Transparenzpflichten zur Kontrolle von Finanzdienstleistungsunternehmen: Unter besonderer Berücksichtigung des Schutzes von Geschäftsgeheimnissen 9783161542824, 3161542827

English summary: European and German law increasingly demands financial services companies to reveal relevant informatio

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Transparenzpflichten zur Kontrolle von Finanzdienstleistungsunternehmen: Unter besonderer Berücksichtigung des Schutzes von Geschäftsgeheimnissen
 9783161542824, 3161542827

Table of contents :
Unter besonderer Berücksichtigung des Schutzes von Geschäftsgeheimnissen
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einführung
Transparenzpflichten von Finanzdienstleistungsunternehmen
Folgerungen für andere Rechtsgebiete
Zusammenfassung und Ausblick
Literaturverzeichnis
Register

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JUS PRIVATUM Beiträge zum Privatrecht Band 204

Lena Rudkowski

Transparenzpflichten zur Kontrolle von Finanzdienstleistungsunternehmen Unter besonderer Berücksichtigung des Schutzes von Geschäftsgeheimnissen

Mohr Siebeck

Lena Rudkowski, geboren 1986; Studium der Rechtswissenschaft an der Freien Universität Berlin; Referendariat in Berlin und London; 2010 Promotion, Zweites Staatsexamen; seit 2011 Juniorprofessorin an der Freien Universität Berlin; 2015 Habilitation.

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG Wort.

ISBN 978-3-16-154282-4 ISSN 0940-9610 (Jus Privatum) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb. dnb.de abrufbar. © 2016  Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Über­setzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen aus der Garamond Antiqua auf alterungsbeständiges Werk­druck­papier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.

Vorwort Die vorliegende Untersuchung wurde im Wintersemester 2014/15 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin als Habilitationsschrift angenommen. Literatur und Rechtsprechung wurden noch bis zum Sommer 2015 nachgetragen. Zu danken habe ich Herrn Univ.-Prof. Dr. Christian Armbrüster für die Betreuung der Arbeit. Dank gebührt außerdem Herrn Univ.-Prof. Dr. Gregor Bachmann für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Die Veröffentlichung dieses Werkes hat die VG Wort durch Übernahme der Druckkosten großzügig unterstützt. Berlin, im August 2015

Lena Rudkowski

Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIX

Teil 1: Einführung §  1 Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 §  2 Besondere Regulierungsbedürftigkeit von Finanzdienstleistungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 §  3 Offenlegungsinteressen und Geheimnisschutz . . . . . . . . . . . . 12 §  4 Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

Teil 2: Transparenzpflichten von Finanzdienstleistungsunternehmen §  1 Transparenz zur internen Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 §  2 Transparenz zur Kontrolle durch einzelne Private . . . . . . . . . . 76 §  3 Transparenz zur Kontrolle durch die Aufsichtsbehörde . . . . . . . 134 §  4 Transparenz zur Kontrolle durch die Öffentlichkeit . . . . . . . . . 165 §  5 Herstellung von Transparenz durch Dritte . . . . . . . . . . . . . . 196

Teil 3: Folgerungen für andere Rechtsgebiete §  1 Folgerungen für das Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 215 §  2 Folgerungen für das Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 §  3 Folgerungen für andere Wirtschaftszweige unter staatlicher Aufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 §  4 Folgerungen für das Zivilprozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 262

Teil 4: Zusammenfassung und Ausblick §  1 Zusammenfassende Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 §  2 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse in Thesen . . . . . . 321

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Inhaltsübersicht

§  3 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIX

Teil 1: Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 §  1 Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 §  2 Besondere Regulierungsbedürftigkeit von Finanzdienstleistungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 A. Tatsächliche Grundlagen der besonderen Regulierungsbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 I. Regulierungsbedürftigkeit von Versicherungsunternehmen 6 II. Regulierungsbedürftigkeit von Instituten . . . . . . . . . . . 7 B. Rechtliche Grundlagen der besonderen Regulierungsbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 I. Sozialstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 II. Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 C. Folgerungen für die Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 §  3 Offenlegungsinteressen und Geheimnisschutz . . . . . . . . . . . . 12 A. Der Begriff des Geschäftsgeheimnisses . . . . . . . . . . . . . . 13 I. Die Elemente des Geheimnisbegriffs . . . . . . . . . . . . . . 14 1. Unternehmensbezogene Tatsache . . . . . . . . . . . . . . 16 2. Nichtoffenkundigkeit der Tatsache . . . . . . . . . . . . . 17 3. Geheimhaltungsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 4. Geheimhaltungswille des Geheimnisträgers und Geheimnisschutzmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . 20 II. Einheitlichkeit des Geheimnisbegriffs . . . . . . . . . . . . . 22 III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 B. Verfassungsrechtlicher Schutz von Geschäftsgeheimnissen . . . 23 I. Berufsfreiheit (Art.  12 Abs.  1 GG) . . . . . . . . . . . . . . . 24 1. Schutzbereich des Art.  12 Abs.  1 GG . . . . . . . . . . . . 24

X

Inhaltsverzeichnis

2. Eingriff in Art.  12 Abs.  1 GG und Rechtfertigung . . . . 25 II. Recht auf Eigentum (Art.  14 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . 27 1. Schutz des Geschäftsgeheimnisses nach Art.  14 GG . . . . 27 2. Herleitung des Grundrechtsschutzes im Einzelnen . . . . 28 3. Konkurrenzverhältnis zur Berufsfreiheit . . . . . . . . . . 31 4. Eingriff in Art.  14 Abs.  1 GG und Rechtfertigung . . . . . 31 III. Schutz durch weitere Grundrechte und Prinzipien . . . . . . 32 1. Allgemeine Handlungsfreiheit (Art.  2 Abs.  1 GG) . . . . . 32 2. Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Unternehmers (Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  1 Abs.  1 GG) . . . . . . 32 3. Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Unternehmens (Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  12 Abs.  1 GG) . . . . . 33 4. Sozial- und Rechtsstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . 34 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 §  4 Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

Teil 2: Transparenzpflichten von Finanzdienstleistungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 §  1 Transparenz zur internen Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 A. Interne Transparenz als Ziel des Finanzaufsichtsrechts . . . . . 40 B. Interne Transparenz nach den Vorschriften des Finanzaufsichtsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 I. Interne Transparenz von Instituten . . . . . . . . . . . . . . 41 1. Informationsbeziehungen des Risikomanagements . . . . 42 a) Informationsbeziehungen zum Leitungsorgan . . . . . 42 b) Pflicht zur Berichterstattung gegenüber dem Aufsichtsorgan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 c) Risikocontrolling-Funktion (Art.  76 Abs.  5 CRD IV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2. Informationsbeziehungen des Risikoausschusses . . . . . 44 3. Einrichtung einer Compliance-Funktion . . . . . . . . . . 47 4. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 II. Interne Transparenz von Versicherungsunternehmen . . . . 49 1. Vorstand als Zentrum der Informationsbeziehungen . . . 50 2. Informationsbeziehungen des Risikomanagements . . . . 52 a) Risikocontrolling (§  26 Abs.  8 VAG-E) . . . . . . . . . . 52 b) ORSA (§  27 Abs.  1 VAG-E) . . . . . . . . . . . . . . . . 54 c) Allgemeine Informationspflichten des Risikomanagements gegenüber dem Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . 55

Inhaltsverzeichnis

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3. Informationsbeziehungen des internen Kontrollsystems (§  29 VAG-E) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 a) Pflicht zur Einrichtung einer Compliance-Funktion . . 56 b) Regelungsvorbild WpHG und WpDVerOV . . . . . . . 57 c) Weisungsrecht der Compliance-Funktion . . . . . . . . 57 d) Informationsrechte der Compliance-Funktion . . . . . 59 e) Insbesondere: Verhältnis zum Aufsichtsrat . . . . . . . 60 aa) Bericht an den Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . 60 bb) Auskunftsanspruch des Aufsichtsrats . . . . . . . . 62 f) Insbesondere: Verhältnis zu Behörden . . . . . . . . . . 63 g) Insbesondere: Stellung als öffentlicher Beauftragter . . 65 h) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 4. Informationsbeziehungen der internen Revision (§  30 VAG-E) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 5. Informationsbeziehungen der versicherungsmathematischen Funktion (§  31 VAG-E) . . . . . . . . . . 68 6. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 C. Kritik und Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 I. Grundsätze für Vorschriften zur internen Transparenz . . . 71 II. Folgerungen für das Verständnis der prinzipienbasierten Aufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 III. Folgerungen für Kontrolle durch Transparenz . . . . . . . . 75 §  2 Transparenz zur Kontrolle durch einzelne Private . . . . . . . . . . 76 A. Transparenz für Kunden als Ziel von Offenlegungspflichten . . 76 I. Zivilrechtlicher Ansatz: Information des mündigen Privaten 77 1. Einheitliches zivilrechtliches Konzept von Kontrolle durch Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 2. Insbesondere: Das Leitbild des mündigen Privaten . . . . 79 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 II. Öffentlich-rechtlicher Ansatz: Information des mündigen Privaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 B. Transparenz für Kunden im geltenden Recht . . . . . . . . . . . 84 I. Passive Offenlegungspflichten der Unternehmen . . . . . . . 84 1. Offenlegung kundenbezogener Information nach §  202 VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 2. Reichweite des §  202 VVG in direkter und analoger Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 3. Einsichtnahme gem. §  810 BGB . . . . . . . . . . . . . . . 88 4. Einsichtnahme aufgrund vertraglicher Treuepflicht (§  242 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93

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5. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 II. Aktive Offenlegungspflichten der Unternehmen . . . . . . . 94 1. Vorvertragliche Informationspflichten . . . . . . . . . . . 94 a) Die „richtige“ Vertragsentscheidung als Ziel der Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 b) Hinweise, Erläuterungen und Beratung als Mittel der Kontrolle durch Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . 97 2. Aufklärungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 a) Spontane Aufklärungspflichten gem. §  6 VVG . . . . . 100 b) Ungeschriebene spontane Aufklärungspflichten . . . . 102 aa) Anlassunabhängige Aufklärungspflichten . . . . . . 103 bb) Anlassbezogene Aufklärungspflichten . . . . . . . . 105 cc) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 C. Kritik und Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 I. Der mündige, aber beschränkt belastbare Private . . . . . . . 109 II. Grundsätze für eine interessengerechte Weiterentwicklung der Offenlegungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 1. Weiterentwicklung von passiven Offenlegungspflichten . 113 2. Weiterentwicklung von Informationspflichten . . . . . . . 117 a) Ziel der „informierten Entscheidung“ . . . . . . . . . . 117 b) Der Grundsatz der Informationssparsamkeit und seine Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 aa) Vorrang anderer Informationsbeziehungen . . . . . 119 bb) Wesentliche Informationen . . . . . . . . . . . . . . 120 cc) Insbesondere: Ausschluss „weicher“ Informationen 121 dd) Insbesondere: Geheimhaltungsinteressen des Verpflichteten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 c) Persönlicher Anwendungsbereich der Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 d) Beschränkung auf Informationspflichten . . . . . . . . 127 e) Sonderfall: Produktinformationsblätter . . . . . . . . . 128 aa) Sachlicher Anwendungsbereich des PIB . . . . . . . 128 bb) Persönlicher Anwendungsbereich des PIB . . . . . . 129 cc) Anforderungen an das PIB im Einzelnen . . . . . . 129 f) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 3. Weiterentwicklung von Aufklärungspflichten . . . . . . . 132 III. Folgerungen für Kontrolle durch Transparenz . . . . . . . . 133 §  3 Transparenz zur Kontrolle durch die Aufsichtsbehörde . . . . . . . 134 A. Transparenz für Aufsichtsbehörden als Ziel des Finanzaufsichtsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134

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I. Transparenz als Mittel der klassischen Staatsaufsicht . . . . 135 II. Funktionswandel der aufsichtsrechtlichen Offenlegungspflichten in der modernen Finanzaufsicht . . . . . . . . . . . 136 B. Grundsatz der Transparenz für die Aufsichtsbehörde . . . . . . 139 I. Überblick über die finanzaufsichtsrechtlichen Offenlegungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 II. Transparenz nach Solvency II . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 1. Informationsgeneralklausel und Offenlegungspflichten . . 141 2. Insbesondere: Anforderungen gem. §  43 VAG-E . . . . . . 143 3. Insbesondere: Verhältnismäßigkeit (§  296 VAG-E) . . . . . 144 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 III. Sicherstellung des Geheimnisschutzes . . . . . . . . . . . . . 145 1. Geheimhaltungspflicht gem. §§  9 KWG n. F., 84 VAG, 8 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 a) Schweigepflicht und Verschwiegenheitspflicht . . . . . . 146 b) Schutzgegenstand: Tatsachen und Werturteile . . . . . . 146 c) Verbotene Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 d) Normadressat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 e) Unbefugtheit der Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . 150 f) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 2. Ungeschriebene Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 a) Ausnahme bei Verschwiegenheitsverpflichtung des Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 b) Ausnahme bei sich außerhalb der Rechtsordnung stellenden Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 C. Kritik und Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 I. Grenzen der Kontrolle durch die Aufsichtsbehörde . . . . . 154 II. Grundsätze für Vorschriften über Transparenz gegenüber der Aufsichtsbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . 154 1. Informationen ohne unmittelbaren Zusammenhang zur Aufsichtstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 2. Vorrang anlassbezogener Offenlegungspflichten . . . . . . 157 3. Vorrang von aktiven gegenüber passiven Offenlegungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 4. Abstrakt-individuelle Offenlegungspflichten . . . . . . . . 158 5. Vorrang von Offenlegungsobliegenheiten . . . . . . . . . . 160 6. Vorrang einer gesetzlichen Ausdifferenzierung des Adressatenkreises vor der Anordnung des Verhältnismäßigkeitsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . 161 7. Informationsvorsorge in den Unternehmen . . . . . . . . . 163 8. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164

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III. Folgerungen für Kontrolle durch Transparenz . . . . . . . . 164 §  4 Transparenz zur Kontrolle durch die Öffentlichkeit . . . . . . . . . 165 A. Transparenz für die Öffentlichkeit als Ziel des Finanzaufsichtsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 I. Konzept im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 II. Insbesondere: Die Öffentlichkeit als Adressat der Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 B. Transparenz für die Öffentlichkeit nach den Vorschriften des Finanzaufsichtsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 I. Geschäftsgeheimnisse als offenlegungsfester Kern der unternehmensbezogenen Information . . . . . . . . . . . 170 II. Offenlegungspflichten und Geheimnisschutz bei Instituten 171 1. Offenlegungspflichten gem. §  26a KWG a. F. . . . . . . . . 171 2. Änderungen durch CRD IV . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 3. Offenlegung von Vergütungssystemen (Art.  450 CRR) . . 173 III. Offenlegungspflichten und Geheimnisschutz bei Versicherungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 1. Offenlegungspflichten und Geheimnisschutz de lege lata . 174 2. Offenlegungspflichten und Geheimnisschutz nach Solvency II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 C. Kritik und Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 I. Funktionsfähigkeit des Konzepts „Kontrolle durch Transparenz für die Öffentlichkeit“ . . . . . . . . . . . . . . 178 1. Interessengegensatz zwischen Kontrollinstanz und Kontrollierten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 2. Defizite der Kontrollinstanz . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 a) Grenzen der Informationssammlung und -aufnahme . . 181 b) Grenzen der Informationsverwertung . . . . . . . . . . 182 c) Begrenzte Fachkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 d) Steuerbarkeit der Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . 185 3. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 II. Grundsätze für eine Weiterentwicklung der Offenlegungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 1. Gegenstand der Offenlegung: Andere als rechtserhebliche Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 2. Vorrang von Offenlegungsobliegenheiten . . . . . . . . . 189 3. Vorrang der eingeschränkten Öffentlichkeit . . . . . . . . 190 4. Vorrang der Regelung durch Gesetz oder Richtlinie . . . . 191 5. Weitere Kennzeichen einer verhältnismäßigen Regelung . 192 a) Abstufung der Offenlegungspflichten . . . . . . . . . . 192

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b) Wesentlichkeitsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 c) Verhältnismäßigkeit des Aufwands der Informationsmitteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 d) Verweisung auf andere Informationsquellen . . . . . . . 194 6. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 III. Folgerungen für Kontrolle durch Transparenz . . . . . . . . 195 §  5 Herstellung von Transparenz durch Dritte . . . . . . . . . . . . . . 196 A. Transparenz durch Shaming . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 I. Behördlich vermittelte Kontrolle durch Shaming im WpHG 197 II. Kontrolle durch Shaming im VAG . . . . . . . . . . . . . . . 199 III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 B. Transparenz durch externes Whistleblowing . . . . . . . . . . . 202 I. Externes Whistleblowing durch Arbeitnehmer . . . . . . . . 203 1. Zulässigkeit des Whistleblowings gegenüber Behörden . . 203 a) Zulässigkeitsvoraussetzungen für externes Whistleblowing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 b) Modifikation für Arbeitnehmer in Finanzdienstleistungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 aa) Öffentliches Interesse an der Information . . . . . . 205 bb) Berechtigung der Vorwürfe . . . . . . . . . . . . . . 206 cc) Grundsätzlicher Vorrang innerbetrieblicher Abhilfe 206 dd) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 2. Whistleblowing gegenüber anderen Dritten . . . . . . . . 208 II. Externes Whistleblowing durch Betriebsratsmitglieder . . . 208 III. Externes Whistleblowing durch Organmitglieder . . . . . . 211 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 C. Folgerungen für Kontrolle durch Transparenz . . . . . . . . . . 213

Teil 3: Folgerungen für andere Rechtsgebiete . . . . . . . . . . . . . 215 §  1 Folgerungen für das Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 215 A. Wirkungen des Finanzaufsichtsrechts für Aktiengesellschaften anderer Wirtschaftszweige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 I. Ausstrahlungswirkung des Finanzaufsichtsrechts . . . . . . 216 II. §  91 Abs.  2 AktG als Einfallstor finanzaufsichtsrechtlicher Wertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 III. Erweiterung der aktienrechtlichen Informationsbeziehungen durch Einführung neuer Kontrollinstanzen . . . . . . . . . 223 1. Implementierung neuer Geschäftsorganisationspflichten . 223 2. Insbesondere: Pflicht zur Einrichtung einer ComplianceFunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225

XVI

Inhaltsverzeichnis

IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 B. Modifikation der aktienrechtlichen Informationsbeziehungen in Finanzdienstleistungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . 226 I. Informationsbeziehungen zu den Aktionären . . . . . . . . . 226 II. Interne Informationsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . 230 1. Offenlegungspflichten des Vorstands gegenüber dem Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 a) Berichtspflicht und Einsichtsrecht (§§  90, 111 Abs.  2 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 b) Schranken der Informationsrechte . . . . . . . . . . . . 232 c) Modifikation in Finanzdienstleistungsunternehmen . . 238 2. Informationsbeziehungen innerhalb des Vorstands . . . . 239 a) Offenlegungspflichten innerhalb des Vorstands . . . . 239 b) Modifikation in Finanzdienstleistungsunternehmen . . 242 3. Informationsbeziehungen innerhalb des Aufsichtsrats . . 243 4. Sonderstellung des Gremiumsvorsitzenden . . . . . . . . 244 5. Gesetzliche Festschreibung der Informationsbeziehungen 246 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 C. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 §  2 Folgerungen für das Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 A. Individualarbeitsrechtliche Offenlegungspflichten von Arbeitnehmern gegenüber dem Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . 248 I. Rechtsgrundlage der Offenlegungspflichten des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 II. Grundsätzliche Offenlegungspflicht des Arbeitnehmers . . 249 III. Offenlegungspflichten des Arbeitnehmers bei objektiven Umständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 IV. Offenlegungspflichten bei Vorkommnissen mit Personenbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 1. Offenlegungspflicht im Zusammenhang mit Arbeitgeberweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 2. Offenlegungspflicht bei Umständen außerhalb des Arbeitsbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 3. Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 B. Modifikation der allgemeinen Grundsätze in Finanzdienstleistungsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . 255 C. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257

Inhaltsverzeichnis

XVII

§  3 Folgerungen für andere Wirtschaftszweige unter staatlicher Aufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 A. Beschränkung auf Transparenz zur Kontrolle durch Aufsichtsbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 B. Besonderheiten der Aufsicht über Finanzdienstleister . . . . . . 259 C. Übertragbarkeit der gefundenen Grundsätze auf andere Rechtsgebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 D. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 §  4 Folgerungen für das Zivilprozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 A. Informationelle Eigenverantwortung im Zivilprozess . . . . . . 262 I. Durchbrechung durch die Grundsätze der sekundären Darlegungslast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 1. Voraussetzungen der sekundären Darlegungslast . . . . . 264 2. Wirkungen der sekundären Darlegungslast . . . . . . . . . 264 3. Herleitung der sekundären Darlegungslast . . . . . . . . . 267 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 II. Transparenz als Grundsatz des Zivilprozesses . . . . . . . . 271 1. Aufklärungspflicht als Begründung der sekundären Darlegungslast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 2. Allgemeine prozessuale Aufklärungspflicht . . . . . . . . 273 III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 B. Sicherstellung des Geheimnisschutzes . . . . . . . . . . . . . . . 276 I. Notwendigkeit des Geheimnisschutzes im Zivilprozess . . . 276 II. Geheimnisschutz gegenüber der Öffentlichkeit . . . . . . . 278 1. Ausschluss der Öffentlichkeit gem. §  172 Nr.  2 GVG . . . 278 2. Ausschluss der Öffentlichkeit bei Verkündung des Urteils (§§  173 Abs.  2 GVG, 172 GVG analog) . . . . . . . . . . . 281 3. Geheimhaltungspflicht der Prozessparteien . . . . . . . . 282 a) Beschluss gem. §  174 Abs.  3 GVG . . . . . . . . . . . . . 282 b) Sicherheitsleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 c) Wechselseitige Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . . . 284 d) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 4. Beschränkung des Akteneinsichtsrechts (§  299 Abs.  2 ZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 5. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 III. Geheimnisschutz der Parteien untereinander . . . . . . . . . 286 1. Ausklammern des Geheimnisses aus dem Prozess . . . . . 287 a) Getrennte Verhandlung einzelner Anspruchsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 b) Zurückstellen der Beweiserhebung . . . . . . . . . . . . 288 c) Zurückstellen von Beweismitteln . . . . . . . . . . . . . 290

XVIII

Inhaltsverzeichnis

d) Ausschluss von Tatsachen durch Zeugnisverweigerungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 e) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 2. Partieller Ausschluss der Parteien . . . . . . . . . . . . . . 291 a) Beschränkungen des Akteneinsichtsrechts . . . . . . . . 292 b) Auszugsweiser Aktenvortrag . . . . . . . . . . . . . . . 293 c) in camera-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 aa) Grundzüge eines in camera-Verfahrens . . . . . . . 294 bb) Grundsätzliche Zulässigkeit eines zivilprozessualen in camera-Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 cc) in camera-Verfahren in der Hauptsache . . . . . . . 298 dd) Entscheidung durch das Gericht der Hauptsache . . 301 ee) Ausgestaltung des in camera-Verfahrens im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 (1) in camera-Verfahren zugunsten der nicht beweisbelasteten Partei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 (2) in camera-Verfahren zugunsten der beweisbelasteten Partei . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 (3) in camera-Verfahren nach gerichtlicher Offenlegungsanordnung . . . . . . . . . . . . . . 309 ff) Einschaltung eines Sachverständigen . . . . . . . . . 309 gg) Urteil und Urteilsverkündung . . . . . . . . . . . . 310 hh) Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 ii) Flankierende Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . 312 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 C. Neubewertung der Transparenz im Zivilprozess aufgrund des in camera-Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313

Teil 4: Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . 315 §  1 Zusammenfassende Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 A. Kontrolle durch Transparenz: Voraussetzungen und Grenzen . 315 B. Ein rechtsgebietsübergreifendes System der „Corporate Transparency“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 §  2 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse in Thesen . . . . . . 321 §  3 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361

Abkürzungsverzeichnis a. A. andere Auffassung a. E. am Ende a. F. alte Fassung ABl. Amtsblatt abl. ablehnend Abs. Absatz AcP Archiv für die civilistische Praxis AG Aktiengesellschaft AGB Allgemeine Geschäftsbedingungen AktG Aktiengesetz allg. allgemein AltZertG Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz AöR Archiv des öffentlichen Rechts Art. Artikel ausf. ausführlich AVB Allgemeine Versicherungsbedingungen BaFin Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BAG Bundesarbeitsgericht BB Betriebsberater (Zeitschrift) Bd. Band BeckRS Beck-Rechtsprechung (Datenbank) Begr. Begründung BegrRegE Begründung des Regierungsentwurfs Beschl. Beschluss BetrVG Betriebsverfassungsgesetz BFH Bundesfinanzhof BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHZ Entscheidungen des BGH in Zivilsachen (amtliche Sammlung) BImSchG Bundesimmissionsschutzgesetz BKR Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht

XX

Abkürzungsverzeichnis

BR-Drs. Bundesratsdrucksache bspw. beispielsweise BT-Drs. Bundestagsdrucksache BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des BVerfG (amtliche Sammlung) BVerwG Bundesverwaltungsgericht BVerwGE Entscheidungen des BVerwG (amtliche Sammlung) bzgl. bezüglich CCZ Corporate Compliance Zeitschrift CRD IV Capital Requirements Directive (IV) CRR Capital Requirements Regulation d. h. das heißt DB Der Betrieb (Zeitschrift) ders. derselbe dies. dieselbe(n) diff. differenzierend DÖV Die öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) EBA European Banking Authority EfbV Entsorgungsfachbetriebeverordnung EG Europäische Gemeinschaft EGBGB Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EIOPA Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen EnWG Energiewirtschaftsgesetz EU Europäische Union EuGH Europäischer Gerichtshof EUGrCh EU-Grundrechtecharta EuZA Europäische Zeitschrift für Arbeitsrecht EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht f. folgende ff. folgende FinDAG Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz Fn. Fußnote FS Festschrift GDV Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. GEKR Gemeinsames europäisches Kaufrecht GewArch Das Gewerbearchiv (Zeitschrift)

Abkürzungsverzeichnis

XXI

GewO Gewerbeordnung GG Grundgesetz ggf. gegebenenfalls GmbHR Die GmbH-Rundschau grds. grundsätzlich GRUR Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeitschrift) GVG Gerichtsverfassungsgesetz GwG Geldwäschegesetz GWR Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) HGB Handelsgesetzbuch hL herrschende Lehre hM herrschende Meinung Hrsg. Herausgeber Hs. Halbsatz IFG Informationsfreiheitsgesetz InstitutsVergV Institutsvergütungsverordnung i. V. m. in Verbindung mit JA Juristische Ausbildung (Zeitschrift) JR Juristische Rundschau JuS Juristische Schulung JZ Juristenzeitung K&R Kommunikation und Recht (Zeitschrift) Kap. Kapitel krit. kritisch KWG Kreditwesengesetz KrWG Kreislaufwirtschaftsgesetz LG Landgericht lit. littera Lit. Literatur Ls. Leitsatz m. Anm. mit Anmerkung m. w. N. mit weiteren Nachweisen MDR Monatsschrift für Deutsches Recht MittBayNot Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins (Zeitschrift) MMR Multimedia und Recht (Zeitschrift)

XXII

Abkürzungsverzeichnis

n. F. neue Fassung n. v. nicht veröffentlicht NJW Neue Juristische Wochenschrift NJW-RR NJW-Rechtsprechungsreport NStZ Neue Zeitschrift für Strafrecht NVersZ Neue Zeitschrift für Versicherung und Recht NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NZA Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht NZG Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht o. ä. oder ähnlich OLG Oberlandesgericht PatG Patentgesetz PEICL Principles of European Insurance Contract Law PflVG Pflichtversicherungsgesetz PRIIP Packaged Retail and Insurance-based Investment Product RdA Recht der Arbeit (Zeitschrift) RG Reichsgericht RGBl. Reichsgesetzblatt RGZ Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen (amtliche Sammlung) Rn. Randnummer Rspr. Rechtsprechung RuS Recht und Schaden (Zeitschrift) S. siehe/Seite SGB X Sozialgesetzbuch X sog. sogenannt SolvV Solvabilitätsverordnung st. Rspr. ständige Rechtsprechung StGB Strafgesetzbuch StPO Strafprozessordnung str. streitig TKG Telekommunikationsgesetz Tz. Teilzeichen u. a. unter anderem u. U. unter Umständen UrhWG Urheberrechtswahrnehmungsgesetz

Abkürzungsverzeichnis

XXIII

Urt. Urteil usw. und so weiter UWG Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb v. von, vom VAG Versicherungsaufsichtsgesetz VAG-E Entwurf für ein Versicherungsaufsichtsgesetz VersR Versicherungsrecht (Zeitschrift) VersVergV Versicherungsvergütungsverordnung VerwArch Verwaltungsarchiv (Zeitschrift) VG Verwaltungsgericht Vorbem. Vorbemerkung VRRL Verbraucherrechte-Richtlinie VuR Verbraucher und Recht (Zeitschrift) VVDStRL Veröffentlichungen der Vereinigung der Dt. Staatsrechtslehrer VVG Versicherungsvertragsgesetz VVG-InfoV VVG-Informationspflichtenverordnung VW Versicherungswirtschaft (Zeitschrift) VwGO Verwaltungsgerichtsordnung VwVfG Verwaltungsverfahrensgesetz WiVerw Wirtschaft und Verwaltung (Zeitschrift) WM Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht WpDVerOV Wertpapierdienstleistungs-Verhaltens- und Organisationsverordnung WpHG Wertpapierhandelsgesetz WpÜG Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz WRP Wettbewerb in Recht und Praxis (Zeitschrift) WRV Weimarer Reichtsverfassung z. B. zum Beispiel ZBB Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft ZEuP Zeitschrift für europäisches Privatrecht ZfV Zeitschrift für Versicherungswesen ZGR Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht ZHR Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Ziff. Ziffer ZInsO Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zit. zitiert ZPO Zivilprozessordnung ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik

XXIV

Abkürzungsverzeichnis

ZUM Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht zust. zustimmend zutr. zutreffend ZVersWiss Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft ZZP Zeitschrift für Zivilprozess

Teil 1

Einführung §  1 Problemstellung „Licht ist der beste Polizist“,1 so lautet verkürzt eine verbreitete Begründung für Rechtsnormen, die Personen zur Offenlegung bestimmter Informationen, zur Herstellung von „Transparenz“ verpflichten. Transparenz in diesem Sinne verspricht Durchschaubarkeit bestimmter Umstände und Vorgänge für alle In­ teressierten. Diese Durchschaubarkeit wiederum ist Basis für wirksame Kon­ trolle des Offenlegenden, ebenfalls durch alle Interessierten. Der Gedanke der Kontrolle durch Transparenz ist keineswegs neu, wie schon das Eingangszitat zeigt, das aus dem Jahr 1914 stammt. Allerdings entspricht er wie wohl kaum ein anderer dem Bild und Selbstverständnis des mündigen, wohl informierten und gut vernetzten Bürgers des 21. Jahrhunderts. Der mündige Bürger will ernst genommen, will gehört werden, seine Umgebung gestalten und, falls nötig, seine Rechte auch gegen mächtige Organisationen durchsetzen. Darunter fallen längst nicht mehr nur der Staat und insbesondere die Verwal­ tung,2 sondern alle größeren, bisher undurchschaubaren Organisationen, vor allem private Unternehmen.3 Der Gesetzgeber vollzieht diese gesellschaftliche Entwicklung bei seiner Tä­ tigkeit spätestens seit den 1990er Jahren nach. Mit zahlreichen Gesetzen ver­ spricht er mehr Transparenz in verschiedensten Lebensbereichen, von der Transparenz der Verwaltung mit dem IFG4 und „Transparenzgesetzen“ der Länder5 über Transparenz in der Unternehmensbilanzierung z. B. mit dem 1  Eigentlich “Sunlight is said to be the best of disinfectants; electric light the most efficient policeman”, Brandeis, S.  92. 2  Zu deren Transparenz Bröhmer, S.  2 ff.; Gurlit, ZRP 1989, 253, 256 f.; Rossi, S.  99 ff.; spe­ ziell zur Transparenz der BaFin gem. IFG Rudkowski, S.  37 ff. (Schwerpunkt Versicherungs­ aufsicht); Spindler, Informationsfreiheit, S.  9 ff. (Schwerpunkt Finanzmarktaufsicht). 3  Klenk, in: Klenk/Hanke (Hrsg.), S.  16. 4  Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes, Informationsfreiheits­ gesetz, vom 5. September 2005, BGBl.  I S.  2722. 5  Etwa das am 6. Dezember 2012 in Kraft getretene HmbTG, nach dessen §  10 Abs.  1 alle im Gesetz aufgezählten Informationen von den genannten staatlichen Stellen (im Gegensatz

2

Teil 1: Einführung

TransPuG6 bis hin zur Transparenz des Marktes für bestimmte private Verträge durch Umsetzung der Informationspflichten gemäß der VerbraucherrechteRichtlinie.7 Nicht nur den Staat und staatliche Handlungen will der Gesetz­ geber transparent machen, sondern auch private Verträge oder Unternehmen. Von der Transparenz kann auch er selbst, können seine Aufsichtsbehörden pro­ fitieren. Transparente Private lassen sich von staatlicher Seite aus leichter kon­ trollieren. Das Streben nach Transparenz verstärkt sich dort, wo Private als besonders mächtig und besonders kontrollbedürftig wahrgenommen werden.8 Nach der sog. Finanzkrise der Jahre 2008/20099 wird die Forderung nach Transparenz insbesondere im Recht des Finanzdienstleistungssektors10 aufgegriffen. Der deutsche Gesetzgeber und der europäische Normgeber wollen durch Herstellung von Transparenz die Kontrolle der Unternehmen durch die Behör­ den stärken. Transparenz soll aber auch Kontrolle durch Vertragspartner und Öffentlichkeit ermöglichen. Zahlreiche aktuelle Gesetzesänderungen schaffen daher neue Transparenz- oder, im Folgenden synonym, Offenlegungspflichten speziell für Finanzdienstleistungsunternehmen. Informationspflichten nach dem AltZertG sollen Altersvorsorgeprodukte für den Kunden durchschaubar machen,11 Berichtspflichten nach CRD IV12 und der ab 2016 anzuwendenden zur Informationsfreiheit unabhängig von der Anfrage eines Bürgers) in einem Informations­ register zu veröffentlichen sind, näher Gusy, JZ 2014, 171, 175 ff. 6  Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizi­ tät, Transparenz- und Publizitätsgesetz, vom 19. Juli 2002, BGBl.  I S.  2681. 7 Verbraucherrechte-Richtlinie (im Folgenden auch VRRL), Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbrau­ cher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/ EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl.  EU Nr. L 304, S.  6 4 ff.; Umsetzung durch das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucher­ rechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung vom 20. September 2013, BGBl.  I S.  3642. 8  Han, S.  7 7, spricht krit. von „reziproker Ausleuchtung“ und Überwachung des „Obens“ durch das „Unten“. 9  Überblick über ihren Ablauf etwa bei Emunds, Ethik und Gesellschaft 2/2009, S.  2 ff. Zu möglichen Ursachen Thiele, S.  1 ff. 10  Für diese Untersuchung bezieht sich der Begriff „Finanzdienstleistungssektor“ auf den Wirtschaftszweig, in welchem Finanzdienstleister geschäftlich tätig sind. „Finanzdienstleis­ ter“ oder „Finanzdienstleistungsunternehmen“ meint im Folgenden, soweit nicht anders an­ gegeben, Kreditinstitute i. S. d. §  1 Abs.  1 KWG, Finanzdienstleistungsinstitute i. S. d. §  1 Abs.  1a KWG und die gem. §  1 Abs.  1 Nr.  1 VAG aufsichtspflichtigen Unternehmen (Versiche­ rungsunternehmen). 11  Durch das Gesetz zur Verbesserung der steuerlichen Förderung der privaten Altersvor­ sorge, Altersvorsorge-Verbesserungsgesetz, AltvVerbG, vom 24. Juni 2013, BGBl.  I S.  1667. 12 Verordnung (EU) Nr.   575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr.  6 46/2012, ABl.  EU Nr. L 176, S.  1 ff.; Richtlinie 2013/36/ EU des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditin­

§  1 Problemstellung

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Richtlinie Solvency II13 Aufsichtsbehörden und Öffentlichkeit von Geschäfts­ organisation und wirtschaftlicher Lage von Banken und Versicherungsunter­ nehmen in Kenntnis setzen. An diesen Vorschriften zeigt sich ein neues Verständnis von Kontrolle. Durch Herstellung von Transparenz legt der Gesetzgeber sie in viele verschiedene Hände. Zwar kontrolliert immer noch der Staat durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).14 Sie ist auf umfassende Überwachung der gesamten geschäftlichen Tätigkeit der Unternehmen angelegt, anders als die nicht speziell mit der Durchsetzung des Finanzaufsichtsrechts betrauten und daher im Folgenden ausgeklammerten Behörden etwa in den Bereichen Steuer-, Straf- oder Kartellrecht. Die BaFin wird aber zunehmend unterstützt durch weitere Kontrollinstan­ zen. In die Pflicht genommen werden zunächst die Finanzdienstleistungsunter­ nehmen selbst.15 Ihnen gibt das Aufsichtsrecht vor, dass interne Kontrolle nicht nur Aufgabe der Geschäftsleitung, sondern zahlreicher weiterer unternehmens­ eigener Stellen ist. Hinzu treten die Kunden der Unternehmen, individuell und als Kollektiv „Öffentlichkeit“. Sie sind nicht mehr darauf beschränkt, im Einzelfall gegen ihren Vertragspartner ihre individuellen Interessen zivilrechtlich durchzuset­ zen, sondern sollen, gegründet auf die Information, die sie durch neue zivil- und finanzaufsichtsrechtliche Offenlegungspflichten erlangen, über ihre individuel­ len Entscheidungen auf das Verhalten der Unternehmen kontrollierend und steuernd einwirken. Im Unterschied zu den seit längeren bekannten16 Konzep­ ten der Kapitalmarkt- und der Rechnungslegungspublizität17 ist der Zweck der neuen finanzaufsichtsrechtlichen Offenlegungspflichten gegenüber der Öffent­ lichkeit nicht primär Publikumsschutz,18 sondern die Sicherung der Funktions­ fähigkeit des Finanzdienstleistungssektors. stituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Ände­ rung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG vom 27. Juni 2013, ABl.  EU Nr. L 176, S.  338 ff., zusammen im Folgenden CRD IV; für die Richtlinie alleine im Folgenden CRD IV; für die Verordnung alleine im Folgenden CRR. 13  Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und Rückversicherungstä­ tigkeit, ABl.  EU Nr. L 335, S.  1 ff. (Solvabilität II), im Folgenden Solvency II. 14  Auf europäischer Ebene erfolgt staatliche Kontrolle durch EBA, EIOPA und ESMA. 15  S. demgegenüber die Einschätzung Thieles, Kontrolle (Beaufsichtigung) müsse stets von „außen“ erfolgen, S.  25. 16  Zu den historischen Ursprüngen verschiedener Formen der Unternehmenspublizität s. bereits ausf. Merkt, S.  29 ff. 17  §§  340 ff. HGB sehen in diesem Bereich für Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute, §§  341a ff. HGB für Versicherungsunternehmen Spezialregelungen vor. S. zur Abgrenzung von den hier untersuchten Transparenzpflichten noch Teil 2 §  4 A. I. 18  Ausf. mit näherer Ausdifferenzierung für die einzelnen Formen der Publizität (etwa:

4

Teil 1: Einführung

Die Aufsicht durch eine staatliche Instanz ist nach dem hier skizzierten ­neuen Kontrollkonzept mithin nicht mehr das wesentliche, sondern nur ein Element der Kontrolle von Finanzdienstleistungsunternehmen. Die Kontrolle unmittel­ bar durch den Souverän (einschließlich der zu kontrollierenden Personen selbst), und die Kontrolle mittelbar durch den Souverän, über die Behörden, sollen sich gegenseitig ergänzen und zu einer ebenso demokratischen wie wirksamen Auf­ sicht führen.19 Die rechtswissenschaftliche Literatur hat diese Entwicklung für die einzel­ nen jeweils betroffenen Rechtsgebiete begleitet, sei es für die Offenlegungs­ pflichten im Finanzaufsichtsrecht selbst,20 sei es für die Offenlegungspflichten in den für Finanzdienstleistungsunternehmen relevanten Bereichen des Privat­ rechts, 21 etwa im bürgerlichen Recht und Privatversicherungsrecht. Soweit die Herstellung von Transparenz Auswirkungen auf die Unternehmensorga­nisa­ tion hat, etwa weil die Erfüllung von Offenlegungspflichten gegenüber der Ba­ Fin bestimmte organisatorische Vorkehrungen erforderlich macht, nimmt die Literatur auch die Schnittstellen von Zivil- und Aufsichtsrecht in den Blick, unter dem Schlagwort „Corporate Governance“.22 Gibt es aber vielleicht sogar schon ein System der „Corporate Transparen­ cy“?23 Liegen den speziellen Transparenzpflichten der Finanzdienstleistungs­ unternehmen – abseits des gesetzgeberischen Ziels, mit ihnen die Kontrolle in möglichst viele Hände zu legen – rechtsgebietsübergreifend die gleichen bestim­ menden Wertungen zugrunde?24 Literatur und Normgeber haben sich diese Fragen bisher nicht gestellt. Dabei sind sie von besonderer Bedeutung vor allem für Versicherungsunternehmen, auf denen hier der Schwerpunkt der Untersuchung liegen soll: Das Versiche­ rungsaufsichtsrecht wird zur Umsetzung von Solvency II mit dem Ziel der Her­ stellung von Transparenz grundlegend novelliert. Schwerpunkt „Gläubigerschutz“ bei der Rechnungslegungspublizität) Merkt, S.  29 ff. (S.  53, 58 für die hier angeführte Rechnungslegungspublizität). 19  Zur Transparenz der Verwaltung als Ausdruck von Demokratie und Bürgernähe etwa Bröhmer, S.  6; Gurlit, ZRP 1989, 253, 256 f.; Jestaedt, AöR 126 (2001), 204, 205; Rossi, S.  99 ff. Krit. zur Transparenz als Mittel der Kontrolle eines jeden gegen jeden Han, S.  77. 20  Auswahl zum VAG: Dreher/Schaaf, in: Dreher/Wandt (Hrsg.), S.  129 ff.; Grote/Schaaf, VersR 2012, 17, 23; zu den Neuerungen der Kreditwesenaufsicht gem. Basel III/CRD IV etwa Spitzer, Kreditwesen 2011, 554 ff.; Zeitler, Kreditwesen 2011, 541 ff. 21  S. im Einzelnen die Nachweise in Teil 2 §  2. 22 Speziell für Finanzdienstleistungsunternehmen Dreher/Häußler, ZGR 2011, 471  ff.; Lüttringhaus, EuZW 2011, 856 ff.; Meister, S.  67 ff. 23  Der Begriff wird in der deutschen Literatur soweit ersichtlich nur im Zusammenhang mit der Unternehmenskommunikation verwendet, s. Klenk/Hanke (Hrsg.), Corporate Transparency, 2009. 24 Auf der Suche nach einer rechtsgebietsübergreifenden Dogmatik von Transparenz­ pflichten ist derzeit auch das öffentliche Recht (für die den Staat und seine Einrichtungen treffenden Transparenzpflichten), teilweise unter dem Schlagwort „Open Government (Data)“, s. etwa Gusy, JZ 2014, 171, 178 f.

§  2 Besondere Regulierungsbedürftigkeit von Finanzdienstleistungsunternehmen

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Es gilt daher, ein interessengerechtes, rechtsgebietsübergreifend wider­ spruchsfreies System der auf Kontrolle von Finanzdienstleistungsunternehmen abzielenden Transparenzpflichten zu finden und Voraussetzungen für die wirk­ same Kontrolle durch und für die Weiterentwicklung von Offenlegungspflich­ ten zu benennen. Dazu ist auch zu prüfen, unter welchen Voraussetzungen Transparenz überhaupt geeignetes Mittel der Kontrolle sein kann. Außerdem sind die der Herstellung von Transparenz entgegenstehenden Interessen in den Blick zu nehmen, etwa das Interesse der Unternehmen am Schutz ihrer Ge­ schäftsgeheimnisse.25 Denn Bedingung für eine interessengerechte Regelung ist selbst in einer „Transparenzgesellschaft“, 26 dass Offenlegungs- und Geheim­ haltungsinteressen nach Maßgabe praktischer Konkordanz27 schonend zum Ausgleich gebracht werden.

§  2 Besondere Regulierungsbedürftigkeit von Finanzdienstleistungsunternehmen Zu den nach Maßgabe praktischer Konkordanz auszugleichenden Interessen gehört hier zunächst das öffentliche Interesse an der Kontrolle und Regulierung des Finanzdienstleistungssektors. Es ist Grundlage für das Offenlegungs- oder Transparenzinteresse, das die Anordnung von Transparenzpflichten rechtfer­ tigt.28

A. Tatsächliche Grundlagen der besonderen Regulierungsbedürftigkeit Das Interesse an Kontrolle und Regulierung des Finanzdienstleistungssektors wiederum ergibt sich aus dessen tatsächlichen Besonderheiten.

25 

Zu diesem sogleich §  3. Han, S.  1 ff. 27 Nach Hesse, Rn.   72. Die Formulierung aufgreifend in ständiger Rechtsprechung das BVerfG, BVerfG, Beschl. v. 3.4.2001 – 2 BvR 1741/99, 276/00, 2061/00, BVerfGE 103, 21, 33; Beschl. v. 16.5.1995 – 1 BvR 1087/91, BVerfGE 93, 1, 21; Beschl. v. 26.5.1970 – 1 BvR 83, 244, 345/69, BVerfGE 28, 243, 269. 28  Zur Information als Grundlage von Kontrolle etwa Schoch, VVDStRL 57 (1998), 158, 168; Stohrer, S.  52, 111, 117 f. (jeweils für das öffentliche Recht); Hoffmann-Becking, NZG 2003, 745; Lutter/Krieger, Rn.  890 (jeweils für das Zivilrecht/Gesellschaftsrecht). 26 

6

Teil 1: Einführung

I. Regulierungsbedürftigkeit von Versicherungsunternehmen Die besondere Regulierungsbedürftigkeit von Versicherungsunternehmen ist aus der Art der angebotenen Produkte und den öffentlichen wie privaten Inter­ essen an der Leistungsfähigkeit der Unternehmen herzuleiten. Aufgrund der Art des angebotenen Produkts, des Versicherungsvertrags, be­ steht bei Versicherungsunternehmen ein gewisses Potenzial für missbräuchli­ ches Verhalten.29 Der Versicherer verspricht sehr abstrakt eine Leistung für die Zukunft, anlässlich der Verwirklichung eines versicherten Risikos, dessen Ein­ tritt jedoch ungewiss ist.30 Angesichts dieser „Unsichtbarkeit“ des Produkts31 und der Ungewissheit des Risikoeintritts32 bei oft langen Vertragslaufzeiten und hoher Verrechtlichung bedarf es des gegenseitigen Vertrauens der Vertrags­ parteien in hohem Maße.33 Grund für die Schaffung des VAG war somit, „schwarze Schafe“ aus dem Versicherungswesen zugunsten der primären Gläu­ biger, der Versicherungsnehmer, aber auch zugunsten aller redlichen Wettbe­ werber und des Marktes insgesamt zu beseitigen.34 Zudem ist die Versicherungsleistung von erheblicher wirtschaftlicher Bedeu­ tung.35 Zunächst geht es um wirtschaftliche Interessen des Versicherungsneh­ mers,36 aus denen sich ein öffentlichen Interesse an Regulierung ergibt:37 Die Versicherung erfüllt eine Sicherungsfunktion.38 Diese zeigt sich deutlich etwa bei Absicherung gegen existenzbedrohende Risiken wie Krankheit oder Be­ rufsunfähigkeit oder bei Absicherung von Sachen von bedeutendem Wert gegen Untergang oder Beschädigung. Mit der Leistung gerade bei existenzbedrohenden Risiken erfüllt die Versi­ cherung aber nicht nur den Zweck individuellen Schutzes des Versicherungs­ nehmers, sondern hat zugleich finanzielle Bedeutung für den Staat und die So­

29 

So letztlich auch die Begründung des Gesetzgebers zum VAG, Motive zum VAG, S.  24. Urt. v. 13.3.1974 – IV ZR 36/73, NJW 1974, 1429; Brömmelmeyer, in: Rüffer/ Halbach/Schimikowski, VVG, §  2 Rn.  31; Farny, in: Henning (Hrsg.), S.  7. 31  Winter, S.  58. 32 Näher Winter, S.  129 ff. 33  Farny, S.  108. 34  Motive zum VAG, S.   24; Winter, S.  56 ff., 83 f. Unmittelbarer Wettbewerbsschutz war allerdings nicht intendiert, Fehling, in: Liber Amicorum Gerrit Winter, S.  171, 176; Winter, ZVersWiss 2005, 105, 139 ff. 35  Farny, in: Henning (Hrsg.), S.  7, 24 ff.; Looschelders, VersR 1996, 529 ff. 36  Wandt, Rn.  7 f., 671 f. Auf dieses Interesse und die daraus sich ergebende Schutzbedürf­ tigkeit des Versicherten stellt auch Solvency II maßgeblich ab, s. Bürkle, WM 2013, 878, 879. 37  Dieses individuelle Interesse an der Versicherungsleistung ist nicht zu verwechseln mit der zu verneinenden Frage, ob die Aufsichtsbehörde auch im Individualinteresse der Versi­ cherungsnehmer tätig wird, s. §  4 Abs.  4 FinDAG. 38  Unerheblich ist hier, worin diese Sicherungsfunktion besteht: Schadensausgleich (Donati, ZVersWiss 1960, 289, 293 ff.) oder Deckung des durch den Schaden ausgelösten Bedarfs (Möller, ZVersWiss 1962, 269, 273 f. mit Verweis auf Manes, in: Manes, S.  289 ff.). 30  BGH,

§  2 Besondere Regulierungsbedürftigkeit von Finanzdienstleistungsunternehmen

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zialversicherungsträger:39 Gelingt es, durch die Versicherungsleistung indivi­ duelle Bedürftigkeit etwa bei Alter oder Krankheit des Versicherungsnehmers zu vermeiden, entlastet dies die öffentliche Hand. Hierin liegt ein originär öf­ fentliches Interesse an der Leistungsfähigkeit der Versicherer.40 Die wirtschaft­ liche Entlastung der öffentlichen Hand kann schließlich nur gelingen, wenn bei Eintritt des Versicherungsfalls der Versicherer auch leistungsfähig ist. Die wirtschaftliche Bedeutung ist schließlich auch volkswirtschaftlicher Na­ tur:41 Kann der Einzelne seine eigenen finanziellen Risiken durch Abschluss einer Versicherung in einem funktionsfähigen privatversicherungsrechtlichen System begrenzen,42 motiviert ihn dies möglicherweise zu innovativem oder je­ denfalls volkswirtschaftlich vorteilhaftem, aber gefahrgeneigtem Verhalten,43 etwa zum Betrieb eines Kraftfahrzeugs, Luftfahrzeugs oder zur Entwicklung neuer Technologien, z. B. der Nano-Technologie.44 II. Regulierungsbedürftigkeit von Instituten Die Regulierungsbedürftigkeit von Instituten, insbesondere von Kreditinstitu­ ten, ist ebenfalls einerseits auf eine gewisse Missbrauchs- oder Krisenanfällig­ keit des Sektors und andererseits auf die Bedeutung ihrer Leistungen, insbeson­ dere für die Gesamtwirtschaft, zurückzuführen.45 Der Gesetzgeber hatte über lange Zeit zwar nicht oder nur für bestimmte Bereiche (Hypothekenbanken)46 eine besondere Regulierungsbedürftigkeit ge­ sehen,47 doch Zusammenbrüche von Banken und ihre erheblichen volkswirt­ schaftlichen Folgen führten dazu, dass er doch schrittweise ein entsprechendes Regulierungsbedürfnis erkannte.48 Auf Bankenkrisen lassen sich etwa die An­ 39  Farny, in: Henning (Hrsg.), S.  7, 25; Schradin, in: MünchKomm-VVG, Einführung, Be­ triebswirtschaftslehre der Versicherung Rn.  1. 40 BVerfG, Urt. v. 26.7.2005 – 1 BvR 782/94, 957/96, VersR 2005, 1109, 1120; Urt. v. 26.7.2005 – 1 BvR 80/95, VersR 2005, 1127, 1133. 41  Zur volkswirtschaftlichen Bedeutung des Versicherungswesens ausf. Sinn, ZVersWiss 1988, 1 ff. 42  Dieser Effekt tritt ein unabhängig davon, worin die Leistung des Versicherers im Ein­ zelnen wirklich besteht (Dreher, S.  89 ff.: Geldleistung; L/P/Pohlmann, §  1 VVG Rn.  17 ff.: bedingte Geldleistung; OLG Celle, Urt. v. 8.10.1982 – 8 U 65/82, VersR 1986, 1099: Gefahr­ tragung; Schünemann, JZ 1995, 430, 432 f.: Geschäftsbesorgungsvertrag mit Treuhandcharak­ ter; Schwintowski, JZ 1996, 702, 704 f.: hedgeähnliches Geschäft mit Geschäftsbesorgungsele­ menten). 43  Farny, in: Henning (Hrsg.), S.  7, 25 f.; Sinn, ZVersWiss 1988, 1, 15 ff. 44  Teschabai-Oglu, S.  1. 45  Ausf. zur Entwicklung und Funktionen der Finanzwirtschaft Thiele, S.  69 ff. 46  Reguliert durch das Hypothekenbankgesetz vom 13. Juli 1899, RGBl.  I S.  375, in Kraft getreten am 1. Januar 1900. 47 Daneben stehen öffentlich-rechtliche Sparkassen schon länger unter staatlicher Auf­ sicht, s. z. B. das preußische Reglement, die Errichtung des Sparkassenwesens betreffend, vom 12. Dezember 1838, GBl.  1839 S.  5; kommentiert von Perdelwitz/Fabricius/Kleiner, S.  57 ff. 48  Ausf. zur Geschichte der Bankenaufsicht Niethammer, S.  41 ff.

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Teil 1: Einführung

ordnung einer erweiterten Bilanzierungspflicht im Jahr 190949 und die Einfüh­ rung einer ersten allgemeinen50 Bankenaufsicht im Jahr 1931 zurückführen.51 Die Krisen förderten nicht nur zu dem Wunsch, den Wettbewerb und die redliche Konkurrenz vor unredlichen Mitbewerbern zu schützen,52 sondern führten auch dem Gesetzgeber vor Augen, dass aus Gründen des Gläubiger­ schutzes allgemein und im Besonderen des Einlegerschutzes Regulierung erfor­ derlich ist.53 Allerdings lässt sich stärker noch als im Versicherungswesen 54 ne­ ben der individuellen Komponente – den Interessen des Gläubiger/Einlegers, die verliehene oder eingelegte Summe zurückzuerhalten 55 – eine kollektive fin­ den:56 Die Volkswirtschaft hat ein Interesse daran, funktionsfähige Banken als Kapitalgeber für die Realwirtschaft und zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs zu erhalten.57 Zusammen genommen ergeben diese Interessen das öffentliche Interesse an besonderer Regulierung der Institute.

B. Rechtliche Grundlagen der besonderen Regulierungsbedürftigkeit Angesichts der sehr ähnlichen tatsächlichen Grundlagen für die Regulierungs­ bedürftigkeit von Versicherungsunternehmen und Banken unterscheiden sich die rechtlichen Grundlagen ihrer Regulierungsbedürftigkeit nicht. Neben die keinesfalls nur das Finanzdienstleistungswesen betreffende Pflicht des Staates, den inneren Frieden kraft seines Gewaltmonopols zu gewährleis­ ten,58 d. h. seine Bürger vor Rechtsbrüchen untereinander zu schützen (und da­

49 Näher Bähre/Schneider, Einleitung, Nr.  1; Helmo, Die Bankenquete neunzehnhun­dert­ acht, passim. 50  Besondere Aufsichten blieben unberührt, etwa die über die schon erwähnten Hypothe­ kenbanken. 51 Durch die Notverordnung des Reichspräsidenten über Aktienrecht, Bankenaufsicht und über eine Steueramnestie vom 19. September 1931, RGBl.  I S.  493. 52  Und daher: zu regulieren, Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, Einführung Rn.  13 f. 53  Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, Einführung Rn.  2 , 4 ff. etwa zum Zu­ sammenbruch der Darmstädter und Nationalbank (Danat-Bank) im Jahr 1931; Niethammer, S.  45 f. 54  Soeben I. 55  BGH, Urt. v. 12.7.1979 – III ZR 154/77, BGHZ 75, 120, 122 f.; Urt. v. 15.2.1979 – III ZR 108/76, BGHZ 74, 144, 147 ff. 56  Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, Einführung Rn.  121 mit Zit. aus der Begr zum KWG-E 1961; Niethammer, S.  36, 87, 159 ff. 57  Höhns, S.  50; Niethammer, S.  177 ff. (Zahlungsverkehr), 181 ff. (Kreditvergabe); Thiele, S.  91 ff. (Kreditwirtschaft und allgemein „Prosperität der Gesellschaft“); zu weiteren Aufga­ ben etwa Rümker/Winterfeld, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, §  124 Rn.  1. 58  Bethge, DVBl 1989, 841, 844 f.; Bull, NVwZ 1989, 801 ff.

§  2 Besondere Regulierungsbedürftigkeit von Finanzdienstleistungsunternehmen

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mit etwa Einleger vor Veruntreuung ihrer Gelder), treten gleichrangig59 beson­ dere Verpflichtungen aus dem Sozialstaatsprinzip und aus Grundrechten. 60 I. Sozialstaatsprinzip Aus dem Sozialstaatsprinzip gem. Art.  20 Abs.  1 GG lassen sich zwar keine sub­ jektiven Rechte des Bürgers herleiten. 61 Das Sozialstaatsprinzip verlangt aber, dass der Staat für den Schutz der Grundlagen eines menschenwürdigen Lebens sorgt, 62 die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung gestaltend voran­ treibt und bereits der Entstehung von Krisen vorbeugt. 63 Eine Pflicht des Staa­ tes, bestimmte Leistungen zu erbringen, ergibt sich daraus zwar nicht ohne Weiteres. 64 Ihn trifft aber eine sog. Gewährleistungsverantwortung. 65 Um die Versorgung der Bevölkerung mit bestimmten lebenswichtigen Gü­ tern und (hier vor allem) Dienstleistungen sicherzustellen, muss der Staat ent­ weder Leistungen selbst erbringen oder gezielt wirtschaftliche Prozesse beein­ flussen66 und etwaige private Leistungserbringer durch regulative Vorgaben binden. 67 Staatliche und nichtstaatliche Gemeinwohlbeiträge können ineinan­ der greifen,68 wobei es für die Bürger im Ergebnis meist gleich ist, ob der Staat eine Leistung erbringt oder ihre Erbringung durch Private reguliert und sicher­ stellt. 69 Daraus ergibt sich einerseits die Pflicht des Staates, die Existenz eines funkti­ onsfähigen Systems der Kapitalbeschaffung, -verwahrung und des -transfers sicherzustellen.70 Das Bestehen eines solchen Systems ist Grundvoraussetzung für geordnetes Wirtschaften, für Ausbau und Weiterentwicklung der Realwirt­

59  BVerfG, Beschl. v. 7.2.1990 – 1 BvR 26/84, BVerfGE 81, 242, 255; Urt. v. 28.1.1992 – 1 BvR 1025/82, 1 BvL 16/83, 10/91, BVerfGE 85, 191, 213. 60  Kompetenztitel (in concreto Art.  74 Abs.  1 Nr.  11 GG) stellen hingegen bloße Befugnis­ normen dar und lassen sich daher nicht zur Begründung einer Regulierungsverpflichtung oder zur Feststellung einer besonderen Bedeutsamkeit des Wirtschaftszweigs heranziehen, anders Hanau/Thüsing, in: Thüsing (Hrsg.), S.  57, unter Berufung auf BVerfG, Beschl. v. 29.10.1987 – 2 BvR 624, 1080, 2029/83, BVerfGE 77, 170, 221. Ausf. zur staatlichen Verantwor­ tung für die Finanzaufsicht und ihre rechtliche Verankerung Thiele, S.  239 ff. 61  BVerfG, Beschl. v. 29.5.1990 – 1 BvL 20, 26/84, 4/86, BVerfGE 82, 60, 80; s. auch BSG, Urt. v. 18.5.1983 – 6 RKa 22/80, SGb 1984, 426, 430; Schnapp, in: v. Münch/Kunig, GG, Art.  20 Rn.  38. 62  Link, VVDStRL 48 (1990), 7, 34. 63  Friauf, in: Schmidt-Aßmann, S.  111 Rn.  3; ausf. zur Vorsorge Hesse, JZ 1995, 265, 271. 64  Rüfner, in: HdbStR IV, §  96 Rn.  35; Schmidt, Der Staat 42 (2003), 225, 229 f. 65  Ronellenfitsch, DVBl 2008, 201, 202. 66  Definition der Regulierung nach Burgi, DVBl 2006, 269, 271. 67  Hoffmann-Riem, in: Schuppert (Hrsg.), S.  89, 97; Schoch, NVwZ 2008, 241, 242. 68  „New interplay“ oder „mixed mode“, Schuppert, Co-Performance, S.  34. 69  Ronellenfitsch, DVBl 2008, 201, 207. 70 Ebenso Höfling, NJW-Beilage 2010, 98 ff. ohne genaue grundrechtliche Verortung.

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Teil 1: Einführung

schaft, und schafft die Grundlage für eine finanzielle und reale Grundversor­ gung der Bevölkerung, für den Verkehr von Waren und Dienstleistungen.71 Andererseits ergibt sich aus dem Sozialstaatsprinzip eine Pflicht des Staates, seine Bevölkerung und jeden einzelnen Bürger gegen (physisch wie wirtschaft­ lich) existenzielle Gefahren abzusichern.72 Das wiederum bringt die Pflicht mit sich, wenn er alternative, d. h. nicht staatliche Sicherungssysteme (wie die Pri­ vatversicherung) zulässt, deren Entwicklung zu kontrollieren und soweit not­ wendig regulierend einzugreifen, kurz ihre Funktionsfähigkeit zu gewährleis­ ten.73 II. Grundrechte Die Grundrechte bilden nicht nur in ihrer Gesamtheit eine objektive Wertord­ nung, die bei der Rechtsetzung zu beachten ist.74 Aus ihnen folgt im Einzelfall auch die Pflicht des Staates, sich schützend und fördernd vor bestimmte verfas­ sungsrechtlich geschützte Rechtsgüter zu stellen und sie vor rechtswidrigen Eingriffen Dritter, insbesondere Privater, zu bewahren.75 Die Rechtsfigur der „Schutzpflicht“ wird zwar zumeist im Kontext von Art.  2 Abs.  2 GG angewen­ det.76 Eine Schutzpflicht kann aber aus grundsätzlich allen vom Grundgesetz geschützten Freiheiten erwachsen.77 Dabei steht dem Gesetzgeber eine weite Einschätzungsprärogative hinsichtlich seines Tätigwerdens zu. Wie die staatli­ chen Organe ihre Schutzpflicht erfüllen, ist von ihnen in eigener Verantwor­ tung zu entscheiden.78

71 

Niethammer, S.  73; Träm, S.  28, 36. Bogs, S.  394. 73  BVerfG, Urt. v. 28.1.1992 – 1 BvR 1025/82, 1 BvL 16/83, 10/91, BVerfGE 85, 191, 213; Beschl. v. 7.2.1990 – 1 BvR 26/84, BVerfGE 81, 242, 255; im Grundsatz ähnlich Bogs, S.  394; Winter, S.  80 f. A.A. Thiele, S.  333 ff. 74  BVerfG, Urt. v. 29.5.1973 – 1 BvR 325, 424/74, BVerfGE 35, 79, 114; Beschl. v. 17.1.1957 – 1 BvL 4/54, BVerfGE 6, 55, 72. 75  BVerfG, Beschl. v. 6.5.1997 – 1 BvR 409/90, BVerfGE 96, 56, 64 (Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  1 Abs.  1 GG); Urt. v. 28.5.1993 – 2 BvF 2/90, 4/92, 5/92, BVerfGE 88, 203, 251 (Art.  2 Abs.  2 GG); Beschl. v. 14.1.1981 – 1 BvR 612/72, BVerfGE 56, 54, 73 (Art.  2 Abs.  2 GG); Urt. v. 29.5.1973 – 1 BvR 424/71, 325/72, BVerfGE 35, 79, 114 (Art.  5 Abs.  3 GG). 76  S. z. B. BVerfG, Urt. v. 30.7.2008 – 1 BvR 3262/07, 402/08, 906/08, NJW 2008, 2409; Urt. v. 19.12.2000 – 2 BvR 1500/97, BVerfGE 102, 370, 393; Urt. v. 28.5.1993 – 2 BvF 2/90, 4/92, 5/92, BVerfGE 88, 203, 251 ff.; Urt. v. 25.2.1975 – 1 BvF 1, 2, 3, 4, 5 und 6/74, BVerfGE 39, 1, 42. 77  Z. B. BVerfG, Urt. v. 26.7.2005 – 1 BvR 80/95, BVerfGE 114, 73 ff. (Art.  14 GG); Beschl. v. 29.10.1998 – 2 BvR 1206/98, BVerfGE 99, 145, 156 (Art.  2 Abs.  1 GG); Urt. v. 10.1.1995 – 1 BvF 1, 342, 348/90, BVerfGE 92, 26, 46 (Art.  9 Abs.  3 GG); Beschl. v. 7.2.1990 – 1 BvR 26/84, BVerfGE 81, 242, 255 (Art.  12 GG). Zur Verwirklichung von Schutzpflichten durch Versiche­ rungsaufsicht Bähr, S.  275 ff. 78  BVerfG, Beschl. v. 6.5.1997 – 1 BvR 409/90, BVerfGE 96, 56, 64; Urt. v. 16.10.1977 – 1 BvQ 5/77, BVerfGE 46, 160, 164. 72 

§  2 Besondere Regulierungsbedürftigkeit von Finanzdienstleistungsunternehmen

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Eine Pflicht des Staates zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Fi­ nanzdienstleistungssektors besteht nicht um der Unternehmen selbst willen,79 sondern aufgrund ihrer Bedeutung für ihre Kunden und die Gesamtwirt­ schaft.80 So ist gem. Art.  14 GG der Staat verpflichtet, das Eigentum seiner Bürger (auch in Form von Forderungen81 oder Gesellschaftsanteilen82) zu schützen, und damit etwa die Zahlungsfähigkeit von Banken und Versicherungsunter­ nehmen. Vor allem aber verpflichten Art.  2 Abs.  1 und Art.  1 Abs.  1 GG den Staat auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins seiner Bürger. Zu diesem gehört auch eine wenigstens in Grundsätzen funktionsfähige Wirt­ schaft, in welcher der Einzelne sich mit Leistungen, die für die Bewältigung seines Alltags erforderlich sind, versorgen kann. 83 Grundlegend für die funk­ tions­fähige Wirtschaft ist ein funktionsfähiges Finanzsystem, insbesondere ein geordneter Zahlungsverkehr und ein geordnetes Kreditwesen. 84 Hierin liegt die Begründung für die Pflicht des Staates, die Voraussetzungen für ein funktionie­ rendes Bankwesen zu schaffen. Das Versicherungswesen indes ermöglicht durch Risikostreuung die Aus­ übung riskanter Tätigkeiten (abgesichert typischerweise durch Haftpflichtver­ sicherungen) und bietet eine Absicherung gegen Risiken und Notlagen, die der Staat mit der Sozialversicherung nicht abdeckt. 85 Es ist damit von existenzieller Wichtigkeit für die Versorgung der Bevölkerung. Nicht anders als beim Sozialstaatsprinzip gilt auch hier, dass der Staat seiner Gewährleistungsverantwortung durch privatrechtliche wie durch öffentlichrechtliche Regelungen gerecht werden kann. 86

C. Folgerungen für die Untersuchung Der Finanzdienstleistungssektor ist aufgrund der Art und Bedeutung der von ihm angebotenen Leistungen besonders regulierungsbedürftig. Der Gesetzge­ 79 

Ipsen, DÖV 1975, 805, 810; Winter, S.  55. Staatliche Schutzpflichten im Bereich Finanzaufsicht ablehnend Thiele, S.  321 ff. 81  BVerfG, Beschl. v. 31.3.1998 – 2 BvR 1877/97, 50/98, BVerfGE 97, 350, 370 f.; Beschl. v. 26.4.1995 – 1 BvL 19/94 und 1 BvR 1454/94, BVerfGE 92, 262, 271. Zur Forderung speziell aus dem Versicherungsvertrag Bähr, S.  271 f. 82  BVerfG, Beschl. v. 27.4.1999 – 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, 301; Urt. v. 7.8.1962 – 1 BvL 16/60, BVerfGE 14, 263, 276 f. 83  Winter, S.  58. 84 Daher „überragende Bedeutung des Kreditwesens für die gesamte Volkswirtschaft“, Wohlmannstetter, in: Hopt/Wohlmannstetter (Hrsg.), S.  38. Zum typischen Ablauf und den Auswirkungen von „Bankenkrisen“ Paul, in: Hopt/Wohlmannstetter (Hrsg.), S.  94 ff. 85  Zur gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedeutung zuletzt etwa Unkel, S.  12 ff. Den Gedanken der Absicherung und Vorsorge betonend Bähr, S.  268 f. 86  Franzius, Der Staat 42 (2003), 493 ff.; Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), 266, 307 ff. 80 

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Teil 1: Einführung

ber ist durch Sozialstaatsprinzip und Grundrechte zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Finanzdienstleistungssektors verpflichtet. Das öffentliche Interesse, das an der Funktionsfähigkeit des Finanzdienst­ leistungssektors und damit an seiner Transparenz besteht, ist auszugleichen mit den widerstreitenden Interessen der regulierten Unternehmen. Es ist damit von maßgeblicher Bedeutung für Auslegung, Bewertung und Weiterentwicklung des geltenden Rechts. Besteht außerdem ein vergleichbares Interesse an Regulierung in anderen Wirtschaftszweigen, bietet es sich an, auf das Finanzaufsichtsrecht als Rege­ lungsvorbild zurückzugreifen. 87

§  3 Offenlegungsinteressen und Geheimnisschutz Dem öffentlichen Interesse an der Regulierung des Finanzdienstleistungssek­ tors und einem daraus sich ggf. ergebenden Offenlegungsinteresse stehen vor allem die wirtschaftlichen Interessen der Regulierten in verschiedener Ausprä­ gung entgegen. So kann es zur Erfüllung der Offenlegungspflichten erforder­ lich sein, dass das verpflichtete Unternehmen eine ganz bestimmte, Kosten ver­ ursachende Infrastruktur vorhält, ein Eingriff in die Unternehmensorganisati­ onsfreiheit (Art.   2 Abs.   1 GG).88 Auch können die Offenlegungspflichten Berufsausübungsregelungen (gem. Art.  12 Abs.  1 GG) darstellen.89 Vor allem aber stehen sie naturgemäß in einem Konflikt mit dem Interesse des Verpflich­ teten, bestimmte Informationen geheim zu halten. Bei Unternehmen haben die Geheimhaltungsinteressen zumeist die Form von „Geschäftsgeheimnissen“. Ihre konstitutiven Merkmale und ihr verfassungsrechtlicher Schutz sind im Folgenden zu bestimmen.

87 

S. dazu noch unten Teil 3 §§  1, 3. Für Verankerung der Unternehmensorganisationsfreiheit (auch: Unternehmensfreiheit, unternehmerische Freiheit) in Art.  2 Abs.  1 GG BVerfG, Urt. v. 1.3.1979 – 1 BvR 532/77, ­BVerfGE 50, 290, 363 f.; für Art.  12 Abs.  1 GG hingegen BVerfG, Urt. v. 16.3.1971 – 1 BvR 52/66, 1 BvR 665/66, 1 BvR 667/66, 1 BvR 754/66, BVerfGE 30, 292, 325; für Art.  2 Abs.  1 und Art.  12 Abs.  1 GG: BVerfG, Beschl. v. 3.12.1997 – 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67, 83. Beyerbach, S.  150; Ossenbühl, AöR 115 (1990), 1, 17 ff. (jew. Art.  12 GG); Abgrenzungsversuch bei Hoffmann, BB 1995, 53, 55 f. S. auch Hoffmann, S.  274 f. 89  BVerwG, Urt. v. 13.12.2011 – 8 C 24/10, BVerwGE 141, 262, 269; Urt. v. 19.12.1958 – VII C 34/57, BVerwGE 8, 78, 79 ff. 88 

§  3 Offenlegungsinteressen und Geheimnisschutz

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A. Der Begriff des Geschäftsgeheimnisses Wohl kaum ein Rechtsbegriff erscheint in der deutschen Rechtssprache in so vielen Nuancen wie der des Geschäftsgeheimnisses.90 Zahlreiche Gesetze schüt­ zen „Betriebs- und/oder Geschäftsgeheimnisse“,91 „Gewerbegeheimnisse“92 oder „Herstellungs- und Betriebsgeheimnisse“.93 Die Literatur verwendet teilweise außerdem, um die Differenzierung zwi­ schen Betriebsgeheimnis einerseits und Geschäftsgeheimnis andererseits zu vermeiden, den Begriff des „Unternehmensgeheimnisses“94 oder des „Wirt­ schaftsgeheimnisses“.95 Im Zuge der europäischen Rechtsvereinheitlichung kam zudem der Begriff des „Know-how“ auf,96 der unterschiedlich definiert und ausdifferenziert97 wird. Da die Wendung „Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse“ bestimmter 98 und treffender ist als der Begriff des „Know-how“ (das nicht zwingend geheim sein muss99) und da das Gesetz den Begriff Geschäfts-, nicht Unternehmens- oder Wirtschaftsgeheimnis verwendet,100 soll auch im Folgenden vom Geschäftsge­ heimnis101 gesprochen werden. Der Fokus liegt auf dem sich auf kaufmännische Umstände beziehenden102 Geschäftsgeheimnis, denn die Betriebsgeheimnisse sind technischer Natur103 und daher bei Finanzdienstleistungsunternehmen ty­ pischerweise weniger bedeutsam. Die genaue Grenzziehung ist überdies grundsätzlich ohnehin entbehrlich.104 Die Begriffe Betriebsgeheimnis und Geschäfts-

90 

Zum unter A. Folgenden schon Rudkowski, S.  5. §  404 Abs.  1 AktG, §§  43 Abs.  2 S.  2, 79 BetrVG, §  85 GmbHG, §§  90, 323, 333 HGB, §  17 Abs.  1, 2 UWG. 92  §  384 Nr.  3 ZPO. 93  §  139 Abs.  3 PatG. 94 Etwa Kloepfer/v. Lewinski, DVBl 2005, 1277, 1283. 95  Kersting, S.  9; Kiethe/Groeschke, WRP 2006, 303, 304. 96  S. etwa Art.  1 Abs.  1 lit.  i) Technologie-Transfer-VO (EG) Nr.  7 72/2004 vom 27. April 2004, ABl.  Nr. L 123, S.  11 ff. vom 27.4.2004. Ihn verwendend etwa Ann, in: Ann/Loschelder/ Grosch, S.  5. 97  S. z. B. die Einteilung in „Kern-“ oder „Schlüssel-Know-how“, „wichtiges“ und „sons­ tiges“ Know-how bei Hüber, in: Ann/Loschelder/Grosch, S.  598 f. 98  Brammsen, in: MünchKomm-UWG, §  17 Rn.  8 („schillernde Vielgestaltigkeit des Be­ griffs“); i. Erg. ebenso Hauck, S.  23. 99  Kraßer, GRUR 1970, 587, 588. 100  Etwa §  404 Abs.  1 AktG, §§  43 Abs.  2 S.  2 , 79 BetrVG, §  85 GmbHG, §§  9 0, 323, 333 HGB, §  17 Abs.  1, 2 UWG. 101  Im Folgenden wird synonym auch der Begriff des Geheimnisses verwendet werden. 102  BGH, Urt. v. 19.12.2002 – I ZR 119/00, NJW-RR 2003, 833. 103 BVerfG, Beschl. v. 14.3.2006 – 1 BvR 2087, 2111/03, BVerfGE 115, 205, 231; zust. Brammsen, in: MünchKomm-UWG, §  17 Rn.  8; Stadler, S.  6. Weitere Beispiele bei Stober, S.  27. 104  Harte-Bavendamm, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG §   17 Rn.   1; Kiethe/Groeschke, WRP 2006, 303, 304; Schoch, IFG, §  6 Rn.  61. 91 Etwa

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Teil 1: Einführung

geheimnis werden vom Gesetz üblicherweise zusammengefasst, s. z. B. §  17 UWG oder §  172 Nr.  2 GVG. Teilweise wird auch „Geschäftsgeheimnis“ als Oberbegriff für Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse angesehen.105 I. Die Elemente des Geheimnisbegriffs Da es in jedem Unternehmen eine Fülle von Informationen gibt, die zwar nicht allgemein bekannt, aber auch nicht von solcher Relevanz sind, dass sie als Ge­ schäftsgeheimnisse einzustufen wären,106 bedarf es einer genauen Bestimmung des Begriffs „Geschäftsgeheimnis“.107 Eine aussagekräftige Definition findet sich in Bundesgesetzen bisher nicht. Zwar wurde im Jahr 1994 im Zuge einer Änderung des Sozialdatenschutzrechts eine Definition in §  67 Abs.  1 S.  2 SGB X aufgenommen.108 Gem. §  67 Abs.  1 S.  2 SGB X sind unter Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen alle betriebs- oder ge­ schäftsbezogenen Daten auch von juristischen Personen zu verstehen, „die Ge­ heimnischarakter haben“. Damit erscheint das Definiendum im Definiens, bringt die Definition keinen Erkenntnisgewinn. In anderen Gesetzen indes fin­ den sich zwar Negativkataloge, d. h. Normen, die bestimmen, was nicht Ge­ schäftsgeheimnis ist (s. etwa §  22 Abs.  3 ChemG, §  17a Abs.  2 GenTG). Eine positive, allgemeingültige Definition gibt der Bundesgesetzgeber aber bisher nicht.109 Auf Landesebene wurde daher teilweise auf die von der Rechtspre­ chung gefundene Definition zurückgegriffen.110 Denn Reichsgericht und BGH haben eine Definition zuerst zu §  17 UWG entwickelt, die nunmehr auch in allen anderen Rechtsgebieten anerkannt ist:111 Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis ist danach jede im Zusammenhang mit

105  S. Art.  2 Abs.  1 des Vorschlags der EU-Kommission für eine Richtlinie des Europäi­ schen Parlaments und des Rates über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb vom 28. No­ vember 2013, KOM (2013) 813 endg.; vorher schon v. Gamm, S.  21. 106  Hoeren, MMR-Beilage 1998, 6, 7. 107  S. auch Rudkowski, S.  6 . 108  Gesetz zur Änderung von Vorschriften des Sozialgesetzbuchs über den Schutz der So­ zialdaten sowie zur Änderung anderer Vorschriften (2. SGBÄndG) vom 13. Juni 1994, BGBl.  I S.  1229. 109 Lediglich Art.   39 Abs.  2 des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS), BGBl.  (1994) II S.  1730 ff., sieht eine Definition vor, die im Wesentlichen der des Art.  2 Abs.  1 des Entwurfs für eine Geheimnisschutzrichtlinie (soeben Fn.  105) entspricht. 110  S. für Hamburg §  7 Abs.  1 HmbTG. 111  S. z. B. Lenckner/Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB §  203 Rn.  11 (Strafrecht); Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, §  30 Rn.  13 (allgemeines Verwaltungsrecht); Kissel/ Mayer, GVG, §  172 Rn.  40 (Gerichtsverfassungsrecht). S. auch die Nachweise im Folgenden.

§  3 Offenlegungsinteressen und Geheimnisschutz

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e­ inem Betrieb stehende Tatsache, die nicht offenkundig, sondern nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt ist und die nach dem auf wirtschaftlichen Interessen beruhenden Willen des Betriebsinhabers geheim gehalten werden soll.112 Ähnlich äußert das Bundesverfassungsgericht, Betriebs- und Geschäfts­ geheimnisse seien alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personen­ kreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein be­ rechtigtes Interesse hat.113 Abweichungen zur Definition der ordentlichen Ge­ richte liegen bei der Definition des Bundesverfassungsgerichts folglich nur im Verzicht auf den „eng begrenzten“ Personenkreis und im Verzicht auf den Ge­ heimhaltungswillen.114 Sachliche Unterschiede ergeben sich trotzdem nicht, wie sogleich zu zeigen sein wird. Die Europäische Kommission schlägt indes als Definition in einem jüngst veröffentlichten Richtlinienentwurf zum Knowhow-Schutz (verkürzt formu­ liert) vor, als Geschäftsgeheimnisse (nach dem Vorbild des Art.  39 TRIPS115) alle Informationen anzusehen, die nicht allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich, die aufgrund ihres Geheimseins von „kommerziellem Wert“ und die Gegenstand von Geheimhaltungsmaßnahmen des Berechtigten sind.116 Hierin liegt im „Kernbestandteil“117 eine Übereinstimmung mit dem deutschen Geheimnisbegriff, teilweise aber auch eine inhaltliche Abweichung, die, sollte

112  BGH, Urt. v. 26.2.2009 – I ZR 28/06, NJW 2009, 1420 („Versicherungsvertreter“); Urt. v. 15.3.1955 – I ZR 111/53, GRUR 1955, 424 („Möbelwachspaste“); RG, Urt. v. 17.3.1936 – II 223/35, JW 1936, 2081; Urt. v. 22.11.1935 – II 128/35, RGZ 149, 329, 333. 113  BVerfG, Beschl. v. 14.3.2006 – 1 BvR 2087, 2111/03, BVerfGE 115, 205, 230 f.; dem fol­ gend das BVerwG, Beschl. v. 8.2.2011 – 20 F 14/10 auf juris.de; Urt. v. 28.5.2009 – 7 C 18/08, NVwZ 2009, 1113. Die Definition wird mittlerweile in einzelnen Landesgesetzen übernom­ men, s. etwa §  7 Abs.  1 HmbTG. 114  Außer Betracht bleibt hier die Ergänzung der Definition um „Umstände und Vorgän­ ge“: Bei Umständen handelt es sich um eine Umschreibung der Tatsache, J. Grimm/W. Grimm/Langosch, Bd.  11, S.  1170, 1172. „Vorgänge“ betonen den Verlaufscharakter eines tat­ sächlichen Geschehens (J. Grimm/W. Grimm/Meiszner, Bd.  12, S.  1055), und sind somit Un­ terfall der Tatsache. 115  Nachweis zum TRIPS soeben Fn.  109. 116  Die Formulierung im Original ist etwas umständlich: Art.  2 Abs.  1 des Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechts­ widrigem Erwerb vom 28. November 2013, KOM (2013) 813 endg. (im Folgenden „Geheim­ nisschutzrichtlinie“) lautet: „,Geschäftsgeheimnis‘: Informationen, die alle nachstehenden Kriterien erfüllen: a) sie sind in dem Sinne geheim, dass sie weder in ihrer Gesamtheit noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personenkreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne wei­ teres zugänglich sind; b) sie sind von kommerziellem Wert, weil sie geheim sind; c) sie sind Gegenstand von den Umständen entsprechenden angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen der Person, die die rechtmäßige Kontrolle über die Informationen besitzt.“ 117  Ohly, GRUR 2014, 1, 4; ebenso Gärtner, NZG 2014, 650, 651.

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Teil 1: Einführung

die Richtlinie unverändert in Kraft treten, zu einer Anpassung des deutschen Rechts führen muss: 1. Unternehmensbezogene Tatsache Erstes Merkmal des Geschäftsgeheimnisses ist nach deutschem Verständnis das Vorliegen einer unternehmensbezogenen Tatsache. Nach Art.  2 Abs.  1 des euro­ päischen Vorschlags für eine Geheimnisschutzrichtlinie genügt das Vorliegen einer „Information“. Die unionsrechtliche Definition ist hier weiter als die deut­ sche: Tatsachen sind sinnlich wahrnehmbare, konkrete äußere oder innere Ge­ schehnisse, Verhältnisse oder Zustände der Vergangenheit oder Gegenwart.118 Meinungsäußerungen ohne Bezug zu Tatsachen sind mithin nach deutschem Recht nicht dem Geheimnisschutz zugänglich. „Informationen“ hingegen kön­ nen auch Meinungsäußerungen betreffen. Die praktischen Auswirkungen die­ ses Unterschieds indes dürften gering sein, denn reine Meinungsäußerungen sind regelmäßig schon nicht von so großem wirtschaftlichen Interesse für das Unternehmen, dass sie geheim gehalten werden müssten. Um aber auch etwai­ gen Ausnahmefällen Rechnung tragen zu können, wird das deutsche Recht an Art.  2 Abs.  1 Geheimnisschutzrichtlinie anzupassen sein. Dass die zu schützende Tatsache nach dem deutschen Recht, anders als nach dem Richtlinienvorschlag, unternehmensbezogen119 sein muss, führt hingegen nicht zu Anpassungsbedarf. Eine Tatsache ist unternehmensbezogen, wenn ein Zusammenhang zwischen ihr und einem bestimmten Unternehmen besteht.120 Das Merkmal dient der Abgrenzung zu Tatsachen, die dem privaten oder rein wissenschaftlichen Bereich zuzuordnen sind.121 Diese Abgrenzungsfunktion übernimmt im europäischen Recht Art.  2 Abs.  1 lit.  b) des Vorschlags für eine Geheimnisschutzrichtlinie, der einen „kommerziellen Wert“ des Geheimnisses und damit einen wirtschaftlichen Bezug verlangt. Die Bedeutung des Merkmals „Unternehmensbezogenheit“ ist überdies im deutschen Recht sehr gering. Der Unternehmensbezug ergibt sich schließlich auch daraus, dass Geschäftsgeheim­ nisse „wettbewerbsrelevant“ sein müssen,122 was für rein private oder wissen­ schaftliche Geheimnisse auszuschließen ist.

118 

Brammsen, in: MünchKomm-UWG, §  17 Rn.  11. Mitunter wird auch von der Betriebsbezogenheit gesprochen, ohne dass dies einen in­ haltlichen Unterschied ergäbe. 120 Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, §  17 Rn.  5. 121  Kiethe/Groeschke, WRP 2006, 303, 304; Ohly, in: Piper/Ohly/Sosnitza, UWG §   17 Rn.  6. 122  Näher sogleich 3. 119 

§  3 Offenlegungsinteressen und Geheimnisschutz

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2. Nichtoffenkundigkeit der Tatsache Zentrale Voraussetzung für das Geheimnis ist die Nichtoffenkundigkeit der unternehmensbezogenen Tatsache.123 Nichtoffenkundigkeit liegt vor, wenn die Tatsache nicht allgemein bekannt oder leicht zugänglich ist.124 Gleiches ver­ langt, trotz abweichender Formulierung, im Ergebnis Art.  2 Abs.  1 lit.  a) des Vorschlags für eine Geheimnisschutzrichtlinie. Dass die Tatsache nicht „allgemein bekannt“ sein darf, setzt nach deutschem Recht nicht absolute Nichtoffenkundigkeit voraus, bei der das Geheimnis nur einer einzigen Person bekannt ist.125 Es kommt vielmehr darauf an, dass die Tatsache lediglich einem „begrenzten Personenkreis“126 bekannt ist. Hier hat sich das Bundesverfassungsgericht scheinbar in Widerspruch zum BGH gesetzt und nur einen (überhaupt) „begrenzten“ Personenkreis verlangt,127 während der BGH von einem „eng begrenzten“ Personenkreis spricht.128 Der Eintritt der Offenkundigkeit kann aber ohnehin nicht anhand einer festen Personenzahl bestimmt werden,129 sondern es ist zu fragen, ob der Berechtigte die Mitwisser unter Kontrolle behalten kann,130 der Kreis der Wissenden für ihn „beherrsch­ bar“ ist.131 Dafür ist z. B. auch von Bedeutung, ob die Mitwisser aufgrund Ge­ setzes oder Vertrages zur Geheimhaltung verpflichtet sind,132 sodass es sich letztlich um eine Einzelfallentscheidung handelt. Der sprachliche Unterschied zwischen der vom BGH und der vom Bundesverfassungsgericht gewählten For­ mulierung fällt somit inhaltlich nicht ins Gewicht. Ist eine Tatsache zwar nicht allgemein bekannt, können sich aber beliebige oder auch nur interessierte Dritte Kenntnis von ihr ohne einen größeren Zeit-

123 

Rudkowski, S.  7.

124 Köhler/Bornkamm/Köhler,

UWG, §  17 Rn.  6; Sieberg/Ploeckl, DB 2005, 2062, 2063. RG, Urt. v. 29.11.1907 – V 709/07, RGSt 40, 406, 407. 126  BVerfG, Beschl. v. 14.3.2006 – 1 BvR 2087, 2111/03, BVerfGE 115, 205, 230 f. Dem wort­ getreu folgend das BVerwG, Beschl. v. 8.2.2011 – 20 F 14/10 auf juris.de; Urt. v. 28.5.2009 – 7 C 18/08, NVwZ 2009, 1113. 127  BVerfG, Beschl. v. 14.3.2006 – 1 BvR 2087, 2111/03, BVerfGE 115, 205, 230 f. Dem wort­ getreu folgend das BVerwG, Beschl. v. 8.2.2011 – 20 F 14/10 auf juris.de; Urt. v. 28.5.2009 – 7 C 18/08, NVwZ 2009, 1113. 128  BGH, Urt. v. 26.2.2009 – I ZR 28/06, NJW 2009, 1420 („Versicherungsvertreter“); Urt. v. 15.3.1955 – I ZR 111/53, GRUR 1955, 424 („Möbelwachspaste“). 129  v. Gamm, S.  31; Schoch, IFG, §  6 Rn.  49; Stadler, S.  11. 130  OLG Düsseldorf, Urt. v. 9.2.2007 – III 5 Ss 163/06 auf juris.de; Harte-Bavendamm, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG §  17 Rn.  4; Kiethe, JZ 2005, 1034, 1037; Kraßer, GRUR 1977, 177, 179; Piper, in: Piper/Ohly/Sosnitza, UWG §  17 Rn.  8. 131  Brammsen, in: MünchKomm-UWG, §  1 Rn.  15; v. Stebut, S.  12; Taeger, S.  70. 132  In diesem Sinne Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, §  17 Rn.  7a; Taeger, S.  70; So wohl auch Grunewald, WRP 2007, 1307, 1308; Stadler, S.  10. 125 

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und Kostenaufwand133 verschaffen, ist sie leicht zugänglich und damit ebenfalls offenkundig.134 Die allgemeine Bekanntheit/leichte Zugänglichkeit ist auch bei Art.  2 Abs.  1 lit.  a) des Vorschlags für eine Geheimnisschutzrichtlinie maßgeblich. Während das deutsche Recht aber an den Personenkreis, dem das Geheimnis bekannt oder für den es leicht zugänglich sein muss, keine weiteren Anforderungen stellt, ist nach der Richtlinie zu prüfen, ob für Experten, für „Personenkreise“, die „üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen“, die Informa­ tion als bekannt oder leicht zugänglich anzusehen ist. Ein inhaltlicher Unterschied ergibt sich daraus jedoch nicht. Wenn für Ex­ perten eine Information bekannt oder leicht zugänglich ist, ist sie auch nach deutschem Recht offenkundig. Wenn aber von den Informationen Dritte außer­ halb dieses engen Personenkreises Kenntnis haben oder leicht erlangen können, ist die Information erst recht auch für Experten leicht zugänglich und damit auch nach unionsrechtlichem Verständnis offenkundig. Für deutsches und eu­ ropäisches Recht gilt überdies daher gleichermaßen, dass Offenkundigkeit nicht eintritt, wenn die Tatsache einer Behörde zur Kenntnis gegeben wird, solange nur vertrauliche Behandlung zugesichert oder abgesichert ist.135 Und auch die Veröffentlichung, selbst wenn sie aufgrund gesetzlicher Verpflichtung erfolgt, führt nach Unionsrecht und nach deutschem Recht regelmäßig zur Offenkun­ digkeit.136 Das deutsche Recht muss hier unter dem Eindruck des Unionsrechts folglich nicht geändert werden. 3. Geheimhaltungsinteresse Ein Geheimnis zeichnet sich des Weiteren dadurch aus, dass der Berechtigte an der Geheimhaltung ein objektives Interesse hat.137 Art.  2 Abs.  1 des Vorschlags für eine Geheimnisschutzrichtlinie verwendet diesen Begriff nicht. Dies bleibt aber im Ergebnis ohne Folgen. Denn das Geheimhaltungsinteresse wird nach deutschem Recht auch als „wirtschaftliches Interesse“ umschrieben.138 Es soll vermeiden, dass der Berech­ tigte über das Vorliegen eines Geschäftsgeheimnisses und damit über die An­ 133  BGH, Urt. v. 7.1.1958 – I ZR 73/57, GRUR 1958, 297, 299 („Petromax“); ähnlich das RG, Urt. v. 22.11.1935 – II 128/35, RGZ 149, 329, 334; OLG Hamburg, Urt. v. 19.10.2000 – 3 U 191/98, GRUR-RR 2001, 137; Reimann, GRUR 1998, 298, 299. 134  v. Gamm, S.  31. 135  Für das deutsche Recht ausdrücklich: BGH, Urt. v. 17.12.1981 – X ZR 71/80, BGHZ 82, 369, 373 („Straßendecke II“); Sieberg/Ploeckl, DB 2005, 2062, 2063. 136  Loschelder, in: Ann/Loschelder/Grosch, S.  28 f. 137  So schon BGH, Urt. v. 15.3.1955 – I ZR 11/53, GRUR 1955, 424, 425 („Möbelwachspas­ te“). Das Kriterium war längere Zeit umstritten, s. noch im Jahr 1998 Hoeren, MMR-Beilage 1998, 6, 7; eingehend v. Gamm, S.  21 ff.; Taeger, S.  23, 33 ff. 138  BGH, Urt. v. 26.2.2009 – I ZR 28/06, NJW 2009, 1420 („Versicherungsvertreter“); Urt.

§  3 Offenlegungsinteressen und Geheimnisschutz

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wendbarkeit des gesetzlichen Geheimnisschutzes bis hin zum Wirtschaftsstraf­ recht frei entscheiden kann.139 Mitunter wird auch vom „berechtigten“140 Interesse gesprochen. An diese an­ dere Terminologie wird zumeist allerdings auch die Beschränkung des Geheim­ nisschutzes geknüpft, dass rechts- oder sittenwidrige Geheimnisse vom Ge­ heimnisschutz auszunehmen seien.141 Die Beurteilung der Rechts- oder Sittenwidrigkeit einer Tatsache kann je­ doch mitunter problematisch sein und damit zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen. Diese ist umso weniger akzeptabel, als das Erfordernis des Geheimhal­ tungsinteresses ohnehin nur dazu dienen soll, willkürliche Entscheidungen Pri­ vater zu vermeiden: Der Berechtigte soll nicht durch Einordnung einer Tatsache als „geheim“ etwa über die Strafbarkeit eines Dritten gem. §  17 UWG frei be­ stimmen können.142 Rechts- und sittenwidrige Geheimnisse sind daher vom Geheimnisschutz erfasst.143 Um Missverständnisse zu vermeiden, soll daher vom „wirtschaftlichen“ Interesse gesprochen werden. Zu konzedieren ist freilich, dass auch der Begriff des „wirtschaftlichen“ Inte­ resses zu Missverständnissen führen kann. Daher ist klarzustellen, dass das Ge­ heimhaltungsinteresse zwar ein „wirtschaftliches“ sein, das Geheimnis aber selbst keinen Vermögenswert haben muss.144 Es genügt, dass die Kenntnis der betreffenden Tatsache durch Dritte (insbesondere Wettbewerber) für das Un­ ternehmen von Nachteil wäre.145 Der „Wert“ des Geheimnisses liegt darin, dass sein Offenkundigwerden nachteiligen Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit oder -position des Unternehmens hat146 (sog. „Wettbewerbsrelevanz“147). Art.  2 Abs.  1 lit.  b) des Vorschlags für eine Geheimnisschutzrichtlinie nimmt dieses Kriterium auf, wenn es einen „kommerziellen“ oder (in den Worten des Rege­ v. 15.3.1955 – I ZR 11/53, GRUR 1955, 424, 425 („Möbelwachspaste“); so schon das RG, Urt. v. 22.11.1935 – II 128/35, RGZ 149, 329, 333. 139  Hoeren, MMR-Beilage 1998, 6, 7. S. auch BGH, Urt. v. 15.3.1955 – I ZR 111/53, GRUR 1955, 424, 425 („Möbelwachspaste“). 140  BVerfG, Beschl. v. 14.3.2006 – 1 BvR 2087, 2111/03, BVerfGE 115, 205, 230 f.; dem wort­ getreu folgend das BVerwG, Beschl. v. 8.2.2011 – 20 F 14/10 auf juris.de; Urt. v. 28.5.2009 – 7 C 18/08, NVwZ 2009, 1113. 141  So denn auch Berg, S.  7; v. Gamm, S.  35 (beschränkt auf §  17 UWG); Gurlit, Die Verwal­ tung 2011, 75, 96 f.; Kersting, S.  16 f.; Polenz, DÖV 2010, 350, 351; Taeger, S.  76; zum Strafrecht Többens, WRP 2005, 552, 557. 142  Rudkowski, S.  9. 143  So wohl auch BGH, Urt. v. 17.5.2001 – I ZR 291/98, WRP 2001, 918 ff. (auch wer eine Verletzungshandlung begeht, hat ein anerkennenswertes Interesse daran, die Einzelheiten dabei geheim zu halten), jedenfalls aber VGH Kassel, Beschl. v. 2.3.2010 – 6 A 1684/08, NVwZ 2010, 1036; a. A. wohl VG Frankfurt am Main, Urt. v. 23.1.2008 – 7 E 3280/06 (V), NVwZ 2008, 1384. 144 Krit. Kersting, S.  65. 145  BGH, Urt. v. 27.4.2006 – I ZR 126/03, GRUR 2006, 1044 („Kundendatenprogramm“). 146  BVerwG, Beschl. v. 8.2.2011 – 20 F 14/10 auf juris.de. 147  VG Berlin, Urt. v. 10.5.2006 – 2 A 56/04, Das Grundeigentum 2006, 787, 789.

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lungsvorbilds, Art.  39 Abs.  2 TRIPS148) einen „wirtschaftlichen“ Wert des Ge­ heimnisses verlangt.149 Wettbewerbsrelevanz und damit „wirtschaftlicher Wert“ sind aufgrund einer objektiven Betrachtungsweise zu ermitteln150 und liegen etwa vor, wenn durch die Tatsache Rückschlüsse auf die Betriebsfüh­ rung, auf die Wirtschafts- und Marktstrategie oder auf die Kostenkalkulation des Unternehmens möglich sind.151 Insbesondere gehören hierzu bei Versiche­ rern etwa die Prämienkalkulation und ihre Grundlagen als Informationen, die Schlüsse auf die Betriebsführung zulassen. 4. Geheimhaltungswille des Geheimnisträgers und Geheimnisschutzmaßnahmen Da die Rechtsordnung niemandem Geheimnisse aufdrängen soll, setzt das Vor­ liegen eines Geschäftsgeheimnisses nach deutschem Recht einen Geheimhal­ tungswillen des Berechtigten voraus.152 Dieser unterscheidet auch das Geheim­ nis vom Unbekannten.153 Art.  2 Abs.  1 lit.  c) des Vorschlags für eine Geheimnis­ schutzrichtlinie verlangt hingegen, dass das Geheimnis Gegenstand von Geheimnisschutzmaßnahmen des Berechtigten sein muss. Der Vorschlag bringt damit Änderungsbedarf beim deutschen Geheimnisbegriff. Denn die Rechtsprechung verlangt zwar einen „bekundeten“ Willen des Be­ rechtigten, stellt aber an diese „Bekundung“ keine hohen Anforderungen.154 Der Geheimhaltungswille muss nach außen hin in Erscheinung treten, aber nicht ausdrücklich erklärt sein.155 Mehr noch, es genügt, wenn er erkennbar ist156 oder sich wenigstens aus der Natur der Sache ergibt.157 Letzteres führt dazu, dass der Geheimhaltungswille im Ergebnis letztlich vermutet wird.158 148 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsge­ heimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb vom 28. November 2013, KOM (2013) 813 endg., S.  9. 149 Ebenso Kalbfus bei Kalbfus/Harte-Bavendamm, GRUR 2014, 453, 453; a. A. Rauer, GRUR-Prax 2014, 2, 2, die Richtlinie verlange ein Geheimhaltungsinteresse nicht. 150  Kiethe, JZ 2005, 1034, 1037. 151  VG Berlin, Urt. v. 10.5.2006 – 2 A 56/04, Das Grundeigentum 2006, 787, 789; Tyczewski/Elgeti, NWVBl 2006, 281, 284. 152  Rudkowski, S.  10. 153  BGH, Urt. v. 10.7.1963 – Ib ZR 21/62, NJW 1963, 2120 („Petromax II“). 154  BGH, Urt. v. 26.2.2009 – I ZR 28/06, NJW 2009, 1420 („Versicherungsvertreter“); Urt. v. 15.3.1955 – I ZR 11/53, GRUR 1955, 424, 425 („Möbelwachspaste“). 155  BGH, Urt. v. 26.11.1968 – X ZR 15/67, GRUR 1969, 341, 343 („Räumzange“); Sieberg/ Ploeckl, DB 2005, 2062, 2063. 156  BGH, Urt. v. 26.11.1968 – X ZR 15/67, GRUR 1969, 341, 343 („Räumzange“); Urt. v. 1.7.1960 – I ZR 72/59, GRUR 1961, 40, 43 („Wurftaubenpresse“); so auch schon das RG, Urt. v. 22.11.1935 – II 128/35, RGZ 149, 329, 333. Dem folgend etwa Kiethe, JZ 2005, 1034, 1037. 157  BGH, Urt. v. 10.5.1995 – 1 StR 764/94, NJW 1995, 2301. 158  S. BGH, Urt. v. 18.2.1977 – I ZR 112/75, GRUR 1977, 539, 540 („Prozessrechner“); Harte-Bavendamm, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG §  17 Rn.  5; Kraßer, GRUR 1977, 177, 178; ders., GRUR 1970, 587, 590.

§  3 Offenlegungsinteressen und Geheimnisschutz

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Aufgrund dieser geringen Anforderungen wird das Erfordernis des Geheim­ haltungswillens teilweise abgelehnt.159 Es sei nur mehr noch rein hypotheti­ scher Natur,160 eine Fiktion und bis zur Unkenntlichkeit relativiert.161 Zur Zu­ ordnung eines Geheimnisses zu einer bestimmten Person werde der Geheim­ haltungswille nicht benötigt, hier sei vielmehr die Zuordnung auf objektiver Basis anhand des Geheimhaltungsinteresses sachgerecht.162 Allenfalls im Hin­ blick auf §  17 UWG könne das Erfordernis des Geheimhaltungswillens beibe­ halten werden: Der Strafnorm müssten bestimmte Sachverhalte über eine Art Einwilligung oder Einverständnis entzogen werden.163 Dieser Auffassung scheinen auch das Bundesverfassungsgericht164 und ihm folgend die Verwal­ tungsgerichte165 anzuhängen. Das europäische Recht aber lässt eine Ablehnung des Geheimhaltungswil­ lens, sollte die Richtlinie in ihrer gegenwärtigen Form beschlossen werden, nicht mehr zu. Es verlangt, dass der Berechtigte Geheimnisschutzmaßnahmen ergriffen hat (Art.  2 Abs.  1 lit.  c) des Vorschlags für eine Geheimnisschutzricht­ linie), was dieser nur tun wird, wenn er eine Tatsache geheim halten will. Die vom Entwurf der Geheimnisschutzrichtlinie vorausgesetzten Sicherungsmaß­ nahmen sind mithin Ausdruck eines Geheimhaltungswillens. Der Entwurf erhöht aber zugleich die Anforderungen, die an den Geheim­ haltungswillen zu stellen sind. Formal sind die Anforderungen nach deutschem und europäischem Recht zwar kaum unterschiedlich: Der Geheimhaltungswil­ le muss nach deutschem Recht „bekundet“ sein,166 und im Regelfall erfolgt die­ se Bekundung durch Geheimnisschutzmaßnahmen, durch Maßnahmen also, wie sie das europäische Recht voraussetzt. Dass aber der Geheimhaltungswille „erkennbar“ ist167 oder sich „aus der Natur der Sache“ ergibt,168 genügt nach europäischem Recht nicht. Er muss vielmehr durch Geheimnisschutzmaßnah­ 159  Ohne nähere Stellungnahme das Kriterium auslassend das BVerfG, s. etwa BVerfG, Beschl. v. 14.3.2006 – 1 BvR 2087, 2111/03, BVerfGE 115, 205, 230; s. a. die Nachweise in den folgenden Fn. 160  Brammsen, in: MünchKomm-UWG, §  17 Rn.  26; Rogall, NStZ 1983, 1, 6. 161  Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG §  85 Rn.  10. 162  Brammsen, in: MünchKomm-UWG, §   17 Rn.   9 unter Hinweis auf BGH, Urt. v. 20.5.1996 – II ZR 190/95, NJW 1996, 2576 (dort aber offen gelassen). 163  Brammsen, in: MünchKomm-UWG, §  17 Rn.  28. 164  BVerfG, Beschl. v. 14.3.2006 – 1 BvR 2087, 2111/03, BVerfGE 115, 205, 230. 165  BVerwG, Beschl. v. 8.2.2011 – 20 F 14/10 auf juris.de; Urt. v. 28.5.2009 – 7 C 18/08, NVwZ 2009, 1113. 166  BGH, Urt. v. 26.2.2009 – I ZR 28/06, NJW 2009, 1420 („Versicherungsvertreter“); Urt. v. 15.3.1955 – I ZR 11/53, GRUR 1955, 424, 425 („Möbelwachspaste“). 167  Noch einmal: BGH, Urt. v. 26.11.1968 – X ZR 15/67, GRUR 1969, 341, 343 („Räumzan­ ge“); Urt. v. 1.7.1960 – I ZR 72/59, GRUR 1961, 40, 43 („Wurftaubenpresse“); so auch schon das RG, Urt. v. 22.11.1935 – II 128/35, RGZ 149, 329, 333. Dem folgend etwa Kiethe, JZ 2005, 1034, 1037. 168  Noch einmal: BGH, Urt. v. 10.5.1995 – 1 StR 764/94, NJW 1995, 2301.

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Teil 1: Einführung

men objektiv nach außen getreten sein.169 Sollte die Richtlinie unverändert in Kraft treten, wird dementsprechend das deutsche Recht ebenfalls höhere An­ forderungen an den Geheimhaltungswillen zu stellen und nach Vorkehrungen des Berechtigten zum Geheimnisschutz zu fragen haben. II. Einheitlichkeit des Geheimnisbegriffs Für das Zivilprozessrecht wollen einzelne Stimmen in der Literatur den Ge­ heimnisbegriff enger verstehen als den eigentlich rechtsgebietsübergreifend ge­ nutzten strafrechtlichen Begriff gem. §  17 UWG.170 Dies betrifft insbesondere das Merkmal des Geheimhaltungsinteresses.171 Bei §  17 UWG gehe es um klare Grenzziehung zur Bestimmung der Strafbarkeit, im Zivilprozess aber führe der Geheimnisschutz regelmäßig zur Gefährdung der Sachverhaltsaufklärung und Wahrheitsermittlung. So sei im Zivilprozess etwa sitten- oder rechtswidrigen Tatsachen der prozessuale Geheimnisschutz zu verwehren.172 Der Individual­ rechtsschutz dürfe nicht zur Geheimhaltung von verwerflichen Informationen unterlaufen werden.173 Das Anliegen, sittenwidrige oder rechtswidrige Geheimnisse nicht so stark oder zumindest in anderer Weise zu schützen als sonstige Geheimnisse, ist grundsätzlich nachvollziehbar. Es bedarf dafür jedoch keiner Modifikation des Geheimnisbegriffes, insbesondere nicht einer Modifikation in nur ausgewähl­ ten Rechtsgebieten. Denkbar sind vielmehr Einschränkungen des Geheimnis­ schutzes auf der Rechtsfolgenseite der dem Geheimnisschutz dienenden Norm. So verlangt etwa §  172 Nr.  3 GVG dem Gericht eine Ermessensentscheidung ab,174 in welche einbezogen werden kann, dass der am Geheimnis Berechtigte ein nur schwaches Geheimhaltungsinteresse hat. Ein solches Vorgehen wäre auch der Rechtssicherheit zuträglich. Es wäre nicht der gleiche Begriff im Zivil­ prozessrecht anders zu verstehen als in allen anderen Rechtsgebieten. Außerdem überzeugt die Überlegung, den zivilprozessualen Geheimnisbe­ griff enger zu fassen als den strafrechtlichen, schon deshalb nicht, weil straf­ rechtliche Normen nach rechtsstaatlichen Grundsätzen (nulla poena sine lege scripta, stricta, certa, Art.  103 Abs.  2 GG) eng auszulegen sind. So ließe sich eher noch für ein engeres Verständnis des Geheimnisbegriffs im Strafrecht plädie­ 169  Die Befürchtung, dass europäische Recht könne in diesem Punkt strenger sein als das deutsche, findet sich auch bei Harte-Bavendamm bei Kalbfus/Harte-Bavendamm, GRUR 2014, 453, 454. 170  Stadler, S.  15. 171  Stadler, S.  15. 172  Stadler, S.  16 f.; zu der Frage, ob rechts- oder sittenwidrigen Geheimnissen generell der Geheimnisschutz verweigert werden soll, soeben I. 3. 173  Stadler, S.  16 f. 174  BGH, Urt. v. 9.7.1985 – 1 StR 216/85, NJW 1986, 200, 201 (Beurteilungsspielraum be­ züglich Vorliegen des Tatbestands sowie Ermessen bezüglich Ob und Umfang der Ausschlie­ ßung).

§  3 Offenlegungsinteressen und Geheimnisschutz

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ren: Dort geht es für den möglichen Täter um persönliche Folgen für ein von der Rechtsordnung missbilligtes Verhalten, im Zivilprozess hingegen geht es nur um wirtschaftliche Interessen der Parteien, mögen sie auch für den Einzelnen gewichtig sein. III. Fazit Für diese Untersuchung genügt es, vom „Geschäftsgeheimnis“ zu sprechen, da die Abgrenzung zu in der Finanzdienstleistungsbranche ohnehin kaum rele­ vanten Betriebsgeheimnissen rechtlich nicht von Bedeutung ist. Unter den Begriff des „Geschäftsgeheimnisses“ sind rechtsgebietsübergrei­ fend unternehmensbezogene Tatsachen zu subsumieren, die nicht offenkundig sind und an denen ein Geheimhaltungsinteresse besteht, das von einem Ge­ heimhaltungswillen des Berechtigten getragen wird. Die europäische Geheim­ nisschutzrichtlinie wird jedoch, sollte sie unverändert verabschiedet werden, Anpassungen der Definition an das Unionsrecht erforderlich machen.

B. Verfassungsrechtlicher Schutz von Geschäftsgeheimnissen Dass Geschäftsgeheimnisse grundrechtlichen Schutz175 genießen, ist zwar mitt­ lerweile unbestritten.176 Welche Grundrechte jedoch genau Schutz bieten, ist noch nicht abschließend geklärt.177 Von der genauen grundrechtlichen „Veror­ tung“ der Geschäftsgeheimnisse hängt jedoch die Intensität ihres Schutzes ab: Zwar mögen weder Art.  12 Abs.  1 GG noch Art.  14 Abs.  1 GG einen absoluten Geheimnisschutz verlangen.178 Fielen Geschäftsgeheimnisse aber ausschließlich in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie gem. Art.  14 GG, könnte aufgrund der Sozialpflichtigkeit des Eigentums179 ihr Schutz im Einzelfall schwächer aus­ fallen, als wenn sie auch von der Berufsfreiheit gem. Art.  12 Abs.  1 GG erfasst würden.180

175  Auf die europäischen Grundrechte soll hier nicht eingegangen werden, da sie im We­ sentlichen denen des deutschen Grundgesetzes entsprechen, s. BVerfG, Urt. v. 12.10.1993 – 2 BvR 2134/92, BVerfGE 89, 155, 174; Beschl. v. 22.10.1986 – 2 BvR 197/83, BVerfGE 73, 339, 387 („Solange II“). Zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen durch EU-Grundrechte ausf. Beyerbach, S.  285 ff.; Pfisterer, S.  166 ff. 176  Bis Mitte des 19. Jahrhunderts war der Schutz mitunter als wettbewerbsfeindlich ange­ sehen worden, s. den historisches Abriss bei v. Gamm, S.  14 ff. 177  Rudkowski, S.  13 f. 178  Brammsen, DÖV 2007, 10, 12. 179  Dazu BVerfG, Urt. v. 1.3.1979 – 1 BvR 532, 533/77, 419/78 und 1 BvL 21/78, BVerfGE 50, 290 ff. 180  Kugelmann, DÖV 2005, 851, 859.

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Teil 1: Einführung

I. Berufsfreiheit (Art.  12 Abs.  1 GG) Die Verpflichtung Privater, ihre Geschäftsgeheimnisse gegenüber dem Staat oder sonstigen Dritten zu offenbaren, könnte einen Eingriff in die Berufsfrei­ heit darstellen, ebenso wie die Offenlegung privater Geschäftsgeheimnisse durch den Staat. Der Eingriff könnte jedoch der Rechtfertigung zugänglich sein. 1. Schutzbereich des Art.  12 Abs.  1 GG Art.  12 Abs.  1 GG schützt die Freiheit, einen Beruf frei zu wählen und auszu­ üben.181 Geschützt sind deutsche natürliche und, über Art.  19 Abs.  3 GG, auch juristische Personen, soweit eine bestimmte Erwerbstätigkeit ihrem Wesen nach in gleicher Weise von juristischen Personen ausgeübt werden kann.182 Während das Bundesverfassungsgericht Geschäftsgeheimnisse als von Art.  12 Abs.  1 GG geschützt ansieht,183 sind die Meinungen in der Literatur geteilt.184 Einige Autoren185 stoßen sich daran, dass der Schutzbereich des Art.  12 Abs.  1 GG, faustformelartig gesprochen, den Erwerb selbst, Art.  14 GG das Erworbe­ ne schützt.186 Geschäftsgeheimnisse, so ließe sich argumentieren, gehören dem Erworbenen an. Sie wurden durch Erfahrung oder Forschung erarbeitet, sind eine Vorzugsposition, die auf einer Leistung des Unternehmens beruht, ein Vermögenswert. Zudem sei Art.  12 GG ein persönlichkeitsbezogenes Grund­ recht, es schütze die freie Entfaltung der Persönlichkeit im Berufs- und Arbeits­ leben.187 Geschäftsgeheimnisse hingegen sind gerade unternehmens- und nicht persönlichkeitsbezogen.188 Die Persönlichkeitsbezogenheit des Art.  12 GG ist jedoch schon deswegen nicht besonders stark ausgeprägt, weil sich immerhin auch inländische juristi­ sche Personen auf die Berufsfreiheit berufen können.189 181  Eingehend allgemein zum Schutzbereich BVerfG, Beschl. v. 26.6.2002 – 1 BvR 558 und 1428/91, BVerfGE 105, 252, 265; Urt. v. 11.6.1958 – 1 BvR 596/56, BVerfGE 7, 377, 397 ff. 182  BVerfG, Urt. v. 1.3.1979 – 1 BvR 532, 533/77, 419/78 und 1 BvL 21/78, BVerfGE 50, 290, 363; Beschl. v. 16.3.1971 – 1 BvR 52, 665, 667, 754/66, BVerfGE 30, 292, 312. 183  BVerfG, Urt. v. 24.11.2010 – 1 BvR 2/05, NVwZ 2011, 94, 103; Urt. v. 14.3.2006 – 1 BvR 2087, 2111/03, BVerfGE 115, 205. Dem folgend: BVerwG, Urt. v. 26.11.2009 – 7 C 20/08, NVwZ 2010, 522; Urt. v. 19.12.1952 – VII C 34/57, BVerwGE 8, 78, 80. 184  Für Schutz durch Art.  12 GG etwa Breuer, in: HdbStR VIII, §  171 Rn.  38; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art.  12 Rn.  131 f.; Wolff, NJW 1997, 98 ff.; unklar Manssen, in: v. Man­ goldt/Klein/Starck, GG, Art.  12 Rn.  289 (Geschäftsgeheimnisse „vor allem“ von Art.  14 GG geschützt); dagegen Taeger, S.  60; wohl auch Berg, GewArch 1996, 177 ff.; Stadler, S.  36 ff. 185  Berg, GewArch 1996, 177; Stober, S.  66. 186  BVerfG, Urt. v. 16.3.1971 – 1 BvR 52, 665, 667, 754/66, BVerfGE 30, 292, 334. 187  Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art.  12 Rn.  9, 122. 188  Taeger, S.  59 unter Hinweis auf BVerfG, Urt. v. 16.3.1971 – 1 BvR 52, 665, 667, 754/66, BVerfGE 30, 292, 334. 189  BVerfG, Urt. v. 1.3.1979 – 1 BvR 532, 533/77, 419/78 und 1 BvL 21/7850, BVerfGE 290, 363; Urt. v. 16.3.1971 – 1 BvR 52, 665, 667, 754/66, BVerfGE 30, 292, 312.

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Für die Frage aber, ob Geschäftsgeheimnisse durch Art.  12 Abs.  1 GG ge­ schützt werden, ist unerheblich, ob (auch) Art.  14 GG einschlägig ist. Hierbei handelt es sich lediglich um ein Konkurrenzproblem. Maßgeblich für die Ein­ ordnung bei Art.  12 Abs.  1 GG ist nur, ob die Geschäftsgeheimnisse einen Be­ zug zur Berufsausübung, zum Hinzuerwerb aufweisen. Dieser liegt vor. Denn Geschäftsgeheimnisse beziehen sich zumindest auch auf den Erwerbsvorgang. Sie erleichtern ihn für den am Geheimnis Berechtigten, er erlangt einen Vor­ sprung gegenüber all jenen, die das Geheimnis nicht kennen. Geschäftsgeheim­ nisse spielen damit eine wichtige Rolle für die Position des Unternehmens im Wettbewerb. Diese ist in der bestehenden Wirtschaftsordnung wichtiger Teil der Berufsausübung.190 Es gibt ein Recht zur „Teilhabe am Wettbewerb nach Maßgabe seiner Funktionsbedingungen“.191 Wird exklusives wettbewerbser­ hebliches Wissen den Konkurrenten zugänglich, beeinträchtigt das die Chance, den eigenen Beruf erfolgreich auszuüben. Art.  12 Abs.  1 GG schützt daher das berufsbezogene Verhalten der Unternehmen am Markt.192 Dass Art.  12 Abs.  1 GG hier einschlägig sein muss, wird auch deutlich, wenn man bedenkt, dass Auskunfts-, Vorlage- und Berichtspflichten eines Unterneh­ mens gegenüber einer Aufsichtsbehörde unzweifelhaft das „Wie“ der Berufs­ ausübung beeinflussen und damit Berufsausübungsregelungen darstellen, wie selbst Gegner des Schutzes durch Art.  12 Abs.  1 GG konzedieren müssen.193 Es wäre aber sinnwidrig, zwar Offenlegungspflichten als Berufsausübungsrege­ lungen zu qualifizieren, dem Geheimnis grundsätzlich jedoch den Schutz durch Art.  12 Abs.  1 GG zu versagen.194 Art.  12 Abs.  1 GG bietet daher in seiner Ausprägung als Wettbewerbsfreiheit Schutz für Geschäftsgeheimnisse. 2. Eingriff in Art.  12 Abs.  1 GG und Rechtfertigung Erfasst demnach Art.  12 Abs.  1 GG auch Geschäftsgeheimnisse, stellt die ge­ setzliche Pflicht zur Offenbarung von Geheimnissen (beispielsweise in Form von Auskunftspflichten gegenüber Privaten) als Berufsausübungsregel einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff dar.195 Der Eingriff wiegt immer dann be­ 190 

BVerwG, Urt. v. 18.4.1985 – 3 C 34/84, BVerwGE 71, 183, 189. Urt. v. 26.6.2002 – 1 BvR 558, 1428/91, BVerfGE 105, 252, 265. Ausführlich BVerfG, Urt. v. 17.12.2002 – 1 BvR 28, 29, 30/95, BVerfGE 106, 275, 298. Zust. etwa Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art.  12 Rn.  131. 192  Ausführlich BVerfG, Urt. v. 17.12.2002 – 1 BvR 28, 29, 30/95, BVerfGE 106, 275, 298. 193  Berg, WiVerw 1996, 171, 173. 194 So aber wohl Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art.   12 Rn.  289 im An­ schluss an Berg, WiVerw 1996, 171, 173; s. auch Berg, GewArch 1996, 177, 178. 195 BVerfG, Beschl. v. 14.3.2006 – 1 BvR 2087, 2111/03, BVerfGE 115, 205, 234 f.; s. a. ­BVerwG, Urt. v. 19.12.1958 – VII C 34/57, BVerwGE 8, 78, 80; Berg, WiVerw 1996, 171, 173; Breuer, in: HdbStR VIII, §  171 Rn.  38; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art.  12 Rn.  131 f. 191  BVerfG,

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sonders schwer, wenn das Geschäftsgeheimnis durch die Offenlegung völlig „zerstört“ wird. Der Eingriff in Art.  12 GG ist jedoch grundsätzlich der Rechtfertigung zu­ gänglich. Gerechtfertigt ist der Eingriff, der durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes vorgenommen werden muss (Art.  12 Abs.  1 S.  2 GG),196 wenn er ver­ hältnismäßig ist. Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit wurde vom Bundesver­ fassungsgericht im Rahmen der sog. Stufentheorie für Art.  12 GG in besonderer Weise ausgestaltet, die Eingriffsschwere wurde in Stufen eingeteilt. Für die Rechtfertigung eines Eingriffs auf der geringsten Stufe, der hier einschlägigen Berufsausübungsregelung, genügt, dass vernünftige Erwägungen des Gemein­ wohls die Beschränkung zweckmäßig erscheinen lassen.197 Da die Offenbarung ein Geschäftsgeheimnis regelmäßig vollständig besei­ tigt, wurde diese Einordnung vereinzelt angezweifelt. So sind nach von Danwitz Offenlegungspflichten „atypische“ Berufsausübungsregelungen.198 Die Offenlegung von Geheimnissen sei daher nicht schon mit vernünftigen Ge­ meinwohlerwägungen zu rechtfertigen.199 Vielmehr sei die Berufsausübungsre­ gelung an den strengeren Anforderungen der Berufszulassungsvoraussetzung zu messen. Soweit diese Auffassung betont, Geschäftsgeheimnisse seien besonders ein­ griffsempfindlich, ist ihr zuzustimmen. Allerdings wird nicht immer durch die Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses dieses vollständig entwertet. So scha­ det in der Regel die Offenbarung gegenüber einer Behörde nicht, denn hier wird das Geheimnis durch die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit geschützt.200 Der Schutzbedürftigkeit von Geschäftsgeheimnissen kann mithin auch anders als über strenge Anforderungen an die Eingriffsrechtfertigung Rechnung getragen werden. Für die Grundrechtsprüfung heißt dies, dass es zwar bei der Einord­ nung von Offenlegungspflichten als Berufsausübungsregelung bleibt. In die im Rahmen der „vernünftigen Gemeinwohlerwägungen“ vorzunehmende Abwä­ gung muss jedoch mit einfließen, dass die Berufsausübungsregelung die Offen­ legung von Geschäftsgeheimnissen erfordert und ggf., dass das Geschäftsge­ heimnis durch die Offenlegung vollständig entwertet wird.201 Allgemeine Abwägungsregeln können hier allerdings nicht bestehen, denn sie würden der Vielgestaltigkeit von Geschäftsgeheimnissen und Offenlegungs­ pflichten nicht gerecht. Vielmehr ist für die Abwägung von Offenlegung und Geheimnisschutz in jedem Einzelfall sowohl das Geheimhaltungsinteresse als 196 Es handelt sich bei Art.   12 GG um ein einheitliches Grundrecht, BVerfG, Urt. v. 11.6.1958 – 1 BvR 596/56, BVerfGE 7, 377, 402. 197  BVerfG, Urt. v. 11.6.1958 – 1 BvR 596/56, BVerfGE 7, 377 ff. 198  v. Danwitz, DVBl 2005, 597, 598. 199  v. Danwitz, DVBl 2005, 597, 598. 200  Zur Reichweite der Geheimhaltungspflichten der BaFin noch Teil 2 §  3 A. II. 1. 201  Berg, VerwArch 1997, 171, 173.

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auch das Gewicht des Offenlegungsinteresses zu berücksichtigen.202 Dement­ sprechend scheiterte etwa die Auffassung des BVerwG, dass die Offenbarung von Geschäftsgeheimnissen erst dann nicht mehr verhältnismäßig sei, wenn durch sie die Existenz des Unternehmens gefährdet wird,203 zurecht als zu weit und undifferenziert vor dem Bundesverfassungsgericht.204 II. Recht auf Eigentum (Art.  14 GG) Erst vor wenigen Jahren wurde der Frage nach der genauen Herleitung des Schutzes von Geschäftsgeheimnissen aus Art.  14 GG eine „beachtliche Zu­ kunft“205 prophezeit. In der Literatur herrscht bisher keine Einigkeit, und das Bundesverfassungsgericht hat offen gelassen, ob Geschäftsgeheimnisse über­ haupt in den Schutzbereich des Art.  14 GG fallen.206 1. Schutz des Geschäftsgeheimnisses nach Art.  14 GG Es werden allerdings vereinzelt bereits Bedenken geäußert, ob überhaupt eine allgemeine Aussage zum Schutz des Geschäftsgeheimnisses durch Art.  14 GG möglich ist. Es wird eingewendet, dass aufgrund der unterschiedlichen Inhalte von Geschäftsgeheimnissen nicht „pauschal“ die Eigentumsqualität bejaht oder verneint werden könne.207 Nur soweit Geschäftsgeheimnisse wirtschaftlich ge­ nutzt werden können, unterstünden sie dem Schutz der Eigentumsfreiheit.208 Soweit dieser Einwand darauf abzielt, nicht jegliche unternehmensbezogene Information dem Geheimnisschutz zu unterstellen, verfolgt er ein begrüßens­ wertes Anliegen. Im Übrigen verkennt er jedoch den Begriff des Geschäftsge­ heimnisses. Die im Wesentlichen anerkannte Definition zugrunde gelegt, 209 setzen Geschäftsgeheimnisse (aufgrund der Unternehmensbezogenheit und des Erfordernisses des (wirtschaftlichen) Geheimhaltungsinteresses) voraus, dass sie wirtschaftlich genutzt werden (können). Über ein Kriterium der wirtschaft­ lichen Nutzbarkeit des Geheimnisses würden folglich nur solche Tatsachen aus­ geklammert, die ohnehin nicht Geschäftsgeheimnis sind. Es kann somit ohne Differenzierung nach wirtschaftlicher Nutzbarkeit geprüft werden, ob Ge­ schäftsgeheimnisse von Art.  14 GG geschützt werden.

202 

BVerfG, Urt. v. 14.3.2006 – 1 BvR 2087, 2111/03, BVerfGE 115, 205, 242 ff. BVerwG, Urt. v. 15.8.2003 – 20 F 8/03, NVwZ 2004, 105; zust. Erichsen, NVwZ 1992, 409, 416; in diesem Sinne auch Herrmann, S.  368. 204  BVerfG, Urt. v. 14.3.2006 – 1 BvR 2087, 2111/03, BVerfGE 115, 205, 242 ff. 205  Brammsen, DÖV 2007, 10, 11 unter Bezugnahme auf v. Danwitz, DVBl 2005, 597, 604 f. 206  BVerfG, Urt. v. 14.3.2006 – 1 BvR 2087/03, 2111/03, BVerfGE 115, 205 ff. 207  Kugelmann, NJW 2005, 3609, 3612. 208  Kugelmann, NJW 2005, 3609, 3612. 209  S. die Definition in ihren Einzelheiten unter A. 203 

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Teil 1: Einführung

2. Herleitung des Grundrechtsschutzes im Einzelnen Ob Schutz nach Art.  14 GG besteht, ist zweifelhaft, da sich der verfassungs­ rechtliche Eigentumsbegriff im Wesentlichen 210 nach dem bürgerlichrecht­lichen Eigentumsbegriff richtet.211 Das bürgerliche Recht aber erkennt zwar Geschäftsgeheimnisse als Teil des eigenständigen „Rechts am eingerichte­ ten und ausgeübten Gewerbebetrieb“ an.212 Damit ist das Geschäftsgeheimnis jedoch aus bürgerlich-rechtlicher Sicht nicht Eigentum, sondern nur „sonstiges Recht“ (i. S. d. §  823 Abs.  1 BGB).213 Teilweise wird angenommen, auch das Recht am eingerichteten und ausgeüb­ ten Gewerbebetrieb werde von Art.  14 GG geschützt und biete daher auch Ge­ schäftsgeheimnissen Schutz.214 Es erfasse „nicht nur den eigentlichen Bestand des Gewerbebetriebes, sondern auch dessen einzelne Erscheinungsformen“, al­ les das, „was in seiner Gesamtheit den wirtschaftlichen Wert des konkreten Ge­ werbebetriebs ausmacht“.215 Essentiell wichtiger Bestandteil des Unternehmens und Voraussetzung für sein Tätigwerden am Markt seien Geschäftsgeheimnisse. Jedoch hat das Bundesverfassungsgericht bisher die Frage offen gelassen, ob der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb von Art.  14 GG geschützt wird.216 Zudem würde mit dieser Begründung dem Geschäftsgeheimnis Schutz nicht als selbständigem Gut, sondern als bloßem Annex des Gewerbebetriebes ge­ währt. Im Gesetz ist indes das Geschäftsgeheimnis sogar besser verankert als das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.217

210  Der verfassungsrechtliche Schutz geht aber über das Sacheigentum i. S. d. §  9 03 BGB hinaus, s. nur den Schutz des Art.  14 GG für Forderungen, BVerfG, Beschl. v. 31.3.1998 – 2 BvR 1877/97, 50/98, BVerfGE 97, 350, 370 f.; Beschl. v. 26.4.1995 – 1 BvL 19/94 und 1 BvR 1454/94, BVerfGE 92, 262, 271. 211  BVerfG, Urt. v. 18.3.1970 – 2 BvO 1/65, BVerfGE 28, 119, 142; Urt. v. 30.4.1952 – 1 BvR 14, 25, 167/52, BVerfGE 1, 264 ff. 212  BGH, Urt. v. 21.12.1962 – I ZR 47/61, NJW 1963, 856, 857; Urt. v. 25.1.1955 – I ZR 15/53, NJW 1955, 628. 213  S. nur BGH, Urt. v. 26.10.1951 – I ZR 8/51, BGHZ 3, 270, 278 ff.; Wagner, in: Münch­ Komm-BGB, §  823 Rn.  228. 214  BGH, Urt. v. 7.6.1990 – III ZR 74/88, BGHZ 111, 349, 356; Urt. v. 28.1.1957 – III ZR 144/55, BGHZ 23, 157, 162; ebenso BVerwG, Urt. v. 27.5.1981 – 7 C 34/77, BVerwGE 62, 224, 226; Axer, in: FS Isensee, S.  121, 133 f; Badura, AöR 98 (1973), 153 f.; Friauf, WiVerw 1989, 121, 133; Leisner, in: HdbStR VIII, §  173 Rn.  26; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art.  14 Rn.  95; Sodan, in: Sodan, GG, Art.  14 Rn.  12; Stadler, S.  39. 215  BGH, Beschl. v. 22.9.2011 – III ZR 217/10, GesR 2012, 79; Urt. v. 31.1.1966 – III ZR 110/64, BGHZ 45, 150, 155. 216  BVerfG, Beschl. v. 30.11.2010 – 1 BvL 3/07, ZfWG 2011, 33; Beschl. v. 8.9.2010 – 1 BvR 1890/08, NJW 2010, 3501; Beschl. v. 30.4.1952 – 1 BvR 14, 25, 167/52, BVerfGE 1, 264, 276. S. aber BVerfG, Beschl. v. 08.06.1977 – 2 BvR 499/74, 1042/75, BVerfGE 45, 142, 173; Urt. v. 29.11.1961, 1 BvR 148/57, BVerfGE 13, 225, 229. 217  S. nur §  17 UWG und die übrigen unter A. angesprochenen Vorschriften.

§  3 Offenlegungsinteressen und Geheimnisschutz

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Alternativ wird vorgeschlagen, Geschäftsgeheimnisse als selbständige verfas­ sungsrechtliche Vermögenspositionen anzuerkennen.218 Zur Begründung wird angeführt, dass Art.  14 GG jede vermögenswerte Rechtsposition schütze. Als solches vermögenswertes subjektives Recht seien auch Geschäftsgeheimnisse anzusehen, die sich insoweit nicht von dinglichen Rechten oder Urheberrechten unterschieden, als sie ebenfalls durch eigene Leis­ tung (Arbeit, Kapitaleinsatz) erworben worden sind.219 Dem ist insoweit zuzustimmen, als Geschäftsgeheimnisse, wie das Eigentum im Sinne des Art.  14 GG, zwar auch dem Erwerb dienen, aber auch „Erworbe­ nes“ sind, das Produkt persönlicher Leistung und Erfahrung, des Einsatzes von Arbeit und Kapital.220 Zudem kommt ihnen ein gewisser wirtschaftlicher Wert zu, der sich notwendigerweise schon aus dem Merkmal der „Wettbewerbsre­ levanz“ und damit aus dem Merkmal des „wirtschaftlichen Geheimhaltungs­ interesses“ ergibt und der sie in die Nähe der (von Art.  14 GG geschützten) ­Patent-221, Warenzeichen-222 und Urheberrechte223 rückt.224 Diese Begründung hat jedoch die Schwäche, dass sie einen Vergleich zu aus­ schließlichen Nutzungsrechten zieht, die noch dazu die Offenlegung der Infor­ mation voraussetzen. Offenlegung führt bei Geschäftsgeheimnissen jedoch ge­ rade zum Entfallen des Schutzes. Zudem sind Geschäftsgeheimnisse keinesfalls ausschließlich einem Einzelnen zugeordnet.225 Sie nachzuempfinden, selbst zu entwickeln und dann für sich zu verwenden, ist jeder Wettbewerber frei. Hinzu kommt, dass es für Geschäftsgeheimnisse an der Normprägung fehlt, die gerade das Eigentum, auch das hier bereits angeführte geistige Eigentum, ausmacht. Zwar bestehen zahlreiche Regelungen zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen. Vorschriften etwa zu ihrer Übertragung, wie sie für das Eigentum typisch sind (§§  398 ff., 929 ff. BGB) finden sich aber nicht.226 Außerdem bietet der Rekurs auf Patent- und Urheberrecht Raum für den Fehlschluss, dass es ohne Exklusi­ vität keinen grundrechtlichen Geheimnisschutz geben könne. 218  Breuer, NVwZ 1986, 171, 174; Taeger, S.  62; Ohly, in: Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, §  17 Rn.  40a; Zech, S.  238 ff. 219  Taeger, S.  62, wohl mit Blick auf Art.  153 WRV und BVerfG, Beschl. v. 31.3.1998 – 2 BvR 1877/97, 50/98, BVerfGE 97, 350, 370. 220  Auf diese Kriterien abstellend (allerdings für den Schutz des Unternehmens, nicht spe­ ziell für Geschäftsgeheimnisse) Engel, AöR 118 (1993), 169, 234. 221  Schutz des Patentrechts: BVerfG, Beschl. v. 10.5.2000 – 1 BvR 1864/95, NJW 2001, 1783, 1784. 222  Schutz des Warenzeichens: BVerfG, Beschl. v. 22.5.1979 – 1 BvL 9/75, BVerfGE 51, 193 ff. 223  Schutz des Urheberrechts: BVerfG, Beschl. v. 7.7.1971 – 1 BvR 765/66, BVerfGE 31, 229, 240 ff. 224  S. die Argumentation der beigeladenen Telekom (Geschäftsgeheimnis strukturell ver­ gleichbar mit geistigem Eigentum) in BVerfG, Beschl. v. 14.03.2006 – 1 BvR 2087, 2111/03, BVerfGE 115, 205, 214; diese Frage behandelnd auch Beyerbach, S.  208 ff. 225  Zech, S.  238. 226  Ausf. Herleitung bei Beyerbach, S.  209 ff.

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Teil 1: Einführung

Diese Missverständnisse lassen sich indes mit einer leichten Änderung in der Argumentation vermeiden. Hierbei handelt es sich lediglich um einen neuen Begründungsansatz, wie ihn Brammsen, allerdings als vermeintlich komplett neuen Lösungsansatz des „inhaltsbeschränkten Informationseigentums“, ver­ treten hat:227 Der gesetzliche Schutz von Geschäftsgeheimnissen weist jene ele­ mentaren Strukturmerkmale auf, die das verfassungsrechtlich geschützte Insti­ tut „Privateigentum“ kennzeichnen, darunter die Privatnützigkeit, die (nur grundsätzliche) Verfügungsbefugnis eines Berechtigten, die Substanzgewähr­ leistung.228 Dies muss genügen, Geschäftsgeheimnisse als „Eigentum“ i. S. d. Art.  14 GG, als eigenständige Rechtsposition zu verstehen. Zwar besteht kein gesetzlich gewährtes „Monopolrecht“ wie etwa beim Pa­ tent, 229 keine uneingeschränkte Schutzgewährleistung. Auch fehlen einige Normgruppen, die eigentlich das Eigentum kennzeichnen, für Geschäftsge­ heimnisse (noch einmal sei auf die nicht vorhandenen Vorschriften zur Über­ tragung verwiesen). Auf die Existenz eines unbeschränkten Nutzungs- und Verwertungsrechts, eines Exklusivrechts, kommt es für den Schutz durch Art.  14 GG aber gar nicht an. Schließlich ist nicht einmal das Eigentum im Sinne des §  903 BGB, das von Art.  14 GG unzweifelhaft erfasst ist, vom Gesetz als unbeschränktes Recht an­ gelegt. Der Eigentümer darf zwar mit seiner Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung auf sein Eigentum ausschließen (§  903 S.  1 BGB). Diesem Recht werden jedoch durch die nachfolgenden Vorschriften des BGB sogleich Grenzen gezogen. Dass Einschränkungen des Rechts bestehen, es also nicht schrankenlos gewährleistet ist, schließt die Anwendung des Art.  14 GG nicht aus. Warum das für Geschäftsgeheimnisse anders sein sollte als für das bürgerlich-rechtliche Eigentum, leuchtet nicht ein. Auch über die fehlenden Normgruppen, insbesondere die fehlenden Vor­ schriften zur Übertragbarkeit, kann das bürgerliche Recht hinweghelfen: So ist zwar jeder Konkurrent frei, selbst das Geschäftsgeheimnis nachzuempfinden. Er kann sich aber auch vom am Geheimnis Berechtigten im Wege eines Lizenz­ vertrages oder sonstiger vertraglicher Vereinbarung Zugang erkaufen. Und schließlich darf nicht übersehen werden, dass Geschäftsgeheimnisse in zahlrei­ chen Vorschriften, auch Strafvorschriften (z. B. §  17 UWG), als eigenständiges Gut geschützt werden, ein Privileg, das längst nicht jedes Wirtschaftsgut er­ fährt. Hiergegen einzuwenden, dass zwischen einer bloßen rechtlichen Ge­ schütztheit oder faktischen Ausschließlichkeit etwa durch Strafvorschriften und einer eigenständigen rechtlichen Zuweisung zu unterscheiden sei, 230 über­ 227 

Brammsen, DÖV 2007, 10, 12 ff. Brammsen, DÖV 2007, 10, 14. 229  Brammsen, DÖV 2007, 10, 12. 230 So Zech, S.  238. 228 

§  3 Offenlegungsinteressen und Geheimnisschutz

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zeugt nicht. Auf dem rechtlichen Schutz faktischer Ausschließlichkeit beruht am Ende schließlich auch das bürgerlich-rechtliche Eigentum. Daher sind Geschäftsgeheimnisse „Eigentum“ i. S. d. Art.  14 GG und damit unmittelbar von Art.  14 GG, d. h. nicht über den „Umweg“ eines allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Ge­ werbebetrieb, geschützt. 3. Konkurrenzverhältnis zur Berufsfreiheit Der Schutz des Geschäftgeheimnisses durch Art.  12 GG steht der Einordnung (auch) bei Art.  14 GG nicht im Wege. Es handelt sich um einen Fall der Ideal­ konkurrenz von Grundrechten, denn zwischen dem Schutz durch Art.  12 GG und durch Art.  14 GG lässt sich kein Spezialitätsverhältnis feststellen.231 Dem­ entsprechend ordnet die neuere Rechtsprechung des BVerwG Geschäftsge­ heimnisse ohne weitere Differenzierung Art.  12 Abs.  1 GG und Art.  14 Abs.  1 GG gleichermaßen zu,232 und auch der Gesetzgeber geht von einem Schutz des Geschäftsgeheimnisses sowohl durch Art.  12 GG als auch durch Art.  14 GG aus.233 4. Eingriff in Art.  14 Abs.  1 GG und Rechtfertigung Wird ein Unternehmen vom Gesetzgeber zur Offenlegung von Geschäftsge­ heimnissen verpflichtet, liegt darin ein Eingriff in Art.  14 Abs.  1 GG. Das Verfassungsrecht aber gebietet nur einen relativen, keinen absoluten Schutz von Geschäftsgeheimnissen, 234 d. h. der Eingriff ist erst unzulässig, wenn er nicht gerechtfertigt werden kann. Das ist im Einzelfall unter Anwen­ dung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu prüfen.235 Die Grundrechts­ einschränkung muss einem legitimen Ziel dienen, muss zu dessen Erreichung geeignet, erforderlich und angemessen sein.236 Der Gesetzgeber muss sich dabei „am Wohle der Allgemeinheit orientieren, welches nicht nur der Grund, sondern auch Grenze für die Beschränkung“ ist, 237 denn Art.  14 Abs.  2 GG gebietet eine am Gemeinwohl orientierte Nut­

231 

Rudkowski, S.  17. BVerwG, Urt. v. 15.8.2003 – 20 F 7/03, K&R 2004, 95, 98. 233  S. IFG-E, BT-Drs. 13/8432, S.   36, im Zusammenhang mit dem Geheimnisschutz im IFG. Zust. Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art.  12 Rn.  131; wohl auch Manssen, in: v. Man­ goldt/Klein/Starck, GG, Art.  12 Rn.  289. 234  Breuer, in: HdbStR VIII, §  171 Rn.  39. 235  BVerfGE in st. Rspr., z. B. BVerfG, Urt. v. 39.6.1984 – 1 BvR 513/78, BVerfGE 67, 329, 340; zust. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art.  14 Rn.  6 4 (auch zu weiteren, hier nicht weiter relevanten Schranken-Schranken). 236  S. z. B. BVerfG, Urt. v. 15.1.1970 – 1 BvR 13/68, BVerfGE 27, 344, 352. 237  BVerfG, Urt. v. 4.6.1985 – 1 BvL 12/83, BVerfGE 70, 101, 111. 232 

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Teil 1: Einführung

zung des Eigentums.238 Das Eigentum darf jedoch nicht ausschließlich nach öf­ fentlichem Interesse bestimmt und sein Schutz so ausgehöhlt werden.239 Allgemeine Aussagen zur Abwägung können hier, nicht anders als bei der Rechtfertigung eines Eingriffs in Art.  12 GG,240 nicht getroffen werden. Viel­ mehr ist die Rechtfertigung im Einzelfall zu prüfen. III. Schutz durch weitere Grundrechte und Prinzipien Daneben werden weitere Grundrechte sowie Staatsprinzipien als Grundlage für den Schutz von Geschäftsgeheimnissen zur Diskussion gestellt. 1. Allgemeine Handlungsfreiheit (Art.  2 Abs.  1 GG) Über längere Zeit als Grundlage für die Wettbewerbsfreiheit und damit als Grundlage für den Schutz des Geschäftsgeheimnisses diskutiert wurde Art.  2 Abs.  1 GG, die allgemeine Handlungsfreiheit.241 Als Auffanggrundrecht ist die­ se aber jedenfalls gegenüber Art.  12, 14 GG subsidiär.242 2. Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Unternehmers (Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  1 Abs.  1 GG) Mitunter wurde auch versucht, das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Unter­ nehmers in Form des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  1 Abs.  1 GG) zur Grundlage des Schutzes von Geschäftsge­ heimnissen zu machen.243 Art.  1 Abs.  1 GG gewährleiste ein „informationelles Selbstbestimmungsrecht des natürlichen Unternehmers“, das nicht nur personenbezogene Daten, son­ dern auch betriebliche Daten und Geheimnisse betreffe.244 Einen Bezug des Ge­ schäftsgeheimnisses zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Unternehmers kann aber nur bestehen, wenn es sich bei dem Geheimnisträger um einen Ein­ zelunternehmer handelt, um eine natürliche Person. Der Betrieb eines Versiche­ rungsunternehmens oder eines Kreditinstituts als Einzelunternehmer ist aber

238 Dazu

Engel, AöR 118 (1993), 169, 205. Es besteht keine „totale Sozialbindung“ des Eigentums, Leisner, in: HdbStR VIII, §  173 Rn.  150. 240  Soeben I. 2. 241  Die Wettbewerbsfreiheit auf Art.  2 Abs.  1 GG stützend etwa BVerwG, Urt. v. 17.5.1988 – 1 A 42/84, BVerwGE 79, 326, 329; Urt. v. 19.12.1963 – I C 77/60, BVerwGE 17, 306, 309. S. dazu auch Stober, S.  65. 242  BVerfG, Beschl. v. 12.12.2006 – 1 BvR 2576/04, BVerfGE 117, 163, 181; Urt. v. 16.1.1957 – 1 BvR 253/56, BVerfGE 6, 32, 37; Alexy, S.  338. 243  Stober, S.  27 f., 37. 244  Stober, S.  27 f., 37; ablehnend Ploch-Kumpf, S.  23 f.; Taeger, S.  56 ff. 239 

§  3 Offenlegungsinteressen und Geheimnisschutz

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aufsichtsrechtlich jeweils ausgeschlossen (§§  2b Abs.  1 KWG n. F., 245 7 Abs.  1 VAG), sodass auf diesen Vorschlag hier nicht weiter eingegangen werden muss. 3. Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Unternehmens (Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  12 Abs.  1 GG) Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob den Unternehmen ein Recht auf infor­ mationelle Selbstbestimmung zusteht, das auch den Schutz von Geschäftsge­ heimnissen gebietet. Die Rechtsprechung hat zwar auch juristischen Personen zugestanden, dass sie sich, soweit sie aus ihrem Wesen und ihren Funktionen des Schutzes bedür­ fen, grundsätzlich auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht berufen können.246 Sie differenziert aber nach den einzelnen Ausprägungen dieses Grundrechts.247 Das hier relevante Recht auf informationelle Selbstbestimmung von Unterneh­ men bestehe, sei aber aufgrund der Unterschiede zu natürlichen Personen und des Fehlens des Bezugs zur Menschenwürdegarantie allein aus Art.  2 Abs.  1 GG herzuleiten.248 Der grundrechtlich gewährleistete Schutz sei daher begrenzt auf das Tätig­ keitsfeld des Unternehmens, also die wirtschaftliche Betätigung.249 Das Interes­ se, bestimmte Umstände geheim zu halten, sei insoweit geschützt, als seine Be­ einträchtigung auf die wirtschaftliche Tätigkeit des Unternehmens zurückwir­ ken könne.250 Das überdehnt jedoch den Schutzbereich der informationellen Selbstbestim­ mung. Sie soll lediglich gewährleisten, dass der Einzelne überschauen kann, welche ihn betreffenden Informationen in bestimmten Bereichen seiner sozia­ len Umwelt bekannt sind und ihm damit ermöglichen, seine Handlungen frei zu 245  Der Untersuchung liegt das KWG in seiner Fassung vom 1. Januar 2014 zugrunde. Es wird zur Klarstellung als „n. F.“ gekennzeichnet selbst dann, wenn die einschlägigen Normen im Zuge von CRD IV nicht geändert worden sind. Soweit vom KWG a. F. die Rede ist, handelt es sich, soweit nicht anders angegeben, um das KWG in seiner am 31. Dezember 2013 gelten­ den Fassung. 246  BGH, Urt. v. 3.6.1986 – VI ZR 102/85, BGHZ 98, 94, 97; Urt. v. 8.7.1980 – VI ZR 177/78, BGHZ 78, 24, 25 (zivilrechtlichen Ehrschutz bejahend); dagegen Kunig, in: v. Münch/ Kunig, GG, Art.  2 Rn.  39; einschränkend Dreier, in: Dreier, GG, Art.  2 Abs.  1 Rn.  86. Diff. Kube, in: HdbStR VII, §  148 Rn.  75 (Schutz nur in Einzelfällen). 247  Beschl. v. 9.10.2002 – 1 BvR 1611/96, 805/98, BVerfGE 106, 28, 42 (gesprochenes Wort); Beschl. v. 26.2.1997 – 1 BvR 2172/96, BVerfGE 95, 220, 242 („nemo tenetur“). 248 S. etwa BVerfG, Urt. v. 24.11.2010 – 1 BvF 2/05, NVwZ 2011, 94, 100; Beschl. v. 13.6.2007 – 1 BvR 1550/03, 2357/04, 603/05, BVerfGE 118, 168, 203 (informationelle Selbstbe­ stimmung). Krit. Stober, S.  28. 249  BVerfG, Beschl. v. 13.6.2007 – 1 BvR 1550/03, 2357/04, 603/05, BVerfGE 118, 168, 203; s. auch BVerfG, Urt. v. 24.11.2010 – 1 BvF 2/05, NVwZ 2011, 94, 100. 250  BVerfG, Beschl. v. 13.6.2007 – 1 BvR 1550/03, 2357/04, 603/05, BVerfGE 118, 168, 205 (zu dem Interesse, seine Geschäftsbeziehungen zu bestimmten Kunden geheim zu halten). I. Erg. ähnlich (Schutz des Unternehmens durch das Grundrecht auf Privat- und Familienleben gem. Art.  7 EUGrCh.) Pfisterer, S.  239 ff.

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Teil 1: Einführung

planen sowie Entscheidungen selbstbestimmt zu treffen und dadurch der Ge­ fahr entgegenwirken, dass auf das Verhalten des Einzelnen schon durch den psychischen Druck öffentlicher Anteilnahme eingewirkt wird.251 Schutzobjekt sind damit persönliche (oder technisch gesprochen: personenbezogene) Daten oder Informationen.252 Geschäftsgeheimnisse gehören aber hierzu nicht.253 Sie unterscheiden sich von personenbezogenen Daten dadurch, dass sie ihren Wert nicht zwingend aus der Zuordnung zu einer bestimmten natürlichen oder juris­ tischen Person schöpfen. Vielmehr sind die Geheimnisse selbst oft schon ein Wert an sich (etwa: die innovative Kalkulationsmethode eines Versicherungs­ unternehmens/erfolgreiche Vertriebsstrategie eines Kreditinstituts). Art.   2 Abs.  1 GG ist folglich hier nicht einschlägig. Nicht ausgeschlossen freilich ist es, aus Art.  2 Abs.  1 GG hergeleitete Grund­ sätze des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung als Auslegungshilfe bei Anwendung der Art.  12, 14 GG heranzuziehen, soweit der Eingriff in Art.  12, 14 GG Züge eines Eingriffs in die informationelle Selbstbestimmung trägt.254 4. Sozial- und Rechtsstaatsprinzip Vereinzelt wird auch eine sozial- oder eine rechtsstaatliche Komponente beim Schutz von Geschäftsgeheimnissen gesehen. So sei im Interesse einer funktionierenden Wirtschaft und der Wettbewerbs­ freiheit der Staat gefordert, die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmer zu er­ halten,255 was auf eine Verankerung der Verpflichtung, Geschäftsgeheimnisse zu schützen, im Sozialstaatsprinzip hindeute.256 Das mag zutreffend sein. Eine Stärkung des Grundrechtsschutzes aber liegt darin nicht. Das Sozialstaatsprinzip ist lediglich Staatsprinzip, kein individuel­ les Recht Privater. Unzweifelhaft besteht außerdem eine rechtsstaatliche Komponente des Ge­ heimnisschutzes, die sich aber bereits aus mit dem grundrechtlichen Schutz der Geschäftsgeheimnisse ergibt: Kern des Rechtsstaatsprinzips ist die Bindung der Gewalten, auch der gesetzgebenden, an die verfassungsmäßige Ordnung. Die Gewährleistung der Grundrechte und damit des durch die Grundrechte ver­ mittelten Schutzes von Geschäftsgeheimnissen ist folglich auch ein Element des Rechtsstaatsprinzips.257 Der Schutz von Geschäftsgeheimnissen ist somit auch 251 

BVerfG, Urt. v. 15.12.1983 – 1 BvR 209, 269, 362, 420/83, 440, 484/83, BVerfGE 65, 1, 42. BVerfG, Urt. v. 15.12.1983 – 1 BvR 209, 269, 362, 420/83, 440, 484/83, BVerfGE 65, 1; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art.  2 Rn.  175. 253  So auch Breuer, NVwZ 1986, 171, 174; Jarass, NJW 1989, 857, 860; Ploch-Kumpf, S.  24; Taeger, S.  58 f. 254  In diesem Sinne dürfte die Lösung von Beyerbach, S.  230 ff. zu verstehen sein. 255  Ploch-Kumpf, S.  25 f. 256  Ploch-Kumpf, S.  25 f. 257  Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art.  20 VII Rn.  24. 252 

§  4 Gang der Untersuchung

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aus diesem Grund zu gewährleisten.258 Eine Stärkung des Grundrechtsschutzes ist darin aber nicht zu sehen. Auch das Rechtsstaatsprinzip gewährt keine indi­ viduellen Abwehrrechte, sondern ist lediglich Staatsprinzip. IV. Fazit Dem Interesse an Transparenz von Finanzdienstleistungsunternehmen kann neben dem Recht auf freie Unternehmensorganisation und Berufsausübung (Art.  12 Abs.  1, 2 Abs.  1 GG) der Schutz von Geschäftsgeheimnissen, verfas­ sungsrechtlich verbürgt durch Art.  12 Abs.  1 GG (in Form der Wettbewerbs­ freiheit) und durch Art.  14 GG (unmittelbar als Eigentum), entgegenstehen. Das Grundgesetz verlangt jedoch keinen absoluten Schutz insbesondere von Geschäftsgeheimnissen. Da Grundrechtsausübung niemals schrankenlos und absolut sein kann, sind Konflikte mit anderen verfassungsrechtlich geschützten Interessen aufzulösen nach Maßgabe praktischer Konkordanz. Das heißt, dass „nicht eine der widerstreitenden Rechtspositionen bevorzugt und maximal be­ hauptet wird, sondern alle einen möglichst schonenden Ausgleich erfahren.“259 Jedes Grundrecht soll im Kollisionsfall „jeweils bestmöglich wirksam wer­ den“.260 Einen solchen angemessenen Ausgleich von Offenlegungs- und Geheimhal­ tungsinteressen im Einzelnen zu finden und das System der Transparenzpflich­ ten von Finanzdienstleistungsunternehmen entsprechend weiterzuentwickeln, wird Ziel der folgenden Untersuchung sein.

§  4 Gang der Untersuchung Die folgende Darstellung skizziert die verschiedenen Regelungskonzepte, die den im gegenwärtigen Recht bestehenden Transparenzpflichten von Finanz­ dienstleistungs-, insbesondere von Versicherungsunternehmen, zugrunde lie­ gen, hinterfragt sie und begibt sich auf die Suche nach wesentlichen Prinzipien und Wertungen, die als Grundlage für die Entwicklung eines widerspruchs­ freien, interessengerechten Systems der Kontrolle durch Transparenz dienen könnten.

258 

Ploch-Kumpf, S.  25. Beschl. v. 3.4.2001 – 2 BvR 1741/99, 276/00, 2061/00, BVerfGE 103, 21, 33; Beschl. v. 16.5.1995 – 1 BvR 1087/91, BVerfGE 93, 1, 21; Beschl. v. 26.5.1970 – 1 BvR 83, 244, 345/69, BVerfGE 28, 243, 269. 260  BVerfG, Urt. v. 25.2.1975 – 1 BvF 1, 2, 3, 4, 5, 6/74, BVerfGE 39, 1, 38; BAG, Urt. v. 3.4.1990 – 5 AZR 383/89, BAGE 64, 264, 295. 259  BVerfG,

36

Teil 1: Einführung

Weil die genaue Zielsetzung der Transparenzpflichten ihnen gegenüber im Einzelnen unterschiedlich ist, wird die Untersuchung nach den Adressaten der Information gegliedert (Teil 2). §  1 stellt das Konzept der „internen Transparenz“ vor, ein derzeit von den Normgebern bevorzugter Weg der Kontrolle. Durch Schaffung neuer interner Kontrollinstanzen und Regelung interner Informationsbeziehungen soll sicher­ gestellt werden, dass das Unternehmen sein eigenes Verhalten überwacht und zugleich von außen kommende Risiken rechtzeitig erkennt und bewältigt. Die hier anstehenden Rechtsänderungen bringen vereinzelten regelungstechnischen Verbesserungsbedarf mit sich. Sie werfen aber vor allem die grundsätzliche Fra­ ge auf, inwieweit Vorschriften zur internen Transparenz überhaupt zur Selbst­ kontrolle des Unternehmens beitragen können. Unter §  2 wird hingegen ein hergebrachtes Konzept der Transparenz unter­ sucht, das der Transparenz gegenüber Privaten, insbesondere für (potentielle) Vertragspartner. Der mündige Private übt hier durch sein privatautonomes, in­ formiertes Handeln Kontrolle aus. Die Vorschriften über das vertragliche In­ formationsgefüge, insbesondere im Versicherungsvertragsrecht, weisen jedoch Lücken auf, und vor allem die beständige Erweiterung der aktiven Offenle­ gungspflichten der Unternehmen erfordert es, nach den Grenzen der Transpa­ renz Privater gegenüber Privaten zu fragen. Besonders deutlich im Zeichen der Transparenz stehen die finanzaufsichts­ rechtlichen Vorschriften, die die Kontrolle durch die Aufsichtsbehörde regeln. Die Unternehmen sollen für sie nicht nur in Einzelaspekten, sondern umfas­ send, geradezu absolut durchschaubar sein. Die Grenzen, die diesem Ziel insbe­ sondere durch Geheimhaltungsinteressen der Unternehmen gezogen sind, wer­ den unter §  3 zu bestimmen sein. Unter §  4 wendet sich die Untersuchung sodann einem zumindest im Versi­ cherungsaufsichtsrecht weitgehend neuen Konzept der Kontrolle zu, dem der Kontrolle durch Transparenz für die Öffentlichkeit. Das gesetzgeberische Stre­ ben nach demokratischer Kontrolle tritt hier besonders zutage: Offenlegungs­ pflichten der Unternehmen gegenüber einem unbestimmten Personenkreis sol­ len die Kontrolle für jedermann öffnen. Dies entspricht dem Bild eines mündi­ gen, aktiv-gestaltenden Bürgers. Inwieweit aber hierin auch ein angemessener Ausgleich mit den Interessen der verpflichteten Unternehmen liegt, wird unter §  4 zu prüfen sein. Dem unter §  4 vorgestellten Regelungsmodell teilweise ähnlich sind „Sha­ ming“ und „Whistleblowing“. Hier legen Dritte Informationen gegenüber der Öffentlichkeit oder sonstigen Dritten ohne oder gar gegen den Willen des Un­ ternehmens offen. Unter welchen Voraussetzungen diese Form der Transparenz auch zur Kontrolle von Finanzdienstleistungsunternehmen eingesetzt werden kann, wird unter §  5 erörtert werden.

§  4 Gang der Untersuchung

37

Wie sich das gesetzgeberische Streben nach Transparenz der Finanzdienst­ leistungsunternehmen auf andere Rechtsgebiete auswirken muss, wird unter Berücksichtigung der soeben unter Teil 1 §  2 skizzierten Besonderheiten des Finanzdienstleistungssektors in Teil 3 geprüft werden. So könnten die in Teil 2 gefundenen Wertungen auf die arbeits- und gesell­ schaftsrechtlichen Informationsbeziehungen der Finanzdienstleistungsunter­ nehmen im Sinne eines „Finanzgesellschafts-“/„Finanzarbeitsrechts“ zu über­ tragen sein oder es könnte, umgekehrt, das Recht der Finanzdienstleister eine „Schrittmacherrolle,“261 eine Vorbildfunktion für Arbeits- und Gesellschafts­ recht einnehmen: Was das Finanzaufsichtsrecht vorgibt, könnte allgemeine An­ forderung werden für alle Unternehmen, unabhängig von ihrer Zugehörigkeit zu einem bestimmten Wirtschaftszweig (s. dazu Teil 3 §§  1, 2). Zu untersuchen ist des Weiteren, ob finanzaufsichtsrechtliche Wertungen auf sonstige Wirtschaftsaufsichtsrechte übertragen werden können (Teil 3 §  3), und ob die im materiellen Zivilrecht gefundenen Wertungen zu Transparenzpflich­ ten Änderungsbedarf im Zivilprozessrecht nach sich ziehen (Teil 3 §  4). Am Ende der Untersuchung (Teil 4) sind die Voraussetzungen zu benennen, unter denen Transparenz Kontrolle bewirken oder zumindest fördern kann. Aus ihnen folgt auch, auf welchen Grundsätzen eine interessengerechte Rege­ lung der Transparenzpflichten, ein rechtsgebietsübergreifendes System der „Corporate Transparency“ aufbaut.

261 

Fleischer, ZIP 2003, 1, 10; Preußner, NZG 2004, 57.

Teil 2

Transparenzpflichten von Finanzdienstleistungsunternehmen §  1 Transparenz zur internen Kontrolle Zum Aufsichtskonzept, das europäischer und nationaler Normgeber seit eini­ gen Jahren verfolgen, zur „prinzipienbasierten Aufsicht“,1 gehört insbesondere, die Selbstkontrolle der Unternehmen zu stärken.2 Daher verpflichten die auf­ sichtsrechtlichen Corporate Governance-Vorschriften 3 zur internen Transpa­ renz: Die Einrichtung neuer interner Kontrollinstanzen und die Regulierung interner Informationsbeziehungen soll die Unternehmen gleichsam „für sich selbst“ durchschaubar und damit besser kontrollierbar machen. Die Selbstkontrolle durch interne Transparenz bietet zunächst recht viel Raum für die freie unternehmerische Entscheidung.4 Das im Sinne der „prinzi­ pienbasierten Aufsicht“ reformierte KWG5 zeigt jedoch einige grundlegende Probleme auf, die auch das VAG in seiner anstehenden Novellierung wird be­ wältigen müssen – und die die Wirksamkeit der Transparenzvorschriften insge­ samt infrage stellen.

1  Zur prinzipienbasierten Aufsicht eingehend Bürkle, VersR 2011, 1469 ff.; Wandt, Solven­ cy II, S.  10 f. 2  Bürkle, VersR 2013, 792, 793. 3  Zum Begriff der Corporate Governance etwa Wohlmannstetter, in: Hopt/Wohlmann­ stetter (Hrsg.), S.  33 ff.; Abgrenzung zur Compliance bei Klopp, S.  49 f. 4  Bürkle, VersR 2013, 792, 792. 5  Das KWG wurde zum 1. Januar 2014 durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2013/36/EU über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Anpassung des Aufsichtsrechts an die Ver­ ordnung (EU) Nr.  575/2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpa­ pierfirmen (CRD IV-Umsetzungsgesetz) vom 28. August 2013, BGBl.  I S.  3395, geändert. Der Untersuchung liegt das KWG in dieser Fassung (vom 1. Januar 2014) zugrunde. Es wird zur Klarstellung als „n. F.“ gekennzeichnet selbst dann, wenn die einschlägigen Normen im Zuge von CRD IV nicht geändert worden sind. Soweit vom KWG a. F. die Rede ist, handelt es sich, soweit nicht anders angegeben, um das KWG in seiner am 31. Dezember 2013 geltenden Fas­ sung.

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Teil 2: Transparenzpflichten von Finanzdienstleistungsunternehmen

A. Interne Transparenz als Ziel des Finanzaufsichtsrechts Noch bis vor wenigen Jahren gehörte die Herstellung von unternehmensinter­ ner Transparenz nicht zu den Zielen der finanzaufsichtsrechtlichen Gesetzge­ bung. Arbeits- 6 und gesellschaftsrechtliche7 Grundsätze prägten die interne Kontrolle. Sie allein enthielten Vorgaben zur internen Transparenz, d. h. zu in­ ternen Informationsbeziehungen und Kontrollinstanzen. Eher vereinzelt gab es aufsichtsrechtliche Geschäftsorganisationsvorschriften, die die Einrichtung be­ stimmter Kontrollinstanzen wie etwa des Verantwortlichen Aktuars vorgaben8 und die auch versuchten, diese besonderen Kontrollinstanzen in die internen Informationsbeziehungen einzugliedern.9 Erst im Jahr 1997 erhielt das KWG mit §  25a erstmals allgemein Anforderun­ gen an die ordnungsgemäße Geschäftsorganisation.10 Die Norm ist Ausdruck eines neuen Aufsichtsmodells: An die Stelle der regelbasierten tritt die sog. prin­ zipienbasierte Aufsicht,11 Kernstück und Ziel auch der anstehenden Reformen des Versicherungsaufsichtsrechts.12 Nach diesem Aufsichtsmodell statuiert das Aufsichtsrecht nur noch Prinzipien, Aufsichtsziele, denen die Unternehmen zu folgen haben.13 Die Konkretisierung der Normen für den Einzelfall erfolgt erst auf Rechtsanwendungsebene.14 Den individuellen Besonderheiten der einzelnen Unternehmen wird über Angemessenheits- oder Verhältnismäßigkeitsklauseln Rechnung getragen.15 Untrennbar verbunden mit diesem „Mehr“ an Freiheit für die Unternehmen ist jedoch die Pflicht zu gesteigerter Selbstkontrolle (die freilich die den Unternehmen am nächsten stehende und damit am wenigsten eingriffsintensive Form der Kontrolle ist).16 Der Stärkung der Selbstkontrolle wiederum dienen die Prinzipien zur internen Transparenz, etwa die Verpflich­ tung zur Einrichtung bestimmter Kontrollinstanzen mit klar abgegrenzten 6 

Zu ihnen unten Teil 3 §  2. Zu ihnen unten Teil 3 §  1. 8  §§  11a, 11d, 12 Abs.  2 VAG; Geschaffen 1994 mit dem Dritten Gesetz zur Durchführung versicherungsrechtlicher Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften, Drittes Durchführungsgesetz/EWG zum VAG vom 21. Juli 1994, BGBl.  I S.  1639. 9  Wobei für den Verantwortlichen Aktuar im Wesentlichen nur der Informationszugang geregelt ist, §§  11a Abs.  4 Nr.  1, 12 Abs.  3 S.  2 VAG. 10 Betroffen sind Institute, d.  h. Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute i. S. d. §   1 Abs.  1b KWG. 11  Neus, in: Luz (Hrsg.), KWG, Einführung, Rn.  163. 12  Bürkle, VersR 2011, 1469, 1476 f.; Wandt, Solvency II, S.   10; Wandt/Sehrbrock, VersR 2012, 802, 803; dies., ZVersWiss 2011, 193, 203; und auch schon Ziel vorhergehender Refor­ men, s. RegE 9. VAG-Novelle, BT-Drs. 16/6518, S.  1. 13 Näher Gal/Sehrbrock, S.  65. 14  Gal/Sehrbrock, S.  65. 15  S. etwa die „Angemessenheit“ des Risikomanagements gem. §§  25a Abs.  1 S.  1, 3 KWG a. F., 64a Abs.  1 S.  1, 3 VAG. 16  Bürkle, VersR 2011, 1469, 1476, 1478. 7 

§  1 Transparenz zur internen Kontrolle

41

Verantwortungsbereichen (s. etwa §  25a Abs.  1 S.  3 Hs. 2 Nr.  1 lit.  a) KWG a. F.17) oder interne Offenlegungspflichten und Informationsbeziehungen (s. etwa §§  25a Abs.  1 S.  3 Hs. 2 Nr.  1 lit.  b) KWG a. F.,18 64a Abs.  1 S.  3 Nr.  3 lit.  c) und d) VAG19). Umfassende Information der zuständigen Stellen bei klarer Aufgaben­ verteilung ist Voraussetzung für wirksame Selbstkontrolle.

B. Interne Transparenz nach den Vorschriften des Finanzaufsichtsrechts Mit dem CRD IV-Regelungspaket,20 das einschließlich seiner nationalen Um­ setzungsvorschriften zum 1. Januar 2014 in Kraft trat, verfolgen die Normgeber weiter das Modell einer prinzipienbasierten Aufsicht und Selbstkontrolle durch interne Transparenz.21 Allerdings zeigen sich an dieser bankenaufsichtsrechtli­ chen Regelung neben vereinzelten handwerklichen Ungenauigkeiten einige Probleme der neuen Transparenzvorschriften, die auch für die anstehende No­ vellierung des Versicherungsaufsichtsrechts von grundlegender Bedeutung sind. I. Interne Transparenz von Instituten Schon vor CRD IV war an §  25a KWG a. F.22 als zentraler Vorschrift für die Geschäftsorganisation deutlich das Bemühen der Normgeber ersichtlich, die Verpflichtung zur Selbstkontrolle effektiv, aber auch „prinzipienbasiert“ auszu­ gestalten. Die Prinzipienbasiertheit war mit einer gewissen Unbestimmtheit der gesetzlichen Vorschriften verbunden: Die Anforderungen des §  25a KWG a. F. mussten durch die MaRisk BA, Verwaltungsvorschriften der BaFin ohne un­

17 

In der bis zum 4. Juli 2013 geltenden Fassung. In der bis zum 4. Juli 2013 geltenden Fassung. 19  Zum Inhalt der Berichterstattungspflicht des Risikomanagements Erdmann, Rn.  5 46. 20 Verordnung (EU) Nr.   575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr.  6 46/2012, ABl.  EU Nr. L 176, S.  1 ff.; Richtlinie 2013/36/ EU des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditin­ stituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Ände­ rung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG vom 27. Juni 2013, ABl.  EU Nr. L 176, S.  338 ff., zusammen im Folgenden CRD IV; für die Richtlinie alleine im Folgenden CRD IV; für die Verordnung alleine im Folgenden CRR. 21  Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2013/…/EU über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Anpassung des Aufsichtsrechts an die Verordnung (EU) Nr. …/2013 über die Aufsichts­ anforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen (CRD IV-Umsetzungsgesetz), im Folgenden RegE UmsGes-CRD IV, BT-Drs. 17/10974. 22  Hier und im Folgenden: In der bis einschließlich zum 4. Juli 2013 geltenden Fassung. 18 

42

Teil 2: Transparenzpflichten von Finanzdienstleistungsunternehmen

mittelbare Bindungswirkung nach außen, 23 konkretisiert werden.24 Sie legten etwa fest, dass Risikocontrolling25 und interner Revision 26 sowie einer von der Aufsichtsbehörde vorausgesetzten Compliance-Funktion 27 ein uneinge­ schränktes Informationsrecht eingeräumt werden musste.28 Vieles war aber der Konkretisierung durch unternehmensinterne Leitlinien 29 und auch durch gesell­schafts- und arbeitsrechtliche Prinzipien überlassen.30 Mit Inkrafttreten des Regelungspakets CRD IV wurden diese Regelungs­ ebenen erweitert um eine neue europäische Richtlinie (CRD IV) und eine Ver­ ordnung (CRR). Die Vorschriften zur internen Transparenz bleiben aber recht unsystematisch und die Umsetzung der Richtlinie gelingt dem deutschen Ge­ setzgeber nicht vollständig. 1. Informationsbeziehungen des Risikomanagements Anders als nach dem VAG-E, bei dem aus dem Risikomanagement die interne Revision und das interne Kontrollsystem mit der Compliance-Funktion ausge­ gliedert und, was sachgerecht ist, als selbständige Kontrollmechanismen neben dem Risikomanagement anerkannt werden,31 bleiben gem. §  25a KWG n. F. in­ terne Revision und internes Kontrollsystem Teil des Risikomanagements. Sie entsprechen insoweit ihren europäischen Vorgaben. Im Übrigen jedoch gelingt die Umsetzung teilweise nicht. a) Informationsbeziehungen zum Leitungsorgan Art.  76 Abs.  5 UAbs.  1 CRD IV bestimmt, dass das Risikomanagement Zugang zum Leitungsorgan haben muss. §  25a KWG n.F verhält sich zur Beziehung des Risikomanagements zum Leitungsorgan aber nicht und auch die Gesetzesbe­ gründung schweigt.32 Die europäische Vorgabe mag zwar recht vage sein. Den­ noch muss sich das Erfordernis des hinreichenden Zugangs auch im KWG wie-

23  Dreher/Ballmaier, VersR 2012, 129, 132; Dreher/Schaaf, VersR 2009, 1151; ausf. Michael, VersR 2010, 141 ff. 24  Aufsichtsrechtliche Mindestanforderungen an das Risikomanagement, Rundschreiben 10/2012 (BA) vom 14. Dezember 2012, abrufbar unter www.bafin.de/SharedDocs/Veroe ffentlichungen/DE/Rundschreiben/rs_1210_marisk_ba.html?nn=2818068#doc3492188bo dyText2 (zuletzt abgerufen am 10. Juli 2014). 25  AT 4.4.1 unter 3. MaRisk BA. 26  AT 4.4.3 unter 4. MaRisk BA. 27  AT 4.4.2 unter 5. MaRisk BA. 28  Das freilich nicht weiter gehen kann als arbeitsrechtlich zulässig ist. 29  Etwa AT 4.3.2 unter 5. internes Meldesystem; unter 6. Information des Aufsichtsorgans. 30  Zum Gesellschafts- und zum Arbeitsrecht s. noch Teil 3 §§  1, 2. 31  Sogleich II. 2. 32  Insbesondere wollte der Gesetzgeber bei der Neufassung des §  25a Abs.  1 KWG abseits der Bestimmungen zur Vergütung gar keine inhaltlichen Änderungen aufgrund von CRD IV vornehmen, RegE UmsGes-CRD IV, BT-Drs. 17/10974, S.  85 f.

§  1 Transparenz zur internen Kontrolle

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derfinden: Das Risikomanagement muss seine Rechte im Sinne der effektiven Aufgabenerfüllung und Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben unmittel­ bar aus dem Gesetz ersehen können. Das KWG ist insoweit zu ergänzen. b) Pflicht zur Berichterstattung gegenüber dem Aufsichtsorgan Mangelnde Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben ist dem §  25a KWG n. F. auch mit Blick auf Art.  76 Abs.  5 UAbs.  3 CRD IV vorzuwerfen. Gemäß dieser Vorschrift muss das Risikomanagement unabhängig vom Leitungsorgan oder sonstigen oberen Management dem Aufsichtsorgan (in der Terminologie der Richtlinie: dem Leitungsorgan in seiner Aufsichtsfunktion) von sich aus Bericht erstatten dürfen. Im Gesetz hat diese Regelung allerdings keinen Niederschlag gefunden. Die unionsrechtliche Regelung ist inhaltlich zwar verfehlt. Es ist nicht primär Sache des Aufsichtsorgans, sich mit Fragen des Risikomanage­ ments zu befassen. Die vom Risikomanagement generierten Informationen sind von unmittelbarer Bedeutung für die Führung der Geschäfte, und erst die Ent­ scheidungen des Leitungsorgans, die auf diesen Informationen beruhen, sind zu überwachen und für das Aufsichtsorgan von Interesse. Es besteht sonst die Ge­ fahr, dass das Aufsichtsorgan sich aufgrund der vom Risikomanagement erhal­ tenen Informationen in die Führung der Geschäfte und damit in Aufgaben des Leitungsorgans hineindrängt, gar zu einer zweiten Geschäftsführung wird. Dass die unionsrechtliche Regelung inhaltlich verfehlt ist, ändert jedoch nichts daran, dass sie vom deutschen Gesetzgeber umzusetzen und in das KWG auf­ zunehmen gewesen wäre. Die deutsche Rechtslage ist daher derzeit nicht uni­ onsrechtskonform. c) Risikocontrolling-Funktion (Art.  76 Abs.  5 CRD IV) §  25a Abs.  1 S.  3 Nr.  3 lit.  c) KWG n. F. verpflichtet die Unternehmen zur Ein­ richtung einer Risikocontrolling-Funktion. Vom Gesetzgeber wird die Norm zurückgeführt auf Art.  76 Abs.  5 CRD IV.33 Art.  76 Abs.  5 UAbs.  2 CRD IV, dessen Umsetzung §  25a Abs.  1 S.  3 Nr.  3 lit.  c) KWG n. F. dienen soll, spricht aber nicht ausdrücklich vom Risikocon­ trolling, sondern nur vom Risikomanagement, und führt lediglich einige Auf­ gaben an, die vom Unternehmen zu erfüllen sind, die jedoch auch das allgemei­ ne Risikomanagement übernehmen kann.34 Das Erfordernis des Risikocon­ trollings als eigener Instanz statt als Aufgabe beruht nicht auf der CRD IV

33  Der RegE nimmt noch auf den Kommissionsentwurf der Richtlinie (KOM (2011) 453 endg.) Bezug und zitiert deshalb Art.  75 Abs.  5, RegE UmsGes-CRD IV, BT-Drs. 17/10974, S.  85. 34  Z. B. Risiken zu erkennen, zu messen, zu melden; sich an der Ausarbeitung der Risi­ kostrategie des Instituts zu beteiligen; einen vollständigen Überblick über das gesamte Risi­ kospektrum des Instituts zu liefern.

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Teil 2: Transparenzpflichten von Finanzdienstleistungsunternehmen

selbst, sondern auf den EBA Guidelines on Internal Governance.35 Die EBA Guidelines aber entfalten keine unmittelbar zwingende Wirkung für die der Aufsicht unterstehenden Unternehmen. Zu einer ordnungsgemäßen Unternehmensführung gehört freilich auch, eige­ ne Risikomanagement-Modelle zu hinterfragen und zu überprüfen. Im Anwen­ dungsbereich des Bankenaufsichtsrechts wird es somit regelmäßig zu einer Durchführung von Risikocontrolling im Sinne einer Evaluation kommen. Das rechtfertigt aber keine nationale Verpflichtung entgegen europäischen Vorga­ ben, eine eigenständige Instanz zu diesem Zweck zu schaffen. Abgeschwächt wird dieser Einwand zwar dadurch, dass gem. §  25a Abs.  1 S.  3 Nr.  3 lit.  c) KWG n. F. „gerade“, d. h. insbesondere bei kleineren Instituten, eigenständige Organi­ sationseinheiten zur Erfüllung dieser Funktion nicht obligatorisch sind.36 Völ­ lig beseitigen lässt sich der Einwand damit aber nicht. Zumindest einigen Un­ ternehmen erlegt §  25a Abs.  1 S.  3 Nr.  3 lit.  c) KWG n. F. schließlich die Pflicht auf, eine eigene Kontrollinstanz zu schaffen, und geht damit über die Anforde­ rungen des Art.  76 Abs.  5 CRD IV hinaus. Er widerspricht somit außerdem dem Gedanken der Prinzipienbasiertheit der Aufsicht,37 die ergebnisorientiert sein und den Unternehmen den Weg hin zu ihrer Pflichterfüllung im Einzelnen überlassen soll. Der Entwurf ist daher dahingehend zu modifizieren, dass eine eigene Instanz „Risikocontrolling“ nicht erforderlich ist, sondern nur die Un­ ternehmen die in Art.  76 Abs.  5 UAbs.  2 CRD IV vorgeschriebenen Aufgaben erfüllen müssen. Eine eigene Instanz „Risikocontrolling-Funktion“, die in die internen Infor­ mationsflüsse eingegliedert werden müsste, besteht damit nicht. Es gelten folg­ lich die Anforderungen an die Berichterstattung des Risikomanagements allge­ mein. 2. Informationsbeziehungen des Risikoausschusses Weitere neue Kontrollinstanz,38 angesiedelt beim Aufsichtsorgan,39 ist der Risi­ koausschuss. Gem. Art.  76 Abs.  3 UAbs.  2 CRD IV, §  25d Abs.  8 S.  2 KWG n. F. berät er das Aufsichtsorgan zur aktuellen und künftigen Gesamtrisikobereit­ schaft und -strategie des Unternehmens und unterstützt es dabei, die Umset­ zung der Strategie zu überwachen.

35  GL 44 III Titel II Nr.  28 laut Gesetzesbegründung (RegE UmsGes-CRD IV, BT-Drs. 17/10974, S.  108), gemeint wohl Nr.  26. 36  RegE UmsGes-CRD IV, BT-Drs. 17/10974, S.  85. 37  Diesen verfolgt die Bankenaufsicht Neus, in: Luz (Hrsg.), KWG, Einführung, Rn.  163. 38  Wenn auch bisher in der Praxis bereits üblich, Brandi/Gieseler, NZG 2012, 1321, 1329. 39  Zur Terminologie soeben 1. b).

§  1 Transparenz zur internen Kontrolle

45

Gem. Art.  76 Abs.  4 UAbs.  1 CRD IV haben die Mitgliedstaaten sicherzustel­ len, dass dieser Ausschuss40 angemessenen Zugang zu Informationen über die Risikosituation des Instituts und, soweit erforderlich und angebracht, zur Risi­ komanagementfunktion und zum Rat externer Sachverständiger hat. Unionsrechtlich problematisch jedoch ist §  25d Abs.  8 KWG n. F., was der Gesetzgeber allerdings verkennt.41 Gem. §  25d Abs.  8 S.  7 KWG n. F. kann der Vorsitzende des Risikoausschusses42 unmittelbar beim Leiter der Internen Re­ vision und beim Leiter des Risikocontrollings43 Auskünfte einholen. §  25d Abs.  8 S.  10 KWG n. F. erlegt daneben mittelbar dem Leitungsorgan eine Be­ richtspflicht auf, indem er statuiert, dass der Risikoausschuss Art, Umfang, Format und Häufigkeit der vom Leitungsorgan vorzulegenden Information be­ stimmt. Nach nationaler Regelung sind damit nur Leiter der Internen Revision und des Risikocontrollings auskunftspflichtig, außerdem aufgrund der impliziten Vorlagepflicht das Leitungsorgan. Art.  76 Abs.  4 UAbs.  1 CRD IV verlangt aber ganz allgemein angemessenen Zugang des Risikoausschusses zu Informationen über die Risikosituation, und Art.  76 Abs.  4 UAbs.  2 CRD IV sieht ganz allge­ mein vor, dass der Risikoausschuss Art, Umfang, Format und Häufigkeit der Informationen bestimmt, die ihm vorzulegen sind. Eine Beschränkung der Of­ fenlegungspflicht auf einen Personenkreis enthält die Vorschrift nicht. Selbst wenn von der CRD IV eine Beschränkung der Pflicht auf das gesamte „obere Management“ gewollt gewesen wäre, wie es noch der Richtli­nien­entwurf vorsah,44 genügt die deutsche Umsetzung nicht. Die nach §  25d Abs.  8 KWG n. F. offenlegungspflichtigen Personen gehören zwar ohne Zweifel zum oberen Management und befassen sich vornehmlich mit den für den Risikoausschuss einschlägigen Themen. Allerdings sind sowohl der Leiter des Risikomanage­ ments als auch andere Personen des „oberen Managements“ schon dem Wort­ laut nach von der Vorlagepflicht gem. §  25d Abs.  8 KWG n. F. nicht erfasst. Das ist unionsrechtlich bedenklich. Die CRD IV nennt gerade nicht nur einzelne Personen. Es ist aber auch aktienrechtlich problematisch. Angesichts der Un­ klarheit, ob dem Aufsichtsrat im deutschen Aktienrecht unmittelbare Aus­ kunftsrechte gegenüber Mitarbeitern des Unternehmens zukommen,45 ist nicht sicher, ob der Ausschuss, beim Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft angesiedelt, 40 

Oder der Aufsichtsrat, soweit ein Risikoausschuss ausnahmsweise nicht bestehen muss. Problembewusstsein spricht aus RegE UmsGes-CRD IV, BT-Drs. 17/10974, S.  87. 42  Oder der Vorsitzende des Aufsichtsorgans. 43  Zum Risikocontrolling soeben 1. c). 44  Art.  75 Nr.  4 UAbs.  2 des Vorschlags der EU-Kommission für die CRD IV vom 20. Juli 2011 (KOM (2011) 453 endg.). 45  Zum Streitstand Leyens/Schmidt, AG 2013, 533, 543; Kropff, NZG 2003, 346, 350; Sänger, S.  255 f. Ausf. Korte, S.  87 ff., S.  151 ff.; Leyens, S.  175, 182 ff. 41 Mangelndes

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Teil 2: Transparenzpflichten von Finanzdienstleistungsunternehmen

befugt ist, an andere leitende Mitarbeiter abseits der genannten heranzutreten. Gerade eine umfassende Information zu ermöglichen ist aber Zweck der Richt­ linie, sonst hätten die Auskunftspflichtigen unmittelbar benannt werden kön­ nen. Zugleich legt §  25d Abs.  8 S.  7 KWG n. F. nahe, es bestehe gegen den Leiter der Internen Revision und den Leiter des Risikocontrollings lediglich ein Aus­ kunftsrecht. Aus Art.  76 Abs.  4 UAbs.  2 CRD IV muss allerdings herausgelesen werden, dass der Ausschuss auch befugt sein muss, ihnen Pflichten zur unauf­ geforderten Offenlegung aufzuerlegen.46 Schließlich ist die Rede von der Häu­ figkeit der vorzulegenden Informationen, die der Risikoausschuss bestimmt, sodass es notwendig um eine Berichtspflicht gehen muss. §  25d Abs.  8 S.  7, 10 KWG n. F. sind daher insoweit an Art.  76 Abs.  4 CRD IV anzupassen. Berechtigt sein soll schließlich beim Auskunftsrecht gem. §  25d Abs.  8 S.  7 KWG n. F. der Vorsitzende des Ausschusses,47 während Art.  76 Abs.  4 UAbs.  2 CRD IV ausdrücklich vom Ausschuss (in seiner Gesamtheit) spricht. Auch in­ soweit ist §  25d Abs.  8 S.  7 KWG n. F. mithin an die europäischen Vorgaben an­ zupassen. Abgesehen von diesen Mängeln bei der Umsetzung ist aber schon der unions­ rechtliche Regelungsvorschlag als verfehlt anzusehen. Es ist nicht Aufgabe des Aufsichtsorgans, sich unmittelbar mit dem Risikomanagement auseinander zu setzen.48 Das Risikomanagement steht in untrennbarem Zusammenhang mit der Geschäftsführung,49 seine Informationen sind grundlegend, unternehmeri­ sche Entscheidungen zu treffen. Dem Aufsichtsorgan aber ist es ohne Weiteres zuzumuten, im Rahmen seiner (gesellschaftsrechtlichen) Kompetenzen Rück­ sprache mit dem Leitungsorgan zu suchen und von diesem die für ihn bedeutsa­ men Informationen anzufordern, zumal für ihn weniger die vom Risikoma­ nagement generierten Informationen selbst, als ihre Umsetzung bei der Füh­ rung der Geschäfte von Interesse sind. Die entsprechenden europäischen Vorgaben sollten daher gestrichen werden.

46  Diese Berichtspflicht ist nicht zu verwechseln mit dem Recht des Risikomanagements, von sich aus an das Aufsichtsorgan heranzutreten (zu dieser Pflicht oben 1. b)). 47  Oder des Aufsichtsorgans. 48  Krit. daher auch (für dasVerhältnis Aufsichtsorgan/interne Revision) Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 520, 537 f. 49  Hüffer, NZG 2007, 47, 49.

§  1 Transparenz zur internen Kontrolle

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3. Einrichtung einer Compliance-Funktion §  25a Abs.  1 S.  3 2. Hs. Nr.  3 lit.  c) KWG n. F. sieht eine Pflicht zur Einrichtung einer Compliance-Funktion als Teil des Risikomanagements vor.50 Der ­Compliance-Funktion werden aber keine bestimmten Befugnisse eingeräumt, ihre Informationsbeziehungen bleiben unbestimmt. Lediglich zum Leiter der Risikomanagement-Funktion findet sich noch eine besondere Vorgabe, allerdings in der CRD IV, nicht im KWG: Er kann gem. Art.  76 Abs.  5 UAbs.  5 CRD IV, der entgegen der Beteuerungen des Gesetzge­ bers51 noch keinen Eingang in das KWG gefunden hat, seines Amtes nicht ohne vorherige Zustimmung des Aufsichtsorgans enthoben werden, und hat bei Be­ darf direkten Zugang zu ihm. 4. Folgerungen Die Neuregelungen im KWG zeigen neben einzelnen handwerklichen Unzu­ länglichkeiten auch einige grundlegende Probleme der Regelungen zur internen Transparenz auf. Betroffen sind Vorschriften über interne Informationsbezie­ hungen und besondere Kontrollinstanzen. Die internen Informationsbeziehungen sind bereits zivilrechtlich, nämlich gesellschafts- und arbeitsrechtlich, geregelt. Das ist grundsätzlich unproblema­ tisch, denn das Finanzaufsichtsrecht ist Lex specialis gegenüber den zivilrecht­ lichen Vorgaben und kann über das Zivilrecht hinausgehende Anforderungen an die Unternehmensorganisation aufstellen.52 Dies kann insbesondere im Be­ reich der internen Informationsbeziehungen geboten sein. So ist die (ins ­deutsche Recht nicht umgesetzte) Berichtspflicht des Risikomanagements ge­ genüber dem Aufsichtsorgan gem. Art.  76 Abs.  5 UAbs.  3 CRD IV zwar aus aktienrechtlicher Sicht bedenklich.53 Teilt man diese Bedenken aber nicht, mit der Begründung, bei Instituten bestehe eine zuletzt in den Jahren seit 2008 deutlich gewordene besondere Krisenanfälligkeit und damit ein besonderes Kontrollbedürfnis, bedarf es mangels gesellschaftsrechtlicher Vorgaben einer finanzaufsichtsrechtlichen Regelung der Informationsbeziehung zwischen Ri­ sikomanagement und Aufsichtsorgan. Die bankenaufsichtsrechtlichen Vorschriften normieren aber vereinzelt auch Selbstverständliches (s. nur Art.  75 Nr.  4 Abs.  1 CRD IV mit dem Erfordernis regelmäßiger Kommunikation 54) oder kodifizieren Informationsbeziehungen, die sich inhaltsgleich bereits aus dem Aktienrecht ergeben, etwa mit der Be­ 50  Zur Abgrenzung von der Compliance gem. WpHG Mülbert/Wilhelm, ZHR 178 (2014), 502, 528 f. 51  RegE UmsGes-CRD IV, BT-Drs. 17/10974, S.  85. 52  Leyens/Schmidt, AG 2013, 533, 533. 53  Soeben 1. b). 54  Soeben 2.

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richtspflicht des Leitungsorgans gegenüber dem Risikoausschuss gem. §  25d Abs.  8 S.  10 KWG n. F.: §  90 Abs.  3 AktG gibt dem Aufsichtsrat und unbestrit­ ten in entsprechender Anwendung auch dessen Ausschüssen 55 gegen den Vor­ stand einen Anspruch auf Berichterstattung und gestattet auch, Art, Umfang, Format und Häufigkeit der Berichte festzulegen.56 Derartige Doppelungen sind abzulehnen, selbst wenn sie auf unionsrechtliche Vorgaben zurückgehen, denn sie bieten keinen Gewinn an Rechtssicherheit.57 Umgekehrt äußert sich das Bankenaufsichtsrecht zu einigen wichtigen Fra­ gen, die das Zivilrecht offen lässt, nicht, etwa dazu, ob das Aufsichtsorgan an Mitarbeiter des Unternehmens zur Informationsgewinnung herantreten darf.58 Das Aktiengesetz etwa trifft hierzu keine Aussage, und in der Literatur ist die Frage umstritten.59 Auch ob die Mitarbeiter des Unternehmens, etwa die ­Compliance-Funktion, unmittelbar Zugang zum Aufsichtsrat haben müssen, ist dem Bankenaufsichtsrecht jedenfalls nicht lückenlos zu entnehmen. 60 Diese Zurückhaltung des Gesetzgebers entspricht zwar grundsätzlich dem Konzept der prinzipienbasierten Aufsicht. Sie ist allerdings verfehlt, wenn offene oder streitige Rechtsfragen entschieden werden müssen. Nach welchen Gesichts­ punkten die Normgeber indes manche Informationsbeziehungen regeln und andere nicht, ist nicht ersichtlich. Auch die neuen Kontrollinstanzen vermögen CRD IV und KWG nicht überzeugend zu regeln. Ob die einzelnen Instanzen sinnvoll sind, mag hier ­dahin gestellt bleiben. Zu bemängeln ist jedenfalls ihre regulatorische Ausge­ staltung im Einzelnen. So bleibt etwa die Compliance-Funktion fast gänzlich unbestimmt, obgleich das Gesellschaftsrecht hier mangels eigener Vorgaben nicht ergänzend herangezogen werden kann. 61 Im schlimmsten Fall ist die

55 Hölters/Hambloch-Gesinn/Gesinn, AktG, §  107 Rn.  174. Für einen etwaigen Aufsichts­ rat bei der GmbH sieht §  52 Abs.  1 GmbHG die Anwendung des §  9 0 Abs.  3 AktG grundsätz­ lich vor. 56  Zu §  9 0 Abs.  3 AktG noch Teil 3 §  1 B. II. 1. 57  Dementsprechend ist nicht zu bemängeln, dass der Gesetzgeber keine finanzaufsichts­ rechtliche Verpflichtung des Leitungsorgans zur Berichterstattung gegenüber dem Aufsichts­ organ festlegte, obgleich von Art.  76 Abs.  4 CRD IV vorgesehen. Die aufsichtsrechtliche Norm wäre über §  9 0 AktG nicht hinausgegangen. Die Gesetzesbegründung zu §  25d KWG n. F. legt allerdings nahe, dass der unterlassenen Umsetzung keine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers zugrunde gelegen hat: Sie erwähnt die gesellschaftsrechtliche Stellung des Auf­ sichtsorgans nicht, RegE UmsGes-CRD IV, BT-Drs. 17/10974, S.  87 f. 58  Ausnahme ist §  25d Abs.  8 S.  7 KWG, der den Vorsitzenden des Risikoausschusses be­ rechtigt, unmittelbar (u. a.) beim Leiter der Internen Revision Auskünfte einzuholen, s. so­ eben 2. 59 Zum Streitstand Kropff, NZG 2003, 346, 350; Sänger, S.  255 f. Ausf. Korte, S.  87 ff., S.  151 ff.; Leyens, S.  175, 182 ff. 60 Es regelt lediglich die Berichtspflicht des Risikomanagements, oben 1. b). S. zur ­Compliance-Funktion soeben 3. 61  Soeben 3.

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Com­pliance-Funktion nutzlos, weil das Unternehmen sie mangels gesetzlicher Vorgaben in Befugnissen und Aufgaben zu sehr beschränkt. Die Vorschriften zu Kontrollinstanzen und Informationsbeziehungen wer­ den zwar durch untere Regelungsebenen, wie etwa durch Verwaltungsvor­ schriften der BaFin, konkretisiert. Dies ist für eine gesetzliche Regelung aber kein adäquater Ersatz: Es steigert lediglich die Unübersichtlichkeit der Rechts­ lage (umso mehr, als auf europäischer und nationaler Ebene grundsätzlich min­ destens je drei Regelungsebenen bestehen62). Die Normgeber müssen bei den anstehenden Reformen im Versicherungsauf­ sichtsrecht daher Lehren aus der KWG-Novellierung ziehen. Schaffen sie eine Kontrollinstanz, muss deren Stellung wenigstens in Grundsätzen ausgestaltet werden, damit die Regelung nicht ins Leere läuft. Vorschriften zu internen In­ formationsbeziehungen sind nur dort sinnvoll, wo sie eine Konkretisierung oder Abweichung gegenüber den zivilrechtlichen Grundsätzen enthalten. Bei der Kodifizierung sind außerdem, soweit erforderlich, etwaige Lücken zu schließen, die die gesellschafts- oder arbeitsrechtlichen Vorgaben belassen. II. Interne Transparenz von Versicherungsunternehmen Im Jahr 2008 wurde, nach dem Vorbild des §  25a KWG a. F., §  64a ins VAG als Vorbereitung der Unternehmen auf Solvency II63 eingefügt. 64 Die Norm stellt Anforderungen an die Geschäftsorganisation von Versicherungsunternehmen auf. 65 Die gesetzlichen Vorgaben werden wie im Bankenaufsichtsrecht näher ausgestaltet durch Verwaltungsvorschriften der BaFin (die MaRisk VA).66 Sie konkretisieren die Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation (§  64a Abs.  1 S.  1 VAG) etwa dahin gehend, dass Risikocontrolling67 und interner Re­ vision68 als Bestandteilen des Risikomanagements ein uneingeschränktes Infor­ mationsrecht gegenüber allen anderen Mitarbeitern/Unternehmensteilen einge­ räumt werden muss.69 Das Aufsichtsorgan, soweit vorhanden, hat über ein di­ rektes Informationsrecht gegen das Risikocontrolling zu verfügen.70 Weitere 62 

Zu den europäischen Regelungsebenen bei Solvency II Probst, in: Gründl/Kraft, S.  7. RegE 9. VAG-Novelle, BT-Drs. 16/6518, S.  15. 64  Eingefügt durch die 9. VAG-Novelle vom 15. November 2007, BGBl.  I S.  3248. Zur Vor­ bildfunktion des §  25a KWG für das VAG etwa Weber-Rey, AG 2008, 345, 358. 65  Zu den adressierten Versicherungsunternehmen Schaaf, S.  57 f. 66  Aufsichtsrechtliche Mindestanforderungen an das Risikomanagement, Rundschreiben 3/2009 (VA) vom 22. Januar 2009, abrufbar unter www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentli chungen/DE/Rundschreiben/rs_0903_va_marisk.html?nn=2818068#doc267 7166bodyText7 (zuletzt abgerufen am 10. August 2015). 67  Ziff.  7.2.1. unter 3. lit.  b) MaRisk VA. 68  Ziff.  7.4 unter 3. MaRisk VA. 69  Das freilich nicht weiter gehen kann als arbeitsrechtlich zulässig ist, auch wenn die Ma­ Risk VA (etwa mit der scharfen Formulierung der Ziff.  7.4 unter 3.) Gegenteiliges nahelegen, s. dazu unten Teil 3 §  2 A. IV. 3. 70  Ziff.  7.2.1. unter 3. lit.  b) MaRisk VA. 63 

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Informationsbeziehungen bleiben indes Sache des Unternehmens und der Rege­ lung in unternehmensinternen Leitlinien anheim gestellt.71 Durch die 10. VAG-Novelle und Solvency II gewinnt die interne Transpa­ renz von Versicherungsunternehmen an Bedeutung. In Umsetzung von Art.  41 ff. Solvency II wird die 10. VAG-Novelle einen eigenen Abschnitt zur Unternehmensorganisation in das Gesetz einfügen (§§  23–34 VAG-E72). Er wird neue Kontrollinstanzen schaffen und die internen Informationsbeziehun­ gen stärker regeln als bisher. Es bleibt zwar gem. §  23 VAG-E beim grundsätzlichen Erfordernis der ord­ nungsgemäßen Geschäftsorganisation (ergänzt gem. §  23 Abs.  1 S.  1 VAG-E um das Erfordernis der „Wirksamkeit“ derselben).73 Allerdings „verfeinert“74 der VAG-E in Umsetzung von Solvency II die bisherigen Anforderungen.75 Vor allem aber löst Solvency II einige bisher dem Risikomanagement zugeordnete Instanzen aus diesem heraus,76 sieht etwa vor, dass die interne Revision nun­ mehr selbständig und gleichberechtigt neben das Risikomanagement tritt.77 Da­ raus ergeben sich auch neue interne Informationsbeziehungen, die allerdings im Einzelnen noch vom Gesetzgeber näher auszugestalten sind. Aus den Defiziten der bankenaufsichtsrechtlichen Regelung ziehen die gegenwärtigen Regelungs­ vorschläge indes keine Konsequenzen. 1. Vorstand als Zentrum der Informationsbeziehungen Der Vorstand78 ist, ohne dass dies vom Gesetz ausdrücklich ausgesprochen würde, nach dem VAG-E Zentrum der unternehmensinternen Informationsbe­ ziehungen.79 Dies ergibt sich freilich auch aus arbeits- und gesellschaftsrechtli­ chen Grundsätzen,80 die ihre aufsichtsrechtliche Bestätigung in §  64a Abs.  1 S.  2 71  Etwa die Mitteilung einer etwaigen Limitüberschreitung, Ziff.  7.3.1. unter 8. MaRisk VA; Information des Aufsichtsorgans durch das Risikocontrolling, Ziff.  7.2.1 unter 3. lit.  b) MaRisk VA; Information der internen Revision, Ziff.  7.4 unter 5 MaRisk VA. 72  Regierungsentwurf für eine 10. VAG-Novelle, Entwurf eines Gesetzes zur Modernisie­ rung der Finanzaufsicht über Versicherungen, BT-Drs. 18/2956, hier und im Folgenden VAG-E. 73  Teilweise ist im VAG-E auch von „Governance“ die Rede, ohne dass ein inhaltlicher Unterschied bestehen soll, Dreher, WM 2015, 649, 657. 74  Begr. zum RefE VAG, S.  288. 75 Sodass nicht der Schluss gezogen werden kann, es komme zu keiner Änderung der Rechtslage gegenüber §  6 4a VAG, so aber wohl Louven/Raapke, VersR 2012, 257, 262. 76  Grote/Schaaf, VersR 2012, 17, 19. 77  Louven/Raapke, VersR 2012, 259, 262. 78  Der VAG-E spricht von Vorstand, an diese Terminologie passt sich die folgende Darstel­ lung an; der VAG-E meint mit Vorstand auch dessen Pendants bei öffentlich-rechtlichen Ver­ sicherern, §  33 Abs.  2 VAG-E. 79  Den von CEIOPS L2 Final Advice on System of Governance, S.  10, geforderten Anfor­ derungen entsprechend. 80  Zu diesen Grundsätzen Teil 3 §  1 (Gesellschaftsrecht) und §  2 (Arbeitsrecht).

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VAG in seiner derzeitigen Fassung finden:81 Der Vorstand leitet die Gesellschaft und ist oberster Vorgesetzter. Aus §  23 Abs.  1 S.  3 VAG-E a. E., der in Umsetzung von Art.  41 Abs.  1 Solven­ cy II den Vorstand verpflichtet, ein effektives unternehmensinternes Kommu­ nikationssystem zu schaffen und es (§  23 Abs.  2 VAG-E) regelmäßig intern zu überprüfen, 82 ergibt sich zur Rechtsstellung des Vorstands ebenfalls nichts Neues. Es gehört bereits jetzt zu den Pflichten des Vorstands, auf hinreichender Informationsgrundlage zu agieren83 und es liegt auf der Hand, dass er auch si­ cherzustellen hat, dass die Organisation der einzelnen Hierarchieebenen die Informationsversorgung der jeweiligen Akteure gewährleistet. Dies setzt vor­ aus, dass interne Kommunikation funktioniert. Die Norm hat daher vor allem Appellcharakter. Eine inhaltliche Neuerung, und zwar für die Kommunikation des Vorstands mit dem Risikomanagement, könnte sich aber aus §  26 Abs.  1 S.  1 VAG-E ­ergeben. §  26 Abs.  1 S.  1 VAG-E regelt insbesondere die Risikoberichterstat­ tungspflicht des Risikomanagements und erwähnt ausdrücklich die Informa­ tions­bedürfnisse des Vorstands: Das Risikomanagement müsse die Informa­ tions­bedürfnisse durch „angemessene interne Berichterstattung gebührend be­ rücksichtigen.“ Unabhängig davon, wie umfangreich die Berichte nach dem Willen des Ge­ setzgebers im Einzelnen ausfallen sollen,84 könnte darin eine Änderung der bis­ herigen Rechtslage, eine Aufwertung der Informationsbeziehungen zwischen Risikomanagement und Geschäftsleitung liegen: Der Vorstand könnte nun­ mehr laufend durch anlasslose Berichte über die Tätigkeit des Risikomanage­ ments und seine Erkenntnisse zu unterrichten sein. Ausweislich seiner Begründung85 soll jedoch §  26 Abs.  1 VAG-E der Umset­ zung des Art.  44 Solvency II in deutsches Recht dienen. Der Regelungsvor­ schlag lehnt sich auch teilweise an den Wortlaut des Art.  44 Solvency II an. Er setzt die Norm insoweit um, als auch Solvency II als zentrale Aufgabe des Risi­ komanagements die Berichterstattung ansieht. Im Übrigen aber hat der Gesetz­ geber die europäische Vorgabe fehlinterpretiert: Nach Solvency II ist nicht etwa die gebührende Berücksichtigung der Informationsbedürfnisse des Vorstands und anderer leitender Personen gefordert, wie §  26 Abs.  1 VAG-E nahelegt, son­ 81  Zu den Anforderungen an die interne Risikoberichterstattung gegenüber dem Vorstand nach §  6 4a VAG Schaaf, S.  100 ff. 82  Das Erfordernis des Kommunikationssystems gilt nunmehr allgemein, ist unabhängig von der Pflicht zum Risikomanagement. 83  S. nur die Voraussetzungen zur Entlastung mithilfe der Business Judgment Rule, §  93 Abs.  1 S.  2 AktG. 84  Der Gesetzgeber verlangt nur, dass die Informationen zuverlässig sein und zeitnah und vollständig an die jeweilig erforderlichen Adressaten weitergeleitet werden sollen, Begr. zum RefE VAG, S.  290. 85  Begr. zum RefE VAG, §  27 VAG-E, S.  290.

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dern die Berücksichtigung dieser Personen selbst, und zwar im Zusammenhang mit der Integration des Risikomanagementsystems in Organisationsstruktur und Entscheidungsprozesse des Unternehmens. Das Risikomanagement ist or­ ganisatorisch so anzubinden, dass die Geschäftsleitung Zugriff hat, aber auch verantwortlich ist. Freilich ist Art.  44 Abs.  1 S.  2 Solvency II recht offen formuliert. Unter wel­ chen Umständen die Anbindung des Risikomanagements ausreichend ist, so­ dass die genannten Personen „gebührend berücksichtigt“ werden, lässt sich der Richtlinie nicht entnehmen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Vorschrift rein organisatorische, nicht aber inhaltliche Fragen betrifft. Das zeigt auch der systematische Zusammenhang des Art.  44 Abs.  1 S.  2 Solvency II: Art.  44 Sol­ vency II regelt im Übrigen hauptsächlich Aufbau und Integration des Risiko­ managements in das Unternehmen, nicht die Information bestimmter Personen ihren Bedürfnissen entsprechend. Die nach §  26 Abs.  1 VAG-E geplante Regelung genügt damit zur Umsetzung von Solvency II nicht. Daher ist die Beschränkung auf „Informationsbedürfnis­ se“ der leitenden Personen zu streichen. Die Regelung hat sich am Wortlaut des Art.  44 Abs.  1 S.  2 Solvency II zu orientieren. Damit bleibt es zugleich bei der bereits gegenwärtig bestehenden Vorgabe der Risikoberichterstattung (zumin­ dest) gegenüber dem Vorstand86 und den bisherigen Grundsätzen über die In­ formation des Vorstands. 2. Informationsbeziehungen des Risikomanagements Neben die ungeschriebenen, jeweils arbeitsrechtlichen Pflichten insbesondere zur umfassenden Auskunft auf Verlangen des Vorstands87 treten für das Risiko­ management eine besondere Form der Berichterstattung gegenüber der Ge­ schäftsleitung, das ORSA, und eine auf den ersten Blick völlig neue Kon­ trollinstanz mit eigenen Offenlegungspflichten, das Risikocontrolling.88 a) Risikocontrolling (§  26 Abs.  8 VAG-E) Gem. §  26 Abs.  8 VAG-E ist vom Unternehmen eine Risikocontrollingfunktion zu schaffen, welche die Leistungsfähigkeit des internen Modells analysiert und dem Vorstand in zusammengefasster Form über diese Analyse berichtet. Sie hat ihm ferner Anregungen zur Verbesserung des Modells zu geben und ihn über Korrekturmaßnahmen für festgestellte Schwächen oder Mängel auf dem Lau­ 86  Mit Ziff.  7.3.4 unter 1 MaRisk VA ist zu verlangen, dass sichergestellt ist, dass (mindes­ tens) auch die Führungsebene unterhalb des Vorstands von etwaig relevanten Informationen des Risikomanagements informiert wird, gleich ob durch den Vorstand oder das Risikoma­ nagement unmittelbar. 87  S. dazu noch unten Teil 3 §  2. 88  Zur Abgrenzung des Risikocontrollings gem. §  27 Abs.  5 VAG-E zur bereits bestehen­ den Risikocontrollingpflicht sogleich a).

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fenden zu halten. Das deutet darauf hin, dass hier ein neuer Akteur auftritt, dessen Informationsbeziehungen zumindest teilweise geregelt sind. Der Gesetzgeber sieht §  26 Abs.  8 VAG-E als Umsetzung von Art.  44 Abs.  4 und 5 Solvency II (in concreto Abs.  5 lit.  e)) an, verwendet allerdings eine andere Terminologie.89 Solvency II spricht vom Risikomanagement, nicht vom Risiko­ controlling. Die durch den deutschen Gesetzgeber gewählte Formulierung er­ klärt sich mit der gegenwärtigen Aufsichtspraxis der BaFin, die bisher statt von Risikomanagement von Risikocontrolling spricht.90 Wie die Funktion im nationalen Recht im Einzelnen benannt wird, mag nach dem europäischen Recht gleich sein. Allerdings versteht die BaFin unter Risiko­ controlling als Aufgabe etwas anderes als das, was der deutsche Gesetzgeber in Umsetzung der Vorgaben des Art.  44 Abs.  4, 5 Solvency II unter Risikocon­ trolling fassen muss: Die BaFin will mit Risikocontrolling das Risikomanage­ ment regeln und verwendet den Begriff des Controllings nur, um die Kontrolle und Überwachung von Risiken von der Risikosteuerung abgrenzen.91 Das ei­ gentliche Risikocontrolling, die Aufgaben, die der Gesetzgeber gem. Art.  44 Solvency II dem Risikomanagement auferlegen muss, gehen damit weit über das hinaus, was die BaFin unter Risikocontrolling versteht.92 Art.  44 Abs.  5 Solven­ cy II (Einleitungssatz) macht deutlich, dass das Risikomanagement (in der Ter­ minologie der BaFin das Risikocontrolling) neue Aufgaben erhalten soll, näm­ lich das interne Modell stetig zu hinterfragen. Indem der Gesetzgeber den Begriff des Risikocontrollings verwendet, läuft er also Gefahr, den Unternehmen zu verschleiern, dass nicht „Risikocon­ trolling“ nach bisheriger Form gefragt ist, sondern dass gem. Art.  44 Solvency II zusätzliche Aufgaben zu erfüllen sind. Die Anforderungen an das Risikocon­ trolling gem. Art.  44 Abs.  4 Solvency II erschöpfen sich nicht in der Überwa­ chung von Risiken,93 sondern fordern gleichsam die Überwachung der Über­ wachung. Selbst wenn das europäische Recht die terminologische Abweichung zulassen mag, entfernt sich der Gesetzgeber mit §  26 Abs.  8 VAG-E vom Ziel einer prin­ zipienbasierten Aufsicht und von den europäischen Vorgaben, wenn er ein Risi­ kocontrolling als eigenständige Einheit des Risikomanagements vorschreibt. Nach dem Konzept der Richtlinie soll die Umsetzung der aufsichtsrechtlichen Vorgaben im Einzelnen schließlich den Unternehmen überlassen bleiben.94 Wie organisiert werden kann, dass die vom Gesetz vorgesehenen Pflichten erfüllt 89  Grote/Schaaf, VersR 2012, 17, 20. Krit. auch der GDV, Stellungnahme zum Referen­ten­ entwurf des Zehnten Gesetzes zur Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes vom 20. September 2011, S.  25, 29 f. 90  S. z. B. Ziff.  7.2.1 unter 2 MaRisk VA. 91  Insbesondere Ziff.  7.2.1 unter 2 MaRisk VA, wie hier Grote/Schaaf, VersR 2012, 17, 20. 92  Grote/Schaaf, VersR 2012, 17, 20. 93  Grote/Schaaf, VersR 2012, 17, 20. 94  Dies ist umso bedenklicher, als es der Richtlinie um eine Vollharmonisierung des Versi­

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werden, muss daher das Unternehmen selbst entscheiden. Wieso zwingend Aufgaben des Risikomanagements, die dieses grundsätzlich neben dem laufen­ den Geschäftsbetrieb erfüllen kann, in eine eigenen Funktion ausgegliedert werden sollten, leuchtet nicht ein: Ob das interne Modell funktioniert und wel­ che Schwächen oder Mängel es aufweist, lässt sich am besten von denjenigen beurteilen, die ständig mit ihm arbeiten. §  26 Abs.  8 VAG-E ist daher so zu modifizieren, dass zwar die in dieser Vor­ schrift genannten Aufgaben zu erfüllen sind, dafür aber nicht zwingend die Einrichtung einer Instanz „Risikocontrolling“ erforderlich ist. Ist demnach das vom Gesetzgeber sogenannte Risikocontrolling nur zusätz­ liche Aufgabe des Risikomanagements, gelten auch dessen informationelle Pflichten, etwa gegenüber dem Vorstand.95 Der Bericht gem. §  26 Abs.  8 VAG-E ist damit nicht Bericht einer neuen Instanz, sondern Bericht des Risikomanage­ ments. Das Risikocontrolling treffen die Offenlegungspflichten des Risikoma­ nagements. b) ORSA (§  27 Abs.  1 VAG-E) Teil des Risikomanagementsystems ist gem. §  27 VAG-E auch das ORSA, das Own Risk and Solvability Assessment, die Gesamtheit jener Prozesse, die dazu dienen, den Solvabilitätsbedarf und das Risikoprofil des Unternehmens zu er­ heben und zu bewerten.96 Gem. §  27 VAG-E besteht zwar keine ausdrückliche Pflicht, hierüber dem Vorstand unmittelbar zu berichten und auch nach arbeitsrechtlichen Grundsät­ zen ist eine solche Pflicht nicht ohne Weiteres zu begründen: Unmittelbarer Vorgesetzter der mit dem ORSA betrauten Mitarbeiter ist zunächst einmal der Leiter des Risikomanagements, nicht der Vorstand. Jedoch wird EIOPA eine Berichtspflicht annehmen:97 Die Behörde geht davon aus, der ORSA-Bericht sei von der Geschäftsleitung freizugeben, was notwendigerweise voraussetzt, dass sie von ihm im Einzelnen Kenntnis hat. Dies überzeugt, gehört das ORSA doch zum Risikomanagement, das wiederum unmittelbar für die Führung der Ge­ schäfte bedeutsam ist.98 Es handelt sich letztlich jedoch nicht um eine eigenstän­ dige Berichtspflicht, sondern um eine Erweiterung der Berichtspflicht des Risi­ komanagements. Gegenüber allen anderen Personen sollen nach Vorstellung von EIOPA we­ nigstens die Ergebnisse des ORSA kommuniziert werden, soweit diese für sie cherungsaufsichtsrechts geht, s. Dreher/Lange, VersR 2011, 825 ff.; Grote/Schaaf, VersR 2012, 17. 95  Oben 1. 96 Näher Dreher/Ballmaier, VersR 2012, 129 ff. 97  Guideline 6 des EIOPA Consultation Paper on the Proposal for Guidelines on Own Risk and Solvency Assessment. 98  S. schon für §  91 Abs.  2 AktG Hüffer, NZG 2007, 47, 49.

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relevant sind.99 Eine Pflicht, den Bericht im Ganzen mitzuteilen, besteht aber abseits des Adressaten „Geschäftsleitung“ nach zutreffender Auffassung von EIOPA nicht. Insbesondere beim Aufsichtsrat ist schon zweifelhaft, ob über­ haupt ein Interesse an den ORSA-Ergebnissen anzuerkennen ist. Ein anerken­ nenswertes Interesse des Aufsichtsrats am Bericht im Ganzen kann deshalb erst recht nicht gegeben sein. Die Kontrolle der Geschäftsführung durch den Auf­ sichtsrat kann allenfalls darin bestehen, zu prüfen, ob die ORSA-Ergebnisse vom Vorstand in pflichtgemäßer Weise verwertet worden sind. Wie die Ergeb­ nisse des ORSA zustande gekommen sind, betrifft hingegen eher die Kontrolle des Risikomanagements selbst. Diese wiederum ist Teil der Geschäftsführung und damit vom Vorstand durchzuführen. Daraus folgt nicht, dass der Auf­ sichtsrat von den Informationen ausgeschlossen wäre. Es ist ihm aber zuzumu­ ten, sie sich ggf. über den Umweg über den Vorstand durch Geltendmachung seiner aktienrechtlichen Informationsrechte (§§  90, 111 Abs.  2 AktG)100 zu be­ schaffen. c) Allgemeine Informationspflichten des Risikomanagements gegenüber dem Aufsichtsrat Das für die ORSA-Berichte gefundene Ergebnis muss verallgemeinert werden: Aufgrund seiner inhaltlichen Tätigkeit muss das Risikomanagement informa­ tio­nell eng mit dem Vorstand verbunden sein. Es befasst sich mit Fragen, die für die Lenkung des Unternehmens unmittelbar von Bedeutung sind.101 Davon geht auch Art.  44 Abs.  1 Solvency II aus. Der Aufsichtsrat indes ist zur Ge­ schäftsführung nicht berufen (s. §  111 Abs.  1 AktG), sodass es Informationsbe­ ziehungen des Risikomanagements zu ihm grundsätzlich nicht bedarf.102 Seine Unterrichtung ist durch das gesellschaftsinterne Informationssystem103 hinrei­ chend gesichert. 3. Informationsbeziehungen des internen Kontrollsystems (§  29 VAG-E) Das interne Kontrollsystem soll nunmehr nicht nur rein auf Prozesse abzielen­ de Vorschriften,104 sondern auch die Pflicht zur Schaffung einer eigenständigen Kontrollinstanz, der Compliance-Funktion (§  29 VAG-E), enthalten. Bisher war es zwar in der Praxis üblich, dass eine Compliance-Funktion105 besteht, 99  Guideline 6 des EIOPA Consultation Paper on the Proposal for Guidelines on Own Risk and Solvency Assessment. 100  Zu diesen noch Teil 3 §  1 B. II. 101  S. für den freilich nicht so weitgehenden §  91 Abs.  2 AktG Hüffer, NZG 2007, 47, 49. 102  Entgegen Ziff.  7.2.1 unter 3. lit.  b) MaRisk VA. 103  Teil 3 §  1 B. II. 104  CEIOPS/EIOPA versteht weiterhin das interne Steuerungs- und Kontrollsystem als Zusammenfassung von Prozessen, CEIOPS L2 Final Advice on System of Governance, S.  46. 105  D. h. entweder eine ganze Abteilung oder ein Compliance-Beauftragter. Im Folgenden wird der gesetzlichen Terminologie folgend grundsätzlich nur von der Compliance-Funktion

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Teil 2: Transparenzpflichten von Finanzdienstleistungsunternehmen

eine Pflicht zur Einrichtung einer solchen Funktion sah das VAG aber nicht vor.106 Die Compliance-Funktion gem. VAG-E verdient eine eingehende Be­ trachtung, denn an ihr zeigt sich beispielhaft, wie viele selbst bei prinzipienba­ sierter Aufsicht regulierungsbedürftige Fragen der Gesetzgeber mit dem VAG-E übergeht. a) Pflicht zur Einrichtung einer Compliance-Funktion §  29 VAG-E soll zur Einrichtung einer Compliance-Funktion verpflichten und zugleich das interne Kontrollsystem aus dem Risikomanagement herauslösen. Es nimmt nach dem Entwurf eine selbständige Stellung neben dem Risikoma­ nagement ein. Das ist auch sachgerecht, denn Risikomanagement bedeutet zwar Erkennung, Überwachung, Bewertung und Bewältigung aller Risiken der un­ ternehmerischen Tätigkeit.107 Compliance hingegen soll nur die Einhaltung der Rechtsvorschriften überwachen und sicherstellen,108 betrifft mithin nur rechtli­ che Risiken,109 nicht beschränkt auf das Finanzaufsichtsrecht.110 Es ist deswe­ gen aber kein Unterfall des Risikomanagements. Die Compliance-Funktion soll, wie etwa bei der Compliance-Funktion des WpHG §  33 Abs.  1 S.  2 Nr.  1 WpHG als „Kernelement“111 der wertpapierhandelsrechtlichen Geschäftsorga­ nisationsvorschriften deutlich macht, überwachen und beraten.112 Zentrales Merkmal der Compliance-Funktion ist daher ihre Unabhängigkeit,113 auch vom Risikomanagement. Die Regelung in §  29 VAG-E bleibt jedoch recht bruchstückhaft. So weist §  29 Abs.  2 VAG-E der Compliance-Funktion zwar, in Umsetzung von Art.  46 Abs.  2 Solvency II, die Beratung des Vorstands in Bezug auf die Einhaltung des Versicherungsaufsichtsrechts als Aufgabe zu, einschließlich einer Abschätzung des Compliance-Risikos i. S. d. Art.  46 Abs.  2 Solvency II. Weitere Aussagen zur Stellung der Compliance-Funktion enthält die Regelung jedoch nicht, insbe­ gesprochen. Näher zu den verschiedenen Organisationsmodellen von Compliance Gößwein/ Hohmann, BB 2011, 963 ff. Zur Begrifflichkeit schon Lösler, WM 2008, 1098, 1100. 106  Die Literatur ging trotzdem teilweise davon aus, eine Pflicht zur Einrichtung einer Compliance-Funktion bestehe, gestützt auf §  6 4a Abs.  1 S.  1 VAG, der Pflicht zu rechtstreuem Verhalten, oder §  6 4a Abs.  1 S.  3 Nr.  3 VAG, als Teil des internen Steuerungs- und Kontroll­ systems. S. Dreher, VersR 2008, 998, 1003 (VAG); Wolf, BB 2011, 1353, 1354 (KWG und VAG); a. A. Engelhart, ZIP 2010, 1832, 1835. 107  Pampel/Krolak, in: Hauschka (Hrsg.), §  5 Rn.  4. 108  Reese/Ronge, VersR 2011, 1217, 1219 ff. 109 Ähnlich Reese/Ronge, VersR 2011, 1217, 1230. 110  Schaaf, S.  131. 111  Engelhart, ZIP 2010, 1832, 1832 f. 112  In der Beratung liegt der Unterschied zur internen Revision, Schäfer, BKR 2011 187, 190, 191 ff. Zum Verhältnis interne Revision/Compliance Reese/Ronge, VersR 2011, 1217, 1230 f. Abgrenzungsversuch zu interner Revision/Rechtsabteilung auch bei Auerbach/Jost, in: Hopt/Wohlmannstetter (Hrsg.), S.  667 f. 113 Näher Röh, BB 2008, 398, 403; Zingel, BKR 2010, 500, 502 f.

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sondere keine Vorgaben zur informationellen Stellung.114 Das ist grundsätzlich, mit Blick auf die Unternehmensorganisationsfreiheit, nicht zu beanstanden. Ei­ nige offene Fragen bedürfen allerdings selbst unter Berücksichtigung der Un­ ternehmensinteressen und des prinzipienbasierten Aufsichtsmodell der gesetz­ lichen Regelung.115 b) Regelungsvorbild WpHG und WpDVerOV Um zu bestimmen, welche weiteren Regelungen zur Stellung der Com­plianceFunktion erforderlich sind, müssen §  33 Abs.  1 S.  2 Nr.  1, 5 WpHG116 und §  12 WpDVerOV herangezogen werden.117 Denn der Zweck der versicherungsrecht­ lichen Compliance-Funktion ist kein anderer als der der wertpapierhandels­ rechtlichen. §  33 Abs.  1 S.  2 Nr.  1, 5 WpHG i. V. m. §  12 Abs.  3 WpDVerOV beschreibt als Aufgaben der Compliance-Funktion, die Angemessenheit und Wirksamkeit der Grundsätze und Vorkehrungen, die das Unternehmen aufstellt/trifft, um sicherzustellen, dass es die Vorgaben des WpHG einhält, zu überwachen und regelmäßig zu bewerten und die Mitarbeiter des Unternehmens im Hinblick auf die Einhaltung der genannten Bestimmungen zu beraten und zu unterstüt­ zen.118 Überwachung des Unternehmens hinsichtlich der Einhaltung des Auf­ sichtsrechts119 und Beratung insbesondere des Vorstands sind ausweislich des Art.  46 Abs.  2 Solvency II/§  29 Abs.  2 VAG-E auch die Aufgaben der versiche­ rungs-aufsichtsrechtlichen Compliance-Funktion.120 c) Weisungsrecht der Compliance-Funktion Gem. §  12 Abs.  4 S.  3 WpDVerOV ist der Compliance-Funktion zwar Zugang zu allen für ihre Tätigkeit relevanten Informationen einzuräumen. Ein eigenes „materielles“ Weisungsrecht, d. h. ein Weisungsrecht in der Sache, muss der Compliance-Funktion aber nicht zugebilligt werden. Das Gesetz sieht eine Pflicht des Unternehmens dazu nicht vor und stellt der Compliance-Funktion

114  Wenig konkretisierend auch Art.  270 der Delegierten Verordnung 2015/35 der Kom­ mission vom 10. Oktober 2014 zur Ergänzung der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II), ABl.  EU Nr. L 12, S.  1 ff. 115  Gegen eine Regelung hingegen Dreher, VersR 2013, 929, 935. 116  Zur Entwicklungsgeschichte der Norm Zingel, BKR 2010, 500, 500 f. 117  Bürkle, WM 2013, 878, 885. 118  Näher zu Aufgaben und Funktionen etwa Auerbach/Jost, in: Hopt/Wohlmannstetter (Hrsg.), S.  670 ff. 119  Art.  46 Abs.  2 Solvency II zieht diese Aufgabe enger als §  29 Abs.  2 VAG-E, dies ist je­ doch unschädlich, s. Dreher, VersR 2013, 929, 940. 120  Näher zu ihren Aufgaben gem. Solvency II Dreher, VersR 2013, 929, 934 ff.; Wolf, VersR 2013, 678, 680.

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Teil 2: Transparenzpflichten von Finanzdienstleistungsunternehmen

auch nicht selbst ein solches Recht zur Seite.121 Soweit der ComplianceBeauftragte einen Rechtsverstoß feststellt, hat er ihn dem betroffenen Mitarbei­ ter und dessen Vorgesetzten mitzuteilen, auf dass Letzterer sein Weisungsrecht ausübe und den Verstoß so beseitige. Davon geht auch die WpDVerOV aus, denn sonst müsste sie nicht normieren, dass, sollten die zur Behebung der Bean­ standung erforderlichen Maßnahmen nicht innerhalb angemessener Zeit ergrif­ fen werden, die Geschäftsleitung122 hiervon in Kenntnis zu setzen ist, §  12 Abs.  4 S.  2 WpDVerOV. Eine versicherungsaufsichtsrechtliche Compliance-Funktion bedarf eben­ falls keines grundsätzlichen materiellen Weisungsrechts. Die Com­ plianceFunktion ist nicht Superkontrollinstanz, sondern festgelegt auf die Unterstüt­ zung des Vorstands. Der internen Transparenz wäre auch nicht dienlich, würde mit der Compliance-Funktion eine Art zweite Geschäftsleitung installiert. Die Compliance-Funktion soll nicht selbst die Geschäfte führen oder sich Ge­ schäftsführungsbefugnisse anmaßen. Der aufgrund des Gesetzes zur Stärkung des Anlegerschutzes und der Ver­ besserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts vom 5. April 2011123 ange­ fügte §  12 Abs.  3 S.  2 WpDVerOV sieht indes ein Weisungsrecht ausnahmsweise vor. Nach §  12 Abs.  3 S.  2 WpDVerOV muss der Compliance-Beauftragte be­ rechtigt sein, geeignete und erforderliche vorläufige Maßnahmen zu treffen, um eine konkrete Gefahr der Beeinträchtigung von Kundeninteressen bei der Er­ bringung von Wertpapier(neben)dienstleistungen abzuwenden.124 Begründete man diese Vorschrift vor allem damit, dass dem ComplianceBeauftragten nicht zuzumuten ist, insbesondere mit Blick auf seine eigene Haf­ tung,125 Rechtsverstöße sehenden Auges hinzunehmen, müsste sie auf das VAG übertragen werden. Der Compliance-Beauftragte ist, gleich auf welches Finan­ zaufsichtsgesetz sich seine Tätigkeit stützt, immer in etwa den gleichen Haf­ tungsrisiken ausgesetzt. Schon dem Wortlaut nach dient das Weisungsrecht aber vor allem Kundeninteressen und damit letztlich (auch) einem öffentlichen Interesse an der Funktionsfähigkeit des Wertpapierhandels. Es soll nicht, ob­ gleich das rechtswidrige Verhalten hätte vermieden werden können, den Kun­ den und damit ggf. dem gesamten Kapitalmarkt irreversibler Schaden zugefügt werden. Eine dem Kapitalmarkt vergleichbare Gefahrenlage besteht aber bei Versicherern nicht. Das Versicherungsverhältnis, einmal eingegangen, erfordert keine dauerhafte Dienstleistung des Versicherers an den Versicherungsneh­ 121 

Spindler, WM 2008, 905, 911; a. A. Veil, WM 2008, 1093, 1097. Im Folgenden wird, soweit möglich, die Terminologie des §  33 WpHG verwendet. 123  BGBl.  I S.  538. 124  Für die Ausdehnung auf den Schutz der Marktteilnehmer insgesamt Schäfer, BKR 2011, 187, 190. 125  Zur strafrechtlichen Seite etwa Dann/Mengel, NJW 2010, 3265 ff. Zur Haftung gegen­ über dem Unternehmen: Giesen, CCZ 2009, 102 ff. 122 

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mern, die ihm unentwegt eine Einwirkung auf dessen Rechte ermöglicht/aufer­ legt. Relevant wird die andere Vertragspartei für beide Seiten erst wieder mit dem Eintritt des Versicherungsfalls. Dann geht es dem Versicherungsnehmer nur um die Zahlungsfähigkeit des Versicherers. Diese wird aber bereits durch andere interne wie externe Kontrollinstanzen abgesichert (interne Revision, Ri­ sikomanagement, Aufsichtsbehörde). Es ist daher nicht erforderlich, der versicherungsaufsichtsrechtlichen Compliance-Funktion materielle Weisungsrechte einzuräumen. d) Informationsrechte der Compliance-Funktion §  29 VAG-E schweigt zu den Informationsbeziehungen der Compliance-Funk­ tion. Das Regelungsvorbild, die Compliance-Funktion nach WpHG, wird in zweifacher Hinsicht in die Informationsbeziehungen im Unternehmen einge­ bunden. Zum einen verlangt (freilich nur als die Aufsichtsbehörde BaFin bindendes Recht) BT 1.3.1.2 Ziff.  1 MaComp126 die Einbindung der Funktion in sämtliche Informationsflüsse, die für die Aufgabenerfüllung von Bedeutung sein könn­ ten.127 Hierdurch soll die routinemäßige Kontrolle durch die ComplianceFunktion gesichert werden. Zum anderen ist der Compliance-Funktion ein uneingeschränktes Informa­ tionszugangsrecht eingeräumt (§  12 Abs.  4 S.  3 WpDVerOV).128 Es ist eine Art Weisungsrecht der Compliance-Funktion beschränkt auf den Informationszu­ gang: Sie darf jeden beliebigen Mitarbeiter anweisen, Unterlagen, Dateien o. ä. zu beschaffen und zu offenbaren.129 Dieses Recht greift nicht erst, wenn der Compliance-Funktion die Wahrnehmung ihrer Informationsrechte verweigert wird,130 denn eine solche Einschränkung sieht die WpDVerOV nicht vor. Gegenläufige Interessen der kontrollierten Personen, insbesondere Geheim­ haltungsinteressen, erkennt das geltende Recht nicht an, s. auch BT 1.3.1.2 Ziff.  1, 2 MaComp. Das Informationsrecht geht damit genau so weit wie das der Geschäftsleitung, die Compliance-Funktion wird damit insoweit gleichsam auf die oberste Hierarchie-Ebene gehoben, vor der es im Unternehmen grundsätz­ lich keine Geheimnisse gibt.131 126 

Vierte Neufassung vom 9. Januar 2014. zur Stellung der Compliance-Funktion (nach MaComp 4/2010) Schäfer, BKR 2011, 45, 54; Lösler, WM 2010, 1917, 1921. 128 Näher Schäfer, BKR 2011, 45, 54 (zu den insoweit inhaltsgleichen MaComp 4/2010). S. auch ausdrücklich BT 1.3.1.2 Ziff.  1 Satz  5 MaComp („eigene Initiative“ der ComplianceFunktion). 129  Schäfer, BKR 2011, 45, 54. 130  So aber Schäfer, BKR 2011, 187, 190. 131  S. BT 1. 1 Ziff.  2 MaComp (die Compliance-Funktion als „Instrument der Geschäftslei­ tung“); zur informationellen Stellung des (obersten) Vorgesetzten nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen noch unten Teil 3 §  2. 127 Ausf.

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Teil 2: Transparenzpflichten von Finanzdienstleistungsunternehmen

Das ist nicht zu beanstanden, denn die Verschwiegenheit der Com­plianceFunktion wird einerseits durch vertragliche Pflichten gegenüber dem Unter­ nehmen,132 andererseits durch das Erfordernis der Zuverlässigkeit und Sach­ kunde133 gesichert. Soll sie ihre Kontrollfunktion wirksam wahrnehmen, wären zudem Informationsverweigerungsrechte kontraproduktiv. Eine versicherungsaufsichtsrechtliche Regelung der Compliance-Funktion muss daher ebenfalls aktive und passive Einbindung in die internen Informa­ tions­beziehungen vorsehen und darf keine Informationsverweigerungsrechte enthalten, nicht einmal – die Compliance-Funktion ist wie ein Vorgesetzter zu behandeln – wenn der Verdacht besteht, die Compliance-Funktion könnte sich selbst als unzuverlässig erweisen.134 Denn bestehen Zweifel an der Zuverlässig­ keit insbesondere des Compliance-Beauftragten, kann dieser ohne Weiteres ab­ gesetzt werden. Allerdings ist hier als Schranke des Informationsrechts das allgemeine Per­ sönlichkeitsrecht, Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  1 Abs.  1 GG, der Arbeitnehmer in den im Arbeitsrecht geltenden Grenzen zu akzeptieren.135 Die Befugnisse der Compliance-Funktion können nicht weiter gehen als die des Arbeitgebers/ obersten Vorgesetzten. e) Insbesondere: Verhältnis zum Aufsichtsrat Das Verhältnis der Compliance-Funktion zum Aufsichtsorgan wird in §§  33 Abs.  1 S.  2 Nr.  5 WpHG, 12 Abs.  4 S.  1 WpDVerOV partiell behandelt, kann al­ lerdings nur eingeschränkt als Vorbild für eine versicherungsaufsichtsrechtliche Regelung dienen. aa) Bericht an den Aufsichtsrat Gem. §§   33 Abs.   1 S.   2 Nr.   5 WpHG, 12 Abs.   4 S.   1 WpDVerOV hat der ­Compliance-Beauftragte zumindest einmal jährlich schriftlich über die Grund­ sätze, die Mittel und die Verfahren nach §  33 Abs.  1 S.  2 Nr.  1 WpHG der Ge­ schäftsleitung und dem Aufsichtsorgan zu berichten.136 Der Bericht geht jedoch nach den MaComp (BT 1.1 Ziff.  2, BT 1.2.2 Ziff.  3) nicht unmittelbar an das Aufsichtsorgan, sondern wird ihm über die Geschäftsleitung zugeleitet (die be­ fugt ist, gesondert zu dokumentierende inhaltliche Änderungen vorzunehmen, BT 1.2.2 Ziff.  4 MaComp). Da dies so in §  33 Abs.  1 S.  2 Nr.  5 WpHG nicht vor­ gesehen ist, sondern die Norm Geschäftsleitung und Aufsichtsorgan gleichran­

132 

Casper, in: FS K. Schmidt, S.  199, 211 f. S. §  34d Abs.  3 WpHG. 134  A. A. Dreher, in: FS Claussen, S.  69, 86 (Beschränkung durch §  106 Abs.  2 BetrVG ana­ log). 135  S. dazu im Einzelnen noch unten Teil 3 §  2 A. IV. 3. 136 Näher Schäfer, BKR 2011, 187, 196 f. 133 

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gig als Berichtsadressaten benennt, müssen die MaComp als Verwaltungsvor­ schrift allerdings insoweit unbeachtlich sein. Die wertpapierhandelsrechtliche Regelung des Berichts an das Aufsichtsorg­ an ist aber nicht nur teilweise inkonsistent. Sie ist vor allem auch inhaltlich zu bemängeln: Dass der Bericht nach den MaComp grundsätzlich erst über die Geschäftsleitung dem Aufsichtsorgan zuzuleiten sein soll, ist nicht sachgerecht. Der Bericht der Compliance-Funktion dient der Information des Aufsichtsor­ gans und damit der Erfüllung seiner Kontrollaufgaben. Erhebt die Geschäftslei­ tung Einwände gegen den Bericht oder ändert sie ihn, kann das eine unvorein­ genommene Meinungsbildung des Aufsichtsorgans verhindern und möglicher­ weise die Kontrolle ungerechtfertigt in eine für die Geschäftsleitung günstige Richtung lenken. Dies gilt selbst dann, wenn die durch die Geschäftsleitung vorgenommenen Änderungen am Bericht gesondert dokumentiert werden: Über die Änderungen soll nach BT 1.2.2 Ziff.  4 S.  2 MaComp lediglich der Vor­ sitzende des Aufsichtsorgans informiert werden müssen. Die Com­ plianceFunktion nach VAG ist daher zur Erstattung eines mindestens jährlichen Be­ richts gegenüber der Geschäftsleitung und unabhängig davon gegenüber dem Aufsichtsrat zu verpflichten. Durch eine solche unmittelbare Berichtspflicht erhält die Compliance-­ Funktion auch keine unangemessene Machtposition neben der Geschäftslei­ tung. Sie ist lediglich der Lieferant von Informationen, die aus ihrer Überprü­ fung des Unternehmens herrühren. Die Entscheidungen zur Kontrolle des Vor­ stands liegen weiterhin beim Aufsichtsrat. Und auch für die Stellung des Aufsichtsrats bleibt dessen unmittelbare Information durch die ComplianceFunktion, anders als wenn er Informationen vom Risikomanagement erhiel­ te,137 letztlich ohne systemwidrige Folgen. Er wird nicht zu einer zweiten Ge­ schäftsleitung, nur weil er gut darüber informiert ist, ob das Unternehmen sich aufsichtsrechtskonform verhält. Anders als wenn er Informationen des Risiko­ managements auswertet, nimmt der Aufsichtsrat mit einer Rechtmäßigkeits­ kontrolle und einem etwaigen Drängen, rechtskonformes Verhalten herzustel­ len, auf kaufmännische Fragen und damit auf die Führung der Geschäfte keinen nennenswerten Einfluss. Gegen unmittelbare Informationsrechte zwischen Compliance-Funktion und Aufsichtsrat ist aber „die aktienrechtliche Informationsordnung“ einge­ wendet worden, die (allein) dem Vorstand die „Informationsherrschaft“ zubilli­ ge.138 Der Aufsichtsrat habe sich grundsätzlich bei seiner Informationsbeschaf­ fung an den Vorstand zu halten (s. §  90 AktG).139 137  Wie es im Bankenaufsichtsrecht für das Aufsichtsorgan gem. Art.   76 Abs.  5 UAbs.  3 CRD IV vorgesehen ist, näher oben I. 1. b). 138  Für das Versicherungsrecht Louven/Raapke, VersR 2012, 259 270 f. 139  Louven/Raapke, VersR 2012, 259 270 f.

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Teil 2: Transparenzpflichten von Finanzdienstleistungsunternehmen

Dies jedoch ist eine These, die keinesfalls als in der gesellschaftsrechtlichen Literatur unbestritten bezeichnet werden kann.140 Selbst wenn aber der Auf­ sichtsrat sich grundsätzlich bei seiner Informationsbeschaffung an den Vor­ stand zu halten hätte, stünde dies einer ausnahmsweisen Anerkennung eines direkten Informationsflusses durch das Finanzaufsichtsrecht nicht im Wege. Schließlich dient die Compliance-Funktion als eigenständige Kontrollinstanz auch der Kontrolle der Geschäftsleitung. Sie muss daher mit deren Kontroll­ instanz, dem Aufsichtsrat, unmittelbar kooperieren dürfen. Der Vorstand aber kann unproblematisch darüber informiert werden, dass die Compliance-Funk­ tion an den Aufsichtsrat berichtet hat. Da eine unmittelbare Berichtspflicht unbedenklich ist, bedarf es im Interesse der effektiven Kontrolle (über die periodische hinaus) auch einer anlassbezoge­ nen Berichtspflicht,141 für den Fall, dass die Compliance-Funktion von ihren Eskalationsrechten Gebrauch macht, die Geschäftsleitung aber der Beanstan­ dung innerhalb der dafür angemessenen Frist nicht abhilft oder die Begründet­ heit der Beanstandung negiert.142 Die Compliance-Funktion gem. VAG sollte zum mindestens jährlichen Be­ richt unmittelbar gegenüber dem Aufsichtsrat berechtigt und verpflichtet sein und muss darüber hinaus auch verpflichtet werden, unmittelbar an den Auf­ sichtsrat zu berichten, wenn ein von ihr beanstandeter Rechtsbruch von der Geschäftsleitung negiert oder nicht innerhalb angemessener Frist beseitigt wird. bb) Auskunftsanspruch des Aufsichtsrats Gem. BT 1.1 Ziff.  2 S.  2 MaComp hat die Geschäftsleitung sicherzustellen, dass der Vorsitzende des Aufsichtsorgans direkt beim Compliance-Beauftragten Auskünfte einholen kann, zusätzlich zu den Berichten der ComplianceFunktion. Dieses Recht soll aber nur „unter Einbeziehung der Geschäftslei­ tung“ bestehen. Die Effektivität der Kontrolle gebietet es freilich, dem Vorsitzenden des Aufsichts­ organs ein unmittelbares Auskunftsrecht gegen die ComplianceFunktion zuzubilligen. Kontrolle kann nur wirksam werden, wenn das Auf­ sichtsorgan sich nicht darauf verlassen muss, dass die Compliance-Funktion von sich aus an es herantritt. Insoweit liegt der Fall anders als bei einem unmit­ telbaren Informationsrecht des Aufsichtsorgans gegenüber dem Risikomanage­ ment,143 bei dem es zur Einmischung des Aufsichtsorgans in die Geschäftsfüh­ 140 Zum Streitstand Kropff, NZG 2003, 346, 350; Sänger, S.  255 f. Ausf. Korte, S.  87 ff., 151 ff.; Leyens, S.  175, 182 ff. 141  In Übereinstimmung mit BT 1.2 Ziff.  9 S.  4 MaComp, die als Verwaltungsvorschrift keine unmittelbare Außenwirkung entfaltet. 142  In dieselbe Richtung Schäfer, BKR 2011, 187, 195. 143  Oben I. 1. b).

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rung kommen könnte. Diese liegt nicht nahe bei seinem Herantreten an die Compliance-Funktion. Zwar ist das Anliegen der MaComp nachvollziehbar, nicht ComplianceBeauftragten und Aufsichtsorgan hinter dem Rücken der Geschäftsleitung ko­ operieren zu lassen. Der Kontrolle der Geschäftsleitung, zu welcher das Auf­ sichtsorgan verpflichtet ist, ist deren „Einbeziehung“ (deren Art nicht näher bestimmt ist) aber abträglich. Nur freier Informationsaustausch, bei welchem der Compliance-Beauftragte nicht fürchten muss, sich u. U. den Zorn der Ge­ schäftsleitung zuzuziehen, ermöglicht umfassende Information. Angesichts der unsicheren Rechtslage bei der Frage, ob der Aufsichtsrat di­ rekt an Mitarbeiter der Gesellschaft zur Informationsbeschaffung herantreten kann,144 ist im Sinne der Rechtssicherheit sowohl für das WpHG als auch für das VAG eine Regelung erforderlich, die klarstellt, dass ein Herantreten des Vorsitzenden des Aufsichtsrats an die Compliance-Funktion zulässig ist.145 f) Insbesondere: Verhältnis zu Behörden Vor allem für Unternehmen außerhalb des Anwendungsbereichs des WpHG wird mitunter das Verhältnis des Compliance-Beauftragten zu Behörden dis­ kutiert.146 Hier geht es zunächst um die Frage, ob der Compliance-Beauftragte berech­ tigt ist, Unregelmäßigkeiten der zuständigen Behörde, hier v. a. der BaFin, zu melden. Insoweit ist er gewöhnlicher Whistleblower, und für die Zulässigkeit der Offenbarung etwaiger Rechtsverstöße gegenüber Dritten gelten die glei­ chen Grundsätze wie beim Whistleblowing durch Arbeitnehmer.147 Freilich ist beim Compliance-Beauftragten als Person mit innerbetrieblicher Sonderstel­ lung die Anforderung zu stellen, dass er vor Einschaltung der Behörde im Rah­ men des innerbetrieblichen Abhilfeversuchs sämtliche seiner Befugnisse ausge­ schöpft haben muss.148 Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob der Compliance-Beauftragte ver­ pflichtet ist, Unregelmäßigkeiten der zuständigen Behörde zu melden, wenn seine innerbetrieblichen Abhilfeversuche149 erfolglos geblieben sind. Für den Compliance-Beauftragten gem. WpHG wird mitunter eine entsprechende 144  S. dazu noch einmal zum gesellschaftsrechtlichen Streitstand Kropff, NZG 2003, 346, 350; Sänger, S.  255 f. Ausf. Korte, S.  87 ff., 151 ff. 145  I. Erg. ebenso Dreher, ZGR 2010, 496, 518. 146  Zuerst wohl Lösler, WM 2007, 676 ff.; außerdem Bürkle, CCZ 2010, 4 ff.; Casper, in: FS K. Schmidt, S.  199, 211; Raus/Lützeler, CCZ 2012, 96 ff. 147  Dazu unten Teil 2 §  5 B. I. 1. 148 Strenger Raus/Lützeler, CCZ 2012, 96, 101: Wegen Verpflichtung zur internen Eskala­ tion keine Gleichbehandlung mit Arbeitnehmern. Strenger auch Klopp, S.  252 ff. Zum inner­ betrieblichen Abhilfeversuch sub §  5 B. I. 1. b) bb). 149 Abhilfe meint insbesondere das Eskalationsrecht, da dem Compliance-Beauftragten grundsätzlich ein eigenes Weisungsrecht nicht zusteht, s. oben c).

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Teil 2: Transparenzpflichten von Finanzdienstleistungsunternehmen

Pflicht angenommen.150 Es bedarf aber hier nur der Klärung, ob sie für Unter­ nehmen im Anwendungsbereich des VAG zweckmäßig ist.151 Der Effektivität der Kontrolle durch die Compliance-Funktion wäre eine Pflicht zum Hinweis an die Aufsichtsbehörde zuträglich. Sie gewährleistet, dass die Aufsichtsbehörde von internem Fehlverhalten erfährt, dass Rechtsverstöße, die noch andauern, beseitigt werden. Dass hingegen die Geschäftsleitung, um eine Weitergabe zu verhindern, einen Regelverstoß gegenüber der Com­plianceAbteilung zu vertuschen suchen könnte, mag eine realistische Annahme sein, steht aber der Schaffung einer Anzeigepflicht nicht entgegen.152 Schließlich ist es Aufgabe der Compliance-Funktion, sich Informationen über etwaige Rechts­ verstöße zur Not auch gegen den Willen der Geschäftsleitung zu beschaffen. Eine Anzeigepflicht ist außerdem effektiver als die Amtsniederlegung des Compliance-Beauftragten bei Feststellung eines Verstoßes und Nichtabhilfe durch das Unternehmen.153 Die zuständige Aufsichtsbehörde erfährt zwar von der Niederlegung des Amtes und der sich anschließenden Berufung eines neuen Compliance-Beauftragten gem. §  47 Nr.  1, 2 VAG-E, muss dann aber erst ein­ mal die Gründe für die Niederlegung erforschen. Das verzögert die weitere Er­ mittlung und Beseitigung des Rechtsverstoßes. Zudem ist die Hürde für den Compliance-Beauftragten, sein Amt niederzulegen, um einen von ihm ange­ nommenen Rechtsverstoß der Aufsichtsbehörde überhaupt nur zur Kenntnis zu bringen (die Reaktion der Aufsichtsbehörde ist zu diesem Zeitpunkt nicht ansatzweise absehbar), denkbar hoch. Für Versicherungsunternehmen ist außerdem die Meldepflicht eines Mitar­ beiters i.w.S. nicht unbekannt.154 Vor allem aber entspricht sie auch der Stellung des Compliance-Beauftragten als öffentlicher Beauftragter.155 Zwar besteht auch bei öffentlich Beauftragten keine allgemeine ungeschriebene Meldepflicht, sodass nicht allein durch Erhebung des Compliance-Beauftragten in den Beauf­ tragten-Status eine solche Pflicht geschaffen werden könnte.156 Wohl aber lässt sich bei einem Beauftragten eher die Schaffung einer gesetzlichen Meldepflicht rechtfertigen als bei einem einfachen Arbeitnehmer. Allein private Interessen

150  Veil, WM 2008, 1093, 1098, gestützt auf §  10 Abs.  1 S.  1 WpHG, der allerdings nur eine allgemeine Meldepflicht der Unternehmen ohne weitere Zuständigkeitsregelungen statuiert. 151  Keine Aussage dazu trifft der BGH, Urt. v. 29.8.2008 – 2 StR 587/07, NJW 2009, 3173, wenn er äußert, der Compliance-Beauftragte habe gegenüber der Unternehmensleitung die Pflicht, Rechtsverstöße zu verhindern: Die Aussage betrifft eine strafrechtliche (die Garan­ tenstellung gem. §  13 StGB) und auch nicht die noch zu schaffende Rechtslage. A.A. Raus/ Lützeler, CCZ 2012, 96, 100. 152 A.A. Klopp, S.  237. 153  Für sie aber Dreher, in: FS Claussen, S.  69, 85. 154  S. die Meldepflicht des Treuhänders gem. §  11a Abs.  3 Nr.  3 Hs. 2 VAG. 155  Sogleich g). 156  Bürkle, CCZ 2010, 4, 11.

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tragen eine Pflicht zur Kooperation mit der Behörde grundsätzlich nicht.157 Der Compliance-Beauftragte wird jedoch im öffentlichen Interesse tätig: g) Insbesondere: Stellung als öffentlicher Beauftragter Die Stellung des Compliance-Beauftragten als Mitarbeiter des Unternehmens oder (auch) öffentlicher Beauftragter entscheidet in Zweifelsfällen über seine Befugnisse und Pflichten. Im Zweifel sind die eines Beauftragten weiter als die eines einfachen Mitarbeiters. Solvency II gibt allerdings nicht ausdrücklich vor, ob der ComplianceBeauftragte öffentlich Beauftragter ist. Ursprünglich war der Compliance-Beauftragte als Mitarbeiter des Unter­ nehmens ausschließlich in dessen Interesse an Haftungsvermeidung tätig.158 Compliance hatte einen stark zivilrechtlichen Charakter. Sie sollte das Unter­ nehmen vor zivilrechtlicher Haftung und straf- oder verwaltungsrechtlichen Sanktionen schützen159 und gleichzeitig das persönliche Haftungsrisiko der Mitglieder der Unternehmensleitung minimieren, schließlich auch das Unter­ nehmen vor Angriffen von außen, etwa auf Geschäftsgeheimnisse, bewahren.160 Schon der Begriff des Compliance-„Beauftragten“ weckt aber Assoziationen zu Unternehmensbeauftragten wie dem Datenschutzbeauftragten, die ein öffentliches Mandat haben.161 Und auch die Ausgestaltung der ComplianceFunktion durch die Normgeber, mag sie auch lückenhaft sein, erfüllt alle Vor­ aussetzungen, einen öffentlichen (Unternehmens-) Beauftragten162 anzuneh­ men:163 Erstens nennt §  29 VAG-E Aufgaben und Kompetenzen des ComplianceBeauftragten, mag die Norm auch im Einzelnen noch nicht sehr ergiebig sein.164 Auch andere öffentliche Beauftragte erhalten aber vom Gesetz nur die Aufgabe, die Einhaltung des für ihr Unternehmen einschlägigen Aufsichtsrechts sicher­ zustellen.165 157 

In diesem Sinne auch Casper, in: FS K. Schmidt, S.  199, 211. Hauschka, AG 2004, 461; zu möglichen Haftungsrisiken Kremer/Klahold, ZGR 2010, 113, 139. Zu weiteren Aspekten der Compliance – insbes. Imagepflege und Bußgeldvermei­ dung – Klopp, S.  35, 40 ff. Zu Organisationspflichten als Haftungsvermeidung Spindler, Un­ ternehmensorganisationspflichten, S.  1039. 159  Campos Nave/Vogel, BB 2009, 2546, 2548; Gößwein/Hohmann, BB 2011, 963, 964; Kiethe, GmbHR 2007, 393 ff. 160  Sog. Schutzfunktion, Lösler, NZG 2005, 104, 104 f. 161  Dies zugestehend auch Hemeling, ZHR 175 (2011), 368, 386. 162  Wobei zuzugeben ist, dass „Unternehmens-Beauftragter“ kein feststehender Rechtsbe­ griff ist, Casper, in: FS K. Schmidt, S.  199, 212; zu den v. d. Lit. für sein Vorliegen herausgear­ beiteten, soweit ersichtlich unbestr. Kriterien s. die nächste Fn. 163  Kriterien nach Lösler, WM 2008, 1098, 1100; ihm folgend Dreher, in: FS Claussen, S.  69, 71. Diff. Klopp, S.  122 f. 164  Daher die Stellung als Unternehmensbeauftragter ablehnend Dreher, VersR 2013, 929, 943. 165  Z. B. der Immissionsschutzbeauftragte, §  5 4 Abs.  1 Nr.  4 BImSchG. 158 

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Teil 2: Transparenzpflichten von Finanzdienstleistungsunternehmen

Zweitens unterscheiden sich die Funktionen des Compliance-Beauftragten gem. §  29 VAG-E kaum von den Funktionen, die allgemein als für die Stellung als Beauftragter kennzeichnend angesehen werden:166 Zentral ist die Überwa­ chungsfunktion, das Wachen über die Einhaltung aufsichtsrechtlicher Vor­ schriften. Daneben besteht eine Initiativfunktion, d. h. der Unternehmensbe­ auftragte hat auf eine angemessene Geschäftsorganisation hinzuwirken, die die Einhaltung des Aufsichtsrechts gewährleistet. Und schließlich besteht eine In­ formationsfunktion, der Beauftragte hat die Mitarbeiter und Organe des Unter­ nehmens über die mit ihrer Tätigkeit verbundenen Gefahren aufzuklären, etwa den Vorstand über die rechtlichen Gefahren seiner Tätigkeit. Drittens bestehen ein Bestellungszwang und die Befugnis der Behörde, Ein­ fluss auf die Auswahl des Compliance-Beauftragten zu nehmen, weil dieser als nicht zuverlässig oder nicht sachkundig genug angesehen wird (hier: §  24 Abs.  1 VAG-E).167 Schließlich dient die Compliance-Funktion schon längst nicht mehr nur der Haftungsvermeidung,168 sondern der Unternehmenskontrolle im öffentlichen Interesse.169 Die Pflicht zur Einrichtung einer Compliance-Funktion ist auf­ sichtsrechtlicher und damit öffentlich-rechtlicher Natur.170 Sie bezweckt als eine Art Geschäftsorganisationspflicht die Gefahrenabwehr.171 Die Pflicht zu ihrer Errichtung ist Eingriff in Art.  2 Abs.  1, 12 GG,172 der schwer wiegt ange­ sichts des Umstands, dass die positiven Wirkungen der Compliance-Funktion zumindest schwer nachweisbar sind.173 Würde die Compliance-Funktion ledig­ lich im Interesse des Unternehmens tätig, bedürfte es eines solchen Eingriffs nicht. Privaten steht eine Freiheit zur Selbstschädigung zu, solange nicht öffent­ liche Interessen ihr entgegenstehen.174 In der Literatur wird zwar dem Compliance-Beauftragten eine Doppelfunk­ tion als Beauftragter im öffentlichen und im Unternehmensinteresse zuge­

166  Zu ihnen schon Stich, GewArch 1976, 145, 149 f. (zum Immissionsschutz-/Gewässer­ schutz-/Abfallbeauftragten). 167  §  25 VAG-E erfasst nach dem Willen des Gesetzgebers auch die Compliance-Funktion, RegE VAG, BT-Drs. 17/9342, S.  146. S. etwa die Parallele zum Immissionsschutzbeauftragten, §  55 Abs.  1 S.  2, Abs.  2 BImSchG. Unentschlossen Klopp, S.  130. 168  Reese/Ronge, VersR 2011, 1217, 1220: „wesentliche Steigerung“ des ComplianceGedankens. 169 A.A. Casper, in: FS K. Schmidt, S.  199, 208; Hemeling, ZHR 175 (2011) 368, 386; Wolf, BB 2011, 1353, 1357. 170  Nicht anders etwa als die Stellung des hier als Beispiel genannten, weil unzweifelhaft öffentlichen Immissionsschutzbeauftragten, s. §  53 BImSchG. 171  Zur Gefahrenabwehr als Zweck öffentlich-rechtlicher Geschäftsorganisationspflichten Spindler, Unternehmensorganisationspflichten, S.  1039. 172  Wiederholt/Walter, BB 2011, 968. 173  Spindler, WM 2008, 905, 918. 174  S. noch im Einzelnen unter §  2.

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schrieben.175 Er werde im öffentlichen Interesse tätig, müsse aber nicht, ver­ gleichbar dem Datenschutz- und Geldwäschebeauftragten, Ansprechpartner der Aufsichtsbehörde (sog. „funktioneller Außenkontakt“) sein.176 In der Praxis kann aber kaum danach differenziert werden, ob der ­Com­pliance-Beauftragte gerade haftungsvermeidend im Interesse des Unter­ nehmens oder im öffentlichen Interesse an sich rechtmäßig verhaltenden Unter­ nehmen tätig wird. Sein Verhalten hat stets darauf gerichtet zu sein, für die Einhaltung der einschlägigen Rechtsvorschriften zu sorgen, was im privaten Interesse des Unternehmens wie im öffentlichen Interesse liegt. Der Compliance-Beauftragte nach VAG hat damit, selbst wenn man nur den VAG-E in seiner gegenwärtigen, eher lückenhaften Fassung zugrunde legt, den Charakter eines öffentlich-rechtlichen Beauftragten. Er hat Ansprechpartner für die Behörde zu sein, soweit es um die interne rechtliche Kontrolle des Un­ ternehmens geht und verdrängt damit teilweise die Geschäftsleitung als An­ sprechpartner, nämlich immer so weit, als es nicht unmittelbar um die Ge­ schäftsführung geht. Es ist daher nur konsequent, ihn bei der Novellierung des VAG als öffentlich-rechtlichen Beauftragten anzuerkennen. h) Fazit Anhand des §  29 VAG-E wird deutlich, dass das Gesetz, wenn es neue, gesell­ schaftsrechtlich unbekannte Kontrollinstanzen anerkennen will, auch deren Ausgestaltung regeln muss. Insbesondere bedarf es einer genauen Zuweisung von Aufgaben und Befugnissen intern und gegenüber Dritten, damit die Ins­ tanz Kontrolle wirksam ausüben kann. 4. Informationsbeziehungen der internen Revision (§  30 VAG-E) Die interne Revision, nach dem VAG-E, anders als noch nach §  64a VAG, eigen­ ständige Kontrollinstanz und nicht mehr Bestandteil des Risikomanagements, hat ihre Prüfungsergebnisse und Empfehlungen direkt an den Vorstand zu be­ richten (§  30 Abs.  2 S.  2 VAG-E in Umsetzung von Art.  47 Abs.  3 Solvency II). Sie dienen der Überwachung und Bewertung des internen Kontroll- und ­Gover­nance-Systems, Art.  47 Abs.  1 S.  2 Solvency II.177 Zur Häufigkeit der Berichte schweigt freilich Solvency II und in der Folge der VAG-E. Da die einzige Aufgabe der Revision in der Prüfung besteht, muss die­ se dauerhaft durchgeführt werden („audit cycle principle“).178 Permanente Be175  Veil, WM 2008, 1093, 1097. Für ein Tätigwerden nur im unternehmerischen Interesse dagegen Wolf, BB 2011, 1353, 1357. 176  Bürkle, CCZ 2010, 4, 10; Wolf, BB 2011, 1353, 1357. 177  Zu Änderungen in den Meldepflichten der Arbeitnehmer, die sich aus der Existenz der internen Revision ergeben, s. noch unten Teil 3 §  2 B. 178  CEIOPS L2 Final Advice on System of Governance, S.  52.

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richte in Abweichung von den allgemeinen hier skizzierten Grundsätzen dürf­ ten allerdings für den Vorstand eher lästig sein. Die europäische Versicherungs­ aufsicht empfiehlt, mindestens einmal jährlich einen umfassenden Bericht und im Übrigen laufend Berichte unabhängig von Beanstandungen zu verfassen.179 Bindend ist dies indes nicht, und die Empfehlung ist auch nicht sachgerecht: Der jährliche Bericht ist zur Kontrolle der internen Revision durch den Vorstand erforderlich. Darüber hinausgehender anlassloser Berichte bedarf es aber nicht, denn im Übrigen sind nur Beanstandungen für den Vorstand von Interesse. Es genügt daher neben der jährlichen eine anlassbezogene Berichterstattung. Der Gesetzgeber wäre gem. Art.  47 Abs.  3 Solvency II frei gewesen, auch eine Berichterstattung unmittelbar gegenüber dem Aufsichtsrat der Gesellschaft vorzusehen. Gegen eine solche Berichtspflicht der internen Revision spricht je­ doch das Aktienrecht mit seinen Wertungen. Die Geschäftsführung wie die Gesamtverantwortung liegen beim Vorstand (§  76 Abs.  1 AktG). Der Aufsichts­ rat überwacht diese nur. Es ist auch nicht ersichtlich, warum der Aufsichtsrat nicht auf seine Informationsrechte gegenüber dem Vorstand180 verwiesen wer­ den sollte, um Zugang zu den Berichten einzufordern. Das Interesse des Auf­ sichtsrats an der Information, die schließlich nur das Governance-System be­ trifft, ist regelmäßig keineswegs so hoch, dass ihm ein eigenständiges Zugangs­ recht gewährt werden müsste. Eine Berichtspflicht auch gegenüber dem Aufsichtsrat zu schaffen, ist damit nicht erforderlich. 5. Informationsbeziehungen der versicherungsmathematischen Funktion (§  31 VAG-E) Schließlich verlangt §  31 VAG-E erstmals für alle Versicherungsunternehmen die Einrichtung einer versicherungsmathematischen Funktion. Sie prüft die Be­ rechnung der solvabilitätsbilanziellen versicherungstechnischen Rückstellun­ gen und unterrichtet den Vorstand über deren Verlässlichkeit und Angemessen­ heit (§  31 Abs.  1 S.  2 Nr.  5 VAG-E). Allerdings muss sie nicht zwingend von ei­ nem Aktuar ausgefüllt werden.181 Die europäische Versicherungsaufsicht spricht zwar einige inhaltliche Empfehlungen zu den Berichten aus, macht je­ doch im Übrigen keine näheren Vorgaben.182 Lediglich §  31 Abs.  2 VAG-E betrifft noch die Informationsbeziehungen der versicherungsmathematischen Funktion. Sie hat Stellung zu nehmen zur allge­ meinen Zeichnungs- und Annahmepolitik und zur Angemessenheit der Rück­ versicherungsvereinbarungen. Die Norm entspricht damit Art.  48 Solvency II, ist jedoch, wie ihre unionsrechtliche Grundlage, nicht hinreichend klar: Wem 179 

CEIOPS L2 Final Advice on System of Governance, S.  52. S. Teil 3 §  1 B. II. 1. 181  BegrRegE 10. VAG-Novelle, BT-Drs. 17/9342, S.  148. 182  CEIOPS L2 Final Advice on System of Governance, S.  58. 180 

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gegenüber die Stellungnahme abzugeben ist, ob gegenüber dem Vorstand, dem Aufsichtsrat oder gegenüber gleichgeordneten Bereichen, für welche sie von In­ teresse wäre, etwa dem Vertrieb, ergibt sich weder aus Solvency II noch aus dem VAG-E. Die europäische Versicherungsaufsicht empfiehlt eine jährliche Stel­ lungnahme gegenüber Vorstand oder Aufsichtsrat.183 Dem Umstand Rechnung tragend, dass es bei der Zeichnungs- und Annahmepolitik um Fragen der Ge­ schäftsführung geht, muss die Stellungnahme richtigerweise nur gegenüber dem Vorstand abgegeben werden. Der VAG-E ist entsprechend zu konkretisieren. Auch im Übrigen bedarf es weder eines Informationsrechts des Aufsichtsrats noch sonstiger Personen gegen die versicherungsmathematische Funktion. Mit der Unterrichtung des Vorstands ist dafür gesorgt, dass bei Interesse der Auf­ sichtsrat und nach pflichtgemäßem Ermessen des Vorstands auch alle anderen Unternehmensbereiche und Hierarchieebenen von den Erkenntnissen und Stel­ lungnahmen des Verantwortlichen Aktuars in Kenntnis gesetzt werden. 6. Zusammenfassung Die bei der Neuregelung des KWG ersichtlich gewordenen Defizite der Vor­ schriften zu interner Transparenz beseitigt der Gesetzgeber bei der Umsetzung von Solvency II nicht. Zudem zeigt sich im VAG-E an einigen Stellen deutlicher Änderungsbedarf. So genügt etwa die nach §  26 Abs.  1 VAG-E geplante Regelung zur Berichter­ stattung des Risikomanagements gegenüber dem Vorstand zur Umsetzung von Art.  44 Abs.  1 S.  2 Solvency II nicht und ist anzupassen. §  26 Abs.  8 VAG-E ist so zu modifizieren, dass die in dieser Vorschrift ge­ nannten Aufgaben vom Risikomanagement zu erfüllen sind, ohne dass dafür zwingend die Installation einer eigenständigen Instanz „Risikocontrolling“ er­ forderlich ist. Einer solchen Instanz kommen daher auch keine gegenüber dem Risikomanagement eigenständigen Berichtspflichten zu. Die Rechtsstellung der Compliance-Funktion gem. VAG hat sich an der der Compliance-Funktion gem. WpHG zu orientieren. Die Stellung des Com­pliance-Beauftragten im VAG muss jedoch öffentlich-rechtlich ausgestal­ tet werden. Dem Compliance-Beauftragten gem. VAG ist unmittelbare Berichterstat­ tung zum Aufsichtsrat zu gestatten. Ihn muss die Pflicht treffen, der BaFin Ver­ stöße seines Unternehmens gegen das einschlägige Aufsichtsrecht (nach erfolg­ losem internen Klärungsversuch) zu melden. Der Vorsitzende des Aufsichtsrats muss außerdem dazu befugt sein, unmittelbar Kontakt zur ComplianceFunktion aufzunehmen. §  31 VAG-E ist dahingehend zu konkretisieren, dass die versicherungsmathe­ matische Funktion nur dem Vorstand zu berichten hat. 183 

CEIOPS L2 Final Advice on System of Governance, S.  58.

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III. Fazit Die prinzipienbasierte Aufsicht geht zurecht davon aus, dass den Unternehmen bei ihrer Geschäftsorganisation aus Gründen ihres Grundrechtsschutzes ein gewisser Handlungsspielraum einzuräumen ist. Damit lässt sich die Unbe­ stimmtheit zahlreicher Vorschriften184 rechtfertigen. Überregulierung und Re­ gelungslücken, wie sie die vorangegangene Untersuchung aufgezeigt hat, lassen sich unter Hinweis auf das Aufsichtsmodell aber nicht erklären. Nicht anders als das KWG will der VAG-E zwar interne Informationsbezie­ hungen präzisieren. Öfter noch als im KWG bleibt dies allerdings ohne Er­ kenntnisgewinn gegenüber arbeits- oder gesellschaftsrechtlichen Vorgaben.185 Umgekehrt lässt auch der VAG-E regelungsbedürftige Punkte offen. So werden die Informationsbeziehungen des Aufsichtsrats im Wesentlichen ausgeklam­ mert, obwohl angesichts seiner unsicheren Informationsrechte gegen Mitarbei­ ter des Unternehmens eine Regelung erforderlich wäre.186 Überdies bleiben die Informationsbeziehungen der internen Revision lückenhaft geregelt,187 und die Frage, wem welche Informationen über das ORSA mitzuteilen sind, überlässt der Normgeber ohne ersichtlichen Grund einer Klärung durch EIOPA.188 Auch bei der Ausgestaltung neu geschaffener Kontrollinstanzen zeigt der VAG-E dem KWG vergleichbare Schwächen, wie etwa an der nur in elemen­ tarsten Grundzügen skizzierten Position der Compliance-Funktion ersichtlich ist.189 Nach welchen Kriterien die Normgeber die interne Transparenz regeln oder zumindest zur Regelung auf untere Instanzen delegieren, bleibt ebenso unklar wie bei den entsprechenden bankenaufsichtsrechtlichen Vorschriften. Das führt hin zu den grundlegenden Problemen der Kontrolle durch interne Transparenz (sogleich C.).

C. Kritik und Folgerungen Europäische und deutsche Normgeber wollen mit der sog. prinzipienbasierten Aufsicht das Finanzaufsichtsrecht flexibilisieren, um den individuellen Beson­ derheiten des einzelnen Unternehmens besser Rechnung tragen und ihm so eine 184 

Z. B. die unklaren Voraussetzungen der Berichtspflicht gem. §  30 VAG-E. S. die Pflicht des Risikomanagements gem. §  27 Abs.  1 VAG-E, dem Vorstand (immer­ hin arbeitsrechtlich der Vorgesetzte) zu berichten, oben 1.; die Pflicht der versicherungsma­ thematischen Funktion gem. §  31 Abs.  1 S.  2 Nr.  5 VAG-E, dem Vorstand (noch einmal: dem Vorgesetzten) zu berichten, oben 5. 186 S. die unklaren Informationsbeziehungen zwischen Aufsichtsrat und Com­ plianceFunktion (oben 3. e)). 187  Soeben 4. 188  Oben 2. b). 189  Soeben 3. 185 

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größere Gestaltungsfreiheit belassen zu können.190 Aus diesem „Mehr“ an Frei­ heit folgt jedoch die Pflicht zu gesteigerter Selbstkontrolle.191 Der Stärkung der Selbstkontrolle dienen Geschäftsorganisationsvorschriften über die interne Transparenz, d. h. vor allem die Schaffung neuer Kontrollinstanzen und die Re­ gulierung von internen Informationsbeziehungen. Grundsätzlich ist dieser Ansatz geeignet, das öffentliche Interesse an der Funktionsfähigkeit (und damit an der Kontrolle) des Finanzdienstleistungssek­ tors mit den Interessen der Unternehmen in angemessenen Ausgleich zu ­bringen. Pflichten, bestimmte Kontrollinstanzen zu schaffen oder bestimmte Offenlegungs-, insbesondere Berichtspflichten zu erfüllen, berühren zwar Be­ rufsausübungsfreiheit und Unternehmensorganisationsfreiheit (Art.  12 Abs.  1, 2 Abs.  1 GG). Selbstkontrolle aber ist, wenn sie vom Unternehmen effektiv durchgeführt wird, die wohl wirksamste und am wenigsten eingriffsintensive Form der Kontrolle. Sie lässt Fehlverhalten im besten Fall gar nicht erst nach außen treten, sondern führt bereits vorher zu dessen Beseitigung, und dies bei größtmöglicher Freiheit des regulierten Unternehmens. Es muss nicht die Kon­ trolle von außen dulden, sondern darf sich selbst kontrollieren. Die unter B. gefundenen eher technischen Mängel insbesondere bei der na­tio­ nalen Umsetzung europäischer Vorgaben vermögen dieses Regelungsmodell nicht in Frage zu stellen. Sie lassen sich im Wesentlichen durch punktuelle Kor­ rekturen beseitigen. Allerdings haben sich bei der Untersuchung des Finanzaufsichtsrechts zur internen Transparenz auch einige grundsätzliche Probleme gezeigt, die Zweifel an der Geeignetheit dieses Regelungsmodells, die Funktionsfähigkeit des Fi­ nanzdienstleistungssektors zu sichern, aufkommen lassen. Die Anordnung in­ terner Transparenzpflichten wirkt mitunter beliebig, übermäßig oder, im Ge­ genteil, lückenhaft. Die Rechtssetzung wird mit dem Ziel der Flexibilisierung an verschiedene Ebenen delegiert,192 vor allem die Vorschriften höherer Regu­ lierungsebenen werden dadurch aber unbestimmt. Diese Probleme lassen sich überwiegend vermeiden oder beseitigen. Das Konzept „Selbstkontrolle durch interne Transparenz“ ist danach jedoch ein grundlegend anderes: I. Grundsätze für Vorschriften zur internen Transparenz Als Grundrechtseingriff dürfen die Vorschriften zur internen Transparenz nur soweit gehen, als sie erforderlich sind, mithin kein gleich geeignetes, milderes

190 Näher

Gal/Sehrbrock, S.  65. Bürkle, VersR 2011, 1469, 1476, 1478. 192  S. nur die Ausgestaltung der Informationsrechte von Risikocontrolling (Ziff.  7.2.1. un­ ter 3. lit.  b) MaRisk VA) und interner Revision (Ziff.  7.4 unter 3. MaRisk VA), auch nach der Neuregelung, s. oben B. II. 2. b), 4. 191 

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Teil 2: Transparenzpflichten von Finanzdienstleistungsunternehmen

Mittel besteht, ihr legitimes Ziel (die Selbstkontrolle der Unternehmen auf Ein­ haltung des Aufsichtsrechts) zu erreichen.193 Gleich geeignetes, milderes Mittel kann hier vor allem die Nichtregulierung sein. Schließlich bestanden insbesondere bei Versicherern bisher keine umfas­ senden Vorgaben zur Geschäftsorganisation,194 ohne dass sich die Versicherer deswegen besonders krisenanfällig gezeigt hätten. Bei internen Informationspflichten machen zudem das Gesellschaftsrecht und das Arbeitsrecht grundsätzlich ausreichende Vorgaben.195 Zwar sind insbe­ sondere die arbeitsrechtlichen Prinzipien stets sehr unbestimmt und überdies ungeschrieben. Angesichts der Vielgestaltigkeit der potentiell offenlegungsbe­ dürftigen Sachverhalte ist ihre Konkretisierung im Voraus aber nicht möglich. Mit einer Verschriftlichung der zivilrechtlichen Prinzipien, wie sie sich derzeit im Finanzaufsichtsrecht teilweise findet, werden weder die internen Informa­ tions­flüsse verbessert noch wird Rechtssicherheit hergestellt. Lediglich soweit das Zivilrecht, insbesondere das Gesellschaftsrecht mit seinen gesetzlichen Vor­ gaben, lückenhaft ist, oder es aufgrund der Besonderheiten des Wirtschafts­ zweigs besonderer Gestaltung bestehender Informationsbeziehungen bedarf, kann eine finanzaufsichtsrechtliche Regelung erforderlich sein. So kann es ge­ boten sein, die Offenlegungspflichten gleichrangig auf derselben Hierarchie­ stufe stehender Mitarbeiter196 oder die Informationsbeziehungen des Aufsichts­ organs zu einzelnen Unternehmensangehörigen zu regeln.197 Instrument, ausreichende Informationsflüsse im Unternehmen zu sichern, kann im Ergebnis aber nicht das Aufstellen von inhaltlich notwendigerweise stets unbestimmten Offenlegungspflichten sein. Stattdessen haben die Norm­ geber materielle Vorgaben zu finden und auf ihre Einhaltung hinzuwirken. Überdies müssen zivil- und strafrechtliche Haftung insbesondere den Organ­ mitgliedern Anreiz bieten, sich rechtmäßig zu verhalten198 und sich um fehler­ freie Aufgabenerfüllung zu bemühen.199 193  Zur Erforderlichkeit staatlicher Maßnahmen BVerfG, Beschl. v. 9.3.1994 – 2 BvL 43/92, 51/92, 63/92, 64/92, 70/92, 80/92, 2 BvR 2031/92, BVerfGE 90, 145, 173; Beschl. v. 14.10.1975 – 1 BvL 35/70, 1 BvR 307/71, 1 BvR 61/73, 1 BvR 255/73, 1 BvR 195/75, BVerfGE 40, 196, 227. 194  S. oben A. 195  Zu ihnen noch Teil 3 §§  1, 2. 196  S. z. B. die zu offene Formulierung des §  28 Abs.  1 VAG-E zur Mitteilung der Ergebnis­ se des ORSA. 197  Eine (partielle) Regelung der Informationsbeziehungen des Aufsichtsrats zu Unterneh­ mensangehörigen enthält Art.  76 Abs.  5 UAbs.  3 CRD IV, näher oben I. 1. b) und 4. 198  Zur verhaltenssteuernden Wirkung von Zivilrecht Wagner, AcP 206 (2006), 352 ff.; zur Steuerungsfunktion des Haftungsrechts Bachmann, in: Steuerungsfunktionen, S.  93, 95 f.; speziell zur verhaltenssteuernden Wirkung der Vorstandshaftung Ihrig, in: Steuerungsfunk­ tionen, S.  17, 18; Wagner, ZHR 178 (2014), 227 ff. 199  Dieser Erwägung ist etwa die Verschärfung der Organhaftung für börsennotierte Ak­ tiengesellschaften und Kreditinstitute im Jahr 2010 geschuldet, durch das Gesetz zur Res­ trukturierung und geordneten Abwicklung von Kreditinstituten, zur Errichtung eines Res­ trukturierungsfonds für Kreditinstitute und zur Verlängerung der Verjährungsfrist der akti­

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Da die Unbestimmtheit den Vorschriften zu den internen Informationsbezie­ hungen stets immanent ist, ist Zurückhaltung bei der Normsetzung nicht nur auf nationaler, sondern auch auf europäischer Ebene geboten. Die durch Solven­ cy II teilweise entstehende Doppelregulierung der Informationsbeziehungen durch Aufsichts- und Zivilrecht mag zwar eine Besonderheit des deutschen Rechts sein. Gerade weil aber die arbeits- und gesellschaftsrechtlichen Regelun­ gen zu internen Informationsbeziehungen von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat variieren, muss das europäische Recht dem Rechnung tragen und von der An­ ordnung interner Informationsbeziehungen absehen. Zumindest aber muss der deutsche Gesetzgeber sich vor Augen halten, dass europäische Richtlinien zwar „eins zu eins“ umzusetzen sind,200 dass sie aber auch dann als umgesetzt ange­ sehen werden können, wenn im nationalen Recht im Ergebnis inhaltsgleiche (zivil- oder öffentlich-rechtliche, geschriebene oder ungeschriebene) Prinzipien bereits bestehen.201 Soweit nicht Einzelnen individuelle Ansprüche aus der Richtlinie erwachsen sollen, 202 genügt für die Umsetzung von Richtlinien, wenn ein allgemeiner rechtlicher Rahmen ihre innerstaatliche Anwendung si­ cherstellt.203 Auch zur Schaffung neuer Kontrollinstanzen dürfen die Unternehmen nur soweit verpflichtet werden, als die Selbstkontrolle ohne sie nicht gesichert ist. Hier ist zu differenzieren: Eine bestimmte Aufgabe mag erfüllt werden müssen. Die Pflicht, dazu eine neue Instanz zu schaffen, ist allein deswegen aber noch nicht gerechtfertigt.204 Erforderlich ist eine neue Kontrollinstanz nur, wenn Aufgaben erfüllt werden müssen, die nicht durch andere Instanzen übernom­ men werden können, z. B. weil nach der Art der zu erfüllenden Aufgaben die zuständige Instanz organisatorisch unabhängig sein muss.205

enrechtlichen Organhaftung vom 9. Dezember 2010, Restrukturierungsgesetz, BGBl.   I S.  1900. Zur verhaltenssteuernden Wirkung der Vorstandshaftung etwa Ihrig, in: Steuerungs­ funktionen, S.  17, 18. 200  Diese Notwendigkeit betonend Bachmann, in: Verhandlungen des 68. Deutschen Ju­ ristentages, S.  13, 14 f. 201  Z. B. hier §  9 0 AktG, der die Umsetzung von Art.  76 Abs.  4 CRD IV zu den Informa­ tions­beziehungen von Vorstand und Aufsichtsrat entbehrlich macht. 202 Dann muss die Umsetzung den Erfordernissen der „Publizität, Klarheit und Be­ stimmtheit“ genügen, um dem Berechtigten deutlich zu machen, unter welchen Vorausset­ zungen er über welche Ansprüche verfügt, EuGH, Urt. v. 22.4.1999 – C-340/96, Slg. 1999, I-2023, Rn.  37 (Kommission/Vereinigtes Königreich); Urt. v. 20.3.1997 – C-96/95, Slg. 1997, I-1653 Rn.  39 (Kommission/Deutschland); Urt. v. 23.3.1995 – C-365/93, Rn.  9, Slg. 1995, I-499 (Kommission/Griechische Republik). 203  EuGH, Urt. v. 20.3.1997 – C-96/95, Slg. 1997, I-1653, Rn.  35 (Kommission/Deutsch­ land); Urt. v. 23.5.1985 – C-29/84, Slg. 1985, 1661, Rn.  23 (Kommission/Deutschland). 204  S. nur das Risikocontrolling, oben B. II. 2. a). 205  S. etwa die Compliance-Funktion, oben B. II. 3.

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Teil 2: Transparenzpflichten von Finanzdienstleistungsunternehmen

Ist aber eine Kontrollinstanz erforderlich, so muss sie auch umfassend gere­ gelt werden, in Aufgaben, Kompetenzen und Informationsbeziehungen.206 Die Unbestimmtheit der Transparenzvorschriften geht dadurch zurück, ebenso wie Regelungslücken, die zu Rechtsunsicherheit führen und die Effektivität der Kontrollinstanz infrage stellen könnten. Kann umgekehrt den Unternehmen in nennenswertem Umfang die nähere Ausgestaltung einer Kontrollinstanz über­ lassen werden, ist dies ein Indiz dafür, dass insgesamt die Kontrollinstanz nicht erforderlich ist, mithin ein Regelungsbedürfnis nicht besteht. Bei Anwendung dieser Leitlinien nimmt die Zahl der Transparenzvorschrif­ ten ab, ihre Bestimmtheit und Aussagekraft aber nimmt zu, und dies löst zu­ gleich im Wesentlichen das Problem, dass für die finanzaufsichtsrechtliche Geschäfts­organisation zahlreiche unterschiedliche, sich teilweise widerspre­ chende, europäische und nationale Regelungsebenen bestehen.207 Das Mehrebe­ nensystem bleibt zwar. Je weniger und je detailliertere Vorgaben aber schon Gesetz oder Richtlinie machen, desto weniger Raum bleibt für Widersprüche durch untergesetzliches Recht. Diese Lösung entspricht damit auch in besonde­ rer Weise dem Rechtsstaatsprinzip. Der Wesentlichkeitsgrundsatz als dessen Ausprägung verlangt, grundrechtswesentliche Entscheidungen vom Parlament treffen zu lassen.208 Faustformel für die Aufteilung muss daher sein, dass nur dort untergesetzlich geregelt werden darf, wo dies aufgrund von Flexibilität oder größerem Knowhow der untergesetzlichen Normgeber, z. B. der Auf­ sichtsbehörde, erforderlich ist (weil etwa bestimmte Regelungen zeitnah aktua­ lisiert oder angepasst werden müssen). II. Folgerungen für das Verständnis der prinzipienbasierten Aufsicht Aus dem Vorstehenden kann nicht gefolgert werden, finanzaufsichtsrechtliche Geschäftsorganisationspflichten seien insgesamt nicht sinnvoll oder nicht ver­ fassungskonform. Im Gegenteil können sie zur Selbstkontrolle des Unterneh­ mens erheblich beitragen. So ist es der Kontrolle förderlich und in dieser Form auch im Gesellschaftsrecht noch nicht verankert, bestimmte Anforderungen an die Fähigkeiten insbesondere der Organmitglieder zu stellen (s. den „fit and proper“-Test gem. §  24 VAG-E). Die hier aufgestellten Leitlinien sind aber eine deutliche Korrektur der Pflich­ ten zur internen Transparenz und zugleich der prinzipienbasierten Aufsicht.

206  S. das Beispiel der Compliance-Funktion, oben B. II. 3., wenn man davon ausgeht, sie sei erforderlich. 207  Kritik an der Delegation der Rechtssetzung auch bei Bürkle, VersR 2009, 866, 867, 873; Dreher, VersR 2008, 998, 1002; Dreher/Lange, VersR 2011, 825, 829. 208  S. z. B. BVerfG, Beschl. v. 21.12.1977 – 1 BvL 1/75, 1 BvR 147/75, BVerfGE 47, 46, 78 ff. Im Unionsrecht ist der Kommission (allein) nur der Erlass „nicht wesentlicher“ Vorschriften gestattet, s. Art.  290 Abs.  1 AEUV.

§  1 Transparenz zur internen Kontrolle

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Der Vorbehalt der Erforderlichkeit schließt im Ergebnis die Regelung inter­ ner Informationsbeziehungen grundsätzlich aus, ebenso die Pflicht zur Instal­ lation neuer Kontrollinstanzen. Ist ausnahmsweise die Schaffung einer neuen Kontrollinstanz erforderlich, wird die Regelungsdichte zwar größer als bis­ her.209 Insgesamt nimmt sie bei dem hier vorgeschlagenen Regelungsmodell durch strenge Handhabung des Erforderlichkeitsgrundsatzes jedoch eher ab. Dies entspricht dem System der prinzipienbasierten Aufsicht. Prinzipienba­ siertheit darf nicht heißen, dass es genügt, wenn die Unternehmen bestimmte quantitative Prinzipien erfüllen, etwa bestimmte Prozesse einhalten oder eine bestimmte Geschäftsorganisation vorweisen. Der Prinzipienbasiertheit ent­ spricht es viel eher, qualitativ, inhaltlich zu regulieren, bestimmte materielle Ziele vorzugeben, die die Unternehmen selbständig erreichen müssen. Es kommt nicht auf den Prozess an, mit dem ein bestimmtes materielles Ziel er­ reicht wird, sondern auf die Zielerreichung selbst. Umgekehrt darf sich ein Un­ ternehmen, das die Aufsichtsziele nicht erreicht hat, nicht damit entschuldigen dürfen, es habe jedenfalls alle aufsichtsrechtlich vorgeschriebenen Prozesse ein­ gehalten. Verkennen die Normgeber dies, kann die Regulierungsdichte bei prinzipien­ basierter Aufsicht am Ende sogar höher sein als bei regelungsbasierter: Die prinzipienbasierte Aufsicht gibt dann nicht nur inhaltliche Ergebnisse vor, son­ dern auch unternehmensinterne Prozesse, und auch diese wiederum müssen von der Aufsichtsbehörde überwacht werden. Auf den ersten Blick mag eine klare materielle aufsichtsrechtliche Regel, die nur erfüllt oder nicht erfüllt sein kann, einen schwereren Eingriff in die Berufs­ ausübungsfreiheit darstellen als die Vorgabe eines Prinzips für ein bestimmtes unternehmensinternes Verfahren. Bei näherer Betrachtung aber ist die inhaltli­ che Regulierung effektiver als die Regulierung von unternehmensinternen Pro­ zessen, insbesondere als der Versuch, Transparenz herzustellen. Ist die inhaltli­ che Vorgabe erfüllt, muss die Aufsichtsbehörde sich mit der Frage, wie dieses Ergebnis zustande gekommen ist, nicht näher befassen. Umgekehrt bedarf es aber der „Nachregulierung“, wenn das Unternehmen zwar die richtigen Pro­ zesse einsetzt, aber dennoch zu keinem aufsichtsrechtlich wünschenswerten Ergebnis kommt. Prinzipienbasiertheit muss daher heißen, den Unternehmen weniger quantitative und mehr qualitative Vorgaben zu machen. III. Folgerungen für Kontrolle durch Transparenz Kontrolle durch Transparenz setzt voraus, so zeigt §  1, dass eine Kontroll­ instanz besteht, der ein hinreichend bestimmter Kontrollmaßstab an die Hand gegeben ist. Erst wenn den Unternehmen (als grundsätzlich geeigneter Kon­ 209  S. nur die für die Installation einer Compliance-Funktion erforderlichen Regelungen, oben B. II. 3.

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Teil 2: Transparenzpflichten von Finanzdienstleistungsunternehmen

trollinstanz) ein materielles Ergebnis vorgegeben wird (Erreichen bestimmter aufsichtsrechtlich festgelegter finanzieller Kennzahlen), können sie die vorhan­ denen Informationen ausreichend bewerten. Der Kontrollmaßstab ist zugleich auch für die Offenlegungspflichten bedeutsam. Ist der Kontrollmaßstab deut­ lich, ist die mitzuteilende Information damit klar umrissen, und der zielgerich­ tete Austausch von Informationen trägt zur Transparenz bei. Aus der Offenle­ gung bestimmter Umstände allein folgt, anders als das Zitat am Beginn dieser Arbeit nahelegen könnte, hingegen keine interne Kontrolle.

§  2 Transparenz zur Kontrolle durch einzelne Private Transparenz soll auch den mündigen (externen) 210 Privaten 211 zur Kontroll­ instanz für Finanzdienstleistungsunternehmen machen. Hierzu verwendet der Gesetzgeber nicht nur zivilrechtliche Offenlegungspflichten der Unternehmen, sondern ordnet auch in öffentlich-rechtlichen Vorschriften Information des (potentiellen) Vertragspartners212 an. Die gegenwärtige Rechtslage hält dieses Konzept aber nicht völlig durch, und vor allem die steigende Zahl aktiver Of­ fenlegungspflichten der Unternehmen wirft die Frage auf, welchen Leitlinien die Transparenzpflichtengesetzgebung im Verhältnis der Privaten untereinan­ der zu folgen hat.

A. Transparenz für Kunden als Ziel von Offenlegungspflichten Die Beziehung des Finanzdienstleistungsunternehmens zum (potentiellen) Kunden als Beziehung zweier gleichgeordneter Privater wird nicht allein durch das Zivilrecht geregelt. Zwar sehen BGB und VVG Offenlegungspflichten vor. Daneben verpflichten aber auch verschiedene öffentlich-rechtliche Regelungen 210 

In Abgrenzung zur internen Transparenz (soeben §  1). geht um Kontrolle durch einzelne Private, durch Individuen, in Abgrenzung zur Offenlegung gegenüber einer unbestimmten Vielzahl von Personen als Kollektiv (Öffentlich­ keit). Dazu noch sub §  4. 212  Im Einzelnen hat jedes Gesetz einen eigenen Begriff für den (potentiellen) Vertrags­ partner. So geht es um potentielle Versicherungsnehmer im VVG, um Verbraucher im BGB, wobei die Begriffe nicht deckungsgleich sind: §  7 VVG dehnt fernabsatzrechtliche Vorgaben (s. Art.  3 und 5 der Fernabsatzlinie II) im Sinne der Vereinheitlichung und Praktikabilität auf alle Versicherungsverträge aus (RegBegr VVG 2008, BT-Drs. 16/3945, S.  48, 59). Von „Ver­ tragspartnern“ spricht bspw. §  7 Abs.  1 S.  1 AltZertG. Um Verwechselungen zu vermeiden, wird, soweit nicht auf ein bestimmtes Gesetz und seine Terminologie Bezug genommen wird, im Folgenden der allgemeine Begriff des Kunden oder Privaten verwendet. Auch wenn es sich nicht bereits um Kunden, sondern nur um Vertragsinteressenten handelt, wird im Folgenden von „Kunden“ gesprochen. 211  Es

§  2 Transparenz zur Kontrolle durch einzelne Private

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zur Offenlegung bestimmter Informationen vor und nach Vertragsschluss. Je nach Art des angebotenen Vertrags finden sie sich etwa im AltZertG, in der PRIIP-VO,213 im WpHG oder im VermAnlG. Unabhängig von der Frage, in­ wieweit diesen öffentlich-rechtlichen Vorschriften auch zivilrechtliche Wir­ kungen zukommen, sie etwa Schutzgesetze i. S. d. §  823 Abs.  2 BGB darstellen können,214 wirken sie faktisch unmittelbar auf die Beziehung der privaten Betei­ ligten ein. Gemeinsam ist den öffentlich-rechtlichen und den zivilrechtlichen Vorschrif­ ten auch das Konzept der Kontrolle durch Transparenz. I. Zivilrechtlicher Ansatz: Information des mündigen Privaten Das den zivilrechtlichen Offenlegungspflichten zugrunde liegende Kontroll­ konzept lässt sich allerdings nicht auf den ersten Blick ausmachen. Das Zivil­ recht unterscheidet aus der Sicht des Unternehmens aktive Offenlegungspflich­ ten – standardisierte Informationspflichten sowie die gesetzlich nicht geregelten Aufklärungspflichten 215 – von passiven Offenlegungspflichten, meist in Form von Auskunftsansprüchen.216 1. Einheitliches zivilrechtliches Konzept von Kontrolle durch Transparenz Aktive und passive Offenlegungspflichten unterscheiden sich nicht nur in ihrer Konstruktion, sondern auch in ihrem Ziel und ihrer Funktion, sodass hier Un­ klarheiten entstehen können über die Bedeutung, die Transparenz für zivil­ rechtliche Kontrolle nach dem gesetzgeberischen Konzept haben soll. Passive Offenlegungspflichten und Aufklärungspflichten sollen Transparenz herstel­ len, indem sie dem Anspruchsteller die im Einzelfall konkret erforderlichen In­ formationen verschaffen. Diese sind Voraussetzung für die Ausübung von indi­ vidueller Kontrolle, insbesondere für die Geltendmachung von Ansprüchen. Es profitiert von ihnen allein der Anspruchsteller. Allenfalls Nebenfolge ist die Befriedigung eines öffentlichen Interesses, wenn man davon ausgeht, dass die erfolgreiche individuelle Rechtsdurchsetzung stets auch im öffentlichen Inter­ esse liegt.217 Die Herstellung von Transparenz ist hier nur Mittel zum Zweck:

213  Verordnung (EU) Nr.  1286/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. November 2014 über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanle­ ger und Versicherungsanlageprodukte (PRIIP), ABl.  EU Nr. L 352 S.  1 ff. 214  Dazu BGH, Urt. v. 17.9.2013 – XI ZR 332/12, NZG 2013, 1226, 1227 f.; zur Rechtsnatur der finanzaufsichtsrechtlichen Pflichten im Verhältnis zum Kunden eingehend Koch, ZBB 2014, 211 ff. 215  Zu ihnen etwa noch B. II. 2. 216  Definition der Auskunft bei Haeffs, S.  60. 217  Säcker, in: Hauer/Rudkowski (Hrsg.), S.  9, 18 spricht auch vom Gemeinwohldienst als „Abfallprodukt“ der Privatautonomie.

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Teil 2: Transparenzpflichten von Finanzdienstleistungsunternehmen

Der Private wird informiert, damit er eine seinen Interessen entsprechende Ent­ scheidung treffen kann. Die verstärkt seit den 1990er Jahren 218 vom Gesetzgeber geschaffenen Infor­ mationspflichten hingegen sollen nicht nur der konkret informierten Person, sondern auch dem Markt und damit der Allgemeinheit dienen, und machen da­ für Transparenz zum Mittel der Kontrolle.219 Das mit ihnen verfolgte Konzept ist eng verbunden mit wirtschaftswissenschaftlichen Theorien, mit Abwand­ lungen der Neoklassik und mit der Neuen Institutionenökonomik: Funktions­ störungen des Marktes (wie etwa eine größere Nachfrage nach eigentlich min­ derwertigen, überteuerten Produkten) kommen zustande, weil Informationen über die Produkte zwischen Anbietern und Kunden ungleich verteilt sind.220 Beim Kunden besteht grundsätzlich ein Informationsdefizit. Er ist schlechter über die angebotenen Produkte informiert als die Anbieter. Daher muss er von ihnen standardmäßig die für eine sinnvolle Vertragsentscheidung typischerwei­ se notwendigen Informationen erhalten, um eine „informierte“ Entscheidung über den Abschluss des Vertrages treffen zu können.221 Werden ihm die not­ wendigen Informationen mitgeteilt, entscheidet er sich, Nutzenmaximierer und „homo oeconomicus“, der er ist, für das Produkt, das seinen Interessen am bes­ ten entspricht.222 Geschieht dies in vielen Einzelfällen, setzen sich die objektiv betrachtet besten Produkte und besten Anbieter durch, schwächere Konkur­ renten werden vom Markt verdrängt.223 Vereinfacht gesprochen soll so aus Markttransparenz Marktdisziplin folgen. Nach Vertragsschluss bedarf es der Informationspflichten daher grundsätzlich nur noch, wenn sich Umstände än­ dern und dem Kunden die Überprüfung seiner Vertragsentscheidung ermög­ licht werden muss.224 Schon die rationale Vertragsentscheidung fördert Pro­ duktqualität 225 und Wettbewerb226 und damit individuellen und kollektiven Kundenschutz. 218 

Beginnend mit §  5 Verbraucherkreditgesetz in seiner Fassung vom 17.12.1990. In diesem zweiten Ansatz liegt eine Parallele zum Kapitalmarktrecht, das den Anleger aufgrund seiner Funktion für den Markt schützen will, s. Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 383; Mülbert, ZHR 177 (2013), 161, 172. 220  Modell nach Akerlof, Q.J.Econ. 84 (1970), 488 ff. Anschauliche Darstellung bei Fleischer, S.  121 ff. 221  Näher z. B. zur Anlageentscheidung Mülbert, ZHR 177 (2013), 160,164 ff. 222  Um nichts anderes geht es letztlich, wenn Riesenhuber den Zweck der Informations­ pflichten in der Sicherung des Vertragszwecks, der Aufklärung über potentiell gefährliche Verpflichtungen, der Vermeidung von Irreführung und der Herstellung von Markttranspa­ renz sieht, Riesenhuber, in: Riesenhuber (Hrsg.), S.  213, 222. 223 Ausf. Ihle, S.  71 ff. 224  So zu den Informationspflichten des §  492a Abs.  1, 2 (jetzt §  493 Abs.  1, 2 BGB) der Be­ richt des Finanzausschusses, BT-Drs. 16/9821, S.  15. 225  Ihle, S.  71; M. Müller, VersR 2003, 933, 935. 226 RegE VVG 2008, BT-Drs. 16/3945, S.   47; Albers/Ortler, GewArch 2009, 225, 226; ­Dauner-Lieb S.  6 4 f.; Kasten, S.  33 ff. (aus dem Kapitalmarktrecht); Scherer, WRP 2008, 708, 710; Veelken, WRP 2004, 1, 10 (jew. aus dem Lauterkeitsrecht). 219 

§  2 Transparenz zur Kontrolle durch einzelne Private

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Aktive und passive Offenlegungspflichten scheinen somit darauf hinzudeu­ ten, dass der Gesetzgeber hier völlig unterschiedliche Konzepte verfolgt.227 Allein ihre unterschiedliche Begründung kann allerdings nicht entscheidend sein, anzunehmen, dass aktive und passive Offenlegungspflichten zueinander in Widerspruch stehen. Auch die passiven Offenlegungspflichten gehen schließ­ lich davon aus, dass Informationsdefizite bestehen, die auszugleichen sind. Um die beiden Regelungstypen in ihrer Zielsetzung weiter anzunähern, müsste nur betont werden, dass auch an individueller Rechtsdurchsetzung ein öffentliches Interesse besteht, und dass durch individuelle Rechtsdurchsetzung der Markt gelenkt werden kann. Die unterschiedliche Konstruktion der beiden Regelungstypen könnte sich außerdem mit Zweckmäßigkeitserwägungen begründen lassen. Sind für viele Verträge stets die gleichen Informationen bedeutsam, erleichtert es den Rechts­ verkehr, wenn etwa statt individueller Auskunftsansprüche Informations­ pflichten normiert werden. 2. Insbesondere: Das Leitbild des mündigen Privaten Dass das Nebeneinander von passiven und aktiven Offenlegungspflichten kei­ nen unauflöslichen Widerspruch darstellt, verdeutlicht aber vor allem das Ver­ haltensmodell, das Leitbild des Privaten, von dem der Gesetzgeber bei Anord­ nung der Offenlegungspflichten ausgeht. Dem BGB in seiner ursprünglichen Form liegt bekanntlich das Bild der mün­ digen Privaten zugrunde.228 Die Privatrechtssubjekte stehen sich frei und in for­ maler Gleichordnung gegenüber, sollen und können eigenverantwortlich ihre Rechtsbeziehungen untereinander regeln.229 Dies entspricht dem Menschenbild des Grundgesetzes:230 Eine auf Anerkennung der Menschenwürde basierende, freiheitliche Rechtsordnung muss von der grundsätzlichen Fähigkeit des Ein­ zelnen zur Selbstbestimmung ausgehen.231 Art.  2 Abs.  1 GG belässt mit der all­ gemeinen Handlungsfreiheit jedem das Recht zur freien Lebensgestaltung ein­

227 

In diese Richtung Xu, in: Verhandlungen des 69. Deutschen Juristentages, S.  112 f. Canaris, AcP 200 (2000), 273, 292; Hillgruber, in: Riesenhuber (Hrsg.), S.  165, 171 f.; Limbach, JuS 1985, 10, 11; Reich/Micklitz, S.  17; Schlosser, in: Schlosser (Hrsg.), Bürgerliches Gesetzbuch, S.  5, 10 f. Ausf. Dauner-Lieb, S.  51 ff.; Schünemann, in: FS Brandner, S.  279, 282 ff. 229  BVerfG, Beschl. v. 19.10.1993 – 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89, BVerfGE 89, 214, 232; BVerfG, Urt. v. 26.7.2005 – 1 BvR 80/95, BVerfGE 114, 73, 89; Beschl. v. 7.2.1990 – 1 BvR 26/84, BVerfGE 81, 242, 254; Beschl. v. 13.5.1986 – 1 BvR 1542/84, BVerfGE 72, 155, 170; Honsell, in: Staudinger, Einl. zum BGB Rn.  33 f. 230  BVerfG, Urt. v. 26.7.2005 – 1 BvR 80/95, BVerfGE 114, 73, 89; Beschl. v. 7.2.1990 – 1 BvR 26/84, BVerfGE 81, 242, 254; Beschl. v. 13.5.1986 – 1 BvR 1542/84, BVerfGE 72, 155, 170. Und dies trotz grundrechtlicher Schutzpflichten, Schön, in: FS Canaris I, S.  1191, 1202. 231  Hillgruber, in: Riesenhuber (Hrsg.), S.  165, 171 f. 228 

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Teil 2: Transparenzpflichten von Finanzdienstleistungsunternehmen

schließlich der Gestaltung seiner Rechtsbeziehungen, 232 gewährleistet mithin die Privatautonomie.233 Die Informationen, derer es bedarf, diese Gestaltung vorzunehmen, muss sich der Einzelne in einer auf Eigenverantwortung ausgerichteten Gesellschaft grundsätzlich selbst beschaffen. Es besteht ein Grundsatz informationeller Ei­ genverantwortung, kein Grundsatz der Transparenz Privater für Private. Sehr deutlich macht dies das BGB mit Auskunfts- oder Einsichtsansprüchen wie §§  666 Fall 2, 810, 811 BGB: Der mündige Private beschafft sich selbst die Infor­ mation, die er benötigt, für jeden Einzelfall, in dem er ihrer anerkennenswerter­ weise bedarf. Er tritt aktiv einem Anspruchsgegner gegenüber. Diesem Modell folgt auch die Rechtsprechung, wenn sie das BGB aus Gründen der Billigkeit 234 um den ungeschriebenen Auskunftsanspruch gem. §  242 BGB korrigiert.235 Der Anspruchsteller kann (nur) aufgrund eines anerkennenswerten Informations­ bedürfnisses im Einzelfall vom Anspruchsgegner die erforderliche Auskunft verlangen. Er muss den Anspruch selbst geltend machen. Nur in Ausnahmefäl­ len, angesichts des überragenden Informationsinteresses des Kunden an für den Vertragsschluss wesentlichen Umständen, wird dessen Gegenpartei durch Auf­ klärungspflichten zur unaufgeforderten Offenbarung dieser Umstände ver­ pflichtet, 236 eng angelehnt an die Grundsätze von Treu und Glauben.237 Die mitzuteilende Information aber ist auch hier abgestimmt auf den individuellen Fall. Dass dem hier zum Ausdruck kommenden Prinzip der informationellen Ei­ genverantwortung auch die Informationspflichten entsprechen, ist nicht ohne Weiteres einleuchtend. Sie bewirken schließlich, dass dem Kunden unabhängig von seinem konkreten Informationsbedürfnis Informationen mitgeteilt wer­ den, standardisiert und mit dem Inhalt, wie der Gesetzgeber ihn festgelegt hat. 232  Daneben bestehen thematisch speziellere Grundrechte, etwa die Gewährleistung des Erbrechts durch Art.  14 GG, Hillgruber in: Riesenhuber (Hrsg.), S.  165, 169. 233  BVerfG, Urt. v. 26.7.2005 – 1 BvR 80/95, BVerfGE 114, 73, 89; Beschl. v. 7.2.1990 – 1 BvR 26/84, BVerfGE 81, 242, 254; Beschl. v. 13.5.1986 – 1 BvR 1542/84, BVerfGE 72, 155, 170; eingehend Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art.  2 Rn.  101 ff., 106. 234  St. Rspr. seit BGH, Urt. v. 28.10.1953 – II ZR 149/52, BGHZ 10, 385, 386 f .; davor schon RG, Urt. v. 23.4.1910 – I 217/09, RGZ 73, 286, 288. 235  Voraussetzungen im Einzelnen: Es muss ein Rechtsverhältnis vorliegen, dessen Wesen es mit sich bringt, dass der Berechtigte entschuldbarerweise über Bestehen und Umfang sei­ nes Rechts im Ungewissen, der Verpflichtete aber in der Lage ist, unschwer die zur Beseiti­ gung der Ungewissheit erforderliche Auskunft zu erteilen, BGH, Urt. v. 6.2.2007 – X ZR 117/04, NJW 2007, 1806; Urt. v. 28.10.1953 – II ZR 149/52, BGHZ 10, 385, 387. 236  Es geht stets um Umstände, die für die Vertragsentscheidung der zu informierenden Partei von wesentlicher Bedeutung sind, s. etwa BGH, Urt. v. 16.12.2009 – VIII ZR 38/09, NJW 2010, 858; Urt. v. 4.4.2001 – VIII ZR 32/00, NJW 2001, 2163; Urt. v. 6.2.1976 – V ZR 44/74, WM 1976, 401. 237  BGH, Urt. v. 1.2.2013 – V ZR 72/11, auf juris.de; RG, Urt. v. 7.7.1925 – II 494/24, RGZ 111, 233, 234.

§  2 Transparenz zur Kontrolle durch einzelne Private

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Eine aktive Geltendmachung eines Anspruchs oder auch nur das Vorliegen ei­ nes Informationsbedürfnisses wird hier nicht verlangt. Soll außerdem der Adressat der Information erst durch sein Gegenüber in die Lage versetzt werden, eine „informierte Entscheidung“ anhand der wesentli­ chen Merkmale des Vertragsangebots zu treffen, 238 legt dies nahe, dass er selbst nicht in der Lage ist, sich die erforderlichen Informationen selbst zu verschaf­ fen.239 Er entspricht damit nicht dem Bild des mündigen Privaten. Nur ein pas­ siver, unmündiger Kunde, der dem Unternehmer intellektuell 240 und wirt­ schaftlich 241 (aufgrund fehlender Marktmacht) unterlegen ist und in einer kom­ plexen Umwelt die für den Abschluss von Rechtsgeschäften maßgeblichen Marktverhältnisse nicht abschätzen kann, ebenso wenig wie die rechtlichen Konsequenzen eines Vertragsschlusses, muss über Informationspflichten ge­ schützt werden.242 Der homo inferior wäre damit Leitbild der Informations­ pflichtengesetzgebung.243 Aktive und passive Offenlegungspflichten gingen von zwei sich widersprechenden Verhaltensmodellen aus. Allerdings muss aus der Abweichung vom Prinzip der informationellen Ei­ genverantwortung durch die Informationspflichten, der Umkehr der Informa­ tionsbeschaffungslast, keine Abweichung vom Leitbild des mündigen Privaten folgen. Die Ursprünge der beiden Regelungskonzepte lassen sich jeweils auf die der Ökonomie entlehnte „Rational Choice-Theorie“ zurückführen, einem Verhal­ tensmodell, das auch Eingang in die Soziologie gefunden hat.244 Es geht vom homo oeconomicus aus, der eine rationale Vertragsentscheidung anhand der notwendigen Informationen trifft, in dem Bestreben, seinen persönlichen Nut­

238  Zum Verbraucherkreditrecht ErwGr. 24 von RL 2008/48/EG des euopäischen Parla­ ments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates, ABl.  Nr. L 133, S.  66 ff.; s. auch EuGH, Urt. v. 18.12.2014 – C-449/13, ABl.  EU 2015, Nr. C 65, S.  9, Rn.  42 („volle Sachkenntnis“). Zum Versicherungs­ recht RegE VVG 2008, BT-Drs. 16/3945, S.  47. Außerhalb des Finanzdienstleistungsrechts, etwa zu §  312c BGB a. F. (jetzt mit Änderungen §  312d BGB n. F.), Begr. RegE (FARL), BTDrs. 14/2658, S.  38. 239  In diese Richtung das BVerfG in seiner „Bürgschaftsentscheidung“, BVerfG, Beschl. v. 19.10.1993 – 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89, BVerfGE 89, 214 ff.; s. auch Dauner-Lieb, S.  63 ff. 240 Ausf. Kemper, S.  36 ff. 241 Ausf. Kemper, S.  59 ff. 242  Dauner-Lieb, S.  65. 243 In diesem Sinne Breidenbach, S.  26; Klinck, in: Riesenhuber/Klinck/Karakostas (Hrsg.), S.  103, 104; Dreher, JZ 1997, 167, 171, 173 (nur bezogen auf das dt. Recht, anders für das europ. Recht); Gegenüberstellung des homo oeconomicus mit dem Verbraucher bei Kind, S.  43 ff.; Überblick zum Gegenüber von „Sozialmodell“ und „Informationsmodell“ etwa bei Vogt, in: FS Graf v. Westphalen, S.  741, 743; ausf. Kemper, S.  36 ff. 244  Esser, S.  236 f. Die Theorie wird auch in der Rechtswissenschaft diskutiert, s. Eidenmüller, JZ 2005, 216, 217 ff.

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zen zu maximieren.245 Der homo oeconomicus verfügt über alle relevanten In­ formationen, um eine rationale Entscheidung zu treffen. Ist dies nicht der Fall, besteht also eine Informationsasymmetrie, hat er ein anerkennenswertes Inter­ esse daran, die Information zu erhalten.246 Ob sich der Private die Information aber selbst beschaffen oder mitgeteilt bekommen muss, gibt das Modell nicht vor, und allein daraus, dass eine Vorschrift darauf abzielt, eine Informationsa­ symmetrie auszugleichen, lässt sich noch keine sichere Aussage zum der Vor­ schrift zugrunde liegenden Verhaltensmodell des Informationsadressaten her­ leiten. Dem Bild vom mündigen Privaten mag es entsprechen, wenn er sich die für ihn wichtigen Informationen grundsätzlich selbst, etwa durch Auskunfts­ ansprüche, beschaffen muss. In bestimmten Konstellationen kann er aber ein Interesse haben, Informationen ohne aufwändiges Erfragen zur Verfügung ge­ stellt zu bekommen. Dieser Fall ist nicht begrenzt auf die Konstellationen, die den von der Rechtsprechung entwickelten ungeschriebenen Aufklärungspflich­ ten zugrunde liegen.247 Es kann vielmehr genügen, dass bei bestimmten Ge­ schäften immer wieder die gleichen Fragen anfallen, die sich viele mündige Pri­ vate vor Abschluss stellen müssen. Hier ist es auch im öffentlichen Interesse am leichten Rechts- und Wirtschaftsverkehr sinnvoll, zur Vereinfachung und Be­ schleunigung sogleich den Anbieter des Geschäfts zur Offenlegung der Infor­ mationen zu verpflichten.248 Diese Verpflichtung kann auch volkswirtschaftlich sinnvoll sein, weil sie aufwändiges Suchen nach Information vermeidet.249 Dass der mündige Private aber in bestimmten Fallgestaltungen ein Informationsdefi­ zit haben kann, aufgrund dessen er seinem Gegenüber unterlegen ist, beseitigt seine grundsätzliche Mündigkeit nicht.250 Auf Informationsdefiziten eines mündigen Privaten beruhen schließlich z. B. die seit dem Jahr 1900 unverän­ dert251 gebliebenen §§  119 Abs.  1 Fall 1, Abs.  2 BGB. Im Gegenteil kann das Modell der Informationspflichten nur bei einem Ver­ haltensmodell des mündigen Privaten funktionieren. Dieser wird zwar durch die Informationspflichten davon entlastet, sich die Informationen selbst zu be­ schaffen. Auswerten kann und muss er sie aber noch selbst, dies traut der Ge­ setzgeber ihm zu. Ein unmündiger, intellektuell nicht sonderlich begabter Pri­

245 S. van Aaken, S.  73; Eidenmüller, JZ 2005, 216, 217. Aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht Kirchgässner, Homo oeconomicus, passim. 246  Breidenbach, S.  31; Graf v. Westphalen, in: FS Streck, S.  833, 838; Grundmann, JZ 2000, 1133, 1137; Kasten, S.  58 f.; Schön, in: FS Canaris I, S.  1191, 1205 f. 247  Aus ökonomischer Sicht geht es um eine Verringerung der Transaktions-, genauer der Such- und Informationskosten, Fleischer, S.  134 f. 248  Dieses Interesse übersieht etwa Schwarze, S.  160 ff. 249  Schön, in: Schön (Hrsg.), S.  592. 250  Grds. ebenso Kannowski, in: Staudinger, §  13 BGB Rn.  4. A.A. Schwarze, S.  160 ff. 251  Abgesehen von sprachlichen Änderungen.

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vater könnte diese Leistung nicht erbringen.252 Er kann die mitgeteilten Infor­ mationen nicht in eine „informierte Entscheidung“ umsetzen und bedarf daher der Information gar nicht erst.253 Effektiv geschützt werden kann ein unmündi­ ger Privater nur durch Vorschriften, die für seinen Schutz sein eigenes Zutun nicht oder nur eingeschränkt voraussetzen. Dazu gehören etwa ein strenges AGB-Recht, das ihn vor Übervorteilung bewahrt, oder gesetzliche Verbote be­ stimmter sozialpolitisch unerwünschter Rechtsgeschäfte.254 Informations­ pflichten hingegen genügen nicht. 3. Fazit Den zivilrechtlichen Offenlegungspflichten liegt ein gemeinsames Leitbild zu­ grunde: Das des mündigen Privaten, der nur ausreichend mit Information ver­ sorgt werden muss, um eine seine Interessen entsprechende (Vertrags-) Ent­ scheidung zu treffen und der so, über seine individuell vorteilhafte Entschei­ dung, auch den Markt im Ganzen kontrolliert und in vorteilhafter Weise steuert. II. Öffentlich-rechtlicher Ansatz: Information des mündigen Privaten Während das Zivilrecht Kontrolle durch den mündigen Privaten erreichen will, der durch Herstellung von Produkt- und Markttransparenz über seine Ver­ tragsentscheidung auf Unternehmen und Markt regulierend einwirkt, und le­ diglich der Grad seiner Mündigkeit Anlass zu Diskussionen gibt,255 ist für das öffentliche Recht das Kontrollkonzept weniger eindeutig. Problematisch ist zunächst der Zweck der aufsichtsrechtlichen Offenlegungs­ pflichten. So geht die Literatur im Kapitalmarktrecht davon aus, die in diesem Bereich bestehenden, insbesondere vorvertraglichen Informationspflichten sollten den Anleger schützen, aber nicht um seiner selbst Willen, sondern nur zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des Marktes insgesamt. Es gehe um An­ legerschutz als Funktionenschutz.256 Von Bedeutung ist dieser Befund allerdings vor allem für die zivilrechtliche Haftung aus Verletzung von Offenlegungspflichten, die nur in Betracht kommt,

252 Dementsprechend geht auch das Unionsrecht vom mündigen Verbraucher aus, ausf. Dreher, JZ 1997, 167 ff. (insbes. 169); Graf v. Westphalen, NJW 2013, 961, 964; Schön, in: FS Canaris I, S.  1191, 1194, 1200 f. Zu Unterschieden im Leitbild im dt. und europäischen Recht Reichardt, S.  153 ff. 253  Dauner-Lieb, S.  70; Simitis, S.  135. In diesem Sinne auch Riesenhuber, in: Riesenhuber (Hrsg.), S.  213, 235 f. (Informierbarkeit als Ausdruck von Selbstverantwortung). 254 Zum Gegenüber Information/zwingende Schutzvorschriften Grundmann, JZ 2000, 1137, 1140; Schön, in: FS Canaris I, S.  1191, 1195 f. 255  S. noch C. I. 256  Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 383; Mülbert, ZHR 177 (2013), 161, 172.

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wenn diese den Anlegerschutz zum Ziel haben.257 Ein Unterschied zum Zivil­ recht im Konzept der Kontrolle durch Transparenz ergibt sich daraus nicht. Denn mögen auch Offenlegungspflichten im Zivilrecht, insbesondere die vor­ vertraglichen Informationspflichten, ihren Schwerpunkt auf dem Verbraucheroder Kundenschutz haben, so dienen sie jedenfalls auch der Kontrolle der ein­ zelnen Unternehmen und des Marktes insgesamt.258 Umgekehrt sollen die vor­ vertraglichen Informationspflichten des öffentlichen Rechts den Markt und die auf ihm tätigen Unternehmen kontrollieren, schützen jedoch zunächst denk­ notwendig erst einmal unmittelbar den Kunden. Problematisiert wird ferner, welches Kunden- und insbesondere Anlegerleit­ bild der Gesetzgeber mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften verfolgt. Ver­ treten seien im geltenden Recht verschiedene Modelle, vom unerfahrenen Klein­ anleger bis hin zum börsenkundigen Anleger.259 Das öffentlich-rechtliche Leit­ bild muss aber von der Mündigkeit der Informationsadressaten ausgehen, um mit dem zivilrechtlichen übereinzustimmen, und dies ist auch der Fall. Zumin­ dest in der bisherigen Gesetzgebung überwiegen marktrationale Regelungsan­ sätze in verschiedenen Nuancen, mit einmal einem eher optimistischen und einmal einem eher pessimistischen Kundenleitbild:260 Zahlreichen Regelungen über Information und Vermeidung von Interessenkonflikten, typischen Zei­ chen eines marktrationalen Regelungsansatzes, stehen nur vereinzelte Befug­ nisse zur (eher paternalistischen) Produktintervention gegenüber.261 Wie das Kundenleitbild im Einzelnen zu nuancieren ist, kann da offen bleiben. Ein überwiegend marktrationales Modell setzt jedenfalls einen grundsätzlich mün­ digen Privaten voraus, sodass das öffentlich-rechtliche im Grundsatz mit dem zivilrechtlichen Konzept der Kontrolle durch Transparenz übereinstimmt.

B. Transparenz für Kunden im geltenden Recht Dem Konzept, Kontrolle durch Transparenz für mündige Private zu bewirken, entsprechen die Offenlegungspflichten der Unternehmen im geltenden Recht allerdings nicht stets. I. Passive Offenlegungspflichten der Unternehmen Passive Offenlegungspflichten zur Kontrolle der Unternehmen umfassen Auskunfts- und sonstige Informationsansprüche der Kunden, und müssen von 257 

S. zur Haftung etwa BGH, Urt. v. 17.9.2013 – XI ZR 332/12, NZG 2013, 1226, 1227 f. S. soeben A. I. 1. 259 Ausf. Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 367 f. m. N. 260  Nähere Analyse bei Langenbucher, ZHR 177 (2013), 679 ff. für den Anleger. 261 S. Langenbucher, ZHR 177 (2013), 679 ff. für das Kapitalmarktrecht. 258 

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ihnen aktiv geltend gemacht werden. Im einschlägigen Zivilrecht und Auf­ sichtsrecht sind sie eher selten vertreten. Fehlt es an einem normierten Aus­ kunftsanspruch, behilft sich die Rechtsprechung mit dem vom Reichsgericht zunächst im Wege der Vertragsauslegung gem. §§  133, 157 BGB entwickelten,262 später auf §§  259, 260 i. V. m. §  242 BGB gestützten 263 und allgemein anerkann­ ten 264 ungeschriebenen Auskunftsanspruch.265 Er ist auch außerhalb des BGB, etwa im Versicherungsvertragsrecht, anwendbar.266 In ausgewählten Konstellationen kann die Zurückhaltung des Gesetzgebers jedoch problematisch sein, wie anhand der §  202 VVG zugrunde liegenden Sachverhalte ersichtlich wird.267 1. Offenlegung kundenbezogener Information nach §  202 VVG Der Versicherungsvertrag ist infolge seiner Verrechtlichung268 auf Information in besonderer Weise angewiesen, etwa, damit Risiken abgeschätzt oder Leis­ tungspflichten geklärt werden können. Bei Durchführung eines Versicherungs­ vertrags häuft der Versicherer so zahlreiche Informationen über den Versiche­ rungsnehmer an. Ein Einsichtsrecht des Versicherungsnehmers in die vom Ver­ sicherer gesammelten Informationen ist essentiell für die Kontrolle des Versicherers sowohl vor als auch nach Vertragsschluss,269 allerdings außerhalb des allgemeinen Datenschutzrechts270 nur partiell gesetzlich geregelt. So be­ stimmt §  202 VVG für einen Teilbereich der Privatversicherung, die private Krankenversicherung, dass der Versicherungsnehmer Auskunft über Sachver­ ständigengutachten erhalten kann, die der Versicherer zur Prüfung seiner Leis­ tungspflicht eingeholt hat. Abseits des §  202 VVG fehlt es an einer gesetzlichen Regelung, obgleich auch in anderen Versicherungszweigen als der privaten Krankenversicherung der Versicherungsnehmer ein Interesse an entsprechen­

262 

RG, Urt. v. 9.1.1903 – III 316/02, RGZ 53, 252, 255. RG, Urt. v. 23.4.1910 – I 217/09, RGZ 73, 286, 288. 264  Aus der Literatur statt vieler Köhler, NJW 1992, 1477, 1480; Reischl, JR 1997, 404, 404 f. 265  Hier wird der Lesbarkeit halber vom „Auskunftsanspruch gem. §  242 BGB“ gespro­ chen, wenn der Auskunftsanspruch gem. §§  259, 260 i. V. m. §  242 BGB gemeint ist. 266  Der Grundsatz von Treu und Glauben gem. §  242 BGB gilt auch für den Versicherungs­ vertrag, BGH, Urt. v. 2.10.1985 – IVa ZR 18/84, BGHZ 96, 88, 91; Urt. v. 28.11.1963 – II ZR 64/62, BGHZ 40, 387, 388. 267  Zu weiteren problematischen Konstellationen, etwa bei Überprüfung von Prämienan­ passung, Überschussbeteiligung, Rückkaufswert oder Ungleichbehandlungen, s. schon Rudkowski, S.  23 ff. 268  S. dazu schon oben Teil 1 §  2 A. I. 269  Dies betonend RegE Drittes Durchführungsgesetz/EWG zum VAG, BT-Drs. 12/6959, S.  107. 270  Dieses greift etwa in den Fällen des §  213 VVG, wenn der Versicherer über den Versi­ cherungsnehmer personenbezogene Gesundheitsdaten bei Dritten erhoben hat, mit §  34 BDSG. 263 

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der Information haben kann. Hier ist folglich nach Anspruchsgrundlagen zu suchen, die für den Versicherungsnehmer Transparenz herstellen können. 2. Reichweite des §  202 VVG in direkter und analoger Anwendung Da §  202 S.  1 VVG zwar den Kenntnisstand des Berechtigten auf den des Versi­ cherers heben soll, 271 aber vor allem dem Umstand Rechnung trägt, dass der Versicherer über Daten verfügt, die dem höchstpersönlichen Lebensbereich des Berechtigten zuzuordnen sind, scheidet eine Übertragung des §  202 VVG auf andere Versicherungszweige als auf die Personenversicherung, etwa auf die Sachversicherung, von vornherein aus.272 Zugleich liegt auf der Hand, dass in Berufsunfähigkeits- und Unfallversiche­ rung §  202 VVG analog angewendet werden muss.273 In diesen Versicherungs­ zweigen werden regelmäßig nicht anders als im Bereich der Krankenversiche­ rung Gesundheitsdaten in Gutachten erhoben, ohne dass ersichtlich wäre, dass der Gesetzgeber sich hier eines Regelungsbedürfnisses bewusst gewesen ­wäre.274 Selbst im Bereich der Krankenversicherung erfasst §  202 VVG aber nicht alle Konstellationen, in denen ein Interesse des Versicherungsnehmers an Auskunft und Einsicht besteht. So ist es denkbar, dass der Versicherer Gutachten einholt, die nicht die Notwendigkeit einer medizinischen Behandlung beurteilen sollen. Da der Gesetzgeber diese Konstellation offensichtlich nicht vor Augen hatte, aber hier das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht anders als in Fällen des §  202 VVG betroffen ist, muss §  202 VVG auch hier analog angewendet werden.275 Nicht analog anwendbar soll §  202 VVG hingegen auf Gutachten im Stadium der Vertragsanbahnung sein,276 erst recht nicht in der Berufsunfähigkeits- oder der Unfallversicherung. Es fehle an einer mit §  202 VVG vergleichbaren Interes­ senlage.277 In beiden Fällen aber sind höchstpersönliche Informationen betroffen, gleich ob die Untersuchung vor oder nach Vertragsschluss stattfindet. Gegen die Ver­ gleichbarkeit der Interessenlage kann daher nur sprechen, dass im Stadium der Vertragsanbahnung noch keine Verpflichtung des Versicherungsnehmers be­ stehen kann, sich untersuchen zu lassen, anders als im laufenden Vertragsver­ hältnis. Jedoch ist die Untersuchung auch im laufenden Vertragsverhältnis kei­ 271  BGH, Urt. v. 6.11.2003 – IV ZR 418/02, VersR 2003, 1030 (zur Vorgängernorm §  178m VVG) spricht von „Waffengleichheit“. 272  Armbrüster, VersR 2013, 944, 946; anders wohl OLG Saarbrücken, Urt. v. 14.10.1998 – 5 U 1011/97, VersR 1999, 750, 752. 273  Für analoge Anwendung bei Unfall- und Berufsunfähigkeitsversicherung Armbrüster, VersR 2013, 944, 946. A.A. für die Unfallversicherung Grimm, Nr.  7 AUB 2010 Rn.  16. 274  Armbrüster, VersR 2013, 944, 946. 275  Armbrüster, VersR 2013, 944, 947 mit Beispiel. A.A. L/P/Reinhard, §  202 VVG Rn.  4. 276  Armbrüster, VersR 2013, 944, 947. 277  Armbrüster, VersR 2013, 944, 947.

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ne echte Rechtspflicht, sondern nur Obliegenheit.278 Demgegenüber kann für Personen, denen etwa aufgrund besonderer Vorerkrankungen der Zugang zur privaten Krankenversicherung sonst versperrt ist, die Bitte eines Versicherers, sich untersuchen zu lassen, faktisch einer Verpflichtung gleichkommen. Nur wenn sie der Bitte folgen, können sie überhaupt ihre Chance auf Marktzugang wahren. Daher ist angesichts vergleichbarer Interessenlage bei planwidriger Rege­ lungslücke279 auch für vorvertragliche Gutachten in der Krankenversicherung ein Einsichtsrecht analog §  202 VVG anzunehmen.280 Dagegen, diese Analogie auch auf Berufsunfähigkeits- und Unfallversiche­ rung zu erstrecken, könnte sprechen, dass es sich dann um eine doppelte Ana­ logie handelte – Ausdehnung auf die Zeit vor Vertragsschluss und auf einen anderen Versicherungszweig. In jedem Fall aber geht es darum, höchstpersönli­ che Rechte des Versicherungsnehmers zu wahren. Diese sind durch Gutachten zu Gesundheitszustand und Therapiemöglichkeiten in der Unfall- und Berufs­ unfähigkeitsversicherung nicht weniger oder anders betroffen als in der Kran­ kenversicherung. §  202 VVG ist mithin auf vorvertragliche Gutachten in Be­ rufsunfähigkeits- und Unfallversicherung doppelt analog anwendbar.281 Auf die Lebensversicherung hingegen kann §  202 VVG grundsätzlich nicht übertragbar sein.282 Dort kann es nicht mehr um Wahrung des allgemeinen Per­ sönlichkeitsrechts durch den Versicherungsnehmer/die versicherte Person selbst, sondern nur noch um Kenntnisnahme durch Dritte gehen.283 Zudem wäre zur Übertragung des §  202 VVG auf die Lebensversicherung eine dreifa­ che Analogie erforderlich: Es würde nicht mehr nur §  202 VVG auf einen ande­ ren Versicherungszweig angewendet, sondern auch der Kreis der Anspruchsbe­ rechtigten erweitert (etwa auf Erben des Versicherungsnehmers). Das Gutach­ ten könnte außerdem nicht mehr eingeholt worden sein zur Klärung der Notwendigkeit einer medizinischen Behandlung, sondern nur allgemein zur Klärung der Leistungspflicht (etwa mit Blick auf die Todesursache). Damit wäre die Grenze zur Rechtsfortbildung überschritten. Anders liegt der Fall aber auch in der Lebensversicherung bei vorvertraglich eingeholten Gutachten. Geht man wie hier davon aus, dass §  202 VVG auf vor­ vertraglich eingeholte Gutachten (ggf. doppelt) analog anwendbar ist, muss das auch im Bereich der Lebensversicherung gelten. Vor Vertragsschluss gibt es schließlich noch eine Person, über die das Gutachten angefertigt wird, deren 278 

S. etwa §  9 Abs.  3 MB/KK 09. Vorliegen dieser bereits Armbrüster, VersR 2013, 944, 946 (Berufsunfähigkeitsund Unfallversicherung), 947 (Krankenversicherung). 280 A.A. Armbrüster, VersR 2013, 944, 947; L/P/Reinhard, §  202 VVG Rn 3. 281 A.A. Armbrüster, VersR 2013, 944, 947; L/P/Reinhard, §  202 VVG Rn 3. 282  Armbrüster, VersR 2013, 944, 947. 283  Armbrüster, VersR 2013, 944, 947. 279  Zum

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höchstpersönliche Interessen von ihm betroffen sind und die folglich ein Inter­ esse daran hat, von ihm Kenntnis zu nehmen. Eine dreifache Analogie ist dafür nicht erforderlich, lediglich eine doppelte, die Übertragung auf den Versiche­ rungszweig „Lebensversicherung“ und auf vorvertraglich eingeholte Gutach­ ten. 3. Einsichtnahme gem. §  810 BGB Soweit nicht §  202 VVG als Lex specialis einschlägig ist, bleibt Raum für die Anwendung des §  810 BGB.284 Dies betrifft insbesondere Gutachten über Scha­ densfälle in der Sachversicherung. Sachverständigengutachten sind auch Ur­ kunden im Sinne dieser Vorschrift.285 Allerdings herrscht in der Rechtspre­ chung Uneinigkeit, ob auch die weiteren Voraussetzungen des §  810 BGB bei Einsichtsbegehren des Versicherungsnehmers vorliegen.286 Einige Instanzgerichte stützen den Einsichtsanspruch auf §  810 Fall 1 BGB, die im Interesse des Anspruchstellers errichtete Urkunde.287 Eine solche muss dazu bestimmt sein, dem Anspruchsteller als Beweismittel zu dienen oder seine rechtlichen Beziehungen zu fördern.288 Es genügt, dass sie lediglich auch dem Anspruchsteller dient, Ausschließlichkeit ist nicht erforderlich.289 Aus dem Umstand, dass der Versicherer die Kosten für das Gutachten trägt und dafür gem. §  811 BGB keinen Ersatz vom Versicherungsnehmer verlangen kann,290 lässt sich zwar nicht schließen, das Gutachten sei nicht im Interesse des Versicherungsnehmers entstanden.291 Auch in anderen Konstellationen ist der Anspruch gem. §  810 BGB nicht deshalb ausgeschlossen, weil die vorzulegende Sache auf Kosten des Verpflichteten hergestellt worden ist.292 Dies könnte den Anspruch gem. §  810 BGB auch weitgehend ins Leere laufen lassen. Zudem gibt es keinen Rechtssatz, nach dem derjenige, der die Kosten für die Herstellung 284 

LG Oldenburg, Urt. v. 9.12.2011 – 13 O 1604/11, RuS 2012, 343, 344. S. den Nachweis in der vorherigen Fn. und zum Begriff der Urkunde i. S. d. §  810 BGB etwa Schreiber, JR 2008, 1, 2. 286  Für §  810 Fall 1 BGB: LG Oldenburg, Urt. v. 9.12.2011 – 13 O 1604/11, RuS 2012, 343; LG Dortmund, Urt. v. 21.5.2008 – 2 O 400/07, NJW-RR 2008, 1483; offen gelassen von OLG Karlsruhe, Beschl. v. 26.4.2005 – 12 W 32/05, RuS 2005, 385; OLG Saarbrücken, Urt. v. 14.10.1998 – 5 U 1011/97–80, NJW-RR 1999, 759; Anspruch ablehnend OLG Frankfurt, Urt. v. 28.5.1991 – 8 U 158/90, VersR 1992, 224; LG Berlin, Beschl. v. 13.3.2001 – 7 O 76/00, VersR 2003, 94; AG Köln, Urt. v. 13.10. 1987 – 111 C 163/87, VersR 1988, 257. 287  LG Oldenburg, Urt. v. 9.12.2011 – 13 O 1604/11, RuS 2012, 343; LG Dortmund, Urt. v. 21.5.2008 – 2 O 400/07, NJW-RR 2008, 1483. 288  BGH, Urt. v. 10.7.1961 VIII ZR 42/60, LM Nr.  2 zu §  810 BGB; RG, Urt. v. 7.11.1908 – I 638/07, RGZ 69, 401, 405. 289  BGH, Urt. v. 20.3.1985 – VIII ZR 342/83, NJW 1985, 1836, 1838. 290  §  811 BGB regelt schon seinem Wortlaut nach nur die Kosten der Vorlegung, nicht die Kosten der Herstellung der vorzulegenden Urkunde. 291  LG Oldenburg, Urt. v. 9.12.2011 – 13 O 1604/11, RuS 2012, 343, 344. 292  LG Oldenburg, Urt. v. 9.12.2011 – 13 O 1604/11, RuS 2012, 343, 344. 285 

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einer Sache trägt, stets uneingeschränkt darüber bestimmen könnte, wer auf sie zugreifen kann. Es ist aber umgekehrt auch nicht ersichtlich, woraus sich ergeben sollte, dass ein vom Versicherer in Auftrag gegebenes Gutachten auch im Interesse des Ver­ sicherungsnehmers errichtet ist. Zwar ist das Versicherungsverhältnis in beson­ derem Maße von Treu und Glauben geprägt.293 Gerade deshalb kann aber nicht die Befürchtung überzeugen, der Versicherer werde seine überlegene Finanz­ kraft und Sachkunde zum Nachteil des Versicherungsnehmers ausnutzen und ihn übervorteilen, wenn nicht der Versicherungsnehmer Einsicht in das Gut­ achten erhält.294 §  85 VVG weist vielmehr die Schadensermittlung im Interesse des Versicher­ tenkollektivs dem Versicherer zu. Insbesondere stellt §  85 Abs.  2 VVG dem Ver­ sicherungsnehmer zwar frei, ob er eigene Sachverhaltsermittlungsmaßnahmen trifft, billigt ihm aber grundsätzlich keinen Aufwendungsersatz dafür zu. Der Versicherungsnehmer ist damit auf die Sachverhaltsermittlung des Versicherers angewiesen.295 Daraus folgt aber nicht zwingend, dass im Sinne der Waf­ fengleichheit der Versicherungsnehmer Einblick in das Gutachten erlangen müsste.296 §  85 VVG betraut gerade angesichts des in besonderem Maße von Treu und Glauben geprägten Vertragsverhältnisses den Versicherer mit der Schadenser­ mittlung. Die Norm geht nicht davon aus, dass der Versicherer sich über seine vertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem Versicherungsnehmer hinwegset­ zen und grob vertragswidrig einen eingetretenen Schadensfall negieren wird. Im Gegenteil spricht aus der Existenz des §  85 VVG eher ein gewisses Misstrau­ en des Gesetzgebers gegenüber dem Versicherungsnehmer, der möglicherweise geneigt sein könnte, zulasten des Versichertenkollektivs die Sachverhaltsermitt­ lung zu seinen Gunsten zu gestalten.297 Zwar erfolgt die Einholung von Gutachten zur Durchführung der Schadens­ regulierung, sodass man schließen könnte, sie läge auch im Interesse des Versi­ cherungsnehmers.298 Ohne Sachverhaltsklärung erhält er keine Leistungen. Je­ doch wird ein Gutachten primär dazu in Auftrag gegeben, externe Sachkunde einzuholen, die der Auftraggeber, hier der Versicherer, selbst nicht hat. Erst se­ kundär dient diese Hilfestellung bei der Sachverhaltsermittlung dem Versiche­ 293  BGH, Urt. v. 2.5.1985 – IVa ZR 153/83, VersR 1985, 943; Urt. v. 28.11.1963 – II ZR 64/62, BGHZ 40, 387, 388; RG, Urt. v. 14.1.1938 – VII 151/37, RGZ 156, 378, 382. 294  So aber LG Dortmund, Urt. v. 21.5.2008 – 2 O 400/07, NJW-RR 2008, 1483. 295  LG Oldenburg, Urt. v. 9.12.2011 – 13 O 1604/11, RuS 2012, 343. 296  So aber LG Oldenburg, Urt. v. 9.12.2011 – 13 O 1604/11, RuS 2012, 343. 297 Andere Aspekte dieser gesetzgeberischen Entscheidung etwa bei Rüffer, in: Rüffer/ Halbach/Schimikowski, VVG, §  85 Rn.  1 (Schutz des Versicherungsnehmers vor Vermögens­ nachteilen durch Ermittlungskosten). 298  LG Oldenburg, Urt. v. 9.12.2011 – 13 O 1604/11, RuS 2012, 343, 344.

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rungsnehmer,299 wenn das Gutachten für ihn günstig ausfällt oder ihm zumin­ dest einen unnötigen Prozess gegen den Versicherer erspart. Der Versicherer will sich mit dem Gutachten schließlich vor unberechtigten Ansprüchen schüt­ zen.300 Er will gerade die Angaben des Versicherungsnehmers zum Schaden und seiner Entstehung überprüfen. Im Interesse des Versicherungsnehmers (wenn auch nicht des Versicherers und des Versichertenkollektivs) läge es, wenn der Versicherer auf die Angaben des Versicherungsnehmers und ggf. auf ein von diesem eingeholtes Sachverständigengutachten vertrauen müsste. Aus dem blo­ ßen Umstand hingegen, dass die Urkunde den Versicherungsnehmer persönlich betrifft, kann kein Offenlegungsinteresse hergeleitet werden, sonst müsste im­ mer ein Offenlegungsinteresse der betroffenen Person bestehen, sobald eine Urkunde Informationen über sie enthält. §  810 Fall 1 BGB kann damit nicht zur Begründung eines Einsichtsanspruchs herangezogen werden. Die Anwendung des §  810 Fall 2 BGB indes setzt voraus, dass in dem Sachver­ ständigengutachten ein Rechtsverhältnis beurkundet ist, an dem der Versiche­ rungsnehmer beteiligt ist. Der Versicherungsvertrag, an dem der Versiche­ rungsnehmer beteiligt ist, ist zwar nicht selbst im Sachverständigengutachten verkörpert. Jedoch genügt es, wenn die Urkunde in unmittelbarer Beziehung zum Rechtsverhältnis,301 das Sachverständigengutachten mithin in unmittelba­ rer Beziehung zum Versicherungsvertrag steht. Dafür ist nur der Inhalt maß­ geblich, nicht der Zweck der Urkunde.302 Zudem ist die Vorschrift weit auszu­ legen.303 Die unmittelbare Beziehung liegt etwa dann vor, wenn die Urkunde maßgeblich ist für die Bestimmung des Anspruchsinhalts oder wenn sie den Anspruch „auslöst“.304 Das Sachverständigengutachten aber soll nur helfen, eine von mehreren An­ spruchsvoraussetzungen zu klären. Es steht damit nicht in so unmittelbarer Be­ ziehung zum Versicherungsvertrag, dass es auf dessen Wirksamkeit von Ein­ fluss wäre. Auch „löst“ es den Anspruch des Versicherungsnehmers nicht „aus“. Der Anspruch kann noch von verschiedensten anderen Umständen abhängig sein. Dies gilt selbst dann, wenn man davon ausginge, ein unmittelbarer Zusam­ menhang zwischen dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens und der Leistungsbereitschaft des Versicherers bestehe, weil üblicherweise der Versiche­ 299 

AG Köln, Urt. v. 13.10.1987 – 111 C 163/87, VersR 1988, 257. LG Berlin, Beschl. v. 13.3.2001 – 7 O 76/00, VersR 2003, 94. 301  BGH, Urt. v. 20.1.1971 – VIII ZR 251/69, BGHZ 55, 201, 203; RG, Urt. v. 15.11.1903 – VI 155/03, RGZ 56, 109, 112. 302  Anders als bei Fall 1, Schilken, Jura 1988, 525, 529. 303  BGH, Urt. v. 15.12.1965 –VIII ZR 306/63, WM 1966, 255, 256; Urt. v. 6.6.1963 – VII ZR 230/61, WM 1963, 990; Schilken, Jura 1988, 525, 529. 304  BGH, Urt. v. 20.1.1971 – VIII ZR 251/69, BGHZ 55, 201, 203; RG, Urt. v. 15.11.1903 – VI 155/03, RGZ 56, 109, 112. 300 

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rer dem Gutachten folgen wird in der Bewertung, ob der Versicherungsfall ein­ getreten ist. §  810 Fall 3 BGB hingegen kann nicht herangezogen werden, weil das Gut­ achten allenfalls Vorbereitung ist für Verhandlungen des Versicherers mit dem Versicherungsnehmer über den Eintritt des Versicherungsfalls und die Leis­ tungspflicht (wenn es überhaupt zu Verhandlungen kommt). Es dokumentiert mithin nicht selbst Verhandlungen über ein Rechtsgeschäft. Das Sachverständi­ gengutachten dient zunächst einmal internen Zwecken (Klärung der eigenen Leistungspflicht) und ist am ehesten vergleichbar dem Bericht eines Angestell­ ten. Für diesen aber scheidet eine Offenlegung nach diesem Fall aus.305 Wollte man dieser Argumentation nicht folgen und etwa §  810 Fall 1 BGB hier als einschlägig ansehen,306 müsste der Anspruchsteller außerdem ein recht­ liches Interesse an der Einsichtnahme haben. Ein solches liegt vor, wenn die Einsichtnahme nützlich ist zum Erhalt, zur Förderung oder Verteidigung sei­ ner rechtlich geschützten Interessen.307 Es ergibt sich hier grundsätzlich daraus, dass der Versicherungsnehmer Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag gel­ tend machen will und dafür beurteilen muss, ob der Versicherungsfall eingetre­ ten ist. Allerdings steht das Interesse an der Einsichtnahme unter dem ungeschriebe­ nen Vorbehalt seiner Schutzwürdigkeit,308 sodass eine Interessenabwägung durchzuführen ist.309 Insbesondere Geheimhaltungsinteressen der Gegenseite können hier einem Offenlegungsanspruch entgegenstehen.310 Eher selten wer­ den Geschäftsgeheimnisse des Versicherers tangiert sein, denn die Begutach­ tung eines beim Versicherungsnehmer eingetretenen Versicherungsfalls steht regelmäßig in keinem Zusammenhang zu unternehmensbezogenen Tatsachen des Versicherers. Das Gutachten aber betrifft regelmäßig Umstände, die zur Begründung des Leistungsanspruchs des Versicherungsnehmers bedeutsam sind und die daher eigentlich in einem Prozess von diesem dargelegt und bewiesen werden müss­ ten. Der Versicherungsnehmer kann ohne Weiteres einen Prozess auf Leistung aus dem Versicherungsvertrag anstrengen, in dessen Rahmen notwendigerweise geklärt wird, ob ein Versicherungsfall eingetreten ist und welche Leistungen der Versicherer schuldet. Hierfür bedarf es nicht zwingend der Einsichtnahme in 305 

530.

KG, Beschl. v. 12.9.1988 – 24 W 2242/88, NJW 1989, 532, 533; Schilken, Jura 1988, 525,

306  LG Oldenburg, Urt. v. 9.12.2011 – 13 O 1604/11, RuS 2012, 343; LG Dortmund, Urt. v. 21.5.2008 – 2 O 400/07, NJW-RR 2008, 1483; Armbrüster, VersR 2013, 944, 947 ff. 307  BGH, Urt. v. 8.4.1981 – VIII ZR 98/80, NJW 1981, 1733; Urt. v. 31.3.1971 – VIII ZR 198/69, WM 1971, 565. 308  Habersack, in: MünchKomm-BGB, §  810 BGB Rn.  11. 309  Grimme, JA 1985, 320, 321. 310  BGH, Urt. v. 28.4.1977 – II ZR 208/75, WM 1977, 781, 783; Urt. v. 6.6.1963 – VII ZR 230/61, WM 1963, 990.

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ein vom Versicherer in Auftrag gegebenes Sachverständigengutachten. Viel­ mehr wird das Gericht, soweit erforderlich, selbst einen eigenen Sachverständi­ gen auswählen und ein Gutachten einholen lassen. Bestreitet der Versicherer den Eintritt des Versicherungsfalls, wird er ohnehin das Gutachten vorlegen, um die Behauptungen des klagenden Versicherungsnehmers zu entkräften und seine Entscheidung, nicht oder nicht vollständig zu regulieren (nur dann wird es zu einem Prozess kommen), zu begründen. Der Versicherungsnehmer erfährt von dem Gutachten daher regelmäßig im Prozess und kann auf etwaige Unge­ reimtheiten, die den Versicherer bewogen haben, die Regulierung zu verwei­ gern, näher eingehen. Es kommt im Prozess nicht darauf an, dass der Versiche­ rungsnehmer das Gutachten des Versicherers kennt, sondern darauf, dass ge­ klärt wird, ob der Versicherungsfall eingetreten ist. Der Anspruch aus §  810 BGB diente damit nur einem missverstandenen Prin­ zip der informationellen Waffengleichheit, dazu, dem Versicherungsnehmer ggf. einen unnötigen Prozess auf Leistung zu ersparen. Dies widerspricht er­ stens dem Leitbild des mündigen Privaten, der grundsätzlich selbst das Risiko trägt, für sich günstige Informationen nicht beschaffen zu können.311 Zweitens ist es nicht prozessökonomisch, da der Versicherungsnehmer, wenn er dem Gutachten des Versicherers nicht folgen möchte, zwar bereits vorprozessual ein Gegengutachten in Auftrag geben oder zum Gutachten des Versicherers Stel­ lung nehmen kann, um den Gang zu Gericht zu vermeiden. Regelmäßig wird der Versicherer aber an seinem Gutachten festhalten und nicht leisten, ohne dazu verurteilt worden zu sein. Damit werden häufig zwei Prozesse zu führen sein, der auf Vorlegung des Gutachtens, der auf Leistung aus dem Versiche­ rungsvertrag. Auch die Interessenabwägung geht damit bei §  810 Fall 1 BGB regelmäßig zugunsten des Versicherers aus. Eine andere Bewertung könnte in Fällen gerechtfertigt sein, in welchen der Versicherungsnehmer einen Anspruch gegen einen Dritten mithilfe des Gut­ achtens verfolgen will. Auf den Aspekt der Waffengleichheit zwischen Versi­ cherungsnehmer und Versicherer kann dann das Interesse an der Einsichtnah­ me naturgemäß nicht mehr gestützt werden. Es fehlt die Verbindung zum Ver­ sicherungsvertrag, die Information dient der anderweitigen Rechtsverfolgung. Aufgrund dieser fehlenden Verbindung ist es allerdings vorzugswürdig, den in seinen Voraussetzungen strengeren, auch im Versicherungsrecht anwendba­ ren 312 Auskunftsanspruch gem. §  242 BGB heranzuziehen.313 Der Versicherer mag verschiedene, auf den Versicherungsvertrag bezogene Treuepflichten ha­ 311  Zu prozessualen Abhilfemöglichkeiten v. a. durch die sekundäre Darlegungslast noch Teil 3 §  4 A. 312  BGH, Urt. v. 2.10.1985 – IVa ZR 18/84, BGHZ 96, 88, 91; Urt. v. 28.11.1963 – II ZR 64/62, BGHZ 40, 387, 388. 313  Zu seinen Voraussetzungen BGH, Urt. v. 6.2.2007 – X ZR 117/04, NJW 2007, 1806, 1807; Urt. v. 4.6.1981 – III ZR 31/80, BGHZ 81, 21, 24.

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ben.314 Daraus folgt aber nicht, dass er sich gegenüber Dritten auf die Seite sei­ nes Versicherungsnehmers stellen oder diesem bei der Rechtsverfolgung helfen müsste. Der Grundsatz informationeller Eigenverantwortlichkeit verlangt, sich die erforderlichen Informationen grundsätzlich selbst zu beschaffen. Dem ent­ sprechen die strengeren Voraussetzungen des aus Treu und Glauben hergeleite­ ten Auskunftsanspruchs315 besser als §  810 BGB. Bei ihrer Anwendung wird der Versicherungsnehmer auch nicht schutzlos gestellt. Die bloße Auskunft reicht regelmäßig, sein Informationsbedürfnis zu befriedigen, Einsichtnahme ist nicht zwingend erforderlich. Und auch eine präparatorische Bindung dergestalt, dass der Gegner des Auskunftsanspruchs auch Gegner des zu verfolgenden Hauptan­ spruchs sein müsste, besteht schon den von der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen nach nicht.316 Der Versicherungsnehmer kann daher den Ver­ sicherer aus §  242 BGB in Anspruch nehmen. Er hat daher grundsätzlich keinen Anspruch auf Vorlage von Sachverständi­ gengutachten gem. §  810 BGB. 4. Einsichtnahme aufgrund vertraglicher Treuepflicht (§  242 BGB) Im Schrifttum wird der Einsichtsanspruch des Versicherungsnehmers und wei­ terer leistungsberechtigter Personen,317 soweit er sich nicht aus §  202 VVG er­ gibt, mitunter auf die im Versicherungsvertragsverhältnis gesteigerten Treue­ pflichten gem. §  242 BGB gestützt.318 Angewendet wird diese Lösung vor allem für Gutachten in der Sachversicherung, mit denen der Versicherer den Eintritt des Schadensfalls und die Reichweite seiner Leistungspflicht klären will. Prozessökonomischer ist es indes, wenn der Anspruchsteller sogleich auf Leistung klagt. Das Gericht kann den Streit dann gleich im Ganzen entscheiden und wird nicht erst mit Vorfragen (wie dem Bestehen eines Einsichtsanspruchs) befasst. Zudem wird so der Gefahr vorgebeugt, dass der Berechtigte unter Um­ gehung der Beweislastverteilung erst einmal Stoff für den Prozess sammelt und sich der Risiken des Unterliegens entledigt. Es bleibt daher, wo §  202 VVG nicht einschlägig ist, allein ein Auskunftsan­ spruch gem. §  242 BGB. 314 

Armbrüster, VersR 2013, 944, 950 (§§  19 Abs.  6 S.  2, 25 Abs.  2 S.  2, 37 Abs.  2 S.  2 VVG). seinen Voraussetzungen BGH, Urt. v. 6.2.2007 – X ZR 117/04, NJW 2007, 1806, 1807; Urt. v. 4.6.1981 – III ZR 31/80, BGHZ 81, 21, 24. 316  S. etwa die Fälle BGH, Urt. v. 9.11.2011 – XII ZR 136/09, NJW 2012, 450; BAG, Urt. v. 7.9.1995 – 8 AZR 828/93, NZA 1996, 637. A.A. Armbrüster, VersR 2013, 944, 951; Haeffs, S.  129 f. 317  Versicherte, Bezugsberechtigte. 318  Diese Lösung befürwortend Armbrüster, VersR 2013, 944, 949. Ähnlich, aber ohne nä­ here Begründung OLG Karlsruhe, Beschl. v. 26.4.2005 – 12 W 32/05, RuS 2005, 385, 386; OLG Saarbrücken, Urt. v. 14.10.1998 – 5 U 1011/97, VersR 1999, 750, 752 f.; AG Singen, Urt. v. 8.6.2012 – 3 C 15/12, VersR 2013, 497. 315  Zu

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5. Fazit Die Offenlegung kundenbezogener Informationen erfolgt auf Grundlage des §  202 VVG, der in der Berufsunfähigkeits- und Unfallversicherung und teilwei­ se auch in der Lebensversicherung analog anwendbar ist. Wo §  202 VVG nicht einschlägig ist, ist auf den Auskunftsanspruch gem. §  242 BGB zurückzugrei­ fen. Aus §  810 BGB folgt hingegen kein Anspruch auf Einsicht in vom Versiche­ rer in Auftrag gegebene Sachverständigengutachten. Die Pflichten zur passiven Offenlegung gegenüber Kunden sind mitunter auch unter Berücksichtigung des Auskunftsanspruchs gem. §  242 BGB nicht ausreichend. II. Aktive Offenlegungspflichten der Unternehmen Im Bereich der aktiven Offenlegungspflichten geben die vorvertraglichen In­ formationspflichten Anlass zu Zweifeln, ob der Gesetzgeber bei der Regulie­ rung stets das von ihm selbst gewählte Konzept verfolgt. Aufklärungspflichten hingegen haben eine zentrale Regelung nur im Versicherungsvertragsrecht er­ fahren, und dies auch nur mittelbar und in unklarer, hier noch zu prüfender Reichweite. 1. Vorvertragliche Informationspflichten Eine Vielzahl vorvertraglicher Informationspflichten prägt mittlerweile die Kontrolle der Finanzdienstleistungsunternehmen durch ihre (potentiellen) Ver­ tragspartner. Sie werden kontinuierlich erweitert: Allein seit dem Jahr 2013 wurden neue Informationspflichten etwa in AltZertG, BGB, VermAnlG und in der PRIIP-VO geschaffen. Diese Gesetzgebung folgt in besondere Weise dem Konzept der Kontrolle durch Transparenz für den mündigen Privaten, der durch Information in die Lage versetzt wird, seine eigenen Interessen durch vernünftige Vertragsent­ scheidungen durchzusetzen und dabei zugleich den Markt insgesamt zu kont­ rollieren. Einige der vorvertraglichen Informationspflichten führen aber zu weit, als dass sie noch mit dem vom Gesetzgeber eigentlich vorgesehenen Kon­ troll­konzept vereinbar wären. a) Die „richtige“ Vertragsentscheidung als Ziel der Gesetzgebung Ziel der Informationspflichten ist, wie eingangs dargelegt, den Privaten in die Lage zu versetzen, eine „informierte Entscheidung“ vor allem über den Ver­ tragsschluss zu treffen.319 Die Information soll dem Privaten die Einschätzung ermöglichen, ob der angebotene Vertrag seinen Interessen entspricht. 319 

Oben A. I.

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Welche Interessen er verfolgt, wird dem mündigen Privaten nicht vorgegeben, denn selbstbestimmten Privaten kann in einer Rechtsordnung, die von Men­ schenwürde und dem Grundsatz allgemeiner Handlungsfreiheit ausgeht, grundsätzlich nicht vorgeschrieben werden, welche Interessen sie zu verfolgen haben.320 Ihnen kann folglich kein bestimmtes Rechtsgeschäft aufoktroyiert werden, weil es objektiv betrachtet für sie möglicherweise vorteilhaft ist.321 Pri­ vatautonomie heißt auch Freiheit, sich unvernünftig zu verhalten.322 Jüngere Transparenzpflichten rücken von diesem Grundsatz allerdings zu­ nehmend ab. Sie gehen nicht so weit, eine „objektiv richtige“ Entscheidung des Privaten zum Ziel der Gesetzgebung zu machen. Dem Privaten wird nicht vor­ gegeben, welches Ziel er zu verfolgen hat. Aber der Gesetzgeber will mehr, als den Privaten nur grundsätzlich in die Lage zu versetzen, eine seinen (des Priva­ ten) Interessen entsprechende Entscheidung zu treffen. Gesprochen werden könnte davon, dass dem Privaten nunmehr ermöglicht werden soll, eine „sub­ jektiv richtige“ Entscheidung zu treffen: Das Ziel, das der Private sich gesetzt hat, soll für ihn im Wesentlichen risikolos erreichbar sein, ohne Gefahr von Irrtümern bei der eigenen Bedarfseinschätzung oder sonstigen Fehlentschei­ dungen. Eine Enttäuschung des Privaten soll auf jeden Fall vermieden wer­ den.323 So besteht zwar auch nach der neu erlassenen Wohnimmobilienkredit-Richt­ linie324 keine Pflicht der Banken zum „responsible lending“, zur „verantwortli­ chen“ Kreditvergabe.325 Jedoch ist bereits jetzt gem. §  491a Abs.  3 S.  1 BGB der Darlehensgeber zur Erläuterung des Produkts verpflichtet, damit der Verbrau­ cher in die Lage versetzt wird, zu beurteilen, ob der angebotene Vertrag seinen Vermögensverhältnissen und dem von ihm verfolgten Zweck gerecht wird.326 Weitergehend wird mitunter sogar angenommen, der Darlehensgeber müsse, ebenfalls im Rahmen der Erläuterung, auf Gefahren hinweisen, die sich aus der Verwendung der darlehensweise erlangten Mittel ergeben könnten.327 In eine 320 Anders Reich, NJW 1978, 513, 519 (der sich für Lenkung hin zu einer „bedarfsgerech­ ten“ Entscheidung ausspricht). 321  Canaris, AcP 200 (2000), 273, 364. 322  Säcker, in: Hauer/Rudkowski (Hrsg.), S.  9, 18. 323  Für ein solches Zweckverständnis von vorvertraglichen Offenlegungs- (Informationsund Aufklärungs-) pflichten Schwarze, S.  9, allerdings mit Einschränkungen. 324  Richtlinie 2014/17/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Februar 2014 über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr.  1093/2010, ABl.  EU Nr. L 60, S.  34 ff. 325 A.A. Buck-Heeb, BKR 2014, 221, 225 unter Berufung auf ErwGr. 29 der Wohn­ immobilienkredit-RL, der sich allerdings nur auf eine verantwortungsvolle Kreditaufnahme (seitens der Verbraucher) bezieht. 326  Noch weiter gehend wäre eine Pflicht, den Kunden über Risiken der geplanten Verwen­ dung eines Darlehens zu informieren; dies abl. BGH, Urt. v. 28.2.1989 – IX ZR 130/88, BGHZ 107, 92, 101. 327  Jedenfalls bei engem Zusammenhang mit der Finanzierung Hofmann, BKR 2010, 232,

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ähnliche Richtung zielt die PRIIP-VO, wenn sie bei den vorvertraglichen Infor­ mationen etwa den Warnhinweis verlangt, dass der Kunde im Begriff sei, „ein Produkt zu erwerben, das nicht einfach ist und schwer zu verstehen sein kann“ (Art.  8 Abs.  3 lit.  b) PRIIP-VO). Allgemeiner hat gem. §  31 Abs.  1 S.  2 WpHG das Wertpapierdienstleistungsunternehmen über Art und Risiken der Fi­nanz­ instrumente, auf die der Anleger abzielt, zu informieren. Der Kunde muss damit nicht mehr allein die Gefahren einschätzen, die sich aus dem Produkt für sein Vermögen ergeben könnten, bevor er sich für oder gegen das Produkt entscheidet. Es entsteht der Eindruck, der Gesetzgeber traue es zumindest nicht allen Privaten zu, von sich aus die eigenen Interessen und Bedürfnisse einzuschätzen und entsprechende Informationen einzuholen. Dies gilt selbst abseits komplexerer Produkte, etwa im Kaufrecht, wo die Forderung, den Unternehmer zu verpflichten, auf eine bedarfsgerechte Entscheidung hin­ zuwirken,328 mittlerweile vom europäischen Normgeber teilweise aufgegriffen wird. So verpflichtet §  312d Abs.  1 BGB i. V. m. Art.  246a §  1 Abs.  1 S.  1 Nr.  15 EGBGB, zurückgehend auf Art.  6 Abs.  1 lit.  s) VRRL,329 den Unternehmer bei Paid content-Verträgen, auf die Interoperabilität des Paid content-Produkts mit Hard- und/oder (anderer) Software hinzuweisen. Dies soll das Risiko ausschlie­ ßen, dass der Kunde nicht von sich aus die Kompatibilitäten verifiziert.330 Mit Regelungen wie diesen wird dem Kunden das Restrisiko abgenommen, das auch eine „informierte Entscheidung“ grundsätzlich birgt, das Risiko, dass er sich bei der Einschätzung seines Bedarfs, seiner Interessen und etwaiger aus dem Produkt resultierender Gefahren irrt. Für den Kunden mag diese Ände­ rung von Vorteil sein. Auch kann in Ausnahmefällen die Beratung hinsichtlich des persönlichen Bedarfs erforderlich werden, etwa wenn das Produkt rein rechtlicher Natur und so komplex ist, dass der Kunde nicht abschätzen kann, inwieweit es seinen Bedarf deckt (s. nur §  6 VVG für das Versicherungsvertrags­ recht). Grundsätzlich aber sieht das Zivilrecht die Risikoverteilung anders. Ge­ schäftsfähige verfügen über ein hinreichendes Maß an Urteilsfähigkeit, um am Rechtsverkehr selbständig und uneingeschränkt teilnehmen zu können. Be­ schränkte Geschäftsfähigkeit oder Geschäftsunfähigkeit sind die Ausnahme (s. §§  104 ff. BGB). Der mündige, selbstbestimmte Private ist für die Gründe, die ihn zur Abgabe einer Willenserklärung veranlassen, die Ziele, die er mit ihr 237. A.A. BGH, Urt. v. 10.7.2007 – XI ZR 243/05, NJW 2007, 3272; Urt. v. 27.6.2000 – XI ZR 174/99, NJW 2000, 3558, 3559. 328  Reich, NJW 1978, 513, 519. 329  Und ebenso Art.  13 Abs.  1 lit.  i) GEKR, Vorschlag für eine Verordnung des Europäi­ schen Parlaments und des Rates über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht vom 11. Ok­ tober 2011, KOM (2011) 635 endg., im Folgenden GEKR, das aber nur „optionales Instru­ ment“ ist Herresthal, EuZW 2011, 7 ff. 330  Zu Informationspflichten nach der Verbraucherrechte-Richtlinie s. auch schon Heinig, MDR 2012, 323 ff.; Rudkowski/Werner, MMR 2012, 711, 713. Zu Problemen der Umsetzung Föhlisch/Dyakova, MMR 2013, 3 ff.

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verfolgt, niemandem Rechenschaft schuldig. Umgekehrt muss der Vertrags­ partner aber diese Gründe und Ziele auch nicht hinterfragen. Der Vertragspart­ ner ist nicht verantwortlich dafür, dass die Leistungen dem Kunden auch Nut­ zen bringen oder ihn sonst zufrieden stellen.331 Motivirrtümer sind deshalb unbeachtlich. Fehler des Erklärenden bei der Einschätzung von persönlichem Bedarf, Nutzen oder Risiken müssen den Vertragspartner nicht interessieren. Diese Zuweisung von Risiko- und Verantwortungsbereichen entspricht dem Leitbild des mündigen Privaten und auch öffentlichen Recht, insbesondere dem Grundgesetz, das dem Einzelnen immerhin zutraut, an komplexen politischen Entscheidungen wie Wahlen und Abstimmungen teilzuhaben. Mit Information für eine „subjektiv richtige“ Entscheidung dem Kunden sämtliche Restrisiken seines Handelns abzunehmen, kann daher nicht Ziel der Gesetzgebung sein. Dies gilt selbst dann, wenn ausnahmsweise einzelne Vertragstypen so kom­ plex sind, dass die Mehrheit der Kunden sie nicht verstehen kann. Dem Kunden ist mit Information dann ohnehin nicht gedient. Stattdessen ist der mündige, aber ausnahmsweise überforderte Kunde zu beraten (s. noch einmal §  6 VVG) oder es ist inhaltlich zu regulieren. Das Konzept „Kontrolle durch Transpa­ renz“ lässt sich dann aber nicht mehr verwirklichen. b) Hinweise, Erläuterungen und Beratung als Mittel der Kontrolle durch Transparenz Eng mit dem Problem der „subjektiv richtigen Entscheidung“ verbunden ist der in jüngerer Zeit verstärkt zu beobachtende Übergang des Gesetzgebers zu an­ deren vorvertraglichen Maßnahmen als der bloßen Mitteilung von Information. Europäischen Vorgaben folgend332 finden sich im Gesetz zunehmend Erläuterungs-, Hinweis-, Warn- oder Beratungspflichten. So ordnet §  491a ­ Abs.  3 BGB die Erläuterung der durch Informationspflichten mitgeteilten In­ formation an,333 verbunden mit weiterführenden Hinweisen wie etwa auf die Folgen der Nichterfüllung der vertraglichen Verpflichtungen (§  491a Abs.  3 S.  2 BGB). §  13 Abs.  6 VermAnlG verlangt die Warnung, dass der Erwerb der be­ troffenen Vermögensanlage „mit erheblichen Risiken verbunden“ sei und Total­ verlust drohen kann. Gem. Art.  8 Abs.  3 lit.  c) v) PRIIP-VO ist darauf hinzuwei­ sen, dass die Steuergesetzgebung des jeweiligen Mitgliedstaats des Kunden von 331  Armbrüster, Privatversicherungsrecht, Rn.   266; abseits der Vertragswidrigkeit der Leistung. 332  Für §  491a BGB die Verbraucherkreditrichtlinie, Richtlinie 2008/48/EG des Europäi­ schen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates, ABl EG Nr. L 133, S.  66 ff.; s. auch RegE UmsVerbrKrRL, BT-Drs. 16/11643, S.  78. Näher zur Richtlinie Metz, NJW 2012, 1990, 1991. 333  Eine Ergänzung um neue Informationen ist im Rahmen der Erläuterung gem. §  491a Abs.  3 BGB grundsätzlich nicht erforderlich, Schürnbrand, ZBB 2008, 383, 389; in diesem Sinne auch Nobbe, WM 2011, 625, 629.

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Bedeutung für die Auszahlung des Produkts sein kann.334 §  6 Abs.  1 S.  1 VVG verpflichtet zur Beratung des potentiellen Versicherungsnehmers. Nach Vorstellung der Normgeber sind derartige Pflichten Teil des Konzepts der Markttransparenz durch Information. So versetze die Erläuterungspflicht den Kunden erst in die Lage, die mitgeteilten Informationen zu verstehen,335 und selbst Beratungspflichten werden dem Konzept der Kontrolle durch Trans­ parenz zugeordnet: Da gem. §  6 VVG über §  7 VVG hinausgehende, individua­ lisierte Informationen mitzuteilen sind,336 orientiert am persönlichen Bedarf des Kunden,337 wird die Beratungspflicht als Voraussetzung angesehen, dass der Versicherungsnehmer eine „informierte Entscheidung“ treffen kann.338 Einmal abgesehen von Unklarheiten bei der Auslegung der einzelnen Pflich­ ten – so ist etwa zum Begriff der „Erläuterung“ nur sicher, dass er weniger meint als Beratung, aber mehr als Information 339 – , setzt sich ein Modell, das sich auf andere Pflichten als auf die zur Information stützt, in Widerspruch zum Konzept der Kontrolle durch Transparenz für den mündigen Privaten. Zwar können Erläuterungs-, Warn-, Hinweis- und vor allem Beratungs­ pflichten in besonderem Maße dazu beitragen, dass der Vertragsinteressent die nötigen Informationen nicht nur erhält, sondern sie auch versteht, ordnet und korrekt gewichtet. Alle genannten Pflichten gehen jedoch davon aus, dass der Private allein dazu nicht in der Lage sein wird, was mit dem Leitbild des mündigen Privaten nur schwer vereinbar ist. Dafür muss nicht erst §  491a Abs.  3 BGB bestimmen, die Erläuterung solle den Darlehensnehmer in die Lage versetzen, zu beurteilen, ob der Vertrag dem von ihm verfolgten Zweck und seinen Vermögensverhältnissen gerecht wird (um ihm so gleichsam zu einer „subjektiv richtigen“ Entscheidung zu verhelfen).340 Es genügt schon, dass alle Pflichten, Hinweis-, Warn-, ­Erläuterungs- und Beratungspflichten davon ausgehen, der Private werde die ihm mitgeteilten Informationen nicht verstehen (deshalb bedarf es der ­Erläuterung) oder jedenfalls nicht richtig einordnen, gewichten und einschätzen können (weswegen es Hinweis-/Warnpflichten geben muss). Mithin wird nicht nur die Informationsbeschaffungslast dem potentiellen Vertragspartner aufge­ bürdet, sondern ihm wird auch Verantwortung auferlegt dafür, dass der Kunde 334 

Weitere Hinweispflichten etwa im KAGB (§  297) oder in §  15 Abs.  2 S.  3 VermAnlG. S. Art.  5 Abs.  1 der Verbraucherkreditrichtlinie; zum Zweck der Informationspflichten nach dem Verbraucherkreditrecht 2010 Hofmann, BKR 2010, 232, 232 f. 336 RegE VVG 2008, BT-Drs. 16/3945, S.   48; Rixecker, in: Römer/Langheid, VVG, §  6 Rn.  4. 337  Armbrüster, Privatversicherungsrecht, Rn.  719. 338 S. Franz, VersR 2008, 298, 299. 339  Ady/Paetz, WM 2009, 1061, 1066; Buck-Heeb, BKR 2015, 177, 178; Kulke, VuR 2009, 373, 379; Rösler/Werner, BKR 2009, 1, 3. Unklar Wittig/Wittig, ZInsO 2009, 633, 639 („gewis­ se Beratung“). 340  Dazu schon oben a). 335 

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die Information verstehen kann.341 Dies zu tun, mag dem Gesetzgeber im Rah­ men seiner weiten Einschätzungsprärogative zwar freistehen. Dem Leitbild des mündigen Privaten, der die mitgeteilten Informationen selbst auswertet, Rück­ fragen stellt, wenn er sie nicht versteht, und sich auch sonst aktiv, ggf. unter Heranziehung sachkundiger Dritter, um intellektuelle Durchdringung des Ver­ trags bemüht, entspricht es aber nicht. Ein unmündiger Kunde indes kann nicht Kontrollinstanz sein. Wer bei der Herstellung von Transparenz nicht nur auf Mitwirkung der zu kontrollierenden Person bei der Informationsbeschaffung angewiesen ist, sondern sogar auf ihre Hilfe zur Erfassung und Bewertung des zu kontrollierenden Sachverhalts, der eignet sich als Kontrollinstanz nicht. 2. Aufklärungspflichten Neben die standardisierten aktiven Offenlegungspflichten in Form der Infor­ mation treten vereinzelt Pflichten zur aktiven Offenlegung in Form individuel­ ler Aufklärung. Sie sind vorwiegend ungeschrieben, dienen zur Korrektur der sich nach Anwendung des Gesetzesrechts ergebenden informationellen Lage,342 zum Ausgleich von (grundsätzlich unbewussten 343) Informationsdefiziten in Einzelfällen 344 und werden daher in enger Anbindung an §  242 BGB aufge­ stellt.345 Nach der von der Rechtsprechung entwickelten Formel verpflichten sie zur unaufgeforderten Information über erkennbar entscheidungserhebliche Umstände, die dem Aufzuklärenden im konkreten Fall verborgen geblieben sind.346 Es handelt sich letztlich um Informationspflichten, aber im Inhalt abge­ stimmt auf den konkreten Einzelfall.347 Sie spielen vor allem im Kapitalanlage­ recht,348 das komplexe Anlageentscheidungen rechtlich zu begleiten hat, in ver­ schiedenen Fallgruppen eine bedeutende Rolle.349 Meist sind sie hier allerdings 341  Unabhängig von der Frage, ob dies abstrakt oder konkret zu beurteilen ist, dazu Metz, NJW 2012, 1990, 1995. 342 Unabhängig davon, wie die Schutzrichtung der Aufklärungspflichten im Einzelnen weiter auszudifferenzieren ist, dazu Bachmann/Roth, in: MünchKomm-BGB, §  241 Rn.  135. 343 Sonst wäre Informationsbeschaffung über die Geltendmachung eines Auskunftsan­ spruchs möglich. 344  Buck-Heeb, BKR 2010, 1, 7. 345  BGH, Urt. v. 11.8.2010 – XII ZR 192/08, NJW 2010, 3362; RG, Urt. v. 7.7.1925 – II 494/24, RGZ 111, 233, 234. 346  Bachmann/Roth, in: MünchKomm-BGB, §  241 Rn.  130; Huber, in: Lorenz (Hrsg.), S.  5. 347  Armbrüster, S.  3; Miettinen, VersR 2005, 1629, 1630. 348  Überblick zu Aufklärungspflichten im Kreditgeschäft bei Siol, in: Schimansky/Bunte/ Lwowski, Bankrechts-Handbuch, §  4 4 Rn.  8 ff. 349 Im Bereich der Anlageprodukte etwa bei der Aufklärung über Rückvergütungen, BGH, Urt. v. 26.6.2012 – XI ZR 316/11, NJW 2012, 2873, 2876; Urt. v. 27.9.2010 – XI ZR 338/08, ZIP 2009, 2380, oder bei Swapgeschäften, BGH, Urt. v. 22.3.2011 – XI ZR 33/10, BGHZ 189, 13 ff.; OLG Stuttgart, Urt. v. 26.2.2010 – 9 U 164/08, WM 2010, 756; OLG Bam­ berg, WM 2009, 1082. Eine nähere dogmatische Einordnung muss aufgrund der Vielgestaltig­ keit der zu bewältigenden Sachverhalte recht allgemein gehalten bleiben s. etwa Huber, in: Lorenz (Hrsg.), S.  38; Versuch der Konkretisierung v. a. mit Blick auf das bürgerliche Recht

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Bestandteil von Beratungsverträgen 350 und damit gerade nicht zum Konzept der Kontrolle durch Transparenz gehörig. Abseits von Beratungsverträgen wer­ den Aufklärungspflichten nur sehr zurückhaltend angenommen.351 Eine allge­ meine gesetzliche Regelung besteht in diesem Bereich nicht. Anderes gilt für Versicherer, die der im Jahr 2008 neu eingefügte §  6 Abs.  1, 4 VVG verpflichtet, den Versicherungsnehmer vor und nach Vertragsschluss zu beraten. Darin eingeschlossen ist nicht nur die Erteilung einer Handlungsemp­ fehlung,352 sondern insbesondere auch die Mitteilung von Information,353 und zwar orientiert am persönlichen Bedarf des Kunden.354 Die Beratungspflicht wird daher eingeordnet beim Konzept der Kontrolle durch „informierte Ent­ scheidung“355 und gehört danach zum Regelungskonzept „Kontrolle durch Transparenz“.356 Die Reichweite des §  6 VVG ist allerdings weitgehend unge­ klärt und daher hier noch zu bestimmen. Überdies erfasst die Norm nur einen Ausschnitt der Konstellationen, in denen Information in Form von Aufklärung für den Versicherungsnehmer von Interesse sein kann, sodass nach ungeschrie­ benen Aufklärungspflichten des Versicherers zu fragen ist. a) Spontane Aufklärungspflichten gem. §  6 VVG Da §  6 Abs.  1 VVG nach seinem Wortlaut, anders als §  6 Abs.  4 VVG, zwar einen Anlass zur Beratung des (potentiellen) Versicherungsnehmers357 voraussetzt, nicht aber auch, dass der Anlass für den Versicherer erkennbar gewesen ist, wird gefolgert, der Versicherer müsse auch soweit informieren und beraten, als ihm ein Anlass dazu nicht erkennbar war.358 Berät er nicht, so begeht er eine Pflicht­ verletzung, die er lediglich, vor allem für die Beweislast ein erheblicher Unter­ schied, nicht zu vertreten hat.359

bei Breidenbach, Die Voraussetzungen von Informationspflichten beim Vertragsschluss, 1989, passim; Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, 2001, passim. 350  S. etwa BGH, Urt. v. 26.2.2013 – XI ZR 445/10, auf juris.de; Urt. v. 4.3.1987 – IVa ZR 122/85, BGHZ 100, 117, 118; ausf. Schnauder, JZ 2013, 120 ff. 351  S. etwa BGH, Urt. v. 19.3.2013 – XI ZR 431/11, BGHZ 196, 370 ff. 352  Armbrüster, S.  3; Miettinen, VersR 2005, 1629, 1630. 353 RegE VVG 2008, BT-Drs. 16/3945, S.   48; Rixecker, in: Römer/Langheid, VVG, §  6 Rn.  4. 354  Armbrüster, Privatversicherungsrecht, Rn.  719. 355  Franz, VersR 2008, 298, 299. 356  Krit. zu diesem soeben 1. 357  §  6 Abs.  1 VVG spricht vom Versicherungsnehmer, obgleich ein Vertrag noch nicht zu­ stande gekommen ist. Diese Terminologie wird hier übernommen. 358  Für Beratung unabhängig von einem erkennbaren Anlass Münkel, in: Rüffer/Halbach/ Schimikowski, VVG, §  6 Rn.  6 , 10; Reiff, VersR 2007, 717, 725; Stöbener, ZVersWiss 2007, 465, 468 f.; a. A. Armbrüster, S.  8 ff.; ders., in: MünchKomm-VVG, §  6 Rn.  88; Neuhaus, RuS 2008, 449; Prölss/Martin/Rudy, VVG, §  6 Rn.  3 ff. 359  Der Versicherungsnehmer muss den Beweis für die Pflichtverletzung, nicht aber (s. §  6 Abs.  5 S.  2 VVG) auch für das Vertretenmüssen erbringen.

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Ob diese Auslegung dem Willen des Gesetzgebers entspricht, ist nicht ein­ deutig feststellbar. §  6 Abs.  1 VVG soll dem Versicherungsinteressenten die rati­ onale Wahl des Versicherungsschutzes entsprechend seinen Wünschen und Be­ dürfnissen ermöglichen.360 Im Sinne der bestmöglichen Information ist es, wenn der Versicherungsnehmer umfassend über alle für ihn bedeutsamen Um­ stände informiert wird. Allerdings hat der Gesetzgeber den Versicherungsver­ mittler nicht zu einer eingehenden „Ermittlungs- und Nachforschungstätig­ keit“ zur Feststellung des Beratungsbedarfs beim Versicherungsnehmer ver­ pflichten wollen,361 und es ist kein Grund ersichtlich, warum der Gesetzgeber den Versicherer stärker in die Pflicht nehmen sollte als den Versicherungsver­ mittler. Betrachtet man §  6 Abs.  1 VVG im Zusammenhang mit §  6 Abs.  4 VVG, wird außerdem deutlich, dass das Erkennbarkeitserfordernis bei §  6 Abs.  4 VVG ei­ nen anderen Bezugspunkt hat, als ein etwaiges Erkennbarkeitserfordernis nach §  6 Abs.  1 VVG haben müsste. §  6 Abs.  4 VVG regelt die Pflichten des Versiche­ rers nach Vertragsschluss, in einem Zeitpunkt, in dem der Versicherer grund­ sätzlich davon ausgehen kann, dass seine Beratung gem. §  6 Abs.  1 VVG ausrei­ chend war und der vorhandene Deckungsschutz den Bedürfnissen des Versiche­ rungsnehmers genügt.362 Um zu vermeiden, dass der Versicherer sich in der Pflicht sieht, den Vertrag und die Bedürfnisse des Versicherungsnehmers stän­ dig auf geänderten Bedarf und Lücken hin zu überwachen, stellt §  6 Abs.  4 VVG klar, dass nur ein für den Versicherer erkennbarer Beratungsanlass, etwa der Wunsch des Versicherungsnehmers nach Vertragsänderung oder -neuabschluss, wieder die Pflicht des §  6 Abs.  1 VVG auslöst. Erkennbar sein muss dem Versi­ cherer gem. §  6 Abs.  4 VVG also ein genereller Beratungsanlass. Bei §  6 Abs.  1 VVG ist für den Versicherer aber der generelle Beratungsanlass bereits offensichtlich: Ein Versicherungsnehmer will einen Versicherungsver­ trag abschließen. Dem Versicherer ist dadurch erkennbar, dass er tätig werden muss,363 anders als in Fällen des §  6 Abs.  4 VVG. Aus dem Wortlaut des §  6 Abs.  4 VVG können für §  6 Abs.  1 VVG mithin keine Rückschlüsse gezogen werden. Ein Erfordernis der „Erkennbarkeit“ mit dem generellen Beratungsbe­ darf als Bezugspunkt ist für §  6 Abs.  1 VVG entbehrlich. Ein Erfordernis der „Erkennbarkeit“ mit dem konkret-individuellen Bera­ tungsanlass als Bezugspunkt aber sieht §  6 Abs.  1 VVG bereits vor, wenn auch nicht ausdrücklich. §  6 Abs.  1 S.  1 VVG gestattet dem Versicherer, Aufklärung und Beratung in ein angemessenes Verhältnis zu den zu erwartenden Prämien zu setzen. Die hier vorzunehmende Abwägung kann der Versicherer nur anstel­ len, indem er ihr den ihm ersichtlichen Beratungsbedarf zugrunde legt. Zu­ 360 

RegE VVG 2008, BT-Drs. 16/3945, S.  47. RegE UmsG zur Versicherungsvermittlerrichtlinie, BT-Drs. 16/1935, S.  24. 362  Ähnlich Prölss/Martin/Prölss, VVG, §  6 Rn.  5. 363  In diese Richtung (auf eine „Initiativlast“ abstellend) Armbrüster, S.  9. 361 

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Teil 2: Transparenzpflichten von Finanzdienstleistungsunternehmen

gleich zeigt die Angemessenheitsgrenze, dass die Informationsinteressen des Versicherungsnehmers nicht absolut über den Interessen des Versicherers stehen und damit nicht losgelöst von der Erkennbarkeit des konkreten Beratungsbe­ darfs sein können. Die Pflichten gem. §  6 Abs.  1 VVG entstehen folglich, obgleich das Kriterium nicht ausdrücklich genannt wird, nur, soweit Anlass zu Nachfrage, Aufklärung und Beratung dem Versicherer erkennbar ist. b) Ungeschriebene spontane Aufklärungspflichten Die Pflichten des §  6 VVG entstehen nur im Zusammenhang mit Vertragschluss, -änderung und -neuabschluss.364 Sie sollen Aufklärung bei der Wahl eines den Wünschen und Bedürfnissen des Versicherungsnehmers entsprechenden Versi­ cherungsschutzes bieten.365 §  6 VVG will damit nicht die Informationsbeziehungen zwischen Versiche­ rungsnehmer und Versicherer insgesamt regeln, sondern nur sicherstellen, dass der Versicherungsnehmer bedarfsgerechten Versicherungsschutz erhält. Daher müssen, soweit ein Anlass zur Aufklärung gegeben ist, dieser allerdings nicht im von §  6 VVG vorausgesetzten 366 Zusammenhang des Vertragsschlusses, sei­ ner Änderung oder Umstellung steht, ungeschriebene Aufklärungspflichten bestehen können.367 Eine Schlechterstellung des Versicherungsnehmers (und damit der Wegfall bisher in der Rechtsprechung anerkannter368 Aufklärungs­ pflichten) war mit der VVG-Reform 2008, die §  6 Abs.  1 VVG ins Gesetz brach­ te, schließlich nicht intendiert.369 Da das VVG keine Regelung über weitere Aufklärungspflichten des Versi­ cherers enthält, §  242 BGB aber auch im Versicherungsvertragsrecht Geltung beansprucht,370 können zur Bestimmung weiterer Pflichten des Versicherers die von der Rechtsprechung gefundenen Grundsätze zur ungeschriebenen Aufklä­ rungspflicht herangezogen werden.371 Sie weisen einen deutlichen Bezug zu den

364 

RegE VVG 2008, BT-Drs. 16/3945, S.  59. RegE VVG 2008, BT-Drs. 16/3945, S.  47. 366  RegE VVG 2008, BT-Drs. 16/3945, S.  47, 59. 367  Zu nicht im Gesetz benannten, aber noch im Zusammenhang des Deckungsschutzes und damit des §  6 VVG stehenden Aufklärungspflichten Armbrüster, Privatversicherungs­ recht, Rn.  738 ff. 368  S. z. B. BGH, Urt. v. 5.2.1981 – IVa ZR 42/80, VersR 1981, 621, 623; Urt. v. 28.10.1963 – II ZR 193/63, NJW 1964, 244, 245. 369  Im Gegenteil, RegE VVG 2008, BT-Drs. 16/3945, S.  1. 370  BGH, Urt. v. 2.10.1985 – IVa ZR 18/84, BGHZ 96, 88, 91; Urt. v. 28.11.1963 – II ZR 64/62, BGHZ 40, 387, 388. 371  So das Vorgehen der Rechtsprechung bis zur Schaffung des §  6 VVG, s. etwa BGH, Beschl. v. 23.5.2007 – IV ZR 93/06, VersR 2007, 1411; Urt. v. 7.12.1988 – IVa ZR 193/87, VersR 1989, 472, 473. 365 

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Grundsätzen von Treu und Glauben auf.372 Eine Aufklärungspflicht einer Ver­ tragspartei ist anzunehmen in Bezug auf Umstände, die den Vertragszweck der anderen Partei vereiteln können und daher für ihren Entschluss von wesentli­ cher Bedeutung sind, über die die andere Partei aber in Unkenntnis ist, soweit die Mitteilung der Umstände nach der Verkehrsauffassung erwartet werden kann.373 Diskutiert wird in der versicherungsvertragsrechtlichen Literatur etwa, auf diese Grundsätze gestützt die Pflicht des Versicherers zur Aufklärung über Ob­ liegenheiten bei Eintritt eines Schadenfalls374 oder bei Eintritt einer Gefahrer­ höhung375 anzunehmen.376 Für die Kontrolle des Versicherers durch den Versicherungsnehmer ist frei­ lich nur von Bedeutung, ob eine anlassunabhängige, spontane Aufklärungs­ pflicht besteht, oder zumindest eine Pflicht, den Versicherungsnehmer über solche Umstände aufzuklären, die ihn zu der Entscheidung führen könnten, den Vertrag nicht abzuschließen, ihn zu ändern oder zu beenden. aa) Anlassunabhängige Aufklärungspflichten Eine spontane Aufklärungspflicht unabhängig von einem Anlass,377 etwa des Inhalts, dass der Versicherungsnehmer über alle für seine Entscheidung wichti­ gen Einzelheiten des Vertrags über §  7 Abs.  1, 2 VVG hinaus informiert werden müsste, hat der Gesetzgeber 2008 bewusst nicht ins VVG aufgenommen.378 Er knüpft mit dieser Entscheidung an die Rechtsprechung zu den Aufklärungs­ pflichten nach altem VVG an.379 Betrachtet man den Versicherungsvertrag als Geschäftsbesorgungsvertrag380 oder zumindest als einen Vertrag mit Elementen desselben,381 hindert die feh­ lende versicherungsvertragsrechtliche Anordnung freilich die Annahme von 372  BGH, Urt. v. 1.2.2013 – V ZR 72/11, auf juris.de; RG, Urt. v. 7.7.1925 – II 494/24, RGZ 111, 233, 234. 373  BGH, Urt. v. 16.12.2009 – VIII ZR 38/09, NJW 2010, 858; Urt. v. 4.4.2001 – VIII ZR 32/00, NJW 2001, 2163; Urt. v. 6.2.1976 – V ZR 44/74, WM 1976, 401. Speziell für das Versi­ cherungsrecht Armbrüster, ZVersWiss 2008, 425, 431. 374 Dafür Armbrüster, in: FS Schirmer, S.  1, 12; a. A. Franz, VersR 2008, 298, 299, der die Aufklärungspflichten auch im Schadensfall in §  6 Abs.  4 VVG verankert sieht. 375  Armbrüster, in: FS Schirmer, S.  1, 9. 376  Neben der weitgehend anerkannten, aus §  242 BGB hergeleiteten Pflicht des Versiche­ rers, den Versicherungsnehmer auf die Unwirksamkeit einer von diesem ausgesprochenen Kündigung hinzuweisen, statt vieler Armbrüster, in: FS Schirmer, S.  1, 12 f. 377  Anderes Verständnis bei Huber, in: Lorenz (Hrsg.), S.  5 für das allg. bürgerliche Recht: spontan = ungefragt. 378  VVG-Reformkommission, Abschlussbericht, S.  12. 379  Keine spontane Aufklärungspflicht: OLG Köln, Urt. v. 19.9.1995 – 9 U 50/94, VersR 1996, 1265; i.Ü.: BGH, Urt. v. 5.2.1981 – IVa ZR 42/80, VersR 1981, 621, 623; Urt. v. 28.10.1963 – II ZR 193/63, NJW 1964, 244, 245. 380  Schünemann, JZ 1995, 430, 432. 381  Schwintowski, JZ 1996, 702, 705 f.; wohl auch Kieninger, AcP 199 (1999), 190, 223.

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Teil 2: Transparenzpflichten von Finanzdienstleistungsunternehmen

Aufklärungspflichten nicht.382 Schließlich ist beim Geschäftsbesorgungsver­ trag der Geschäftsführer gem. §  675 Abs.  1 i. V. m. §  666 BGB zur umfassenden Information verpflichtet, ggf. sogar schon vor Vertragsschluss.383 Begründen lässt sich dies mit der der wirtschaftswissenschaftlichen „Neuen Institutio­ nenökonomik“ entlehnten Prinzipal-Agenten-Theorie:384 Die Information nach Abschluss des Vertrags ist in Prinzipal-Agenten-Konstellationen asym­ metrisch verteilt, der Prinzipal kann seinen Agenten nicht unmittelbar über­ wachen. Ihm bleibt daher möglicherweise Handeln oder Information des Agenten verborgen („hidden action/information“), was zu moralischem Risiko beim Agenten („moral hazard“) führt.385 Um Fehlverhalten des Agenten zu vermeiden (oder aufzudecken), bietet es sich an, ihm Offenlegungspflichten aufzuerlegen.386 Selbst wenn man aber den Versicherungsvertrag als Geschäftsbesorgungsoder verwandten Vertrag ansehen und §  666 BGB anwenden will,387 führt dies zu keiner Ausdehnung der Offenlegungspflichten des Versicherers. §  666 BGB soll schon seinem Wortlaut nach nur zu „erforderlichen“ Mitteilungen ver­ pflichten. Die Pflicht soll dem Auftraggeber nur diejenigen Informationen ver­ schaffen, die für die sinnvolle Ausübung seines Weisungsrechts (§  665 BGB) wesentlich sind.388 §  666 BGB überlässt dem Beauftragten die (gerichtlich nach­ prüfbare) Beurteilung, ob nach dem Stand der Geschäftsbesorgung Informa­ tion erforderlich ist. Diese Beurteilung kann der Versicherer als Beauftragter aber kaum jeweils für jeden Einzelfall passgenau vornehmen. Er kann nur die generell von ihm als erforderlich angesehenen Informationen mitteilen und da­ rauf vertrauen, dass bei besonderem Informationsbedürfnis sich der Versiche­ rungsnehmer mit ihm in Verbindung setzen werde. Freilich könnte man versucht sein, die Aussage des Bundesverfassungsge­ richts, dass zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer ein „Dialog“ ge­ führt werden muss über den Informationsbedarf des Versicherers bei Eintritt des Leistungsfalls,389 auf alle Informationsbeziehungen zwischen Versiche­ rungsnehmer und Versicherer zu übertragen. Selbst dann aber wäre doch zu bedenken, dass insbesondere vor Vertragsschluss nur ein Informationsvor­ sprung des Versicherers besteht, wie ihn grundsätzlich jeder Anbieter eines Ver­

382 Für eine spontane Pflicht zur Aufklärung etwa Heiss, ZVersWiss 2003, 339, 353; Kieninger, AcP 199 (1999), 190, 224. 383  BGH, Urt. v. 24.1.1991 – IX ZR 250/89, BGHZ 113, 262, 276. 384  S. den Überblick bei Richter/Furubotn, S.  163 ff. 385  Leyens, S.  17 f. 386  Kieninger, AcP 199 (1999), 190, 208; Schünemann, JZ 1995, 430, 432. Ausf. allgemein Fleischer, S.  145 f. 387  Krit. BVerfG, Beschl. v. 29.5.2006 – 1 BvR 240/98, VersR 2006, 961. 388  BGH, Urt. v. 24.1.1991 – IX ZR 250/89, BGHZ 113, 262, 276. 389  BVerfG, Beschl. v. 17.7.2013 – 1 BvR 3167/08, Rn.  2 2 auf juris.de.

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trags zunächst einmal hat.390 Von besonderen Bedürfnissen des potentiellen Versicherungsnehmers weiß der Versicherer vor Vertragsschluss nichts, wenn der Versicherungsnehmer ihm diese nicht offenbart. Eine ähnliche Erwägung liegt §  19 VVG zugrunde. Wenn aber der Versicherungsnehmer nur offen zu legen hat, wonach er in Textform gefragt wurde, ist nicht ersichtlich, warum umgekehrt dem Versicherer zugemutet werden sollte, ohne weitere Anhalts­ punkte zu erkennen, welche Information für den Versicherungsnehmer relevant sein könnte.391 Nach Vertragsschluss wird der Informationsbedarf des Versi­ cherungsnehmers für den Versicherer überdies unüberschaubar. Der Versiche­ rer könnte eine anlassunabhängige Aufklärungspflicht nur erfüllen, wenn er den Versicherungsvertrag überwacht und regelmäßig beim Versicherungsneh­ mer erforscht, ob Informationsbedarf bestehen könnte. Das aber muss ihn überfordern. Es ist schließlich sowohl vor als auch nach Vertragschluss grundsätzlich Sa­ che eines mündigen Privaten, sich die für seine Entscheidungen erforderlichen, über das vom Gesetz abgedeckte Standardmaß hinausgehenden Informationen selbst zu beschaffen.392 Der Grundsatz informationeller Eigenverantwortung kann beim mündigen Privaten nur insoweit umgekehrt werden, als der Private Informationen nachfragt, die für dieses Geschäft typisch sind, aus Anlässen, bei denen typischerweise ein Informationsbedarf besteht. Darüber hinaus muss er sich hinreichend informieren und Unklarheiten, die sich nach Lektüre der ge­ setzlichen Informationen ergeben, durch Nachfragen an den Versicherer besei­ tigen.393 Eine anlassunabhängige Aufklärungspflicht besteht daher nicht. bb) Anlassbezogene Aufklärungspflichten Indes könnte erwogen werden, eine anlassbezogene Aufklärungspflicht zumin­ dest in bestimmten nicht unter §  6 VVG fallenden Konstellationen anzuneh­ men. Der Versicherer könnte etwa verpflichtet sein, dem Versicherungsnehmer diejenigen Informationen an die Hand zu geben, die ihm (dem Versicherungs­ nehmer) die eigenständige Überprüfung der Entscheidung über die Eingehung oder Fortsetzung des Vertragsverhältnisses ermöglichen.394 390 A.A.

Kieninger, AcP 199 (1999), 190, 208. Insofern erübrigt sich die Argumentation von Heiss, ZVersWiss 2003, 351 durch Neu­ fassung des §  16 VVG a. F. 392 Zumindest erkennt die Rechtsprechung die Eigenverantwortlichkeit des Versiche­ rungsnehmers für Inhalt und Umfang der Angaben im Versicherungsantrag und zur Reich­ weite des Versicherungsschutzes an, OLG Hamm, Urt. v. 23.8.2000 – 20 U 22/00, NJW-RR 2001, 239; Urt. v. 18.1.1995 – 20 U 176/94, VersR 1996, 93; OLG Köln, Urt. v. 19.9.1995 – 9 U 50/94, VersR 1996, 1265; Urt. v. 22.8.1985 – 5 U 7/85, RuS 1985, 275. 393  OLG Köln, Urt. v. 19.9.1995 – 9 U 50/94, VersR 1996, 1265. 394  So die Forderung des Klägers bei OLG Stuttgart, Beschl. v. 18.1.2007 – 10 W 84/06, VersR 2007, 639 (bezogen aber nur auf die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses). 391 

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Mit der für Aufklärungspflichten von der Rechtsprechung entwickelten For­ mel395 ist zunächst zu prüfen, in welchen Fallgruppen ein Umstand den Ver­ tragszweck vereiteln kann, sodass er für den Versicherungsnehmer von wesent­ licher Bedeutung ist. In Betracht kommen Fälle, in denen die Interessen des Versicherungsnehmers in erheblichem Maße gefährdet werden, etwa weil das Unternehmen sich zulasten seiner Kunden systematisch unredlich verhält oder durch wirtschaftliche Schwierigkeiten seine Verpflichtungen nicht mehr zu er­ füllen in der Lage ist. In die Abwägung von Informationsinteresse des Versiche­ rungsnehmers und Geheimhaltungsinteresse des Versicherers ist mit einzube­ ziehen, dass zwischen den Parteien des Versicherungsvertrags eine besondere Vertrauensbeziehung besteht, die Bindung an Treu und Glauben mithin beson­ ders groß ist. Dies kann im Einzelnen den Ausschlag zugunsten einer Aufklä­ rungspflicht geben.396 Nicht gefährdet wird der Vertragszweck durch behördliche, straf- oder ver­ waltungsgerichtliche Verfahren gegen den Versicherer wegen einer möglichen Verletzung von Straf- oder Finanzaufsichtsrecht. Dies muss selbst dann gelten, wenn die systematische Verletzung von Pflichten in Rede steht, die unmittelbar dem Schutz des Versicherungsnehmers dienen. Der Ausgang eines behördlichen oder gerichtlichen Verfahrens ist schließlich ungewiss und es wäre mit rechts­ staatlichen Grundsätzen schwer zu vereinbaren, müsste der Versicherer auf den bloßen Verdacht einer Behörde hin selbst die gegen ihn erhobenen Vorwürfe bekannt machen.397 Anders liegt der Fall, wenn eine Verletzung von für das Verhältnis zum Kun­ den einschlägigen Straf- oder Aufsichtsrecht behördlich oder gerichtlich festge­ stellt ist. Für Kunden wie für Vertragsinteressenten ist dies von grundlegender Bedeutung.398 Eine Aufklärungspflicht kann jedoch nur bestehen, wenn die Mitteilung der Information auch nach der Verkehrsauffassung zu erwarten ist. Es kann aber von einem Privaten nur erwartet werden, keine weiteren Rechts­ verletzungen zu begehen. Nicht verlangt werden hingegen kann, Rechtsverstö­ ße zu offenbaren, die nicht das Unternehmen und seine Geschäftstätigkeit grundsätzlich infrage stellen. Das Unternehmen riskierte so schließlich, den einmal eingetretenen Schaden zu vergrößern. Das Eingeständnis gegenüber al­

395 S. noch einmal BGH, Urt. v. 16.12.2009 – VIII ZR 38/09, NJW 2010, 858; Urt. v. 4.4.2001 – VIII ZR 32/00, NJW 2001, 2163; Urt. v. 6.2.1976 – V ZR 44/74, WM 1976, 401. 396  BGH, Urt. v. 23.2.1983 – VIII ZR 325/81, BGHZ 87, 27, 34; Urt. v. 5.4.1967 – VIII ZR 82/84, WM 1967, 481. 397  S. auch das parallele Problem im Arbeitsrecht, BAG, Urt. v. 6.9.2012 – 2 AZR 270/11, NJW 2013, 1115, 1116: Wahrheitspflicht bei Nachfrage, aber keine Pflicht zur ungefragten Offenbarung. 398  Liegt hingegen ein bloßer Verstoß gegen Aufsichtsrecht vor, das nicht das Verhältnis zum Kunden regelt und dessen Schutz dient, ist die entsprechende Information für den Kun­ den regelmäßig nicht von besonderer Bedeutung.

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len Kunden und Interessenten kann zu (weiterem) Reputationsverlust führen, der zum Rechtsverstoß außer Verhältnis steht. Die Rechtsprechung geht zwar davon aus, dass ein festgestellter Rechtsver­ stoß einer Vertragspartei von dieser immer dann zu offenbaren ist, wenn er für das Vertragsverhältnis von Bedeutung ist, etwa das Vertrauen in die Vertrags­ partei erschüttern kann.399 Dieser Grundsatz stammt aber aus arbeits- und gesellschafts­rechtlichem Kontext und ist hier schon deshalb nicht anwendbar, weil der Versicherungsnehmer nicht nur durch das Privatrecht, sondern auch durch das Aufsichtsrecht geschützt wird. Von einer Behörde, die laufende Auf­ sicht ausübt wie die BaFin, muss erwartet werden, dass sie dem Unternehmen (in Erfüllung ihrer grundrechtlichen Schutzpflichten400) ggf. aufgibt, seine Kunden oder Interessenten über sein rechtswidriges Verhalten zu informieren. Eine Aufklärungspflicht ist daher hier ebenfalls abzulehnen. Verletzt der Versicherer zivilrechtliche Vorschriften zum Kundenschutz, etwa die §§  309–307 BGB, wirkt ein Urteil, das dies ausspricht, grundsätzlich nur zwischen den Prozessparteien.401 Um dieses Prinzip nicht auszuhöhlen, darf nicht der Versicherer verpflichtet werden, gegenüber anderen Versiche­ rungsnehmern die Einzelheiten des Prozesses zu offenbaren. Selbst wenn die Information von wesentlicher Bedeutung für die anderen Versicherungsnehmer wäre, liegt doch das eigentliche Schutzinstrument nicht in der Annahme einer Aufklärungspflicht, sondern im Wettbewerbsrecht: Soll die Verwendung einer AVB gegenüber allen Versicherungsnehmern ausgeschlossen werden, ist gem. §  1 UKlaG Verbandsklage auf Unterlassung zu erheben. Die Durchführung des Vertrags vereiteln können schließlich wirtschaftliche Schwierigkeiten des Versicherers bis hin zu seiner Insolvenz. Ein Schadenser­ satzanspruch wegen Aufklärungspflichtverletzung gegen den Versicherer ist für den Versicherungsnehmer dann zwar wertlos. Umso mehr kommt es dafür aber auf die Erfüllung der Aufklärungspflicht an. Auch hier ist allerdings zu berücksichtigen, dass Versicherungsunternehmen unter Aufsicht der BaFin stehen, mithin eine Aufklärungspflicht nur dort erfor­ derlich ist, wo nicht schon das Aufsichtsrecht hinreichenden Schutz vermittelt. So ist etwa eine Aufklärungspflicht des Versicherers darüber, dass über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, abzulehnen. Denn gem. §  88a Abs.  1 VAG ist den Gläubigern im Insolvenzverfahren zusammen mit dem Eröffnungsbeschluss des Gerichts ein Formblatt zur Anmeldung und Erläute­ 399  Für die Offenbarung von Vorstrafen eines Geschäftsführers einer GmbH BGH, Urt. v. 9.7.2013 – II ZR 9/12, ZIP 2013, 1616 ff.; aus dem Arbeitsrecht s. etwa BAG, Urt. v. 6.9.2012 – 2 AZR 270/11, NJW 2013, 1115, 1116. 400  S. zu grundrechtlichen Schutzpflichten im Bereich des Finanzdienstleistungssektors schon Teil 1 §  2. 401 Wirkung der Rechtskraft nur zwischen den Parteien: Musielak, in: Musielak/Voit, ZPO, §  325 Rn.  5.

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rung ihrer Forderungen zu übersenden. Die Versicherungsnehmer erhalten auf diesem Weg folglich von der Insolvenz ihres Versicherers Kenntnis. Den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist nur die BaFin zu stel­ len berechtigt (§  88 Abs.  1 VAG). Der Vorstand des Unternehmens hat ihr gem. §  88 Abs.  2 S.  1 und 2 VAG Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung an­ zuzeigen. Bei wirtschaftlicher Betrachtung ist diese Anzeige gleichzustellen mit der materiellen Insolvenzreife. Diese ist nach dem BGH ein Umstand von we­ sentlicher Bedeutung für den Geschäftspartner einer jeden Kapitalgesellschaft und muss, weil der Rechtsverkehr hier Aufklärung auch erwarten kann, offen­ bart werden.402 Versicherungsunternehmen, deren Leistung regelmäßig von er­ heblichem wirtschaftlichem Interesse für die Versicherungsnehmer ist,403 kön­ nen unabhängig von ihrer Rechtsform hiervon nicht ausgenommen werden. Für den Versicherungsnehmer und den am Vertragsschluss Interessierten ist es er­ sichtlich von wesentlicher Bedeutung und er kann erwarten, über die Insol­ venzreife informiert zu werden. Nur so kann er ggf. bei einer anderen Gesell­ schaft zeitnah Versicherungsschutz erlangen. Es muss bei materieller Insol­ venzreife daher eine Aufklärungspflicht bestehen. Der BGH hat ferner angenommen, bereits über „erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten“ einer Kapitalgesellschaft müssten deren Geschäftspartner aufgeklärt werden.404 Allerdings handelte es sich bei dieser Aussage lediglich um ein obiter dictum, und schon die Wendung „erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten“ ist problematisch. Wann wirtschaftliche Schwierigkeiten ­vorliegen und ab welchem Punkt diese erheblich sind, ist kaum je sicher be­ stimmbar. Es müsste genau festgelegt werden, beim Unterschreiten oder Über­ schreiten welcher auch nach dem Aufsichtsrecht relevanten Kennzahlen die Schwierigkeiten eintreten, und ab wann sie erheblich sind. Wirtschaftliche Schwierigkeiten zu erkennen ist indes Sache der Aufsichtsbehörde. Sie muss auch auf die Beseitigung der Schwierigkeiten hinwirken. Der Versicherungs­ nehmer oder Vertragsinteressent muss hiervon nichts mitbekommen, für seine Interessen ist durch das Eingreifen der Behörde grundsätzlich mittelbar ge­ sorgt. Im Gegenteil kann eine zu frühzeitige Information die wirtschaftlichen Schwierigkeiten unnötig vergrößern, wenn nämlich Verträge aus Angst vor In­ solvenz des Versicherers gekündigt oder gar nicht erst eingegangen werden. Es bestehen daher neben §  6 VVG anlassbezogene Aufklärungspflichten über Umstände, die den Vertragszweck vereiteln können, die für den Versicherungs­ nehmer ersichtlich von wesentlicher Bedeutung sind und deren Mitteilung nach der Verkehrsauffassung erwartet werden kann. Hierzu gehört insbesondere die 402  BGH, Urt. v. 1.7.1991 – II ZR 180/90, NJW-RR 1991, 1312, 1313; Urt. v. 23.2.1983 – VIII ZR 325/81, BGHZ 87, 27, 34. 403  S. oben Teil 1 §  2 A. I. 404  BGH, Urt. v. 23.2.1983 – VIII ZR 325/81, BGHZ 87, 27, 34.

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Pflicht, die materielle Insolvenzreife (die Anzeige bei der BaFin gem. §  88 Abs.  2 VAG) ungefragt zu offenbaren. cc) Fazit Anlassunabhängige Aufklärungspflichten gibt es im Versicherungsvertrags­ recht nicht. Umstände, die den Vertragszweck vereiteln können, die für den Versicherungsnehmer ersichtlich von wesentlicher Bedeutung sind und deren Mitteilung nach der Verkehrsauffassung erwartet werden kann, sind allerdings zu offenbaren. Zu diesen Umständen zählt insbesondere die materielle Insol­ venzreife des Versicherers. III. Zusammenfassung Die gegenwärtigen Regelungen, die Transparenz von Finanzdienstleistungsun­ ternehmen für andere Private herstellen sollen, sind im Bereich der passiven Offenlegungspflichten teilweise lückenhaft. Auch abseits der vereinzelten ge­ setzlichen Regelungen – beispielhaft hier zu sehen an §  202 VVG – kann ein Interesse des Kunden an individueller Information im Einzelfall bestehen. Die aktiven Offenlegungspflichten teilen sich auf in zumeist ungeschriebene und daher wenig bestimmte Aufklärungspflichten und eine Vielzahl kaum zu systematisierender und meist vorvertraglich zu erfüllender Informations­ pflichten im Zivil- und im öffentlichen Recht, die mitunter Zweifel aufkom­ men lassen, inwieweit der Gesetzgeber dem Leitbild des mündigen Privaten noch folgt.

C. Kritik und Folgerungen Angesichts der unter B. festgestellten Schwachstellen der gesetzlichen Regelung ist nach Leitlinien für eine interessengerechte Weiterentwicklung der zur Kon­ trolle von Finanzdienstleistungsunternehmen dienenden Offenlegungspflich­ ten zu suchen, und dafür insbesondere das vom Gesetzgeber verfolgte Konzept der Kontrolle durch Information des mündigen Kunden zu hinterfragen. I. Der mündige, aber beschränkt belastbare Private Dem Konzept „Kontrolle durch Transparenz für Private“ entspricht zwar der vom Gesetz eingeschlagene Weg, durch individuelle Auskunftsansprüche Kon­ trolle vorzubereiten. Der mündige Private kümmert sich hier aktiv um seine Informationsversorgung und er erhält nur so viel Information, wie er im Ein­ zelfall benötigt. Letzteres kennzeichnet auch die Aufklärungspflichten, bei de­ nen sich das passive Informationsverhalten des Privaten außerdem dadurch rechtfertigt, dass er davon ausgehen darf, sein Vertragspartner werde redlicher­

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weise bestimmte, für den Vertragsschluss wesentliche Umstände von sich aus offenbaren. Bei Informationspflichten jedoch wird der Informationsbedarf standardisiert vom Gesetzgeber abgeschätzt. Das Konzept beruht auf der Annahme, dass jede Information, die auf dem Markt ist, zur Markttransparenz beiträgt. Je mehr Information, desto mehr Überblick über die einzelnen Leistungen, desto leich­ ter das Treffen einer „informierten Entscheidung“ für den homo oeconomicus.405 Konsequenz aus dem Konzept wäre, die Informationspflichten, wie es derzeit in verschiedenen Bereichen des für die Beziehung von Kunde und Fi­ nanzdienstleister einschlägigen Rechts zu beobachten ist,406 zu erweitern. Je mehr Information, desto mehr Transparenz, desto bessere Kontrolle. Im Gegensatz zur überwiegenden Auffassung in der Rechtswissenschaft407 gehen Ökonomie408 und Soziologie,409 Erkenntnissen der Psychologie und Ko­ gnitionswissenschaften folgend,410 indes davon aus, dass Menschen in ihrem Wissen und ihren Erkenntnismöglichkeiten unterschiedlich sind. Nicht nur ist die Informationssuche zeit- und kostenintensiv und schon deshalb be­ schränkt.411 Auch die Motivation, sich ferner liegende Informationsquellen zu beschaffen, ist typischerweise eher gering ausgeprägt.412 Gerade bei den von der Informationspflichtengesetzgebung besonders betroffenen Finanzdienstleis­ tungsprodukten stehen der Aufwand der Informationsbeschaffung und ihr Er­ trag für die meisten Kunden in keinem akzeptablen Verhältnis.413 Überdies unterliegt die menschliche Auffassungsgabe, die Fähigkeit, Wahrnehmungs- und Vorstellungsmaterial in das Bewusstsein aufzunehmen,414 405 Diesen Grundsatz identifizieren Kasten, S.   405, als den Informationspflichten des WpHG gem. MiFID zugrunde liegendes Credo und Eidenmüller/Jansen/Kieninger/Wagner/ Zimmermann, JZ 2012, 269, 277 als dem GEKR zugrunde liegend. Zust. wohl Schredelseker, in: FS Roth, S.  721, 723 (zur Rechnungslegungspublizität). Krit. etwa Buck-Heeb, ZHR 176 (2012), 66, 94. 406  S. z.  B. §§   7  ff. AltZertG; abseits des Rechts der Finanzdienstleister s. die ­Verbraucherrechte-Richtlinie (Art.  6 Abs.  1 lit.  n), s), t) VVRL); ihr folgend das mit Wirkung vom 13. Juni 2014 geänderte BGB (§  312d Abs.  1 BGB i. V. m. Art.  246a EGBGB/§  312d Abs.  2 BGB i. V. m. Art.  246b EGBGB); außerdem der GEKR-E (Art.  13 Abs.  1 lit.  g), Art.  16 lit.  d) GEKR). 407  Mit Ausnahme v. a. der kapitalmarktrechtlichen Literatur, s. etwa Koller, ZBB 2011, 361, 363; Möllers/Kernchen, ZGR 2011, 1, 7 ff.; Mülbert, ZHR 177 (2013), 161, 170 f.; Oehler, ZBB 2012, 119, 120 f.; Stahl, S.  68 ff., 165 ff. 408  Sog. Neue Institutionenökonomik, s. Simon, Models of Man, S.  241 ff.; ders., Entschei­ dungsverhalten in Organisationen, S.  99. 409  Sog. RREEMM-Modell, Esser, S.  237 ff. 410  Überblick über diese bei Stahl, S.  199 ff. 411 Näher Fleischer, S.  117 ff., 205; Simon, Models of Man, S.  241, 243, 248. 412  Kroeber-Riel/Weinberg/Göppel-Klein, S.  302 f.; Simon, Models of Man, S.  248 ff.; aus der rechtswissenschaftlichen Literatur Hopt, S.  9 0 ff. 413  Sinus Sociovision/Commerzbank AG, Psychologie des Geldes, 2004. 414  Peters, S.  51.

§  2 Transparenz zur Kontrolle durch einzelne Private

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anders gewendet die Fähigkeit zur Informationsaufnahme415 und -verarbeitung, zahlreichen, meist noch nicht abschließend erforschten Grenzen.416 Sie variiert nicht nur interindividuell, sondern auch intraindividuell, ist ab­ hängig von der angesprochenen Person wie vom Gegenstand der Information und dem Zeitpunkt der Informationsaufnahme.417 Entsprechendes gilt für die Aufmerksamkeit.418 Bedeutsamer Faktor bei Informationsaufnahme und -verarbeitung ist außerdem die Präsentationsweise der Information419 und, dass die Menschen hier nach Vereinfachung streben (durch sog. selektive Wahrneh­ mung):420 Sie tendieren dazu, Informationen „nachzubearbeiten“, etwa indem sie sie nach eigenen Kriterien kategorisieren oder Unvollständigkeiten frei ver­ vollständigen.421 In den Entscheidungsprozess schließlich wird nur eine beschränkte Zahl von Informationen einbezogen.422 So werden etwa neu eintreffende Informationen gegenüber bereits vorhandenen zurückgedrängt (sog. „status-quo-bias“).423 „Häufigkeitsinformationen“, d. h. Fragen über die Wahrscheinlichkeit eines Umstands oder seinen tatsächlichen Eintritt, bleiben zugleich oft ungenutzt, solange nur ein Mindestmaß an anderer Information zur Verfügung steht.424 Heuristiken dominieren die Gewichtung und Auswahl der Informationen für den Entscheidungsprozess (nicht anders als die Informationssuche).425 Mit zunehmendem Informationsangebot steigt auch die Entscheidungsleis­ tung.426 Das Konzept der Informationspflichtengesetzgebung ist also im Aus­ gangspunkt korrekt. Ab einem bestimmten Punkt, einer gewissen Menge von Information, wird die Leistung aber nicht nur nicht besser, sondern fällt sogar ab (Zeitpunkt des

415 Ausf. Darstellung der Informationsaufnahme bei Kroeber-Riel/Weinberg/GöppelKlein, S.  298 f. 416 Grundlegend Miller, in: Psychological Review, Jg. 63 (1956), S.  81 ff. Weitere Aspekte Kramer, in: MünchKomm-BGB, §  241 Rn.  129. Aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht etwa Mazanek, S.  72 ff. Näher noch einmal unten §  4 C. I. 417  Kroeber-Riel/Weinberg/Göppel-Klein, S.  302; Schroeder-Wildberg, S.  96. 418  Def. dieses Begriffes ebenfalls bei Peters, S.  51 und im Unterschied zur Vigilanz, s. Spitzer, S.  141; zur Begrenzung Spitzer, S.  144 f. 419 Ausf. Kroeber-Riel/Weinberg/Göppel-Klein, S.  308 f. 420 Einf. Kiehling, S.   47 ff. Aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht Mazanek, S.  72 ff.; Überblick über die psychologischen Erkenntnisse bei Stahl, S.  216 ff. 421  Schroeder-Wildberg, S.  107 f. 422  Überblick verschiedener Irrationalitäten in der kapitalmarktrechtlichen Literatur bei Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 360; Mülbert, ZHR 177 (2013), 160, 170 f. 423 Einf. Kiehling, S.  57. 424  Kroeber-Riel/Weinberg/Göppel-Klein, S.   302, 430 ff. einschl. Darstellung der zuerst wohl von Kahneman/Tversky durchgeführten Studien zur Informationsheuristik. 425  Kroeber-Riel/Weinberg/Göppel-Klein, S.  302, 430 ff. 426 Zu weiteren Gründen einer nur eingeschränkten Entscheidungsleistung s. unten §   4 C. I.

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Teil 2: Transparenzpflichten von Finanzdienstleistungsunternehmen

sog. information overload, der informationellen Überlastung).427 Mehr Infor­ mation ist also nicht zwingend mit einer besseren Entscheidung gleichzuset­ zen.428 Diese physischen wie psychischen Grenzen stellen das Leitbild des mündigen Privaten nicht grundsätzlich infrage.429 Ein mündiger Privater muss nicht un­ fehlbar oder unbeschränkt belastbar sein.430 Davon ging schließlich auch das BGB nie aus, sondern es gesteht dem mündigen Privaten seit jeher zu, dass er sich irrt oder sich sonst bei seiner Entscheidungsfindung negativ beeinflussen lässt (s. nur §§  119, 123 BGB). Die physischen wie psychischen Grenzen müssen aber dazu führen, das Leit­ bild zu korrigieren. Der Gesetzgeber hat die beschränkte und zugleich unter­ schiedliche informationelle Belastbarkeit des mündigen Privaten seiner Tätig­ keit zu Grunde zu legen.431 Wo die Belastbarkeitsgrenze verläuft, ab wann information overload eintritt, ist angesichts der Vielzahl der betroffenen Sachverhalte und Individuen zwar nicht allgemein bestimmbar. Eine gesetzli­ che Regelung so zu gestalten, dass der information overload in jedem Fall bei gleichzeitig perfekter informationeller Versorgung vermieden wird, ist mithin ausgeschlossen. Allein schon der Umstand, dass information overload abstrakt drohen kann, ist aber für die Gesetzgebung bedeutsam. Zum einen gibt es aufgrund der indi­ viduellen Unterschiede kein Gegenüber von mündigem und unmündigem Pri­ vaten (oder mündigem Privaten und unmündigem Verbraucher), sondern nur verschiedene Individuen, die sich nach ihren Fähigkeiten unterscheiden. Dies erschwert es, die Informationsadressaten in Kategorien einzuordnen. Zum an­ deren können die Informationspflichten ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie den Privaten qualitativ wie quantitativ nicht überlasten. Der Gesetzgeber muss sich vor Anordnung von Informationspflichten daher stets fragen, wie viel Informa­ tion von den vom Gesetz angesprochenen Adressaten typischerweise aufge­ nommen und verwertet werden kann. Dies kann soweit gehen, dass bei komple­ xen Produkten, bei denen die produktbezogene Information dem durchschnitt­ lichen Kunden überhaupt nicht verständlich ist, mit Informationspflichten nicht mehr gearbeitet werden kann.

427  Schroeder-Wildberg, S.  96; Stahl, S.   68 (zu empirischen Erkenntnissen im Einzelnen S.  71 ff.). Aus dem Kapitalmarktrecht etwa Möllers/Kernchen, ZGR 2011, 1. 428  Aus philosophischer Sicht Han, S.  11. Zu naturwissenschaftlichen Erkenntnissen s. die vorangegangenen Fn. 429 A.A. Kieninger, in: Verhandlungen des 69. Deutschen Juristentages, S.   129 f.; Koch, BKR 2012, 485, 493; Micklitz, in: Verhandlungen des 69. Deutschen Juristentages, S.  100 f. 430  In diesem Sinne auch der BGH: der Private kann ein flüchtiger Leser und und trotzdem „verständig“ sein, BGH, Urt. V. 20.10.1999 – I ZR 167/97, GRUR 2000, 619, 621. 431  Gleiches fordert Mülbert, ZHR 177 (2013), 161, 181 vom Gesetzgeber für das Kapital­ marktrecht.

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Für passive Offenlegungspflichten gilt dieses präzisierte Leitbild des infor­ mationell beschränkt belastbaren Privaten zwar nicht minder. Überlastung ist durch passive Offenlegungspflichten angesichts des individuell zu bestimmen­ den Anspruchsumfangs aber regelmäßig nicht zu erwarten. Entsprechendes gilt für aktive Offenlegung in Form der Aufklärung: Diese knüpft an individuelle Umstände an, sodass eine informationelle Überlastung gezielt vermieden wer­ den kann. Für Informationspflichten jedoch werden die Konsequenzen dieses veränder­ ten Leitbildes noch einmal im Einzelnen zu untersuchen sein. II. Grundsätze für eine interessengerechte Weiterentwicklung der Offenlegungspflichten Leitlinien für eine interessengerechte Weiterentwicklung der auf Kontrolle von Finanzdienstleistungsunternehmen durch Private abzielenden Transparenz­ vorschriften ergeben sich aus einer Abwägung der Interessen der zur Offenle­ gung verpflichteten Person, etwa an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse, mit dem öffentliche Interesse an der Kontrolle der Marktteilnehmer und priva­ ten Informationsinteressen. 1. Weiterentwicklung von passiven Offenlegungspflichten Ein allgemeiner, d. h. voraussetzungsloser und inhaltlich unbeschränkter Aus­ kunftsanspruch unter Privaten besteht derzeit nicht, auch nicht unter Vertrags­ parteien.432 Der sog. „allgemeine“ Auskunftsanspruch gem. §  242 BGB knüpft, selbst wenn man das Erfordernis der rechtlichen Sonderbeziehung433 als zu un­ bestimmt ablehnt,434 noch an weitere Voraussetzungen an und vermittelt nur „erforderliche“ Informationen.435 Ausforschung soll der Auskunftsanspruch gem. §  242 BGB nicht ermöglichen.436 Schließlich ist §  242 BGB die „eigentliche Grundlage“437 für die Verpflichtung zur Auskunft.

432  So i.Erg. auch BGH, Urt. v. 11.6.1990 – II ZR 159/89, NJW 1990, 3151, 3152; Urt. v. 13.7.1983 – VIII ZR 142/82, NJW 1983, 2493, 2494; ähnl. (keine allg. Informationspflicht) BVerfG, Beschl. v. 3.7.1998 – 1 BvR 434/98, NJW 1998, 2964. Gegenteilige Befürchtungen bei Stadler, S.  105; Stürner, S.  298. 433 Die Terminologie ist im Einzelnen uneinheitlich, z. B. „besondere rechtliche Bezie­ hung“ etwa bei BGH, Urt. v. 11.6.1990 – II ZR 159/89, NJW 1990, 3151; „rechtliche Bezie­ hung“ BGH, Urt. v. 9.11.2011 – XII ZR 136/09, NJW 2012, 450; „rechtliche Sonderbezie­ hung“, BGH, Urt. v. 6.6.1979 – VIII ZR 55/78, BGHZ 74, 379, 381. 434  Osterloh-Konrad, S.  214; ähnlich Lang, S.  58. 435  Die „erforderliche“ Auskunft, BGH, Urt. v. 6.2.2007 – X ZR 117/04, NJW 2007, 1806, 1807; Urt. v. 28.10.1953 – II ZR 149/52, NJW 1954, 70. 436  Stürner, S.  318, spricht davon, dass es keinen „Schnüffelparagraphen“ geben dürfe. 437  Lüke, JuS 1986, 2, 6.

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Jedoch wird mitunter das Bestehen eines gesamtgesellschaftlichen Prinzips des freien Informationsflusses bejaht.438 Es sei erklärungsbedürftig, warum Datenschutzvorschriften wie das BDSG nicht nur im Verhältnis von Privaten und Staat, sondern auch zwischen Privaten gelten, während das Prinzip des freien Informationsflusses nur im Verhältnis von Privaten und Staat verwirk­ licht werde.439 Dies und das hier gefundene Ergebnis, dass etwa im Verhältnis von Kunden und Versicherern teilweise Informationsbedürfnisse bestehen, die vom Gesetz­ geber bisher nicht gesehen worden sind,440 könnten zu der Überlegung führen, die zivilrechtlichen passiven Offenlegungspflichten zur Kontrolle Privater un­ tereinander seien zu erweitern. Dies könnte jedenfalls Bereiche betreffen, in de­ nen es ein erhöhtes Bedürfnis nach Kontrolle gibt, wie etwa bei Finanzdienst­ leistern.441 Die Voraussetzungen könnten abgesenkt, der Umfang des An­ spruchs erweitert werden, etwa in dem Sinne, dass ein Informationsinteresse nicht dann erst anerkannt wird, wenn der Anspruchsteller in eigenen Rechten betroffen ist. Die Betroffenheit in eigenen Rechten könnte den Umfang des An­ spruchs somit auch nicht mehr einschränken. So wurde im Zusammenhang mit der Neufassung des VIG442 ein voraussetzungsloser, im Inhalt beliebiger Aus­ kunftsanspruch zumindest von Verbrauchern insbesondere gegen Finanz­ dienstleister gefordert.443 Gerechtfertigt werden könnte ein solcher Anspruch zumindest im Versiche­ rungsverhältnis auch dadurch, dass die Offenlegungspflichten des Versiche­ rungsnehmers bereits recht weit gehen (s. §§  19, 31 VVG).444 Die Transparenz des Versicherers für seinen Versicherungsnehmer wäre dazu nur Spiegelbild. Außerdem ist die Offenlegung auf konkrete Anfrage eines einzelnen Privaten milderes Mittel gegenüber einer etwaigen Offenlegungspflicht gegenüber der Öffentlichkeit.445 Offenlegung in begrenzten Einzelfällen ist grundsätzlich we­ niger schwerwiegender Grundrechtseingriff als Offenlegung gegenüber einer unbestimmten Vielzahl von Personen. Sie könnte daher aus verfassungsrechtli­ chen Gründen vorzuziehen sein. 438  Kloepfer, DÖV 2003, 221, 230; ders., S.  9, 29. S. auch den Entschließungsantrag BT-Drs. 16/2035, S.  2. 439  Kloepfer, DÖV 2003, 221, 230; ders., S.  9, 29. 440  Oben B. I. 441  Zum erhöhten Kontrollbedürfnis schon oben Teil 1 §  2. 442  Die bereits mit einer Ausweitung des Anspruchs, insbesondere mit einer Erstreckung des Anspruchs gem. §  2 Abs.  1 Nr.  2 VIG auf Information über alle Verbraucherprodukte i. S. d. §  2 Nr.  26 ProdSG, einhergeht. Eingehend Prommer/Rossi, GewArch 2013, 97, 99 f. 443  Ausschussdrs. 17 (10) 781, Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke im Bundestag, veröff. in BT-Drs. 17/7993, S.  14 f., 15. 444  Nicht ganz so weitgehend sprechen sich aber die PEICL (Art.  2: 702) für eine Offenle­ gung (nur) essentieller Vertragsinformationen auf Nachfrage des Versicherungsnehmers aus, näher Basedow/Birds/Clarke/Cousy/Heiss, S.  160 f. 445  Dazu noch §  4.

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Einen allgemeinen Auskunftsanspruch gegen eine Stelle, die aus verschiede­ nen Gründen der Kontrolle durch den Bürger bedarf, sieht außerdem bereits das IFG vor. Gem. §  1 Abs.  1 IFG hat jeder einen Anspruch gegen Behörden und sonstige öffentliche Stellen auf Zugang zu amtlichen Informationen. Die Rege­ lung lässt damit für grundsätzlich umfassenden Informationszugang ein allge­ meines Informationsinteresse genügen, ohne dass insbesondere ein Betroffen­ sein in eigenen Rechten für die Anspruchsentstehung erforderlich wäre.446 Um gegenläufige Geheimhaltungsinteressen zu wahren, bestehen Bereichsausnah­ men für bestimmte Behörden sowie Einschränkungen zugunsten von Ver­ schwiegenheitspflichten, Geschäftsgeheimnissen und allgemeinem Persönlich­ keitsrecht Dritter.447 Obgleich §  1 Abs.  3 IFG die Anwendung des IFG unter Privaten abseits der dort genannten Personen ausschließt, gelingt es Privaten bereits jetzt, über die öffentlichen Stellen Informationen über andere Private zu erlangen. Insbeson­ dere Informationen über Finanzdienstleister sind aufgrund des IFG leicht zu­ gänglich. Bei einer laufenden Aufsicht, wie sie die BaFin ausübt,448 sind beson­ ders viele unternehmensbezogene Informationen bei der Aufsichtsbehörde vor­ handen.449 Kann ein Privater ohnehin gestützt auf §  1 Abs.  1 IFG umfassende Informa­ tionen über beliebige Finanzdienstleistungsunternehmen von der BaFin erlan­ gen, ist der Schritt nicht mehr weit, einen direkten Informationszugangsan­ spruch Privater gegen Private oder zumindest nur gegen Finanzdienstleister zu schaffen. Entsprechend der Regelung des IFG wäre er in seinen Voraussetzun­ gen und seinem Umfang grundsätzlich nicht begrenzt und würde auf ein pau­ schal angenommenes Informationsinteresse (Kontrolle von Finanzdienstleis­ tungsunternehmen) gestützt. Gegen einen insoweit „allgemeinen“ Informationsanspruch spricht jedoch, dass der unterschiedliche Anwendungsbereich von IFG und BDSG auf den un­ terschiedlichen Funktionen von Informationszugangsfreiheit und Datenschutz beruht. Zugang zu den personenbezogenen Daten, die das BDSG schützen soll, haben öffentliche Stellen wie Private, sodass die Anwendung des BDSG auf bei­ de Gruppen gerechtfertigt ist. Informationsfreiheit dient im öffentlichen Be­ reich in erster Linie einer verbesserten Kontrolle der Verwaltung sowie mittels Verbesserung der Partizipationsmöglichkeiten des Einzelnen am öffentlichen Geschehen der Stärkung der Demokratie.450 Um Partizipation des Einzelnen als Ausdruck des Demokratieprinzips geht es unter Privaten jedoch nicht. Stattdes­ sen ist es ein rechtfertigungsbedürftiger Grundrechtseingriff, wenn ein Privater 446 

Rudkowski, S.  41. Rudkowski, S.  47 ff. 448  S. noch §  3. 449 Ausf. Rudkowski, S.  37 ff. 450  Schoch, IFG, Einl Rn.  37. 447 Näher

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Teil 2: Transparenzpflichten von Finanzdienstleistungsunternehmen

zur Mitteilung von Informationen (gleich an wen) verpflichtet wird.451 Das De­ mokratieprinzip steht zur Rechtfertigung nicht zur Verfügung, und mehr noch, während Kontrollinstanz für den Staat in einer Demokratie begriffsnotwendig letztlich immer der Private, der Bürger, sein muss, ist zur Kontrolle anderer Privater grundsätzlich der Private nur dann berufen, wenn konkret seine Inter­ essen betroffen sind. Der Private hat, anders als grundsätzlich der Staat, ein Recht auf Geheimnisschutz und Privatheit gegenüber (anderen) Privaten.452 Zur Kontrolle abseits der Betroffenheit eigener rechtlicher und /oder wirtschaftli­ cher Interessen kann daher der Private grundsätzlich auch vom Gesetzgeber nicht herangezogen werden. Daneben führte ein allgemeiner Auskunftsanspruch gegen Finanzdienstleis­ ter, selbst dann noch, wenn er etwa auf ihre Kunden beschränkt wäre, zu einer Aufweichung zivilrechtlicher Wertungen: Informationsvorsprung der Anbie­ ter, Komplexität des Produkts und Vereinfachung des Wirtschafts- und Rechts­ verkehrs mögen es rechtfertigen, Unternehmen die Offenlegung bestimmter Informationen etwa durch Informationspflichten abzuverlangen. Ein allgemei­ ner Auskunftsanspruch, passgenau auf einen Anspruchsteller zugeschnitten, ginge aber darüber weit hinaus. Er könnte zur Umgehung der Beweislastvertei­ lung im Zivilprozess zweckentfremdet werden.453 Schließlich spricht gegen einen allgemeinen, d. h. einen von weiteren Voraus­ setzungen und einer Inhaltsbeschränkung losgelösten Anspruch, dass die be­ stehenden Grundtypen der Auskunftsansprüche auf eine verhältnismäßige Be­ friedigung eines anerkennenswerten Offenlegungsinteresses abzielen. Dort, wo ein Schuldverhältnis vorliegt, ein Wahrnehmen fremder Interessen (s. z. B. §  666 BGB), wird das Offenlegungsinteresse pauschal vom Gesetzgeber angenom­ men, ist aber auf die zur Wahrnehmung der eigenen Interessen erforderlichen Informationen gegenständlich beschränkt. Dort, wo kein Schuldverhältnis vor­ liegen muss, wo die Anforderungen an die Sonderbeziehung geringer sind, ist das Informationsinteresse im Einzelfall nachzuweisen (§  242 BGB), der Umfang der Information erst recht begrenzt. Dieser sinnvollen Systematik, die Ausfor­ schung vermeidet, widerspräche ein voraussetzungsloser, inhaltlich grundsätz­ lich unbeschränkter Auskunftsanspruch. Die weitere Entwicklung der passiven Offenlegungspflichten muss daher ein­ geschränkt sein. Eine gesetzliche Anerkennung ausgewählter Informationsinte­ ressen, etwa im Verhältnis von Versicherungsnehmer und Versicherer, ist zwar

451 

Kloepfer, K&R 2006, 19, 26. Beschl. v. 26.2.2008 – 1 BvR 1602, 1606 und 1626/07, NJW 2008, 1793, 1794 („Caroline von Monaco IV“); Beschl. v. 3.6.1980 – 1 BvR 185/77, BVerfGE 54, 148, 153. Zur Privatheit im Verhältnis der Privaten untereinander und gegenüber dem Staat HohmannDennhardt, NJW 2006, 545 ff. 453  Stürner, S.  318. 452  BVerfG,

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erforderlich;454 Der zivilrechtlichen Systematik wie den verfassungsrechtlichen Anforderungen an Privatheit und Geheimnisschutz entspricht aber nur ein An­ spruch zur Wahrnehmung eigener (Informations-) Interessen, was einen „allge­ meinen“ Auskunftsanspruch ausschließt. 2. Weiterentwicklung von Informationspflichten Bei der Informationspflichtengesetzgebung kommt das Leitbild des mündigen, aber informationell nur beschränkt belastbaren Privaten in besonderer Weise zum Tragen. Nur soweit die Informationspflichten die beschränkte Leistungs­ fähigkeit des mündigen Privaten berücksichtigen, sind sie geeignet, zur Kon­ trolle des Vertragspartners beizutragen. Besonders bedeutsam ist dies ange­ sichts der kontinuierlichen Erweiterung,455 die derzeit die aktiven Offenle­ gungspflichten der Finanzdienstleister gegenüber Privaten erfahren. a) Ziel der „informierten Entscheidung“ Ziel der Informationspflichten ist, den Privaten in die Lage zu versetzen, eine „informierte Entscheidung“ über den Vertragsschluss zu treffen.456 Dass es hin­ gegen dem Leitbild des mündigen Privaten widerspricht, wenn die Informati­ onspflichten dem Kunden ermöglichen sollen, eine „objektiv“ oder „subjektiv richtige“ Entscheidung zu treffen, wurde bereits dargelegt.457 Korrigiert man das Leitbild des mündigen Privaten und geht weniger optimistisch von einem informationell beschränkt belastbaren Privaten aus, ändert sich hieran nichts. Denn die beschränkte informationelle Belastbarkeit des Privaten beseitigt seine Mündigkeit nicht, insbesondere nicht seine Fähigkeit, die eigenen Interes­ sen und Bedürfnisse einzuschätzen und seinem Handeln ein entsprechendes Ziel zu setzen. Zweifelhaft ist lediglich, ob der mündige, informationell be­ schränkt belastbare Private in der Lage ist, die zur Erreichung des Ziels erfor­ derlichen Informationen lückenlos aufzunehmen und zu verwerten. Dem lässt sich aber Rechnung tragen über die Ausgestaltung der Informationspflichten, insbesondere durch weniger, aber dafür zielführendere Information. Einer Än­ derung in der Zielsetzung der Gesetzgebung, hin zum Ziel einer „subjektiv richtigen“ Entscheidung, bedarf es daher nicht.

454 

S. oben B. I. Z. B. zur Erweiterung der Informationspflichten im Versicherungsrecht (Recht der Al­ tersvorsorge) durch Novellierung des AltZertG Rudkowski, VersR 2013, 1504 ff.; zur Erwei­ terung der Informationspflichten bei Verbraucherverträgen durch die Umsetzung der Ver­ braucherrechte-Richtlinie, Wendehorst, NJW 2014, 577, 578, 581. 456  Oben A. I. 457  Oben B. II. 1. a). 455 

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Teil 2: Transparenzpflichten von Finanzdienstleistungsunternehmen

b) Der Grundsatz der Informationssparsamkeit und seine Folgen Nachdem zunächst nur in der Literatur insbesondere zum Kapitalmarktrecht458 und zum Versicherungsrecht459 das Problem Berücksichtigung fand, ist sich mittlerweile auch der Gesetzgeber bewusst, dass die meisten Kunden die ihnen zur Verfügung gestellten Informationen aufgrund beschränkter informationel­ ler Belastbarkeit nicht vollständig zur Kenntnis nehmen.460 Dem Gedanken, dass nur leicht verständliche und leicht erfassbare Information überhaupt die Chance hat, in die Entscheidungsfindung mit einzugehen,461 und dass ein „in­ formation overload“ vermieden werden muss, ist die Schaffung von „Produkt­ informationsblättern“ etwa nach WpHG, VVG oder AltZertG geschuldet.462 In der bloßen Anordnung, Produktinformationsblätter zu überreichen, können sich die Folgerungen aus der beschränkten informationellen Belastbarkeit des Privaten jedoch nicht erschöpfen. Vielmehr muss sich aus der Gefahr des information overload ein Grundsatz sparsamer Anordnung von Informationspflichten ergeben. Ist angesichts der Vielzahl der betroffenen Sachverhalte und Individuen nicht bestimmbar, wo die Grenze der Belastbarkeit genau verläuft, muss die gesetzliche Regelung so ge­ staltet sein, dass möglichst vielen Personen ausreichende Information verschafft wird. Gleichzeitig aber muss die Information soweit beschränkt sein, dass der information overload für die Mehrheit ausgeschlossen ist. Das Leitbild des mündigen Privaten erfordert es hier, eher zu wenig Informationen mitzuteilen und davon auszugehen, der Private werde, soweit er ihrer bedarf, weitere Infor­ mationen von sich aus nachfragen. Insbesondere ist es auch dem unterdurch­ schnittlich versierten Privaten zuzumuten, sich darum zu bemühen, relativ ein­ fache Informationen zu verstehen.463 Im Zweifel ist daher keine Informationspflicht anzuordnen. Ist unklar, ob ein Informationsbedürfnis besteht, wird Offenlegung der entsprechenden Infor­ mation nicht angeordnet. 458  Studie der Universität Bochum und der Deutschen Post AG, 2007, zit. nach Pellens, Rubin 2007, S.  53, 58. Ähnlich Koch, BKR 2012, 485 ff.; Koller, ZBB 2011, 363. Krit. u. a. zu §  31 Abs.  3 WpHG Kasten, S.  405 ff. Ausf. zum Folgenden mit Bezug zum Kapitalmarktrecht Kasten, S.  138 ff. Allg. Eidenmüller, JZ 2005, 216, 221. 459  Eling, VW 2009, 658; Präve VersR 2008, 151, 156; Rabe, S.  259; Römer VersR 2007, 618. 460  RegE VVG, BT-Drs. 16/3945, S.  48. Zust. Römer, VersR 2006, 740, 741 (für die Versi­ cherungswirtschaft). 461  Grundmann, JZ 2000, 1133, 1149; Kasten, S.  139. In einer Umfrage der Universität Ho­ henheim in Zusammenarbeit mit Forsa im Auftrag der Ergo Versicherungsgruppe AG (2012) sind 28 % der Befragten der Auffassung, die Produktinformationen bei Versicherungen ver­ stünden „fast nur Experten“ (31 % bei Banken), nur sechs (fünf) Prozent meinen, die Infor­ mationen „kann jeder verstehen“, abrufbar unter www.ergo.de/verstaendlichkeitsstudie (zu­ letzt abgerufen am 10. August 2015). 462  Zu diesen noch unter e). 463  Zu den von einem Verbraucher zu erwartenden Fähigkeiten im Überblick etwa Pfeiffer, NJW 2011, 1, 6 f.

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aa) Vorrang anderer Informationsbeziehungen Aus diesem Grundsatz und aus dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßig­ keitsgebot, das verlangt, in die Privatautonomie nur soweit einzugreifen, als dies erforderlich ist,464 folgt, aktive Informationspflichten nur dann vorzuse­ hen, wenn nicht passive Offenlegungspflichten oder die freiwillige Informati­ onsmitteilung gleich geeignetes, milderes Mittel der Informationsbeschaffung sind. Als gleich geeignetes, milderes Mittel kommen passive Offenlegungspflich­ ten etwa in Form von Auskunftsansprüchen in Betracht. Auf ihrer Grundlage kommt es zur Mitteilung von für den Einzelfall passgenauer Information. Sie befriedigt die Informationsbedürfnisse des Anspruchstellers sogar besser als die standardisierte Information, die er aufgrund der Informationspflichten er­ hält. Zugleich entsprechen die passiven Offenlegungspflichten dem Leitbild des mündigen Privaten, der seine Informationen sich grundsätzlich eigenverant­ wortlich beschafft. Zwar erfordern sie ein Eingehen auf individuelle Informati­ onsbedürfnisse. Aufwändiger für den Verpflichteten müssen sie damit aber kei­ neswegs sein. Sie greifen ohnehin nur, soweit die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen465 und der Berechtigte seinen Anspruch überhaupt geltend macht. Erst wenn die individuelle Information zu aufwendig und zu unökonomisch wäre, weil zu viele grundsätzlich gleichgerichtete Informationsbedürfnisse ent­ stehen, ist die Informationspflicht der individuellen Informationsbeziehung vorzuziehen. Nur dort, wo bei einem bestimmten Vertragstyp ein gleichförmi­ ges Informationsinteresse einer Vielzahl von Personen besteht, kann die An­ ordnung von Informationspflichten zur Erleichterung des Rechtsverkehrs ver­ hältnismäßig sein. Die Erforderlichkeit der Informationspflichten entfällt aber selbst dann, wenn die Informationen schon aufgrund anderer Vorschriften, insbesondere der Rechtsgeschäftslehre oder des AGB-Rechts, zu offenbaren sind. Ist der zu­ künftige Vertragspartner an einem Vertragsschluss interessiert, wird er etwa die essentialia negotii von sich aus offenlegen. Des Kundenschutzes durch eine In­ formationspflicht bedarf es hier nicht.466 Daneben finden sich als Gegenstand von Informationspflichten in einigen jüngeren Regelungen mitunter Umstände, die normalerweise dem Kunden of-

464 

BVerfG, Urt. v. 15.1.1970 – 1 BvR 13/68, BVerfGE 27, 344, 352. voraussetzungsloser, nicht auf die Befriedigung eines Informationsinteresses zur Verfolgung eigener rechtlicher oder wirtschaftlicher Interessen gerichteter Anspruch ist ver­ fassungsrechtlich ausgeschlossen, s. oben 1. 466  Im Ergebnis ebenso mit Blick auf das GEKR Eidenmüller/Jansen/Kieninger/Wagner/ Zimmermann, JZ 2012, 269, 277. 465  Ein

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Teil 2: Transparenzpflichten von Finanzdienstleistungsunternehmen

fenbart würden, ohne dass dies rechtlich vorgeschrieben oder (etwa zum Ver­ tragsschluss) notwendig wäre. Besonders deutlich ist ein Beispiel außerhalb des Finanzdienstleistungsrechts, die Pflicht zum Hinweis auf die Interoperabilität von Software gem. §  312d Abs.  1 BGB i. V. m. Art.  246a §  1 Abs.  1 S.  1 Nr.  15 EGBGB. Diese Information ist für den Kunden unzweifelhaft von Interesse. Sie ermöglicht ihm, die Brauchbarkeit des Produkts für seine Zwecke einzu­ schätzen. Die Anbieter offenbaren bestimmte Informationen ihren Kunden jedoch re­ gelmäßig von sich aus, die Wirtschaftswissenschaft spricht hier vom sog. Signal­ ling.467 Die freiwillige Offenlegung betrifft für den Anbieter positive Informa­ tionen, aber auch solche, ohne die mit einem Vertragsschluss vernünftigerweise nicht zu rechnen ist, weil mündige Private ohne die Information zu einer Ein­ schätzung des angebotenen Produkts oder der Leistung nicht kommen können. So wird ein Unternehmen, das besonders umweltfreundliche Produkte an­ bietet, etwa ein Versicherer, der nicht in umweltschädliche Industrien investiert, dies auch werbend für sich nutzen und nicht erst zur Offenlegung verpflichtet werden müssen. Die Interoperabilität eines technischen Produktes, um auf das Eingangsbeispiel zurückzukommen, muss zwar keineswegs immer positiv für den Anbieter sein, werden doch bestimmte Kunden (solche, deren Hardware nicht mit dem Produkt kompatibel ist) vom Vertragsschluss absehen. Die Anga­ ben zur Interoperabilität schaffen aber überhaupt erst die Voraussetzung, dass sich ein größerer Kundenkreis für das Produkt interessiert. Obgleich die Infor­ mation nicht eindeutig positiv für den Anbieter ist, wird er sie daher, um über­ haupt Vertragsschlüsse zu erzielen, freiwillig offenbaren. Einer entsprechenden Pflicht bedarf es daher nicht. Informationspflichten sind folglich nur dann erforderlich, wenn bei einem bestimmten Vertragstyp ein gleichförmiges Informationsinteresse einer Viel­ zahl von Personen besteht. Sie sind selbst dann nicht erforderlich, wenn die In­ formationsversorgung, etwa durch andere Regelungen oder Signalling, ohnehin gesichert ist. bb) Wesentliche Informationen Die Herstellung von Markttransparenz setzt voraus, dass dem Kunden die für seinen Vertragsschluss wesentlichen Umstände mitgeteilt werden, d. h. solche Umstände, die einen Vergleich mit anderen Produkten und damit das Auffinden des vorteilhaftesten Produkts ermöglichen. Ein Angebotsvergleich lässt sich regelmäßig an einigen wesentlichen Infor­ mationen468 festmachen:469 Maßgeblich für eine informierte Entscheidung sind 467  Überblick zur sog. Signaltheorie bei Merkt, S.  212 ff. Zurückgehend auf Spence, Quar­ terly Journal of Economics, Vol.  87, No. 3, 355 ff. 468  In Anlehnung an den Begriff Fleischers, S.  576. 469 A.A. Kieninger, AcP 199 (1999), 190, 216 f.

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Leistung und Gegenleistung und die Bedingungen ihrer Fälligkeit oder Inan­ spruchnahme, und darüber hinaus die Identität des Vertragspartners, die eine grobe Abschätzung seiner Leistungsstärke und Seriosität erlaubt. Anhand des Vertragsgegenstands, des Preis-Leistungs-Verhältnisses und der Person des Vertragspartners lässt sich sowohl eine individuell interessengerechte Entschei­ dung herbeiführen als auch der Markt steuern. Das Ziel der Informationspflich­ ten ist folglich im Wesentlichen mit einer nur geringen Zahl von Informationen zu erreichen. Eine genaue Auswahlentscheidung des Kunden, der letzte Schritt zur Verwirklichung von Produkt- und Markttransparenz, bedarf zwar näherer Informationen, je komplexer das Produkt, desto mehr. Dafür ist es aber dem mündigen Privaten zuzumuten, die Geschäftsbedingungen durchzusehen oder sich beim Anbieter näher zu erkundigen. Viele der „wesentlichen Informationen“ gehören zu den essentialia negotii, und müssen offenbart werden, damit es überhaupt zum Vertragsschluss kommt (z. B. Art und Höhe von Leistung, Gegenleistung). Ihre Offenlegung anzuord­ nen, ist daher nicht erforderlich. Anderes gilt für Informationen über die Iden­ tität des Vertragspartners, etwa seinen Sitz oder seine ladungsfähige Anschrift oder andere wesentliche Informationen, d. h. etwaige Nebenpunkte, die für die Beurteilung des Produkts von Bedeutung sind, die aber aus Sicht der Parteien regelmäßig dennoch nicht so wichtig sind, dass ihr Fehlen den ganzen Vertrag zu Fall bringen soll (etwa Obliegenheiten im Versicherungsvertrag). Die Informationspflichten sind folglich auf „wesentliche Informationen“ zu beschränken. cc) Insbesondere: Ausschluss „weicher“ Informationen Der europäische Normgeber und ihm folgend auch der deutsche Gesetzgeber ist zuletzt dazu übergegangen, auch die Offenlegung „weicher“ Informationen anzuordnen. Sie betreffen etwa ökologische oder soziale Verhältnisse der ange­ botenen Leistung oder des Vertragspartners. So sehen neuere europäische Re­ gelwerke die Pflicht vor, die freiwillige Bindung des Unternehmens an eine Cor­ porate Social Responsibility-Strategie oder an Verhaltenskodizes zu offenba­ ren.470 Auch die Offenlegung von Anlagestandards in ökologischer und sozialer Hinsicht ist auf europäischer und nationaler Ebene teilweise verpflichtend ge­ worden (s. etwa §  7a Abs.  1 S.  2 AltZertG, Art.  8 Abs.  3 lit.  c) ii) PRIIP-VO). Für einen mündigen, rationalen und informationell beliebig belastbaren Pri­ vaten ist dies unproblematisch. Die Normgeber können davon ausgehen, dass Kunden, die an ökologischen oder sozialen Belangen interessiert sind, diese bei

470  S. die Verbraucherrechte-Richtlinie, Art.  6 Abs.  1 lit.  n) VRRL und ihr folgend §  312d Abs.  1 BGB i. V. m. Art.  246a §  1 Abs.  1 S.  1 Nr.  10 EGBGB; Art.  16 lit.  d) GEKR.

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ihrer Vertragsentscheidung sachgemäß berücksichtigen werden, zugunsten sol­ cher Anbieter, die sich in dieser Hinsicht vorbildlich verhalten.471 Für einen informationell nur beschränkt belastbaren Privaten und eine Ge­ setzgebung der Informationssparsamkeit sind diese Informationspflichten in­ des problematisch. Nicht nur, dass es an der Erforderlichkeit der Pflichten fehlt, weil Unternehmen, die sich sozial engagieren oder sich ökologisch besonders vorbildlich verhalten, dies typischerweise bereits freiwillig aus Gründen der Werbung offenbaren.472 Vor allem soll sich durch Markttransparenz das nach Preis-LeistungsVerhältnis beste Produkt durchsetzen, im Interesse des Kundenschutzes.473 Die „weichen“ Informationen aber sind geeignet, aufgrund ihrer positiven emotio­ nalen Konnotation die eigentlich wichtigen Entscheidungskriterien (Leistung und Gegenleistung) in den Hintergrund zu drängen. Sie können außerdem zur informationellen Überlastung insoweit zu führen, als der Kunde gezwungen ist, erst einmal die relevanten von den irrelevanten Informationen zu trennen und das Engagement der Unternehmen im Einzelnen auf Ernsthaftigkeit und Qualität zu bewerten. Im schlimmsten Fall misslingt dies den meisten Kunden und der von den Informationspflichten angestrebte Kundenschutz wird nicht erreicht: Es setzen sich minderwertige, aber hochpreisige Produkte am Markt durch, weil die Anbieter sich als besonders sozial oder ökologisch vorbildlich darstellen. Dagegen lässt sich auch nicht einwenden, bei gewöhnlicher Werbung sei kri­ tische Bewertung dem Kunden ebenfalls abverlangt. Denn wirbt das Unterneh­ men für sich mit „weichen“ Informationen, ist die Werbung als solche für den Kunden erkennbar, das verlangt §  4 Nr.  3 UWG.474 Stehen die gleichsam wer­ benden Aussagen als Teil von Informationspflichten in unmittelbarem räumli­ chem Zusammenhang zu gesetzlichem Widerrufsrecht oder Hinweisen auf sonstige gesetzliche Vorschriften, erhalten sie hingegen einen geradezu offiziel­ len Charakter. Das erschwert die Informationsverarbeitung selbst für einen mündigen, kritischen Adressaten. Informationspflichten, die andere Fragen als die rechtliche oder wirtschaftli­ che Produktgestaltung zum Thema haben, die insbesondere die Offenlegung sozialer oder ökologischer oder sonstiger „weicher“ Umstände betreffen, sind mithin abzulehnen.

471 

In diese Richtung auch Baroch Castellví, §  7 AltZertG Rn.  17. Zum sog. Signalling s. schon oben aa). 473  S. oben A. I. 474  Neben etwa Anh. zu §  3 Abs.  3 UWG Nr.  11, dem Verbot der als „Information getarn­ ten Werbung“ speziell gegenüber Verbrauchern. 472 

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dd) Insbesondere: Geheimhaltungsinteressen des Verpflichteten Beschränkt man die Informationspflichten von vornherein auf wesentliche In­ formationen, können Geheimhaltungsinteressen des Verpflichteten grundsätz­ lich nicht von ihnen tangiert sein. Allerdings verlangt das für die Finanzdienst­ leister einschlägige Privatrecht durchaus Offenlegung von Geschäftsgeheimnis­ sen. Praktisch bedeutsam sind etwa §  7 Abs.  2 S.  1 Nr.  2, 3 VVG i. V. m. §§  2 Abs.  1 Nr.  1, 2, 9, 3 Abs.  1 Nr.  1, 2 VVG-InfoV, nach denen in der Lebens- und Krankenversicherung Informationen über die Abschluss-, Vertriebs- und die sonstigen Kosten dem Versicherungsnehmer mitzuteilen sind.475 Die Vorschrif­ ten erfassen insbesondere Verwaltungskosten.476 Diese können je nach Versi­ cherer erheblich differieren477 und stellen grundsätzlich eine für Wettbewerber bedeutsame Information dar. Geschäftsgeheimnisse sind verfassungsrechtlich zwar geschützt, ihr Schutz ist aber nicht absolut.478 Er kann durch ein Informationsinteresse des Kunden eingeschränkt werden. Ein solches ist aber grundsätzlich nur anerkennenswert, wenn ohne die ent­ sprechenden geheimen Informationen die Bewertung des Produkts dem Kun­ den nicht möglich wäre. Für die Bewertung des Produktes ist allenfalls, wie §  7 Abs.  2 S.  1 Nr.  2, 3 VVG deutlich macht, die Kostenstruktur eines Vertrages von Interesse. Doch selbst ein Interesse, über die Kostenstruktur informiert zu werden, be­ steht nicht bei allen Vertragsarten, denn nicht bei allen Produkten bedarf es Kenntnis der Kostenstruktur, um den Wert des Produktes einzuschätzen. Bei anderen als abstrakten Rechtsprodukten (wie Finanzdienstleistungen), bei allen Produkten, bei denen die Leistung greifbar oder zumindest irgendwie „erfahr­ bar“ ist, spielt die Kostenstruktur grundsätzlich keine Rolle. So muss der Käu­ fer einer Sache nicht erst über die Zusammensetzung ihres Kaufpreises infor­ miert werden, um ihren Wert einschätzen zu können. Bei abstrakten Produkten wie Finanzprodukten hingegen bedarf der Kunde näherer Informationen über die Kosten, um das Preis-Leistungs-Verhältnis des angebotenen Vertrags abschätzen zu können. Hohe Verwaltungs- oder Ab­ schlusskosten hat er über seine Leistung zu finanzieren, und sie mindern den Wert der Gegenleistung, die er erhält. Der Leistungsvergleich im Einzelfall ist jedoch dem Kunden auch anhand anderer Parameter möglich, sodass die Information über die Kosten nicht zwin­ 475  Zu einem etwaigen Widerspruch des §  2 Abs.  1 Nr.  1 VVG-InfoV („übrige einkalkulier­ te Kosten“) mit seiner Rechtsgrundlage §  7 Abs.  2, 3 VVG und weiteren Problemen der Kos­ tentransparenz Brömmelmeyer, VersR 2009, 584, 589 ff. 476  Brömmelmeyer, VersR 2009, 584, 589; Prölss/Martin/Knappmann, VVG-InfoV, §   2 Rn.  2; L/P/Schäfers, §  2 VVG-InfoV Rn.  8 ff.; a. A. Präve, VersR 2008, 151, 155. 477 Prölss/Martin/Knappmann, VVG-InfoV, §  2 Rn.  2. 478  Oben Teil 1 §  3 B. I. 2. und II. 4.

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gend erforderlich ist, um Markttransparenz herzustellen. Letztlich zählen für die Vertragsentscheidung Leistung und Gegenleistung in absoluten Zahlen. Missfällt dem Kunden die Höhe der von ihm zu erbringenden Leistung, sei es absolut oder im Verhältnis zur Gegenleistung, wird er einen anderen Vertrags­ partner wählen. Außerdem ist die mit der Offenlegung angestrebte Kostenkontrolle und da­ mit der Kundenschutz auch mit anderen, für die Kunden mindestens gleich ge­ eigneten, für die Unternehmen milderen Mitteln zu erreichen. Die Kosten kön­ nen gesetzlich gedeckelt oder der Kontrolle der Aufsichtsbehörde unterstellt werden. Diese ist zur Verschwiegenheit verpflichtet, das Geschäftsgeheimnis wird gewahrt. Der verfassungsrechtliche Geheimnisschutz steht damit einer Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen durch Informationspflichten grundsätzlich entge­ gen. c) Persönlicher Anwendungsbereich der Informationspflichten Die Informationspflichten bestehen nicht allgemein gegenüber allen Privaten, sondern nur gegenüber bestimmten Personengruppen, etwa Verbrauchern i. S. d. §  13 BGB, Versicherungsnehmern (§  7 VVG),479 Kunden von Altersvorsorge­ produkten (§§  7 ff. AltZertG) oder Anlegern (§  31 WpHG). Gibt es aber tatsäch­ lich kein Gegenüber von mündigem und unmündigem Privaten, etwa in Person des verletzlichen und des verantwortlichen Verbrauchers,480 sondern zahlreiche Zwischenstufen, eine Vielzahl von Individuen mit unterschiedlicher Leistungs­ fähigkeit,481 spricht das gegen eine Ausdifferenzierung der Informationspflich­ ten nach Kategorien von Informationsadressaten, die danach bestimmt werden, welche Zielrichtung ihre Entscheidung (Konsumentscheidung, Investitionsent­ scheidung) hat. Anzuknüpfen ist dann vielmehr daran, dass die Leistungsfähig­ keit der Privaten individuell unterschiedlich ist, ganz gleich, in welcher Eigen­ schaft und mit welcher Zielrichtung der Private tätig wird. Darin liegt keine völlige Einebnung aller Unterschiede, etwa eine – nicht gebotene482 – Gleichset­ zung von Anlegern und Verbrauchern, sondern gerade eine erhöhte Individua­ lisierung. An der individuell unterschiedlichen Leistungsfähigkeit der Privaten orien­ tiert sich bisher etwa §  31 Abs.  4 S.  1, Abs.  5 S.  1 WpHG, indem er die dort ge­ nannten Wertpapierdienstleistungsunternehmen verpflichtet, Informationen 479  Noch einmal: Keine Deckungsgleichheit der beiden Begriffe, §  7 VVG dehnt fernab­ satzrechtliche Vorgaben (s. Art.  3 und 5 der Fernabsatzlinie II) im Sinne der Vereinheitlichung und Praktikabilität auf alle Versicherungsverträge aus (RegBegr VVG 2008, BT-Drs. 16/3945, S.  48, 59). 480  Dafür aber Kohte, VuR 2012, 338 ff.; Micklitz, in: Verhandlungen des 69. Deutschen Juristentages, S.  100 f. 481  S. schon oben C. I. 482 Näher Mülbert, ZHR 177 (2013), 160, 180 f.

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über die Kenntnisse und Erfahrungen ihrer Kunden mit Finanzprodukten ein­ zuholen, um so dem Kunden eine möglichst passende Empfehlung zu erteilen. Zwar ist auch hier eine Kategorisierung der Kunden gestattet. Diese fällt jedoch deutlich feiner aus als etwa die Unterscheidung Verbraucher/Nichtverbraucher. Sie basiert auf individueller Einstufung. Ein geschäftserfahrener Kunde, der aufgrund der Zielrichtung des Geschäfts i. S. d. §  13 BGB eigentlich Verbraucher und eher verletzlich wäre, wird aufgrund der individuellen Einstufung gem. §  31 Abs.  4 S.  1, Abs.  5 S.  1 WpHG deutlich geringer informiert. Die Vorschrift knüpft damit eher an einem tatsächlichen Informationsgefälle an und vermutet nicht nur aufgrund der Zielrichtung des Geschäfts oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Personengruppe ein Informationsbedürfnis. Dass Personen mit unnützen Informationen überfrachtet werden, vermeidet die Regelung grundsätzlich ebenso, wie sie sicherstellt, dass alle Personen die für sie notwen­ digen Informationen erhalten. §  31 Abs.  4 S.  1, Abs.  5 S.  1 WpHG ist allerdings dem Umstand geschuldet, dass das verpflichtete Wertpapierdienstleistungsunternehmen Finanzportfolio­ verwaltung oder Anlageberatung betreibt, mithin die Interessen des Vertrags­ partners in besonderem Maße wahrzunehmen verpflichtet ist. Anlageberatung lässt sich nicht korrekt durchführen, wenn der Beratende über die Interessen und Kenntnisse seines Kunden nicht informiert ist. Eine Lösung Geschäfte wie Verbraucherkredit, Versicherungsvertrag oder gar einfache Geschäfte des tägli­ chen Lebens ist diese Regelung damit nicht. Massenhaft ist sie praktisch kaum durchführbar, der Aufwand gerade bei einfachen Austauschverträgen unver­ hältnismäßig. Überdies nimmt ein Berater Vertrauen für sich in Anspruch, so­ dass ihn auch gesteigerte Pflichten treffen, auf seinen Kunden einzugehen. Bei einem bloßen Dienstleister oder Verkäufer, der offensichtlich eigene Interessen verfolgt und auch verfolgen darf, liegt der Fall so nicht.483 Die Ausdifferenzie­ rung nach Vorbild des §  31 WpHG mag damit information overload vermeiden. Sie bietet aber keine grundsätzliche Lösung für alle Vertragstypen. Mit der Unterscheidung nach Kauf- und Beratungsverträgen klingt hier aber bereits eine Differenzierung nach Vertragstyp an, die etwa Fleischer befürwor­ tet hat: Um einigermaßen passgenaue Informationen für den mündigen Privaten mitteilen, aber dennoch zur Erleichterung des Rechtsverkehrs eine Kategorisie­ rung vornehmen zu können, sollen die Informationsbeziehungen am Vertrags­ typ anknüpfen.484 Bei Kooperationsverträgen, d. h. solchen, die ein Zusam­ menwirken der Vertragspartner zum Gegenstand haben, sollen ebenso wie bei Interessenwahrnehmungsverträgen (etwa dem Geschäftsbesorgungsvertrag) gesteigerte Informationspflichten bestehen.485 Austauschverträge hingegen 483  Dementsprechend geringere Offenlegungspflichten selbst der Bank bei Eigengeschäf­ ten, s. BGH, Urt. v. 17.9.2013 – XI ZR 332/12, NZG 2013, 1226. 484  In concreto ging es allerdings um Aufklärungspflichten, Fleischer, S.  573 ff. 485  Fleischer, S.  573 ff.

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kommen völlig ohne sie aus.486 Eine Stütze könnte dieser Ansatz finden in einer Äußerung des BGH, nach welcher der Umfang der rechtlich gebotenen Aufklä­ rung von der Art des Vertrages abhänge.487 Eine solche Kategorisierung nach Vertragstypen nimmt der Gesetzgeber im Grundsatz bereits jetzt vor. Bei Austauschverträgen des täglichen Lebens sind nur in Ausnahmefällen (z. B. für den Fernabsatz) Informationspflichten vorge­ sehen,488 anders bei Dauerschuldverhältnissen und komplexen Produkten in enger Vertrauensbeziehung der Vertragsparteien (s. den Versicherungsvertrag). Diese Differenzierung ist auch zutreffend – je größer das Näheverhältnis zwi­ schen den Parteien ist, je stärker der Vertrag auf Wahrnehmung der Interessen des Kunden ausgerichtet ist, desto stärker die Pflichtenbindung des Anbieters. Die auf diese Weise, gleichsam nur „einstufig“ kategorisierten Offenlegungs­ pflichten werden jedoch stets dem einen zu viel und dem anderen zu wenig In­ formation bieten. Eine individuell stets passgenaue Information vermag das System der Informationspflichten aber nicht zu bringen, ihre Standardisierung steht dem entgegen. Daraus folgt indes nicht, dass die Informationspflichten in einer zweiten Ka­ tegorisierungsstufe nach vermeintlichen Eigenschaften des Informationsadres­ saten oder Zielrichtung des Geschäfts aufgegliedert werden müssten, so wie es derzeit der Fall ist.489 Der individuell verschiedenen Leistungsfähigkeit der Pri­ vaten entspricht dies nicht. Zugleich ist es für eine gesetzliche Regelung nicht leistbar, auf andere als breitflächig vorkommende Entscheidungsdefizite des Privaten einzugehen.490 Stattdessen muss der Gesetzgeber die Reichweite der Informationspflichten bei den einzelnen Vertragstypen sehr genau ausdifferenzieren. Er hat am poten­ tiellen Informationsinteresse des Kunden des jeweiligen Geschäfts, unabhängig von dessen Eigenschaft als Verbraucher (o. ä.) anzuknüpfen.491 Abhängig von der Art des Vertrags kann es geboten sein, sogar das individuelle persönliche Informationsinteresse für das Maß der Information heranzuziehen (s. noch ein­ mal §  31 Abs.  4 S.  1, Abs.  5 S.  1 WpHG). Umgekehrt kann auch erforderlich sein, völlig von Information abzusehen. Dies gilt einerseits, wenn das Geschäft so einfach ist, dass es ohne weitere Informationen durchschaut werden kann (Ge­ schäfte des täglichen Lebens). Andererseits betrifft es Geschäfte, die so komplex

486 

Fleischer, S.  575. BGH, Urt. v. 13.7.1983 – VIII ZR 142/82, NJW 1983, 2493, 2494. 488  Zumindest praktisch ist dies so; rechtlich ist Information aber bei Verbraucherverträ­ gen die Regel, Nichtinformation die Ausnahme, vgl. §  312a Abs.  2 S.  1 BGB i. V. m. Art.  246 Abs.  1, 2 EGBGB. 489  In diese Richtung aber Kohte, VuR 2012, 338 ff. 490  Mülbert, ZHR 177 (2013), 160, 181. 491  Dafür auch Grunewald, AcP 190 (1990), 609, 611. 487 

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sind, dass allein mit Information dem Kunden nicht geholfen ist (z. B. in der privaten Altersvorsorge).492 Folgt der Gesetzgeber dem Grundsatz der Informationssparsamkeit, schadet die Aufgabe der zweiten Kategorisierungsstufe nicht. Die Informationspflich­ ten werden dann ohnehin eher knapp ausfallen. Dafür betreffen sie so bedeutsa­ me Aspekte des Geschäfts, dass sie für alle Kunden gleichermaßen interessant sind, unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Statusgruppe. Eine Kategorisierung erübrigt sich damit. Die Aufgabe der zweiten Kategorisierungsstufe durch den deutschen Gesetz­ geber und damit die hier beschriebene Anpassung der Informationspflichten ist zwar unzulässig, soweit anderslautende europäische Vorgaben (etwa für Ver­ braucher) bestehen. Doch muss die Aufgabe der Differenzierung auch auf euro­ päischer Ebene erfolgen, denn sie beruht nicht auf rechtlichen, sondern im We­ sentlichen auf tatsächlichen Erwägungen, darauf, dass die Privaten angesichts ihrer vielfältigen persönlichen Unterschiede in psychischer und physischer Leistungsfähigkeit sich nicht klar kategorisieren lassen. Darin liegt kein Ab­ schied vom objektiv-generellen Maßstab, keine komplizierte Einzelfallentschei­ dung anhand subjektiv-individueller Kriterien.493 Es wird mit dem Informati­ onsinteresse nach abzuschließendem Vertrag nur ein anderer objektiver Maß­ stab gewählt als bisher. d) Beschränkung auf Informationspflichten Die Anordnung von Erläuterungs-, Hinweis-, Warn- und Beratungspflichten ist bereits als mit dem Regelungskonzept der Kontrolle durch einen mündigen Privaten nicht vereinbar identifiziert worden.494 Nicht weniger gilt dieses Er­ gebnis aber für den mündigen, beschränkt belastbaren Privaten, da die Grenzen seiner informationellen Belastbarkeit nichts an seiner grundsätzlichen Mündig­ keit ändern.495 Die Transparenzpflichtengesetzgebung darf daher nur auf Infor­ mationspflichten setzen. Sollten diese im Einzelfall nicht ausreichen, etwa weil das Produkt für einen mündigen, informationell beschränkt belastbaren Priva­ ten nicht verständlich darzustellen ist, ist das Informationsmodell aufzugeben. Dann sind, abhängig von der Komplexität der zu treffenden Vertragsentschei­ dung, entweder Beratungspflichten zu schaffen – die aber nicht die Zielrichtung irgendeiner Form der Kontrolle durch Transparenz haben können – oder es muss inhaltlich reguliert werden.496 492 

I. Erg. ebenso Köndgen, BKR 2011, 283, 285. Eine solche zurecht ablehnend Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 377. 494  S. oben B. II. 1. b). 495  S. oben C. I. 496  Wie jetzt etwa im Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkredit-Richtlinie ge­ plant, RefE, S.  13. Krit. zur inhaltlichen Regulierung etwa Grigoleit, ZHR 177 (2013), 264,302 ff.; Langenbucher, ZHR 177 (2013), 679, 700 f.; Mülbert, ZHR 177 (2013), 160, 201 f. 493 

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e) Sonderfall: Produktinformationsblätter Die Gefahr des information overload hat der Gesetzgeber in einigen Rechtsge­ bieten gesehen und die Unternehmen dazu verpflichtet, ihren Kunden einen Überblick über die Produktinformation, hier genannt Produktinformations­ blätter (kurz PIB),497 zu überreichen. Sie bieten dem Kunden eine Übersicht über die zu einem jeweiligen Produkt mitgeteilten Informationen. Damit sollen sie nicht nur den information overload vermeiden, sondern auch die Markttransparenz fördern, indem sie die Vergleichbarkeit der Produkte er­ höhen. Weiteres Ziel ist es, durch übersichtliche Darstellung das Verständnis der insbesondere bei Finanzprodukten oft als komplex empfundenen Informa­ tionen fördern.498 Prägnanz der Informationen erleichtert schließlich die Auf­ fassung.499 Bei Finanzprodukten sind PIB daher seit einiger Zeit fester Bestandteil der Informationspflichtengesetzgebung.500 So wurde zum 1. Juli 2013 das PIB für Altersvorsorgeprodukte verpflichtend (s. §  7 AltZertG). Diese Beliebtheit des PIB beim Gesetzgeber führt aber zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen es der Transparenz auch wirklich förderlich sein kann. aa) Sachlicher Anwendungsbereich des PIB Grundsätzlich ist das PIB geeignet, die Markttransparenz zu fördern: Es bietet eine Übersicht über die wesentlichen Vertragsbestandteile, erhöht damit die Vergleichbarkeit der einzelnen Produkte und kann die Entscheidung des Kun­ den hin zum qualitativ besten Produkt lenken. Zugleich handelt es sich für den Verpflichteten um eine relativ schonende Maßnahme.501 Als Übersicht über den Vertragsinhalt ist das PIB allerdings nur sinnvoll bei Verträgen von überdurchschnittlicher Komplexität, bei denen vorvertragliche Informationen überhaupt in größerem Umfang mitgeteilt werden. Daraus fol­ gen zwei Einschränkungen: Ist der Vertragsinhalt wenig komplex und ohne Weiteres im Wesentlichen zu erfassen, ist das PIB nicht erforderlich, so etwa bei 497  In Anlehnung z. B. an §§  4 VVG-InfoV, 31 Abs.  3a WpHG. Die Bezeichnung variiert abhängig vom einschlägigen Regelwerk (s. z. B. das „Basisinformationsblatt“ nach der ­PRIIP-VO). 498  In einer Umfrage der Universität Hohenheim in Zusammenarbeit mit Forsa im Auftrag der Ergo Versicherungsgruppe AG (2012) sind 28 % der Befragten der Auffassung, die Pro­ duktinformationen bei Versicherungen verstünden „fast nur Experten“ (31 % bei Banken), nur sechs (fünf) Prozent meinen, die Informationen „kann jeder verstehen“, abrufbar unter www.ergo.de/verstaendlichkeitsstudie (zuletzt abgerufen am 10. August 2015). 499  Peters, S.  51. Ausf. Kroeber-Riel/Weinberg/Göppel-Klein, S.  308 f. 500  S. aber Art.  9 Abs.  1 GEKR, die Verpflichtung des Unternehmers, dem Verbraucher ein Informationsblatt nicht über das Produkt, sondern über die Grundzüge des GEKR auszu­ händigen, quasi ein „Rechtsinformationsblatt“, näher Moser, WiVerw 2012, 124, 130. Krit. Eidenmüller/Jansen/Kieninger/Wagner/Zimmermann, JZ 2012, 269, 276; Staudenmayer, NJW 2011, 3491, 3492. 501  Langenbucher, ZHR 177 (2013), 679, 691.

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Geschäften des täglichen Lebens.502 Umgekehrt kann der Vertrag aber auch zu komplex sein, als dass ein PIB ihn übersichtlich und verständlich darstellen könnte. Hier ist das Informationsmodell durch inhaltliche Regulierung zu er­ setzen.503 Ab welchem Umfang oder Inhalt von Vertragsbedingungen von einer zu hohen Komplexität auszugehen ist, ist vom Gesetzgeber möglichst auf Grundlage empirischer Untersuchungen festzulegen,504 wobei allerdings ange­ sichts der Vielzahl der denkbaren Sachverhalte nur Näherungswerte gefunden werden können. bb) Persönlicher Anwendungsbereich des PIB Die Pflicht zur Überreichung eines PIB ist teilweise darauf beschränkt, dass der Adressat Verbraucher ist (s. z. B. §  4 VVG-InfoV).505 Kommt es aber für das Informationsbedürfnis des Kunden nicht auf die Zielrichtung des Geschäfts an, sondern auf das individuelle Informationsbedürfnis, verobjektiviert durch die Art des Vertrags, muss sich dies auch auf den Anwendungsbereich des PIB aus­ wirken. Da bei allen natürlichen Personen die Gefahr des information overload be­ steht, ist für alle Vertragsinteressenten ein PIB zu überreichen, soweit nur bei der konkreten Vertragsart ein PIB erforderlich ist. Dies gilt selbst bei erfahre­ nen Kunden, die nur einen schnellen Abgleich verschiedener Verträge vorneh­ men wollen. Auch sie profitieren von einer Übersicht. Die PIB sind daher grundsätzlich allen Personen zur Verfügung zu stellen.506 cc) Anforderungen an das PIB im Einzelnen Da eine unübersichtliche, fehlerhafte oder missverständliche Gestaltung des PIB zur Desinformation des Vertragsinteressenten führen und damit die Zweck­ erreichung des PIB gefährden kann, versucht der Gesetzgeber in jüngerer Zeit, Umfang und Gestaltung des PIB zu regeln.

502  Anders wohl Grundmann, in: Verhandlungen des 69. Deutschen Juristentages, S.  115, und jetzt auch das BGB nach Umsetzung der Verbraucherrechte-Richtlinie: §  312a Abs.  2 S.  1 BGB i. V. m. Art.  246 Abs.  1 EGBGB geht davon aus, dass bei Verbraucherverträgen grund­ sätzlich zu informieren ist, und erst Art.  246 Abs.  2 EGBGB nimmt von diesem Grundsatz Verträge über Geschäfte des täglichen Lebens aus. 503  Köndgen, BKR 2011, 283, 285. Kritisch zur Leistungsfähigkeit von PIB bei komplexe­ ren Produkten auch Koch, ZBB 2014, 211, 212. Zu Schwierigkeiten bei der inhaltlichen Regu­ lierung, insbesondere Produktverboten, Grigoleit, ZHR 177 (2013), 264, 302 ff.; Mülbert, ZHR 177 (2013), 160, 201 f. 504  Überblick über verschiedene empirische Untersuchungen zur Wirksamkeit von PIB bei Langenbucher, ZHR 177 (2013), 679, 691 f. 505  Anders z. B. gem. §  7 Abs.  1 AltZertG. 506  Dementsprechend etwa keine Differenzierung nach Verbrauchereigenschaft beim Vor­ schlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Basisinformati­ onsblätter für Anlageprodukte vom 3. Juli 2012, KOM (2012) 352 endg.

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Teil 2: Transparenzpflichten von Finanzdienstleistungsunternehmen

So sieht §  13 Abs.  2 S.  1 VermAnlG einen Umfang von nicht mehr als drei DIN-A4-Seiten für das Vermögensanlagen-Informationsblatt vor, ebenso Art.  6 Abs.  4 PRIIP für das Basisinformationsblatt. Die Umfangsbeschränkung ist auch sinnvoll,507 soll der Zweck erricht werden, dem Kunden nur einen zu­ sätzlichen Überblick über den Vertrag zu verschaffen. Zugleich reicht diese Seiten­zahl im Regelfall aus, um dem Vertragsinteressenten die wesentlichen Informa­tionen (Art und Fälligkeit von Leistung und Gegenleistung, etwaige Vertragslaufzeit, Vertragspartner) vor Augen zu führen.508 Die Umfangsbe­ schränkung vermeidet zugleich den Eindruck, es handele sich um zusätzliche Produktinformationen.509 Um das Zusammentreffen mehrerer Übersichten und damit ein „Aufsummieren“ der Produktinformationen bei einem Produkt zu vermeiden, sind außerdem Konkurrenzregeln zu treffen.510 Aus der Umfangsbeschränkung folgt zwingend eine Beschränkung im In­ halt, wobei zu den aufzunehmenden Informationen stets die essentialia negotii gehören, unabhängig davon, ob Letztere von den Informationspflichten im Üb­ rigen erfasst sind.511 Darüber hinaus ist es sinnvoll, etwaige noch nicht unter §  305c Abs.  1 BGB fallende, aber dennoch möglicherweise ungewöhnliche oder „überraschende“ Besonderheiten des Vertrags (ungewöhnliche Risikoaus­ schlüsse, außergewöhnliche Kostentatbestände o. ä.) knapp zu nennen, soweit sie für die Entscheidung des Kunden von wesentlicher Bedeutung sein können. Hinweise auf etwaige sich aus dem Geschäft ergebende Risiken sind hingegen schon mit Blick auf die Zielsetzung der Informationspflichten nicht ange­ bracht.512 Die Art der zu veröffentlichenden Information im Einzelnen ist vom Gesetzgeber festzulegen, etwa in Muster-PIB, um die PIB so weit wie möglich zu vereinheitlichen.513 Je ähnlicher die PIB der einzelnen Produkttypen sind, desto größer wird ihre Vergleichbarkeit und damit die Vergleichbarkeit der an­ gebotenen Produkte.

507  Für maximal drei oder vier Seiten Armbrüster, Privatversicherungsrecht, Rn.  788; für maximal zwei oder drei Seiten Franz, VersR 2008, 298, 300. 508  Bisher ohne Seitenbeschränkung der Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Basisinformationsblätter für Anlageprodukte vom 3. Juli 2012, KOM (2012) 352 endg. 509 A.A. Bödeker, GWR 2011, 278. 510  S. z. B. §  7 Abs.  1 S.  1 AltZertG: Das individuelle Produktinformationsblatt ersetzt das Produktinformationsblatt nach §  4 der VVG-Informationspflichtenverordnung in der jeweils geltenden Fassung. 511  S. dazu oben b) aa). 512  Anders nach §  5a Abs.  1 WpDVerOV und Art.  8 Abs.  2 des Vorschlags für eine Verord­ nung des Europäischen Parlaments und des Rates über Basisinformationsblätter für Anlage­ produkte vom 3. Juli 2012, KOM (2012) 352 endg. 513  Harnos, in: Hauer/Rudkowski (Hrsg.), S.  209, 222 speziell für den Bereich Kapitalanla­ ge.

§  2 Transparenz zur Kontrolle durch einzelne Private

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In bestehenden Regelungen werden die Anforderungen an den Inhalt des In­ formationsblatts oft ergänzt um Gebote der „Präzision“,514 Verständlichkeit,515 Aktualität,516 Richtigkeit517 oder Übereinstimmung mit einschlägigen Ange­ botsunterlagen.518 Diese Gebote tragen zur Zweckerreichung der Information jedoch wenig bei: Einer Verpflichtung auf Präzision steht schon entgegen, dass die Informationen nur einen groben Produktvergleich ermöglichen, aber nicht die restlichen Vertragsinformationen ersetzen sollen und damit schon aufgrund ihrer Verkürzung nicht „präzise“ sein können. Die Verständlichkeit ist als Kri­ terium schwer zu handhaben: Sie ist höchst subjektiv. Eine Pflicht, keine unrich­ tigen oder mit den sonstigen Vertragsunterlagen nicht übereinstimmende Infor­ mationen mitzuteilen und daher auch veraltete Informationen zu aktualisieren, ist hingegen entbehrlich, weil positive Abweichungen der Vertragsbestimmun­ gen vom PIB sich lediglich zugunsten des Kunden auswirken. Nachteilige Ab­ weichungen der Vertragsbestimmungen vom PIB aber schaden ebenfalls nicht, wenn man zur Auslegung der Willenserklärung des Kunden gem. §§  133, 157 BGB das PIB heranzieht und so die positive Abweichung zum Vertragsbestand­ teil macht. Zudem steht es dem Gesetzgeber auch frei, an die Unrichtigkeit der mitgeteilten Informationen weitere Rechte des Kunden zu knüpfen.519 f) Fazit Aus der beschränkten informationellen Belastbarkeit des mündigen Privaten folgt der Grundsatz der Informationssparsamkeit. Er gebietet, Informations­ pflichten nicht anzuordnen, wenn die Informationsversorgung des Kunden an­ derweitig sichergestellt ist. Informationspflichten betreffen nur wesentliche Vertragsinformationen, zu denen „weiche“ Informationen, etwa soziale oder ökologische Zusammenhänge des Produkts, ebenso wenig gehören wie Ge­ schäftsgeheimnisse des Verpflichteten. Ziel der Informationspflichten darf nur die Herbeiführung einer „informier­ ten“ Entscheidung sein, nicht etwa die einer subjektiv oder objektiv „richtigen“ Entscheidung. Sie sind auf die Mitteilung von Information beschränkt. Aufgrund der unterschiedlichen psychischen wie physischen Leistungsfähig­ keit Privater ist deren Kategorisierung, ihre Einteilung etwa als verletzlicher Verbraucher oder mündiger Privater, abzulehnen. Der Umfang der Informati­ onspflichten wird nur vom potentiellen Informationsinteresse des Kunden bei den verschiedenen Vertragsarten bestimmt. PIB sind grundsätzlich jeder Kundengruppe zur Verfügung zu stellen. 514 

Z. B. Art.  6 Abs.  1 S.  2 PRIIP-VO. Z. B. §  13 Abs.  2 S.  2 VermAnlG, Art.  246a §  4 Abs.  1 EGBGB. 516  Z. B. Art.  10 PRIIP-VO. 517  Z. B. §  31 Abs.  3a S.  2 WpHG. 518  Z. B. §  31 Abs.  3a S.  2 WpHG; Art.  6 Abs.  1 S.  3 PRIIP-VO. 519  S. §  7 Abs.  3 S.  1 AltZertG, das Rücktrittsrecht. 515 

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Teil 2: Transparenzpflichten von Finanzdienstleistungsunternehmen

3. Weiterentwicklung von Aufklärungspflichten Da die Aufklärungspflichten von der Rechtsprechung entwickelt werden und sie daher ungeschrieben und in ihren allgemeinen Voraussetzungen recht all­ gemein gehalten sind,520 könnte ihre weitere Entwicklung in einer Konkreti­ sierung und/oder Kodifizierung liegen. So hat der Gesetzgeber mit §  6 VVG Beratungs- und Aufklärungspflichten des Versicherers normiert und damit die dem BGB ursprünglich zugrunde liegende Annahme widerlegt, es sei unmög­ lich, Aufklärungspflichten abseits von Einzelfällen zu kodifizieren.521 Eine bloße Verschriftlichung der von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze aber wäre mit keinem ersichtlichen Gewinn verbunden und ist daher abzulehnen. Die dann geschriebene Aufklärungspflicht könnte ihre ­ Funktion, die informationelle Lage in Einzelfällen zu korrigieren, nicht besser erfüllen als zuvor. Allenfalls könnte einer geschriebenen Aufklärungspflicht ein gesteigerter Appellcharakter zukommen. In ihrem Inhalt müsste die Aufklä­ rungspflicht aber immer noch für jeden Einzelfall konkretisiert werden. Darü­ ber hinaus könnte eine Normierung die Frage aufkommen lassen, inwieweit eine (abzulehnende522) „allgemeine“ Aufklärungspflicht unter Privaten besteht, und damit zu Rechtsunsicherheit führen, wo das Richterrecht bisher im We­ sentlichen Rechtssicherheit geschaffen hat. Eine gesetzliche Konkretisierung der Aufklärungspflichten für bestimmte Vertragsgegenstände bei ausgewählten Verträgen führte aber letztlich zu einer Standardisierung der Aufklärungspflichten und damit zur Schaffung weiterer Informationspflichten. Nicht nur, dass deren Anordnung sich (ausschließlich) nach den unter 2. vorgestellten Grundsätzen bemisst. Es verlöre auch mit der gesetzlichen Ausgestaltung die Aufklärungspflicht ihre Funktion als Ausgleich eines Informationsdefizits im Einzelfall. Allenfalls eine Konkretisierung und Erweiterung der Aufklärungspflichten um Beratungspflichten nach dem Vorbild des §  6 VVG für bestimmte Vertrags­ typen wäre denkbar: Grundsätzlich steht zwar die Mündigkeit des Privaten der Annahme einer vorvertraglichen Beratungspflicht entgegen. Der Vertragspart­ ner ist nicht dafür verantwortlich, dass sein Kunde die angebotene Leistung versteht oder sinnvoll auswählt. Gerechtfertigt werden könnte eine solche Erweiterung der vorvertraglichen Pflichten aber in engen Grenzen bei Verträgen, die so komplex sind, dass das 520  Sie entstehen über Umstände, die den Vertragszweck der anderen Partei vereiteln kön­ nen und die daher für ihren Entschluss von wesentlicher Bedeutung sind, sofern die Mittei­ lung nach der Verkehrsauffassung erwartet werden kann, s. BGH, Urt. v. 16.12.2009 – VIII ZR 38/09, NJW 2010, 858; Urt. v. 4.4.2001 – VIII ZR 32/00, NJW 2001, 2163; Urt. v. 6.2.1976 – V ZR 44/74, WM 1976, 401. 521  Motive zum Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, Bd.  I S.  208. 522  S. auch oben 1. und Teil 3 §  4 A. II. 1. und 2.

§  2 Transparenz zur Kontrolle durch einzelne Private

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Informationsmodell an seine Grenzen stößt, weil auch ein mündiger Privater im Regelfall der Beratung bedarf. §  6 VVG betrifft eine solche Ausnahme, da beim Versicherungsvertrag etwaige Lücken zwischen Bedarf und Deckungsschutz oft für den Vertragsinteressenten nicht erkennbar sind. Keine Ausnahme hingegen ist angebracht für die Kapitalanlageberatung. Hier ist die Reichweite von Aufklärungs- und Beratungspflichten über die Ri­ siken des später verkauften Kapitalanlageprodukts regelmäßig ein vertrags­ rechtliches Problem: Die Aufklärung und Beratung ist Gegenstand der Leis­ tungspflichten eines eigenständigen Beratungsvertrags. Es geht mithin nicht um vorvertragliche Aufklärungspflichten. Beim Verbraucherkreditrecht schließlich, als einem weiteren wichtigen Be­ reich der Finanzdienstleistungen, müssen vorvertragliche Aufklärungs- und Beratungspflichten nach dem Vorbild des §  6 VVG grundsätzlich ebenfalls aus­ scheiden. Beim Verbraucherkredit mag nicht jeder Fachbegriff jedem Verbrau­ cher sogleich verständlich sein; die Grundkonstellation (Nutzung von Geld gegen Zinsen mit Verpflichtung zur Rückzahlung) ist aber leicht zu erfassen. Speziell §  6 VVG als Regelungsvorbild heranzuziehen, wäre zudem hier be­ denklich, weil die Norm sicherstellen will, dass der Versicherungsnehmer für seine persönlichen Bedürfnisse ausreichenden Versicherungsschutz erhält, mit­ hin der Kunde ein seinem individuellen Bedarf entsprechendes Produkt er­ wirbt. Der Bedarf des Kunden darf aber bei dem im Vergleich zum Versiche­ rungsvertrag wesentlich weniger abstrakten Verbraucherkredit für den Kredit­ geber keine Rolle spielen, will man das Leitbild des mündigen Privaten nicht infrage stellen. Eine Erweiterung der vorvertraglichen Pflichten in Richtung Beratungs­ pflichten könnte mithin in Ausnahmefällen gerechtfertigt werden, bei Verträ­ gen, die so komplex sind, dass auch ein mündiger Privater im Regelfall der Be­ ratung bedarf. Abseits des Versicherungsvertrags, der mit §  6 VVG bereits eine entsprechende Regelung aufweist, ist ein solcher Regelungsbedarf aber derzeit nicht ersichtlich. III. Folgerungen für Kontrolle durch Transparenz Bei grundsätzlicher informationeller Eigenverantwortung des Privaten sollen aktive Offenlegungspflichten – nicht nur im Privatrecht der Finanzdienstleis­ tungsunternehmen – die Informationsversorgung der Kontrollinstanz „(poten­ tieller) Vertragspartner“ sicherstellen. Es ist jedoch davon auzugehen, dass der mündige Private informationell le­ diglich beschränkt belastbar ist. Dem ist bei Ausgestaltung der gesetzlichen Re­ gelung Rechnung zu tragen. §  2 macht die Notwendigkeit einer Kontrollinstanz deutlich, die in der Lage ist, die offenbarten Informationen zu verwerten. Da zur Kontrolle die offenbar­ te Information in eine sinnvolle Entscheidung umgesetzt werden muss, haben

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Teil 2: Transparenzpflichten von Finanzdienstleistungsunternehmen

die Normgeber eine etwaige begrenzte Leistungsfähigkeit der Kontrollinstanz berücksichtigen. Zu viel oder nicht sorgsam ausgewählte Information fördert die Transparenz bei einer nur beschränkt belastbaren Kontrollinstanz nicht.

§  3 Transparenz zur Kontrolle durch die Aufsichtsbehörde Offenlegungspflichten der Finanzdienstleistungsunternehmen gegenüber der Aufsichtsbehörde523 gehören seit jeher zum Kern des Finanzaufsichtsrechts.524 Mit Solvency II verstärkt sich aber vor allem im Versicherungsaufsichtsrecht das Streben nach Transparenz. Das Unternehmen soll für die Aufsichtsbehörde nicht nur in Einzelaspekten, sondern umfassend, geradezu absolut durchschau­ bar sein. Diesem Ziel steht auf den ersten Blick vor allem das Interesse der Un­ ternehmen am Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse entgegen. Doch Einschrän­ kungen der Offenlegungspflichtengesetzgebung ergeben sich vor allem aus Be­ rufsausübungs- und Unternehmensorganisationsfreiheit.

A. Transparenz für Aufsichtsbehörden als Ziel des Finanzaufsichtsrechts Die Kontrolle durch eine Aufsichtsbehörde ist das klassische Modell der Finan­ zaufsicht.525 Die Aufsichtsbehörde bündelt nach diesem Konzept das erforder­ liche Knowhow für die Kontrolle, ist mittelbar demokratisch legitimiert und erhält durch Rechtsvorschriften klar umrissene Aufgaben und Befugnisse. In­ formation ist die Grundlage für ihr recht- und zweckmäßiges Handeln, wie in der verwaltungsrechtlichen Literatur bereits mehrfach eingehend dargelegt.526 Untrennbar mit dem Informationszugang verbunden sind Verschwiegenheits­ pflichten der Aufsichtsbehörde. Die Zahl der Offenlegungspflichten gegenüber der Aufsichtsbehörde wurde in den letzten Jahren jedoch kontinuierlich vergrößert, und auch ihre Funktion hat sich gewandelt. Die Herstellung absoluter Transparenz kann aber nur Ziel der Gesetzgebung sein, wenn der Erweiterung des Informationszugangs auch die Verschwiegenheit der Aufsichtsbehörde gegenüber steht. 523  Für Kreditinstitute bestehen daneben Offenlegungspflichten gegenüber der Bundes­ bank. Sie werden hier ausgeklammert, ebenso wie etwaige Offenlegungspflichten nach Ne­ bengesetzen wie dem GwG. 524  Zu besonderen Informationsrechten der BaFin gegenüber den hier nicht behandelten EU-ausländischen Versicherungsunternehmen Decker, VersR 2013, 287 ff. 525  Zu diesem grundlegend Thiele, S.  1 ff., speziell zu den verschiedenen klassischen Auf­ sichtsobjekten S.  125 ff. 526  Zur Information als Grundlage von Kontrolle etwa Schoch, VVDStRL 57 (1998), 158, 168; Stohrer, S.  52, 111, 117 f.

§  3 Transparenz zur Kontrolle durch die Aufsichtsbehörde

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I. Transparenz als Mittel der klassischen Staatsaufsicht Der stetige Wandel des Finanzaufsichtssystems, wie er für alle drei Bereiche der Finanzdienstleistungsaufsicht an der Zusammenfassung der früheren Auf­ sichtsämter unter dem Dach der BaFin als Allfinanzaufsicht im Jahr 2002527 und an der Schaffung einer europäischen Aufsicht (insbesondere EIOPA 528 und EBA 529) im Jahr 2011 deutlich sichtbar wurde, hatte Auswirkungen nicht nur auf die Stellung der Aufsichtsbehörde, sondern auch auf die Offenlegungs­ pflichten. Ihr Zusammenhang zu einem konkreten Verwaltungshandeln wurde und wird kontinuierlich gelockert, deutliches Indiz für einen Funktionswandel: Information der Aufsichtsbehörde wird von der bloßen Vorbereitung konkreter Kontrollakte zum Mittel der Kontrolle. Sowohl das VAG aus dem Jahr 1902530 als auch das deutlich jüngere KWG531 setzten von Beginn an auf Offenlegungspflichten der Unternehmen gegenüber einer Aufsichtsbehörde. Die Funktion, Transparenz des ganzen Unternehmens für die Aufsichtsbehörde herzustellen, erhielten die Offenlegungspflichten al­ lerdings erst ab Ende des 20. Jahrhunderts. Beide Finanzaufsichtsrechte gingen zunächst noch von einem Modell der ma­ teriellen Staatsaufsicht aus, ein Aufsichtssystem, das umfassende staatliche Ein­ wirkung auf den gesamten Geschäftsbetrieb des Unternehmens von der Zulas­ sung an vorsieht.532 Dieses Aufsichtssystem verschafft der Aufsichtsbehörde die für ihre Tätigkeit erforderlichen Informationen zu einem guten Teil zusammen mit Anträgen des Unternehmens die Führung seiner Geschäfte betreffend, bei Versicherungsunternehmen etwa im Rahmen der Vorabkontrolle von AVB 527  Dazu etwa Präve, VW 2001, 372 ff.; Weber-Rey/Horak, VersR 2011, 452 ff. Aus verwal­ tungsrechtlicher Sicht Pitschas/Gille, VerwArch 2003, 68 ff. 528  Durch Verordnung Nr.  1094/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Auf­ sichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung), zur Ände­ rung des Beschlusses Nr.  716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/79/EG der Kommission, ABl.  EU Nr. L 331, S.  48 ff. Ausf. zu Konzeption, Aufgaben und Befugnissen von EIOPA sowie ihre Fundierung im Primärrecht Platzer, S.  144 ff. 529  Durch Verordnung (EG) Nr.   1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr.  716/2009/EG und zur Aufhe­ bung des Beschlusses 2009/78/EG der Kommission, ABl.  EU Nr. L 331, S.  12 ff. 530  Zur Geschichte des VAG z. B. Büchner, in: Rohrbeck (Hrsg.), Bd.  1, S.  20 ff. 531  Ein erstes KWG trat erst im Jahr 1935 in Kraft, Reichsgesetz über das Kreditwesen vom 5. Dezember 1935, RGBl.  I S.  1203. Zum Erlass eines neuen Bundesgesetzes in der Nach­ kriegszeit kam es erst im Jahr 1962, s. Gesetz über das Kreditwesen vom 10. Juli 1961, BGBl.  I S.  881. Zu Gesetzgebungsverfahren und Verfassungsmäßigkeit BVerfG, Entsch. v. 24.7.1962 – 2 BvF 4/61, 2 BvF 5/61, 2 BvF 1/62, 2 BvF 2/62, BVerfGE 14, 197, 198 ff. Zur Geschichte der Bankenaufsicht eingehend Träm, S.  41 ff. 532  Büchner, in: Rohrbeck (Hrsg.), Bd.  1, S.  7. Verpflichtet, Versichertenbelange wahrzu­ nehmen, war die Aufsichtsbehörde freilich trotzdem nicht, BVerwG, Urt. v. 14.10. 1980 – 1 A 12/78, BVerwGE 61, 59, 64.

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Teil 2: Transparenzpflichten von Finanzdienstleistungsunternehmen

gem. §  5 Abs.  3 Nr.  2, Abs.  5 Nr.  1 VAG a. F.533 Banken- und Versicherungsauf­ sicht verfolgten diese Form der Informationsbeschaffung zwar in unterschied­ licher Intensität. Die Informationsversorgung der Aufsichtsbehörde nach dem KWG war von Beginn an stärker über Anzeigepflichten der Unternehmen gesi­ chert.534 Information wurde aber vor allem eingefordert im Zusammenhang mit bestimmten Anlässen, die ein Tätigwerden der Verwaltung erforderten. II. Funktionswandel der aufsichtsrechtlichen Offenlegungspflichten in der modernen Finanzaufsicht Einflüsse von europäischer Ebene und der Wunsch, die Aufsichtstätigkeit an die komplexer werdenden Rahmenbedingungen des Finanzwesens anzupassen und sie zu vereffektivieren,535 führten allerdings zur Abkehr vom Prinzip der mate­ riellen Staatsaufsicht und damit auch zu einer geänderten Bedeutung der Trans­ parenzvorschriften. Sichtbar wird der Funktionswandel etwa an einer kontinuierlichen Erweite­ rung der aktiven wie passiven Offenlegungspflichten im Bankenaufsichtsrecht. So wurden im Jahr 1976 umfassende Sachverhaltsermittlungsbefugnisse der Aufsichtsbehörde (die heutige Informationsgeneralklausel) geschaffen,536 die Anzeigepflichten des §  24 KWG im Jahr 1984 im Rahmen der 3. KWG-Novelle neu gefasst und mit einer Ermächtigung zum Erlass einer Anzeigenverord­ nung537 verbunden. Im Jahr 1997 wurden die Anzeigepflichten des §  24 KWG von Kreditinstituten auf Finanzdienstleistungsinstitute ausgeweitet.538 Das Versicherungsaufsichtsrecht wurde hingegen erst im Jahr 1994 insgesamt umfassend reformiert.539 Zunächst hatten noch teilweise Tendenzen auf europä­ ischer Ebene bestanden, die Staatsaufsicht zu stärken,540 doch zunehmend wa­ 533  In der Kfz-Haftpflichtversicherung gem. §  8 PflVG a. F.; a. F. kennzeichnet hier die bis einschließlich zum 31. Dezember 1993 geltende Fassung. 534 Ausf. zur langen Tradition Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, §   24 Rn.  12 ff. 535  Waldeck, NJW 1985, 888, 892 zur 3. KWG-Novelle vom 20. Dezember 1984, Drittes Änderungsgesetz zum Kreditwesengesetz, BGBl.  I S.  1693. Dazu ausf. Werner, ZHR 149 (1985), 236 ff. Zum Wunsch nach Verbesserungen bei der Versicherungsaufsichtsrecht Platzer, S.  130 ff.; zur Geschichte der Versicherungsaufsicht S.  119 ff. 536 Durch Gesetz v. 24. März 1976, BGBl.   I S.  725, s. Fischer, in: Boos/Fischer/SchulteMattler, KWG, Einführung Rn.  17. 537 Heute in einer neuen Fassung die Anzeigenverordnung vom 19. Dezember 2006, BGBl.  I S.  3245 ff. 538  Durch die 6. KWG-Novelle vom 22. Oktober 1997, BGBl.  I S.  2518 ff. 539  Dreher/Lange, VersR 2011, 825, 831; eingehend Winter, VersR 2005, 145 ff. 540  S. die dritte Richtliniengeneration, Richtlinie 92/49/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG und 88/357/EWG (Dritte Richtlinie Schadenversicherung), ABl.  EG Nr. L 228, S.  1; Richtlinie 92/96/EWG des Rates vom 10. November 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwal­ tungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) sowie zur Änderung der

§  3 Transparenz zur Kontrolle durch die Aufsichtsbehörde

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ren die Rechtsakte dominiert vom Gedanken des Europäischen Binnenmarktes und der Liberalisierung.541 Mit Einführung der Rechtsaufsicht und der Ab­ schaffung zahlreicher Genehmigungspflichten und sonstiger präventiver Kon­ trollen542 gewannen die Offenlegungspflichten durch das Entfallen anderer In­ formationsquellen an Bedeutung.543 Am deutlichsten wird diese Entwicklung anhand der bereits angesprochenen Vorabkontrolle der Versicherungsbedin­ gungen (§  5 Abs.  3 Nr.  2, Abs.  5 Nr.  1 VAG a. F.),544 einer ursprünglich bedeu­ tenden Informationsquelle der Aufsichtsbehörde.545 Sie wurde durch die Anzei­ gepflicht des Unternehmens über die beabsichtigte Verwendung neuer oder ge­ änderter Versicherungsbedingungen (§  13d Nr.  7 VAG) ersetzt. Ebenfalls im Zuge der Umsetzung der dritten europäischen Richtliniengeneration im Jahr 1994 wurden die Befugnisse der Aufsichtsbehörde zur Informationsbeschaf­ fung (§  83 VAG) zu einer Informationsgeneralklausel erweitert.546 In der Folgezeit waren die Normgeber immer stärker bestrebt, so weit wie möglich einen Gleichlauf zwischen den Finanzaufsichtsrechten herzustellen.547 Dies zeigte sich bei der Zusammenfassung der eigenständigen Aufsichtsbehör­ Richtlinien 79/267/EWG und 90/619/EWG (Dritte Richtlinie Lebensversicherung), ABl.  EG Nr. L 360, S.  1: Sie führte dazu, führte, dass gem. Art.  8 Abs.  3 DRL-Schaden und Art.  18 ff. DRL-Leben die Vorabkontrolle der AVB und Tarife auf Masserisiken ausgeweitet werden mussten. 541  Fehling, in: Liber Amicorum Winter, S.   171, 179; Stohrer, S.  52, 111 ff. (für Versiche­ rungsunternehmen); Hopt, S.  304 f. (für Kreditinstitute). 542  Näher zur „kleinen Revolution“, Baumann, VersR 1996, 1, 2. S. auch Hohlfeld, VersR 1993, 144 ff.; Roth, NJW 1993, 3028, 3031. 543  Fehling, in: Liber Amicorum Winter, S.   171, 179; Stohrer, S.  52, 111 ff. (für Versiche­ rungsunternehmen); Hopt, S.  304 f. (für Kreditinstitute); allg. Voßkuhle, VerwArch 92 (2001), S.  184, 207; ders., VVDStRL 62 (2003), S.  266, 308. S. auch die Nachweise im Folgenden. Zum Wegfall von Informationsquellen der Verwaltung bei Privatisierung etwa Ladeur, in: ­Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), S.  225 ff.; Weiß, S.  309. 544  In der Kfz-Haftpflichtversicherung gem. §  8 PflVG a. F. 545  Zischka, Rn.  275. 546  Das Auskunftsrecht der Aufsichtsbehörde war freilich (ungeschrieben) weitgehend be­ reits vorher anerkannt, RegBegr 3. DurchführungsG/EWG zum VAG, BT-Drs. 12/6959, S.  86. 547  S. etwa die Ausweitung der Aufsicht auf Finanzkonglomerate, Finanzkonglo­merateRichtlinien-Umsetzungsgesetz vom 21. Dezember 2004, BGBl.  I S.  3619, zur Umsetzung der Richtlinie 2002/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2002 über die zusätzliche Beaufsichtigung der Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen eines Finanzkonglomerats, ABl.  EG Nr. L 35, S.  1, und die Richtlinien 98/78/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Oktober 1998 über die zusätz­ liche Beaufsichtigung der einer Versicherungsgruppe angehörenden Versicherungsunterneh­ men, ABl.  EG Nr. L 330, S.  1, und 2002/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2002 über die zusätzliche Beaufsichtigung der Kreditinstitute, Versiche­ rungsunternehmen und Wertpapierfirmen eines Finanzkonglomerats und zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG, 79/267/EWG, 92/49/EWG, 92/6/EWG, 93/6/EWG und 93/22/ EWG des Rates und der Richtlinien 98/78/EG und 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl.  EU Nr. L 35, S.  1 ff., und ihre jeweiligen Umsetzungsgesetze.

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Teil 2: Transparenzpflichten von Finanzdienstleistungsunternehmen

den zur BaFin,548 aber auch bei materiellen aufsichtsrechtlichen Änderungen.549 Angeglichen wurde zugleich die Regelungstechnik: Mittlerweile setzt das VAG, wie das KWG, verstärkt auf Anzeigepflichten.550 Die Erweiterung der Offenlegungspflichten ist Ausdruck der Abkehr von der materiellen Staatsaufsicht hin zur allgemeinen Finanzaufsicht mit Legalitäts­ kontrolle.551 Das Aufsichtsverhalten wird zwar kooperativer und informeller.552 Muss die Aufsichtsbehörde sich aber die Informationen in einem teilweise dere­ gulierten Markt selbst beschaffen, folgt der Abschaffung von Genehmigungs­ pflichten oft die Einführung von Offenlegungspflichten der beaufsichtigten Privaten.553 Die Aufsichtsbehörde erhält schließlich nicht mehr bereits im Ge­ nehmigungsverfahren Kenntnis von wichtigen Informationen, während ihr In­ formationsbedarf jedoch umso größer wird, je vielfältiger der Markt und seine Produkte, je größer der Wettbewerb ist.554 Diese Entwicklung ist auch für das übrige Verwaltungsrecht beschrieben worden: Je mehr der Gesetzgeber auf konsensuales Verwaltungshandeln (und weniger auf hoheitliche Zulassung, Gestattung und Regulierung) setzt,555 je mehr also Genehmigungserfordernisse und strikt hoheitliches Handeln entfal­ len, desto stärker ist die Verwaltung von Informationen Privater abhängig.556 Die Informationsversorgung wird ihre „größte Herausforderung“557 und geht einher mit einer Stärkung von Offenlegungspflichten.558 Das gegenwärtige Sys­ tem der Offenlegungspflichten gegenüber der Aufsichtsbehörde ist daher, dem Gedanken der allgemeinen Finanzaufsicht entsprechend, auf deren umfassende Informationsversorgung angelegt.559 Die aufgrund der Offenlegungspflichten erlangte Information soll jedoch nicht mehr primär Grundlage für eine bestimmte Verwaltungsentscheidung im 548 

Literatur dazu oben Fn.  527. nur das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarkt- und Versicherungsaufsicht vom 29. Juli 2009, BGBl.  I S.  2305 f. 550  S. sogleich 2. 551  Bürkle, in: Dreher/Wandt, S.  191 ff. (für das Versicherungsrecht). 552 Ausf. Thiele, S.  214 ff. 553  Fehling, in: Liber Amicorum Winter, S.   171, 179; Stohrer, S.  52, 111 ff. (für Versiche­ rungsunternehmen); Hopt, S.  304 f. (für Kreditinstitute); allg. Voßkuhle, VerwArch 92 (2001), S.  184, 207; ders., VVDStRL 62 (2003), S.  266, 308. S. auch die Nachweise im Folgenden. Zum Wegfall von Informationsquellen der Verwaltung bei Privatisierung etwa Ladeur, in: ­Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), S.  225 ff.; Weiß, S.  309. 554  Stohrer, S.  117 f. 555  Befund der „schlichtverwaltenden“ Aufsicht bereits bei Bähr, VW 2001, 472. Zu ver­ schiedenen Aufsichtsansätzen Wohlmannstetter, in: Hopt/Wohlmannstetter (Hrsg.), S.  54 f. 556  Pitschas, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Schuppert (Hrsg.), S.  219, 227; Voß­ kuhle, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), S.  349, 355. 557  Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), S.   349, 355. Diesen Trend schon vorausahnend Decker, S.  1 f., 23 f. 558  Speziell für das Versicherungsaufsichtsrecht Stohrer, S.  172 ff. 559  S. sogleich 2. 549  S.

§  3 Transparenz zur Kontrolle durch die Aufsichtsbehörde

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Einzelfall sein. Vielmehr dient der kontinuierliche Informationsfluss zur Auf­ sichtsbehörde dazu, die Unternehmen laufend zu überwachen. Behördlicher Handlungsbedarf soll so möglichst frühzeitig erkannt werden. Die Informati­ onsbeschaffung wird vom konkreten Eingriff losgelöst und erlangt damit zu­ gleich, auch wenn der Gesetzgeber dies nicht ausspricht, präventive Funktion: Das Bewusstsein, Fehlverhalten werde aufgrund der Transparenz möglicher­ weise eher von der Aufsichtsbehörde entdeckt, kann disziplinierende Wirkung haben.560 Information wird so zum Mittel der Kontrolle.

B. Grundsatz der Transparenz für die Aufsichtsbehörde Das Ziel, die Unternehmen im Ganzen für die Aufsichtsbehörde transparent zu machen, spiegelt sich in den Offenlegungspflichten nach VAG und KWG wie­ der: Sie umfassen formale Umstände wie etwa die Unternehmensorganisation ebenso wie Daten der Risiko- und Finanzberichterstattung und damit die wirt­ schaftliche Lage des Unternehmens.561 Ihnen gegenüber stehen die Verschwie­ genheitspflichten der Behörde in den einzelnen Aufsichtsgesetzen. I. Überblick über die finanzaufsichtsrechtlichen Offenlegungspflichten Formal können die finanzaufsichtsrechtlichen Offenlegungspflichten, ver­ gleichbar den zivilrechtlichen und trotz ihrer unterschiedlichen Ausgestaltung etwa als Anzeige-, Berichts- oder Auskunftspflichten,562 in aktive und passive Offenlegungspflichten der Unternehmen eingeteilt werden.563 Die aktiven Of­ fenlegungspflichten sind unaufgefordert vom Unternehmen zu erfüllen, wäh­ rend die passiven Offenlegungspflichten ein Informationsverlangen der BaFin voraussetzen.564 Die aktiven Offenlegungspflichten decken einen vom Gesetzgeber ange­ nommenen, typisierten Informationsbedarf der Behörde zu bestimmten Sach­ gebieten oder in bestimmten, teilweise wiederkehrenden Konstellationen. Der Gesetzgeber verlangt so den beaufsichtigten Unternehmen eine aktive Informa­ tionsversorgung der Aufsichtsbehörde ab. Zu unterscheiden sind hierbei perio­ 560 

Thiele, S.  212. Ähnlich der Kontrolle durch Markttransparenz, s. sogleich §  4 A. I. Dreher, ZVersWiss 2009, 188, 189 für das VAG. 562  S. allgemein zum öffentlichen Recht den Überblick bei Herrmann, S.  99 ff. oder Stohrer, S.  205 ff. 563  Die verwaltungsrechtliche Literatur spricht etwa vom Gegenüber von Anzeige- und Auskunftspflichten (Stohrer, S.  331; Pohl, S.  24 ff.), selbständiger und unselbständiger Aus­ kunftspflicht (Schink, DVBl 1989, 1182, 1186) oder aktiver und passiver Informationspflicht (Herrmann, S.  10 f.). 564 Eine hier nicht weiter relevante Differenzierung zur Einteilung der Offenlegungs­ pflichten ist die nach Art des Unternehmens, etwa Institut/Kreditinstitut, Versicherungsun­ ternehmen/Rückversicherungsunternehmen. 561 Nach

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Teil 2: Transparenzpflichten von Finanzdienstleistungsunternehmen

disch wiederkehrende Offenlegungspflichten (z. B. für Jahresabschlüsse und Lageberichte, §§  26 Abs.  1 S.  1 KWG n. F., 55 Abs.  2, 53c Abs.  4 VAG) und an­ lassbezogene Offenlegungspflichten (§§  24 KWG n. F.,565 13d VAG). Letztere entstehen bei Veränderungen, die von grundlegender Bedeutung für das Unter­ nehmen sein können.566 Ein Zusammenhang von Inhalt und Form der Offenle­ gungspflichten, etwa dergestalt, dass formal-organisatorische Fragen stets an­ lassbezogen, finanz- oder risikobezogene Fragen stets periodisch zu offenbaren wären, besteht nicht. Eine nähere inhaltliche Einteilung in Kategorien ist daher nicht möglich. Grundlage der „passiven“ Offenlegungspflichten567 ist zumeist die jeweilige Informationsgeneralklausel568 (§§  44 KWG n. F.,569 83 VAG).570 Sie ergänzen die eigentlichen Generalklauseln der Aufsichtsgesetze (§§  6 KWG n. F., 81 Abs.  2 VAG),571 und sind dem Gedanken geschuldet, dass die vom Gesetz normierten standardisierten Offenlegungspflichten mitunter nicht ausreichend sein kön­ nen, die Aufsichtsaufgaben hinreichend zu erfüllen.572 Die BaFin soll umfassen­ de Sachverhaltsermittlungsrechte haben, die neben die laufenden aktiven Of­ fenlegungspflichten treten und die sie bei Bedarf einsetzen kann.573 Die Informationsversorgung der Behörde ist damit grundsätzlich sicherge­ stellt. Mehr noch, es besteht ein Grundsatz der Transparenz im Verhältnis der beaufsichtigten Unternehmen zur Aufsichtsbehörde: Sie kann grundsätzlich nach eigenem Ermessen Informationen einholen, auch über die vom Gesetz festgelegten Informationen und Anlässe hinaus. Dies ist gerechtfertigt, denn die Aufsichtsbehörde ist, trotz der Suche des Gesetzgebers nach weiteren Kont­ rollinstanzen, mit ihrem gesetzlichen Kanon der Sanktionsmittel und ihrem gegenüber einzelnen Privaten 574 und der Öffentlichkeit575 größerem fachlichen 565  Näheres regelt die aufgrund von §§  24 Abs.  4 S.  1, 3, 31 Abs.  1 S.  1 Nr.  1 KWG erlassene Verordnung über die Anzeigen und die Vorlage von Unterlagen nach dem Kreditwesengesetz, Anzeigenverordnung. 566  Etwa das Ausscheiden eines Geschäftsleiter, §§  24 Abs.  1 Nr.  2 KWG, 13d Abs.  1 Nr.  2 VAG. Näher zu §  13d Abs.  1 Nr.  2 VAG z. B. Dreher, ZVersWiss 2009, 187, 191. 567  Oder „unselbständigen“ Offenlegungspflichten, in Anlehnung an die Terminologie bei Schink, DVBl 1989, 1182, 1186. 568  Zu denen grundsätzlich auch §  4 Abs.  3 WpHG in Konkretisierung der Aufsichtsgene­ ralklausel §  4 Abs.  1, 2 WpHG gehört. Die Norm bleibt aber angesichts ihres im Vergleich zu KWG und VAG weiteren Anwendungsbereichs und ihrer anderen Zielsetzung (Kontrolle des Kapitalmarkts) hier ausgeklammert. 569  §  4 4 KWG wird ergänzt durch weitergehende Sachverhaltsermittlungsrechte in §  4 4a-c KWG n. F., die aber Sonderkonstellationen betreffen. 570  Übersicht über mögliche gem. §  83 VAG zu erlangende Informationen bei Brachmann, ZfV 2012, 509 ff. 571  Zu §  81 VAG etwa Bähr, VW 2001, 472 f. 572  Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, §  4 4 Rn.  1. 573  Braun, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, §  4 4 Rn.  1. 574  Soeben §  2. 575  Sogleich §  4.

§  3 Transparenz zur Kontrolle durch die Aufsichtsbehörde

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Knowhow wichtigste Stelle zur Durchsetzung des Aufsichtsrechts. Sie muss dementsprechend auch umfassend informiert sein. II. Transparenz nach Solvency II Mit CRD IV und Solvency II sollen KWG und VAG zu einer prinzipienbasier­ ten Aufsicht geführt werden.576 Die Entwicklung hin zur absoluten Transpa­ renz des Unternehmens für seine Aufsichtsbehörde setzt sich mit ihnen fort. Räumt man den Unternehmen mehr Freiheit ein, erfordert dies auch mehr In­ formation und damit Offenlegungspflichten, um die Einhaltung der Prinzipien prüfen zu können. Dementsprechend bringen CRD IV und insbesondere Sol­ vency II eine Erweiterung der Offenlegungspflichten zwischen Aufsichtsbe­ hörde und Unternehmen. Während die neuen Offenlegungspflichten nach CRD IV einige ausgewählte Konstellationen im Blick 577 und im Übrigen einen Schwerpunkt auf den hier nicht weiter interessierenden Vorschriften zum In­ formationsaustausch unter den Aufsichtsbehörden haben,578 werden nach Sol­ vency II von den Unternehmen in etwa dreißig Berichte mehr als bisher gegen­ über der BaFin offen zu legen sein.579 Das Streben nach Transparenz für die Aufsichtsbehörden wird durch diese Erweiterung besonders deutlich, wenn auch dem Gesetzgeber bei der Umsetzung von Solvency II einige handwerkli­ che Fehler unterlaufen. 1. Informationsgeneralklausel und Offenlegungspflichten Am grundsätzlichen Regelungssystem, der Aufteilung in aktive und passive Offenlegungspflichten, ändert Solvency II nichts. In unmittelbarem Zusam­ menhang mit Art.  34 Abs.  1 Solvency II, der Pflicht zur Schaffung einer Gene­ ralklausel, verpflichtet Art.  34 Abs.  3 Solvency II die Mitgliedstaaten, sicherzu­ stellen, dass die Aufsichtsbehörden befugt sind, alle Informationen einzuholen, die für die Durchführung der Beaufsichtigung erforderlich sind. Die Umset­ zung dieser Bestimmung im VAG-E soll nach gegenwärtigem Stand durch Auf­ 576  Wandt, Solvency II, S.  10 mit Abgrenzung zur regelbasierten Aufsicht; zur prinzipien­ basierten Aufsicht im Bereich Versicherungen näher Bürkle, VersR 2011, 1469, 1476 f.; Wandt/ Sehrbrock, VersR 2012, 802, 803; dies., ZVersWiss 2011, 193, 203; für den Bereich Banken Neus, in: Luz (Hrsg.), KWG, Einführung, Rn.  163. 577  Art.  5 der CRD IV sieht etwa vor, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die zu­ ständigen Behörden die notwendigen Informationen erhalten, um die Einhaltung der auf­ sichtsrechtlichen Anforderungen an die Institute zu prüfen. Hierzu gehört etwa, dass neue Mitteilungspflichten gegenüber der Heimataufsicht geschaffen werden sollen, wenn ein Insti­ tut in einem anderen Mitgliedstaat eine Zweigstelle eröffnen will (Art.  35 CRD IV). Hinzu kommen gem. Art.  40 CRD IV neue Berichtspflichten gegenüber dem Aufnahmemitglied­ staat für Kreditinstitute, die in diesem Mitgliedstaat eine Zweigstelle betreiben. 578  S. nur Art.  51 Abs.  2 CRR und Abschnitt II. 579  Golla/Klimetzek, VW 2010, 742; Grote, VersR 2012, 17, 23, kommt bei Einschluss der Konzernebene auf 70 bis 80 Meldungen pro Geschäftsjahr.

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Teil 2: Transparenzpflichten von Finanzdienstleistungsunternehmen

spaltung des §  83 VAG in zwei Normen, §§  305, 306 VAG-E erfolgen. §  305 VAG-E regelt die Auskunfts-, §  306 VAG-E weitere, insbesondere Betretungs­ rechte. Die Generalklausel wird hierbei einerseits eingeschränkt, und zwar durch teilweise Anpassung an den §  44 KWG n. F.: Das Betreten von Geschäftsräumen darf grundsätzlich nur innerhalb der Betriebs- und Geschäftszeiten erfolgen, §  306 Abs.  5 VAG-E. Da eine ermessensfehlerfreie Entscheidung mit Blick auf Art.  13 GG grundsätzlich aber ein Betreten nicht außerhalb dieser Zeiten ver­ langt,580 ist die hierdurch entstehende Einschränkung praktisch gering, wenn auch im Sinne der Rechtssicherheit und Vergleichbarkeit mit dem KWG zu be­ grüßen. Anderseits werden die Befugnisse der BaFin ausgeweitet, indem ihr weit über das Betretungsrecht hinausgehend auch ein Durchsuchungsrecht (§  306 Abs.  5, 6 VAG-E) und ein Beschlagnahmerecht (§  306 Abs.  7 VAG-E) eingeräumt wer­ den. Verpflichtet zur Auskunft sind nach §  305 VAG-E zudem alle Beschäftig­ ten des Unternehmens individuell, nicht mehr nur das Unternehmens selbst.581 Eine grundsätzliche Angleichung des VAG an das KWG oder das WpHG wird durch die Umsetzung von Solvency II hingegen nicht erfolgen.582 Insbe­ sondere dem §  4 WpHG vergleichbare Belehrungspflichten und Informations­ verweigerungsrechte sieht der VAG-E trotz Erweiterung der behördlichen Be­ fugnisse nicht vor. Neben die Informationsgeneralklausel treten gem. Art.  35 Abs.  1 Solvency II Pflichten der Unternehmen zur Übermittlung derjenigen Informationen, die zum Zwecke der Beaufsichtigung erforderlich sind. Diese recht unbestimmte Vorschrift, aus der sich allein ersehen lässt, dass es Offenlegungspflichten der Unternehmen gegenüber der BaFin geben muss, etwa Anzeige- oder Berichts­ pflichten, wird von Art.  35 Abs.  1 lit.  a) und b) Solvency II zwar noch einmal aufgegriffen. So müssen die für die Durchführung des aufsichtlichen Überprü­ fungsverfahrens gem. Art.  36 Solvency II notwendigen Informationen von den Unternehmen offenbart werden. Eine nennenswerte Konkretisierung bringt dies freilich nicht.583 Sie ist erst mit den Durchführungsbestimmungen zu er­ warten. Dennoch zeichnet sich bereits jetzt eine Ausweitung der Offenlegungspflich­ ten ab.584 So wird etwa §  13d Abs.  1 VAG (entspricht §  47 VAG-E) 585 in seiner Nr.  1 erweitert, um den Anforderungen nach Solvency II zu genügen: Da die Aufsichtsbehörde in Zukunft die Sachkunde und Zuverlässigkeit eines jeden 580 

Kollhosser, in: Prölss, VAG, §  83 VAG Rn.  23. Gal/Sehrbrock, S.  50. 582  S. zu freilich eher kleinen Möglichkeiten der Angleichung A. II. 2. b). 583 Ebenso Dreher, ZVersWiss 2009, 187, 215. 584 Näher Dreher, ZVersWiss 2009, 187, 214. 585  Begr. zum RefE VAG, S.  282. 581 

§  3 Transparenz zur Kontrolle durch die Aufsichtsbehörde

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neuen Geschäftsleiters zu prüfen haben wird (Art.  44 Abs.  2 Solvency II), muss das Unternehmen der Behörde auch die für diese Überprüfung relevanten In­ formationen offenbaren, und damit mehr Informationen als bisher. 2. Insbesondere: Anforderungen gem. §  43 VAG-E Die Anzeigepflichten der Versicherungsunternehmen werden im Wesentlichen in §  47 VAG-E zusammengefasst und ergänzt um die allgemeine Anordnung gem. §  43 Abs.  1 VAG-E, den Aufsichtsbehörden all diejenigen Informationen zu übermitteln, die für die Zwecke der Beaufsichtigung erforderlich sind. Zen­ trale Neuerung ist die ausdrückliche Anordnung gem. §  43 Abs.  2 VAG-E, dass in Umsetzung von Art.  35 Solvency II bestimmte Anforderungen an die Infor­ mationen zu stellen sind (z. B. Vollständigkeit).586 Die Umsetzung von Art.  35 Solvency II gelingt nach gegenwärtigem Stand der Gesetzgebung allerdings nicht. Art.  35 Abs.  4 lit.  b) Solvency II verlangt, dass die offenbarten Informationen vergleichbar, zeitlich konsistent und in we­ sentlichen Aspekten vollständig sind. §  43 Abs.  2 VAG-E sieht dagegen vor, dass die Versicherungsunternehmen vollständige, aktuelle und genaue Informatio­ nen mitzuteilen haben. Hierin liegt nicht nur ein terminologischer,587 sondern auch ein inhaltlicher Unterschied. Nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch sind die Vorgaben von Solvency II mit dem fehlenden Aktualitäts- und dem eingeschränkten Wesentlichkeitserfordernis deutlich geringer als nach dem VAG-E. Selbst wenn man davon ausgeht, dass Solvency II in diesem Punkt nur Min­ destanforderungen aufstellt,588 bestehen gegen diese nationalen Abweichungen jedenfalls rechtspolitische Bedenken. Soweit die zeitliche Konsistenz betroffen ist, sind Fälle denkbar, in denen aktuelle Daten (noch) nicht zur Verfügung ste­ hen, wohl aber zeitlich konsistente Daten aus der Vergangenheit. Da Solvency II dies genügen lässt, sollte auch der deutsche Gesetzgeber es ausreichen lassen. Ein Bedürfnis, hier über die Anforderungen von Solvency II hinaus zu gehen, ist nicht ersichtlich. Soweit es um das nur im VAG-E vorgesehene Erfordernis der Vollständigkeit geht, ist problematisch, dass kaum jemals sicher beurteilt werden kann, ob die Informationen vollständig sind. Das VAG-E verlangt hier faktisch Unmögliches. Für die Ausübung der Aufsichtstätigkeit genügt zudem, wenn die Informationen in wesentlichen Aspekten vollständig sind. Eine Über­ frachtung der Aufsichtsbehörde mit ungefragten, unwesentlichen Detailinfor­ mationen kann nicht im Sinne effektiver Aufsicht sein. 586  Daneben bestehen hier nicht weiter bedeutsame Abweichungen beim Inhalt der Offen­ legungspflichten gegenüber der BaFin, s. z. B. Art.  42 Solvency II ggü. §  4 4 Nr.  1 VAG-E und dazu Grote, VersR 2012, 17, 23. 587 Zu sprachlichen Abweichungen des Entwurfs gegenüber Solvency II Bürkle, VersR 2012, 829 f.; Grote, VersR 2012, 17, 20. 588  Dreher, ZVersWiss 2009, 187, 215.

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Teil 2: Transparenzpflichten von Finanzdienstleistungsunternehmen

Handelt es sich hier eher um rechtspolitische Erwägungen, ist §  43 VAG-E in seiner gegenwärtigen Fassung doch zumindest in einem Punkt klar unions­ rechtswidrig: Die Norm nennt weder das Erfordernis der Verständlichkeit oder Verlässlichkeit noch das der Relevanz der Information. Art.  34 Abs.  4 lit.  c) Sol­ vency II verlangt aber genau dies. 3. Insbesondere: Verhältnismäßigkeit (§  296 VAG-E) §  296 VAG-E soll, in Umsetzung von Art.  29 Abs.  3, 4 Solvency II, die Geltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips für das Versicherungsaufsichtsrecht erstmals ausdrücklich anordnen. Gem. §  296 VAG-E wendet die Aufsichtsbehörde das VAG auf eine Art und Weise an, die der Art, dem Umfang und der Komplexität der Risiken angemessen ist, die mit der Tätigkeit der beaufsichtigten Unterneh­ men einhergehen. Damit erweckt der Gesetzentwurf jedoch den Eindruck, ohne ausdrückliche Anordnung gelte das Verhältnismäßigkeitsprinzip für die Behörde nicht, jeden­ falls nicht abseits konkreter Eingriffe. Es handelt sich aber beim Verhältnismäßigkeitsprinzip um ein verfassungs­ rechtliches Prinzip, um einen Ausdruck des in Art.  20 Abs.  3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips.589 Dieses bindet stets die Verwaltung bei der Ausübung ihrer Tätigkeit.590 Es ist als verfassungsrechtliches Prinzip unabhängig von ei­ ner speziellen gesetzlichen Anordnung. Freilich besteht die unionsrechtliche Vorgabe, dass europäische Richtlinien erkennbar in nationales Recht umzusetzen sind.591 Art.  29 Abs.  3, 4 Solvency II könnten deshalb der ausdrücklichen Umsetzung bedürfen. Jedoch ist hier zu beachten, dass das Gebot erkennbarer Umsetzung nur gilt für Richtlinien, wel­ che den Zweck verfolgen, Private durch die Gewährung genau umschriebener Ansprüche zu schützen.592 Es ist dem Gedanken geschuldet, der unkundige Pri­ vate, insbesondere der Verbraucher, müsse seine Rechte erkennen können.593 Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz aber soll nicht unmittelbar einem Bürger Rechte gewähren, sondern die rechtskundige Aufsichtsbehörde verpflichten. Es besteht daher nicht die Notwendigkeit, überhaupt eine §  296 VAG-E entspre­ chende Regelung zu schaffen. §  296 VAG-E ist daher ganz zu streichen. 589  BVerfG, Beschl. v. 5.3.1968 – 1 BvR 579/67, BVerfGE 23, 127, 133; Grzeszick, in: Maunz/ Dürig, GG, Art.  20 VII Rn.  27, 108 f. 590  Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art.  20 VII Rn.  123; speziell für die Versicherungs­ aufsicht Winter, S.  87. 591 EuGH, Urt. v. 10.5.2001 – C-144/99, NJW 2001, 2244 (Kommission/Niederlande); dazu Armbrüster, ZRP 2005, 41. 592 EuGH, Urt. v. 10.5.2001 – C-144/99, NJW 2001, 2244 (Kommission/Niederlande), Rn.  14. 593 EuGH, Urt. v. 10.5.2001 – C-144/99, NJW 2001, 2244 (Kommission/Niederlande), Rn.  17.

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4. Zwischenergebnis Die Umsetzung von Art.  35 Abs.  4 Solvency II mit §  43 Abs.  2 VAG-E misslingt dem Gesetzgeber. Die Vorschrift ist an den Wortlaut des Art.  35 Abs.  4 Solveny II anzupassen. Die Anforderungen an die offenzulegenden Informationen sind damit zu senken. §  296 VAG-E ist zu streichen. III. Sicherstellung des Geheimnisschutzes Der Grundsatz der Transparenz, der aus der Untersuchung des Aufsichtsrechts deutlich geworden ist und der bedeutet, dass die Unternehmen für die Aufsicht durchschaubar sein müssen, ist angesichts des vom Grundgesetz verlangten Schutzes von Geschäftsgeheimnissen 594 nur unbedenklich, wenn die Verschwie­ genheit der Aufsichtsbehörde gesichert ist. Korrelat der Offenlegungspflichten ist zwar eine Geheimhaltungspflicht der BaFin hinsichtlich der ihr bekannt gewordenen Informationen595 (§§  9 KWG n. F.,596 84 VAG,597 8 WpHG), deren Verletzung strafrechtlich598 wie staatshaf­ tungsrechtlich599 sanktioniert ist. Nur wenn diese Pflichten aber einen lücken­ losen Schutz für die der Behörde offengelegten, oft für die Tätigkeit der Unter­ nehmen zentralen Informationen gewährleisten, kann Transparenz Maßgabe für die Beziehung von Unternehmen und Aufsichtsbehörde sein. Anderenfalls wäre ein „offenlegungsfester Kern“ unternehmensbezogener Information an­ zuerkennen, der dem Zugriff der Aufsichtsbehörde entzogen ist. Unterschiede im Wortlaut der aufsichtsrechtlichen Geheimhaltungspflichten deuten in diese Richtung, denn sie legen den Schluss nahe, der Schutz von Ge­ heimhaltungsinteressen der beaufsichtigten Unternehmen sei mitunter unter­ schiedlich und damit unzureichend geregelt. 1. Geheimhaltungspflicht gem. §§  9 KWG n. F., 84 VAG, 8 WpHG Die Geheimhaltungspflicht hat in §§  9 KWG n. F.,600 8 WpHG die Form einer „Verschwiegenheitspflicht“. 601 §  84 VAG hingegen normiert eine „Schweige­ pflicht“. Alle drei Normen gehen aber über die lediglich allgemeine beamten­ 594 

Oben Teil 1 §  3 B. Zum Adressaten der Geheimhaltungspflicht s. noch sogleich unten 1. d). 596  Die Norm verdrängt auch die Schweigepflicht des §  32 BBankG, soweit Personen im Dienst der Deutschen Bundesbank zur Durchführung des KWG tätig werden. 597  Daneben besteht mit §  133 VAG eine besondere Schweigepflicht für Personen, die bei einem Sicherungsfonds beschäftigt oder für ihn tätig sind. Sie erfasst jedoch nicht die hier interessierenden Beschäftigten der BaFin. 598  Gem. §  203 Abs.  2 S.  1 Nr.  1, 2 StGB. 599  In Betracht kommen Staatshaftungsansprüche gem. Art.  34 S.  1 GG i. V. m. §  839 BGB. 600  Die Norm wird hier der Einheitlichkeit halber in der Fassung vom 1. Januar 2014 zi­ tiert, ist in den letzten Jahren jedoch unverändert geblieben. 601 Sie ist vom sogenannten „Bankgeheimnis“ zu unterscheiden, das nur die Daten der 595 

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Teil 2: Transparenzpflichten von Finanzdienstleistungsunternehmen

rechtliche Schweigepflicht (§  67 Abs.  1 BBG602) hinaus, indem sie nach materiel­ len Kriterien umschriebene Informationen einem besonderen Schutz unterstel­ len. Der Gesetzgeber wollte dabei §  84 VAG dem §  9 KWG in seiner damaligen, bis heute gleichen Fassung nachempfinden603 und nahm auch für §  8 WpHG den §  9 KWG zum Vorbild. 604 Die bereits bei flüchtiger Betrachtung bestehenden Unterschiede in Überschrift und Wortlaut der Normen lassen aber Zweifel auf­ kommen, ob die drei Grundtatbestände im Ergebnis den gleichen Schutz bieten. a) Schweigepflicht und Verschwiegenheitspflicht Jedoch werden Überlegungen, dass §  9 KWG n. F. (und damit auch §  8 WpHG) einen anderen Regelungsgehalt haben könnte als §  84 VAG, weil er keine „Schweigepflicht“, sondern eine „Verschwiegenheitspflicht“ normiert, die nicht an den jeweiligen Amtsträger, sondern allgemein an den geheim zu haltenden Tatsachen anknüpfe, 605 weder dem Wortlaut der Vorschriften noch der Intenti­ on des Gesetzgebers gerecht. 606 Die unterschiedliche Bezeichnung der Pflichten lässt keine Rückschlüsse auf den Inhalt zu. Letztlich geht es um Geheimhal­ tungspflichten in Bezug auf bestimmte Tatsachen. b) Schutzgegenstand: Tatsachen und Werturteile Gegenstand der Schweigepflicht des §  84 Abs.  1 S.  1 VAG sind „vertrauliche In­ formationen“, die die Schweigepflichtigen „bei ihrer Tätigkeit erhalten“ haben. Dabei handelt es sich um Tatsachen und Werturteile.607 §  9 Abs.  1 S.  1 KWG n. F. und §  8 Abs.  1 S.  1 WpHG hingegen sprechen von „bei der Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen“, „deren Geheimhaltung im Interesse eines Instituts oder eines Dritten liegt“. In der Sache könnte das einen Unterschied ergeben. Der Begriff der Informa­ tion ist dem normalen Sprachgebrauch nach weiter als der der Tatsache, weil er auch Schlussfolgerungen aus Tatsachen und reine Werturteile erfasst. Jedoch soll §  9 KWG n. F. soll nicht anders als §  84 VAG nicht nur die Auf­ sichtstätigkeit erleichtern, indem er Vertrauen in die Verschwiegenheit der Auf­ sichtsbehörde sichert. 608 Die Norm soll auch Unternehmen davor schützen, dass Nachteiliges über sie durch Indiskretionen der Aufsichtsbehörde bekannt wird. Negative Werturteile können für ein Unternehmen aber ebenso gefährlich sein wie Tatsachen, vor allem, wenn sie von der Aufsichtsbehörde geäußert wer­ Bankkunden schützt (nicht Informationen der Bank gegenüber der Aufsicht), Spindler, Infor­ mationsfreiheit, S.  33. 602  Für die hier in Rede stehenden Beamten der Bundesbehörde BaFin. 603  RegE 3. DurchführungsG-VAG, BT-Drs. 12/6959, S.  86 f. 604  RegE 2. FinanzmarktförderungsG, BT-Drs. 12/6679, S.  42. 605  Scholz, BKR 2008, 485, 486. 606  Rudkowski, S.  6 4. 607  Kollhosser, in: Prölss, VAG, §  84 Rn.  3. 608  Zur Bedeutung von Vertraulichkeit für die Aufsichtstätigkeit Rudkowski, S.  52 ff.

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den. 609 Zudem gibt es „Mischformen“ von Tatsache und Werturteil, vor allem das auf Tatsachen beruhende Werturteil. Die Abgrenzung von Tatsache und Werturteil kann im Einzelfall schwierig sein. Es wäre mit dem Zweck der Vor­ schrift, umfassenden Geheimnisschutz als Grundlage der Beziehung zwischen Aufsichtsbehörde und Unternehmen zu gewährleisten, nicht vereinbar, dürfte diese Tatsachen offenbaren, nur weil sie verbunden sind mit einem Werturteil. Außerdem dient §  9 KWG n. F. der Umsetzung der Bankenrichtlinie. 610 Diese verwendet ebenfalls nicht den Begriff der „Tatsachen“, sondern den der „ver­ traulichen Informationen“. Wollte man §  9 KWG n. F. also anders verstehen als §  84 VAG, liefe das auf eine Richtlinienwidrigkeit der Vorschrift hinaus. Dem Schutzbereich des §  9 KWG n. F. muss aber dann der Schutzbereich des §  8 WpHG folgen. Es leuchtet nicht ein, warum ein- und derselbe Begriff von der­ selben Behörde in unterschiedlicher Weise auszulegen sein soll, umso weniger, wenn es um Vorschriften geht, die nach dem Willen des Gesetzgebers einander gleich sein sollen. Der Kreis der geschützten Informationen geht freilich über Geschäftsge­ heimnisse hinaus. Vertraulichkeit i. S. d. §  84 Abs.  1 VAG liegt vor, wenn die Informationen nur einem beschränkten Personenkreis bekannt sind und wenn derjenige, auf den sie sich beziehen, ein schutzwertes wirtschaftliches oder sonstiges Interesse daran hat, dass sie nicht ohne seine Zustimmung an die All­ gemeinheit oder auch einzelne Dritte weitergegeben werden. 611 Diese Defini­ tion ist weiter als die des Geschäftsgeheimnisses. Sie stellt auf „Unternehmens­ bezogenheit“ nicht ab und verlangt keinen Geheimhaltungswillen. Doch auch §  9 Abs.  1 KWG n. F. und §  8 WpHG beschränken ihren Schutz nicht auf Ge­ schäftsgeheimnisse, wie die Verwendung des Wortes „insbesondere“ deutlich macht. Maßgeblich ist auch bei ihnen, ob ein Geheimhaltungsinteresse vorliegt, ohne dass es auf den Geheimhaltungswillen oder den Unternehmensbezug an­ käme. Zugleich aber gehen sie nicht über den Schutz des §  84 VAG hinaus, auch wenn §  8 WpHG explizit personenbezogene Daten erwähnt. Deren Nennung erfolgt nur beispielhaft. Die Geheimhaltungspflicht gem. §  9 KWG n. F. muss daher entgegen ihrem Wortlaut und wie §  84 VAG Tatsachen und auf ihnen beruhende Werturteile schützen. 612 Der Schutzgegenstand ist somit bei allen drei Normen gleich. 609 

Kollhosser, in: Prölss, VAG, §  84 Rn.  7 f. Art.  4 4 der Bankenrichtlinie, Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinsti­ tute (Neufassung), ABl.  EU Nr. L 177, S.  1 ff.; zuvor Art.  30 der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 über die Aufnahme und Aus­ übung der Tätigkeit der Kreditinstitute, ABl.  EG Nr. L 126, S.  1 ff. 611  Kollhosser, in: Prölss, VAG, §  84 Rn.  9; i.Erg. auch Bähr, in: Fahr/Kaulbach/Bähr, VAG, §  84 Rn.  2. 612  Lindemann, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, §   9 Rn.   5; Samm, in: Beck/ Samm/Kokemoor, KWG, §  9 Rn.  41; Szagunn/Haug/Ergenzinger, KWG, §  9 Rn.  6. 610 

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Teil 2: Transparenzpflichten von Finanzdienstleistungsunternehmen

c) Verbotene Handlung Auch hinsichtlich der genau verbotenen Handlung bestehen Unterschiede im Wortlaut der Vorschriften. Während §  84 Abs.  1 VAG das „Weitergeben“ verbie­ tet, spricht §  9 KWG n. F. von „offenbaren und verwerten“, §  8 WpHG von „of­ fenbaren und verwenden“ der geschützten Information. Wer verwertet oder verwendet, muss aber dafür die Information nicht zwangsläufig weitergeben. Jedenfalls aber betreffen die Normen immer die Zerstörung des Geheimnis­ ses durch Offenlegung, mal in wirtschaftlichem Interesse („verwerten“), mal aus nicht weiter genannten Gründen („offenbaren“). Auch die „Weitergabe“ stellt eine Form der Offenlegung dar. Hier wird zwar nicht notwendig gegen­ über vielen Personen offenbart oder das Geheimnis wirtschaftlich verwertet, wohl aber soll die Offenlegung gegenüber zumindest einem einzigen nicht be­ rechtigten Dritten vermieden werden. Dementsprechend werden Unterschiede in der von §§  9 KWG n. F., 84 VAG verbotenen Handlung („weitergeben“/„verwerten, offenbaren“) vom Gesetzge­ ber nur als verschiedene Umschreibungen desselben tatsächlichen Geschehens angesehen, wie sich aus dem Zusammenspiel von §  9 KWG n. F. und seiner eu­ ropäischen Rechtsgrundlage ergibt:613 §  9 KWG n. F. spricht von „offenbaren oder verwerten“, obgleich nach Art.  44 der Richtlinie 2006/48/EG die „Weiter­ gabe“ verboten werden soll. Und auch §  8 WpHG entspricht, trotz der Wendung „Verwenden“, inhaltlich den §§  9 KWG n. F., 84 VAG: Die enge Anlehnung der Norm an §  9 KWG, der im Übrigen fast kongruente Wortlaut legen nahe, dass inhaltliche Unterschiede damit nicht verbunden sein sollen. Zumal „Verwerten“ ein Unterfall des „Ver­ wendens“ ist. In beiden Fällen geht es um die Zerstörung des Geheimnisses, sei es durch ein Offenlegen oder durch ein Nutzen zum eigenen Gebrauch.614 Dass §  8 WpHG das „Offenbaren und Verwenden“ untersagt, dürfte daher ein Re­ daktionsversehen sein. Es besteht damit kein inhaltlicher Unterschied der von den §§  9 KWG n. F., 84 VAG, 8 WpHG verbotenen Handlungen. d) Normadressat Weitere Unterschiede im Wortlaut betreffen den Kreis der zur Verschwiegen­ heit verpflichteten Personen. Der Kern der Verpflichteten ist bei den Normen stets gleich, es handelt sich um die bei der BaFin beschäftigten und von ihr be­ auftragten Personen. Einzelne unterschiedliche Erweiterungen, etwa die Ein­ beziehung von Sonderbeauftragten in die Schweigepflicht des §  9 Abs.  1 KWG n. F., sind dem Bemühen geschuldet, alle Personen, die im weitesten Sinne zur 613 

Rudkowski, S.  65. Gleichbehandlung von „verwerten“ und „verwenden“ denn auch bei Beck, in: Schwark/ Zimmer, KMRK, §  9 WpHG Rn.  12. 614 

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Durchführung der Aufsichtsaufgaben nach dem jeweiligen Gesetz tätig wer­ den, zur Verschwiegenheit zu verpflichten. Einziger Unterschied ist insoweit, dass §  84 Abs.  1 VAG die Schweigepflicht, im Gegensatz zu §  9 Abs.  1 S.  1 KWG n. F. und §  8 Abs.  1 S.  1 WpHG, nicht aus­ drücklich auch auf Personen erstreckt, deren Tätigkeit für die BaFin beendet ist. Jedoch kann darin im Ergebnis kein inhaltlicher Unterschied liegen. Anderen­ falls würde die Wirksamkeit der Schweigepflicht deutlich gemindert. Ange­ sichts der Parallelen zu Wertpapier- und Bankenaufsicht wäre es außerdem wi­ dersinnig, gerade hier von einem Gleichlauf abzusehen. Es kann nicht sein, dass ein Mitarbeiter der BaFin von der Banken- in die Versicherungsaufsicht umge­ setzt wird und nach seinem Ausscheiden keinerlei Schweigepflicht mehr unter­ liegt, anders als sein Kollege, der von der Versicherungs- in die Bankenaufsicht umgesetzt wird und dann ausscheidet. Die Normen sind daher, da es sich nur um ein Redaktionsversehen handeln kann, gleich auszulegen, aus Gründen der Rechtssicherheit jedoch vom Gesetzgeber zu ergänzen. Im Zusammenhang mit dem IFG erwies sich indes der Umstand als proble­ matisch, dass §  84 VAG, ebenso wie §§  9 KWG n. F., 8 WpHG, keine ausdrück­ liche Schweigepflicht der Behörde selbst enthält, sondern nur (im untechnischen Sinne) von ihrem Personal spricht.615 Meist hat dies keine Auswirkungen, denn es können Behörden nur durch natürliche Personen handeln und der Kreis der Normadressaten ist bei den Geheimhaltungspflichten des Aufsichtsrechts so umfassend gestaltet, dass alle Personen erfasst werden, die durch ihre Tätigkeit für die BaFin Kenntnis von den vertraulichen Informationen erhalten haben. Faktisch kann es also nicht zur Offenlegung kommen. Im Streit der BaFin mit Dritten um ihre Offenlegungspflicht gem. §  1 Abs.  1 IFG greift aber der Zu­ gangsausschlussgrund des §  3 Nr.  4 IFG nur, wenn sich die BaFin selbst auf „ihre“ Geheimhaltungspflicht berufen kann. 616 Der Wortlaut der §§  9 KWG n. F., 84 VAG, 8 WpHG bietet keinen Anhalts­ punkt, ob die BaFin selbst oder nur ihre Mitarbeiter der Geheimhaltungspflicht unterliegen. Die BaFin ist dort nicht erwähnt, was darauf zurückzuführen sein kann, dass der Gesetzgeber ihr keine Pflichten auferlegen wollte. Freilich ist genauso gut denkbar, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass natur­ gemäß nur Personen, nicht aber Einrichtungen eine Verschwiegenheits- oder Schweigepflicht auferlegt werden kann. Die BaFin selbst handelt schließlich durch ihre Amtswalter. Die Entstehungsgeschichte der Vorschriften spricht dafür, dass auch die Ba­ Fin in die Geheimhaltungspflicht einbezogen ist. §  84 VAG ist §  9 KWG n. F. in 615  Offen gelassen von BVerwG, Urt. v. 24.5.2011 – 7 C 6/10, BeckRS 2011, 51932 (zu §  8 WpHG); für eine Pflicht auch der BaFin VG Frankfurt am Main, Urt. v. 19.3.2008 – 7 E 4067/06, BeckRS 2008, 37833 (zu §  9 KWG); Lindemann, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, §  9 Rn.  3; a. A. Kollhosser, in: Prölss, VAG, §  84 Rn.  14. 616 Näher Rudkowski, S.  66.

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seiner damaligen, bis heute unveränderten Fassung nachempfunden. Die Regie­ rungsbegründung zur 4. KWG-Novelle sprach noch von einer Schweigepflicht „für Personen und Stellen“. 617 Und auch in der Gesetzesbegründung zu §  8 WpHG wird die Anlehnung an §  9 KWG herausgestellt und außerdem mehr­ fach von einer Schweigepflicht des Bundesaufsichtsamts (nicht: seiner Mitarbei­ ter) gesprochen. 618 Der Gesetzgeber sieht damit wie selbstverständlich auch die Aufsichtsbehörde selbst als Adressatin der Geheimhaltungspflicht an. Faktisch wirkt sich die Schweigepflicht der Mitarbeiter schließlich ohnehin, ungeachtet der Stellung der BaFin als rechtsfähige Anstalt öffentlichen Rechts (§   1 ­FinDAG), als Schweigepflicht der Behörde aus. 619 Den Ausschlag geben muss schließlich der Zweck der Vorschriften, umfas­ senden Geheimnisschutz zu sichern. Es wäre nicht nachvollziehbar, warum zwar Bedienstete der BaFin der Verschwiegenheitspflicht unterliegen sollen, nicht aber die Behörde selbst.620 Die Regelung würde ins Leere laufen, wenn die Stellen tun dürften, was ihren Mitarbeitern, Organen oder Beauftragten unter­ sagt ist. 621 Adressatin der Geheimhaltungspflichten ist daher auch die BaFin. e) Unbefugtheit der Offenlegung Anders als etwa in §§  9 KWG n. F., 8 WpHG stellt §  84 VAG nicht auf die Unbe­ fugtheit der Offenbarung ab. Ein inhaltlicher Unterschied zu KWG und WpHG ergibt sich daraus jedoch nicht, da eine Einwilligung des Versicherers als be­ rechtigtem Geheimnisträger in die Offenlegung schon das Geheimnis selbst entfallen lässt. §  84 VAG schützt schließlich, nicht anders als seine Parallelvor­ schriften, nicht das Amtsgeheimnis der Aufsichtsbehörde um seiner selbst Wil­ len, sondern die Interessen der Beaufsichtigten und sonstiger Dritter. 622 Im Widerspruch zu den Ausführungen zur Person des Verpflichteten steht das nicht: Die Frage, ob die BaFin selbst von den Geheimhaltungspflichten er­ fasst wird, lässt sich unabhängig von der Frage nach einem öffentlichen Interes­ se an ihrer Verschwiegenheit beantworten. Freilich ist der Wortlaut des §  84 VAG hier ungenau. Es sind durchaus Fälle denkbar, in denen die Vertraulichkeit grundsätzlich weiter bestehen, die Offen­ barung aber dennoch nicht unbefugt sein soll (Offenlegung gegenüber einer bestimmten dritten Einzelperson). Hier lässt sich jedoch ohne die Unbefugtheit über eine partielle Einwilligung (Offenlegung nur gegenüber der bestimmten 617 

RegE 4. KWG-Novelle, BT-Drs. 12/3377, S.  29. RegE 2. FinanzmarktförderungsG, BT-Drs. 12/6679, S.  43. 619  Rudkowski, S.  66 f. 620  VG Frankfurt am Main, Urt. v. 19.3.2008 – 7 E 4067/06, BeckRS 2008, 37833 (zu §  9 KWG). 621  Döhmel, in: Assmann/Schneider, WpHG, §  8 Rn.  5. 622  Kollhosser, in: Prölss, VAG, §  84 Rn.  9. 618 

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dritten Person) dasselbe Ergebnis erreichen. Vorzuziehen ist dieser Lösung je­ doch eine Angleichung der Vorschriften durch Hinzufügung des Wortes „un­ befugt“ in §  84 VAG, um Unklarheiten zu vermeiden. f) Fazit Trotz teilweise unterschiedlichen Wortlauts ist die Reichweite der Geheimnis­ schutzvorschriften §§  9 KWG n. F., 84 VAG und 8 WpHG grundsätzlich de­ ckungsgleich. Sie erfassen alle Mitarbeiter der BaFin, diese selbst und alle ihr vorliegenden Informationen und gewährleisten damit umfassenden Geheimnis­ schutz. 2. Ungeschriebene Ausnahmen Vom Grundsatz des Geheimnisschutzes sehen §§  9 KWG n. F., 84 VAG, 8 WpHG Ausnahmen vor, die im Wesentlichen den Besonderheiten des jeweiligen Wirtschaftszweigs geschuldet sind. Daneben werden jedoch ungeschriebene Ausnahmen von der Schweigepflicht diskutiert. Wären solche ungeschriebenen Ausnahmen anzuerkennen, könnte dies, auch wenn sie nicht vom Gesetzgeber stammen, Auswirkungen auf den Grundsatz der Transparenz haben. a) Ausnahme bei Verschwiegenheitsverpflichtung des Dritten Im Streit um Informationszugangsansprüche gegen die BaFin nach dem IFG verlangen die Antragsteller mitunter Offenlegung unter der Voraussetzung, dass sie sich selbst zur Verschwiegenheit verpflichten. 623 Der Geheimnisschutz nach §  3 Nr.  4 IFG, der vom Bestehen des aufsichtsrechtlichen Geheimnisschut­ zes abhängt, solle bei Vorliegen einer Verschwiegenheitsverpflichtung entfal­ len.624 Dies könnte sich verallgemeinern lassen: Gegenüber zur Verschwiegen­ heit verpflichteten/zur Verpflichtung bereiten Dritten ist generell kein Geheim­ nisschutz vonnöten. Wo der Empfänger der geheimen Information zur Verschwiegenheit verpflichtet ist, besteht keine Gefahr für das Geheimnis. Das Amtsgeheimnis aber würde damit zur Disposition unter/mit Privaten gestellt. Dies kann nicht richtig sein, auch wenn §§  9 KWG n. F., 84 VAG, 8 WpHG den Interessen der beaufsichtigten Unternehmen dienen. Im Gegenteil muss daraus, dass der Geheimnisschutz nur dann entfallen kann, wenn diese der Offenlegung zustimmen, zumal eine bloße Verschwiegenheitsverpflichtung nicht annähernd so viel Sicherheit bieten kann wie die Nichtoffenbarung der Information.625 Eine ungeschriebene Ausnahme vom Geheimnisschutz bei ei­

623  S. etwa den Fall des VG Frankfurt am Main, Urt. v. 28.1.2009 – 7 K 4037/07, BeckRS 2009, 33521. 624  Näher zu dieser Problematik Rudkowski, S.  68. 625  Rudkowski, S.  68.

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nem zur Verschwiegenheit verpflichteten/zur Verpflichtung bereiten Empfän­ ger der Information scheidet daher aus. b) Ausnahme bei sich außerhalb der Rechtsordnung stellenden Unternehmen Ebenfalls im Zusammenhang mit Informationszugangsansprüchen nach dem IFG wurde die Auffassung vertreten, in besonderen außergewöhnlichen Aus­ nahmefällen solle das schutzwürdige Vertrauen des beaufsichtigten Unterneh­ mens in die von der Aufsichtsbehörde grundsätzlich zu wahrende Verschwie­ genheit entfallen können. 626 Die Offenbarung der Information gegenüber priva­ ten Dritten sei dann zulässig. Dafür genüge nicht schlicht rechtswidriges Verhalten des beaufsichtigten Un­ ternehmens,627 zumal die Beurteilung der Rechtswidrigkeit mitunter schwierig sein kann. Erforderlich sei vielmehr, dass der eigentliche Geschäftsweck des Unternehmens darin besteht, kontinuierlich gegen geltendes Recht, insbeson­ dere gegen schwerwiegende Straftatbestände, zu verstoßen und auf diese Weise flächendeckend seine Kunden zu betrügen und zu schädigen.628 Es genüge auch, wenn Rechtsverstöße begangen werden, die tragende Grundsätze der Rechts­ ordnung berührten. 629 Dafür spricht, dass ein ganzes Unternehmen, das sich bewusst außerhalb der Rechtsordnung stellt, ihren Schutz nicht verdient. Zu bedenken ist allerdings, dass die Einschätzung, ob strafbares Verhalten vorliegt, nicht Aufgabe der Ba­ Fin ist. Dies machen auch §§  9 Abs.  1 S.  4 Nr.  1 KWG n. F., 84 Abs.  4 S.  1 Nr.  1 VAG, 8 Abs.  1 S.  3 Nr.  1 WpHG deutlich, die die BaFin zur Offenbarung gegen­ über Strafverfolgungsbehörden berechtigen. An ihnen ist es, die Rechtswidrig­ keit eines Geheimnisses zu beurteilen, abseits von einfachen Ordnungswidrig­ keiten. Das schließt jedoch nicht aus, Ausnahmen von der Verschwiegenheitspflicht anzunehmen, wenn sie nur auf Fälle des offensichtlichen, gravierenden, syste­ matisch rechtswidrigen Verhaltens des Unternehmens beschränkt sind. Wer die Rechtsordnung missbraucht, bedarf des Schutzes nicht und die Verschwiegen­ heitspflicht entfällt nicht etwa schon deswegen, weil der Verdacht besteht, dass die Information Straftaten oder rechtswidriges Verhalten des Unternehmens betreffen könnte. 630 626  VG Frankfurt am Main, Urt. v. 12.3.2008 – 7 E 5426/06, BeckRS 2008, 37834; Urt. v. 23.1.2008 – 7 E 3280/06 (V), NVwZ 2008, 1384. 627  VG Frankfurt am Main, Urt. v. 12.3.2008 – 7 E 5426/06, BeckRS 2008, 37834; Urt. v. 23.1.2008 – 7 E 3280/06 (V), NVwZ 2008, 1384. Zust. Spindler, Informationsfreiheit, S.  36. 628  VG Frankfurt am Main, Urt. v. 12.3.2008 – 7 E 5426/06, BeckRS 2008, 37834; Urt. v. 23.1.2008 – 7 E 3280/06 (V), NVwZ 2008, 1384. Zust. Spindler, Informationsfreiheit, S.  36. 629  VG Frankfurt am Main, Urt. v. 12.3.2008 – 7 E 5426/06, BeckRS 2008, 37834; Urt. v. 23.1.2008 – 7 E 3280/06 (V), NVwZ 2008, 1384. Zust. Spindler, Informationsfreiheit, S.  36. 630 VGH Kassel, Beschl. v. 2.3.2010 – 6 A 1684/08, NVwZ 2010, 1036; a. A. wohl VG

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Es handelt sich hierbei zwar im Wesentlichen um eine Billigkeitserwägung, wie sie auch im Rahmen des „Geheimhaltungsinteresses“ als Merkmal des Ge­ schäftsgeheimnisses angestellt werden könnte. Dennoch sollte die Ausnahme nicht über ein Entfallen des Tatbestandes der jeweiligen Geheimnisschutznorm (mangels „Geheimhaltungsinteresses“ oder „Vertraulichkeit“) begründet, son­ dern als ungeschriebener Ausnahmetatbestand angesehen werden. Anderenfalls bestünde Verwechselungsgefahr: Auch an rechtswidrigen Tatsachen kann grundsätzlich ein Geheimhaltungsinteresse bestehen. 631 Nur offensichtliches, gravierendes, systematisch rechtswidriges Verhalten des Unternehmens lässt damit dessen Schutzwürdigkeit entfallen und so auch die Verschwiegenheitspflicht. 3. Fazit Der Geheimnisschutz ist durch aufsichtsrechtliche Geheimhaltungspflichten der BaFin gesichert. Diese bieten für alle Aufsichtszweige ein grundsätzlich gleiches Schutzniveau. Sie reichen so weit, dass sie auch noch bei hypothetischen weiteren Erweiterungen von Offenlegungspflichten der Unternehmen ausrei­ chenden Geheimnisschutz gewähren. Geheimhaltungsinteressen der Unterneh­ men können daher den Grundsatz der Transparenz nicht einschränken. Dies gilt selbst dann, wenn es sich um für den Erfolg des Unternehmens zentrale Geheimnisse handelt. Es gibt keinen „offenlegungsfesten Kern“ unternehmens­ bezogener Information. Obgleich die Geheimhaltungspflichten der einzelnen Aufsichtsgesetze in­ haltlich den gleichen Schutz bieten, sind sie unterschiedlich formuliert. Der Ge­ setzgeber sollte daher aus Gründen der Rechtssicherheit die sprachlichen Un­ terschiede – etwa die Verwendung des Wortes „Tatsachen“ anstelle der „Infor­ mationen“ in §  9 KWG n. F. und §  8 WpHG – beseitigen. Gelegenheit zur Angleichung des §  84 VAG an die §§  9 KWG n. F., 8 WpHG bietet die 10. VAG-Novelle, deren §  309 VAG-E jedoch insoweit bisher unverändert den §  84 VAG übernimmt. Neben die geschriebenen tritt die ungeschriebene Ausnahme, dass die Ver­ traulichkeit dann entfällt, wenn das Unternehmen sich systematisch außerhalb der Rechtsordnung bewegt.

Frankfurt am Main, Urt. v. 23.1.2008 – 7 E 3280/06 (V), NVwZ 2008, 1384. S. auch schon oben Teil 1 §  3 A. I. 3. 631  So wohl BGH, Urt. v. 17.5.2001 – I ZR 291/98, WRP 2001, 918 ff.; jedenfalls aber VGH Kassel, Beschl. v. 2.3.2010 – 6 A 1684/08, NVwZ 2010, 1036; a. A. wohl VG Frankfurt am Main, Urt. v. 23.1.2008 – 7 E 3280/06 (V), NVwZ 2008, 1384. S. auch schon oben Teil 1 §  3 A. I. 3.

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C. Kritik und Folgerungen Der Grundsatz der Transparenz ist für die Aufsicht zur Informationsbeschaf­ fung unerlässlich und kann daher durch Geheimhaltungsinteressen der Unter­ nehmen grundsätzlich nicht eingeschränkt werden. I. Grenzen der Kontrolle durch die Aufsichtsbehörde Neben etwaigen tatsächlichen Grenzen der Kontrolle durch die Aufsichtsbe­ hörde, die allerdings bestehen, ganz gleich, welchem Kontrollkonzept das Ge­ setz folgt und die im Wesentlichen die Frage der Leistungsfähigkeit einer mit beschränkten personellen und sächlichen Mitteln ausgestatteten Institution be­ treffen, hat das Konzept der Kontrolle durch Transparenz für die Aufsichtsbe­ hörde einige spezielle rechtliche Grenzen zu beachten. Denn Offenlegungsvorschriften sind immer auch Grundrechtseingriffe: Sie stellen Berufsausübungsregelungen dar632 und betreffen überdies, wenn sie, wie im Finanzaufsichtsrecht, 633 so umfangreich sind, dass ihre Erfüllung eine be­ sondere Infrastruktur voraussetzt, das Recht auf freie Unternehmensorganisa­ tion. 634 Als Grundrechtseingriffe müssen die Offenlegungsvorschriften gerechtfer­ tigt werden können. Dies setzt voraus, dass sie einen angemessenen Ausgleich der Unternehmensinteressen mit dem öffentlichen Interesse an der Funktions­ fähigkeit des Finanzdienstleistungssektors finden. II. Grundsätze für Vorschriften über Transparenz gegenüber der Aufsichtsbehörde Aus der hier notwendigen Interessenabwägung ergeben sich Grundsätze zur Gestaltung der Offenlegungspflichten. Sie verpflichten den nationalen Norm­ geber, soweit das europäische Recht ihm – wie im Versicherungsaufsichtsrecht bei Umsetzung von Solvency II635 – einen entsprechenden Spielraum belässt. Sie 632 Auf europäischer Ebene: Art.   15 EUGrCh (Berufsfreiheit), wobei aber die europäi­ schen Grundrechte ohnehin kein geringeres Schutzniveau aufweisen als die des deutschen Grundgesetzes, s. BVerfG, Urt. v. 12.10.1993 – 2 BvR 2134/92, BVerfGE 89, 155, 174; Beschl. v. 22.10.1986 – 2 BvR 197/83, BVerfGE 73, 339, 387 („Solange II“). 633  Bürkle, VersR 2009, 866 ff.; Golla/Hoppe/Pastwa/Nebelung, VW 2012, 445 ff. 634 Als Ausprägung der freien unternehmerischen Betätigung, s. z. B. BVerfG, Urt. v. 1.3.1979 – 1 BvR 532/77, 533/77, 419/77, 1 BvL 21/78, BVerfGE 50, 290, 366. Die genaue Ver­ ankerung der unternehmerischen Freiheit ist indes str. und vom BVerfG nicht eindeutig ge­ klärt: s. etwa Beschl. v. 16.3.1971 – 1 BvR 52, 665, 667, 754/66, BVerfGE 30, 292, 325 (Schutz durch Art.  12 GG) und BVerfG, Beschl. v. 3.12.1997 – 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67, 83 (ohne genaue Verankerung in Art.  2 Abs.  1/Art.  12 GG); Abgrenzungsversuch bei Hoffmann, BB 1995, 53, 55 f. 635  Art.  35 Solvency II gibt nur vor, Informationen müssten der Aufsichtsbehörde übermit­

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gelten aber auch für den europäischen Normgeber, da die Interessenlage auf europäischer Ebene keineswegs anders ist als auf nationaler. 1. Informationen ohne unmittelbaren Zusammenhang zur Aufsichtstätigkeit VAG und KWG erlegen mittlerweile den Unternehmen selbst dann Offenle­ gungspflichten auf, wenn die damit erlangte Information möglicherweise nicht oder nicht zeitnah zur Überwachung verwendet wird. Selbst eine nur routine­ mäßige Überprüfung der eingeholten Informationen wird der Aufsichtsbehör­ de nicht abverlangt. Die Bindung von Information und konkretem Kontrollakt wird insbesondere durch Solvency II weiter gelockert.636 Daher ist den Rege­ lungsvorschlägen vorgeworfen worden, sie führten zu einer „Sammlung von Informationen auf Vorrat, ohne klaren Bezug zu den Aufsichtszielen und -aufgaben.“637 Die Unternehmen werden für die Aufsichtsbehörde damit zwar grundsätzlich durchschaubar. Es drängt sich jedoch zugleich die Frage auf, ob nicht der Grundsatz der Transparenz hier irgendwann an absolute Grenzen sto­ ßen muss. Der legitime Zweck, den die Offenlegungspflichten erfüllen müssen, entfällt aber nicht schon dadurch, dass eine Verbindung zu konkretem Verwaltungs­ handeln nicht ersichtlich ist. Das Rechtsstaatsprinzip gem. Art.  20 Abs.  3 GG verlangt schließlich, dass Entscheidungen von Behörden recht- und zweckmä­ ßig sind, was voraussetzt, dass sie auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage beruhen. 638 Informationssammlung ist daher grundsätzlich immer legitimer Zweck einer gesetzlichen Regelung, solange der Zweck der Informationssamm­ lung selbst noch legitim ist. 639 Offenlegungspflichten zum Zweck der Kontrolle von Finanzdienstleistungsunternehmen sind unzweifelhaft legitim. 640 Es kommt hier außerdem nicht auf die Sicht des Normadressaten an, sondern auf die verfassungsgerichtlich überprüfbare Sicht des Gesetzgebers. 641 Geeignet ist eine Maßnahme bereits dann, wenn mit ihr der gewünschte Er­ folg gefördert werden kann. 642 Bei der Beurteilung der Geeignetheit steht dem telt werden, ohne nähere Angaben zur Art der dafür erforderlichen Offenlegungsvorschrif­ ten zu machen. 636  GDV-Positionspapier, Schiffbruch durch Berichtslast?, S.  2 , 4. 637  GDV-Positionspapier, Schiffbruch durch Berichtslast?, S.  2 , 4. 638  Herrmann, S.  56, 70 ff.; Stohrer, S.  53, 250 ff. 639  Das verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossene (zugelassene) öffentliche Interesse ist Voraussetzung der Legitimität, BVerfG, Beschl. v. 4.11.2009 – 1 BvR 2150/08, NJW 2010, 47, 52. 640  S. oben Teil 1 §  2. 641  BVerfG, Beschl. v. 31.3.1998 – 1 BvR 2167/93 und 2198/93, NJW 1998, 1776, 1777. An­ ders jedoch noch BVerfG, Beschl. v. 11.4.1967 – BvL 24/65, BVerfGE 21, 292, 299 (tatsächliche Auswirkungen maßgeblich); ausf. zur Bestimmung des legitimen Zwecks Wernsmann, NVwZ 2000, 1360, 1361 ff. 642  BVerfG, Beschl. v. 16.3.1971 – 1 BvR 52, 665, 667, 754/66, BVerfGE 30, 292, 316; Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art.  20 VII Rn.  112.

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Gesetzgeber ein Einschätzungsspielraum zu. 643 Nur wenn die zu offenbarende Information offensichtlich ungeeignet ist, zur Kontrolle beizutragen, etwa, weil sie in keinem Zusammenhang zur Aufsichtstätigkeit steht und nur der Befriedi­ gung einer unbestimmten Neugier des Gesetzgebers/der Aufsichtsbehörde dient, muss folglich auch ihre Offenlegung ungeeignet sein. Selbst dringende öffentliche Interessen können die bloße Ausforschung des Bürgers nicht recht­ fertigen. 644 An der Erforderlichkeit von Offenlegungspflichten fehlt es, wenn es ein gleich geeignetes, milderes Mittel gibt, die Aufsichtsbehörde zu informieren. 645 Das heißt aber nicht, dass die Bedeutung der konkreten Information für die Erfüllung der Aufsichtstätigkeit in jedem Einzelfall nachgewiesen werden müsste. Vielmehr genügt es, dass neben der Offenlegungspflicht keine anderen, weniger eingriffsintensiven Mittel vorhanden sind, die fragliche Information zu beschaffen. Die Offenlegung aber ist im Verhältnis zu alternativen Maßnahmen der Informationsbeschaffung (Antragstellung bei der Behörde mit Nachweis­ pflichten) regelmäßig immer gleich geeignetes, milderes Mittel. Ihre Eingriff­ sintensität kann zusätzlich abgemildert werden, indem die Form der Offenle­ gungspflicht für die jeweils zu offenbarende Information sorgsam ausgewählt wird. 646 Die Unverhältnismäßigkeit der Offenlegungspflicht im engeren Sinne ist durch Interessenabwägung zu ermitteln. Für uneingeschränkte Transparenz streitet vor allem, dass wichtigste Kontrollinstanz für die Einhaltung des Auf­ sichtsrechts die Aufsichtsbehörde ist. Sie muss nicht nur rudimentär oder im Notwendigsten, sondern umfassend informiert sein. Ein Mehr an Information führt grundsätzlich auch zu einer Verbesserung ihrer Aufsichtstätigkeit, zumal bei der Behörde mit einer raschen Überforderung, einem information overload, nicht zu rechnen ist: Ihre Kapazitäten sind zwar begrenzt, aber es gehört gerade zu ihren Aufgaben, größere Informationsmengen zu verwalten und zu verwer­ ten. Demgegenüber fallen die Interessen der Unternehmen nicht nennenswert ins Gewicht. Die Aufsichtsbehörde ist daher umfassend zu informieren, selbst dann, wenn aus Sicht der Unternehmen ein Zusammenhang der Information zur Auf­sichts­ tätigkeit nicht besteht. Die Grenzen des Grundsatzes der Transparenz sind erst dann erreicht, wenn die Information nur der Ausforschung dient, mithin offen­ sichtlich nicht geeignet ist, den gesetzlichen Zweck der Kontrolle zu erfüllen. 643  BVerfG, Urt. v. 15.1.2002 – 1 BvR 1783/99, BVerfGE 104, 337, 347; Beschl. v. 9.3.1994 – 2 BvL 43/92, 51/92, 63/92, 64/92, 70/92, 80/92, 2 BvR 2031/92, BVerfGE 90, 145, 173. 644  Für die Interessen an Steueraufsicht, Finanzierung des Staates und Steuergerechtigkeit s. §  100 Abs.  2 AO und BFH, Beschl. v. 25.7.2000 – VII B 28/99, NJW 2000, 3157 ff. 645  Zur Erforderlichkeit staatlicher Maßnahmen BVerfG, Beschl. v. 9.3.1994 – 2 BvL 43/92, 51/92, 63/92, 64/92, 70/92, 80/92, 2 BvR 2031/92, BVerfGE 90, 145, 173; Beschl. v. 14.10.1975 – 1 BvL 35/70, 1 BvR 307/71, 1 BvR 61/73, 1 BvR 255/73, 1 BvR 195/75, BVerfGE 40, 196, 227. 646  S. im Einzelnen II. bis VII.

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2. Vorrang anlassbezogener Offenlegungspflichten In der Literatur wird vertreten, anlassbezogene Offenlegungspflichten seien ge­ genüber periodisch zu erfüllenden Offenlegungspflichten milderes Mittel und daher vom Normgeber vorrangig einzusetzen.647 Dahinter mag der Gedanke stehen, dass die wiederholte Offenlegung eingriffsintensiver ist als die einfache, oder dass die Mitteilung ad hoc weniger aufwendig ist als die Sammlung und Zusammenführung von Informationen in einer einzigen und umfangreicheren, dafür aber nur in größeren Zeitabständen zu erfüllenden Meldung. Jedoch können auch aufgrund anlassbezogener Offenlegungspflichten häufi­ gere Meldungen an die BaFin erforderlich werden. Abhängig vom Anlass kann der Kontakt zur Aufsicht sogar öfter erforderlich werden als bei einer nur peri­ odischen Offenlegungspflicht. Für das Unternehmen kann es daher organisato­ risch weniger belastend sein, wenn es seine Meldungen in einer einzigen, etwa jährlichen, zusammenfassen darf. Maßgeblich sind freilich ohnehin nicht die Interessen des Unternehmens. Sie sind abzuwägen mit dem öffentlichen Informationsinteresse, das von der Art der zu offenbarenden Information bestimmt wird. Muss ein Umstand aufgrund seiner Bedeutung, etwa weil er für das Schicksal des Unternehmens zentrale Fragen betrifft oder die Geschäftsführung von ihm abhängt (z. B.: Bestellung eines neuen Geschäftsleiters), zeitnah offengelegt werden, bedarf es zur Errei­ chung der Aufsichtsziele einer anlassbezogenen Offenlegungspflicht. Im Übri­ gen genügen periodisch wiederkehrende. Ein genereller Vorrang der einen oder anderen Art der Offenlegungspflicht aufgrund der Verhältnismäßigkeit ergibt sich daraus aber nicht. Hinter der Auffassung, anlassbezogene Offenlegungspflichten seien perio­ disch wiederkehrenden vorzuziehen, könnte indes noch eine andere Erwägung stehen, nämlich dass es nicht zu einer Doppelung von Offenlegungspflichten kommen möge, 648 zu einer Pflicht, ein und denselben Umstand zunächst anlass­ bezogen und sodann im Rahmen einer periodisch wiederkehrenden Berichts­ pflicht zu offenbaren. Dieser Forderung ist zuzustimmen, denn der BaFin als mit hinreichender Sachkunde ausgestatteter Aufsichtsbehörde ist zuzumuten, die aufgrund anlassbezogener Pflichten erlangten Informationen selbst zu ord­ nen und zu archivieren und sie ggf. mit weiteren im Zusammenhang stehenden Informationen zusammenzuführen. Ist die Behörde einmal von einem Um­ stand in Kenntnis gesetzt, gleich aufgrund welcher Offenlegungspflicht, ist eine erneute Offenlegung grundsätzlich nicht mehr erforderlich.

647 

648 

Dreher, ZVersWiss 2009, 187, 211 f. So dann auch Dreher, ZVersWiss 2009, 187, 212.

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Teil 2: Transparenzpflichten von Finanzdienstleistungsunternehmen

3. Vorrang von aktiven gegenüber passiven Offenlegungspflichten An II. anknüpfend könnte erwogen werden, die Normgeber könnten in der Wahl zwischen aktiven und passiven Offenlegungspflichten der Unternehmen vorrangig auf aktive Offenlegungspflichten zurückzugreifen haben. Dies wäre der Fall, wenn aktive Offenlegungspflichten weniger eingriffsin­ tensiv wären als passive Offenlegungspflichten. Für das Unternehmen könnte es grundsätzlich weniger belastend sein, Informationen selbst herauszugeben, als sie sich gleichsam nehmen zu lassen, d. h. etwa umfassende Nachfragen und Recherchen oder gar die Anwesenheit von Mitarbeitern der Aufsichtsbehörde erdulden zu müssen. 649 Durch eine aktive Offenlegungspflicht werden jedoch zugleich grundsätzlich alle beaufsichtigten Unternehmen verpflichtet, während die passive Offenle­ gungspflicht nur auf Verlangen der Behörde entsteht und damit nur in Einzel­ fällen. Ein Vorrang der aktiven vor der passiven Offenlegungspflicht kann da­ her nicht generell bestehen. Der zweckmäßigste und zugleich grundrechts­ freundlichste Weg ist vielmehr eine Kombination beider Pflichten, wie ihn das Gesetz bereits jetzt beschreitet: Basis bilden die aktiv von den Unternehmen zu erfüllenden Offenlegungspflichten, die (ausschließlich) die Informationen er­ fassen, die für die Erfüllung der Aufsichtsaufgaben typischerweise von Bedeu­ tung sind. Für den Fall, dass der Informationsbedarf der Aufsichtsbehörde durch die aktiven Offenlegungspflichten nicht gedeckt wird, müssen der Auf­ sichtsbehörde Nachforschungsrechte zur Verfügung stehen. 4. Abstrakt-individuelle Offenlegungspflichten Das KWG kennt seit dem Jahr 2010 mit §  24 Abs.  3b KWG n. F. 650 abstrakt-in­ dividuelle Offenlegungspflichten. 651 Hierbei handelt es sich um Offenlegungs­ pflichten, die die Aufsichtsbehörde aufgrund einer entsprechenden Ermächti­ gungsgrundlage einem oder mehreren Unternehmen zur wiederkehrenden, unaufgeforderten Erfüllung aufgibt. Die Pflichten werden aber nicht auf alle beaufsichtigten Unternehmen erstreckt. Ohne diese Regelung dürfte die BaFin zwar Auskunftsersuchen an ein Un­ ternehmen richten und dies auch wiederholt in der gleichen Sache. Durch die abstrakt-individuelle Offenlegungspflicht entfällt aber die Notwendigkeit wie­ 649 

Herrmann, S.  334 f. Vorschrift ist, soweit hier relevant, trotz KWG-Novellierung zum 1. Januar 2014 nicht geändert worden. Der Klarstellung halber wird dennoch weiterhin mit n. F. zitiert. 651 Eine vergleichbare Ermächtigung, Anzeigepflichten zu generieren, enthalten auch §§  54d, 55b VAG, jedoch beschränkt auf Einzelfälle (die Berichterstattung über Vermögens­ anlagen und Prognoserechnungen zu bestimmten wirtschaftlichen Kennzahlen, etwa zur Solvabilitätsspanne). Konkretisiert werden die Vorschriften durch die Sammelverfügung vom 21. Juni 2011 der BaFin – Anordnung betreffend die Anzeige- und Berichtspflichten der Ver­ sicherungsunternehmen über ihre Kapitalanlagen. 650  Die

§  3 Transparenz zur Kontrolle durch die Aufsichtsbehörde

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derholter Nachfrage. 652 Auch wenn also der Gesetzgeber davon spricht, dass es sich bei §  24 Abs.  3b KWG n. F. um eine Klarstellung der Befugnisse des §  44 KWG n. F. handele,653 geht es um eine Erweiterung des Anzeigewesens gem. §  24 Abs.  1, 2, 3 KWG n. F., für die eine gesetzliche Grundlage erforderlich ist. 654 Der Aufsichtsbehörde wird mit einer Regelung wie §  24 Abs.  3b KWG n. F. die Aufgabenerfüllung erleichtert. Statt selbst anfragen zu müssen, kann sie auf­ grund eines Verwaltungsaktes wiederholt unaufgeforderte Information verlan­ gen. Zugleich wird ihr aber eine erhebliche Machtposition eingeräumt, die sie gegenüber den von ihr beaufsichtigten Unternehmen in eine beinahe gesetzge­ bergleiche Stellung rückt: Obgleich Exekutive, ist sie befugt, innerhalb der ver­ fassungsmäßigen Grenzen frei über Ob und Wie der Anordnung einer Offenle­ gungspflicht zu entscheiden. Diese Machtposition kann verantwortungsvoll nur eine Behörde ausfüllen, die nach klaren Aufsichtsstandards arbeitet. Mit der zunehmenden Vereinheitlichung der Anforderungen an das Verhal­ ten der Aufsichtsbehörden655 und der Schaffung der europäischen Aufsichtsbe­ hörden656 ist jedoch auf europäischer Rechtsetzungsebene und erst recht auf nationaler Ebene kein Raum für Bedenken, den Aufsichtsbehörden eine solche Stellung einzuräumen. Dies gilt umso mehr, als die Machtposition nicht über­ mäßig groß ist oder von rechtsstaatlichen Grundsätzen abweicht: Die Anord­ nung erfolgt aufgrund einer klaren gesetzlichen Grundlage und ist auf Offenle­ gungspflichten der beaufsichtigten Unternehmen beschränkt. In der Literatur werden gegen die prinzipienbasierte Aufsicht und die Kon­ kretisierung gesetzlicher Anforderungen auf unteren Rechtsetzungsebenen zwar Bedenken geäußert. 657 Ein Zustand, in dem die Aufsichtsbehörde umfas­ send eigenes untergesetzliches Recht schaffen kann, und in dem das Gesetzes­ recht erhebliche Rechtsetzungsbefugnisse an die Exekutive auslagert, kann un­ 652 

RegE UmsG-CRD IV, BT-Drs. 17/1720, S.  45. RegE UmsG-CRD IV, BT-Drs. 17/1720, S.  45. 654  So dann wohl auch der Gesetzgeber, RegE UmsG-CRD IV, BT-Drs. 17/1720, S.  45. 655  S. nur 27 ff. Solvency II, dazu Wandt/Sehrbrock, ZVersWiss 2011, 193, 200 ff. 656  EBA gem. Verordnung (EG) Nr.  1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr.  716/2009/EG und zur Aufhe­ bung des Beschlusses 2009/78/EG der Kommission, ABl.  EU Nr. L 331, S.  12 ff.; EIOPA gem. Verordnung (EU) Nr.  1094/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Novem­ ber 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Aufsichtsbehör­ de für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung), zur Änderung des Beschlusses Nr.  716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/79/EG der Kommis­ sion, ABl.  EU Nr. L 331, S.  48 ff.; ESMA gem. Verordnung (EU) Nr.  1095/2010 des Europäi­ schen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr.  716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/77/EG der Kommis­ sion, ABl.  EU Nr. L 331, S.  84 ff. 657  Bürkle, VersR 2009, 866, 867, 873; Dreher, VersR 2008, 998, 1002; Dreher/Lange, VersR 2011, 825, 829. 653 

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ter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten problematisch sein:658 Das Rechts­staats­ prinzip verlangt, dass grundrechtswesentliche Entscheidungen vom Parlament getroffen werden (sog. Wesentlichkeitsgrundsatz).659 Zu einer umfassenden Rechtsetzungsbefugnis der Aufsichtsbehörde kommt es aufgrund einer Rege­ lung wie §  24 Abs.  3b KWG n. F. jedoch nicht. Die Behörde hat sich innerhalb der gesetzlichen Grundlagen zu halten, ihre Entscheidung ist überdies gericht­ lich nachprüfbar und gerade Ausdruck der Verhältnismäßigkeit. Der Aufsichts­ behörde wird nur gestattet, solche Unternehmen zu verpflichten, die sich als in einem bestimmten Punkt gesteigert überwachungsbedürftig erwiesen haben. Damit stellt die abstrakt-individuelle Offenlegungspflicht, wenn sie an die Stelle aktiver Offenlegungspflichten tritt, ein diesen gegenüber milderes Mittel dar. Nur wenn die Aufsichtsbehörde dazu Anlass sieht, wird die Information verlangt, und auch nur von den Personen, bei denen sie notwendig ist. Die Auf­ sichtsbehörde kann gezielt auf Fehlentwicklungen im Einzelfall reagieren, ohne auf ein Tätigwerden des Gesetzgebers warten zu müssen. Diese Flexibilität passt zum System einer kooperativen, prinzipienbasierten Aufsicht. 660 §  24 Abs.  3b KWG n. F. ist daher Vorbild für zukünftige Regelungen, insbe­ sondere im VAG. Die Ermächtigung der Behörde, abstrakt-individuell Offenle­ gungspflichten anzuordnen, vermag zwar nicht sämtliche allgemeine Offenle­ gungspflichten zu ersetzen, jedoch ist sie Ausdruck der normgeberischen Ver­ pflichtung, vor Erlass einer alle Unternehmen betreffenden Offenlegungspflicht als milderes Mittel die Schaffung einer nur partiellen Verpflichtung zu prüfen. Da auch die Anordnung abstrakt-individueller Offenlegungspflichten ein Grundrechtseingriff ist, der sich überdies über längere Zeit erstreckt und der Behörde eine erhebliche Machtposition zugesteht, bedarf es einer hinreichend bestimmten, ausdrücklichen Ermächtigung der Aufsichtsbehörde durch den zuständigen Normgeber. Die Generalklauseln des Aufsichtsrechts reichen hier nicht aus. 5. Vorrang von Offenlegungsobliegenheiten Das KWG bot mit §  20c Abs.  2 Nr.  3 KWG a. F. auch den Ausgangspunkt für ein weiteres Regelungsmodell. Der mittlerweile im Zuge der europäischen Rechts­ vereinheitlichung aufgehobene §  20c Abs.  2 Nr.  3 KWG a. F. knüpfte die Erlaub­ nis, von Vorschriften über Großkredite abzuweichen, an die Voraussetzung, dass das Unternehmen seine Strategie zu Konzentrationsrisiken offenlegt.661 658  Dieses Problem nicht sehend Hasse, in: Dreher/Wandt (Hrsg.), S.  61, 72, s. dann aber S.  94 These 4. 659  S. z. B. BVerfG, Beschl. v. 21.12.1977 – 1 BvL 1/75, 1 BvR 147/75, BVerfGE 47, 46, 78 ff. 660  Wie es die BaFin zu verfolgen hat, Bürkle, VersR 2011, 1469, 1476 f.; Wandt/Sehrbrock, VersR 2012, 802, 803; Winter, S.  11, 94. 661  Daneben tritt die Pflicht, §  20c Abs.  3 Nr.  2 KWG, etwaige Änderungen unverzüglich anzuzeigen.

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Wollte es keine Strategie offenbaren, hatte es sich an die Vorschriften über Großkredite zu halten. Damit bestand im Grundsatz keine Pflicht zur Offenle­ gung. Wollte das Unternehmen aber privilegiert werden, hatte es als Vorausset­ zung dafür Transparenz herzustellen. Dieses Konzept ließe sich weiter entwickeln zu einer Art Offenlegungsoblie­ genheit: Offenlegung wird gesetzlich nicht verlangt. Wer aber nicht offenlegt, darf gesetzliche Privilegierungen nicht nutzen. 662 Das Unternehmen „erkauft“ sich so bestimmte Ausnahmen von aufsichtsrechtlichen Anforderungen um den Preis der Transparenz. Ein solches Modell entspräche dem Leitbild der kooperierenden, prinzipien­ basierten Aufsicht. Der Gewinn für das Unternehmen liegt in einem Tausch – mehr unternehmerische Freiheit gegen Offenlegung bestimmter Informatio­ nen. Das Modell trägt insoweit auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ­Rechnung. Ein Verbot bestimmter, riskanter Geschäftspraktiken ist nicht er­ forderlich, wenn die Aufsicht über sie informiert wird und davon ausgehen kann, dass das Unternehmen sich verantwortungsvoll verhalten wird. Jedoch kann die Offenlegung, regelmäßig von Strategiepapieren oder von be­ stimmten Betriebsabläufen,663 grundsätzlich nicht die Aufsicht über risikobe­ haftete Tätigkeiten des Unternehmens ersetzen. Die Tragfähigkeit der einge­ reichten Konzepte und ggf. ihre Umsetzung wäre, um die Erreichung der Auf­ sichtsziele zu sichern, streng zu kontrollieren. Die Aufsichtstätigkeit verlagerte sich somit nur. Die Entlastung des Unternehmens ist damit eher eine partielle, und auch die Aufsichtsbehörde wird folglich durch Offenlegungsobliegenhei­ ten nicht entlastet. Vor allem aber kann eine entsprechende Befugnis der Aufsichtsbehörde diese dazu verleiten, Tauschgeschäfte einzugehen, die die Aufsichtstätigkeit beein­ trächtigen können. Eine Regelung wie §  20c Abs.  2 Nr.  3 KWG a. F. kann daher nur in Ausnahmefällen angewendet werden und auch nur bei miteinander in engem Sachzusammenhang stehenden Regelungen (bei §  20c Abs.  2 Nr.  3 KWG a. F.: Vertrauen der Behörde in die Bewältigung von Konzentrationsrisiken – beschränkte Gestattung von Konzentrationsrisiken). 6. Vorrang einer gesetzlichen Ausdifferenzierung des Adressatenkreises vor der Anordnung des Verhältnismäßigkeitsprinzips KWG wie VAG differenzieren bereits heute bei Anordnung von Pflichten nach der Unternehmensart (Versicherungs-AG, Versicherungsverein a.G./Institut, Kreditinstitut). Darüber hinaus wird teilweise bei den Offenlegungspflichten

662  Ähnlich arbeitet die Vers-GVO: Wer privilegiert werden will, muss offenlegen, s. unten §  4 C. II. 2. 663  S. z. B. §  20c Abs.  2 Nr.  3 KWG.

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Teil 2: Transparenzpflichten von Finanzdienstleistungsunternehmen

nach Größe des Unternehmens664 oder nach seiner Risikostruktur665 unter­ schieden: Je größer das Unternehmen oder je riskanter sein Geschäftsmodell, desto größer seine Offenlegungspflichten. Dieses Regelungsmodell lässt sich mit dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erklären. 666 Er verpflichtet dazu, die Intensität der Kontrolle vom Gefährdungspotential des jeweiligen Unternehmens abhängig zu machen. Neben einer gesetzlichen Ausdifferenzierung kommt dazu freilich in Be­ tracht, die Aufsichtsbehörde zur verhältnismäßigen Rechtsanwendung zu ver­ pflichten, wie etwa gem. §  296 VAG-E vorgesehen. 667 Durch Verpflichtung auf die Verhältnismäßigkeit könnte die Aufsichtsbehör­ de über die Anwendung des Aufsichtsrechts flexibel entscheiden, es an das Un­ ternehmen und seine Überwachungsbedürftigkeit anpassen. Verstößt etwa das Unternehmen wiederholt gegen Aufsichtsrecht, ist es überwachungsbedürftiger als seine rechtstreuen Wettbewerber. Die Aufsichtsbehörde muss daher mehr Informationen verlangen. Abgesehen davon, dass die Behörde zur verhältnismäßigen Rechtsanwen­ dung aber ohnehin verpflichtet ist,668 reicht der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht soweit, dass gestützt auf ihn die Behörde die Anwendung einer Norm „aussetzen“ könnte. Das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot verbietet zwar nicht, der Verwal­ tung Handlungsspielräume einzuräumen. Die äußeren Grenzen dieses Spiel­ raums müssen aber abgesteckt sein. 669 Der Gesetzgeber darf seine „vornehmste Aufgabe“670 nicht anderen Stellen zur freien Verfügung überlassen. Der Auf­ sichtsbehörde kann daher nicht ohne ausdrückliche Gestattung die Entschei­ dung anheim gestellt werden, ob sie eine aufsichtsrechtliche Pflicht durch­ setzt. 671 Überdies könnte eine allein behördliche Differenzierung bei der An­ wendung des Aufsichtsrechts auf die Unternehmen zu gleichheitswidrigen Ergebnissen führen. Es bedürfte zumindest klarer behördeninterner Richtlini­ en für die Amtswalter mit näherer Kategorisierung der Unternehmen, um Be­ urteilungs- und Ermessensspielräume zu lenken und die Gleichbehandlung al­ ler Unternehmen sicherzustellen. 664  S. die InstitutsVergV und VersVergV bei der Offenlegung gegenüber der Öffentlichkeit, unten §  4 B. II. 2. und III. 1. 665  Sog. risikobasierter Ansatz (bei Solvency II), näher Bürkle, WM 2013, 878, 880. 666  Zu diesem etwa BVerfG, Urt. v. 15.1.1970 – 1 BvR 13/68, BVerfGE 27, 344, 352. 667  S. oben A. I. 3. c). 668  S. noch einmal oben A. I. 3. c). 669  BVerfG, Beschl. v. 3.3.2004 – 1 BvF 3/92, BVerfGE 110, 33 ff. (zu Beurteilungsspielraum und Ermessen); BVerfG, Beschl. v. 8.1.1981 – 2 BvL 3, 9/77, BVerfGE 56, 1, 12 (insbes. zu Be­ urteilungsspielraum und Generalklauseln); BVerfG, Beschl. v. 12.11.1958, 2 BvL 4, 26, 40/56 und 1, 7/57, BVerfGE 8, 274, 326 (insbes. zum Ermessen). 670  BVerfG, Beschl. v. 9.5.1972 – 1 BvR 518/62, 308/64, BVerfGE 33, 125, 158. 671  S. dementsprechend auch §§  2 VAG, 4 KWG, die der BaFin ausdrücklich gestatten, über die Anwendbarkeit des Aufsichtsrechts zu befinden.

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Angesichts dieser Hindernisse ist dem Umstand, dass einige Unternehmen stärkerer Kontrolle bedürfen als andere, durch Gesetz Rechnung zu tragen. Es ist durch Gesetz auszudifferenzieren. Die genaue Ausdifferenzierung ist dem Normgeber überlassen. Er kann sich etwa an Größe (bemessen etwa nach Umsatz) oder Risikostruktur des Unter­ nehmens orientieren. 672 7. Informationsvorsorge in den Unternehmen Das KWG verpflichtet mit „mittelbaren“ oder „kombinierten“ Informations­ pflichten673 wie etwa §  24c KWG n. F. 674 die Unternehmen zur Vorhaltung be­ stimmter Informationen. Sie werden durch die BaFin abgerufen, ohne dass die Unternehmen hiervon erfahren. 675 Daher werden Pflichten wie gem. §  24c KWG n. F. mitunter auch als „Informationsvorsorgepflichten“ bezeichnet. 676 Im Grundsatz handelt es sich um passive Offenlegungspflichten. Sie gehen allerdings weiter als die bloße Pflicht der Unternehmen, der BaFin auf ihr Ver­ langen hin Auskunft zu erteilen. Normen wie §  24c KWG n. F. erlegen aus­ drücklich bereits für das Vorfeld der Anfrage dem Unternehmen Pflichten auf, nämlich Informationen, die eigentlich nicht offen zu legen wären, zur Abfrage durch die BaFin bereitzuhalten. Der Schwerpunkt liegt auf dieser Vorsorge, der Inpflichtnahme des Kreditinstituts. 677 Die Konstruktion ist dem Umstand ge­ schuldet, dass das Unternehmen von der Abfrage selbst keine Kenntnis haben soll, um den Zweck der Abfrage nicht zu gefährden. Derartige Pflichten stellen aufgrund der Notwendigkeit zur Datensammlung und der damit verbundenen Belastungen der Unternehmen einen erheblichen Eingriff in die Berufsausübungs- und vor allem die Unternehmensorganisati­ onsfreiheit dar. In Konstellationen wie der §  24c KWG n. F. zugrunde liegenden, in welchen das verpflichtete Unternehmen aus sachlichen Gründen von der Of­ fenlegung keine Kenntnis erlangen darf, besteht jedoch kaum eine andere Mög­ lichkeit, als zur Informationsvorhaltung zu verpflichten. Im Übrigen hingegen entspricht es dem Leitbild der prinzipienbasierten Aufsicht, von den Unterneh­ men nur ein Ergebnis einzufordern (Offenlegung bestimmter Informationen) und ihnen zu überlassen, wie sie die Pflichterfüllung vorbereiten. An einer be­ stimmten Vorgehensweise, die Erfüllung der Offenlegungspflichten vorzube­ 672  Das Kriterium der Größe für das Versicherungsaufsichtsrecht wegen Unvereinbarkeit mit den Vorgaben von Solvency II ablehnend Wandt/Sehrbrock, VersR 2012, 802, 808. 673  Herrmann, S.  11. 674  Zur Verfassungsmäßigkeit des inhaltsgleichen §  24c Abs.  3 S.  1 Nr.  2 KWG a. F. BVerfG, Beschl. v. 13.6.2007 – 1 BvR 1550/03, 1 BvR 2357/04, 1 BvR 603/05, BVerfGE 118, 168 ff. Dazu etwa Hoffmann, WM 2010, 193 ff. 675  Ausf. zu §  24c KWG Brender, ZRP 2009, 198 ff. 676 Weil sie ohne Pflicht zur Informationsübermittlung nur die Sammlung verlangen, Stohrer, S.  333. 677 Ausf. Hoffmann, WM 2010, 193 ff.

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reiten, hat die Aufsichtsbehörde regelmäßig auch kein anerkennenswertes Inte­ resse. Für sie zählt die Information, gleich wie sie sie erlangt. Die Informationsvorhaltung durch das Unternehmen ist daher grundsätzlich nicht interessengerecht und daher abzulehnen. 8. Fazit Es besteht bei der Normsetzung kein Vorrang einer bestimmten Form der Of­ fenlegungspflichten (etwa aktiver Offenlegungspflichten). Das Modell der Of­ fenlegungsobliegenheit ist nur in Einzelfällen anwendbar. Eine generelle Ver­ pflichtung der Unternehmen zur Informationssammlung und -vorhaltung ist ebenfalls abzulehnen. Kennzeichen einer verhältnismäßigen gesetzlichen Regelung ist vielmehr die Befugnis der Aufsichtsbehörde, den Unternehmen abstrakt-individuelle Offen­ legungspflichten aufzuerlegen (s. §  24 Abs.  3b KWG n. F.). Zudem differenziert eine verhältnismäßige Regelung der Offenlegungspflichten nach Gefahrenlage und damit nach Bedeutung des Unternehmens, wobei die genaue Ausdifferen­ zierung dem Normgeber überlassen ist. Die bloße Verpflichtung der Aufsichts­ behörde, die Anforderungen an die Unternehmen verhältnismäßig anzuwenden (s. §  296 VAG-E), ist gegenüber einer ausdifferenzierten Anordnung der Offen­ legungspflichten durch den Gesetzgeber nachrangig. Der Zusammenhang zwi­ schen Information und konkretem Aufsichtshandeln kann bis zur Grenze der Ausforschung gelockert werden. III. Folgerungen für Kontrolle durch Transparenz §  3 zeigt, dass nicht immer Geheimhaltungsinteressen der Herstellung von ab­ soluter Transparenz entgegenstehen. Solange nur die Geheimhaltung (hier: durch eine Verschwiegenheitspflicht der grundsätzlich zuverlässigen Kon­troll­ instanz Aufsichtsbehörde) gesichert ist, kann eine Regelung das Ziel verfolgen, für ausgewählte Adressaten umfassende Transparenz herzustellen. Einen stets „offenlegungsfesten Kern“ unternehmensbezogener Information gibt es nicht. Grenze der Transparenz ist aber selbst bei gesicherter Geheimhaltung das Ver­ bot der Ausforschung: Unzulässig sind Informationsverlangen offensichtlich ohne Zusammenhang zu einem legitimen Zweck, hier zur Aufsichtstätigkeit.

§  4 Transparenz zur Kontrolle durch die Öffentlichkeit

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§  4 Transparenz zur Kontrolle durch die Öffentlichkeit Für das deutsche678 Finanzaufsichtsrecht völlig neu, setzen jüngere Regelungen und Regelungsvorschläge Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit als Mittel der Kontrolle ein. Anhand der unternehmensbezogenen Informationen, die sie aufgrund der Transparenzvorschriften erlangt, soll die Öffentlichkeit als neue Kontrollinstanz die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Unternehmen und die Einhaltung aufsichtsrechtlicher Ziele überwachen. Dieser Weg der Regulie­ rung entspricht dem Transparenzgedanken in besonderem Maße: Jedermann kann sich an der Kontrolle beteiligen. Nur wenn aber aus Transparenzpflichten auch wirksame Kontrolle folgt, können sie als Eingriff in die Rechte des Ver­ pflichteten überhaupt gerechtfertigt sein.

A. Transparenz für die Öffentlichkeit als Ziel des Finanzaufsichtsrechts Hinter dem Konzept „Kontrolle durch Transparenz für die Öffentlichkeit“ können sich verschiedene Konstellationen verbergen, die voneinander zu unter­ scheiden und abzugrenzen sind, und selbst, dass die Öffentlichkeit als Kon­ trollinstanz tätig wird, ist keineswegs unbestritten. I. Konzept im Einzelnen Das Konzept der „Kontrolle durch Transparenz für die Öffentlichkeit“ sieht ähnlich der Kontrolle durch die privatrechtlichen Informationspflichten vor, durch Herbeiführung von Transparenz die Marktdisziplin zu fördern. 679 Der Markt soll sich selbst regulieren („marktendogene Kontrolle“). 680 Durch die Herstellung von Markttransparenz ist den einzelnen Marktteil­ nehmern eine informierte Entscheidung z. B. über Kapitalanlage oder Vertrags­ schlüsse möglich. Das schützt sie individuell, aber auch den Markt im Ganzen: Vorbildliches Verhalten der Unternehmen wird von informierten Marktteilneh­ 678  Das hier beschriebene sog. Publizitätssystem wurde einige Zeit im englischen Versiche­ rungsaufsichtsrecht eingesetzt, s. Miersch, S.  4. Es wurde durch die Erste Richtlinie Schaden im Jahr 1973 unzulässig, da diese Vorgaben enthielt, die über die Kontrolle durch Publizität hinausgehen, etwa Art.  13 ff. Erste Richtlinie 73/239/EWG des Rates vom 23. Juli 1973 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend die Aufnahme und Aus­ übung der Tätigkeit der Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung), ABl.  EG Nr. L 228, S.  3. Zum Publizitätssystem allgemein etwa Bähr, S.  30 f. 679  S. ausdrücklich Erwägungsgrund 62 der Bankenrichtlinie in Erläuterung der Art.  145 ff. Bankenrichtlinie; Erwägungsgrund 38 Solvency II. Zu den Offenlegungsvorschriften der SolvV Krautheuser, in: Luz (Hrsg.), KWG, SolvV §§  319–337 Rn.  1. Zu Solvency II Broszeit/ Kruschitz, VW 2008, 1516, 1600. 680  Ausf. Beschreibung anhand Solvency II bei Meister, S.  87 ff.

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mern honoriert, fragwürdiges sanktioniert. 681 Die Aussicht hierauf kann das Management beeinflussen und zu rechtskonformem Verhalten motivieren. 682 Wer fürchten muss, dass ein Rechtsverstoß publik wird, wird diesen nicht bege­ hen. 683 Wer eine schlechte Leistung offenbaren muss, wird vom Markt abge­ straft, und sich deshalb bemühen, eine gute Leistung zu erbringen.684 Wird rechtswidriges Verhalten eines Unternehmens offenbar, fördert dies außerdem die Durchsetzung individueller Ansprüche, insbesondere die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen derjenigen, die durch das Fehlverhalten geschä­ digt worden sind. 685 Diese rechtliche Kontrolle durch die Öffentlichkeit ist al­ lerdings nur ein mittelbarer Effekt. Kontrollmittel ist in erster Linie tatsächli­ ches Verhalten der Marktteilnehmer, das Reputation, Umsatz und ggf. Börsen­ kurse beeinflusst. Die Offenlegung hat somit präventive wie repressive Aspekte. Zurückführen lässt sich dieses Kontrollkonzept auf wirtschaftswissenschaft­ liche Theorien,686 die auch der hier ausgeklammerten Kapitalmarktpublizität zugrunde liegen, 687 und die die Rechtswissenschaft außerdem zur Rechtferti­ gung der zivilrechtlichen Informationspflichtengesetzgebung heranzieht. 688 Als Ursprung kann Adam Smiths (freilich mittlerweile als „idealtypisch akzen­ tuierte Fiktion“689 widerlegtes) Modell des homo oeconomicus690 gesehen wer­ den, der seine Entscheidungen rational auf Grundlage perfekter Information trifft. Da kein vollkommener Markt besteht, auf dem allen Marktteilnehmern sämtliche Informationen sofort und kostenlos zur Verfügung stehen, sondern da Informationen ungleich verteilt sind,691 müssen ausgleichende Maßnahmen getroffen werden. 692 Durch Informationsmitteilung wird die Asymmetrie so weit wie möglich beseitigt und die Funktionsfähigkeit des Marktes sicherge­ stellt.

681  Eling, VW 2009, 658; Reichert, VW 2009, 1552. Ausf. zu den möglichen Auswirkungen von Publizität Moxter, Der Einfluß von Publizitätsvorschriften auf das unternehmerische Verhalten, passim. 682  Grote/Schaaf, VersR 2012, 17, 23 (für das Versicherungsaufsichtsrecht); krit. Interview mit Pozniak, VW 2011, 1760. 683  Grote/Schaaf, VersR 2012, 17, 23 (für das Versicherungsaufsichtsrecht). 684  Merkt, S.  338 ff.; Moxter, S.  6 4 ff. (jeweils zur handelsrechtlichen Unternehmenspublizi­ tät); Grote/Schaaf, VersR 2012, 17, 23 (für das Versicherungsaufsichtsrecht). 685  Meister, S.  84. 686  Überblick bei Merkt, S.  207 ff. 687  S. etwa Kasten, S.  88 ff. 688  S. oben §  2 A. I. 689  Pelzmann, S.  6 . 690  Smith, The Wealth of Nations, Buch I. Dazu Kasten, S.  6 4 ff.; Kirchgässner, Homo oeco­ nomicus, passim; Lüdemann, in: Engel/Englerth/Lüdemann/Spiecker (Hrsg.), S.  7, 12. 691  Richter/Furubotn, S.  4. 692  In diese Richtung auch BVerfG, Beschl. v. 26.6.2002 – 1 BvR 558, 1428/91, BVerfGE 105, 252, 265 ff. („Glykol“); s. i.Ü. Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, Enhancing Bank Transparency, Sept. 1998, S.  5 ff.; Gischer/Herz/Menkhoff, S.  162.

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Diese Erwägungen rechtfertigen Offenlegung aufgrund kapitalmarkt- 693 oder auch bilanzrechtlicher Publizitätsvorschriften, die Private über die Zuver­ lässigkeit ihrer (potentiellen) Geschäftspartner informieren soll und damit auf Gläubigerschutz abzielt. 694 Sie begründen jedoch nicht das von den hier unter­ suchten finanzaufsichtsrechtlichen Vorschriften verfolgte Modell einer Kont­ rolle der Unternehmen hin auf die Einhaltung von Rechtsvorschriften.695 Der Gedanke, über Information der Öffentlichkeit das Verhalten einer be­ stimmten Person auch auf Rechtmäßigkeit zu kontrollieren, weist eher staats­ rechtliche Ursprünge auf: Nachdem die Legislative in einer Demokratie über Wahlen ohnehin von der Öffentlichkeit abhängig ist und die Judikative über Öffentlichkeit insbesondere im Prozess kontrolliert werden soll,696 setzte sich um die Jahrtausendwende im öffentlichen Recht die Auffassung durch, auch die Exekutive müsse unmittelbar von der Öffentlichkeit kontrolliert werden.697 Da der freiheitlich-demokratische Verfassungsstaat angelegt ist auf die Beteiligung des Einzelnen698 und da sinnvolle Beteiligung Informiertsein voraussetzt,699 ist der Ruf nach Information der Öffentlichkeit über Verwaltungshandeln in den letzten Jahrzehnten des vergangenen Jahrtausends immer lauter geworden. Er führte zum Erlass der Informationsfreiheitsgesetze.700 Das aufsichtsrechtliche Konzept der Kontrolle durch die Öffentlichkeit ver­ bindet mithin den ökonomischen Ansatz der Kontrolle Privater wie des Mark­ tes mit dem staatsrechtlichen Ansatz der Kontrolle auf Rechtmäßigkeit. So wie die Öffentlichkeit die staatlichen Gewalten auf die Rechtmäßigkeit ihres Ver­ haltens hin kontrollieren soll, soll sie auch das Verhalten der Unternehmen in Bezug auf dessen Rechtmäßigkeit überwachen.701 Da unter „Publizität“ „das Bekanntsein“ bestimmter Umstände verstanden wird, insbesondere die „öffentliche Darlegung der Geschäftsvorfälle sowie der 693  Im Kapitalmarktrecht dient Publizität außerdem zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des Marktes, s. Klöhn, ZHR 177 (2013), 349, 383; Mülbert, ZHR 177 (2013), 161, 172, sowie zur Bildung eines „gerechten“ Preises, Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, 2. FFG, BT-Drs. 12/7918, S.  96. 694  Ebke, in: Ebke/Möhlenkamp, S.  33; Noack, S.  39; eingehende Darstellung der Ziele und der historischen Entwicklung der Unternehmenspublizität bei Merkt, S.  29 ff. 695  Anders in England, s. Miersch, S.  4. 696  S. den Öffentlichkeitsgrundsatz, §  169 GVG. Dazu unten Teil 3 §  1; umf. hist. Abriss bei v. Coelln, S.  49 ff.; Überblick bei Kissel/Mayer, GVG, Einleitung Rn.  50. 697  Arzt, ZRP 1993, 18, 18; Jestaedt, AöR 126 (2001), 204, 215; Rossi, S.  94 ff. 698  Jestaedt, AöR 126 (2001), 204, 215. 699  Aus verfassungsrechtlicher Sicht BVerfG, Beschl. v. 3.10.1969 – 1 BvR 46/65, BVerfGE 27, 71, 81; Rossi, S.  94 ff. In diesem Sinne auch Arzt, ZRP 1993, 18, 18. S. auch die Zweckbe­ stimmungen der Informationsfreiheitsgesetze der Länder, jeweils mit ausdrücklicher Verbin­ dung zwischen Information und Partizipation (§§  5 Abs.  2 Nr.  3 AIG-BB; 1 BlnIFG; 1 IFGRP) und/oder Information und Kontrolle (§§  1 BlnIFG, 1 IFG-RP). 700  Auf Bundesebene des IFG. Zu dessen Bedeutung für die BaFin Rudkowski, S.  37 ff. 701  In diesem Sinne Reifner, JZ 1993, 273. Zu alternativen Ansätzen Merkt, in: Hopt/Wohl­ mannstetter (Hrsg.), S.  122.

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Teil 2: Transparenzpflichten von Finanzdienstleistungsunternehmen

Lage, der Erfolge und der Entwicklung eines Unternehmens“,702 oder gar, noch weiter, die Offenlegung unternehmensbezogener Informationen durch das Un­ ternehmen gegenüber einem unbestimmten Adressatenkreis,703 geht es im Fol­ genden um Publizitätsvorschriften. Allerdings werden auch die Vorschriften zur Offenlegung gegenüber der Öf­ fentlichkeit in anderen Rechtsgebieten als Publizitätsvorschriften bezeichnet. Die Bedeutung des juristischen Begriffs ist vielfältig.704 Publizität kann neben der Rechnungslegungspublizität, die in der hier genannten Definition anklingt, auch die kapitalmarktrechtliche Ad hoc-, die Grundbuch-705 oder die Publizität des Handelsregisters706 meinen. Selbst bei Offenlegung der Entsprechenserklä­ rung gem. §  161 AktG707 oder bei gerichtlichen Verfahren oder Verwaltungsver­ fahren lässt sich von Publizität sprechen.708 Eines ihrer Ziele ist stets auch die Herstellung von Transparenz.709 Um Unklarheiten zu vermeiden, soll es im Folgenden für die aufsichtsrechtli­ che Publizität beim Begriff der Offenlegung gegenüber der oder der Transpa­ renz für die Öffentlichkeit bleiben. Die Untersuchung wird sich auf diejenigen finanzaufsichtsrechtlichen Offenlegungspflichten beschränken, die speziell Fi­ nanzdienstleistungsunternehmen treffen.710 II. Insbesondere: Die Öffentlichkeit als Adressat der Informationen Dass die Öffentlichkeit, d. h. ein nicht näher bestimmter Personenkreis, kon­ trollierende Instanz, d. h. Adressat der offenbarten Informationen, ist, wird für die zur Umsetzung von Solvency II zu schaffenden versicherungsaufsichts­ rechtlichen Offenlegungspflichten mitunter bestritten.711 702  Duden in der Online-Version, http://www.duden.de/rechtschreibung/Publizitaet (zu­ letzt abgerufen am 10. Juli 2014). 703  Merkt, S.  207 ff. 704  Merkt, S.  6 , spricht von Mehrdeutigkeit. 705  Dazu etwa Sefrin, MittBayNot 2010, 268 ff. 706  Zu ihr Merkt, S.  84 ff. 707  Sog. Corporate Governance-Publizität, v. Werder, in: FS Säcker, S.  527. 708 In diesem Zusammenhang bei Merkt, S.   15 f.; tlw. ebenso Lauinger, in: Rohrbeck (Hrsg.), Bd.  1, S.  284, 289 f. 709  Daneben treten teilweise vorrangig andere Ziele, der Verkehrsschutz bei Grundbuch, Schöner/Stöber, in: Riedel/Volmer/Wilsch (Hrsg.), Rn.   2, und Handelsregister, Münch­ Komm-HGB/Krafka, §  8 Rn.  5; die Rechtfertigung der Haftungsbeschränkung bei juristi­ schen Personen, Ebke, in: Ebke/Möhlenkamp, S.  33; Noack, S.  39; anders Merkt, S.  492 (Pu­bli­ zität als Korrelat der Marktteilnahme); 710  Damit scheiden etwa Ad hoc-Publizität (als wertpapierhandelsrechtliches Institut, das aber nicht speziell Finanzdienstleistungsunternehmen trifft) und Rechnungslegungspublizi­ tät (als zivilrechtliche Form der Publizität, die allerdings spezielle Vorschriften für Finanz­ dienstleister aufweist) aus der Untersuchung aus. 711  Dreher/Schaaf, in: Dreher/Wandt (Hrsg.), S.  136. Zum parallelen Streitstand im Recht der allgemeinen Unternehmenspublizität Pfisterer, S.  211 f.

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Ziel der Offenlegungsvorschriften sei nicht die Herstellung von Markttrans­ parenz, Adressat der Informationen seien daher nicht „undifferenziert sämtli­ che Personen und Institutionen, denen ein potentielles Interesse“ unterstellt werden kann.712 Vielmehr sei zwischen wirtschaftlichem Informationsinteresse und rechtlicher Informationspflicht zu trennen.713 Nicht jeder mit wirtschaftli­ chem Informationsinteresse sei auch Adressat der Information. „Primärer“ Ad­ ressat sei keineswegs die Öffentlichkeit, sondern die interessierten Kreise.714 Erst als „sekundärer“ Adressat könne die Öffentlichkeit angesehen werden.715 Hintergrund dieser Differenzierung zwischen primärem und sekundärem Adressaten ist eine rechtspolitische und rein hypothetische Erwägung: Ist die Öffentlichkeit Adressat der offenbarten Informationen, versteht sie diese aber mangels Sachkunde möglicherweise nicht, könnten die Normgeber versucht sein, den Unternehmen eine vereinfachende Aufbereitung der Information auf­ zugeben. Um dies zum Schutz der Unternehmen zu vermeiden, werden „inter­ essierte“ und damit sachkundige Kreise zum Adressaten der Information er­ klärt. Richtet sich die Information primär nur an interessierte, sachkundige Personen, ist es unnötig, den Unternehmen eine Pflicht aufzuerlegen, die Infor­ mation vor der Veröffentlichung aufzubereiten oder zu vereinfachen.716 Da die Differenzierung nach primärem und sekundärem Adressaten folglich nur einen möglichen Weg der weiteren Entwicklung der Transparenzpflichten ausschließen soll, verwundert nicht, dass sich in den einschlägigen Richtlinien­ bestimmungen keine Anhaltspunkte für eine entsprechende Differenzierung finden. Selbst wenn der Normgeber gesehen haben sollte, dass nicht alle Perso­ nen sich für die offenbarten Informationen interessieren oder sie verstehen wer­ den:717 Jedenfalls hat er trotzdem die allgemeine, unterschiedslose Offenlegung angeordnet. In den einschlägigen Vorschriften findet sich auch an keiner Stelle die Aussage, der Informationsadressat müsse die Information verstehen kön­ nen. Die Offenlegung hat stets so zu erfolgen, dass ein unbestimmter Personen­ kreis mit seinem heterogenen Vorwissen und seinen heterogenen Interessen von den Informationen Kenntnis nehmen kann. Die vom Gesetzgeber zur Offenle­ gung angesetzten Informationen sind mitzuteilen, weder angepasst an ver­ meintlich geringe noch an hohe Fachkenntnisse der Adressaten, sondern ein­ fach so, wie sie beim Unternehmen vorliegen. Außerdem geben die europäischen Rechtsgrundlagen der Offenlegungs­ pflichten gegenüber der Öffentlichkeit als Ziel die Herstellung von Markttrans­ 712 

Dreher/Schaaf, in: Dreher/Wandt (Hrsg.), S.  136. Dreher/Schaaf, in: Dreher/Wandt (Hrsg.), S.  136. 714  Dreher/Schaaf, in: Dreher/Wandt (Hrsg.), S.  137 f. 715  Dreher/Schaaf, in: Dreher/Wandt (Hrsg.), S.  137 f. 716  In diese Richtung dann wohl auch Dreher/Schaaf, in: Dreher/Wandt (Hrsg.), S.  139; Merkt, S.  4 48 ff. (für – handelsrechtliche – Unternehmenspublizität). 717 Dies der Hauptbegründungsansatz von Dreher/Schaaf, in: Dreher/Wandt (Hrsg.), S.  137 f. für Solvency II. 713 

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parenz teils ausdrücklich vor.718 Sie nennen zwar keinen Informationsadressa­ ten, sodass das Ziel der „Markttransparenz“ auch meinen könnte, es sei Trans­ parenz nur für diejenigen herzustellen, die tatsächlich am Markt tätig werden, etwa für die Gruppe der Anleger als Teilgruppe der Öffentlichkeit.719 Die Ver­ wendung des Wortes „Markt“ legt eine solche Einschränkung aber nicht nahe, und auch der Zweck des Konzepts, den Markt durch die öffentliche Meinung zu lenken, würde bei einer Offenlegung primär gegenüber einigen wenigen Inter­ essierten nicht erreicht. Kontrolle durch die öffentliche Meinung setzt grund­ sätzlich Beteiligung aller voraus. Mag auch in der Praxis die Öffentlichkeit nicht geschlossen von den Informationen Kenntnis nehmen – die Informationsauf­ nahme dem freien Spiel des Marktes zu überlassen, passt gerade in das Konzept der Kontrolle durch Herstellung von Markttransparenz. Wer sich interessiert, nimmt Kenntnis. So bleibt es bei der Herstellung von Markttransparenz durch Offenlegung gegenüber der Öffentlichkeit als Zielsetzung der finanzaufsichtsrechtlichen Of­ fenlegungspflichten.720

B. Transparenz für die Öffentlichkeit nach den Vorschriften des Finanzaufsichtsrechts Mit dem Konzept im Wesentlichen übereinstimmend haben europäische und deutsche Normgeber eine Vielzahl aktiver Offenlegungspflichten für Institute geschaffen, und das Versicherungsrecht folgt dem bankaufsichtsrechtlichen Vorbild. I. Geschäftsgeheimnisse als offenlegungsfester Kern der unternehmensbezogenen Information Die Transparenzpflichten können vor allem der Einschränkung bedürfen, um Geheimhaltungsinteressen der Unternehmen Rechnung zu tragen. Die unionsund verfassungsrechtlich erforderliche Reichweite des Geheimnisschutzes be­ stimmt sich nach einer Abwägung von Geheimhaltungs- und Offenlegungs­ interessen. In diese ist einerseits für jede Information, deren Offenlegung angeordnet werden soll, das Gewicht des Geheimhaltungsinteresses einzustellen. Zu be­ rücksichtigen ist hier stets, dass der Eingriff in die Geheimhaltungsinteressen 718  S. noch einmal Erwägungsgrund 62 der Bankenrichtlinie in Erläuterung der Art.  145 ff. Bankenrichtlinie; Erwägungsgrund 38 Solvency II. 719  In diesem Sinne etwa Merkt, S.  2 27, S.  399. 720  S. noch einmal Erwägungsgrund 62 der Bankenrichtlinie in Erläuterung der Art.  145 ff. Bankenrichtlinie; Erwägungsgrund Nr.  38 Solvency II („Um Transparenz zu gewährleis­ ten…“). Im Ergebnis wie hier Grote/Schaaf, VersR 2012, 17, 23 für Solvency II.

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durch Anordnung einer Offenlegungspflicht gegenüber der Öffentlichkeit be­ sonders schwer wiegt, weil das Geheimnis dadurch unwiederbringlich zerstört wird. Andererseits sind die hier eher schwachen Offenlegungsinteressen in die Ab­ wägung einzustellen. Das Ziel der Offenlegungspflichten ist zwar die umfas­ sende Information der Öffentlichkeit. Das erfordert, dass möglichst alle ein­ schlägigen Informationen ohne Rücksicht auf Geheimhaltungsinteressen mit­ geteilt werden. Mit jeder ausgeklammerten Information erhöht sich das Risiko, dass das Gesamtbild verfälscht wird. Der Informationswert sinkt, je lückenhaf­ ter die Information ist. Dem lässt sich jedoch bei der Ausgestaltung der Ge­ heimnisschutzvorschriften begegnen: Wird gekennzeichnet, wenn Informatio­ nen aus Geheimhaltungsgründen nicht mitgeteilt worden sind (wie es etwa Art.  432 Abs.  3 CRR vorsieht721), ist der Adressat gewarnt und kann abschätzen, wie aussagekräftig oder realistisch die noch mitgeteilten Informa­tio­nen sind. Zudem wiegt der Einwand einer möglichen Verfälschung auch nicht sonderlich schwer. Schließlich kann ein Außenstehender ohnehin nie wissen, wie eine In­ formation zustande gekommen ist. Bedenkt man sodann, dass ein Geheimnis gegenüber der Öffentlichkeit nur entweder geheim oder offenbar sein kann, andere Wege als die Nichtoffenle­ gung zum Geheimnisschutz also nicht zur Verfügung stehen, und bedenkt man, dass das Unternehmen durch Offenlegung gleichsam enteignet ist, müssen Geschäftsgeheimnisse „offenlegungsfester Kern“ der unternehmensbezogenen Information sein. II. Offenlegungspflichten und Geheimnisschutz bei Instituten KWG und CRR entsprechen der grundgesetzlichen Vorgabe, Geschäftsge­ heimnisse als „offenlegungsfesten Kern“ unternehmensbezogener Information zu respektieren. Sie können damit Vorbild sein für eine versicherungsaufsichts­ rechtliche Regelung. 1. Offenlegungspflichten gem. §  26a KWG a. F. Nach §  26a Abs.  1 KWG a. F., der seit dem Jahr 2007 Vorgaben der Art.  145 ff. der Bankenrichtlinie 2006/48/EG in deutsches Recht umsetzte,722 mussten In­ stitute i. S. d. §  1 Abs.  1b KWG a. F. regelmäßig qualitative723 und quantitative724 721 

Dazu sub B. II. 2. damit letztlich Vorgaben der „dritten Säule“ von Basel II, näher Berkenbusch, S.  39; Jungmichel, WM 2003, 1201 ff. 723  Anders gewendet: Es handelt sich um Vorschriften zur Kontrolle bestimmter Potenzi­ ale und Prozesse der Kreditinstitute, die der BaFin einen Bewertungsspielraum geben, den sie bei rein quantitativen Normen nicht besitzt, Paul, in: Hopt/Wohlmannstetter (Hrsg.), S.  100. Zur Bedeutung der qualitativen Vorschriften Artopoeus, in: Pitschas (Hrsg.), S.  270 f. 724  Die eigentlichen volumenmäßigen Anforderungen zu Risiken und Liquidität, Paul, in: 722 Und

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Informationen über ihr Eigenkapital, die eingegangenen Risiken und ihre Risi­ komanagementverfahren, ihre Kreditrisikominderungstechniken und Verbrie­ fungstransaktionen veröffentlichen. Damit sollten Marktmechanismen für ban­ kaufsichtsrechtliche Zielsetzungen genutzt werden,725 insbesondere Risikoin­ formationen oder Informationen über die Tragfähigkeit von Risiken (Eigenkapital und Eigenkapitaladäquanz).726 2. Änderungen durch CRD IV Durch das CRD-Normenpaket, das zum 1. Januar 2014 in Kraft trat, werden die Offenlegungspflichten vom nationalen Recht fast vollständig727 ins europä­ ische Recht, in die CRR, verlagert und im Inhalt deutlich erweitert. Ziel ist nunmehr, den Marktteilnehmern ein umfassendes Bild des unternehmensspezi­ fischen Risikoprofils zu vermitteln (s. Art.  431 Abs.  3 S.  2, 3 CRR). Dennoch finden sich, wie schon in den Vorgängerregelungen,728 Bestimmun­ gen zum Geheimnisschutz. Die bereits aus §  26a Abs.  2 KWG a. F. bekannte Einschränkung, dass Institute von der Offenlegung absehen können, wenn die Informationen als nicht wesentlich, als Geschäftsgeheimnis oder als vertraulich anzusehen sind, übernimmt Art.  432 CRR. Die Wesentlichkeit („materiali­ ty“)729 ist als Bagatellgrenze zu verstehen730 und die Vertraulichkeit erfasst In­ formationen, die aus einer Geschäftsverbindung stammen und im Interesse Dritter geheimzuhalten sind.731 Geschäftsgeheimnis sind solche Informationen, deren Offenlegung die Wettbewerbsposition des Instituts schwächen würde.732 Die Reichweite dieser Ausnahmen ist im Einzelnen freilich beschränkt: Die Offenlegung von Informationen Dritter wird oft bereits gegen datenschutz­ rechtliche Anforderungen und das Bankgeheimnis verstoßen, sodass die Aus-

Hopt/Wohlmannstetter (Hrsg.), S.  100 mit Blick auf die Entstehungsgeschichte und insbes. Basel II, S.  98 f. 725  Deutsche Bundesbank, Neue Eigenkapitalanforderungen 2004, S.  9 0. Ausf. Darstellung der Motive für das Streben nach Markttransparenz Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, En­ hancing Bank Transparency, Sept. 1998, S.  5 ff. 726  Hillen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, §  26a Rn.  5. 727  §  26a KWG n. F. verpflichtet nur noch zu zusätzlichen Angaben bei Gruppen. 728  Und ursprünglich zurückgehend auf Abs.  817, 819 Basel II. 729 Informationen sind wesentlich, wenn ihre unterlassene oder fehlerhafte Angabe die wirtschaftlichen Entscheidungen der Adressaten beeinflussen könnte, näher BellaviteHövermann, in: FS Krumnow, S.  470. 730  Sie greift, wenn eine Information so unbedeutend ist, dass sie regelmäßig ohne Einfluss auf die Entscheidungen des Adressaten bleibt, s. Art.  432 Abs.  1 CRR und (zum Regelungs­ vorbild Basel II) Boos/Schulte-Mattler, Die Bank 2001, 795, 799. 731  Romeike/van den Brink, SolvV, S.  173. 732  S. näher Art.  432 Abs.  2 CRR und (zu früheren Vorgängervorschriften) Bellavite-Hövermann, in: FS Krumnow, S.  4 45, 470.

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nahme der Vertraulichkeit praktisch wenig bedeutsam ist.733 Negative Informa­ tionen bezüglich der Finanzlage, die selbstverständlich in hohem Maße geeignet sind, die Wettbewerbsposition des Unternehmens zu schwächen, dürfen nicht als Geschäftsgeheimnis zurückgehalten werden,734 und mit Blick auf ihren Zweck, Markttransparenz herzustellen, soll auch die Wesentlichkeit eng auszu­ legen sein.735 Dennoch ist der Geheimnisschutz ausreichend, denn er wird überhaupt grundsätzlich gewährt736 und die Einstufung einer Information als nicht we­ sentlich oder geheim darf das Institut selbst vornehmen. Die Entscheidung über die Veröffentlichung liegt damit bei ihm, die Aufsichtsbehörde ist grund­ sätzlich nicht an ihr beteiligt.737 Das Institut ist lediglich verpflichtet, allgemein die Nichtveröffentlichung der Information zu begründen, Art.   432 Abs.   3 CRR. 3. Offenlegung von Vergütungssystemen (Art.  450 CRR) Neben die Offenlegungspflichten gem. Art.  431 CRR, die insbesondere das Ri­ sikoprofil im Blick haben, treten gem. Art.  450 CRR 738 Offenlegungspflichten hinsichtlich der Vergütungssysteme und der Vergütung von Mitarbeitern und Geschäftsleitern des Instituts.739 Ihr Hauptanliegen besteht darin, Vergütungs­ systeme zu vermeiden, die Anreize zu exzessiv riskanten Aktionen von Mana­ gern bieten und damit die Stabilität des Finanzsystems bedrohen könnten.740 Geheimnisschutz findet hier grundsätzlich nicht statt,741 allerdings sind übli­ cherweise Geschäftsgeheimnisse bei der Offenlegung von Vergütung und Ver-

733 

Hillen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, §  26a Rn.  15. Romeike/van den Brink, SolvV, S.  173. 735  Hillen, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, §  26a Rn.  13. 736  S. demgegenüber die handelsrechtlichen Offenlegungspflichten gem. §  325 i. V. m. §  340l Abs.  1 HGB und die daraus resultierende bilanzrechtliche Diskussion um Geheimnisschutz etwa durch Schutzklauseln oder durch ungeschriebene Einschränkungen des Berichtsum­ fangs, Baetge/Fischer/Paskert, S.  14 f.; Eßbauer, in: Schön (Hrsg.), S.  351 ff.; Moxter, BB 1997, 722, 723; abl. Lange, BB 1999, 2447, 2452 (für den Lagebericht). 737  Die EBA wird allerdings, gestützt auf Art.  432 Abs.  1 S.  3 und Abs.  2 S.  4 CRR, Leit­ linien zur Einstufung vorgeben. 738  Insbesondere für Institute, die keine CRR-Institute sind, richtet sich die Offenlegung aber nach §  25a Abs.  1 S.  3 Nr.  6 KWG n. F. i. V. m. §  16 InstitutsVergV. 739  Die Offenlegungspflicht tritt neben die entsprechenden handelsrechtlichen Vorschrif­ ten (§§  285 Nr.  9, 340a Abs.  1, 340l i. V. m. §  324 HGB), die nicht primär die Vergütungssyste­ matik, sondern die Vergütungshöhe betreffen, Nguyen, VW 2010, 1315. 740  Friebel/Langenbucher, GWR 2011, 103, 104. Zu den inhaltlichen Anforderungen an die Vergütung etwa Rubner, NZG 2010, 1288; aus arbeitsrechtlicher Sicht (und zur Rechtslage nach dem 1.1.2014) Zürn/Rappensperger/Brämswig, DB 2013, 2681 ff. 741  Ausnahme für Institute, die nicht unter CRD IV fallen, gem. §  16 Abs.  3 S.  3 Instituts­ VergV i. V. m. Art.  432 Abs.  1 bis 3 CRR: Offenlegung mit denselben Einschränkungen wie bei den allgemeinen Offenlegungspflichten (soeben 1.). 734 

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gütungssystemen auch nicht betroffen. Die Offenlegungspflichten werden au­ ßerdem zum Ausgleich mit anderen als Geheimhaltungsinteressen der Unter­ nehmen abgestuft: Ihr Detaillierungsgrad ist gem. Art.  450 CRR abhängig u. a. von der Größe des Unternehmens, der Art, des Umfangs und Risikogehalts seiner Geschäftsaktivitäten. Dieses Regelungsmodell wird für die Versiche­ rungsaufsicht ebenfalls zu prüfen sein.742 III. Offenlegungspflichten und Geheimnisschutz bei Versicherungsunternehmen Der Geheimnisschutz bei Versicherungsunternehmen bleibt hinter dem bei Banken zurück. Derzeit noch lässt sich dies mit den im Vergleich zu Banken weniger umfangreichen Offenlegungspflichten der Versicherungsunternehmen rechtfertigen. Solvency II wird diese jedoch erweitern und damit auch die Not­ wendigkeit zum Geheimnisschutz vergrößern. 1. Offenlegungspflichten und Geheimnisschutz de lege lata Das Versicherungsaufsichtsrecht setzte bisher vorrangig auf Offenlegung ge­ genüber der Aufsichtsbehörde.743 Einzige versicherungsaufsichtsrechtliche Vor­ schrift zur Offenlegung gegenüber der Öffentlichkeit ist der erst im Jahr 2010 erlassene §  64b VAG i. V. m. §  4 Abs.  8 VersVergV, der „bedeutende“ Versiche­ rungsunternehmen zur Veröffentlichung eines jährlichen Vergütungsberichts „in geeigneter Form“ verpflichtet.744 Die Norm tritt neben die handelsrechtli­ chen Vorschriften zur Offenlegung der Vergütungshöhe.745 Sie soll der Trans­ parenz von Vergütungssystemen in Versicherungsunternehmen und damit ih­ rer Angemessenheit dienen,746 nachdem Vergütungsexzesse vor allem bei Ban­ ken als eine Ursache der Finanzkrise von 2008/2009 ausgemacht worden sind.747 Geheimnisschutz bewirkt die den §  64b VAG näher ausgestaltende ­VersVergV vor allem durch Abstufung der Offenlegungspflichten nach „Bedeutung“ des Versicherungsunternehmens (§  1 Abs.  2 VersVergV): Nur „bedeutende“ Versi­ 742 

Unten C. II. 5. a). Dazu soeben §  3. 744  Abgesehen von dem umstrittenen Fall des §  10a Abs.  2a VAG. Zum Streitstand Armbrüster, S.  16 ff. 745  Es besteht die Pflicht zur Offenlegung der Bezüge der Leitungsorgane im Anhang des Lageberichts gem. §§  285 Nr.  9, 341a Abs.  1, 341l i. V. m. §  325 HGB und betreffen hauptsäch­ lich Vergütungshöhe, nicht -politik. 746  Begründung VersVergV, A. Allgemeiner Teil. Zur VersVergV Annuß/Sammet, BB 2011, 115; eingehend zur Entwicklung und zum Verhältnis zu aktienrechtlichen Anforderungen Armbrüster, VersR 2011, 1 ff.; Vergleich von VersVergV und InstitutsVergV (a. F.) etwa Rubner, NZG 2010, 1288; Simon/Koschker, BB 2011, 120 ff. 747 Grünbuch „Corporate Governance in Finanzinstituten und Vergütungspolitik“ der Kommission vom 2. Juni 2010, KOM (2010) 284 endg. Eingehend Armbrüster, VersR 2011, 1 ff.; Fischer, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, §  125 Rn.  71 f. 743 

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cherungsunternehmen sind zur Veröffentlichung des Vergütungsberichts, des­ sen inhaltliche Anforderungen sich nach §  4 Abs.  8 VersVergV bestimmen, ver­ pflichtet.748 Geheimnisschutz für den Vergütungsbericht ist hingegen nicht vorgesehen, wohl aber eine Verpflichtung auf den Beschäftigtendatenschutz, welche die Nennung individueller Mitarbeiterdaten (Name und Vergütung) ohne Pseudonymisierung oder Anonymisierung ausschließt.749 Einen Kernbe­ reich unternehmensbezogener Informationen betrifft die die Vergütung betref­ fende Offenlegungsvorschrift indes nicht, sodass der Geheimnisschutz bisher als ausreichend angesehen werden kann. 2. Offenlegungspflichten und Geheimnisschutz nach Solvency II Wie auch im Bankenaufsichtsrecht werden die Transparenzvorschriften im Ver­ sicherungsaufsichtsrecht bald in Umsetzung europäischer Vorgaben erweitert werden. Die damit ebenfalls erforderliche Erweiterung des Geheimnisschutzes unterbleibt indes. Die Richtlinie Solvency II bringt umfassende Offenlegungsvorschriften in Bezug auf die Solvabilität und Finanzlage (Art.  51 ff. Solvency II), die durch §  40 VAG-E in deutsches Recht umgesetzt werden sollen. Sie sehen neben der Fi­ nanzberichterstattung über Vermögens- und Finanzlage des Unternehmens die Pflicht zur Information über formal-organisatorische Fragen750 vor. Neben die im Wesentlichen periodisch wiederkehrenden Berichtspflichten tritt allerdings erstmals eine generelle anlassbezogene Offenlegungspflicht: Verändert eine „wichtige Entwicklung“ die Bedeutung der bereits veröffentlichten Informatio­ nen erheblich, hat das betroffene Versicherungsunternehmen Angaben über Art und Auswirkungen zu veröffentlichen (§  42 Abs.  1 VAG-E in Umsetzung von Art.  54 Solvency II). Welche Informationen im Einzelnen offen zu legen sind, wird die Kommission in den von ihr zu erlassenden Durchführungsbestim­ mungen festlegen. Nur ausnahmsweise dürfen Unternehmen gem. §  41 VAG-E (fußend auf Art.  53 Solvency II) aus Gründen des Geheimnisschutzes mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde auf Angaben im Solvabilitäts- und Finanzbericht verzich­ ten. Die Genehmigung ist in gebundener Entscheidung zu erteilen, „wenn“ (ge­ meint ist hier: soweit) Wettbewerber des Unternehmens durch die Veröffentli­ 748  Diese im Vergleich zur InstitutsVergV (s. sub II. 2.) mildere Regelung lässt sich damit rechtfertigen, dass Vergütungsexzesse in der Vergangenheit im Versicherungswesen ebenso wenig festzustellen waren wie die existenzielle Bedrohung von Versicherungsunternehmen, Dreher, VW 2010, 1508. Ausnahme die durch Selbstregulierung, nämlich durch Gründung der Protektor Lebensversicherungs-AG, im Jahr 2002 abgefangene Krise der Mannheimer Lebensversicherungsgesellschaft, dazu etwa Präve, VersR 2005, 1023. 749  Unklar die Begr. zu §  4 Abs.  8 VersVergV („Schutz vertraulicher individueller Mitarbei­ terdaten bleibt unberührt“), http://www.bafin.de/nn_722758/SharedDocs/Aufsichtsrecht/ DE/Verordnungen/VersVergV__Begruendung.html (zuletzt abgerufen am 10. Juli 2014). 750  §  40 Abs.  2 S.  3 Nr.  2 VAG-E, Art.  51 Abs.  1 S.  2 lit.  b) Solvency II.

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Teil 2: Transparenzpflichten von Finanzdienstleistungsunternehmen

chung (der fraglichen Information) einen „wesentlichen ungerechtfertigten Vor­ teil“ erlangen würden oder eine Geheimhaltungsverpflichtung des Unternehmens gegenüber Dritten besteht. Der erste Fall zielt auf Geschäftsge­ heimnisse des Unternehmens ab, ohne dass damit eine inhaltliche Abweichung von der Richtlinie, die von einem „bedeutenden ungebührlichen Vorteil“ spricht, intendiert wäre.751 Der zweite Fall soll vermeiden, dass das Unterneh­ men bei mehreren Geheimhaltungsverpflichtungen in eine Pflichtenkollision gerät.752 An dieser Geheimnisschutzregelung wird ein erheblicher Unterschied zum Bankenaufsichtsrecht offenbar:753 Dort lässt das Vorliegen einer wettbewerbs­ relevanten Information, das grundsätzlich im self assessment durch das Institut festgelegt wird, die Verpflichtung zur Offenlegung entfallen. Nach Solvency II hingegen die geheime Information gegenüber der Aufsichtsbehörde zu offenba­ ren. Diese prüft dann das Recht zur Nichtveröffentlichung und hat dabei einen Beurteilungsspielraum. Gestattet sie die Nichtveröffentlichung, so haben die Unternehmen dies in ihrem (übrigen) Bericht unter Angabe von Gründen (auf welche sich die Nichtangabe stützt) darzulegen (§  41 Abs.  1 S.  2 VAG-E, Art.  53 Abs.  2 Solvency II). Diese Regelung ist zunächst mit Blick auf Art.  12, 14 GG754 problematisch. Nicht nur, dass sich durch sie die Beweislast im Verwaltungsprozess um das Vorliegen eines Geheimnisses zulasten des Versicherungsunternehmens ver­ schiebt.755 Die Pflicht zur (formellen!) Abstimmung mit der Aufsichtsbehörde bedeutet auch einen deutlich höheren Aufwand als die selbständige Entschei­ dung, eine Information nicht offen zu legen. Der Geheimnisschutz wird mit dem Einsatz von Ressourcen, von Geld und Personal erkauft, und ist mit dem Risiko behaftet, dass die Aufsichtsbehörde ihn trotz aller Mühen versagen wird. Dabei ist die Hürde für die Aufsichtsbehörde, ihre Zustimmung zur Nichtver­ öffentlichung zu versagen, deutlich geringer als die Hürde, selbst aktiv tätig zu werden und formell eine etwaige selbständige Entscheidung des Versicherungs­ unternehmens zu beanstanden, bestimmte Informationen nicht zu veröffentli­ chen. Demgegenüber verlangen Art.  12, 14 GG effektiven Geheimnisschutz. Geschäftsgeheimnisse sind gegenüber der Öffentlichkeit „offenlegungsfester Kern“ unternehmensbezogener Information.756 Dieser ist zumindest gefährdet, wenn die Offenbarung einer Information droht, die die Behörde in rechtswid­ riger Weise nicht als Geschäftsgeheimnis ansieht und deren Geheimhaltungsbe­ 751 

Begr. RefE VAG, S.  287. Wie im Bankenaufsichtsrecht, s. schon soeben II. 2. 753  Zum Bankenaufsichtsrecht soeben II. 754  Im Unionsrecht Art.  15 Abs.  1 EUGrCh (die Berufsfreiheit) und Art.  17 EUGrCh (das Eigentumsrecht). 755  Dreher/Schaaf, in: Dreher/Wandt (Hrsg.), S.  180 f. 756  Soeben I. Anders gegenüber der Aufsichtsbehörde, oben §  3 A. II. 752 

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dürftigkeit erst in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren geklärt werden muss. Der Geheimnisschutz bei Banken ist deutlich stärker ausgeprägt. In der Schlechterstellung von Versicherungsunternehmen gegenüber Banken liegt eine für Art.  3 Abs.  1 GG757 relevante Ungleichbehandlung, die angesichts der Er­ weiterung der Offenlegungspflichten der Versicherungsunternehmen durch Solvency II nicht gerechtfertigt ist. Je mehr Umstände zu offenbaren sind, desto größer auch das Bedürfnis nach Geheimnisschutz. Mit der Erweiterung der Offenlegungspflichten durch Solvency II auf ein den Banken vergleichbares Niveau der Transparenz geht jedoch keine vergleichbare Erweiterung des Geheimnisschutzes einher. Ein sachlicher Grund für diese Ungleichbehandlung lässt sich aber nicht ausmachen. Es hat sich jedoch in der Vergangenheit weder abgezeichnet, dass Versiche­ rungsunternehmen strengerer Kontrolle als Banken bedürften, etwa, weil sie krisenanfälliger seien, noch ist die Öffentlichkeit zur Kontrolle von Versiche­ rungsunternehmen besser in der Lage als zur Kontrolle von Banken. Die Infor­ mationen sind in beiden Fällen von erheblicher Komplexität und nur von Fach­ leuten zu verstehen. Das Interesse an der Kontrolle von Versicherungsunter­ nehmen ist damit eher geringer als das an der Kontrolle von Banken. Aber auch ein generell geringeres Geheimhaltungsinteresse lässt sich bei Versicherungsun­ ternehmen gegenüber Banken nicht feststellen: Die zu veröffentlichenden In­ formationen beinhalten in jedem Fall sensible unternehmensbezogene Daten. Die Offenlegungspflichten der Institute mögen zwar weiter gehen als die der Versicherungsunternehmen, und dies auch noch nach der VAG-Novelle. Den Banken wird aber gerade nicht inhaltlich umfangreicherer Schutz gewährt, son­ dern lediglich der Weg, auf dem Geheimnisschutz zu erlangen ist, ist für sie einfacher zu beschreiten (mag sich dies auch im Einzelnen auf den Umfang des Geheimnisschutzes auswirken). Gründe, warum Banken selbst über die Veröf­ fentlichung einer Information entscheiden können sollen, Versicherungsunter­ nehmen hingegen nicht, sind nicht ersichtlich. Sie könnten allenfalls darin lie­ gen, dass Versicherungsunternehmen unzuverlässiger seien in ihrer Entschei­ dung, welche Informationen sie zurückhalten, und dass sie daher stärker als Banken zu Rechtsbrüchen neigten. Dies aber kann nicht ohne Weiteres ange­ nommen werden. Die Ungleichbehandlung lässt sich mithin nicht rechtfertigen. Der damit festgestellte Gleichheitsverstoß lässt sich auflösen hin zu einer Angleichung des Geheimnisschutzes „nach unten“, indem die bankaufsichts­ rechtliche Regelung der versicherungsaufsichtsrechtlichen angepasst wird. Im Sinne des effektiven Geheimnisschutzes ist dies jedoch nicht. Stattdessen ist umgekehrt die versicherungsaufsichtsrechtliche Regelung an die ausreichenden

757 

Im Unionsrecht: Art.  20 EUGrCh.

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Teil 2: Transparenzpflichten von Finanzdienstleistungsunternehmen

Geheimnisschutz gewährende bankenaufsichtsrechtliche Regelung anzuglei­ chen. Damit sind die europäischen Offenlegungsvorschriften in ihrer gegenwärti­ gen Form aufgrund der mangelhaften Geheimnisschutzvorschriften primär­ rechtswidrig. Die derzeit im Entwurfsstadium befindlichen deutschen Umset­ zungsvorschriften widersprechen Art.  12, 14, 3 Abs.  1 GG. Um den Weg frei zu machen für die Anpassung auf nationaler Ebene, ist auf europäischer Ebene nachzubessern: Die versicherungsaufsichtsrechtlichen Ge­ heimnisschutzvorschriften sind den bankenaufsichtsrechtlichen anzugleichen. IV. Fazit Die Vorschriften des Bankenaufsichtsrechts bieten, vorbehaltlich etwaiger Be­ denken gegen die Funktionsfähigkeit des Kontrollkonzepts insgesamt,758 grundsätzlich einen interessengerechten Ausgleich mit Geheimhaltungsinteres­ sen der Unternehmen. Aber auch die im Bankenaufsichtsrecht bestehenden Einschrän­kungen zugunsten der freien Berufsausübung und Geschäftsorgani­ sation, etwa das Recht, auf andere bereits veröffentlichte Informationen zu ver­ weisen, die Bagatellgrenze (materiality)759 und die Ausdifferenzierung nach Unternehmensgröße,760 können Vorbild sein bei einer Weiterentwicklung der finanzaufsichtsrechtlichen, insbesondere der versicherungsaufsichtsrechtlichen Offenlegungspflichten.

C. Kritik und Folgerungen An der Funktionsfähigkeit des Modells „Kontrolle durch Transparenz für die Öffentlichkeit“ bestehen grundlegende Bedenken. Wollte man sie nicht teilen, wären dennoch Nachbesserungen am Regelungskonzept nötig, um den Interes­ sen der betroffenen Unternehmen ausreichend Rechnung zu tragen. I. Funktionsfähigkeit des Konzepts „Kontrolle durch Transparenz für die Öffentlichkeit“ Das vorgestellte Konzept der Kontrolle durch Offenlegung gegenüber der Öf­ fentlichkeit erscheint auf den ersten Blick nicht nur schlüssig, sondern auch für alle Betroffenen vorteilhaft. Durch Transparenz kann die Regelungs- und Regulierungsdichte abnehmen. Solange die wirtschaftlichen Daten und die Produkte auf eine gute und rechts­ 758 

Sogleich C. I. Oben II. 2. 760  Oben II. 759 

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konforme Leistung des Unternehmens hindeuten, wird es dafür durch den Markt etwa durch steigende Umsatzzahlen oder Aktienkurse belohnt, ganz gleich, wie es zu dieser Leistung im Einzelnen gekommen ist. Der Weg wäre damit im Bereich der Finanzdienstleistungen frei für eine wahrhaft „prinzipi­ enbasierte“ Aufsicht,761 die sonst schwer zu erreichen ist.762 Aufsichtsbehörde und Gesetzgeber könnten sich weitgehend zurückhalten. Zugleich bedienen die Normgeber sich eines Regelungsmodells, das auf Transparenz setzt, etwas, für das sich, nicht zuletzt angesichts seiner Konnotation mit dem Demokratieprin­ zip,763 jeder begeistern kann.764 Für die betroffenen Unternehmen ist die Eingriffsintensität der Offenle­ gungsvorschriften regelmäßig geringer als bei sonstigen Maßnahmen765 und sie profitieren davon, dass es vertrauensbildend wirkt, wenn über sie als Vertrags­ partner viel bekannt ist.766 Je mehr Information ein Unternehmen den Kapital­ gebern zur Verfügung stellt, desto bereitwilliger wird investiert,767 desto bereit­ williger werden möglicherweise auch dessen Produkte und Leistungen genutzt. Das Modell ist schließlich auch im Interesse der Volkswirtschaft, weil es eine Überproduktion von Informationen verhindern kann. Diese droht, wenn viele verschiedene Personen gleichzeitig versuchen, dasselbe Wissen zu erlangen.768 Die gesetzliche Verpflichtung zur Offenlegung kann die Informationskosten, die von vielen Teilnehmern durch Parallelarbeit verursacht werden, reduzie­ ren.769 Gegen die Funktionsfähigkeit dieses Modells sprechen jedoch zwei grundle­ gende Einwände. 1. Interessengegensatz zwischen Kontrollinstanz und Kontrollierten Zunächst lässt sich aus dem bloßen Vorhandensein von Information noch nicht auf ihre Verwertung im Sinne einer Kontrollhandlung schließen. Das Interesse, eine solche Handlung vorzunehmen, ist umso größer, je stärker das Gegenüber den eigenen Interessen widersprechende Interessen hat. Auf diese Ausnutzung

761  Erklärtes Ziel des Normgebers von Solvency II/der VAG-Reform, s. Louven/Raapke, VersR 2012, 257 ff.; Wandt/Sehrbrock, VersR 2012, 802, 803 f.; im Bankaufsichtsrecht Neus, in: Luz (Hrsg.), KWG, Einführung Rn.  163. 762  Zu Schwierigkeiten bei Solvency II Dreher/Lange, VersR 2011, 825, 829 und oben §  1. 763  S. schon Teil 1 §  1. 764  Schön, in: Schön (Hrsg.), Vorwort. 765  Neus, in: Luz (Hrsg.), KWG, Einführung Rn.  49. 766  Eßbauer, in: Schön (Hrsg.), S.  293. 767  Eßbauer, in: Schön (Hrsg.), S.  293 für den Jahresabschluss; Merkt, S.  332. Zur Auswir­ kung von Rechnungslegung die Studie von Marten/Köhler/Schlereth/Crampton, BB 2002, 2007 ff. 768  Schön, in: Schön (Hrsg.), S.  592. 769  Schön, in: Schön (Hrsg.), S.  592.

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vorhandener Interessengegensätze stützt sich die Kontrolle durch Private, etwa im bürgerlichen Recht.770 Ein Kontrollinteresse, ein Interessengegensatz zwischen den Unternehmen und den sie kontrollierenden Marktteilnehmern, ist aber nicht mit hinreichen­ der Schärfe auszumachen. Die Marktteilnehmer sind heterogen, ihre Interessen differieren, nicht anders als ihr Verhältnis zu den Unternehmen, die sie kontrol­ lieren sollen. Zwar ist das wirtschaftliche Wohlergehen einer Aktiengesellschaft grund­ sätzlich im Sinne ihrer Aktionäre. Auch der Versicherte hat ein Interesse an der Leistungsfähigkeit (und damit an einer günstigen wirtschaftlichen Situation) seines Versicherers. Damit ist aber nicht gesagt, dass das Interesse so weit reicht, dass im Falle eines Missstandes bei einem Unternehmen eine für den Markt vorteilhafte Kontrollhandlung vorgenommen werden wird. Die Kontrollhand­ lung, wenn sie überhaupt erfolgt, kann von Individualinteressen bestimmt sein. Zudem schwindet nach den Erkenntnissen der Massenpsychologie das Verant­ wortungsgefühl des Einzelnen in der Masse.771 Grob vereinfacht gilt: Je mehr Verantwortliche es gibt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass niemand sich wirklich verantwortlich fühlt.772 Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass die Öffentlichkeit als Vielzahl von Einzelpersonen stärker kon­ trolliert als es einzelne speziell dafür ausgewählte Personen täten. Das Interesse an Kontrolle der Unternehmen ist aber auch deshalb gering, weil die meisten dem Kollektiv „Öffentlichkeit“ angehörigen Personen wenn überhaupt dann allenfalls eine leicht lösbare Bindung zu den zu kontrollieren­ den Unternehmen haben. Sie sind nicht aufgrund eigener rechtlicher Stellung (z. B. als Aufsichtsrat, Betriebsrat) zur Kontrolle verpflichtet, und wer nicht zu­ fällig Aktionär oder Kunde des zu kontrollierenden Unternehmens ist, hat auch ein nur geringes tatsächliches Interesse an dessen Verhalten. Selbst das Interesse der Aktionäre und Kunden als jedenfalls in einer lockeren Beziehung zum Un­ ternehmen stehenden Personengruppen ist unterschiedlich und tendenziell ge­ ring:773 Der Verlust des Aktionärs ist in Krisenzeiten limitiert, er kann die ur­ sprüngliche Investition nicht übersteigen. Und auch wenn bei als Kapitalanlage konzipierten Versicherungen die Kündigung des Versicherungsvertrags durch 770 

Dazu oben §  2. Der Begriff der „Masse“ ist nicht räumlich zu verstehen – auch räumlich getrennte In­ dividuen können eine „Masse“ im massenpsychologischen Sinne bilden, s. schon Le Bon, S.  27. 772  So schon Le Bon, S.  32. 773  Zum geringen Interesse der Aktionäre an der Verwaltung der AG („rationale Apathie“) und zu Überlegungen der Rechtswissenschaft, dem abzuhelfen etwa Bachmann, AG 2011, 181, 190 f. Entsprechend jetzt auch Erwägungen der Europäischen Kommission, Mitteilung an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, Aktionsplan Europäisches Gesellschaftsrecht und Corpo­ rate Governance – ein moderner Rechtsrahmen für engagierte Aktionäre und besser überle­ bensfähige Unternehmen vom 12. Dezember 2012, KOM (2012) 740 endg., S.  9 ff. 771 

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den Versicherungsnehmer für diesen mit finanziellen Verlusten verbunden sein kann, ist doch immerhin der Versicherungsvertrag kündbar und die Höhe des maximalen Verlusts klar abzuschätzen. Zudem federn Sicherungseinrichtungen einen Totalausfall von Versicherern und Banken ab. Bei wirtschaftlich für den Kunden weniger bedeutsamen Produkten (z. B. Reisegepäckversicherungen, Bankeinlagen in geringerer Höhe) ist das Interesse an der Kontrolle der Solidität des Finanzdienstleistungsunternehmens ohnehin gering. Diese leichte Lösbarkeit der Bindung zwischen Unternehmen und Öffent­ lichkeit, das oft geringe Kontrollinteresse, ist indes zugleich grundlegende Vor­ aussetzung für das Konzept der Kontrolle durch Offenlegung gegenüber der Öffentlichkeit:774 Soll der Markt Einfluss nehmen auf das Verhalten der Unter­ nehmen, setzt das voraus, dass durch Auswahlentscheidungen der Marktteil­ nehmer (Aktienkauf, Vertragsschluss) starke Anbieter gestärkt werden und sich so durchsetzen gegen schwächere Anbieter. Die persönliche und wirtschaftliche Bindung muss gering sein, damit die Marktteilnehmer in ihren Entscheidungen flexibel sind und das Modell funktioniert. Hierin liegt ein grundlegender innerer Widerspruch des Konzepts der Offen­ legung gegenüber der Öffentlichkeit, der sich auch nicht beseitigen lässt. Zwar ist nicht ausgeschlossen, durch rechtliche Maßnahmen eine engere Bindung be­ stimmter Gruppen an das Unternehmen und dadurch eine Steigerung des Kon­ trollinteresses hervorzurufen.775 Letztlich aber stünde dies im Widerspruch zum Konzept der Kontrolle durch die Öffentlichkeit. Gestärkt würden nur ein­ zelne Teilgruppen der Öffentlichkeit und die Bindung könnte nur gesteigert werden durch eine Einschränkung jener Flexibilität, auf der sich das Modell gerade gründet. 2. Defizite der Kontrollinstanz Der zweite gegen das Modell sprechende Einwand liegt in den vielfältigen nicht behebbaren Defiziten der Kontrollinstanz „Öffentlichkeit“. a) Grenzen der Informationssammlung und -aufnahme Das Bundesverfassungsgericht zählt es zwar „zu den elementaren Bedürfnissen des Menschen, sich aus möglichst vielen Quellen zu unterrichten“;776 Die physi­ schen wie psychischen Fähigkeiten bei Informationssammlung und -aufnahme aber unterliegen individuellen Grenzen, die bereits in §  2 skizziert worden sind:777 Die menschliche Auffassung ist begrenzt, sodass mehr Information 774 

S. oben A. I. denken ist etwa an Einschränkungen der Verkehrsfähigkeit von Aktien, etwa ge­ setzliche Mindesthaltefristen als Verschärfung der bereits jetzt teilweise üblichen „Lockup“-Vereinbarungen bei Emissionen (zu diesen etwa Grüger, WM 2010, 247 ff.). 776  BVerfG, Beschl. v. 3.10.1969 – 1 BvR 46/65, BVerfGE 27, 71, 81. 777  S. oben §  2 C. I. 775  Zu

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nicht zwangsläufig gleichzusetzen ist mit einer besseren Informationslage, einer besseren Entscheidung. Dies gilt hier umso mehr, als die Informationen, die nach dem Finanzauf­ sichtsrecht der Öffentlichkeit zugänglich zu machen sind, deutlich komplexer und umfangreicher sind als diejenigen, die bei einem Vertrag dem Vertragsinte­ ressenten offenbar werden.778 Zugleich ist die Zahl der Informationsquellen deutlich größer. Die Information wird nicht zusammen mit dem Vertragsange­ bot gegeben, sondern muss vom Interessenten gesucht werden. Hierfür stehen diverse Quellen zur Verfügung, solche des Unternehmens selbst, aber auch Äu­ ßerungen Dritter, etwa der Presse. Die Informationssammlung wird zudem dem Adressaten dadurch erschwert, dass üblicherweise mehrere Quellen diesel­ be oder nahezu dieselbe Information enthalten779 und die Offenlegungspflich­ ten teilweise durch Verweisung auf die bestehenden Veröffentlichungen erfüllt werden können (s. etwa Art.  51 Abs.  1 S.  2 Solvency II).780 Abhilfe könnte hier nur mit weniger und übersichtlicher, dafür aber zwangs­ läufig auch allgemeinerer Information geschaffen werden.781 Sie förderte die Kenntnisnahme durch größere Teile der Öffentlichkeit und müsste etwa in Form von Informationsblättern erfolgen, die die wichtigsten Daten zusammen­ fassen, vergleichbar den bereits vorgestellten Produktinformationsblättern.782 Diese könnten aber angesichts der Heterogenität der Informationsadressaten das Problem nicht vollständig lösen. Vielen Personen mag es helfen, allgemein gehaltene, leicht verständliche Information zu erhalten. Einige Marktteilneh­ mer sind für ihre Entscheidung aber auf komplexe Information angewiesen, wie Analysten, Ratingagenturen, aber auch Anleger. Eine zu grobe Information ist gerade bei Personen, die noch am ehesten eine Kontrollfunktion erfüllen, kont­ raproduktiv. Für sie müsste die komplexe Information ebenfalls veröffentlicht werden. Das Informationsangebot würde durch das Nebeneinander von verein­ fachten und komplexen Informationen aber noch unübersichtlicher. Überdies geht mit der Vereinfachung der Informationen stets die Gefahr ihrer Verfäl­ schung einher, sodass die Defizite der Kontrollinstanz „Öffentlichkeit“ bei der Informationssammlung und -aufnahme nicht behoben werden können. b) Grenzen der Informationsverwertung Ist eine Information erst einmal aufgenommen, muss sie nach dem Konzept der Kontrolle durch die Öffentlichkeit in eine rationale Entscheidung umgesetzt 778 

Bedenken daher auch bei Grote/Schaaf, VersR 2012, 17, 23 f. mit Blick auf Solvency II. Dreher/Schaaf, in: Dreher/Wandt (Hrsg.), S.  160 ff. Insbesondere sind weite Teile des SCFR aus anderweitig veröffentlichten Informationen zusammengesetzt. 780  So planen etwa 40 % der Versicherer, zumindest Teile der Offenlegungsanforderungen nach Solvency II durch Querverweise zu erfüllen, Golla/Klimetzek, VW 2010, 742. 781  Eling, VW 2009, 558; Neus, in: Luz (Hrsg.), KWG, Einführung Rn.  50. 782  Zu ihnen s. o. §  2 C. II. 2. e). 779 

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werden. Will man schon keine Entscheidung verlangen, die dem „Wohl des Marktes“ insgesamt dient, so gehen die Normgeber doch stillschweigend davon aus, dass individuell rationale Entscheidungen zu einem insgesamt funktionsfä­ higen Markt führen werden, den ursprünglichen ökonomischen Vorbildern des Modells entsprechend.783 Die Wirtschaftswissenschaften haben dieses Modell allerdings mittlerweile dahin gehend korrigiert, dass Verhalten nie ganz rational sein kann.784 Rationa­ lität im wirtschaftswissenschaftlichen Sinne erfordert eine Auswahl aus allen möglichen Verhaltensalternativen.785 Diese können jedoch kaum je alle erkannt werden. Untermauert werden die Zweifel an der Rationalität durch Erkenntnisse der Neurobiologie und Psychologie,786 nach denen weder alle aufgenommenen In­ formationen in die Entscheidung einbezogen werden,787 noch ihre Gewichtung im Entscheidungsprozess rational erfolgt. So werden etwa emotional besetzte Informationen stärker gewichtet als abstrakte Informationen788 oder neu eintreffende Informationen gegenüber bestehenden zurückgedrängt (sog. ­status-quo-bias).789 Zudem lässt sich die Informationsverarbeitung durch die Art und Weise, wie die Information dargestellt und präsentiert wird, beeinflus­ sen (sog. Framing).790 Die Entscheidungsfindung selbst ist außerdem abhängig von diversen Fakto­ ren, von Stimmung,791 Motivation (Motiven und Beweggründen),792 Emotion793 und persönlichen psychischen wie physischen Merkmalen.794 783 

Oben A. I. Simon, Entscheidungsverhalten in Organisationen, S.  116. S. aus der Rechtswissen­ schaft van Aaken, Rational Choice in der Rechtswissenschaft, passim. 785  Simon, Entscheidungsverhalten in Organisationen, S.  116. 786 Die Erkenntnisse wurden teilweise auch in die Rechtswissenschaft übernommen, s. etwa Koller, ZBB 2011, 363 (Kapitalmarktrecht); Roth, in: MünchKomm-BGB, §  241 Rn.  128; van Aaken, Rational Choice in der Rechtswissenschaft. 787  Überblick bei Kroeber-Riel/Weinberg/Göppel-Klein, S.  302 ff. 788 Anschauliche Darstellung der Studie von Nisbett/Borgida/Crandall/Reed aus dem Jahr 1982 bei Mazanek, S.  77; aus psychologischer Sicht Kroeber-Riel/Weinberg/GöppelKlein, S.  295; aus neurobiologischer Sicht Überblick bei Spitzer, S.  158 f. 789  Kahneman/Knetsch/Thaler, JEP 5 (1991), 1, 193; Kiehling, S.  57 790  Kiehling, S.  76 f.; Kroeber-Riel/Weinberg/Göppel-Klein, S.   308 ff. Aus rechtswissen­ schaftlicher Sicht Überblick bei van Aaken, in: Engel/Englerth/Lüdemann/Spiecker (Hrsg.), S.  189, 193 ff.; Leistner, in: Riesenhuber (Hrsg.), S.  101, 106 ff.; Stahl, S.  224 ff. Zur Suggestibili­ tät von Massen schon Le Bon, S.  32 f. 791  Weber/Neuhaus, in: Häusel (Hrsg.), S.  35; Definition mit Überblick bei Kroeber-Riel/ Weinberg/Gröppel-Klein, S.  101. 792  Kiehling, S.  40. Zu empirischen Erkenntnissen, insbesondere zu Eigennutz und Altru­ ismus, van Aaken, in: Engel/Englerth/Lüdemann/Spiecker (Hrsg.), S.  189, 199 ff. 793  Einen anerkannte allgemeine Begriffsbestimmung/Theorie der Emotion gibt es nicht, Spitzer, S.  157. Überblick zum Einfluss der Emotion auf den Anlageprozess Mazanek, S.  105 ff. (aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht). 794  So bestimmen z. B. auch Alter und Geschlecht das Entscheidungs-, insbesondere das 784 

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Zu ihnen gehört auch, dass der Entscheidende, um den Prozess zu vereinfa­ chen, unbewusst mitunter ohne fundiertere Analyse und unter Außerachtlas­ sung elementarer Regeln der Wahrscheinlichkeit entscheidet795 oder sich vom Verhalten einer Masse beeinflussen lässt (Herdenverhalten oder „Herding“).796 Eine rationale Entscheidung ist daher grundsätzlich nicht zu erwarten,797 und es ist zu bezweifeln, ob einige wenige Marktteilnehmer, die möglicherweise aufgrund besonderer Ausbildung oder langjähriger Erfahrung rationaler han­ deln als andere, den Markt so steuern können, dass die beabsichtigte Kontroll­ wirkung eintritt.798 Denn schließlich sind auch professionelle Anleger, Analys­ ten oder sonstige Fachleute nicht zwangsläufig rationaler als der einfache Kun­ de/Aktionär. Der hier festgestellte Mangel lässt sich jedoch mit keinem denkbaren Mittel beseitigen. Der Normgeber kann nicht Emotion, Stimmungen, Motive aus dem Marktgeschehen „herausregulieren“, er kann nicht irrationales Verhalten „per Federstrich“ 799 beseitigen. c) Begrenzte Fachkenntnisse Selbst wenn man die unter b) vorgestellten Erkenntnisse in Abrede stellen woll­ te, setzt das Konzept der Kontrolle durch die Öffentlichkeit doch voraus, dass die Informationen in eine wenn schon nicht rationale, so doch einigermaßen sinnvolle Entscheidung umgesetzt werden können. Dies erfordert Fachkennt­ nisse, die man allenfalls von institutionellen Anlegern, Analysten oder Wettbe­ werbern, nicht aber vom mündigen Bürger erwarten kann.800 Selbst diese Perso­ nengruppen können aber, insbesondere bei der Einschätzung finanzaufsichts­ rechtlicher Sachverhalte, überfordert werden.801 Die größte, wenn vielleicht auch nicht die einflussreichste Teilgruppe der Öf­ fentlichkeit sind aber ohnehin Kleinanleger oder gar gänzlich unbeteiligte Per­ sonen, die den Markt für Finanzdienstleistungen als komplex empfinden802 und Risikoverhalten, Häusel, in: Häusel (Hrsg.), S.  81 ff.; aus der rechtswissenschaftlichen Litera­ tur Koller, ZBB 2011, 363; weitergehender Überblick bei Kiehling, S.  29. 795  Kahneman/Slovic/Tversky, S.  163 ff.; Überblick über die wirtschaftswissenschaftliche Lit. zur Entscheidung anhand Heuristiken bei Englerth, in: Engel/Englerth/Lüdemann/ Spiecker (Hrsg.), S.  60, 92 ff. Überblick über verschiedene Irrationalitäten bei der Informati­ onsverarbeitung von Anlegern bei Mazanek, S.  76 ff. 796  Beschreibung bei Kasten, S.  66 f. 797  Was grundsätzlich unproblematisch ist – permanente Reflexion würde schnell zu einer Überforderung führen, Kroeber-Riel/Weinberg/Göppel-Klein, S.  692. 798 Modell der „mittelbaren Information“, dazu (aus dem Kapitalmarktrecht) Möllers/ Kernchen, ZGR 2011, 1, 15 f.; Stahl, S.  80. 799  Spindler, in: FS Säcker, S.  469, 483. 800  Farny, S.  7; Rabe, S.  140. So auch schon die Begründung für die Schaffung der Versiche­ rungsaufsicht, Motive zum VAG, S.  24. 801  So die Bedenken zu einigen Bestandteilen des SFCR Freiling, VW 2011, 1749. 802  Sinus Sociovision im Auftrag der Commerzbank, Psychologie des Geldes, Studie (2004)

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unter „fachlicher Ohnmacht“803 leiden. So ziehen nicht einmal die privaten An­ leger für ihre Anlageentscheidung vorwiegend die Berichte des Unternehmens selbst, sondern zuvörderst die Presse heran. 804 Dass sich die Öffentlichkeit all­ gemein interessierter und kundiger zeigt, ist da kaum zu erwarten, zumal schon die Vertragsinformationen gemäß dem Verbraucherprivatrecht oft als proble­ matisch eingestuft werden.805 Wer aber schon Schwierigkeiten hat, die Vertrags­ informationen zu verstehen, dem wird das Verständnis der weitaus komplexe­ ren wirtschaftlichen Kennzahlen des Unternehmens kaum leichter fallen. Beheben lässt sich dieses Defizit generell nicht, insbesondere nicht durch noch mehr Information oder Erläuterungspflichten der Unternehmen. Denn je mehr Information, desto stärker die Gefahr der Überforderung.806 Zugleich kann wirksame Kontrolle kaum heißen, dass die Kontrollinstanz von denjeni­ gen, die sie kontrollieren soll, nicht nur Informationen, sondern auch noch Be­ lehrung erhält. Sie muss vielmehr von vornherein selbst sachkundig sein. d) Steuerbarkeit der Öffentlichkeit Schließlich ist die Reaktion der Kontrollinstanz Öffentlichkeit in besonderem Maße schwer vorhersehbar. Es besteht so gut wie keine Möglichkeit, sie verläss­ lich zu beeinflussen, sie hervorzurufen, sie zu verstärken oder, um Fehlent­ wicklungen, insbesondere Überreaktionen des Marktes vorzubeugen, sie zu vermeiden oder sie einzudämmen,807 ohne das Kontrollkonzept grundlegend in Frage zu stellen. Insbesondere wird die Reaktion der Öffentlichkeit nicht wirksam durch eine rechtliche Beziehung und zivilrechtliche Haftung für Fehlverhalten begrenzt. Verhaltenssteuernde Effekte von Haftung808 bestehen hier nicht, ebenso wenig die Möglichkeit eines zu Unrecht abgestraften Unternehmens, Ausgleich zu er­ langen. Im Gegensatz zu allen anderen bisher vorgestellten Kontrollinstanzen agiert die Öffentlichkeit völlig ungebunden.

für den Bereich der Banken und des Kapitalmarkts. Speziell zu Kleinanlegern Neus, in: Luz (Hrsg.), KWG, Einführung Rn.  50. 803  Hopt, S.  9 0. 804  Studie der Universität Bochum und der Deutschen Post AG, 2007, zit. nach Pellens, Rubin 2007, S.  53, 56 ff. 805  Laut einer Studie der Universität Hohenheim in Zusammenarbeit mit Forsa im Auftrag der Ergo Versicherungsgruppe AG (2012) sind 28 % der Befragten der Auffassung, die Pro­ duktinformationen bei Versicherungen verstünden „fast nur Experten“ (31 % bei Produkt­ informationen der Banken), nur sechs (fünf) Prozent meinen, die Informationen „kann jeder verstehen“, Studie abrufbar unter www.ergo.de/verstaendlichkeitsstudie (zuletzt abgerufen am 10. August 2015). 806  S. zur Gefahr des information overload schon §  2 C. I. 807  Wie auch der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, Enhancing Bank Transparency, Sept. 1998, S.  9, eingestehen muss. 808  Zu ihnen schon oben §  1 C. I. m.N. in Fn.  198.

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Teil 2: Transparenzpflichten von Finanzdienstleistungsunternehmen

Daneben ist die Kontrolle durch die Öffentlichkeit geeignet, die Tätigkeit öffent­lich-rechtlicher Kontrollinstanzen zu konterkarieren. Werden etwa Sank­ tio­nen von der Aufsichtsbehörde im Rahmen einer kartellrechtlichen Kronzeu­ genregelung bewusst nicht ergriffen („leniency-Programme“),809 stört u. U. die Wirksamkeit der öffentlich-rechtlichen „Straffreiheit“, wenn der Kronzeuge statt aufsichtsrechtlicher Sanktionen die Reaktion der Öffentlichkeit fürchten muss. Dementsprechend finden sich (abseits der hier nicht interessierenden Ad hoc-Publizität des WpHG) 810 kaum empirische Belege für Auswirkungen der aufsichtsrechtlichen Offenlegung auf den Markt und damit für wirksame Kon­ trolle.811 3. Folgerungen Die hier aufgezeigten Defizite wecken Zweifel, ob Offenlegungspflichten ge­ genüber der Öffentlichkeit ein geeignetes Mittel sein können, die Einhaltung von Aufsichtsrecht zu kontrollieren. Selbst wenn man darauf verweisen wollte, dass dem Gesetzgeber bei Bestimmung der Geeignetheit jedenfalls eine weite Einschätzungsprärogative zusteht, 812 bleibt doch immer ein gleich geeignetes, weniger eingriffsintensives Mittel mit der Kontrolle durch eine Aufsichtsbehör­ de, die den kontrollierten Unternehmen deutlich mehr (Rechts-)Sicherheit bie­ tet als die Kontrolle durch die Öffentlichkeit.813 Die Kontrollinstanz Öffent­ lichkeit ist der Kontrollinstanz Aufsichtsbehörde nicht gleichwertig. Zwar ist eine Kontrolle unmittelbar durch die Öffentlichkeit, durch das Wahlvolk, Ausdruck des Demokratieprinzips. Die Kontrolle durch eine staatli­ che Institution, die sich lediglich in einer Legitimationskette zurückführen lässt zum Wahlvolk als Souverän der Demokratie, 814 mag dahinter zurückstehen, auch wenn das Grundgesetz eine repräsentative Demokratie vorsieht.815 Doch letztlich kommt es zu einer demokratischen Kontrolle faktisch ohnehin nicht. „Die Öffentlichkeit“, die von den Informationen Kenntnis nimmt, ist nur ein

809  Zur Bedeutung solcher Programme z. B. Glöckner, WRP 2007, 490, 496; Zimmer/Höft, ZGR 2009, 662, 716. 810  Sethe, in: Assmann/Schneider, WpHG, §  15a Rn.  12. 811  Merkt, in: Hopt/Wohlmannstetter (Hrsg.), S.  131 f. 812  BVerfG, Urt. v. 15.1.2002 – 1 BvR 1783/99, BVerfGE 104, 337, 347; Beschl. v. 9.3.1994 – 2 BvL 43/92, 51/92, 63/92, 64/92, 70/92, 80/92, 2 BvR 2031/92, BVerfGE 90, 145, 173. 813 Allgemein für einen Vorrang behördlicher vor individueller Kontrolle aus Sicht des Behavioral Law und Economics-Ansatzes Englerth, in: Engel/Englerth/Lüdemann/Spiecker (Hrsg.), S.  60, 122. 814  Zum Erfordernis einer Legitimationskette etwa BVerfG, Beschl. v. 5.12.2002 – 2 BvL 5/98 , BVerfGE 107, 59, 87; Urt. v. 31.10.1990 – 2 BvR 3/89, BVerfGE 83, 60, 72 f. 815  Gerade weil das Volk sich aufgrund begrenzter Ressourcen nicht mit allen politischen Fragen befassen kann, Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art.  20 II Rn.  65.

§  4 Transparenz zur Kontrolle durch die Öffentlichkeit

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beliebiger, wechselnder Ausschnitt des Wahlvolks, angesichts der Internationa­ lität der Interessierten teilweise nicht einmal mehr das. Das Konzept, die Öffentlichkeit mithilfe von Transparenzpflichten zur Kon­ trollinstanz für das Finanzaufsichtsrecht zu erheben, ist daher abzulehnen. II. Grundsätze für eine Weiterentwicklung der Offenlegungspflichten Will man entgegen der hier vertretenen Auffassung finanzaufsichtsrechtliche Offenlegungspflichten gegenüber der Öffentlichkeit als Instrument der Kon­ trolle beibehalten, müssen sie nicht nur den Geheimhaltungsinteressen der ver­ pflichteten Unternehmen Rechnung tragen. Die Offenlegungspflichten sind auch Eingriff in Art.  12 Abs.  1 GG in Form der Berufsausübungsregelung816 und in die von Art.  2 Abs.  1 GG geschützte Unternehmensorganisationsfrei­ heit,817 soweit sie die Unternehmen de facto zwingen, eine Infrastruktur zur planmäßigen Erfüllung der Offenlegungspflichten vorzuhalten.818 Führt außer­ dem die Kontrolle durch die Öffentlichkeit dazu, dass schwächere Unterneh­ men von den Marktteilnehmern abgestraft und im Ergebnis vom Markt ver­ drängt werden,819 kommt es zu einem Eingriff in die ebenfalls von Art.  12 Abs.  1 GG geschützte Wettbewerbsfreiheit. 820 Über den Geheimnisschutz hinaus sind deshalb von europäischem und deutschem Normgeber noch einige weitere Vor­ gaben einzuhalten:

816  Bei Vorschriften zur Unternehmenspublizität über Art.  12 GG hinaus auch einen Ein­ griff in die negative Meinungsfreiheit annehmend (die allerdings nur bei Meinungsäußerun­ gen greifen kann) Pfisterer, S.  219 ff. 817  Für Verankerung der Unternehmensfreiheit (oder Unternehmensorganisationsfreiheit, unternehmerische Freiheit) in Art.  2 Abs.  1 GG BVerfG, Urt. v. 1.3.1979 – 1 BvR 532/77, ­BVerfGE 50, 290, 363 f.; für Art.  12 GG hingegen BVerfG, Urt. v. 16.3.1971 – 1 BvR 52/66, 1 BvR 665/66, 1 BvR 667/66, 1 BvR 754/66, BVerfGE 30, 292, 325; für Art.  2 Abs.  1 und Art.  12 GG BVerfG, Beschl. v. 3.12.1997 – 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67, 83. Beyerbach, S.  150; Ossenbühl, AöR 115 (1990), 1, 17 ff. (jew. Art.  12 GG); Abgrenzungsversuch bei Hoffmann, BB 1995, 53, 55 f. S. auch Hoffmann, S.  274 f. 818  Pfisterer, S.  111 f. Dies hingegen für unerheblich haltend Transparency Group des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht, Enhancing Bank Transparency, September 1998. 819  So wie es das Konzept letztlich intendiert, ausdrücklich Reichert, VW 2009, 1552; i. Erg. ebenso Eling, VW 2009, 658. S. auch oben A. 820  Freilich kann sich der Wettbewerb zunächst dadurch mildern, dass der Informations­ austausch der Unternehmen untereinander ihnen eine gewisse Abstimmung ermöglicht, Link, in: Schön (Hrsg.), S.  530. Daher etwa Regulierung der gemeinsamen Statistiken der Ver­ sicherungswirtschaft im Rahmen des Kartell- und Wettbewerbsrechts (Vers-GVO), Verord­ nung (EU) Nr.  267/2010 der Kommission vom 24. März 2010 über die Anwendung von Art.  101 Abs.  3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von Vereinbarungen, Beschlüssen und abgestimmten Verhaltensweisen im Versicherungssektor, ABl.  EU Nr. L 83, S.  1 ff. Näher dazu etwa Körber/Rauh, VersR 2012, 670 ff.

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Teil 2: Transparenzpflichten von Finanzdienstleistungsunternehmen

1. Gegenstand der Offenlegung: Andere als rechtserhebliche Umstände Zunehmend sind in letzter Zeit die Normgeber dazu übergegangen, die Unter­ nehmen auf die Einhaltung moralischer Standards hin zu kontrollieren. So ist gem. Art.  435 Abs.  2 lit.  c) CRR die Diversity-Strategie für die Mitglieder des Leitungsorgans des Instituts offen zu legen, um eine „diverse“ Zusammenset­ zung des Organs zu sichern und Diskriminierungen entgegen zu wirken. Seit Ende 2014 verpflichtet zudem eine EU-Richtlinie821 Unternehmen mit durch­ schnittlich mehr als 500 Mitarbeitern, die „von öffentlichem Interesse sind“, insbesondere Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen, 822 über „nichtfi­ nanzielle Aspekte“ wie die das Unternehmen betreffenden Umwelt- oder Ar­ beitnehmerbelange oder die Einhaltung der Menschenrechte823 zu berichten. Diese sog. Corporate Social Responsibility- (CSR-) Berichterstattung soll die Unternehmen zu sozialer Verantwortung anhalten. Es geht um „Nachhaltig­ keit“824 und damit um einen sehr unbestimmten Begriff;825 letztlich verfolgt CSR moralische Anliegen: Derzeit besteht keine unmittelbare Pflicht der Un­ ternehmen zur Wahrung der Menschenrechte, sondern lediglich die Verpflich­ tung, nicht gegen das ggf. mittelbar auch die Menschenrechte schützende Straf-, Gewerbe- oder Arbeitsschutzrecht zu verstoßen. Ebenso wenig existiert eine Pflicht der Unternehmen zur Entfaltung karitativer Aktivitäten. Ob die Kontrolle anderer als rechtserheblicher Umstände auch legitimer Zweck der Offenlegungsgesetzgebung sein kann, ist fraglich. Bei der Bestim­ mung des legitimen Zwecks steht dem Gesetzgeber zwar eine weite Einschät­ zungsprärogative zu.826 Er kann innerhalb des durch das Verfassungsrecht ge­ zogenen Rahmens die Zwecke seines Verhaltens, also der Gesetze, selbst be­ stimmen.827 Zugleich ist der Staat von Art.  20 Abs.  1, 3 GG darauf verpflichtet und dazu berechtigt, rechtswidriges Verhalten der sich in seinem Hoheitsbe­ reich befindlichen Personen zu ahnden. 828 Im Rahmen der Gesetze aber besteht gem. Art.  2 Abs.  1 GG Freiheit des Einzelnen, Freiheit auch dazu, sich in einer 821  Richtlinie 2014/95/EU des europäischen Parlaments und des Ratesvom 22. Oktober 2014 zur Änderung der Richtlinie 2013/34/EU im Hinblick auf die Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Unternehmen und Gruppen, ABl.  EU Nr. L 330, S.  1 ff. 822 S. Art.   2 Abs.  1 RL 2013/34/EU (soeben Fn.  821). Näher zum Anwendungsbereich Spießhofer, NZG 2014, 1281, 1283 f. 823  Überblick über verschiedene menschenrechtliche Regelwerke, denen sich Unterneh­ men anschließen können, bei Voland, BB 2015, 67, 68 ff. 824  S. ErwGr. 3, 11, 13 der RL 2014/95/EU. Der Begriff der „Nachhaltigkeit“ wird in der Richtlinie nicht näher bestimmt. 825  Krit. wegen der sehr unklaren Maßstäbe Spießhofer, NZG 2014, 1281, 1287. 826  BVerfG, Beschl. v. 15.12.1987 – 1 BvR 563, 582/85, 974/86, 1 BvL 3/86, BVerfGE 77, 308, 332. 827  Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art.  20 VII Rn.  111. 828  Zur Gewährleistung der inneren Sicherheit als Staatszweck etwa Brugger, NJW 1989, 2425, 2431; Bull, NVwZ 1989, 801, 803.

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Weise zu verhalten, die nach verbreiteter Auffassung als unmoralisch anzuse­ hen ist. Das Verhalten der Unternehmen lediglich auf die Einhaltung moralischer Standards zu kontrollieren, ist daher ausgeschlossen. Offenlegungspflichten müssen die Einhaltung rechtlicher Vorgaben zum Ziel haben. Die hierin liegende Einschränkung der normsetzerischen Tätigkeit mag zu­ nächst gering erscheinen. Der Gesetzgeber ist nicht gehindert, eine bisher nur moralische Pflicht in Gesetzesform zu fassen und sie damit zur rechtlichen Pflicht zu machen. Werden die Unternehmen etwa gesetzlich verpflichtet, sich sozial zu engagieren, dann könnte auch eine Offenlegungspflicht gerechtfertigt sein, die die Einhaltung dieser Vorgaben kontrollieren soll. Die Einschränkung, die Einhaltung lediglich moralischer Pflichten nicht zu kontrollieren, wird dadurch aber keinesfalls bedeutungslos. Denn eine eigen­ ständige Offenlegungspflicht, die rein moralische Fragen betrifft, ist damit aus­ geschlossen. Eine inhaltliche gesetzliche Verhaltensvorschrift aber (etwa die Pflicht des Unternehmens zu sozialem Engagement) kann immer ihrerseits se­ parat auf ihre Verfassungsmäßigkeit geprüft werden. Dieser weitere Kontroll­ schritt verbessert den Schutz der zur Offenlegung verpflichteten Personen. 2. Vorrang von Offenlegungsobliegenheiten Als gleich effektives, aber milderes Mittel zur gesetzlich angeordneten Offenle­ gungspflicht kommt die Offenlegungsobliegenheit in Betracht, d. h. eine Pflicht des Unternehmens gegen sich selbst. So arbeitet etwa die Vers-GVO mit einer „Art Obliegenheit“:829 Wollen Versicherungsunternehmen gemeinsame Statis­ tikarbeit leisten, haben Kunden- und Verbraucherorganisationen erst dann ei­ nen klagbaren Anspruch auf Zugang zu den daraus entstehenden Daten, wenn die Unternehmen die Freistellung in Anspruch nehmen (Art.  3 Abs.  2 Buchst. e Vers-GVO). Dieses Modell ließe sich weiter ausbauen: Wer freiwillig bestimmte Umstände offenlegt, schafft neue Ansätze für Kontrolle, und darf daher aus­ nahmsweise ein bestimmtes, sonst unzulässiges Verhalten an den Tag legen.830 Denkbar ist, dem Unternehmen zu gestatten, von gesetzlichen Ausnahmen oder Gestaltungsspielräumen sonst zwingender aufsichtsrechtlicher Vorschrif­ ten Gebrauch zu machen, wenn dieses Gebrauchmachen veröffentlicht wird. Die Verwendung von Offenlegungsobliegenheiten beseitigte zwar nicht die Unzulänglichkeiten des Modells „Kontrolle durch Offenlegung gegenüber der Öffentlichkeit“, milderte aber den Eingriff in die Rechte des Unternehmens durch Verringerung der offenzulegenden Informationen ab und befriedigte dennoch das Informationsinteresse der Öffentlichkeit (wenn man ein solches 829 

830 

Körber/Rauh, VersR 2012, 670, 672. Eine verwandte Regelungsalternative ist z. B. §  20c Abs.  2 Nr.  3 KWG (oben §  3 B. V.).

190

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überhaupt annehmen will). Denn ob das Unternehmen das Aufsichtsrecht ein­ hält, überprüft ohnehin die Aufsichtsbehörde. Nur wenn es von gesetzlichen Ausnahmen Gebrauch macht, mithin sich in einer anderen als der gesetzlich grundsätzlich festgelegten Weise verhält, besteht ein Interesse der Öffentlich­ keit, hiervon Kenntnis zu erlangen. Dies muss keineswegs mit Imageverlusten des Unternehmens einhergehen, sondern kann sich im Gegenteil durchaus auch positiv darstellen: Das Unternehmen geht andere Wege als andere, ist vielleicht besonders innovativ, jedenfalls aber besonders vertrauenswürdig, weil ihm die Abweichung von gesetzlichen Vorschriften gestattet wird. Die Verwendung von Offenlegungsobliegenheiten ist zwar insoweit einge­ schränkt, als sie nur in Konstellationen möglich ist, in denen Ausnahmen vom zwingenden Aufsichtsrecht denkbar sind. Offenlegungsobliegenheiten aber sind jedenfalls nicht weniger geeignet und zugleich milder als eine Offenle­ gungspflicht vor der Öffentlichkeit. 831 3. Vorrang der eingeschränkten Öffentlichkeit Art.  3 Abs.  2 lit.  e) Vers-GVO könnte außerdem als Vorbild für ein weiteres Regelungs­ modell herangezogen werden: Wollen Versicherungsunternehmen gemeinsame Statistikarbeit leisten, können Kunden- und Verbraucherorganisa­ tionen einen klagbaren Anspruch auf Zugang zu den Daten haben. Weiterent­ wickelt könnte das heißen, dass einer eingeschränkten Öffentlichkeit (Kundenoder Verbraucherorganisationen oder sonstigen Interessenvertretungen) Ein­ sicht in bestimmte Unterlagen vorrangig vor der gesamten Öffentlichkeit gewährt werden könnte. 832 Dies hätte zwar den Nachteil, dass „die Öffentlichkeit“ de iure nicht mehr Kontrollinstanz ist. Es entfällt damit insoweit der Ansatz der Marktdisziplin durch Markttransparenz und auch die Möglichkeit, die Offenlegung durch Er­ wägungen zu Partizipation des Einzelnen oder Demokratie zu legitimieren. Dafür steigerte sich aber die Kontrollintensität. Gleich ob Einzelpersonen oder nur Verbände anspruchsberechtigt wären, würde dieser Anspruch prak­ tisch immer nur dann geltend gemacht werden, wenn auch ein bestimmtes In­ formationsinteresse (z. B. Vorbereitung von individuellen Kontrollakten, etwa Klagen, gegen das Unternehmen) besteht und der Anspruchsteller davon aus­ geht, die mitgeteilten Informationen aufnehmen, analysieren und ggf. im Sinne einer Kontrollhandlung verwerten zu können. Damit weist dieses Regelungs­ 831  Ungeachtet der Frage, ob sie auch gangbare Alternative wäre zu Offenlegungspflichten gegenüber der Aufsicht, s. oben §  3 B. V. 832  System der beschränkten Öffentlichkeit neuerdings ähnlich bei der Bilanz von Kleinst­ kapitalgesellschaften (i. S. d. §  267a HGB): Gem. §  326 Abs.  2 HGB genügt bei diesen die Ein­ reichung einer Bilanz zur Hinterlegung beim Betreiber des Bundesanzeigers, interessierte Dritte können gem. §  9 Abs.  6 HGB auf Antrag (und gegen Gebühr) Einsicht nehmen durch Übermittelung einer Kopie der Bilanz, dazu etwa Schiffers, GmbH-StB 2013, 46, 49.

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191

konzept nicht die Defizite des Modells „Kontrolle durch die Öffentlichkeit“ auf. Dass mit der Konkretisierung der Kontrollinstanz (Interessierte statt Öf­ fentlichkeit) ein gesteigertes Kontrollinteresse, eine gesteigerte Sachkunde und effektivere Kontrolle zu erwarten steht, dürfte auch das Motiv des Verord­ nungsgebers bei der Vers-GVO gewesen sein.833 Denn die nach der Vers-GVO offenzulegenden Informationen sind regelmäßig von erheblicher Komplexität. Zugleich ist die Offenlegung gegenüber einer eingeschränkten Öffentlichkeit milderes Mittel gegenüber der Offenlegung gegenüber der gesamten Öffent­ lichkeit. Können nur individuelle, gesetzlich festgelegte Interessenten Informa­ tion beanspruchen, kann auf Geheimhaltung hingewirkt werden. Dringt gehei­ me Information nach außen, wäre dies, da es nur wenige Anspruchsberechtigte gibt, möglicherweise auf einen Anspruchsberechtigten zurückzuführen und Schadenskompensation zu erlangen. Das Modell der Offenlegung gegenüber einer eingeschränkten Öffentlichkeit ist daher dem der Offenlegung gegenüber der Öffentlichkeit vorzuziehen. Will man die Transparenz für die Öffentlichkeit nicht insgesamt aufgeben, so ist die eingeschränkte Öffentlichkeit doch zumindest dann heranzuziehen, wenn of­ fensichtlich ist, dass die zu offenbarenden Informationen nur für bestimmte Personenkreise bedeutsam oder verständlich sind. 4. Vorrang der Regelung durch Gesetz oder Richtlinie Im Sinne der Einheitlichkeit und Handhabbarkeit der Offenlegungsvorschrif­ ten wurde vorgeschlagen, möglichst konkrete Anforderungen an die Offenle­ gungspflichten bereits auf Richtlinien- oder Gesetzesebene festzulegen.834 Dies entspräche, soweit es um Gesetze geht, dem Prinzip, dass wesentliche Grund­ rechtseingriffe durch das Parlament, den Gesetzgeber, vorgenommen werden müssen. 835 Derzeit werden hingegen möglichst die Details in unionsrechtlichen Durch­ führungsbestimmungen, 836 nationalen Verordnungen,837 oder sonstigem natio­ nalen untergesetzlichen Recht838 festgelegt. Diese sind deutlich flexibler als Ge­ setze oder Richtlinien, können leicht geändert werden und angesichts der be­ sonderen Sachkompetenz der erlassenden Behörde besonders detailliert ausfallen. 833  Die Erwägungsgründe 8 und 10 zur Mitteilung der Kommission über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von Vereinbarungen, Beschlüssen und abgestimmten Verhaltensweisen im Versi­ cherungssektor verhalten sich hierzu nicht. 834  Dreher/Schaaf, in: Dreher/Wandt (Hrsg.), S.  174. 835  S. z. B. BVerfG, Beschl. v. 21.12.1977 – 1 BvL 1/75, 1 BvR 147/75, BVerfGE 47, 46, 78 ff. 836  Z. B. aufgrund von Art.  56 Solvency II. 837  Etwa Instituts- und VersVergV. 838  Z. B. in den „Mindestanforderungen“ der BaFin, etwa MaRisk VA.

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Letztlich halten sich hier die Argumente für wie gegen den Vorrang einer Art der Kodifizierung die Waage. Zwar ist Grundrechtsschutz durch Parlaments­ vorbehalt ein hohes rechtsstaatliches Gut. Im Übrigen aber wiegen die Vorzüge einer Regelung auf Ebene von Gesetzen oder Richtlinien keineswegs so schwer, dass diese vorrangig sein müsste. Hinter dem Vorschlag, möglichst konkrete Anforderungen bereits auf Ebene der Richtlinien oder jedenfalls der Gesetze festzulegen,839 dürfte indes ein petitum stehen, dem uneingeschränkt zuzustimmen ist: Je mehr Regelungsebenen bestehen,840 desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie untereinander in­ konsistent sind. Die Normadressaten aber haben ein Interesse an widerspruchs­ freien Regelungen, die auf möglichst wenigen Regelungsebenen reibungslos in­ einander greifen.841 Auch sind Rechtssicherheit und -klarheit zentrale Elemente des Rechtsstaatsprinzips.842 Hier handelt es sich aber weniger um eine konkrete Vorgabe als eher um einen Appell an die Normgeber, die Handhabbarkeit der von ihnen erlassenen Normen nicht aus dem Blick zu verlieren. 5. Weitere Kennzeichen einer verhältnismäßigen Regelung Verschiedene finanzaufsichtsrechtliche Normen berücksichtigen bei Anord­ nung von Offenlegungspflichten bereits entgegenstehende unternehmensorga­ nisatorische und damit wirtschaftliche Interessen der Unternehmen: Der Auf­ wand für Zusammenstellung, Aufbereitung und Veröffentlichung von Infor­ mationen soll gering gehalten werden. Daher sind die Offenlegungspflichten der VersVergV abgestuft nach der Bedeutung des Unternehmens, 843 schränkt Art.  432 Abs.  1 CRR über die „Wesentlichkeit“ den Umfang der mitzuteilenden Informationen ein844 oder gestatten Art.  51 Abs.  1 S.  2 Solvency II und Art.  434 Abs.  2 CRR, auf bereits veröffentlichte Informationen zu verweisen. a) Abstufung der Offenlegungspflichten Am deutlichsten Rechnung getragen wird den entgegenstehenden Interessen der Unternehmen über eine abgestufte Offenlegungspflicht, wie sie CRR und VersVergV vorsehen: Bestimmte Unternehmen werden von der Offenlegungs­ pflicht ausgenommen. Die Offenlegung darf unterbleiben. Das Informations­-

839 

Dreher/Schaaf, in: Dreher/Wandt (Hrsg.), S.  174. Regelmäßig kommt es zu mehr als drei Regelungsebenen: Richtlinie und/oder Verord­ nung und Durchführungsbestimmungen sowie Empfehlungen der europäischen Aufsichts­ behörden auf europäischer Ebene und Gesetz, Verordnung und ggf. faktisch Außenwirkung entfaltende Verwaltungsvorschriften der BaFin auf nationaler Ebene. 841  Insoweit zutreffend Dreher, VersR 2008, 998, 999. 842  Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art.  20 VII Rn.  50 f. 843  Oben B. III. 1. 844  Dazu oben B. II. 2. 840 

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interesse der Öffentlichkeit wird damit zwar nicht befriedigt. Mit Blick auf die zweifelhafte Geeignetheit der Kontrollinstanz Öffentlichkeit ist aber auch ihr Offenlegungsinteresse als nur sehr schwach einzustufen. 845 Daher stellt diese Form der Regulierung einen angemessenen Interessenausgleich dar. Zur sachgerechten Differenzierung bieten sich verschiedene Kriterien an, vor allem die Größe/Bedeutung des Unternehmens, wie sie Art.  450 CRR und die VersVergV heranziehen. Je größer das Unternehmen nach Umsatz, Gewinn oder Kundenzahl, je gravierendere Folgen sein Ausfall haben könnte, desto grö­ ßer auch das Interesse an seinem Zustand und die Zahl der Interessierten, und desto stärker die Rechtfertigung für die Offenlegungspflichten. Der Rechts­ sicherheit und Normenklarheit am zuträglichsten ist hierbei eine an wirtschaft­ lichen Kennzahlen orientierte Grenze nach dem Vorbild des §   1 Abs.   2 ­VersVergV. Sie ist deutlich klarer und damit handhabbarer als der nach Art.  450 CRR maßgebliche Kriterienkatalog aus unbestimmten Rechtsbegriffen. Die Einordnung als bedeutend kann dann (durch self assessment) den Unternehmen grundsätzlich selbst überlassen bleiben. b) Wesentlichkeitsklausel Zwar ließe sich einwenden, auch eine Wesentlichkeitsklausel sei zum Schutz übermäßiger organisatorischer wie wirtschaftlicher Belastung bei der Erfül­ lung von Offenlegungspflichten gegenüber der Öffentlichkeit geeignet. Orien­ tieren könnte sich eine solche Klausel an Art.  432 Abs.  1 CRR, nach dem nicht wesentliche Informationen, d. h. solche, deren unterlassene oder fehlerhafte An­ gabe die wirtschaftlichen Entscheidungen der Adressaten beeinflussen könn­ ten,846 nicht zu offenbaren sind. Mit einer solchen Regelung würde das Informationsinteresse der Öffentlich­ keit nicht völlig negiert (anders als beim Ausschluss der Offenlegung, soeben 1.). Zugleich kann eine Wesentlichkeitsklausel zu einem gewissen Grad die mit­ zuteilenden Informationen individualisieren: Das Wort „wesentlich“ eröffnet einen Beurteilungsspielraum, der je nach Größe, Geschäftsmodell und damit Risiken des Unternehmens eine unterschiedliche Ausgestaltung und damit gleichsam „maßgeschneiderte“ Entlastung ermöglicht. Allerdings können durch die Wesentlichkeitsklausel nicht einzelne Unter­ nehmen von der Offenlegungspflicht ausgenommen werden. Man mag die Of­ fenlegungsvorschrift für größere Unternehmen strenger handhaben als für klei­ nere, um der unterschiedlichen Stärke des Informationsinteresses der Öffent­ lichkeit Rechnung zu tragen. Die gleiche Entlastung wie eine Abstufung vermag das Kriterium der Wesentlichkeit aber nicht zu bringen, sondern vielmehr noch 845 

Oben C. I. diesem Sinne die Legaldefinition des Art.   432 Abs.   1 CRR und schon Boos/ Schulte-Mattler, Die Bank 2001, 795, 799. 846 In

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zusätzlichen Aufwand: Es ist, ggf. unter Abstimmung mit der Aufsichtsbehör­ de, vom Unternehmen zu klären, welche Informationen im konkreten Fall als „wesentlich“ einzustufen sind. Das verleitet dazu, zur Ersparnis von Aufwand sich an der Reichweite der Offenlegung von in etwa gleichen Wettbewerbern zu orientieren, was dem Gedanken der für das Unternehmen in Inhalt und Um­ fang angemessenen (d. h. in etwa passgenauen) Informationsmitteilung wider­ spricht. c) Verhältnismäßigkeit des Aufwands der Informationsmitteilung Bisher im Aufsichtsrecht nicht bekannt, wohl aber aus dem IFG (§  7 IFG) und dem Versicherungsvertragsrecht (§  6 Abs.  1 VVG), ist eine Einschränkung der Offenlegungspflicht zugunsten der wirtschaftlichen Interessen des Unterneh­ mens durch eine Grenze des „verhältnismäßigen Aufwands“ bei Informations­ beschaffung und -mitteilung. Die Berücksichtigung der Unternehmensinteressen fällt hier aber schwächer aus als bei den zuvor vorgestellten Lösungen, weil ohnehin alle Normen von den Aufsichtsbehörden unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeits­ grundsatzes anzuwenden sind.847 Hat die Behörde das Vorliegen eines Rechts­ verstoßes eines Unternehmens zu prüfen (Nichtoffenlegung einer Tatsache), kann und hat sie dabei stets die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, etwa auch, dass ein unverhältnismäßiger Aufwand der Informationsermittlung oder -mitteilung zugrunde gelegen hätte. Zugleich kann es geschehen, dass Informationen, die für die Beurteilung des Verhaltens des Unternehmens von zentraler Bedeutung wären, aufgrund dieser Einschränkung nicht veröffentlicht werden müssen, weil sie nur mit unverhält­ nismäßigem Aufwand beschafft werden können. Das aber widerspräche dem Zweck der Offenlegungspflichten, ein möglichst realistisches Bild des Unter­ nehmens zu zeichnen. Daher ist die Grenze des verhältnismäßigen Aufwands keine hinreichende Einschränkung der Offenlegungspflichten. d) Verweisung auf andere Informationsquellen Einige Vorschriften sehen zur Verringerung des organisatorischen wie finanzi­ ellen Aufwands des verpflichteten Unternehmens vor, dass die Offenlegungs­ pflichten auch durch Verweisung auf nach Art und Umfang gleichwertige In­ formationen, die bereits im Rahmen anderer Veröffentlichungspflichten offen­ bart wurden, erfüllt werden können (s. etwa Art.  51 Abs.  1 S.  2 Solvency II, Art.  434 Abs.  2 CRR).

847 

S. dazu schon oben §  3 A. I. 3. c).

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Damit mag eine Erleichterung verbunden sein.848 Sie ist jedoch gering, denn sie schützt nur davor, bereits ermittelte Informationen zweifach zu veröffentli­ chen. Sie schränkt dagegen nicht den Umfang der Offenlegung inhaltlich ein, setzt also später an als die Ausschlussklauseln, nämlich bei der Mitteilung. Der größte Aufwand aber liegt freilich weniger in der Offenlegung selbst (diese kann kostengünstig auf der eigenen Internetseite geschehen), sondern darin, dass u. U. Informationen, die das Unternehmen sonst nicht erhoben, zusam­ mengestellt oder ausgewertet hätte, mitgeteilt werden müssen. Hierüber hilft eine Verweisungserlaubnis nicht hinweg. Da folglich die Interessen des betrof­ fenen Unternehmens hier zu gering gewichtet werden (zumal im Verhältnis zum eher geringen Offenlegungsinteresse der Öffentlichkeit), stellt diese Lö­ sung keinen angemessenen Interessenausgleich dar. 6. Fazit Europäischer wie deutscher Normgeber setzen zunehmend auf die Kontrolle von Finanzdienstleistungsunternehmen durch Offenlegungspflichten gegen­ über der Öffentlichkeit. Transparenz soll Disziplin bewirken. Jedoch ist die Verhältnismäßigkeit der in den finanzaufsichtsrechtlichen Of­ fenlegungspflichten liegenden Eingriffe in die Berufsausübungs- und ggf. die Unternehmensorganisationsfreiheit der Unternehmen angesichts erheblicher Defizite der Kontrollinstanz Öffentlichkeit grundsätzlich zu verneinen. Die Normgeber, gleich ob auf nationaler oder europäischer Ebene, müssen dieses Regelungsmodell aufgeben oder zumindest davon absehen, es unmodifiziert fortzuführen und zu erweitern. In Zukunft wird jedenfalls zu berücksichtigen sein, dass Offenlegungspflich­ ten nicht auf die Kontrolle moralischer Integrität des Unternehmens abzielen dürfen; dass sie nicht zur Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen führen dür­ fen; dass Offenlegung gegenüber einer eingeschränkten Öffentlichkeit vorzugs­ würdig ist; dass Offenlegungsobliegenheiten milderes Mittel gegenüber Offen­ legungspflichten sind; dass schließlich bei Offenlegungspflichten größere Un­ ternehmen stärker heranzuziehen sind als kleinere, mithin bereits bei der Anordnung von Offenlegungspflichten nach Größe des Unternehmens zu dif­ ferenzieren ist. III. Folgerungen für Kontrolle durch Transparenz §  4 hat gezeigt, dass allein die Herstellung von Transparenz Kontrolle nicht be­ wirken kann. Es bedarf zur Ausübung von Kontrolle vielmehr einer geeigneten 848 Dementsprechend planen etwa 40 % der Versicherer, zumindest Teile der Offenle­ gungsanforderungen nach Solvency II durch Querverweise zu erfüllen, Golla/Klimetzek, VW 2010, 742.

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Kontrollinstanz. Diese muss fachlich in der Lage sein, Kontrolle auszuüben, d. h. das offenbarte Verhalten anhand des vorgegebenen Kontrollmaßstabs zu bewerten. Sie muss außerdem ein anerkennenswertes Interesse an der Kontrolle haben und zum Schutz des zu kontrollierenden Unternehmens in ihrer (nicht notwendig: rechtlichen) Reaktion auf mögliches Fehlverhalten koordinier- und steuerbar sein.

§  5 Herstellung von Transparenz durch Dritte Meist sind es die Unternehmen selbst, die verpflichtet werden, durch Offenle­ gung bestimmter Informationen Transparenz ihrer Situation und ihres Verhal­ tens herzustellen. Aber auch dritte Personen, die Zugang zu unternehmensbe­ zogenen Informationen haben, können diese aufdecken und damit versuchen, sie zur Kontrolle des Unternehmens einzusetzen. So nehmen regelmäßig Priva­ te die BaFin gem. §  1 Abs.  1 IFG auf Offenlegung der bei ihr vorhandenen In­ formationen über die von ihr beaufsichtigten Unternehmen in Anspruch, um die entstehende Transparenz zur Kontrolle der Unternehmen in einem Zivil­ prozess zu nutzen. Die damit verbundenen Rechtsfragen sind bereits in einer eigenen Monographie erörtert worden.849 Weitere Konstellationen der Herstellung von Transparenz durch Dritte sind externes Whistleblowing, das erst vor Kurzem Gegenstand mehrerer Gesetze­ sinitiativen gewesen ist,850 und Shaming, bei dem die BaFin aus eigenem Antrieb heraus unternehmensbezogene Informationen offenlegt. Inwieweit diese Recht­ sinstitute für die Kontrolle von Banken und vor allem von Versicherungsunter­ nehmen heranzuziehen sein könnten, ist im Folgenden zu erörtern.

A. Transparenz durch Shaming Beim Shaming veröffentlicht die Aufsichtsbehörde von ihr festgestellte Auf­ sichtsrechtsverstöße, um das betroffene Unternehmen in der Öffentlichkeit zu beschämen (sog. [naming and] shaming). Transparenz wird hier eingesetzt zur Prävention und Sanktion, wobei der Schwerpunkt des Shamings, abhängig von seinem rechtlichen Kontext, primär entweder auf Prävention oder auf Sanktion liegen kann: Marktteilnehmer werden von einem bestimmten Fehlverhalten und einer bestimmten Maßnahme der Aufsichtsbehörde informiert, um ihr 849 

Rudkowski, S.  37 ff. europäischen Recht bereits umgesetzt: Art.  32 Marktmissbrauchs-VO (s. noch Fn.  858). Im nationalen Recht: Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Hinweisgebern, BTDrs. 17/8567; Beschlussantrag zum Hinweisgeberschutz, BT-Drs. 17/6492. 850 Im

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Verhalten, bspw. ihre Vertragsentscheidungen oder ihre eigene Unternehmens­ führung, neu ausrichten zu können. Der zu Beschämende wird, nach Feststel­ lung eines Rechtsverstoßes, öffentlich angeprangert und in seinem Ansehen negativ getroffen. I. Behördlich vermittelte Kontrolle durch Shaming im WpHG Die Befugnis der BaFin zum Shaming findet sich im Kapitalmarktrecht und wurde dort in jüngerer Zeit immer stärker ausgeweitet. In Umsetzung der damaligen Marktmissbrauchsrichtlinie851 gestattete im Jahr 2004 der Gesetzgeber erstmals der BaFin das Shaming von Kapitalmarkt­ teilnehmern.852 §  40b Abs.  1 S.  1 WpHG erlaubt es, Verstöße gegen das WpHG unter Nennung ihres Verursachers zu veröffentlichen, soweit dies zur Beseiti­ gung oder Verhinderung von Missständen geeignet und erforderlich ist.853 Die Pflicht zur Veröffentlichung entfällt aber, wenn sie die Finanzmärkte erheblich gefährden oder zu einem unverhältnismäßigen Schaden bei den Beteiligten füh­ ren würde. Durch die entstehende Prangerwirkung soll nicht nur rechtswidri­ ges Verhalten bestraft, sondern auch, vergleichbar dem Modell der Kontrolle durch Offenlegung gegenüber der Öffentlichkeit,854 präventiv durch Abschre­ ckung ein Anreiz zu rechtskonformem Verhalten gesetzt werden.855 Im Jahr 2012 wurde §  40b WpHG ergänzt durch §  34d Abs.  4 S.  2 WpHG. Als Lex specialis zu §  40b WpHG gestattet die Vorschrift der BaFin, Verwarnungen wegen Verstoßes gegen die durch das AnsFuG neu geschaffenen Anforderun­ gen an die Eignung der Mitarbeiter von Wertpapierdienstleistungsunternehmen oder Verstöße gegen die Untersagung, den Mitarbeiter weiterhin einzusetzen, auf ihrer Internetseite öffentlich bekannt zu machen. 856 Die Voraussetzungen, 851  Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl.  EU Nr. L 96, S.  16 ff. Die Richtlinie wurde inzwischen aufgehoben durch die Marktmissbrauchsverord­ nung, s. noch Fn.  858. 852  Auch von Shaming wird gesprochen bei der Pflicht von Emittenten gem. §  27a Abs.  2 WpHG, dass der meldepflichtige Inhaber einer bedeutenden Beteiligung seine Pflicht nicht oder nicht richtig erfüllt hat (Hölters/Hirschmann, AktG, §  22 Anh §  29a WpHG Rn.  33). Veröffentlicht wird hier aber nicht von der BaFin, und der Emittent muss keineswegs Finanz­ dienstleister sein. 853  Der Zweck des Beschämens unterscheidet das Shaming von der Offenlegung gem. §  37q Abs.  2 WpHG als Teil des sog. Enforcement-Verfahrens: Die Veröffentlichung nach dieser Vorschrift dient nicht vorrangig dem Beschämen, sondern der Richtigstellung des Fehlers und damit der bloßen Information des Marktes, s. etwa OLG Frankfurt, Beschl. v. 31.8.2010 – WpÜG 3/10, ZIP 2010, 2044; Beschl. v. 22.1.2009 – WpÜG 1/08, 3/08, ZIP 2009, 368; Beschl. v. 14.6.2007 – WpÜG 1/07, DB 2007, 1913; näher zum Enforcement-Verfahren etwa Hein, DB 2010, 2265 (zur Veröffentlichung S.  2267 ff.). 854  Soeben §  4 und zum Kontrollkonzept dort unter A. 855  Wandt, VW 2007, 473, 476, 668. 856  Näher zu §  34d Abs.  4 S.  2 WpHG und zu weiteren Neuerungen des AnsFuG Voß, BB 2010, 3099, 3101.

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unter denen eine Veröffentlichung vorgenommen werden darf, sind im Ver­ gleich zu §  40b Abs.  1 S.  1 WpHG deutlich weniger streng. So genügt, dass der Veröffentlichung keine berechtigten Interessen des Unternehmens entgegenste­ hen. Dem Gedanken der Transparenz folgt schließlich der mit Gesetz vom 13. Februar 2013 angefügte §  40b Abs.  4 WpHG, der die BaFin zur unverzüglichen Veröffentlichung von Bußgeldentscheidungen verpflichtet. 857 Ausnahmsweise, etwa wenn die Veröffentlichung zu einem unverhältnismäßigen Schaden bei ei­ nem Beteiligten führen würde, ist von ihr abzusehen. §  40b Abs.  4 WpHG folgte im April 2014 die Verpflichtung der Aufsichtsbehörde gem. Art.  34 Abs.  1 Marktmissbrauchs-VO, 858 jede Entscheidung über die Verhängung einer verwaltungsrechtlichen Sanktion oder verwaltungs­ rechtlichen Maßnahme wegen eines Verstoßes gegen das Insiderrecht der ­Marktmissbrauchs-VO auf ihrer Website zu veröffentlichen, unverzüglich nach­ dem die von der Entscheidung betroffene Person darüber informiert wurde. Die Nichtveröffentlichung wird mit dieser Norm zur Ausnahme, der Grundsatz heißt nunmehr im Insiderrecht „Transparenz“: Selbst wenn die Veröffentlichung die Stabilität der Finanzmärkte gefährden würde, ist grundsätzlich nur gestattet, sie aufzuschieben, nicht aber, sie ganz zu unterlassen (Art.  34 Abs.  1 UAbs.  3 Marktmissbrauchs-VO). Erweitert wird in naher Zukunft außerdem das ­Shaming bei Verstößen gegen die Vorschriften der Kapitalmarktpublizität: Die sog. Transparenzrichtlinie 2013859 verlangt von den Mitgliedstaaten, eine Pflicht zur Offenlegung von Verstößen zu schaffen, und gibt nicht vor, ob und inwie­ weit die Behörden der Mitgliedstaaten das Offenlegungsinteresse mit entgegen­ stehenden Interessen der zu beschämenden Marktteilnehmer abzuwägen ha­ ben.860 Die Anforderungen, die die Normgeber an rechtmäßiges Shaming stel­ len, werden also immer geringer, der Wunsch nach Transparenz wird größer. 857  Ausführungsgesetz zur Verordnung (EU) Nr.  6 48/2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister (EMIR-Ausführungsgesetz, EMIR-AG) vom 13. Februar 2013, BGBl.  I S.  173. 858  Verordnung (EU) Nr.  596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG der Kommission, ABl.  EU Nr. L 173, S.  1 ff. Überblick über die Verordnung bei Kiesewetter/Parmentier, BB 2013, 2371 ff. 859  Richtlinie 2013/50/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2013 zur Änderung der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emit­ tenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, sowie der Richtlinie 2007/14/EG der Kommission mit Durchführungsbe­ stimmungen zu bestimmten Vorschriften der Richtlinie 2004/109/EG, ABl.  EU Nr. L 294, S.  13 ff. 860 Art.   28b Abs.  1 lit.  a) der Transparenzrichtlinie 2013 (Fn.  859). Überblick über die Neue­r ungen durch die Richtlinie bei Seibt/Wollenschläger, ZIP 2014, 545 ff.

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II. Kontrolle durch Shaming im VAG Dass die Normgeber im Kapitalmarktrecht immer stärker auf Shaming setzen und es seit dem 1. Januar 2014 auch im Bankenaufsichtsrecht vorgesehen ist,861 könnte dafür sprechen, dass es sich beim Shaming um ein geeignetes Mittel han­ delt, Finanzaufsichtsrecht allgemein durchzusetzen. Dann bietet sich an, es im gesamten Finanzaufsichtsrecht anzuwenden.862 §§  34d Abs.  4, 40b WpHG ver­ gleichbare Vorschriften gibt es schließlich im VAG bisher nicht. 863 Dass über die Auslegung der kapitalmarktrechtlichen Shaming-Vorschriften, insbesondere des §  40b Abs.  1 S.  1 WpHG, in der Literatur Uneinigkeit herrscht, insbesondere die Literatur das Shaming unter besonders strenge Voraussetzun­ gen gestellt wissen will, weil es den Grundsatz der Amtsverschwiegenheit nach §  8 WpHG durchbricht,864 könnte zwar gegen eine Übertragung auf das VAG sprechen. Worauf sich eine solche restriktive Auslegung des §  40b Abs.  1 S.  1 WpHG stützen sollte, ist aber nicht ersichtlich. Die Gesetzesbegründung zu §  40b WpHG gibt keine grundsätzliche Richtung vor.865 Die kontinuierliche Er­ weiterung der Befugnisse zum Shaming lässt indes schließen, dass deutscher Gesetzgeber und europäischer Normgeber keine grundsätzlichen Bedenken ge­ gen dieses Mittel der Kontrolle hegen. Dass Ausnahmen zu einem Grundsatz (hier: dem der Amtsverschwiegenheit) stets eng ausgelegt werden müssten, ist außerdem methodisch nicht begründbar. Schließlich könnten etwaige hand­ werkliche Schwächen der kapitalmarktrechtlichen Shaming-Vorschriften bei der Übertragung auf das VAG ausgeglichen werden. Die kapitalmarktrechtliche Regelung muss nicht ungeprüft und unverändert übernommen werden. Gewichtiger ist hingegen der Einwand, dass Shaming letztlich eine Form der Kontrolle durch Transparenz für die Öffentlichkeit darstellt. Diese aber ist von

861  Das KWG n. F. sieht in §  60b die Veröffentlichung ausgewählter unanfechtbar geworde­ ner Bußgeldbescheide vor. 862  Für das Versicherungsaufsichtsrecht: Wandt, VW 2007, 473; Vorschlag von CEIOPS (Veröffentlichung des aufsichtsbehördlichen Verlangens der Solvenzkapitalerhöhung), s. „Answers to the European Commission on the second wave of calls for advice in the frame­ work of the Solvency II project“, S.  167, Rn.  14.46: http://www.ceiops.org/media/files/publica tions/submissionstotheec/Doc07_05-Answers EC2ndwaveSII.pdf (zuletzt abgerufen am 10. August 2015); einschränkend Rabe, S.  262 (Veröffentlichung von Beschwerden, nicht aber sonst von allgemein bedenklichen Geschäftspraktiken). 863 Im Versicherungsaufsichtsrecht dient der Jahresbericht der BaFin gem. §   103 Abs.  1 VAG, als einzige vergleichbare Offenlegungsbefugnis, nur als allgemeine Bestandsaufnahme und soll dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit Genüge tun, ohne einzelne Unterneh­ men herauszustellen, Kollhosser, in: Prölss, VAG, §  103 Rn.  1. 864  Spindler, NJW 2004, 3449, 3454 unter Berufung auf Begr RegE AnsVG BT-Drs. 15/3174, S.  41. Ähnlich („streng verhältnismäßig“) Vogel, in: Assmann/Schneider, WpHG, 40b Rn.  1, 6, 8 (ein einzelner Verstoß sei nicht ausreichend; Nennung von „Ross und Reiter“ nur in Ausnahmefällen, sonst Anonymisierung). 865  RegE AnsVG, BT-Drs. 15/3174, S.  41.

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zweifelhafter Effektivität. 866 Freilich ist die Wirksamkeit der Kontrolle im Ver­ gleich zur Offenlegung gegenüber der Öffentlichkeit beim Shaming schon da­ durch größer, dass eine Behörde der Kontrollinstanz Öffentlichkeit die relevan­ ten Informationen nicht nur vorlegt, sondern sie auch schon fachkundig bewer­ tet hat. Das rechtswidrige Verhalten des zu Beschämenden steht fest.867 Die Gefahr, zu Unrecht bloßgestellt zu werden, ist grundsätzlich kleiner, als wenn allein der Öffentlichkeit die Bewertung bestimmter unternehmensbezogener Informationen überlassen wird. Eine etwaige öffentliche Empörung über das Unternehmen ist mit höherer Wahrscheinlichkeit berechtigt. Die Kontrolle ist besser steuerbar, auch dadurch, dass die Behörde über das Ausmaß der Offenle­ gung, ihren Zeitpunkt und ihre Art entscheidet. Der Eingriff in die Grundrech­ te des Unternehmens ist somit geringer als bei der unmittelbaren Kontrolle durch die Öffentlichkeit. Geschäftsgeheimnisse des zu beschämenden Unter­ nehmens könnten von der Offenlegung zudem ausgenommen werden, sodass Art.  12, 14 GG in dieser Hinsicht nicht gegen das Shaming anzuführen sind. Zugleich ist die Kontrolle insoweit deutlich effektiver als bei einer bloßen Offenlegungspflicht gegenüber der Öffentlichkeit, als durch Shaming ein Un­ ternehmen negativ herausgestellt wird. Die Offenlegungspflichten gegenüber der Öffentlichkeit hingegen sind von allen unter die jeweilige Norm fallenden Unternehmen zu erfüllen. Es ist bei von allen Unternehmen zu erfüllenden Of­ fenlegungspflichten ungewiss, ob ein Fehlverhalten eines Unternehmens auf­ fällt, während beim Shaming gerade das Fehlverhalten hervorgehoben wird. Eben dies ist jedoch im Versicherungsaufsichtsrecht problematisch. Die Ver­ sicherungsaufsicht hat, um ihre Aufgaben erfüllen zu können, in besonderem Maße Zugriff auf vertrauliche Informationen der Unternehmen und damit be­ sonders große Möglichkeiten zum Shaming. 868 Zudem ist die Behörde in beson­ derem Maße auf die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Unternehmen angewiesen, um ihre Aufgaben erfüllen zu können,869 umso mehr, als sie mit der prinzipienbasierten Aufsicht ein auf enge Kooperation angelegtes Aufsichtsmo­ dell zu verfolgen hat. 870 Muss ein Unternehmen fürchten, die von ihm im Rah­ men freiwilliger Kooperation offenbarten Informationen würden gegen es ver­ wendet bis hin zum Shaming, könnte dies sein Vertrauensverhältnis zur Auf­ 866 

S. soeben §  4 C. I. Insoweit wäre die Lage auch anders als nach §  40 Abs.  1a LBFG, der bereits bei hinrei­ chendem Verdacht eines Rechtsverstoßes die Information der Öffentlichkeit zulässt und da­ her als verfassungsrechtlich bedenklich gilt, s. Möstl, GewArch 2015, 1 (auch zum anhängigen Normenkontrollantrag BVerfG 1 BvF 1/13). 868  Präve, VW 2007, 1380, 1383. 869 S. den Vortrag der BaFin etwa bei VGH Kassel, Beschl. v. 2.3.2010 – 6 A 1684/08, NVwZ 2010, 1036. Winter, VersR 2005, 145 spricht für das Versicherungswesen von einer „besonderen Vertrauensempfindlichkeit“. 870  Bürkle, VersR 2011, 1469, 1476 f.; Wandt/Sehrbrock, VersR 2012, 802, 803; Winter, S.  11, 94. 867 

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sicht, seine Kooperationsbereitschaft und damit die Aufsichtstätigkeit selbst beeinträchtigen. Daneben ist nicht einsichtig, welches private oder öffentliche Interesse an der Bloßstellung sich rechtswidrig verhaltender Versicherungsunternehmen beste­ hen sollte. Zwar kann die Öffentlichkeit ein Interesse daran haben, vor unredli­ chen Marktteilnehmern geschützt zu werden. Staatliche Stellen können daher aus präventiven Gründen berechtigt sein, entsprechende Warnungen herauszu­ geben, „zur Bewältigung von Konflikten in Staat und Gesellschaft“ oder um „auf Krisen und auf Besorgnisse der Bürger schnell und sachgerecht zu reagie­ ren sowie diesen zu Orientierungen zu verhelfen.“871 Versicherungsaufsichtsrechtliches Shaming diente aber gerade nicht dem prä­ ventiven Zwecken wie dem Kunden- oder Gläubigerschutz (auch wenn er ein Nebeneffekt der Veröffentlichung sein mag). Es diente der Sanktion, dazu, den Kontrollakt gegenüber dem Unternehmen durch „Beschämen“ zu verstärken. Rechtsverstöße aber kann die Aufsichtsbehörde bereits mit verwaltungsrechtli­ chen Mitteln sanktionieren, ein Interesse an zusätzlicher Sanktion durch die Öffentlichkeit besteht nicht. Die Reaktion der Öffentlichkeit lässt sich schließ­ lich kaum sicher prognostizieren und bringt damit die Gefahr unverhältnismä­ ßiger Eingriffe in die Rechte des Unternehmens mit sich. Anders als beim kapitalmarktrechtlichen Shaming, das nicht nur abzielt auf Sanktion, sondern auf (präventive) Information, kann es im Versicherungswe­ sen um bloße Information nicht gehen: Am Kapitalmarkt wirkt ein besonders interessierter Teil der Öffentlichkeit, der über bestimmte Umstände und Maß­ nahmen informiert werden muss, um seine Entscheidungen daran ausrichten zu können.872 Aufsichtsrechtsverstöße haben oft unmittelbar den Anleger schädi­ gende Wirkung. Werden rechtswidrig zurückgehaltene Angaben dem Kapital­ markt durch Shaming mitgeteilt, kann das seine Funktionsfähigkeit und die Preisbildung sichern. Eine vergleichbare Prägung hin auf einen Markt hat aber das Versicherungswesen nicht. Das mag zwar für das Kreditwesen ebenfalls gel­ ten, und dennoch finden sich im Bankenaufsichtsrecht eingeschränkt Befugnis­ se der BaFin zum Shaming (s. §  60b KWG). Hier kann das Shaming aber noch mit der zuletzt 2008/2009 ersichtlich gewordenen Krisenanfälligkeit der Ban­ ken und damit ihrer erhöhten Kontrollbedürftigkeit gerechtfertigt werden. Im Anwendungsbereich des VAG ist die Lage eine andere. Es haben sich die Versi­ cherer in der Vergangenheit nicht besonders krisenanfällig gezeigt. Eine Ausdehnung des Shamings auf das VAG ist folglich abzulehnen.

871  BVerfG, Beschl. v. 26.2.2002 – 1 BvR 670/91, BVerfGE 105, 279 ff. („Psychosekte“); Beschl. v. 26.6.2002 – 1 BvR 558, 1428/91, BVerfGE 105, 252 ff. („Glykol“). 872 Zum Ziel des Gesetzgebers die Bildung eines „gerechten“ Preises am Kapitalmarkt durch Information zu fördern s. etwa Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschus­ ses, 2. FFG, BT-Drs. 12/7918, S.  96

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III. Fazit Dem Shaming im Versicherungsaufsichtsrecht stehen die Schwächen der Kon­ trollinstanz Öffentlichkeit entgegen sowie der Umstand, dass das Informationsund Kontrollbedürfnis, dem mit dem Shaming Rechnung getragen werden soll, im Versicherungswesen nicht besteht.

B. Transparenz durch externes Whistleblowing Eine Offenlegung von Interna durch Unternehmensangehörige gegenüber Dritten (sog. externes Whistleblowing) 873 können nicht nur Unternehmen des Finanzdienstleistungssektors zu dulden haben. Da Whistleblowing aber be­ sonders effektive Kontrolle ermöglicht durch oft frühzeitige Bekanntmachung von Umständen, von denen Außenstehende, insbesondere die Aufsichtsbehör­ de, sonst u. U. keine Kenntnis erlangt hätten, und da gerade die Informations­ versorgung der BaFin dem Gesetzgeber dringendes Anliegen ist,874 könnte es angebracht sein, Whistleblowing im Finanzaufsichtsrecht besonders zu för­ dern. Dies gilt umso mehr, als der Gesetzgeber jüngst die Bedeutung des inter­ nen Whistleblowings für Institute anerkannt und sie zur Einrichtung entspre­ chender Systeme verpflichtet hat (§  25a Abs.  1 S.  5 Nr.  3 KWG n. F.).875 Die Re­ gelung auch des externen Whistleblowings liegt da nahe, ist allerdings bisher unterblieben. Wie die Marktmissbrauchs-VO zeigt, die seit April 2014 die Einrichtung ei­ ner Anlaufstelle für externe Whistleblower bei der BaFin in ihrer Funktion als Wertpapieraufsicht verlangt, 876 ist wichtigste Maßnahme zur Förderung des Whistleblowings, potentielle Hinweisgeber zum Tätigwerden zu motivieren. Ein erster Schritt in diese Richtung liegt darin, 877 den Bruch der arbeitsvertrag­ 873 

Übersetzbar mit „Pfeifen“ oder „Alarmschlagen“, zur Etymologie Sänger, S.  23 f. S. soeben §  3. A. 875 Näher Renz/Rohde-Liebenau, BB 2014, 692 ff. 876  Art.  32 Abs.  1 der Verordnung (EU) Nr.  596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG der Kommission, ABl.  EU Nr. L 173, S.  1 ff. Überblick über die Verordnung bei Kiesewetter/Parmentier, BB 2013, 2371 ff. 877  Einen Schritt weiter geht die Marktmissbrauchs-VO: Die Mitgliedstaaten können fi­ nanzielle Anreize für Personen, die relevante Informationen über mögliche Verstöße gegen die Verordnung bereitstellen, unter der Voraussetzung gewähren, dass diese Personen nicht bereits zuvor anderen gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtungen zur Meldung solcher Informationen unterliegen, sowie unter der Voraussetzung, dass die Informationen neu sind und dass sie zur Verhängung einer verwaltungsrechtlichen oder einer strafrechtlichen Sank­ tion oder einer anderen verwaltungsrechtlichen Maßnahme für einen Verstoß gegen diese Verordnung führen, Art.  32 Abs.  4 Marktmissbrauchs-VO. Zum Entwurf dieser Regelung (KOM (2011) 651 endg.) bereits Fleischer/Schmolke, NZG 2012, 361 ff. 874 

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lichen/organschaftlichen Verschwiegenheitspflicht, der im Offenbaren ge­ heimer unternehmensbezogener Information liegt, zu rechtfertigen, um Sank­ tionen für den Whistleblower durch das betroffene Unternehmen auszuschlie­ ßen. 878 Dafür sind Voraussetzungen zu finden, unter denen externes Whistleblowing zulässig ist. Aufgrund jeweils unterschiedlicher Pflichtenbindung ist hier nach der Bezie­ hung des Hinweisgebers zum Unternehmen (als Arbeitnehmer oder Organmit­ glied) zu differenzieren sowie danach, ob Transparenz gegenüber der Öffent­ lichkeit oder gegenüber Behörden hergestellt werden soll. I. Externes Whistleblowing durch Arbeitnehmer Bundesverfassungsgericht, BAG und EGMR haben Voraussetzungen aufge­ stellt, unter denen Whistleblowing durch Arbeitnehmer gegenüber Behörden zulässig ist. Für Angehörige von Finanzdienstleistungsunternehmen könnten diese Voraussetzungen anzupassen und gesetzlich niederzulegen sein, um dem gesteigerten öffentlichen Interesse an der Funktionsfähigkeit des Bank- und Versicherungswesens und damit an der Informationsversorgung der Aufsichts­ behörde Rechnung zu tragen. Außerdem ist zu bestimmen, wann Whistleblo­ wing gegenüber der Öffentlichkeit zulässig sein kann. 1. Zulässigkeit des Whistleblowings gegenüber Behörden Ausgangspunkt zur Bestimmung der Zulässigkeitsvoraussetzungen ist die ar­ beitsvertragliche Verschwiegenheitspflicht, eine Rücksichtnahmepflicht gem. §  241 Abs.  2 BGB und Ausfluss der Berufsfreiheit879 des Arbeitgebers (Art.  12 Abs.  1 GG).880 Ein Bruch der arbeitsvertraglichen Verschwiegenheitspflicht be­ darf der Rechtfertigung durch Abwägung der Interessen des Arbeitgebers mit denen des Arbeitnehmers. a) Zulässigkeitsvoraussetzungen für externes Whistleblowing Das Bundesverfassungsgericht, das im Jahr 1987 zunächst nur ein öffentliches Interesse an der Erfüllung staatsbürgerlicher Pflichten gegenüber Strafverfol­ gungsbehörden bejahte, 881 erkennt seit dem Jahr 2001 an, dass, wer nicht wis­ sentlich unwahre oder leichtfertig falsche Angaben macht, auch bei einer frei­ willigen Kooperation mit der Behörde seine staatsbürgerlichen Rechte wahr­ 878  S. Art.  32 Abs.  2 lit.  b) Marktmissbrauchs-VO, der explizit einen Schutz von Whistle­ blowern verlangt, die sich in einem Arbeitsverhältnis befinden. 879  Zu weiteren Möglichkeiten der grundrechtlichen Anknüpfung Rudkowski, CCZ 2013, 204, 205. 880  BAG, Urt. v. 3.7.2003 – 2 AZR 235/02, NZA 2004, 427, 430; näher zur Verschwiegen­ heitspflicht Herbert/Oberrath, NZA 2005, 193, 194 f. 881  BVerfG, Beschl. v. 25.2.1987 – 1 BvR 1086/85, BVerfGE 74, 257, 263.

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nimmt. Er ist damit durch die allgemeine Handlungsfreiheit i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip (Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  20 Abs.  3 GG) geschützt und darf folglich aufgrund der Kooperation keine zivilrechtlichen Nachteile erleiden. 882 Diese Argumentation gebietet den Schluss, dass Schutz durch Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  20 Abs.  3 GG ferner auch besteht, wenn der Arbeitnehmer gegen­ über einer beliebigen anderen als einer Strafverfolgungsbehörde Informationen offenbart.883 Er macht in jedem Fall von seinen staatsbürgerlichen Rechten Ge­ brauch. Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung nahm ursprünglich bei Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden gegen einen sich rechtswidrig verhaltenden Ar­ beitgeber durch den Arbeitnehmer einen Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Treuepflicht an884 und kam erst in den 1990er Jahren zu der Überzeugung, dass eine Strafanzeige keinen absoluten Kündigungsgrund darstellt.885 Mittler­ weile erkennt das BAG die verfassungsrechtliche Rechtsprechung zumindest für die Offenlegung mutmaßlich rechtswidrigen Arbeitgeberverhaltens gegen­ über Strafverfolgungsbehörden an und präzisiert die Abwägung: Als Aus­ übung staatsbürgerlicher Rechte kann Whistleblowing eine vertragliche Rück­ sichtnahmepflicht nur verletzen, wenn es sich als eine unverhältnismäßige Reaktion auf ein Arbeitgeberverhalten (oder ein Verhalten eines Arbeitge­ ­ ber-Repräsentanten) darstellt.886 Bei berechtigten887 Vorwürfen und ggf. nach innerbetrieblichem Abhilfeversuch ist externes Whistleblowing zulässig. 888 Zudem wird die Motivation des Whistleblowers berücksichtigt, die Vorwürfe zu erheben.889 Jedenfalls wenn einziges Motiv des Arbeitnehmers ist, den Ar­ beitgeber „fertig zu machen“, ist auch der begründete Hinweis eine Vertrags­ verletzung.890 Da eine Ausübung staatsbürgerlicher Rechte aber auch im Heran­treten an andere als Strafverfolgungsbehörden liegt, ist die Rechtspre­ chung auf Whistleblowing gegenüber der BaFin zu übertragen. b) Modifikation für Arbeitnehmer in Finanzdienstleistungsunternehmen Für Finanzdienstleistungsunternehmen könnten, um dem gesteigerten öffentli­ chen Interesse an ihrer Zuverlässigkeit und damit an ihrer Kontrolle Rechnung 882 

BVerfG, Beschl. v. 2.7.2001 – 1 BvR 2049/00, NZA 2001, 888, 890. Rudkowski, CCZ 2013, 204, 205. 884  BAG, Urt. v. 5.2.1959 – 2 AZR 60/56, NJW 1961, 44. Überblick über die Rechtspre­ chung bis 2001 bei Müller, NZA 2002, 424, 432 f. 885  BAG, Urt. v. 4.7.1991 – 2 AZR 80/91 auf juris.de. 886  BAG, Urt. v. 3.7.2003 – 2 AZR 235/02, NZA 2004, 427. 887  Der EGMR verwendet das Wort „authentisch“, ohne dass damit eine inhaltliche Ab­ weichung intendiert wäre, EGMR, Urt. v. 21.7.2011 – 28274/08, NZA 2011, 1269 („Heinisch“). 888 Zu den Voraussetzungen des zulässigen Whistleblowings im Einzelnen Rudkowski, CCZ 2013, 204, 205 ff. 889 Krit. Rudkowski, CCZ 2013, 204, 206. 890  BAG, NZA 2004, 427, 430; BAG, Urt. v. 4.7.1991 – 2 AZR 80/91 auf juris.de. 883 

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zu tragen, die eben genannten Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Whist­ leblowings abzusenken sein. Das öffentliche Interesse könnte aber überdies un­ mittelbar in der Abwägung berücksichtigt werden müssen. aa) Öffentliches Interesse an der Information Aus dem sog. „Heinisch“-Urteil des EGMR891 ist in der Literatur teilweise ge­ folgert worden, das „öffentliche Interesse“ an der Information, ermittelt anhand des Lebensbereichs, den sie betrifft, sei als selbständiges Kriterium in die Ab­ wägung einzubeziehen.892 Externes Whistleblowing könnte so von vornherein zulässig sein in Wirtschaftszweigen, an deren Redlichkeit ein besonderes öf­ fentliches Interesse besteht, d. h. wenn Missstände in den fraglichen Branchen wichtige Rechtsgüter gefährden können, etwa in der Altenpflege oder bei Le­ bensmittelherstellern. Leistungen im besonderen öffentlichen Interesse erbringt aber auch der Finanzdienstleistungssektor. 893 Jedoch erwähnt der EGMR zwar in seinem „Heinisch“-Urteil ein öffentli­ ches Interesse an der offenbarten Information. 894 Er bezieht sich damit aber auf eine Stellungnahme der deutschen Regierung, die das öffentliche Interesse an der Information ins Spiel gebracht hatte,895 allerdings nur im Rahmen der Frage, ob nach deutschem Recht das Whistleblowing von Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  20 Abs.  3 GG gedeckt ist: Das Interesse des Whistleblowers an der Ausübung sei­ ner staatsbürgerlichen Rechte ist in besonders hohem Maße gegeben, wenn das öffentliche Interesse an der Verfolgung des möglichen Rechtsverstoßes beson­ ders groß ist. Je bedeutsamer ein Rechtsverstoß ist, desto stärker ist das Interes­ se des Grundrechtsträgers, von seinen staatsbürgerlichen Rechten Gebrauch zu machen und ihn zu melden. Berücksichtigt wird in der Abwägung mithin nur die Art und Schwere des konkret offenbarten Rechtsverstoßes, und dies auch nur mittelbar, über das Interesse des Whistleblowers an der Erfüllung seiner staatsbürgerlichen Pflichten. Ein eigenständiges Kriterium der Prüfung ist das öffentliche Interesse hingegen nicht. Dies heißt freilich noch nicht, dass nicht einzelne anerkannte Zulässigkeitskriterien unter dem Eindruck eines öffentli­ chen Interesses (hier: an der Kontrolle des Finanzdienstleistungssektors) zu modifizieren sein könnten.

891 

EGMR, Urt. v. 21.7.2011 – 28274/08, NZA 2011, 1269 („Heinisch“). Forst, EuZA 2013, 37, 66; Schlachter, RdA 2012, 108, 111. 893  S. bereits oben Teil 1 §  2. 894  EGMR, Urt. v. 21.7.2011 – 28274/08, NZA 2011, 1269 („Heinisch“), Rn.  71. 895  S. die Ausführungen des EGMR, Urt. v. 21.7.2011 – 28274/08, NZA 2011, 1269 („Hei­ nisch“), Rn.  54. 892 

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Teil 2: Transparenzpflichten von Finanzdienstleistungsunternehmen

bb) Berechtigung der Vorwürfe Die Berechtigung der Vorwürfe ist zentrales Kriterium der Abwägung896 und bietet sich daher besonders für eine Anpassung an das besondere öffentliche Interesse an der Funktionsfähigkeit des Finanzdienstleistungssektors an. Ein Vorwurf ist berechtigt, wenn der angezeigte Rechtsverstoß des Arbeitgebers vorliegt, oder wenn zwar kein Rechtsverstoß des Arbeitgebers vorliegt, der Whistleblower aber die Anzeige nicht wissentlich unwahr oder leichtfertig, d. h. grob fahrlässig, falsch erstattet hat.897 Geringere Anforderungen an die Berechtigung der Vorwürfe speziell bei Un­ ternehmen im Finanzdienstleistungssektor könnten die Bereitschaft zur Anzei­ ge deutlich erhöhen. Wäre noch jeder grob fahrlässig falsche Hinweis zulässig, müsste der Whistleblower vor dem Hinweis den Wahrheitsgehalt der erhobenen Vorwürfe nicht in besonderem Maße prüfen. Er könnte dies der zuständigen, sachkundigen Behörde überlassen, und müsste keine Sanktionen fürchten, wenn sich sein Hinweis als falsch erweist. Allerdings kann die Rechtsordnung nicht diejenigen schützen, die vorsätz­ lich oder grob fahrlässig einen anderen zu Unrecht eines rechtswidrigen Verhal­ tens bezichtigen, ganz unabhängig davon, wer von den Anschuldigungen be­ troffen ist. Für eine vorsätzlich falsche Verdächtigung wird dies schon an §  164 StGB deutlich, und auch §  186 StGB soll grundsätzlich jedermann den gleichen Schutz vor ehrkränkenden Behauptungen bieten, sogar dann, wenn nicht die behauptete Tatsache erweislich wahr ist. Grob fahrlässig falsche Behauptungen zu privilegieren, wäre überdies ein fal­ scher Anreiz, ein Anreiz dazu, das Recht zum externen Whistleblowing aus unlauteren Motiven heraus zu nutzen. Verbunden mit einer Privilegierung grob fahrlässig falscher Behauptungen wäre außerdem die Gefahr, die Aufsichtsbe­ hörde durch eine Vielzahl falscher, „ins Blaue hinein“ aufgestellter Behauptun­ gen zu überschwemmen und so die Effektivität des Whistleblowings zu gefähr­ den. Bei der Berechtigung der Vorwürfe findet sich mithin kein Spielraum zur Erleichterung des Whistleblowings im Finanzdienstleistungssektor. cc) Grundsätzlicher Vorrang innerbetrieblicher Abhilfe Das Erfordernis eines innerbetrieblichen Abhilfeversuchs ist das wohl umstrit­ tenste Zulässigkeitskriterium des externen Whistleblowings. Während das BAG das Fehlen eines Abhilfeversuchs lediglich im Einzelfall als Indiz für eine Pflichtverletzung ansieht, ohne den Abhilfeversuch grundsätzlich zu verlan­ gen, 898 geht der EGMR davon aus, grundsätzlich müssten innerbetriebliche Ab­ 896  BVerfG, Beschl. v. 2.7.2001 – 1 BvR 2049/00, NZA 2001, 888; BAG, Urt. v. 3.7.2003 – 2 AZR 235/02, NZA 2004, 427. 897  BVerfG, Beschl. v. 2.7.2001 – 1 BvR 2049/00, NZA 2001, 888; BAG, Urt. v. 7.12.2006 – 2 AZR 400/05, NZA 2007, 502. 898  BAG, Urt. v. 3.7.2003 – 2 AZR 235/02, NZA 2004, 427, 430.

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hilfeversuche dem Hinweis an Außenstehende vorausgehen. 899 In der Literatur herrscht ebenfalls keine Einigkeit.900 Bedenkt man, dass der innerbetriebliche Abhilfeversuch zugleich die prak­ tisch bedeutendste Einschränkung des Whistleblowings ist, liegt es nahe, unab­ hängig davon, wie der Streitstand für sonstige Branchen zu entscheiden wäre,901 für Arbeitnehmer in Finanzdienstleistungsunternehmen keinen Vorrang inner­ betrieblicher Abhilfeversuche anzunehmen. Je schneller ein Verstoß ans Licht kommt, desto eher kann die zuständige Behörde reagieren und ihn beseitigen oder sanktionieren. Zugleich bliebe dem Arbeitnehmer eine möglicherweise fruchtlose Konfrontation mit seinem Arbeitgeber erspart. Indes kann durch einen Verzicht auf den innerbetrieblichen Abhilfeversuch vor allem die Zeitspanne verringert werden, welche von dem Rechtsverstoß bis hin zu seiner Aufdeckung verstreicht. Es befindet sich aber das Versicherungsund Bankwesen (anders als etwa der Kapitalmarkt) hier in keiner besonderen Gefährdungslage, in der schnelle Aufdeckung gefordert wäre: Nicht aufgedeck­ te Rechtsverstöße oder falsche Informationen gefährden nicht sofort den Markt im Ganzen. Außerdem gestattet §  17 Abs.  2 ArbSchG als bisher einzige gesetzliche Rege­ lung des Whistleblowings, Rechtsverstöße des Arbeitgebers, die den Gesund­ heitsschutz der Arbeitnehmer betreffen, erst nach Versuch innerbetrieblicher Abhilfe bei der zuständigen Behörde zu melden. Wenn aber selbst in Fällen, in denen das Interesse des Arbeitnehmers an der körperlichen Unversehrtheit sei­ ner selbst und seiner Kollegen betroffen ist, erst innerbetriebliche Abhilfe ge­ sucht werden muss, muss erst recht auch der Meldung sonstiger Rechtsverstöße des Arbeitgebers ein innerbetrieblicher Klärungsversuch vorausgehen. Es besteht damit ein Vorrang innerbetrieblicher Abhilfeversuche bei Whistle­ blowing im Finanzdienstleistungssektor.902 dd) Fazit Die Zulässigkeitsvoraussetzungen des externen Whistleblowings unterscheiden sich im Finanzdienstleistungssektor nicht von den Zulässigkeitsvoraussetzun­ gen des externen Whistleblowings in anderen Wirtschaftszweigen. 899 

So auch der EGMR, Urt. v. 21.7.2011 – 28274/08, NZA 2011, 1269 („Heinisch“). grds. Erforderlichkeit eines Abhilfeversuchs: Berkowsky, NZA-RR 2001, 1, 16; Gach/Rützel, BB 1997, 1959, 1961 f.; Rudkowski, CCZ 2013, 204, 206; dem BAG (Einzel­ fallabwägung) folgend: Herbert/Oberrath, NZA 2005, 193, 197; Stein, BB 2004, 1961; Wendeling-Schröder, RdA 2004, 374, 377; gegen den vorherigen innerbetrieblichen Abhilfe­ versuch Colneric, AiB 1987, 261, 265. So auch ein Gesetzentwurf der SPD-BundestagsFraktion, Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Hinweisgebern – Whistleblowern, §  6 Abs.  1 letzter S. HinwGebSchG-E, BT-Drs. 17/8567. 901  Dazu schon Rudkowski, CCZ 2013, 204, 206 f. 902 Zur Rechtslage außerhalb des Finanzdienstleistungssektors Rudkowski, CCZ 2013, 204, 206 f. 900 Für

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2. Whistleblowing gegenüber anderen Dritten Über das Whistleblowing gegenüber anderen Dritten (gegenüber den Medien oder z. B. über das Internet gegenüber der Öffentlichkeit unmittelbar) hatte die Rechtsprechung bisher noch nicht zu entscheiden. Da auch in dieser Konstellation ein Vertragsbruch zu rechtfertigen und der Ausgleich der widerstreitenden Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine verfassungsrechtliche Anforderung ist, muss auch hier eine Abwägung vorgenommen werden. Aus ihr folgt, dass Whistleblowing gegenüber anderen Dritten als gegenüber Behörden grundsätzlich unzulässig sein muss.903 Die rechtliche Ausgangslage für die anzustellende Abwägung ist gegenüber dem Whistleblowing gegenüber Behörden nämlich eine grundlegend andere. Das Interesse des Arbeitnehmers an der Ausübung seiner staatsbürgerlichen Rechte (geschützt von Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  20 Abs.  3 GG) deckt nicht die Einschaltung einer nichtstaatlichen Stelle, mag durch sie vielleicht auch eine Be­ hörde auf den möglichen Rechtsverstoß aufmerksam werden und im Ergebnis ein staatliches Verfahren in Gang setzen. Durch Einschaltung einer nichtstaat­ lichen Stelle drückt der Arbeitnehmer vielmehr ein gewisses Misstrauen gegen­ über den Behörden aus und nimmt es ihnen aus der Hand, den Vorwürfen nach­ zugehen. Er entscheidet sich auch gegen gesetzlich festgelegte Sanktionen. Es bleibt mithin nur eine Abwägung der Berufsfreiheit des Arbeitgebers mit der allgemeinen Handlungsfreiheit des Arbeitnehmers (Art.  2 Abs.  1 GG). Die Betroffenheit der Rechte und Interessen des Arbeitgebers ist dafür umso größer, da durch Einschaltung sonstiger Dritter der tatsächliche oder auch nur vermeintliche Rechtsbruch fast zwangsläufig einer breiten Öffentlichkeit be­ kannt wird. Die Berufsfreiheit des Arbeitgebers überwiegt deshalb das nur durch Art.  2 Abs.  1 GG geschützte Interesse am Whistleblowing.904 Das beson­ dere öffentliche Interesse an der Funktionsfähigkeit des Finanzdienstleistungs­ sektors ändert daran nichts, denn es kann hier nicht zum Ansatz gebracht wer­ den: Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  20 Abs.  3 GG, der es erlaubt, das Interesse an der Ausübung staatsbürgerlicher Rechte auch an die Schwere des Rechtsverstoßes zu knüpfen, ist schließlich nicht einschlägig. II. Externes Whistleblowing durch Betriebsratsmitglieder Bisher ungeklärt ist die Zulässigkeit des externen Whistleblowings durch Be­ triebsratsmitglieder.905 Sie sind zwar letztlich nur eine besondere Gruppe der Arbeitnehmer, können aber ein besondere Interesse haben,906 den Arbeitgeber 903 

Rudkowski, CCZ 2013, 204, 207. Näher, auch zu Ausnahmen, Rudkowski, CCZ 2013, 204, 207 f. 905  Hier auch im Sinne von Mitgliedern des Gesamt- oder Konzernbetriebsrats. 906  Beispiel bei Zimmer/Seebacher, CCZ 2013, 31, 33. 904 

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durch Whistleblowing zu kontrollieren.907 Dies ist umso bedeutender, als der Betriebsrat oft aufgrund seiner Informationsrechte908 besser informiert sein wird als der nur in einem eingeschränkten Bereich tatsächlichen Informations­ zugang genießende „einfache“ Arbeitnehmer. Die Ausgangslage ist dennoch grundsätzlich keine andere als beim externen Whistleblowing durch Arbeitnehmer: Der Betriebsrat bricht seine arbeitsver­ tragliche909 Geheimhaltungspflicht, und diese Verletzung der arbeitsvertragli­ chen Pflichten muss gerechtfertigt werden. Daher ist bei einer Offenlegung gegenüber einer Behörde das Interesse des Arbeitgebers an der Wahrung der Geheimhaltung mit dem Recht des Betriebs­ ratsmitglieds auf Wahrnehmung seiner staatsbürgerlichen Rechte gem. Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  20 Abs.  3 GG abzuwägen, anhand der gleichen Kriterien wie bei einem „einfachen“ Arbeitnehmer. Bei Offenlegung gegenüber sonstigen Dritten bleibt auch dem Betriebsratsmitglied grundsätzlich nur die Berufung auf die allgemeine Handlungsfreiheit gem. Art.  2 Abs.  1 GG. Anders als beim „einfachen“ Arbeitnehmer kann aber für den Betriebsrat eine gesetzliche Regelung für die Gewichtung der Interessen herangezogen werden. Gem. §  78 S.  2 BetrVG dürfen Betriebsratsmitglieder wegen ihrer Tä­ tigkeit nicht benachteiligt werden. §  78 S.  2 BetrVG richtet sich aber nur gegen die Schlechterstellung ohne sachliche Gründe.910 Die Stellung von Arbeitneh­ mern und Betriebsrat weist jedoch einige Unterschiede auf, die eine Differen­ zierung zwischen beiden Gruppen beim Whistleblowing zu rechtfertigen ver­ mögen. So hat der Betriebsrat nicht nur wie ein Arbeitnehmer tatsächlichen Informa­ tionszugang, sondern darüber hinaus Informationsrechte, die ihm weitreichen­ de Einblicke vermitteln können. Das vergrößert die potentielle Betroffenheit der Arbeitgeberinteressen. Darüber hinaus stehen dem Betriebsrat auch umfas­ sende Kontrollrechte zu, zumindest in sozialen, personellen und eingeschränkt auch in wirtschaftlichen Angelegenheiten. Diese kann er nutzen, auf rechtmä­ ßiges Verhalten des Arbeitgebers hinzuwirken, soweit möglich auch ggf. mithil­ fe der Einigungsstelle. Im Sinne der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§  2 Abs.  1 BetrVG) ist es hingegen nicht, wenn der Betriebsrat berechtigt ist, Fehl­ 907  Davon zu unterscheiden ist die Frage nach Beteiligungsrechten des Betriebsrats bei Im­ plementierung interner Whistleblowing-Systeme, dazu BAG, Beschl. v. 22.7.2008 – 1 ABR 40/07, BAGE 127, 146 ff. Aus der Literatur etwa Dzida, NZA 2008, 1265; Henssler/Schneider, RdA 2009, 319 ff. 908  Etwa gem. §  8 0 Abs.  2 BetrVG. 909 Die gesetzliche Geheimhaltungspflicht des §   79 Abs.  1 BetrVG betrifft nur solche ­Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die vom Arbeitgeber ausdrücklich als geheimhaltungs­ bedürftig bezeichnet worden sind, sodass die gesetzliche Geheimhaltungspflicht beim Whistle­blowing üblicherweise nicht betroffen ist. 910  BAG, Beschl. v. 20.1.2010 – 7 ABR 68/08, NZA 2010, 777; ErfK/Kania, §  78 BetrVG Rn.  7.

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verhalten des Arbeitgebers nach außen zu tragen. Externes Whistleblowing muss daher bei Betriebsratsmitgliedern abseits etwaiger gesetzlich geregelter Anzeigepflichten (wie z. B. §  138 StGB) ausgeschlossen sein. Eine Ausnahme vom Ausschluss könnte für Fallgruppen zu machen sein, in denen bei einem „einfachen“ Arbeitnehmer der Vorrang des innerbetrieblichen Abhilfeversuchs entfällt, wenn etwa Abhilfe vom Arbeitgeber berechtigterwei­ se nicht zu erwarten ist, z. B. weil der Arbeitgeber persönlich am Rechtsverstoß beteiligt ist oder ihm die Missstände bekannt sind und er sie billigt.911 Für den Betriebsrat aber, der gegen Maßregelungen des Arbeitgebers durch §  78 BetrVG geschützt ist, ist es zumutbar, gerade dann den Arbeitgeber zu kon­ frontieren, wenn dieser am Rechtsverstoß beteiligt ist. Gerade hierin besteht ein Zweck der Institution Betriebsrat, insbesondere, wenn es um Angelegenheiten geht, in denen er in seinen Aufgaben oder Befugnissen betroffen ist. Es muss Whistleblowing des Betriebsrats gegenüber Behörden auch nicht we­ nigstens in Bereichen zulässig sein, die nicht in die Zuständigkeit des Betriebs­ rats fallen. Denn aufgrund der besonderen Kompetenzen des Betriebsrats und des besonderen Schutzes, den er genießt, aber auch aufgrund der besonderen Verpflichtung auf vertrauensvolle Zusammenarbeit gem. §  2 Abs.  1 BetrVG, ist die Stellung seiner Mitglieder der eines einfachen Arbeitnehmers auch dann nicht vergleichbar. Nur innerhalb seiner Zuständigkeiten hat der Betriebsrat zwar rechtliche Einwirkungsmöglichkeiten auf den Arbeitgeber. So könnte der Betriebsrat nicht auf den Arbeitgeber Einfluss nehmen, Verstöße gegen das für ihn geltende Finanzaufsichtsrecht abzustellen. Jedoch ist die Missbrauchsge­ fahr, würde dem Betriebsrat ein Recht auf Whistleblowing eingeräumt, über die Maßen hoch: Um sonstige Konflikte mit dem Arbeitgeber zu seinen Gunsten zu lösen, könnte der Betriebsrat versucht sein, (vermeintliche) Rechtsverstöße des Arbeitgebers an die Behörden zu melden. Dies verschöbe das Kräftegleich­ gewicht im Betrieb. Ein Betriebsratsmitglied muss daher versuchen, mit dem ihm vom Gesetz gegebenen Kontrollmitteln den Arbeitgeber zur Aufgabe seines Fehlverhaltens zu zwingen. Ist danach das Whistleblowing des Betriebsrats gegenüber Behörden unzu­ lässig, muss dem Betriebsrat erst recht die Offenlegung (vermeintlicher) Miss­ stände gegenüber sonstigen Dritten verwehrt sein. Diese Form des Whistleblo­ wings ist schließlich grundrechtlich deutlich schwächer abgesichert als die Of­ fenlegung gegenüber den Behörden.912 Da die rechtliche Stellung des Betriebsrats in Betrieben des Finanzdienstleis­ tungssektors keine andere ist als in anderen Betrieben auch, müssen die hier 911  Zum Vorrang innerbetrieblicher Abhilfe und etwaigen Ausnahmen bei Arbeitnehmern bereits Rudkowski, CCZ 2013, 204, 206 f. 912  S. dazu oben I. 2.

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aufgestellten Grundsätze unabhängig von der Zugehörigkeit des Betriebs zum Finanzdienstleistungssektor gelten. III. Externes Whistleblowing durch Organmitglieder Die Grundsätze des Whistleblowings von Organmitgliedern wurden bisher kaum diskutiert,913 obgleich auch Organmitglieder potentielle Hinweisgeber sind. So ist etwa denkbar, dass ein Mitglied der Geschäftsleitung, das aus eige­ ner Kraft (etwa wegen eines Mehrheitsentscheids) eine rechtswidrige Maßnah­ me derselben nicht ändern kann, den Rechtsverstoß nach außen tragen will. Die Interessenlage ist bei einem alarmschlagenden Organmitglied grundsätz­ lich keine andere als bei einem Arbeitnehmer. Diesen treffen aus seinem Ar­ beitsvertrag,914 jenes aus seiner Organstellung915 herzuleitende Verschwiegen­ heitspflichten.916 Die Pflichtenbindung des Organmitglieds könnte freilich deutlich größer sein als die des Arbeitnehmers. Seine Verschwiegenheitspflichten sind teilweise gesetzlich kodifiziert917 und das Organmitglied ist gleichsam Teil des Unter­ nehmens, für das es tätig ist. Der Arbeitnehmer hingegen ist dem Arbeitgeber nur durch Arbeitsvertrag verpflichtet, es besteht ein Gegenüber. Dies könnte den Schluss rechtfertigen, die Verschwiegenheitspflicht des Organmitglieds sei grundsätzlich höher zu bewerten als die des Arbeitnehmers. Genauso gut kann die größere Pflichtenbindung aber gerade dazu führen, dass das Organmitglied ein gesteigertes Interesse am Whistleblowing hat, um sein Unternehmen vor Schaden zu bewahren. Ein grundsätzliches Übergewicht der Interessen der einen oder anderen Seite kann damit nicht festgestellt werden, sodass hier das Interesse des Unterneh­ mens an der Verschwiegenheitspflicht, herzuleiten aus dessen Berufsfreiheit gem. Art.  12 GG, mit den Rechten des Organmitglieds gem. Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  20 Abs.  3 GG abzuwägen ist. Bei Offenlegung gegenüber anderen Personen als Behörden ist auf Seiten des Organmitglieds lediglich Art.  2 Abs.  1 GG ein­ schlägig.918

913 

Ausnahme etwa: Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, §  93 Rn.  69, 81. S. oben I. 1. 915  A. A. soweit ersichtlich nur Fleischer, WM 2003, 1045, 1051 (Herleitung aus Anstel­ lungsvertrag; ohne inhaltliche Unterschiede). 916  Für den Vorstand und Aufsichtsrat der AG §§  93 Abs.  1 S.  3, 116 S.  2 AktG, aber herzu­ leiten aus der Treuepflicht des Organs. Für den Vorstand: Fleischer/Körber, Hdb VorstandsR, §  10 Rn.  1; K. J. Müller, NJW 2000, 3452, 3453; Rittmeister, NZG 2004, 1032, 1033; für den Aufsichtsrat: Lutter, Rn.  408; Säcker, NJW 1986, 803 ff. 917  S. §§  93 Abs.  1 S.  3, 116 S.  2 AktG für Vorstand und Aufsichtsrat der hier bedeutsamen Aktiengesellschaft. 918  Oder ggf. Art.  5 Abs.  1 S.  1 Fall 1 GG, die Meinungsfreiheit. Zur grundrechtlichen Lage beim Whistleblowing (durch Arbeitnehmer) bereits Rudkowski, CCZ 2013, 204, 205. 914 

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Aus dieser gleichen grundrechtlichen Ausgangslage folgt zunächst, dass Or­ ganmitglieder bei Finanzdienstleistungsunternehmen nicht grundsätzlich an­ ders zu behandeln sind als Organmitglieder in sonstigen Unternehmen. Zwar treffen erstere aufgrund des Finanzaufsichtsrechts besondere Pflichten, insbe­ sondere auch zur Offenlegung bestimmter Informationen gegenüber Behörden und der Öffentlichkeit.919 Beim Whistleblowing geht es jedoch um die Aus­ übung staatsbürgerlicher Rechte. Diese müssen für jeden Staatsbürger gleich sein. Differenziert werden kann daher nicht grundsätzlich, sondern nur im Ein­ zelfall. Die Schwere des angezeigten Rechtsverstoßes wird über die Abwägung mit dem Rechtsstaatsprinzip in die Bewertung des Falles einbezogen.920 Ist ein Rechtsverstoß von eher untergeordneter Bedeutung, bedarf seine Offenlegung stärker der Rechtfertigung, als wenn ein besonders schwerer Rechtsverstoß im Raume steht, der etwa die Funktionsfähigkeit des Finanzdienstleistungssektors gefährden könnte. Da die grundrechtliche Ausgangslage aber nicht nur für jedes Organmitglied gleich ist, sondern sie sich auch nicht von der Ausgangslage beim Whistleblo­ wing durch Arbeitnehmer unterscheidet, müssen beim Whistleblowing durch Organmitglieder grundsätzlich die gleichen Abwägungskriterien heranzuzie­ hen sein wie beim Whistleblowing durch Arbeitnehmer. Bestätigt wird diese These, führt man sich vor Augen, welche Machtverhältnisse im Unternehmen bestehen können: Ein Arbeitnehmer in leitender Funktion kann einen erhebli­ chen Spielraum und eine hinreichende Machtposition haben, auf die Geschicke des Unternehmens Einfluss zu nehmen. Umgekehrt aber kann ein Organmit­ glied, mit erheblichem kriminellem Potential seiner Kollegen konfrontiert, ebenso hilflos angesichts eines Rechtsverstoßes sein wie ein einfacher Arbeit­ nehmer. An den Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Whistleblowings und ins­ besondere an der Unzulässigkeit der Hinzuziehung anderer Personen als der zuständigen Behörden ändert sich daher grundsätzlich nichts im Vergleich zum Whistleblowing durch Arbeitnehmer.921 Whistleblowing eines Organmitglieds ist damit gegenüber Behörden zuläs­ sig, wenn die Vorwürfe berechtigt sind, seine Motivation nicht verwerflich ist und es vor Anzeige bei der Behörde einen internen Abhilfeversuch unternom­ men hat. Die Pflicht zur Verschwiegenheit, die Nähe des Organmitglieds zum Unter­ nehmen und seine erhebliche Machtposition, erfordern es jedoch, an den inter­ nen Klärungsversuch als Ausdruck der Erforderlichkeit der Offenlegung be­ sonders hohe Anforderungen zu stellen.922 Beim Organmitglied geht es, anders 919 

Oben §§  3, 4. I. 1. a) cc). 921  S. oben I. 922  I. Erg. ebenso Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, §  93 Rn.  69, 81. 920 

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als beim Arbeitnehmer, aufgrund seiner Machtposition weniger um Klärung als wirklich um Abhilfe: Ein Organmitglied ist verpflichtet, auf die Geschicke der Gesellschaft maßgeblich Einfluss zu nehmen.923 Daher hat es ihr rechtswidriges Verhalten abzustellen oder sich zu bemühen, dass seine Kollegen dies tun. Da das Organmitglied grundsätzlich davon ausgehen muss, dass seine Kollegen sich pflichtgemäß verhalten werden,924 darf es auch nicht unterstellen, der Ab­ hilfeversuch könnte wegen Aussichtslosigkeit entbehrlich sein. Lediglich ge­ setzliche Pflichten zur sofortigen Anzeige (z. B. gem. §  138 StGB) müssen sich gegen diesen Vorrang der innerbetrieblichen Abhilfe durchsetzen. IV. Fazit Whistleblowing des Arbeitnehmers gegenüber Behörden ist zulässig, wenn es sich als verhältnismäßige Reaktion auf ein Verhalten seines Arbeitgebers dar­ stellt. Gegenüber sonstigen Dritten ist es grundsätzlich ausgeschlossen. Whistleblowing des Betriebsrats ist demgegenüber auch gegenüber Behörden ausgeschlossen, insbesondere angesichts seiner besonderen Kontrollbefugnisse und seiner Verpflichtung zur vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Ar­ beitgeber. Das Whistleblowing von Organmitgliedern gegenüber Behörden ist zulässig, jedoch nur nach erfolglosem, stets erforderlichem internen Abhilfeversuch, an den im Vergleich zum Whistleblowing durch Arbeitnehmer deutlich höhere Anforderungen zu stellen sind. Im Übrigen ist das Whistleblowing unzulässig. Abweichungen von diesen Grundsätzen bei Finanzdienstleistern sind nicht erforderlich. Einer eigenen gesetzlichen Regelung bedarf es daher ebenfalls nicht.925

C. Folgerungen für Kontrolle durch Transparenz Die Untersuchung von Shaming und Whistleblowing hat gezeigt, dass abseits des Kapitalmarkts Transparenz für die Öffentlichkeit nicht Mittel der Kontrol­ le von Finanzdienstleistungsunternehmen sein kann. Die Interessen des zu kontrollierenden Unternehmens an einem gesetzmäßi­ gen Verfahren verbieten es nicht nur, die Öffentlichkeit zur Ermittlung von Rechtsverstößen einzusetzen, sondern grundsätzlich auch, sie zur Sanktionie­ rung von Rechtsverstößen heranzuziehen. Dies gilt selbst dann, wenn eine Be­ 923  S. z. B. die Geschäftsführungspflicht des Vorstands gem. §  76 Abs.  1 AktG/Überwa­ chungspflicht des Aufsichtsrats gem. §  111 Abs.  1 AktG. 924  Zum Grundsatz gegenseitigen Vertrauens etwa Habersack, WM 2005, 2360, 2363. 925 Forderung einer allgemeinen gesetzlichen Regelung des Whistleblowings bei Abraham, ZRP 2012, 11, 12; Leuchten, ZRP 2012, 142, 144; für eine gesetzliche Regelung zumin­ dest bei Organwaltern Forst, EuZA 2013, 37, 61.

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Teil 2: Transparenzpflichten von Finanzdienstleistungsunternehmen

hörde die zu veröffentlichenden Informationen vorher aufgearbeitet und einen Rechtsverstoß festgestellt und sanktioniert hat, die Öffentlichkeit folglich nur der Verstärkung von Kontrolle dient und das Verhalten des Unternehmens in wesentlichen Teilen nicht mehr selbst bewerten muss. Die Reaktion der Öffent­ lichkeit auf einen publik gewordenen Rechtsverstoß ist nicht ausreichend steu­ erbar, es besteht die Gefahr einer unberechtigten Überreaktion, aber auch einer zu gering ausfallenden Reaktion. Wirksame und angemessene Kontrolle kann Transparenz nur bewirken, wenn die kontrollierende Instanz effektive, aber auch steuerbare Sanktionsmöglichkeiten hat. Einer Demokratisierung von Kontrolle, wie Transparenzvorschriften sie auch bewirken sollen,926 steht dieses Ergebnis insoweit nicht entgegen, als die Öffentlichkeit zwar keine geeignete Kontrollinstanz ist, wohl aber jeder Ein­ zelne grundsätzlich den zuständigen Kontrollinstanzen Informationen über etwaige Rechtsverstöße (als „Whistleblower“) zukommen lassen darf. Gegen geschriebene oder ungeschriebene Regelungen, die sich (wie das Whistleblowing) Spezialkenntnisse Einzelner zunutze machen und ein bereits vorhandenes Kontrollinteresse ausnutzen, bestehen keine Bedenken. Die Of­ fenlegung baut hier allerdings auf punktuellem Sonderwissen auf und hängt stark von individuellen Entscheidungen beliebiger Personen und damit vom Zu­ fall ab. Informationsbeschaffung auf diesem Wege kann daher nur zusätzliches Element der Kontrolle mithilfe von Transparenz sein. Sie darf nicht andere, sys­ tematische Informationsbeschaffung (etwa durch Anzeige- und Berichtspflich­ ten der zu überwachenden Unternehmen gegenüber Behörden) ersetzen.

926  S. die gesellschaftlichen Entwicklungen, die dem Streben der Normgeber nach Trans­ parenz zugrunde liegen könnten, Teil 1 §  1.

Teil 3

Folgerungen für andere Rechtsgebiete §  1 Folgerungen für das Gesellschaftsrecht Für das Gesellschaftsrecht, genauer für das für Finanzdienstleistungsunterneh­ men besonders bedeutsame Aktienrecht,1 folgt aus der finanzaufsichtsrechtli­ chen Forderung nach mehr Transparenz zum einen die Frage, ob die gesell­ schaftsrechtlichen Informationsbeziehungen der Finanzdienstleistungsunter­ nehmen zu modifizieren sind, um Transparenz – intern, gegenüber der Öffentlichkeit und den Aktionären – zu herzustellen.2 Zum anderen hat das Finanzaufsichtsrecht in der Vergangenheit mitunter eine „Schrittmacherrolle“3 gegenüber dem Gesellschaftsrecht eingenommen, ist etwa mit der Einführung eines Risikomanagements Vorbild für das AktG ge­ wesen.4 Weitere Vorgaben des Finanzaufsichtsrechts könnten daher auf die ge­ sellschaftsrechtlichen Informationsbeziehungen von Gesellschaften aller Wirt­ schaftszweige zu übertragen sein.

A. Wirkungen des Finanzaufsichtsrechts für Aktiengesellschaften anderer Wirtschaftszweige Die Übertragung einzelner finanzaufsichtsrechtlicher Anforderungen an die internen Informationsbeziehungen 5 auf das Gesellschaftsrecht mag sich de lege ferenda anbieten; es werden jedoch darüber hinaus eine sog. „Ausstrahlungs­ wirkung“ und §  91 Abs.  2 AktG angeführt, um bereits nach gegenwärtiger

1  S. auch §  7 Abs.  1 VAG, die AG als eine der drei privatrechtlichen für Versicherungsun­ ternehmen zugelassenen Rechtsformen. 2  Im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum ist diese Frage Teil eines Themenkomplexes, der mitunter mit dem Schlagwort „Bankgesellschaftsrecht“ umschrieben wird, s. nur Langenbucher, ZHR 176 (2012), 652 ff. 3  Fleischer, ZIP 2003, 1, 10; Preußner, NZG 2004, 57. 4  Preußner, NZG 2004, 57, 60. S. auch noch sogleich unten A. II. zu §  91 Abs.  2 AktG. 5  Oben Teil 2 §  1.

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Teil 3: Folgerungen für andere Rechtsgebiete

Rechtslage einen Gleichlauf von Finanzaufsichts- und Gesellschaftsrecht zu konstruieren. I. Ausstrahlungswirkung des Finanzaufsichtsrechts Der Begriff der „Ausstrahlungswirkung“ stammt ursprünglich aus dem Verfas­ sungsrecht und bezeichnet den Umstand, dass bei der Auslegung des einfachen Rechts der objektive Wesensgehalt der Grundrechte zu berücksichtigen ist. Dies hat zur Folge, dass die Grundrechte mittelbar über die Generalklauseln des Zivilrechts auch im Verhältnis zwischen Privatpersonen zur Geltung gelan­ gen können. 6 Mittlerweile wird der Begriff der Ausstrahlungswirkung jedoch in verschiedenen Rechtsgebieten und Kontexten verwendet, insbesondere im Gesellschaftsrecht.7 Vor allem problematisiert das Schrifttum eine Ausstrah­ lungswirkung des Finanzaufsichtsrechts auf das Aktienrecht.8 Voraussetzungen und Inhalt einer finanzaufsichtsrechtlichen „Ausstrah­ lungswirkung“ auf das Aktienrecht sind jedoch weitgehend unklar. Jedenfalls meint „Ausstrahlung“ schon dem Wortsinn nach, dass Wertungen einer Norm oder Normengruppe auf eine andere übertragen werden, weil „Regelungen des Wirtschaftsaufsichtsrechts in ausgewählten Bereichen das Gesellschaftsrecht überholt haben und ihrerseits auf die aktienrechtliche Legalverfassung zurück­ wirken.“9 Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass die aufsichtsrechtlichen Rege­ lungen detaillierter sind als die aktienrechtlichen und sich damit auch auf die „Normal-AG“10 auswirken und die aktienrechtlichen Anforderungen insbe­ sondere im Bereich des §  91 Abs.  2 AktG konkretisieren müssen.11 Anders als eine Analogie12 setzt die Ausstrahlung aber keine planwidrige Re­ gelungslücke des Gesetzes voraus, sondern wohl nur eine vergleichbare Interes­ senlage.13 Jedenfalls müsse der ausstrahlende Rechtssatz eine ausreichende „Bindungswirkung“ aufweisen.14 Dafür genüge, dass eine aufsichtsrechtliche Pflicht besteht. Ausreichend sei auch eine nur mittelbare Pflicht, d. h. eine

6  BVerfG, Urt. v. 15.1.1958 – 1 BvR 400/51, BVerfGE 7, 198 ff. („Ausstrahlung der Mei­ nungsfreiheit auf das Bürgerliche Recht“). 7  Ausstrahlungswirkung des AktG auf das GmbHG Bork, ZIP 2011, 101; Oetker, ZHR 175 (2011), 527, 537 ff.; Ausstrahlungswirkung des DCGK Weiß, Hybride Regelungsinstru­ mente, S.  87. 8  Dreher, ZGR 2010, 496, 501; Weber-Rey, ZGR 2010, 543, 565. 9  Fleischer, ZIP 2003, 1, 10. 10  Dreher, ZGR 2010, 496, 505. 11  Dreher, ZGR 2010, 496, 505. 12  Voraussetzungen einer Analogie beschrieben bei Larenz/Canaris, S.  202 ff. 13  Zumindest klingt diese Überlegung bei einigen Literaturvertretern an, Liebscher, in: MünchKomm-GmbHG, §  51 Rn.  83 zur Frage der Ausstrahlung umwandlungsrechtlicher Verfahrensvorschriften; wohl auch Dreher, ZGR 2010, 496, 503; Kort, NZG 2008, 81, 83. 14  Weber-Rey, ZGR 2010, 543, 567.

§  1 Folgerungen für das Gesellschaftsrecht

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Norm, deren Einhaltung zwar nicht durchgesetzt, deren Nichteinhaltung aber sanktioniert werden kann.15 Die Ausstrahlung soll außerdem positiv wie negativ erfolgen können, negativ, da das Aufsichtsrecht als Lex specialis eine schrankenbildende Funktion gegen­ über dem Aktienrecht hat.16 Was einem Finanzdienstleistungsunternehmen nicht abverlangt wird, darf einer „normalen“ AG erst recht nicht zugemutet werden. Positiv hingegen sollen aufsichtsrechtliche Wertungen diejenigen des Aktienrechts aller Unternehmen (nicht nur der Finanzdienstleister) mit prägen können.17 Ausstrahlungswirkung komme etwa §  25a KWG a. F.18 zu,19 der jedenfalls mit „Vorsicht“ zur Konkretisierung von §  91 Abs.  2 AktG heranzuziehen sein soll.20 Auch zu §  64a VAG ist geäußert worden, dass sich aus der spezialgesetz­ lichen Regelung „möglicherweise“ Folgerungen für das Verständnis der §§  76, 93 AktG ableiten lassen.21 Methodisch kann es damit bei der Ausstrahlungswirkung um eine Einwir­ kung des Aufsichtsrechts auf das Gesellschaftsrecht über „Einbruchstellen“22 (wie konkretisierungsbedürftige Normen) gehen, ähnlich der eingangs be­ schriebenen mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte. Die Ausstrahlungs­ wirkung kann aber auch als wertende Berücksichtigung eines Rechtsgedankens zu verstehen sein,23 wobei zuzugeben ist, dass die Übergänge der einen Varian­ te in die andere fließend sind. Die Unklarheiten machen jedenfalls deutlich, dass eine einfachgesetzliche Ausstrahlungswirkung dem deutschen Recht bisher fremd ist. Die verfassungs­ rechtliche Ausstrahlungswirkung ist fest umrissen und systemkonform be­ gründbar: Das Grundgesetz steht an der Spitze der nationalen Normenhierar­ chie und muss daher auch bei der Auslegung des einfachen Rechts wirken.24 Eine einfachgesetzliche Ausstrahlungswirkung als eigenes Rechtsinstitut kann jedoch nur anerkannt werden, wenn sie einen sinnvollen, verfassungsge­ mäßen Zweck verfolgt und sich auch dogmatisch begründen lässt.

15  Weber-Rey, ZGR 2010, 543, 567. Zur Abgrenzung zwischen unmittelbar und mittelbar verpflichtenden Regelungssätzen s. S.  555 ff. 16  Dreher, ZGR 2010, 496, 503. 17  Dreher, ZGR 2010, 496, 503 f. 18  In der bis einschließlich zum 31. Dezember 2013 geltenden Fassung. 19  Preußner, NZG 2004, 303, 305. 20  Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, §  91 Rn.  43; ablehnend Blasche, CCZ 2009, 62, 64. 21  Kort, NZG 2008, 81, 83. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob die Anforderungen des Finanzaufsichtsrechts bei Finanzdienstleistungsunternehmen in Form der AG bei Ausle­ gung der §§  76, 93 AktG zu berücksichtigen sind (dazu B. II.). 22  BVerfG, Urt. v. 15.1.1958 – 1 BvR 400/51, BVerfGE 7, 198; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art.  1 Abs.  3 Rn.  65. 23  Dreher, ZGR 2010, 496, 505. 24  BVerfG, Urt. v. 15.1.1958 – 1 BvR 400/51, BVerfGE 7, 198, 205 f.

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Teil 3: Folgerungen für andere Rechtsgebiete

Der Zweck der Ausstrahlungswirkung könnte etwa in der Ausfüllung be­ stimmter Gesetzeslücken oder in der Beseitigung etwaiger gesetzlicher Wer­ tungswidersprüche liegen. So könnte sie das Aktienrecht korrigieren oder er­ gänzen in Fällen, in denen zum Finanzaufsichtsrecht gleiche Wertungen zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, nur, weil unterschiedliche Gesetze im Spiel sind. Ihre Grundlage wären dann das Prinzip der Einheit der Rechtsord­ nung25 und der Gleichheitssatz (Art.  3 Abs.  1 GG). Diesem widerspricht es, werden gleiche Gefahrenlagen unterschiedlich durch denselben Normgeber ge­ regelt.26 Jedoch ist das Finanzaufsichtsrecht Ausdruck gerade der besonderen Gefahren des Finanzdienstleistungssektors.27 Dass es grundsätzlich schärfere Regelungen trifft als das Gesellschaftsrecht, ist kein Defizit, das über eine Aus­ strahlungswirkung behoben werden müsste. Soweit es im Einzelfall aber ungerechtfertigte Widersprüche zwischen ­Ak­tien- und Finanzaufsichtsrecht oder sonstige Unklarheiten über das Verhält­ nis der beiden Rechtsgebiete geben könnte, lassen sich diese grundsätzlich mit anerkannten Methoden der Auslegung vermeiden oder beheben, 28 ohne dass dazu ein Institut (positiver oder negativer) „Ausstrahlungswirkung“ herange­ zogen werden müsste. Die Notwendigkeit, eine „negative Ausstrahlungswirkung“ anzuerkennen, entfällt schon dadurch, dass bereits ein Erstrecht-Schluss zu dem Ergebnis führt, dass eine AG, welche die Anforderungen des Finanzaufsichtsrechts er­ füllt, zugleich auch die entsprechenden Normen des Aktienrechts einhält. Der „negativen Ausstrahlungswirkung“ bedarf es aber auch nicht, um zu dem Er­ gebnis zu gelangen, dass auslegungsbedürftige Normen des Aktienrechts (z. B. §  91 Abs.  2 AktG) nicht dahin gehend konkretisiert werden dürfen, dass sie sich den Anforderungen des Finanzaufsichtsrechts (z. B. der Pflicht zur Installation eines Risikomanagements) angleichen. Hätte der Gesetzgeber schließlich ver­ gleichbare Anforderungen im Aktienrecht aufstellen wollen, hätte er dies tun können und sich nicht mit ausfüllungsbedürftigen Vorschriften begnügen müs­ sen.29 Das Finanzaufsichtsrecht ist hier grundsätzlich nicht übertragbares Lex specialis,30 seine Anforderungen gelten nur für Finanzdienstleistungsunterneh­ men. Eine „positive Ausstrahlungswirkung“, um die Wertungen einer Norm auf einen vergleichbaren ungeregelten Sachverhalt zu übertragen, ist aber ebenfalls 25 Dazu

Schmidt, in: Schmidt (Hrsg.), Vielfalt des Rechts, S.  9, 10 f. Bereits BVerfG, Urt. v. 23.10.1951 – 2 BvG 1/51, BVerfGE 1, 14, 52 entnahm Art.  3 Abs.  1 GG eine Garantie der Rechtsetzungsgleichheit. Dazu Alexy, S.  358 f. 27  Armbrüster, VersR 2009, 1293, 1295; Bürkle, WM 2005, 1496, 1499; Dreher, ZGR 2010, 496, 502; Weber-Rey, ZGR 2010, 543, 571. 28 Etwa durch verfassungskonforme Auslegung, dazu BVerfG, Beschl. v. 6.12.2005 – 1 BvR 1905/02, BVerfGE 115, 51, 67; Beschl. v. 1.3.1978 – 1 BvL 20/77, BVerfGE 48, 40, 45. 29  S. dazu auch noch sogleich II. 30  Armbrüster, VersR 2009, 1293, 1295; Dreher, ZGR 2010, 496, 502. 26 

§  1 Folgerungen für das Gesellschaftsrecht

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nicht erforderlich. Instrument hierfür ist vielmehr die Analogie.31 Es könnte mithin allenfalls die Analogiefähigkeit der finanzaufsichtsrechtlichen Vor­ schriften geprüft werden.32 Dabei wäre zu berücksichtigen, dass für das Ver­ hältnis gleichrangiger Gesetze zueinander grundsätzlich der Vorrang des Lex specialis gilt33 und dass das Finanzaufsichtsrecht für das Aktienrecht Lex specialis ist.34 Sieht man hingegen die finanzaufsichtsrechtlichen Regelungen eher als Aus­ druck einer allgemeingültigen Wertung, würden sie also lediglich allgemeingül­ tige Anforderungen an die Geschäftsorganisation eines jeden Unternehmens konkretisieren,35 müsste angesetzt werden bei dem ungeschriebenen allgemei­ nen Grundsatz. Dieser, nicht primär das Finanzaufsichtsrecht, müsste zur Aus­ legung der aktienrechtlichen Vorschriften herangezogen werden. Einer Aus­ strahlungswirkung bedürfte es folglich auch in diesem Fall nicht. Der zentrale Vorteil der (positiven) Ausstrahlungswirkung dürfte in den Au­ gen ihrer Befürworter sein, dass ihre Voraussetzungen weniger streng sind als die der Analogie; insbesondere bedarf es zur Annahme einer Ausstrahlungs­ wirkung keiner planwidrigen Regelungslücke. Zumindest wird die Ausstrah­ lungswirkung ohne sie konstruiert, solange es nur eine Norm gibt, die ausstrah­ len könnte.36 Auf diesem Wege können die strengeren Voraussetzungen der Analogie umgangen werden und damit zugleich der Vorrang der gesetzgeberi­ schen Entscheidung: Mit einer Ausstrahlungswirkung können nahezu beliebig Wertungen des Aufsichtsrechts auf das Aktienrecht übertragen werden, solange nur Sachverhalte bestehen, die in irgendeiner Form ähnliche Fragen aufwerfen. Mit der Annahme einer Ausstrahlungswirkung würde folglich ein Instrument geschaffen, den Gesetzgeber nach Belieben zu korrigieren. Es ist aber nicht Aufgabe der rechtswissenschaftlichen Literatur, gesetzgeberische Entscheidun­ gen über eine „Ausstrahlungswirkung“ zu umgehen, die Rechtsetzung an sich zu ziehen und die Regelungshoheit der Legislative in Frage stellen. Eine „Ausstrahlungswirkung“ des Aufsichts- auf das Gesellschaftsrecht be­ steht daher nicht. 37

31 

Larenz/Canaris, S.  202 ff. Armbrüster, VersR 2009, 1293, 1295; Bürkle, WM 2005, 1496, 1499; Dreher, ZGR 2010, 496, 502; Weber-Rey, ZGR 2010, 543, 571. 33  Larenz/Canaris, S.  88. 34  Armbrüster, VersR 2009, 1293, 1295; Dreher, ZGR 2010, 496, 502. 35  So wohl VG Frankfurt am Main, Urt. v. 8.7.2004 – 1 E 7363/03, VersR 2005, 57, 60 („Bruderhilfe“); kritisch Armbrüster, VersR 2009, 1293, 1295; Weber-Rey, NZG 2010, 543, 570; Wolf, VersR 2005, 1042. 36  S. etwa Weber-Rey, ZGR 2010, 543, 567. 37  I. Erg. ebenso Armbrüster, VersR 2009, 1293, 1295; Bürkle, WM 2005, 1496. 32 

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Teil 3: Folgerungen für andere Rechtsgebiete

II. §  91 Abs.  2 AktG als Einfallstor finanzaufsichtsrechtlicher Wertungen Alternativ wird der im Jahr 1998 mit dem KonTraG38 eingeführte §  91 Abs.  2 AktG als Einfallstor39 für Vorschriften des Finanzaufsichtsrechts vorgeschla­ gen.40 Diese Lösung weist Parallelen zum Weg der Übertragung aufsichtsrecht­ licher Vorgaben über die positive Ausstrahlungswirkung auf. Auch Vertreter der Ausstrahlungswirkung nehmen teilweise auf §  91 Abs.  2 AktG Bezug.41 Sie wollen jedoch finanzaufsichtsrechtliche Vorgaben auf §  91 Abs.  2 AktG über­ tragen. Sieht man §  91 Abs.  2 AktG hingegen als „Einfallstor“ an, werden nicht aufsichtsrechtliche Anforderungen auf §  91 Abs.  2 AktG übertragen, sondern es gleichen die aktienrechtlichen Anforderungen den aufsichtsrechtlichen (zumin­ dest teilweise). Um als „Einfallstor“ dienen zu können, müsste §  91 Abs.  2 AktG aber an die Geschäftsorganisation der Aktiengesellschaft dem Finanzaufsichtsrecht gleiche oder vergleichbare Anforderungen stellen. §  91 Abs.  2 AktG verlangt auf einer ersten Stufe42 vom Vorstand, die Früher­ kennung bestandsgefährdender Entwicklungen durch geeignete Maßnahmen zu gewährleisten.43 Den Bestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklung kann etwa die Aufnahme risikobehafteter Geschäfte sein, die sich negativ auf die Vermögens-, Ertrags- oder allgemein auf die Finanzlage des Unternehmens wesentlich auswirken können, z. B. der Derivatehandel.44 Maßnahmen sind zur Früherkennung geeignet, wenn nach der Erfahrung erwartet werden darf, dass der Vorstand erforderliche Informationen rechtzeitig erhält,45 was im Rahmen des Leitungsermessens des Vorstands zu beurteilen ist,46 unter Berücksichti­ gung der in Frage stehenden nachteiligen Entwicklungen und der Eigenheiten des konkreten Unternehmens.47

38  Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich vom 27. April 1998, BGBl.  I S.  786. 39  Das BVerfG spricht bei der Wirkung der Grundrechte von „Einbruchstellen“, BVerfG, Urt. v. 15.1.1958 – 1 BvR 400/51, BVerfGE 7, 198, 205; zust. Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art.  1 Abs.  3 Rn.  65. 40  So noch das vor Erlass des §  6 4a VAG gegenüber einem Versicherer ergangene „Bruder­ hilfe“-Urteil, VG Frankfurt am Main, Urt. v. 8.7.2004 – 1 E 7363/03, VersR 2005, 57, 60; kri­ tisch Armbrüster, VersR 2009, 1293, 1295; ders., VersR 2011, 1, 11; Dreher, ZGR 2010, 496, 531; Weber-Rey, ZGR 2010, 543, 570 f. 41  LG Berlin, Urt. v. 3.7.2002 – 2 O 358/01, AG 2002, 682, 683 f.; dafür auch Preußner, NZG 2004, 303, 305. 42 Aufteilung nach Drygala/Drygala, ZIP 2000, 298, 299  f.; ebenso Preußner/Becker, NZG 2002, 846, 847. 43  Zu Mindestanforderungen Blasche, CCZ 2009, 62, 63 ff. 44  RegE KonTraG, BT-Drs. 13/9712, S.  15. 45  Hemeling, ZHR 175 (2011), 368, 370; Hüffer, AktG, §  91 Rn.  7. 46  Drygala/Drygala, ZIP 2000, 297, 303; Huth, BB 2007, 2167. 47  RegE KonTraG, BT-Drs. 13/9712, S.  15.

§  1 Folgerungen für das Gesellschaftsrecht

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Auf einer zweiten Stufe erfordert §  91 Abs.  2 AktG sodann die Überwachung der erkannten Risiken und der zu ihrer Bewältigung getroffenen Maßnahmen.48 Nach dem Wortlaut des §  91 Abs.  2 AktG ist unklar, ob die „geeigneten Maß­ nahmen“ zur Risikofrüherkennung oder die „bestandsgefährdenden Entwick­ lungen“ überwacht werden sollen.49 Die Antwort hierauf könnte entscheidend sein, den Regelungsgehalt der Norm genau zu bestimmen. §  91 Abs.  2 AktG ordnet zwar nicht ausdrücklich die Schaffung eines Risikomanagementsystems an; wären jedoch die bestandsgefährdenden Entwicklungen zu überwachen, so ließe sich überlegen, sei das gleichzusetzen mit der Pflicht zur Einführung eines Risikomanagements im betriebswirtschaftlichen Sinne, einschließlich Vor­ schriften zur Risikobewältigung.50 Daraus folgte zugleich, dass etwaige auf­ sichtsrechtliche Anforderungen an das Risikomanagement als Spezialvorschrif­ ten §  91 Abs.  2 AktG bei Finanzdienstleistungsunternehmen verdrängen, aber alle Aktiengesellschaften dem Finanzaufsichtsrecht zumindest vergleichbaren Standards unterworfen würden. Selbst wenn aber die bestandsgefährdenden Entwicklungen gem. §  91 Abs.  2 AktG mit zu überwachen wären, wäre das System nach dem Willen des Gesetz­ gebers nicht gleichzusetzen mit einem Risikomanagementsystem, wie es Ban­ ken oder Versicherungsunternehmen nach ihrem Aufsichtsrecht vorweisen müssen.51 Der Gesetzgeber äußert zwar in seiner Gesetzesbegründung, es gehe ihm um ein „angemessenes Risikomanagementsystem“ der Aktiengesellschaf­ ten.52 Er versteht darunter aber keinesfalls ein Risikomanagement im betriebs­ wirtschaftlichen Sinne, sondern ein System, das gewährleistet, dass der Vor­ stand über die wesentlichen das Unternehmen betreffenden Risiken im Bilde ist und ihre Entwicklung und ggf. Bewältigung verfolgt.53 Der Gesetzgeber geht dabei davon aus, dass eine Pflicht zur Errichtung eines solchen Systems bereits nach Rechtslage vor Schaffung des §  91 Abs.  2 AktG bestand, und §  91 Abs.  2 AktG nur der Verdeutlichung dient.54 Vor Schaffung des §  91 Abs.  2 AktG ließ sich freilich eine Pflicht zur Risikoerkennung und -überwachung aus der Lei­ tungsverantwortung des Vorstands (§  76 Abs.  1 AktG) herleiten, nicht aber eine Pflicht zum Risikomanagement im technischen Sinne.55 Die Wortwahl des §  91 Abs.  2 AktG lässt sich auch damit erklären, dass ein System, das nur die Früherkennung von Risiken verlangt, aber nicht ihre wei­ tergehende Überwachung und ggf. ihre Bewältigung durch das Unternehmen, 48 

Aufteilung nach Stufen bei Drygala/Drygala, ZIP 2000, 298, 299. Pahlke, NJW 2002, 1680, 1682 f.; Preußner/Becker, NZG 2002, 846, 847 f. 50 Dafür Preußner/Becker, NZG 2002, 846, 847 f.; a. A. Blasche, CCZ 2009, 62, 63; Pahlke, NJW 2002, 1680, 1682 f. 51  S. oben Teil 2 §  1 B. I. 1. und II. 2. 52  RegE KonTraG, BT-Drs. 13/9712, S.  15. 53  RegE KonTraG, BT-Drs. 13/9712, S.  15. 54  RegE KonTraG, BT-Drs. 13/9712, S.  15. 55  Pahlke, NJW 2002, 1680, 1683. 49 

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Teil 3: Folgerungen für andere Rechtsgebiete

zu kurz griffe. Schließlich erfordert die Leitung eines Unternehmens strategi­ sche Entscheidungen, die ein ordentlicher Geschäftsleiter nur treffen kann, wenn er etwaige selbst generierte oder von außen kommende Risiken in seine Erwägungen einbezieht.56 Die Schaffung einer effektiven Informationsordnung im Unternehmen ist wesentliche Aufgabe der Geschäftsleitung.57 Es handelt sich bei der Risikofrüherkennung letztlich um ein Element ordnungsgemäßer Organisation der Gesellschaft, und damit zugleich um eine Konkretisierung des von §  93 Abs.  1 S.  1 AktG vorgegebenen Sorgfaltsmaßstabs („ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter“).58 §  91 Abs.  2 AktG führt damit den Un­ ternehmen nur ein (wesentliches) Element des Handelns auf ausreichender In­ formationsgrundlage vor Augen,59 das Handeln unter Berücksichtigung sämtli­ cher potentiell existenzbedrohender Risiken. Mit einem Risikomanagement im betriebswirtschaftlichen Sinne ist dies aber nicht gleichzusetzen und auch von einer Konkretisierung der Leitungspflicht kann kaum gesprochen werden,60 eher von einer mahnenden Erinnerung des Gesetzgebers. 61 Den Anforderungen kann damit durch Begründung unmiss­ verständlicher Zuständigkeiten, durch ein engmaschiges Berichtswesen zur systematischen Bewertung von Informationen und durch Dokumentation Rechnung getragen werden. 62 Das bestätigen auch scheinbar widersprüchliche Äußerungen des Gesetzge­ bers im Gesetzgebungsverfahren zum BilMoG:63 §  91 Abs.  2 AktG verpflichte zwar zur Einrichtung „eines umfassenden internen Risikomanagements“, das „eine methodische und fortdauernde Risikofrüherkennung und ihre systemati­ sche Überwachung“ zu gewährleisten hat. Dabei geht es jedoch um ein „allge­ meines“ Risikomanagementsystem, losgelöst von der Rechnungslegung und damit von betriebswirtschaftlichen Standards. Der Gesetzgeber betont dies, indem er „Ob und Wie“ des umfassenden Risikomanagementsystems dem Vor­ stand überlässt. 64 §  91 Abs.  2 AktG verpflichtet demnach zwar nicht nur zur Erkennung, son­ dern auch zur Überwachung von Risiken. Eine Pflicht zur Einrichtung eines umfassenden Risikomanagementsystems im betriebswirtschaftlichen Sinne sollte mit der Norm aber nicht geschaffen werden.

56 

Pampel/Glage, in: Hauschka (Hrsg.), §  5 Rn.  1. Dreher, in: FS Claussen, S.  69, 83. 58  Bürkle, VersR 2009, 866, 871; RegE KonTraG, BT-Drs. 13/9712, S.  15. 59  Schäfer/Zeller, BB 2009, 1706, 1708. 60  So aber Hemeling, ZHR 175 (2011), 368, 370. 61  I. Erg. ebenso Hommelhoff, in: FS Sandrock, S.  373; Sänger, S.  2 22. 62  Huth, BB 2007, 2167, 2168 ff.; so schließlich doch zutreffend Hüffer, AktG, §  91 Rn.  10. 63  RegE BilMoG, BT-Drs. 16/10067, S.  102. 64  RegE BilMoG, BT-Drs. 16/10067, S.  102. 57 

§  1 Folgerungen für das Gesellschaftsrecht

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Damit bleibt §  91 Abs.  2 AktG deutlich hinter den finanzaufsichtsrechtlichen Anforderungen zurück und ist folglich nicht Einfallstor für aufsichtsrechtliche Standards. III. Erweiterung der aktienrechtlichen Informationsbeziehungen durch Einführung neuer Kontrollinstanzen Auch wenn eine grundsätzliche Übertragung aufsichtsrechtlicher Anforderun­ gen an die Geschäftsorganisation auf das Aktienrecht nicht möglich ist, 65 kann doch das Aufsichtsrecht Anhaltspunkte und Anregungen bieten, die für das Gesellschaftsrecht in Zukunft durch Implementierung einiger neuer Institute nutzbar gemacht werden könnten. 66 Begründen ließe sich die Übertragung von Geschäftsorganisationspflichten mit einer gesteigerten Kontrollbedürftigkeit auch der „Normal-AG“ in einer immer komplexer werdenden Umwelt oder mit der Erwägung, dass der Staat nach Abschaffung des Konzessionssystems im 19. Jahrhundert eine besondere Verantwortung zur und bei der Regulierung der AG trage. 67 1. Implementierung neuer Geschäftsorganisationspflichten Sowohl VAG als auch KWG kennen das Prinzip der ordnungsgemäßen Ge­ schäftsorganisation (§§  64a VAG, 25a KWG n. F.). 68 Im Grundsatz bedeutet dieses Erfordernis erst einmal nichts weiter, als dass die Geschäftsorganisation des Unternehmens so ausgerichtet sein muss, dass die Einhaltung der für das Unternehmen einschlägigen gesetzlichen Bestimmun­ gen und betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten gewährleistet ist (so aus­ drücklich §  25a Abs.  1 S.  1 KWG n. F.). 69 Das gesellschaftsrechtliche Legalitätsprinzip aber verpflichtet die Gesell­ schaft70 und damit den Vorstand bereits jetzt, sich rechtskonform zu verhal­ ten.71 Außerdem versteht es sich, dass Gesetze einzuhalten sind, auch ohne aus­ drücklichen Befehl.72 Zu den Sorgfaltspflichten des Vorstands gehört aber nicht nur die Einhaltung der Gesetze, sondern die Einhaltung der Sorgfalt eines or­ 65 

S. oben I. und II. Bürkle, BB 2005, 565, 567. 67  Bayer, NZG 2013, 1, 6; Hommelhoff, AG 1995, 529, 531. 68  S. oben Teil 2 §  1. 69  Ebenso wie in der bis einschließlich zum 31. Dezember 2013 geltenden a. F. Ähnlich, allerdings bisher nur mit implizitem Bezug zu betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten (nämlich über die Anforderungen des Aufsichtsrechts) §  6 4a Abs.  1 S.  1 VAG. 70  Um nichts anderes handelt es sich bei Problemen der Corporate Compliance, Hauschka, in: Hauschka (Hrsg.), §  1 Rn 2. 71  Fleischer, ZIP 2005, 141, 142 ff.; Goette, ZHR 175 (2011), 388, 391; Ringleb, in: Ringleb/ Kremer/Lutter/v. Werder, Rn.  575; näher Habersack, in: FS U. Schneider, S.  429 ff. 72  Hopt, in: Großkomm-AktG, §  93 Rn.  99; Langenbucher, ZBB 2013, 16, 21. 66 

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Teil 3: Folgerungen für andere Rechtsgebiete

dentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters (§  93 Abs.  1 S.  1 AktG), was wiederum die Einhaltung anerkannter betriebswirtschaftlicher Regeln erfor­ dert.73 Aus beidem folgt zugleich ohne Weiteres, dass das Unternehmen so or­ ganisiert werden muss, dass sein rechtskonformes und wirtschaftliches Verhal­ ten sichergestellt ist. Bei Verstößen gegen ihre gesetzlichen Pflichten droht der Gesellschaft gegenüber dem Geschädigten und dem Vorstand gegenüber der Gesellschaft zumindest zivilrechtliche Haftung. Eine Regelung zur Geschäftsorganisation im Aktienrecht ist daher nur dann sinnvoll, wenn zugleich eine nähere Konkretisierung erfolgt, etwa eine Pflicht zur Einrichtung einer internen Revision und eines Risikomanagements. Einer solchen Konkretisierung steht verfassungsrechtlich zunächst einmal nichts im Wege, solange nur der Gesetzgeber ein Bedürfnis sieht, hier tätig zu werden. So enthält §  91 Abs.  2 AktG bereits eine (eingeschränkte) Pflicht zum Risikomanagement.74 Allerdings zeigt §  91 Abs.  2 AktG auch das grundlegende Problem einer ge­ sellschaftsrechtlichen Regelung auf. Die Norm ist sehr allgemein gehalten, was sich damit erklären lässt, dass darüber hinausgehende Pflichten zwingend den Besonderheiten der jeweiligen Branche, in welcher die Gesellschaft tätig ist, Rechnung tragen müssen. Ein verhältnismäßiger Eingriff in das von Art.  2 Abs.  1 GG geschützte Recht auf freie Unternehmensorganisation setzt voraus, dass Geschäftsorganisationspflichten auf die Risiken und Besonderheiten der jeweiligen Geschäftstätigkeit abgestimmt sind, sonst müssen zwangsläufig Zweifel an ihrer Geeignetheit und/oder Erforderlichkeit aufkommen. Andere Wirtschaftszweige aber können zwar auch in hohem Maße regulie­ rungsbedürftig sein. Die Regulierungsbedürftigkeit ergibt sich jedoch, wie im Finanzdienstleistungssektor, weniger aus der Rechtsform der Unternehmen als aus ihrem Geschäftsmodell. So kann etwa die Tätigkeit eines Unternehmens aus Gesichtspunkten des Umwelt- oder Gesundheitsschutzes75 oder zur Versor­ gung der Bevölkerung mit lebenswichtigen Leistungen76 besonders regulie­ rungsbedürftig sein. Ob es sich indes um eine AG oder eine GmbH oder über­ haupt um eine Kapitalgesellschaft handelt, ist dabei eher zweitrangig. Eine Pflicht zur Installation einer internen Revision, mit deren Hilfe die Ein­ haltung aufsichtsrechtlicher Anforderungen kontrolliert werden soll,77 ist daher im Gesellschaftsrecht ebenso fehl am Platze wie eine an die finanzaufsichts­ rechtlichen Vorgaben angelehnte Pflicht zum Risikomanagement (§§  64a Abs.  1 73 

Heermann, ZIP 1998, 761, 763; Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, §  93 Rn.  83. Zum Inhalt der Pflicht im Einzelnen s. oben A. II. 75  S. z. B. §  1 ChemG für Industrien, die chemische Stoffe und Gemische herstellen oder verarbeiten; §  1 KrWG für Abfallerzeuger; §  1 Abs.  1 LFGB für betroffene Wirtschaftsbetei­ ligte. 76  S. z. B. §  1 Abs.  1 EnWG für Energieversorgungsunternehmen; §  1 TKG für Betreiber von Telekommunikationsnetzen/Anbieter von Telekommunikationsdiensten. 77  Oben Teil 2 §  1 B. II. 2. 4. 74 

§  1 Folgerungen für das Gesellschaftsrecht

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S.  3, 4 VAG, 25a Abs.  1 S.  3 KWG n. F.).78 Erstere muss zwingend angepasst sein an die Vorschriften des jeweiligen besonderen Aufsichtsrechts, was zu einer Ausdifferenzierung führen müsste, die das Gesellschaftsrecht nur überfordern kann. Letzteres ist einer Besonderheit des Finanzdienstleistungssektors, näm­ lich dem Umstand geschuldet, dass das Geschäftsmodell von Finanzdienstleis­ tungsunternehmen zu einem gewissen Teil in der Übernahme von Risiken be­ steht,79 die Anfälligkeit daher hier besonders groß ist. Mit einem einzigen Gesetz den unterschiedlichen Risiken verschiedener Branchen Rechnung zu tragen, ist praktisch ausgeschlossen, sodass eine aktien­ rechtliche Konkretisierung der Geschäftsorganisationspflichten abzulehnen ist. Eine nur allgemeine Geschäftsorganisationspflicht etwa vergleichbar §   25a Abs.  1 S.  1 KWG n. F. ginge hingegen nicht weiter als die bereits bestehende Legalitätspflicht und bedarf daher keiner gesetzlichen Regelung. 2. Insbesondere: Pflicht zur Einrichtung einer Compliance-Funktion Eine Pflicht zur Einrichtung einer Compliance-Funktion besteht in Deutsch­ land80 nicht. 81 Wie der Vorstand die Einhaltung der Gesetze und sonstigen Pflichten der Gesellschaft sicherstellt, ist seiner pflichtgemäßen Ermessensent­ scheidung überlassen. 82 Die Einrichtung einer speziellen Funktion ist grund­ sätzlich nicht erforderlich. Das Finanzaufsichtsrecht indes sieht mit §  33 Abs.  1 S.  2 Nr.  1, 5 WpHG und seit dem 1. Januar 2014 mit §  25a Abs.  1 S.  3 2. Hs. Nr.  3 lit.  c) KWG n. F. die Pflicht zur Einrichtung einer Compliance-Funktion vor. Als Erweiterung der Pflicht zur Compliance (im Sinne der Pflicht, Gesetze und sonstige Rechtsvor­ schriften einzuhalten) könnte sie auch ihren Weg ins Gesellschaftsrecht fin­ den.83 Nicht einmal für alle Finanzdienstleistungsunternehmen jedoch besteht eine Pflicht zur Einrichtung einer Compliance-Funktion. Erst mit Umsetzung von Solvency II wird sie etwa auch Versicherungsunternehmen erfassen.84 Wenn aber bereits für Finanzdienstleister eine solche Pflicht nicht durchgän­ gig besteht (mag auch faktisch die Einrichtung einer Compliance-Funktion aus Gesichtspunkten der Haftungsvermeidung verbreitet sein), bedarf es erst recht keiner solchen Funktion bei den grundsätzlich weniger regulierungsbedürfti­ 78 

Zum Verhältnis dieser beiden Instanzen zueinander schon Teil 2 §  1 B. I. 2. und II. 2. Oben Teil 1 §  2 A. I. 80  Ausnahmen insbesondere für US-börsennotierte ausländische Unternehmen aufgrund des SOX, dazu Nicklisch, S.  47 ff. 81  Fleischer, AG 2003, 291, 299 f.; Hauschka, in: Hauschka (Hrsg.), §   1 Rn 23; Louven/ Ernst, VersR 2014, 151, 153; Ringleb, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Rn.  588; a. A. Schneider, ZIP 2003, 645, 648 f. 82  Bürkle, in: Hauschka (Hrsg.), §  8 Rn 15. 83 Dafür Schneider, ZIP 2003, 645, 648 f. 84  Teil 2 §  1 B. II. 3. 79 

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Teil 3: Folgerungen für andere Rechtsgebiete

gen Unternehmen außerhalb dieser Branche.85 Dies gilt umso mehr, als be­ stimmte, gefahrgeneigte Unternehmen eigenen aufsichtsrechtlichen Bestim­ mungen unterstellt sind und über spezifisch auf ihre Gefährdungslage abge­ stimmte Beauftragte verfügen müssen, zu deren Aufgaben die Überwachung der besonderen aufsichtsrechtlichen Bestimmungen gehört. 86 IV. Fazit Eine allgemeine Übertragung der geschäftsorganisatorischen Anforderungen des Finanzaufsichtsrechts auf das Aktienrecht, etwa über eine Ausstrahlungs­ wirkung oder §  91 Abs.  2 AktG, ist nicht möglich. 87 Die Einführung neuer Kontrollinstanzen und Informationsbeziehungen nach dem Vorbild des Fi­ nanz­aufsichtsrechts ist abzulehnen. Das finanzaufsichtsrechtliche Streben nach Transparenz muss ohne Folgen für die „Normal-AG“ bleiben.

B. Modifikation der aktienrechtlichen Informationsbeziehungen in Finanzdienstleistungsunternehmen Mag das Aktienrecht auch grundsätzlich unabhängig neben dem Finanzauf­ sichtsrecht stehen, 88 könnte das Aufsichtsrecht doch in den Unternehmen, die ihm unterworfen sind, Änderungen des dort einschlägigen Gesellschaftsrechts erforderlich machen. Der gesetzgeberischen Forderung nach mehr Transparenz muss das Unternehmen im Ganzen folgen. Daher könnten diejenigen Offenle­ gungsvorschriften, die für die Gesellschaft selbst und für die Aktionäre (bei börsennotierten Gesellschaften in einer Doppelfunktion als Gesellschafter und zugleich „Öffentlichkeit“) 89 Grundlage für Steuerung und Kontrolle sind, im Sinne der Transparenz anzupassen sein. I. Informationsbeziehungen zu den Aktionären Zur Herstellung von Transparenz für die Aktionäre insbesondere hinsichtlich wirtschaftlicher Lage und Entwicklung des Unternehmens sieht das Aktien­ recht zahlreiche aktive Offenlegungspflichten der Gesellschaft vor.90 Ergänzt 85 

Zur besonderen Regulierungsbedürftigkeit des Finanzdienstleistungssektors Teil 1 §  2. den Betriebsbeauftragten für Abfall in Betrieben, die bestimmte Anlagen betreiben, gem. §  58 KrwG, oder den Immissionsschutzbeauftragten, §  55 Abs.  1 BImSchG. 87 Davon zu unterscheiden sind die Auswirkungen des Aufsichtsrechts auf die aktien­ rechtliche Haftung durch Erweiterung des Pflichtenkreises des Vorstands, s. z. B. Armbrüster, VersR 2009, 1293, 1293 f. 88  S. soeben A. I. und II. 89  I.S.d. finanzaufsichtsrechtlichen Kontrollmodells, oben Teil 2 §  4 A. I. 90  Insbesondere im Bereich der Rechnungslegung, §§  171 Abs.  2 , 176 Abs.  1, 120 Abs.  3 S.  2 , 3 AktG. 86  S.

§  1 Folgerungen für das Gesellschaftsrecht

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werden sie durch passive Offenlegungspflichten, insbesondere durch das Auskunfts­recht des Aktionärs in der Hauptversammlung (§  131 Abs.  1 AktG) als Kernvorschrift der Aktionärsrechte.91 Die Norm unterliegt jedoch deutli­ chen Einschränkungen, von denen besonders das spezielle Auskunftsverweige­ rungsrecht für Vorstände von Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten gem. §  131 Abs.  3 S.  1 Nr.  6 AktG ins Auge fällt.92 Gemäß dieser Vorschrift darf der Vorstand die Auskunft verweigern, soweit Angaben über angewandte Bilanzie­r ungs- und Bewertungsmethoden sowie vorgenommene Verrechnun­ gen im Jahresabschluss, Lagebericht, Konzernabschluss oder Konzernlagebe­ richt nicht gemacht zu werden brauchen.93 Setzte sich §  131 Abs.  3 S.  1 Nr.  6 AktG damit in unauflösbaren Widerspruch zu den Wertungen des Finanzauf­ sichtsrechts und seinem Streben nach Transparenz des Unternehmens für die Öffentlichkeit, müsste die Norm gestrichen werden. Wäre sie hingegen als not­ wendige Ausnahme vom Grundsatz der Transparenz einzuordnen, mit welcher der Gesetzgeber z. B. den hier geäußerten Bedenken zur Kontrolle durch die Öffentlichkeit94 Rechnung tragen will, wäre zu prüfen, ob die Norm auch auf Versicherungsunternehmen zu erstrecken ist. §   131 Abs.   3 S.   1 Nr.   6 AktG knüpft schließlich an die Privilegierungen der Kreditinstitute im Bereich der Rechnungslegung (§§  340 ff. HGB) an,95 die Parallelen zu denen der Versiche­ rungsunternehmen aufweisen (§§  341 ff. HGB).96 Es wäre dann auch zu erör­ tern, ob die Vorschrift unionsrechtlich unbedenklich ist.97 91  Kubis, in: MünchKomm-AktG, §  131 Rn.  1. Weitere passive Offenlegungspflichten er­ geben sich etwa bei der Sonderprüfung gem. §  142 AktG, die mit einem für jedermann zu­ gänglichen Prüfungsbericht (§§  142, 145 Abs.  6 AktG, 9 Abs.  1 HGB) beendet wird. Zur Son­ derprüfung ausf. Hüffer, ZHR 174 (2010), 642 ff.; Jänig, BB 2005, 949 ff. 92  Zu weiteren, praktisch bedeutsamen Einschränkungen jüngst der BGH: BGH Beschl. v. 5.11.2013 – II ZB 28/12, BGHZ 198, 354 ff. (zur Beschränkung des Auskunftsrechts auf An­ gelegenheiten, die „zur sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erfor­ derlich“ sind, §  131 Abs.  1 S.  1 AktG); Beschl. v. 14.1.2014 – II ZB 5/12, NZG 2014, 423 (zur Auskunftsverweigerung gem. §  131 Abs.  3 Nr.  1 AktG). 93  Anders noch vor Einführung der Vorschrift der BGH, Urt. v. 9.2.1987 – II ZR 119/86, BGHZ 101, 1, 6 ff.: Auskunftsverweigerungsrecht gem. §  131 Abs.  3 S.  1 Nr.  1 AktG kann sich ergeben, wenn die durch eine Auskunft drohenden Gefahren, deren Eintritt nach dem mit vermieden werden sollte, so groß sind, dass sie die Auskunftsverweigerung rechtfertigen; dem folgend und ein Abwägungserfordernis entgegen dem klaren Wortlaut des §  131 Abs.  3 S.  1 Nr.  6 AktG annehmend vereinzelte Stimmen in der Literatur: Heidel, in: Heidel (Hrsg.), §  131 AktG Rn.  74. 94  Oben Teil 2 §  4 C. I. 95  Und greift deshalb nur, wenn die Gesellschaft von den Befreiungsmöglichkeiten tat­ sächlich Gebrauch gemacht hat, Kubis, in: MünchKomm-AktG §  131 Rn.  133. 96 Z. B. bei den Ausnahmen vom Transparenzgebot bei der Bilanzierung bei Versiche­ rungsunternehmen und Kreditinstituten (§§  340a Abs.  2 S.  3, 341a Abs.  2 S.  3 HGB mit ihrer Ausnahme von §  246 Abs.  2 HGB, dem Saldierungsverbot). 97  Art 9 Abs.  2 EU-Richtlinie 2007/36/EG vom 11. Juli 2007 über die Ausübung bestimm­ ter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften, ABl.  EU Nr. L 184, S.  17 ff. ge­ stattet die Verweigerung der Antwort nur aus „Geschäftsinteressen“ des Unternehmens; §  131 Abs.  3 S.  1 Nr.  6 AktG will jedoch einem öffentlichen Interesse dienen. Deshalb für Unverein­

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Teil 3: Folgerungen für andere Rechtsgebiete

Nach dem Finanzaufsichtsrecht, dem Banken- wie zukünftig auch dem Ver­ sicherungsaufsichtsrecht, soll nicht mehr nur die Aufsichtsbehörde die Einhal­ tung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen anhand der wirtschaftlichen Da­ ten des Unternehmens prüfen können, sondern auch die Öffentlichkeit. Da trotz einiger Ausnahmen zum Geheimnisschutz das Aufsichtsrecht nach Trans­ parenz strebt,98 muss erst recht auch im Verhältnis zu den Aktionären der Ge­ sellschaft Transparenz bestimmender Grundsatz sein. Der Ansatz der Kontrol­ le durch die Öffentlichkeit mag in seiner derzeitigen Form verfehlt sein, vor al­ lem angesichts der deutlichen Defizite der Kontrollinstanz;99 Bedenken gegen die Aktionäre als Kontrollinstanz bestehen aber in vergleichbarem Maße nicht. Sie mögen zwar bei börsennotierten Gesellschaften Teil der Öffentlichkeit sein und überdies, angesichts der leichten Löslichkeit ihrer Bindungen zum Unter­ nehmen und ihres durch die Summe ihrer Investition limitierten Verlustrisikos, ein nur geringes Interesse an der Kontrolle der Gesellschaft haben. Ihr Kon­ trollinteresse ist aber immer noch größer als das weiter Teile der Öffentlich­ keit.100 Die Aktionäre sind immerhin überhaupt tatsächlich und rechtlich in ir­ gendeiner Weise mit dem Unternehmen verbunden. Aus diesem Grund gewährt ihnen das AktG auch rechtliche Mittel der Kontrolle (neben dem Auskunfts­ recht etwa das Recht zur Anstrengung einer Sonderprüfung gem. §  142 AktG oder zur Beschlussanfechtung gem. §  243 AktG).101 Die Erwägung, dass Aktionäre im Vergleich zur Öffentlichkeit grundsätzlich die stärkere Kontrollinstanz sind, spricht auch aus §  131 Abs.  1 S.  3 AktG.102 Anders als die Öffentlichkeit müssen sich die Aktionäre Privilegierungen des Unternehmens bei der Rechnungslegung nicht entgegen halten lassen. Ihr In­ formationsbedürfnis ist größer als das der Öffentlichkeit, und dies selbst bei kleinen Gesellschaften, bei denen das Kontrollinteresse der Aktionäre, wie das öffentliche, möglicherweise nicht einmal besonders ausgeprägt ist. Hiergegen ist allenfalls einzuwenden, dass die von §  131 Abs.  1 S.  3 AktG in Bezug genommenen Erleichterungen auf der Erwägung beruhen, kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften sollten in ihrem eigenen Interesse, nämlich zum Schutz vor Wettbewerbern, nicht mit unverhältnismäßig hoher Transpa­ renz bei der Rechnungslegung belastet werden.103 §  131 Abs.  3 S.  1 Nr.  6 AktG hingegen wird als Ausdruck eines öffentlichen Interesses an der Funktionsfä­

barkeit mit Unionsrecht Kubis, in: MünchKomm-AktG §  131 Rn.  106; Zetzsche, NZG 2007, 686, 688 f.; a. A. J. Schmidt, BB 2006, 1641, 1643 (ohne Begründung). 98  S. Teil 2 §  4. 99  S. bereits Teil 2 §  4 C. I. 100  Zum fehlenden Kontrollinteresse der Öffentlichkeit s. Teil 2 §  4 C. I. 1. 101  Zu den fehlenden rechtlichen Bindungen und Kontrollrechten der Öffentlichkeit oben Teil 2 §  4 C. I. 102  Überblick über diese Vorschrift bei Meilicke/Heidel, DStR 1992, 113, 113. 103 MünchKomm-BilanzR/Kessler/Freisleben, §  276 HGB Rn.  5.

§  1 Folgerungen für das Gesellschaftsrecht

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higkeit des Finanzdienstleistungssektors angesehen.104 Damit wird jedoch deutlich, dass §  131 Abs.  3 S.  1 Nr.  6 AktG letztlich ein Fremdkörper in der ge­ setzlichen Regelung ist: Im Interessenausgleich von Gesellschaft (oder Vor­ stand) und Aktionären, den §  131 Abs.  3 AktG herstellen soll,105 wird system­ fremd ein im öffentlichen Interesse liegender Verweigerungsgrund angebracht und ihm wird sogar absoluter Vorrang106 vor den Informationsinteressen der Aktionäre eingeräumt. Diese Systemwidrigkeit wiegt umso schwerer, als nicht angenommen werden kann, §  131 Abs.  3 S.  1 Nr.  6 AktG sei im öffentlichen Interesse erforderlich. Das Auskunftsverweigerungsrecht beruht auf der Befürchtung, die Öffentlichkeit könnte die Informationen, die ohne die Norm aufgrund von §  131 Abs.  1 AktG ergänzend zu den Informationen gem. §§  340l Abs.  1 S.  1 i. V. m. §  325 Abs.  2–5 HGB zu offenbaren wären, missverstehen, die wirtschaftliche Lage des Kredi­ tinstituts schlechter einschätzen, als sie ist, und das Vertrauen in das Unterneh­ men verlieren. Im Ergebnis könne es aufgrund des Vertrauensverlusts zum „bank run“ und damit erst recht zur Krise des Unternehmens oder gar des ge­ samten Bankensektors kommen.107 Dies soll §  131 Abs.  3 S.  1 Nr.  6 AktG ver­ meiden, indem er gestattet, die Öffentlichkeit über die genaue wirtschaftliche Lage der Unternehmen im Unklaren zu lassen. Dass ein solcher Geschehensab­ lauf bei Nichtzurückhaltung der in §  131 Abs.  3 S.  1 Nr.  6 AktG genannten In­ formationen wahrscheinlich ist, ist indes zweifelhaft, jedenfalls aber steht die Annahme im Widerspruch zum Finanzaufsichtsrecht. Aufgrund der finanzauf­ sichtsrechtlichen Vorschriften erlangt die Öffentlichkeit nicht weniger sensible Informationen als sie aufgrund der durch das Auskunftsrecht gem. §  131 Abs.  1 AktG ergänzten §§  340 ff. HGB erhalten würde. Einen „bank run“ befürchtet der Finanzaufsichtsrechtsgesetzgeber aber nicht. Im Gegenteil akzeptiert er, indem er auf die Öffentlichkeit als finanzauf­ sichtsrechtliches Steuerungsinstrument setzt, dass ihre Reaktion möglicherwei­ se fehlerbehaftet oder übermäßig ist, und nutzt diese Gefahr sogar als zentrales Element der Kontrolle: Die Furcht vor einer existenziellen Krise soll präventiv wirken, dem Management Anreiz bieten, sich bei der Führung des Unterneh­ mens besonders um dauerhaften Erfolg zu bemühen.108 Dass dieses Konzept 104  Kubis, in: MünchKomm-AktG, §   131 Rn.  132; Siems, in: Spindler/Stilz, AktG, §  131 Rn.  51. 105  Interessenausgleich von Gesellschaft und Aktionären bei §  131 Abs.  3 S.  1 Nr.  1–4 und Nr.  7 AktG, Interessenausgleich von Vorstand und Aktionären bei §  131 Abs.  3 S.  1 Nr.  5 AktG. 106  Vor Inkrafttreten des §  131 Abs.  3 S.  1 Nr.  6 AktG am 1. Januar 1991 wurden etwaige Geheimhaltungsinteressen der Gesellschaft im Bereich der heutigen Nr.  6 bei Nr.  1 im Wege einer Interessenabwägung berücksichtigt, BGH, Urt. v. 9.2.1987 – II ZR 119/86, BGHZ 101, 1, 6 ff. 107  Kolassa, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, BankrechtsHdb, §  137 Rn.  50. 108  S. oben Teil 2 §  4 A.

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Teil 3: Folgerungen für andere Rechtsgebiete

problematisch ist, wurde dargelegt.109 Wer es aber im Finanzaufsichtsrecht her­ anzieht, der muss es erst recht im Aktienrecht, wo angesichts der stärkeren Kontrollinstanz Hauptversammlung weitaus weniger Bedenken bestehen, kon­ sequent zum Einsatz bringen. Um kontrollieren zu können, bedarf die Kon­ troll­instanz der Information, gerade auch der durch §  131 Abs.  3 S.  1 Nr.  6 AktG ausgeschlossenen Information.110 §  131 Abs.  3 S.  1 Nr.  6 AktG ist daher zu streichen. Jeder Aktionär muss ver­ langen können, dass ihm in der Hauptversammlung Jahresabschluss und Lage­ bericht in der Form vorgelegt werden, die sie ohne Anwendung der §§  340 ff. HGB hätten. Daraus folgt zugleich, dass §  131 Abs.  3 S.  1 Nr.  6 AktG nicht auf Versicherungsunternehmen zu erstrecken ist.111 II. Interne Informationsbeziehungen Obgleich den aufsichtsrechtlichen Vorschriften zur internen Transparenz keine „Ausstrahlungswirkung“ zukommt, bleibt doch das Finanzaufsichtsrecht bei Finanzdienstleistungsunternehmen nicht ohne Wirkungen für das Aktienrecht. Die Legalitätspflicht erstreckt sich auch auf die Einhaltung der aufsichtsrechtli­ chen Vorschriften,112 und wo das Aufsichtsrecht Pflichten der Geschäftsleitung oder des Aufsichtsrats statuiert, muss dies Folgen haben für die Haftung der Organe gem. §  93 (i. V. m. §  116 S.  1 AktG).113 Es erweitert den Kreis der poten­ tiell möglichen Pflichtverletzungen. Daraus könnte zu folgern sein, es bedürfe einer Modifikation der bestehen­ den, noch näher zu bestimmenden aktienrechtlichen Informationsbeziehungen in Finanzdienstleistungsunternehmen, einer Erweiterung der internen Offen­ legungspflichten: Mehr Information ist notwendig, um die Einhaltung der auf­ sichtsrechtlichen Pflichten zu prüfen, und zugleich die Haftung der Organmit­ glieder zu beschränken.114

109 

S. oben Teil 2 §  4 C. I. Zetzsche, NZG 2007, 686, 689. 111  Ein weiterer Grund, §  131 Abs.  3 S.  1 Nr.  6 AktG nicht auf Versicherungsunternehmen zu erstrecken, läge darin, dass die Gefahr des Zusammenbruchs des Unternehmens aufgrund eines übereilten Rückzugs ihrer Kunden, wie §  131 Abs.  3 S.  1 Nr.  6 AktG sie vermeiden will, bei Versicherern aufgrund ihres Geschäftsmodells ohnehin geringer ist als bei Banken. 112  Armbrüster, VersR 2009, 1293, 1294 f. 113  Armbrüster, VersR 2009, 1293, 1294 f. 114  Über die sog. Business Judgment Rule: Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Organmitglied vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Infor­ mation zum Wohle der Gesellschaft zu handeln, §  93 Abs.  1 S.  2 AktG (ggf. i. V. m. §  116 S.  1 AktG). 110 

§  1 Folgerungen für das Gesellschaftsrecht

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1. Offenlegungspflichten des Vorstands gegenüber dem Aufsichtsrat Ob das Recht des Aufsichtsrats in jüngerer Zeit einen solchen „Quantensprung“ gemacht hat, dass der Aufsichtsrat „vom Kontrolleur zum Mitunternehmer“ geworden ist,115 muss hier nicht bewertet werden. Jedenfalls gewinnt er, etwa mit dem Ausbau der Pflichten des Vorstands, stetig an Bedeutung.116 Die gesetz­ lichen Regelungen zu den Informationsbeziehungen des Aufsichtsrats zum Vorstand117 sind jedoch in der jüngeren Vergangenheit nicht mehr angepasst worden, was den Schluss nahelegen könnte, die Informationsversorgung des Aufsichtsrats als Kontrollgremium118 für den Vorstand sei nicht mehr ausrei­ chend, jedenfalls in Finanzdienstleistungsunternehmen. a) Berichtspflicht und Einsichtsrecht (§§  9 0, 111 Abs.  2 AktG) Zentrale Vorschrift und zugleich Mindestvorgabe119 zu den Offenlegungs­ pflichten des Vorstands gegenüber dem Aufsichtsrat ist gem. §  90 Abs.  1, 2 AktG, dass der Vorstand dem Aufsichtsrat über bestimmte, in Absatz 1 aufge­ zählte Belange der Gesellschaft und der Angelegenheiten etwaiger Tochterge­ sellschaften in bestimmten, in Absatz 2 genannten Intervallen zu berichten hat,120 einschließlich im Jahr 2002 eingeführter follow-up-Berichterstattung.121 §  90 Abs.  4 AktG stellt als inhaltliche Anforderung lediglich auf, dass die Be­ richte einer gewissenhaften und treuen Rechenschaft entsprechen müssen.122 Der Vorstand berichtet daher, was und wie er es nach seinem Ermessen für not­ wendig erachtet.123 Die notwendigerweise zu treffende inhaltliche Auswahl muss diejenigen Informationen enthalten, die aus Sicht der Geschäftsleitung für ein verständiges Organmitglied erforderlich sind, um die betreffenden Vorgän­ ge zu beurteilen.124

115 

Lutter, DB 2009, 775. „Professionalisierung“ des Aufsichtsrats Bachmann, AG 2011, 181, 188, 193; Lutter, DB 2009, 775 ff.; Weber-Rey, WM 2009, 2255, 2261. Überblick über die frühere Entwick­ lung bei Leyens, S.  131 f. Speziell zu den Anforderungen an Aufsichtsräte in Unternehmen im Anwendungsbereich des KWG: Lehrl, BKR 2010, 485, 500; zu Anforderungen an Aufsichts­ räte in der GmbH: Link/Vogt, BB 2011, 1899 ff. 117  Zu den (umstrittenen) Informationsbeziehungen des Aufsichtsrats zu den Mitarbeitern Korte, Die Information des Aufsichtsrats durch die Mitarbeiter, 2009, passim; Leyens, S.  175, 182 ff. 118  Zu den Funktionen des Aufsichtsrats ausf. Roth, ZGR 2012, 343, 346 ff. 119  S. nur die Empfehlung Nr.  3.4.3 im DCGK. 120  Zur Form der Berichte §  9 0 Abs.  1 S.  3 und Abs.  4 S.  2 AktG. Aus der Literatur etwa Manger, NZG 2010, 1255, 1256. 121 S. Begr RegE TransPuG, BT-Drs. 14/8769, S.   13 f. Zu den Änderungen durch das TransPuG etwa Bosse, DB 2002, 1592 ff.; Elsing/Schmidt, BB 2002, 1705 ff. 122  Lutter, Rn.  252. 123  Elsing/Schmidt, BB 2002, 1705, 1706. 124  Reuter, NZG 2015, 249, 253. 116  Zur

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Teil 3: Folgerungen für andere Rechtsgebiete

Neben die periodische Berichterstattung treten eine anlassbezogene Be­ richtspflicht des Vorstands gem. §  90 Abs.  1 S.  3 AktG und das weit auszulegen­ de125 Recht des Aufsichtsrats, auch einzelner Mitglieder, gem. §  90 Abs.  3 AktG jederzeit vom Vorstand einen Bericht über alle Vorgänge126 zu verlangen. Gegenstück des §  90 Abs.  3 AktG ist §  111 Abs.  2 S.  1 AktG, der dem Auf­ sichtsrat als Gesamtorgan127 zur Erfüllung seiner Aufgaben ein weitgehendes Einsichts- und Prüfungsrecht an die Seite stellt, flankiert von dem Recht, ein­ zelne seiner Mitglieder, aber auch Sachverständige mit der Prüfung zu beauftra­ gen (§  111 Abs.  2 S.  2 AktG).128 Die Norm macht deutlich, dass der Aufsichtsrat sich nicht nur nicht auf die Berichte des Vorstands verlassen muss, sondern sich auch nicht unumschränkt auf sie verlassen darf.129 Er ist auch bei der Informati­ onsbeschaffung eigenverantwortlich tätig und kann sich nicht darauf berufen, der Vorstand habe ihn nicht informiert.130 Von §§  90 Abs.  3, 111 Abs.  2 S.  1, 2 AktG hat der Aufsichtsrat immer dann Gebrauch zu machen, wenn dies zur effektiven Wahrnehmung seiner Kontroll­ aufgaben erforderlich ist,131 gesprochen wird auch von „Pflichtrechten“.132 Um­ gekehrt darf er tätig werden, wann immer dies nach seiner Einschätzung erfor­ derlich ist, um dem Überwachungsauftrag mit der gebotenen Sorgfalt nachzu­ kommen.133 Regelmäßig werden die Einzelheiten in einer Informationsordnung geregelt.134 b) Schranken der Informationsrechte Die umfassenden Offenlegungspflichten der §§  90, 111 AktG werden zwar ein­ geschränkt durch §  242 BGB und das Verbot des Rechtsmissbrauchs.135 Insbe­ sondere querulatorisches oder schikanöses Verhalten des Aufsichtsrats, etwa

125 

Spindler, in: MünchKomm-AktG, §  9 0 Rn.  33. nur über solche mit „erheblicher Bedeutung“, a. A. nur Ambrosius, DB 1979, 2165 ff. 127  BGH, Beschl. v. 25.6.2008 – II ZR 141/07, BeckRS 2008, 20488 Rn.  16. 128  Ausf. zu dieser „Sonderprüfung“ oder „besonderen Prüfung“ durch Sachverständige Hoffmann-Becking, ZGR 2011, 136 ff. 129  Geiser, S.  175 f.; Lutter, Rn.  288. 130  Geiser, S.  175 f.;. S. auch 3.4 Abs.  1 DCGK. 131  Habersack, in: MünchKomm-AktG, §  111 Rn.  61. S. zum Spezialfall des Tätigwerdens des Aufsichtsrats bei Verdacht auf eine Sorgfaltspflichtverletzung des Vorstands Eichner/ Höller, AG 2011, 885 ff. 132  Henssler, in: Henssler/Strohn, GesR, §  111 AktG Rn.  10; Hüffer, NZG 2007, 47, 49. 133  Habersack, in: MünchKomm-AktG, §  111 Rn.  66; zur Ermessensentscheidung Leyens, S.  178 ff. 134 Der Empfehlung der Ziff.   3.4 Abs.  3 S.  1 DCGK folgend. Zur Informationsordnung etwa Leyens, S.  145 ff. 135  Leyens, S.  170. 126 Nicht

§  1 Folgerungen für das Gesellschaftsrecht

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Berichtsverlangen, die offensichtlich keinen Erkenntnisgewinn bieten kön­ nen,136 muss der Vorstand nicht hinnehmen.137 Die §§  90, 111 AktG enthalten aber keine ausdrücklichen Regelungen zum Schutz etwaiger entgegenstehender Interessen des Vorstands, etwa von Ge­ heimhaltungsinteressen. Das legt nahe, dass ein anerkennenswertes Geheim­ haltungsinteresse des Vorstands gegenüber dem Aufsichtsrat in Angelegenhei­ ten der Gesellschaft138 nicht besteht. Der Aufsichtsrat ist zur Überwachung des Vorstands berufen (§  111 Abs.  1 AktG) und haftet für eine ordnungsgemäße Erfüllung seiner Überwachungspflicht der Gesellschaft nach §§  116 S.  1, 93 AktG, sodass er berechtigt sein muss, von allen Geschäftsvorfällen Kenntnis zu erlangen.139 Geheimnisschutz läge nicht nur nicht im Interesse des Aufsichts­ rats, sondern auch nicht im Interesse der u. U. vor ihrem Vorstand zu schützen­ den Gesellschaft. Etwaigen Geheimhaltungsinteressen der Gesellschaft gegen­ über außenstehenden Dritten wird hingegen Rechnung getragen durch die Ver­ schwiegenheitspflicht des Aufsichtsrats, die aus der Treuepflicht zur Gesellschaft herzuleiten ist140 und die in §  116 S.  2 AktG noch einmal vom Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht wurde.141 Sie trägt dem rechtlichen wie tatsächlichen Infor­ mationszugang des Aufsichtsrats Rechnung. Doch auch wenn die grundsätzlich unumschränkte Offenheit gegenüber dem Aufsichtsrat unabdingbar ist, um ihm die Ausübung seiner Tätigkeit zu ermög­ lichen,142 muss mit bewussten oder unbewussten Indiskretionen des Aufsichts­ rats gerechnet werden, die zur Gefährdung von Geschäftsgeheimnissen füh­ ren.143 In der Literatur wurde diese Gefahrenlage vor allem mit Blick auf mitbe­ stimmte Gesellschaften erörtert.144 Hintergrund ist die Überlegung, dass Arbeitnehmervertreter die Geheimhaltung gefährden könnten.145 Freilich kann auch ein Aufsichtsratsmitglied, das einen Wettbewerber repräsentiert, eine Ge­ 136 

Übersicht über die Lit. bei Manger, NZG 2010, 1255, 1257. Begr RegE TransPuG, BT-Drs. 14/8769, S.  14. 138  Zum Streitstand, ob Verschwiegenheitsabreden des Vorstands mit Dritten die Offenle­ gungspflichten gegenüber dem Aufsichtsrat beschränken Manger, NZG 2010, 1255, 1257 mit sachgerechter Lösung. 139  Hüffer, NZG 2007, 47, 50; Lutter/Krieger, Rn.  191. 140  Spindler, in: MünchKomm-AktG, §  93 Rn.  96; ähnlich der BGH mit einer Herleitung aus Treue- und Sorgfaltspflicht, BGH, Urt. v. 5.6.1975 – II ZR 156/73, BGHZ 64, 325, 327. 141  Weiter diff. für Sonderfälle Lutter, Rn.  141 ff. 142  BGH, Urt. v. 26.3.1956 – II ZR 57/55, BGHZ 20, 239, 246. 143  Diese Konstellation ist nicht deckungsgleich mit Fällen der Befangenheit eines Auf­ sichtsratsmitglieds, weil dessen eigene Angelegenheiten betroffen sind, s. dazu die sachge­ rechte Lösung bei Weninger, S.  148 f. 144  S. zur Diskussion Säcker, NJW 1986, 803 ff.; Sina, NJW 1990, 1016 ff.; für von der öf­ fentlichen Hand entsandte Mitglieder des Aufsichtsrats Schwintowski, NJW 1990, 1009. All­ gemein zu Interessenkonflikten Lutter, Rn.  388; Weninger, Mitbestimmungsspezifische Inte­ ressenkonflikte von Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat, passim. 145  S. zur Diskussion Säcker, NJW 1986, 803 ff.; zu den Interessenkonflikten von Arbeit­ nehmervertretern im Aufsichtsrat Weninger, S.  51 ff. 137 

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Teil 3: Folgerungen für andere Rechtsgebiete

fahr für die Vertraulichkeit darstellen.146 Jedenfalls aber darf die Unzuverlässig­ keit einzelner Aufsichtsratsmitglieder nicht den Geheimnisschutz der Gesell­ schaft gefährden. Soweit es allein um das Verhältnis von Vorstand und Auf­ sichtsrat geht, besteht zwar ein Grundsatz der Transparenz. Der Vorstand ist zur Offenheit gegenüber dem Aufsichtsrat verpflichtet.147 Steht aber zu be­ fürchten, dass der Aufsichtsrat pflichtwidrig ein Geheimnis der Gesellschaft offenbaren wird, muss dem Rechnung getragen werden. Das Problem lässt sich relativ einfach bereits nach bestehender Rechtslage lösen, soweit es nur das Einsichtsrecht gem. §  111 Abs.  2 AktG betrifft:148 §  111 Abs.  2 S.  2 AktG gibt dem Aufsichtsrat das Recht, die Einsichtnahme auf ausge­ wählte Aufsichtsratsmitglieder durch Beschluss zu delegieren,149 und aus dieser Befugnis muss eine Pflicht werden, wenn konkret zu befürchten ist, dass ein Aufsichtsratsmitglied seine Verschwiegenheitspflichten nicht einhalten wird.150 Bei den Informationsrechten des §  90 AktG gibt es eine vergleichbare Mög­ lichkeit nicht. Insbesondere begrenzt die Pflicht zur gewissenhaften und ge­ treuen Rechenschaft gem. §  90 Abs.  4 S.  1 AktG die Möglichkeiten des Vor­ stands, die Geheimnisse durch Änderungen der Berichterstattung (etwa: nur mündliche Berichterstattung, Auslassungen) zu schützen.151 Zugleich genügt zum Schutz des Geheimnisses nicht die bloße „Befugnis am Ende des Un­ glücks“,152 nach Offenbarung eines Geheimnisses Strafantrag zu stellen, denn dann ist das Geheimnis offenbar. Es besteht daher hier ein Bedürfnis zum Geheimnisschutz,153 den näher zu bestimmen der Gesetzgeber allerdings Rechtsprechung und Literatur überlas­ sen wollte.154 Der Gesetzgeber gibt, nicht im Gesetzeswortlaut, sondern in sei­ ner Begründung zur Einführung des §  90 Abs.  3 S.  2 AktG mit dem TransPuG, nur vor, dass der Vorstand bei konkreter Gefahr des Missbrauchs einen Bericht verweigern könne.155 Missbrauch aber kann nicht nur bei querulatorischen oder kompetenzüberschreitenden Informationsverlangen vorliegen, sondern auch, 146 

Manger, NZG 2010, 1255, 1257. S. auch Begr RegE TransPuG, BT-Drs. 14/8769, S.  14. Schärfer noch BGH, Urt. v. 26.3.1956 – II ZR 57/55, BGHZ 20, 239, 246 („unbedingte Offenheit“), dem allerdings der Gesetzgeber spätestens mit dem TransPuG widerspricht: Begr RegE TransPuG, BT-Drs. 14/8769, S.  14. 148  Hoffmann-Becking, ZGR 2011, 136 ff. 149  BGH, Urt. v. 17.5.1993 – II ZR 89/92, BGHZ 122, 342, 355; Urt. v. 25.2.1982 – II ZR 123/81, BGHZ 83, 106, 115. 150  In diese Richtung auch Habersack, in: MünchKomm-AktG, §  111 Rn.  67; a. A. Lutter, Rn.  294 (Gleichlauf §  111/§  9 0 AktG). 151  Sina, NJW 1990, 1016, 1020. 152  Lutter, Rn.  134. 153  Gegen Einschränkungen insbesondere zu Gunsten des Geheimnisschutzes auch Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, §  9 0 Rn.  52; Leyens, S.  169 f.; Schneider, in: FS Konzen, S.  881, 888. 154  Begr RegE TransPuG, BT-Drs. 14/8769, S.  14. 155  Begr RegE TransPuG, BT-Drs. 14/8769, S.  14. 147 

§  1 Folgerungen für das Gesellschaftsrecht

235

wenn die Information vom Aufsichtsrat oder einzelnen seiner Mitglieder unter Verstoß gegen ihre Pflichten weitergegeben wird.156 In der Literatur wurde daher vorgeschlagen, geheimhaltungsbedürftige Be­ richte nur an den Aufsichtsratsvorsitzenden zu übermitteln, der dann über das weitere Vorgehen entscheiden und etwa einzelne Mitglieder des Aufsichtsrats entgegen ihres Rechts auf Information gem. §  90 Abs.  5 S.  1 AktG von der In­ formation ausschließen muss.157 Mündliche Berichte müssten ebenfalls nicht erstattet werden.158 Der Vorstand könne, folgt der Aufsichtsratsvorsitzende sei­ ner Auffassung nicht, einen Beschluss des Aufsichtsrats herbeiführen, sodass er bei entsprechender Beschlusslage ggf. gegen seinen Willen berichten muss.159 Für den Beschluss wird teilweise gefordert, alle Mitglieder des Aufsichtsrats müssten an einer entsprechenden Sitzung teilnehmen dürfen, nur seien diejeni­ gen, die sich als unzuverlässig erweisen könnten, von der Abstimmung auszu­ schließen.160 Das Prinzip der persönlichen Verfügbarkeit aller Unterlagen, wie es aus §  90 Abs.  5 S.  1 AktG ersichtlich wird, kann zwar durch Beschluss des Aufsichtsrats durchbrochen werden.161 Bei Anwendung dieser Lösung erhält jedoch der Auf­ sichtsratsvorsitzende eine erhebliche Machtposition. Letztlich entscheidet er nicht nur über den Geheimnisschutz, sondern könnte sich sogar unbequemer oder unliebsamer Aufsichtsratsmitglieder in wichtigen Angelegenheiten entle­ digen. Auf eine so starke Stellung ist der Aufsichtsratsvorsitz vom Gesetzgeber nicht angelegt worden.162 Dem Aufsichtsratsvorsitzenden wird zwar in Sachen Information eine gewisse Sonderstellung eingeräumt (s. z. B. §  90 Abs.  2 S.  3 AktG). Er ist dennoch an das Gesetz gebunden. So schreibt §  90 Abs.  5 S.  3 AktG vor, dass alle Aufsichtsratsmitglieder über die Berichte zu unterrichten sind, die zunächst nur der Aufsichtsratsvorsitzende gem. §  90 Abs.  2 S.  3 AktG erhalten hat. Die Existenz des §  109 Abs.  2 AktG zeigt überdies, dass der Auf­ sichtsratsvorsitzende, wenn er über den Informationszugang Einzelner näher entscheiden soll, dafür eine gesetzliche Grundlage braucht. Und auch, dass über die Verpflichtung zum Bericht ein Beschluss des Aufsichtsrats in Anwesenheit aller seiner Mitglieder herbeigeführt werden soll, ist problematisch: Um ent­ scheiden zu können, ob die Information (einzelnen) verweigert werden darf, 156  Sina, NJW 1990, 1016, 1021; Wiesner, in: MünchHdbGesR IV, §  25 Rn.  38; a. A. wohl Manger, NZG 2010, 1255, 1257; nicht differenzierend Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, GesR, §  9 0 AktG Rn.  21; Hüffer, AktG, §  9 0 Rn.  12a. 157  Lutter, Rn.  135; Kort, in: Großkomm-AktG, §   90 Rn.  110; Mertens/Cahn, in: Köln­ Komm-AktG, §  9 0 Rn.  16. 158  Lutter, Rn.  135; Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, §  9 0 Rn.  16. 159  Lutter, Rn.  137; Kort, in: Großkomm-AktG, §  9 0 Rn.  111. 160  Weninger, S.   162; a. A. (Entscheidung über den Ausschluss nach allg. Grundsätzen) Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, §  9 0 Rn.  16. 161  Lutter, Rn.  195. 162  Zur Stellung des Aufsichtsratsvorsitzenden noch sogleich 4.

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Teil 3: Folgerungen für andere Rechtsgebiete

muss die Information vorgestellt werden, was gerade vermieden werden sollte. Muss schließlich auf Wunsch des Aufsichtsratsplenums trotz Bedenken hin­ sichtlich des Geheimnisschutzes der Vorstand berichten (sei es auch nur münd­ lich), wird das Geheimnis erheblich gefährdet. Es ist vom Geschick des Bericht­ erstatters abhängig, ob das Geheimnis gewahrt wird, und damit letztlich vom Zufall. Diese Lösung ist somit abzulehnen. Näher am Gesetz wäre der Ausschluss einzelner Aufsichtsratsmitglieder von den Berichten entgegen §  90 Abs.  5 S.  1 AktG mithilfe eines Beschlusses, weil konkrete Besorgnis über ihre Zuverlässigkeit besteht. Das Gesetz lässt einen solchen Ausschluss nicht ausdrücklich zu. §  90 Abs.  5 S.  2 AktG ist jedoch offen genug formuliert, um eine solche Möglichkeit als zulässig anzusehen.163 Aller­ dings betrifft §  90 Abs.  5 S.  2 AktG nur die persönliche Verfügbarkeit der Un­ terlagen,164 nur sie kann ausgeschlossen werden; die Zulässigkeit eines Aus­ schlusses von der Information insgesamt (etwa durch Einsichtnahme o. ä.) regelt die Norm nicht165 und aus ihr einen Ausschluss von der Information herzulei­ ten, entspräche auch nicht der Systematik des §  90 Abs.  5 AktG. Die von der wohl überwiegenden Auffassung vorgeschlagene Einschränkung indes, Informationsverlangen einzelner Aufsichtsratsmitglieder gem. §   90 Abs.  3 S.  2 AktG generell eine „größere Skepsis“ entgegenzubringen als Infor­ mationsverlangen des Plenums,166 und einen Ausschluss daher zuzulassen, so­ weit er individuelle Berichtsverlangen gem. §  90 Abs.  3 S.  2 AktG betrifft,167 steht zwar im Einklang mit der Überwachungsfunktion des Aufsichtsrats gem. §  111 Abs.  1 AktG. Sie vermeidet das unzulässige168 Ergebnis, dass unter Vor­ wänden der Vorstand den Aufsichtsrat von Informationen ausschließt. Aller­ dings verkennt diese Auffassung, dass auch der Bericht gem. §  90 Abs.  3 S.  2 AktG dem Plenum gegenüber zu erstatten ist, was gegen den Schluss spricht, hier bestehe größeres Missbrauchspotential oder sonst Grund für besondere Skepsis. Schließlich ist durchaus denkbar, dass ein Aufsichtsratsmitglied etwa aus besonderer persönlicher Sachkenntnis heraus sich für einen Bereich ver­ stärkt interessiert, ohne damit zweifelhafte Zwecke zu verfolgen. Hingegen kann eine Gefahr für den Geheimnisschutz auch von Berichtsverlangen des ge­ samten Aufsichtsrats oder von Berichten gem. §  90 Abs.  1 AktG ausgehen. Der Geheimnisschutz gewinnt mit dieser Auffassung nicht viel. Sie ist daher eben­ falls abzulehnen. 163 

Lutter, Rn.  200. Lutter, Rn.  195, 734. 165  Lutter, Rn.  209; Mertens/Cahn, in: KölnKomm-AktG, §  9 0 Rn.  17, 57. 166  Manger, NZG 2010, 1255, 1257; im Wesentlichen ebenso Kort, in: Großkomm-AktG, §  9 0 Rn.  110; Wiesner, in: MünchHdbGesR IV, §  25 Rn.  37. 167 Dafür Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, GesR, §   90 AktG Rn.  21; Hölters/MüllerMichaels, AktG, §  9 0 Rn.  18; Manger, NZG 2010, 1255, 1257; Sina, NJW 1990, 1016, 1021; Wiesner, in: MünchHdbGesR IV, §  25 Rn.  37. 168  Sina, NJW 1990, 1016, 1018. 164 

§  1 Folgerungen für das Gesellschaftsrecht

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Auch wenn §  111 Abs.  2 S.  2 AktG nur das Einsichtsrecht betrifft und damit kein taugliches Instrument des Geheimnisschutzes allgemein ist, vermag die Norm doch den Weg hin zu einer Lösung des Konflikts von Offenlegungs- und Geheimhaltungsinteressen damit zu weisen, dass die Aufsichtsratsmitglieder nicht zwingend, selbst wenn der Aufsichtsrat nur als Gremium tätig werden darf, ausnahmslos die gleichen Informationen erhalten müssen. Es gibt Fälle, wie auch §  109 Abs.  2 AktG zeigt,169 in denen eine einzelne Person oder sogar die Mehrheit ausgeschlossen werden darf. Daneben ist die Auffassung des Gesetzgebers zu berücksichtigen, der Vor­ stand könne bei konkreter Gefahr des Missbrauchs einen Bericht verweigern.170 Er wendet damit den Grundsatz von Treu und Glauben gem. §  242 BGB an. Dann aber ist unbeachtlich, dass der Wortlaut der §  90 AktG eine Beschrän­ kung nicht vorsieht, im Gegenteil §  90 Abs.  5 S.  1 AktG von einem Recht jedes Aufsichtsratsmitglieds auf Information ausgeht. Es kann zu einer ungeschriebe­ nen Einschränkung kommen. Dem Gedanken der Missbrauchsvermeidung und des Geheimnisschutzes ist auch §  106 Abs.  2 BetrVG geschuldet.171 Seine Wertungen lassen sich zwar nicht ohne Weiteres auf das Aktiengesetz übertragen, denn der Aufsichtsrat hat, an­ ders als der Betriebsrat mit seinen Ausschüssen, umfassende Kontrollbefugnis­ se, nicht nur im Interesse der Arbeitnehmer bezüglich bestimmter Sachgebiete, sondern im Interesse des gesamten Unternehmens mit Blick auf die Geschäfts­ führung. §  106 BetrVG, nach dem das Unternehmen den Wirtschaftsausschuss über wirtschaftliche Angelegenheiten zu informieren hat, stellt zudem eine Ausnahmevorschrift dar. Üblicherweise befasst sich die Arbeitnehmervertre­ tung mit wirtschaftlichen Angelegenheiten nicht. Dies rechtfertigt eine stärkere Einschränkung ihrer Informationsrechte als beim Aufsichtsrat, zu dessen origi­ nären Aufgaben die Kontrolle in wirtschaftlichen Angelegenheiten gehört. Jedoch besteht eine Verschwiegenheitspflicht beider Kontrollinstanzen,172 und in beiden Fällen kann es zur Einschränkung des gesetzlichen Informati­ onsrechts nicht genügend sein, dass Geschäftsgeheimnisse überhaupt mitzutei­ len sind. Lediglich soweit es zu einer Gefährdung der Geheimnisse kommt, kann eine Einschränkung greifen.173 169 

LG München, Urt. v. 26.7.2007 – 12 O 8466/07, BB 2007, 2473. Begr RegE TransPuG, BT-Drs. 14/8769, S.  14; ähnlich Wiesner, in: MünchHdbGesR IV, §  25 Rn.  25. 171  Als Ausgleich dafür, dass dem Betriebsrat vom Wirtschaftsausschuss ohne Rücksicht auf den Geheimnisschutz zu berichten hat (so schon BAG, Beschl. v. 9.11.1971 – 1 ABR 1/71, DB 1972, 584, für das BetrVG 1972 stellte der Gesetzgeber dies klar, RegE BetrVG 1972, BTDrs. VI/1786, S.  47); näher zur dogmatischen Einordnung und Reichweite des §  106 Abs.  2 BetrVG Oetker, in: FS Wißmann, S.  397 ff. 172  Für Mitglieder und Ersatzmitglieder des Wirtschaftsausschusses s. §  79 Abs.  2 , 1 Be­ trVG. 173 Richardi/Annuß, BetrVG, §  106 Rn.  32, 34. 170 

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Angesichts der starken Stellung des Aufsichtsrats kann im Aktienrecht die Rechtsfolge aber kein Auskunftsverweigerungsrecht gegenüber dem Plenum oder der Ausschluss der Berichtspflicht gegenüber dem Plenum sein. Dann be­ stünde die Gefahr, dass der Vorstand missbräuchlich unter Berufung auf die Unzuverlässigkeit einzelner unbequemer Aufsichtsratsmitglieder die Offenle­ gung insgesamt verweigert. Als minus hierzu ist jedoch ein Ausschluss für einzelne Aufsichtsratsmitglie­ der anzunehmen, wenn konkrete Anhaltspunkte174 dafür bestehen, dass ein Aufsichtsratsmitglied den Geheimnisschutz gefährden wird.175 Über den Aus­ schluss hat nicht der Aufsichtsratsvorsitzende im Benehmen mit dem Vorstand, sondern das Plenum durch Beschluss zu entscheiden, vor dessen Fassung die betroffene Person, ohne sie an der Sitzung zu beteiligen und damit den Geheim­ nisschutz zu gefährden, als Teil des Organs Aufsichtsrat angehört werden muss. Herleiten lässt sich dies aus §  242 BGB, aus dem Gedanken, dass missbräuchli­ ches Verhalten, die Weitergabe von grundrechtlich geschützten Geschäftsge­ heimnissen, vermieden werden muss. Vorzuziehen wäre dem freilich eine Rege­ lung durch den Gesetzgeber, wie sie sich ähnlich in §  131 Abs.  3 AktG immerhin auch für das Verhältnis zweier Organe, nämlich Vorstand und Hauptversamm­ lung, findet.176 c) Modifikation in Finanzdienstleistungsunternehmen Ein Bedürfnis nach Erweiterung der Informationsrechte des Aufsichtsrats ge­ genüber dem Vorstand in Finanzdienstleistungsunternehmen ergibt sich aus dem eben Gesagten nicht. Zwar besteht bei ihnen grundsätzlich ein höheres Kontrollbedürfnis,177 was für eine umfassende Informationsversorgung der in­ ternen Kontrollinstanzen (und damit des Aufsichtsrats) spricht. Jedoch sind die allgemeinen Informationsrechte grundsätzlich umfassend, bedürfen sogar der Einschränkung zugunsten des Geheimnisschutzes. Die äußerst umstrittene Frage aber, inwieweit der Aufsichtsrat an Mitarbeiter des Unternehmens zur Informationsgewinnung herantreten dürfen,178 ver­ schärft sich durch die Installation besonderer Kontrollinstanzen (interner Revi­ sion, Risikocontrolling) nicht, selbst dann nicht, wenn das Aufsichtsrecht die Informationsbeziehungen nicht vollständig regelt.179 174  Für Einschränkungen bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht auch Lutter, Rn.  130. 175  Im Grundsatz ebenso Möllers, NZG 2003, 697, 700; ähnlich Gaumann/Schafft, DB 2000, 1514, 1516. 176  Zur Hauptversammlung als Organ etwa Kubis, in: MünchKomm-AktG, §  118 Rn.  8 . 177  S. Teil 1 §  2. 178 Überblick bei Kropff, NZG 2003, 346, 350; Sänger, S.  255 f. Ausf. Korte, S.  87 ff., S.  151 ff.; Leyens, S.  175, 182 ff. 179  S. dazu oben Teil 2 §  1.

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2. Informationsbeziehungen innerhalb des Vorstands Da pflichtwidriges Verhalten eines Vorstandsmitglieds auch in mangelhafter Überwachung seiner jeweiligen Kollegen bestehen kann, könnte die aufsichts­ rechtliche Pflichtenerweiterung auch erfordern, in Finanzdienstleistungsunter­ nehmen die Informationsrechte innerhalb des Vorstands zu erweitern. a) Offenlegungspflichten innerhalb des Vorstands Da das Gesetz zu den Offenlegungspflichten innerhalb des Vorstands schweigt, muss die Untersuchung ausgehen von den gegenseitigen Kontrollbefugnissen und -pflichten der Vorstandsmitglieder. Denn die Leitung der Gesellschaft, die sich bei einem mehrköpfigen Vorstand gem. §  77 Abs.  1 AktG in gemeinschaftlicher Geschäftsführung vollzieht, setzt Absprachen der Vorstandsmitglieder voraus, und folglich auch, dass eine Ab­ sprache informiert getroffen und ihre Einhaltung kontrolliert werden kann. Daraus folgt ein dem Kontrollinteresse gleichgerichtetes Offenlegungsinteres­ se: Gemeinschaftliche Geschäftsführung kann nur gelingen, wenn alle über die Vorkommnisse in der Gesellschaft in etwa (realistischerweise wird es perfekt gleichmäßige Information nicht geben) gleich informiert sind.180 Selbst wenn aber die Geschäftsführung nach dem Ressortprinzip aufgeteilt ist, trägt jedes Vorstandsmitglied die Pflicht für die Geschäftsleitung im Ganzen und ist um­ fassend für die Belange der Gesellschaft verantwortlich.181 Lediglich die Ge­ schäftsführungstätigkeit ist dann aufgrund des §  76 Abs.  1 AktG „zweigeteilt“ in eine unmittelbar verwaltende und eine beaufsichtigende Tätigkeit.182 Außer­ halb seines Ressorts bleibt das Vorstandsmitglied daher verpflichtet, den Gang der Geschäfte fortlaufend zu beobachten, es besteht eine „Restverantwor­ tung“.183 Dies gilt unabhängig von jüngeren Änderungen im Versicherungsund Bankenaufsichtsrecht (§§  25a KWG, 64a VAG) auch für die diesen Geset­ zen unterfallenden Unternehmen.184 Die zur Kontrolle erforderlichen Informationen lassen sich zum einen be­ schaffen in Form von individuellen Informationsbegehren gegen die Kollegen über die Angelegenheiten aus ihren Ressorts,185 zum anderen durch das Verfol­ gen derjenigen Berichte, die die Vorstandsmitglieder bezüglich wichtiger Vor­ gänge und Entwicklungen in ihrem Ressort in Erfüllung ihrer Berichtspflichten 180 

Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 513. Urt. v. 15.10.1996 – VI ZR 319/95, BGHZ 133, 370, 376 f. Ausf. zum Verhältnis von Gesamtverantwortung und Ressortprinzip Emde, in: FS U. Schneider, S.  295, 298 ff. 182  Fleischer, NZG 2003, 449, 450, 452. Grundlegend RG, Urt. v. 3.2.1920 – II 272/19, RGZ 98, 98, 100 zur GmbH. 183  Fleischer, NZG 2003, 449, 452. 184  Armbrüster, VersR 2009, 1293, 1299; Bürkle, VersR 2009, 866, 871; Dreher/Schaaf, WM 2008, 1765, 1767 (jeweils für Versicherungsunternehmen); Braun/Wolfgarten, in: Boos/Fi­ scher/Schulte-Mattler, KWG, §  25a Rn.  67 (für Banken). 185  Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 512. 181  BGH,

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Teil 3: Folgerungen für andere Rechtsgebiete

erstatten.186 Daneben tritt regelmäßig faktischer Informationszugang, den das Vorstandsmitglied im Wege seiner täglichen Arbeit möglicherweise auch bei ressortfremden Informationen erhält. Schon die Reichweite der Überwachungspflichten der Vorstandsmitglieder untereinander ist aber schwer zu umschreiben.187 Sie wird meistens im Nachhi­ nein festgelegt.188 Nichts anderes gilt angesichts der Vielgestaltigkeit der betrof­ fenen Sachverhalte grundsätzlich für die Reichweite der Offenlegungspflichten. Anerkannt ist jedenfalls, dass in organisatorischer Hinsicht alle Vorstands­ mitglieder für einen reibungslosen Informationsfluss innerhalb des Gesamt­ organs sorgen müssen, wozu die Installation eines angemessenen Berichtssys­ tems gehört.189 Dabei muss jedes Mitglied an der Informationsversorgung des gesamten Gremiums mitwirken.190 Die Ausgestaltung im Einzelnen liegt im (weiten) Ermessen der Vorstandsmitglieder.191 Im Einzelnen ist zu unterscheiden: Zur Erfüllung ihrer Geschäftsführungs­ pflichten haben in der Vorstandssitzung alle Mitglieder des Vorstands die ihnen bekannten, mit dem Tagesordnungsgegenstand in sachlichem Zusammenhang stehenden Informationen, die für die Meinungsbildung des Gremiums von Be­ deutung sein können, unaufgefordert offen zu legen. Etwaige Lücken in den Berichten des Kollegen sind durch Nachfragen zu schließen.192 Im Übrigen müssen sie im Sinne der effektiven Kontrolle verpflichtet sein, sämtliche Kollegen jederzeit über wesentliche die Gesellschaft betreffende Entwick­lungen zu informieren (etwa: plötzlicher Auftragseinbruch) sowie in­ dividuell über solche Umstände, die für den jeweils anderen Kollegen von Be­ deutung sein können (so kann etwa eine anstehende Rechtsänderung die früh­ zeitige Information von Marketing- und Vertriebsressort erfordern). Die Ent­ scheidung muss im Ermessen der Vorstandsmitglieder liegen, das jedoch gerichtlich nachprüfbar ist, weil für den Einzelfall eine passgenaue Bestimmung ex ante aufgrund der Vielzahl der denkbaren Konstellationen nicht möglich ist. Da jedes Vorstandsmitglied sich ein umfassendes Urteil bilden können muss,193 nicht nur, um den Anforderungen an die Geschäftsführung seines eige­ nen Ressorts gerecht zu werden, sondern auch, um die im Gesamtvorstand er­

186 

Hoffmann-Becking, ZGR 1988, 497, 512. Habersack, WM 2005, 2360, 2362. 188  Dementsprechend für die Bestimmung der Pflichten ansetzend am Handeln auf ange­ messener Informationsgrundlage, der Business Judgment Rule, §  93 Abs.  1 S.  2 AktG, Kropff, in: FS Raiser, S.  225, 231. 189  Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 513. 190  Kropff, in: FS Raiser, S.  2 25, 232 (für den Aufsichtsrat). 191  Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, §  7 7 Rn.  5 4. 192  Rieger, in: FS Peltzer, S.  343, 347. 193  Rieger, in: FS Peltzer, S.  339, 347. 187 

§  1 Folgerungen für das Gesellschaftsrecht

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örterten Angelegenheiten mit zu entscheiden,194 muss ein individuelles Infor­ mationsrecht des Vorstandsmitglieds gegen seinen Kollegen schon bestehen, wenn es die zu offenbarende Information zur Erfüllung seiner Vorstandsaufga­ ben als erforderlich ansieht. Fraglich ist jedoch, wie weit das individuelle Infor­ mationsrecht des einen Vorstandsmitglieds gegen ein anderes reicht. Für ein weites Informationsrecht spricht die Existenz des §  93 AktG. Fehlen­ de Kenntnis muss sich immer auch auf die Haftung auswirken: Wer nicht ver­ pflichtet war, von einem pflichtwidrigen Verhalten eines Kollegen zu wissen, der kann auch nicht haften. Die Haftung der Vorstandsmitglieder, die der Ge­ setzgeber zuletzt durch zahlreiche Änderungen des §  93 AktG zu verschärfen bemüht war,195 könnte damit gegen den gesetzgeberischen Willen durch zu enge Auslegung des Informationsrechts verkürzt werden. Ein grenzenloses Nachforschungsrecht der einzelnen Vorstandsmitglieder gegenüber ihren Kollegen widerspräche jedoch den eigenständigen Leitungsbe­ fugnissen des Vorstandsmitglieds, aufgrund derer es nicht zulassen muss, dass in sein Ressort „hineinregiert“ wird,196 und sei es durch ständige Informations­ verlangen.197 Weitere entgegenstehende Interessen der Vorstandsmitglieder be­ stehen hingegen nicht, insbesondere keines am Schutz von Geschäftsgeheimnis­ sen. Als Mitglieder des gleichen Organs können die Vorstandsmitglieder keine Geheimnisse des Vorstands „vor sich selbst“ haben. Aus dieser Einschränkung und dem Interesse an der Arbeitsfähigkeit des Vorstands ergibt sich, dass grundsätzlich unter den Vorstandsmitgliedern vom Grundsatz gegenseitigen Vertrauens auszugehen ist,198 nicht nur bei Entstehung der Informationsrechte und -pflichten, sondern auch bei der Bestimmung ihres Umfangs. Daraus folgt, dass das Informationsbegehren naturgemäß unter der Be­ schränkung stehen muss, dass es mit der Unternehmensführung in Zusammen­ hang zu stehen hat. Ein Kriterium der Erforderlichkeit besteht aber nicht. Hät­ ten die Vorstandsmitglieder einander darzulegen, dass sie die Information nicht anderweitig erlangen können, widerspräche dies dem Umstand, dass es sich beim Vorstand um ein Kollegialorgan mit Gesamtverantwortung handelt. Grenze ist schließlich die Unzumutbarkeit für den auf Information angegan­ genen Kollegen. Die Unzumutbarkeit ergibt sich aus einer Wertung im Einzel­ fall, etwa aus dem Umfang des Informationsbegehrens, dem Aufwand seiner 194  Rieger, in: FS Peltzer, S.   343, 347; s. auch Dreher, AG 2006, 213, 215 f.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, §  77 Rn.  55. 195  Etwa durch Einführung des §  93 Abs.  2 S.  3 AktG im Jahr 2009 durch das VorstAG vom 31. Juli 2009, BGBl.  I S.  2509 ff. Zur erhofften Präventionswirkung: Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zum VorstAG, BT-Drs. 16/13433, S.  11; Bestandsaufnahme und Bewer­ tung fünf Jahre später Wagner, ZHR 178 (2014), 227. 196  Fleischer, NZG 2003, 449. 197  I. Erg. ebenso Armbrüster, VersR 2009, 1293, 1299. 198 Ebenso Habersack, WM 2005, 2360, 2363.

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Teil 3: Folgerungen für andere Rechtsgebiete

Erfüllung oder (kumulativ) aus der Häufigkeit der Begehren. So ist die umfas­ sende Auskunft über die gesamte Geschäftsführung des angegangenen Vor­ standsmitglieds unzumutbar, da sie eine (verschleierte) Einmischung in dessen Geschäftsführungsbefugnisse nahelegt oder zumindest den Einsatz von unver­ hältnismäßig viel Zeit und Arbeit erfordert. Dem auf Information angegange­ nen Vorstandsmitglied kann nicht zugemutet zu werden, zugunsten der Infor­ mationsversorgung seiner Kollegen die eigenen Geschäfte schleifen zu lassen. Entsprechendes gilt bei zu häufigen Informationsbegehren. Außerdem kann ein Vorstandsmitglied mit Blick auf sein ihm nicht anders als einem Arbeitneh­ mer199 gewährleistetes allgemeines Persönlichkeitsrecht regelmäßig nicht ver­ pflichtet sein, es selbst belastende Sachverhalte zu offenbaren.200 Maßgeblich muss zur Bestimmung des Offenlegungsinteresses vor allem die Bedeutung der Information sein. Dennoch ist nicht etwa die Aussage falsch, dass die Offenlegungspflichten von Art und Größe des Unternehmens und den Aufgaben und der Organisation der Vorstandsmitglieder abhängig sind.201 So können Informationen, die in einem kleinen Unternehmen von grundlegender Wichtigkeit für den Erfolg der Gesellschaft sind, in einem größeren Unterneh­ men von eher untergeordneter Bedeutung sein. Letztlich ändert sich also die Bedeutung der Information, und damit auch ihre Einordnung als offenlegungs­ pflichtig/nicht offenlegungspflichtig, mit Art und Größe der Gesellschaft. Dies ist außerdem dahin zu ergänzen, dass die Bedeutung der Information sich auch mit der Situation des Unternehmens insgesamt (wirtschaftliche Schieflage, Konflikt mit der Aufsichtsbehörde o. ä.) wandeln kann.202 Raum für den Schutz von Geschäftsgeheimnissen besteht selbst dann nicht, wenn das auf Information angegangene Vorstandsmitglied Zweifel an der Zu­ verlässigkeit seines Kollegen hat. Anderenfalls bestünde die Gefahr, dass Machtkämpfe innerhalb des Vorstands über vermeintliche Geheimhaltungsin­ teressen ausgetragen würden. Zudem muss die Arbeitsfähigkeit des Vorstands Vorrang vor dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen haben. b) Modifikation in Finanzdienstleistungsunternehmen Sind die Offenlegungspflichten der Vorstandsmitglieder untereinander aus ih­ ren Kontrollbefugnissen heraus im Wege einer Einzelfallabwägung zu bestim­ men, bietet das hinreichend Raum, in Finanzdienstleistungsunternehmen den Besonderheiten des für sie geltenden Aufsichtsrechts Rechnung zu tragen. Einer Modifikation der hier aufgestellten Grundsätze bedarf es daher nicht.

199 

Unten noch §  2 A. IV. 3. I. Erg. ebenso Grunewald, NZG 2013, 841, 845. 201 So Habersack, WM 2005, 2360, 2362. 202  In diese Richtung auch Habersack, WM 2005, 2360, 2362. 200 

§  1 Folgerungen für das Gesellschaftsrecht

243

3. Informationsbeziehungen innerhalb des Aufsichtsrats Der Aufsichtsrat, Kollegialorgan wie der Vorstand, muss diesem in seinen In­ formationsbeziehungen grundsätzlich folgen.203 Denn die vereinzelten gesetzli­ chen Regelungen zu den Informationsbeziehungen innerhalb des Aufsichtsrats decken nur Teilbereiche des Informationsgeschehens ab. So besteht etwa mit §  90 Abs.  5 S.  2 AktG ein Anspruch des einzelnen Aufsichtratsmitglieds auf Weitergabe von in Textform erstatteten Berichten gegen den Aufsichtsratsvor­ sitzenden.204 Daneben tritt die Unterrichtungspflicht des Aufsichtsratsvorsit­ zenden gegenüber den Mitgliedern des Aufsichtsrats gem. §  90 Abs.  5 S.  3 AktG. Abseits der gesetzlich geregelten Fälle besteht für Aufsichtsratsmitglieder eine Pflicht zur Mitarbeit und Urteilsbildung über Verhandlungsgegenstände des Gesamtaufsichtsrats.205 Deren Erfüllung setzt Information voraus,206 nicht anders als die Pflicht zur gegenseitigen Überwachung,207 die anzunehmen ist nicht obwohl, sondern gerade weil die Aufsichtsratsmitglieder verpflichtet sind, eigenständig und eigenverantwortlich zu handeln.208 Die Informationsrechte sind „Pflichtrechte“, 209 von denen, soweit im Einzelfall erforderlich, auch Ge­ brauch gemacht werden muss.210 Ihr Umfang unterscheidet sich grundsätzlich nicht von denen des Vorstands, wobei freilich die Aufsichtsratsmitglieder sich nicht auf ihre Befugnis (und Pflicht) zur Geschäftsführung berufen können, wohl aber auf ihre Befugnis (und Pflicht), den Vorstand zu überwachen.211 Auf­ grund ihrer Eigenständigkeit 212 stehen sie zueinander nicht anders als Vor­ standsmitglieder. So ist das Informationsbegehren des einen abzuwägen gegen das Interesse an Eigenständigkeit des anderen. Daher sind auch Aufsichtsratsmitglieder verpflichtet, ein pflichtwidriges Verhalten von Kollegen abzustellen.213 Anders als beim Vorstand, geschuldet der besonderen Stellung des Aufsichtsrats als oberstem Aufsichtsgremium, muss aber darüber hinaus eine Pflicht bestehen, eigenes pflichtwidriges Verhal­ ten den anderen Aufsichtsratsmitgliedern zu offenbaren. Dies gilt selbst dann, 203  Zum Sonderfall der Informationsbeziehungen zwischen Mitgliedern eines Aufsichts­ ratsausschusses zu anderen Aufsichtsratsmitgliedern Oetker, in: FS Hopt I, S.  1091, 1095 ff. 204  Zum Ausschluss dieses Rechts etwa Lutter, Rn.  194 ff. 205  Lutter/Krieger, Rn.  886 f. 206  Lutter/Krieger, Rn.  890. 207  S. etwa Habersack, in: MünchKomm-AktG, §  116 Rn.  34; Hoffmann-Becking, NZG 2003, 745. 208  BGH, Urt. v. 15.11.1982 – II ZR 27/82, BGHZ 85, 293 ff.; Urt. v. 29.1.1962 – II ZR 1/61, BGHZ 36, 296, 306; Hoffmann-Becking, NZG 2003, 745. 209  Lutter, Rn.  100, 246. 210  Die Erforderlichkeit bemisst sich insbesondere nach der Gesamtsituation der Gesell­ schaft im konkreten Fall, näher Louven/Ernst, VersR 2014, 151, 154. 211  Für eine weitere Fallgruppenbildung Kropff, in: FS Raiser, S.  2 25, 233 ff. 212  BGH, Urt. v. 15.11.1982 – II ZR 27/82, BGHZ 85, 293 ff.; Urt. v. 29.1.1962 – II ZR 1/61, BGHZ 36, 296, 306; Hoffmann-Becking, NZG 2003, 745. 213  Habersack, in: MünchKomm-AktG, §  116 Rn.  35; Lutter/Krieger, Rn.  761.

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Teil 3: Folgerungen für andere Rechtsgebiete

wenn es sich bei der Pflichtverletzung um eine Straftat handelt.214 In der Abwä­ gung von allgemeinem Persönlichkeitsrecht und Offenlegungsinteresse ist letz­ terem der Vorrang einzuräumen. Das Aufsichtsratsmitglied ist Organmitglied, gleichsam Teil der Gesellschaft und ihr daher in besonderer Weise verpflichtet. An seine Redlichkeit müssen besondere Anforderungen gestellt werden, sodass es für seine eigene Kontrolle und damit für Transparenz zu sorgen hat. Über­ dies schließt der nemo tenetur-Grundsatz als spezielle Ausprägung des allge­ meinen Persönlichkeitsrechts215 nicht generell die Verpflichtung aus, strafbare Handlungen gegenüber dem Staat zu offenbaren.216 Da kann eine Pflicht zur Offenbarung strafbarer Handlungen erst recht gegenüber einem Privaten (der Aktiengesellschaft, welcher das Aufsichtsratsmitglied verpflichtet ist) nicht ge­ nerell ausgeschlossen sein. Bedurfte es bereits keiner Modifikation der aktienrechtlichen Informations­ beziehungen innerhalb des Vorstands von Finanzdienstleistungsunternehmen, und sind die Grundsätze für Vorstandsmitglieder auch für Aufsichtsratsmit­ glieder anzuwenden, bedarf es auch hier keiner Modifikation aufgrund finan­ zaufsichtsrechtlicher Pflichten. 4. Sonderstellung des Gremiumsvorsitzenden Sowohl für den Vorstands- als auch für den Aufsichtsratsvorsitzenden wird in der Literatur das Bestehen einer Sonderstellung diskutiert. Die Gesamtüberwachung der Unternehmensleitung bilde den Schwerpunkt des Amtes des Vorstandsvorsitzenden.217 So habe der Vorstandsvorsitzende eher Anlass zum Einschreiten bei Fehlentwicklungen.218 Nimmt man an, dass ihn eine gesteigerte Überwachungspflicht trifft, müssen auch eine gesteigerte Nachforschungspflicht und besondere Informationsrechte bestehen. Der Vor­ sitzende, der zur Aufgabe hat, lenkend einzugreifen, muss auch am besten in­ formiert sein. Das Gesetz hat jedoch für den Vorstandsvorsitzenden Sonderrechte (etwa im Sinne einer „Richtlinienkompetenz“) nicht vorgesehen, ebenso wenig wie be­ sondere Pflichten, etwa die zur Beobachtung und Kontrolle seiner Kollegen.219 Angesichts des Prinzips der Gesamtverantwortung müssen jedes Vorstands­

214 

A.A. wohl Grunewald, NZG 2013, 841, 846. BVerfG, Beschl. v. 26.2.1997 – 1 BvR 2172/96, BVerfGE 95, 220, 241; Beschl. v. 13.1.1981 – 1 BvR 116/77, BVerfGE 56, 37, 41 f. 216  BVerfG, Beschl. v. 15.10.2004 – 2 BvR 1316/04, NJW 2005, 352; Beschl. v. 13.1.1981 – 1 BvR 116/77, BVerfGE 56, 37, 41 f. 217  Lutter/Krieger, Rn.  457; Wiesner, in: MünchHdbGesR IV, §   24 Rn.  3; krit. Fleischer, NZG 2003, 449, 455; Wicke, NJW 2007, 3755, 3757. 218  Habersack, WM 2005, 2360, 2362. 219  Armbrüster, VersR 2009, 1293, 1300. 215 

§  1 Folgerungen für das Gesellschaftsrecht

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mitglied die gleichen Pflichten treffen.220 Der Vorstandsvorsitzende ist damit nur primus inter pares, ein im Grundsatz gleichberechtigtes Mitglied mit den Sonderaufgaben der Koordinierung der Vorstandsarbeit und der Sitzungslei­ tung.221 Daher können ihn auch keine gesteigerten Pflichten zur Informations­ sammlung treffen. Selbst wenn man aber eine herausgehobene Stellung des Vorstandsvorsitzen­ den im Bereich der Überwachung/Kontrolle anerkennen wollte, müsste seine informationelle Stellung nicht gestärkt werden: Grundsätzlich ist ihm ohnehin alles mitzuteilen, was er zu erfahren begehrt oder er zur Aufgabenerfüllung erfahren muss.222 Seine Position ist dabei keine grundsätzlich andere als die sei­ ner Kollegen. Der Aufsichtsratsvorsitzende hingegen ist anders als der Vorstandsvorsitzen­ de im Gesetz erwähnt. Zwar sind die einzelnen Aufsichtsratsmitglieder grund­ sätzlich gleichberechtigt.223 Dem Aufsichtsratsvorsitzenden werden aber einige besondere Aufgaben und Rechte zugewiesen, etwa in §§  90 Abs.  1 S.  3, Abs.  5, 109 Abs.  2 184 Abs.  1 AktG. Eine allgemeine Vorschrift, die ihm Aufgaben und Befugnisse zuweisen würde, existiert im AktG zwar nicht. Er ist auch kein ei­ genständiges Organ der Gesellschaft.224 Ein Prinzip der Gesamtverantwortung des Aufsichtsrates, vergleichbar dem Vorstand, findet sich jedoch ebenfalls nicht, und aus der Anerkennung einer herausgehobenen Stellung in bestimm­ ten Fällen folgt eine generell stärkere Stellung als beim Vorstandsvorsitzenden. Das gilt umso mehr, als dem Aufsichtsratsvorsitzenden gerade in Sachen Infor­ mation eine besondere Stellung zukommt: Er nimmt nicht nur die Berichte des Vorstands entgegen (s. §  90 Abs.  5 S.  2 AktG), sondern ihm ist auch aus „sonsti­ gen wichtigen Anlässen“ abseits der Fälle des §  90 Abs.  1 S.  1 AktG zu berich­ ten, §  90 Abs.  1 S.  3 AktG. Seine Informationsversorgung ist damit bereits nach gegenwärtiger Rechtslage gesichert, Handlungsbedarf des Gesetzgebers be­ steht nicht. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob aus der besonderen Position auch eine besondere Pflicht zur Informationsbeschaffung erwächst, eine Pflicht, die über dasjenige hinausgeht, was die anderen Aufsichtsratsmitglieder leisten müs­ sen. Dafür spricht, dass ihm das Gesetz teilweise ausdrücklich eine herausgeho­ bene Stellung zubilligt. Zumindest soweit diese reicht, muss auch eine besonde­ re Pflicht bestehen, sich zu informieren. Je stärker die Pflichtenbindung, desto größer auch die Pflicht, sich zur Pflichterfüllung zu informieren. 220  Keine verschärften Pflichten für „sachnahe“ Vorstandsressorts, Dreher, AG 2006, 213, 216. A.A.VG Frankfurt am Main, Urt. v. 8.7.2004 – 1 E 7363/03, VersR 2005, 57. 221  Habersack, WM 2005, 2360, 2362; Wicke, NJW 2007, 3755; ausf. v. Hein, ZHR 166 (2002), 464, 488 ff. (zugl. krit. hins. der Wendung vom „primus inter pares“, S.  482). 222  S. soeben 2. 223  BGH, Urt. v. 28.11.1988 – II ZR 57/88, BGHZ 106, 54, 65; Urt. v. 5.6.1975 – II ZR 156/73, BGHZ 64, 325, 330 f. 224  Lutter/Krieger, Rn.  675; a. A. Peus, ZGR 1987, 545, 552.

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Teil 3: Folgerungen für andere Rechtsgebiete

Daraus muss aber nicht nur eine grundsätzlich strengere Pflicht zur Informa­ tionsbeschaffung folgen, sondern auch zur Nachforschung bei Vorliegen von Anhaltspunkten, dass ein Aufsichtsrats- oder Vorstandsmitglied eine Pflicht verletzt haben könnte. Die Einstellung des Aufsichtsratsvorsitzenden darf inso­ weit nicht vom Vertrauengrundsatz, sondern muss von genereller Skepsis (nicht notwendig: von Misstrauen) geprägt sein. Dies gilt unabhängig davon, ob der Aufsichtsratsvorsitzende in einem Unter­ nehmen des Finanzdienstleistungssektors tätig ist. Der Grundsatz, dass die Pflicht zur Nachforschung steigt mit der Kontrollpflicht, ist logisch zwingend und allgemein gültig und kann im Einzelnen nicht nur branchen-, sondern so­ gar unternehmensspezifisch variiert werden, ohne dass der Grundsatz selbst geändert werden müsste. 5. Gesetzliche Festschreibung der Informationsbeziehungen Die hier aufgezeigten Grundsätze könnten, soweit dies nicht bereits der Fall ist, im Gesetz festgeschrieben werden. Hierin läge möglicherweise ein Gewinn an Rechtssicherheit, etwa im Bereich der vorstandsinternen Transparenz. Prak­ tisch ist jedoch regelmäßig weniger die Verpflichtung zur Informationsmittei­ lung generell problematisch, als ihre Grenzen im konkreten Einzelfall. Diese können mit letzter Sicherheit erst nachträglich vor Gericht geklärt werden. Ver­ sagt die Kontrolle der Gremien oder ihrer Mitglieder untereinander, so ist dies üblicherweise nicht darauf zurückzuführen, dass Informationsrechte nicht be­ stünden, sondern darauf, dass Information nicht eingefordert oder entspre­ chend verwertet worden ist. Dem ist jedoch auch mit einer gesetzlichen Rege­ lung nicht angemessen zu begegnen. Ein entsprechender Regelungsvorschlag ist daher hier nicht zu unterbreiten. III. Zusammenfassung Ein „Sondergesellschaftsrecht“ der Finanzdienstleister, das zu erhöhter Trans­ parenz intern oder gegenüber Aktionären verpflichten würde, besteht nicht. Allenfalls folgt aus mehr Aufgaben des Unternehmens und einzelner Akteure mehr Verantwortung und daher ein größerer Informationsbedarf. Dies kann sich auf die Konkretisierung der internen Transparenzpflichten im Einzelfall auswirken. In ihren Grundsätzen folgen die gesellschaftsrechtlichen Informa­ tions­beziehungen in und von Finanzdienstleistungsunternehmen aber denen in der Normal-AG. Das heißt insbesondere: §  131 Abs.  3 S.  1 Nr.  6 AktG ist nicht gerechtfertigt und daher zu streichen. Ein Aufsichtsratsmitglied ist von gem. §  90 AktG erteilten Informationen auszuschließen, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass es den Ge­ heimnisschutz gefährden wird. Es entscheidet das Plenum durch Beschluss. Die betroffene Person ist, ohne sie an der Sitzung zu beteiligen, davor anzuhören.

§  2 Folgerungen für das Arbeitsrecht

247

Alle Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats haben in der Vorstandssit­ zung die ihnen bekannten, mit dem Tagesordnungsgegenstand in sachlichem Zusammenhang stehenden Informationen, die für die Meinungsbildung des Gremiums von Bedeutung sein können, unaufgefordert offen zu legen. Im Üb­ rigen sind sie verpflichtet, sämtliche Kollegen jederzeit über wesentliche die Ge­ sellschaft betreffende Entwicklungen zu informieren, sowie individuell über solche, die für den jeweils anderen Kollegen von Bedeutung sein können. Daneben besteht ein individuelles Informationsrecht gegen die Kollegen hin­ sichtlich solcher Informationen, die das jeweilige Mitglied zur Erfüllung seiner Aufgaben als erforderlich ansieht. Die Informationsrechte werden beschränkt durch die Zumutbarkeit für den auf Information angegangenen Kollegen. Den Aufsichtsratsvorsitzenden, nicht aber den Vorstandsvorsitzenden, tref­ fen gesteigerte Überwachungs- und damit Informationspflichten.

C. Fazit Finanzdienstleistungsunternehmen treffen grundsätzlich die gleichen gesell­ schaftsrechtlichen Anforderungen an Transparenz wie die Unternehmen aller anderen Wirtschaftszweige. Umgekehrt können Anforderungen des Fi­nanz­ aufsichtsrechts nicht ohne Gesetzesänderung auf das Gesellschaftsrecht über­ tragen werden. Einer solchen Gesetzesänderung bedarf es derzeit aber nicht.

§  2 Folgerungen für das Arbeitsrecht Die unternehmensinternen Informationsbeziehungen werden, trotz finanzauf­ sichtsrechtlicher Vorgaben zur internen Transparenz, neben dem Gesellschafts­ recht vor allem durch das Arbeitsrecht bestimmt. Verlangt etwa das Finanzauf­ sichtsrecht ein „wirksames unternehmensinternes Kommunikationssystem“,225 ohne nähere Vorgaben zu machen, tritt das Arbeitsrecht als Grundlage innerbe­ trieblicher Informationsbeziehungen in die belassenen Freiräume. Das finanzaufsichtsrechtliche Streben nach Transparenz könnte daher eine Modifikation der (noch zu bestimmenden) arbeitsrechtlichen Informationsbe­ ziehungen in Finanzdienstleistungsunternehmen erfordern.

225  §  24 Abs.  1 S.  2 VAG-E a. E. Nach gegenwärtiger Rechtslage bezieht sich das (aufsichts­ rechtliche) Kommunikationserfordernis nur auf das Risikomanagement, §§  25a Abs.  1 S.  3 Nr.  1 lit.  b) KWG i.d. bis einschließlich zum 31. Dezember 2013 geltenden Fassung, 64a Abs.  1 S.  4 Nr.  3 lit.  c) VAG.

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Teil 3: Folgerungen für andere Rechtsgebiete

A. Individualarbeitsrechtliche Offenlegungspflichten von Arbeitnehmern gegenüber dem Arbeitgeber Anders als die gesellschaftsrechtlichen sind die individualarbeitsrechtlichen In­ formationsbeziehungen gesetzlich nicht geregelt. Ob jene Offenlegungspflich­ ten des Arbeitnehmers, die seiner Kontrolle und damit der Selbstkontrolle des Arbeitgebers dienen,226 den Anforderungen an die effektive unternehmensin­ terne Kommunikation und damit dem Gedanken der internen Transparenz ge­ nügen, lässt sich folglich erst beantworten, nachdem ihre bisher unklaren 227 Grundsätze näher bestimmt sind. I. Rechtsgrundlage der Offenlegungspflichten des Arbeitnehmers Die Offenlegungspflichten des Arbeitnehmers, die der Kontrolle seiner Leis­ tung und seines Verhaltens dienen, sind nicht allgemein gesetzlich geregelt.228 Sie müssen grundsätzlich als arbeitsvertragliche Nebenleistungspflichten i. S. d. §  241 Abs.  1 BGB eingeordnet werden,229 da sie die Erbringung der Hauptleis­ tungspflichten flankieren und sichern und dem Arbeitgeber erst die Informa­tio­ nen verschaffen, die er benötigt, um sein Weisungsrecht (§  106 GewO) auszu­ üben.230 Soweit sie ausnahmsweise nicht (auch) die Erbringung der Hauptleis­ tungspflichten betreffen, sondern den Arbeitgeber etwa vor drohenden Schäden an seinen Rechtsgütern und damit sein Integritätsinteresse schützen sollen, müssen sie als Schutz- und Rücksichtnahmepflicht i. S. d. §  241 Abs.  2 BGB an­ gesehen werden.231 In der Literatur wird vereinzelt auch vorgeschlagen, zur Begründung von Offenlegungspflichten auf §  666 BGB zurückzugreifen.232 Diese Norm ver­ pflichtet den Beauftragten aber nur zur unaufgeforderten Mitteilung und zur 226  In jüngerer Zeit werden diese Pflichten mitunter im Zusammenhang mit sog. „investi­ gations“, unternehmensinternen Ermittlungen, diskutiert, Bissels/Lützeler, BB 2012, 189 ff.; Vogt, NJW 2009, 3755 f.; Wisskirchen/Glaser, DB 2011, 1477 ff. Daneben bestehen Offenle­ gungspflichten in anderen Konstellationen, besonders im Fokus der Literatur stehen etwa die Offenlegungspflichten vor Vertragsschluss. Dazu etwa Junker, NZA-Beilage 2012, 27 ff. 227  Tilch/Vennewald, NJW-Spezial 2012, 50, 51 sprechen von bisher „stiefmütterlicher“ Behandlung des Themas in der Literatur. 228 Allerdings sind verschiedene sonstige Offenlegungspflichten spezialgesetzlich gere­ gelt, etwa §§  5 Abs.  1 S.  1, 9 Abs.  2 EntgFG; §  13 SÜG für Arbeitnehmer oder Bewerber, die sich (allerdings grds. freiwillig, §  2 Abs.  1 S.  2 SÜG) einer Sicherheitsprüfung unterziehen. 229  Reichold, in: FS Bauer, S.  843, 847; a. A. (Nebenpflichten gem. §  241 Abs.  2 BGB) Bissels/ Lützeler, BB 2012, 189, 190; Lützeler/Müller-Sartori, CCZ 2011, 19, 19 f.; Rieble, ZIP 2003, 1273, 1275. 230  Auch auf außerdienstliches Verhalten bezogen war hingegen etwa §  356 II 9 ALR von 1794, wonach der Meister „über das Betragen der Gesellen Aufsicht zu führen“ und sie „zu einem stillen und regelmäßigen Lebenswandel“ zu ermahnen habe. 231  Reichold, in: FS Bauer, S.  843, 847. 232  So von Diller, DB 2004, 313, 314; Fritz/Nolden, CCZ 2010, 170, 170 f.

§  2 Folgerungen für das Arbeitsrecht

249

Auskunft in Bezug auf Aufgaben, die ihm übertragen oder von ihm wahrge­ nommen sind. Die Informationen beziehen sich auf den konkreten Auftrag.233 Deutlich macht dies insbesondere §  666 Fall 2 BGB (Auskunft „über den Stand des Geschäfts“). §  666 BGB, ohnehin nur den unentgeltlichen Auftrag und nicht das Arbeitsverhältnis betreffend, wird mit dieser Beschränkung auf das auszu­ führende Geschäft weder den praktischen Bedürfnissen des Arbeitgebers noch dem Charakter des Arbeitsverhältnisses gerecht. Anzeige und Auskunft kön­ nen für den Arbeitgeber gerade dann von Interesse sein, wenn es nicht um die Ausführung seiner Weisungen geht (s. etwa noch die Beispiele unter III.). Das besonders enge Verhältnis und die persönliche Bindung der Arbeitsvertragspar­ teien, welche die Pflichten des Arbeitsvertrags in besonderer Weise prägen,234 erfordern es, Offenlegungspflichten grundsätzlich auch insoweit anzunehmen, als eine Information nicht unmittelbar die Ausführung einer Arbeitgeberwei­ sung betrifft. II. Grundsätzliche Offenlegungspflicht des Arbeitnehmers Im Grundsatz muss der Arbeitnehmer, angesichts der persönlichen Bindung der Vertragsparteien, gegenüber seinem Arbeitgeber zur Offenlegung verpflichtet sein. Das BAG hat zwar einmal geäußert, der Arbeitnehmer müsse dem Arbeit­ geber nicht generell für Auskünfte zur Verfügung stehen.235 Dies steht einer grundsätzlichen Pflicht zur Transparenz aber nicht entgegen. Das BAG wollte nur eine Auskunftspflicht ausschließen über Informationen, die „weder mit der Erfüllung der geschuldeten Leistung noch überhaupt mit der gegenseitigen Pflichtenbindung im Arbeitsverhältnis“ in Zusammenhang stehen.236 Liegt aber ein solcher Zusammenhang vor, geht es also um dienstlich relevan­ te Informationen, muss grundsätzlich vom Bestehen einer Pflicht zur unaufge­ forderten Offenlegung (Anzeige) und erst recht auch von einer Pflicht zur Of­ fenlegung auf Nachfrage (Auskunft) ausgegangen werden. Für Informationen, die im Zusammenhang mit Weisungen des Arbeitgebers stehen und die daher als Nebenleistungspflichten einzuordnen sind, liegt dies auf der Hand. Wer Weisungen zu erteilen befugt ist, muss ihre Einhaltung auch kontrollieren kön­ nen. Ein Grundsatz der Transparenz gilt aber nicht minder bei Schutz- und Rücksichtnahmepflichten gem. §  241 Abs.  2 BGB: Der Arbeitnehmer ist vom Arbeitgeber persönlich abhängig. Er erbringt „seine Dienstleistung im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation“237 und ist daher eng in die Betriebsabläufe eingebunden und mit ihnen vertraut. Aus dieser Einbindung 233 

Seiler, in: MünchKomm-BGB, §  666 Rn.  7. BAG, Urt. v. 7.9.1995 – 8 AZR 828/93, NZA 1996, 637, 638. 235  BAG, Urt. v. 7.9.1995 – 8 AZR 828/93, NZA 1996, 637, 640. 236  BAG, Urt. v. 7.9.1995 – 8 AZR 828/93, NZA 1996, 637, 640. 237  BAG, Urt. v. 20.7.1994 – 5 AZR 627/93, NZA 1995, 161, 162. 234 

250

Teil 3: Folgerungen für andere Rechtsgebiete

erwachsen ihm besondere Einwirkungsmöglichkeiten auf die Rechtsgüter des Arbeitgebers. Es folgt aus ihnen aber auch, dass der Arbeitnehmer etwaige Schäden oder Gefahren für Rechtsgüter des Arbeitgebers besonders gut abse­ hen kann. Aufgrund der persönlichen Abhängigkeit vom Arbeitgeber und von dessen Wohlergehen muss der Arbeitnehmer daher zur Information verpflichtet sein. Er hat angesichts seiner persönlichen Abhängigkeit letztlich sogar ein eige­ nes Interesse daran, die Integritätsinteressen des Arbeitgebers zu wahren. III. Offenlegungspflichten des Arbeitnehmers bei objektiven Umständen Besteht ein Personenbezug der dienstlich relevanten Information nicht, muss es, ganz gleich, ob aufgrund des Inhalts der Information die Pflicht zu ihrer Offen­ barung Nebenleistungs- oder nur Nebenpflicht ist, beim Grundsatz der Trans­ parenz (soeben II.) bleiben.238 Der Arbeitnehmer muss sich bei Informationen ohne Personenbezug weder selbst noch seine Kollegen eines Fehlverhaltens be­ zichtigen. Er muss nicht einmal generell Informationen über Personen und Ver­ halten offenbaren. Es geht lediglich um objektive Umstände, von denen der Ar­ beitnehmer Kenntnis erlangt, um dienstlich relevante Informationen insbeson­ dere über (drohende) Schäden für Rechtsgüter des Arbeitgebers, z. B. über Kassenfehlbestände oder einen Virus im IT-System. Die Informationen sind für den Arbeitgeber von erheblicher Bedeutung, für den Arbeitnehmer aber im Er­ gebnis neutral. Interessen des Arbeitnehmers, seinem Arbeitgeber die dienstlich relevante Information nicht mitzuteilen, sind hier nicht ersichtlich. Insbesonde­ re ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers regelmäßig nicht betroffen. Ein Recht, aus bloßer Bequemlichkeit eine Information nicht mitzu­ teilen, gewährt das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht. Das heißt nicht, dass der Arbeitnehmer den Arbeitgeber über jede Bagatelle informieren müsste. Ob und inwieweit eine Information für den Arbeitgeber von Interesse ist,239 unter­ liegt der (gerichtlich nachprüfbaren) Einschätzung des Arbeitnehmers. Soweit sie es aber ist, muss sie mitgeteilt werden. IV. Offenlegungspflichten bei Vorkommnissen mit Personenbezug Steht dagegen die Offenlegung eines Verhaltens des Arbeitnehmers selbst oder das seiner Kollegen in Rede, ändert sich die Interessenlage durch potentielle Betroffenheit des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers (Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  1 Abs.  1 GG). Somit ist hier weiter zu differenzieren.

238 

I. Erg. im Wesentlichen ebenso ErfK/Preis, §  611 BGB Rn.  742. von Interesse ist die Information über einen drohenden oder bereits eingetretenen erheblichen Schaden an den Rechtsgütern des Arbeitgebers, s. BGH, Urt. V. 23.2.1989 – IX ZR 236/86, NJW-RR 1989, 614. 239  Unproblematisch

§  2 Folgerungen für das Arbeitsrecht

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1. Offenlegungspflicht im Zusammenhang mit Arbeitgeberweisungen Bei der bloßen Ausführung von Arbeitgeberweisungen und Wahrnehmungen innerhalb des eigenen Arbeitsbereichs ist die Offenlegung Nebenleistungs­ pflicht i. S. d. §  241 Abs.  1 BGB und die Interessenlage keine grundsätzlich ande­ re als bei der Offenlegung objektiver Umstände. Der Arbeitnehmer muss ver­ pflichtet sein, uneingeschränkt seine Arbeitsergebnisse offenzulegen, ebenso wie Informationen, die sonst mit seiner Arbeitsleistung und seinem Arbeitsbe­ reich im Zusammenhang stehen.240 So muss er etwa seinem Arbeitgeber anzei­ gen, dass er die ihm übertragenen Aufgaben fertig gestellt oder sie in anderer als der vorgegebenen Weise bearbeitet hat. Derartige Offenlegungspflichten sind dem Arbeitsverhältnis immanent: Hat der Arbeitnehmer eine Weisung seines Arbeitgebers auszuführen, muss der Arbeitgeber die Ausführung und ihre Zu­ sammenhänge auch kontrollieren können und bedarf dazu der Information. Diese kann er abhängig vom jeweiligen Einzelfall über eine Anzeige- oder eine Auskunftspflicht erlangen. Je näher eine Information der Erfüllung der arbeit­ nehmerischen Hauptleistungspflichten steht, desto höher ist das Informations­ interesse des Arbeitgebers. 2. Offenlegungspflicht bei Umständen außerhalb des Arbeitsbereichs Das Offenlegungsinteresse des Arbeitgebers nimmt ab, je lockerer der Zusam­ menhang einer Information zu den Hauptleistungspflichten des Arbeitnehmers ist. Dem muss bei den Offenlegungspflichten gem. §  241 Abs.  2 BGB Rechnung getragen werden: Der genaue Inhalt der Pflicht ist hier über eine Abwägung von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen zu bestimmen. Selbst wenn die Information nichts mit dem Arbeitsbereich selbst zu tun hat, etwa das Verhalten eines Kollegen aus einer anderen Abteilung betrifft, können bei der Abwägung die Interessen des Arbeitgebers die des Arbeitnehmers über­ wiegen, sodass eine Offenlegungspflicht entsteht. Die Rechtsprechung zieht zur Konkretisierung der Abwägung die Vorausset­ zungen des bürgerlich-rechtlichen Auskunftsanspruchs heran.241 Dieser setzt voraus, dass ein Rechtsverhältnis vorliegt, dessen Wesen es mit sich bringt, dass der Berechtigte entschuldbarerweise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen, der Verpflichtete aber in der Lage ist, unschwer die zur Beseiti­ gung der Ungewissheit erforderliche Auskunft zu erteilen.242 Die Rechtspre­ chung verlangt für die Offenlegung abseits der Hauptleistungspflichten damit ein berechtigtes Informationsinteresse des Arbeitgebers und stellt eine Zumut­ barkeitsprüfung für den Arbeitnehmer an. Die mit der Anwendung dieser 240 

Göpfert/Merten/Siegrist, NJW 2008, 1703, 1705. BAG, Urt. v. 7.9.1995 – 8 AZR 828/93, NZA 1996, 637, 638. 242  BGH, Urt. v. 6.2.2007 – X ZR 117/04, NJW 2007, 1806; Urt. v. 28.10.1953 – II ZR 149/52, BGHZ 10, 385, 387; BAG, Urt. v. 7.9.1995 – 8 AZR 828/93, NZA 1996, 637, 638. 241 

252

Teil 3: Folgerungen für andere Rechtsgebiete

Grundsätze verbundene Konkretisierung der Abwägung (und damit ihre Ein­ schränkung zugunsten des Arbeitnehmers) ist zwar gering, 243 aber sie über­ zeugt. Je weiter eine Information sich von den Hauptleistungspflichten entfernt, desto stärker bedarf ihre Offenlegung der Rechtfertigung. Ein Zusammenhang mit der Pflichtenbindung des Arbeitnehmers muss stets noch gegeben sein.244 Solange das berechtigte Informationsinteresse des Arbeitgebers vorliegt und die Informationsmitteilung dem Arbeitnehmer zumutbar ist, kann nicht nur ein Auskunftsanspruch, sondern auch eine Anzeigepflicht entstehen.245 So kön­ nen etwa einschlägige Vorstrafen gestützt auf diese Begründung dem Arbeitge­ ber ungefragt zu offenbaren sein.246 3. Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers Grundsätzlich hat der Arbeitnehmer folglich umfassend, d. h. wahrheitsgemäß und vollständig, Auskunft zu erteilen über Art und Umfang seiner Leistung, seinen Arbeitsbereich insgesamt sowie Wahrnehmungen im Zusammenhang mit der Arbeitsleistung.247 Verhält der Arbeitnehmer sich jedoch pflichtwidrig oder wird er Zeuge einer Pflichtwidrigkeit eines Kollegen, hat er ein Interesse, dem Arbeitgeber Informationen hierüber verweigern und sich auf Nichtwissen berufen, nicht aber daran, durch unwahre Aussagen die Ermittlungen in die falsche Richtung lenken zu können. Geschützt wird das Interesse, sich nicht selbst belasten zu müssen, durch sein allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  1 Abs.  1 GG). Dieses muss vor der Kontrollinstanz Arbeitgeber nicht anders Geltung erlangen als vor der Kontrollinstanz Staat.248 Es kann sowohl in Form des Schutzes vor Selbst­ bezichtigung,249 als auch in Form des Schutzes des sozialen Achtungsan­ spruchs250 gegenüber den Kollegen (Schutz vor Hineindrängung in eine „De­ nunziantenposition“) bei der Bestimmung von Nebenleistungs- und Neben­ pflichten zu berücksichtigen sein.

243  So besteht keine Offenlegungspflicht, wenn der Arbeitgeber sich die Information auf zumutbare Weise anderweitig beschaffen könnte, Göpfert/Merten/Siegrist, NJW 2997, 1703, 1706. 244  BAG, Urt. v. 7.9.1995 – 8 AZR 828/93, NZA 1996, 637, 638. 245  LAG Köln, Urt. v. 25.9.2006 – 14 Sa 658/06, NZA-RR 2007, 134 (nur Ls.). 246  Weiteres Beispiel (allerdings ohne nähere Begründung) LAG Köln, Urt. v. 25.9.2006 – 14 Sa 658/06, NZA-RR 2007, 134 (nur Ls.). 247  Göpfert/Merten/Siegrist, NJW 2008, 1703, 1705; Rudkowski, NZA 2011, 612, 614 und soeben 1. 248  Im öffentlichen Dienst ohnehin unproblematisch, s. BVerfG, Urt. v. 8.7.1997 – 1 BvR 2111/94, BVerfGE 96, 171 ff. 249  BVerfG, Urt. v. 8.7.1997 – 1 BvR 2111/94, BVerfGE 96, 171 ff.; Beschl. v. 26.2.1997 – 1 BvR 2172/96, BVerfGE 95, 220, 241. 250  Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art.  1 Rn.  117.

§  2 Folgerungen für das Arbeitsrecht

253

Müsste der Arbeitnehmer sich bei wahrheitsgemäßer Information selbst ei­ nes pflichtwidrigen Verhaltens bezichtigen, muss sein allgemeines Persönlich­ keitsrecht zu einem Schweigerecht führen, 251 und darüber hinaus das Vorgeben von Nichtwissen gestatten. Der aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht her­ zuleitende252 Grundsatz „nemo tenetur se ipsum accusare“ bezieht sich zwar in erster Linie auf das Verhältnis des Bürgers zum Staat. Doch auch der Arbeitge­ ber ist eine Instanz, die den Arbeitnehmer in ganz erheblicher Weise sanktio­ nieren kann, bis hin zur Kündigung und damit dem zumindest vorübergehen­ den Verlust der wirtschaftlichen Existenzgrundlage. Geht man davon aus, dass die Offenbarung von Kündigungsgründen dem Arbeitnehmer nicht zumutbar ist, 253 ist ein Schweigerecht zwingend. Zugleich aber reicht es nicht aus, denn bloßes Schweigen könnte vom Arbeitgeber als Eingeständnis gewertet werden. Wirksam kann der Schutz vor Selbstbezichtigung erst werden, wenn dem Ar­ beitnehmer auch gestattet ist, Nichtwissen um die gewünschte Information vorzugeben. Die Interessen des Arbeitgebers gebieten eine Pflicht zur wahrheitsgemäßen Aussage nicht. Der Arbeitgeber ist zwar regelmäßig an der Aufklärung des Sachverhalts interessiert, um weitere Schäden abzuwenden. Den (vermuteten) Verstoß sanktionieren und damit weitere Schädigung für die Zukunft vermei­ den ist dem Arbeitgeber aber auch ohne Gewissheit über die Person des Schädi­ gers möglich. Das Institut der Verdachtskündigung etwa beruht gerade darauf, dass einem Arbeitnehmer eine Vertragsverletzung nicht mit letzter Sicherheit nachgewiesen werden kann.254 Anders als die Strafverfolgungsbehörden 255 ist der Arbeitgeber auch nicht gehindert, aus dem Schweigen des Arbeitnehmers oder aus dessen vorgeblichem Nichtwissen für diesen nachteilige Schlüsse zu ziehen. Hingegen hat der Arbeitgeber ein anerkennenswertes Interesse daran, nicht durch unwahre Aussagen des Arbeitnehmers bei den Ermittlungen in die Irre geführt zu werden. Ein „Recht zur Lüge“, etwa zur Bezichtigung eines anderen Arbeitnehmers oder Verfälschung des Geschehensablaufs, kann es da­ her für den Arbeitnehmer nicht geben – es wäre auch im strafrechtlichen Ver­ fahren nicht anerkannt.256 251  Im Ergebnis ebenso BGH, Urt. v. 23.2.1989 – IX ZR 236/86, NZA-RR 1989, 614, 615 (für freie Mitarbeiter); für Arbeitnehmer: Fritz/Nolden, CCZ 2010, 170, 172; Göpfert/Merten/Siegrist, NJW 2008, 1703; Maschmann, NZA-Beilage 2012, 50, 55; Mengel/Ullrich, NZA 2006, 240, 243; Rudkowski, NZA 2011, 612, 613; a. A. Bissels/Lützeler, BB 2012, 189, 190; Lützeler/Müller-Sartori, CCZ 2011, 19, 20; Vogt, NJW 2009, 3755, 3755. 252  BVerfG, Beschl. v. 26.2.1997 – 1 BvR 2172/96, BVerfGE 95, 220, 241; Beschl. v. 13.1.1981 – 1 BvR 116/77, BVerfGE 56, 37, 41 f. 253  BAG, Urt. v. 7.9.1995 – 8 AZR 828/93, NZA 1996, 637. 254  BAG, Urt. v. 10.2.2005 – 2 AZR 189/04, NZA 2005, 1056; Urt. v. 26.3.1992 – 2 AZR 519/91, NZA 1992, 1121, 1122. 255  S. BVerfG, Beschl. v. 7.7.1995 – 2 BvR 326/92, NStZ 1995, 555. 256 Keine ausdrückliche oder konkludente Anschuldigung anderer zur Selbstbegünsti­ gung, Lenckner/Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB §  164 Rn.  34.

254

Teil 3: Folgerungen für andere Rechtsgebiete

Soweit der Arbeitnehmer Informationen mitteilen soll über Fehlverhalten an­ derer Arbeitnehmer, kann er sich ebenfalls grundsätzlich auf sein allgemeines Persönlichkeitsrecht berufen. Allerdings ist die Interessenlage auf Seiten des Arbeitgebers regelmäßig eine andere. Ist dem Arbeitnehmer die Überwachung und Kontrolle eines anderen, sich (möglicherweise) arbeitsvertragswidrig verhaltenden Arbeitnehmers übertra­ gen, vertraut der Arbeitgeber darauf, dass der Arbeitnehmer die Kontrolle auch ausüben und damit ggf. etwaiges Fehlverhalten abstellen und offenbaren wird. Den Arbeitnehmer müssen daher Anzeige-257 und als minus dazu auch Aus­ kunftspflichten gegenüber dem Arbeitgeber treffen.258 Dabei kann nicht erfor­ derlich sein, dass der sich vertragswidrig verhaltende Arbeitnehmer dem Anzei­ gepflichtigen selbst untergeordnet ist im Sinne eines Vorgesetztenverhältnisses, solange sich nur die schädigende Handlung im Aufgabenbereich des zur Kon­ trolle berufenen Arbeitnehmers abspielt.259 Der Arbeitnehmer nimmt letztlich in beiden Fällen eingeschränkt Arbeitgeberfunktionen wahr. Richtigerweise besteht auch dann eine Anzeige- und erst recht eine Aus­ kunftspflicht, wenn der Arbeitnehmer zwar keine Kontrollfunktion gegenüber seinem Kollegen ausübt, sich die schädigende Handlung aber in seinem Arbeits­ bereich abspielt oder abgespielt hat. Der Arbeitnehmer hat die Interessen seines Arbeitgebers zu wahren, auch gegenüber seinen Kollegen. Der Arbeitgeber darf sich darauf grundsätzlich verlassen. Das unterstreichen Wertungen des Straf­ rechts: Unrecht verhält sich grundsätzlich, wer verhindert, dass Straftäter be­ straft werden (s. §  258 StGB). Dies muss entsprechend für Personen gelten, die sogar bei Pflichtenbindung gegenüber dem Geschädigten verhindern, dass je­ mand aufgrund eines Fehlverhaltens einer Sanktion ausgesetzt wird. Hinzu kommt, dass Informationen zu den näheren Umständen einer Vertragsverlet­ zung üblicherweise vor allem von Kollegen zu erlangen sind, die Sachverhalts­ aufklärung und Verhinderung weiterer Schäden regelmäßig also nur unter Ein­ beziehung von weiteren Arbeitnehmern möglich ist. Demgegenüber fällt das Interesse des Arbeitnehmers, nicht seine Kollegen dem Arbeitgeber melden zu müssen, nicht ins Gewicht. Bei schädigenden Handlungen von Kollegen außerhalb des Arbeitsbereichs des Arbeitnehmers ist hingegen die Interessenabwägung strenger zu handha­ ben, um die Pflichten des Arbeitnehmers, der sich nicht als „Detektiv“ seines Arbeitgebers betätigen und allzeit wachsam muss, nicht zu überspannen. Zu­ gleich aber kann die Verpflichtung des Arbeitnehmers, die Rechtsgüter seines Arbeitgebers zu schützen, nicht bedeutungslos sein. Wenn ein nicht nur uner­ 257 

S. schon BAG, Urt. v. 12.5.1958 – 2 AZR 539/56, BAGE 6, 82, 83 ff. So schon Rudkowski, NZA 2011, 612, 614. 259  S. z. B. den Sachverhalt bei BAG, Urt. v. 18.6.1970 – 1 AZR 520/69, NJW 1970, 1861: Anzeigepflicht des für die Abrechnung zuständigen Arbeitnehmers, wenn der mit dem Inkas­ so betraute Arbeitnehmer kassierte Gelder unterschlägt. 258 

§  2 Folgerungen für das Arbeitsrecht

255

heblicher Schaden droht oder eingetreten ist,260 muss die Anzeige und damit erst recht die Auskunft dem Arbeitnehmer auch außerhalb seines Aufgabenbe­ reichs zumutbar sein.261 4. Fazit Die Offenlegungspflichten des Arbeitnehmers, die zur Kontrolle seiner Leis­ tung und seines Verhaltens dienen, sind (abhängig vom Gegenstand der zu of­ fenbarenden Information) als Nebenleistungs- oder Nebenpflichten i. S. d. §  241 BGB einzuordnen. Im Grundsatz ist der Arbeitnehmer zur Offenlegung ver­ pflichtet, es besteht ein individualarbeitsrechtlicher „Grundsatz der Transpa­ renz“. Anerkennenswerte Geheimhaltungsinteressen können sich aus dem all­ gemeinen Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers ergeben. Er muss sich nicht selbst einer Pflichtverletzung bezichtigen.

B. Modifikation der allgemeinen Grundsätze in Finanzdienstleistungsunternehmen Muss der Arbeitnehmer mithin alle dienstlich relevanten Informationen mit Be­ zug zu seiner Arbeitsleistung und zu seinem Arbeitsbereich und alle dienstlich relevanten Informationen ohne Personenbezug uneingeschränkt dem Arbeitge­ ber offenlegen, ist Transparenz hergestellt. Das Arbeitsrecht entspricht den An­ forderungen des Finanzaufsichtsrechts insoweit in vollem Umfang. Eine Aus­ weitung der arbeitsrechtlichen Offenlegungspflichten für Arbeitnehmer in Fi­ nanzdienstleistungsunternehmen ist nicht erforderlich. Dies gilt umso mehr, als die finanzaufsichtsrechtlichen Pflichten des Unternehmens im Wesentlichen in Weisungen umgesetzt werden können und ihre Einhaltung so auch vom Arbeit­ nehmer grundsätzlich umfassend offenbart werden muss. Die arbeitsrechtli­ chen Informationsbeziehungen passen sich, ohne dass es einer gesonderten ge­ setzlichen Anordnung bedürfte, flexibel an beliebige aufsichtsrechtliche Vorga­ ben an. Zwar sind die arbeitsrechtlichen Grundsätze ungeschrieben und mit einer ge­ wissen Unsicherheit für den Rechtsanwender behaftet. Auch aufsichtsrechtliche Bestimmungen zur Information kommen allerdings nicht ohne unbestimmte Rechtsbegriffe aus.262 Aufgrund der Vielgestaltigkeit der potentiell offenle­ gungsbedürftigen Sachverhalte ist eine nähere Konkretisierung der Transpa­ renzpflichten nicht möglich. Eine gewisse Unsicherheit in der Rechtsanwen­ dung lässt sich nicht vermeiden. 260 

Enger ErfK/Preis, §  611 BGB Rn.  742: „Personenschaden oder schwerer Sachschaden“. Offen gelassen von BGH, Urt. v. 23.2.1989 – IX ZR 236/86, NJW-RR 1989, 614. 262  S. oben Teil 2 §  1 C. insbes. I. und die allgemeine Kritik von Gal/Sehrbrock, S.  65. 261 

256

Teil 3: Folgerungen für andere Rechtsgebiete

Die umfassenden Offenlegungsrechte des Arbeitgebers werden außerdem zwar durch ein Schweigerecht und ein Recht zum Vorgeben von Nichtwissen des Arbeitnehmers eingeschränkt, wenn dieser sich bei wahrheitsgemäßer In­ formation selbst eines pflichtwidrigen Verhaltens bezichtigen müsste. Diese Einschränkung beruht aber auf dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeits­ rechts des Arbeitnehmers und damit auf zwingenden verfassungsrechtlichen Anforderungen. Gerade beim Schweigerecht handelt es sich um ein verfas­ sungsrechtlich verbürgtes Mindestschutzniveau, 263 von dem auch nicht durch finanzaufsichtsrechtliche Bestimmungen abgerückt werden kann.264 Insoweit gelten ebenfalls die arbeitsrechtlichen Grundsätze für alle Arbeitnehmer unter­ schiedslos. Anpassungsbedarf bei den arbeitsrechtlichen Grundsätzen kann sich ledig­ lich daraus ergeben, dass das Finanzaufsichtsrecht mitunter die Einrichtung besonderer Kontrollinstanzen verlangt. Diese sind in die unternehmensinter­ nen Informationsflüsse mit einzubeziehen, soweit ihre Aufgaben dies erfordern. Die Notwendigkeit der Einbeziehung kann abhängig von der Art der zu offen­ barenden Information die Neben- oder Nebenleistungspflichten des Arbeit­ nehmers dahingehend erweitern, neben dem Arbeitgeber (verkörpert durch den unmittelbaren Vorgesetzten) eine bestimmte besondere Kontrollinstanz zu in­ formieren. Hier hervorzuhebende besondere Kontrollinstanz im gegenwärtigen Finan­ zaufsichtsrecht ist die interne Revision, die der Überwachung und Bewertung des internen Kontroll- und Governance-Systems dient.265 Damit sie ihren Zweck erfüllen kann, ist es erforderlich, Unregelmäßigkeiten, die ihren Auf­ gabenbereich, die Überwachung des internen Kontroll- und Governance-­ Systems, betreffen können, nicht nur nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen dem Vorgesetzten, sondern zugleich auch ihr (der internen Revision) zu melden.266 Entsprechendes gilt für die Compliance-Funktion, allerdings nur dort, wo sie obligatorisch ist 267 und ebenfalls beschränkt auf ihren Aufgabenbereich.268 Denn weder interne Revision noch Compliance-Funktion sind, anders als vor allem der recht weite, vielschichtige Begriff der Compliance nahelegen könnte, Superkontrollinstanzen.269 Zu keiner Erweiterung der Berichtspflichten führt hingegen die interne Whistleblowingstelle gem. §  25a Abs.  1 S.  5 Nr.  3 KWG, die es den Arbeitneh­ 263  Zur Verankerung im Grundgesetz z. B. BVerfG, Beschl. v. 26.2.1997 – 1 BvR 2172/96, BVerfGE 95, 220, 241; Beschl. v. 13.1.1981 – 1 BvR 116/77, BVerfGE 56, 37, 42. 264  Anders klingen mitunter freilich die MaRisk VA, s. etwa Ziff.  7.4 unter 3. MaRisk VA. 265  Oben Teil 2 §  1 B. II. 4. (für die interne Revision gem. VAG-E). 266  So auch im Ergebnis EIOPA/CEIOPS L2 Final Advice on System of Governance, S.  51. 267  Im VAG erst nach Umsetzung von Solvency II, s. oben Teil 2 §  1 B. II. 3. 268  Zu diesem Teil 2 §  1 B. II. 3. b) (am Beispiel des Compliance-Beauftragten gem. WpHG/ VAG-E). 269  Zu ihren eingeschränkten Kontrollbefugnissen s. oben Teil 2 §  1 B. II. 3. c).

§  3 Folgerungen für andere Wirtschaftszweige unter staatlicher Aufsicht

257

mern lediglich ermöglichen, die sie aber nicht verpflichten soll, unter Umge­ hung der üblichen Berichtswege innerhalb der Hierarchie und unter Wahrung der Vertraulichkeit Missstände270 intern zu Gehör zu bringen.

C. Fazit Nach allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätzen ist der Arbeitnehmer bereits umfassend zur Offenlegung dienstlich relevanter Informationen verpflichtet. Es gilt aus arbeitsrechtlicher Sicht ein Grundsatz „interner Transparenz“. Ein­ geschränkt werden die Offenlegungspflichten des Arbeitnehmers lediglich durch dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht. Gesteigerte arbeitsrechtliche Transparenzpflichten in Finanzdienstleistungsunternehmen können mithin nicht bestehen. Ausnahmsweise erweitert aber das Finanzaufsichtsrecht den Adressatenkreis für die zu offenbarenden Informationen: Vorkommnisse, die den Aufgabenbereich einer finanzaufsichtsrechtlich vorgeschriebenen Kon­ troll­instanz (z. B. der internen Revision oder einer obligatorischen Com­plianceFunktion) betreffen, hat der Arbeitnehmer nicht nur seinem Vorgesetzten, son­ dern auch der jeweils betroffenen Kontrollinstanz direkt mitzuteilen.

§  3 Folgerungen für andere Wirtschaftszweige unter staatlicher Aufsicht Dass das Finanzaufsichtsrecht mitunter in der Vergangenheit eine „Schrittma­ cherrolle“271 gegenüber dem Gesellschaftsrecht eingenommen hat, wurde be­ reits dargelegt.272 Doch könnten die für die Transparenz im Finanzaufsichts­ recht gefundenen Ergebnisse273 auch für die Regulierung anderer Bereiche des Wirtschaftsaufsichtsrechts heranzuziehen sein.

A. Beschränkung auf Transparenz zur Kontrolle durch Aufsichtsbehörden Das finanzaufsichtsrechtliche Konzept der Kontrolle durch interne Transpa­ renz und das der Kontrolle durch Transparenz für die Öffentlichkeit scheiden 270  Genauer: Verstöße gegen die Verordnung (EU) Nr.  575/2013, gegen das KWG und die auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen sowie etwaige strafbare Handlungen inner­ halb des Unternehmens, §  25a Abs.  1 S.  5 Nr.  3 KWG. 271  Fleischer, ZIP 2003, 1, 10; Preußner, NZG 2004, 57. 272  Soeben §  1. 273  Aus Teil 2 §§  1, 3, 4.

258

Teil 3: Folgerungen für andere Rechtsgebiete

als Regelungsvorbild für andere Wirtschaftsaufsichtsrechte jedoch von vornhe­ rein aus. Das Modell der Transparenz für die Öffentlichkeit mit dem Ziel, die Einhaltung des Aufsichtsrechts zu kontrollieren (Teil 2 §  4), leidet an so erheb­ lichen Defiziten, dass es Kontrolle nicht effektiv bewirken kann. Das Interesse der Öffentlichkeit, die Unternehmen zu kontrollieren, ihre wirtschaftlichen Kennzahlen und die Einhaltung des einschlägigen Aufsichtsrechts zu prüfen, kann bei anderen regulierten Branchen regelmäßig nicht größer sein als im für alle Teile der Bevölkerung grundsätzlich bedeutsamen Finanzaufsichtsrecht. Auch würde der Öffentlichkeit die Kontrolle anderer Wirtschaftszweige fach­ lich kaum weniger schwer fallen als die Kontrolle des Finanzdienstleistungssek­ tors. Die aufsichtsrechtlichen Sachverhalte in anderen Branchen, etwa in der Energieversorgung, sind kaum weniger komplex als die finanzaufsichtsrechtli­ chen. Ihre Bewertung setzt oft rechtliche, wirtschaftliche oder gar technische Spezialkenntnisse voraus. Die Öffentlichkeit ist daher in keinem Fall geeignete Kontrollinstanz, jedenfalls aber besteht mit der Kontrolle durch Behörden ein gleich geeignetes, milderes Mittel zur Kontrolle durch die Öffentlichkeit. Unternehmensinterne Transparenz (Teil 2 §  1) aber ist durch gesetzgeberi­ sches Tätigwerden nur bedingt herstellbar.274 Die Vorschriften über die unter­ nehmensinternen Informationsbeziehungen müssen angesichts der Vielzahl der zu regulierenden Sachverhalte notwendigerweise unbestimmt sein, sodass mit aufsichtsrechtlichen Regelungen grundsätzlich keine Verbesserung der Rechts­ lage einhergeht. Der Schaffung neuer interner Kontrollinstanzen sind aber ma­ terielle aufsichtsrechtliche Regelungen mit Blick auf die Unternehmensorgani­ sationsfreiheit und die Wirksamkeit der Kontrolle vorzuziehen. Beide Befunde sind unabhängig von der Zugehörigkeit des Unternehmens zu einem bestimm­ ten Wirtschaftszweig und schließen es damit aus, die finanzaufsichtsrechtlichen Vorschriften zur internen Transparenz auf Unternehmen außerhalb des Fi­ nanzdienstleistungssektors zu übertragen. Die Funktion von Transparenz, eine ausreichende informationelle Basis für Kontrolle durch eine Aufsichtsbehörde zu schaffen, 275 ist hingegen unabhängig vom konkret beaufsichtigten Wirtschaftszweig.276 Die entsprechenden Vor­ schriften des Finanzaufsichtsrechts sind daher als Regelungsvorbild für andere Wirtschaftszweige grundsätzlich geeignet. Allerdings setzt eine Übertragung der unter Teil 2 §  3 gefundenen Grundsät­ ze voraus, dass andere Zweige der Wirtschaftsaufsicht in ihrer (übrigen) rechtli­ chen Ausgestaltung und in den tatsächlichen Besonderheiten der zu überwa­ chenden Unternehmen der Finanzaufsicht ähnlich sind. 274 

S. oben Teil 2 §  1 C. Näher Teil 2 §  3. 276  Für das öffentliche Recht etwa Schoch, VVDStRL 57 (1998), 158, 168; Stohrer, S.  52, 111, 117 f. 275 

§  3 Folgerungen für andere Wirtschaftszweige unter staatlicher Aufsicht

259

B. Besonderheiten der Aufsicht über Finanzdienstleister Die Grundlagen der Aufsicht über Finanzdienstleister sind eingangs vorge­ stellt, die besondere Regulierungsbedürftigkeit dieses Wirtschaftszweiges ist skizziert worden.277 Es ist auch deutlich geworden, dass im Vergleich zu ande­ ren Aufsichtsmodellen die Aufsicht über Finanzdienstleister „besonders inten­ siv“278 ist, gekennzeichnet nicht durch punktuelles korrigierendes Eingreifen, sondern durch Bestehen eines „Dauer-Überwachungsrechtsverhältnis[ses]“.279 Die Aufsichtstätigkeit erschöpft sich nicht in der Erteilung einer einzelnen Ge­ nehmigung, sondern es wird laufend der gesamte Geschäftsbetrieb über­ wacht.280 Das Eintreten eines Missstands muss nicht abgewartet werden, sondern die BaFin kann tätig werden schon um einen solchen zu vermeiden, §§  6 Abs.  2 KWG n. F., 81 Abs.  2 S.  1 VAG.281 Die Finanzaufsicht ist damit weit mehr als eine spezielle Gewerbepolizei.282 Sie hat im Bereich der Versicherungsaufsicht den Schutz der Versicherungsnehmer und daher die Erhaltung der Leistungsund Funktionsfähigkeit der Versicherungswirtschaft zum Ziel,283 im Bereich der Bankenaufsicht insbesondere die Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Zahlungsverkehrs, die Vermeidung von Gefahren für die Volkswirtschaft und den Gläubigerschutz.284

C. Übertragbarkeit der gefundenen Grundsätze auf andere Rechtsgebiete Diese besondere Aufsichtsintensität schließt nicht aus, das Finanzaufsichtsrecht mit anderen Gebieten des Wirtschaftsaufsichtsrechts zu vergleichen 285 und die unter Teil 2 §  3 gefundenen Offenlegungsvorschriften als Vorbild für andere Wirtschaftsaufsichtsrechte heranzuziehen. Dies gilt umso mehr, als die hier aufgezeigten Grundsätze zur Transparenz aus verfassungsrechtlichen Vorgaben, insbesondere dem Verhältnismäßig­ keitsprinzip, hergeleitet sind.286 Unabhängig von dem Aufsichtsmodell, das der 277 

Teil 1 §  2. Fehling, in: Liber Amicorum Winter, S.  171, 179; Kollhosser, in: Prölss, VAG, §  81 Rn.  7. 279  Fehling, in: Liber Amicorum Winter, S.  171, 179. 280  Kollhosser, in Prölss, VAG, §   81 Rn.  7 (zum VAG); Fischer, in: Schimansky/Bunte/ Lwowski, BankrechtsHdb, §  125 Rn.  1 (zum KWG). 281  Ausf. zum Versicherungsrecht Starke, in: Rohrbeck (Hrsg.), Bd.  1, S.  79. 282  Zu den gewerbepolizeilichen Ursprüngen Bähr, S.  2 2 ff. 283  Winter, S.  19, ausf. oben Teil 1 §  2 A. I. 284  BGH, Urt. v. 12.7.1979 – III ZR 154/77, BGHZ 75, 120, 122 f.; Ruland-Bericht zu BTDrs. 3/2563, hier relevante Auszüge abgedruckt bei Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, Einführung Rn.  120. 285  Fehling, in: Liber Amicorum Winter, S.  171, 173 ff. 286  Oben Teil 2 §  3 A. I. 3. c) und B., §  4 C. 278 

260

Teil 3: Folgerungen für andere Rechtsgebiete

Gesetzgeber wählt, bedarf zudem jede behördliche Entscheidung einer hinrei­ chenden informationellen Grundlage.287 Jedoch ist die Übertragung der in Teil 2 §  3 gefundenen Grundsätze auf ande­ re Wirtschaftsaufsichtsrechte nur sinnvoll, wenn die Behörden in dem hierzu ausgewählten Wirtschaftszweig umfassend, nach dem hier skizzierten Mo­ dell, 288 zur Kontrolle über den laufenden Geschäftsbetrieb der Unternehmen verpflichtet sind. Nur dann besteht ein vergleichbarer Informationsbedarf.289 Informationen zu generieren, ohne dass wenigstens aufgrund des Aufsichtsmo­ dells abstrakter Informationsbedarf bestünde, grenzte hingegen an Ausfor­ schung, die stets unzulässig sein muss.290 Ein dem Finanzaufsichtsrecht annähernd vergleichbares Aufsichtsmodell findet sich aber derzeit nicht. Zwar bestehen in den zahlreichen speziellen Ge­ bieten des Wirtschaftsaufsichtsrechts auch Aufsichtsmodelle, die Behörden die Aufgabe zuweisen, die wirtschaftlichen Kennzahlen der von ihnen beaufsich­ tigten Unternehmen zu kontrollieren.291 Den Zweck, das Unternehmen umfas­ send und bei seinem gesamten Geschäftsbetrieb zu überwachen, verfolgt das geltende Aufsichtsrecht abseits des Finanzaufsichtsrechts aber grundsätzlich nicht. So sind TKG und EnWG eher kartellrechtlicher Prägung, ausgehend von dem Umstand, dass Strom-, Gas- und Telekommunikationsnetze teilweise „na­ türliche Monopole“ sind 292 und der Zugang zu ihnen reguliert werden muss.293 Andere Aufsichtsrechte hingegen müssen eher als Gefahrenabwehrrecht einge­ ordnet werden, etwa das Atomaufsichtsrecht,294 oder sollen sonst nur die Befol­ gung eines eingegrenzten Kreises von Rechtsvorschriften mit eingeschränkten behördlichen Mitteln 295 durchsetzen. Es findet sich zwar öfter die Aufgabe ei­ ner staatlichen Stelle, die Einhaltung eines bestimmten Gesetzes sicherzustellen (s. etwa §§  18 Abs.  1, 19 Abs.  1 UrhWG296 für die Aufsicht über Verwertungsge­ sellschaften). Auch können sich verschiedene Behörden auf Befugnisgeneral­ klauseln berufen, um die zur Einhaltung eines bestimmten Gesetzes erforderli­ chen Maßnahmen zu treffen (z. B. §§  62 KrWG, 126 Abs.  1 TKG). Dem folgen 287 

Schoch, VVDStRL 57 (1998), 158, 168. Soeben B. und oben Teil 1 §  2, Teil 2 §§  1, 3, 4. 289  Zum Informationsbedarf in Abhängigkeit vom Aufsichtsmodell schon oben Teil 2 §  3 A. I. 290  S. zu dem vergleichbaren Problem im Finanzaufsichtsrecht Teil 2 §  3 B. I. 291  Z. B. §  6b Abs.  7 EnWG für das Verhältnis vertikal integriertes Energieversorgungsun­ ternehmen/Regulierungsbehörde. 292  Storr, EuZW 2007, 232 (Strom und Gas); Hellwig, in: Arndt et al. (Hrsg.), TKG, §  27 Rn.  5 („letzte Meile“ der Telekom); Säcker, AöR 130 (2005), 180, 185; Theobald, NJW 2003, 324 ff. (jew. diverse). 293  So setzt §  1 Abs.  2 EnWG ausdrücklich das Ziel des Wettbewerbsschutzes. 294  Hollenbach, NVwZ 2008, 1065, 1068. 295  Z. B. die eingeschränkte Kontrolle von Verwertungsgesellschaften, dazu Merz, ZUM 1987, 309, 314 f. 296 Näher Schack, Rn.  1328 ff. 288 

§  3 Folgerungen für andere Wirtschaftszweige unter staatlicher Aufsicht

261

mitunter auch weite Sachverhaltsermittlungsrechte der Behörde (z. B. §§  47 Abs.  1 S.  2, Abs.  3, 4 KrWG, 127, 128 TKG). Es ist jedoch eine Besonderheit des Finanzaufsichtsrechts, dass das Unternehmen insgesamt ständig überwacht wird, sowohl hinsichtlich seines wirtschaftlichen Wohlergehens als auch seiner eigentlichen geschäftlichen Tätigkeit (Anbieten von Versicherungsverträgen, Verbraucherkrediten, sonstigen Finanzdienstleistungen). Die Besonderheit des Finanzdienstleistungssektors liegt darin, dass ordnungsgemäße geschäftliche Tätigkeit und wirtschaftliches Wohlergehen des Unternehmens untrennbar mit einander verbunden sind.297 Dem trägt das Aufsichtsrecht Rechnung. Eine vergleichbare Verzahnung zwischen wirtschaftlicher Lage und eigentli­ cher geschäftlicher Tätigkeit liegt in anderen Wirtschaftszweigen nicht vor, selbst wenn sie einer relativ starken Kontrolle unterliegen. So ist denkbar, dass ein Entsorgungsfachbetrieb i. S. d. §  56 Abs.  2 KrWG seinen abfallrechtlichen Verpflichtungen nachkommt, ohne dass seine Buchführung oder wirtschaftli­ che Lage bestimmten Anforderungen genügt. Dementsprechend erstreckt sich die Aufsicht grundsätzlich nicht auf das wirtschaftliche Wohlergehen des Un­ ternehmens (um im Beispiel zu bleiben: s. §§  3 ff. EfbV). Umgekehrt umfasst etwa die Überwachung nach TKG wirtschaftliche Fragen (Feststellung einer beträchtlichen Marktmacht), ohne dass nähere Vorgaben zum eigentlichen Ge­ schäftsbetrieb (etwa technische Fragen des Netzbetriebs oder der Kundenbe­ treuung im Einzelnen) gemacht würden. Die unter Teil 2 §  3 gefundenen Grundsätze zur Transparenz können daher derzeit grundsätzlich nicht auf andere Bereiche des Wirtschaftsaufsichtsrecht übertragen werden. Lediglich dort, wo der Gesetzgeber ein so hohes Kontrollbedürfnis sieht, dass er die Aufsicht ausbauen und dem Modell der Finanzaufsicht annähern will, müssen die Grundsätze zur Transparenz gegenüber der Aufsichtsbehörde gelten. In welchen Wirtschaftszweigen es geboten ist, die Kontrolle über die Unternehmen derart auszubauen, muss hier nicht erörtert werden. Im Grund­ satz möglich ist der Ausbau stets angesichts des weiten Gestaltungsspielraums, welcher dem Gesetzgeber bei Ausübung seiner Tätigkeit zukommt.298

D. Fazit Solange in anderen Wirtschaftsaufsichtsrechten kein dem Finanzaufsichtsrecht ähnliches Verständnis von Kontrolle besteht, können die Grundsätze zur Transparenz für die Aufsichtsbehörde299 nicht auf andere Wirtschaftszweige 297 

Zu den Besonderheiten des Finanzdienstleistungssektors s. i.Ü. schon Teil 1 §  2. Näher zum Gestaltungsspielraum etwa Borowski, S.  123 ff., 205 f. 299  Oben Teil 2 §  3. 298 

262

Teil 3: Folgerungen für andere Rechtsgebiete

übertragen werden. Die finanzaufsichtsrechtlichen Vorschriften zur internen Transparenz300 und zur Transparenz für die Öffentlichkeit 301 scheiden auf­ grund ihrer Defizite ohnehin als Regelungsvorbild aus.

§  4 Folgerungen für das Zivilprozessrecht Die unter Teil 2 §  2 vorgestellten zivilrechtlichen Fragestellungen stehen teil­ weise in untrennbarem Zusammenhang mit dem Zivilprozessrecht: Wird mate­ riellrechtlich Informationszugang, etwa ein Auskunftsanspruch, versagt, kann dies im Prozess durch die sog. sekundäre Darlegungslast ausgeglichen werden; strebt umgekehrt das materielle Recht nach Transparenz,302 könnte das Pro­ zess­recht dem zu folgen haben. Diese Verbindung beschränkt sich nicht auf die zivilrechtlichen Beziehungen von Finanzdienstleistungsunternehmen, wird je­ doch an ihnen besonders deutlich und gibt Anlass, über Transparenz der Partei­ en untereinander im Zivilprozessrecht, vor allem, aber nicht nur im Bereich Finanzdienstleistungen, nachzudenken. Transparenz und Geheimnisschutz, Eigenverantwortung und Fürsorge sind auch im Zivilprozess zu einem ange­ messenen Ausgleich zu bringen.

A. Informationelle Eigenverantwortung im Zivilprozess Auch das Zivilprozessrecht folgt bisher dem unter Teil 2 §  2 vorgestellten ­bürgerlich-rechtlichen Grundsatz der informationellen Eigenverantwortung. Jede Partei hat es selbst in der Hand, sich mit den für den Prozess erforderlichen Informationen zu versorgen, oder, in Vereinfachung einer Formel des BGH: „Keine Partei muss dem Gegner zum Sieg verhelfen“.303 Auch nach Neufassung der §§  142, 144 ZPO als Durchbrechungen des Beibringungsgrundsatzes304 im Jahr 2002,305 die die Tatsachenfeststellung im Zivilprozess erleichtern sollten,306 300 

Teil 2 §  1. Teil 2 §  4. 302  S. Teil 2 §  2 A. I. 303  Vereinfachung, BGH, Urt. v. 11.6.1990 – II ZR 159/89, NJW 1990, 3151; Urt. v. 26.6.1958 – II ZR 66/57, NJW 1958, 1491, 1492. 304  OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 17.12.2004 – 13 W 98/04, OLGR Frankfurt 2005, 594, 595; a. A. („Modifizierung“ des Beibringungsgrundsatzes) Saenger, ZZP 121 (2008), 139, 145 f. 305  Näher etwa Gruber/Kießling, ZZP 116 (2003), 305, 311 ff.; Leipold, in: FS Gerhardt, S.  563, 568 ff.; Saenger, ZZP 121 (2008), 139 ff.; Schlosser, JZ 2003, 427 ff.; Wagner, JZ 2007, 706, 709 ff. 306  RegE ZPO-ReformG, BT-Drs. 14/4722, S.  61. 301 

§  4 Folgerungen für das Zivilprozessrecht

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hat der BGH an dieser Formel festgehalten.307 Der 2012 neu eingeführte Güte­ richter gem. §  278 Abs.  5 ZPO308 indes braucht zwar, seiner Aufgabe folgend, „den Kuchen größer zu machen, statt nur die Stücke zu verteilen“,309 mehr In­ formationen als ein autoritativ entscheidender Richter. Er ist bei seiner Tätigkeit aber nicht an die Vorgaben der ZPO gebunden,310 sodass dieses Institut für die Informationsbeziehungen im Zivilprozessrecht keine Wirkungen hat. Allerdings lässt die zunehmende Anwendung der Rechtsfigur der sekundär­ en Darlegungslast Zweifel aufkommen, ob die informationelle Eigenverantwor­ tung der Parteien im Prozess grundsätzlich noch besteht. Das Zivilprozessrecht könnte, das Streben des Gesetzgebers nach Transparenz im materiellen Recht aufgreifend und Forderungen aus der Literatur entsprechend,311 sich hinwenden zu einem Grundsatz der Transparenz. I. Durchbrechung durch die Grundsätze der sekundären Darlegungslast Um im Prozessrecht über die Regeln der ZPO, etwa die Mitwirkungspflicht gem. §  422 ZPO,312 hinaus Informationsdefizite auszugleichen, modifiziert die Rechtsprechung die Grundsätze der Darlegungslast 313 mithilfe der sog. sekun­ dären Darlegungs- oder Behauptungslast.314 Sie wird herangezogen etwa, wenn von der beweisbelasteten Partei negative Tatsachen vorgetragen werden müss­ ten 315 oder in Fällen, in denen es um Informationen aus dem betriebsinternen oder privaten Bereich des Prozessgegners geht.316 Ohne dass die Urteile im Rahmen dieser Arbeit im Einzelnen statistisch er­ fasst werden könnten, fällt auf, dass die Rechtsprechung die sekundäre Darle­ gungslast mittlerweile immer häufiger heranzieht.317 Ob die Rechtsprechung 307 

Nach 2002 etwa BGH, Beschl. v. 26.10.2006 – III ZB 2/06, NJW 2007, 155, 156. Eingeführt durch das Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vom 21. Juli 2012, BGBl.  I S.  1577. 309 Populäres Bild aus der Mediation, s. z. B. Engel/Hornuf, SchiedsVZ 2012, 26, 29 f.; Mähler/Mähler, NJW 1997, 1262, 1265; Schwarz, MittBayNot 2001, 294, 297. 310  Ahrens, NJW 2012, 2465, 2469; Francken, NZA 2012, 249, 250, jeweils auch zur weitge­ henden methodischen Freiheit des Güterichters. 311  Schlosser, JZ 1991, 599 ff.; Stadler, ZZP 123 (2010), 261, 263; s. auch unten II. 312 Näher Osterloh-Konrad, S.  58 ff. 313  S. zu ihnen etwa Prütting, in: MünchKomm-ZPO, §  286 Rn.  111. 314  Beginnend mit dem „Fotokopisten-Urteil“ des Reichsgerichts, RG Urt. v. 10.3.1941 – II 87/40, RGZ 166, 240, 242. S. i.Ü. die Nachweise im Folgenden. Zum Begriff näher Lang, S.  65. 315  S. etwa BGH, Urt. v. 22.2.2011 – XI ZR 261/09, NJW 2011, 2130, 2132; Urt. v. 18.2.2009 – XII ZR 163/07, NJW-RR 2009, 1142. 316  BGH, Urt. v. 3.12.1992 – I ZR 276/90, BGHZ 120, 320, 327 f.; Urt. v. 25.10.1989 – VIII ZR 105/88, NJW 1990, 314, 316. 317  354 Urteile auf juris.de im Zeitraum 1. Januar 2002 bis 1. Januar 2014 zur sekundären Behauptungslast, 1937 zur sekundären Darlegungslast; gegen 35 bzw. 42 bis 1. Januar 2002. Freilich ist zu berücksichtigen, dass die Online-Dokumentation der Urteile sich möglicher­ weise mit den Jahren verbessert hat. So auch schon die Einschätzung von Katzenmeier, Anm. zu BGH, Urt. v. 11.12.2001 – VI ZR 350/00, JZ 2002, 669, 670. 308 

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aber damit den Grundsatz informationeller Eigenverantwortung der Parteien aufgibt, zeigt eine Analyse von Voraussetzungen, Wirkungen und dogmatischer Begründung der sekundären Darlegungslast. 1. Voraussetzungen der sekundären Darlegungslast Nach ihren Voraussetzungen ist die sekundäre Darlegungslast lediglich Aus­ nahme vom Grundsatz informationeller Eigenverantwortung der Parteien. Eine sekundäre Darlegungslast der nicht beweisbelasteten Partei wird (nur) an­ genommen, wenn die darlegungs- und beweispflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufs steht und darum keine nähere Kennt­ nis der maßgebenden Tatsachen haben kann, während sie selbst diese Kenntnis­ se besitzt oder sich leicht beschaffen kann 318 und ihr Angaben dazu auch im Rahmen ihrer Erklärungslast nach §  138 Abs.  2 ZPO zumutbar sind.319 Die An­ nahme einer sekundären Darlegungslast setzt damit nicht bloß ein Informati­ onsgefälle voraus, sondern weitere Umstände, die nur in Ausnahmefällen vor­ liegen. Es geht ihr somit um Herstellung von Einzelfallgerechtigkeit, um eine ausnahmsweise Privilegierung der beweisbelasteten Partei. 2. Wirkungen der sekundären Darlegungslast Je weniger umfassend die Wirkungen der sekundären Darlegungslast, desto we­ niger wird der Grundsatz informationeller Eigenverantwortung zugunsten von „Transparenz“ infrage gestellt. Auf den ersten Blick sind die Wirkungen der sekundären Darlegungslast folglich auch recht begrenzt. Sie bewirkt, dass die nicht beweisbelastete Partei die Darlegung der beweisbelasteten Partei nicht mehr nur einfach bestreiten kann, sondern im Einzelnen die Unrichtigkeit so darlegen muss, dass die beweisbelastete Partei den Beweis für die Richtigkeit antreten kann.320 Ausnahmsweise wird damit der nicht beweisbelasteten Partei zugemutet, der Gegenpartei nähere Angaben zu machen. Teilweise spricht die Rechtsprechung auch davon, dass sie der gegnerischen Partei substanziiertes Bestreiten abverlange,321 was zwar grundsätzlich zutrifft, 318  Die Rechtsprechung verwendet hier mitunter unterschiedliche Formulierungen, ohne dass dies zu inhaltlichen Unterschieden führen würde, s. dazu Freudenthal, S.  20. 319  BVerfG, Beschl. v. 6.10.1999 – 1 BvR 2110/93, NJW 2000, 1483, 1484; BGH, Urt. v. 17.2.2004 – X ZR 108/02, NJW-RR 2004, 989; Urt. v. 13.6.2002 – VII ZR 30/01, NJW-RR 2002, 1309, 1310; Urt. v. 24.11.1998 – VI ZR 388/97, NJW 1999, 714 f.; Urt. v. 29.3.1993 – II ZR 265/91, NJW 1993, 1200, 1203; Urt. v. 11.6.1990 – II ZR 159/89, NJW 1990, 3151 f.; Urt. v. 1.12.1982 – VIII ZR 279/81, BGHZ 86, 23, 29. Zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Beweiserleichterungen in besonderen Verfahrenslagen schon BVerfG, Beschl. v. 25.7.1979 – 2 BvR 878/74, BVerfGE 52, 131, 154 f. 320  BGH, Urt. v. 16.12.2008 – XI ZR 454/07, NJW 2009, 1494; Urt. v. 7.12.1998 – II ZR 266/97, NJW 1999, 579. 321  BGH, Urt. v. 3.2.1999 – VIII ZR 14/98, NJW 1999, 1404, 1405; Urt. v. 7.12.1998 – II ZR 266/97, NJW 1999, 579; dem folgend Zöller/Greger, ZPO, Vor §  284 Rn.  34.

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jedoch zu Missverständnissen führen kann.322 Denn die Notwendigkeit zum substanziierten Bestreiten kann sich auch aus dem normalen Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag ergeben.323 Die sekundäre Darlegungslast geht dar­ über hinaus.324 Durch die sekundäre Darlegungslast wird jedenfalls eine Pflicht zum substanziierten Bestreiten auf nur einfachen Vortrag hin begründet, ab­ weichend von den Darlegungs- und Beweislastgrundsätzen.325 Die beweisbelas­ tete Partei wird so in die Lage versetzt, ihrerseits substanziiert vorzutragen und ggf. einen weiterführenden Beweisantrag zu stellen. Doch auch die Umschreibung, die sekundäre Darlegungslast begründe ab­ weichend von allgemeinen Grundsätzen eine Pflicht zum substanziierten Be­ streiten auf einfachen Vortrag hin, trifft die Wirkungen dieses Rechtsinstituts nicht vollständig. Teilweise hat die Rechtsprechung, ungeachtet ihrer Beteue­ rungen, zu einer Beweislastumkehr komme es nicht,326 explizit den Beweis der aufgrund der sekundären Darlegungslast vorgetragenen Behauptungen ver­ langt 327 oder recht hohe Anforderungen an die Substanziierung gestellt, etwa die Vorlage „einer geordneten Buchführung entsprechenden Unterlagen“ gefor­ dert.328 Das kommt in seinen Wirkungen praktisch einer Umkehr der Beweisfüh­ rungslast gleich. Die verpflichtete Partei muss nicht nur so vortragen, dass die begünstigte Partei einen weiterführenden Beweisantrag stellen kann, sondern soweit substanziieren, dass ihr Vorbringen mit Belegen untermauert ist. Dies steht in gewissem Gegensatz zu der vom BGH anderweitig aufgestellten Regel, bestreite die verpflichtete Partei unter voller Erfüllung ihrer sekundären Darle­ gungslast, müsse die beweisbelastete Partei die Darstellung der nicht beweisbe­ lasteten widerlegen,329 und zwar im Vollbeweis. Dieser Widerspruch lässt sich grundsätzlich in zwei Richtungen auflösen: Entweder trifft aufgrund der sekundären Darlegungslast die nicht beweisbelas­ tete Partei die prozessuale Pflicht, sich in zumutbarer Weise an der Aufklärung des Sachverhalts zu beteiligen.330 Dies hätte letztlich eine Umkehr der Beweis­

322 

S. nur Baumgärtel/Laumen, §  3 Rn.  59, 61, 62. BGH, Urt. v. 3.2.1999 – VIII ZR 14/98, NJW 1999, 1404, 1405. 324  BGH, Urt. v. 3.2.1999 – VIII ZR 14/98, NJW 1999, 1404, 1405. 325  Osterloh-Konrad, S.  62. 326  BGH, Urt. v. 22.2.2011 – XI ZR 261/09, NJW 2011, 2130, 2132; Urt. v. 18.2.2009 – XII ZR 163/07, NJW-RR 2009, 1142. 327  BGH, Urt. v. 28.6.1974 – I ZR 62/72, NJW 1974, 1822, 1823; Urt. v. 13.7.1962 – I ZR 43/61, NJW 1962, 2149, 2150. 328  BGH, Urt. v. 17.5.1999 – II ZR 139/98, NJW 1999, 3485. S. demgegenüber BGH, Urt. v. 26.6.2007 – XI ZR 277/05, NJW 2007, 2989, 2991. 329  BGH, Urt. v. 22.2.2011 – XI ZR 261/09, NJW 2011, 2130, 2132; Urt. v. 18.2.2009 – XII ZR 163/07, NJW-RR 2009, 1142; Urt. v. 5.2.2003 – VIII ZR 111/02, NJW 2003, 1449, 1450; zust. etwa Peters, in: FS Schwab, S.  399, 401. 330  So bei BGH, Urt. v. 3.2.1999 – VIII ZR 14/98, NJW 1999, 1404, 1405. 323 

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führungslast zur Folge. Oder die sekundäre Darlegungslast wird konsequent auf die Ebene der Darlegung beschränkt. Letzteres dürfte jedoch praktisch schwierig sein. Der Zweck der sekundären Darlegungslast besteht schließlich darin, der begünstigten Partei über Informa­ tionsdefizite hinweg zu helfen. Jemand, der außerhalb eines Geschehensablaufs steht, kann aber nicht nur diesen nicht darlegen, sondern ihn regelmäßig auch nicht beweisen. Zugleich kann sich die Information, die mitzuteilen der nicht beweisbelasteten Partei über das Normalmaß hinaus durch die sekundäre Dar­ legungslast auferlegt wird, nicht darin erschöpfen, gleichsam „ins Blaue hinein“ irgendwelche Umstände vorzutragen. Vielmehr wird zur Erfüllung der Darle­ gungslast regelmäßig eine gewisse Substanziierung des Vorbringens erforder­ lich sein. Zwar sind Fälle denkbar, in denen der Prozessgegner die Darlegung verwei­ gert, sodass schon die geänderte Darlegungslast der beweisbelasteten Partei weiterhilft. Einigermaßen gut beraten liegt es für die zur Offenlegung ver­ pflichtete Prozesspartei aber nahe, Umstände darzulegen, die für die beweisbe­ lastete Partei ungünstig sind, bis an die Grenzen der prozessualen Wahrheitsund Vollständigkeitspflicht des §  138 Abs.  1 ZPO. Wenn die beweisbelastete Partei dann keinen Zugriff auf die relevanten Beweismittel hat, wird selbst ein Verstoß gegen die Wahrheitspflicht mit aller Wahrscheinlichkeit vom Gericht unbemerkt bleiben. Nur wenn die vorgetragenen Umstände auch belegt werden müssen, ist der beweisbelasteten Partei geholfen. Anderenfalls muss sie unter Umständen separat einen Auskunftsanspruch geltend machen, wenn ihr denn materiellrechtlich überhaupt ein solcher zusteht.331 Es wäre somit sinnlos, über­ haupt dem Prozessgegner eine sekundäre Darlegungslast aufzuerlegen, wenn die Beweisführungslast unverändert bleibt.332 Die Wirkungen der sekundären Darlegungslast dürfen sich damit nicht auf die Darlegungslast beschränken, sondern müssen zugleich auch zu einer Um­ kehr der Beweisführungslast führen. Das Risiko der Nichterweislichkeit der von der nicht beweisbelasteten Partei behaupteten Tatsachen bleibt bei der be­ weisbelasteten Partei. Die nicht beweisbelastete Partei ist jedoch verpflichtet, der beweisbelasteten die in Betracht kommenden Beweismittel zu benennen und zur Verfügung zu stellen. Eine Beweislastumkehr i. S. einer Verlagerung der materiellen Beweislast darf aus der sekundären Darlegungslast nicht folgen. Zwar ist es nicht ausge­ schlossen, aus Gründen der Billigkeit eine Beweislastumkehr anzunehmen. Auch wäre sie nur eine konsequente Weiterführung der Erwägungen zur se­ kundären Darlegungslast und ist zugunsten der eigentlich beweisbelasteten

331 

332 

Zu dieser Problematik Kiethe, MDR 2003, 781, 782 f. Eine „zivilprozessuale Falle“, Kiethe, MDR 2003, 781, 782.

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Partei ein „schneidiges Schwert“.333 In einer Änderung der Beweislastvertei­ lung aber läge ein erheblicher Eingriff ins materielle Recht. Denn die Beweis­ lastverteilung beruht auf generalisierenden Risikozuweisungen,334 die sekun­ däre Darlegungslast ist ihren Voraussetzungen nach hingegen Modifizierung im Einzelfall.335 Generalisierende Risikozuweisungen aber dürfen nicht vom Einzelfall abhängig g­ emacht,336 sondern nur angepasst werden, wenn einem ge­ nerellen Bedürfnis gefolgt werden soll. Dagegen ließe sich zwar einwenden, dass eine Beweis­last­um­verteilung im Einzelfall keine Auswirkungen auf die generelle Beweislastverteilung haben muss. Es läge darin aber bereits ein deutli­ ches Indiz, dass die Beweislastverteilung generell der Interessenlage nicht ent­ spricht und daher zu ändern ist. Ist sie in einem Fall unbillig, so könnte dies auch in anderen Fällen gelten. Der hieraus resultierende Eingriff ins materielle Recht wäre ungerechtfertigt groß, zumal sich mit der sekundären Darlegungs­ last in Verbindung mit einer Umkehrung der Beweisführungslast ein angemes­ senes Ergebnis erzielen lässt. Schließlich ist die so verstandene sekundäre Darlegungslast zwar mit einer gewissen Ausdehnung der Offenlegungspflichten im Prozess verbunden. Für die verpflichtete Partei bietet diese Einordnung aber Vorteile. Sie wird nicht mit kaum vorhersehbaren Anforderungen bei der Substanziierung ihres Vorbrin­ gens konfrontiert. Und auch dem Gericht ist mit einer Lösung über die Beweis­ führungslast geholfen. Es gerät nicht in die Gefahr, sich dem Vorwurf aussetzen zu müssen, es überspanne die Anforderungen an die Substanziierung oder im Gegenteil, es setze sie zu niedrig an. Die Wirkungen der sekundären Beweislast gehen damit über die Erweiterung der Darlegungslast hinaus und erfassen auch die Beweisführungslast. Wirkt die sekundäre Darlegungslast auch als Umkehr der Beweisführungslast, liegt darin eine Erweiterung der prozessualen Offenlegungspflichten der verpflichteten Partei. Daraus folgt jedoch keine Beweislastumkehr und auch keine Abkehr vom Grundsatz informationeller Eigenverantwortung. 3. Herleitung der sekundären Darlegungslast Die Einordnung der sekundären Darlegungslast als Abkehr oder nur als Aus­ nahme vom Grundsatz der informationellen Eigenverantwortung muss aber vor allem abhängig sein von ihrer genauen Herleitung. Die Voraussetzungen zur Annahme der sekundären Darlegungslast sind mittlerweile so weit aner­ 333 

Katzenmeier, Anm. zu BGH, Urt. v. 11.12.2001 – VI ZR 350/00, JZ 2002, 669, 670. BGH, Urt. v. 17.12.1996 – XI ZR 41/96, VersR 1997, 878; Zöller/Greger, ZPO, Vor §  284 Rn.  17. 335  Soeben 1. 336  BGH, Urt. v. 17.12.1996 – XI ZR 41/96, VersR 1997, 878; Zöller/Greger, ZPO, Vor §  284 Rn.  17. 334 

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kannt, dass sie bereits als Gewohnheitsrecht bezeichnet worden ist.337 Dies ist freilich zweifelhaft, denn ihre Herleitung ist, obgleich sich ihre Anfänge bis weit ins 20. Jahrhundert zurückverfolgen lassen,338 bisher noch nicht zufrieden­ stellend geklärt. Da es sich bei der sekundären Darlegungslast primär, ungeachtet ihrer Wir­ kungen für die Beweisführungslast, um eine Weiterentwicklung oder Modifi­ zierung der ohnehin bestehenden Erklärungs- und Substanziierungspflicht handelt,339 hat der BGH vereinzelt die sekundäre Darlegungslast im Zusam­ menhang mit Prozessförderungspflichten angesprochen.340 In der Literatur ist dies zum Anlass genommen worden, §  282 ZPO als Grundlage der sekundären Darlegungslast anzusehen.341 Die Prozessförderungspflicht i. S. d. §  282 ZPO besagt jedoch nur, dass alle Angriffs- und Verteidigungsmittel so rechtzeitig vorgebracht werden müssen, wie es nach Lage des Prozesses einer sorgfältigen Führung des Prozesses entspricht. Die Norm dient der Beschleunigung des Verfahrens342 und sagt über den Inhalt des Vorbringens nichts aus.343 Die in §  282 ZPO genannte Prozessförderungspflicht passt damit nicht auf die sekun­ däre Darlegungslast, die nicht primär der Verzögerung des Prozesses entgegen­ wirken, sondern ein Informationsdefizit der darlegungspflichtigen Partei aus­ gleichen soll.344 Ihr Ursprung in den Grundsätzen der Darlegungs- und Substanziierungslast rückt die sekundäre Darlegungslast in die Nähe des zivilprozessualen Beibrin­ gungsgrundsatzes, was dafür spricht, die Wahrheits- und Vollständigkeits­ pflicht sowie die Erklärungslast gem. §  138 Abs.  1, 2 ZPO als Ausdruck dessel­ ben zu ihrer Begründung heranzuziehen.345 §  138 Abs.  1 ZPO jedoch besagt nur, dass Vortrag der Parteien wahrheitsgemäß und, ebenfalls mit Blick auf die Wahrheitsfindung, vollständig zu sein hat. Daraus lässt sich aber keine Abwei­ chung von den üblichen Grundsätzen der Darlegungslast herleiten: Kann die beweisbelastete Partei nur vage Vermutungen vortragen, besagt eine „Wahr­ heitspflicht“ des Gegners erst einmal nur, dass er diese Vermutungen (ebenfalls vage) bestreiten darf, wenn sie nicht zutreffend sind. Dass er präzisieren müsste, wie es stattdessen gewesen sei, sagt die Wahrheitspflicht nicht. Die Vollständig­ keitspflicht, aufgrund ihrer systematischen Stellung und ihres Zwecks eng mit der Wahrheitspflicht verbunden, verlangt nur, dass nicht durch Auslassungen 337 

Freudenthal, S.  91. RG, Urt. v. 10.3.1941 – II 87/40, RGZ 166, 240 ff. 339  Sich auf diesen Begründungsansatz beschränkend Baumgärtel/Laumen, §  3 Rn.  59, 61, 62. 340  BGH, Urt. v. 11.6.1990 – II ZR 159/89, NJW 1990, 3151, 3152. 341  Freudenthal, S.  35 f. 342  Foerste, in: Musielak/Voit, ZPO, §  282 Rn.  1. 343 S. Peters, in: FS Schwab, S.  399. 344  Zu diesem Zweck Meyke, NJW 2000, 2230, 2232 und soeben 1. 345  Peters, in: FS Schwab, S.  399, 401; Wagner, in: MünchKomm-ZPO, §  138 Rn.  2 2. 338 

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der Sachverhalt verfälscht wird.346 Eine Pflicht zur Ergänzung des eigenen Vor­ bringens lässt sich daraus ohne Weiteres herleiten, eine Pflicht zur Ergänzung des gegnerischen Vorbringens jedoch nicht. §  138 Abs.  2 ZPO regelt sodann le­ diglich, dass sich jede Partei über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären hat. Sie regelt nicht im Einzelnen das „Inwieweit“ und verlangt außer­ dem, dass die beweisbelastete Partei bereits Tatsachen substanziiert behauptet hat.347 Wäre ihr dies aber mit hinreichender Bestimmtheit möglich, bedürfte es des Instituts der sekundären Darlegungslast nicht.348 Aus dem Beibringungs­ grundsatz selbst, wie er u. a. in §  138 ZPO zum Ausdruck kommt, lässt sich schließlich die sekundäre Darlegungslast nicht herleiten: Sie stellt gerade eine Abweichung vom Beibringungsgrundsatz dar, indem eine nicht beweisbelastete Partei zur Sachverhaltsaufklärung herangezogen wird.349 Gegen die Heranziehung des danach noch als Begründungsansatz verblei­ benden, auch im Zivilprozessrecht Geltung beanspruchenden 350 Grundsatzes von Treu und Glauben gem. §  242 BGB spricht indes, dass die zunehmende Ver­ wendung der sekundären Darlegungslast nahelegt, statt nur einer Korrektur aus Gründen der Billigkeit eine eigene Fallgruppe anzunehmen.351 Eine Kor­ rektur aus Billigkeitsgründen erfolgt schließlich üblicherweise nur in Einzelfäl­ len, sie ist Ausnahme. Allerdings lässt sich aus der Qualifikation als Ausnahme nicht zwingend eine absolute zahlenmäßige Grenze für die Anwendung der sekundären Darle­ gungslast herleiten. Zudem weist die sekundäre Darlegungslast deutliche Paral­ lelen zum aus §  242 BGB hergeleiteten materiellrechtlichen Auskunftsanspruch auf:352 Sekundäre Darlegungslast wie Auskunftsanspruch setzen ein (von der zu begünstigenden, beweisbelasteten Partei unverschuldetes) Informationsgefälle zwischen den Parteien voraus, ebenso wie ein Informationsinteresse der be­ weisbelasteten Partei, das einmal in ihrer Darlegungslast, einmal darin liegt, dass sie als Anspruchsteller möglicherweise in einem eigenen Recht betroffen ist.353 Weitere Voraussetzung sind die fehlenden entgegenstehenden Interessen der gegnerischen Partei, die sich darin äußern, dass sie die Information besitzt oder sie sich beschaffen und sie schließlich in zumutbarer Weise mitteilen kann. 346 

Wagner, in: MünchKomm-ZPO, §  138 Rn.  5. Wagner, in: MünchKomm-ZPO, §  138 Rn.  18. 348  Insoweit inkonsequent die Analogie zu §  138 Abs.  1, 2 ZPO zur Herleitung einer Auf­ klärungspflicht bei Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, §  138 Rn.  11. 349  Zu den Wirkungen soeben 2. 350  BGH, Urt. v. 4.4.2000 – VI ZR 264/99, NJW-RR 2000, 1114, 1115; Urt. v. 3.12.1992 – I ZR 276/90, NJW 1993, 1010, 1013; Urt. v. 9.4.1986 – IVb ZR 27/85, NJW 1986, 2371, 2372. 351 Dafür Peters, in: FS Schwab, S.  399, 401. 352  So konstatiert Peters, in: FS Schwab S.  399, 405 f. Identität der Voraussetzungen von materiellrechtlichem Auskunftsanspruch und sekundärer Darlegungslast. 353 Zu den Voraussetzungen des Auskunftsanspruchs gem. §   242 BGB BGH, Urt. v. 6.2.2007 – X ZR 117/04, NJW 2007, 1806; Urt. v. 28.10.1953 – II ZR 149/52, BGHZ 10, 385, 387. 347 

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Dies zugrunde gelegt, passt auch ins Bild, dass der BGH im Zusammenhang mit der sekundären Darlegungslast mitunter von einer Prozessförderungs­ pflicht spricht.354 Der BGH versteht §  282 ZPO als Ausdruck des allgemeinen, übergeordneten Grundsatzes, dass der Prozess zu fördern sei.355 Gesprochen werden könnte auch von einer Mitwirkungspflicht der Parteien. Diese Wen­ dung aber legt bereits nahe, dass es um eine aus Billigkeitserwägungen heraus begründete Pflicht geht, wie auch der BGH mitunter anerkennt.356 Zuzugeben ist, dass die Parteien im Zivilprozess sich mit gegensätzlichen In­ teressen gegenüber stehen.357 Daraus folgt aber nicht, dass §  242 BGB hier nicht greife.358 Das Gebot von Treu und Glauben setzt gerade das Bestehen von gegen­ sätzlichen Interessen voraus. Zudem bestehen im materiellen Recht, in dem das Gebot unzweifelhaft angewendet wird, Interessengegensätze nicht anders als im Prozessrecht. Im Prozessrecht kommen sie allenfalls schärfer zum Ausdruck. Herzuleiten ist die sekundäre Darlegungslast folglich aus Billigkeitserwä­ gungen und dem auch im Zivilprozessrecht anwendbaren §  242 BGB.359 Daraus folgt aber, dass der Grundsatz, niemand müsse seinem Gegner zum Sieg verhelfen, zwar öfters durchbrochen werden mag, aber noch besteht. Denn eine Korrektur nur aus Billigkeitsgründen, mag sie auch häufiger vorkommen, ist mit einem Grundsatz nicht gleichzusetzen. 4. Fazit Die in der Praxis verstärkt Anwendung findenden Grundsätze zur sekundären Darlegungslast gehen nicht einher mit einer grundlegenden Neubewertung von Offenlegungspflichten und Transparenz im Zivilprozess. Zwar reichen die Wirkungen der sekundären Darlegungslast mit einer Um­ kehr der Beweisführungslast deutlich über eine Modifikation der Darlegungs­ last hinaus. Es kommt zu einer weitreichenden Offenlegung in Form einer Um­ kehr der Beweisführungslast. Durch ihre Verankerung in §  242 BGB als Kor­ rektur aus Billigkeitsgründen überwiegt bei der Anwendung der sekundären Darlegungslast aber noch die Abwägung gegenseitiger Interessen im Einzelfall.

354 

BGH, Urt. v. 11.6.1990 – II ZR 159/89, NJW 1990, 3151, 3152. gehend Peters, in: FS Schwab, S.  399, der unter Prozessförderungspflicht eine allgemeine Pflicht des Gegners zur Unterstützung bei der Sammlung des Tatsachenstoffs ver­ steht. 356  BGH, Urt. v. 13.6.2912 – I ZR 87/11, NJW 2012, 3774, 3775; Urt. v. 18.5.2005 – VIII ZR 368/03, MDR 2005, 1218, 1219; Urt. v. 20.1.1961 – I ZR 79/59, NJW 1961, 826, 828. 357  Winkler v. Mohrenfels, S.  217. 358  So aber Winkler v. Mohrenfels, S.  217. 359  BGH, Urt. v. 13.6.2912 – I ZR 87/11, NJW 2012, 3774, 3775; Urt. v. 18.5.2005 – VIII ZR 368/03, MDR 2005, 1218, 1219; Urt. v. 20.1.1961 – I ZR 79/59, NJW 1961, 826, 828. 355  Weiter

§  4 Folgerungen für das Zivilprozessrecht

271

II. Transparenz als Grundsatz des Zivilprozesses Eine grundsätzliche Neubewertung von Offenlegung, ein Grundsatz der Transparenz im Zivilprozess, wird seit bald einem Jahrhundert360 immer wieder gefordert,361 insbesondere durch eine sog. allgemeine Aufklärungspflicht. De­ ren Inhalt ist jedoch nicht immer klar umrissen. Insbesondere ist zu unterschei­ den zwischen der wirklich allgemeinen prozessualen Aufklärungspflicht und der Lehre von der prozessualen Aufklärungspflicht als Versuch einer dogmati­ schen Begründung der sekundären Darlegungslast. 1. Aufklärungspflicht als Begründung der sekundären Darlegungslast Vor allem Stürner fordert eine allgemeine Aufklärungspflicht der nicht beweis­ belasteten Partei im Wege einer Analogie zu bestehenden Vorschriften der Zi­ vilprozessordnung,362 etwa zu §  138 Abs.  1 und 2 ZPO sowie zu §§  423, 445 ff., 372a ZPO,363 wegen der verfassungsrechtlichen Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes.364 Diese Gewährleistung setze die Wahrheitsprüfung,365 die Wahrheitsfindung366 im Prozess voraus. Der Prozess diene nicht nur der Wah­ rung der subjektiven Rechte der Parteien, sondern auch der Wahrung des Rechts­ friedens und der Bewährung des objektiven Rechts durch Herbeiführung ge­ setzmäßiger Entscheidungen.367 Wer ein individuelles Recht geltend macht, der erfülle damit zugleich ein öffentliches Interesse, diene dem Gemeininteresse.368 Diese Erwägungen legen nahe, jede Partei habe ohne Rücksicht auf Dar­legungs- und Beweislast von vornherein alles vorzutragen, was sie vorzu­ tragen im Stande ist. Gerade so aber will Stürner die allgemeine Aufklärungs­ pflicht gar nicht verstanden wissen,369 denn „allgemein“ heiße nicht vorausset­ zungslos.370 Vielmehr reduziere die allgemeine Aufklärungspflicht die Substanziierungs­ last der zunächst darlegungs- und beweisbelasteten Partei hinsichtlich derjeni­ 360 

Beginnend mit v. Hippel, S.  287 ff., 376 ff. Stadler, ZZP 123 (2010), 261, 263, im Anschluss an Schlosser, JZ 1991, 599 ff. 362  Stürner, S.  92; ebenso Peters, in: FS Schwab, S.  399, 407. 363  Und in Analogie zu den (damaligen) §§   654 ff. ZPO. Krit., weil die Vorschriften als Ausnahmevorschriften nicht Grundlage für eine Analogie sein könnten und auch keine Ge­ setzeslücke bestehe Baumgärtel/Prütting, §  16 Rn.  11. 364  Stürner, S.  39, 92 ff.; ders., ZZP 104 (1991), 208, 212. S. auch Katzenmeier, JZ 2002, 533, 534 ff.; Schlosser, JZ 1991, 599, 604. 365  Stürner, S.  43. 366  Stürner, ZZP 104 (1991), 208, 212; zust. Kersting, S.  94. 367  Stürner, S.  43; ebenso Winkler v. Mohrenfels, S.  218 unter Hinweis auf BVerfG, Beschl. v. 25.7.1979 – 2 BvR 878/74, BVerfGE 52, 131, 157 f.; Beschl. v. 7.12.1977 – 1 BvR 734/77, ­BVerfGE 46, 325, 333 f.; Beschl. v. 24.3.1976 – 2 BvR 804/75, BVerfGE 42, 64, 73 f. 368  Kersting, S.  95. 369  Stürner, ZZP 104 (1991), 208, 208. 370  Stürner, ZZP 104 (1991), 208, 208, 213. 361 

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Teil 3: Folgerungen für andere Rechtsgebiete

gen Tatsachen, die nicht sie, sondern die Gegenseite kennen kann, darauf, plau­ sible Anhaltspunkte darzulegen.371 Die Gegenseite schulde dann im Rahmen der Zumutbarkeit Auskunft über diese Tatsachen und müsse damit zusammen­ hängende Beweismittel angeben. Der Grundsatz, dass niemand seinem Gegner zum Sieg verhelfen müsse, sei (nur) in den Fällen umzukehren, in denen die be­ weisbelastete Partei Tatsachen vortragen muss, die nicht sie, sondern die Gegen­ seite kennen kann.372 Die allgemeine Aufklärungspflicht so verstanden, verbirgt sich hinter diesem Schlagwort der Versuch einer dogmatischen Begründung und näheren Ausgestaltung der Grundsätze der sekundären Darlegungslast.373 Das Ergebnis jedenfalls wird am Ende oft gleich sein.374 Vorteil dieses Ansatzes gegenüber der sekundären Darlegungslast sei jedoch, dass es nicht zur Ausforschung von Tatsachen kommt,375 weil bei Anwendung der allgemeinen Aufklärungspflicht nicht vager Vortrag als ausreichend sub­ stanziiert zugelassen und bei Bestreiten sogleich Beweis erhoben wird.376 Dass aber die sekundäre Darlegungslast vagen Vortrag zuließe, ist nicht zu­ treffend. Sie dient gerade dazu, durch Verpflichtung des nicht darlegungsbelas­ teten Gegners eine ausreichende Grundlage für eine Beweiserhebung zu schaf­ fen. Die sekundäre Darlegungslast soll es ermöglichen, Tatsachen vor der Be­ weisaufnahme durch Inanspruchnahme des Gegners zu klären. Der Gegner wird dabei nicht losgelöst von sämtlichen Tatsachen in die Beweisaufnahme gezwungen, um dort ausgeforscht zu werden.377 Auch die Konstruktion der Offenlegungspflicht der nicht beweisbelasteten Partei ist bei der allgemeinen Aufklärungspflicht nicht besser als die Lösung über §  242 BGB.378 Denn grundlegend für die Lehre von der allgemeinen Auf­ klärungspflicht ist die Annahme, Ziel des Prozesses sei die Ermittlung der ma­ teriellen Wahrheit.379 Das führt unmittelbar zu dem bekannten Streitstand, ob nicht lediglich die Ermittlung einer prozessualen Wahrheit als Grundlage für eine als wahr anzusehende, „richtige“ Entscheidung als Prozessziel genügen

371 

Stürner, S.  119. Stürner, ZZP 104 (1991), 208, 212, 213 f., s. soeben 1. 373  So schließlich Stürner selbst, ZZP 104 (1991), 208, 208. In diese Richtung auch Deubner, JuS 1990, 1004, 1005; Paulus, ZZP 104 (1991), 397, 409; Schlosser, JZ 1991, 599, 604, 607 f. A. A. Arens, ZZP 96 (1983), 1 ff. Diesen Schluss nicht ziehend BGH, Urt. v. 11.6.1990 – II ZR 159/89, NJW 1990, 3151 f. 374  Stürner, ZZP 104 (1991), 208, 213. 375  Kersting, S.  95. 376  Kersting, S.  95. 377  Wenn ihm auch nach hier vertretener Ansicht die Beweisführungslast auferlegt wird, s. oben I. 2. 378  Zu dieser I. 3. 379  Dafür denn auch Stürner, S.  43, 50. Daher krit. auch BGH, Urt. v. 11.6.1990 – II ZR 159/89, NJW 1990, 3151. 372 

§  4 Folgerungen für das Zivilprozessrecht

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könnte.380 Die Argumente dazu sind im Wesentlichen ausgetauscht,381 ohne dass eine allseits akzeptierte Lösung gefunden worden wäre. Die Herleitung der sekundären Darlegungslast aus Billigkeitserwägungen liegt schließlich näher am Charakter dieses Rechtsinstituts. Es lässt sich auf Ge­ rechtigkeitserwägungen zurückführen: Der Prozess kann zwar nicht die Er­ mittlung der materiellen Wahrheit leisten (diese ist allzu oft relativ), er kann sich aber möglichst nah am tatsächlichen Geschehen halten. Dazu muss er beiden Parteien gleichberechtigte Rechtsverfolgung ermöglichen, Rechtsverfolgung in Waffengleichheit. Als dogmatische Begründung der sekundären Darlegungslast ist die Lehre von der allgemeinen Aufklärungspflicht daher abzulehnen. 2. Allgemeine prozessuale Aufklärungspflicht Das Bestehen einer allgemeinen prozessualen Aufklärungspflicht, die mit einem Grundsatz der Transparenz gleichzusetzen wäre, geknüpft zunächst nur an die Notwendigkeit zur Rechtswahrung,382 wird in der Literatur dagegen kaum ernsthaft in Erwägung gezogen.383 Sie wäre (fast) voraussetzungslos. Nicht nur aufgrund ihrer Weite ist jedoch weder davon auszugehen, dass eine „allgemeine Aufklärungspflicht“, ein Grundsatz der Transparenz besteht, noch, dass seine Einführung für das deutsche Zivilprozessrecht von Vorteil wäre. Gegen die allgemeine Aufklärungspflicht lässt sich zwar nicht einwenden, dass die Trennung von materiellem und Prozessrecht ein Grundprinzip unserer Rechtsordnung sei, sodass Offenlegungspflichten allein vom materiellen Recht festgelegt werden könnten, während das Prozessrecht der Durchsetzung mate­ riellrechtlicher Ansprüche dient.384 Schließlich gibt es von diesem Grundsatz der Trennung Ausnahmen, s. etwa §§  325 Abs.  2, 717 Abs.  2 ZPO. Es wäre hier lediglich zu bedenken, dass die Ausnahmen alle geschrieben sind, sodass auch eine allgemeine Aufklärungspflicht nicht ungeschrieben sein dürfte. Sie kann aber schon deswegen nicht bestehen, weil §  138 Abs.  1 ZPO zwar eine Wahrheitspflicht normiert. Die Wahrheitspflicht der Parteien bedeutet aber nicht, dass sie generell dazu verpflichtet wären, das Verhalten an den Tag zu le­ gen, das am besten der Wahrheitsfindung dient.385 Um die Ermittlung einer ­materiellen Wahrheit geht es im Prozess schließlich gerade nicht.386 Es gelten 380  Winkler v. Mohrenfels, S.  213. Zur eingeschränkten Wahrheit/Richtigkeit richterlicher Entscheidungen BVerfG, Beschl. v. 25.7.1979 – 2 BvR 878/74, BVerfGE 52, 131, 153; Beschl. v. 24.3.1976 – 2 BvR 804/75, BVerfGE 42, 64, 73. 381  Gegen materielle Wahrheit etwa Grunsky, S.  4, 187; gegen formelle Wahrheit etwa Olzen, ZZP 98 (1985), 403, 415 ff., 420. 382  Schlosser, JZ 1991, 599, 608. 383  Ausnahme wohl Schlosser, JZ 1991, 599, 608. 384  So aber Arens, ZZP 96 (1983), 1, 21 ff. 385  BGH, Urt. v. 11.6.1990 – II ZR 159/89, NJW 1990, 3151. 386  S. dazu schon soeben 1.

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Teil 3: Folgerungen für andere Rechtsgebiete

Dispositions- und Beibringungsgrundsatz, als Pendant zur materiellrechtlichen Privatautonomie. Vor allem aber wären bei Bestehen einer allgemeinen prozessualen Aufklä­ rungspflicht sämtliche im materiellen Recht niedergelegten Informations­ ansprüche überflüssig, ebenso wie die Stufenklage gem. §  254 ZPO. Dass der Gesetzgeber aber sowohl im materiellen wie im Prozessrecht eine Reihe voll­ kommen unnützer Vorschriften normiert, kann nicht angenommen werden. Vorteile einer allgemeinen prozessualen Aufklärungspflicht, die es rechtferti­ gen würden, sie einzuführen, sind indes nicht ersichtlich. Die allgemeine pro­ zessuale Aufklärungspflicht bringt die Gefahr mit sich, dass die materielle Be­ weislast ausgehöhlt und die Beweisaufnahme zweckwidrig zu einem guten Teil zur Ausforschung eingesetzt werden könnte.387 Dem zu begegnen, erforderte einigen Aufwand. Die Aufklärungspflicht dürfte dann nicht schrankenlos aus­ gestaltet sein, sondern müsste begrenzt werden etwa durch Zumutbarkeitser­ wägungen zugunsten der verpflichteten Partei (was ihrer „Allgemeinheit“ wie­ derum abträglich wäre). Größere Änderungen des zivilprozessualen Beweis­ rechts wären die Folge. Erforderlich wäre etwa eine Einführung von Aussage- oder Mitwirkungsverweigerungsgründen auch für die Parteien. Die ZPO müsste außerdem unter die Maxime der Wahrheitsfindung gestellt wer­ den, Wahrheitsfindung durch die Parteien oder, wie im Verwaltungsprozess, durch das Gericht. Nur dieses Ziel rechtfertigt eine umfassende Verpflichtung zur Offenlegung. Verfassungsrechtlich zulässig wäre dieser Systemwechsel zwar: Art.   20 Abs.  3, 2 Abs.  1 GG verlangen die Einrichtung eines Zivilprozesses, ohne eine Aussage zu seiner näheren Ausgestaltung zu treffen. Hier besteht die Pflicht des Gesetzgebers zur verhältnismäßigen 388 Ausgestaltung bei weitem Einschät­ zungsspielraum.389 Der Gesetzgeber wäre also frei, einen Systemwechsel zu ver­ suchen. Das zivilprozessuale Informationssystem in seiner gegenwärtigen Form ist aber grundsätzlich in sich schlüssig. Insbesondere der Grundsatz, dass jede Par­ tei ihre eigenen Informationen ohne Beteiligung des Gegners dem Gericht zu beschaffen hat, ist nicht zu beanstanden. Er entspricht dem Beibringungs­ grundsatz als grundlegendem Prinzip des Zivilprozesses und Korrelat der Pri­ vatautonomie,390 indem er die Unabhängigkeit der Parteien vom Gericht und von einander anerkennt. Zugleich beugt er der Eskalation von Konflikten vor, hat eine „zivilisierende“ Wirkung: Wollte man den Grundsatz „umdrehen“, 387 Baumgärtel/Prütting,

§  16 Rn.  8. BVerfG, Urt. v. 14.2.1967 – 1 BvL 17/63, BVerfGE 21, 150, 155 (zum Verhältnismäßig­ keitsprinzip). 389  BVerfG, Urt. v. 26.7.2005 – 1 BvR 80/95, BVerfGE 114, 73, 89; Urt. v. 15. 1.2002 – 1 BvR 1783/99, BVerfGE 104, 337, 347 f.; Beschl. v. 7.2.1990 – 1 BvR 26/84, BVerfGE 81, 242, 255. 390  Rauscher, in: MünchKomm-ZPO, Einleitung Rn.  292. 388 

§  4 Folgerungen für das Zivilprozessrecht

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d. h. eine Aufklärungspflicht dahingehend schaffen, dass grundsätzlich jede Partei alles ihr mögliche zur Aufklärung beitragen muss, bis zur Grenze der Unzumutbarkeit,391 widerspräche das nicht nur dem bisherigen System der ZPO. Es hätte auch zur Folge, dass eine Partei, die darauf bauen kann, von ih­ rem Gegner den Prozessstoff geliefert zu bekommen, eher geneigt sein wird, einen privaten Konflikt mit Gang zu Gericht eskalieren zu lassen, als wenn sie zur Informationsbeschaffung weitgehend auf sich selbst gestellt ist. Zudem entspricht der Grundsatz, dass jeder zunächst für seine eigene Infor­ mationsversorgung zuständig ist, dem bürgerlich-rechtlichen 392 wie verfas­ sungsrechtlichen 393 Bild eigenständiger Privater. Zwischen ihnen besteht grund­ sätzlich ein Interessengegensatz, der gerade dann besonders deutlich hervor­ tritt, wenn sie sich vor Gericht gegenüber stehen.394 Private müssen nach dem Privatrecht untereinander grundsätzlich nicht solidarisch sein, sondern dürfen ihre eigenen Interessen verfolgen. Mit dieser Eigenständigkeit ist es unverein­ bar, sich zugunsten eines Gegners selbst zu belasten. III. Fazit Die sekundäre Darlegungslast dient zur Korrektur von Informationsasymmet­ rien im Einzelfall durch eine Modifizierung der Darlegungs- und Beweisfüh­ rungslast. Sie durchbricht den Grundsatz informationeller Eigenverantwor­ tung, allerdings nur zur punktuellen Korrektur aus Billigkeitsgründen.395 Ins­ besondere ist sie nicht Ausdruck einer „allgemeinen Auskunftspflicht“, die Transparenz zum Grundsatz des Zivilprozesses erheben würde. Eine allgemeine prozessuale Aufklärungspflicht besteht nicht und ist auch abzulehnen. Der Grundsatz informationeller Eigenverantwortung ist dem Sys­ tem des deutschen Zivilprozesses konform und kann nicht ohne größere Umge­ staltung des zivilprozessualen Systems in sein Gegenteil verkehrt werden.

391 So Greger, JZ 2000, 842, 847; Wagner, ZEuP 2001, 441, 467 f.; Waterstraat, ZZP 118 (2005), 459 ff. 392 Wie dem verfassungsrechtlichen Bild eigenständiger Privater, s. BVerfG, Urt. v. 26.7.2005 – 1 BvR 80/95, BVerfGE 114, 73, 89; Beschl. v. 7.2.1990 – 1 BvR 26/84, BVerfGE 81, 242, 254. 393 Näher Leipold, JZ 1982, 441, 448. 394 Baumgärtel/Prütting, §  16 Rn.  9. 395 Dementsprechend hat ihre Verwendung zwar zugenommen, bleibt aber insgesamt quantitativ gering: Ca. 1600 Urteile seit 1. Januar 2002 auf juris.de gegenüber ca. 0,2 Mio. Urteilen auf juris.de im Anwendungsbereich der ZPO am 31. Mai 2012.

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Teil 3: Folgerungen für andere Rechtsgebiete

B. Sicherstellung des Geheimnisschutzes Mit den Anforderungen der Art.  12, 14 GG,396 aber auch dem Grundsatz infor­ mationeller Eigenverantwortung, geht die Notwendigkeit einher, im Prozess den Geheimnisschutz sowohl gegenüber der Öffentlichkeit als auch unter den Parteien zu gewährleisten. Ist jede Partei für ihre Informationsversorgung selbst verantwortlich, schließt das grundsätzlich nicht nur aus, ihrem Gegner umfassende Offenlegung abzuverlangen, sondern erst recht auch, ihr Zugang zu seinen Geschäftsgeheimnissen zu gewähren. Besonders deutlich wird dies an Finanzdienstleistungsunternehmen, insbesondere Versicherern, wenn sich das Problem auch nicht auf sie beschränkt: Im Prozess um Prämienanpassungen, Rückkaufswerte oder Entschädigungen wegen diskriminierender Tarifierung kommen mit den entsprechenden Kalkulationen besonders sensible Geschäfts­ geheimnisse zur Sprache. I. Notwendigkeit des Geheimnisschutzes im Zivilprozess Zunächst ist jedoch die grundsätzliche Notwendigkeit des Schutzes von Ge­ schäftsgeheimnisen im Zivilprozessrecht zu klären.397 Sie wurde in der Vergan­ genheit mitunter angezweifelt, zum einen, weil aus dem Fehlen entsprechender Vorschriften in der ZPO zu schließen sein könnte, dass den Geheimnissen ei­ ner Partei gegenüber der anderen kein Schutz zuteil werden soll.398 Es könnte ein „unerfreulicher“, aber hinzunehmender Umstand sein, dass eine Partei sich im Ausnahmefall zwischen Prozessvorteil und Geheimnisschutz entscheiden müsse.399 Zum anderen könnte das praktische Bedürfnis für Geheimnisschutz zu ver­ neinen sein, weil nicht alle Prozessgegner ein über den Prozess hinausgehendes Eigeninteresse an den offengelegten Informationen haben.400 Mit einem Ge­ heimnisverrat durch die gegnerische Prozesspartei ist also nicht ohne Weiteres zu rechnen. Letzteres ist im Grundsatz zutreffend: Nicht immer droht die Gefahr der unbefugten Verwertung der Geheimnisse durch den Gegner. Es kann nicht da­ von ausgegangen werden, dass Prozessparteien sich grundsätzlich unredlich verhalten. Nur weil aber nicht jeder Partei ein Verrat von Geschäftsgeheimnis­

396 

Zu diesen Teil 1 §  3 B. Davon zu unterscheiden ist die oben unter Teil 1 §  3 A. II. behandelte Frage, ob es einen besonderen Geheimnisbegriff im Zivilprozessrecht gibt. 398 So Lachmann, NJW 1987, 2206, 2210; in diesem Sinne auch Kürschner, NJW 1992, 1804, 1805. 399 So Lachmann, NJW 1987, 2206, 2210; in diesem Sinne auch Kürschner, NJW 1992, 1804, 1805. 400  Kersting, S.  2 20 f. 397 

§  4 Folgerungen für das Zivilprozessrecht

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sen ihres Gegners zugetraut werden kann, heißt das nicht, dass nicht im Einzel­ fall Geheimnisschutz erforderlich sein kann. Auch aus dem Fehlen von Geheimnisschutzvorschriften in der ZPO kann die Entbehrlichkeit des Geheimnisschutzes nicht hergeleitet werden. Zunächst ist ohnehin nicht ganz zutreffend, dass die ZPO Geheimnisschutz nicht kenne. So gewährt §  384 Nr.  3 ZPO ein Zeugnisverweigerungsrecht, soweit der betroffene Zeuge ein (allerdings fremdes) Gewerbegeheimnis würde offenbaren müssen.401 Letztlich aber kommt es auf die prozessualen Vorschriften auch gar nicht an. Denn was im materiellen Recht geschützt ist, darf durch das Prozessrecht nicht schutzlos gestellt werden. Die vom Gesetzgeber im materiellen Recht unter Be­ rücksichtigung der Grundrechte getroffene Wertentscheidung wäre sonst aus­ gehöhlt. Selbst bei Offenlegung aufgrund sekundärer Darlegungslast gelten keine Be­ sonderheiten. Zwar ließe sich argumentieren, dass prozessualer Geheimnis­ schutz sich hier bereits durch die Abwägung vollzieht, ob die nicht beweisbelas­ tete Partei über die sekundäre Darlegungslast zur Offenlegung verpflichtet werden soll.402 Da es sich um ein (nur) aus Billigkeitsgründen anerkanntes In­ formationsinteresse handelt, werden Geheimhaltungserwägungen von vornhe­ rein über das Kriterium der Zumutbarkeit403 berücksichtigt. Nicht immer aber, wenn die gewerbliche Geheimsphäre tangiert wird, ent­ fällt auch die sekundäre Darlegungslast.404 Auch der materiellrechtliche Aus­ kunftsanspruch ist schließlich nicht immer dann ausgeschlossen, wenn Ge­ heimhaltungsinteressen der gegnerischen Seite berührt sind.405 Nicht alle Ge­ schäftsgeheimnisse sind unter allen Umständen als so schutzwürdig anzusehen, dass es gerechtfertigt wäre, sie vollkommen aus dem Prozess herauszuhalten.406

401 

Dazu noch unten III. 1. d). Zu den Voraussetzungen oben A. I. 1. 403  Ob dieses Kriterium im Sinne einer echten Voraussetzung oder einer Schranke zu ver­ stehen ist, ist – da es auf Darlegung und Beweis nicht ankommt und ohnehin eine Billigkeits­ erwägung anzustellen ist – ohne praktische Auswirkungen und daher nicht weiter relevant, anders aber wohl Freudenthal, S.  25. 404  BGH, Urt. v. 17.2.2004 – X ZR 108/02, MDR 2004, 898 (für Zumutbarkeit bei Betrof­ fenheit eines Geschäftsgeheimnisses); Urt. v. 12.11.1991 – KZR 18/90, NJW 1992, 1817, 1819 (für Unzumutbarkeit bei Betroffenheit eines Geschäftsgeheimnisses). 405  Es kommt stattdessen zu Interessenabwägung und zu einem Wirtschaftsprüfervorbe­ halt, wenn dies nach Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt ist, BGH, Urt. v. 22.9.2011 – I ZR 127/10, GRUR 2012, 496; Urt. v. 13.2.1981 – I ZR 111/78, GRUR 1981, 535 („Wirtschaftsprüfervorbehalt“); Urt. v. 2.4.1957 – I ZR 58/56, GRUR 1957, 336 („Rechnungs­ legung“); s. auch schon die Lösung des Berufungsgerichts bei RG, Urt. v. 25.10.1921 – II 139/21, RGZ 103, 71, 73; zust. etwa Stadler, S.  203 f.; Stürner, S.  373. Handelt es sich hingegen um Geschäftsgeheimnisse Dritter, die zu wahren der Anspruchsgegner verpflichtet ist, muss dies grundsätzlich die Offenlegung ausschließen, um für den Verpflichteten unlösbare Kon­ flikte zu vermeiden, BGH, Urt. v. 30.11.1989 – III ZR 112/88, NJW 1990, 512 406  Stadler, NJW 1989, 1202, 1203. 402 

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Das lässt sich am grundrechtlichen Schutz der Geschäftsgeheimnisse festma­ chen: Nicht immer gehen Art.  12, 14 GG anderen Grundrechten vor.407 Zudem ist die sekundäre Darlegungslast ein Teil des Systems der Darlegungsund Beweislast. Eine Prozesspartei ist aber nicht schon deshalb aus diesem zu entlassen, weil Geheimschutzerwägungen der Darlegung und Beweisführung entgegenstehen. Das zeigt ein Blick auf den umgekehrten Fall, die Geheimhal­ tungsinteressen der beweisbelasteten Partei. Obgleich diese Geheimhaltungsin­ teressen hat, wird ihr grundsätzlich zugemutet, zwischen Offenlegung und Prozessverlust zu wählen.408 Dass Geschäftsgeheimnisse zur Sprache kommen, schließt folglich nicht aus, dass die Abwägung zugunsten der beweisbelasteten, nicht an Geheimhaltung interessierten Partei ausfällt. Sind die Geschäftsgeheimnisse in den Prozess ein­ zuführen, ist es mit Blick auf ihren verfassungsrechtlichen Schutz409 aber erfor­ derlich, Geheimnisschutzmaßnahmen zu ergreifen. II. Geheimnisschutz gegenüber der Öffentlichkeit Dementsprechend hat auch der Gesetzgeber Geheimhaltungsinteressen der Parteien gegenüber der Öffentlichkeit anerkannt und ihren Schutz mit dem Öf­ fentlichkeitsgrundsatz (§  169 S.  1 GVG) in den §§  172 ff. GVG zu einem ange­ messenen Ausgleich bringen wollen. Diese Vorschriften müssen aber auch ausreichend sein, den Geheimnisschutz „nach außen“, d. h. gegenüber der Öffentlichkeit zu wahren. Neben der Be­ schränkung des Akteneinsichtsrechts für Dritte gem. §  299 Abs.  2 ZPO besteht die Möglichkeit eines Ausschlusses der Öffentlichkeit, einer Urteilsverkündung unter Ausschluss der Öffentlichkeit und des Ausspruchs eines Geheimhal­ tungsgebots an die Prozessbeteiligten. 1. Ausschluss der Öffentlichkeit gem. §  172 Nr.  2 GVG §  172 Nr.  2 GVG,410 der unter anderem zum Schutz wichtiger Geschäftsgeheim­ nisse dem Gericht den Ausschluss der Öffentlichkeit für die mündliche Ver­ handlung411 gestattet, ist vereinzelt als nicht weitgehend genug kritisiert wor­ den.412 407  Zur Rechtfertigung von Eingriffen in die genannten Grundrechte schon oben Teil 1 §  3 B. I. 2. und II. 4. 408  Näher noch unten III. 409  Oben Teil 1 §  3 B. 410  Zur Entstehung der Saalöffentlichkeit, ihren normativen Grundlagen und ihrem Inhalt ausf. v. Coelln, S.  49 ff., 83 ff. und 101 ff. 411  Das schriftliche Vorverfahren mit dem Austausch der Schriftsätze findet ohnehin unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. 412  Z. B. von Ploch-Kumpf, S.  154; Stadler, S.  160.

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Die Kritik entzündet sich keinesfalls am problematischen Kriterium der „Wichtigkeit“ des Geheimnisses, die §  172 Nr.  2 GVG voraussetzt. Hier könnte die Frage aufkommen, auf welche Variante der in Nr.  2 genannten Geheimnisse sich dieses Kriterium bezieht413 und unter welchen Umständen ein Geheimnis als wichtig anzusehen ist. Schließlich könnte über die enge Auslegung des Kri­ teriums, etwa dahingehend, dass die Tatsache ein „anerkannt beachtenswertes Schutz- und Wertniveau aufweisen“ müsse414 oder eine „erhebliche Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit“,415 der Anwendungsbereich der Norm empfind­ lich eingeschränkt werden. Richtigerweise ist diesem Kriterium jedoch keine eigenständige Bedeutung beizumessen,416 sondern die „Wichtigkeit“ im histori­ schen Kontext der Vorschrift zu betrachten. Das GVG trat im Jahr 1877 in Kraft und ist damit älter als die Definition des Geschäftsgeheimnisses.417 Dass eines Tages die Rechtsprechung ohnehin verlangen würde, dass an der geheim zu hal­ tenden Tatsache ein wirtschaftliches oder „berechtigtes“ Geheimhaltungsinter­ esse besteht,418 das die Einordnung von „unwichtigen“ Tatsachen als Geschäfts­ geheimnis ausschließt, war für den historischen Gesetzgeber nicht absehbar.419 Die Kritik bezieht sich stattdessen darauf, dass die Entscheidung, ob die Öf­ fentlichkeit auszuschließen ist, im freien Ermessen des Gerichts liegt420 und dass gegen sie kein Rechtsmittel gegeben ist.421 Um zu vermeiden, dass das Gericht das letzte Wort über den Ausschluss der Öffentlichkeit hat, wurde daher etwa vorgeschlagen, den Parteien de lege ferenda oder auch bereits de lege lata ein ungeschriebenes Antragsrecht auf Aus­ schluss zuzubilligen, ohne Entscheidungsspielraum des Gerichts.422

413 

Für Anwendbarkeit nur auf Erfindungs- und Steuergeheimnisse Kersting, S.  218 f. Zimmermann, in: MünchKomm-ZPO, GVG, §  172 Rn.  6. 415  Kissel/Mayer, GVG, §  172 Rn.  38. 416  So auch Rojahn, in: FS Loewenheim, S.  251, 257. 417  Zur Entwicklung des Geheimnisbegriffs oben Teil 1 §  3 A. 418  S. die Geheimnisdefinition oben Teil 1 §  3 A. 419  S. den Streit um das Geheimhaltungsinteresse, oben Teil 1 §  3 A. I. 3. 420  BGH, Urt. v. 9.7.1985 – 1 StR 216/85, NJW 1986, 200, 201 (Beurteilungsspielraum be­ züglich Vorliegen des Tatbestands sowie Ermessen bezüglich Ob und Umfang der Ausschlie­ ßung). 421  BGH, Urt. v. 21.11.1969 – 3 StR 249/68, NJW 1970, 523, 524; Urt. v. 2.7.1969 – 4 StR 226/69, BGHSt 23, 82, 85. 422 So (vor Einführung der Vorgängerregelung des heutigen §   172 Nr.  2 GVG im Jahre 1932) gefordert von Schmidt, Verhandlungen zum 36. DJT, Bd.  1, S.  227 f. Ein Ausschluss bei übereinstimmendem Antrag wurde im Rahmen von Reformüberlegungen später erneut dis­ kutiert, aber nicht berücksichtigt, s. den Bericht der Kommission für Gerichtsverfassungs­ recht und Rechtspflegerrecht (1975), S.  155. Noch weiter geht Grunsky, S.  225, der eine Neu­ regelung fordert, nach der die Öffentlichkeit des Verfahrens vollständig zur Disposition der Parteien steht, der Antrag nur einer Partei soll für einen Ausschluss genügen. 414 

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Auch ein Antrags- verbunden mit einem entsprechenden Beschwerderecht wurde gefordert.423 Außerdem findet sich die Überlegung, dass der am Geheim­ nisschutz interessierten Partei ein Auskunftsverweigerungsrecht zugestanden werden könnte, falls das Gericht den Ausschluss der Öffentlichkeit ablehnt.424 All diese Vorschläge könnten vermeiden, dass gegen den Willen der Parteien das Geheimnis vor der Öffentlichkeit in den Prozess eingeführt werden muss, weil etwa das Gericht die Notwendigkeit zum Geheimnisschutz verkennt. Dass dies jedoch in der Praxis regelmäßig der Fall sein könnte, liegt eher fern.425 Den als staatliche Gewalt von Grundrechten gebundenen Gerichten ist zuzutrauen, die zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen erforderlichen Anord­ nungen von sich aus zu treffen. Hätte der Gesetzgeber außerdem ein bindendes Antragsrecht auch für §  172 GVG gewollt, hätte er dieses in das Gesetz einfügen können. Insbesondere besteht ein Antragsrecht zum Ausschluss der Öffentlich­ keit gem. §  171b Abs.  2 GVG, zum Schutz von Geheimnissen, die zum privaten Lebensbereich einer der am Prozess beteiligten Personen gehören. Im Fehlen eines Antragsrechts bei §  172 GVG liegt aber keineswegs ein Wertungswider­ spruch zu §  171b GVG, der beseitigt werden müsste. §  171b GVG schützt priva­ te Geheimnisse und damit letztlich das allgemeine Persönlichkeitsrecht gem. Art.  2 Abs.  1, 1 Abs.  1 GG, das schon aufgrund seines unmittelbaren Personen­ bezugs grundsätzlich höher zu bewerten ist als der Schutz von Geschäftsge­ heimnissen gem. Art.  12, 14 GG. Ist kein Antragsrecht geboten, bedarf es auch keines Antrags- verbunden mit einem Beschwerderecht. Wenn nicht einmal die Entscheidung über den Aus­ schluss der Öffentlichkeit gem. §  171b GVG anfechtbar ist, darf erst recht die Anfechtung des Beschlusses gem. §  172 Nr.  3 GVG nicht zugelassen sein. Darüber hinaus haben die Gerichte in ihre Entscheidung nicht nur die Inter­ essen der Parteien an Geheimhaltung, sondern auch das öffentliche Interesse an der Öffentlichkeit der Verhandlung einzubeziehen. Dieses dient der Rückkop­ pelung von Gericht und Souverän, soll das Vertrauen der Bevölkerung in die Rechtsprechung und ihr Rechtsbewusstsein stärken426 und ist damit Ausdruck des Demokratie- 427 und des Rechtsstaatsprinzips.428 Damit sind Einschränkungen, die darauf abzielen, das Gericht an den Willen der Parteien zu binden, nicht zu vereinbaren. Denn die Prozessparteien haben regelmäßig öffentliche Interessen nicht im Blick. Daher darf die Öffentlichkeit der Verhandlung weder unmittelbar zur Disposition der Parteien gestellt noch 423 

Stadler, S.  160; dem beipflichtend Ploch-Kumpf, S.  154. Ploch-Kumpf, S.  154 unter Hinweis auf Stürner, S.  218. 425  Gottwald, BB 1979, 1780, 1781. 426  v. Coelln, S.  62 ff. 427  v. Coelln, S.  167 ff. 428  BGH, Urt. v. 21.11.1969 – 3 StR 249/68, BGHSt 23, 176, 178; Urt. v. 23.5.1956 – 6 StR 14/56, BGHSt 9, 280, 281. Ausf. v. Coelln, S.  198 ff. 424 

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eine in ihren Auswirkungen vergleichbare Regelung getroffen werden. Somit muss auch der Vorschlag verworfen werden, der an Geheimhaltung interessier­ ten Partei ein Auskunftsverweigerungsrecht zuzubilligen, wenn das Gericht sich gegen den Ausschluss der Öffentlichkeit entscheidet. Mit ihm erreichte man nichts anderes als eine Pflicht des Gerichts, die Öffentlichkeit auf Wunsch einer Prozesspartei hin auszuschließen. Das Gericht müsste sich, im Informati­ onsinteresse der Gegenpartei, in einen Ausschluss der Öffentlichkeit hinein „erpressen“ lassen. Der Geheimnisschutz gegenüber der Öffentlichkeit ist zwar nach der gelten­ den Regelung nicht vollständig sicher. Das Gericht könnte immer noch, pflicht­ widrig, trotz Vorliegens von Geheimhaltungsinteressen, den Ausschluss der Öffentlichkeit ablehnen. Die Unsicherheit, dass sich ein Beteiligter pflichtwid­ rig verhält, vermag aber die beste gesetzliche Regelung nicht zu beseitigen. Sie ist zudem minimal und daher noch hinzunehmen. 2. Ausschluss der Öffentlichkeit bei Verkündung des Urteils (§§  173 Abs.  2 GVG, 172 GVG analog) Auch §  173 Abs.  2 GVG, der den Prozess nach außen hin abschirmt, indem er die nichtöffentliche Verkündung der Entscheidungsgründe gestattet, wird teil­ weise als zum Geheimnisschutz nicht ausreichend angesehen.429 Erweitert wer­ den kann er aber nur noch dadurch, dass auch der Urteilstenor nichtöffentlich verkündet wird. Von Bedeutung ist dies vor allem für Betriebsgeheimnisse und insbesondere für Feststellungs- oder Unterlassungsklagen, wo unter Umstän­ den das Geheimnis konkret im Tenor beschrieben werden muss. Vorgeschlagen wird daher, §  172 Nr.  2 GVG analog auf die Verkündung des Tenors anzuwenden.430 Alternativ kommt, ein entsprechendes Bedürfnis vor­ ausgesetzt, die Schaffung einer eigenen gesetzlichen Regelung unter Abände­ rung des §  173 GVG in Betracht. Eine analoge Anwendung des §  172 GVG setzte zunächst eine planwidrige Regelungslücke voraus. Der Gesetzgeber müsste übersehen haben, dass es auch durch den Tenor zur Gefährdung von (hier meist: Betriebs-) Geheimnissen kommen kann. Ob dies der Fall ist, lässt sich aus den Gesetzesmaterialien nicht klar ersehen. Dass der Gesetzgeber, trotz zahlreicher Nachbesserungsmöglich­ keiten, etwa der Gelegenheit bei Umsetzung der sog. Enforcement-Richtlinie,431 an §  173 GVG nicht nachbesserte, kann auf ein Übersehen, genauso gut aber auf eine bewusste Entscheidung zurückzuführen sein. Jedenfalls aber setzt die Analogie auch voraus, dass bei öffentlicher Verkündung des Tenors eine eben­ 429 

Stadler, S.  164. Stadler, S.  164. 431  Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, ABl.  EU Nr. L 157, S.  45 ff. 430 

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solche Gefährdung von Geheimnissen eintreten kann wie bei Verlesung der Entscheidungsgründe, eine Gefährdung, die das öffentliche Interesse an der Öffentlichkeit gem. §  169 S.  1 GVG432 zurücktreten lässt. Jedoch ist der Grundsatz der Öffentlichkeit zwar nicht ausnahmslos gewähr­ leistet,433 aber ein hohes Gut des demokratischen Rechtsstaats. Seine Betroffen­ heit ist bei einem Ausschluss der Öffentlichkeit von der Verkündung des Tenors besonders groß, denn die breite Öffentlichkeit hat typischerweise gerade ein Interesse am Ergebnis des Prozesses, ein deutlich stärkeres als an den Urteils­ gründen. Die Urteilsgründe sind regelmäßig ohnehin nur juristisch gebildeten Personen verständlich. Anderes gilt für den Tenor, den grundsätzlich auch ein juristischer Laie versteht und an seinem Rechtsempfinden messen kann.434 Zugleich ist es grundsätzlich denkbar, um dem Geheimhaltungsinteresse ge­ nüge zu tun, den Tenor so zu formulieren, dass er zwar vollstreckungsfähig ist, aber trotzdem die Geheimhaltungsinteressen wahrt. Die Anforderungen an die Bestimmtheit des Titels sind dann im Verfahren nach §  890 ZPO nicht zu über­ spannen.435 Angesichts dieser Möglichkeit und der erheblichen Betroffenheit des Öffent­ lichkeitsgrundsatzes müssen etwaige Geheimnisschutzinteressen der Parteien und die Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers hier zurückstehen. Eine analoge Anwendung des §  172 GVG ist daher ebenso abzulehnen wie eine Änderung des §  173 GVG. 3. Geheimhaltungspflicht der Prozessparteien Als dritte Maßnahme des Geheimnisschutzes gegenüber der Öffentlichkeit kann das Gericht den Parteien eine Pflicht auferlegen, die in der Verhandlung bekannt gewordenen Tatsachen geheim zu halten. Um die Effektivität dieser Geheimhaltungspflicht zu steigern, werden außerdem verschiedene Ansätze diskutiert. a) Beschluss gem. §  174 Abs.  3 GVG Legt das Gericht den in der Verhandlung anwesenden Personen gem. §  174 Abs.  3 GVG per Beschluss die Pflicht auf, die in der Verhandlung bekannt ge­ wordenen Tatsachen geheim zu halten, sind Zuwiderhandlungen gem. §  353d Nr.  2 StGB strafbar. Sie können zudem Schadensersatz- und Unterlassungs­ 432 

Zu den verfassungsrechtlichen Grundlagen v. Coelln, S.  167 ff., 198 ff. Urt. v. 24.1.2001 – 1 BvR 2623/95, 622/99, BVerfGE 103, 44, 63; Beschl. v. 7.3.1963 – 2 BvR 629/62, 637/62, BVerfGE 15, 303, 307; Beschl. v. 21.10.1954 – 1 BvL 9/51, 2/53, BVerfGE 4, 74 ff. 434  In diesem Sinne (nennenswertes öffentliches Interesse) auch Kaulbach, ZRP 2009, 236, 238. 435 Beispiel (sogar Auslegung des Titels mit Umständen außerhalb des Titels zulässig) BGH, Beschl. v. 23.10.2003 – I ZB 45/02, NJW 2004, 506. 433  BVerfG,

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ansprüche gem. §§  823 Abs.  1, Abs.  2 BGB i. V. m. §§  353d Nr.  2 StGB, 826, 1004 BGB nach sich ziehen. Trotz dieser Sanktionen weist diese Maßnahme zum Geheimnisschutz je­ doch einige Schwachstellen auf, die dazu führen, dass die Regelung in der Praxis nur zögerlich angewendet wird.436 So erstreckt sich die Geheimhaltungsverpflichtung zwar auf alle an der Ver­ handlung beteiligten Personen, selbst dann, wenn sie an der Verhandlung nicht persönlich teilnehmen.437 Dies stellt gleichsam einen Ausgleich dafür dar, dass der Rechtsanwalt einer abwesenden Partei diese über die Verhandlung infor­ mieren darf. Eine Strafbarkeit des Mandanten gem. §  353d StGB scheidet aber mangels Vorsatzes dann aus, wenn er in Unkenntnis der Geheimhaltungsver­ pflichtung das Geheimnis offenbart. Das schwächt die Sanktionierung der Schweigeverpflichtung und damit ihre spezialpräventive Wirkung und den Ge­ heimnisschutz selbst. Die Sanktionierung wird außerdem dadurch gemindert, dass, wie sich auch aus §  353d Abs.  2 StGB ergibt, das unbefugte Offenbaren der Geheimnisse ver­ boten ist, nicht aber ihre Verwertung.438 Soweit damit nicht eine Mitteilung an Dritte (und damit ein Offenbaren) verbunden ist, ist die Verwertung des Ge­ heimnisses zulässig. Das mag selten der Fall sein, und doch handelt es sich um eine vom Gesetz nicht ausgeglichene Schwäche. Ein rein zivilrechtliches Problem schließlich liegt darin, dass der Nachweis insbesondere des Umstands, dass die gegnerische Partei das Geheimnis offen­ bart hat, oft schwierig sein dürfte.439 Auch ein ausdrückliches gerichtliches „Missbrauchsverbot“,440 das die Betei­ ligten deutlich auf die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Schweigepflicht hinweist,441 vermag hier kaum zu helfen. Es ist nur deklaratorisch442 und seine spezialpräventive Wirkung dürfte wenig größer sein als die der bloßen Geheim­ haltungsverpflichtung. 436  Lachmann, NJW 1987, 2206, 2207. Worauf dieser (S.  2 208) zurecht hinweist, was aber den Geheimnisschutz gegenüber der Gegenpartei betrifft: In Anbetracht der zivilprozessua­ len Präklusionsvorschriften wird es oft ratsam sein, mit dem Vorbringen der geheimhaltungs­ bedürftigen Tatsachen nicht bis zur mündlichen Verhandlung zu warten. Erst in dieser aber greift §  174 Abs.  3 GVG. 437  Kersting, S.  210; Zimmermann, in: MünchKomm-ZPO, GVG §  174 Rn.  14. 438  Lachmann, NJW 1987, 2206, 2208 spricht vom „Ausschlachten“ für eigene Zwecke. 439  Stadler, S.  2 20 f., die sich deshalb insbesondere im Bereich des Betriebsgeheimnisses für die Anwendung des prima-facie-Grundsatzes ausspricht: Typischerweise beruhe die Anwen­ dung von Verfahren durch den Gegner, die kurz zuvor im Prozess offenbart werden mussten, auf Verwendung der im Prozess erlangten Informationen. 440  Stadler, S.  2 21 (mit Regelungsvorschlag). 441  Der Beschluss bedarf eigentlich einer solchen Belehrung nicht, lediglich Nr.  131 R ­ iStBV enthält eine entsprechende Empfehlung für das Strafverfahren und im Hinblick auf die Straf­ barkeit gem. §  353d StGB (nicht aber auch im Hinblick auf zivilrechtliche Folgen). 442  Wie auch Stadler, S.  2 21, selbst konzedieren muss.

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b) Sicherheitsleistung Dieser Erkenntnis folgend, wird in der Literatur die zusätzliche Absicherung der Geheimhaltungsverpflichtung mit einer Sicherheitsleistung diskutiert.443 Der Vorschlag geht zurück auf eine Entscheidung des Reichsgerichts, in der es versuchte, das Risiko, dass im Prozess bekannt gewordene Informationen weiter verwertet werden,444 durch eine Sicherheitsleistung des Gegners der an Geheimhaltung interessierten Partei zu mindern.445 Es stützte sich dazu auf die Vorschriften zur Sicherheitsleistung bei der Vorlegung von Sachen, §  811 Abs.  2 S.  2 BGB.446 Die informationspflichtige Partei muss danach ihr Geheimnis nur gegen Hinterlegung einer Sicherheitsleistung durch den Gegner offenbaren. Bei einer missbräuchlichen Verwertung des bekannt gewordenen Geheimnisses er­ hält sie die Sicherheitsleistung. Gegenüber §  353d Nr.  2 StGB und etwaigen Schadensersatzansprüchen ist damit die Sanktion deutlich verschärft. Dogmatisch bedenklich ist daran freilich, dass §  811 Abs.  2 BGB die Vorle­ gung von Sachen und die damit verbundene Sachgefahr betrifft.447 Die Sicher­ heitsleistung ist geknüpft an eine Sache, bei der ein Sachschaden eintreten kann.448 Bei Geschäftsgeheimnissen jedoch geht es darum nicht. An die Stelle der Sachgefahr tritt die Gefahr der Offenbarung des Geheimnisses, aus der le­ diglich ein Vermögensschaden resultieren kann. Daneben tritt auch ein praktischer Einwand: Zunächst muss auch hier der Geheimnisverrat durch den Prozessgegner im Streitfall nachgewiesen wer­ den,449 mit allen damit verbundenen Schwierigkeiten. Das mindert die präventi­ ve Wirkung der Sicherheitsleistung. Gerade sie ist aber von essentieller Bedeu­ tung, denn dem Berechtigten wird es meist eher darauf ankommen, das Ge­ heimnis zu wahren, als für seinen Verlust durch den Erhalt der Sicherheitsleistung entschädigt zu werden. Dieser Vorschlag bietet daher keine effektive Möglichkeit, die Wirksamkeit der Sicherheitsleistung zu erhöhen. c) Wechselseitige Offenlegung Die Überlegung, dass die Parteien (bei ausgeschlossener Öffentlichkeit) gleich­ zeitig Geheimnisse zur Verfügung stellen könnten, um so die Wahrung der Ver­ schwiegenheit des jeweils anderen aus Furcht vor dem Verlust des eigenen Ge­ heimnisses zu sichern,450 ist zurecht vereinzelt geblieben. Sie kommt nur in Be­ 443 

Kersting, S.  291 f.; Ploch-Kumpf, S.  164; Stadler, S.  221 f.; Stürner, S.  222. In concreto ging es um ein (mögliches) Werk i. S. d. Urheberrechts. 445  RG, Urt. v. 7.11.1908 – I 638/07, RGZ 69, 401, 406. 446  RG, Urt. v. 7.11.1908 – I 638/07, RGZ 69, 401, 406. 447  McGuire, GRUR 2015, 424, 429. 448  Habersack, in: MünchKomm-BGB, §  811 Rn.  4; Leppin, GRUR 1984, 695, 709. 449  Nach den Rosenberg’schen Grundsätzen, s. Rosenberg/Schwab/Gottwald, §  114 Rn.  10. 450  Kersting, S.  291. 444 

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tracht, wenn beide Parteien über Geheimnisse verfügen, die für den anderen von Interesse sind. Das wäre möglicherweise bei einem Prozess von Unterneh­ men untereinander der Fall, nicht aber in der hier vornehmlich interessierenden Situation der Kontrolle eines Unternehmens durch natürliche Personen. d) Fazit Die Effektivität der Geheimhaltungspflicht gem. §  174 Abs.  3 GVG lässt sich nicht stärken. Es sind daher wirksamere Mittel zu suchen, um den Geheimnis­ verrat durch eine der Prozessparteien zu vermeiden. 4. Beschränkung des Akteneinsichtsrechts (§  299 Abs.  2 ZPO) Als für den Schutz von Geheimnissen gegenüber der Öffentlichkeit problema­ tisch erweist sich ferner §  299 Abs.  2 ZPO. §  299 Abs.  2 ZPO billigt nicht nur den Parteien, sondern grundsätzlich jedem beliebigen Dritten ein Aktenein­ sichtsrecht zu. Voraussetzung ist lediglich, dass der Dritte ein „rechtliches Inte­ resse“ an der Einsicht glaubhaft macht. Wirtschaftliche oder gesellschaftliche Interessen genügen damit zwar nicht, um Zugang zu den Akten zu erhalten.451 Das Gericht trifft aber über die Offenlegung eine Ermessensentscheidung.452 Hier besteht die Gefahr, dass ein Ausschluss der Öffentlichkeit durch Einsicht in die Akten umgangen wird, die Öffentlichkeit so über einen Umweg doch noch Kenntnis von Einzelheiten des Prozesses erhält.453 Dies lässt sich vermei­ den, indem bei Prozessen, in denen für die mündliche Verhandlung ein Aus­ schluss der Öffentlichkeit ausgesprochen ist, das Ermessen des Gerichts sich dahingehend reduziert, dass auch Dritten mit „rechtlichem Interesse“ an den Akten die Einsicht insoweit verwehrt wird, als Geschäftsgeheimnisse von ihr betroffen sein könnten.454 Ggf. genügt bereits die Schwärzung.455 Gegen ein sol­ ches Vorgehen lässt sich zwar einwenden, dass sich aus der Verneinung eines öffentlichen Offenlegungsinteresses nicht notwendigerweise auch eine Vernei­ nung eines individuellen Offenlegungsinteresses ergibt; schließlich soll §  299 Abs.  2 ZPO nicht den Aktenzugang der gesamten Öffentlichkeit absichern, sondern nur den Zugang derjenigen Personen mit einem rechtlichen Interesse hieran. Der Kreis der Berechtigten (Einsichtnehmende/Öffentlichkeit) ist folg­ lich nicht völlig deckungsgleich, die Zugangsvoraussetzungen sind unterschied­ 451  BGH, Beschl. v. 22.1.1952 – IV ZB 82/51, BGHZ 4, 323, 325; OLG Hamm, Beschl. v. 12.8.2010, NJW-RR 2011, 87; Beschl. v. 28.8.1996, NJW-RR 1997, 1489, 1490; KG, Beschl. v. 9.2.1988, NJW 1988, 1738, 1739; Prütting, in: MünchKomm-ZPO, §  299 Rn.  21. 452  KG, Beschl. v. 12.4.1988 – 1 VA 1/88, NJW 1989, 534; Beschl. v. 9.2.1988 – 1 VA 5/87, NJW 1988, 1738; OLG München, Beschl. v. 16.8.1984 – 9 VA 4/83, OLGZ 1984, 477, 478; Prütting, in: MünchKomm-ZPO, §  299 Rn.  23. 453  Stadler, S.  165. 454  Stadler, S.  165. 455  OLG München, Beschl. v. 16.8.1984 – 9 VA 4/83, OLGZ 1984, 477, 481; Prütting, in: MünchKomm-ZPO, §  299 Rn.  25.

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Teil 3: Folgerungen für andere Rechtsgebiete

lich. Jedoch ist das Akteneinsichtsrecht geeignet, den Ausschluss der Öffent­ lichkeit zu umgehen, wenn eine Person mit rechtlichem Interesse Zugang zu den Akten erhält und die so gewonnenen Informationen sodann veröffentlicht. Dies muss vermieden werden und der Ausschluss vom Akteneinsichtsrecht ist einzi­ ges wirksames Mittel hierzu. Daher ist das Ermessen des Gerichts bei Ausschluss der Öffentlichkeit dahin­ gehend reduziert, dass auch nur (partiell) Akteneinsicht gewährt werden darf. Einer Änderung des §  299 ZPO bedarf es zur Sicherstellung des Geheimnis­ schutzes nicht. 5. Fazit Der Geheimnisschutz gegenüber der Öffentlichkeit lässt sich vor allem durch den Ausschluss der Öffentlichkeit von der mündlichen Verhandlung gewähr­ leisten, verbunden mit einem Ausschluss des Akteneinsichtsrechts Dritter gem. §  299 Abs.  2 ZPO, sowie durch die nichtöffentliche Verlesung der Urteilsgrün­ de. Einer nichtöffentlichen Verkündung des Tenors steht hingegen der Öffent­ lichkeitsgrundsatz entgegen. Für die Information der Öffentlichkeit durch eine der Prozessparteien hinge­ gen hat das Gesetz keine interessengerechte Lösung gefunden. Die Geheimhal­ tungspflicht gem. §  174 Abs.  3 GVG ist eher schwach sanktioniert, ihre präven­ tiven Wirkungen müssen daher bezweifelt werden. Da aber keine Möglichkeit ersichtlich ist, die Sanktionen für einen Verstoß gegen die Geheimhaltungs­ pflicht zu schärfen, sind andere Möglichkeiten zum Geheimnisschutz abseits des §  174 Abs.  3 GVG zu suchen. III. Geheimnisschutz der Parteien untereinander Allein die Öffentlichkeit mithilfe der §§  172, 174 GVG von der geheimen Infor­ mation auszuschließen, genügt mitunter nicht, um das Geheimnis zu wahren.456 Das Gericht hat zwar zumeist an den Geheimnissen kein Eigeninteresse und ist überdies gem. §  46 DRiG i. V. m. §  67 BBG/§  71 DRiG i. V. m. §  37 BeamtStG zur Verschwiegenheit verpflichtet. Anderes gilt aber für die gegnerische Partei und ihren Prozessbevollmächtigten. Geheimnisschutz der Prozessparteien untereinander sieht die ZPO bisher nicht ausdrücklich vor.457 Er vollzieht sich über den Beibringungsgrundsatz: 456 Ebenso Lachmann, NJW 1987, 2206, 2208; Mayen, AnwBl 2002, 495, 497; Stadler, NJW 1989, 1202, 1202. In diesem Sinne jetzt auch die EU-Kommission mit ihrem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechts­ widrigem Erwerb vom 28. November 2013, KOM (2013) 813 endg., S.  10. 457  Anders die VwGO, s. unten 2. c) und eingehend Schüly, S.  67 ff. Speziell zum prozessua­ len Geheimnisschutz bei Offenlegungsbegehren nach IFG gegenüber der BaFin Rudkowski, S.  99 ff.

§  4 Folgerungen für das Zivilprozessrecht

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Fürchtet eine Partei um ihre Geschäftsgeheimnisse, trägt sie nicht zu ihnen vor. Hält eine Partei aber derart Tatsachen zurück und ist sie beweisbelastet oder aufgrund sekundärer Darlegungslast zur Offenlegung verpflichtet, riskiert sie den Prozessverlust. Die an Geheimhaltung interessierte Partei gerät hier in ein Dilemma. Das von Art.  12, 14 GG gewährleistete Recht auf Geheimnisschutz ist mitunter nur um den Preis des Prozessverlusts zu verwirklichen, zumindest aber mit einer Einbuße am Recht auf rechtliches Gehör gem. Art.  103 Abs.  1 GG verbunden und damit letztlich entwertet. Um den Konflikt aufzulösen und den verfassungsrechtlich gebotenen Ge­ heimnisschutz bei möglichst geringer Beeinträchtigung des Rechts auf rechtli­ ches Gehör zu gewährleisten, könnte, wie es ein Vorschlag der EU-Kommission für eine Geheimnisschutzrichtlinie vorsieht,458 die gegnerische Partei von der Kenntnis der geheimen Tatsache ausgeschlossen werden. Zulässig ist ein solcher Ausschluss jedoch nur, wenn keine weniger eingriffsintensiven, zum Schutz der an Geheimhaltung interessierten Partei gleich geeigneten Mittel zur Verfügung stehen. In Betracht kommt, die geheime Tatsache aus dem Prozess auszuklam­ mern. 1. Ausklammern des Geheimnisses aus dem Prozess Das Geschäftsgeheimnis aus dem Prozess auszuklammern, ist mit Blick auf das Recht auf rechtliches Gehör der nicht an Geheimhaltung interessierten Partei milderes Mittel gegenüber dem (auch nur partiellen) Ausschluss einer Partei vom Prozess. Es ist daher vorzuziehen, soweit es hinreichenden Geheimnis­ schutz bietet. a) Getrennte Verhandlung einzelner Anspruchsvoraussetzungen Würden etwaige geheimhaltungsbedürftige Tatsachengrundlagen einzelner Anspruchsvoraussetzungen getrennt von den nicht geheimhaltungsbedürftigen verhandelt, könnte die Betroffenheit von Geheimnissen hinausgezögert oder gar verhindert werden. Hierzu könnten die materiellen Prozessleitungsbefugnisse des Gerichts (§§  136, 139 ZPO) herangezogen werden.459 Die Anspruchsvoraussetzung, de­ ren Darlegung die Offenbarung des Geheimnisses erforderte, würde zuletzt verhandelt, etwa die Rechtfertigung einer schädigenden Handlung gem. §  823 Abs.  1 BGB.

458 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsge­ heimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb vom 28. November 2013, KOM (2013) 813 endg., S.  10. 459  Kersting, S.  252 ff. (der allerdings die Pflicht zur materiellen Prozessleitung nur in §  136 Abs.  3 ZPO verankert sieht).

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Teil 3: Folgerungen für andere Rechtsgebiete

Gegen dieses Vorgehen spricht nicht, dass die Prozessleitungsbefugnisse gem. §§  136, 139 ZPO nicht so weit reichen würden, eine Reihenfolge der zu verhan­ delnden Problembereiche anzuordnen. Dies ist vielmehr originäre Aufgabe des Gerichts.460 Darf es die Reihenfolge der Worterteilung bestimmen,461 leuchtet nicht ein, warum es nicht auch die Reihenfolge der zu verhandelnden Probleme vorgeben können sollte. Auch aus §§  145, 146 ZPO, die ausdrückliche Sonderre­ gelungen für die getrennte Verhandlung und die Prozesstrennung treffen, erge­ ben sich hier keine Bedenken. Aus ihnen kann nicht hergeleitet werden, die Trennung einzelner Anspruchselemente sei unzulässig. Im Gegenteil zeigen sie, dass sogar die Trennung ganzer Prozesse und die getrennte Verhandlung ein­ zelner Klagen oder Forderungen zulässig sind. Erst recht müssen dann, a maiore ad minus, einzelne Anspruchsvoraussetzungen getrennt verhandelt werden dürfen, und dies ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung. Ein solches Verfahren hat außerdem den Vorteil, dass es in das Recht auf rechtliches Gehör der nicht an Geheimhaltung interessierten Partei nicht ein­ greift. Sie kann vollumfänglich am Prozess teilnehmen. Zugleich besteht aber der erhebliche Nachteil, dass das Geheimnis, kommt das Gericht zu der Überzeugung, dass alle anderen Anspruchsvoraussetzungen vorliegen, am Ende doch verhandelt werden muss. Das Problem ist damit aufge­ schoben, aber keinesfalls gelöst: Am Ende kann wieder die Alternativität „Rechtsschutz oder Geheimnisschutz“ stehen. Für Fälle, in denen die Offenle­ gungspflicht aus einer sekundären Darlegungslast herrührt, versagt diese Lö­ sung oft von vornherein: Es kann kein Zurückstellen einer Anspruchsvoraus­ setzung geben, wenn die hinreichende Informationsgrundlage für sachdienli­ chen Vortrag der beweisbelasteten Partei erst durch die Offenlegung geschaffen werden muss. Dieser Lösungsweg ist folglich nur dann weiterführend, wenn das Bestehen des Anspruchs zur Überzeugung des Gerichts ausscheidet, bevor die geheim­ haltungsbedürftigen Tatsachen verhandelt werden müssten. b) Zurückstellen der Beweiserhebung Unter Hinweis auf das U.S.-amerikanische Zivilprozessrecht462 wird teilweise vorgeschlagen, die Beweiserhebung über ein Geheimnis zeitlich zurück zu stel­ len, wenn das Geheimnis von hohem Wert ist, es diesen aber in absehbarer Zeit verliert und das Interesse der Gegenseite an zügigem Rechtsschutz nicht über 460  Schlosser, SchiedsVZ 2003, 1, 3. Dadurch werden die Befugnisse auch nicht als Vehikel für eine dem Gericht besonders genehme Art der Prozessführung missbraucht, s. Stackmann, NJW 2007, 3521, 3523. 461  BGH, Beschl. v. 12.10.1989 – VII ZB 4/89, BGHZ 109, 41, 44. 462 Die protective order gem. Rule 26 (c) der Federal Rules of Civil Procedure, mit der die Einsichtnahme in Dokumente während der pretrial discovery auch (nur) zeitlich begrenzt eingeschränkt werden kann, näher Kersting, S.  264 f.

§  4 Folgerungen für das Zivilprozessrecht

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Gebühr beeinträchtigt wird.463 Hier würde, im Unterschied zum unter a) vor­ geschlagenen Lösungsweg, die Beweisaufnahme partiell aufgeschoben. Ein Ge­ heimhaltungsinteresse, dem Rechnung getragen werden müsste, bestünde am Ende dann nicht mehr, das Geheimnis hätte seinen „Wert“ und damit der Be­ rechtigte sein Geheimhaltungsinteresse verloren. Die Alternativität Rechts­ schutz/Geheimnisschutz würde so aufgelöst. Der Anwendungsbereich eines solchen Vorgehens ist jedoch von vornherein auf Fälle wegfallender Geheimhaltungsinteressen (z. B. am alten Produkt kurz vor Einführung eines neuen) beschränkt. Führte diese Lösung außerdem dazu, dass das Verfahren bis zum Auslaufen des Geheimnisschutzes nicht mehr weiter betrieben werden kann, wäre dieser zeitweise Stillstand nur aufgrund einer Unterbrechung, Aussetzung oder eines Ruhens des Prozesses möglich. Unterbrechung und Ruhen aber sind Ausnah­ me, in §§  148, 239 ff. ZPO abschließend geregelt464 und zum Geheimnisschutz grundsätzlich ebenso wenig vorgesehen wie die Aussetzung.465 Selbst wenn man aber die genannten Vorschriften nicht als abschließend ansehen wollte, so sprechen ihre Wertungen doch gegen den vorgeschlagenen Lösungsweg. §  251 ZPO etwa macht deutlich, dass reine Zweckmäßigkeitserwägungen die Anord­ nung des Ruhens des Verfahrens grundsätzlich nur rechtfertigen, wenn beide Parteien dies beantragen. Eine analoge Anwendung des §  251 ZPO für den Fall, dass die Partei, die Inhaber des Geheimnisses ist, dies beantragt und das Gericht das Ruhen nach einer Interessenabwägung für zweckmäßig hält,466 muss aber schon deshalb ausscheiden, weil §  251 ZPO eine nicht vergleichbare Interessenlage betrifft. Die Norm soll die endgültige Erledigung der Streitsache erleichtern und hat dabei die Prozessökonomie im Blick.467 Wenn die Parteien übereinstimmend sich für das Ruhenlassen entscheiden, dann sehen sie möglicherweise andere Lösungsmöglichkeiten für ihren Konflikt als den Prozess. Das Ruhen ist, wird der Prozess anderweitig erledigt, ökonomisch sinnvoll. Geht es aber nur um vorübergehenden Geheimnisschutz, führt das Ruhen zu Stillstand, der zur Lö­ sung des Konflikts nichts beiträgt. Selbst wenn sich der Gesetzgeber über diese Systematik hinwegsetzen wollte, bliebe noch der eingeschränkte Anwendungsbereich dieses Lösungswegs. Ein Zurückstellen der Beweiserhebung bis zum Wegfall eines Geheimhal­ tungsinteresses ist daher keine zweckmäßige Maßnahme des Geheimnisschut­ zes.

463 

Kersting, S.  264 f., 275. Gehrlein, in: MünchKomm-ZPO, Vor §§  239 ff. Rn.  2. 465  S. nur §§  65, 149, 247 ZPO. 466 Dafür Kersting, S.  276. 467  Gehrlein, in: MünchKomm-ZPO, §  251 Rn.  1. 464 

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Teil 3: Folgerungen für andere Rechtsgebiete

c) Zurückstellen von Beweismitteln In der Literatur wurde vorgeschlagen, das Gericht solle, wenn ihm mehrere Beweismittel zur Verfügung stehen, zunächst nur diejenigen verwenden, die Geschäftsgeheimnisse der Parteien nicht oder weniger als andere Beweismittel tangieren.468 Das ist ihm gestützt auf seine materiellen Prozessleitungsbefugnis­ se gem. §§  136, 139 ZPO auch grundsätzlich ohne Weiteres möglich. Problematisch ist jedoch, ob das Gericht auf Anregung der an Geheimhal­ tung interessierten Partei dazu verpflichtet werden kann, Beweismittel zurück­ zustellen. Dafür spricht der grundrechtliche Schutz, den Art.  12, 14 GG für Geschäftsgeheimnisse vermitteln. Aus ihm folgt die Verpflichtung des Staates und damit auch des Gerichts, Geschäftsgeheimnisse zu schützen und nicht un­ gerechtfertigt ihre Offenlegung zu verlangen. Dagegen jedoch spricht das Prin­ zip der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme, wie es in §  284 ZPO zum Aus­ druck kommt.469 Ob es eine Pflicht des Gerichts gibt, vorrangig auf das Beweis­ mittel zuzugreifen, das am unmittelbarsten die Kenntnis von den erheblichen Tatsachen vermittelt, kann hier offen bleiben.470 Jedenfalls umfasst dieses Prin­ zip auch das Recht des Gerichts, die Beweismittel frei zu gewichten und grund­ sätzlich in beliebiger Reihenfolge zu prüfen oder aus der näheren Prüfung aus­ zuklammern.471 Dies steht indes nicht zwingend dem Zurückstellen von Beweismitteln entge­ gen, wie etwa §  445 ZPO zeigt, und letztlich geht es hier um einen vergleichba­ ren Fall. §  445 ZPO verlangt, ein Beweismittel zurück zu stellen, weil ihm ein geringerer Beweiswert zugemessen wird als anderen Beweismitteln.472 Erst recht muss es daher möglich sein, zum Schutz der Grundrechte einer Pro­zess­ partei eine Subsidiarität anzunehmen. Allerdings kommt diese Lösung nur dann in Betracht, wenn mehrere Beweis­ mittel zum Beweis derselben Tatsachenbehauptung zur Verfügung stehen. Selbst wenn dies aber der Fall ist, muss ggf. am Ende das Geheimnis offengelegt werden, wenn diese nämlich nicht ausreichend sind, das Gericht von den unter Beweis gestellten Tatsachenbehauptungen zu überzeugen. Ein angemessener Interessenausgleich ist damit folglich noch nicht gefunden.

468 

Rogge, in: Benkard, PatG, §  139 Rn.  123. Einschränkend Stadler, S.  216 f. problematisch hier hingegen die Dispositionsmaxime, die es den Parteien er­ laubt, ihr Beweismittel frei zu wählen (BGH, Urt. v. 11.2.1992 – XI ZR 41/91, NJW 1992, 1899, 1890), weil der beweisbelasteten an Geheimhaltung interessierten Partei gerade nicht vorgeschrieben wird, gegen ihren Willen ein Beweismittel zu verwenden. 470 Dafür Rohwer, S.  47 ff.; dagegen Reichel, S.  67 ff. 471  Prütting, in: MünchKomm-ZPO, §  284 Rn.  51. 472  Schöpflin, NJW 1996, 2134, 2137; Schreiber, in: MünchKomm-ZPO, §  4 45 Rn.  6; krit. Coester-Waltjen, ZZP 113 (2000), 269 ff.; Lamberti/Stumpf, NJOZ 2009, 1860, 1862. 469 Nicht

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d) Ausschluss von Tatsachen durch Zeugnisverweigerungsrechte Obgleich es grundsätzlich nicht möglich ist, Geschäftsgeheimnisse der Pro­zess­ parteien über ein Zeugnisverweigerungsrecht gem. §§  383 Abs.  1 Nr.  6 , 384 Nr.  3 ZPO aus dem Prozess auszuklammern (beide Normen schützen nicht die Ge­ heimnisse der Prozessparteien473), finden sich vereinzelte Stellungnahmen, die eine analoge Anwendung des §  384 ZPO auch auf die Parteien erwägen.474 Voraussetzung für eine Analogie wäre zunächst eine planwidrige Regelungs­ lücke.475 Nach der Verhandlungsmaxime aber sind die Parteien nicht zu Erklä­ rungen gezwungen, sondern es ist ihnen die Entscheidung überlassen, was sie vortragen. §  451 ZPO, der die Pflichten der Prozessparteien in einer Beweisauf­ nahme regelt, hätte außerdem Verweigerungsrechte vorsehen können, wenn der Gesetzgeber sie hätte vorsehen wollen. Das Vorliegen einer planwidrigen Rege­ lungslücke muss daher verneint werden. Selbst wenn man dies anders sehen wollte, wäre zu bedenken, dass ein Zeuge aufgrund öffentlich-rechtlicher Zeug­ nispflicht zum Zwecke der Rechtsfindung in einen fremden Rechtsstreit „hin­ eingezogen“ wird. Die Grenze zumutbarer Mitwirkung ist für ihn daher erheb­ lich früher erreicht als bei Prozessparteien, die um eigene Rechte streiten.476 Es bedarf daher Regelungen, die seine Geheimnisse schützen. Die Prozessparteien aber führen ihren eigenen Rechtsstreit, in eigenem Interesse. Daher fehlt es je­ denfalls an der zweiten Voraussetzung der Analogie, der Vergleichbarkeit der Interessenlage.477 Die Voraussetzungen für eine Analogie liegen nicht vor, die Möglichkeit, über Zeugnisverweigerungsrechte Tatsachen auszuschließen, scheidet daher aus. e) Fazit Das Ausklammern des Geschäftsgeheimnisses aus dem Prozess genügt nicht, sowohl dem Geheimnisschutz als auch dem Recht auf rechtliches Gehör Rech­ nung zu tragen. Als geeignetes Mittel des Geheimnisschutzes bleibt mithin nur der (partielle) Ausschluss des Gegners der an Geheimhaltung interessierten Partei oder gar beider Parteien vom Prozess. 2. Partieller Ausschluss der Parteien Für die Fälle, in denen die nicht beweisbelastete, aber dennoch zur Information verpflichtete Partei Geheimhaltungsinteressen hat, wurden in der Vergangen­ 473 

Ploch-Kumpf, S.  69; Stürner, JZ 1985, 453, 454 f. Blunck, MDR 1969, 99, 101. Abl. Stadler, S.  115 f.; Stürner, JZ 1985, 453,

474 Befürwortend

457.

475 

Voraussetzungen einer Analogie beschrieben bei Larenz, S.  202 ff. Ploch-Kumpf, S.  162. 477  Stadler, S.  116; Stürner, S.  60, 190. 476 

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Teil 3: Folgerungen für andere Rechtsgebiete

heit verschiedene Möglichkeiten diskutiert, die beweisbelastete Partei von der geheimhaltungsbedürftigen Tatsache auszuschließen.478 Seltener wurde auch die Frage erörtert, wie der Konflikt zwischen Offenle­ gung und Geheimnisschutz der beweisbelasteten Partei gelöst werden sollte.479 Auch diese sieht sich mitunter vor die Wahl gestellt, sich zwischen der Offenba­ rung ihres Geschäftsgeheimnisses – und damit der Preisgabe ihres verfassungs­ rechtlich geschützten Eigentums – und ihren Rechtsschutzinteressen zu ent­ scheiden. Kann der Interessenkonflikt in der ersten Konstellation noch dadurch ent­ schärft werden, dass bei der Annahme einer sekundären Darlegungslast oder der Anordnung gem. §  142 ZPO ohnehin Zumutbarkeits- und damit Geheim­ nisschutzerwägungen anzustellen sind,480 fehlt für die zweite Konstellation bis­ her jede nähere Regelung. In Betracht kommen verschiedene Lösungsansätze: a) Beschränkungen des Akteneinsichtsrechts Der Ausschluss des Akteneinsichtsrechts Dritter gem. §  299 Abs.  2 ZPO wurde bereits als eine Maßnahme des Interessenausgleichs im Rahmen des Geheimnis­ schutzes gegenüber der Öffentlichkeit vorgestellt.481 Daneben besteht ein Ak­ ten­ein­sichtsrecht der Prozessparteien gem. §  299 Abs.  1 ZPO sowie das Recht der Parteien, Erklärungen des Gegners vom Gericht mitgeteilt zu erhalten (§  270 ZPO). Vereinzelt wird vorgeschlagen, zugunsten des Geheimnisschutzes §   299 Abs.  1 ZPO nicht anzuwenden482 und §  270 ZPO so einzuschränken, dass Aktenteile, die Geheimnisse enthalten, nur an der Geschäftsstelle des Gerichts zur Einsicht zur Verfügung gestellt werden.483 Jeweils eine Abschrift oder Ko­ pie, die nach Beendigung des Verfahrens wieder zurückgegeben werden muss, sei zuzulassen.484 Gegen diese Lösung bestehen vor allem praktische Bedenken. Die bloße Be­ schränkung der Einsichtnahme und des Rechts auf Kopien gefährdet das Ge­ heimnis gerade so, als wäre überhaupt keine Schutzmaßnahme getroffen wor­ den. Schließlich kann die eine Urkunde, die an die Geschäftsstelle zurückgege­ 478  S. etwa Spindler/Weber, MMR 2006, 711, 713 f.; Stadler, ZZP 123 (2010), 261 ff.; zuerst Stürner, S.  208 ff. 479  Stadler, S.  231 ff. 480  Im Rahmen der gerichtlichen Ermessensentscheidung, BGH, Urt. v. 26.6.2007 – XI ZR 277/05, NJW 2007, 2989, 2992; OLG Stuttgart, Urt. v. 30.5.2007 – 20 U 12/06, ZIP 2007, 1210, 1216. 481  Oben B. II. 4. 482  Kersting, S.  208. 483  Kersting, S.  208. Zur Zulässigkeit der Beschränkung auf je eine Vervielfältigung Stein/ Jonas/Leipold, ZPO, §  299 Rn.  15 f. 484  Kersting, S.  208. Zur Zulässigkeit der Beschränkung auf je eine Vervielfältigung Stein/ Jonas/Leipold, ZPO, §  299 Rn.  15 f.

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ben wird, vorher ohne Aufwand vervielfältigt worden sein. Eine Beschränkung auf bloße Einsichtnahme (unter Aufsicht und ohne Vervielfältigungsmöglich­ keit) aber erweist sich entweder als nicht im Sinne des Geheimnisschutzes oder nicht im Sinne des Rechts auf rechtliches Gehör. Denn entweder das Geheimnis ist so leicht zu erfassen, dass schon die bloße Einsicht genügt, darauf in einem Schriftsatz einzugehen. Oder das Geheimnis ist so komplex, dass es durch blo­ ße Einsicht nicht schriftsatzreif zu analysieren ist – dann wurde es gefährdet, ohne dass damit ein Gewinn für das rechtliche Gehör der Gegenpartei verbun­ den gewesen wäre. Es handelt sich hier mithin nicht um eine wirksame Maß­ nahme des Geheimnisschutzes. Sie ist somit abzulehnen. b) Auszugsweiser Aktenvortrag Daneben wird im Kartellrecht auch der auszugsweise Vortrag aus geheimhal­ tungsbedürftigen Unterlagen als Geheimnisschutzmaßnahme erwogen.485 Das ließe sich in den Zivilprozess in der Form übertragen, dass das Geheimnis dem Gericht vorgelegt wird, und dieses, soweit nicht die Geheimhaltungsinteressen überwiegen, auch dem Gegner Kenntnis der Informationen verschafft, indem es auszugsweise aus ihnen vorträgt. Eine Übermittlung findet entgegen §  270 ZPO nicht statt, §  299 Abs.  1 ZPO bleibt, wie schon soeben sub a), unangewendet. Indes wird üblicherweise die an Geheimhaltung interessierte Partei selbst so viel vortragen, als ihr unter Wahrung ihrer Geheimhaltungsinteressen möglich ist. Das bewirkt der Beibringungsgrundsatz, der es erforderlich macht, dem Gericht möglichst viele für eigene Zwecke günstige Informationen zu verschaf­ fen. Das lässt zumindest Zweifel an der Notwendigkeit einer solchen Ein­ schränkung aufkommen. Zugleich ist sie sowohl für den Geheimnisschutz als auch mit Blick auf das rechtliche Gehör der gegnerischen Partei bedenklich.486 Denn auch Zusammen­ fassungen und Auszüge, mögen sie für den Durchschnittsleser unverfänglich sein, können Branchenkennern Rückschlüsse auf die zugrunde liegende Infor­ mation erlauben.487 Der Prozessgegner aber muss sich eine Einschränkung sei­ nes rechtlichen Gehörs gefallen lassen, weil er nur in Auszügen möglicherweise relevantes Material zur Stellungnahme vorgelegt bekommt. Und schließlich ist es problematisch, dem zur Unabhängigkeit und Neutralität verpflichteten Ge­ richt das „Aussortieren“ von Tatsachenmaterial und die stillschweigende Be­ wertung außerhalb eines gesetzmäßigen Verfahrens zu überlassen. Der aus­ zugsweise Aktenvortrag ist daher als Geheimnisschutzmaßnahme ungeeignet.

485  Berg, S.   59. So auch das Vorgehen der ersten Instanz bei OLG München, Beschl. v. 8.11.2004 – 29 W 2601/04, GRUR-RR 2005, 175. 486  OLG München, Beschl. v. 8.11.2004 – 29 W 2601/04, GRUR-RR 2005, 175. 487  Berg, S.  62.

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Teil 3: Folgerungen für andere Rechtsgebiete

c) in camera-Verfahren Als zum Geheimnisschutz geeignete Maßnahme ohne gleich geeignete, mildere Alternative bleibt damit nur das sog. in camera-Verfahren. Für den Verwal­ tungsprozess wurde es im Jahr 2002 eingeführt, nach einer Beanstandung der vorherigen Rechtslage durch das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1999.488 Für den Zivilprozess wurde ebenfalls die Einführung eines in camera-Verfahrens gefordert489 und diese Forderung im Jahr 2013 in einem EU-Richtlinienvor­ schlag zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen aufgegriffen.490 Unter einem „in camera-Verfahren“ ist die vollständige gerichtliche Über­ prüfung von Tatsachenbehauptungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit und der Beteiligten zu verstehen.491 Das Gericht entscheidet „in der Kammer“ oder frei übersetzt, hinter verschlossenen Türen und damit geheim. aa) Grundzüge eines in camera-Verfahrens Der Sache nach handelt es sich beim in camera-Verfahren – abhängig von seiner konkreten Ausgestaltung – um einen einfachen oder einen doppelten Parteiaus­ schluss vor allem für die Beweisaufnahme: Das Gericht würdigt entweder völlig ohne Beteiligung der Parteien die ihm von der an Geheimhaltung interessierten Partei vorgelegten Tatsachen oder schließt (nur) die gegnerische Partei von der Beweisaufnahme aus. Weil die Partei(en) in dem Teil der Verhandlung ausge­ schlossen ist/sind, in dem das Geheimnis offengelegt wird, spricht man auch von einem „Geheimverfahren“.492 Der Begriff soll aber aufgrund seiner negati­ ven,493 wenig rechtsstaatlichen Konnotation hier nicht verwendet werden, zu­ mal er auch für ein Verfahren stehen kann, in dem nicht einmal das Gericht die geheimen Tatsachen kennt.494 Flankiert wird der Parteiausschluss durch eine entsprechende Einschrän­ kung des Akteneinsichtsrechts gem. §  299 ZPO, durch nur eingeschränkte Mit­ teilung gegnerischer Schriftsätze gem. §  270 ZPO und durch einen Verzicht der Gegenpartei auf die Entscheidungsgründe oder zumindest durch eingeschränk­ te Wiedergabe und Erörterung der geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen in 488 

BVerfG, Beschl. v. 27.10.1999 – 1 BvR 385/90, BVerfGE 101, 106 ff. BGH, Urt. v. 12.11.1991 – KZR 18/90, NJW 1992, 1817, 1819; Stadler, ZZP 123 (2010), 261 ff.; s. auch die Nachweise im Folgenden. Im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist prozessualer Geheimnisschutz durch Ausschluss eines Beteiligten von Unterlagen, die Ge­ schäftsgeheimnisse betreffen, bereits in §  7 Abs.  7 SpruchG vorgesehen. 490  Art.  8 Nr.  2 S.  2 lit.  a) S.  3 des Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parla­ ments und des Rates über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäfts­ informationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb vom 28. November 2013, KOM (2013) 813 endg., im Folgenden „Geheimnisschutzrichtlinie“. 491  Schüly, S.  67. 492  S. etwa Ploch-Kumpf, S.  166 ff. 493  Zur negativen Konnotation Bornkamm, in: FS Ullmann, S.  893, 904 Fn.  40. 494  So im „Amtsanzeiger“-Fall, BGH, Urt. v. 12.11.1991 – KZR 18/90, NJW 1992, 1817, 1819. 489 

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Tatbestand und Entscheidungsgründen.495 Dazu wird der Ausschluss nur der Partei496 oder auch der ihres Prozessvertreters497 von der mündlichen Verhand­ lung vorgeschlagen. Das in camera-Verfahren ist zwar dem von Art.  12, 14 GG geforderten Ge­ heimnisschutz Genüge zu tun geeignet, schränkt aber das von Art.  103 Abs.  1 GG geschützte Recht auf rechtliches Gehör der jeweiligen nicht an Geheimhal­ tung interessierten Gegenpartei ein.498 Denn sowohl das Akteneinsichtsrecht (§  299 Abs.  1 ZPO),499 als auch die Parteiöffentlichkeit der Beweisaufnahme (§  357 Abs.  1 ZPO) 500 und das Recht auf Verhandlung des Beweisergebnisses (§  285 Abs.  1 ZPO) 501 lassen sich unmittelbar auf das Recht auf rechtliches Ge­ hör zurückführen. Das Recht auf rechtliches Gehör verlangt insbesondere, dass jede Partei zu den tatsächlichen Grundlagen der Gerichtsentscheidung Stellung nehmen können muss,502 sodass die offengelegte Information grundsätzlich auch der gegnerischen Partei zugänglich sein muss. Zugleich ermöglicht aber das in camera-Verfahren der beweisbelasteten, an Geheimhaltung interessierten Partei, Rechtsschutz zu erlangen, ohne ihre Ge­ heimnisse opfern zu müssen.503 Im umgekehrten Fall können Geheimnisse der nicht beweisbelasteten, aber aufgrund sekundärer Darlegungslast zur Offen­ legung verpflichteten Partei in den Prozess eingeführt werden. Daher streiten nicht nur Art.  12, 14 GG, sondern auch der im Rechtsstaatsprinzip gem. Art.  20 Abs.  3 GG zu verankernde504 Justizgewährungsanspruch für das in ­camera-Verfahren. An diesem Interessenkonflikt hat sich die konkrete Ausgestaltung eines in camera-Verfahrens zu orientieren.

495 

Redeker/Pres/Gittinger, WRP 2015, 811, 816; Stadler, S.  257. Redeker/Pres/Gittinger, WRP 2015, 811, 817; Stadler, ZZP 123 (2010), 261, 280, s. aber die nächste Fn.; so wohl auch Spindler/Weber, MMR 2006, 711, 714. 497  Stadler, in: FS Leipold, S.  202, 217 (s. aber die vorherige Fn.); Stürner, S.  2 24; ähnlich McGuire, GRUR 2015, 424, 433 (Bestellung eines Ersatzes). 498  Bedenken gegen Verfahren zum Geheimnisschutz dementsprechend beim Bundesrat, BR-Drs. 786/13, Nr.  12. 499  BVerfG, Beschl. v. 12.1.1983 – 2 BvR 864/81, BVerfGE 63, 45, 60; Beschl. v. 9.3.1965 – 2 BvR 176/63, BVerfGE 18, 399, 405; Prütting, in: MünchKomm-ZPO, §   299 Rn.   1; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art.  103 Abs.  1 Rn.  74. 500  Heinrich, in: MünchKomm-ZPO, §   357 Rn.  1; Kürschner, NJW 1992, 1804; s. auch OLG Schleswig, Urt. v. 9.7.1990 – 15 UF 47/89, NJW 1991, 303, 304. 501  Prütting, in: MünchKomm-ZPO, §  285 Rn.  1. 502  Statt vieler Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art.  103 Rn.  66. 503  Zu den Grenzen des in camera-Verfahrens, wenn – was für den Prozess Kunde/Finanz­ dienstleistungsunternehmen allerdings eher untypisch ist – das Geschäftsgeheimnis nicht Beweismittel, sondern Streitgegenstand ist, McGuire, GRUR 2015, 424, 433 f. 504  St. Rspr., s. etwa BVerfG, Beschl. v. 28.4.2011 – 1 BvR 3007/07, NJW 2011, 2276, 2277; Beschl. v. 8.12.2010 – 1 BvR 381/10, NJW 2011, 1276, 1277; Beschl. v. 30.4.2003 – 1 BvU 1/02, BVerfGE 107, 395, 401. 496 

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Teil 3: Folgerungen für andere Rechtsgebiete

bb) Grundsätzliche Zulässigkeit eines zivilprozessualen in camera-Verfahrens Zunächst ist jedoch zu prüfen, ob das in camera-Verfahren angesichts der dar­ gestellten verfassungsrechtlichen Ausgangslage nicht grundsätzlich und von vornherein unzulässig ist. Das Unionsrecht wird zwar in näherer Zukunft die Mitgliedstaaten zur Einrichtung eines in camera-Verfahrens verpflichten, u. a. dazu, den Zugang auch der Parteien zu Anhörungen, bei denen unter Umstän­ den Geschäftsgeheimnisse offengelegt werden, zu beschränken.505 Die Frage nach der Vereinbarkeit des in camera-Verfahrens mit Justizgrundrechten stellt sich dann aber auf unionsrechtlicher Ebene grundsätzlich nicht anders506 als auf nationaler. 507 In Richtung der Unzulässigkeit des Verfahrens ließe sich etwa die sog. „Amtsanzeiger“-Entscheidung des BGH508 interpretieren:509 Der BGH, so könnte die Entscheidung verstanden werden, wende sich gegen ein in ­camera-Verfahren, da ein Ausschluss auch nur einer Partei von der Beweisauf­ nahme gegen das Recht auf rechtliches Gehör verstoße. Der BGH äußerte sich jedoch zu einem Fall, in dem ein Sachverständigengutachten verwertet wurde, obgleich das Gericht von den tatsächlichen Grundlagen des Gutachtens keine Kenntnis hatte. Hier liegt unzweifelhaft ein rechtsstaatswidriges Verhalten des Gerichts vor.510 Es kann sich bei seiner Urteilsfindung nicht auf Tatsachen stüt­ zen, die ihm selbst nicht bekannt sind, und sich so eines Teils seiner Kompeten­ zen entäußern. Die Unkenntnis der Gegenpartei von diesen Tatsachen aber wurde vom BGH zwar erwähnt, nicht jedoch weiter problematisiert.511 Später, in seiner Entscheidung „Restschadstoffentfernung“, ging der BGH ausdrück­ lich davon aus, dass Geheimnisschutzmaßnahmen einschließlich eines in camera-Verfahrens im Zivilprozess zum Geheimnisschutz erforderlich sein kön­ nen.512 Er schloss sich insoweit den Ausführungen des Bundesverfassungsge­ richts zum in camera-Verfahren nach §  99 Abs.  2 VwGO513 an. Dieser Entscheidung des BGH ist auch im Grundsatz zuzustimmen. Zwar ist die Übertragung des verwaltungsprozessualen Verfahrens auf den Zivilprozess aufgrund deutlicher Unterschiede in Zivil- und Verwaltungsprozess nicht ohne 505 

Art.  8 Abs.  2 des Entwurfs der Geheimnisschutzrichtlinie. im Wesentlichen gegebenen Vergleichbarkeit des deutschen/unionsrechtlichen Grundrechtsschutzes. BVerfG, Urt. v. 12.10.1993 – 2 BvR 2134/92, BVerfGE 89, 155, 174; Beschl. v. 22.10.1986 – 2 BvR 197/83, BVerfGE 73, 339, 387 („Solange II“). 507  So muss sich die Geheimnisschutzrichtlinie an Art.  16/17 EUGrCh (Schutz von Ge­ schäftsgeheimnissen) und an Art.  47 der EUGrCh (Recht auf wirksamen Rechtsbehelf) mes­ sen lassen. 508  BGH, Urt. v. 12.11.1991 – KZR 18/90, NJW 1992, 1817 ff. 509  Zur Möglichkeit einer solchen Interpretation Bornkamm, in: FS Ullmann, S.  893, 905. 510  Zu den Grenzen bei Beweishilfe durch Sachverständige zum Schutz von Geschäftsge­ heimnissen McGuire, GRUR 2015, 424, 430. 511  BGH, Urt. v. 12.11.1991 – KZR 18/90, NJW 1992, 1817, 1819. 512  BGH, Urt. v. 1.8.2006 – X ZR 114/03, BGHZ 169, 30, 40. 513  BVerfG, Beschl. v. 14.03.2006 – 1 BvR 2087, 2111/03, BVerfGE 115, 205 ff. 506 Zur

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Weiteres möglich. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts514 zeigt aber jedenfalls, dass das in camera-Verfahren der deutschen Rechtsordnung nicht fremd ist und dass das Recht auf rechtliches Gehör nicht uneinschränkbar ist. Art.  103 Abs.  1 GG schließt eine Abwägung zwischen verschiedenen Inter­ essen und eine darauf beruhende Einschränkung des rechtlichen Gehörs nicht aus.515 Das rechtliche Gehör kann eingeschränkt werden, wenn dies durch sach­ liche Gründe hinreichend gerechtfertigt ist.516 Ein in camera-Verfahren ist dabei insbesondere milderes Mittel im Vergleich zum Ausschluss der Tatsache aus dem Prozess.517 Gegen das in camera-Verfahren könnte zwar der zivilprozessuale Beibrin­ gungsgrundsatz eingewendet werden, der den Zivil- deutlich vom Verwal­ tungsprozess unterscheidet. Jedoch kennen nicht nur die vom Untersuchungs­ grundsatz geprägten Prozessordnungen (s. §  99 Abs.  2 VwGO, §  120 Abs.  3 SGG, §  138 Abs.  2 TKG, §  72 Abs.  2 GWB), sondern auch der Zivilprozess eine Art in camera-Verfahren: §  259 HGB sieht vor, dass Handelsbücher, die in ei­ nem Rechtsstreit vorgelegt sind, von Gericht und Parteien nur einzusehen sind, soweit es unmittelbar um den entscheidungserheblichen Streitpunkt geht (Satz  1). Darüber hinaus besteht ein Einsichtsrecht allein des Gerichts (Satz  2). Aus dem Beibringungsgrundsatz folgt zwar, das das Zivilgericht weniger als das durch den Untersuchungsgrundsatz (§  87 VwGO) verpflichtete Verwal­ tungsgericht die Parteien schützen und leiten soll. Jedoch ist auch dem Zivil­ prozess der Gedanke einer Leitungs- und Fürsorgepflicht des Gerichts für die Parteien nicht fremd, s. nur §  139 ZPO.518 Kenntnis der für die Entscheidung relevanten Tatsachen brauchen ohnehin sowohl Zivilgericht als auch Verwal­ tungsgericht, und das Recht auf rechtliches Gehör und der Justizgewährungs­ anspruch sind unter Privaten nicht mehr oder weniger wichtig als im Verhältnis von Bürger und Staat. Die Vereinbarkeit eines zivilprozessualen in camera-Verfahrens mit verfas­ sungsrechtlichen Grundsätzen könnte allenfalls infrage stellen, dass das ver­ waltungsgerichtliche in camera-Verfahren nur zulässig ist, wenn es zu einer Verbesserung des Rechtsschutzes führt.519 Da im Zivilprozess die Verbesserung des Rechtsschutzes der einen Partei regelmäßig die Verschlechterung des 514  Ebenso wie die Vorgängerentscheidung BVerfG, Beschl. v. 27.10.1999 – 1 BvR 385/90, BVerfGE 101, 106, 129. 515  BVerfG, Beschl. v. 27.10.1999 – 1 BvR 385/90, BVerfGE 101, 106, 129; Beschl. v. 8.2.1994 – 1 BvR 765, 766/89, BVerfGE 89, 381, 392. 516 BVerfG, Beschl. v. 27.10.1999 – 1 BvR 385/90, BVerfGE 101, 106, 129; Beschl. v. 29.11.1989 – 1 BvR 1011/88, BVerfGE 81, 123, 129 f. 517 BVerfG, Beschl. v. 27.10.1999 – 1 BvR 385/90, BVerfGE 101, 106, 128 f.; Beschl. v. 8.2.1994 – 1 BvR 765, 766/89, BVerfGE 89, 381, 392. 518  Zur Fürsorgepflicht s. auch BVerfG, Beschl. v. 25.7.1979 – 2 BvR 878/74, BVerfGE 52, 131, 154. 519  BVerfG, Beschl. v. 27.10.1999 – 1 BvR 385/90, BVerfGE 101, 106, 128.

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Teil 3: Folgerungen für andere Rechtsgebiete

Rechtsschutzes der anderen zur Folge hat, könnte von einer Verbesserung (ins­ gesamt) nie die Rede sein. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass die zitierte Aussage des Bundesverfas­ sungsgerichts aus einer Entscheidung zum Verwaltungsprozess stammt. Es ist nicht davon auszugehen, dass sie so auch zum Zivilprozess gefallen wäre, geht es doch in diesem nicht um einen gegen hoheitliche Maßnahmen Rechtsschutz su­ chenden Bürger, sondern um einen Konflikt unter Privaten. Im Verwaltungs­ prozess ist daher Art.  19 Abs.  4 GG einschlägig, der die Gewährung effektiven Rechtsschutzes gegen öffentliche Gewalt vorschreibt. Im Zivilprozess hingegen geht es „nur“ um das Recht auf Justizgewährung, um einen angemessenen Inte­ ressenausgleich der Privaten untereinander, nicht um Schutz des Bürgers gegen­ über dem Staat. Das in camera-Verfahren ist daher auch im Zivilprozess grundsätzlich zuläs­ sig, es muss jedoch an die zivilprozessualen Besonderheiten angepasst werden. cc) in camera-Verfahren in der Hauptsache Im verwaltungsprozessualen Verfahren prüft ein Fachsenat (nicht das Gericht der Hauptsache) 520 lediglich, ob ein Geheimnis gem. §  99 Abs.  1 S.  2 VwGO vor­ liegt und ob die darauf fußende Sperrerklärung der Unterlagen durch die zu­ ständige Behörde (§  99 Abs.  1 S.  2 VwGO) rechtmäßig, insbesondere ermessens­ fehlerfrei, abgegeben worden ist.521 Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, die betroffenen Unterlagen seien nicht geheimhaltungsbedürftig, müssen sie – gem. §  99 Abs.  1 S.  1 VwGO ist die Be­ hörde zur Vorlage verpflichtet – in das Verfahren eingeführt werden. Kommt das Gericht aber zum gegenteiligen Ergebnis, sind die Unterlagen dem Verfah­ ren entzogen. Zu einer in camera-Verwertung der geheimen Tatsachen kommt es nicht, d. h. die geheim zu haltenden Tatsachen werden nicht in die Ent­ scheidung einbezogen.522 Es folgt ggf. eine Beweislastentscheidung.523 Ein in camera-Verfahren in der Hauptsache, d. h. eine Verwertung der geheimen Informa­tio­nen für das Verfahren, schließt das geltende Recht aus.524 Hieran wird deutlich, dass das verwaltungsrechtliche in camera-Verfahren nur eingeschränkt Modell sein kann für eine zivilprozessuale Regelung. Im Zivilprozess stellt sich die Frage nach der Zulässigkeit einer Offenle­ gungsverweigerung nicht. Private sind zur Vorlage von Unterlagen grundsätz­ lich nicht verpflichtet. Ein Privater kann sich jederzeit gegen die Vorlage ge­ 520 

S. dazu sogleich dd). S. etwa BVerwG, Beschl. v. 15.8.2003 – 20 F 7/03, K&R 2004, 95; Beschl. v. 29.7.2002 – 2 AV 1/02, BVerwGE 117, 8, 9 f. 522  BVerwG, Beschl. v. 15.8.2003 – 20 F 7/03, K&R 2004, 95; Beschl. v. 15.8.2003 – 20 F 8/03, NVwZ 2004, 105, 106; Schüly, S.  159. 523  BVerwG, Urt. v. 27.9.2006 – 3 C 34/05, NJW 2007, 789, 792. 524  BVerwG, Beschl. v. 15.8.2003 – 20 F 8/03, NVwZ 2004, 105. Anders aber die Rechtslage gem. §  138 Abs.  2 TKG, BVerwG, Beschl. v. 9.1.2007 – 20 F 1/06, BVerwGE 127, 282 ff. 521 

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heimhaltungsbedürftiger Unterlagen entscheiden, ohne dass es einer gerichtli­ chen Erlaubnis bedürfte. Er muss nur die negativen prozessualen Folgen in Kauf nehmen. Gerade diese allerdings gilt es zu vermeiden. Das gelingt nur über ein in camera-Verfahren in der Hauptsache. Das Verfahren muss folglich zweistufig ablaufen: Zunächst prüft das Gericht, sobald eine Partei das in camera-Verfahren beantragt, das Vorliegen eines Ge­ schäftsgeheimnisses.525 Dabei kommt es für den Prüfungsmaßstab darauf an, in welcher Position sich die an Geheimhaltung interessierte Partei befindet: Ist sie ohnehin beweisbelastet, prüft das Gericht, ob nach seiner Überzeugung positiv ein Geschäftsgeheimnis vorliegt. Ist sie nicht beweisbelastet und wurde sie le­ diglich durch sekundäre Darlegungslast zur Offenlegung verpflichtet, ist groß­ zügiger zu verfahren und eine Offensichtlichkeitsprüfung anzustellen: Es ist nur zu prüfen, ob die Informationen offensichtlich nicht geheimhaltungsbe­ dürftig sind. Das vom Gericht gefundene Ergebnis ist, mit Rücksicht auf die Geheimhal­ tungsinteressen, in nachvollziehbarer Weise zu begründen. Der Schutz des Ge­ schäftsgeheimnisses kann nicht größer sein als der eines Staatsgeheimnisses im Verwaltungsprozess, in dem eine entsprechende Begründungspflicht besteht (§  122 VwGO).526 So ist es regelmäßig möglich, Art und Typ der Geheimnisse zu benennen, um das Ergebnis plausibel zu machen.527 Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass kein Geschäftsgeheimnis vorliegt, ist das in camera-Verfahren beendet. Die betroffenen Tatsachen werden nicht gegen den Willen der an Geheimhaltung interessierten Partei in den Prozess eingeführt. Denn darin läge eine Verkürzung ihrer Rechte durch das in ­camera-Verfahren. Ohne dieses könnte die betroffene Partei sich aussuchen, ob sie die aus ihrer Sicht geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen in den Prozess ein­ bringt. Dabei muss es auch bei Bestehen eines in camera-Verfahrens bleiben. Kommt das Gericht aber zu dem Ergebnis, dass Geschäftsgeheimnisse vorlie­ gen, folgt die zweite Stufe des in camera-Verfahrens, die Verwertung der Ge­ heimnisse für die Hauptsacheentscheidung. Einer weiteren Interessenabwägung bedarf es nicht. Wo ein Geschäftsgeheimnis auf dem Spiel steht, greift das in camera-Verfahren.528 Gegen ein solches Vorgehen spricht freilich, dass es im Verwaltungsrecht nicht vorgesehen ist, obgleich die Geheimnisse dort von weitaus größerer Be­ deutung sein können als Geschäftsgeheimnisse. Jedoch ergäbe ein in camera-Verfahren ohne Hauptsacheentscheidung im Zi­ vilprozess keinen Sinn. Die Alternativität „Geheimnisschutz oder Rechts­ 525  Redeker/Pres/Gittinger, WRP 2015, 811, 816 (aber wohl für ein eigenständiges Zwi­ schenverfahren); Rudkowski, S.  34 f. 526  BVerfG, Beschl. v. 14.3.2006 – 1 BvR 2087, 2111/03, BVerfGE 115, 205, 246. 527  BVerfG, Beschl. v. 14.3.2006 – 1 BvR 2087, 2111/03, BVerfGE 115, 205, 246. 528  A. A. Wagner, JZ 2007, 706, 717.

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schutz“ in Form einer Beweislastentscheidung, die herzustellen der Verwal­ tungsprozess das in camera-Verfahrens braucht, lässt sich anders als mit einer Verwertung der Geheimnisse in der Hauptsache nicht beseitigen. Sie ist daher im Sinne des verfassungsrechtlich geforderten Geheimnisschutzes wie des Jus­ tizgewährungsanspruchs der zur Offenlegung verpflichteten Partei. Zudem ist nicht nur die rechtliche Ausgangslage durch Fehlen einer §  99 Abs.  1 S.  1 VwGO vergleichbaren Offenlegungspflicht im Zivilprozess eine an­ dere als im Verwaltungsprozess. Auch die Interessenlage ist nicht gleich. Der Staat muss, wenn er Geheimnisse schützen will, eher hinnehmen, dass eine von ihm getroffene rechtmäßige Maßnahme zu Unrecht als rechtswidrig angesehen wird, als dass ein durch Grundrechte geschützter Privater eine unrechtmäßige Verkürzung seiner Rechte akzeptieren müsste. Art.  19 Abs.  4 GG geht schließ­ lich vom Grundsatz der tatsächlich wirksamen Kontrolle staatlichen Handelns durch die Gerichte aus.529 Will der Staat von diesem Grundsatz abweichen, muss er die Folgen dafür tragen. Und schließlich wird sogar die Beschränkung der verwaltungsprozessualen in camera-Entscheidung auf die Frage des Vorliegens eines Geheimnisses/einer rechtmäßigen Sperrerklärung mit Blick auf den Justizgewährungsanspruch kri­ tisiert.530 Dass durch die Verwertung für die Hauptsacheentscheidung das Recht auf rechtliches Gehör der Parteien eingeschränkt wird, liegt auf der Hand. Wägt man es jedoch gegen den Geheimnisschutz und den Justizgewährungsanspruch ab, ist es keinesfalls generell vorrangig.531 Der Gesetzgeber hat eine Ausgestal­ tungsbefugnis für das Recht auf rechtliches Gehör und darf Äußerungsmög­ lichkeiten einschränken, wenn dies durch sachliche Gründe hinreichend ge­ rechtfertigt ist.532 Unzulässig kann es allenfalls sein, die Beweiswürdigung und Sachentscheidung auf einen Dritten zu übertragen.533 Darum geht es aber hier nicht. Der Eingriff in Art.  103 Abs.  1 GG durch ein in camera-Verfahren in der Hauptsache ist zwar erheblich. Er verfolgt aber ein legitimes Ziel, erfolgt zu­ gunsten von Geheimnisschutz und Rechtsschutzinteressen der an Geheimhal­ tung interessierten Partei, ist auch geeignet, das Dilemma „Rechtsschutz oder

529 

BVerfG, Beschl. v. 27.10.1999 – 1 BvR 385/90, BVerfGE 101, 106, 122. Für multipolare (offen gelassen für bipolare) Gaier, Sondervotum zu BVerfG, Beschl. v. 14.3.2006 – 1 BvR 2087, 2111/03, BVerfGE 115, 205, 251 f.; Schoch, NJW 2009, 2987, 2993; ders., VBlBW 2010, 333, 342. 531  I. Erg. ähnlich BVerfG, Beschl. v. 27.10.1999 – 1 BvR 385/90, BVerfGE 101, 106, 128 ff. für die Abwägung effektiver Rechtsschutz/Geheimnisschutz. 532 BVerfG, Beschl. v. 27.10.1999 – 1 BvR 385/90, BVerfGE 101, 106, 129; Beschl. v. 29.11.1989 – 1 BvR 1011/88, BVerfGE 81, 123, 129. 533  Noch einmal: der „Amtsanzeiger“-Fall, BGH, Urt. v. 12.11.1991 – KZR 18/90, NJW 1992, 1817 ff. 530 

§  4 Folgerungen für das Zivilprozessrecht

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Geheimnisschutz“ zu lösen, und ist, mangels alternativer Mittel,534 auch als er­ forderlich anzusehen. Seine Anwendung kann zwar nur dann legitim sein, so­ weit die geheimen Tatsachen nicht in anderer, ihren geheimhaltungsbedürftigen Inhalt nicht tangierender Weise in das Verfahren eingeführt werden können.535 Dies zu prüfen, ist jedoch Aufgabe des Gerichts im Einzelfall. Die weitere verhältnismäßige Ausgestaltung des in camera-Verfahrens ist ab­ hängig von der genauen Konstellation, in welcher es angewendet wird. Es gilt, den im (teilweisen) Parteiausschluss liegenden Eingriff in das Recht auf rechtli­ ches Gehör so gering wie möglich zu halten. dd) Entscheidung durch das Gericht der Hauptsache Zunächst ist zu klären, welcher Spruchkörper zur Entscheidung im in cameraVerfahren befugt sein soll. Der Entwurf für eine europäische Geheimnisschutz­ richtlinie macht hierzu keine Vorgaben. Im Verwaltungsprozess wird ein eige­ nes Zwischenverfahren vor einem Fachsenat durchgeführt. Die Auslagerung auf einen speziellen Spruchkörper dient der Stärkung des Geheimnisschutzes.536 Das Bundesverfassungsgericht aber hielt sie im Verwaltungsprozess nicht für zwingend erforderlich,537 und für das Zivilprozessrecht gilt dies erst recht. Denn das auswärtige Zwischenverfahren stellt sicher, dass die Geheimnisse nur einer sehr begrenzten Zahl von Personen bekannt sind. Das mag im Verwal­ tungsprozess deshalb gerechtfertigt sein, weil Behörden auch über Staatsge­ heimnisse verfügen oder über sonstige Geheimnisse, die die innere oder äußere Sicherheit des Staates oder wichtige Individualrechtsgüter betreffen. Geht es dagegen nur um Geschäftsgeheimnisse, die zwar von Art.  12, 14 GG geschützt werden, aber nicht in Zusammenhang etwa mit Art.  2 Abs.  2 GG oder einem primär öffentlichen Geheimhaltungsinteresse stehen,538 genügt es, dasselbe Ge­ richt entscheiden zu lassen. Das ist regelmäßig im Interesse beider Parteien (es beschleunigt das Verfahren). Die an Geheimhaltung interessierte Partei hat au­ ßerdem nur ein Interesse daran, ihren Gegner vom Geheimnis auszuschließen. Auf das zur Verschwiegenheit verpflichtete Gericht kommt es ihm regelmäßig nicht an. Es ist daher ausreichend, wenn das Gericht der Hauptsache (auch) für das in camera-Verfahren zuständig ist, und vermeidet auch einen Eingriff in das Recht auf den gesetzlichen Richter.539 534 

S. bereits die Prüfung der Alternativen, sub 1. und 2. a) und b).

535 Strenger Gaier, Sondervotum zu BVerfG, Beschl. v. 14.3.2006 – 1 BvR 2087/03, 2111/03,

BVerfGE 115, 205, 251. 536  BVerfG, Beschl. v. 27.10.1999 – 1 BvR 385/90, BVerfGE 101, 106, 132. 537  BVerfG, Beschl. v. 27.10.1999 – 1 BvR 385/90, BVerfGE 101, 106, 132. 538 D.h. unabhängig vom lediglich sekundären, allgemeinen Interesse daran, dass die Rechtsordnung im Sinne der Wettbewerbsförderung Geschäftsgeheimnisse schützt. 539  Zu diesem Schoch, NJW 2009, 2987, 2993.

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ee) Ausgestaltung des in camera-Verfahrens im Einzelnen Aufgrund der hier vorzunehmenden Interessenabwägung ist bei der näheren Ausgestaltung des in camera-Verfahrens danach zu differenzieren, zugunsten welcher Partei Geheimnisschutz gewährt werden soll.540 Zwar ist in jedem Fall das Recht auf rechtliches Gehör, das verlangt, dass die Parteien an der Beweis­ aufnahme teilnehmen und sich zu ihr äußern können (s. §§  357 Abs.  1, 285 ZPO), abzuwägen gegen den Geheimnisschutz und den Justizgewährungsanspruch. Die widerstreitenden Interessen sind nach dem Grundsatz „praktischer Konkor­ danz“ auszugleichen, alle Grundrechte sollen bestmöglich wirksam werden.541 Dabei ist keine Rechtsposition als von vornherein höherwertig anzusehen. Aufgrund unterschiedlicher Interessenlagen ist aber gesondert zu prüfen, in­ wieweit angesichts des Geheimhaltungsinteresses der einen Partei das Zurück­ treten des Anspruchs auf rechtliches Gehör der anderen Partei angemessen ist.542 (1) in camera-Verfahren zugunsten der nicht beweisbelasteten Partei. Soweit das in camera-Verfahren zugunsten der nicht beweisbelasteten, aber aufgrund sekundärer Darlegungslast zur Offenlegung verpflichteten Partei durchgeführt wird, lässt sich jedoch schon die Erforderlichkeit des Verfahrens in Frage stel­ len.543 Die Erforderlichkeit wäre zu verneinen, wenn die beweisbelastete Partei, in deren Interesse es zur Offenlegung kommt, auf ihre Anwesenheit in der Be­ weisaufnahme verzichten und so der Geheimnisschutz gesichert werden könn­ te. Geschieht die Offenlegung in ihrem Interesse, wird sie sich möglicherweise bereit erklären, nicht an der Beweisaufnahme teilzunehmen. Doch einmal abgesehen davon, dass die Zulässigkeit eines solchen Verzichts umstritten ist,544 kann er auch nicht als ein dem in camera-Verfahren gleich ge­ eignetes Mittel des Geheimnisschutzes angesehen werden. Ein Verzicht ist not­ wendigerweise freiwillig, sodass stets unsicher ist, ob er auch wirklich erfolgen wird. Die beweisbelastete Partei aber könnte den Standpunkt einnehmen, wenn 540  Der Vorschlag der EU-Kommission für eine Geheimnisschutzrichtlinie (oben Fn.  490) unterscheidet zwar nicht. Dies spricht aber nicht gegen eine Differenzierung im nationalen Recht, da die Richtlinie den unterschiedlichen Formen des Zivilprozesses in den Mitglied­ staaten Rechnung tragen muss und ihnen daher Umsetzungsspielraum belässt. 541  Gaier, in: FS Scharf, S.  201, 205. 542  Der Entwurf für eine Geheimnisschutzrichtlinie (oben Fn.  490) macht hier keine ge­ nauen Vorgaben, sondern schlägt nur Mindeststandards für den Geheimnisschutz vor. 543  Gegen die Erforderlichkeit des Verfahrens generell unter Hinweis auf die „Düsseldor­ fer Praxis“ Gärtner, NZG 2014, 650, 652 und wohl auch Rauer, GRUR-Prax 2014, 2, 3. Die Düsseldorfer Praxis bezieht sich aber nur auf Besichtigungsansprüche außerhalb eines Haupt­ sacheverfahrens. Dazu Kühnen, GRUR 2005, 185 ff.; Abgrenzung zum in camera-Verfahren auch bei McGuire, GRUR 2015, 424, 431. 544  Für eine Zulässigkeit wohl BGH, Urt. v. 19.2.2014 – I ZR 230/12, NJW 2014, 3033, 3034 f.; Zulässigkeit bejahend jedenfalls R. Koch, S.  240 f.; Schlosser, Zivilprozeßrecht I, Rn.  430; Stürner, S.  227; a. A. Ploch-Kumpf, S.  203 ff.; Stadler, NJW 1989, 1202, 1204.

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ihre Gegenpartei aus Billigkeitserwägungen (über die sekundäre Darlegungs­ last) zur Offenlegung verpflichtet wird, dann müsse es erst recht billig sein, dass sie selbst auch an der Beweisaufnahme teilnimmt – anderenfalls hätte man ihr die Begünstigung über die sekundäre Darlegungslast verweigern können. Überdies ist der Verzicht grundsätzlich widerruflich, sodass der Geheimnis­ schutz während der gesamten Beweisaufnahme unsicher ist. Ist danach auch in dieser Konstellation das in camera-Verfahren erforderlich, kann die Interessenabwägung vorgenommen werden. Wird das in camera-Verfahren zugunsten der nicht beweisbelasteten Partei durchgeführt, ist zu berücksichtigen, dass diese nur aufgrund sekundärer Dar­ legungslast zur Offenlegung verpflichtet ist. Ihre Interessen an Geheimnis­ schutz und Justizgewährung sind daher grundsätzlich höher zu bewerten als die Offenlegungsinteressen. In die Abwägung ist einerseits der Zweck des Rechts auf rechtliches Gehör einzubeziehen. Es soll, gerade im Parteienprozess, jeder Partei die Chance auf eine Entscheidung zu ihren Gunsten sichern. Andererseits ist vor allem die Be­ deutung des Geheimnisses in die Abwägung einzustellen, die wirtschaftliche/ ideelle Bedeutung für den Geheimnisinhaber, die rechtliche Bedeutung für den Prozess.545 Nicht bedeutsam ist hingegen die Frage, ob die Gefahr der Verwer­ tung des Geschäftsgeheimnisses besonders groß sein könnte, weil der Prozess­ gegner ein Wettbewerber ist.546 Denn ob der Gegner ein Wettbewerber ist, spielt für die Gefährdung des Geheimnisses zwar grundsätzlich eine Rolle. Das Kri­ terium verleitet jedoch dazu, Geheimnisschutz auf Fälle der Offenlegung ge­ genüber Wettbewerbern zu beschränken. Das aber wäre nicht interessenge­ recht, denn es sind Fälle denkbar, in denen auch ein Nicht-Wettbewerber das Geheimnis verwertet, und sei es durch Weitergabe an einen Wettbewerber. Auf Grundlage dieser Abwägung haben sich verschiedene Literaturansichten zur Zulässigkeit und Ausgestaltung des in camera-Verfahrens herausgebildet. Selten wird das in camera-Verfahren völlig abgelehnt.547 Diese Auffassung verkennt, dass das Recht auf rechtliches Gehör nicht absolut gewährleistet ist,548 während eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit zum Geheimnisschutz be­ steht. Nach anderer Auffassung könne die nicht an Geheimhaltung interessierte Partei zwar ausgeschlossen werden, ihrem Anwalt sei jedoch voller Informati­ onszugang zu gewähren.549 Dem Anwalt könne analog §  174 Nr.  3 GVG ein 545 

Kersting, S.  285. So aber Kersting, S.  285. 547  Prütting, in: MünchKomm-ZPO, §  285 Rn.  12. 548  BVerfG, Beschl. v. 27.10.1999 – 1 BvR 385/90, BVerfGE 101, 106, 129. 549  Kersting, S.  286; Pagenberg, CR 1991, 65, 72; Redeker/Pres/Gittinger, WRP 2015, 811, 817; Stadler, S.  246. Zur Anwesenheit des Rechtsanwalts im selbständigen Beweisverfahren Kühnen, GRUR 2005, 185, 191 f. 546 

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Teil 3: Folgerungen für andere Rechtsgebiete

strafrechtlich bewehrtes Geheimhaltungsgebot auch gegenüber seinem Man­ danten auferlegt werden,550 um den Geheimnisschutz zu sichern. Damit wäre der in einem Parteiausschluss liegende Eingriff in das Recht auf rechtliches Ge­ hör erheblich abgemildert. Dies gilt insbesondere, weil es regelmäßig die An­ wälte sind, die vor allem bei komplexen Fällen das Geschehen bestimmen. Das Recht auf rechtliches Gehör verlangt zwar, dass über das Ergebnis der Beweis­ aufnahme verhandelt wird. Das kann eine Partei aber nicht nur, wenn sie bei derselben auch anwesend gewesen ist. War ihr Anwalt anwesend, genügt dies regelmäßig. Gegen diese Lösung spricht jedoch, dass der Anwalt zwar unabhängiges Organ der Rechtspflege ist, sodass von seiner Redlichkeit ausgegangen werden muss.551 Es widerspricht jedoch in gewisser Weise dem Berufsbild des Anwalts, gegenüber seinem eigenen Mandanten zu schweigen, und es wäre nicht auszu­ schließen, dass aufgrund von fahrlässigen oder unbewussten Indiskretionen die ausgeschlossene Partei von ihrem Anwalt das Geheimnis erführe. In Anbe­ tracht des Umstands, dass die offenlegungspflichtige Partei hier nicht beweisbe­ lastet ist, sondern im Interesse ihres Gegners verpflichtet wurde, ihr Geheimnis zu riskieren, ist diese Unsicherheit unangemessen groß. Dies gilt selbst dann noch, wenn eine Regelung getroffen würde, bei konkreten Anhaltspunkten für Unzuverlässigkeit des Anwalts diesen auszuschließen, etwa weil er in der Ver­ gangenheit bereits gegen seine Schweigepflicht verstoßen hat.552 Es wäre dann vom Gericht553 oder der Partei selbst 554 ein Ersatz zu bestellen. Da aber die meisten Indiskretionen wohl nicht auf bewusstes Fehlverhalten zurückzufüh­ ren sein werden, ist dies einerseits kaum hinreichend scharfes Schwert, bedeutet aber andererseits einen Eingriff in das Vertrauensverhältnis von Mandant und Anwalt.555 Dieser Einwand kommt auch zum Tragen, wenn der Rechtsanwalt generell für die Beweisaufnahme „ausgetauscht“ und durch einen vom Gericht oder der betroffenen Partei bestellten Anwalt ersetzt werden soll.556 Zu bedenken ist in dieser Konstellation stets, dass der Partei mit Geheimhal­ tungsinteressen die Förderung des Rechtsschutzes ihres Gegners zugemutet wird.557 Ihre Bereitschaft, hier an der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken,

550  Kersting, S.  287; a. A. Redeker/Pres/Gittinger, WRP 2015, 811, 817: Die berufsrechtli­ chen Verschwiegenheitspflichten genügten. 551  I.E. ebenso Kersting, S.  287; Pagenberg, CR 1991, 65, 70. 552  Kersting, S.  289 f. 553  Ploch-Kumpf, S.  210; Stadler, ZZP 123 (2010), 261, 280; Wagner, ZZP 108 (1995), 193, 211. 554  Kersting, S.  290. 555 Ausf. Pagenberg, CR 1991, 65, 70 f. 556  Für eine Ersetzung Ahrens, GRUR 2005, 837, 839; offen Stadler, in: FS Leipold, S.  202, 217. 557  Stadler, S.  244.

§  4 Folgerungen für das Zivilprozessrecht

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dürfte gefördert werden, muss sie nicht um ihre Geheimnisse fürchten.558 Folg­ lich ist nicht nur die gegnerische Partei auszuschließen, sondern auch ihr An­ walt. Es muss genügen, wenn das Gericht die Geheimnisse erfährt. Dieses ist dann in der Pflicht, die ausgeschlossene Partei und ihren Anwalt zu unterrich­ ten und mit Blick auf Art.  103 Abs.  1 GG Gelegenheit zur Stellungnahme559 zu geben. Es hat bei der Unterrichtung sowohl die Geheimhaltungsinteressen zu berücksichtigen als auch gleichzeitig die Unterrichtung möglichst so klar aus­ fallen zu lassen, dass die Ausgeschlossenen sie nachvollziehen können und sich nicht in die Berufung gedrängt fühlen.560 Dass im Zivilprozess die ausgeschlossene Partei keine Beweisanträge ohne hinreichende Information stellen kann, steht ihrem Ausschluss und dem ihres Anwalts nicht entgegen. Ihn auszugleichen, dient die Unterrichtung durch das Gericht, das beim weiteren Parteivorbringen und insbesondere etwaigen weite­ ren Beweisanträgen die ggf. eingeschränkte Information der ausgeschlossenen Partei über die Beweisaufnahme zu berücksichtigen hat. Die richterliche Unabhängigkeit ist dabei nicht gefährdet. Der Richter muss nicht einseitig Partei ergreifen.561 Anderenfalls müssten auch Strafrichter, die den zuvor (z. B. gem. §  247 S.  1 StPO) ausgeschlossenen Angeklagten über die Geschehnisse während seiner Abwesenheit belehren müssen (im Beispiel gem. §  247 S.  4 StPO), als befangen anzusehen sein. Um aber zu vermeiden, dass die an Geheimhaltung interessierte Partei gleich­ sam hinter verschlossenen Türen mit dem Gericht allein ist, sodass der Ein­ druck entsteht, das Gericht könne nicht in gebotener Weise neutral sein, ist auch die an der Geheimhaltung interessierte Partei einschließlich ihres Anwalts aus­ zuschließen. Die damit verbundene Einbuße dieser Partei an ihrem Recht auf rechtliches Gehör wird dadurch kompensiert, dass sie (es handelt sich um ihre eigenen Geheimnisse) die Tatsachen ohnehin kennt, sie mithin nur von der nä­ heren Würdigung durch das Gericht ausgeschlossen ist. Dass sie wenigstens in diesem Punkt ausgeschlossen ist, ist außerdem eine Frage der Waffengleich­ heit.562 Zwar kennt die nicht beweisbelastete Partei die Tatsachen und kann, etwa in Schriftsätzen, zu ihnen Stellung nehmen, anders als die beweisbelastete Partei. Dieser Vorteil wird aber dadurch wettgemacht, dass keine der beiden Parteien mit dem Gericht in der Beweisaufnahme näher in Kontakt treten kann. Hat das Gericht Fragen an die Prozesspartei, die das Geheimnis eingebracht hat, so hat sie diese, soweit unter Wahrung der Geheimhaltungsinteressen mög­ 558 

Kersting, S.  285. „Möglichkeit der Stellungnahme“ im Hinblick auf Art.  103 Abs.  1 GG BVerfG, Beschl. v. 8.6.1993 – 1 BvR 878/90, BVerfGE 89, 28, 35; Beschl. v. 8.12.1970 – 2 BvR 210/70, BVerfGE 29, 345, 347; Beschl. v. 18.12.1962 – 2 BvR 396/62, BVerfGE 15, 214, 218. 560  S. die Befürchtung von Stadler, S.  248. 561  In diese Richtung aber Stadler, S.  247; dies. NJW 1989, 1202, 1204. 562  Zu diesem Erfordernis BVerfG, Beschl. v. 25.7.1979 – 2 BvR 878/74, BVerfGE 52, 131, 156. 559  Zur

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Teil 3: Folgerungen für andere Rechtsgebiete

lich, einschließlich der Antwort auch der Gegenpartei zur Kenntnis zu geben. Die an Geheimhaltung interessierte Partei muss aber auch, nicht anders als ihr Prozessgegner, aus Gründen der Waffengleichheit vom Gericht über Verlauf und Ergebnisse der Beweisaufnahme belehrt werden. Gestützt wird dieses Ergebnis durch einen Vergleich mit dem materiellen Recht, denn die prozessualen Kenntnisnahmerechte können nicht weiter gehen als die materiellrechtlichen. Besteht nur ein Recht auf Information (etwa durch Auskunft o. ä.), nicht aber auf persönliche Kenntnisnahme des Geheimnisses, darf der Partei nicht prozessual ein solches zuerkannt werden. Schließlich ist dem deutschen Recht ein solcher Parteiausschluss keineswegs unbekannt: §  259 HGB sieht einen Ausschluss beider Parteien vor. Und auch das Unionsrecht steht einem Ausschluss beider Parteien nicht entgegen. Art.  8 Abs.  2 des Entwurfs für eine Geheimnisschutzrichtlinie sieht im Gegenteil vor, dass die Mitgliedstaaten Maßnahmen treffen, die es den Gerichten ermöglichen, den Zugang auch der Parteien zum Geschäftsgeheimnis zu beschränken.563 Die Befugnis zur richterlichen Rechtsfortbildung ist allerdings begrenzt,564 der hier vorgeschlagene Eingriff in das Recht auf rechtliches Gehör muss als „wesentlich“ angesehen werden und steht demnach unter Gesetzesvorbehalt.565 Einzelne materiellrechtliche Regelungen, die den Ausschluss einer Partei erlau­ ben könnten,566 genügen insoweit nicht, als sie die Rechtsfolge nicht ausdrück­ lich bezeichnen. Ein in camera-Verfahren müsste daher durch Gesetz geschaf­ fen werden.567 (2) in camera-Verfahren zugunsten der beweisbelasteten Partei.  Schwieriger zu begründen ist das in camera-Verfahren zugunsten von Geheimnissen der be­ weisbelasteten Partei.568 Denkbarer Anwendungsfall ist etwa der Versuch des auf Schadensersatz gem. §  21 Abs.  2 S.  1, 2 AGG in Anspruch genommenen Ver­ 563  Strenger (zulasten des Geheimnisschutzes) Art.  8 Abs.  2 lit.  a) und b) in der Fassung des Vermerks des Generalsekretariats des Rates zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäi­ schen Parlaments und des Rates über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechts­ widriger Nutzung und Offenlegung, Allgemeine Ausrichtung, 2013/0402 (COD): Mindes­ tens eine Person jeder Partei, ihr jeweiliger Rechtsanwalt oder Verfahrensvertreter und Ge­ richtsbedienstete müssen unbeschränkten Zugang trotz des Geheimnisschutzes erhalten. 564  S. dazu BVerfG, Beschl. v. 9.2.1982 – 1 BvR 799/78, BVerfGE 59, 330, 334; Jachmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art.  95 Rn.  16. 565  Wesentlichkeitsgrundsatz gem. BVerfG, Beschl. v. 20.10.1982 – 1 BvR 1470/80, BVerf­ GE 61, 260, 275; Beschl. v. 8.8.1978 – 2 BvL 8/77, BVerfGE 49, 89, 126. 566  Außerhalb des Finanzdienstleistungsrechts etwa §  140c Abs.  1 S.  3, Abs.  3 PatG. 567  BVerfG, Beschl. v. 14.3.2006 – 1 BvR 2087, 2111/03, BVerfGE 115, 205, 240. Ebenso Spindler/Weber, MMR 2006, 711, 713. A.A. Bornkamm, in: FS Ullmann, S.  893, 909. Großzü­ giger das Vorgehen im Regulierungsrecht in Verfahren gem. §  138 TKG BVerwG, Beschl. v. 9.1.2007 – 1 BvL 14/09, BVerwGE 127, 282, 292 f. 568 Der Entwurf für eine Geheimnisschutzrichtlinie (oben Fn.   490) differenziert nicht nach dem Grund der Offenlegung.

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sicherers, eine Unterscheidung aufgrund eines vom AGG pönalisierten Merk­ mals anhand seiner Kalkulationen gem. §  20 Abs.  2 S.  2 AGG zu rechtfertigen. Auch hier geht es um Rechtsschutzgarantie und rechtliches Gehör, allerdings ist die an Geheimhaltung interessierte Partei weniger schutzwürdig als in Kon­ stellation (1). Sie wird nicht in Abweichung von Beweislastgrundsätzen zur Of­ fenlegung verpflichtet. Wenn sie offenlegt, geschieht das nicht primär im Inter­ esse ihrer Gegenpartei, sondern in ihrem eigenen Interesse. Das führt zunächst einmal dazu, dass hier der Parteiausschluss nicht über einen Verzicht der nicht an Geheimhaltung interessierten Partei auf ihr rechtli­ ches Gehör konstruiert werden kann (unabhängig davon, inwieweit vorheriger Verzicht auf rechtliches Gehör möglich ist 569). Denn die nicht beweisbelastete Partei wird kaum bereit sein, auf ihre Teilnahme an der Beweisaufnahme und auf die Möglichkeit, zu ihr Stellung zu nehmen, zu verzichten. In die somit erforderliche Interessenabwägung – Justizgewährung und recht­ liches Gehör einerseits gegen Justizgewährung und Geheimnisschutz anderer­ seits – sind, nicht anders als bei der sub (1) vorgestellten Konstellation, die Be­ deutung des Geheimnisses für den Berechtigten und den Prozess und der Zweck des rechtlichen Gehörs einzubeziehen. Die widerstreitenden Interessen sind nach Maßgabe praktischer Konkordanz zum Ausgleich zu bringen.570 Dabei ist zu berücksichtigen, dass die gesetzliche Beweislastverteilung die beweisbelastete Partei in ein Dilemma bringt. Legt sie offen, riskiert sie ihr Ge­ schäftsgeheimnis, tut sie es nicht, riskiert sie den Prozessverlust. Die Offenle­ gung im Prozess aber kann einer Enteignung gleich kommen: Das Geheimnis wird vollständig entwertet. Zwischenstufen, eine teilweise Offenlegung des Geheimnisses, gibt es nicht. Das geltende Recht jedoch verortet die Gefahr für das Geheimnis, wie die Regelungen des GVG zeigen, bei der Öffentlichkeit, nicht beim Prozessgegner. Die Justizgewährung, die Durchsetzung des materi­ ellen Rechts, ist damit nur um den Preis der Eigentumsaufgabe zu haben. Dieser Preis ist zu hoch.571 In anderen Rechtsgebieten hat der Gesetzgeber das Dilemma erkannt und aufgelöst, indem er etwa in §  139 Abs.  3 PatG Geheimnisschutz unabhängig von der Beweislast gewährt hat.572 Daraus lässt sich ableiten, dass nicht schon des­ halb ein Geheimnis nicht schutzwürdig ist, weil es der beweisbelasteten Partei zuzuordnen ist. Davon geht auch der Entwurf für eine europäische Geheimnis­ schutzrichtlinie nicht aus; die Geheimnisse der beweisbelasteten Partei sind nicht weniger schutzwürdig als die der nicht beweisbelasteten, der Entwurf dif­ ferenziert nicht. 569 

S. die Nachweise dazu in Fn.  544. BVerfG, Beschl. v. 14.3.2006 – 1 BvR 2087, 2111/03, BVerfGE 115, 205, 234. 571  In dieselbe Richtung z. B. Mayen, NVwZ 2003, 537, 541 (für den Verwaltungsprozess); A.A. Lachmann, NJW 1987, 2206, 2209 f.; Ploch-Kumpf, S.  213. 572  Stadler, ZZP 123 (2010), 261, 276 f. 570 

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Teil 3: Folgerungen für andere Rechtsgebiete

§  139 PatG liegt zwar eine Beweislastumkehr zugunsten des beweisbelasteten Klägers zugrunde, sodass die Situation eher mit Konstellation (1) vergleichbar sein mag.573 Es geht hier aber jedenfalls um eine beweisbelastete Partei mit Ge­ heimhaltungsinteressen, der Geheimnisschutz zuteil werden soll. Daraus ergibt sich grundsätzlich die Notwendigkeit, die gegnerische Partei zugunsten des Geheimnisschutzes auszuschließen.574 Ob das Geheimnis dabei in mittelbarem oder unmittelbarem Zusammenhang mit dem Streitgegenstand steht, ist unerheblich.575 Maßgeblich ist, dass ein Prozessbeteiligter nicht ge­ zwungen werden darf, ein Geschäftsgeheimnis aufzugeben, um Rechtsschutz zu erlangen. Auf den Grund für die Aufgabe des Geheimnisses kommt es nicht an. Zugleich aber ist zu berücksichtigen, dass die Offenlegung nicht zugunsten der ausgeschlossenen Partei geschieht, was den Eingriff in ihr Recht auf rechtli­ ches Gehör schwer wiegen lässt. Zwar könnte sie auch wie in Konstellation (1) vom Gericht über das Ergebnis der Beweisaufnahme unterrichtet werden. Da für sie hier aber eine deutlich stärkere Notwendigkeit besteht, zum Beweiser­ gebnis Stellung zu nehmen, um vielleicht doch die Beweisaufnahme zu eigenen Gunsten entscheiden zu können, genügt eine bloße Unterrichtung durch das Gericht dem Informationsinteresse der ausgeschlossenen Partei nicht. Es wäre überdies mit dem im Rechtsstaatsprinzip zu verankernden Prinzip des fairen Verfahrens kaum zu vereinbaren, könnte eine Partei mit dem Gericht unter Ausschluss des Gegners allein verhandeln, gleichsam hinter verschlossenen Tü­ ren den Streit entscheiden – eine Gefahr, die besonders besteht, wenn die nicht ausgeschlossene Partei beweisbelastet ist. Das bedeutet jedoch nicht, dass kein Parteiausschluss stattfinden kann. Viel­ mehr kann dem Recht auf ein faires Verfahren/auf rechtliches Gehör durch An­ wesenheit eines Rechtsanwalts Rechnung getragen werden.576 Der Anwalt ist nach dem Vorbild des §  174 Abs.  3 GVG zur Geheimhaltung (nicht nur für die mündliche Verhandlung, sondern in Bezug auf das Geschäftsgeheimnis insge­ samt) zu verpflichten. Zwar besteht, ohne dass damit Anwälte als „Organe der Rechtspflege“ (§  1 BRAO) unter Generalverdacht gestellt würden,577 nicht an­ ders als oben in Konstellation (1) die Gefahr, dass der Anwalt vorsätzlich oder 573 

In diesem Sinne Ploch-Kumpf, S.  216. Lachmann, NJW 1987, 2206, 2209 f.; Ploch-Kumpf, S.  213. 575 Anders Stadler, S.  250. 576  So auch Art.  8 Abs.  2 lit.  a) und b) in der Fassung des Vermerks des Generalsekretariats des Rates zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäfts­ geheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung, Allgemeine Ausrichtung, 2013/0402 (COD); ebenso Rudkowski, S.  35; Stadler, ZZP 123 (2010), 261, 277. Für Ausschluss des Rechtsanwalts dagegen Kersting, S.  290 f.; Mayen, NVwZ 2003, 537, 543; ders., AnwBl 2002, 495, 502. 577  Dies befürchtend Leppin, GRUR 1984, 552, 695, 697. 574 A.A.

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fahrlässig ein erörtertes Geheimnis an seine Partei weiter leitet.578 Auch ist zu bedenken, dass das Schweigegebot gegen den eigenen Mandanten, immerhin der Auftraggeber, dem anwaltlichen Berufsbild widerspricht.579 Als milderes Mittel zum Ausschluss unter Schweigegebot bietet aber ein Recht des Anwalts, seine ausgeschlossene Partei über die Beweisaufnahme zu unterrichten, nicht gleich wirksamen Geheimnisschutz. Der Ausschluss auch des Anwalts aber ver­ größerte nur den Eingriff in das Verhältnis von Anwalt und Mandant. Es müss­ te im Sinne der prozessualen Waffengleichheit der Partei gerichtlich ein anderer Anwalt bestellt werden. Zum erheblichen Eingriff in das Verhältnis Anwalt/ Mandant kommt dann noch ein Eingriff in die Prozessführungsfreiheit der be­ troffenen Partei. Bedenken an der Zuverlässigkeit des Anwalts im Einzelfall ist dadurch zu begegnen, dass jedenfalls dann, wenn Anhaltspunkte für seine Unzuverlässig­ keit bestehen, er vom Gericht durch einen anderen Anwalt ersetzt werden kön­ nen muss.580 Damit nicht die betroffene Partei einen ähnlich unzuverlässigen Anwalt wählt, und weil es außerdem wahrscheinlich ist, dass die Gegenpartei die Zuverlässigkeit des neu gewählten Anwalts (ebenfalls) in Frage stellen wird,581 muss die Auswahl durch das Gericht erfolgen. Die Einschränkung des Rechts der betroffenen Partei, ihren Anwalt frei zu wählen, wird gerechtfertigt durch den effektiven Geheimnisschutz.582 Wie auch in Konstellation (1) ist eine gesetzliche Grundlage für das in camera-Verfahren erforderlich.583 (3) in camera-Verfahren nach gerichtlicher Offenlegungsanordnung. Hat das Gericht die Offenlegung bestimmter Unterlagen nach §  142 ZPO angeordnet, ist zu differenzieren: Erfolgte die Anordnung der Offenlegung im Interesse der beweisbelasteten Partei, bemisst sich das folgende Verfahren nach den unter (2), erfolgt die Anordnung im Interesse der nicht beweisbelasteten Partei, nach den unter (1) dargestellten Grundsätzen. Die Interessenlage ist jeweils vergleichbar. ff) Einschaltung eines Sachverständigen Bestellt das Gericht einen Sachverständigen, gilt im in camera-Verfahren grund­ sätzlich nichts anderes als im übrigen Verfahren auch (s. dazu §§  144 Abs.  1, 372 Abs.  1, 273 Abs.  2 Nr.  4 ZPO). Der Sachverständige erstattet sein Gutachten ge­ genüber dem Gericht, nach dessen Ermessen (§  411 Abs.  1 ZPO) entweder mündlich oder schriftlich. Erstattet er es schriftlich, hat er es ggf. zu erläutern 578 

Stürner, S.  224; ders., JZ 1985, 453, 458 f.; a. A. Pagenberg, CR 1991, 65, 70. Lachmann, NJW 1987, 2206, 2209 f. 580  Kersting, S.  289 f. 581  Stadler, S.  247. 582 A.A. Kersting, S.  290. 583  S. soeben (1). 579 

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Teil 3: Folgerungen für andere Rechtsgebiete

(§  411 Abs.  3 ZPO). Regelmäßig wird es angebracht sein, ein schriftliches Gut­ achten anzufordern, und den Parteien lediglich die Ergebnisse/die Antworten auf die Beweisfragen oder eine Zusammenfassung des Gutachtens zugänglich zu machen. Eine Zusammenfassung gegenüber dem Gericht aus Geheimnis­ schutzgründen gibt es dagegen nicht. Das Gericht muss die Tatsachengrundlage kennen, auf die es seine Entscheidung stützt.584 Es hat gegenüber den Parteien anzugeben, ob und warum es dem Gutachten folgen oder nicht folgen will, un­ ter Wahrung der Geheimhaltungsinteressen der betroffenen Partei. Dieses Vorgehen ist vom Dazwischenschalten neutraler Personen schon bei der Stoffsammlung zu unterscheiden, von Fällen also, in denen eine Vielzahl von Informationen durchgesehen werden muss, um die entscheidungserhebli­ chen Informationen erst zu ermitteln.585 Ein solches Vorgehen ist grundsätzlich abzulehnen,586 denn die Unterstützung des Gerichts durch einen Sachverstän­ digen setzt voraus, dass die tatsächlichen Grundlagen eines Sachverständigen­ gutachtens feststehen.587 Die Tatsachen, die dem Gutachten eines gerichtlichen Sachverständigen zugrunde gelegt werden, sind grundsätzlich durch das Ge­ richt selbst festzulegen (s. §  404a Abs.  3 ZPO).588 Nur die Ermittlung von Be­ fundtatsachen, d. h. von Tatsachen, für deren Ermittlung eine besondere Sach­ kunde erforderlich ist,589 muss, um das in camera-Verfahren nicht seiner Effek­ tivität zu berauben, dem Sachverständigen gestattet sein. gg) Urteil und Urteilsverkündung Das nach einem in camera-Verfahren ergehende Urteil muss gewisse Besonder­ heiten aufweisen, um den durch das in camera-Verfahren vermittelten Geheim­ nisschutz nicht auszuhöhlen. Entgegen §  313 Abs.  3 ZPO, nach dem in den Entscheidungsgründen die we­ sentlichen der Entscheidung zugrunde liegenden Erwägungen anzugeben sind, und entgegen §  313 Abs.  2 ZPO, der für den Tatbestand die Wiedergabe des we­ sentlichen Inhalts der Ansprüche und der dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel verlangt, gebietet es der Geheimnisschutz, die Gerichtsent­ scheidung nur so zu begründen, dass die Geheimhaltungsinteressen gewahrt

584 Näher Bornkamm, in: FS Ullmann, S.  893, 902 ff.; s. a. BVerfG, Beschl. v. 14.3.2006 – 1 BvR 2087/03, 2111/03, BVerfGE 115, 205, 238; BGH, Urt. v. 11.10.2005 – X ZR 76/04, BGHZ 164, 261, 268; Urt. v. 12.11.1991 – KZR 18/90, NJW 1992, 1817, 1819. 585  Kersting, S.  263. 586  McGuire, GRUR 2015, 424, 430; a. A. Wagner, JZ 2007, 706, 718 (ohne Begründung). 587  BGH, Urt. v. 13.7.1963 – IV ZR 21/62, BGHZ 37, 389, 394; Urt. v. 30.1.1957 – V ZR 186/55, BGHZ 23, 207, 213 f. 588  Näher BGH, Urt. v. 21.1.1997 – VI ZR 86/96, NJW 1997, 1446; Urt. v. 30.1.1957 – V ZR 186/55, BGHZ 23, 207, 213. 589  Heinrich, in: MünchKomm-ZPO, §  355 Rn.  12.

§  4 Folgerungen für das Zivilprozessrecht

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werden.590 Nur so kann sie beiden Parteien zugänglich gemacht werden. Im Hinblick auf die Bedeutung des Urteils als Grundlage für die Zwangsvollstre­ ckung und als Gegenstand einer etwaigen Berufung sind Einschränkungen bei der Urteilsabfassung dem „Verzicht“ der nicht an Geheimhaltung interessierten Partei auf die Urteilsgründe591 vorzuziehen. Eine getrennte Fassung der Urteilsgründe, bei der alle Beteiligten außer der ausgeschlossenen Partei das Urteil einschließlich der geheimhaltungsbedürfti­ gen Passagen erhalten,592 ist dagegen abzulehnen. Ist das Urteil einmal vollstän­ dig abgefasst in der Welt, ist der Geheimnisschutz nicht mehr hinreichend gesi­ chert. Zudem läge in einem solchen Vorgehen eine erhebliche Ungleichbehand­ lung der Parteien. hh) Rechtsbehelfe Die Entscheidung in der ersten Stufe des in camera-Verfahrens, der Prüfung der Geheimhaltungsbedürftigkeit, ist, wie im Verwaltungsprozess, ein Beschluss. Dieser muss den Feststellungstenor enthalten, dass Geschäftsgeheimnisse (nicht) betroffen seien, und bedarf einer Begründung. Auf Antrag der berech­ tigten Partei werden die geheimen Tatsachen in das weitere Verfahren einbezo­ gen. Einer Anfechtungsmöglichkeit der Entscheidung über die Geheimhal­ tungsbedürftigkeit bedarf es nicht. Sollte das Gericht zu Ungunsten der an Geheimhaltung interessierten Partei entscheiden, geht damit nicht die Aufde­ ckung des Geschäftsgeheimnisses einher. Vielmehr wird die Partei lediglich so gestellt, wie sie ohne in camera-Verfahren stünde, und kann über das Einbrin­ gen des (vermeintlichen) Geheimnisses in den Prozess selbst entscheiden. Die Unterrichtung über die wesentlichen Überlegungen des Gerichts im An­ schluss an die Beweisaufnahme hingegen stellt schon keine der Anfechtung zu­ gängliche Entscheidung dar, sondern ist Teil der Verhandlung/Beweisaufnah­ me: Das Gericht legt seine Überlegungen dar, die Parteien erhalten dazu Gele­ genheit zur Stellungnahme. Bei Berufung und Revision sind die durch das in camera-Verfahren beding­ ten Einschränkungen der Sachverhaltskenntnis bei den ausgeschlossenen Par­ teien zu berücksichtigen. So dürfen die Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe der §§  511 Abs.  4 Nr.  1, 543 Abs.  2 ZPO nicht überspannt werden.593 Entsprechendes gilt für die Anforderungen an die Berufungs- oder Revisionsbegründungs­ schrift, §§  520 Abs.  1, 3, 4, 551 Abs.  3 ZPO. Es wäre mit dem Justizgewährungs­ 590  Für Schwärzungen auch Art.  8 Abs.  2 lit.  c) des Entwurfs für eine Geheimnisschutz­ richtlinie (oben Fn.  490); Redeker/Pres/Gittinger, WRP 2015, 811, 816. 591  Für diesen Stürner, S.  2 27. 592  Dafür noch Stadler, NJW 1989, 1202, 1205; ihr folgend Pagenberg, CR 1991, 65, 71. 593  So für das Verwaltungsrecht Gaier, Sondervotum zu BVerfG, Beschl. v. 14.3.2006 – 1 BvR 2087/03, 2111/03, BVerfGE 115, 205, 256.

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Teil 3: Folgerungen für andere Rechtsgebiete

anspruch nicht zu vereinbaren, würde den Parteien der Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise erschwert.594 Ein Berufungskläger, der in der ersten Instanz vorübergehend ausgeschlossen war, gleich in welcher Position, muss folglich nur soweit die konkreten Anhaltspunkte für Zweifel an der Rich­ tigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellung gem. §  520 Abs.  3 S.  2 Nr.  3 ZPO darlegen, als ihm dies angesichts seines Ausschlusses auch möglich ist. Es muss der Berufungsbegründung gestattet sein, sich der Genauigkeit und Bestimmtheit der Entscheidung anzupassen. Entsprechendes gilt für die Revi­ sions­begründung.595 ii) Flankierende Maßnahmen Mit dem in camera-Verfahren müssen, um nicht den innerhalb der Verhandlung erlangten Schutz zu umgehen, ein Ausschluss des Akteneinsichtsrechts der Par­ teien (§  299 Abs.  1 ZPO) 596 und, soweit erforderlich, eine Einschränkung der Mitteilung gegnerischer Schriftsätze gem. §  270 ZPO einhergehen. Die Öffent­ lichkeit ist vor Einleitung des in camera-Verfahrens ohnehin nach dem GVG auszuschließen. 3. Zwischenergebnis Der Geheimnisschutz im Prozess gegenüber der gegnerischen Prozesspartei bei Gewährung rechtlichen Gehörs ist durch ein in camera-Verfahren nach den sub c) dargestellten Grundsätzen sicherzustellen.597 IV. Fazit Der Schutz von Geschäftsgeheimnissen im Prozess „nach außen“, d. h. gegen­ über der Öffentlichkeit, ist durch das GVG, insbesondere die Möglichkeit zum Ausschluss der Öffentlichkeit gem. §  172 Nr.  3 GVG, gewährleistet. Der Konflikt von Informations- und Geheimhaltungsinteressen der beteilig­ ten Parteien ist vom Gesetzgeber hingegen nicht angemessen gelöst worden. Daher ist über ein in camera-Verfahren, in dem das Gericht zunächst über das Vorliegen eines Geheimnisses entscheidet und sodann die geheimen Tatsachen unter Ausschluss der Parteien würdigt, Geheimnisschutz der Parteien unterei­ nander sicherzustellen.

594  Für das Recht auf effektiven Rechtsschutz BVerfG, Beschl. v. 14.5.1985 – 1 BvR 370/84, BVerfGE 69, 381, 385; Beschl. v. 16.12.1975 – 2 BvR 854/75, BVerfGE 41, 23, 25 f. 595  Stürner, S.  2 27. 596 Ebenso Art.   8 Abs.  2 lit.  a) des Entwurfs für eine Geheimnisschutzrichtlinie (oben Fn.  490); Wagner, ZZP 108 (1995), 193, 218. 597  Regelungsvorschlag für das in camera-Verfahren bei R. Koch, S.  358.

§  4 Folgerungen für das Zivilprozessrecht

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Mit Blick auf das Recht auf rechtliches Gehör der Gegenpartei ist das in ­camera-Verfahren, soweit es um ein Geheimnis der beweisbelasteten Partei geht, allerdings nur in Anwesenheit des Anwalts der Gegenpartei zulässig.

C. Neubewertung der Transparenz im Zivilprozess aufgrund des in cameraVerfahrens Aus der Zulässigkeit des in camera-Verfahrens könnte der Schluss gezogen wer­ den, das zivilprozessuale System der Information sei grundsätzlich großzügi­ ger, im Sinne der Transparenz, zu gestalten.598 Transparenz und Geheimnis­ schutz stehen schließlich in Wechselwirkung zueinander,599 und wo mehr Ge­ heimnisschutz besteht, schadet auch mehr Transparenz nicht. Das könnte etwa dafür sprechen, bestehende zivilprozessuale Grundsätze umzukehren und ab­ weichend von den hier gefundenen Ergebnissen einen Grundsatz der Transpa­ renz anzuerkennen: Jeder hat alles offen zu legen, was für den Prozess von Be­ deutung sein könnte, es sei denn, ihm ist die Offenlegung ausnahmsweise nicht zuzumuten, etwa aus Gründen des Geheimnisschutzes. 600 Jedoch diente die Einführung des in camera-Verfahrens lediglich des Aus­ gleichs bestehender Schwächen, der Auflösung bestehender Konfliktsituatio­ nen: Den Prozessparteien soll nicht zugemutet werden, sich zwischen Rechts­ schutz und Geheimnisschutz entscheiden zu müssen. Zur Gewährleistung des Rechts auf rechtliches Gehör muss das in camera-Verfahren aber Ausnahme bleiben. Es darf nur angewendet werden, soweit es für den Geheimnisschutz erforderlich ist.601 Gegen eine Neubewertung der Offenlegungspflichten sprechen außerdem die bereits oben602 dargelegten Gründe. Hervorzuheben ist hier noch einmal die deeskalierende Wirkung, die dem Grundsatz informationeller Eigenverant­ wortung zukommt. Jede Prozesspartei muss sich den Prozessstoff selbst zu­ sammen suchen. Hinzuweisen ist aber vor allem auch auf das Leitbild des mündigen Privaten, das materiellem und Prozessrecht gemeinsam ist: Der mündige Private ist für seine Informationsversorgung grundsätzlich selbst ver­ antwortlich. Ein zivilprozessualer Grundsatz der Transparenz wäre damit nicht vereinbar. 598 

Stadler, ZZP 123 (2010), 261, 263. Stadler, ZZP 123 (2010), 261, 263, spricht von untrennbarer Verbundenheit. 600  Im Sinne der oben vorgestellten Aufklärungspflichten, A. II. 2. 601  Für eine restriktive Handhabung des in camera-Verfahrens wohl auch die EU-Kom­ mission, Art.  8 Nr.  2 des Vorschlags für eine Geheimnisschutzrichtlinie (o. Fn.  490): Aus­ schluss einer Partei von der mündlichen Verhandlung (nur) unter „außergewöhnlichen Um­ ständen“. Für das in camera-Verfahren als ultima ratio auch R. Koch, S.  251. 602  A. II. 2. 599 

314

Teil 3: Folgerungen für andere Rechtsgebiete

Aus der Einführung eines in camera-Verfahrens folgte daher nicht, dass der Grundsatz informationeller Eigenverantwortung im Zivilprozess aufgegeben werden könnte zugunsten eines Grundsatzes der Transparenz der Prozesspar­ teien untereinander.

Teil 4

Zusammenfassung und Ausblick §  1 Zusammenfassende Bewertung A. Kontrolle durch Transparenz: Voraussetzungen und Grenzen Transparenz allein, so hat die Untersuchung gezeigt, kann Kontrolle nicht be­ wirken – gleich in welchem Rechtsgebiet und anders, als das Zitat vom Beginn dieser Arbeit nahelegt. Kontrolle wird nicht „durch“, sondern nur mithilfe von Transparenz ausgeübt. Wirksame Kontrolle kann erst entstehen, wenn es eine kontrollierende Ins­ tanz gibt, die die aufgrund der Transparenzvorschriften erlangten Informatio­ nen verwertet. Der Kontrollinstanz ist aber mit Information nur gedient, wenn (1) sie selbst grundsätzlich zur Ausübung von Kontrolle geeignet, (2) ihr ein hinreichend klarer Kontrollmaßstab gegeben ist und (3) die ihr mitgeteilten In­ formationen bestimmte Anforderungen erfüllen. Die Geeignetheit der Kontrollinstanz setzt zunächst voraus, dass sie über­ haupt ein Interesse hat, Kontrolle auszuüben. Nur dann wird sie die ihr mitge­ teilten Informationen auch zur Kenntnis nehmen und auf ihrer Grundlage ggf. tätig werden. Ein solches Kontrollinteresse kann sich aus wirtschaftlichen1 oder rechtlichen Interessen ergeben, etwa aus dem Interesse an Haftungsvermei­ dung, 2 eigener vertraglicher Pflichterfüllung3 oder gesetzlicher Verpflichtung zur Kontrolle.4 Fehlt ein Kontrollinteresse oder ist es zu schwach,5 werden Rechtsbrüche nicht bemerkt oder zumindest nicht sanktioniert. Die Transpa­ renzvorschriften laufen dann ins Leere. Das Kontrollinteresse legitimiert zu­ gleich die Kontrollinstanz, die betroffenen Personen zu überwachen und ihr Fehlverhalten zu sanktionieren. 6 1 

Wie bei der Kontrolle durch Vertragspartner, Teil 2 §  2. Deutlich bei Teil 2 §  1, aber auch §  3. 3  Wie bei unternehmensinterner Kontrolle, oben Teil 2 §  1. 4  Wie bei der Kontrolle durch die Aufsichtsbehörde, oben Teil 2 §  3. 5  Wie bei der Kontrolle durch die Öffentlichkeit, Teil 2 §  4. 6  Lediglich die Kontrolle durch die Öffentlichkeit fällt hier aus dem Rahmen, kann eine hinreichend legitimierte Kontrollinstanz nicht vorweisen, s. Teil 2 §  4. 2 

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Teil 4: Zusammenfassung und Ausblick

Geeignet ist die Kontrollinstanz außerdem nur, wenn sie fachlich in der Lage ist, die offenbarten Informationen in eine Kontrollhandlung umzusetzen. Überfordert die mitgeteilte Information die Kontrollinstanz in qualitativer oder quantitativer Hinsicht, kann Kontrolle nicht wirksam werden.7 Umkehren lässt sich dieser Satz jedoch nicht. Nicht die mitzuteilende Information muss so beschaffen sein, dass die Kontrollinstanz sie verstehen kann. Kann eine Kont­ rollinstanz bestimmte Informationen nicht verwerten, ist sie vielmehr insoweit zur Überwachung nicht geeignet. Allerdings kann die zu offenbarende Infor­ mation die Kontrollinstanz lenken und Kontrolle fördern, etwa wenn die zu offenbarende Information hinreichend bestimmt und aussagekräftig ist. 8 Eine Kontrollinstanz ist des Weiteren nur zur Ausübung von Kontrolle ge­ eignet, wenn sie über effektive Mittel verfügt, publik gewordenes Fehlverhalten zu sanktionieren. Zu den Sanktionsmitteln aber gehört nicht die Transparenz selbst. Sie dient nur dazu, der Kontrollinstanz eine ausreichende Tatsachen­ grundlage für eine etwaige Reaktion zu bieten. Die Reaktion kann dann recht­ licher oder tatsächlicher Natur sein, solange sie nur effektiv, d. h. geeignet ist, das zu missbilligende Verhalten abzustrafen oder zumindest es für die Zukunft abzustellen. Tatsächliche Kontrollmittel (z. B. öffentliche Missbilligung9) lassen sich allerdings nicht koordinieren oder steuern und sind daher mit der Gefahr verbunden, dass eine gebotene Reaktion unterbleibt oder zu schwach oder, mit Blick auf die Interessen des Verpflichteten problematisch, zu stark ausfällt. Da­ her sind rechtliche Sanktionsmittel den tatsächlichen vorzuziehen. Daneben bedarf es eines klaren Kontrollmaßstabs, an dem die kontrollieren­ de Instanz die Bewertung des offenbaren Verhaltens ausrichten kann. Es muss klar feststehen, welches Verhalten Rechtsbruch und daher zu missbilligen ist und welches nicht. Das setzt materielle Vorgaben voraus, die genau dies hinrei­ chend aussagekräftig bestimmen. Sie finden sich in Form von Rechtsvorschrif­ ten für die Aufsichtsbehörde, außerdem bei den Privaten, die das Verhalten der zu kontrollierenden Unternehmen an ihren eigenen Interessen messen.10 Je stär­ ker die Kontrolle auf den Schutz öffentlicher Interessen abzielt, desto klarer muss der Kontrollmaßstab normativ festgelegt sein. Soweit primär nur privaten Interessen Genüge getan werden soll, reicht aus, wenn die Informationen die Privaten grundsätzlich in die Lage versetzen, eine ihren Interessen entsprechen­ de Entscheidung zu treffen. Schließlich muss die zu offenbarende Information geeignet sein, Transparenz herzustellen. Das geltende Recht setzt dies stillschweigend voraus. Die Geeig­ netheit der Information ist zu beurteilen anhand des Zwecks, den die Kontrolle verfolgt (Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Finanzdienstleistungssek­ 7 

S. die Kontrolle durch Vertragspartner und Öffentlichkeit, Teil 2 §§  2, 4. Problematisch ist dies v. a. bei der internen Kontrolle, Teil 2 §  1. 9  Kontrolle durch die Öffentlichkeit, Teil 2 §§  4, 5 A. 10  S. Teil 2 §§  2 , 3. Problematisch hingegen ist hier wieder die interne Kontrolle, Teil 2 §  1. 8 

§  1 Zusammenfassende Bewertung

317

tors einschließlich der dafür erforderlichen Zwischenziele). Sie entfällt, wenn die Information dazu offensichtlich in keinem Zusammenhang steht.11 Transparenz muss allerdings dort enden, wo Interessen an der Nichtoffenba­ rung von Informationen überwiegen. Das Verbot der Ausforschung, der Infor­ mationsverlangen unabhängig von einem weiteren Zweck, ist äußerste Grenze der Transparenz.12 In den meisten Rechtsgebieten ist die Grenze aber deutlich enger zu ziehen. Dem Interesse an Transparenz stehen das Recht auf freie Berufsausübung und auf freie Unternehmensorganisation (Art.  12 Abs.  1 GG und Art.  2 Abs.  1 GG) gegenüber, vor allem aber auch das von Art.  12, 14 GG geschützte13 Inter­ esse an der Wahrung von Geschäftsgeheimnissen. Der Interessenausgleich ist vom Gesetzgeber für jede Offenlegungspflicht einzeln vorzunehmen. Allge­ meine Aussagen sind angesichts der Vielgestaltigkeit der zu regulierenden Fälle nicht möglich. Allerdings ist nicht die Verpflichtung zur Offenlegung von Ge­ schäftsgeheimnissen von vornherein unzulässig. Denn dem Interesse an Ge­ heimnisschutz kann eine gesetzliche Regelung auf verschiedenen Wegen Rech­ nung tragen, Korrelat der Offenlegung von Geheimnissen ist der Geheimnis­ schutz.14 Die Reichweite des Geheimnisschutzes bemisst sich nach einer Abwägung mit den Offenlegungsinteressen. Deren Gewicht wiederum ist vor allem zu be­ stimmen anhand der Eigenarten der Kontrollinstanz (etwa: ihrer Zuverlässig­ keit) und der der Offenlegung zugrunde liegenden rechtlichen Beziehung von Kontrollinstanz und Kontrolliertem. Dort, wo eine größere rechtliche Nähe zwischen den Parteien besteht, liegt auch ein stärkeres Offenlegungsinteresse vor. Besonders deutlich wird dies bei den Informationspflichten gegenüber ein­ zelnen Privaten, bei denen die Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen ausge­ schlossen ist.15 Rechtstechnisch ist den Geheimhaltungsinteressen Rechnung zu tragen durch Nichtoffenbarung der geheimhaltungsbedürftigen Information (sei es von vornherein durch Begrenzung der Offenlegungspflicht, sei es durch Zu­ billigung eines Informationsverweigerungsrechts). Teilweise gleichwertige Al­ ternative ist die Verpflichtung des Berechtigten zur Verschwiegenheit nach ­Mitteilung der Information: Wo von hinreichender Zuverlässigkeit des Offenle­ gungsadressaten auszugehen ist16 oder typischerweise besondere persönliche Bindungen zwischen den Parteien bestehen,17 genügt die Verwendung einer 11 

Dazu Teil 2 §  3. S. Teil 2 §  3. 13  Dazu Teil 1 §  3. 14  Armbrüster, Treuhänderische Beteiligung an Gesellschaften, S.  429. 15  Teil 2 §  2. 16  Der Gesetzgeber nimmt sie nur für die BaFin an, s. Teil 2 §  3. 17  Etwa im Arbeitsvertragsverhältnis, Teil 3 §  2 A. 12 

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Teil 4: Zusammenfassung und Ausblick

Verschwiegenheitspflicht; im Übrigen darf die Information nicht offenbart werden. Dies gilt insbesondere bei aktiven Offenlegungspflichten.18 Daneben sind, vom Gesetzgeber allerdings nur teilweise anerkannt,19 Mischformen er­ forderlich (Verschwiegenheitspflicht und Nichtoffenbarung), um bei grund­ sätzlich zuverlässigen Personen für Ausnahmefälle Geheimnisschutz zu ge­ währleisten.20

B. Ein rechtsgebietsübergreifendes System der „Corporate Transparency“ Diese Grundsätze einer interessengerechten Regelung machen allerdings aus den einzelnen Offenlegungsvorschriften noch kein eigenes Rechtsgebiet „Cor­ porate Transparency“ mit aufeinander abgestimmten Wertungen und Kontroll­ mechanismen. Ein solches besteht derzeit nicht. Zwar sind die Offenlegungs­ pflichten in ihrer Konstruktion, ihrer Aufteilung in aktive und passive Pflich­ ten, rechtsgebietsübergreifend gleich. Ein Konzept, wie sich die verschiedenen Offenlegungspflichten zueinander verhalten, wie Kontrolle durch das eine Rechtsgebiet durch Mittel des anderen verstärkt werden kann, haben europäi­ scher und deutscher Normgeber aber bisher nicht gefunden. Offenlegungs­ pflichten und Kontrollmechanismen der einzelnen Rechtsgebiete greifen nicht ineinander, sondern stehen unabhängig nebeneinander oder überschneiden sich zufällig.21 Für die Weiterentwicklung der unterschiedlichen Offenlegungspflichten hin zu einem rechtsgebietsübergreifenden System der „Corporate Transparency“ ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber in seiner Entscheidung für ­öffentlich- oder privatrechtliche Offenlegungspflichten und Kontrolle grund­ sätzlich frei ist, ebenso in ihrer näheren Ausgestaltung. Das Grundgesetz gibt nur ein Ergebnis vor (Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Finanzdienst­ leistungssektors).22 Um dieses Ergebnis zu erreichen, ist grundsätzlich sinnvoll, verschiedene Kontrollinstanzen einzusetzen, wie der Gesetzgeber es derzeit tut, von der Aufsichtsbehörde über Kunden und bis hin zu Leitungsorganen und Mitarbei­ tern des kontrollierten Unternehmens. Diese Streuung vereffektiviert die Kon­ trolle, indem jede Instanz für einen anderen Teilbereich und aus ihrer eigenen Perspektive und mit den ihrer Position entsprechenden Mitteln kontrollierend

18 

Teil 2 §  2, Teil 2 §  4. Etwa im AktG, Teil 3 §§  1 B. II. 1. 20  S. das Verhältnis von Vorstand und Aufsichtsrat, Teil 3 §  1 B. II. 1. b). 21  Besonders deutlich zu sehen bei der internen Kontrolle, dem Nebeneinander von Auf­ sichtsrecht und Arbeitsrecht/Gesellschaftsrecht, oben Teil 2 §  1 und Teil 3 §§  1, 2. 22  Teil 1 §  2 B. 19 

§  1 Zusammenfassende Bewertung

319

tätig wird, gerade an Stellen, an denen eine behördliche Aufsicht oft kaum An­ satzmöglichkeiten hat.23 Zugleich ist diese Einbindung verschiedener Instanzen teilweise auch grund­ rechtlich geboten. So entspricht die private Kontrolle mithilfe von aktiven und passiven Offenlegungspflichten dem verfassungsrechtlichen Bild des mündigen Privaten, der seine Interessen selbst wahrzunehmen in der Lage ist und dafür lediglich hinreichend informiert sein muss.24 Das hierfür geschaffene System der Offenlegungspflichten ist grundsätzlich in sich schlüssig und muss nun wei­ terentwickelt werden. Insbesondere gilt es hierbei, einen information overload der Privaten zu vermeiden und sich daher nach dem Modell des mündigen, aber informationell beschränkt belastbaren, d. h. in der Informationsaufnahme und -verwertung nicht unbeschränkt leistungsfähigen Privaten zu richten.25 Eine Rechtsordnung, die vom Leitbild freier und mündiger Privater ausgeht, setzt grundsätzlich auf private Kontrolle und greift nur dort finanzaufsichts­ rechtlich ein, wo Regelungen zur Herstellung und Wahrung der Funktionsfä­ higkeit des Finanzdienstleistungssektors durch Private als Kontrollinstanz nicht genügen. Soweit dies der Fall ist, öffentliche und private Interessen etwa nicht deckungsgleich sind, ist die private Kontrolle zu ergänzen um Kontrolle auf Einhaltung öffentlicher Interessen mithilfe einer Aufsichtsbehörde. Sie si­ chert die Durchsetzung des öffentlichen Interesses in einem gesetzmäßigen Verfahren und ist außerdem mittelbar demokratisch legitimiert. Ihr Tätigwer­ den ausschließlich im öffentlichen Interesse, verbunden mit ihrer Verschwie­ genheitspflicht, rechtfertigt auch, ihr gegenüber das Bestehen eines „Grundsat­ zes der Transparenz“ anzunehmen. Sie darf grundsätzlich alles wissen.26 Damit die Aufsichtsbehörde Kontrolle effektiv ausüben kann, bedarf es aber neben der Transparenz auch angemessener Ausstattung und klarer Kontrollmaßstäbe. Die Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit mit dem Zweck, die Einhal­ tung des Aufsichtsrechts zu kontrollieren, verfügt hingegen über keine ver­ gleichbare Legitimation 27 und erfüllt auch sonst nicht die Voraussetzungen, unter denen Kontrolle bewirkt werden kann. Die Öffentlichkeit, faktisch nur ein kleiner Teil Interessierter, ist in ihrer Kontrollreaktion nicht steuerbar. Zu­ dem beruht das Modell auf einer nicht behebbaren Überforderung der Kon­ troll­instanz, der insbesondere Fachkenntnisse fehlen. Daneben weist dieses Mittel der Kontrolle einen grundlegenden inneren Widerspruch auf: Einerseits setzt Kontrolle voraus, dass die Kontrollinstanz auch ein Interesse an ihr hat. Dieses liegt vor allem dann vor, wenn eine gewisse dauerhafte Bindung der Kontrollinstanz an die zu kontrollierenden Unternehmen besteht. Andererseits 23 

S. z. B. das Whistleblowing, Teil 2 §  5 B. S. Teil 2 §  2. 25  Vorschläge dazu unter Teil 2 §  2 und sogleich §  2 B. II. 26  Oben Teil 2 §  3. 27  Oben Teil 2 §  4. 24 

320

Teil 4: Zusammenfassung und Ausblick

kann die Kontrolle durch den Markt nur wirksam werden, wenn die Marktteil­ nehmer und damit die Kontrollinstanz allenfalls eine leicht lösliche oder gar keine Bindung zu den Unternehmen haben und so über ihre Entscheidungen, über Marktmechanismen wie Angebot und Nachfrage, Einfluss auf das Verhal­ ten des Unternehmens nehmen können. Das Konzept, die Einhaltung von Auf­ sichtsrecht oder aufsichtsrechtlichen Kennzahlen durch die Öffentlichkeit kon­ trollieren zu lassen, ist daher in dieser Form kein tragfähiger Weg für eine wirk­ same Kontrolle und darf folglich von den Normgebern nicht weiter beschritten werden.28 Auch das Konzept interner Transparenz zur Stärkung der internen Kontrolle weist, vor allem soweit interne Informationsbeziehungen betroffen sind, in sei­ ner derzeitigen Ausgestaltung kaum behebbare Defizite auf. Die Voraussetzun­ gen, unter denen eine Offenlegungspflicht entsteht, sind häufig nur sehr abs­ trakt und mit unbestimmten Rechtsbegriffen zu beschreiben.29 Daher hat das gegenwärtige Aufsichtsrecht teilweise nur Prinzipien kodifiziert, die ohnehin bereits bestehen.30 Regulierung sollte indes einen klaren Kontrollmaßstab auf­ zeigen, „hartes“ Recht setzen, inhaltliche Anforderungen aufstellen. Ist ein kla­ res Ziel (z. B. eine bestimmte Eigenkapitalausstattung) vorgegeben, kann die Zielerreichung einschließlich der Klärung aller potentiell dafür erforderlichen unternehmensorganisatorischen Fragen dem Unternehmen grundsätzlich selbst überlassen bleiben. Dies gehört zum Modell der prinzipienbasierten Aufsicht. Zusammengefasst heißt das für zukünftige Transparenzpflichten: Nur der Staat kann von den Unternehmen völlige Transparenz verlangen, nur ihm ge­ genüber, denn nur bei ihm liegt die umfassende verfassungsrechtliche Kon­ trollpflicht und -befugnis. Transparenz für Private hingegen beschränkt sich auf Umstände, die sie in eigenen Interessen unmittelbar betreffen, etwa bei der Vertragsgestaltung. Die Offenlegung unternehmensbezogener Informationen für die Öffentlichkeit kommt zur Durchsetzung des Aufsichtsrechts, anders als etwa die Darstellung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens gegenüber seinen Aktionären mit dem Ziel des Gläubigerschutzes, nicht in Betracht. Die Regelung interner Transparenz bleibt grundsätzlich zur Vermeidung von Über­ schneidungen dem Zivilrecht, vor allem aber den Unternehmen selbst vorbe­ halten.

28 

Zu Alternativen oben Teil 2 §  4 und sogleich §  2 F. S. Teil 2 §  1, Teil 3 §§  1 B., 2. A. 30  S. Teil 2 §  1 C. 29 

§  2 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse in Thesen

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§  2 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse in Thesen A. Der Gesetzgeber ist aufgrund des Sozialstaatsprinzips und grundrechtlicher Schutzpflichten dazu verpflichtet, die Funktionsfähigkeit des Finanzdienstleis­ tungssektors zu gewährleisten. Er bedient sich zur Erfüllung dieser Aufgabe verschiedener staatlicher und privater Kontrollinstanzen. Um diesen die sinn­ volle Ausübung ihrer Rechte zu ermöglichen, sollen aktive und passive Offen­ legungspflichten die kontrollierten Unternehmen für die Kontrollinstanzen transparent machen.31 B. Das öffentliche Interesse an der Funktionsfähigkeit des Finanzdienstleis­ tungssektors und damit an der Herstellung von Transparenz ist zu einem ange­ messenen Ausgleich zu bringen mit gegenläufigen Interessen der Unternehmen, insbesondere mit dem Interesse an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse. Dieses ist verfassungsrechtlich durch Art.  12 GG (in seiner Ausprägung als Wettbewerbsfreiheit) und Art.  14 GG (unmittelbar als Eigentum) geschützt.32 C. I. In Umsetzung europäischer Vorgaben zieht der Gesetzgeber die Unter­ nehmen zur Selbstkontrolle heran. Dies ist im Grundsatz als verhältnismäßiger Weg der Kontrolle zu begrüßen. Abzulehnen ist jedoch der vom Gesetzgeber aufgrund von Solvency II bei der Novellierung des VAG unternommene Ver­ such, unternehmensinterne Transparenz durch Schaffung neuer Kontrollins­ tanzen und Regelung interner Informationsbeziehungen herzustellen. Die Ein­ richtung neuer Kontrollinstanzen ist nur in Ausnahmefällen erforderlich und die internen Informationsbeziehungen werden auch für Finanzdienstleistungs­ unternehmen von Gesellschafts- und Arbeitsrecht in ausreichender Weise be­ stimmt. Lediglich soweit das Gesellschaftsrecht mit seinen gesetzlichen Vorga­ ben lückenhaft ist (z. B. bei den Zugriffsrechten des Aufsichtsrats auf Unterneh­ mensmitarbeiter) oder aufgrund der Besonderheiten des Wirtschaftszweigs Konkretisierungen oder Erweiterungen erforderlich sind (z. B. bei den Adressa­ ten der ORSA-Berichterstattung), kann eine finanzaufsichtsrechtliche Rege­ lung erforderlich sein. II. Arbeits- und gesellschaftsrechtliche Vorgaben bestimmen zwar das Infor­ mationsgefüge im Unternehmen. Umgekehrt hat aber das Finanzaufsichtsrecht keine grundsätzlichen Auswirkungen auf die arbeits- und gesellschaftsrecht­ lichen Informationsbeziehungen in Finanzdienstleistungsunternehmen. Es wirkt auch nicht – etwa in Form einer „Ausstrahlung“ – für das Gesellschafts­ recht von Gesellschaften außerhalb des Finanzdienstleistungssektors.33 D. I. Ein Grundsatz, dass Private, insbesondere Finanzdienstleistungsunter­ nehmen, für andere Private transparent sein müssten, besteht nicht. Der deut­ 31 

S. Teil 1 §§  1, 2. Teil 1 §  3. 33  Teil 2 §  1, Teil 3 §§  1, 2. 32 

322

Teil 4: Zusammenfassung und Ausblick

sche Gesetzgeber geht vom Leitbild des mündigen, informationell eigenverant­ wortlichen Privaten aus. Dieses Leitbild ist jedoch dahin gehend zu präzisieren, dass der Private zwar mündig, aber informationell nur beschränkt belastbar ist.34 II. Zivil- und öffentlich-rechtliche Informationspflichten dürfen, um dem Leitbild zu entsprechen, zum Ziel haben, dem Privaten eine informierte, nicht aber, ihm eine objektiv oder subjektiv „richtige“ Entscheidung zu ermöglichen. Ihre Anordnung ist nur dann erforderlich, wenn bei einem bestimmten Ver­ tragstyp ein gleichförmiges Informationsinteresse einer Vielzahl von Personen besteht und die Informationsversorgung nicht ohnehin, insbesondere durch an­ derweitige gesetzliche Regelungen, gesichert ist. Der Gesetzgeber hat bei der Anordnung von Informationspflichten nur nach dem Vertragstyp, nicht aber nach unterschiedlichen Adressatengruppen zu differenzieren. D.h. es ist allen Personen die für den Vertragstyp relevante Information mitzuteilen, unabhän­ gig von einer Kategorisierung der Informationsadressaten. Grundsätzlich ist bei allen Finanzdienstleistungen allen potentiellen Vertragspartnern zudem ein Produktinformationsblatt zu übermitteln.35 III. Angesichts der informationellen Eigenverantwortung des Privaten ist eine Erweiterung passiver Offenlegungspflichten hin zu einem „allgemeinen Auskunftsanspruch“, und sei es auch nur im Rahmen vertraglicher Beziehun­ gen von Kunde und Finanzdienstleister, abzulehnen.36 IV. Auch im Zivilprozessrecht stehen sich die Parteien als informationell ei­ genverantwortliche Private gegenüber, es besteht kein Grundsatz der gegensei­ tigen Transparenz. Deshalb ist für Fälle, in denen eine Prozesspartei ein berech­ tigtes Interesse daran hat, Informationen vor der anderen Partei geheim zu hal­ ten, ein in camera-Verfahren vorzusehen. In diesem entscheidet das Gericht zunächst über das Vorliegen eines Geheimnisses und würdigt sodann die gehei­ men Tatsachen unter Ausschluss der Parteien und der Öffentlichkeit. Die an Geheimhaltung interessierte Partei darf nicht vor die Wahl gestellt werden, ihre Geschäftsgeheimnisse zu offenbaren oder den Prozessverlust zu riskieren.37 E. I. Die Informationsbeziehungen von Unternehmen und Aufsichtsbehörde werden hingegen vom Grundsatz der Transparenz beherrscht. Die Bedeutung von Information über die beaufsichtigten Unternehmen nimmt im kooperati­ ven Aufsichtsmodell zu. Die Unternehmen müssen für die Aufsichtsbehörde transparent sein. Raum für Geheimhaltungsinteressen besteht nicht, da die ver­ trauliche Behandlung der unternehmensbezogenen Informationen bei der Auf­ sichtsbehörde gesichert ist. Im Gegenteil können die Offenlegungspflichten gegenüber der Behörde bis zur Grenze der Ausforschung erweitert werden. 34 

Teil 2 §  2 A. Teil 2 §  2 C. II. 2. e). 36  Teil 2 §  2 C. II. 1. und 3. 37  Teil 3 §  4. 35 

§  2 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse in Thesen

323

Kennzeichen einer verhältnismäßigen gesetzlichen Regelung ist insbesondere das Bestehen einer Ermächtigung der Aufsichtsbehörde, den Unternehmen ­abstrakt-individuelle Offenlegungspflichten aufzuerlegen (s. §  24 Abs.  3b KWG n. F.). Eine verhältnismäßige Regelung der Offenlegungspflichten differenziert überdies nach Gefahrenlage und damit nach Bedeutung des Unternehmens, wobei die genaue Ausdifferenzierung im Einzelfall dem Normgeber überlassen ist. Die bloße Verpflichtung der Aufsichtsbehörde, die Anforderungen an die Unternehmen verhältnismäßig anzuwenden (s. §  296 VAG-E), bietet hingegen keine ausreichende Differenzierungsmöglichkeit.38 II. Die hier aufgezeigten Grundsätze können nicht auf andere Aufsichtsrech­ te übertragen werden, da derzeit in anderen Bereichen des Wirtschaftsaufsichts­ rechts keine dem Finanzaufsichtsrecht ähnliche Form der behördlichen Kon­ trolle (laufende Aufsicht über den gesamten Geschäftsbetrieb) besteht.39 F. I. Die Herstellung von Transparenz für die Öffentlichkeit ist für finanz­ aufsichts­rechtliche Sachverhalte insbesondere aufgrund der erheblichen Defizi­ te der Kontrollinstanz abzulehnen. Der versicherungsaufsichtsrechtliche Ge­ heimnisschutz in der gem. Art.  53 Abs.  2 Solvency II, §  41 VAG-E vorgesehenen Reichweite genügt zudem grundrechtlichen Anforderungen nicht, anders als der bankenaufsichtsrechtliche Geheimnisschutz gem. Art.  432 CRR.40 II. Kennzeichen einer verhältnismäßigen gesetzlichen Regelung ist jedenfalls die nach der Größe der verpflichteten Unternehmen abgestufte Anordnung von Offenlegungspflichten. Offenlegungsobliegenheiten nur gegenüber bestimm­ ten Teilgruppen der Öffentlichkeit sind Offenlegungspflichten gegenüber der Allgemeinheit vorzuziehen.41 G. Transparenz in Bezug auf ein Unternehmen und/oder seine Produkte kann nicht nur von diesem selbst hergestellt werden, sondern auch durch Dritte. Externes Whistleblowing gegenüber der Öffentlichkeit und Shaming von Ver­ sicherungsunternehmen sind aber grundsätzlich abzulehnen. Externes Whistle­ blowing gegenüber Behörden hingegen ist zulässiges Mittel zur Herstellung von Transparenz, soweit es eine verhältnismäßige Reaktion auf ein Verhalten des Unternehmens darstellt.42

38 

Teil 2 §  3. Teil 3 §  3. 40  Teil 2 §  4 B, C. 41  Teil 2 §  4 C. 42  Teil 2 §  5 B. 39 

324

Teil 4: Zusammenfassung und Ausblick

§  3 Ausblick Dem Gesetzgeber steht ein weiter Gestaltungsspielraum zu bei der Frage, wie er Kontrolle von Finanzdienstleistungs- und insbesondere von Versicherungsun­ ternehmen bewirken will. Transparenz jedoch ist nicht selbst Instrument der Kontrolle, sondern nur ihr Hilfsmittel. Sie dient dazu, eine informationelle Ba­ sis für Kontrollhandlungen zu schaffen. Um wirksam Kontrolle auszuüben, bedarf es einer geeigneten Instanz, der ein klarer Kontrollmaßstab zugewiesen ist. Dies erkennen europäischer und deutscher Normgeber auch grundsätzlich an. So enthält Solvency II nicht nur die hier vorgestellten Transparenzpflichten, sondern darüber hinaus eine Vielzahl materieller Regelungen, die den Kontroll­ maßstab, den insbesondere die Aufsichtsbehörde an das Verhalten der Unter­ nehmen anzulegen hat, verschärfen werden.43 Auch eine Stärkung einzelner Kontrollinstanzen streben jüngere Rechtssetzungsprojekte an: So soll über­ sichtlichere Produktinformation vermeiden, dass die Kunden informationell überlastet werden, deshalb keine informierte, für sie sinnvolle Vertragsentschei­ dung mehr treffen und damit ihre Funktion als Kontrollinstanz für die Unter­ nehmen als (potentiellen) Vertragspartnern nicht mehr sachgerecht wahrneh­ men können.44 Hier, bei der Stärkung der potentiellen Kontrollinstanzen, werden die Norm­ geber aber mehr noch als bisher ansetzen und prüfen müssen, wen sie zur Kon­ trolle in die Pflicht nehmen können. Es gilt, die Besonderheiten der einzelnen Kontrollinstanzen in den Blick zu nehmen und etwaige Defizite auszugleichen, ggf. aber auch Kontrollinstanzen mangels Geeignetheit von der Wahrnehmung von Kontrollaufgaben ganz auszuschließen. So hat der europäische Normgeber es in der Hand, die eingeschränkte informationelle Belastbarkeit des Kunden mit einer grundlegenden Neuordnung der vorvertraglichen Informationspflich­ ten besser zu berücksichtigen. Die zum 13. Juni 2014 in deutsches Recht umge­ setzte Verbraucherrechte-Richtlinie steht noch im Zeichen des herkömmlichen Informationsmodells. Soweit keine europäischen Vorgaben bestehen, muss der deutsche Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum nutzen und etwa für Alters­ vorsorgeprodukte,45 die mit vorvertraglicher Information kaum für den durch­ schnittlichen Kunden verständlich dargestellt werden können, Anforderungen 43 

Zu ausgewählten materiellen Regelungen Gal/Sehrbrock, S.  13 ff. den Produktinformationsblättern oben Teil 2 §  2 C. II. 2. e); zum Kunden als Kon­ trollinstanz für seinen Vertragspartner oben Teil 2 §  2 A. I. 45 Es handelt sich bei Altersvorsorgeprodukten vorwiegend um Versicherungsverträge: Von 15, 65 Mio. staatlich geförderten Verträgen im ersten Quartal 2013 waren rund 11 Mio. Versicherungsverträge, Bundesministerium für Arbeit und Soziales zitiert nach Handelsblatt vom 15. Juli 2013, www.handelsblatt.com/finanzen/vorsorge-versicherung/ratgeber-hinter­ grund/altersvorsorge-riester-rente-wird-zum-ladenhueter/8498598.html (zuletzt abgerufen am 10. August 2015). 44  Zu

§  3 Ausblick

325

an die Produktgestaltung ins AltZertG aufnehmen. Dass der Kunde das Pro­ dukt nicht versteht, schadet dann nicht mehr: Sein Schutz und die Kontrolle seines Vertragspartners sowie die des Marktes insgesamt werden durch die ma­ teriellen gesetzlichen Vorgaben gewährleistet. Die Öffentlichkeit, die finanzaufsichtsrechtliche Sachverhalte fachlich nicht durchdringen und entsprechend auch Fehlverhalten der Unternehmen nicht wirksam sanktionieren kann, muss ebenfalls der europäische Normgeber von Kontrollaufgaben grundsätzlich freistellen. Er hat hierzu Gelegenheit bei der Überarbeitung von Solvency II, die er (allerdings noch nicht mit Blick auf dieses Problem) mit Verabschiedung der Richtlinie „Omnibus II“ am 15. März 2014 ohnehin bereits begonnen hat.46 Der deutsche Gesetzgeber hingegen kann die Öffentlichkeit von Kontrollaufgaben nicht ausnehmen. Die ab 1. Januar 2016 anzuwendende Richtlinie Solvency II lässt ihm hierfür keinen ausreichenden Umsetzungsspielraum. Selbst wenn aber die Normgeber einer fachlich belastbaren Instanz effektive Kontrollmittel und einen klaren Kontrollmaßstab an die Hand gegeben haben, heißt dies nicht zwingend, dass auch Transparenzvorschriften geschaffen wer­ den müssten, um die Kontrollinstanz mit Informationen zu versorgen. So wird Transparenz mitunter freiwillig hergestellt, etwa um Erwartungen des Marktes zu genügen.47 Außerdem können andere Vorschriften als Transparenzpflichten, mögen sie mitunter auch gar nicht dem Finanzaufsichtsrecht angehören, einen erheblichen Anreiz setzen, Informationen zu offenbaren.48 Sie mit dem Fi­nanz­aufsichts- und den einschlägigen Bereichen des Zivilrechts abzustimmen und Transparenzpflichten nur insoweit anzuordnen, als sie auch im Einzelfall erforderlich sind, macht aus Offenlegungspflichten verschiedener Rechtsgebie­ te ein rechtsgebietsübergreifendes System der Corporate Transparency. Mit einer zurückhaltenden Anordnung von Transparenzpflichten verliert zugleich der Konflikt zwischen Transparenz und Geheimnisschutz an Schärfe: Mit weniger, dafür aber zielgerichteten Offenlegungspflichten wird schützens­ werten Geheimhaltungsinteressen im materiellen Recht hinreichend Rechnung getragen. Transparenz ist nur herzustellen, soweit sie einer geeigneten Kon­ troll­instanz zur Erfüllung ihrer Aufgaben und Wahrnehmung ihrer Rechte dient. Zivilprozessrechtlichen Geheimnisschutz indes bewirkt ein in camera46  Richtlinie 2014/51/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 zur Änderung der Richtlinien 2003/71/EG und 2009/138/EG und der Verordnungen (EG) Nr.  1060/2009, (EU) Nr.  1094/2010 und (EU) Nr.  1095/2010 im Hinblick auf die Befugnisse der Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungs­ wesen und die betriebliche Altersversorgung) und der Europäischen Aufsichtsbehörde (Eu­ ropäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), ABl.  EU Nr. L 153, S.  1 ff. 47  Sog. Signalling, s. oben Teil 2 §  2 C. II. 2. b) aa). 48 Etwa Haftungsnormen wie §   93 AktG oder die Grundsätze der Darlegungs- und Beweis­last im Zivilprozess, die die Parteien vor die Wahl stellen, vorzutragen oder den Pro­ zessverlust zu riskieren (oben Teil 3 §  4 A.).

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Teil 4: Zusammenfassung und Ausblick

Verfahren, zu dessen Implementierung der Gesetzgeber in absehbarer Zeit nicht nur verfassungsrechtlich,49 sondern auch unionsrechtlich, durch die in Planung befindliche Geheimnisschutzrichtlinie,50 verpflichtet sein wird. Europäischer und deutscher Normgeber verkennen nicht, dass der Finanz­ dienstleistungssektor der Regulierung bedarf. Sie werden sich aber bei ihrer Tätigkeit noch stärker von der Erkenntnis leiten lassen müssen, dass Transpa­ renz Kontrolle nicht bewirken kann, und dass Kontrolle zwar Transparenz vo­ raussetzt, Transparenz aber nicht gleichbedeutend ist mit einer großen Zahl von Offenlegungspflichten und offenbarer Information. Transparenz heißt viel­ mehr, ausgewählte, aussagekräftige Informationen zielgerichtet einer geeigne­ ten Kontrollinstanz zur Bewertung zu offenbaren. Nur dann ist Transparenz solide Basis für wirksame Kontrolle.

49 

S. oben Teil 3 §  4 B. III. für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsge­ heimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb vom 28. November 2013, KOM (2013) 813 endg. 50 Vorschlag

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359

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Register Abstrakt-individuelle Offenlegungs­ pflicht  158 f. Ad hoc-Publizität  168, 186 Akteneinsichtsrecht (ZPO)  285 f., 292 f. Aktenvortrag, auszugsweiser  293 f. Aktiengesellschaft  215 ff. Aktienrecht  215 ff. Aktionärsrechte  226 ff. Aktualität von Produktinformationsblät­ tern 131 Allgemeiner Auskunftsanspruch  85, 113 ff. AltZertG  77, 94, 118, 121 Anleger  84, 124 Anzeigepflicht  – des Arbeitnehmers  248 ff. – des Compliance-Beauftragten  63 ff. – des Unternehmens  137 f., 139 ff. Arbeitnehmer – Whistleblowing  203 ff. – Anzeigepflichten  248 ff. – Auskunftspflichten  248 ff. Aufklärungspflicht, materiellrechtliche  99 ff., 132 ff. Aufklärungspflicht, prozessuale  271 ff. Aufsichtsgeneralklausel 141 Aufsichtsratsvorsitzender  244 f. Ausforschungsverbot  155 ff., 317 Ausgestaltung des in camera-Verfahrens  298 ff. Auskunftsanspruch, – allgemeiner  113 ff. – des Aktionärs  226 ff. – des Arbeitgebers  248 ff. – des Versicherungsnehmers  84 ff. Ausschluss der Öffentlichkeit vom Prozess  278 ff., 281 ff.

Ausschluss des Rechtsanwalts vom in camera-Verfahren  301 f., 308 f. Ausstrahlungswirkung  216 ff. BaFin als Kontrollinstanz  134 ff. – abstrakt-individuelle Offenlegungs­ pflichten  158 f. – Aufsichtsgeneralklausel 141 – Beschlagnahmerecht der BaFin  142 – Betreten von Geschäftsräumen  142 – CRD IV  141 ff., 154 – Durchsuchungsrecht 142 – Geheimhaltungspflicht  145 ff. – Grenzen der Kontrolle  154 ff. – information overload  156 – Informationsgeneralklausel 142 – Informationsvorsorge 164 – Legalitätskontrolle 138 – mittelbare Informationspflichten  163 f. – Offenlegungspflichten de lege lata  134 ff. – prinzipienbasierte Aufsicht  141, 159 – Transparenz gegenüber der BaFin  134 ff. – Verhältnismäßigkeitsprinzip  144, 162 bank run  229 Bankenrichtlinie 171 Basisinformationsblatt  128 ff. Behauptungslast, sekundäre  263 ff. Beibringungsgrundsatz 268 Beratung des Versicherungsnehmers  100 ff. Berufsfreiheit  24 ff. Berufsunfähigkeitsversicherung  86 f. Beschlagnahmerecht der BaFin  142 beschränkte informationelle Belastbarkeit des Privaten  109 ff.

362 Betreten von Geschäftsräumen  142 Betriebsgeheimnis 13 Betriebsrat  208 ff. Beweisführungslast  265, 267 BilMoG 222 Compliance-Beauftragter  44, 56 ff., 225 ff. – als öffentlich-rechtlich Beauftragter  65 ff. – Anzeigepflicht bei Behörden  63 ff. – Informationsrechte  59 f. – Verhältnis zu Behörden  63 ff. – Verhältnis zum Aufsichtsrat  60 ff. – Weisungsrecht 57 Compliance-Funktion  s. ComplianceBeauftragter Corporate Governance  3 Corporate Social Responsibility  121 f., 188 Corporate Transparency  4, 318 CRD IV  2, 41 ff., 141 CRR  171 ff. Darlegungslast, sekundäre  263 ff. Datenschutzrecht 85 Diversity-Strategie 188 Durchsuchungsrecht der BaFin  142 EBA 135 Eigentum  27 ff. Einsichtsrecht des Versicherungsneh­ mers  85 ff. EIOPA  54 f., 70, 135 Erläuterungspflicht  97 ff., 127 Finanzarbeitsrecht  247 ff. Finanzdienstleister, Begriff  2 Finanzdienstleistungssektor, Begriff  2 Finanzdienstleistungsunternehmen, Begriff 2 Finanzgesellschaftsrecht  215 ff. Finanzkrise  2, 174, 201 fit and proper  74, 156 follow up-Berichterstattung  231 Framing 183 Geheimhaltungsinteresse  18 f.

Register

Geheimhaltungspflicht der BaFin  145 ff. Geheimhaltungsverpflichtung der Prozessparteien  282 ff. Geheimhaltungswille 20 Geheimnisschutz – des Vorstands gegenüber dem Auf­ sichtsrat  232 ff. – gegenüber der BaFin  145 ff. – gegenüber der Öffentlichkeit  171 ff., 174 ff. – im Prozess  278 ff. Geheimnisschutzmaßnahmen  20 ff. Geheimnisschutzrichtlinie  14, 286, 302, 306, 311, 312, 313 Geheimverfahren 294 Generalklausel des Aufsichtsrechts  141 gerichtliches Missbrauchsverbot  283 Gesamtrisikobereitschaft 44 Geschäftsgeheimnis  – Begriff  13 ff. – Berufsfreiheit  24 ff. – Eigentum  27 ff. – Geheimhaltungsinteresse  18 ff. – Geheimnisschutzmaßnahmen  20 ff. – informationelle Selbstbestimmung  32, 33 – inhaltsbeschränktes Informations­ eigentum 30 – Nichtoffenkundigkeit  17 f. – Unternehmensbezogenheit 16 – verfassungsrechtlicher Schutz  23 ff. Geschäftsorganisationspflichten – im Aufsichtsrecht  39 ff. – im Gesellschaftsrecht  223 ff. Gewerbegeheimnis 13 Grundsatz der Transparenz  – allgemein 319 – im Arbeitsrecht  249 – im Zivilprozessrecht  271, 313 f. Güterichter 263 Herding 184 Hinweispflicht  97 ff., 127 homo inferior  81 homo oeconomicus  78, 82, 110, 166 in camera-Verfahren  294 ff. – Ausgestaltung  298 ff.

Register

– Ausschluss des Rechtsanwalts  301 f., 308 f. – Sachverständige 309 – Urteil  310 f. – Verwaltungsrecht  294, 297, 298 – Zivilprozessrecht  297 ff. – Zulässigkeit  296 ff. information overload  112 f., 118, 129, 156, 181 ff. informationelle Belastbarkeit  109 ff. informationelle Eigenverantwortung  80 informationelle Selbstbestimmung  32, 33 Informationsfreiheit 196 Informationsgeneralklausel  141 f. Informationssparsamkeit  118 ff. Informationsvorsorge  163 f. informierte Entscheidung  110 f., 117 inhaltsbeschränktes Informationseigen­ tum 30 Insolvenz des Versicherers  107 f. interne Kontrolle – Compliance-Funktion  48, 55 ff. – CRD IV  41 ff. – EIOPA  54 f. – Gesamtrisikobereitschaft 44 – interne Revision  67 f. – internes Kontrollsystem  55 f. – ORSA  54 f. – prinzipienbasierte Aufsicht  39, 40 – Risikoausschuss  44 f. – Risikocontrolling  43 f., 49, 52 f. – Risikomanagement  42 f., 49, 52 f. – Selbstkontrolle des Unternehmens  39 f. – Solvency II  49 ff. Jahresabschluss  140, 227 Kapitalmarktrecht 83 Knowhow 13 Knowhow-Schutz-Richtlinie  s. Geheim­ nisschutzrichtlinie Kontrolle durch die BaFin  s. BaFin als Kontrollinstanz Kontrolle durch die Öffentlichkeit  s. Öffentlichkeit als Kontrollinstanz Kontrolle durch Private  s. Private als Kontrollinstanz Kontrolle durch Transparenz

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– Geeignetheit der Information  316 f. – Kontrollinstanz  315 f. – Kontrollinteresse 315 – Kontrollmaßstab  315, 316 – Schutz von Geschäftsgeheimnissen  317 – Voraussetzungen 315 Krankenversicherung  86 f. Kunden als Kontrollinstanz  76 ff. Lagebericht  140, 227 Lebensversicherung  87 f. Legalitätskontrolle 138 Legalitätsprinzip 223 Leitbild des Privaten  79 ff. leniency-Programm 186 Liberalisierung des Versicherungsmark­ tes 137 Marktdisziplin  78, 165 f. Marktmissbrauchs-VO  196, 198 materiality  172, 192 mittelbare Informationspflicht  163 f. mündiger Privater  76, 79 ff., 109 ff. Muster-PIB 130 naming (and shaming)  196 ff. nemo tenetur-Grundsatz  253 Neue Institutionenökonomik  78 Offenlegungsobliegenheit  160, 189 f. Offenlegungspflichten – des Arbeitnehmers  247 ff. – des Aufsichtsratsvorsitzenden  244 ff. – des Vorstands gegenüber dem Auf­ sichtsrat  231 ff. – des Vorstandsvorsitzenden  244 ff. – gegenüber der BaFin  139 ff. – gegenüber der Öffentlichkeit  171 ff., 174 ff. – gegenüber Kunden  76 ff. – innerhalb des Aufsichtsrats  243 f. – innerhalb des Vorstandes  239 f. – innerhalb der Unternehmenshierar­ chie  39 ff. Öffentlichkeit als Kontrollinstanz  165 ff. – Ad hoc-Publizität  168, 186 – Aufwand der Informationsmitteilung  194

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Register

– CRR 171 – Demokratieprinzip  179, 186 – Eigenkapitaladäquanz 172 – Framing 183 – Geschäftsgeheimnisse  170 f. – Gleichbehandlung von Instituten und Versicherungsunternehmen 177 – homo oeconomicus  166 – Informationsadressat  168 ff. – Informationsasymmetrie 166 – Informationsverwertung  182 ff. – Kontrollinteresse  179 ff. – marktendogene Kontrolle  165 f. – materiality 172 – Offenlegungsobliegenheit 189 – self assessment  176, 193 – Solvency II  175 ff. – Vergütungssystem  173 f. – Verhältnismäßigkeit  192 ff. – VersGVO  189 ff. – Wesentlichkeit  193 f. – Wettbewerbsfreiheit 187 Öffentlichkeit im Zivilprozess  278 ff. ORSA  54 f. Parteiausschluss im Prozess  291 ff. PRIIP-VO  77, 94 f., 97, 121, 130 Prinzipal-Agenten-Theorie 104 prinzipienbasierte Aufsicht  40, 74 ff., 141, 159 Private als Kontrollinstanz – AltZertG  77, 94, 118, 121 – Anleger  84, 124 – Aufklärungspflicht  99 ff., 132 ff. – Auskunftsanspruch 113 – Beratung des Versicherungsneh­ mers  100 ff. – Berufsunfähigkeitsversicherung  86 f. – beschränkte informationelle Belastbar­ keit  109 ff. – Datenschutzrecht 85 – Erläuterungspflicht 97 – Geheimhaltungsinteressen des Versicherers 123 – homo inferior  81 – homo oeconomicus  82 – information overload  112 – Informationsadressat 84

– informierte Entscheidung  117 – Kapitalmarktrecht 83 – Krankenversicherung  86 f. – Lebensversicherung  87 f. – Leitbild des Privaten  79 ff. – Marktdisziplin 78 – mündiger Privater  76 – Neue Institutionenökonomik  78 – PRIIP-VO  77, 94 f., 97, 121, 130 – rational choice  81 – Sachverständigengutachten  88 ff. – Selbstbestimmung 79 – status-quo-bias 111 – Unfallversicherung  86 f. – Verbraucher 124 – Verbraucherrechte-Richtlinie 96 – VermAnlG  77, 94 – Wohnimmobilienkredit-Richtlinie 95 Produktinformationsblatt  – Aktualität 131 – Anwendungsbereich  128 ff. – information overload  129 – Muster 130 – Richtigkeit 131 – Umfang 130 – Vollständigkeit 131 Prozessleitungsbefugnisse  287 ff. Publikumsschutz 3 Publizität 167 Publizitätssystem 165 rational choice  81 rechtliches Gehör  287, 295 regelbasierte Aufsicht  40 Regulierungsbedürftigkeit  – von Banken  7 f. – von Versicherungsunternehmen  6 f. – rechtliche Gründe  8 ff. responsible lending  95 Risikoausschuss  44 f. Risikocontrolling  43 f., 49, 52 f. Risikomanagement  42 f., 49, 52 f. Sachverständige  88 ff., 309 Schweigepflicht der BaFin  145 ff. sekundäre Darlegungslast  263 ff. Selbstbestimmung des Privaten  79 Selbstkontrolle des Unternehmens  39 ff.

Register

Shaming  196 ff. Sicherheitsleistung im Zivilprozess  284 Signalling  119 f. Solvency II  49 ff. Sonderprüfung 229 Sozialstaatsprinzip  9 f. Staatsaufsicht, materielle  138 status-quo-bias  111, 183 substanziiertes Bestreiten  264 Transparenz durch Tätigwerden Dritter  – Informationsfreiheit 196 – Shaming  196 ff. – Whistleblowing  202 ff. Transparenz gegenüber der Aufsichtsbe­ hörde  134 ff. Transparenz gegenüber der Öffentlich­ keit  165 ff. Transparenz gegenüber Kunden  76 ff. Transparenz gegenüber Versicherungs­ nehmern  76 ff. Transparenzgesellschaft 5 Transparenz innerhalb des Unterneh­ mens – nach Aktienrecht  215 ff. – nach Arbeitsrecht  247 ff. – nach Aufsichtsrecht  39 ff. TransPuG 234 TRIPS 14 Unfallversicherung  86 f. Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme  290 Unternehmensbezogene Tatsache  16 Unternehmensgeheimnis 13 Untersuchungsgrundsatz 297 Urteil im in camera-Verfahren  310 f.

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verantwortliche Kreditvergabe  95 Verantwortlicher Aktuar  69 Verbraucher 124 Verbraucherrechte-Richtlinie 96 Vergütungssystem  173 f., 174 f. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz  144 f., 162 VermAnlG  77, 94 Verschwiegenheitspflicht der BaFin  145 ff. Versicherungsleistung  – Besonderheiten  6 f. – wirtschaftliche Bedeutung  6 f. Versicherungsmathematische Funktion  68 f. Vorabkontrolle von AVB  135 Vorlegung von Sachen  284 Vorstand  231 ff. Vorstandsvorsitzender  244 f. Wahrheitspflicht, prozessuale  269 Warnpflicht  97 ff., 127 Whistleblowing 202 – durch Arbeitnehmer  203 ff. – durch den Betriebsrat  208 ff. – durch Organmitglieder  211 ff. – gegenüber Behörden  202 ff. – gegenüber Dritten  208, 210, 211 f. – interner Abhilfeversuch  206 Wirtschaftsausschuss 237 Wirtschaftsgeheimnis 13 Wohnimmobilienkredit-Richtlinie 95 Zeugnispflicht 291 Zeugnisverweigerungsrecht 291 Zurückstellen von Beweismitteln  290