dies spiegelt anschaulich das hierarchische Verhältnis zwischen AutorInnen und LeserInnen wider, das im öffentlichen Raum vorherrscht, impliziert aber auch seine Abgeschlossenheit. Der Außenraum muss jedoch prozessual gedacht werden, er ist nur der Versuch eines Buches, das immer wieder umformuliert wird.60 Die Relation zwischen Schreibenden und Lesenden wird dabei stetig infrage gestellt. Es wird immer wieder neu- und umformuliert, lektoriert und verworfen, die Sprache verändert sich, ebenso die Anzahl der AutorInnen und die Möglichkeit als Co-AutorIn aktiv mitzuschreiben.61 Die einzige Hürde bilden dafür die jeweils geltenden Vorschriften.62 Die von Cresswell beschriebene individuelle Interpretation bedingt auch individuelle Fortschreibungen. Urbaner Analphabetismus, individuelle „Schreibstile“ und Mehrsprachigkeit können dabei für den kontinuierlichen Prozess der Verwirklichung des Buches fruchtbar gemacht werden.

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In permanenter und legaler Form nur durch Immobilienbesitz und die Ausgestaltung des Gebäudes bzw. Grundstücks, darüber hinaus über die individuelle Gestaltung eines eigenen Fahrzeuges. Cresswell: In Place/Out of Place. Geography, Ideology, and Transgression, S. 13. Bei der Metapher, die Cresswell hier formuliert, bezieht er sich auf einen Vergleich der Landschaft als Buch, der in ähnlicher Form im Vorfeld bereits von AutorInnen wie dem Geografen James S. Duncan oder der Sozialanthropologin Henrietta Moore angestrengt wurde. Insbesondere historische, denkmalgeschütze Stadtkerne vermitteln jedoch oft den Eindruck eines fertigen Buches. Diese möglicherweise problematische „Eigenlogik“ (Berking/Löw) bedarf einer weiteren Betrachtung unter Einbeziehung der Erkenntnisse aus Soziologie und Sozialgeografie. Wo beim Stichwort Schreiben wieder die WriterInnen der späten 1960er Jahre ins Spiel kommen, als frühe Kräfte, die das Buch wortwörtlich mitschreiben wollten und wollen. „Among those who do not recognise the deterrent effect of criminal or property law [...] ›anyone‹ and ›everyone‹ is able to make situational art.“ Young: Street Art, Public City. Law, Crime and the Urban Imagination, S. 27f.

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Danksagungen

Besonderer Dank gilt: Karin Harrasser, Marianne Eppelt, Maria Weinert, Tobias Hagleitner, Katharina Gruzei, Ilaria Hoppe, Anna Jermolaewa, Verena Gruzei, Sergej Troschchenkow, Ulrich Blanché, Robert Kaltenhäuser, Gloria Schwandl, Helmut Lethen, Annika Linnemann. Darüber hinaus allen TheoretikerInnen, KünstlerInnen, KuratorInnen, KulturaktivistInnen etc., die ich während der Arbeit an diesem Projekt getroffen habe und die ihr Wissen mit mir geteilt haben. Dem Land Oberösterreich, der Stadt Linz und dem Förderungsverein der Kunstuniversität Linz für die finanzielle Unterstützung der Publikation sowie der Kunstuniversität Linz und dem Förderungsverein der Kunstuniversität Linz für die finanzielle Unterstützung der Forschungsarbeit. Diese Publikation ist aus einer kulturwissenschaftlichen Abschlussarbeit hervorgegangen, die an der Kunstuniversität Linz unter der Betreuung von Univ.-Prof. Dr.phil. Karin Harrasser entstanden ist. Der Text wurde für die Veröffentlichung überarbeitet.

Abbildungen Abb. 1: Christo und Jeanne-Claude: Wall of Oil Barrels, temporäre Intervention in der Rue Visconti in Paris am 27. Juni 1962. Die Straße wurde eigenmächtig für einige Stunden durch eine Wand aus Ölfässern blockiert.

Quelle: Kee, Joan: Models of Integrity. Art and Law in Post-Sixties America, Berkeley: University of California Press, 2019, S. 73. Foto: Jean-Dominique Lajoux.

Abb. 2: Cornbread, Cool Earl und weitere Tags, Philadelphia ca. 1972 und früher. Cornbread gilt als Begründer des modernen Graffiti-Writings.

Quelle: Gastman, Roger/Neelon, Caleb (Hg.): The History of American Graffiti, New York: Harper Collins, 2011, S. 50. Foto: Dr. Julie Reich und Gunther Cartwright.

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Abb. 3: Aufwändig gestalteter Wholecar (vollflächig bemalter Eisenbahnwaggon), Nahverkehrszug in Slowenien, 2010.

Quelle: Wogrin, Stefan: OFFLINE Graffiti Magazine, H. 1 (2011), S. 53. Foto: Unbekannt.

Abb. 4: Illegale Graffiti-Gestaltung, gesprühte Tags und Sprüche vermeintlicher AnfängerInnen unter einer Brücke in Linz, 2021 und früher.

Quelle: Helmstetter, Randolf, [Privataufnahme], Linz, 2021. Foto: Randolf Helmstetter.

247

Abb. 5: Der Begriff Style-Writing meint die Umsetzung von komplexen Schriftbildern, wie hier auf einem Nahverkehrszug in Leipzig, ca. 2006.

Quelle: Achtung Magazine, H. 1 (2006), ohne Seitenangabe. Foto: Unbekannt.

Abb. 6: Großflächiges legales Mural der Graffiti-Künstlerin MadC, abstrakte Schriftgestaltung basierend auf ihrem Aliasnamen, Leipzig, 2013.

Quelle: Helmstetter, Randolf, [Privataufnahme], Leipzig, 2021. Foto: Randolf Helmstetter.

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Abb. 7: Graffiti-Character auf der New Yorker Metro, Anfang der 1980er Jahre.

Quelle: Chalfant, Henry/Cooper, Martha: Subway Art, London: Thames & Hudson, 1984, Neuauflage 1999, S. 86. Fotos: Henry Chalfant und Martha Cooper.

Abb. 8: Stencil von Banksy, bestehend aus Bildmotiv und Signatur, London, 2001.

Quelle: Banksy: Wall and Piece, London: Century, 2005, S. 23. Foto: Banksy.

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Abb. 9: Nuria Mora: Falet-Serie, Rio de Janeiro, 2008.

Quelle: Seno, Ethel (Hg.): Trespass. Die Geschichte zur Urbanen Kunst, Köln: Taschen, 2010, S. 271. Foto: Nuria Mora. Abb. 10: Dan Witz: Ugly New Buildings, New York, 2008.

Quelle: Witz, Dan: In Plain View. 30 Years of Artworks Illegal and Otherwise, Berkeley: Ginko Press, 2009, S. 167. Foto: Dan Witz.

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Abb. 11: Störaktion der Provos anlässlich der Hochzeit der niederländischen Kronprinzessin Beatrix mit dem deutschen Claus von Amsberg am 10. März 1966 in Amsterdam.

Quelle: Kempton, Richard: Provo. Amsterdam’s Anarchist Revolt, New York: Autonomedia, 2007, S. 64. Foto: Unbekannt. Abb. 12: Abbie Hoffman und Jerry Rubin (Yippies), New Yorker Börse, 1967.

Quelle: Seno, Ethel (Hg.): Trespass. Die Geschichte zur Urbanen Kunst, Köln: Taschen, 2010, S. 133. Foto: The Associated Press.

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Abb. 13: Erdem Gündüz: Standing Man, Performance auf dem Taksim-Platz, Istanbul, 2013.

Quelle: Weibel, Peter (Hg.): Global Activism. Art and Conflict in the 21st Century, Cambridge: MIT Press, 2015, S. 538. Foto: Reuters / Marko Djurica.

Abb. 14: Ann Messner: three stations, New York, 1980.

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Abb. 15: Deborah Stratman: Park, Chicago, 2000.

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Quelle: Kessler, Leopold: Rekonstruktion, [Website des Künstlers], http://www.leopoldkessler.net/?page_id=2570 abgerufen am 19.10.2021. Foto: Leopold Kessler.

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Abb. 17: Wermke/Leinkauf: Symbolic Threats, New York, 2014.

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Abb. 18: Gelitin/Gelatin: The B-Thing, New York, 2000.

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Abb. 19: Francesco Visalli: Place de la Concorde, Rom, 2013/2014.

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Abb. 20: Eberhard Bosslet: Bauzeichnung La Restinga II, La Restinga, El Hierro, 1983.

Quelle: Material & Wirkung e.V. (Hg.): Bosslet. Obras en Espana | Works in Spain | Werke in Spanien, Berlin: extra Verlag, 2014, S. 123. Foto: Eberhard Bosslet.

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Abb. 21: Gordon Matta-Clark: Day’s End, New York, 1975.

Quelle: Kee, Joan: Models of Integrity. Art and Law in Post-Sixties America, Berkeley: University of California Press, 2019, S. 117. Foto: Unbekannt, © Estate of Gordon Matta-Clark/Artists Rights Society (ARS), New York. Abb. 22: Joe Hawley, Mel Henderson und Al Young: yellow cab event, San Francisco, 1969.

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Abb. 23: Anatoli Osmolowski: Reise eines Nezesiudik ins Land der Brobdingnagger (Majakowski – Osmolowski), Moskau, 1993.

Quelle: Scan von Negativ, Archivaufnahme, NCCA Moskau. Foto: Unbekannt.

Abb. 24: Paolo Cirio: Street Ghosts, Berlin.

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Quelle: Weibel, Peter (Hg.): Global Activism. Art and Conflict in the 21st Century, Cambridge: MIT Press, 2015, S. 521. Foto: Pussy Riot.

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Abb. 27: Pjotr Pawlenski: Bedrohung (russisch: Угроза), Moskau, 2015.

Quelle: Jungblut, Peter: Russicher Performance-Künstler legt Feuer an “Lubjanka”, in: BR, veröffentlicht am 09.11.2015, online: https://www. br.de/nachrichten/kultur/russischer-performance-kuenstler-legt-feuer-an-lubjanka,64rk6cth60r3gdtt64v3gc9m6ctkc abgerufen am 03.11.2021. Foto: Nigina Beroeva.

Abb. 28: Ann Messner mit einem Bolzenschneider in einem Gitarrenkoffer. Das Werkzeug wurde vermeintlich im Zusammenhang mit der illegal durchgeführten Ausstellung Real Estate Show verwendet, um in das leerstehende Ausstellungsgebäude zu gelangen. New York, 1980.

Quelle: Kee, Joan: Models of Integrity. Art and Law in Post-Sixties America, Berkeley: University of California Press, 2019, S. 126. Foto: Peter Moennig.

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Abb. 29: Graffiti-SprüherInnen posieren vor besprühten U-Bahn-Garnituren, Wien.

Quelle: Achtung Magazine, H. 4 (2010), ohne Seitenangabe. Foto: Unbekannt. Abb. 30: Denis Mustafin, Georgi Dorochow, Wlad Tschischenkow: белое на красном (deutsch: Weiß auf Rot), Moskau, 2011.

Quelle: Steam Punk: Белое на красном, in: YouTube, veröffentlicht am 24.06.2011, online: https://www.youtube.com/watch?time_continue=1&v=OsMkCQ7Vxqs&feature=emb_logo abgerufen am 18.10.2021. Videostill bei 0:26 min. Kamera: Unbekannt.

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Abb. 31: Invader, Mosaik vor der Kulisse des Riesenrads im Wiener Prater, Wien, 2006.

Quelle: Schacter, Rafael: The World Atlas of Street Art and Graffiti, London: Aurum Press, 2013, S. 172. Foto: Invader. Abb. 32: Mediengruppe LM/LN: Concrete Soccer, Berlin, 2006.

Quelle: Kalt, Daniel: Kunst ist kein Kinderspiel, in: dérive – Zeitschrift für Stadtforschung, H. 26 (2007), S. 45. Foto: Mediengruppe LM/LN.

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Abb. 33: Cut-Out von Swoon, Berlin, 2008.

Quelle: Klitzke, Katrin/Schmidt, Christian (Hg.): Street Art. Legenden zur Strasse, Berlin: Archiv der Jugendkulturen, 2009, S. 11. Foto: Christian Heinicke.

Abb. 34: Woina: Palastputsch (russisch: Дворцовый переворот), St. Petersburg, 2010.

Quelle: Bieber, Alain/Jansen Gregor/Klanten, Robert et al. (Hg.): Art & Agenda. Political Art and Activism, Berlin: Gestalten, 2011, S. 149. Foto: Woina.

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Abb. 35: Ulrike Troger: Gigant, illegal aufgestellte Skulptur, Wien, 2009.

Quelle: Presse-Redaktion: “Gigant”: Wien genehmigt Skulptur, zeigt Künstlerin an, in: Die Presse, veröffentlicht am 18.12.2009, online: https://www. diepresse.com/529008/gigant-wien-genehmigt-skulptur-zeigt-kunstlerin-an abgerufen am 09.10.2021. Foto: Michaela Bruckberger. Abb. 36: Dennis Oppenheim: Violations: Evidence of 153 Misdemeanors in Violation of Section 484 of the California Penal Code (Petty Theft), San Quentin, 1971/72.

Quelle: Kee, Joan: Models of Integrity. Art and Law in Post-Sixties America, Berkeley: University of California Press, 2019, S. 28. Foto: Dennis Oppenheim.

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Abb. 39: Urban-Exploration-Sujet, das auch als Ruin Porn bezeichnet werden könnte, Zittau, 2019.

Quelle: Helmstetter, Randolf, [Privataufnahme], Zittau, 2019. Foto: Randolf Helmstetter. Abb. 40: Roofing in Moskau.

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Abb. 41: Wermke/Leinkauf: Drifter, Tokyo, 2012.

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266

Abb. 43: legale Guerilla-Werbekampagne, Zürich, 2010.

Quelle: Ads of the World: McDonald’s. MacFries Pedestrian Crossing, veröffentlicht am 03.08.2010, online: https://www. adsoftheworld.com/media/ambient/mcdonalds_macfries_pedestrian_crossing abgerufen am 19.10.2021. Foto: TBWA Switzerland. Abb. 44: Guerilla-Werbekampagne, Busse fuhren mit Werbeslogans, die der Ästhetik von Graffiti-Tags nachempfunden waren u.a. durch Paris. Paris, 2019.

Quelle: Fabien Tipon and co.: Monsieur @C_Najdovski une société fait circuler un ou plusieurs cars entièrement publicitaire dans Paris. (Gros irrespect mais gros gain comme ils disent...), in: Twitter, veröffentlicht am 30.10.2019, online: https://twitter.com/FabienTipon/status/1183701043936411649/photo/1 abgerufen am 19.10.2021. Foto: Fabien Tipon and co.

267

Abb. 45: illegal auf dem Boden angebrachte Werbe-Stencils, Hamburg, 2016.

Quelle: Pichlmair, Stefanie: Bußgeld für Werbung auf Fußweg in der Hamburger City, in: Hamburger Abendblatt, veröffentlicht am 27.11.2016, online: https://www.abendblatt.de/hamburg/hamburg-mitte/article208804743/ Bussgeld-fuer-Werbung-auf-Fussweg-in-der-Hamburger-City.html abgerufen am 19.10.2021. Foto: Stefanie Pichlmair. Abb. 46: Zeitungsartikel in der New York Times zum Vorgehen der Behörden in Moskau gegen die KünstlerInnen der Bulldozer-Ausstellung, 1974.

Quelle: Monoskop: Bulldozer Exhibition, online: https://monoskop.org/ Bulldozer_Exhibition#/media/File:Bulldozer_Exhibition_1974_N YT.jpg abgerufen am 19.10.2021, Foto: United Press International.

268

Abb. 47: Kollektive Aktionen: Losung 1977, Russland, 1977.

Quelle: Groys, Boris: History becomes Form. Moscow Conceptualism, Cambridge: MIT Press, 2010, S. 149. Foto: Archiv Andrei Monastyrski.

Abb. 48: Gnesdo: Demonstration (russisch: Демонстрация), Moskau, 1978.

Quelle: Обухова, Александра (Hg.): Перформанс в России 1910-2010. Картография истории, Moskau: Artguide Editions, 2014, S. 68. Foto: Walentin Serow.

269

Abb. 49: Gruppe SZ: ВОТ! (deutsch: Hier!), aus der Serie Надписи (deutsch: Beschriftungen), Moskau, 1980.

Quelle: Обухова, Александра (Hg.): Перформанс в России 1910-2010. Картография истории, Moskau: Artguide Editions, 2014, S. 88. Foto: Wadim Sacharow.

Abb. 50: Julius Rybakow, Oleg Wolkow: ВЫ РАСПИНАЕТЕ СВОБОДУ, НО ДУША ЧЕЛОВЕКА НЕ ЗНАЕТ ОКОВ! (deutsch: Ihr kreuzigt die Freiheit, aber die menschliche Seele kennt keine Fesseln!), Leningrad, 1976.

Quelle: Мынбаев, Артем: «...Душа человека не знает оков!», in: Острова не Свободы, [Website], https://spb.iofe.center/node/25 abgerufen am 19.10.2021. Foto: Unbekannt.

270

Abb. 51: Bewerung E.T.I: Э.Т.И. – ТЕКСТ (Хуй на Красной площади), Berichterstattung zur Aktion in der Presse (Moskovskij Komsomolets), Moskau, 1991.

Quelle: Weibel, Peter (Hg.): Global Activism. Art and Conflict in the 21st Century, Cambridge: MIT Press, 2015, S. 516. Foto: Unbekannt. Abb. 52: Künstlergruppe Fliegenpilz (russisch: Мухомор): Wort (russisch: Слово), 1978.

Quelle: Erofeev, Andreï/Martin, Jean-Hubert (Hg.): Kunst im Verborgenen. Nonkonformisten Rußland 1957-1995, München/New York: Prestel, 1995, S. 128. Foto: Unbekannt.

271

Abb. 53: Oleg Kulik: Reservoir Dog, Zürich, 1995.

Quelle: Drews-Sylla, Gesine: Moskauer Aktionismus – Provokation der Transformationsgesellschaft, Paderborn: Wilhelm Fink, 2011, S. 171. Foto: Unbekannt.

Abb. 54: Bombily mit Unterstützung von Woina: white line, Moskau, 2007.

Quelle: Обухова, Александра (Hg.): Перформанс в России 1910-2010. Картография истории, Moskau: Artguide Editions, 2014, S. 216. Fotos: Evgenija Subtschenko.

272

Abb. 55: Woina: Хуй в плену у ФСБ (Dick captured by FSB), St. Petersburg, 2010.

Quelle: Bieber, Alain/Jansen Gregor/Klanten, Robert et al. (Hg.): Art & Agenda. Political Art and Activism, Berlin: Gestalten, 2011, S. 146. Foto: Woina.

Abb. 56: Pussy Riot: Бунт в России – Путин зассал! (deutsch: Aufstand in Russland – Putin hat Schiss!), Lobnoje-mesto-Plattform, Roter Platz, Moskau, 2012.

Quelle: Weibel, Peter (Hg.): Global Activism. Art and Conflict in the 21st Century, Cambridge: MIT Press, 2015, S. 285. Foto: Denis Bochkarev.

Kunst- und Bildwissenschaft Elisa Ganivet

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Ivana Pilic, Anne Wiederhold-Daryanavard (Hg.)

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Katharina Eck, Johanna Hartmann, Kathrin Heinz, Christiane Keim (Hg.)

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