Syntaktische Untersuchungen zum Adjektivgebrauch in der deutschen Gegenwartssprache: am Material von literarischen Texten Heinrich Bölls 9783111376394, 9783484311169

162 75 56MB

German Pages 239 [244] Year 1991

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Syntaktische Untersuchungen zum Adjektivgebrauch in der deutschen Gegenwartssprache: am Material von literarischen Texten Heinrich Bölls
 9783111376394, 9783484311169

Table of contents :
0. Vorwort
1. Einleitung
2. Probleme der Adjektivdefinition und der Wortarteneinteilung
2.1. Grammatische Tradition
2.2. Adjektivdefinition und Wortartklassifi- kation in der Grammatikforschung der Gegenwart
2.3. Abgrenzung von anderen Wortarten
3. Probleme der Untersuchungsmethoden
3.1. Zur Grammatikalitatsbewertung
3.2. Zur Anwendung der Paraphrasierung
3.3. Zur Benutzung eines Korpus
4. Untersuchungen zum Adjektivgebrauch
4.1. Prädikativer Gebrauch
4.1.1. Exkurs über Kopulativverben
4.1.2. Prädikativ bei Vollverben
4.1.3. Kopulatives Prädikativ
4.1.4. Nichtkopulatives Prädikativ
4.2. Attributiver Gebrauch
4.2.1. Vorangestellte Attribute
4.2.2. Nachgestellte Attribute
4.2.2.1. Nachgestellte deklinierte Attribute
4.3. Adverbialer Gebrauch
4.3.1. Adverbiale Adjektive mit Verbalbezug
4.3.2. Adverbiale Adjektive mit Satzbezug
4.4. Uneigentliche Verwendungsweisen
5. Zusammenfassungen
Quellenverzeichnis
Literaturverzeichnis

Citation preview

Reihe Germanistische Linguistik

116

Herausgegeben von Helmut Henne, Horst Sitta und Herbert Ernst Wiegand

Kun Tao

Syntaktische Untersuchungen zum Adjektivgebrauch in der deutschen Gegenwartssprache Am Material von literarischen Texten Heinrich Bölls

Max Niemeyer Verlag Tübingen 1991

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Tao, Kun: Syntaktische Untersuchungen zum Adjektivgebrauch in der deutschen Gegenwartssprache : am Material von literarischen Texten Heinrich Bölls / Kun Tao. -Tübingen : Niemeyer, 1991 (Reihe Germanistische Linguistik ; 116) NE:GT ISBN 3-484-31116-9

ISSN 0344-6778

© Max Niemeyer Verlag GmbH & Co. KG, Tübingen 1991 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Druck: Weihert-Druck GmbH, Darmstadt. Einband: Heinr. Koch, Tübingen.

Inhaltsverzeichnis . Vorwort 1. Einleitung

l

2. Probleme der Adjektivdefinition und der Wortarteneinteilung

5

2.1. Grammatische Tradition 2 . 2 . Adjektivdefinition und Wortartklassifikation in der Grammatikforschung der Gegenwart 2 . 3 . Abgrenzung von anderen Wortarten

6

9 31

3 . Probleme der Untersuchungemethoden

40

3.1. Zur Grammatikalitätsbewertung 3 . 2 . Zur Anwendung der Paraphrasierung 3.3. Zur Benutzung eines Korpus

40 47 52

4. Untersuchungen zum Adjektivgebrauch

59

4.1. Prädikativer Gebrauch 4.1.1. Exkurs über Kopulati werben 4.1.2. Prädikativ bei Vollverben 4.1.3. Kopulatives Prädikativ 4.1.3.1. Kopulatives Prädikativ mit Subjektbezogenheit 4.1.3.1.1. Die Mehrfunktionalen Prädikative bzw. die Nicht -Nur-Prädikative 4.1.3.1.2. Die einfunktionalen Prädikative bzw. die Nur-Prädikative 4.1.3.2. Kopulatives Prädikativ mit NichtSubjekt -Bezogenheit 4.1.3.2.1. Impersonales Prädikativ 4 . 1 . 3 . 2 . 2 . Relationsprädikativ. 4.1.4. Nichtkopulatives Prädikativ 4.1.4.1. Subjektsprädikativ 4.1.4.2. Objektsprädikativ 4 . 2 . Attributiver Gebrauch 4.2.1. Vorangestellte Attribute

59 60 67 74 96 98 109 120 121 126 129 135 141 152 152

VI

4.2.1.1.

Vorangestellte deklinierte Adjektive 4.2.1.1.1. Die lexikalisch-semantisch bedingten nur attributiven Adjektive 4.2.1.1.2. Die syntaktisch bedingten nur attributiven Adjektive 4.2.1.2. Vorangestellte indeklinierte Adjektive 4 . 2 . 1 . 2 . 1 . Die morphonemisch bedingte Teilklasse 4 . 2 . 1 . 2 . 2 . Die lexikalisch-semantisch bedingte Teilklasse 4 . 2 . 1 . 2 . 3 . Die stilistisch bedingte Teilklasse 4 . 2 . 1 . 2 . 4 . Die syntaktisch bedingte Teilklasse 4.2.2. Nachgestellte Attribute 4.2.2.1. Nachgestellte deklinierte Attribute 4.2.2.2. Nachgestellte indeklinierte Attribute 4 . 3 . Adverbialer Gebrauch 4.3.1. Adverbiale Adjektive mit Verbalbezug 4.3.2. Adverbiale Adjektive mit Satzbezug. 4 . 4 . Uneigentliche Verwendung s we i sen

5. Zusammenfassungen

152 153 159 171 171 172 173 174 177 177 178 182 185 188 191

196

Quellenverzeichnis

208

Literaturverzeichnis

210

Vorwort Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der syntaktischen Verwendung des Adjektivs in der deutschen Gegenwartssprache. Als empirische Grundlage dient ein Teilkorpus aus HEINRICH BÖLLs literarischem Werk. Es wird versucht, eine systematischere, vollständigere und detailliertere Darstellung wesentlicher syntaktischer Verwendungsweisen des Adjektivs zu liefern als sie bisher vorliegt. Für die liebenswürdige, hilfreiche und sachkundige wissenschaftliche Betreuung dieser Arbeit bin ich Herrn Prof. Dr. Dieter Cherubim sehr zu Dank verpflichtet. Seine stetigen und fruchtbaren Anregungen, seine fachmännische und konstruktive (und doch behutsame) Kritik, seine treffsicheren und Auftrieb gebenden Verbesserungsvorschläge, das alles war ein unentbehrlicher Garant für das Zustandekommen dieser Arbeit. Mein besonderer Dank gilt auch Herrn Prof. Dr. Wolfgang P. Schmid, der mir von Anfang an bei der Planung und Durchführung der Untersuchungen mit Rat und Tat zur Seite gestanden und mit ständigen Ermutigungen und wertvoller Kritik bis zu ihrer Vollendung beigetragen hat. Zu danken habe ich auch der Friedrich-Ebert-Stiftung, die mich durch jahrelange großzügige Gewährung eines Stipendiums bei meinen Untersuchungen unterstützt hat. Nicht zuletzt möchte ich mich an dieser Stelle auch bei den Herausgebern, Herrn Prof. Dr. Helmut Henne, Herrn Prof. Dr. Horst Sitta, Herrn Prof. Dr. Herbert Ernst Wiegand für die freundliche Aufnahme meiner Arbeit in ihre Reihe und bei dem Max Niemeyer Verlag für die Drucklegung herzlich bedanken.

1. Einleitung In der vorliegenden Arbeit soll der Versuch einer linguistischen Beschreibung der syntaktischen Verwendungsweisen der Adjektive in der deutschen Gegenwartssprache anhand eines Teilkorpus von HEINRICH BÖLLS literarischem Werk unternommen werden. In der bisherigen germanistischen Forschung ist die Adjektivsyntax zwar immer wieder selbständig oder im Rahmen größerer Darstellungen 1 behandelt worden, dabei standen aber oft theoretische Fragen im Vordergrund. Detaillierte Analysen des tatsächlichen Sprachgebrauchs am Beispiel bestimmter Autoren und/oder Texte sind bisher recht selten in Angriff genommen worden. 2 Bislang fehlt es noch an einer systematischeren und vollständigeren Beschreibung der gesamten Verwendungsweisen des Adjektivs. Auch in der theoretischen Diskussion über die Adjektivproblematik herrschen immer noch uneinheitliche Definitionen, unterschiedlichste Ab- und Eingrenzungen der Wortart und umstrittene, ja unklare Bestimmungenen der syntaktischen Funktionen, die die Adjektive in Sätzen bzw. Syntagmen ausüben. Während über den Begriff der attributiven Verwendung des Adjektivs mehr Gemeinsamkeiten zu finden sind - hier liegt das Problem in einer anderen Hinsicht: sie wurde nicht vollständig und detailliert genug beschrieben und die unternommenen Beschreibungen beschränkten sich häufig nur auf die vorangestellten deklinierten Adjektive -, gehen die Meinungen über die Begriffe der prädikativen und adverbialen Verwendung des Adjektivs stark auseinander. Darüber hinaus finden einige grammatische Erscheinungen selten oder gar keine Berücksichtigung in der bisherigen grammati-

1

2

Vgl. z.B. Motsch 1964; Grundzüge 1981; Eisenberg 1989 und Helbig/Buscha 1972/ 1987 u.a.m. Von den wenigen Beispielen sei hierzu auf T.R. Giuffrida 1972: Das Adjektiv in den Werken Notkers und P. Braun 1964: Adjektivische Sehweisen, dargestellt an Prosawerken der Romantik verwiesen.

sehen Darstellung. Man denke z . B . an Adjektive, die in der Substantiv-Position vorkommen, die postnominal indekliniert und die pränominal indekliniert verwendet werden und an Kopulatiwerben, die unmittelbar mit den Adjektiven in Beziehung stehen, jedoch keine klare begriffliche Festlegung, intensionale wie extensionale, erfahren. Der oben in groben Zügen geschilderte Stand in der deutschen Adjektivforschung ist wohl darauf zurückzuführen, daß die meisten Darstellungen hierfür unterschiedliche Forschungsinteressen verfolgen und sich wegen bestimmter Theorieabhängigkeit auf spezielle Problemfelder beschränken. Die vorliegende Arbeit setzt sich das Ziel, eine systematischere, vollständigere und detailliertere Beschreibung der gesamten syntaktischen Verwendungsweisen des Adjektivs anzustreben. Dabei soll der tatsächliche Gebrauch des Adjektivs im Vordergrund stehen, d.h. auf ein ausgewähltes Korpus zurückgegriffen werden. Solche korpusgestützten Untersuchungen haben den Vorteil, daß die vorhandenen grammatischen Theorien und Überlegungen auch empirisch fundiert werden können. Arbeiten dieses Zuschnitts sind also auch notwendige Korrektive für die in letzter Zeit zu stark theoretisch orientierten Analysen. Ergebnisse der Arbeit sollen dazu dienen, die bisherige theoretische Darstellung der Adjektivsyntax in der deutschen Gegenwartssprache zu vervollkommnen, die vorhandenen Regelformulierungen zu modifizieren und Verbesserungsvorschläge im Sinne von differenzierteren Regeln zu erreichen. Nicht zuletzt verfolgt die vorliegende Arbeit auch den Zweck, einen bescheidenen Beitrag zum Unterricht Deutsch als Fremdsprache und ggf. auch als Muttersprache zu leisten. Die Arbeit gliedert sich in 5 Kapitel. Bevor im empirischen Hauptteil - Kapitel 4 - die syntaktischen Verwendungsweisen des Adjektivs untersucht werden, werden zunächst in Kapitel 2 die theoretischen Probleme der Definition des Adjektivs im engen Zusammenhang der Probleme der Klassifikation der Wortarten diskutiert, wobei sowohl die grammatische Tradition als auch die

grammatische Gegenwart berücksichtigt wird. Nach der breitangelegten Diskussion zahlreicher Definitions- und Klassifikationsversuche in der Grammatikforschung stellt sich heraus, daß jeder dieser Versuche angreifbar und als nur eine von vielen möglichen Lösungen erscheint. 3 Angesichts dieser Tatsache wird in der vorliegenden Arbeit kein weiterer Versuch dieser Art vorgenommen, sondern es wird in leichter Modifikation dem FLÄMIG'SCHEN Ansatz Folge geleistet. Zur Abgrenzung des Adjektivs von den Adverbien, Modalwörtern und Partizipien werden eigene Überlegungen angestellt, wobei als Grundsatz gilt, Satzgliedfunktionen (Prädikativ/Adverbial) und Wortklassencharakteristik (Adjektiv/Adverb) strikt auseinanderzuhalten. 4 In Kapitel 3 werden Reflexionen über die Probleme der Untersuchungsmethoden in Bezug auf Grammatikalitätsbewertung, auf Paraphrasenanwendung und auf Korpusbenutzung angestellt, wodurch die methodische Verfahrensweise bei den empirischen Untersuchungen in Kapitel 4 wissenschaftlich gerechtfertigt werden soll. Das Kapitel 4 bildet den Hauptteil der Arbeit, in dem die syntaktischen Verwendungsweisen des Adjektivs mit Hilfe der Belege innerhalb und z . T . auch außerhalb des festgelegten Korpus von H. BÖLLS literarischen Texten untersucht werden. Dabei wird zunächst in einem Exkurs über die Kopulatiwerben, die für den syntaktischen Gebrauch des Adjektivs von besonderer Bedeutung sind, ein erweiterter Begriff derselben Verben eingeführt. Aufgrund dessen wird bei den prädikativen Verwendungsweisen des Adjektivs zwischen KOPULATIVEN PRÄDIKATIVEN und NICHT-KOPULATIVEN PRÄDIKATIVEN, d.h. Prädikativen bei den Vollverben unterschieden, wodurch der Begriff des prädikativen Adjektivs beträchtlich erweitert und damit auch vereinheitlicht wird. Er umfaßt im wesentlichen die (adjektivischen) Prädikative im eigentlichen Sinne, die PRÄDIKATIVEN ATTRIBUTE und die ADJEKTIVISCHEN ARTERGÄNZUNGEN bei manchen Grammati3

Vgl. Gross 1988, S. 52. Vgl. Grundzüge 1981, S. 622.

4

kern. 5 Innerhalb der beiden genannten prädikativen Klassen werden weitere Subklassen unterschieden und diese werden wiederum subklassifiziert. Dasselbe geschieht auch bei den anderen Verwendungsweisen des Adjektivs, die in der vorliegenden Arbeit unterschieden werden, nämlich: den attributiven, den adverbialen und den uneigentlichen Verwendungsweisen. Dabei handelt es sich weniger um eine Klassifikation der Verwendungsweisen der Adjektive im strengen Sinne, sondern vielmehr um eine typologische6 Darstellung derselben. Die Kriterien, die dabei herangezogen worden sind, sind in erster Linie morpho-syntaktischer Art und je nach unterschiedlichen Klassen und hierarchischen Anordnungen verschieden. So wirkt auf der ersten Ebene das Kriterium der syntaktischen Funktion, die die Adjektive in Sätzen jeweils ausüben, auf der zweiten Ebene das der syntaktischen Distribution bei den prädikativ und attributiv verwendeten Adjektiven und auf der dritten Ebene das der syntaktisch-semantischen Bezogenheit bei den prädikativen Adjektiven und das der morphologischen Differenzierung bei den attributiven Adjektiven usw. Nur bei einigen Subklassen, die ganz unten in solcher Hierarchie plaziert sind, werden nur semantische Kriterien angewandt, da hier die morpho-syntaktischen Kriterien nicht mehr weiterhelfen können. Es wird sich zeigen, daß auf diese Weise eine Möglichkeit eröffnet wird, die tatsächlichen Gebrauchsweisen des Adjektivs systematischer, vollständiger und detaillierter erfassen zu können.

5

Zu den ersteren vgl. unten Kapitel 4, S. 69ff, zu den letzteren vgl. z.B. Engelen 1975, Bd. l, S. 148ffund Bd.2, S. 286ff. 6 Zu dem Begriff Sprachtypologie vgl. Ineichen 1979.

2. Probleme der Adjektivdefinition und der Wortarteneinteilung Was ist ein ADJEKTIV? Diese Frage scheint auf den ersten Blick ziemlich einfach zu sein. Aber allein die verschiedenartigen Bezeichnungen für die einundselbe Wortart ADJEKTIV wie EIGENSCHAFTSWORT, CHARAKTERISIERENDE BEIWÖRTER, ARTWORT, WIEWORT u . a . deuten schon eher das Gegenteil an. Bei näherer Sichtung der Literatur zur Syntax und/oder Semantik von Adjektiven wird deutlich, "daß in fast allen bisher vorgelegten Studien zu diesem Thema eine Abgrenzung des t . . . ] Untersuchungsgegenstandes gegenüber anderen Wortarten bzw. eine Eingrenzung der Adjektive im Sinne einer [ . . . ] definitorischen Bestimmung entweder völlig außer acht gelassen oder nur in unbefriedigender Weise geleistet wird". 1 Dies liegt einerseits an der außergewöhnlichen Komplexität der Untersuchungsobjekte, wie sie G. STARKE richtig erkannt hat: "bei kaum einer anderen Klasse von Wörtern (vgl. Substantive, Verben, Pronomen, Fügewörter) ist die Handhabung der Einteilungskriterien so schwierig und umstritten". 2 Es ist noch schwieriger und umstrittener, wenn dabei die gesamte grundsätzliche Problematik der Wortartenbestimmung ins Spiel kommt. Andererseits liegt es auch an den Untersuchungsstrategien der Untersuchenden: "mit fast allen Arbeiten über Adjektive verbinden sich sehr eingeschränkte Forschungsinteressen, deren Spezifizität eine Auseinandersetzung mit der vergleichsweise weiten Fragestellung, was unter der Wortartbezeichnung ADJEKTIV eigentlich zu verstehen ist und inwieweit die Rede von Wortarten überhaupt gerechtfertigt ist, auf den ersten Blick als unangebracht oder unnötig erscheinen läßt." 3 Darüber hinaus erfordert eine auch nur annähernd erschöpfende Beantwortung dieser Frage einen erheblichen Diskus-

1

Bickes 1984, S. 13. Starice 1977, S. 192. 3 Bickes 1984. ebd.

2

sionsaufwand, der den Rahmen der meist in Aufsatzform vorliegenden Arbeiten über Adjektive übersteigen 4 würde. Im folgenden werden diese Definitionsprobleme im engen Zusammenhang der Probleme der Wortarteneinteilung in der grammatischen Tradition und in der gegenwärtigen Grammatikforschung demonstriert und diskutiert, ehe wir zu unserer Vorstellung darüber, was unter ADJEKTIV zu verstehen ist, übergehen. 2.1. GRAMMATISCHE TRADITION

In der grammatischen Tradition wird das Adjektiv im wesentlichen über die morphologischen Merkmale, d.h. die Flexion, z.T. auch philosophisch, d.h. über die logischsemantische Leistung, definiert. Die Tatsache, daß Adjektive und Substantive "bis in das Mittelalter nicht voneinander geschieden" 5 bzw. in einer Klasse zusammengefaßt werden, ist vor allem auf die morphologische Übereinstimmung der beiden Wortarten in den klassischen Sprachen zurückzuführen. 6 So wurden sie bei PLATON und ARISTOTELES, den Stoikern und DIONYSIUS THRAX7 gemeinsam als onoma, bei PRISCIAN und dem im 12. Jh. lebenden PETRUS HELIAE8 als Nomen behandelt. Das zwölfte Jahrhundert kann nun als Beginn der systematischen Trennung des Adjektivs von dem Substantiv angesetzt werden, wie H. ARENS in seinem Buch SPRACHWISSENSCHAFT. DER GANG IHRER ENTWICKLUNG VON DER ANTIKE BIS ZUR GEGENWART feststellt: "So setzte sich im 12. Jahrhundert die Differenzierung des Nomens in nomen substantivum und nomen adiectivum durch [ . . . ] . n 9 Dabei ist allerdings zu bemerken, daß sich das Adjektiv noch lange nicht als 4

Vgl. ebd. Schmidt 1967, S. 55. 6 Vgl. Fleischer u.a. 1983, S. 536 und S. 592. 7 Vgl. Bergenholtz/Mugdan 1979, S. 128f und Bergenholtz 1976, S. 53. Zur entgegengesetzten Auffassung, daß die Adjektive bei Platon und Aristoteles als eine Subklasse des Verbums betrachtet wunden, vgl. Lyons 1975, S. 328. 8 Vgl. Schmidt 1967, S. 57. 9 Arens 1955, S. 33. 5

eine selbständige Wortart etabliert hat, sondern es gehört wie auch das Substantiv immer noch als Subklasse zum Nomen, worauf auch der lateinische Terminus NOMEN ADIECTIVUM, d.h. "das beigefügte Nomen"10 hinweist. In der grammatikographisehen Praxis dauerte dieser Zustand noch mehrere Jahrhunderte, bis das Adjektiv als eine eigenständige Wortart beschrieben wurde. So hat beispielsweise F. WEIDLING für die Wortartenforschung im 16. Jahrhundert folgendes festgehalten: "Die Anordnung der 8 REDETEILE ist bei OEL. [ALBERTUS OELINGER] und ALB. [LAURENTIUS ALBERTUS] dieselbe wie bei CL. [JOHANNES CLAJUS] t . . . ] . " 1 1 Sie sind nämlich: Artikel, Nomina, Pronomina, Verb, Particip, Adverb, Präposition und Conjunktion. Und er schreibt weiter: Die bei ALBERTUS und CLAJUS vorgenommene Teilung der Nomina in propria und appellativa ist alt [...], wie die bei allen dreien [der dritte ist A. OELINGER K.T.] sich findende Scheidung der Appellativa in Adjektiva und Substantiva.12 Hierbei bilden die Adjektive sogar eine Subklasse von der Subklasse der Nomina. Im 18. Jahrhundert übernimmt CARL FRIEDRICH AICHINGER "aus der traditionellen Grammatik die neun Wortarten und teilt sie nach ihren flexionsmorphologischen Merkmalen in drei Gruppen ein: deklinierbar: Artikel, Nomen (Substantiv und Adjektiv) , Pronomen, Partizip, konj ugierbar: Verb, unveränderlich: Adverb, Präposition, Konjunktion, Interjektion. 13 Aus dieser von M. RÖSSING-HAGER formulierten Zusammenfassung der AICHINGER'sehen Wortarteneinteilung geht hervor, daß auch bei ihm das Adjektiv zusammen mit dem Substantiv dem Nomen zugerechnet wird. AICHINGER selber hat die Nomina wie folgt definiert: Die Nennwörter sind entweder solche, welche für sich stehen können, oder welchen der Artikel um ihr selbst willen zukommt, d.i. Substantiva, selbständige Namen,

10

Sommerfeldt/Starke 1988, S. 136. Weidling 1894, S. LXI. 12 Ebd. S. LXII. 13 Rössing-Hager 1972, Vorwort zum "Versuch einer teutschen Sprachlehre von C.F. Aichinger", S. . 11

8 Hauptnamen, Hauptwörter; oder solche, welche ohne Substantiva, ob diese bisweilen nur darunter verstanden werden, nicht stehen können, und welchen der Artikel nur ihres Substantivi wegen zugegeben wird, d.i. Adiectiva, Beynamen oder Beywörter.14

Diese Auffassung vom Verständnis der Nomina und damit von der Zuordnung des Adjektivs ist so deutlich und klar formuliert, daß sich hier jeglicher Kommentar erübrigt. Die endgültige Trennung des Adjektivs vom Nomen bzw. Substantiv, d.h. die Etablierung des Adjektivs als eigene Wortart in einem Wortartensystem finden wir anfänglich bei JOHANN CHRISTOPH ADELUNG15 und schließlich bei LUDWIG SÜTTERLIN, 16 dessen Wortarteinteilung starke Einflüsse auf die spätere, ja noch die gegenwärtige Grammatikforschung ausübt. 17 Nach dem philosophischen, sprich: logisch-semantischen Prinzip hat Adelung 10 Wortklassen unterschieden, wobei "Substantiv, Adjektiv und Zahlwort als besondere Redeteile, nicht als Arten des Nomens aufgefaßt werden". 18 Demnach wird das Adjektiv als der unselbständig beigelegte oder einverleibte Redeteil definiert, der "eine beigelegte Beschaffenheit, d.i. eine Eigenschaft" 19 benennt. Sütterlin kritisierte die uneinheitliche Handhabung der Einteilungskriterien bei der Wortartbestimmung und verwendete selber von den drei zur Verfügung stehenden, nämlich morphologischen, semantischen und syntaktischen Kriterien jede für sich allein und erhielt auf diese Weise 3 unterschiedliche Wortartensysteme, von denen das morphologisch begründete besonders weitreichende Bedeutung hat. Nach der Formveränderlichkeit (Flexion) wurden zunächst die flektierbaren Wörter von den nichtflektierbaren (Partikeln) unterschieden, bei den flektierbaren die deklinierbaren von den konjugierbaren 14

Aichinger 1754, S. 135. Vgl. Adelung 1782, Bd.l, S. 274f. 16 Vgl. Sütterlin 1923, S. 91'ff. 17 Vgl. dazu Schmidt 1967, S. 58. 18 Jellinek 1913/1914, Bd.2, S. 111. 19 Ebd., S. 113. 15

(Verben) und bei den deklinierbaren wiederum die komparierbaren (Adjektive) 2 0 von den nichtkomparierbaren (Substantive [und Pronomina]). So wurde die Komparierbarkeit als ein entscheidendes Kriterium zur Abgrenzung von Adjektiven und Substantiven angesetzt. Oberblickt man die oben dargestellte grammatische Tradition der Wortarteneinteilung, so kommt man zu der Erkenntnis, daß 1) die semantischen Kriterien, die zur Wortarteneinteilung herangezogen wurden, im allgemeinen außersprachlich bestimmt, d.h. nicht aus Sprachanalysen selbst motiviert, sondern aus philosophischen Systemen gewonnen wurden und folglich nur zum Teil den sprachlichen Tatsachen entsprechen; 2) die uneinheitliche Handhabung der Einteilungskritien zwangsläufig zu Mischklassifikationen führt; 3) diese Klassifikationen zu wenig empirisch fundiert sind und demnach nicht weitreichend anwendbar sind und schließlich 4) die Abgrenzung des Adjektivs von den anderen Wortarten entweder außer Betracht gelassen oder nur unbefriedigend behandelt wurde. 2.2.

ADJEKTIVDEFINITION UND WORTARTKLASSIFIKATION IN DER GRAMMATIKFORSCHUNG DER GEGENWART

In der oben genannten, durch SÜTTERLIN vertretenen Tradition der morphologischen Einteilung des Wortbestandes stehen heute auch noch FLÄMIG 1977 und BERGMANN 1981 weiter, wenn es um die Hauptwortarten geht. Der Unterschied besteht nur darin, daß die beiden jeweils eigene Modifikationen bzw. Weiterentwicklungen vorgenommen haben. Dies b e t r i f f t zum einen die Aussonderung der Pronomina aus den Substantiven und zum anderen das Abgrenzungskriterium zwischen Substantiven einerseits und Adjektiven und Pronomen andererseits. Bei FLÄMIG 20

Zu derartiger Interpretation der Sütterlin'schen Unterscheidung zwischen Adjektiven und Substantiven vgl. auch Bergenholtz/Mugdan 1979, S. 130f. Zu einer anderartigen Deutung derselben vgl. Schmidt 1967, S. 59.

10

heißt dies ARTIKELFÄHIG (Substantiv) vs. NICHTARTIKELFÄHIG (Adjektiv, Pronomen) 21 und bei BERGMANN u.a. GENUS-FEST (Substantiv) vs. GENUS-VERÄNDERLICH (Adjektiv, Pronomen), 22 Für beide gilt die Komparierbarkeit als Kriterium zur Abgrenzung von Adjektiven und Pronomen. Demnach lautet die Definition des Adjektivs bei FLÄMIG z . B . wie folgt: "deklinierbare ohne Artikel, aber mit Komparationsformen (Formen zur Graduierung) und obligatorischer Genusanpassung in attributiver Stellung sind Adjektive." 2 3 Dieses Wortartensystem und damit die Wortartbestimmung des Adjektivs findet weitgehende Beachtung in der Grammatikforschung und wird immer wieder zitiert, diskutiert und kritisiert. 2 4 In diesem Zusammenhang ist es angebracht, eine zusammenfassende Darstellung der kritischen Meinungen anderer Grammatiker über das FLÄMIG'sehe Wortartsystem zu liefern. "Ein wesentlicher Vorzug dieses Wortartensystems ist seine Einfachheit", 2 5 so bewertet es STARKE. Eine ähnliche Meinung vertritt auch BERGENHOLTZ, wenn er schreibt: Diese Systematik ist [. . . ] klarer und leichter verständlich als die anderer neuerer deutscher Grammatiken [ , . . ] . " 2 6 Dieser Vorzug wird von JUNG zur Rechtfertigung von FLÄMIG's Beschränkung auf Kernbereiche der Wortarten herangezogen: Aus dem Bestreben, sein Wortartenermittlungsverfahren praktisch handhabbar zu gestalten, erklärt sich FLÄMIG's Beschränkung auf Kernbereiche der Wortarten." 2 7 Obwohl dieses Wortartsystem "nur in den Kernbereichen funktioniert", 2 8 ermöglicht es

21

Vgl. Flämig 1977, S. 44f. Vgl. Gross 1988, S. 52 23 Flämig 1977, ebd. 24 Vgl. Staike 1977, S. 192f; Heibig 1977, S. 104f; Bergenholtz/Mugdan 1979, S. 130ff, Bergenholtz 1984, S. 61; Jung 1984, S. 165f und neulich Sommerfeldt/Staike u.a. 1988, S. 61f. 25 Starieel977,S. 192. 26 Bergenholtz 1984, S. 61. 27 Jung 1984, S. 166. 28 Sommerfeldt/Stadce u.a. 1988, S. 62. 22

11 aber eine weitere Subklassifizierung. 2 9 Ein weiterer Vorzug läßt sich mit den eigenen Worten von FLÄMIG formulieren: Durch die Zugehörigkeit der Wörter zu solchermaßen festgelegten Wortklassen wird auch bis zu einem gewissen Grade eine allgemeine kategoriale semantische Prägung charakterisiert.30 Dazu bemerkt JUNG, nachdem er die problematischen Ausnahmefälle wie nichtkomparierbare Adjektive tot, quadratisch, kreisrund und artikelfähige Pronomen der eine, der andere, der einzelne etc. aufgezählt hat: Andererseits ermöglicht es gerade die begriffliche Prägung der Wortbedeutung, auch in diesen Sonderfällen Entscheidungen zu fällen und die Wörter den angeführten Wortarten zuzuordnen.31 Für uns ist es ein entscheidender Vorteil, daß nach dem FLÄMIG'sehen Wortartenermittlungsverfahren die einzelne Wortartbestimmung nicht wie bisher (eine) andere Wortart(en) voraussetzt, sondern jede Wortart unabhängig von irgendeiner anderen nach den jeweils genau angegebenen Kriterien ermittelt werden kann. "Die wesentliche Schwäche besteht darin, daß es bestimmte Elemente unseres Wortbestandes nicht erfaßt (Satzäquivalente) oder nicht den grammatischen Merkmalen entsprechend den Wortklassen zuordnet." 3 2 Das letztere b e t r i f f t Problemfälle wie die oben von JUNG genannten. Eine andere Schwäche b e t r i f f t die Reihenfolge bzw. Gewichtung bei der Anwendung der beiden morphologischen und syntaktischen - Kriterien. So schreiben BERGENHOLTZ/MUGDAN 1979: "Als Ansatz zu einer Kritik soll nur gesagt werden, daß beide Kriterien einige Male miteinander konkurrieren und deswegen keine

29

Vgl. Flamig 1977, S. 47. ° Ebd., S. 46. Dort wurde der Begriff kategoriale semantische Prägung folgendermaßen spezifiziert: "Auf Grund ihrer typischen grammatischen Eigenschaften repräsentieren Wortklassen bestimmte allgemeine Begriffsklassen als Abbildung von Klassen der objektiven Realität Diese Repräsentation erfolgt [...] auf der kategorialen Ebene der Wortklasse: Verben charakterisieren das Bezeichnete als temporäres Geschehen oder sein, [...] Adjektive als graduierbare Eigenschaft [...]." 31 Jung 1984, S. 166. 32 Starke 1977, S. 192. 3

12 klare Entscheidung getroffen werden kann: Sind z . B . die grammatischen Wörter die Alte und die Älteste Adjektive oder Substantive? (Wiegt das Kriterium der Komparierbarkeit oder das der Artikelfähigkeit schwerer?) " 33 Daraus zieht BERGENHOLTZ später, nachdem er wie oben zitiert - zunächst die klarere und leichtere Verständlichkeit der FLÄMIG1sehen Systematik festgestellt hat, folgende Konsequenz: "sie ist aber dann unklar, wenn die morphologische Definition zu einer anderen Lösung als die syntaktische Definition f ü h r t . " 3 4 Eine rein morphologische Wortartenbestimmung führen nach SÜTTERLIN 1900 und BORGSTRÖM 195835 BERGENHOLTZ 1976 in der ersten und BERGENHOLTZ/MUGDAN 1979 in der zweiten Version durch. "Wenn man 'Wörter' nach der Flektierbarkeit klassifiziert," schreiben BERGEN1 HOLTZ/Mugdan 1979, "wird der Terminus 'Wort im Sinne von LEXEM gebraucht. Durch morphologisch definierte 'Wortarten' werden Lexeme somit aufgrund der Zugehörigkeit zu verschiedenen Flexionsparadigmen klassifi36 ziert." Demnach unterscheidet man 5 Lexemklassen: Verb, Substantiv, Adjektiv, Partikel und Nominale (Pronomen und Artikel) in der ersten Version bzw. Pronomen in der zweiten Version. 37 So enthalte z . B . das uns interessierende Adjektivflexionsparadigma mindestens 25 Morpheme. Ein Adjektivlexem ist ein Element im System, das mindestens 25 Allolexeme hat, den 25 angegebenen Adjektivmorphemen entsprechend. Ein Adjektivlexem kann aber bis zu 75 Allolexeme haben, weil die meisten Adjektivlexeme(n)38 komparationsfähig sind.39 Auf diese Weise wird das Adjektiv wie folgt definiert :

33

Bergenholtz/Mugdan 1979, S. 132. Bergenholtz 1984, S. 61. 35 Vgl. Bergenholtz 1976, S. 58, Anm. (1). 36 Bergenholtz/Mugdan 1979, S. 137. 37 Vgl. Bergenholtz 1976, S. 64 bzw. Bergenholtz/Mugdan 1979, S. 137. 38 Hier müßte ein Druckfehler unterlaufen seia 39 Bergenholtz 1976, S. 63. 34

13

Ein Textwon kann dann und nur dann als Adjektiv bezeichnet werden, wenn es einem Allolexem zugeordnet werden kann, das im Adjektivparadigma eingeordnet ist40

Ein solches rein morphologisches Verfahren hat zwar den Vorteil, sich nur auf einheitliche Kriterien zu stützen und ein einfaches funktionstüchtiges Zuordnungsprinzip von Textwörtern zu ermöglichen, verliert aber dann die Übersichtlichkeit und Handhabbarkeit, wenn es um die hohe Anzahl der Flexionsmorpheme und damit der Allolexeme innerhalb eines Wortartparadigmas geht. Im Adjektivparadigma z . B . kann es mindestens zu 75 und höchstens noch zu 123 Allomorphen bzw. Allolexemen kommen, wenn man die verschiedenen (starken und schwachen) Deklinationsmorpheme der Adjektive auch im Komparativ und Superlativ (mit Einschluß der elativischen Superlativmorpheme) berücksichtigt. 41 Dies ist nicht nur für diejenigen, die Deutsch als Fremdsprache erwerben, sondern auch für die Muttersprachler schwer zu überblicken, auch BERGENHOLTZ selber ist bei der Aufstellung der schematisch dargestellten Paradigmen der Adjektiv-Allolexeme ein Fehler unterlaufen: statt 17 Allolexeme der schwach deklinierten Adjektive /FEINE/ bzw. /FEINEN/ sollten nur 16 davon aufgezählt werden, da das ALLOMORPH von MORPHEM ' / 6 0 / 1 NEUT. GEN. SG. bei der schwachen Deklination sich mit dem bei der starken Deklination deckt, doch in BERGENHOLTZ1 Paradigma einmal zuviel gezählt worden ist. 4 2 Abgesehen davon stellt sich "das erhebliche Anwachsen der Nullelemente " 4 3 als ein grundsätzliches Problem dar. BEST 1980 hat darauf hingewiesen:

40

Ebd. Die Zahl der 123 Allomorphe ergibt sich daraus, daß im Positiv, Komparativ und Superlativ eines Adjektivs jeweils 25 Allomorphe bei der starken (einschließlich eines Nullallomorphes in der prädikativen Stellung) und 16 der schwachen Deklination zu verzeichnen sind. Vgl. Bergenholtz 1976, S. 62. Zum Begriff des elativischen Superlativs vgl. Duden-Grammatik 1984, S. 309. 42 Siehe Bergenholtz 1976, S. 62. 43 Best 1980, S. 32. 41

14 Sofern man überhaupt mit Nullelementen operieren will, ist es im allgemeinen angezeigt, sie auf die grammatische Morphologie zu beschranken und auch dort nur dann zu akzeptieren, wenn ein grammatisches Morphem mindestens in einem Fall durch ein materiell vorhandenes Morph repräsentiert wird.44

Dies ist gerade bei den von BERGENHOLTZ postulierten Nullmorphemen von nichtdeklinierbaren Adjektiven wie lila nicht der Fall: kein einziges grammatisches Morph ist materiell realisiert. Die Annahme derartiger Adjektivparadigmen mit durchgängigen Nullmorphemen erweckt den Eindruck, als hatte man zunächst die fraglichen Wörter bereits als Adjektive vorausgesetzt und dann ginge man erst daran, nach den Argumentationsmöglichkeiten zu suchen. Daß solche Wörter überhaupt den Adjektiven zugeordnet werden können, ist eigentlich nur auf die syntaktischen Gesichtspunkte - pränominale Stellung, attributive Funktion - zurückzuführen. Auch eine Annahme der fraglichen Nullmorpheme kann nur durch diese syntaktischen Aspekte motiviert und gerechtfertigt werden. Dafür müßte aber zum Begriff ALLOMORPH45 eine Möglichkeit SYNTAKTISCH BEDINGTES ALLOMORPH eingeführt werden. Nach einigen Umwegen käme man wieder auf die syntaktischen Aspekte zurück. Ebenso syntaktisch bestimmt ist auch das Nullmorphem des prädikativ gebrauchten Adjektivs. BERGENHOLTZ sieht sich sogar nicht imstande, eine morphologisch orientierte Bezeichnung dafür einzuführen. 4 6 Hierbei sind die Spuren der inkonsequenten Handhabung der einheitlichen morphologischen Kriterien zu erkennen. Konsequenterweise müßte man auf die Nullelemente verzichten und die nichtdeklinierbaren Wörter wie lila und prima aus der Wortklasse Adjektiv ausschließen, wie neuerdings es auch ENGEL 198847 praktiziert . Abschließend sei noch auf den hauptsächlichen kritischen Punkt, wie er von BEST 1980 formuliert wird, verwiesen: 44

Ebd. Vgl. Bußmann 1983, S. 22. 46 Vgl. Bergenholtz 1976, S. 63. 47 Vgl. Engel 1988, S. 18f. 45

15

Das Hauptproblem ergibt sich aber bei der Aufstellung der Paradigmata und bei der Identifizierung von Textwörtem mit Allolexemen, die sich einem bestimmten Paradigma zuordnen lassen.48

Er weist darauf hin, "daß man aufgrund der zahlreichen Homonymien, die BERGENHOLTZ durch die Annahme sehr vieler Nullelemente noch erheblich vermehren mußte, weder die Paradigmata konstruieren noch Textwörter den Paradigmata zuordnen kann, wenn man nur morphologische Bestimmungen zur Verfügung hat. Ein solches Schema hat allenfalls theoretischen Wert und bleibt ohne Berührungsmöglichkeit mit der Praxis." 49 Zusammenfassend laßt sich zur rein morphologisch operierenden Wortklassifizierung feststellen, daß sie nicht nur "bei den jenigen Wortarten, die keine [ . . . ] Flexionsmerkmale haben [...], an [ihre] Grenzen stößt", 5 0 so daß "nicht alle Wortarten erfaßt werden können", 51 sondern auch bei den sogenannten Hauptwortarten Schwierigkeiten macht. Daraus ist der Schluß zu ziehen, daß "die alleinige Verwendung des morphologischen Kriteriums bei der Wortartklassifizirung nicht ausreicht", 5 2 In der grammatischen Tradition der logisch-semantischen Wortarteneinteilung kommen nach ADELUNG und SÜTTERLIN, der parallel zu seinem rein morphologischen Wortartenmodell auch das rein semantische und syntaktische Modell53 entwickelt hat, zunächst die INHALTBEZOGENEN GRAMMATIKER um WEISGERBER, d.h. seine geistigen Vorgänger wie HUMBOLDT, MAUTHNER und JASPERS54 und die ihm nahstehenden Grammatiker wie GLINZ, 5 5 dann OTTO

48

Best 1980, S. 32. Ebd. 50 Heibig 1977, S. 93. 51 Ebd. 52 Ebd. 53 Vgl. Süttertin 1923, S. 98f. 54 Vgl. Schmidt 1967, S. 37ff. 55 Ebd., vgl. S. 61ff. Hierbei ist zu bemerken, daß Glinz anfänglich, wie seine verschiedene Arbeiten es zeigen, seinen eigenen Weg im wissenschaftlichen Schaffen ver49

16

195456 und HEMPEL 1954, 57 GREBE 195958 und JUNG 196659 und schließlich die ganze Reihe Forscher der LOGISCHEN SEMANTIK seit den 70er Jahren, z . B . PARSONS 1970, WHEELER 1972, KAMP 1975, BARTSCH 1975 und PINKAL 1979, die sich in ihren meist in Aufsatzform vorliegenden Arbeiten alle der Wortartenbestimmung des Adjektivs und dessen wortartinternen logisch-semantischen (im Sinne der Prädikatenlogik, der Wahrheitsfunktionalen, mengentheoretischen und modelltheoretischen Semantik) Problemen widmeten und mit denen sich BICKES bereits kritisch auseinandergesetzt hat. 6 0 Da die zuletzt genannten Ansätze bereits von BICKES ausführlich besprochen wurden und dieser im Zusammenhang der Bewertung der genannten Arbeiten und der Arbeiten im Zusammenhang der GENERATIVEN SEMANTIK festgestellt hat: "In vielen Fallen werden Subklassifizierungen innerhalb einer Wortart vorgenommen, ohne daß diesen Analysen eine - offensichtlich intuitiv als problemlos vorausgesetzte - Klassifikation der Wortart selbst vorausginge.", 6 1 erübrigt sich eine weitere Diskussion darüber. Wir kommen daher auf die zuerst genannten inhaltbezogenen Grammatiker zurück. LEO WEISGERBER, für den Sprache eine geistige Kraft ist, die die Außenwelt zu einer geistigen Zwischenwelt formt, betrachtet die Wortarten als Mittel der sprachlichen Erfassung der Welt, als Wege des geistigen Zugriffes.62 WEISGERBER geht dabei von einem Gedanken FRITZ MAUTHNERS aus, der später von KARL JASPERS aufgenommen wurde, daß nämlich die drei HauptWortarten Substantiv, Adjektiv und Verb "drei verschiedene Grundbilder von der

folgt, während in späteren Arbeiten eine gewisse Nähe zu Weisgerber zu verzeichnen ist. 56 Ebd.,vgl.S.44ff. 57 Vgl. Bergenholtz 1976, S. 57. 58 Ebd., vgl. S. 54, Anm. (4). 59 Vgl. Heibig 1977, S. 94. 60 Vgl. Bickes 1984, S. 14ff. 61 Bickes 1984, S. 37. 62 Vgl. Schmidt 1967, S. 37.

17 Welt einbeschließen". Für MAUTHNER ist die substantivische Welt "die Welt der Mystik, der Mythologie, der bloßen Erscheinung, der Abstraktion"; die adjektivische Welt, das ist "das Reich des Sensualismus, der Materialisation, der Kunst, die sogenannte wirkliche Welt von Stoff und Kraft" [...]. 63

Ähnlich wie in der inhaltbezogenen Grammatik bemüht sich HANS GLINZ darum, die Einteilung der Wortarten nach einem einheitlichen Prinzip, nämlich der "Grundprägung" oder der "geistigen Grundgestalt" der Wörter vorzunehmen. 64 Er gelangt zu insgesamt 6 "Grundklassen" : 1. Verb oder Zeitwort, 2. Nomen oder Namenwort, 3. Pronomen oder Anzeigewort, 4. Adjektiv oder Artwort, 5. Partikel oder Lagewort, 6. Interjektionen oder Aufrufswort. Dazu bemerkt SCHMIDT: Wenn wir dabei berücksichtigen, daß er wie die meisten Forscher den Interjektionen eine Sonderstellung einräumt und die Pronomina oder Anzeigewörter als eine Abart der Nomina ansieht, so können wir im wesentlichen Übereinstimmung der GLINZSCHEN Klassifizierung mit der Einteilung OTTOS in vier fundamentale Wortarten konstatieren.65

Nach GLINZ ist es charakteristisch für die Adjektive, "daß sie den Wortinhalt als Merkmal, als reines 'Wie' darstellen, 'abgelöst von einem notwendigen Träger, und auf viele mögliche Träger beziehbar'" 6 6 Diese logisch-semantische Definition des Adjektivs stimmt nach SCHMIDT, der die Wortarten auch primär nach logisch-semantischen Kriterien, wörtlich nach der "begriff lich-kategorialen Prägung" einteilt, mit seiner eigenen Bestimmung des Adjektivs grundsätzlich überein: 63

Ebd. Ebd., vgl. S. 61f. 65 Ebd., S. 62. Zu Ernst Ottos Wortarteneinteilung vgl. Otto 1928 und Otto 1954. Zur terminologischen Namengebung bei Glinz ist zu bemerken, daß sie nur "subsemantische" Hinweise auf die Wortarten gibt, aber nicht ihre volle semantische Leistung beschreibt Dazu vgl. auch Glinz 1970, S. 12ff, Glinz 1973, S. 30f und Glinz 1965, S. 60ff. 66 Ebd.. S. 63. 64

18

"auch wir haben seine logisch-grammatische Funktion so gekennzeichnet". 67 Solche Wortarteinteilungen nach dem so "verallgemeinerten abstrahierten Bedeutungsgehalt" 68 faßt HELBIG unter dem Begriff des semantischen Kriteriums B zusammen, während Einteilungen nach dem semantischen Kriterium "der einfachsten Fassung", "daß den Wörtern einer bestimmten Wortklasse in direkter Entsprechung in der Außenwelt bestimmte Sachverhalte zugeordnet sind", 6 9 unter dem Begriff des semantischen Kriteriums A subsumiert werden. 70 Als Beispiel für diese Einteilungen nennt HELBIG die bei JUNG 1966: Die Welt der Dinge findet ihren sprachlichen Niederschlag in den Dingwörtern (den Substantiven); die Kennzeichnung von Eigenschaften, Merkmalen und Urteilen übernehmen die Eigenschaftswörter (die Adjektive); [...].71 Zur Kritik des alleinigen semantischen Kriteriums schreibt Heibig: Gegen das semantische Kriterium A spricht die Tatsache, daß nicht alle Wortarten einen direkten Wirklichkeitsbezug haben (folglich dieses Kriterium nicht alle Wortarten differenziert), daß es keine direkten Bezug zwischen solchen Kategorien wie Wortarten (Substantiv, Verb usw.) und außersprachlichen Kategorien (Ding, Tätigkeit usw.) gibt, so daß selbst bei den Hauptwortarten dieses Kriterium nicht aufrechtzuerhalten ist. Gegen das semantische Kriterium B muß eingewendet werden, daß es keineswegs sicher ist, ob alle Wortarten einen solchen verallgemeinerten Bedeutungsgehalt haben; zumindest ist es den Vertretern dieses Konzeptes bisher nicht gelungen, über vage und impressionistische Bemerkungen hinaus ihn präzise festzulegen.72 Diese Kritik t r i f f t nicht nur auf die Wortarteneinteilung insgesamt, sondern auch auf die genannten Wortartbestimmungen bzw. Definitionen des Adjektivs zu. Die Wortarteneinteilung des Wortbestandes und damit die Wortartbestimmung des Adjektivs nach einem einheitlichen syntaktischen Kriterium vorzunehmen, hat eine noch nicht allzu lange Tradition. Sie ist auch auf SÜT67

Ebd. Vgl. Heibig 1977, S. 94. 69 Ebd. 70 Ebd. 68

71 Ebd. 72

Ebd., S. 96.

19

TERLIN 1900 73 zurückzuführen, der nach den Verwendungsarten der Wörter im Satz zwischen satzbildenden (Eii Karl! Komm!) und satzgliedbildenden (ich, geht, blau, hier, tief) Vollwörtern und beiordnenden (und, ist) und unterordnenden (für, aus, daß, weil) Formwörtern unterscheidet. 74 Die Adjektive werden den satzgliedbildenden ABHÄNGEWÖRTERN, die parallel zu den beiden anderen satzgliedbildenden Vollwörtern SATZGEGENSTANDSWÖRTERN (Subjektswörtern, Substantiven) und AUSSAGEWÖRTERN (Zeitwörtern, Verben) stehen, zugerechnet, wobei u.a. die attributiv gebrauchten Adjektive als Abhängewörter zu Subjektswörtern (Beifügewörter, Attributswörter), die prädikativ und adverbial gebrauchten als Abhängewörter zu Zeitwörtern (Ergänzungs oder Objektswörter) subklassifiziert werden. 75 Zur Kritik dieses Wortartklassifizierungssystems schließen wir uns BERGENHOLTZ 1976 an, wenn er meint: "Die syntaktische Wortartenbestimmung bei SÜTTERLIN ( 1 9 0 0 ) ist nicht differenziert genug." 7 6 Neben SÜTTERLIN 1900 und FRIES 1963, der sich v.a. mit dem Englischen befaßt und von dem hierbei abgesehen wird, sind noch zwei weitere Arbeiten zu erwähnen: HELBIG/BUSCHA 1972/1987 und BERGENHOLTZ/SCHAEDER 1977. "HELBIG geht bei der Wortklassifikation im ausdrücklichen Gegensatz zu anderen Sprachwissenschaftlern primär von syntaktischen Einteilungskriterien aus.' 7 7 In HELBIG/BUSCHA 1972/1987 wird die Auffassung vertreten: Weder eine Wortarteinteilung nach semantischen Kriterien noch eine solche nach morphologischen Kriterien kann alle Wortarten erfassen, weil zwar die Sprache im allgemeinen und die Sätze im besonderen, nicht aber alle Wortarten einen direkten Wirklichkeitsbezug aufweisen und auch nicht alle Wortarten eine Formveränderlichkeit zeigea Umgekehrt müssen aber alle Wortarten bestimmte syntaktische Funktionen, d.h. bestimmte Stellenwerte im internen Relationsgefüge des

73

Vgl. Sütterlin 1923, S. 98f; Dazu auch Bergenholtz 1976, S. 57.

74

Ebd.

75

Ebd.

76 77

Bergenholtz 1976, S. 57. Starke 1977, S. 193.

20

Satzes haben. Sonst könnte die Sprache als Kommunikationsmittel nicht funktionieren.78 In Anlehnung an FRIES 1963, für den alle Wörter, die die gleiche syntaktische Position im konkreten Satz einnehmen können, zur gleichen Wortklasse gehören,79 konstatieren HELBIG/BUSCHA: "Eine syntaktische Klassifizierung der Wortarten fordert zunächst die Einsetzung in bestimmte Substitutionsrahmen [ . . . ] " . 80 Das Adjektiv wird wie folgt definiert: Zur Wortklasse Adjektiv gehören alle Wörter, die in einen der beiden folgenden Rahmen oder in beide eingesetzt werden können:

(1) der... Mann -> der alte Mann (2) der Mann ist... ~> der Mann ist alt81 Demgegenüber werden für Adverbien folgende Substitutionsrahmen gewählt: (3) Der Mann arbeitet... (adverbiale Verwendung) (4) Der Mann ist . . . (prädikative Verwendung) (5) Der Mann ...arbeitet (attributive Verwendung, den ganzen Tag. nachgestellt-unflektiert) 8 2 "Gegen HELBIGS Unterscheidung von Adjektiven, Adverbien [ . . . ] nach syntaktischen Kriterien müssen folgende Einwände vorgebracht werden: Der prädikative Substitutionsrahmen allein läßt keine sichere Entscheidung über die Wortklassenzugehörigkeit der einsetzbaren lexikalischen Einheiten zu, da er sowohl bei Adjektiven als auch bei Adverbien a u f t r i t t . " 8 3 In Obereinstimmung mit STARKE sind wir auch der Auffassung: Das zentrale Problem bei HELBIGS Wortklassifikation ist die Zuordnung gleichlautender Wortformen ohne Rücksicht auf ihre aktuelle Bedeutung und die semantische Struktur der Lexeme, zu denen sie gehören, zu unterschiedlichen Wortklassen primär auf Grund ihres syntaktischen Verhaltens.84 78

Helbig/Buscha 1972/1987, S. 19. Vgl. Heibig 1977, S. 96 80 Helbig/Buscha 1972/1987, S. 19. 81 Helbig/Buscha 1987, S. 308. 82 Vgl. Helbig/Buscha 1987, S. 338. 83 Starke 1977, S. 194. 84 Ebd., S. 196. 79

21 So werden z . B . gleichlautende Wörter in und Adverbien aufgespaltet: während stark in ( 6 ) der Bursche ist stark (7) der starke Bursche (8) der starke Raucher

Adjektive

( 9 ) starker Regen ein Adjektiv ist, ist es in (10) er raucht stark

(11) es regnet stark aber ein Adverb. Demnach werden alle adverbial verwendeten Adjektive auch Adverbien. Dazu äußert EISENBERG: "Fast alle Adjektive können adverbial verwendet werden. Würde man sie in dieser Verwendung als Adverbien klassifizieren, wären die Adjektive Homonyme einer Teilklasse der Adverbien." 85 "Es besteht also die Gefahr, daß man 'zu einem Labyrinth von Wortklassen oder zu zahlreichen Homographen1 gelangt (EGGERS, 1969, 3 3 ) , wenn man Wörter oder Wortformen allein auf Grund gleicher Distribution in Wortklassen zusammenfaßt.· 86 Noch schärfere Kritik kam neuerdings von ENGEL 1988, der schreibt: Hauptnachteil dieses Verfahrens ist, daß in die meisten Distributionsrahmen auch andere Wörter eingesetzt werden können. [...] Die Tatsache, daß die meisten Wörter 'nominalisiert1, also in die Klasse der Nomina überführt werden können, zeigt jedenfalls, daß das distributioneile Verfahren herkömmlicher Art für die Unterscheidung der Wortklassen kaum geeignet ist.87 In Anlehnung an HJELMSLEVs Unterscheidung zwischen dem sprachlichen Verlauf und dem sprachlichen System, der bzw. das jeweils dem Begriff Syntagmatik bzw. Paradigmatik entspricht, etablierte BERGENHOLTZ/SCHAEDER 1977 5 Lexemklassen im System und 51 Wortarten im Verlauf, wobei die letzteren nach rein syntaktischen Kriterien, nämlich den syntaktischen Positionen und Funktionen definiert werden. 88 Das Adjektiv wird im Unterschied zu HELBIG/BUSCHA wie folgt definiert: "Im Ver-

85

Eisenberg 1989, S. 220. Starke 1977, S. 197. 87 Engel 1988, S. 17. 88 Vgl. Bergenholtz/Schaeder 1977, S. 52ff und S. 73ff. 86

22

lauf bezeichnen wir als Adjektive nur Wörter, die in dem Rahmen (1) der ... Mann stehen können." 89 Das bedeutet, daß nur die vorangestellt-attributiven "Beiwörter" Adjektive sind, die prädikativen und adverbialen Adjektive aber den Adverbien zuzuordnen sind. Darüber hinaus wird für nur zwei adjektivische Wortformen wievielte und wievielten - eine Wortart INTERROGATIVADJEKTIV etabliert. 90 Zur Kritik an diesem Wortartsystem schließen wir uns EGGERS91 an und meinen außerdem, daß die Definition des Adjektivs nur einen kleinen Teil der zumeist als solches zu verstehenden Wörter erfaßt. Im ganzen mag dieses System seinem eigenen Zweck , dem "maschinellen Textanalyseverfahren" zu dienen, 92 genügen, ist aber für den allgemeineren Zweck, beispielsweise für den Erwerb der deutschen Sprache als Fremdsprache oder auch als Muttersprache kaum geeignet. Bei der Beurteilung der Anwendung eines einheitlichen Einteilungskriteriums ist SCHMIDT zuzustimmen, wenn er, nachdem er die drei von SÜTTERLIN nach den einheitlichen Kriterien vorgenommenen Wortarteinteilungen vorgestellt hat, resümiert: Bei konsequenter Durchführung eines einheitlichen Einteilungsprinzips ist eine alle Besonderheiten erfassende Klassifizierung nicht möglich.93

ADMONI widerspricht ebenfalls der Möglichkeit der Anwendung eines einheitlichen Kriteriums und kommt zu dem Schluß, "das kein einziges der Kriterien allein, noch die dominierende Stellung eines einzelnen Kriteriums gerechtfertigt sei; bei der Behandlung der Wortart seien alle drei Kriterien unbedingt zu berücksichtigen.*9* Denn die sprachlichen Erscheinungen seien überhaupt durch einen großen Aspektreichtunt charakterisiert, der sich besonders beim Wort im höchsten Grade

89

Ebd., S. 107. Vgl.ebd.,S. 108f. 91 V&. oben S. 21. 92 Vgl. Bergenholtz/Schaeder 1977, S. 10. 93 Schmidt 1967, S. 61. 94 Vgl. Bergenholtz/Schaeder 1977, S. 22. 90

23 geltend mache95 Dies gilt besonders für die hier interessierende Wortart Adjektiv. Deshalb reicht die einseitige (ausgenommen die FLÄMIG'sche) Wortartbestimmung des Adjektivs in den oben erwähnten Arbeiten nicht aus, um die Gesamtcharakteristik dieser Wortart herauszubekommen . ADMONI selber geht es nicht darum, "mit der traditionellen Grammatik zu brechen, sonder zu versuchen, ihr System zu vervollkommnen und weiterzuentwickeln". 9€ Er "mißt dem traditionellen System der Klassifikation der Wortarten "objektiven, wissenschaftlichen Wert 1 bei und gibt als Begründung an, daß die eigenartige aspektmäßige Natur der sprachlichen Erscheinungen [. . . ] auch eine eigenartige, aspektmäßige Methodik bei ihrer Klassifizierung erfordere". 9 7 Der Einteilung der Wortarten im einzelnen legt ADMONI "drei miteinander verbundene, aber nicht verschmelzende Hauptkriterien' zugrunde, und zwar 1. den verallgemeinerten abstrahierten Bedeutungsgehalt, 2. die morphologische Struktur, 3. die syntaktische Funktion.98

So behält Admoni im Prinzip das traditionelle System der zehn Wortarten bei und ergänzt es durch drei weitere, nämlich Negation, Modalwort und Partikel. 99 Das Adjektiv wird wie in der traditionellen Grammatik mehrschichtig behandelt, wobei die wechselseitigen Beziehungen der drei als Einteilungskriterien hingestellten Wesensmerkmale des Adjektivs in sehr geschickter und überzeugender Weise dargestellt worden sind. 100 Als eine grundsätzliche Kritik stellt BERGENHOLTZ/ SCHAEDER 1977 fest: "Warum genau jene semantischen und/ oder morphologischen und/oder syntaktischen Kriterien allein oder zusammen angegeben wurden, wird nicht begründet oder erläutert." 1 0 1 Nicht begründet oder er95

Vgl. Schmidt 1967, S. 68. Ebd. 97 Sommerfeldt/Starke u.a. 1988, S. 58. 98 Ebd. S. 58f. 99 Vgl.ebd.,S.59. 100 Vgl. Admoni 1970, S. 141ff. 101 Bergennoltz/Schaeder 1977, S. 22. 96

24 läutert wird auch, wann oder wo und wie genau, d.h. in welchen Zusammenhang oder in welcher Phase bzw. welcher Stufe der Einteilung und in welcher Reihenfolge bzw. Rangordnung bei welcher Wortart diese Kriterien eingesetzt werden sollen. Im Fall der Wortartbestimmung des Adjektivs werden die drei Kriterien gleichzeitig oder nebeneinander verwendet und es fehlt eine Definition des Adj ekt ivs. Eine ganz andere, in vieler Hinsicht sehr aufschlußreiche Einteilung der Wortarten bietet SCHMID 1970/1987 an, die auf einer eigenen allgemeinen Wortarttheorie beruht. Angesichts der zeichentheoretischen Tatsache "daß man mit der seit DE SAUSSURE üblichen Zweigliederung: Bezeichnendes - Bezeichnetes nicht mehr auskommen konnte", 102 fügte SCHMID in seiner sprachsemiotisch orientierten Wortarttheorie als Neuerung die syntaktische und die pragmatische Funktion sowie die Funktion der Autonomie des Zeichens hinzu. 103 Aufgrund der Unterscheidung dieser vier jeweils positiv oder negativ spezifizierten Funktionsmerkmale erhält man ein Funktionsmerkmalbündel : Z = [ ± SEM, ± SYN, ± PRAG, ± AUT ], 1 0 4

das jedem Zeichenträger zugeordnet werden kann. 105 Die sich so ergebenden 2 4 = 16 Möglichkeiten auf die Wortarten angewandt, erhält man 16 Wortarten. Das Adjektiv wird als [+SEM, -SYN, +PRAG, -AUT] definiert, d.h. : Adjektiv ist eine Wortart, die semantisch eine Bedeutung hat, syntaktisch nicht regiert, sondern re-

102 103

Schmidl987,S. 85. Vgl.ebd.,S.85f.

104 ygj gjxj^ g 86 mxj § 89 [tort werden diese Merkmale genau definiert; diese Definitionen können, wenn wir von den negativ spezifizierten Merk malen absehen, in groben Zügen wiedergegeben werden: SEM bedeutet die im Lexikon angebbare Bedeutung, SYN syntaktisch regierende Funktion, PRAG Determinierung hinsichtlich der Sprechsituation, z.B. Beziehungen zum Sprecher, verschiedener Arten der Deixis, der temporalen, lokalen und modalen Beziehungen etc. und AUT die satzkonstituentenbildende Funktion. 105 Vgl.ebd.,S. 86.

25

giert wird, pragmatisch die Sprechsituation determiniert und allein keine Satzkonstituente bildet. 106 Die wesentlichen Vorzüge des SCHMID 1 sehen Wortartsystems bestehen darin: 1. die gleichermaßen auf alle Wortarten verwendbaren Einteilungskriterien sind genau definiert und begründet ; 2. es wird keine andere Wortart vorausgesetzt, um eine bestimmte zu definieren; 3. von diesem System können die einzelnen natürlichen Sprachen in unterschiedlicher Weise Gebrauch machen, d.h. es ist für den sprachtypologisehen Vergleich besonders von Bedeutung. 107 Auf der anderen Seite wird zugunsten der universellen Gesichtspunkte bewußt auf die morphologische Komponente der flektierenden Sprachen verzichtet, wodurch ein wichtiges Kriterium für die flexionsreichen Sprachen wie die deutsche nicht zur Geltung gebracht werden kann. Im übrigen muß auch dieses System an einigen Stellen Modifikationen bzw. Kompromisse erfahren, wenn es auf einzelne Sprachen angewandt wird: man denke z . B . an die Adjektive im Deutschen, die im attributiven und prädikativen Gebrauch bestimmte Kasus regieren. 108 In den neueren grammatischen Darstellungen wie z . B . EISENBERG 1989 werden die Wortarteneinteilung bzw. einzelne Wortartdefinitionen nicht behandelt, sondern zumeist vorausgesetzt. Zwei ganz neue Arbeiten der deutschen Grammatik haben dieses Thema wieder in Angriff genommen und verdienen hier nähere Darstellung, nämlich SOMMERFELDT/STARKE u . a . 1988 und ENGEL 1988. In ihrer EINFÜHRUNG IN DIE GRAMMATIK DER DEUTSCHEN GEGENWARTSSPRACHE stellen SOMMERFELDT/STARKE u.a. zur Frage der Wortarteneinteilung fest, daß sich in der bisherigen Auseinandersetzung über die Prinzipien einer wortartmäßigen Aufgliederung des Wortbestandes im Grunde zwei Richtungen erkennen lassen: 106

Vgl.ebd.,S.93f. Vgl. ebd. 1970, S. 20 und 1987, S. 97. 108 Z.B.: Er ist mir bei der Arbeit behilflich·. Er ist des Deutschen nicht mächtig etc. Vgl. auch Schmid 1987, S. 95f. 107

26

Einmal wird der Hauptmangel bisheriger Klassifikation darin gesehen, daß verschiedene, sich übericreuzende Prinzipien angewandt werden (heterogene Wortartklassifizierung), also kein einheitliches Entscheidungskriterium angewandt wird, und konsequenterweise die Anwendung nur eines Kriteriums gefordert {homogene Wortartklassifizierung); andererseits verteidigten und verteidigen Sprachwissenschaftler die Heranziehung verschiedener Kriterien (grammatisch-semantischer, morphologischer, syntaktischer) als ein Verfahren, das allein dem kompliziertuneinheitlichen Charakter mancher Wortarten gerecht wird [...].109 SOMMERFELDT/STARKE u. a selber vertreten aber die Auffassung, "daß für die Anerkennung einer Gruppe oder Klasse von Wörtern als Wortart das Vorhandensein einer kategorialen Bedeutung und gemeinsamer formal-grammatischer Merkmale unerläßlich ist", 110 wobei sie die kategor iale Bedeutung für dominant halten, da die übrigen (morphologischen und syntaktischen) Merkmale von ihr mehr oder weniger deutlich abhängen.111 Nach Diskussion dreier Wortartensysteme von ADMONI, HELBIG/BUSCHA und FLÄMIG und eingehender Analyse des traditionellen Wortartensystems kommen die Autoren zu dem Ergebnis, daß sie dieses im wesentlichen beibehalten, in Modifikation dessen aber ein für die Ausbildung der Muttersprachlehrer konzipiertes System mit 7 Wortarten etablieren, nämlich: Verb, Substantiv (einschließlich Artikel) , Adjektiv, Adverb (im Rahmen dieser Wortart werden gesondert behandelt: Modalwort und Partikel), Pronomen, Präposition und Konjunktion. 112 Das Adjektiv wird in Anlehnung an GRUNDZÜGE 1981 "als morphologisch determinierte Wortklasse mit Deklinations- und Komparationsformen definiert". 113 ENGEL 1988 faßt die bisherigen Vorschläge zur Wortklassifizierung in dreierlei Verfahren zusammen und zieht daraus Konsequenzen: "Das flexematische Verfahren ist das klarste, aber auch das oberflächlichste. [ . . . ] Sein Hauptnachteil besteht darin, daß es die in vieler Hinsicht besonders interessanten unveränderlichen Wör109

Sommerfeldt/Starke 1988 u.a., S. 56. Ebd., S. 55. ni Vgl.ebd. 112 Vgl. ebd., S. 58ff und 62ff. 113 Ebd., S. 137. 110

27

ter (die Partikeln) nicht weiter zu gliedern ver114 mag"; das distributionelle Verfahren herkömmlicher Art sei für die Unterscheidung der Wortklassen kaum geeignet115 und "auch das traditionelle semantische Verfahren erbringt keine brauchbaren Ergebnisse". 116 A u f grund dessen sieht ENGEL eine Lösung darin, daß man den Distributionsbegriff erweitert, indem man neben den anderen Kontextelementen "auch die Flexionsendungen zur Umgebung rechnet", "wenn man von den STÄMMEN der Wörter (schreib, zuseh usw.) ausgeht" -- ein Verfahren, das "sich allerdings nicht in das Prokrustesbett des DISTRIBUTIONSRAHMENS zwängen läßt". 117 In diesem Zusammenhang hat ENGEL zunächst die Begriffe FLEXION, DEKLINATION, KONJUGATION und KOMPARATION erneut, aber nach den gegenwärtigen Erkenntnissen adäquat definiert. 118 Auf Grund des Kriteriums der Flexion unterscheidet ENGEL für den ersten Schritt die drei HAUPTWORTKLASSEN NOMEN, VERB und ADJEKTIV einerseits und die Sammelklasse PARTIKEL andererseits. Im nächsten Schritt werden aufgrund der Distribution im engeren Sinne (im Unterschied zu der ENGEL'sehen) aus den flektierbaren Wörtern DETERMINATIVE und PRONOMINA, aus den nichtflektierbaren PRÄPOSITIONEN, SUBJUNKTOREN, KONJUNKTOREN, ADVERBIEN, MODAL-, RANGIER-, GRAD-, KOPULA- und ABTÖNUNGSPARTIKELN sowie SATZ-ÄQUIVALENTE ermittelt. Mit Einschluß der restlichen Partikeln wie als und wie in bestimmten Verwendungen sowie Milch, lauter, lila, prima, etwas, nichts u . a . kommt ENGEL ebenso wie SCHMID zu insgesamt 16 Wortklassen. 119 Die Definition des Adjektivs lautet:

Adjektive sind Wörter ohne konstantes Genus, die zwischen Determinativ und Nomen stehen können. 12°

114

Engel 1988, S. 17. Vgl. ebd.; siehe auch oben S. 21. 116 Ebd. 117 Ebd. 115

118

Siehe ebd., S. 18. Vgl. ebd., S. 18f. 120 Ebd., S. 556. 119

28

In Auseinandersetzung mit den Versuchen, das Adjektiv semantisch oder mittels der Komparierbarkeit zu definieren, führt ENGEL aus: Jeder Versuch, das Adjektiv semantisch zu definieren, führt zwangsläufig zu Wörtern, die der Definition nicht genügen und dann nur noch als "Sonderfalle" oder "Ausnahmen" zu registrieren sind. [...] in Wirklichkeit ist nur ein kleiner Teil der Adjektive komparierbar [...]. So eignet sich die Steigerbarkeit/Komparierbarkeit allenfalls zur Definition einer kleineren Subklasse der Adjektive. Daher kann nur die oben angegebene Definition als tauglich angesehen werden.121 Nach dieser Definition gehören zu den Adjektiven als Kernbereich vor allem die deklinierbaren vorangestelltattributiv verwendbaren Adjektive im herkömmlichen Sinne, ferner die Ordinal- und die meisten Kardinalzahlwörter, die gerundivischen Adjektive, die Partizipien I und diejenigen Partizipien II, die entweder zu passivfähigen Verben gehören oder aber zu denjenigen nicht passivfähigen Verben, die ihr Perfekt mit sein bilden und resultative Bedeutung haben. Aus den Adjektiven ausgeschlossen sind die nicht deklinierbaren Adjektive wie lila und prima und die nur prädikativ verwendbaren Adjektive wie feind, gram und quitt. Die letzteren werden bei ENGEL als Kopulapartikeln klassifiziert. 122 Insgesamt gesehen, ist die ENGEL'sehe Klassifizierung der Wortarten, die auf einem erweiterten Distributionsbegriff beruht, ein erfolgversprechender Versuch, bei dem primär "innersprachlich-grammatische", 123 d.h. morpho-syntaktische (wobei syntaktisch als syntaktischdistributionell zu verstehen ist) Kriterien angewandt werden. Ähnlich wie bei der FLÄMIG 1 sehen Systematik sind bei der ENGEL'sehen die Vorzüge des morphologisch und des syntaktisch orientierten Wortartsystems übernommen und deren Hauptnachteile, nämlich die Oberflächlichkeit des ersteren und die Unzuverlässigkeit mit dem "Distributionsrahmens" des letzteren überwunden. Der besondere Vorzug des ENGEL'sehen Verfahrens besteht darin, daß die sonst so schillernder Sammelklasse der Partikeln nun differenzierter und detaillierter be121

Ebd.

122

Vgl. ebd.. S. 556f und oben S. 27, Anm. 119. Heibig 1977, S. 94.

123

29

handelt wird. Bei der Definition des Adjektivs beruft sich ENGEL wie auch BICKES124 hauptsächlich auf dessen PRÄNOMINALE STELLUNG, wobei die nichtdeklinierbaren Wörter wie lila, und prima bei ENGEL durch die Anwendung des flexematischen Distributionskriteriums aus den Adjektiven ausgeschlossen sind, 125 während dies bei BICKES nicht der Fall ist. Hierbei bleibt aber auch ENGEL selber nicht konsequent genug: im Abschnitt N 066 stellt ENGEL die genannten Wörter wiederum als "unveränderliche Adjektive" den deklinierbaren gegenüber.126 Das ist eigentlich nicht weiter verwunderlich, denn in der Definition des Adjektivs steckt schon der Widerspruch: je nachdem, welches der beiden Kriterien - das flexematische oder das syntaktische Distributionskriterium - schwerer wiegt bzw. zuerst angewandt wird, werden die fraglichen Wörter ein- oder ausgeschlossen. In dem obigen Definitionssatz 127 liegt allenfalls kein Ausschluß derselben Wörter vor, auf den ENGEL eingangs ausdrücklich hingewiesen hat. Schließlich gehen wir noch kurz auf BICKES 1984 ein, der in seiner Dissertation "Das Adjektiv im Deutschen. Untersuchungen zur Syntax und Semantik einer Wortart" das Adjektiv unter integrativ linguistischen Gesichtspunkten 128 beschreibt. In kritischer Auseinandersetzung mit den Logischen Semantikern über die Frage der Definition und der Behandlung des Adjektivs 129 stellt sich BICKES u . a . die Aufgabe, eine Definition des Adjektivs unter Berücksichtigung der Wortarteneinteilung, d.h. im Zusammenhang eines bestimmten Wortartensystems anzustreben. 130 Wie sich aber später herausstellt, wird diese Aufgabe allerdings nicht wie erwartet erfüllt: Statt auf den wortartliehen Status des Adjektivs innerhalb eines Wortartsystems einzugehen und damit eine 124

Vgl. unten S. 30, Anm. 136. Vgl. Engel 1988, S. 18. 126 Vgl. ebd., S. 560. 127 Vgl. oben S. 27. 128 Vgl. Bickes 1984, S. 9 und S. 143. 129 Vgl. ebd., Kapitel l, S. 13-36 und z.T. auch oben, S. 15. 130 Vgl. ebd., S. 37f und das Zitat oben S. 16, Anm. 61. 12 5

30 eindeutig und klar formulierte Definition derselben Wortart zu liefern, verweist BICKES bei der Bestimmung der Adjektive unvermittelt auf die Vorschläge von STARKE,131 die ihrerseits auch isoliert, d.h. ohne Kontext eines vollständigen Wortartsystems - da nur zwecks Abgrenzung der Adjektive und Adverbien - formuliert wurden. 132 Zur Eingrenzung einer Wortart vertritt BICKES die Auffassung, "zunächst eine Trennung in semantische Aspekte einerseits und syntaktisch-distributionelle sowie morphologische Merkmale andererseits vorzunehmen". 133 Demnach werden die Adjektive in "kategorialsemantischen" 134 und distributionellen Gesichtspunkten beschrieben: Die besondere semantische Funktion der Adjektive besteht also darin, außersprachliche Erscheinungen, die vor allem durch Substantive, Verben und Adjektive kategorial auf unterschiedliche Weise erfaßt bzw. abgebildet werden, in Bezug auf bestimmte Dimensionen bzw. Aspekte näher zu bestimmen: Der leise Gesang - leise singen - angenehm leise singen. Damit wäre eine erste Eingrenzung nach semantischen Kriterien erreicht: Inhaltlichkategorial fassen Adjektive außersprachliche Erscheinungen als Eigenschaften oder Merkmale, funktional agieren sie als "charakterisierende Beiwörter".135 Unter distributionellem Aspekt wird "die pränominale Stellung" der Adjektive zum wortklassenspezifischen Merkmal hervorgehoben.136 Bei der Subklassifizierung der Adjektive nach distributioneilen Gesichtspunkten stützt sich BICKES ebenfalls auf STARKE137 und unterscheidet 1. Attributiva und Prädikativa, d.h. Adjektive, die entweder nur attributiv oder nur prädikativ verwendbar sind (Jbaldig - wohlauf) ; 2. auf attributiven und adverbialen Gebrauch beschränkte Adjektive (anfänglich);

131

Vgl.ebd.,S.43. Vgl. Starke 1977, S. 200. 133 Bickesl984,S.44. 132

134

Zu diesem Begriff vgl. ebd., S. llf und 41ff. Ebd., S. 49. 136 Vgl. ebd., S. 50. 137 Siehe oben Anm. 132. 135

31 3. attributiv, prädikativ und adverbial verwendbare Adjektive (goit). 1 3 8 Die eigenen beachtenswerten Beiträge von BICKES zur Adjektivforschung sind vor allem darin zu sehen, daß er erstens mit Hilfe des kategorialsemantischen Ansatzes feststellt: "Adjektive bezeichnen nicht Eigenschaften, sondern Sprecher charakterisieren Eigenschafts- bzw. Referenzträger mit Hilfe von Adjektiven, mittels welcher außersprachliche Erscheinungen kategorialsemantisch als Eigenschaften gefaßt werden.· 139 Zweitens unterscheidet er zur Bestimmung der zwischen Adjektiven und ihren Determinaten möglichen semantischen Verbindungen zwischen dem EIGENSCHAFTS- bzw.REFERENZTRÄGER und der CHARAKTERISTISCHEN EIGENSCHAFT (des Eigenschaft strägers) auf der Denotatsseite des Determinats. 140 Diese Unterscheidung ermöglicht es, die syntaktisch-semantischen Mehrdeutigkeiten der Konstruktionen wie der starke Raucher, der alte Freund u . a . angemessener zu erklären: beispielsweise bezieht sich demnach stark oben ko- und kontextuell entweder auf den Eigenschaftsträger, d.h. das Individuum oder auf die diesen charakterisierende Eigenschaft, d.h. "ist Raucher·, 141 2.3. ABGRENZUNG VON ANDEREN WORTARTEN Aus den bisherigen Ausführungen über die Probleme der Definition des Adjektivs und der Klassifikation der Wortarten können folgende Einsichten festgehalten werden: 1. Es gibt weder eine Definition der einzelnen Wortart, beispielsweise der des Adjektivs, noch eine Klassifikation des gesamten Wortbestandes, die sich als allgemeingültig erwiesen hat und damit eine allgemeine Anerkennung findet. So "erscheint jede Klassi-

138

139

VgJ. Bickes 1984, S. 51 und dazu Stellte 1977, S. 200.

Ebd., S. 139. 140 Vgl.ebd.,S.9fund86ff. 141 Vgl.ebd.,S. 86ff.

32

fizierung angreifbar und als nur eine von vielen möglichen Lösungen". 142 2 . "Im Hinblick auf diese Überlegungen sollte eine Klassifizierung des Wortbestandes eigentlich zumindest theoretisch der Mehrdeutigkeit der Wortstruktur Rechnung zu tragen versuchen und die verschiedenen Beschreibungsebenen berücksichtigen, d.h. eine mehr oder weniger konsequente Gesamtcharakteristik der Wortarten anstreben. Aber gerade ein exakt gehandhabtes derartiges Verfahren als Prinzip der Wortklassendefinition dürfte sowohl prinzipiell als auch im Hinblick auf eine angemessene Praktibilitat nicht unerhebliche Schwierigkeiten bereiten, - allein schon wenn es gilt, eine relative Isomorphie der Beschreibung auf den verschiedenen Ebenen herzustellen.' 143 3. Eine Definition der einzelnen Wortart, in unserem Fall: des Adjektivs, kann nur dann ihre Rechtfertigung und ihren theoretischen Wert erfahren, wenn sie im Zusammenhang eines bestimmten Wortartensystems formuliert wird. 4. Aufgrund der Tatsache, "daß die Hauptwortarten im grammatischen Sinne keine homogenen Wortklassen sind", 1 4 4 ist innerhalb jeder Hauptwortart zwischen einem ZENTRUM und einer PERIPHERIE zu unterscheiden. "Die Unterscheidung des Zentrums und der Peripherie einer Wortart wird den Einblick in das Wesen einer Wortart vertiefen, was seinerseits dazu verhelfen soll, das Problem der Klassifizierung der Wortarten einer adäquaten Lösung näherzubringen." 145 Aufgrund der obigen aus den bisherigen Ausführungen gewonnenen bzw. bestätigten Einsichten und im Bewußtsein der Tatsache, daß jede Klassifizierung der Wortklassen "nur eine von vielen möglichen Lösungen" darstellt und daß "im Ergebnis eine völlig widerspruchsfreie Wortklasseneinteilung, die alle 'Sonderfalle' be142

Gross 1988, S. 52. Grundzüge 1981, S. 488. 144 Charitonova 1977, S. 29. 145 Ebd. Vgl. auch unten S. 33. 143

33

rücksichtigt, kaum zu erreichen sein wird*, 1 4 6 orientiert sich unsere Wortartenbestimmung an dem FLÄMIG 1 schen Wortartensystem, wie es in GRUNDZÜGE EINER DEUTSCHEN GRAMMATIK dargestellt wird. Dementsprechend wird die mehrschichtig angelegte Bestimmung des Adjektivs wie folgt formuliert: Adjektive [...] bilden eine grammatische Klasse von genusveränderlichen Wörtern mit Kasusformen ("deklinierbar"), Komparationsformen ("graduierbar") und der Fähigkeit, sich mit Verben und mit Substantiven, z.T. auch mit Adjektiven/Adverbien zu verbinden, wobei sie Geschehnisse/Seinsarten und Wesen/Gegenstände, z.T. auch Eigenschaften charakterisieren können.147

In Übereinstimmung mit BICKES 1984 und BALLMER/ BRENNENSTUHL 1982 wird hier die Auffassung vertreten, daß die kategorialsemantische Leistung des Adjektivs darin besteht, außersprachliche Erscheinungen als Eigenschaften oder Merkmale zu fassen und sie in Bezug auf bestimmte Dimensionen bzw. Aspekte148 naher zu bestimmen. Allerdings t r i f f t die so konstatierte Gesamtheit der für die Wortart Adjektiv charakteristischen grammatischen Merkmale auch nur für den Kernbereich zu, an den sich eine Peripherie anschließt, deren Merkmalstruktur nicht so vollständig ist. 149 Hierher gehören die - fast für jedes Wortartensystem bzw. jede Adjektivdefinition problematischen Wörter, nämlich die sogenannten nichtdeklinierbaren und nichtkomparierbaren Adjektive wie lila, prima, gram, quitt etc. Zur Abgrenzung der Adjektive von den Adverbien dienen nach dem FLAMIG'sehen Wortartensystem und in Einvernehmen mit STARKE 1977 und BICKES 1984 die folgenden drei Aspekte: 150

146

Grundzüge 1981, S. 494. Ebd., S. 601. 148 Vgl. oben S. 30, Anm. 135 und Ballmer/Brennenstuhl 1982, S. 10, dort heißt es: "Adjektive/Adverbien modifizieren (oder spezifizieren) Verben oder No mina. Aber was modifizieren (spezifizieren) sie an den Verben/Nomina, was thematisieren sie? Unsere Antwort: Dimensionen." 149 Vgl. Sommerfeldt/Starke 1988, S. 54. 150 Vgl. Grundzüge 1981, S. 445f, S. 621f; Starke 1977, S. 200f; Bickes 1984, S. 52. 147

34 1. Morphologisch sind die Adjektive deklinierbar, die Adverbien aber nicht-deklinierbar; 2 . Syntaktisch können die Adverbien im Gegensatz zu den Adjektiven nicht als Attribute unmittelbar vor dem Substantiv verwendet werden und 3. Kategorialsemantisch können mittels Adjektiven sowohl Erscheinungen, "welche ihrerseits kategorial (meistens mittels Vollverben) als Handlungen, Vorgänge oder Zustände erfaßt werden", als auch Erscheinungen, "welche kategorial (meist qua Substantive) in gegenständlicher Weise erfaßt werden", 151 charakterisiert werden, während mittels Adverbien nur auf erstere, nicht aber auf letztere (Ausnahme bei der nachgestellt-attributiven Verwendung der Adverbien 152 ) charakterisierend Bezug genommen werden kann. Zur Abgrenzung der in der prädikativen Position konkurrierenden nicht-deklinierbaren Adjektive (schuld, wohlauf) und Adverbien (lange, anders) wird in Anlehnung an GRUNDZÜGE 1981 das folgende Kriterium konstatiert: wenn das betreffende Wort nur als Prädikativ, nicht aber als Adverbiale gebraucht werden kann, dann gehört es zu den Adjektiven; wenn es sowohl als Prädikativ als auch als Adverbiale gebraucht werden kann, ist es ein Adverb.153 Zur Problematik der sogenannten Adjektivadverbien stimmen wir der Kritik von EISENBERG154 zu und vertreten hierbei die Auffassung, daß sie nach dem FLÄMIG'sehen Wortartsystem wegen ihrer Deklinierbarkeit den Adjektiven zuzuordnen sind. Die hinsichtlich des Wortartstatus umstrittenen Modalwörter sind ziemlich heterogen: zu ihnen gehören im allgemeinen nicht graduierbare Adjektive (wahrscheinlich, selbstverständlich), Adverbien (vielleicht.

151

Bickes 1984, S. 52. Vgl. ebd., S. 52f, Anm. 2. 153 Näheres vgl. unten Abschnitt 4.1.3.1.2. 154 Siehe oben S. 21. 152

35

glücklicherweise) und Partikeln (freilich).155 Aufgrund ihrer syntaktischen Eigenständigkeit werden sie vor allem in der sowjetischen Germanistik und in der der DDR als eigene Wortart etabliert. Dafür sprechen ADMONI 1970, MOSKAL'SKAJA 1971, GULYGA 1977, HELBIG/BUSCHA 1972/1987, HELBIG 1984, DIELING 1986 sowie BICKES 1984, der unter Berufung auf GULYGA 1977 vor allem die (kategorial) semantischen Aspekte der betreffenden Wörter zur Geltung bringt. 156 Nach dem FLÄMIG 1 sehen System können die Modalwörter sowohl als eigene Wortart als auch als Subklasse der jeweils betreffenden Wortart klassifiziert werden. Infolge der Deklinierbarkeit eines betrachtlichen Teils der Modalwörter und der Tatsache, daß diese Teilklasse der Modalwörter mit einer Teilklasse der Adjektive gemeinsam hat, als Satzadverbiale fungieren zu können, 157 wird hier für die Modellvariante a158 des FLÄMIG'sehen Wortartsystems entschieden, d . h . : die betreffenden Wörter werden als Subklassen der jeweils betreffenden Wortart behandelt die deklinierbare Teilklasse wird den Adjektiven zugerechnet . Ein weiteres Abgrenzungsproblem stellt die Unterscheidung zwischen den Adjektiven und den Partizipien dar. In Bezug auf die transformationeile Behandlung der Partizipien in MOTSCH 1964 stellt EISENBERG die Unsicherheit bei der kategorialen Abgrenzung von Adjektivund Verbformen fest, die darauf zurückzuführen ist, daß "keine Kriterien dafür genannt werden, ob eine Form als adjektivisch, verbal oder als beides anzusehen ist". 159 In vielen einschlägigen deutschen Grammatiken, z . B . DUDEN-GRAMMATIK (1984: 194), GRUNDZÜGE (1981: 6 0 3 ) , SCHMIDT (1967: 2 3 5 f f ) , BRINKMANN (1971: 99; 2 6 5 f f ; 155

Vgl. Hämig 1977, S. 49 und Starke 1977, S. 196f. Zu den Partikeln vgl. Weydt 1979; Helbig/Kötz 1981; Buikhardt 1982; Burichaidt 1984 und Buik hardt 1985. 156 Vgl. Flämig 1977, S. 49 und im einzelnen: Admoni 1970, S. 204ff; MoskaTskaja 1971, S. 56ff; Gulyga 1977, S. 79ff; Helbig/Buscha 1987, S. 500f; Heibig 1984, S. 104ff; Dieling 1986, S. 144ff und S. 207 ff; Bickes 1984, S. 53ff. 157 Vgl. unten Abschnitt 4.3.2. 158 Vgl. Grundzüge 1981, S. 491. 159 Eisenberg 1976, S. 93.

36

2 7 1 f f ) , EISENBERG (1989: 109, 116ff) und ENGEL (1988: 557) wird die Auffassung vertreten, daß alle Partizipien I "adjektivisch" bzw. "wie ein Adjektiv" gebraucht werden können und damit "adjektivische Funktion" haben, nur BRINKMANN und ENGEL nennen sie auch wirklich ADJEKTIV. Von den Partizipien II werden diejenigen, "die entweder zu passivfähigen Verben gehören oder aber zu denjenigen nicht passivfähigen Verben, die ihr Perfekt mit sein bilden und resultative Bedeutung haben", 160 als "adjektivisch verwendbar" bzw. zu den Adjektiven (bei ENGEL) gezählt. Mit diesen unklaren Formulierungen wie "wie ein Adjektiv", "adjektivischen Charakters" etc., die auch in den frühen Ausgaben der DEUTSCHEN GRAMMATIK von HELBIG/BUSCHA zu finden waren, hat sich bereits DITTMER kritisch auseinandergesetzt, 161 woraufhin in den späteren neubearbeiteten Ausgaben (seit 1981) auf solche vagen Formulierungen verzichtet wurden. Andere Meinungen vertreten MOTSCH (1964: 116ff), DITTMER 1982 und BICKES (1984: 118ff). So sind Partizipien I für MOTSCH (obwohl nicht konsequent durchgehalten) und für BICKES (mit Ausnahme derjenigen, die sowohl attributiv als auch prädikativ erscheinen können) Verbformen, Partizipien II für MOTSCH und DITTMER, für BICKES aber mit derselben Ausnahme wie bei Partizipien I ebenfalls Verbformen. Diese Diskussion über die Partizipien im Deutschen wurde vor kurzem von WUNDERLICH und TOMAN erneut aufgegriffen, wobei es u.a. auch um den kategorialen Status der Partizipien bzw. die Abgrenzung zwischen denselben und den Adjektiven geht. 162 In Anlehnung an BICKES, DITTMER und HELBIG/BUSCHA 1987 wird in der vorliegenden Studie die Auffassung vertreten, daß von den PARTIZIPIEN I nur diejenigen als Adjektive klassifiziert werden können, die sowohl attributiv als auch prädikativ verwendet werden können, vgl. dazu die Beispiele von BICKES: 163 160

Engel 1988, S. 57. Vgl. Dittmer 1982, S. 74ff. 162 Vgl. Wunderlich 1987, S. 345-366; Toman 1986, S. 367-408 und Toman 1987, S. 411-417. Zum kategorialen Status vgl. besonders Wunderlich, ebd., S. 351 und 355. 163 Vgl. Bickes 1984, S. 122f. Die Nummern der Beispiele sind geändert. 161

37 (12) Das schlagende Argument (Adjektiv) (13) Das Argument ist schlagend. (Adjektiv) Die meisten der übrigen Partizipien I, die nur attributiv erscheinen können, werden nach BICKES als "Transformationen verbaler Prädikate in pränominale Attribute' 164 verstanden und bleiben Verbformen: (14) Der schlagende Hans (Verb) (15) * Hans ist schlagend. Dafür sprechen auch die von HELBIG/BUSCHA festgehaltenen Fakten, daß das Partizip (I wie II) alle notwendigen Glieder mit Ausnahme des Subjekts bei sich behält und daß es durch freie Glieder erweitert werden kann: 165 (16) Sie ermähnte ihn, an seine Ehrlichkeit appellierend. (17) Spät heimkehrend, fand sie die Wohnung verschlossen. Dasselbe Kriterium der syntaktischen Verwendungsmöglichkeit, nämlich sowohl attributiv als auch prädikativ erscheinen zu können, generell auf PARTIZIPIEN II anzuwenden, wie BICKES es auch tut, 1 6 6 ist für uns inadäquat, da auf diese Weise nicht nur Verbformen im Zustandspassiv, sondern auch die im Perfekt Aktiv bei den perfektiven Verben, die ihr Perfekt mit sein bilden, ignoriert, ja als solche aberkannt wurden, vgl.: (18) Der geschlagene Fritz 167 (19) Fritz ist geschlagen. (Verbform: Zustandspassiv) ( 2 0 ) Die verblühte Blume (21) Die Blume ist verblüht. (Verbform: Perfekt Aktiv)

164 165

Ebd., S. 123.

VgL Helbig/Buscha 1987, S. HOff. Vgl. Bickes 1984, S. 122f. Don wird festgelegt· "Demnach gut, daß ein attributiv verwendetes Partizip genau dann als Adjektiv aufzufassen ist, wenn es in prädikativer Position erscheinen kann." 167 Die Beispiele (18) und (19) von Bickes wirken relativ künstlich, besser scheinen Beispiele zu sein wie (181) Die geschlagene Sahne, und (19') Die Sahne ist geschlagen , wobei eine leichte Bedeutungsveränderung zu berücksichtigen ist. 166

38

Nach BICKES müßten die Partizipien in (18) - (21) Adjektive sein, aber, wie oben gezeigt, sind sie in (19) und (21) jedoch Verbformen. So muß das o.g. Kriterium dahingehend modifiziert werden, daß es Falle wie in (19) und (21) ausschließt. Dafür erweist sich das Kriterium der Rückführbarkeit auf verbalen Ursprung von HELBIG/BUSCHA als sehr geeignet, das beinhaltet: Zur Identifizierung der in prädikativer Position stehenden fraglichen Wortformen sollen diese daraufhin überprüft werden, ob sie auf einen der drei jeweils Präsens Aktiv-, Perfekt Passiv- und Reflexivsätze zurückgeführt werden können: wenn ja, sind sie Verbformen; wenn 168 nicht, sind sie Adjektive, z.B.: ( 2 2 ) Der Brief ist geschrieben. (= Zustandspassiv) Es war erregt. daß er mich anrief. d. --> Er war erregt. als er mich anrief. ( 4 0 ) Sie erklärte die alte Frau für verrücJct. a. +-> Ihr Erklären war verrückt b. +-> verrücktes Erklären c. +-> Es ist verrücJct. daß sie die alte Frau er38 39

Siehe Plank 1985, S. 163. Grundzüge 1981, S. 173.

69

klärt. d. —> Sie erklärte, daß die alte Frau verrückt ist. (41) Das fand ich out. a. +-> Mein Finden ist guL· b. +-> gutes Finden c. +-> Es ist crufc. daß ich das finde. d. --> Ich fand, daß das gut ist. Die Nominalisierungs- bzw. Attribuierungstests in den a. bzw. b. Ausdrücken zeigen, daß sich die Adjektive in obigen Sätzen nicht auf das jeweilige Verb beziehen; die Satzadverbstests in den c. Ausdrücken zeigen, daß die betreffenden Adjektive auch nicht die Funktion der Satzadverbiale ausüben; die Paraphrasierungen in den d. Ausdrücken machen aber deutlich, daß die Adjektive als Prädikative fungieren: in (38d) und (39d) sind sie sogar Prädikative im Hauptsatz; in ( 4 0 d ) und (41d) sind sie Prädikative im Objektsatz und beziehen sich auf das Subjekt im Gliedsatz, also Objekt im Ausgangssatz - weswegen sie auch Objektsprädikative genannt werden. Die Prädikative in 38d und 39d beziehen sich hingegen auf das Subjekt im Hauptsatz und damit auch des Ausgangssatzes - so werden sie als Subjektsprädikative bezeichnet. Zweitens erscheinen solche adjektivischen Prädikative im Gegensatz zu den kopulativen Prädikativen nicht bei Kopula t i werben, sondern bei Vollverben, so nennen wir sie nicht-kopulative Prädikative oder Prädikative bei Vollverben. Der Terminus PRÄDIKATIVES ATTRIBUT, der von HERMANN PAUL bis zu GRUNDZÜGE 1981 verwendet worden ist, ist nicht unbedingt klar, d . h . : es ist nicht deutlich, was damit gemeint ist: Attribut zu wem, zu Subjekt oder zu Prädikat? Wenn es Attribut zu Subjekt sein soll, dann ist es verfehlt, da es keine attributive, sondern eine prädikative Funktion ausübt; wenn es Attribut zum Prädikat sein soll, dann fällt die Beziehung zwischen dem prädikativen Adjektiv und dem Subjekt bzw. Objekt zum Opfer. Andererseits ist die Beziehung zu dem Prädikat auch keineswegs nur eine attributive: da liegen verschiedene Beziehungen vor, z . B . : ( 4 2 ) Er liegt krank im Bett.

70

a. --> Er ist krank. Er liegt im Bett. b. --> Er ist krank und liegt im Bett. Der Ausgangssatz ( 4 2 ) kann zurückgeführt werden auf (42a) und ( 4 2 b ) . Nach dieser Interpretationsweise stehen die beiden Prädikate in (42a) und (42b) im koordinativen Verhältnis, beide sind gleichgewichtig, keines ist dem anderen attribuiert. Man kann sie auch als zwei Propositionen betrachten, aus denen dann ein komprimierter Satz - Ausgangssatz ( 4 2 ) - entsteht. In der Generativen Transformationsgrammatik könnte man diesen Prozeß der Umwandlung von (42a) bzw. (42b) zu ( 4 2 ) durch GLEICHE NP-TILGUNG beschreiben. 40 c. --> Er ist krank, deshalb (so) liegt er im Bett. d. --> Da (weil) er krank ist, liegt er im Bett. In ( 4 2 c ) und ( 4 2 d ) liegt eine kausale Beziehung vor und sie wird realisiert durch den gesamten Satz, in dem krank kopulatives Prädikativ ist. Auf diese Weise ist es auch nicht zulässig, daß krank als Attribut zum Prädikat fungiert. Es wäre anzunehmen, daß krank hier eine adverbiale Funktion innehätte. Auch dies ist ein grundsätzlicher Irrtum, denn es ist nicht das Wort krank allein, das als Adverbiale dient, sondern der gesamte Satz, in dem krank als kopulatives Prädikativ erscheint . In all diesen Fällen der Interpretationen von ( 4 2 a ) , (42b) und (42c) , (42d) hat das Prädikativ krank den Status eines reduzierten Satzes und es ist so in dieser reduzierten Form in unseren Ausgangssatz eingegangen. Deshalb bleibt es hier immer noch Prädikativ zum Subjekt, aber nicht Attribut zum Prädikat. So ist der Begriff PRÄDIKATIVES ATTRIBUT nicht so treffend, wie auch PLANK meint: Der aus der russischen Grammatik entlehnte Terminus Koprädikativ ist für die deutsche Grammatik vielleicht ungewohnt, meines Erachtens jedoch treffender als der von HERMANN PAUL (1959) bis HEIDOLPH/ FLÄMIG/MOTSCH (1981) verwendete, aber auch keineswegs allgemeinverbindliche Terminus prädikatives Attribut.^

40 41

Vgl Pütz 1982, S. 331-367; Funk-Kolleg Sprache, Bd. l, S. 287ff. Plank 1985, S. 155, Anm. 1.

71

PLANK unterscheidet die Koprädikative von den Prädikativen mittels eines Fakultativitätskriteriums: Koprädikative sind per definitionem syntaktische Erweiteningen einfacher Satzkonstniktionen, während Prädikative obligatorische Bestandteile einfacher Satzkonstruktionen sind. 42

Sein Anliegen war, an diesen zwei Satzkonstruktionen Prädikativ und Kopradikativ die These zu beweisen, 'daß ERWEITERTE und MARKIERTE Konstruktionen so weit wie möglich analog entsprechenden EINFACHEN und UNMARKIERTEN Konstruktionen strukturiert sind". 4 3 Er kommt zu dem Ergebnis, daß "die Struktureigenschaften von Koprädikativ-Konstruktionen im wesentlichen die gleichen wie die von Prädikativ-Konstruktionen sind [ . . . ] . " 4 4 Demnach stimmen die prädikativen und koprädikativen Adjektive in folgenden Punkten völlig überein: a. Sie sind beide unflektierte Adjektive in weder attributivischer noch appositivischer Funktion, b. die prädizierend auf Subjekt oder Objekt beziehbar sind und c. die Konstitutuenten der Verbalphrase darstellen, d. ohne vom Verb durch eine interne Satzgrenze getrennt zu sein. Formal und semantisch sind sie von den regierenden Verben abhängig: die Verben bestimmen mehr oder weniger entscheidend mit, welches lexikalische Material die Prädikativ- und Koprädikativ-Relation ausfüllen kann. 4 5 Sie unterscheiden sich nur in dem einen Punkt, daß prädikative Adjektive obligatorische Bestandteile syntagmatisch nicht erweiterter (noch markierter) Konstruktionen sind, die koprädikative Adjektive hingegen fakultativ, also eine syntagmatische Erweiterung 46 sind. Ferner stellt PLANK fest, daß a. wenn ein Adjektiv koprädikativ verwendbar ist, es auch prädikativ verwendet werden kann; 42

Ebd., S. 160. Ebd., S. 155. 44 Ebd., S. 172. 45 Ebd., S. 172f. 46 Vgl.ebd. 43

72

b. wenn grammatische Mittel zur Kodierung der koprädikativen Relation verwendet werden, sie auch zur Kodierung der prädikativen Relation zur Verfügung stehen müssen. Dazu wird die Kongruenz - eine Kodierungsmittel für den attributiven Gebrauch des Adjektivs - für die prädikative wie die koprädikative Relation nicht genutzt; die präpositionalen und präpositionsähnlichen (als, wie) Kodierungsmittel dienen sowohl der prädikativen als auch der koprädikativen Relation; c. wenn eine grammatische Relation als Bezug für Koprädikative möglich ist, müssen auch Prädikative auf Phrasen in dieser Relation beziehbar sein. Damit ist der jeweilige Bezug des (Ko-) Prädikativs auf Subjekt bzw. Objekt gemeint. 47 Nach der Darstellung der PLANK 1 sehen Auffassung können wir die Schlußfolgerungen ziehen, daß das von ihm postulierte Koprädikativ in fast allen Gesichtspunkten mit dem Prädikativ übereinstimmt. Der Unterschied liegt nur darin, daß Koprädikative fakultative syntagmatische Erweiterungen sind, während Prädikative obligatorische Bestandteile der sogenannten Kernkonstruktionen sind. Das hat die These von PLANK, daß die Koprädikativ-Konstruktionen nach dem Vorbild von Prädikativ-Konstruktionen strukturiert sind, weitgehend bestätigt. Wir stimmen PLANK auch zu, wenn er meint, daß der Terminus KOPRÄDIKATIV "treffender" ist als der Terminus PRÄDIKATIVES ATTRIBUT. Obwohl der Terminus KOPRÄDIKATIV auf überzeugende Weise sachgerecht zu sein scheint, werden wir die Unterscheidung Koprädikativ vs. Prädikativ dennoch nicht machen, sondern beide Konstruktionen einheitlich als Prädikativ bezeichnen, da erstens für unseren Zweck relevant ist, ob ein bestimmtes Adjektiv als Prädikativ überhaupt verwendet werden kann oder nicht. Die prädikative Funktion des Koprädikativs ist auch bei PLANK unstrittig. Zweitens wird der Frage der Fakultativität bzw. Obligatheit des betreffenden Adjektivs, was das 47

Vgl. ebd., S. 173ff.

73

Kriterium zur Unterscheidung des Koprädikativs von dem Prädikativ b e t r i f f t , zum größten Teil durch unsere Unterscheidung der Kopulati werben von den Vollverben Rechnung getragen. Das heißt, bei Kopulatiwerben erscheinen die Adjektive automatisch obligatorisch; bei Vollverben erscheinen sie meistens fakultativ, wenn sie als Prädikativ (zum Subjekt oder zum Objekt) auftreten. Strittig ist dieses Kriterium aber bei einem Teil der Adjektive, die bei wenigen kausativen Verben vorkommen, z B · 48 ( 4 3 ) Sport macht mich krank. ( 4 4 ) Sport hält mich gesund. (45) Diese Ansichten stimmen mich bedenklich. PLANK behandelt sie zwar als erste Subklasse unter der KOPRÄDIKATIV-TYPOLOGIE, bemerkt aber auch, daß solche Adjektive Abgrenzungsprobleme im Hinblick auf Obligatheit/Fakultativität bereiten: Obwohl Verben wie in den obigen Beispielen ( 4 3 ) - ( 4 5 ) prinzipiell ohne adjektivische Erweiterungen konstruierbar sind, machen die Adjektive hier doch nicht den Eindruck freier, beliebig weglaßbarer Erweiterungen: zum Ausdruck der fraglichen Bedeutungen bedürfen die wenigen einschlägigen Verben vielmehr adjektivischer Ergänzungen. 49 Also kam Plank zu einer Kompromißlösung: Bei strikter Handhabung des Fakultativita'tskriteriums hätten wir in (A)50 also keinen Typ von prädikativen Konstruktionen zu sehen, sondern schlicht Adjektive in prädikativer Funktion, vergleichbar den obligatorischen Ergänzungen der prototypischen Kopula-Verben [...].51 Hierbei stellt sich die Frage: wenn man die Adjektive nach PLANKs Unterscheidung als Prädikativ betrachtet, muß man die Verben in diesen Konstruktionen folgerichtig als Kopulatiwerben klassifizieren. Dies ist aber bei Verben wie kommen, stimmen, halten und machen etc. schwer zumutbar: über den Status von machen haben u · .LJ * ·

48

Alle drei Beispiele stammen aus Plank 1985, S. 160. Vgl. Plank 1985, S. 160. 50 Hierbei sind die Beispiele 43-45 gemeint, vgl. auch oben Anm. 48. 51 Plank 1985, S. 160. 49

74

wir bereits oben diskutiert; 52 daß die anderen Vollverben sind, liegt klar auf der Hand, obwohl sie eine Bedeutungsabschwächung erfahren. Wenn diese Verben keine Kopulatiwerben sind, wie können die betreffenden Adjektive PRÄDIKATIV im Sinne von PLANK sein? Da bleibt nichts anderes übrig, als sie den Kopradikativen zuzurechnen, die aber per definitionem FAKULTATIVE SYNTAGMATISCHE ERWEITERUNGEN einfacher Satzkonstruktionen sein müssen. 53 Die von PLANK selbst erhobenen Einwände, daß diese Adjektive "doch nicht den Eindruck freier, beliebig weglaßbarer Erweiterungen machen", sind berechtigt: sie können auch nicht einfach fakultativ sein. So lassen sich diese Probleme nicht ohne weiteres mit dem Fakultativitätskriterium lösen. Aufgrund des oben Gesagten machen wir die Unterscheidung von PLANK in PRÄDIKATIVE und KOPRÄDIKATIVE nicht, sondern sprechen in beiden Fällen von Prädikativen, und zwar von kopulativen Prädikativen, wenn die prädikativen Adjektive bei Kopulatiwerben erscheinen, und von nichtkopulativen Prädikativen oder Prädikativen bei Vollverben, wenn sie bei Vollverben erscheinen. 4.1.3.

KOPULATIVES PRÄDIKATIV

Nachdem wir die interne und externe Bestimmung der Kopulatiwerben und des Prädikativs diskutiert haben, wenden wir uns der Darstellung der tatsächlichen Verwendungsweisen des Adjektivs zu. Eine wichtige Funktion des prädikativen Adjektivs erfüllt das kopulative Prädikativ. Da wir Kopulatiwerben als syntaktische Komplemente der Prädikativa definiert haben, sind die letzteren folgerichtig auch dasselbe für die ersteren. Strukturell kommen die adjektivischen kopulativen Prädikativa in folgender Konstruktion vor:

NP + KV + Adj

52

Vgl.obenS.62f. Vgl. Plank 1985, S. 160.

53

75

Diese Regel ist allgemein anerkannt. Problematisiert wird dabei nur das mittlere Glied der obigen Kette, nämlich das Kopulatiwerb, dessen Begrif f sumfang wir weitestgehend erweitert haben: wir rechnen nicht nur die allgemein anerkannten Verben sein, werden und bleiben zu den Kopulati werben, sondern auch Verben wie sich anhören, sich anlassen, aussehen, sich befinden, sich dünken, erscheinen, sich erweisen, sich fühlen, gelten, hängen, liegen, sitzen, stehen sich herausstellen, klingen, schmecken, sich verhalten, vorkommen, wirken etc. Solche Verben sind nur dann Kopulatiwerben, wenn sie die folgenden drei Bedingungen erfüllen: a) Sie müssen in die obige Konstruktion eingehen können; b) Das Adjektiv in dieser Konstruktion muß sich auf Subjekts-NP beziehen und darf generell keinen Bezug auf das Verb haben*. c) Die genannte Konstruktion selbst muß als Ganzes paraphrasierbar sein durch NP + ist + dem ( K ) V nach + Adj So sind z . B . die drei von den oben genannten Verben klingen, vorkommen und wirken in folgenden Sätzen Kopulatiwerben: (46) Sein Lachen klang gemein. (B 11: 158)

(47)

... hell und wild klang seine Stimme.

(B 7: 167) (48) ... das Lächeln auf meinem Gesicht ... kam mir falsch vor ... (B 6: 99 ) (49) ... kam ich mir sehr heimatlos vor. (B 20: 82 ) (50) Pelzer wirkt in keiner Weise obskur, schmierig, verdächtig. (B 15: 210) (51) ... daß sie [Bauernhöfe] unbewohnt wirken, während doch Menschen in ihnen hausen. (B 20: 83 ) Denn all diese Verben erfüllen die Bedingung a, indem sie die obigen Sätze mit der Struktur NP + (K) V + Adj verknüpfend zustande bringen. Weitere Elemente, die in dieser Konstruktion auch noch vorkommen bzw. vorkommen können, fallen für unseren Zweck nicht ins Gewicht und werden außer Betracht gelassen.

76

Was die Bedingung b) b e t r i f f t , sehen dann die Verhältnisse zwischen den Gliedern der Konstruktionen so aus: (46a) --> sein gemeines Lachen (46b) +-> gemeines Klingen (Klang) (47a) --> helle und wilde Stimme (47b) +-> helles und wildes Klingen (47c) +-> wilder Klang (47d) --> heller Klang (48a) —> das falsche Lächeln (48b) + -> das falsche Vorkommen (des Lächelns) (49a) --> heimatloser Mensch (Ich) (49b) +-> heimatloses Vorkommen (50a) --> obskurer, schmieriger, verdächtiger Pelzer (50b) + -> obskures, schmieriges, verdächtiges Wirken (51a) —> unbewohnte Bauernhöfe (51b) +-> unbewohntes Wirken (der Bauernhöfe) Die Attributsprobe, die oben verwendet worden ist, zeigt, daß die Adjektive in Sätzen (46-51) sich jeweils auf ihre Subjekts-NP beziehen; Ein Bezug auf das Verb ist zumeist unzulässig, nur bei ( 4 7 b ) ist es partiell möglich, allerdings nur bei dem deverbalen Substantiv. Ähnlich ist es mit dem Fall mit dem Verb aussehen, das wir näher betrachten wollen. Bevor wir darauf eingehen, sollten wir uns noch eine triviale Tatsache vor Augen führen: Gegenüber substantivierten Infinitiven existieren von diesen Verben abgeleitete Substantive, die sich anders verhalten als jene, z . B . : ( 5 2 ) handeln a) --> das Handeln b) --> die Handlung (53) klingen a) --> das Klingen b) --> der Klang (54) singen a) --> das Singen b) --> der Gesang (55) schlagen a) --> das Schlagen b) --> der Schlag (56) mischen a) --> das Mischen b) --> die Mischung Die obigen Wörter in a) werden substantivierte Verben ( I n f i n i t i v e ) , die in b) deverbale Substantive ge-

77

nannt. 5 4 In diesen Termini ist auch der Unterschied ersichtlich: Die substantivierten Verben sind in der Hauptsache Verben (Infinitive), die vorübergehend in die Wortklasse Substantive übergehen und all diejenigen Merkmale wie Tempus, Modus, Numerus und Person, die von W . P . SCHMID als pragmatische Mittel neu interpretiert werden, 55 aufgeben müssen; was in unserem Zusammenhang wichtig ist und unverändert bleibt, ist die Bedeutung des Verbs, Vorgänge zu bezeichnen. Anders sind die deverbalen Substantive, die in der Hauptsache eben Substantive sind, die sich sozusagen aus den Verben loslösen und endgültig Substantive bleiben. Sie sind nur noch etymologisch mit Verben verwandt, sind aber selber keine Verben. Sie haben gewöhnlich abstrakte, häufig aber auch konkrete Bedeutung. Die deverbativen Substantive bezeichnen Vorgänge oder deren Resultate, die substantivierten Infinitive gewöhnlich nur den Vorgang selbst. 56 Nun kommen wir zurück auf unser Muster-Verb aussehen. Wie die vorher diskutierten Verben müßte dieses Verb auch über zweierlei Ableitungen verfügen können, aber sie fallen auf ein einziges Wort zusammen und können somit morphologisch nicht mehr unterschieden werden: (57) aussehen --> das Aussehen1 (substantivierter Infinitiv) 2 --> das Aussehen (deverbales Substantiv, implizite Substantivableitung) Trotzdem ist es notwendig, sie voneinander sauber zu trennen. Dazu dienen folgende Beispiele: (58) Der Arzt sah müde und ärgerlich aus. (B 3: 101) (59) ... dann verändert sich sein Gesicht, wird schmal, sieht fast streng aus. (B 6: 104) (60) Esel sind gar nicht monogam, obwohl sie fromm aussehen. (B 11: 159)

54

Vgl. Bergenholtz/Mugdan 1979, S. 155ff. Vgl. Schmid 1983, S. 61-77 und 1970, S. 8 bzw. 1986, S. 89. 56 Vgl. Duden 1984, S. 398f. 55

78

(61)

... die Buletten und kalten Koteletts in der Glasvitrine sahen uralt aus. (B 18:.210) (62) Der Sturz des Kindes sieht gefährlich aus. 57 (58a) --> der müde und ärgerliche Arzt (58b) +-> müdes und ärgerliches Aussehen1 (58c) --> müdes und ärgerliches Aussehen2 (59a) --> sein strenges Gesicht (59b) +-> strenges Aussehen1 (59c) --> strenges Aussehen2 (60a) --> fromme Esel (60b) +-> frommes Aussehen1 (60c) --> frommes Aussehen2 (61a) —> die uralten Buletten (61b) +-> uraltes Aussehen1 (61c) —> uraltes Aussehen2 (62a) —> der gefährliche Sturz (62b) +-> gefährliches Aussehen1 (62c) —> gefährliches Aussehen2 Die Attribuierungsprobe in (58a) bzw. (58c) - ( 6 2 a ) bzw. ( 6 2 c ) zeigt, daß die Adjektive in (58) - ( 6 2 ) wie bei ( 4 6 ) - (51) zweifelsohne und ausnahmslos sich auf die jeweilige Subjekts-NP beziehen können. Ein Bezug auf das Verb aussehen ist nicht möglich, da bei der Attribuierungsprobe die betreffenden Adjektive nicht die substantivierten Infinitive determinieren können, sondern nur die deverbalen Substantive. Solche Substantive haben mit der verbalen Bedeutung wie Geschehen, Handlung, Vorgang etc. bereits nichts mehr zu tun, sie sind selbständige Substantive geworden. Das Aussehen2 hat in unseren Beispielsätzen die Bedeutungen: äußere Erscheinung, Beschaffenheit; Erscheinungsbild, Gesicht, Ge58 sichtsausdruck, die entweder substantielle Abstrakta oder konkrete Gegenstände 59 bezeichnen. So ist es selbstverständlich, daß sich die genannten Adjektive auf sie beziehen können, zumal die attributiven Adjektive in unserem Fall alle semantisch kompatibel sind 57

58 59

Dieses Beispiel stammt aus Grundzüge 1981, S. 618. Vgl. DUW 1983, S. 143. Vgl. Duden 1984, S. 398f.

79

mit den oben angegebenen Bedeutungen von Aussehen 2 . Aber dies besagt nicht, daß ein Bezug auf den substantivierten Infinitiv und somit in den Ausgangssätzen (58) - ( 6 2 ) auf das Verb selbst möglich ist. Im Gegenteil: die Formulierungen in (58b) - (62b) , wo die Adjektive den substantivierten Infinitiv determinieren sollten, sind semantisch nicht akzeptabel, außer daß man dieses - wegen der Formgleichheit - als das Aussehen 2 , also das eigentliche Substantiv betrachtet. Denn die Adjektive müde, ärgerlich, streng, fromm, uralt und gefährlich bezeichnen alle Eigenschaften von abstrakten, meistens aber konkreten Gegenständen und sind semantisch mit den solche Gegenstände bezeichnenden Wörtern - Substantiven also - kompatibel. Syntaktisch treten sie deshalb meistens in der Sphäre der Substantive auf, sei es in der Funktion als Attribut oder als Prädikativ. Von daher gesehen vertragen sich diese Adjektive mit Aussehen1 nicht. Man kann sich schwer vorstellen, was die Formulierungen in (58b) - ( 6 2 b ) überhaupt meinen. Wenn irgend etwas Sinnvolles dabei herausgeholt werden soll, dann geschieht dies stets aus der Kombination in (58c) - ( 6 2 c ) . Aufgrund der bisherigen Ausführungen können wir nun folgende Schlußfolgerungen ziehen: 1. Zur Feststellung, ob in der Konstruktion NP + ( K ) V + Adj ein Bezug des Adjektivs auf das Verb vorliegt, gilt es bei der Attribuierungsprobe zwischen substantivierten Verben und deverbativen Substantiven zu unterscheiden, auch wenn sie sich morphologisch decken. 2 . Während eine zulässige Attribuierung bei den substantivierten Infinitiven ein sicheres Kriterium für die obige Fragestellung liefert, stellt eine solche bei den deverbativen Substantiven kein haltbares Kriterium dar. So ist nach unserer Auffassung die Behauptung in GRUNDZÜGE 1981, daß gefährlich in dem Satz (44b) Der Sturz des Kindes sieht gefährlich aus sich auf das Verb aussehen bezieht und somit als Adverbiale fungiert, nur weil es sich dem fraglichen Wort Aussehen attribuieren

80 läßt, 6 0 nicht haltbar. Man hat hier keine Unterscheidung von Ausseilen1 und Aussehen2 in unserem Sinne get r o f f e n und dabei die Tatsache übersehen, daß dieses Aussehen hier ein deverbatives Substantiv, also Aussehen2 in unserem Sinne ist und nicht ein substantiviertes Infinitiv, nämlich Aussehen1 sein kann. Es liegt keine semantische Beziehung 'gefährliches Aussehen' 61 im Sinne von Aussehen1 oder eine solche wie 'das Aussehen (des Sturzes,) ist gefährlich' vor, sondern die Relation: (63) der (dem Aussehen = Scheine nach) gefährliche Sturz oder (64) der Sturz ist (dem Aussehen nach) gefährlich. Für eine derartige Interpretation spricht auch der Beispielsatz (43b) ein paar Zeilen vorher am genannten Ort: Das Kind stürzt gefährlich,62 wobei zur Feststellung der adverbialen Beziehung zwischen dem Adjektiv und dem Verb die Attribuierungsprobe 'gefährliches 63 Stürzen' herangezogen worden ist. Dies besagt, daß sich das Adjektiv gefährlich auf das Verb stürzen bezieht - mit Recht. Das heißt also: Das Stürzen (der Sturz) ist gefährlich. Diese syntaktisch-semantische Relation bleibt auch im folgenden Paradigma bestehen: (65a) Der Sturz ist gefährlich. (65b) Der Sturz scheint gefährlich. (65c) Der Sturz wirkt gefährlich. (65d) Der Sturz sieht gefährlich aus. Aus dieser Gegenüberstellung geht hervor, daß in den obigen Formulierungen nur pragmatische Unterschiede vorliegen. Das heißt, sie unterscheiden sich lediglich in dem Aspekt der Modalität, die syntaktisch-semantische Beziehungen bleiben aber dieselben. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die eingangs aufgezählten Verben, wie am Beispiel von aussehen exem60

Vgl. Grundzüge 1981, S. 618, die Numerierung 44b und die folgende 43b ist auch von dort. 61 Vgl. ebd. 62 Siehe ebd. S. 617. 63 Vgl. ebd.

81

plifiziert worden ist, unsere Bedingung b) weitestgehend erfüllen. D . h . , die Adjektive, die mit diesen Verben in die genannte Konstruktion eingehen, beziehen sich in der Tat auch auf die Subjekts-NP und nicht auf solche Verben. Das dritte Kriterium zur Ermittlung der von uns postulierten Kopulatiwerben besagt: die Konstruktion NP + ( K ) V + Adj muß als Ganzes durch (66) NP + ist + dem ( K ) V nach + Adj paraphrasiert werden können. In Anlehnung an GROTEFEND und ERBEN64 wollen wir in diesen Verben "das sein von dem Merkmahle trennen". Auf diese Weise erhalten wir aus der Eingangstruktur genau die Struktur NP + ist

+ dem ( K ) V nach + Adj.

Dabei soll das Symbol ( K ) V entweder in Form von substantivierten Infinitiven bzw. abgeleiteten Substantiven von den betreffenden Verben oder notfalls in Form eines Hyperonyms65 der betreffenden Gruppe von Verben erscheinen, z . B . : ( 4 6 ' ) Sein Lachen ist dem Klingen/Klang nach gemein. ( 4 7 ' ) Seine Stimme ist dem Klingen/Klang nach hell und wild. ( 4 8 ' ) Das Lächeln ist meinem/meiner Empfinden/Empfindung nach falsch. ( 4 9 ' ) Ich bin meinem/meiner Empfinden/Empfindung nach heimatlos. ( 5 0 ' ) Pelzer ist dem/der Erscheinen/Erscheinung nach in keiner Weise obskur, schmierig, verdächtig. ( 5 l 1 ) Die Bauernhöfe sind dem/der Erscheinen/Erscheinung nach unbewohnt. In ( 4 6 ' ) und ( 4 7 ' ) ist das Symbol (K) V durch substantivierte Form desselben Verbs, in ( 4 8 ' ) - ( 5 l 1 ) hingegen durch hyperonyme Begriffe der betreffenden Verben ersetzt worden. Die drei Verben erfüllen somit auch die Bedingung c) und sie sind unserer Auffassung nach Kopulatiwerben. Die Verwendung des vorliegenden 64 65

Vgl. Eiben 1978, S. 75ff. Vgl. zu diesem Begriff Bußmann 1983, S. 192.

82

Kriteriums liegt auch in der Theorie von BALLMER/BRENNENSTUHL 1982 begründet, wonach die Adjektive DIMENSIONEN an den Nomina modifizieren und thematisieren. 66 Was hier DIMENSION genannt wird, ist dem äquivalent, was GROTEFEND unter seinem MERKMAHLE verstand. So können die Ausdrücke wie dem Klingen nach in ( 4 6 ' ) - ( 5 l 1 ) durch Formulierung wie in der Dimension/in dem Aspekt des Klingens/Klangs ersetzt werden. Auf diese Weise könnten aus Sätzen ( 4 6 ) -(51) bzw. ( 4 6 ' ) - ( 5 l 1 ) Formulierungen ( 4 6 " ) - (51") gebildet werden: ( 4 6 " ) Sein Lachen ist in der/dem DIMENSION/ASPEKT des Klingens/Klangs gemein, usw. Dieser semantische Bezug des Adjektivs auf das Bezugsnominal wird bei der folgenden Gegenüberstellung noch deutlicher: (67) Der Mann ist gut. (67a) Der Mann ist in Linguistik gut. (67b) Der Mann ist dem Wesen nach gut. (67c) Der Mann ist dem Benehmen nach gut. (67d) Der Mann ist dem Aussehen nach gut. (67e) Der Mann ist, was die Charaktereigenschaft betrifft, /im Aspekt/in der Hinsicht der Charaktereigenschaft gut. Der Satz ( 6 7 ) ist syntaktisch zwar völlig korrekt, semantisch aber sehr ambig: man weiß nicht, was da genau gemeint ist, was an dem Mann gut ist oder in welcher Hinsicht/Dimension eben er gut ist, wenn dieser Satz nicht in einem geeigneten Kontext vorkommt. Dagegen sind Sätze (67a) - (67e) eindeutig und klar. Die kursiv markierten Ausdrücke stellen die jeweilige Dimension dar, auf die sich das Adjektiv gut bezieht und die es thematisiert. Auf diese Weise wird dem Bezugsnominal der Mann eine Eigenschaft bezüglich einer Dimension zugeordnet. Denn "die Relation zwischen einem konkreten Gegenstand und seinen Dimensionen reglementiert typischerweise das Zukommen (Haben) von Eigenschaf-

66

Vgl. oben S. 33, Anm. 148.

83

ten." 6 7 So kann Satz ( 6 7 ) nur dann sinnvoll sein, wenn er in einem Kontext a u f t r i t t , wo der semantische Bezug des Adjektivs auf eine seiner Dimensionen klar zu erkennen ist. Der Dimensionsbegriff ist insofern wichtig für uns, als die von uns postulierten Kopulatiwerben gerade die verschiedenen Dimensionen/Aspekte an den Bezugsnominalen darstellen und nicht wie die Vollverben die normalen Verbbedeutungen realisieren. In diesem Sinne bildet dieser Dimensionsbegriff auch mit die theoretische Grundlage für unser drittes Kriterium zur Ermittlung der Kopulatiwerben: In der Konstruktion NP + ist + dem (K) V nach + Adj stellt das Glied dem (K) V nach eine solche Dimension bzw. einen Aspekt an der Subjekts-NP dar, die bzw. der als Thema oder Bezugspunkt durch das ADJ in dieser Konstruktion modifiziert wird. Der in Form eines Hyperonyms einer Verbgruppe erschienene Begriff des betreffenden (K) V ist entsprechend der obigen Ausführung weitgehend äquivalent mit dem Dimensionsnamen für dasselbe ( K ) V . In ( 4 6 ' ) - ( 5 l 1 ) haben wir bereits die drei Verben in ihren Realisierungsformen überprüft. Dabei stellt sich heraus, daß es notwendig ist, für die jeweiligen (K)V-Gruppen einen Hyperonym-Begriff bzw. Dimensionsnamen festzulegen. Im folgenden werden wir einen Vorschlag in dieser Richtung machen. Von den oben aufgezählten Kopulatiwerben sind folgende fähig, selbst als Dirnensionsname zu fungieren: scheinen --> dem Scheine nach erscheinen --> dem Erscheinen/der Erscheinung nach aussehen --> dem Aussehen nach klingen --> dem Klingen/Klang nach sich erweisen --> dem Erweis nach sich verhalten --> dem Verhalten nach sich benehmen --> dem Benehmen nach sich fühlen --> dem Gefühl nach sich befinden --> dem Befinden nach 67

Ballmer/Brennenstuhl 1982, S. 12.

84

schmecken --> dem Geschmack nach riechen --> dem Geruch nach wirken --> der Wirkung nach Die übrigen Verben können nicht alleine Dimensionsnamen bilden, dafür müssen ihre Hyperonyme bzw. Hyponyme gewählt werden: vorkommen --> der Art des Vorkommens nach sich dünken --> der Einbildung/Meinung sich halten nach sich anhören —> dem Ton/Eindruck/Klang nach sich herausstellen —> dem Erweis nach sich anlassen sich zeigen gelten —> der Geltung nach heißen --> dem Namen nach liegen --> der Lage nach stehen sitzen hängen Nach dem semantischen Gehalt können all diese Kopulatiwerben in drei Großgruppen eingeteilt werden: 1)

SINNESWAHRNEHMUNG

scheinen aussehen klingen

erscheinen sich anhören sich fühlen

vorkommen wirken schmecken riechen sich befinden

2 ) BEURTEILUNG

sich erweisen sich verhalten sich herausstellen sich benehmen sich anlassen sich zeigen gelten heißen sich dünken sich halten 3) LAGE liegen stehen sitzen hängen Hiermit eröffnet sich die Möglichkeit, daß solche semantischen Kategoriennamen für die Dimensionsnamen der jeweiligen betroffenen Verben benutzt werden können: der Sinneswahrnehmung nach, der Beurteilung nach, der Lage nach, z . B . :

85

( 4 6 " ' ) Das Lachen ist der Sinneswahrnehmung nach gemein. ( 4 8 " ' ) Das Lächeln ist meines Sinneswahrnehmung nach falsch. ( 5 0 " ' ) Pelzer ist der Sinneswahrnehmung nach in keiner Weise obskur, schmierig, verdächtig. (68) Die Karte ... erwies sich als zuverlässig. (B 20: 79 ) 1 ( 6 8 ) Die Karte ist der Beurteilung nach zuverlässig. (69) Die Häuser stehen nicht mehr so dicht. (B 2: 92 ) 1 ( 6 9 ) Die Häuser sind der Lage nach nicht mehr so dicht. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die von uns postulierten drei Kriterien zur Ermittlung der Kopulativverben aufgrund der obigen Ausführung sich als geeignet erwiesen haben und die oben aufgezählten Verben diese Kriterien erfüllen. So stellt sich heraus, daß sie nach unserer Definition Kopulatiwerben und die Adjektive, die bei diesen Verben erscheinen, selbstverständlich wie bei sein, werden und bleiben kopulative Prädikative sind. Weitere Beispiele finden sich im Korpus: (70) ... die Abschüsse, die erst gräßlich nah gewesen waren, horten sich jetzt so fern an wie eben die Einschläge, ... (B 2: 95 ) (71) Ein solcher Streich läßt sich gut an: jugendlicher Übermut, körperliche Kühnheit... (B 21: 134) (72) ... es sah alles schon und sommer.Zich aus. (B 2: 91 ) (73) ... die sehen doch recht natürlich aus. (B 4: 48 ) (74) Der Koffer erschien Feinhals unwahrscheinlich schwer. (B 2: 96 ) (75) ... aber der Teil der Erde ... erschien Martin unendlich... (B 7: 165) (76) ... seine Rolle erscheine ihm, Körten, doch recht undurchsichtig, wenn nicht verdächtig.

(B 16: 97 }

86

(77) (78) (79) (80) (81) (82) (83)

(84)

(85) (86) (87) (88) (89) (90) (91)

(92)

(93) (94) (95)

Sparen oder Anhäufen erscheint uns lächerlich. (B 20: 86 ) Die Anschaffung der Puppen erwies sich als nützlich. .. (B 4: 49 ) ... überregional erwies es sich als wirksam... (B 21: 134) . . . weil ich mich meiner Vorfahren nicht würdig fühlte ... (B 10: 159) . . . damit das Nilpferd sich nicht ausgeschlossen fühlt ... (B 4: 54 ) was auch bei den städtischen Behörden i n o f f i z i ell als unbestreitbar galt . . . (B 15: 213) ... ich fragte mich nur, ob Keller mit dem, was so landläufig als "rheinisch" gilt, noch gedeckt ist. (B 17: 2 0 2 ) . . . und zwischen den dichten Ästen der Bäume hing die Luft feucht und schwer und süß ... (B 2: 93 ) ... Vorgeschmack, der sich nicht viele Jahre später als zutreffend herausstellte. (B 19: 5 5 f ) ... was sich wenig später als wahr herausstellte (B 19: 56 ) . . . aus fremdem Mund ... klang das gut, sogar wahr: (B 13: 128) . . . von wo aus das Kritische als Ärgernis mißverständlich klingen mag; (B 14: 15 ) . . . obwohl es unglaubwürdig .klingt . . . (B 16: 103) ... es klingt verrückt ... (B 16: 103) Im Winter lag das Nest wieder flach und verlassen zwischen Fluß und Eisenbahn in der Kälte ... (B 2: 89 ) ... des Leutnants Schreckenmüller, dem die Schulterstücke viel zu schwer auf den Kinderschultern lagen ... (B 1: 6 8 f ) Kein Zweifel, mir lag Vreneli näher als Uli. (B 19: 52 ) Da liegen bei ihm die Spulen bereit ... (B 21: 139) Er [der Kuchen] riecht gut. (B 6: 100)

87

(96)

(97) (98)

Die Allee war schön ... Es roch süß und ein bißchen staubig nach Ungarn, nach Sommer und Sonntag ... (B 5: 150) Sie ... scheinen recht veronüat ... (B 4: 49 ) ...und seine Eile schien aufrichtig zu sein. (B

(99) (100)

4: 50 )

... sie [Blutwurst] war zwar rot, schmeckte aber mehlig und sanft ... (B 7: 162) ... es schmeckte wunderbar bitter und mild ...

(B 5: 152) ... Lieder, die so tief in ihren Eingeweiden sitzen ... (B 1: 6 2 f ) (102) ... der Schrecken saß tief ... (B 19: 48 ) (103) Er ... stand dennoch nah genug, daß er sich erlauben konnte, kurz zu grüßen ... (B 18: 216) (104) ... habe ich mich soon tan verhalten ... (B 15: 211) (105) ... wäre mir ein Verhältnis unehrenhaft vorgekommen ... (B 15: 215) (106) ... wäre mir ihr Beruf vielleicht gar nicht so schrecklich vorgekommen ... (B 1: 68 ) (107) Das ist furchtbar, einen Menschen schlecht zu behandeln, weil er einem häßlich vorkommt. (B 1: 68 ) (108) Sogar Birglar kam ihm weniger dumpf, weniger eng vor ... (B 13: 132) (109) ...eine dekadente Luft, fast etwas literarisch Schwermütiges, das an einem Bauernhof grauenvoll wirkt. (B 20: 83 ) (110) ... damit das nicht alles zu glatt wirkt. (B 21: 139) Diese Beispiele aus dem Korpus, in denen die unterstrichenen Verben unsere drei Kriterien erfüllen, haben unsere Annahme bestätigt, daß die genannten Verben als Kopulatiwerben aufgefaßt werden können. Aufgrund dieser Festlegung läßt sich leicht die Schlußfolgerung ziehen, daß die Adjektive, die bei diesen Kopulativverben vorkommen und sich auf die jeweilige Subjekts-NP beziehen, als kopulative Prädikative aufzufassen sind. Die beiden Bedingungen, die die Adjektive zu erfüllen

(101)

88

haben, stellen auch die Kriterien für die kopulativen Prädikative dar, die wie folgt formuliert werden können: Die Adjektive sind erst dann kopulative Prädikative, wenn sie a) in der Konstruktion NP + KV + ADJ erscheinen können und b) sich auf die Subjekts-NP, aber nicht auf das Verb beziehen. Die beiden Kriterien stimmen weitgehend mit denen der Kopulati werben überein, nur bei Kriterium a) erscheint KV statt ( K ) V , da das Kopulatiwerb bereits definiert und in der obigen Konstruktion vorausgesetzt wird. Das Kriterium b) stellt zugleich auch das Abgrenzungskriterium dar: nur diejenigen Adjektive, die die Bedingung a) erfüllen und sich auf die Subjekts-NP beziehen, sind kopulative Prädikative; die Adjektive, die zwar auch das Kriterium a) erfüllen, aber sich auf das jeweilige Verb beziehen, sind hingegen nicht Prädikative, sondern sie fungieren als Adverbiale, z . B . : (111) Er verhält sich einwandfrei/tadellos. ( I l l 1 ) Sein Verhalten ist einwandfrei/tadellos. (112) Er verhält sich schweigsam. (112') Er ist (seinem Verhalten nach) schweigsam. Die Paraphrasen (1111) und (112') von Sätzen (111) und (112) zeigen nach WEBER 1974, daß es in (111) um ein adverbielles, in (112) aber um ein prädikatives Verhältnis geht. Es geht also in Fällen wie (112) um Subjektsprädikative, die inhaltlich als Prädikate zum Subjekt aufzufassen wären, genau wie die freien Subjekt sprädikative in Sätzen wie (113) Peter aß veranüat sein Brot. 68 Dieser Unterschied zwischen (111) und (112) läßt sich noch deutlicher demonstrieren, wenn man den Adverb-Test anwendet: (111") wie er sich verhält, ist einwandfrei/tadellos. (112") * wie er sich verhält, ist schweigsam.

68

Vgl. Nikula 1982, S. 303.

89

Hierbei stellt sich heraus, daß bei und Weise des Verhaltens bewertet wird.

(111") die Art

Der o. a. Satz ist gleichsam der sprachlicher Ausdruck für eine Verhaltenszensur. Es liegt eine obligatorische Adverbialbestimmung (-ergänzung) zum Verb sich verhalten vor. 69

Bei (112") also wird nicht der ganze Prozeß, daß er sich in irgendeiner Weise verhält, bewertet oder auch mittels schweigsam prädiziert. Prädiziert wird hingegen das Satzsubjekt, weshalb (112") im Gegensatz zu (111") nicht den Adverb-Test durchlaufen kann. Aufgrund des Adverb-Tests laßt sich feststellen, daß Adjektive wie einwandfrei, tadellos, gut, schlecht etc., die in Sätzen mit dem Verb sich verhalten o. ä. erscheinen und dieses graduell bewertend modifizieren, keine Prädikative sind, obwohl sie auch bei demselben Verb vorkommen, bei dem Adjektive wie schweigsam, ruhig, temperamentvoll, fröhlich etc., die die Menschen in ihren Eigenschaften, ihrem Erscheinungsbild usw. charakterisierend modifizieren, syntaktisch als Prädikative, und zwar als kopulative Prädikative auftreten. Auf der anderen Seite muß klar gemacht werden, daß das Verb sich verhalten wegen dieser doppelten Verwendungsweise als zwei (mindestens syntaktisch) verschiedene Verben zu betrachten ist oder - eben wie ERBEN vorgeschlagen hat 70 - durch Bezifferung differenziert werden muß: während es in (112) Kopulatiwerb ist, ist es in (111) nicht als solches aufzufassen, eher als Vollverb. Der Grund dafür müßte in der geschichtlichen Entwicklung dieses Wortes zu suchen sein. Nach Duden Deutsches Universalwörterbuch bedeutet das Verb verhalten im Althochdeutsch zurückhalten, hemmen. 71 Diese Bedeutung ist bis heute noch in spezieller Verwendung erhalten geblieben. Das genannte Wörterbuch gibt unter dritter Bedeutungsvariante fast das Gleiche an: (geh.) unter Kontrolle halten u. zurückhalten: (114) seinen Zorn verhalten; 69

Weber 1974, S. 242f. Vgl.obenS. 66Anm. 37. 71 Vgl.DUW1983,S. 1361f. 70

90

(115) den Atem verhalten; (116) den Harn verhalten. Darüber hinaus gibt es noch ein Adjektiv verhalten, das u . a . wie folgt erläutert wird: 1. a) (von Empfindungen o . a . ) zurückgehalten, unterdrückt und daher für andere kaum merklich; 1. b) zurückhaltend. Angesichts dieser ursprünglichen Bedeutung des Wortes verhalten im Althochdeutschen und unter Einbezug der überlieferten Verhaltenregeln, nach denen man sich im gesellschaftlichen und alltäglichen Leben richtig zu benehmen hat - beispielsweise beim Essen nicht zu schmatzen, in der öffentlichen Kommunikation nicht zu laut zu lachen usw., was in gewissem Sinne auch heißt, sich zu mäßigen oder eben unter Kontrolle zu halten angesichts dieser beiden Tatsachen scheint es uns geraten zu sein, folgende rekonstruierte semantische und syntaktische Entwicklung des Verbs verhalten anzunehmen72 : 1) ein transitives Verb mit der Bedeutung zurückhalten, hemmen, unter Kontrolle halten u . a . , z . B . in (114) (116); 2) ein transitives - unechtes reflexives Verb mit genereller Bedeutung sich beherrschen (= sich unter Kontrolle halten) u . a . : Auf der Basis der transitiven Verwendungsweise und zur Generalisierung der Ausdrücke über das Verhalten wie lautes Lachen/Tränen/Zorn verhalten kann solch eine abstrahierende Ausdrucksweise wie sich verhalten entstanden sein, die die eigentlichen einzelnen, konkreteren und expliziteren Ausdrücke impliziert, wobei "Handlungsträger und -objekt gleichgesetzt werden" 73 und ein reflexives, "rückbezügliches" Verhältnis entsteht: (117) Er verhält sich selbst.

72 73

Vgl. hierzu DUW 1983, S. 1361f und HWDG 1984, Bd. 2, S. 1245. Duden 1984, S. 111.

91 Bei diesem rekonstruierten Satz ist sich wie Zorn etc. als Akkusativobjekt zu verstehen und kann durch diese substituiert werden. So kann dieses Verb sich verhalten, wenn man es dennoch als eine Konstruktion betrachtet, auch als unechtes reflexives Verb74 aufgefaßt werden. In diesem Fall bleibt das Verb verhalten immer noch ein Vollverb und bewahrt seine ursprüngliche (oben angegebene) Bedeutung. Wenn beispielsweise der Ausdruck Er verhält sich graduell durch Wörter wie gut, schlecht etc. modifiziert werden soll, können diese syntaktisch und semantisch dann nur als Adverbiale fungieren. 3) ein echtes reflexives Verb mit der gegenwärtigen Bedeutung eine bestimmte Verhaltensweise zeigen: Je mehr sich der Ausdruck sich verhalten auf die Verwendung in Bezug auf das menschliche Verhalten spezialisiert hat, desto fester ist das eigentlich als Akkusativobjekt fungierende sich an das Verb verhalten gebunden. Somit ist es inhaltlich immer blasser und schließlich ein echtes Reflexivpronomen geworden. Folglich ist das Verb sich verhalten ein echtes reflexives Verb geworden, d.h. dieses sich kann nicht mehr durch andere Wörter substituiert werden usw. 75 Somit ist das Verb sich verhalten im Gegensatz zu 2 ) , wenn es dort noch als Vollverb betrachtet werden kann, hierbei bereits kein Vollverb mehr, wenn beispielsweise genauer ausgedrückt werden soll, was bei einem bezüglich des Verhaltens charakteristisch ist bzw. auf welche Art und Weise sich die vom Subjekt bezeichnete Person (wie in (112)) verhält. Das als Prädikativ fungierende Adjektiv ist mit EISENBERG 1 scher Formulierung "gewichtiger" 76 als das Verb sich verhalten, dessen Funktion syntaktisch auf die bloße Verbindung des Satzsubjekts mit dem Prädikativ und semantisch auf eine ausschließliche

74

Vgl. Duden 1984, §175. Vgl. Duden 1984, § 172ff. 76 Eisenberg 1989, S. 94. 75

92

Dimensionsangabe, nämlich verhaltensbezüglich reduziert worden ist. Anders bei Sätzen wie ( I I I ) , obwohl das Verb in dieser Entwicklungsphase nunmehr gleichermaßen ergänzungsbedürftig zu sein scheint, ist dies aber eine Ergänzungsbedürftigkeit anderer Art, die auf den Bedeutungs- bzw. Gebrauchswandel dieses Verbs (vgl. oben 2 ) ) zurückzuführen ist. Ein ganz ähnlicher Fall liegt beim Verb sich benehmen vor, das heute marginal noch als Vollverb verwendet wird, und zwar ohne irgendwelche (adjektivische) Ergänzung (im Vergleich dazu ist solche Verwendungsweise bei sich verhalten verschwunden), z . B . : (118) Er kann sich nicht benehmen.'11 (119) Peter hat sich benommen.18 (120) Benehmen Sie sich! Anders als HELBIG/SCHENKEL 197579 scheint es uns angemessener zu sein, die Sätze (118) - (120) , statt sie als Ellipsen zu betrachten, sie so zu interpretieren, daß hier eine bestimmte Verwendungsweise des Verbs sich benehmen vorliegt, denn sie können relativ selbständig gebildet werden, wie es die in Anmerkung 104 genannten beiden Wörterbücher einstimmig mit dem Beispielsatz (118) demonstriert haben. So ist dieses Verb nach unserer Auffassung - anders als bei NIKULA, der es ohne Differenzierung ausschließlich "als eine Art Kopulaverb" 80 betrachtet - in der Verwendungsweise wie oben (118) - (120) und in der aufgrund dessen abgeleiteten Verwendungsweise der Bewertung mit den adverbiellen Adjektiven wie tadellos, gut, schlecht etc. wie sich verhaften als Vollverb anzusehen. In diesen Verwendungsweisen ist nicht die bei NIKULA sogenannte Artbestimmung "das eigentliche Prädikat", 8 1 sondern das Verb selbst, das sowohl syntaktisch als semantisch 77

VgJ. HWDG 1984, S. 158 und DUW 1983, S. 180. Beispielsatz zitiert in: Nikula 1982, S. 302. •"Ebd. 80 Ebd. 81 Ebd. 78

93

schwerer wiegt als die "Artbestimmung 11 , die, wie sie durch oben genannte Adjektive repräsentiert werden sollte, streng genommen nicht als solche bezeichnet werden darf, denn solche Adjektive sagen weniger etwas über die Art und Weise des Benehmens als vielmehr etwas über die Bewertung des Benehmens aus. Mit anderen Worten: sie sind keine ArtbeStimmung, sondern Beurteilungsbestimmung, z . B . : (121) Auf welche Art (und Weise) benimmt sich Peter? (121a) (?) Auf gute Art benimmt er sich. (121b) (?) Auf schlechte Art benimmt er sich. (121c) ( ? ) Auf tadellose Art benimmt er sich. (121d) Auf höfliche Art benimmt er sich. (121e) Auf kindische Art benimmt er sich. (121f) Auf flegelhafte Art benimmt er sich. Die Beispiele zeigen, daß als Antwort auf die Frage in (121) die Sätze (121a) - (121c) zwar syntaktisch und semantisch korrekte Sätze sind, mit den verwendeten Adjektiven scheinen sie jedoch keine (adäquate) Antwort auf die Frage auf" welche Art genau gegeben zu haben. In Sätzen (121d) - (121f) hingegen ist diese Frage aber genau beantwortet, man hat dabei nicht im geringsten das Gefühl, daß die Antwort irgendwie nicht zu der Frage paßt. Diese Tatsache bestätigt aus einer anderen Sicht her unsere Annahme, daß die (be)wertenden Adjektive bei Verben wie sich verhalten, sich benehmen etc. keine prädikative Funktion ausüben, sondern Adverbiale sind. Wie die Sätze (121a) - (121c) zeigen, taugen sie nicht einmal als genuine Artbestimmung, geschweige denn als Prädikativ. Die Adjektive in (121d) - (121f) erfüllen aber die Bedingung als Artbestimmung im Sinne von NIKULA perfekt. Dies liegt darin begründet, daß sie dort und vor allem in ihren Grundkonstruktionen (122) Peter benimmt sich höflich. (123) Peter benimmt sich kindisch. (124) Peter benimmt sich flegelhaft. im Gegensatz zu den bewertenden Adjektiven sich auf das Satzsubjekt beziehen, obwohl dabei ein Bezug auf das Verb nicht auszuschließen ist: ( 1 2 2 1 ) --> Peter ist höflich.

94

(122") (?) --> Das Benehmen ist höflich. ( 1 2 3 ' ) —> Peter ist kindisch. (123") (?) --> Das Benehmen ist kindisch. ( 1 2 4 1 ) —> Peter ist flegelhaft. (124") (?) --> Das Benehmen ist flegelhaft. Hier liegt zwar eine syntaktisch-semantische Ambiguitat vor, aber die beiden Relationen wiegen ungleich schwer: 1) Die Paraphrasen ( 1 2 2 ' ) - ( 1 2 4 ' ) sind völlig korrekte Sätze, aus welcher Sicht auch immer, syntaktischer, semantischer oder pragmatischer. Die Paraphrasen ( 1 2 2 " ) - ( 1 2 4 " ) hingegen erwecken den Eindruck, daß sie, so wie sie da stehen, nicht völlig stimmen, wenn keine Kontrastbetonung auf den Artikel das gesetzt wird. 2) Der Grund, daß die Formulierungen (122") - (124") grammatisch überhaupt noch korrekt zu sein scheinen, mag darin bestehen, daß entweder auf den Artikel eine Kontrastbetonung gesetzt wird, so daß er die Funktion eines Demonstrativpronomens hat, oder daß das ursprüngliche Satzsubjekt, obwohl es bei der Substantivierung des Verbs sich benehmen weggelassen worden ist, trotzdem mit verstanden wird. Dies kommt noch deutlicher zum Ausdruck, wenn man den obigen Äußerungen die attribuierten eigentlichen Satzsubjekte hinzufügt: ( 1 2 2 " ' ) Peter's (sein) Benehmen ist höflich. ( 1 2 3 " ' ) Peter's (sein) Benehmen ist kindisch. ( 1 2 4 " ' ) Peter's (sein) Benehmen ist flegelhaft. Hierbei wird automatisch die syntaktisch-semantische Relation zwischen dem ursprünglichen Satzsubjekt und dem prädikativen Adjektiv assoziiert. D . h . , obwohl hier der genitivische Eigenname oder das auf sie verweisende Possesivpronomen oberflächensyntaktisch nicht (mehr) Satzsubjekt ist, beziehen sich die prädikativen Adjektive semantisch dennoch auf sie, wenn man diese Tatsache in Betracht zieht, daß man gegen die Formulierungen in ( 1 2 2 " ) - ( 1 2 4 " ) , sobald sie um die genannten personalen Ausdrücke erweitert worden wären, nichts mehr einzuwenden hätte.

95

3) Als Erklärung zu 1) und 2) gilt nun die Überlegung: Nur weil Menschen höflich, kindisch, flegelhaft etc. sein können, kann auch das Benehmen von Menschen höflich, kindisch usw. sein. Dies wird noch deutlicher, wenn man die folgenden Beispiele (125) Peter benimmt sich wie ein Kind. (126) Peter benimmt sich wie ein Flegel. jeweils den Beispielsätzen (123) und (124) gegenübergestellt. Dabei können Sätze (123) und (124) jeweils als Paraphrase für Sätze (125) und (126) gelten oder umgekehrt. Auch die Satzpaare ( 1 2 5 ' ) Peter ist (dem Benehmen nach) wie ein Kind. ( 1 2 6 ' ) Peter ist (dem Benehmen nach) wie ein Flegel, sind jeweils mit den Sätzen ( 1 2 3 ' ) und ( 1 2 4 ' ) weitgehend synonym, d.h. sie können als Paraphrasen füreinander fungieren. Aber die Paraphrasierungen (125") * --> Das Benehmen ist wie ein Kind. (126") * --> Das Benehmen ist wie ein Flegel, sind dagegen semantisch unkompatibel. Folglich müßten Paraphrasierungen (123") und (124") mindestens fraglich sein, wenn nicht unkompatibel. Aus diesen Ausführungen lassen sich folgende Schlußfolgerungen ziehen: In Sätzen wie (122) - (124) ist der Bezug des Adjektivs auf das Satzsubjekt die primäre Relation, während der Bezug auf das Verb, wenn dieser überhaupt möglich ist, eine sekundäre Relation darstellt. Auf dieser Grundlage können wir die genannten Zweifelsfälle der syntaktisch-semantischen Ambiguität wie folgt lösen: Bei eventuell doppeldeutiger Bezüglichkeit des Adjektivs in Sätzen wie (122) - (124) (sowohl auf das Subjektsnominal als auch auf das Verb) ist nun, sobald der Vorzug des Subjektsbezugs feststellbar ist, dieses Adjektiv den prädikativen Adjektiven zuzuordnen. Somit sind Adjektive in (122) - (124) aufgrund ihres primären Subjektsbezugs den prädikativen Adjektiven zuzurechnen, auch wenn ein Bezug auf das Verb sekundär möglich ist. Nur bei dieser Verwendungsweise des Verbs sich benehmen können wir NIKULA zustimmen, wenn er sagt:

96

Das eigentliche Prädikat in Sätzen mit sich benehmen ist die Artbestimmung, wobei also sich benehmen als eine Art Kopulaverb zu betrachten wäre [...].82 Zusammenfassend läßt sich sagen, daß bei den Adjektiven, die bei Verben wie sich verhalten und sich benehmen vorkommen, zwei verschiedene Verwendungsweisen zu unterscheiden sind, nämlich als adverbielle Adjektive und als prädikative Adjektive, je nachdem, ob sie syntaktisch-semantisch auf das Verb oder auf das Satzsubjekt beziehen, ob sie bewertende oder charakterisierende Adjektive sind; notfalls, d.h. bei eventueller doppeldeutiger Bezüglichkeit eines bestimmten Adjektivs ist nach seiner dominanten Bezüglichkeit zu fragen. Verben diesen Typs sind zahlenmäßig sehr gering. Außer sich verhalten und sich benehmen kommen noch sich aufführen, sich betragen, sich gebärden83 vor. 4 . 1 . 3 . 1 . KOPULATIVES PRÄDIKATIV MIT SUBJEKTBEZOGENHEIT In den vorangegangenen Abschnitten haben wir die Kopulati werben und die adjektivischen kopulativen Prädikative behandelt. Dabei haben wir überwiegend der Diskussion über die adjektivischen Prädikative bei den Kopulatiwerben im engeren Sinne Aufmerksamkeit geschenkt, die Adjektive bei dem Standard-Kopulaverb sein werden hingegen als Standard-Prädikativ vorausgesetzt und weitgehend außer Betracht gelassen. Bei der Behandlung der kopulativen Prädikative bei den Kopulatiwerben (im engeren Sinn) wurde die Subjektbezogenheit als ein Kriterium postuliert. 8 4 Demnach müssen sich die so gebrauchten Adjektive auf das Satzsubjekt beziehen und sie tun es in der Tat auch. Problematisch ist es, bei den prädikativen Adjektiven, die bei dem Kopulatiwerb sein stehen: Hier finden sich nicht nur (zum großen Teil) der Subjektbezug, sondern auch anderweitige Bezugsmöglichkeiten der prädikativen Adjektive, z . B . : 82

Nikula 1982, S. 302. Ebd., S. 303. 84 Vgl. oben S. 74ff. 83

97

(127)

... die Großmutter war gut zu Glum ...

(B 7: 167) (128) Es ist dunkel draußen und kalt ... (B 1: 62 ) (129) Mir ist kalt ... (B 11: 160) (130) Mir wurde übel ... (B 11: 162) (131) ... es war schön zu Hause im Herbst ... (B 2: 89 ) Hierbei beziehen sich die prädikativen Adjektive nicht auf die jeweiligen Subjekte, wobei wir für unseren Zweck unter dem Begriff SUBJEKT nur ein Satzglied sowohl mit syntaktischer, als auch mit semantischer Subjektfunktion verstehen wollen. Aus welchen Gründen genau die prädikativen Adjektive in (127) - (131) nicht subjektbezogen sein können - darauf werden wir im nächsten Abschnitt noch näher eingehen. Für den augenblicklichen Zweck begnügen wir uns nur mit einer Bezeichnung solcher adjektivischen Prädikative, nämlich: Kopulatives Prädikativ mit Nichtsubjektbezogenheit. Nun kommen wir auf die kopulativen Prädikative mit Subjektbezogenheit beim Kopulatiwerb sein zurück. Zahlenmäßig machen sie im Korpus den größten Teil der als kopulatives Prädikativ gebrauchten Adjektive aus. Hierbei wollen wir uns nur mit wenigen Beispielen begnügen: (132) Das Zimmer war dunkel . . . (B 2: 88 ) (133) ... ihr Gesicht war schön ... (B 6: 98 ) (134) Er war begabt, war nur den Anfechtungen ... nicht gewachsen. (B 21: 132) (135) ... deren Adresse natürlich inzwischen bekannt gewesen sei ... (B 16: 98 ) (136) Wahrscheinlich war ich es einfach leid, Chopin zu hören. (B 12: 70 ) (137) ... sie ist bereit ... (B 15: 215) (138) Allein die Tatsache ... wäre ... auch einer Laudatio wert ... (B 17: 203) (139) Gegen solche Zumutungen war er gefeit ... (B 18:

211)

In diesen Sätzen haben die Subjekt-Satzglieder sowohl die syntaktische als auch die semantische Subjektfunktion. Das Agens im weiteren Sinne, genauer: der

98

Eigenschaftszuordnung, 85 ist mit dem durch den Nominativ gekennzeichneten Subjekt identisch. Die Adjektive in diesen Sätzen sind syntaktisch wie auch semantisch die Prädikate, sie werden den Subjektsausdrücken zugeordnet, deshalb beziehen sie sich syntaktisch und semantisch zweifelsohne auf das jeweilige Satzsubjekt, wobei dieser Bezug bei Sätzen wie (132) - (135) syntaktisch noch durch operationales Verfahren - Attribuierungsprobe - bestätigt werden kann, während dies bei Sätzen wie (136) - (139) nicht durchführbar ist, da die Adjektive dort auf den prädikativen Gebrauch eingeschränkt sind. So ist es sinnvoll, wegen dieser Unterschiede die subjektbezogenen kopulativen Prädikative der Adjektive in zwei Subklassen einzuteilen, nämlich: die mehrfunktionalen Prädikative bzw. die Nicht-Nur-Prädikative und die einfunktionalen Prädikative bzw. die Nur-Prädikative. Im folgenden werden wir sie im einzelnen betrachten. 4.1.3.1.1.

Die mehrfunktionalen Prädikative bzw. die Nicht- Nur-Prädikative

Wie die Beispiele von (132) - (135) zeigen, können die prädikativen Adjektive nicht nur als Prädikativ, sondern auch in anderen syntaktischen Funktionen auftreten, z . B . als Attribut und/ oder als Adverbiale: ( 1 3 2 ' ) --> das dunkle Zimmer ( 1 3 3 ' ) --> ihr schönes Gesicht (133") --> Sie singt schön. (134') --> der begabte (Er) Mann --> der den Anfechtungen nicht gewachsene (Er) Mann (135') --> die bekannte Adresse Die Tatsache, daß Adjektive wie dunkel, schön, begabt, gewachsen, bekannt etc. mehrere syntaktische Funktionen ausüben können, d.h. nicht nur prädikativ, sondern auch attributiv und/oder adverbial gebraucht werden können, ist in der Adjektivforschung vielfach 85

Vgl. Duden 1984, S. 589.

99

gezeigt worden. 86 Hierbei stimmen die theoretischen Aussagen mit dem tatsächlichen Gebrauch im Korpus weitestgehend überein. Nur wird die Zahl der in allen drei Hauptfunktionen uneingeschränkten Adjektive bei unserer Auffassung der Prädikative geringer sein als sie z . B . in GRUNDZÜGE 1981 beschrieben worden ist. 87 So können beispielsweise diejenigen Adjektive, die menschliche Gefühlslagen, Empfindungen oder gelegentlich auch persönliche Charaktereigenschaften u . a . ausdrücken, nicht als Adverbiale gebraucht werden, z . B . : faul, klug, dumm, gesund, krank etc, die in GRUNDZÜGE 1981 unter der Klasse von Adjektiven ohne Einschränkung der syntaktischen Funktionen angeführt worden sind. 88 Denn sie sind entweder als kopulative Prädikative aufgefaßt, wenn sie z . B . bei den kopulativen Verben wie aussehen, sich fühlen, sich zeigen etc. erscheinen, oder aber als Prädikative bei Vollverben, wenn sie eben bei den Vollverben auftreten, z. B. in den bei 4 . 1 . 2 . erwähnten Sätzen ( 3 4 ) - ( 3 7 ) , 89 Über solche Gebrauchsweisen der attributiven und der von uns so aufgefaßten prädikativen hinaus scheint es uns eine adverbiale Gebrauchsweise nicht mehr möglich zu sein. Dies schien auch in GRUNDZÜGE 1981 problematisch zu sein, denn solche Adjektive können kaum bei den normalen Vollverben als richtige Adverbiale a u f treten, außer daß Verben wie aussehen, sich fühlen etc. auch als Vollverben aufgefaßt werden sollten, was unseres Erachtens nicht adäquat erscheint und auch in FLÄMIG nicht der Fall zu sein scheint. Dort wurden Verben wie sich fühlen, sich verhalten, sich stellen etc. im Kontext der prädikativen Funktion der Adjektive angeführt und die Adjektive wie gesund, ruhig etc. bei diesen Verben wurden als eine Art "Verbzusätze" angesehen, 9 0 was bei diesen Verben den Vollverb-Status in 86

Vgl. Gmndzüge 1981, S. 604f; Helbig/Buscha 1972, S. 276ff; Motsch 1964, S. 31-54. Vgl. Grundzüge 1981, S. 604f. 88 Ebd. 89 Siehe oben S. 67f. 90 Vgl. Grundzüge 1981, S. 617. 87

100

Frage stellt. Nur Verben wie aussehen wurden offenbar als Vollverben betrachtet, 91 dessen kategorialen VerbStatus wir oben bereits ausführlich diskutiert haben. 92 Darüber hinaus können die fraglichen Adjektive nach GRUNDZÜGE 1981 zwar doch bei den Vollverben erscheinen, allerdings fungieren sie eben als "prädikatives Attribute", 9 3 nicht aber als Adverbiale, wie die dort angeführten Beispiele verdeutlichen: (140) Die Kinder schlafen zufrieden ein. (141) Die Urlauber kehren gut erholt zurück. Die Kategorie der "prädikativen Attribute" kennen wir nicht: diese wird von uns unter dem Begriff Prädikative bei Vollverben behandelt. 94 Zusammenfassend läßt sich sagen: die Behauptung, daß die fraglichen Adjektive auch adverbial gebraucht werden können und somit zu den Adjektiven ohne Einschränkung der syntaktischen Funktionen gehören, ist nicht haltbar; sie sind es nach unserer Auffassung nicht. Somit wird die Anzahl der Adjektive ohne Einschränkung der syntaktischen Funktionen, wie sie in GRUNDZÜGE 1981 angeführt wurden, nunmehr geringer sein und auf der anderen Seite werden die Adjektive mit prädikativer und attributiver Funktion um dieselbe Menge vermehrt. D.h. diejenigen Adjektive, die aus der Subklasse mit prädikativer, attributiver und adverbialer Funktion ausgeschieden sind, werden nun, weil sie nicht (mehr) fähig sind, als Adverbiale zu fungieren, in die Subklasse mit prädikativer und attributiver Funktion eingeordnet . Diese Modifikation der syntaktischen Regeln in GRUNDZÜGE 1981 zeigt nur, welche Konsequenzen nach unserem Beschreibungssystem ins Auge zu fassen sind. Für unseren Zweck scheint jedoch diese Aufteilung der Adjektive in die beiden obigen Subklassen nicht so rele91

Vgl.ebd.,S.618. Vgl. oben S. 77ff.

92 93

94

Vgl. Grandzüge 1981, S. 618. Vgl. oben Abschnitt 4.1.2. S. 67'ff.

101

vant zu sein. Wichtig ist für unseren Zusammenhang nur die Differenzierung der Adjektive, die als mehrfunktionale Prädikative fungieren können, von denen, die ausschlieSlich als Prädikative bzw. die ausschließlich als Attribute gebraucht werden. Auf die zuletzt genannten werden wir im nächsten Kapitel noch eingehen. Auf die einfunktionalen bzw. Nur-Prädikative kommen wir im folgenden Abschnitt dann zu sprechen. Nach unserer Unterscheidung sollen die nicht nur als Prädikative gebrauchten Adjektive den in manchen Grammatiken etablierten PRIMAREN ADJEKTIVEN entsprechen, wenn deren syntaktische Funktion, sowohl prädikativ als auch attributiv gebraucht zu werden, als das grundlegende Kriterium zur Differenzierung von den SEKUNDÄREN ADJEKTIVEN, die demnach nur attributiv, aber nicht prädikativ gebraucht werden können, festgelegt wird. 95 Die folgenden Beispiele sollen die Übereinstimmung der beiden Auffassungen verdeutlichen: (132) Das Zimmer war dunkel ... (133) ... ihr Gesicht war schön ... (142) ... und sie [die Mädchen] wurden ganz krank. (B 7: 164) (143) ... so klein waren sie [Zigeunerkinder] ... (B 9: 84 ) (144) Und die Nacht ist lang. (B 9: 82 ) (145) ... das "Schrifttum" war ziemlich alt ... (B 18: 152) (146) ... der [Schüler] war ... dumm ... (B 21: 134) Problematisch ist es dann, wenn die beiden Subklassen als erstes mittels morphologischer Kriterien definiert werden und das genannte syntaktische Kriterium zur Abgrenzung der beiden Subklassen voneinander weiterhin gültig bleiben soll: Die primären Adjektive sind nach STEIN und SCHMID die eigentlichen, d.h., morphologisch nicht abgeleiteten Adjektive, die syntaktisch durch folgende Formel

95

Vgl. hierzu Stein 1971 und Schmid (mündlich), Hauptseminar Dos Adjektiv WS 1985/86

102

N

ist

A

-->

AN

N = Nomen A = Adjektiv ermittelt und von den sekundären Adjektiven abgegrenzt werden können; die sekundären Adjektive seien hingegen morphologisch abgeleitete Adjektive, die nicht durch die obige Formel ermittelt werden können, z . B . : (147) Das Zimmer ist --> das dun kl e Zimmer dunkel (148) Die Schüssel ist +-> die blecherne blechern Schüssel (B 20: 83) Die Beispiele zeigen, daß das Adjektiv dunkel in (147) morphologisch nicht ein abgeleitetes Adjektiv ist und syntaktisch mittels der genannten Formel ermittelt werden kann, während das Adjektiv blechern morphologisch ein abgeleitetes Adjektiv (Stammorphem blech + Derivationsmorphem -ern) ist und sich nicht durch die obige syntaktische Formel ermitteln läßt. Solche morphologisch abgeleiteten Adjektive sind durch andere syntaktische Formeln hergeleitet: 96

N! ist

Nc

-->

A% N! = Nomen im Nominativ Nc = Nomen in einem anderen Kasus

N

+ V

+

Adv

-->

A Nv

V Adv Nv das Adjektiv blechern

So ist aus: (149) Die Schüssel ist

= Verb (Vollverb) = Adverb = nominalisiertes Verb syntaktisch abgeleitet

ßus Blech --> die blecherne Schüssel Unter Einbezug des morphologischen Status der Ableitung des besprochenen Adjektivs läßt sich auch sagen, daß es sowohl morphologisch als auch syntaktisch ein abgeleitetes Adjektiv ist. Hierher gehören u . a . die 96

Vgl. Schmid (mündlich), Hauptseminar Day Adjektiv Vf S 1985/86.

103

Herkunftsadjektive wie eben blechern, eisern, golden, ungarisch etc.; Zugehörigkeitsadjektive: katholisch, historisch, städtisch, literarisch etc.; Lokaladjektive: hiesig, östlich, orientalisch, dortig: Temporaladjektive: herbstlich. damalig. monatlich. abendlich: u.a. Andere Adjektive, die über die Formel N

+

V

+

Adv

—> A Nv

abgeleitet sind, sind morphologisch jedoch nicht abgeleitete, sondern in diesem Sinne primäre Adjektive, z.B.: (150) Paula singt schön --> das schöne Singen/der schöne Gesang Hier zeigt sich aber ein Widerspruch: während schön in ( 1 3 3 ' ) ihr schönes Gesicht ein primäres Adjektiv ist, ist es in ( I S O 1 ) der schone Gesang als ein abgeleitetes, also sekundäres Adjektiv aufzufassen, obwohl es morphologisch in beiden Fällen ein nicht abgeleitetes, also ein primäres Adjektiv ist. Dieser Widerspruch ist noch deutlicher, wenn man die folgenden Fakten in Betracht zieht: (151) Der Wagen ist schnell. (152) Der Wagen fährt schnell. (153) Das Mädchen ist schön. (154) Das Mädchen sieht schön aus. Bei der Gegenüberstellung der beiden Satzpaare (151), (152) und (153), (154) stellt sich heraus: 1) Auf der satzsemantischen Ebene sind die beiden betroffenen Sätze jeweils weitgehend äquivalent: während es für das Satzpaar (153), (154) leicht festzustellen ist, daß es sich dabei um dieselbe Proposition handelt, bedarf dies bei dem anderen Satzpaar einer expliziteren Darstellung. Zunächst muß die Tatsache ins Auge gefaßt werden, daß die beiden Sätze auf folgende zwei Fälle zutreffen, nämlich den des stehenden Autos und den des fahrenden.

104

Für den letzteren Fall kann man z . B . in einer Situation des Autorennens sowohl mit (151) als auch mit (152) auf ein und denselben Sachverhalt Bezug nehmen, daß ein bestimmtes Auto ganz vorne oder vor einem anderen fährt. So handelt es sich hierbei auch um dieselbe Proposition: in beiden Sätzen wird die gleiche Referenz (= Auto Nr. oder Typ y zum Beispiel) und die gleiche Prädikation (= FÄHRT SCHNELL) vollzogen. Für den ersteren Fall kann man gleichwohl mit beiden Sätzen oben denselben Sachverhalt ausdrücken, daß ein Auto Typ y z . B . bewiesenermaßen (nach dem Wettkampf) bzw. potentiell (vor dem Rennkampf oder gar nicht in dessen Zusammenhang) schnell fahren kann, obwohl es sich nun im Stehen befindet. Bezogen auf das Ergebnis des Wettkampfes drückt man mit diesen beiden Sätzen eine verallgemeinerte Schlußfolgerung bzw. eine Art abstrahierte Wahrheit aus; bezogen auf den bevorstehenden Rennkampf bzw. den bloßen Zustand des Stehens ohne den Zusammenhang des Rennens wird mit diesen Äußerungen epistemologisch "eine prinzipiell verifizierbare Aussage über eine nicht notwendigerweise aktuell realisierte, jedoch potentiell nachweisbare Eigenschaft" 97 des betreffenden Autos gemacht. Hierbei handelt es sich wiederum um dieselbe Proposition: die gleiche Referenz wie oben; die gleiche Prädikation (= bewiesenermaßen/potentiell SCHNELL FAHREN KÖNNEN). 2) Auf der logisch-pragmatischen Ebene präsupponiert der erstere Satz [(151) bzw. (153)] jeweils den letzteren [(152) bzw. ( 1 5 4 ) ] : zwischen ihnen besteht ein logisches Verhältnis der Inklusion, d.h. der erstere Satz impliziert, bei welcher pragmatisch bedingten außersprachlichen Situation auch immer (bezogen auf das Satzpaar (151), (152) z . B . heißt das: ob der Wagen steht oder gerade f ä h r t ) , stets den letzteren und setzt ihn voraus:

97

Bickes 1984, S. 97.

105

(151)

Der Wagen ist schnell

II— (152)

Der Wagen fährt schnell. (152') Der Wagen fährt schnell. = (151) Der Wagen ist schnell. (153) Das Mädchen ist II— (154) Das Mädchen schön sieht schön aus. 3) Auf der semantisch-funktionalen Ebene dienen die Adjektve sowohl in (151) und (153) als auch in (152) und (154) der Eigenschaftsprädikation: bei Sätzen (151) und (152) wird das betroffene Auto mittels des Adjektivs schneil in seiner grundlegenden Dimension der entweder aktuell realisierten oder potentiell realisierbaren Geschwindigkeit präsentiert. 4) Auf der syntaktisch-funktionalen Ebene tritt das Adjektiv in allen drei Sätzen (151), (153) und (154) als Prädikativ, nur in (152) als Adverbiale a u f . Wie oben gezeigt wurde, haben die in den Satzpaaren (151), (152) und (153), (154) gebrauchten Adjektive außer der morphologischen Übereinstimmung noch eine Menge Gemeinsamkeiten in vieler Hinsicht, die in Punkten 1), 2) und 3) dargestellt worden sind. So erscheint es uns nicht angebracht zu sein, das Adjektiv wie schnell nur wegen des Unterschiedes in der syntaktischen Funktion einmal als primäres, einmal als sekundäres Adjektiv aufzufassen, zumal es bei der Attribuierung gleiche morphologische Merkmale aufweist. Die Probleme, die oben diskutiert wurden, sind solche, die bei morphologischer Übereinstimmung aus syntaktischer Verschiedenheit hervortreten. Auf der anderen Seite tauchen aber auch Probleme umgekehrt bei der syntaktischen Identität (dem Nicht- abgeleitet- sein des fraglichen Adjektivs) aus morphologischer Verschiedenheit auf, z . B . : (155) ... das Wasser ist rostig und schmutzig. (B 8: 74 ) (156) Der Regen hier ... ist großartig und erschrek-

(B 9: 18 )

106

(157) (158) (159)

Edith ist damit einverstanden. (B 10: 154) ... weil sie ... doppelzüngig sind... (B 11: 156) ... weil die Leni so ungeduldig war ... (B 15:

218)

(160) (161)

Hubert war ganz begeistert ... (B 5: 152) ... daß diese Krankheit nazi gen war ... (B 19: 48 ) (162) Mein Dank ist herzlich ... (B 14: 9 ) (163) Seine Kunst lebendig zu nennen, wäre zu biologisch ... (B 14: 10 ) (164) ... das heißt Siebenheiligegeorge. Das war früher rumänisch. (B 5: 154) Die Adjektive, die in den obigen Beispielsätzen vorkommen, sind morphologisch abgeleitete Adjektive, syntaktisch aber nicht, wenn man die oben angeführte Formel N ist A --> A N als das Kriterium für die primären Adjektive annimmt. Denn sie können diese Formel passieren, die auch als Abgrenzungskriterium fungieren kann, d.h. diejenigen Adjektive, die diese Formel passieren, sind die primären, diejenigen, die sie nicht passieren können und somit durch die weiteren Formel ermittelt werden müssen, sind die sekundären Adjektive. So können hier die prädikativ gebrauchten Adjektive ausnahmslos attributiv gebraucht werden: (155') --> das rostige und schmutzige Wasser (156') --> der großartige und erschreckende Regen (157') --> (die) damit einverstandene Edith • · ·

So gesehen sind diese Adjektive dann primäre Adjektive. Aber auf der morphologischen Ebene sieht das völlig anders aus: sie sind alle nicht-genuine, also abgeleitete Adjektive. Ihre morphologische Strukturen lassen sich nach BERGENHOLTZ/MUGDAN 1979 wie folgt darstellen: (155") rostig K + D schmutzig K + D (156") großartig K + K + D (157") einverstanden P + K + F/K + F (158") doppelzüngig K + K + D

107 D + K + D (159") ungeduldig D + K + F ( 1 6 0 " ) begeistert K + D (161") nazigen K + D ( 1 6 2 " ) herzlich K + D (163") biologisch K -t· D 98 ( 1 6 4 " ) rumänisch Dabei sind die Adjektive in ( 1 5 5 " ) , ( 1 5 7 " ) , ( 1 5 9 " ) , ( 1 6 0 " ) , (161"), ( 1 6 2 · ) , (163·) und ( 1 6 4 " ) nach BUNTING 1978 ABGELEITETE WÖRTER (DERIVATA), 9 9 wobei in (157") und ( 1 6 0 " ) auch von Konversion gesprochen werden kann. Demgegenüber sind die Adjektive in (156") und (158") ZUSAMMENGESETZTE WÖRTER (KOMPOSITA), wobei der zweite Kernmorphem von ihnen für sich wiederum ein abgeleitetes Wort ist. Die beiden Gruppen von Wörtern unterscheiden sich von den EINFACHEN WÖRTERN (SIMPLICIA) , die genau ein Kernmorphem enthalten, 1 0 0 und den fraglichen PRIMÄREN ADJEKTIVEN äquivalent sind. So gesehen sind sie wiederum keine primäre Adjektive, sondern grob genommen abgeleitete, also SEKUNDÄRE ADJEKTIVE. Zusammenfassend lassen sich die Probleme der primären bzw. sekundären Adjektive unter gleichzeitiger Berücksichtigung der morphologischen und syntaktischen Kriterien formal wie folgt darstellen:

S

Bsp.

+ P

+ P

dunkel

K2

+ P

- P

schön (adv) /leid

K3

- P

+ P

geduldig

K4

- P

- P

blechern

E

M

KI

Dabei bedeuten die Symbole: 98

Vgl. Bergenholtz/Mugdan 1979, S. 116ff. Die Symbole K = Kemmorpheme; D = Derivationsmorpheme; P = Partikelmorpheme und F = Flexionsmorpheme, dazu vgl. dies. S. 120ff. 99 Vgl. ebd. S. 122 und Bunting 1978. S. 115. 100 Vgl. ebd.

108

E M S K

= = = =

Ebene morphologische Ebene syntaktische Ebene Klasse (der Merkmals kombination) + P = primäres Adjektiv - P = sekundäres Adjektiv Wie das obige Schema zeigt, gibt es für die Klassifizierung der Adjektive in primäre und sekundäre Adjektive bei der gleichzeitigen Berücksichtigung der morphologischen und der syntaktischen Kriterien theoretisch insgesamt 2 2 = 4 Möglichkeiten: Während bei % und K4 die primären bzw. sekundären Adjektive auf der morphologischen Ebene mit denen auf der syntaktischen Ebene übereinstimmen, divergieren sie bei K2 und K3 jedoch voneinander, d.h. Adjektive wie dunkel der Klasse K x sind sowohl morphologisch als auch syntaktisch primäre Adjektive; Adjektive wie blechern der Klasse K4 sind in beider Hinsicht sekundäre Adjektive; Adjektive der Klasse K2 wie schön, wenn sie z . B . als Adverbiale gebraucht werden, sind hingegen nur morphologisch primäre, syntaktisch aber sekundäre Adjektive; Adjektive der Klasse K3 wie geduldig sind nur syntaktisch primäre, morphologisch aber sekundäre Adjektive. Bei der Klasse K2 ist noch anzumerken, daß sie außer den adverbial gebrauchten Adjektiven wie schön noch zwei weitere Subklassen umfaßt, nämlich: die nur prädikativ gebrauchten Adjektive wie leid, schuld. heil, wert etc und die aus bestimmten Gründen nur attributiv gebrauchten Adjektive wie stark in starker Raucher, heiß in heiße Spur, glatt in glatter Unsinn usw. Infolge dieser Widersprüchlichkeit muß man, wenn man weiterhin bei diesem System bleiben möchte, d.h. weiterhin die beiden Aspekte - den morphologischen und den syntaktischen - gleichzeitig berücksichtigen möchte, Modifikationen vornehmen, in welcher Richtung auch immer, z . B . die Übergangsklassen K2 und K3 entweder den primären oder den sekundären Adjektiven zuordnen. Oder man verzichtet auf die gleichzeitige Verwendung der

109

morphologischen und der syntaktischen Kriterien und unternimmt eine Klassifikation entweder nur auf der morphologischen oder nur auf der syntaktischen Ebene. Dementsprechend kann man von morphologisch bzw. syntaktisch primären vs. sekundären Adjektiven sprechen. Auf nähere Diskussion derartigen Modifikationsmöglichkeiten wird hier verzichtet. Festzustellen ist nur, daß derartige Probleme bei unserem Beschreibungsverfahren nicht auftauchen, weil wir lediglich auf der syntaktischen Ebene operieren und hauptsächlich nach der Mehrfunktionalität oder Einfunktionalität der betreffenden Adjektive fragen. Unsere mehrfunktionalen Adjektive entsprechen somit den drei Klassen Kj_, K2 und K3 zusammen mit der Ausnahme der nur attributiv und nur prädikativ gebrauchten Adjektive wie stark und leid aus der Klasse K 2 . Diese bildet zusammen mit der Klasse K 4 unsere zweite Hauptklasse - die der einfunktionalen Adjektive. Zum Schluß dieses Abschnitts ist noch zu bemerken, daß die prädikativen Adjektive bei den Kopulati werben (im engeren Sinne, d.h. unter Ausschluß des Kopulaverbs sein). wie sie oben bei 4.1.3.1 diskutiert wurden, auch hierher gehören, d.h. zu den mehrfunktionalen Adjektiven der subjektbezogenen kopulativen Prädikative, da sie ebenfalls als Attribute und/oder Adverbiale verwendet werden können. 4.1.3.1.2.

Die einfunktionalen Prädikative bzw. die Nur- Prädikative

Eine weitere Subklasse der subjektbezogenen kopulativen Prädikative bilden die als einfunktionale Prädikative bzw. die nur als Prädikative gebrauchten Adjektive. Solche Adjektive sind in der Grammatikliteratur vielfach beschrieben worden. 101 Hierbei wollen wir nur zwei Aspekte aufgreifen: der eine b e t r i f f t den kategorialen Status dieser Wörter in Hinsicht der Wortartzugehörigkeit sowie der syntaktischen Funktion; der ande101

Vgl. Admoni 1970, S. 148f; Helbig/Buscha 1972, S. 282; Grundzöge 1981, S.389 und S. 604; Motsch 1964, S. 27ff; Schmidt 1967, S. 182 etc.

110

re den begrifflichen und somit auch den realen Umfang dieser Subklasse der nur-prädikativen Adjektive. Die kontroversen Auffassungen über den kategorialen Wortartstatus der fraglichen Wörter werden deutlich, wenn wir uns die folgenden Ausführungen in GRUNDZÜGE 1981 ansehen: Wörter wie zu, wohl, schuld etc. werden wegen ihrer Flexionslosigkeit in einigen Grammatiken als Adverbien geführt Außer morphologischen Charakteristiken dieser Art gehört aber die Gesamtheit der für einen Ausdruck möglichen syntaktischen Funktionen (nicht eine einzelne aktualisierte Funktion) zu den Bestimmungskriterien für eine Wortklasseneinordnung. Die genannten Wörter können nur als Prädikative fungieren, vgl.: (165) Die Tür ist zu (166) Dim ist wohl (167) Du bist schuld und nicht als Adverbialbestimmung. Eine Einordnung in die Klasse der Adverbien, deren Hauptfunktion gerade die Adverbialbestimmung ist, wäre wenig sinnvoll

[...l102 Das Autorenkollektiv hat hier praktisch ein Abgrenzungskriterium für die nur prädikativ gebrauchten Adjektive und die in dieser Funktion bzw. Position mit den Adjektiven konkurrierenden Adjektiven geliefert, nämlich: Das betreffende Wort ist ein Adjektiv, wenn es nur prädikativ, aber nicht als Adverbiale gebraucht wird; es ist ein Adverb, wenn es nicht nur als Prädikativ, sondern auch als Adverbiale gebraucht werden kann. Schematisch läßt dies sich wie folgt darstellen: Schema zur Abgrenzung der in der prädikativen Position konkurrierenden Adjektive bzw. Adverbien

102

ADJEKTIV

ADVERB

PRÄD

+

+

ADV

-

+

Grundzüge 1981, S. 389. Die Numerierung erfolgt von K.T.

Ill wobei PRÄD = Prädikativ ADV = Adverbiale Als Beispiele sei angeführt: (168) Du bist schuld. ( 1 6 8 ' ) * Du arbeitest schuld. (169) Das war lanae. bevor sich herausstellte, daß (B 18: 2 0 8 ) (169') Das dauert lange. Das Wort schuld kann nur als Prädikativ, nicht aber als Adverbiale gebraucht werden, während das Wort lange sowohl als Prädikativ als auch als Adverbiale gebraucht werden kann. So gehört schuld zu den Adjektiven und lang hingegen zu den Adverbien. Wie schuld ordnet man in GRUNDZÜGE 1981 auch wohl und zu in (166) und (165) zu den Adjektiven und meint: Auch in (170) Peter macht die Tür zu. fungiert zu nicht als adverbiale Altangabe, sondern gehört zur Gruppe der sog. Resultatsprädikative und entspricht dem Satz (171) Peter macht, daß die Tür zu ist.103 Wir stimmen den Autoren in GRUNDZÜGE 1981 in dieser Zuordnung des Wortes zu zwar zu, weisen jedoch zugleich darauf hin, daß hier ein Fall von Kreuzung bzw. ein Übergangsfall vorliegt: es überschneiden sich die Bereiche der nur prädikativ gebrauchten Adjektive mit denen der Verbzusätze. 104 Wenn man die Funktion von zu als trennbare Präfix und eine Tendenz der gegenwärtigen Sprachentwicklung - nämlich die Univerbierung - ins Auge faßt, dann soll man es den Verbzusätzen zuordnen, vgl. : (172) zu/machen, zu/schließen, zu/decken, zu/schweissen, zu/schnüren, zu/schrumpfen, zu./kommen, etc. einerseits und (173) zu/sein, auf/sein, aus/sein, fort/sein, hin/ sein, weg/sein andererseits, die fast alle in beiden exemplarischen Wörterbüchern dem DUW und dem HWDG - als zusammengeschriebene trennbare Verben neben der jeweiligen autonomen Form zu, 103 104

Grundzüge 1981, S. 389. Die Numerierung erfolgt von K.T. Wir fassen Verbzusätze wie Bußmann 1983 auf, vgl. dort S. 573.

112

auf, aus, hin, fort und weg angeführt worden sind. Eine Ausnahme bilden nur fort /sein und weg/ sein im DUW, die nicht in dieser Weise behandelt werden. Bei all diesen so angeführten Wörtern wurden als grammatische Merkmale Zusammenschreibung nur im Infinitiv und Partizip und als stilistische Bewertung umgangssprachlich angege105 ben. Wenn man das oben genannte Kriterium zur Abgrenzung der nur prädikativ gebrauchten Adjektive von den marginal auch prädikativ gebrauchten Adverbien streng und ohne Seitenblick auf die Möglichkeit des Wortes zu in (165) und (170) als Verbzusätze anwendet, so soll man es den selbständigen nur-prädikativen Adjektiven zuordnen. Dafür spricht auch die andere Tendenz der heutigen Sprachentwicklung, daß Wörter wie zu umgangssprachlich/salopp auch attributiv, und zwar dekliniert gebraucht werden können, obwohl dieser Gebrauch noch nicht als akzeptiert in die genannten Wörterbücher aufgenommen wurde, 106 vgl. : (174) ? die zue (zune) Tür (175) ? der zuwidere Kerl (176) ? das entzweie Spielzeug 107 Dagegen spricht, daß das so als selbständiges Adjektiv aufgefaßte Wort zu beispielsweise irgendwann einmal beginnt, als Adverbiale zu fungieren, vgl. zu in ( 1 7 2 ) : Dort wird zu in seiner Bedeutung immer mehr abgeschwächt (der Reihenfolge der aufgezählten Verben nach) und damit verliert es immer mehr an semantische Selbständigkeit und syntaktische Funktion als Prädikativ. Selbst wenn die Verben bis zu zuschnüren überhaupt noch als selbständige Adjektive in prädikativer Funktion betrachtet werden könnte, z . B . : (177a) Paula schnürt das Paket zu. (177b) —> Das Paket ist .zu. (178a) Paula schnürt die Schuhe zu. 105

Vgl. die grammatische bzw. stilistische Angabe bei dem jeweiligen Wort in den beiden genannten Wörtertriichern - DUW und HWDG. 106 Das Wort zu beispielsweise ist in diesem Gebrauch nicht ins HWDG aufgenommen; In DUW ist es zwar so aufgenommen, aber mit "nicht standardsprachlich", "in salopper Ausdrucksweise" markiert, vgl. dort zu unter . 3. b). 107

Die Beispiele (174)-(176) stammen aus Grundzüge 1981, S. 455.

113

(178b) ? --> Die Schuhe sind zu. - hier wird man sich schon fragen, ob (178b) noch als korrekt gilt und bei Bejahung dann, ob das Wort zu hier noch dieselbe Bedeutung etwa GESCHLOSSEN wie in (165) hat - selbst wenn dies nach dem Vorbild von (170) bzw. (171) in GRUNDZÜGE 1981 so betrachtet werden könnte, hört es jedoch bei Verben wie zuschrumpfen, zukommen u . v . a . bereits a u f , selbständiges Adjektiv in prädikativer Funktion zu sein, und fangt an, ein in adverbieller Funktion fungierendes unselbständiges Adverb bzw. ein solcher Verbzusatz zu sein. Zugleich ändert sich die Bedeutung auch von Fall zu Fall. So bedeutet zu bei zusein oder zumachen nicht unbedingt dasselbe wie bei zuschweißen oder zudecken, noch weniger wie bei zuschnüren, völlig anders als bei zuschrumpfen und zukommen, zumal es bei dem zuletzt genannten allein schon mehrere Bedeutungen hat oder mit dem Stammverb eine komprimierte semantische Einheit eingegangen ist. 108 Um aus dieser Notlage heraus zu können, könnte man an Homonymie als Lösung denken, was aber der Sache nicht gerecht würde, weil dann bei jedem trennbaren Verb oder jeder Bedeutungsvariante innerhalb eines solchen Wortes ein Homonym angesetzt werden müßte. Gegenüber der Entwicklungstendenz der Attribuierung solcher nur-prädikativen Adjektive wie zu scheint sich die der Univerbierung ebensolcher und entsprechender Verben zu trennbaren Verben durchgesetzt zu haben, denn die erstere (Attribuierungstendenz) ist im gegenwärtigen Sprachgebrauch noch nicht (allgemein) akzeptiert worden und obendrein nur auf ganz wenige Wörter beschränkt: dies b e t r i f f t fast nur zu und auf von den in (173) erwähnten nur-prädikativfähigen Wörter, während die letztere (Univerbierung), wie (173) zeigt, als standardsprachlich anerkannt worden ist und darüber hinaus produktiv zu sein scheint. So scheint es angemessener und zweckmäßiger, Elemente wie zu und auf beim prädikativen Gebrauch als Verbzusätze von zusein bzw. aufsein zu betrachten, obwohl sich dabei kein voll108

Vgl. DUW 1983, S. 1485f.

114

ständiges Paradigma der Zusammenschreibung beider Wortteile aufweist: dies liegt auch bei radfahren vor, dessen ersterer Teil trotzdem nur als Verbzusatz zu gelten hat. 109 Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, daß das eingangs festgestellte Kriterium zur Abgrenzung der in der prädikativen Position konkurrierenden Adjektive bzw. Adverbien im wesentlichen geeignet ist, daß andererseits dieses Kriterium eine Restriktion erfahren muß, wenn es auf die prädikativ gebrauchten Wörter zu und auf angewendet werden soll: dabei müßten sie entweder als Verbzusätze betrachtet werden, wofür wir ja plädieren, oder sie müßten beim Aufrechterhalten desselben Kriteriums wegen der adverbialen Verwendung, was oben angedeutet wurde, ordnungsgemäß aus der Adjektivklasse ausgeschlossen und in die Klasse der Adverbien eingeordnet werden, was unkonsequenter- und widersprüchlicherweise in GRUNDZÜGE 1981 auch geschieht: in Abschnitt 2 . 3 . 3 . 1 . 3 . AUTONOME ADVERBIEN wurde beispielsweise zu als ein solches aufgezählt, und zwar in der Funktion als ARTANGABE, was der eigenen vorherigen Aussage, über die wir diskutiert haben und von der wir eigentlich ausgegangen sind, völlig widerspricht. Der andere Schwerpunkt dieses Abschnitts gilt nun der Feststellung, was man unter dem Begriff des nurprädikativen Adjektivs versteht und welche Adjektive hierher gehören sollen. Auf den ersten Blick scheint diese Frage ziemlich trivial und überflüssig zu sein, denn es läge klar auf der Hand, daß Wörter wie fit, Untertan, egal, wert etc. nur-prädikative Adjektive sind. In der Tat sieht das völlig anders aus, obwohl sie zahlenmäßig sehr gering sind. "Nach der Zählung von N. G. KOSINSKAJA gehören zu dieser Kategorie 71 Wörter, wovon 56 keine Entsprechungen unter attributiven Adjektiven aufweisen (ansichtig, egal, behilflich ...). 1 1 0 Diese Wörter können nach der syntaktischen Valenz wie folgt untergliedert werden: 109 110

Vgl. Bußmann 1983, S. 573. Admoni 1970, S. 149.

115

a) (179)

einwertige nur-prädikative Adjektive: fit, barfuß, heil, entzwei, schade, gewillt, pleite, bankrott, stutzig, unpaß, unpäßlich, getrost, not, bi (Kurzwort von bisexuell), ?all ein, ?knorke, ?umsonst, ?kaputt, ?gar, ?unwirsch, ?anhängig, ?brach ... b) mehrwertige nur-prädikative Adjektive: (180a) mit Genitiv-Ergänzung: ansichtig, eingedenk, teilhaft, teilhaftig, habhaft, ledig, gewärtig, . . . (18Ob) mit Dativ-Ergänzung: angst, feind, gram, untertan, kund, kundbar, schlüssig; egal, gleich, einerlei, schnuppe, erinnerlich, wurst, wohl, unwohl, abhold ... (180c) mit Akkusativ-Ergänzung: wert, los, leid, gewahr ... (180d) mit Präpositionalergänzung: schuld, bereit, einig, gefeit, angetan, quitt, vorstellig, ?identisch ... (180e) als Objektsprädikativ: abspenstig, anheischig, verlustig, abwendig ... c) adjektivische Zwillingsformeln 111 (181) klipp und klar, recht und billig, null und nichtig, rank und schlank, gang und gäbe, fix und fertig, frank und frei ... d) mehrfach zusammengesetzte Adjektive 112 (182) fuchsteufelswild, kohlrabenschwarz, splitterfasernackt, sternhagelvoll ... Die Untergruppen c) und d) sind als Sonderklassen der einwertigen Adjektiven zu betrachten, nur wegen ihres morphologischen Sonderzustandes werden sie extra angeführt. Hierbei handelt es sich um keine absolute Vollständigkeit bei der betreffenden Adjektivklasse. Da der in ADMONI 1970 erwähnte Beitrag von KOSINSKAJA uns schwer zugänglich ist, haben wir die oben aufgezählten

111 112

Zu diesem Begriff vgl. Helbig/Buscha 1972, S. 282. Der Begriff und die nachfolgenden Beispielwörter stammen aus Schmidt 1967, S. 182; Alle anderen Wörter aus a), b) und c) sind zusammengestellt aus Grundzüge 1981, S. 604, dem HWDG sowie Helbig/Buscha 1972, S. 282.

116

Adjektive zusammengestellt, um auf den beschränkten Bestand der nur-pradikativen Adjektive hinzuweisen. Es werden insgesamt 73 Wörter gezählt, die mit der von KOSINSKAJA angegebenen Menge übereinstimmen. Wie bei KOSINSKAJA im Fall von behilflich, das heute auch als ein attributiv verwend-bares Adjektiv gilt, Einspruch zu erheben ist, begegnen auch bei unseren 73 Wörtern Einwände, die den Status einer nur-pradikativen Verwendung von einigen Adjektiven absprechen. Dies bet r i f f t die Adjektive knorke, gar, unwirsch, brach, anhängig, kaputt; allein, umsonst in (179) und identisch in (180d), bei dem der gleiche Fall wie bei behilflich vorliegt. Von diesen Adjektiven sind die einen, nämlich: knorke, gar, unwirsch, brach, anhängig und kaputt113 im Wörterbuch DUW und im HWDG deutlich und klar als attributsfähige Adjektive angeführt: (183) eine knorke Sache (DUW: 702 ) (184) den garen Reis in die Suppe geben (HWDG: 439) (185) unwirsche Antworten (DUW: 1342) (186) ein bracher Acker (DUW: 217 ) (187) anhängiges Verfahren (DUW: 76 ) (188) kaouttes Spielzeug (DUW: 667 ) Somit scheiden diese bereits aus. Die beiden anderen Wörter al-lein und umsonst114 können auch alle als Adverbiale gebraucht werden, so sind z . B . im HWDG bei allein " / A d j . : nicht a t t r . ; .../ n 1 1 5 als grammatische Merkmale angegeben, d . h . , es ist ein Adjektiv, das nicht attributiv, aber prädikativ und adverbial gebraucht werden kann. Als Beispiel wurde angeführt: (189) Das Kind läuft schon ganz allein. Hier liegt ein Adverbialgebrauch vor. Das Wort umsonst hingegen wird im HWDG und DUW als Adverb angeführt: (190) Er hatte nicht umsonst davor gewarnt. (HWDG:1193) 113

Als nur-prädikative Adjektive sind diese Wörter aus Preusler 1954, S. 104 zitiert, ausgenommen knorke, das aus Brinkmann 1973, S. 110 stammt 114 Die beiden Wörter werden in Grundzüge 1981 als nur-prädikative Adjektive angeführt, vgl. dort S. 619. 115 HWDG, S. 35.

117

(191) umsonst auf jemanden warten (DUW: 1318) Wegen des adverbialen Gebrauchs sollen die beiden Wörter auch aus der Klasse der nur-prädikativen Adjektive ausgeschlossen werden. Die Untergruppe d) , die von W. SCHMIDT etabliert worden ist, scheint insgesamt problematisch zu sein. SCHMIDT macht dabei zwei Argumente geltend: mehrfache Zusammensetzung und große Länge des betreffenden Wortes. Die beiden Bedingungen erfüllt das Wort funkelnagelneu genauso einwandfrei, es kann aber eben-so einwandfrei attributiv gebraucht werden: (192) ein funkelnagelneues Auto (HWDG: 430) Selbst bei den vier von SCHMIDT genannten Adjektiven ist keines im HWDG durch eine derartige grammatische Angabe der Einschränkung syntaktischer Funktionen wie NUR PRÄDIKATIV gekennzeichnet worden, 116 nur ist das eine Wort fuchsteufelswild mit "vorwiegend prädikativ" versehen.117 Bei den drei anderen Wörtern finden sich keine Angaben zur Einschränkung von deren syntaktischen Funktionen. D.h. sie sind in ihrer syntaktischen Funktion nicht beschränkt, wie die mehrfunktionalen einfachen Adjektive auch, nur ist fuchsteufelswild in dieser Hinsicht eingeschränkt, aber noch nicht so weit, daß es als NUR-PRÄDIKATIV zu verwenden ist. Wir wollen einerseits solche Adjektive zwar nicht den einfachen Adjektiven gleichsetzen und die häufi-ge, ja manchmal vielleicht vorwiegende Verwendung in der prädi-kativen Position verleugnen, weisen aber andererseits auch darauf hin, daß es - zumindest tendenziös - in bestimmten Kontex-ten auch attributiv gebraucht werden kann, vgl.: (193) kohlrabenschwarze Haare (194) eine SP!i11 erfasernackte Dirne (195) ein sternhaaelvoller Typ/Säufer

116

Hierbei muß vorausgeschickt werden, daß das HWDG bei der Erläuterung der Adjektive auch deren syntaktische Funktionen, v.a. Beschränkungen von diesen wie /nur attr./, /nur präd./ etc. klar angibt Vgl. dort unter den "Hinweisen für den Benutzer", S. XVII. Die Abgrenzung der beiden genannten Kategorien deckt sich weitgehend mit der unsrigen. 117 Siehe HWDG, S. 426.

118

Wenn solche Verwendungen vor 20 Jahren - zur Zeit der Fertig-stellung der SCHMIDT 1 sehen Grammatik - noch nicht möglich gewesen waren, so scheinen sie heute doch akzeptabel zu sein, dies mag darin begründet liegen, daß sie wie viele adjektivische Fremdwörter einer solchen Entwicklungstendenz ausgesetzt sind, zuerst in prädikativer Stellung, und dann nach und nach auch in attributiver Stellung gebraucht werden zu können, 118 vgl. : (196) Die Sache ist prima. ( 1 9 6 ' ) eine orima Sache (197) Das Kleid ist beiae. (197 ' ) das beiae Kleid So ist die Zugehörigkeit der Untergruppe d) zu der Klasse der nur-prädikativen Adjektive nicht mehr haltbar. Nach Ausschluß der Untergruppe d) und der oben bereits diskutierten neun Wörter bleiben nun nur noch 60 Wörter, die diese Adjektiv-Klasse ausmachen. Davon ist ein großer Teil ko- und kontextuell bedingter Verwendung unterworfen. So sind die folgenden Adjektive nur bzw. vorwiegend in einer festen Wendung anzutreffen: (198) angst, gram, gewillt, eingedenk, schnuppe, ledig, ansichtig, gewärtig, abspenstig, anheischig, gewahr, angetan, schlüssig, vorstellig Andere hingegen gehören zu den veraltenden bzw. veralteten Wör-tern und deren Verwendung vermittelt zumeist einen damit ver-bundenen besonderen Stilwert: (199) veraltet: kundbar veraltend: not, feind, teilhaft, teilhaftig, kund, Untertan, verlustig . . . In unserem Korpus finden sich auch nur wenige Belege für solche nur prädikativ gebrauchten Adjektive, sie seien vollständig wie folgt angeführt: ( 2 0 0 ) Wahrscheinlich war ich einfach leid. Chopin zu hören; (B 12: 70 ) (201) . . . es sei schade ... (B 13: 135) 118

W.P. Schniid, mündliche Kommunikation im Seminar Die Wortart Adjektiv im Wintersemester 1985/86.

119

(202)

... rheinischer Mädchen, ... die ... zu den "kühnsten Zärtlichkeiten" bereit sind ...

(B 15: 215) (203) ... "sie ist bereit . . . " . . . (B 15: 215) ( 2 0 4 ) Allein die Tatsache ... wäre ... einer Laudatio wert ... (B 17: 2 0 3 ) ( 2 0 5 ) Gegen solche Zumutungen war er aefeit ... (B 18: 211) (206) ... die war doch zu schade für den! (B 19: 52 ) ( 2 0 7 ) Es wäre der Mühe wert, einmal zu erforschen . . . (B 19: 53 ) (208) ... er war ... keineswegs kriegsvergessen... (B 19: 56 ) (209) Ich wurde mit ihm einig ... (B 20: 82 ) (210) Nach neusten Erkenntnissen ist er bi ... (B 21: 141) Die obige Diskussion könnte zur Schlußfolgerung führen, daß die Klasse der nur-prädikativen Adjektive eine ziemlich unproduk- tive geschlossene Klasse wäre und daß sie mit der Aufzählung der paar Dutzend Wörter dann erschöpft wäre. Das ist aber nicht ganz der Fall. Was wir bisher diskutiert haben, b e t r i f f t nur eine Teilklasse der nur-prädikativen Adjektive, die als lexikalisch-semantisch bedingte nur-prädikative Adjektive bezeichnet werden kann. Denn was diesen Adjektiven gemeinsam ist, ist ihre lexikalisch-semantische Qualität, die sie dazu motiviert, nur prädikativ gebraucht zu werden. Anders ausgedrückt heißt das: es ist nicht die Syntax (syntaktische Bindung) , die bestimmt, daß solche Adjektive nur prädikativ gebraucht werden, sondern die lexikalisch-semantische Funktion derselben Wörter. Sie können sozusagen von Natur aus nur prädikativ gebraucht werden, in welchen syntaktischen Konstruktionen auch immer. Anders ist es bei einer weiteren Teilklasse von Adjektiven, die zwar auch nur prädikativ gebraucht werden, aber eben nicht durch ihre lexikalisch-semantische Qualität dazu ausersehen sind, sondern durch ihre spezifische syntaktische Bindung im Satz, d.h. sie sind nur in bestimmten syntaktischen Konstruktionen nur-prä-

120

dikative Adjektive und können deshalb nicht durch Transpositionen attributiv bzw. adverbial gebraucht werden. Aber von ihrer lexikalisch-semantischen Qualität her sind sie ohne weiteres mehrfunktionale Adjektive, die sowohl attributiv als auch prädikativ oder adverbial gebraucht werden können. Als Beispiele aus dieser Teilklasse sind zu nennen: (211) ... es ist dunkel ... (B 5: 159) (212) Mir war kalt ... (B 11: 160) (213) ... 'es ist schön bei I h n e n . " . . . (B 6: 104) (214) ... die Großmutter war gut zu Glum ... (B

7: 167)

Wie die Beispiele zeigen, sind die Adjektive in (211) - (214) nur in Bezug auf die betreffenden Satzkonstruktionen nur-prädikative Adjektive, d.h., sie können nicht durch Transpositionen in die attributive bzw. adverbiale Stellung versetzt werden und sind aus transpositioneller (oder transformationeller) Sicht nur-prädikative Adjektive. In anderen Konstruktionen können sie normalerweise auch als Attribute fungieren: (215) Die Straße ist dunkel. ( 2 1 5 ' ) eine dunkle Straße (DUW: 2 9 4 ) (216) Die Füße sind (mir) kalt. ( 2 1 6 ' ) j&älte. Füße (DUW: 659) Adjektive, die in den spezifischen Konstruktionen auf prädikativen Gebrauch beschränkt sind, können, den lexikalisch-semantisch bedingten nur-prädikativen Adjektiven gegenübergestellt, als syntaktisch bedingte nur-prädikative Adjektive bezeichnet werden. Durch Einbezug dieser Teilklasse wird die gesamte Anzahl der nur-prädikativen Adjektive wesentlich erhöht. Da Adjektive dieser Teilklasse auf irgendeine Art und Weise keinen (direkten) Bezug zum Subjekt des Satzes aufweisen, werden wir sie hier nicht mehr weiter diskutieren, sondern in dem Zusammenhang des Nicht-Subjekt-Bezuges im nächsten Abschnitt behandeln.

121

4 . 1 . 3 . 2 . KOPULATIVES PRÄDIKATIV MIT NICHT-SUBJEKTBEZOGENHEIT Wie bei den Beispielen (127) - (131) und (211) (214) gezeigt worden ist, handelt es sich dabei um Adjektive, die als kopulatives Prädikativ mit Nicht-Subjektbezogenheit fungieren, d.h. sie sind zwar prädikative Adjektive, beziehen sich aber aus verschiedenen Gründen nicht auf das Satzsubjekt, sei es ein unpersönliches Pronomen, das von sich aus nicht weiter zu explizieren ist;119 sei es ein Personalpronomen, das zwar semantisch als Satzsubjekt interpretiert werden könnte, syntaktisch aber als indirektes Dativ-Objekt fun120 giert oder sei es ein normales Substantiv bzw. eine solche Wortgruppe, das bzw. die zwar semantisch wie syntaktisch Satzsubjekt ist, auf das sich das betreffende Adjektiv jedoch nicht bezieht, sondern vielmehr auf die relativen Verhältnisse, die zwischen der einen Person, auf die durch das genannte Substantiv bzw. die Substantiv-Wortgruppe referiert wird, und der anderen Person, die mit im Satz vorkommen soll, bestehen.121 Für die ersten beiden Typen können wir, was die Verwendung des Adjektivs b e t r i f f t , einen Begriff IMPERSONALES PRÄDIKATIV einführen, da hierbei das Satzsubjekt stets ein unpersönliches Pronomen es ist; für den dritten Typ wäre ein Begriff RELATIONSPRÄDIKATIV in Erwägung zu ziehen, da das prädikative Adjektiv hierbei die Relation, genauer die menschlichen Beziehungen, prädiziert. 4.1.3.2.1.

Impersonales

Prädikativ

Wie aus den oben genannten Beispielen hervorgeht, ist der Bezug der betreffenden Adjektive syntaktischsemantisch nicht mehr explizierbar, da das Satzsubjekt ein rein grammatisches ist, das durch das unpersönliche 119

Vgl. oben Bsp. (128), (131), (211) und (213). Vgl. oben Bsp. (129), (130) und (212). 121 Vgl. oben Bsp. (127) bzw. (214). 120

122

es realisiert wird. Was den vielen Fällen aber gemeinsam ist, ist der referenzsemantische Aspekt: Die Adjektive bezeichnen alle irgendeine Situation, insofern kann man deren Funktion genauso gut mit dem Begriff SITUATIVES PRÄDIKATIV zusammenfassen. Demnach fungieren Adjektive in (128) und (211) als SITUATIVES PRÄDIKATIV DER WITTERUNG, kurzum WITTERUNGSPRÄDIKATIV; die in ( 1 2 9 ) , (130) und (212) als SITUATIVES PRÄDIKATIV DER EMPFINDUNG, kurzum EMPFINDUNGSPRÄDIKATIV und die in (131) und (213) als SITUATIVES PRÄDIKATIV DER LOKALE, kurzum LOKATIVPRÄDIKATIV. Als weitere Beispiele, die im Korpus belegt sind, können die folgenden angeführt werden: a) Witterungsprädikativ: (217) Es wurde kälter ... (B 19: 53 ) (218) Es war draußen fast dunkel geworden. (B 20: 87 ) b) Empfindungsprädikativ: (219) Mir ist schlecht. (B 5: 158) c) Lokativprädikativ: (220) ... aber im Herbst war es schön zu Hause. (B 2: 89 )

(221)

. . . und im gleichen Augenblick war es ruhig draußen. (B 9: 8 4 f )

Für die Etablierung der beiden Teilklassen WITTERUNGS- UND EMPFINDUNGSPRÄDIKATIVE lassen sich die Belege leicht erweitern, z . B . : ( 2 2 2 ) Es ist heiß/trüb/neblig/feucht/wolkig/heiter/ windig . . . ( 2 2 3 ) Mir ist heiß/warm/schwindlig/wohl/unwohl ... Wie die Beispiele zeigen, ist der referenzielle Bezug der Adjektive, obwohl dabei kein Bezugswort überhaupt (bei ( 2 2 2 ) und dgl.) bzw. kein als Satzsubjekt fungierendes Bezugswort (bei ( 2 2 3 ) und dgl.) angebbar ist, aus der gesamten Konstruktion des jeweiligen Satzes doch zu erschließen: In Sätzen wie ( 2 2 2 ) wird etwas über die Witterung ausgesagt, also liegt hier die Witterungsprädikation vor; in Sätzen wie ( 2 2 3 ) wird über die physische bzw. psychische Empfindung der belebten Lebewesen ausgesagt, die Adjektive dienen der Empfindungsprädikation .

123

Demgegenüber finden sich für die Teilklasse LOKATIVPRÄDIKATIVE nur wenige Beispiele. Bei den angeführten Sätzen (131), (213), ( 2 2 0 ) und (221) gehen wir davon aus, daß sich das Adjektiv hierbei referenziell auf die lokale Größe im Satz bezieht, z . B . : (131a) --> Es war schön, (im Herbst) zu Hause zu sein. (131b) ? --> Es war schön, (zu Hause) im Herbst zu sein. (213a) --> Es ist schön, bei Ihnen zu sein. In diesen Paraphrasierungen hat das Adjektiv eher eine Beziehung zur Lokaladverbiale als zur temporalen Adverbiale. Deshalb setzen wir an, daß in Sätzen wie (131) und ( 2 2 0 ) , wo die Lokal- und Temporaladverbiale miteinander konkurrieren, der Lokativbezug des Adjektivs bevorzugt wird. Auf diese Weise laßt sich auch (221) erklären, obwohl es sich nicht wie (131) und ( 2 2 0 ) paraphrasieren läßt, also: (221a) --> Der Ort/Platz/Raum ist im gleichen Augenblick ruhia. (221b) * --> Der gleiche Augenblick/das Moment/die Zeit/der Tag ist draußen/am Ort/auf dem Platz/im Raum ruhig. Während in (221a) das aus Lokaladverbiale hergeleitete Subjekt bei der gleichzeitigen Existenz der Temporaladverbiale erscheinen kann, darf das aus der Temporaladverbiale hergeleitete Subjekt hingegen nicht beim gleichzeitigen Auftreten der Lokaladverbiale erscheinen. Dies ist auch ein Indiz, das für unseren Ansatz spricht. Wie bereits angedeutet, ist die Etablierung der Teilklasse der Lokativprädikative insgesamt noch ein erster Ansatz, der noch durch ausreichende Belege bestätigt werden muß. Ein weiteres gemeinsames Merkmal der drei Teilklassen mit den Impersonalprädikativen ist, daß in deren zugrundeliegenden Sätzen das grammatische Subjekt es durch nichts ersetzt und bei der Umstellung nicht weggelassen werden kann. Eine Ausnahme macht nur die Teilklasse b) der Empfindungsprädikative, bei denen es im Fall von Inversion getilgt werden kann. Trotzdem unterscheidet sich dieses es doch von dem Platzhalter es: das erstere steht nicht für etwas anderes da, sondern

124

nur für sich selbst, während das letztere für etwas anderes, meistens komplexere Ausdrücke, die sich in Form von Nebensätzen oder INFINITIV MIT ZU realisieren lassen, als Platzhalter im wahrsten Sinne steht und durch sie ersetzt werden kann, z . B . : (224)

Es ist

merkwürdig, daß der Zug nicht weiterfährt (B 1: 65 )

(224a) --> Daß der Zug nicht weiterfährt, ist merkwürdig. (225) Es war seltsam, daß mir ... die Erinnerung ... so greifbar und deutlich wurde ... (B 3: 107) (225a) --> Daß mir ... die Erinnerung ... so greifbar und deutlich wurde, war seltsam. ( 2 2 6 ) ... Es war so sinnlos, dort zu hocken ... (B 3: 108) (226a) --> dort zu hocken, war so sinnlos. (227) So wie es schwer für ihn ist, ... seinen Körper gegen das Fließen der Luft zu bewegen ... (B 6: 102) (227a) --> Seinen Körper gegen das Fließen der Luft zu bewegen, ist für ihn schwer. Hierbei handelt es sich um einen Subjektsatz im Sinne der traditionellen Grammatik. Das Platzhalter es ist formell explizierbar durch den Nebensatz oder den Infinitiv mit zu. Die prädikativen Adjektive in diesen Konstruktionen prädizieren in der Tat Sachverhalte, die durch die Subjektsnebensätze bzw. Infinitiv mit zu ausgedrückt sind. So kann die Funktion dieser Adjektive als Sachverhaltsprädikativ bezeichnet werden. Im Gegensatz zu den Impersonal- oder Situativprädikativen können die Sachverhaltsprädikative den Prädikativen mit Subjektbezogenheit zugeordnet werden, da bei der Nominalisierungsparaphrase des Nebensatzes bzw. des Infinitivs mit zu die Adjektive den neu entstehenden Satzsubjekten zugeordnet werden, vgl.: (224b) —> Die (Nicht-) Weiterfahrt des Zuges ist merkwürdig. (224c) --> die merkwürdige Weiterfahrt des Zuges (226b) --> Das Hocken dort war sinnlos. (226c) --> das sinnlose Hocken dort

125

(227b) —> Das Bewegen (die Bewegung) seines Körpers gegen das Fließen der Luft ist schwer für ihn. (227c) —> das (die) für ihn schwere Bewegen (Bewegung) seines Körpers Aus den Nebensätzen werden dabei Wortgruppen mit substantivierten Verben, also Nomina actionis als Subjekte, die nun auch durch die prädikativen Adjektive attributiv bestimmt werden können. Etwas anders ist es bei Sätzen wie ( 2 2 5 ) , bei denen keine Nomina actionis aus den Nebensätzen hergeleitet werden können. Bei solchen Sätzen müßte man den Ausdruck SACHVERHALT zur Umschreibung für die Gesamtbedeutung des Nebensatzes annehmen, der dann als Bezugsgröße von den prädikativen wie auch den attributiven Adjektiven modifiziert werden könnte: (225b) --> der Sachverhalt (daß mir ... die Erinnerung ... so greifbar und deutlich wurde) war seltsam. (225c) —> der seltsame Sachverhalt Diese Umschreibung der Gesamtbedeutung des Nebensatzes bzw. des Infintivs mit zu als SACHVERHALT gilt selbstverständlich auch für Sätze ( 2 2 4 ) , ( 2 2 6 ) , ( 2 2 7 ) u . a . , obwohl dies hierbei nicht nötig ist. Deshalb wird diese Teilklasse der Adjektive mit der erläuterten syntaktisch-semantischen Funktion als SACHVERHALTSPRÄDIKATIV gekennzeichnet. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß diese Teilklasse der Adjektive sich grundsätzlich von den impersonalprädikativen Adjektiven unterscheiden: sie kommen in Sätzen mit dem Platzhalter es als grammatisches und mit Nebensätzen bzw. Infinitiven mit zu als semantisch explizites Subjekt vor; so ist die Bezugsgröße dieser Adjektive - zwar nicht direkt - doch indirekt durch syntaktisch-semantische Eingriffe (Umstellung, Nominalisierung, Paraphrase etc.) angebbar; das Platzhalter es ist somit weglaßbar und ersetzbar. Deshalb gehören solche Adjektive - als eine Randklasse - noch zu den subjektbezogenen prädikativen Adjektiven. Die impersonalprädikativen Adjektive hingegen kommen nur in Sätzen

126

mit dem unpersönlichen es als dem einzigen grammatischen Subjekt vor. Dieses es ist nicht ersetzbar und prinzipiell nicht weglaßbar (Ausnahme bilden die empfindungsprädikativen Satze bei der Inversion) . Folglich ist das Subjekt solcher Adjektive semantisch nicht angebbar. Die Bezugsgröße der Adjektive ist nur unter Rekurs auf referenzsemantische Zusammenhänge des gesamten Satzkontextes zu ermitteln. So gehören solche Adjektive im Gegensatz zu den sachverhaltsprädikativen Adjektiven zu den nicht-subjektbezogenen prädikativen Adjektiven. 4.1.3.2.2.

Relationsprädikativ

Im Abschnitt 4.1.3.2. oben wurde die These aufgestellt, daß Adjektive wie in (127) bzw. (214) nicht das Satzsubjekt, sondern die Relation zwischen den Subjekt und einem anderen Satzglied, beispielsweise Präpositionalobjekt, prädizieren. Nun wollen wir den Beispielsatz (214) genauer betrachten. (214) ... die Großmutter war au t zu Glum ... Auf den ersten Blick sieht dabei so aus, als ob gut nur das Subjekt prädiziert, wenn das so ist, müßten die folgenden Varianten stimmen: (214a) --> Die Großmutter war aut. (214b) --> die gute Großmutter Dies ist offensichtlich nicht der Fall. (214a) und (214b) weichen semantisch ziemlich stark von (214) ab: die Großmutter mag in der Beziehung zu Glum gut sein, was aber nicht bedeutet, daß sie in der Charaktereigenschaft generell gut ist oder eine gute Großmutter überhaupt ist; im Gegenteil kann sie sehr wohl schlecht und somit eine böse Großmutter sein, der Tatsache unbeschadet, daß sie zu Glum gut war. Der Satz (214) läßt sich angemessenerweise wie folgt paraphrasieren: (214c) --> Die Großmutter verhielt sich aut zu Glum. In Übereinstimmung mit der Unterscheidung des prädikativen vs. adverbialen Adjektivs bei Verben wie sich verhalten im Abschnitt 4.1.1. oben läßt sich auch hierbei feststellen, daß gut hier ein adverbiales Adjektiv

127

ist und sich somit nicht auf das Satzsubjekt bezieht. Ein Nominalisierungstest macht dies noch deutlicher: (214d) --> das gute Verhältnis der Großmutter zu Glum (214e) --> Das Verhältnis der Großmutter zu Glum war out. Was von gut pradiziert wird, ist das Verhältnis, die Beziehung der Großmutter zu Glum, also die Relation zwischen den beiden Personen; das hat damit nichts zu tun, ob sie gut ist oder nicht. Deshalb werden Adjektive wie gut hier als relationsprädikative Adjektive bezeichnet. Weitere Beispiele finden sich noch im Korpus : (228) ... daß er gegen Helga und den Jungen milder geworden war ... (B 18: 208) (229) ... daß ich nicht so hart zu ihr gewesen wäre (B 1: 68 ) (230) ... bin ich hier richtig in Daval? (B 20: 80 ) Wie die Beispiele oben zeigen, sind die relationsprädikativen Adjektive solche, die überwiegend menschliche Verhaltensweisen gegenüber anderen zum Ausdruck bringen; sie prädizieren die Verhältnisse zwischen dem Subjekt - realisiert meistens durch einen Ausdruck für eine Person - und einem anderen mit ihm in solcher Beziehung stehenden Satzglied - realisiert zumeist durch einen Ausdruck für eine Person, marginal auch durch eine Raumbezeichnung (vgl. ( 2 3 0 ) ) . Die Liste dieser Teilklasse der Adjektive läßt sich ziemlich leicht erweitern. 122 Bisher haben wir über die Nichtsubjektbezogenheit der beiden Teilklassen der impersonal- und relationsprädikativen Adjektive gesprochen. Nun kommen wir zu dem Aspekt, der zum Schluß des Abschnittes 4.1.3.1.2. angesprochen worden ist. Dort haben wir festgestellt, daß die genannten Adjektive, obwohl sie von sich aus nicht nur prädikativ, sondern auch attributiv verwendet werden können, doch in den spezifischen Konstruktionen auf den prädikativen Gebrauch beschränkt sind. Sie sind syntaktisch bedingte nur-prädikative Adjektive. Ihre 122

Vgl. Motsch 1964, S. 54.

128

Kontextbedingungen stellen gerade die Satze dar, in denen die hier interessierenden Adjektive vorkommen, d.h. : die impersonal- und relationsprädikativen Adjektive sind eben solche syntaktisch bedingten nur-pradikative Adjektive. Unsere Unterscheidung der lexikalisch-semantisch vs. syntaktisch bedingten nur-prädikativen Adjektive ist insofern relevant, als sie die Verwirrung, die mit dem Begriff der nur-prädikativen Adjektive verbunden ist, beseitigt und Klarheit verschafft, was im einzelnen darunter zu verstehen ist. Diese Verwirrung besteht darin, daß man ohne die oben vorgenommene Differenzierung von nur-pradikativen Adjektiven redet, so daß unterschiedliche Dinge in einen Topf geworfen werden und somit Ein- und Widersprüchen Tür und Tor geöffnet wird. Solche Unklarheit findet sich schon bei MOTSCH,123 sie bleibt z . B . auch bei HELBIG/BUSCHA weiterhin bestehen. 124 Die Differenzierung der lexikalisch-semantisch und syntaktisch bedingten nur-prädikativen Adjektive läßt sich schematisch wie folgt darstellen: fit

angst

kalt

dunkel

lex. bed.

+ P

+ P

- P

- P

syn . bed .

+ P

+ P

+ P

+ P

Dabei bedeutet:

lex. bed. = lexikalisch-semantisch bedingt syn. bed. = syntaktisch bedingt P = nur prädikativer Gebrauch Wie das Schema zeigt, sind Adjektive wie fit, angst, aus lexikalisch-semantischer wie syntaktischer Sicht nur prädikativ verwendbar, während Adjektive wie kalt, dunkel nur aus syntaktischer Sicht auf den prädikativen Gebrauch beschränkt sind und aus lexikalisch-semanti123 124

VgJ. Motsch 1964, S. 27ff. Vgl. Helbig/Buscha 1972, S. 282.

129

scher Sicht auch attributiv verwendet werden können. Dabei ist für den Status des nur-prädikativen Gebrauchs bei den ersteren der lexikalisch-semantische, bei den letzteren der syntaktische Aspekt ausschlaggebend. Deshalb werden sie jeweils lexikalisch-semantisch bzw. syntaktisch bedingte nur-prädikative Adjektive genannt. Diese Unterscheidung ähnelt in gewissem Sinne der von BERGENHOLTZ/ SCHAEDER,125 die in Anlehnung an HJELMSLEV die sprachlichen Einheiten in SYSTEM und VERLAUF unterscheiden, wobei unsere lexikalisch-semantisch bedingte Verwendungsweise des Adjektivs als Angelegenheit des Systems, die syntaktisch bedingte Verwendungsweise als die des Verlaufs angesehen werden können. 4.1.4.

NICHTKOPULATIVES PRÄDIKATIV

Wie oben im Abschnitt 4.1.2. plädiert wird, werden spezifische Adjektive bei Vollverben nach ihren syntaktischen Funktionen als prädikativ bei Vollverben oder im Gegensatz zum kopulativen Prädikativ - als nichtkopulatives Prädikativ bezeichnet. Mit den spezifischen Adjektiven ist gemeint, daß sie, wie oben im Abschnitt 4 . 1 . 2 . bei den Beispielen (34) - ( 3 7 ) gezeigt wurde, entweder Subjektbezug oder Objektbezug aufweisen und somit die syntaktische Funktion des Subjektsprädikativs bzw. Objektsprädikativs ausüben. Also liegt das Subjektsprädikativ vor in: (34) Er schüttelte traurig den Kopf. (35) Er rief (mich) erregt an. und das Objektsprädikativ in: (36) Sie erklärte die alte Frau für verrückt. (37) Das fand ich gut. Im Gegensatz zu den einpropositionalen Sätzen mit kopulativen Prädikativen, die im Abschnitt 4.1.1. oben angesprochen wurden, 126 ist bei den Sätzen mit nichtkopulativen Prädikativen festzustellen, daß sie (mindestens) zwei Propositionen enthalten. Dabei verstehen wir den Begriff PROPOSITION in Anlehnung an POLENZ als 125 126

Vgl. Bergenholtz/Schaeder 1977, S. 63ff. Vgl.obenS. 65.

130 Aussagegehalt, 127 der als der "nichtpragmatische Teil* zusammen mit dem "pragmatischen Gehalt" den Satzinhalt ausmacht. 128 Polenz hat praktisch den Propositionsbegriff von SEARLE übernommen und für seine Analyse der Satzsemantik verwendet. Bei SEARLE werden Propositionen als sprachunabhängige, sprechaktneutrale Aussageformen verwendet, die sich bei unterschiedlicher grammatischer Form auf den gleichen Sachverhalt der Wirklichkeit beziehen können. 129 Proposition ist somit die semantische Informationsmenge eines Satzes, wobei die spezifische syntaktische Form und lexikalische Füllung zunächst unberücksichtigt bleibt. 130 Dieses Verständnis des Beg r i f f s Proposition wird in der DUDEN-GRAMMATI K noch deutlicher und klarer zum Ausdruck gebracht: Proposition ist also eine Bedeutungseinheit, und sie ist zugleich die zentrale Einheit des semantischen Gedächtnisses eines Sprachteilhabers. Als solche ist sie keine (einzel)sprachliche Einheit, sie enthält nur die Gedanken, die wir mitteilen, wenn wir in einer (Einzel)sprache sprechen.131 Eine Proposition besteht in diesem Verständnis immer aus einem sogenannten Prädikat und aus einem oder mehreren Argumenten.132 Ganz allgemein und grob formuliert, kann man eine Proposition als eine Sachverhaltsaussage verstehen. 133 Sprachlich lassen sich Propositionen als einfache Sätze darstellen; konkreten Sätzen können aber auch mehrere Propositionen zugrunde liegen.134 Demnach beruhen von den folgenden Sätzen die einen (231) - ( 2 3 3 ) jeweils auf einer, die anderen ( 2 3 4 ) (236) auf zwei Propositionen: (231) Die Straße ist breit. 1 ( 2 3 l ) BREIT (STRASSE) 135 (232) Sein Lachen klang gemein. 127

Vgl. Polenz 1985, S. 78 und S. 92f. Vgl.ebd.,S.92. 129 Vgl. Bußmann 1983, S. 416. 130 Vgl. ebd., S. 417. 131 Duden 1984, S. 757. 132 Ebd. 133 Vgl. auch Bußmann 1983, S. 416. 134 Vgl. Duden 1984, S. 757. 135 Zur Notationsweise der Proposition vgl. Duden 1984, S. 757. 128

131 (232')

[DEM KLANG NACH] GEMEIN (LACHEN)

(233)

Der Arzt sah müde aus.

(233')

[DEM AUSSEHEN NACH] MÜDE (ARZT)

(234) Er nahm den Hut und verließ das Zimmer. 136 1 ( 2 3 4 ) NEHMEN (ER, HUT) VERLASSEN (ER, ZIMMER) (235) Nach Hause gekommen, spielte sie Klavier. ( 2 3 5 ' ) KOMMEN (SIE, HAUS) SPIELEN (SIE, KLAVIER) (236) Karl, mein Freund, ist Künstler. ( 2 3 6 ' ) FREUND (ICH, KARL) A KÜNSTLER (KARL) Wir bedienen uns für die Darstellung der Proposition der Schreibweise der Duden-Grammatik, weil sie die logisch-semantische Struktur der betreffenden Oberflächensätze entsprechend darstellt. Dabei haben wir bei der kopulativen Prädikation, die mit Hilfe der Kopulatiwerben im engeren Sinne, z . B . aussehen realisiert wird, den semantischen Zusatz DEM KLANG NACH in eckigen Klammern als Ergänzung zum eigentlichen Prädikat davor gestellt. Dies ist bei der reinen Kopula sein nicht nötig, da sie als "bedeutungsleer" gilt. Aufgrund der Definition der Proposition als SEMANTISCHE INFORMATIONSMENGE oder als BEDEUTUNGSEINHEIT, die aus einem Prädikat und einem oder mehreren Argumenten besteht, kann man die obigen Sätze (231) - (233) als EINPROPOSITIONALE Sätze bezeichnen, da sie jeweils ein Prädikat enthalten und somit eine Prädikation darstellen, während die Sätze ( 2 3 4 ) - ( 2 3 6 ) als ZWEI-(bzw. MEHR-)PROPOSITIONALE Sätze zu betrachten sind, da sie jeweils zwei (bzw. mehr) Prädikate enthalten und folglich zwei (bzw. mehr) Prädikationen darstellen. Mit derselben Begründung sind die eingangs angeführten Beispielssätze ( 3 4 ) - ( 3 7 ) den zwei (bzw. mehr) 137 propositionalen Sätzen zuzuordnen: ihnen liegen jeweils zwei Prädikationen zugrunde, die ihrerseits immer mittels eines verbalen und eines adjektivischen Prädikats 136

Die Beispielsätze (234) - (236), die eigens als zwei Propositionen enthaltend betrachtet werden, finden sich ebd. 137 Im folgenden werden wir nur den Begriff zweipropositionale Sätze benutzen, wobei gegebenfalls auch mehrpropositionale Sätze mitgemeint sind, ohne besonders darauf hingewiesen zu werden, da uns in erster Linie um zwei propositionale Sätze mit jeweils einem verbalen und einem adjektivischen Prädikat geht

132

realisiert werden. Daß hierbei die Adjektive auch als Prädikate fungieren können, findet bereits die Rechtfertigung bei HELBIG, wenn er meint: Die prinzipielle Ähnlichkeit von Adjektiven und Verben ergibt sich semantisch daraus, daß beide auf (logisch-semantische, d.h. noch nicht lexikalisierte) Prädikate in Propositionen zurückgehen.138

So können die diesen Sätzen zugrundeliegenden Propositionen wie folgt dargestellt werden: ( 3 4 1 ) SCHÜTTELN (ER, KOPF) A TRAURIG (ER) ( 3 5 1 ) ANRUFEN (ER, ICH) ERREGT (ER) 1 ( 3 6 ) ERKLÄREN (SIE) / \ VERRÜCKT (FRAU) ( 3 7 ' ) FINDEN (ICH) GUT (DAS) Aus dieser propositionalen Strukturbeschreibung geht hervor, daß 1) die Sätze ( 3 4 ) - ( 3 7 ) genauso wie die Sätze ( 2 3 4 ) (236) jeweils auf zwei Propositionen beruhen; 2) daß diese regelhafte Strukturbeschreibung für die nichtkopulative Prädikative als Ganzes gilt, d.h. sowohl für die nichtkopulativen Subjektsprädikative als auch für solche Objektsprädikative; 3) daß diese Strukturbeschreibung gleichzeitig die semantische Beziehung zwischen der adjektivischen Größe und der Bezugsgröße in diesen Sätzen als die Relation der Prädikation bestätigt hat und 4) daß somit die als nichtkopulative Prädikative fungierenden Adjektive gegenüber denen, die als Adverbiale fungieren, sinnvoll abgegrenzt werden können. Denn die letzteren sind nicht auf Prädikate in Propositionen zurückzuführen, während dies bei den ersteren der Fall ist, z . B . : (237) Er schüttelt heftig den Kopf. (238) Er ruft (mich) ständig an. Die beiden Adjektive heftig und ständig sind keine Prädikate in den ( 2 3 7 ) und ( 2 3 8 ) zugrundeliegenden Propositionen bzw. in der ihnen innewohnenden semantischen Struktur. Nach POLENZ 1985 sind sie satzsemantisch gesehen "Zusätze zu Prädikationen" bzw. "Aussagen-Zusät-

138

Heibig 1982, S. 40.

133

ze". 139 So sieht die semantische Struktur der beiden Sätze wie folgt aus: (237a) Erx schütteltp [ Z : ] heftig [ : Z ] den Kopf y . 140 (238a) Erx ruft p (mich) y [ Z : ] ständig [ : Z ] an. In abstrakter Schreibweise heißt das: (239) [Z] P (x,y) 1 4 1 Es stellt sich heraus, daß diese Struktur nur eine Prädikation enthält, während in Sätzen wie ( 3 4 ) - ( 3 7 ) zwei Prädikationen zugrundeliegen: (34a) Erx schüttelt pl traurig p2 den Kopf y . (35a) Erx ruft p l (mich) y erregtp2 an. (36a) Siexl erklärte pl die alte Fraux2 für verrückt p2 . (37a) Dasx2 finde pl ichxl gut p2 . Die semantische Strukturen in ( 3 4 a ) - ( 3 7 a ) werden noch deutlicher in ihren jeweiligen expliziten Umschreibungen : (34b) Erxl schüttelt pl den Kopf yl , wobei er x 2 (_ x l ) traurig ist p2 . (35b) Erxl ruft p l (mich) yl an, wobei er x 2 ( = x l ) erregt ist p2 . (36b) Siexl erklärte pl/ daß die alte Fraux2 verrückt ist p2 . (37b) Ichxl finde p l / daß dasx2 gut ist p2 . Formell sehen die semantischen Strukturen von (34a) bzw. (34b) und (35a) bzw. (35b) so aus: (240) Pl(xl/yl,P2(x2))/ wobei xl = x2; die von ( 3 6 a ) bzw. (36b) und (37a) bzw. ( 3 7 b ) : (241)

Pl(xl,P2(x2)) .

Daraus ergibt sich eine verallgemeinerte Formel: (242) Pl(xl,yl...,P2(x2))142 Dabei ist nur das Argument xl unter allen Umständen obligatorisch, alle weiteren wie yl etc. können je nach der Stelligkeit/Wertigkeit des jeweiligen Prädikats Pl 139

Vgl. Potenz 1985, S. 252ff. Diese Schreibweise haben wir von Potenz übernommen. Dabei kennzeichnen p Prädikate; x, y,... Argumente und [Z:]... [:Z] Aussagen-Zusätze, Vgl. u.a. Potenz 1985, S. 250. 141 Hierbei soll [Z] die Aussagen-Zusätze repräsentieren. 142 Vgl. Potenz 1985, S. 109 und S. 232ff. 140

134

obligatorisch oder fakultativ sein. Wichtig ist festzustellen, daß mit dieser Strukturregel zwei unterschiedliche Falle erfaßt sind: im Fall von Referenzidentität von xl und x2, also xl = x2 wie in (34b) und (35b) kann man von der "Gleiche-NP-Tilgung" 143 in der Generativen Transformationsgrammmatik sprechen; im Fall der NichtReferenzidentität von xl und x2, also xl „ x2 wie in (36b) und (37b) hingegen liegt mit POLENZ und den Generativen Grammatikern die "Subjektanhebung· 144 vor. Darauf werden wir noch zurückkommen. Für den hier interessierenden Zusammenhang gilt es nun zunächst festzustellen, daß in der satzsemantischen Struktur ( 2 4 2 ) , die den Sätzen ( 3 4 ) - (37) zugrundeliegt, anders als in der den Sätzen ( 2 3 7 ) - ( 2 3 8 ) zugrundeliegenden Struktur, zwei Prädikationen vorliegen. Demnach beruhen die Sätze ( 3 4 ) - ( 3 7 ) also auf zwei Propositionen, während die Sätze ( 2 3 7 ) und ( 2 3 8 ) jeweils auf nur einer Proposition basieren. Anders als bei den ersteren ist bei den letzteren die zugrundeliegende propositionale Struktur folgendermaßen anzusetzen: (2371) (2381)

[HEFTIG]z SCHÜTTELN (ER, KOPF) [STÄNDIG]z ANRUFEN (ER, ICH)

Eine Gegenüberstellung von ( 2 3 7 ' ) - ( 2 3 8 ' ) mit ( 3 4 ' ) - ( 3 7 ' ) macht auch deutlich, daß hierbei eine, dort aber zwei PROPOSITIONEN vorliegen. Somit haben wir zunächst einmal das nichtkopulative Prädikativ vom Adverbial auf der logisch-pragmatischen und satzsemantischen Ebene abgegrenzt. Bisher haben wir die nichtkopulativen Prädikative einheitlich behandelt, d.h. die Gemeinsamkeiten ihrer Untergruppen, der Subjektsprädikative und der Objektsprädikative, diskutiert, und zwar vorwiegend in logisch-pragmatischer und satzsemantischer Hinsicht. Im folgenden werden wir nunmehr auf die Eigenarten dieser Untergruppen näher eingehen, und zwar unter besonderer Berücksichtigung der syntaktischen Aspekte. 143

Vgl. oben S. 70, Anm. 40.

144

Vgl. Polenz 1985, S. 234 und Pütz 1982, S. 331-367.

135

4 . 1 . 4 . 1 . SUBJEKTSPRADIKATIV Die Subjektsprädikative sind diejenigen Adjektive von den nichtkopulativen Prädikativen, die sich jeweils auf das Satzsubjekt beziehen. Streng genommen müssen auch Adjektive der kopulativen Prädikative mit Subjektbezogenheit145 zu den Subjektsprädikativen gerechnet werden; da es uns aber hierbei um die Gegenüberstellung von subjektbezogenen und objektbezogenen Adjektiven innerhalb der nichtkopulativen Prädikative geht, verwenden wir den Begriff Subjektsprädikativ im engeren Sinne und meinen hiermit nur die subjektbezogenen nichtkopulativen Prädikative. Als Kriterien zur Feststellung des Subjektsprädikativs dienen 1) die attributive und prädikative Verbindbarkeit des betreffenden Adjektivs mit dem jeweiligen Bezugsnominal, das im betreffenden Satz als Subjekt funktioniert, z . B . : (243) Der Mann schüttelt traurig den Kopf. (243a) --> der traurige Mann (243b) --> Der Mann ist traurig. 2) die Paraphrasierbarkeit des gesamten komprimierten Satzes mit Hilfe des Pronominaladverbs wobei bzw. dabei, wobei das Nebensatz-Subjekt mit dem Hauptsatz-Subjekt referenzidentisch sein muß und das fragliche Adjektiv hierbei als kopulatives Prädikativ funktioniert: (243c) --> Der Mann schüttelt den Kopf, wobei er traurig ist. Unter Rekurs auf die oben postulierten logisch-pragmatischen und satzsemantischen Kriterien stellt sich mittels dieser syntaktischen Kriterien heraus, daß Adjektive wie traurig in Sätzen des Typs ( 2 4 3 ) nicht nur das logische Prädikat in der Proposition und die semantische Relation der Prädikation zwischen ihnen und ihren Bezugsgrößen repräsentieren, sondern auch auf der syntaktischen Ebene die Funktion des Subjektsprädikativs ausüben. 145

Siehe oben Kap. 4.1.3.1.

136

Weitere Beispiele finden sich leicht in unserem Korpus: (244) ... während süß, bunt und breitwandia der Film beginnt. (B 9: 78 ) (245) Leute . . . sahen ängstlich zu ... (B 2 : 91 ) (246) ... große Rohre ragten steil und schwarz in den ... Himmel. (B 2: 93 ) ( 2 4 7 ) Der Kleine schüttelte eigensinnig den Kopf. (B 2 : 96 ) (248) Andreas tastet sich verwirrt hoch (B 1: 62 ) (249) Ich tastete ängstlich meine Taschen ab • (B 3: 103) (B 3: 103) (250) er lag da ganz ruhig .., (251) 'Sieh a n 1 , flüsterte er angstvoll (B 3: 104) ( 2 5 2 ) Angstvoll lauschte ich . . . (B 3: 107) (253) ... seine Zunge ... fiel wieder flach in den Mund zurück ... (B 6: 101) (254) ... manchmal schlich die Großmutter sich demütig in die Küche ... (B 7: 170) (255) ... sie schwenkten müde zum Bahnhof hin . . . (B 10: 153) 1 (B 11: 157) (256) 'Vielleicht , sagte er zittrig . dreist und (257) ... eine ... Dame, die ... sie neugierig musterte. (B 16:103f) (B 4: 50 ) (258) Ich blieb nachdenklich stehen . seelenruhig an Mohr(259) ... Kaninchen . . . , die . rüben herumknabern ... (B 4: 52 )

(260)

. . . der Afann wandte sich mir stumm zu ...

(B 20: 80 ) (261) Der Bauer musterte mich ziemlich ungeniert. (B 20: 81 ) (262) ... fügte er träge hinzu ... (B 2 0 : 81 ) (263) Ich fühlte, wie der Eiter warm meinen Rücken in die Unterhose hinunterlief. (B 5: 150) Wenn wir nun die oben aufgestellten beiden Kriterien auf die hier aufgezählten Beispielsätze anwenden, dann können wir feststellen, daß alle unterstrichenen Adjektive ohne weiteres mit dem jeweiligen Satzsubjekt at-

137

tributiv und prädikativ (per Kopula-Verb sein) in Verbindung treten und daß alle Satze mittels Pronominaladverb wobei bzw. dabei paraphrasiert werden können: (245a) --> der süße, bunte und breitwandiae Film (245b) --> Der Film ist süß, bunt und breitrandig. (245c) --> Der Film beginnt, wobei er süß, bunt und breitwandig ist. (245d) --> Der Film beginnt, dabei ist er süß, bunt und breitwandio. (246a) --> die ängstlichen Leute (246b) --> Die Leute sind ängstlich. (246c) --> Die Leute sahen zu, wobei sie ängstlich waren. (246d) --> Die Leute sahen zu, dabei waren sie ängstlich. (247a) --> große steile und schwarze Rohre (247b) --> Die großen Rohre sind steil und schwarz. (247c) --> Die großen Rohre ragten in den Himmel, wobei sie steil und schwarz waren. (247d) --> Die großen Rohre ragten in den Himmel, dabei waren sie steil und schwarz. (248a) --> der eigensinnige Kleine (248b) --> Der Kleine ist eigensinnig. (248c) --> Der Kleine schüttelte den Kopf, wobei er eigensinnig war. (248d) --> Der milde Feuerstein beleuchtete die Straße, dabei war er sanft. usw. Da diese beiden Bedingungen einwandfrei erfüllt sind, sind die genannten Adjektive subjektsprädikative Adjektive. Dies kann auch anderweitig bestätigt werden, wenn man eine analoge Erscheinung in Betracht zieht, nämlich dieselbe Konstruktion mit den Partizipien, z.B. : ( 2 6 4 ) Das Mädchen sitzt singend. ( 2 6 5 ) Das Mädchen singt sitzend. Die beiden Sätze enthalten in logisch-pragmatischer Hinsicht jeweils zwei Propositionen mit zwei Prädikaten, in satzsemantischer Hinsicht zwei Prädikationen und in syntaktischer Hinsicht üben die beiden Partizi-

138

pien dementsprechend nicht, wie in der traditionellen Grammatik behauptet, eine adverbiale, sondern eine prädikative Funktion aus. Denn sie erfüllen nicht nur unsere syntaktischen Kriterien, vgl.: (264a) --> das singende Madchen (264b) --> Das Mädchen sinorfc. 146 (264c) --> Das Mädchen sitzt, wobei es sinat. (264d) --> Das Mädchen sitzt, dabei sinat es. (265a) --> das sitzende Mädchen (265b) —> Das Mädchen sitzt. (265c) --> Das Mädchen singt, wobei es sitzt. (265d) --> Das Mädchen singt, dabei sitzt es. Sondern sie können sogar so umgeformt werden, daß sie in finiter Form und durch und koordiniert erscheinen: (264e) --> Das Mädchen sitzt und singt. (265e) --> Das Mädchen singt und sitzt. Dabei stellt sich heraus, daß 1) (264e) und (265e) mit ihren Ausgangssätzen ( 2 6 4 ) und (265) weitgehend äquivalent sind; 2) (264e) und (265e) - wenn man von der Wortstellung absieht - miteinander völlig äquivalent sind; 3) in ( 2 6 4 e ) und (265e) als Varianten der infiniten Partizipien von ( 2 6 4 ) und (265) die finiten Verbformen singt und sitzt die Funktion des ordentlichen Prädikats ausüben und daraus folgt 4) daß semantisch das Partizip singend in ( 2 6 4 ) mit dem finiten Verb singt in ( 2 6 5 ) und das Partizip sitzend in ( 2 6 5 ) mit dem Verb sitzt in ( 2 6 4 ) gleichwertig sind, und syntaktisch-funktional diese Partizipien als nichtkopulative Prädikative fungieren. So ist anzunehmen, daß solche partiziphaltigen Konstruktionen als Vorbild fungieren für Sätze mit adjektivischen nichtkopulativen Prädikativen, woauf hier jedoch nicht näher eingegangen wird. Weitere Beispiele für diese partiziphaltigen Konstruktionen finden sich im Korpus:

146

Ist das betreffende Partizip in den Ausgangssätzen ein imperfektivisch- aktivisches Partizip, erscheint in den Test-Sätzen bzw. Paraphrasen statt 'Kopula-Partizip-Konstruktiori die entsprechende Verbform. Dazu vgl. auch Plank 1985, S. 163.

139

(266)

Der Oberleutnant sah sie einen Augenblick lächelnd an. (B 2: 97 ) ( 2 6 7 ) Der Blonde kommt ärgerlich brummend zurück. (B 1: 63 ) (268) Er sah aelanoweilt zu. (B 3: 101) (269) ... er packte mich zitternd am Arm ... (B 3: 104) (270) ... Unteroffizier . . . , der ... gebückt ging ... (B 2: 96 ) (271) Er ... blickte mich seufzend an ... (B 6: 97 ) ( 2 7 2 ) Er ging kopfschüttelnd voran ... (B 8: 78 ) (273) Wir ... plauderten gedrückt miteinander ... (B 19: 55 ) ( 2 7 4 ) Bedrückt zogen wir heimwärts ... (B 19: 55 ) (275) Wir unterhielten uns stockend ... (B 4: 50 ) (276) ... ich ... beobachtete beunruhigt das ... Mampfen dieses ... Tieres ... (B 4: 54 ) (277) ... der Junge betrachtete interessiert die Rangabzeichen an meinem Ärmel. (B 20: 80 ) (278) "Gut", sagte ich aufstehend ... (B 20: 86 ) Von der syntaktischen und semantischen Nähe und der Abbild-Relation des adjektivischen partizipialen nichtkopulativen Prädikativs zeugen folgende entsprechende Satzpaare: ( 2 6 9 ) vs. ( 2 5 7 ) und ( 2 7 6 ) vs. ( 2 5 0 ) , vgl. : ( 2 6 9 ) Er packte mich zitternd am Arm. (257) 'Vielleicht 1 , sagte er zittrig. (269a) --> Er packte mich am Arm, wobei er zitterte. (257a) --> Er sagte 'vielleicht 1 , wobei er zittrig war. ( 2 7 6 ) Ich beobachtete beunruhigt das Mampfen dieses Tieres. (250) Er lag da ganz ruhig. (276a) --> Ich beobachtete das Mampfen dieses Tieres, wobei ich beunruhigt war. (250a) --> Er lag da, wobei er ganz ruhig war. In den Paraphrasen (269a) und (257a) - den zugrundeliegenden Strukturen von Sätzen ( 2 6 9 ) und (257) also sind die beiden Wörter zitternd und zittrig semantisch äquivalent und syntaktisch haben sie dieselbe Funktion des Prädikats, wobei der Unterschied nur unter dem wortartlichen Aspekt (eventuell auch hinsichtlich der

140

Aktionsart) zu sehen ist, nämlich: beim ersteren ist das Prädikat realisiert als ein verbales, beim letzteren hingegen als ein adjektivisches (in Verbindung mit der Kopula). Daraus folgt also, daß in den OberflächenSätzen ( 2 6 9 ) und (257) das Adjektiv wie das Partizip angemessenerweise nur als das Prädikativ zu betrachten ist. Zur Abgrenzung des nichtkopulativen Prädikativs von der Adverbiale, die beide durch Adjektive realisiert werden können, lassen sich unsere Kriterien 1) und 2) ebenso gut verwenden, dabei ist besonders das Kriterium 2) ausschlaggebend. Die dabei postulierte Paraphrase kann formell wie folgt dargestellt werden: (279) NP3ubj Verb X, wobei NPsubj ADJ KOPULAsein Dabei ist X Variable, die durch eine oder mehrere Größen realisiert werden kann oder auch nicht. In der Konstruktion (280) NP gub j + VERB + ADJ + X können nur diejenigen Adjektive, die die Bedingungen in ( 2 7 9 ) erfüllen, d.h. die in der Paraphrase das mit dem Matrixsatz-Subjekt referenzidentische Nebensatz-Subjekt prädizieren, als nichtkopulative Prädikative klassifiziert werden; diejenigen, die diese Bedingungen nicht erfüllen, sind den Adverbialen zuzuordnen, vgl. die Paraphrasen (245d) - (248d) mit den folgenden: (281) Er freut sich herzlich. (B 11: 163) (281a) +-> Er freut sich, wobei er herzlich ist. (282) Er schüttelte heftig den Kopf. (B 6: 96 ) (282a) +-> Er schüttelte den Kopf, wobei er heftig war. (283) Er raucht stark. (283a) +-> Er raucht, wobei er stark ist. (284) Praktisch, praktisch haben wir den Sieg schon gewonnen. (B 1: 69 ) (284a) +-> Wir haben den Sieg schon gewonnen, wobei wir Oraktisch sind. So stellt sich heraus, daß Adjektive wie in (281) (284) nicht als nichtkopulative Prädikative, sondern als Adverbiale in den jeweiligen Sätzen fungieren.

141

4 . 1 . 4 . 2 . OBJBKTSPRADIKATIV Als Objektsprädikative fungieren diejenigen Adjektive, die sich in den entsprechenden Sätzen als nichtkopulative Prädikative auf das Objekt des Satzes beziehen. Im Abschnitt 4.1.4. oben haben wir bereits über den logisch-pragmatischen und semantischen Status von Sätzen mit Objektsprädikativen gesprochen. Die dort von uns entwickelten Ansätze stimmen mit denen von FLEISCHER u.a. überein, wenn sie schreiben: Prädikative mit Objektbezug gehen aber auf Strukturen zurück, die mindestens auf der semantischen Ebene mehrere Propositionen haben und sich teilweise auch auf der syntaktischen Ebene als Abwandlung aus mehreren Grundstruktursätzen ergeben t-.]-147 Auch PLANK spricht hierbei (unter Einschluß der Subjektsprädikative) von "zwei Prädikationen involvierenden Bedeutungen". 148 Im Anschluß an ERBEN, der die Relation zwischen Objekt und Objektsprädikativ mit der Relation zwischen Subjekt und Prädikat vergleicht, 149 und an JUNG, der die Konstruktion Akkusativ + Infinitiv als "zwei Geschehen zusammenfassend' betrachtet, stellt PÜTZ aufgrund der Relation der Prädikation zwischen Objekt und Objektsprädikativ das semantische Kriterium für seine Objektsprädikate auf. 1 5 0 Als syntaktisches Kriterium gilt für ihn, "daß alle Objektsprädikate aus Sätzen abgeleitet sind". 151 Dieser Standpunkt entspricht auch dem von J*RGENSEN, wenn er meint: Bisweilen bilden ein Akkusativobjekt + ein anderes Glied einen sekundären Nexus, in dem das Akk.-obj. das logische Subjekt und das zweite Glied Prädikat ist. Dieses andere Glied heißt dann Objektsprädikat152 In Übereinstimmung mit PÜTZ betrachten auch wir die Objektsprädikative als aus Sätzen abgeleitet: und sie sind zwar - um mit den Begriffen der Generativen Transformationsgrammatik zu reden - entweder über die SUB147

Fleischer 1983, S. 184.

148

Vgl. Hank 1985, S. 177. Vgl. Pütz 1982, S. 332f. 150 Vgl. Pütz 1982, S. 335. 149

151

Ebd.

152

Zitiert in Pütz 1982, S. 333, übersetzt von demselben.

142

JEKTSANHEBUNG oder über die GLEICHE-NP-TILGUNG entstanden.153 Im Abschnitt 4.1.4. oben haben wir die semantischen Strukturen der durch die Subjektsanhebung entstandenen Objektsprädikative sowie der durch die Gleiche-NP-Tilgung entstandenen Subjektsprädikative in einer Formel zusammengefaßt: (240) P 1 ( x 1 , y 1 . . . , P 2 ( x 2 ) > Diese Strukturregel gilt nun ebenso für Sätze mit solchen Objektsprädikativen, die über die Gleiche-NPTilgung entstanden sind, z . B . : (285 ) Ich esse die Mohrrüben roh. (285a) Ichxl essepl die Mohrrüben^ (=x2) rohp2. (286 ) Peter küßt Petra wach. (286a) Peterxl küßt pl Petra y l (_ x 2 j wachp2. Dabei ist yl referenzidentisch mit x2. Diese semantische Struktur wird noch deutlicher in den expliziten Umschreibungen: (285b) Ichxl essepl die Mohrrübenyl + die Mohrrübenx2 sind rohp2. (286b) Peterxl küßt pl Petrayl + Petrax2 ist (wird) wachp2. Formell sieht sie dann so aus: (287) P 1 (x 1 ,y 1 ,P 2 (x 2 )) wobei YI = x2 (referenzidentisch) So haben (285a) bzw. (285b) und (286a) bzw. (286b) und somit die Ausgangssätze ( 2 8 5 ) und ( 2 8 6 ) wie (34a) bzw. (34b) - (37a) bzw. (37b) und ihre Ausgangssätze (34) - ( 3 7 ) eine gemeinsame semantische Struktur, nämlich die Struktur ( 2 4 0 ) . Der Unterschied liegt nur darin, daß hier die Referenzidentität zwischen y^ und x2 besteht, während sie dort einmal zwischen x^ und x2 (bei Subjektsprädikativen: (34b) und ( 3 5 b ) ) , ein andermal zwischen gar keinen Argumenten (bei Objektsprädikativen via Subjektsanhebung: (36b) und ( 3 7 b ) ) vorliegt. Gerade diese Unterschiede machen die Abgrenzung der Untergruppen der nichtkopulativen Prädikative hinsicht-

153

Ebd.

143

lieh der semantischen Struktur aus. Als Fazit laßt sich nun formulieren: Die semantische Struktur der nichtkopulativen Prädikative ist ( , - ·. ,P2(x2)) Es liegt Subjektsprädikativ vor, wenn x^ = x 2 ; Es liegt Objektsprädikativ vor, wenn ·± , x 2 , wobei wiederum zwischen zwei komplementären Fällen zu unterscheiden ist: Es liegt Objektsprädikativ via Gleiche-NP-Tilgung vor, wenn y^ = x 2 ; Es liegt Objektsprädikativ via Subjektsanhebung vor, wenn y^ „ x 2 . Oberflächensyntaktisch haben die adjektivischen Objektsprädikative wie die adjektivischen Adverbialbestimmungen und auch die Subjektsprädikative folgende Struktur: (288) NP subj + V + NPobj + ADJ Als Kriterium zur Feststellung des Objektsprädikativs dient die Paraphrasierbarkeit des gesamten komprimierten Satzes in folgender Weise: 1) NPsubj V, daß NPobj ADJ KOPULA. 2) NP gubj V NPobj und NPobj KOPULA ADJ. Z.B. : (289 ) Ich wünsche mir die Matratze etwas weicher·.1S4 (289a) —> Ich wünsche mir, daß die Matratze etwas weicher ist. (290 ) Die Fakten erweisen den Angeklagten als unschuldig. (290a) --> Die Fakten erweisen, daß der Angeklagte unschuldig ist. (291 ) Der Medizinmann betet den Kranken gesund. (291a) --> Der Medizinmann betet, daß der Kranke gesund ist/(wird). (292 ) Die Schwester pflegt den Patienten gesund. (292a) —> Die Schwester pflegt den Patienten und der Patient ist/(wird) gesund. (293 ) Der Gast trinkt das Bier lauwarm. 154

Dieser Beispielsatz und der folgende stammen aus Pütz 1982, S. 345; die weiteren (291) - (294) aus Plank 1985, S. 161,163f.

144

(293a) --> Der Gast trinkt das Bier und das Bier ist lauwarm. (294 ) Sie zieht die Bettdecke alatt. (294a) --> Sie zieht die Bettdecke und die Bettdecke ist alatt. Was aus den Beispielsätzen hervorgeht, sind die Sätze ( 2 8 9 ) -(291) im Rahmen der oben gestellten Bedingungen nur durch daß-Sätze, also Bedingung 1) , aber nicht durch und-Satze, also Bedingung 2) paraphrasierbar, wahrend die Sätze ( 2 9 2 ) - ( 2 9 4 ) umgekehrt nur durch und-Sätze, d . h . Bedingung 2), nicht aber durch daßSätze, d.h. Bedingung 1) paraphrasiert werden können. Dies liegt nun darin begründet, daß die Akkusativobjekte in ( 2 8 9 ) - (291) keine ursprünglichen direkten Objekte der den komprimierten Sätzen zugrundeliegenden Matrixsätze, sondern ursprüngliche Subjekte der eingebetteten Sätze sind, während die in ( 2 9 2 ) - ( 2 9 4 ) sowohl direkte Objekte der Matrixsätze, als auch Subjekte der eingebetteten Sätze in der zugrundeliegenden Struktur sein können. Bei den ersteren liegt nach der Generativen Transformationsgrammatik ein Fall von SUBJEKTSANHEBUNG, bei den letzteren ein Fall von GLEICHER-NPTILGUNG155 vor. die beiden Gruppen sind komplementär und machen die gesamte Menge der Objektsprädikative aus. 156 Für die Abgrenzung der beiden Teilklassen sind die Subkategorisierungsregeln der Verben ausschlaggebend. So können die in Form eines Akkusativobjekts erscheinenden Wörter die Matratze, den Angeklagten und den Kranken in ( 2 8 9 ) , ( 2 9 0 ) und (291) auf gar keinen Fall als ursprüngliche direkte Objekte bei den jeweiligen Verben stehen; sie sind aber mit den Objekt sprädikativen subkategoriell kompatibel, vgl.: (289b) +-> Ich wünsche mir die Matratze. (289c) —> Die Matratze wird etwas weicher. (290b) +-> Die Fakten erweisen den Angeklagten. (290c) —> Die Angeklagten sind unschuldig. (291b) +-> Der Medizinmann betet den Kranken. , (291c) --> Der Kranke ist/wird gesund. 155

Zu den beiden Begriffen vgl. oben S. 70 Anm. 40 und S. 136, Anm. 144.

156

Vgl. Pütz 1982, S. 335ff.

145

Die Beispiele zeigen, daß die fraglichen Glieder in ( 2 8 9 b ) , (290b) und (291b) mit ihren Verben nicht kompatibel sind. Auch in (289b) ist das der Fall, ausgenommen, wenn der bestimmte Artikel eine Kontrastintonation hat. Sonst müßte es richtig heissen: Ich wünsche mir eine Matratze. Selbst wenn das fragliche Glied als direktes Objekt zum Verb akzeptiert werden sollte, wäre der Satz (289d) Ich wünsche mir den Fernseher etwas weicher, ungrammatisch, weil der Ausdruck (289e) Der Fernseher wird etwas weicher nicht akzeptabel ist. Dies besagt von einer anderen Sicht her auch, daß hierbei das Akkusativobjekt nicht vom Verb, sondern vom Objektsprädikativ abhängig ist. Das wird noch deutlicher, wenn wir die folgenden Beispiele betrachten: (295) Susanne ißt den Teller leer. ( 2 9 6 ) Peter hat seine Partnerin müde getanzt. ( 2 9 7 ) Ich finde es zu kalt hier.157 (298) ... sie fände es 'irgendwie pervers'. daß ein Agnostiker ... dem Heiligen Vater zujubeln möchte. (B 11: 160) (295a) +-> Susanne ißt den Teller. (295b) --> Der Teller ist leer. (296a) +-> Peter hat seine Partnerin getanzt. (296b) --> Seine Partnerin ist müde. (297a) +-> Ich finde es. (297b) —> Es ist zu kalt hier. (298a) +-> Sie fände es, daß ... . (298b) --> Es ist 'irgendwie pervers', daß ... . Hierbei stimmen wir PÜTZ völlig zu, wenn er bezüglich der Sätze ( 2 9 5 ) und ( 2 9 6 ) schreibt: Das Besondere besteht für (295) darin, daß essen zwar ein transitives Verb ist und Teller als Objekt keinen Selektionsbruch darstellt, daß es aber nicht der Fall ist, daß Susanne den Teller ißt Das Besondere bei (296) besteht darin, daß tanzen, wenn man dies Verb überhaupt den transitiven Verben zuordnen will, jedenfalls nicht bei Objekten mit u.a. dem Merkmal [+ belebt] stehen kann.158

157 158

Die drei Beispiele oben stammen aus Pütz 1982, S. 349 und S. 353. Pütz 1982, S. 349, die Numerierung wird von uns geändert

146

Nun bleibt nur eine einzige Möglichkeit, diese akkusativischen Satzglieder als Subjekte zu den Objektsprädikativen des zugrundeliegenden Teilsatzes festzustellen, die im Oberflächensatz morpho-syntaktisch zu Akkusativobjekten verwandelt sind, logisch-semantisch aber immer noch "Subjekte" bleiben. Bei ( 2 9 7 ) und ( 2 9 8 ) handelt es sich um das IMPERSONALE-ES159 und das PLATZHALTER-ES, 160 die beide wiederum in den eingebetteten Sätzen als unpersönliches Subjekt fungieren, aber auf keinen Fall als direktes Objekt zum Hauptverb des gesamten Satzes fungieren können, vgl. (297b) und (298b) vs. (297a) und ( 2 9 8 a ) . Die Begründung liegt darin, daß die beiden Arten von es anders als das PRO-NEUTRUM-ES und das PRO-SATZ-ES,161 die objektsfähig sind, nicht bzw. nicht ohne weiteres objektsfähig sind, z . B . : (297c) Ich finde es: es ist zu kalt hier. ( 2 9 9 ) Ich betrachte es als zu ruhig hier. (299a) Ich betrachte es: es ist zu ruhig hier. Aus den Beispielen (297c) und (299a) geht eindeutig hervor, daß das es im ersten Teilsatz bei finden bzw. betrachten keineswegs referenzidentisch ist mit dem es im zweiten Teilsatz. Das erste es ist PRO-NEUTRUM-ES bzw. PRO-SATZ-ES, das direktes Objekt vom Hauptverb sein kann, während das zweite es das IMPERSONALE-ES ist und niemals als direktes Objekt von dem Hauptverb, sondern stets als Subjekt des eingebetteten Satzes fungieren kann. Erst im Oberflächensatz wie ( 2 9 7 ) und ( 2 9 9 ) ist dieses es an die Stelle des Akkusativobjektes gerückt, aber dennoch ohne direktes Objekt zum Verb zu sein. Die bisherige Diskussion um die Beispiele ( 2 8 9 ) (291) und ( 2 9 5 ) - ( 2 9 9 ) hat zur Folge, daß die Objektsprädikative in diesen Sätzen nur über die SUBJEKTSANHEBUNG, aber nicht über die GLEICHE-NP-TILGUNG entstanden sein können. Strukturell läßt sich die Subjektsanhebung in unserem Fall wie folgt darstellen: ( 3 0 0 ) NPsubj V [NPsubj VP] 159

Vgl. Pütz 1982, S. 351f. Vgl. Duden 1984, S. 557f. 161 Vgl. Pütz 1982, S. 352f. 160

147

(300a) —> NP gubj V NPobj [ VP] Dabei ist VP in unserem Zusammenhang durch ADJ + KOPULA zu ersetzen. Diese Strukturveränderung besagt mit den Worten von PÜTZ: Die Subjekts-NP eines eingebetteten Objektsatzes wird also aus diesem Konstituentensatz heraustransfonnatiert und erscheint als - abgeleitetes - Objekt im Matrixsatz, der eingebettete Satz vertiert dadurch seinen Status als Satz und die Verbalphrase erscheint im Matrixsatz als Objektsprädikat, wobei die Kopula sein getilgt ist [...].162 Als weitere Beispiele dienen folgende Sätze aus dem Korpus: (301) ... ich fand es prächtig ... (B 5: 150) (302) ... daß ich es besonders schäbig von ihm fände, mich ... zu verspotten. (B 11: 161) (303) ... ich empfand es als unsagbar bedrückend, daß (B 3: 107) (304) ... man ... sah sie bleich werden ... (B 16: 104) (305) ... um den beinamputierten Nazi ... freundlich zu stimmen ... (B 15: 216) (306) ... die [Helga] es ihm aber dadurch noch schwerer machte. (B 18: 215) (307) ... sie brachte es fertig, sich sogar den Kaffee aus dem Restaurant bringen zu lassen. (B 7: 171) (308) ... du machst mich ganz nervös. (B 7: 167) (309) ... die eine hielt die andere für verrückt ... (B 7: 169) (310) ... Dinge, die ich für überflüssig halte ... (B 4: 52 ) (311) ... daß Sekt mich schläfrig macht ... (B 21: 141) (312) ... er fand sie nicht schön ... (B 18: 2 0 9 ) (313) Ich fand den Zug scheußlich ... (B 5: 150) (314) Ein vorüberfahrender Lastwagen machte den .Rest unhörbar ... (B 4: 47 ) Dabei müssen die kausativ gebrauchten Verben wie machen, stimmen etc. in ( 3 0 6 ) , ( 3 0 8 ) , (311), (314) und 162

Pütz 1982, S. 343f.

148

(305) semantisch expliziert werden durch Verben wie bewirken, versuchen, bedingen, dazu beitragen etc.163 und die existimatorischen Verben wie halten für in ( 3 0 9 ) und (310) durch Verben wie meinen, finden etc., vgl.: (31l 1 ) Der Sekt bewirkt/veranlaßt/trägt dazu bei, daß ich schläfrig bin/werde. ( 3 0 5 ' ) Man bewirkt/veranlaßt/trägt dazu bei, daß der beinamputierte Nazi freundlich ist/wird. (310') Ich meine/finde/glaube, daß die Dinge überflüssig sind. Alle diese Objektsprädikative, die über die Subjektsanhebung entstanden sind, sind obligatorisch, d.h. sie können nicht ohne weiteres weggelassen werden. Im Gegensatz zu der oben behandelten Teilklasse ist die Restklasse der Objektsprädikative über die GleicheNP-Tilgung entstanden. Die Sätze mit solchen Objektsprädikativen können, wie die Beispiele ( 2 9 2 ) - ( 2 9 4 ) zeigen, durch und-Sätze, aber nicht durch daß-Sätze paraphrasiert werden. Die Objekts-NP hat eine doppelte Abhängigkeit, d.h. sie muß sowohl mit dem Hauptverb im Matrixsatz als auch mit der Verbalphrase des eingebetteten Satzes semantisch kompatibel sein und syntaktisch nicht nur als Subjekt des eingebetteten Satzes, sondern auch als direktes Objekt des Matrixsatzes fungieren. Strukturell läßt sich die Ableitung solcher über die Gleiche-NP-Tilgung entstandenen Objektsprädikative wie folgt darstellen: (315) NPsubj V NPobj [NP gubj . VP] dabei ist NPobj mit der NP sub j, referenzidentisch. (316) —> NPsubj V NPobj [ VP] Diese über die Gleiche-NP-Tilgung vollzogene Ableitung besagt in Worten von Pütz, "daß das Subjekt eines Konstituentensatzes bei Referenzidentität mit einer bestimmten NP des Matrixsatzes getilgt wird und das Verb im Infinitiv erscheint." 164 In unserem Zusammenhang der Ableitung der Objektsprädikative ist es relevant, daß 163 Dazu vgl. Flank 1985, S. 161. 164

Pütz 1982, S. 344.

149

der eingebettete Satz immer ein Kopulasatz ist und die Kopula getilgt wird. 165 Als Rest des eingebetteten Satzes bleibt in unserem Fall nunmehr hauptsächlich nur das prädikative Adjektiv, das dann in den Matrixsatz eingeht und somit als Obj ekt sprädikat iv fungi ert. Weitere Beispiele, die aus dem Korpus und aus der Literatur stammen, werden im folgenden angeführt: (317) ... die junge Frau ... zog Laken und Decken glatt an vier Kinderbetten. (B 9: 87 ) (318) ... ich ... unterstreiche die Steile rot ... (B 21: 139) (319) ... stark und süß mag er ihn [Kaffee] am Nachmittag ... (B 10: 157) (320) Ich gebe diese Totenkapelle inmitten unseres Idylls schmucklos, sozusagen als Rohbau. (321) (322)

(B 12: 73 ) ... wenn man sie zu nah an Köln heranrückt. (B 17: 203) E r . . . umwickelte alles fein mit Mull ... (B 5: 151)

(323) Er feilte die Kanten glatt. (324) Er verkauft die Fische frisch. (325) Der Suchtrupp fand den Vermißten guicklebendig. (326) Ich fand den Käfig offen. (327) Peter verbreitet das Gerücht als wahr. (328) Peter schlägt Petra krankenhausreif. Im Unterschied zu den Objektsprädikativen via Subjektsanhebung sind die Objektsprädikative via GleicheNP-Tilgung fakultativ, d.h. sie sind - mit FRANS PLANK - syntagmatisehe Erweiterungen einfacher Satzkonstruktionen, 166 während jene obligatorisch sind. So ist es verständlich, daß diese zahlenmäßig wesentlich mehr vorkommen als jene, weil sie bei einer größeren Zahl von transitiven Verben stehen können, während jene nur bei einer sehr beschränkten Menge von Verben erscheinen können. Dafür gibt es bereits eine extensionale Be165

166

Vgl. ebd. Vgl. Hank 1985, S. 160.

150

standsaufnähme, die von PÜTZ gemacht worden ist. 167 Dabei wurden 8 Gruppen mit 28 Verben ermittelt, wobei für die 8. Gruppe keine feste Anzahl angegeben werden konnte, da sie anscheinend schwer abgrenzbar ist, obwohl ihr Umfang verschwindend gering sein müßte. Diese Verben sind: 1) sehen, hören, fühlen als Verben der Sinneswahrnehmung ; 2) lassen in kausativem bzw. permissivem Gebrauch; 3) machen in kausativem Gebrauch; 4) glauben, meinen, finden, vermuten, wählen, wissen, sagen, wünschen ohne Anknüpfungspartikel,· 5) nennen; 6) bezeichnen, betrachten, sich vorstellen, ansehen, sich denken, beurteilen, einschätzen, bewerten, erweisen, empfinden, annehmen, nachweisen mit der Anknüpfungspartikel als; 7) halten, erklären mit der Anknüpfungspartikel für; 8) intransitive Verben in den TRANSITIVIERENDEN168 ADHOC-BILDUNGEN169 wie essen, tanzen in ( 2 9 5 ) , ( 2 9 6 ) etc. All diese von PÜTZ aufgezählten Verben können unseres Erachtens auch adjektivische Objektsprädikative bei sich haben. Sie sind hauptsächlich existimatorische, (nur einige wenige) kausative Verben und Verben der Sinneswahrnehmung. Die transitivierende Gebrauchsweise der intransitiven Verben kommt sehr beschränkt bzw. nur in festen Wendungen vor, z . B . : ( 3 2 9 ) Er läuft sich die Füße wund. (330) Er redete mich halbtot. Anders ist es bei den Objektsprädikativen via Gleiche-NP-Tilgung. Sie können bei jedem transitiven Verb vorkommen, das neben dem direkten Objekt noch ein prädizierendes Adjektiv zu diesem Objekt verträgt. Solche Verben sind in der Hauptsache diejenigen von den transitiven Verben, die kausativ-resultativ verwendet werden können. Das ergibt eine große Zahl von Verben, z . B . 167

Vgl. Pütz 1982, S. 354f. Vgl. Gmndzüge 1981, S. 617. 169 Vgl. Engelen 1986, S. 144. 168

151

die ganz einfachen und gebrauchlichen Verben wie schlagen, ziehen, feilen, malen, unterstreichen, schneiden, bürsten etc. So ist es selbstverständlich, daß die Zahl solcher Verben wesentlich größer ist als die der Verben im obigen Inventar von PÜTZ und daß damit die adjektivischen Objektsprädikative wesentlich häufiger vorkommen bei den ersteren Verben als bei den letzteren. Es ist sogar anzunehmen, daß die objektsprädikativen Sätze, die über die Gleiche-NP-Tilgung entstanden sind, möglicherweise unendlich, während die über die Subjektsanhebung endlich sind. Um das zu bestätigen, reicht eine Korpusanalyse nicht aus, es bedarf eines ziemlich umfangreicheren Korpus. Wir begnügen uns hierbei nur mit einer intuitiven Annahme. Bisher haben wir, wenn wir von Objektsprädikativen sprechen, nur solche bei den Akkusativobjekten behandelt, weil sie den größten Teil der Objektsprädikative ausmachen. Zum Schluß wollen wir nur auf diejenigen Adjektive hinweisen, die marginal auch bei anderen Objekten wie Genitiv-, Dativ- und Präpositionalobjekten als Obj ekt sprädikat ive vorkommen, z . B . : (331) Ich erinnere mich seiner barEJos. 170 (332) Man half ihm erst halbtot. (333) Er zwang mir den Köter widerwillig a u f . (334) Ich erinnere mich an ihn bartlos. Solche Sätze sind zwar prinzipiell möglich, kommen praktisch aber sehr selten vor. Deshalb werden wir nicht näher auf sie eingehen und begnügen uns mit einem Verweis auf PLANK 1985, wo sie ausführlich diskutiert werden. Wichtig für uns ist festzuhalten, daß sich die Objektsprädikative bei den Nicht-Akkusativobjekten genauso verhalten wie die bei den direkten Akkusativobjekten. Für sie gelten auch die oben für die letzteren postulierten Regelmäßigkeiten. So scheint es eine einzige Möglichkeit zu sein, daß die adjektivischen Objekt sprädika t ive bei den Nicht-Akkusativobjekten, wie aus den Beispielen (331) - ( 3 3 4 ) zu schließen ist, nur über die Gleiche-NP-Tilgung entstanden sind. 170 Dieser Beispielsatz und die folgenden (332) - (334) sind aus Plank 1985, S. 175 entnommen.

152

4.2. ATTRIBUTIVER GEBRAUCH Bei den attributiv gebrauchten Adjektiven unterscheiden wir aufgrund ihrer Stellung und ihrer Deklination die vorangestellten vs. die nachgestellten Attributiva und die vorangestellten bzw. nachgestellten deklinierten vs. indeklinierten Attributiva. Bei den vorangestellten deklinierten Attributiva unterscheiden wir weiterhin die bezugsnomenbezogenen vs. die nichtbezugsnomenbezogenen Attributiva. Die vorangestellten indeklinierten Attributiva gliedern wir in weitere vier Untergruppen: die morphonemisch bedingten, die lexikalisch bedingten, die stilistisch bedingten und die adAdj/Adv-Attributiva. Bei den nachgestellten deklinierten Attributiva, die ziemlich selten vorkommen, wird nicht weiter differenziert, während bei den nachgestellten indeklinierten zwischen der syntaktisch bedingten und der stilistisch bedingten Untergruppe zu unterscheiden ist. Im folgenden gehen wir auf die einzelnen Untergruppen ein. 4 . 2 . 1 . VORANGESTELLTE ATTRIBUTE 4 . 2 . 1 . 1 . VORANGESTELLTE DEKLINIERTE ADJEKTIVE Die meisten deutschen Adjektive, wenn sie attributiv gebraucht werden, stehen vor ihren Bezugswörtern, und zwar dekliniert. Das ist eine unstrittige Tatsache. Deshalb ist diese Verwendungsweise dominierend im attributiven Gebrauch des deutschen Adjektivs. Solche Adjektive können wiederum nach dem Gesichtspunkt, ob sie sich auf ihre jeweiligen Bezugsnomen in syntaktisch-semantischer Hinsicht beziehen, in zwei Untergruppen unterteilt werden: die bezugsnomenbezogenen und die nicht-bezugsnomenbezogenen Adjektive. Mit den bezugsnomenbezogenen Adjektiven meinen wir diejenigen Adjektive, die sowohl attributiv als auch prädikativ gebraucht werden können. Da sie so mit den im obigen Kapitel Abschnitt 4.1.3.1.1. behandelten mehrfunktionalen prädikativen Adjektiven zusammenfallen, brauchen wir sie

153

hier nicht mehr weiter zu problematisieren. Dafür gehen wir naher auf die nicht-bezugsnomenbezogenen Adjektive ein. Die nichtbezugsnomenbezogenen Adjektive sind diejenigen, die zwar als vorangestellte deklinierte Attribute gebraucht werden, die aber eben auf diese attributive Verwendung beschränkt sind, d.h. sie sind solche, die aus verschiedenen Gründen nur attributiv gebraucht werden. Dabei ist - analog wie bei den nur-prädikativen Adjektiven - die Differenzierung in lexikalisch-semantisch bedingte vs. syntaktisch bedingte nur-attributive Adjektive notwendig. 4.2.1.1.1.

Die lexikalisch-semantisch bedingten nurattributiven Adjektive

Die lexikalisch-semantisch bedingten nur-attributiven Adjektive sind morphologisch sekundäre Adjektive, 171 d.h. morphologisch abgeleitete Adjektive, z . B . : bleiern, ärztlich, heutig, hiesig usw. In semantischer Hinsicht werden sie als semantisch relative Adjektive 172 bezeichnet, d.h. sie haben die Fähigkeit, den durch ihre Bezugsnomen bezeichneten Gegenstand zu einem anderen Gegenstand, einer Situation usw., der bzw. die durch ihre eigenen Wortstämme repräsentiert wird, in Beziehung zu setzen. Sie haben gegenüber ihren Bezugsnomen keine charakterisierende, sondern entweder eine klassifizierende Funktion - wie bei bleiern und ärztlich - oder eine verweisende Funktion - wie bei heutig und hiesig.173 Der morphologische Status solcher Adjektive, besonders aber ihre lexikalisch-semantische Funktion trägt dazu bei, daß sie sich nur relationell, aber nicht charakterisierend bzw. prädizierend auf ihre Bezugsnomen beziehen können. Die daraus resultierende syntaktische Konsequenz ist, daß sie von vornherein nie prädikativ,

171

Vgl.obenS. 101-109. Vgl. Grundzüge 1981, S. 604.

172

173

Vgl. Rall/Engel/RaU 1977, S. 157f.

154

sondern nur attributiv verwendet werden können. 174 Dies wollen wir als die lexikalische Veranlagung der betreffenden Adjektive betrachten. Diese Adjektive werden gerade wegen ihrer lexikalischen Veranlagung als lexikalisch-semantisch bedingte nur-attributive Adjektive genannt. Dagegen werden andere attributive Adjektive wie stark in ein starker Raucher, glatt in glatter Unsinn, blutig in blutige Ernst etc., die morphologisch PRIMARE ADJEKTIVE sein können und lediglich in den genannten spezifischen syntaktischen Konstruktionen nur attributiv gebraucht werden, als syntaktisch bedingte nur-attributive Adjektive bezeichnet. Zu den lexikalisch-semantisch bedingten nur-attributiven Adjektiven gehören a) Herkunftsadjektive: französisch, englisch, religiös, christlich; b) Stoffadjektive: eisern, silbern, seiden, metallen, gläsern; c) Zugehörigkeitsadjektive: ärztlich, gesetzlich, ästhetisch, amtlich, historisch, städtisch, staatlich, kirchlich; aristotelisch, augusteisch, bismarcksch; d) Vergleichsadjektive: raketenhaft, zwiebelig, eisig etc.; e) Temporaladjektive: ehemalig, baldig, herbstlich, jetzig, heutig; f) Lokaladjektive: hiesig, diesseitig, ober-, link-, inner- etc. Den folgenden konkreten Beispielen begegnen wir in unserem Korpus: (335) richtiger englischer Whisky (B 5: 156) (336) die ungarische Frau (B 5: 150) (337) die Tochter eines schlesischen Frühlings (B 18: 216)

(338) (339) (340) (341) 174

die die mit mit

christliche Kunst eisernen Stangen goldenen Schleifen Puppen und hölzernen Wagen

Vgl. dazu auch Hotzenköcherie 1968, S. 20f.

(B (B (B (B

17: 3: 10: 4:

198) 104) 152) 47 )

155

(342)

die blecherne Schüssel

(B 20: 83 )

(343)

eine gesetzliche und kirchenrechtliche Lücke

(B 11: 155) (344) eine amtliche Stirn (B 1: 63 ) (345) eine historische Situation (B 15: 211) (346) Gebäude der städtischen Friedhofverwaltung (B 15: 213) (347) mit raketenhafter Geschwindigkeit (B 15: 215) (348) ... ihr Gesicht war schön, ihre Haut von zwiebeliger Zartheit (B 6: 98 ) (349) jene eisige Feindschaft (B 20: 83 ) (350) Treffen ehemaliger Schulkameraden (B 8: 70 ) (351) herbstliches Gras (B 10: 159) (352) die zwei nachmittäglichen Stunden (B 19: 49 ) (353) die abendliche Feier (B 4: 46 ) (354) dieses ... innere ... Lachen (B 8: 70 ) (355) in östlicher Richtung (B 20: 80 ) (356) der linke Arm (B 5: 157) Von den Herkunfts-, S t o f f - und Zugehörigkeitsadjektiven können sich einzelne Adjektive, insofern sie keine Relation zu ihren Bezugsnomen mehr, sondern die Charakterisierung bzw. Qualifizierung derselben zum Ausdruck bringen, hinsichtlich ihrer semantischen Funktionen wandeln. BRINKMANN spricht hierzu vom Umwandeln der Orientierungswörter 175 in Wertwörter, 176 wenn er schreibt: Adjektive, die an sich der Orientierung dienen, treten in den Wortstand der Wertwörter über, wenn das Grundwort zum Maßstab eines Urteils wird.177 Diese Adjektive drücken dann keine Herkunft bzw. Zugehörigkeit mehr, sondern die Art und Weise bzw. Wesensbestimmung ihrer Bezugsnomen aus. Damit können sie syntaktisch auch prädikativ und/oder adverbial verwendet werden, vgl.: (357 ) eiserner Widerstand (357a) Der Widerstand ist eisern. (357b) Da ist er eisern. (HWDG: 308) 175

Vgl. Brinkmann 1971, S. 118ff. Den Orientierungswörtem entsprechen im großen und ganzen unsere Adjektivklassen a) - f) oben. 176 Vgl. Brinkmann 1971, S. 133. 177 Ebd.

156 (358 ) (358a) (358b) (359 ) (359a) (359b) (360 ) (360a) (360b) (361 ) (361a) (362 )

ein hölzerner Bursche (HWDG: 583) Der Bursche ist hölzern. Seine Bewegungen sind hölzern. (DUW : 601) die französische Küche Die Küche ist französisch. Er ißt Fondue französisch. eine christliche Erziehung (HWDG: 219) Er handelt christlich. (HWDG: 219) Dieses Dorf ist stockkatholisch. Diatonisches Verhältnis Das Verhältnis ist rein platonisch. Seine Kunst lebendig zu nennen, wäre zu biologisch. (B 14: 10 ) Die Tatsache, daß die oben genannten Adjektive so verwendet werden können, liegt darin begründet, daß mit der Umwandlung der semantischen Funktion - der semantischen Klassenzugehörigkeit der betreffenden Adjektive also - notwendigerweise eine Bedeutungsänderung, zumindest eine BedeutungsVerschiebung dieser Adjektive einhergehen muß. Aufgrund der morphologischen, syntaktischen und semantischen Heterogenität dieser Adjektive ist es berechtigt, sie in den obigen Verwendungsweisen als Homonyme aus der Klasse der Herkunfts- und Zugehörigkeitsadjektive auszusondern und als charakterisierende bzw. qualifizierende Adjektive zu betrachten, die unseren bezugsnomenbezogenen Adjektiven entsprechen, welche syntaktisch sowohl attributiv als auch prädikativ bzw. adverbial verwendet werden können. Von diesen Sonderfällen abgesehen, können die oben aufgezählten Adjektivklassen a) - f) nur attributiv verwendet werden. Sie entsprechen morphologisch den DENOMINALEN und DEADVERBALEN178 Adjektiven, also den MORPHOLOGISCH SEKUNDÄREN ADJEKTIVEN. Syntaktisch sind sie mit den TRANSPOSITIONELLEN ADJEKTIVEN von MARCHAND179 vergleichbar. Semantisch bezeichnen sie Eigenschaften "auf der Basis der Bedeutung von Substantiven, mit ihnen werden zwei Substantivbedeutungen zueinander in Beziehung gesetzt (die des Basissubstantivs und die des 178 179

Vgl. Eisenbeis 1989, S. 243. Vgl.Bickesl984,S.26.

157

Kernsubstantivs) " .18° So bezeichnen sie ausschließlich die relationeilen Verhältnisse, die zwischen den durch sie und ihre Bezugsnomen repräsentierten Referenten bestehen. Deshalb werden wir sie als RELATIONALE ADJEKTIVE bezeichnen, statt von SEMANTISCH RELATIVEN ADJEKTIVEN zu sprechen, da ihr begriffliches Pendant - SYNTAKTISCH RELATIVE ADJEKTIVE - für unseren Zusammenhang irrelevant ist und sie mit den von EISENBERG postulierten RELATIVEN ADJEKTIVEN, 181 mit denen die polaren Adjektive gemeint sind, verwechselt werden könnten. Wir haben oben182 bereits festgestellt, daß diese relationalen Adjektive sowohl morphologisch als auch syntaktisch abgeleitete, d.h. sekundäre Adjektive sind. Ihre Ableitungswege sind aber besonders vielfältig. Hierbei wollen wir uns SCHMID anschließen und meinen, daß sie generell auf die folgende Ableitungsformel 183 zurückzuführen sind: (363) ist Nc --> A Z.B. : (336) die ungarische Frau (336 ' ) die Verhältnisse (von) dort Wie d i e Beispiele ( 3 4 6 " ) , ( 3 5 0 " ) , ( 3 5 3 " ) , ( 3 5 4 " ) , ( 3 6 4 " ) und ( 3 6 5 " ) zeigen, erlaubt die obige Ableitungsformel gewisse Zwischenstationen des Ableitungsprozesses, die hauptsächlich in Form von Genitiv- und Präpositionalattributen vorkommen. Insofern ist EISENBERG zuzustimmen, wenn er konstatiert: Es handelt sich beim Attribut dieser Art um eine Konstruktion, die den Attributen mit substantivischem Kem semantisch nahesteht, besonders den Genitiv- und Präpositionalattributen.184

Allerdings hat die SCHMID'sche Formel allgemeinere Gültigkeit, obwohl sie im Deutschen (im Unterschied zum Lateinischen) einzelne zugrundeliegende Konstruktionen wie die Genitivkonstruktion schwerlich zu rekonstruieren vermag, z . B . : (366) staatliche Lizenzen (B 15: 215) ( 3 6 6 ' ) Jemand, der raucht, ist stark. zurückführen. In (370a) fungiert das Adjektiv stark als Adverbiale und bezieht sich folglich auf das Verb, während es in ( 3 7 0 " ) die prädikative Funktion ausübt und sich somit auf das Subjektsnominal bezieht. Das wird noch deutlicher, wenn das Adjektiv der substantivierten Partizip I - form des zugrundeliegenden Verbs attribuiert wird: 186

Vgi Bußmann 1983, S. 349.

187

VgJ. Motsch 1967, S. 34ff.

161

(376a) ein stark Rauchender (376b) ein starker Rauchender In dieser Gegenüberstellung liegt es klar auf der Hand, daß sich das Adjektiv in (376a) auf den verbalen Teil, in (376b) aber auf den nominalen Teil ihres Bezugsnomens bezieht. Denn während (376b) auf (377) Der Rauchende ist stark. zurückzuführen ist, ist (376a) nicht auf (377) zurückführbar, sondern ausschließlich auf ( 3 7 0 a ) . Diese syntaktische Unterscheidung wird auch durch eine morphologische Differenzierung, die sich bei (376a) und (376b) zeigt, untermauert. Indem das Adjektiv stark in (376b) in Kongruenz mit seinem Bezugsnomen tritt und folglich die morphologische Kennzeichnung - im vorliegenden Fall das Suffix -er - annimmt, ist seine syntaktische Funktion als adjektivisches Attribut mit dem Bezug auf sein Bezugsnomen als solches, d.h. als Handlungsträger bzw. handelnde Person legitimiert, während sein Vorkommen in (376a) wegen seiner morphologischen Inkongruenz mit seinem Bezugsnomen den ad-hoc-Charakter zeigt, da es nur als eine Kokonstituente bei der Nominalisierung des Partizips mit in die nun entstandene Nominalphrase eingeht. Dieser strukturelle Wert kommt noch deutlicher zu Ausdruck, wenn diese Partizipialkonstruktion einem weiteren Substantiv attribuiert wird, z . B . : (377a) ein stark rauchender Mann (377b) ein starker rauchender Mann Die strukturellen Beziehungen der einzelnen Bestandteile der beiden Nominalphrasen können nach HELBIG/BUSCHA188 wie folgt dargestellt werden:

(377a')

D

E l

188 vgj Helbig/Buscha 1974, S. 531ff.

f A t

i B

162

I (377b')

D

A

A

l B

Dabei bedeuten die verwendeten Zeichen: D = Artikelwort E = Erweiterungsglied A = Attribut B = Bezugswort Aus der schematischen Darstellung geht hervor, daß stark in (377a) bzw. ( 3 7 7 a ' ) als ein Erweiterungsglied zum partizipialen Attribut fungiert und ausschließlich dieses, nicht aber auch das Bezugsnomen modifiziert. Es ist also ein erweitertes Attribut und ein Teil einer Konstituente in der Nominalphrase. In (377b) bzw. ( 3 7 7 b ' ) hingegen ist es ein selbständiges Attribut und modifiziert direkt das Bezugsnomen. Es bildet alleine eine Konstituente in der Nominalphrase. Semantisch bezeichnet es in (377a) die Handlung und in (377b) den Handlungsträger. Analog gilt dies nun selbstverständlich auch jeweils für ( 3 7 6 a ) , ( 3 7 0 a ) , ( 3 7 0 ) einerseits und (376b), ( 3 7 0 · ) , ( 3 7 0 ' ) andererseits. Die bisherigen Ausführungen zeigen, daß der Bezug der fraglichen Adjektive wie stark in (370) auf den verbalen Teil ihres Bezugsnomens durch verschiedene Testverfahren, u.a. auch das der Partizipprobe expliziert werden kann. Die Partizipprobe, wie sie in ( 3 7 6 a ) , (376b) und ( 3 7 7 a ) , (377b) angewandt wird, zeigt sich gegenüber anderen Verfahren, beispielsweise der Relativsatz-Probe in (370a) und ( 3 7 0 " ) , als vorteilhafter, da sie erstens das in dem generativen Grammatik-Modell auftauchende Problem der Identifizierung bzw. Realisierung des "Proelementes"189 - ob "jemand" oder überhaupt eine "Lautform" angesetzt werden soll

189

Vgl. Motsch 1967, S. 35 und die Anm. 10.

163

oder nicht - mit Hilfe des Partizip-Suffix -de(r) von vornherein ausschaltet, aber trotzdem dieselbe Information liefert. Zweitens ist sie in der Lage, die Ambiguität der Konstruktionen wie (370) auf der morphologischen, syntaktisch-strukturellen und semantischen Ebene adäquat zu beschreiben und zu erklären. Diese Feststellung kann durch eine weitere Erscheinung der NOMEN AGENTIS-KOMPOSITA untermauert werden. Damit meinen wir die zusammengesetzten Substantive, bei denen der HAUPT-STAMMTEIL190 Nomen agentis und der andere Stammteil Nomen als Akkusativobjekt zu dem dem Nomen agentis zugrundeliegenden Verb sind. Sie haben also die folgende Struktur: (378) N akk _ obj + Nag und gehören nach BERGENHOLTZ/MUGDAN in der syntaktischen Hinsicht zu dem PRÄDIKAT-OBJEKT-TYP191 DER KOMPOSITA, z . B . : Kartenspieler, Whisky trinker, Geschichtenerzähler, Bibelkenner etc. Wenn ihnen Adjektive attribuiert werden, so beziehen sich diese stets auf den Hauptstammteil der Komposita, was durch unsere Partizipialprobe expliziert werden kann, z . B . : (379 ) (ein) au t er Bibelkenner (B 9: 84 ) (379a) --> ein die Bibel au t Kennender (379b) * +-> ein die Bibel au t er Kennender (379c) * + -> ein au t er die Bibel Kennender Die nominale Konstruktion ( 3 7 9 ) läßt sich nur durch die Partizipprobe ( 3 7 9 a ) , nicht aber durch (379b) und ( 3 7 9 c ) , die beide grammatisch unakzeptable Konstruktionen sind, rekonstruieren, was besagt, daß gut in (379) nur auf ein adverbiales Adjektiv wie in (379a) , nicht aber auf ein genuin attributives Adjektiv wie in (379b) und (379c) zurückzuführen ist. Das heißt, es kann sich nur auf den verbalen, nicht jedoch auf den nominalen Teil des Nomen agentis beziehen. Weitere Beispiele: (380) (ein) au t er Kartenspieler (B 9: 84 ) (381) (ein) au t er Geschichtenerzähler (B 9: 84 ) (382) (ein) ter Whiskytrinker (B 9: 84 ) 190 191

Vgl. Bergenholtz/Mugdan 1979, S. 168. Vgl. ebd.

164

(383) ein leidenschaftlicher KopfgeldJäger Daß die Partizipprobe bei den Konstruktionen ( 3 7 9 ) (383) nur die eine Umwandlung wie (379a) , nicht aber weitere Umwandlungen wie (379b) und (379c) zuläßt, beweist, daß bei diesen Konstruktionen die Mehrdeutigkeit von vornherein ausgeschaltet wird, da die Umwandlungen wie (379b) und (379c) nicht wohlgeformt sind. Dies erklärt auch die Tatsache, warum bei den Nominalkonstruktionen mit den einfachen Nomina agentis als Bezugsnomen die Lesart des Adjektivbezugs auf den Verbalteil bevorzugt oder als die einzige angemessene Interpretation angesehen wird, denn sie sind praktisch eine Reduzierung der Konstruktion ( 3 7 9 ) - ( 3 8 3 ) ; bei der Eliminierung bzw. beim Ausbleiben der Akkusativobjekte erhalten wir genau die fraglichen Konstruktionen des Typs der starke Raucher, Vgl.: ( 3 7 9 1 ) ein au t er Kenner ( 3 8 0 ' ) ein au t er Spieler ( 3 8 l 1 ) ein au t er Erzähler ( 3 8 2 ' ) ein au t er Trinker ( 3 8 3 ' ) ein leidenschaftlicher Jäger192 Die in den Ausgangskonstruktionen existierenden Beziehungen zwischen den adjektivischen Attributen und ihren Bezugsnomen bleiben ungeachtet der Reduzierung um die ursprünglichen Akkusativobjekte in den nun entstandenen neuen Konstruktionen erhalten, d . h . : in ( 3 7 9 ' ) ( 3 8 3 ' ) wird der Bezug des Adjektivs auf den verbalen Teil des Nomen agentis vererbt und eine andere Lesart ist nach wie vor unzulässig. Weitere Beispiele: (384) kein schlechter Schläger (B 19: 57 ) (385) ein schlechter Verlierer (386) ein ter Koch (387) ein schlechter Unterhalter Während die Nomen agentis-Konstruktionen noch Ambiguitätsprobleme aufwerfen, ist dies bei den Nomen actionis-Konstruktionen nicht mehr der Fall. Der Bezug des Adjektivs auf den verbalen Teil des Bezugsnomens

192

Dieses Beispiel stammt aus Motsch 1967, S. 34.

165 liegt auf der Hand. Deshalb werden wir nicht naher darauf eingehen, sondern nur einige Beispiele anführen: (388 ) das hohe Pfeifen im Radio. (B 6: 102) ( 3 8 8 ' ) —> Das Radio p f e i f t hoch. (389 ) im permanenten Zerhacken (B 17: 198) ( 3 8 9 ' ) --> X zerhackt permanent. (390 ) (unter) diese(r) scharfe(n) Bewachung (B 18: 211) 1 ( 3 9 0 ) --> X bewacht scharf. (391 ) einen kleinen Schrei (B 20: 80 ) ( 3 9 l 1 ) * --> X schreit klein. (391") —> X schreit leise. (b) Die Nicht-Kopula-Adjektive Adjektive wie glatt und offen in ( 3 7 2 ) und ( 3 7 4 ) oben fassen wir in Anlehnung an SCHMID als NICHT-KOPULA-ADJEKTIVE193 a u f , deren attributive Funktion nicht auf die prädikative zurückzuführen ist. Ihre kontextuelle Beschränkung auf die attributive Verwendungsweise erfolgt nicht wie bei den verbalteilbezogenen Adjektiven wegen des Verbalteilbezugs, sondern wegen ihrer besonderen semantischen Gebundenheit mit ihren Bezugsnomen. Sie werden überwiegend in uneigentlicher Bedeutung - übertragender Bedeutung also - verwendet. Diese metaphorische Verwendungsweise vermittelt häufig Assoziationen auf etwas anderes, was außerhalb vom normalen Referenzskopus des attributiven Adjektivs liegt. D . h . solche Adjektive haben in gewissem Sinne einen transzendenten Referenzskopus, sie beziehen sich entweder nicht direkt auf ihre Bezugsnomen oder dieser Bezug wirkt über ihre Bezugsnomen hinaus, z . B . : (374) Die Kerker-Torturen des Studenten ... mit jenen zwei, auf offener Straße durch amtliche Personen begangenen Morden in Beziehung zu bringen ... (B 14: 10 ) (392) meine humanen Hände (B 13: 131) (393) blaue Stille (B 15: 219)

193

Schmid (mündlich), Hauptseminar Dos Adjektiv WS 1985/86.

166

(394) (395)

(B 16: 98 ) Park eines hohen Tieres (B 18: 211) In (374) referiert das Adjektiv offen offenbar nicht auf das Denotat von Straße, sondern darüber hinaus auf etwas, was mit 'Öffentlichkeit 1 zu tun hat. 194 Man könnte diese Nominalkonstruktion etwa wie folgt paraphrasieren: (374a) —> ( a u f ) der Straße vor aller Öffentlichkeit Das Adjektiv human referiert auch nicht auf Hände, denn die Hände können gar nicht human sein, sondern auf eine bestimmte Person, von der diese Hände Körperteile sind - im vorliegenden Fall ist das der Sprecher also. Blau und heiß in ( 3 9 3 ) und ( 3 9 4 ) erfordern eine besondere Erklärung, aber eines ist sicher: sie referieren beide nicht auf ihre Bezugsnomen Stille und Spur. Heiß bedeutet nach BROCKHAUS WAHRIG DEUTSCHES WÖRTERBUCH in diesem Zusammenhang aussichtsreich, erfolgversprechend. Hoch in hohes Tier referiert zweifellos auf den 'Rang' bzw. das 'Ansehen' der durch diese Nominalkonstruktion bezeichneten Person, 195 die meistens eine Person mit großem Ansehen oder ein Beamter von hohem Rang ist. Die beiden letzten Ausdrücke ( 3 9 4 ) und (395) haben bereits zusehends idiomatischen Charakter, vgl. auch (396) hohe See (B 3: 100) (397) offenes Meer (DUW : 903) (398) hohe Beamte (399) die sterblichen Überreste (B 12: 72 ) Der idiomatische Charakter dieser Ausdrücke liefert auch ein Argument dafür, daß die in diesen Ausdrücken vorkommenden Adjektive nur attributiv verwendet werden können und dies auch nur auf den gegebenen sprachlichen Kontext beschränkt. Im folgenden werden nun weitere Beispiele angeführt, die im Korpus begegnen: (400) dieses müden Wunders (B 3: 106) (401) an der aJfcen Flakstellung (B 3: 107) ( 4 0 2 ) der sanfte Ausdruck der Blödigkeit (B 6: 98 ) 194 195

auf der heißen Spur auf einer Party im ...

Vgl. DUW, S. 903 bei Stichwort ' offen' 5, c). Vgl. DUW, S. 1269 bei Stichwort Tier».

167

(403) (404)

dunkle Andeutungen (B 7: 168) Rettungsschwimmen in voller Bekleidung. (B 9: 83 ) (405) der offene Ehebruch (B 11: 159) (406) der arme Papst (B 11: 161) (407) zur Wahrheit, der reinen Wahrheit (B 13: 130) (408) in der 'wilden Hoffnung· (B 16: 102) (409) dem blanken Haß (B 18: 214) (410) ein scharfer Appetit auf saure Gurken (B 4: 48 ) (411) der bloße Anblick (B 4: 53 ) (412) den beiden richtigen Nazis (B 19: 56 ) (413) aus fremdem Munde (B 13: 128) (414) "Der eiskalte Tod" (Titel einer Fernsehsendung) (415) unvorsichtige Offenheit (B 20: 78 ) (416) eine tüchtige Hand (B 8: 70 ) (417) ... ich spürte in den wachen Stunden ... (B 3: 102) (c) Die (elativischen) Gradadjektive Mit den elativischen Gradadjektiven meinen wir diejenigen Adjektive, die ihre Bezugsnomen graduell determinieren. Sie sind in dieser Beziehung dem absoluten Elativ vergleichbar, z . B . : (418) die außergewöhnl i ehe Klugheit (419) Günters besondere Größe ( 4 2 0 ) seine große Dummheit196 MOTSCH führt solche Adjektive ebenso wie bei den Temporalund Lokaladjektiven auf Adverbien zurück, er schreibt: Verschiedene Typen von Adverbien, die in einer sorgfältigen Formulierung der strukturellen Beschreibung gekennzeichnet sein müssen, werden in die Position des attributiven Adjektivs gestellt [...]197 So liegen den attributivischen Konstruktionen (418) ( 4 2 0 ) jeweils die Sätze ( 4 1 8 ' ) - ( 4 2 0 ' ) zugrunde: ( 4 1 8 ' ) X ist außergewöhnlich klug. ( 4 1 9 ' ) Günter ist besonders groß. ( 4 2 0 ' ) Er ist sehr dumm. 196

197

Die Beispiele (418) - (420) stammen aus Motsch 1967, S. 37. Ebd.

168 Die den Adjektiven in (418) - ( 4 2 0 ) zugrundeliegenden Adverbien haben hierbei die Funktion, das Adjektiv zu graduieren. Deshalb werden sie als Gradadverbien bezeichnet. Analog dazu ist ihr adjektivisches Pendant auch als GRADADJEKTIVE zu bezeichnen. Dabei räumt MOTSCH ein: Das wotu geläufigste Gradadverb sehr kann in dieser Form nicht zu einem Attribut werden. Es korrespondiert jedoch deutlich mit dem Adjektiv groß vor Adjektivabstrakta.198 Er kommt zu der Ansicht, "groß in diesem Falle als eine Variante von sehr zu analysieren". 199 In dieser Einsicht stimmen wir MOTSCH zu. Auf der anderen Seite sind wir jedoch der Auffassung, daß dies in zweifacher Hinsicht modifiziert werden müßte. Erstens gibt es ausser groß noch eine Reihe von Adjektiven, die dementsprechend auf das Gradadjektiv sehr o.a. zurückgeführt werden können, z . B . : (421) blutiger Ernst (B 10: 159) (422) gewaltiger Ernst (423) großer Ernst (424) eine bittere Kälte (DUW : 2 0 4 ) (425) Ulis ängstliche Kleinlichkeit (B 19: 52 ) (426) die kleinste Wörtlichkeit (B 21: 139) (427) mit äußerster Raffinesse (B 15: 211) (428) totale, fast absolute Beziehungslosigkeit (B 17: 2 0 6 ) Für blutig in (421) wird im Wörterbuch DUW als eine Bedeutungsvariante die Erläuterung unter 2 mit dem semantischen Merkmal "intensivierend" und auf paraphrasierende Weise wie folgt angegeben: (421a) bitterer Ernst (DUW : 2 0 4 ) Das Adjektiv bitter wiederum wird in demselben Wörterbuch unter der Bedeutungsvariante 4 a) mit "stark, groß, schwer" und 4 b) mit dem syntaktisch-semantischen Merkmal "intensivierend vor Adjektiv" in der Bedeutung von "sehr" erläutert. Als Beispiele werden dort ( 4 2 4 ) zu 4 a) und (429) bitter kalt 199

Ebd.

169 zu 4 b) angeführt. In der Bedeutungserläuterung zum selben Adjektiv unter der Bedeutungsvariante 5 im HWDG kommt die graduierende Funktion solcher Adjektive in den oben genannten Konstruktionen noch deutlicher zum Ausdruck: Es "drückt emotional in negativem Sinne einen hohen Grad a u s " , 2 0 0 z.B.: (424 ) eine bittere Kälte ( 4 2 4 1 ) --> eine sehr große Kälte (HWDG: 188) Analog dazu: (421a) bitterer Ernst (421a') --> sehr großer Ernst (421 ) blutiger Ernst ( 4 2 l 1 ) —> sehr großer Ernst So ist (421) in einem sehr hohen Grad der Konstruktion ( 4 2 3 ) äquivalent. Was dabei unterschiedlich ist, ist nur die graduelle Abstufung in der Aussage. Ebenso ist auch (422) gewaltiger Ernst zu analysieren. Das Adjektiv ängstlich in ( 4 2 5 ) könnte nach DUW durch peinlich201 substituiert werden, das wiederum mit "intesivierend bei Adjektiv" in der Bedeutung von "sehr", "aufs äußerste", "überaus" 202 erklärt wird. In ( 4 2 6 ) und ( 4 2 7 ) liegen die genuin elativischen Adjektive 203 kleinst und äußerst, in ( 4 2 8 ) die semantisch elativischen Adjektive total und absolut vor. Sie können alle auch auf Konstruktionen mit Gradadverb sehr und Adjektiv zurückgeführt werden: ( 4 2 6 ' ) —> sehr (* kleinst) wörtlich ( 4 2 7 ' ) —> sehr (äußerst) raffiniert ( 4 2 8 ' ) --> sehr (? total) (absolut) beziehungslos Zweitens kommen solche Gradadjektive auch nicht nur bei Adjektivabstrakta vor, wie MOTSCH es behauptet hat, sondern auch bei Substantiven, insofern diese Eigenschaften, statische wie dynamische, ausdrücken können. 200

HWDG 1983, S. 188. Hervorhebungen von K.T. Vgl. DUW 1984, S. 76 unter Bedeutungsvariante 2 des genannten Stichwor tes. 202 Ebd. S. 933. 203 Vgl. Duden 1984, S. 309, § 520. 201

170

Solche Substantive können sowohl Abstrakta als auch Konkreta wie Nomina agentis und Nomina actionis sein, z.B. : (430)

mit großer Vorsicht

(B

1: 95 )

(431)

tiefe Melancholie

(B 11: 163)

(432) den tiefen ... Frieden (B 12: 75 ) (433) trotz seines hohen Alters (B 4: 46 ) (434) ein blutiger Anfanger (DUW : 211) (435) völliger Neuling (HWDG: 195) (436) eines mittleren Erdbebens (B 4: 55 ) Auch ( 4 2 7 ) oben gehört hierher. In den obigen Konstruktionen sind die Substantive streng genommen keine Adjektivabstrakta, 2 0 4 ausgenommen werden sollten vielleicht Alter und Neuling, die Ubergangsfalle darstellen, wobei das Substantiv Neuling bereits zur Gegenstandsbezeichnung geworden ist, während Alter eher zum Adjektivabstraktum tendiert. Gerade diese Übergänge und die engen Zusammenhänge zwischen solchen Substantiven und den Adjektivabstrakta bzw. den Adjektiven machen deutlich, daß die Adjektive bei ihnen wie bei den Adjektivabstrakta auch eine graduierende Funktion ausüben. Die Nominalkonstruktionen können meist auch auf Sätze mit Gradadverb sehr und Adjektiv zurückgeführt werden: ( 4 3 0 ' ) --> X ist sehr (* groß) vorsichtig. ( 4 3 l 1 ) --> X ist sehr ( t i e f ) melancholisch. ( 4 3 2 ' ) --> X ist sehr (? t i e f ) friedlich. ( 4 3 3 ' ) —> X ist sehr (* hoch) alt (vgl. aber hochbetagt) . Die Konstruktionen ( 4 3 4 ) und ( 4 3 6 ) sind zwar nicht direkt auf solche Sätze zurückführbar, weil das Nomen agentis Anfanger und das Nomen actionis Erdbeben ja auch nur indirekt eine Eigenschaft bezeichnet, die im Gegensatz zu der durch Adjektiv- und Substantivabstrakta bezeichneten STATISCHEN EIGENSCHAFT als DYNAMISCHE EIGENSCHAFT zu fassen ist, aber die Rückführung der Konstruktion (434) kann jedoch indirekt über ihre

204

Vgl. Duden 1984, S. 472, § 858.

171

semantisch äquivalenten Konstruktionen (434') und ( 4 3 5 ) 2 0 5 erfolgen: ( 4 3 4 ' ) --> ein voll iaer/absolu t er Anfänger (DUW : 211) (435 ) --> ein völliger Neuling ( 4 3 4 " ) --> X ist sehr (völlig) neu (in dieser Branche). Bei ( 4 3 6 ) ist die graduierende Funktion des Adjektivs mittler auch ohne operationale Rückführung auf eine Skala wie (437) groß - mittel - klein deutlich erkennbar. 4.2.1.2. VORANGESTELLTE INDEKLINIERTE ADJEKTIVE

Die vorangestellten indeklinierten Adjektive stellen eine Randerscheinung der gesamten Verwendungsweisen des deutschen Adjektivs dar. Ihre Indekliniertheit erklärt sich aus verschiedenen Gründen. Diese fassen wir unter morphonemischer, lexikalisch-semantischer und stilistischer Bedingtheit zusammen. Darüber hinaus werden die vor den Adjektiven bzw. Adverbien erscheinenden Adjektive in Anlehnung an GRUNDZÜGE 1981 auch als attributive Adjektive, 2 0 6 die indekliniert vor ihrem Bezugswort stehen, gerechnet. 4.2.1.2.1.

Die morphonemisch bedingte Teilklasse

Zu dieser Teilklasse gehören vor allem Farbadjektive, die auf Vokale enden, z . B . rosa, lila, orange, beige, bleu, chamois etc. Solche Adjektive sind immer Fremdwörter, die als Lehngut in den deutschen Wortschatz eingehen. Darüber hinaus sind weitere vereinzelne Lehnwörter zu verzeichnen, die zwar keine Farbadjektive sind, aber auch auf Vokale enden, z . B . prima, extra etc.: (438) eine prima Sache (439) unser extra Tip Einige Farbadjektive, die zwar auch Fremdwörter sind, die aber nicht auf Vokale enden, z . B . creme, oliv 205

So wird (434) in DUW, S. 211 als (4341) und in HWDG, S. 195 als (435) er läutert. 206 Vgl. Grundzüge 1981. S. 601f und S. 625; Duden 1984, S. 270, § 447.

172

und karamel, werden auch indekliniert gebraucht - sie bilden eine Ausnahme für die hier diskutierte Teilklasse. 4.2.1.2.2.

Die lexikalisch-semantisch bedingte Teilklasse

Die Adjektive dieser Teilklasse haben ein gemeinsames lexikalsemantisches Merkmal: sie bezeichnen alle die Zahl- bzw. Mengenverhältnisse und werden INDEFINITE ZAHLADJEKTIVE207 genannt, z . B . : viel, wenig, halb, ganz, ausreichend, genügend, genug, satt, lauter, massenhaft. Dabei erfahren die einen selektionale Einschränkungen, die anderen hingegen nicht, wenn sie indekliniert vor ihren Bezugsnomen auftreten, z . B . : (440) mit so viel Pathos (B 17: 2 0 5 ) (441) wenig Nahrung (B 21: 140) (442) mit ... wenig Gepäck (B 18: 216) (443) er fährt, hatte nur wenig Verspätung (B 9: 84 ) (444) halb Europa war besetzt (DUW : 532) (445) ganz China ( 4 4 6 ) Und wegen der Geschichte ... habe ich genug Blut geschwitzt ... (B 15: 212) (447) Auf diese ... Tatsache wird ... nicht genügend Gewicht gelegt. Wie die Beispiele zeigen, liegt die Indekliniertheit des indefiniten Adjektivs nur dann vor, wenn sein Bezugsnomen die semantischen Merkmale [-konkret] und [zählbar] aufzeigt, d.h. die indeklinierten indefiniten Zahladjektive wie die in ( 4 4 0 ) - ( 4 4 7 ) angegebenen kommen nur bei den unzählbaren Substantivabstrakta vor, andernfalls treten solche Adjektive dekliniert a u f , vgl. : (448) ... dann hat sie ... wenige Zeilen gelesen ... (B 9: 87 ) (449) Viele Hunde sind des Hasen Tod. (Sprw.) (450) eine halbe Stunde (451) ein ganzes Brötchen

207

Vgl. Duden 1984, S. 284f, § 469f.

173

Andere indefiniten Zahladjektive wie massenhaft, lauter, einzig (bei Adjektivabstrakta) etc. unterliegen dieser selektionalen Einschränkung nicht: sie kommen häufig bei den konkreten zählbaren Substantiven indekliniert vor, z . B . : ( 4 5 2 ) Auch alte Orden vom Weltkrieg haben wir gemacht und Frontkämpfernadeln, massenhaft Frontkämpfernadeln ... (B 1: 62 ) (453) . . . , massenhaft: Verwundetenabzeichen. (B 1: 62 ) (454) und sicher hatte er dort ausreichend 'katholische L u f t 1 . (B 11: 161) (455) dort wachsen massenhaft [ugs. sehr viel] Pilze (DUW : 820)

(456) (457) (458) (459)

lauter formale Dinge (B 11: 155) lauter Russen (B 15: 219) lauter "gemeine Sachen" (B 16: 102) Die einzig Zuverlässigen sind meine Tante ... (B 4: 49 ) In der Hinsicht der Distribution der beiden oben genannten Untergruppen von den indifiniten Zahladjektiven scheint ihre Verteilung komplementär zu sein, d.h.: Während die Adjektive vom Typ ( 4 4 0 ) - ( 4 4 7 ) indekliniert nur bei den Substantiven mit den semantischen Merkmalen [-konkret, -zählbar] erscheinen, treten die Adjektive vom Typ ( 4 5 2 ) - ( 4 5 9 ) hingegen nicht nur bei den Substantiven mit den Merkmalen [+konkret, +zählbar] a u f , vgl.: ( 4 6 0 ) * viel Frontkämpfernadeln * halb Pilze (461) (462) * ganz Russen mit (463) massenhaft Pathos (464) vor lauter Freude Aber: (465) * einzig Nahrung

4.2.1.2.3.

Die stilistisch bedingte Teilklasse

Adjektive dieser Teilklasse kommen aus stilistischen Gründen indekliniert vor.

174

Die unflektierte Fonn kennzeichnet entweder eine altertümliche oder eine volkstümliche Redeweise und wird meist aus rhythmischen Gründen angewendet208 So finden sich solche Adjektive z.b. in poetischer Sprache, in volkstümlicher Sprache und in festen Wendungen: 209 (466) Wir wollen sein ein einig- Volk von Brüdern (Schiller) (467) Ein leidig Lied (Goethe) (468) ... von einem steinalt, lieb Mütterlein. (Fallada) ( 4 6 9 ) War einst ein Riese Goliath, gar ein gefährlich Mann. (M. Claudius) In volkstümlicher Sprache: (470) Abendrot, gut Wetter droht. (Sprw.) (471) Gut Ding will Weile haben. (Sprw.) (472) Ein gut Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen. (Sprw.) In festen Wendungen: (473) auf gut Glück (474)

ruhig Blut

(475)

ein gut Teil

4.2.1.2.4.

Die syntaktisch bedingte Teilklasse

Die Adjektive, die vor den Adjektiven/Adverbien erscheinen, sind aus syntaktischen Gründen indekliniert, weil sie sich als eine Erweiterung in der entsprechenden Adjektiv- bzw. Adverbgruppe nur auf ihr Bezugswort - das übergeordnete Adjektiv/Adverb - , nicht aber auf ein Substantiv beziehen, auch wenn bei diesem das übergeordnete Adjektiv in attributiver Funktion dekliniert wird, 210 vgl. : (476) diese verflucht teure 'Einfachheit 1 ... (B 18: 213)

(477)

... und auf eben diese verfluchte

teure Weise (B 18: 213)

208 209 210

Duden 1984, S. 266f, § 443. Vgl. ebd. Auch die folgenden Beispiele stammen daher. Vgl. Gmndzüge 1981, S. 625.

175

In ( 4 7 6 ) bezieht sich das Adjektiv verflucht auf sein übergeordnete Adjektiv teuer und bildet mit diesem eine Adjektivgruppe, die sich als Ganzes auf ihr Bezugsnomen Einfachheit bezieht, wobei nur das übergeordnete Adjektiv als Kernwort der Adjektivgruppe mit dem substantivischen Bezugswort kongruiert, das vor seinem übergeordnete Adjektiv stehende aber indekliniert bleibt. In (477) hingegen bezieht sich verflucht nicht auf teuer, sondern ebenso wie dieses auch auf das Bezugsnomen Weise, oder auf die Nominalgruppe, die aus dem zweiten Adjektiv und dem Bezugsnomen besteht, wobei das Substantiv Weise als Kernwort der Nominalgruppe das letzte Bezugsobjekt ist und das erste Adjektiv mit ihm kongruieren muß. Diese syntaktischen Strukturen lassen sich nach HELBIG/BUSCHA211 wie folgt differenzieren:

(476')

l l diese verflucht teure Einfachheit

l

t

l

l

(477')

diese verfluchte teure Weise

(477")

diese verfluchte teure Weise

So ist deutlich, daß das fragliche Adjektiv verflucht zwar in beiden Konstruktionen (476) und ( 4 7 7 ) als attributives Adjektiv fungiert, in ( 4 7 6 ) jedoch als solches zu einem anderen Adjektiv und zwar indekliniert; in ( 4 7 7 ) dagegen als solches zum Substantiv und 211

Siehe oben S. 161, Anm. 188.

176

zwar dekliniert. Semantisch dienen die attributiven Adjektive vor den Adjektiven/Adverbien hauptsächlich der Intensivierung und der Einordnung der durch Adjektive/Adverbien bezeichneten Eigenschaften/Sachverhalte und können dementsprechend in zwei Untergruppen eingeteilt werden: die mit Intensivierungsbezogenheit und die mit Einordnungsbezogenheit, z . B . : (a) Adjektive mit Intensivierungsbezogenheit: (478) (479) (480) (481) (482) (483) (484) (485) (486) (487)

Ich bin wahnsinnig leichtsinnig gewesen ... (B 1: 65 ) Es gibt so unendlich viele Todesarten. (B 1: 71 ) ... das fürchterlich stille Fressen (B 3: 103) . . . warf ich einen kurzen Blick in sein . . . unsagbar gleichgültiges Gesicht. (B 3: 107) ein Motiv, das Vater völlig unbegreiflich wäre. (B 8: 77 ) Sie war richtig eifersüchtig. (B 11: 161) Es war schon ungeheuer schwierig ... (B 15: 216) Heinrich, dieser erstaunlich gütige Mensch ... (B 17: 2 0 7 ) ... seinem radikal neuen Ansatz ... (B 17: 2 0 7 ) ... eine voll kommen unmilitärische Melodie ... (B

(488) (489) (490) (491)

5: 151)

... sonderlich militarfreundlich ... (B 21: 133) ... mit einem enorm wichtigen Publicityfaktor (B 21: 135) ... was sie tief unten in der Holzkiste hatte (B 7: 166) Die Geologen stießen erstaunlich bald auf Anzeichen von Lagerstätten.

(b) Adjektive mit Einordnungsbezogenheit (492) (493)

... ist er empört, moralisch entrüstet ... (B 12: 78 ) Diese grammatikalisch falsche Verkürzung muß man ihm verzeihen. (B 15: 214)

177

(494)

mit sachlich überflüssigen ...

Fragen ... (B 15: 216)

(495)

... die Leni . . . , die war vorübergehend frech (B 15: 219)

(496) (497)

Dieser ... spirituell bedingte "Materialismus" ist immer greifbar ... (B 17: 198) ... unsere notorisch kinderfeindliche Welt ... (B 17: 205)

(498)

... zwischen sommerlich duftenden Getreidefeldern ... (B 19: 54 ) (499) ... Himmel . . . , der rötlich grau und sanft über dem Meer hing. (B 2 0 : 83 ) Solche Einordnungsadjektive kommen nur bei Adjektiven, nicht aber bei Adverbien vor, während die intensivierenden Adjektive auch diese determinieren können, vgl. oben die Beispiele ( 4 9 0 ) und (491) sowie die häufigen Konstruktionen wie nah vorn, weit hinten, hoch oben etc. 4.2.2.

NACHGESTELLTE ATTRIBUTE

4.2.2.1. NACHGESTELLTE DEKLINIERTE ATTRIBUTE

Die nachgestellten attributiven Adjektive kommen im Vergleich zu den vorangestellten relativ selten vor, die nachgestellten deklinierten noch seltener. In GRUNDZÜGE 1981 werden sie nach PAUL und LJUNGERUD im Hinblick auf ihre semantischen Merkmale unterschieden, nämlich, ob "zum Ausdruck der Ausnahmelosigkeit einem Substantiv zwei Adjektiva von entgegengesetzter [oder nicht-entgegengesetzter] Bedeutung zugefügt werden", 212 z.B. : (500) Hühnervolk, braunes und schmutzig weißes, irrte herum. 213 (501) Immer sind sie auch von Kürbissen durchpflanzt, rotaeJjben. runden. die wie riesige Orangen aussehen. 212 213

Grundzüge 1981, S. 625. Ebd., auch das folgende Beispiel (501).

178

In unserem Korpus sind auch nur zwei Beispiele zu verzeichnen: das eine mit der entgegengesetzter Bedeutung, das andere ohne entgegengesetzter Bedeutung, da nur ein Adjektiv erscheint und davon gar keine Rede sein kann: (502) Ein paarmal habe ich Ärger mit den Mädels gehabt, kleinen, großen. besonders großen. ... (B 15: 211)

(503)

Finck ... hatte dort fünfzig Flaschen Tokaier geholt, echten sogar, ... (B 2: 94 ) Wie die obigen Beispiele zeigen, kommen die nachgestellten attributiven Adjektive nur in Form von Einschüben (Nachträgen) vor, d.h. sie sind durch Komma von ihrem Bezugsnomen getrennt. 4 . 2 . 2 . 2 . NACHGESTELLTE INDEKLINIERTE ATTRIBUTE

Relativ häufiger als die nachgestellten deklinierten Adjektive kommen die indeklinierten vor. Dabei ist die Nachstellung und die Indekliniertheit entweder auf syntaktische oder auf stilistische Gründe zurückzuführen, deshalb unterscheiden wir die syntaktisch bedingte indeklinierte Nachstellung der Adjektive und die stilistisch bedingte indeklinierte Nachstellung. Die syntaktisch bedingt nachgestellten Adjektive sind hauptsächlich solche, die im Positiv bzw. Komparativ mit Hilfe der Vergleichspartikeln wie bzw. als ihr Bezugsnomen in Relation zu einem anderen Gegenstand determinieren, z . B . : (504) Saiten so dick wie Arme kommen zum Klingen ... (B 6: 103) (505) Das Mädchen, frecher als mancher Junge, . . .214 Solche nachgestellte Wortgruppe mit Adjektiv als Kernwort kann nur postnominal stehen, die pränominale Stellung kennt sie nicht, vgl.: ( 5 0 4 ' ) * die so dick wie Arme Saiten ( 5 0 4 " ) * die wie Arme so dicke Saiten ( 5 0 5 1 ) * das frecher als mancher Junge Mädchen ( 5 0 5 " ) * das als mancher Juncre frechere Mädchen 214 Das Beispiel stammt aus Motsch 1964, S. 122.

179 Die Wohlgeformtheit der Konstruktionen wie ( 5 0 5 ' ) und ( 5 0 5 " ) bleibt deshalb aus, "weil nur das komparierte Adjektiv in die präsubstantivische Position rücken kann, während die Ergänzung entweder eliminiert werden muß oder hinter dem Substantiv stehen bleibt.' 215 Dies gilt analog auch für Konstruktionen wie ( 5 0 4 ' ) und ( 5 4 0 " ) , in denen das Adjektiv zwar nicht kompariert wird, dessen Ergänzung dennoch nicht in die präsubstantivische Position rücken können. So muß die ganze adjektivische Wortgruppe, wenn sie als eine zusammenhängende Einheit erscheinen muß, postnominal stehen. Daher ist diese Nachstellung syntaktisch bestimmt, und daraus folgt auch die Indekliniertheit des Adjektivs, weil die flektierte Form in solcher Konstruktion niemals vorkommt. In Sätzen üben solche Adjektivgruppen eine attributive Funktion aus, da sie zusammen mit ihrem Bezugsnomen eine Konstituente bilden, d.h. keine Satzglieder, sondern nur Satzgliedteile sind. Weitere Beispiele: ( 5 0 6 ) Gewehrkugeln, groß wie Taubeneier und Je l ein wie Bienen. (DG: 2 6 7 ) (507) Es stand in alten Zeiten ein Schloß so hoch und hehr. (DG: 557) 216 (508) Der Baum, höher als das Haus, . . , ( 5 0 9 ) Das Motorrad, schneller als ein Auto, ... Bei den nachstehenden Fällen handelt es sich um eine syntaktische Variante gegenüber den vorangestellten Adjektiven, deren Nachstellung aus verschiedenen Gründen bevorzugt wird, z . B . deshalb, weil sie die sonst auftretende Sprengung der syntaktischen Struktur der Nominalgruppe vermeidet: (510) ... ein normaler Keller durch ein paar Zentimeter Beton verstärkt. ... (B 15: 213) (511) ... und in irgendeinem dieser hoffnungslosen Drecknester zehn Kilometer von der Küste entfernt würden wir exerziehen, ... (B 20: 87 )

215

Motschl964,S. 121f. Dieses und das nachfolgende Beispiel (509) stammen ebenfalls aus Motsch 1964, S. 122.

216

180

Hierher gehören auch die nachstehenden Adjektive wie pur, satt, genug, voll u . a . , deren Nachstellung beim Substantiv dessen NULL-ARTIKEL voraussetzt, z . B . : (512) Das war Leben pur. (DG: 2 6 7 ) (513) Das war Kino satt. (514) Es gab Kaviar satt. (DUW: 1068) (515) ... viele Lastwagen voll Birnen ... (B 2: 89 ) (516) Ober Fußball brutal reden alle. (DG: 2 6 7 ) (517) Sport total im Fernsehen (Ebd.) (518) Abfallbörse international (Ebd.) (519) Schauma mild (Ebd.) ( 5 2 0 ) Henkel trocken (Ebd.) (521) Whisky pur (Ebd.) (522) Aal blau (Ebd.) (523) 200 Schriftzeichen russisch (Ebd.) Analog zu dem Adjektiv satt, das auch bei Voranstellung indekliniert bleibt, vgl.: (524) satt (landsch.: genug) Fleisch haben (DUW: 1068)

muß auch genug in derselben Distribution als Adjektiv betrachtet werden, auch wenn es niemals flektiert vorkommt, vgl. dazu: (525) Er hat genug Geld. (HWDG: 4 6 6 ) (526) Er hat genug Zeit. (Ebd.) ( 5 2 6 ' ) Er hat Geld genug. (Ebd.) ( 5 2 7 ' ) Er hat Zeit genug. (Ebd.) Außer den syntaktisch bedingt nachgestellten Adjektiven sind noch weitere indeklinierte Adjektive zu verzeichnen, die aus stilistischen Gründen Substantiven nachgestellt werden. Wir unterscheiden die dichterischrhytmische, die volkstümliche, die parenthetische und die archaisierende Nachstellung. "In der rhytmisch ausgewogenen Sprache der Dichtung [ . . . ] wird das Adjektiv dem Substantiv oft nachgestellt [ . . . ] , vor allem als Adjektivreihe 11 , 217 z . B . : (527) bei einem Wirte wundermild (528) mit Farben tief und rein (529) in Ehrfurcht scheu und zart 217

Grundzüge 1981, S. 624; die nachfolgenden Beispiele (527) - (530) stammen auch daher.

181

(530) eine Locke wild und wunderbar Ähnlich sind die PARENTHETISCHEN ADJEKTIVE,218 die getrennt durch Komma in der Nachstellung indekliniert erscheinen: (531) ... die Straße, schmutzig, von Trümmern umsäumt. (B 6: 99 ) (532) Wilde Laute aus Glums Mund stellten den Fluß dar, breit. reißend, wild und kalt. (B 7: 163) (533) Kaffee, Huperts, stark, heiß, mit viel Zucker; (B 10: 157) (534) ... hier ist Kaffee, süß und heiß. Nachmittagsk a f f e e , stark und ohne Milch ... (B 10: 160) (535) Du ... läßt dir den Büffel, süß und sauer, paniert und in Gott weiß welchen Saucen servieren; (B 10: 161) (536) Mir wurde übel, aus verschiedenen Gründen, körperlich. . . . , seelisch. ... (B 11: 162) (537) Katharina Blum, inzwischen fast völlig apathisch, schüttelte nur den Kopf ... (B 16: 96 ) (538) ... ein hübscher Kerl, groß, blond - unserer Apfelwange verblüffend ähnlich. ... (B 21: 132) (539) ... Schloß, nur über unendlichlange Leitern mit Riesensprossen erreichbar. (B 10: 157) Hierher gehören auch die adjektivisch gebrauchten Partizipien: (540) ... riesige blutrote Rücklichter, glimmend wie Torfstücke, entfernen sich zum Himmel hin ... (B 9: 79 ) (541) ... das Papierschiffchen, aus einem Kalenderblatt gefaltet ... (B 10: 158) (542) Staub, zusammengebacken. konzentriert. zu Struktur verwandelter Staub; (B 10: 160) (543) ... Liebhaber . . . , versunken auf der Terrasse • · ·

Zu der volkstümlichen Nachstellung zahlen Adjektive wie in: (544) Röslein rot219 (545) Hänschen klein 218

Vgl.Motschl964,S. 116. Die beiden Beispiele (544) und (545) stammen aus Grundzüge 1981, S. 624.

219

182 Zur archaisierenden Nachstellung wie in: (546) mein Mann selia (547) fünf Gulden rheinisch (548) tausend Mark bar

gehören

Adjektive (DG: 2 6 7 ) (Ebd.) (Ebd.)

4.3. ADVERBIALER GEBRAUCH In den vorangegangenen Abschnitten haben wir die Frage der als Adverbiale fungierenden Adjektive bereits an vielen Stellen diskutiert. 2 2 0 Dort haben wir festgestellt, daß sie sich im Satz weder auf Subjekt noch auf Objekt beziehen, sondern generell auf das Verb. Zur Abgrenzung der adverbialen von den prädikativen Adjektiven wird zunächst dieser syntaktisch-semantische Bezug als ein Kriterium herangezogen. Im Unterschied zu den kopulativ-prädikativen Adjektiven kommen die adverbialen Adjektive nicht bei Kopulati werben, sondern nur bei den Vollverben vor, deshalb besteht in der Konstruktion NP sub j + V + Adj keine direkte (sprich: prädikative) Beziehung zwischen der Subjekts-NP und dem adverbialen Adjektiv, während in der Konstruktion NP sub j + KV + Adj zwischen der Subjeks-NP und dem kopulativprädikativen Adjektiv eine solche Beziehung vorliegt. So bereitet die Abgrenzung der entsprechenden Adjektive voneinander grundsätzlich keine Schwierigkeiten, vgl.: (62 ) Der Sturz des Kindes sieht gefährlich aus. (62a) --> Der Sturz des Kindes ist (dem Aussehen nach) gefährlich. (62b) * --> Das Aussehen des Sturzes des Kindes ist gefährlich. (237) Der Mann schüttelt heftig den Kopf. (237a) * --> Der Mann ist (? dem Kopfschütteln nach) heftig. (237b) --> Das Schütteln des Kopfes (von dem Mann) ist heftig. Problematischer scheint die Abgrenzung der adverbialen Adjektive von den nichtkopulativ-prädikativen, vor allem aber von den subjektsprädikativen Adjektiven. 220

Vgl. oben S. 74ff; S. 77ff; S. 88ff; S. 98ff; S. 129ff und S. 140ff.

183

Dabei gilt es außer dem Bezug des betreffenden Adjektives auf das jeweilige Subjekt bzw. Objekt des Satzes besonders die Paraphrasierungsprobe mit dem Pronominaladverb wobei, mit der die subjektsprädikativen Adjektive von den adverbialen Adjektiven abgegrenzt werden, und die transformationelle Probe der Subjektsanhebung und der Gleiche NP-Tilgung, mit der die objektsprädikativen Adjektive von den adverbialen unterschieden werden, d.h. wenn die betreffenden Adjektiv-Konstruktionen die genannten Proben durchlaufen können, dann fungieren die in diesen Konstruktionen verwendeten Adjektive als nichtkopulative Prädikative, und zwar entweder als Subjektsprädikative oder als Objektsprädikative; wenn sie diese Proben nicht durchlaufen können, fungieren nun die betreffenden Adjektive als Adverbiale, vgl. ( 2 3 7 ) , (237a) und (237b) mit ( 2 4 3 ) , (243a) - (243c) : (243 ) Der Mann schüttelt traurig den Kopf. (243a) --> Der traurige Mann (243b) --> Der Mann ist traurig. (243c) --> Der Mann schüttelt den Kopf, wobei er traurig ist. und ( 2 4 4 ) - (247d) sowie ( 2 8 9 ) , (289a) und ( 2 9 2 ) , (292a): (289 ) Ich wünsche mir die Matratze etwas weicher. (289a) —> Ich wünsche mir, daß die Matratze etwas_jj££icher ist. (292 ) Die Schwester pflegt den Patienten gesund. (292a) --> Die Schwester pflegt den Patienten und der Patient ist/(wird) gesund. Aber der Satz in ( 2 3 7 ) läßt sich nicht dementsprechend paraphrasieren: (237c) * --> Der Mann schüttelt den Kopf, wobei er heftig ist. (237d) * --> Der Mann schüttelt, daß der Kopf heftig ist. (237e) * —> Der Mann schüttelt den Kopf und der Kopf ist heftig. Es gilt nur die Paraphrase in (237b) und ihre Variationsform:

184

( 2 3 7 f ) —> das heftige Schütteln des Kopfes (von dem Mann) Daß der Satz ( 2 3 7 ) nicht durch (237c) - ( 2 3 7 e ) , sondern nur durch (237b) und ( 2 3 7 f ) paraphrasiert werden kann, besagt, daß das Adjektiv heftig nicht als prädikatives, sondern als adverbiales Adjektiv fungiert. Vgl. weitere Beispiele: (549 ) ... er ... lacht herzlich ... (B 13: 131) (549a) * --> Er lacht, wobei er herzlich ist. (549b) --> Sein Lachen ist herzlich. (549c) --> sein herzliches Lachen (550) ... deren Antiklerikalismus man gründlich mißverstand. (B 19: 53 ) (550a) * --> Man mißverstand deren Antiklerikalismus, wobei man gründlich ist. (550b) * --> Man mißverstand, daß deren Antiklerikalismus gründlich ist. (550C) * --> Man mißverstand deren Antiklerikalismus und der Antiklerikalismus ist gründlich. (550d) --> das gründliche Mißverstehen des Antiklerikalismus (551 ) ... die erste "Einkehr" ... fand nachweislich erst am 18. März statt ... (B 15: 214) (551a) * --> Die erste "Einkehr" fand erst am 18. März statt, wobei sie nachweislich ist. (552 ) Grundsätzlich bin ich gegen 'Verhältnisse' (B 15 215) (552a) * --> Ich bin gegen 'Verhältnisse', wobei ich grundsätzlich bin. Bei der Gegenüberstellung der Verwendungsweisen genannter Adjektive wird deutlich, daß sich die Adjektive heftig, herzlich, gründlich, nachweislich und grundsätzlich in dem jeweiligen Satz von den anderen Adjektiven wie traurig, weicher und gesund in (243) , ( 2 8 9 ) und ( 2 9 2 ) hinsichtlich der syntaktischen Funktion unterscheiden: die letzteren können, wie oben gezeigt, paraphrasiert werden, daher sind sie nicht-kopulative prädikative Adjektive; die ersteren können nicht so paraphrasiert werden und dementsprechend nicht den prädikativen, sondern den adverbialen Adjektiven zugerechnet

185

werden. Diese adverbialen Adjektive haben zwar mit den prädikativen und attributiven Adjektiven Gemeinsamkeiten, zeigen aber auch Unterschiede unter sich, wenn wir ( 2 3 7 ) , ( 5 4 9 ) - (550d) einerseits und (551) - (552a) andererseits miteinander vergleichen. Die Adjektive heftig, herzlich und gründlich in ( 2 3 7 ) , ( 5 4 9 ) und ( 5 5 0 ) können ihrem jeweiligen nominalisierten Verb attribuiert werden und zeigen somit den eindeutigen Bezug auf das Verb, während die Adjektive nachweislich und grundsätzlich in (551) und (552) keine solche Attribuierung zulassen und folglich keinen Verbbezug aufweisen. Ihre Bezugsrelation läßt sich mit Hilfe folgender Paraphrasierung verdeutlichen: (553 ) Es ist Adi ( s o ) , daß ... . Demnach können (551) und (552) wie folgt paraphrasiert werden: (551b) --> Es ist nachweislich, daß die erste "Einkehr" erst am 18. März stattfand. (552b) --> Es ist arundsätzlich ( s o ) , daß ich gegen 'Verhältnisse' bin. Die Paraphrasen zeigen, daß die beiden Adjektive sich nicht auf die einzelnen Satzglieder im Satz, sondern auf diesen als Ganzes beziehen. Sie dienen daher als Satzadverbiale. Auf diese Weise unterscheiden wir praktisch zwei Unterklassen von adverbialen Adjektiven, nämlich die einen, die im Satz als eigentliche Adverbiale (mit verbalem Bezug) fungieren, und die anderen, die als Satzadverbiale fungieren. 4.3.1.

ADVERBIALE ADJEKTIVE HIT VERBALBEZUG

Die adverbialen Adjektive, die sich im Satz auf das Verb beziehen, modifizieren dieses in verschiedener Hinsicht und kommen in unterschiedlicher Relation zu ihm vor. Unter semantischen Gesichtpunkten können sie in folgende Teilklasse unterteilt werden: a. adverbiale Adjektive der Art und Weise; b. adverbiale Adjektive des Grades und der Intensität; c. adverbiale Adjektive der Zeit; d. adverbiale Adjektive der Folge.

186

Als adverbiale Adjektive der Art und Weise drucken sie aus, auf welcher Art und Weise die durch das Verb bezeichnete Handlung vor sich geht, z . B . : (554) So manchen hab ich ... innerlich beschimpft. (B 1: 69 ) (555) ... man hat die brennende Schule gemeinsam gelöscht ... (B 8: 70 ) (556) ... fast flott zog er Hut und Mantel an ... (B 13: 132) (557) ... daß Pelzer mit seinem Angst- und Blutschweiß nicht ökonomisch umgegangen ist. (B 15: 212) (558) Pelzer löst das Problem rigoros. (B 15: 213) (559) Die Protokollführerin ... lacht so vulgär, daß (B 16: 98 ) (560) ... daß sie das Wort 'Polizist' verächtlicher aussprechen als andere das Wort 'Bulle'. (B 18: 215) (561) ... ich schlich mich langsam ans Haus ... (B 4: 37 ) (562) "Ja", sagte er trocken und kurz. (B 20: 81 ) Die adverbialen Adjektive des Grades und der Intensität modifizieren das Verb hinsichtlich des Grades und der Intensität, in welchem bzw. welcher die durch das Verb bezeichnete Handlung geschieht, z . B . : (563) ... er ... lachte ... heftig ... (B 13: 131) (564) ... die Wohnung ... ist ... noch einmal gründlich untersucht worden. (B 16: 101) (565) ... wie ich fest verspreche ... (B 13: 135) (566) Er weigerte sich glatt ... (B 15: 213) (567) Versetzen hätte er damals leicht erreichen können ... (B 18: 210) (568) Und ich habe sie richtig von mir gestoßen in die Gosse hinein ... (B 1: 68 ) (569) Nur das Rattern des Zuges schläfert so schön ein (B 1: 70 ) (570) ... ein paar Zweien in deutsch, die ich gut gebrauchen konnte ... (B 19: 51 ) (571) Der Tod meiner Mutter paßte vorzüglich ... (B 12: 79 )

187

Die adverbialen Adjektive der Zeit haben die semantische Funktion, die durch das Verb bezeichnete Handlung bzw. den durch dieses bezeichneten Zustand zeitlich zu situieren, z . B . : (572) ... neun Schuljahren, die pünktlich zu Ende gewesen waren ... (B 3: 102) (573) ... wenn ich aus der Schußlinie vorübergehend nach Hause kam. (B 12: 71 ) (574) Beiläufig fragte er nach dem Gang der Verhandlung ... (B 13: 135) (575) ... mein Bruder Alois wurde einmal vorübergehend festgenommen ... (B 19: 49 ) (576) schon frühzeitig mit den Vorbereitungen beginnen (HWDG: 4 2 6 )

Die adverbialen Adjektive der Folge stehen in enger Verbindung mit dem Verb im Satz und drücken die Folgen bzw. die Resultate aus, zu denen die durch das Verb bezeichnete Handlung führt, z . B . : (577) (578)

(580)

... ich sah ihn deutlicher ... (B 3: 101) .. ich roch deutlich seinen Zigarettenatem ... (B 3: 101) ... und etwas wie Neid kam in mir hoch ... (B 6: 99 ) ... wenn er es gut traf ... (B 18: 2 0 9 )

(581)

Wenn ich es zu arg trieb ...

(B 19: 48 )

(582)

Es fiel mir schwer ...

(B 20: 82 )

(579)

(583) Er konnte auswendig lernen ... (B 21: 135) Hierbei ist es deutlich, daß die Beziehungen der Adjektive zu den Verben besonders eng sind, in einzelnen Fällen sogar so eng, daß sie mehr oder weniger zum festen Bestandteil des aus ihm und dem Verb neu gebildeten Komplexverb werden. Man vergleiche (583) mit (579) und ( 5 8 2 ) : wenn man auswendig in (583) hinsichtlich der Zusammenfügung des Adjektivs und des Verbs zum Komplexverb auswendiglernen noch als "beweglich" bezeichnen sollte, ist diese Zusammenfügung bei hochkommen und schwerfallen in ( 5 7 9 ) und (582) offensichtlich bereits vollzogen. Adjektive als solche Bestandteile der zusammengesetzten Verben werden in der Wortbildung oft als

188

"Verbzusätze" 221 oder als " V Z S ( A ) " 2 2 2 genannt und behandelt. Da es uns hier um die semantische Relation zwischen den betreffenden Adjektiven und den in Verbindung stehenden Verben sowie die semantische Funktion solcher Verben geht, verzichten wir auf weitere Diskussion und begnügen uns nur mit dem Verweis auf die (gekürzte) Dissertation von Schröder 1976, in der solche " V Z S ( A ) " gründlich behandelt worden sind. Da es sich hier um Adjektive, die als Adverbiale fungieren, aber nicht um Adverbien als solche handelt, kommen Adverbiale anderer Teilklassen wie die kausalen und lokalen Adverbiale u.a. nicht in Frage, weil sie nicht mit Adjektiven realisiert werden können: z . B . können die lokalen Adjektive nur als Attribute, niemals als Adverbiale gebraucht werden. 4.3.2.

ADVERBIALE ADJEKTIVE MIT SATZBEZUG

Die Adjektive, die den Paraphrasentest (553) überstehen, werden satzadverbiale Adjektive genannt. Dazu gehören außer den Adjektiven wie nachweislich und grundsätzlich auch die sogenannten Modalwörter. Da wir die Klassifikation der Wortarten von FLÄMIG voraussetzen, behandelen wir die Modalwörter folgerichtig als eine Subklasse der Adjektive bzw. der Adverbien. So ergeben sich zwei Teilklassen der satzadverbialen Adjektive: die modalen satzadverbialen Adjektive und die nicht-modalen satzadverbialen Adjektive. Modalwörter enthalten in der Funktion als Einschätzungsglieder semantische und kommunikativ-pragmatische Prädikate, die sich auf die Bedeutung des ganzen Satzes beziehen.223 Dieser Satzbezug läßt sich durch den Paraphrasentest (553) deutlich erkennen: (584) "Zweifellos verkennen S i e . . . , d a ß . . . "

(B 11: 155) (584a) --> Es ist 221

zweifellos,

daß Sie verkennen, d a ß . . .

Vgl. Grundzüge 1981, S. 617. Vgl. Schröder 1976; VZS(A) ist die Abkürzung für die "verbale Zusammen Setzung mit einer adjektivähnlichen unmittelbaren Konstituente". 223 Grundzüge 1981, S. 496. 222

189 (585)

sind sie so monogam wie ein Esel. (B 11: 159) (585a) --> Es ist offenbar ( s o ) , daß sie so monogam wie ein Esel sind. (586) Wahrscheinlich war ich es einfach leid, Chopin zu hören. (B 12: 70 ) (586a) --> es ist wahrscheinlich. daß ich es einfach leid war, Chopin zu hören. "Auf ihren Adverbialcharakter weist auch die [ . . . ] Konkurrenz mit Prapositionalgruppen hin·, 2 2 4 vgl. z . B . zweifellos und wahrscheinlich in (584) und (586) mit den entsprechenden Prapositionalgruppen in (584b) und (586b): (584b) —> Ohne Zwei fei verkennen Sie..., d a ß . . . (586b) --> Mit großer Wahrscheinlichkeit war ich es einfach leid ... Weitere Beispiele der modalen satzadverbialen Adjektive: (587) ... aber ich habe wirklich Zweifel. (B 6: 96 ) (588) Jetzt sind wir bestimmt in Galizien ... (B 1: 71 ) (589) Sachen, wie sie angeblich in Hochzeitsnächten passieren ... (B 10: 158) ( 5 9 0 ) Natürlich hatte sie auch geschäftlich oder beruflich mit ihm zu tun ... (B 15: 216) (591) ... daß sie ... ihm ganz offensichtlich einen Weg ... gezeigt hat ... (B 16: 100) Wie die Beispiele zeigen, fungieren die modalen Adjektive als Adverbiale mit Satzbezug. "Semantisch dienen sie dem Ausdruck der Einschätzung eines Sachverhalts oder einer Beziehung in einem Sachverhalt. Potentialität, besonders Vermutung, Verstärkung, emotionale Stellungnahme sind die wesentlichen Inhalte.· 225 Sie liefern gegenüber einem Sachverhalt zusätzliche Informationen und können wie die verbbezogenen adverbialen Adjektive 226 als semantischen Zusatz zu der ganzen Proposition aufgefaßt werden: 224

225

Offenbar

Ebd.

Flämigl977,S.49. 226 Vgl. oben S. 134, Bsp. 23T und 238'.

190

(592) [ZWEIFELLOS]z (VERKENNEN (SIE, DASS)) In dieser Beziehung haben sie Gemeinsamkeiten mit den eigentlichen satzadverbialen Adjektiven: die letzteren haben dieselbe semantische Funktion in der semantischen Struktur des jeweiligen Satzes, nämlich: als semantischer Zusatz zu der ganzen Proposition, vgl. hiermit: (593) [GRUNDSÄTZLICH]z (GEGEN 'VERHÄLTNISSE1 ( I C H ) ) Die Gemeinsamkeiten der sogenannten Modalwörter und der hier behandelten Adjektive hinsichtlich ihrer Paraphrasierbarkeit durch (553) und ihrer semantischen Struktur machen deutlich, daß nicht allein die Modalwörter "Satzäquivalente" 227 oder "latente Satze" 228 darstellen: dies gilt auch für eine Gruppe von Adjektiven, die hier in der Diskussion stehen. Wenn die ersteren deshalb als eine eigene Wortkasse aus der der Adjektive und damit auch aus den satzadverbialen Adjektiven als syntaktische Funktion ausgesondert werden müßte, müßte man dies auch mit den letzteren tun. Wir plädieren auch deshalb dafür, daß die Modalwörter hinsichtlich der Wortklassenzugehörigkeit als eine Subklasse der Adjektive und hinsichtlich ihrer syntaktischen Funktion im Satz als satzadverbiale Adjektive betrachtet werden, wie dies bei den eigentlichen satzadverbialen Adjektiven geschieht. Zu diesen seien noch folgende Beispiele angeführt: (594) ... sie hat mich regelrecht angefallen ... (B 1: 68 ) (595) Vergeblich versuchten Frau und Beiters gemeinsam (B 16: 104) (596) ... wenn sie nicht zufällig Millionäre sind ... (B 17: 2 0 5 )

(597) (598) (599)

227 228

... er ... hatte tatsächlich jemanden im Beichtstuhl angetroffen ... (B 18: 2 0 8 ) Als "Abiturist" war er automatisch "Inteleller" (B 19: 54 ) ... Soldaten, die regelmäßig hungern ... (B 20: 85 )

Vgl. Flämig 1977, S, 49. Vgl. Heibig 1984, S. 99.

191

(600)

... wo die Frauen habituell Röcke tragen ... (B 21: 141)

(601)

Sub-iektiv fühlt er sich gesund.

(Aus einer Fernsehsendung) 4.4. UNEIGENTLICHE VERWENDUNGSWEISEN

Mit den uneigentlichen Verwendungsweisen der Adjektive meinen wir ihr Vorkommen in substantivischer Distribution und Funktion. Es handelt sich nämlich um adjektivische Substantivierungen besonderer Art. Während die eigentlichen Substantivierungen der Adjektive morphologische Änderungen nach den jeweiligen Deklinationsparadigmen aufweisen, treten die hier in Diskussion stehenden Adjektive stets indekliniert auf, auch wenn sie in diesen Fällen auch noch als Substantivierungen eine bestimmten Art, nämlich der Konversion aufgefaßt werden können. Ein weiterer Unterschied besteht darin, daß die ersteren die Artikelsetzung zulassen, wohingegen die letzteren aber auf keinen Fall mit einem Artikel verknüpft werden können, vgl.: 1) die eigentlichen Substantivierungen der Adjektive, die a) als "gesamthafte Sachbezeichnungen"229 dienen wie das Gute, das Scheußliche, das Biologische, das Völkische etc. in: ( 6 0 2 ) an das Gute glauben (DG: 400 ) (603) ... aber das Scheußliche war ... (B 20: 85 ) ( 6 0 4 ) .. wenn man sich darunter Herköimnliches vorstellt. (605) Wenn auch Mütterlichkeit nicht aufs Biologische beschränkt wird ... (B 17: 2 0 7 ) (606)

Mit Volk ist nichts Völkisches gemeint ... (B 17: 2 0 7 ) b) zur "Personenbezeichnung" verwendet werden wie der/die Blonde(n). der/die Kleine(n). der/die Alte (n) . der/die Unbekannte(n). der/die Gläubige(n). der/die Juaendli ehe(n) etc. in:

229

Vgl. Duden 1984, S. 400.

192

(607)

Der Blonde spielt seine sumpfigen Melodien ... (B 1: 62 ) (608) ... sah sie, die Kleine, nachts einem Mann geöffnet ... (B 6: 100) (609) ... eine Bombe ... riß ihr den Kleinen vom Arm (B 6: 103) (610) Noch einmal rief der Alte "Berhard". (B 6: 101) (611) ... und ich zitterte beim Gedanken an den Unbekannten ... (B 6: 100) (612) Fünfzehn Messen, an denen insgesamt keine fünf Gläubigen teilnehmen. (B 6: 97 ) (613) ... Juaendli ehe hatte er noch nie hier gesehen (B 18: 210) c) "nicht mehr wie Adjektive, sondern wie Substantive dekliniert werden", 2 3 0 z . B . : (614) das Gut (des Gutes; nicht des Guten), die Güter; das Fett, die Fette; das Recht, die Rechte; das Hoch, die Hochs; 2) die adjektivischen Substantivierungen besonderer Art a) in Großschreibung: (615) Alt und Juna. Reich und Arm waren erschienen. (DG: 4 0 0 ) (616) jenseits von Gut und Böse (DG: 4 0 0 ) (617) ohne Ära (DG: 303) (618) Strafanzeige gegen Unbekannt (DG: 3 0 3 ) (619) Kommissar X - Jagd auf Unbekannt (Filmtitel) b) in Kleinschreibung: ( 6 2 0 ) Sie hat das von klein auf gelernt. (DG: 583) (621) Über kurz oder lang muß er nachgeben. (DG: 583) (622) ... daß es mit unmoralisch und unschamhaft zu tun hatte ... (B 7: 168) (623) ... erzählen Bischofswitze, aber nur unter "Eingeweihten", worunter sie ... "gebildet' und "intelligent" verstehen. (B 11: 162) (624) Ich stehe auf lauwarm. 230

Ebd., vgl. S. 400; auch die folgenden Beispiele in (614) stammen daher.

193

(625) Auf lila kann ich besser sehen. Bei der Gegenüberstellung von 1) und 2) stellt sich heraus, daß bei den ersteren alle substantivierten Adjektive ohne Ausnahme deklinierbar sind: bei 1) b) sind sie sogar pluralfähig und bei 1) c) werden sie ganz und gar wie die Substantive dekliniert. Demgegenüber können die Adjektive in 2 ) überhaupt nicht dekliniert auftreten. Syntaktisch sind die ersteren sozusagen artikelfähig, d.h. sie können sich mit einem Artikel verbinden. Das gilt auch, wenn dieser als Nullartikel realisiert wird, denn Nullartikel besagt, daß das betreffende Wort zur Kategorie der artikelfähigen Wörter gehört. Praktisch heißt das, daß dieses Wort generell die Artikelsetzung zuläßt, im vorliegenden konkreten Fall jedoch keinen Gebrauch davon gemacht hat, vgl. Herkömmliches in ( 6 0 4 ) und Jugendliche in (613) . Noch deutlicher und interessanter ist das in dem folgenden Beispiel mit substantivierten Farbadjektiven: (626) Tubenweise verbrauchte er Grün. Braun. Blau und viel Weiß, um das Braun, das Grün, das Blau heller zu machen. (B 7: 163) In dem ein und demselben Satz kommen hier dieselben Farbadjektive zunächst ohne, dann aber mit Artikel vor, was besagt, daß die ersten vier Farbadjektive, obwohl sie ohne Artikel verwendet werden können, doch artikelfähig sind. Anders ist es bei den Adjektiven in 2 ) : sie sind von vornherein nicht artikelfähig, eben darin unterscheidet sich die Artikelunfähigkeit von Nullartikel, vgl.: ( 6 1 5 ' ) * Der/die Alt und Jung, Reich und Arm waren erschienen. ( 6 1 6 ' ) * jenseits von dem Gut und Böse ( 6 2 0 ' ) * Sie hat das von dem klein auf gelernt. ( 6 2 l 1 ) * Ober das kurz oder lang muß er nachgeben. ( 6 2 5 1 ) * Auf das lila kann ich besser sehen. In semantischer Hinsicht schließlich unterscheiden sich die Adjektive in 1) und 2) dadurch, daß die ersteren in der Bedeutung bestimmt sind. Ausnahme machen nur die Adjektive in 1) a ) , wenn sie in Verbindung mit einem unbestimmten oder Nullartikel vorkommen. Ferner

194

bezeichnen sie häufig konkrete Gegenstände/Personen (Untergruppe b) und c) teilweise) oder zumindest dienen sie als (gesamthafte) Sachbezeichnungen (Untergruppe a) ) . Demgegenüber sind die letzteren in der Bedeutung unbestimmt; sie haben verallgemeinerende Bedeutung, insbesondere wenn sie als Gegensatzpaare in Zwillingsformeln auftreten, vgl. Unbekannt in (618) und Alt und Jung, Reich und Arm in ( 6 2 6 ) . Diese bezeichnen zwar auch Personen, geben aber keine konkrete Anzahl an und sind in diesem Sinne eben unbestimmt. Ansonsten wird entweder auf die reine denotative Bedeutung des betreffenden Adjektivs, d.h. auf die durch dieses bezeichnete Eigenschaft im wahrsten Sinne des Wortes, z.B. bei (616), (617), ( 6 2 2 ) , ( 6 2 3 ) und ( 6 2 3 ) , oder auf dessen assoziative Bedeutung, z . B . bei ( 6 2 0 ) , (621) und ( 6 2 5 ) , referiert. Im letzteren Fall üben die Adjektive, ähnlich wie Prowörter, eine Art Vertreterfunktion aus, sie stehen für Substantive, bei ( 6 2 0 ) z . B . für Kindheit, bei (621) für (in) Bälde und bei ( 6 2 5 ) für Farbe Lila. Unter den substantivierten Adjektiven besonderer Art machen diejenigen, die in Großschreibung vorkommen, einen relativ kleineren Teil aus: in unserem Korpus wurde kein einziges Beispiel dafür gefunden. Aber unsere Unterscheidung in Groß- und Kleinschreibung rechtfertigt sich dadurch, daß die großgeschriebenen Adjektive, obwohl sie viele Merkmale der Substantive nicht besitzen, d.h. keine Kasus-, Nummerus- und Genuskennzeichnungen, also keine Deklinationsmerkmale der Substantive aufweisen, allein wegen der graphematischen Regeln der Großschreibung und ihrer syntaktischen Position und Funktion doch auch regelrecht als Substantivierungen betrachtet werden können, wohingegen den kleingeschriebenen dieses graphematische Merkmal der Großschreibung fehlt, um sie als regelrechte Substantivierungen auffassen zu können. Dafür spricht nur ihre syntaktische Position und Funktion, demnach sollen sie als Substantivierungen angesehen werden, aber der Form nach bleiben sie jedoch Adjektive. Deshalb ist es nicht unproblematisch, solche Adjektive schlichtweg als Sub-

195

stantivierungen zu bezeichnen. Aufgrund dieser Tatsache sehen wir es für nötig an, diese beiden Verwendungsweisen der Groß- vs. Kleinschreibung zu differenzieren. Selbstverständlich gibt es auch bei dieser Abgrenzung Übergangs falle, so können z . B . Alt und Jung, Reich und Arm und dergleichen auch in Kleinschreibung vorkommen, vgl.: (627) alt und iuno (= jedermann) (DUW: 62) (628) arm und reich (= jedermann) (DG: 303) ( 6 2 9 ) groß und klein (= jedermann) (DG: 303) Diese Wechselerscheinung ist allem Anschein nach nur bei den Adjektiven in gegensatzlichen Zwillingsformeln zu finden; andere Adjektive, die in der uneigentlichen Verwendungsweise kleingeschrieben vorkommen, können in dieser Verwendungsweise nicht großgeschrieben werden. Deshalb machen sie den wesentlichen Teil der so verwendeten Adjektive aus. Dazu noch einige weitere Beispiele: (630) auf schuldig plädieren (DG: 303) (631) vornehm und gering (ebd.) (632) von fern und nah (ebd.) (633) durch dick und dünn (ebd.) (634) Gleich und eich gesellt sich gern, (ebd.) (635) Ehrlich währt am längsten. (Sprw.) (ebd.) (636) Allzu scharf macht schartig. (Sprw.) (ebd.) (637) ... es schien so, als würden diese Erlebnisse einen mit einander verbinden auf ewig ... (B 8: 71)

(638)

... schon lange verdient unsere Küche die Bezeichnung bürgerlich nicht mehr. (B 4: 53) Daß hiervon viele Adjektive häufig bzw. ausschließlich in festen Verbindungen oder Sprichwörtern vorkommen, stellt kein Problem für unsere Beschreibung der Verwendungsweisen des Adjektivs dar, denn uns geht ja darum, zu zeigen, daß bestimmte Adjektive auf spezifische Weise verwendet werden können. Im vorliegenden Fall gilt eben ihr Vorkommen in substantivischer Distribution und Funktion, was eine den Adjektiven uneigentümliche Verwendungsweise darstellt.

196

5. Zusammenfassung In den vorangegangenen Kapiteln wurde versucht, eine systematischere, vollständigere und detailliertere Darstellung der syntaktischen Verwendungsweisen des Adjektivs in der deutschen Gegenwartssprache zu liefern als sie bisher vorliegt. Dabei stellte sich heraus, daß es nützlich und angemessen ist, die Begriffe KOPULATIVVERBEN und PRÄDIKATIVE etwas weiter zu fassen und somit die syntaktischen Verwendungsweisen des Adjektivs auf einer einheitlicheren begrifflichen Basis zu beschreiben. Durch die Unterscheidung der KOPULATIVEN vs. NICHT-KOPULATIVEN PRÄDIKATIVE und der SUBJEKTS- vs. OBJEKTSPRÄDIKATIVE bei den prädikativen Adjektiven verschwinden die schillernden Begriffe wie PRÄDIKATIVES ATTRIBUT, ARTERGÄNZUNGEN etc. Bei den attributiv verwendeten Adjektiven finden auch diejenigen Berücksichtigung, die prä- und postnominal indekliniert verwendet werden, auch wenn sie im Vergleich zu den anderen attributiven Adjektiven relativ seltener vorkommen. Die Etablierung der uneigentlichen Verwendungsweise des Adjektivs trägt auch solchen grammatischen Erscheinungen Rechnung, die bislang in der Grammatikforschung vernachlässigt wurden. Als Gesamtergebnis der vorliegenden Untersuchungen läßt sich eine weitergehende typologische Darstellung der prädikativen, attributiven, adverbialen und uneigentlichen Verwendungsweisen des Adjektivs mithilfe folgender Baumdiagramme veranschaulichen:

197

£

α» ο α>

•«α

•Η

ΡΜ

198

CO

M

α»

β •Η h

199

Ο 0 (Ο

α>

α>

(9 •Η

CM

Οι

•Η h

201

Zusammenfassend ergibt sich schließlich das Gesamtdiagramm Fig. 5: Dabei bedeuten die Abkürzungen: PRÄD = prädikativer Gebrauch ATTR = attributiver Gebrauch ADV = adverbialer Gebrauch U.V. = uneigentliche Verwendungsweisen KP = kopulatives Prädikativ NKP = nicht-kopulatives Prädikativ VS = vorangestellt NS = nachgestellt VB = Verbalbezug Saß = Satzbezug SdA = Substantivierungen der Adjektive SbA = Substantivierungen besonderer Art SB = Subjektbezug NSB = Nicht-Subjektbezug SP = Subjektsprädikativ OP = Objektsprädikativ DK = dekliniert IDK = indekliniert AW = adverbiales Adjektiv der Art und Weise GI = adverbiales Adjektiv des Grades und der Intensität Z = adverbiales Adjektiv der Zeit F = adverbiales Adjektiv der Folge M = modales satzadverbiales Adjektiv NM = nicht-modales satzadverbiales Adjektiv GSB = Substantivierungen der Adjektive zur gesamthaften Sachbezeichnung PB = Substantivierungen der Adjektive zur Personenbezeichnung DS = Substantivierungen der Adjektive in Deklination wie Substantive GS = Großschreibung KS = Kleinschreibung NP = Nur-Prädikativ NNP = Nicht-Nur-Prädikativ IP = Impersonales Prädikativ RP = Relationsprädikativ

202

SA GNT BB NBB MB LSB StB aAA SyB

= = = = = = = = =

(via) Subjektsanhebung (via) Gleiche-NP-Tilgung bezugsnomenbezogen nicht-bezugsnomenbezogen morphonemisch bedingt lexikalisch-semantisch bedingt stilistisch bedingt ad Adjektiv/Adverb syntaktisch bedingt

203

α> α»