Stromhandel und staatliche Ordnungspolitik [1 ed.] 9783428524525, 9783428124527

Die Einführung von Wettbewerb in die über 100 Jahre monopolistisch strukturierte Stromwirtschaft gehört zu den größten H

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Stromhandel und staatliche Ordnungspolitik [1 ed.]
 9783428524525, 9783428124527

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Schriftenreihe der Hochschule Speyer Band 186

Stromhandel und staatliche Ordnungspolitik Von

Sabine Frenzel

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

SABINE FRENZEL

Stromhandel und staatliche Ordnungspolitik

Schriftenreihe der Hochschule Speyer Band 186

Stromhandel und staatliche Ordnungspolitik Von

Sabine Frenzel

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer hat diese Arbeit im Jahre 2005 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0561-6271 ISBN 978-3-428-12452-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Für meine Familie

Vorwort Die Frage, wie Aufgaben des Gemeinwesens erfüllt werden sollen, wird seit langem intensiv diskutiert. Nicht nur die Situation öffentlicher Haushalte, auch der oft zitierte Bürokratismus sowie Vollzugsdefizite führen zu Überlegungen, ob und wie private Akteure bei der Erfüllung dieser Aufgaben eingebunden werden können. Die vorliegende Untersuchung greift diese Debatte auf und beleuchtet am Beispiel der Liberalisierung des Strommarktes die Bedeutung des verfassungspolitischen Konzepts der staatlichen Gewährleistungsverantwortung. Gerade die Strommarktliberalisierung eignet sich hierfür gut, denn in diesem Bereich sind komplexe technische und ökonomische Aspekte zu beachten, damit eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit sichergestellt werden kann. Die Untersuchung wurde 2005 von der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer als Dissertation angenommen. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Eberhard Bohne, M. A., für die Betreuung dieser Arbeit. Seine kritischen und wertvollen Anregungen haben die Bearbeitung begleitet und die Fertigstellung der Dissertation gefördert. Herrn Professor Dr. Hellmut Wagner möchte ich für die Erstellung des Zweitgutachtens danken. Die Dissertation stellt für mich einen Lebensabschnitt dar, den ich eng mit „Speyer“, d. h. dem Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer und der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer verbinde. Beiden Institutionen verdanke ich die Möglichkeit zu dieser Untersuchung. Gleichfalls möchte ich Frau Karin Schmid für die stetige Hilfe bei der technischen Erstellung dieser Arbeit danken. Die Untersuchung hätte wohl keinen kontinuierlichen Fortgang gefunden, hätte ich nicht mit meinen Kollegen, Stefanie Gille-Lindhorst, Dr. Oliver Schmidt und Mike Weber, hierüber einen regelmäßigen, anregenden und die Arbeitsfreude fördernden Diskurs führen können. Nicht zuletzt lebt diese Untersuchung von empirischen Erkenntnissen. Hier möchte ich allen Interviewpartnern für ihre Mitwirkung danken.

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Vorwort

Schließlich gilt mein besonderer Dank meiner Familie, die mich motivierte, mir Anerkennung zollte und mich in jeder Hinsicht unterstützte. Ihr ist diese Arbeit gewidmet. Bonn, im November 2006

Sabine Frenzel

Inhaltsverzeichnis 1. Teil Problemstellung, Konzeption, Variablenkomplexe und Methode A. Problemstellung ..................................................................................................... 27 I. Ausgangslage..................................................................................................... 28 II. Folgen der Liberalisierung................................................................................. 30 III. Wettbewerbsintensität und -hindernisse im Strommarkt ................................... 33 1. Wettbewerbsintensität ................................................................................. 33 2. Wettbewerbshindernisse aus der staatlichen Einflusssphäre ....................... 34 a) Der rechtliche Rahmen von 1998 – 2003 .............................................. 34 b) Die Änderung des rechtlichen Rahmens aufgrund der Stromrichtlinie 2003 ............................................................................. 37 c) Das Verhalten staatlicher Akteure......................................................... 39 3. Wettbewerbshindernisse aus der Einflusssphäre der Marktteilnehmer........ 39 4. Zusammenfassung....................................................................................... 40 IV. Wettbewerbsfunktion und Entwicklung des Stromhandels................................ 41 1. Wettbewerbsfunktion des Stromhandels ..................................................... 41 2. Entwicklung des Stromhandels ................................................................... 42 B. Konzeption und Variablenkomplexe .................................................................... 43 I. Konzeption ........................................................................................................ 43 1. Empirischer Untersuchungsansatz............................................................... 43 2. Normativer Untersuchungsansatz................................................................ 44 II. Variablenkomplexe............................................................................................ 45 1. Merkmale von Marktteilnehmern................................................................ 46 2. Merkmale staatlicher Akteure ..................................................................... 46 3. Regulierungsmerkmale................................................................................ 47 C. Methode .................................................................................................................. 47 I. Empirische Analyse........................................................................................... 47 1. Experteninterviews...................................................................................... 48 a) Sample .................................................................................................. 48 aa) Stadtwerke..................................................................................... 49

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Inhaltsverzeichnis bb) Händler/ Berater............................................................................ 49 cc) Strombörse .................................................................................... 50 dd) Industrielle Großverbraucher ........................................................ 50 ee) Aufsichtsbehörden......................................................................... 50 b) Durchführung der Interviews ................................................................ 50 2. Teilnehmende Beobachtung ........................................................................ 51 3. Forum „Stromhandel und staatliche Ordnungspolitik“................................ 51 II. Normative Analyse ............................................................................................ 52 2. Teil Der rechtliche Ordnungsrahmen des Strommarktes

A. Die monopolistische Stromwirtschaft ................................................................... 53 I. Die Besonderheitenlehre in der Stromwirtschaft ............................................... 54 II. Die Struktur der deutschen Stromwirtschaft vor der Liberalisierung................. 55 III. Staatliche Aufsicht............................................................................................. 58 B. Die Stromrichtlinie von 1996 ................................................................................. 59 I. Ziele der Stromrichtlinie 1996........................................................................... 63 II. Wesentlicher Inhalt der Stromrichtlinie 1996.................................................... 64 1. Netzzugang für Stromanbieter..................................................................... 65 2. Marktöffnung auf der Nachfragerseite ........................................................ 66 3. Entflechtung ................................................................................................ 67 C. Die Umsetzung der Stromrichtlinie 1996 in deutsches Recht ............................. 68 I. EnWG 1998....................................................................................................... 68 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Verhandelter Netzzugang gemäß § 6 EnWG1998....................................... 69 Probleme beim verhandelten Netzzugang ................................................... 72 Verbändevereinbarungen............................................................................. 73 Das Alleinabnehmersystem nach § 7 EnWG 1998...................................... 77 Entflechtung ................................................................................................ 78 Kritik am EnWG 1998 ................................................................................ 79

II. Änderungen im GWB........................................................................................ 81 1. Die Beseitigung der kartellrechtlichen Freistellungen................................. 81 2. Zugang zu Netzen oder Infrastruktureinrichtungen gemäß § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB ............................................................................... 82 III. Die Struktur der deutschen Stromwirtschaft nach der Liberalisierung .............. 83 D. Die Stromrichtlinie von 2003................................................................................. 87 I. Ziele der Stromrichtlinie 2003........................................................................... 87

Inhaltsverzeichnis

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II. Wesentlicher Inhalt der Stromrichtlinie 2003.................................................... 88 1. Regulierter Netzzugang............................................................................... 88 2. Entflechtung ................................................................................................ 90 3. Regulierungsbehörde................................................................................... 92 4. Marktöffnung auf der Nachfragerseite ........................................................ 93 E. Die Novellierung des EnWG im Jahr 2003........................................................... 96 F. Die Novellierung des EnWG aufgrund der Stromrichtlinie 2003....................... 99 G. Zusammenfassung.................................................................................................. 99 3. Teil Wettbewerbsintensität A. Indikatoren ........................................................................................................... 101 I. Die Auswahl quantitativer Indikatoren............................................................ 101 II. Die Auswahl des Stromhandels als qualitativer Indikator ............................... 101 1. Funktionen des Stromhandels.................................................................... 103 a) Distributionsfunktion .......................................................................... 103 b) Träger von Risiken.............................................................................. 104 c) „Rationalisierer“ von Transaktionskosten ........................................... 105 2. Auswirkungen auf die Wettbewerbsintensität ........................................... 105 3. Schlussfolgerung ....................................................................................... 107 B. Strompreise, Netznutzungsentgelte und das Wechselverhalten der Kunden .. 108 I. Benchmarkinguntersuchung der Europäischen Kommission........................... 108 1. Das Vergleichsmarktkonzept..................................................................... 110 a) Der räumliche Vergleichsmarkt .......................................................... 111 b) Der sachliche Vergleichsmarkt ........................................................... 111 c) Der zeitliche Vergleichsmarkt............................................................. 112 2. Kritik am Vergleichsmarktkonzept der Europäischen Kommission .............................................................................................. 113 3. Interne Kostenkontrolle............................................................................. 114 4. Anwendung des Vergleichsmarktkonzepts auf die Netzbetreiber ............. 115 II. Strompreise...................................................................................................... 117 III. Netznutzungsentgelte....................................................................................... 122 IV. Wechselbereitschaft......................................................................................... 130 V. Ergebnis........................................................................................................... 134

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4. Teil Die Funktionsweise des Stromhandels A. Handelsebenen...................................................................................................... 138 I. Stromgroßhandel ............................................................................................. 139 II. Stromeinzelhandel ........................................................................................... 140 B. Bilateraler Stromgroßhandel............................................................................... 141 I. Grundsätze des bilateralen Stromhandels ........................................................ 141 1. 2. 3. 4.

Vertragsgegenstand ................................................................................... 142 Vertragsparteien ........................................................................................ 142 Vertragsanbahnung.................................................................................... 144 Abwicklung ............................................................................................... 145

II. Klassische Stromlieferverträge ........................................................................ 145 1. Vollversorgungsverträge ........................................................................... 145 2. Portfoliomanagement ................................................................................ 146 a) Bandlieferung...................................................................................... 147 b) Programmlieferung ............................................................................. 148 c) Zusatzbedarf........................................................................................ 148 III. Termingeschäfte .............................................................................................. 148 1. „Schablonierung“ und Terminierung......................................................... 150 2. Verbindung zum Terminmarkt .................................................................. 151 a) Absicherung ........................................................................................ 152 b) Spekulation ......................................................................................... 152 c) Arbitrage ............................................................................................. 153 3. Hebelwirkung............................................................................................ 153 IV. Instrumente des Terminmarkts ........................................................................ 154 1. Forward ..................................................................................................... 155 2. Swap.......................................................................................................... 156 3. Option........................................................................................................ 156 V. Spotgeschäfte................................................................................................... 157 VI. Risiken im bilateralen Strommarkt .................................................................. 158 C. Börsenhandel ........................................................................................................ 160 I. Organisation und Rechtsform der EEX ........................................................... 162 1. Der Börsenrat ............................................................................................ 165 2. Börsengeschäftsführung ............................................................................ 165 3. Handelsüberwachungsstelle ...................................................................... 165 II. Börsenaufsicht ................................................................................................. 166

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III. Grundsätze des Börsenhandels an der EEX..................................................... 167 IV. Zulassungsvoraussetzungen für Handelsteilnehmer ........................................ 169 V. Spotmarkt ........................................................................................................ 170 1. Auktionsmarkt........................................................................................... 171 2. Fortlaufender Handel................................................................................. 174 3. Abwicklung ............................................................................................... 175 VI. Termingeschäfte .............................................................................................. 176 1. Instrument des Börsenterminmarktes ........................................................ 177 a) Futures ................................................................................................ 177 b) Optionen.............................................................................................. 178 2. Funktionsweise des Future-Handels .......................................................... 179 a) Vorhandelsphase ................................................................................. 179 b) Eröffnungsphase im Haupthandel ....................................................... 180 c) Fortlaufender Handel in der Haupthandelsphase................................. 180 d) Nachhandelsphase ............................................................................... 181 3. Ausübung und Erfüllung der Option ......................................................... 181 4. Erfüllung von Futures................................................................................ 181 D. Verhältnis zwischen bilateralem Stromhandel und Strombörsenhandel ........ 183 I. Liquidität im Strombörsenhandel und bilateralen Stromhandel....................... 183 II. Vorteile des Strombörsenhandels gegenüber dem bilateralen Stromhandel..................................................................................................... 186 E. Zusammenfassung ................................................................................................ 189 5. Teil Handelshemmnisse A. Merkmale der Marktteilnehmer ......................................................................... 193 I. Einstellungen der Marktteilnehmer ................................................................. 193 1. Einstellungen zum Wettbewerb................................................................. 193 2. Einstellung zum Stromhandel.................................................................... 196 3. Einstellung zu den Zielen des EnWG........................................................ 199 II. Qualifikation der Marktteilnehmer .................................................................. 200 1. 2. 3. 4. 5.

Know-how................................................................................................. 200 Flexibilität ................................................................................................. 201 Risikomanagement .................................................................................... 202 Personal, Sach- und Finanzmittel .............................................................. 203 Kernkompetenz ......................................................................................... 203

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Inhaltsverzeichnis 6. Rating ........................................................................................................ 204 III. Merkmale von Händlern.................................................................................. 205 IV. Merkmale der Strombörse ............................................................................... 205 1. Liquidität ................................................................................................... 206 2. Kosten für den Börsenhandel .................................................................... 206 V. Strategisches Handeln...................................................................................... 207

1. Strategisches Bieten .................................................................................. 207 2. Verdrängungsstrategien............................................................................. 208 3. Minderheitenbeteiligungen........................................................................ 210 B. Merkmale staatlicher Akteure ............................................................................ 211 I. Aufgaben und Zuständigkeiten........................................................................ 211 II. Einstellung....................................................................................................... 213 III. Ausstattung...................................................................................................... 214 C. Regulierungsmerkmale........................................................................................ 216 I. Rechtlicher Rahmen für die Netznutzung und die Entflechtung...................... 218 1. Verhandelter Netzzugang und Verbändevereinbarung .............................. 218 2. Mangelnde Transparenz bei der Netznutzung ........................................... 220 a) Unzureichende Entflechtung ............................................................... 221 b) Ablehnung des Netzzugangs ............................................................... 223 3. Ausgestaltung der Verbändevereinbarung durch bilaterale Verträge ..................................................................................... 225 4. Netznutzungsbedingungen und -entgelte................................................... 225 a) Übertragungsnetzebene ....................................................................... 226 b) Verteilernetzebene .............................................................................. 228 aa) Netznutzungsentgelte .................................................................. 229 bb) Mess- und Verrechnungspreise ................................................... 231 cc) Hinterlegung von Sicherheitsleistungen ...................................... 231 dd) Wechselentgelte .......................................................................... 232 ee) Intransparenz bei technischen und monetären Details................. 233 ff) Task Force Netzzugang................................................................ 234 5. Exklusivität der Verbändevereinbarung .................................................... 235 II. Gemeindewirtschaftsrecht ............................................................................... 236 1. Voraussetzungen für die wirtschaftliche Betätigung von Gemeinden ......................................................................................... 236 2. Folgen für den Stromhandel ...................................................................... 239 III. Kreditwesengesetz........................................................................................... 241 1. Folgen für den Stromhandel ...................................................................... 243

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2. Erfordernis einer KWG-Erlaubnis............................................................. 243 3. Voraussetzungen für die Erlaubniserteilung.............................................. 244 a) Anfangskapital und Eigenmittel.......................................................... 244 b) Qualifikation ....................................................................................... 245 4. Fazit........................................................................................................... 246 D. Ergebnis ................................................................................................................ 247 6. Teil Die ordnungspolitischen Aufgaben des Staates im Stromhandel A. Leitbilder .............................................................................................................. 249 I. Die Soziale Marktwirtschaft ............................................................................ 249 1. Klassischer Liberalismus........................................................................... 250 2. Ordoliberalismus ....................................................................................... 251 3. Soziale Marktwirtschaft ............................................................................ 253 II. Das verfassungspolitische Konzept der staatlichen Gewährleistungsverantwortung ......................................................................................... 256 1. Die staatliche Erfüllungsverantwortung .................................................... 257 a) Das Behördenmodell........................................................................... 257 b) Vollzugsprobleme ............................................................................... 258 aa) Informationsmängel..................................................................... 259 bb) Überwachungs- und Sanktionsmängel ........................................ 259 2. Die staatliche Gewährleistungsverantwortung .......................................... 260 a) Die regulierte Selbstregulierung.......................................................... 262 b) Die Bewältigung von Informations-, Überwachungsund Sanktionsmängeln ........................................................................ 263 aa) Die Bereitstellung von Informationen ......................................... 263 bb) Die Bewältigung von Sanktions- und Überwachungsmängeln ... 263 III. Gewährleistungsverantwortung in der Stromversorgung................................. 264 B. Das ordnungsrechtliche Behördenmodell des EnWG und seine Erfolgsaussichten .................................................................................................. 267 I. Die Novellierung des EnWG aufgrund der Stromrichtlinie 2003 .................... 267 1. Erfahrungen aus dem Telekommunikations- und Postsektor..................... 270 2. Entflechtung des Netzbereichs, §§ 6 – 10 EnWG...................................... 271 3. Regulierung des Netzbetriebs §§ 11 – 28 a EnWG ................................... 273 a) Netzanschluss, §§ 17 – 19 EnWG ....................................................... 273 b) Netzzugang und Netznutzung, §§ 20 – 25 EnWG............................... 274 c) Der Maßstab der effizienten Leistungserbringung .............................. 275

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Inhaltsverzeichnis d) Regulierungsvorgaben für eine effiziente Leistungserbringung.......... 276 e) Netzverordnungen............................................................................... 278 aa) Stromnetzzugangsverordnung ..................................................... 278 bb) Stromnetzentgeltverordnung....................................................... 279 4. Regulierungsbehörde, §§ 29 – 35 EnWG .................................................. 281 5. Eingriffsbefugnisse und Rechtsschutz....................................................... 283 II. Die Erfolgsaussichten des ordnungsrechtlichen Behördenmodells.................. 284 1. 2. 3. 4. 5.

Allgemeine Einschätzung durch die Marktteilnehmer............................... 284 Rechtfertigung für die Regulierung im Strommarkt .................................. 287 Bewertung des EnWG in Bezug auf die Entflechtung............................... 291 Bewertung des EnWG in Bezug auf den Netzzugang ............................... 293 Bewertung des EnWG in Bezug auf die Regulierungsbehörde ................. 296 a) Auswahl .............................................................................................. 296 b) Folgen der Aufgabenübertragung........................................................ 298 c) Externe Beeinflussungen..................................................................... 298 6. Ergebnis .................................................................................................... 300 C. Die Fortentwicklung des Modells der regulierten Selbstregulierung............... 303 I. Verantwortungsteilung im Umweltrecht.......................................................... 303 II. Verantwortungsteilung im Strommarkt ........................................................... 307 1. 2. 3. 4. 5.

Akteure...................................................................................................... 308 Entwicklung von materiellen und sonstigen Anforderungen..................... 309 Vollzug unter staatlicher Aufsicht ............................................................. 311 Verfahren................................................................................................... 313 Rechts- und Fachaufsicht .......................................................................... 314

III. Erfolgsaussichten des Modells der regulierten Selbstregulierung.................... 314 1. Ausgleich staatlicher Informationsdefizite ................................................ 315 2. Bewältigung von Überwachungs- und Sanktionsmängeln ........................ 316 D. Bewertung ............................................................................................................. 317 E. Weitere Maßnahmen zur Beseitigung von Wettbewerbshindernissen............. 318 I. Auswirkungen von vertikalen Beteiligungen................................................... 319 II. Lösungsansätze................................................................................................ 321 1. EG-Fusionskontrollverordnung ................................................................. 321 2. Zusammenschlussverbot nach §§ 35 ff. GWB .......................................... 322 3. Beteiligungsverbot .................................................................................... 323 a) Eigentumsfreiheit, Art. 14 Abs. 1 GG................................................. 323 b) Berufsausübungsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG....................................... 324 III. Gemeindewirtschaftsrecht ............................................................................... 326

Inhaltsverzeichnis

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1. Änderungen im Landesrecht...................................................................... 327 2. Vorschläge für eine zukünftige wirtschaftliche Betätigung der Stadtwerke........................................................................................... 328 Ergebnis ...................................................................................................................... 331 Zusammenfassung...................................................................................................... 336 Anhang 1: Interviewleitfaden.................................................................................... 341 Anhang 2: Teilnehmende Institutionen ................................................................... 346 Literaturverzeichnis................................................................................................... 347 Sachwortverzeichnis .................................................................................................. 370

Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen Tabellen Tabelle 1: Tabelle 2: Tabelle 3: Tabelle 4: Tabelle 5:

Tabelle 6: Tabelle 7:

Tabelle 8: Tabelle 9: Tabelle 10: Tabelle 11: Tabelle 12: Tabelle 13:

Übersicht der Interviews.....................................................................48 Marktöffnung und Mindestöffnungsquote nach der Stromrichtlinie 1996............................................................................................67 Grad der Marktöffnung in den Jahren 2000 – 2004 ............................94 Wettbewerbsvorteile des Handels.....................................................103 Durchschnittliche Einzelhandelsstrompreise (ohne Berücksichtigung der Steuern) im Juli 1999 und Juli 2004 (ohne Beitrittsländer) ..................................................................................118 Strompreise in Deutschland von 1998 – 2002 in Euro/MWh ...........119 Durchschnittliche Großhandelspreise in den Stunden 7 bis 23 in €/MWh an Strombörsen in ausgewählten Ländern der Europäischen Union (Januar 2002 und Juli 2002) ............................121 Durchschnittliche Netznutzungsentgelte (ohne Steuern und Abgaben) in Deutschland 2002 – 2004.............................................125 Entwicklungen beim Lieferantenwechsel von 1998 – 2001, 2002 und 2004 in Deutschland in Prozent ........................................131 Vorteile einer Strombörse.................................................................187 Handelshemmnisse ...........................................................................192 Regulatorische Handelshemmnisse ..................................................216 Unterscheidungsmerkmale im TK-/Postsektor zum Strom-/ Gasmarkt ..........................................................................................269

Abbildungen Abbildung 1: Abbildung 2: Abbildung 3: Abbildung 4: Abbildung 5: Abbildung 6: Abbildung 7:

Variablenkomplexe.............................................................................45 Wertschöpfungskette in der deutschen Stromwirtschaft bis 1998 ....................................................................................................57 Entwicklungen auf dem deutschen Strommarkt 1935 – 2003.............62 Netzzugangsregime in Deutschland....................................................71 Vertragsbeziehungen nach der VV II plus ..........................................76 Struktur der Stromwirtschaft nach der Liberalisierung.......................84 Regelzonen der deutschen Übertragungsnetzbetreiber .......................85

Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen Abbildung 8: Abbildung 9: Abbildung 10: Abbildung 11: Abbildung 12: Abbildung 13: Abbildung 14: Abbildung 15: Abbildung 16: Abbildung 17: Abbildung 18: Abbildung 19: Abbildung 20: Abbildung 21: Abbildung 22:

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Stromimporte und -exporte im Jahr 2002 ...........................................95 Stromlieferbeziehungen in der Monopolwirtschaft...........................137 Handelsmärkte und Marktsegmente im Stromhandel .......................139 Vertragsbeziehungen im bilateralen Einzelhandel............................140 Mögliche Vertragsbeziehungen im bilateralen Stromgroßhandel .....................................................................................................144 Bezugsmöglichkeiten für ein Stromportfolio....................................147 Möglichkeiten der Bedarfsdeckung über Bandlieferungen...............147 Vertragskonstellationen bei bilateralen Termingeschäften ...............154 Marktsegmente und Instrumente an der EEX ...................................167 Handelsbeziehungen an der Strombörse ...........................................169 Preiskalkulation bei Angebot und Nachfrage ...................................172 Abwicklung von Börsengeschäften ..................................................173 Liberalisierungskritik........................................................................195 Aufbau- und Ablauforganisation bei EMAS.....................................306 Aufbau- und Ablauforganisation bei regulierter Selbstregulierung...................................................................................................309

Abkürzungsverzeichnis a a. A. ABl. Abs. a. F. AFM + E AG AK ARE Art. AT Aufl. AVBEltV

BaFin BaKred Baseload BB BDI Bearb. BfB BGB BGBl BGH BGHZ BKV BMU BMWi (ehemals BMWA) bne BörsG

Jahr andere Auffassung Amtsblatt Absatz alte Fassung Außenhandelsverband für Mineralöl und Energie e. V. Aktiengesellschaft Arbeitskreis Arbeitsgemeinschaft regionaler Energieversorgungs-Unternehmen e.V. Artikel Österreich Auflage Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden, geltende Fassung vom 21.06.1979, BGBl. I, S. 684 Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen Bezeichnung für Grundlaststrom Betriebsberater Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. Bearbeiter Bundesverband der freien Berufe Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof zivilrechtliche Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofes Bilanzkreisverantwortlicher Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (ehemals Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit) Bundesverband Neuer Energieanbieter e. V. Börsengesetz, geltende Fassung vom 21.06.2002, BGBl. I S. 2010

Abkürzungsverzeichnis BörsO BR-Drs. bspw. BT-Drs. BTOElt Bundesnetzagentur BVerfG BVerfGE bzw. ca. COD ct d. DAU DB DE ders. d. h. DHV dies. DIHK DK DM DÖV dt. DVBl d. Verf. € EEG EEX EFET EG EGV

Einl.

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Börsenordnung der EEX, Fassung vom 30.04.2005, Vers. 0006A Bundesratsdrucksache beispielsweise Bundestagsdrucksache Bundestarifordnung Elektrizität vom 18.12.1989, BGBl. I S. 2255 Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen Bundesverfassungsgericht Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts Beziehungsweise circa Kommissionsdokument Mitentscheidungsverfahren Eurocent der Deutsche Akkreditierungs- und Zulassungsgesellschaft für Umweltgutachter mbH Der Betrieb Deutschland derselbe dass heißt Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer dieselbe, dieselben Deutscher Industrie- und Handelskammertag Dänemark Deutsche Mark Die öffentliche Verwaltung deutsch Deutsches Verwaltungsblatt der Verfasser/die Verfasserin Euro Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien, in der Fassung vom 21.7.2004, BGBl. I, S. 1918 European Energy Exchange European Federation of Energy Traders Europäische Gemeinschaft Konsolidierte Fassung des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 25.03.1957, Amtsblatt C 327/184 vom 24.12.2002 Einleitung

22 EMAS emw endg. EnWG ET et al. etc. EU EuGH EUV EuZW e. V. EVU ew EWiR f. ff. FAZ Fn. Fr FTD GemO GewArchiv GG GmbH GO NRW GR grds. GS GV NRW GWB GWh h Hrsg. i. d. F. i. d. R.

Abkürzungsverzeichnis Eco-Management and Audit Scheme Zeitschrift für Energie, Markt, Wettbewerb endgültig Energiewirtschaftsgesetz, zuletzt in der Fassung vom 07.07.2005, BGBl. I, S. 1970 Energiewirtschaftliche Tagesfragen et altera et cetera Europäische Union Europäischer Gerichtshof Konsolidierte Fassung des Vertrages über die Europäische Union vom 07.02.1992, ABl C 325/2 vom 24.12.2002 Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Eingetragener Verein Energieversorgungsunternehmen Magazin für die energie wirtschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht folgende Seite folgende Seiten Frankfurter Allgemeine Zeitung Fußnote Freitag Financial Times Deutschland Gemeindeordnung Gewerbearchiv Grundgesetz vom 23.05.1949 Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen Griechenland Grundsätzlich Preußische Gesetzsammlung Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 15.07.2005, BGBl. I, S. 2114 Gigawattstunde Stunde Herausgeber in der Fassung in der Regel

Abkürzungsverzeichnis integr. IPP i. S. v. IT i. V. m. Kap. KG KOM kV KWG

kWh KWK KWKG

LG LPX max. MEZ min. Mo Mrd. MS MW MWh m. w. N. n. F. NJW NJWE-WettbR N. N. Nr. NRW NS NVwZ NVwZ-RR OECD ÖPNV

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integriert Independent Power Producer im Sinne von Italien in Verbindung mit Kapitel Kommanditgesellschaft Kommissionsdokument Kilovolt Gesetz über das Kreditwesen in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. September 1998 (BGBl. I, S. 2776), zuletzt geändert durch Art. 4a Gesetz vom 22. September 2005 (BGBl. I, S. 2809) Kilowattstunde Kraft-Wärme-Kopplung Gesetz für die Erhaltung, die Modernisierung und den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung/Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz in der Fassung vom 19.03.2002, BGBl. I, S. 1092 Landgericht Leipziger Power Exchange maximal/Maximum Mitteleuropäische Zeit minimal/Minimum Montag Milliarden Mittelspannung Megawatt Megawattstunde mit weiteren Nachweisen neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Entscheidungsdienst Wettbewerbsrecht der NJW nomen nescio (Name ist noch zu nennen) Nummer Nordrhein-Westfalen Niederspannung Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht-Rechtsprechungs-Report Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Öffentlicher Personennahverkehr

24 o. g. OLG OTC Peakload Pf. Pkt. RdE RegTP RGBl Rnr. Rs. s. S. SEK/SEC Slg. SMWA So SRU StromNEV StromNZV SW SZ TK TWh u. a. ÜNB UGA UK US vgl. VDEW VDN VEA VIK VKU VwGO VV I VV II

Abkürzungsverzeichnis oben genannt Oberlandesgericht Over the Counter Bezeichnung für Spitzenlaststrom Pfennig Punkt Recht der Energiewirtschaft Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post Reichsgerichtsblatt Randnummer Rechtssache siehe Seite Dokument der Europäischen Kommission Sammlung Sächsisches Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit Sonntag Rat von Sachverständigen für Umweltfragen Stromnetzentgeltverordnung Stromnetzzugangsverordnung Schweden Süddeutsche Zeitung Telekommunikation Terrawattstunde und andere Übertragungsnetzbetreiber Umweltgutachterausschuss Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland Vereinigte Staaten vergleiche Verband der Elektrizitätswirtschaft e. V. Verband der Netzbetreiber – VDN – e.V. beim VDEW Bundesverband der Energie-Abnehmer e.V. VIK Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft e.V. Verband kommunaler Unternehmen e. V. Verwaltungsgerichtsordnung Verbändevereinbarung I Verbändevereinbarung II

Abkürzungsverzeichnis VV II plus/VV II + VZBV WettbR WM WuW WuW DE-V WuW/E z. B. ZDH ZfE ZfK ZNER z. T.

25

Verbändevereinbarung II plus Verbraucherzentrale Bundesverband Wettbewerbsrecht Wertpapier-Mitteilungen Teil IV, Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht Wirtschaft und Wettbewerb, Zeitschrift für Kartellrecht, Wettbewerbsrecht, Marktorganisation Wirtschaft und Wettbewerb, Deutschland-Verwaltung Wirtschaft und Wettbewerb, Entscheidungssammlung zum Kartellrecht zum Beispiel Zentralverband des Deutschen Handwerks e.V. Zeitschrift für Energiewirtschaft Zeitschrift für kommunale Wirtschaft Zeitschrift für Neues Energierecht zum Teil

1. Teil

Problemstellung, Konzeption, Variablenkomplexe und Methode A. Problemstellung Der Staat wird gemeinhin als Garant und Förderer des Wettbewerbs durch Regulierung und Vollzug entsprechend wirksamer Rahmenregelungen angesehen. Bei der Liberalisierung des deutschen Strommarkts, die von europäischer Seite initiiert wurde, 1 hatte sich der Staat zunächst auf eine Rahmenregelung beschränkt und die Ausgestaltung des Marktzugangs den Wirtschaftsverbänden selbst überlassen. Diese konkretisierten den von Deutschland gewählten verhandelten Netzzugang durch unverbindliche Verbändevereinbarungen. Aufgrund einer weiteren Richtlinie 2 zur Vollendung des Strombinnenmarktes wurde jedoch diese Form der regulierten Selbstregulierung 3 aufgegeben. Ziel der ordnungspolitischen Regelungen ist es nach der Stromrichtlinie 2003, einen funktionsfähigen Wettbewerb zu schaffen, insbesondere einen „ef___________ 1 Richtlinie 96/92/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Dezember 1996 betreffend gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt, ABl. Nr. L 27/20 vom 30. Januar 1997, im Weiteren Stromrichtlinie 1996. 2 Richtlinie 2003/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 96/92/EG, ABl. Nr. L 176/37–55 vom 15. Juli 2003, im Weiteren Stromrichtlinie 2003. 3 Unter Selbstregulierung wird die Ersetzung staatlicher Regulierung durch gesellschaftliche Regulierung verstanden. Ziel der gesellschaftlichen Regulierung ist das „Erreichen gesetzesersetzender Wirkung“. Vgl. Albrecht Langhart, Rahmengesetz und Selbstregulierung, 1993, S. 135 f. Da allerdings nicht in jedem Fall eine staatliche Rahmengesetzgebung vollumfänglich ersetzt werden soll oder kann, entwickelten sich auch Steuerungsformen, bei denen der Staat und gesellschaftliche Akteure zusammenwirken. Hierzu haben sich die Begriffe „regulierte Selbstregulierung“ oder Koregulierung etabliert, mit denen ausgedrückt wird, dass die gesellschaftliche Selbstregulierung auf staatlicher Grundlage basiert oder sich in einen staatlichen Rahmen einpasst, vgl. Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Der Mandelkern-Bericht – Auf dem Weg zu besseren Gesetzen vom 13.11.2001, Mai 2002, S. 26 ff., www.staat-modern.de, Stand: 05.11.2004, siehe hierzu Teil 6, A. II. 2.

28

1. Teil: Problemstellung, Konzeption, Variablenkomplexe, Methode

fektiven Marktzugang“ 4 sicherzustellen und den „Verbrauchern die Möglichkeit der freien Lieferantenwahl und den Anbietern die freie Belieferung ihrer Kunden“ zu geben. 5 Gegenstand dieser Arbeit ist daher die Beantwortung der Frage, welche ordnungspolitische Aufgabe(n) der Staat im liberalisierten Strommarkt wahrzunehmen hat, um die Anforderungen der Stromrichtlinie 2003 zu erfüllen. 6 Die Gewährleistung eines funktionsfähigen Wettbewerbs stellt dabei das Mittel dar, um im Interesse der Allgemeinheit eine sichere, preisgünstige und umweltverträgliche Stromversorgung zu ermöglichen. Wettbewerb kann allerdings nicht beim Funktionsbereich „Transport“, d. h. bei der Netznutzung, eingeführt werden. Im Vergleich zu anderen Funktionsbereichen wie Erzeugung oder Vertrieb stellt die Netznutzung ein so genanntes natürliches Monopol dar. In diesem Fall – resultierend aus den hohen Kosten für die Bereitstellung und Wartung der Stromnetze – ist die Versorgung durch einen Anbieter volkswirtschaftlich am kostengünstigsten. Mögliche Gefahren der Monopolstellung im Netzbetrieb und somit beim Marktzugang sind jedoch Ineffizienzen beim Netzbetreiber, die Abschöpfung von Monopolrenten beim Netznutzer sowie Behinderungen anderer Stromanbieter, die auf die Netznutzung angewiesen sind. Daher ist der Marktzugang soweit auszugestalten, dass Diskriminierungen durch den Netzbetreiber ausgeschlossen sind. Die Einführung von Wettbewerb ist aber auf den dem Transport vor- und nachgelagerten Märkten, der Erzeugung und der Versorgung, möglich und zu gewährleisten. Das setzt ebenfalls voraus, dass das Netz als „Verbindungsstelle“ zu diesen Märkten diskriminierungsfrei genutzt werden kann. Zur Beantwortung der ordnungspolitischen Fragestellung muss nachfolgend analysiert werden, welche Anforderungen die Stromrichtlinie 2003 vorgibt, welche Möglichkeiten der Regulierung zur Verfügung stehen und welche letztlich am zweckmäßigsten ist und den meisten Erfolg verspricht. Dies bedingt wiederum die Untersuchung der bestehenden Wettbewerbshindernisse, um die Geeignetheit der einzelnen Regulierungsmöglichkeiten beurteilen zu können.

I. Ausgangslage Das Jahr 1998 markierte in Deutschland mit der Einführung von Wettbewerb einen Wendepunkt für die bis dahin aus geschlossenen Versorgungsmonopolen ___________ 4 5 6

Vgl. Erwägungsgrund 17 der Stromrichtlinie 2003. Vgl. Erwägungsgrund 4 der Stromrichtlinie 2003. Im Detail siehe Teil 1 B. I.

A. Problemstellung

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bestehende Stromwirtschaft. Die Liberalisierung 7 des energiewirtschaftlichen Rechtsrahmens wurde durch die Stromrichtlinie vom 19. Dezember 1996 ausgelöst. Die Umsetzung der Stromrichtlinie durch Änderungen des Energiewirtschaftsgesetztes 8 (EnWG), vor allem der Zugang zu den Stromnetzen gemäß §§ 5 ff. EnWG, und des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen 9 (GWB). Insbesondere die Aufhebung des § 103 GWB a. F. 10 führte in rechtlicher Hinsicht zu einer vollständigen Marktöffnung. Die Netzbetreiber wurden gesetzlich verpflichtet, ihre Netze Dritten diskriminierungsfrei zur Verfügung zu stellen, womit jeder Kunde die rechtliche Möglichkeit erhielt, seinen Stromlieferanten frei zu wählen. Anbieter konnten damit auch Kunden außerhalb ihres Versorgungsgebietes beliefern. Mit der Einführung von Wettbewerb, d. h. der autonomen, herrschafts- und absprachefreien Koordination von Akteuren durch Preissignale zur Schaffung einer optimalen Ressourcenallokation, 11 wurde die Erwartung verknüpft, dass die Energieversorgungsunternehmen wirtschaftlicher arbeiten werden, was sich in niedrigeren Strompreisen niederschlagen sollte. Darüber hinaus wurde erwartet, dass vertikal integrierte Energieversorgungsunternehmen 12 mittels transparenter Buchführung dazu gezwungen werden, keine Quersubventionen mehr vorzunehmen. Gewinne durch die im Netz abgeschöpfte Monopolrente sollten nicht mehr nutzbar sein, um Verluste auf den vor- oder nachgelagerten Märkten zu kompensieren. 13 ___________ 7

Der Begriff Liberalisierung steht für die Reduzierung dirigistischer Eingriffe in den freien Güteraustausch, vgl. hierzu Gabler Wirtschaftslexikon, 16. Aufl., 2004, Stichwort: Liberalisierung. 8 Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung vom 24. April 1998 (BGBl. I, S. 730) im Weiteren EnWG 1998, wesentlich geändert am 20. Mai 2003 (BGBl. I, S. 686), im Weiteren EnWG 2003. 9 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, neu gefasst durch Bekanntmachung vom 15. Juli 2005 (BGBl. I, S. 2114), im Weiteren GWB. 10 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Februar 1990 (BGBl. I, S. 235), im Weiteren GWB a. F. 11 Vgl. Gerhard Graf, Grundlagen der Volkswirtschaftslehre, 2. Aufl., 2002, S. 92 ff.; Volker Emmerich, H. I § 1, Rnr. 3, in: Manfred A. Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Band 2, Loseblatt, 12. EL, 2003. 12 Gemäß Art. 2 Nr. 21 Stromrichtlinie 2003 sind dies Unternehmen, die mindestens eine der Funktionen Übertragung oder Verteilung und mindestens eine der Funktionen Erzeugung von oder Versorgung mit Elektrizität wahrnehmen. 13 Bspw. können Gewinne aus der Netzsparte (durch überhöhte Netznutzungsentgelte) zur Abdeckung von Verlusten in anderen Funktionsbereichen genutzt werden. Verluste können dann auftreten, wenn ein Strompreis verlangt wird, der unterhalb der Erzeugungskosten liegt, um langfristig Endkunden zu binden. Transparenz und Entflechtung sollen bei vertikal integrierten Unternehmen dazu führen, dass diese Energieversorgungsunternehmen keine Wettbewerbsvorteile gegenüber nicht vertikal integrierten

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1. Teil: Problemstellung, Konzeption, Variablenkomplexe, Methode

II. Folgen der Liberalisierung Die Aufhebung der Gebietsabsprachen bewirkte zunächst zahlreiche Strukturänderungen. Alteingesessene Akteure gingen Kooperationen oder Fusionen mit anderen Energieversorgungsunternehmen ein oder verkauften Anteile des eigenen Unternehmens. Die Liberalisierung führte auch zu einer Erweiterung der klassischen Wertschöpfungskette Erzeugung, Übertragung und Verteilung. Die Nutzung fremder Stromnetze ermöglichte erstmals vertragliche Beziehungen zu Stromlieferanten, die keine Netze betrieben oder nicht im Versorgungsgebiet des Kunden angesiedelt waren. Damit entstand für zahlreiche Akteure ein Anreiz, auf den Strommarkt zu treten. Neue Marktteilnehmer, bspw. Stromhändler oder Portfoliomanager, 14 benötigen jedoch für die Endkundenversorgung eine Beschaffungsquelle. In der Monopolwirtschaft erfolgte die Strombeschaffung ausschließlich durch bilaterale Verträge. Diese wurden in der Regel zwischen Erzeuger und Verteiler oder großen Endkunden abgeschlossen und waren durch Demarkations- und ausschließliche Konzessionsverträge gemäß § 103 GWB a. F. abgesichert. Die Demarkationsverträge beinhalteten auf der einen Seite die Zusicherung, keine Kunden im Gebiet des Vertragspartners zu beliefern, sog. horizontale Demarkationsverträge. Daneben wurden Vereinbarungen zwischen Energieversorgungsunternehmen der Erzeugerstufe mit Versorgungsunternehmen der Verteilerstufe über die ausschließliche Belieferung und Bezug von Strom durch den Vertragspartner getroffen. 15 Konzessionsverträge regeln die Benutzungsrechte der öffentlichen Straßen und Verkehrsräume zwischen den Gemeinden als privatrechtliche Eigentümer und einem Energieversorgungsunternehmen. Darüber hinaus verpflichteten sich die Gemeinden im Rahmen einer Ausschließlichkeits- und Verzichtsklausel, Dritten keine Grundstücke für eine Stromversorgung zur Verfügung zu stellen ___________ Energieversorgungsunternehmen genießen, vgl. auch Bent Ole Mortensen/Poul Erik Grohnheit/Peter Fristrup, Quersubventionen in der Elektrizitätswirtschaft, ZfE 2003, S. 123 ff. 14 Stromhändler sind Käufer oder Verkäufer von Strom ohne diesen selbst erzeugt zu haben oder mittels eigenen Stromnetzen transportieren zu können. Portfoliomanager kombinieren für Kunden verschiedene Bezugsquellen zur zeitgerechten Deckung des Gesamtbedarfs. Die ist besonders für Kunden interessant, die nicht mehr die Vollversorgung in Anspruch nehmen, aber weder das erforderliche Know-how haben noch den zeitlichen und finanziellen Aufwand betreiben wollen, um selbst die Beschaffung zu koordinieren, vgl. weitergehend Wolfgang Zander/Martin Riedel/Christian Held/Michael Ritzau/Carolyn Tomerius, Strombeschaffung im liberalisierten Energiemarkt, 2000, S. 86 ff. 15 Deregulierungskommission, Marktöffnung und Wettbewerb, 1991, Rnr. 269, Tabelle 10; Hans-Ulrich Evers, Das Recht der Energieversorgung, 2. Aufl., 1983, S. 90 f.

A. Problemstellung

31

und selbst auf eine Stromversorgung zu verzichten. Diese Verpflichtung wurde gegen Zahlung der Konzessionsabgabe übernommen. 16 Die Ausschließlichkeitsbindung wurde mit der 4. GWB-Novelle im Jahr 1980 auf eine Laufzeit von maximal 20 Jahren beschränkt, 17 um einerseits den Kommunen die Gelegenheit zu geben, frei und ungehindert einen neuen Vertragspartner für die Energieversorgung zu suchen, 18 darüber hinaus sollte es zumindest im 20-Jahres-Turnus die Möglichkeit der Einführung von Wettbewerb geben. 19 § 103b GWB in der Fassung von 1998 beseitigte die Zulässigkeit dieser Gebiets- und Lieferabsprachen. Damit fielen diese Verträge wieder unter das gesetzliche Verbot der §§ 1 und 20 GWB. Dies ermöglicht erstmals eine Beschaffung außerhalb angestammter Versorgungsgebiete, was durch die Etablierung des Stromhandels als neues Element der Wertschöpfungskette ebenfalls forciert wurde. Der börsenmäßige Stromhandel wurde zudem im Jahr 2000 mit der Gründung zweier Strombörsen in Leipzig (Leipzig Power Exchange) und Frankfurt/M. (European Energy Exchange) institutionalisiert. Die Börse gilt als der „Markt par excellence“, 20 als der Ort, an dem die Allokation knapper Güter am wirkungsvollsten erfolgt, wo der Marktpreis für ein Gut effizient gebildet wird. 21 Beide Börsen fusionierten rückwirkend zum 1. Januar 2002. Ziel war es, mit einer Institution einen besseren Umsatz zu erlangen. Der Marktanteil bezüglich des deutschen Stromverbrauchs lag vor der Fusion beider Börsen bei weniger als 5 Prozent; derzeit kann er auf ca. 10 Prozent geschätzt werden. Mittelfristig soll der Anteil auf ca. 20 Prozent steigen. Die Liberalisierung und die damit einhergehenden Marktbewegungen hatten zur Folge, dass Strompreise für Industrie- und Haushaltskunden gesenkt wurden. Auch wurde das dem Wettbewerb innewohnende Innovationspotenzial geweckt. Da Kunden nicht mehr auf ihren Gebietsversorger angewiesen waren, ___________ 16

Deregulierungskommission, (Fn. 15), Rnr. 269, Tabelle 10. Vgl. § 103a Abs. 1, S.1 GWB a. F. 18 BGH, NJW 2000, S. 577, 581. 19 BGH DB 1986, S. 1459f. 20 Wilhelm Röpke bezeichnete die Börse in einem Aufsatz mit dem gleichlautenden Titel als den „Markt par excellence“, ZfK 1964, S. 104–107. 21 Stellvertretend für viele: vgl. Paul A. Samuelson/William D. Nordhaus, Economics, 18. Aufl., 2004, S. 521 ff.; Max Weber spricht in diesem Zusammenhang von der Börse als „Verkehrsregulator, insbesondere in der Marktpreisbildung“, ders., Börsenwesen, 1895, in: Knut Borchardt (Hrsg.), Max Weber Gesamtausgabe, Börsenwesen, Schriften und Reden 1893 – 1898, Abt. 1, Band 5, 2. Halbband, 2000, S. 558, 588 f. 17

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1. Teil: Problemstellung, Konzeption, Variablenkomplexe, Methode

wurden von den Stromanbietern verschiedene „Stromprodukte“ entwickelt, damit neue Kunden gewonnen bzw. der bestehende Kundenstamm gehalten werden konnten. „Produkte“ stellen in diesem Zusammenhang die Differenzierung der Stromverträge nach Lieferzeit, Erzeugungsart oder anderen Kriterien dar und sollen zu einer für den Kunden „maßgeschneiderten“ Stromversorgung führen. Damit bestand nach fast hundert Jahren Monopolwirtschaft erstmals die reale Möglichkeit, den Stromanbieter zu wechseln oder alternativ mit einem Wechsel zu drohen und dadurch den Anbieter zu günstigeren Konditionen zu bewegen. Dennoch sind die Aktivitäten der Marktteilnehmer nach anfänglicher Euphorie inzwischen wieder erlahmt. Zahlreiche neue Marktteilnehmer haben den Strommarkt wieder verlassen. Die für Kunden bestehende Möglichkeit des Lieferantenwechsels führte allein noch nicht zu einem funktionsfähigen Wettbewerb. Hierzu bedurfte es eben nicht nur der entsprechenden rechtlichen Regelungen, sondern auch der Veränderung in der Einstellung und im Verhalten der Marktteilnehmer. 22 Festzustellen ist jedenfalls, dass – soweit wettbewerbliche Strukturen eingeführt werden konnten – keine besonders hohe Wettbewerbsintensität existiert. Die Ursachen hierfür sind vielfältig. Wettbewerbshindernisse werden dabei sowohl durch die Marktteilnehmer als auch durch die staatliche Ordnungspolitik hervorgerufen. Zwar kann der Strommarkt, der nahezu ein Jahrhundert mit Monopolstrukturen bestanden hat, nicht über Nacht in einen funktionierenden Wettbewerbsmarkt umgewandelt werden. Wenn aber die rechtlichen Regelungen nicht sicherstellen, dass Diskriminierungen unterbunden werden, ist es schwierig, Einstellungs- und Verhaltensänderungen alteingesessener Marktteilnehmer durch den Wettbewerbsdruck anderer Marktteilnehmer zu erzeugen. Konkurrenz kann nur dann entstehen, wenn alle zu gleichen Bedingungen am Markt agieren können. Das war bei den neu auf dem Markt getretenen Akteuren, besonders bei Stromhändlern, nicht der Fall. Behinderungen bei Stromhändlern führen im Ergebnis dazu, dass diese – bis auf wenige Ausnahmen wie Yello – bis heute für alteingesessene Unternehmen keine ernstzunehmenden Konkurrenten sind. 23

___________ 22 Vgl. hierzu Eberhard Bohne, Liberalisierung des Strommarktes als Organisationsproblem, in: Klaus Lüder (Hrsg.), Staat und Verwaltung. Fünfzig Jahre Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, 1997, S. 213, 215 ff., im Folgenden Bohne (1997). 23 Detailliert zu den Handelshemmnissen im Teil 5.

A. Problemstellung

33

III. Wettbewerbsintensität und -hindernisse im Strommarkt 1. Wettbewerbsintensität Oft ist es schwierig festzustellen, ob in einem Markt ein funktionsfähiger Wettbewerb existiert. Auf einen absoluten Maßstab kann nicht zurückgegriffen werden, da dieser nicht existiert. Im Allgemeinen wird ein funktionsfähiger Wettbewerb anhand der Wettbewerbsintensität beurteilt. In der Ökonomie wird dabei die Wettbewerbsintensität über die Geschwindigkeit definiert, „mit der die Vorsprungsgewinne eines innovativen Wettbewerbers durch den Prozess erfolgreicher Imitation beseitigt werden“. 24 Wenn also ein Wettbewerber besonders innovativ und damit erfolgreich ist und dadurch eine Reaktion anderer Wettbewerber in relativ kurzer Zeit bewirkt, weil diese bspw. sonst in ihrer Existenz bedroht wären, wird von einer hohen Wettbewerbsintensität gesprochen. Für den Strommarkt ist eine solche Definition aber nicht sehr hilfreich, weil sie hier kaum operationalisierbar ist. Durch die mangelnde Substituierbarkeit von Strom, d. h. der mangelnden Austauschbarkeit, findet Wettbewerb im Strommarkt im Wesentlichen nur über den Preis statt. Insoweit bewirkt der Weg über innovative Stromprodukte oder Verkaufsstrategien nur in eingeschränktem Maße einen Wettbewerbsvorteil. 25 Die Wettbewerbsintensität im Strommarkt wird daher im Folgenden über die Entwicklung der Strompreise, der Netznutzungsentgelte und das Wechselverhalten der Kunden definiert. Das durchschnittliche Strompreisniveau zeigt an, ob zahlreiche Stromanbieter existieren und sich preislich zu unterbieten versuchen. Die Netznutzung ist im Strommarkt essenziell für die Kundenbelieferung. Die Entgelte für die Netznutzung geben daher Auskunft, wie kostenintensiv das Agieren auf dem Strommarkt ist. Schließlich zeigt das Wechselverhalten an, ob die Kunden tatsächlich souverän sind und sich ihre Lieferanten aussuchen. Darüber hinaus wird der Stromhandel als komplexer qualitativer Indikator der Wettbewerbsintensität untersucht. Der Stromhandel, der von allen Funktionsbereichen im Strommarkt am ehesten und stärksten von Wettbewerbshin___________ 24

Michael Hohlstein/Barbara Pflugmann/Herbert Sperber/Joachim Sprink, Lexikon der Volkswirtschaft, 2. Aufl., 2003, Stichwort: Wettbewerbsintensität. 25 Ausnahmen können aber im Bereich „grüner“ Strom beobachtet werden, wo Kunden für die Erzeugung von Strom mit umweltfreundlichen Energieträgern oder Erzeugungsarten durchaus einen höheren Preis zahlen, als dies bei konventionellem Strom (bspw. aus Kohle, Gas, Öl oder Atomenergie) der Fall wäre.

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1. Teil: Problemstellung, Konzeption, Variablenkomplexe, Methode

dernissen beeinflusst wird, weist dann auf eine hohe Wettbewerbsintensität hin, wenn er selbst reibungslos funktioniert. 26 2. Wettbewerbshindernisse aus der staatlichen Einflusssphäre Wettbewerbshindernisse können sowohl aus der staatlichen Einflusssphäre als auch aus der Sphäre der gesellschaftlichen Akteure stammen. Wettbewerbshindernisse aus der staatlichen Einflusssphäre betreffen vor allem den rechtlichen Rahmen und das Verhalten der staatlichen Akteure. a) Der rechtliche Rahmen von 1998 – 2003 Ein wesentlicher Grund für den noch nicht vollständig funktionierenden Wettbewerb ist in rechtlicher Hinsicht der Netzzugang und eine mangelnde Transparenz der Kostenzuordnung bei den einzelnen Funktionsbereichen. Besonders vertikal integrierte Energieversorgungsunternehmen haben so die Möglichkeit, Quersubventionen vorzunehmen oder den unternehmenseigenen Vertrieb beim Netzzugang zu bevorzugen. Zu vertikal integrierten Unternehmen werden solche gezählt, die neben dem Funktionsbereich Transport oder Verteilung auch noch in der Erzeugung und/oder dem Vertrieb von Strom tätig sind. Die Stromrichtlinie 1996 beinhaltete drei Voraussetzungen für die Schaffung von Wettbewerb: die Marktöffnung und somit die Aufhebung von Gebietsabsprachen, den diskriminierungsfreien Netzzugang und die buchhalterische Entflechtung der Aktivitäten vertikal integrierter Energieversorgungsunternehmen. Die Marktöffnung sollte stufenweise und zunächst nur für Großkunden erfolgen, hier hatte aber Deutschland – ebenso wie Großbritannien oder Skandinavien – mit einer sofortigen hundertprozentigen Öffnung eine Vorreiterstellung inne. Beim Netzzugang konnten die Mitgliedstaaten zwischen drei Optionen wählen, dem verhandelten Netzzugang, dem regulierten Netzzugang und schließlich dem Alleinabnehmersystem. Die Mehrzahl der Mitgliedstaaten entschied sich für den regulierten Netzzugang. Dieser ist dadurch gekennzeichnet, dass die Kosten der Netznutzung mittels Tarife vorab festgelegt werden und jeder Netznutzungspetent einen Anspruch auf Netznutzung hat, soweit die technischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen dafür vorliegen. Beim verhandelten Netzzugang werden dagegen keine Tarife gebildet, das Netznutzungsentgelt ___________ 26

Zur Funktion des Wettbewerbs im Teil 3, A.

A. Problemstellung

35

und die -konditionen sind vielmehr das Verhandlungsergebnis zwischen Netzbetreiber und Netznutzungspetenten. Das Alleinabnehmermodell als Zugeständnis an Frankreich bewirkt im Ergebnis die Kontrolle des Energieversorgungsunternehmens über den Kundenstamm in seinem Versorgungsgebiet. Dieses Modell hatte aufgrund seiner Komplexität nur geringe Relevanz und wurde auch von deutschen Energieversorgungsunternehmen kaum genutzt. Welche Netznutzungsvariante letztlich die höhere Wettbewerbsintensität bewirkt, war unklar. Für den regulierten Netzzugang sprachen die geringen Such- und Verhandlungskosten (Transaktionskosten). Entgelte konnten zudem präventiv kontrolliert werden, was das Missbrauchspotenzial der Netzbetreiber reduziert. Der verhandelte Netzzugang ermöglichte dagegen individuelle Vertragsabsprachen und Flexibilität. Deutschland setzte 1998 das Modell des verhandelten Netzzugangs im EnWG um. Neben der Flexibilität bestand bei diesem Modell die Möglichkeit, den Marktteilnehmer weitgehend selbst die Entwicklung von Netznutzungsvoraussetzungen zu überlassen, da diese – im Gegensatz zum Staat – bereits über das entsprechende Know-how verfügten. Der Staat wollte mit einer Rahmenregelung die Basis für das selbstregulierte Agieren der Marktteilnehmer schaffen und erhoffte sich damit eine angemessene Steuerung. Die Marktteilnehmer nahmen das „Angebot“ des Staates an und entwickelten über mehrere Jahre hinweg unverbindliche Vereinbarungen, zuletzt die Verbändevereinbarung II plus, die die Ausgestaltung der Netznutzung beinhaltete. Mit den Verbändevereinbarungen konnten zeitnah Regelungen für die Netznutzung bereitgestellt werden, die vom Staat so schnell nicht hätten erlassen werden können. 27 Nachteilig für die Wettbewerbswirksamkeit waren aber letztlich nicht nur die fehlende Beteiligung aller Interessengruppen, sondern auch die – nach Meinung von Verbraucherschützern und neuen Marktteilnehmern – bestehende Unverbindlichkeit der Verbändevereinbarung. Mit der Verbändevereinbarung entstanden zudem Verhandlungsvorteile auf Seiten der Netzbetreiber. Die Preisfindungsprinzipien konnten nicht alle Zweifel hinsichtlich der einzustellenden Kosten bei Kartellbehörden und Netznutzern beseitigen. Darüber hinaus verfügten Netznutzungspetenten zumeist nicht über die Informationen und Mit___________ 27

Vgl. Bundesverband d. deutschen Industrie e. V. (BDI)/Verband der Elektrizitäts-wirtschaft e. V. (VDEW)/Verband d. industriellen Kraftwirtschaft e. V (VIK)/Verband d. Netzbetreiber – VDN – e.V. (VDN)/Arbeitsgemeinschaft regionaler Energieversorgungs-Unternehmen e. V. (ARE)/ Verband kommunaler Unternehmen e. V. (VKU), Verbändevereinbarung über Kriterien zur Bestimmung von Netznutzungsentgelten für elektrische Energie und über Prinzipien der Netznutzung vom 13. Dezember 2001, im Folgenden Verbändevereinbarung II plus.

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1. Teil: Problemstellung, Konzeption, Variablenkomplexe, Methode

tel, um auf Verweigerungsgründe oder hohe Entgeltforderungen der Netzbetreiber entsprechend reagieren zu können. Netznutzungspetenten empfanden daher die Angebote der Netzbetreiber zu den Netznutzungsentgelten und Netznutzungsbedingungen in vielen Fällen als „Diktat“, das man entweder annahm oder man erhielt nicht den Netzzugang. Letztlich konnte trotz Preisfindungsprinzipien in den Verbändevereinbarungen nicht verhindert werden, dass bei den Entgelten nicht nur eine große Spreizung zwischen den Netzbetreibern mit ähnlicher Struktur vorhanden war, sondern dass die Netznutzungsentgelte im europäischen Vergleich generell überdurchschnittlich hoch waren. Unabhängige Akteure 28 hatten dadurch Schwierigkeiten, Kunden zu akquirieren oder Stromlieferverträge einzuhalten. Denn sie verfügten noch nicht über eine sichere Marktstellung und konnten überhöhte Entgelte kaum kompensieren. Die Möglichkeit, eine längere finanzielle Durststrecke zu überstehen, war bei ihnen selten vorhanden. Der Staat sah kaum Möglichkeiten, hiergegen wirkungsvoll vorzugehen. Das Bundeskartellamt sowie einige Länderkartellbehörden verfügten als nachträgliche Missbrauchsaufsicht nicht über die Befugnisse und Ausstattung, um massiv und flächendeckend zu kontrollieren. Auch die buchhalterische Entflechtung führte nicht zu der erwarteten Transparenz. Trotz der Einführung einer getrennten Buchführung nutzten viele vertikal integrierte Akteure die Möglichkeit, einen defizitären Funktionsbereich durch Gewinne aus anderen Bereichen zu subventionieren. Unabhängige Akteure, die kein Finanzpolster im Rücken hatten und Defizite nicht ausgleichen konnten, gingen daher schneller in Insolvenz oder wurden von anderen Energieversorgungsunternehmen ganz oder teilweise übernommen. Von den zu Beginn der Liberalisierung angetretenen unabhängigen Akteuren existieren dementsprechend nur noch wenige. 29 Die Kritiken am Rechtsrahmen führten schließlich im Jahr 2003 zu einer Novellierung des EnWG. Ziel der Neuregelung war, dass die Verbändeverein___________ 28 Der Begriff unabhängiger Akteur bezeichnet im Folgenden einen Akteur, der lediglich einen Funktionsbereich im Strommarkt ausübt und kein Teil einer Beteiligungsgesellschaft („Holding“) ist, welche über weitere Funktionsbereiche verfügt. Kennzeichen ist daher die fehlende vertikale Integration. 29 Zwar resultieren die Marktaustritte in einigen Fällen auch aus einer falschen Markteinschätzung. Mehrere kleine Stromanbieter, die zu Beginn der Liberalisierung angetreten waren, bspw. Best Energy oder Zeus Strom AG, sind jedoch im Verdrängungswettbewerb unterlegen. Zwar ist Kennzeichen des Wettbewerbs, dass der innovative Wettbewerber Vorteile genießt, was auch zur Bedrohung der Existenz anderer Wettbewerber führen kann. Allerdings werden in der Wettbewerbstheorie die Marktvorteile aufgrund eigener Leistung erreicht, nicht aber wegen einer Quersubventionierung oder missbräuchlicher Marktbeherrschung.

A. Problemstellung

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barung II plus stärkere Beachtung findet. Das Verhalten der Marktteilnehmer sollte dahingehend beeinflusst werden, dass die Verbändevereinbarung allen Marktteilnehmern als Grundlage für jede Netznutzung dient. Regelungstechnisch wurde daher im EnWG ein statischer Verweis auf die Verbändevereinbarung II plus eingeführt, der bei Beachtung der Vereinbarung zur Vermutung einer korrekten Verhaltensweise führte. 30 Wer sich somit nicht an die Verbändevereinbarung II plus hielt, trug die Beweislast für ein diskriminierungsfreies Handeln. Unabhängig davon wurde mit der Verweisung aber nicht die Geeignetheit der Verbändevereinbarung II plus für einen wirksamen Wettbewerb festgestellt. Allerdings konnte dies nur eine Übergangsregelung darstellen, denn die Verweisung auf die Verbändevereinbarung war an deren Befristung gekoppelt und lief zum Ende des Jahres 2003 aus. Eine Verlängerung der Befristung stellte aber schon zum Zeitpunkt der EnWG-Novellierung die ebenfalls im Jahr 2003 erlassene Stromrichtlinie in Frage. b) Die Änderung des rechtlichen Rahmens aufgrund der Stromrichtlinie 2003 Die Stromrichtlinie 2003 wurde aufgrund der heterogenen Liberalisierungserfahrungen in den Mitgliedstaaten durch die Europäische Kommission initiiert und am 26. Juni 2003 vom Rat und Europäischen Parlament erlassen. Ziel ist die Beschleunigung der Marktöffnung und die Vollendung des Binnenmarktes. Als Instrumente sieht sie unter anderem die Verpflichtung der Mitgliedstaaten vor, den regulierten Netzzugang einzuführen, wobei die Tarife oder deren Berechnungsmethoden für die Netznutzung ex-ante durch eine Regulierungsbehörde genehmigt werden müssen. Damit wäre zwar das Modell einer Verbändevereinbarung der Marktteilnehmer nicht per se obsolet, hätte aber für eine europarechtskonforme Umsetzung weiterer ordnungsrechtlicher Maßnahmen bedurft. 31 ___________ 30 Damit wurde die so genannte „gute fachliche Praxis“ bescheinigt, vgl. § 6 Abs. 1 S. 4 und 5 EnWG 2003, die dazu führte, dass die Beweislast für ein missbräuchliches Verhalten nicht mehr beim Netzbetreiber lag. 31 Soweit das EnWG vorgesehen hätte, dass eine gemeinschaftsrechtskonforme Verbändevereinbarung durch das BMWi genehmigt werden kann und dann anzuwenden wäre, hätten die Regelungen, Preisfindungsprinzipien und Bedingungen für die Netznutzung auch weiterhin von den Marktteilnehmern geschaffen können, vgl. hierzu Eberhard Bohne, Ordnungsrechtliche Probleme im Strommarkt, in: ders. (Hrsg.), Neubestimmung ordnungspolitischer Aufgaben des Staates im Strommarkt, 2003, S. 1, 4, im Folgenden Bohne (2003).

38

1. Teil: Problemstellung, Konzeption, Variablenkomplexe, Methode

Weitere Maßnahmen in der Stromrichtlinie 2003 sind die vollständige Marktöffnung in allen Mitgliedstaaten bis spätestens 2007 und eine stärkere Entflechtung. Hier tritt neben die weiterhin bestehende buchhalterische Entflechtung auch eine gesellschaftsrechtliche und informatorische Trennung des Netzbereichs von anderen Funktionsbereichen, bspw. Erzeugung oder Vertrieb, in vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmen. Auch wenn sich Deutschland lange gegen diese Stromrichtlinie gesträubt hatte, im Ergebnis stimmte die Bundesregierung dem „Gemeinsamen Standpunkt“ zu. 32 Insoweit war das EnWG 2003 zu ändern. Zwar sieht die Stromrichtlinie 2003 eine Umsetzungsfrist bis zum 1. Juli 2004 vor, diese Frist wurde aber nicht eingehalten. Denn zum einen verpflichtet die Richtlinie zur Änderung des bestehenden Netzzugangssystems und damit zur Schaffung ordnungsrechtlicher Regelungen im Bereich der Netznutzung. Zum anderen erfordert sie von staatlicher Seite auch den Aufbau oder die Benennung einer Regulierungsbehörde. Das EnWG sowie die ersten Netzverordnungen sind im Juli 2005 in Kraft getreten. 33 Der Novellierung des EnWG 2003 sieht bei der Entflechtung die oben angesprochene gesellschaftsrechtliche, organisatorische und informatorische Trennung des Netzbetriebs der Übertragungs- und Verbundnetzebene, daneben generell die buchhalterische Trennung vor. Lediglich bei kleinen Energieversorgungsunternehmen mit weniger als 100.000 Kunden besteht die Möglichkeit, von der gesellschaftsrechtlichen Entflechtung des Netzbetriebs Abstand zu nehmen. 34 Die Netznutzung erfolgt auf Basis des regulierten Netzzugangs. Hierfür werden durch den Staat Verordnungen erlassen, worin auch die Grundlagen für kostenbasierte Entgeltgenehmigung der Netznutzungsentgelte festgelegt werden. ___________ 32 Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 5/2003 vom 3. Februar 2003, vom Rat festgelegt gemäß dem Verfahren des Artikels 251 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 96/92/EG, ABl. Nr. C 50 E/02 vom 04.03.2003. 33 Zweites Gesetz zur Neureglung des Energiewirtschaftsrechts vom 7. Juli 2005 (BGBl. I, S. 1970); basierend auf dem Entwurf eines Gesetzes über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz), BT-Drs. 15/3917, in der konsolidierten Fassung des Beschlusses im Vermittlungsausschuss, entstanden aus BT-Drs. 15/5736 vom 15.06.2005 und BR-Drs. 248/05 vom 15.04.2005, im Folgenden EnWG. Verordnung über Entgelte für den Zugang zu Elektrizitätsversorgungsnetzen (Stromnetzentgeltverordnung – StromNEV) vom 25. Juli 2005 (BGBl. I, S. 2225); Verordnung über den Zugang zu Elektrizitätsversorgungsnetzen (Stromnetzzugangsverordnung – StromNZV) vom 25. Juli 2005 (BGBl. I, S. 2243). 34 Ausführlich zum EnWG im Teil 6, B.

A. Problemstellung

39

Auf deren Grundlage berechnen die Netzbetreiber im Einzelfall die Entgelte, die gegebenenfalls nachträglich durch die Regulierungsbehörde auf Missbrauch überprüft werden können. Als Regulierungsbehörde fungieren die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen sowie die Landesregulierungsbehörden. Mit der Novellierung werden viele Kritikpunkte beseitigt. Problematisch bleibt aber die weiter bestehende Möglichkeit der Netzbetreiber, netztechnische Informationen zum eigenen Vorteil auszunutzen. 35 c) Das Verhalten staatlicher Akteure Weiteres Wettbewerbshindernis, welches aus der staatlichen Einflusssphäre stammt, ist das Verhalten staatlicher Akteure. Deutlich wird dies durch das Agieren der Aufsicht im Strommarkt. Nicht nur die mit Energieaufsicht, Kartellaufsicht, Bankenaufsicht und Börsenaufsicht relativ hohe Anzahl der Aufsichtsbehörden, die im Strommarkt tätig sind, auch das unterschiedliche Zusammenwirken zwischen Bundes- und Länderbehörden in diesem Bereich führte dazu, dass die Marktteilnehmer oft nicht wussten, wer ihr Ansprechpartner ist. Zudem wurde die Art und Weise der Aufsichtstätigkeit im Bereich der Netznutzung durch die Energie- und Kartellaufsicht unterschiedlich wahrgenommen. Durch die Übertragung der Aufsichtsbefugnisse auf die Regulierungsbehörden des Bundes und der Länder soll eine abschließende Aufgabenzuordnung für die Stromnetze erfolgen. 3. Wettbewerbshindernisse aus der Einflusssphäre der Marktteilnehmer Nicht nur staatlich verursachte oder beeinflusste Wettbewerbshindernisse spielen eine erhebliche Rolle. Wettbewerbshindernisse, die von den Marktteilnehmern hervorgerufen werden, sind nicht minder bedeutsam. So fehlt vielen Marktteilnehmern das notwendige Know-how, die Fähigkeit, die Flexibilität oder die finanzielle Möglichkeit, um den Wettbewerb, bspw. das Portfoliomanagement oder den Stromhandel, aktiv zu nutzen. Damit einher gehen Schwächen bei der Risikoanalyse und dem Risikomanagement, was besonders im Stromhandel schnell zu negativen Auswirkungen führen kann. ___________ 35

Vgl. N. N., Wer definiert einen „marktgerechten Rahmen“?, FAZ vom 29. November 2004, S. 15.

40

1. Teil: Problemstellung, Konzeption, Variablenkomplexe, Methode

Einen wesentlichen Hinderungsgrund stellt auch die Beteiligungspolitik der Verbundunternehmen dar. Durch ihre herausgehobene Marktstellung und den entsprechenden finanziellen Möglichkeiten ist es diesen Unternehmen gerade zu Beginn der Liberalisierung gelungen, zahlreiche regionale oder lokale Energieversorgungsunternehmen zumindest teilweise aufzukaufen. Das führte bei den beteiligten Energieversorgungsunternehmen dazu, dass der Strombezug in der Regel auf das Verbundunternehmen beschränkt wurde. Selbst bei Minderheitsbeteiligungen wurde der Schritt in den Stromhandel nicht gewagt oder ein aktives Agieren auf dem Strommarkt in der Regel aufgegeben. Gerade Stadtwerke, die eine wichtige Rolle auf dem Stromhandelsmarkt spielen könnten, sind für Beteiligungen prädestiniert, bringen doch Anteilsverkäufe finanzielle Mittel in die Gemeindehaushalte. Ein Unternehmen, das sich aber im Sinne des beteiligten Unternehmens verhält, stellt im Strommarkt keine Konkurrenz mehr dar und reizt dementsprechend andere Energieversorgungsunternehmen nicht zu besseren oder verbraucherfreundlicheren Leistungen. Hoher finanzieller, technischer oder personeller Aufwand lassen ebenfalls viele Marktteilnehmer davor zurück schrecken, an der Börse zu handeln oder bevorzugen individuell ausgehandelte Stromverträge, die an der Börse nicht gehandelt werden können. 4. Zusammenfassung Im Ergebnis ist festzustellen, dass auch zukünftig die Bereitschaft der Kunden, den Wettbewerb zu nutzen, relativ gering sein wird, wenn die Belieferung von Strom mit Hindernissen behaftet bleibt. Der Staat hat dabei nicht nur die ordnungspolitische Aufgabe, durch Rahmenregelungen einen wirksamen Wettbewerb zu schaffen, sondern muss bei einem Marktversagen auch die negativen Folgen beseitigen. Ob der Wettbewerb „funktioniert“, kann – wie gesehen – anhand der Wettbewerbsintensität beurteilt werden. Die Wettbewerbsintensität wird im Strommarkt mittels quantitativer Kriterien, der Strompreise, Netznutzungsentgelte und der Wechselquote der Kunden, und dem Vergleich mit anderen Ländern bewertet. Soweit also eine hohe Wettbewerbsintensität existiert, müssten zahlreiche Anbieter aktiv um Kunden werben. Da mangels Substitution des Stroms der Wettbewerb in der Regel nur über den Preis erfolgt, wären niedrige Entgelte und ein hohes Wechselverhalten Indikatoren für eine hohe Wettbewerbsintensität. Allerdings existieren noch keine allgemein anerkannten Vergleichsmaßstäbe hinsichtlich der Beurteilung der Entgelte und des Wechselverhaltens in den einzelnen Mitgliedstaaten, die dann zweifelsfrei einen Rückschluss auf die Lage in Deutschland zulassen würden. Das betrifft zum einen die derzeit noch un-

A. Problemstellung

41

befriedigende Datenlage. Zum anderen existieren unterschiedliche Auffassungen, was als „Wechsel“ anzusehen ist, das tatsächliche Wechseln des Stromanbieters, Vertragsverhandlungen mit dem bisherigen Strombieter oder gar das freiwillige Ändern von Vertragskonditionen zugunsten des Kunden. Ob und welche Hindernisse im Strommarkt existieren, kann jedoch mit Hilfe einer Analyse des Stromhandels festgestellt werden. Die Untersuchung, ob der Stromhandel problemlos funktioniert und wie sich hier Änderungen des rechtlichen Rahmens auswirken, kann für den Strommarkt als Indikator gewertet werden. Denn der Stromhandel hat für den Strommarkt und den Wettbewerb essenzielle Bedeutung.

IV. Wettbewerbsfunktion und Entwicklung des Stromhandels 1. Wettbewerbsfunktion des Stromhandels 36 Der Stromhandel ist nachfolgend Untersuchungsgegenstand für die Frage, ob der Wettbewerb auf dem Strommarkt funktioniert. Dies ergibt sich aus der Eignung des Stromhandels als Indikator für die Wettbewerbsintensität. Denn der Stromhandel reagiert – wie nachfolgend erläutert – sensibel auf Hindernisse im Wettbewerb und zeigt daher an, ob der Wettbewerb reibungslos funktioniert. Behinderungen auf dem Strommarkt haben im Stromhandel – im Gegensatz zu anderen Funktionsbereichen – unmittelbar negative und sichtbare Auswirkungen. Die Gründe können darin gesehen werden, dass Stromhändler nicht über eigene Netze oder Erzeugungsanlagen verfügen. Sie sind daher kaum in der Lage, Wettbewerbshindernissen auszuweichen oder diese durch andere Maßnahmen zu kompensieren. Wettbewerbshindernisse können bspw. im Bereich der Netznutzung existieren. Die Netznutzung ist essenziell für die Kundenversorgung. Jeder Stromhändler und Stromlieferant ist darauf angewiesen, problemlos fremde Netze zu angemessenen Preisen und Konditionen zu nutzen. Soweit dies nicht der Fall ist, können Stromhändler oder Lieferanten ihre Kunden nicht vertragsgemäß beliefern. Der Bedarf an günstigem Strom von einem unabhängigen Anbieter sinkt. Stromhändler spüren demzufolge unmittelbar die Auswirkungen von Netznutzungshemmnissen am eigenen Absatz. Im Vergleich dazu können für Stromlieferanten, die in vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmen eingegliedert sind, diese Verluste oder Mehrkosten durch Gewinne anderer Unternehmensbereiche kompensiert werden. Für einen funktionierenden Wettbewerb ist es darüber hinaus erforderlich, dass eine möglichst große Anzahl an Stromanbietern vorhanden ist. Auch diese Funktion ___________ 36

Ausführlich im Teil 3.

42

1. Teil: Problemstellung, Konzeption, Variablenkomplexe, Methode

können Stromhändler übernehmen, sie können am einfachsten in den Strommarkt eintreten, denn für sie sind die Markteintrittskosten vergleichsweise niedrig. Erzeuger und Netzbetreiber haben demgegenüber hohe Investitionskosten für Erzeugungsanlagen oder Stromnetze, des Weiteren sind die Planungszeiträume für die Errichtung und den Betrieb der Infrastruktureinrichtungen erheblich länger. Diese Funktion können andere unabhängige Akteure wie Makler oder Broker nicht erfüllen, denn sie vermitteln nur Geschäfte und kaufen oder verkaufen nicht auf eigene Rechnung Strom, wie dies bei Stromhändlern der Fall ist. Insoweit sind sie nicht direkt von Behinderungen im Strommarkt, insbesondere im Netz, betroffen. Sie stellen „lediglich“ Kontakte zwischen Kunden und den vorhandenen Anbietern her. Soweit daher Stromhändler ungehindert auf dem Strommarkt agieren können, kann geschlussfolgert werden, dass keine wesentlichen Wettbewerbshindernisse existieren. Das lässt wiederum den Schluss zu, dass der Wettbewerb im Strommarkt funktioniert. 2. Entwicklung des Stromhandels Im Stromhandel entwickelten sich zwei Handelsformen, der bilaterale Stromhandel oder OTC-Handel 37 und seit dem Jahr 2000 der Börsenhandel. Das Akronym OTC stammt von Over The Counter, zu Deutsch „über den Ladentisch“. Bilateraler Stromhandel oder OTC-Handel bezeichnen alle außerbörslichen, zweiseitigen Handelsgeschäfte. Diese können zwischen zwei Vertragspartnern individuell ausgehandelt werden. Darüber hinaus werden in diesem Handelsmarkt auch standardisierte Produkte angeboten. Der Börsenhandel, an dem zahlreiche Akteure gleichzeitig teilnehmen, findet dagegen auf einem zentralen, wenn auch virtuellen, Marktplatz statt. Der Handel ist hierbei nicht auf individuelle Vertragsgestaltung ausgerichtet, sondern basiert generell auf standardisierten Produkten. Die handelnden Marktteilnehmer bleiben anonym. Die Entwicklungen im Strommarkt haben zu Veränderungen im Stromhandel geführt. Einerseits haben sich Stromhändler im bilateralen Handel relativ schnell auf die Nachfragen eingestellt. Neue Stromprodukte mit verschiedenen Laufzeiten wurden angeboten. Der bilaterale Handel konnte somit seine Markt___________ 37

Jürgen Krumnow/Ludwig Gramlich (Hrsg.), Gabler Bank-Lexikon, 12. Aufl., 2000, Stichwort: Over-the-Counter-Markt.

B. Konzeption und Variablenkomplexe

43

position festigen. Auf der anderen Seite konnten die Strombörsen ihre Erwartungen zunächst nicht erfüllen. Obwohl der deutsche Strommarkt eine der wichtigsten und größten in Europa ist, hat das Handelsvolumen für beide Strombörsen nicht gereicht, um ein Überleben beider zu sichern, so dass die Fusion zur nunmehr einzigen deutschen Strombörse EEX mit Sitz in Leipzig notwendig wurde. Alteingesessene Akteure, die mittels hoher Mengen an angebotenem oder nachgefragtem Strom über eine enorme Marktmacht verfügen, bevorzugen immer noch bilaterale Verträge. Die Entscheidung, diese Mengen an die Börse zu bringen, hat nicht nur wesentliche Auswirkung auf den gehandelten Börsenpreis, sondern auch grundsätzlich auf das erfolgreiche Bestehen der Börse. Neue Akteure sind nicht mehr in der Anzahl vorhanden bzw. verfügen nicht über die Größe und Marktanteile, um den Börsenhandel wesentlich zu beeinflussen.

B. Konzeption und Variablenkomplexe I. Konzeption Gegenstand der empirischen Untersuchung ist die Frage,38 ob auf dem Strommarkt ein funktionierender Wettbewerb herrscht. Soweit dies nicht der Fall ist, ist des Weiteren zu untersuchen, welche ordnungspolitische Aufgabe der Staat hat, um die Anforderungen der Stromrichtlinie 2003, insbesondere der Schaffung eines funktionierenden Wettbewerbs im Strommarkt, zu erfüllen. Zur Beantwortung der Untersuchungsfrage werden ein empirischer und ein normativer Untersuchungsansatz verwendet. Gegenstand der empirischen Analyse ist die Untersuchung der Intensität des Wettbewerbs im Strommarkt nach der Liberalisierung anhand ausgewählter Indikatoren. Gegenstand der normativen Untersuchung ist die Darstellung des Ordnungsrahmens sowie die rechtliche und rechtspolitische Bewertung der empirischen Analyse auf Basis des verfassungspolitischen Konzepts der staatlichen Gewährleistungsverantwortung für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben. 1. Empirischer Untersuchungsansatz Als Indikatoren werden Strompreise, Netznutzungsentgelte, das Wechselverhalten der Kunden und der Stromhandel verwendet. Die ersten drei quantita___________ 38

Siehe Teil 1, B. I. 1.

44

1. Teil: Problemstellung, Konzeption, Variablenkomplexe, Methode

tiven Indikatoren werden mit den entsprechenden Preisen, Entgelten und dem Wechselverhalten der Kunden der anderen EU-Mitgliedstaaten verglichen. Diesbezügliche Daten können den EU-Benchmarkingberichten über die Liberalisierungserfolge in den EU-Mitgliedstaaten entnommen werden. Der qualitative Indikator „Stromhandel“ hat eine wesentliche Funktion für den Wettbewerb. Darüber hinaus kann aufgrund der betriebswirtschaftlichen Distributionspolitik 39 und der Wettbewerbstheorie 40 sowie praktischer Erfahrungen die zentrale Bedeutung des Stromhandels für die Wettbewerbsintensität abgeleitet werden. Ein praktischer Aspekt für die Wahl des Indikators „Stromhandel“ resultiert schließlich auch aus der Datenlage für die quantitativen Indikatoren. Kritik wurde hier von einigen Marktteilnehmern in Bezug auf die Aussagekraft der Daten wegen bestehender Strukturunterschiede geäußert. Soweit allerdings die Ergebnisse der verschiedenen Indikatoren, d. h. der quantitativen Indikatoren und des Indikators „Stromhandel“, übereinstimmen, steigt auch die Plausibilität der Untersuchungsergebnisse. Die empirische Analyse untersucht daher die Merkmale des Stromhandels als abhängige Variable und bestehende Handelshemmnisse als unabhängige Variable. Darüber hinaus wird die Prognose aufgestellt, ob bestehende Handelshemmnisse anhand des Ordnungsrahmens, insbesondere des EnWG 2005, beseitigt werden können. 2. Normativer Untersuchungsansatz Der normative Untersuchungsansatz dient der Feststellung der ordnungspolitischen Aufgaben des Staates zur Gewährleistung eines wirksamen Wettbewerbs im Strommarkt. Maßstab hierfür ist die EG-rechtliche Bewertung des EnWG sowie die rechtspolitische Bewertung des geplanten Ordnungsrahmens anhand des verfassungspolitischen Konzepts der staatlichen Gewährleistungsverantwortung. Das verfassungspolitische Konzept der Gewährleistungsverantwortung zielt unter Wahrung von Effizienz, Effektivität, Rechts- und Sozialstaatlichkeit sowie der Demokratie auf eine Verantwortungsteilung zwischen Staat und Gesellschaft. 41 ___________ 39

Siehe hierzu Teil 3, A. II. 1. Siehe hierzu Teil 3, A. II. 41 Das Konzept der Gewährleistungsverantwortung wird ausführlich im Teil 6, A. II. erläutert. 40

B. Konzeption und Variablenkomplexe

45

II. Variablenkomplexe In einem ersten Schritt wird die Wettbewerbsintensität als abhängige Variable untersucht und beschrieben. Diese erfolgt anhand der Indikatoren Strompreise, Netznutzungsentgelte und Wechselverhalten der Kunden. Abbildung 1 stellt die Variablenkomplexe für den Stromhandel dar. Abhängige Variable

Unabhängige Variablen

Merkmale von Marktteilnehmern: • Einstellungen • Qualifikationen • Merkmale von Händlern • Merkmale der Strombörse • Strategisches Handeln

Wettbewerbsintensität

Merkmale staatlicher Akteure: • Aufgaben und Zuständigkeiten • Einstellungen • Ausstattung

• Strompreise

• Netzentgelte • Wechselverhalten • Stromhandel

Regulierungsmerkmale • Bestimmtheit, • Verbindlichkeit, • Transparenz, • Berücksichtigung aller Interessen und • Umsetzbarkeit der Ge- und Verbote und Anreize

Abbildung 1: Variablenkomplexe

Als weiterer Indikator der Wettbewerbsintensität wird der Stromhandel analysiert. Das Erkenntnisinteresse ist hierbei auf die Einflussfaktoren des Stromhandels gerichtet. Bestimmte Einflussfaktoren oder Merkmale haben dabei eine hemmende Wirkung auf den Stromhandel. Diese als Handelshemmnisse bzw. -hindernisse bezeichneten Faktoren sind Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit. Insoweit werden die Handelshemmnisse als unabhängige Variablen erklärt. Auf Basis der empirischen Untersuchung lassen sich die Handelshemmnisse in drei Kategorien einteilen, welche im Teil 5 detailliert erläutert werden. Zum einen handelt es sich um Merkmale der Marktteilnehmer. Des Weiteren fallen Merkmale staatlicher Akteure darunter, schließlich spielt der rechtliche Rahmen eine entscheidende Rolle.

46

1. Teil: Problemstellung, Konzeption, Variablenkomplexe, Methode

1. Merkmale von Marktteilnehmern Unter die Variable „Merkmale von Marktteilnehmern“ fällt die Einstellung der Marktteilnehmer zum Wettbewerb und zum Stromhandel. Des Weiteren spielen die Kenntnisse und Fähigkeiten der Personen, um handeln zu können, eine große Rolle. Das Verhalten der Akteure beim bilateralen Stromhandel und an der Börse, die Organisation des Handelsplatzes und die Geschäftsausrichtung des Marktteilnehmers sind ebenfalls bestimmend für den Stromhandel. Die Frage der Organisation des Handelsplatzes spielt schon deshalb eine wichtige Rolle, da es hier um Handelsbedingungen und -kosten geht, die entscheidend die Teilnahme am Handel beeinflussen. Die Geschäftsausrichtung hat wiederum Einfluss auf das Verhalten des Marktteilnehmers. Wenn bspw. der Handel keine Kernkompetenz des Unternehmens ist, werden andere Risikoerwägungen angestellt, als dies bei Stromhändlern der Fall ist.

2. Merkmale staatlicher Akteure Merkmale staatlicher Akteure werden bei der staatlichen Aufsicht deutlich. Marktteilnehmer können unter der Aufsicht mehrerer Behörden stehen. Soweit der Verkauf oder Kauf von Strom von anderen Akteuren behindert wird, könnte sich dieser an die betroffene Länder-Energieaufsicht oder bei Behinderungen im Netz auch an die Kartellbehörde wenden. Auch bei Kartellbehörden sind entweder die Länder-Kartellbehörden oder das Bundeskartellamt zuständig, je nachdem, ob der Sachverhalt nur ein Bundesland betrifft oder Landesgrenzen überschreitet. Zudem untersteht der Marktteilnehmer der Börsenaufsicht, wenn er an der Strombörse handelt, und er zugleich der Bankenaufsicht nach dem Kreditwesengesetz (KWG), 42 wenn er Termin- oder Optionsgeschäfte betreibt. Letztlich war für Marktteilnehmer die Frage, wer zuständig und Ansprechpartner ist, nicht immer eindeutig zu beantworten. Ob und in welchem Umfang die einzelnen Behörden tätig werden, hängt nicht nur vom rechtlichen Handlungsspielraum, d. h. von den Aufgaben und Zuständigkeiten ab, sondern auch von der Einstellung der Behörde. Daneben spielt die personelle, sachliche und finanzielle Ausstattung der staatlichen Akteure eine wichtige Rolle. ___________ 42

Gesetz über das Kreditwesen i. d. F. der Bekanntmachung vom 9. September 1998 (BGBl. I S. 2776).

C. Methode

47

3. Regulierungsmerkmale Unter Regulierungsmerkmale fällt die Ausgestaltung des rechtlichen Rahmens, der den Handlungsspielraum der Marktteilnehmer auf dem Strommarkt begrenzt und für entsprechende Rechtssicherheit sorgt. Hier spielen die Bestimmtheit, die Verbindlichkeit und Transparenz sowie die Berücksichtigung aller Interessen und die Umsetzbarkeit der entsprechenden Ver- und Gebote sowie Anreize eine bedeutende Rolle. Insoweit hängt die Funktionsfähigkeit des Stromhandels besonders vom Ordnungsrahmen ab. Der Ordnungsrahmen besteht zum einen aus dem EnWG und dem GWB sowie den von den betroffenen Wirtschaftsverbänden entwickelten Verbändevereinbarungen, zuletzt der Verbändevereinbarung II plus. Zum anderen beeinflussen aber auch das Gemeindewirtschaftsrecht und das KWG den Stromhandel. Das Gemeindewirtschaftsrecht, im Kommunalrecht der Länder geregelt, gibt den Rahmen für die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen vor. Hierbei sehen die Bundesländer für Stadtwerke immer noch eine Beschränkung der wirtschaftlichen Betätigung nur auf das Gemeindegebiet vor. Der Bedarf für die Teilnahme am Stromhandel fällt dann gering aus und ist mit höheren Risiken als mit Nutzen behaftet. Das KWG sieht schließlich für alle Akteure, die Finanzdienstleistungen erbringen wollen, eine Erlaubnispflicht nach § 32 KWG vor. Der Handel ohne Erlaubnis ist gemäß § 54 KWG strafbar. Finanzdienstleistungen i. S. d. KWG sind Termin- und Optionsgeschäfte, wie sie regelmäßig im bilateralen Handel und an einer Börse gehandelt werden. Die Erlaubnispflicht bedingt dabei verschiedene – zum Teil kostenintensive – Voraussetzungen. Ob wegen der im Strommarkt bestehenden zeitlichen Trennung von Handelsabschluss und Stromlieferung auch Spotgeschäfte darunter fallen, war lange Zeit umstritten und hat besonders in der Anfangszeit der Börse für große Irritationen und Unsicherheit bei Marktteilnehmern gesorgt.

C. Methode I. Empirische Analyse Die empirische Untersuchung bezweckt die Beschreibung der Wettbewerbsintensität im deutschen Strommarkt. Die Wettbewerbsintensität wird mittels der Indikatoren Strompreise, Netznutzungsentgelte, Wechselhäufigkeit und qualitativ durch den Stromhandel operationalisiert. Die Beschreibung der quantitati-

48

1. Teil: Problemstellung, Konzeption, Variablenkomplexe, Methode

ven Indikatoren Strompreise, Netznutzungsentgelte und Wechselhäufigkeit erfolgt anhand statistischer Daten der Europäischen Kommission. Die Funktionsfähigkeit des Stromhandels wird dagegen mit Hilfe von Experteninterviews, eines Forums an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer (DHV) sowie einer teilnehmenden Beobachtung bei der Strombörse EEX in Leipzig untersucht. 43 1. Experteninterviews a) Sample Erste Informationen konnten durch eine Befragung bei verschiedenen Akteuren erlangt werden. Insgesamt wurden 11 leitfadengestützte Interviews durchgeführt. Das Sample sollte trotz begrenzter Kapazität bei der Auswertung einen Querschnitt der Akteure im Strommarkt bilden. Darüber hinaus sollte möglichst die unterschiedlichen Interessenlagen der Akteure berücksichtigt und erfasst werden. Insoweit wurden Vertreter von Stadtwerken, Stromhandelsgesellschaften, einer Beratungsgesellschaft, der Strombörse, der Industrie und der Börsenaufsicht ausgewählt. Tabelle 1 zeigt eine Übersicht der befragten Akteure. 44 Tabelle 1 Übersicht der Interviews Gesprächspartner 1

MVV AG

2 3

EEX AG RWE Trading GmbH

4

EnBW Stromhandelsgesellschaft mbH

5

Stadtwerke Düsseldorf AG

6

Petro Carbo Chem GmbH

Marktfunktion Stadtwerk (Erzeuger, Netzbetreiber, Versorger) Strombörse Händler/Berater

Gesprächsdatum

Händler/Berater

15.01.2002

Stadtwerk (Erzeuger, Netzbetreiber, Versorger) Händler/Berater

10.10.2000 22.06.2001 13.08.2001

29.10.2002 12.11.2002

___________ 43 Zu den Grundlagen und zum Ablauf einer empirischer Forschung siehe: Rainer Schnell/Paul B. Hill/Elke Esser, Methoden der empirischen Sozialforschung, 6. Aufl., 1999, S. 6ff; eine kurze, aber übersichtliche Darstellung zu den methodischen Ansätzen der empirischen Forschung: Thomas Edeling/Sören Lieske/Karsten Rogas/Roger Sitter/Erhard Stölting/Dieter Wagner, Öffentliche Unternehmen zwischen Privatwirtschaft und öffentlicher Verwaltung, 2001, S. 47 ff. 44 Ein Gespräch mit der hessischen Börsenaufsicht wurde mit dem zuständigen Ministerium begonnen, von diesem aber im Verlauf des Gesprächs ohne Begründung abgebrochen.

C. Methode

49

Fortsetzung der Tabelle 1 7

BASF AG

Industrieller Großverbraucher

15.11.2002

8

Heidelberg Energie GmbH

Industrieller Großverbraucher

20.11.2002

9 Energie Consulting GmbH 10 Bayer AG 11 BP Energie GmbH

Händler/Berater Industrieller Großverbraucher Händler/Berater

21.11.2002 25.11.2002 06.12.2002

aa) Stadtwerke Die befragten Stadtwerke verfügen sowohl über eigene Erzeugungsanlagen als auch über eine Endkundenversorgung. Darüber hinaus betreiben diese Akteure auch eigene Stromnetze. Stadtwerke sind durch das Gemeindewirtschaftsrecht wesentlich in ihrem Aktionskreis beschränkt. Ihr Interesse ist daher vor allem auf die Erhaltung der Marktanteile gerichtet. Sekundäres Interesse ist die Erschließung neuer Marktfelder oder die Ausweitung der eigenen Marktstellung. bb) Händler/ Berater Stromhändler oder Stromhandelsgesellschaften sind Akteure, die nicht über eigene Erzeugungsanlagen oder Stromnetze verfügen. In jedem Fall besteht aber ein hohes Interesse an der Ausnutzung des Wettbewerbs zum eigenen Vorteil. Sofern Stromhandelsgesellschaften in einer Holding integriert sind und hier weitere Funktionsbereiche wie die Erzeugung oder der Netzbetrieb vorhanden ist, dient der Stromhandel aber dennoch dem Kauf und Verkauf von Strom. Im Gegensatz zu einer Stromhandelsgesellschaft im vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmen haben unabhängige Stromhändler nicht die Aufgabe, vorwiegend den in der Holding erzeugten Strom zu verkaufen. Berater handeln nicht selbst mit Strom, kaufen und verkaufen also nicht im eigenen Namen wie Händler. Dennoch übernehmen sie eine wichtige Dienstleistungsfunktion im Strommarkt. Sie verfügen über vielfältige Kontakte, die ihren Kunden eine Geschäftsanbahnung ermöglicht. Zudem können sie den Strombedarf des Kunden ermitteln und für diese eine strukturierte Beschaffung, ein Portfoliomanagement organisieren. Damit wird der Stromeinkauf diversifiziert, d. h. er besteht aus mehreren Quellen, wobei die Stromlieferverträge unterschiedliche Laufzeiten oder Belieferungszeiten enthalten können. Ihre Interessenlage ähnelt der Interessenlage von Händlern. Ihr Interesse liegt darin, dass eine große Anzahl von Anbietern auf dem Markt existiert, die auch unterschiedliche Produkte anbieten, so dass Berater für ihre Kunden entsprechende Vertragspartner suchen können. Dieses geht nur mit einem funktionierenden Wettbewerb einher.

50

1. Teil: Problemstellung, Konzeption, Variablenkomplexe, Methode

cc) Strombörse Die Börse nimmt als einer der zentralen Akteure dieser Untersuchung eine Sonderstellung ein. Die Börse hat keine eigenen Kaufs- und Verkaufsinteressen, denn sie kauft virtuell nur den Strom, den sie sofort wieder verkaufen kann. Es handelt sich um einen neutralen Handelsplatz. Darüber hinaus verfügt die Börse nicht über eigene Erzeugungsanlagen oder Stromnetze, die ausgelastet werden müssten. dd) Industrielle Großverbraucher Die befragten industriellen Großverbraucher kaufen ihren Strom ein und erzeugen diesen zum Teil auch selbst. Aufgrund des hohen Strombedarfs oder der vorhandenen Eigenerzeugungsanlagen besteht zumindest theoretisch die Möglichkeit, dass diese Unternehmen am Stromhandel teilnehmen. Dieses Interesse ist jedoch in jedem Fall den Kernkompetenzen des Unternehmens untergeordnet. Dennoch ist eine sichere und günstige Stromversorgung für diese Unternehmen wesentlich, um im Wettbewerb ihrer Branche bestehen zu können. ee) Aufsichtsbehörden Aufsichtsbehörden haben die Funktion, die Fachgesetze in den einzelnen Wirtschafts- und Lebensbereichen zu vollziehen und deren Einhaltung zu überwachen. Im Strommarkt existieren mehrere Aufsichtsbehörden. Vor der Novellierung des EnWG im Jahr 2005 beaufsichtigten die in den Ländern bestehenden Energieaufsichts- und Landeskartellbehörden sowie das Bundeskartellamt die Netzbetreiber. Nunmehr sind die Bundesnetzagentur und die Landesregulierungsbehörden hierfür zuständig. Im Weiteren sind auf der Bundesebene die Börsenaufsicht und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht im Strommarkt tätig. b) Durchführung der Interviews Zu Beginn der Untersuchung wurden zunächst explorative Interviews durchgeführt. Auf deren Basis wurde ein Interviewleitfaden angefertigt, 45 der die Grundlage für die weiteren Interviews darstellte. Im Jahr 2002 wurden dann Gespräche in Form einer strukturierten Befragung geführt. Die Gesprächsdauer ___________ 45

Zur Planung und zum Entwurf von Fragebögen: Schnell et al. (Fn. 43), S. 303 ff.

C. Methode

51

betrug im Durchschnitt 90 Minuten, das längste Interview betrug knapp drei Stunden. Der verwendete Interviewleitfaden, der sich im Anhang dieser Arbeit befindet, orientierte sich an den zu untersuchenden Variablen und enthielt im Durchschnitt 40 Fragen, die je nach Akteur in geringem Umfang modifiziert wurden. Zur Auswertung der Interviews wurden die Gespräche mitgeschnitten, transkribiert und entsprechend der Untersuchungsvariablen im Textanalyseprogramm „WinMax“ vercodet. Den Codeworten konnten sodann die Textpassagen zugeordnet und die einzelnen Aussagen verglichen werden. 2. Teilnehmende Beobachtung Des Weiteren fand eine teilnehmende Beobachtung 46 des Handelsablaufs an der Strombörse EEX in Leipzig statt. Ziel dieser Datenerhebung war, den Ablauf des Spot- und Terminhandels kennen zu lernen und zu beobachten. Hierzu wurden auch Gespräche mit Vertretern der Strombörse und Handelsteilnehmern durchgeführt und entsprechende Gesprächsnotizen gefertigt. Die teilnehmende Beobachtung wurde im Sommer 2002 durchgeführt und dauerte zwei Tage. 3. Forum „Stromhandel und staatliche Ordnungspolitik“ Schließlich konnte das Forum „Stromhandel und staatliche Ordnungspolitik“ am 24. und 25. Juni 2002 an der DHV in Speyer als Forschungsmittel zur Datenerhebung genutzt werden. Thema des Forums war die Frage nach der Verantwortung des Staates für das Funktionieren des Wettbewerbs im Strommarkt. Hierzu wurde referiert und diskutiert, inwieweit Wettbewerb im Strommarkt existiert und welche Rolle der Stromhandel innehat. Des Weiteren waren die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Erfahrungen ausländischer Akteure bei der Liberalisierung Gegenstand der Diskussionen. Zweck des Forums war schließlich auch der Erfahrungsaustausch der Experten über Hindernisse und Probleme im Strommarkt, insbesondere beim Stromhandel. Das Forum ermöglichte es, in einem relativ kurzen Zeitraum eine große Anzahl von Experten über deren Erfahrungen und Vorstellung zur Ordnungspolitik zu befragen. Zudem referierten die Teilnehmer nicht nur zu den Kernfragen dieser Untersuchung, sondern diskutierten auch untereinander und präsentierten ihre Erfahrungen. Demgemäß wurden auch Akteure verschiedener Institutionen ___________ 46 Vgl. Schnell et. al. (Fn. 43), S. 358 ff.; Andreas Diekmann, Empirische Sozialforschung, 11. Aufl., 2004, S. 469 ff.; Helmut Kromrey, Empirische Sozialforschung, 10. Aufl., 2002, S. 336ff.

52

1. Teil: Problemstellung, Konzeption, Variablenkomplexe, Methode

eingeladen, die einen Querschnitt der verschiedenen Akteursgruppen und Interessenvertreter im Strommarkt aufweisen sollten.47 Die Vorträge der Referenten sowie die transkribierte Podiumsdiskussion wurden ebenfalls entsprechend der Untersuchungsvariablen im Textanalyseprogramm „WinMax“ vercodet. Sodann konnten den Codeworten die Textpassagen zugeordnet werden, was eine Vergleichbarkeit mit den Interviews ermöglichte.

II. Normative Analyse Für die normative Untersuchung werden die Rechtsnormen sowie die Sekundärliteratur analysiert. Dabei wird die wirtschafts- und rechtswissenschaftliche Literatur über Wettbewerb, Handel, Börsenwesen und Börsenrecht sowie die verwaltungswissenschaftliche Literatur zur Thematik der Steuerung, Regulierung und der Gewährleistungsverantwortung einschließlich der Verantwortungsteilung zwischen Staat und gesellschaftlichen Akteuren ausgewertet.

___________ 47 Eine Übersicht der teilnehmenden Institutionen befindet sich im Anhang 2. Die Vorträge sowie die Podiumsdiskussion wurden in einem Tagungsband veröffentlicht, siehe Bohne (2003), (Fn. 31).

2. Teil

Der rechtliche Ordnungsrahmen des Strommarktes Initialzündung für die Liberalisierung des Strommarktes war die EGRichtlinie 96/92/EG vom 19. Dezember 1996 betreffend gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt. Vorangegangen war eine jahrelange – auf europäischer Ebene geführte – Diskussion um die Einführung von Wettbewerb in der leitungsgebundenen Stromwirtschaft, bei der besonders Deutschland bis zuletzt eine zurückhaltende bis abwehrende Position einnahm. In Deutschland herrschte die Ansicht, dass sich die seit Jahrzehnten bestehende Struktur 48 bewährt habe. Aufgrund technischer Restriktionen und ökonomischer Besonderheiten, insbesondere der Nichtspeicherbarkeit und der Leitungsgebundenheit von Strom, seien nicht nur Gebietsabsprachen für die Energiewirtschaft unabdingbar, 49 sondern der Staat müsse als Korrelat für den fehlenden Wettbewerb über umfassende Eingriffsmöglichkeiten verfügen.

A. Die monopolistische Stromwirtschaft Der Einfluss des Staates auf alle Angelegenheiten der öffentlichen Energieversorgung wurde durch das Energiewirtschaftsgesetz aus dem Jahr 1935 begründet. 50 Entsprechend der Präambel sollten „im Interesse des Gemeinwohls“ die „volkswirtschaftlich schädliche[n] Auswirkungen des Wettbewerbs“ verhindert werden. Ziel der Ausschaltung des Wettbewerbs war die Gestaltung ei___________ 48 Zur Entwicklung der Elektrizitätsversorgung in Deutschland: Wolfgang Löwer, Energieversorgung zwischen Staat, Gemeinde und Wirtschaft, 1989, S. 35–108. 49 Ulrich Büdenbender, Zur Notwendigkeit geschlossener Versorgungsgebiete in der leitungsgebundenen Versorgungswirtschaft, ET 1978, S. 735, 737 ff.; Jürgen F. Baur, Abbau der Gebietsschutzverträge und Durchleitungspflicht – Mittel zur Verbesserung der Versorgung?, in: Jürgen F. Baur/Rudolf Lukes, Geschlossene Versorgungsgebiete, Versorgungssicherheit oder Wettbewerb, 1979, S. 30 ff., im Folgenden Baur (1979); Bodo Börner, Reform des Energierechts und Natur der Sache, 1971, S. 13 ff., 30. 50 Gesetz zur Förderung der Energiewirtschaft vom 13. Dezember 1935 (RGBl. I S. 1451) in der Fassung vom 19. Dezember 1977 (BGBl. I S. 2750), im Folgenden EnWG 1935.

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2. Teil: Der rechtliche Ordnungsrahmen des Strommarktes

ner sicheren und billigen Energieversorgung. Die dirigistischen Eingriffe, die sich durch eine umfangreiche „Struktur- und Verhaltenskontrolle“ 51 auszeichneten, die Einschränkung der Dispositionsfreiheit der Unternehmer und damit die Verhinderung freier Preisbildung wurden mit den Besonderheiten in der Stromwirtschaft begründet. 52

I. Die Besonderheitenlehre in der Stromwirtschaft Im Wesentlichen stützte sich diese Auffassung auf Argumente zum Schutz der Versorgungssicherheit und Preiswürdigkeit. Zum einen stellt das Transportund Verteilernetz ein natürliches Monopol dar. Unter einem natürlichen Monopol wird eine Marktsituation verstanden, in der ein einzelner Anbieter den gesamten Markt zu geringeren Kosten beliefern kann als mehrere Anbieter. 53 Es wurde nun die Befürchtung gehegt, dass trotz der kostengünstigeren Bereitstellung des Netzes durch einen Netzbetreiber sich mit Einführung eines brancheninternen Wettbewerbs die Leitungsnetze verdoppeln würden. Dann wäre eine Auslastung der Netze nicht mehr gewährleistet, was zu einer Erhöhung der Kosten für die Energieversorgung führen würde, weil Kunden die fixen Kosten tragen müssten. Damit wäre das Ziel der Preisgünstigkeit nicht mehr gewahrt. 54 Gleiches Ergebnis sei aufgrund mangelnder Planungssicherheit in einer wettbewerblichen Ordnung zu erwarten. Die kapitalintensive Stromversorgung mache aber eine ausreichende Planungssicherheit erforderlich. Dies lasse sich nur mit wettbewerbsbeschränkenden Maßnahmen erreichen, die das Investitionsrisiko vermindern. 55 Des Weiteren wurde aufgrund der fehlenden Speicherbarkeit des Stroms eine ausreichende Reservekapazität für notwendig erachtet, welche Nachfrageund Angebotsschwankungen ausgleichen und damit die Versorgungssicherheit gewährleisten sollten. 56 Diese Reservekapazität wurde jedoch nur dann als ge___________ 51

Jürgen F. Baur, Entstehung und Wandel des Energierechts, in: ders. (Hrsg.), Europarecht, Energierecht, Wirtschaftsrecht, Festschrift für Bodo Börner, 1992, S. 487, 488, im Folgenden Baur (1992). 52 Büdenbender (Fn. 49), S. 737 ff.; Baur (1979) (Fn. 49), S. 30 ff.; Börner (Fn. 49), S. 13 ff., 30; ausführlich zur Besonderheitenlehre und deren Kritik: Deregulierungskommission (Fn. 15), Rnr. 265ff, 274–285. 53 Vgl. Ingo Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, 7. Aufl., 2001, S. 36 f. 54 Deregulierungskommission (Fn. 15), Rnr. 274. 55 Deregulierungskommission (Fn. 15), Rnr. 274. 56 Die großflächigen Stromausfälle in den USA sowie in weiten Teilen Europas im Jahr 2003 ließen Zweifel aufkommen, ob die Versorgungssicherheit in Deutschland gewährleistet sei, da ja die meisten Energieversorgungsunternehmen zwar faktisch, aber

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sichert angesehen, wenn der Bestand an Kunden bekannt sei, was wiederum geschlossene Versorgungsgebiete voraussetze. 57 Im Ergebnis wurde ein Versagen des Wettbewerbs auf dem gesamten Strommarkt konstatiert. Die Ausschaltung des Wettbewerbs und damit der Ausschluss des Lieferantenwechsels durch Kunden erfolgte gemäß § 103 GWB a. F. durch die Freistellung vom Verbot wettbewerbsbeschränkender und preisbindender Verträge nach den §§ 1, 15 und 18 GWB a. F. Die Freistellung erstreckte sich somit auf die Demarkationsverträge, ausschließliche Konzessionsverträge, aber auch auf Höchstpreisbindungen oder Verbundverträge. 58 Ausgehend von diesen Einschränkungen bezüglich des Marktzugangs existierten Strukturen, die von einer hohen Konzentration in den einzelnen Funktionsstufen gekennzeichnet waren. 59 Mittels Kapital- und Lieferverflechtungen eliminierten die Energieversorgungsunternehmen externe Unsicherheiten durch Abhängigkeiten, sodass im Ergebnis kein brancheninterner Wettbewerb entstehen konnte. Folge der monopolistischen Struktur waren mangelnde Anreize zu einer Kosten sparenden Stromerzeugung, ein hohes Preisniveau sowie hohe Gewinne, die eine zunehmende Betätigung in branchenfremden Bereichen, bspw. der Entsorgungswirtschaft, ermöglichte. 60

II. Die Struktur der deutschen Stromwirtschaft vor der Liberalisierung Zur deutschen Stromwirtschaft gehören neben der öffentlichen Stromwirtschaft die industrielle Kraftwirtschaft, die Stromversorgung der Deutschen Bahn AG und Eigenerzeuger. ___________ nicht mehr rechtlich über ihre angestammten Versorgungsgebiete verfügen. Entweder ist hier ein Bewusstseinswandel eingetreten oder die Energieversorgungsunternehmen sind sich ihrer Marktstellung und Kapazitäten sicher. 57 Ulrich Büdenbender, Energierecht, 1982, S. 13 ff.; Lars Kumkar/Axel D. Neu, Nach beschlossener Marktöffnung auch Wettbewerb in der Elektrizitätswirtschaft?, 1997, S.68 ff. 58 Ausführlich zu den einzelnen Vertragsinhalten: Jürgen Pfeiffer, Stromdurchleitungen nach deutschem, europäischem und amerikanischem Recht, 1996, S. 26 ff.; Evers (Fn. 15), S. 175 ff., 199 ff.; Helmut Gröner, Die Ordnung der deutschen Elektrizitätswirtschaft, 1975, S. 338 ff. 59 Siehe Gröner (Fn. 58), S. 51 ff.; Monopolkommission, Mehr Wettbewerb ist möglich, 1. Hauptgutachten 1973/1975, 1976, Rnr. 710, 713 ff., im Folgenden Monopolkommission (1976); Johann-Christian Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, 2001, S. 577 f. 60 Monopolkommission, Mehr Wettbewerb auf allen Märkten, 10. Hauptgutachten 1992/1993, 1994, Rnr. 739, im Folgenden Monopolkommission (1994).

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2. Teil: Der rechtliche Ordnungsrahmen des Strommarktes

Unter der öffentlichen Stromversorgung ist die Stromversorgung Dritter, d. h. privater Haushalte, Industrie, Handel und Gewerbe, Verkehr, Landwirtschaft und öffentlicher Einrichtungen, zu verstehen. Dementsprechend nimmt sie auch den größten Anteil an der Stromerzeugung ein. Charakteristisches Merkmal für die öffentliche Stromversorgung ist eine dezentrale und pluralistische Struktur. Sowohl die Erzeugungsanlagen als auch die Übertragungs- und Verteilernetze waren in der Hand von verschiedenen privaten, öffentlichen oder gemischtwirtschaftlichen (öffentlich-privaten) 61 Unternehmen. Die Stromversorgung lag in den Händen von gut 1000 Energieversorgungsunternehmen, darunter Verbundunternehmen, regionale und lokale Unternehmen (bspw. Stadtwerke), die in der Regel vertikal integriert waren. 62 Die funktionelle Struktur der deutschen Stromwirtschaft gliederte sich, wie Abbildung 2 (nächste Seite) schematisch zeigt, in drei Bereiche: die Erzeugung, den großräumigen und regionalen Transport und die lokale Verteilung an den Endverbraucher. In Anlehnung an diese Wertschöpfungskette strukturierte sich die Stromwirtschaft wirtschaftlich in Verbund-, Regional- und Lokalunternehmen. Diese Unternehmen verfügten jeweils über Stromnetze und Kunden. Eine Trennung der Stromlieferung von der Netznutzung erfolgte nicht. Die Verbundunternehmen sind Eigentümer und Betreiber von Erzeugungsanlagen und Übertragungsnetze. Sie errichteten ein großräumiges Verbundnetz und betreiben den Stromaustausch mit dem Ausland. Sie beliefern Regionalund Lokalunternehmen und zum Teil auch Endverbraucher mit Strom. 63 Die ca. 80 Regionalunternehmen sind teilweise selbst Erzeuger, teilweise werden sie von Verbundunternehmen oder anderen Regionalunternehmen mit Strom beliefert. Die Regionalunternehmen verfügen dabei über Mittelspannungs-, aber auch Niederspannungsnetze und liefern Strom sowohl an lokale

___________ 61 Gemischt – öffentlich – privatwirtschaftliche Unternehmen verfügen über privates Kapital von weniger als 75 % und öffentliches Kapital von weniger als 95 %; HansWilhelm Schiffer, Energiemarkt Bundesrepublik Deutschland, 6. Aufl., 1997, S. 161, im Folgenden Schiffer (1997). 62 Stand 1996, Schiffer, 1997, (Fn. 61); S. 147; trotz Fusionen hat sich die Anzahl der Energieversorgungsunternehmen nicht wesentlich verändert, was vor allem am Eintritt neuer Teilnehmer auf dem Markt liegt, vgl. Hans-Wilhelm Schiffer, Energiemarkt Deutschland, 8. Aufl., 2002, S. 164 f., im Folgenden Schiffer (2002). 63 Die bis zur Liberalisierung existierenden neun Verbundunternehmen waren: RWE Energie AG, PreussenElektra AG, VEW Energie AG, Bayernwerk AG, Badenwerk AG, Energie-Versorgung Schwaben AG, Hamburgische Electricitäts-Werke AG, Berliner Kraft- und Licht-AG sowie die VEAG Vereinigte Energiewerke AG; Schiffer (1997) (Fn. 61), S. 151 ff.

A. Die monopolistische Stromwirtschaft

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Energieversorgungsunternehmen als auch Endverbraucher. 64 Dabei wurden in der Regel städtische und ländliche Gebiete zu einem Versorgungsgebiet zusammengefasst, sodass bei gleich bleibendem Strompreis die Unterschiede im Strombezug zwischen Stadt und Land ausgeglichen werden konnte. 65 Kraftwerk

Kraftwerk

Kraftwerk

Kraftwerk

Übertragungsnetze (Höchst- und ggf. Hochspannungsnetze 380 kV – 220 kV, ggf. 110 kV)

Transport

Verteilungsnetze (Hoch, Mittel- und Niederspannung; 110 kV, 20 kV -