Staub’s Kommentar zum Handelsgesetzbuch. Band 3 §§ 343–375: (Zitiermethode: Staub-Koenige) [12. und 13. Aufl. Reprint 2019] 9783111579658, 9783111207049

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Staub’s Kommentar zum Handelsgesetzbuch. Band 3 §§ 343–375: (Zitiermethode: Staub-Koenige) [12. und 13. Aufl. Reprint 2019]
 9783111579658, 9783111207049

Table of contents :
Inhaltsverzeichnis des dritten Bandes
Drittes Buch. Handelsgeschäfte
Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften
§ 343
§ 344
§ 345
§ 346
Anhang zu § 346
§ 347
§ 348
Anhang zu § 348
§ 349
Anhang zu § 349
§ 350
§ 351
§ 352
§ 353
§ 354
§ 355
§ 356
§ 357
Anhang zu § 357
§ 358
§ 359
Anhang zu § 359
§ 360
§ 361
Anhang zu § 361
§ 362
§ 363
Anhang zu § 363
§ 364
§ 365
Anhang zu § 365
§ 366
§ 367
§ 368
Vorbemerkung vor § 369
§ 369
§ 370
§ 371
§ 372
Anhang zu § 372
Zweiter Abschnitt. Handelskauf
Vorbemerkung vor § 373
§ 373
§ 374
Anhang zu § 374
§ 375
Berichtigungen und Ergänzungen

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Staub's Kommentar zum

Handelsgesetzbuch. 12. und 13. Auflage. Bearbeitet von

lli'.k.o. Heinrich Koenige, Albert Pinner, v?. Felix Bondi, Senatspräsident am Reichsgericht i.R.,

Justizrat,

Geheimer Justizrat.

Dritter Band. §§ 343—375.

(Zitiermethode: Staub-Koenige.)

Berlin und Leipzig 1926. Walter de Gruyter & Co. vormals G. I. Göschen'sche Verlagshandlung — I. Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl I. Trübner — Veit & Lomp.

Ä do Roßberg'sche Buchdruckerei, Leipzig

Inhaltsverzeichnis des dritten Bandes.

(88 343-875.) Seite

Drittes Buch. Handelsgeschäfte. Erster Abschnitt. Allgemeine Vorschriften. § 343. § 344.

§ 345. § 346.

Anhang I.

II. § 347.

§ 348. Anhang § 349.

Anhang

§ 350. § 351. 8 352. § 353. 8 354.

Z 355. 8 356.

Die Handelsgeschäfte..................... 1 Vermutungen für die Zugehörigkeit der Rechtsgeschäfte eines Kauf­ manns zum Handelsbetriebe ... 8 Einseitige Handelsgeschäfte .... 12 Handelsgewohnheitenund Gebräuche, Auslegung von Willenserklärungen, Geschäftsbedingungen. Einrede der Arglist...................................................... 14 zu § 346. Unsittliche Geschäfte: Bierabnahme­ vertrag ; Warenbezugsverträge, Knebelungsverträge, Schweigevertrag, Schmiergelder, Abhalten vom Bieten, Ausschreibungen. Scheingeschäfte. Ehrenwort. Ein- und Ausfuhrver­ bote. Handelsbeschränkungen. Streik. Boykott. Aussperrungen. Tarif­ vertrag. Kartelle..................................40 Erzwingung des Bertragsschlusses und von Freizeichnungen..................... 85 Sorgfalt eines ordentlichen Kauf­ manns, Culpa in contrahendo. Fol­ gen einer Verletzung dieser Sorgfalts­ pflicht. Mitwirkendes Verschulden. 89 Vertragsstrafe....................................114 zu § 348. Draufgabe, Reugeld, Stel­ lagegeschäft. Nochgeschäft. Die Prä­ miengeschäfte ........................................136 Bürgschaft............................................140 Schuldmitübernahme........................... 184 Eintritt in ein Schuldverhältnis . 186 Kreditauftrag........................................187 Kreditvertrag........................................190 Kreditbrief............................................191 Garantievertrag....................................193 Kreditversicherung................................197 zu § 349. Rat, Empfehlung und Aus­ kunft ................................................. 197 Form der Handelsgeschäfte und die Folgen der Beobachtung sowie der Nichtbeobachtung der Form . . . 227 Geschäfte des Minderkaufmanns . 305 Höhe der gesetzlichen und vertrags­ mäßigen Zinsen im Handelsrecht . 306 Recht auf Zinsen. Hinterlegung . 312 Anspruch des Kaufmanns auf Pro­ vision und Lagergeld sowie Entgelt für Mühewaltung, Darlehen, Vor­ schüsse und Auslagen.................... 318 Das Kontokorrentverhältnis . . . 325 Fortbestand von Sicherheiten für Einzelforderungen.............................

Seite Pfändung derAnsprüche eines Konto­ korrentbeteiligten .............................. 354 Anhang zu § 357. Die offene oder uneigent­ liche laufende Rechnung....................356 § 358. Die Erfüllungszeit bei Handels­ geschäften................................................ 361 § 359. Besondere Zeitbestimmungen; Früh­ jahr — Herbst — Messezeit usw. . 363 Anhang zu § 359. Die Erfüllungszeit . . 364 § 360. Begriff der Gattungsware. Klauseln „tel quer* und „wie besehen" . . 378 § 361. Maß, Gewicht, Währung, Zeitrech­ nung, Entfernungen............................ 382 Anhang zu 8 361. Das Zustandekommen des Vertrages. Antrag; Annahme. Offert­ vertrag. Vorvertrag, Punktation, Traktate................................................ 393 § 362. Schweigen als Annahme des Ver­ tragsantrags ........................................ 467 Insbesondere § 663 BGB. . . . 472 § 363. Tie kaufmännische Anweisung. Der kaufmännische Berpfltchtungsschein. Schuldverschreibungen. Lieferschein. Freigabeschein. Bezugsschein. . . 473 Anhang zu § 363. Der Girovertrag. Das Do­ kumentenakkreditiv ................................497 § 364. Das Indossament................................ 533 § 365. Form des Indossaments und Legiti­ mation des Besitzers. Abhanden ge­ kommene und vernichtete Order­ papiere.................................................... 545 Anhang zu § 365. Bon den Rekta- und Jnhaberpapieren u. ähnlichen Papieren 553 8 366. Der gutgläubige Eigentums- und Pfanderwerb an beweglichen Sachen und Jnhaberpapieren........................566 § 367. Der gutgläubige Eigentums- und Pfanderwerb an gestohlenen und abhanden gekommenen Jnhaber­ papieren insbesondere ........................ 623 § 368. Die Verwertung des Pfandes durch Pfandverkauf........................................ 627 I. Gegenstand des Pfandrechts . . . 627 II. Art der Bestellung des Pfandrechts 630 III. Schutz des gutgläubigen Pfand­ erwerbs ................................................ 640 IV. Wirkung des Pfanderwerbs . . . 641 V. Irreguläres Pfandrecht................ 674 VI. Die gesetzlichen Pfandrechte ... 675 VII. Sicherheitsübereignung. Diskontie­ rung von Buchforderungen.... 677 VIII. Abtretung zur Einziehung. Inkasso 703 Vorb. vor § 369. Das Zurückbehaltungsrecht des BGB................................................709 § 369. Das kaufmännische Zurückbehaltungs­ recht ........................ 724 § 370. Das kaufmännische Notzurückbehal­ tungsrecht ............................................ 748 § 357.

IV

Inhaltsverzeichnis des dritten Bandes.

Seite § 371. Befriedigung aus der zurückbehal­ tenen Sache.......................................... 749 § 372. Befriedigung beim Eigentumswechsel 756 Anhang zu § 372: I. Der Erfüllungsort. Faktura, Kom­ missionskopie, Bestellschein, Kataloge, Preislisten, Bestätigungsschreiben, Schlußscheine.......................................... 757 II. Die Zeit der Erfüllung. Nachnahme. Netto Kasse.............................................. 810 III. Der Bestimmungsort der Leistung, insbesondere bei Geldzahlung. Die Lehre von der Geldübersendungs­ pflicht. Banküberweisung. Kauf einer Auszahlung. Quittung. Schuldschein 821

1. a)

b)

Zweiter Abschnitt. Handelskauf. Vorb. vor § 373. Allgemeines über den Handelskauf. I. 1. Vorbemerkung. 2. Tausch . . 849 II. 1. Wesen des Handelskaufs. Conta - a - meta ■ Geschäft. Baratto­ geschäft. Verkauf der Praxis, Ge­ schäftskauf. 2. Kauf von Devisen. 3. Das Zeitschriftenabonnement. 4. Der Reklamevertrag. 5. Der Jnseratenvertrag. 6. Der Fernsprechan­ schluß. 7. Lieferungsvertrag. 8. Der Werklieferungsvertrag. 9. Der Elektrizitätslieferungsvertrag. 10. Gas-, Wasser- und Dampflieferungsver­ träge. 11. Gemischte Verträge . . 851 III. Abschluß des Handelskaufs. 1. Form. 2. Personen. 3. Willens­ erklärung. 4. Bestimmung von Preis und Ware. Arbitrage, Markt- und Börsenpreis in normalenund in anor­ malen Zeiten. Preistreiberei, Höchst­ preise, Preiswucher, unlautere Ma­ chenschaften, Kettenhandel .... 867 IV. Arten des Kaufs. 1. Barkauf. 2. Kreditkauf. 3. Sicherungskauf. 4. Hoffnungskauf..................................895 V. Verpflichtungen aus demKaufv ertrag. 1. Pflicht des Verkäufers, die Sache zu übergeben und das Eigentum zu verschaffen. Kauf einer fremden Sache. Kauf der eigenen Sache. 2. Pflicht des Käufers zur Kaufpreiszahlung. Vorauszahlung. Verrechnung. Barzahlung. Zahlung in Wechseln und Schecks. Wechsel­ remboursgeschäft. Vinkulationsgeschäft. 3. Die Abnahmepflicht des Käufers.................................................. 910 VI. Der Verzug...................................... 956 VII. Prozessuale Fragen. Klageantrag. Gerichtsstand. Urteil..........................956 VIII. Beweislast.......................................... 975 § 373. Selbsthilfeverkauf bei Annahmever­ zug des Käufers..................................978 5 374. Die weiteren Befugnisse des Ver­ käufers nach dem BGB. beim An­ nahmeverzug des Käufers .... 1021 Anhang zu § 374. Verzug. Positive Ver­ tragsverletzung. Geldentwertung . 1024 I. Erfüllungsverzug des Käufers und des Verkäufers.................................... 1024 A. Der Verzug, ehe ein Teil erfüllt hat: Einleitung: Die Gesetzesvorschriften; das dreifache Wahlrecht des nicht-

2. a)

b)

3.

4.

B. C.

D.

E. F. G.

H. II. III.

A. B. C. D.

E. F. § 375.

Seite säumigen Teils; Kauf des Kontrakts; Vertragsanschluß; das vertrags­ mäßige Rücktrittsrecht; die kassatori­ sche Klausel; die Fixgeschäfte des täglichen Lebens................................ 1024 Voraussetzungen und Inhalt des Wahlrechts des Verkäufers bet Verzug des Käufers............................ 1032 Voraussetzung: schuldhafterZahlungsverzug des Käufers, Borbehaltszahlung, Mahnung und Ausstehen der Leistung des Verkäufers....................1032 Inhalt: das Recht auf Erfüllung und Schadensersatz wegen verspäteter Er­ füllung: Schadensersatz wegen Nicht­ erfüllung in abstrakterund in konkreter Berechnung; Rücktritt; Zurückbehal­ tungsrecht; Einrede des nichterfüll­ ten Vertrages.................................... 1051 Voraussetzungen und Inhalt des Wahlrechts des Käufers bei Verzug des Verkäufers. Voraussetzung: schuldhafte Unter­ lassung der Übergabe; Mahnung . 1069 Inhalt: Recht auf Lieferung und Schadensersatz wegen verspäteter Er­ füllung: Schadensersatz wegen Nicht­ erfüllung in ab strakterund in konkreter Form; Rücktritt; Zurückbehaltungs­ recht; Einrede des nichterfüllten Ver­ trages .................................................... 1091 Ausübung des Wahlrechts bei Verzug des Käufers und des Verkäufers. Ziel des Wahlrechts. Fristbestimmung nach Form und Inhalt (Erfüllungsweige­ rung). Androhung der Ablehnung der Leistungsannahme. Tlblauf der Frist. Ausnahme von Fristsetzung und An­ drohung ................................................ 1111 Wirkungen des ausgeübten Wahl­ rechts. Endgültige Wahl. Heilung des Verzugs........................................ 1135 Der Verzug, wenn der Nichtsäumige ganz oder teilweise erfüllt hat . . 1144 Die Sukzessivlieferungsgeschäfte und ähnliche Rechtsformen........................1147 Verwirkung der Rechte aus dem Ver­ zug durch illoyal verspätete Geltend­ machung ................................................ 1160 Der Verzug nach rechtskräftiger Ver­ urteilung zur Erfüllung................... 1163 Der Verzug im Falle des Todes des Verpflichteten.................................... 1168 Verzug in Erfüllung anderer Ver­ pflichtungen außer der Übergabe der Ware und der Zahlung des Kauf­ preises. Abnahmeverzug....................1170 Der Verzug im Konkurse .... 1176 Positive Vertragsverletzungen . . 1176 Einwirkung der Geldentwertung auf schwebende Verträge............................ 1199 Einleitung............................................ 1200 Die Aufwertung im allgemeinen . 1204 Die Aufwertung bei gegenseitigen Verträgen............................................ 1209 Die Aufwertung bei einseitigen Schuldverhältnissen............................ 1221 Die Einwirkung der Geldentwertung auf Schadensersatzansprüche. . . . 1226 Die Einwirkung der Geldentwertung auf Bereicherungsansprüche. . . . 1231 Spezifikationskauf................................1234

Drittes Buch.

Handelsgeschäfte. Erster Abschnitt.

Allgemeine Vorschriften. § 343.

§ 343.

Handelsgeschäfte sind alle Geschäfte eines Kaufmanns, die zürn Betriebe seines Handelsgewerbes gehören. Die tttt § 1 Abs. 2 bezeichneten Geschäfte sind auch dann Handelsgeschäfte, wenn sie von einen: Kaufmann im Betriebe seines gewöhnlich auf andere Geschäfte gerichteten Handelsgewerbes geschlossen werden. I. Die Bedeutung des vorliegenden Paragraphen im allgemeinen. Anm. 1. Der vorliegende Paragraph gibt die Begriffsbesttmmung der Handelsgeschäfte. Die §§ 1 und 2 geben nicht die Begriffsbestimmung der Handelsgeschäfte an, sondern sie bestimmen, welche Geschäfte die Grundlage eines Handelsgewerbes bilden können: Wer jene Geschäfte gewerbsmäßig abschließt, betreibt, sei es ohne weiteres, sei es bei hinzukommender Eintragung, ein Handelsgewerbe; und wer ein Handelsgewerbe be­ treibt, ist Kaufmann. Im Anschluß hieran wird nun im vorliegenden Paragraphen gesagt: Die Ge-Anm.2. schäfte eines Kaufmanns, welche zu seinem Handelsgewerbe gehören, sind Handelsgeschäfte. Jedes Geschäft wird also dadurch, daß es im Betriebe eines Handelsgewerbes abgeschlossen wird, ein Handelsgeschäft. Welcher Art mich das Geschäft sein möge, es ist ein Handelsgeschäft, wenn es im Betriebe eines Handelsgewerbes abgeschlossen ist (auch Grundstücksgeschäfte, unten Anm. 22). Und umgekehrt: welcher Art ein Geschäft auch sein mag, es ist kein Handelsgeschäft, wenn es nicht im Betriebe eines Handelsgewerbes abgeschlossen ist. Die Geschäfte eines Nichtkaufmanns sind also niemals Handelsgeschäfte. Absolute Handelsgeschäfte, wie im früheren Recht, gibt es nicht mehr; kein Ge-Anm.3. schäft ist um seiner selbst willen Handelsgeschäft, sondern nur, wenn es im Betriebe eines Handelsgewerbes abgeschlossen wird. Die früheren absoluten Handelsgeschäfte (des Art. 271) sind mit den früheren relativen Handelsgeschäften (des Art. 272) vereinigt und bis auf geringe Abänderungen zu Handelsgrundgeschäften nach § 1 gemacht, d. h. zu Geschäften, welche die Grundlage eines Handelsgewerbes zu bilden geeignet sind, deren gewerbsmäßiger Betrieb ein Handelsgewerbe ist und den Betreffenden zum Kaufmann macht. Außerdem aber ist eine weitere unbegrenzte Zahl von Handelsgrundgeschäften dadurch geschaffen, daß nach § 2 jedes gewerbliche Unternehmen, wenn es nach Art und Umfang kaufmännische Einrichtungen erfordert (§ 2 Anm. 7), bei hinzukommender Eintragung ein Handelsgewerbe und sein Inhaber Kaufmann ist. Liegt ein Handels­ gewerbe nach § 1 oder nach § 2 vor (in letzterem Falle also auch Eintragung, ohne diese ist es kein Handelsgewerbe; § 2 Anm. 11), dann sind (das bestimmt der vorliegende ParaStaub, HGB., 12. u. 13. Aufl. Bd. HE. (Koenige.) 1

2 § 343.

Anm. 4.

Anm. 5.

Anm. 6.

Anm. 7.

Anm. 8.

Anm. 9.

I. Abschnitt: Allgemeine Vorschriften. graph) alle Geschäfte, die zu dem betreffenden Handelsgewerbe gehören, Handels­

geschäfte. Damit sind aber nicht nur die Geschäfte gemeint, welche die Grundgeschäfte des betreffenden Handelsgewerbes sind, durch deren Betrieb das Gewerbe ein Handels­ gewerbe wird, sondern auch alle Neben- und Hilfsgeschäfte dieses Gewerbes, die sog. akzessorischen Handelsgeschäfte (vgl. das Folgende). II. Die einzelnen Bestandteile der Begriffsbestimmung der Handelsgeschäfte. 1. Ein HandelSgewerbe muß es sein, dem das Geschäft zugehört. a) Der Begriff des Handelsgewerbes richtet sich zunächst nach §§ 1 und 2: die Ge­ schäfte eines Kaufmanns kraft Gewerbes (gemäß § 1) sind Handelsgeschäfte und ebenso die Geschäfte eines Kaufmanns kraft Betriebsart des Gewerbes und Eintragung (ge­ mäß § 2); vgl. § 1 Anm. 31. o) Selbstverständlich greifen auch die Ausnahmen des § 3 Platz (die landwirtschaftlichen Hauptgewerbe sind keine Handelsgewerbe, auch wenn ihr Gegenstand in reinen Handels­ grundgeschäften besteht, und die landwirtschaftlichen erheblichen Nebengewerbe nur dann, wenn der Inhaber sich aus freiem Willen zur Eintragung entschließt). c) Dagegen gehören auch die Gewerbe der Minderkaufleute dazu; denn auch diese sind Kaufleute, ihre Gewerbe Handelsgewerbe, ihre Geschäfte also Handelsgeschäfte (§ 4 Anm. 28). Hinzuzufügen ist, daß auch die Weiterveräußerungsgeschäfte der Hand­ werker im jetzigen HGB. nicht ausgenommen sind, während ihnen nach Art. 273 Ws. 3 des alten HGB. der Charakter als Handelsgeschäfte ausdrücklich genommen war. Auch wenn Minderkaufleute sich gesellschaftlich vereinigen, so ist dies zwar nur eine Gesell­ schaft bürgerlichen Rechts, so daß ihre gesellschaftlichen Verhältnisse sich nicht nach den Regeln der o. HG. oder der Kommanditgesellschaft richten, wohl aber sind ihre Geschäfte auch in diesem Falle Handelsgeschäfte, weil ihr Gewerbe auch in diesem Falle ein Handels­ gewerbe, sie selbst auch in diesem Falle Kaufleute, wenn auch Minderkaufleute, sind (Anhang zu § 342 Anm. 8). d) Ferner wird der Begriff des Handelsgewerbes durch die Vorschrift des § 5 erweitert. Nach diesem ist z. B. das Gewerbe einer Person oder Gesellschaft, die in das Handels­ register eingetragen ist, als Handelsgewerbe zu betrachten, auch wenn es kein solches ist, und die Eintragung aus der Zeit vor dem 1. Januar 1900 stammt. Demgemäß sind die nach dem 1. Januar 1900 abgeschlossenen Geschäfte einer solchen Person auch dann Handelsgeschäfte, wenn das Gewerbe in Wahrheit kein Handelsgewerbe ist, oder wenn ein eingetragener Kaufmann sein Geschäft nicht mehr fortbetreibt; es wäre denn, daß der Dritte das Erlöschen der Kaufmannseigenschaft kannte (§ 15 Anm. 10f.; RG. 65, 413). Hat sich also der Inhaber einer kleinen Leihbibliothek in das Handelsregister eintragen lassen und schafft neue Bücher an oder leiht Bücher aus usw., so sind das alles Handelsgeschäfte, ebenso wie seine Neben- und Hilfsgeschäfte (die Anstellung von Personal, die Empfangnahme von Zahlungen usw.). So ist auch der Betrieb einer Ziegelei oder einer Tiefbohrung an sich kein Handelsgewerbe, mag sie auf eigenem oder fremdem Boden betrieben werden (ROHG. 15, 237; Bolze 8 Nr. 314). Betreiben aber mehrere gesellschaftlich eine Ziegelei oder Tiesbohrungen, und haben sie ihre Firma eintragen lassen, so ist ihr Gewerbe dadurch zum Handelsgewerbe geworden. Ihre Geschäfte sind Handelsgeschäfte (RG. 60, 80; 50, 158; vgl. § 1 Anm. 37). e) Der Begriff der Handelsgeschäfte wird dadurch erweitert, daß der, welcher als Kauf­ mann im Rechtsverkehr auftritt, gegen sich gelten lassen muß, daß er ein Handels­ gewerbe betreibt. Dieser vielfach angefochtene Satz (Anh. zu § 5) ist hier ganz an seinem Platze; das erheischt der redliche Verkehr. Seine Geschäfte gelten also als Handels­ geschäfte (RG. 89, 163; LZ. 1913, 5502; ausführlich Anh. z. § 5, § 123 Anm. 9). Fehlende Geschäftsfähigkeit deckt der Satz nicht (RG. 93, 228). 2. Zum Betriebe gehören muß das Geschäft (d. h. zum Betriebe des Handelsgewerbes), a) Dieses Erfordernis ist nicht dahin aufzufassen, als ob nur die Geschäfte, welche dem betreffenden Handelsgewerbe charakteristisch sind, zu Handels-

Handelsgeschäfte.

3

geschäften erhoben würden. Es sind nicht nur die Handelsgrundgeschäfte gemeint, § 343. welche nach § 1 das Gewerbe ohne weiteres und nach § 2 bei hinzukommender Ein­ tragung zum Handelsgewerbe machen. Vielmehr soll damit jedes Geschäft, welches der Kaufmann im Betriebe seines Handelsgewerbes vornimmt, mit welchem er die Zwecke seines Handelsbetriebes ermöglichen oder fördern will, als Handelsgeschäft gekennzeichnet werden; insbesondere die Neben­ oder Hilfsgeschäfte des Handels, die sog. akzessorischen Handelsgeschäfte (Anm. 22ff.) und die Liquidationsgeschäfte. Den Gegensatz bilden und zum Handelsbetriebe nicht gehören die Geschäfte, welche Anm. 10. der Kaufmann zu anderen, außerhalb des Gewerbebetriebes liegenden Zwecken, vor­ nimmt, also z. B. zum Privatbedarf, zum Betriebe des Haushalts, die Geschäfte des Kaufmanns in Betätigung des Amtes als Testamentsvollstrecker, Vormund, Konkurs­ verwalter, Kursmäkler, als Handelsrichter, als Geschworener, als Zeuge, als Angestellter eines anderen Kaufmanns für diesen (RG. 96, 57). Wenn demgemäß die gewerbsmäßige Tätigkeit eines KaufmannsAnm. 11. auf einen bestimmten Geschäftszweig gerichtet ist, so folgt daraus noch nicht, daß Geschäfte, die außerhalb dieses Geschäftszweiges liegen, als zu seinem Handelsgewerbe gehörig nicht angesehen werden. Ausdrücklich aus­ gesprochen ist dies im Abs. 2 unseres Paragraphen für die Handelsgrundgeschäfte des § 1: wenn diese von einem Kaufmann auch nicht derart abgeschlossen werden, daß sie selbst die Grundlage eines Gewerbes bilden, sondern im Betriebe eines gewöhnlich auf andere Geschäfte gerichteten Handelsgewerbes, so sind sie doch Handelsgeschäfte. Das gleiche gilt aber für die Geschäfte nach § 2: wenn irgend Geschäfte, welche die Grundlage eines Handelsgewerbes nach § 2 bilden können, im Betriebe eines gewöhnlich auf andere Ge­ schäfte gerichteten Handelsgewerbes abgeschlossen werden, so sind sie ebenfalls Handels­ geschäfte. Und endlich gilt das gleiche von den zahlreichen Geschäften, die ihrer Natur nach überhaupt nicht geeignet sind, die Grundlage eines Handelsgewerbes zu bilden, die vielmehr nur als Hilfs- oder Nebengeschäfte vorkommen, wie Zahlungsempfang­ nahmen, Kündigungen, Anstellung von Personal, Miete eines Ladens usw. Für alle diese Geschäfte gilt der Grundsatz: Solange ein, wenn auch ent-Anm. 12. fernter Zusammenhang mit dem Gewerbebetrieb besteht, so daß sie sich als Folgen des betreffenden Gewerbebetriebes erweisen, liegt die Zugehörigkeit zum Ge­ werbebetriebe, also die Eigenschaft als Handelsgeschäft vor (RG. 72, 435; 58, 23; 28, 315; Bolze 15 Nr. 215, 216; 19 Nr. 319). Wenn z. B. ein Glaswarenhändler einmal in Aktien spekuliert (IW. 04, 49626), ein Pfandleiher ein vereinzeltes Rückkaufsgeschäft abschließt (RG. 79, 363), ein Holzhändler durch Ausstellung von Wechseln und deren Einlösung einem andern kaufmännische Dienste leistet (LZ. 1914, 581), ein Eisenwaren­ händler gelegentlich einmal ein Grundstücksgeschäft gegen Entgelt vermittelt, so sind das Handelsgeschäfte, weil dadurch Geld verdient und so (§ 344) die Verhältnisse des Gewerbebetriebes gefördert werden sollen. Wie weitgehend die Rechtsprechung diesen Grundsatz ausgedehnt hat, beweisen Anm. 13. RG. 38, 240; 30, 191; 19, 123, nach denen die Annahme der Stelle als Aufsichtsrats­ mitglied einer Aktiengesellschaft, Lotteriespiel und klaglose Differenzgeschäfte, und RG. 87, 331: der Fall, daß ein Bauunternehmer Wertpapiere in Depot nahm, als zum Handelsbetrieb gehörig betrachtet werden; dasselbe muß vom Vergleich eines Kauf­ manns gelten. b) Auch die sog. Vorbereitungsgeschäfte gehören dazu, und die zu diesem ZweckeAnm. 14. eingegangenen Verbindlichkeiten, z. B. die Vorbereitungsgeschäfte zum Erwerb eines Handelsgeschäfts (vgl. unten Anm. 26). Denn auch sie gehören zum Gewerbebetriebe. Wer die Absicht hat, durch eine unbegrenzte Reihe von Geschäften ein Handelsgewerbe zu betreiben, betreibt es in dem Augenblicke, in dem er das erste Geschäft vornimmt, das der Verwirklichung dieser Absicht dient. Wer z. B. einen Kleiderwarenhandel betreiben

1*

4 § 848.

Anm. 15.

«nm. 16.

I. Abschnitt: Allgemeine Vorschriften.

will, betreibt ihn, wenn er in dieser Absicht den ersten Posten Ware einkauft, ja sogar schon dann, wenn er das erste dazu erforderliche Hilfsgeschäft vornimmt, z. B. einen Handlungsgehilfen anstellt oder einen Laden mietet (IW. 08, 20627). Es ist bereits in Anm. 10a zu § 1 hervorgehoben, daß schon das erste Geschäft einen Bestandteil des Ge­ werbebetriebes bildet (Bolze 19 Nr. 317: Anstellung eines Gewerbegehilfen; RGSt. 27, 227: Anschaffung des ersten Warenpostens zum Zwecke der Weiterveräußerung; LZ. 08, 2247: Versprechen einer Vertragsstrafe zur Sicherung der Bierbezugspflicht für ein später in Betrieb gesetztes Hotel; aber nicht die Vergebung von Vorarbeiten zu einer nie ins Leben getretenen Personenbeförderungsanstalt, IW. 86, 7517). Uber den

Erwerb eines Handelsgeschäfts s. unten Anm. 26. Bei Handelsgewerben nach § 2 und nach § 3 Abs. 2 liegt die Sache allerdings anders. Hier besteht vor der Eintragung ein Handelsgewerbebetrieb nicht. c) Zweifelhaft ist die Natur des Geschäfts, wenn es zum Teil zu dem Zwecke des Handelsbetriebes, zum Teil zu Privatzwecken abgeschlossen wurde; so z. B., wenn Kohlen zum Teil zur Heizung des Ladens, zum Teil für den Hausbedarf gekauft werden. Man wäre versucht, zu sagen, daß der Teil entscheidet, welcher über­

wiegt. Allein es ist dies nicht zutreffend, und überdies versagt diese Entscheidung, wenn genau die Hälfte für jeden Zweck bestimmt ist. Es ist das ganze Geschäft in solchem Falle als Handelsgeschäft zu betrachten, weil das Geschäft als Ganzes zu beurteilen ist, und, weil § 344 Abs. 1 außerdem Platz greift (vgl. Anm. 24—26). Anm. 17. d) Die Feststellung der Zugehörigkeit zum Handelsgewerbe erübrigt sich in den meisten Fällen durch die im § 344 Abs. 1 aufgestellte Vermutung und

die im § 344 Abs. 2 aufgestellte Vermutung. Hierüber zu § 344. Anm. 18.

Anm. 19.

Anm.20.

3. Eines Kaufmanns Geschäfte müssen es sein. Dieses Begriffsmerkmal ist überflüssig. Denn wer ein Handelsgewerbe betreibt, ist Kaufmann. Gehören die Geschäfte zum Betriebe eines Handelsgewerbes, so sind es die Geschäfte eines Kaufmanns. Und das gleiche gilt bei der Vermutung des § 5: Gilt ein Gewerbe als Handelsgewerbe wegen der Firmeneintragung seines Inhabers, so gilt letzterer auch als Kaufmann. Es genügt daher an den Ausführungen über den Begriff Handelsgewerbe in Anm. 4—8 und an dem Hinweis, daß auch eine öffentliche Anstalt den Bankiercharakter und damit Kauf­ mannseigenschaft haben kann (IW. 00, 273°), z. B. Sparkassen (Anh. zu § 424 Anm. 24; § 1 Anm. 7, 10 u. 69). Uber die Kaufmannseigenschaft und deren Verlust s. § 1, oben Anm. 8 und § 344 Anm. 1. Wenn dort (§ 1 Anm. 18) der offene Gesellschafter als Kaufmann bezeichnet ist, so sind die von ihm abgeschlossenen Geschäfte nur dann Handels­ geschäfte, wenn sie zum Betrieb der o. HG. gehören, also nicht die Geschäfte, die ihn persönlich angehen (RGSt. 29, 348; IW. 09, 62529). 4. Geschäfte müssen es sein, und zwar Rechtsgeschäfte (unten Anm. 29; § 344 Anm. 1 und 2). Rechtsgeschäft ist eine Privatwillenserklärung, gerichtet auf Hervorbringung eines rechtlichen Erfolges, der nach der Rechtsordnung deshalb eintritt, weil er gewollt ist (Mot. I; RG. 68, 322). Dazu gehören nicht nur Verträge und Vorverträge (IW. 00, 6982), nachträgliche Vereinbarung einer Vertragsstrafe (RG. 85, 102), Ansprüche auf Befreiung von Schuldverbindlichkeiten (IW. 1910, 75826), Ansprüche aus Wettbewerb­ verboten, sondern auch einseitige Rechtsgeschäfte (Vertragsangebote, Annahme solcher, Kündigungen, Mängelanzeigen), Unterlassungen (vgl. § 346); auch unentgeltliche Ge­ schäfte sind nicht ausgeschlossen (unten Anm. 28). Unerlaubte Handlungen aber, z. B. der Mißbrauch einer fremden Firma, gehören nicht dazu; es sei denn, daß sie gleichzeitig den Charakter von Rechtsgeschäften aufweisen. 5. Daß die Tatbestandsmerkmale des Handelsgeschäfts im Einzelfalle erkenn­ bar sein müssen, damit ein Handelsgeschäft vorliege, ist nur insofern richtig, als erkennbar sein muß, daß der das Geschäft Bornehmende ein Handelsgewerbe betreibt. Die Zugehörigkeit des Geschäfts zum Handelsbetriebe wird alsdann vermutet, bei Schuldscheinen sogar gesetzlich unterstellt (§ 344). Zur Vermeidung von Mißverständnissen

Handelsgeschäfte.

5

ist zu bemerken, daß durch die Anerkennung der Erkennbarkeit kein Widerspruch mit den Aus- § 343.

führungen in Anm. 12 u. 30 zu § 1 besteht. Dort ist gesagt, daß der Begriff „Gewerbe" und der Begriff „Kaufmann" nicht voraussetzt, daß der Inhaber des Gewerbes als solcher der Öffentlichkeit gegenüber auftritt. Daran ist festzuhalten: wer in der Absicht fortgesetzter Gewinnerzielung eine unbegrenzte Reihe von Handelsgrundgeschäften schließt, betreibt ein Handelsgewerbe, auch wenn weder die Gewinnabsicht noch die Tatsache der fortge­ setzten Geschäftsabschlüsse der Öffentlichkeit erkennbar wird. Aber das einzelne von ihm geschlossene Geschäft ist nur dann ein Handelsgeschäft, wenn die Tatsache des Handels­ gewerbes für den Vertragsgegner erkennbar hervortritt. Zur Erkennbarkeit genügt aber schon die Eintragung in das Handelsregister. Ob der Vertragsgegner im Einzel­ falle die Tatsache des Handelsgewerbebetriebes wirklich erkannt hat, ist dann gleichgültig (vgl. oben Anm. 7f.; a. M. Wolff, Berliner Festgabe für Gierke, 1910, S. 40). 6. Alle Geschäfte eines Kaufmanns sind Handelsgeschäfte. Das Gesetz macht also gar keine Anm. LI. Ausnahme. Insbesondere ist die wichtige Ausnahme des älteren Rechts fortgefalten, wonach Verträge über unbewegliche Sachen keine Handelsgeschäfte waren (Art. 275; unten Anm. 22). Absolute Nichthandelsgeschäfte gibt es hiernach nicht mehr. Vielmehr sind ausnahmslos alle Geschäfte eines Kaufmanns, welche zum Betriebe seines Handelsgewerbes gehören, Handelsgeschäfte (oben Anm. 9). HI. Beispiele sind, trotzdem alle Geschäfte eines Kaufmanns, die zu seinem Handelsbetriebe Anm. 22. gehören, ausnahmslos Handelsgeschäfte sind, dem Verständnis förderlich. a) Zunächst ist zu erwähnen, daß nunmehr auch Grundstütksgefchäste Handels­ geschäfte sein können (Anm. 21). Denn Art. 275 ist, wie gesagt, fortgefallen. Zwar können sie, wie im früheren Recht, nicht reine Handelsgeschäfte nach § 1 sein, da keines der im § 1 aufgezählten Handelsgrundgeschäfte unbewegliche Sachen zum Gegenstand hat. Wer der Wegfall des Art. 275 bewirkt, daß sie nunmehr bedingungsweise Handels­ grundgeschäfte nach § 2 sein können, und ferner, daß sie Hilfs- und Nebengeschäfte des Handelsbetriebes, also akzessorische Handelsgeschäfte sein können. So sind die Miete eines Ladens oder Hotels, der Kauf eines Fabrikgrundstückes durch einen Fabrikanten, die Veräußerung von Grundstücken seitens eines in das Handelsregister eingetragenen Grundstücksspekulanten (RG. 38, 18), die Übernahme eines Baues in Entreprise durch einen in das Handelsregister eingetragenen Bauunternehmer, obgleich der Vertrag ein Werkvertrag ist (RG. 70, 30; 66, 4 u. 48; IW. 08, 235°), die Geschäfte einer einge­ tragenen Ziegelei, einer eingetragenen Tiefbohrunternehmung (oben Anm. 7), Handels­ geschäfte. Hinzuzufügen ist, daß der Kauf einer unbeweglichen Sache zwar ein Handels­ geschäft sein kann, aber nicht ein Handelskauf nach §§ 373ff. Ferner ist zu bemerken, daß schwerere Formvorschriften für die Veräußerung unbeweglicher Sachen auch dann gelten, wenn der Veräußerungsvertrag ein Handelsgeschäft ist (hierüber § 2 Anm. 3 und § 350 Anm. 22ff. u. 29). Uber die Vermittlung von Hypotheken und Grundstücks­ käufen siehe Vordem, vor § 93 Anm. 1. b) Sodann ist das Beispiel hervorzuheben, welches der frühere Art. 273 Abs. 2 erwähnte: Anm. 23. Handelsgeschäfte sind insbesondere die Anschaffungen, welche im Handels­ betriebe zur Benutzung oder zum Verbrauch erfolgen. Im einzelnen ge­ hören hierher: Die Anschaffung der Kontoreinrichtung, des Geschäftsinventars, des Brenn-, Schreib- und Beleuchtungsmaterials, der Handelsbücher, der Transportmittel für die Ware, des Verpackungsmaterials, die Anschaffung von Gegenständen zur Aus­ stattung einer Restauration (ROHG. 10, 243) oder zur Möblierung von Hotelräumen (ROHG. 22, 329), auch von Baumaterialien, welche in einem Geschäftslokal verwendet werden sollen (der Umstand, daß es sich hierbei um eine unbewegliche Sache handelt, ist gleichgültig). So nimmt auch der eingettagene Bauunternehmer (oben Anm. 22), der ein Haus nicht zum Weiterverkauf und nicht für andere, sondern zur Vermietung für sich baut, die die Herstellung des Hauses betreff enben Geschäfte (Anschaffung der Herde, Beleuchtungskörper usw.) im Betriebe seines Baugewerbes vor; denn er will Gewinn

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§ 343.

I. Abschnitt: Allgemeine Vorschriften.

erzielen. Die Anschaffung kann auch durch Miete oder Leihe erfolgen, da Entgeltlichkeit

nicht Voraussetzung des einzelnen Geschäfts ist (ROHG. 19, 354). Anm.24. c) Was die Eingehung von Gesellschaftsvertragen betrifft, so besteht Einigkeit, daß die Aufnahme eines stillen Gesellschafters, eines Kommanditisten, die Aktienzeichnung (§ 189 Anm. 24), die Beteiligung als Gründer einer Aktiengesellschaft Neben­ handelsgeschäfte sein können, mögen auch unbewegliche Sachen eingebracht werden (Anm. 22), und daß es auch bei der Vereinigung zu einzelnen Handelsgeschäften (An­ hang zu § 342), darauf ankommt, ob die Vergesellschaftung von einem Kaufmann im Betrieb seines Handelsgewerbes erfolgt ist (ROHG. 16, 2; 10, 260 u. 428; mag auch einer der Gesellschafter nicht Kaufmann sein), nicht aber darauf, ob das Geschäft auf Seite desjenigen, mit dem nun die Gesellschaft Verträge schließt, ein Handelsgeschäft ist (unentschieden ROHG. 8, 47). Streitig aber ist, ob auch die Eingehung einer o.HG. als solches betrachtet werden kann. Schließen zwei Personen, die bereits Kaufleute sind, eine o.HG., so ist dies ebensowohl ein akzessorisches Handelsgeschäft, wie wenn ein Kaufmann einen Nichtkaufmann in sein Geschäft als Gesellschafter aufnimmt, oder wenn zwei Kaufleute eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts schließen (Bolze 5 Nr. 726). Die Meinungsverschiedenheit gilt sonach nur der Frage, ob die Eingehung einer o.HG. an sich — wenn also die Vertragschließenden nicht schon aus anderen Gründen Kaufleute sind — als zum Betriebe eines Handelsgewerbes gehörig zu betrachten ist. Diese Frage ist zu verneinen: Der Abschluß des Gesellschaftsvertrages ist so anzusehen, wie der Ent­ schluß einer einzelnen Person, ein Handelsgewerbe zu betreiben. Erst die Betätigung dieses Entschlusses durch Abschluß des ersten Vorbereitungsgeschäfts ist das erste Handels­ geschäft, nicht schon jener Entschluß. Anm.25. Dagegen ist die Auseinandersetzung zwischen Gesellschaftern einer offenen Handelsgesellschaft ein akzessorisches Handelsgeschäft, mögen dabei auch Ansprüche auf das Eigentum an Grundstücken zur Erledigung gebracht werden; denn die unbeweglichen Sachen sind nicht der Hauptgegenstand (vgl. ROHG. 16, 308); die Auseinandersetzung gehört eben zu den letzten Betriebsakten (WarneyerRspr. 1914 Nr. 206; ROHG. 12, 368; Bolze 5 Nr. 424; vgl. § 1 Anm. 25). — So ist auch die Veräußerung des Geschäftsanteils eines persönlich haftenden Gesellschafters an einen anderen Gesellschafter der Abschluß der handelsgeschäftlichen Tätigkeit des Ausscheidenden und daher Handelsgeschäft (LZ. 09, 466*). Anm.26. d) Der Erwerb und die Veräußerung eines ganzen Handelsgeschäfts (§ 22 Anm. 4ff.; Borb. vor § 373 Anm. 3a) ist ein beiderseitiges Handelsgeschäft, auf feiten des Veräußerers regelmäßig der letzte Akt seiner gewerblichen Tätigkeit (IW. 03, 633; 99, 49432; § 1 Anm. 25), auf selten des Erwerbers das erste Handelsgeschäft, das seinen Handelsbetrieb ermöglichen soll und daher zum Handelsbetrieb als Vorbereitungs­ geschäft gehört (RG. 89, 98; 72, 434; ROHG. 11, 149); z. B. der Vertrag auf Liefe­ rung von Waren für ein erst aufzutuendes Unternehmen (IW. 08, 14822). Gleichgültig ist es, ob der Erwerber des Unternehmens zur Zeit des Erwerbes Nichtkaufmann war, er wird dadurch Kaufmann; es ist sein erstes Geschäft als Kaufmann (IW. 08, 20627). Es macht auch nichts aus, ob der Erwerb im Wege einer Erbauseinandersetzung oder im Wege einer Auseinandersetzung zwischen offenen Handelsgesellschaften erfolgt (IW. 08, 20627; WarneyerRspr. 1914 Nr. 206). Daß zugleich auch Grund­ stücke, Rechte oder Gerechtsame, das Mietrecht an Geschäftsräumen, Dienstverträge mit übernommen werden, macht nichts aus; denn einmal greift § 344 Abs. 1 Platz (§ 344 Anm. 7), und andererseits kann man nicht aus dem Kauf einzelne Ver­ pflichtungen herausgreifen und sie einer besonderen Beurteilung unterwerfen (vgl. ROHG. 11, 150; 15, 102; 20, 200; RG. bei Gruch. 28, 1035). Für die Übertragung der einzelnen Gegenstände sind allerdings die dafür gegebenen Formvorschriften zu be­ obachten, z. B. bei Grundstücken der § 313 BGB. Auch die Vorbereitungsgeschäfte zum Erwerb eines bestimmten Handelsgeschäfts, z. B. die Aufnahme eines Darlehns (LZ.

Handelsgeschäfte.

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1912, 19111; „Recht" 09 Nr. 2516), sind Handelsgeschäfte. Wird ein Handelsgeschäfts 343» erworben, oder tritt jemand als persönlich haftender Gesellschafter oder als Kommanditist in das Geschäft eines Einzelkaufmanns ein (§ 28), so sind die Ansprüche aus einem Wett­ bewerbverbot, das der bisherige Alleininhaber des Geschäfts vor dessen Übergang oder vor Eintritt eines Gesellschafters mit einem Dritten vereinbart hat, kraft Gesetzes auf den neuen Erwerber bzw. auf die Gesellschaft übergegangen; denn die Vereinbarung über das Wettbewerbverbot ist ein Handelsgeschäft. Die daraus hervorgehenden Ansprüche sind bedingt durch eine Zuwiderhandlung und als im Betriebe des Handelsgewerbes entstanden anzusehen. Sollen solche Ansprüche nicht auf die neue Gesellschaft übergehen, so bedarf es der Beobachtung des § 28 Abs. 2 (§ 344 Anm. 7, vgl. RG. 72, 436 u. § 22 Anm. 24, 29 u. 38). Veräußerung durch den Konkursverwalter s. § 25 Anm. 1 c. e) Weitere Beispiele sind: Die in § 1 abgehandelten Handelsgrundgeschäfte, Anm.27. wenn sie einzeln vorgenommen werden (vgl. § 343 Abs. 2) — die Anstellungsver­ träge mit Handlungsgehilfen (ROHG. 11, 57), mit Lehrlingen (ROHG. 14, 19), mit technischen Gewerbegehilfen (ROHG. 11, 387; 17, 30; Bolze 19 Nr. 317; RG. 1, 268); Anstellung eines Zeitungsredakteurs (BuschA. 13, 40 Nürnberg), einer Sängerin für ein Cafe chantant (Nürnberg BuschA. 21, 361) — Betrieb eines Theaterunternehmens (LZ. 07, 5041) — Darlehen und sonstige Kreditgeschäfte: Darlehnshingabe (ROHG. 1, 217; 7, 226); Darlehnsempfang (ROHG. 3, 367; 14, 282); Gewährung oder Verlängerung eines kaufmännischen Kredits (ROHG. 5, 110); Geben und Nehmen von Wechseln (RG. 9, 50); das Verschaffen ausländischen Geldes oder von Devisen — Ver­ sicherungsverträge, soweit sie nicht schon Handelsgrundgeschäfte nach § 1 Nr. 3 sind: das Nehmen der Versicherung durch einen Kaufmann, das gegenseitige Versichern unter Kaufleuten (ROHG. 4, 199; 5, 18; RG. 12, 25); auch das Nehmen einer Leibrenten­ versicherung (RG. 28, 316) und die Versicherungsgeschäfte eines Versicherungsvereins a. G. (Koenige PrivVUntG. § 16 Anm. 2 u. 6; RG. „Recht" 1923 Nr. 1363) — bic Ver­ stärkung von Verträgen: durch Anerkennung, auch wenn die anerkannte Schuld kein Handelsgeschäft ist (ROHG. 17, 170; Bolze 7 Nr. 366); durch Abrechnung zwischen Kauf­ leuten über das Ergebnis der für gemeinschaftliche Rechnung geführten Handelsgeschäfte (ROHG. 7, 58, aber nicht, wie diese Entscheidung annimmt, wenn die Parteien zur Zeit der Abrechnung nicht mehr Kaufleute sind); die Pfandbestellung; insbesondere aber die Bürgschaft (§ 350 Anm. 9; § 349 Anm. 9). Diese kann auf einer Seite oder auch auf beiden Seiten Handelsgeschäft sein; sie ist es immer dort, wo sie den Handelsbetrieb fördern soll (RG. 1, 25; vgl. RG. 65, 414); auf feiten des Bürgen insbesondere dann, wenn er eine Vergütung erhält (ROHG. 13, 108), aber nicht, wenn die Verbürgung lediglich aus verwandtschaftlichen oder freundschaftlichen Rücksichten geschieht (ROHG. 15, 388; IW. 93, 24). Auch die Verbürgung eines Nichtkaufmanns gegenüber einem Kaufmann kann Handelsgeschäft sein (RG. 29, 20; 32, 171). Die Verbürgung kann auch dann Handelsgeschäft sein, wenn das Hauptgeschäft kein Handelsgeschäft ist, wenn nur die Bürgschaft zum Betrieb des Handelsgewerbes gehört, so z. B. wenn ein Kauf­ mann für die Schulden aus einem von einem Nichtkaufmann abgeschlossenen Geschäft die Bürgschaft übernimmt (IW. 93, 24). Dagegen ist umgekehrt die Bürgschaft nicht Handelsgeschäft und daher nicht notwendig formfrei, wenn die Hauptschuld ein Handels­ geschäft ist, nicht aber die Bürgschaft auf Seite des Bürgen (vgl. ROHG. 5, 367; Stutt­ gart ZHR. 40, 485). — Die Abrechnung (ROHG. 7, 57) und Übernahme von Verpflich­ tungen aus einer Auseinandersetzung (IW. 93, 14023); Forderungsabtretung (IW. 97, 88), auch von Hypotheken (ROHG. 3, 432), Erwerb von Patentrechten, Annahme von Anweisungen, Auftrag und Vollmacht (vgl. RG. 26, 108; IW. 88, 17016); ein Erbschaftskauf (IW. 01, 26129); Übernahme einer Agentur (ROHG. 23, 148; Theateragentur und Gesindevermietung § 1 Anm. 77; § 93 Anm. 4); Jnsertionsverträge; Patentlizenzverträge; Schiedsverträge (ROHG.23,259); die sog. Möbelleihverträge; auch Gesellschaftsverträge (Anm. 24), selbst wenn

8 § 343»

Anm. 28.

Anm. 29.

Anm.30.

I. Abschnitt: Allgemeine Vorschriften. es sich um solche bürgerlichen Rechts handelt; Lotteriespiel (RG. 30, 191); Differenz­ geschäfte (RG. 38, 240); auch die Prozeßführung (vgl. § 17 Anm. 24ff.); auch Zahlung und Annahme von Zahlungen (Ansprüche aus Zahlungen, Zahlung einer Nichtschuld unter­ liegen daher der Verzinsungsvorschrift der §§ 352 Satz 1, 353 HGB.); Verkauf eines Hotelinventars (IW. 99, 67616); Verkauf eines Geschäfts- oder Fabrikgeheim­ nisses (Vorb. vor § 373 Anm. 3); einer Kundschaft (Vorb. vor § 373 Anm. 3); In­ kassogeschäfte § 2 Anm. 3; § 368 Anm. 113. Auch freigebige Verfügungen können Handelsgeschäfte sein: Annahme der Stel­ lung als unbesoldetes Aufsichtsratsmitglied (RG. 19,123); selbst Schenkungen (vgl. § 132 Anm. 12), z. B. Versprechen der Nachzahlung nach abgeschlossenem Ausgleich (ROHG. 16, 184; RG. 6, 228; Bolze 6 Nr. 458; Holdheim 04, 128) oder nach abgelaufener Verjäh­ rung (Bolze 4 Nr. 463); Verzichte (RG. 29, 11); belohnende Schenkungen (Bolze 8 Nr. 311, 14 Nr. 256; RG. 29, 11; IW. 90, 20615); oder sonstige Schenkungen (RG. 26, 19), z. B. Trinkgelder an den Überbringer von Waren; Weihnachtsgeschenke an Hand­ lungsgehilfen oder an Dienstboten der Kunden und andere Geschenke an die Handlungs­ gehilfen, z. B. Erlaß einer Darlehnsforderung an den Prokuristen (Bolze 12 Nr. 270); auch die Annahme von Schenkungen (Bolze 19 Nr. 320); nicht auch Verfügungen oder Schenkungen auf den Todesfall (RG. 18, 49). Eine Freigebigkeit kann auf der einen Seite ein Handelsgeschäft sein, auf der anderen nicht, z. B. ein Onkel erläßt seinem Neffen, der Kaufmann ist, eine Schuld; hier liegt auf seiten des Beschenkten ein Handels­ geschäft vor. Endlich gehören dazu nicht nur Verträge, sondern auch vertragsähn­ liche Rechtsgeschäfte, z. B. Geschäftsbesorgung ohne Auftrag, Willens­ erklärungen, z. B. Mahnungen, Fristsetzungen; das Angebot mit seinen Wirkungen (ROHG. 10, 236) und dessen Annahme; Zusendungen, An- und Ab­ nahme (ROHG. 10, 236); Vorbehalte (Bolze 9 Nr. 198); Rat, Empfehlung und Aus­ kunftserteilung (RG. 20, 194); Bereicherungsansprüche (RG. 93, 229; ROHG. 23, 144; nur für § 352 gilt eine Beschränkung; § 352 Anm. 10). Nicht gehören dazu: Anschaffungen für den Haushalt und sonstigen Privat­ gebrauch, sowie Rechtsgeschäfte aus Beweggründen der Verwandtschaft oder Freund­ schaft, Geschäfte des Familien- und Erbrechts (vgl. Anm. 3 § 344), der Detektivbureaus (IW. 06, 2567).

§ 344.

§ 344. Die von einem Kaufmanne vorgenommenen Rechtsgeschäfte gelten im Zweifel als zum Betriebe seines Handelsgewerbes gehörig. Die von einem Kaufmanne gezeichneten Schuldscheine gelten als im Betriebe seines Handelsgewerbes gezeichnet, sofern nicht aus der Urkunde sich das Gegenteil ergibt.

Einleitung.

Der Paragraph stellt zwei Vermutungen für die Zugehörigkeit der Rechtsgeschäfte eines Kaufmanns zum Handelsbetriebe auf: für seine Rechtsgeschäfte im allgemeinen (Abs. 1) und für seine Schuldscheine insbesondere (Abs. 2).

Die von einem Kaufmann vorgenommenen Rechtsgeschäfte gehören im Zweifel zum Betriebe feines HandelSgewerbeS.

1. (Abs. 1.)

Anm. 1. a) Ein Kaufmann muß die Rechtsgeschäfte vorgenommen haben. Die Kaufmanns­ eigenschaft muß also feststehen, d. h. es muß unbestritten oder bewiesen sein, daß der Vertragschließende zur Zeit der Vornahme ein Handelsgewerbe betrieb (ROHG. 15, 27; § 345 Anm. 5). Für diese Feststellung sind die §§ 1, 2, 3 u. 5 in derselben Weise maßgebend wie in § 343 (§ 343 Anm. 4—8). Auch für Minderkaufleute gilt die Ver­ mutung des vorliegenden Paragraphen (§ 4 Anm. 28) und für den Kaufmann nach § 5

Vermutung.

9

(RG. 65, 412), sowie für den, der als Kaufmann im Rechtsverkehr auftritt (§ 343 Anm. 8; § 344.

Anh. zu § 5), und für die Geschäfte einer o. HG. in Liquidation, soweit der Liquidator neue Geschäfte zur Abwicklung schwebender Geschäfte abschließen darf (§ 149 Anm. 16ff.). Handelt der Teilhaber einer offenen Handelsgesellschaft, so muß, damit die Vermutung dieses Paragraphen Platz greife, feststehen, daß er für die Gesellschaft ge­ handelt hat (ROHG. 16, 380). Denn die Vermutung gilt nur für die Handelsgesell­ schaft selbst; eine Vermutung dafür aber, daß der Teilhaber einer offenen Handels­ gesellschaft für diese handelt (§ 126 Anm. 17), besteht nicht (ROHG. 13, 288; 18, 227; WarneyerRspr. 1916 Nr. 174; IW. 1913, 43613); es hat auch ein Gesellschafter gegen den andern eine solche Vermutung nicht (LZ. 1910, 3936). Wenn der Name eines Gesell­ schafters und die Gesellschaftsfirma gleichlauten, so hat man aus der Gesamtheit der Umstände zu beurteilen, in welcher Eigenschaft der Gesellschafter gehandelt hat (War­ neyerRspr. 1914 Nr. 210; IW. 1913, 436"; Hamburg HansGZ. 1915 H. 103; ROHG. 22, 62). b) Auf die Rechtsgeschäfte eines Kaufmanns bezieht sich die Vermutung, einerlei ob der Anm. 2. Kaufmann neben seinem Handelsgewerbe noch ein Handwerk betreibt oder nicht (IW. 87, 27519). Die Zugehörigkeit zum Handelsbetriebe wird also z. B. vermutet, wenn ein Teilhaber einer offenen Handelsgesellschaft das ganze Geschäft übernimmt und sich von dem ausscheidenden Gesellschafter die Unterlassung eines Wettbewerbes versprechen läßt; die Vermutung geht dann dahin, daß das Versprechen im Zweifel als zum Be­ triebe des nunmehr eigenen Handelsgewerbes des Verbliebenen zu gelten hat, und nicht bloß für seine Person. Daher geht das Wettbewerbverbot bei einem Weiterverkauf des Geschäfts mit Aktiven und Passiven auf den neuen Erwerber über; es bedarf nicht des Nachweises, daß der Wille auch auf Übertragung der Rechte aus dem Wettbewerb­ verbot gerichtet war (RG. 72, 434; 37, 176; IW. 07, 136"). Über den Begriff des Rechtsgeschäfts s. § 343 Anm. 19; insbesondere, ob auch einseitige Handlungen, Unter­ lassungen, unerlaubte Handlungen usw. dazu gehören, siehe dort Anm. 22ff. o) Im Zweifel gilt die Zugehörigkeit zum Handelsbetriebe. Damit ist eine durch Gegen- Anm. 3. beweis widerlegbare Vermutung, eine praesumtio juris, aufgestellt, die auch durch § 292 ZPO. bestätigt ist. Das Geschäft ist so lange als zum Handelsbetriebe gehörig zu be­ trachten, bis der Gegenbeweis geführt wird (Bolze 8 Nr. 310). Es gibt aber keine Ver­ mutung, daß der Teilhaber einer o.HG., dessen Name mit der Firma gleichlautet, ein Geschäft in den Handelszweigen der Gesellschaft für sie und nicht in eigenem Namen abgeschlossen habe; es bedarf immer der Auslegung (WarneyerRspr. 1914 Nr. 210; ROHG. 22, 62; 18, 226). Des Gegenbeweises bedarf es nicht, wenn die Sachlage schon an sich keinen 'Zweifel darüber zuläßt, daß das Geschäft dem Handels­ gewerbe nicht zugehört (RG. 28, 315), wie dies der Fall ist, wenn der Liquidator einer o.HG. dem Gegner erkennbar beim Abschluß neuer Geschäfte seine Befugnisse über­ schreitet (§ 149 Anm. 16ff.). Es fällt nämlich die Vermutung nicht schon dann fort, wenn das Geschäft keine sichtbare Beziehung zum Handelsgewerbe hat, sondern erst dann, wenn das Geschäft offensichtlich keine Beziehung zum Handelsgewerbe hat (RG. 28,315; IW. 01,26129); für den Fall, daß keine sichtbare Beziehung zum Handelsgewerbe vorliegt, ist die Vermutung gerade gegeben; wenn die Beziehung sichtbar ist, bedarf es keiner Vermutung; es bedarf ihrer, wenn die Beziehung nicht sichtbar ist, und sie ist ausgeschlossen, wenn die Nichtbeziehung sichtbar ist (RG. 29, 13; IW. 02, 188"). Daß ein unentgeltliches Geschäft vorliegt, ist kein geeigneter Gegenbeweis; denn auch Schen­ kungen können zum Handelsbetriebe gehören (§ 343 Anm. 28). Auch daß ein im Handelsbetriebe ungewöhnliches Geschäft vorliegt oder nicht in die zum Betrieb ge­ hörige Gewerbeart fällt, beseitigt die Vermutung nicht (Gruch. 33, 1042; IW. 01, 26129; 89, 28920). Daß die Ware für einen Nichtkaufmann bestimmt oder von einem solchen zu bezahlen ist, oder daß der Kauf Erbschaftskauf ist, ist vollends unerheblich; ebenso daß ein Rechtsvorgänger des jetzigen Gläubigers nach der Urkunde das Darlehen

10

I. Abschnitt: Allgemeine Vorschriften.

gegeben hat (RG. 77, 57). Beispiele für den Wegfall der Vermutung: offensichtlicher Kauf für den Haushalt oder für den Privatgebrauch, z. B. Bestellung einer Beleuch­ tungsanlage für das Wohnhaus; Annahme eines Hausarztes; Bürgschaft aus verwandt­ schaftlichen oder freundschaftlichen Rücksichten (§ 343 Anm. 27 u. 30), Schuldübernahme, um den Sohn vor Strafanzeige zu schützen (RG. 51, 120); Verträge des Familien- und Erbrechts; Schenkungen von Todes wegen (RG. 18, 49), aber nicht Schenkungen unter Lebenden (RG. 26, 20; IW. 02, 39832), und nicht die Lieferung von Einrichtungs­ gegenständen für einen Neubau, mögen sie auch dazu bestimmt sein, Bestandteile oder Zubehör des Grundstückes zu werden. Lebensversicherungsverträge werden sehr häufig auch im Betriebe des Handelsgewerbes geschlossen; ein gemischter VVaG, hat die Ver­ mutung für sich, daß seine Versicherungsverträge seinem auf Versicherung gegen Prämie gerichteten Betriebe dienen (RG. „Recht" 1923 Nr. 1363); bei Kreditbewilligungen ist der Abschluß einer Lebensversicherung des Schuldners oder seiner Ehefrau sehr oft eine der geforderten Sicherheiten, so daß die Entscheidungen RG. 14, 237, Bolze 2 Nr. 710, die anscheinend Gegenteiliges annehmen, nur mit Vorsicht anzuwenden sind. Feuer-, Transport- und Haftpflichtversicherungen eines Kaufmanns hängen mit dem Betriebe des Handelsgewerbes regelmäßig eng zusammen, sind also betriebszugehörige Rechts­ geschäfte. Bei Leibrentenverträgen ist die Beziehung zum Handelsbettiebe schon seltener, aber auch nicht ausgeschlossen (anscheinend anders RG. 28, 315). Die Beziehung zum Handelsgewerbe ist sichtbar, wenn der Anspruch aus dem handelsgeschäftlichen Verkehr mit der Firma selbst, sei es auch bei Anschaffungen für einen Nebenbetrieb (OLGR. 27, 415), entstanden ist, z. B. Vereinbarung eines Wett­ bewerbverbots bei der Auseinandersetzung zwischen persönlich haftenden Gesellschaftern, von denen einer das Geschäft übernimmt (WarneyerRsPr. 1914 Nr. 206; § 343 Anm. 25f.). Für Ansprüche andern Ursprungs wird diese Beziehung offenbar durch Eintragung in die Bücher oder sonst schlüssige Umstände (ROHG. 8, 42). Zweifelhaft wird die Beziehung zum Handelsgewerbe, wenn ein Kaufmann zusammen mit einem Nichtkausmann ein Geschäft abschließt, mag auch auf der andern Seite ein Kaufmann stehen. Anm.4. Der erforderliche Gegenbeweis kann durch jedes zulässige Beweismittel geführt werden, auch durch Eideszuschiebung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestim­ mungen (§ 292 ZPO.). Ob er geführt ist, entscheidet freies richterliches Ermessen, für welches die Art und Beschaffenheit der veräußerten Gegenstände und die Natur des vom Verkäufer betriebenen Gewerbes von Bedeutung ist (ROHG. 4, 51; RG. 29,13; IW. 93, 16322). Der Gebrauch des von der Firma abweichenden Namens ist nicht aus­ schlaggebend (unten Anm. 12). Beweispflichtig ist, wer die Vermutung zerstören will (IW. 02, 18828). Anm. 5. d) Die Zugehörigkeit zum Handelsbetriebe ist ein in Anm. 9ff. § 343 erörterter Begriff. Soweit nach § 343 die Zugehörigkeit möglich, wird sie nach § 344 vermutet, wenn der Sachverhalt nicht entgegensteht (IW. 1900, 44419; Bolze 13 Nr. 259), also vermutet bei Verzicht auf Vertragsstrafe, selbst wenn der Anspruch aus einem Nichthandelsgeschäft herrührt (RG. 72, 436; 29, ll1); bei Annahme eines Fabrikmeisters (ROHG. 11,387), eines Kassierers (ROHG. 6, 195), in letzterem Falle sind daher Ansprüche aus der Kassenführung Forderungen aus Handelsgeschäften. Selbst Verträge zur Sicherstellung von Kindern werden von der Vermutung des § 344 getroffen (IW. 91, 556"). Das gilt auch von Geschäften, die außerhalb des Kreises von Handelsgeschäften liegen, auf welche der Gewerbebetrieb zunächst gerichtet ist (WarneyerRsPr. 1920 Nr. 99). Näheres § 343 Anm. 9 ff., 12 ff. Anm. 6. e) Die Vermutung gilt für und gegen jedermann, insbesondere nicht nur gegen den Kaufmann, sondern auch für ihn, für und gegen den Bertragsgegner. Dem, der sich auf sie beruft, muß der Gegenbeweis dahin geführt werden, daß ihm im Augenblicke des Vertragsschlusses die Nichtzugehörigkeit zum Handelsbetriebe bekannt oder doch erkennbar gewesen ist (ROHG. bei Puchelt Anm. 9 zu Art. 274). Eine Erkundigungs§ 344.

Vermutung.

11

Pflicht besteht für den Vertragsgegner nicht. Aber ein Rechtsgeschäft, das gemäß § 344 § 344. als zum Betriebe eines Handelsgewerbes geschlossen gilt, gehört darum noch nicht zum Betriebe des Handelsgewerbes im Sinne des § 335 (RG. 92, 294). Auch bei Anwendung anderer gesetzlicher Bestimmungen ist die Ver-Anm. 7. mutung von Bedeutung, so z. B. bei der Verjährungsbestimmung des § 196 Nr. 1 BGB. em vor an

Zurückbehaltungsrecht.

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gegcngenen Ferngespräch ausdrücklich erklärt hat, er gehe von seinen Bedingungen unter Anhang keinm Umständen ab, sich diese Bedingungen in dem Bestätigungsschreiben aber nicht zu § 872. findm oder durch andere ersetzt sind (WarneyerRspr. 1920 Nr. 5). Wenn auf Grund von Preßlisten, Katalogen usw. verhandelt ist, das Bestätigungsschreiben aber keinen Bezug dararf nimmt, z. B. wenn eine Preisliste die Klausel „freibleibend" enthält, das Bestätijungsschreiben aber lediglich den Preis angibt, so hat die Klausel keine Bedeutung meh: (RG. 101, 75; IW. 1921, 234). Haben die Parteien durch Fernsprecher abgesHossen, und besteht Streit, ob der Abschluß seitens des Verkäufers freibleibend zustante gekommen ist, während das Bestätigungsschreiben des Käufers einen anderen Jnhrlt hat, so muß der Verkäufer dem Bestätigungsschreiben widersprechen, wenn er ar die Möglichkeit eines Irrtums des Käufers denken konnte; als Irrtum kommt nicht die persönliche Ansicht des Käufers in Betracht, sondern die verkehrsübliche Bedeutrng der gebrauchten Worte; dagegen ist der Verkäufer nicht zu einem Widerspruch verbinden, wenn der Käufer bewußt an Stelle der vereinbarten Klausel „freibleibend" eine andere gesetzt hat (WarneyerRspr. 1921 Nr. 1381). Denn auf „Bestätigungsschreben", die das Abgehen von einem geschlossenen Vertrag antragen, braucht nicht geantwortet zu werden; das ist ein neuer Vertragsantrag, gerade wie wenn der Ver­ trag nach der irrigen Meinung des Msenders des Bestätigungsschreibers abgeschlossen ist, mb er einen gar nicht zustande gekommenen Vertrag bestätigt (WarneyerRspr. 1921 Nr. 138; 1911 Nr. 422). Erkennt aber der Gegner den Irrtum des Bestätigenden und spricht für den Irrtum der Anschein, so bedarf es eines Widerspruchs (Gruch. 54, 894; Köntzsberg SeuffA. 73, 3), wie überhaupt, wenn der Empfänger erkennt, daß der Absendrr seine Auffassung des Ergebnisses gepflogener mündlicher oder telephonischer Vertändlungen als eines fertigen Abschlusses darlegen will (RG. 54,182; IW. 1918,769). Wem ein Vertrag neu abgeschlossen und vom Verkäufer dem Käufer ohne Bezug­ nahne auf den früheren Bestellschein bestätigt wird, so sind damit die Bedingungen des früheren Bestellscheins weggefallen (WarneyerRspr. 1922 Nr. 93), wie umgekehrt im tzestätigungsschreiben in Bezug genommene, aber nicht beigelegte Bedingungen durch Schweigen des Empfängers des Schreibens zum Bertragsbestandteil werden (Druden SeuffA. 76, 316); denn der Bestätigende hat ja bekanntgegeben, daß er nur zu seinen Bedingungen abschließen will; der schweigende Empfänger will dann die Gefahr laufen, ohne deren Kenntnis abzuschließen (a. M. Dresden SeuffA. 75, 257). Hierter gehört auch der Fall, daß der Agent, der Reisende, der Geschäfts­

vermittler seinem Haus einen angeblichen Bertragsantrag (Auftrag) eines Kunden meldet, während der Kunde einen solchen Antrag gar nicht gestellt hatte, und daß nun der Geschäftsherr unter Bezugnahme auf die Meldung seines Vertreters den vermeint­ lich gestellten Antrag dem Kunden gegenüber schriftlich in Form einer Bestätigung, häuftz unter Bezugnahme auf seine beigelegten, ebenfalls, als vereinbart bezeichneten Geschäftsbedingungen, annimmt, oder es ist mit einem Agenten ein Abkommen getroffen, und es schickt der Geschäftsherr dem Gegner ein Bestätigungsschreiben mit dem Zusatz „nach hiesigen Börsenbedingungen" (Bolze 1, 654), oder ein Kaufliebhaber hat mit einem Vermittler zu bestimmtem Betrag abgeschlossen und erhält vom Geschäftzherrn eine Auftragsbestätigung mit höherem Betrag und dem Hinzufügen, es werde sein Einverständnis angenommen, wenn er innerhalb bestimmter Frist nicht widerspreche (Hamburg HansGZ. 24 Hptbl. 73). In allen diesen Fällen ersieht der Empfänger des Bestätigungsschreibens, daß der Absender sich in dem Glauben befindet, es sei ein Vertrag mit dem Empfänger des Schreibens geschlossen; der Empfänger erkennt, daß der Absender durch Schweigen des Empfängers in seinem guten Glauben bestückt wird und sich auf die Erfüllung des Vertrags, als eines geschlossenen, einrichtet. Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Berkehrssitte sowie die Anschauungen des Handelsverkehrs verlangen hier, daß der Empfänger nicht schweigen darf, sondern widersprechen muß, wenn er nicht das Bestätigungsschreiben als einen erneuten Vertrags-

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Anhang zu § 372.

I. Abschnitt: Allgemeine Vorschriften.

antrag gelten lassen will, den er durch Stillschweigen annimmt, und zwar in allen Teilen einschließlich Abänderungen und Ergänzungen nicht nur in Nebenpunkten (RG. 95, 96; 90, 166; 88, 377; 59, 550; WarneyerRspr. 1925 Nr. 57; 1922 Nr. 92; 1919 Nr. 50; IW. 1918, 769«; 1911, 9767; 1910, 649«; LZ. 1910, 8541; Kiel SchlHolstAnz. 16, 93; vgl. RG. 88, 377; oben Anm. 38); nur dann bedarf es eines Widerspruchs nicht, wenn der Absender nicht in gutem Glauben war, z. B. wenn er eine angebliche Abmachung ohne jeden Anhalt erdichtet (RG. 95, 50) oder dem Bestätigungsschreiben bewußt einen unrichtigen Inhalt gibt (LZ. 1923, 344; Posen OLGR. 28, 373), oder wenn er einen Abschluß bestätigt, den er mit einer offensichtlich unbefugten Person vereinbart hatte (RG. 103, 98; Anh. zu § 361 Anm. 31a), oder wenn das den Abschluß bestätigende Schreiben im Vordruck eine leicht zu übersehende Bemerkung enthält, die gar nicht als Abänderungsvorschlag zu erkennen ist. Dies gilt bei formularmäßig vor­ gedruckten Vermerken über den Erfüllungsort (WarneyerRspr. 1919 Nr. 26) und dann, wenn dem Kunden nach zweifellosem Abschluß ein Bestätigungsschreiben in die Hand gedrückt wird, das einen besonderen Erfüllungsort aufweist (Stuttgart IW. 1921, 1465b; dagegen Plum ebenda); oder wenn auf der Rückseite des Bestätigungs­ schreibens aufgedruckte Bedingungen auf der Vorderseite nicht angezogen sind (IW. 1925, 77988) oder Vordrucke oder Aufdrucke wegen ihrer Kleinheit, Undeutlichkeit oder wegen der Anbringung an versteckter Stelle gar nicht als Abänderungsvorschläge erkennbar sind (RG. „Recht" 1919 Nr. 479). Daß dem Geschäftsherrn durch seinen Vertreter ein erdichteter Bertragsantrag des Kunden übermittelt worden war, ändert an der Rede­ pflicht des Kunden nichts; denn auch hier trifft es zu, daß der Kunde den Bestätigenden als in gutem Glauben befindlich erkennt. Natürlich treffen alle diese Folgerungen aus dem Schweigen nicht zu, wenn der Empfänger des Bestätigungsschreibens irrtümlich meinte, der Inhalt des Schreibens decke sich mit dem, was er für abgemacht hält; denn er hat keinen Grund zum Widerspruch, wenn er die Unstimmigkeit nicht erkannt hat (RG. 97, 191). Der Empfänger hat auch dann keinen Anlaß zum Widerspruch, wenn nach Treu und Glauben anzunehmen ist, in dem Schweigen liege keine Unterwerfung; dieser Fall ist gegeben bei widersinnigen Änderungen, z. B. will der Verkäufer, der unter dem Vorbehalt der Einfuhrerlaubnis verkauft hat, nicht darauf verzichten (RG. „Recht" 1920 Nr. 463); auch der Käufer will sich nicht einer Reklamationsfrist sügen, die schon vor der möglichen Entdeckung von Mängeln der Ware abläuft (RG. bei Gruch. 62, 372). Ist der Empfänger des Bestätigungsschreibens ein Kaufmann oder auch nur ein Geschäftsmann, so kann er mit dem Einwand nicht gehört werden, er habe das Bestätigungsschreiben nicht gelesen (hierüber folg. Anm.). Ob dieser letztere Grund­ satz und das über die Redepflicht Bemerkte auch auf Nichtkaufleute und Nichtgeschäfts­ leute auszudehnen ist, hängt von den Umständen ab. Regelmäßig wird man nur unter Kaufleuten das Schweigen auf Bestätigungsschreiben als Genehmigung ansehen (RG. 58, 69; 54, 180; IW. 1918, 769«; 1911, 9767; Warneyer 1919 Nr. 50). Unter Nicht­ kaufleuten kommt es auf die nach Treu und Glauben zu beurteilenden Umstände, auf die geschäftliche Erfahrenheit, auf großstädtische oder ländliche Verhältnisse an (vgl. LZ. 1920, 7551; Hamburg HansGZ. 20 Hptbl. 172 gegen Hamburg OLGR. 23, 4; Stuttgart OLGR. 19, 58, welche Entscheidungen nur an Kaufleute denken wollen). Die Dinge liegen danach so: Es kann ausnahmsweise auch ein Kaufmann schweigen, wenn er nämlich den Bestätigenden als von der Wahrheit unterrichtet annehmen darf, und es muß ausnahmsweise auch ein Nichtkaufmann reden, wenn Treu und Glauben es verlangen. (Weiteres unten Anm. 38b.) Diese Grundsätze über das Schweigen als Genehmigung lassen sich nicht anwenden, wenn A unter fälschlichem Borgeben einer Bevollmächtigung des B in dessen Namen mündlich mit C abschließt und nun dem C den Abschluß mit dem Zusatz bestätigt, B habe ihm feine Rechte aus dem Abschluß abgetreten. Es darf C hier schweigen, weil er sich an den Abschluß mit B gebunden glaubte und die wahre Sach­ lage nicht kannte. Es ist an ihn kein Antrag gestellt, statt mit C nun mit A abzuschließen.

Zurückbehaltungsrecht.

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War jede Partei der Meinung, es sei ein Vertrag abgeschlossen, und hat jede Partei Anhang den Abschluß bestätigt, so gelten die in der folgenden Anmerkung aufgestellten Grund-zu § 372. sähe über sich kreuzende Bestätigungsschreiben, wenn nämlich die beiderseitigen Schreiben aneinander vorbeilaufen (unten Anm. 38f.). Laufen sie nicht aneinander vorbei, wenn also die eine Partei das Bestätigungsschreiben empfangen hat und nun ihrerseits erst ein Bestätigungsschreiben mit Änderungen abläßt, so darf bei derartigem Wechsel

von Bestätigungsschreiben kein Teil schweigen (Gruch. 55, 888). Zweiter Fall: Der Vertrag ist nach Ansicht des Bestätigenden nochAnm.38d. nicht abgeschlossen; es haben nach seiner Ansicht nur Vorverhandlungen statt­ gefunden, die er nun zum Abschluß dadurch bringen will, daß er dem Gegner seinen endgültigen Willen kundgibt, wie er abschließen will; das ist dann ein Vertragsantrag. Dies geschieht oft in der Form, daß der Absender den Abschluß bestätigt, und zwar unter Weglassung oder Änderung eines Teils des mündlich Besprochenen oder unter Zusätzen. Lauten diese Änderungen zuungunsten des Bestätigenden, so ist der Bestätigende, auch wenn der Gegner schweigt, daran gebunden. Die Umstände können allerdings anderes ergeben. Dann müssen diese Umstände aber so liegen, daß der Bestätigende gerade in dem hinzugefügten, geänderten oder ausgelassenen Punkt es bei der voran­ gegangenen Verabredung belassen wollte, und daß diese Absicht dem Gegner erkenn­ bar war. Dies ist der Fall, wenn die Bestätigung offensichtlich eine oberflächliche, sich nicht auf alle Punkte erstreckende, war. Lauten die Änderungen, die das Bestätigungs­ schreiben enthält, zugunsten des Bestätigenden, so hat das Bestätigungsschreiben, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sind, die Wirkung, daß durch Schweigen des Empfängers nun das Bestätigungsschreiben ausschließlich für den Vertragsinhalt maß­ gebend wird, so daß z. B. in dem Bestätigungsschreiben neu aufgenommene, inden voran­ gegangenen Verhandlungen nicht berührte Bedingungen (ein anderer Erfüllungsort, Freizeichnung, Vorbehalte u. dgl.) nun durch Schweigen des Empfängers als ver­ einbart gelten, weil ein neuer Vertragsantrag durch Stillschweigen angenommen ist (WarneyerRspr. 1922 Nr. 92, Rostock MecklZ. 35, 48; Kiel. SchlHolstAnz. 1916, 93; Dresden SächsAR. 1916, 13; oben Anm. 38), z. B. darf der Verkäufer, der geringere Ware angeboten hat, nicht schweigen, wenn der Käufer ihm daraufhin „bestätigt", die und die bessere Ware dem Angebot entsprechend gekauft zu haben, wenn mit einer Annahmemöglichkeit gerechnet werden konnte. Darin liegt eine Abweichung von der Regel, daß ein sich als Bestätigungsschreiben bezeichnendes Schreiben doch nur die Bedeutung eines durch Schweigen abgelehnten Vertragsantrags hat, wenn beide Teile einig sind, daß kein Vertrag zustande gekommen ist. Ebenso können durch Schweigen auf das Bestätigungsschreiben einzelne Punkte, über die man sich zu­ vor geeinigt - hatte, wieder ausgeschieden oder abgeändert werden. Erste Voraussetzung ist jedoch, daß das Bestätigungsschreiben bestimmt genug lautet, klar und in sich vollständig ist (ROHG. 15, 96; IW. 98, 16229; RG. in Holdheim 05, 83); die . Änderung darf keine unmerkliche oder undeutliche, die Auslassung keine hinterhältige fern (ROHG. 19, 5). Hiermit steht die zweite Voraussetzung im Zusammenhang: In dem Bestätigungsschreiben muß die dem Gegner erkennbare Absicht voll­ ständiger Zusammenfassung dessen, was nun als vereinbart zur Fest­ stellung kommen soll, zum Ausdruck gebracht sein; anderenfalls hat die stillsch'weigende Entgegennnahme noch nicht die Wirkung stillschweigender Abänderung des zuvor Vereinbarten; es muß dann vielmehr der Vertragswille, soweit er im Be­ stätigungsschreiben nicht zum Ausdruck gebracht wurde, anderweit ermittelt werden, urrd zwar durch Eingehen auf die ganze Sachlage, auf die seitherigen Geschäfts­ beziehungen und Geschäftsbedingungen (oben Anm. 37 und § 346 Anm. 17; RG. in LZ. 1913, 4624), sowie durch Zurückgehen auf die früheren Verhandlungen; dabei kommen die Grundsätze über die Vollständigkeit von Bertragsurkunden zur Geltung (§ 350 Anim. 71ff.). Auf diesem Wege kann es zu der Feststellung kommen, daß an eine StauD, HGB., 12. u. 13. Aufl. Dd. III. (Köenige.) 51

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Anhang ZU § 372.

I. Abschnitt: Allgemeine Vorschriften. Zusammenfassung des angeblich Vereinbarten gar nicht zu denken war, weil, wie der Briefschreiber wußte, die Vereinbarung erfunden war; auf ein solch arglistiges Ver­ fahren hin darf der Empfänger des Bestätigungsschreibens schweigen (RG. 95, 48; LZ. 1923, 3443). Umgekehrt kann es zur Feststellung kommen, daß das letzte Schreiben, obgleich es nicht alles enthält, doch frühere Punkte, deren Ausfall dem Bestätigenden nachteilig wäre, wiederholen will (vgl. LZ. 1926, 4351). Die dritte Voraussetzung des rechtserzeugenden Charakters von Bestätigungsschreiben bilden endlich besondere Umstände, welche nach den Grundsätzen von Treu und Glauben und nach Handelsbrauch sofortige Antwort erheischen. Diese Umstände müssen so beschaffen sein, daß der Empfänger erkennen muß, der Bestätigende verlasse sich darauf, daß der Inhalt seiner Bestätigung im Falle des Stillschweigens in Ordnung gehe, weil er danach seine Anordnungen treffen werde, und deshalb baldige Klarheit über die Lage haben müsse. Diese Voraussetzung trifft bei telegraphischen oder telephonischen Abschlüssen zu, die sich meist auf das wesentliche beschränken und regelmäßig schriftliche genaue Bestätigung erwarten lassen (IW. 1911, 9767; 1910, 6495; LZ. 08, 3833). Diese Voraussetzung trifft ferner bei mündlichen Abschlüssen im allgemeinen zu, insbesondere bei Abschlüssen mit Vertretern, „Abschlußagenten" mit fehlender Abschlußvollmacht (RG. 58, 69; Warneyer 1922 Nr. 92), und immer bei brief­ lichen Verhandlungen, die noch zu keinem Abschluß gediehen sind, insbesondere aber bei Antworten auf Vertragsanträge, und überhaupt, wenn das Bestätigungsschreiben die Hebung von Zweifeln bezweckt (RG. 88, 380; WarneyerRspr. 1922 Nr. 92; 1911 Nr. 422; Bolze 1 Nr. 654), z. B., wenn der Empfänger'des Bestätigungsschreibens bei den Verhandlungen der oder jener Klausel widersprochen hatte, nun aber aus dem Schreiben erkennen muß, der Gegner bestehe auf Annahme. Vierte Voraussetzung endlich ist die Schlüssigkeit. Das heißt, wie schon oben Anm. 38a betont ist, das Schweigen muß als Billigung der im Bestätigungsschreiben enthaltenen Erklärung objektiv (nach der Verkehrsanschauung) gedacht werden können. Zu dem oben Anm. 38a schon Gesagten und in Anm. 38 Berührten ist hier hinzuzufügen: Aus dem Bestätigungs­ schreiben muß hervorgehen, es solle ein früher angebahntes Geschäft zum Abschluß gebracht werden; das angebahnte Geschäft darf nicht weit zurückliegen und das Be­ stätigungsschreiben nicht ein Versuch sein, zerschlagene Verhandlungen wieder aufzu­ nehmen. Denn, wenn ein Antrag einmal bestimmt abgelehnt ist, so bedürfen Wieder­ holungen keiner Antwort. Das verhält sich ebenso mit Bestätigungsschreiben: Ist gegen den Inhalt eines Bestätigungsschreibens entschiedener Widerspruch eingelegt, so kann nicht durch nochmalige Zusendung eines Bestätigungsschreibens desselben Inhalts der Zu­ sammenhang hergestellt werden; er ist und bleibt unterbrochen. Der zeitliche Zusammen­ hang muß noch ein derartiger sein, daß man dem Empfänger des Schreibens nach Treu und Glauben einen Widerspruch zumuten darf. Fehlt dieser Zusammenhang, so kann es sich nur um einen Vertragsantrag, um eine Mahnung, um ein Erfüllungsverlangen handeln, aber nicht um ein Bestätigungsschreiben im kaufmännischen Sinne. Der Zu­ sammenhang darf aber nicht bloß ein zeitlicher sein, sondern es muß der Inhalt des Bestätigungsschreibens auch ein innerer sein; also darf es nicht vollkommen Neues oder ganz außerhalb des geplanten Abschlusses liegende Dinge enthalten. Über sich kreuzende Bestätigungsschreiben unten Anm. 38 f. Ein Kaufmann kann sich nicht damit ent­ schuldigen, daß er das Bestätigungsschreiben nicht gelesen, oder daß er den deutlichen Vordruck oder einen deutlichen Randvermerk übersehen habe; denn seine Geschäfts­ briefe muß ein Kaufmann lesen, und zwar sorgfältig lesen (RG. 57, 410; 54, 410 u. 182; IW. 1911, 224"; 03, 102"; 97, 88"; LZ. 09, 1407; Zweibrücken LZ. 08, 472«; Ham­ burg OLGR. 8, 28 und HansGZ. 1916 H. 270; Posen PosMSchr. 1910, 66). Es ist darüber schon oben Anm. 38 u. 38a gesprochen; es ist auch hier zu betonen, daß klein­ gedruckte, an unscheinbarer Stelle angebrachte, formularmäßige Vermerke auch bei Anwendung gehöriger Sorgfalt entgehen können, wenn im Brieftext kein Hinweis

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Zurückbehaltungsrecht.

enthalten ist (WarneyerRspr. 1919 Nr. 40; Kolmar ElsLothrZ. 18, 161; Stuttgart Anhang WürttJ. 29, 189; Dresden SächsAR. 20, 113. Die Frage ist ähnlich für Gewerbe-zn § 372. treibende überhaupt zu beantworten. Die Antwort wird für andere Nichtkaufleute häufig ebenso ausfallen, wenn sie die Bedeutung des sich auf einen Vertragsschluß beziehenden Schreibens, das sie selbst durch ihre Verhandlungen veranlaßt hatten, erkennen mußten. Denn auch Privatpersonen müssen für gehörige Behandlung von Geschäftsbriefen Vorsorge treffen (Hamburg HansGZ. 23, 177); es sei denn, daß ihnen nach Stand, Bildung und Verkehrsüblichkeit solches nicht zuzumuten ist. Die Verkehrs­ sicherheit weist auf eine solche Beantwortung der Frage hin. Nur dann verhält es sich — und zwar auch unter Kaufleuten — anders, wenn der Empfänger infolge eines von ihm nicht zu vertretenden Umstandes, also ohne sein Verschulden, von dem Inhalt des Bestätigungsschreibens keine Kenntnis erhalten hat; denn der Empfänger, der ein Bestätigungsschreiben nicht liest, stimmt dessen Inhalt, den er ja gar nicht kennt, nicht zu; er wird nur als zustimmend behandelt. Konnte der Empfänger aber gar keine Kenntnis nehmen, so kann auf ihn auch die einer Strafe ähnliche Unterstellung der Zustimmung nicht zutrefsen. Auch hier erhebt sich die Frage, ob diese Regeln über das Schweigen im bürgerlichen Verkehr gelten. Die Antwort lautet, wie in Anm. 38a, dahin, daß es auf Treu und Glauben im Verkehr ankommt; bei staatlichen und städtischen Behörden, wenn sie nicht durch kaufmännische Angestellte vertreten sind, wird ein ihnen zugehendes Bestätigungsschreiben lediglich als Beweisurkunde zu bewerten sein, die wie jede andere Willenserklärung unter Berücksichtigung aller Besprechungen und Willenserklärungen zu würdigen ist. Dritter Fall: Der Vertrag ist in den wesentlichen Punkten ge-Anm. 38c. schlossen, aber es soll über die offengelassenen Nebenpunkte erst noch eine Einigung durch Bestätigungsschreiben erfolgen. Das ist der Fall des § 154 BGB. (Anh. zu § 361 Anm. 82ff.). In diesem Fall erfordern die Grundsätze über Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte sogar in erhöhtem Maße, daß der Empfänger eines Bestätigungsschreibens, das Vorschläge über Ordnung dieser Nebenpunkte enthält, sich nicht schweigend verhalten darf, wenn er abweichender Auf­ fassung ist; sein Schweigen ist Zustimmung (RG. 58, 69). Regelmäßig wird die Vereinbarung der Parteien nicht ausdrücklich so lauten, wie der Satz zu Eingang der Anmerkung der größeren Klarheit wegen gefaßt ist, vielmehr wird ein dahingehender Wille, daß der Austausch von Bestätigungsschreiben über die Nebenpunkte Vorbehalten ist, sich erst aus den Umständen ergeben; hierüber unten Anm. 38e. Wie lange darf der Empfänger schweigen? Die Frage ist für alleAnm.38ä. drei Fälle (Anm. 38a—c) gleich zu beantworten. Das Schweigen hat nur Bedeutung, wenn das Bestätigungsschreiben keinen sinnlosen oder gänzlich unberechtigten Inhalt hat, wie dies schon oben dargelegt ist, auch nicht von unbekannter Seite ganz grundlos kommt. Das Bestätigungsschreiben muß dem Adressaten auch zugegangen sein (Anh. zu § 361 Anm. 5ff.). Darauf kommt es nicht an, daß keine vertretungsberechtigte Person vom Eingang Kenntnis erlangt hat. Es muß ferner ein völliges Schweigen stattgefunden haben; es ist kein Schweigen, wenn dem Bestätigenden mitgeteilt wird, man werde seinem Schreiben nähertreten; will der Bestätigende Gewißheit haben, so muß er an­ fragen. Ist den gedachten Voraussetzungen genügt, so richtet sich die Dauer des Schweigens nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte und auf Handels­ gebrauch (WarneyerRspr. 1911 Nr. 166). Eine kurze Überlegungsfrist und die Mög­ lichkeit, sich über den Hergang der Verhandlungen zu vergewissern, muß gewährt werden. Bei Waren mit stark wechselnden Preisen (LZ. 1910, 8541) ist schleunige Antwort, unter Umständen, z. B. bei Börsenaufträgen, oft telegraphische Antwort nötig. Die Verhältnisse der Parteien, insbesondere die Art ihrer Geschäftsverbindung, bedürfen der Berücksichtigung. Nach RG. 105, 388 oben muß ein Großkaufmann innerhalb 1—2 Tagen antworten, wenn ihm ein Abschluß bestätigt wird; er darf, selbst wenn er 51*

804 Anhang zu § L72.

Anm. 38 v.

I. Abschnitt: Allgemeine Vorschriften. verreist war, Geschäftsbriefe nicht 7—8 Tage unbeantwortet liegen lassen; er muß für Vertretung oder Nachsendung sorgen. Die Antwort muß dem Bestätigenden gegenüber erfolgen; Beanstandungen dem Vermittler gegenüber sind ungenügend (RG. 105, 205). Das Schweigen bringt keinen Nachteil, nenn der Empfänger des Bestätigungsschreibens annehmen durfte, der Bestätigende sei bereits von seiner ablehnenden Haltung unterrichtet, oder wenn er des objektiv berechtigten guten Glau­ bens war, das Bestätigte enthalte das, was er wollte. Wenn der Empfänger dagegen mit der Möglichkeit eines Mißverständnisses zu rechnen hat, muß er widersprechen (Anh. zu § 361 Anm. 42 und oben Anm. 38a). Ungerechtfertigtes Schweigen bringt also den Vertrag nach dem Inhalt des Bestätigungsschreibens zustande. Dem durch sein Schweigen Verpflichteten bleibt dann nur die Anfechtung seiner stillschweigenden Zustimmungserklärung wegen Irrtums nach § 119 Abs. 1 BGB. übrig; die Anfechtung muß unverzüglich erfolgen, nachdem er die Wirkung seines Schweigens erkannt hat (RG. 103, 405). Uber den Zeitpunkt, in dem ein Vertrag durch Stillschweigen zu­ stande gekommen ist, siehe Anh. zu § 361 Anm. 74 u. 39. Uber die Beweisfrage unten Anm. 40. Wie aber, wenn Gegenbestätigung erforderlich ist? Es ist schon in Anh. zu § 361 Anm. 84 ausgeführt, daß nach der allgemeinen Gewohnheit des Handels­ verkehrs telegraphischen oder telephonischen Abschlüssen schriftliche Bestätigungen nachzufolgen Pflegen, ebenso bei mündlichen Abschlüssen von großer Bedeutung, daß aber aus dieser Gewohnheit kein Handelsbrauch zu entnehmen ist, nach dem solche Ab­ schlüsse nicht ohne schriftliche Bestätigung bestehen könnten. Ist einmal durch Fernspruch oder mündlich fest abgeschlossen, so ändert sich natürlich nichts dadurch, daß nachfolgende schriftliche Bestätigung üblich ist, um den urkundlichen Beweis zu haben (LZ. 1922, 2881; vgl. IW. 1924, 4053). Es kann aber Geschäftsübung sein, daß unter den Parteien nach ihrem bisherigen Verkehr nur Bestätigung und Gegenbestätigung in Schriftform den Vertrag zustande bringen (§ 350 Anm. 68f.). Haben die Parteien das Zustande­ kommen des Vertrags ausdrücklich von gleichlautenden Bestätigungsschreiben abhängig gemacht (KG. in KGBl. 297) oder, was dem gleichsteht, den Austausch übereinstimmender Bestätigungsschreiben sich schon bei den Verhandlungen Vorbehalten (Rostock OLGR. 40, 209), so ist der Vertrag nicht geschlossen, solange nicht beiderseitige übereinstimmende schriftliche Bestätigungen vorliegen (§ 154 Abs. 2 BGB.; Anh. zu § 361 Anm. 84; § 350 Anm. 68 u. 91). Das gleiche ist anzunehmen, wenn die Parteien vor oder gleichzeitig mit dem Abschluß den Wechsel von Bestätigungsschreiben verein­ bart haben, ohne ausdrücklich den Abschluß davon abhängig zu machen (§ 154 Abs. 2 BGB.; Anh. zu § 361 Anm. 84). Ist danach auf Grund eines Handelsbrauchs oder kraft zu unterstellenden Vertragswillens urkundliche Abfassung des Vertrags in Form von Bestätigungsschreiben gewollt, so können die Parteien davon jederzeit formlos wieder abgehen (Anh. zu § 361 Anm. 84; § 350 Anm. 90). Die Parteien tun dies stillschweigend, wenn sie im Rechtsstreit beiderseits Abweichungen von dem formlos Vereinbarten behaupten und darauf ihre Anträge stützen (Karlsruhe „Recht" 1921 Nr. 1438) oder sonstwie ihr Einverständnis mit dem Abgehen von der Form zu erkennen geben, z. B. durch Ein­ lässen in den Vertragsvollzug (RG. 88, 380) oder dadurch, daß neue Verträge unter den­ selben Bedingungen geschlossen worden, ohne daß der Empfänger des Bestätigungs­ schreibens etwas von einem Widerspruch gegen das Bestätigungsschreiben verlauten läßt; dann haben sich beide Teile formlos auf den Inhalt des Bestätigungsschreibens des ersten Abschlusses für diesen Abschluß geeinigt (RG. 106,416). Zweifelhaft wird die Rechtslage, wenn nur der Bestätigende einseitig eine schriftliche Gegenbestätigung, vielleicht stillschwei­ gend durch Beifügung eines vorgedruckten Formulars, verlangt oder auch nur erbittet, und der Empfänger daraufhin schweigt. Das Schweigen ist hier nur ausnahmsweise Zustim­ mung, z. B. wenn es darauf hinausläuft, den Ausfall eines Ereignisses abzuwarten, um sich dann erst zu entschließen; doch auch dann nur, wenn ein solches Verhalten gegen Treu

Zurückbehaltungsrecht.

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und Glauben verstößt (vgl. RG. 106, 416). Unter gewöhnlichen Umständen ist das Anhang Schweigen allein hier kein Einverständnis, weil der Schreiber, indem er gleichlautende zu § 372. Bestätigung verlangt oder erbittet oder zu erwarten erklärt, zum Ausdruck bringt, daß er sich mit bloßem Schweigen nicht begnüge, sondern im Schweigen eine Ablehnung erblicke (RG. 103, 98; IW. 1924, 4053; Hamburg OLGR. 24, 175). Aber gerade wie bei der Einigung auf das Wechseln von Bestätigungsschreiben kann die Zustimmung formlos durch ein schlüssiges Verhalten des Empfängers des Bestätigungsschreibens stillschweigend erklärt werden. Vor allem kommt es jedoch darauf an, in welchem Sinne das Verlangen nach Gegenbestätigung unter den besonderen Umständen jedenfalls zu verstehen ist. Es kann gemeint sein, der Schreiber bestehe auf ausdrücklicher schrift­ licher Annahme und begnüge sich nicht mit Stillschweigen, wie dies unter gewöhnlichen Umständen, wie oben bemerkt, zu unterstellen ist. Das Verlangen kann aber auch den anderen Sinn haben, nur ein Beweismittel für den Abschluß und die Gewißheit des Zugehens des Bestätigungsschreibens und dessen Kenntnisnahme seitens des Empfängers des Schreibens zu erlangen, weil der Absender der aus dem Schreiben zu entnehmenden Überzeugung ist, es stimme sein Bestätigungsschreiben in allen Einzelheiten vollkommen mit den vorangegangenen Abmachungen überein, oder es weiche doch nur in solchen unbedeutenden Nebenpunkten ab, daß nach dem Vorangegangenen eine Unstimmigkeit nicht anzunehmen sei; dann darf die Gegenpartei nicht schweigen und sich darauf ver­ steifen, daß sie dem Verlangen nach Gegenbestätigung keine Folge gegeben hat; sie muß widersprechen, sonst gilt sie als zustimmend; das Verlangen nach Gegenbestätigung bedeutet in diesem Falle die Aufforderung zum Widerspruch (vgl. RG. 106, 416). Auf einen derartigen Sinn deutet auch die Wendung hin, es werde endgültiger Bestätigung ent­ gegengesehen, wenn sonst alles geordnet ist. Namentlich darf der Bestätigende nicht, wenn er sein Verlangen nach Gegenbestätigung als Bedingung aufgefaßt wissen will, beim Schweigen des Gegners zuwarten, bis ein ihm unangenehmes Ereignis ein­ getreten ist, um sich nun auf das Ausbleiben der Gegenbestätigung zu berufen (RG. 104, 200). Haben die Parteien erst nach Abschluß des Vertrags das Wechseln von Bestätigungsschreiben vereinbart, so wird dadurch der einmal abgeschlossene Vertrag nicht berührt, wenn beiderseits gar kein Zweifel daran besteht, daß an dem formlos Vereinbarten nicht gerüttelt werden soll (Anh. zu § 361 Anm. 85; § 350 Anm. 91). Allerdings ist es nicht ausgeschlossen, daß die Parteien ihre Bindung von Einhaltung dieser Form abhängig machen wollen; eine solche Vereinbarung betrifft dann aber nicht den Inhalt, der außer Zweifel steht, sondern die Formgültigkeit. Davon bedeutet es keine Ausnahme, wenn die beiderseitigen Börsenagenten (§ 84, Anh. zu § 85) so abschließen, daß weitere Einzelheiten erst noch geordnet werden sollen und nun die Par­ teien selbst nachher schriftliche Bestätigung vereinbaren; damit ist der typische Fall konstitutiver Bestätigungsschreiben (oben Anm. 38) hergestellt; jede Partei muß Wider­ spruch gegen das ihr nicht Genehme einlegen (IW. 1922, 16753). Haben sich Bestätigungsschreiben gekreuzt, d. h. sind Bestätigungs-Anm.38t. schreiben beider Teile unterwegs aneinander vorbeigegangen, so kommen obige Grund­ sätze (oben Anm. 38—38d) zur entsprechenden Anwendung. Bestätigen sich beide Teile gleichzeitig mit verschiedenem Inhalt, so muß jeder Teil sich vernehmlich machen, sonst gilt er als zustimmend. Man kann nicht sagen, das zuletzt angekommene Bestätigungs­ schreiben und das daraufhin stattgehabte Schweigen sei maßgebend. Man kann auch nicht aus beiden sich widersprechenden Bestätigungsschreiben das dem vorher mündlich Vereinbarten Widersprechende ausschalten, um dann den übrigen Inhalt gelten zu lassen (man käme so zu einem nicht gewollten Vertrag), noch kann man sagen, es sei kein Vertrag zustande gekommen, weil beide Teile das mündlich Vereinbarte nur mit seinen Änderungen zum Vertragsinhalt machen wollten (Stern DIZ. 23, 165); denn die Parteien wollen durch den Austausch von Bestätigungsschreiben den Vertragsinhalt authentisch feststellen, so daß deren Inhalt allein maßgebend sein soll und mündliche

806 Anhang ZU § 372.

Anm. 39.

I. Abschnitt: Allgemeine Vorschriften.

abweichende Verabredungen durch die schriftliche Bestätigung als abgeändert gelten, wenn dem Schreiben nicht widersprochen wird; an diesem grundlegenden Begriff von Bestätigungsschreiben (oben Anm. 38) ändert es nichts, daß Bestätigungsschreiben aneinander vorbeireisen. Jede Partei muß widersprechen, sonst genehmigt sie durch ihr Schweigen (RG. 88, 380; IW. 1918, 109; Hamburg, „Recht" 1921 Nr. 1440; HansRZ. 20,556). Wenn z. B. Käufer und Verkäufer sich gleichzeitig den Kauf, jeder mit anderem Inhalt, bestätigen, der Käufer die Bestätigung des Verkäufers in der Folge zurückweist, also nicht schweigt, und der Verkäufer nun schweigt oder gar erfüllt, so ist der Vertrag nach dem Inhalt des Bestätigungsschreibens des Käufers geschlossen (WarneyerRspr. 1919 Nr. 5). Bei sich kreuzenden Bestätigungsschreiben, wenn dazu Gegenbestätigung vereinbart oder verlangt ist, verhält es sich nicht anders. Es muß. entweder Gegen­ bestätigung eingesendet oder Widerspruch erhoben werden, wenn nicht etwa Gegen­ bestätigung deshalb nicht nötig ist, weil die Bestätigung nach dem oben Anm. 38e Be­ schriebenen wegen anderweit erteilter Zustimmung unnötig ist. Bestätigungsschreiben haben sich nicht gekreuzt, wenn der Empfänger das chm zugegarvgene Bestätigungsschreiben mit Wänderungen versieht und es so an den Bestätigenden zurückgehen läßt; das ist ein neues Bestätigungsschreiben, das beim Schweigen des Bestätigenden als von ihm angenommen gilt (RG. 88, 380; Warneyer 1918 Nr. 178; RG. „Recht" 1923 Nr. 915; Holdheim 20, 121). CQ Schlußscheine (Schlußnoten) werden die Urkunden genannt, die unter den Parteien

zum Zweck schriftlicher Feststellung des Vertragsinhalts gewechselt und von jeder Partei unterschrieben werden. (Sie sind verwandt mit den Schlußnoten des § 94; jedoch mit dem Unterschied, daß entweder eine andere Person als ein Makler die Bermittler­ tätigkeit ausübt, oder daß es an jeder Vermittlung fehlt.) Hier kommt der Vertrag durch die Auswechslung der Schlußscheine zustande; gleichwie wenn die Parteien gleich­ lautende Bestätigungsbriefe gewechselt hätten. Dann kann über den Erfüllungsort kein Zweifel sein. Mitunter erteilt aber auch nur eine Partei der anderen einen Schluß­ schein. Alsdann gelten die Grundsätze über Bestätigungsschreiben in dem in Anm. 38 erörterten Sinn (IW. 98, 1622*; vgl. RG. 59, 350; ROHG. 13, 295). Der wider­ spruchslos entgegengenommene Schlußschein entscheidet über die Rechte und Pflichten der Parteien und die in Bezug genommenen, beigegebenen Geschäftsbedingungen, insbesondere über den Erfüllungsort (RG. 58, 367; IW. 1924, 4053; Hamburg OLGR. 37, 12; vgl. RG. 105, 206; 90, 168; Dresden SeuffA. 66, 351; Karlsruhe BadRpr. 03, 157; Hamm OLGR. 32, 154). Erhält der Käufer auf seinen Vertrags­ antrag einen Schlußschein vom Verkäufer, nach dem dieser nur einen Teil der be­ stellten Ware liefern will, so muß er ersehen, daß der Verkäufer das Geschäft nur inso­ weit abschließen will, als es der Schlußschein zum Ausdruck bringt. Im Fall still­ schweigender Annahme kann der Käufer also regelmäßig den Rest nicht nachfordern. Ähnlich verhält es sich, wenn ein Agent sich die Genehmigung des Geschäftsherrn Vor­ behalten hat, und nun der Geschäftsherr seinem Vertragsgegner einen Schlußschein unmittelbar zusendet (vgl. RG. 60, 188; Kassel SeuffA. 60, 406; oben Anm. 36 und § 85 Anm. 4; Anh. zu § 85 Anm. 5). Es ist nicht immer nötig, daß gerade jeder Teil dem anderen einen Schlußschein übergeben müßte. Die Verhandlungen können sich auch so abspielen, daß nach Bertragsschluß nur eine Partei der anderen eine mit der Urschrift gleichlautende Wschrift übergibt, die nicht gerade als Schlußschein bezeichnet zu sein braucht, z. B. auch Auftragsbestätigung benannt sein kann; das ist keine Kommissionskopie (oben Anm. 35), sondern ein Schlußschein (WarneyerRspr. 1922 Nr. 95). Auch ein Nichtkaufmann unterwirft sich den in der Schlußnote erwähnten Geschäftsbedingungen der Bank, wenn er von ihr Schlußnoten ohne Widerspruch ent­ gegennimmt (§ 355 Anm. 43); insbesondere unterwirft sich, wer mit einem Bankier im Kontokorrentverkehr steht und dessen Schlußnoten vorbehaltlos entgegennimmt, nach denen das Geschäft nach den allgemeinen Börsenbedingungen geschlossen ist, wenn sie auch

Zurückbehaltungsrecht.

807

nicht beiliegen (Hamburg HansGZ. 20 Hptbl. 59); nicht aber unterwirft sich bei Börsen- Anhang geschäften, wer ohne Widerspruch Schlußnoten annimmt, die Bezug auf Platzusancen zu § 872. nehmen, jeder beliebigen von den Börsenorganen nachträglich gegebenen, zur Platzusance erklärten Bestimmung. Die stillschweigende Entgegennahme eines Schlußscheins hat jedoch keine Bedeutung, wenn gar kein Vertrag zustandegekommen war (Hamburg HansGZ. 21 Hptbl. 16), oder wenn der Empfänger schon vor Empfang bestimmt und deutlich widersprochen hat (Karlsruhe LZ. 1919, 1028; Hamburg HansRZ. 2, 353), oder wenn der Schlußschein erst nach beiderseitigem Bertragsvollzug eintrifst (Kiel OLGR. 37, 12 Anm.). Ist der Vertrag einmal durch den Austausch unterschriebener Schlußscheine geschlossen, so kann deren Inhalt nicht wieder durch Bestätigungsschreiben geändert werden; es kann z. B. nicht, wenn die Schlußscheine über den Erfüllungsort nichts ausdrücklich bestimmen, also den gesetzlichen Erfüllungsort wollen, durch einen Vermerk in einem späteren Bestätigungsschreiben, wenn der Gegner darauf schweigt, ein vom gesetzlichen Erfüllungsort abweichender Erfüllungsort eingeführt werden; denn ein Antrag auf Änderung eines, geschlossenen Vertrags wird durch Schweigen abgelehnt (Karlsruhe BadRpr. 20, 136). 4. Die BeweiSlast. Wer einen Erfüllungsort behauptet, der vom gesetzlichen ab weicht, Anm. 40. hat dafür die Beweislast. Handelt es sich um die Ermittlung des am Erfüllungsort gel­ tenden ausländischen Rechts, so kann der Richter die Parteien zu Nachweisungen auf­ fordern (RG. 39, 376; 30, 366; 21, 177; IW. 91, 331). Gelingt die Er­ forschung auch dann noch nicht, und hat der Richter außerdem das Erforderliche zur Er­ mittlung nach § 293 ZPO. vergeblich getan, so kann er das inländische Recht anwenden (RG. 39, 376; a. M. ROHG. 26, 53). Bei seinen Ermittlungen ausländischen Rechts ist das Prozeßgericht nicht an die Vorschriften über Beweisaufnahme gebunden (IW. 1910, 152"). Daher ist die Erhebung ausländischer Auskunft über ausländisches Recht nicht als Erhebung eines Gutachtens anzusehen, sondern es entscheidet das freie richter­ liche Ermessen (RGSt. 42, 56). Es ist bei der Erforschung des ausländischen Rechts auch kein Raum für Verletzung der richterlichen Fragepflicht; der Richter hat von Amts wegen nach pflichtmäßigem Ermessen sich die erforderliche Kenntnis zu verschaffen (RG. 80, 267); er braucht nicht einmal Beweis zu erheben, wenn er überzeugt ist, daß ihm der In­ halt bekannt ist (RG. 10, 172; vgl. RG. 3, 149). Die vom Berufungsrichter getroffene Auslegung des ausländischen Rechts bindet den Revisionsrichter (RG. 70, 435; §§ 549, 562 ZPO.; oben Anm. 5 u. 11). Entsprechende Regeln gelten für die Ermittlung auf­ gehobener Landesrechte (IW. 1912, 196"). Hängt der Erfüllungsort vom Wohnsitz des Schuldners ab (oben Anm. 19ff.), so hat der Gläubiger die Beweislast für den Wohn­ sitz. Hat der Schuldner in Deutschland keinen Wohnsitz, so läßt sich diese Negative nicht unmittelbar beweisen; der Gläubiger hat genug getan durch den Nachweis, daß ihm die Ermittlung eines Wohnsitzes in Deutschland nicht gelungen ist; Sache des Schuldners ist es dann, seinerseits den Wohnsitz in Deutschland nachzuweisen (OLGR. 19, 131). Bei Bestätigungsschreiben hat der Bestätigende die Ankunft des Schreibens und die be­ sonderen Umstände zu beweisen, die eine alsbaldige Antwort erheischen. Den Absender trifft aber nicht die Beweislast für das anstandslose Behalten des Schreibens seitens des Empfängers (a. M. Hamburg SeuffA. 62, 347). Es muß vielmehr der Empfänger den Beweis erbringen, daß und warum sich aus seinem Schweigen eine Genehmigung nicht ergibt; diesen Beweis erbringt er noch nicht damit, daß er eine ablehnende Antwort zur Post aufgegeben oder einem zuverlässigen Boten zur Beförderung an den Bestätigenden übergeben hat; für das Zugehen der Antwort ist damit nicht einmal einiger Beweis geliefert; es müssen vielmehr noch weitere Umstände hinzutreten (§ 361 Anm. 41; a. M. Hamburg SeuffA. 62, 347). Der Empfänger kann dem Bestätigenden entgegenhalten, daß dieser gegen Treu und Glauben verfahre. Mißlingt der Gegenbeweis dem Empfänger des Bestätigungsschreibens, so kann er dem Bestätigenden nicht den Eid zuschieben, er habe den Inhalt des Bestätigungsschreibens erfunden; es würde sonst die Beweislast ver-

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Anhang zu § 372.

I. Abschnitt: Allgemeine Vorschriften.

schoben, die dem Empfänger des Schreibens obliegt (LZ. 1923, 3448; oben Anm. 38 f). Behauptet der Kläger vorbehaltslosen Abschluß, so muß er dafür den Beweis über­

nehmen gegenüber dem Beklagten, der behauptet, der Vertrag habe erst durch schriftliche Bestätigung zustandekommen sollen (IW. 1919, 3042; WarneyerRspr. 1918 Nr. 72). — Der Schlußschein beweist, wie jede andere Vertragsurkunde, den Vertragsinhalt. Der Empfänger des Schlußscheins muß den Beweis führen, daß er den Schlußschein nicht widerspruchslos entgegengenommen habe, wenn er ihn entgegengenommen hat (IW. 98, 16229; WarneyerRspr. 1922 Nr. 95). Uber die Widerlegung im übrigen und die Beweiskraft des Schlußscheins gilt das in § 350 Anm. 71 ff. Ausgeführte (IW. 03 Beil. 133296). Anm. 40a. Prozessuales: Fällt der Nachweis des vereinbarten Erfüllungsortes vollständig mit den notwendigen Tatbestandsmerkmalen des Anspruchs selbst zusammen, so bedarf es keines besonderen Nachweises der Zuständigkeit, wenn die behaupteten Tatsachen bei gehöriger Würdigung nach ihrer Rechtsnatur den behaupteten Tatbestand unter­ stellen lassen (§ 29 ZPO.; RG. 29, 371; IW. 1913, 55220; 1910, 709"; 02, 1258; 01, 3963; 99, 4824). Es genügt alsdann die bloße Behauptung der Zuständigkeit, weil die Tat­ sachen, die zur Begründung der Klage und der Zuständigkeit gehören, notwendig zusammen­ fallen (RG. 61, 70; 29, 371; IW. 00, 2711; 96, 1037); ebenso auch bei der Klage auf Anerkennung eines ausländischen Urteils. Alles dies bezieht sich nur auf die Tatsachen, die die Zuständigkeit begründen, nicht auf die für die Zuständigkeit unwesentlichen Be­ hauptungen (WarneyerRspr. 1913 Nr. 302). Daher ist der Verkäufer bei bestrittenem Abschluß des Beweises für Vereinbarung eines besonderen Erfüllungsortes nicht durch die Behauptung entbunden, daß er einen besonderen Erfüllungsort vereinbart habe. Denn der Kaufabschluß und die Vereinbarung über den Erfüllungsort fallen hier nicht notwendig zusammen (vgl. RG. 49, 72; IW. 01, 7981). Er bedarf eben des Beweises der die Zuständigkeit begründenden Tatsachen nur insoweit, als für die Zuständigkeit mehr zu beweisen ist, als zur Begründung des Klageanspruchs gehört; also nicht des Nachweises der Vollmacht des Vertreters, der den Erfüllungsort vereinbart hat; noch auch bei Inanspruchnahme aus § 128 HGB. des Nachweises, daß Beklagter Teilhaber einer offenen Handelsgesellschaft war (IW. 98, 36); noch auch des Nachweises eines Garantie­ versprechens, wenn sich aus diesem der Gerichtsstand des Erfüllungsortes ergibt (RG. 61, 71). Daher genügt für den Kommissionär, der den Kommittenten am Ort des kom­ mittierten Geschäfts verklagen will (§ 383 Anm. 37), seine bloße Behauptung, daß dem Klageanspruch lediglich Kommissionsgeschäfte zugrunde liegen (IW. 00, 2711); er braucht nichts zu beweisen. Die örtliche Zuständigkeit kann auf Tatumstände gestützt werden, die erst nach der Klageerhebung eingetreten sind (RG. 52, 136). Die Vereinbarung eines Erfüllungsorts begründet an diesem Ort einen einheitlichen, aber keinen ausschließlichen Gerichtsstand für alle aus dem Vertragsverhältnis sich ergebenden Verpflichtungen (IW. 95, 101*; RG. bei Holdheim 09, 109; oben Anm. 28). Ist eine unerlaubte Handlung in Frage (Anh. zu § 349 Anm. 11), die in mehreren Gerichtsbezirken begangen ist, so muß nicht nur behauptet, sondern auch bewiesen werden, daß eine Handlung vorliegt, die im Bezirk des angegangenen Gerichts begangen ist. Sonst könnte, wenn dies nicht der Fall ist, ein Urteil durch das unzuständige Gericht über den gesamten Anspruch er­ lassen werden (WarneyerRspr. 1913 Nr. 387). Anm. 41. 5. Insbesondere der Erfüllungsort beim Kauf. a) Eine besondere Vorschrift für den Erfüllungsort beim Kauf ist nicht ge­ geben. Der frühere Art. 342 hatte eine solche. Aber weder das BGB. noch das jetzige HGB. haben eine solche aufgestellt; es muß sich alles aus der allgemeinen Vorschrift des § 269 BGB. und aus der Natur des Kaufvertrages ergeben (vgl. oben Anm. 28ff.). Anm.42. b) Der Erfüllungsort ist für den Verkäufer sein Wohnsitz oder seine gewerb­ liche Niederlassung, für den Käufer dessen Wohnsitz oder dessen gewerb­ liche Niederlassung zur Zeit der Entstehung der Kaufschuld. Das ergibt sich

Zurückbehaltungsrecht.

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aus der allgemeinen Vorschrift des § 269 BGB. (vgl. oben Anm. 9, 15 u. 46b). Frei- Anhang lich wird in vielen Fällen hierdurch ein mißlicher Zustand geschaffen, auf den schon oben zu § 372. Anm. 9 u. 15 für zweiseitige Verträge überhaupt hingewiesen ist. Denn da jeder Teil an seinem Wohnsitz und also auch in seiner Behausung erfüllen kann, so fehlt es an einem Mittel, um die Parteien zur Ausführung des Vertrages zusammenzubringen. Hier bleibt nichts übrig, als daß die Partei, der an der Ausführung am meisten liegt, den Anfang macht, indem sie ihre Leistung der anderen Partei zuführt, und sie so zur Bewirkung der Gegenleistung Zug um Zug gegen die eigene Leistung veranlaßt. Doch helfen in vielen Fällen hier Handelsgebräuche und Vertragswille aus, wie er nach § 242 BGB. zu verstehen ist. So ist beim Kauf schwimmender oder doch abgeladener Ware der Er­ füllungsort da, wo die Konnossemente ausgehändigt werden sollen (vgl. oben Anm. 6, 13, 15 u. 18). So ist beim sofortigen Austausch der beiderseitigen Leistungen am Ver­ tragsort, der zugleich Wohnort des Verkäufers ist, an diesem Ort der Erfüllungsort für beide Teile (oben Anm. 15; RG. 102, 282; dazu Oertmann IW. 1922, 484). Ferner besteht in vielen Handelszweigen und bei allen Distanzkäufen der Gebrauch, daß der Verkäufer dem Käufer die Ware zu übersenden hat und der Käufer erst dann zu zahlen braucht, wenn die Ware an seinem Wohnsitz oder am Bestimmungsort angelangt und ihm dort zur Prüfung vorgelegt worden ist (unten Anm. 46). Mit der Frage des Erfüllungsortes für den Verkäufer hat dies aber nichts zu tun: Anm. 42a. Es erfüllt der Verkäufer trotz der Übersendungspflicht an seinem Wohnsitze oder seiner gewerblichen Niederlassung, wobei zu berücksichtigen ist, daß sich nichts ändert, wenn der Verkäufer z. B. von Amerika eine Ware nach Rußland zu liefern hat — voraus­ gesetzt, daß er von seinem Wohnsitz aus alle zur Erfüllung seiner Verpflichtungen nötigen Anordnungen zu treffen und zu überwachen in der Lage ist. Dann hat er die Gesamt­ heit seiner Verpflichtungen von diesem Wohnsitz aus zu erfüllen (vgl. RG. 14, 114). Wohl aber wird dadurch der Erfüllungsort für die Abnahmepflicht des Käufers bestimmt. Denn wo die Ablieferung zu erfolgen hat, da hat auch die Abnahme zu erfolgen (RG. 49, 72; RG. bei Holdheim 9, 51; Posen OLGR. 2, 250; hierüber Näheres oben Anm. 27 und in den vorhergehenden Anmerkungen). Durch die Vereinbarung, daß der Verkäufer „bahn­ frei X netto Kasse Zug um Zug" zu liefern hat, wird der Ort X nicht Erfüllungsort für den Verkäufer; denn die Lieferung „X, netto Kasse" hat gar keine Bedeutung für den Er­ füllungsort (oben Anm. 31 und unten Anm. 46a); die Vereinbarung der Leistung Zug um Zug in X gegen Kasse besagt aber lediglich, daß der Käufer in X zu zahlen hat; für den Verkäufer bestimmt die Abrede nur den Ablieferungsort, ändert aber nichts am Er­ füllungsort (oben Anm. 31 f.). Auch die Klausel „Hamburger ausgeliefertes Gewicht" (oben Anm. 32; § 346 Anm. 19a) oder „sofortige Überbringung der Kaufsache hierher" (d. h. an den Wohnort des Käufers) ändert am Erfüllungsort des Verkäufers nichts (Karlsruhe BadRpr. 21, 99). Wenn der Kaufpreis Zug um Zug gegen Ablieferung zu leisten ist, so wird hierdurch Anm. 42b. auch der Erfüllungsort für die Zahlung infolge der Natur des Verhältnisses unter Umständen verändert (Hamburg HansGZ. 80 Hptbl. Nr. 91); z. B. durch die Klausel „netto Kasse bei Empfang der Ware loko Fabrik"; sie verlegt den beiderseitigen Erfüllungsort in die Fabrik (vgl. RG. 102, 40). Ist der Ablieferungsort die gewerb­ liche Niederlassung des Schuldners, so verändert sich ja der Erfüllungsort des Käufers gegen dem regelmäßigen nicht. Aber wenn die Ware für eine in Hamburg seßhafte Firma nach Mernel zu senden und Zug um Zug gegen die Ablieferung Zahlung zu leisten ist, so ist Meunel Erfüllungsort für die Zahlung. Der Umstand allein dagegen, daß die Ware anderswohin geliefert wird, als wo der Besteller wohnt, macht den Ort der Ablieferung noch nichtt zum Erfüllungsort für die Zahlung (RG. 30, 379; in diesem Falle war die Ware nach Kömigsberg gesandt, die Faktura nach Dortmund, dem Wohnort des Käufers; von da aus sollte die Zahlung erfolgen, nicht aber Zug um Zug gegen Ablieferung der Ware; (vgl. obem Anm. 13). Über Nachnahmesendung unten Anm. 46.

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I. Abschnitt: Allgemeine Vorschriften.

Anhang ZN § 372.

II. Zeit der Erfüllung. Lit.: wie in Anh. zu § 359.

Anm.43.

Vorbemerkung. Die Zeit der Erfüllung ist bereits in den Erläuterungen zu § 359 und im Anh. zu § 359 behandelt. Auch beim Kauf ist über die Zeit der Erfüllung nichts Besonderes bestimmt, weder im BGB. noch im HGB., während der Art. 342 des alten HGB. für den Kauf Sondervorschriften über die Erfüllungszeit gegeben hatte. Ins­ besondere war dort gesagt, daß der Kaufpreis bei der Übergabe zu zahlen sei. Damit war zum Ausdruck gebracht, daß der Verkäufer an seinem Wohnsitz die Übergabe zu vollziehen, d. h. das zu tun habe, was seinerseits zur Vollziehung der Übergabe erforderlich ist, und daß in diesem Zeitpunkte der Kaufpreis zu zahlen sei. Diese Vorschrift ist in das jetzige Recht nicht übernom­ men, sie war auch durch Handelsgebräuche stark durchbrochen worden. Nach dem jetzt gel­ tenden Recht stellt sich die Sache wie folgt:

Anm.44.

1. Ist vereinbart, daß der Kaufpreis früher oder später bezahlt werden soll, als die Übergabe zu erfolgen hat, so bietet die Frage keine Schwierigkeit. Das erstere nennt man den Vorauszahlungskauf, Pränumerationskauf (unten Anm. 45a; Vorb. vor § 373 Anm. 63a), das letztere den Kreditkauf (Vorb. vor § 373 Anm. 38ff., 46ff.). Im ersteren Falle hat Käufer zunächst zu zahlen, und erst später der Verkäufer zu übergeben, im letzteren Falle hat der Verkäufer zunächst zu übergeben, und der Käufer erst später zu zahlen. Daß einer dieser beiden Fälle vorliegt, muß nicht der be­ weisen, der sich darauf beruft (a. M. Oertmann in EhrenbergHandb. IV 2 S. 426f. u. 9. Aufl.); obgleich nach der gesetzlichen Regel Zug um Zug und sofort zu erfüllen ist (§§ 320, 271 BGB.; vgl. Anh. zu § 359 Anm. 3ff.), wenn nicht ein Zurückbehaltungs­ recht ausgeübt werden darf (hierüber Vorb. vor § 369 Anm. 3 und Vorb. vor § 373 Anm. 77ff.). Die Beweislast trifft vielmehr den Kläger, der den Abschluß eines un­ befristeten Geschäfts oder eines Geschäfts mit Vorauszahlung behauptet, gleichwie der Kläger, der seine Klage auf den Abschluß eines unbedingten Geschäfts stützt, die Unbedingt­ heit beweisen muß (RG. 68, 307; Gruch. 29, 727; auch IW. 1919, 3043;08, 430; 03,47»; 02, 31213; Warneper Rspr. 1910 Nr. 11). Ebenso hat der Kläger den unbedingten Ab­ schluß zu beweisen, wenn der Beklagte eine aufschiebende Bedingung vorschützt, d. h. er muß einen Vorgang dartun, der nichts von einer Bedingung erkennen läßt (RG. 29, 119; 18, 157; IW. 03, 478). Schützt der Beklagte dagegen Beifügung einer auflösenden Bedingung vor, so hat er die Beweislast (RG. 28, 145), die er überhaupt trägt, wenn die Befristung oder Bedingung erst nach Vertragsschluß vereinbart sein soll (Anh. zu § 359 Anm. 3). Es ist dies die Anwendung desselben Grundsatzes wie bei der Stundungs­ einrede (über die Stundungseinrede s. Anh. zu § 359 Anm. 3). Mißlingt der Beweis, so kann der Gesichtspunkt entscheiden, welche Partei vermöge ihrer persönlichen Eigen­ schaften die größere Gewähr bietet; das Urteil, welches mit dieser Begründung auf einen richterlichen Eid erkennt (§ 475 ZPO.), ist unangreifbar (RG. 21, 372; IW. 02, 544* u. 2110). Bei Hingabe von Gefälligkeilsakzepten wird der Anspruch des Akzeptanten gegen den Trassanten auf Deckung erst mit Verfall des Wechsels fällig, weil der Trassant erst in diesem Augenblick den Wechsel einlösen oder den Akzeptanten mit den erforderlichen Mitteln versehen muß; bis zu diesem Augenblick ist der Anspruch des Akzeptanten betagt; der Trassant macht sich schadensersatzpflichtig, wenn er den Akzeptanten bei der Fälligkeit nicht von seiner Haftung befreit hat (ROHG. 18, 66). Die Fälligkeit wird fingiert, wenn der Verkäufer sich so behandeln lassen muß, als sei die Lieferung fällig, z. B. wenn der Verkäufer dem Käufer, der alsbald nach Benachrichtigung vom Eintreffen der Ware beim Verkäufer abrufen soll, vom Verkäufer nicht benachrichtigt wird, weil er die Ware ander­ weit verkauft hat; die Lieferung wird fällig in dem Augenblick, in dem sie bei gehöriger Sorgfalt des Verkäufers fällig geworden wäre. Ebenso beim Verkauf schwimmender, rollender oder in der Abladung begriffener oder erst noch abzuladender Ware oder beim

Für die Erfüllungsort beim Kauf gelten folgende Regeln:

Zurückbehaltungsrecht.

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Verkauf auf glückliche Ankunft (Anh. zu § 382 Anm. 48a, 49d), wenn der Verkäufer die Anhang Ware anderweit abgesetzt hat; im Falle der Nichterfüllung ist nach der Erfahrung der ZN § 372. Zeitpunkt zu ermitteln, an dem derart verkaufte Ware unter regelmäßigen Verhält­ nissen zur Verladung und Beförderung gekommen wäre; danach ist der Zeitpunkt der Fälligkeit zu bemessen (vgl. RG. 98, 214). Ist die Erfüllungszeit in das Belieben des Schuldners gestellt, so muß der Gläubiger bei Meinungsverschiedenheit über den Zeit­ punkt der Leistung in entsprechender Anwendung des § 315 BGB. auf Festsetzung einer beantragten oder vom Richter zu bestimmenden Frist im Wege der Feststellungsklage oder auf sofortige Leistung oder auf Leistung binnen einer richterlich zu bestimmenden Frist im Wege der Leistungsklage die Lösung suchen (Anh. zu § 359 Anm. 3; jedoch Vordem, vor § 373 Anm. 25; über übliche Befristungen s. § 346 Anm. 19); es kann der Gläubiger die Leistungszeit auch selbst bestimmen und danach unmittelbar auf Leistung klagen; dieses abgekürzte Verfahren bringt dem Gläubiger die Gefahr, daß der Richter die Leistungs­ zeit länger hinaussetzt und die Klage deshalb als verfrüht abweist (Vorb. vor § 373 Anm. 22a Abs. 2). — Bewilligte Fristen werden von dem Augenblick an berechnet, in dem der Verkäufer erfüllt hat, also von der Absendung der Ware (ROHG. 6, 165), und dies ist regelmäßig das Fakturadatum (ROHG. 2, 378; jedoch unten Anm. 46a). In­ dessen kann selbstverständlich anderes vereinbart werden. Das geschieht z. B. häufig durch den Zusatz: Valuta per ... (z. B. Valuta per 1. Mai, wenn am 15. April geliefert ist). Das bedeutet: Es soll als Anfangstermin des Zahlungsziels ein späterer Termin als der Lieferungstermin gelten. Umgekehrt kann aus der Natur des Geschäfts hervorgehen, daß die Zahlungsfrist schon vor der Übergabe beginnt, wenn nämlich der Lieferant die Ware zur Verfügung des Käufers halten mußte (ROHG. bei Puchelt Anm. 6 zu Art. 342). — Sind in den Fakturen Zahlungsfristen enthalten, so gelten sie zum Nachteil des Ver­ käufers, nicht ohne weiteres zum Nachteil des Käufers (hierüber oben Anm. 34). Sind sie in Kommissionskopien enthalten, so gilt das gleiche (oben Anm. 35). Anders, wenn sie sich in Katalogen, Preislisten usw. befinden, hier gelten sie auch zum Nachteil des Käufers; denn daß Zahlungsfristen sich in Katalogen finden, darauf muß der Käufer gefaßt sein (oben Anm. 37; Anh. zu § 361 Anm. 13). In noch höherem Maße gilt dies von Bestellscheinen (oben Anm. 36), Bestätigungsschreiben (oben Anm. 38) und von Schlußscheinen (oben Anm. 39). Über alle diese Fragen siehe auch unten Anm. 60ff. Es genügt zur Verurteilung des Schuldners, wenn die Leistungszeit zwar erst nach Klage­ erhebung, aber vor Schluß der letzten mündlichen Verhandlung, eingetreten ist (RG. 8, 415; vgl. RG. 52, 136). Vgl. Anh. zu § 359 Anm. 9ff. Es genügt auch, wenn vor dem zur Leistung bestimmten Termin die Unmöglichkeit der Erfüllung wieder beseitigt ist, z. B. wenn das Verbot, gegen welches der Vertrag verstieß, zur Zeit der Lieferpflicht wieder aufgehoben worden ist (RG. 105, 138). Uber Heilung des Verzugs Anh. zu § 374 Anm. 112. 2. Ist eine Frist nicht vereinbart, so muß sofort erfüllt werden. Dieses „so-Anm.45. fort" birgt große Schwierigkeiten in sich, da jeder Teil dort zu erfüllen hat, wo er wohnt, und kein Teil anzufangen braucht (vgl. oben Anm. 15 u. 42; Anh. zu § 359 Anm. 8; Anh. zu § 361 Anm. 28ff.; Anh. zu § 374 Anm. 87; über sofortige Annahme Anh. zu § 361 Anm. 33). Hier helfen, wie oben gesagt, Handelsgebrüuche und Parteiwille, der nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte zu erforschen ist (§ 242 BGB.; s. § 346 Anm. 19 u. 20). Denn die Vereinbarung sofortiger Erfüllung macht ein Geschäft nicht zum Fixgeschäft (§ 376 Anm. 6). „Sofort" kann je nach den Umständen, nach Art und Menge der Ware mit angemessener Frist gleichbedeutend sein, wie bei umfangreichen Lieferungen oder bei voraussichtlichen Schwierigkeiten der Erfüllung; alsdann gerät der Verkäufer erst durch Mahnung in Verzug; es ist keine genau bestimmte Lieferzeit nach § 284 Abs. 2 BGB. ausgemacht (§ 376 Anm. 6). „Sofort" ist nicht gleichbedeutend mit „prompt," eher noch mit „umgehend". Die Promptklausel verpflichtet zu möglichst schneller Absendung, macht das Geschäft zwar nicht zum Fixgeschäft, kann aber den Sinn haben,

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Anhang ZU § 372.

Anm.45a.

Anm.46.

I. AbschnittAllgemeine Vorschriften.

daß der Verkäufer bei nicht schneller Absendung ohne Mahnung in Verzug kommen soll (SeuffA. 38 Nr. 247; „Recht" 1911 Nr. 471; § 376 Anm. 6). Man kann den Unter­ schied vielleicht dahin ausdrücken, daß „prompt" pünktlich in gewöhnlichem Geschäfts­ gang, "„sofort" dagegen äußerste Beschleunigung außerhalb des gewöhnlichen Geschäfts­ gangs bedeutet; „prompt" kann z. B. sehr wohl heißen innerhalb 14 Tagen, während „sofort" innerhalb zweimal 24 Stunden besagen kann. Bei sofortiger Verladung hat der Verkäufer zu beweisen, warum er nicht sofort verladen hat; bei „Verladung prompt nach Waggonstellung" braucht der Verkäufer erst zu verladen, wenn ihm die Wagen von der Eisenbahn gestellt sind; Sache des Käufers ist es, zu beweisen, daß die Wagen früher zur Verfügung standen. „Sofort" hat nicht den Sinn, daß außerhalb der Geschäftszeit zu erfüllen wäre (§ 358; RG. 91, 67). „Sofort" ist auch nicht das­ selbe wie pünktlich. Die Vereinbarung pünktlicher Leistung oder Zahlung „auf die Minute" ist regelmäßig kein Fixgeschäft; es kommt vielmehr darauf an, ob nach Treu und Glauben eine geringfügige Verspätung noch durchgelassen werden kann, wenn kein Schaden entstanden ist (WarneyerRspr. 1909 Nr. 442; § 376 Anm. 6); es kann sogar bei der Vereinbarung pünktlicher Zahlung eine gewisse Überlegungsfrist zu­ gelassen sein, z. B. bei Nachforderungen, bei Preissteigerung durch Währungszerfall, außerordentlichem Anwachsen der Anschaffungskosten, wenn der unbefangene Leser solches in der Vereinbarung findet (vgl. RG. 107, 109). Bei den Abreden „disponibel (oder „sofort") bei Wiedereröffnung der Schiffahrt" ist eine angemessene kurze Frist nach Wiedereröffnung der Schiffahrt als gewollt anzunehmen (Hamburg HansGZ. 71 Nr. 14; 72 Nr. 118); „zu erfüllen bis zum Schluß der Schiffahrt" läßt Zeit bis 31. Dezember, falls bis dahin die Schiffahrt noch offen ist (Zander in Gruch. 49, 588). Baldmöglichste Lieferung ziffermäßig nicht eingeteilter Mengen richtet sich nach den Verhältnissen, wie sie die Parteien zur Zeit des Abschlusses im Auge hatten (RG. bei Holdheim 08, 2121; vgl. Vorb. vor § 373 Anm. 25). Kann eine Leistung „jeder Zeit" verlangt werden, so heißt das: „nicht zur Unzeit"; es verhält sich wie bei sofortiger Leistung: es muß nach Treu und Glauben verfahren und dem Schuldner die nötige Zeit gelassen werden (§ 242 BGB.; Anh. zu § 359 Anm. 6). Über Vereinbarung bestimmter Abladezeit s. § 376 Anm. 38. a) Oft wird ohne weiteres ein Barkauf als gewollt anzunehmen sein, d. h. daß der Käufer sofort im Laden zahlt (Vorb. vor § 373 Anm. 37 u. 63c; oben Anm. 15); so im allgemeinen beim Kauf in Kleinhandelsgeschäften, Bazaren, Waren­ häusern, auf Jahrmärkten, in Restaurants, Konditoreien usw. Selbst wenn in solchen Fällen der Verkäufer die Übersendung der Waren übernimmt, so muß doch sofort nach Ab­ schluß des Kaufes gezahlt werden (vgl. Anh. zu § 359 Anm. 39). Die Übersendung ist in diesem Falle nur eine Nebenleistung, die, wie sie mit dem Erfüllungsorte nichts zu tun hat, so auch die Erfüllungszeit des Käufers nicht berührt und diesen nicht berechtigt, seine Gegenleistung zurückzubehalten, bis die Übersendung erfolgt ist. b) Oft wird allerdings auch angenommen, daß der Verkäufer die Ware zu übersenden und der Käufer erst dann zu zahlen hat, wenn die Ware an­ kommt. DaS gilt insbesondere beim BersendungSkauf (Distanzkauf), d. h. wenn der Verkäufer die Ware von einem anderen Ort als dem Erfüllungsort übersenden soll (Anh. zu § 382 Anm. 45a), im Gegensatz zum Platzgeschäft (Lokogeschäft; Anh. zu § 382 Anm. 45b). Allerdings hat der Verkäufer auch beim Versendungskauf an seinem Wohn­ sitz oder in seiner gewerblichen Niederlassung zu erfüllen, also durch Übergabe an den Frachtführer oder Spediteur (oben Anm. 15). Indessen ist dem Käufer bei diesem Akte nicht Gelegenheit zur Ausübung seines Prüfungsrechts gegeben, er braucht die Waren nicht unbesehen zu übernehmen und kann andererseits nicht wohl am Orte der Über­ sendung besondere Anstalten zur Besichtigung treffen. Es hat sich infolgedessen ein Handels­ gebrauch dahin gebildet, daß bei Übersendungskäufen der Preis nicht schon bei der Ab­ sendung der Ware durch den Verkäufer zu zahlen ist, sondern erst, nachdem der Käufer am Bestimmungsort in die Lage gesetzt ist, über die Ware zu verfügen und ihre Be-

Zurückbehaltungsrecht.

813

schaffenheit zu untersuchen (RG. 30, 412; Bolze 10 Nr. 347; 11 Nr. 406; 13 Nr. 434; Anhang IW. 1925, 606"; 1922, 94°; 93, 311; 04, 46"; Hamburg IHR. 35, 257; oben Anm. 13 zu § 372» u. 32). Derselbe Grundsatz wird sich regelmäßig auch als Bertragswille aus den Um­ ständen herleiten lassen (§ 242 BGB.). Selbst wenn Zahlung Zug um Zug vereinbart ist, kann der Verkäufer die Absendung nicht von der vorgängigen Bezahlung des Kauf­ preises abhängig machen; er darf nur Vorkehrungen treffen, daß die Ware am Bestimmungs­ ort nach voraufgegangener Prüfung gegen Zahlung ausgeantwortet wird (ROHG. 12, 275; 13, 170 u. 189; 18, 321; s. oben Anm. 27 u. 42 für den Fall des Annahme­ verzugs). Dies läßt sich leicht dadurch ermöglichen, daß die Ware bei einem Spediteur zu besichtigen ist und von dem Bankier des Verkäufers gegen Akzept des Käufers aus­ gefolgt wird. Die Besichtigung kann vom Verkäufer nicht unter Hinweis auf ein Zurück­ behaltungsrecht abgelehnt werden. Hat der Käufer die Ware schon einmal besichtigt oder sich, was dem gleichsteht, Proben der Ware schicken und dann die Ware sich zu­ gehen lassen, so kann er die Annahme und die Zahlung nicht von nochmaliger Besichtigung abhängig machen; nun muß er annehmen und zahlen, wobei er sich aber alle Rechte Vor­ behalten kann, weil er etwa die Ware nicht genau genug untersucht hatte (über die Über­ sendungspflicht des Verkäufers f. Anh. zu § 382 Anm. 28 ff.). Aus dem Gesagten ergibt sich der Unterschied vom Lokogeschäft, bei dem mit der Übergabe der Ware der Kaufpreis fällig wird und die Gefahr auf den Käufer übergeht (Anh. zu § 382 Anm. 45 b). Aus dem Gesagten folgt ferner, daß der Käufer Zusendung gegen Nachnahme nicht anzu­ nehmen braucht (ROHG. 13, 187; Benedix LZ. 1912, 368; Krug LZ. 1913, 828); selbst dann nicht, wenn der Käufer am Absendungsorte zu erfüllen hat. Durch Handelsgebrauch kann natürlich die Berechtigung zur Erhebung von Nachnahme gegeben sein (Bolze 13 Nr. 434). Daß auch dem Käufer die Möglichkeit der Untersuchung der Ware vor der Zahlung der Nachnahme gegeben sein müsse, wird von manchen bejaht (Breslau OLGR. 24, 187). Infolge der Nachwirkungen des Krieges ist noch kein allgemeiner Handelsbrauch entstanden (Jena LZ. 1922, 3382). Inwieweit ein Handelsgebrauch auf den Erfüllungsort von Einfluß ist, darüber s. oben Anm. 42. Ist Nachnahme ver­ einbart, so bedeutet dies beim bürgerlichen Kauf, was ohnehin Rechtens ist, daß Zug um Zug zu leisten ist (oben Anm. 15). Beim Versendungskauf bedeutet die Vereinba­ rung, daß dem Käufer die Frist zur Zahlung bis zur Möglichkeit der Untersuchung ent­ zogen ist; er muß Zug um Zug zahlen und nachher untersuchen (Hamburg LZ. 1920, 4441); wie bei einer Vereinbarung mutz es sich auch bei einem Handelsbrauch verhalten. Der Erfüllungsort ändert sich nicht. Der Verkäufer, der mit bestellter auch unbestellte Ware unter Nachnahme schickt, muß den Nachnahmebetrag für unbestellte Ware am Niederlassungs- oder Wohnort des Empfängers der Ware zurückzahlen (Dresden OLGR. 41,245). Die Abreden „netto Kasse" oder „Zahlung Kasse" (vgl. obenAnm. 13,29,42a u.d; Anm. 46a. Anh. zu § 359 Anm. 17) besagen lediglich, daß kein Skonto abgezogen werden darf, und daß Zug um Zug gegen Lieferung zu zahlen ist. Sie sagen also nicht, daß die Zahlung etwa Zug um Zug bei Absendung der Ware zu geschehen habe, begründen daher weder eine Borleistungspflicht des Käufers noch eine solche des Verkäufers (Rostock MecklZ. 33, 400; a. M. Adler ZHR. 86,273). Sie ändern den Erfüllungsort nicht (RG. 34,66; 30,413; IW. 93,311-°; RG. in LZ. 08,159"; Bolze 10 Nr. 347; SeuffA. 47 Nr. 45; Hamburg HansGZ. 08 H. 36; a. M. OG. Wien SeuffA. 47 Nr. 45; vgl. Braunschweig OLGR. 22, 195; Dresden SächsA. 04, 643; Zander bei Gruch. 49, 776 und Anh. zu § 359 Anm. 14), wenn nicht etwa netto Kasse nach den Usancen der am Wohnsitz des Verkäufers befind­ lichen Börse zu zahlen ist; in diesem letzteren Fall ist allerdings dort der Erfüllungsort für den Käufer (Hamburg HansGZ. 18 H. 171). Aber keine Vereinbarung über den Erfüllungsort enthält die Bestimmung, daß rein netto Kasse am Wohnsitz des Käufers zu zahlen ist (Stuttgart WürttRpflZ. 20, 7). „Zahlung netto Kasse" ändert also den Er­ füllungsort nicht, aber es wird mit der Wendung nicht nur gesagt, daß kein Wzug am Preise stattfindet, sondern noch weiter, daß der Kaufpreis unmittelbar nach der Lieferung

814 Anhang zn § 372.

I. Abschnitt: Allgemeine' Vorschriften.

zu begleichen ist (WarneyerRspr. 1922 Nr. 9). Gleiche Bedeutung kommt der Klausel „sofortige Kasse" zu. Macht der Verkäufer bei Zahlung „netto Kasse", die Zahlung Zug um Zug ohne Abzug bedeutet, vertragswidrig Teillieferungen, so bezieht sich die Klausel auf die Teillieferungen nur, wenn der Käufer mit Teillieferungen ein­ verstanden ist; die bloße Annahme der Teillieferungen enthält noch kein Einverständnis; der Käufer läßt sich die Teillieferungen nur gefallen, um wenigstens etwas zu bekommen. Ist der Käufer nicht einverstanden, so steht ihm die Einrede des nicht erfüllten Vertrags zu, auf Grund deren er Zahlung bis zur Lieferung des Restes weigern darf. „Sofortige Nettokasse" heißt Zahlung nach Ankunft der Ware beim Käufer; den Gegensatz bildet die Klausel „Netto Kasse bei hiesiger Übernahme" (RG. 104, 265), wonach Zahlung ohne Abzug bei Übernahme am Wohnort des Verkäufers zu machen ist. Die Klausel „Zah­ lung netto Kasse ab Fabrik" kann nach den Umständen bedeuten, daß Zahlung vor Ab­ sendung der Ware oder Zahlung gegen Duplikatfrachtbrief (folg. Anm.) erfolgen soll; „Zahlung netto Kasse" und „Lieferung ab Fabrik" für sich allein betrachtet haben diese Bedeutung nicht (vgl. oben Anm. 32; RG. 34, 66; 30, 413). Über die Klausel „netto Kasse bei Empfang der Ware loko Fabrik" oben Anm. 42b. „Netto Kasse Zug um Zug" besagt nur, daß der Kaufpreis Zug um Zug gegen die tatsächliche Ablieferung der Ware zu entrichten ist, ohne den Erfüllungsort des Verkäufers an den Bestimmungs- oder Ab­ lieferungsort zu verlegen; mit anderen Worten: bei Zug-um-Zug-Leistung ist bar zu zahlen; die Klausel gilt nur der Art der Zahlung (LZ. 08, 15916; oben Anm. 15). Mit der Klausel „netto Kasse ab Fabrik" verhält es sich ebenso; der Käufer muß Zug um Zug bei Ab­ lieferung in der Fabrik, also jedenfalls gegen Duplikatfrachtbrief (§455), zahlen. Die Ver­ einbarung „Ab Lager netto Kasse" oder „ab Lager gegen netto Kasse" enthält zwei Klauseln: einmal die Klausel „ab Lager" und dann die Klausel „netto Kasse nach Ankunft der Ware". Nach der einen Klausel reist die Ware ab Lager auf Kosten und Gefahr des Empfängers, nach der zweiten wäre nach Ankunft der Ware Barzahlung zu leisten. Als einheitliche Klausel dagegen hat sie den Sinn, daß der Versand ab Lager erst nach Barzahlung geschieht. „Kasse minus 2%" ist ein Preisnachlaß bei Barzahlung von 2% (RG. „Recht" 1920 Nr. 3185). „Kasse vor Verladung" begründet keinen Erfüllungsort am Abnahmeort (Rostock SeuffA. 69, 248). „Netto Kasse bei Empfang" bestimmt den Zahlungsort (Darmstadt HessRpr. 14, 100). Die Abrede „prompte Verladung franko Waggon Köln netto Kasse" bedeutet, daß der Verkäufer sofort in Köln im Eisenbahnwagen zu liefern, der Käufer aber erst nach Empfangnahme ohne Abzug zu zahlen habe. Diese Klauseln ändern ebensowenig als die Abrede „Kasse ab Station X" (RG. 30, 413) etwas an dem Prüfungsrecht des Käufers (RG. 31, 106; IW. 93, 31120; ROHG. 18, 322). Daher ist es gleichgültig, wenn diesen Abreden auch noch ausdrücklich hinzugesetzt wird, daß Zug um Zug zu zahlen sei; denn die damit notwendig gewordene Ausfolgung der Ware am Ablieferungsort ist nur die Erfüllung der Übersendungspflicht, d. i. einer Nebenverpflich­ tung des Verkäufers beim Übersendungskauf; deshalb ändert sich der gesetzliche Erfüllungs­ ort des Käufers nicht. Der gesetzliche Erfüllungsort des Käufers ändert sich gleichfalls nicht, wenn lediglich bestimmt ist, daß der Käufer jeweils bei und gegen Ablieferung der Ware, nicht früher und nicht später, zu zahlen hat. Die Klauseln „netto Kasse gegen Faktura" oder „Kasse gegen Faktura" oder „netto Kasse nach Erhalt der Faktura" oder „Zahlung nach Erhalt der Faktura" oder „Zahlung bei Erhalt der Faktura" oder „Kasse bei Faktura" sind gleichbedeutend. Sie bedeuten sämtlich, daß der Käufer vor Absendung der Ware, ja selbst vor Beladen der Wagen, den Kaufpreis zu zahlen hat, nachdem ihm die Faktura zu diesem Zweck zu­ gegangen ist. Der Käufer muß also vorleisten, ehe noch die Ware auf den Weg ge­ bracht ist; der Verkäufer muß nicht etwa seine Verladebereitschaft nachweisen; die Ver­ ladebereitschaftserklärung ist in der Vorlage der Faktura enthalten: RG. 106, 299; 69, 125; IW. 1924, 4263; 1923, 6852. Diese Rechtsprechung beruht auf grundsätzlicher Rechts­ auffassung, nicht etwa auf einem allgemeinen Handelsgebrauch. Deshalb versagt der

Zurückbehaltungsrecht.

815

Angriff (Dove Gruch. 67, 406), es bestehe kein allgemeiner Handelsbrauch in diesem Sinne. Anhang Die Folge dieser Rechtsprechung ist nicht etwa die, daß kein Vertrag zustandegekommen ist, zu § 872. wenn die Parteien über den Sinn obiger Klauseln nachträglich in Meinungsverschieden­ heit geraten sind; es ist vielmehr der Vertrag mit obigem Inhalt zustandegekommen, weil diese Auslegung die der Verkehrssitte entsprechende ist (IW. 1924, 14268). Selbst wenn „Kasse gegen Rechnung bei Verladebereitschaft" ausgemacht ist, ändert sich nichts; der Käufer muß sich mit Anzeige der Verladebereitschaft bei Vorlage der Rechnung begnügen (Hamburg HansGZ. 24 H. 26). Nur wenn sich aus der Faktura selbst ergibt, daß keine Versandbereitschaft vorliegt, wie z. B., wenn die Ware nach dem Inhalt der Faktura erst noch fertig zu stellen ist, hat die Vorlage der Faktura nicht die Bedeutung der Versand­ bereitschaft, und muß die Bereitschaftserklärung Nachfolger:, um den Kaufpreis fällig zu machen (IW. 1923, 6852). Der Käufer kommt nicht durch, wenn er trotz Vorlage der Faktura oder, wo eine weitere Erklärung nötig ist, die Versandbereitschaft bezweifelt oder bestreitet; die Klauseln wollen es gerade vermeiden, daß der Käufer sich ohne Zah­ lung in den Besitz der Ware setzen kann. Man war früher der Auffassung, daß die Vorlage der Faktura die Absendung der Ware bedeute, so daß der Käufer die Zahlung weigern könne, wenn er die Nichtabsendung dartut (vgl. ROHG. 2, 376; vgl. RG. 69, 126). Die wirtschaftliche Unsicherheit unserer Zeit hat der Absendung der Faktura hier aber nur die engere Bedeutung der Versandbereitschaft beigelegt, weil der Verkäufer sonst durch obige Klauseln nicht gesichert wäre, so daß eine Rückkehr zur alten Auffassung bei Festigung des Warenumsatzes und des Kredits zu erwarten ist. Der Käufer ist nach der heutigen Rechtslage gezwungen, den Beweis zu führen, daß die Ware nicht versandbereit ist, wenn er auf Vorlage der Faktura nicht zahlen will (RG. 106, 299; IW. 1923, 6852). Die Fak­ tura muß vorgelegt sein, nicht die Vorfaktura; letztere wird zur Einholung der Ein- oder Ausfuhr erteilt. Bewilligung erteilt und ersetzt die Anzeige der Versandbereitschaft, also die eigentliche Faktura, nicht. Ist der Einwand fehlender Versandbereitschaft be­ rechtigt, so heilt der Verkäufer den Mangel, indem er die Ware bis zum Ablauf der Nach­ frist des § 326 BGB. versandbereit macht und den Käufer in Kenntnis setzt. Ist aber eine bestimmte Lieferfrist vereinbart, und übersendet der Verkäufer innerhalb dieser Frist die Faktura nicht, so ist nun nicht etwa Zug um Zug gegen Lieferung der Ware zu zahlen; die Vorleistungspflicht des Käufers bleibt vielmehr bestehen, sobald er die Faktura erhält (Gruch. 1919, 220; a. M. Niemeyer LZ. 1919, 957, der nach § 323 Abs. 2 BGB. Leistung Zug um Zug annimmt). Aus der Vorleistungspflicht des Käufers ergeben sich wichtige Folgen; einmal ist dem Käufer die sonst gegebene Möglichkeit, die Ware auf ihre Vertragsmäßigkeit vor der Zahlung zu untersuchen (oben Anm.46), entzogen, wenn nicht etwa die Ware greifbar, d. h. angekommen ist (RG. 106, 299; Hamburg HansRZ. 24, 462). Wollte der Verkäufer die Untersuchung der Ware vor der Zahlung weigern, wenn die Ware am Wohnort des Käufers vor der Faktura angekom­ men ist, so würde er sich dem Einwand der Schikane (§ 226 BGB.) aussetzen, wenn dem Käufer nicht vertraglich, z. B. durch die Klausel „sofortige Kasse gegen Faktura" jede Untersuchung vor der Zahlung entzogen ist. Es gibt viele einschränkende Klauseln: „Zahlbar nach Empfang der Rechnung bei Warenabgang" heißt: der Käufer hat den Kaufpreis nach Erhalt der Faktura zu zahlen; der Verkäufer muß absenden, ehe er noch Kenntnis von der Einzahlung hat (Karlsruhe BadRpr. 90, 107); „Kasse gegen Rech­ nung bei Verladebereitschaft" heißt: der Käufer muß nach Empfang der Faktura zahlen, der Verkäufer darf die Faktura nicht erst bei Verladebereitschaft absenden; er muß mit der Faktura die Bereitschaft besonders anzeigen (Hamburg HansGZ. 24, 27); „Lieferungs­ möglichkeit behalten wir uns vor und beginnt unsere Verpflichtung erst bei Rechnungs­ erteilung" bedeutet: die Übersendung der Rechnung zeigt den Zeitpunkt an, an dem dem Verkäufer bei ordnungsmäßigem Geschäftsgang die Lieferung möglich ist (RG. im „Recht" 1924 Nr. 1661); „Rechnung vorher" besagt: der Käufer braucht erst zu zahlen, wenn er die Rechnung auf die richtige Ausführung geprüft hat; er hat nicht vorzuleisten, wenn nicht

816 Anhang zu § 372.

Anm. 46d.

I. Abschnitt: Allgemeine Vorschriften. Kasse gegen Faktura, oder eine ähnlche Klausel beigefügt ist (vgl. Jena LZ. 1922,3382). Uber den Sinn solcher Klauseln entscheidet die Verkehrssitte am Ort des Bertrags­ schlusses. Die Klausel „Kasse gegen Faktura" und die oben als gleichwertig bezeichneten Klauseln verpflichten den Käufer nicht allein zur Vorleistung, sondern die Beweislast kehrt sich um. Der Käufer verliert, nachdem er gezahlt oder, was dem gleichsteht, auf­ gerechnet hat (WarneyerRspr. 1917 Nr. 162), nicht das Recht, auch nach Empfang der Ware seine Ansprüche aus etwaiger Mangelhaftigkeit geltend zu machen; allein die Klauseln haben doch die Wirkung, daß der Vertrag vom Verkäufer als vorläufig erfüllt gelten soll; die Ware ist in der Tat geliefert und angenommen; daraus folgt die Um­ kehrung der Beweislast; der Käufer muß die Mangelhaftigkeit beweisen (RG. 106, 299; ROHG. 21, 257; § 377 Anm. 127; Leo IW. 1924, 178). Dem Käufer steht die Einrede des nichterfüllten Vertrags zu (Vorb. vor § 373 Anm. 77), wenn der Verkäufer un­ geachtet der Absendung der Faktura doch nicht erfüllungsbereit ist, d. h. die Ware noch nicht so ausgesondert hat, daß sie in das Eigentum des Käufers übergehen kann, oder wenn sie nicht versandbereit gemacht ist; auch braucht er nicht zu zahlen, wenn er dem Ver­ käufer nachweist, daß er vertragswidrig leisten will, z. B. wenn die Ausfallmuster vertrags­ widrig sind (Hamburg SeuffÄ. 72 Nr. 9). Fordert der Verkäufer in der Faktura zuviel, so braucht der Käufer nicht zu zahlen, auch nicht den richtigen geringeren Betrag; denn der Käufer hat, wenn er den geringeren vertragsmäßigen Preis zahlt, die Annahme dieses Betrags und die Zurückhaltung der Ware wegen nicht vollständiger Erfüllung nach § 320 BGB. zu gewärtigen. Der Käufer macht, wenn er die Zahlung grundsätzlich weigert, nicht die Einrede des nichterfüllten Verttags geltend; denn er will ja seinerseits über­ haupt nicht leisten (Borb. vor § 373 Anm. 77a). Die Zuvielforderung kann in einer ungerechtfertigten Preiserhöhung, in Berechnung einer zu großen nicht gekauften Menge, eines nicht gekauften Übergewichts bestehen. Diese Fälle stehen sich gleich. Zeigt sich der Verkäufer bereit, auf das einzugehen, was der Käufer für berechtigt hält, so darf sich der Käufer nach Treu und Glauben nicht ablehnend verhalten; er muß sich verge­ wissern, ob er, wenn er zahlt, im wesentlichen das erhält, was er verlangen kann; die übrigen Meinungsverschiedenheiten können späteren Verhandlungen oder einem Rechts­ streit Vorbehalten werden. Ist „netto Kasse (oder Akzept) gegen Konnossemente" oder „netto Kasse gegen Dokumente" gekauft, so gestaltet sich die Lage des Käufers eigenartig, wobei vor­ auszuschicken ist, daß unter Dokumenten Speditionspapiere jeder Art, auch Konnos­ semente, Schiffsdokumente, Seetransportpolicen, überhaupt Verladepapiere, zu ver­ stehen sind, welche den urkundlichen sicheren Nachweis der Absendung der Ware erbringen; die Klausel „Zahlung gegen Dokumente" hat nichts damit zu tun, ob die Ware unter­ wegs umgeladen werden muß, oder ob sie unmittelbar ohne Umladung an den Bestimmungs­ hafen geleitet werden kann (vgl. Anh. zu § 382 Anm. 49a). Ist die Ware am Ablieferungs­ ort oder am Bestimmungsort bereits angekommen, also nicht mehr schwimmend, so muß dem Käufer die Besichtigung der Ware vor der Zahlung gestattet werden, nachdem ihm die Konnossemente „angedient", d. h. zur Einlösung vorgezeigt sind (RG. 106, 299; 47, 133; 31, 100; Bamberg LZ. 09, 160; § 377 Anm. 32). Die Konnossemente dürfen nicht auf Order des Verkäufers gestellt sein, weil dieser sich damit freie Hand Vorbehalten würde (Anh. zu § 382 Anm. 48a). Der Käufer braucht nur gegen Konnossement zu zahlen; aber es muß ihm auch der ganze Satz der Konnossemente vorgelegt und zur Verfügung gestellt werden. Ob der Verkäufer selbst die Konnossemente zur Einlösung vorzeigt, oder ob es seine Bank tut, der die Konnossemente zu treuen Händen Übermacht sein können (Vorb. vor § 373 Anm. 65ff.), ist gleichgültig. Es ist auch einerlei, ob der Ver­ käufer seinerseits die Konnossemente nur zu treuen Händen erhalten hat, also nicht deren Eigentümer ist, und ob er seinerseits die Ware, d. h. die Konnossemente, seinem Bor­ mann bezahlt hat; es genügt das Berfügungsrecht des Verkäufers; er braucht nicht seine Beziehungen zu seinem Bormanne aufzudecken. Die bloße Anzeige, daß die Papiere

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Zurückbehaltungsrecht.

zur Einlösung bereit liegen, nützt nichts; mögen sie auch wirklich bereit liegen. Die Papiere Anhang selbst müssen vorgezeigt werden. Daß die Konnossemente an einem anderen Ort als zu § 372. dem gesetzlichen Erfüllungsort des Käufers zu übergeben sind, ändert an dem Erfüllungs­ ort nichts (RG. 50, 271; IW. 1892, 15211). Gehen die Konnossemente infolge eines vom Verkäufer nicht zu vertretenden Umstandes verloren, so wird der Verkäufer zwar frei, kann aber auch den Kaufpreis nicht verlangen, wenn nicht etwa die Gefahr bereits auf den Käufer übergegangen war (RG. 88, 37; Anh. zu § 382 Anm. 55a). Wird dem Käufer vor Ankunft der Ware das Konnossement zur Einlösung vorgezeigt, so muß der Käufer vorleisten; er muß vorschußweise zahlen, ohne daß er die Ware besichtigen könnte (RG. 106, 299; 97, 151; 61, 349; 59, 23; 3, 87; ROHG. 15, 218; 11, 185; LZ. 1926, 480*). Der Angriff (Dove Gruch. 67, 406), daß kein allgemeiner Geschäfts­ gebrauch dieses Inhalts bestehe, trifft nicht zu, weil die Rechtsprechung nicht auf einem Geschäftsbrauch beruht, sondern auf einer grundsätzlichen Rechtsauffassung; zahlt der Käufer nicht, so gerät er in Annahme- und in Zahlungsverzug, wenn er nicht die Mangelhaftigkeit der Ware, oder aus dem Konnossement selbst die Nichtempfangbarkeit der Ware dartun kann. Ergibt sich aus dem Konnossement nur ein Fehlbetrag oder ein Fehlgewicht, so darf der Käufer im Zweifel das Fehlende nur am Kaufpreis kürzen