Staub’s Kommentar zum Handelsgesetzbuch. Band 1 §§ 1–177: (Zitiermethode: Einleitung und §§ 1–104: Staub-Bondi, §§ 105–177: Staub-Pinner) [12. Aufl. Reprint 2019] 9783111441603, 9783111075327

171 42 83MB

German Pages 863 [864] Year 1926

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Staub’s Kommentar zum Handelsgesetzbuch. Band 1 §§ 1–177: (Zitiermethode: Einleitung und §§ 1–104: Staub-Bondi, §§ 105–177: Staub-Pinner) [12. Aufl. Reprint 2019]
 9783111441603, 9783111075327

Table of contents :
Vorrede zur sechsten und siebenten Auflage
Vorrede zur zwölften und dreizehnten Auflage
Inhaltsverzeichnis des ersten Bandes
Abkürzungen
Allgemeine Einleitung
Erstes Buch. Handelsstand
Erster Abschnitt. Kaufleute
Zweiter Abschnitt. Handelsregister
Dritter Abschnitt. Handelsfirma
Vierter Abschnitt. Handelsbücher
Fünfter Abschnitt. Prokura und Handlungsvollmacht
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
Siebenter Abschnitt. Handlungsagenten
Achter Abschnitt. Handelsmäkler
Zweites Buch. Handelsgesellschaften und stille Gesellschaft
Erster Abschnitt. Offene Handelsgesellschaft
Zweiter Abschnitt. Kommanditgesellschaft

Citation preview

Staub's Kommentar zum

Handelsgesetzbuch. 12. und 13. Auflage. Bearbeitet von

Dr. h. c. Heinrich Koenige, Albert Pinner, Dr. Felix Bondi, SenatsprLstdent am Reichs gericht i.R.,

Zustizrat,

Geheimer Zustizrat.

Erster Band. §§ 1-177.

(Zittermethode: Einleitung und §§ 1—104: Staub-Bondi, §§ 105-177: Staub-Pinner.)

Berlin und Leipzig 1926. Walter de Gruyter & Eo. vormals G. I. Göschen'sche Verlagshandlung — Z. Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl I. Trübner — Veit & Lomp.

Rotzberg'sche Buchdruckerei, Leipzig

Vorrede zur sechsten und siebenten Auflage. „Mein Streben war, einen Kommentar zu liefern, der wissenschaftlich und praktisch, kurz und vollständig zugleich sei. Ob ich dieses Ziel annähernd erreicht habe, mag der freundliche Leser nachsichtig beurteilen. Ich kann nur wünschen, daß die auf das Werk verwendete, einer angestrengten Berufstätigkeit abgerungene Zeit und Mühe für die Anwendung des Handeslgesetzbuches nicht verloren sein möchte." Mit dieser Vorrede leitete ich die erste Auflage meines Kommentars ein. Inzwischen ist dem mit jenem zahgasten Geleitworte seinerzeit in die Welt gesandten Werke ein ungeahnter Erfolg beschicken gewesen. Ja, meine Methode hat nicht bloß allgemeine Anerkennung gesunde», mit Stolt kann ich sagen: sie hat Schule gemacht. Es ergab sich von selbst, daß ich auch die Bearbeitung des neuen Handels­ gesetzbuchs übernahm. Die Schwierigkeiten, die es hierbei zu überwinden 'galt, waren nicht gering. Denn das neue Handelsgesetzbuch ruht auf neuer Grund­ lage. Ein neues, selbst noch unerforschtes bürgerliches Recht beherrscht seine Be­ griffe und ergänzt seine Lücken. Alte und neue Bausteine mußten zusammen­ getragen und derart organisch aneinandergefügt werden, daß ein einheitlicher Bau entstand. Wenigstens war dies mein Ziel. Ob ich es erreicht, müssen andere sagen. Staub.

Vorrede zur zwölften und dreizehnten Auflage. Nachdem die 11. Auflage als unveränderter Abdruck der 10. erschienen war, macht sich jetzt die Notwendigkeit einer neuen Bearbeitung des Kommentars geltend. Es ist in der Vorrede zur 10. Auflage im Jahre 1919 darauf hingewiesen, daß die in ihren Folgen damals nicht übersehbare wirtschaftliche Umgestaltung, die die Folge des Krieges und des Zusammenbruchs war, auf das Gesetz, das die Handelsbeziehungen regelt, in hohem Grade einwirken mußte. Der katastrophale Währungsverfall und die dann erfolgte Regelung der Geldverhältnisse haben diesen Einfluß verstärkt, eine Fülle neuer Probleme gezeitigt und neue Wege in die juristische Gedankenwelt gewiesen. Gesetzliche Änderungen sind nur in verhältnismäßig geringem Maße erfolgt; im allgemeinen sind die grundlegenden Sätze des Handelsrechts unverändert geblieben. Für das erste Buch kommen die Goldbilanzverordnung und die dazu ergangenen Durchführungsverordnungen, die Verordnung über die Einschränkung öffentlicher Bekanntmachungen vom 14. Februar 1924 und deren teilweise Wieder­ aufhebung durch die Verordnung vom 20. Juni 1925 sowie die Einfügung des

IV

Vorrede zur zwölften und dreizehnten Auslage.

Absatz 2 in § 11 auch das Reichsgesetz vom 4. Februar 1925 und die verschiedentliche Abänderung der Geldbeträge in §§ 68, 74a und 75b in Betracht; für das Gesellschaftsrecht dieselben Gesetze, die Einführung der Betriebsräte in den Auf­ sichtsrat, die neuen Steuergesetze und für den strafrechtlichen Teil das Geldstrafen­ gesetz, das auch in verschiedenen Stellen des ersten Buches Berücksichtigung finden mußte; für die Handelsgeschäfte die verschiedentlichen Änderungen der Devisengesetzgebung, des Depotgesetzes und die Aufwertungsgesetze. Daneben machte die Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse und deren Anpassung an das Rechtssystem eine völlige Neubearbeitung oder eine wesentliche Umarbeitung verschiedener Rechtsmaterien nötig. Im ersten Buche wurde das Handelsgehilfenrecht durch Berücksichtigung der sozialen Auffassung unserer Zeit sowie des Tarif­ rechts und des Betriebsrätegesetzes geändert; im zweiten Buche besonders die Vor­ schriften des § 186, die über das Stimmrecht, über die Vorzugsaktien, die über Nichtigkeit und Anfechtbarkeit; auch war die Anpassung des Gesetzes an die neuen Steuergesetze sowie an die GBV. notwendig. Im dritten Buche sind besonders die Aus- und Einfuhrbestimmungen, die Handelsbeschränkungen, der Devisen­ verkehr, der Girovertrag, das Dokumentenakkreditiv, die Banküberweisung, die Freigabe-, Liefer- und Bezugsscheine, die Aufwertungs- und Geldentwertungs­ fragen, Termingeschäft in Devisen und das Depotgeschäft geändert. Andere Teile, wie z. B. die Ausführung über Syndikate und ähnliche Vereinigungen, deren Rechtsverhältnis jetzt durch Reichsgesetz neu geordnet ist, sowie das Patent­ recht sind völlig ausgeschieden, weil durch die Bearbeitung dieser speziellen Materien der Umfang des Werkes zu groß geworden wäre. Fernere Abschnitte, wie die über Kettenhandel, Preiswucher usw., sind wesentlich gekürzt. Literatur und Rechtsprechung, insbesondere bei letzterer die auch für das materielle Recht sehr wichtige des Reichsfinanzhofes, sind bis in die neueste Zeit berücksichtigt und haben vielfache Ergänzungen und Änderungen, auch Um­ arbeitung einzelner Teile nötig gemacht. Die Einteilung des Stoffes unter den Bearbeitern bleibt unter selbstverständ­ licher Wahrung der Einheitlichkeit dieselbe wie bisher; Geheimer Justizrat vr. B o n d i hat das erste, Justizrat Pin ne r das zweite, Präsident i. R. Dr. Koenige das dritte Buch bearbeitet. Im Interesse der Beschleunigung der Herstellung des dritten und vierten Bandes war eine Unterstützung nötig; dieser hat sich Rechtsanwalt vr. Walter Koehler in Mannheim in erfolgreichster Weise unterzogen. Dem genannten Herrn sprechen wir für seine wertvollen Dienste hier gern unsern wärmsten Dank aus. Wir wiederholen aus dem Vorwort zur letzten Auflage, daß wir es auch dies­ mal als unsere Aufgabe betrachtet haben, ein getreues Spiegelbild der Wissenschaft und Praxis des Handelsrechts zu geben, die fortschreitende Rechtsentwicklung darzulegen und somit eine möglichst lückenlose Darstellung des geltenden Handels­ rechts unserer Zeit zu bieten. Hinterzarten, Berlin, Dresden, im Januar 1926. Koenige.

Pinner.

Bondi.

Inhaltsverzeichnis des ersten Bandes. (88 1-177.)

Allgemeine Einleitung, I. II. III. IV.

«eite

Entstehungsgeschichte u. Gestalt des HGB. Das Anwendungsgebiet des HGB. . . Die Rechtsquellen des Handelsrechts . Die Stellung der Frau int Handelsrecht

Erstes Buch.

1 2 6 15

Handelsstand.

Erster Abschnitt. Kaufleute. § 1.

Begriffsbestimmung des Kaufmanns: Handelsgewerbe kraft Gegenstands . 28 § 2. Handelsgewerbe kraft Betriebsart und Eintragung.............................................. 57 § 3. Land- und Forstwirtschaft .... 64 § 4. Minderkaufleute...................................... 69 § 5. Wirkung der Firmeneintragung . . 81 Anhang zu § 5. Geltung als Kaufmann in­ folge kaufmännischen Auftretens int Rechtsverkehr lScheinkaufleute) . . 84 § 6. Kaufleute kraft Rechtsform .... 87 § 7. Öffentlich-rechtliche Vorschriften über die Befugnis zum Gewerbebetrieb . 88

Zweiter Abschnitt. Handelsregister. § 8. Registergericht.......................................... 89 Anhang zu § 8. Allgemeines über die Tätig­ keit des Registergerichts und die Be­ deutung der Eintragungen .... 90 § Öffentlichkeit des Registers .... 97 § io. Bekanntmachung der Eintragungen. 99 §11. Blätter für die Bekanntmachung. . 101 § 12. Form der Anmeldung und Zeichnung 102 § 13. Zweigniederlassung................................ 106 §14. Ordnungsstrafen.................................... 115 § 15. Rechtsfolgen der Eintragung und Be­ kanntmachung sowie des Gegenteils 120 § 16. Entscheidung des Prozeßgerichts in bezug auf Eintragungen ... 128

Dritter Abschnitt. Handelsfirma. § 17. § 18. § 19. § 20. § 21. § 22.

§ 23. § 24.

§ 25.

I. Begriffsbestimmung . . 131 II. Tie Firma im Prozesse . 139 Firma eines Vollkaufmanns .... 147 Firma einer offenen Handels- oder einer Komnmnditgesellnbaft .... 158 Firma einer Aktiengesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien 160 Fortführung der Firma trotz ^Namens­ änderung ................................................ 162 Übergang des Firmenrechts bei voll­ ständigem Wechsel der Inhaber . . 162 Verbot einer Veräußerung der Firina ohne das Handelsgeschäft....................186 Übergang des Firmenrechts bei teil­ weisem Wechsel der Inhaber ... 186 Stellung des Geschäftserwerbers zu ! den Geschäftsgläubigern und -schuldi

Seite nern im Falle des Erwerbs unter Lebenden................................................. 189 8 26. Verjährung zugunsten des Geschäfts­ veräußerers ............................................. 202 § 27. Haftung des Erben für die Geschäfts­ verbindlichkeiten .....................................205 § 28. Eintritt in das Geschäft eines Einzel­ kaufmanns ............................................. 214 § 29. Pflicht zur Anmeldung und zur Zeich­ nung der Firma.....................................218 § 30. Firmenverschiedenheit............................ 220 § 31. Änderungen und Erlöschen der Firma; Verlegung der Niederlassung ... 228 8 32. Eintragungen im Konkursfalle ... 231 8 33. Anmeldung gewisser juristischer Per­ sonen ..........................................................232 § 31. Änderungen in den Rechtsverhältnissen der juristischen Personen.................... 236 § 35. Zeichnung der Unterschrift bei einer juristischen Person.................... 238 § 36. Gewerbliche Unternehmungen öffent­ licher Körperschaften............................ 238 § 37. Unbefugter Gebrauch einer Finna . 242 Anhang zu § 37. Die Firma auf dem Laden­ schild ..........................................................255

Vierter Abschnitt. HandelSbücher. § 38. § 39.

Allgemeines............................................. 258 Zeitliche Vorschriften für Inventar und Bilanz..................................................... 267 Währung der Bilanz; Wertansatz . 271 Unterzeichnung von Inventar und Bilanz..................................................... 278 8 42. Rechnungsabschlüsse öffentl. Körper­ schaften ..................................................... 279 § 43. Form der Handelsbücher.................... 279 8 44. Dauer der Aufbewahrungspflicht. . 281 § 45. Vorlegungspflicht im Rechtsstreit. . 282 8 46. Umfang der Offenlegung.................... 284 8 47. Offenlegung bei VermvgenSauseinandersehungen......................................... 285 Anhang zu § 47. Tie Beweiskraft der Handels­ bücher ..................................................... 285

1 ; ; i § 40. 8 41.

Fünfter Abschnitt.

Prokura und Handlungsvollmacht. l 8 48.

8 8 8 8

49. 50. 51. 52.

§ 53.

Prokura. Bestellung derEinzel-und der Gesamt­ prokura ......................................................287 Gesetzlicher Umfang der Ermächtigung 293 Beschränkung des Umfangs .... 296 Zeichnung durch den Prokuristen. . 298 Widerruflichkeit, Unübertragbarkeit der Prokura. Tod des Prinzipals. Sonstige Erlöschungsgründe.................................299 Eintragung der Prokura mib ihres Er­ löschens ..................................................... 302

VI

Inhaltsverzeichnis des ersten Bandes.

Seite Anhang zu § 53. Ergctnzangen zur Lehre von der Prokura............................................ 304 II. § 54. § 55. § 56.

§ 57. § 58.

Handlungsvollmacht. Begriff und Umfang............................ 304 Handlungsreisende................................ 314 Angestellte im Laden oder off. Waren­ lager .........................................................318 Zeichnung durch den Handlungsbevoll­ mächtigten ............................................ 320 Übertragung der Vollmacht................... 321

III. Anhang zu § 58. Ergänzung zur Lehre von den handelsrechtlichen Vollmachten. A. Erteilung der Vollmacht................... 322 B. Abgrenzungen des Begriffs Vollmacht 325 C. Voraussetzungen und Wirkungen der Vollmacht.................................................326 D. Vornahme von Rechtsgeschäften durch den Bevollmächtigten mit sich selbst . 332 E. Die Ermächtigung des Überbringers einer Quittung.................................... 334 F. Haftung für Versehen der Bevollmäch­ tigten und Gehilfen............................ 336 G. Erlöschen der Vollmacht ... . 344 H. Mittelbare Stellvertretung .... 349 J. Vertretung ohne BertretungSmacht. 350 Sechster Abschnitt.

Handlungsgehilfen u. Handlungslehrlinge. § 59. Begriff, Leistungen und Ansprüche . 356 § 60. Gesetzliches Wettbewerbverbot . . . 395 8 61. Folgen der Verletzung........................ 399 § 62. Fürsorgevorschriften............................ 401 Anhang zu § 62. Abreden gegen § 62 . . 409 8 63. Dienstbehinderung durch unverschul­ detes Unglück........................................ 410 § 64. Gehaltszahlung am Schlüsse jeden Monats.....................................................418 8 65. Provisions- und Tantiemcansprüche 419 8 66. Gesetzliche Kündigungsfrist .... 425 8 67. Vereinbarte Kündigungsfrist, ihre Ein­ schränkungen ........................................ 433 8 68. Gehilfen mit mindestens 5000 Mark Gehalt oder für eine außereuropäische Handelsniederlassung............................ 437 8 69. Gehilfen zu vorübergehender Aushilfe 439 8 70. Sofortige Kündigung des Verhält­ nisses; Erklärung, Gründe, Folgen . 441 Sonstige Aufhebungsgründe des Dienstvertrages................................ 453 8 71. Wichtige Kündigungsgründe zugunsten des Gehilfen........................................ 457 8 72. Entlassungsgründe zugunsten des Prinzipals ............................................ 460 8 73. Zeugnis .................................................471 8 74. Vertragliches Wettberwerbverbot . . 476 8 74 a. Fälle seiner Unverbindlichkeit . . . 487 8 74b. Entschädigung dafür........................... 493 8 74 c. Anderweiter Erwerb...........................494 8 75. Ausschluß der Geltendmachung. Ver­ tragsstrafe .................................................497 8 75a, Verzicht auf das Verbot................... 502 8 75b. Ausnahmen........................................... 504 8 75c. Fall der Vertragsstrafe....................... 506 8 75 d. Umgehungen....................................... 509 8 75o. Konkursvorrecht und Unpfändbarkeit der Entschädigungsforderung . . . 510 8 75t. Geheime Konkurrenzklausel . . . . 511 § 76. Pflichten des Lehrherrn und des Lehr­ lings ......................................................... 513 8 77. Dauer des Lehrvertrages....................519

Seite Übergang zu einem anderen Gewerbe oder Beruf............................................ 521 79. Unbefugter Austritt............................523 80. Zeugnis .................................................524 81. Bürgerliche Ehrenrechte des Lehrenden 525 82. Strafvorschriften.................................... 526 82 a. Wettbewerbverbote von Volontären 526 83. Andere Angestellte................................ 527

§ 78. § § 8 § § §

Siebenter Abschnitt. HandlungSagenten.

§ 84. Begriff des Agenten; seine Pflichten 527 § 85. Abschlüsse des Bermittlungsagenten. 541 Anhang zu § 85. Rechtslage der Patteien, je nachdem der Agent Abschlußvollmacht hat oder nicht........................................ 543 § 86. Platzagent ............................................ 544 8 87. Reisender Agent................................... 546 § 88. Provisionsanspruch............................... 546 § 89. Bezirksagent ........................................553 § 90. Kosten und Auslagen.................... 555 § 91. Recht auf Buchauszug....................... 556 § 92. Kündigung des Agenturvertrages . 558 Sonstige Endigungsgründe................................ 561 Achter Abschnitt. HandelSmäkler.

Vordem, vor § 93. Die Zivilmäkler (insbes. die Grundstücks- und Hypothekenmäkler) 563 § 93. Begriff............................................584 § 94. Schlußnvte....................................... 587 § 95. „Aufgabe Vorbehalten" ... . 589 § 96. Aufbewahrung von Proben . 592 § 97. Umfang der Vollmacht...............593 § 98. Schadenhaftung............................... 593 § 99. Mäklerlohn....................................... 593 § 100. Tagebuch ............................................. 594 § 101. Auszüge aus dem Tagebuch . . . 595 § 102. Vorlegung des Tagebuchsim Rechts­ streit ..................................................... 596 § 103. Strafvorschriften........................... 596 8 104. Krämermäkler............................... 596

Zweites Buch.

Handelsgesellschaften und stille Gesellschaft. Erster Abschnitt.

Offene Handelsgesellschaft. § 8. § §

§ 8

8 8 § § 8 8 §

Erster Titel. Errichtung der Gesellschaft. 105. Begriffsbestimmung............................. 597 106. Anmeldung der Gesellschaft . . . 615 107. Anmeldung von Änderungen . . 617 108. Form der Anmeldungen.....................618

Zweiter Titel. Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander. 109. Feststellung durch Gesellschaftsvcrtrag 619 110. Ersatzansprüche der Gesellschafter für Aufwendungen usw............................... 625 111. Folgen von Pflichtverletzungen . . 627 112. Wettbewerbverbot................................ 631 113. Folgen der Verletzung des Wett­ bewerbverbots.........................................633 114. Geschäftsführung................................ 635 115. Inhalt der Geschäftsführungsbefugnis 639 116. Grenze der Gefchäftsführungsbefugnis; Prokurenetteilung .................... 642 117. Entziehung der Geschäftsführungs­ befugnis .................................................645

Inhaltsverzeichnis des ersten Bandes. § 118. § 119. § 120. § 121. § 122.

Seite Kontrollrecht der Gesellschafter . . 647 Beschlüsse der Gesellschafter; Stimm­ verhältnis ............................................ 649 Beteiligung an Gewinn und Verlust 650 Berteilung von Gewinn und Verlust 654 Rechte der Gesellschafter auf Ent­ nahmen ................................................ 656

§ 145.

§ § § § , § §

146. 147. 148. 149. 150. 151.

§ | | § § | | § ! § ! § § §

161. 162. 163. 164. 165. 166. 167. 168. 169. 170. 171. 172.

VII

Seite Fünfter Titel. Liquidation der Gesellschaft. Liquidation als regelmäßige Folge der Auflösung.............................................760 Liquidatoren.........................................766 Abberufung von Liquidatoren . . 770 Anmeldung .........................................772 Aufgabe und Rechtsstellung . . . 773 Bertretungsmacht................................ 780 Unbeschränkbarkeit der BettretungSmacht..................................................... 782 Anordnungen der Gesellschafter . . 783 Zeichnung der Firma durch die Liqui­ datoren ................................................. 784 Bilanzen im LiquidationSzustande . 785 Betteilung des Vermögens . . . 787 Geltung der Vorschriften über die Gesellschaft im LiquidationSzustande 790 Anmeldung des Erlöschens der Firma 794 Anderweitige Auseinandersetzung . 797

Dritter Titel. Rechtsverhältnis der Gesellschafter zu Dritten. § 152. § 123. Beginn der Wirksamkeit einer offenen § 153. Handelsgesellschaft nach außen . . 659 § 124. Selbständigkeit der offenen Handels­ § 154. gesellschaft ............................................ 664 § 155. § 125. Vertretung der Gesellschaft.... 675 § 156. § 126. Umfang der Bertretungsmacht . . 682 § 127. Entziehung der Bertretungsmacht . 688 1 § 128. Gesamthaftung der Gesellschafter . 691 | § 157. § 158. § 129. Einwendungen d. Gesellschafter gegen Forderungen der GesellschaftsglauSechster Titel. Verjährung. biger.....................................................698 § 130. Eintritt in eine bestehende Gesellschaft 701 § 159. Verjährungsfrist ................................ 798 § 160. Unterbrechung.........................................803 Vierter Titel. Auflösung der Gesellschaft und Ausscheiden Zweiter Abschnitt. Kommanditgesellschaft. von Gesellschaftern.

§ 131. § 132. § 133.

Auflösungsgründe................................704 Kündigung............................................ 710 Antrag eines Gesellschafters auf Auf­ lösung .....................................................712 § 134. Gesellschaft auf Lebenszeit .... 720 § 136. Auflösungsrecht des Gläubigers eines Gesellschafters.................................... 721 § 136. Geschäftsführungsbefugnis nach er­ folgter Auflösung............................. 724 § 137. Vorläufige Fortsetzung bei Tod oder Konkurs eines Gesellschafters ... 725 § 138. Fortbestehen der Gesellschaft bei Tod, Kündigung oder Konkurs ... . 727 § 139. Fortsetzung mit den Erben .... 730 § 140. Ausschließung eines Gesellschafters. 739 § 141. Ausscheiden eines Gesellschafters bei Kündigung durch Privatgläubiger oder Konkurs........................................ 743 Anhang zu § 141. Die Auseinandersetzung mit dem ausscheidenden Gesellschafter 745 § 142. Übernahme des Geschäfts durch einen von zwei Gesellschaftern................ 754 § 143. Anmeldung der Auflösung .... 756 § 144. Fortsetzung der Gesellschaft.... 759

j , ! !

Begriffsmerkmale................................ 804 Anmeldung und Bekanntmachung . 811 Rechtsverhältnis nach innen . . . 815 Geschäftsführung................................. 816 Wettbewerbverbot................................ 818 Kontrollrecht der Kommanditisten . 819 Beteiligung am Gewinn und Bettust 821 Verteilung von Gewinn und Verlust 823 Recht auf Entnahmen........................ 824 Vertretung..................................... : 827 Haftung des Kommanditisten . . . 828 Schutz der Gläubiger gegen Verkür­ zung der Einlage.................................833 § 173. Eintritt als Kommandittst in eine be­ stehende Gesellschaft............................ 836 § 174. Herabsetzung der Anlage des Kommandittsten............................................. 837 § 175. Anmeldung derErhöhung und Herab­ setzung der Einlage............................ 838 § 176. Haftung des Kommanditisten für vor der Eintragung gemachte Geschäfte 838 § 177. Tod des Kommanditisten .... 840 Anhang zu § 177. Auflösung und Ausscheiden; Liquidation: Verjährung.................... 841

Abkürzungen?) AblG. — Reichsges. über die Ablösung öffentlicher Anleihen vom 16. Juli 1925. AbzG. = Reichsges., betr. die Abzahlungsgeschäfte, vom 16. Mai 1894. Adler u. Clemens Sammlung von Entscheidungen zum HGB. Wien 1868 ff. AG. =■-= Aktiengesellschaft oder — je nach dem Zusammenhang — Amtsgericht (bzw. Ausführungsgesetz). AG.BGB., AG,HGB. usw. Ausfühmngsgesetz zum BGB-, desgl. zum HGB. a. G. auf Gegenseitigkeit. Allfeld 2. Aufl. von Anschütz u. Völderndorff, Kommentar zum Allg.D.HGB., besorgt von Allfeld (nur bis Art. 65 gediehen). Erlangen 1894. Apt I bzw. II Gutachten der Ältesten der Kaufmannschaft von Berlin über Gebräuche im Handelsverkehr. I. Folge 1904, II. Folge 1905. 9lpt Neue Sammlung ----- Gutachten der Ältesten der Kaufmannschaft von Berlin über Gebräuche im Handelsverkehr. Neue Sammlung. I. Band 1907, II. Band 1910, III. Band 1913. ArbEntschBerl. — Arbeitsrechtliche Entscheidungen des Gewerbe- und Kaufmannsgerichts Berlin. Fortsetzung von BerlKfmGJ. Seit 1925. Herausgegeben von Wölbling, Neumann u. Schultz. ArbRecht = Arbeitsrecht. Jahrbuch für das gesamte Dienstrecht der Arbeiter, Angestellten und Beamten. Herausgegeben von Potthoff, Stuttgart. ArchBürgR. - Archiv für bürgerliches Recht. Seit 1923 vereinigt mit ArchZivPrax. ArchfR. Archiv für Rechtspflege in Sachsen, Thüringen und Anhalt. Seit 1924. Leipzig. ArchZivPrax. - Archiv für die zivilistische Praxis. Seit 1923 erschienen als N. F. (Neue Folge); zugleich in Fortsetzung des ArchBürgR. AufsRGes. Reichsges., betr. Entsendung von Betriebsratsmitgliedern in den Aufsichtsrat, vom 15. Febr. 1922. AufwG. = Reichsges. über die Aufwertung von Hypotheken uud anderen An­ sprüchen vom 16. Juli 1925 (Aufwertungsgesetz). ABG. Bersicherungsgesctz für Angestellte. BadRpr. = Badische Rechtspraxis. BankA. Bank-Archiv, Zeitschrift für Bank- und Börsenwcsen. BankG. — Bankgesetz (Reichsges.) vom 30. August 1924. Bauer --- Zeitschrift für Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Herausgegeben von Josef Bauer. Leipzig. BayNotZ. Zeitschrift für das Notariat und für die freiwillige Rechtspflege in Bayern. BayObLG. -- Bayrisches Oberstes Landesgericht. BayObLGZ. Sammlung von Entscheidungen des BayObLG. in Zivilsachen l) Im wesentlichen ist die Abkürzungsweise nach den Vorschlägen des deutschen Juristentages, zweite Ausgabe (Berlin 1910, Verlag von I. Guttentag) befolgt. Seitenzahlen sind zumeist ohne den Borsatzbuchstaben „S." gesetzt. — Die Literatur, die für einzelne Abschnitte in Betracht kommt, ist bei den betreffenden Paragraphen angegeben.

Abkürzungen.

IX

BayZ. - Zeitschrift für Rechtspflege in Bayern. Behrend --- Lehrbuch des Handelsrechts von I. Fr. Behrend. Berlin 1899. Behrend-Gutsche Handelsgebräuche Magdeburgs. 1905. BerlKfmGJ. Jahrbuch des Kaufmannsgerichts Berlin. Seit 1925 aufgegangen in ArbEntschBerl. BernFrachtÜb. Internationales Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr vom 14. Oktober 1890. BGB. Bürgerliches Gesetzbuch. Birkenbihl = Kommentar zum FGG. von Birkenbihl. BoehmsZ. Zeitschrift für internationales Privat- und öffentliches Recht. Be­ gründet von Boehm. BörsG. -• Börfengesetz (Reichsges.) in der Fassung des Ges. v. 8. Mai 1908 (Abänderungen vom 23. Dez. 1920 u. 21. März 1925). Bolze = Die Praxis des Reichsgerichts in Zivilsachen. Bon A. Bolze. Brand Brand, Das HGB. mit Ausschluß des Seerechts. Berlin 1911. BreslauHK. — Mitteilungen der Handelskammer Breslau. Breit Kommentar zur Goldbilanzverordnung von Dr. James Breit. Bd. II. Berlin 1925. BRG. Betriebsrätegesetz (Reichsges.) vom 4. Febr. 1920. BrodmannGmbH. --- Brodmann, Gesetz betr. die G. m. b. H., Kommentar. Berlin u. Leipzig 1924. BuschA. = Archiv für Theorie und Praxis des Allgemeinen deutschen Handels­ und Wechselrechts. Herausgegeben zuerst von F. B. Busch, zuletzt von H. Busch. 38 Bände. 1863—1888. BuschZ. = Zeitschrift für deutschen Zivilprozeß. Begründet von Busch. Cosack Lehrbuch des Handelsrechts von Cosack. 10. u. 11. Aufl. Stuttgart 1923. Wo die ausführlichere 7. Auflage angezogen wird, ist das meist aus­ drücklich gesagt. CosackBGB. --- Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts von Cosack. 6. Aufl. Jena 1913. Band I bereits in 7. Ausl., 1921 u. 1922. D. = Denkschrift zu dem Entwurf eines HGB. unb eines EG. in der Fassung der dem Reichstag gemachten Vorlage. Berlin 1897, I. Guttentag. DepotG. - Depotgcsetz (Reichsges.) vom 5. Juli 1896, betreffend die Pflichten der Kaufleute bei Aufbewahrung fremder Wertpapiere, mit Berück­ sichtigung der V. über die Aufbewahrung fremder Wertpapiere vom 21. Nov. 1923. Dernburg Das bürgerliche Recht des Deutschen Reichs und Preußens von Hein­ rich Dernburg. Bd. I: 3. Aufl. 1906; Bd. II Abt. 1: 4. Ausl. 1909; Bd. II Abt. 2 (Schuldverhältnisse): 4. Aufl., bearbeitet von Raape 1915; Bd. III: 4. Anfl. 1908; Bd. IV: 4. Aufl. 1908; Bd. V: 3. Aufl. 1911. DIZ. Deutsche Juristen-Zeitung. DNotVZ. Zeitschrift des Deutschen Notarvereins. DNotZ. - Deutsche Notariatszeitung. Dove-Apt Gutachten der Ältesten der Kaufmannschaft von Berlin über Gebräuche im Handelsverkehr von Heinrich Dove und Max Apt. Berlin 1900. Dove-Meyerstem Gutachten über Handelsgebräuche, erstattet von der Handelskammer zu Berlin, gesammelt von Dove und Meyerstein. Berlin 1907. DürHach. = Kommentar zum HGB. von A. Düringer und M. Hachenburg. Mann­ heim 1899, 1901 u. 1905; 2. Aufl. 1908 ff. DB. oder DurchfVo. Durchführungsverordnung. Namentlich die Durchführungsverordnungen zur GBV.

X

Abkürzungen.

EbermayerStGB. = Kommentar zum StGB, von Ebermayer, Lobe und Rosenberg. 2. Ausl. Berlin u. Leipzig 1922. EG. = Einführungsgesetz. EG.AbG.KO. = Einsührungsgesetz zum Abänderungsgejetz zur Konkursordnung. EG.BGB., EG.HGB. usw. = Einführungsgesetz zum BGB. und HGB. usw. Eger = Das deutsche Frachtrecht von Georg Eger. 2. Aufl. 3 Bände. EhrenbergHandb. Ehrenberg, Handbuch des gesamten Handelsrechts. Leipzig 1913 ff. EisenbE. Eisenbahn- und verkehrsrechtliche Entscheidungen urrd Abhandlungen; herausgegeberr von Eger. ElsLothZ. = Juristische Zeitschrift des Reichslandes Elsaß-Lothringen. Endemann = Handbuch des deutschen Handels-, See- und Wechselrechts. Heraus­ gegeben von W. Endemann. 4 Bände. 1881—1885. EndemannBGB. = Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts von Endemann. 8./9. Aufl. Berlin 1903 ff. Enneccerus = Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts von Enneccerus, Kipp und Wolff. 9./II. Ausl. 1913/14. Band I, 1 (Allgemeiner Teil) 18./21. Aufl. 1923. Erl. = Erläuterung. Esser = Die Aktiengesellschaft. Bon Rob. und Ferd. Esser. 3. Aufl. Berlin 1907. EStG. — Einkommensteuergesetz. EBerkO. ob. EVO. ob. BO. = Die Eisenbahn-Verkehrsordnung. FGG. Reichsges. über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Mai 1898. Förtsch = Kommentar zum Allgemeinen Deutschen HGB. von E. S. Puchelt. 4. Aufl., bearbeitet von R. Förtsch. 1894. Frank = Kommentar zum StGB., von Frank. 16. Aufl., 1925. Fwmmhold-Krückmann Frommhold u. Krückmann, Spruchrecht zur Handelsgesetzgebung. Ausgewählte höchstrichterliche Entscheidungen in der Systematik des HGB. usw. Fuchsberger = Die Entscheidungen des RG. usw., gesammelt von Fuchsberger. Gareis - HGB., Handausgabe von K. Gareis. 12. Aufl. 1920. GareisLehrb. ■-= Das deutsche Handelsrecht. Lehrbuch von K. Gareis. 8. Aufl. 1909. Gareis-Fuchsberger - Das Allgemeine Deutsche HGB. Herausgegeben von K. Gareis mtb Otto Fuchsberger. 1891. Gaupp-Stein siehe Stein. GBO. = Grundbuchordnung vom 24. März 1897. GBSch. -- Sammlung der Entscheidungen des Goldbilanz-Schiedsgerichts. Berlin 1925. GBB. oder GBilBo. Verordnung über Goldbilanzen vom 28. Dez. 1923. GenG. - Reichsges., betr. die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften. Neue Fassung vom 20. Mai 1898. GesuR. = Gesetz und Recht, Zeitschrift für allgem. Rechtskunde. GewG. = Gewerbegericht. GewGG. Reichsges., betr. die Gewerbegerichte. Neue Fassung vom 29. Sept. 1901. Wanderungen 12. Mai 1920, 29. Okt. 1920, 14. Jan. 1922, 15. März 1923 u. 6. Juni 1924. GewGer. = Das Gewerbegericht, Zeitschrift; von Jahrgang 11 (1905/06) ab fortgesetzt als: „Das Gewerbe- und Kaufmannsgericht", abgekürzt: „GewKfmG.", stets nach dem Jahrgang angeführt (nicht nad) der Jahreszahl). GewKfmG. - s. das vorhergehende. Die Zeitschrift führt seit dem 1. Okt. 1925 den Untertitel „Das Arbeitsgericht".

Abkürzungen.

XI

GewO- = Gewerbeordnung. GewUBersG. = j. GUVerjG. GewRschutz = Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeitschrift). Gierke Das Handelsrecht, bearbeitet in v. Holtzendorff-Kohlers Enzyklopädie Bd. I S. 889 ff. 6. Aufl. Berlin-Leipzig. Jul. v. Gierke ■■= Handelsrecht und Schiffahrtsrecht von Julius v. Gierke. Berlin und Leipzig 1921. GKG. — Gerichtskostengesetz. GmbH. - Gesellschaft mit beschränkter Haftung. GmbHG. — Reichsges., betr. die GmbH. Neue Fassung vom 20. Mai 1898. Goldmann = Kommentar zum HGB. von S. Goldmann. Berlin 1901—1906. Goldmann-Lilienthal = Das BGB., systematisch dargestellt von E. Goldmann und L. Lilien­ thal. 2. Aufl. GoltdA. Archiv für Strafrecht unb Strafprozeß; begründet von Goltdammer. Goldschmidt Handbuch — Handbuch des Handelsrechts von L. Goldschmidt. 2. Aufl. L Bd. 1874 (davon Abt. I Universalgeschichte des Handelsrechts, 3. Aufl. 1901). II. Bd. 1883 (unvollständig). GoldschmidtSystem = System des Handelsrechts. Im Grundriß von L. Goldschmidt. 4. Aufl. Goldschmit -= Das Recht des Aufsichtsrats. Bon Dr. Friedrich Goldschmit. Berlin 1922. Gruch. Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts; begr. von Gruchot. Güthe Die Grundbuchordnung für das Deutsche Reich von Güthe. 4. Aufl., 1923 ff. GUBersG. = Gewerbe-Unfallversicherungsgesetz. GBG. = Gerichtsverfassungsgesetz. Hahn - Kommentar zum Allgemeinen Deutschen HGB. von Friedr. v. Hahn (I. Bd., 3. Aufl. 1879; II. Bd., 2. Aufl. 1883). Die 4. Aufl. ist bis Art. 172 gediehen und soweit berücksichtigt. HambE. Entscheidungen in den bei den Hamburger Amtsgerichten anhängig gewesenen Sachen nicht streitiger Gerichtsbarkeit. Hans GZ. Hanseatische Gerichtszeitung. (H. oder Hptbl. — Hauptblatt). HansRZ. ' Hanseatische Rechts-Zeitschrift. Begründet (1917) und herausgegeben von Mittelstein. Heinitz Kommentar zum preußischen Stempelsteuergesetz von Ernst Heinitz. 3. Aufl. Berlin 1909. HellwigAnspruch - Anspruch und Klagerecht. Bon Hellwig. HGB. - Handelsgesetzbuch. HirthsAnn. Annalen des Deutschen Reichs, begründet von Hirth. Holdheim Wochenschrift, später Monatsschrift für Handelsrecht und Bankwesen, seit 1897 Monatsschrift für Handelsrecht, begründet von Holdheim (bis Ende 1919). Horrwitz Hugo Horrwitz, Das Recht der Generalversammlungen der AG. und KGaA. Berlin 1913. Jaeger Die Konkursordnung, erläutert von Ernst Jaeger. 5. Aufl. Berlin 1916. JAR. Jahrbuch des Arbeitsrechts. Begründet (1922) und herausgegeben Doti Hoeniger, Schultz und Wehrle. I. Bensheimer, Mannheim. Jahrb. arbeitsr. Entsch. Jahrbuch arbeitsrechtlicher Entscheidungen. Begründet und heraus­ gegeben von v. Karger und Erdmann. Otto Elsner, Berlin. Jastrow Deutsch-Preußisches Notariaisrecht, von Hermann Jastrow. 15. Aufl. 1911. Jahrbuch für Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen JFG. Gerichtsbarkeit und des Gnmdbuchrechts. Herausgegeben von Ring.

XII

Abkürzungen.

1. Band 1924. Fortsetzung der Sammlungen RIA. und KGJ. Siehe auch Ring. JheringsJ. = Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts. JMBl. — Justizministerialblatt. JurRundsch. — Juristische Rundschau, Zeitschrift für praktische Rechtskunde. Erscheint seit 1925 in Berlin im Verlag Hermann Sack (Rsprbeil. = Beilage dazu: die Rechtsprechung). Jsay = Allgemeines Berggesetz f. d. preuß. Staaten, von Dr Hermann Jsay und Dr Rudolf Jsay. 2 Bde. 1919/20. IW. = Juristische Wochenschrift, Organ des Deutschen Anwaltsvereins. Kahane Gutachten und Gebräuche im Königsberger Handel. Königsberg 1908. Kaufmann Handelsrechtliche Rechtsprechung usw. von Kaufmann. Hannover. Kayser = Gesetz, betr. die KGaA, und die AG., vom 18. Juli 1884. Mit Er­ läuterungen von Paul Kayser. 2. Ausl. 1891. KB. = Kommissionsbericht. Bericht der 18. Kommission über den Entwurf eines HGB., Reichstag, 9. Legislaturperiode. Keyßner - Allg. D. HGB., erläutert von Hugo Keyßner. 1870. KfmG. -= Kaufmannsgericht. KfmGG. Reichsges., betr. die Kaufmannsgerichte, vom 6. Juli 1904. Wände­ rungen 12. Mai 1920, 29. Okt. 1920,14. Jan. 1922, 15. März 1923 und 6. Juni 1924. KfmWuR. = Ter Kaufmann in Wirtschaft und Recht. Monatsschrift, begründet vom DHV. Hanseatische Verlagsanstalt Hamburg. KG. — Kammergericht. KGaA. Kommanditgesellschaft auf Aktien. KG Bl. ----- Blätter für Rechtspflege iin Bezirke des KG. Herausgegeben von Perl und Wreschner. Berlin. KGJ. - Jahrbuch für Entscheidungen des Kammergerichts in Sachen der frei­ willigen Gerichtsbarkeit, begründet von Johow und Küntzel, später herausgegeben von Johow (f) und Ring. Seit 1924 fortgesetzt in JFG. Koenige HGB., zu prakt. Gebrauch dargestellt von Koenige. Berlin 1899. KoenigePrivVUntG. Koenige, Kommentar zum Privat-Versicherungsunternehmungsgesetz. 2. Ausl. Berlin 1910. KoenigeSchuldverschrG. Koenige, Gesetz, betr. die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen, vom 4. Tez. 1899, mit Abänderungen vom 14. Mai 1914. 2. Ausl. 1922. KoenigeVAG. siehe Koenige PrivVUntG. KO. Konkursordnung. Komm.RGR. RGRKommentar. KpStG. Körperschaftssteuergesetz. KritVSch. Kritische Vierteljahrsschrift. KVStG. — Kapitalverkehrsteuergesetz. Lehmann Das Recht der Aktiengesellschaften von Karl Lehmann. 1898—1904. Lehmann-Hoeniger - Lehmann Lehrb., 3. Ausl. LehmannLehrb. - Lehmann, Lehrbuch des Handelsrechts. Leipzig, 2. Ausl. 1912. 3. Ausl, herausgegeben von Hoeniger. Berlin und Leipzig. I. Halb­ band. 1921 (die dritte Ausl, auch zit. Lehmann-Hoeniger). Lehmann-Ring = Kommentar zum HGB. von K. Lehmann und Ring. 2. Ausl.: Bd. I, bearbeitet von Lehmann, 1914; Bd. II 1913ff. Leist Sanierung = Die Sanierung der Aktiengesellschaften von E. Leist. Berlin 1905. LeistUntersuchungen — Untersuchungen zum inneren Vereinsrecht von A. Leist. Jena 1904. LG. Landgericht.

Abkürzungen.

XIII

Lion = Lion, das Bilanzsteuerrecht. Berlin 1922. 2. unveränderte Stuft 1923. Links Die Rechtsprechung des KK. Obersten Gerichtshofes von Emil Links. Wien. Lit. Literatur. Litthauer-Mosse Erläuterungen zum HGB. 16. Aufl. 1920. (Guttentagsche Sammlung deutscher Reichsgesetze Nr. 4.) LZ. Leipziger Zeitschrift für deutsches Recht. M. - Entwurf eines HGB. für die preußischen Staaten. Zweiter Teil. Motive 1859. Makower - HGB. mit Kommentar. Von H. Makower. 13. Aufl., bearbeitet von F. Makower. Berlin 1906/07. MecklZ. Mecklenburger Zeitschrift für Rechtspflege und Rechtswissenschaft. Müller-Erzbach = Müller-Erzbach, Deutsches Handelsrecht. Tübingen. Teil I 1921, Teil II 1924. MuW. = Markenschutz und Wettbewerb (Zeitschrift), herausgegeben von Wassermann. Hamburg. Vgl. UnlW. NeumannJDR. = Jahrbuch des Deutschen Rechtes. Begründet von Neumann. Nowack = Entscheidungen des K. K. Obersten Gerichtshofes in Zivilsachen. Wien. Oberneck Das Rcichsgrundbuchrecht von Hermann Oberneck. 4. Ausl. Berlin 1909. Oertmann ■-= Recht der Schuldverhältnisse von Oertmann. 3./4. Aufl. Berlin 1910. OAGZ. — Österreichische Allgemeine Gerichtszeitung. o.HG. = Offene Handelsgesellschaft. OLG. -- Oberlandesgericht; bisweilen auch — OLGR. OLGR. oder OLGRspr. - Die Rechtsprechung der OLG., herausgegeben von Mugdan und Falk­ mann. Olshausen = Olshausen, Kommentar zum StGB. 10. Aufl. Berlin 1916. OTr. Entscheidungen des Königlichen Geheimen Obertribunals. Berlin. OVG. - Oberverwaltungsgericht. P. Protokolle der Kommission zur Beratung eines Allgemeinen Deutschen HGB. Herausgegeben von I. Lutz. 9 Teile. 1858—1863. PasswwAG. (oder nur Passow) - Passow, die Aktiengesellschaft. Eine wirtschaftlich-wissenschaftliche Studie. 2. Stuft Jena 1922. PassowBilanzen - Passow, die Bilanzen der privaten und öffentlichen Unternehmungen. 3. Aufl. Leipzig-Berlin 1923. Petersen-Pechmann Gesetz, betr. die KGaA, und die AG., vom 18. Juli 1884. Erläutert durch Petersen und Wilhelm Freiherr v. Pechmann. 1890. Pinner - Das deutsche Aktienrecht. Kommentar zu Buch 2, Abschnitt 3 u. 4 des HGB. von Albert Pinner. Berlin 1899. PinnerBeiträgc Pinner, Beiträge zum Aktienrecht. Berlin 1918. Pinner-ElsterUnlWG. Kommentar zum UnlWG. von Pinner. 7. Aufl., bearbeitet von Elster, 1921. Pisko - Österreichische Ausgabe des Staubschen Kommentars zum HGB. Herausgegcben von Oskar Pisko. 2. Aufl. Wien 1907/08. Planck BGB. nebst Einführungsgesetz. Erläutert von Planck. Herausgegeben in Verbindung mit anderen von Strohat 4. Aufl. Berlin 1913ff. PMZBl. = Blatt für Patent-, Muster- und Zeichenwesen. PosMSchr. Juristische Monatsschrift für Posen, West-u. Ostpreußen u. Pommern. PrEVO. --- Preußische Einführungs-Verordnung. PrFGG. - Preußisches Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Ge­ richtsbarkeit.

XIV

Abkürzungen.

PrivBUntG. oder BAG. = Reichsges. über die privaten Bersicherungsunternehmungen vom 12. Mai 1901, mit Abänderungen (s. g. Versicherungsaufsichtsgesetz). PrOBG. = Entscheidungen des Preußischen Oberverwaltungsgerichts. PrOVGSt. = Dasselbe in Staatssteuersachen. PrBerwBl. Preußisches Verwaltungsblatt. Puchelt ob. Puchelt-Förtsch = Kommentar zum Allgemeinen Deutschen HGB. Bon E. S. Puchelt. 4. Aufl., bearbeitet von R. Förtsch. 1894 ((. Förtsch). PucheltsZ. = Zeitschrift für deutsches Bürgerliches Recht und französisches Zivilrecht. Begründet von Puchelt. Quassowski-Sujat = Kommentar zur Goldbilanzverordnung von L. Quassowski und W. Susat. 2. Aufl. Berlin 1924. RAbgO. - Reichsabgabenordnung. RArbBl. = Reichsarbeitsblatt. Rausnitz = Kommentar zum FGG. von Rausnitz. Berlin. „Recht" = Das Recht, Rundschau für den Deutschen Juristenstand. Heraus­ gegeben von Soergel. Hannover. Später Carl Heymanns Verlag. (RsprBeil. = Rechtsprechungsbeilage: Deutschlands Oberstrichterliche Rechtsprechung.) RegBegr., RegEntw. = Regierungsbegründung und -entwurf. Rehm = Die Bilanzen der Aktiengesellschaften von Rehm. München. 2. Aufl., 1914. RFH. = Reichsfinanzhof. Auch: Sammlungen der Entscheidungen und Gut­ achten des Reichsfinanzhofs. Herausgegeben vom Reichsfinanzhof. RG. ; Reichsgericht. Auch: Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen. RGRKomm. ob. RGKomm. - Kommentar zum BGB. Herausgegeben von Reichsgerichtsräten. 5. Aufl. 1923. RGRspr. — Rechtsprechung des Reichsgerichts in Strafsachen. Herausgegeben von Mitgliedern der Reichsanwaltschaft. RGSt. Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen. Rges. oder Reichsges. Reichsgesetz. RheinA. — Archiv für Zivil- und Kriminalrecht der Preußischen Nheinprovinz. RheinNotZ. --- Zeitschrift für das Notariat in Rheinpreußen. Riesenfeld Gutachten der Handelskammer zu Breslau über Gewohnheiten und Gebräuche im Handelsverkehr. Bearbeitet von Riesenfeld, Breslau 1900. RiesenseldNF. Breslauer Handelsgebräuche. Neue Folge. Breslau 1906. Riesenfeldll.F. -= desgleichen, zweite Folge. Breslau 1911. Rießer-RehmBörsG. Kommentar zum BörsG. von Rehm, Trumpler, Dove, Neukamp, Schmidt-Ernsthausen und Breit, mit Vorwort von Rießer. Berlin 1909. Ring = Jahrbuch für Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit usw. Herausgegeben von Ring. Auch zitiert JFG. Siehe dort. Ritter = Die allgemeinen Lehren des Handelsrechts. Berlin 1900. RitterKomm. = Das HGB. Erläutert von Ritter. Berlin 1910. RIA. = Entsch. in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts. Zusammengestellt im Reichsjustizamt.. Seit 1924 fortgesetzt in JFG. (Ring). ROHG. = Entsch. des Reichsoberhandelsgerichts. 25 Bände. RosendorffKpStG. = Rosendorff, Kommentar zum Körperschaftssteuergesetz, Berlin 1925. RosenthalUnlWG. = Kommentar zum UnlWG. von Rosenthal. 5. Aufl. Berlin u. Leipzig 1922.

Abkürzungen.

XV

Systematische Sammlung der Entjch. des RG. in Zivilsachen. Berlin 1904. RuW. - Recht und Wirtschaft. Zeitschrift. RBO. - Reichsversicherungsordnung. Neue Fassung vom 15. Dez. 1924 (RGBl. I 779). Sächsisches Archiv für Bürgerliches Recht und Prozeß. Leipzig. SächsA. (Bis 1905). SächsAR. = Sächsisches Archiv für Rechtspflege. Leipzig. (Seit 1906). 1924 aufgegangen im ArchfR. SächsOLG. - Annalen des OLG. Dresden. Seit 1921 vereinigt mit SächsAR. Kommentar zum FGG. von Schlegelberger. 1914. Schlegelberger SchlHolstAnz. -- Schleswig-Holsteinische Anzeigen. Schreiber;- Schreiber, die Kommanditgesellschaft auf Aktien. München 1925. SchuldverschrG. -- Reichsges., betr. die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuld­ verschreibungen, vom 4. Dez. 1899, mit Abänderungen vom 14. Mai 1914. Die Führung des Handels- und Musterregisters von R. SchultzeSchultze-Görlitz Görlitz. Berlin 1899. Seligsohn ' Gesetz zunr Schutze der Warenbezeichnungen. Erläutert von Arnold Seligsohn. 3. Stuft Berlin 1925. I. A. Seufferts Archiv für Entsch. der obersten Gerichte. SeusfA. SeuffBl. I. A. Seufferts Blätter für Rechtsanwendung. Simon Bilanzen - Die Bilanzen der Aktiengesellschaften von Hermann Beit Simon. Handelskammern und Handelsregister in der Rechtsprechung seit 1900. Sobernheim Bearbeitet von Otto Sobernheim; herausgegeben von der Handels­ kammer zu Berlin. 1910. Soergel - Soergels Rechtsprechung. Soziale Praxis (Zeitschrift). SozPr. Sped.u.SchisfZtg. Speditions- und Schisfahrtszeitung. GmbHG., bearbeitet von Staub. 4. Ausl., bearbeitet von Hachenburg. Staub-Hach. Berlin 1913. Staudinger -= Kommentar zum BGB. Herausgegeben in Gemeinschaft mit anderen von Julius v. Staudinger. München, I. Schweitzers Verlag. 7./8.Aufl. 1912/14. Stegemann, Die Rechtsprechung des Deutschen Oberhandelsgerichts. Steg. Kommentar zur ZPO. Begründet von Gaupp. Fortgeführt von Stein Stein, jetzt von Jonas. Soweit erschienen, 12. Aufl., Tübingen 1925. Sonst 11. Ausl. Stein. Stein-Jonas Stengleins Kommentar zu den strafrechtlichen Nebengesetzen. 4. Aufl., Stenglein neu bearbeitet von Ebcrmayer, Galli und Lindenberg. 1911/13. Strafgesetzbuch. StGB. Steuernotverordnung. StNB. StPO. Strafprozeßordnung. Striethorst, Archiv für Rechtsfälle aus der Praxis des Obertribunals. StrA. Preuß. Ausführungsgesetz zum BGB. Herausgegeben von Stranz Stranz-Gerhard und Gerhard. Berlin 1900. Die ZPO., Kommentar von I. Struckmann und Koch, Rasch, Struckmann-Koch Koll, Flechtheim. 9. Aufl. Berlin 1910. Sydow-Busch ZPO., erläutert von R. Sydow und L. Busch. Fortgeführt von Krantz. 18. Aufl. 1925. (Guttentagsche Sammlung deutscher Reichsgesetze Nr. 11.) Rudorss

XVI

Abkürzungen.

Thoel = Das Handelsrecht von Heinrich Thoel. 6. Aufl. Leipzig 1879. ThürBl. = Blätter für Rechtspflege in Thüringen und Anhalt. Titze - Titze, Das Recht des kaufmännischen Personals. Ehrenberg Handb. Bd. II Abt. 2. Auch als Sonderdruck erschienen. Leipzig 1918. UnlW. = Unlauterer Wettbewerb (Zeitschrift). Vom 5. Jahrgang ab unter dem Titel: Markenschutz und Wettbewerb. Siehe MuW. UnlWG. = Reichsges. gegen den unlauteren Wettbewerb vom 7. Juni 1909. V. oder Bo. - Verordnung. BAG. oder BUG. - siehe PrivBUntG. Berlagsges. = Reichsges. über das Verlagsrecht vom 19. Juni 1901. Vf. = Verfügung. BO. ob. EVO. ob. EBerkO. = Die Eisenbahn-Verkehrsordnung. VVaG. = Bersicherungsverein auf Gegenseitigkeit. BBG. = Reichsges. über den Versicherungsvertrag vom 30. Mai 1908. Warneyer = Jahrbuch der Entscheidungen. Herausgegeben von Warneyer. WarneyerKomm.z.BGB. = Warneyer, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuche. WarneyerRspr. = Warneyer, Rechtsprechung des RG. auf dem Gebiete des Zivilrechts. Weißler Kommentar zum FGG. von Weißler. Berlin. Wieland - Karl Wieland, Handelsrecht. I. Band. München und Leipzig 1921. WO. - Wechselordnung. WZG. Reichsgesetz zum Schutze der Warenbezeichnungen vom 12. Mai 1894. Neue Fassung vom 7. Dezbr. 1923 (RGBl. II 445). ZAktW. ■-= Zeitschrift für das gesamte Aktienwesen. Jetzt Zeitschrift für Gesell­ schaftswesen. Zander-Fehrmann - Sammlung Danziger Handelsgebräuche von Zander u. Fehrmann. 2. Aufl. Danzig 1912. ZBH. — Zentralblatt für Handelsrecht (erscheint seit Jannar 1926). ZBlFG. = Zentralblatt für freiwillige Gerichtsbarkeit und Notariat (Lobes Zentralblatt). ZHR. = Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht. Begründet von L. Gold­ schmidt. ZPO. - Zivilprozeßordnung.

Allgemeine Einleitung I. Entstehungsgeschichte und Gestalt des HGB. Einen geschichtlichen Überblick über die Quellen des Handelsrechts, dessen Wurzeln ins Allgemeine Mittelalter zurückreichen, zu geben, liegt außerhalb des diesem Werke gesteckten Rahmens Einleitung,

(vgl. hierüber Rehme in Ehrenberg Handb. 1 §§ 4—21). Ebenso kann hier der Frage nicht nachgegangen werden, weshalb überhaupt ein gesondertes Handelsrecht besteht und not­ wendig ist (Heck im ArchZivPrax. 92, 439ff.; Gierke § 2; Ehrenberg Handb. 1 § 1). Wir be­ schränken uns daher auf eine kurze Darstellung der Entstehungsgeschichte.

1. Das alte HGB. Am 18. Dezember 1856 wurde auf Antrag Bayerns vom Deutschen Anm. 1. Bundestage beschlossen, eine Konferenz zur Beratung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuchs anzuregen. Die auf Grund dieser Einladung einberufene „Nürn­ berger Kommission" stellte in jahrelanger Arbeit (1857—61) den Entwurf fertig. Der Bundestag, dem eine eigene Gesetzgebungsgewalt abging, empfahl ihn den deutschen Staaten zur Annahme. Die meisten Staaten führten den Entwurf unverändert oder mit geringen Änderungen als Landesgesetz in ihren Gebieten ein (Preußen 1861). Da­ mit war das Allg. D. HGB. zustande gekommen. Sodann erfolgte die Erhebung des HGB. zum Bundes- und Reichs­ gesetz: für den Norddeutschen Bund durch Bundesges. v. 5. Juni 1869; für das Deutsche Reich außer Bayern durch Rges. v. 16. April 1871, für Bayern durch Rges. v. 22. April 1871, für die Reichslande durch Rges. v. 19. Juni 1872, für Helgoland durch Verord­ nung v. 22. März 1891. Auch in den deutschen Konsulargerichtsbezirken und in den deut­ schen Schutzgebieten wurde das HGB. als Rges. eingeführt: dort durch Ges. v. 10. Juli 1879, hier durch Ges. v. 17. April 1886 bzw. 15. März 1888; jedoch mit der Maßgabe, daß örtliches Handelsgewohnheitsrecht in erster Linie zur Anwendung kommen sollte. Das alte HGB. war aber nicht in seiner ursprünglichen Fassung erhalten geblieben; der das Aktienrecht behandelnde Teil wurde zweimal geändert, nämlich durch die sog. Aktiennovellen v. 11. Juni 1870 und v. 18. Juli 1884.

2. Das neue HGB. Die Neuschaffung wurde durch die einheitliche Regelung des bürger-Anm. 2. lichen Rechts nötig. Die Vorschriften des Allg. D. HGB. mußten mit den Vorschriften des BGB. in Einklang gebracht werden. Bei dieser Gelegenheit nahm man die Ergän­ zungen und Änderungen vor, die sich im Laufe der Jahrzehnte, während deren das alte HGB. in Geltung gewesen war, auch bei diesem bewährten Gesetzbuchs als not­ wendig herausgestellt hatten. Um dieselbe Zeit, als das BGB. vom Reichstage an­ genommen wurde, im Juli 1896, wurde der erste Entwurf des neuen HGB. (zunächst noch ohne Seerecht) der Öffentlichkeit übergeben. Auf Grund der zahlreichen Be­ sprechungen wurde er alsdann umgearbeitet und dieser zweite Entwurf (nunmehr mit Seerecht) dem Reichstage in seiner Winterjitzung 1896/97 vorgelegt. Der Reichstag überwies ihn einer Kommission zur Durchberatung und nahm ihn mit nicht unerheb­ lichen Änderungen an. Nachdem der Bundesrat seine Zustimmung erteilt hatte, wurde das Gesetzbuch in Nr. 23 des Reichs-Gesetzblatts am 21. Mai 1897 verkündet. Staub, HGB., 12. u. 13. Aufl. Bd. I. (Bondi.) 1

2 Allgemeine Einleitung. Anm. 3.

Anm. 4.

Allgemeine Einleitung. Es trägt den Titel „Handelsgesetzbuch", ohne den Zusatz: „für das Deutsche Reich". Datiert ist es vom 10. Mai 1897. Es ist nicht mehr, wie das Allg. D. HGB., *n fünf, sondern nur in vier Bücher eingeteilt. Tas frühere dritte und vierte Buch sind zusammengezogen: die Handelsgesellschaften sind mit der stillen Gesellschaft in einem Buche abgehandelt, die Gelegenheitsgesellschaft ist fortgefallen. Tas neue HGB. ist in Paragraphen eingeteilt, nicht, wie das alte, in Artikel. Dagegen hat das EG. Artikel. Das alte HGB. ist am 1. Januar 1900 ohne ausdrücklichen Ausspruch von selbst außer Kraft getreten. Das neue HGB. stellt sich als eine wohlgelungene Verbesserung dar, was um so mehr anzuerkennen ist, als es sich um eine Gelegenheitsreform, nicht um eine Not­ wendigkeitsreform gehandelt hat. Sowohl auf die Sprache als auch auf die An­ passung der Vorschriften an die modernen Verkehrsbedürfnisse und nicht zum wenigsten auf den sozialen Geist unserer Zeit ist Wert gelegt. Wird auch nicht überall allen berech­ tigten Wünschen Rechnung getragen, so ist doch im ganzen ein großer Fortschritt zu ver­ zeichnen (vgl. Koenige, Fünfundzwanzig Jahre Deutsches HGB., DIZ. 1925, 141). Das HGB. ist seither mehrfach — aber nicht in wesentlichen Punkten — abgeändert worden. Die vier ersten Änderungen (Rges. v. 2. Juni 1902; v. 12. Mai 1904; v. 30. Mai 1908 und v. 7. Januar 1913) betreffen das hier nicht behandelte vierte Buch des HGB. (Seerecht). Die fünfte Änderung ist durch Rges. v. 10. Juni 1914 erfolgt. Sie betrifft das Wettbewerbverbot für Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge; die §§ 74, 75 und 76 Abs. 1 sind abgeändert worden, und die §§ 74a—74c, 75a—75k und 82a sind neu hinzu­ gekommen. Während des Weltkrieges waren vom Bundesrat auf Grund des Rges. v. 4. August 1914 zahlreiche Verordnungen mit Gültigkeit „bis auf weiteres" erlassen worden, die in die Bestimmungen des HGB. eingreifen. Eine Darstellung dieses Kriegsrechts soll hier nicht gegeben werden; es sei nur auf folgende Verordnungen hingewiesen: Bek. v. 8. August 1914; v. 11. Februar 1915; v. 30. August 1917 und v. 2. November 1917 (RGBl. 1914, 365; 1915, 71; 1917, 746 u. 987). Soweit noch erforderlich, sind sie an den einschlagenden Stellen behandelt. Das gleiche gilt von den während und nach der Inflationszeit wiederholt erfolgten Änderungen der Geldbeträge in §§ 68, 74a u. 75b, von der Bo. über die Einschränkung öffentlicher Bekanntmachungen vom 14. Fe­ bruar 1924 (RGBl. I 119) und deren teilweiser Wiederaufhebung durch die Vo. vom 20. Juni 1925 (RGBl. I 88) sowie von den Beziehungen, in denen das HGB. durch die Vo. über Tarifverträge v. 23. Dezember 1918 und das Betriebsräteges. v. 4. Februar 1920 beeinflußt worden ist. Eine eingreifende Änderung enthält das AufsRGes. vom 15. Fe­ bruar 1922 durch Einführung der vom Betriebsräte delegierten Aufsichtsratsmitglieder. Die GBilBo. vom 23. Dezember 1923 und die dazu ergangenen DurchsBo.-en ent­ halten im wesentlichen Vorschriften vorübergehender Natur, die die Umstellung der Bilanzen auf Goldmark (Reichsmark) bezwecken, daneben sind jedoch auch Änderungen dadurch bewirkt worden, die dauernden Charakter haben. Durch Rges. v. 4. Februar 1925 ist Abs. 2 des z 11 eingefügt worden (s. Erl. zu § 11).

II. Das Anwendungsgebiet des HGB. Anm. 5. l.Das HGB. enthält keine Vorschriften darüber, auf welche RechtSangelegenheiten eS Anwendung findet. Mit Recht. Es bezieht sich eben auf alle die Angelegenheiten, über welche sein Inhalt Verfügung trifft. Darum ist auch der Begriff Handelssachen nicht gesetzlich erläutert. Handelssachen im materiell-rechtlichen Sinne sind die Tatbestände, die das HGB. oder sein EG. regelt. Regeln diese einen Tat­ bestand nicht, so ist er im rechtlichen Sinne keine Handelssache, sondern folgt all­ gemeinen bürgerlich-rechtlichen Regeln, auch wenn seiner wirtschaftlichen Natur

Allgemeine Einleitung.

3

nach seine Zugehörigkeit zum Handel unbestreitbar ist. Handelssache im Rechtssinne Allgemeine und Handelssache im Wirtschaftssinne decken sich also nicht, wie auch der juristische Be- Einleitung, griff des Kaufmanns nicht mit dem wirtschaftlichen zusammenfällt (§ 1 Anm. 2). In mehreren Nebengesetzen handelsrechtlichen Inhalts sind aber Bestimmungen des HGB. für anwendbar erklärt worden. Auch die dort geregelten Tatbestände können als Han­ delssachen bezeichnet werden; .vgl. Ehrenberg Handb. 1 § 2. Von dem hier behandelten materiell-rechtlichen Begriff der Handelssache ist^, der prozessuale der Handelssache zu unterscheiden; in dieser Hinsicht hat er wieder eine doppelte Bedeutung: im Sinne des GBG. den einer bürgerlichen Rechtsstreitigkeit, für welche die Kammer für Handels­ sachen (§ 101 GVG.) zuständig ist; im Sinne des FGG. den einer im VII. Abschnitt dieses Gesetzes behandelten Angelegenheit (vgl. § 30 FGG.). Endlich ist auch der Begriff der Handelssachen nicht zu verwechseln mit dem engeren der Handelsgeschäfte als einer bestimmten Art von Rechtsgeschäften (s. § 1 Anm. 32). Das Gesetz sagt demgemäß das an sich Selbstverständliche nicht, daß in Handels­ sachen das HGB. Anwendung findet. Es sagt nur, daß „in Handelssachen die Vor­ schriften des BGB. nur insoweit zur Anwendung kommen, als nicht im HGB. oder im EG. ein anderes bestimmt ist" (Art. 2 EG.HGB.). Dies zu sagen, hat einen guten Sinn. Damit soll in allen den Rechtsfragen, in denen das HGB. eine Ent­ scheidung getroffen hat, das BGB. von der Anwendung ausgeschlossen sein (Anm. 18). 2. DaS örtliche Anwendungsgebiet ist das gleiche wie das des alten HGB. (Anm. 1). Anm. 6. Insbesondere wurde das HGB. auch in den deutschen Konsulargerichtsbezirken (Rges. v. 7. April 00 § 19) und in den deutschen Schutzgebieten (Rges. v. 25. Juli 00 § 3) ein­ geführt, jedoch nur, soweit nicht dort geltendes Handelsgewohnheitsrecht ein anderes bestimmt. Ferner finden die Vorschriften des Bürgerlichen Rechts einschließlich des Handelsrechts keine Anwendung, soweit sie Einrichtungen oder Verhältnisse voraus­ setzen, an denen es im Konsulargerichtsbezirk oder in dem betreffenden Schutzgebiete fehlt iRges. v. 7. April 00 §§ 40, 20; Rges. v. 25. Juli 00 § 3). Jetzt hat die Geltung in den Konsulargerichtsbezirken naturgemäß nur noch geringe Bedeutung; immerhin ist sie nicht ganz bedeutungslos (vgl. Walter Fuchs in DIZ. 1925, 560). Die den Gegenstand des zwischenstaatlichen Privatrechts bildenden Fragen können hier nicht eingehend erörtert werden. Lit.: Die bekannten Werke über das Internationale^ Privatrecht von v. Bar, Zitelmann, Barazetti, Neumann und Niemeyer. Ferner: Meili, Das internationale Zivil- und Handelsrecht auf der Grundlage der Theorie, Gesetzgebung und Praxis, Zürich 02; Kahn, Abhandlungen aus dem internationalen Privatrecht in JheringsJ. 40, 1—87; 42, 309—352; 43, 299—435; Krohn, Die Vertragsobligationen in materieller Beziehung nach deutschem inter­ nationalen Privatrecht, Berlin 09; Bloch, Normen über die internationalen Rechts­ beziehungen auf dem Gebiete des Zivil- und Strafrechts, Wien 09; Habicht, Inter­ nationales Privatrecht nach dem EG.BGB., Berlin 07; von Bar, Internationales Handelsrecht in EhrenbergHandb. 1 §§ 26—39; DürHach., Allg. Einleitung Anm. 9 bis 26; vgl. außerdem RG. 68, 203 und die dort Zit. und Anhang zu § 372 Anm. 5—12. Nur folgendes sei hier bemerkt: Die räumlichen Herrschaftsgrenzen der Vorschriften des BGB. in Fällen des Widerspruchs mit dem ausländischen Recht werden in Art. 7—31 EG.BGB. gezogen. Diese Vorschriften bilden indes kein zusammenhängendes Ganzes, sondern regeln nur ein­ zelne Fälle. Für das Vermögensrecht, insbes. für das Sachenrecht und die Schuldverhältnisse, klafft eine große Lücke (Art. 11 trifft nur wegen der Form eines Rechtsgeschäfts, Art. 12 nur wegen der Ansprüche aus unerlaubten Handlungen Bestimmungen). So­ weit Lücken vorhanden sind, sind sie durch die aus der Natur der Rechtsverhältnisse abzuleitenden allgemeinen Grundsätze zu ergänzen, im Anschluß an die durch Wissen­ schaft und Gerichtsgebrauch gewonnenen wertvollen Ergebnisse. Einige allgemeine

4 Allgemeine Einleitung.

Anm. 7.

Anm. 8.

Anm. 9.

Anm. 10.

Allgemeine Einleitung.

Grundsätze geben Art. 27, 28 (Rückverweisung), 29 (Heimatlose), 31 (Vergeltungsrecht), und der hier besonders bemerkenswerte Art. 30, welcher bestimmt, daß die Anwendung eines ausländischen Gesetzes ausgeschlossen ist, wenn sie gegen die guten Sitten oder gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes verstoßen würde (zur Aus­ legung vgl. RG. 60, 299; 62, 404; s. auch § 67 Anm. 6 a. E. und Anhang zu § 372 Anm. 11). Es haben also die Vorschriften des deutschen Rechts, soweit sie ausschließ­ lichen Charakter haben (Anm. 12ff.), unbedingt Anwendung zu finden, auch auf Ver­ hältnisse, die sonst nach ausländischem Rechte zu beurteilen wären. Die obigen aus dem BGB. und dem EG.BGB. sowie den allgemeinen Gesichtspunkten herzuleitenden Grundsätze in Fällen des Widerspruchs mit ausländischem Rechte gelten auch ent­ sprechend für das örtliche Anwendungsgebiet der Vorschriften des Handelsrechts. 3. Das zeitliche Anwendungsgebiet. Zeitlich ist das HGB. am 1. Januar 1900 zugleich mit dem BGB. in Kraft getreten; nur der 6. Abschnitt des 1. Buchs (Handlungsgehilfen) mit Ausnahme des § 65 ist bereits seit dem 1. Januar 1898 in Kraft (Art. 1 EG.HGB.). Bezüglich des Rges. v. 10. Juni 14 s. § 74 Anm. 1. Die Frage, nach welchem Rechte die am 1. Januar 1900 schwebenden Rechts­ verhältnisse zu beurteilen sind, spielt jetzt keine Rolle mehr. Trotzdem erscheint es zweckmäßig, den Übergangsgrundsätzen einige Worte zu widmen. Lit., soweit sie für das Handelsrecht besonders in Betracht kommt: Lehmann, Die zeitliche Anwendbarbarkeit der Bestimmungen des neuen HGB. in ZHR. 48, 1—120 und 387—388; ferner s. bei Holdheim 9, 25; außerdem Staub HGB. 6./7. und 8. Ausl. a) Das EG.HGB. hat allgemeine Ubergangsvorschriften überhaupt nicht und nur wenige besondere Ubergangsvorschriften gegeben: Art. 22 (über Firmen), Art. 23 (Errichtung von Aktiengesellschaften), Art. 24 Zusammenlegung von Aktien, vgl. § 180 Anm. 16), Art. 25 (Kraftloserklürung von Aktien), Art. 26 (Außerkurssetzung von Aktien), Art. 27 (Wettbewerbverbot für Vorstandsmitglieder von AG.), Art. 28 (Zusicherung von Aktienbezugsrechten). b) Daher war der Wissenschaft die Aufgabe zugefallen, diese Lücke auszufüllen. Grund­ legend war die Erwägung, daß es im Geiste der an einem Tage in Kraft getretenen, als organisches Ganze gedachten Gesetzbücher liegt, für die Übergangszeit die Be­ stimmungen des EG.BGB. auch für das HGB. gellen zu lassen (Art. 2 EG.HGB.; RG. 43, 27; 60, 46; OLG. Kiel in OLGR. 6, 1). Die Grundsätze des BGB. und des EG.BGB. über das zeitliche Herrschafts­ gebiet der Rechtsvorschriften — Grundsätze, welche, soweit Lücken vorhanden sind, aus den allgemeinen, durch Wissenschaft und Praxis sich ausbildenden Grundsätzen zu er­ gänzen sind — lassen sich im knappsten Umriß dahin zusammenfassen (Hauptwerk hier­ über: Habicht, Die Einwirkung des BGB. auf zuvor entstandene Rechtsverhältnisse, 3. Ausl. 01; s. a. Affolter, Das intertemporale Privatrecht, 01): Ein ausdrücklicher grundsätzlicher Ausspruch für die Lösung des zeitlichen Widerstreits fehlt. Die Motive zum BGB. (119) fassen die Grundgedanken wie folgt zusammen. Neue Gesetze haben keine rückwirkende Kraft; erworbene Rechte bleiben von ihnen unberührt. Indes kann das Gesetz Ausnahmen bestimmen: das Verbot der Rückwirkung ist zwar „eine sittlich vernünftige Anforderung an den Gesetzgeber, aber keine Rechtsschranke seiner Machtvollkommenheit". Die Ausnahmen können entweder ausdrückliche sein, oder die Auslegung kann ergeben, das Gesetz wolle die Rückwirkung, insbesondere wenn schwer­ wiegende politische, soziale, wirtschaftliche oder sittliche Rücksichten zu dem neuen Ge­ setze geführt haben (Anm. 12ff.; RG. 40, 314; 42, 100; 44, 59; 51, 161; 54, 154 und in IW. 01, 1). Das EG.BGB., das von allgemeinen Regeln absieht, hat ausführliche Einzelvorschriften gegeben in Art. 153—218 (Gruppierung bei Habicht § 3). War hierbei auch der Grundsatz der Nichtrückwirkung vorzugsweise maßgebend, so erheischte doch der Gedanke der durchgreifenden Zusammenfassung an vielen Punkten ein Eingreifen in schon bestehende Rechtsverhältnisse, wenn man nicht aus Jahrzehnte

Allgemeine Einleitung.

5

hinaus die Einheitlichkeit opfern wollte. So erklären sich die Einzelvorschriften des Allgemeine EG. Im allgemeinen werden erworbene Rechte geschützt; namentlich ist der Grund-EinleitUNg.

satz der Nichtrückwirkung bezüglich der Schuldverhältnisse in Art. 170 anerkannt. Kommt aber in den neuen Bestimmungen nur eine neue rechtliche Prägung und Gestaltung zum Ausdruck, so werden sie auf die alten Rechtsverhältnisse angewendet (Dernburg I § 33; Stranz-Gerhard Einl. § 7). c) Soweit in Anwendung der hiernach maßgebenden Übergangsgrundsätze das frühere Anm. 11. Recht zur Anwendung kommt, versteht es sich von selbst, daß nicht nur die früheren Rechtsvorschriften, sondern auch die für das schwebende Verhältnis getrof­ fenen rechtsgeschäftlichen Bestimmungen ihre Gültigkeit behalten. Denn der Sinn einer Vertragsbestimmung, durch die eine Gesetzesvorschrift des nachgiebigen Rechts geändert wird, ist der: mag das Gesetz hierüber bestimmen wie immer, wir wollen, daß zwischen uns das Rechtens sei, was wir hiermit vereinbaren. ck) Die hiernach zur Anwendung gelangenden Übergangsbestimmungen des EG.BGB. Anm. 12. erfahren jedoch eine erhebliche Ergänzung und Abänderung durch folgenden allgemeinen Grundsatz: Soweit die Vorschriften des neuen Rechts ausschließlichen Charakter haben, d. h. die Anwendung eines anderen Gesetzes während ihrer Gel­ tungszeit überhaupt nicht dulden, greisen sie sofort in bestehende Verhältnisse ein und schließen von dem Augenblicke, in dem das neue Gesetz in Kraft tritt, die An­ wendung der gesetzlichen und rechtsgeschäftlichen Bestimmungen aus, die für das schwe­ bende Verhältnis bisher maßgebend waren. Vgl. Motive zum BGB. zu Art. 170 EG. Dieser Grundsatz durchbricht und ergänzt die sonst gegebenen Übergangsvorschriften (RG. 42, 97). a) Es fragt sich nun: Wann hat ein Gesetz einen solchen ausschließlichen Charakter? Anm. 13. Dies kann selbstverständlich nur ausnahmsweise, nur dann angenommen werden, wenn überzeugend erkennbar ist, daß der Gesetzgeber die Rückwirkung gewollt hat (RG. 42, 99; 43, 23). Eine allgemeine Rechtsregel etwa des Inhalts, daß jede im öffentlichen Interesse gegebene Rechtsnorm auch bereits bestehende Verhältnisse ergreift, gibt es allerdings nicht. Auch das wäre nicht richtig, wenn man annehmen wollte, daß alle zwingenden Rechtssätze, d. h. alle die, deren Ausschließung durch entgegenstehende Vereinbarungen nicht zulässig ist, ohne weiteres auf bestehende Verhältnisse Anwendung finden (RG. 42, 102; 66, 218 u. 250). Vielmehr greift derselbe Grundsatz Platz wie bei der gleichen Frage aus räumlichem Gebiete. Das neue Gesetz ist insoweit ausschließlich anwendbar, als die Anwendung des alten Gesetzes gegen die guten Sitten oder gegen den Zweck des neuen Gesetzes verstoßen würde (Art. 30 EG.BGB.; s. Anm. 6); dies ist immer dann der Fall, wenn das neue Gesetz Zustände beseitigen will, deren Fortbestehen ihm aus sittlichen oder sozialen oder wirtschaftlichen oder politischen Grün­ den als unhaltbar erschienen ist (RG. 42, 99; 43, 23; 54, 155 u. in LZ. 08, 2233). Die fortgesetzte Anwendung des entgegenstehenden Gesetzes würde sonst die Be­ seitigung dieser Zustände hindern oder wesentlich erschweren (s. a. Anhang zu § 372 Anm. 11; im wesentlichen übereinstimmend Pappcnheim bei Gruch. 42, 328). ß) Zu diesen, in bestehende Verhältnisse sofort eingreifenden, sogenanntenAnm. 14. rückwirkenden Bestimmungen gehören die zahlreichen sozialpolitischen Vor­ schriften ded HGB. Nicht der polizeiliche Charakter der Bestimmungen ist das Entscheidende für ihre rückwirkende Kraft (so Horrwitz, Das Recht der Handlungs­ gehilfen S. 16), sondern die der Vorschrift innewohnende Absicht der Beseitigung unhaltbarer Zustände im Interesse ganzer Klassen und der Wohlfahrt des Staats. Von diesem allein entscheidenden Gesichtspunkte aus sind die Bestimmungen der §§ 62 und 76, die den Schutz der sittlichen und körperlichen Wohlfahrt des Hand­ lungsgehilfen und des Handlungslehrlings im Auge haben, nicht verschieden von der Vorschrift des § 64, nach der die Gehaltszahlung am Schlüsse des Monats erfolgen

6 Allgemeine Einleitung.

Allgemeine Einleitung.

muß, und den Bestimmungen über Zwangsküüdigungsfristen (§§ 67ff.; zust. OLG. Kolmar in OLGR. 5, 264). Diese Gesichtspunkte trafen in gleicher Weise auf die bis 1. Januar 1915 gültig gewesenen Bestimmungen über das Wettbewerbverbot (Konkurrenzklausel; §§ 74, 75 u. 76 Abs. 1 alter Fassung) zu. Das Reichsgericht hatte freilich in entgegengesetztem Sinne entschieden (RG. 48, 132). Die Frage hat durch das Rges. v. 10. Juni 14 gesetzliche Regelung gefunden; s. hierüber § 74 Anm. 1.

Anm. 15. e) Die hier (a bis d) entwickelten Grundsätze sind im wesentlichen maßgebend bei der Er­ örterung der Frage, nach welchem Rechte sich die schwebenden Verhältnisse richten. Freilich ist dabei nicht ausgeschlossen, daß hier und da für die Entscheidung noch andere Gesichtspunkte in Betracht kommen können.

III. Die Rechtsquellen. Anm. 16.

Unter Handelsrecht versteht man das vom übrigen Rechte abweichende Recht der Handelssachen. Deshalb sind Rechtsquellen des Handelsrechts nur solche, die dieses Sonder­ recht regeln. In Handelssachen kommt aber nicht nur Handelsrecht zur Anwendung (vgl. bes. Anm. 18 u. 21), sondern es sind noch andere Rechtsquellen heranzuziehen. Diese sind nicht Rechtsquellen des Handelsrechts, wohl aber solche des Rechts der Handelssachen (vgl. Rehme in EhrenbergHandb. 1 § 22 Anm. 6 und ebenda § 23 Anm. 42 gegen Staub, 6. bis 9. Ausl., in denen das BGB. als ergänzende Rechtsquelle des Handelsrechts bezeichnet wurde). Vielfach wird auch — wohl mit Unrecht — der Tarifvertrag als Rechtsquelle be­ zeichnet. Darüber s. u. a. Hueck in DIZ. 1921, 396.

Anm. 17. 1. DaS HGB. Nicht nur seine ausdrücklichen Vorschriften kommen in erster Linie als regelmäßige Rechtsquelle des Handelsrechts zur Anwendung, sondern auch alle die Rechtssätze, die 'durchs Auslegung gewonnen werden (denn mit dem Gesetze sind

alle seine logischen Folgerungen zum Gesetz erhoben), und endlich auch die, die sich durch entsprechende Anwendung des Gesetzes ergeben. Denn das HGB. ist zwar ein Sonderrecht des Handelsverkehrs (Anm. 5), aber kein Ausnahmerecht im Sinne einer Abweichung von der juristischen Folgerichtigkeit und daher nicht lediglich strenger Auslegung fähig (Behrend § 17 Anm. 4; ROHG. 11, 417). — DaS EG.HGB. steht dem HGB. als Rechtsquelle gleich. Anm. 18.

2. DaS BGB. Dieses kommt in Handelssachen nur insoweit zur Anwendung, als nicht im HGB. (oder im EG.HGB.) ein anderes bestimmt ist (Anm. 5). Es ist also nicht Rechtsquelle des Handelsrechts, wohl aber eine ergänzende (subsidiäre) Rechtsquelle des Rechts der Handelssachen (vgl. Anm. 16). Das BGB. steht dem HGB. auch insoweit nach, als letzteres Vorschriften nachgiebigen Rechts enthält. Andererseits kommt es in allen den Fragen zur Anwendung, für die aus dem HGB., sei es unmittelbar, sei es durch Auslegung oder durch entsprechende Anwendung, nichts zu entnehmen ist. Seine Vorschriften sind nicht etwa in dem Sinne subsidiär, in dem es die Landesstrafgesetze gegenüber dem Reichsstrafgesetzbuch sind (§2 EG.StGB.), so daß alle die Gegenstände, die das HGB. regelt, der Anwendung des BGB. verschlossen wären. Vielmehr sind die Begriffsmerkmale eines Rechtsgeschäftes, über welches das HGB. Rechtsregeln aufstellt, ohne es zu erläutern, aus dem BGB. zu entnehmen. Beispiele: Bürgschaft; Kauf. Ebenso sind die Rechtswirkungen von Begriffen, die das HGB. verwendet, soweit sie nicht im HGB. angeordnet sind, dem BGB. zu ent­ nehmen (z. B. Heilung des Verzugs). Endlich sind die allgemeinen Rechtsgrund­ sätze, mit denen das HGB. sich überhaupt nicht beschäftigt und die es als Allgemein­ vorschriften des bestehenden bürgerlichen Rechts voraussetzt, so die Vorschriften über Geschäftsfähigkeit, Irrtum/ Betrug, Zwang, Scherz, Verjährung usw., dem BGB. zu entnehmen.

(Für Aktiengesellschaften vgl. § 178 Anm. 6 ff.)

Allgemeine Einleitung.

3. DaS Landesrecht. Betracht.

7

Dieses kommt als Rechtsquelle für Handelssachen nur selten in Allgemeine

Einleitung.

a) Art. 15 Abs. 1 EG.HGB. bestimmt hierüber, daß die privatrechtlichen Vorschriften derAnm. 19. Landcsgesetze insoweit unberührt bleiben, als es in diesem Gesetze bestimmt oder als im HGB. auf die Landesgesetze verwiesen ist (zu letzterem Punkte vgl. Anm. 22). Sie bleiben, wie ergänzend hinzuzufügen ist, auch insoweit unberührt, als es im EG.BGB. bestimmt ist (Art. 3 und 55 EG.BGB.). So werden in Art. 16—18 EG.HGB. zahl­ reiche landesgesetzliche Vorschriften (über Lagerscheine, Schecks usw.) als „unberührt" bezeichnet. Und nach Art. 75 und 76 EG.BGB. blieben die landesgesetzlichen Vor­ schriften über Versicherungs- und Verlagsrecht unberührt; Vorbehalte, die zum Teil inzwischen durch das Eingreifen der Reichsgesetzgebung erledigt sind (§ 1 Anm. 59ff. u. Anm. 78ff.). Der Vorbehaltsausspruch bedarf nicht der Formel: „unberührt blei­ ben"; es findet sich eine Anzahl gleichbedeutender Ausdrücke („bleiben in Kraft", „können erlassen werden" u. a., Art. 3 EG.BGB.), die in Tragweite und Wirkung gleichwertig sind (Stranz in Holtzendorff-Kohlers Enzyklopädie I 5a § 3). Soweit die Landesgesetze unberührt bleiben, können auch neue landesgesetzliche Vorschriften er­ lassen werden (Art. 15 Abs. 2 EG.HGB.; Art. 218 EG.BGB.).

b) Soweit das Landesrecht als Rechtsquelle überhaupt in Frage steht, kommt es dabei in Anm. 20. der weitesten Bedeutung in Betracht, auch als Gewohnheitsrecht. (Näheres in Anm. 28.)

4. Die übrigen Reichsgesetze außer dem BGB.

Anm. 21.

a) Diese sollen nach Art. 2 Abs. 2 EG.HGB. durch daS HGB. nicht berührt werden. Also auch dort, wo eine handelsrechtliche Frage in Betracht kommt, sollen, wenn in einem anderen Reichsgesetze etwas Gegenteiliges bestimmt ist als im HGB., die Bestim­ mungen des anderen Reichsgesetzes entscheiden. Das hat darin seinen Grund, daß man die anderen Reichsgesetze als Sondergesetze betrachtet, die für besondere Verhält­ nisse berechnet sind und der Anwendung der Vorschriften eines allgemeinen Gesetz­ buchs daher entrückt sein sollen. Das gilt selbstverständlich vorbehaltlich der Bestimmung des Art. 32 EG.BGB., d. h. die Reichsgesetze kommen nur insoweit in Betracht, als sich nicht etwa aus dem BGB. die Aufhebung ergibt. Diese Bestimmungen beziehen sich auf die zur Zeit des Inkrafttretens des HGB. und des BGB. bestehenden Reichsgesetze. Die nach diesem Zeitpunkte erlassenen Reichsgesetze gehen dem HGB. vor, soweit sie in die Dom HGB. geregelten Rechtsgebiete unmittelbar eingreisen (so die in Anm. 4 erwähnten Abänderungsgesetze) oder soweit sie als Sondergesetze han­ delsrechtlichen Inhalts anzusehen sind. Als solche seien erwähnt: das PrivVUntG. v. 12. Mai 1901, das VVG. v. 30. Mai 1908 (bes. dessen §§ 43—48, Sonderbestimmungen über die Versicherungsagenten), das Rges. v. 27. Mai 1908 über die Neufassung des BörjG., das UnlWG. v. 7. Juni 1909; vgl. auch die Vo. v. 5. Februar 1919 über die Sonntagsruhe im Handelsgewerbe u. v. 21. Dezember 1923 über die Arbeitszeit (s. § 59 Anm. 28). Soweit sie dagegen dem allgemeinen bürgerlichen Rechte angehören (z. B. Abänderungsgesetze zum BGB.), kommen sie in Handelssachen erst in Reihen­ folge nach dem HGB. zur Anwendung.

d) Soweit in Reichsgesetzen (oder in Landesgesetzen) auf Vorschriften des früheren Allg. Anm. 22. D. HGB. verwiesen ist, sind die entsprechenden Vorschriften des jetzigen HGB. an deren Stelle getreten (Art. 3 EG.HGB.). Hier ist nur an die echte Verweisung ge­ dacht (auf diese bezieht sich auch der entsprechende Art. 4 EG.BGB.). Unter Ver­ weisung versteht man den „Ausdruck des Gesetzesinhalts durch Bezugnahme auf einen anderen inhaltlich nicht wiederholten Rechtssatz" (so Zitelmann; vgl. Näheres Stranz a. a. O. § 19). Die Verweisung hat drei Spielarten: es werden in Bezug genommen entweder einzelne bestimmte Gesetzesstellen oder durch bestimmte Gesetze geregelte Gegenstände oder ganze Rechtsteile. Als Beispiel einer Verweisung sei angeführt: das Depotges. v. 5. Juli 1896 § 3 lautete: „Der Kommissionär (Art. 360, 378 HGB.), welcher

8 Allgemeine Einleitung.

Allgemeine Einleitung.

einen Auftrag" usw.; hier traten die §§383 und 406 des jetzigen HGB. an die Stelle. (über die unechte Verweisung s. Stranz a. a. O. § 20.)

Knm. 23. 6* Das HandelSgewohnheitSrecht. a) Im HEB. ist das Gewohnheitsrecht nicht erwähnt. Tas alte HGB. hatte im Art. 1

Anm. 24.

Anm. 25.

Anm. 26.

Anm. 27.

das Gewohnheitsrecht als Rechtsquelle anerkannt, und zwar derart, daß es der Reihen­ folge nach hinter dem HGB., aber vor dem bürgerlichen Recht, zur Anwendung gelangte. Tas jetzige HGB. überläßt der Wissenschaft die Entscheidung, ob das Handelsgewohn­ heitsrecht überhaupt als Rechtsquelle anzuerkennen und mit welcher Geltungskraft es auszustatten sei, ob es bloß ergänzende oder auch abändernde Kraft habe (D.4). Dabei hält die Denkschrift partikulares Gewohnheitsrecht fernerhein überhaupt für aus­ geschlossen. Wie hat sich die Wissenschaft zu diesen Fragen zu stellen? d) Die Untersuchung der Frage, ob daS Gewohnheitsrecht alS Rechtsquelle anzu­ erkennen sei, ist für das bürgerliche Recht und das Handelsrecht die gleiche. Das BGB. hat nach heftiger Kritik des § 2 Entwurf I von einer Regelung des Verhältnisses zwischen dem Gesetzes- und dem Gewohnheitsrecht abgesehen und dies der Wissen­ schaft und Praxis überlassen (s. insbes. Protokolle I 3, VI 359ff.). a) Daß sich Gewohnheitsrecht bilden kann, ist in der Rechtsprechung des Reichs­ gerichts wiederholt ausgesprochen (vgl. RG. 75, 41; 76, 113) und in der Wissen­ schaft fast allgemein anerkannt. Vgl. z. B. Enneccerus I § 37. Abw. GoldmannLilienthal § 7, die jedem Gewohnheitsrecht die Geltung versagen, weil es mit unserem neuzeitlichen Versassungsleben nicht vereinbar sei. Hiergegen spricht schon, daß auch in Reichsgesetzen Gewohnheitsrecht ausdrücklich als Rechtsquelle anerkannt ist, freilich nur für die Schutzgebiete und Konsulargerichtsbezirke, dort aber sogar an erster Stelle (Anm. 6). Ferner bestimmt Art. 2 EG.BGB.: Gesetz im Sinne des BGB. oder seines EG. ist jede Rechtsnorm. Diese Bestimmung beweist, daß es auch im Sinne des BGB. andere Rechtsquellen neben dem geschriebenen Gesetze gibt. In ihr wird allgemein eine Anerkennung des Gewohnheitsrechts erblickt. Abzulehnen ist dagegen die in der 8. u. 9. Aufl. vertretene Ansicht, daß sich die gesetzliche Anerkennung des Gewohnheitsrechts aus den §§ 157, 242 BGB. herleiten lasse. Ter hierfür ange­ führte Grund: wenn das Gesetz schon der Verkehrssitte Geltung verschaffe, müsse das erst recht und in gleichem Umfange vom Gewohnheitsrecht gelten, ist nicht durch­ schlagend, weil Verkehrssitte und Gewohnheitsrecht in ihrer Wirkung verschieden sind (Anm. 26ff. u. 30ff.). Tie Lehre steht im Zusammenhang mit der besonderen Auffassung über die Bildung des Gewohnheitsrechts, die von Tanz vertreten wird (Anm. 29) und der die 8. u. 9. Auflage teilweise gefolgt war. Sie sind in ihrem Ergebnis schon deshalb unannehmbar, weil sie zu einer Anerkennung von Landes­ gewohnheitsrecht über den in Anm. 28 erörterten Umfang hinaus führen würde. ß) Gewohnheitsrecht kann sich als zwingendes oder nachgiebiges Recht bilden (an­ ders 6./7. Aufl., die es nur als nachgiebiges Recht anerkannte). Bezüglich der Wirkung des Gewohnheitsrechts ist zwischen Reichs- und Landesgewohnheitsrecht zu unterscheiden. ««) Reichsgewohnheitsrecht. Neues Reichsgewohnheitsrecht kann sich sowohl als er­ gänzendes bilden, um Lücken des Gesetzes auszufüllcn, als auch als wider­ streitendes (ebenso Dernburg I §28; Planck I Einl. XXXVII; Küntzel bei Gruch. 41, 488; Oertmann, Rechtsordnung und Verkehrssitte, Leipzig 1914, 356; Rehme a. a. O. §23; abw. Endemann § 12 und Staub 6./7. Aufl. Anm. 23, 24, die es nur als ergänzendes Recht anerkennen). Fraglich ist, ob sich solches Gewohnheits­ recht auch gegen zwingende Rechtssätze des geschriebenen Rechts bilden kann; dies ist zu bejahen (ebenso Planck, Oertmann, Rehme a. a. O.; Enneccerus I § 37; anders 6./7. Aufl.). Nur muß die Übung in allen Fällen wirklich eine allgemeine im ganzen Reiche sein; die Rechtseinheit darf nicht darunter leiden. Anders ist die Frage zu beurteilen, ob es Gewohnheitsrechtssätze gibt, die zur Zeit des Jnkraft-

Allgemeine Einleitung.

9

tretens des neuen HGB. bestanden und ihre Geltung behalten haben. Sätze Wider-Allgemeine streitenden Rechts kommen hier schon nach Art. 1 des alten HGB. (Anm. 23) nicht Einleitung, in Frage. Wenn aber auch die Macht des Gesetzgebers bezweifelt werden mag, Ge­ wohnheitsrecht, selbst abänderndes, auszuschließen, so kann doch das jüngere Ge­ setzesrecht, zumal ein solches, das eine Zusammenfassung darstellt, nicht gegenüber älterem Gewohnheitsrecht zurückstehen. Es käme also höchstens als ergänzendes in Frage dort, wo sich Lücken zeigen. Bei richtiger Abgrenzung gegen die Verkehrssitte dürften sich auf dem Gebiete des Handelsrechts weder ergänzende noch wider­ streitende Reichsgewohnheitssätze nachweisen lassen. Ähnlich DürHach. Allg. Einl. Anm. 6; vgl. ferner Oertmann in DIZ. 1916, 757: die Bildung von Gewohn­ heitsrechtssätzen gegen das BGB. sei nicht nachzuweisen. Auch die Entscheidungen des RG. in Zivilsachen bringen kein Beispiel für Bildung eines Reichsgewohnheits­ rechts nach 1900; vgl. auch RG. 75, 41. Anders freilich EhrenbergHandb. 1, 6, nach dem man das Gewohnheitsrecht gerade und nur auf dem Gebiete des Han­ delsrechts „noch täglich an der Arbeit sehen kann". Anders auch Fischer, Buch­ führung, S. 50, der ein Gewohnheitsrecht gegen die Bestimmung des §40 annimmt; vgl. § 40 Anm. 3. ßß) Landesgewohnheitsrecht kann gegenüber dem Reichsrecht, wenn nicht die Rechts-Anm. 28. einheit Schiffbruch leiden soll, weder als widerstreitendes noch als ergänzendes auf­ kommen. Auch dies folgt schon aus dem Zusammenfassungscharakter der neuen Ge­ setzbücher, sowie aus Art. 55 EG.BGB. in Verb, mit Art. 2 dort, vor allem aber aus der Reichsverfassung von 1871 (Art. 2; auch hier wird man unter „Gesetz" jede Rechtsnorm, also auch das Gewohnheitsrecht zu verstehen haben; die Ver­ fassung vom 11. August 1919 enthält eine inhaltsgleiche Bestimmung in Art. 13). Dies entspricht auch der D. (4) und der jetzt allgemein herrschenden Ansicht (vgl. Crome in JheringsJ. 39, 32; Oertmann in ArchBürgR. 15, 447; Enneccerus I §37; a. A. Krückmann in JheringsJ. 38, 191 ff.). Mit den angeführten Gründen ist es auch unvereinbar, dem Landesgewohnheitsrecht auf dem Umwege über die §§ 157, 242 BGB. Eingang zu verschaffen (so Danz, JheringsJ. 38, 373 und DIZ. 08, 27 sowie Staub 6. bis 9. Aufl.); von Rechtseinheit könnte dann nicht mehr die Rede sein. Reichsgesetze können freilich auf die Berücksichtigung von Landes­ gewohnheitsrecht Hinweisen (vgl. §72 Abs. 3 des PersStandG. v. 6. Februar 1875); ein solcher Hinweis ist aber nicht in den §§ 157, 242 BGB. zu erblicken. Für die dem Landesrecht vorbehaltenen Gebiete ist dagegen die Bildung von Landes­ gewohnheitsrecht sowohl mit abändernder als auch mit ergänzender Wirkung zu­ lässig; für die Frage, welche Wirkungen es im einzelnen hat, ist das jetzige Landes­ recht maßgebend; Dernburg I § 28 und DürHach. Allg. Einl. Anm. 6 wollen — eine Ansicht, die wir nicht teilen — dem Gewohnheitsrechte hier nur dieselbe Kraft beimessen, die es scholl vor dein HGB. nach dem Landesrecht hatte. — Örtliches Ge­ wohnheitsrecht wird Observanz genannt. Es kann höchstens mit gleicher Wirkung und in gleichem Umfange bestehen wie Landesgewohnheitsrecht; die Gültigkeit richtet sich nach Landesrecht (vgl. RG. 76, 114). c) Ta sich hiernach Gelvohnheitsrccht bilden kann, ist es nötig, seinen Begriff festzustellen. Anm. 29. (Näheres bei Windscheid-Kipp I §§ lass.; Gierke, DtschPrR. I 165ff.; Oertmann a. a. O. 16ff.; Rehme a. a. O. § 23; vgl. auch RG. 3, 210; 75, 41.) Nach herrschender An­ sicht gehört zum Begriff des Gewohnheitsrechts zweierlei: Erstens die tatsächliche, lang­ anhaltende, allgemeine Übung, und zweitens die allgemeine Überzeugung von dem Vorhandensein der rechtlichen Notwendigkeit dieser Übung, die sog. opinio necessitatis oder juris (RG. 75, 41; RG. in LZ. 1916, 120; vgl. EhrenbergHandb. 1, 269). Nicht bic Überzeugung allein ohne die entsprechende Übung (ROHG. 9, 23; RG. 20, 304 und 44, 33) genügt, aber auch nicht die Übung allein ohne die erkenn­ bare Überzeugung von dem Vorhandensein eines Rechtssatzes. Und beides, über-

10 Allgemeine Einleitung.

Allgemeine Einleitung.

Zeugung und Übung, muß allgemein sein, d. h. nicht gerade ausnahmslos, aber auch nicht bloß vereinzelt und durch zahlreiche entgegengesetzte Entscheidungen in Frage gestellt. Das Erfordernis der allgemeinen Überzeugung von der rechtlichen Not­ wendigkeit wird von einer Reihe von Schriftstellern geleugnet, so von Tanz (z. B. JhcringsJ. 38, 373ff.), Dove (IW. 1916, 368) und Oertmann (a. a. weiteres Schrifttum dort 16, 17). Der Sinn der Gegenmeinung ist der, daß es sich dabei um einen leeren Begriff handle, dem ein entsprechender Vorgang im Leben nicht oder doch nicht immer entspreche. Zuzugeben ist, daß die Feststellung dieser Überzeugung bei dem befolgenden Publikum oft schwierig sein wird, und daß eine scharfe Abgren­ zung nicht immer möglich ist. Danz läßt die Verkehrssitte dadurch zum Gewohnheits­ recht werden, daß der Richter sie anwendet. Dies hätte zur Folge, daß der Satz zu­ nächst, als die Parteien ihn übten, Verkehrssitte war, dann nachträglich durch den Richter zum objektiven Rechtssatz wird und als solcher auch schon auf den vor seiner Entstehung liegen­ den Rechtsfall angewendet wird! (Vgl. Oertmann a. a. O. §41, wo sich auch weitere überzeugende Gründe gegen Danz finden.) Nach Oertmann entsteht Gewohnheitsrecht gleichfalls durch den Richter (oder auch die verwaltenden Staatsorgane, a. a. O. 17), aber nicht durch den einzelnen Richter, sondern „durch die Massenerscheinungen einer ständigen Praxis" (a. a. O. 355). Auch hier ist der Augenblick unbestimmt, in dem der Satz zum ersten Male vom Richter als Gewohnheitsrecht anzuwenden ist. Insofern ist also nichts gewonnen. Tatsächlich hat sich aber Gewohnheitsrecht früher anerkanntermaßen gebildet, ohne daß sein Vorhandensein von einer ständigen Rechtsprechung abhängig gemacht wor­ den wäre. Es erscheint bedenklich, den bestehenden Rechtsbegriff durch diesen letzten Endes zufälligen und willkürlichen Maßstab einzuengen. Nach keiner der hier erörterten Meinungen kann aber Gewohnheitsrecht gegen ständige Rechtsprechung entstehen; nach der hier vertretenen Ansicht deshalb nicht, weil die Überzeugung nicht allgemein sein kann, wenn die Rechtsprechung ständig anders entscheidet (vgl. § 40 Anm. 3). Anm. 30. (!) Die Berkehrssitte. (Lit.: Oertmann, Rechtsordnung u. Verkehrssitte, 1914. Vendix, Berkehrssitte u. Handelsgebräuche, in IW. 1921, 226. Enneccerus I §§ 38, 53, auch §§ 191, 192.) Praktisch von Bedeutung ist eine Abgrenzung des Begriffs des Ge­ wohnheitsrechts deshalb, weil es nur durch eine solche von dem verwandten Rechts­ begriff der Verkehrssitte unterschieden werden kann. Ter Begriff der Berkehrssitte bedarf aber auch aus einem weiteren Grunde hier der Erörterung: Es fragt sich, ob die Verkehrssitte als Rechtsquelle neben Gesetz und Gewohnheitsrecht anzuerkennen ist. Anm. 30». ot) Die Verkehrssitte kann auf bestimmte Personenkreise und auf bestimmte Orte beschränkt sein. So sind die „im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche" des § 346, die auch Usance (vgl. Anm. 36) oder Handelssittc genannt werden, nur unter Kaufleuten maßgebend. Eine unter Vollkausleuten geltende Handelssitte braucht nicht unter allen Umständen für Minderkaufleute maßgebend zu sein (RG. im „Recht" 07, 245). Die Verkehrssitte kann andererseits bestimmen, daß die Handelssitte in einzelnen Fällen auch zwischen Kaufleuten und Nichtkauf­ leuten gilt (DürHach. Allg. Einl. Anm. 12; Rehme a. a. O. 273). Die örtlich be­ schränkte Berkehrssitte wird Ortsgebrauch (über diesen Begriff vgl. Schultzenstein in IW. 1922, 71; s. auch §59 Anm. 24) genannt, im HGB. aber auch Han­ delsgebrauch (vgl. z. B. §§59, 77 einerseits, § 359 andererseits; s. Rehme a. a. O. 276). Für das Handelsrecht wären die hier erörterten Fragen auf die Handelssitte zu beschrän­ ken. Da in Handelssachen aber auch die Bestimmungen des BGB. gelten (Anm. 16, 18), seien die Erörterungen an den weiteren Begriff der Verkehrssitte geknüpft. Über das Verhältnis von §346 HGB. zu § 157 BGB. vgl. §346 Anm. 1 und 11. Die Fest­ stellung einer Verkehrssitte setzt in allen Fällen eine langdauernde Übung voraus (OLG. Jena in LZ. 1922, 338). Bei der Feststellung ist das Gericht nicht an die Beweisregeln der ZPO. gebunden, kann vielmehr auch gegen den Widerspruch einer Partei Aus-

Allgemeine Einleitung.

11

fünfte von Handelskammern einziehen und verwerten (RG. im „Recht" 1924 RsprBeil. Allgemeine Nr. 1325). Einleitung,

ß) Das BGB. schreibt die Berücksichtigung der Verfehrssitte in benÄnm §§ 157, 242 vor (aber nicht nur in diesen Paragraphen). Diese Bestimmungen, die häufig durcheinandergeworfen werden, sind grundsätzlich scharf zu trennen; hierauf haben besonders Schneider (JheringsJ. 59, 386 und ArchBürgR. 25, 272) und Oertmann (a. a. O., namentlich § 36) hingewiesen. Es gibt freilich zahlreiche Fälle, in denen die Entscheidung zweifelhaft sein kann, ob § 157 oder § 242 an­ zuwenden ist. Nach § 157 BGB. ist die Verfehrssitte Hilfsmittel zur Auslegung der Willenserklärung, wobei unter Auslegung auch Ergänzung in dem in § 346 Anm. 5 erörterten Sinne zu verstehen ist (über die Grenzen der Auslegung bei Rechts­ geschäften s. Ebbecke in JheringsJ. 1920, 1). § 157 beantwortet die Frage, ob und inwieweit jemand Schuldner geworden ist; er geht auf Feststellung des Tatbestands. Nach seinem Wortlaute ist er nur für Verträge maßgebend, die Bestimmung ist aber auch auf einseitige Willenserklärungen auszudehnen (ebenso Planck § 157 Erl. 1; Stau­ dinger § 157 Bem. 4; Danz, JheringsJ. 38, 466; Oertmann a. a. O. 82). Insofern kann die Verkehrssitte objektivrechtliche Bedeutung ebensowenig haben wie der Partei­ wille, zu dessen Auslegung sie bestimmt ist. § 242 BGB. geht dagegen auf Feststellung der Rechtsfolgen; er beantwortet die Frage, wozu jemand rechtlich verpflichtet ist, wenn er bereits Schuldner geworden ist (Oertmann a. a. O. 311, 312). Insofern hat die Verfehrssitte objektivrechtliche Bedeutung. Als Rechtsquelle ist sie auch hier nicht anzuerkennen. Denn sie ist nicht selbständiger Beurteilungsmaßstab, sondern sie gilt, weil das Gesetz ihre Anwendung vorschreibt (Enneccerus I § 38 III). Sie gilt auch nicht schlechthin, sondern in erster Linie sind hier, ebenso wie nach § 157 BGB., Treu und Glauben maßgebend; bei Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben ist auf die Verfehrssitte Rücksicht zu nehmen, ebenso nach § 346 auf die im Handelsverfehr gelten­ den Gewohnheiten und Gebräuche. Erwähnt sei noch, daß Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verfehrssitte auch für die Auslegung des Gesetzes maßgebend sind (Oertmann a. a. O. § 43) und insofern zwar nicht zwingende Rechtssätze beseitigen, wohl aber ihre Anwendung im einzelnen Falle ausschließen können (vgl. RG. 85, 108; RG. in IW. 1916, 40710; vgl. hierüber Anm. 37 a). y) Verkehrssitte ist die den Verkehr beherrschende tatsächliche Übung (RG.Anm.32. 49, 162). Sie ist dem Rechte gegenüber zwar ein Teil der Sitte, nicht aber im Sinne moralischer Bewertung. So bestimmt die Verkehrssitte (Usance) z. B. in Ham­ burg, daß eine Erklärung, die „bis zur Börse" abzugeben ist, bis 12*/, Uhr im Kontor oder bis 2 Uhr an der Börse abzugeben ist. Es ist offensichtlich, daß ein moralischer Maßstab dabei völlig ausscheidet. Man kann deshalb auch nicht sagen, daß die Verkehrssitte darauf beruhe, daß man das Geübte für „sittlich und anständig" hält (so Staub bis einschl. 9. Ausl.). Die Gebote der Sitte im Sinne der Moral sind natürlich auch dort zu berücksichtigen, wo die Verkehrssitte anzuwenden ist. Soweit sie aber rechtlich überhaupt von Bedeutung sind, ergibt sich die Notwendigkeit ihrer Be­ rücksichtigung nicht aus der Verkehrssitte, sondern aus § 138 BGB. (vgl. auch §§ 826, 226 BGB.), sodann aber auch aus der Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben. Mißbräuchliche Verkehrssitten sind deshalb nicht zu berücksichtigen (vgl. RG. in SeuffA. 74, 334, in LZ. 1922, 254 u. in IW. 1922, 488"). Mit der Feststellung, daß die Verkehrssitte tatsächliche Übung ist, ist die Frage freilich noch nicht erschöpfend be­ antwortet; vgl. Oertmann a. a. O. 86f.; den Grund der Übung wird man mit Rehme a. a. O. 270 in der „ Überzeugung von der Zweckmäßigkeit und Angemessen­ heit" finden können. Umgekehrt wird aber auch häufig die tatsächliche Übung ihrer­ seits der Grund dafür sein, daß eine solche Überzeugung entsteht. 8) Das Verhältnis von Berkehrssitte zur Willenserklärung. Daß die Ver-Anm. 33.

12

Allgemeine Einleitung.

Allgemeine Einleitung.

kehrssitte zu berücksichtigen ist, sei es zur Auslegung einer Willenserklärung, sei es zur Feststellung der Schuldnerpflicht, schreibt das Gesetz vor. Insofern ist also für ihre Berücksichtigung nicht der Parteiwille maßgebend. Damit ist aber noch nicht entschieden, in welchem Verhältnis die Verkehrssitte zur Willenserklärung steht. Es hängt dies vielmehr mit der Beantwortung einer Reihe von anderen Fragen zusammen, zu denen im Rahmen einer kurzen Anmerkung nicht in irgendwie ausreichender Form Stellung genommen werden kann; Oertmann hat der Untersuchung dieser Beziehungen den größten Teil seines bereits erwähnten umfassenden Werkes (Rechtsordnung und Verkehrssitte) gewidmet. Entscheidend ist besonders die Stellungnahme zu der Frage, welche Bedeutung der Willenserklärung überhaupt beizulegen ist. Anm. 34. aa) Verkehrssitte im Sinne des § 157 BGB. Ist der Sinn einer Willenserklärung zweifelhaft, ist dieser durch Auslegung festzustellen. Maßgebend hierfür ist nicht der Wille des Erklärenden schlechthin, sondern sein erklärter Wille. Die Auslegung der Erklärung hat mit Rücksicht auf die Verkehrssitte zu erfolgen, auch wenn diese dem Erklärenden unbekannt war. Die Rechtssicherheit erfordert, daß der Ge­ schäftsgegner die Erklärung so auffassen kann, wie dies der tatsächlichen Übung des Ortes und der betreffenden Geschäftskreise entspricht. Wer etwas anderes will, muß dies erklären. Die unzweideutige Erklärung geht der Verkehrssitte vor; für eine Auslegung ist bei Unzweideutigkeit der Erklärung kein Raum (vgl. RG. 82, 316). Die Verkehrssitte gilt aber auch dann nicht, wenn der Gejchäftsgegner weiß, daß die Erklärung in bestimmtem anderen Sinne gemeint ist, als die Auslegung nach der Verkehrssitte ergeben würde. Tenn die Verkehrssitte ist nicht alleiniges Aus­ legungsmittel; in erster Linie sind Treu und Glauben maßgebend; diese verbieten aber, daß der Gegner sich auf die Auslegung nach der Verkehrssitte berufen kann, obwohl er genau weiß, daß etwas anderes gemeint ist. Ter Gesichtspunkt der Ver­ kehrssicherheit kann in diesem Falle auch nicht herangezogen werden, da der Gegner über den Sinn der Erklärung nicht im Zweifel ist (vgl. Oertmann a. a. O. 95ff., 114, 133). Freilich wird dieses Wissen dem Geschäftsgegner in der Regel schwer zu be­ weisen sein. — Hat jemand überhaupt nicht gewußt, daß eine Verkehrssitte besteht und infolgedessen etwas anderes erklärt, als er gewollt hat, oder hat er sich über den Inhalt einer Verkehrssitte bei Abgabe der Willenserklärung geirrt, so ist diese zwar gültig, der Erklärende kann sie aber unter den Voraussetzungen des § 119 BGB. all­ fechten. Ter Beweis eines solchen Irrtums wird aber auch hier meist schwierig sein. Im übrigen vgl. hierzu Anm. 37. — Tie jetzt hier vertretene Ansicht stimmt mit Oert­ mann a. a. O. im wesentlichen überein. Teilweise abw. Staub bis einschl. 9. Ausl. Über­ sichten über die verschiedenen Meinungen finden sich bei Oertmann a. a. O. §§ 10, 11. Vgl. auch RG. 79, 438; 88, 416; ferner § 346 Anm. 9. Über das Verhältnis der §§ 157 BGB., 346 HGB. zu § 133 BGB. vgl. § 346 Anm. 1, 2. Anm. 35. ßß) Verkehrssitte im Sin ne des § 242 BGB. Im Sinne dieses Paragraphen dient die Verkehrssitte zur Feststellung des Inhalts der Schuldnerpslicht, der Rechtsfolge (Anm. 31). So ist es nach § 242 BGB. zu beurteilen, ob der Verkäufer verpflichtet ist, statt Barzahlung einen Scheck anzunehmen (vgl. OLGR. 13, 370). Legt die Ver­ kehrssitte z. B. einem Großkaufmann eine solche Verpflichtung auf, dann gilt sie unabhängig von seiner Kenntnis. Ein abweichender Wille kommt für die Fest­ stellung der Rechtsfolgen nicht in Frage. Vorausgesetzt ist dabei, daß die Auslegung des Vertrages nach § 157 BGB. keinen Anhaltspunkt ergeben hat. Auch ein Anfechtungs­ recht wegen Irrtums kommt hier nicht in Betracht. Zu beachten ist noch, daß die Berücksichtigung der besonderen Gestaltung des einzelnen Falles der Berücksichtigung der Verkehrssitte vorgehen kann (vgl. das Beispiel bei Oertmann a. a. O. 346). Anm. 36. e) Aus der in den vorhergehenden Anmerkungen vorgenommenen Abgrenzung des Be­ griffs des Gewohnheitsrechts und desjenigen der Verkehrssitte ist auch an die Frage nach der rechtlichen Natur der Börfenusancen heranzutreten.

Allgemeine Einleitung.

13

a) Unter dem früheren Rechte wurden die Börsenusancen lediglich als Verkehrssitte Allgemeine betrachtet; dagegen wurde geleugnet, daß sie Gewohnheitsrecht sein könnten (ROHG. Einleitung. 1, 92; 4, 140; 8, 257; so auch die Auflagen vor 1900 § 10 zu Art. 1), weil sie zahl­ reiche Abweichungen vom geschriebenen Rechte enthielten, was ja auf dem Gebiete des Handelsrechts dem Charakter als Gewohnheitsrecht nach Art. 1 entgegenstand. Diese Schranke ist jetzt gefallen. Trotzdem werden auch jetzt die Börsenusancen in der Regel Verkehrssitte (Handelssitte) sein. Sicher sind sie als solche im ersten Zustand ihrer Bildung zu betrachten. Es besteht aber die Möglichkeit, daß sich nach und nach die Verkehrssitte zur Rechtssitte verdichtet. Nicht entscheidend ist hierfür indes die Bekanntgabe von Börsenusancen durch die maßgebenden Börsen­ organe. Bisweilen verfahren die Börsenorgane so, daß sie Sätze, die bisher in un­ angefochtener Übung bestanden haben, außer Kraft setzen und dafür neue Sätze als maßgebend bestimmen (vgl. Anm. 37). Diese Fälle scheiden schon deshalb aus, weil es hier an dem Begrisfsmerkmal der langandauernden, allgemeinen Übung (Anm. 29) fehlt. Aber auch wenn die Börsenorgane Sätze bekanntgeben, die sich bereits in langanhaltender Übung befunden haben, sind diese in der Regel kein Gewohnheits­ recht. Die Börsenorgane erlassen ihre Bekanntmachungen nur für ihre örtlich be­ grenzten Bezirke; die veröffentlichten Usancen zeigen auch tatsächlich in den verschiedenen Teilen des Reiches die verschiedenste Gestaltung. Als örtlich begrenzte Übungen können sie kein Reichsgewohnheitsrecht sein; Landesgewohnheitsrecht nur, wenn sie sich auf dem der Landesgesetzgebung vorbehaltenen Gebiete gebildet haben (Anm. 28). Ob sich für das Reich solche langandauernd geübte einheitliche Börsen­ usancen gebildet haben, ließe sich nur durch sorgfältige Vergleichung feststellen (so Dove in IW. 1916, 368). Es ist aber auch hier zu bezweifeln, daß Reichsgewohn­ heitsrecht in dieser Weise bisher entstanden ist (vgl. Anm. 27). ß) Demgegenüber erklärte Cosack (7. Aufl. § 93) Usancen für von den Börsenorganen ge- Anm. 37. setztes autonomes Recht; s. dagegen Rehme a. a. O. § 23 Anm. 69; Rießer-Rehm BörsG. § 4 Anm. 14; Lehmann-Hoeniger § 9. Autonomie ist die Befugnis zum Erlaß von Rechtssätzen für einen engeren KreiS als den Staat; sie ist vom Gesetz dadurch unterschieden, daß der Staat die Rechtsnorm nicht feststellt, sondern ihrer Festsetzung (durch Gemeinden, die Kirche, öffentlich-rechtliche Körperschaften usw., ehemals auch durch regierende Häuser) „bloß Raum gibt" (RG. 23, 26; 38, 124; Dernburg I § 20). In Handelssachen hat in früheren Zeiten die Autonomie der Städte und der kauf­

männischen Körperschaften eine große Rolle gespielt. Cosack leitet seine Ansicht aus der in Anm. 36 geschilderten Entstehung mancher Börsenusancen her. Es ist aus dieser aber nicht zu entnehmen, daß die Börsenorgane objektive Rechtssatzungen schaffen, die als solche die Beteiligten unmittelbar binden. Eine solche Festsetzung der Börsenorgane ist vielmehr eine Bekanntmachung der Börsenorgane, die dahin geht, daß nach ihrem sachverständigen Ermessen die Einhaltung dieser Börsenbestimmungen den gegenwärtigen Verhältnissen am besten entspricht, daß es daher für wünschens­ wert erachtet wird, wenn die Geschäfte an der Börse möglichst allgemein unter ihrer Zugrundelegung abgeschlossen werden. Für diese, gegen Cosacks Auffassung, spricht auch der Wortlaut mancher dieser Veröffentlichungen; z. B.: „die Handels­ kammer bringt nachstehende Platzusancen für den hamburgischen Warenhandel zur öffentlichen Kenntnis und empfiehlt sie zur allgemeinen usancemäßigen Beob­ achtung". — Daß solche Usancen erlassen werden, weiß jeder Börsenbesucher, der im Rahmen einer organisierten Börse Geschäfte abschließt. Weiß er dies, so kann er sich nicht darauf berufen, daß er den Inhalt der einzelnen Usance nicht kannte; er muß sich vielmehr gefallen lassen, daß seine Erklärung im Sinne der Usance ausgelegt wird. Die Usance gilt, wie jede Verkehrssitte, unabhängig vom Willen der Partei. Die Kenntnis ihres Inhaltes ist nach Anm. 34 aber von Bedeutung. Wenn jemand das Bestehen einer Usance kennt und sie nicht ausschließt, so muß

14

Allgemeine Ltnlettung.

Allgemeine Einleitung.

angenommen werden, daß er sie gegen sich gelten lassen will, oder anders ausgedrückt, daß er sich ihr unterworfen habe. Ein Anfechtungsrecht wegen Irrtums kann deshalb hier nicht damit begründet werden, daß der Erklärende den Inhalt der Usance nicht gekannt habe; wohl aber wird man ihm ein solches nicht versagen können, wenn er nachweist, daß er sich über den Inhalt in tatsächlichem Irrtum befunden habe, und die Voraussetzungen des § 119 BGB. vorliegen. — Vgl. hierzu auch Oertmann a. o. O. 78, 307, 308 und oben Anm. 34. Anm. 37 L. Zusatz. Zu den am meisten umstrittenen Rechtsfragen der letzten Zeit gehört die, ob der Richter zur Rechtsschöpfung berufen ist (vgl. hierzu u. a. Drews, Schöpfe­ rische Rechtsprechung, DIZ. 1923, 249). Sie gehört in diesen Zusammenhang, weil als­ dann die Rechtsprechung als weitere Rechtsquelle anzuerkennen wäre. Sie führt zu dem Kampfe, der um eine Umgestaltung unserer Rechtsanschauungen hauptsäch­ lich von verschiedenen, untereinander teilweise abweichenden Richtungen geführt wird, die unter dem Namen FreirechtSschule oder soziologische Schule zusammengesaßt zu werden pflegen. Eine Übersicht über das täglich anschwellende Schrifttum kann hier nicht gegeben werden; eine solche findet sich z. B. bei Planck I Einl. VIII, 4; vgl. auch Enneccerus I § 54; ferner Neukamp, Der gegenwärtige Stand der Freirechtsbewegung, in DIZ. 1912, 44ff. Neben anderen wird die Lehre besonders vertreten von Bozi, Ehrlich, Heck, Jung, Kantorowicz, Kornfeld, Stampe und Wüstendörfer. Tie größte Verbreitung haben die Lehren durch die Schriften von Fuchs gefunden (bes. Recht und Wahrheit, 1908; Die Gemeingefährlichkeit der konstruktiven Jurisprudenz, 1909; Juristischer Kulturkampf, 1912; zahlreiche Aufsätze in den Fachzeitschriften, bes. bei Holdheim und in der IW.). Die Be­ wegung geht aus von der unbestrittenen Erkenntnis, daß das geformte Recht nicht ein starres, lückenloses System ist. Entscheidenden Wert legt sie aber dabei auf den Nachweis, daß dieses Lückengebiet weit größer ist, als gemeinhin angenommen wird. Die Lücken­ ausfüllung soll nach ihr nicht durch Anlehnung an die für den einzelnen Streitfall nicht passenden Worte des Gesetzes, nicht im Wege der entsprechenden Anwendung und der Umkehrschlüsse, kurz, nicht auf dem Wege der „konstruktiven Dialektik" erfolgen, auch nicht im Anschluß an den angeblichen „Willen des Gesetzgebers", wie er aus den Motiven usw. nachgewiesen zu werden pflegt; die Entscheidung soll vielmehr erfolgen durch Interessen­ abwägung, nach den Verkehrsbedürfnissen (der „Natur der Sache"), nach dem Zweck des Gesetzes. Die freirechtliche Bewegung spielt sich außerdem, wie Fuchs in IW. 1920, 6 und — teilweise im Anschluß an unsere vorstehenden Ausführungen — in IW. 1922, 7 hervorhebt, zum großen Teile auf dem Gebiete der Wahrheitsforschung und der Rechts­ tatsachen ab. Ter Lehre der Freirechtsschule wird hauptsächlich entgegengehalten, daß sie an die Stelle der Rechtssicherheit Willkür des einzelnen Richters setze (vgl. z. B. Berolzheimer, Die Gefahren einer Gefühlsjurisprudenz, 1911; s. auch Enneccerus I § 54, II, 1). Hiermit steht im Zusammenhang der Vorwurf, die Freirechtsschule wolle die verbindliche Kraft der Gesetze überhaupt leugnen; ein Vorwurf, der freilich von den Anhängern der Freirechtsschule wiederholt ausdrücklich zurückgewiesen wird (vgl. Kantorowicz in der Deutschen Richter-Zeitung 1911, 349; Fuchs bei Holdheim 1918, 17ff-)- Bon einigen Gegnern der Freirechtsjchule wird die Berechtigung dieser Forderungen wenigstens zum Teil anerkannt: nur seien diese nicht an den Richter zu richten, sondern an die Gesetz­ gebung (so Oertmann bei Holdheim 1911, 4; ähnl. Neukamp a. a. O.). Hand in Hand mit diesen Forderungen geht die weitere, daß der Ermittlung des Tatbestands im ein­ zelnen und der Kenntnis der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse überhaupt größere Bedeutung beizumessen sei. Schon vor dem Hervortreten der neuen Bewegung ist dem Grundsätze, die Entscheidung des einzelnen Falles mit den Befürfnissen des Lebens in Einklang zu bringen, vielfach in der Wissenschaft und auch in einem Teile der Recht­ sprechung Rechnung getragen worden. Nur wurde, besonders vom Reichsgericht, auch wenn es die Entscheidung nach den Verkehrsbedürfnissen traf, dies meist nicht offen oder doch nur nebenbei ausgesprochen und die konstruktive Begründung in den Vordergrund

Allgemeine Einleitung.

15

gestellt. Tas Reichsgericht hat neuerdings sich immer häufiger von einer solchen frei-Allgemeine gemacht. Als Beispiel sei u. a. erwähnt RG. 85, 108: „Es darf nicht auf dem Irrwege Einleitung.' eines formalistischen Haftens am Wortlaute (des Gesetzes) der Arglist zum Siege verhalfen werden"; Fuchs begrüßte s. Z. diese Entscheidung als einen „Markstein soziologischer Rechtsfindung" (Recht und Wirtschaft 1916, 94). Vgl. ferner RG. in IW. 1916, 407": hier wird eine Entscheidung abgelehnt, weil sie „nicht sowohl auf sachlichen Erwägungen, als auf juristischer Konstruktion beruht" (s. hierzu Fuchs in DNotVZ. 1916, 371). In diesem Zusammenhänge sei auch die neuere Rechtsprechung auf dem Gebiete der Ein­ wirkung der durch den Weltkrieg und seine Folgen herbeigeführten großen wirtschaftlichen Umwälzung auf Lieferungsverträge erwähnt. Wir finden hier eine weitgehende Berück­ sichtigung wirtschaftlicher Interessen. Vgl. auch Rumpf, Der Sinn des Wirtschaftsrechts, ArchZivPrax. 120, 153; sowie derselbe in IW. 1925, 430. — Auf die Frage der grund­ sätzlichen Berechtigung oder Notwendigkeit der konstruktiven Begründung und eine Kritik der Freirechtsschule überhaupt kann hier nicht eingegangen werden; nur soviel sei gesagt, daß jedem Richter eindringlichst die Frage zu empfehlen ist, die sich der französische Kas­ sationshof zur Nachprüfung seiner Konstruktionen selbst zu stellen pflegt: Ce räsultat est-il admissible ? Das Richtige dürfte sein, zwar auf eine konstruktive Begründung nicht zu verzichten, daneben aber die Bedeutung einer den praktischen Bedürfnissen entsprechenden Entscheidung zu erkennen und diese Erkenntnis zu verwirklichen. Dabei ist hervorzuheben, daß, was insbesondere unseren Kommentar anbetrifst, eine schematische Anwendung der zu den einzelnen Gesetzesvorschriften gegebenen Erläuterungen und angezogenen Entschei­ dungen verfehlt wäre, daß vielmehr die stets wechselnde Lage des einzelnen Falles überall zu berücksichtigen ist, auch wo im einzelnen ein Hinweis hierauf nicht erfolgt. Zu be­ achten ist dabei auch, daß das Reichsgericht in zunehmendem Maße seine Entscheidung nicht in die Form allgemein gültiger Rechtssätze kleidet, sondern auf den Tatbestand des gerade vorliegenden Rechtsfalls abstellt. Dem Richter schreibt das Gesetz die Berücksich­ tigung von Treu und Glauben und der Verkehrssitte vor und gibt ihm, besonders wenn diese Bestimmungen als Ausfluß eines das ganze Recht beherrschenden Grundsatzes auch auf die Auslegung der Gesetze angewendet werden (RG. 85, 108), die Möglichkeit sach­ gemäßer Entscheidungen. So wird der Richter zu einem wichtigen Förderer der Rechts­ entwicklung (vgl. hierzu auch Anm. 6 und 24), nicht aber die Rechtsprechung zu einer selbständigen Rechtsquelle *).

IV. Die Stellung der Frau im Handelsrecht. Lit.: Ullmann, Das gesetzliche eheliche Güterrecht in Deutschland, 2. Ausl., Berlin 03; Zschimmer, Der Einfluß des gesetzlichen Güterstandes auf ein Handelsgewerbe der Ehe­ frau, in ZHR. 52, 485; Frankenburger, Die Ehefrau als Handelsfrau oder Inhaberin eines Erwerbsgeschäfts, in Holdheim 8, 68; Schefold, Das selbständige Erwerbsgeschäft der Ehefrau, in ArchZivPrax. 91, 142; Hörle, Die Stellung der Ehefrau im Betrieb eines Erwerbsgeschäfts nach BGB., Leipzig 07; Thiele, Das Erwerbsgeschäft der Ehe­ frau im gesetzlichen Güterstandc, ArchZivPrax. 101, 307; DürHach., Allg. Einl. Anm. 34ff.; Wieland § 12; Lehmann-Hoeniger § 18; Wieruszowski, Handbuch des Eherechts II, 248; Glitsch in EhrenbergHandb. II §§ 13—17.

*) Ring beanstandet in seiner Besprechung der 10. Auflage unseres Werkes in IW. 1920, 691 die obigen Ausführungen als nicht hierher gehörig. Es ist ja richtig, daß sie an sich in einem Kommentar zunt HGB. nicht notwendig sind. Wir glauben indessen denen, die unser Buch benutzen, damit einen guten Dienst zu erweisen; denn gerade auf dem Gebiete des Handelsrechts scheint uns eine wirtschaft­ lich gerichtete Rechtsprechung von allergrößter Wichtigkeit. Auch ist die Ringsche Ablehnung unseres Wissens von keiner anderen Seite geteilt worden.

16

Allgemeine Einleitung.

Allgemeines. Die Stellung der Fra« im Handelsrecht im allgemeinen. Insbesondere die nnverEinleitung. heiratete Frau. ad Geschlecht als solches begründet in bezug auf die Geschäftsfähigkeit keinen Unterschied zwischen Männern und Weibern. Tas BGB. kennt keine Beschränkungen nach dieser Richtung. Demgemäß ist die Frau, insbesondere die unverheiratete, die wir hier zunächst im Auge haben, nicht gehindert, sich durch Verträge zu verpflichten; dar­ aus folgt ihre Fähigkeit, ein Gewerbe und insbesondere ein Handelsgewerbe selb­ ständig zu betreiben. Demzufolge brauchte das HGB. nicht auszusprechen, daß auch Frauen selbständig ein Handelsgewerbe betreiben können. Auch ohne solche Vorschrift gilt der Satz: Eine Frau, die ein Handelsgewerbe betreibt, hat alle Rechte und Pflichten eines Kaufmanns. Auch besondere Rechtswohltaten für Frauen kennt unser Recht nicht. Tie Frauen sind grundsätzlich nicht schlechter und nicht besser gestellt als die Männer. Für den Fall der Minderjährigkeit der Handelsfrau vgl. § 1 Anm. 20, 21. Anm. 39. L. Insbesondere die Ehefrau als Handelsfrau. l.Die Ehefrau wird dadurch allein, daß sie ein Handelsgewerbe betreibt, Handelsfrau (Kaufmann). Der Umstand, daß sie verheiratet ist, bildet kein Hindernis. Für die Fähigkeit der Ehefrau, ein Handelsgewerbe zu betreiben und dadurch Handelsfrau zu werden, gilt dasselbe wie für die Fähigkeit der Ehefrau, ein Gewerbe überhaupt zu betreiben und dadurch Gewerbefrau zu werden. Nach dem BGB. aber besitzt die Ehe­ frau die Fähigkeit, ein Gewerbe zu betreiben, auch ohne die Einwilligung des Mannes. Die für diese Frage maßgebenden Gesichtspunkte ergeben sich einerseits aus den Be­ stimmungen über die Wirkung der Ehe im allgemeinen (§§ 1353—1362 BGB.). Dargelegt sind insbesondere die Folgen and § 1354 BGB. in Anm. 63—67 und die aus § 1358 BGB. in Anm. 73 n. 74. Leben die Ehegatten in Gütertrennung, so kommen hier nur diese Bestimmungen in Betracht. Im übrigen treten zu diesen andererseits weitere Bestimmungen, die sich aus dem maßgebenden Güterstande er­ geben (Anm. 40—49, 58—62, 68—72). Bemerkt sei, daß das Gesetz die im voraus erteilte Zustimmung als Einwilligung, die nachträglich erteilte als Genehmigung bezeichnet, soweit die Wirksamkeit eines Vertrags oder empfangsbedürftigen Rechtsgeschäfts von der Zustimmung eines Dritten abhängt (§§ 182ff. BGB.); hier also, soweit die Wirksamkeit eines solchen von der Frau vorgenommenen Rechtsgeschäfts von der Zustimmung des Mannes (vgl. z. B. § 1405 Abs. 1 BGB.) abhüngt. Andere Bedeutung hat das Wort „Einwilligung", soweit es sich um eine solche nicht zu einem einzelnen Rechtsgeschäfte, sondern zum Betrieb eines Erwerbsgeschüfts handelt (vgl. z. B. § 1405 Abs. 2 BGB.); die Bedeu­ tung der Einwilligung entspricht hier der Ermächtigung im Sinne des § 112 BGB. und ergibt sich aus Anm.44ff.; §§ 182ff. BGB. finden auf sie keine Anwendung. Die Einwilligung in diesem Sinne ersetzt die Zustimmung zu den einzelnen Rechts­ geschäften. Anm. 39a. Eine ausdrückliche Anordnung, daß die Ehefrau ein Handelsgewerbe ohne Einwilligung des Mannes betreiben darf, findet sich in diesen Bestimmungen zwar nicht. Dies ergibt sich vielmehr aus dem Geiste der Bestimmungen in ihrer Ge­ samtheit, aus der Stellung, die die Frau im BGB. überhaupt einnimmt. Deshalb ist auch ein dem Art. 7 des alten HGB., der das Gegenteil bestimmte, entsprechender Paragraph in das jetzige HGB. nicht ausgenommen worden (D. 21 ff.). Einen Anhalts­ punkt gibt für das gesetzliche Güterrecht auch § 1399 BGB. Dieser bestimmt, daß sich die Frau ohne Zustimmung des Mannes verpflichten kann. Die Frau tritt zwar durch den Betrieb eines Handelsgewerbes in Rechtsbeziehungen ein, die über die Trag­ weite dieser Bestimmung hinausgehen; auch handelt es sich bei dieser um die Zu­ stimmung zu einem einzelnen Rechtsgeschäft, nicht um die Einwilligung in dem Anm. 39 a. E. erörterten Sinne; immerhin ist diese Bestimmung eine Voraussetzung dafür, Anm. 38.

17

Allgemeine Einleitung.

daß der Frau der Betrieb eines Erwerbsgeschäfts überhaupt möglich ist. — Für die Allgemeine allgemeine Gütergemeinschaft vgl. § 1439 in Verb, mit §§ 1525, 1399 BGB.; für die Einleitung. Fahrnis- und Errungenschaftsgemeinschaft §§ 1525, 1549 BGB. Hiernach kann also eine Ehefrau ohne Einwilligung ihreS Ehemannes Handelsfrau Anm. 40. sein. Dadurch allein, daß sie ein Handelsgewerbe betreibt, wird sie Handels­ frau und erlangt alle Rechte und Pflichten eines Kaufmanns. Im Falle des § 2 muß also die Eintragung hinzukommen; sie gilt ferner gemäß §5 als Kaufmann, und zwar als Bollkaufmann, wenn sie irgendein Gewerbe betreibt und eingetragen wird; auch die im Anhang zu §5 aufgestellten Grundsätze über die Geltung als Kaufmann be­ ziehen sich auf die Ehefrau. (Im Vorübergehen sei hier nur als selbstverständlich be­ merkt, daß die Ehefrau des Kaufmanns durch die Eigenschaft als Ehefrau nicht Handelsfrau wird, selbst wenn sie im Geschäfte des Mannes tätig ist. Eine Haftung der Frau für die Handelsschulden des Mannes richtet sich stets nach den allgemeinen Regeln.) Ob die Ehefrau eigenmächtig oder mit Einwilligung des Ehemannes ein Handels- Anm. 41. gewerbe betreibt, ist sonach für ihre Kaufmannseigenschaft ohne Bedeutung, so daß z. B. der Registerrichter die von der Ehefrau beantragte Eintragung ihrer Firma von der Einwilligung ihres Ehemannes nicht abhängig machen kann (zust. Marcus im „Recht" 00, 522; DürHach. Allg. Einl. Anm. 34). Es ist auch ohne Bedeutung für die Gültigkeit der im Betriebe des Handelsgewerbes übernommenen Ver­ pflichtungen, insbesondere auch in den Fällen, wo für Kaufleute besondere Form­ freiheitsvorschriften bestehen (§ 350) oder erschwerende materielle Vorschriften (§ 348). Wohl aber ist die Frage in anderer Hinsicht wichtig, besonders für die Wirksamkeit der Verpflichtungen in bezug auf das Ehegut und für die Mitverantwortlich­ keit des Mannes (Anm. 42ff. u. 56ff.). — Wegen der Buchführungspflicht s. § 38 Anm. 1 u. 3. 2. Die Gültigkeit und Wirksamkeit der im Handelsbetriebe der Ehefrau entstehenden Anm. 42.

Verpflichtungen. a) Nach Maßgabe der Darlegungen in Anm. 38—41 sind die Verpflichtungen, die eine Ehefrau im Handelsbetriebe eingeht, an sich gültig. b) Aber mit der bloßen Gültigkeit der Verpflichtung ist den Gläubigern wenig geholfen. Anm. 43.

Es fragt sich, in welche BermögenSstücke den Gläubigern wegen der Handelsschulden der Ehefrau der Zugriff gestattet ist. In dieser Beziehung wird der Umstand wichtig, ob der Gewerbebetrieb mit Einwilligung des Mannes erfolgt oder nicht (§ 1405 BGB. für das gesetzliche Güterrecht; vgl. §§ 1452, 1519, 1549 für die anderen Güterrechte). Uber die Frage, wann diese Einwilligung vorliegt, s. Anm. 59. a) Wenn nämlich die Ehefrau eigenmächtig das Gewerbe betreibt, so haftet lediglich Anm. 44. ihr vorbehaltenes Vermögen (über den Umfang des Vorbehaltsguts vgl. §§ 1365 bis 1370, 1440, 1526, 1549, 1555 BGB.) für die im Geschäftsbetrieb begründeten Ver­ bindlichkeiten. Ein Zugriff in das eingebrachte Gut (vgl. § 1399 BGB.) oder in das gütergemeinschaftliche Vermögen (vgl. § 1462 BGB.) wegen der Geschäftsverbind­ lichkeiten ist unzulässig; einein gleichwohl erfolgten Zugriff kann der Mann durch Widerspruchsklage nach § 771 ZPO. (vgl. Anm. 53) entgegentreten (vgl. auch § 774 ZPO.). Stimmt aber der Mann einem Rechtsgeschäfte im einzelnen Falle zu, so haftet das eingebrachte Gut; ebenso haftet dieses, soweit es bereichert ist (§ 1399 Abs. 2 BGB.). 3) Wenn der Mann dagegen seine Einwilligung zum Handelsbetriebe gegeben hat, so haftet nicht bloß das vorbehaltene Vermögen der Frau, sondern auch ihr eingebrachtes Gut (§§ 1412, 1405 BGB.) und auch das Gesamtgut bei bestehender Gütergemeinschaft (§§ 1452, 1459 Abs. 1, 1460, 1532, 1549 BGB.). Das gilt für alle Verbindlichkeiten, die sich aus Rechtsgeschäften ergeben, welche der Geschäftsbetrieb mit sich bringt, und ferner für solche, die infolge eines zu einem derartigen ErStaub, HGB., 12. u. 13. Aufl.

8b. I.

(Bondi.)

2

18

Allgemeine Einleitung.

Allgemeine Einleitung.

werbsgeschäft gehörigen Rechts oder des Besitzes, einer dazugehörigen Sache entstehen (§8 1405, 1414, 1462, 1533 BGB.). Es ist nicht, wie bei der Prokura (§49 Abs. 1 HGB.), von allen Rechtsgeschäften die Rede, welche der Betrieb eines Handels­ gewerbes mit sich bringt, sondern welche „der" Geschäftsbetrieb, also der betreffende Geschäftsbetrieb, mit sich bringt. Es ist aber andererseits nicht nur von solchen Ge­ schäften die Rede, die der Betrieb des betreffenden Handelsgewerbes gewöhnlich mit sich bringt, wie bei der Handlungsvollmacht nach §54; also auch außerordent­ liche Rechtshandlungen, wenn sie nur im Rahmen des betreffenden Handelsgewerbes liegen, sind getroffen. Welche Rechtshandlungen in diesem Rahmen liegen, ob z. B. der Erwerb oder die Belastung von Grundstücken, der Abschluß einer Gesellschaft usw., bestimmt sich nach den Anschauungen des Verkehrs unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles (vgl. OLGR. 4, 341). Für die Frage der Zugehörigkeit ist anwendbar § 343 HGB., auch fcie Ver­ mutung des § 344 und sogar auch die Fiktion des § 344 Abs. 2 greifen Platz (s. die Erl. zu § 344; ebenso Planck § 1405 BGB. und Holder Note IV zu § 1405; a. A. Ullmann 127). «nm. 45. 3. Die dinglichen Verfügungen der Ehefrau im Handelsbetriebe. Auch für diese Frage ist es wichtig, ob die Ehefrau eigenmächtig oder mit Einwilligung des Ehemannes das Gewerbe betreibt. Betreibt sie es eigenmächtig, so sind ihre Verfügungen in An­ sehung ihres vorbehaltenen Vermögens stets wirksam. Verfügungen über ein­ gebrachtes Gut bei gesetzlichem Güterstande sind gültig mit Zustimmung des Mannes, also entweder, wenn dieser eingewilligt hat (§ 1395 BGB.; d. h. eingewilligt zu der in Frage stehenden Verfügung, im Gegensatz zur Einwilligung zum Betrieb eines Han­ delsgewerbes), oder, bei vertragsmäßigen Verfügungen, wenn der Mann sie nachträg­ lich genehmigt hat (§ 1396 BGB.). Gültig sind ferner auch ohne Zustimmung des Mannes Verfügungen, durch die die Frau lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt (vgl. Staudinger § 1395 Bem. 4; § 1396 Bem. 8a; §1398 Bem. 2b und die dort angeführ­ ten). Im übrigen sind die Verfügungen ohne Einwilligung des Mannes nach Maß­ gabe der §§ 1396—1398 BGB. unwirksam, und zwar nicht nur dem Manne, sondern auch Tritten gegenüber (RG. 54, 46; vgl. RG. in IW. 1911, 36212). Verfügungen der Frau über Gesamtgut sind unwirksam (Ausnahme: § 1450 BGB.), denn dieses untersteht bei bestehender Gütergemeinschaft lediglich der Verwaltung des Mannes (§ 1443 BGB.). — Betreibt sie dagegen das Gewerbe mit Einwilligung des Man­ nes, so sind ihre dinglichen Verfügungen auch gültig in Ansehung ihres ein­ gebrachten Gutes (§§ 1395, 1405 BGB.) und ebenso des gütergemeinschaftlichen Vermögens (§ 1452 BGB.). Das Verfügungsrecht der Frau besteht aber auch hier nur soweit, als es der Geschäftsbetrieb mit sich bringt (Anm. 44), insoweit aber auch über Gegenstände, die selbst nicht zum eingebrachten Gute oder Gesamtgute gehören (Staudinger § 1405 Bem. 1; § 1452 Bem. 1 mit weiteren Angaben; Planck § 1452 Erl. 1; bestritten). Wie weit der Schutz des gutgläubigen Erwerbers geht, darüber s. Anm. 36 zu § 366 (vgl. auch Teutsch in IW. 02, 383). Anm. 46. 4. Die Rechte der Ehefrau an dem zum Handelsgewerbe gehörigen Vermögen. a) Die Gegenstände, mit denen die Ehefrau das Handelsgewerbe beginnt, können ihr Vorbehaltsgut oder ihr eingeb rach les Vermögen oder auch gemeinschaftliches Vermögen sein; ebenso die herrschende Meinung; u. a. Planck § 1367 Anm. 5, § 1366 Anm. 1; Ullmann 7 mit ausführlicher und zutreffender Be­ gründung; Hörle 45; Staudinger § 1366 Bem. 3c, § 1367 Bem. 3c. Man wird nicht berechtigt sein, das Geschäftsvermögen einer sich verheiratenden Frau ohne entgegen­ stehende Vereinbarung durch Ehevertrag zum vorbehaltenen Gut zu erklären; a. M. Dernburg IV § 40 und in DIZ. 02, 465, sowie DürHach. Allg. Einl. Anm. 68, letztere mit der Begründung, weil auch ihr „Arbeitsgerät" im § 1366 BGB. zum vorbehal-

Allgemeine Einleitung.

19

tenen Gut erklärt sei (s. dagegen Glitsch in EhrenbergHandb. II 167; unentschieden Allgemeine gelassen RG. 59, 29 und 84, 47). Eine ausdehnende Auslegung ist hier nicht statt-Einleitung, haft, da es sich um eine Ausnahmevorschrist handelt. Denn die Regel bildet, daß das Frauenvermögen eingebrachtes Gut ist (vgl. § 1363 BGB.). Auch dadurch, daß der Mann während der Ehe eingebrachtes Gut oder Gesamtgut zu dem Zwecke des Geschäftsbetriebes der Frau überläßt, verliert es nicht die Eigenschaft des eingebrach­ ten oder des Gesamtguts (zust. Ullmann 18). Die zum Geschäftsvermögen einer Frau gehörigen Gegenstände können daher in buntem Gemenge den verschieden­ sten güterrechtlichen Charakter tragen. Dieser verschiedene Charakter ist dann wichtig, wenn die Ehefrau eigenmächtig das Handelsgewerbe betreibt. Denn in diesem Falle haftet das Vermögen den Gläubigern nur, insoweit es vorbehaltenes ist (Anm. 44). Wenn sie aber mit Einwilligung des Mannes das Handelsgewerbe betreibt, so ist jener verschiedene Charakter deshalb unerheblich, weil in diesem Falle auch das eingebrachte Gut und das Gesamtgut den Gläubigern haftet. Auch wegen der Gültigkeit der dinglichen Verfügungen ist dieser Unterschied im Falle eigen­ mächtigen Betriebes wichtig (Anm. 45). b) Geschäftlicher Erwerb. Anm. 47. a) Was die Frau durch den Betrieb des Erwerbsgeschäfts erwirbt, wird bei ge­ setzlichem Güterrecht stets ihr vorbehaltenes Gut, also auch dann, wenn die Grundlage des Geschäftsbetriebes eingebrachtes Gut war (§ 1367 BGB.). Bei all­ gemeiner Gütergemeinschaft gehört das Vermögen, das die Frau während der Gütergemeinschaft erwirbt, zum Gesamtgute (§1438 BGB.), es sei denn, daß sie das Gewerbe mit Hilfe von vorbehaltenem Vermögen betreibt; in diesem Falle gehört zum Vorbehaltsgut alles, was die Frau auf Grund eines zu ihrem Borbehaltsgut gehörenden Rechts oder durch ein Rechtsgeschäft, welches sich auf das Borbehaltsgut bezieht, oder als Ersatz für einen zum Vorbehaltsgut gehörigen Gegenstand erwirbt (§§ 1440 Abs. 2, 1370 BGB.). Bei der Errungenschaftsgemeinschaft und bei der Fahrnisgemeinschaft wird ebenso wie bei der allgemeinen Gütergemeinschaft alles, was die Frau erwirbt, gemeinschaftliches Vermögen beider Ehegatten (Gesamt­ gut, §§ 1519, 1549, 1554 BGB.), insbesondere auch der Erwerb aus dem Betrieb eines Erwerbsgeschäfts (§ 1524 Abs. 1 Satz 2 BGB.). Zum Erwerb der Frau (im Sinne dieser Ausführungen) gehört nicht nur der Reingewinn des Geschäftes, sondern es gehören auch dazu alle einzelnen im Geschäftsbetriebe erworbenen Vermögensstücke, insbesondere auch die durch den Abschluß der Rechtsgeschäfte entstehenden Forderungen. ß) Gleichgültig ist hierbei, ob die Frau das Erwerbsgeschäft eigenmächtig Anm. 48. oder mit Einwilligung ihres Ehemannes betreibt. Es genügt, daß sie die Inhaberin des Geschäfts ist, damit der solchergestalt gemachte Erwerb bei gesetzlichem Güterrecht ihr vorbehaltenes Vermögen wird. Dabei darf auch nicht aus dem Wortlaute des § 1367 BGB. (durch den „selb­ ständigen Betrieb" eines Erwerbsgeschäfts) geschlossen werden, daß bei gesetzlichem Güterrecht die im genehmigten Geschäftsbetriebe erworbenen Gegenstände nur dann Vorbehaltsgut der Frau werden, wenn die Frau selbständig, b. h. nicht unter der Oberleitung des Mannes, sondern unter eigener Leitung, das Gewerbe betreibt. Dieser Unterschied der „selbständigen", mit Einwilligung des Mannes handeltrei­ benden Ehefrau von der „unselbständigen", in deren Namen der Mann kraft seines Verwaltungsrechts und unter seiner Oberleitung das Gewerbe betreibt, kann nicht anerkannt werden (Lehmann-Ring §1 Nr. 29; Zschimmer 487; OLG. Dresden in OLGR. 4, 341; DürHach. Allg. Einl. Anm. 71; Hörle 104; Glitsch in Ehrenberg Handb. II S. 168; anders Cosack ältere (7.) Aufl. § 12; Schefold 143; Dernburg IV § 3511; vgl. a. RG. 59, 25). Unter dem selbständigen Betriebe eines Erwerbs­ geschäfts ist im § 1367 BGB. wie in den übrigen einschlägigen Stellen (§§ 1405, 2*

20

Allgemeine Einleitung.

1414, 1462 BGB.) nichts weiter als der juristisch selbständige Betrieb verstanden, d. h. der Betrieb im Namen der Ehefrau. Geschieht er mit Einwilligung des Mannes, so betreibt die Frau mit seiner Einwilligung selbständig ein Erwerbsgeschäst. Ter Mann kann auf Grund seines Verwaltungsrechts das Gewerbe im Namen der Frau überhaupt nicht betreiben, da er kraft dessen nicht in der Lage ist, die Frau durch seine Verwaltungshandlungen persönlich zu verpflichten (§§ 1375 und 1443 Abs. 2 BGB.; a. A. Ullmann 96, der den Betrieb unter Zustimmung der Frau für zulässig hält, eine Zustimmung, die nach seiner Meinung sogar gemäß § 1379, der doch nur die Ergänzung der Zustimmung zu einem einzelnen Rechts­ geschäft vorsieht, durch das Gericht ersetzt werden kann; s. dagegen RG. 59, 31). Soll der Mann hierzu in die Lage versetzt werden, so muß ihm die Frau besondere Vollmacht dazu erteilen. Dann aber hat er die Rechtsstellung eines Bevollmächtig­ ten; die Frau ist Prinzipalin und betreibt eben das Handelsgewerbe selbständig, wenn auch mit Einwilligung des Mannes. Anm. 49. Y) Gleichgültig ist hier überall auch, ob die Frau Alleininhaberin des Ge­ schäfts ist oder Gesellschafterin, wenn nur der Begriff des selbständigen Betriebes vorliegt. Dieses Erfordernis liegt vor, wenn sie offene Gesellschafterin einer o.HG. oder persönlich haftende Gesellschafterin einer Kommanditgesellschaft wird, mag ihr auch eine Vertretungsbefugnis nicht zustehen. Es liegt nicht vor, wenn sie Kommanditistin ist (denn der Kommanditist ist nach unserer Auffassung nicht Kaufmann; § 1 Anm. 18). Auch dann liegt es nicht vor, wenn sie stille Ge­ sellschafterin ist (zust. Ullmann 17); nach unserer Ansicht auch dann nicht, wenn sie persönlich haftende Gesellschafterin einer KGaA, ist (auch der persönlich haftende Gesellschafter der KGaA, betreibt das Handelsgewerbe nicht selbständig und ist als solcher nicht Kaufmann; § 320 Anm. 11). Anm. 50. 5. Die Handelsehesrau im Prozesse. Vgl. Seuffert, Die Zwangsvollstreckung gegen Ehe­ gatten nach der neuen ZPO., in Gruch. 43, 133. Die Kommentare zur ZPO. zu §§ 52 u. 739 ff. a) Jede Ehefrau, also auch jede Gewerbefrau und demnach auch jede Handels­ frau, ist ohne weiteres prozeßfähig. Tenn jede Person ist insoweit prozeßsähig, als sie sich durch Verträge verpflichten kann (§52 ZPO.), und die Ehefrau kann sich unbeschränkt durch Vertrüge verpflichten (Anm. 39). Überdies fügt § 52 ZPO. noch zur Erhöhung der Klarheit hinzu, daß die Prozeßfähigkeit einer Frau dadurch, daß sie Ehefrau ist, nicht beschränkt ist. Es macht hierbei natürlich keinen Unterschied, ob die Ehefrau eigenmächtig oder mit Einwilligung des Ehemannes das Handelsgewerbe betreibt (Anm. 39ff., 48). Anm. 51. d) Gleichwohl ist die Frage, ob der Mann in den Handelsbetrieb eingewilligt hat

Allgemeine Einleitung.

oder nicht, aus anderen Gründen von erheblicher prozessualer Wichtigkeit.

Anm. 52.

a) Es ist dies wichtig für die Zwangsvollstreckung gegen die Ehesrau, die ja das praktische Endziel des gegen die Ehefrau geführten Prozesses ist. Zwar zur Zwangs­ vollstreckung in das vorbehaltene Gut genügt in jedem Falle ein gegen die Ehefrau erlassenes Urteil. Auch zur Zwangsvollstreckung in das ein geb rächte Gut und in das Gesamtgut „genügt", wenn die Ehefrau selbständig ein Erwerbsgeschäft be­ treibt, nach § 741 ZPO. grundsätzlich ein gegen die Frau erlassenes Urteil (Ullmann 220; KG. in DIZ. 04, 124 und in KGBl. 05, 4; hierbei darf aber nicht in Sachen vollstreckt werden, die im Besitz des Mannes sind; s. § 809 ZPO.; DürHach. Allg. Einl. Anm. 79; vgl. aber Anm. 68); allein hier greifen folgende Einschränkungen Platz: Wenn zur Zeit der Rechtshängigkeit des gegen die Ehefrau angestellten Prozesses der Ehemann seine Einwilligung zum Gewerbebetriebe offenkundig ver­ sagt hat (über diesen Begriff s. Anm. 59), so ist zur Zwangsvollstreckung in das eingebrachte Gut und in das Gesamtgut die Verurteilung der Ehefrau allein nicht

Allgemeine Einleitung.

aa)

ßß)

ß)

aa)

21

genügend. Vielmehr verbleibt es dann für die Zwangsvollstreckung in das ein- Allgemeine gebrachte Gut, gleichviel ob es sich um den Güterstand der Verwaltung und Nutz-Einleitung, nießung, der Errungenschasts- oder der Fahrnisgemeinschaft handelt, bei den Be­ stimmungen des § 739 ZPO. und für die Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut bei den Bestimmungen des § 740 ZPO. Danach ist die Zwangsvollstreckung in das eingebrachte Gut nur zulässig (§ 739 Anm. 53. ZPO.), wenn die Ehefrau zu der Leistung und der Ehemann zur Duldung der Zwangsvollstreckung in das eingebrachte Gut verurteilt ist. Die Verurteilung zur Duldung kann auch durch einen Zahlungsbefehl erfolgen (RG. 50, 51) und wird ersetzt durch eine vollstreckbare Urkunde gemäß §794 Abs. 2 ZPO. Die Klage gegen den Ehemann wird damit begründet, daß der Mann entweder dem einzelnen Ge­ schäft zugestimmt hat oder daß die Schuld entstanden war zu einer Zeit, zu der der Ehemann seine Einwilligung noch nicht oder noch nicht offenkundig versagt hatte. Beide Eheleute brauchen nicht gleichzeitig verklagt zu werden, und selbst wenn es geschieht, liegt keine notwendige Streitgenossenschaft vor (RG. 59, 234 mit aus­ führlichen Literaturangaben über diese umstrittene Frage; s. auch RG. im „Recht" 07, 982). Ist die Frau zunächst allein verklagt und verurteilt worden, so schafft das Urteil keine Rechtskraft gegen den Mann; dieser kann im späteren, wider ihn gemäß § 739 ZPO. erhobenen Prozeß die Leistungspflicht der Frau bestreiten, es sei denn, daß er der Prozeßführung gegen die Frau zugestimmt hat (§ 1400 Abs. 1 BGB.). Ist zunächst der Mann gemäß § 739 ZPO. verklagt und verurteilt, so erzeugt dieses Urteil ebensowenig Rechtskraft gegenüber der Frau (RG. 59, 235). Wird ohne Verurteilung des Mannes in das eingebrachte Frauengut von den Gläubigern der Frau vollstreckt, so kann der Ehemann Erinnerung gegen die Art der Zwangsvoll­ streckung gemäß § 766 ZPO. oder Widerspruchsklage gemäß § 771 ZPO. erheben (abgesehen von dem eben erwähnten Falle der Zustimmung des Mannes zur Prozeßführung). Vgl. auch § 774 ZPO. Uber den Eintritt des Güterstandes erst nach der Rechtshängigkeit des Anspruchs gegen die Frau vgl. § 742 ZPO. Zur Zwangsvollstreckung gegen das Gesamtgut ist nach § 740 ZPO. eine Der-Anm. 54. urteilung des Mannes (zur Leistung) erforderlich und auch genügend, denn das Gesamtgut unterliegt seiner Verwaltung, er ist insbesondere berechtigt, Rechts­ streitigkeiten, die sich auf das Gesamtgut beziehen, aktiv und passiv im eigenen Namen zu führen (§ 1443 BGB.). Das Urteil gegen die Frau in einem mit Zu­ stimmung des Mannes geführten Passivprozeß ist auch gegen den Mann wirksam (RG. 56, 74). Eine allein gegen die Ehefrau geführte Klage kann deswegen nicht abgewiesen werden, weil der Mann nicht mitverklagt ist, aber freilich ist das Urteil lediglich in das Vorbehaltsgut vollstreckbar (RG. in IW. 04, 36836). Auch im übri­ gen — hinsichtlich Klagegrund, Rechtsbehelfe usw. — gilt entsprechend das zu aa Ausgeführte; grundsätzlich unzulässig ist es auch nicht, gegen die Frau auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut zu klagen (OLGR. 7, 303; 16, 289; 21, 228). Auch für die Aktivlegitimation bet Ehefrau und für die Wirkung deS (Aktiv-) Anm. 55. Urteils gegen den Mann ist es von Wichtigkeit, ob der Mann seine Einwilligung zum Handelsbetriebe erteilt hat oder nicht. Zwar die Prozeßfähigkeit der Frau besteht, auch wenn sie eigenmächtig das Han­ delsgewerbe betreibt (Anm. 50); sie kann Rechte, die zum vorbehaltenen Gut gehören, selbständig einklagen. Also kann sie alle im Geschäftsbetriebe erworbenen Forderungen selbständig einklagen (Anm. 47). Allein sie kann in diesem Falle ein zum eingebrachten Gut gehöriges Recht im Wege der Klage ohne besondere Zu­ stimmung des Mannes nicht geltend machen (§ 1400 Abs. 2 BGB.), und, wie wir oben (Anm. 46) gesehen haben, können sich auch im Geschäftsvermögen einer Han-

22 Allgemeine Einleitung.

Anm. 56.

Anm. 57.

Anm. 58.

Anm. 59.

Anm. 60.

Allgemeine Einleitung.

delsfrau Rechte befinden, die zum eingebrachten Gute gehören. Einer trotzdem er­ hobenen Klage würde der Einwand mangelnder Sachlegitimation entgegengestellt werden können. Führt die eigenmächtig ihr Geschäft betreibende Handelsfrau einen sonstigen aktiven Rechtsstreit ohne Zustimmung des Mannes, so ist sein Ergebnis, obgleich die Frau insoweit prozeßfähig und sachlich legitimiert ist, dem Manne gegen­ über in Ansehung des eingebrachten Gutes unwirksam (§ 1400 Abs. 1 BGB.), und wenn auf Grund des Urteils eine Zwangsvollstreckung in das eingebrachte Gut oder in das Gesamtgut erfolgt (z. B. wegen der festgesetzten Kosten), so steht ihm die Widerspruchsklage zu (§ 774 ZPO.). ßß) Betreibt dagegen die Frau das Gewerbe mit Einwilligung des Mannes, so ist seine Zustimmung zu allen solchen Rechtsstreitigkeiten nicht erforderlich, die der Geschäftsbetrieb mit sich bringt. Er muß sie also ohne besondere Zustimmung gegen sich gelten lassen, und der Gegner kann die mangelnde Zustimmung nicht einwenden (§ 1405 BGB.; zust. Zschimmer 502). 6. Haftet auch der Mann auS den Gewerbeverbindlichkeiten seiner Frau? Das ist zu verneinen, wenn die Frau eigenmächtig das Handelsgewerbe betreibt; Ausnahmen bilden einzelne Fälle, von denen der § 1388 BGB. handelt. Wenn sie es aber mit seiner Einwilligung betreibt, so haftet er zwar im Falle des gesetzlichen Güterrechts nicht, wohl aber haftet er im Falle der Gütergemeinschaft für solche Schulden als Ge­ samtschuldner (§§ 1459, 1452, 1405, 1435, 1460, 1530 Abs. 2, 1532, 1519 Abs. 2, 1549 BGB.), also auch persönlich mit seinem eigenen Vermögen. 7. Näheres über daS Erfordernis der Einwilligung des Mannes in den Handels­ betrieb der Ehefrau. a) Die Einwilligung braucht nicht vom Ehemann persönlich erteilt zu werden; wenn er geschäftsunfähig ist, erteilt sie sein Vormund (§§ 1409, 1457, 1519, 1549 BGB.); ist ihm ein Pfleger bestellt, erteilt sie dieser (§1915 BGB.). Eine Er­ setzung der Einwilligung durch das Vormundschaftsgericht gibt cs dagegen nicht (Anm. 65). Ist der Mann abwesend, so kann der Frau nur durch Bestellung eines Pflegers für den Ehemann geholfen werden, wenn die Voraussetzungen des § 1911 BGB. vor­ liegen (zust. Zschimmer 507). Ist die Frau selbst Vormund ihres Mannes, so bedarf sie der Einwilligung nicht; dann ist sie selbständig (§ 1409 BGB.; Glitsch in Ehrenberg Handb. II S. 172). d) Die Form der Einwilligung bzw. Versagung. Die Einwilligung kann ausdrück­ lich oder stillschweigend erfolgen. Stillschweigende Einwilligung besteht insbesondere darin, daß die Frau mit Wissen — wissen müssen genügt nicht — und ohne Einspruch des Mannes das Erwerbsgeschäft betreibt. Der Einspruch muß, um Dritten gegenüber wirksam zu sein, entweder dem Dritten bekannt oder in das Güterrechtsregister eingetragen sein, und zwar hier, wo es sich um eine Han­ delsfrau handelt, in das Güterrechtsregister nicht nur am Wohnsitze des Mannes, sondern auch an dem Orte der Hauptniederlassung der Frau, wenn dieser von dem Wohnsitze des Mannes verschieden ist; bei der Verlegung der Handelsnieder­ lassung in einen anderen Bezirk ist der Vermerk in das Register dieses Bezirks zu übertragen (§§ 1405, 1435, 1452, 1519, 1549 BGB.; Art. 4 EG.HGB.). Das gleiche gilt vom Widerruf der Einwilligung (§ 1405 Abs. 3 BGB.). Ist die Versagung der Einwilligung nicht in dieser Weise offenkundig (also entweder dem Dritten be­ kannt oder eingetragen), so gilt sie dem Dritten gegenüber nicht. Es liegt dann insoweit Handelsbetrieb ohne Einspruch vor. Mit dieser Vorschrift ist allen billigen Anforderungen des Verkehrs Genüge ge­ schehen. Es ist allerdings richtig, daß hiernach eine stillschweigende Einwilligung nur dann vorhanden ist, wenn der Ehemann von dem Gewerbebetriebe der Ehefrau weiß. Allein es wird wohl nicht gerade häufig vorkommen, daß eine Ehefrau ohne Wissen ihres Mannes ein Gewerbe betreibt. In den allermeisten Fällen wird daher der Blick

Allgemeine Einleitung.

23

in das Güterrechtsregistcr genügen, um Klarheit darüber zu erhalten, ob die Frau Allgemeine eigenmächtig oder mit Einwilligung des Mannes das Gewerbe betreibt. Tie Nicht- Einleitung, eintragung eines Einspruchs oder Widerrufs der Einwilligung wird in den meisten Fällen für diese Annahme genügen, wenn sie auch kein unbedingter Beweis dafür ist, da ja immer noch die Möglichkeit vorliegt, daß der Mann von dem Gewerbebetriebe der Frau nichts weiß. Die hier vorgeschriebene Form für den Einspruch des Ehemannes ist nicht nur An«. 61. dann erforderlich, wenn die Ehefrau Handelsfrau ist, sondern auch dann, wenn sie als Handelsfrau gilt, sei es, weil sie ein Gewerbe betreibt, das kein Handels­ gewerbe ist, ihre Firma aber trotzdem eingetragen ist (§5 HGB.), oder weil sie sonst im Rechtsverkehr als Handelsfrau auftritt (Anh. zu § 5). Auch hier hat der unter­ lassene Widerspruch des Mannes die dargelegten Rechtsfolgen. Ein in das Güterrechtsregister eingetragener Einspruch ist wertlos,Anm. 62. wenn er den Tatsachen widerspricht. Das will sagen: wenn der Mann ausdrücklich oder stillschweigend die Einwilligung erteilt oder die Versagung der Einwilligung zu­ rückgenommen hat, so z. B. wenn er im Geschäfte der Ehefrau selbst tätig ist, kann er sich auf die Eintragung des Einspruchs nicht berufen. o) Eine ganz andere, hiervon verschiedene Frage ist die, inwieweit der Mann vomAnm. 63. familienrechtlichen Standpunkte aus als Haupt der ehelichen Gemeinschaft seiner Frau gegenüber berechtigt ist, die Einwilligung zum selbständigen Ge­ werbebetriebe zu versagen oder die erteilte Einwilligung zu widerrufen, sowie inwieweit die Frau dem betreffenden Befehle des Mannes Folge leisten muß, und welches die Folgen des Ungehorsams der Frau sind. Hierüber gilt folgendes: a) Grundsätzlich hat der Mann die Entscheidung in allen das gemeinschaftliche eheliche Leben betreffenden Angelegenheiten (§ 1354 BGB). Demgemäß kann er be­ stimmen, ob die Frau ein selbständiges Gewerbe betreiben darf oder nicht. Meist wird er hierbei wesentlich interessiert sein, da, wie oben gezeigt, durch Erteilung der Einwilligung seine Rechte erheblich in Mitleidenschaft gezogen werden. Versagt der Mann die Einwilligung und ist die Frau der berechtigten Ansicht, Anm. 64. daß hierin ein Mißbrauch seines Untersagungsrechtes liegt, so ist sie berechtigt, den Gehorsam zu verweigern (vgl. RG. 84, 47). Es kann dies z. B. dann der Fall sein, wenn sie lediglich mit vorbehaltenem Vermögen das Gewerbe beginnt und voll­ auf Zeit und Muße dazu hat. Versagt der Mann die Einwilligung aus berechtig­ tem Grunde, so muß sie gehorchen und den Gewerbebetrieb unterlassen. Aber der Ehemann hat in keinem Falle ein Klagerecht unmittelbar auf Unterlassung, und die Frau wird auch durch den eigenmächtigen Betrieb Handelsfrau. Noch weni­ ger kann der Mann das Geschäft der Frau einfach schließen. Der Mann wird regelmäßig nur auf dem Wege der Klage auf Herstellung des ehelichen Lebens (BGB. § 1353 in Verb, mit §1567 Abs. 2 Nr. 1; keine Vollstreckung aus §888ZPO.; RG. 59, 32) oder einer Feststellungsklage seine Untersagung verwirklichen können (Planck § 1356 Anm. 4; Lehmann-Ring §1 Nr. 21; DürHach. Allg. Einl. Anm. 36f.). Denn die Klage auf Herstellung des ehelichen Lebens kann nicht nur zur Besei­ tigung örtlicher Trennung, sondern in der Regel auch wegen jeder Verletzung der aus dem persönlichen Verhältnisse der Ehegatten sich ergebenden Pflichten und zum Zwecke der Herbeiführung eines dem Wesen der Ehe entsprechenden Verhaltens des anderen Teils erhoben werden (RG. in IW. 02, 31525). Unberechtigter Ungehorsam der Frau kann somit auch für eine Ehescheidungsklage gemäß § 1567 BGB. von Bedeutung sein. — Soweit das Erwerbsgeschäft der Frau persönliche Dienst­ leistungen voraussetzt, gibt § 1358 dem Manne weitere Rechte (s. Anm. 73sf.). Andererseits kann die Frau zwar, auch wenn sie berechtigterweise den Gehorsam Anm. 65. verweigert, den Mann nicht zwingen, die Einwilligung zu erteilen oder die zum ein-

24 Allgemeine Einleitung.

Allgemeine Einleitung.

gebrachten oder gar zum Gesamtgut gehörigen Gegenstände ihr zum Zweck des eigen­ mächtigen Geschäftsbetriebes zu überlassen. Denkbar ist höchstens eine Klage auf Auf­ hebung der Verwaltung nach Maßgabe des § 1418 BGB., wenn das Verhalten des Mannes die Besorgnis einer erheblichen Gefährdung ihrer Rechte aus das einge­ brachte Gut begründet, und in bösen Mißbrauchssällen die Ehescheidungsklage. Das Vormundschaftsgericht kann nicht helfen, denn dieses kann nur beim Abschluß einzelner Rechtsgeschäfte eingreifen (§ 1402 BGB.). ß) Kann hiernach der Mann im großen und ganzen nach seinem freien Ermessen die Anm. 66. Einwilligung erteilen oder versagen, so kann er auch nach seinem freien Ermessen die erteilte Einwilligung widerrufen. Ein Verzicht auf den Widerruf ist ungültig (DürHach. Anm. 78; Lehmann-Ring § 1 Nr. 22; Ullmann 128); auch wenn er im Ehevertrage im voraus ausgesprochen ist (abw. Cosack 7. Aufl. § 12 S. 44; Zschimmer 506; Glitsch in EhrenbergHandb. II S. 173). Der Widerruf bedarf aber zur Wir­ kung gegen Dritte der Eintragung in das Güterrechtsregister oder muß dem Dritten bekannt sein (ebenso wie der Einspruch, vgl. Anm. 59). Y) Jedenfalls ist aber die Frage der Einwilligung für die Kaufmannseigenschaft Anm. 67. der Frau gleichgültig. In den Beziehungen, in denen es erheblich wird, ob der Mann die Einwilligung erteilt hat oder nicht, geht sonach die Frage den Dritten nichts an, ob der Mann die Einwilligung mit Recht oder mit Unrecht versagt oder die erteilte Einwilligung mit Recht oder mit Unrecht widerrufen hat. Dem Dritten gegenüber entscheidet lediglich die Frage, ob die Einwilligung erteilt oder offenkundig versagt ist. Anm. 68. 8. Die Rechte des Mannes an dem Geschäftsvermögen der Ehefrau, soweit es nicht Vorbehaltsgut ist, bestehen neben der Verpflichtungsfähigkeit und Versügungsberechtigung der Ehefrau fort. So kann der Ehemann bei gesetzlichem Güterrecht dann, wenn die Frau ohne seine Einwilligung selbständig ein Gewerbe betreibt, ohne ihre Zustimmung über Geld und andere verbrauchbare Sachen verfügen, soweit diese eingebrachtes Gut sind (§§ 1376 Nr. 1, 92 BGB.), also unter dieser Voraussetzung ins­ besondere auch über die zum Warenlager gehörigen Sachen. Er kann Verbindlichkeiten der Frau zur Leistung eines zum eingebrachten Gute gehörigen Gegenstandes durch Leistung des Gegenstandes erfüllen (§ 1370 Nr. 3 BGB.). Da eingebrachtes Gut auch zum Geschäftsvermögen gehören kann (Anm. 46), so ist dieses Verfügungsrecht des Mannes unter Umständen von Bedeutung. Das Gesagte gilt jedoch nicht, wenn der Mann seine Einwilligung zum selbständigen Geschäftsbetriebe gegeben hat. In­ soweit hören alle mit dem selbständigen Betriebe durch die Frau nicht vereinbarlichen Rechte auf, so auch die aus § 1376 Nr. 1 u. 3 BGB., ebenso das Recht des Mannes auf Inbesitznahme der Sachen. Die gegenteilige Ansicht ist mit dem Begriff des selbständigen Geschäftsbetriebs nicht vereinbar (ebenso Thiele 337; RG. 84, 48; anders Staub 6. bis 9. Aufl.). Ferner umfaßt das Verwaltungsrecht des Mannes nicht die Befugnis des Mannes, die Frau durch Rechtsgeschäfte zu verpflichten, und gibt ihm auch nicht das Recht, über eingebrachtes Gut in weiterem Umfange, als dies oben erwähnt ist, zu verfügen (§ 1375 BGB.). Insbesondere steht ihm an dem durch den Geschäftsbetrieb erworbenen Vermögen, Forderungen oder sonstigen Gegenständen, ein Verfügungsrecht überhaupt nicht zu, weil diese zum vorbehaltenen Gute der Frau gehören (Anm. 47). Aus demselben Grunde fällt auch sein Nießbrauch am eingebrachten Gute, der ihm nach § 1383 BGB. zusteht, bei den im Geschäfts­ betriebe erworbenen Gegenständen weg (vgl. RG. 59, 25; s. a. § 22 Anm. 19). Verfügt der Ehemann dinglich über Frauengut, über das er nicht verfügen darf, so ist die Verfügung unwirksam (vgl. RG. 54, 46, wo das gleiche von Verfügungen der Frau ohne Einwilligung des Mannes gesagt ist). Unter Umständen greift jedoch der gute Glaube des Dritten ein. Verfügt der Ehemann nämlich über das Frauengut im eigenen Namen und als sein eigen und befindet sich der Dritte in gutem Glau-

Allgemeine Einleitung.

25

ben, so findet § 932 Satz 1 BGB. Anwendung (vgl. Dernburg IV § 43 Nr. V). Allgemeine Verfügt er dagegen über die Sache als Frauengut, aber ohne Zustimmung der Einleitung.

Frau, so ist § 932 Satz 1 BGB. nicht anwendbar; der gute Glaube des Dritten, der Ehemann sei befugt zu handeln, nützt nichts. Bei der Gütergemeinschaft hat der Mann das Verwaltungsrecht über das Ge­ samtgut. Inwieweit die zum Geschäftsbetriebe gehörigen und die durch den Betrieb erworbenen Gegenstände Gesamtgut werden, darüber s. Anm. 46 u. 47. Die Frau persönlich verpflichten kann er durch seine Verwaltungshandlungen nicht (§ 1443 BGB.).

9. Verhältnis der persönlichen Gläubiger des Mannes zu dem Geschäftsvermögen der Frau. Anm. 69. a) Wieweit haftet das Frauengut den Gläubigern des Mannes? a) Die Gläubiger des Mannes können Befriedigung aus dem Geschäftsvermögen der Ehefrau, soweit es vorbehaltenes Vermögen enthält, nicht verlangen. ß) Aber auch nicht, soweit es eingebrachtes Vermögen enthält (§ 1410 BGB.). Sollte dennoch eine Pfändung erfolgen, so kann die Frau in den Fällen zu a und ß Klage auf Freigabe erheben. (Auch Beschwerde? Darüber s. Anm. 72.) ?) Auch die Rechte, die dem Manne an dem eingebrachten Gute kraft seiner Ver-Anm. 70. waltung und Nutznießung zustehen, sind nach § 1408 BGB. nicht übertragbar und demgemäß auch nicht pfändbar, was § 861 ZPO. ausdrücklich ausspricht. Doch bezieht sich die Unübertragbarkeit und Unpfändbarkeit nur auf die Nutznießung als solche. Die einzelnen auf Grund der Nutznießung dem Ehemann zufließenden Früchte, Zinsen usw. sind bis zu einem gewissen Grade pfändbar (hierüber § 861 ZPO.). Die Pfändbarkeit der Einkünfte wird aber für das Handelsleben bedeu­ tungslos, weil die Einkünfte des von der Ehefrau selbständig betriebenen Erwerbs­ geschäfts ihr vorbehaltenes Vermögen werden, dem Nießbrauch des Mannes also entzogen sind (Anm. 47). 8) Das Gesamtgut haftet bei bestehender Gütergemeinschaft für die persönlichen Ver-Anm. 71. Kindlichkeiten des Mannes (§§ 1459, 1530, 1549 BGB.), also auch die Stücke des Geschäftsvermögens, die zum Gesamtgute gehören, und das sind insbesondere die im Handelsgewerbe erworbenen Gegenstände. Denn zum Gesamtgute gehört alles, was Mann und Frau während der Gütergemeinschaft erwerben (§ 1438 BGB.), es fei denn, daß sie das Gewerbe mit vorbehaltenem Vermögen betreiben (vgl. Anm. 47). d) Darf der Gerichtsvollzieher, der eine persönliche Schuld des Mannes ein-Anm. 72. zutreiben hat, in den Geschäftsräumen der HandelSfrau eine Pfändung vor­ nehmen? Nach § 808 ZPO. setzt die Pfändung voraus, daß der Schuldner den Gewahrsam der zu pfändenden Sachen hat. Gewahrsam ist Besitz im Sinne der §§854, 855 BGB. Bloße Jnnehabung, wie sie beim Besitzgehilfen nach §855 BGB. besteht, genügt nicht. Der Mann wird dadurch, daß er im Handelsgewerbe der Frau tätig ist, bloßer Besitzgehilfe im Sinne des § 855 BGB. Denn er gibt dadurch deutlich nach außen zu erkennen, daß er das Auftreten der Frau im Rechtsverkehr, kraft dessen sie im eigenen Namen Rechtsgeschäfte abschließen und da­ durch auf ihren Namen Eigentum und Besitz erwerben will, billigt und durch seine Tätigkeit fördern will. Auch § 1362 BGB. ändert hieran nichts, da hiernach nur vermutet wird, daß das, was die Frau besitzt, dem Manne gehört, d. h. sein Eigen­ tum ist. Zur Pfändung berechtigt das noch nicht, da der Mann die Sache ja nicht besitzt. Höchstens kann sich der Gläubiger den Anspruch des Mannes auf Herausgabe der im Besitze der Frau befindlichen Gegenstände überweisen lassen — auch dies ist bestritten, da der Mann nach Ansicht von Planck § 1362 Erl. 5 die Forderung nicht abtreten kann — und alsdann seine Klage auf Herausgabe mit Berufung auf § 1362 BGB. begründen; einer solchen Klage gegenüber hat die Frau die Beweislast, daß die Sache ihr gehöre. Es ist daher unzulässig, daß die Gläubiger des Mannes in den Ge­ schäftsräumen der Frau pfänden. Häufig geschieht dies, um auf diese Weise

26 Allgemeine Einleitung.

Allgemeine Einleitung. etwas von der Frau, die nicht Schuldnerin ist, herauszuschlagen. Von den Gerichten wird es bisweilen gebilligt, indem sie die Frau darauf vertrösten, daß ihr zwar die Beschwerde über die Art der Zwangsvollstreckung versagt, die Klage auf Freigabe (§771 ZPO ) aber gestattet sei. Allein auch die bloße Pfändung ist ein Unrecht. Im steten Kampfe mit dem Gerichtsvollzieher kann eine Frau, nachdem der Mann im Verkehrsleben Schiffbruch gelitten hat — und das wird wohl meist der Anlaß zur Gründung eines selbständigen Geschäfts durch die Frau sein —, das Geschäft nicht betreiben. Sollte aber, was von den Gerichten oft befürchtet wird, ein auf Benach­ teiligung der Gläubiger abzielendes Verhalten vorliegen, so helfen die Anfechtungs­ vorschriften. Und wenn die Frau nur zum Scheine als Inhaberin des Geschäfts auftritt, so erscheint allerdings auch die unmittelbare Pfändung nicht ungerechtfertigt. Allein für das Vorliegen eines Scheinverhältnisses müssen ganz besondere Tatsachen nachgewiesen werden. Der Umstand allein, daß der Mann im Geschäfte tätig ist, viel­ leicht gar seine ganze Kraft dem Geschäfte widmet, begründet ein solches Scheinver­ hältnis nicht. Er hört jedenfalls dadurch nicht auf, bloßer Besitzgehilfe der Frau zu sein. (So auch für das frühere Recht RG. in IW. 99, 53823. Für das jetzige s. OLGR. 17, 193. Für den Fall der Gütergemeinschaft wird die Frage auf Grund der §§ 740, 741 ZPO. anders beantwortet durch den Aufsatz im nichtamtlichen Teile des PrJMBl. 00, 22 und die preuß. Geschäftsanweisung für GerVollz. § 48 Abs. 1 bis 3.) Bleibt freilich der Ehemann, der bisher das Geschäft betrieb, nach wie vor tatsächlicher Inhaber der Räume und der zum Gewerbebetriebe gehörigen beweglichen Sachen, so ist die bloße Umschreibung des Gewerbebetriebs auf den Namen der Frau für die Pfändung einflußlos (LG. I Berlin in KGBl. 09, 86; LG. Beuthen in der Zeitschrift der Anwaltskammer Breslau 08, 25).

Anm. 73.10. Das Recht des Mannes zur Aufkündigung von Verträgen der Frau auf persönliche Leistungen. (Lit.: Strübe in Gruch. 48, 295; die Kommentare zum BGB. bei § 1358; DürHach. Allg. Einl. Anm. 39ff.; von Lilienthal, Das Kündigungsrecht des Ehemannes aus § 1358 BGB., Breslau 08.) § 1358 BGB. gibt dem Manne das Recht, solche Rechtsverhältnisse ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen, durch welche die Frau sich zu einer von ihr in Person zu bewirkenden Leistung ver­ pflichtet. Er muß jedoch die Ermächtigung hierzu vom Vormundschaftsgericht erhalten. Das Vormundschaftsgericht hat die Ermächtigung zu erteilen, wenn die Tätigkeit der Frau die ehelichen Interessen beeinträchtigt. Tas Recht fällt fort, wenn der Mann die Zustimmung erteilt oder seine fehlende Zustimmung vom Vormundschaftsgericht ersetzt ist, und wenn und solange die häusliche Gemeinschaft aufgehoben ist (letzteres nicht anwendbar, wenn sich die Frau gerade zwecks Erfüllung der von ihr über­ nommenen^ persönlichen Leistungen aus dem Haushalt entfernt hat; BayObLG. in DIZ. 1925, 195). Zustimmung und Kündigung können nur durch den Ehemann er­ folgen, nicht durch einen gesetzlichen oder sonstigen Vertreter. Anm. 74. Dieses außerordentliche Kündigungsrecht kann auch im Verhältnis des Ehemannes zu seiner handeltreibenden Gattin ausgeübt und hier von großer Bedeutung werden. Man denke z. B. an den Fall, daß eine Ehefrau ein Agenturgeschäft betreibt. Beson­ ders aber kann dieses Kündigungsrecht von entscheidender Bedeutung werden, wenn die Frau Gesellschafterin wird, offene Gesellschafterin einer Handelsgesell­ schaft oder persönlich haftende Gesellschafterin einer Kommanditgesell­ schaft oder Kommanditistin einer solchen oder persönlich haftende Gesell­ schafterin einer KGaA., und sich hierbei zu persönlichen Leistungen ver­ pflichtet. In solchem Falle kann der Ehemann dieses Rechtsverhältnis kün­ digen. Indessen soll dies doch wohl nur bedeuten, daß er die Verpflichtung zur per­ sönlichen Leistung zum Stillstand bringen kann, nicht auch, daß er das ganze Rechts­ verhältnis, zu dessen Bestandteilen jene Verpflichtung gehört, zur sofortigen Lösung bringen kann. Die entgegengesetzte Ansicht würde weit hinausgehen über die Ziele,

Allgemeine Einleitung.

27

die sich der Gesetzgeber bei diesem außerordentlichen Rechtsmittel gesteckt hat. Zur Er-Allgemeine reichung dieser Ziele genügt es, daß die Verpflichtung zur persönlichen Dienstleistung Einleitung,

aufhört. Welche Folgen sich hieraus ergeben, kann nur die Beschaffenheit des ein­ zelnen Falles lehren. Oft wird der andere Teil hieraus ein Auflösungsrecht entnehmen können. Die Wirkung der Kündigung besteht also darin, daß sie die Verpflichtung der Ehefrau zu den persönlichen Leistungen sofort beendet. Setzt freilich diese trotz der rechtlichen Beendigung tatsächlich ihre Leistungen fort, so kann der Mann gegen den Dritten nichts machen, insbesondere ihm nicht die Annahme der Leistungen rechts­ wirksam untersagen; vielmehr bleibt ihm nur Klage gegen die Frau auf Herstellung des ehelichen Lebens (Anm. 64). Nach der herrschenden Meinung ist § 1358 BGB. nur auf nach der Ver­ heiratung eingegangene Verpflichtungen der Ehefrau anwendbar; hat sie vor der Verheiratung zu Leistungen sich verpflichtet, so finden die allgemeinen Grundsätze über Kündigung von Dienstverträgen Anwendung, insbesondere §§626, 627, 671, 696, 723 BGB., §§70, 77, 133 HGB. So Staudinger § 1358 Bem. 2; DürHach. Anm. 40; a. M. Strübe a. a. O. 311 u. a. — Der Hauptanwendungsfall des § 1358 BGB. auf handelsrechtlichem Gebiete liegt übrigens bei der verheirateten Handlungsgehilfin vor; hierüber s. § 71 Anm. 6. II. Ausländische Ehefrau. Für die Geschäftsfähigkeit einer ausländischen Ehefrau inAnm. 75. Ansehung ihres Gewerbes ist es ohne Einfluß, daß sie Ehefrau ist (Art. 36 I EG.BGB.). Die ausländische Frau kann also in Deutschland auch ohne Einwilligung ihres Mannes ein selbständiges Gewerbe betreiben und wird dadurch zur Handelsfrau. Dies stimmt mit dem allgemeinen Grundsätze des Art. 7 EG.BGB. überein. Im übrigen kann auch hier die Einwilligung des Mannes von Wichtigkeit sein, z. B. für die Rechtswirksamkeit der handelsgewerblichen Verfügungen und Rechtsstreitigkeiten gegen den Mann usw. Ob solche Einwilligung notwendig ist, richtet sich nach dem Güterrechte des Staates, dem der Mann bei Eingehung der Ehe angehörte (Art. 15 u. 16 EG.BGB.). Daneben gilt aber die Bestimmung des § 1405 BGB. auch für solche Verhältnisse: das heißt, die Einwilligung zum Gewerbebetrieb ersetzt die Zustimmung zu den ein­ zelnen Rechtsgeschäften, und die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Mann weiß, daß die Frau ein Gewerbe betreibt, sein Einspruch aber weder dem Dritten bekannt noch in das Güterrechtsregister des inländischen Wohnsitzes des Mannes und des Ortes der Hauptniederlassung eingetragen ist (Art. 36 EG.BGB.; Art. 4 EG.HGB.). Gilt hiernach die Einwilligung als erteilt, so haftet für die Verbindlichkeiten der Frau aus dem Gewerbebetriebe das Vermögen ohne Rücksicht auf die dem Manne kraft des Güterstandes zustehenden Rechte; im Falle des Bestehens einer ehelichen Gütergemein­ schaft auch das Gesamtgut (Art. 36 I EG.BGB.). Alles dies gilt auch, wenn die ausländische Handelsfrau ihren Wohnsitz im Aus­ lande hat (vgl. aber Art. 36 I Abs. 3 Satz 2 EG.BGB.). Entscheidend ist der Handels­ betrieb im Jnlande.

Erstes Buch.

Handelsstand. Erster Abschnitt. Kaufleute. § 1.

§ Kaufmann im Sinne dieses Gesetzbuchs ist, wer ein Handelsgewerbe betreibt. AIs Handelsgewerbe gilt jeder Gewerbebetrieb, der eine der nachstehend bezeichneten Arten von Geschäften zum Gegenstände hat: t. die Anschaffung und Weiterveräußerung von beweglichen Sachen (Waren) oder Wertpapieren, ohne Unterschied, ob die Waren unverändert oder nach einer Bearbeitung oder Verarbeitung weiter veräußert werden; 2. die Übernahme der Bearbeitung oder Verarbeitung von Waren für andere, sofern der Betrieb über den Umfang des Handwerks hinausgeht; 3. die Übernahme von Versicherungen gegen Prämie; 4. die Bankier- und Geldwechslergeschäfte; 5. die Übernahme der Beförderung von Gütern oder Reisenden zur See, die Geschäfte der Frachtführer oder der zur Beförderung von Personen zu Lande oder auf Binnengewässern bestimmten Anstalten sowie die Geschäfte der Schleppschiffahrtsunternehmer; 6. die Geschäfte der Kommissionäre, der Spediteure oder der Lagerhalter; 7. die Geschäfte der Handlungsagenten oder der Handelsmäkler; 8. die Verlagsgeschäfte sowie die sonstigen Geschäfte des Buch- oder Kunst­ handels; 9. die Geschäfte der Druckereien, sofern ihr Betrieb über den Umfang des Handwerks hinausgeht. Lit.: Schirrmeister, Ter Kaufmannsbegriff. in seinem Handb. II §§ lff.

Einleitung.

ZHR. 48, 418; 49, 29; Ehrenberg

Inhalt des Paragraphen. In Abs. 1 erläutert er den Begriff des Kaufmanns. Ein Hauptbestandteil dieser Erläuterung ist der Begriff Handelsgcwerbe. Abs. 2 be­ schäftigt sich mit diesem letzteren Begriffe, aber ohne ihn erschöpfend zu behandeln. Viel­ mehr wird hier nur eine Klaffe der anerkannten Handclsgewerbe, die „kraft Gegenstands des Gewerbes" (Anm. 31), behandelt. Die andere Klasse loitb in § 2 abgehandelt. Hiernach zerfällt der Inhalt des vorliegenden Paragraphen in I . 4. Weiteren Anwendungsfällen jenes Grundsatzes werden wir besonders im Gesellschaftsrecht begegnen (vgl. § 123 Anm. Off.). Jedenfalls war es hier er­ forderlich, vorweg den Grundsatz aufzustellen, der unserem Recht innewohnt und eine Reihe von Erscheinungen erklärt, die sonst unerklärt bleiben würden. Vgl. Hueck in ArchBürgR. 43, 443 über bte Scheinhandelsgesellschaft. Anm. 6. 5. Welche Rechtsfolgen das Gelten im Rechtsverkehr hat, kann nur im einzelnen gesagt werden. Es wird dabei entscheidend sein, daß es sich um die Folgen einer dem Privat­ recht angehörenden Parteierklärung handelt; nur infolge seiner Erklärung muß der, welcher im Rechtsverkehr als Kaufmann auftritt, es sich gefallen lassen, als Kaufmann behandelt zu werden. Die Folgen werden nicht immer so weit gehen können wie nach § 5. Danach wird es sich z. B. richten, ob die Formfreiheitsvorschriften, die für den Vollkaufmann gegeben sind, auch gegen den zur Anwendung kommen, der als Kauf-

I. Abschnitt: Kaufleute.

87

mann nur gilt, weil er als solcher im Rechtsverkehr auftritt; ob, wenn die Ehefrau als Handelsfrau auftritt und der Ehemann dies geschehen läßt, dies für die güterrechtliche Wirkung ihrer Geschäfte so beurteilt wird, wie wenn er den Handelsbetrieb seiner Ehe­ frau genehmigt (Allg. Einl. Anm. 40); ob seine Gehilfen Handlungsgehilfen sind (§ 59 Anm. 11) usw. Näheres an den zuständigen Stellen (vgl. Anm. 8). Das „kaufmän­ nische Auftreten" genügt nicht zur Anwendung des § 25 (s. dort Anm. 6 u. 7).

Anhang zu § 5.

6. Auch der Dritte, der mit dem, welcher als Kaufmann auftritt und deshalb als Kaufmann Anm. 7. gilt, ein Rechtsgeschäft abgeschlossen hat, wird sich in den geeigneten Fällen entgegen­ halten lassen müssen, daß er mit jemandem abschließen wollte, der als Kaufmann auftrat, also als solcher gelten wollte (Anm. 4 zu § 369).

7. Im übrigen sei zur Ergänzung der vorstehenden Darlegungen auf folgende Stellen ver-Anm. 8. wiesen: Allg. Einl. Anm. 40 u. 61; § 13 Anm. 6a u. 21; § 15 Anm. 6; § 17 Anm. 25; § 22 Anm. 3; § 25 Anm. 7; § 28 Anm. 3; § 37 Anm. 1; § 38 Anm. 1; § 45 Anm. 3; § 48 Anm. 4; § 59 Anm. 11 a. E.; § 105 Anm. 19; § 123 Anm. 8; § 343 Anm. 8; §344 Anm. 1; § 349 Anm. 9 u. 24; § 350 Anm. 9, 12 u. 19. Ferner vgl. § 15 Anm. 3 a.

8 6.

§ 6.

Die in betreff der Kaufleute gegebenen Vorschriften finden auch auf die Handelsgesellschaften Anwendung. Die Rechte und Pflichten eines Vereins, dem das Gesetz ohne Rücksicht auf den Gegenstand des Unternehmens die Eigenschaft eines Kaufmanns beilegt, werden durch die Vorschrift des § ) Abs. \ nicht berührt. Sit: Martin Wolff in der bei § 5 angeführten Schrift S. 9ff.; Ehrenberg in seinem Handb. 2, 101.

1. Die Vorschrift deS Absatzes 1 dient zur Verdeutlichung. Handelsgesellschaften sind die Anm. 1. o.HG., die einfache Kommanditgesellschaft, die AG. und die KGaA., ferner die GmbH. (§ 13 GmbHG.). Die Genossenschaft ist keine Handelsgesellschaft, sie soll nach dem GenG. (§ 17) nur als Kaufmann im Sinne des HGB. gelten, soweit das GenG, keine abweichenden Vorschriften enthält. Über VVaG. s. § 1 Anm. 59ff. 2. Die Vorschrift des Absatzes 2 ordnet an: Wenn eine juristische Person ohne Rücksicht Anm. 2. auf den Gegenstand des Unternehmens zum Kaufmann erklärt wird, ist sie damit auch zum Vollkaufmann erklärt (Kaufleute kraft Rechtsform, „Formkaufleute"; Schirr­ meister in ZHR. 49, 45; vgl. oben § 1 Anm. 31). Ohne Rücksicht auf den Gegen­ stand des Unternehmens sind zum Kaufmann erklärt: die AG., die GmbH., die Ge­ nossenschaft (Anm. 1) und die KGaA. Letztere auf Grund von § 210 Abs. 2 und § 320 Abs. 3 HGB. Die letztere wird also hier vom HGB. als Verein, mithin als juristische Person angesehen (vgl. § 21 BGB. und die diesem vorangehenden Überschriften). Näheres über die Frage nach der juristischen Persönlichkeit der KGaA. s. Anm. 1 zu § 320.

3. Unter Handelsgesellschaften versteht das Gesetz hier nur die inländifchen, d. i. die, welche Anm. 3. ihren Sitz in Deutschland haben. Ausländische Gesellschaften (beachtenswerte Erläute­ rungen bei Makower Anm. Ib) werden hinsichtlich ihrer Rechtsfähigkeit und Ge­ schäftsfähigkeit nach ausländischem Recht, hinsichtlich ihrer Kaufmannseigenschast nach inländischem beurteilt (Art. 7 EG.BGB.: § 13 Abs. 3 HGB.; RG. 36, 394; s. auch § 105 Anm. 45). Einer besonderen Anerkennung ihrer Rechtsfähigkeit durch eine in­ ländische Behörde bedürfen sie nicht; Art. 10 EG.BGB. ist auf sie nicht anwendbar. Hin­ sichtlich ihres Rechtes zum Gewerbebetriebe unterstehen die juristischen Personen den landesgesetzlichen Beschränkungen, die übrigen ausländischen Handelsgesellschaften unterliegen den allgemeinen Bestimmungen der GewO. Für Preußen gilt für die jur.

88 § k.

8 7.

I. Abschnitt: Kaufleute. Personen § 18 der PrGewO. vom 22. Juni 1861, letztmalig geändert durch Ges. vom 29. Juni 1914, wonach sie ein stehendes Gewerbe nur mit Erlaubnis der Ministerien be­ treiben dürfen. Die landesgesetzlichen Vorschriften für den Erwerb von Grundstücken durch Ausländer sind unberührt geblieben (Art. 88 EG.BGB.). Demgemäß unterliegen auch ausländische Gesellschaften etwaigen landesgesetzlichen Beschränkungen. Für Preußen kommt in dieser Beziehung Art. 7 § 2 AG.BGB. in Betracht. Danach bedürfen auch fremdbundesstaatliche juristische Personen, z. B. eine Dresdner AG., zum Erwerbe von in Preußen belegenen Grundstücken im Werte von mehr als 3000 Reichsmark (wegen des Betrages s. preuß. Ges. vom 8. April 1924, GS. S. 201) behördlicher Genehmigung, ausländische (nichtdeutsche) ohne Rücksicht auf den Wert (Näheres Stranz-Gerhard Art. 7 Anm. 15ff.). Vgl. § 210 Anm. 7. Was die Zuständigkeit für die Erteilung der Geneh­ migung betrifft, so ist in Abänderung des Art. 6 der V. zur Ausführung des BGB. vom 16. Nov. 1899 (GS. S. 562) und der diesen Artikel abändernden V. vom 29. Nov. 1911 (GS. S. 217) durch die V. vom 25. März 1920 (GS. S. 85) bestimmt, daß die Genehmi­ gung für fremdbundesstaatliche jur. Personen vom Regierungspräsidenten, in Berlin vom Polizeipräsidenten, erteilt wird. Würde die jur. Person, wenn sie am Orte des zu erwerbenden Grundstücks ihren Sitz hätte, nach den bestehenden allgemeinen Be­ stimmungen einer anderen staatlichen Aufsichtsbehörde unterstehen, so ist diese andere Behörde für die Genehmigung zuständig. In allen Füllen ist die Lage des Grundstücks für die örtliche Zuständigkeit maßgebend. Weiteres § 350 Anm. 22. Das RHypBankG. vom 13. Juli 1899 befreit Hypothekenbanken von der Geneh­ migung im Rahmen des § 5 Abs. 3 des Ges. über inländische Zweigniederlassungen von Ausländern s. die Erl. zu § 13, von ausländischen AG. s. § 201 Anm. 19ff. über den Handelsbetrieb ausländ.scher Vereine im Jnlande s. Anm. 4 zu § 33.

8 7. Durch die Vorschriften des öffentlichen Rechtes, nach welchen die Befugnis 3um Gewerbebetrieb ausgeschlossen oder von gewissen Voraussetzungen ab­ hängig gemacht ist, wird die Anwendung der die Kaufleute betreffenden Vorschriften dieses Gesetzbuchs nicht berührt. Lit.: Friedrichs, Gesetzliches Verbot und Nichtigkeit, „Recht" 1924, 121 ff., bes. S. 128.

Anm. 1. 1. Der Paragraph betont, daß die Vorschriften des öffentlichen Rechts über die Befugnis zum Gewerbebetriebe für die Kaufmannseigenschaft nicht maßgebend sind. Die Bestimmung bezieht sich nicht nur aus gewerbe- und steuerpolizeiliche Vor­ schriften, sondern auf alle Vorschriften des öffentlichen Rechts (D. 21). Vgl. auch § 1 Anm. 22 u. 26. Die Bestimmung ist von der über die RechtSgültigkeit des Betriebs (§ 1 Anm. 20ff.) scharf zu unterscheiden.

Anm. 2. 2. Beispiele: Die GewO. (§§ 16, 29, 31, 33, 43, 44, 55—63) macht den Betrieb gewisser Gewerbe von einer obrigkeitlichen Genehmigung abhängig. Einigen Berufsständen ist der Handelsbetrieb untersagt, den Reichsbeamten (§ 16 RBeamtenG.), den Militär­ personen des Friedensstandes ohne Erlaubnis der Vorgesetzten (§ 43 RMilG.). Hierher gehören auch die Untersagung des Trödelhandels und anderer Betriebe nach § 35 GewO., die gesetzliche Begrenzung des Geschäftsbetriebs der Hypothekenbanken (§§ 5ff. HypBG.), der Notenbanken (BankG. §§ 13, 43, 44), der privaten Versicherungsunternehmungen (§§ Iff. PrivVUntG. und Koenige dazu). Näheres Gareis, Lehrbuch § 14. Ebenso ge­ hören hierher Verstöße gegen die V. über Handelsbeschränkungen vom 13. Juli 1923 und die B. über den Verkehr mit Vieh und Fleisch von demselben Tage (RGBl. 1923 I 706

II. Abschnitt: Handelsregister.

89

und 715; zu beachten namentlich § 26 der ersteren und § 12 der letzteren Verordnung; K 7.

vgl. Friedrichs 128). — Allein laut § 7 sind derartige öffentlich-rechtliche Verbote für die Kaufmannseigenschaft bedeutungslos. Daher ist ein Gastwirt, der nach Entziehung der Genehmigung und mit Hinterziehung der Gewerbesteuer geistige Getränke verkauft, oder ein Geschäftsmann, der entgegen der B. über Handelsbeschränkungen vom 13. Juli 1923 ohne Erlaubnis Lebensmittel verkauft, Kaufmann. Ties gilt, auch wenn alle Ge­ schäfte, die der Betreffende abschließt, nach § 26 dieser Verordnung nichtig sein sollten. Betreibt er sein Geschäft vollkaufmännisch, so nmß er in das Handelsregister eingetragen werden und kann dies auch verlangen (Behrend § 32 Anm. 10; Lehmann-Ring Nr. 1; DürHach. Anm. 1; Brand Anm. 2). Auch der gewerbsmäßige Besteller und Verkäufer eines verbotenen Heilmittels ist Kaufmann. Nur ausnahmsweise ist bei AG., KGaA, und GmbH, der Nachweis polizeilicher Genehmigungserteilung Bedingung der Eintragung (§§ 195 Nr. 6, 320 Abs. 3 HGB.; § 8 Nr. 4 GmbHG.). Vgl. noch PrivVUntG. § 30 für VVaG, und §§ 67 u. 73 Abs. 1 Ziff. 7 über Untersagung des Geschäftsbetriebs. Ebenso § 366 RAbgO. Ein Kaufmann, dem auf Grund der letztgedachten Steuervorschrift der weitere Gewerbebetrieb vom Landesfinanzamt untersagt worden ist, bleibt, wenn er verbotswidrig weiter gewerbsmäßig sein Geschäft sortführt, Kaufmann. Weiteres über Handelsbeschränkungen Anhang zu § 346 Anm. 28 ff.

Auch die Anwendung des § 2 wird durch die Verletzung derartiger Vorschriften nicht Anm. 3. ausgeschlossen: wer ein Gewerbe betreibt, das nach Art und Umfang eine kaufmännische Einrichtung erfordert, ist berechtigt und verpflichtet, seine Firma eintragen zu lassen, auch wenn sein Gewerbe Vorschriften dieser Art zuwiderläuft (ebenso DürHach. Anm. 1).

3. Über die privatrechtlichen Verbote (Gesetz oder Vertrag), Handel zu treiben, vgl. § I Anm. 4. Anm. 22. Über ihre rechtlichen Wirkungen s. an den zuständigen Stellen (vgl. auch Gareis, Lehrbuch § 14).

Zweiter Abschnitt.

Handelsregister. § 8.

§ 8.

Das Handelsregister wird von den Gerichten geführt. Lit.: Ehrenberg, Rechtssicherheit und Verkehrssicherheit mit besonderer Rücksicht auf das Handelsregister (JheringsJ. 47, 273ff.); derselbe in seinem Handb. 1, 524ff.; Samter, Das Handelsregister und seine Rechtsverhältnisse, Berlin 1913; Th. Cohn, Das Handels­ und Genossenschaftsregister, 3. Aufl., Berlin 1910; Telgmann, Wirkung der Eintragung ins Handelsregister und Veröffentlichung aus demselben, Göttingen 04; Brand, Die Re­ gistersachen in der gerichtlichen Praxis, Berlin 06; Lindemann, Die Reichsgesetzgebung über gerichtliche Rcgisterführung, Berlin 06. — Über die Rechtsprechung in Registersachen veröffentlicht Schultze-Görlitz in der TNotVZ. alljährlich Berichte. Oberstgerichtliche Entscheidungen in Registersachen s. NIA. und KGJ., beide seit 1924 vereinigt in JFG. über Veränderungen und Ergänzungen im Registerrecht seit 1913 s. Cohn in TJZ. 1924, 510. Über die Registrierung von Firmen in England und Deutschland Prochownick in HansRZ. 1919, 51. Eine Übersicht über das Handelsregister im Auslande bietet Friese in IW. 1925, 434. 1. DaS Handelsregister ist aus den alten Gilderollen hervorgegangen (Gierke § 22) und Anm. 1. hat eine lange und folgenreiche Entwicklung hinter sich (über diese s. Rintelen im Beilage­ heste zu ZHR. Bd. 75). Im vorliegenden Abschnitt, der wenig privatrechtliche (die wich­ tigsten im § 15) und zumeist öffentlich-rechtliche Vorschriften enthält, findet die Einrich­ tung des Handelsregisters keine erschöpfende Regelung. Andere Bestimmungen des HGB.

90 § 8.

II. Abschnitt: Handelsregister.

selbst, vor allem aber das FGG. in Abschnitt 7 („Handelssachen"), der namentlich das Verfahren regelt, greifen ergänzend ein. — In Preußen besteht das Handelsregister aus den zwei Abteilungen A und B. In Abt. A werden die Firmen der Einzelkaufleute, der o.HG. und der Kommanditgesellschaften, in Abt. B die übrigen Handelsgesellschaften und die in den §§ 33, 36 erwähnten juristischen Personen eingetragen.

Anm. 2. 2. Unser Paragraph sagt nichts weiter, als daß die Gerichte das Handelsregister zu führen haben. Welche Gerichte, ist hier nicht gesagt. Darüber bestimmt § 125 FGG.: „Für die Führung des Handelsregisters sind die Amtsgerichte zuständig. Durch Anordnung der Landesjustizverwaltung kann die Führung des Registers für mehrere Amtsgerichtsbezirke einem Amtsgericht übertragen werden."

So ist z. B. das AG. Berlin Mitte Registergericht für die AG.-Bezirke Berlin-Mitte, Berlin-Schöneberg, Berlin-Tempelhof, Berlin-Wedding, Charlottenburg, Groß-Lichterfelde, Lichtenberg, Pankow, Neukölln und Weißensee (V. vom 19. April 1906). Über die Zuständigkeit der AG. auch für Standesherren s. RIA. 2, 225.

Anm. 3. 3. Die Organe deS HandelSstandeS ^Handelskammern, Älteste der Kaufmannschaft usw.) sind gemäß § 126 FGG. verpflichtet, die Registergerichte behufs Verhütung unrichtiger Eintragungen sowie behufs Berichtigung und Vervollständigung des Handelsregisters zu unterstützen. Sie können zu diesem Zwecke Anträge stellen und gegen Verfügungen über solche Anträge (s. OLGR. 9, 368) Beschwerde erheben (s. § 14 Anm. 15). — Für Preußen bringt ferner das AG.HGB. im Art. 3 (vgl. auch die preuß. V. vom 25. März 1920, GS. S. 85) folgende Vorschrift: „Die Gerichte, die Beamten der Staatsanwaltschaft, die Polizei- und Gemeindebehörden sowie die Notare haben von den zu ihrer amtlichen Kenntnis gelangenden Fällen einer un­ richtigen, unvollständigen oder unterlassenen Anmeldung zum Handelsregister oder Genossenschaftsrcgister dem Registergerichte Mitteilung zu machen. Die Steuerbehörden sind verpflichtet, dem Registergericht über die Anmeldung und die Abmeldung steuerpflichtiger Gewerbe, über das Ergebnis der Veranlagung zur Gewerbesteuer sowie über später eingetretene Veränderungen Auskunft zu erteilen."

In Konsulargerichtsbezirken wird das Handelsregister von den deutschen Konsuln geführt (KonsGG. vom 7. April 1900 § 7 Nr. 2; RG. 36, 172). Über die Zulässigkeit der Eintragung einer o.HG., bestehend aus deutschen und nichtdeutschen Teilhabern, in das Gesellschaftsregister eines Konsulargerichts vgl. die voneinander abweichenden Entschei­ dungen des RG. 34, 107 (verneinend) und 36, 172 (bejahend). In den Schutzgebieten waren die vom Reichskanzler ermächtigten Beamten Registerrichter (SchutzgebG. vom 25. Juli 1900 § 2).

Anhang r« 8 8.

Anhang zu § 8. Allgemeines über die Tätigkeit des Regtstergerichts und über die Bedeutung der Eintragungen. Lit.: Fester, Die Bedeutung des Eintrags im Handelsregister, Marburg 1912; Ehren­ berg in seinem Handb. 1, 613; Wieland § 20.

Anm. 1. I. Der Registerrichter hat keine allgemeine Disziplinargewalt über den Handelsstand zum Zwecke der Beachtung der registerlichen Vorschriften oder gar der handelsrechtlichen Pflichten überhaupt, sondern lediglich die ihm durch das Gesetz verliehenen Einzel­ befugnisse (KGJ. 1, 10; 46, 161). Diese Einzelbefugnisse lassen sich in drei Gruppen zerlegen:

Anm.2. 1. Er hat das Handelsregister zu führen (Register-Akte) und zu diesem Zwecke die erforderlichen Eintragungen und Löschungen teils auf Antrag, teils von Amts wegen vorzunehmen.

H. Abschnitt: Handelsregister.

91

2. Er hat darüber zu wachen, daß gewisse handelsgesetzliche Vorschriften Anhang beobachtet werden (AufsichtS-Akte). So hat er besonders darauf zu halten, daß ZU § 8.

niemand sich im Handelsverkehr einer Firma bedient, die ihm nicht zukommt (§ 37); so Anm. 3. hat er die Organe der AG. und KGaA, zur Beobachtung einer Reihe von Verpflichtungen anzuhalten (§§ 319, 325 Nr. 9; s. auch § 77 GmbHG.). 3. Außerdem ist ihm eine Anzahl von Handlungen der freiwilligen GerichtsbarkeitAnm. 4. in Handelssachen zugewiesen (Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit). Die Handlungen sind aufgezählt in §§ 145, 148 FGG. Erwähnt seien hier als Beispiele die Ernennung und die Abberufung von Liquidatoren in den Fällen der §§ 146 Abs. 2, 147, 295 Abs. 2 und 3, 302 Abs. 4 HGB.; die Bezeichnung der Person und des Ortes, wo in den Fällen der §§ 157 Abs. 2, 302 Abs. 2 die Bücher und Papiere einer aufgelösten Handelsgesell­ schaft ausbewahrt werden sollen; die Bestellung der Prüfer für die Gründung oder die Bilanz der AG. und KGaA, in den Fällen der §§ 192 Abs. 3, 266 Abs. 2; die Ermäch­ tigung der Aktionäre zur Berufung der Generalversammlung im Falle des § 254 Abs. 3. II. In betreff insbesondere der Eintragungen (Anm. 2) ist folgendes zu erwähnen: Anm. 5. 1. Die Eintragungen (hierunter sind die eintragungspflichtigen Löschungen mit inbe­ griffen) erfolgen in der Regel auf Anmeldung der AntragSberechtigten, und zwar in der Regel nur auf solchen Antrag und nur so, wie sie beantragt sind (KG. in RIA. 6, 185). Nur ausnahmsweise erfolgen Eintragungen (und Löschungen) auch von Amts wegen; z. B. im Falle des § 32 (Eintragung der Konkurseröffnung), im Falle des § 31 Abs. 2 (Löschung erloschener Firmen), endlich in den sehr wichtigen Fällen der §§ 142—144 FGG. (Löschung jeder unzulässig gewesenen Eintragung, Löschung nichtiger AG. und KGaA., Löschung ungültiger Generalversammlungsbeschlüsse). Näheres über diese Fälle an den zuständigen Stellen. Grundsätzlich ist hier zu sagen, daß, wenn Eintragungen ohne gültigen Antrag erfolgt, aber sachlich richtig sind, sie in der Regel nicht zu löschen sind (KG. in DIZ. 1913, 412 und in OLGR. 43, 202; BayObLG. in KGJ. 53, 257; OLG. Karlsruhe in JFG. 1924, 182). Mindestens gilt dies schlechthin betreffs rechts­ bekundender Eintragungen (KG. in KGJ. 48, 115). Vgl. § 5 Anm. 2a. 2. Nur die im Gesetze vorgesehenen Eintragungen sind statthaft (vgl. hierzu und zu dem Anm. 6. folgenden die grundlegende Entsch. KG. in KGJ. 29 A 213). Und aus jeder Eintragung muß klar sein, als welche der im Gesetze vorgesehenen Eintragungen sie sich darstellt (KG. in DIZ. 06, 1264). Die in das Handelsregister einzutragenden Tatsachen und Rechts­ verhältnisse sind im Gesetze selbst fest bestimmt und andere als die im Gesetze zugelassenen Tatsachen und Rechtsverhältnisse nicht eintragungsfähig. Das Register ist nicht dazu be­ stimmt, ein vollständiges Bild über alle Rechtsverhältnisse der Kaufleute zu geben, vielmehr soll es nur einzelne Rechtsverhältnisse, die einen bestimmten Inhalt haben, kündbar machen (zust. BayObLG. in BayZ. 1924, 108). In bezug auf rechts­ geschäftliche Vereinbarungen über die Befugnis zur Vertretung von Firmen z. B. steht das HGB. auf einem streng formalen, ausschließlichen Standpunkte, nach welchem alle andern als die besonders zugelassenen Eintragungen dieser Art grundsätzlich nicht ge­ stattet sind (KG. in RIA.9, 159). Daher können die Parteien nicht die Eintragung beliebiger handelsrechtlicher Verhältnisse verlangen; z. B. nicht die Eintragung einer Handlungsvollmacht (KG. a. a. O.; ferner DIZ. 05, 316); auch nicht in Gestalt einer Vertretungsbefugnis gemeinsam mit einem Prokuristen (OLG. Karlsruhe in RIA. 17, 102; vgl. § 54 Anm. 2a); ebensowenig die Eintragung der Verpfändung eines Gesell­ schaftsanteils (OG. Wien bei Adler u. Clemens Nr. 829); am allerwenigsten die Ein­ tragung von Verhältnissen, die das Gesetz ausschließt, z. B. der Beschränkung einer Prokura (§ 50 Abs. 1) oder der Beschränkung der Vertretungsmacht eines Vorstandsmitglieds einer AG. durch Verlangen seines Zusammenwirkens mit einem Handlungsbevollmächtigten (§ 232 Anm. 18). Auch Verleihung oder Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis an einen Gesellschafter ist nicht eintragungsfähig (Geschäftsführungsbefugnis ist eine rein interne Angelegenheit, daher nicht zu verwechseln mit der nach außen wirksamen Ver-

92

II. Abschnitt: Handelsregister.

tretungsbefugnis, die natürlich einzutragen ist; vgl. § 114 Anm. 1 im Gegensatz zu § 125 Anm. 2; BayObLG. in BayZ. 1924, 108). — Über die Frage, ob Testamentsvoll­ streckung einzutragen und wie Nacherbschaften registerlich zu behandeln sind, s. § 22 Anm. 6a. — Bei Minderjährigen empfiehlt es sich, Jahr und Tag der Geburt mit einzutragen und mit bekanntzumachen, damit jeder Dritte sich ausrechnen kann, ob der Betreffende noch minderjährig ist. Dagegen ist der Vormund oder sonstige gesetz­ liche Vertreter nicht einzutragen (vgl. OLG. Dresden in SächsOLG. 32, 333; unten § 105 Anm. 40); dies schon aus dem Grunde nicht, weil dann auch jede Änderung in diesem Verhältnisse zum Handelsregister angemeldet und dort eingetragen werden müßte. Auch eine Entmündigung ist nicht einzutragen; es ist nirgends vorgeschrieben, daß, wenn ein Firmeninhaber entmündigt wird, dies zur Eintragung in das Handels­ register anzumelden oder — etwa ähnlich wie nach § 32 die Konkurseröffnung — von Amts wegen in das Handelsregister einzutragen wäre. — Das Handelsregister ist auch nicht dazu bestimmt, güterrechtliche Eintragungen aufzunehmen; dazu besteht das Güter­ rechtsregister (RG. in IW. 06, 40539). — Auch die Eintragung von Vormerkungen im Sinne des Grundbuchs ist hier nicht statthaft. Eine gleichwohl erfolgte Eintragung solcher Vormerkungen ist wirkungslos, hat insbesondere nicht von Gesetzes wegen die Wirkung des § 15 (ROHG. 6, 140). über Eintragung einstweiliger Verfügungen s. § 16 Anm. 2; ferner § 127 Anm. 7; § 117 Anm. 6. Diese ist unter Umständen ein wichtiges Mittel, um vor endgültiger Entscheidung eine vorläufige Regelung von Rechtsverhältnissen bekanntzugeben. Im übrigen können nur entstandene Rechtsverhältnisse eingetragen werden, nicht Vermerke, daß die Entstehung oder Veränderung der Rechtsverhältnisse bevorstehe (s. auch RG. 22, 59, wo gesagt ist, das Handelsregister sei nicht dazu bestimmt, die bloße Mög­ lichkeit dereinst entstehender Verhältnisse anzukündigen). Es kann daher nicht einge­ tragen werden, daß eine Klage auf Ausschließung eines Gesellschafters eingeleitet ist (OG. Wien bei Adler u. Clemens Nr. 292), wohl aber, daß einem Gesellschafter durch richter­ liche Verfügung die Bertretungsbefugnis entzogen ist (§ 127 Anm. 2). Bei Eintrag des Ausscheidens eines Liquidators nach § 148 ist der Zeitpunkt dieses Ausscheidens nicht mit einzutragen (KG. in RIA. 12, 217; § 148 Anm. 2). Über die Frage der Zulässigkeit der Anmeldung von Rechtsverhältnissen vor deren tatsächlicher Entstehung s. § 12 Anm. 7. Hier noch einige Beispiele unzulässiger Eintragungen: Ein Einzelkaufmann kann nicht eintragen lassen, daß er nicht allein berechtigt sei, seine Firma zu vertreten, denn er kann schon aus allgemeinen Gründen nicht selbst eines Teils seiner Geschäftsfähigkeit mit Rechtswirksamkeit gegenüber Dritten sich entäußern (KG. in RIA. 9, 159). Das bei außergerichtlichen Ausgleichsverhandlungen eines Einzelkaufmanns bisweilen von der Gläubigerschaft gestellte Verlangen, der Kaufmann solle im Handelsregister eintragen lassen, daß er fortan nur in Gemeinschaft mit einem Vertrauensmanne der Gläubiger berechtigt sei, seine Firma zu vertreten, ist daher in dieser Weise nicht durchführbar. Ebenso kann, wenn Erben eines Einzelkaufmanns dessen Geschäft in ungeteilter Erben­ gemeinschaft fortführen, ohne eine o.HG. zu begründen (diesfalls s. § 105 Anm. 40), der Ausschluß einzelner Miterben von der Geschäftsführung und Vertretung nicht eingetragen werden (KG. in RIA. 15, 51). Anm. 6u. 3. über RechtSbehelse gegen eine erfolgte Eintragung. Beschwerde ist weder gegen Anordnung einer Eintragung zulässig noch gegen eine erfolgte Eintragung; vielmehr ist nur das Verfahren nach §§ 142ff. FGG. gegen die erfolgte Eintragung gegeben (KG. in RIA. 16, 84; OLG. Stuttgart in DNotVZ. 1920, 47; vgl. § 37 Anm. 8). Auch gegen die Art einer erfolgten Eintragung.ist Beschwerde nicht zulässig (OLG. Stutt­ gart in DNotVZ. 1922, 67). Anm. 7. 4. Worauf erstreckt sich die Prüfung des Registerrichters bei der Eintragung, seine Prüfungspflicht und sein dieser Pflicht entsprechendes PrüsungSrecht?

Anhang ZU § 8.

II. Abschnitt: Handelsregister.

93

a) Von selbst versteht es sich und allgemein angenommen ist, daß er in förmlicher Be-Anhang ziehung die Gesetzlichkeit zu prüfen hat. Hierher gehört die Prüfung namentlich: zu § 8. a) der rechtlichen Zulässigkeit der Anmeldung (Anm. 6); ß) der eigenen Zuständigkeit (§ 5 FGG.); Y) der Berechtigung des Anmeldenden zur Anmeldung; seiner Personenfeststellung, Rechtsfähigkeit, Geschäftsfähigkeit, Legitimation. Hinsichtlich der Legitimation sind einige Fälle gesetzlich geordnet: Vollmacht und Rechtsnachfolge in § 12 HGB., Er­ mächtigung der Notare in § 129 FGG. (s. dazu § 12 Anm. 3). Für die übrigen Fälle greifen die allgemeinen Grundsätze Platz. — über die vormundschaftsgerichtliche Ge­ nehmigung in ihrer Einwirkung auf die Handelsregisterführung s. Josef in Holdheim 06, 40. Uber die Rechtsstellung des Registerrichters bei eigenmächtigem Betriebe eines Erwerbsgeschäfts durch den gesetzlichen Vertreter s. RIA. 1, 105 und dagegen Ehrenberg in JheringsJ. 61, 429 und in seinem Handb. 1, 568 sowie Josef in Hold­ heim 1913, 265. Uber Antrag einer Ehefrau auf Eintragung ihrer Firma s. Allg. Einl. Anm. 41. — Nach Befinden hat der Registerrichter auch zu prüfen, ob der als Inhaber einer Firma in das Handelsregister Eingetragene der wirkliche Firmeninhaber ist. Wenn er in dieser Hinsicht aus besonderen Gründen Zweifel hegt, z. B. bei An­ meldung einer Firmenänderung, so steht ihm das Recht zu, diesem Zweifel nachzugehen (KG. in RIA. 13, 230). 8) der Form der Anmeldung (§ 12), der Gesetzlichkeit und Vollständigkeit der Urkunden. b) Fraglich ist aber, ob er auch die Wahrheit der abgegebenen Erklärungen zn prüfen Anm. 8. hat (vgl. hierzu auch § 273 Anm. 21 f.). Hierbei kann es sich handeln: a) um die Erklärungen, welche die Parteien bei den Rechtsverhältnissen abgeben, bei denen die Eintragung zur Begründung der Rechtswirksamkeit gehört; ß) um sonstige Erklärungen, die nur rechtsbekundende Kraft haben oder die der Anmel­ dung als Beilage beizufügen sind (so bei der AG. die Versicherung, daß der vierte Teil des bar eingeforderten Betrags eingezahlt ist, § 195 Abs. 3). Die Strafsenate des RG. nehmen in Übereinstimmung mit einer unter der Herrschaft Anm. 9. des alten HGB. ergangenen Zivilentscheidung (RG. 1, 243) an, das Register beurkunde nur die Erklärungen der Parteien, nicht das Rechtsverhältnis selbst, das Register bezeuge nur, daß die Parteien die betreffenden Erklärungen abgegeben haben, nicht, daß das von ihnen Erklärte wahr sei (RGSt. 18, 180; GoltdA. 51, 187; vgl. hierzu Herbert Meyer in ZHR. 81, 411). Wäre das richtig, so ginge den Registerrichter die Wahrheit der Erklärungen nichts an. Zu a). Sicherlich trifft dies nicht zu bei den Rechtsverhältnissen, bei denen die Ein- Anm. 9a. tragung zur Begründung der Rechtswirksamkeit gehört (Anm. 13ff.), so bei der Eintragung der AG., die ja erst durch die Eintragung entsteht (§ 200). Hier kann das Gericht nicht an die Erklärungen der Parteien gebunden sein. Denn diesen darf nicht freistehen, mittels der Eintragung nach ihrem Belieben Rechtsverhältnisse entstehen zu lassen, denen das Gesetz nur unter bestimmten Voraussetzungen nüt Hilfe der Eintragung Wirksamkeit verleihen will, richtiger: den Schein des Entstehens solcher Rechtsverhältnisse mit Hilfe des Registers zu erwecken. Auch ist zu erwägen, daß der Registerrichter die Eintragung von Amts wegen zu löschen hat, wenn sie wegen Mangels einer wesentlichen Voraussetzung unzulässig war (§ 142 FGG.; s. oben Anm. 6a). Damit gibt das Gesetz deutlich zu erkennen, daß es das Register möglichst von unrichtigen Eintragungen frei haben will. Dadurch er­ wächst dem Registergericht allerdings nicht gerade die Verpflichtung, in allen Fällen durch Beweisaufnahme die Wahrheit der abgegebenen Erklärungen festzustellen. In dieser Weise dürfte § 12 FGG. nicht auszulegen sein („das Gericht hat von Amts wegen die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittelungen anzustellen"). Das Gericht kann vielmehr, wenn es kein Bedenken gegen die Zuverlässigkeit der abgegebenen Erklärungen hat, wenn sie ihm glaubhaft erscheinen, ihnen Glauben schenken und die Eintragung be­ wirken. Aber es hat jedenfalls das Recht, die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen

94

II. Abschnitt: Handelsregister.

Anhang Ermittelungen anzustellen und insbesondere von den Parteien die ihm erforderlich crschei« z« 8 8. nenden Nachweise für die Richtigkeit der von ihnen abgegebenen Erklärungen zu verlangen.

Und es hat auch die Pflicht dazu, wenn es irgendwelche Veranlassung hat, den Partei­ erklärungen nicht ohne weiteres zu glauben (s. auch § 2 Anm. 18). Vgl. hierzu Ehrend ergHandb. 1, 565ff.; Herbert Meyer in ZHR. 81, 416; OLG. Karlsruhe in JFG. 1924, 182 und KG. ebenda 202; Lehmann-Hoeniger § 28; Müller-Erzbach 81. Anm. 10. Zu ß). Aber das gleiche gilt auch bei den übrigen Erklärungen, die nur rechts­ bekundende (deklaratorische) Kraft haben (Anm. 12). Hier war schon für das frühere HGB. angenommen worden, daß der Registerrichter, wenn er Kenntnis von der Unrich­ tigkeit der angemeldeten Tatsache hat, z. B. daß sie nur zu Simulationszwecken erfolgt, um etwa einen Strohmann als Inhaber vorzuschieben (vgl. RG. 3, 121; 37, 61), die Ein­ tragung zu versagen berechtigt und verpflichtet ist; denn es widerspreche dem Wesen einer amtlichen Beurkundung, daß sie wissentlich eine falsche Tatsache mit ihrem Ansehen decke (Schultze-Görlitz, Führung des Handelsregisters, 1893, S. 6; übereinst. OLG. Kolmar in OLGR. 8, 378). Aber man wird darüber hinaus jetzt annehmen müssen, daß der Richter nicht nur dann, wenn er die Unwahrheit der abgegebenen Erklärungen kennt, sondern stets das Recht hat, die Eintragung von der Ermittelung der Wahrheit abhängig zu machen. Der Registerrichter ist kein willenloses Werkzeug der Anmeldenden und soll es auch nicht sein. Er kann zwar auch hier die Eintragung sofort bewirken, wenn er gegen die Zuverlässigkeit der Anmeldung kein Bedenken hat. Er kann und muß aber, wenn er Verdachtsgründe gegen die Richtigkeit der Erklärungen hat, die Eintragung von der Ermittelung der Wahrheit ab­ hängig machen (vgl. Cohn in IW. 1925, 268). Auch hier sind obige Gründe (Anm. 9a) maßgebend (KG. in RIA. 6, 185). Anm. 11. Zu a) und ß). Hierzu kommt die rechtliche Bedeutung, die den Eintragungen allent­ halben beigelegt wird. Nicht nur die Anschauung der Rechtsuchenden sieht in der Ein­ tragung den Ausspruch des Gerichts, daß die Sache in Ordnung ist, auch die Gerichte sind von dieser Anschauung beherrscht. Denn nach der Praxis hat die Eintragung in das Handelsregister die Vermutung der Gesetzmäßigkeit des Eintrags für sich (RG. 41, 22). Das KG. (in OLGR. 9, 248 und 14, 159) geht mit Recht noch einen Schritt weiter und nimmt an, die Eintragung erzeuge die Vermutung, daß ihr Inhalt tatsächlich richtig sei, das Register mit der Wirklichkeit übereinstimme (vgl. Anm. 16; gegen diese Folgerung Herbert Meyer in ZHR. 81, 404). Die Eintragung der Firma hat sogar in vielen Fällen noch stärkere Bedeutung (s. Anm. 13ff.); so hat sie nach § 5 rcchtserzeugende Wirkung in­ sofern, als der, dessen Firma eingetragen ist, für die Dauer der Eintragung im Rahmen der dort dargelegten Bestimmungen in zivilrechtlicher Hinsicht als Kaufmann gilt. Hat aber der Inhalt des Registers diese Wirkung, so muß man dem Richter das Recht geben, nur solche Erklärungen einzutragen, von deren Richtigkeit er selbst überzeugt ist (s. auch Rudorfs bei Gruch. 41, 71; EhrenbergHandb. 1, 565ff.). Tas gilt insbesondere auch für die Ein­ tragung eines Gewerbetreibenden, der auf Grund des § 1 Vollkaufmann zu sein behauptet. Die Anmeldung bedeutet, er betreibe ein Vollhandelsgewerbe und sei Vollkaufmann (§ 29 Anm. 9). Diese Eintragung kann der Registerrichter abhängig machen von der Ermittelung der Tatsachen, welche die Vollkaufmannseigenschaft begründen, wenn er von der Richtig­ keit der Anmeldung nicht ohne weiteres überzeugt ist. (Über das gleiche Prüsungsrecht des Richters im Falle des § 2 vgl. dort Anm. 18.) Die D. (27) macht die Einschränkung, der Registerrichter werde sich im allgemeinen mit den Erklärungen der Parteien begnügen müssen und habe nur nachzuforschen, wenn sich besondere Zweifel und Umstände ergeben. Mit Recht (anders frühere bis einschl. 8. Aufl.). Im regelmäßigen Geschäftsgang nämlich wird eine besondere Nachprüfung der angemeldeten Tatsachen (z. B. durch Einforderung von Unterlagen, durch Ermittelungen nach § 12 FGG., etwa Befragung von Zeugen oder Sachverständigen, oder durch Befragung von Organen des Handelsstandes, s. § 14 Anm. 15) meist entbehrlich sein; zu einer solchen wird der Registerrichter in der Regel nur dann verschreiten, wenn gegen die von den Beteiligten gemachten Angaben Bedenken vorliegen;

II. Abschnitt: Handelsregister.

95

sonst wird er die Erklärungen der Anmeldenden als wahr annehmen. Das richterliche Prü- Anhang fungsrecht darf nicht überspannt werden und auch bei Eintragungen von rechtserzeugender zu § 8.

Bedeutung nicht dazu führen, den Anmeldenden Nachweise aufzuerlegen, die über das un­ bedingt notwendige und den Umständen nach billigerweise einzuhaltende Maß hinausgehen (KG. in KGJ. 39 A 122). Mit Recht sagt Hachenburg in DIZ. 1925, 235: Wir leiden ohne­ dies unter einer zu starken Fürsorge von Amts wegen auf dem Gebiete der Handelsregister­ einträge. Dagegen wird man dem Registerrichter unter keinen Umständen zumuten dürfen, daß er angemeldete Tatsachen, deren Unwahrheit ihm bekannt ist, oder nicht bestehende Rechtsverhältnisse in das Handelsregister einträgt und so wissentlich zur Täuschung des Publikums mitwirkt (KG. in RIA. 11, 196; vgl. auch OLG. Karlsruhe ebenda 13, 116; Josef in Holdheim 1917, 32; Cohn in IW. 1925, 268). Andererseits liegt aber auch hier die Grenze der richterlichen Prüfungstätigkeit: Ihr Zweck ist, die Eintragung un­ wahrer Tatsachen oder tatsächlich nicht bestehender Rechtsverhältnisse zu verhüten. Danach liegt es außerhalb der Zuständigkeit des Registerrichters, auch in eine Prüfung in der Rich­ tung einzutreten, ob etwa durch die Eintragung an sich wahrer Tatsachen und bestehender Rechtsverhältnisse die Rechtslage Dritter gefährdet werden kann (ausführlich hierzu OLG. Karlsruhe in RIA. 12, 43). Die Möglichkeit einer Anfechtung durch Dritte (z. B. auf Grund des Anfechtungsgesetzes) kann und darf dem Registerrichter nicht als Grund für die Ableh­ nung einer Eintragung dienen; in derartigen Fälle,: nmß es vielmehr den Beteiligten über­ lassen bleiben, den Prozeßrichter anzurufen (KG. in RIA. 6, 185; Makower § 12 Nr. VI; Lehmann-Ring § 12 Nr. 7ff.; DürHach. § 14 Anm. 10; Lehmann-Hoeniger § 28). Das nämliche gilt, wenn dritte Personen ein privatrechtliches Untersagungsrecht geltend machen (§ 30 Anm. 6 a. E.). In gleicher Weise hat der Registerrichter zu verfahren, wenn er den Verdacht hat, daß eine zur Eintragung angemeldete Firma dazu bestimmt sein soll, unlauterem Wettbewerb zu dienen oder einen Warenzeichenschutz zu verletzen. Diese Gebiete zu berück­ sichtigen, gehört nicht zu seinen Ausgaben, er kann aus Gründen dieser Art die Eintragung nicht ablehnen, muß es vielmehr dem Beeinträchtigten überlassen, sein Recht im Prozeßwege zu verfolgen (BayObLG. in BayZ. 07, 474 und im „Recht" 09 Nr. 1395; KG. in KGJ. 33 A 130; in RIA. 11, 114 und 17, 86; in OLGR. 42, 220; vgl. auch § 30 Anm. 1 und § 37 Anm. 26). Dagegen hat der Registerrichter die Eintragung täuschender Zusätze im Sinne von § 18 Abs. 2 abzulehnen; insoweit liegt ihm also eine Prüfungspflicht ob; s. hierüber § 18 Anm. 10 ff. — Über das Prüfungsrecht des Registerrichters bei Anmeldung einer AG. zur Eintragung s. § 198 Anm. 6ff.; über die Stellung des Registerrichters zu Beschlüssen der Generalversammlung § 273 Anm. 21 f.; über sein Prüfungsrecht bei Änderung des Ge­ sellschaftsvertrags einer GmbH. s. KG. in OLGR. 21, 50; über sein Verhalten beim Auf­ tauchen streitiger Fragen KG. ebenda 53. Über die Bedeutung prozeßgerichtlicher Ent­ scheidungen für das Registergericht s. einerseits § 16 und Erl. dazu, andererseits Ehren­ berg in JheringsJ. 61, 423ff.; bes. 442ff. und in seinem Handb. 1, 577ff.; Joses in Hold­ heim 22, 179 und in ZBlFG. 15, 544; Kuttner, Urteilswirkungen außerhalb des Zivilprozesses, 1914, S. 100ff.; Lehmann in ZHR. 75, 524; Marcus in DIZ. 1913, 1069. Über das Prüfungsrecht des Registerrichters der Zweigniederlassung s. § 13 Anm. 8 und für AG. § 201 Anm. 13. 5. Die zivilrechtliche Bedeutung und Wirkung der Eintragungen. Die Eintragung hat Anm. 12.

verschiedene Bedeutungen (vgl. Ehrenberg in JheringsJ. 47, 274ff.; Hueck in ArchBürgR43, 432ff.): a) Oft hat sie lediglich rechtSbekundende (deklaratorische) Bedeutung, d. h. die Be­ deutung der öffentlichen Verlautbarung einer auch anderweit beweis­ baren und wirkenden Tatsache. Sv ist z. B. die Kaufmannseigenschaft im Falle des § 1 nicht von der Eintragung abhängig. Die o.HG. besteht auch ohne Eintragung (§ 123). Der Vorstand einer AG. wird auch ohne Eintragung gültig bestellt (§ 234 Anm. 8). In diesen Fällen äußert sich die Hauptwirkung der Eintragung erst, sobald sie ordnungsmäßig bekanntgemacht ist. Erst Eintragung und Bekanntmachung zusammen

96 Anhang ZU § 8.

II. Abschnitt: Handelsregister.

verleihen dem Rechtsverhältnisse die öffentliche Wirkung, die sog. Publizität, deren Wirkungen dahin gehen, daß man den Inhalt des Registers jedem Dritten entgegen­

halten kann, und daß umgekehrt jeder gutgläubige Dritte sich darauf berufen kann (§ 15). In einem Falle hat die Eintragung beurkundende Bedeutung ohne Bekanntmachung; das ist der Fall der Eintragung der Konkurseröffnung (§ 32). Anm. 13. b) Oft aber hat die Eintragung auch rechtserzeugende (konstitutive) Bedeutung. Zwar nicht in dem Sinne, als ob die Eintragung allein die Kraft hätte, das Rechtsverhältnis zu erzeugen, wohl aber in dem Sinne, daß die Eintragung eine der rechtserzeugenden Tatsachen, oft deren letzte, ist. Diese Wirkung hat die Eintragung im Falle des § 2: die Eintragung der Firma ist eine der Bedingungen der Kaufmannseigenschast in jenem Falle; ferner im Falle des § 3 Abs. 2 (landwirtschaftliches Nebengewerbe); ferner auch im Falle des § 5: die zu Unrecht erfolgte Eintragung der Firma hat insofern rechts­ erzeugende Kraft, als der, dessen Firma eingetragen ist, für die Dauer der Eintragung in privatrechtlicher Hinsicht in dem bei § 5 dargelegten Umfange als Vollkaufmann gilt; ferner in den Fällen des § 200 (die AG. entsteht erst durch die Eintragung), des § 277 Abs. 3 (die Beschlüsse der Generalversammlung auf Abänderung des Gesellschaftsvertrags erlangen erst durch Eintragung Rechtswirksamkeit), der §§ 11 u. 55 GmbHG. In diesen Fällen hat die Eintragung auch rechtserzeugende Kraft, wie wir mit Vor­ bedacht gesagt haben (s. auch DürHach. Vordem, vor § 8 Anm. 4). Denn sie hat in diesen Fällen außerdem die zu a erwähnte Bedeutung der öffentlichen Verlautbarung (in Verbindung mit der Bekanntmachung): Wer auf Grund des § 5 als Kaufmann gilt, kann dies dem Dritten doch nur entgegenhalten, wenn der Eintragung die Veröffentlichung gefolgt ist (§ 5 Anm. 6; zust. Lehmann-Ring § 5 Nr. 2; DürHach. § 15 Anm. 12). Eine AG. entsteht allerdings durch die Eintragung; aber daß eine Gesellschaft eine AG. ist, kann gegebenenfalls dem Dritten nur entgegengehalten werden, wenn die Eintragung auch bekanntgemacht ist. Vgl. auch § 15 Anm. 5 und Zit­ satz 2 und 3 zu § 277. Anm. 14.

Zu dieser Gruppe der rechtserzeugendeu Eintragungen können auch Eintragungen gehören, die auf einer mit der Sachlage nicht übereinstimmenden Anmel­ dung beruhen. Eine unrichtige, der Sachlage widersprechende Eintragung ist zwar der Regel nach wirkungslos. Wenn z. B. jemand als Vorstand einer AG. eingetragen ist, der tatsächlich als solcher gar nicht gewählt ist, so ist er nicht Vorstand (§ 234 Anm. 8). Aber nicht immer ist die unrichtige Eintragung wirkungslos. Vielmehr haben Eintra­ gungen dieser Art die Wirkung, daß der Amneldende und die Eintragung Veranlassende an dieser Erklärung von dem festgehalten werden kann, der im Vertrauen auf eine solche Eintragung gehandelt hat (vgl. § 116 BGB.: „Eine Erklärung ist nicht deshalb nichtig, weil der Erklärende sich insgeheim vorbehält, das Erklärte nicht zu wollen"; ROHG. 3, 412; 24, 320; auch RG. 40, 146; 50, 431; OLG. Dresden in OLGR. 4, 203; s. auch Anhang zu § 5 Anm. 1). So muß die Gesellschaft in jenem Falle die von ihren legiti­ mierten Organen unrichtigerweise als Vorstand angemeldete Person als solchen gegen sich gelten lassen (vgl. § 272 Anm. 2). Ein anderer Fall dieser Art liegt vor, wenn je­

mand, ohne überhaupt ein Gewerbe zu betreiben, z. B. nachdem er es aufgegeben hat, auf seinen Antrag eingetragen wird. Er gilt dann als Vollkaufmann (Anhang zu 8 5 Anm. 1). — Uber unrichtige Eintragungen anderer Art s. § 15 Einleitung und § 5 Anm. 2 a. Über Rechtsbehelfe gegen unrichtige Eintragungen Anm. 6 a. Anm. 15. c) Oft hat die Eintragung noch andere Bedeutung: so in den Fällen der §§ 26 Abs. 2 und 159 Abs. 2 (Beginn der Verjährung); § 287 (Voraussetzung für die Ausgabe von Aktien bei Erhöhung des Grundkapitals). Anm. 16. d) In allen Fällen aber hat die Eintragung die Bedeutung einer Vermutung für die

Richtigkeit der eingetragenen Tatsache (vgl. Anm. 8—12, bes. Anm. 11). Im wesent­ lichen gleicher Meinung Lehmann-Ring § 15 Nr. 4 und Brand § 8 Anm. 7. A. M. Ehrenberg in JheringsJ. 47, 296 und in seinem Handb. 1, 621; DürHach. Vorbem. vor

TI. Abschnitt: Handelsregister.

97

§ 8 Sinnt. 4; LehmannLehrb. § 30; Lehmann-Hoeniger § 2816. Diese wollen (mitAnhang RG. 41, 22) der Eintragung höchstens eine Vermutung für die Gesetzmäßigkeit der Ein-zu § 8. tragung selbst geben; EhrenbergHandb. 1, 622 spricht von einem „Rechtsschein, aber nur von schwacher Wirkung"; vgl. auch ebenda S. 657. — Die Vermutung wird nicht nur in den Fällen wichtig, in denen die Eintragung die Bedeutung der öffentlichen Ver­ lautbarung (Anm. 12) hat, sondern auch dort, wo sie rechtserzeugende Kraft (Sinnt. 13ff«) hat. Die AG. z. B. entsteht durch die Eintragung, aber nur, wenn der Gesellschaftsver­ trag die wesentlichen Erfordernisse enthält (§ 309). Daß dies indes der Fal, braucht von der eingetragenen Gesellschaft nicht bewiesen zu werden. Vielmehr begründet die Ein­ tragung die Vermutung dafür. Soll geltend gemacht werden, daß jemand Kaufmann ist, so braucht man sich nur auf die Eintragung der Firma zu berufen; demgegenüber liegt dem anderen Teile der Gegenbeweis ob, daß der Eingetragene ein Handelsgewerbe weder nach § 1 noch nach § 2 oder § 3 Abs. 2 betreibt. (Daß ihn zufolge des § 5 dieser Gegenbeweis nicht zum Ziele führt, solange der Eingetragene ein Gewerbe betreibt, liegt auf anderem Gebiete; hierüber s. Erl. zu § 5, insbes. Anm. 7 dort, und Anhang zu § 5.) Diese Vermutung hat darin ihren Grund, daß davon ausgegangen wird, derAnm. 17. Registerrichter trage nur ein, wenn er selbst überzeugt ist, daß die an­ gemeldeten Tatsachen richtig sind (Sinnt. 7—11). Das Register liefert zufolge dieser Prüfungspflicht des Registerrichters dafür Beweis, daß er gegen die Richtigkeit der angemeldeten Tatsachen kein Bedenken gehabt hat, und dadurch eine Vermutung für die angemeldeten Tatsachen selbst. So schöpft die Eintragung aus ihrer materiellen Bedeutung, der unter der Amtsstellung des prüfenden Richters geschehenen Verlaut­ barung der Erklärungen, die prozessuale Beweiskraft einer Vermutung für die Richtigkeit der abgegebenen Erklärungen (a. M. Herbert Meyer in ZHR. 81, 404 u. 410). Dagegen kann man nicht so weit gehen, den Inhalt des Registers oder gar die Wahrheit der darin beurkundeten Erklärungen für die Prozeßgerichte als notorisch zu bezeichnen. Denn das Register ist für das Publikum, nicht für die Prozeßgerichte bestimmt (RG. 13, 371). e) Ob man wegen der zu a—d (Sinnt. 12—17) dargelegten Bedeutung und Wirkung der Anm. 18. Eintragungen von einem öffentlichen Glauben, den sie genießen, sprechen soll, kann dahingestellt bleiben. Wir haben das Schlagwort vermieden, um lieber die Einzelwirkungen darzulegen und um einer Gleichstellung mit dem öffentlichen Glauben der Grundbucheintragungen wegen der bestehenden Verschiedenheiten vorzubeugen. Vgl. hierzu DürHach. § 15 Sinnt. 15 und EhrenbergHandb. 1, 644.

6.

Mit einem Worte soll auch die strafrechtliche Frage gestreift werden, ob in der bewußt Anm. 19. unrichtigen Anmeldung eine intellektuelle Urkundenfälschung vorliegt. Die Frage wird vom RG. verneint (RGSt. 18, 179; GoltdA. 51, 187), weil das Register nur die Abgabe der Erklärung, nicht die Wahrheit der erklärten Tatsachen beweise.

§ 9.

§ 9.

Die Einsicht des Handelsregisters sowie der zum Handelsregister ein­ gereichten Schriftstücke ist jedem gestattet. Von den Eintragungen kann eine Abschrift gefordert werden; das gleiche gilt in Ansehung der zum Handelsregister eingereichten Schriftstücke, sofern ein berechtigtes Interesse glaubhaft gemacht wird. Die Abschrift ist auf ver­ langen zu beglaubigen. Das Gericht hat auf verlangen eine Bescheinigung darüber zu erteilen, daß bezüglich des Gegenstandes einer (Eintragung weitere Eintragungen nicht vorhanden sind oder daß eine bestimmte Eintragung nicht erfolgt ist. Staub, HGB., 12. u. t'..Aufl.

Bv. I.

(Boudi.)

7

98

II. Abschnitt: Handelsregister.

§ #♦ § 9 regelt die Öffentlichkeit deS Handelsregisters. Er enthält sich zwar des Satzes: Einleitung, das Handelsregister ist öffentlich, aber nur deshalb, weil er diesen Satz für überflüssig hält. Er begnügt sich mit der Angabe dreier Wirkungen der Öffentlichkeit. Die §§ 9—11 HGB. finden aus das Genossenschaftsregister Anwendung (§ 156 GenG.). Die der Öffentlichkeit gegebenen Rechte in bezug auf daS Handelsregister find dreifache: Anm. 1. l.DaS Recht auf Einsicht. Es steht jedermann ohne den Nachweis eines Interesses zu und geht somit weiter als § 34 FGG. — Es bezieht sich auf das Handelsregister und die zum Handelsregister eingereichten Schriftstücke. Damit sind gemeint die Anmeldungen zur Eintragung, auch wenn sie zu gerichtlichem Protokoll erklärt sind (KG. in RIA. 2, 70); die Firmenzeichnungen; die Urkunden, die den Anmeldungen beizufügen sind; die Belege und Unterlagen der Eintragungen; ferner die nach einzelnen Vorschriften des Aktienrechts „einzureichenden Urkunden", z. B. nach §§ 207 Abs. 4, 267 Abs. 2, 259 Abs. 5. Dagegen gilt dies nicht von den Urkunden, die an das Handels­ gericht bei Ausübung der ihm nach einigen Vorschriften zugestandenen rechtsprechenden Tätigkeit (Anhang zu § 8 Anm. 4) gelangen. Diese sind nicht für die Öffentlichkeit be­ stimmt, sind weder zur Prüfung der Rechtsgültigkeit der Eintragungen unentbehrlich, noch geben sie über die eingetragenen, für Dritte erheblichen Tatsachen Auskunft (es sei hier verwiesen auf §§ 146 Abs. 2, 147, 295 Abs. 2, 254; ferner auf die Schriftstücke, die im Ordnungsstrafverfahren ergehen, und endlich den sonstigen Schriftenwechsel des Ge­ richts). — Die Einsicht steht in den Tiensträumen offen. Ebenso nur in den Dienst­ stunden. Während der Dienststunden ist aber die Einsicht stets zulässig. Ob dafür Ge­ bühren zu bezahlen sind, richtet sich nach Landesrecht. In Preußen ist dies nicht der Fall (preuß. GKG. § 73 Nr. 1). Anm. 2. 2. DaS Recht auf Abfchristerteilung. Von den Eintragungen kann jedermann Abschrift verlangen ohne den Nachweis eines Interesses. Bonden eingereichten Schriftstücken (Anm. 1) kann nur Abschrift verlangen, wer ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht. Ein solches ist z. B. für einen Aktionär, der Abschriften aus den zum Handelsregister ein­ gereichten Urkunden der AG. (Anm. 1) haben will, zu bejahen (KG. in RIA. 16, 98). Auf Verlangen muß die Abschrift beglaubigt werden (über die Form für Preußen vgl. Art. 31, 35, 57 PrFGG.). Selbstverständlich kann die Abschrift nicht kostenfrei ver­ langt werden (D. 25; KG. in OLGR. 10, 325). Wer hiernach zum Verlangen einer Abschrift nicht berechtigt ist, darf sich doch selbst Auszüge und Abschriften anfertigen. Daneben aber gilt die Vorschrift des § 34 FGG-, wonach unter der Voraussetzung eines glaubhaft gemachten berechtigten Interesses einfache oder beglaubigte Abschriften aus den Gerichtsakten, also auch von Verfügungen, Vorladungen usw., jedem er­ teilt werden können. Gegen die Versagung ist Beschwerde zulässig (KG. in OLGR. 2, 396 und in RIA. 16, 98). Anm. 3. 3. DaS Recht auf Bescheinigungen steht gleichfalls jedem zu ohne den Nachweis eines Interesses. Es können aber nur (ebenso § 162 FGG.) Zeugnisse über das Nichtbestehen von Eintragungen verlangt werden, nicht Zeugnisse über den Inhalt einer Eintragung. Dazu sind die Abschriften da. Aus § 33 GBO.: „Der Nachweis, daß der Vorstand einer Aktiengesellschaft aus den im Handelsregister eingetragenen Personen besteht, wird durch ein Zeugnis des Gerichts über die Eintragung geführt. Das gleiche gilt von dem Nachweise der Befugnis zur Vertretung einer offenen Handels­ gesellschaft, einer Kommanditgesellschaft, einer Kommanditgesellschaft auf Attien oder einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung."

geht jedoch hervor, daß zu Grundbuchzwecken auch Eintragungszeugnisse aber nur in den laut § 33 GBO. bestimmten Fällen (Näheres Turnau Vorschrift darf nicht (ebenso Brand Anm. 6; a. M. Lehmann-Ring Anm. Anm. 5) auf ähnliche Fälle ausgedehnt werden. Denn man hat mit

zu erteilen sind, zu § 33). Diese 3 und DürHach. Vorbedacht ein

II. Abschnitt: Handelsregister.

99

Recht nur auf Negativbescheinigungen geben wollen und die sog. Positivzeugnisse neben § 9. den Abschriften grundsätzlich für entbehrlich gehalten (D. 26). Der Registerrichter ge­ nügt seiner Bescheinigungspflicht, wenn er in amtlicher Form den wörtlichen Inhalt des Handelsregisters bezeugt. Eine Bescheinigung über den Inhalt einer erfolgten Ein­ tragung, z. B., daß an einem bestimmten Tage der Direktor X als alleiniger Vor­ stand der Gesellschaft Y im Handelsregister eingetragen war, braucht er nicht zu geben (KG. in RIA. 1, 150). Gibt aber ein Registergericht derartige Positivbescheinigungen, und sie sind tatsächlich in allgemeiner Übung, so sind sie selbstredend gültig. Nach § 107 FGG. findet übrigens § 33 GBO. auf die Eintragung in das Schiffsregister entsprechende Anwendung. — Die Tauer der Beweiskraft der Zeugnisse ist nicht ohne weiteres auf die Zeit ihrer Erteilung beschränkt, erstreckt sich vielmehr im Zweifel auch auf die nächste Zeit nach derselben (OLG. Kolmar in OLGR. 8, 313). — Ist das Grundbuchamt zu­ gleich das Registergericht, so genügt statt des Zeugnisses die Bezugnahme auf das Register (§ 35 GBO.). Auch außerhalb des Grundbuchverkehrs sind aber die Abteilungen des AG. verpflichtet, Einsicht in das bei demselben Gericht geführte Handelsregister zwecks Prüfung der Legitimation von Parteien zu nehmen (LG. I Berlin in KGBl. 1910, 4).

4 Zur AuSkunftSerteilung find die Registergerichte nicht verpflichtet, am allerwenigsten Anm. 4. zu einer Auskunft darüber, ob einer beabsichtigten Anmeldung Bedenken entgegenstehen. Dennoch werden solche Anfragen im Interesse des Rechtsverkehrs, zur Vermeidung un­ gültiger Rechtsakte, häufig gestellt und beantwortet. Die Auskünfte solcher Art dienen einer glatten Geschäftserledigung und sind daher sehr zu empfehlen. Sie sind aber un­ verbindliche Rechtsbelehrungen des derzeitigen Registerrichters (KGJ. 11, 29), daher ist Beschwerde gegen sie nicht zulässig (KG. im „Recht" 00, 175, und 06, 1085). Aber es können außerhalb des § 9 noch andere, auf besondere Gesetzesbestimmungen gegründete weitergehende Rechte für bestimmte Personen oder Behörden bestehen, eine Auskunft über den Inhalt des Handelsregisters zu verlangen. Als solche besondere Be­ stimmung kommt z. B. die des § 144 GUVersG. in Betracht (KG. in RIA. 4, 100).

Zusatz 1. Versendung der Registerakten zum Zwecke der Rechtshilfe ist allerdings.Anm. 5. nicht verboten, sollte aber grundsätzlich vermieden werden. Hier sollte man sich mit Ein­ forderung beglaubigter Abschriften und Einholung von Auskünften behelfen, damit das Register nebst dazugehörigen Akten stets zur Stelle ist und seinem Zweck als öffentliches Register dienen kann.

Zusatz 2. Soweit ausländische Registerbescheinigungen nach deutschem Gesetz er-Anm. 6. forderlich sind, müssen sie, wenn in dem betreffenden Lande ein Register geführt wird, von der Registerbehörde ausgestellt sein; es genügt in diesem Falle nicht die Bescheinigung eines Notars über den Registerinhalt (KGJ. 16, 27).

§ 10.

§ 10.

Das Gericht hat die Eintragungen in das Handelsregister durch den Deutschen Reichsanzeiger und durch mindestens ein anderes Blatt besannt» zunrachen. Soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt, werden die Ein­ tragungen ihrem ganzen Inhalte nach veröffentlicht. Mit dem Ablaufe des Tages, an welchem das letzte der die Bekannt­ machung enthaltenden Blätter erschienen ist, gilt die Bekanntmachung als erfolgt. Der Paragraph ordnet die Bekanntmachung der Eintragungen an. Er entspringt Einleitung, der Absicht, daß jedermann auch ohne Abschrift und ohne Einsichtnahme von dem Inhalte des Handelsregisters Kenntnis erhalte. Freilich ist damit wirkliche Kenntnis nicht gewähr­ leistet.

100 § 10.

II. Abschnitt: Handelsregister.

Tie V. vom 14. Febr. 1924 (RGBl. I 119) hat eine Einschränkung der öffent­

lichen Bekanntmachungen gebracht, die an den zuständigen Stellen behandelt wird (insbes. die §§ 5, 6 u. 7 der V. bei den betreffenden aktienrechtlichen Vorschriften, § 8 der B. in der Einl. zu § 15, § 9 der V. in Anm. 4 zu § 11). Hier soll nur § 4 dieser V. be­ handelt werden, der indessen durch die V- vom 20. Juni 1925 wieder aufgehoben worden ist (ebenso die §§ 1, 3, 5 und 8 der V.). Ter fragliche § 4 hat noch immer rechtliche Bedeutung, weil er für Eintragungen und Bekanntmachungen aus der Zwischenzeit zwischen dem Inkrafttreten der V. vom 14. Febr. 1924 und dem der B. vom 20. Juni 1925 dauernd Anwendung findet, namentlich auch im Hinblick auf § 15 HGB. Wir müssen uns deshalb mit ihm beschäftigen. Er lautet: Eintragungen, die int Handelsregister sowohl der Hauptniederlassung als auch der Zweig­ niederlassung des Unternehmens erfolgen, sind durch das Gericht der Hauptniederlassung bekannt­ zumachen. Eine Bekanntmachung durch das Gericht der Zweigniederlassung findet nur auf Antrag des Unternehmers statt. Bei Aktiengesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haf­ tung, Kolonialgesellschaften und Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit ist der Antrag durch den Vorstand, bei Kommanditgesellschaften auf Aktien durch die persönlich haftenden Gesell­ schafter zu stellen. Eintragungen im Handelsregister einer Zweigniederlassung, die zu veröffentlichen find, sind von Amts wegen dem Registergerichte der Hauptniederlassung mitzuteilen. Dieses erläßt die Bekanntmachung, sobald ihm die Mitteilungen über die Eintragungen im Handelsregister der Zweigniederlassungen von den Registergerichten sämtlicher Zweigniederlassungen zugegangen sind und die Eintragung im Handelsregister der Hauptniederlassung bewirkt ist. Bei der Be­ kanntmachung ist auf den Ort unb das Registergericht der einzelnen Zweigniederlassungen Bezug zu nehmen. Das Registergericht der Zweigniederlassung ist bei der Veröffentlichung im Reichsanzeiger in der alphabetischen Reihenfolge der Registergerichte unter Hinweis auf die Veröffentlichung des Registergerichts der Hauptniederlassung aufzuführeu. Tie Vorschrift des § 15 Abs. 3 HGB. gilt nur für Eintragungen, die ausschließlich im Handelsregister der Zweigniederlassung erfolgen. Bei Eintragungen, die im Handelsregister sowohl der Hauptniederlassung als auch der Zweigniederlassung erfolgen, ist für den Geschäfts­ verkehr mit einer in das Handelsregister eingetragenen Zweigniederlassung die Eintragung und Bekanntmachung durch das Gericht der Hauptniederlassung entscheidend.

Über die Eintragungen im Handelsregister der Zweigniederlassung s. § 13 Anm. 8 ff. Tie Bekanntmachung dieser Eintragungen, soweit sie auch im Handelsregister der Haupt­ niederlassung erfolgt sind, war durch die vorstehenden Bestimmungen dem Gerichte der Zweigniederlassung abgenommen und dem Gerichte der Hauptniederlassung übertragen worden. Eine wirkliche Vereinfachung bedeutete dies nur bei Vorhandensein einer Mehr­ heit von Zweigniederlassungen. Allein im Interesse der Verkehrssicherheit (§ 15 Einl.) war der Grundsatz einheitlich durchgeführt worden. Zur Begründung und Auslegung s. KG. im „Recht" 1924 Rsprbeil. Nr. 1528 (dort auch über Bekanntmachungen während der Übergangszeit). Weiteres in Anm. 13 zu § 15. Das Verfahren nach dem vorstehend abgedruckten § 4 der V. vom 14. Febr. 1924 hat sich in der Praxis nicht als zweckmäßig erwiesen. Daher die Wiederaufhebung der Be­ stimmung. Anm. 1. 1. Watz ist bekanntzumachen? „Die Eintragung in das Handelsregister." Was nicht ein­ getragen wird, ist also nicht bekanntzumachen (Ausnahme im § 33 des PrivVUntG.). Also nicht bekanntzumachen sind der Geschäftszweig, wenn er nicht ein Bestandteil der Firma ist, der Geschäftsraum, die Wohnung des Geschäftsinhabers. Doch ist damit nur gesagt, daß die Bekanntmachung sich zulässigerweise auf die Eintragung beschränken kann. Es kann aber nicht für unzulässig gehalten werden, auch sonstige Angaben bekanntzu­ machen, die den Verkehrsbedürfnissen entsprechen (D. 43). So gestattet die preuß. Vf. vom 12. Juni 00 (JMBl. 439) die Bekanntmachung des Geschäftszweiges, sofern nicht im Einzelfalle Bedenken entgegenstehen. Dagegen ist eine Veröffentlichung der Spalten­ überschriften des Registers, der Unterschrift des Gerichtsschreibers und anderer über-

II. Abschnitt: Handelsregister.

101

flüssiger Tinge nicht erforderlich (preuß. Allg. Vf. vom 7. Nov. 99 § 12, IM Bl. 313). — § 10. Die Eintragung aber muß jedenfalls genau bekanntgemacht werden (Ausnahme im § 32; s. unten Anm. 3). Bei Widersprüchen zwischen Eintragung und Veröffentlichung nimmt Behrend (§ 38 Anm. 18) mit Recht an, daß eine gehörige Veröffentlichung überhaupt nicht vorliegt (ebenso DürHach. Anm. 2). Richtige Eintragung bei un­ richtiger Bekanntmachung, ebenso unrichtige Eintragung bei richtiger Bekanntmachung sind wirkungslos. Indessen muß ein wirklicher Widerspruch dem Inhalte nach vorliegen, nicht nur eine unerhebliche Ungenauigkeit, die als solche erkennbar ist (zust. Th. Cohn 16; Brand Anm. 2). Uber die Frage, wie unrichtige und ungenaue Eintragungen wirken, s. § 15 Einleitung. 2. Wann ist die Eintragung bekanntzumachen? Ohne Verzug. Die Parteien haben ein Anm. 2. Recht auf sofortige Bekanntmachung, damit ihre Wirkungen sofort eintreten. Die Register­ beamten haften sonst nach den Vorschriften über die Beamtenverantwortlichkeit (§ 839 Abs. 1 BGB.), nach Befinden auch der Staat. Auch besteht Beschwerde im Dienstauf­ sichtswege. 3. Wie? Ihrem ganzen Inhalte nach, soweit nicht ein anderes vom Gesetz im Einzelfall Anm. 3. vorgeschrieben ist. Beispiele solcher Ausnahmen: §§ 162 Abs. 2, 175; vgl. andererseits §§ 199, 201, 277, 284 Abs. 5, wo mehr veröffentlicht werden soll, als eingetragen ist. Eine Veröffentlichung der Eintragung unterbleibt ganz int Falle des § 32 (Beginn und Ende des Konkursverfahrens). 4. Wo? Im Deutschen Reichsanzeiger und in mindestens einem anderen Blatte. Anm. 4. Die Wahl des Deutschen Reichsanzeigers als notwendiges Zentralorgan für alle Ver­ öffentlichungen in Handelsregistersachen des Deutschen Reichs war eine alte Forderung des Handelsstandes (Goldschmidt in ZHR. 19, 666). Hinsichtlich der anderen Blätter s- § U. 5. Wie oft? Einmal in jeder Zeitung. Ta die Zeitungen an verschiedenen Tagen er-Anm. 5. scheinen können, war Abs. 2 erforderlich.

Zusatz 1. Von den Veröffentlichungen des Handelsregisterrichters sind die Ver-Anm. 6. öffentlichungen der Aktiengesellschaften zu unterscheiden. Für diese ist der Deutsche Reichsanzeiger vorgeschrieben; andere Blätter werden durch den Gesellschaftsvertrag be­ stimmt (§ 182 Abs. 3 und Anm. 26f.). Zusatz 2. Können die Parteien auf die Bekanntmachung verzichten? Diese Frage Anm. 7. muß grundsätzlich verneint werden, denn die Vorschrift des § 10 ist im öffentlichen Interesse erlassen. Daher muß der Registerrichter eine veröffentlichungspflichtige Eintragung auch gegen den Willen der Parteien veröffentlichen. Immerhin kann innerhalb gewisser Grenzen den Beteiligen ein beschränkter Einfluß auf die Bekanntmachung zugestanden werden. Wenn bei Anmeldung einer Tatsache zum Handelsregister alle Beteiligten aus beachtlichen Gründen beantragen, die Bekanntmachung nicht vor einem bestimmten, nicht allzuweit hinausliegenden Tage zu erlassen, so sann der Registerrichter, sofern nicht der einzelne Fall eine andere Be­ urteilung rechtfertigt, einem solchen Wunsche entsprechen. Er wird nur zweckmäßigerweise die Parteien vorher auf die Wirkungen Hinweisen, die § 15 an die Bekanntmachung knüpft. (Ebenso das Württembergische Justizministerium in einem Erlaß an das AG. Reutlingen vom 10. gebt. 1919, als bei Gründung einer GmbH, die Gründer und Geschäftsführer unter Darlegung beachtlicher Gründe beantragten, die GmbH, sofort in das Handelsregister einzutragen, aber die Bekanntmachung bis nach Unterzeichnung des Friedensschlusses zu verfchieben.)

§ 11. Das Gericht bat jährlich im Dezember die Blätter zu bezeichnen, in denen während des nächsten Jahres die im § \o vorgesehenen Veröffent­ lichungen erfolgen sollen.

8 11.

102

II. Abschnitt: Handelsregister.

§ 11.

wird das Handelsregister bei einem Gerichte von mehreren Richtern ge­ führt und einigen sich diese über die Bezeichnung der Blätter nicht, so wird die Bestimmung von dem im Rechtszug vorgeordneten Landgerichte getroffen; ist bei diesem Landgericht eine Kammer für Handelssachen gebildet, so tritt diese an die Stelle der Zivilkammer.

Einleitung.

Der vorliegende Paragraph ergänzt den § 10. Dort ist bestimmt, daß die Bekannt­ machungen im Reichsanzeiger und mindestens in einem anderen Blatte erfolgen sollen. Diese anderen Blatter sind vom Gericht alljährlich zu bezeichnen. Der Abs. 2 ist durch Rges. vom 4. Febr. 1925 (RGBl. I 9) eingesügt worden. Die Stelle ist wenig glücklich gewählt, zumal nachdem — s. Anm. 4 — Abs. 1 seine praktische Bedeutung großenteils verloren hat. Vgl. hierüber Goldschmit II in DIZ. 1925, 812.

Anm. 1. 1. Die Wahl ist maßgebend für das ganze laufende Jahr; innerhalb desselben darf nicht gewechselt werden, auch wenn das betreffende Blatt seinen Leserkreis verlieren sollte; vgl. dazu Cohn in IHR. 72, 296. Für den Fall, daß es eingehi, hat das Gericht ein anderes an dessen Stelle zu setzen. Die Bezeichnungen von zwei Blättern (außer dem Reichsanzeiger) ist zweckmäßig, aber nicht erforderlich. Anm. 2. 2. In die bezeichneten Blätter sind alle Anzeigen einzurücken.

Anm. 3. 3. Die Wahl erfolgt lediglich nach dem Ermessen des Registergerichts bzw. des vorgeordneten Landgerichts (Kammer für Handelssachen und, wenn eine solche nicht besteht, Zivilkammer); Dienstanweisungen sind ausgeschlossen. Im Entwurf zum FGG. war laut § 128 eine Bestimmung vorgesehen, nach der die Landesjustizverwaltung das Recht haben sollte, den Registergerichten Anweisungen über die Wahl zu erteilen. Dies wurde aber in der Kommission gestrichen, weil man es für notwendig hielt, die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte hier aufrcchtzuerhalten, damit nicht bei der Auswahl der Blätter politische Gesichtspunkte maßgebend seien (RG. 58, 430). Auch die an der Ver­ öffentlichung interessierten Kaufleute oder Organe des Handelsstandes (§ 8 Anm. 3) sind nicht befugt, wegen einer ihrer Meinung nach nicht sachgemäßen Auswahl des Blattes gegen die betreffende Entscheidung des Registergerichts Beschwerde nach § 20 FGG. zu führen (vgl. die auf Genossenschaften bezügliche Entsch. des BayObLG. in RIA. 7, 37 und dazu Josef im „Recht" 07, 40). Anm. 4. 4. Die Kundgabe der Wahl, die Art der Bekanntmachung, welche Blätter gewählt sind, bleibt, wenn nicht die Landesjustizverwaltung eingreift, dem Gericht über­ lassen. Nach § 9 der oben in der Einl. zu § 10 angeführten V. vom 14. Febr. 1924, die insoweit noch gilt, findet eine Bekanntmachung der für die Veröffentlichungen be­ stimmten Blätter durch den Reichsanzeiger oder ein anderes Blatt nicht mehr statt.

§ 12.

8 12. Die Anmeldungen zur Eintragung in das Handelsregister sowie die zur Aufbewahrung bei dem Gerichte bestimmten Zeichnungen von Unterschriften sind persönlich bei dem Gerichte zu bewirken oder in öffentlich beglaubigter Form einzureichen. Die gleiche Form ist für eine Vollmacht zur Anmeldung erforderlich. Rechtsnachfolger eines Beteiligten haben die Rechtsnachfolge soweit tunlich durch öffentliche Urkunden nachzuweisen.

Einleitung.

§ 12 gibt eine allgemeine Vorschrift über die Form der Anmeldung und Zeichnung. Die Anmeldung ist ein Eintragungsantrag, eine Handlung des Verfahrens, keine rechts­ geschäftliche Erklärung (Josef in HansRZ- 1922, 8). Tie Zeichnung ist ebenfalls keine

IT. Abschnitt: Handelsregister.

103

rechtsgeschästliche Erklärung, sie bezweckt vielmehr nur die Feststellung der Tatsache der § 12. eigenhändigen Unterschrift (Anm. 4).

1. Die Vorschrift ist allgemein. Im alten HGB. war sie für mannigfache einzelne Fälle Anm.l. gegeben, doch wurde ihre allgemeine Geltung schließlich angenommen. 2. Anmeldung und Zeichnung können zu Protokoll des Gerichtsschreibers des Register- Anm. 2. gerichts erfolgen (§ 128 FGG.; wegen der Form s. OLG. Jena in DNotVZ. 1922, 66); natürlich auch zu Protokoll des Registerrichters. Letzteres geht aus § 12 hervor („bei dem Gerichte"). Ein Ersuchen des Registergerichts an ein anderes Gericht im Wege der Rechtshilfe um Aufnahme einer Anmeldung „zu richterlichem Protokoll" darf das ersuchte Gericht ablehnen (RG. 58, 94; vgl. aber OLG. Hamburg in DIZ. 01, 440 und KG. in KGJ. 45, 164); jedoch sollten Gerichte derartigen Beurkundungsgesuchen nicht ohne Grund ausweichen (RG. in IW. 1910, 71730; OLG. Frankfurt in OLGR. 14, 328; Josef bei Holdheim 1911, 106; Ehrenberg in seinem Handb. 1, 556; vgl. auch OLG. Nürnberg in BayZ. 1919, 258 und OLG. Karlsruhe in DNotVZ. 1922, 66). Wegen der Form, in welcher solchenfalls das ersuchte Gericht dem Ersuchen zu entsprechen hat (gerichtliche Beurkundung, nicht Aufnahnie zu Protokoll des Gerichtsschreibers) s. OLG. Dresden in ZBlFG. 15, 710 (auch KG. a. a. £).). — Erfolgt die Anmeldung oder Zeich­ nung nicht vor dem Gericht, so muß sie in öffentlich beglaubigter Form eingereicht werden. Unter besonderen Umständen hat das BayObLG. („Recht" 1923 Rsprbeil. Nr. 527) bei einer Zweigniederlassung auch die Einreichung einer öffentlich beglaubig­ ten Abschrift statt der Urschrift der Anmeldung für genügend erklärt. Noch weiter­ gehend KG. in DNotVZ. 1925, 8. A. M. Altschul in DNotVZ. 1925, 241. Öffentlich beglaubigt ist eine Schrift, wenn deren Unterschrift oder Handzeichen beglaubigt ist. Die Beglaubigung einer Unterschrift kann erfolgen durch Amtsgericht, Notar oder son­ stige nach Landesrecht hierfür zuständige Stellen (KG. in OLGR. 6, 110), die Be­ glaubigung eines Handzeichens erfolgt ausschließlich durch Amtsgericht oder Notar (§§ 129 Abs. 1 Satz 2 u. 126 Abs. 1 BGB.; § 167 FGG.). Durch Aufnahme zu gerichtlichem oder notariellem Protokoll wird die Beglaubigung ersetzt (§ 129 Abs. 2 BGB.). In diesem Falle genügt die Einreichung einer Ausfertigung. Die Aufnahme zu gerichtlichem Protokoll kann auch in der Aufnahme eines prozeßgerichtlichen Ver­ gleichs liegen, doch muß dann in diesem der Antrag der Beteiligten auf handels­ gerichtliche Verlautbarung enthalten sein, widrigenfalls er doch noch gesondert gestellt werden muß, denn der Prozeßvergleich steht einem Urteil im Sinne des § 16 nicht gleich (KG. in KGJ. 34 A 121). — Wo das Gesetz ausdrücklich gerichtliche oder notarielle Beglaubigung verlangt, wie im § 2 Abs. 2 GmbHG., ist dies mit öffent­ licher Beglaubigung nicht zu verwechseln; in jenen Fällen kann das Landesrecht nicht noch andere Stellen für zuständig erklären (KG. in OLGR. 6, 109). — Anmeldung und Zeichnung erfolgen in der Regel gleichzeitig, also auch die Zeichnung regelmäßig vor Vornahme der betreffenden Eintragung in das Handelsregister. Unbedingt er­ forderlich ist dies aber nicht. Vielmehr kann z. B. auch erst die Eintragung in das Handelsregister stattfinden und die Zeichnung der Firma nachgeholt werden. Nötigen­ falls hat dann das Registergericht behufs Erzwingung der Zeichnung nach § 14 zu verfahren (KG. in OLGR. 19, 309). Jedenfalls darf die Eintragung nicht von der Zeichnung abhängig gemacht werden (KG. in OLGR. 41, 195). 3. Die Anmeldung kann durch einen Bevollmächtigten erfolgen, soweit nicht Sonder- Anm. 3. bestimmungen entgegenstehen (vgl. z. B. § 191 Anm. 4 und § 280 Anm. 1). Die Voll­ macht muß nach Abs. 2 die gleiche Form haben, wie sie für die Anmeldung vorge­ schrieben ist (Anm. 2). Auch muß es eine ausdrücklich auf eine solche Anmeldung ge­ richtete Vollmacht sein, also entweder eine Sondervollmacht oder eine ausdrücklich zur Vertretung bei Anmeldungen der fraglichen Art ermächtigende allgemeine Vollmacht (AG. I Berlin in KGBl. 03, 87; KG. in RIA. 4, 31; 8, 130; Lehmann-Ring Nr. 4;

104 § 12.

II. Abschnitt: Handelsregister.

Makower Anm. IId 1; DürHach. Anm. 6; RitterKomm. Anm. 3; a. M. Brand Anm. 3). Über die Ermächtigung des Notars zum Antrag s. FGG. § 129; auch Staub-Hach. GmbH. § 7 Anm. 8; ferner OLG. Dresden in LZ. 1916, 18821; Josef in Holdheim 1912, 146 u. 1917, 176; über die Befugnis des Notars zur Einlegung der Beschwerde KG. und OLG. Karlsruhe in RIA. 17, 78 u. 102. Ausländische Notare sind nicht als antragsberechtigt zu erachten (Josef in Holdheim 1912, 69). Anm. 3a. Bewirkt jemand zum Handelsregister eine Anmeldung sowohl in eigenem Namen als auch im Namen eines anderen (z. B. als Bevollmächtigter oder als gesetzlicher Ver­ treter eines anderen), so bedarf es nur einer einmaligen Unterzeichnung, wenn er­ sichtlich ist, daß die eine Unterschrift beide Erklärungen decken soll (Josef in HansRZ. 1922, 6 in Bekämpfung des Beschlusses des KG. in RIA. 16, 74). Auf eine der­ artige Anmeldung (anders hinsichtlich des zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts) findet § 181 BGB. nicht Anwendung, da die Anmeldung nicht die Vornahme eines Rechts­ geschäfts ist (vgl. oben Einl.). Anm. 4. 4. Die Zeichnung (§§29, 53, 108, 148, 195, 296) dagegen kann ihrer Natur nach nur persönlich erfolgen. Sie hat den Zweck, für die im Handelsverkehr möglicherweise er­ forderliche Prüfung der Echtheit von Unterschriften eine möglichst sichere Unterlage zu gewähren (RG. 54, 171; KG. in RIA. 9, 244; vgl. aber Nausnitz in DIZ. 1913, 230). Demzufolge ist Zeichnung durch einen Bevollmächtigten ausgeschlossen. Auch der Prokurist kann den Prinzipal hierbei nicht vertreten. Für Personen, die einen gesetz­ lichen Vertreter haben, zeichnet dieser. Für juristische Personen ist dies besonders vor­ geschrieben (§§ 35, 234 Abs. 3). Die Beglaubigung der Zeichnung muß dahin erfolgen, daß die Zeichnung per­ sönlich vor der Urkundsperson vollzogen, nicht nur anerkannt ist (RG. 54, 168; KG. in RIA. 5, 49; SächsOLG. 22, 158; Kaufmann in ZBlFG. 4, 467; DürHach. Anm. 5; s. auch Franz in DNotVZ. 04, 65; a. M. KG. in NIA. 3, 192). Dies gilt aber nur für die Zeichnung nach § 12, nicht für sonstige Unterschriften. Die Zeichnung muß als solche zur Aufbewahrung bei dem Gericht geleistet sein; es genügt nicht, wenn nachträglich dem Registergericht angezeigt wird, eine zu anderen Zwecken geleistete und beglaubigte Unterschrift solle auch als Zeichnung zur Aufbewahrung bei dem Gericht gelten (LG. Dresden, Beschluß vom 11. Juni 09 zu Blatt 11102 des Dresdner Han­ delsregisters). Dagegen schadet es dem Zwecke der „Zeichnung" nicht, wenn die ge­ zeichnete Unterschrift außer diesem auch noch einem anderen Zwecke (z. B. Unter­ zeichnung der Anmeldung) dient (KG. in OLGR. 19, 310). Schreibensunkundige sind von der Zeichnung befreit; sie können nicht etwa von der Eintragung ausgeschlossen werden, weil sie die Zeichnung ihrer Unterschrift nicht bewirken können, zumal ja die Feststellung der Firmenzeichnung dort keinen Zweck hat, wo das Publikum persönliche Firmenzeichnung des Kaufmanns im Verkehr nicht zu gewärtigen hat (Allfeld 136; Goldmann I 49; DürHach. § 14 Anm. 12 da­ gegen meinen, daß dieser Mangel behoben werden kann, und verlangen deshalb per­ sönliche Firmenzeichnung auch durch Schreibensunkundige). Das gleiche gilt von Per­ sonen, die infolge körperlichen Gebrechens (Blindheit, Lähmung usw.) nicht in der Lage sind, die Firma zu zeichnen (hierin übereinst. DürHach. a. a. O.; a. M. Gold­ mann I 49, der die im § 169 FGG. vorgeschriebene Form verlangt). Anm. 5. 5. Durch wen die Anmeldung zu erfolgen hat, läßt sich nicht allgemein sagen. Wo als anmeldungspflichtig mehrere Personen in Betracht kommen (Gesellschafter, Vorstands­ mitglieder), kann nicht die allgemein bindende Regel aufgestellt werden, daß sämtliche in Frage kommende Personen bei der Anmeldung mitwirken müssen. In den Fällen, in denen das HGB. dies beabsichtigt, schreibt es dies ausdrücklich vor (§§ 108, 195; s. auch § 30 PrivVUntG.; andererseits § 234 HGB.). Wo das Gesetz nicht die Mit­ wirkung aller vorschreibt, genügt es, daß so viele Personen mitwirken, als zur Ver­ tretung nach außen erforderlich sind.

II. Abschnitt: Handelsregister.

105

Über die Anmeldung in Erbfällen bei mehreren Erven s. § 22 Anm. 6a sowie § 12. § 27 Anm. 31 u. 34; auch Anhang zu § 8 Anm. 6 a. E. Für den Fall der Söe*» Snm 5a> stellung von Nacherben und der Veräußerung des Nacherbrechts KG. in RIA. 17, 89. über Anmeldung durch Testamentsvollstrecker s. § 31 Anm. 1 Abs. 3 und § 22 Anm. 6 a. Über die Frage, ob ein Einzelkaufmanti Anmeldungen zum Handelsregister unter sei- Anm. 5b. nem bürgerlichen Namen oder unter seiner Firma zu vollziehen hat, s. § 17 Anm. lld.

6. Die Rechtsnachfolge eines Beteiligten ist, soweit tunlich, durch öffentliche UrkundenAnm. 6. nachzuweisen. Das will sagen: der Registerrichter soll nicht unbedingt verlangen, daß ihm der etwa erforderliche Nachweis einer Rechtsnachfolge durch öffentliche Ur­ kunden geführt werde, sondern nur, soweit dies tunlich ist. Ist es nicht tunlich, so muß er sich damit begnügen, daß der Nachweis in anderer Weise geführt wird. Da­ gegen kann ihm nicht angesonnen werden, auf den Nachweis ganz zu verzichten (zust. Th. Cohn 69). Untunlich ist der Nachweis nicht nur dann, wenn er schlechterdings un­ möglich ist, sondern schon dann, wenn er mit großen Schwierigkeiten verknüpft ist und die Verzögerung der Eintragung erhebliche Nachteile im Gefolge hätte. — Öffentliche Urkunde ist zu unterscheiden von öffentlich-beglaubigter (Anm. 2). Eine öffentliche Ur­ kunde ist die im Sinne des § 415 ZPO. „von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form aufgenommene" (über den Begriff der öffentlichen Behörde vgl. RGSt. 18, 246). Die Zuständigkeit für die Aufnahme kann sich nach Reichs- oder nach Landesrecht richten. — Unter der Rechtsnachfolge ist die allgemeine und die Einzel-Rechts­ nachfolge gemeint. Bei der ersteren wird hauptsächlich (aber nicht ausschließlich; RG. in IW. 1910, 802°) der Erbschein der §§ 2353ff. BGB. in Betracht kommen. Die Einzelrechtsnachfolge liegt z. B. im käuflichen Erwerb eines Geschäfts. — Weiteres s. Josef bei Holdheim 07, 139 und 1914, 238.

Zusatz 1. Die Anmeldung ist ein Akt, der weder Bedingungen noch BefristungenAnm. 7. zuläßt. (LG. I Berlin im „Recht" 01, 101). Daß in das Handelsregister nur entstan­ dene Rechtsverhältnisse eingetragen werden können, s. Anhang zu § 8 Anm. 6. Bei der Anmeldung duldet es aber bisweilen die Praxis, daß eine in kurzer Zeit eintretende Tatsache oder Veränderung schon vorher angemeldet werde (z. B. es wird im März an­ gemeldet, daß vom 1. April ab dem X Prokura erteilt ist); die Eintragung erfolgt dann nach Ablauf des angegebenen Zeitpunktes. Ganz einwandfrei ist ein derartiges Verfahren nicht, doch ist es unbedenklich, wenn es sich nur um wenige Tage handelt, entspricht auch oft den wohlverstandenen Interessen des Kaufmannstandes (z. B. bei bevorstehenden Reisen). Dagegen ist ein allgemeiner Satz, wie ihn LG. I Berlin in KGBl. 07, 113 aufgestellt hat, die Anmeldung zukünftiger Tatsachen sei zulässig und es liege diesfalls in dem Ablauf des betreffenden Zeitpunktes ohne Widerruf der Anmeldung deren Aufrecht­ erhaltung, nicht anzuerkennen, auch kann dem Registerrichter nicht zugemutet werden, in solchen Füllen den Zeitablauf nachzuprüfen (Schultze-Görlitz in DNotVZ. 08, 752). Für die Regel ist daher festzuhalten, daß auch die ^111(2^11^ sich nur auf bereits ein ge­ tretene Tatsachen und Veränderungen zu beziehen hat. Auf die Wirksamkeit der Erklärung ist es ohne Einfluß, wenn zwischen der Abgabe, Anm. 7». d. h. Vollziehung und Beglaubigung der zur Einreichung bestimmten Urkunde und dem Eintreffen der Urkunde bei der Behörde der Erklärende stirbt oder geschäftsunfähig wird (OLG. Dresden in OLGR. 4, 22; § 130 BGB.; Brand Anm. 7; a. M. RitterKomm. Anm. 2). über die Frage, ob, wenn ein Gründer einer AG. vor Einreichung seiner An­ meldung stirbt, die Eintragung zu erfolgen hat, vgl. § 195 Anm. 5.

Zusatz 2. Über die Zeichnung der Firma im Geschäftsverkehr vgl. für die o.HG. Anm. 8. Anm. 4 zu § 108 und für die AG. Erl. zu § 233.

106

II. Abschnitt: Handelsregister.

§ 12. Zusatz 3. Über die Form der Zustimmung, falls sie dem Registerrichter nachzuweisen Anm. 9. ist, vgl. § 22 Anm. 7, § 24 Anm. 3. Anm. 10.

Zusatz 4. Ist Widerruf der Anmeldung zulässig? Diese Frage ist zu bejahen, jedoch ist vom Augenblick der Eintragung an Widerruf ausgeschlossen (nach EhrenbergHandb. I, 576 ist Widerruf ausgeschlossen, wenn es sich um Tatsachen handelt, deren Eintragung obligatorisch ist, und nicht nachgewiesen wird, daß der Widerruf sachlich begründet ist; vgl. dazu KG. in OLGR. 43, 205). Ter Widerruf ist an keine Form gebunden und kann, ebenfalls formlos, zurückgenommen werden (Ehrenberg u. KG. a. a. £).). Was über den Widerruf gesagt ist, gilt entsprechend von einer Anfechtung wegen eines Willens­ mangels (Marcus in Holdheim 09, 107). Vgl. hierzu auch § 195 Anm. 4.

Anm. 11.

Zusatz 5. Mehrere Anmeldungen bei demselben Registergericht können in einem Schriftstück vorgenommen werden, selbst wenn sie sich auf verschiedene Firmen beziehen. So z. B. bei Erteilung einer Prokura für mehrere Firmen (LG. I Berlin in ZBlFG. 11, 282). Das Gericht verweist dann aus dem einen Aktenstück in das andere.

Anm. 12.

Zusatz 6. § 12 greift nicht Platz, sofern es sich um Eintragungen in das Handels­ register im Wege der Zwangsvollstreckung handelt. Hierüber KG. in KGJ. 41, 100.

8 13.

§ 13. Soweit nicht in diesem Gesetzbuch ein anderes vorgeschrieben ist, sind die Eintragungen in das Handelsregister und die hierzu erforderlichen Anrneldungen und Zeichnungen von Unterschriften sowie die sonst vorgeschriebe­ nen Einreichungen zürn Handelsregister bei jedem Registergericht, in dessen Bezirke der Inhaber der Firma eine Zweigniederlassung besitzt, in gleicher Weise wie bei dem Gerichte der Hauptniederlassung zu bewirken. Eine Eintragung bei dein Gerichte der Zweigniederlassung findet nicht statt, bevor nachgewiesen ist, daß die Eintragung bei dem Gerichte der Haupt­ niederlassung geschehen ist. Diese Vorschriften kommen auch zur Anwendung, wenn sich die Haupt­ niederlassung im Auslande befindet. Soweit nicht das ausländische Recht eine Abweichung erforderlich macht, haben die Anmeldungen, Zeichnungen! und Eintragungen bei dem Gerichte der Zweigniederlassung in gleicher weise zu geschehen, wie wenn sich die Hauptniederlassung im )nlande befände. Lit.: Denzler, Die Stellung der Filiale im internen und internationalen Privat­ rechte, Zürich 02; Heymann, Die Zweigniederlaffung, Leipzig 07; Marxheimer f. bei §3; Sobernheim 161; Silberschmidt, Zum Begriffe der Zweigniederlassung, in ZHR. 82, 277.

Anm. 1. 1. Inhalt der Vorschrift: der Paragraph gibt besondere Vorschriften für den Fall, daß der Inhaber der Firma eine Zweigniederlassung hat. Für diesen Fall wird als Regel angeordnet, daß die Anmeldung, Zeichnung und Eintragung nicht nur beim Handelsregister der Hauptniederlassung, sondern auch bei dem der Zweigniederlassung zu bewirken sind; zuerst hat die Eintragung bei der Haupt­ niederlassung zu erfolgen. Diese Regelung entspringt und entspricht den Verkehrs­ bedürfnissen. Das gilt auch für den Fall, daß die Hauptniederlassung sich im Auslande befindet (Anm. 10 u. 11). Der Fall, daß die Zweigniederlassung sich im Auslande befindet, ist hier nicht geordnet, weil die deutsche Gerichtsgewalt sich auf das Ausland nicht erstreckt (Anm. 6 u. 9).

II. Abschnitt: Handelsregister.

107

2. Das HGB. kennt Ausnahmen von der obigen Regel (zu 1), die auch aus dem Zu- § 13. sammenhang entnommen werden können (Holdheim 12, 260). Solche gelten, abge* sehen von § 33, nur in betreff einzelner Anmeldungen für AG. und KGaA. Hierüber an zuständiger Stelle (insbes. §§ 201, 207, 234, 265, 286, 296, 333).

2.

3. Begriff der Niederlassung, der Hauptniederlassung, der Zweigniederlassung. Anm. 3. Niederlassung („Handelsniederlassung", auch „Handelsgeschäft", „Geschäft", „Eta­ blissement" genannt; (. § 1 Anm. 32) ist der umfassende Oberbegriff: sie ist der ört­ liche Mittelpunkt des kaufmännischen Geschäftsbetriebs, der Inbegriff aller zu diesem Betriebe vereinigten Produktionsmittel, einschließlich der Forderungen, Schulden und Kundschaft (GareisLehrbuch § 15; Pisko in EhrenbergHandb. 2, 266; KG. in RIA. 9, 23; Wieland § 16). Sie braucht mit dem Orte des bürgerlichen Wohnsitzes nicht zusammenzufallen. Wo die Gesetze von Niederlassung sprechen, ist im Zweifel Hauptund Zweigniederlassung einbegriffen (z. B. §§ 29, 31 HGB.; § 23 Abs. 1 WZG.; §9 Abs. 3 MustG.; § 24 UnlWG.; RG. 41, 67 und 82; 44, 361; anders Silber­ schmidt 281). Das Bestehen der Niederlassung hat materielle und prozessuale Folgen (Beispiele : § 270 Abs. 2 BGB.; §21 ZPO.; §§29, 31 HGB.). Der Kaufmann kann mehrere Handelsniederlassungen haben (vgl. auch § 17 Anm. 3). Entweder an demselben Ort und zwar unter der gleichen Firma, dann bilden sie rechtlich ein Ganzes (die Mehrheit hat also keine rechtliche Bedeutung; OLG. Dresden in IHR. 34, 563; Lehmann-Ring Nr. 3), oder unter verschiedenen Firmen (in diesem Falle liegt eine Zweigniederlassung im Sinne des HGB. nicht vor). Oder an verschiedenen Orten: unter verschiedener, aber auch unter gleicher Firma. Werden an demselben Orte mehrere Niederlassungen betrieben, so ist, wenn für sie die Führung verschiedener Firmen zulässig sein soll, eine gewisse räumliche Tren­ nung erforderlich: sie müssen in ihren wesentlichen Beziehungen voneinander unab­ hängig sein. Die bloße Führung besonderer Bücher und Aufstellung getrennter Bi­ lanzen genügt, wenn die verschiedenen Betriebe in denselben Räumen geführt werden, nicht, um sie als verschiedene Handelsniederlassungen erscheinen zu lassen; denn auch in einem einheitlichen Geschäfte werden für verschiedene Geschäftszweige häufig Buch­ führung und Bilanzziehung gesondert gehandhabt. Die verschiedenen Abteilungen eines Geschäfts aber sind rechtlich eine Handelsniederlassung, nicht mehrere (KG. in RIA. 9, 23). Zweigniederlassungen können sowohl von einem Vollkaufmann als auch von einemAnm. 3a. Minderkaufmann errichtet werden (Silberschmidt 288). Das HGB. trifft aber Sonderbestimmungen nur für die Zweigniederlassung des Vollkausmanns. Diese entsteht mit der tatsächlichen Errichtung, nicht erst mit der handelsgericht­ lichen Eintragung (Anm. 8). Mehrere Niederlassungen desselben Kaufmanns, wenn sie auch in mancher Hinsicht Anm. 4. eine Einheit bilden (z. B. gehören sie zum einheitlichen Vermögen des Kaufmanns; s. auch § 17 Anm. 3), können entweder voneinander getrennte Rechtsbeziehun­ gen haben oder aber im Verhältnis von Haupt- und Zweigniederlassung eine Zu­ sammengehörigkeit zeigen, letztere gleichsam als Zubehör der ersteren (Anm. 13 u. 16). Hauptniederlassung (Muttergeschäft) ist das leitende Hauptgeschäft, der örtliche Mittelpunkt für den Betrieb des gesamten kaufmännischen Geschäfts (RG. im „Recht" 1912 Nr. 2094); sie ist die Voraussetzung für die Anmeldung der Firma (§29). Meh­ rere Hauptniederlassungen sind gesondert anzumelden und einzutragen, es sei denn, daß sie unter gleicher Firma am gleichen Orte betrieben werden (Anm. 3). Die Zweig­ niederlassung („Filiale", „Tochtergeschäft", „Kommandite") stempelt der Kaufmann durch Bezeichnung und Einrichtung zu einem vom Hauptbetrieb abgezweigten, aber ihm untergeordneten Geschäft. Heymann 48 hält solche Unterordnung nicht für we­ sentlich; dagegen Marxheimer 60. Tatsächlich gibt es vielfach Zweigniederlassungen, die an Bedeutung und in ihrer Geschäftsführung die Hauptniederlassung erheblich

108

§ 13.

II. Abschnitt: Handelsregister.

überragen; auf Unterordnung in dieser Hinsicht darf also kein Gewicht gelegt werden. Begrifflich ist als Erfordernis der Zweigniederlassung eine räumliche Getrennt­ heit, die auch an demselben Orte bestehen kann (Anm. 3), geboten und genügend (ausführlicher Marxheimer 63). Doch ist auf diese Zweigniederlassung (von Tenzler 31 unechte Zweigniederlassung genannt; s. dagegen Silberschmidt 278 u. 283 sowie Zschaler in ZBlFG. 22, 327) im Gesetz keine Rücksicht genommen. Das Gesetz kennt und behandelt vielmehr nur eine bestimmte Art von Zweigniederlassungen, für die es vor allem das Erfordernis der Verschiedenheit des Gerichtsbezirks aufstellt (echte Zweigniederlassung; gegen diese Unterscheidung Marxheimer 57; vgl. auch Silberschmidt 285 u. Zschaler a. a. O. 332; unten Anm. 7). Für die AG., die KGaA, und die GmbH. gilt als Zweigniederlassung jede selbständige Handelsniederlassung außerhalb des satzungsmäßigen Sitzes, selbst wenn an diesem Sitze eine Handels­ niederlassung überhaupt nicht besteht (KG. in KGJ. 39 A 117 und § 201 Anm. 1). Diese Gesellschaften können mehrere Handelsniederlassungen überhaupt nur in der Form von Hauptniederlassung und Zweigniederlassungen haben (Bay Ob LG. in RIA. 14, 145). Hinsichtlich der o.HG. vgl. § 106 Anm. 4. Über die Veräußerung eines von mehreren Geschäften oder einer Zweignieder­ lassung vgl. § 22 Anm. 3a, 4, 23; § 25 Anm. 1; § 30 Anm. 11. Anm. 5. 4. Eine Zweigniederlassung im Sinne dieses Paragraphen ist vorhanden, oder vielmehr zur Bezeichnung und Eintragung als Zweigniederlassung ist ein Geschäft ge­ eignet, wenn an einem vom Orte und Gerichtsbezirke des Hauptgeschäfts verschiedenen Orte und Gerichtsbezirke (Anm. 4 u. 7) gleichartige Geschäfte des Prinzipals ab­ geschlossen werden, wenn ferner dieser abgezweigte Betrieb nach seiner Einrichtung auf die Tauer berechnet ist und der damit Beauftragte eine selbständige Tätigkeit ent­ wickelt (KGJ. 5, 22 u. 23; 14, 12; 18, 18; LOGR. 2, 198; ROHG. 14, 402; RG. 7, 324; OLG. Hamburg in OLGR. 27, 298; Silberschmidt 285). Zum Begriffe der Selbständigkeit gehört dabei lediglich, daß der Leiter der Zweigniederlassung nicht bloßer Geschäftsvermittler, sondern nach außen selbständig aufzutreten berechtigt ist, wenn auch nicht gerade notwendig in unbeschränktem Umfange. Aus die innere Ab­ hängigkeit vom Prinzipal kommt es nicht an (Brendel bei Gruch. 33, 223), auch darauf nicht, ob in dem Nebengeschäfte alle Geschäftszweige des Hauptgeschäfts be­ trieben werden (ebenso Tenzler 41; OG. Wien bei Adler u. Clemens Nr. 1334; KGJ. 5, 22; KG. in KGBl. 97, 82). Als einzelne Merkmale der Selbständigkeit sind auf­ zustellen: daß von der Zweigniederlassung aus eigene Geschäfte wie von der Haupt­ niederlassung — im Gegensatz zu bloßen Vorbereitungs-, Vermittlungs- und Aussührungsgeschäften — abgeschlossen werden (übereinst. Tenzler 29); daß die Zweignieder­ lassung eine äußerlich selbständige Leitung Hai; daß sie im inneren Verhältnis zum Hauptgeschäft mit einem gesonderten Geschäftsvermögen ausgestattet ist und für sie eine besondere Buchführung besteht (BayObLG. in BankA. 6, 150; Silberschmidt 286 betont, der Kaufmann müsse seine Zweigniederlassung wie Schuldner und Gläubiger­ behandeln, mit ihr ein Kapital- und Kontokorrentkonto führen). Kurz, es muß über­ haupt eine Niederlassung bestehen, d. h. der Kaufmann muß wenigstens einen Mit­ telpunkt für einen gewissen Kreis seiner geschäftlichen Beziehungen geschaffen haben (KGJ. 18, 18; ROHG. 14, 401 ff.; Süchs. Justizministerium in BuschA. 46, 39), und die Betriebseinrichtung muß so sein, daß das Nebengeschäft beim Wegfall der Haupt­ niederlassung als eigene Handelsniederlassung fortbestehen könnte (KG. in RIA. 5, 57; OLGR. 11, 375 u. 14, 332; Cohn in DNotVZ. 1925, 236). Eine Geschäftsstelle, an der nur die von dem Hauptgeschäft gesandten Waren zu den vom Prinzipal be­ stimmten Preisen durch einen Angestellten verkauft werden, ist hiernach keine eintra­ gungsfähige Zweigniederlassung (KGJ. 18, 17; KG. in OLGR. 2, 198; OLG. Ham­ burg ebenda 27, 298). Keine Zweigniederlassung bildet für die Regel die außerhalb gelegene Stelle, an der eine Gasanstalt (AG.) Gas aus dorthin von der Hauptnieder-

II. Abschnitt: Handelsregister.

109

lassung geschickten Rohstoffen herstellen und an die Abnehmer nach fester Anweisung § 13. zu bestimmten Verkaufsbedingungen abgeben läßt (KG. in KGJ. 22 A 92); hier ist der Leiter der Geschäftsstelle nur Ausführungsorgan. Desgleichen liegt eine Zweig­ niederlassung nicht vor, wenn einer der Mitinhaber einer o.HG. an einem anderen Orte ständig wohnt und von hier aus, sei es an demselben Orte, sei es auch an anderen Orten, Waren verkauft und die erteilten Bestellungen dem Hauptgeschäfte zur Ausführung übermittelt, sofern nicht im übrigen die obigen Merkmale des Zweiggeschäfts vorliegen. Zweigniederlassungen sind ferner nicht die Fabrikationsstellen und technischen Bureaus (Bolze 22 Nr. 695b; LG. Dessau bei Sobcrnheim 168), Jngenieurbureaus (OLG. Hamburg in OLGR. 30, 389), Speicher, Empfangnahme-, Aushändigungs-- und Ver­ sendungsstellen (KG. in OLGR. 27, 297), weil hier überall nur tatsächliche Dienste verrichtet, nicht kaufmännische Geschäfte abgeschlossen werden (BayObLG. im „Recht" 07, 1148). Auch die Eisenbahnstationen, weil sie Teile des Hauptunternehmens, Glie­ der des ganzen Organismus sind, bilden keine Zweigniederlassung (RG. 2, 391; Denzler 60). Vgl. hierzu allenthalben Marxheimer 46, 67. Ein Kommissionslager ist eine Handelsniederlassung des Kommissionärs, nicht eine Zweigniederlassung des Kom­ mittenten (RG. in LZ. 07, 586). In betreff der Agenturen und Subdirektionen von Versicherungs­ unternehmungen (§ 1 Anm. 59ff.) gelten die vorstehenden Ausführungen auch für die Frage, ob diese Betriebe Zweigniederlassungen der betreffenden Versicherungsunternehmungen sind oder nicht. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß bei Zweig­ niederlassungen von Versicherungsunternehmungen von dem Erfordernis eines geson­ derten Vermögens abgesehen werden kann; Näheres hierüber s. Koenige PrivVUntG. § 16 Anm. 3 ff., wo auch die einschlagende, vielfach sehr auseinandergehende Recht­ sprechung und Literatur eingehend gewürdigt ist. Danach sind in der Regel die Sub­ direktionen und Hauptagenturen einer Versicherungsgesellschaft Zweigniederlassungen (8 115 PrivVUntG. und § 45 VVG.), freilich nur, wenn die Leiter der betreffenden Subdirektion oder Hauptagentur Angestellte der Versicherungsgesellschaft sind, nicht, wenn sie selbständige Kaufleute (Versicherungsagenten im Sinne von Handlungsagen­ ten; s. § 84 Anm. 33) sind. Im letzteren Falle liegen Hauptniederlassungen der Agenten vor, nicht Zweigniederlassungen der Versicherungsgesellschaft. Tie Bestellung von Un­ teragenten begründet in der Regel keine Zweigniederlassung, da diesen meist die Fähig­ keit fehlt, selbständige Abschlüsse zu machen; ähnlich Silberschmidt 286. Zum Teil ab­ weichend Marxheimer 69. Für inländische Niederlassungen ausländischer Versicherungs­ unternehmungen s. Koenige PrivVUntG. § 85 Anm. 7 und Bruck, Unterliegt der Hauptbevollmächtigte einer ausländischen Versicherungsunternehmung dem Register­ zwange? in LZ. 1911, 182. Hervorzuheben ist, daß die Zweigniederlassung kein selbständigesAnm. 6. Rechtssubjekt ist (auch nicht die ausländische: OLG. Hamburg in HansRZ. 1921 H. 37; vgl. auch RG. 109, 357). Tas maßgebende Rechtssubjekt, Träger der Rechte und Pflichten, die durch den Betrieb der Zweigniederlassung entstehen, ist der Inhaber der Hauptniederlassung (RG. 38, 406; OLG. Kassel in LZ. 09, 954; s. auch Anm. 15 und 16). Daraus folgt unter anderen:, daß die Voraussetzungen des § 2, wenn der Inhaber des Hauptgeschäfts gemäß § 2 eingetragen ist, nicht auch bei der Zweignieder­ lassung vorzuliegen brauchen. Letztere braucht nicht über den Umfang des Kleinge­ werbes hinauszugehen. Haupt- und Zweiggeschäft bilden den einheitlichen Geschäfts­ betrieb derselben Person, die hinsichtlich des ganzen Betriebs Kaufmann ist (KG. in KGJ. 27 A 210). Daraus folgt aber nicht, daß Rechtshandlungen der Vertreter von Zweigniederlassungen, die diese namens der Zweigniederlassung vornehmen, als für ein nicht anerkanntes Rechtssubjekt vorgenommen, wirkungslos wären; vielmehr han­ deln die Vertreter der Zweigniederlassung für den Inhaber der Hauptniederlas­ sung.

110 § 13.

II. Abschnitt: Handelsregister. Wer eine Geschäftsstelle außerhalb seines Wohnsitzes, z. B. eine Fabrik, als

Zweigniederlassung eintragen läßt, ist an diese Erklärung im Verkehr gebunden (über den Rechtsgrund vgl. Anhang zu § 5 Anm. 1); er wird z. B. mit dem Einwand nicht gehört, daß von der Fabrik aus unmittelbar keine Geschäfte geschlossen werden und sie in Wirklichkeit keine Zweigniederlassung im Sinne des § 13 sei (RG. 50, 428; Wieland § 16 III 4). Vgl. auch Anm. 21 und § 15 Anm. 8. Anm. 6d. Denkbar ist auch die Zweigniederlassung einer Zweigniederlassung. Es ist dies eine gesonderte Niederlassung des Kaufmanns, die verwaltungsmäßig der Leitung der Zweigniederlassung unterstellt ist. Daher ist sie rechtlich eine Zweigniederlassung des Hauptgeschäfts. Die verwaltungsmäßige Regelung ist eine innere Angelegenheit. Ebenso Silberschmidt 288. Anm. 7. 5. In einem anderen GerichtSbezirk als dem der Hauptniederlassung muß die Zweig­

Anm. 6a.

niederlassung bestehen, wenn § 13 Platz greifen soll. Daraus folgt, daß sie im Sinne des § 13 auch an einem anderen Orte als am Sitze des Hauptgeschäfts bestehen muß. Für den Fall, daß eine (unechte) Zweigniederlassung an einem anderen Orte desselben Ge­ richtsbezirks besteht (Anm. 4), bedarf es zwar auch einer Anmeldung und Eintragung einer solchen Zweigniederlassung (schon zur Wahrung des Firmenrechts nach § 30; Lehmann-Ring § 29 Nr. 8). Allein das Bestehen einer derartigen Zweigniederlassung ist nur im Hauptregister zu vermerken und es bedarf nicht der Anlegung eines be­ sonderen Zweigregisterblattes (KG. in KGJ. 39 A 117; a. M. Zschaler in ZBlFG. 22, 332, der für jede Zweigniederlassung, auch die sog. unechte, ein besonderes Re­ gisterblatt fordert). Vgl. hierzu BapObLG. in BayZ. 1919, 60. Hier geht das Vor­ handensein der (unechten) Zweigniederlassung gemäß § 29 aus dem Hauptregister her­ vor; nach dieser Vorschrift muß der Ort der Handelsniederlassung angemeldet mib eingetragen werden. Hat also der Unternehmer an mehreren Orten des Gerichts­ bezirks seiner Hauptniederlassung Niederlassungen, so müssen die mehreren Orte in der Anmeldung bezeichnet bzw. nachträglich angemcldet und in das Handelsregister ein­ getragen werden. Daraus ergibt sich ferner, daß auch alle weiteren Anmeldungen und Eintragungen sich auf alle Niederlassungen in demselben Gerichtsbezirk ohne wei­ teres beziehen. Für diesen Fall gibt es überhaupt kein Zweigregister; im Handels­ register eines Bezirks werden eben nicht getrennte Anmeldungen und Eintragungen hinsichtlich verschiedener in diesem Bezirke bestehender Niederlassungen desselben Ge­ schäfts gemacht (D. 28). Vgl. hierzu BayObLG. in RIA. 14, 148. Anders, wenn sich in einem Gerichtsbezirke, der nicht der Gerichtsbezirk der Hauptniederlassung ist, an verschiedenen Orten Zweigniederlassungen befinden. Dann ist jede Zweignieder­ lassung gesondert anzumelden und einzutragen. Wichtig ist dies bei Zweignieder­ lassungen von AG., bei denen für jede derartige Anmeldung § 201 maßgebend ist (BayObLG. in LZ. 1919, 273). Anm. 8. 6. Die Anmeldungen und Zeichnungen (über ihre Form gilt gleiches wie zu § 12) sind auch bei dem Handelsgerichte der Zweigniederlassung zu bewirken, aber eine Eintragung dort findet erst statt nach der Eintragung bei dem Gerichte der Hauptniederlassung. Näheres an den zuständigen Stellen. Hier sei nur erwähnt, daß Zweigniederlassungen einer o.HG. von sämtlichen Gesellschaftern, solche einer Kommanditgesellschaft auch von den Kommanditisten anzumelden sind (OLG. Dresden in RIA. 13, 28). Auch sei hcrvorgehoben, daß die Zweigniederlassung, auch die der AG., KGaA, oder GmbH., unabhängig von ihrer Eintragung von dem Zeit­ punkte ab besteht, in dem von ihr aus Geschäfte betrieben werden (RG. in Holdheim 1918, 57; Silberschmidt 281; oben Anm. 3a; unten § 201 Anm. 3). Grund­ sätzlich ist darauf hinzuweisen, daß der Registerrichter einer Zweigniederlas­ sung nicht schlechthin verpflichtet ist, die in das Register der Hauptniederlassung be­ wirkte Eintragung in sein Register zu übernehmen; sonst hätte der Gesetzgeber nicht die gesonderte Anmeldung, sondern die einfache Übernahme des Inhalts des Haupt-

II. Abschnitt: Handelsregister.

111

registers vorgeschrieben. Er hat vielmehr grundsätzlich jede Anmeldung nach Maß-Z 13. gäbe ihres Inhalts selbständig zu prüfen, zumal auch seiner Eintragung in gewissem Sinne (vgl. § 15 Abs. 3) selbständige Bedeutung beigelegt ist (Marcus bei Holdheim 06, 224; Marxheimer 74). Sieht er dabei, daß die Eintragung in das Hauptregister mangels einer wesentlichen Voraussetzung unzulässig war, oder daß es sich um eine überhaupt nicht eintragungsfähige Tatsache handelt (Anhang zu § 8 Anm. 6), so hat er die Eintragung abzulehnen (OLG. Dresden in RIA. 15, 43; ebenso Ehrenberg in seinem Handb. 1, 573 ff., der im übrigen Prüsungsrecht und Prüfungspflicht des Zweigregisterrichters mehr einschränkt als wir; Wieland § 20 Anm. 44 nimmt grundsätzlich an, daß bei vorgängiger Eintragung in das Register der Hauptniederlassung der Registerrichter der Zweigniederlassung gebunden ist). Zweckmäßigerweise wird der Zweigregisterrichter in einem solchen Falle auch, auf daß beide Register übereinstimmen, seine Ablehnung und deren Gründe dem Gerichte der Haupt­ niederlassung von Amts wegen mitteilen, damit letzteres nötigenfalls von Amts wegen lösche (§142 FGG.; KG. in RIA. 3, 20 und in OLGR. 10, 232). Die Prüfungs­ pflicht des Zweigregistergerichts fällt aber fort, wenn besondere Gesetzesvorschristen entgegenstehen und eine innere Abhängigkeit der Eintragung im Register der Zweigniederlassung von der im Register der Hauptniederlassung vorliegt, insbesondere wenn die Eintragung im Register der Hauptniederlassung rechtserzeugende (konstitutive) Kraft hat (KG. in RIA. 12, 226). So z. B. legt der § 2 der Eintragung ins Hauptregister entscheidende Bedeutung für die Begründung der Kaufmannseigenschaft bei (KG. in RIA. 4, 159; oben Anm. 6). Ebenso steht die Prüfung des Gesellschafts­ vertrags einer AG. und seiner nachträglichen Änderungen, desgl. von Beschlüssen über Erhöhung des Grundkapitals, soweit es sich um die Frage des rechtswirksamen Zu­ standekommens handelt, allein dem Registergerichte der Hauptniederlassung, nicht aber dem der Zweigniederlassung zu (§ 201 Anm. 13; KG. in RIA. 6, 198 und 8, 109; vgl. §§ 201, 277, 286, 291). Dagegen hat das Zweigregistergericht ein selbständiges Prüfungsrecht, soweit es sich um die inhaltliche Zulässigkeit des betreffenden Beschlusses handelt (KG. in JFG. 1924, 218). Auch hier wird das Zweigregistergericht, wenn es zu einem anderen Ergebnis kommt als das Gericht der Hauptniederlassung, diesem davon zweckmäßigerweise Kenntnis geben. Soweit nach vorstehendem der Richter der Zweigniederlassung ein selbständiges Prüfungsrecht hat, steht ihm ein solches auch nach erfolgter Eintragung zu, d. h. er kann hinsichtlich eines als unzulässig er­ kannten Eintrags das Löschungsverfahren nach § 142 FGG. (s. unten § 37 Anm. 8) anwenden (Näheres KG. in RIA. 12, 227). Ebenso decken sich natürlich auch hier Prüfungsrecht und Prüfungspflicht (Anhang zu § 8 Anm. 7 ff.). Ausführlich zu allen diesen Fragen Cohn in DNotVZ. 1925, 234. Der im Abs. 2 unseres Paragraphen erforderte Nachweis, daß die Eintragung bei Anm. 8a. dem Hauptgericht schon erfolgt ist, wird durch beglaubigte Abschrift nach § 9 zu führen sein. Auch notariell beglaubigte Abschriften, sei es aus dem Handelsregister selbst, sei es von beglaubigten Gerichtsabschriften nach § 9, dürften genügen. — Selbstverständliche Ausnahmen von der Vorschrift des Abs. 2 liegen in den Fällen vor, wo sich die Eintragung lediglich auf die Zweigniederlassung bezieht (zust. RG. in IW. 02, 5459; OLG. Dresden in LZ. 1914, 3064; Tenzler 160 und die herrschende Meinung; a. A. Goldmann I 53), z. B. die Eintragung einer nur für die Zweigniederlassung bestellten Prokura (§50 Abs. 3), oder wo beim Hauptregister nur eine Eintragung aus dem Zweigregister „vermerkt" wird (vgl. Anm. 9). § 13 verfügt nicht, daß Register­ einträge, die lediglich die Zweigniederlassung betreffen, immer zuerst bei dem Gerichte der Hauptniederlassung einzutragen seien. Solche Einträge können sofort in das Re­ gister der Zweigniederlassung erfolgen. Dagegen erfolgt, wenn ein Prokurist für Hauptund Zweigniederlassung bestellt wird, die Eintragung zuerst bei dem Register der erste­ ren. In diesem Falle braucht er, da die Prokura für die Hauptniederlassung das um-

112 § 13.

Anm. 9.

II. Abschnitt: Handelsregister.

fassendere ist, nur die Firma der Hauptniederlassung nach § 12 zu zeichnen, selbst wenn die Zweigniederlassung im Sinne von §30 Anm. 8ff. eine andere Firma führt (OLG. Stuttgart in Zeitschr. für die freiwill. Gerichtsbarkeit usw. in Württemberg 1911, 112; LG. Dresden in einem Beschlusse 1 HF. 1/21. vom 9. Februar 1921). Weiteres über Eintragung einer Prokura für die Zweigniederlassung s. § 50 Anm. 3 und § 53 Anm. 1. Das HGB. enthält keine Vorschrift, wonach die Errichtung der Zweignieder­ lassung überhaupt im Hauptregister vermerkt wird; doch ist diese Vorschrift im § 131 FGG. gegeben. Danach ist die Eintragung der Zweigniederlassung von Amts wegen dem Registergerichte der Hauptniederlassung mitzuteilen und in dessen Register zu vermerken. Das gleiche gilt von der Aufhebung der Zweigniederlassung und ihrer Verlegung (§ 31 Anm. 1). Weitere Benachrichtigungen von Eintragungen im Register der Zweigniederlassung seitens des Registergerichts der letzteren an das der Hauptniederlassung sind weder vorgeschrieben noch zu bewirken (SächsJMBl. 1922, 20). Eine Bekanntmachung des gedachten „Vermerks", der überhaupt, keine eigentliche Eintragung, sondern lediglich ein Ordnungsvermerk ist, erfolgt nicht. Die Errichtung, Aufhebung und Verlegung der Zweigniederlassung werden also beim Hauptregister nur vermerkt, nicht aber dort angemeldet, eingetragen oder bekanntgemacht. Die Errichtung einer ausländischen Zweigniederlassung ist zu­ folge des oben in Anm. 1 festgestelltcn Grundsatzes im Register der Hauptnieder­ lassung nicht zu vermerken (OLG. Dresden in OLGR. 28, 342).

Anm. 10. 7. Die Vorschriften kommen auch dann zur Anwendung, wenn die Hauptniederlassung sich im Auslande befindet (Marcuse in LZ. 1911, 36; Marxheimer 83). Auch dann sind in das inländische Register Anmeldungen und Eintragungen in gleicher Weise zu bewirken, wie wenn sich die Hauptniederlassung im Jnlande befände. Infolgedessen muß die Firma der Zweigniederlassung auch hier angemeldet und ein­ getragen werden, desgleichen muß eine Prokura hier eingetragen werden. Doch alles dies nur insoweit, als „nicht das ausländische Recht eine Abweichung erforderlich macht". Daraus folgt zunächst, daß der Nachweis der Eintragung beim Hauptregister dann nicht verlangt werden kann, wenn das ausländische Recht die Einrichtung eines Handelsregisters nicht kennt (zust. Denzler 360 u. KG. in RIA. 17, 85). An die Stelle des Nachweises der Eintragung wird sinngemäß der sonstige glaubhafte Nachweis des Bestehens der ausländischen Hauptniederlassung treten müssen. Aus dem Wortlaut („Abweichung erforderlich macht") folgt weiter, daß das ausländische Recht dem nach inländischem Recht begründeten Verlangen unmittelbar entgegenstehen muß (Näheres § 201 Anm. 21). Da bei einer AG. die Hauptniederlassung sich nach dem Sitze der Gesellschaft bestimmt, so ist jede andere Handelsniederlassung eine Zweigniederlassung (s. Anm. 4) und ist es daher begrifflich ausgeschlossen, daß eine ausländische AG. eine inländische Hauptniederlassung haben könnte; jede inländische Handelsniederlassung einer ausländischen AG. ist daher Zweigniederlassung, auch dann, wenn der den Gegen­ stand des Unternehmens bildende Geschäftsbetrieb ausschließlich im Jnlande stattfindet (BayObLG. in RIA. 9, 39; vgl. auch § 182 Anm. 17 und § 201 Anm. 19). Über inländische Zweigniederlassungen ausländischer Versicherungsunternehmungen s. Anm. 5 a. E. Über die Behandlung inländischer Zweigniederlassungen ausländischer Unter­ nehmungen im Friedensvertrag s. Wolff und Löwenthal in IW. 1920, 608 u. 958, sowie RG. in IW. 1921, 24517 nebst Anm. dazu von Wolff. Anm. 11. Aus der Ausnahmebestimmung (Anm. 10) folgt ferner, daß für die Zulässig­ keit der Firma das ausländische Recht maßgebend ist (Allg. Einl. Anm. 6; Marcuse bei Holdheim 1910, 281; a. M. Brand Anm. 6; Samter, Das Handelsregister, S. 46). Unter Umständen wird daher ein Einzelkausmann einen Gesellschaftszusatz führen können, wenn dies auch an sich nach inländischem Recht unzulässig wäre. Denn das ausländische Recht ist für die ausländischen Unternehmungen so lange maßgebend,

II. Abschnitt: Handelsregister.

113

als nicht inländische Berbotsgesetze entgegenstehen. Das aber kann man bei dem § 13. Grundsätze der Firmenwahrheit deshalb nicht sagen, weil er zugunsten der Werte, die in bestehenden Firmen liegen, mannigfach durchbrochen ist (s. Lehmann, Aktienrecht I 123). Immerhin dürfen täuschende Zusätze nicht zugelassen werden (KG. in KGJ. 42, 159). Dagegen darf für eine einen ausländischen Doktortitel enthaltende auslän­ dische Firma eine inländische Zweigniederlassung mit dem Doktortitel eingetragen werden, auch wenn der Firmeninhaber diesen Titel im Jnlande nicht führen darf (BayObLG. in RIA. 13, 37). Andererseits ist aus den Gesetzesworten nicht herzu­ leiten, daß Eintragungen zu machen sind, welche die deutschen Gesetze nicht kennen, nur weil das ausländische Recht sie kennt. So ist z. B. die Eintragung von bloßen Handlungsbevollmächtigten nicht zulässig, auch wenn sie im Handelsregister des Auslandes eingetragen sind (vgl. Anhang zu § 8 Anm.6). — Ist die Hauptnieder­ lassung eine AG. oder KGaA., so gelten neben den allgemeinen Vorschriften unseres Paragraphen (RIA. 3, 238) noch besondere Vorschriften. Vgl. §201 Anm. 19. Zusatz 1. über die Firma der Zweigniederlassung s. § 30 Anm. 8 ff. über die Anm. 12. Veräußerung von Zweiggeschäften § 22 Anm. 4a sowie § 30 Anm. 11 u. 14. Zusatz 2. Materielles über die Zweigniederlassung. Sie teilt die Schicksale des Anm. 13. Hauptgeschäfts. Nimmt jemand einen Gesellschafter für sein Handelsgeschäft, so bezieht sich die Gesellschaft auch auf das Zweiggeschäft, die von diesem eingegangenen Schulden sind Gesellschaftsschulden (Bolze 13 Nr. 497). Die Veräußerung des Geschäfts umfaßt im Zweifel auch das Zweiggeschäft, ebenso eine sonstige Verfügung über das Hauptgeschäft, z. B. Verpachtung, Verpfändung (ebenso Denzler 215, freilich im Widerspruch mit 37). Näheres hierüber Erl. zu § 22 (bes. Anm. 4a, 13, 23) und §30 Anm. 11. Soweit Grundbucheintragungen überhaupt auf eine Firma erfolgen könnenAnm. 14. (§17 Anm. 8ff.), können sie auch unter der Bezeichnung der Zweigniederlassung erfolgen. Ebenso OLG. Dresden in OLGR. 9, 351; LG. I Berlin in KGBl. 05, 85; Kretzschmar, Sachenrecht S. 446; Marxheimer 107. Es ist dem Inhaber des Geschäfts gestattet, in die­ ser Weise zum Ausdruck zu bringen, daß die Zweigniederlassung mit diesem Vermögensgegen­ stand als Geschäftsvermögen ausgestattet ist. Z. B. kann die Dresdner Bank, die in Nürnberg eine Zweigniederlassung hat, ein Grundstück oder eine Hypothek erwerben unter der Be­ zeichnung: Dresdner Bank, Zweigniederlassung in Nürnberg (anders BayObLG. in OLGR. 10, 230). Mit einer solchen Eintragung wird die Zweigniederlassung nicht zu einem selb­ ständigen Rechtssubjekt (Anm. 6) gemacht, das maßgebende Rechtssubjekt ist der Inhaber der Hauptniederlassung. Der Vermerk der Zweigniederlassung bei der Eintragung weist nur auf die Zugehörigkeit zur Vermögensmasse der Zweigniederlassung hin. Kann ja doch unter einer solchen Bezeichnung die Zweigniederlassung auch Urkunden unterzeichnen, Ver­ pflichtungen begründen, Rechte erwerben. RG. 62, 8 ist der Ansicht des OLG. Dresden beigetreten und hat die Eintragung einer von der Zweigniederlassung einer juristischen Person erworbenen Hypothek auf die Firma der Zweigniederlassung für zulässig erklärt und sogar für notwendig, wenn der Erwerbstitel auf sie ausgestellt ist. Zustimmend KG. (früher schwankend) in KGJ. 32 A 199 und Nagelschmidt in DIZ. 06, 816. In gleicher Weise kann bei der Fusion zweier AG. die aufnehmende AG. verlangen, daß von ihr mitübernommene Grundstücke auf die Firma einer ihrer Zweigniederlassungen umgeschrieben werden. Sie muß zu diesem Zwecke eine in der Form des § 29 Satz 1 GBO. abzugebende Erklärung aus­ stellen, und es bedarf nicht einer vorgängigen Eintragung der Firma der AG. selbst (OLG. Dresden 25. Juni 1924 in den Mitteilungen des Sachs. Notarvereins Nr. 5). Im übrigen vgl. noch § 50 Anm. 3. Zusatz 3. Die Vertretung der Zweigniederlassung ist — abgesehen von §§ 87, 88 Anm. 15. PrivVUntG. für inländische Zweigniederlassungen ausländischer Versicherungsunterneh­ mungen — nicht besonders gesetzlich geregelt (vgl. Denzler 299ff.). Es folgt aus dem in Anm. 4f. Gesagten, daß nicht etwa ein offener Gesellschafter oder ein Vorstandsmitglied oder ein Prokurist Vertreter sein müsse, es kann auch ein Handlungsbevollmächtigter sein Staub, HGB., 12. u. 13. Aufl. Bv. I. (Bondi.) 8

114

§ 13.

Anm. 16.

II. Abschnitt: Handelsregister.

(ROHG. 17, 320). Bei Banken ist es sogar neuerdings üblich geworden, Filialdirektoren zu ernennen, die überhaupt nicht in das Handelsregister eingetragen, vielmehr nur mit einer allgemeinen Handlungsvollmacht, meist in Gestalt einer Gesamtvollmacht (§ 54 Anm. 2a), ausgestattet sind; diese haben rechtlich die Stellung von Handlungsbevollmäch­ tigten für die Zweigniederlassung; ihr Dienstverhältnis anlangend, sind sie nicht Vorstands­ mitglieder, sondern Handlungsgehilfen (§ 59 Anm. 14). Auch ein besonderer Prokurist für die Zweigniederlassung ist unter der Voraussetzung des § 50 Abs. 3 zulässig, ebenso die Be­ schränkung der Vertretungsbefugnis eines offenen Gesellschafters auf eine Zweignieder­ lassung unter der Voraussetzung des § 126 Abs. 3. Auch ein besonderes Vorstandsmitglied bei der AG. ? Darüber s. § 235 Anm. 12 und § 201 Anm. 9. Tie Frage ist dort verneint. Ebenso kann in das Handelsregister nicht eingetragen werden, ein Geschäftsführer sei nur für die Zweigniederlassung einer GmbH, bestellt (KG. in KGJ. 53, 97). — Uber Rechte und Pflichten von Filialleitern vgl. BerlKsmGJ. 1912, 288 ff. — Uber die Haftung juristischer Personen für von Filialdirektoren angerichtete Schäden vgl. Anhang zu § 58 Anm. 86.

Zusatz 4. In prozessualer Hinsicht

ist folgendes zu bemerken:

a) Die Frage, ob die Zweigniederlassung unter ihrer Firma klagen und ver­ klagt werden kann, kann weder bejaht noch verneint werden. Denn die Frage ist nicht richtig gestellt. Die Zweigniederlassung ist ein als Zubehör (im weiteren Sinne) eines Hauptgeschäfts zu betrachtendes Geschäft (RG. in IW. 91, 572°; s. auch § 22 Anm. 23). Ein Geschäft ist aber kein Rechtssubjekt, ein Zweiggeschäft ist ebensowenig prozeßfähig wie ein Hauptgeschäft, es kann also weder klagen noch verklagt werden. Die Frage muß dahin gefaßt werden: Kann der Inhaber des Zweiggeschäfts unter der Firma des Zweiggeschäfts klagen und verklagt werden? Hierauf ist zu antworten: Zufolge § 17 Abs. 2 kann jeder Kaufmann unter der Firma des Zweiggeschäfts klagen und verklagt werden, allerdings nur aus den durch den Betrieb des Zweiggeschäfts begründeten Rechtsbeziehungen (zust. Tenzler 223; Marx­ heimer HO; OLG. Kolmar in ElsLothZ. 34, 366). Das folgt aus der Natur der Sache und der für die ähnliche Frage des Gerichtsstandes gegebenen Vorschrift des § 21 ZPO. Ist übrigens hiergegen gefehlt, so liegt kein wesentlicher Mangel, sondern ledig­ lich eine unrichtige Bezeichnung vor, daher ist z. B. nach Erlöschen der Zweignieder­ lassung Fortführung des Prozesses für bzw. gegen die Hauptniederlassung zulässig (OLG. Kassel in LZ. 09, 954; s. auch Anm. 6). Anm. 17.

Beispiele: Die o.HG. Michels & Co. in Köln hat einem Berliner Kaufmann un­ mittelbar einen Posten Ware verkauft. Sie hat in Berlin eine Zweigniederlassung, und diese klagt unter der Firma Michels & Co. in Berlin den Kaufpreis ein. Das ist nicht richtig, kann aber richtiggestellt werden, da hierdurch das klagende Rechtssubjekt sich nicht verändert, sondern nur richtiger bezeichnet lvird (Anm. 6). Wollte in gleichem Falle der Berliner Kaufmann einen Anspruch aus dem Kaufgeschäft gegen Michels & Co. bei einem Berliner Gericht geltend machen, so würde er gleichfalls falsch klagen, wenn er die Firma „Michels & Co. in Berlin" verklagen würde. Allein auch hier ist dieser Fehler zu verbessern, wenn nur der durch § 21 ZPO. nicht begründete Gerichtsstand irgendwie sich begründen läßt (vgl. folgende Anm.).

Anm. 18. d) Einen besonderen allgemeinen Gerichtsstand begründet die Zweigniederlassung nicht, da sie keinen zweiten Geschäftssitz begründet; aber der Gerichtsstand der Verwal­ tung und der des Erfüllungsorts können am Sitze der Zweigniederlassung begründet sein (vgl. §§ 21, 29 ZPO.; RG. 50, 428; ROHG. 17, 319; OLG. Hamburg in ZHR. 42, 503; vgl. auch § 15 Anm. 13 a. E.). Übereinst. Denzler 228; Marxheimer 111. Nach §§ 89, 115 Abs. 3 PrivVUntG. gelten für die Zuständigkeit für Klagen gegen die Versicherungsunternehmung besondere Vorschriften; vgl. auch § 48 VVG.; hier­ über Koenige PrivVUntG. § 9 Anm. 12. Über die Zuständigkeit des Gerichts der Zweig­ niederlassung für Klagen aus dem UnlWG. s. OLG. Dresden in OLGR. 37, 238.

II. Abschnitt: Handelsregister.

115

13.

c) Die inländische Zweigniederlassung eines ausländischen Kaufmanns unterliegt, wenn § unter ihrer Firma geklagt wird, der Pflicht der Ausländer zur Sicherheitsleistung (vgl. Anm. 19. § 201 Anm. 19). Für Klagen aus dem inländischen Versicherungsgeschäfte gegen die ausländische Unternehmung ist das Gericht der inländischen Niederlassung zuständig (§ 89 PrivVUntG.).

Zusatz 5. Musterschutz. Eine ausländische Firma, die im Inland eine Zweignieder-Anm. 20. lassung hat, kann nur bei dem für letztere zuständigen Amtsgericht ein Geschmacksmuster gültig anmelden. § 9 Abs. 3 des Musterschutzes, vom 11. Jan. 1876 läßt die dort vorgesehene Anmeldung beim AG. Leipzig nur dann zu, wenn der Anmeldende im Jnlande überhaupt keine Niederlassung, weder Haupt- noch Zweigniederlassung, hat (RG. in DIZ. 09, 771).

Zusatz 6. Scheinzweiguiederlassuugeu. Ist ein kaufmännisches Geschäft durch die zu Anm. 21. seiner Leitung berufenen Person nach außen hin als Zweigniederlassung eines anderen Geschäfts aufgetreten, und hat der Inhaber dieses anderen Geschäfts das fortgesetzt geduldet, so haftet er für die Verträge des ersterwähnten Geschäfts. Das ist eine Folgerung aus den im Anhang zu § 5 dargelegten Grundsätzen (RG. int „Recht" 1913 Nr. 241). Vgl. auch Anm. 6 a.

§ 14.

§ 14.

wer verpflichtet ist, eine Anmeldung, eine Zeichnung der Unterschrift oder eine Einreichung von Schriftstücken zum Handelsregister vorzunehmen, ist hierzu von dem Registergerichte durch Ordnungsstrafen anzuhalten. Die einzelne Strafe darf den Betrag von dreihundert Mark nicht übersteigen.

§ 14 gibt eine allgemeine Vorschrift über die Erzwingung der Verpflichtungen zur Anmeldung, zur Zeichnung der Unterschrift und zur Einreichung von Schriftstücken. l.Die Vorschrift ist allgemein. Sie bezieht sich auf die zahlreichen im HGB. aufgestellten Anm. 1. Verpflichtungen zur Anmeldung von Rechtsverhältnissen, zur Zeichnung von Unter­ schriften und zur Einreichung von Schriftstücken. Wir werden diesen Verpflichtungen im einzelnen an den zuständigen Stellen begegnen. Z. B. handelt es sich um die An­ meldung der Firma des Kaufmanns oder der o.HG., des Erlöschens der Firma; ferner um die Verpflichtung zur Zeichnung seitens derer, welche die Firma (Einzelfirma, Ge­ sellschaftsfirma oder Liquidationssirma) nach außen gegenüber Dritten zu vertreten haben (nur diese Personen haben die Pflicht zur Zeichnung, eine Zeichnung anderer Bevoll­ mächtigter zum Handelsregister findet nicht statt); endlich um die Verpflichtung zur Ein­ reichung, z. B. in den Fällen der §§ 33 Abs. 2, 195 Abs. 2, 207 Abs. 4, 273 Abs. 1. Auch der Fall des § 2 mag in diesem Zusammenhänge hervorgehoben werden; s. dort Anm. 18. Aber weiter darf man nicht gehen. Z. B. kann das Ordnungsstrafverfahren nicht angewendet werden, um Mitglieder des Aufsichtsrats einer AG. zur Berufung einer Generalversammlung zu veranlassen (KG. in RIA. 12, 35). Darüber, ob überhaupt gegen Aufsichtsratsmitglieder im Lrdnungsstrafverfahren vorgegangen werden kann, s. § 319 Anm. 2; Marcus in DIZ. 1912, 454; Josef im „Recht" 1912, 437 und EhrenbergHandb. 1, 592. — Eine bedauerliche Lücke ist es, daß eine Eintragung nie von Amts wegen erfolgen darf, abgesehen von § 67 Abs. 3 PrivVUntG. (die Eintragung der Untersagung des Gewerbebetriebs erfolgt auf Anzeige der Aufsichtsbehörde). Aber unter gewissen Voraussetzungen findet die Löschung einer unzulässigen Eintragung von Amts wegen statt, selbst in Fällen, in denen eine Erzwingung durch Ordnungsstrafen unzulässig wäre. Näheres f. §§ 141—144 FGG. (zum Teil abgedruckt unten in Anm. 8 zu § 37) und unten Anm. 17. So ist z. B., wenn eine o.HG. wegen Vorliegens eines nur handwerksmäßigen Betriebs zu Unrecht eingetragen ist, nach § 142 FGG. zu ver­ fahren (s. unten § 37 Anm. 8); in diesem Falle ist daher das Ordnungsstrafverfahren zur Herbeiführung der Löschung unnötig und unzulässig (OLG. Jena in RIA. 12, 46). Ebenso

116 §14.

II. Abschnitt: Handelsregister.

ist dieses Verfahren zur Löschung einer fälschlichen Standesbezeichnung („Bankier") nicht gegeben, dagegen die Löschung von Amts wegen (KG. in KGBl. 03, 102).

Anm. 2. 2. Die Strafe ist eine Geldstrafe. Tie Festsetzung des Höchstbetrags auf 300 Mk. ist durch Art. XIV Abs. 2 Ziff. 3 der V. über Vermögensstrafen und Bußen vom 6. Febr. 1924 (RGBl. I 44) aufgehoben worden. Tie Ordnungsstrafe beträgt nach Art. II Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 a. a. O. (vgl. auch daselbst Art. V Abs. 1 und zweite B. zur Durchführung des Münzgesetzes vom 12. Tez. 1924, RGBl. I 775, § 2 Abs. 1) jetzt min­ destens eine und höchstens eintausend Reichsmark. Eine Freiheitsstrafe ist nicht zulässig, auch nicht Umwandlung der Geldstrafe in Freiheitsstrafe. Aber die Geldstrafe kann wiederholt bis zur Erzwingung der Leistung verhängt werden (§ 133 FGG.). Anm. 3.

Zusatz. Das Ordnungsstrafverfahren (vgl. Th. Cohn 88ff.; Marcus in ZBlFG. 8, 683; 10, 727; EhrenbergHandb. 1, 527ff. u. 590sf.). 1. Geregelt im FGG. (§§ 132—140), ist der rechtliche Charakter des Ordnungsstrafver­ fahrens der eines Zwangsverfahrens eigener Art (KG. in RIA. 6, 195 nennt es ein amtliches Verfahren im Dienste der Erzwingung öffentlich-rechtlicher Pflichten; ähnlich KG. in RIA. 10, 35), auf das weder das StGB, noch die Prozeßgesetze An­ wendung finden (s. für das frühere Recht RG. 2, 223). Es ist zwar ein Amtsverfahren, aber nicht lediglich ein solches. Es ist insofern auch ein Parteiverfahren, als die Per­ sonen, die ein Recht auf die betreffende Eintragung, Zeichnung oder Einreichung haben, beschwerdeberechtigt sind (Anm. 4). Tas Strafverfahren hat sich nur gegen die natür­ lichen Personen zu richten, denen die gesetzliche Verpflichtung obliegt (vgl. § 319 HGB.; OLGR. 7, 346 und 12, 411; Brand Anm. 2), also nicht gegen eine juristische Person, etwa eine AG. als solche, nicht gegen den „Vorstand", sondern gegen die Vorstandsmit­ glieder usw. (KG. in OLGR. 4, 463). Grundsätzlich a. M. EhrenbergHandb. 1, 592 und DürHach. Anm. 1. Es kann sich auch immer nur gegen die Personen richten, die verpflichtet sind, die Anmeldung usw. vorzunehmen; also nicht gegen die Gesellschafter einer GmbH., etwa, um sie zur Bestellung eines Geschäftsführers zu zwingen (KG. in RIA. 13, 113); nicht gegen die, denen die anmeldungspslichtige Prokura erteilt ist (BayObLG. in OLGR. 29, 301); auch nicht gegen etwaige Bevollmächtigte anmeldungspflichtiger Personen, und zwar gilt dies auch dann, wenn die Anmeldungspslichtigen sich im Auslande be­ finden, da eine Verpflichtung des Bevollmächtigten, und sei er auch ein allgemeiner Handlungsbevollmächtigter, gegenüber dem Registergericht nicht besteht (BahObLG. in RIA. 9, 39). Auf anmeldungspflichtige, nicht in Deutschland ansässige Ausländer ist das Ordnungsstrafverfahren überhaupt nicht anwendbar (Koenige in LZ. 1914, 1429).

2. DaS Verfahren im einzelnen (§§ 132—138, 140 FGG.). Anm.4. a) Sobald das Registergericht von einem das Einschreiten rechtfertigenden Sachverhalt glaubhafte Kenntnis erhält, hat cs dem Beteiligten unter An­ drohung einer Ordnungsstrafe aufzugeben, innerhalb einer bestimmten Frist (diese Frist­ setzung ist ein wesentliches Erfordernis: KG. in RIA. 10, 36) seiner gesetzlichen Ver­ pflichtung nachzukommen oder die Unterlassung mittels Einspruchs gegen die Verfügung zu rechtfertigen. Die Androhung der Ordnungsstrafe ist dabei wesentlich (KG. in KGJ. 37 A 179). Tie Auflage kann in geeigneten Fällen auch eine wahlweise sein, z. B. kann sie, wenn ein Kaufmann für dasselbe Geschäft zu Unrecht zwei an sich ihm zustehende Firmen führt, dahin gehen, daß er die Führung einer dieser beiden Firmen zu unter­ lassen habe (ebenda). — Tie Beschwerde gegen diese Verfügung ist unzulässig (§ 132 FGG.). Ebenso ist, wenn das Registergericht einen Beteiligten ohne Einleitung des förmlichen Ordnungsstrafverfahrens zur Erfüllung seiner Anmeldungspflicht ausfordert, hiergegen Beschwerde nicht zulässig (KG. in KGJ. 37 A 188 und in RIA. 16, 77). — Die Kenntnis muß glaubhaft sein. Wann dies der Fall ist, unterliegt dem freien Er­ messen des Gerichts; es kann auch auf eine bloße Anzeige eines Dritten einschreiten, wenn es ihr Glauben schenkt. Ist es einmal mit Ermittelungen vorgegangen, so muh

II. Abschnitt: Handelsregister.

117

es dies in erschöpfender Weise tun; es ist gemäß § 12 FGG. verpflichtet, über alle er- § 14. heblichen Tatsachen und etwaigen Widersprüche weitere Ermittelungen zu veranstalten (KG. in KGJ. 27 A 60). Tas Gericht kann umgekehrt, wenn die zu erlassende Verfügung von der Beurteilung eines streitigen Rechtsverhältnisses abhängt, die Verfügung aus­ setzen, bis das Verhältnis durch Rechtsstreit entschieden ist (§ 127 FGG.); dies aber nicht auf unbescheinigten Widerspruch hin (LG. I Berlin im „Recht" 00, 152). Will das Gericht auf einen von einem Dritten gestellten Antrag zum Einschreiten nicht eingehen, so hat es ihn zu bescheiden (und in Preußen den eine Eintragung ablehnenden Bescheid auch zu begründen; § 4 Allg. Vf. vom 7. Nov. 1899 und KG. in KGJ. 27A58). Gegen diese Verfügung steht dem Antragsteller die Beschwerde dann zu, wenn durch sie sein Recht beeinträchtigt ist (zust. Th. Cohn 90). Das folgt unseres Erachtens aus § 20 FGG. Die Versagung der Be­ schwerde in § 132 FGG. bezieht sich nur auf die Einschreitungsverfügung, nicht auf die Ablehnung des Einschreitens. Unter dem beeinträchtigten Recht ist nicht etwa ein bloßes rechtliches Interesse zu verstehen (D. zu FGG. 39); es muß die Beeinträchtigung eines wirklichen Rechts vorliegen (zust. KG. in KGJ. 28A40; 37A 199 und 53, 94; vgl. § 37 Anm. 9). Wenn also z. B. einer von zwei offenen Gesellschaftern seiner Ver­ pflichtung zur Anmeldung der Auflösung der Gesellschaft gemäß § 143 HGB. genügt und bei dem Registergericht beantragt hat, der andere solle gemäß § 14 zur Erfüllung seiner Anmeldungspflicht angehalten werden, so kann, wenn der Registerrichter dieses Einschreiten ablehnt, der Antragsteller sich beschweren. — Über das Beschwerdeverfahren s. Anm. 9 ff., über die Mitwirkung der Organe des Handelsstandes Anm. 15. — Hat auf eingelegte Beschwerde das LG. dem Registergericht die Einleitung des Ordnungsstraf­ verfahrens aufgegeben, so ist gegen diesen Beschluß eine weitere Beschwerde nicht gegeben (KG. in RIA. 9, 250). b) Wird innerhalb der bestimmten Frist weder der gesetzlichen Pflicht genügt nochAnm. 5. Einspruch erhoben, so ist die angedrohte Strafe festzusetzen und zugleich die frühere Verfügung unter Androhung einer erneuten Ordnungsstrafe zu wiederholen, und so fort, bis der gesetzlichen Verpflichtung genügt oder Einspruch erhoben ist (§ 133 FGG.). Die Straffestsetzung erfolgt wegen der Säumnis des Beteiligten, ohne Rücksicht, ob er sachlich im Recht ist. Die sofortige Beschwerde gegen die Straffestsetzung kann also darauf, daß das Verlangen des Richters, z. B. zur Firmenanmeldung, sachlich ungerecht­ fertigt gewesen sei, nicht gestützt werden (§ 139 Abs. 2 FGG.; OLGR. 4, 464 und 5, 275), wohl aber darauf, daß ein Fall der Säumnis nicht vorgelegen habe (KG. in KGJ. 26 A 76), doch muß der Beteiligte zugleich seine Verpflichtung zu der verlangten Handlung an­ erkennen. Da es lediglich auf die Säumnis ankommt, ist es unerheblich, ob der Straf­ festsetzungsbeschluß erst zugestellt wird, nachdem schon vorher der Beteiligte der Ver­ fügung genügt, z. B. angemeldet hat (KG. a. a. O.; a. M. Marcus in Holdheim 13, 171, der die Aufhebung der Strafe dem Richter gestattet, weil die Straffestsetzung erst mit der Zustellung gemäß §§ 16, 22 FGG. wirksam werde). Bestritten ist, ob die Ordnungs­ strafe noch festgesetzt werden sann, nachdem der zur Anmeldung Verpflichtete, sei es auch erst nach Ablauf der gesetzten Frist, der Auflage nachgekommen ist. KG. in RIA. 11, 44 meint, dies sei nicht zulässig. KG. ebenda 13, 36 sagt dasselbe für das Beschwerdegericht. Dagegen mit guten Gründen Josef in Holdheim 1914, 166. — Wird der Einspruch zurück­ genommen, so ist die Sache so anzusehen, als wäre er überhaupt nicht eingelegt gewesen; ein Widerruf der Rücknahme ist bedeutungslos (OLGR. 5, 275). (?) Wird rechtzeitig Einspruch von dem Beteiligten (dem mit der Ordnungs-Anm. 6. strafe Bedrohten) erhoben, so sind zwei Fälle möglich: Entweder das Gericht er­ achtet den Einspruch für begründet, dann ninnnt es seine Verfügung zurück; hiergegen steht allgemein jedem Antragsteller, dessen Recht dadurch beeinträchtigt ist, die Beschwerde zu (§ 20 FGG.; oben Anm. 5; KG. in OLGR. 7, 344), aber ohne weitere Beschwerde (RIA. 2, 127). Oder aber das Gericht hält den Einspruch nicht für begründet, dann ladet es

118 §14.

Anm. 7. Anm. 8.

Anm. 9.

Anm. 10.

Anm. 11.

Anm. 12.

II. Abschnitt: Handelsregister.

den Beteiligten zur Erörterung der Sache zu einem Termin. Tie Verhandlung ist nicht öffentlich. Ter Gang des Verfahrens untersteht nicht den Grundsätzen der ZPO., ab­ gesehen von den Vorschriften in §§ 14, 15 FGG. Wenn der Geladene nicht erscheint, so kann das Gericht einen neuen Termin ansetzen, es kann aber auch nach Lage der Sache entscheiden (§ 134 FGG.). Wird auf Grund dessen, was der Termin gezeitigt hat, der Einspruch für begründet erachtet, so hat das Gericht die erlassene Verfügung aufzuheben (wogegen dem Antragsteller das Recht der Beschwerde wiederum zusteht, hier aber mit weiterer Beschwerde; RIA. 2, 173); andernfalls hat es den Einspruch zu verwerfen und zugleich die angedrohte Strafe festzusetzen sowie eine erneute Verfügung nach § 132 (s. oben Anm. 4) zu erlassen (KG. in OLGR. 8, 376). Das Gericht kann aber auch, wenn die Umstände es rechtfertigen, von der Festsetzung einer Strafe absehen oder eine geringere als die angedrohte Strafe festsetzen. Über Beistände und Bevollmächtigte, die zulässig sind, vgl. § 13 FGG. Ob die ergehenden Beschlüsse dem Bevollmächtigten (Rechtsanwalt) oder dem Beteiligten zuzustellen sind, darüber herrscht Streit; Marcus verteidigt das erstere (DIZ. 03, 494), Josef das letztere („Recht" 04, 101). 6) Gegen den Beschluß, durch den die Ordnungsstrafe festgesetzt oder der Ein­ spruch verworfen wird, findet die sofortige Beschwerde statt (§ 139 FGG.). e) Falsche Bezeichnung des Einspruchs als Beschwerde oder umgekehrt schadet nicht, wenn nur die sonstigen Voraussetzungen des Rechtsmittels gewahrt sind (KG. in OLGR. 7, 346 und in IRA. 4, 105). — über die Frage, ob ein Einzelkaufmann bei Unterzeichnung der Rechtsmittelschrift statt seines bürgerlichen Namens seiner Firma sich bedienen darf, s. § 17 Anm. 11b. 1) DaS Beschwerdeverfahren (§§ 20—30, 139 FGG. Vgl. die Kommentare zum FGG. Ferner Marcus in ZBlFG. 7, 189; Josef daselbst 9, 485; 11, 597 und bei Holdheim 1911, 12). a) Frist und Zulässigkeit. Die einfache Beschwerde, die innerhalb des hier in Rede stehenden Verfahrens den aus § 20 und § 126 FGG. hierzu Berechtigten zusteht (Fälle vgl. Anm. 3, 5, 15), ist an eine Frist nicht gebunden. Dagegen ist die sofortige Be­ schwerde, die gegen den Beschluß gegeben ist, durch den die Ordnungsstrafe festgesetzt oder der Einspruch verworfen wird (Anm. 5, 6), binnen einer Frist von zwei Wochen einzulegen; sie nützt bei mehreren zur Anmeldung der gleichen Tatsache Verpflichteten, z. B. mehreren Vorstandsmitgliedern, nur dem Beschwerdeführer (OLGR. 4, 100). Sofern die Beschwerde „dem Antragsteller" zusteht, wie bei Zurückweisung eines An­ trags im Sinne des § 20 Abs. 2 FGG., kann bei einer Mehrheit von Personen, die „den Antragsteller" bilden, die Beschwerde nur von ihnen gemeinsam erhoben werden (KG. in RIA. 14, 45). ß) Die Form. Die Beschwerde, gleichviel ob einfache oder sofortige, erfolgt durch Ein­ reichung einer Bcschwerdeschrift an das Gericht, über das man sich beschwert, oder an das Beschwerdegericht oder durch Erklärung zu Protokoll des Gerichtsschreibers eines dieser Gerichte. y) Auf neue Tatsachen und Beweise kann die Beschwerde in beiden Fällen gestützt werden. Über die Beschwerde entscheidet das Landgericht, Zivilkammer, und, wenn bei ihm eine Kammer für Handelssachen gebildet ist, diese. Im letzteren Falle gibt eine Entscheidung durch die Zivilkammer Grund zu weiterer Beschwerde, weil ein Verstoß gegen § 551 Ziff. 4 ZPO. vorliegt, das Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war (RG. 48, 27 in Bestätigung von KG. in OLGR. 1, 286; a. M. OLG. Stuttgart ebenda 57). — Die Beschwerde gegen die Straffestsetzung des Registergerichts kann nicht auf Gründe gestützt werden, für deren Geltendmachung der Einspruch gegeben ist (Anm. 4ff.; BayObLG. in DIZ. 1911, 478). 8) Aufschiebende Wirkung hat die Beschwerde nur dann, wenn sie gegen eine Ver­ fügung gerichtet ist, durch die eine Strafe festgesetzt wird. Stets aber kann das Ge-

II. Abschnitt: Handelsregister.

119

richt, dessen Verfügung angefochten wird, oder das Beschwerdegericht anordnen, daß § 14. die Vollziehung der angefochtenen Verfügung auszusehen ist. e) Gegen fcie Entscheidung des Beschwerdegerichts ist das Rechtsmittel der weiterenAnm. 13. Beschwerde zulässig, wenn die Entscheidung auf einer Verletzung des Gesetzes (Reichs- oder Landesgesehes) beruht. Hierbei finden die Vorschriften der §§ 550, 551, 561, 563 ZPO. (über die Revision) entsprechende Anwendung. Zuständig für die weitere Beschwerde ist das Oberlandesgericht, Zivilsenat; in Preußen (gemäß § 199 FGG.) lediglich das Kammergericht (Art. 7 PrFGG.), in Bayern das Oberste Landesgericht (vgl. Jastrow Anm. 5 zu § 199 FGG.). Will das OLG. jedoch bei der Auslegung einer reichsgesetzlichen Vorschrift von der auf weitere Beschwerde er­ gangenen Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder von einer Entschei­ dung des Reichsgerichts abweichen, so hat es die weitere Beschwerde unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Reichsgericht vorzulegen. Alsdann entscheidet das Reichs­ gericht (§ 28 FGG.). Die weitere Beschwerde kann zu Protokoll des Gerichts­ schreibers der ersten Instanz, des Landgerichts oder des Oberlandesgerichts (eine privatschriftliche Eingabe erhält mittels Hinzufügung einer Eingangs- und Schluß­ formel von der Hand des Gerichtsschreibers nicht den Charakter der erforderlichen „Er­ klärung zum Protokoll des Gerichtsschreibers", KG. in KGJ. 22 A 202) oder durch eine bei einem dieser Gerichte einzureichende Beschwerdeschrift eingelegt werden. In letzterem Falle muß sie durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet sein, es sei denn, daß sie von einer Behörde oder von einem Notar eingelegt wird, der in der Angelegenheit für den Beschwerdeführer einen Antrag bei dem Gerichte erster Instanz gestellt hat (§ 29 FGG.). — Die Frist richtet sich nach der Beschwerdefrist. Soweit also eine Anfechtung einer Entscheidung erfolgt, welche auf sofortige Beschwerde ergangen ist, findet die sofortige weitere Beschwerde statt. £) Die Kosten einer begründeten Beschwerde fallen nur, soweit die gerichtlichen inAnm. 13a. Frage kommen, der Staatskasse zur Last; nicht aber die außergerichtlichen einschließlich etwaiger Anwaltskosten, da eine dahingehende gesetzliche Bestimmung fehlt (LG. Ham­ burg bei Holdheim 10, 93 u. 139).

8) Kann das Gericht auch seine eigene Verfügung aufheben, insbesondereAnm. 14. nachdem Beschwerde erhoben ist? Im allgemeinen ist dies zu bejahen. Eine Aus­ nahme machen jedoch die Verfügungen, die der sofortigen Beschwerde unterliegen, und die Entscheidungen, die der weiteren Beschwerde unterliegen (§§ 18 u. 29 FGG.).

h) Die Organe deS HandelSstandeS (vgl. § 8 Anm. 3) sind Anm. 15. a) verpflichtet, die Registergerichte behufs Verhütung unrichtiger Eintragungen sowie behufs Berichtigung und Vervollständigung des Handelsregisters zu unterstützen (durch Auskünfte, Gutachten ujiu.); ß) berechtigt, Anträge zu diesem Zweck (aber auch nur zu diesem Zweck, ohne daß eine ausdehnende Auslegung zulässig wäre, z. B. nicht behufs Untersagung des Ge­ brauchs einer zu Unrecht geführten Firma; KG. in RIA. 8, 196; vgl. § 37 Anm. 9) bei den Registergerichten zu stellen und gegen Verfügungen, durch die über solche An­ träge entschieden wird, das Rechtsmittel der Beschwerde zu erheben. Sie sind hierbei als Behörde anzusehen und brauchen daher ihre weitere Beschwerde nicht durch einen Rechtsanwalt unterzeichnen zu lassen (Anm. 13). — Hinsichtlich des Beschwerderechts, das den Organen des Handelsstandes in § 126 FGG. eingeräumt ist, muß folgendes beachtet werden. Es ist gegenüber der Regel des § 20 FGG. dahin erweitert, daß es von einer Beeinträchtigung ihres Rechts unabhängig ist. Dagegen ist es nach anderer Richtung hin eingeschränkt. Nach der klaren Vorschrift des § 126 FGG. steht ihnen nur gegen solche Verfügungen, durch die über einen von ihnen gestellten Antrag entschieden wird, die Beschwerde zu — eine Bestimmung, die mit Recht vom KG. stets dahin ausgelegt wird, daß ihnen unter der gleichen Voraussetzung auch die weitere

120

§ 14.

II. Abschnitt: Handelsregister.

Beschwerde zusteht, gleichviel ob ihr Antrag in den beiden ersten Instanzen oder auch erst auf Beschwerde in zweiter Instanz zurückgewiesen worden ist (KG. in RIA. 4, 207; Nausnitz Anm. 6 u. 11 zu § 126 FGG.). Sie können sich also nicht beschweren über Verfügungen, die auf Antrag eines anderen ergangen sind. Freilich sind sie gemäß § 126 FGG. jederzeit in der Lage, durch ihren Antrag die Einleitung eines neuen Ordnungsstrafverfahrens zu veranlassen. Vgl. hierzu Josef, Kommentar zum FGG. und in ZBlFG. 9, 487. Weiter vgl. OLG. Karlsruhe in JFG. 1924, 182 und KG. ebenda 192.

Anm. 16. 1) Die unter h dargelegten Pflichten und Rechte gelten nicht entsprechend für Organe des Handwerkerstandes. Insbesondere haben Handwerkskammern kein ent­ sprechendes Antrags- oder Beschwerderecht (KG. in RIA. 7, 195). Aber unter Um­ ständen ist doch ein Beschwerderecht für sie gegeben, nämlich wenn von ihnen zu wahrende Rechte verletzt sind, z. B. bei Verletzung der Bestimmungen über den Titel eines Hand­ werksmeisters (KG. a. a. £).).

Anm. 17. k) Uber das Ordnungsstrafverfahren im Falle § 37 Abs. 1 HGB. s. dort Anm. 8; ebenso über das Verfahren zwecks Löschung einer wegen Mangels einer wesentlichen Voraus­ setzung unzulässigen Eintragung. Zu dem letzteren Verfahren (§ 142 FGG.) verhält sich das erstere (§ 140 FGG.) nur als ein ersatzweises, es hat nur Platz zu greifen, wo Abhilfe gegen den rechtswidrigen Zustand nicht anderweitig möglich ist (Marcus in ZBlFG. 8, 685; zum Teil abweichend OLG. Karlsruhe in RIA. 17, 97, wo jedes Abhängigkeits­ verhältnis der beiden Verfahren verneint wird). Im übrigen vgl. oben Anm. 1. Anm. 18.

8 15.

1) Infolge des Aufsichtsrechts über die privaten Versicherungsunternehmungen er­ gibt sich ein eigentümliches Verhältnis der Aufsichtsbehörde zum Registergericht; hierüber Koenige PrivBUntG. § 30 Anm. 3.

§ 15. Solange eine in das Handelsregister einzutragende Tatsache nicht ein­ getragen und bekannt gemacht ist, kann sie von demjenigen, in dessen An­ gelegenheiten sie einzutragen war, einem Dritten nicht entgegengesetzt werden, es sei denn, daß sie diesem bekannt war. )st die Tatsache eingetragen und bekannt gemacht worden, so muß ein Dritter sie gegen sich gelten lassen, es sei denn, daß er sie weder kannte noch kennen mußte. Für den Geschäftsverkehr mit einer in das Handelsregister eingetragenen Zweigniederlassung ist im Sinne dieser Vorschriften die Eintragung und Be­ kanntmachung durch das Gericht der Zweigniederlassung entscheidend. Lit.: Geiler, Zur Publizität des Handelsregisters, in LZ. 07, 890; Rauch, Grenzen der negativen Publizität des Handelsregisters, in der Königsberger Festgabe für Güterbock, 1910, S. 446ff.; Ehrenberg in seinem Handb. 1, 613ff.; Hueck, Gilt § 15 Abs. 1 HGB. beim Erlöschen und bei der Änderung nicht eingetragener, aber eintragungspflichtiger Rechts­ verhältnisse ? in ArchZivPrax. 118, 350. Ferner vgl. Lit. zu §§ 5 u. 8.

Einleitung.

Der vorliegende Paragraph stellt im Interesse der Verkehrssicherheit einen wich­ tigen Grundsatz auf. Er bestimmt, welche Rechtsfolgen es für den Rechtsverkehr hat, wenn eine einzutragende Tatsache nicht eingetragen und bekanntgemacht ist, und welche Rechtsfolgen es hat, wenn eine solche Tatsache eingetragen und bekannt­ gemacht ist. Im ersten Falle braucht der Dritte sie nicht gegen sich gelten zu lassen, cs sei denn, daß sie ihm bekannt war. Im zweiten muß er es, es sei denn, daß er sie weder kannte noch kennen mußte.

II. Abschnitt: Handelsregister.

121

Dieser allgemeine Grundsatz ist an die Stelle einer Reihe von Einzelbestimmungen des § 15. alten HGB. getreten, die im Endziel auf dasselbe hinausliefen. Tie in der Einl. zu § 10 bezeichnete V. vom 14. Febr. 1924 hatte in § 8 folgende Bestimmung getroffen: Soweit nach den Vorschriften dieser Verordnung die Bekanntmachung einer in daS Handels­ register einzutragenden Tatsache nicht stattfindet, findet die Vorschrift des § 15 HGB. mit der Maßgabe Anwendung, daß die darin bezeichneten Rechtsfolgen sich an die Eintragung oder Nichteintragung knüpfen.

Nachdem diese Bestimmung durch die ebenfalls in der Einl. zu § 10 erwähnte V. vom 20. Juni 1925 wieder aufgehoben worden ist, findet sie nur noch auf die in der Zwischen­ zeit erfolgten Eintragungen Anwendung. Uber Widersprüche zwischen Eintragung und Veröffentlichung s. § 10 Anm. 1. Zweifelhaft kann sein, wie unrichtige oder ungenaue Eintragungen wirken. OLG. Stuttgart in OLGR. 19, 293 nimmt an, daß eine Firma solche schlechthin nicht gegen sich gelten zu lassen braucht, wenn der Eintragungsantrag sachgemäß erfolgt war. Allein mit Recht weist demgegenüber Schultze-Görlitz in DNotVZ. 09, 644 und 1910, 826 darauf hin, daß mit Rücksicht auf die an § 15 sich knüpfende Vermutung von dem Antragsteller gefordert werden muß, daß er die Richtigkeit der geschehenen Eintragung nachprüft, und daß ein Unterlassen dieser Nachprüfung ihm als Verschulden (Mangel der kaufmännischen Sorgfalt) angerechnet werden muß, wenigstens unter gewöhnlichen Verhältnissen. Es wird daher bei unrichtigen oder ungenauen Eintragungen stets nach der Lage des einzelnen Falles unter­ sucht werden müssen, ob der, welcher die Unrichtigkeit geltend macht, nicht trotzdem die Eintragung gegen sich gelten lassen muß, weil er bei Anwendung pflichtmäßiger Sorgfalt für unverzügliche Beseitigung der Unrichtigkeit hätte Sorge tragen müssen. Ähnlich Ehrenberg Handb. 1, 651 (vgl. auch 628, 632 u. 637, 638). Das gleiche gilt für Eintragungen, die ohne Antrag des Antragsberechtigten erfolgt sind, vorausgesetzt, daß dieser davon Kenntnis erlangt hat. Es gehören hierher Fälle eines Versehens des Registerrichters oder solche erschlichener Eintragungen, z. B. durch Fälschung von Unterschriften. Vgl. hierzu noch § 5 Anm. 2a. Ferner Herbert Meyer in ZHR. 81, 386ff. und die dort zit.; Cosack § 5 VIII und § 15; Jul. v. Gierke 41 ff.

1. (Abf. 1.) Die nicht erfolgte Eintragung und Bekanntmachung einer einzutragenden Anm. 1. Tatsache kann von dem Eintragungspflichtigen einem Dritten nicht entgegengesetzt werden, es sei denn, daß sie diesem bekannt war.

a) Nichteintragung (ebenso Nichtbekanntmachung) genügt, gleichgültig, ob sie aus Ver­ sehen des Anmeldungspflichtigen oder des Registergerichts beruht, da es sich hier lediglich um die Sicherheit des Verkehrs, nicht um die Strafe für irgendwelche Säumnis handelt (ROHG. 23, 283; Wieland § 20 S. 232). Aber Voraussetzung ist, daß es sich um eine „ein­ zutragende Tatsache" handelt, das ist eine solche, deren Eintragung gesetzlich vorge­ schrieben ist (RG. 78, 363; Ehrenberg.Handb. 1, 624ff.; Wolff 30 geht weiter und sagt: eine Tatsache, deren Eintragung Rechtswirkungen hervorruft). Tatsachen dieser Art sind in erster Linie die Beränderung und die Endigung eines Rechtsverhältnisses. Aller­ dings hat die nicht erfolgte Eintragung auf den Bestand des Rechtsverhältnisses an sich keinen Einfluß. Eine Prokura, die widerrufen ist, besteht nicht mehr, auch wenn der Widerruf noch nicht eingetragen ist: ebenso ist eine o.HG., die aufgelöst ist, aufgelöst, auch wenn die Auflösung noch nicht eingetragen ist (§143 Anm. 5; § 148 Anm. 7). Die betreffenden Beteiligten selbst also, in deren Angelegenheiten sie sich ereignet haben, müssen die eingetretenen Veränderungen als solche gegen sich gelten lassen, auch wenn sie nicht eingetragen waren (s. auch Anm. 14). b) Aber dem Dritten kann der Eintragungspflichtige, d. h. die Person, in deren Angelegen- Anm. 2. heiten sich die Tatsache ereignet bat, eine Tatsaäw, wenn sie einzutragen, aber nicht ein­ getragen und bekanntgemacht war, nicht entgegenhalten, außer wenn diesem Tritten

122 §15.

Anm. 3.

Anm. 3a.

II. Abschnitt: Handelsregister.

bewiesen wird, daß er die einzutragende Tatsache gekannt hat. Nur von dem Verhältnis des Eintragungspflichtigen zum Dritten ist hier die Rede (§ 15 Abs. 1 u. 2). „Dritter" in diesem Sinne ist auch der Konkursverwalter (RG. 78, 361). Inwieweit in Angelegenheiten der AG. der Aktionär als „Dritter" angesehen werden kann, s. § 234 Anm. 9; § 235 Anm. 15; § 272 Anm. 2. Der Gegenbeweis, der Tritte habe die Tat­ sache kennen müssen, genügt nicht. — Auch der Gegenbeweis ist nicht zuzulassen, daß der andere Teil der Eintragung, wie sie bestand, gar nicht vertraut hat, weil er die Ein­ tragung überhaupt nicht kannte. Z. B. kann dem, der mit einer o.HG. abgeschlossen hat und wegen einer dadurch entstandenen Schuld der o.HG. einen damals schon tatsächlich ausgeschiedenen, aber im Register noch nicht gelöschten Gesellschafter in Anspruch nimmt, nicht eingewendet werden, er habe die Rechtsverhältnisse der Gesellschaft überhaupt nicht gekannt, gar nicht gewußt, wer eingetragen und wer ausgeschieden war, so daß es für sein Verhalten gleichgültig gewesen sei, ob die Rechtsveränderung eingetragen war oder nicht (RG. 19, 147; 40, 146; in IW. 00, 253«; vgl. Wieland § 20 S. 232). Die Zulassung eines solchen Gegenbeweises wäre eine Verkennung des hier aufgestellten Grundsatzes. Dagegen ist nicht erforderlich, daß in dem fraglichen Falle der Tritte gerade gewußt hat, daß der betreffende Gesellschafter ausgeschieden ist; es genügt vielmehr der Nachweis, daß er gewußt hat, daß ein anderer Alleininhaber der Firma war (RG. 70, 273), oder daß ihm eine lediglich aus anderen Personen bestehende o.HG. gegenüberstand. — Nach dem in Rede stehenden Grundsätze gilt die Nechtsveränderung für den Rechtsverkehr nicht, wenn sie nicht eingetragen und dem Tritten nicht bekannt ist. Sie kann sonst niemanden: entgegengehalten werden, auch nicht dem, der sich um die Nechtsveränderung nicht ge­ kümmert hat und für dessen Verhalten das Gegenteil der Rechtsveränderung nicht be­ stimmend gewesen ist; nur dem kann die nicht eingetragene Nechtsveränderung entgegen­ gehalten werden, der die tatsächliche Nechtsveränderung gekannt und deshalb mit ihr in Wirklichkeit gerechnet hat. Ja sogar der Gegenbeweis ist unzulässig, daß im gegebenen Falle die Kenntnis der einzutragenden Tatsache für das Verhalten des Dritten von Bedeutung überhaupt nicht sein konnte (Ehrenberg in JheringsJ. 47, 325; TürHach. Anm. 4). Indessen ist in anderer Beziehung eine Einschränkung zu machen: Wie namentlich durch RG. 93, 238, Rauch 449ff. und EhrenbergHandb. 1, 635ff. (dort weitere Literaturangaben; bei Jul. v. Gierke 39ff. treffliche Beispiele) überzeugend dargelegt ist, wirkt der Registereintrag nur im Geschäfts- und Prozeßverkehr, dagegen nicht bei Rechtsbeziehungen, die ohne den Willen des Dritten entstehen, wie Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung, und namentlich nicht bei Ansprüchen aus unerlaubten, außerhalb des Geschäftsverkehrs liegenden Handlungen. Ebensowenig wird man einen aus einer o.HG. ausgeschiedenen Gesellschafter lediglich deshalb für befugt erachten können, gemäß § 210 KO. Konkurs­ antrag zu stellen, weil er zur Zeit der Stellung des Antrags noch im Handelsregister eingetragen war, so daß auch auf dem Gebiete des Konkursrechts der § 15 nicht Platz greift (RG. 93, 240). Dagegen ist (dies sei des Gegensatzes wegen hier hervorgehoben) jemand, der eine unrichtige Tatsache in das Handelsregister hat cintragen und bekanntmachen lassen, auch außerhalb des Geschäftsverkehrs an den Inhalt der unrichtigen Ein­ tragung gebunden und muß sie zivilrechtlich gegen sich gelten lassen. Daher kann z. B. gegenüber einer Zwangsvollstreckung gegen einen eingetragenen Firmeninhaber ein Dritter, der selbst diesen Eintrag veranlaßt hat, nicht geltend machen, der Eintrag sei unrichtig, er (der Dritte) selbst sei Inhaber der Firma (BayObLG. in OLGR.40, 176).

Anm. 4. o) Hinsichtlich der Veränderung und Beendigung von Rechtsverhältnissen ist zu be­ achten, daß der hier (Anm. 2) aufgestellte Grundsatz auch dann gilt, wenn die ursprüngliche Tatsache nicht eingetragen (aber einzutragen, s. Anm. 6) war. Betreibt jemand ein reines Handelsgewerbe nach § 1 Abs. 2, und erteilt er einem Dritten Pro­ kura, ohne sie eintragen zu lassen, so gilt der Widerruf der Prokura nur dann

II. Abschnitt: Handelsregister.

123

allgemein, wenn er eingetragen wird, sonst nur gegenüber dem den Widerruf kennen- § 15* den Dritten. Besteht eine nicht eingetragene o.HG. und wird sie durch Übertragung des Geschäfts an einen von ihren Gesellschaftern aufgelöst, so gilt sie nach außen gleichwohl als o.HG., soweit nicht der Tritte die wahre Sachlage kennt; der aus dem Geschäft Ausgeschiedene haftet jedem Tritten, der jene Auflösungstatsache nicht kannte, für die späteren Schulden des Geschäftsübernehmers. Es bleibt, um diesen Rechts­ folgen ein Ziel zu setzen, in solchen Fällen nichts übrig, als die ursprüng­ liche Tatsache nachträglich eintragen zu lassen und alsdann die Verände­ rung oder die Endigung eintragen zu lassen, also z. B. eine bereits aufgelöste o.HG. (eine bereits widerrufene Prokura) und in unmittelbarem Anschluß daran auch ihre Auflösung (das Erlöschen der Prokura gemäß § 53 Abs. 3) eintragen zu lassen (s. auch § 143 Anm. 1 u. 2; ROHG. 23, 227; RG. 15, 33 und in IW. 89, 51610; Bolze 9 Nr. 109; KG. in ZHR. 42, 508 und in KGBl. 01, 100; Wiener in BuschA. 38, 1; Behrend § 3956; Hahn 120; Goldmann I 59; EhrenbergHandb. 1, 636, aber auch 2 Abt. 2, 936; dagegen Wulff in ZHR. 42, 1 mit nicht überzeugenden Gründen, die in der 5. Auflage bekämpft sind; auch Hueck in ArchZivPrax. 118, 350 ist in der hier behandelten Frage grundsätzlich a. M. als wir). Übrigens kann, wie Titze 936 mit Recht betont, statt dieses formalistischen Umwegs kurzerhand der Eintragungs­ vermerk entsprechend gefaßt werden, etwa so: „Die dem X. erteilt gewesene, nicht eingetragene Prokura ist erloschen." Weiteres Anm. 12. 6) Der in Anm. 1, 2 ausgestellte Grundsatz gilt auch (vgl. Anhang zu § 8 Anm. 13) für Anm. 5. die rechtserzeugenden Eintragungen (Eintragung einer AG., eines Kaufmanns nach § 2; dies die herrschende Meinung; EhrenbergHandb. 1, 626 u. 634). In diesem Falle ist die Eintragung ein Akt, ohne den das Rechtsverhältnis nicht rechtswirksam wird. Insofern ist sie rechtserzeugend. Aber außerdem hat die Eintragung in Ver­ bindung mit der Veröffentlichung auch in diesem Falle die Bedeutung der öffentlichen Verlautbarung des Verhältnisses. Erst auf Grund dieser Akte können jene Rechtsver­ hältnisse jedem Dritten entgegengehalten werden. e) Dagegen gilt der Grundsatz nicht für Minderkaufleute, Kleingesellschaften,Anm. 6. überhaupt die durch § 4 getroffenen Verhältnisse. Denn Voraussetzung für § 15 ist eine „einzutragende" Tatsache. Wenn freilich Kleingesellschafter nach „außen hin" unter einer auf eine o.HG. deutenden Firma (z. B. B. & Co.) ihr Geschäft betrieben haben, so sind sie gutgläubigen Tritten gegenüber zu Gesellschaftern im Sinne der Bestimmungen über die Haftung bei o.HG. geworden, und der obige Grundsatz mit seinen Folgen greift wieder Platz (KG. in KGBl. 03, 60; OLG. Karlsruhe im „Recht" 04, 256; vgl. hierzu Anhang zu § 5 Anm. 1 und § 4 Anm. 23). 2. (Abs. 2.) Die erfolgte Eintragung und Bekanntmachung (nicht Eintragung ohne er-Anm. 7. folgte Bekanntmachung: RG. 102, 199; vgl. jedoch oben Einl.) wirkt gegen jeden Dritten, es sei denn, daß er die Tatsache weder kannte noch kennen mußte. Nach dem Sprachgebrauche des BGB., der auch für das HGB. maßgebend ist, wird durch die Worte „es sei denn" die Beweislast dein Tritten auferlegt (Planck I 48). Er muß den doppelten Nachweis führen, erstens, daß er die Kenntnis nicht besessen, und zweitens, daß ihn insoweit kein Verschulden trifft, vielmehr daran besondere, ihm nicht zuzurechnende Gründe schuld sind, ein Beweis, der meist sehr schwer zu erbringen sein wird (Beispiele EhrenbergHandb. 1, 639ff.). — Auch die Vorschrift in Abs. 2, obgleich sie nach dem Wortlaut eine weitere Fassung hat, betrifft wegen des inneren Zusam­ menhangs, in dem sie zu Abs. 1 steht, das Verhältnis des Dritten zum Eintra­ gungspflichtigen, nicht das Verhältnis zu jeder beliebigen Person, nicht das Ver­ hältnis zweier Dritter untereinander (vgl. Anm. 2 u. 14; ebenso Makower Anm. III6 2; auch EhrenbergHandb. 1, 640ff.). Wegen dieses inneren Zusammenhangs ist daher im übrigen auf die Erl. zu Abs. 1 zu verweisen. — Wenn ein Dritter die eingetra­ gene und bekanntgemachte Tatsache weder kannte noch kennen mußte, so entfällt ihm

124 § 15.

II. Abschnitt: Handelsregister.

gegenüber, worauf EhrenbergHandb. 1, 642 mit Recht aufmerksam macht, nicht nur die bejahende Wirkung des Abf. 2, sondern es kommt ihm auch die verneinende Wirkung des Abs. 1 zugute, d. h. jene Tatsache kann ihm trotz ihrer Eintragung und Bekannt­ machung von dem, in dessen Angelegenheiten sie eingetragen war, nicht entgegen­ gesetzt werden (a. M. Lehmann-Ring Nr. 10). — Im übrigen vgl. zur Auslegunb des Abs. 2 Herbert Meyer in IHR. 81, 385, und wegen des gesetzgeberischen Grundes Jung in ArchZivPrax. 117, 80.

Anm. 8. 3. Die AnwendungSfälle dieses Paragraphen. Am wichtigsten für die Anwendung der hier aufgestellten Grundsätze sind: Das Erlöschen der Firma, der Widerruf einer Prokura, der Ausschluß eines Gesellschafters von der Vertretungsbefugnis, die Auflösung der Gesell­ schaft (s. § 143 Anm. 5ff.), das Erlöschen des Amtes des Liquidators usw. Ein anderes Beispiel erwähnt die D. (31): Ein Gesellschafter kündigt ein von einer Ge­ sellschaft gegebenes Darlehen, ehe sein Eintritt eingetragen und veröffentlicht war. Auch im Falle einer Veräußerung oder Verpachtung des Handelsgeschäfts kann der § 15 von Bedeutung werden: Solange der Erwerber bzw. Pächter nicht in das Handelsregister eingetragen und dies bekanntgemacht ist, haftet der Veräußerer bzw. Verpächter für neu eingegangene Geschüftsverbindlichkeiten gegenüber dem Drit­ ten, dem jener Vorgang nicht bekannt ist (über Unanwendbarkeit des § 15 im Falle des § 25 s. jedoch Anm. 16). Wer als Inhaber eines Handelsgeschäfts ein­ getragen und bekanntgemacht ist, gilt als Gläubiger und Schuldner aus allen namens der Firma geschlossenen Geschäften; dies auch dann, wenn die Übertragung der Firma an ihn nur zum Scheine oder entgegen § 23 allein ohne das Geschäft erfolgt sein sollte (RG. 66, 415). Einen weiteren Anwendungsfall s. OLG. Kolmar in LZ. 09, 246: Wer als Liquidator in das Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht worden ist, braucht nicht einem Schuldner gegenüber sich noch besonders zu legiti­ mieren; weigert sich der Schuldner, ohne solche besondere Legitimation zu zahlen, und kommt es deshalb zur Klage, so hat der sachsällige Schuldner die Prozeßkosten zu tragen, wenn er nicht den Beweis nach § 15 Abs. 2 führt. Ein ferneres Beispiel s. RG. in IW. 06, 477": Eine Klage ist gegen eine o.HG. erhoben, und zwar zu einer Zeit, zu der die Gesellschaft bereits aufgelöst, diese Tatsache aber noch nicht eingetragen war; die Klage ist richtig erhoben, denn die o.HG. gilt Dritten gegenüber noch als fortbestehend, und die Gesellschafter müssen sich auch sämtlich eine Fort­ setzung der Klage gegen sie persönlich als Gesamtschuldner gefallen lassen, es sei denn, daß sie beweisen, daß dem Kläger die Auflösung der o.HG. bekannt war. RG. 65, 412 behandelt den Fall formloser Verbürgung eines noch Eingetragenen nach Auf­ gabe des Gewerbebetriebs (Anm. 10).— § 15 gilt auch in prozessualer Hinsicht: Ein Kaufmann, der an dem im Handelsregister eingetragenen Orte seiner Handels­ niederlassung verklagt wird, kann sich nicht darauf berufen, daß er dort tatsächlich eine Handelsniederlassung nicht habe (OLG. Hamburg in LZ. 1911, 77). Vgl. auch § 13 Anm. 6a. — Ter Klarheit wegen sei hier bemerkt, daß der Kommanditist ein Be­ teiligter im Sinne des § 15 ist, d. h. einer, in dessen Angelegenheiten die Tatsache einzutragen war (EhrenbergHandb. 2, 73, auch 1, 630). Anm. 9. Dabei ist aber hervorzuheben, daß hinsichtlich der Eintragung der Firma § 5 einen viel weitergehenden Grundsatz aufstellt, eine Geltung als Kaufmann schlechthin, die für und gegen den Eingetragenen wirkt, aber doch wieder nur bis zu einer ge­ wissen Grenze. Es erscheint erforderlich, das Verhältnis des § 5 zum § 15 zu er­ örtern. § 5 stellt in dem dort dargelegten Umfange eine Geltung als Kaufmann schlechthin auf. Der, dessen Firma eingetragen ist, gilt für die Dauer der Eintragung in zivilrechtlicher Hinsicht schlechthin, d. h. ohne Rücksicht aus das im § 15 betonte Merkmal der Kenntnis, als Kaufmann; sowohl jeder Dritte als auch er selbst können sich auf die Eintragung berufen, und zwar in dem Sinne, daß nieder der Dritte

II. Abschnitt: Handelsregister.

125

noch der Eingetragene geltend machen kann, der Eingetragene betreibe kein Handels- § 15. gewerbe nach § 1 bzw. § 2, oder er betreibe ein Kleingewerbe nach § 4. Aber es kann gegenüber der Eintragung eingewendet werden, der Eingetragene betreibe über­ haupt kein Gewerbe (§ 5 Anm. 2). Mit diesem Einwande ist aber nur die Wirksam­ keit des § 5 beseitigt. Übrigbleiben kann dann gegebenenfalls noch die Wirksamkeit des § 15. Vgl. hierzu Geiler in LZ. 07, 892. In dem Falle des § 5 verliert der Be­ treffende schon mit der Eintragung die Möglichkeit, den dort gedachten Mangel seiner Kaufmanns- bzw. Vollkaufmannseigenschaft geltend zu machen; hinsichtlich des ein­ getragenen Tatbestandes selbst dagegen gelten die Bestimmungen des § 15, und diese setzen auch die erfolgte Bekanntmachung voraus. Hierzu s. das Folgende. Betreibt der Eingetragene in der Tat kein Gewerbe, hat er aber früher einAnm. 10. HandelSgewerbe betrieben, so war das Aufhören der Kaufmannseigenschaft eine einzutragende Tatsache (§ 31 Abs. 2). Hat er diese Tatsache nicht eintragen lassen, so kann er sie dem nicht wissenden Dritten nicht entgegenhalten. Er gilt daher dem gut­ gläubigen Rechtsverkehr gegenüber bis zur Löschung nach wie vor als Kaufmann und als Vollkaufmann und muß die privatrechtlichen Folgen dieser Geltung über sich er­ gehen lassen (RG. 65, 412). Das gleiche ist der Fall, wenn mehrere Personen ihre Firma als o.HG. eintragen lassen. Auch hier kann (s. § 5 Anm. 2) zwar eingewendet werden, sie betreiben kein Gewerbe, ferner auch, sie betreiben kein gemeinschaftliches Gewerbe; aber wenn § 15 Platz greift, wenn sie also ein gemeinschaftliches HandelS­ gewerbe betrieben haben, und sie stellen jede gewerbliche Tätigkeit ein, oder einer von ihnen übernimmt das Gewerbe, dann bedürfen diese rechtsverändernden Tatsachen der Eintragung, und wenn sie nicht erfolgt ist, so braucht ein Dritter, der sie nicht kennt, sie sich nicht entgegenhalten zu lassen. In dem hier dargelegten Sinne und Umfange greift § 15, um weitere Anwen- Anm. 11. dungsfälle anzuführen, Platz, wenn jemand sein Geschäft auf Zeit verpachtet hat, ohne daß der Pächter als Inhaber eingetragen worden ist. An sich ist diese Eintragung des Inhaberwechsels zulässig (§ 22 Abs. 2), und sie ist geboten, um die Rechtsfolgen (des § 5 und, was hier in Frage steht) des § 15 zu vermeiden (ROHG. 21, 305). Das gleiche gilt bei Übernahme des Geschäfts durch Nießbrauch, Antichrese. Uber die Haftung des Nachfolgers, der das Geschäft durch Pacht oder Nießbrauch übernommen hat, für die früheren Verbindlichkeiten s. § 25 Anm. la. — Ein anderer Anwendungs­ fall liegt darin, daß die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts, das einer handelsregisterlich eingetragenen Firmenübertragung zugrunde liegt, Wirkungen nur unter den Vertrag­ schließenden erzeugt, nicht Dritten gegenüber, die sich auf die Eintragung und Ver­ öffentlichung der Firmenübertragung berufen (RG. 66, 418 und in LZ. 09, 858). Der hauptsächlichste Anwendungsfall des § 15 ist gegeben, wenn jemand zu- Anm. 12.

gelassen hat, daß ein anderer in seinem Namen ein vollkaufmännisches Handels­ gewerbe betreibe: so insbesondere, wenn jemand (unter einer eingetragenen oder einer uneingetragenen Firma) ein vollkaufmännisches Handelsgewerbe betrieben und dann daS Geschäft auf einen anderen übertragen hat, ohne den Inhaberwechsel in daS Handelsregister eintragen zu lassen. Alsdann darf er diese Rechtsveränderung dem nicht wissenden Dritten nicht entgegenhalten. Infolgedessen kann er den Umstand, daß er überhaupt kein Gewerbe oder dieses Geschäft nicht mehr betreibt, gegenüber den von seinem Geschäftsübernehmer eingegangenen Verbindlichkeiten zwar einwenden, um die Rechtsfolgen des § 5 auszuschließen, aber es hilft ihm dieser Einwand nichts, soweit die Voraussetzungen des § 15 vorliegen, d. h. soweit die Tatsache dieser Rechts­ veränderung dem Dritten nicht bekannt war. Insoweit gilt er nach wie vor als Inhaber des betreffenden Handelsgewerbes, obwohl er es nicht mehr betreibt; insoweit haftet er für die von seinem Geschäftsübernehmer begründeten Verbindlichkeiten, und zwar hinsichtlich der auf Vertrag beruhenden Verbindlichkeiten aus dem Vertrage, weil er eben dem gutgläubigen dritten gegenüber als der Vertragsgegner gilt (RG. 15, 36;

126

§ 15.

II. Abschnitt: Handelsregister.

19, 197; KG. in KGBl. 91, 94), so daß z. B. für einen Wechsel, für dessen Ein­ lösung nach § 15 gehaftet wird, der Wechselprozeß zulässig ist (Bolze 17 Nr. 516). Dies alles gilt auch dann, wenn die ursprüngliche Tatsache, um deren Rechtsveränderung es sich hier handelt, nicht eingetragen ist, also insbe­ sondere, wenn die Firma nicht eingetragen ist. Anders Hueck in ArchBürgR. 43, 428 und in ArchZivPrax. 118, 350. Näheres oben Anm. 4.

Für den Geschäftsverkehr einer in das Handelsregister eingetragenen Zweigniederlassung (§ 13 Anm. 3ff.) ist im Sinne dieser Vorschriften die Eintragung

Anm. 13. 4. (Abs. 3.)

und Bekanntmachung durch das Gericht der Zweigniederlassung entscheidend. Auch die Fälle, in denen die Eintragung zum Register der Hauptniederlassung das unersetzliche förmliche Erfordernis der Rechtswirksamkeit ist, in denen diese Eintragung der rechts­ erzeugende Akt ist (z. B. Eintragung einer AG.), machen hierbei keine Ausnahme. Auch bei diesen ist zwar zur Entstehung der Rechtswirksamkeit des Rechtsverhältnisses die Eintragung in das Register der Hauptniederlassung erforderlich. Aber sobald jene Eintragung erfolgt und jene Rechtswirksamkeit eingetreten ist, tritt § 15 Abs. 3 in Wirksamkeit, d. h. die Tatsache kann dem mit der Zweigniederlassung in Verkehr stehenden Dritten nur entgegengehalten werden, wenn sie im Register der Zweig­ niederlassung eingetragen und dort veröffentlicht ist, oder wenn sie ihm bekannt war (zust. Denzler 183; vgl. auch RG. in LZ. 08, 592). Die D. (32) geht hier allerdings von anderen Anschauungen aus, doch sind diese nicht zutreffend. Sie sagt: „Soweit es sich um Rechtsakte handelt, deren Wirksamkeit nicht bloß relativ, sondern unbedingt von der Eintragung in das Handelsregister abhängt, wie die Errichtung der AG-, die Änderung des Statuts einer solchen u. dgl. m., kann selbstverständlich nur der Inhalt eines einzigen Registers, und zwar desjenigen der Hauptniederlassung entscheiden. An den betreffenden Stellen ist dies durch die Fassung der Vorschriften zum Ausdruck gebracht." Allein der Inhalt des Hauptregisters entscheidet in diesen Fällen nur über die Entstehung des betreffenden Rechtsverhältnisses; hierüber kann allerdings nur ein Register entscheiden, und mehr ist auch an den betreffenden Stellen nicht zum Ausdruck gebracht (vgl. z. B. § 200: „Vor der Eintragung in das Handelsregister des Sitzes der Gesellschaft besteht die AG. als solche nicht"; vgl. § 201 Anm. 7; oder § 277 Abs. 3; § 304 Abs. 4; § 320 Abs. 3 HGB-; vgl. KG. in ZBlFG. 8, 161; IW. 07, 679). Hier aber handelt es sich um die eigentümlichen Wirkungen der Verlautbarung durch Eintragung und Bekanntmachung, wie sie § 15 im Interesse des Verkehrs zum Nachteile desjenigen, dessen Rechtsverhältnis einzutragen ist, ausstellt, mit anderen Worten: um die Frage, inwieweit der Dritte die nicht eingetragene und die ein­ getragene Tatsache gegen sich gelten lassen muß. Bei den rechtserzeugenden Ein­ tragungen kann ja nur die letztere Frage eine Rolle spielen. Derrn die nicht einge­ tragene Tatsache gilt hier überhaupt nicht, also auch nicht gegenüber dem Dritten. Aber hinsichtlich der eingetragenen Tatsachen tritt der § 15 in allen seinen Teilen in volle Wirksamkeit. Uber die Wirksamkeit der Abs. 1 u. 2 in bezug auf die rechts­ erzeugenden Eintragungen ist schon oben Anm. 5 gehandelt. Aber auch Abs. 3 ist voll anwendbar, und diese Anwendbarkeit hat, wie gesagt, die Wirkung, daß der mit der Zweigniederlassung in Rechtsbeziehungen tretende Dritte die mi sich infolge der Ein­ tragung ins Hauptregister rechtswirksame Tatsache sich nur dann entgegenhalten zu lassen braucht, wenn sie ihm bekannt oder in das Register der Zweigniederlassung eingetragen worden ist (ebenso DürHach. Anm. 17). Nach vorstehendem kann eine Firma, die eine Zweigniederlassung hat eintragen lassen, nicht damit gehört werden, die Niederlassung sei keine solche im Sinne von § 21 ZPO., weil von ihr aus nicht unmittelbar Geschäfte geschlossen wurden (RG. 50, 428; vgl. § 13 Anm. 5 u. 6a). Auch kann das Erlöschen einer Filialprokura vor dessen Eintragung (in das Register der Zweigniederlassung, denn im Register der Hauptniederlassung erfolgt gar kein Eintrag; vgl. § 53 Anm. 1) und Bekanntmachung dem gutgläubigen Dritten nicht ent-

II. Abschnitt: Handelsregister.

127

gegengesetzt werden (Abs. I), während nach erfolgter Eintragung und Bekanntmachung § 15. Abs.2 gilt. Die Vorschrift des § 15 Abs. 3 war vorübergehend für die meisten Anwendungs­ fälle außer Kraft gesetzt, nämlich durch den oben in der Einleitung zu § 10 ab gedruck­ ten, inzwischen aber durch die dort erwähnte V- vom 20. Juni 1925 wieder auf­ gehobenen § 4 der V. über die Einschränkung öffentlicher Bekanntmachungen vom 14. Februar 1924. Wie a. a. O. erwähnt, gelten die fraglichen Bestimmungen dauernd für die Zeit zwischen dem Inkrafttreten der gedachten beiden Verordnungen. Zufolge dieser Bestimmungen galt der Abs. 3 des § 15 in dieser Zwischenzeit nur für solche Eintragungen, die ausschließlich im Handelsregister der Zweigniederlassung erfolgt sind, also z. B. für die Eintragung der Errichtung der Zweigniederlassung (§ 13 Anm. 8ff.), oder für die einer besonderen Prokura für die Zweigniederlassung bzw. des Erlöschens einer solchen Prokura (§ 50 Anm. 3; § 53 Anm. 1). Bei Eintragungen dagegen, die im Handelsregister sowohl der Hauptniederlassung als auch der Zweigniederlassung er­ folgt sind, entschied für die in Betracht kommende Zeit die Eintragung und Bekannt­ machung durch das Gericht der Hauptniederlassung. Soweit es sich um Fälle aus der bezeichneten Zwischenzeit handelt, kann hiernach die aufgehobene Bestimmung immer noch in Anwendung kommen. Zusatz 1. Inwieweit die Person, von deren Rechtsverhältnis die Eintragung Anm. 14. handelt, die Eintragung gegen sich gelten lassen muß, davon handelt § 15 mittelbar nur insofern, als es sich um einzutragende Nechtsveränderungen (im weiteren Sinne: ein­ schließlich Endigung) handelt. Diese gehören (Anm. 1) .zu den einzutragenden Tatsachen. Indem nun Abs. 1 bestimmt, daß der Dritte die cinzutragenden, aber nicht eingetragenen und veröffentlichten Veränderungen sich nicht entgegenhalten zu lassen braucht, wenn er sie sonst nicht kannte, ist damit gleichzeitig angeordnet, daß der Dritte auf die Tatsache selbst, deren Rechtsänderung nicht eingetragen ist, sich gegenüber dem berufen kann, in dessen Verhältnissen sie sich ereignet hat (SächsOLG. 32, 514). Entsprechendes gilt für Abs 2; doch ist dem Dritten der Beweis unbenommen, daß die Eintragung nicht der wahren Sachlage entspricht (RG. im „Recht" 1915 Nr. 2111). Auf dem gleichen Stand­ punkte steht das RG. (50, 431), das noch weitergeht und alle einzutragenden Tat­ sachen, nicht nur Nechtsveränderungen, hierher zieht (vgl. auch OLGR. 4, 203; a. M. Ehrenberg in JheringJ. 47, 299). Ein offener Gesellschafter, dessen Ausscheiden nicht eingetragen ist, muß sich daher als offener Gesellschafter behandeln lassen (vgl. auch OLG. Dresden in OLGR. 8, 96), nämlich soweit es sich um den Rechtsverkehr mit der o.HG. handelt. (Hat jemand mit ihm persönlich abgeschlossen, so kann er nicht umgekehrt aus diesem Geschäfte die Handelsgesellschaft verantwortlich machen, RG. in IW. 00, 254). — In: übrigen aber, also insoweit es sich nicht um eintragungsbedürftige Rechtsveränderungeu handelt, entscheiden andere Vorschriften (vgl. z. B. § 5, § 123) und allgemeine Rechts­ grundsätze über die Frage, inwieweit der, von dessen Rechtsverhältnis die Eintragung handelt, die Eintragung gegen sich gelten lassen muß; insbesondere der Satz, daß jeder eine allgemein und öffentlich abgegebene Erklärung allgemein und dem Verkehr gegenüber gegen sich gelten lassen muß (vgl. Anhang zu § 5 Anm. 1 u. 3; Anhang zu §8 Anm. 14; 8 123 Anm. 9). Auch von dem Verhältnis zweier Personen, von denen keine die ist, deren Rechtsverhältnis die Eintragung betrifft, handelt § 15 nicht. Darauf beruht es z. B., daß, wenn ein Gesamtvertretungsberechtigter (z. B. ein gesamtvertretungs­ berechtigtes Vorstandsmitglied einer AG-, ein Gesamtprokurist) handelt, er dem Dritten nicht einwenden kann, daß dieser die Eintragung hätte kennen müssen. Denn keiner der beiden ist die Person, um deren Rechtsverhältnis cs sich bei der Eintragung handelt. Zusatz 2. In strafrechtlicher Hinsicht ist zu bemerken: Besteht das Rechtsverhältnis Anm. 15. nicht mehr und benutzt jemand die der wirklichen Rechtslage nicht mehr entsprechende Eintragung dazu, um zu täuschen, so kann darin Betrug oder Urkundenfälschung liegen,

128

II. Abschnitt: Handelsregister.

§ 15* letzteres z. B., wenn ein offener Gesellschafter, der auf die Vertretungsbefugnis verzichtet hat, gleichwohl eine Urkunde mit der Firma unterschreibt (RGSt. 33, 397). Anm. 16.

Zusatz 3. Im Falle des § 25 ist § 15 nicht anwendbar (RG. in IW. 1903, 401"; RG. 75, 139; OLG. Hamburg in LZ. 1924, 478; s. auch § 25 Anm. 19 u. 21). § 16.

§ 16.

Jft durch eine rechtskräftige oder vollstreckbare Entscheidung des Prozeß­ gerichts die Verpflichtung zur Mitwirkung bei einer Anmeldung zum Handels­ register oder ein Rechtsverhältnis, bezüglich dessen eine Eintragung zu er­ folgen hat, gegen einen von mehreren bei der Vornahme der Anmeldung Beteiligten festgestellt, so genügt zur Eintragung die Anmeldung der übrigen Beteiligten, wird die Entscheidung, auf Grund deren die Eintragung erfolgt ist, aufgehoben, so ist dies auf Antrag eines der Beteiligten in das Handels­ register einzutragen. )st durch eine rechtskräftige oder vollstreckbare Entscheidung des Prozeß­ gerichts die Vornahme einer Eintragung für unzulässig erklärt, so darf die Eintragung nicht gegen den Widerspruch desjenigen erfolgen, welcher die Entscheidung erwirkt hat. Lit. s. Anhang zu §8 Anm. 11 a. E. Dort auch über die Frage, ob die Vorschriften unseres § 16 als Ausnahmevorschriften oder als Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes anzusehen sind. Einleitung.

Der vorliegende Paragraph regelt einige Fälle, in denen die Eintragung auf Grund der Entscheidung des Prozehgerichts erfolgen oder unterbleiben muh. Er be­ zieht sich nicht auf Zeichnungen zum Handelsregister. (Über eintragsbedürftige Mit­ teilungen des Aufsichtsamts für Privatversicherung an den Registerrichter, dem hierbei ein Prüfungsrecht nicht zusteht, vgl. z. B. §§ 30, 32 des PrivVUntG. — Erlaubnis zum Ge­ schäftsbetriebe —, §67 — Untersagung des Geschäftsbetriebs.)

Anm. 1. 1. (Abs. 1.)

Die Voraussetzung der in Abs. 1 geregelten Fälle ist eine doppelte:

a) Die Anmeldung muß durch mehrere Beteiligte, d. h. zur Mitwirkung bei der Anmeldung Berufene (z. B. mehrere Gesellschafter) vorzunehmen sein; b) ein Teil von ihnen muß seine Mitwirkung versagen. Versagen alle, so ist nicht der Weg des § 16 Abs. 1 gegeben, der nur dem zur Anmeldung selbst Mitberechtigten offensteht. Vielmehr können Dritte sowohl in diesem Falle als auch bei Anmeldungen, die einer Einzelperson obliegen, nur den Weg der Klage gegen sämtliche Mitberechtigte oder gegen die Einzelperson beschreiten, falls sie hierzu im übrigen befugt sind, und nach Erwirkung eines rechtskräftigen Urteils gemäß § 894 ZPO. die Eintragung her­ beiführen (KG. in RIA. 10, 253) oder den Registerrichter veranlassen, die Verurteilten gemäß § 14 zur Anmeldung anzuhalten.

Anm. 2. 2. Der Fall deS Abs. 1 Satz 1 ist, daß eine rechtskräftige oder vollstreckbare Entscheidung des Prozeßgerichts die Verpflichtung zur Mitwirkung bei der Anmeldung zum Handelsregister oder ein Rechtsverhältnis, bezüglich dessen eine Eintragung zu erfolgen hat, feststellt. In diesem Falle genügt die Anmeldung seitens des Siegers im Prozesse („der übrigen Beteiligten"). Sie muß natürlich den Vorschriften des § 12 entsprechen. Damit ist zugleich ausgesprochen, daß auch auf Grund vor­ läufig vollstreckbarer Entscheidungen (vorläufig vollstreckbarer Urteile, einst­ weiliger Verfügungen) Anmeldungen erfolgen können, was mit dem sonst geltenden Grundsätze (§ 894 ZPO.) in Widerspruch steht, hier aber als Sondervorschrift be-

129

II. Abschnitt: Handelsregister.

absichtigt ist (T. 33; EhrenbergHandb. I, 581 ff.; Lehmann-Ring Nr. 3). Andere § 16. Schuldtitel aber (vollstreckbare Urkunden gemäß § 794 ZPO.; prozeßgerichtliche Ver­ gleiche) genügen nicht; daher kann z. B., wenn ein Prozeßvergleich geschlossen ist, das Prozeßgericht die Eintragung weder anordnen noch um diese ersuchen (KG. in KGJ. 34 A 121); vgl. aber § 12 Anm. 2. — Es genügt die Anmeldung der übrigen Beteiligten. Aber diese ist auch Erfordernis: weder kann das Prozeßgericht die Eintragung anordnen oder darum ersuchen (KGJ. 4, 36), noch genügt die Anmeldung der unterliegenden Partei. — Was insbesondere einstweilige Verfügungen an­ langt, so kann eine solche z. B. dahingehen, daß einem Gesellschafter das Recht zur Vertretung der o.HG. entzogen wird (vgl. § 127 Anm. 7; § 140 Anm. 7). In diesem Falle muß der Inhalt dieser einstweiligen Verfügung auf alleinigen Antrag der Mit­ gesellschafter in das Handelsregister eingetragen werden, etwa in der Form: „Durch einstweilige Verfügung des und des Gerichts von dem und dem Tage ist dem Gesell­ schafter X die Befugnis zur Vertretung der Gesellschaft entzogen worden." Der Registerrichter ist nicht befugt, eine einstweilige Verfügung auf ihre Rechtmäßigkeit nachzuprüfen; er hat nur zu prüfen, ob die Anordnung, die in der Verfügung ge­ troffen ist, eintragungsfähig ist (KG. in KGJ. 53, 91). Im Falle der Aufhebung der einstweiligen Verfügung erfolgt gemäß § 16 Abs. I Satz 2 die Löschung des Vermerks; eines diesbezüglichen Vorbehalts bei der Eintragung bedarf es nicht (KG. in RIA. 9, 247). über den Fall einer gegen Sicherheitsleistung bewilligten einstweiligen Ver­ fügung und über deren Rechtswirkung Dritten gegenüber s. RG. 102, 197. — Die Löschung einer im Handelsregister eingetragenen Firma kann im Wege einer einst­ weiligen Verfügung nicht angeordnet werden, weil sie endgültig wirkt, was mit der Natur dieses prozessualen Rechtsbehelfs nicht vereinbar ist (RG. in BayZ. 1908, 245). Ebensowenig (und aus gleichem Grunde) die Eintragung der Auflösung einer o.HG. und die Eintragung des Antragstellers als alleinigen Inhabers der Firma (KG. in DNotBZ. 1922, 67). Vgl. aber § 133 Anm. 10. Der Registerrichter ist an die Entscheidung des Prozeßgerichts, die einen der Anm. 3. Beteiligten zur Mitwirkung bei der Anmeldung verurteilt oder seinen Widerspruch gegen die Anmeldung für unbegründet erklärt, im übrigen nicht gebunden. Hält er die Eintragung für unzulässig, so hat er sie trotz Anmeldung seitens des Siegers gleich­ wohl abzulehnen. Denn durch solches Urteil ist ja nur der Widerstand des einen Teils gebrochen. Im übrigen aber unterliegt der von dem Prozeßsieger gestellte Eintra­ gungsantrag selbständiger Prüfung des Negisterrichters (zust. Th. Cohn 8). Anders, wenn das Urteil das Rechtsverhältnis selbst feststellt. Ist, wenn auch nur durch vorläufig vollstreckbare Entscheidung, ein solches Rechtsverhältnis festgestellt, das der Eintragung fähig ist, so kann der Registerrichter in die materielle Prüfung nicht mehr eintreten; an die Entscheidung ist er gebunden, zu prüfen hat er nur, ob das Rechts­ verhältnis eintragungsfähig ist (anders wohl auch nicht DürHach. Anm. 3). Vgl. Anm. 2 hinsichtlich des Prüfungsrechts bei einstweiligen Verfügungen. Der Registerrichter wird unter Umständen die Parteien zur Anmeldung Anm. 4. sogar anhalten müssen, wenn es sich nämlich um ein eintragungsbedürftiges Rechtsverhältnis handelt, welches das Prozeßgericht festgestellt hat. Allein von Amts wegen wird man dieses Recht nur bei rechtskräftigen Entscheidungen geben können. Bei vorläufig vollstreckbaren steht es im Belieben der Parteien, von der Entscheidung Gebrauch zu machen, zumal bei Aufhebung der vorläufig vollstreckbaren Entscheidung Schadensersatz gefordert werden kann (§ 717 ZPO.). Wer endlich, ohne zur Mitwirkung bei der Anmeldung berufen zu sein,Anm.5. sonst ein Interesse hat, z. B. der Kaufmann, der mit dem Inhaber einer ähnlich lautenden Firma vereinbart hat, daß dieser seine Firma ändere, kann die Ein­ tragung auf Grund des § 16 nicht herbeiführen (D. 34); er ist vielmehr, wenn er ein rechtskräftiges Urteil, das den Gegner zur Bewirkung der Anmeldung verStaub, HGB., 12. u. 13. MufL

Bd. I.

(Bondi.)

9

130 § 16. «nm. 6.

Anm. 7.

Anm. 8.

Anm. 9.

II. Abschnitt: Handelsregister.

urteilt, erwirkt hat, auf die gewöhnliche Zwangsvollstreckung gemäß § 894 ZPO. angewiesen. 3. Der Fall deS Abs. 1 Satz 2 ist die Aufhebung der Anm. 2ff. gedachten Ent­ scheidung. Hier kann jeder Beteiligte die Anmeldung (natürlich gemäß § 12) bewir­ ken, vorausgesetzt, daß die Eintragung auf Grund der Entscheidung erfolgt ist, d. h. ohne Mitwirkung des unterliegenden Teils. Das Prozeßgericht darf auch hier nicht die Eintragung anordnen oder darum ersuchen. Wohl aber kann der Registerrichter die Parteien gegebenenfalls zur Eintragung anhalten (s. Anm. 4). — Als Aufhebung gilt auch die Aufhebung einer vollstreckbaren Entscheidung oder der Vollstreckbarkeitserklä­ rung durch ein anderes Urteil, mag auch dieses andere Urteil noch nicht rechtskräftig sein (§ 717 ZPO.). 4. (Abs. 2). Die Voraussetzungen des Abs. 2 sind nicht die gleichen wie im Abs. 1. Weder brauchen mehrere Beteiligte vorhanden zu sein, noch steht der Weg des Abs. 2 nur den Mitberechtigten offen. Abs. 2 will nur gegen drohende unzulässige Ein­ tragungen schützen. 5. Der Fall deS Abs. 2 ist, daß durch eine rechtskräftige oder vollstreckbare Ent­ scheidung die Vornahme einer Eintragung für unzulässig erklärt ist. Die Vorschrift hat geradezu den Zweck, der Entscheidung des Prozeßgerichts eine gewisse bindende Bedeutung für den Registerrichter auch in dem anderen Falle beizulegcn, wo sie auf die Unzulässigkeit einer Eintragung gerichtet ist (D. 34). Die Entscheidung kann rechtskräftig oder vollstreckbar sein. Als vollstreckbare Entscheidung gilt auch eine einstweilige Verfügung. Immer muß sie unmittelbar die Eintragung für unzulässig erklären; eine Entscheidung, durch die das Rechtsverhältnis fcstgestellt wird, genügt hier nicht (LZ. 1909, 566). „Unzulässig" ist eine Eintragung, die wegen eines wesent­ lichen Mangels von Amts wegen zu beanstanden ist, aber auch die, welche gegen das Recht eines Dritten verstößt. Im Gegensatz zu den Füllen des Abs. 1 ist hier, wie bereits hervorgehoben, der Widerspruch eines Dritten zu berücksichtigen, auch wenn er bei der Vornahme nicht mitzuwirken hat (D. 34). Die Bestimmung kommt z. B. zur Anwendung, wenn im Prozeßwege die Eintragung einer unbefugt geführten Firnm verboten wird (§ 37 Abs. 2). Ein anderes Beispiel: Ein Aktionär ficht den Beschluß einer Generalversammlung an und erwirkt eine einstweilige Verfügung dahin, daß der angefochtene Beschluß nicht eingetragen werde (vgl. Anm. 13 zu § 273). Ein weiteres Beispiel: Ein Gesellschafter will Prokura erteilen, die anderen Gesellschafter wider­ sprechen (§ 116 Abs. 3). Der, welcher eine solche Entscheidung zu seinen Gunsten er­ wirkt, hat den Anspruch darauf, daß die Eintragung gegen seinen Widerspruch nicht erfolge. — Wie der Widerspruch geltend zu machen ist, sagt das Gericht nicht. Er erfolgt durch formlosen Antrag beim Registergericht, die Eintragung nicht zu be­ wirken, unter Überreichung der betreffenden Entscheidung. Erfolgt gleichwohl die Ein­ tragung, so gilt dies gleich der Ablehnung des Antrags auf Nichteintragung; dem Widersprechenden steht die Beschwerde nach Maßgabe des FGG. zu (§ 14 Anm. 4ff.), er kann z. B. im Beschwerdewege Löschung einer Firma beantragen, die eingetragen worden ist, obgleich er auf Grund einer die Eintragung für unzulässig erklärenden einstweiligen Verfügung Widerspruch erhoben hatte (BayObLG. im „Recht" 1909 Nr. 1368). — Ist der Widerspruch nicht vor der Eintragung geltend gemacht, so hat er seine Wirkung verloren. Der Widerspruchsberechtigte kann jetzt nicht die Löschung der Eintragung verlangen. 6. Ein vierter denkbarer Fall wäre der, daß durch eine Entscheidung des Prozeß­ gerichts ein Widerspruch gegen eine Eintragung für unbegründet erklärt ist. Einer solchen Entscheidung ist aber bindende Wirkung gegenüber dem Register­ gericht nicht verliehen worden. Würde der Registerrichter auch nach dieser Richtung, an den Ausspruch des Prozeßrichters gebunden sein, so bestände die Gefahr, die Par­ teien könnten durch ihr Verhalten im Prozeß, d. h. durch absichtliche oder ungeschickt^

III. Abschnitt: Handelsfirma.

131

falsche Prozeßführung, unzulässige Eintragungen herbeisühren (D. 33). Der Register- § richter kann also eine Eintragung ablehnen, auch wenn bereits über die Zulässigkeit der Eintragung ein Prozeß geschwebt hat und der Widerspruch des einen Teils gegen die Eintragung vom Prozeßgericht für unzulässig erklärt worden ist (vgl. oben Anm. 3), es sei denn, daß in dieser Entscheidung die bindende Feststellung eines der Eintragung fähigen und bedürftigen Verhältnisses läge. Alsdann würde die oben Anm. 3 ent­ wickelte Regelung Platz greifen (DürHach. Anm. 7).

16.

Dritter Abschnitt.

Handelsfirma. § 17.

§ 17.

Die Firma eines Kaufmanns ist der Name, unter dem er im Handel feine Geschäfte betreibt und die Unterschrift abgibt. (Ein Kaufmann kann unter seiner Firma klagen und verklagt werden. Lit.: Opet, Beiträge zum Firmenrecht, ZHR. 49, 51; Großmann, Der Schutz des Firmenrechtes, Würzburg 1906; Pisko in EhrenbergHandb. 2, 277; Geller, Das Unternehmen und seine Beziehungen zu Firma, Schild und Warenzeichen, München 1913; Adler, Beiträge zum Firmenrecht, ZHR. 85, 93; Wieland § 17; Müller-Erzbach Kap. 21.

Der „dritte Abschnitt" behandelt nicht nur das Firmenrecht, sondern auch darüber Einleitung, hinausgreifend, wenngleich in Anlehnung an die Rechtsfolgen bei Fortführung der Firma, in den zz 25 bis 28 den Übergang der Geschäftsforderungen und Geschäftsverbindlich­ keiten. § 17 gibt in Abs. 1 eine Bestimmung des Begriffs der Firma, in Abs. 2 die Vor­ schrift, daß der Kaufmann unter seiner Firma klagen und verklagt werden kann.

I. (Abs. 1.) Begriffsbestimmung, Rechtsverhältnisse und rechtSpolizeiliche Bedeutung der Firma. der Firma. Das Wort „Firma" (ital.: raggione, ditta; franz.: raison) stammt von dem mittelalterlich lateinischen firmare, d. h Bekräftigen einer Urkunde durch Auflegen der Hand und dann durch die Unterschrift (Goldschmidt, Univers.-Gesch. 243). Der aus dem Mittelalter stammende Gebrauch beschränkte sich zunächst auf die Handelsgesellschaften, so noch im PrALR. und im code de commerce; eine eingehende gesetzliche Regelung für Einzelkaufleute brachte erst das alte HGB. Die gesetzliche Begriffsbestimmung der Firma lautet: Die Firma eines Kaufmanns ist der Name, unter dem er im Handel seine Geschäfte betreibt und die Unterschrift abgibt. Kürzer: Die Firma ist der Handelsname des Kauf­ manns (P. 34). Daß nur der Vollkaufmann eine Firma führt, geht aus § 4 hervor (s. dort Anm. 23, wo auch die Frage der Firmenführung durch Minderkauf­ leute behandelt ist).

A. Die Begriffsbestimmung

l.Der Name des Kaufmanns ist die Firma. Daraus folgt:

a) Bejahend: Die Geschäfte, die er unter diesem Namen tut Handel schließt, berech­ tigen und verpflichten ihn, insbesondere seine schriftlichen Erklärungen, auch wenn sein bürgerlicher Name nicht beigefügt ist (ROHG. 10, 411). Desgleichen die Ge­ schäfte, die sein Vertreter für seine Firma schließt, wenn auch dem Vertragsgegner seine Jnhaberschaft nicht bekannt ist (ROHG. 17, 239; RG. 30, 77). Andererseits ist der hier vorgeschriebene Gebrauch der Firma zivilrechtlich nicht als wesentliche 9*

Anm. 1.

132

8 17.

III. Abschnitt: Handelsfirma.

Förmlichkeit aufzufassen. Unterschreibt daher der Kaufmann eine Urkunde anders als mit seiner Firma, etwa mit seinem davon abweichenden bürgerlichen Namen oder auch sonst, so folgt daraus nicht die Ungültigkeit der Urkunde, wenn nur Absicht und Herkunft der Urkunde klar sind (ROHG. 9, 215). Dies gilt besonders für abgekürzte Firmenzeichnungen im telegraphischen Verkehr (ROHG. 16, 207) und gilt auch dann, wenn sich der Kaufmann einer anderen als der eingetragenen Firma (z. B. „F. B. & M." statt „B. & M.", RG. 28, 120) oder einer unzulässigen Firma bedient hat (ROHG. 22, 70; RG. 17, 75; § 126 BGB. steht nicht entgegen). Anders liegt die Sache bei Formakten, wie bei der Wechselunterschrist (ROHG. 12, 173; 14, 202). Doch führen auch hier unwesentliche Abweichungen, die einen Zweifel über die Persönlichkeit nicht erzeugen, nicht zur Ungültigkeit (ROHG. 14, 173; RG. 71, 274). Dies gilt insbe­ sondere von Abweichungen in der Schreibweise. Z. B. ist es gültig, wenn eine AG., deren Firma im Handelsregister mit der Schreibweise „Grundcredit" oder „ActienGesellschaft" eingetragen ist, im geschäftlichen Verkehr „Grundkredit" oder „Aktien­ gesellschaft" zeichnet, über die verschiedene Schreibweise eines in einer Firma ent­ haltenen Namens s. Burgheim in ZBlFG. 18, 283 und TNotVZ. 1917, 348. Da­ gegen liegt überhaupt kein gültiger Wechsel vor, wenn als Bezogener ein Handels­ name angegeben ist, der als Firmenbezeichnung (im Sinne einer Firma, nicht der Abkürzung einer solchen) gar nicht zulässig wäre (OLG. Dresden in LZ. 1925, 52). Trotz der vorstehenden Darlegungen soll übrigens grundsätzlich jede Firma so gezeichnet werden, wie sie eingetragen ist, und jedenfalls hat der Firmcninhaber ein Recht dar­ auf, daß die Schreibweise des Handelsregisters allgemein, z. B. auch vom Grundbuch­ amte, beobachtet werde (KG. in BankA. 9, 61). Gültig ist ferner die Wechselunter­ schrift, wenn bei einer aus Sach- und Namensbezeichnung zusammengesetzten Firma die Sachbezeichnung durch Stempeldruck hergestellt und nur die Namenszeichnung ge­ schrieben ist (RG. 47, 165; über die Zeichnung der Firma bei der o.HG. s. § 108 Anm. 4). Selbst Weglassung der Sachbezeichnung (des Firmenzusatzes im Sinne des § 18 Abs. 2) macht die Unterschrift nicht schlechthin ungültig (RG. in IW. 1914, 93218). Auch Abkürzungen, die allgemein verständlich sind, sind zulässig und sogar wechsel­ mäßig verpflichtend, z. B. ein Wechselakzept mit der Abkürzung „G. m. b. H." (KG. in DIZ. 1909, 1212 und, mit z. T. anderer Begründung, OLG. Hamburg in KGJ. 39 A 302). Über noch weitergehende Abkürzungen s. Anm. 7. Unterschriften mit Abkürzungen der dort gedachten Art (z. B. A. E. G. für Allgemeine ElektrizitätsGesellschaft) dürften, soweit allgemein verständlich, ebenfalls rechtsverbindlich sein, unter Umständen auch wechselmäßig verpflichtend. Besonders häufig kommt in der Praxis die Unterschrift von Telegrammen mit der Telegrammadresse des Absenders vor. Diese wirkt unzweifelhaft rechtsverbindlich. — Eine andere Frage ist, ob uiib in­ wieweit der Registerrichter darauf zu halten hat, daß die Firma genau so verwendet werde, wie sie lautet. Hierüber s. unten Anm. 23 u. Erl. zu § 37. Was insbesondere Abkürzungen der Firma anbetrisft, so sind solche in § 13 WZG. für die Anbringung der Firma auf Waren, deren Verpackung oder Umhüllung ausdrücklich gestattet. Auch im rechtsgeschäftlichen Verkehr mögen sie für besondere Fälle, z. B. Telegramme oder eilige Briese (besonders bei langen Firmen), ausnahmsweise zugclassen werden, ohne daß der Registerrichter einschreitet (Marcus in Holdheim 1909, 186), aber es muß immer­ hin erkennbar bleiben, daß es sich um eine Abkürzung eben dieser Firma handelt (RG. 56, 417), und vornehmlich darf der Firma nicht durch willkürliche Änderung ein Aussehen gegeben werden, das geeignet ist, sie als eine andere Firma erscheinen zu lassen (BayObLG. in LZ. 1907, 517). Grundsätzlich soll die Firma unverkürzt gebraucht werden, daher kann unter Umständen schon in der Abkürzung eines Vornamens, der in der Firma ausgeschrieben enthalten ist, ein unbefugter Firmengebrauch im Sinne des § 37 liegen (BayObLG. in LZ. 1909, 947). Allein stets muß die Lage des einzel­ nen Falles berücksichtigt werden. Ist namentlich der Gebrauch einer langen Firma in

III. Abschnitt: Handelsfirma.

133

abgekürzter Gestalt schon lange unangefochten üblich, so wird man darin keinen un- § 17. zulässigen Firmengebrauch erblicken dürfen (KG. in OLGR. 32, 258). b) Verneinend: Tie Firma ist lediglich der Name des Kaufmanns, „nichts anderesAnm.2. als sein Handelsname". (So ist wohl auch Adler in ZHR. 85, 98 zu verstehen, wenn er die Firma als Bezeichnung des Handelsgeschäfts ansieht; denn dieses hat ja keine besondere Persönlichkeit, vielmehr führt der Kaufmann eben für das Handels­ geschäft die Firma als Namen; vgl. Anm. 5). Ties gilt auch, wenn er die Firma ändert (§ 31 Anm. lb). a) Die Firma schafft keinerlei Rechtssubjekt neben und außer dem Kauf­ mann (ROHG. 3, 411; Warneyer 1918, 75). Auch zwischen seinem Privat- und seinem Geschäftsvermögen wird beim Einzelkaufmann nicht wie bei Handelsgesell­ schaften unterschieden (ROHG. 11, 151; KG. in KGJ. 37 A 228). Eine Bürgschaft zugunsten einer Firma ist im Zweifel nur eine Bürgschaft zugunsten des zeitigen Firmeninhabers (OLG. Rostock in BuschA. 45, 356; OLG. Hamburg in SeuffA. 47, 310; vgl. aber Bolze 10 Nr. 521). Nach dem Gesagten ist auch die Verein­ barung, daß jemand seinen Namen für das Geschäft eines anderen als Firma ein­ tragen lasse, unstatthaft; eine solche Eintragung ist von Amts wegen zu löschen und der, welcher das Geschäft wirklich betreibt, nach § 29 Verb. § 18 zur Eintragung seines Namens als Firma anzuhalten (vgl. auch Anm. 14 sowie § 18 Anm. 3 und § 37 Anm. 2). Der Kaufmann, der nur seinen eigenen Namen als Firma führt, kann sich auch nur dieser einen Firma bedienen. Bedient er sich seines Namens in anderer Zusammensetzung oder läßt er den Namen seines Geschäftsvorgängers an seinem Laden stehen oder bringt er ihn neu an, so liegt hierin regelmäßig keine Führung einer Firma, vielmehr sind diese Umstände bedeutungslose Hinweise auf den früheren Geschäftsinhaber, doch können sie nach Befinden auch die Führung einer dem Kaufmann nicht zukommenden Firma darstellen (vgl. Anm. 23). ß) Mehrere Firmen eines Einzelkaufmanns sind zulässig für mehrere Handelsgeschäfte, Anm. 3. gleichviel, ob sie an verschiedenen Orten oder an demselben Orte betrieben werden (vgl. § 13 Anm. 3 u. 4; RG. im „Recht" 1907, 1473; ROHG. 20, 34; KG. in RIA. 12, 222; a. M. nur Opet in ZHR. 49, 59, welcher gegen die herrschende Ansicht an­ nimmt, der Firmenfähige könne auch ohne eine Mehrheit von Niederlassungen mehrere Firmen wählen). Aber die Geschäfte müssen gesondert betrieben werden (KG. in KGJ. 28 A 253 und in NIA. 9, 23; BayObLG. in SeuffA. 69, 326), auch wenn der Kaufmann eines davon mit dem Firmenrecht erworben hat, als er das andere schon betrieb (Behrend § 40 Anm. 69). Betreibt er die Geschäfte nicht gesondert, so kann und muß er in solchem Falle zwischen beiden Firmen wählen, darf aber nicht beide Firmen vereinigen oder beide getrennt und abwechselnd führen. Über das in solchem Falle einzuschlagende Ordnungsstrafverfahren s. § 14 Anm. 4. Das eigentliche Wesen der Firma liegt gerade darin, daß für einen einheitlichen Geschäftsbetrieb nur eine einzige Firma in festbestimmter Form geführt werden darf; dem Firmenrecht ent­ spricht eine Firmenpslicht (KG. in RIA. 9, 23). — Mehrere Firmen eines Kauf­ manns bilden nicht verschiedene Rechtspersönlichkeiten (ROHG. 15, 176). Da­ her sind in solchen: Falle Lieferungen der einen Firma an die andere nicht umsatzsteuerpflichtig (RFH. im Reichssteuerblatt 1924, 120). Tie Gläubiger der einen Firma können sich, auch wenn die Niederlassungen an verschiedenen Orten sich befinden, an das Vermögen der anderen halten (ROHG. 20, 36; OLG. Hamburg in ZHR. 40, 442), denn es handelt sich um einen Schuldner. Ebenso ergreift der über einen Einzelkaufmann ausgebrochene Konkurs sein gesamtes Vermögen und deshalb seine sämtlichen, wenn auch unter verschiedenen Firmen betriebenen Nieder­ lassungen (RGSt. 5, 407; OLG. Hamburg in ZHR. 40, 442). An einen Zwangs­ vergleich sind daher auch die Gläubiger gebunden, die nur bei einer seiner Firmen, auch bei einer solchen, die während des Konkurses unbekannt geblieben ist, beteiligt

134

III. Abschnitt: Handelsfirma. sind (StrA. 39, 101). Wenn ferner die akzeptierte Anweisung den Akzeptanten gegen­

§ 17.

über dem Assignatar verpflichtet, sei auch Assignant und Assignatar ein und derselbe Inhaber zweier Firmen, so liegt der entscheidende Grund hierfür nicht in irgendwelcher Doppelerscheinung der Rechtspersönlichkeit oder, wie das ROHG. (20, 34) ausführt, der Vermogensmassen, sondern lediglich darin, daß die Akzeptation eine selbständige Verpflichtung zwischen Assignaten und Assignatar schafft (Ternburg Pr.PrivR. II § 54 Anm. 3; s. jetzt § 784 BGB.). Abtretung einer Forderung des Kaufmanns an sich selbst als Träger einer anderen Firma ist ungültig (OLG. Hamburg in ZHR. 34, 561; vgl. § 398 BGB.). Auch können die einzelnen Firmen nicht rechtsgültige Verträge miteinander abschließen. Handelsgesellschaften können nur eine Firma führen (RG. 85, 399; 99, 159; Adler in ZHR. 85, 115; vgl. auch § 22 Anm. 12). Dies die herrschende Meinung (OLG. Hamburg in OLGR- 19, 307; KG. in RIA. 12, 222; 17, 92; DürHach. § 19 Anm. 6; RitterKomm. § 19 Anm. 8 und die dort Zit.; LehmannLehrb. § 32, 3; a. M. Opet in ZHR. 49, 65; Marcus in Holdheim 1907, 19; Scheuing, Die Führung einer zweiten Firma durch Handelsgesellschaften, Stuttgart 1905, besonders für den Fall des Erwerbs eines bestehenden Handelsgeschäfts mit Firma; ihm folgend Langen in ZHR. 58, 354). Doch können dieselben Personen mehrere o.HG. bilden, wenn sie mehrere Handelsgewerbe betreiben (Näheres § 105 Anm. 39). — über die Zu­ lässigkeit einer abweichenden Firma von Zweigniederlassungen s. § 30 Anm. 8ff. Anm. 4.

y)

Auch ist die Firma kein besonderes Vermögensstück, sondern eben lediglich der Name, unter dem der Kaufmann das Geschäft betreibt. Ein solches Namensrecht ist kein Vermögensrecht, daher kann eine Zwangsvollstreckung gegen dieses Recht nicht vorgenommen werden, auch gehört es im Konkursfalle nach § 1 KO. nicht zur Konkurs­ masse, unterliegt somit auch nicht der Verfügung des Konkursverwalters (RG. 9, 106; 58, 169; KG. in RIA. 9, 46; Felix Meyer in LZ. 1910, 60; anders Adler in ZHR. 85, 146; s. auch § 22 Anm. 7). Zur Führung eines das Firmenrecht betreffenden Rechtsstreits ist daher der Genreinschuldner, nicht der Konkursverwalter, befugt (OLG. Kolmar in ZHR. 46, 467). Andererseits hat das RG. (IW. 1901, 653") bei abgeleitetem entgeltlichen Erwerb der Firma die Einstellung ihres Wertes als Aktivum in die Er­ öffnungsbilanz für zulässig erklärt und willkürliche Abschreibungen Dritten gegenüber, um deren Anteil am Reingewinn zu schmälern, für unzulässig. Über bilanzmäßige Behandlung eines Firmenrechts s. im übrigen § 40 Anm. 5; über Einbringung von Firmenrechten in eine AG. § 186 Anm. 6; über steuerrechtliche Beurteilung der Einbringung von Firmenrechten RG. 74, 378 (diese alte preußisch-rechtliche Entsch. dürfte auch für das Kapitalverkehrsteuergesetz anwendbar sein).

Anm. 5. 2. Die Firma ist der Handelsname des Kaufmanns. Sie ist der Name der Person, nicht des Geschäfts (RG. 9, 105). Dies gilt ganz allgemein, auch von der Firma der AG. Anm. 6. a) Der Name deS Geschäfts — der sog. EtablissementSname (Geschäftsbezeichnung) — ist von der Firma zu unterscheiden. Beispiele: Zum blauen Engel, zum goldenen Hirsch, zum Schwan, Goldene Hundertzehn, zum König Salomo, Fünszigpfennigbazar, Steh­ bierhalle usw. (Zusammenstellung der Literatur in KGJ. 10, 16; s. auch KG. in OLGR. 24, 167; RG. 88, 425; Cosack § 201, 1; Conradies im „Recht" 1902, 9; Landgraf, Über das Schutzrecht der Hotelbezeichnungen, in LZ. 07, 497 und dazu Gunz ebenda 893; Wassermann in UnlW. 6, 182; Sternberg ebenda 7, 7). Geschäftsbezeichnungen kommen häufig dort vor, wo der betreffende Handelstreibende nicht sirmenberechtigt ist, z. B. bei Gast- und Hotelwirten, auch im Falle § 4 Anm. 23, aber auch neben der Firma, z. B. bei Apothekern oder auch bei sonstigen Geschäften. Beispiele: Ein Kleiderhändler namens Fuß nennt sein Geschäft: „Alle Mann zu Fuß", ein Lotterieloshändler Müller nennt sein Geschäft: „Millionenmüller", ein Schokoladenhändler namens Hering das seine: „Schokoladenhering". Von der Geschäftsbezeichnung ist die Firma zu unterscheiden, in

III. Abschnitt: Handelsfirma.

135

deren Wortlaut der Kaufmann eine Bezeichnung des Geschäfts hinein-Z 17. bezieht: „Müllers Fremdenhof", „Cafe Bauer", „Albert Baum, Kleiderparadies", „Kodak­ gesellschaft I. Schulze & Co.". Hier ist das Ganze nach Firmenrecht geschützt; denn Zu­ sätze sind gestattet (Erl. zu § 18) und, soweit sie Bestandteil der Firmen sind, geschützt. Aber daß aus die Etablissementsnamen das Recht der Firma nicht angewendet werden kann, ist selbstverständlich. Ter Registerrichter kann nicht verlangen, daß die Geschäftsbczeichnung als Zusatz der Firma mit eingetragen werde; denn Zusätze sind nach § 18 Abs. 2 gestattet, nicht geboten. Und umgekehrt kann der Registerrichter die Führung einer Geschäftsbezeichnung nicht verbieten (vgl. § 37 Anm. 20). Wer einen solchen Namen gewählt hat, hat sich damit nicht ein ausschließliches Recht ge­ schaffen. Er kann nicht unbedingt gegen den vorgehen, der die gleiche Bezeichnung wählt (RG. 1, 26). Bei Übertragung eines solchen Geschäfts kann allerdings der Geschäfts­ name mit übertragen werden, auch ohne das Geschäft. Aber solche Übertragungen geben dem Erwerber kein Recht schlechthin, sondern legen nur dem Veräußerer die Verpflichtung auf, sich der Geschäftsbezeichnung zu enthalten (vgl. Bolze 2 Nr. 989; 3 Nr. 232). Andererseits muß der Veräußerer die Fortführung durch den Erwerber dulden (RG. 88, 424). Für die Regel geht der Geschäftsname mit dem veräußerten Geschäft mit über (§ 22 Anm. 25). Einen weiter gehenden Schutz genießt der Inhaber des Geschäftsnamens, wenn die Voraussetzungen des § 16 UnlWG. vorliegen, d. h. wenn die Geschäftsbezeichnung eines anderen Gewerbtreibenden geeignet ist, Verwechse­ lungen hervorzurufen, z. B. beim Gebrauche des gleichen Namens für einen Fremden­ hof in derselben Stadt. Auch das WZG. enthält einen Schutz des Geschäftsnamens. Siehe hierzu § 37 Anm. 26. b) Von der Firma ist weiter zu unterscheiden die Telegrammadresse. Sie geht mit dem Anm. 7. veräußerten Geschäft in der Regel mit über (OLG. Dresden in SächsA. 5, 366; RG. in HansGZ. 1909 H. 228, abgedruckt BankA. 9, 8; s. auch § 22 Anm. 25); aber ohne be­ sondere Vereinbarung nicht dann, wenn sie den Namen des Geschäftsinhabers — sei es auch in abgekürzter Form — enthält und dieser Name nicht weitergeführt wird (RG. in IW. 1924, 2946). über den Schutz der Telegrammadresse s. Wertheimer in GewNschutz 12. 348 sowie RG. 102, 89 und Wassermann dazu in IW. 1921, 1541; RG. in IW. 1924, 1371; OLG. Braunschweig in OLGR. 43, 120; Bauer in IW. 1923, 525. — Ähnlich zu behandeln sind die neuerdings sehr in Übung gekommenen Abkürzungen von Firmen, wie A. E. G. für Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft, Bedag für Ber­ liner Elektromobil-Droschken-AG., Adca für Allgemeine Deutsche Credit-Anstalt (oft zu­ gleich die Telegrammadresse). Alle derartigen Bezeichnungen sind zwar nicht Firmen, aber trotzdem nicht schutzlos, vielmehr gegen mißbräuchliche Verwendung geschützt durch § 16 UnlWG. oder § 12 BGB., nach Befinden auch durch das WZG., unter Umständen sogar § 37 HGB.; vgl. hierzu RG. in IW. 1925, 128922 und Anm. dazu von Osterrieth. Weiter geht der Schutz natürlich, wenn die Abkürzung selbst als Firma eingetragen ist, so z. B. bei der „Jca Aktiengesellschaft", bei der „Mitropa Aktiengesellschaft" (§ 37 Anm. 12). — Über die Verwendung von Telegrammadressen oder Abkürzungen bei Unter­ schriften s. Anm. 1. 3. Im Handel. Tie Firma ist der Name, unter dem der Kaufmann im Handel auftritt, Anm. 8. seine Geschäfte betreibt und die Unterschrift abgibt. Der Gebrauch der Firma ist dort nicht gegeben, wo es sich um Akte handelt, die aus öffentlich-rechtlichen Gründen die Offenlegung des bürgerlichen Namens zwecks möglichst sicherer Feststellung der Identität erheischen, namentlich wenn es sich um Eintragungen in öffentliche Bücher und Register, besonders in daS Grundbuch, handelt. Solche Bücher und Register sind dazu bestimmt, in möglichst zweifelsfreier und sicherer Weise und mit den: höchsterreichbaren Grade von Erkennbarkeit die Identität der in Frage kommenden Person ersichtlich zu machen. Die o.HG. und die Kommandit­ gesellschaft (selbstverständlich auch die Handelsgesellschaften, die juristische Personen sind:

136 8 17. Anm. 9.

Anm. 10.

III. Abschnitt: Handelsfirma.

AG., KGaA, und GmbH.) werden allerdings auch in solche Bücher nur unter ihrer Firma eingetragen; sie können in anderer Weise im Rechtsverkehr überhaupt nicht auftreten. Anders beim Einzelkaufmann. Hier steht noch ein anderer Name, der bürger­ liche Name, zu Gebote. Das ist der eigentliche Name der natürlichen Person. Tie Firma ist im Verhältnis zu diesem ein angenommener Name. Ter Zweck jener öffentlichen Bücher, insbesondere des Grundbuchs, die Identität der eingetragenen Person mit mög­ lichster Sicherheit festzustellen, wird aber nur durch Eintragung des bürgerlichen Namens erreicht. Überdies mag ja der Kaufmann im Betriebe seines Handelsgewerbes Grund­ stücke erwerben und bei den auf den Erwerb hinzielenden Rechtsakten sich seiner Firma bedienen. Aber wenn sie sein Eigentum geworden sind, so gehören sie ihm in seiner ganzen Rechtspersönlichkeit. Der Verkehr hat ein Interesse daran, daß mit möglichster Sicherheit aus dem Grundbuche hervorgehe, wem das Grundstück gehört. Es kann dies z. B. wichtig werden, wenn der Kaufmann, dem das Grundstück gehört, andere Schuld­ verbindlichkeiten eingeht, die mit seiner Firma nicht Zusammenhängen. Alsdann müßte der Gläubiger, der auf das Grundstück zugreifen will, zunächst noch beweisen, daß das Grundstück zu der Zeit, in der die Firma als Eigentümerin eingetragen war, seinen: Schuldner gehört hat. Solche Weitläufigkeiten sollen gerade vermieden werden. Und zu welch sonderbaren Eintragungen führt die gegenteilige Ansicht! Wenn die Firma eines Einzelkaufmanns eingetragen ist und dieser sein Geschäft an eine andere Person veräußert, die es mit der Firma fortführt, so muß, wie DürHach. Anm. 9, welche die gegenteilige Ansicht vertreten, zugeben, dennoch eine Auflassung und Eintragung erfolgen, obwohl nach wie vor dieselbe Firma eingetragen bleiben kann. Es behält nach alledem noch heute der Beschluß des KG. in KGJ. 9, 3 seine Bedeutung. Und mit vollem Rechte hat die GBO. in § 33 Abs. 2 zwar dafür Vorsorge getroffen, wie bei Eintragungen zu­ gunsten oder zu Lasten von Handelsgesellschaften die Legitimation zu führen sei (es genügt, daß der vertretungsberechtigte Gesellschafter die Firma der Gesellschaft zeichnet, der bürgerliche Name kann von ihm nicht gefordert werden; KG. in OLGR. 2, 279), nicht aber, wie dies bei Eintragungen zugunsten oder zu Lasten von Einzelfirmen zu geschehen habe. Demgemäß kann der Einzelkaufmann nicht unter seiner Firma als Eigentümer von Grundstücken eingetragen werden. Die Auslassung kann dementsprechend nicht an die Firma des Einzelkaufmanns stattfinden, sondern nur an dessen Person. Über­ einstimmend die herrschende Meinung; u. a. Planck, Neumann, Turnau-Förster, Obcrneck zu § 1115 BGB.; Lehmann-Ring Nr. 8; KG. in OLGR. 6, 504; RitterKomm. Anm. 2; Lehmann-Hoeniger § 30 S. 122; Brand Anm. 4; a. M. Cosack, 7. Aufl., § 16 S. 64; Dür­ Hach. Anm. 9; Fuchs § 1115 Anm. 3b. Ebenso bestritten ist, ob der Einzelkaufmann als sonstiger Berechtigter, nament­ lich z. B. als Gläubiger von Hypotheken, unter seiner Firma in das Grundbuch ein­ getragen werden kann. OLG. Kolmar in OLGR. 5, 254 hält dies für zulässig; ebenso RG. 72, 39, soweit nicht landesrechtlich Bedenken entgegenstehen (vgl. auch Schloßstein in DIZ. 1910, 1348 und Seifert ebenda 1460 sowie OLG. Darmstadt in SeuffA. 66, 465). Da nämlich die Einrichtung der Grundbücher, abgesehen von den Grundzügen, der Landesjustizverwaltung überlassen ist, sind über Zulässigkeit der Eintragungen für einen Einzelkausmann unter der Firma ungleichmäßige landesrechtliche Anordnungen ergangen. Tie preuß. Vf. vom 20. Sept. 1899 § 4 steht auf dem Standpunkte, daß Grundbuch­ eintragungen aller Art beim Einzelkaufmann nur auf den bürgerlichen Namen, nicht auf die Firma, zu erfolgen haben (ebenso KG. in KGJ. 26 A 135 und 37 A 227), während in Sachsen nach § 64 Abs. 2 der V. vom 26. Juli 1899 umgekehrt eine Hypothek usw., die ein Einzelkaufmann erwirbt, auf Antrag auf dessen Firma einzutragen ist. Der Abs. 2 dieses § 64 wird freilich von manchen Seiten als mit Reichsrecht widerstreitend für nichtig (Grabner in DIZ. 1905, 304), dagegen vom RG. a. a. O. für gültig erklärt; umgekehrt erachten DürHach. Anm. 9 den erwähnten § 4 der preuß. Vf. für dem Reichsrecht zu-

III. Abschnitt: Handelsfirma.

137

widerlaufend. Ter Ansicht des RG., dessen Gründe überzeugend sind, ist beizutreten. § 17. Die gleichen Grundsätze gelten für Zwangshypotheken (KG. in OLGR. 6, 507). Übrigens dürfte darüber keine Meinungsverschiedenheit bestehen, daß, wenn eine Eintragung auf die Firma eines Einzelkaufmanns erfolgt ist, sie auf keinen Fall ungültig ist, da ja die Eintragung sicher nicht gegen ein Verbotsgesetz verstößt. Berechtigter ist, wer zur Zeit der Eintragung Inhaber der Firma war. Der Einzelkaufmann kann sogar über eine auf seinen bürgerlichen Namen eingetragene Hypothek unter seiner Firma ver­ fügen und insbesondere eine die Hypothek betreffende Löschungsbewilligung mit seiner Firma unterzeichnen oder durch seinen Prokuristen abgeben (KG. in KGJ. 37 A 227). Über Eintragung grundbücherlicher Rechte für Zweigniederlassungen vgl. § 13 Anm. 14 und für AG. § 201 Anm. 10. Was hier vom Grundbuch gesagt ist, gilt in der Regel auch für die Eintragung in Anm. 11. andere öffentliche Bücher und Register, so z. B. für die Eintragung in die Liste der Genossen einer eingetragenen Genossenschaft (KGJ. 13, 51), von der Eintragung ins Güterrechtsregister. Dagegen ist Anmeldung und Eintragung eines Warenzeichens unter der Firma eines Einzelkaufmanns zuzulassen, wie das auch der ständigen Praxis des Patentamts entspricht. Vgl. hierzu Anm. 24 a. E. Was die Beteiligung eines Einzelkaufmanns bei einer GmbH, anlangt, so fdini er den Vertrag über die Errichtung der GmbH, oder den Erwerb von Geschäftsanteilen bzw. die Übernahme neuer Stamm­ einlagen unbedenklich unter seiner Firma abschließen, dagegen ist er in den gemäß § 8 Abs. 1 Ziff. 3, § 40 bzw. § 57 Abs. 3 Ziff. 2 GmbHG. einzureichenden Listen der Gesell­ schafter unter seinem bürgerlichen Namen aufzuführen (OLG. Dresden in RIA. 15, 56). über Beteiligung bei Gründung einer AG. s. § 182 Anm. 8. Kann eine Firma als solche Mitglied eines Vereins sein? Und welchenAnm.il». Einfluß hat solchenfalls ein Wechsel des Inhabers der Firma? Darüber s. RG. in Warneyer

1918, 74". Anmeldungen zum Handelsregister gehören nicht zum Betriebe des Handels-Anm. 11b. gewerbes (RIA. 14, 56). Ein Kaufmann ist deshalb an sich nicht befugt, vor dem Handels­ register sich der Firma statt des bürgerlichen Namens zu bedienen. Trotzdem ist es für angängig erachtet worden, daß er im Ordnungsstrafverfahren (§ 14) den Einspruch mit seiner Firma zeichnet (KGJ. 31, 3). Überhaupt ist Unterzeichnung mit der Firma statt mit dem bürgerlichen Namen in Registersachen (z. B. bei Anmeldung einer Prokura) zu­ zulassen, soweit keine entgegenstehenden Vorschriften oder sonstigen Bedenken vorliegen (KG. in OLGR. 40, 178). In gerichtlichen und notariellen Protokollen soll nach den Vorschriften derAnm. 12. §§ 176 Nr. 2, 177 FGG. der Beteiligte — d. i. laut § 168 FGG. „derjenige, dessen Erklärung beurkundet werden soll" — bezeichnet werden und eigenhändig unterschreiben. Als „Beteiligter" ist hiernach die natürliche Person anzusehen. Da zudem auch hier die Identität möglichst zweifelsfrei festzustellen ist, wird selbst in Protokollen über Handels­ angelegenheiten der Einzelkaufmann nicht unter seiner Firma zu bezeichnen sein und hat er das Protokoll mit seinem persönlichen Warnen — mit oder ohne Hinzufügung der Firma — zu unterzeichnen (ebenso Werner in TNotVZ. 1, 184; Jastrow § 176 Anm. 6 und § 177 Anm. 7d; a. M. Weißler Anm. 3; Nausnitz Anm. 4c; Schlegelberger Anm. 7 zu § 177 FGG.; DürHach. Anm. 11). — Für o.HG. vgl. § 108 Anm. 4. Außerhalb des Handels soll der Kaufmann nicht die Firma, sondern den bürger-Anm. 13. lichen Namen gebrauchen, z. B. bei Errichtung von Testamenten, Eheverträgen. Da, wo schriftliche Form vorgejchrieben ist, würde in solchen Fällen der Gebrauch der Firma den Anforderungen des § 126 BGB. strenggenommen nicht genügen. Doch ist zu berück­ sichtigen, daß sich damit der Kaufmann zum Inhalt der Urkunde bekannt hat (Planck § 1262). „Nur bei Solennitätsakten wäre die Unterschrift mit der Firma wirkungs­ los" (Lehmann-Ring Nr. 9). — Ein Strafverfahren richtet sich naturgemäß gegen natürliche Personen, nicht gegen Firmen. Doch hält die Praxis z. B. polizeiliche Ver-

138 § 17.

m. Abschnitt: Handelsfirma.

fügungen und Zwangsmittel gegen o.HG-, die als Eigentümer von Grundstücken ein­ getragen sind, für zulässig (PrOVG. in DIZ. 07,190). Ebenso Strafanträge gegen Firmen, z. B. wegen unlauteren Wettbewerbs, in dem Sinne, daß das Strafverfahren gegen die in Betracht kommenden natürlichen Personen sich richtet (RG. in DIZ. 1907, 1148). Wegen Strafantrags von Firmen s. Anm. 24 a. E.

Anm. 14. 4. Entstehung und Erlöschen deS Rechts zur Firmensührung.

a) Für die Entstehung des Rechts zur Firmenführung war vor 1900 nur Kaufmannseigen­ schaft, nicht vorgängige Eintragung erforderlich (RG. 14, 19). Tas ist jetzt nicht mehr durchweg richtig: wer nach § 2 oder § 3 Abs. 2 Kaufmann wird, darf sich einer Firma erst nach der Eintragung bedienen. Wer nicht Kaufmann ist, darf keine Firma führen. Es darf niemand seine Firma eintragen lassen etwa zu dem Zwecke, damit ein anderer unter dieser für sich ein Geschäft betreibe (RG. 3, 120; 25, 1; s. auch Anm. 2 und § 1 Anm. 17). Derartige Vereinbarungen haben registerrechtlich keine Bedeutung, wenngleich sie einen der Vertragschließenden zivilrechtlich aus der Geschäftsführung oder sonst gegenüber dem anderen Vertragsteil verpflichten können (IW. 1903, 293"). Es darf sich niemand eintragen lassen, der kein Gewerbe nach § 1 oder nach § 2 oder nach § 3 Abs. 2 betreibt. Betreibt er ein Gewerbe anderer Art und läßt sich gleichwohl eintragen, so wird er nicht Kaufmann und kann zur Ausgabe der Firma gezwungen werden (Erl. zu § 37), wenn er auch in zivilrechtlicher Hinsicht für die Dauer der Eintragung diesen Mangel nach § 5 nicht geltend machen kann.

Anm. 15. b) Wer sein Geschäft aufgegeben hat, ist nicht mehr Kaufmann, seine Firma erlischt (RG. 29, 69). Desgleichen, wer ein Gewerbe nach § 2 betrieben hat und sein Gewerbe so einschränkt, daß es nun nicht mehr eine kaufmännische Einrichtung erfordert; oder wer als Fabrikant Vollkaufmann war und dann in handwerksmäßigen Betrieb übergegangen ist (§ 4 Anm. 9ff.). In diesen Fällen ist der Betreffende nicht mehr Kaufmann, das Firmenrecht erlischt, wenn er auch für die Dauer der Eintragung in zivilrechtlicher Hin­ sicht als Kaufmann gilt (§ 5); er bedient sich also eigentlich der Firma zu Unrecht. Da­ gegen sind der Tod und die Auflösung der Gesellschaft nicht notwendig Erlöschungsgrund der Firma, da trotz dieser Ereignisse das Geschäft noch fortbcstehen und Inhaber haben kann (s. über das Erlöschen der Firma Erl. zu § 31); ebensowenig das Herabsinken des Betriebs einer Handelsgesellschaft auf bcu Umfang des Kleingewerbes (KG. bei Hold­ heim 1911, 29). — Eine Geschäftsverlegung nach einem anderen Orte bewirkt nicht den Untergang des Firmenrechts (vgl. § 31); jedoch ist § 30 zu beachten. Anm. 16. B. Einige für alle Arten von Firmen geltenden Hauptgrundsätze über das Recht der Firma bedürfen hier einer kurzen Hervorhebung: Anm. 17. 1. Der oft erwähnte Grundsatz der Firmenwahrheit gilt in der Hauptsache nur für neue Firmen (vgl. § 18 Anm. 1). — Man unterscheidet Personal-, Sach- und gemischte Firmen (vgl. § 18 Anm. 3, § 20 Anm. 1 u. 3). Anm. 18. 2. Nach dem Grundsätze der Ausschließlichkeit hat sich jede neue Firma von den schon an demselben Orte bestehenden und in das Register eingetragenen zu unterscheiden (§ 30).

Anm. 19. 3. Für die Öffentlichkeit der Firma wird durch die Registerpslicht Sorge getragen (§ 14), ferner durch die Forderung verständlicher Sprache und Schriftzeichen (unten Anm. 22), endlich durch Bestimmungen über die Ladenaufschriften (Anhang zu § 37). Anm. 20. 4. Es gilt der Grundsatz der Übertragbarkeit der Firma (durch Veräußerung oder Erb­ gang), jedoch nur in Verbindung mit dem Geschäft, für welches sie geführt wird (§§ 22, 23). Dagegen gibt es keinen Erwerb der Firma durch Ersitzung (RG. 25, 6). Anm. 21. 5. Über den Schutz des Firmenrechts, das ein Persönlichkeitsrecht des Kaufmanns bildet (Dernburg I § 99; GareisLehrbuch § 16) und zu den absoluten, d. h. gegen jeden Dritten wirksamen Rechten gehört, vgl. Erl. zu § 37; über seine Abgrenzung gegen das Recht des Warenzeichens und den unlauteren Wettbewerb vgl. dort Anm. 26.

III. Abschnitt: Handelsfirma.

139

6. Über Sprache und Schriftlichen der Firma ist nichts bestimmt. Hier ist das Erfordernis § 17. aufzustellen, daß Sprache und Schriftzeichen der Firma sowie ihrer Zusätze der Cffent-ginm. 22. lichkeit die Möglichkeit gewähren müssen, die gewünschte Kenntnis zu nehmen, daß also fremde Sprache und Schriftzeichen leicht (z. B. durch ein Wörterbuch oder durch erreichbare Dolmetscher) übersetzbar sind. Jede beliebige Sprache und jedes beliebige Schriftzeichen für zulässig zu erklären (mie Opet in ZHR. 49, 62; Makower § 18 Anm. Ib; Wieland § 18 I, 2), widerstreitet den Verkehrsbedürfnissen; die Firma darf kein Geheim­ zeichen werden. Aus dem von uns aufgestellten Grundsätze folgt im einzelnen: Die Be­ zeichnung der Firma braucht nicht in deutscher Sprache zu erfolgen (a. M. Rothe in DIZ. 1911, 909, dessen Ansicht aber im Gesetz keine Grundlage findet; vgl. Mieczkowski eben­ da 1213). Weder leidet § 43 Abs. 1 Anwendung noch der Umstand, daß nach § 186 GVG., § 8 FGG. die Gerichtssprache die deutsche ist. Daraus folgt nur, daß alle An­ träge in deutscher Sprache abgefaßt sein müssen. Auch in der Reichstagskommission (KB. 12) ist eine Vorschrift abgelehnt worden, wonach die Bezeichnung der Firma in deutscher Sprache zu erfolgen habe. Zulässig ist die Führung eines nichtdeutschen Namens als Firma, z. B.: „Boulanger frdres“ (OLG. Kolmar in OLGR. 5, 273). Eine Verdeutschung des Namens (z. B. Boulanger in Bäcker) ist sogar in der Regel unzulässig; doch muß dabei die Verkehrssitte berücksichtigt werden (vgl. § 18 Anm. 5). Zusätze können gleichfalls, wenn sie allgemein verständlich sind, in fremder Sprache, selbst in einer toten Sprache gebraucht werden, z. B. senior, junior, et Comp., fr&res; kommt doch das deutsche Wort: „Gesell­ schafter" oder „Teilhaber" statt der Zusätze: „Co/*, „Comp.“, „Cie.“ nur selten vor. Unzulässig ist es aber, die Firma in zwei Fassungen (z. B. in deutscher und polnischer Sprache) zu führen (Lehmann-Ring Nr. 11; Hilse in BuschA. 35, 270). Gesetzlich vorgeschriebene Zusätze (z. B. eingetragene Genossenschaft, Aktiengesellschaft) sind stets in deutscher Sprache zu führen, es sei denn, daß ausländisches Recht maßgebend ist. — Die Schriftzeichen müssen deutsch oder lateinisch sein; türkische, russische, japanische Schriftzeichen sind hierzulande unverständlich und daher unzulässig. C. Die rechtspolizeiliche Bedeutung der Firma. Vom rechtspolizeilichen Standpunkte hat Anm. 23. die Vorschrift des Abs. 1 die Bedeutung, daß ein für allemal feststehen soll, unter welchem Namen der Kaufmann geschäftlich handeln will. Das Registergericht hat darauf zu achten, daß er stets die einmal gewählte Firma gebraucht, und ihn entgegengesetzten Falles anzuhalten, daß er die Firma dahin ändere, wie er sie tatsächlich gebraucht (KGJ. 5, 16 und RIA. 9, 23). Z. B. ist es einem Kaufmanne, der eine Firma ohne Nachsolgezusatz (§ 22 Anm. Uff.) führt, nicht gestattet, auf Ankündigungen ihr gelegentlich einen solchen Zusatz beizufügen (BayObLG. in LZ. 07, 517); solchenfalls hat das Registergericht gemäß § 37 Abs. 1 einzuschreiten. Vgl. hierzu oben Anm. 1 und § 18 Anm. 7 ff.

II.

(Abs. 2.) Die Firma im Prozesse.

Lit.: Wachsmann in Gruch. 51, 313; Pisko in EhrenbergHandb. 2, 281; Göppert in ZHR. 47, 267.

Ein Kaufmann kann unter seiner Firma klagen und verklagt werden. 1. Zweck und rechtliche Bedeutung der Vorschrift. Der Zweck der Vorschrift ist, eine Streitfrage des früheren Rechts zu lösen. Tie obersten Gerichte haben den Inhalt von § 17 Abs. 2 allerdings schon früher angenommen (ROHG. 23, 101; RG. 41, 411); doch hatte die gegenteilige Ansicht zahlreiche Anhänger und ivar auch von Staub (5. Aufl. § 6a zu Art. 15) vertreten worden. Man hat sich für die Zulässigkeit entschieden, weil, wie die D. (34) sagt, „die entgegengesetzte Regelung die Rechtsverfolgung unnötig er­ schweren und namentlich in Wechselsachen und in Fristsachen zu erheblichen Unzuträglich­ keiten führen würde". Die rechtliche Bedeutung der Vorschrift äußert sich nament­ lich darin, daß auch Einzelkausleute im Prozesse unter ihrer Firma auftreten können. Auch im Urkunden- und Wechselprozeß, ohne daß dort mit der Klage der ur­ kundliche Identitätsnachweis geführt zu werden braucht (RG. 41, 410). Auch im Mahn-

Anm. 24.

140 § 17.

III. Abschnitt: Handelsfirma.

verfahren, bei Rechtsmitteln, bei Interventionen. Für die Handelsgesellschaften, auf die sich § 17 Abs. 2 nach seiner allgemeinen Fassung und Stellung im System schon an sich mitbezieht (OLG. Köln in OLGR. 1, 150), ist noch an anderen Stellen besonders hervorgehoben, daß sie unter ihrer Firma klagen und verklagt werden können (§§ 124 o.HG.; 161 Abs. 2 Kommanditgesellschaft; 210 AG.; 320 Abs. 3 KGaA.; § 13 GmbHG.). Bei den Handelsgesellschaften haben die besonderen Vorschriften noch eine weitere Be­ deutung: sie geben an, in welcher Weise die Handelsgesellschaften ihre Parteifähigkeit im Rechtsverkehr überhaupt zu betätigen haben: durch Auftreten unter ihrer Firma. Das Auftreten im Prozesse kann hier keine Ausnahme machen. Tenn die Firma ist ihr einziger und wahrer Name. Der Gegenstand des Rechtsstreits darf bei Prozessen unter der Firma nicht „in­ kommerziell" (Lehmann-Ring Nr. 10) sein. Familienrechtliche und Erbschaftsklagen sind aktiv und passiv unter der Firma unzulässig (Stein-Jonas § 50 Anm. III 2). Die Firma Schmidt & Co., deren Inhaber Peter Fuchs ist, kann keine Ehescheidungsklage gegen Emma Fuchs, die Gattin des Inhabers, erheben, und der Sohn des Fuchs keine Vaterschaftsklage gegen die Firma Schmidt & Co. Für Strafklagen gilt grundsätzlich das gleiche, es sei denn, daß sie das Gebiet des Handelsgeschäfts betreffen. So sind z. B. die aus dem WZG., dem UnlWG., dem § 187 StGB. usw. Verletzten zur Stellung des Strafantrags und zur Erhebung der Privatklage (§ 414 StPO.) auch unter ihrer Firma befugt (RGSt. 29, 355; Olshausen Anm. 6 zu § 187 StGB.; Ebermayer Anm. 5 zu § 61 StGB.; zum Teil a. M. Frank Anm. 2 zu 8 194 StGB.). Uber die Frage, wer überhaupt bei Warenzeichen, die für eine Firma eingetragen sind, zum Strafantrag berechtigt ist, s. RGSt. 41, 425; 43, 335; GoltdA. 54, 74.

Anm. 25. 2. Wer kann hiernach unter der Firma klagen und verklagt werden? DaS Gesetz sagt: ein Kaufmann. Hieraus und aus der Erwägung einerseits, daß sich das Firmenrecht aus Minderkaufleute (§ 4 Anm. 23) nicht bezieht, andererseits aber die Vorschrift des § 5 auch hier eingreift, und endlich, daß sich das Firmenrecht auch auf Handelsgesellschaften bezieht, ergibt sich folgendes: Unter der Firma klagen und verklagt werden kann jedes Rechtsgebilde, das Vollkaufmann ist oder infolge der Eintragung der Firma als Vollkaufmann gilt. Also Voll-Einzelkaufleute; ferner juristische Per­ sonen, wenn sie ein Handelsgewerbe betreiben (§ 33); Handelsgesellschaften (§6); endlich aber auch Personen, die vermöge des § 5 als Vollkaufleute gelten (vgl. § 5 Anm. 4; letztere will Göppert 268 zu Unrecht ausnehmen; vgl. TürHach. Anm. 12; Hueck in ArchBürgR. 43, 457). Nicht aber bezieht sich die Vorschrift auf Personen, die lediglich infolge ihres bloßen Auftretens im Rechtsverkehr als Vollkaufleute gelten (Anhang zu § 5). Diese können sich zu ihren Gunsten darauf nicht berufen; ihre Klage unter der Firma ist jedenfalls unberechtigt, aber auch die Klage gegen sie unter der Firma ist nicht in Ordnung. Indes handelt es sich in beiden Beziehungen nur um eine unrichtige Partei­ angabe, und es kann die richtige Bezeichnung nachgeholt (Anm. 34), nötigenfalls muß das Urteil entsprechend ausgelegt werden (Anm. 35). — Ist die mit der Firma bezeich­ nete Partei nicht Kaufmann und gilt sie auch nicht als solcher im Rechts­ verkehr, so ist die Bezeichnung mit der Firma ein Irrtum, der aber ebenfalls berichtigt werden kann. Gegebenenfalls muß das Urteil ausgelegt werden. — Uber die Rücknahme und Kosten einer Klage gegen eine nicht in das Handelsregister eingetragene Firma vgl. SächsOLG. 34, 323.

Anm. 26.

Infolge der allgemeinen Fassung der Vorschrift braucht in der Klage überhaupt nur die Firma angegeben zu werden, mag eS sich um einen Einzelkaufmann oder um eine Handelsgesellschaft handeln. Es braucht nur gesagt zu werden: Klage der Firma Albert Müller gegen die Firma Wilhelm Schulze & Co., gleichviel, wer die Inhaber dieser Firmen sind und welche Arten von Rechtsgebilden sich dahinter verbergen, ob Einzel­ kaufleute, o.HG. oder AG. (vgl. RG. 54, 17; 86, 65; § 124 Anm. 9; anders Göppert 272, der die Vorschrift mit Unrecht lediglich auf den Einzelkaufmann beziehen will). Gegen

III. Abschnitt: Handelsfirma.

141

die Fassung: Klage der „Firma" usw. wendet sich Hausding in GewRschutz 14, 197 mit § 17. dem Bemerken, nicht die Firma, sondern der sie führende Kaufmann sei Prozeßpartei; allein der Ausdruck ist kurz und unbedenklich. Aber allerdings muß aus der Klage hervorgehen, daß es sich um eine Geschäfts-Anm. 27. forderung oder Geschäftsverbindlichkeit handelt, da nur insoweit der Vollkauf­ mann im Prozesse unter seiner Firma austreten kann. Diese Einschränkung wird zwar im Gesetze nicht ausdrücklich gemacht, wohnt ihm aber inne (Göppert 268). Infolge der Vermutungen des § 344 ist dieses Erfordernis leicht erfüllbar. Übrigens darf die richtige Bezeichnung mit dem bürgerlichen Namen nachgeholt werden; das ohne Berichtigung ergehende Urteil ist nicht ungültig (Anm. 38). 3. Mutz im Laufe des Prozesses der Inhaber der Firma angegeben werden? Unter Um-Anm. 28. ständen wird dies allerdings notwendig sein. So z. B., wenn festzustellen ist, ob ein Zeuge, ein Sachverständiger oder ein Richter (etwa bei Ablehnung) mit einer Partei verwandt oder verschwägert ist. Oder ob ein benannter Zeuge nicht etwa selbst Partei oder gesetzlicher Vertreter einer Partei ist. Aber auch wenn der klagenden oder der be­ klagten Firma ein Eid auferlegt werden soll, wird festzusteUen sein, um was für ein Rechtsgebilde es sich handelt, um zu ermessen, welche:: Personen der Eid aufzuerlegen ist. Handelt es sich um die Firma eines Einzelkaufmanns, so ist schwurpflichtig, wer nach Anm. 32 Prozeßpartei ist. Anders bei der o.HG.; bei dieser haben die Firmenvertreter den Eid zu leisten, die zur Zeit der Verkündigung des bedingten Endurteils — wenn der Prozeß in der Berufungsinstanz entschieden wurde, die, welche zur Zeit der Verkündigung des Berufungsurteils —, nicht die, welche zur Zeit der Eidesleistung die eidespflichtigen Gesellschafter waren (RG. in LZ. 08, 85620). Indessen hat der Richter nicht die Pflicht und nicht das Recht, vonAnm.29. Amts wegen ohne besondern prozessualen Anlaß die Angabe zu verlangen, um welches Rechtsgebilde es sich handelt und welches die gesetzlichen Ver­ treter der unter einer Firma prozessierenden prozeßunfähigen Partei sind. Ähnlich Stein-Jonas Anm. III 2 zu § 50 ZPO. Auch die Vorschrift des § 313 ZPO.,

wonach das Urteil die Bezeichnung der Parteien und ihrer gesetzlichen Vertreter „ent­ hält", ist für Prozesse, in denen Firmen klagen oder verklagt werden, durch § 17 Abs. 2 dahin geändert, daß das Urteil die Parteien auch nur nach ihrer Firma ohne weiteren Zusatz bezeichnen kann. Sonst wäre der Zweck der Vorschrift (Anm. 24) verfehlt; man denke z. B. an das Versüumnisurteil, wo ja die Angaben im Termin auf die Frage des Richters nicht genügen würden, sondern dem Gegner vorher zugestellt sein müßten (ebenso OLG. Köln in OLGR. 1, 149 und die von Schlesinger in DIZ. 06, 258 angezogene land­ gerichtliche Entsch.; a. M. OLG. Hamburg in SeuffA. 56 Nr. 167; Göppert 274; Schle­ singer a. a. O.; DürHach. Anm. 14). Anders natürlich, wenn begründete Zweifel an der hinter der Firmen-Anm. 30. bezeichnung sich verbergenden Partei hervortreten. Diesen ist der Richter be­ rechtigt und verpflichtet von Amts wegen nachzugehen (§ 56 ZPO.). Oder wenn ein eintretender Todesfall zu der Prüfung Anlaß bietet (RG. in IW. 07, 51518). 4. Die Firma ist nicht Prozeßpartei. Die Firma ist ja nur die Bezeichnung einerAnm. 31. Partei. (D. 35; RG. im „Recht" 08 Nr. 1659). Es wird dies hier hervorgehoben, damit nicht die irrige Meinung erweckt werde, als sei durch die Zulassung der Firma als Parteibezeichnung die Firma als solche zum Prozeßsubjekt erbeben, d. h. zu einem selb­ ständigen Rechtssubjekt, einer vom Inhaber der Firma verschiedenen Partei (zust. OLG. Hamburg in OLGR. 3, 274). Wer aber ist Prozeßpartei, wenn die Partei unter der Firma klagt oder verklagt Anm. 32. wird? bl) Die D. 35 hält es für selbstverständlich, daß es die Person sei, die „zur Zeit der Klage­ erhebung Inhaber der Firma ist". Diese Begriffsbestimmung ist nicht ganz richtig. Man muß statt „Klageerhebung" setzen „Rechtshängigkeit". Denn auch jede andere Art

142 § 17*

III. Abschnitt: Handelsfirma.

der Begründung der Rechtshängigkeit, z. B. die Zustellung des Zahlungsbefehls, steht der Klageerhebung gleich. Die richtige Fassung heißt: Prozeßpartei, Kläger oder Be­ klagter, ist der Kaufmann, der zur Zeit der Begründung der Rechtshängigkeit Inhaber der Firma ist (RG. 6, 98; 54, 17; 64, 78; KG. in OLGR. 7, 147; SächsOLG. 32, 513; Lehmann-Ring Nr. 10; Goldmann I 70; DürHach. Anm. 13; Sydow-Busch § 50 ZPO. Anm. 2). Nach der Ansicht Göpperts (270), dem auch Staub (6./7. Aufl. Anm. 15) bei­ getreten war, trifft dies auf den Kläger nicht immer zu. Kläger sei vielmehr der Inhaber der Firma, auf dessen Willen die Entstehung der Rechtshängigkeit zurückzuführen sei. Wechsle die Jnhaberschaft nach Klageeinreichung noch vor der Klagezustellung, so werde der neue Inhaber nicht Kläger, vielmehr sei der alte Inhaber Kläger. Diese Auffassung ist aber mit den Grundsätzen unseres Zivilprozesses nicht in Einklang zu bringen. Der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit, der Klageerhebung, für die es verschiedene Formen gibt (vgl. §§ 253, 263, 499; 693, 280, 281; 500, 510 ZPO.), ist der für die Begründung des Prozeßverhältnisses maßgebende. Die früheren Schritte sind einleitende. Die Göppertsche Ansicht gibt überdies den unschätzbaren Vorteil eines festen Zeitpunktes auf. — Nach dem Gesagten ist, wenn die Klage gegen eine Firma gerichtet ist und diese früher die Firma einer o.HG. war, jetzt aber die o.HG. aufgelöst und das Geschäft mit der Firma auf einen der Gesellschafter übergegangen ist, dieser Gesellschafter auch dann die beklagte Partei, wenn die Auflösung der Gesellschaft nicht in das Handelsregister eingetragen ist (Sächs­ OLG. 36, 268). — Was nun die Widerklage anlangt, so richtet sie sich demzufolge gegen den, der als Kläger zu betrachten ist, also nicht notwendig gegen den, der zur Zeit der Erhebung der Widerklage Inhaber der Firma ist, sondern gegen den, der zur Zeit der Rechtshängigkeit des Klageanspruchs dies war. — Steht dem, der hiernach zur Zeit der Rechtshängigkeit Inhaber der klagenden Firma war, das eingeklagte Recht nicht zu, so ist die Klage abzuweisen. Ist der, welcher zur Zeit der Rechtshängigkeit Inhaber der Firma war, nicht der Verpflichtete, so ist gleichfalls die Klage abzuweisen (vgl. NG. 6, 98: es war nach dem Tode des Schuldners seine Firma verklagt, das war nicht richtig; das Erbverhältnis mußte auseinandergesetzt und die Erben mußten verklagt werden). Entsprechendes nimmt das RG. (54, 15) für die Parteibezeichnung bei Auflösung einer o.HG. im Laufe des Prozesses an (Erl. zu § 124), so daß der Alleininhaber als der Verklagte gilt, einerlei, ob er zur Fortführung der alten Firma gegenüber den früheren Gesellschaftern berechtigt ist. Vgl. auch RG. 64, 77 (Rechtsfolgen einer während des Prozesses ohne Liquidation sich vollziehenden Auflösung der verklagten Kommandit­ gesellschaft). Anm. 33. b) Da die Firma nur Parteibezeichnung ist, so ist es unzulässig, die Firma und außerdem deren alleinigen Inhaber oder diesen und außerdem die Firma zu verklagen (Bolze 12 Nr. 124; zust. Goldmann I 71; DürHach. Anm. 13). Am allerwenigsten ist es zulässig, hieran den Antrag auf Verurteilung als Gesamtschuldner zu knüpfen; das ist sinnwidrig, wenn es auch manchmal geschieht (ebenso RG. in IW. 02, 63619 und im „Recht" 08 Nr. 1659). Aber zulässig ist es, in der Klage den bürgerlichen Namen des Firmeninhabers und seine Firma zu nennen, vorausgesetzt, daß diese von jenem verschieden ist (sonst ist es sinnlos; RG. in IW. 1910, 82867), also entweder zu sagen: Klage gegen den Kaufmann Adolf Schulze (in Firma Friedrich Müller) oder: Klage gegen die Firma Friedrich Müller (Inhaber Adolf Schulze). Es muß nur immer wieder betont werden, daß in allen solchen Fällen, ebenso wie wenn die Firma allein oder wenn der bürgerliche Name allein als Parteibezeichnung gewählt ist, stets der Inhaber der Firma in seiner ganzen Rechts­ persönlichkeit verklagt und verurteilt ist, so daß Zwangsvollstreckung in jedes einzelne seiner Vermögensstücke zulässig ist (Anm. 36). Deshalb ist es nicht ratsam zu sagen: Klage gegen den Kaufmann Adolf Schulze als Inhaber der Firma Friedrich Müller, weil er ja eben nicht nur in dieser Eigenschaft verklagt wird und verurteilt werden soll. Diese Einschränkung könnte zur Folge haben, daß nur in das Geschäftsvermögen der betreffenden Firma vollstreckt werden kann, nicht in sein Privatvermögen und nicht'

III. Abschnitt: Handelsfirma.

143

in ein unter einer anderen Firma von ihm betriebens Geschäft. — Anders ist die § 17, Frage bei der o.HG. zu entscheiden (Anm. 9 zu § 124). o) Auch für den Sachvortrag ist zu betonen, daß als Partei nur der zu betrachtenAnm. 34. ist, von dem oder gegen den der Anspruch rechtshängig gemacht worden ist. Klagt z. B. die Firma Adolf Müller und trägt vor, sie habe dem Beklagten Waren verkauft, und wendet der Beklagte ein, die Waren seien nicht vom gegenwärtigen Inhaber der klagenden Firma, sondern von dem früheren gekauft, so liegt darin ein wirksames Klagebestreiten: das Bestreiten der Behauptung, daß der Beklagte von dem Kläger gekauft habe. Entgegnet der Kläger, daß er die Aktiva des Geschäfts von seinem Ge­ schäfts- und Firmenvorgänger übernommen habe, so ist das keine Klageänderung (ROHG. 23, 101; RG. 41, 411; Goldmann I 71; abw. Staub 6./7. Aufl.). 6) Irrtümer in der Bezeichnung können richtiggestellt werden, ohne daß Klageabweisung verlangt werden kann (RG. in IW. 1911, 10129; RG. 86, 65; OLG. Bamberg in LZ. 1910, 947 und die dort Angeführten; Stein-Jonas § 50 ZPO. Anm. III 2). Eine Klage gegen eine vermeintliche o.HG. kann dahin berichtigt wer­ den, daß die Gesellschafter der nicht handelsrechtlichen Gesellschaft verklagt seien (OLG. Bamberg a. a. O.; vgl. auch § 129 Anm. 2). Ist geklagt gegen den Kaufmann M. L., so kann der Klüger die Angabe dahin richtigstellen, daß er die o.HG. in Firma M. L. gemeint habe (RG. bei Holdheim 11, 150). Anders, wenn tatsächlich nicht der In­ haber der Firma Klage erhoben hat, sondern ein anderer; dann kann die Bezeichnung der Klagepartei nicht berichtigt werden (RG. 66, 416; IW. 1912, 748). 5. Die Wirkungen des Urteils, in welchem der Kläger oder der Beklagte mitAnm. 35. seiner Firma bezeichnet wurde. Daß diese Bezeichnung im Urteile zulässig ist, kann keinem Zweifel unterliegen (KGBl. 04, 46). a) Die Rechtskraft. Das Urteil macht Rechtskraft unter den Parteien. Als verurteilt oder abgewiesen gilt hiernach der, welcher nach Anm. 32 als Beklagter oder Kläger bzw. Widerbeklagter zu betrachten ist. Das ist nicht notwendig der, welcher zur Zeit der Urteilsfällung oder zur Zeit des Eintritts der Rechtskraft Inhaber der Firma war. Vielmehr ist abgewiesen bzw. verurteilt die Person, die zur Zeit der Rechtshängigkeit Inhaber der klagenden bzw. verklagten Firma war. Unter Umständen macht das Urteil allerdings auch Rechtskraft für und gegen eine Partei, die erst nach den hier maßgeben­ den Zeitpunkten Inhaberin der Firma war, nämlich als Folge der Rechtsnachfolge in Forderung oder Schuld, nicht als Folge der Rechtsnachfolge in das Geschäft oder in die Firma (Anm. 40, 43, 45, 46). b) Die Vollstreckung des Urteils, in dem der Beklagte mit seiner Firma bezeichnet ist, Anm. 36. darf in sämtliche Vermögensgegenstände erfolgen, die dem verurteilten Schuldner ge­ hören. Darin liegt zweierlei: Erstens die Vollstreckung ist zulässig in sämtliche Ver­ mögensgegenstände des verurteilten Schuldners, nicht etwa nur in das Geschäfts­ vermögen der Firma, unter der er im Urteil bezeichnet ist, sondern auch in sein sonsti­ ges Vermögen, auch in das Vermögen eines Geschäfts, das er allein unter anderer Firma betreibt. Andererseits ist die Vollstreckung nur zulässig in die Vermögensstücke des verurteilten Schuldners, und das ist nicht notwendig die Person, die zur Zeit der Urteilsverkündung das Geschäft unter der betreffenden Firma führt (Anm. 32 u. 35). — Hierbei werden sich immer dann Schwierigkeiten ergeben, wenn der Schuld­ ner im Laufe des Prozesses aufgehört hat sein Geschäft unter dieser Firma zu be­ treiben, sei es, daß er es überhaupt aufgegeben hat und nunmehr nur noch seinen bürgerlichen Namen führt, oder daß er dieses oder ein anderes Geschäft unter einer anderen Firma betreibt, oder daß er sein Geschäft veräußert hat und ein anderer es unter Fortführung der Firma weiterbetreibt. In diesen Fällen liegt dem pfändenden Beamten, also bei der Pfändung Anm. 37. in das bewegliche Vermögen dem Gerichtsvollzieher, die Feststellung ob, daß der, gegen den der Pfändungsauftrag sich richtet, Inhaber der Firma zur Zeit der Rechts-

144 § 17.

Anm. 38.

III. Abschnitt: Handelsfirma.

hängigkeit des Anspruchs (Anm. 32 u. 35) war. Handelt es sich um einen Wider­ klageanspruch, so wird der Gerichtsvollzieher festzustellen haben, wer als Kläger und deshalb auch als Widerbeklagter zu betrachten ist. Gegen den, der das Geschäft mit Firma während des Prozesses übernommen hat und zur Zeit des Urteils Inhaber der Firma ist, darf das Urteil nicht vollstreckt werden. Geschieht es dennoch unzu­ lässigerweise, so hat er das Recht der Beschwerde gegen die Art der Zwangsvoll­ streckung. (über den Fall, in dem er das Geschäft mit Firma nach der Rechtskraft des Urteils übernommen hat, s. Anm. 43.) Tie gleiche Feststellung wird der Gerichts­ vollzieher dann zu treffen haben, wenn der verurteilte Schuldner das Geschäft mit der Firma, unter der er verurteilt ist, zwar noch führt, der Gläubiger aber die Voll­ streckung in andere Vermögensgegenstände verlangt. Tas ist zulässig, da ja der Schuld­ ner in seiner ganzen Rechtspersönlichkeit verurteilt ist (Anm. 36). Auch hinsichtlich des Klägers wird der Vollstreckungsbeamte zunächst festzustellen haben, ob dem, der die Pfändung verlangt, der Anspruch auch zugesprochen ist (Anm. 32). — Soweit Voll­ streckungsbehörde das Gericht ist, liegt die betr. Prüfung natürlich diesem ob. So z. B. bei der Ladung eines Firmeninhabers zum Offenbarungseide (LG. Plauen in KGBl. 08, 83). — Den Nachweis zu erbringen, wer nach vorstehendem als Ver­ urteilter anzusehen ist, ist Sache des Klägers (KGBl. 03, 46). Aber es ist festzuhalten: dem Vollstreckungsbeamten, nicht dem Prozeßgericht, liegt diese Aufgabe ob (KG. in KGBl. 03, 46 und in OLGR. 7, 147). Das Prozeß­ gericht hat weder das Recht noch die Pflicht, eine „Berichtigung" oder eine Klar­ stellung des Urteils durch nachträglichen Beschluß zu bewirken (KG. in OLGR. 1, 397), noch auch ist für ein neues Prozeßverfahren Raum (OLGR. 7, 147). Der Gerichtsvollzieher hat bei Pfändungen in bewegliches Vermögen zu entscheiden, und über Erinnerungen betr. das Verfahren des Gerichtsvollziehers entscheidet das Voll­ streckungsgericht. Göppert (278) will die Zwangsvollstreckung nur dann zulassen, wenn auch zur Zeit der Zwangsvollstreckung die Partei noch Inhaber der betreffenden Firma ist; sonst verweist er auf den Weg einer neuen Klage. Tas ist aber nicht an­ gängig, ein einmal erlassenes Urteil gilt und muß ausgelegt und auf diesem Wege seinem Zwecke zugeführt werden (Anm. 35).

Anm. 39. 6. Welche Wirkung hat der Übergang des Geschäfts nebst Firma durch Veräußerung

oder Erbgang auf den Prozeß des unter feiner Firma klagenden oder verklagten Kaufmanns?

Anm. 40.

An sich keine besonderen Wirkungen. Die Wirkungen des Geschäftsübergangs mit Firma auf den Prozeß des Kaufmanns sind die gleichen, mag er unter seiner Firma oder unter seinem bürgerlichen Namen im Prozesse auftreten. Der Geschäfts­ übergang ist an sich nicht das Ereignis, das besondere Wirkungen ausübt, sondern lediglich der Umstand, ob sich an den Geschäftsübergang ein Übergang der ein­ geklagten Forderung oder Verbindlichkeit geknüpft hat. Nur in einem Falle hat der Umstand, daß der Übergang der Verbindlichkeit durch Übergang des Geschäfts mit Firma erfolgt, eine besondere Wirkung (Anm. 43). Dies vorausgeschickt, seien nunmehr die Wirkungen des Übergangs des Ge­ schäfts auf den Prozeß des Kaufmanns dargestellt. Diese Darstellung ist auch für §§ 25 u. 27 wichtig. (Über diese Fragen bei der o.HG. vgl. § 124 Anm. 20). a) Veräußert der klagende Kaufmann fein Geschäft während der Dauer deS Pro­ zesses und ist mit dem Geschäftsübergang ein Übergang der Forderung verknüpft — was nicht notwendig der Fall zu sein braucht (z. B. § 25 Abs. 2) —, so greift die allgemeine Vorschrift des § 265 Abs. 2 ZPO. Platz: d. h. die Veräußerung der ein­ geklagten Forderung hat aus den Prozeß keinen Einfluß (Stein-Jonas Anm. III 2 zu § 265 ZPO.). Nur mit Bewilligung des Beklagten kann der Erwerber in den Prozeß als Hauptpartei an Stelle des Rechtsvorgängers eintreten, doch kann und muß auch ohne Bewilligung des Beklagten der klagende Kaufmann seinen Klageantrag dahin

145

III Abschnitt: Handelsfirma.

ändern, daß der Beklagte zur Leistung an den Erwerber des Geschäfts verurteilt werde § (RG. in IW. 08, 303“). Tas Urteil wirkt hinsichtlich der Rechtskraft auch für und gegen den Rechtsnachfolger (§325 Abs. I ZPO.). Zur Vollstreckung aber bedarf der Rechtsnachfolger der Erlangung der Bollstreckungsklausel auf seinen Namen (§§ 727, 731 ZPO.), und zwar auch dann, wenn er das Geschäft mit der Firma fortführt. Doch kann auch die Umschreibung auf die Firma erfolgen, der bürgerliche Name braucht hierbei nicht genannt zu werden. Vor der Umschreibung der Vollstreckungsklausel darf weder der eigentliche Kläger noch sein Rechtsnachfolger das Urteil voll­ strecken,- der erstere nicht, weil ihm der Schuldner die Veräußerung entgegenhalten kann, wobei hier noch besonders auf den Fall des § 25 HGB- hingewiesen wird. Wechselt der Firmeninhaber in der Zeit zwischen Urteilszustellung und Berufungs­ einlegung und sind die im Geschäftsbetriebe begründeten Forderungen nicht mit über» nommen, so kann nach vorstehendem ein Rechtsmittel nicht von der Firma eingelegt werden, sondern nur von dem Veräußerer für seine Person (OLG. Hamburg in

17.

SeuffA. 77, 252). b) Veräußert der beklagte Kaufmann sein Geschäft während der Dauer deS Prozesses, An«. 41. und ist hiermit der Übergang der eingeklagten Schuld aus den Erwerber verknüpft — was nicht notwendig der Fall zu sein braucht —, so hat dies auf den Prozeß gar keinen Einfluß. Verklagt ist der Inhaber der Firma zur Zeit der Rechtshängigkeit, ein anderer Beklagter kann in den Prozeß nicht eintreten. Der Geschästsübernehmer wird Schuldner, nicht Prozeßpartei (§265 ZPO-: RG. 46, 42). Das ergehende Urteil macht nur Rechtskraft gegen den Inhaber der Firma zur Zeit der Rechtshängigkeit und kann nur gegen diesen vollstreckt werden (s. Anm. 35—37). Ausnahme hiervon Anm. 43.

o) Veräußert der Nagende Kaufmann fei» Geschäft «ach der rechtskräftige» Fest. «nm. 42. stellnug der eingeklagten Schuld, so kommt dieser Fall hier wiederum nur dann in Betracht, wenn die rechtskräftig festgestellte Forderung mit veräußert ist. Aber auch dann hat dies lediglich dieselbe Wirkung, wie wenn sonst eine rechtskräftig festgestellte Forderung veräußert wird, selbst wenn gleichzeitig das Geschäft mit Firma veräußert ist. Diese allgemeine Wirkung der Veräußerung einer rechtskräftig festgestellten Forderung geht dahin, daß der Rechtsnachfolger die Erteilung der Bollstreckungsklausel nach Maßgabe der §§ 727, 731 ZPO. für sich verlangen kann: der Rechtsnachfolger muß also durch eine öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde die Rechts­ nachfolge nachweisen oder auf Erteilung der Bollstreckungsklausel klagen. Die Be­ rufung daraus, daß in Gemäßheit des § 25 Abs. 1 HGB. die sämtlichen Geschäfts­ forderungen den Schuldnern gegenüber als abgetreten gelten, wenn er das Ge­ schäft nebst Firma mit Einwilligung des bisherigen Inhabers sortsührt, genügt hierzu nicht. Denn es handelt es sich hier auch um die Rechte des bisherigen Gläubigers, die durch eine solche Umschreibung nicht verletzt werden dürfen. Andererseits aber hat, wenn der alte Gläubiger aus Grund des Urteils vollstrecken will, der Schuldner den Einwand, die Forderung sei abgetreten. Diesen Einwand hat er ohne Rücksicht darauf, ob in Wahrheit ein Übergang der Forderung stattgefunden hat, dann, wenn der Fall des §25 Abs. 1 HGB. vorliegt: in diesem Falle gelten die geschäftlichen Forderungen dem Schuldner gegenüber als abgetreten. — Wiederholt wird der Klarheit wegen, daß das alles gilt, gleichviel, ob der Kaufmann unter seiner Firma klagt oder unter seinem bürgerlichen Namen, und andererseits auch dann, wenn der Kaufmann unter seiner Firma klagt und der Erwerber das Geschäft mit Firma übernimmt. Auch im letzteren Falle kann die Vollstreckung aus dem Urteil nur nach Umschreibung der Boll­ streckungsklausel erfolgen. Eine ohne solche erfolgte Zwangsvollstreckung unterliegt der

Aufhebung (OLG. Dresden in LZ. 1914, 501»).

d) Veräußert der verklagte Kaufmann sein Geschäft nach der rechtskräftigen Fest- Anm. 43. stettnng der Schuld, so kommt dies hier nur dann in Betracht, wenn dabei die rechtsStaub, HGB., 12. u. 13. Ausl.

Bd. 1.

(Bondi.)

10

146 § 17.

UI. Abschnitt: Handelsfirma.

kräftig festgestellte Schuld mit übernommen ist. Ist sie aber übernommen, so ist sie so

übernommen, wie sie damals bestand, also als rechtskräftig festgestellt. Nunmehr kann gegen den Übernehmer geklagt werden, gestützt aus die rechtskräftige Entscheidung und die Schuldübernahme. In zwei Fällen kann sogar die einfache Erteilung einer voll­ streckbaren Ausfertigung gegen den Übernehmer erlangt werden. Nämlich einmal, wenn die Übernahme die Folge einer Veräußerung des ganzen Vermögens ist (Fall des § 419 BGB.), und zweitens, wenn die Übernahme in Gemäßheit des § 25 Abs. 1 HGB. erfolgt ist, d. h. wenn der Schuldner sein Geschäft veräußert hat, in dessen Betriebe die festgestellte Schuld entstanden ist, und der Übernehmer das Geschäft mit Firma fortführt, ohne daß die Nichtübernahme der Schuld eingetragen und veröffent­ licht oder dem Gläubiger mitgeteilt worden wäre (§ 729 ZPO.). In beiden Fällen ist aber zu beachten, daß neben dem Erwerber auch der Veräußerer weiter haftet (Erl. zu § 26), so daß nicht die Umschreibung einer Vollstreckungsklausel, sondern die Erteilung einer weiteren Vollstreckungsklausel gegen den Geschäftserwerber der Gegenstand des im § 729 ZPO. gegebenen Rechts ist (überall gl. A. Gaupp-Stein § 729 II). Die Erteilung der Vollstreckungsklausel erfolgt auf einfachen Antrag, wenn die Rechtsnachfolge (nicht auch die unterbliebene Veröffentlichung oder Mitteilung einer abweichenden Abrede, diese mag der Übernehmende gemäß § 732 ZPO. ein­ wenden) durch öffentliche Urkunde nachgewiesen wird. Sonst ist Klage aus Erteilung der Vollstreckungsklausel nötig. Die einfache Erteilung der Vollstrecküngsklausel bzw. die einfache Klage auf Erteilung der Vollstreckungsklausel kann aber nicht in dem im § 25 Abs. 3 HGB. vorgesehenen Falle erfolgen, d. h. wenn die Schuldübernahme dadurch erfolgt ist, daß sie in handelsüblicher Weise bekanntgemacht worden ist. Hier muß von. neuem geklagt werden, wenn der Schuldner die rechtskräftig festgestellte Schuld zu zahlen sich weigert (vgl. hierzu OLG. Dresden in SächsAR. 06, 206). Handelt es sich um eine Restitutionsklage, so ist diese gegen den ursprünglichen Beklagten zu richten, nicht gegen den Geschüstsübernehmer (SächsOLG. 33, 230). Anm. 44. Auch hier muß betont werden: das Gesagte gilt auch dann, wenn der ursprüng­ liche Schuldner nicht unter seiner Firma, sondern unter seinem bürgerlichen Namen verklagt war, und andererseits auch dann, wenn er unter seiner Firma verurteilt wor­ den ist und der Geschüftserwerber das Geschäft mit Firma fortsetzt. Auch dann findet, obwohl Geschäft und Firma identisch bleiben, eine Zwangsvollstreckung in das Geschäftsvermögen der Firma nur nach Ausdehnung der Vollstreckungsklause! auf den Geschäftserwerber statt, da ja das Rechtssubjekt, gegen das sich die Vollstreckung richtet, gewechselt hat. Diese Ausdehnung der Vollstrecküngsklausel kann auch auf die Firma des Rechtsnachfolgers erfolgen. Das ergibt die Absicht des Gesetzes. Aber sie kann andererseits auch auf den bürgerlichen Namen des Geschäftserwerbers lauten, selbst wenn er das Geschäft mit Firma fortsetzt. In beiden Fällen kann aus der vollstreck­ baren Ausfertigung in das gesamte Vermögen des Geschästserwerbers vollstreckt werden (Anm. 36). Anm. 45. e) Stirbt der klagende Kaufmann während des Prozesses, so erfolgt Unterbrechung, Aussetzung und Wiederaufnahme des Verfahrens nach Maßgabe der allgemeinen Vor­ schriften. Dies auch dann, wenn der Erbe das Geschäft mit Firma fortjetzt und wenn der Erblasser unter seiner Firma geklagt hat. Die Prozeßpartei ist alsdann der Erve bzw. die Erben. Stirbt der klagende Kaufmann nach rechtskräftiger Fest­ stellung der Forderung, so kann der Erbe Umschreibung der Vollstreckungsklausel

nach den allgemeinen Vorschriften der ZPO. (§§ 727ff.) verlangen. Anm. 46. k) Stirbt der verklagte Kaufmann während des Prozesses, so erfolgt gleichfalls Unterbrechung, Aussetzung und Wiederaufnahme des Verfahrens nach den allgemeinen Vorschriften der ZPO. Die Prozeßpartei ist alsdann der Erbe bzw. die mehreren Erben. Alles dies auch dann, wenn der beklagte Kaufmann unter seiner Firma ver­ klagt ist und der Erbe das Geschäft mit Firma fortführt. Stirbt der beklagte

III. Abschnitt: Handelsfirma.

147

Kaufmann nach rechtskräftiger Feststellung der Schuld, so besteht hier ein H 17. Recht auf Erteilung der Vollstreckungsklausel; eine nochmalige Ausklagung des Anspruchs gegen den Erben ist nicht erforderlich; auch dies geht aus den allgemeinen Vorschrif­ ten der ZPO. (§§ 727ff.) hervor. Wegen der prozessualen Geltendmachung der be­ schränkten Haftung s. bes. §§780, 767. Zu betonen ist jedenfalls, daß, auch wenn das Geschäft nach rechtskräftiger Verurteilung des unter seiner Firma verurteilten Schuld­ ners auf einen Erben übergeht, und wenn dieser auch das Geschäft mit Firma fort­ führt, dennoch ohne Umschreibung der Vollstreckungsklausel die Zwangsvollstreckung gegen den Erben unzulässig ist, auch in das Geschäftsvermögen jener Firma. Denn immerhin ist festzuhalten, daß unter der Bezeichnung der Firma der Erblasser, der Schuldner zur Zeit der Rechtshängigkeit, verurteilt worden ist. Eine Zwangsvoll­ streckung gegen eine andere Person, und sei dies auch ein allgemeiner Rechtsnachfolger, darf nur unter den besonderen Voraussetzungen erfolgen, die das Prozeßrecht für die Zwangsvollstreckung gegen den Rechtsnachfolger erfordert. 8) Bei Änderung oder Erlöschen der Firma kann § 727 ZPO. entsprechend an-Anm. 46a. gewendet werden. S. hierzu Kuhnt in IW. 1913, 116.

7. Auch die Prozeßvollmacht kann mit der Firma unterschrieben sein.

Anm. 47.

8. über die Zulässigkeit einer Klage unter der Firma einer Zweigniederlassung s. Anm. 48. Anm. 16 u. 17 zu § 13.

Zusatz. Auch eine ausländische Firma kann als Firma hier klagen; es handelt sich Anm. 49. um eine Frage des Prozeßverfahrens, die nach dem Rechte des Prozeßgerichts zu ent­ scheiden ist (OLG. Hamburg in OLGR. 3, 274).

8 18.

8

18.

Lin Kaufmann, der sein Geschäft ohne Gesellschafter oder nur mit einem stillen Gesellschafter betreibt, hat seinen Familiennamen mit mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen als Firma zu führen. Der Firma darf kein Zusatz beigefügt werden, der ein Gesellschaftsverhält­ nis andeutet oder sonst geeignet ist, eine Täuschung über die Art oder den Umfang des Geschäfts oder die Verhältnisse des Geschäftsinhabers herbei­ zuführen. Zusätze, die zur Unterscheidung der Person oder des Geschäfts dienen, sind gestattet. §§ 18—20 handeln von der Bildung einer neuen Firma. § 18 Abs. 1 bestimmt über Einleitung, die Form der Firma eines Einzelkaufmannd. Abs. 2, der sich aber nicht nur auf die Firmen der Einzelkausleute bezieht, gibt für alle Firmen Vorschriften über die Zu­ sätze zur Firma.

I. (Abs. 1.) Die Vorschriften deS Abs. 1 beziehen sich

Anm. 1.

1. nur auf den Fall der neuen, der ursprünglichen Firma, d. h. nur auf den Fall, daß ein Einzelkaufmann ein Geschäft errichtet. Für den Fall, daß er ein bestehendes Geschäft mit Firma erwirbt, greifen sie nicht Platz (§22). Der Grundsatz der Firmen­ wahrheit (§ 17 Anm. 17) ist demgemäß nicht vollständig durchgeführt. Es war in Anregung gebracht, dies zu tun, man konnte sich aber — mit Recht — rächt dazu entschließen (D. 36) und hat durch § 15a GewO, zu helfen gesucht (Anhang zu §37). 2. auf den Einzelkaufmann § 335 Anm. 1 und 38ff.). kaufleute zu betrachten namen (über ihre Firma s.

(als solcher gilt auch, wer einen stillen Gesellschafter hat; Anm. 2. Richt auf die juristischen Personen, die als Einzel­ sind; diese haben keinen Familiennamen und keinen Vor­ § 33 Arun. 10).

148

III. Abschnitt: Handelsfirma.

§ 18. 3. auf den Hauptbestandteil der Firma des Einzelkaufmanns (von den Zusätzen zu Anm. 3. allen Firmen handelt Abs. 2). Der Hauptbestandteil („Firmenkorpus" nennt ihn Opet; wir verwenden lieber nach DürHach. Anm. 2 den treffenden Ausdruck „Firmenkern") ist wesentlich und notwendig. Er besteht notwendig („hat... zu führen") aus dem Familiennamen und mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen. Die Firma soll also eine sog. Personenfirma (§ 17 Anm. 17) sein. Aus diesem Grunde müssen Vorund Familienname als wesentlicher Bestandteil der Firma auch in die Erscheinung treten. Es genügt daher nicht die bloße Ein- oder Beifügung von Vor- und Fami­ liennamen in Klammern (KG. in RIA. 9, 91) oder anderweit in einem Firmen­ zusatze, etwa in der Art: „Inhaber. ." (KG. in OLGR. 38, 170), vielmehr müssen Vor- und Familiennamen im Firmenkern enthalten sein (OLG. Stuttgart im „Recht" 1921 RsprBeil. Nr. 1954). Der Kaufmann muß „seinen" Familiennamen als Firma führen, nicht den eines anderen. Wer einem anderen vereinbarungsgemäß die Füh­ rung seines Namens als Firma oder Firmenzusatz (im Sinne von Anm. 7) gestaltet hat, kann ebensowenig wie sein Rechtsnachfolger dies verbieten; denn er ist dadurch nicht in seinen Rechten verletzt (§ 37 Abs. 2; RG. 29, 71 u. 42, 150; s. auch § 37 Anm. 19). Für den Registerrichter ist allerdings eine solche Vereinbarung nicht vor­ handen, weil sie die im Interesse der öffentlichen Ordnung gegebenen Bestimmungen des § 18 nicht abzuändern vermag (ebenso Marcus in ZBlFG. 8, 684); er kann ge­ mäß § 37 Abs. 1 einschreiten. Ja, das RG. gibt in einer späteren Entscheidung (IW. 1903, 29316) jeder der Parteien insofern und insoweit ein Rücktrittsrecht von einem solchen Vertrage, als eine Partei ihren Namen als Firma für das Geschäft der anderen hergegeben hat. — Unter welchen Voraussetzungen der Zusatz eines fremden Namens gestattet ist, s. Anm. 9. Anm. 4. a) Was als Familienname zu betrachten ist, richtet sich nach dem bürgerlichen Recht. Hiernach beantwortet sich die Frage, welchen Namen eine geschiedene Frau zu führen hat und führen darf (§ 1577 BGB.; über Unzulässigkeit der Fortführung und Ein­ tragung einer Firma, die den Familiennamen des geschiedenen Mannes der Geschäfts­ inhaberin enthält, wenn der Mann der allein für schuldig erklärten Frau vor der Eintragung die Führung seines Namens untersagt hat, s. KG. in RIA. 8, 38; gegen diese Entsch. RitterKomm. § 18 Anm. 1 und § 21 Anm. 2); wie der an Kindes Statt Angenommene (§ 1758 BGB.; vgl. dazu RG. 109, 244); wie das uneheliche St mb (§ 1706 BGB.); wie das legitimierte sich zu nennen hat (§§ 1719, 1736 BGB.); ob es einem verheirateten Manne gestattet ist, seinem Namen den seiner Frau zur Bildung der Firma beizufügen (nach RG. 16, 60 soll dies gestattet sein; gl. M. Dernburg I § 9912; ebenso LG. I Berlin in KGBl. 97, 82, und zwar mit der bedenk­ lichen Begründung, weil es üblich sei; Opet 74 meint, es handle sich um einen dem Familiennamen beigefügten Zusatz, der während bestehender Ehe zulässig sei; ähnlich KG. in Franks. Rundschau 39, 136; a. M. OLG. Hamburg in RIA. 14, 46). Es erscheint ohne weiteres zulässig, daß die Ehefrau oder Witwe dem Namen ihres Man­ nes ihren Mädchennamen hinzufügt, aber mit einem Zusatz oder in einer Verbindung, woraus hervorgeht, daß dies ihr Mädchenname ist (etwa geborene soundso oder Ida Müller-Schulze; ebenso Glitsch in EhrenbergHandb. II 165; a. M. Lehmann-Hoeniger § 30 S. 117); aber es ist nach §18 nicht zulässig, daß sie den Mädchennamen allein als Firma führe (RG. in IW. 02, 2721). Es ist auch grundsätzlich unzulässig, daß der Sohn seinem Namen den Familiennamen der Mutter beifügt (RG. 42, 149). — Die Führung eines nichtdeutschen Namens, der dem Träger zusteht, als Firma ist nicht verboten (OLGR. 5, 273). — Der Name im Sinne des § 18 (ebenso § 19) ist der wirkliche Familienname. Ist dieser ein Doppelname, so muß er als solcher in der Firma geführt werden (KG. in OLGR. 41, 192; vgl. Anm. 5 unter c). Verwendung eines Pseudonyms statt des Familiennamens ist unzulässig, und zwar sowohl für die Firma eines Einzelkaufmanns wie für die von Handelsgesellschaften (KG. im „Recht"

III. Abschnitt: Handelsfirma.

149

08 Nr. 1057; Marcus in GesuR. 9, 419; ebenso für die Firma einer GmbH. KG. in § 18. OLGR. 40, 178). — Der Familienname darf nur in der Form und Schreibweise in die Firma ausgenommen werden, wie der Firmeninhaber ihn nach Landesrecht führen darf. Ist in Preußen z. B. der bürgerliche Name „ß. genannt St.", so darf die Firma nicht heißen „L.-St.". Der Name „Schultz" darf nicht als „Szulc" firmiert werden, selbst wenn der Vater unzulässigerweise für das Kind bei der Geburt diese Schreibweise angemeldet hat. Tenn willkürliche Namensänderungen sind nach dem öffentlichen Rechte Preußens verboten (KG. in 27 A 65 u. 24 A 163; ein ähnliches Verbot kennt auch Bayern, RG. 42, 149). Indes soll man sich bei der Anwendung des obigen Satzes vor Kleinigkeitskrämerei hüten (Makower Anm. IIb 2). Die Verkehrssitte muß berücksichtigt werden. b) Die Bornamen dürfen nicht willkürlich gewählt, müssen vielmehr so verwendet werden, Anm. 5. wie der Betreffende sie mit Recht führt. Auch hierbei entscheidet die Verkehrs­ sitte. Vielfach (so die 6. bis 9. Aufl.; Brand Anm. 2; Lehmann-Ring Nr. 5) wird angenommen, daß die Vornamen auch nicht in eine fremde Sprache übersetzt noch umgekehrt verdeutscht werden dürfen (Jaques statt Jacob, Moritz statt Moses). Allein auch hierin muß die Verkehrssitte zu Rate gezogen werden. Wo fremdländischen Vor­ namen deutsche genau entsprechen (Jean und Johann, Ernesto und Ernst), da sollte man Verdeutschungen auch in Firmen zulassen, namentlich dann, wenn der Firmen­ inhaber den deutschen Namen im Leben tatsächlich führt und unlautere Machenschaften nicht zu befürchten sind (LG. München I in IW. 1915, 1459; Keidel in LZ. 1915, 1650; Zeiler in DNotVZ. 1916, 195). Dagegen dürfen Vornamen, die überhaupt dem Firmeninhaber nicht zustehen, auch nicht abgekürzt in der Firma Aufnahme finden (OLG. Hamburg in OLGR. 21, 377). Der Vorname muß für die Regel vor den Zunamen kommen, namentlich wenn sonst die Erkennbarkeit leidet (der Kaufmann, dessen Familienname Ernst ist, muß den Vornamen vorsetzen). Ausnahmen können zu­ gelassen werden, z. B. bei Ausländern, die üblicherweise den Familiennamen vor den Vornamen setzen. Nur der wirkliche Vorname ist der Aufnahme in die Firma fähig (LG. I Berlin in ZHR. 42, 501). $ic Frau darf nicht statt ihres Vornamens den des Mannes (Frau Adolf Braun) in die Firma aufnehmen, wiewohl dies gesell­ schaftlich Sitte sein mag (Opet 78; KG. in RIA. 16, 78). Ebenso kann ein Sohn nicht statt seines Vornamens den seines Vaters mit dem Zusatze „Sohn" in die neu­ gegründete Firma einführen; sein eigener Vorname muß erscheinen: das Gesetz ver­ langt, daß der Firmeninhaber klar bezeichnet wird, ohne daß er erst im Wege der Schlußfolgerung mehr oder weniger sicher ermittelt werden muß. — Unter welchen Voraussetzungen der Vorname geändert werden kann, bestimmt das Landesrecht. Man kann nicht sagen, daß stets nur der in das Personenstandsregister eingetragene Vor­ name gebraucht werden darf, da eben die Landesgesetze Änderungen zulassen können (in Preußen haben die Landesregierungen das Recht der Genehmigung zur Ände­ rung von Beinamen und Vornamen). Abkürzungen, selbst in üblichen Rufnamen, sind zwar grundsätzlich unzulässig (Minna statt Hermine, Fritz statt Friedrich, Theo statt Theodor: KG. in OLGR. 41, 190), weil mindestens ein „ausgeschriebener", von Rechts wegen dem Inhaber zukonnnender Vorname in die Firma aufzunehmen ist (KG. in RIA. 3, 73; vgl. RG. in Holdheim 13, 228; zust. Opet 81). Allein wenn ein Firmeninhaber mit dem Vornamen Friedrich oder Wilhelm im Leben seit langer Zeit nie anders als Fritz oder Willy genannt wird und zeichnet, so sollte man ihm diesen Vornamen auch in der Firma verstatten; es wäre unangebrachte Formbetonung, für diese unbedingt bcn im Geburtsschein enthaltenen Vornamen zu verlangen (zust. KG. in IW. 1925, 1416; anders Cohn dortselbst in der Anm. und Lehmann-Ring Nr. 5, Brand Anm. 2c). Unserer Meinung nach muß immer die Verkehrssitte ent­ scheiden. — Nicht erforderlich ist, daß gerade der Rufname stets in die Firma ausgenommen werde (LG. I Berlin in KG Bl. 97, 62).

150

III. Abschnitt: Handelsfirma.

§ 18. c) Aus die Führung seines RamenS alS Firma hat der Kaufmann ein unbeding­ tes Recht. Es verschlägt nichts, daß durch die Form des Namens, z. B. wenn es ein Doppelname ist (Anm. 4), der Anschein erweckt werden kann, daß es sich um eine Gesellschaftsfirma handelt (KGJ. 5, 20: Fürstlich-Usenburg-Birsteinsche Verwal­ tung; Hahn § 7 zu Art. 16); nur ein Zusatz, der diese Andeutung enthält, ist dem Einzelkausmanne verwehrt. Der Name kann auch in adjektivischer Form gebraucht werden (Beispiel soeben), aber nicht als unwesentlicher Bestandteil der Firma (Anm. 3). Anm. 6. Andererseits muß der Kaufmann auch im Verkehr, nicht nur im Register, die richtige Schreibweise seines Namens anwenden. Er darf z. B. nicht für den Ver­ kehr mit dem Auslande sich einer anderen Schreibweise bedienen (z. B. nicht für den Verkehr mit Amerika Lovendall statt Löwenthal, RG. 25, 119); er mag in diesem Falle der richtigen Schreibweise die ausländische in Klammern zur Verdeutlichung hinzufügen. Uber die Folgen unrichtiger Anwendung s. § 17 Anm. 1 u. 23. Anm. 7. II. (Abs. 2.) Die Zusätze. Lit.: Zeitschr. für das Bayer. Notariat und freiw. Rechtspfl. in Bayern 9, 157. — Abs. 2 betrifft, wie wiederholt werden mag, alle Firmen (oben Einl.). Er gilt auch für die Handelsgesellschaften, z. B. für die AG. (§ 6; RG. 3, 166; RG. in UnlW. 4, 48; KG. in KGJ. 28 A 41) auch für bic GmbH. (RG- in IW. 1910, 121). Durch die Anfangsworte: „Der Firma" ist dies noch besonders zum Ausdruck gebracht worden, wenngleich freilich der Nebensatz: „der ein Gesellschafts­ verhältnis andeutet", wieder auf den Gegensatz zum Einzelkaufmann hinweist. Die Fassung ist also keine glückliche, die Absicht aber zweifelsfrei. Gemeint sind nur solche Zusätze, die einen Bestandteil der Firma bilden, nicht sonstige Beisätze zum Zweck der Benachrichtigung des Publikums (über den Unterschied s. § 37 Anm. 20 a. E.), z. B. „Generalvertreter der Firmen X Y" (KGJ. 5, 18). Keine bloße Benachrichtigung ist der Zusatz „Nachfolger" (LG. Frankfurt in ZHR. 37, 527; vgl. auch § 17 Anm. 23; § 22 Anm. Uff.). Die Bezeichnung des Geschäftszweigs in der Firma eines Einzelkaufmanns oder einer o.HG. ist regelmäßig Firmenzusatz. Lautet die Firma z. B. „A. B. Papierfabrik", so ist „A. B." Hauptbestandteil (Anm. 3), also wesent­ lich, „Papierfabrik" Zusatz, also unwesentlich (OLG. Jena in OLGR. 41, 191). 1. Zusätze sind einerseits nicht notwendig, andererseits aber auch nicht etwa nur dann zu­ lässig, wenn sie im gegebenen Falle, z. B. zur Vermeidung von Verwechslungen, nötig sind (RG. in IW. 95, 359; PrOBG. in DIZ. 98, 390; KG. in KGJ. 20 A 267), vielmehr unterliegen sie der freien Wahl des KausmannS (bis zur Grenze der Täuschungsmöglichkeit und sonstiger Verbote, hierüber Anm. 9ff.). — Auch die Stelle, an der sie stehen, ist dem Kaufmann überlassen: sie können vor oder hinter dem Namen stehen (KGJ. 10, 15; zust. OLG. Stuttgart in RIA. 4, 216; Opet in ZHR. 49, 71). Anm.8. 2. Sie bilden, einmal als Bestandteil der Firma gewählt, mit dem Haupt­ bestandteil ein zusammenhängendes Ganzes. In der Aufnahme eines statthaften Zusatzes hat der Kaufmann freie Wahl; aber es steht nicht in seinem Belieben, wenn er eine einen Zusatz nicht enthaltende Firma führt, ihr gelegentlich einen Zusatz als Bestandteil beizufügen oder, wenn er eine einen Zusatz enthaltende Firma führt, den Zusatz bald zu gebrauchen, bald wegzulassen (BavObLG. in LZ. 07, 517; vgl. § 17 Anm. 1 u. 23). — Ein firmenrechtlicher Schutz für die Zusätze besonders besteht nicht, denn nur die ganze Firma genießt den Firmenschutz (ROHG. 4, 260: die Hand­ lung in Firma „I. Huppmann La Ferme" hat kein firmenmäßiges Untersagungsrecht gegen jemanden, der den Zusatz La Ferme annimmt; Bolze 17 Nr. 123: die „Aktien­ gesellschaft Lauchhammer" hat kein Untersagungsrecht gegen die Firma Lauchhammer Kohlenwerke A. & B.; RG. in IW. 06, 39729; vgl. Anm. 12). Vgl. auch Bolze 10 Nr. 184b. Ferner RG. in IW. 02, 27 20 und 00, 13312: die Firma: ,.American Steam Laundry W. v. Biela“ kann den Gebrauch des Zusatzes (der ersten drei Worte) auf Grund Firmenschutzes nicht verbieten. In allen derartigen Füllen helfen aber

III. Abschnitt: Handelsfirma.

151

unter Umständen andere Gesetze (§ 16 UnlWG-, § 14 WZG.; vgl. § 30 Anm. 4, § 18. § 37 Anm. 26). Sie bilden aber nur ein zusammenhängendes, nicht ein untrennbares Ganzes. Anm. 8a. Man würde ohne Not allzu streng sein, wollte man annehmen, daß der Kaufmann den Zusatz nicht mehr ablegen kann. Sicherlich kann er dies dann, wenn auch nach Ablegung des Zusatzes die Firma den Erfordernissen der ursprünglichen Firma entspricht, also seinen Vor- und Familiennamen enthält. Aber auch einen Zusatz einer erworbenen Firma kann er nach Befinden oblegen, ohne dadurch des Rechts auf die Firma überhaupt verlustig zu gehen (a. M. Lehmann-Ring § 22 Nr. 9). Es ereignete sich z. B. der Fall, daß die o.HG. Bock & Drachholz den Zusatz Patent Duke hatte. Drachholz übernahm das Geschäft mit Firma. Alsdann klagte Duke gegen Drachholz auf Weglassung des Zusatzes, da der Zusatz seinen Namen enthalte und die hierzu gegebene Erlaubnis nicht mehr bestehe. Drachholz unterlag und kam dem Urteile dadurch nach, daß er den Zusatz löschen ließ. Es wäre nicht richtig gewesen, hätte man ihn nunmehr zwingen wollen, die ganze Firma löschen zu lassen und seinen Borund Familiennamen als ursprüngliche Firma eintragen zu lassen. Ein anderer Fall: der Kaufmann August Martiny nahm die Kaufleute Lindstedt und Säuberlich in sein Geschäft als offene Gesellschafter auf. Alsdann schied er aus und gestattete den bei­ den anderen Gesellschaftern, 5 Jahre lang zu firmieren: Lindstedt & Säuberlich vorm. August Martiny; nach Ablauf dieser Zeit sollten sie verpflichtet sein, letzteren Zusatz wegzulassen. Als die 5 Jahre vorüber waren, hatte Säuberlich allein das Geschäft mit Firma übernommen und legte nunmehr vertragsmäßig den Zusatz August Martiny ab. Dies wurde nach anfänglichen Bedenken schließlich doch eingetragen (vgl. für einen ähnlichen Fall KGJ. 14, 246; anders BayObLG. in DIZ. 97, 368). Entspre­ chend für den Fall der Weglassung von Zusatzteilen, die von Anfang an unzulässig, waren, KG. in OLGR. 27, 309. Weiteres s. § 22 Anm. 11. Andererseits sind Ver­ änderungen einer bisherigen Firma, auch durch Weglassung eines Zusatzes, unzulässig, wenn durch diese Änderung eine neue Firma angenommen wird und die beschränkenden Vorschriften aus §§ 18 u. 30 entgegenstehen. Dies wurde angenommen, als der Erbe einer Firma: „Ferd. Beckers Söhne, Louis und Carl Becker" die Worte „Louis und Carl Becker" fortließ (RG. in IW. 00, 5524). 3. Gestattet sind Zusätze, die zur Unterscheidung der Person oder deS Geschäfts dienen. Anm. 9. Es genügt, daß sie dazu dienen, sie müssen nicht gerade dazu erforderlich sein (Anm. 7) und brauchen ferner keine Beziehung zum Geschäft zu haben. Nur der Wahrheit müssen sie entsprechen. Zur Unterscheidung der Person dienen Titel, wie der Doktortitel; die Bezeichnung Diplomingenieur, Pastorswitwe; oder die Wörtchen jun., sen., Vater, Sohn (Anm. 10a u. 12d) oder der Zusatz sel. Witwe (A. Zuntz sel. Wwe.). Zur Unterscheidung des Geschäfts können alle nur denkbaren Zusätze hinzugefügt werden, nicht etwa mir solche, die dem Geschäftszweige entnommen sind oder sonst eine Beziehung zum Geschäft haben. Es ist jede willkürliche Bezeichnung gestaltet, mag sie auch phantastisch klingen oder der Reklame dienen, wenn sie nur keine Täuschung herbeizuführen geeignet ist; hier tummelt der Kaufmann gern seine Phantasie. Diese früher streitig gewesene, vom KG. nach früherem Recht verneinte Frage (KGJ. 10, 14) ist jetzt durch § 18 Abs. 2 in dem hier dargelegten Sinne für entschieden zu erachten (KG. in KGJ. 20A 267, in OLGR. 6, 342 und in RIA. 11, 193; zu st. Opet 87; Lehmann-Ring Nr. 9; a. M. Th. Cohn 46 und Samter, Handels­ register 21). Daß aber, wie früher auch geltend gemacht wurde, jede Reklame eine Täuschung enthält, ist sicherlich nicht zutreffend (vgl. jedoch Anm. 10). Insbesondere ist auch die Aufnahme fremder N am en dann gestattet, wenn sie zur wahren Bezeich­ nung des Gegenstandes des Unternehmens dienen oder einen geschichtlichen oder mytho­ logischen oder sonst bildlichen Charakter haben oder Gemeingut oder Orts- oder Be­ schaffenheitsangabe geworden sind, wenn also ihre Wahl nicht den Irrtum erregt,

152 § 18.

HL Abschnitt: Handelsfirma.

daß bic Namenträger die Firmeninhaber sind.

Aus diesem Grunde verstoßen nicht

gegen § 18 die Zusätze: Fabrik zur Ausnutzung des Xschen Patents (auch wenn X nicht Firmeninhaber ist, nur muß es sich um sein Patent handeln, und er muß mit Aufnahme seines Namens in die Firma einverstanden sein; s. „Patent Duke" Anm. 8a); Salvator (über „Salvatorbrauerei Gmünd" vgl. RG. in IW. 98, 48220, über „Klosterbrauerei St. Salvator" BayObLG. im „Recht" 09 Nr. 1395); Bismarck; wohl auch Henry Clay (amerikanischer Staatsmann), dessen volkstümlich gewordener Name im Tabakshandel Aufnahme gefunden hat (KGJ. 19, 15); CafL Bauer, sofern dies Ortsbezeichnung geworden (dann kann Bauer diesen Zusatz auch nicht gemäß § 12 BGB. untersagen; OLG. Dresden im SächsAR. 07, 254 und in derselben Sache RG. in LZ. 08, 374); Liberty, da dies Beschaffenheitsangabe für ein gewisses Ge­ webe geworden (RG. 69, 310; 100, 187). Abgesehen von Fällen dieser Art können fremde Namen auch nicht mit Zustimmung der Namensträger in die Firma aus­ genommen werden (Marcus in ZBlFG. 8, 684). Auch haben nach Befinden die Namensträger ein Klagerecht auf Unterlassung des Gebrauchs der ihren Namen ent­ haltenden Firma (§ 37 Anm. 12). Bgl. hierzu Anm. 3. Anm. 9a. Die Freiheit der Firmenzusätze, soweit sie hiernach gewahrt ist, ist auch nicht davon abhängig, ob ein anderer Geschäftsinhaber sich an demselben Orte befindet, auf dessen Geschäft die Angabe über die Art oder den Umfang des Geschäfts oder die Verhältnisse des Geschäftsinhabers gleichfalls zutreffen (RG. 54, 185: hiernach ist die Aufnahme des Geschäftssitzes „Radebeuler Feigenkaffeefabrik" zulässig, wenngleich andere in ihrem Gesamtnamen sich genügend unterscheidende Firmen die örtliche Be­ zeichnung gleichfalls führen). Nur unter den Voraussetzungen des UnlWG. kann hier unter Umständen Abhilfe geschaffen werden (§ 37 Anm. 26; Anhang zu § 8 Anm. 11). Anm. 10. 4. Verboten find Zusätze die eine Täuschung über Art oder Umfang deS Geschäfts oder über die Verhältnisse deS Geschäftsinhabers herbeizuführen geeignet sind. Der Zusatz muß, so wie er lautet, ohne Rücksicht auf bestehende (z. B. örtliche) Umstände, auf die der Wortlaut nicht hinweist, zu täuschen geeignet sein (RIA. 4, 217). Täuschungsmöglichkeit, auch bei mangelnder Absicht, genügt (KG. im „Recht" 07, 519). Auch täuschende Bezeichnungen über den Umfang sind verboten. Ob ein Zusatz täuschend ist, entscheidet die Verkehrsauffassung, und zwar die allgemein herr­ schende (KG. in OLGR. 42, 208). Nötigenfalls hat der Registerrichter darüber die Organe des Handelsstandes zu befragen (§ 14 Anm. 15). Das sollte in Zweifelsfällen immer geschehen, wie der Reichsverband der deutschen Industrie mit Recht wünscht und vom Reichsminister der Justiz durch Rundschreiben vom 10. April 1922 mit Recht empfohlen wird (SächsJMBl. 1922, 55). Insbesondere sollte marktschreierischen, hoch­ tönenden Firmenbezeichnungen, die zu Irrtümern über Art oder Umfang des Ge­ schäftsbetriebs Anlaß geben, energisch entgegengetreten werden (ebenda 136). Nach einem Schreiben der Handelskammer Dresden an das AG. Dresden vom 2. Mürz 1920 kommen als irreführend hauptsächlich solche Zusätze in Betracht, die a) den An­ schein erwecken, als ob es sich um eine behördliche Stelle handle (z. B. „Sächsische Ausgleichsstelle für ..."), b) den Gegenstand des Unternehmens unrichtig bezeichnen (z. B. „Textilindustrie" für eine Großhandlung mit Webwaren, „Fabrik" für einen reinen Handelsbetrieb), c) den Umfang des Unternehmens größer erscheinen lassen, als er wirklich ist (z. B. „Werk" oder „Werke" für einen einfachen Betrieb, „Bank" für das Bankgeschäft eines Einzelinhabers oder einer o.HG. mit geringem Kapital), d) durch eine unrichtige Ortsangabe das Unternehmen bedeutsamer erscheinen lassen wollen (ein Dorfunternehmen nennt sich nach einer benachbarten Großstadt) oder endlich e) sonst unrichtige Angaben enthalten (z. B. „Zigarrenimporthaus" in der Firma eines Einzelhändlers, der gar nicht selbst importiert). Weiteres hierzu Anm. 12b. In Grenzfällen, also wenn die Zulässigkeit eines Firmenzusatzes zweifelhaft ist, kann das Registergericht sich für die mildere Meinung entscheiden (KG. in IW. 1923, 998).

III. Abschnitt: Handelsfirma.

153

Hier sei noch bemerkt, daß Zusätze, die handelsrechtlich als zulässig erscheinen, § 18. darum noch nicht unter allen Umständen gestattet sind. Handelsrechtlich nicht ver-z^m. 10a. botene Zusätze können vielmehr aus anderen Gründen verboten sein, so z. B. wenn sie gegen bestehende Vertragsverpflichtungen verstoßen (Anhang zu § 8 Anm. 11), oder gegen das Strafgesetz (z. B. unsittliche Zusätze), oder gegen das Preß­ gesetz (z. B. wenn die Firma die Bezeichnung Redaktion und Verlag enthält, obwohl der Verleger nicht zugleich der Redakteur ist), oder gegen ein Sondergesetz (z. B. ist der Firmenzusatz „Rotes Kreuz" nur mit behördlicher Genehmigung gestattet, Rges. zum Schutze des Genfer Neutralitätszeichens vorn 22. März 02 §§ Iff. u. 6), oder gegen die GewO. (z. B. gegen § 147 Nr. 3 GewO.; Annahme ärztlicher Titel seitens einer nicht approbierten Person; Dr. of dental surgery ist ein solcher: OLG. Rostock in OLGR. 21, 368), oder gegen polizeiliche Verbote. In letzterer Hinsicht nimmt das PrOVG. (43, 305; s. auch DIZ. 98, 389) an, daß es Sache der Polizei, nicht des Registergerichts sei, zu prüfen, ob die Wahl der Firma gegen irgendwelche polizeiliche Anforderungen verstoße, und nötigenfalls einzuschreiten. Allein dem steht entgegen, daß die Firmenpolizei in ihrem vollen Umfange dem Registerrichter übertragen und daher für ein Einschreiten der Polizei in Firmenrechtsfragen daneben kein Raum ist (§ 37 Anm. 9a). Es ist daher davon auszugehen, daß der Registerrichter auch solche Zusätze abzulehnen hat, die gegen andere Gesetze als das HGB. oder gegen polizeiliche Vor­ schriften verstoßen (vgl. OLG. Rostock in OLGR. 21, 368). Wenn übrigens in dem Falle DIZ. 98, 389 der Zusatz „Apotheker" für handelsrechtlich zulässig und nur poli­ zeilich für unzulässig erklärt worden ist, weil der Inhaber zwar die Prüfung als Apotheker bestanden hatte, aber nur ein Drogengeschäft betrieb, so erachten wir auch dies nicht für zutreffend. Die Wahl der Firma ist vielmehr schon handelsrechtlich für unstatthaft zu halten, weil sie eine Täuschung über die wahren Verhältnisse des Inhabers enthält. Unter einem Apotheker versteht das Volk nicht einen nur geprüften, sondern einen ge­ werblich konzessionierten Apotheker (zum Teil abweichend LG. Wetzlar in ZBlFG. 1, 25 und Marcus in GesuR. 9, 320). — Uber vorstehende Fragen vgl. Löwenthal, Titel und Würden als Firmenzusätze, in ZHR. 83, 418. Dort ist u. a. ausgeführt, daß bei Über­ tragung von Firmen, in denen Titel enthalten sind (z. B. Dr.), die Titel entfernt werden müssen. Namentlich gilt dies auch bei Übertragung von Firmen an Gesellschaften (§ 22 Anm. 12). Persönliche Titel des bisherigen Geschäftsinhabers (damals Hoflieferant) dürfen nicht mit übernommen werden (KGJ. 23, 208). 5. Es genügt, daß zur Zeit der Begründung detz Geschäfts die Bezeichnung der Sach-Anm. 11. läge entsprach. Spätere Veränderungen des Geschäftsbetriebs haben für die Regel nicht zur Folge, daß der Zusatz aufgegeben werden muß. Das würde zur Zerstörung von Werten führen, die nach dem Geiste der Gesetzgebung nicht gerechtfertigt ist. Es darf aber natürlich nicht von vornherein die Veränderung in Aussicht genommen und die ursprüngliche Sachlage nur zum Schein und zur Erschleichung des Zusatzes hergestellt sein (vgl. RG. 3, 120). Auch darf nicht eine Veränderung der Verhältnisse eintreten, die den gewählten Zusatz zu einem unrichtigen macht, und die von vorn­ herein im Bereich der Möglichkeit lag, so daß der Zusatz nur bedingte Wahrheit besaß, z. B. beim Zusatz: „einzige" Fabrik die Entstehung neuer Fabriken. Der Register­ richter hat bei einer derartigen Änderung der Verhältnisse wegen des Grundsatzes der Firmenwahrheit auf entsprechende Berichtigung zu dringen. So mit Recht DürHach. Anm. 8. Wird für ein erst im Entstehen begriffenes Unternehmen ein auf Aus­ dehnung deutender Firmenzujatz gewählt (z. B. „Werk"; vgl. Anm. 10 u. 12b), so muß die Gewähr dafür geboten sein, daß es in Zukunft eine diese Bezeichnung rechtfertigende Ausgestaltung erfährt (KG. in OLGR. 42, 209; 43, 203). Trifft diese Erwartung nicht ein, so kann aus diesem Grunde allein nach vorstehenden Grundsätzen der Register­ richter nicht Löschung oder Änderung der Firma verlangen (insoweit also anders wie in dem Falle § 4 Anm. 22a). — Ist der Zusammenhang einer Ware mit dem Namen ihres

154

8 18.

HI. Abschnitt: Handelsfirma.

ursprünglichen Herstellers geschwunden, weil die Bezeichnung im Laufe der Zeit zu einer bloßen Beschaffenheitsangabe geworden ist, so kann die Verwendung des Namens in der Firma nicht beanstandet werden (Libertyhaus; vgl. Anm. 9). Anm. 12. 6. Beispiele von Zusätzen, die hiernach handelsrechtlich gestattet oder verboten sind. a) Zulässig sind Firmenzusätze, wie folgende, zumeist aus dem Berliner Firmenregister ent­ nommene: „Zum Hutmatador", „Goldene 110", „Berliner Konkurrenzgeschäft", „Apotheke zum Schwan", „Globus, Musterhalle für Industrie und Handel". Zulässig sind die Firmen: „Pflanzungsgesellschaft Singer & Co. Victoria"; „Albert Baum, Kleiderparadies"; ebenso Zusätze wie: Phönix (zustimmend OLGR. 1, 289), Exzelsior, Merkur, Neptun, Germania, Triumph, Bismarckcafü. Zusatz des Gründungsjahres ist, wenn richtig, gestattet (RG. 44, 17). Der Zusatz „Kleiderpascha" muß für zulässig gehalten werden. Er ist bestimmt, sich dem Gedächtnis einzuprägen, dient also recht eigentlich zur Unterscheidung des Ge­ schäfts von anderen, nicht aber zu einer Täuschung; denn daß der Inhaber ein wirklicher Pascha sei, der Glaube soll und kann wohl dadurch nicht erweckt werden (eine engere An­ sicht vertritt LG. I Berlin in KGBl. 93, 94). Zulässig ist die Firma „Oberbayrische Zellstoff- u. Papierfabriken, Aktiengesellschaft" für eine AG., die in Oberbayern zwei Zellstoff- und Papierfabriken betreibt (BayObLG. in BayObLGZ. 8, 567). Ebenso der Zusatz „Kurhaus" für einen Fremdenhof in einem Kurort, ohne daß der Besitzer aber dadurch verhindern könnte, daß auch andere Gebäude, die nach verkehrsüblicher Auf­ fassung so bezeichnet werden, „Kurhaus" genannt werden (RG. in IW. 06, 3972V). Zu­ lässig ist auch ein Zusatz des Inhalts: „Niederlage der und der Fabrik" oder „Nachfolger von . . .", beides nur, wenn es zur Zeit der Begründung des Geschäfts der Wahrheit entspricht, und nur mit Zustimmung desjenigen, dessen Name in der Firma genannt wird (vgl. Anm. 7 u. 9). Anm. 12a. b) Unter den unzulässigen Zusätzen hebt Abs. 2 als Beispiel hervor, es dürfe ein Einzel­ kaufmann nicht einen ein Gesellschaftsverhältnis andeutenden Zusatz seiner Firma beifügen, z. B. „Bankverein". Dies darf er auch dann nicht, wenn er das Geschäft mit einem stillen Gesellschafter führt, da dieser ja nach außen nicht als Gesell­ schafter hervortreten soll. Als einen Gesellschaftszusatz hat das RG. (bei Bolze 10 Nr. 184b) die Bezeichnung „Union" nicht angesehen, was aber bedenklich ist. Zutreffend hat aber das KG. (Fall der „Berliner Union-Verlagsgesellschaft G. m. b. H.", OLGR. 6, 341) erklärt, das Wort „Union" deute nicht darauf hin, daß das Geschäft aus der Verschmel­ zung mehrerer Geschäfte, sondern mehr, daß es aus einer Vereinigung von Kräften entstanden sei. Anm. 12d. Täuschungen über Art oder Umfang des Geschäfts wurden in folgenden Fällen mit Recht angenommen. Die Firma „Verein Kreditreform" als o.HG. ist nicht zulässig, weil sie den Anschein erweckt, als ob die Gesellschaft aus einer größeren Vereinigung von Geschäftsleuten zur Reform des Kreditwesens bestände (OLG. Stutt­ gart in ZHR. 42, 501). Unzulässig ist der Zusatz: „Deutsche Reichsbuchhandlung", da das Deutsche Reich nicht der Unternehmer ist; „Treuhandgesellschaft" für kleine Unternehmungen ohne umfassende Treuhandtätigkeit (Apt Neue Sammlung I 75; KG. in JFG. 1924, 192 unter Aufgabe des entgegengesetzten Standpunktes in KGJ. 42, 155 und unter ausführlicher Umgrenzung des Begriffs einer Treuhandgesellschaft; über den Begriff „Treuhand" vgl. auch RG. 99, 23 und Rumpf in ArchZivPrax. 119, 146); „Palast" für ein wenn auch größeres Friseurgeschäft mit Parfümerienhandel (LG. Dresden 27. September 1922, Aktenzeichen 1 HF 23/22), wohl aber zulässig für ein verwöhnten Ansprüchen entsprechendes Hotel; „Fahrradmanufaktur" für ein Fahrradreparaturgeschäst (SüchsOLG. 24, 380); „Versandhaus" bei kleinem Umfange ohne be­ deutende Versendung (KG. im „Recht" 03, 344); „ButtergroßHandlung" für ein Geschäft, in dem auch Margarine vertrieben wird (OLG. Hamburg in OLGR. 30, 384); „Fabriken" oder „Vereinigte Fabriken" für ein Geschäft, das nur eine Fabrik be-

III. Abschnitt: Handelsfirma.

155

treibt (KG. in DIZ. 1921, 565; OLG. Hamburg in MuW. 11, 547; KG. legt a. a. O. auch dar, daß für ein Unternehmen, in dem Waren überhaupt nicht hergestellt werden, der Zusatz „Fabrik" nicht zulässig ist; dasselbe sagt BayObLG. in LZ. 1922, 31 für Zwergbetriebe); „Maschinenindustrie", wenn der Gegenstand des Geschäfts nur Handel mit Maschinen ist (BayObLG. in SeuffBl. 77, 460; überhaupt setzt das Wort „Industrie" gewerbliche Verarbeitung von Rohstoffen mit den Hilfsmitteln des Maschinenwesens und der Arbeitsteilung im Großbetriebe voraus: OLG. Jena in DNotVZ. 1920, 50; BayObLG. in DIZ. 1922, 634); „Sparkasse" oder „Engrosgeschäft" oder „Konsum­ geschäft", wenn diese Bezeichnungen nicht wirklich zutreffen (KG. in ZBlFG. 1, 238 und 8, 62; über „Sparkasse" s. auch RG. 91, 212); ebenso „Graphische Kunstanstalt" (BayObLG. in LZ. 1914, 13971); „Weltreklamebureau", wenn nicht das Geschäft mindestens über mehrere Länder der Erde verbreitet ist oder die Aussicht für solche Ver­ breitung besteht (LG. Dresden 10. Sept. 1910 zu HF 22/10); „Große Detektiv-Zen­ trale" für ein Detektivbureau von nur gewöhnlichem Umfange (Dresdner Handels­ kammer, Auskunft vom 12. Sept. 1910 an AG. Dresden zu 1 A Reg. 4767/10); über­ haupt „Zentrale", wenn das betreffende Geschäft nicht wirklich einen Verkehrsmittel­ punkt für das in Frage kommende Erzeugnis darstellt (BayObLG. in OLGR. 29, 303; KG. ebenda 42, 208; OLG. Dresden in IW. 1921, 8531); „Zentralverlag", wenn es sich nicht um ein aus Vereinigung mehrerer Geschäfte hervorgegangenes größeres Unternehmen handelt (OLG. Stuttgart in OLGR. 40, 179); „Großhandel", wenn solcher nicht wirklich vorliegt (ob daneben Kleinhandel betrieben wird, ist diesfalls gleich­ gültig: LG. Darmstadt bei Sobernheim 184); „Haus", wenn nicht ein Geschäft größeren Umfangs vorliegt (so BayObLG. in OLGR. 24, 111 und KG. ebenda 42, 209 für „Möbel­ haus"; OLG. Darmstadt bei Sobernheim 189 für „Schuhhaus" und AG. Hamburg dort 185 für „East IndiaHouse“; a. M. für letzteres LG. Hamburg dort 186); „Werk" oder „Werke", wenn das Unternehmen nicht mit größerer maschineller Anlage und bedeutender Arbeiter­ zahl arbeitet (AG. und LG. Berlin in versch. Entsch. bei Sobernheim 191; KG. in DIZ. 1911, 1504; KGJ. 41, HO; OLGR. 42, 209; IW. 1923, 998; ähnlich BayObLG. in IW. 1924, 323: ein einfacher Steinbruch darf nicht „Marmorwerk" firmieren). Da­ gegen hat man „Bergwerksgesellschaft" auch für eine GmbH, mit geringem Stamm­ kapital für zulässig erachtet, weil tatsächlich der Gegenstand des Unternehmens Berg­ werksbetrieb war (KG. in OLGR. 24, 112). Ebenso „Jmmobiliarverkaufsgesellschaft" für eine Grundstücksvermittlungsagentur in Gesellschaftsform (BayObLG. in OLGR. 27, 335). Bei „International" denkt man an ein bedeutendes Geschäft, das gute Beziehungen zum Auslande hat; daher ist dieser Zusatz für ein kleines Geschäft von nur örtlicher Bedeutung unzulässig (ebenda). Der Zusatz: „Cölner Fahrrad-Börse" zur Firma eines Einzelkaufmanns ist unzulässig, da „Börse" die technische Bedeutung einer gemeinsamen Stätte für das Zusanunentreffen kauf- und verkauflustiger Personen und für einen Geschäftsverkehr von erheblichem Umfange hat (KG. in OLGR. 11, 17). Un­ zulässig ist der Zusatz „K a m m e r" für ein privates Unternehmen, weil es den Anschein eines behördlichen Charakters gibt (KG. in DNotVZ. 1925,12; vgl. auch KG. in IW. 1925,2014). Die Firma „Molkerei in Neu-Z." ist unzulässig, wenn die Molkerei nicht in Neu-Z. liegt, sondern dies nur die nächste Poststelle ist (KG. in RIA. 5, 246). Dagegen ist der Zusatz „Berliner" (Berliner Union usw. aus dem schon in Anm. 12a angegebenen Bei­ spiel in OLGR. 6, 341) für zulässig erklärt worden, wiewohl Schöneberg der Sitz war, weil beide Orte trotz gemeindlicher Trennung als ein einheitlicher Handelsplatz zu be­ trachten waren. Ein Zusatz, der den Geschäftsbetrieb als einen fabrikmäßigen kenn­ zeichnet, ist unzulässig, wenn in Wahrheit ein solcher nicht vorliegt (BayObLG. im „Recht" 08 Nr. 3173; vgl. § 4 Anm. Uff.). — Täuschend ist „Bankier" oder „Bankgeschäft", wenn (Gegenstand des Geschäfts die Vermittlung von Grundstücken und Hypotheken ist (übereinst. AG. I Berlin im BankA. 03, 177). Ebenso darf ein Privatbankier mit ge­ ringen Mitteln nicht den Zusatz „Bank" seiner Firma beilegen. Überhaupt wird man

§ 18.

156 § 18.

III. Abschnitt: Handelsfirma.

den Zusatz „Bank", auch in Zusammensetzungen, wie Handels-, Volks-, Spar-, Privat-Bank ob. dgl. (anders bei „Kommissionsbank"; s. KG. in KGJ. 42, 151), nur bei Bankgeschäften großen Umfangs zulassen dürfen, in der Regel weder bei Einzel­ kaufleuten noch bei o.HG. noch bei Kommanditgesellschaften, denn der moderne Handels­ verkehr versteht unter einer „Bank" ein Unternehmen mit bedeutendem Kapital, wie es regelmäßig nur in den Rechtsformen der AG. und der KGaA., auch der GmbH., zusammen­ gebracht wird, zu denen noch die Genossenschaften und die Kolonialgesellschaften treten (KG. in OLGR. 14, 339 und 16, 81 sowie im „Recht" 1923 RsprBeil. Nr. 1027). Selbst­ verständlich gilt das nur in der Regel; ausnahmsweise kann bei Geschäften bedeutenden Umfangs die Bezeichnung „Bank" auch gerechtfertigt sein, wenn der Inhaber ein Einzel­ kaufmann oder eine o.HG. oder eine Kommanditgesellschaft ist (KG. a. a. £).). Der Zentralverband des Deutschen Bank- und Bankiergewerbes zu Berlin ist mit Recht wieder­ holt und erfolgreich (u. a. durch Vorstellungen bei den Registergerichten und Handels­ kammern sowie durch Strafanträge auf Grund des UnlWG.) gegen den Gebrauch des unzulässigen Firmenzusatzes „Bank" vorgegangen, ebenso gegen Zusätze ähnlicher Art bezüglich deren zum Teil entsprechende Grundsätze gelten und bei denen mindestens die Gefahr einer Irreführung des Publikums naheliegt, wenn sie nicht völlig den wahren Sachverhalt treffen, z. B. „Bankinstitut", „Bankgeschäft", „Bankverein", „Bankier", „Finanzierungsunternehmen", „Kommissions- und Finanzicrungsinstitut" u. a. m. Z. B. ist der Zusatz „Finanzgesellschaft" für eine GmbH, mit kleinem Kapital unzulässig (LG. Dresden 5. Jan. 1922, Aktenzeichen 1 HF 43/21). Dem Registerrichter liegt es unter diesen Umständen mit besonderem Nachdruck ob, und zwar auch bei juristischen Personen, vor jeder Eintragung einer einen derartigen Zusatz enthaltenden Firma genau zu prüfen, ob der Wortlaut der Verkehrsauffassung entspricht (vgl. Anm. 10 und O. Meyer, Register­ gericht und Firmenwahrheit im Bankgewerbe, im BankA. 10, 117; Wertheimer eben­ da 135; Entsch. bei Sobernheim 178). Die von dem gen. Zentralverbande zur Be­ kämpfung von Mißbräuchen geschaffene Zentralstelle in Berlin sollte in Zweifelsfällen von den Registergerichten um Gutachten angegangen werden (vgl. die preuß. und bayr. Ministerialerlasse BankA. 10, 112, 135 u. 142). Uber die Frage, was überhaupt unter „Bankgeschäft" zu verstehen und wann ein Geschäftsmann berechtigt ist, sein Unter­ nehmen so zu nennen, s. auch RG. II. Strafsenat in IW. 1912 , 96058, OLG. Hamburg in OLGR. 27, 293 und KG. in OLGR. 42, 209. Auch sei auf das Rges. vom 26. Juni 1925 über Depot- und Tepositengeschäfte (RGBl. I 89) hingewiesen (Anhang zu § 424). Uber „Landbank" vgl. OLG. Braunschweig in OLGR. 24, 113. Uber „Siedlungsbank" KG. a. a. O. Anm. 12c. e) Da die Verhältnisse des Einzelfalls entscheiden, so können gewisse Zusätze bald zulässig, bald unzulässig sein, je nachdem sie der Wahrheit entsprechen oder nicht. Zu­ lässig ist der Zusatz „erste", wenn dies der Fall ist. Ebenso der Zusatz „gegründet 1854", wenn bereits 1854 ein im wesentlichen gleichartiges Geschäft bestanden hat und das heutige Geschäft die Fortsetzung des damaligen bildet (Frankfurt bei Bauer 17, 166). Tas gleiche gilt von Zusätzen „allgemeine", „neue", „einzige", „städtisch", „privilegiert", „Provinzial-" usw. Ändern sich die Verhältnisse, so hat der Registerrichter auf entsprechende Berichtigung der Firma zu dringen (Anm. 11). Die Zusätze städtisch, privilegiert, Pro­ vinzial (-Molkereigenossenschaft) sind unzulässig, wenn die damit angedeuteten Beziehungen des Unternehmens zum Staat, zu Gemeindeverbänden usw. nicht bestehen (AG. und LG. Torgau in KGJ. 22A 100; nicht zutreffend die Entsch. in KGJ. 3, 11): Aus diesem Grunde ist der Zusatz „Stadtbrauerei" (Torgauer Stadtbrauerei C. L.) für unzulässig erklärt worden (a. a. O.). Ebenso der Zusatz „Thüringer Landeskonservatorium" für ein Privatunternehmen (KG. in OLGR. 42, 209). Die Zusätze „preußisch", „sächsisch", „deutsch" (z. B. Preußische Hypothekenbank, Sächsische Bank, Deutsche Bank) oder „Ber­ liner" (z. B. Berliner Gasspargesellschaft) wollen zumeist nach der üblichen Auffassung nicht Unternehmungen der betreffenden Staaten oder Städte andeutcn; sie können daher

III. Abschnitt: Handelsfirma.

157

als täuschende Zusätze nicht erachtet werden. Ter Zusatz „Sächsisches Engroslager" darf aber § 18. nur gewählt werden, wenn die Waren wirklich im wesentlichen sächsischen Ursprungs sind und das Lager so groß ist, daß Engrosverkauf möglich und anscheinend beabsichtigt ist. Unzulässig ist der Zusatz „Alt-Ludwigsburg" für eine Porzellanfabrik, die zu der alten Ludwigsburger Porzellanfabrik keine Beziehungen hat (OLG. Stuttgart in IW. 1920, 8482). Ebenso „Sächsisches Handelskontor" für ein Geschäft geringen Umfangs (LG. Dresden 29. Aug. 1919, Aktenzeichen 1 HF 12/19, im Anschluß an ein Gutachten der Handels­ kammer Dresden). Ebenso die Bezeichnung „Teutsch-Ukrainische Handelsgesellschaft" für eine GmbH., wenn der Betrieb des Unternehmens sich nicht in wirtschaftlich maß­ gebender oder sonst beachtlicher Weise über den Handelsverkehr zwischen Deutschland und der Ukraine erstreckt oder zuverlässig binnen kurzem erstrecken wird, wobei auch u. a. das Geschäftskapital zu berücksichtigen ist (KG. in KGJ. 52, 93). — Viele Entscheidungen haben sich mit der Frage beschäftigt, inwieweit Zusätze zulässig sind, die die Herkunft oder die Art der Herstellung bezeichnen wollen. Während früher Firmen wie „Münchener Brauerei" (für eine nicht in München gelegene Brauerei, die Bier nach Münchener Art herstellt) oder „Pilsener Brauhaus Berlin" (RG. in IW. 00, 8404) für zulässig erachtet wurden, hat sich neuerdings das juristische Gewissen in derartigen Fragen mehr geschärft und ist daher vom RG. in IW. 1910, 12031 die Firma „Pilsener Brauhaus G. m. b. H." in Königswusterhausen bei Berlin für unzulässig erklärt worden, und zwar mit der Be­ gründung, daß sich seit 1900 (vgl. Wassermann, Der unlautere Wettbewerb S. 40 und in MuW. 09, 190) mehr und mehr die Meinung befestigt habe, daß „Pilsener Bier" nicht aufgehört habe, Herkunftsbezeichnung zu sein (vgl. hierzu Seligsohn in DIZ. 1911, 86, wo auch andere ähnliche Fälle behandelt werden; ferner KG. in GewRschutz 1911, 37 und wegen ähnlicher Fragen Patentamt in DIZ. 1911,1560 sowie RG. in IW. 1912, 759"). Die hier erörterte firmenrechtliche Frage darf nicht mit der nach dem UnlWG. zu ent­ scheidenden Frage vermengt werden, ob eine Brauerei ihr Produkt z. B. „Radeberger Pilsner" oder „Bautzener Münchener" nennen darf; hierüber s. RG. 79, 250 und im „Recht" 1924 RsprBeil. Nr. 273. — Betont sei, daß niemand aus dem Grunde die Eintragung eines unzulässigen Firmenzusatzes verlangen kann, weil in früheren Zeiten bisweilen derartige Zusätze eingetragen worden sind (LG. Dresden a. a. O.). Wird ein Verwandtschaftsverhältnis angegeben (z. B. Vater und Sohn oderAnm. 126. Gebrüder X), so muß es wahr sein (RG. 82, 166). Daher ist der Zusatz „& Söhne" nicht zulässig, wenn neben dem Vater nur ein Sohn und ein Schwiegersohn Inhaber des Ge­ schäfts sind (OLG. Dresden in OLGR. 40, 180). Nach KGJ. 28 A 42 ist der Zusatz „Söhne" (z. B. „K. M. Söhne") täuschend, wenn es sich um ein neubegründetes Geschäft handelt, da er ein Rechtsnachfolgeverhältnis andeute. Über den wahren und gestatteten Zusatz „Sohn" s. OLGR. 11, 377; danach ist der Zusatz „Sohn" zu einer neugebildeten Firma Zulässig, wenn er dazu dient, anzuzeigen, daß nicht der Vater, sondern der Sohn gleichen Namens Inhaber des Geschäfts ist (daß es nicht zulässig ist, nur den Namen des Vaters mit dem Zusätze „Sohn" anzugeben, s. Anm. 5). Über den Zusatz Apotheker s. Anm. 10, über Nachfolgezusätze § 22 Anm. 11 ff.Anm. 13. Zusatz 1. § 18 sagt nichts über die zivilrechtliche Bedeutung der in ihm enthaltenen Anm. 14. »rmvorschrift. Er hat vorwiegend rechtspolizeiliche Bedeutung. Tie unter einer hiernach zulässigen Firma vorgenommenen Rechtshandlungen sind barimi nicht ungültig. Vgl. 19 Anm. 4. Zusatz 2. Für bic vor dem 1. Januar 1900 eingetragenen Firmen kommt das bisherige Anm. 15. ^cht insofern zur Anwendung, als sie nach Art. 22 EG.HGB. mit der dort enthaltenen Maßbe beibehalten werden dürfen, auch wenn sie dem neuen Recht nicht entsprechen, wofern nur dem alten Recht entsprechen. Tas bezieht sich auch auf die Firmen, die vor dem en HGB. entstanden sind, diese brauchen nur den: Recht ihrer Zeit zu entsprechen (z. B.: berliner Trinkhallen-Gesellschaft" für eine o.HG. aus alter Zeit). Daraus folgt, daß der-

158

III. Abschnitt: Handelsfirma.

§ 18. gleichen

alte Firmen ohne Vornamen oder mit abgekürzten Vornamen weitergeführt werden dürfen. Desgleichen können täuschende Bezeichnungen über den Umfang, da sie früher zugelassen wurden (KGJ. 12, 14), beibehalten werden. Das Recht der Beibehaltung bezieht sich auch auf den Fall, daß eine nach früherem Recht zulässige, nach jetzigem Recht unzu­ lässige Firma veräußert wird (z. B. die jetzt für eine o.HG. unzulässige Sachfirma „MessingGewerkschaft", RG. 41, 22; oder die Firma eines Einzelkaufmanns mit abgekürztem Vornamen; a. M. OLG. Kiel im „Recht" 1920 RsprBeil. Nr. 1987). Es sollte eben nur die Wahl ursprünglicher Firmen dem neuen Recht unterstellt werden. Firmen, die am 1. Jan. 1900 nicht eingetragen waren, dürfen aber bei Widerspruch mit § 18 nicht bei­ behalten werden (KG. in RIA. 4, 105 und in KGJ. 27 A 219). Ebenso muß die alte, ein­ getragene Firma den Erfordernissen des neuen Rechts angepaßt werden, wenn sie in irgend­ einer Weise, z. B. durch Aufnahme eines Zusatzes, geändert wird (KG. in KGJ. 39 A 102).

§ 19.

8 19. Die Firma einer offenen Handelsgesellschaft hat den Namen wenigstens eines der Gesellschafter mit einem das Vorhandensein* einer Gesellschaft andeutenden Zusatz oder die Namen aller Gesellschafter zu enthalten. Die Firma einer Kommanditgesellschaft hat den Namen wenigstens eines persönlich haftenden Gesellschafters mit einem das Vorhandensein einer Ge­ sellschaft andeutenden Zusatze zu enthalten. Die Beifügung von Vornamen ist nicht erforderlich. Die Namen anderer Personen als der persönlich haftenden Gesellschafter dürfen in die Firma einer offenen Handelsgesellschaft oder einer Kommandit­ gesellschaft nicht aufgenommen werden.

§ 19 gibt Sondervorschriften über die Form der Firma der offenen Handelsgesell­ schaften und der einfachen Kommanditgesellschaften, und zwar für den Fall der Neu­ bildung (Anm. 5). Daneben gelten die allgemeinen Vorschriften über Firmen auch für diese Firma. Selbstverständlich ist dies von den Vorschriften der §§ 21 ff., welche offensichtlich für alle Firmen gelten. Aber es gilt dies auch von der Vorschrift des § 18 Abs. 2 über Form und Inhalt der Zusätze, insbesondere von dem Verbot irreführender Zusätze: § 18 Anm. 7—13. Ebenso gilt entsprechend auch hier das in Anm. 3, 4, 6 u. 15 zu § 18 Dargelegte. Nur ist nach Abs. 3 bei einer Gesellschaftsfirma die Bei­ fügung des Vornamens nicht erforderlich, auch bei weiblichen Gesellschaftern nicht, auch bedarf es bei diesen nicht eines das Geschlecht andeutenoen Zusatzes (ebenso für die Firma der GmbH. KG. in KGJ. 39 A 114). Frl. Müller und Herr Schulze, die zusammen eine o.HG. gründen, können daher die Firma wühlen: „Müller & Schulze" oder ähnlich (Anm. 1). Dies sogar dann, wenn Frl. Müller vor handelsgerichtlicher Eintragung sich verheiratet und daher nun einen anderen Namen führt, wofern sie nur bei Errichtung der o.HG. noch den Namen Müller geführt hat (so für die Firma einer GmbH. LG. I Berlin in IW. 1924, 1120). Welchen Familiennamen eine geschiedene Frau zu führen hat, s. § 18 Anm. 4. Bei ver­ heirateten oder geschiedenen Frauen kann auch der Ehemann nicht Nennung des Vornamens in der Firma verlangen, denn die Frau hat (zu vgl. RG. in IW. 1911, 572) das Recht, den Familiennamen ohne Zusatz ihres Vornamens zu führen. Die Sondervorschriften des vorliegenden Paragraphen sind: Anm. 1. 1. (Abs. 1.) Die Firma der o.HG. muß, wenn nicht alle Gesellschafter genannt sind, einen Gesellschaftszusatz erhalten (und zwar einen, der der Sachlage nicht widerspricht, nicht etwa: „AG."). Zulässige Gesellschaftsfirmen sind z. B. Fischer & Co., Fischer & G. (G. ist hier „Gesellschafter" zu lesen, nicht „Gesellschaft": OLG. Kolmar in RIA. 14, 294) Fischer Handelsgesellschaft (Holdheim 1911, 215), Gebrüder Hammer oder F. & A.

Einleitung.

III. Abschnitt: Handelsfirma.

159

Hammer (dagegen wäre „Hammer Söhne" nicht zulässig: § 18 Anm. 126), Arnheim ß 19. Vater und Sohn, Gesellschaft Arnheim, Geschwister Hermann (bei Brüdern, Schwestern oder Bruder und Schwester, aber nicht, wenn noch ein anderer, fremder Gesellschafter dabei ist). Für den Fall, daß alle Gesellschafter in der Firma genannt sind, ist ein Ge­ sellschaftszusatz nicht nötig, aber auch nicht unzulässig, wenn er nur nicht so beschaffen ist, daß er zu der Täuschung Anlaß gibt, als seien außer den benannten Gesellschaftern noch andere vorhanden. Sind z. B. Schulze und Müller Inhaber, so darf die Firma nicht lauten: Schulze, Müller & Co., wohl aber z. B. Verlagsgesellschaft Schulze & Müller (RG. 37, 60; OLG. Hamburg in ZHR. 42, 502). Heißen die Gesellschafter A. und G.-H. (Doppelname), so kann die Firma nicht lauten „A. & H.“, auch nicht im Sinne eines Ge­ sellschaftszusatzes (KG. in OLGR. 41, 192). Bilden A., B. und C. eine o.HG., so kann die Firma lauten: „A., B. & C.“ oder „A. & Co. "oder „B. & Co." oder „C. & Co." oder „A., B. & Co“, oder ähnlich, aber nicht „A. & B.“, denn dies erweckt den Anschein, als ob nur A. und B. Gesellschafter wären (a. M. Kallmann in IW. 1924, 1120). — Firmiert eine von den Brüdern G. errichtete o.HG. „Gebrüder G.", so liegt hierin ein ein Gesell­ schaftsverhältnis andeutender Zusatz, die Firma enthält aber zugleich den gemeinsamen Familiennamen beider Gesellschafter; wichtige Folgerung hieraus für den Fall des Aus­ scheidens eines Gesellschafters s. § 24 Anm. 3. — Im übrigen vgl. noch § 105 Anm. 20. 2. (Abs. 2.) Die Firma der Kommanditgesellschaft muß den Namen wenigstens eines Anm. 2. persönlich haftenden Gesellschafters und einen (selbstverständlich richtigen) Gesellschafts­ zusatz enthalten. Daraus folgt: der Gesellschaftszusatz ist immer notwendig, auch wenn alle persönlich haftenden Gesellschafter in der Firma genannt sind (zust. Olshausen in der bei § 37 angef. Schrift S. 47). Doch braucht es nicht gerade ein solcher Zusatz zu sein, der auf eine Kommanditgesellschaft hindeutet. Wenn sich Schulze, Müller und Lehmann zu einer Kommanditgesellschaft vereinigen, von denen die beiden ersten per­ sönlich haftende Gesellschafter sind, so kann die Firma lauten: Schulze & Co. oder Mütter & Co. oder Kommanditgesellschaft Schulze oder Kommanditgesellschaft Müller (mit oder ohne Vornamen) oder Kommanditgesellschaft Schulze & Co. oder Kommanditgesell­ schaft Müller & Co. usw., aber nicht Lehmann & Co., auch nicht Schulze, Mütter & Leh­

mann ob. dgl. Wenn indessen der Name des persönlich haftenden Gesellschafters und der eines Kommanditisten gleichlauten, so darf er trotzdem in die Firma ausgenommen werden; er bezieht sich eben auf den persönlich haftenden Gesellschafter (vgl. Abs. 4; Lehmann-Ring Nr. 3). 3. (Abs. 3 u. 4.) Hier wird für beide GesellfchaftSarten gemeinsam bestimmt: Anm. 3. a) daß die Beifügung von Vornamen nicht erforderlich ist, b) daß andere als persönlich haftende Gesellschafter in der Firma nicht genannt werden dürfen, also weder Kommanditisten noch stille Gesellschafter noch fremde Personen. Geschieht es dennoch, so ist die Eintragung abzulehnen, die sonstige Führung zu unter­ sagen und die versehentliche Eintragung zu löschen (§ 37 Anm. 8). Auf Grund der Be­ stimmung in Abs. 4 ist z. B. vom OLG. Darmstadt (DIZ. 07, 776) die Eintragung einer Firma „L. Mayer Sohn & Co.", deren Inhaber M. Mayer und dessen Mutter Witwe von L. Mayer waren, mit Recht als unzulässig abgelehnt worden, weil keiner der Ge­ sellschafter L. Mayer hieß. Der in der Begründung dieser Entscheidung enthaltene Satz,

es dürfe demnach der Name „L. Mayer" nicht in die Firma eingeführt werden, ist in dieser Allgemeinheit allerdings nicht zu billigen; eine Firma des Wortlautes z. B.: „M. Mayer & Co. (Inhaber Witwe und Sohn von L. Mayer)" wäre, da sie klar sagt, daß L. Mayer nicht Gesellschafter ist, unbedenklich. Denn mehr will Abs. 4 offenbar nicht sagen, als daß die Namen anderer Personen als der persönlich hastenden Gesell­ schafter nicht in einer gegen den Grundsatz der Firmenwahrheit verstoßen­ den Weise in die Firma ausgenommen werden dürfen. Deshalb ist Aufnahme der Namen von Kommanditisten und stillen Gesellschaftern unbedingt ausgeschlossen, während die Aufnahme von Namen anderer Personen unter denselben Bedingungen, wie in § 18

160

III. Abschnitt: Handelsfirma.

§ 19.

Anin. 9 dargelegt, für zulässig erachtet werden muß (a. M. anscheinend KG. laut der auf die Firma der GmbH, bezügl. Entsch. in OLGR. 19, 379 und ZBlFG. 8, 796). Zu­ lässig ist daher z. B., Wahrheit vorausgesetzt, die Firma einer o.HG. „A. & Co., Gesell­ schaft zur Ausbeutung des X.schen Patents", auch wenn X. nicht Mitgesellschafter ist. Oder „Goethe-Buchhandlung B. & Co." oder „Lucullus, Delikatessenhandlung, C. & D.", da wohl kein Einsichtiger annehmen wird, Goethe oder Lucullus solle den Namen eines Gesellschafters anzeigen. Oder „E. & F., Verkaufsstelle für Waren aus der Fabrik von X.", da hier klar zum Ausdruck gebracht wird, daß X. nicht Gesellschafter ist. Über die Vorschrift des frühern HGB. Art. 168, betreffend Haftung des Kom­ manditisten, dessen Name in der Firma enthalten ist, s. § 171 Anm. 23. Anm. 4. Zusatz L In bezug auf die zivilrechtliche Bedeutung der Vorschrift ist zu bemerken, daß die Rechtsgeschäfte der unter einer unzulässigen Firma handeltreibenden Gesellschaft nicht etwa ungültig sind (Bolze 1 Nr. 1169). Vgl. § 18 Anm. 14. Anm. 5. Zusatz 2. Die Vorschrift gilt lediglich für die ursprüngliche Bildung einer Firma, also wenn mehrere Personen ein Geschäft begründen und dadurch eine o.HG. bezw. eine Kommanditgesellschaft bilden. Mehrere Personen können aber auch ein bestehendes Ge­ schäft mit dem Firmenrecht erwerben und können in diesem Falle die alte Firma fortführen, auch wenn sie keine Gesellschaftsfirma ist, oder es kann einer dem Geschäft eines anderen als Gesellschafter beitreten, und es kann dabei die Firma des bisherigen Einzelkaufmanns auf die Gesellschaft übergehen (§§22 u. 24). Selbstverständlich kann eine o.HG. bezw. Kom­ manditgesellschaft, die ein Geschäft mit fremder Firma erwirbt, ihre Firma nachträglich so ändern, daß sie dem Erfordernisse einer ursprünglichen Firma entspricht. Anm. 6. Zusatz 3. Handelsgesellschaften können nur eine Firma führen (§ 17 Anm. 3; § 105 Anm. 20 u. 21).

§ 20.

§ 20. Die Firma einer Aktiengesellschaft sowie die Firma einer Kommandit­ gesellschaft auf Aktien ist in der Regel von dem Gegenstände des Unternehmens zu entlehnen; die erstere Firma hat außerdem die Bezeichnung „Aktiengesell­ schaft", die letztere Firma die Bezeichnung „Kommanditgesellschaft auf Aktien" zu enthalten.

Einleitung.

Uber die Firma der Aktiengesellschaft und der Aktienkommanditgesellschaft gibt § 20 zwei Vorschriften, und zwar für den Fall der Neubildung. Die Firmen dieser beiden Gesellschaftsarten werden gleichartig behandelt, was der Behandlung dieser beiden Gesell­ schaftsarten überhaupt entspricht. Vorweg ist zu bemerken, daß Firma und Name bei diesen beiden Gesellschaften identisch sind (RG. 1, 26; 3, 68). Sie haben nur einen Namen, der zugleich ihre Firma ist. Die Firma bedeutet hier eben auch mehr, als § 17 besagt. Sie ist nicht nur der Name, unter dem die Gesellschaft im Handel auftritt, sondern unter dem sie überhaupt im Rechtsverkehr auftritt. Denn nicht immer bewegt sie sich im Handel (s. Anm. 17 zu § 210). — Auch hier gelten daneben die allgemeinen Vorschriften über die Firmen und insbesondere auch über Form und Inhalt der Zusätze (vgl. Einl. zu § 19).

Anm. 1. 1. Die Firma soll regelmäßig dem Gegenstände des Unternehmens entlehnt sein (sog. Sachfirma). Ausnahmen kann das Registergericht zulassen. Das wird meist nur dann geschehen, wenn ein besonderes Interesse es rechtfertigt (vgl. KG. im „Recht" 1924 RsprBeil. Nr. 1248). Die Zulassung liegt in der Eintragung. Die Praxis läßt vielfach Phantasienamen, Warenzeichen, Erfindernamen als Firmenbezeichnungen zu, namentlich auch als Firmenzusätze, immer vorausgesetzt, daß sie nicht auf Täuschung ausgehen (vgl. z. B. KG. in OLGR. 42, 210 u. 219). Aus der Sachfirma braucht übrigens der Gegen­ stand des Unternehmens auch nicht im wesentlichen hervorzugehen, vielmehr genügt es,

III. Abschnitt: Handelsfirma.

161

wenn nur dem Erfordernisse bloßer Entlehnung der Firma vom Gegenstände des Unter- § 20.

nehmens entsprochen ist (so für die GmbH. KG. in IW. 1925, 6396; Bedenken gegen diese Entsch. s. Hachenburg ebenda 802 zu 2). — Tie Vorschrift bezieht sich nicht auf ab­ geleitete Firmen, also nicht auf den Fall, in dem eine in der Gründung befindliche oder eine bestehende Gesellschaft ein Geschäft mit Firma erwirbt. In diesem Falle hat der Geschästsübernehmer das Recht der Fortführung, das ihm der Registerrichter nicht ent­ ziehen kann (§ 22). — Dem Gegenstände eines anderen Unternehmens darf die Firma jedenfalls nicht entlehnt sein, oder vielmehr: wenn sie eine Sachfirma ist, darf sie nicht so gewählt sein, daß sie etwas anderes als den Gegenstand ihres Unternehmens bezeich­ net, als den satzungsmäßigen Gegenstand. Das folgt schon daraus, daß sie keine täuschende Bezeichnung enthalten darf (s. Einl. und § 18 Abs. 2). Der in § 16 UnlWG. der Firma gewährte Schutz wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß sie eine Sachbezeichnung enthält, also über Art und Beschaffenheit des Geschäfts etwas aussagt; eine Vorschrift, wie sie § 13 WZG. für die Warenbezeichnung enthält, kennt das HGB. nicht, und § 13 WZG. beschränkt sich auf Angaben über Art und Beschaffenheit von Waren (RG. in IW. 1911, 37846). — Für die KGaA, sind neben der Vorschrift des § 20 nicht etwa noch die Vorschriften des § 19 Abs. 2 u. 4 zu beobachten. Es braucht also bei der Firma dieser Ge­ sellschaft der Name eines persönlich haftenden Gesellschafters in der Firma nicht zu stehen, und es ist andererseits zulässig, daß (vgl. Anm. 3) die Namen anderer Personen als der persönlich haftenden Gesellschafter in der Firma stehen (D. 35). — Der Begriff der Firma als eines individuellen Namens setzt eine gewisse individuelle, von allgemeinen Gattungsbezeichnungen sich abhebende Bezeichnung voraus. Ganz allgemeine, dieser Individualisierung entbehrende Sachfirmen dürften daher abzulehnen sein, so z. B. „Fabrik, Aktiengesellschaft" oder „Bank, Aktiengesellschaft" u. dgl. (ebenso für Genossenschaftsfirmen KG. in KGJ. 37 A 172; a. M. Citron in DIZ. 09, 1203 und Crüger in Blätter für Ge­ nossenschaftswesen 09 Nr. 17). — Uber die Bezeichnung „Bank" vgl. § 18 Anm. 12b.

2. Sie hat außerdem (zwingendes Recht) den Zusatz: Aktiengesellschaft bzw. Kommandit-Anm. 2. gesellschaft aus Aktien zu enthalten. An welcher Stelle, ist gleichgültig. Daher sind zulässig auch Firmen wie: „Bremer Droschken-Aktien-Gesellschaft" (OLG. Hamburg in OLGR. 21, 371) oder „Aktiengesellschaft für Kartonnagenindustrie" oder „Maschinen­ bau-Aktiengesellschaft X". Dieses Erfordernis besteht auch bei abgeleiteten ginnen (§ 22). Tie Bezeichnung muß voll ausgeschrieben sein; doch ist die Schreibweise gleich­ gültig (OLG. Hamburg a. a. £.). Tie Abkürzung „AG." würde nicht genügen, noch weniger z. B. die Bezeichnung Aktienhotel, Aktienbauverein, es mich in solchem Falle immer noch hinzugefügt werden: Aktiengesellschaft (vgl. jedoch § 182 Anm. 16). Dieser Zusatz ist ein wesentlicher Bestandteil der Firma. Er muß in deutscher Sprache geführt werden. Er tuirb in einer dem Gesetz genügenden Weise nur burch Eintragung in das Handelsregister, nicht durch tatsächlichen Gebrauch allein, zum Bestandteil der Firma (vgl. RG. 64, 66). 3. Im übrigen kann die Firma auch Personennamen enthalten (gemischte Firma). Es Anm. 3. sind hiernach zulässig Firmen wie „Maschinenfabrik X. & N. Aktiengesellschaft", „A. B. Kommanditgesellschaft auf Aktien". Dies nicht etwa nur bei abgeleiteten Firmen (oben Einl. unb Anm. 1), sondern auch bei Neugründungen ohne Übernahme eines bestehenden Handelsgeschäfts. Bei einer solchen Neugründung kann der Name eines Gründers, der sich erheblich mit Kapital oder mit geistigen Werten beteiligt, der sozusagen die Seele der Ncugrünbung ist, in die Firma ausgenommen werben (so LG. Dresden 28. Febr. 1923, Aktenzeichen 1 HF 11/23, hinsichtlich der Firma „W. K. Import und Export Aktien­ gesellschaft"). 4. Die Firma der größeren Versicherungsvereine a. G., nicht aber der Versicherungs-Aktien-Anm. 3a. gesellschaften, muß den Sitz des Vereins erkennen lassen (£ 18 PrivVUntG.). Die Ab­ kürzung „a. G." genügt (Koenige PrivVUntG. § 18 Anm. 1). Staub, HGB., 12. u. 13. Bd. I. (Bondi.) [1

162 § 20.

III. Abschnitt: Handelsfirma. Zusatz 1. Auch auf am 1. Jan. 1900 schon bestehende AG. und KGaA, findet die in

Anm. 4. Anm. 2 erörterte Vorschrift (Notwendigkeit des Zusatzes Aktiengesellschaft bzw. Kommandit­ gesellschaft auf Aktien) zufolge Art. 22 EG.HGB. Anwendung, wenn die Firma aus Per­ sonennamen zusammengesetzt ist und nicht erkennen läßt, daß eine AG. oder KGaA, die Inhaberin ist (KG. in KGJ. 20 A 40). Vgl. § 18 Anm. 15. Also nicht etwa jede bestehende AG. bzw. KGaA, muß sich in dieser Weise benennen. Die AG. „Deutsche Bank" kann ihre Firma beibehalten, ebenso die KGaA. „Berliner Handelsgesellschaft". Anm. 5. Zusatz 2. Die Vorschrift des § 20 wird von § 25 nicht berührt. Wird also die Firma „Müller & Co." in „Müller & Co. Aktiengesellschaft" umgewandelt, so ist die alte Firma fortgeführt; vgl. § 22 Abs. 1 und § 25 Anm. 4.

§ 21.

§21. lvird ohne eine Änderung der Person der Nanre des Geschäftsinhabers oder der in der Firma enthaltene Name eines Gesellschafters geändert, so kann die bisherige Firma fortgeführt werden.

§ 21 gibt das Recht der Forführung der bisherigen Firma trotz Namensänderung. Die Vorschrift ist in der Reichstagskommission eingefügt worden, hauptsächlich deshalb, weil die Pflicht zur Firmenänderung Frauen, die sich verheiraten, Nachteil bringen konnte. Vor­ aussetzung ist die ununterbrochene Fortführung sowohl des Geschäfts als auch der Firma (RG. in IW. 1911, 10538). Vgl. § 22 Anm. 10: sowohl Geschäft als auch Firma müssen ununterbrochen weitergeführt sein; es gibt kein Recht auf die Firma losgelöst vom Geschäft. Anm. 1. l.Die Vorschrift bezieht sich auf Bor- und Familiennamen und auf Namensände ritngen aller Art nach Maßgabe des bürgerlichen Rechts (Adoption, nachträgliche Legitimation, Verheiratung, vgl. § 18 Anm. 4) oder der landesgesetzlichen öffentlichrechtlichen Vorschriften (z. B. bei Änderung eines Namens mit staatlicher Genehmigung). Anm. 2. 2. Die Vorschrift gibt dem Besitzer deS geänderten NamenS daS Recht (nicht die Pflicht) zur Beibehaltung deS früheren NamenS als Firma. Das Recht kann ihm, zufolge dieser Vorschrift, weder vom Registerrichter noch von einem Dritten beschränkt werden. Wenn „Schlesinger" seinen Namen in „Bürger" ändert, den Namen „Schlesinger" aber in der Firma fortführt, so dürfen selbst die Schlesinger, die ein gleichartiges Geschäft haben, ihm dies nicht verbieten. Anders, wenn einem Dritten ein durch das BGB. ge­ gebenes Recht auf Untersagung der Namensführung zusteht, wie es dem Ehemanne laut § 1577 Abs. 3 BGB. gegen die für allein schuldig erklärte geschiedene Frau oder dem Adoptivvater gegen das Wahlkind nach Aufhebung der Kindesannahme zusteht (§ 1772 BGB.). So mit Recht die herrschende Meinung, insbesondere DürHach. Anm. 2, Brand Anm. 4 und RitterKomm. Anm. 2 (a. A. Opet in ZHR. 49, 107 und für den Fall des § 1772 BGB. Lehmann-Ring Nr. 4). Aber der Mann muß die Führung nicht nur der Firma, sondern auch des Namens untersagen, sonst wäre das Verbot wirkungslos, während er umgekehrt die Führung bloß des Namens, nicht zu­ gleich auch der Firma untersagen darf (Lehmann-Ring Nr. 4). Vgl. die hierzu in Anm. 4 zu § 18 angeführte Entsch. des KG. in RIA. 8, 38 und dagegen Ritter a. a. O. Mit Recht wird an letzterer Stelle hervorgehoben, daß das Untersagungs­ recht des Mannes sich nur gegen die Frau richtet, nicht gegen einen Inhaber, an den die Frau Geschäft und Firma veräußert hat. — Ist die geschiedene Frau berech­ tigt, den Namen des Mannes fortzuführen, so darf sie die Firma unverändert fort­ führen, selbst wenn sie sonst ihren Mädchennamen annimmt (§ 1577 Abs. 2 BGB.).

Einleitung.

§22.

§22. wer ein bestehendes Handelsgeschäft unter Lebenden oder von Todes wegen erwirbt, darf für das Geschäft die bisherige Firma mit oder ohne

163

III. Äbjchnitt: Handelssirma.

Beifügung eines das Nachfolgeverbältnis andeutenden Zusatzes fortführen, § 22. wem der bisherige Geschäftsinhaber oder dessen Erben in die Fortführung der Firma ausdrücklich willigen. Die Verpflichtung einer Aktiengesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien, die im § 20 vorgeschriebene Bezeichnung in ihre Firma aufzunehmen, wird hierdurch nicht berührt, wird ein Handelsgeschäft auf Grund eines Nießbrauchs, eines Pacht­ vertrags oder eines ähnlichen Verhältnisses übernommen, so finden diese Vorschriften entsprechende Anwendung. Lit.; Pisko, Das Unternehmen als Gegenstand des Rechtsverkehrs, Wien 07; Rud. Jsay, Das Recht am Unternehmen, Berlin 1910, des. S. 145ff.; Pisko in EhrenbergHandb. 2, 195; Nothmann, Der Begriff des Vermögens, Greifswald 1914; Domke, Die Veräußerung von Handelsgeschäften, Marburg 1922; Adler in ZHR. 85, 118; Müller-Erzbach Kap. 18 u. 19.

Tie §§ 22—24 handeln vom Übergang des FirmenrechtS auf eine andere Person Einleitung, („abgeleitete Firmen"). Vgl. dazu Vorbemerkung vor § 373 Anm. 3a. Die Möglichkeit eines solchen Überganges ist eine so weitgehende Ausnahme von dem Grundsätze der Firmenwahrheit, daß — zumal auch im Hinblick auf die im § 21 zugelassene Ausnahme — bei keiner Firma mehr mit Sicherheit auf den Firmen­ inhaber geschlossen werden kann. So ist z. B. nicht mehr zu erkennen, ob der In­ haber einer Einzelfirma wirklich ein Einzelkaufmann und nicht vielmehr eine o.HG. ist, und umgekehrt. Aber diese Unsicherheit und die damit verbundene Gefahr von Täuschungen müssen in den Kauf genommen werden, weil die Notwendigkeit der Er­ haltung alter Firmen zum Schutze materieller und idealer Interessen, entsprechend „einer von alters her bestehenden, auf achtungswerten Beweggründen beruhenden Ge­ wohnheit des deutschen Handelsstandes", die Durchbrechung des Grundsatzes der Firmen­ wahrheit gebietet (D. 35). §22 behandelt den Fall des Bollerwerbs des Geschäfts, des vollständigen Wechsels der Firmeninhaber, § 24 den des teilweisen Wechsels der Firmeninhaber.

l.Die Voraussetzungen des Firmenübergangs sind folgende:

Anm. 1.

a)Der Erwerb eines bestehenden Handelsgeschäfts, und zwar des einem Vollkaufmann gehörigen.

ot) Einem Bollkaufmann muß es gehören, iueU das Firmenrecht auf Minderkaufleute keine Anwendung findet (§ 4). Wer also die „Firma" eines Minderkaufmanns kauft, er­ wirbt das Recht zur Führung des Namens des Minderkaufmanns für sein Geschäft nicht, und kann es auch nicht nachträglich durch Vergrößerung des Geschäfts oder ionstige Umwandlung in ein Vollkausmannsgeschüft für sich begründen; in letzteren Fällen muß er eine ursprüngliche Firma wählen (KGJ. 13, 27; RIA. 9, 33 und 11, 29; s. auch §4 Anm. 23 und § 17 Anm. 6; §25 Anm. 6ff.). Indes verleiht eine solche Vereinbarung doch dem Erwerber das Recht, in geeigneter Weise öffent­ lich darauf hinzuweisen, daß er das Geschäft seines Vorgängers fortbetreibt (SächsOLG. 35, 223).

Dagegen ist es gleichgültig, ob die Firma eingetragen ist oder nicht (KG. Anm. 2. in KGJ. 5, 24; 13, 26; in RIA. 9, 33; 10, 180; RG. 65, 15; OLG. Braun­ schweig in OLGR. 40, 181; LG. Krefeld in ZBlFG. 9, 112; Opet in ZHR. 49, 111), oder ob sie etwa schon gelöscht ist, wenn nur im Sinne unserer Ausführungen in Anm. 5 das Geschäft noch besteht (OG. Wien bei Adler u. Clemens Nr. 1000). Wenn also ein Vollkaufmann nach § 1 sein Geschäft mit Firma veräußert, so muß dieser Übergang in das Handelsregister eingetragen werden, auch wenn die Firma bisher nicht eingetragen war (a. M. Marcus bei Holdheim 1910, 21). Der Erwer-

11*

164 § 22.

Anm. 3.

Anm. 3a.

Anm. 3b.

Anm. 4.

III. Abschnitt: Handelsfirma.

der des Geschäfts kann von dem Veräußerer, der in die Fortführung der Firma gewilligt hat, dessen Mitwirkung in Anspruch nehmen, wenn noch keine Eintragung bestand, zur Ersteintragung auf ihn (den Erwerber), wenn dagegen die Firma bisber für den Veräußerer eingetragen war, zur Umschreibung (RG. 65, 15). Hat der Veräußerer, nachdem er sein Geschäft mit der Firma veräußert hat, die Firnia vertragswidrig loschen lassen, so hat er über eine ihm jetzt fremde Firma verfügt, der Erwerber kann daher die Firma trotzdem weiterführen, auch deren Wieder­ eintragung beanspruchen und die Mitwirkung des Veräußerers hierzu verlangen, nötigenfalls unter Änderung der Firma im Sinne des § 30, wenn die Firma in­ zwischen für einen anderen eingetragen sein sollte (RG. a. a. £.). Selbstverständlich muß bei Übergang bisher noch nicht eingetragener Firmen der Registerrichter mit besonderer Sorgfalt prüfen, ob die Voraussetzungen für solche Firmenübertragung (s. des. Anm. 4ff.) vorliegen (Marcus bei Holdheim 06, 313). — Bei Vollkaufleuten nach § 2 und § 3 Abs. 2 ist natürlich Eintragung Voraussetzung, weil bei diesen erst durch Eintragung die Kaufmannseigenschaft entsteht und nach unserer Ansicht (§ 2 Anm. 17 und § 3 Anm. 16) durch Löschung verlorengeht. Wer im letzteren Punkte anderer Ansicht ist, für den ist auch bei den Vollkaufleuten der §§ 2 u. 3 die Lö­ schung der Firnia kein Hindernngsgrund für den Übergang des Geschäfts mit Firma. Nicht genügend ist es zur Anwendung des § 22, daß der Veräußerer gemäß § 5 zufolge der Eintragung alS Bollkaufmann gilt, während er es in Wahrheit nicht ist. Tenn der so zu Unrecht Eingetragene hat kein wirkliches Firmenrecht und kann es also nicht veräußern (§5 Anm. 5; zust. Th. Cohn 56; Lehmann-Ring Rr. 3; im allgemeinen jetzt auch TürHach. Anm. 2). Ter Erwerber einer Scheinfirma fnnii also kein Firmenrecht erwerben (vgl. Hueck in ArchBürgR. 43, 451, wo auch ab­ weichende Meinungen angeführt sind). Taher kann z. B. die Firma einer mit zum Schein vorgespiegelten o.HG. nicht iveitergeführt werden (BayObLG. im „Recht" 1921 RsprBeil. Nr. 232). Ter gute Glaube des Erwerbers schützt ihn nicht (Anm.6e; über die Wirkungen im Verhältnis zu Tritten § 25 Anm. 7). Seine Umschreibung im Handelsregister darf nicht erfolgen und, solange sie nicht erfolgt, greift auch §5 zu seinen Gunsten nicht Platz. Erfolgt sie aber, so gilt er zwar als Vollkaufmann gemäß § 5, ist aber nicht ivahrcr^Vollkausmann (§5 Anm. 3). Erweitert er nunmehr sein Geschäft zu einem Vollhandelsgewerbe, so muß er eine ursprüngliche Firnia wählen. (Sin Kaufmann, der mehrere Geschäfte mit mehreren Firmen (§ 13 Anm. 3, 4) betreibt, kann eines davon mit Firma veräußern (KG. in OLGR. 4, 146; § 25 Anm. 1). Für § 22 kommt es nicht daraus an, welche Firma der Geschäftsinhaber hätte führen können, sondern welche er mit Recht geführt hat (RG. im „Recht" 04, 579). Daher kann ein Geschäft mit der Firma nur dann abgetreten werden, wenn der Abtretende die Firma wirklich geführt hat, nicht nur hat eintragen lassen, um sie alsbald mit dem Geschäft zu veräußern (OLG. Braunschweig in Braunschweiger Zeitschr. f. Rechtspflege 07, 79, angeführt ZBlFG. 8, 61; vgl. Anm. 5 und § 37 Anm. 2). ß) Ein Handelsgeschäft. Unter dem Handelsgeschäft versteht man den Inbegriff alles dessen, was zum Betriebe eben dieses Handelsgewerbes gehört, oder, wie das 51 w. (OLGR. 4, 146) es ausdrückt, den in dem betreffenden Handelsgewerbe steckenden Vermögenswert ausmacht (s. auch RG. in IW. 04, 9928; § 13 Anm. 3 und § 1 Anm. 32; ferner Domke 9ff. und unten Anm. 21 ff.). Im weitesten Umfange ge­ hören dazu: die zugehörigen beweglichen und unbeweglichen Gegenstände, die zu­ gehörigen Rechte, die sonstigen Verkehrsgegenstände, z. B. Fabrikationsgeheimnisse, Kenntnis von Bezugs- oderj Absatzquellen, die Beziehungen zu den Kunden und die sog. Chancen des Geschäfts, d. h. die auf den bisherigen Betrieb, auf die durch ihn geschaffenen Beziehungen sich stützenden Aussichten für den weiteren Geschäfts-

111. Abschnitt: Handelsfirllia.

165

betrieb (RG. 55, 125; vgl. Anin. 6), selbst die Telegranunadresse (Anm. 25); auf 8 22. der anderen Leite gehören dazu die Verbindlichkeiten des Geschäfts. Für die An­ wendbarkeit des § 22 kommt es nicht darauf an, daß die übertragenen Gegenstände einzeln aufgeführt sind oder daß ausdrücklich gesagt ist, es werde „das Handels­ geschäft" übertragen, vielmehr entscheidet der tatsächliche Sachverhalt (OLG. Braun­ schweig in OLGR. 40, 181). — Über die Bererblichkeit des Handelsgeschäfts s. Anm. 6 a und § 27 Anm. 1. Vielumstritten ist die Frage, ob die Veräußerung eines Teils des Geschäfts als Anm. 4a. Voraussetzung des Firmenübergangs genügt (vgl. auch § 145 Anm. 8 unter b). Unseres Dafürhaltens genügt nicht die Veräußerung eines einzelnen Geschäftszweigs, einer Geschäftsabteilung, beides im Sinne unselbständiger Zweige. Es kann daher nicht ein einzelner Geschäftszweig oder eine einzelne Verkaufsstelle mit dem Firmenrecht veräußert, der Rest des Geschäfts mit dem Firmenrecht zurückbehalten werden, selbst nicht bei Hinzufügung unterscheidender Zusätze (KGJ. 13, 28; BahObLG. in OLGR. 24, 117; Lehmann-Ring Nr. 2); auch nicht, wenn der veräußerte Teil einen einzelnen Geschäftszweig umfaßt, den der Erwerber 511 einem neuen selbständigen Handels­ geschäft macht. So hat RG. 56, 187 entschieden, daß, wenn der Vertrieb von Petroleum und von Beleuchtungskörpern beim Veräußerer vereinigt war, Über­ tragung eines dieser beiden Geschäftszweige für § 22 nicht genügt. Anders, wenn der überlassene Geschäftszweig den Hauptzweig des bisherigen Geschäfts darstellt: DIZ. 02, 202; „Recht" 05, 534 und 1924 RsprBeil. Nr. 1319. Ferner vgl. RG. in LZ. 07, 49; BahObLG. und OLG. Dresden in ZBlFG. 9, 410 u. 20, 340. Marcus bei Holdheim 08, 146 hält im Gegensatz zur herrschenden Meinung den § 22 auch bei solchen Teilveräußerungen für anwendbar, sofern ein entsprechender Zusatz beigefügt wird; z. B. erachtet er es für zulässig, daß ein Buchhändler, der unter abgeleiteter Firma ein Verlags- und Sortimentsgeschäft ohne äußerliche Unter­ scheidung führt, das eine Geschäft behält, das andere unter Bewilligung der Firmen­ fortführung veräußert, nur müsse dann der abgetretenen Firma ein entsprechender Zusatz beigefügt werden, z. B. das Wort „Verlag". Allein eine derartig weite Aus­ legung des §22 führt leicht ins Uferlose. Anders bei der Veräußerung einer zu einer gewissen Selbständigkeit erhobenen Zweigniederlassung (§ 13 Anm. 4; wegen des Unterschiedes vgl. RG. 77, 64 unten). Hierüber s. § 30 Anm. 11. y) Ein bestehendes Handelsgeschäft. Ter Firmen-Übertragungsvertrag ist also ungültig, Anm. 5. lvenn das Geschäft aufgehört hat (dies ist auch der Fall bei gänzlich geändertem Geschäftsbetrieb; anstatt einer Maschinenfabrik ein Kommissionsgeschäft, RG. 1, 260; s. auch Anm. 10), oder lvenn der Veräußerer selbst kein Handelsgeschäft be­ trieben hat (OTr. in BujchA. 20, 56 betr. die Firma Johann Maria Farina; ROHG. 6, 246; RG. 3, 120; 25, 1; auch 9, 1; vgl. Anm. 3b). Hat aber der Veräußerer das Handelsgetverbe betrieben, so hört das Geschäft nicht unmittelbar mit dem Aufhören des Gewerbebetriebs (hierüber § 1 Anm. 25) zu bestehen auf. Tas Geschäft besteht vielmehr solange, als die zu dessen Fortführung geeigneten Vermögensstücke und Beziehungen noch vorhanden sind, selbst wenn der Inhaber zeitweilig aufgehört hat, diese weiter 311 pflegen. Hebt doch das Gesetz auch den Fall des Erwerbs eines Geschäfts von Todes wegen hervor, iti welchem sehr oft die Einstellung des Gewerbebetriebs eine Zeitlang eintreten lvird. Erst wenn die (Grundlagen des Geschäfts zerstört sind, kann nmn jagen: das Geschäft bestehe nicht mehr (RGSt. 25, 77). So hört das Handelsgeschäft durch den Eintritt der Liquidation nicht sofort zu bestehen auf, und desbalb besteht in diesem Falle die Möglichkeit der Veräußerung des Firiuenrechts fort (Allfeld 150). Auch durch den Konkurs hören die wirtschaftlichen Grundlagen des Geschäfts nicht notwendig auf, sicherlich nicht, lvenn das Geschäft fortgesetzt wird, so daß für diesen'Fall § 22 unbedenklich anwendbar ist (Bolze 6 Nr. 169). Aber es kann auch trotz

166 § 22.

Anm. 6.

III. Abschnitt: Handelsfirma.

Schließung des Geschäfts durch den Konkursverwalter das Verhalten des Gemein­

schuldners derart sein, daß es die Absicht erkennen läßt, das Geschäft wieder aufzunehmen, in welchem Falle ein Fortbestehen des Geschäfts anzunehmen ist (ein Beispiel s. §92 Anm. 13; zust. Lehmann-Ring Nr. 4, die mit Recht darauf Hinweisen, daß die Bestimmung des § 32 nur unter der Annahme des Fortbestandes der Firma im Konkursfalle verständlich ist; vgl. auch KGJ. 13, 37, wo nur die Begründung nicht zutrifft, daß der Wille des Kaufmanns das allein Entscheidende sei, da ja objektiv hinzukommen muß, daß die Wiederankniipfung der alten geschäftlichen Be­ ziehungen noch möglich, eine Zerstörung der wirtschaftlichen Grundlagen des Ge­ schäfts noch nicht eingetreten ist; im Ergebnis ebenso Adler in ZHR. 85, 145). Über die Firmenveräußerung im Konkurse und während der Liquidation vgl. weiteres in Anm. 7 (nämlich bic Frage, ob der Konkursverwalter bzw. Liquidator dazu be­ rechtigt ist). Bezüglich des Liquidators s. außerdem § 149 Anm. 32. 8) Der Erwerb eines Handelsgeschäfts. Hier ist der Botterwerb gemeint, im Gegensatz zu §24, wo die gleiche Frage für den Fall teilweisen Wechsels im Personalbestände der Jnhaberschaft behandelt ist. Aus Anm. 4 folgt nicht etwa, daß zum Erwerbe des Handelsgeschäfts der Übergang aller dort aufgezählten Bestandteile, aller Aktiva und Passiva des Geschäfts gehört (RG. 9, 81—84; 25,4; 68, 295). Es können auch ein­ zelne dieser Bestandteile ausgeschieden werden, seien dies die ausstehenden Forde­ rungen ganz oder zum Teil, seien es Warenvorräte oder seien es auch die Passiva (RG. in IW. 96, 36 und 04, 9928) oder Grundbesitz und Hypotheken (OLG. Kolmar in RIA. 9, 252; vgl. Anm. 14) oder ein untergeordneter Geschäftszweig (RG. 63, 229). Doch muß ein Erwerb des Geschäfts im großen und ganzen vorliegen, nicht gerade in seiner Gesamtheit, sondern so, daß die Bestandteile des Handlungsvermögens übergehen, welche die Fortführung des Handelsbetriebs ermöglichen (s. Behrend § 37 Anm. 34; RG. 37, 178; Beispiele bei Bolze 6 Nr. 169; 8 Nr. 156), insbesondere muß nach der Verkehrsauffassung das alte Ge­ schäft mit seinen dem Handelsgewerbebetriebe dienenden Gegenständen und Beziehun­ gen (IW. 08, 252; LZ. 08, 82), seinem Rufe und seinen Chancen, auf den neuen Inhaber übergehen (Holdheim 08, 49; ZHR. 46, 474; RG. 63, 229; auch 55, 124). Bei einem Fabrikgeschäft gehört dazu auch Fortführung der Fabrikation (OLG. Düsseldorf im RheinA. 108, 217). Mit Recht machen Lehmann-Ring (§ 25 Nr. 2 unter c) darauf aufmerksam, daß der Erwerb des ganzen Warenlagers noch nicht notwendig Erwerb des Handelsgeschäfts ist (KG. in LZ. 08, 82), und daß dies besonders bei Sicherungsübereignungen (RG. in LZ. 1911, 463) von Bedeutung sein kann. Daß die Überlassung eines einzelnen von mehreren Geschäfts­ zweigen nicht genügt, s. Anm.4a. Oft ist Überlassung der Chancen, der Möglich­ keit zur Fortsetzung des Geschäfts, die Hauptsache, während die zum Geschäft ge­ hörigen greifbaren Gegenstände von nebensächlicher Bedeutung sind (RG. 37, 178; Domke 17). Das drückt sich häufig in der Preisbemessung aus; für diese ist viel­ fach der Umfang des bisherigen Betriebs und die Aussicht, auf Grund desselben einen dauernden und lohnenden Erwerb zu finden, maßgebend, ein Umstand, der im Falle einer Anfechtung des Überlassungsvertrags von Wichtigkeit werden kann (OLG. Rostock in SeuffA. 75, 314). Wird vereinbart, daß das Geschäft mit Firma übergehen solle, aber ohne Aktiva und Passiva, so wird dieser Vertrag für die Regel wirkungslos sein, es sei denn, daß etwa noch so viele von der Übertragung nicht ausgenommene Geschäftsbestandteile vorhanden sind, daß dies mit dem Begriff des Geschäftsübergangs verträglich ist (RG. in IW. 04, 9928; OLG. Kassel in OLGR. ilO, 12). — Scheinerwerb genügt nicht (RG. 9, 1; vgl. Anm. 3 und 3 b). Ist': aber die nur zum Schein und entgegen §23 ohne Übertragung des Han­ delsgeschäfts erfolgte Übertragung einer Firma in das Handelsregister eingetragen und veröffentlicht, so werden dritte Personen von den durch die Gesetzwidrigkeit

III. Abschnitt: Handelsfirma.

167

dieses Verfahrens zwischen den Vertragschließenden begründeten Ansprüchen ebenso- § 22. wenig berührt wie in dem Falle, wo der Firmeninhaber das Geschäft für Rech­ nung eines anderen betreibt (RG. 66, 417; vgl. § 15 Anm. 11 u. 12). — Dagegen ist Tre uh and Übertragung nicht Scheinerwerb, vielmehr erlaubt und hat einen vollwirksamen Erwerb des Handelsgeschäfts mit der Firma zur Folge (RG. 99, 158; vgl. auch Rumpf in ArchZivPrax. 119, 124). — Darüber, was im einzelnen als veräußert gilt, s. Anm. 22 ff. Der ErwerbSatt kann ein Geschäft unter Lebenden oder von Todes wegen Anm. 6». sein. Ein zu einem Nachlasse gehöriges Handelsgeschäft kann auf Grund der Erbengemeinschaft, die an sich ohne dahingehende vertragliche Verein­ barungen keine o.HG. unter den Erben begründet (s. auch § 27 Anm. 26 und § 105 Anm. 7, 40), unter der bisherigen Firma fortgeführt werden; die Änderung der Firmeninhaber bedarf nach § 31 der Eintragung (KG. in OLGR. 4, 454). Fortführung auf Grund der Erbengemeinschaft und eine dahingehende Ein­ tragung ist nicht nur für den Zustand der bloßen Abwicklung und Auseinandersetzung, sondern auch sonst zulässig (KG. in RIA. 9, 159; gegen diese Entsch. allerdings Kretzschmar in ZBlFG. 17,13; a. M. auch Lion in LZ. 1925,842); zum Abschluß eines Ge­ sellschaftsvertrags kann der Registerrichter die Erben nicht zwingen. Die Eintragung ist, auch wenn Minderjährige unter den Erben sind, nicht von vormundschaftsgerichtlicher Genehmigung abhängig (RIA. 2,178). Daß es sich empfiehlt, bei Eintragung der Minderjährigen in das Handelsregister Tag und Jahr der Geburt mit einzutragen, s. Anhang zu § 8 Anm. 6. Sind die Witwe und die Kinder Erben, so sind sie sämllich in das Handelsregister einzutragen, dies auch dann, wenn die Witwe Testamentsvollstrecker oder aus anderen Gründen allein vertretungsberechtigt ist (Bondi in DIZ. 1923, 563). Vgl. hierzu § 105 Anm. 40. Sind die Erben in Erbengemeinschaft eingetragen, so können sie zwar gemeinschaftliche Bevollmächtigte bestellen, auch einzelne aus ihrer Mitte hierzu ernennen, aber nicht einzelne Miterben als Vertreter der Erben­ gemeinschaft in das Handelsregister eintragen lassen (KG. in RIA. 9, 159; vgl. Anhang zu § 8 Anm. 6). — Beim Erwerb durch Testament kann der Fall der Gesamterbschaft vorliegen (LG. Wien bei Adler u. Clemens Nr. 971) oder des Vermächtnisses (RG. 9, 81) oder der Vorerbschaft. — Ist Nacherbschaft angeordnet, so sind grundsätzlich der Vorerbe und die Nacherben in das Handelsregister einzu­ zutragen (Brand S. 87 unter Hinweis auf RIA. 2, 178 und Cohn, Handels- und Genossenschaftsregister, S. 86). Indessen ist der Vorerbe nach § 2112 BGB. auch selbständig berechtigt, für die Fortführung des Handelsgeschäfts sich zu entscheiden und sich allein als Firmeninhaber eintragen zu lassen (Planck § 2112 Anm. 3 unter Hinweis auf KG. in OLGR. 4, 456; a. M. Brand a. a. O.). In solchem Falle lönnen die Nacherben im Geführdungsfalle zufolge § 2128 BGB. Sicherheitsleistung fordern. In dem häufig vorkommenden Falle, daß die Witwe als Vorerbin — mit Verwaltungs- und Verfügungsrecht — eingesetzt ist, kann demnach entweder sie allein das Geschäft mit Firma fortsühren niib als Inhaberin eingetragen werden (OLGR. 4, 456), oder es werden Witwe und Kinder mit dem Vermerk eingetragen, daß die Witwe die alleinige Vertretungsbefugnis hat (RIA. 2, 178; § 105 Anm. 40). Lind Minderjährige unter den Kindern, so ist vormundschaftsgerichtliche Genehmi­ gung nicht erforderlich (ebendort; s. auch Marcus in DIZ. 01, 185). Daß in diesem Falle in das Handelsregister nicht cinzutragen ist, daß die Mutter als Inhaberin der elterlichen Gewalt ihre Kinder vertritt, s. Anhang zu § 8 Anm. 6 und § 105 Anm. 40. Ist irrtümlich auf Antrag der Witwe eine o.HG. zlvischen ihr und den wundern, statt einer Erbengemeinschaft, eingetragen, so ist die o.HG. auf Antrag der Witwe zu löschen und die Erbengemeinschaft einzutragen (RIA. 2, 181). — Sehr verschieden ist bei den einzelnen Registergerichten die Handhabung, wenn Testamentsvollstreckung angeordnet ist. Manche Gerichte tragen dies überhaupt

168 8 22.

Anm. 6b.

Anm. 6o.

Anm. 6(1.

Anm. 68.

Anm. 7.

III. Abschnitt: Handelsfirma.

nicht ein (weil es im Gesetz nicht vorgesehen ist und weil es keine dem § 53 GBO. bzw. dem § 118 FGG. entsprechende Bestimmung gibt; gebilligt durch Beschluß des LG. I Berlin vom 16. Februar 1925 in bcn Registerakten 90 H. R. A. 67690 des AG. Berlin-Mitte). Andere Gerichte tragen einen Vermerk ein: ..Testaments­ vollstreckung angeordnet", aber nicht den Namen des Testamentsvollstreckers (ähnlich wie im Grundbuche; dieses Verfahren scheint zweckmäßig). Wieder andere Ge­ richte tragen den ernannten Testamentsvollstrecker in das Handelsregister ein (dann muß er auch die Firma zur Aufbewahrung beim Gericht zeichnen, und es muß zum Handelsregister angemeldet und in dieses eingetragen werden, wenn eine Veränderung eintritt). Oberstgerichtliche Entscheidungen über die registerliche Be­ handlung der Einsetzung eines Testamentsvollstreckers sind nicht bekannt. Über An­ meldungen zum Handelsregister seitens des Testamentsvollstreckers s. § 31 Anm. 1 Abs. 3; über die Frage, ob der Testamentsvollstrecker Prokura erteilen kann, § 48 Anm. 4. Zu einer Veräußerung des Handelsgeschäfts und Zustimmung zur Fort­ führung der Firma (nachstehend Anm. 7) ist der Testamentsvollstrecker ohne Rücksicht daraus, ob er im Handelsregister eingetragen ist oder nicht, ermächtigt, sofern solches zu seinem Amtskreise gehört (§§ 2205ff. BGB.). Nur nebenbei sei bemerkt, daß, wenn ein Gesellschafter einer o.HG. stirbt und Testamentsvollstreckung angeordnet hat, eine Eintragung des Testamentsvollstreckers im Handelsregister nicht stattfindet (DürHach. IV § 139 Anm. 12). — Durch Übereignung der Erbteile geht nicht von selbst das Recht zur Fortführung der Firma über, schon weil dieses Recht kein rein ver­ mögensrechtliches ist und weil nur aus den begleitenden Umständen — im Streit­ fälle also nur durch den Prozeßrichter — entschieden werden kann, ob in der Über­ eignung der Erbteile die Zustimmung der Erben zur Fortführung der Firma zu finden ist (KG. in RIA. 5, 185: der als Inhaber der Finna M. F. eingetragene Erblasser war von seiner Witwe und 12 Kindern beerbt worden; die Kinder hatten ihre Anteile notariell der Mutter verkauft und übereignet, bestritten ihr aber das Recht zur Fortführung der Firma; hierüber war im Prozeßwege zu entscheiden; s. auch Anm. 7). Der Erwerbsakt kann nicht Ersitzung sein (RG. 25, 6), schon deslalb nicht, weil Firmenrechte keine Sachen sind (§§ 937, 90 BGB.). Der Erwerbsakt ist für den Übergang des Firmenrechts nur dann wirksam, wenn der Veräußerer das Firmenrecht hatte; guter Glaube hilft nicht (RG. 25, 4 und in IW. 03, 3423; s. auch § 37 Anm. 19). Der Fall des § 933 V >.)B. liegt nicht vor, weil die Firma keine bewegliche Sache ist (§ 90 BGB.). Wird das Geschäft auf Grund von Pacht, Nießbrauch oder auf Grrnd» eines ähnlichen Verhältnisses übernommen, jo gilt dies für die Anwendung des $ 2:2 dem Erwerbe gleich (Abs. 2); s. Anm. 15ff. Auch ist eine Mischung zwischen Kauf und Pacht bzw. Nießbrauch möglich. Hierüber s. Anm. 19a. Die Person des Erwerbers („wer" — sagt das Gesetz) ist im algenneinen gleichgültig. Daher kann eine o.HG. oder eine Mehrheit von Personen bat Geschäft eines Einzelkaufmanns, ein Einzelkausmann das Geschäft einer o.HG. mit ter Firma kaufen. Eine Grenze liegt jedoch dort, wo die Fortführung der Firma zu Täu­ schungen führen würde. Hierüber mit) über den Erwerb der Firma einer 'lG-. usw. oder seitens einer solchen; vgl. Anm. 12. Erwirbt eine bestehende o.HG. (od-r sionstige Handelsgesellschaft) das Geschäft eines Einzelkaufmannes oder einer Geseltchcuft, so kann sie nicht neben ihrer Firma die alte Firma fortführen, weil HanrelÄgesellschasten nur eine Firma haben können (§ 17 Anm. 3; § 105 Anm. 20); doh krönnen die Gesellschaften der o.HG. zu diesem Zwecke eine neue o.HG. bilden (vgl. (lnmi. 12). d) Die ausdrückliche Zustimmung des Geschäftsinhabers bzw. der Geschässiruhaber, wenn es mehrere sind, oder ihrer Erben (in der Bedeutung von Gesamtr chüsnachfolgern: RG. in IW. 88, 220") oder etwaiger Miterben. Der Vorgang ist n'ckht als

III. Abschnitt: Handelsfirma.

169

Veräußerung eines Vermögensgegenstande? zu denken, als welcher die Firma nicht zu betrachten ist, sondern als Bewilligung einer Namensführung (RG. in IW. 94, 317; RG. 107, 31; KG. in RIA. 5, 185; Pisko in EhrenbergHandb. 2, 305; teilweise a. M. Adler in ZHR. 85, 121; vgl. § 17 Anm. 4). Daher kann diese Bewilligung nicht durch Pfändung ersetzt werden, die Firma kann nicht, zum Gegenstände der Zwangsvollstreckung gemacht werden (RG. in IW. 02, 95"). Taher kann auch die Bewilligung im Konkurse des Kaufmanns nicht der Konkursverwalter, sondern nur der Gemeinschuldner erteilen (RG. 9, 106 und 58, 169 sowie in IW. 02, 95", KG. in RIA. 9, 46 und in KGJ. 39 A 109; OLG. Dresden in SeuffA. 69, 107; vgl. auch LG. Hamburg in LZ. 1910, 253; Jaeger § 1 Anm. 7 und §§ 207, 208 Anm. 11; a. M. Dernburg I § 99" und Kohler, dort angesü H Cosack 7. Aufl. § 16 S. 63). Ter Konkursverwalter und der Gemeinschuldner müssen aber bei der Veräußerung zusammenwirken, jener kann nur das Geschäft, dieser nur die Firma veräußern (Bolze 6 Nr. 169; zust. Opet in ZHR. 49, 116; über die Wirkung Dritten gegenüber vgl. Anm. 1 zu 8 25). (Ebensowenig kann der Liquidator als solcher ohne Zustimmung der Geschäftsinhaber die Finna veräußern (vgl. § 149 Anm. 32). Zur Veräußerung der Firma einer o.HG. ist er nur bei Zustimmung aller Gesellschafter berechtigt (LG. Plauen in SächsAR. 09, 368; SächsOLG. 30, 471). Die vorstehend dargelegten Grundsätze gellen auch dann, wenn der Name des Gemeinschuldners bzw. der der Inhaber der Liquidationsgesellschaft in der Firma nicht enthalten ist (Felix Meyer in LZ. 1910, 60; Jaeger §1 Anm. 7; KG. in RIA. 9, 46); denn die Firma stellt stets ein Namensrecht dar, gleichviel, ob dieser Name mit dem Familiennamen des Kaufmanns zusammenfällt oder nicht (§ 17 Anm. 4). Auch bei juristischen Personen kann der Konkursverwalter bzw. Liquidator die Firma nicht veräußern. Das Erfor­ dernis der Zustimmung des Geschäftsinhabers wird hier in der Weise erzielt, daß das Organ, welches die Gesamtheit der Mitglieder der jur. Person vertritt, seine Zu­ stimmung gibt. Bei der AG. liegt hierin eine Abänderung des Gesellschastsvertrags (für die GmbH. vgl. Staub-Hach. Anm. 17 zu § 4; Anm. 14 zu § 63; Brodmann GmbH. § 60 Anm. 5). Tie vorstehenden Darlegungen werden bekämpft von Adler in ZHR. 85, 138, der namentlich für abgeleitete Firmen aus deren Vermögenswert hin­ weist, das Recht zu ihrer Führung daher als ein Vermögensrecht betrachtet, in welches Zwangsvollstreckung möglich sei, und das einen wertvollen Teil der Konkursmasse bilde. Adler kommt daher, entgegen! der herrschenden Meinung, zu dem Ergebnis, bei abgeleiteten und bei Sachfirmen könne der Konkursverwalter allein, ohne Zustim­ mung des Gemeinschuldners, die Firma veräußern; enthalte aber die Firma den bür­ gerlichen Namen des Gemeinschuldners, so sei dessen Zustimmung erforderlich. — Wenn das Geschäft durch Vermächtnis übergebt, so ist die Zustimmung der Erben erforderlich, es sei denn, daß das Geschäft mit F irma vermacht ist. Wenn bagegen das Geschäft durch Erbschaft übergeht, so bedarf es keiner weiteren Zustimmung, sei es, daß nur ein Erbe vorhanden ist, dem das Geschäft zufüllt, oder daß das Vermögen einer Mehrheit von Erben gemeinsam zufällt (zu vgl. KG. in RIA. 17, 79). Die Witwe als solche braucht nicht znznstiinnten. Der Nachlaßpsleger kann das Ge­ schäft mit der Firma veräußern, er vertritt die Erben auch nach dieser Richtung. Eben­ so der Testatneutsvollstrecker (Marcus in Holdheim 06, 225). In der Übereignung der Erbteile liegt nicht notwendig die Zuslinunung, vielmehr ist ausdrückliche Zustimmung der Miterben zur Fortführung der Firma erforderlich, wenn nur einer der Erben bei der Auseinandersetzung das Geschäft als Erbteil erhält (Anm. 6a). Tie in § 22 geforderte „ausdrückliche" Zustimmung liegt in jeder Willens­ erklärung, die die Erklärung dieser Zustimmung zum nächsten Zwecke hat (vgl. Enneccerus I § 144 II; ähnlich Planck Vordem, vor § 116). Daher kann schon ein Kopf­ nicken genügen, dagegett nicht ein bloßes Dulden der Fortführung der Firma (ebenso Ritterkomm. Anm. 5; Brand S. 89; Lelnnann Ring Nr. 7). Es gelten für die Zu-

170

§ 22.

III. Abschnitt: Handelsfirma.

stimmung die für die ausdrücklichen Erklärungen überhaupt notwendigen Erfordernisse

(RG. in IW. 88, 2207). Sie ist auch nicht an eine bestimmte Form gebunden; viel­ mehr ist der Beutteilung des einzelnen Falles überlassen, ob der Wille sich in solcher Weise kundgegeben hat, daß die Einwilligung als eine ausdrückliche anzusehen ist (OLG. Darmstadt.in ZBlFG. 7, 213; RG. in IW. 1911, 594"; vgl. Weigelin, Ausdrückliche und stillschweigende Willenserklärung, in LZ. 1924, 613). Zur Anmel­ dung ist aber die vorgeschriebene Form erforderlich (§ 12; vgl. jedoch § 12 Abs. 2). — Erwerb des Geschäfts und Zustimmung zur Firmenführung müssen gleichzeitig er­ folgen (KGJ. 13, 30; 15, 12). Dies ist allerdings nicht wörttich zu verstehen, doch ist ein gewisser zeitticher und wittschaftlicher Zusammenhang erforderlich (Makower Anm. Ha 3; anders wohl auch nicht Bolze 8 Nr. 156). Dieser Zusammenhang ist nicht unterbrochen, wenn die bei der Geschäftsveräußerung erteilte Zustimmung später nur ausgelegt oder erweitett wird, z. B. wenn ein Kaufmann dem Erwerber seines Handelsgeschäfts die Fortführung der Firma zunächst nur für eine bestimmte Zeit gestattet (über diesen Fall s. RG. 76, 263 und OLG. München im „Recht" 1912 Nr 1934); er ist dann berechtigt, nachttäglich die Weiterführung der Firma mid) über jene Zeit hinaus zu gestatten, § 23 steht nicht entgegen (a. M. OLG. Köln im RheinA. 09, 26, angeführt ZBlFG. 9, 630, sowie Schultze-Görlitz in DNotVZ. 09, 646; s. dagegen Bondi in ZBlFG. 11, 357). Aus demselben Grunde kann nach unse­ rer Auffassung ein früher ausgeschiedener Mitinhaber nachträglich seine Zustimmung dahin erweitern, daß er auch die Verwendung seines in der Firma enthaltenen Na­ mens bei Veräußerung einer Zweigniederlassung (Anm. 13) gestatte. Allerdings steht das KG. in ständiger Rechtsprechung (s. besonders RIA. 17, 87) aus dem entgegen­ gesetzten Standpunkte. Die Zustimmung kann auch auf Widerruf oder unter Bedin­ gungen erteilt werden (Bondi a. a. O.); wird der Widerruf erklärt oder die gestellte Bedingung nicht erfüllt, so darf der Erwerber die abgeleitete Firma nicht weiterführen. Ist eine Firma dem Erwerber „nur für seine Person" übertragen, so darf ein späterer Erwerber des Geschäfts sie nicht weiterführen (RG. 76, 265). Ob die Erben, ist Aus­ legungsfrage. Über den Fall der Verpflichtung eines Geschäftsübernehmers, „die Firma löschen zu lassen, sobald die Verhältnisse es gestatten", s. OLG. Dresden in SeuffA. 69, 153. Vgl. ferner Anm. 13 und § 24 Anm. 6. Anm. 8. L) Die Fortführung des Geschäfts durch den Erwerber (RG. in IW. 02, 18625; s. auch Anm. 10). Fortführung der Firma durch den Veräußerer ist ausgeschlossen, selbst im Falle der Einwilligung des Erwerbers (OLG. Karlsruhe in LZ. 07, 753; KG. ebenda 08, 82 und in RIA. 17, 92). Vgl. Anm. 14. Anm. 9. 2. Die Wirkungen deS Firmenübergangs find:

a) Die Befugnis der Geschäftsführung unter der bishettgen Firma. a) Die Befugnis. Nur ein Recht, nicht eine Pflicht setzt das Gesetz fest. Der Gebrauch des eigenen Namens als Firma ist dem Geschäfts- und Firmenerwerber nicht verwehrt, auch wenn er erst nachträglich — nach Wahl der fremden Firma — auf den eigenen Namen zurückgreift (OLG. Braunschweig in DNotVZ. 1922, 71). Zwar kann auch die Pflicht zur Führung der bisherigen Firma vertraglich festgesetzt sein. Allein an der Innehaltung einer solchen Pflicht ist das öffentliche Interesse nicht beteiligt, nur der Veräußerer kann auf Erfüllung einer solchen Pflicht beharren, kein Dritter und nicht der Registerttchter (zust. Opet in ZHR. 49, 121; vgl. auch Bay Ob LG. in ZBlFG. 17, 49 und OLG. Rostock in OLGR. 41, 193). Es ist ferner anzunehmeu, daß, wer nach dem Firmenerwerb zunächst seinen Familiennamen als Firma ge­ braucht hat, doch auf die erworbene Firma zurückgreifen kann (OLG. Dresden in ZHR. 37, 530; BayObLG. in OLGR. 1, 183; a. A. Opet a. a. O.; Holdheim US, 256). Nur ist deren Wiederaufnahme dann unzulässig, wenn sie bereits im Handels­ register gelöscht und auf Antrag des Erwerbers eine neue Firma eingetragen ist (KG. in RIA. 14, 172; OLG. Hamburg in OLGR. 24, 119).

III. Abschnitt: Handelsfirma.

171

ß) Die Fortführung deS Geschäfts unter der bisherigen Firma ist der Inhalt der § 22. hier gesetzlich umgrenzten Befugnis. 10 Einerseits liegt darin das Recht der Führung des fremden Namens als Firma nach Maßgabe der Berechtigung des Vorgängers (KGJ. 24 A 166). Nicht nur der Veräußerer und der Registerrichter haben dieses Recht zu achten, sondern es greift auch in fremde Namensrechte ein, da auch dem Dritten, der sonst ein Recht auf Untersagung dieser Namenssührung hätte, dies infolge des §22 genommen ist. Nur kann dem Erwerber nicht das Recht eingeräumt werden, eine Firma zu führen, die der Veräußerer hätte führen dürfen, aber tatsächlich nicht geführt hat (RG. bei Holdheim 13, 228; s. Anm. 3 b). War bei der Veräußerung eines Geschäfts mit Firma die letztere in das Handelsregister eingetragen und hat der Veräußerer, weil die Umschreibung nicht erfolgt war, die Firma löschen lassen, so geht dadurch die Firma, soweit nicht aus §§ 2, 3 Ausnahmen sich ergeben, nicht unter. Der Er­ werber kann trotzdem die Firma führen, sogar deren Wiedereintragung verlangen und dazu die Mitwirkung des Veräußerers in Anspruch nehmen (RG. 65, 14), es sei denn, daß die Löschung im Einverständnis mit dem Erwerber erfolgt wäre (vgl. Anm. 2). Andererseits besteht das Recht nur in der Führung der Firma „für daS Ge­ schäft", also bei Fortführung des Geschäfts; gestattet ist dem Erwerber nicht die Fortführung der Firma ohne Fortführung des Geschäfts (RG. in IW. 1911, 10538). Daher erlischt die übernommene Firma, wenn die übernehmende AG. oder GmbH, eine andere Firma beibehält oder annimmt (KG. in RIA. 17, 91); vgl. § 17 Anm. 3 (wegen der erlöschenden Befugnis des Veräußerers zur Führung der Firma s. Anm. 14). Daher kann auch der Erwerber eines Handelsgeschäfts mit Firma nicht das Geschäft aufgeben und für ein neues die erworbene Firma führen (RG. 1, 261; Foertsch Anm. 1 zu Art. 24; KG. im „Recht" 05, 48; anders N. N. in ZHR. 26, 1). Doch braucht das fortgeführte Geschäft nur im wesentlichen auf den alten Grundlagen zu beruhen, es muß die sog. Kontinuität des Unternehmens, der Zusammenhang des Geschäftsbetriebs gewahrt werden (RG. in IW. 02, 186"). Dieser Zusammenhang ist z. B. gewahrt, wenn früher nur der Druck von Tüten, jetzt der von Büchern den Gegenstand des Geschäfts bildet (RG. a. a. £).). Völlige Identität ist keinesfalls erforderlich, insbesondere bedingen quantitative Veränderun­ gen, Erweiterungen und Verringerungen des Geschäftsbetriebs, sollten diese auch in Zuführung neuer Artikel oder in Abschaffung alter bestehen, nicht den Untergang des Firmenrechts (RG. 46, 152). Ja sogar eine völlige Veränderung des Gegen­ standes des Unternehmens ist dann ohne Nachteil, wenn sie allmählich erfolgt und die Kontinuität nicht unterbrochen ist (Cojack 7. Aufl. § 16 S. 63; Olshausen in der bei § 37 angeführten Schrift 64; Makower Anm. IVc 1; Brand Anm. 3; hierfür spricht auch die Begründung RG. 46, 152, welche unter den gleichen Voraussetzun­ gen eine „wesentliche Umgestaltung" zulüßt; a. M. DürHach. Anm. 4; Lehmann-Ring Nr. 8; Goldmann I 94). Gegen Mißbrauch einer derartigen Umwandlung findet der Veräußerer Schutz durch § 37, der Konkurrent nach Befinden außerdem auch durch dao UnlWG., z. B. wenn jemand tooii einem Strohhutfabrikanten Henckels dessen Geschäft mit Firma erwerben und unter Beibehaltung der letzteren die Strohhutin eine Stahlwarenfabrik verwandeln wollte (Eosack a. a. O.). Kann ein Firmeilveräußerer den Weitergebrauch der Firma unter-Anm. 10». sagen, wenn der Erwerber durch sein Geschäftsgebaren den in der Firma enthaltenen Namen des Firlnenvorgällgers entehrt? Das OLG. Hamburg (HallsGZ. 1921 H. 90) hat die Frage verneint. S. dazu auch Lehr in HansRZ. 21, 629. Unserer Meinung nach hängt die Entscheidung der Frage davon ab, wie die Zustimmung des Geschäftsveräußerers zur Fortführung der Firma (Anm. 7) aus,verlegen ist. Ist solide Geschäftsführung ausdrücklich oder stillschlveigend als Bedin-

172 § 22.

III. Abschnitt: Handelsfirma. gung vereinbart, dann dürfte bei Verletzung dieser Vereinbarung ein Recht aus Untersagung weiteren Firmengebrauchs gegeben sein.

Anm. 11. b) Xie Fortführung der Firma kann unverändert oder mit Nachfolgerzufatz geschehen. Unverändert (abgesehen vom Nachfolgerzusatz) ist die Firma vom Erwerber zu lassen; insbesondere darf er weder einzelne Tpile ausscheiden (RG. in IW. 00, 5524; KG. in RIA. 7, 199; vgl. aber § 18 Anm. 8a) noch andere Zusätze, als solche, die das Nachfolgeverhältnis andeuten, beifügen oder Veränderungen darin vornehmen (KG. bei Holdheim 8, 102; RG. in IW. 07, 52331). Tie Vorschrift über die Fort­ führung der „bisherigen" Firma muß grundsätzlich streng ausgelegt werden (RG. 96, 195; 104, 342). Jedoch kann unter Umständen ein Zusatz angesügt werden, der auf das Gründungsjahr hinweist und gerade die Identität mit der bisherigen Firma klarzu­ stellen bestimmt und geeignet ist (KG. in TNotVZ. 1925, 14). Die Firma darf auch liidjt durch Ausschreibung eines bisher unausoeschriebenen Vornamens („Theodor H." statt „Th. H.") oder umgekehrt geändert toct_ (KG. in RIA. 4, 105). Dagegen hat man die Übersetzung des Wortes „freies" in „Gebrüder" mit Recht gestattet (LG. Straß­ burg in DIZ. 1915, 828). Vielfach hat die Praxis die Neigung, allzu formalistisch zu sein (s. auch § 25 Anm. 4). Durch begründetes Interesse gebotene unwesentliche Änderungen in den Zusätzen, namentlich die Geschäftsbezeichnung betreffend, kann man unbedenklich zulassen (Marcus bei Holdheim 08, 87 und die von ihm berichtete Entscheidung über Zulässigkeit der Änderung des Zusatzes „Victoria-Drogerie" in „Dro­ genhaus"). Im übrigen sind Änderungen, insbesondere Weglassungen wesentlicher Teile der Firma, auch nicht mit Zustimmung des bisherigen Geschäftsinhabers zu­ lässig (OLG. Rostock in RIA. 4, 158; Stuttgart in Jahrb. der württemb. Rechts­ pflege 52, 267; KG. in RIA. 14, 45; BayObLG. in OLGR. 34, 329). Der gesetz­ geberische Grund, nämlich die Rücksicht auf die Erhaltung alter Firmen, rechtfertigt nur den Fortbestand der erworbenen Firma in ihrer im wesentlichen unveränderten Fassung. Völlig ausgeschlossen ist die Übertragung bloßer Firmenzujütze (KG. im „Recht" 07, 519). Über Firmen, in denen Titel enthalten sind, s. § 18 Anm. 10a; über Firmen aus der Zeit vor 1900 § 18 Anm. 15. Gestattet ist der Nachfolgerzusatz, z. B. „"Nachfolger", „Erben", „Söhne". Beispiele: Albert Müllers Nachfolger, oder Christian Schulzes Nachfolger Paul Hengsten­ berg, oder Fritz Schloßmann vorm. F. Hennig & Eo. Aus den letzten beiden Beispielen ist ersichtlich, daß trotz Hinzufügung des eigenen Nainens die Fortführung der bisherigen Firma vorliegt (a. A. Opet in ZHR. 49, 123), und daß die örtliche Anordnung gleich­ gültig ist. Der Zusatz „vorm. N." ist unzulässig, wenn das Geschäft ohne Firma eruwrben ist, weil darin ein Gebrauch der Firma des früheren Inhabers liegt (BayObLG. in OLGR. 10, 229). Ten Nachsolgerzusatz kann der Erwerber auch ablegen oder der Sachlage entsprechend abündern; z. B. kann bei einer Gesellschaftsfirma mit Nachfolger­ zusatz — „A. K. Nachfolger G.t& 8." — der nach dem Ausscheiden seines Mitgesell­ schafters einzig noch vorhandene Gesellschafter V. G. firmieren: „A. K. Nachfolger V. G." (BayObLG. in RIA. 1, 47). Vgl. auch Anm. 11a. — War in die Fortführung der Firma nur mit dem Nachfolgerzusatz gewilligt, so darf dieser später nicht fortgelassen werden (ROHG. 14, 187). Welche sirmenrechtlichen Grundsatze gelten bei der Vereinigung zweier (4eschäfte, sei es, daß ein Einzelkausnumn ein zweites Geschäft hinzuerwirbt oder daß zwei Kaufleute ihre Geschäfte vereinigen? Ursprünglich neigte die Praxis dazu, die Zulässigkeit einer aus den beiden Firmen zusammengesetzten Firma zu verneinen (da­ gegen Marcus bei Holdheim 07, 19 und 09, 186). Man meinte, es könne nur eine der beiden Firmen gewühlt oder eine neue Firma nach den: Grundsätze der Firmenwahrheit gebildet werden (vgl. RG. 50, 120, welches die Frage unentschieden läßt). Die jetzt herrschende Praxis aber läßt die Beibehaltung der Firmen beider Geschäfte unter deren Vereinigung zu einer einheitlichen Firma zu. So hat z. B. mit Recht das OLG-

III. Abschnitt: .Handelsfirma.

173

Dresden in RIA. I, 136 bei Vereinigung der beiden Firmen R. K. und D. L Co. zu K 22. einer G. m. b. H. die Firma „Vereinigte Dresdner Porzellanmalereien G. m. b. H. vor­ mals R. K. und D. & Co." für zulässig erklärt (dagegen nicht „Vereinigte Dresdner Porzellanmalereien R. K. und D. & Co. 6). m. b. H."). Entsprechend das KG. in RIA. 15, 218 für den Fall des Hinzuerwerbs einer zweiten Firma durch einen Einzelkaufmann. Auch sonst hat die Praxis mit Recht Firmen zugelassen, wie: „Vereinigte Schmirgel- und Maschinenfabriken Aktiengesellschaft vormals S. Oppenheim & Co. und Schlesinger & Co., Hannover"; „Vereinigte Graba- und Schreger-Werke, Meißen, Inh. Aktiengesellschaft für Kartonnagenindustrie, Dresden" (dies die Firma der Meißner Zweigniederlassung der AG. für Kartonnagenindustrie, gebildet aus den zwei erworbenen dortigen Geschäften v. Graba und Schreger); ferner für o.HG. die Firmen: „Vereinigte Zigarettenfabriken Vietoria und Germania Gebrüder Graf" (Dresden) und „Hohenzollern-Kunstgewerbehaus H. Hirschwald, Inhaber Friedmann L Weber" (Verfügung des AG. Berlin-Mitte Abt. 90 I vom 8. Nov. 1906, als die bestehende o.HG. „Friedmann & Weber" das Handels­ geschäft in Firma „Hohenzollern-Kunstgewerbehaus H. Hirschwald" hinzuerwarb); ferner die Firma der Bamberger Zweigniederlassung der Bayerischen Handelsbank, als diese das dortige Bankgeschäft Hermann H. erwarb: „Bayerische Handelsbank Filiale Bamberg vormals Hermann H." (BayObLG. in RIA. 7, 114; s. auch § 30 Anm. 8). Überträgt der Erwerber eines Handelsgeschäfts mit Firma dieses mitAnm. 11a. der Firma weiter (Anm. 13), so gelten die Grundsätze des § 22. Hat er aber die ursprüngliche Firma mit dem Zusatz: „Inhaber A. B." oder einem ähnlichen Nach­ folgezusatz weitergeführt, so kann, sofern nicht vertragsmäßige Beschränkungen entgegen­ stehen, der Nachfolgezusatz von dem Neuerwerber gestrichen werden; dieser ist dann be­ rechtigt, je nach den vertraglichen Abmachungen die ursprüngliche Firma (ohne den Namen A. B.) mit oder ohne Nachfolgerzusatz zu führen (KG. in KGJ. 53, 95). c) Das Recht zur Fortführung der Firma hat seine Grenzen dort, wo diese Fortführung Anm. 12. unmittelbar einer Täuschung dienen würde. Aus diesem Grunde gelten Besonder­ heiten bei dem Übergänge der Firma von und aus Gesellschaften. Erwirbt ein Einzel­ kaufmann oder eine o.HG. von einer AG., in deren Finna sich diese Bezeichnung („AG.") nicht befindet (§ 20 Anm. 4), ein Handelsgeschäft, so kann die Fortführung der Firma unverändert oder mit einem Nachfolgerzusatz erfolgen (RG. 15, HO). Ebenso wird man, wenn sich in der Firma einer AG. diese Bezeichnung befindet, gestatten müssen, unter deren Weglassung die Firma fortzuführen. Gleiches gilt für die KGaA, wie für die GmbH. (LG. Naumburg im „Recht" 1921 RsprBeil. Nr. 1433; KG. ebenda 1924 Nr. 1251). So kann z. B. der Einzelkaufmann oder eine o.HG., die das Geschäft der Berliner PaketfahrtAktiengesellschaft kaufen, nunmehr firmieren: „Berliner Paketfahrt" (a. M. Adler in ZHR. 85, 132). Auch wäre eine Firma etwa des Wortlautes: „A. B. vormals Berliner Paketfahrt-AG." nicht zu beanstanden (ähnlich Pisko in EhrenbergHandb. 2, 309 und LG. Naumburg a. a. £.). Dagegen wäre die Fortführung der Firma mit der Bezeichnung „AG." und ohile Nachfolgerzusatz unzulässig, weil die ausdrückliche Hervorhebung eines bestimmten Rechtsverhältnisses in der Firma nicht vorkommen darf, wenn das Sach­ verhältnis anders liegt, da eine Firma nicht Däujelmngszwecken dienen soll (zust. Cohn bei Gruch. 42, 48: Gierke § 233; DürHach. Anm. 13: vgl. dazu OLG. Hamburg in LZ. 1914, 1919°). Überhaupt sind gegebenenfalls Zusätze auszuscheiden, die auf die Gesell­ schaftsform Hinweisen (RG. 104, 342; G. a. a. O.). Die umgekehrte Frage, ob eine bestehende AG. — alle Ausführungen hier gelten auch für die KGaA, und die GmbH. — die Firma eine? Einzelkaufmanns oder einer Handelsgesellschaft erwerben und fort­ führen kann, ist insofern zu bejahen, nh? es zulässig ist. daß die AG. ihrer bisherigen Firma Oie neuerworbene Finna mit einem biiv Naehfolgeverhaltnis andeutenden Zusatze hinzu­ fügt oder die erworbene Firma (mit dem Zusatze „Aktiengesellschaft" usw.) durch Satzungs­ änderung als einzige Firma anuimmt (vgl. Abs. 1 Satz 2 unseres Paragraphen bzw. § 4 GmbHG.). Sie ist aber insofern zu verneinen, als es nicht zulässig ist, daß sie neben

174 § 22.

Anm. 12».

ILE. Abschnitt: Handelsfirma.

ihrer bisherigen Firma die neuerworbene Firma führt. Vereinigt sie das neuerworbene Geschäft mit dem bisherigen, so folgt die Verneinung schon aus anderweit entwickelten Gründen, die auch für den Einzelkaufmann gelten (vgl. Erl. zu § 17, insbes. Anm. 3). Aber auch wenn das neuerworbene Geschäft getrennt betrieben wird, stehen der dop­ pelten Firmenführung durch die AG. die für diese geltenden Sonderbestimmungen ent­ gegen (§ 182 Nr. 1 und dort Anm. 16), die deutlich erkennen lassen, daß nach dem Willen des Gesetzgebers die AG. nur eine Firma haben darf. Es kann den Aktionären einer AG. nicht überlassen bleiben, den Gesellschaftsvertrag dahin zu ändern, daß die Gesell­ schaft zwei oder gar mit demselben Recht hundert verschiedene Firmen führen soll (ebenso KG. in KGJ. 12, 22 u. 20A39 sowie in RIA. 12, 222 und in OLGR. 41, 193; OLG. Dresden in ZBlFG. 16, 105; OLG. München bei Holdheim 3, 35, DürHach. § 20 Anm. 4; Fischer in EhrenbergHandb. 3, 86; dagegen Behrend § 34 Anm. 33; Opet in ZHR. 49, 66; Hinsberg bei Holdheim 6, 254 und Scheuing, Die Führung einer zweiten Firma durch Handelsgesellschaften, Stuttgart 05; vgl. hierzu auch Breit in LZ. 1914, 1886). Zu­ lässig ist aber, daß eine AG. ein bestehendes Geschäft mit dem Firmenrecht erwirbt und sofort weiterveräußert (KG. in DIZ. 02, 202). Die vorstehenden Ausführungen gelten übrigens auch von der GmbH. (KGJ. 14, 34) wie von der KGaA. Ebenso von der o.HG. und von der Kommanditgesellschaft; auch diese können nur eine Firma haben (vgl. auch § 17 Anm. 3 und § 105 Anm. 20) und daher zwar ein Handelsgeschäft mit Firrnenrecht erwerben, die erworbene Firma aber nur führen, wenn sie die frühere aufgeben (vgl. § 105). Erwirbt eine o.HG. das Geschäft eines Einzelkaufmanns, und soll dessen bis­ herige Firma fortgeführt werden, so kann dies nur in der Weise geschehen, daß als Inhaber der Firma die Gesellschafter selbst (nicht die o.HG.) eingetragen werden (KG. in RIA. 3, 14). Ebenso kann ein Einzelkaufmann, der das Geschäft einer o.HG. oder einer Kom­ manditgesellschaft kauft, nicht die Bezeichnung o.HG. oder Kommanditgesellschaft in seiner Firma führen, es sei denn, daß er dies mit einem das wahre Verhältnis deutlich bezeich­ nenden Nachsolgezusatz täte (KG. in RIA. 17, 83; DürHach. Anm. 13). Der § 22 gilt auch für den Fall der Veräußerung eines nach § 36 in das Handelsregister eingetragenen Unternehmens einer öffentlichen Körper­ schaft (BayObLG. in OLGR. 42, 210). In einem derartigen Falle müssen die in Anm. 12 dargelegten Grundsätze entsprechend angewendet werden. Daher darf eine Firma, die den Anschein erweckt, als handle es sich um das Unternehmen einer öffentlichen Körper­ schaft, in Privathand nicht ohne sachgemäße Abänderung fortgeführt werden. Ent­ sprechendes gilt, wenn eine juristische Person im Sinne von § 33 ihr Handelsgeschäft veräußert. Ebenso ist § 22 anwendbar beim Erwerb eines Handelsgeschäfts seitens einer öffentlichen Körperschaft oder juristischen Person. Auch in diesem Falle wird eine sach­ gemäße Umgestaltung der Firma häufig erforderlich sein.

Anm. 13. d) Die Befugnis zur Weiterverüußerung der Firma, ferner zu ihrer Verwendung bei Zweiggeschäften. Die Genehmigung zur Fortführung der Firma ist, auch wenn nur die Person des Erwerbers als zur Fortführung berechtigt genannt ist, im Zweifel als erteilt anzusehen, solange das Geschäft weiterbetrieben wird, sei es auch in dritter Hand (Bolze 6 Nr. 170; RG. 56, 189 und in IW. 02, 18625). Ter Firmenerwerber (auch der von Todes wegen) hat also im Zweifel auch das Recht der Veräußerung des Firmenrechts (KG. in NIA. 17, 92); auch darf er einen Gesellschafter aufnehmen und das Gesellschaftsgeschäft unter der erworbenen Firma wciterführen. Ebenso darf er Zweigniederlassungen unter der Firma gründen und sie unter der erworbenen Firma zu selbständigen Geschäften erheben (KGJ. 18, 26; BayObLG. in OLGR. 3, 406; zust. Opet 122). Immerhin ist dies Frage des einzelnen Falles; die Zustimmungserklärung des Veräußerers ist auszulegen (ebenso Longard in DIZ. 1912, 666). Auch ob der Firmen­ erwerber derartig vervielfältigte Niederlassungen unter der abgeleiteten Firma als selbständige Geschäfte auf andere übertragen darf (§ 30 Anm. 11), ist Auslegungsfrage. Hier wird im Zweifel anzunehmen sein, daß ein solches Verfahren dem Willen des früheren Firmen-

III. Abschnitt: Handelsfirma.

175

Inhabers nicht entspricht (RG. 67, 94 u. 104, 343; KG. in RIA. 17, 87; SächsOLG. 8 22. 40, 212; Silberschmidt in ZHR. 82, 293; TürHach. Anm. 9; Longard a. a. O.; BayObLG. in LZ. 6, 858; a. M. LG. Hamburg in LZ. 07, 845 und Adler in ZHR. 85, 135). Ganz besonders wird man dies als den Willen der Parteien dann annehmen müssen, wenn die Firma den Namen des früheren Inhabers enthält (KG. in OLGR. 4, 462 u. 7, 147). Bildet dieser Name keinen Bestandteil der Firma, so wird man eher geneigt sein, den Er­ werber für befugt zu halten, Zweigniederlassungen zu gründen und die zu selbständigen Geschäften erhobenen Zweigniederlassungen mit der Firma weiterzuveräußern (OLG. Darmstadt in RIA. 11, 275). In allen diesen Beziehungen kann durch den Firmen­ übertragungsvertrag bzw. die Verfügung von Todes wegen etwas anderes festgesetzt werden. Insbesondere ist auch eine Überlassung der Firma auf Zeit oder für die Person des Erwerbers möglich (RG. 102, 22; auch in IW. 88, 33112 und 1911, 660"; vgl. Anm. 7 u. 15); ebenso unter Beschränkungen (§ 24 Anm. 6). Ist nach der getroffenen Ver­ einbarung eine Befugnis zur Weiterveräußerung der Firma bzw. zu ihrer Verwendung bei Zweigniederlassungen nicht anzunehmen, so kann der Berechtigte widersprechen und nötigenfalls klagen. Aber für den Registerrichter genügt in der Regel die Zustimmung des bisherigen (des letzten) Firmeninhabers; der ursprüngliche Firmenträger (der Begründer der Firma) ist für ihn ein Dritter, dem er es überlassen kann, etwaige An­ sprüche aus seinem Namensrechte im Klagewege zu verfolgen (RG. 104, 343). Hat olfo A.B. sein Geschäft mit der Firma „A. B.” an den C. übertragen und überträgt nun C. das Geschäft mit der Firma „A.B.“ weiter an den D., so hat der Registerrichter nicht etwa die Zustimmung des A. B. zu dieser Weiterübertragung zu verlangen. -Endlich verliert der Veräußerer die Befugnis zur Führung der FirmaAnm. 14. (vgl. Anm. 8). Sollte sie auch seinen bürgerlichen Namen tragen, so darf er ihn doch bei dem Betriebe eines neuen Geschäfts an demselben Orte (ob auch anderwärts, ent­ scheidet sich nach dem Veräußerungsvertrage; vgl. Anm. 33; außerdem § 30 Anm. 6 und § 37 Anm. 26 über § 16 UnlWG.) nicht benutzen, vielmehr muß er dazu eine Firma wählen, die sich von der veräußerten deutlich unterscheidet und auch dem sonstigen Inhalt des Veräußerungsvertrags entspricht. Das gilt natürlich alles auch dann, wenn eine AG., KGaA, oder GmbH, die Firma mit dem Zusatze „AG.", „KGaA." bzw. „GmbH." fortführt. Irrtümer nach dieser Richtung entstehen oft dadurch, daß die Registerrichter bei der Einbringung von Geschäften mit der Firma in neugegründete Gesellschaften der gedachten Art die bisherige Firma löschen, anstatt sie zu übertragen. — Ist es nach vorstehendem nicht ausgeschlossen, daß der Veräußerer sofort eine neue Firma annehmen kann, so gilt dies auch für den Fall, wenn eine aufgelöste o.HG. das von ihr betriebene Handelsgeschäft mit der Firma veräußert, aber gewisse Vermögenswerte von der Beräußerung ausgeschlossen hat und diese nun durch Liquidation abwickeln will; sie hat in diesem Falle eine neue Firma nach den Vorschriften der §§ 19, 30 zu bilden, wobei der Zusatz „in Liqu." als Unterscheidungsmerkmal gegenüber der veräußerten Firma nicht genügt, und sie hat diese neue Firma und die Tatsache der Liquidation der o.HG. zum Handelsregister anzumelden >OLG. Kalmar in NIA. 9, 252; KG. in KGJ. 39 A 104; LG. Hamburg in LZ. 1910, 253; a. M. Schultze-Görlitz in DNotVZ. 09, 650, nach dessen Ansicht das verbliebene Vermögen überhaupt nicht mehr Handelsgesellschaftsvermögen ist; s. hierzu § 1 Anm. 25). — Entsprechendes gilt für den Fall, daß eine AG., eine KGaA, oder eine GmbH, ihr Geschäft nüt der Firma veräußert, aber gewisse Vermögens­ werte zurückbehält, oder wenn eine solche Veränßernng nach Eintritt der Liquidation oder nach Konkurseröffnung erfolgt. In allen derartigen Fällen muß die veräußernde Gesellschaft, um überhaupt einen Namen zu haben und im Verkehr weiter auf­ treten zu können, eine neue Firma annehmen (KG. in RIA. 13, 240; über die abweichende Ansicht RG. 85, 397 und zu deren Widerlegung s. Flechtheim in LZ. 1915, 943; neuer­ dings hat das RG. in RG. 107, 31 diese seine abweichende Ansicht aufgegeben; vgl. § 294 Anm. 11; auch Brodmann GmbH. § 4 Anm. 6, § 60 Anm. 5 und § 69 Anm. 1 u. 2).

176 § 22.

III. Abschnitt: Handelsfirma.

Gelangen Geschäft und Firma an den alten Inhaber zurück (j. Anm. 15-, so darf dieser die alte Firma, aber ohne Nachfolgerzusatz, führen (Lehmann-Ring Nr. 11). Anm. 15. 3. Besonders über den Geschaftsübergang durch Pacht oder Nießbrauch (Abs. 2). Lit.: Schönewald, Uber die Verpachtung von Handelsgeschäften, Hannover 04; Jacusiel, Nutzungsrecht? am Handelsgeschäft, Berlin 07; DürHach. § 22 Anm. 16ff. und § 25 Anm. 31 ff.; Rud. Jsay, Das Recht am Unternehmen S. 157ff.; Wieland § 23 II ii. III. a) Dieses Verhältnis, das im Abs. 2 anerkannt wird und dessen Zulässigkeit auch nach den Grundsätzen des BGB. keinem Zweifel unterliegt (vgl. Dernburg III §§ 182 u. 195, auch Müller-Erzbach 87), ist ein Unterfall des Rechts zur Fortführung des Geschäfts mit Firma auf Zeit (vgl. Anm. 13, 14). Nach Abs. 2 finden die Vorschriften des Abs. 1 ent­ sprechende Anwendung. Danach ist es auch Voraussetzung deS Abs. 2, daß der bisherige Geschäftsinhaber oder dessen Erben in die Fortführung der Firma ausdrücklich willigen (Anm. 7). Geschieht dies nicht, so muß der Pächter nach Maßgabe der §§ 17ff. eine eigene Firma anmelden (KG. in RIA. 11, 36). Im Falle des Abs. 2 wird nicht das Eigen­ tum, sondern ein Gebrauchsrecht an Geschäft und Firma überlassen. Pächter oder Nießbraucher sind als Inhaber des Geschäfts einzutragen und haben die Pflicht zur An­ meldung, da sie das Geschäft „betreiben" (Feder in DIZ. 04, 118; Goldmann I 96: vgl. über „betreiben" § 1 Anm. 15 ff.). Pächter oder Nießbraucher können gleichfalls die bisherige Firma unverändert oder mit einem Nachsolgerzusatz führen. Hier wird sogar, anders als im Falle der Anm. 9, meist anzunehmen sein, daß der Pächter bzw. "Nießbraucher nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht hat, die Firma fortzuführen, denn nach Beendigung des Verhältnisses will annehmbar der Eigentümer seine Firma selbst weiter benutzen (vgl. Adler in ZHR. 85, 130). Für die Zwischenzeit muß, wenn eine AG., KGaA, oder GmbH. Verpächter ist, eine andere Firma angenommen werden (s. Anm. 14). Es genügt, wenn sie zu diesem Zweck ihrer bisherigen Firma das Wort „Verpächterin" hinzufügt (OLGR. 41, 193 Anm. 1). Bemerkt sei noch, daß der Pächter seiner Firma nicht den Namen dessen, der vor ihm Pächter war („früher Schön"), hinzu­ fügen darf, denn er ist nicht dessen Rechtsnachfolger (OLGR. 10, 228). — Über den Fall der Verpachtung einer AG. nebst Firma j. KG. in OLGR. 27, 300. Über den Fall der Übertragung der Firma durch einen Nießbraucher an dessen Pächter DNotVZ. 1920, 52. Anm. 16. I)) Die Wirkungen find folgende. Die vorhandenen Forderungen gehen im Verhältnis der Vertragsparteien im Zweifel auf Pächter oder Nießbraucher über (Anm. 22fs.). Dem Schuldner gegenüber aber gilt der Pächter oder Nießbraucher zwar nicht in un­ mittelbarer, aber in entsprechender Anwendung des § 25, sofern nicht dessen Abs. 2 Platz greift, auf jeden Fall als der legitimierte Gläubiger hinsichtlich der bisherigen Forde­ rungen. — Für die bisherigen Schulden des Geschäfts hasten Pächter und Nieß­ braucher ebenfalls entsprechend § 25 dem Dritten gegenüber, wie schon die vom Gesetz beobachtete Rücksicht auf die Verkehrssicherheit gebietet (SüchsOLG. 40, 254: Fall einer zwecks pachtweiser Übernahme einer Fabrik gegründeten GmbH.). Ob diese Schulden im Verhältnis der Vertragschließende,: aus sie übergehen, hängt von dem Vertrage ab; im Zweifel wird auch dies anzunchmen sein. Alles unter entsprechender Anwendung der Grundsätze für Abs. 1 (vgl. Amu. 22ff.). Indessen ist mit Lehn:ann-Ring § 25 Nr. 5 (anders DürHach. § 25 Anm. 34) anzunehmen, daß im inneren Verhältnisse der Vertrag­ schließenden der Nießbraucher oder Pächter im Zweifel nicht verpflichtet ist, die zur Zeit des Erwerbs vorhandenen Gläubiger zu befriedigen, vielmehr nur, die Zinsen und sonstigen wiederkehrenden Leistungen aus früheren Geschüftsschulden abzuführen (entsprechende Anwendung von § 1088 BGB.; vgl. unten § 25 Anm. la). — Die nach der Über­ nahme im Geschäftsbetriebe entstehenden Forderungen stehen dem Pächter oder Nießbraucher zu. Die nach der Übernahme entstehenden Schulden sind seine Schulden, wobei zu beachten ist, daß das Geschäftsvermögen, sofern es nicht kraft Vertrags o)er Ge­ setzes sein Eigentum geworden ist (Anm. 17), nicht haftet.

III. Abschnitt: Handelsfirma.

177

c) Tie körperlichen Aktiven des Geschäfts werden nicht Eigentum des Pächters oder Nieß- § 22.

brauchers. Ties wird sich besonders auf die Gegenstände beziehen, die zum dauernden Anm. Gebrauche für das Geschäft bestimmt sind. Dagegen erwirbt der Nießbraucher das Eigentum an den verbrauchbaren Sachen, wozu auch das Warenlager gehört (§ 92 BGB.), schon kraft Gesetzes (§ 1067 BGB.), während bet der Pacht dies von dem In­ halt des Vertrags abhüngen wird. Meist werden die verbrauchbaren Gegenstände ver­ kauft (Anm. 19a), oder es wird vereinbart, daß beim Ende des Vertrags nur ihr Wert Oder gleichartige Gegenstände im gleichen Werte zurückzuerstatten seien. In solchen Fällen geht das Eigentum auf den Pächter über. Wird für Schulden des Pächters oder Nieß­ brauchers in Gegenstände gepfändet, die nicht in sein Eigentum übergegangen sind, so kann der Eigentümer nach allgemeinen Grundsätzen der Pfändung widersprechen. ä)Nach beendeter Pacht oder beendetem Nießbrauch fällt das Geschäft mit der Firma an Anm. den Verpächter oder den sonst Berechtigten zurück. Es ist alsdann zugleich mit der Löschung des Pächters usw. der frühere Geschäftsinhaber oder dessen Rechtsnachfolger als Inhaber der Firma wieder einzutragen, wozu es der Anmeldung seitens beider Beteiligter (nötigen­ falls Verurteilung nach § 16) bedarf (KG. in KGJ. 39 A 107). Die Grundsätze des § 25 sind in diesem Falle entsprechend anzuwenden (KG. in DIZ. 06, 86 und in OLGR. 27, 301; Jacusiel 76; Pisko in EhrenbergHandb. 2, 251; a. M. DürHach. § 25 Anm. 37 und Staub 8 u. 9. Aufl.). e) Ein „ähnliches Verhältnis" ist die Bestellung eines Pfandes mit Nutzungsbefugnis, sog. Anm. Antichrese (§§ 1213, 1273 BGB.; vgl. L. Cohn bei Gruch. 42, 49 und Wieland § 23 V, wo die Unvollkommenheit einer solchen Pfandbestellung zutreffend dargelegt wird). Ein ähnliches, wenngleich in manchen Zügen mehr abweichendes Verhältnis liegt ferner beim ehemännlichen und elterlichen Nutznießungsrecht vor. Doch greifen hier Be­ sonderheiten Platz (Allg. Einl. Anm. 46ff., 68, oben S. 18 ff., 24). Insbesondere geben die ehemännliche und die elterliche Nutznießung nicht das Recht der Überschreibung der Firma auf den Namen des Gewalthabers (§§ 1375, 1383, 1649ff. BGB.; RG. 59, 32 und OLG. Dresden in OLGR. 9, 148; a. M. Winter in DIZ. 06, 315). Es fallen also die aus der Fortführung der Firma sich ergebenden Rechtsfolgen hier weg. Hinsichtlich eines der elterlichen Nutznießung unterliegenden, im Namen des Kindes betriebenen Erwerbsgeschäfts gebührt nach § 1655 BGB. dem elterlichen Teile der sich aus dem Be­ triebe ergebende jährliche Reingewinn. 4. Mischformen. Denkbar ist auch eine Mischung der Übernahme eines Handelsgeschäfts Anm.

17.

18.

19.

19a.

im Sinne unseres Abs. 1 mit einer solchen im Sinne von Abs. 2. Es werden z. B. ein­ zelne Vermögensgegenstände käuflich übernommen, andere gepachtet. Auch in derartigen Fällen ist, wenn sonst die Voraussetzungen vorliegen, § 22 anwendbar. Einen Fall dieser Art behandelt KG. im „Recht" 1924 RsprBeil. Nr. 1251. Vgl. auch oben Anm. 17.

Zusatz 1. Die Form eines Vertrags über Veräußerung eines bestehenden Handels- Anm. 20. geschäftS. Es fragt sich, ob dieses Rechtsgeschäft unter § 311 BGB. fällt und demgemäß der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung bedarf. Unter § 311 fällt ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, sein gegenwärtiges Vermögen oder einen Bruchteil des­ selben zu übertragen (oder mit einem Nießbrauch zu belasten). Ein solcher Fall liegt vor, wenn eine juristische Person, etwa eine AG. oder eine GmbH., ihr gesamtes Vermögen oder einen Bruchteil desselben veräußert, also z. B. in den Fällen der §§ 303ff. HGB.; vgl. hierzu Wittmaack in ZHR. 71, 107. — Wenn ein Eiuzelkaufmann sein Geschäft veräußert oder in eine o.HG. eiubringt (§ 105 Anm. 41), so ist zu unterscheiden: Macht das Handelsgeschäft das ganze Vermögen des Einzelkaufmanns aus, so greift § 311 Platz (a. M. Rud. Jsay 145); dabei ist der Begriff „Vermögen" im wirtschaftlichen Sinne unserer Berkehrsauffassung zu verstehen, so daß also der Vorbehalt einiger Kleidungsstücke und geringwertiger Mobiliar­ gegenstände die Amvendbarkeit des § 311 nicht ausschließt (DürHach. § 25 Anm. 5). Besitzt aber der Einzelkaufmann neben dem Handelsgeschäft noch weiteres „Vermögen" in dem soeben bezeichneten Sinne, so schlügt § 311 nicht ein (RG. in Gruch. 63, 88). Überhaupt Staub, HGB., 12. u. i:r. Ausl. Bd. I. (Bondi.) 12

178 § 22. greift

m. Abschnitt: Handelsfirma.

§ 311 nicht Platz, wenn einzelne Gegenstände veräußert werden, selbst wenn diese zusammengenommen tatsächlich das ganze Vermögen des Veräußerers ausmachen und die Beteiligten sich dessen bewußt sind (RG- 69, 420). § 311 will, wie die Motive ergeben, nur die Fälle treffen, in denen gewissermaßen eine vorweggenommene Erbfolge vorliegt, damit die erschwerte Form Schutz vor Übereilung biete. Daher deckt sich das Anwendungsgebiet des § 311 nicht mit dem des § 419 BGB. (RG. a. a. O.; s. auch § 25 Anm. 24). — Wenn eine o.HG. ihr Geschäft veräußert, so liegt ein Fall des § 311 nicht vor; denn sie ist keine juristische Person. Die Veräußerer sind die Gesellschafter, und deren ganzes Vermögen bildet nicht das Geschäft der von ihnen gebildeten Gesellschaft (RG. in IW. 1910, 24230; DürHach. a. a. O.). Anders Cohn (bei Gruch. 42, 56) und Lehmann-Ring (§ 25 Nr. 10), weil das Geschäft der Gesellschaft als Vermögensmasse eine selbständige Bedeutung besitze. Aber nicht auf die selbständige Bedeutung der Vermögensmasse ist hier Gewicht gelegt, sondern darauf, daß diese Vermögensmasse das ganze Vermögen einer Person oder einen Bruchteil desselben blldet. — Über die Frage, inwieweit ein wegen Formmangels nichtiger überttagungsvertrag nach § 140 BGB. aufrechterhalten werden kann, s. RG. 76, 1. — Im übrigen gelten für die Verttagsform die Vorschriften des BGB. Für die Regel also gilt Formfreiheit. Ausnahmen dann, wenn durch Rechtsgeschäfte eine Form bestimmt ist (§ 125 Satz 2 BGB.), oder wenn das Wesen des abzuschließenden Vertrags (des Kausalgeschäfts) die Beobachtung gewisser gesetzlicher Formen erfordert, z. B. weil der Vertrag über die Ge­ schäftsveräußerung als Schenkungsvertrag (§ 518 BGB.) oder als Erbschastskauf (§ 2371 BGB.) sich darstellt, oder wenn dies nötig wird, weil gewisse Bestandteile, z. B. Grundstücke, zu dem zu übertragenden Handelsgeschäft gehören. Im letzteren Falle muß § 313 BGB. beobachtet werden; sonst wird das ganze Geschäft nichtig sein, wenn nicht anzunehmen ist, daß es auch ohne die Verpflichtung zur Übertragung des Eigentums am Grundstücke vor­ genommen sein würde (§ 139 BGB.; Näheres bei Goldmann I 92). Vgl. hierzu RG. in IW. 1912, 854^. — Weiteres s. § 350 Anm. 42, 54 ff., 66, 70ff. u. 81 ff. Anm. 21. Zusatz 2. Die materiellen Grundsätze bei der Veräußerung deS Handelsgeschäfts, insbesondere die Wirkungen der GeschäftSvcräutzernng unter den Vertragschließenden selbst. § 22 gedenkt des Übergangs eines Handelsgeschäfts nur als Voraussetzung für den Firmenübergang. Mit der materiellen Seite der Geschäftsveräußerung be­ schäftigt er sich nicht. Zwei materielle Rechtsfolgen der Geschäftsveräußerung sind im § 25 behandelt, nämlich die Frage nach der Haftung des Geschäftsübernehmers für die Ge­ schäftsschulden gegenüber den Gläubigern und nach dem Verhältnis der Geschäftsschuldner zum Geschäftsübernehmer. Alle übrigen materiellen Fragen, die bei der Geschäftsveräußerung auftauchen, also insbesondere die Wirkungen der Geschäftsveräußerung unter den Vertragschließenden selbst, sind im HGB. nicht behandelt. Das Handelsgeschäft als solches kann Gegenstand eines schuldrechtlichen Rechtsgeschäfts sein, ein einheitliches ding­ liches Recht kann an dem tatsächlichen Ganzen aber nicht bestehen; daher gibt es auch keinen einheitlichen Übereignungsakt für das Handelsgeschäft als Ganzes, vielmehr spaltet sich die Übereignung je nach der Beschaffenheit der einzelnen Bestandteile in einzelne Übereignungs­ akte (vgl. Anm. 27; § 366 Anm. 12; Lehmann in der Festschrift für Georg Cohn, Zürich 1915; Nothmann 44); bei immateriellen Bestandteilen ist sie überhaupt nicht möglich, hier besteht der entsprechende Akt in einem gewissen tatsächlichen Verhalten, z. B. bei Übertragung der Kundschaft, soweit solche überhaupt möglich, in der Empfehlung des Erwerbers und der Unterlassung eines die bisherigen Kunden ihm abspenstig machenden Tuns (RG. 70, 231). Daher ist Eigentumsvorbehalt des Veräußerers beim Verkauf eines Handelsgeschäfts als Ganzes nicht möglich (RG. in IW. 08, 1959). Über die Frage der Gewährleistung deS Ver­ äußerers für eine Zusage über den Ertrag des Geschäfts s. Anm. 5 zu 8 377. Darüber, ob Anfechtung der Veräußerung eines Handelsgeschäfts als Ganzes nach Maßgabe des Anfech­ tungsgesetzes möglich ist, s. RG. 70, 226 (verneinend) und dagegen (mit überzeugenden Gründen bejahend) OLG. Dresden in LZ. 1910, 332 sowie Marcus in DIZ. 1910, 1458; vgl. auch Domke 79f. Kurz zusammengefaßt kann man sagen, daß für die Geschäftsver-

III. Abschnitt: Handelsfirma.

179

äußerung grundsätzlich die Regeln über den Kauf anwendbar sind, jedoch mit den aus der § 22. Natur der Sache sich ergebenden Abweichungen (RG. 63, 57 u. 69, 429 sowie Rud. Jsay 153; vgl. auch Anm. 9ff. zu § 145; Anm. 3 Vordem. vor § 373). — Uber den Erwerb eines Handelsgeschäfts durch Minderjährige s. LLG. Breslau in OLGR. 26, 270 und dazu Josef in Holdheim 1913, 268. — Uber die Verpfändung eines Handelsgeschäfts s. § 368 Anm. 4. Im übrigen ist folgendes zu bemerken: Anm. 22. A. Die Aktiva des Geschäfts. 1. Was gilt als veräußert, wenn ein Handelsgeschäft veräußert wird? Aus Anm. 6 ergibt sich, daß zur Veräußerung eines Handelsgeschäfts nicht notwendig der Übergang aller, sondern nur der zur Führung des Geschäfts wesentlichen Bestandteile gehört. Was im einzelnen als veräußert gilt, darüber entscheidet der Veräußerungs­ vertrag. Der Inhalt solcher Veräußerungsverträge ist in der Regel dahin auszulegen, daß Anm. 23. alles das als veräußert gilt, was nicht besonders ausgenommen ist (RG. in IW. 92, 59"). Denn die Verfügungen über eine Sache ergreifen ihre Bestandteile von selbst. Deshalb ist auch ein Zweiggeschäft mitgetroffen, wenn ein Geschäft ver­ äußert wird (RG. in IW. 91, 572«). Denn es ist nur ein Zubehör des Hauptgeschäfts (RG. 38, 263; M. Wolff in EhrenbergHandb. 4, 17), zwar nicht im eigentlichen Sinne des § 97 BGB., da hiernach nur die beweglichen Sachen, die in räumlicher Verbindung mit der Hauptsache stehen, als Zubehör gelten, wohl aber in dem weiteren Sinne der rechtlichen und wirtschaftlichen Zugehörigkeit ({. Anm. 13 u. 16 zu § 13). Im wesent­ lichen zust. Rud. Jsay 146 und Domke 40. Selbstverständlich kann eine Zweigniederlassung von der Veräußerung ausgeschlossen werden (RG. 77, 60). 2. Insbesondere gelten auch außenstehende Forderungen als mitveräußert, wenn ihre Aus-Anm. 24. scheidung nicht vereinbart ist (RG. in IW. 92, 5912). Das bezieht sich aber nur auf die geschäftlichen Forderungen, d. h. auf die „im Handelsbetriebe begründeten For­ derungen" (vgl. den Ausdruck im § 25; auch § 343 Abs. 1 und RG. 72, 436). Hierzu ist der Anspruch auf einen Lotteriegewinn zu rechnen, wenn das Los aus der Geschäfts­ kasse bezahlt ist (dies gegen L. Cohn bei Gruch. 42, 57). Es bezieht sich nicht auf Privat­ forderungen des Veräußerers, z. B. nicht auf private Gefälligkeitsdarlehen, auf An­ sprüche wegen Rückgabe verliehener Lesebücher aus der Privatbücherei. Die Vermutungen des § 344 sind hier in Anwendung zu bringen (vgl. Anm. 7 u. 13 zu § 344, besonders aber Wolff in ZHR. 47, 257 ff.; a. M. RitterKomm. S. 45). Aus die Geschäftsforde­ rungen bezieht sich die Veräußerung ohne Rücksicht darauf, ob sie auf Vertrag beruhen oder auf anderen Rechtsgründen. Daher sind im Zweifel mitveräußert Forderungen aus Patentverletzung, Nachdruck, Unterschlagung (vgl. ROHG. 1, 37); auf Vertrags­ strafe, selbst auf erst nach dem Übergang verwirkte, z. B. wegen Verletzung eines Wett­ bewerbsverbots (RG. 72, 435; 96, 173; KsmG. und LG. Darmstadt in GewKfmG. 13, 211; vgl. Anm. 38 und § 74 Anm. 16). Auch der Anspruch auf Einhaltung des Weltbcwerbverbots selbst ist im Zweifel mitübertragen (RG. 102, 128). Ebenso Forderungen der Gesellschaft an die Gesellschafter (z. B. auf Rückgewähr zuviel entnommenen Ge­ halts; Bolze 11 Nr. 380). Auch bereits als uneinbringlich abgeschriebene Forderungen (Karlsruhe in BadRpr. 1912, 127). Nicht aber bloße Aufträge, auch wenn sie angenommen sind, denn erst durch die Ausführung des Auftrags entsteht ein Anspruch des Beauftragten (für das frühere Recht Bolze 9 Nr. 333; jetzt auch § 664 Abs. 2 BGB.). Im einzelnen Falle kann auch hier Übertragbarkeit und Ubertragungswille vorliegen, doch müssen hier­ für besondere Umstände dargetan werden. Von der Lage des einzelnen Falles hängt es auch ab, ob die Rechte und Pflichten aus laufenden Verträgen, z. B. auf Lieferung oder auf Abnahme von Waren, Anstellungsverträge, Mietverträge, mitübertragen sein sollen. Uber Anstellungsverträge vgl. § 70 Anm. 27. Bei Mietverträgen ist zu berück­ sichtigen, daß der Vermieter im Zweifel nicht gezwungen werden kann, das Mietverhältnis mit dem Rechtsnachfolger des Geschäftsinhabers fortzusetzen („Recht" 1911, 576; OLGR.

180 § 22.

III. Abschnitt: Handelsfirma.

5, 369; Tahlsheimer in BayZ. 1924, 170). — Mit den Forderungen gehen auch die Sicherungsrechte über (§ 401 BGB.; vgl. Anm. 27). Jedoch ist bei einer Bürg­ schaft für künftige Forderungen (Kreditbürgschaft) zu untersuchen, ob sie nur zugunsten des zeitigen Firmeninhabers geleistet war oder auch zugunsten eines etwaigen Firmen­ nachfolgers. Im Zweifel wird man das erstere annehmen. In diesem Falle gehen auf den Erwerber des Geschäfts nur solche Ansprüche aus der Bürgschaft über, die für bereits entstandene Verbindlichkeiten des Hauptschuldners schon entstanden waren (RG. irrt „Recht" 1914 Nr. 1610 u. 1611; vgl. auch OLG. Stuttgart ebenda 1913 Nr. 2161). Anm. 25. 3. Auch die Telegrammadresse gilt als mitveräußert (§ 17 Anm. 7; zust. Heyden in DIZ. 00, 92; vgl. Anm. 33), es sei denn, daß aus den Umständen etwas Gegenteiliges zu entnehmen ist (RG. in IW. 1924, 294°). Ebenso die Geschäftsbezeichnung (§ 17 Anm. 6), das Warenzeichen (RG. in IW. 04, 99 28; OLG. Hamburg in OLGR. 16, 129; über die Frage, wer bei einem für eine abgetretene Firma eingetragenen Warenzeichen zum Strafantrag berechtigt ist, s. RGSt. 41, 425; 43, 335; GoltdA. 54, 74; über die Frage, in welcher Verbindung das Warenzeichen einer ausländischen Firma mit dieser steht, entscheidet das betreffende ausländische Recht; RG. 74, 431). Auch Preismedaillen, Ehrendiplome und ähnliche Auszeichnungen von gewerblichen Vereinigungen oder Behörden für geschäftliche (nicht für persönliche) Leistungen gelten als mitveräußert, wenn die rechtliche Natur der Auszeichnung nicht entgegensteht (OLG. Dresden in ZHR. 40, 446; KG. in DIZ. 06, 204; Fuld in GewRschutz 08, 296). Vgl. auch IW. 1911, 223" (auch über die Frage, welches Recht für die Frage des Weiterbestehens bei einer aus­ ländischen Firma anzuwenden ist). Was Fabrik- und Geschäftsgeheimnisse an­ langt, so ist ebenfalls im Zweifel anzunehmen, daß diese dem Erwerber zukommen, z. B. Rezepte, Geheimverfahren (die Entscheidungsgründe RG. 107, 171 sind hier entsprechend anzuwenden). Über Rechte aus We 1 tbewerbverb oten s. Anm. 24. Anm. 26. 4. Die HandelSbücher gehen mit über, soweit sie zur Fortsetzung der geschäftlichen Be­ ziehungen notwendig sind, also zunächst immer, wenn Aktiva und Passiva mit übernommen werden (ROHG. 19, 419; vgl. auch § 402 BGB.), im übrigen, wenn und sorveit der Erwerber sie braucht, um sich einzuarbeiten. Dabei ist aber hervorzuheben, daß der Über­ nehmer, auch rvenn er Forderungen und Schulden nicht übernimmt, dennoch die wesentlichsten Handelsbücher nicht wird entbehren können, um die Beziehungen des Geschäfts fortzusetzen, um sich über die Kunden und die Gläubiger, die Abnehmer und Lieferanten, ihre Zahlungsfähigkeit und Zahlungsweise und ihr Geschäftsgebaren auf dem laufenden zu erhalten und danach zu beurteilen, ruic der Geschäftsverkehr mit ihnen weite: zu pflegen ist (ROHG. 7, 74). Ein bloßes Kunden- oder Glüubigerverzeichnis wird h.erzu regel­ mäßig nicht genügen. Die Gefahr, auf die Simon in ZHR. 24, 122 hinweir, der Ver­ äußerer könne hierdurch mit seiner gesetzlichen Ausbewahrungspflicht (§ 44) in Wider­ spruch geraten, dürfte nicht vorhanden sein, rvenn der Kaufmann seine Handelsbücher seinem Geschäftsnachfolger überläßt, der selbst das erheblichste Interesse ar. der Ver­ wahrung der Bücher hat; darin lüge wohl auch keine schuldhafte Verletzung der Auf­ bewahrungspflicht. Zweckmäßigerweise wird der Veräußerer sich ausbedingen, daß der Geschästserwerber die Handelsbücher tvührend der 10 Jahre des § 44 sorgfältig aufbe­ wahrt. Ebenso, daß er, der Veräußerer, das Recht jederzeitiger Einsicht hat, rvcs übrigens, sofern ein Bedürfnis für solche Einsicht vorliegt, im Zweifel als gewollt anM'ehen sein dürfte. Was von den Handelsbüchern gesagt ist, gilt auch von den auf das Geschäft sich beziehenden Rechnungen und Briefen (OLG. Frankfurt a M. im „Recht" 07, 581). Vgl. hierzu Pisko in EhrenbergHandb. 2, 222. Anm. 27. 5. Die Wirkung der Veräußerung hinsichtlich der Aktiven ist, daß das Geschäft übergeben, d. h. der Erwerber in die Lage gesetzt werden muß, es fortzusühren; die beweglüien Sachen müssen übergeben, die Grundstücke aufgelassen, die Wechsel indossiert, etwage Patente umgeschrieben werden, und hinsichtlich der geschäftlichen Chancen muß der (.'rwerber in die Lage versetzt werden, sie ungehindert, insbesondere ohne Störung durh den bis-

III. Abschnitt: Handelsfirma.

181

herigen Geschäftsinhaber, auszubeuten; vgl. hierzu Anm. 21. Infolgedessen kann er z. B. § 22. auch verlangen, daß ihm die an das Geschäft gelangenden Postsendungen ausgehändigt werden, selbst wenn die Firma bei der Übernahme des Geschäfts gelöscht sein sollte (RG. 55, 125). — Hinsichtlich der Fordernngen liegt in dem Veräußerungsvertrage eine genügende Abtretung (ROHG. 2, 155; Bolze 1 Nr. 312). In Rundschreiben, die von beiden Teilen unterschrieben und an die Schuldner versandt werden, liegt eine genügende Anzeige (RG. in IW. 90, 37516), falls nur der Übergang der Forderung daraus hervor­ geht; aber eine allgemeine Anzeige des Geschäftsübergangs genügt diesem Erfordernisse nicht (Cosack 7. Aufl. § 14 S. 53). Liegt eine genügende Anzeige in der Fortführung des Geschäfts mit der Firma? Hierüber s. § 25 Anm. 16. Mit der Abtretung gehen auch die Rechte aus Bürgschaften und Pfandrechten über; hierüber s. Anm. 24. Wo zur Abtretung eine besondere Form erforderlich ist, wie bei der Verkehrshypothek (§ 1154 BGB.), da liegt in dem dieser Form nicht entsprechenden Veräußerungsvertrage noch nicht die Abtretung selbst, sondern nur die Einigung über die zu bewirkende Abtre­ tung. Bei der Höchstbetragshypothek kann zwar die Forderung ohne die Hypothek formlos übertragen werden, doch gilt alsdann die Hypothek nicht als übergegangen (§ 1190 Abs. 4 BGB.); sie bleibt dem bisherigen Geschäftsinhaber für etwaige weitere Forderungen aus dem gesicherten Verhältnis, und wenn diese nicht vorhanden sind, geht sie als Eigentümergrundschuld auf den Eigentümer über. Diese Trennung der Forderung von der Höchstbetragshypothek gilt ini Zweifel nicht als beabsichtigt. Ge­ hört daher letztere zu den Geschäftsaktiven, so gelten auch die bisher entstandenen Forderungen durch den allgemeinen Aktivenübergang mit als abgetreten; dagegen ist die alsbaldige Abtretung der Höchstbetragshypothek in gehöriger Form dringend anzu­ raten, da sonst die weiteren Forderungen, die dem Geschäftserwerber erwachsen, durch sie nicht gedeckt werden. Entsprechend empfiehlt es sich nach dem in Anm. 24 a. E. Dargelegten, auch Kreditbürgschaften für weiteren Kredit vor dessen Gewährung neu bestellen zu lassen, wenn nicht unzweifelhaft feststeht, daß solche Bürgschaft auch dem Geschäftsnachfolger gegenüber, der die Kreditverbindung mit dem Hauptschuldner fort­ setzt, eingegangen war. — Auf Verlangen hat der Geschäftsveräußerer dem Geschäfts­ übernehmer auf dessen Kosten eine öffentlich beglaubigte Urkunde über die Abtretung der Forderungen auszustellen (§403 BGB.), und zwar, wie anzunehmen ist, hinsicht­ lich jeder einzelnen Forderung. — Ter Veräußerer haftet dem Übernehmer für den rechtlichen Bestand der Forderungen, nicht auch für die Zahlungsfähigkeit der Schuldner (§ 437 BGB.). — Über den Einfluß der Geschäftsverüußerung auf laufende Dienst­ verträge s. § 70 Anm. 27. 6. Durch Vereinbarung der Parteien kann über alle diese Punkte anders verfügt werden, Anm. 28. bis zu der Grenze, wo der Begriff der Geschäftsveräußerung überhaupt aufhört, d. h. es dürfen nicht die Bestandteile des Geschäfts von dem Übergange auf den Erwerber ausgeschlossen werden, auf bcucii die Möglichkeit der Geschäftsführung beruht (Anm. 6). Insbesondere können auch die Forderungen ausgenommen werden; im Falle der Fort­ führung der Firma jedoch ist eine solche Abrede dem Schuldner gegenüber nur wirk­ sam, wenn sie in das Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht oder von dem Erwerber oder dem Veräußerer dem Tritten mitgeteilt worden ist (§ 25 Abs. 1 u. 2). B. Die Passiva des Geschäfts. Anm. 29. 1. Diese gehen nicht etwa als gesetzliche Folge der Geschäftsübernahme von selbst über. Eine solche Annahme ist im Gesetz nicht begründet. Ob überhaupt Übernahme der Passiven angenommen werden kann, ist Auslegungsfrage. § 25 Abs. 2 entscheidet diese Frage für das Verhältnis zwischen Veräußerer und Er­ werber nicht, denn dort wird diese Frage nur im Verhältnis zu den Gläubigern behandelt. Jedenfalls aber kann der Übergang der Passiva in der Übernahme des Geschäfts liegen (Bolze 13 Nr. 435), und nach Bolze 17 Nr. 318 liegt er im Zweifel in der Übernahme des Geschäfts nut unveränderter Firma, sowie darin, daß die Han-

182

§ 22.

III. Abschnitt: Handelsfirma.

delsbücher ohne weiteres fortgeführt werden.

Sind die Passiva übernommen, so

wird man hier, wie bei den Aktiven, den Parieiwitten dahin auSlegen müssen, daß alle die Schulden übergehen, die nicht ausgenommen sind, denn Gegenstand des Vertrags ist die Summe der zu dem Geschäft gehörigen Rechte und Verbindlichkeiten (RG. 46, 266; Rud. Jsay 146; vgl. auch — z. T. abweichend — ROHG. bei Stege­ mann 1, 381; Simon in ZHR- 24, 91; Wolff ebenda 47, 258). Allerdings muß hier, wo es sich um das Verhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber handelt (anders im Verhältnis zu Dritten; hierüber s. § 25), die Einschränkung hinzugefügt werden, daß die Geschäftsschulden nur als übernommen gelten, soweit der Erwerber sie kannte oder kennen mußte; denn sonst kann nicht angenommen werden, daß er sie übernehmen wollte (RitterKomm. S. 45; Adler in ArchBürgR. 3, 22; Domke 58). Im Zweifel gehören zu den übernommenen Verbindlichkeiten alle Geschäftsschulden, d. h. alle die Verpflichtungen, die zu dem Geschäftsbetriebe in einer solchen inneren Verbindung stehen, daß sie als eine Folge dieses Geschäftsbetriebes erscheinen, „alle im Betriebe des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten" (§25 Anm. 11; RG. 58,23). Es gehören dazu nicht die sog. Privatschulden (ROHG. 8, 41), d. h. nicht die von dem Kaufmann in seinem Privatleben begründeten Verbindlichkeiten (Miete für seine Privatwohnung, Verbindlichkeiten cniS vormundschaftlicher Verwaltung, aus ehren­ amtlicher Berwaltungstätigkeit), ebenso nicht die Verbindlichkeiten eines Geschäfts, das der ^Veräußerer unter einer anderen als der übertragenen Firma betreibt (RG. im

„Recht" 07, 1473; vgl. §17 Anm. 3). Die im § 344 Abs. 1 ausgestellte Rechtsvermu­ tung kommt auch hier in Betracht (RG. 102, 245; a. M. RitterKomm. S. 45 und DürHach. § 25 Anm. 12), nicht auch, wie dies einige (z. B. Bolte in ZHR. 51, 440) wollen, die Fiktion des § 344 Abs. 2 (s. Wolff in ZHR. 47, 259; anders hinsichtlich des § 344 Abs. 2 im Verhältnis zum Gläubiger, vgl. §25 Anm. 11). Tie Eintragung in die Handelsbücher ist ein wertvoller Fingerzeig, aber nicht entscheidend (ROHG. 8, 42). Unter die Geschäftsverbindlichkeiten fällt auch eine Vereinbarung, durch die man sich zur Änderung der Firma verpflichtet hat (z. B. Weglassung der Worte: „Jtzehoer Netzfabrik"); auch dies muß der Erwerber gegen sich gelten lassen (RG. 58, 23). Die Geschäftsschulden sind aber nicht nur dann getroffen, wenn sie fällig, sondern auch wenn sie bedingt oder betagt sind oder aus noch nicht erfüllten zweiseitigen Ver­ trägen herrühren (ROHG. 8, 385; Bolze 16 Nr. 316); so z. B. Verbindlichkeiten gegenüber dem den Geschäftsgläubiger befriedigenden Bürgen gemäß § 774 BGB., auch wenn die Befriedigung erst nach der Geschäftsveräußerung stattfindet (RG. in IW. 07, 8318); Verpflichtungen aus einem Kartellvertrage (RG. 76, 7); ferner solche aus einem Wettbewerbverbot, soweit dieses nicht an die Person gebunden ist, z. B. Verbindlichkeiten aus der zwischen Kaufleuten getroffenen Vereinbarung, innerhalb be­ stimmter Bezirke keinen Wettbewerb zu bereiten (RG. 68, 297; 88, 106; 96, 173; RG. in SeuffA. 76, 152; vgl. Anm. 38). Auch gehören zu den Geschäftsschulden die zwecks Begründung oder Erwerbung des Geschäfts eingegangenen Verbindlichkeiten (ebenso RG. in IW. 08, 20627 sowie 1912, 110710; ferner für ein zum Zwecke des Erwerbs des Geschäfts aufgenommenes Darlehn im „Recht" 09 Nr. 2516 und in IW. 1910, 75826; vgl. auch Erl. zu § 343; a. M. für die Regel Dernburg Pr. Pr. II § 65, der ROHG. 8, 38 anführt; Lehmann-Ring § 25 Nr. 2 stellen die Entscheidung auf den Einzelfall ab). Ferner nicht lediglich Schulden aus Handelsgeschäften, sondern z. B. auch die Hypotheken des miterworbenen Geschästsgrundstücks. Auch die auf dinglichem Grunde beruhenden Leistungspflichten, z. B. die Verpflichtung zur Herausgabe einer dem Veräußerer des Geschäfts nicht gehörigen Sache an den Eigen­ tümer, dem gegenüber der Erwerber des Geschäfts sich nicht auf seinen guten Glauben berufen kann (Reichel in IW. 1910, 742). Ebenso Abfindungsverpflichtungen gegenüber einem ausgeschiedenen Gesellschafter (RG. im „Recht" 07, 642; RG. 102, 244). Ge­ schäftsschulden sind nicht nur Vertragsschulden, sondern auch außervertragliche und selbst

III. Abschnitt: Handelsfirma.

183

solche aus unerlaubter Handlung, wenn es Verpflichtungen sind, die mit dem Geschäfts- § 22. betrieb in einer so engen Verbindung stehen, daß sie als Folge dieses Geschäftsbetriebs erscheinen (D. 40), z. B. Schadensersatz aus Patentverletzung oder aus § 120 GewO, oder aus dem Haftpflichtgesetz (RG. 15, 54 u. 121). Auch wenn im Geschäftsbetriebe betrügerische oder sonst unlautere Machenschaften vorgekommen sind und hierdurch Verbindlichkeiten erwachsen, trifft das ebengedachte Merkmal auf sie zu, und es kann nicht etwa eingewendet werden, der Geschäftsbetrieb sei nicht auf betrügerische Hand­ lungen gerichtet (vgl. auch RG. in IW. 83, 22827). Auf den Gegenstand der Ver­ pflichtung kommt es nicht an, ob es Geld oder Sachen, bestimmte oder vertretbare Sachen sind, deren Leistung oder Lieferung geschuldet wird, abgesehen von Ver­ pflichtungen, die in dem Sinne höchstpersönlich sind, daß ihr wirtschaftlicher Wert in der Leistung durch die bestimmte Person liegt. Hierzu gehört jedoch die Rechnungs­ legungspflicht nicht. Diese geht daher mit den Passiven auf den Übernehmer über und verbleibt außerdem beim Veräußerer. Weder der eine noch der andere kann sich wegen Schwierigkeiten oder gar Unmöglichkeit der Rechnungslegung von der Pflicht befreien (Bolze 6 Nr. 420). Übernimmt ein Geschäftsübernehmer (oder einer von mehreren Gesellschaftern) die Passiva des Geschäfts und somit die Verpflichtung, den Vertragsgegner von seinen Geschäftsverbindlichkeiten zu befreien, und überträgt er dann selbst das Geschäft mit Aktiven und Passiven auf einen dritten Erwerber, so ist auch jene Befreiungspflicht eine auf diesen Erwerber mit übergehende Geschäftsschuld. Das gleiche gilt von einer Abfindung, die jenem Rechtsvorgänger geschuldet wird (s. oben; anders ROHG. 11, 153). über Steuerschulden s. § 25 Anm. 33. 2. Durch Vertrag können alle Passiva oder einzelne von ihnen ausgenommenAnm.30. werden; dann kommt es aber darauf an, ob die Ausnahme mit dem Begriffe des Übergangs eines Geschäfts noch verträglich ist (Anm. 6). Bei Fortführung des Ge­ schäfts mit Firma gilt eine solche Abrede dem Gläubiger gegenüber nur dann, wenn sie eingetragen und bekanntgemacht oder dem Gläubiger mitgeteilt ist (§ 25). Die Gesellschafter einer o.HG. können über besondere Rechte eines Gesellschafters hinsichtlich der Firma Sonderbestimmungen treffen; dann ist dies eine Gesellschaftsschuld, für die der Neueintretende haftet (RG. 66, 320; vgl. § 23 Anm. 1).

3. Soweit eine Passivenübernahme vorliegt, kann eine Schuldübernahme im Sinne derAnm. 31. §§ 414ff. BGB. vorhanden sein, d. h. eine Schuldübernahme mit der Absicht und Wirkung, daß der neue Schuldner an die Stelle des alten tritt (es sei denn, daß eine kumulative Haftungsübernahme eintreten soll, §25 Anm.9). Eine solche Schuld­ übernahme bedarf der Einwilligung des Gläubigers (§415 BGB.). Das führt zu dem Verhältnis der Veräußerungsparteien zu den Gläubigern, s. §§ 25ff.; allein mag eine Schuldübernahme nach §§ 414ff. BGB. vorliegen oder nicht, jedenfalls hat der Über­ nehmer die Verpflichtung, den Veräußerer zu befreien, und zwar in der Weise, daß er verpflichtet ist, den Gläubiger rechtzeitig zu befriedigen, nicht etwa so, daß er den Gläubiger zu veranlassen hat, den Veräußerer ausdrücklich und sofort aus der Ver­ bindlichkeit zu entlassen (Behrend § 37 Anin. 18a; OLG. Königsberg in OLGR. 4, 227; vgl. § 415 Abs. 3 BGB.). Doch kann selbstverständlich auch das Gegenteil ver­ einbart werden oder sich durch Auslegung ergeben.

4. Über das Verhältnis des Geschäftsübernehmers zu den Gläubigern s. §§25ff.Anm. 32.

Zusatz 3. Bei der Veräußerung von Geschäften werden oft Wettbewerdverbote Anm. 33. vereinbart. Vgl. hierzu § 348 Anm. 4ff. Dies kann auch stillschweigend geschehen und geschieht oft so (Marcus im „Recht" 1910, 561; RG. 96, 172), z. B. wenn ein 70jähriger Prinzipal sich vom Geschäft zurückziehen will und deshalb dieses seinem bis­ herigen Reisenden verkauft (RG. in DIZ. 08, 425; s. auch OLG. Kolmar in OLGR. 12, 51). Mindestens wird es meist gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn der Gefchäftsveräußerer nachmals eine Firma annimmt, die der übertragenen ähnlich lautet, auch

184

§ 22. wenn

III. Abschnitt: Handelsfirma.

darüber nichts vereinbart ist (RG. im „Recht" 08 Nr. 2073; vgl. oben 2nm. 14; außerdem § 30 Anm. 6 a. E.), oder wenn er die alte Telegrammadresse für scn neues Geschäft führt (OLG. Dresden in ZHR. 46, 472; vgl. Anm. 25). Vgl. hierzu auh OLG. Kassel in LZ. 1910, 569 und Rud. Jsay 150 sowie Tomke 46. Aber man terb nicht so weit gehen dürfen, in jeder Übertragung oder Einbringung eines Geschäfts die still­ schweigende Vereinbarung eines Wettbewerbverbots zu finden (OLG. München in LZ. 1915, 568). Im übrigen vgl. Anhang zu § 374 Anm. 177 sowie § 346 Anm. 6. a) Es ist nicht angängig, auf derartig vereinbarte Wettbewerbverbote die Bestimmungen der §§ 74ff. anzuwenden. Diese sind im sozialpolitischer. Inter­ esse erlassen und wollen lediglich den Handlungsgehilfen, die im Kampfe ums Dasein als die wirtschaftlich Schwachen gegenüber den Prinzipalen anzusehen sind, eir.e gesetz­ liche Hilfe bieten. Eine entsprechende Anwendung ist daher hier, wo diese Verhält­ nisse nicht vorliegen, ausgeschlossen (RG. 53, 155; 101, 378; RG. in IW. 05, 478" und im „Recht" 07, 823; OLG. Braunschweig in OLGR. 21, 205; a. M. Marcus in DIZ. 07, 952; Pisko in EhrenbergHandb. 2, 224). Vgl. § 74 Anm. 5. Anm. 34. d) Insbesondere bedarf hier das Mettbewerbverbot nicht der Schriftform; ebenso ist die Begrenzung auf zwei Jahre hier nicht anwendbar; ebensowenig gilt hier Nichtigkeit wegen Minderjährigkeit, weil letztere nur in Verbindung mit der Stellung als Hand­ lungsgehilfe besonders schutzbedürftig erschien. Daher kann ferner für die Gültigkeit solcher Abreden nicht entscheidend sein, ob eine unbillige Erschwerung des Fortkommens in ihnen liegt. Wohl aber ist eine gewisse absolute Grenze der Gewerbewettbewerbverbote auch hier maßgebend. RG. 31, 99 hält die Wettbcwerbverbote für ungültig, wenn sie geeignet sind, die Erwerbsfrciheit des einzelnen für immer, sei es im ganzen, sei es in einzelnen Richtungen, zu vernichten. Das folgt schon aus § 1 GewO., der den Betrieb eines jeden (Gewerbes einem jeden gestattet; eine vertragliche Aufhebung dieses Rechts widerspricht der öffentlichen Ordnung (RG. in IW. 97, 29217; a. M. Thulesius, Tie Konkurrenzklausel, S. 18). Diese Gründe treffen auch auf die Wettbewerbverbote, die zwischen selbständigen Kaufleuten vereinbart werden, zu (§§ 134, 138 BGB.; Titze in IW. 1921, 28). Nicht selten wird man auch das ganze Rechtsgeschäft für nichtig erklären müssen, es sei denn, daß anzunehmen ist, es wäre auch ohne das ungültige Wettbewerbverbot vorgenommen worden (§ 139 BGB.). In jedem einzelnen Falle ist nach der jeweiligen Sachlage zu Drüsen, ob das Wettbewerbverbot sich in angemessenen Grenzen hält und die Bewegungsfreiheit des Verpflichteten nicht ungebührlich einschränkt. Ter Umstand allein z. B, daß das Verbot örtlich unbeschränkt vereinbart ist, macht es nicht zu einem ungesctzmäßigen. Nur aus der Gesamtbetrachtung aller drei Bestimmungsmerkmale, des zeitlichen, ört­ lichen und gegenständlichen Umfangs des Verbots, ist die Entscheidung zu gewinnen, ob es mit dem Grundsätze der Gewerbefreiheit und mit den guten Sitten vereinbar ist oder nicht. Unter Umstünden kann auch die Höhe einer für den Zuwidertandlungsfall vorgesehenen Vertragsstrafe dabei in Betracht gezogen werden. Indes kann diese allein die Annahme eines Verstoßes gegen die guten Sitten nicht rechtfertigen: es muß noch etwas Weiteres hinzukommen, um der Vereinbarung den Stempel der Sittenwidrigkeit aufzudrücken, z. B. wucherische Ausbeutung, ehrenwörtliche Verpflich­ tung, unzulässiger Zwang (RG. in IW. 1921, 15284; vgl. § 348 Anm. 25. In der Regel ist anzunehmen, daß mit dem Wegfall des Interesses des Geschützten auch das Wettbewerbverbot sich erledigt (OLG. Naumburg in OLGR. 22, 206). Anm. 35. e) Was aber die Auslegung solcher Wettbewerbverbote betrifft, so sind in vieen Punk­ ten die Erl. zu §§74ff. heranzuziehen. So z. B. hinsichtlich der Begriffe Bet iligung, Geschäftsbetrieb usw. (§74 Anm. 17—23). Vgl. auch RG. 40, 97; 96, 174; IW. 1910, 279-; 06, 7364. Anm. 36. d) Überschreitet hiernach das Wettbewerbverbot die Grenzen der Zulässigkeit, so ist es nichtig. Ein Ermäßigungsrecht des Richters ist hier nicht vorgesehen, tzin solches

III. Abschnitt: Handelsfirma.

185

ist stets eine Abweichung von der Regel, nach der der Richter nur über Gültigkeit § 22.

oder Ungültigkeit zu entscheiden, nicht aber an die Stelle getroffener Vereinbarungen andere Verhältnisse zu setzen hat (OLG. Braunschweig in OLGR. 22, 205; a. M. Marcus in DIZ. 07, 952; Pisko in EhrenbergHandb. 2, 224). Wohl aber kann im Wege der Auslegung das Verbot auf billige Grenzen zurückgeführt werden. Z. B. hat OLG. Marienwerder in DIZ. 07, 664 die Verpflichtung eines Geschäftsverkäufers, „das von ihm betriebene Stellmachergewerbe cinzustellen und dem Erwerber keine Konkurrenz zu machen", mit Recht so ausgelegt, daß damit nur eine örtliche Be­ schränkung auf den bisherigen Wohnsitz und Geschäftskreis des Verkäufers gemeint sei (in dem vom OLG. Braunschweig a. a. O. entschiedenen Falle wäre eine solche Aus­ legung auch am Platze gewesen). s) Auch hinsichtlich der Folgen der Verletzung eines Wettbewerbverbots, zumalAnm.37. wenn an sie eine Vertragsstrafe geknüpft ist, gelten nur die allgemeinen Vor­ schriften über die Vertragsstrafe, wobei insbesondere in Betracht kommt, daß das richterliche Ermäßigungsrecht rücksichtlich der Höhe einer Vertragsstrafe dann nicht anwendbar ist, wenn ein Vollkaufmann im Betriebe seines Handelsgewerbes die Vertragsstrafe versprochen hat (§348 Amn. 29ff.). Hierbei ist die Frage erheblich, ob die Veräußerung eines Handelsgeschäfts als ein Rechtsgeschäft zu betrachten ist, das „ein Kaufmann im Betriebe seines Handelsgewerbes abschließt" (vgl. hierüber § 348 Anm. 4f., 25, 29f.; § 343 Anm. 26; § 344 Anm. 7 u. 13). Weiter kommt bei Vertragsstrafen dieser Art in Betracht, daß der Verpflichtete sich durch die festgesetzte Strafleistung dann freimachen kann, wenn die Strafe ihrer Höhe nach dazu bestimmt erscheint, dem Berechtigten das volle Interesse an der Vertragserfüllung zu ersetzen. Das entspricht nach der Verkehrssitte dem Grundgedanken solcher die Erwerbsfreiheit einschränkender Strafvereinbarungen, wie das RG. wiederholt angenommen hat (RG. 33, 141; 40, 100). Der Einwand, daß dadurch die gesetzliche Regel für Vereinbarungen dieser Art in ihr Gegenteil verkehrt werde, scheitert an den §§ 157, 242 BGB. (s. Allg. Einl. Anm. 25 oben S. 8). Über die Frage, wann bei einem unter Strafe ge­ stellten Wettbewerbverbot neben der Strafe auch der Anspruch auf Unterlassung ge­ geben ist (§§ 340, 341 BGB.), s. RG. in DIZ. 09, 714 und § 348 Anm. 15ff. t) Schon in Anm. 24 u. 29 ist die Frage des Übergangs von Rechten bzw. Ver-Anm.38. Pflichtungen aus Wettbewerbverboten auf Rechtsnachfolger gestreift worden. Hier ist im allgemeinen hinzuzufügen, daß der daraus hervorgehende Untersagungs­ anspruch im Zweifel übertragbar ist (Marcus in DIZ. 07, 953), allerdings in der Regel nur mit dem Geschäft (Rud. Jsay 151; RG. 102, 128). Andererseits verliert der Inhaber des Handelsgeschäfts, zu dessen Gunsten ein Wettbewerbverbot vereinbart worden ist, mit der Veräußerung des Geschäfts im Zweifel die Aktivlegitimation zur weiteren Geltendmachung des Wettbewerbverbots (OLG. Rostock in OLGR. 38, 171). Im übrigen vgl. §74 Anm. 24. Über die Frage, ob ein Kaufmann, der sich verpflichtet hat, einem anderen nicht Wettbetverb 511 bereiten, bei Veräußerung seines Geschäfts ver­ bunden ist, dem Geschäftsnachfolger vertragsmäßig die gleiche Pflicht aufzuerlegen. s. Anhang zu § 346 Anm. 35 und Anhang zu § 374 Anm. 191 a. E. ß) Wegen des Erfüllungsortes und wegen des Einflusses auf das Verhalten DritterAnm. 39. vgl. § 74 Anm. 26 u. 27. Tie dortigen Ausführungen sind entsprechend anzuwenden. b) Die in Anm. 33 bis 39 enthaltenen Darlegungen gelten entsprechend auch für die Anm. 40. aus anderen Anlässen (z. B. beim Ausscheiden eines Gesellschafters oder bei Erbauseinandersetzungen oder bei Mietverträgen) vereinbarten Wettbewerbverbote zwischen selbständigen Kaufleuten. Vgl. § 74 Einl.; § 112 Anm. 8; Anhang zu § 141 Anm. 15. Bei solchen Anlässen (5. B. Veräußerung eines Zweiggeschäfts) werden bisweilen wechselseitige Wettbewerbbeschrünkungen vereinbart, über die Bedeutung solcher — und daß eS sich dabei nicht um Leistung und Gegenleistung im Sinne des §320 BGB. handelt — s. RG. 102, 130.

186

III. Abschnitt: Handelsfirma.

§ 22. Zusatz 4. Gilt § 22 auch bei ausländischen Firmen, die in Deutschland ZweigAnm. 41. Niederlassungen besitzen? Die Frage dürfte dahin zu beantworten sein, daß die Anwen­ dung erfolgen kann, soweit Vorschriften des ausländischen Rechts nicht entgegenstehen, natürlich vorausgesetzt, daß nach §30 Anm. II eine Veräußerung des Zweiggeschäfts mit Firma überhaupt zulässig erscheint. Der Inhaber der in Wien eingetragenen Firma A. B., der in Dresden eine Zweigniederlassung unter der gleichen Firma betreibt, kann demnach unter dieser Voraussetzung das Dresdner Zweiggeschäft mit dem Rechte der Fort­ führung der Firma an den C. übertragen.

§ 23.

§ 23. Die Firma kann nicht ohne das Handelsgeschäft, für welches sie geführt wird, veräußert werden.

Einleitung.

§ 23 schließt die selbständige Veräußerung der Firma ohne das Handelsgeschäft a«S. Er ist im Ausdruck ungenau, denn auch nach § 22 kann streng genommen nicht die Firma veräußert, sondern nur das Recht zu ihrem Gebrauche unter Verzicht auf eigene Weiterbenutzung einem anderen bewilligt werden (RG. 107, 31). Doch ist der Sinn klar.

Anm. 1. 1. Die selbständig erfolgte Veräußerung der Firma (ebenso eine solche Überlassung des Gebrauchsrechts: § 22 Abs. 2 und Anm. 15ff.; KG. in OLGR. 16, 80; und die Übertragung des Titels eines Zeitungsunternehmens: RG. 68, 49) ist nichtig, was mit den Worten „kann nicht" ausgedrückt ist (§134 BGB.). Damit ist nur verneinend gesagt, was §22 bejahend ausdrückt: daß eine Firma mit dem Geschäft veräußert werden könne, und zwar nur mit dem Geschäft. Es verstößt auch gegen § 23, daß der Erwerber eines einzelnen von mehreren Geschäftszweigen (z. B. eines Ladengeschäfts ohne das Hauptgeschäft) die Firma — ob mit, ob ohne Zustimmung des Veräußerers — seinerseits fortsührt, da er nicht das „Handelsgeschäft, für welches die Firma geführt wird", erworben hat (RG. 56, 187; BayObLG. in ZBlFG. 9, 410). Ebenso verstößt es gegen § 23, auf Übertragung einer Firma zu klagen, wenn nicht bereits vor Erhebung der Klage das Geschäft selbst von dem seitherigen Inhaber auf den Kläger übertragen wurde (RG. 63, 226). Ist aber entgegen §23 ein Firmen­ übergang handelsregisterlich verlautbart und veröffentlicht, so gilt § 15; der Verstoß gegen §23 erzeugt dann Wirkungen nur unter den Parteien, nicht gegenüber Dritten, die sich auf die Eintragung und Veröffentlichung der Firmenübertragung berufen können (RG. 66, 417). — Nicht fällt unter § 23 eine zwischen Gesellschaftern einer o.HG. getroffene Vereinbarung des Inhalts, das Recht zur Führung und Übertragung der Firma solle im Verhältnis zueinander als Sonderrecht eines einzelnen Gesellschafters behandelt werden (RG. 66, 321; vgl. § 22 Anm. 30). Anm. 2. 2. Ein Handel mit Firmen allein ist hiernach untersagt. Untersagt und ungültig sind auch alle auf Umgehung dieses Verbots gerichteten Übereinkommen, wie sie besonders in Scheinveräußerung oder Scheinerrichtung von Geschäften oder Hergabe von Namen für andere bestehen (§ 22 Anm. 5ff.). Insbesondere verstößt auch ein Vertrag, daß jemand zwar sein eigenes Handelsgeschäft haben und betreiben, in diesem Geschäft aber gewisse Gegenstände unter einer ihm nicht zustehenden Firma (der des Vertrags­ gegners) vertreiben soll, gegen §23 und ist nichtig (§134 BGB.; RG. bei Holdheim 12, 110 und im „Recht" 1924 RsprBeil. Nr. 1319). — Nicht immer wird anzunehmen sein, daß alle Bestandteile des Vertrags nichtig werden (§ 139 BGB.; RG. in IW. 03, 29316). — über sog. Mantelverkäufe bei AG. s. an den zuständigen Stellen.

§ 24.

§ 24. wird jemand in ein bestehendes Handelsgeschäft als Gesellschafter aus­ genommen oder tritt ein neuer Gesellschafter in eine Handelsgesellschaft ein

III. Abschnitt: Handelsfirma.

187

oder scheidet aus einer solchen ein Gesellschafter aus, so kann ungeachtet dieser § 24. Veränderung die bisherige jirma fortgeführt werden. Bei dein Ausscheiden eines Gesellschafters, dessen Narne in der Firma enthalten ist, bedarf es zur Fortführung der Firma der ausdrücklichen Ein­ willigung des Gesellschafters oder seiner Erben. § 24 behandelt das Firmenrecht bei teilweisem Wechsel der GeschaftSinhaberschaft, Einleittmg. im Gegensatz zu §§22, 23, die das Firmenrecht bei vollständigem Wechsel der Geschäfts­ inhaberschaft zum Gegenstände hatten. Auch hier sind die Voraussetzungen und die Wir­ kungen des Firmenübergangs zu unterscheiden (Lit. s. bei §22). Zu beachten ist, daß in Einzelfällen, z. B. im Falle des § 142, in denen das Gesetz keine besonderen Vorschriften über die Firma enthält, diese nur übergeht, wenn die Voraussetzungen des §24 vorliegen (RG. 65, 379 und Anm. 4 zu § 142). Für den § 24 kommen als Handelsgesellschaften nut die iw § 19 aufgeführten in Be­ tracht, weil nur bei ihnen die Gesellschafter als Geschäftsinhaber in Frage kommen. Ein Aktionär also, dessen Name ausnahmsweise in der Firma einer AG. enthalten wäre, kann nach seinem Ausscheiden nicht die Abänderung der Firma verlangen (so mit Recht LehmannRing Nr. 1).

1. Die Voraussetzungen deS Firmenübergangs.

An«. 1.

a) Erste Voraussetzung ist auch hier, daß der Wechsel der Teilhaberschaft sich in einem be­ stehenden und fortgesührten Handelsgeschäft vollzieht. Hinzuzufügen ist hier, wie in § 22, daß es das Handelsgeschäft eines Vollkaufmanns oder einer Handelsgesell­ schaft sein muß (über die Erfordernisse: Vollkaufmann, bestehend, Handelsgeschäft, Fort­ führung des Geschäfts s. § 22 Anm. 1—5, 8, 10).

b) Zweite Voraussetzung ist Eintritt in daS Geschäft alS Gesellschafter oder Ausscheiden Anm. 2. a«S einem solchen. Hierher gehören alle Fälle, bei denen die Geschäftsinhaberschaft einen teilweisen Wechsel erleidet, das Geschäft selbst aber bestehen bleibt. Dabei kommt es nicht darauf an, daß die rechtliche Gestaltung der Jnhaberschaft durch den Wechsel sich verändert. §24 findet also auch dann Anwendung, wenn vor dem Wechsel eine o.HG., nachher ein Einzelkaufmann oder eine Gesellschaft anderer Art Geschäfts­ inhaber ist, oder umgekehrt: nach dem Wechsel eine o.HG. oder eine Kommandit­ gesellschaft, vorher ein Einzelkaufmann oder eine Gesellschaft anderer Art (vgl. auch § 105 Anm. 47). Beispiele: Als Fall des Eintritts gilt es hiernach, wenn ein Einzelkaufmann sich mit einem anderen zu einer o.HG. vereinigt, die das Geschäft fortführt (KG. in KGJ. 31 A 152); wenn einer o.HG. ein Kommanditist oder einer Kommanditgesellschaft ein weiterer persönlich haftender Gesellschafter oder ein weiterer Kommanditist beitritt (über Umwandlung einer o.HG. vgl. § 105 Anm. 48ff.). Beim Ausscheiden eines Gesellschafters gilt § 24 auch dann, wenn aus der Gesellschaft, mag sie auch nur aus zwei Personen bestehen, alle bis auf einen ausscheiden und aus der Gesellschaft das Geschäft eines Einzelkaufmanns wird (RG. in IW. 91, 473"; vgl. jetzt besonders den Beweisgrund aus § 142 sowie Anm. 9 zu § 145; zust. Opet in ZHR. 49, 129). Er gilt selbst dann, wenn der übernehmende nur den Hauptteil des bisherigen Geschäfts übernimmt und ein einzelner Geschäfts­ zweig einem anderen bisherigen Gesellschafter überwiesen wird (RG. bei Holdheim 14, 213). Der Grund des Ausscheidens ist belanglos. Als Hauptfälle des Ausschei­ dens gelten besonders Kündigung, Tod, Konkurseröffnung (§ 138). § 24 findet aber auch Anwendung beim Ausschluß eines Gesellschafters. Dies war nach altem Recht streitig; offensichtlich, um diesen Zweifel zu beseitigen, ist das Wort „Austreten" durch „Ausscheiden" ersetzt worden (vgl. die Überschrift vor § 131). Als Beispiele für den Fall des Ausscheidens können bei einer Konunanditgesellschaft gelten, wenn aus einer

188 § 24.

III. Abschnitt: Handelsfirma.

Kommanditgesellschaft einer der mehreren persönlich haftenden Gesellschafter oder einer der mehreren Kommanditisten ausscheidet, oder wenn alle Kommanditisten wegfallen, oder wenn alle persönlich haftenden Gesellschafter wegfallen und einer der bisherigen Kommanditisten oder ein Dritter als persönlich haftender Gesellschafter eintritt. Wird eine o.HG. oder Kommanditgesellschaft aufgelöst und bleibt als Inhaber der Firma nur ein Einzelkaufmann, so ist hinsichtlich der Anmeldung zum Handelsregister kein Gewicht darauf zu legen, daß gerade das Wort „Auflösung" gebraucht werde (KG. in OLGR. 41, 195).

Anm. 2 a.

Dagegen greift § 24 dann nicht Platz, wenn daS Geschäft nicht bestehen bleibt, zumal von einem Wechsel der Inh ab erschüft alsdann nicht mehr gesprochen werden kann. Also z. B. dann nicht, wenn die o.HG. das Geschäft aufgelöst und die Firma gelöscht hat: ihre Firma Schulze & Meier könnte alsdann Schulze für ein neues Geschäft auch nicht mit Meiers Genehmigung annehmen (im Ergebnis übereinst. RG. 30, 148; zust. OLG. Stuttgart in OLGR. 1, 57). Ferner dann nicht, wenn die neuen Geschäftsinhaber das Geschäft nicht fortsetzen, sondern ein anderes begründen; für dieses ist die Fortführung der alten Finna nicht zulässig (RG. 1, 261; KGJ. 14, 245; s. § 22 Anm. 10).

Anm. 2d.

Der Ein- und Austritt eines stillen Gesellschafters bedeutet keinen Wechsel der Geschäftsinhaberschaft; § 24 ist daher nicht anzuwenden.

Anm. 3. c) (Abs. 2.) Ausdrückliche Zustimmung des auSfcheidenden Gesellschafters ist erforderlich, wenn der Name des Ausscheidenden — „dessen Name" heißt es im Abs. 2 — in der Firma verbleibt. Darunter kann nur der Name verstanden werden, der zur Be­ zeichnung der Persönlichkeit des Ausscheidenden dient, und der als solcher in der Firma enthalten ist. Ob nur der Familienname in der Firma enthalten ist oder auch Vor­ namen, ist gleichgültig. Weicht jedoch der in der Firma mitenthaltene Vorname von dem Vornamen des Ausscheidenden ab, so wird damit dargetan sein, daß es nicht „dessen Name" ist, der sich in der Firma findet (NG. in IW. 91, 473"). Die Ent­ scheidung, ob die Firma den Namen des Ausscheidenden enthält, ist also Tatfrage. Ter bloße Gleichklang der Namen (völliger oder teilweiser) entscheidet nicht, z. B. wenn der gleichnamige Vater des Ausscheidenden es war, dessen Name in der Firma sich befand (Bolze 13, 120). Ter Name des Ausscheidenden ist aber auch dann in der Firma enthalten, wenn die Firma lautet: „Gebrüder G.", die Inhaber der Firma die Brüder E. G. und J. G. sind und einer von ihnen ausscheidet; denn der Fami­ lienname G. ist beiden gemeinsam, er gehört auch dem Ausscheidenden (NG. 65, 382 und in IW. 08, 46133). — Uber das Wesen der Ausdrücklichkeit s. § 22 Anm. 7, über den Begriff des ausscheidenden Gesellschafters oben Anm. 2. — An die Stelle des ausscheidenden Gesellschafters treten im Falle seines Todes aud) in dieser Hinsicht seine Erben. Ist Nacherbschaft vorgesehen, so genügt im Zweifel die Einwilligung der Vorerben (v. Bruch in DIZ. 1911, 927). — Tie Zustimmung ist, wenn die Eintragung erfolgen soll, dem Registergerichte nachzuweisen, also in der durch § 12 vorgeschriebenen Form (vgl. jedoch § 12 Abs. 2). Übrigens hat in der Regel der Aus­ scheidende bei der Anmeldung mitzuwirken (s. and) Anm. 7).

Anm. 3a.

Ist der Name des Ausscheidenden in der Firma nicht enthalten, so ist den ver­ bleibenden Gesellschaftern die Fortführung der Firma unbenommen (Bolze 13 Nr. 120). Es bedarf also nicht einer wie immer gearteten Einwilligung.

Anm. 3d.

Versagt der auSscheidende Gesellschafter die Zustimmung zur Fortführung seines Namens, so hat das zur Folge, daß die verbleibenden Gesellschafter diese Firma nicht fortführen können, and) nicht (RG. 5, 111; OLG. Hamburg in OLGR. 16, 83) mit einem Nachfolgerzujatz. Sie müssen dann eine neue Firma wählen und dabei die Vorschriften der §§ 18,19 beobachten (KG. in RIA. 14, 175: jo jetzt die herrschende Meinung; anders 6. bis 9. Aufl.).

III. Abschnitt: Handelsfirma.

189

2. Die Wirkung des Firmenübergangs ist das Recht, die Firma fortzuführen, und zwar § 24. unverändert (LG. Frankfurt in ZHR. 34, 567), abgesehen von einem Nachfolger-4. zusatz, der — sofort oder später — hinzugesügt werden kann, wenn er nicht etwa der Sachlage widerspricht (KGJ. 13, 31; vgl. auch RG. 5, 113). Über die Zulässigkeit weiterer Änderungen s. § 22 Anm. 11. Zwar ist in § 24, anders als in § 22, das Recht der Fortführung der Firma mit Nachfolgerzusatz nicht ausdrücklich erwähnt. Allein eine Verschiedenheit der beiden gesetzlichen Bestimmungen in diesem Punkte ist nicht beabsichtigt. Z. T. abweichend Lehmann-Ring Nr. 4. 3. Die Fortführung der Firma darf aber nicht zu direkter Täuschung und dadurch zuAnm. 5. möglicher Schädigung des Verkehrs führen. Es darf z. B. die Firma „offene Handelsgesellschaft Kreuzer & Co." nicht fortgeführt werden, wenn sie durch die Ver­ änderung aufhört, o.HG. zu sein (a. M. Brand Anm. 3). Cher kann man schon zulassen, daß die Firma „Kommanditgesellschaft Kreuzer L Co." beibehalten wird, wenn die Gesellschaft eine o.HG. wird, weil die Täuschung zu einer Schädigung nicht führen kann, denn die Kommanditgesellschaft genießt nicht mehr Sirebit als die o.HG. (KG. bei Holdheim 8, 226). Scheidet aber aus einer Finna, die das Wort „Kommandit­ gesellschaft" enthält, der einzige Kommanditist aus, so ist die Fortführung dieser Be­ zeichnung unzulässig (KG. in RIA. 17, 82).

Zusatz 1. Durch Vereinbarungen, namentlich im GesellschaftSvertrage, können die Anm. 6. Bestimmungen des § 24 geändert werden. Es kann durch sie die Zustimmung überflüssig, die Versagung wirkungslos gemacht oder umgekehrt ein Untersagungsrecht erzeugt und damit die sonst unnötige Zustimmung erforderlich gemacht werden (Bolze 7 Nr. 171). Insbesondere können im inneren Verhältnis der Gesellschafter über die Gesellschaftsfirma gültige Bestimmungen getroffen werden, durch die einem von ihnen besondere Rechte hinsichtlich der Firma eingeräumt werden (NG. 66, 320; Longard in DIZ. 1912, 666; s. § 23 Anm. 1 a. E.). Ebenso kann die Fortführung der Finna durch Vereinbarung an eine bestimmte Zeit oder an bestimmte Personen oder an Beschränkungen gebunden wer­ den, das letztere z. B. so, daß ein bestimmter Geschäftszweig nicht unter der Firma be­ betrieben werden darf (RG. in IW. 1910, 83266). Es bestehen hier ähnliche Möglichkeiten für Sondervereinbarungen wie im Falle § 22 Anm. 13.

Zusatz 2. Für die Anmeldung zum Handelsregister und die Zeichnung der Firma Anm. 7. im Falle der §§ 22—24 sind die Vorschriften der §§ 29ff. maßgebend. Danach ist jede Änderung der Firmeninhaber anzumelden. Bei Übernahme des Geschäfts einer o.HG. durch einen der Gesellschafter unter Fortführung der bisherigen Firma muß dieser Ge­ sellschafter nach der in dieser Hinsicht allzusehr an der Form haftenden Praxis trotzdem die Firma wiederholt zeichnen, selbst wenn er bereits früher die gleiche Zeichnung als vertretungsberechtigter Gesellschafter bewirkt hatte (KG. in RIA. 3, 83). § 25.

Wer ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Bachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt, haftet für alle im Betriebe des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers. Die in dem Betriebe begründeten Forderungen gelten den Schuldnern gegenüber als auf den Erwerber über­ gegangen, falls der bisherige Inhaber oder seine Erben in die Fortführung der Firma gewilligt haben. Eine abweichende Vereinbarung ist einen: Britten gegenüber nur wirk­ sam, wenn sie in das Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht oder von dem Erwerber oder dem Veräußerer den: Dritten mitgeteilt worden ist.

§ 25.

190 § 25.

HI. Abschnitt: Handelsfirma.

wird die Lirina nicht fortgeführt, so haftet der Lrwerber eines Handels­ geschäfts für die früheren Geschäftsverbindlichkeiten nur, wenn ein besonderer Verpflichtungsgrund vorliegt, insbesondere wenn die Übernahme der Ver­ bindlichkeiten in handelsüblicher Weise von dem Lrwerber bekanntgemacht worden ist. Lit.: Hellwig, Die Verträge auf Leistung an Dritte, Leipzig 99; Otto von Gierke, Über Schuldnachfolge, in der Festschrift für von Martitz, 1911, S. 72ff., und Deutsches Privatrecht III 240ff.; Demelius, Vertragsübernahme, in JheringsJ. 72, 241ff. (bes. S. 285ff.); Wieland § 24. S. auch bei § 22.

Einleitung.

Die §§ 25—28 behandeln den Übergang der Geschäftsschulden und -forderungen. Doch regelt dieser Unterabschnitt, der eine materielle Ergänzung zu den §§22—24 (Über­ gang des Firmenrechts) büdet, den Gegenstand nicht erschöpfend. Ergänzend kommt, abgesehen von sonstigen Bestimmungen des HGB. (z. B. §§ 130, 173), das Bürgerliche Recht zur Anwendung. — Über den gesetzgeberischen Grund vgl. IW. 1911, 55137. § 25 behandelt die Haftung des GeschäftSerwerbers gegenüber den Gläubigern deS GeschäftsveräutzererS und daS Verhältnis der Schuldner deS Geschäfts zum GeschäftSerwerber. Die Vorschrift entspricht früherem Handelsgewohnheitsrecht (RG. 17, 98). Der hier behandelte Gegenstand deckt sich keineswegs mit dem §22 Anm. 21 ff. behandel­ ten. Dort war das innere Verhältnis, d. h. das Verhältnis zwischen den Parteien des Veräußerungsvertrags, hier ist das Verhältnis des Geschäftserwerbers zu den Gläubigern und Schuldnern des Geschäfts in Frage. Es kann zwischen den Parteien ein Passivenübergang (§22 Anm. 29ff.) vereinbart sein, ohne daß eine Haftung gegenüber den Gläubigern eintritt (wenn weder das Geschäft mit Firma fortgeführt wird, noch ein besonderer Verpflichtungsgrund nach § 25 Abs. 3 vorliegt). Es kann umgekehrt eine Haf­ tung gegenüber den Gläubigern vorhanden sein, ohne daß ein Passivenübergang unter den Parteien vereinbart ist (wenn die Firma fortgeführt, eine Kundmachung nach § 25 Abs. 2 aber unterblieben ist, oder wenn die Bekanntmachung an die Gläubiger nach § 25 Abs. 3 erfolgt ist). Ebenso kann der Übergang der Forderungen des Geschäfts unter den Parteien ausgeschlossen sein, und dennoch können die Forderungen den Schuldnern gegen­ über als übergegangen gelten (wenn die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 Satz 2 vorliegen). Der § 25 Abs. 1 hat keinen ausschließlichen Charakter: wenn z. B. dem auslän­ dischen, an sich anzuwendenden Recht eine entsprechende Bestimmung fehlt, so darf nicht etwa gesagt werden, die Anwendung des ausländischen Rechts sei — infolge Art. 30 EG.BGB. — ausgeschlossen, weil sie gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes verstoße (RG. 60, 300; 73, 368). Zwei Fälle find nach dem vorliegenden Paragraphen zu unterscheiden: 1. Der Fall, daß die bisherige Firma von dem Geschäftserwerber fortgeführt wird (Abs. 1 u. 2), 2. der Fall, daß die bisherige Firma nicht fortgeführt wird (Abs. 3).

I. (Abs. 1 u. 2.) Der Fall der Fortführung deS Geschäfts mit Firma. Aum. 1. A. Voraussetzung ist, daß ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma unverändert oder mit Rachfolgerzusatz fortgeführt wird. 1. Erwerb deS Geschäfts. Es sind die Fälle des Vollerwerbs, des vollständigen Wechsels der Jnhaberschaft (§22 Einl. u. Anm. 6). Es sind nicht die Fälle, in denen der Per­ sonalbestand der Jnhaberschaft nur teilweise wechselt, sei es, daß aus einem Einzel­ kaufmann eine Gesellschaft oder aus einer Gesellschaft ein Einzelkaufmann wird (in letzterer Hinsicht a. M. Lehmann-Ring Nr. 13), sei es, daß die Zahl der Gesellschafter sich verändert. Über diese letzteren Fälle handelt aus dem Gesichtspunkte des Firmen­ übergangs § 24; wie es bei ihnen mit dem Passivenübergang steht, ist zum Teil im

III. Abschnitt: Handelsfirma.

191

§28, zum Teil in anderen Paragraphen behandelt (§§ 130, 142, 173). Fälle des in § 2K. § 25 gemeinten Vollerwerbs sind, dah ein Einzelkaufmann das Geschäft eines Einzel­ kaufmanns, einer o.HG., einer AG., einer KGaA., einer Kommanditgesellschaft oder einer GmbH, erwirbt; oder daß eine aus A. und B. bestehende o.HG. das Geschäft des Einzelkaufmanns C. erwirbt; oder daß eine GmbH, oder eine AG. oder eine KGaA, das Geschäft eines Einzelkaufmanns oder einer o.HG. (RG. im SächsA. 12, 719) oder einer Kommanditgesellschaft erwirbt usw. Ein Fall des §25 liegt auch dann vor, wenn die Kommanditisten des persönlich haftenden Gesellschafters von diesem das Handelsgeschäft übernehmen, um es als o.HG. weiterzuführen (RG. in DIZ. 1913,

466). Doch genügt es überall, wenn eins von mehreren Geschäften (KG. in OLGR. 4, 146) oder ein Teil des Geschäfts (z. B. eine Zweigniederlassung) erworben wird; nur muß die Jnhaberschaft des betreffenden Geschäfts vollständig wechseln, damit ein Fall des § 25 vorliege. Wenn von mehreren Geschäften eins veräußert und unter

der bisherigen Firma fortgeführt wird, haftet der Geschäftserwerber nur für die auf dieses Geschäft bezüglichen Passiva (KG. a. a. £).); gleickes gilt beim Erwerb nur einer Zweigniederlassung. Auf Pacht oder Nießbrauch ist der vorliegende Paragraph, wenn auch nichtAnm. la. unmittelbar (so Pisko in EhrenbergHandb. 2, 251), so doch entsprechend anwendbar (KG. in DIZ. 06, 86; SächsOLG. 40, 254; Otto v. Gierke, Deutsches Privatrecht III 243; a. M. L. Cohn bei Gruch. 42, 52); nach Befinden auch auf einen Mietvertrag (OLG. Köln in LZ. 1916, 487"). Vgl. §22 Anm. 15—18. Im Falle des Nießbrauchs ist die Vorschrift des § 25 nicht aus § 419 BGB. (Anm. 24), wohl aber aus §§ 1086—1088 BGB. zu ergänzen (v. Gierke a. a. O.).

Daraus, daß ein Geschäft erworben sein muß, folgt, daß das GeschäftAnm. Id. bestanden haben muß. Hierüber s. §22 Anm. 5. Das ist wesentlich Tatfrage. Vor­ aussetzung ist, daß das Geschäft bereits in der Hand des Veräußerers ein Handels­ geschäft war; Erwerb eines Geschäftszweigs, der erst in der Hand des Erwerbers ein selbständiges Handelsgeschäft wird, genügt nicht (RG. 64, 132). Anders für § 25 Abs. 3; s. Anm. 23. Der Erwerb eines Hauptzweigs kann aber ein Erwerb des Han­ delsgeschäfts sein; s. § 22 Anm. 6.

Wer vom Konkursverwalter ein zur Masse gehöriges Geschäft erworben hat undAnm.ro. es mit Zustimmung des Gemeinschuldners unter der bisherigen Firma fortsührt (§ 22 Anm. 7), haftet den Konkursgläubigern nicht aus § 25, da diese die vom Verwalter zur Versilberung der Masse vorgenommenen Rechtshandlungen gegen sich gelten lassen müssen und nur Anspruch auf anteilsweise Befriedigung aus der Masse haben (RG. 58, 168; ebenso Marcus in DIZ. 05, 851; ähnlich Pisko a. a. O. 263). Ob §25 bei dem Erwerb eines Handelsgeschäfts aus der Hand des Verwalters überhaupt, also sonstigen Dritten gegenüber, die nicht Konkursgläubiger sind, Anwendung findet, läßt das RG. (a. a. O.) dahingestellt; die Frage wird zu bejahen sein. Nicht aber ist § 25 anwendbar auf Verbindlichkeiten, die der Gerneinschuldner während des Konkurses eingegangen ist, z. B. auf eine vonr Gemeinschuldner rvährend des Konkurses ver­ sprochene Vergütung für Vernrittlung eines Zwangsoergleichs; denn solange der Konkurs schwebt, ist der Gemeinschuldner nicht in der Lage, „im Betriebe des Ge­ schäfts" Verbindlichkeiten zu begründen (RG. in LZ. 1910, 783). Das ^Gesagte gilt auch für den Erwerb des Handelsgeschäfts aus der Konkursmasse für den^Fall, daß ein Zwangsvergleich zustande kommt. 2. Unter Lebenden muß der Erwerb erfolgt sein. Erwerb durch Erbteilung ist Erwerb Anm. 2. unter Lebenden (D. 40). Erwerb durch Vermächtnis ist es nicht, fällt aber auch nicht unter § 27. Vgl. dort Anm. 31 u. 32. Überhaupt ist § 25 nur anwendbar, wenn das Geschäft durch Vertrag mit dem früheren Inhaber erworben ist. Daher nicht bei Erwerb des Warenlagers und der Geschäftseinrichtungen im Zwangsvollstreckungs­ verfahren vom Gerichtsvollzieher (OLG. Stuttgart im „Recht" 1914 Nr. 1720).

192

III. Abschnitt: Handelsfirma.

§ 25. 3. Fortgesührt muß das Geschäft werden.

Wann diese Voraussetzung vorliegt, darüber

Anm. 10 zu § 22 (ob insbesondere völlige oder allmähliche Veränderung des Ge­ schäftsbetriebs dem Vorhandensein dieses Erfordernisses entgegensteht). Wie nun, wenn das Geschäft nicht fortgeführt wird? Wenn also entgegen der Vorschrift des § 23 die Firma erworben wurde? Tann greift § 15 Abs. 2 Platz. Vgl. § 23 Anm. 1. Eine Kundgebung des Wechsels der Jnhaberschaft nach außen ist dagegen zur Er­ füllung des Tatbestandes des § 25 nicht erforderlich (OLG. Naumburg in OLGR. 24, 119). . §29 bezieht sich somit nur auf den Einzelkaufmann, was auch der zweite Halb­ satz bestätigt. Nicht aber auf Minderkaufleute (§4), selbst dann nicht, wenn sie ihren Gewerbebetrieb in Zukunft zu einem vollkaufmännischen auszugestalten beabsichtigen; solange dies nicht Tatsache geworden ist, sind sie weder verpflichtet noch berechtigt, eine Firma zu führen oder zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden (KG. in KGJ. 33 A 114; Anm. 9; §4 Anm. 23). Im §2 ist ferner angeordnet, daß auch die Kaufleute kraft Art und Umfang des Gewerbebetriebs ihre Firma in dieser Weise anzumelden haben. Ter Inhaber eines landwirtschaftlichen Nebenbetriebs ist dagegen zur Anmeldung nur berechtigt (§3 Abs. 2). Für juristische Personen gelten besondere Vorschriften (§§ 33ff.), die jedoch ihre Ergänzung in § 29 finden (vgl. Einl. zu §33). Anm. 2. 2. Anzumelden sind die Firma und der £rt der Handelsniederlassung; ferner ist die Firma zu zeichnen. a)Die Firma ist anzumelden. Vgl. Erl. zu §§17, 18. §29 betrifft die Anmeldung „ursprünglicher" (§ 18 Anm. 1), § 31 die „abgeleiteter" (§ 22 Einl.) Firmen. d) Der Ort der Handelsniederlassung (über den Begriff der Niederlassung vgl. § 13 Anm. 3). Gemeint ist die Ortschaft, von der aus die kaufmännische (nicht die tech­ nische oder gewerbliche; KG. in OLGR. 27, 306) Leitung des Ganzen ausgeht (ROHG. 16, 52), in welcher der Schwerpunkt der geschäftlichen Tätigkeit des Kauf­ manns sich befindet (LG. I Berlin in KGBl. 97, 81). Dieser Ort ist zu unterscheiden von dem Wohnsitze des Kaufmanns, auch von dem Orte, in dem sich das Fabrik­ gebäude oder das Lager befindet. Ein Börsenmükler hat z. B. seine Handelsnieder­ lassung am Orte der Börse. Der Verkaufsstand in der Markthalle ist dann die Handels­ niederlassung, wenn er wirklich den Schwerpunkt der gewerblichen Tätigkeit bildet;

III. Abschnitt: Handelsfirma.

219

nicht z. B-, wenn ein Kaufmann in der Markthalle einen Stand, aber auch sonst § 29. anderweitig eine Verkaufsstelle hat. Fehlt es an einem festen Mittelpunkte der Handelstätigkeit, was auch bei Bollkaufleuten vorkommen kann, z. B. bei herumziehen­ den Pferdehändlern, Kolporteuren, Meßkaufleuten, so ist der bürgerliche Wohnsitz maß­ gebend (vgl. LG. I Berlin a. a. £. für Privathandelsmükler). Hat der Kaufmann innerhalb eines Gerichtsbezirks mehrere Niederlassungen an verschiedenen Orten, so sind sie sämtlich anzumelden (KG. in KGJ. 39 A 121; s. auch § 13 Anm. 7). Unter dem Orte der Niederlassung ist die im Handelsverkehr gebräuchliche Be-Anm.3. nennung eines Bezirks zu verstehen (§ 30 Anm. 1). Nicht anzumelden ist Straße und Hausnummer, auch nicht der Geschäftszweig. Anm. 4. Die D. 43 meint, diese Angaben könnten gleichwohl verlangt, auch veröffentlicht wer­ den. Das letztere ist richtig (§ 10 Anm. 1), das erstere kann nicht für zutreffend er­ achtet werden, da die Anmeldungspflicht hier erschöpfend geregelt ist. Dagegen ist es zulässig, daß diese weiteren Angaben bei der Anmeldung gemacht werden; wenn der Registerrichter sie verlangen wird, so wird diesem Verlangen wohl stets stattgegeben werden. Er darf jedoch insoweit keine Ordnungsstrafe androhen. EhrenbergHandb. 1, 554 betont mit Recht den Unterschied zwischen Anmeldung, Eintragung und Bekanntmachung. Ist die Eintragung des Geschäftszweigs oder der Straße und Hausnummer erfolgt, so wird es sich empfehlen, auch die Veränderungen anzumelden, da das Register mög­ lichst richtig sein soll. Allein das Registergericht ist nicht befugt, die Anmeldung solcher nachträglichen Änderungen zu verlangen oder insoweit ^Ordnungsstrafen anzudrohen,

denn das Gesetz hat den Kreis der einzutragenden Tatsachen begrenzt (KG. in KGJ. 29 A 213; vgl. Anhang zu § 8 Anm. 6; Birkenbihl in ArchBürgR. 6, 235; DürHach. Anm. 3). Auch irrt Falle des § 106, in dem der Wohnort zur Zeit der Anmeldung anzugeben ist, besteht keine Verpflichtung zur Anmeldung einer nachträglichen Ände­ rung (vgl. § 106 Anm. 2). c) Zeichnung der Firma. Zeichnung des bürgerlichen Namens ist nicht vorgeschrieben. Anm. 5. Uber die Frage, ob bei Zeichnung Stellvertretung zulässig ist, über Zeichnung durch gesetzliche Vertreter, Schreibensunkundige, Blinde, Gelähmte usw. s. § 12 Anm. 3f. d) Uber die Form der Anmeldung und Beglaubigung trifft § 12 Bestimmung. Anm. 6. 3. Wo mutz die Anmeldung erfolgen? Bei dem Gericht, in dessen Bezirk sich „die Anm. 7. Niederlassung" befindet. Damit ist Haupt- und Zweigniederlassung gemeint (§ 13 Anm. 3; ebenso Denzler 140; a. M. Brand Anm. 4). Genaueres darüber, was in dem Falle der Zweigniederlassung gilt, s. bei § 13 (bes. Anm. 8). Tie Firma einer juristischen Person im Sinne von § 33 ist bei dein Gerichte zur Anmeldung zu brin­ gen, in dessen Bezirk ihre geschäftliche Niederlassung liegt; dieser Ort ist maßgebend, nicht der satzungsmäßige Sitz (OLG. Dresden und KG. in OLGR. 27, 304 u. 306). 4. Zugleich ist mit der vorliegenden Vorschrift gesagt, wad einzutragen ist. Auch hier Anm. 8. wird anzunehmen sein, daß der Registerrichter nicht gehindert ist, solche Angaben ein­ zutragen, zu deren Anmeldung die Beteiligten: nicht verpflichtet sind, wofern sie sreiwillig oder auf seine Anregung die Angaben gemacht haben (Anm. 4; a. M. Birkenbihl a. a. O.). Was veröffentlicht werden muß, darüber s. Anm. 4 und § 10 Anm. 1. Zusatz 1. Rechtliche Bedeutung der Anmeldung und Prüfungstätigkeit des Re-Anm. 9. gisterrichterd. Durch die Anmeldung erklärt der Anmeldende im Falle des § 1, daß er ein Handelsgewerbe betreibe (nicht, daß er es in Zukunft betreiben werde, RG. 22, 59). Der Registerrichter hat also zu prüfen, ob diese Tatsache richtig ist (Anhang zu § 8 Anm. 7—11; bei VVaG, wird diese Prüfling durch die Mitteilung der Aufsichtsbehörde gemäß § 30 Abs. 2 PrivVUntG. ersetzt). Wie er sich diese Überzeugung verschafft, ist seine Sache. Er braucht nicht notwendig Ermittlungen anzustellen und Beweise zu er­ heben; er kann, wenn er gegen die Glaubwürdigkeit der Anmeldung kein Bedenken hat, auch ohne jede weitere Erhebung der Anlneldung stattgebcn. Zur Richtigkeit der Anmel­ dung der Firma gehört aber nicht etwa der Nachlveis, das Geschäft des anmeldenden

220

III. Abschnitt: Handelsfirma.

§ 29.

Kaufmanns befinde sich in voller Entfaltung. Ter Beginn des Gewerbebetriebs unter­ liegt natürlich anderer Beurteilung. Auch die sog. Vorbereitungstätigkeil gehört zum Ge­ werbebetriebe (§ 1 Anm. 10a; besonders die dort angef. Entsch. in HansRZ. 1923, 933). Es müssen sich nur die Vorbereitungsgeschäfte als die eines Vollhandelsgewerbes dar­ stellen; das Gewerbe muß auf solcher Grundlage angelegt sein, daß es in seiner vollen Entfaltung das Geschäft eines Vollkaufmanns sein werde. Bei der Anmeldung der Firma eines Fondsmäklers z. B. kann der Registerrichter nicht den Nachweis bereits getätigter Ge­ schäfte verlangen, sondern nur den der Geschäftserrichtung (Marcus bei Holdheim 1910, 165). Im Falle des § 2 bedeutet die Anmeldung die Erklärung, daß der Anmeldende irgendein Gewerbe betreibt, welches zwar nicht nach § 1 ein Handelsgewerbe ist, aber doch nach Art und Umfang eine kaufmännische Einrichtung erfordert. Auch hier darf der Richter nur eintragen, wenn er sich von der Richtigkeit dieser Tatsache überzeugt hält (§2 Anm. 18), wozu jedoch genügt, daß schon die Vorbereitungsgeschäfte auf eine spätere Entfaltung des Betriebs in diesem Umfange hindeuten. — Im Falle des § 3 Abs. 2 gilt das gleiche.

Anm. 10.

Zusatz 2. Die Anmeldung ist gemäß § 14 zu erzwingen. Vgl. daselbst auch über das Ordnungsstrafverfahren und das Beschwerderecht. Tas letztere greift auch dann Platz, wenn die Anmeldung freiwillig erfolgt und die Eintragung ohne Grund versagt wird.

§ 30.

§ 30. Jede neue Lirina muß sich von allen cm demselben Orte oder in der­ selben Gemeinde bereits bestehenden und in das Handelsregister einge­ tragenen Firmen deutlich unterscheiden. £?at ein Kaufmann mit einem bereits eingetragenen Kaufmanns die gleichen Vornamen und den gleichen Familiennamen und will auch er sich dieser Namen als seiner Firma bedienen, so muß er der Firma einen Zusatz beifügen, durch den sie sich von der bereits eingetragenen Firma deutlich unterscheidet. Besteht an dem Orte oder in der Gemeinde, wo eine Zweigniederlassung errichtet wird, bereits eine gleiche eingetragene Firma, so muß der Firma für die Zweigniederlassung ein der Vorschrift des Abs. 2 entsprechender Zu­ satz beigefügt werden. Durch die Landesregierungen kann bestimmt werden, daß benachbarte Orte oder Gemeinden als ein Drt oder als eine Gemeinde im Sinne dieser Vorschriften anzusehen sind.

Einleitung.

§ 30 gibt Vorschriften über die Firmenverschiedenheil. Tas Firmenrecht würde feine Bedeutung für den Handelsverkehr einbüßen, wenn es jedem Kaufmann freigestellt wäre, nur nach dem Grundsätze der Wahrheit seine Firma zu führen, ohne Rücksicht auf schon bestehende Firmen. Darum ist für die Herstellung der Firmenverschiedenheit durch den sog. Grundsatz der Ausschließlichkeit der Firma Fürsorge getroffen. — Aus der örtlichen Beschränkung des Firmenschutzes ergeben sich in der Praxis Unzuträglich­ keiten, namentlich für Firmen von weittragender Bedeutung. Dies hat eine Reihe von Abhilfsvorschlägen gezeitigt; Wassermann („Recht" 03, 96) z. B. will durch Schaffung eines Firmenzeichens, Marcus (ebenda 40) durch ein Reichsfirmenregister helfen. Natür­ lich ist dies für das geltende Recht ohne Bedeutung. Vgl. Anm. 1.

Anm. 1. 1. (Abs. 1.) ES ist zunächst die Anordnung getroffen, daß jede neue Firma sich von allen bisherigen an demselben Orte oder in derselben Gemeinde bestehenden und

III. Abschnitt: Handelsfirma.

221

eingetragenen Firmen deutlich unterscheiden soll. Ter Grundsatz des Abs. 1 ist ein § 80. allgemeiner; er bezieht sich auf Einzelkaufleute (natürliche und juristische) und Han­ delsgesellschaften aller Art. Tie Vorschrift ist im öffentlichen Interesse erlassen und öffentlich-rechtlicher Natur (KGJ. 37, 201). Sic soll u. a. auch Verwechslungen seitens der Behörden, z. B. der Post, verhüten (KGJ. 41, 269). Daher kann sie nicht durch Zustimmung der Inhaber der älteren Firma gegenstandslos gemacht werden (Ober­ gericht Danzig in IW. 1921, 182). Sie ist eine Mußvorschrift und entspricht der für eingetragene Vereine getroffenen ähnlichen Sollvorschrift in § 57 Abs. 2 BGB. Da beide Vorschriften gleichermaßen den Schutz des Verkehrs vor der Namenverwechs­ lungsgefahr innerhalb des nächsten Bezirks bezwecken, hat das Registergericht darauf zu halten, daß in das Handelsregister eingetragene Firmen und in das Ver­ einsregister eingetragene Vereine innerhalb desselben Ortes bzw. derselben Ge­ meinde auch wechselseitig sich voneinander deutlich unterscheiden (OLG. Stuttgart in OLGR. 42, 211). a) Als Ort ist der geographisch abgegrenzte Bezirk anzusehen, dessen Name in weiteren Handelskreisen gebräuchlich ist, um den Niederlassungsort zu bezeichnen, ohne Rücksicht auf die politische Zusammengehörigkeit (KGJ. 8, 11). „Ort" ist hier somit ein Ver­ kehrs- und kein Rechtsbegriff. Mehrere Städte können daher einen Ort bilden (Lehmann-Ring Nr. 3; s. auch Opet in ZHR. 49, 56). b) Unter Gemeinde ist der politische Verband zu verstehen, der unter einer Kom­ munalverwaltung steht; er umfaßt oft weniger Gebiet als der Ort im Sinne von a, oft umgekehrt mehrere Orte (z. B. bei Eingemeindungen von Vororten in Großstädte). o) Wenn Ort und Gemeinde nicht zusammenfallen, erstreckt sich die Ausschließlichkeit des Firmenrechts und der Schutz des § 30 auf den Raum beider Gebiete.

Der Firrnerrfchutz ist also in räumlicher Hinsicht nicht über den Ort oder die Gemeinde ausgedehnt. In einem anderen Orte (Gemeinde) kann somit die gleiche Firma gewählt werden, auch wenn er im Bezirke desselben Registergerichts liegt, und kann auch vom Standpunkte des Firmenrechts aus ein Zusatz zur Firma gemacht werden, den bereits eine Firma eines anderen Ortes (bzw. einer anderen Gemeinde) führt. Dem Umstande, daß Nachbarorte bzw. Nachbargemeinden oder Teile von ihnen mit einem anderen Orte (bzw. Gemeinde) oft einen Handelsplatz bilden, trägt der Vorbehalt des Abs. 4 Rechnung. Sonstige Verkehrsbedürfnisse nach räumlicher Aus­ dehnung des Firmenschutzes suchen § 16 UnlWG. und § 14 WZG. zu befriedigen. Durch diese Vorschriften werden auch solche Machenschaften getroffen, welche auf Ver­ wechslung von Firmen verschiedener Orte (Gemeinden) hinzielen (vgl. § 37 Anm. 26; RG. 20, 71; 2, 141 und IW. 02, 27 20). Auch tritt, wenn die Störung des Firmen­ rechts im Ausland erfolgt, inländischer Schutz ein („Johann Faber": RG. in IW. 89, 51611). Bei Versicherungsunternehmungen kommt auch das Aussichtsrecht in Betracht (§§ 7 und 64 PrivVUntG.). Für die Anwendung des UnlWG. ist zu beachten, daß davon auch solche Firmen getroffen werden, die nach Firmenrecht nicht zu beanstanden sind: der Tatbestand der Verwechslungsgefahr nach § 16 UnlWG. deckt sich nicht mit dem Erfordernis der deutlichen Unterscheidbarkeit nach § 30 HGB. Auch macht das UnlWG. keinen Unterschied zwischen Firmen, die an demselben Orte und an verschie­ denen Orten bestehen. Hierzu allenthalben vgl. RG. 75, 372; 103, 392; in IW. 1918, 307; 1923, 510" mit Anm. von Rosenthal; „Recht" 1923 RsprBeil. Nr. 529 und 1924 RsprBeil. Nr. 1009; KG. in OLGR. 41, 196. Daß der Registerrichter nicht befugt ist, wegen Besorgnis eines Verstoßes gegen das UnlWG. oder das WZG. die Eintragung einer Firma abzulehnen, s. Anhang zu § 8 Anm. 11. Auch eine Beschwerde kann hierauf nicht gestützt werden, vielmehr ist wegen derartiger Verstöße nur im Prozeßwege zu entscheiden (BayObLG. im „Recht" 09 Nr. 1395). Übrigens können die Bestimmungen des UnlWG. und des WZG. auch bei Firmen innerhalb desselben Ortes und derselben Gemeinde Anwendung finden, soweit die Voraussetzungen dafür

222

III. Abschnitt: Handelsfirma.

§ 30.

vorliegen (KG. in OLGR. 41, 196); dieselben gelten neben §30, aber vom Register­ richter ist nur der letztere zu beobachten (BayObLG. in BayZ. 07, 474); vgl. Anm. 4. Anm. 2. 6) Ten Schutz dieses Paragraphen genießen nicht die bestehenden, sondern die bestehen­ den und eingetragenen Firmen. a) Die bestehenden: d. h. die zu Recht bestehenden (ROHG. 6, 248). Nach Er­ löschen des Geschäfts (s. hierüber § 1 Anm. 25) besteht die Firma nicht mehr zu Recht, auch wenn sie noch eingetragen ist, und bildet kein Hindernis für die Ein­ tragung einer gleichlautenden Firma (RG. 29, 69). Aber solange der Eingetragene ein Gewerbe betreibt, gilt es für die Tauer der Eintragung als Vollhandelsgewerbe (§5). Hier kann zwar, wenn das Gewerbe zur Eintragung einer Firma nicht be­ rechtigt, die Löschung betrieben werden, aber bis dahin gilt die Firma als zu Recht bestehend auch im Sinne des § 30. Hat ein Konkursverwalter den Geschäftsbetrieb eingestellt und sind somit dessen Grundlagen endgültig weggefallen, so ist damit auch die Firma erloschen und bildet kein Hindernis für die Eintragung einer gleich­ lautenden Firma (OLG. Darmstadt in HessRspr. 8 Nr. 179 — ZBlFG. 8, 795 Nr. 881). ß) Die eingetragenen, d. h. die nicht lediglich zur Eintragung angemeldeten; nicht die frühere Anmeldung (zust. Lehmann-Ning 9ü. 2) und auch nicht die frühere Bekanntmachung, sondern nur die frühere Eintragung entscheidet über den Vor­ rang. Hier gilt der Satz aus der bei § 18 Anm. 4 angeführten Entsch. NIA. 8, 38: „Erst durch die Eintragung der Firma erwächst dem Kaufmann ein Recht aus Firmenschutz" (RitterKomm. Anm. 1 sagt: N ur insoweit gilt dieser Satz). Aus diesem Grunde darf ein Kaufmann, vorausgesetzt, daß er sonst zur Wahl der Firma berechtigt ist, eine solche wühlen, die mit einer anderen bestehenden, nicht einge­ tragenen, gleich lautet, und kann nach erfolgter Eintragung verlangen, daß die letz­ tere einen unterscheidenden Zusatz sich beifügt. Tie nicht eingetragene Firma ist damit doch nicht rechtlos; denn die Konkurrenzfirma muß nach §§ 18—20 zulässig sein, widrigenfalls auf Grund von § 37 eingeschritten werden und die eingetragene Firma ihrerseits nicht nach § 37 Abs. 2 klagen kann; außerdem s. Anm. 1 a. E. Bei zwei Anmeldungen, die beide noch nicht zur Eintragung geführt haben, muß nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen die frühere Anmeldung entscheiden (Behrend § 40 Anm. 48). Vgl. hierzu Lehmann-Ring Nr. 2. Anm. 3. e) Ter Vorschrift unterliegen neue Firmen, d. h. im Sinne unseres §30 die an dem betreffenden Orte (Gemeinde) noch nicht eingetragenen, gleichviel ob sie neu an­ genommen oder schon lange, sei es als ursprüngliche oder abgeleitete, geführt sind. Verlegt daher ein Kaufmann sein Geschäft an einen anderen Ort, so muß er an dem.neuen Orte den §30 beobachten, wenn auch an sich sein Firmenrecht nicht unter­ geht (RG. 20, 171; Allfeld 139). Denn das Geschäft erlischt nicht mit der Verlegung (dies folgt auch aus § 31). Ist aus Versehen Erlöschen der Firma in das Handels­ register eingetragen worden, so ist dies gemäß § 142 FGG. zu berichtigen (KG. in RIA. 11, 216).

Anm. 3a.

Welches ist aber das Schicksal zweier gleichlautender Firmen, wenn zwei Ge­ meinden miteinander politisch vereinigt werden? Die Frage wird bei der Ein­ gemeindung von Vororten in Großstädte von Wichtigkeit. Nach unserer Ansicht bleiben beide Firmen nebeneinander bestehen. Denn § 30 gibt den bestehenden und einge­ tragenen Firmen den Vorzug lediglich vor den Firmen, die diese beiden Erforder­ nisse nicht haben. Von zwei bestehenden und rechtmäßig eingetragenen (Annr. 2) Firmen braucht dagegen keine der anderen zu weichen. Nicht etwa die später ein­ getragene, wie Allfeld (139) und Schultze-Görlitz (120) meinen. Auch müssen die Fir­ men der untergehenden Gemeinde nicht etwa einen unterscheidenden Zusatz annehmen, wenn sie mit Firmen der aufnehmenden Gemeinde gleichlauten, weil sie für diese neue Firmen seien. Tenn als sie eingetragen wurden, waren sie für den Ort, in dem sie

III. Abschnitt: Handelsfirma.

223

bestanden, berechtigte. Tie beiden gleichlautenden Firmen mögen in ihrem eigenen § 30. Interesse für eine Unterscheidung sorgen; soweit das öffentliche Interesse in Frage kommt, ist eine gesetzliche Fürsorge für eine Unterscheidung in diesem Falle nicht ge­ troffen (zust. KG. in KGJ. 16, 11; TürHach. Anm. 6; Lehmann-Ring Nr. 3; Brand S. 117). f) Das Erfordernis deutlicher Unterscheidung unterliegt der Prüfung des Registerrichters Anm. 4. von Fall zu Fall. Für seine Beurteilung ist in erster Linie der Wortlaut des Haupt­ bestandteils (Firmenkerns, § 18 Anm. 3) der Firma maßgebend, bei gleichem Familien­ namen die Verschiedenheit des Vornamens (BayObLG. in DIZ. 1921, 439). Als Richtschnur gilt die kaufmännische Sitte, nach der die Firma immer genau so, wie ihr Inhaber sie angenommen hat, gebraucht wird. Ihr unverstümmelter Gebrauch wird vorausgesetzt. Aber es muß eine deutliche Unterscheidung sein, das ist eine solche, die nicht nur bei aufmerksamer Vergleichung der Firmen möglich ist, sondern die erheblich genug ist, um im gewöhnlichen Verkehr Verwechslungen vorzubeugen (OLG. Hamburg im „Recht" 09 Nr. 1394). Überwiegende Gleichheit der einzelnen Bestandteile mit farblosen, wenig hervortretenden und nicht leicht im Gedächtnis haftenden Unterscheidungen begründet die Verwechslungsgefahr, und zwar namentlich dann, wenn die beiden Firmenbezeichnungen nicht nebeneinandergestellt werden kön­ nen. Es kann jedoch ein genügender Unterschied hergestellt sein durch verhältnismäßig kleine Verschiedenheiten. So kann nach Befinden eine genügende Unterscheidung z. B. schon liegen in einer anderen Stellung der in der Firma enthaltenen Anfangsbuch­ staben bzw. einem Anfangsbuchstaben mehr oder weniger. Diesen Grundsatz hat das RG. (20, 71) aufgestellt und dabei noch besonders hervorgehoben einmal, daß der § 18 des (früheren) Markenschutzes, v. 1874, der eine Unterscheidbarkeit ohne besondere Auf­ merksamkeit verlangte, nicht entsprechend anzuwenden sei, und ferner, daß es für die vorliegende firmenrechtliche Frage ohne Belang sei, ob die betreffende Firma denselben Geschäftszweig betreibe, oder ob gar die neue Firma einer bereits bestehenden unlauteren Wettbewerb zu bereiten beabsichtige. Die Firma Benecke & Co., die in demselben Zweige ein Geschäft eröffnete wie die bereits bestehende Firma C. H. Benecke & Co., ist durch die gedachte Entscheidung für zulässig erklärt worden (ähnlich RG. in IW. 98, 8253 und KG. in RIA. 17, 86; aber letzten Absatz unserer Anm. beachten!). Daher ist auch angenommen worden, daß die Firmen „Johann Herm. H." und „Hermann H." sich genügend unterscheiden (OLGR. 11, 20). Bei Sachfirmen, die den gleichen Gegenstand benennen, sind in der Regel strengere Anforderungen zu stellen wie bei reinen Personenfirmen. Bei jenen ist bei der Ver­ gleichung mit gleichem Nachdruck auf Wortbild, Wortklang und Wortsinn zu achten (RG. 100, 45). Eine deutliche Unterscheidbarkeit besteht nicht zwischen zwei Firmen, von denen die eine nur die wörtliche Übersetzung der anderen in eine andere Sprache ist (Obergericht Danzig in IW. 1921, 182). Vielfach wird man hinsichtlich des Be­ griffs der deutlichen Unterscheidbarkeit von ähnlichen Gesichtspunkten ausgehen dürfen, wie RG. 108, 272 hinsichtlich des Begriffs der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 16 UnlWG., so daß schon die Wahrscheinlichkeit häufiger Verwechslungen, z. B. auf der Post, dazu führen kann, die deutliche Unterscheidbarkeit zweier Firmen zu ver­ neinen; doch tritt für § 30 HGB. die für § 16 UnlWG. im Vordergründe stehende Frage zurück, ob im Wettbewerb Verwechslungsgefahr besteht. Immerhin sollte auch für die firmenrechtliche Frage unseres § 30, worauf Ring in IW. 1920, 692 mit Recht hinweist, eine schwindelfördernde allzu enge Auslegung des Begriffes der deut­ lichen Unterscheidbarkeit vermieden werden. Vgl. dazu Wassermann in IW. 1920, 968. Auch IW. 1922, 12007 und Anm. dazu von Titze. Liegt ein genügendes Unterscheidungsmerkmal in der Angabe des Geschäftszweigs oder der Gesellschaftsform in der Firma? Hinsichtlich des Geschäftszweigs ist diese Frage zu bejahen. Die Firmen „A. B. Verlag" und

224

§30.

Anm. 5.

Anm. 6.

III. Abschnitt: Handelsfirma.

„A. B. Maschinenfabrik" unterscheiden sich deutlich. Ebenso — wenn nicht besondere Umstände eine andere Beurteilung rechtfertigen, z. B. bei Gleichheit des Geschäfts­ zweigs (DürHach. Anm. 4) — die Firmen „A. B." und „A. B. Lederwaren" (KGJ. 51, 120). Hinsichtlich der Angabe der Gesellschaftsform war früher die Ansicht herrschend und wurde auch von uns vertreten, daß diese auch bei im übrigen gleich­ lautenden Firmen genügt, um die Firmen als deutlich unterscheidbar zu charakteri­ sieren. So sah man früher Firmen wie „Automat GmbH." und „Automat AG.", oder wie „A. B. & Co." und „A. B. & Co. AG." als deutlich unterscheidbar an (KG. in OLGR. 7, 343; 40, 182; 42, 211; in RIA. 10, 20; 15, 292; BayObLG. im „Recht" 07, 1473). Schon früher aber wurde auch die gegenteilige Meinung vertreten (z. B. OLG. Karlsruhe im „Recht" 02, 440 und in BadRpr. 07, 245; LG. Berlin bei Holdheim 06, 141; Staub-Hach. § 4 Anm. 27; Makower Anm. IIc). Neuerdings hat nun das RG. (104, 341; vgl. auch OLG. Stuttgart in OLGR. 42, 212) grund­ sätzlich dahin sich ausgesprochen, der auf die Gesellschaftsform hinweisende Teil der Firma sei „kein die Individualisierung bezweckender Firmeubestandteil" und „nehme an dem dem Auge und Ohre sich einprägenden Klangbilde nicht teil". Dieser Auf­ fassung dürfte die Rechtsprechung folgen. Es ist daher jetzt davon auszugehen, daß der Zusatz der Gesellschaftsform die erforderliche Unterscheidungskraft nicht besitzt. Höchstens kann er geeignet sein, andere Verschiedenheiten der Firma in der Unter­ scheidungskraft zu unterstützen (Brodmanu GmbH. § 4 Anm. 6). Auch Firmen lute „A. B. & Co. offene Handelsgesellschaft" und „A. B. & Co. Kommanditgesellschaft" dürften daher nicht als deutlich unterscheidbar zu erachten sein (OLG. Hamburg in RIA. 10, 269). Eine von der vorstehend erörterten firmenrechtlichen Frage streng zu tren­ nende, ganz andere Frage ist, ob gegen den Gebrauch einer nach Vorstehen­ dem zulässigen Firma auf Grund deS UnlWG. eingeschritten werden kann. Hierüber siehe Anm. 1; § 37 Anm. 26 Ziff. 4 und RG. in DIZ. 1911, 817. Ins­ besondere spielt es hierbei eine große Rolle, ob die beiden Geschäfte demselben Han­ delszweige angehören, und ob sie in Wettbewerb stehen. Für die Verwechslungsgefahr entscheidet hier die Anschauung der im Verkehr mit der üblichen Sorgfalt verfahrenden Verbraucher (RG. 95, 293; KG. in OLGR. 41, 196; HansOLG. in HansRZ. 1923,931). Beispiele aus der PraxiS: a) Deutlich unterscheiden sich: die Firmen „A. B." und „A. B. & Co." (BayObLG. in BayZ. 07, 474 = ZBlFG. 9, 72); „Restaurant ä la Aschinger" und „Bierquelle nach Aschinger" (KG. in OLGR. 6, 109; bedenklich; vgl. Anm. 4); „Musterkartenfabrik Karl A." und „Karl A. Spezialgeschäft für Bureauartikel" (KG. in OLGR. 6, 340); „Gebr. W. & Co." und „Gebr. W. in Liqu." (OLG. Hamburg in OLGR. 14, 342); „Frankfurter Gummiwarensabrik, AG." und „Vereinigte Berlin-Frankfurter Gummiwarenfabriken, AG." (OLG. Frankfurt a. M. im „Recht" 08 Nr. 605). ß) Kein deutlicher Unterschied besteht zwischen den Firmen „Gebrüder Baumann" und „Baumann Gebrüder" (BuschA. 3, 75); zwischen „Ernst & vop Sprekelsen" und „Ernst von Sprekelsen" (OLG. Hamburg in OLGR. 2, 91); zwischen „Hartmann & Schulze" und „Th. Hartmann & Schulze" (OLG. Hamburg in RIA. 10, 49); zwischen „Rabattsparverein der vereinigten Geschäftsleute (Klebesystem) GmbH." und „Sparverein vereinigter Geschäftsleute" (RG. im „Recht" 08 Nr. 1058; in der­ selben Sache älteres Urteil im SächsAR. 07, 226); zwischen „Ostd. Brennstosfvertrieb GmbH." und „Ostd. Betriebsstoffgesellschaft m. b. H." (RG. 100, 45); zwischen „Josef Fraenkel" und „Josef Frenkel", „Karl Berent" und „Karl Behrendt", „Otto Schultz" und „Otto Schulz" oder „Schulze" und „Schultze", weil die Aussprache die gleiche und daher die Unterscheidung keine deutliche ist (zust. DürHach. Anm. 3; ebenso OLG. Dresden in ZHR. 46, 471 und OLG. Hamburg in RIA. 10, 49; a. M. Lehmann-Ring Nr. 5 und Brand S. 118); zwischen dem vollen Vornamen

225

III. Abschnitt: Handelsfirma.

und Abkürzungen, die doch voll ausgesprochen lverden, z. B. „Friedr." und „Fried- § 30« cich" (a. M. Opet in ZHR. 49, 88); zwischen „& Co." und „et Cie" (Hahn § 3 zu Art. 20; a. M. Brand S. 118). Dagegen begründet ein anderer Vorname in der Regel genügende Unterscheidungskraft („Karrer L Co." und „Hans Karrer & Co." unterscheiden sich genügend: BapObLG. in LZ. 1921, 385 unter Verwei­ sung auf Pisko in EhrenbergHandb. 2, 294 A 9). — Der Zusatz „in Liquidation" stellt keinen deutlichen Unterschied dar, da er nur einen veränderten rechtlichen Zustand bedeutet (s. §153; KGJ. 10, 17; RG. 29, 68; OLG. Kolmar in RIA. 9, 252; KG. in KGJ. 39 A 106; Opet in ZHR. 49, 93; Lehmann-Ring Nr. 5; Brand S. 118; a. M. LG. Hamburg in LZ. 07, 673). Doch kann er, wie die Angabe der Gesellschaftsform (Anm. 4), dazu dienen, andere Verschiedenheiten in der Unter­ scheidungskraft zu unterstützen. — Hingegen begründet der Zusatz „Nachfolger" einen genügenden Unterschied (ebenso LG. Hamburg in HambE. 7, 47; DürHach. Anm. 3; a. M. Lehmann-Ring Nr. 5). Trotzdem darf natürlich der Kaufmann A. B., der dem Erwerber seines Geschäfts gestattet hat, „A. B. Nachfolger" zu firmieren, nicht unter der Firma „A. B." sofort an demselben Orte ein neues Ge­ schäft errichten; allein dies hat seinen Grund in dem privatrechtlichen Verhältnis, nämlich in dem Geschäftsveräußerungsvertrag (§ 22 Anm. 33), nicht in der Vorschrift des § 30; vgl. auch § 22 Anm. 14. Daher ist Neuannahme der Firma „A. B." seitens des Veräußerers zulässig mit Zustimmung des Geschäftserwerbers; auch ist der Registerrichter nicht befugt, die Eintragung der Firma „A. B." zu verweigern, muß vielmehr dem Geschäftserwerber die Wahrung seiner Rechte im Prozeßwege überlassen (Anhang zu § 8 Anm. 11). Endlich ist ein unbeteiligter Dritter, der auch den Namen A. B. führt, berechtigt, sich diese Firma eintragen zu lassen. Inwie­ weit gegen ein solches Verhalten der Inhaber der Firma irA. B. Nachfolger" durch das UnlWG. geschützt ist, s. Anm. 4 letzter Absatz. 2. Abs. 2 gibt eine Sondervorschrift zur Erzielung deutlicher Unterscheidbarkeit für den Anm. 7. besonderen Fall, daß die eingetragene Firma eines Kaufmanns die gleichen ausgeschriebenen Vor- und Familiennamen enthält, deren sich ein Kaufmann als einer neuen Firma bedienen will. In diesem Falle müssen unterscheidende Zu­ sätze gewählt werden (vgl. hierzu BayObLG. in DIZ. 1921, 439; KG. in KGJ. 51, 120). Gemeint sind Zusätze, die ein Bestandteil der Firma werden (§18 Anm. 7); sie müssen an sich zulässige sein (§ 18 Abs. 2). Der Wortlaut des Gesetzes ist nicht ganz scharf. Er spricht von Gleichheit mit dem Namen eines eingetragenen Kauf­ manns, gemeint ist aber Gleichheit mit einer eingetragenen Firma. Mit dieser Ab­ änderung ist der Abs. 2 aus Handelsgesellschaften entsprechend anzuwenden. Ein undeut­ licher Zusatz ist es, wenn eine Firma lautet: „Johann Maria Farina gegenüber den: Jülichsplatz", und die neue Firma heißen soll: „Johann Maria Farina, Jülichsplatz, Kontor Brüderstraße s)tr. 21" (ZHR. 6, 575). Bloße Anfügung des Ortsnamens zur sonst gleichlautenden Firma ist auch nicht genügend (Bolze 5 Nr. 198; Hahn § 9). Uber die Zusätze „in Liquid." und „Nachfolger" j. Anm. 6. Über Angabe des Geschäftszweigs und der Gesellschaftsform in der Firma Anm. 4. Im übrigen vgl. § 18 Anm. 7—13. 3. (Abs. 3.) Die Firma der Zweigniederlassung. Über den Begriff der Zweignieder-Anm. 8. lassung vgl. § 13 Anm. 3ff., 13, 14; über ihre Anmeldung dort Anm. 8; darüber, wieweit der Richter der Zweigniederlassung die Zulässigkeit der Firma zu prüfen hat, ebendort. Lit. bei § 13, insbes. Marxheimer S. 92ff. AlS Firma der Zweig­

niederlassung ist regelmäßig die der Hauptniederlassung anzunehmen, mindestens mutz deren Kern in ihr enthalten sein. Insbesondere ist die Beifügung eines Zusatzes, wie Filiale, Zweigniederlassung, Niederlage zwar nicht notwendig (Denzler 105), aber zu­ lässig (vgl. auch § 50 Abs. 3). Tie namentlich von Denzler 147 vertretene Ansicht, im übrigen sei gleiche Firmierung von Haupt- und Zlveigniederlassung unbedingtes Erfor­ dernis (so auch OLG. Darmstadt in DIZ. 07, 1328, wo die Zweigniederlassungsfirma Staub, HGB., 12. u. 13. Ausl.

Bd. I.

(Bondi.)

Io

226 § 30.

Anm. 9.

Anm. 19.

III. Abschnitt: Handelsfirma.

„Friedberger Bank, Filiale der Landgräflich Hessischen konzessionierten Landesbank" als unzulässig abgelehnt ist; s. auch SächsOLG. 31, 185 und Anm. 8 zu § 201), ist im Gesetze nicht begründet. Auch die Praxis hat sich vorwiegend in einem freieren Sinne entschieden. Beispiele s. § 22 Anm. 11. Weitere Beispiele: „Carl Rönisch, Zweigniederlassung der Ludwig Hupfeld Aktiengesellschaft"; „Aktiengesellschaft X., Abteilung vormals Y. & Co." (RG. im „Recht" 1915 Nr. 2548); „H. Schwieder, Inhaberin die Aktiengesellschaft Ver­ einigte Berlin-Frankfurter Gummiwarenfabriken Berlin". In allen diesen Fällen ist der Kern der Hauptfirma (§ 18 Anm. 3) in der Zweigfirma mit enthalten und aus der letzteren mit Leichtigkeit zu erkennen. Mit dieser Maßgabe ist eine Verschiedenheit der Haupt- und der Zweigfirma unbedenklich. Ter Zusammenhang beider Firmen muß erkennbar bleiben (BayObLG. in RIA. 12, 127; etwas strenger KG. daselbst 11, 23). Die noch weitergehende Ansicht von Opet ZHR. 49, 98 und TürHach. Anm. 5 (ebenso für das ältere Recht KGJ. 14, 13 und neuerdings PrOVG. 73, 186 = OLGR. 41, 196 Anm. 1), nach der auch eine völlige Verschiedenheit beider Firmen zulässig sein soll, ent­ spricht weder dem Begriffe der Firma einerseits und dem der Zweigniederlassung anderer­ seits noch dem praktischen Bedürfnisse. Aber die Firma der Zweigniederlassung kann im übrigen Zusätze im Sinne von § 18 enthalten, nur dürfen solche nicht zur Täuschung geeignet sein (vgl. § 18 Anm. 10ff.). Im Ergebnis ebenso RG. a. a. £.; Fischer in EhrenbergHandb. 3, 87; Brand Anm. 7; RitterKonun. Anm. 3. Ähnlich auch LehmannRing Nr. 6. Hiernach kann z. B. der Kaufmann X. Y., der Inhaber der Firma A. B. ist, als Firma einer neu errichteten Zweigniederlassung dieses Geschäfts wählen: ent­ weder bloß „A. B." oder „A. B." mit einem das Zweigniederlassungsverhältnis andeu­ tenden oder sonst dem § 18 entsprechenden Zusatze, auch „A. B., Inhaber X. Y." oder ähn­ liches; unbedingt aber muß der Firmenkern „A. B." darin enthalten sein. Erwirbt der Inhaber der Firma A. B. ein auswärtiges, unter der Firma C. D. betriebenes Geschäft mit Firma (§ 22), und macht er daraus eine Zweigniederlassung seines erstgedachten Geschäfts, so kann er für diese die Firma C. D. nicht unverändert oder bloß mit Nach­ folgerzusatz fortführen (anders, wenn er das hinzuerworbene Geschäft als Hauptnieder­ lassung beibehält; § 17 Anm. 3 und § 22), wohl aber in der Gestalt „C. D. Nachfolger, A. B.", oder „A. B. vormals C. D.", noch besser „A. B. Zweigniederlassung vormals C. D.", oder „C. D., Zweigniederlassung von A. B.", oder in ähnlicher Weise; immer aber nruß der Firmenkern „A. B." in der Firma der Zweigniederlassung enthalten sein, um diese als Zweigniederlassung von A. B. erscheinen zu lassen. Am meisten geboten ist dies bei juristischen Personen, namentlich AG., KGaA, mit) GmbH., denn § 20 HGB. bzw. § 4 Abs. 2 GmbHG. wäre sonst durch Errichtung von Zweigniederlassungen mit Leichtigkeit zu umgehen. Tie Firmen der Zweigniederlassungen von AG. und KGaA, (ebenso von GmbH.) müssen also die entsprechenden Bezeichnungen nach § 20 HGB. (bzw. § 4 GmbHG.) unbedingt enthalten. Für ältere Gesellschaften (vor 1900) vgl. jedoch § 20 Anm. 4 und § 201 Anm. 8. Wenn am Orte der Zweigniederlassung bereits eine der Firma der Haupt­ niederlassung gleiche eingetragene Firma besteht, so mutz ein Zusatz beigefügt werden zum Zwecke der Unterscheidung von der bereits bestehenden Firma. Ties bestimmt Abs. 3, der sich allgemein auf Einzelkaufleute sowie Handelsgesellschaften aller Art bezieht. Diesem Zwecke genügt jeder Zusatz, aus dem erkennbar ist, daß die Zweigniederlassung nicht identisch ist mit dem an dem betreffenden Orte bereits be­ stehenden Geschäfte. Der bloße Zusatz: „Filiale", „Zweigniederlassung" ist in diesem Falle nicht deutlich genug; das Publikum könnte leicht annehmen, es handele sich um eine Zweigniederlassung der Firma, die bereits am Orte bestand. Es genügt aber ein Zusatz, der erkennen läßt, daß das Geschäft eine Zweigniederlassung eines an einem anderen Orte bestehenden Geschäfts ist. Wird die Zweigniederlassung zur Hauptniederlassung erhoben, so unterliegt ihre Firma im allgemeinen den Vorschriften über neue Firmen (KGJ. 2, 17; 9, 17;

III. Abschnitt: Handelsfirma.

227

Behrend § 40 Anm. 35; Schultze-Görlitz 111; etwas abw. Tenzler 94). Die Firma § 30. des Hauptgeschäfts kann für die so gebildete Hauptniederlassung jedenfalls dann unbe­ denklich gewählt werden, wenn es eine ursprüngliche Firma ist (KGJ. 15, 12); im Zweifel auch dann, wenn es eine abgeleitete Firma ist, es sei denn, daß dieses Vervielfältigungs­ recht, das mit dem Firmenrechtserwerbe nicht notwendig verbunden ist, beim Erwerbe des Firmenrechts nicht mit übergegangen ist (KGJ. 15, 10 und 18, 26; Anm. 13 zu § 22). Über die Anmeldung zum Handelsregister s. § 31 Anm. 1. Eine Veräußerung deS Zweiggeschäfts mit dem Firmenrechte (vgl. § 22 Anm. Iss., Anm. 11. des. 4a) sollte strenggenommen unzulässig erscheinen, da das Zweiggeschäft kein für sich bestehendes Geschäft ist und daher nicht das Erfordernis des § 22 erfüllt; es müßte also eigentlich, um den Übergang des Firmenrechts zu erreichen, das Zweiggeschäft erst zur Hauptniederlassung erhoben und alsdann mit dem Firmenrechte veräußert werden. Allein die Praxis, der auch Denzler (221) und Silberschmidt in ZHR. 82, 289 sowie Adler ebenda 85, 127 beitreten, erachtet dies als eine unnötige Umständlichkeit und gestattet mit Recht die Weiterveräußerung der Firma mit den: Zweiggeschäft allein unter denselben Voraussetzungen, unter denen der Übergang der Firma auf das zur Hauptniederlassung erhobene Zweiggeschäft gestattet ist (KGJ. 15, 12; RIA. 2, 233 und 17, 88; LG. Hamburg in LZ. 07, 845). Wer ein Zweiggeschäft mit Firma erworben hat, kann, falls letztere den Firmenzusatz „Zweigniederlassung" (oder ähnlich) hat, diesen entweder weglassen oder ihn in der Fassung fortführen: „vormals Zweigniederlassung der Firma X." (Silber­ schmidt a. a. £).); auch ein anderer geeigneter Nachfolgezusatz ist zulässig, nur muß deut­ lich erkennbar sein, daß das Geschäft jetzt nicht mehr eine Zweigniederlassung der Firma X. ist (Adler in ZHR. 85, 133). Der Erwerber behält das Firmenrecht im Zweifel auch bei Verlegung des Geschäfts an einen andern Ort, nur muß er erforderlichenfalls der Vorschrift unseres Abs. 3 genügen (OLG. Stuttgart in OLGR. 1, 212; s. auch Anm. 3). — Umgekehrt kann der Inhaber einer Haupt- und einer Zweigniederlassung auch die Hauptniederlassung mit der bisherigen Firma veräußern und die Zweigniederlassung mit der bisherigen Firma weiterführen; er erhebt dann die bisherige Zweigniederlassung zur Hauptniederlassung (Anm. 10) und muß nur den in deren Firma etwa vorhandenen Zusatz „Zweigniederlassung", weil mit den: Grund­ sätze der Firmenwahrheit nicht vereinbar, streichen (RG. 77, 60).

4. (Abs. 4.) Die Landesregierungen können bestimmen, daß mehrere benachbarte Orte Anm. 12. und Gemeinden als ein Ort oder als eine Gemeinde anzusehen sind. Hier können Schwierigkeiten entstehen. Wenn z. B. die Landesregierung zwei benachbarte Orte zu einem Orte im Sinne des § 30 erklären wird, die früher als zwei Orte galten, so kann es kommen, daß in jedem dieser beiden Orte dieselbe Firma besteht. Muß eine der Firmen nun weichen? Hier ist zu berücksichtigen, daß jede der beiden Firmen zu Recht besteht. Deshalb gilt hier das gleiche, wie oben Anni. 3a. — Die Landesregierung kann ihre Bestimmung durch Gesetz oder Verordnung treffen. Für Preußen s. Zusammen­ stellung der Firmenbezirke PrIMBl. 1923, 197. Zusatz 1. Wenn der Registerrichter die Firmeneintragung trotz Ungleichheit ab-Anm. 13. lehnt, so ist hiergegen Beschwerde zulässig (§ 14 Anm. 4 u. 9ff.). Tie Klage gegen den Konkurrenten führt hier nicht zum Ziele, da an der Nichteintragung das öffentliche Inter­ esse beteiligt ist. Wenn der Registcrrichter die Firmeneintragung trotz Gleichheit vornimmt, so ist dem dadurch Verletzten die Klage auf Herbeiführung der Änderung gegeben (§ 37 Abs. 2). Daneben auch Beschwerde (§ 14 Anm. 4; ebenso KG. in KGJ. 37 A 199; vgl. auch BayObLG. in LZ. 1922, 31; a. M. OLG. Hamburg in OLG. 14, 342). Gegebenen­ falls steht dem Verletzten auch der Schutz des UnlWG. zur Seite; s. hierüber § 37 Anm. 26 Ziff. 4 und Rosenthal in HansRZ. 1920, 31. Auch wenn der Registerrichter bei seiner Prüfung die Gleichheit der beiden Firmen verneint hat, steht trotzdem stets den: Prozeßrichter das Recht (und ebenso die Pflicht) zu, diese Frage erneut selbständig zu prüfen; vgl. RG. 75, 371

228 §30. (Stiller-Prozeß).

III. Abschnitt: Handelc-firmci. Es kann hienrach vorkommen, daß ein eingetragener Firmeninhaber Rechte

aus § 37 Abs. 2 geltend macht, selbst aber aus § 16 UnlWG. verklagt wird (Rosenthal a. a. £.).

Anm. 14.

§ 31.

Zusatz 2. Uber die Firma der Zweigniederlassung eines auSlündischen Kaufmanns s. § 13 Anm. 11; für AG. § 201 Anm. 22. Uber die Veräußerung deutscher Zweignieder­ lassungen ausländischer Kaufleute mit Firmenrecht s. § 22 Anm. 41. Soweit das aus­ ländische Recht nicht entgegensteht, kann auch der ausländische Kaufmann seine deutsche Zweigniederlassung zur Hauptniederlassung erheben (Anm. 10), doch muß diesfalls die Firma den Vorschriften des deutschen Rechts entsprechen. Bei Selbständigmachung der in­ ländischen Zweigniederlassung einer ausländischen AG., KGaA, oder GmbH, muß gleich­ zeitig nach den Vorschriften des deutschen Rechts eine inländische Gesellschaft als Trägerin der Niederlassung gegründet und dieser das Zweiggeschäft übertragen werden. Also ist hier eine Erhebung der Zweigniederlassung zur Hauptniederlassung im eigentlichen Sinne (ohne Änderung des Geschäftsinhabers) nicht möglich. § 31.

Line Änderung der Firma oder ihrer Inhaber sowie die Verlegung der Niederlassung an einen anderen Grt ist nad? dell Vorschriften des § 29 zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Das gleiche gilt, wenn die Firma erlischt. Kann die Anmeldung des Erlöschens einer eingetragenen Firma durch die hierzu Verpflichteten nicht auf dem im § bezeichneten Wege herbeigeführt werden, so hat das Gericht das Erlöschen von Amts wegen einzutragen. Einleitung.

Der Paragraph trifft die erforderlichen rechtspolizeilichen Anordnungen für den Fall, daß Änderungen mit der Firma oder in der Firma vorgehen. Der Natur der Sache nach findet er keine Anwendung auf Minderkaufleute. Der § 31 bezieht sich nur auf rechtmäßig eingetragene Firmen. Ist eine Firma zu Unrecht eingetragen, so kann sie nicht geändert werden, nicht „erlöschen". Für sie kommen dann nicht die Vorschriften in § 132 FGG. (s. oben § 14 Anm. 3ff.) in Frage, denn diese sehen voraus, daß jemand zur Vornahme einer Anmeldung verpflichtet ist, sondern die des § 142 FGG. (s. oben § 14 Anm. 17; OLG. Jena in RIA. 12, 46).

Anm. 1. 1. (Abs. 1.) Eine Änderung der Firma oder ihrer Inhaber ist nach den Vorschriften deS § 29 zur Anmeldung zu bringen. „Nach den Vorschriften des § 29", also auch er­ neute Zeichnung ist notwendig. Diese Förmlichkeit wird leider von der Praxis selbst dann verlangt, wenn das Geschäft einer o.HG. von einem der Gesellschafter nach Aus­ scheiden der übrigen unter unveränderter Firma fortgeführt wird (KG. in RIA. 3, 83; vgl. auch § 108 Anm. 2). Eintragungspslichtig ist auch eine Änderung der Firma infolge bloßer Änderung des Namens eines Inhabers (§ 21). — Fälle des Wechsels eines In­ habers s. in den §§ 22, 27. — Über die Anmeldung in Erbfällen s. § 27 Anm. 34. Ferner aber ist die Verlegung der Niederlassung (über den Begriff der Nieder­ lassung s. § 13 Anm. 3ff.; auch hier ist Haupt- und Zweigniederlassung gemeint, vgl. § 29 Anm. 7) an einen anderen Ort anzumelden, und zwar gleichviel, ob dieser in dem­ selben oder in einem andern Gerichtsbezirke gelegen ist. Ein Erlöschen der Firnra liegt darin nicht (§30 Anm. 3); der Kaufmann kann die Firma beibehalten, vorbehaltlich der Bestimmungen des § 30. Vgl. außerdem Anm. la. Über die Verlegung des Sihes aus dem abgetretenen Reichsgebiete nach dem Inland s. KG. in RIA. 17, 84. Über die Verlegung des Sitzes-einer AG. s. § 182 Anm. 17. — Eine Verlegung der Zweig­ niederlassung ist, wie ihre Errichtung, bei dem Gerichte der Zweigniederlassung an­ zumelden und einzutragen; bei dem Gerichte der Hauptniederlassung erfolgt ein Ver­ merk (§ 13 Anm. 9). Anzumelden und einzutragen ist auch die Erhebung einer Zweig-

III. Abschnitt: Handelsfirma.

229

Niederlassung zur Hauptniederlassung (§ 30 Anm. 10) und umgekehrt die Um* § 31.

Wandlung einer Hauptniederlassung in eine Zweigniederlassung. Die Vorschrift bezieht sich auf alle (physischen) Einzelkaufleule, auch auf die des § 3 Abs. 2; die letzteren können zwar ihre ursprüngliche Eintragung nach Belieben be­ wirken oder- unterlassen, aber einmal eingetragen unterliegen sie den weiteren firmen­ rechtlichen Vorschriften. — Für ein zum Nachlaß gehöriges Handelsgeschäft hat der etwa eingesetzte Testamentsvollstrecker (soweit nicht das TestaMnt seine Befugnisse einschränkt) die in § 31 vorgeschriebene Anmeldung vorzunehmen (KG. in RIA. 11, 271; LG. I Berlin in KGBl. 06, 91). Tie Anmeldung wird regelmäßig dahin gehen, daß die Erben als solche Inhaber der Firma geworden sind. In diesem Falle haben die Erben gemäß § 29 die Firma zu zeichnen. Cb der Testamentsvollstrecker auch sich selbst in das Handelsregister eintragen lassen kann, darüber s. § 22 Anm. 6a. Nur in diesem Falle dürfte es Zweck haben, auch von ihm persönlich Zeichnung der Firma zu verlangen (anders LG. I Berlin a. a. £).). Vgl. hierzu §§ 2205, 2211, 2212 BGB. — Über die Frage, wer bei Konkurs des Kaufmanns Änderungen der Firma oder ihrer Inhaber bzw. eine Sitzverlegung anzumelden berechtigt und verpflichtet ist, ob insbesondere der Konkurs­ verwalter oder der Gemeinschuldner bzw. dessen Erben, s. Lehmann in HansRZ. 1918, 214. Die Vorschrift würde an sich auch auf juristische Personen und zufolge des § 6 auf Handelsgesellschaften zu beziehen sein. Doch sind für diese Sonder­ bestimmungen gegeben (§§ 34, 107, 161 Abs. 2, 277, 320 Abs. 3, 325 Nr. 1). Für Ver­ sicherungsvereine a. G. vgl. § 16 PrivVUntG. Für jede Änderung der Firma gelten die gleichen Voraussetzungen, wie bei der Anm. la. ursprünglichen Annahme der Firma. Das gleiche gilt bei der Verlegung der Nieder­ lassung an einen andern Ort (KG. in OLGR. 41, 190). Eine nach § 18 (Abs. 1 oder Abs. 2) unzulässige Firma, auch wenn sie bisher aus Versehen eingetragen war, kann nicht erneut eingetragen werden (ebenda). Deshalb dürfen Zusätze zur Firma, auch wenn sie ursprünglich zulässig waren, in der geänderten Firma nicht mehr beibehalten werden, wenn sie den zur Zeit der Änderung bestehenden Verhältnissen nicht mehr ent­ sprechen (KG. in KGJ. 41, 110). Aber abgeleitete Firmen (§ 22 Einl.), die in dieser Form den gesetzlichen Vorschriften entsprechen, können bei einer Sitzverlegung beibehalten werden. Die Änderung der Firma als solche bedeutet nur eine Änderung desAnm. Id. Namens im Sinne von § 17 Abs. 1, nicht eine Änderung des Rechtssubjekts (§ 17 Anm. 2;. Daher sind in solchem Falle im Prozesse nicht etwa die Vorschriften über Rechtsnach­ folge anwendbar. Grundstücke sind nicht neu aufzulassen. Auch bei einer Handelsgesell­ schaft ist eine Firmenänderung für die Frage der Gesellschaftsidentität belanglos (RG. 106, 67). Die Eintragung der Änderung setzt nicht notwendig voraus, daß dieAnm.2. Firma selbst eingetragen war (zust. Th. Cohn 104). Es bestand z. B. die nicht ein­ getragene Firma A. B., unter welcher der Kaufmann A. B. ein eintragungspflichtiges Geschäft betrieb. Er veräußert nun sein Geschäft mit Firma. Der Rechtsnachfolger kann sich eintragen lassen, ohne daß der frühere Inhaber eingetragen und veröffentlicht wird. Oft aber wird die nachträgliche Eintragung des früheren, bereits veränderten Zustands notwendig sein. So, lucrm die Folgen des § 15 Abs. 1 oder des § 25 Abs. 1 ausgeschlossen werden sollen (vgl. RCHG. 23, 227; RG. 15, 35). . (Abs. 2.) DaS Erlöschen der Firma ist anzumelden. Auch diese Vorschrift (Abs. 2 Anm. 3. Satz 1) bezieht sich zunächst nur auf Einzelkaufleute (vgl. jedoch Anm. 4 u. 5). Sie gilt auch für die Firma der Zweigniederlassung; deren Erlöschen ist — ebenso wie ihre Er­ richtung und Verlegung — bei dem Registergerichte der Zweigniederlassung anzumelden und einzutragen; bei dem Gerichte der Hauptniederlassung erfolgt ein Vermerk (Anm. 1). ) Das Firmenrecht erlischt nicht mit der vorübergehenden Einstellung des Gewerbebetriebs, sondern mit dem Aufhören des Geschäfts, selbst wenn noch einzelne Rechtsverhält­ nisse aus dem Geschäftsbetriebe fortdauern (BayCbLG. in OLGR. 6, 463). Das Firmen-

230

8 31.

Anm. 3a.

Anm. 4.

III. Abschnitt: Handelsfirma.

recht besteht so lange, als man noch sagen kann: das Geschäft besteht, d. h. so lange, als die zur Führung erforderlichen Bestandteile und Beziehungen noch vorhanden sind (BahObLG. in OLGR. 38, 7; vgl. § 1 Anm. 25; § 17 Anm. 15; ferner § 22 Anm. 5 u. § 131 Anm. 1, insbesondere über Liquidation und Konkurs). Tas Erlöschen der Firma tritt mit dem Aufhören des Geschäfts, für das sie geführt wird, auch ohne Eintragung ins Handels­ register ein (KG. in KGJ. 37 A 180), aber die Einstellung dieser gewerblichen Tätigkeit ist eine in das Handelsregister einzutragende Tatsache im Sinne von § 15, so daß vor der Ein­ tragung und Bekanntmachung das Erlöschen der Kaufmannseigenschaft einem Tritten, der die Einstellung des Betriebs nicht kannte, nicht entgegengesetzt werden kann (RG. 65, 412). Eine versehentlich erfolgte Löschung im Register hat nicht das Erlöschen einer tatsächlich noch bestehenden Firma zur Folge; im Wege der Berichtigung nach § 142 FGG. ist Abhilfe zu schaffen (KG. in KGJ. 28 A 44, in OLGR. 9, 257 und in RIA. 11, 216; vgl. auch RG. 65, 16). Steht aber bei versehentlich, z. B. ohne Anmel­ dung erfolgter Löschung fest, daß die Firma tatsächlich erloschen ist, so bleibt die Löschung bestehen (KGJ. 28A43; KG. in RIA. 17, 91). — Die Firma erlischt im Falle des § 1 auch mit der Verringerung des Gewerbebetriebs auf den Umfang des Klein­ gewerbes oder Handwerks (§ 4 Anm. 22a), im Falle der §§ 2, 3 Abs. 2 auch schon mit einer solchen Verringerung des Geschäftsbetriebes, daß Art und Umfang eine kauf­ männische Einrichtung nicht mehr erfordern. Rur darf in allen diesen Fällen die Ver­ ringerung natürlich kein vorübergehender Zustand sein, sondern muß ersichtlich ein dauernder sein (zust. KG. in OLGR. 3, 405; s. auch § 1 Anm. 25 a. E.). Tie Firma erlischt ferner durch andauernden Nichtgebrauch (RG. 22, 60). Ein Erlöschen der Firma tritt aber nicht schon dann ein, wenn das Nechtssubjekt, welches sie bisher geführt hat, zu bestehen aufhört. So darf z. B., wenn ein Geschäft mit Firma auf ein anderes Rechtssubjekt übergeht (etwa das Geschäft einer Kommanditgesellschaft mit Firma auf eine GmbH.), nicht das Erlöschen der Firma ge­ mäß Abs. 2, vielmehr muß eine Änderung gemäß Abs. 1 eingetragen werden (KG. in KGBl. 04, 83; dort und in KGJ. 44, 149 s. auch über die Art, wie in Preußen registerlich in diesem Falle zu verfahren ist; vgl. auch § 22 Anm. 14). Bon wem ist datz Erlöschen der Firma anzumcldcn? Regelmäßig von dem bis­ herigen Inhaber. Falls dieser verstorben, von seinen Erben, gegebenenfalls vom Testa­ mentsvollstrecker. Im Konkursfalle vorn Gemeiuschulduer (Marens in Holdheim 1913, 106). Tie in § 5 angeordnete fortdauernde Weitung als K aufmann infolge der Ein­ tragung ändert an der Pflicht zur Löschung nichts, wenn das Recht zur Firmenführung nicht mehr besteht (Anm. 5 zu § 5). — Taß auch bei Handelsgesellschaften das Er­ löschen der Firma einzutragen ist, s. §§ 157, 161 Abs. 2, 302, 320 Abs. 3; vgl. § 302 Anm. 6. — Hinsichtlich der Firmenlöschung bei solchen juristischen Personen, die als Einzelkaufleute anzusehen sind (§ 6 Anm. 1), vgl. § 34 Aum. 3. — Stellt eine Zweig­ niederlassung ihren Betrieb ein, so erfolgt die Anmeldung des Erlöschens der Zweig­ niederlassung (Anm. 3), und zwar beim Einzelkaufmann durch diesen, bei der o.HG. durch die Gesellschafter, bei der AG. durch den Vorstand (KG. in RIA. 14, 153).

Anm. 5. b) Kann die Löschung durch Ordnungsstrafen nicht herbeigeführt werden, so erfolgt sic von Amts wegen. Ties bezieht sich mit auf die Firmen der Handelsgesellschaften und juristischen Personen, zumal in dieser Hinsicht Sonderbestimmungen (Anm. 1 u. 4) nicht gegeben sind (D. 44). Jedoch sind die Voraussetzungen verschieden: Beim Einzel­ kaufmann bringt die endgültige Einstellung des Gewerbebetriebs das Erlöschen der Firma mit sich; bei einer Handelsgesellschaft dagegen erlischt die Firma erst mit der völligen Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses, also nach Auslösung der Gesellschaft, in der Regel erst nach durchgeführter Liquidation (SächsOLG. 37, 43). Tas Verfahren bei der Löschung von AmtS wegen ist folgendes: Tas Registergericht hat den eingetragenen Inhaber der Firma oder dessen Rechtsnachfolger von der beabsichtigten Löschung zu benachrichtigen und ihm zugleich eine angemessene Frist zur Geltendmachung eines Wider-

III. Abschnitt: Handelsfirma.

231

spruchs zu bestimmen. Tie Frist darf nicht weniger als drei Monate betragen. Sind § 31. diese Personen oder deren Aufenthalt nicht bekannt, so erfolgt die Benachrichtigung und die Fristbestimmung durch Einrückung in die Blätter, die für die Bekanntmachung der Eintragungen in das Handelsregister bestimmt sind (§§ 10, 11 HGB.). Wird Wider­ spruch erhoben, so entscheidet über ihn das Gericht. Gegen die den Widerspruch zurück­ weisende Verfügung ist sofortige Beschwerde zulässig. Die Löschung hat zu erfolgen, wenn Widerspruch nicht erhoben oder wenn die den Widerspruch zurückweisende Ver­ fügung rechtskräftig geworden ist. Alles das bestimmt § 141 FGG. (vgl. dazu Marcus bei Holdheim 09, 295). Daneben hat aber auch der Dritte, der ein Recht auf Löschung der Firma hat, die Befugnis, beim Registergerichte zu beantragen, daß es in der gedachten Weise verfahre. Weigert sich das Registergericht dessen, so hat er hiergegen das Be­ schwerderecht (§ 14 Anm. 4 u. 9ff.). Ist es aber eingeschritten und hat der Betroffene Widerspruch erhoben und ist auf seinen Widerspruch infolge Beschlusses des Register­ gerichts oder eines Obergerichts die Löschung unterblieben, so steht dem Dritten das Be­ schwerderecht nicht zu. Er hat eben nur das Recht, zu beantragen, daß das Verfahren von Amts wegen eingeleitet werde (§ 14 Anm. 4 u. 6). Äußerstenfalls bleibt ihm der Weg des Zivilprozesses übrig (§ 16 HGB.). Bei der Versicherungs-AG. und bei den VVaG, ergeben sich Eigentümlichkeiten im Verhältnisse des Registergerichts und seines Verfahrens zur Aufsichtsbehörde; hierüber Koenige PrivBUntG. § 30 Anm. 3, § 40 Anm. 1, § 43 Anm. 4 und zu § 66. Zusatz. Uber den Anspruch auf Auslieferung von Postsendungen, die an eine ge-Anm.6. löschte Firma gerichtet sind, vgl. RG. 55, 121.

§ 32.

§ 32.

wird über das vermögen eines Kaufmanns der Konkurs eröffnet, so ist dies von Amts wegen in das Handelsregister einzutragen. Das gleiche gilt

von der Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses sowie von der Einstellung und Aufhebung des Konkurses. Eine öffentliche Bekanntmachung der Eintragungen

findet nicht statt.

Die Vorschriften des § \5 bleiben außer Anwendung.

Der Paragraph ordnet die Eintragung, nicht auch die Bekanntmachung, der Eröff­ nung und Beendigung des Konkurses an. Er findet auch entsprechende Anwendung auf die Wiederaufnahme des Konkursverfahrens (§ 198 KO ).

1. Die Vorschrift entspricht dem praktischen Bedürfnisse (RG. 74, 66). Sie bezieht sich Anm. 1. auch auf alle Handelsgesellschaften (§ 6); auch auf die Versicherungs-AG. und die VVaG. (Koenige PrivBUntG. § 68 Anm. 4). Der Gerichtsschreiber des Konkursgerichts hat für die Mitteilung an das Handelsregister Serge zu tragen (§§ 112, 163, 190, 198, 205 KO.). Die Eintragung erfolgt in das Register der Haupt- wie der Zweigniederlassung. Vor­ aussetzung dafür ist, daß die Firma eingetragen ist (DürHach. Amn. 2; Lehmann-Ring Nr. 1; Brand Anm. 1; a. M. RitterKomm. Amn. 3). Für Preußen vgl. noch Allg. Vf. vom 7. Nov. 1899 § 29. 2. Zu beachten ist der Schlußsatz: die zivilrechtlichen Wirkungen der Eintragung und Nicht-Anm. 2. eintragung greifen hier nicht Platz. Diese treten vielmehr gegen Dritte ein, gleichviel ob die Eintragung erfolgt ist oder nid)t. Für die betreffenden Rechtsverhältnisse hat die KO. Fürsorge getroffen: grundsätzliche Unwirksamkeit aller Rechtsakte, die nach der Konkurseröffnung liegen:, gegenüber den Konkursgläubigern; grundsätzlich auch ohne Vorbehalt des Schutzes des guten Glaubens, außer in bestimmten, dem Grundbuchverkehr zugehörigen Füllen (§ 7 KO.; Jaeger Anm. 2lff. dazu). 3. Die materiellen Wirkungen der Konkurseröffnung selbst sind an den zuständigen Stellen Anm. 3. erörtert. Vgl. z. B. § 1 Anm. 18 u. 25, § 22 Anm. 5 u. 7, § 131 Anm. 9ff.; § 292 Anm. 7 ff.

232

§ 83.

III. Abschnitt: Handelsfirma.

§ 33. Line juristische Person, deren Eintragung in das Handelsregister mit Rücksicht auf den Gegenstand oder auf die Art und den Umfang ihres Gewerbe­ betriebs zu erfolgen hat, ist von sämtlichen Mitgliedern des Vorstandes zur (Eintragung anzumelden. Der Anmeldung sind die Satzung der juristischen Person und die Ur­ kunden über die Bestellung des Vorstandes in Urschrift oder in öffentlich be­ glaubigter Abschrift beizufügen. Bei der Anmeldung zum Handelsregister einer Zweigniederlassung bedarf es der Beifügung der Urkunden über die Bestellung des Vorstandes nicht. Bei der (Eintragung sind die Firma und der Sitz der juristischen Person, der Gegenstand des Unternehmens und die Mitglieder des Vorstandes an­ zugeben. Besondere Bestimmungen der Satzung über die Befugnis des Vor­ standes zur Vertretung der juristischen Person oder über die Zeitdauer des Unternehmens sind gleichfalls einzutragen.

Einleitung.

§ 33 gibt Vorschriften über die Anmeldung gewisser juristischer Personen zum Handelsregister. Er gilt für Neuanmeldungen und bildet die Einleitung der firmenrechtlichen Vor­ schriften über juristische Personen (§§ 33—36). Ergänzt werden diese noch durch § 452, nach dem der Staat als Postunternehmer nicht Kaufmann ist, und durch die in Anm. 69 zu § 1 erwähnte Vorschrift des BankG., nach der die Bestimmungen über die Eintragungen in das Handelsregister auf die Reichsbank keine Anwendung finden. Entsprechendes gilt nach § 1 der Durchführungsbestimmungen vom 14. Nov. 1923 (RGBl. 1923 I 1092) für die Teutsche Nentenbank und nach § 16 Abs. 6 des Reichsbahngesetzes (RGBl. 1924 II 272) für die Deutsche Reichsbahngesellschaft. Andererseits finden § § 33—36 auch durch §8 29—32 ihre Er­ gänzung, die aus juristische Personen Anwendung leiden, soweit sich nicht aus §§ 33—36 Änderungen ergeben (Erl. zu §§ 29—32, z. B. § 29 Anm. 1, § 30 Anm. 1, 9, § 31 Anm. 1, 4, 5). — Über die Anmeldung von Versicherungsvereinen a. GJ. vgl. §§ 30, 31 PrivVUntG.

Anm. 1. I. Welches sind die einzutragenden juristischen Personen? Die, deren Eintragung mit

Rücksicht auf den Gegenstand oder die Art und den Umfang ihreS Gewerbebetriebs zu erfolgen hat. a) Juristische Personen. Ihr Begriff steht in der Wissenschaft fest und wird daher von:

Anm. 2.

HGB., ebenso wie vom BGB., als bekannt vorausgesetzt. Sie sind, kurz gesagt, Rechts­ gebilde, denen, ohne daß sie natürliche Personen sind, Rechtsfähigkeit (Fähigkeit, selb­ ständiger Träger von Rechten und Verbindlichkeiten zu sein) zuerkannt ist (Gierke, Genossenschaststheorie 5). Entsprechend alter Entwicklung kennt auch das BGB. zwei Arten von juristischen Personen: die Vereine (§§ 21—79 BGB.), das sind Vereinigungen mehrerer zu einer Gesamtpersönlichkeit, und die Stiftungen (Anstalten, §§ 80—88 BGB.), bei ihnen ist die Grundlage eine Sache oder eine Mehrheit von Sachen. Vereine und Stiftungen können unter § 33 fallen. Ebenso die vom BGB. im § 89 erwähnten juristi­ schen Personen des öffentlichen Rechts, für welche neben den Vorschriften der §§ 33—35 ergänzend noch § 36 gilt (KG. in JFG. 1924, 184). über Vereine als Unter­ nehmer eines Handelsgewerbes s. Sachan in ZHR. 56, 444 und KG. in RIA. 11, 200. Nach BGB. erlangen Vereine, deren Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäfts­ betrieb gerichtet ist (und derartige Vereine kommen zunächst hier in Betracht), in Er­ mangelung besonderer reichsgesehlicher Vorschriften durch staatliche Verleihung Rechts­ fähigkeit (§§ 22, 23 BGB.). Auf Grund besonderer reichsgesetzlicher Vorschriften neben dem BGB. haben z. B. die Rechte juristischer Persönlichkeit erlangt: die Kolonialgesell­ schaften (§ 8 RGes. vom 17. April 1886 und 15. März 1888 und Art. 1 RGes. vom 2. Juli

III. Abschnitt: Handelsfirma.

233

1899), die Innungen (§ 86 RGes. vom 26. Juli 1897), die VVaG. (§ 15 PrivVUntG.), § 33. sowie die in Anm. 5 aufgezählten Gesellschaften. Auch die juristischen Personen, die aus Grund der früheren Gesetze bereits am 1. Jan. 1900 bestanden haben (Art. 163 EG.BGB.), sowie die, die auf den dem Landesrecht vorbehaltenen Gebieten bestehen, z. B. Berg­ werksgewerkschaften, wenn sie juristische Personen sind (vgl. § 2 Anm. 4), können in Betracht kommen (über die Eintragung einer Gewerkschaft sächsischen Rechts in das Handelsregister s. OLG. Dresden und KG. in OLGR. 27 S. 304 u. 306). Ausgeschlossen von § 33 sind die nicht rechtsfähigen Vereine. Ebenso inAnm. 3. der Regel die ins Vercinsregister eingetragenen Vereine des BGB., da ihr Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist. Aber diese Regel kann Ausnahmen erleiden. Zur Erreichung des idealen Hauptzwecks eines Vereins (z. B. Hebung des religiösen Sinns seiner Mitglieder oder Verbreitung des Naturheil­ verfahrens) kann als Mittel ein nebenbei geführter wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb dienen, z. B. eine Buchhandlung. Solche Vereine können in das Vereinsregister eingetragen werden (Kommentare zum BGB. zu § 21; Samter in DIZ. 00, 311), und sie müssen, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen (Anm. 5), auch ihre Firma zum Handels­ register anmelden (Anm. 10). In dem soeben gedachten Beispielsfalle betreibt der Verein eine Buchhandlung, also ein Gewerbe, und zwar ein Handelsgewerbe; er ist in diesem Falle ohne weiteres (auch ohne Eintragung ins Handelsregister) Kaufmann nach § 1 Abs. 2 Ziff. 8 (OLG. Kiel in OLGR. 41, 189), muß also (ebenso unter den Voraus­ setzungen des § 2) in das Handelsregister eingetragen werden (Marcus im „Recht" 1911, 726). Daß die erzielten Gewinne idealen Zwecken gewidmet werden, steht dem Begriffe des Gewerbes nicht entgegen (§ 1 Anm. 10). Bei ausländischen Vereinigungen kommt es darauf an, ob sie nach dem aus-Anm. 4. ländischen Rechte rechtsfähig sind oder nicht. Sind sie nach ihrem Heimatsrechte nicht rechtsfähig, so kann ihnen nach § 23 BGB. durch Beschluß des Bundesrats (jetzt des Staatenausschusses) Rechtsfähigkeit verliehen werden (streitig), alsdann fallen sie unter § 33, wenn die sonstigen Voraussetzungen des Abs. 1 vorliegen. Sind sie aber nach ihrem Heimatsrechte rechtsfähig, so fallen sie beim Vorliegen dieser Voraussetzungen schon dann unter § 33, wenn ihre Rechtsfähigkeit durch diese Behörde anerkannt ist; vgl. Art. 10 EG.BGB. über ausländische Aktiengesellschaften vgl. § 178 Anm. 13; § 201 Anm. 19ff. Ausländische Versicherungsunternehmungen, die im Jnlande durch Vertreter, Bevollmächtigte, Agenten oder sonstige Vermittler das Versicherungsgeschäft betreiben wollen, bedürfen hierzu der Erlaubnis (§ 85 PrivVUntG.). b) Die juristischen Personen (zu a) unterliegen aber nur dann der Eintragung, wenn diese Anm. 5. mit Rücksicht auf den Gegenstand oder auf die Art und den Umfang ihred Gewerbe­ betriebs zn erfolgen hat. Den Gegensatz bilden die juristischen Personen, die ohne Rücksicht auf den Gegenstand des Unternehmens kraft ihrer Rcchtsform zum Kaufmann erklärt sind: die AG., die KGaA., die GmbH. usw. (§ 6 Anm. 2); für diese gelten besondere gesetzliche Vorschriften. — Mit Rücksicht auf den Gegenstand sind eintragungspslichtig juristische Personen, die ein Handelsgewerbe nach § 1 als Vollkaufleute betreiben. Mit Rücksicht auf Art und Umfang sind eintragungspflichtig juristische Personen, deren Gewerbebetrieb unter § 2 fällt. Durch die Eintragung werden sie Kauf­ leute, und zwar Vollkausleute. — Daß eine juristische Person überhaupt ein Handels­ gewerbe betreiben kann, darüber vgl. § 1 Anm. 4. Nicht erwähnt sind hier die juristischen Personen, deren Eintragung „nicht zu er- Anm. 6. folgen hat", die vielmehr nur berechtigt, aber nicht verpflichtet sind, ihre Firma eintragen zu lassen, nämlich die, welche einen land- oder forstwirtschaftlichen Neben­ betrieb im Sinne des § 3 Abs. 2 haben. Machen sie von ihrem Recht aber Gebrauch, so sind sie im übrigen den Regeln der §§ 33—35 unterworfen. 2. Wer hat die Anmeldung zu bewirken? Sämtliche Mitglieder des Vorstandes. Auch Anm. 7. solche, die nach der Satzung nicht befugt sind, die juristische Person nach außen zu ver-

234 § 33.

III. Abschnitt: Handelsfirma.

treten (SächsOLG. 31, 463).

Auch die Mitglieder des Aufsichtsrats beim VVaG., aber

nur bei diesem, sonst nicht (RG. in IW. 1910, 6179; § 30 PrivVUntG.). Tie Anmel­ dung ist eine persönliche Verpflichtung jedes Vorstandsmitglieds; deshalb ist das Ord­ nungsstrafverfahren gegen die sämtlichen Mitglieder des Vorstandes der juristischen Person zu richten, und zwar nur gegen diese persönlich (KG. in OLGN. 12, 412). Über Zeich­ nung der Unterschrift s. § 35.

Anm. 8. 3. Was ist anzumelden? Das Gesetz sagt: die juristische Person. Das stimmt überein mit § 195, wonach auch bei der AG. „die Gesellschaft" anzumelden ist. Das Gesetz geht offenbar davon aus, daß sich die einzutragenden Tatsachen (Abs. 3) aus den An­ lagen der Anmeldung (der Satzung und den Urkunden über die Bestellung des Vor­ standes, Abs. 2) ergeben. Regelmäßig wird dies der Fall sein. Indessen bemerkt die D. (45) selbst, daß nicht immer eine Satzung vorhanden sein wird, wie z. B. bei juristi­ schen Personen aus früherer Zeit. Ferner wird es nach der Verfassung der einzelnen juristischen Personen nicht immer nötig sein, daß alle hier in Betracht kommenden Fest­ setzungen gerade durch die Satzungen getroffen werden. In solchen Fällen wird die Anmeldung diese Tatsachen besonders enthalten müssen.

Anm. 9.

Hiernach darf die Frage nicht schlechtweg dahin gestellt werden: Was ist anzu­ melden? sondern: Was muß aus der Anmeldung der juristischen Person und ihren Anlagen hervorgehen? Hierauf ist folgende Antwort zu geben:

a) Zunächst sicherlich der Charakter des nngemeldeten Rechtsgebildes als juristischer Person. Erforderlichenfalls muß daher die Verleihungsurkunde oder der sonstige Nachweis der juristischen Persönlichkeit beigebracht werden.

Anm. 10. b) Sodann die Firma der juristischen Person. Tenn nach Abs. 3 soll ja die Finna eingetragen werden. Soll ihre Firma mit ihrem Namen gleichlauten, so bedarf es hier­ über keiner besonderen Festsetzung und Angabe. Anders, wenn die Firma mit dern Namen nicht gleichlauten soll. Alsdann muß die Berechtigung dieser Firmenführung dargetan werden. — Auf ganz anderem Gebiete liegt die Frage, von welcher Be­ schaffenheit die Firma einer juristischen Person überhaupt sein muß und sein kann, ob sie insbesondere auch anders lauten kann als ihr eigentlicher Name. Zunächst muß sie den allgemeinen Vorschriften über die Firma entsprechen: Sie darf also keinen täuschenden Zusatz haben (§ 18 Abs. 2) und muß sich von allen Firmen an demselben Orte deutlich unterscheiden (§ 30). Ferner darf sie, wie aus entsprechender Anwendung des § 20 zu entnehmen ist, keine Form haben, die zu der Annahme Anlaß gibt, daß die Inhaber der Firma eine oder mehrere persönlich haftende Personen sind. Eine Gesellschaftsfirma an sich wird, wenn nur jener Schein vermieden wird, nicht un­ zulässig sein, sofern die juristische Person eine Personenvereinigung ist. So würde z. B. der Name „Verein für Kunst und Wissenschaft" oder „Gesellschaft für Philologie" ge­ eignet sein. Denn diese Namen erwecken nicht die irrige Annahme, als sei der Inhaber eine Gesellschaft mit persönlich haftenden Mitgliedern, sonst müßte ja die Form des § 19 gewählt sein. Ferner darf die juristische Person in der Regel ihre Firma nicht frei wählen, vielmehr ist regelmäßig ihr Name auch ihre Firma (KGJ. 17, 5; RG. in IW. 05, 72113), nach Befinden mit einem entsprechenden Zusatze nach § 18 Abs. 2. Anders, wenn eine entgegengesetzte Handelssitte besteht, wie bei Gewerkschaften (D. 45). Tie juristische Person kann ferner die Firma einer anderen Person erwerben und alsdann führen (§ 22 Anm. 11). Dabei müssen jedoch die allgemeinen Grundsätze gewahrt werden: cs darf auch dadurch nicht der Schein cnucdt werden, als seien die Inhaber der Firma persönlich haftende Mitglieder (Beispiel einer hiernach zulässigen abgeleiteten Firma: „Buchhandlung Müller & Schulze, Inhaber der Verein für Kunst und Wissenschaft"), und ferner hängt es von der Satzung der betreffenden juristischen Person ab, ob sie neben ihrem Namen überhaupt eine andere Namensbezeichnung als Firma führen kann, oder ob sie nicht vielmehr nur einen Namen haben kann. Ist letzteres der Fall, so darf die

III. Abschnitt: Handelsfirma.

235

erworbene Firma nur dann geführt und angcmeldet werden, wenn die juristische Person § 33. als solche diese Bezeichnung als ihren Namen angenommen hat. o) Der Litz der juristischen Person. Denn nach Abs. 3 soll dieser eingetragen werden.Anm. 11. Außerdem muß aber auch der Niederlassungsort aus der Anmeldung und ihren Anlagen hervorgehen (vgl. § 29 Anm. 7). Zwar erwähnt dies § 33 nicht, weil er davon auszugehen scheint, daß sich der Sitz der juristischen Person mit dem Crte der Nieder­ lassung decken werde. Allein dies ist keineswegs immer der Fall. Außerdem kann die juristische Person außer an ihrem Sitze noch an einem anderen Orte eine Niederlassung haben.

d) Der Gegenstand des Unternehmens. Denn auch dieser ist nach Abs. 3 einzutragen.Anm. 12. Ob der Gegenstand des Unternehmens einen bestimmten Inhalt haben muß oder einen mehr allgemeinen haben kann, darüber hat das HGB. keine Vorschriften, das richtet sich nach der Verfassung der betreffenden juristischen Person. Doch muß der Gegenstand des Unternehmens unter § 1 oder unter § 2 (bzw. im Falle des § 3 Abs. 2 unter diesen) fallen. — Vgl. für die AG. § 182 Anm. 18; für den VVaG. § 32 PrivBUntG. e) Endlich die Mitglieder des Vorstandes, und zwar müssen die Mitglieder des Vor-Anm. 13. standes aus besonderen Urkunden über ihre Bestellung hervorgehen, die in Urschrift oder in öffentlich beglaubigter Abschrift der Anmeldung beizufügen sind. Der Registerrichter hat zu prüfen, ob sich die Bestellung des Vorstandes nach den beigebrachten Urkunden als rechtsgültig erweist (OLG. Dresden in OLGR. 8, 382; gleiche Prüfungspflicht liegt ihm für die in § 34 angeordnete Anmeldung einer Änderung in der Zusammensetzung des Vorstandes ob). f) Besondere Bestimmungen über die Befugnis des Vorstandes zur Vertretung derAnm. 14. juristischen Person oder über die Zeitdauer des Unternehmens müssen aus der Satzung hervorgehen. Unter besonderen Bestimmungen über die Vertretungsbefugnis des Vorstandes ist jede Einschränkung seiner vollen gesetzlichen Vertretungsbefugnis und jede Abweichung von der gesetzlichen Regel zu verstehen, nach der ein aus mehreren Mit­ gliedern bestehender Vorstand nach Stimmenmehrheit zu beschließen und in dieser Weise nach außen zu handeln ermächtigt ist (vgl. §§ 26, 28, 70 BGB.). Besondere Bestim­ mungen über die Zeitdauer des Unternehmens sind z. B. Bestimmungen darüber, daß die Gesellschaft in einem bestimmten Zeitpunkte von selbst ohne Auflösungsbeschluß endet (z. B. § 5 PrivVUntG.), denn regelmäßig erfolgt die Auflösung durch Beschluß der Mitgliederversammlung (§41 BGB.).

4. Wo ist anzumelden? Hierüber s. § 29 Anm. 7. Uber die Form der Anmeldung s. Anm. 15. § 12. Ihre Beilagen sind in § 33 Abs. 2 verzeichnet: die Satzung und die Urkunden über die Bestellung des Vorstandes. Außerdem der Nachweis der Eigenschaft als juristische Person (Anm. 9) und der Nachweis der Firmenberechtigung (Anm. 10). 5. Was ist in das Handelsregister cinzutragcn? Zunächst, daß es sich um eine juristische Anm. 16. Person handelt. Das folgt aus Abs. 1 und Abs. 3. Sodann der Name der juristischen Person und, wenn sich die Firma mit ihm nicht deckt, auch diese; ferner der Sitz der juristischen Person; der Niederlassungsort, wenn er sich mit dem Sitze nicht deckt; der Gegenstand des Unternehmens; die Mitglieder des Vorstandes; und wenn die Satzung besondere Bestimmungen über die Vertretungsbefugnis des Vorstandes und die Zeitdauer des Unternehmens enthält, and) diese Bestimmungen. Alles dies ergibt Abs. 3. Über den Inhalt der Eintragung bei VVaG. vgl. § 32 PrivVUntG., nach dein ii. a. auch der Versicherungszweig nnb die Höhe des Gründungsfonds einzutragen sind.

6. Zum Handelsregister der Zweigniederlassung müssen die Anmeldungen gleichfalls er- Anm. 17. folgen (§13; vgl. KG. in JFG. 1924, 184), und zwar ebenfalls durä) alle Vorstands­ mitglieder (ebendort). Ebenso ist die Satzung hierbei mit einzureichen. Dagegen sind nicht beizufügen die Urkunden über die Bestellung des Vorstandes (§33 Abs. 2 Satz 2;

236 § 33.

III. Abschnitt: Handelsfirma.

insoweit liegt einer der in den Eingangsworten des § 13 vorgesehenen Ausnahme­ fälle vor).

Anm. 17a. 7. Die Eintragungen in das Handelsregister sind nach ihrem ganzen Inhalt auch be-

tanntzumachen (§ 10). Anm. 18. 8. Die zivilrechtliche Bedeutung der Eintragung und Nichteintragung richtet sich nach all­ gemeinen Vorschriften. Zunächst findet § 5 Anwendung: die juristische Person gilt für die Dauer der Eintragung in privatrechtlicher Hinsicht als Kaufmann und Vollkauf­ mann, wenn sie nur ein Gewerbe betreibt, sollte dies auch nicht den Vorschriften der §§ 1 u. 2 entsprechen. Außerdem aber findet § 15 Anwendung. Insbesondere bezieht sich dies auch auf die Vertretungsbefugnis des Vorstandes und die besonderen Be­ stimmungen hierüber. Je nachdem sie eingetragen (und veröffentlicht) sind oder nicht, muß der Dritte sie nach § 15 gegen sich gelten lassen oder nicht. Daß diese Sonder­ bestimmungen in den überreichten Satzungen stehen, ist für den Handelsverkehr un­ erheblich, auch dann, wenn nach den bürgerlichrechtlichen Vorschriften über die be­ treffende juristische Person solche Sonderbestimmungen für den Dritten schon für den Fall erheblich sein sollten, daß sie nur in der Satzung enthalten sind, wie dies z. B. für nicht eingetragene rechtsfähige Vereine nach § 26 Abs. 2 BGB. gilt.

Anm. 19. 9. Uber die Anwendbarkeit der §§ 22 tt. 25 s. § 22 Anm. 12a und § 25 Anm. 32.

8 34.

§ 34. Jede Änderung der nach

§ 33 Abs. 3 einzutragenden Tatsachen oder

der Satzung, die Auflösung der juristischen Person, falls sie nicht die Folge der Eröffnung des Konkurses ist, sowie die Personen der Liquidatoren und die

besonderen Bestimmungen über ihre Vertretungsbefugnis

sind zur Ein­

tragung in das Handelsregister anzumelden. Bei der Eintragung einer Änderung der Satzung genügt, soweit nicht die

Änderung die im § 33 Abs. 3 bezeichneten Angaben betrifft, die Bezugnahme auf die bei dem Gericht eingereichten Urkunden über die Änderung.

Die Anmeldung hat durch den Vorstand oder, sofern die Eintragung erst nach der Anmeldung der ersten Liquidatoren geschehen soll, durch die Liqui­

datoren zu erfolgen. Die Eintragung gerichtlich

bestellter Vorstandsmitglieder oder

Liqui­

datoren geschieht von Amts wegen. 3m Falle des Konkurses finden die Vorschriften des § 52 Anwendung.

§ 34 gibt Vorschriften über die Eintragung von Änderungen in den Rechtsver­ hältnissen der juristischen Personen. Dies im Anschluß an § 33, der nur für Neu­ anmeldungen gilt. Vorbildlich waren Bestimmungen des BGB. (z. B. §§ 67, 71, 74, 76) wie auch des Aktienrechts.

Anm. 1. 1. (Abs. 1.) Folgende Änderungen sind anzumelden: a) die Änderung der nach § 33 Abs. 3 einzutragenden Tatsachen, also: a) die Änderung der Firma (ob diese geändert werden kann unter Beibehaltung eines besonderen Namens für die juristische Person, darüber Anm. 10 zu § 33);

ß) die Änderung des Sitzes der juristischen Person und der Wahl des Ortes der Niederlassung, soweit er mit dem Sitze nicht zusammenfällt (Anm. 11 zu § 33);

Y) Änderung des Gegenstandes des Unternehmens. Tie Änderung muß sich in den für den Gegenstand einer handeltreibenden juristischen Person überhaupt zulässigen Grenzen halten (§ 33 Anm. 12);

237

UL Abschnitt: Handelsfirma.

8) Änderung in dem Personalbestände der Mitglieder des Vorstandes und ber § 34. besonderen Bestimmungen über die Vertetungsbefugnis und die Zeitdauer des Unternehmens (Anm. 13 und 14 zu § 33).

d) Ferner find anzumelden nach dem Abs. 1 unseres Paragraphen: a) Änderungen der Satzung. (Zur Satzung gehören nach den VUntG. auch die allgemeinen Versicherungsbedingungen.)

Anm. 2. §§ 40, 41

Priv-

ß) Die Auflösung der juristischen Person, falls sie nicht die Folge der Eröffnung des Konkurses ist (Anm. 6). Die Auflösungsgründe des BGB. sind bei einem Verein folgende: Beschluß der Mitgliederversammlung (§41); Ablauf der für die Dauer des Vereins bestimmten Zeit (§74 Abs. 2); Auflösung auf Grund des öffent­ lichen Vereinsrechts (§ 74 Abs. 3); selbstredend auch Wegfall der Mitglieder. Das BGB. kennt außerdem als Endigungsgründe des Vereins: die Entziehung der Rechtsfähigkeit (§43 u. §73) sowie den Verlust der Rechtsfähigkeit infolge Er­ öffnung des Konkurses (§42). Zweifellos gehört auch die Entziehung der Rechts­ fähigkeit, wenngleich § 34 sie nicht ausdrücklich erwähnt, zu den anzumeldenden Tatsachen. — Eine Stiftung erlischt nach BGB.: durch ihre Aufhebung (§87); durch den Konkurs (§§86, 42). Außerdem kommen aber noch in Betracht: die Be­ stimmungen der Verfassung über eine Beendigung der Stiftung; der Zeitablauf; der Wegfall des Gegenstandes.

Y) Die Personen der Liquidatoren und die besonderen Bestimmungen über ihre Vertretungsbefugnis (über Zeichnung der Unterschrift s. § 35). Welches die besonderen Bestimmungen über die Vertretungsbefugnis der Liquidatoren sind, läßt sich im allgemeinen nicht sagen. Von der Verfassung der betreffenden juristi­ schen Person hängt es ab, welches die normale Gestaltung der Vertretungsbefugnis ist und welches die abweichende. Bei den juristischen Personen des BGB. ist die Gesamtvertretung die normale Gestaltung (§ 48 Abs. 3 BGB.); sollen daher die Liquidatoren einzeln vertreten, so muß dies eingetragen werden. Sind die Vor­ standsmitglieder oder Liquidatoren gerichtlich bestellt, so ist eine Anmeldung nicht nötig, hier erfolgt die Eintragung von Amtswegen (Abs. 4). Gerichtliche Bestellung des Vorstandes und von Liquidatoren ist bei den Vereinen des BGB. nach § 29 BGB. vorgesehen (vgl. auch §48 Abs. 1 BGB.). Überall aber handelt es sich hier lediglich um die Liquidation der juristischen Personen, nicht um die Liquidation des Handelsgewerbes, wie DürHach. Anm. 4 annehmen. Wenn eine juristische Person das Handelsgewerbe „liquidiert", ohne sich selbst aufzulösen, so ist dies ein Akt, der als solcher das Handelsregister ebensowenig angeht, wie wenn ein sonstiger Einzelkaufmann sein Handelsgewerbe liquidiert. Wenigstens als Liqui­ dation geht er das Handelsregister nichts an. Liegt darin das Aufhören des Handels­ geschäfts, so muß die Firma gelöscht werden (Anm. 3). e) Endlich ist die Löschung der Firma anzumelden, wenn die allgemeinen Voraus-Anm. 3. setzungen dafür vorliegen. Tas kann der Fall sein, ohne daß die juristische Person als solche sich auflöst. Sie kann ihr Geschäft aufgeben (auslösen oder veräußern), im übrigen aber weiterbestehen. Es kann aber auch sein, daß sie im Zustande der Liqui­ dation ihr Geschäft aufgibt, welches einen anderen Namen trug als sie selbst (wofern dies überhaupt zulässig ist, vgl. § 33 Anm. 10). Endlich aber ist nach Beendigung der Liquidation die juristische Person jedenfalls im Handelsregister zu löschen, und auch ihre (von ihrem Namen vielleicht abweichende) Firma, falls sie diese nicht mit dem Handelsgeschäft veräußert hat (§ 22 Anm. 12a). Daß die Firma zu löschen ist, ist zwar nicht, wie bei den Handelsgesellschaften, besonders vorgeschrieben, folgt aber aus § 31 Abs. 2, da dieser, wie überhaupt §§ 29—32, auch aus juristische Personen soweit Anwendung findet, als sich nicht aus §§ 33—36 Abänderungen ergeben (§33 Einl.).

238

III. Abschnitt: Handelsfirma.

§ 34* 2. (Abs. 3.) Die Anmeldung erfolgt durch den Borstand oder die Liquidatoren; letz-

Anm. 4.

teres, wenn es sich um eine Eintragung handelt, die erst nach der Anmeldung der ersten Liquidatoren geschehen soll. „Durch den Vorstand": also nicht notwendig, wie bei der ersten Anmeldung (§33 Abs. 1), durch die sämtlichen Vorstandsmitglieder, sondern durch den Vorstand in der Zusammensetzung, in welcher er zur Vertretung nach außen ermächtigt ist.

Anm. 5. 3. (Abs. 2.)

Einzutragen find die nach Anm. 1, 2 und 3 anzumeldenden Tatsachen.

Für Abänderungen der Satzung ist in Abs. 2 eine Erleichterung gewährt (entsprechend der in § 277 Abs. 2: Abänderungen des Gesellschaftsvertrags bei AG., und der in § 40 PrivVUntG.: Satzungsänderungen bei VVaG.).

Anm. 6. 4. (Abs. 5.) Auch die Konkurseröffnung wird gemäß § 32 eingetragen. Anm. 7. 5. Die Anmeldungen und Eintragungen müssen auch bei dem Gericht der Zweigniederlassung erfolgen. Das folgt aus § 13.

Anm. 8. 6. Die rechtliche Bedeutung der Eintragungen und Nichteintragungen richtet sich nach § 15, bis auf die Eintragung der Konkurseröffnung (vgl. § 33 Anm. 18 und § 32 Anm. 2). Ist z. B. die Auflösung der juristischen Person nicht eingetragen und hat sich ein gut­ gläubiger Dritter mit einem Prokuristen eingelassen, so kann ihm die Auflösung nicht entgegengehalten werden. — Selbstverständlich deckt die Eintragung nicht Mängel beim Zustandekommen der Satzungsänderung usw. (ROHG. 20, 210; vgl. auch Anm. 2 zu § 309).

§ 35.

8 35. Die Mitglieder des Vorstandes und die Liquidatoren einer juristischen Person baden ihre Unterschrift zur Aufbewahrung bei dem Gerichte zu zeichnen.

Anm. 1. 1. Tie Vorschrift der Firmenzeichnung besteht auch für den Fall, daß die Vertretungs­ personen wechseln. —Über die Form der Zeichnung s. § 12. — Zur Zeichnung ver­ pflichtet sind, wenn nach der Satzung nur einzelne Vorstandsmitglieder befugt sind, die juristische Person nach außen zu vertreten, nur diese (anders hinsichtlich der An­ meldungspflicht nach § 33; SächsOLG. 31, 463). Anm. 2. 2. Der Inhalt der Vorschrift entspricht der für den Vorstand der AG. in § 195 Abs. 4 gegebenen. Dagegen weicht ec von der für sonstige Einzelkaufleute gegebene Vorschrift des § 29 in doppelter Richtung ab: die Vertreter der juristischen Personen haben nicht die Firma, sondern ihre persönliche Unterschrift zu zeichnen; der Einzelkaufmann hat die Firma, dagegen nicht seine persönliche Unterschrift zu zeichnen.

§ 36.

§36. (Ein Unternehmen des Reichs, eines Bundesstaats oder eines inländischen Rommunalverbandes braucht nicht in das Handelsregister eingetragen zu werden. (Erfolgt die Anmeldung, so ist die (Eintragung auf die Angabe der Firma sowie des Sitzes und des Gegenstandes des Unternehmens zu be­ schränken. Lit.: Düringer, Über die Registerpslicht der im § 36 bezeichneten juristischen Per­ sonen des öffentlichen Rechts, Holdheim 9, 81; Slic Je »selb, Kaufmannseigenschast und Eintragungspflicht der Kommunalverbünde nach dem neuen HGB., PrVerwBl. 20, 106.

Einleitung.

§ 36 enthält eine Vorschrift über die Eintragung der gewerblichen Unternehmun­ gen deS Reichs, eines Bundesstaats oder eines KornmunalverbandeS. Reich, Bundes­ staat und Kommunalverband gehören zu den im § 89 BGB. erwähnten „juristischen Per-

III. Abschnitt: Handelsfirma.

239

fönen des öffentlichen Rechts" (§ 33 Anm. 1). Damit ist keine andere Art juristischer § 36. Personen (neben Vereinen und Stiftungen), sondern nur eine bestimmte Entstehungs­ quelle hervorgehoben. Unter den Kommunalverbänden sind die Ortsgemeinden (städtische und ländliche), die Amtsverbünde, die Kreise und Provinzen zu verstehen (vgl. Schön, Tas Recht der Kommunalverbände in Preußen, Leipzig 1897, S. 15); auch die aus mehreren Gemeinden bestehenden Verbände (KG. in JFG. 1924, 184; LG. Freiberg im SÜchsAR. 07, 66; ebenso OLG. Dresden 8. Mai 1923 in Sachen „Girozentrale Sachsen öffentliche Bankanstalt" für einen Gemeindeverband im Sinne des Sächsischen Gesetzes über die Gemeindeverbände vom 18. Juni 1910). Was die gewerblichen Unternehmungen betrifft, so denke man hier an die Reichsdruckerei, den Reichsanzeiger, die Preußische Seehandlung, die staatlichen Porzellanfabriken, das Bayrische Hofbräuhaus, an die zahlreichen städtischen Gewerbebetriebe, z. B. Gasanstalten, Wasserwerke, Straßen­ bahnen. Daß der Postfiskus und die Reichsbank (sowie deren Zweiganstalten; Denzler Filiale, 142) nicht durch § 36 betroffen sind, s. § 33 Einl. über Sparkassen s. § 1 Anm. 7. 1. Zunächst ist zu ihren Gunsten ein blotzeS Recht auf Eintragung festgesetzt, dessen Anm. 1. Ausübung insbesondere für die staatlichen Bergwerke erwünscht sein kann (D. 46). a) Sie brauchen sich nicht eintragen zu lassen. Sie brauchen das zunächst nicht, wenn sie ein Handelsgewerbe nach § 1 betreiben. In diesem Falle sind sie Kaufleute und gegebenenfalls Vollkaufleute und sind doch von der Eintragungspslicht befreit. Sie brauchen es ferner nicht, wenn sie ein sonstiges Gewerbe betreiben, das nach Art und Umfang kaufmännische Einrichtungen erfordert (§ 2). Sie können sich in diesem Falle eintragen lassen und dadurch Kaufleute werden; sie können aber von Eintragung absehen und bleiben alsdann Nichtkaufleute. Das gleiche gilt natürlich, wenn ein landwirtschaftliches Nebengewerbe im Sinne des § 3 Abs. 2 betrieben wird. Die Pflicht, ihre Firma eintragen zu lassen, haben die hier gedachten Körper-Anm. 2. schäften, selbst wenn sie ohne Eintragung Vollkaufleute sind (Anm. 1), auch dann nicht, wenn sie einen Prokuristen bestellen (anders Lehmann-Ring Anm. 1). Sind sie von der Eintragung überhaupt befreit, so sind sie auch, solange sie von dieser Befugnis Gebrauch machen, von der Eintragung sonstiger eintragungsbedürftiger Tat­ sachen befreit. Ihre bevorzugte Stellung bezieht sich auch hierauf. Daraus folgt zu­ gleich, daß auch die im § 15 festgesetzten Folgen der Nichteintragung, insbesondere auch die Folgen der Nichteintragung des Erlöschens der Prokura, hier nicht Platz greifen. Tenn das sind dann alles keine eintragungsbedürftigen Tatsachen. Hier greifen überall die allgemeinen Grundsätze des BGB. über Erteilung und Erlöschen von Voll­ machten Platz. Für den Umfang der Prokura gilt das HGB. Die D. 46 sagt zu Unrecht das Gegenteil; Makower, Goldmann und TürHach. schließen sich ihr an, während Denzler 143, RitterKomm. und Brand im wesentlichen der hier vertretenen Ansicht zustimmen. Treten die gedachten Körperschaften zu einer o.HG. oder Kommandit­ gesellschaft mit einer Person zusammen, die keine solche Körperschaft ist, so fällt das Vorrecht des § 36 fort. Das gleiche gilt, wenn Körperschaften der fraglichen Art unter sich, also ohne Beitritt dritter Personen, eine o.HG. oder Kommanditgesellschaft begründen (OLG. Dresden 14. November 1924, Aktenzeichen 7 0 187/24). Anders, wenn sie einen Gemeindeverband bilden (Einl.). d)Aber sie dürfen sich auch nur dann eintragen lassen, wenn die Voraussetzungen Anm. 3. der §§ 1 u. 2 bzw. 3 Abs. 2 vorliegen. Sonst kann ihre Löschung betrieben werden. Und ferner: Einmal rechtmäßig eingetragen, haben sie nicht da8 Recht, sich wieder willkürlich löschen zn lassen. Ties nehmen zwar TürHach. Anm. 4 an (ihnen zust. Opet in ZHR. 49, 54 und Goldmann I 170), weil hier ein diese Willkür aus­ schließender Zusatz wie im § 3 Abs. 2 fehle. Allein dieser Zusatz ist (s. Riesenfeld 109) dort nicht hinzugefügt, um etwas anderes zu sagen als hier, sondern lediglich „um jeden Zweifel auszuschließen", daß jene Willkür nicht beabsichtigt sei (D. 16). Ter

240 § 36.

III. Abschnitt: Handelsfirma.

Nr. 1 und KG. in OLGR. 10 234 sowie OLG. Jena in RIA. 1, 54 unter Hinweis noch auf den Wortlaut („zu

hier vertretenen Ansicht stimmen zu Lehmann-Ring

werden", nicht: „zu sein"); ebenso RitterKomm. Anm. 2 und Brand Anm. 4.

Anm. 4. c) Für die Dauer der Eintragung greift jedenfalls § 5 Platz.

Sie gelten, sofern sie überhaupt nur ein Gewerbe betreiben, für die Tauer der Eintragung in zivilrechtlicher Hinsicht als Kaufleute, sollte auch ihr Gewerbe ein reines landwirtschaftliches und also nach § 3 Abs. 1 zur Eintragung nicht geeignet sein, oder sollte auch ihr Gewerbe weder unter § 1 noch (wegen Art und Umfang) unter § 2 fallen. Betreiben sie überhaupt kein Gewerbe und sind dennoch eingetragen, so ist die Eintragung auch dann nicht bedeutungslos; hier greift § 15 Platz sowie der Grundsatz von der Geltung als Kaufmann infolge kaufmännischen Auftretens im Rechtsverkehr (Anhang zu § 5).

Anm. 5. 2. Der Inhalt der Eintragung.

Die Eintragung beschränkt sich auf die Firma, den Sitz und den Gegenstand des Unternehmens. Für die Firma gelten die in Anm. 10 zu § 33 entwickelten Grundsätze. In die Firma wird meist, wie die in der Einleitung oben erwähnten Beispiele zeigen, der Gegenstand des Unternehmens mit eingefügt. Auch der Name der juristischen Person kann, wenngleich dies nicht vorgeschrieben ist, gleichfalls mit eingetragen werden. — Der Sitz des Unternehmens bedeutet wohl dasselbe wie der Ort der Niederlassung im § 29. Der Sitz des Unternehmens, nicht der Sitz der Körperschaft, soll eingetragen werden. Letzterer wird wohl im all­ gemeinen sich von selbst aus den öffentlich-rechtlichen Vorschriften ergeben, zumal bei den in § 36 genannten Rechtsgebilden (Reich, Staat usw.). — Sofern das gemäß § 36 bevorrechtigte Unternehmen von seinem Anmeldungsrecht Gebrauch macht, hat es nicht nur seine Hauptniederlassung, sondern auch etwaige Zweigniederlassungen eintragen zu lassen (maßgebend hierfür ist § 33; s. dort Anm. 17; KG. in JFG. 1924, 184). Offenbar ist, wie Denzler (143) mit Recht betont, die Möglichkeit der Errichtung von Zweigniederlassungen übersehen worden; der Ausdruck „Sitz" ist aber, lute eben dargelegt, im Sinne von Ort der Niederlassung auszulegen. Zuständig für die Eintragung der Zweigniederlassungen sind deren Registergerichte.

Anm. 6. 3. Die Anmeldung. Durch wen diese erfolgt, ist hier nicht gesagt. Hier greisen die all­ gemeinen Grundsätze Platz, die im § 33 für alle juristischen Personen aufgestellt sind (§33 Anm. 1), mithin Anmeldung durch alle Vorstandsmitglieder (KG. in JFG. 1924, 184). Der Inhalt der Anmeldung deckt sich mit dem Inhalte der Eintragung. Für die Form ist § 12 maßgebend, mithin genügt nicht Einreichung der Anmeldung in jeder Form einer öffentlichen Urkunde (so LG. Paderborn in LZ. 1910, 952; Brand Anm. 5 und unsere bisherigen Auslagen), vielmehr ist persönliche Bewirkung bei dem Gericht oder öffentlich beglaubigte Form gemäß § 12 erforderlich (KG. a. a. O. und in RIA. 11, 24; Lehmann-Ring Nr. 6). Für die Zeichnung der Unterschrift gilt § 35. Anm. 7. 4. über die Eintragung von Änderungen ist nichts gesagt. Es wird anzunehmen sein, daß Änderungen nur insoweit anzumelden sind, als sie erfolgte Eintragungen betreffen. Änderungen der Satzung sind wohl nicht anzumelden, ebenso nicht Änderungen in der Vertretung. Das sind alles öffentlich-rechtliche, feststehende Verhältnisse. Aber soweit der Inhalt der Eintragung reicht, sind die betreffenden Körperschaften auch zur An­ meldung der Veränderungen verpflichtet, insbesondere auch zur Löschung der Firma, wenn sie das Handelsgewerbe aufgeben, oder wenn es im Falle des § 2 dessen Er­ fordernissen nicht mehr entspricht; ebenso zur Löschung der eingetragenen Prokura (vgl. Anm. 2).

Anm. 8. 5. Fraglich ist die Stellung des Registerrichters gegenüber diesen juristischen Personen öffentlichen Rechts überall dort, wo es sich um Erfüllung von registerlichen Vor­ schriften handelt, z. B. um Löschungen. Ordnungsstrafen wird er nicht verhängen dürfen (a. M. Brand Anm. 8; EhrenbergHandb. 1, 592; allein auch die RAbgO. bestimmt in § 202 Abs. 5: „Gegen öffentliche Behörden sind Zwangsmittel nicht zu-

III. Abschnitt: Handelsfirma. lässig").

241

Es wird nichts übrigbleiben, als daß er sich bei der vorgesetzten Behörde be- § 38.

schwert. L. Cohn (bei Gruch. 42, 73) will die Behörde verpflichten, sich über den Negisterrichter zu beschweren. Allein das wird nicht immer zum Ziele führen, und es ist nicht zu ersehen, warum die Parteirollen hier wechseln sollen. 6. Die zivilrechtliche Bedeutung der Eintragung und Richteintragung richtet sich auch Anm. S. nach allgemeine« Grundsätzen. Tie Tatsachen, die keiner Eintragung bedürfen, z. B. die Vertretungsverhältnisse der Körperschaften, sind in der Weise maßgebend, wie sie nach dem betreffenden Staatsrechte bestehen. Mit der Nichteintragung kann sich der Tritte hier nicht entschuldigen. Denn es handelt sich eben nicht um eintragungs­ bedürftige Tatsachen (vgl. Anm. 2). Tie Frage, ob § 15 hier angewendet werden kann, ist streitig. Makower will dessen Abs. 1, EhrenbergHandb. 1, 627 auch dessen Abs. 2 ausschließen; Lehmann-Ring Nr. 6a halten sowohl Abs. 1 als auch Abs. 2 für anwendbar. Hinsichtlich des Abs. 2 stimmen wir der letzteren Ansicht zu, weil sonst die hier be­ handelten Unternehmen unbilligerweise benachteiligt sein würden. Dagegen halten wir den Abs. 1 nicht für anwendbar, soweit es sich um Eintragung des Unternehmens oder der Vertretungsverhältnisse oder einer Prokura handelt (Anm. 2). Ist dagegen ein Ein­ trag erfolgt, so erfordert es der redliche Geschäftsverkehr, daß das Erlöschen des Han­ delsgewerbes oder eine Änderung der Vertretungsverhältnisse bzw. der eingetragenen Prokura einem gutgläubigen Dritten nicht entgegengesetzt werden kann, solange diese Tatsache nicht eingetragen und bekanntgemacht ist. Insoweit gilt also auch Abs. 1 des § 15. Zusatz 1. Aus § 36 geht hervor, daß auch der Staat, wenn er ein Handelsgewerbe Anm. 10. betreibt, als Kaufmann angesehen wird. Entsprechendes gilt für Gemeinden. Wegen des Postfiskus vgl. § 452. Nur muß Gewerbsmäßigkeit des Betriebs vorliegen, er muß auf Gewinn gerichtet sein (§ 1 Anm. 8 u. 10). Der Gewinn wird nicht schon durch Ersparnisse allein gebildet. Auch ist die Frage, ob der Betrieb tatsächlich Gewinn oder Verlust bringt, gleichgültig (KfmG. Danzig in GewKfmG. 27, 20). Die Absicht ent­ scheidet. In diesem Sinne ist der Staat z. B. in Beziehung auf den Betrieb der dem allgemeinen Verkehr dienenden Eisenbahnen ein Gewerbetreibender, dagegen nicht in Beziehung auf den Betrieb einer lediglich militärischen Zwecken dienenden Eisenbahn . Gebrauch einer freinden Firma als Telegrammadresse ist Mißbrauch (OLG. Dresden in ZHR. 46, 479). Als unbefugter Gebrauch wird vom RG. nicht erachtet unbefugte Etikettierung von Waren mit fremder Firma (ROHG. 6, 246; RG. 3, 165; Bolze 5 Nr. 201: Benediktiner; RG. 36, 13: Toornkaat; RG. im „Recht" 05, 683; Bezeichnung sog. Leibbinden mi Zigarren mit fremder Firma Henry Clay). Dies ist aber nach unserer Grnndanschannng über den Begriff „Gebrauch einer fremden Firma" nicht zutreffend (übereinst, mit uns KG. in BuschA. 27, 454; Cosack, 7. Ausl., § 16 S. 67). Gegen unbefugte Elnettierung gewährt jedenfalls das WZG. Schutz (Näheres Anm. 26). Annahme und Öffnen von Briefen, die an eine fremde Firma gerichtet sind, kann unter Umständen aus anderen rechtlichen Gesichts­ punkten rechtswidrig sein und schadensersabpflübtig machen, aber cs kann nicht als „Gebrauch" der betreffenden Firnra angesehen werden (RG. in IW. 1925, 16311 und Anm. dazu von Em. Adler). Immerhin ist der Gebrauch der Firma zu unterscheiden von bloßen erklärenden Zusätzen („Notifikatorien": RG. 5, 111; 19, 23 u. 25). So ist der Zusatz: „früher Hugo L." und der Zusatz: „früher L.sches Hans" als unbefugter Firmengebrauch, der Zusatz: „im früher L.sehen Hause" als zulässige Mitteilung erachtet worden (Bolze 16 Nr. 116). Tie Bezeichnung „Hermann L.sche Konkursmasse" oder „Warenlager der

252

§ 37.

III. Abschnitt: Handelsfirma.

Hermann L-schen Konkursmasse" kann je nach der Lage des einzelnen Falles bald un­ zulässiger Firmengebrauch, bald zulässige Mitteilung sein, ersteres z. B. dann, wenn derartige Ankündigungen ohne Unterschrift und nach Beendigung des Konkurses erlassen werden. Derjenige, der Ole mit „New Jersey Rcfinery New Dork" bezeichnet, um den Ort ihrer Herstellung und Herkunft anzugeben, gebraucht damit noch nicht die von einem anderen gewählte Firma „New Jersey Resinery New Dort" (RG. in HansGZ. 30 H. 117). Uber die Frage, ob eine Beifügung als Firmenzusatz oder nur als lediglich erklärender Zusatz zur Firma anzusehen ist, entscheidet die Verkehrsauffassung (KG. in KGJ. 5 A 13; RitterKomm. § 18 Anm. 2; s. auch oben § 18 Anm. 7); ebenso darüber, ob nur der Gebrauch einer Geschäftsbezeichnung (§ 17 Anm. 6) vorliegt. In dieser Beziehung kommt es darauf an, ob der Kaufmann den Namen nur als Geschäftsbezeichnung für die be­ treffende Niederlassung führt, oder ob er überhaupt sein Handelsgeschäft unter diesem Namen betreibt; nur im letzteren Falle liegt „Gebrauch einer Firma" vor (LG- Dresden a. a. O-; vgl. auch „Recht" 1918 Nr. 268). Daher ist es z. B. nicht zu beanstanden, wenn ein Wäsche- und Blusenhändler seiner eingetragenen Firma in Bekanntmachungen den erklärenden Zusatz „Neustädter Blusen-Ecke" hinzufügt (LG. Dresden, Beschluß vom 26. Nov. 1910 zu Blatt 8016 des Dresdner Handelsregisters). Ebenso ist es nicht als Firmenmißbrauch anzusehen, wenn eine Handelsgesellschaft (auch eine GmbH.) auf Brief­

bogen oder Plakaten die Namen ihrer Gesellschafter in geeigneter Weise der Firma bei­ fügt (KG. in KGJ. 49, 104). Anm. 21. c) Auch wenn der unbefugte Gebrauch im Auslande erfolgt (z. B. durch Bekanntmachungen, Warenabsatz im Auslande), findet § 37 Abs. 2 Anwendung (Bolze 9 Nr. HO; Allseld 174; RG. 18, 32; und in IW. 89, 51611). Dagegen ist die Vorschrift nicht anwendbar, wenn die Firma einer ausländischen Handelsgesellschaft den Vorschriften des HGB. nicht ent­ spricht (RG. im „Recht" 09 Nr. 737). Anm. 22. 4. Das Ziel der Klage. WaS kann der Kläger verlangen? a) Unterlassung des ferneren Gebrauchs der Firma. Dies ist im Abs. 2 hervor­ gehoben. b) Außerdem aber kann auf Löschung geklagt werden (anders im Falle des Ein­ schreitens des Registerrichters, Abs. 1; s. Anm. 4). Diese Klage ist zwar nicht erwähnt, aber unbedenklich zulässig (RG. 3, 120; 22, 60; 37, 58ff.; OLG. Kiel in OLGR. 6, 38). Sie ist auch nötig, da die Löschung von Amts wegen nur, wenn die Eintragung einer wesentlichen Voraussetzung ermangelt, möglich ist (§ 142 FGG.) und nur eine Befug­ nis des Richters ist, die Verurteilung überdies das Widerspruchsrecht aus § 142 Abi. 2 FGG. dem Beteiligten nimmt (vgl. Anm. 8). Der Antrag dieser Löschungsklage ist auf Abmeldung der Firma, d. h. auf Anmeldung, daß sie erloschen sei, bzw. niemals zu Recht bestanden habe, zu richten (OLG. Köln in ZHR. 46, 481 u. 482). Tie blvße Klage auf Unterlassung des Gebrauchs führt nicht zu den: Ziele, daß das Register be­ richtigt wird; auch eine Klage auf Feststellung führt nicht dazu, weil § 16 Abs. 1 uur solche Eintragungen zum Gegenstände hat, bei denen mehrere an der Eintragung be­ teiligt sind, d. h. solche Eintragungen, die nur auf Antrag rnehrcrer erfolgen. Die Zwangs­ vollstreckung regelt sich nach den §§ 894, 896 ZPO. — Ist die Firma noch nicht e n* getragen, so kann § 16 Abs. 2 anwendbar werden: die Eintragung der Firma darf ncht gegen den Einspruch dessen erfolgen, der eine rechtskräftige oder vorläufig vollstreckbare Entscheidung darüber erwirkt hat, daß die Eintragung der Firma unzulässig sei. Danit ist der Kläger gegen die Eintragung einer unbefugt geführten Firma geschützt. Anm. 23. e) Ob endlich ein Anspruch auf Schadensersatz besteht und unter welchen Voraus­ setzungen, sagt § 37 nicht. Er läßt nur die sonstigen Vorschriften hierüber unberütrt. Das ist in erster Reihe § 823 BGB., nach dem der, welcher vorsätzlich oder fahrlässig tas Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, auf Schadensersatz hastet. Das bezieht ich selbstverständlich auch auf die Verletzung des Firmenrechts und auf die Verletzung sonstijer Rechte durch unbefugten Firmengebrauch. Es kann also unter den Voraussetzungen zu

III. Abschnitt: Handelsfirma.

253

1 und 2 auch auf Schadensersatz gelingt werden, wenn die Verletzung vorsätzlich oder § 37. fahrlässig geschah. Außerdem konnnen hier noch in Frage die Schutzbestimmungen aus dem UnlWG. (Anm. 26 Ziff. 4) und aus § 826 BGB. (Anm. 19). Der Inhalt des Schadensersatzanspruchs richtet sich nach §§ 249ff. BGB.; der entgangene Gewinn be­ sonders ist ein solcher, welcher nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte (§ 252 BGB.; so auch nach früherem Recht RG. 28, 247; 38, 171). d) Die Klagen auf Unterlassung und Schadensersatz stehen dem Verletzten nebeneinander Anm. 23a. zu. Auch die Klage auf Unterlassung ist als ein vermögensrechtlicher Anspruch anzusehen (RG. in IW. 01, 6527; RG. 74, 381).

e) Einstweilige Verfügungen sind ebenfalls zulässig. Sie können z. B. darauf gerichtetAnm.24. werden, daß bei fiskalischen Strafen dem Firmenführer der fernere Gebrauch der Firma untersagt wird, nicht aber auf Eintragung von Vormerkungen in das Register (Anm. 6 im Anhang zu § 8).

5. BeweiSlast. Verjährung. Die Veweislast bei einer Klage aus § 37 Abs. 2 regelt sichAnm. 25. in der Weise, daß zunächst der Kläger das ihm an der Firma zustehende Recht beweisen muß, so daß die Klage ohne Prüfung des Rechts des Beklagten abzuweisen ist, wenn dem Kläger dieser Nachweis nicht gelingt (RG. in SächsA. 14, 575). Die Verjährung des Anspruchs aus § 37 Abs. 2 tritt bei fortgesetztem Gebrauch der unberechtigten Firma nicht ein, denn dieser fortgesetzte Gebrauch hat für den zum Widerspruch Berechtigten jederzeit die Neuentstehung des Anspruchs zur Folge (RG. in IW. 02, 27").

Zusatz 1. Abgrenzung deS Firmenrechts gegen daS Recht deS Warenzeichens und Anm. 26. gegen die firmenrechtlichen Vorschriften deS Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb. Es sei nochmals betont, daß der Schutz auf Grund des WZG. wie des UnlWG. nicht zu den Aufgaben des Registerrichters gehört, vielmehr von dem Verletzten im Prozeßwege zu verfolgen ist; vgl. Anhang zu § 8 Anm. 11; § 30 Anm. 1 a. E.; s. oben Anm. 19. 1. DaS Warenzeichengesetz vom 12. Mai 1894 (neue Fassung vom 7. Dez. 1923, RGBl. II 445) gewährt dem Firmenrecht einen weiteren Schutz in § 14. Die Recht­ sprechung nimmt vielfach an, daß es keinen unbefugten Gebrauch der Firma enthalte, wenn jemand die Firma eines anderen dazu benutzt, um seine Ware damit zu versehen (Anm. 20). Das WZG. schützt das Firmcnrecht auch nach dieser Richtung, freilich nur bei wissentlichen oder grob fahrlässigen Verletzungen; es gewährt Schadens­ ersatz (§ 14) und im Falle einer Verurteilung auf Grund des § 14 auch das Recht auf Beseitigung der widerrechtlichen Kennzeichnung bezüglich der im Besitze des Verurteilten befindlichen Gegenstände (§ 19).

2. Wer als Warenzeichen ein Wortzeichen (z. B. Salvator, Meteor, Bänädiktine; über die Zulässigkeit s. Seligsohn § 1 Nr. 11 ff.) eintragen läßt, kann dadurch bestehende und rechtlich gültige Firmcnrechte nicht in Frage stellen (§ 13 WZG.; RG. in Str. 30, 13; in Zivs. 48, 233; 54, 42; s. auch Seligsohn § 9 Nr. 1). Streitig ist, ob die Wahl eines Wortzeichens die spätere freie Wahl von Firmen beeinflußt. Das RG. (in Str. 30, 13 und in LZ. 09, 773, sowie in Zivs. IW. 01, 72723) meint, § 13 lasse die spätere Firmenwahl nur insoweit frei, als es sich um notwendige Bestandteile handelt, nicht aber bei freigewählten Zusätzen (§ 18 Abs. 2). Dein RG. stimmen zu: Seligsohn § 13 Nr. 4; Wassermann im GewRschutz 6, 351; DürHach. Anm. 13; Allfeld, Komm, zu den Ge­ setzen über gewerbl. Urheberrecht S. 574; OLG. Düsseldorf in DIZ. 1910, 975. Ferner vgl. RG. 95, 292; 100, 266 und in IW. 1924, 1159"; Wassermann in IW. 1921, 1538. Auch wir schließen uns dieser Ansicht an, nach welcher dem wohlerworbenen Rechte des Zcicheninhabers eine vorzugsweise Berücksichtigung gegenüber dem Erwerber einer später gewühlten Firma gebührt. Allerdings wird hierdurch nicht die freie Wahl der Firma

254 § 37.

III. Abschnitt: Handelsfirma.

verhindert, sondern lediglich deren verwechslungsgefährlichc Benutzung im Verkehr mit

Waren, zu deren Kennzeichnung das Warenzeichen bestimmt ist (OLG. Düsseldorf a. a. O.; KG. in OLGR. 42, 220; noch weitergehend HansOLG. in MuW. XII, 43). — Im übrigen kommt § 13 WZG. auch dem zustatten, der seine Firma gebraucht, um Ver­ wechslungen mit der Firma eines anderen hervorzurufen oder diesem unlauteren Wett­ bewerb zu bereiten (RGStr. in IW. 07, 565113); hier hilft unter Umständen das UnlWG. Dagegen regelt § 13 WZG. nicht vertragliche Verhältnisse; z. B. kann bei abgeleiteten Firmen (§ 22 Anm. 11) nach Befinden der frühere Firmeninhaber verlangen, daß der derzeitige die Firma unverändert, insbesondere auch unverkürzt, aus Waren verwende (KG. in RIA. 7, 199). — Über die Verwendung einer Firma in abgekürzter Gestalt zur Warenbezeichnung s. NG. 90, 88. Über den Schutz des § 13 WZG. gegenüber Firmenabkürzungen RG. in IW. 1924, 4076 und Anm. dazu von Elster. Darüber, daß eingebürgerte Geschäftsbezeichnungen (§ 17 Anm. 6) auch gegenüber einem später ein­ getragenen Warenzeichen weiterbenutzt werden können, s. RG. in DIZ. 1911, 1447. 3. Wird eine Firma zum Bestandteil eines Warenzeichens gemacht (dies ist nach RG. 55, 24J selbst bei fremden Firmen möglich), so gelten die firmenrechtlichen Vorschriften unabhängig neben denen des WZG. Verstößt insbesondere der Gebrauch der Firma, wie er in der Verwendung des aus ihr gebildeten Warenzeichens erfolgt, gegen eine gesetzliche Vorschrift, so wird er durch die warenzeichenrechtliche Zulässigkeit nicht recht­ mäßig (RG. in IW. 1911, 6671: Fall Mercier; ausführlicher mit Erläuterungen von Lobe in GewRschutz 1911, 34), und es ist selbst eine Klage auf Löschung des Waren­ zeichens gegeben, wenn das eingetragene Zeichen das Firmen- oder Namensrecht ver­ letzt. Die §§ 8, 9 WZG. enthalten mir die zeichenrechtlichen Löschungsgründe. 4. Durch § 16 des UnlWG. vom 7. Juni 1909 ist das Firmenrecht nicht nur gegen den ge­ schützt, der sich unbefugt einer ihm nicht Zustehenden Firnm bedient, sondern auch gegen den, der nach firmenrechtlichcn Grundsätzen berechtigt ist, die Firma zu führen (der Z. B. in einer anderen Stadt eine gleichlautende Firrna oder auch nur gleichlautende Firmen­ zusätze hat eintragen lassen), der sie aber in einer Weise führt, welche geeignet ist, Ver­ wechslungen herbcizuführen. An sich ist Z. V. niemand gehindert, in Hamburg eine Salvatorbrauerei-Aktiengesellschaft zu gründen, auch weun in München eine solche an­ gesehene Gesellschaft besteht. Aber wenn der Gebrauch der ersteren Firnm in einer Verwechslungen ermöglichenden Weise geschieht, so gewährt § 16 UnlWG. Schutz: Zu­ nächst den Anspruch auf Unterlassung der Benutzung; außerdem bei Vorsatz oder Fahr­ lässigkeit den Anspruch aus Schadensersatz. Auf Grund des ersteren Anspruchs lann nicht nur die Unterlassung der mißbräuchlichen Art der Benutzung, also mittelbar die An­ nahme genüsser unterscheidender Zusätze zur Firma, sondern auch die Benutzung der Firma überhaupt und ihre Löschung verlangt werden; die Löschung dann, wenn ohne sie die mißbräuchliche Art der Benutzung nicht verhindert werden kann (RG. 95,292; in IW. 1918, 307; 1924, 189; in MuW. 17, 164; 19, 30; im „Recht" 1924 RsprBeil. Nr. 1009; Rosenthal § 16 Anm. 44). — Über das Verhältnis des UnlWG. zu $ 30 HGB. vgl. § 30 Anm. 1 a. E., Anm. 4 a. E. und Anm. 13. — Über die Rechtsprechung betr. den Firmenschutz nach § 16 UnlWG. s. Wertheimer in GewRschutz 1911, 69. S ehe auch GewRschutz 1911, 215 (Fall Heidsieck; OLG. Dresden) und Rosenthal § 16 Anm. 70 bis 87. Über die Begrenzung des Rechts, den eigenen 9caiiicn zu benutzen, j. Rvser.chal § 16 Anm. 24, 25 und in GewRschutz 1918, 147 sowie in IW. 1925, 1298 (Anm. zu )em dort abgedruckten Urteil des RG. in Sachen Malzmann: RG. 110, 234), ferner O^G. Hamburg in HansRZ. 1923, 931. Durch den Gebrauch einer Firrna kann aber auch gegen § 1 oder j 3 UnlWG. verstoßen werden. Der erstere ist eine allgemeine Bestimmung gegen alle im geschäftlichen Verkehre zu Zwecken des Wettbewerbs vorgenommenen, gegen die guten Sitten verstoßenden Handlungen; er ergänzt in glücklicher Weise den § 826 B(iB. (s. oben Anm. 19). Gegebenenfalls kann er angewendct werden, wenn jemand ein

III. Abschnitt: Handelsfirma.

255

Wort als Firmenbestandtcil aufnimmt, uni Verwechslungen mit der Firma oder mit dem § 37. Warenzeichen eines anderen herbeizuführen (io 5. B. ££$. München in OLGR. 32, 246; RG. in IW. 1918, 307), oder wenn die Wahl der ganzen Firma als eine gegen die guten Sitten verstoßende Wettbewerbshandlung sich darstellt (RG. in IW. 1925, 142"; in diesem Falle kann auf Löschung der Firma geklagt werden). Gegen § 3 UnlWG. kann durch den Gebrauch einer Firma verstoßen werden, wenn er zu einer „unrichtigen An­ gabe" wird, die geeignet ist, den Anschein eines besonders günstigen Angebots zu er­ wecken. Der Verstoß untersteht den im UnlWG. ausgesprochenen Folgen; es muß also auch, abgesehen von den sonstigen Folgen, die unrichtige Angabe unterlassen werden, ihre Löschung kann verlangt werden (so schon nach früherem Recht RG. 58, 136: bie „Solingen-Dortmunder Vereinsbrauerei A.-G." mit dem Sitze zu Höhscheid mußte den Gebrauch der Ortsbezeichnung „Dortmunder" in ihrer Firma unterlassen, weil dadurch der unrichtige Anschein erweckt wurde, als handele es sich um in Dortmund erzeugtes Bier). Vgl. Rosenthal § 1 Anm. 45 und § 3 Anm. 15, 70ff. Bemerkt sei für das ganze Gebiet des UnlWG., daß Zusätze zur Firma, die mög­ licherweise im Sinne von § 30 HGB. als genügende Unterscheidung angesehen werden können, für die Frage des unlauteren Wettbewerbs dann nicht als wesentlich in Be­ tracht kommen können, wenn nach Ansicht der beteiligten Verkehrskreise ihnen eine die Verwechslungsgefahr ausschließende Unterscheidungskraft nich zukommt. So RG. in IW. 06, 774" bezüglich der Firmen „Röderer & Cie., Schaumweinkellerei und Wein­ handlung zu Weingut St. Croix, Longeville bei Metz, GmbH." und „L. Röderer, Cham­ pagnerkellerei zu Reims". Die Entschließung des Registerrichters über die Unterscheidungs­ kraft zweier Firmen bindet den Prozeßrichter nidjt bei der Entscheidung der Frage, ob durch den Gebrauch der einen Firma unlauterer Wettbewerb gegenüber der anderen verübt wird (RG. 75, 371; Stiller-Prozeß). Die Anwendbarkeit des § 16 UnlWG. ist nicht auf Fälle des Wettbewerbs beschränkt, so daß auch Verwechslungsfälle bei Behörden (z. B. der Post) für die Verwechslungsgefahr in Betracht kommen können (RG. 108, 272).

über den Schutz einer ausländischen Firma gegen unlautern Wettbewerb s. RG. in IW. 1925, 16334 (Fall Heidsicck) und Anm. dazu von Wassermann. Über die Unzulässigkeit der Benutzung einer verwechslungsfähigen, aber nach altem Rechte nicht zu beseitigenden Firma RG. in IW. 1925, 200213. 5. Über den Schutz des Etablisscmentsnamens vgl. § 17 Anm. 6; über den von Telegramm-Anm. 27. adresse und Abkürzungen § 17 Anm. 7. 6. Über die Abgrenzung des Firmenrechts gegen das Namensrecht vgl. oben Anm. 12.Anm. 28.

Zusatz 2. Einslutz des Konkurses auf ein Borgehen nach § 37. Hierüber s. Josef, Anm. 29. Firmenmißbrauch im Konkurs, in LZ. 1910, 534.

Anhang zu § 37. c Die Firma aus dem Ladenschild. 1. Nach Art. 91 EG.HGB. enthält die Gewerbeordnung folgenden § 15a: Gewerbetreibende, die einen offenen Laden haben oder Gast- oder Schankwirtschaft betreiben, sind verpflichtet, ihren Familiennamen mit mindestens einem ausgeschriebenen Vor­ namen an der Außenseite oder am Eingänge des Ladens ober der Wirtschaft in deutlich les­ barer Schrift anzubringen. Kaufleute, die eine Handelsfirma führen, haben zugleich die Firma in der bezeichneten Weise an dem Laden oder der Wirtschaft anzubringen; ist aus der Firma der Familienname des Geschäftsinhabers mit dem ausgeschriebenen Vornamen zu ersehen, so genügt die An­ bringung der Firma. Auf offene Handelsgesellschaften, Kommanditgesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien finden diese Vorschriften mit der Maßgabe Anwendung, daß für die Namen der

«»hang zu 8 37. Anm. 1.

256 Anhang ZU § 37.

III. Abschnitt: Handelsfirma. persönlich haftenden Gesellschafter gilt, was in betreff der Namen der Gewerbetreibenden bestimmt ist. Sind mehr als zwei Beteiligte vorhanden, deren Namen hiernach in der Aufschrift an­ zugeben wären, so genügt es, wenn die Namen von zweien mit einem das Vorhandensein weiterer Beteiligter andeutenden Zusatz ausgenommen werden. Tie Polizeibehörde kann im einzelnen Falle die Angabe der Namen aller Beteiligten anordnen.

Anm. 2. 2. Die Vorschrift soll eine Art Ergänzung der firmenrechtlichen Vorschriften deS HGB. bliden. Sie will, im Anschluß an bcn Grundsatz der Firmenwahrheit (§ 17 Anm. 17), im Interesse der Sicherheit des Verkehrs zum Schutze vor Täuschungen, soweit es irgend angeht, dazu beitragen, daß deutlich zu erkennen ist, wer der Inhaber der Firma ist. Die Vorschrift, deren Wert von manchen als sehr zweifelhaft bezeichnet wird (G. Cohn im ArchBürgR. 12, 206; Opet in ZHR. 49, 58), ist eine durchaus verkehrsnützliche, nament­ lich für Großstädte.

Anm. 3. 3. Die verpflichteten Personen sind: Gewerbetreibende, die einen offenen Laden haben oder eine Gast- oder Schankwirtschaft betreiben. a) Gewerbetreibende. Die Bezeichnung ist möglichst weit gewählt, um nicht nur die Kauf­ leute, Voll- und Minderkaufleute (D. 36), sondern alle Gewerbetreibenden (§ 1 Anm. 6ff.) zu umfassen. Deshalb ist die Vorschrift oud) in die GewO, eingerückt. In­ dessen scheiden schon nach dem Inhalte der Vorschrift die Gewerbetreibenden aus, die einen Familiennamen nicht führen, namentlich die AG., die GmbH., die Genossenschaften und die juristischen Personen, die als Einzelkaufleute ein Gewerbe betreiben. Zweifel­ haft wäre es gewesen, ob auch die o.HG. und Kommanditgesellschaften unter die Vor­ schrift fallen. Diesen Zweifel löst aber Abs. 3. Eine eigentümliche Stellung nehmen die KGaA. ein. Nach unserer Auffassung sind sie juristische Personen (§ 320 Anm. 2); als solche haben sie keinen bürgerlichen Namen, und schon deshalb sollten sie von der Vorschrift ausgenommen sein. Wie man aber auch die KGaA, ansehen mag, so geht doch das HGB. jedenfalls davon aus, daß ihre Firma in der Regel eine Sachfirma sein, jedenfalls so beschaffen sein soll, daß sie nicht den Anschein erweckt, als seien die Inhaber lediglich persönlich haftende Gesellschafter (§§ 20 u. 22 Abs. 1 Satz 2; Art. 22 Abs. 2 EG.HGB.). Und nun sollen im Widerspruch mit dieser Anschauung des HGB. auf den Firmenschildern die Namen der persönlich haftenden Gesellschafter angebracht werden.

Anm. 4. b) Nur Gewerbetreibende, die unter die Gewerbeordnung fallen, unterliegen der Vor­ schrift; Apotheker also nicht, soweit sie sich auf den genehmigungspflichtigen Be­ trieb beschränken. — Auf Gewerbebetriebe im Umherziehen bezieht sich diese Vor­ schrift nicht, wie die Stellung des § 15a innerhalb des Titels II vom „stehenden Ge­ werbebetrieb" sowie Zweck und Inhalt der Vorschrift ergeben.

Anm. 5. c) Einen offenen Laden oder eine Gast- oder Schankwirtschast müssen die Gewerbetreiben­ den haben, um unter die Vorschrift zu fallen. Tie Begriffe Elast- oder Schankwirt­ schaft sind nicht zweifelhaft. Der „offene Laden" aber umfaßt begrifflich das Geschlossenund das Offensein zugleich in gewisser, dem Verkehr geläufiger Verbindung. Ter „offene Laden" ist ein geschlossener Raum, der aber zum freien Eintritt für das Publikum und zum Betriebe der Geschäfte bestimmt ist und dies auch äußerlich erkennen läßt (zust. Riesen­ feld im PrVerwBl. 21, 372). Ein offener Laden liegt z. B. dann nicht vor, wenn die Eingangstür geschlossen ist oder man erst klingeln oder sich erst melden muß usw. An Beispielen wird sich der Begriff am besten klarmachen lassen: Ein Kontor ist kein offener Laden, weil es dem Eintritt des Publikums nicht genügend offensteht. Eine offene Ver­ kaufsstatt auf der Straße, eine Bude auf dem Jahrmarkt, ein Automat im Freien sind keine Läden, weil sie wiederum allzu offen sind. Die Lage in den Geschossen des Hauses ist ohne Belang. Ein Kellerraum, der von der Straße aus zugänglich ist, sowie ein Ge­ schäftsraum in einem oberen Stockwerk, der die Merkmale des „Offenseins" trägt, werben als offene Läden zu betrachten sein (L. Cohn bei Gruch. 42, 77). — Vgl. noch § 56

III. Abschnitt: Handelsfirma.

257

Anm. 2. — Auf offene Läden Gewerbetreibender, in denen kein Verkauf stattfindet, Anhang ist die Vorschrift ebenfalls anwendbar; das Gesetz macht hier keine Ausnahme. Also z. B. ZU § 87. auf offene Läden der Pfandleiher, Vermittlungs- und Agenturgeschäfte, der Kommis­ sionäre und Spediteure, der Bank- und Wechselgeschäfte, der Handwerker, der Zeitungs­ expeditionen, der Leihbibliotheken usw.

4. Der Inhalt der Verpflichtung ist

Anm. 6.

a) für alle Gewerbetreibenden: Anbringung ihres Familiennamens (§ 18 Anm. 4) mit mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen (§ 18 Anm. 5) an der Außenseite oder am Eingänge des Ladens oder der Wirtschaft in deutlich lesbarer Schrift. Willkürliche Änderungen oder Kürzungen sind unzulässig. Die Angabe, ob die Person ver­ heiratet ist oder nicht, ist nicht erforderlich; auch die Polizeiverordnung kann dies nicht bestimmen (Anm. 2). Anbringen oder Stehenlassen eines falschen Namens neben dem richtigen ist unzulässig (OLG. Hamburg in LZ. 1914, 413). Ebenso das Verdecken der Namensangabe durch ein Plakat oder dgl. b) 3ft der Gewerbetreibende ein Kaufmann, der eine Handelsfirma führt, gleichviel,Anm. 7. ob sie eingetragen ist oder nicht, so hat er zugleich die Firma in der bezeichneten Weise anzubringen. Deckt sich die Firma mit dem ausgeschriebenen Vor- und Familiennamen, so genügt eines. Dabei ist natürlich vorausgesetzt, daß der Gewerbetreibende eine FirmamitRechtführt. Ist er Minderkaufmann oder führt er einen fremden Namen zu Unrecht, so kann er nicht für verpflichtet erachtet werden, diese unzulässige Firma deutlich anzubringen, und so das Unrecht, das er begeht, noch zu vergrößern. Aber er ist selbstverständlich verpflichtet, seinen Vor- und Familiennamen an dem Firmenschild anzubringen. Besonders ist dies wichtig bei Gewerbetreibenden, die nur kraft § 5 als Kaufleute gelten.

o) Für o.HG., Kommanditgesellschaften und KGaA, gelten die Sondervorschriften Abs. 3 u. 4. Die Polizeibehörde (§ 155 Abs. 2 GewO.; in Preußen die Ortspolizei­ behörde) ist im einzelnen Falle befugt, die Angaben der Namen aller Beteiligten an­ zuordnen, um bei Gesellschaften mit einer größeren Zahl von Teilhabern zu verhüten, daß nur die Namen von Personen, welche lediglich zum Schein in das Geschäft ausge­ nommen sind, in der Aufschrift angegeben werden.

5. AlS Folge der Verletzung dieser Pflicht ist zunächst in § 148 Nr. 14 GewO. (Art. 9 III Anm. 8. EG.HGB.) Geldstrafe bis zu 150 Mk. und im Unvermögensfalle Haftstrase bis zu 4 Wochen angedroht. Vgl. jetzt dazu die V. über Vermögensstrafen und Bußen vom 6. Febr. 1924 (RGBl. I 44) und § 2 Abs. 1 der 2. V. zur Durchführung des Münzges. vom 12. Dez. 1924 (RGBl. I 775). Auch kann die Polizei einschreiten, insbesondere die Beseitigung eines unrichtigen Namens, z. B. eines Strohmannes, anordnen (PrOBG. in DIZ. 1910, 771). Dagegen kann niemals das Registergericht die Vorschrift erzwingen (KGI. 38 A 161). Außerdem aber fragt eS sich: welche zivilrechtlichen Folgen die Verletzungen dieser Anm. S. Pflichten hat. Zunächst kommen die Vorschriften über den Irrtum in Betracht (§§ 119, 121, 123, 124 BGB.). Der Vertragsgegner kann vielleicht dartun, er hätte, wenn er den wahren Inhaber gekannt hätte, mit diesem nicht abgeschlossen. Doch ist meist im Zweifel anzunehmen, daß man, wenn man mit einer Firma einen Vertrag eingeht, mit dem Inhaber abschließen will, wer es auch sei (Anm. 1 zu § 17). Ferner kann aus Grund des § 823 Abs. 2 BGB. eine Haftung aus unerlaubter Handlung gegen den vorliegen, der die Verpflichtung zur Offenlegung schuldhast verletzt hat. Denn die vorliegende Vorschrift ist als ein zum Schutze eines anderen erlassenes Gesetz zu erachten. Es sollen eben alle die Personen geschützt werden, die mit dem Geschäft in Verbindung treten (L. Cohn bei Gruch. 42, 7812; Lehmann-Ring 113). Staub, HGB., 12. u. 13. Aufl. Bd. I. (Bondi.) 17

258

IV. Abschnitt: Handelsbücher.

Vierter Abschnitt. Handelsbücher. 8 88.

§ 38. )eder Kaufmann ist verpflichtet, Bücher zu führen und in diesen seine Handelsgeschäfte und die Lage seines vermögens nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ersichtlich zu machen. Er ist verpflichtet, eine Abschrift (Kopie oder Abdruck) der abgesendeten Handelsbriefe zurückzubehalten und diese Abschriften sowie die empfangenen Handelsbriefe geordnet aufzubewahren. Lit.: Beigel, Das allgemeine deutsche Buchführungsrecht, Leipzig 1902; Reisch und Kreidig, Bilanz und Steuer, Grundriß der kaufmännischen Buchführung unter besonderer Würdigung ihrer wirtschaftlichen und juristischen Bedeutung, 2. Aufl., Wien 1907 u. 1909; Fischer, Die Bilanzwerte, was sie sind und was sie nicht sind, Leipzig 1905 u. 1908; Derselbe, über die Grundlagen der Bilanzwerte, in der Festschrift der Juristischen Gesellschaft, Leipzig 1909; Derselbe, in EhrenbergHandb.il, 1 S. 462ff. und III, 1 S. 253ff.; diese Ausführungen auch als Sonderschrift: Buchführung und Bilanzaufstellung nach Handels­ recht, Leipzig 1913; Leitner, Grundriß der Buchführung und Bilanzkunde, 2. Aufl., Ber­ lin 1913/14; Passow, Die Bilanzen der privaten Unternehmungen, Leipzig 1910 (2. und 3. Aufl. 1918 u. 1923, auch die Bilanzen der öffentlichen Unternehmungen behandelnd, nach­ stehend zitiert: Passow, Bilanzen); Schär, Buchhaltung und Bilanz, 4. Aufl., Berlin 1921; Lion, Das Bilanzsonderrecht, Berlin 1922; Müller-Erzbach Kap. 24; Wieland §§ 25ff. Vgl. ferner für die AG. Literaturangaben bei § 261.

Einleitung.

§ 88 bestimmt die Verpflichtung des Kaufmanns zur Führung von Handelsbüchern. Tie Verpflichtung, die schon im Mittelalter scharf geregelt war (Goldschmidt, Univers. Gesch. 245ff.; Luschin v. Ebengreuth, Zur Geschichte der Handlungsbücher in Deutschland, in BankA. 9, 195 u. 294), ist öffentlich-rechtlicher Natur; sie ist dem Kaufmann nicht sowohl um seiner selbst willen, als im Interesse der Personen, die mit ihm in rechtliche Beziehungen treten, auserlegt. Dennoch hat der Gesetzgeber einen unmittelbaren Zwang zur Er­ füllung dieser Pflicht nicht gegeben. Doch liegt ein mittelbarer, aber sehr scharfer Zwang in den bei eintretendem BermögenSversall zur Anwendung kommenden Straf­ vorschriften (§§ 239—241 KO.). Außerdem sind die Vorschriften der §§ 38ff., soweit das Steuerinteresse reicht, durch § 163 RAbgO. zu zwingenden und nach Befinden unter Straf­ schutz (§ 366 das.; s. unten Anm. 11) gestellten Rechtsnormen geworden; vgl. Anm. 6. Im übrigen bedarf es eines Zwanges im allgemeinen überhaupt nicht, weil der Kaufmann in seinem eigenen wohlverstandenen Interesse Veranlassung genug hat, ordnungsmäßige Handels­ bücher zu führen. Denn ohne geordnete Buchführung ist der Zweck eines einigermaßen er­ heblichen Handelsbetriebs unerreichbar. Auch würde er sich durch Unterlassung der Buch­ führung eines wertvollen Beweismittels in seinen Prozessen und einer wichtigen Grundlage bei Steuereinsprüchen (§ 208 RAbgO.; s. unten Anhang zu § 47 Anm. 5) be­ geben. Die Nichtbesolgung der Vorschrift hat aber für die Kaufmannseigenschast keine Be­ deutung. Auch sind die §§ 38ff. nicht Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB. ,RG. im „Recht" 1910 Nr. 1440).

Anm. 1. 1. (Abs. 1.) Zunächst ist im allgemeinen vorgefchriebcn, von wem und wie die Bücher zu führen find.

a)Bon jedem Kaufmann, d. h. hier von jedem Bollkaufmann (§ 4). Zu beachten ist, daß auch Minderkaufleute auf Grund von Steuergesetzen, insbesondere aus Grund des § 104 RAbgO. und des § 31 des Umsatzsteuerges., verpflichtet sind, Aufzeichnungen zu machen.

IV. Abschnitt: Handelsbücher.

259

Die erstere Bestimmung greift Platz, wenn der Betreffende ein Einkommen von mehr als § 38. 2000 RM. versteuert (wegen des Betrages s. 2. StNB. Art. XVI § 1 und 2. B. zur Durch­ führung des Münzges., RGBl. 1924 I 775). Ter Zweck dieser Aufzeichnungen ist aber ein rein steuerrechtlicher; buchführungspflichtig im Sinne der §§ 38ff. sind Minderkauf­ leute dadurch nicht geworden. Vgl. auch § 4 Anm. 24. Wer Vollkausmann und Minder­ kaufmann zugleich ist (§ 4 Anm. 30), hat nur in ersterer Eigenschaft die Verpflichtung zur Buchführung; vgl. aber Anm. 5a. a) Wer Kaufmann ist, richtet sich nach den früheren Erörterungen. Genossenschaften gelten gemäß § 17 Abs. 2 GenG, als Kaufleute und sind zur Buchführung verpflichtet (RG. 43, 126). Hervorzuheben ist hier, daß von der Ehefrau, die Handel treibt, Handelsbücher zu führen sind, auch wenn sie dies eigenmächtig tut (Mg. Einleitung Anm. 39 bis 41), auch von Handelsgesellschaften (§ 6) und von Bersicherungsvereinen a. G. (§16 PrivVUntG.), auch von Kaufleuten nach § 2 und nach §3 Abs. 2, doch nicht von Minderkaufleulen (§ 4), auch nicht von Mitgliedern der o.HG. für ihre Privatwirtschaft (vgl. Anm. 3). Dagegen sind der Staat und die inländischen Kommunalverbände, sofern sie Kaufleute sind, zur Buchführung verpflichtet (§36; vgl. jedoch § 42). Wer bloß Scheinkaufmann nach § 5 ist, hat keine Buchführungs­ pflicht (§5 Anm. 4); ebenso, wer nur infolge Auftretens im Rechtsverkehr als Kauf­ mann gilt (Anhang zu § 5 Anm. 6). Auch ist der Minderjährige, der ohne Er­ mächtigung des gesetzlichen Vertreters und ohne Genehmigung des Vormundschafts­ gerichts ein Handelsgewerbe betreibt, kein Kaufmann und unterliegt daher nicht der Buchführungspflicht (§ 1 Anm. 20; RG. in DIZ. 1911, 340; RGSt. 45, 4; a. M. Smoschewer in IW. 1912, 977), in diesem Falle natürlich auch nicht sein gesetzlicher Vertreter, ß) Überall beginnt die Pflicht mit dem Beginn der Kaufmannseigenschaft und An«. 8. endet mit dem Aufhören der letzteren. Wann die Kaufmannseigenschaft beginnt und endet, richtet sich nach anderweit entwickelten Grundsätzen. Sie beginnt — sowohl für Einzelkaufleute als auch für o.HG. und Kommanditgesellschaften — um dies hier kurz zu wiederholen, bei Kaufleuten nach § 1 mit dem Beginn des Handels­ gewerbes (§ 1 Anm. 10a), bei Kaufleuten nach § 2 und nach § 3 Abs. 2 mit der Eintragung. Über die o.HG. vgl. noch § 106 Anm. 5 u. 8. — Wird ein Handels­ gewerbe eröffnet, das die Grenzen des Handwerksbetriebs oder Kleingewerbes nicht überschreitet, so tritt die Verpflichtung zunächst nicht ein, sie greift aber Platz in dem Augenblick, in dem der Minderkaufmann Vollkaufmann wird (§ 4 Anm. 14ff. u. 22a); in diesem Zeitpunkte tritt die Verpflichtung zur Führung von Handelsbüchern und nach §39 Abs. 1 zur Aufstellung einer Eröffnungsbilanz usw. ein (RG. in DIZ. 06, 656 und 08, 875). Tas gleiche gilt von einem Minderjährigen, der bisher das Handelsgewerbe ohne Genehmigung des Vormundschaftsgerichts betrieben hat, für den Zeitpunkt, in dem die Volljährigkeit eintritt (RGSt. 45, 4). Die beiden zu­ letzt angeführten Entscheidungen besagen, in diesem Zeitpunkte müsse der Gewerbe­ treibende eine Eröffnungsbilanz selbst dann errichten, wenn er den Vorschriften über Buchführung und Bilanzziehung bisher freiwillig entsprochen habe, weil der Kauf­ mann gerade in diesem Augenblicke von seiner Vermögenslage durch Bilanzziehung sich Rechenschaft ablegen müsse. Vgl. hierzu auch § 39 Anm. 2. Bei der AG., der KGaA, und der GmbH, beginnt die Pflicht mit der Eintragung in das Handels­ register (§ 200 und § 239 Anm. 7; § 320 Abs. 3 und Anm. 38; § 11 GmbHG.; RGSt. 29, 223). Sie endet bei Kaufleuten nach § 1 mit dem Aushören des Geschäftsbetriebs oder mit dessen Verringerung auf das Maß des Minderhandelsgewerbes (§1 Anm. 25; § 4 Anm. 9 a. E. und 22a), bei Kaufleuten nach § 2 mit dem Aufhören des Ge­ schäfts oder mit dessen Verringerung auf einen so kleinen Umfang, daß der § 2 nicht mehr Platz greift (s. auch Anm. 3 zu § 31), nach unserer Ansicht auch mit 17*

260

8 88.

9üun* 3*

IV. Abschnitt: Handelsbücher.

der Löschung der Firma (Anm. 17 zu § 2). Entsprechendes gilt bei den Kaufleuten nach § 3 Abs. 2. Mit dem Aufhören der Kaufmannseigenschaft hört die Bucbführungspflicht auf, auch wenn einzelne Geschäfte noch nicht völlig abgewickelt sind. y) Der Kaufmann ist nicht verpflichtet, die Buchführung persönlich zu erledigen, aber er haftet für die Erfüllung dieser Pflicht. Der gesetzliche Vertreter, der im Namen eines Geschäftsunfähigen oder beschränkt Geschäftsfähigen das Geschäft führt, ist verpflichtet, für ordnungsgemäße Buchführung zu sorgen; ebenso der Testamentsvollstrecker (Goldmann I, 182) und der Nachlaßpfleger kraft ihres Amtes. Eine strafrechtliche Verantwortung der Genannten wegen Verletzung der Buchführungspflicht ist aber nicht gegeben; wegen Bankerotthandlungen ist aus § 239 Nr. 3 u. 4 und § 240 Nr. 3 u. 4 KO. nur der Kaufmann verantwortlich, über dessen Vermögen der Konkurs eröffnet ist oder der seine Zahlungen ein­ gestellt hat. An beiden Erfordernissen fehlt es hier. Eine Erweiterung auf andere Personen gibt — abgesehen vom § 83 GmbHG. — der § 244 KO. erschöpfend. Die Motive zur KO. heben ausdrücklich hervor, daß eine Ausdehnung der Ver­ antwortung auf andere als die im § 244 KO. erwähnten Vertreter physischer oder juristischer Personen nicht geboten erschien. (Ebenso Zweigert bei Olshausen Note 20 zu §239 KO.; Ebermayer StGB. Anm. 1 zu §244 KO.; vgl. auch RGSt. 49, 72; abw. Staub 6.—9. Aufl.; DürHach. Anm. 5.) Bei der o.HG. sind alle Gesellschafter verantwortlich (ebenso Ebermayer StGB. Anm. 18 zu § 240 KO.). Wenn das RGSt. 13, 308 die Verantwortlichkeit dessen, der abredegemäß fortan nur stiller Gesellschafter sein sollte, ohne daß jedoch seine Mitinhaberschaft gelöscht wurde, verneint hat, so geschah dies deshalb, weil hierin die Auflösung der o.HG. liegt, die auch ohne Eintragung wirkt. Insbesondere bleibt ein Gesellschafter strafrechtlich verantwortlich, auch wenn er vertragsmäßig die Ver­ pflichtung zur Buchführung einem Mitgesellschafter überträgt (RGSt. 45, 387; NG. in IW. 08, 604120). Das gleiche gilt bei vertragsmäßigem Ausschluß eines Gesell­ schafters von der Vertretung (8 125) oder von der Geschäftsführung (§ 114). Ebenso DürHach. Anm. 6; RGRspr. 5, 359 läßt die Frage offen, neigt aber der Ansicht zu, daß der ausgeschlossene Gesellschafter nicht hastet; in letzterem Sinne: Ritter Anm. 1; Lindenberg bei Stenglein Anm. 20 zu § 240 KO.; Frank zu § 239 KO. III 3b und Zweigert bei Olshausen Note 20 zu § 240 KO. Zweigert a. a. O. nimmt mit Unrecht im Anschluß an RGRspr. 5, 359 an, daß der ausgeschlossene Gesellschafter keine Mittel habe, einen Einfluß auf ordnungsgemäße Buchführung auszuüben; über diese Mittel s. Anm. 7 zu § 118 und vgl. RGSt. 45, 387. Grundsätzlich hastet der von der Geschäftsführung ausgeschlossene Gesellschafter auch dann, wenn ihm die Einsicht der Geschäftsbücher vertragsmäßig verwehrt ist; abw. DürHach. Anm. 6. In allen diesen Fällen bedarf jedoch die Frage des Verschuldens ein­ gehender Prüfung für die strafrechtliche Verantwortlichkeit (vgl. unten Anm. 4). Insbesondere wird den Gesellschafter, dem vertragsmäßig die Einsicht in die Geschäftsbücher verwehrt ist, ein Verschulden in der Regel nicht treffen; doch kann ein solches außer dem Falle, daß er Grund zur Annahme unredlicher Geschäfts­ führung hatte (§ 118 Abs. 2), z. B. auch dann vorliegen, wenn er wußte, daß der Mitgesellschafter überhaupt keine Bücher führte, und er hiergegen nicht einschritt. — Ist die o.HG. in Liquidation, so sind für die Ausstellung der Anfangs- und End­ bilanz die Liquidatoren verantwortlich (8 154 Anm. 7). — Die Mitglieder der o.HG. haben nicht außerdem Bücher zu führen, aus denen ihre private Ver­ mögenslage ersichtlich ist, da sie nur in bezug auf die Gesellschaft Kaufleute, aber nicht Einzelkausleute sind (8 1 Anm. 18). Bei Aktiengesellschaften und Versicherungsvereinen a. G. sind sämtliche Mitglieder des Vorstandes bzw. sämtliche Liquidatoren für die Buchführung ver-

IV. Abschnitt: Handelsbücher.

261

antwortlich (RGSt. 13, 235; vgl. auch § 231 Anm. 8 und § 241 Anm. 7; Eber-§ 38. mayer StGB. Anm. 2 zu § 244 KO. nimmt dagegen an, es hafte nur das Vorstandsmitglied usw., zu dessen Geschäftskreis die Buchführung gehört). Bei KGaA, gilt dasselbe hinsichtlich der persönlich haftenden Gesellschafter; letztere sind zwar nicht selbst Inhaber des Handelsgewerbes, aber gesetzliche Vertreter der Ge­ sellschaft, während die Kommanditisten für die Buchführung nicht haften, da sie weder das eine noch das andere sind. Bei einfachen Kommanditgesellschaften sind die persönlich haftenden Gesellschafter verantwortlich, der Kommanditist ist nicht Kaufmann (§ 1 Anm. 18). Hierbei sei bemerkt, daß auch viele, welche Kaufmanns­ eigenschaft des Kommanditisten annehmen, ihn nicht oder höchstens dann für buch­ führungspflichtig ansehen, wenn er vertraglich die Geschäftsführung übernommen hat (Pappenheim und Tomalla in ihren a. a. O. angeführten Abhandlungen). — Bei GmbH, sind sämtliche Geschäftsführer bzw. ihre Stellvertreter und sämtliche Liquidatoren für die Buchführung verantwortlich (§§ 41, 44, 71 GmbHG.). Ehefrauen (oder auch andere Personen, für die das im folgenden Gesagte in gleicher Weise gilt) geben häufig, wenn der Mann in Vermögensverfall geraten ist, ihren Namen zum Betriebe des Handelsgewerbes her. In diesem Falle sind sie in der Regel für die Buchführung strafrechtlich verantwortlich. Es sind jedoch ver­ schiedene Fälle zu unterscheiden. Ist der Bankerott auf Konkurseröffnung gegen die Ehefrau begründet, so ist diese in jedem Falle verantwortlich (RGSt. 29, 103). Richtet sich dagegen die Konkurseröffnung nicht gegen die Ehefrau, sondern gegen die Firma, oder ist der Bankerott auf Zahlungseinstellung der Firma gegründet, so sind die tatsächlichen Verhältnisse zu untersuchen. Ist die Übertragung des Ge­ schäfts an die Ehefrau nicht als wirkliches Scheingeschäft (§ 117 BGB.) anzusehen, und ist die Ehefrau nach außen als Geschäftsinhaberin aufgetreten, so ist nur sie verantwortlich (RG. in IW. 08, 604119 und RGSt. 46, 11). Bedeutet dagegen der Vermögensverfall für den Mann die Einstellung eigener Zahlungen, und ist die Übertragung des Geschäfts an die Ehefrau ein wirkliches Scheingeschäft, so daß die Eintragung ins Handelsregister nur einen Mißbrauch des Namens der Ehefrau bedeutet, so ist nur der Ehemann strafrechtlich verantwortlich (RGSt. 25, 121; 26, 187; 49, 321; RG. in IW. 1916, 1282°; vgl. auch Ebermayer StGB. Anm. 2 zu § 239 KO.). 8) Doch sind die bezüglichen Strafvorschriften nicht so formell auszulegen, daß beim Anm. 4. objektiven Vorliegen des gesetzlich unzulässigen Bücherzustandes unbedingt die Be­ strafung eintritt. Vielmehr muß eine schuldhafte Verletzung vorliegen (RGSt. 29, 308). Infolgedessen bleibt der Kaufmann straflos, wenn er aus gerechter Ur­ sache nicht in der Lage gewesen ist, der gesetzlichen Pflicht zu genügen; so bei Täuschung durch den Mitgesellschafter (RGSt. 1, 49); ferner, wenn der Kaufmann ohne Verschulden davon ausgehen durfte, daß die von ihm zur Buchführung be­ stellte Person diese Verpflichtung auch wirklich erfüllt hatte (RG. in GoltdA. 48, 362; s. auch Anm. 2 zu § 239). Andererseits ist Irrtum über die Buchführungs­ pflicht, zu dem auch Irrtum über die Vollkaufmannseigenschaft gehört, auf Grund der Strafbestimmungen der KO. als Irrtum über ein Strafgesetz anzusehen und deshalb unbeachtlich (RGSt. 5, 401; 8, 147; RG. in LZ. 1913, 70310 und 1915, 89 7 23; anders Eberrnayer StGB. Anm. 19 zu § 240 KO.); ebenso der Mangel der erforderlichen Fähigkeiten (RGSt. 4, 421) oder mangelnde kaufmännische Ausbildung (RG. in DIZ. 07, 1148 und in IW. 1915, 48"). Auch die Verhinde­ rung durch Krankheit bietet keinen Entschuldigungsgrund (RGRspr. 7, 730), es sei denn, die Krankheit wäre derart gewesen, daß man auch für Vertretung nicht sorgen konnte. Die hiermit zusammenhängenden, fast durchweg sehr umstrittenen Fragen können hier nicht eingehend erörtert werden. Vgl. hierzu insbesondere Stenglein

262 § 88*

IV. Abschnitt: Handelsbücher. bei

Olshausen zu § 239 KO. Note 34 und zu § 240 KO. Note 20—23 und Eber­

mayer StGB. Anm. 18f. zu § 240 KO. Am». 5. b) Der Kaufmann hat feine Handelsgeschäfte und die Lage feines Vermögens ersicht­ lich zn machen, d. h. ersichtlich nicht nur für sich selbst, aber auch nicht gerade für jedermann, sondern für jeden, der sich auf Buchführung versteht, den Sachverstän­ digen, und zwar so, daß sich ein solcher jederzeit, ohne erhebliche Schwierigkeiten, einen Überblick verschaffen kann (RGSt. 4, 119; 47, 311). Dabei sind in den Han­ delsbüchern im engeren Sinne die einzelnen Handelsgeschäfte, in den Handelsbüchern im weiteren Sinne (einschließlich Inventur und Bilanz; §§39, 40) die Lage des gan­ zen Vermögens ersichtlich zu machen (RGSt. 41, 41). Hiernach müssen die Handels­ bücher eine doppelte Eigenschaft haben:

a) Es sind die einzelnen Handelsgeschäfte zu buchen. Es brauchen aber nicht die Geschäftsabschlüsse als solche, z. B. Abschlüsse von Kaufverträgen, gebucht zu wer­ den; das ist nicht üblich und vom Gesetzgeber nicht gewollt. Die Buchung braucht vielmehr erst zu erfolgen, wenn aus Grund dec Geschäftsabschlüsse Ver­ mögensänderungen (und zwar nicht im Rechts-, sondern im wirtschaftlichen Sinne­ eintreten (D. 48; vgl. Anm. 4 zu §40). Doch ist dies nicht so aufzufassen, daß ein rein ziffernmäßiger Eintrag der einzelnen Einnahme- und Ausgabeposten genügte, sondern die Eintragungen müssen das zugrundeliegende Geschäft erkennen lassen (RG. in DIZ. 12, 820). Ebenso müssen sie den Bertragsgegner bzw. den Gläubiger oder Schuldner erkennen lassen. Wenigstens gilt dies als Regel. Auch nach § 165 RAbgO. darf niemand — es sei denn mit Genehmigung des Finanzamts — auf einen fal­ schen oder erdichteten Namen für sich oder einen anderen ein Konto errichten oder Buchungen vornehmen lassen; vgl. auch § 162 Abs. 3 RAbgO. (unten in Anm. 6 abgedruckt), ß) Außerdem sollen die Bücher die Lage des gesamten Vermögens des Kaufmanns ersichtlich machen, und zwar die jeweilige Lage, den Werdegang (RG. in DIZ. 1911, 820). Aus den Büchern muß auch ersichtlich sein, wenn einer anderen Firma Waren zur Kreditsicherung übereignet und die Außenstände auf diese Waren ab­ getreten sind (RG. in LZ. 1916, 95627; vgl. Anm. 6 zu § 40). Auch Wechsel­ verbindlichkeiten, die aus Gefälligkeit eingegaugen sind, sind zu buchen (RG. in LZ. 13, 698). Indessen reicht nicht etwa jede unterlassene oder unrichtige Buchung zur Be­ strafung aus; ein einzelnes Geschäft kann ungebucht, ein Konto mangelhaft sein, ohne daß diese Mängel den Überblick über die gesamte Vermögenslage des Kauf­ manns wesentlich zu beeinträchtigen brauchen (RGSt. 29, 308). Für die strafrecht­ liche Verantwortlichkeit ist maßgebend, daß die Bücher zur Zeit der Konkurs­ eröffnung oder Zahlungseinstellung in Ordnung sind; über nachträgliche Be­ seitigung von Fehlern s. RGSt. 39, 165; RG. in IW. 07, 417" und 1916, 13462.

Y) Die Buchführung muß sich auf das ganze Handelsgewerbe eines Kaufmanns erstrecken, also aus alle seine Handelsniederlassungen, für welche die Führung von Büchern geboten ist, sowohl auf die Hauptgeschäfte als auch auf die Zweignieder­ lassungen. Dies bedeutet aber nicht etwa, daß eine gemeinsame Buchführung statt­ finden müsse (so Makower Anm. Ia 3, der sich mit Unrecht auf RGSt. 5, 408 beruft). Vielmehr verlangt die praktische Durchführung dieser Pflicht für die Regel, wie Denzler (Filiale 108) mit Recht hervorhebt, daß die Buchführung nach den einzelnen Niederlassungen zerlegt werde. Danach sind bei mehreren Hauptgeschäften für jedes Bücher zu führen. Bei einem Hauptgeschäft mit Zweigniederlassungen können die Bücher vom Hauptgeschäft aus mitgeführt werden, aber getrennt nach den einzelnen Niederlassungen, denn gesondertes Geschäftsvermögen und geson)erte Buchführung sind für den Begriff der Zweigniederlassung wesentlich (§13 Ann. 5; s. dort auch Ausnahmen). Tatsächlich aber wird ost, wie dies praktischer ist, die

IV. Abschnitt: Handelsbücher.

263

Buchführung für die Zweigniederlassung auch dieser übertragen; nur daß die Haupt- § 38. Niederlassung schließlich die Ergebnisse zusammenfaßt (vgl. auch Lehmann-Ring Nr. 6). Bei Aktiengesellschaften ist die Praxis folgende: Größere AG., die ent­ weder mehrere Abteilungen oder eine Hauptniederlassung mit Zweigniederlassungen haben, pflegen getrennte Bücher für die verschiedenen Verwaltungen zu führen (Simon, Die Bilanzen der AG. 98f.). Auch das Zweiggeschäft wird in seiner Buchführung selbständig gestellt (vgl. RGSt. 5, 407). Die Ergebnisse werden auf Grund der von den Zweiggeschäften errichteten Bilanzen beim Hauptgeschäft zusammengefaßt und in dessen Büchern eingestellt (vgl. auch § 39 Anm. 1). Über die Buchführungspflicht inländischer Zweigniederlassungen ausländischer privater Unternehmungen s. Anm. 38 zu § 201 und Koenige, LZ. 1914, 1417 ff. Nach der Natur der Sache werden die gleichen Grundsätze und Einrichtungen, wie sie von der Hauptniederlassung bei der Buchführung befolgt werden, auch von den anderen Niederlassungen zu befolgen sein. Eine alte Streitfrage ist es, ob und inwieweit der Einzelkaufmann seinAnm. 5a. außergeschäftliches Vermögen zu berücksichtigen hat. Der Verbandstag des Verbandes deutscher Bücherrevisoren vom 21. September 1907 in Breslau hat sich dahin schlüssig gemacht, daß trotz des entgegenstehenden Wortlautes der §§ 38, 39 und trotz der entgegenstehenden juristischen Auffassung nach der bestehenden kauf­ männischen Ansicht das Privatvermögen wie Gegenstände des hauswirtschaftlichen Gebrauchs nicht in die Bilanz gehören. Ähnlich — mit Abweichungen — Rehm im „Recht" 07, 160 und in DIZ. 07, 317; Betzinger in LZ. 07, 311; Stern in Zeitschr. f. das kaufm. Unterrichtswesen 9, 363; Zsengery in LZ. 08, 55; Makower Anm. Ia 2; Senkpiehl in GesuR. 10, 264; Fischer, Buchführung 53ff.; vor allem Adler im BankA. 7, 198 u. 214 und Lion 59. Dagegen stehen auf dem entgegen­ gesetzten Standpunkte: Schär in Deutsch. Wirtschaftszeitung 3, 97; Sontag in DIZ. 07, 590; Leo in LZ. 07, 732; Baumann in SeusfBl. 73, 688; Passow Bilanzen I 25f. Das Reichsgericht (RGSt. 41, 41) erstreckt die Pflicht zur kaufmännischen Buchführung im weiteren Sinne (Anm. 5) auch auf das nicht zum vollkaufmännischen Gewerbe gehörige Vermögen des Einzelkaufmanns, doch brauche das Privatvermögen in Inventur und Bilanz nur als Ganzes, als einheitlicher Vermögensgegenstand, unter gewissenhafter Angabe seines Wertes behandelt zu werden; Handelsbücher im engeren Sinne (Anm. 5) brauche der Einzelkaufmann über sein Privatvermögen nicht zu führen. Ebenso RG. in LZ. 1914, 6987. Die Auffassung des RG. ent­ spricht unserer Auffassung; vgl. auch §17 Anm. 2, 3, 33. Danach ist nicht mehr zu verlangen, als daß das außergeschüftliche Vermögen in Inventur und Bilanz ohne Eingehen auf Einzelheiten nach wirtschaftlichen Gesamtbegriffen mit Wert­ angabe angeführt werde; der Einzelkaufmann wird daher zweckmäßigerweise neben der Geschäftsbilanz noch eine Gesamtbilanz aufstellen; jedenfalls braucht er die ein­ zelnen Vorgänge im Privatvcrmögcn nicht zu buchen und auch in seiner Bilanz den planmäßigen Aufbau der eigentlichen kaufmännischen Bilanz nicht zu beein­ trächtigen (Lindenberg in DIZ. 08, 1005 und Adler a. a. O. 216; DürHach. Anm. 14). Für Bersicherungs-AG. und für Versicherungsvereine a. G. wieAnm.äd. überhaupt für alle größeren Versicherungsunternehniungen hat das Aufsichtsamt be­ sondere Rechnungsvorschriften auf Grund des § 55 PrivVUntG. gegeben, die in Wahrheit Buchführungsvorschriften sind (hierüber Koenige PrivVUntG. §55 Anm. 1 ff.); vgl. auch § 39 Anm. 1 und 3 a. E. e) Rach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ist zu verfahren. Lose Zettel,Anm. 6. sog. fliegende Kontos, oder sog. Kassenzettel sind kein zulässiger Ersatz form­ gerecht geführter Bücher (RGSt. 17, 302; 50, 131; s. auch §43 Anm. 2, dort auch bezüglich der Dauerkontenb ücher). Andererseits sind Zahl und Gattung der zu

264

§ 38.

IV. Abschnitt: Handelsbücher.

führenden Bücher nicht vorgeschrieben, bis auf das Bankdepotbuch (Anm. 8). Nach dem Gegenstände, der Art und dem Umfange des Geschäfts können die Anforderungen verschieden sein (D. 48). Auch Kassa- und Hauptbuch sind nicht unbedingt erforderlich, gehören aber in der Regel dazu, eine ordnungsgemäße Buchführung zu ermöglichen (RG. in LZ. 1913, 695°). Aber auch wenn ein hiernach wesentliches Buch fehlen sollte, so liegt hierin keine Unterlassung der Buchführung — diese liegt nur vor,

wenn jede Buchführung fehlt —, sondern nur ein Mangel, der möglicherweise das Merkmal der unordentlichen Buchführung enthält, wenn nämlich infolgedessen die Bücher keine Übersicht des Vermögensstandes gewähren (RGSt. 30, 170; vgl. auch §2 Anm. 5). Sind Handelsbücher geführt, sind aber längere Zeit Eintragungen unter­ lassen, so liegt für diese Zeit unter Umständen unterlassene, nicht aber unordentliche Buchführung vor (RG. in GoltdA. 61, 115). Die RAbgO. bestimmt in § 162 Abs. 1—9 was folgt: Wer nach den Steucrgesetzen Bücher zu führen oder Aufzeichnungen zu machen hat, soll die folgenden Vorschriften beachten. Die Eintragungen in die Bücher sollen fortlaufend, vollständig und richtig bewirkt werden. Der Steuerpflichtige soll sich einer lebenden Sprache und der Schriftzeichen einer solchen bedienen. Geschäftsbücher sollen keine Konten enthalten, die auf einen falschen oder erdichteten Namen lauten. Die Bücher sollen, soweit es gcschäftsüblich ist, gebunden und Blatt für Blatt oder Seite für Seite mit fortlaufenden Zahlen versehen sein. An Stellen, die der Regel nach zu beschreiben sind, sollen keine leeren Zwischenräume gelassen werden. Der ursprüngliche Inhalt einer Eintragung soll nicht mittels Turchstreichens oder auf andere Weise unleserlich gemacht, es soll nicht radiert, auch sollen solche Veränderungen nicht vorgenommen werden, deren Beschaffenheit es ungewiß läßt, ob sie bei der ursprünglichen Eintragung oder erst später vorgenommen sind. In Bücher soll, wo dies geschäftsüblich ist, mit Tinte eingetragen werden. Trägt der Steuerpflichtige nach vorläufigen Auszeichnungen ein, so soll er diese aufbewahren. Belege sollen mit Nummern versehen und gleichfalls aufbcwahrt werden. Kasseneinnahmen und -ausgaben sollen im geschäftlichen Verkehr mindestens täglich aus­ gezeichnet werden. Tie Bücher, Aufzeichnungen und, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind, auch die Geschäftspapiere sollen zehn Jahre aufbewahrt werden; die Frist läuft vom Schlüsse des Kalenderjahres an, in bcm die letzte Eintragung in die Bücher und Aufzeichnungen ge­ macht ist oder die Geschäftspapiere entstanden sind. Tas Finanzamt kann prüfen, ob die Bücher und Aufzeichnungen fortlaufend, vollständig und formen und sachlich richtig geführt werden.

Im Anschluß hieran bestimmt § 163 RAbgO., daß auch alle nach anderen Ge­ setzen (also z. B. dem HGB.) Buchführungspflichtigen diese ihre Verpflichtung auch im Interesse der Besteuerung zu erfüllen haben und daß § 162 entsprechend gilt.

Diese Vorschriften des § 162 RAbgO. sind nun zwar nur im steuerlichen Inter­ esse ergangen. Sie können aber als Fingerzeige für jede ordnungsmäßige Buchführung angesehen werden (vgl. unten §§43ff.). Daher sollten Bücherrevisoren und Treu­ handunternehmungen, wenn sie Berichte über die Ordnungsmäßigkeit einer kaufmän­ nischen Buchführung erstatten, stets auch darüber sich aussprechen, ob die Buchführung den Vorschriften in § 162 RAbgO. entspricht. Immerhin kann nicht gesagt werden, daß jeder Verstoß gegen diese Vorschriften die Buchführung sogleich als unordentlich erscheinen läßt. Ausschlaggebend ist, ob die Bücher noch eine Übersicht des Per­ mögensstandes gewähren. Die Führung von Geheimbüchern, deren Zweck es ist, dem Personal gewisse Geschäftsvorgänge zu verheimlichen, ist erlaubt (P. 56) und in vielfacher Übung. Sie sind aber dann nicht als Handelsbücher anzusehen, wenn sie nach Bestimmung

IV. Abschnitt: Handelsbücher.

265

des Führenden nur private Aufzeichnungen enthalten, nicht aber den Vermögensstand § 38. ersichtlich machen sollen (RG. im „Recht" 1911 Nr. 1084). Was das System anbelangt, so ist ein bestimmtes nicht vorgeschrieben. Es braucht daher nicht gerade eines der anerkannten Systeme angewendet zu werden, wenn nur das tatsächlich angewandte zu einem gleich zuverlässigen Ergebnisse führt (vgl. RGSt. 25, 36). Es genügt jedenfalls die einfache Buchführung. Aber das System der doppelten Buchführung ist vorzuziehen, weil es allein die Kontrolle der Richtigkeit gewährt. Nur muß aus den Büchern selbst eine vollständige Über­ sicht, ein anschauliches Bild über die Geschäfts- und Vermögenslage gewonnen werden (RGSt. 4, 120). Daß einzelne zur Aufklärung dienende Unterlagen außerhalb der Handelsbücher zu suchen sind, bildet aber kein Hindernis, die Buchführung als ord­ nungsgemäß anzusehen (RG. in GoltdA. 61, 345). Bei AG. und KGaA, wird durch die Vorschrift, die Gewinn- und Verlustrechnung bekanntzumachen, die doppelte Buch­ führung geboten, weil eine Gewinn- und Verlustrechnung nur bei dieser möglich ist (Simon a. a. O. 29ff., 61 ff.; OLG. Bamberg in LZ. 08, 468; vgl. auch § 239 Anm. 5). Keine Handelsbücher sind: das Tagebuch des Handelsmäklers (vgl. Anm. 1 zu § 100) und das Aktienbuch (vgl. Anm. 1 zu § 222). Das Baubuch (§ 2 des Rges. vom 1. Juni 09) ist kraft Gesetzes gleichfalls kein Handelsbuch, da es auch von Baununternehmern zu führen ist, die nicht Kaufleute sind. Wird aber von einem Vollkaufmann, der zur Führung eines Baubuchs verpflichtet ist, die Buchfüh­ rung so eingerichtet, daß das Baubuch gleichzeitig den in § 38 Abs. 1 angegebenen Zwecken dient, so kann es unter Umständen zum Handelsbuche werden. Schlechthin als Handelsbuch sehen es an Frank zu § 239 KO. unter III, 3b; Jaeger Anm. 34 zu § 239 KO. (die an dieser Stelle angeführten Urteile treffen über diese Frage keine Entscheidung) und wohl auch Zweigert bei Olshausen Note 24 zu § 239 KO.; nicht als Handelsbuch dagegen Lindenberg bei Stenglein Anm. 4 zu § 1 Rges. vom 1. Juni 09; Ebermayer StGB. Anm. 11 zu § 239 KO.; Mügel bei Gruch. 54, 37 und offenbar auch RGSt. 49, 72, da dort die Handelsbücher den Baubüchern gegen­ übergestellt werden. — Eine Reihe von Nebengesetzen, insbesondere von Steuer­ gesetzen (vgl. z. B. §31 Umsatzsteuerges.), setzt ferner die Verpflichtung zur Führung von Büchern fest. Diese Bücher sind nicht als Handelsbücher anzusehen. Vgl. z. B. Frank zu § 239 KO. unter III, 3b. — Vgl. ferner Anm. 5b und Anm. 1. Ein Tagnotizbuch (Kontor-Kalender) ist kein Handelsbuch im Sinne des HGB., weil es nicht den Stoff, für den es bestimmt ist, kaufmännisch geordnet zusammenzu­ fassen hat, was zum Begriff der Handelsbücher gehört, sondern nur zur Aufnahme gelegentlicher Bemerkungen, zur Unterstützung des Gedächtnisses dient und die Auf­ zeichnungen nicht in sachlich geordneter Weise für das Handelsgeschäft feststellt (RGRspr. 3, 304). Keine Handelsbücher sind ferner die Beibücher und sog. Konto- oder Kontrabücher. Sie werden von Parteien, die in gegenseitiger Ge­ schäftsverbindung stehen, meist in der Art geführt, daß die eine die Einträge macht, die andere das Buch aufbewahrt. Sie dienen dazu, den Verkehr mit den Beteiligten festzustellen und zu überwachen. Ihre Bedeutung und Beweiskraft hat andere Ur­ sachen als die der Handelsbücher, sie liegt nämlich in der Aufzeichnung einerseits und der unbeanstandeten Entgegenname andererseits (ROHG. 14, 260; 2, 273). Endlich sind aus gleichem Gnmde die sog. Kommissionsbücher keine Handelsbücher (ROHG. 15, 171). Siehe auch RGSt. 11, 142, 161. 2. (Abs. 2.) Insbesondere ist vorgeschrieben, daß ein- und ausgehende Handelsbriefe Anm. 7. geordnet zu verwahren sind, und zwar die ausgehenden in Abschrift. Geordnet hat die Aufbewahrung zu erfolgen; nicht gerade notwendig nach der Zeitfolge, auch nach Gegenständen oder Personen. Die Vereinigung der Briefe zu einem Buche ist gleichfalls nicht notwendig. Eine nicht ausreichende Ordnung bei der Ver-

266 § 88.

IV. Abschnitt: Handelsbücher.

Wahrung ist als ein Verschulden im Sinne des § 582 ZPO. angesehen worden (RG.

in IW. 98, 60888). Registerbücher, die zur Aufbewahrung ein- oder ausgehender Briefe in Aufnahme gekommen sind, beruhen meist nicht auf Ordnung nach der Zeitfolge. Die Vorschrift hinsichtlich der Abschriften, die auch auf abgeschickte Telegramme erstreckt werden muß, ist nicht streng auszulegen: es ist keine wortgetreue Abschrift ge­ meint, und es muß nicht etwa jeder Brief vorhanden sein; vielmehr genügt auch eine Abschrift des wesentlichen Inhalts, und das Fehlen des einen oder des anderen Briefes enthalt kein Zuwiderhandeln gegen die Vorschrift (abweichend Goldmann I 187). Die Abschriften der ausgehenden Handelsbriefe und die Pausabklatsche der­ selben im Kopierbuche — ebenso Durchschläge von Schreibmaschinenbriefen — können nach Umständen selbständige beweiserhebliche Urkunden im Sinne des StGB, sein (RGSt. 35, 145; RG. in IW. 07, 556"; anders dagegen in IW. 1911, 85213 be­ züglich eines Rechtskonsulenten, der zur Aufbewahrung von Abschriften ausgehender Briefe nicht verpflichtet ist: vgl. unten Anm. 11). Das Kopierbuch ist nicht mehr von Gesetzes wegen geboten. Die eingehenden Briefe sind in Urschrift zu verwahren. Zu ihnen gehören auch die Telegramme, während die Aufbewahrung sonstiger Belege, wie Quittungen, Rechnungen, Frachtbriefe usw., nicht vorgesehen, gleichwohl aber üblich ist, weil gerade ihre Aufbewahrung mit Recht für wichtig gehalten wird (Behrend § 42 Anm. 7). Große Geschäfte, insbesondere AG., legen auf die Aufbe­ wahrung der Quittungen (Kassenbelege) besonderen Wert. Anm. 8. Zusatz 1. In § 1 des DepotG. (jetzt geltende Fassung laut V. vom 21. November 1923, RGBl. I 1119) ist noch ein weiteres Handelsbuch, kurz das Bankdepotbuch genannt, vorgeschrieben. Dieses Buch ist von jedem Kaufmann zu führen, dem im Be­ trieb eines Handelsgewerbes Wertpapiere der dort gedachten Art unverschlossen zur Ver­ wahrung oder als Pfand übergeben sind. In das Buch sind diese Wertpapiere einzu­ tragen oder in ihm unter Bezugnahme auf Verzeichnisse zu vermerken. Zur Führung eines solchen Handelsbuchs sind nicht etwa nur Bankiers verpflichtet, sondern jeder Boll­ kaufmann, dem im Betriebe seines Handelsgewerbes Wertpapiere zur Aufbewahrung oder zum Pfande übergeben sind (§ 1 und § 13 Ges.), soweit nicht die im § 2 des Ges. vor­ gesehene Erklärung abgegeben ist, der Hinterleger oder Pfandgeber sei damit einverstan­ den, daß der Kaufmann an Stelle der hinterlegten oder verpfändeten Papiere solche glei­ cher Art zurückgewährt. Auch die Kaufleute im Sinne der §§33, 36 sind dazu verpflichtet. Ebenso jeder Kaufmann hinsichtlich der Sicherheitsleistung seiner Angestellten, Aktiengesellschaften und GmbH, auch hinsichtlich der Sicherheiten ihrer Vorstandsmitglieder bzw. Geschäftsführer. Es braucht aber nicht gerade ein besonderes Handelsbuch zu obigem Zwecke geführt zu werden, das Buch kann nebenbei (Breit, Bankdepotgeseh 1911 S. 9) auch andere Eintragungen enthalten. — Wo Zweigniederlassungen bestehen, kann auch dieses Depotbuch in mehrere Bücher zerlegt werden, deren jeweilige Ergebnisse anläßlich der Bilanz bei der Hauptniederlassung zusammengefaßt werden (s. Anm. 5y; Denzler 109). Anm. 9. Zusatz 2. Handelsbücher, die in Gebrauch genommen sind, sind der Pfändung nicht unterworfen (§811 Nr. 11 ZPO.; RG. 51, 165). Dagegen gehören sie zur Kon­ kursmasse, obwohl diese sonst Gegenstände nicht umfaßt, welche der Zwangsvollstreckung nicht unterliegen (§ 1 Ms. 3 KO.); der Gerichtsjchreiber hat sie zu schließen (§ 122 Abs. 2 KO.). Aber sie dürfen vom Konkursverwalter nur mit dem Geschäft im ganzen und nur insoweit veräußert werden, als sie zur Fortführung des Geschäftsbetriebe un­ entbehrlich sind, wie § 117 Abs. 3 KO. ausdrücklich bestimmt. Werden sie nicht in dieser Weise veräußert, so sind sie nach beendetem Konkurse dem Gemeinschuldner zurückzu­ geben oder, wenn dies nicht tunlich, an sicherem Orte bis zum Ablaufe der in § 44 bestimmten Frist vom Konkursverwalter zu hinterlegen (Mosler im „Recht" 09, 343.

IV. Abschnitt: Handelsbücher. Handelsbücher sind im Sinne des

267

§ 23 ZPO. als Vermögen anzusehen und 8 38.

begründen den Gerichtsstand des Vermögens (NG. 51, 165; vgl. auch RG. 24, 415). Zusatz 3. Übet die Herausgabe der Handelsbücher bei Veräußerung des Geschäfts Aum. 10. vgl. § 22 Anm. 26. Zusatz 4. Handelsbücher sind beweiserhebliche Urkunden im Sinne des StGB, und Anm. 11. können daher den Gegenstand einer Urkundenfälschung bilden (RGSt. 4, 4; 34, 131; RG. in DIZ. 06, 1095; RGSt. 50, 420). Doch ist die Veränderung eines Eintrags in dem eigenen Handelsbuche durch den Geschäftsinhaber selbst in RGSt. 5, 431 nicht als Verfälschung einer Urkunde angesehen worden; gegen diese Auffassung hat sich, wohl mit Recht, die Wissenschaft gewendet: Binding, Lehrbuch des gemeinen deutschen Straf­ rechts, besonderer Teil II 1 S. 240; Frank zu § 267 Anm. V la; Olshausen § 267 Note 29 la; Ebermauer Anm. 25 zu § 267 StGB. In RGSt. 35, 145 hat denn auch das RG. die Möglichkeit einer strafbaren Urkundenfälschung im Falle nachträglicher Ver­ änderung der Abschriften von Geschäftsbriefen durch den zu ihrer Aufbewahrung ver­ pflichteten Kaufmann zugegeben (vgl. Anm. 7) und hat seine Ansicht jetzt in ständiger Rechtsprechung zutreffend dahin erläutert, daß die Anderungsbefugnis des Geschäfts­ inhabers dann nicht mehr gegeben ist, wenn ein Dritter ein Recht auf Unversehrtheit der Handelsbücher erlangt oder der Geschäftsinhaber die tatsächliche oder rechtliche Ver­ fügungsgewalt über sie verloren hat (RGSt. 50, 420; RG. in IW. 1917, 125"; 1918, 5142; vgl. RGSt. 51, 340 und andererseits IW. 1911, 85213). Ferner kann eine nach­ trägliche Veränderung von Einträgen in Handelsbüchern ebenso wie ein ursprünglicher wahrheitswidriger Eintrag durch den Inhaber bei Hinzutreten der anderen Tatbestands­ merkmale des § 267 StGB, den Tatbestand des Betrugs oder Betrugsversuchs erfüllen. Eine sehr wirkungsvolle Strafandrohung enthält auch § 366 RAbgO. Danach kann das Landesfinanzamt Personen, die in der Absicht der Steuerhinterziehung in ihrem Betriebe oder Berufe Bücher oder Aufzeichnungen unrichtig führen, bei mehrfacher Wiederholung dieser arglistigen Handlungsweise unter den a. a. O. festgestellten Voraus­ setzungen den Weiterbetrieb auf Zeit oder Dauer untersagen. Zusatz 5. über die Beweiskraft der Handelsbücher vgl. Anhang zu § 47. Aum. 12.

§ 39.

§ 39.

Jeder Kaufmann hat bei dem Beginne seines Handelsgewerbes seine Grundstücke, seine Forderungen und Schulden, den Betrag seines baren Geldes und seine sonstigen vermögensgegenstände genau zu verzeichnen, dabei den wert der einzelnen Vermögensgegenstände anzugeben und einen das Verhältnis des vermögens und der Schulden darstellenden Abschluß zu machen. Er hat demnächst für den Schluß eines jeden Geschäftsjahrs ein solches Inventar und eine solche Bilanz aufzustellen; die Dauer des Geschäftsjahrs darf zwölf Monate nicht überschreiten. Die Aufstellung des Inventars und der Bilanz ist innerhalb der einem ordnungsmäßigen Geschäftsgang ent­ sprechenden Zeit zu bewirken. Hat der Kaufmann ein Warenlager, bei dem nach der Beschaffenheit des Geschäfts die Aufnahme des Inventars nicht füglich in jedem Jahre ge­ schehen kann, so genügt es, tnenn sie alle zwei Jahre erfolgt. Die Verpflichtung zur jährlichen Aufstellung der Bilanz wird hierdurch nicht berührt. § 39 ordnet die Aufstellung von Inventur und Bilanz an und bestimmt die Zeit Einleitung, hierfür, zunächst für den Regelfall (Abs. 1 u. 2), sodann für einen Ausnahmefall (Abs. 3).

268

IV. Abschnitt: Handelsbücher.

§ 39« 1. (Abs. 1 u. 2.) AIS Regel wird vorgeschrieben, daß Inventur und Bilanz beim GeAn«. 1. schäflSbeginn und daun alljährlich zu ziehen sind. Inventur und Bilanz sind not­ wendige Bestandteile der Buchführung eines Vollkaufmanns. Diese verliert daher, wenn die Bilanz oder die Inventur nicht für die vorgeschriebenen Zeiten ausgenommen ist, den Charakter der Ordnungsmäßigkeit (PrOVG. in DIZ. 1921, 835). Inventur und Bilanz gehören entweder zu den Handelsbüchern, sofern sie in ein Buch ein­ getragen werden (§ 41 Abs. 2), oder zu den „sonst erforderlichen Aufzeichnungen" im Sinne des §43. Auf sie findet der §240 Nr. 3 KO. jedenfalls Anwendung (RGSt. 13, 354; Lehmann-Ring Nr. 1); ist aber eine Bilanz überhaupt nicht gezogen, kommt nur § 240 Nr. 4, nicht auch § 240 Nr. 3 KO. zur Anwendung (RG. in LZ. 1914, 1897 und in IW. 1917, 859»). a)Begriff der Inventur und der Bilanz. Die Inventur hat ein genaues Verzeichnis aller Vermögensstücke und Schulden mit Wertangabe zu enthalten. Auch die Firma ist, insonderheit mit Rücksicht auf den Umfang der Kundschaft, als wirklicher Ver­ mögensgegenstand schätzbar und kann in die Eröffnungsinventur als Aktivum ein­ gestellt werden, insofern sie auf abgeleitetem Wege (§§ 22ff.) erworben ward (RG. in IW. 01, 653"; je auch § 40 Anm. 5). Uber Bewertung der Firma bei Auseinan­ dersetzungen s. Anhang zu § 141 Anm. 5; § 340 Anm. 6; auch Anhang zu § 177 Anm. 13. — Inwieweit auch anderes als das Geschäftsvermögen in die Inventur aufzunehmen ist, s. §38 Anm. 5a. Immer aber ist unter den Aktiven nur das eigene Vermögen des Kaufmanns zu verzeichnen, nicht etwa Vermögen, das ihm nur zur Verwahrung oder als Sicherheit übergeben ist. Zu dem Vermögen des Mannes gehört nicht das eingebrachte Gut der Frau, wohl aber das gesamte gütergemeinschaftliche Vermögen (§§ 1437ff. BGB.; §2 KO.); bei der fortgesetzten Gütergemein­ schaft gehört letzteres zum Vermögen des überlebenden Ehegatten (§ 1483 BGB.; § 2 Abs. 3 KO.). Zum Vermögen einer Ehefrau gehört jedenfalls das Vorbehaltsgut und das eingebrachte Gut, auch wenn letzteres wegen mangelnder ehemännlicher Zu­ stimmung den Geschäftsgläubigern nicht haftet, wogegen das Gesamtgut zu dem Ver­ mögen der Frau nicht gehört, auch wenn es infolge erteilter Zustimmung des Mannes den Geschäftsgläubigern haftet (§ 1452 BGB.; § 2 KO.; DürHach. Anm. 4; abw. Goldmann I 190). Zu den Schulden gehört insbesondere auch das Rückforderungs­ recht der Ehefrau auf Heiratsgut Gewöhnlich mit sich bringt. Ter Handlungsbevollmächtigte darf im Gegensatz zumAnm. 19. Prokuristen nichts tun, was im Geschäftsbetriebe ungewöhnlich und selten ist, aber alles das, was der Geschäftsbetrieb gewöhnlich mit sich bringt. Ob darunter Zah­ lungsempfangnahme, Fristbewilligungen, Vergleichsabschlüsse, Nachlässe usw. verstanden werden, beantwortet sich nach der Natur des betreffenden Handelsgewerbes, der Stellung des Bevollmächtigten, den Berkehrsbedürfnissen und bett kaufmännischen Gebräuchen (ROHG. 6, 400). Z. B. fällt bei Warenhäusern eine Bestellung von Waren in den Rahmen des gewöhnlichen Betriebs und ist daher ein Handlungsbevollmächtigter als zu solcher befugt zu erachten (KG. in OLGR. 40, 183). Zum Abschluß eines außer­ gerichtlichen Vergleichs in einem schwebenden Prozesse ist der Handlungsbevollmäch­ tigte im Zweifel ermächtigt (RG. im „Recht" 07, 582). Dagegen nicht dazu, eine für ihn persönlich bestimmte Privatwohnung im Namen des Prinzipals zu mieten (OLG. Kiel in OLGR. 38, 173). Überhaupt im Zweifel nicht bei ersichtlich rein persönlichen Angelegenheiten, vielmehr nur in solchen, die das Geschäft betreffen. Aber auch wenn die betreffende Geschäftsart, z. B. der Abschluß von An- oder Verkaufsgeschäften, in den Rahmen der erteilten Handlungsvollmacht fällt, kann das einzelne Geschäft, z. B. infolge der ungewöhnlichen finanziellen Tragweite, aus dem Rahmen der Vollmacht hcrausfallen (RG. in IW. 04, 47520: Vertrag über die Lieferung einer kostspieligen Seilbahn für das von dem Bevollmächtigten ver­ tretene Steinkohlenbergwerk; RG. 52, 89: Verkauf von 3300 Kubikmeter Hölzer zum Preise von 45 Mk. 25 Pf. durch einen Reisenden; RG. im „Recht" 1923 RsprBeil. Nr. 762: fester Verkauf einer ungewöhnlich großen Menge von Waren gegen alle Gepflogenheit und unter Außerachtlassung der sonst allgemein üblichen Verkaufs­ bestimmungen; OLG. Dresden in LZ. 1917, 137012: Abschluß eines bedeutenden Geschäfts über Lieferung von Speiseöl, während bisher nur Großhandel in technischen Ölen; stets unter Würdigung der Einzelnmstände; vgl. § 55 Anm. 3). Diese Grundiätze gelten auch für die als Leiter von Zweigniederlassungen beschäftigten Handlungs­ bevollmächtigten. Schließt ein solcher ein Geschäft ab, das diese Niederlassung bisher niemals in dieser Art und in diesem Umfange abgeschlossen hat, und kann es wegen der großen Tragweite auch nicht als ein solches angesehen werden, das der Betrieb der Handelsniederlassung gewöhnlich mit sich bringt, so ist der Prinzipal nicht gebun­ den. überhaupt kann man sagen, daß regelmäßig solche Geschäfte nicht durch die Handlungsvollmacht gedeckt werden, die einen ungewöhnlichen Spekulationscharakter enthalten und daher „bedenklich" sind, während man bei Geschäften mit begrenztem, leicht zu übersehendem Risiko im allgemeinen allnehmen darf, daß sie als „gewöhn­ lich" im Sinne des § 54 Abs. 1 anzusehen sind (Bondi in IW. 1925, 1276).

312

8 »4.

V. Abschnitt: Prokura und Handlungsvollmacht.

Für ungewöhnlich hat das ROHG. (1, 251) bei einem zum Abschluß eines Kaufgeschäfts über Wertpapiere mit schwankendem Kurs ermächtigten Bevollmäch­ tigten die Prolongation des Engagements und das RG. bei einem Messevertreter in einer Zeit, in der wegen Währungsverfalls allgemein nur „freibleibend" ab­ geschlossen wurde (1922), Abschluß zu festen Preisen erklärt (IW. 1925, 1276’). Ebenso ist von der Rechtsprechung die Annahme eines Wechsels an Zahlungs Statt für ungewöhnlich erklärt worden (Hofgericht Gießen in IHR. 2, 402). Hier dürfte richtiger Weise auf die Lage des einzelnen Falles abzustellen sein. Für gewöhnlich gilt bei einem allgemeinen Handlungsbevollmächtigten die Untersuchung und Be­ anstandung sowie die ausdrückliche oder stillschweigende Anerkennung der ankommen­ den Warensendungen (ROHG. 15, 305). Zu den gewöhnlichen Vorkommnissen im kaufmännischen Geschäftsleben gehört die Auskunftserteilung über Kreditwürdig­ keit oder über frühere Angestellte (RG. 20, 194 und in IW. 99, 831"; OLG. Ham­ burg in HansGZ. 08 H. 264); deshalb fällt sie jedenfalls in den Rahmen der all­ gemeinen Handlungsvollmacht (vgl. noch Anm. 20). Über Haftung für falsche Aus­ kunft durch den Handlungsbevollmächtigten s. Anhang zu § 58 Anm. 82. Abschluß von Versicherungen der verschiedensten Art gehört im allgemeinen zu den regel­ mäßigen, gewöhnlichen Geschäftsvorgängen eines kaufmännischen Großbetriebs, z. B. auch der Abschluß einer Versicherung gegen Transportgefahr, Aufruhr und Plündcrung (OLG. Braunschweig in LZ. 1922, 596), nicht aber der Abschluß einer all­ gemeinen Unfallversicherung der Arbeiter auf Kosten des Prinzipals (OLG. Karls­ ruhe in BadRpr. 06, 107). Ein Versicherungsagent (Anm. 6a) ist als zum Ab­ schluß von Versicherungsverträgen für die Gesellschaft ermächtigt anzusehen, wenn diese die Unterzeichnung von Policen durch ihn zulüßt (RG. 50, 75; 88, 236). Hat er eine begrenzte schriftliche Vollmacht, läßt aber die Versicherungsgesellschaft über deren Umfang hinaus regelmäßig Versicherungen durch ihn abschließen, so entscheidet die tatsächliche Handhabung (OLG. Köln in IW. 1920, 4468). Über Übertragung der Handlungsvollmacht auf andere bzw. Be­ stellung von Unterbevollmächtigten s. § 58 und die Erl. dazu. Zu unterscheiden sind übrigens ost die Handlungen selbst und die mit ihnen verknüpften Rechtsfolgen. In der Zahlungsempfangnahme liegt z. B. oft ein Rechtsverzicht; die Empfangnahme der Zahlung durch den Bevollmächtigten be­ gründet aber den Rechtsverzicht nicht ohne weiteres (Anm. 4 zu §56). Anm. 20. 8. AlS außerhalb der Handlungsvollmacht liegend und daher besonderer Vollmacht bedürftig ist in Abs. 2 die Befugnis zur Veräußerung oder Belastung von Grund­ stücken bezeichnet (über diese Begriffe usw. vgl. § 49 Anm. 2). Ferner die Befugnis zum Eingehen von Wechselverbindlichkeiten, also auch die zu Girierungen, außer zu Girierungen nach Protest oder als Prokuraindojsament oder ohne Oligo (Begebung eines vorhandenen Wechselblanketts mit Einräumung der Ausfüllungsbcfugnis gehört nicht zu den außerhalb der Handlungsvollmacht liegenden Handlungen, denn Abs. 2 meint Wechselzeichnung in fremdem Namen; so mit Recht Adler in ZHR. 60, 122; dagegen gehört zu den außerhalb der Handlungsvollmacht liegenden Geschäften auch die schuldrechtliche Verpflichtung zur Eingehung von Wechselverbindlichkeiten; OLG. Rostock in OLGR. 21, 379; s. auch §49 Anm. 2). Ferner die Befugnis zur Ausnabme von Darlehen, wozu die Benutzung des üblichen Bankkredits aber nicht gehört. Endlich die Befugnis zur Prozeßführung; dazu ist nach dem offenbaren Willen des Gesetzes auch die Vereinbarung eines ausländischen Gerichtsstandes für alle aus dem Geschäftsverkehr der Parteien sich ergebenden Streitigkeiten zu rechnen, während der Abschluß von Vergleichen, die zum Betriebe des Handelsgewerbes gehören, im Zweifel unter die Vollmacht fällt (Anm. 19); dagegen enthält die Ermächtigung zum Abschluß von Vergleichen nicht umgekehrt die Ermächtigung zur Prozeßführung, auch nicht vor einem Schiedsgericht (RG. in LZ. 1918, 11447). — Die Erteilung der zu

V. Abschnitt: Prokura und Handlungsvollmacht.

313

diesen Maßnahmen erforderlichen besonderen Ermächtigung erfolgt nach den in Anm. Iff. § 54« dargelegten Grundsätzen. Entscheidend ist daher, welche Bedeutung dem Verhalten des Prinzipals nach der für den Verkehr maßgebenden Auffassung beizulegen ist (RG. 76, 202, woselbst die besondere Erteilung der Befugnis zur Eingehung von Wechsel­ verbindlichkeiten in der Erklärung gefunden wird, der Handlungsbevollmächtigte werde zu „allen Rechtshandlungen ohne Ausnahme" ermächtigt; vgl. dazu Ring in DIZ. 1912, 369). Sie muß nicht ausdrücklich, sondern kann auch stillschweigend ge­ schehen, z. B. durch ständige Duldung (IW. 01, 84427; RG. 43, 189; RG. in LZ. 1914, 2798; z49 Anm.2), muß ferner nicht einzeln, sondern kann auch ein für allemal erfolgen (Bolze 6 Nr. 325). Daraus, daß dem Handlungsbevollmächtigten in einem besonderen Falle ausdrücklich allgemein die Gewährung von Darlehen untersagt ist, kann nicht geschlossen werden, daß deren Aufnahme ihm gestattet sei; zu dieser ist der Handlungsbevollmächtigte mangels besonderer Erteilung der Befugnis nicht er­ mächtigt, nicht einmal, soweit solche zur Weitersührung des Geschäfts erforderlich ist (RG. im „Recht" 08 Nr. 3691). Das sind die Fälle, in denen jeder Handlungsbevollmächtigte einer besonderen Vollmacht bedarf. Auch der Generalhandlungsbevollmächtigte bedarf dieser besonderen Vollmacht. Auch daß das eine oder das andere der hier ausgeschlossenen Rechts­ geschäfte in dem betreffenden Handelsbetriebe üblich ist, begründet keine Be­ freiung von dem Erfordernisse der Sondervollmacht. Dies ist höchstens dann der Fall, wenn diese Üblichkeit geradezu die notwendige Grundlage des Geschäftsbetriebs ist (OLG. Rostock in OLGR. 21, 379; auch ebenda 15, 161). Außerdem bedarf der Handlungsbevollmächtigte einer besonderen Vollmacht zu allen in seinem besonderen Tätigkeitskreise ungewöhnlichen Geschäften. Bei der Auslegung solcher besonderer Vollmachten darf man nicht eng­ herzig vorgehen. So ist z. B. die Vollmacht des Prinzipals, ihn in einer Gläubiger­ versammlung zu vertreten, für die Zustimmungserklärung zu einem außergerichtlichen Vergleich in jener Versammlung genügend, denn das ist die erheblichste Erklärung, um die es sich dabei handelt (Bolze 13 Nr. 668; anders OG. Wien bei Adler u. Clemens Nr. 573). 9. Rein persönliche Angelegenheiten des Prinzipals, d. h. solche, die der Besorgung Anm. 21. durch Bevollmächtigte nicht fähig sind (§49 Anm. 4), liegen natürlich, wie außerhalb der Prokura, so auch außerhalb einer noch so umfassenden Handlungsvollmacht. 10. Sonstige Beschränkungen der Handlungsvollmacht (Abs. 3). Die Vollmacht hat den Anm. 22. Inhalt, den der Prinzipal ihr vermöge seines in die äußere Erscheinung tretenden Verhallens gibt (Anm. 5ff.). Will der Prinzipal die sich hieraus ergebende Vollmacht einschränken, so genügt es nicht, daß er dem Bevollmächtigten nach dieser Richtung Anweisung gibt, seinen Auftrag einschränkt. Vielmehr muß diese Einschränkung auch dem Dritten derart kundgegeben werden, daß er sie gegen sich gelten lassen muß. Dies ist der Fall, wenn, wie Abs. 3 sagt, der Dritte die Beschränkungen kannte oder sie kennen mußte. (Bei der Prokura liegt die Sache anders; § 50 Anm. 2.) Eine Folgerung hieraus: Übergibt der Handlungsbevollmächtigte dem Vertragsgegner beim Vertragsabschluß eine Abschrift des Bestellfcheius, die in deutlicher Weise besagt, daß die Handlungsvollmacht beschränkt sei oder daß der Geschäftsherr sich Genehmigung Vorbehalte, so muß der Vertragsgegner dies gegen sich gelten lassen (RG. im „Recht" 1924 RsprBeil. Nr. 658). Hat der Bevollmächtigte die Beschränkung seiner Vollmacht bekanntgegeben oder die Genehmigung des Prinzipals Vorbehalten, so kann er später nicht für sich allein in dessen Namen die Genehmigung aussprechen (IW. 91, 13312). Im Falle eines Genehmigungsvorbehalts muß der Prinzipal, wenn er den Abschluß nicht genehmigen will, dies in der Regel alsbald nach Kenntnis dem Ver­ tragsgegner erklären, sonst kann er unter Umständen so behandelt werden, als habe er dem Geschäftsabschlüsse zugcstimmt (RG. im „Recht" 1922 RsprBeil. Nr. 111).

314

§ 54.

Anm. 23.

V. Abschnitt: Prokura und Handlungsvollmacht.

Wann liegt nun aber der Fall vor, daß der Dritte die Einschränkung der Voll­ macht kennen mutzte oder, was dasselbe ist (§122 Abs. 2 BGB.), aus Fahrlässigkeit nicht kannte? Nach dieser Richtung hatte sich schon früher ein Handelsgebrauch dahin geblldet, daß eine in üblicher Weise kundgegebene Tatsache als bekannt betrachtet wird (5. Aufl., Einl. zu Art. 47). An diesen Handelsgebrauch wollte offensichtlich § 54 Abs. 3 anknüpfen, er muß daher zur Ergänzung herangezogen werden. Der Dritte muß hiernach die Einschränkung kennen, wenn sie gehörig bekanntgemacht ist (anders Brand Anm. 5 und Lehmann-Ring Nr. 13, die ein Wissenmüssen des Dritten in jedem Falle verneinen). War die Vollmacht öffentlich bekanntgemacht, so muß die Einschränkung in derselben Weise bekanntgemacht werden (vgl. § 171 Abs. 2 BGB.). Ist das betteffende Blatt inzwischen eingegangen, so muß dasjenige gewählt werden, das in dem betreffenden Kreise als Ersatzblatt betrachtet wird. Ein an auffallender Stelle im Laden sichtbarer Anschlag, daß nur an der Kasse zu zahlen ist, ist eine jeden Käufer bindende Einschränkung der Vollmacht aller übrigen Angestellten. Hat aber der Prinzipal lange Zeit wissentlich die Einnahme von Geldern durch Angestellte ge­ duldet, so ist stillschweigend Vollmacht hierzu erteilt. Im übrigen vgl. hierzu § 56 Anm. 3. Danach regelt sich gleichzeitig die Beweislast. Der Prinzipal hat zu beweisen, daß der Dritte die Einschränkung kannte, oder daß er seinerseits alles ge­ tan hat, was nach der Verkehrsanschauung genügt, um ein Kenncnmüssen jedes Dritten herbeizuführen. Alsdann bleibt es dem Dritten überlassen, die außergewöhnlichen Um­ stände, durch die sein trotzdem vorhandenes Nichtwissen entschuldigt wird, darzutun und zu beweisen (insoweit zust. Brand und Lehmann-Ning a. a. O.).

Anm. 24.11. über daS Erlöschen der Handlungsvollmacht und deren Widerruf s. Anhang zu § 58 Anm. 88ff. über Vornahme eines Rechtsgeschäfts seitens eines Be­ vollmächtigten mit sich selbst ebendort Anm. 31 ff. Hervorgehoben sei, daß der Widerruf (zu vgl. dort Anm. 93 letzter Absatz), um gutgläubigen Tritten gegenüber wirksam zu werden, in derselben Weise erfolgen muß, in der die Vollmacht erteilt war. Hat der Prinzipal einem Angestellten dauernd gestattet, ihn an der Börse zu vertreten, so erklärt er daher den Widerruf zwecklnäßigerweise öffentlich, sonst läuft er Gefahr, daß Dritte die Vollmacht weiter als bestehend behandeln (OLG. Hanlburg in SeuffA. 74, 148). Anm. 25. 12. Unser § 54 beantwortet nur die Frage, inwieweit der Geschäftsherr für Handlungen seines Personals auf Grund erteilter Handlungsvollmacht haftet. Unter Um­ ständen haftet er aber für Handlungen seiner Angestellten ohne Rücksicht darauf, ob Handlungsvollmacht vorliegt, nämlich auf Grund gesetzlicher Haftung für Versehen der Bevollmächtigten und Gehilfen. Hierüber s. Anhang zu § 58 Anm. 51 ff., besonders auch Anm. 82.

§ 55.

§ 55. Die Vorschriften des § 5) finden auch auf Handlungsbevollmächtigte Anwendung, die als Lfandlungsreisende zur Vornahme von Geschäften an Orten verwendet werden, an denen sich eine Niederlassung des Geschäfts inhabers nicht befindet. Die Reisenden gelten insbesondere für ermächtigt, den Kaufpreis aus den von ihnen abgeschlossenen Verkäufen einzuziehen und dafür Zahlungsfristen zu bewilligen. Die Anzeige von Mängeln einer Ware, die Erklärung, daß eine Ware zur Verfügung gestellt werde, sowie andere Erklärungen solcher Art können dem anwesenden Reisenden gegenüber abgegeben werden.

V. Abschnitt: Prokura und Handlungsvollmacht.

315

1. Borbemerkung. Die Bestimmungen über die Vollmacht deS Handlungsreisenden sind § 55. nur Anwendungen deS im § 54 ausgesprochenen Grundsatzes: auch die Handlungs- $ttm. i. bevollmächtigten, die der Prinzipal zu Geschäften an auswärtigen Orten verwendet, sollen zu allem ermächtigt sein, was die Ausführung dieser Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt. Hervorgehoben ist dabei, daß nach dem Willen des Gesetzes als gewöhnlich Zur Ausführung gehörig die Einziehung des Kaufpreises und die Bewilligung von Zahlungsfristen aus eigenen Geschäften betrachtet werden sollen, über Wesen und Wirkungen der Vollmacht gelten sonach die zu § 54 gemachten allgemeinen Erörterun­ gen, insbesondere folgende zwei Gesichtspunkte: L. Abänderungen des gesetzlichen Inhalts der Vollmacht sind zulässig und gelten Drit-Anm. 2. ten gegenüber, wenn das erkennbare Verhalten des Prinzipals auf den Abänderungs­ willen hindeutet (§ 54 Anm. 6 u. 22). Insbesondere gelten Einschränkungen dann, wenn sie dem Dritten bekannt waren oder er sie hätte kennen sollen; etwa durch Vermerke in der Rechnung oder durch Rundschreiben; so z. B., wenn in dieser Weise der Prinzipal die Gelderhebungsvollmacht des Reisenden beseitigt (OLG. Frankfurt a. M. im „Recht" 06, 868; RGSt. 47, 428) oder den Reisenden nur er­ mächtigt, mit gewissen Personen oder bis zu einem gewissen Betrage Geschäfte zu machen (ROHG. 5, 207), oder bei Preisgrenzen, die dem Reisenden vorgeschrieben sind (ROHG. 23, 348). Der Ausdruck des Abänderungswillens muß klar und zweifel­ los sein (OLG. Frankfurt a. M. a. a. O.). Ist ein Verbot der Gelderhebung in einer vor dem Besuche des Reisenden gesandten Faktura enthalten, so zahlt der Kunde an den Reisenden auf seine Gefahr (OG. Wien bei Adler u. Clemens Nr. 184 u. 278). Wegen sonstiger Vermerke in Fakturen usw. vgl. auch Anhang zu § 372. Her­ vorgehoben sei, daß, auch wenn im allgemeinen bekanntgegeben ist, daß die Vollmacht der Geschäftsreisenden in gewisser Weise beschränkt ist, doch dem einzelnen Reisenden eine weitergehende Vollmacht eingeräumt sein kann, z. B. durch schriftliche Erklärung, und daß dann für diesen Reisenden die weitergehende Vollmacht gilt (RGSt. a. a. O.). 2. Ob der HandlungSreisende zum bindenden Abschluß von Geschäften bevollmächtigt An«. 3. ist oder nur zur Entgegennahme von Angeboten, ist Frage deS einzelnen Falles. Die Annahme der bisherigen Auflagen, der Reisende sei grundsätzlich zum Abschluß von Verkäufen bevollmächtigt, kann nicht aufrcchterhalten werden. Wie RG. 97, 1 (ähnlich Titze in IW. 1921, 43; DürHach. Anm. 1; Ritter Anm. 1; Brand Anm. 2; Jmmerwahr, Das Recht des Handlungsagenten, S. 63; ferner RG. im „Recht" 1923 NsprBeil. Nr. 762 u. 909 sowie in BayZ. 1924, 195 und HansOLG. in HansRZ. 1923, 685) überzeugend darlegt, weist der § 55 in erster Linie auf § 54 zurück, regelt selbständig nur den Umfang der Vollinacht des Reisenden in Abs. 2 u. 3, besagt aber nichts darüber, ob der Reisende Abschlußvollmacht hat oder nicht, so daß in dieser Beziehung der Umfang der Vertretungsmacht nach § 54 sich richtet. Hiernach ist ent­ scheidend, ob und in welchem Umfange ini allgemeinen der Reisende nur zur Ver­ mittlung oder auch zum Abschluß von Geschäften ermächtigt worden ist. Es gelten also für diese Frage die Darlegungen in Amn. 16 ff. zu § 54, auch kann dabei der Handelsbrauch in dem in Betracht konunendcn Geschäftszweige (Titze a. a. O.) eine Rolle spielen. Hat hiernach der Reisende Abschlußvollmacht, dann gilt das Geschäft so, wie es mit ihm vereinbart ist; Unrichtigkeiten des Berichts sind für den Dritten unverbind­ lich (ROHG. 23, 352). Ist dagegen das Geschäft unter Vorbehalt der Genehmigung des Prinzipals abgeschlossen, dann gelten die hierauf bezüglichen Bemerkungen § 54 Anm. 22. Dabei ist folgendes zu beachten: Treu und Glauben erfordern (RG. 102, 89), daß der Prinzipal die Tätigkeit seines Reisenden so regelt, den Geschäftsverkehr mit ihm so gestaltet, daß er in angemessener Frist von dem Inhalte der von dem Reisenden geschlossenen Verträge restlos sichere Kenntnis erhält. Geschieht das erst nach Wochen oder Monaten, so handelt der Gcschäftsherr arglistig, wenn er diesen

316 § 55.

V. Abschnitt: Prokura und Handlungsvollmacht.

einem ordnungsmäßigen und redlichen Geschäftsverkehr widersprechenden Umstand dazu

benutzt, um seine inzwischen abgegebenen rechtserheblichen Erklärungen dem gutgläu­ bigen Erklärungsempfänger gegenüber anzufechten. Die gegenteilige Auffassung würde die Sicherheit des Rechtsverkehrs in bedenklicher Weise beeinflussen. Überhaupt muß der Dritte sich darauf verlassen können, daß der Geschäftsverkehr mit dem Reisenden in der oben gedachten normalen Weise gestaltet ist. Bemekkt sei noch, daß Miet- und Transportverträge (z. B. mit Wirten, Fuhr­ leuten u. dgl.), die der Reisende auf seiner Reise abschließt, in der Regel von ihm in eigenem Namen, nicht im Namen des Prinzipals, abgeschlossen werden. Aus der­ artigen Verträgen haftet daher im Zweifel der Prinzipal nicht. Deshalb dürfen wegen solcher Forderungen dem Prinzipal gehörige Gegenstände (Koffer, Muster usw.) nicht gepfändet oder zurückbehalten werden (ZHR. 7, 597). Anm. 4. II. WaS den Inhalt deS § 55 selbst anbetrifft (Lit.: Großmann, Tie rechtliche Stellung des Handlungsreisenden, Leipzig 1911), so geschieht die Erl. nach folgenden Gesichts­ punkten :

A. Der Paragraph findet nach ausdrücklicher Vorschrift (Abs. 1) Anwendung auf alle auSwartS (d. h. außerhalb der Handelsniederlassung des Prinzipals) verwendeten Handlungsbevollmächtigten, die sog. auswärtigen Reisenden („Fernreisende"); nicht nur auf die, welche in einem Abhängigkeitsv erhält nisse zum Prinzipal stehen (vielfach Provisionsreisende genannt), sondern auch auf die, welche als selbständige Kaufleute für Handlungshäuser Kunden aufsuchen und Bestellungen entgegennehmen (sog. reisende Agenten). Letzteres ist in § 87 ausdrücklich ausgesprochen. Doch ist der Agent zur Entgegennahme von Erklärungen der in Abs. 3 bezeichneten Art in weiterem Umfange befugt (§ 86 Abs. 2). Den Gegensatz bilden die Stadtreisendeu. Auf sie bezieht sich § 55 nicht (RG. 6, 83; D. 56). Der Umfang ihrer Vollmacht richtet sich lediglich nach § 54. Geld­ erhebungsvollmacht ist dabei nicht ausgeschlossen, sie kann ihnen ausdrücklich oder auch stillschweigend erteilt sein (§54 Anm. 10). Doch muß sie eben besonders erteilt sein und folgt nicht aus der Bestellung zum Stadtreisenden; denn die Gelderhebungsvollmacht an Stadtreisende zeigt sich nicht als ein Verkehrsbedürfnis (anders die Ber­ liner Ältesten bei Dove-Apt 11). Dagegen wird man den Stadtrcisenden zur Ent­ gegennahme der in Abs. 3 bezeichneten Erklärungen für die Regel als befugt erachten müssen (ebenso Lehmann-Ring Nr. 2; anders Brand Anm. 1). Als Stadtreisende sind auch die anzusehen, die vorn Geschäfte aus nach den Vororten oder den Nachbarorten geschickt werden, um nach kurzer Zeit zurückzu­ kehren (Apt 2, 20; Lehmann-Ning Nr. 2; a. M. Brand Anm. 1). Das gleiche muß von den Agenten gelten, die nicht reisen, den sog. Platzagenten. Ter § 55 findet auf sie keine Anwendung, wohl aber der §54 (s. auch Anhang zu § 85). B. über den Umfang der Vollmacht deS Reifenden gilt folgendes:

Anm. 5. 1. Hervorgehoben ist (Abs. 2) die Ermächtigung deS Handlungsreisenden zur Ein­ ziehung deS Kaufpreises und zu Fristbewilligungen hinsichtlich der von ihm selbst abgeschlossenen Geschäfte. Aber auch insoweit ist die Vollmacht nicht unbegrenzt, sie findet in dem üblichen und Herkömmlichen ihre natürliche Schranke. a) Bei der Einziehung deS Kaufpreises hat der Reisende im allgemeinen Barzahlung zu erwirken; Annahme an Zahlungs Statt ist nur zulässig, soweit sie üblich ist, was gewöhnlich nicht zutrisft. Auf keinen Fall ist Aufrechnung der Schuld mit Forderungen an ihn selbst gestattet (SeuffA. 35 Nr. 51). Wohl aber darf er kleine Abzüge (Dekorts) gewähren, da diese bei den Verhandlungen über die Kaufpreiseinziehung gang und gäbe sind (Allfeld 291; Brand 182 stellt darauf ab, ob das in dem betreffenden Geschäftszweige üblich ist). Tie T. 55 ff. meint zwar, daß zwischen wesentlichen und unwesentlichen Bedingungen kein Unterschied zu machen, der Reisende vielmehr zur Abänderung des geschlossenen Geschäfts durchaus nicht befugt sei; allein diese strenge

V. Abschnitt: Prokura und Handlungsvollmacht.

317

Meinung hat im Gesetz keinen Ausdruck gefunden. — Selbstverständlich kann die Er- § 55. mächtigung zur Einziehung des Kaufpreises dem auswärtigen Reisenden auch durch deutliche Maßnahmen entzogen werden; z. B. durch einen diesbezüglichen Vermerk auf der Rechnung; vgl. Anm. 2. Der Vermerk: „Zahlung belieben Sie stets an uns direkt zu leisten" ist von dem LG. Halle irrt „Recht" 02, 185 als genügend angesehen worden, um die Gelderhebungsvollmacht des Reisenden auszuschließen; dagegen hat das OLG. Frankfurt a. M. in der in Anm. 2 angeführten Entsch. den Vermerk: „Zahlung erbitten wir direkt an uns zu richten" als hierzu nicht ausreichend erklärt, und wohl mit Recht. b) Die Fristbewilligung darf er nicht überinäßig vornehmen (OG. Wien bei Adler u. Clemens Nr. 353; Lehmann-Ring Nr. 3; Brand S. 182). Da er den Kaufpreis ein­ ziehen und Frist bewilligen kann, so darf er auch einen Wechsel, der zugunsten des Prinzipals als Remittenten oder Indossatars lautet, mit üblichem Fälligkeitstermin zahlungshalber annehmen, und der Kunde ist durch Hingabe des Wechsels befreit, vorausgesetzt, daß er ihn zur Verfallzeit einlöst. Hat der Reisende den Wechsel in seinen Nutzen verwandt, so trifft der Nachteil den Prinzipal (vgl. ROHG. 13, 296). Nicht aber gehört zur Vollmacht des Reisenden die Annahme von Wechseln an Zahlungs Statt. 2. Ferner ist (Abs. 3) hervorgehoben die Ermächtigung der Reisenden zur Entgegennahme Anm. 6. gewisser rechtsgeschäftlicher Erklärungen: der Anzeige von Mängeln (§ 377; s. dort Anm. 28; § 381 HGB.), der Zurverfügungstellung (§§466, 480 BGB.) und ähnlicher Erklärungen, z. B. der Fristsetzung nach § 326 BGB., einer für den Eintritt des Verzugs erforderlichen Mahnung (§§ 284ff. BGB.), der Erklärung, daß die Ware verspätet oder in falschen Mengen geliefert sei (z. B. § 378 HGB.) u. ä. Dagegen ist der Reisende als solcher nicht befugt zur Entgegennahme von Anfechtungserklärungen (OLG. Kolmar im „Recht" 07, 519), doch kaun (wie dort dargelegt) er sie für den An­ fechtenden dem Geschäftsherrn rechtsroirksam übermitteln. — Der Reisende muß „anwesend" sein, d. h. am Orte anwesend seiil, und während der Dauer seines Aufenthalts dort muß die Erklärung geschehen; denn es erscheint nicht angängig, daß der Dritte die betreffende Erklärung, statt an der: Geschäftsinhaber selbst, an dessen anderswo aus der Reise befindlichen Vertreter richtet (D. 56). Ortsanwesend muß der Reisende sein, nicht gegenwärtig; Fernsprechübermittlung genügt in diesem Falle, auch schriftliche Übermittlung, sofern solche den Reisenden noch an dem betreffenden Orte erreicht (Brand 183). Dagegen brauchen sich jene Erklärungen nicht gerade auf Ge­ schäfte zu beziehen, die der Reisende abgeschlossen hat (DürHach. Anm. 6). — Zur Gutheißung einer Zurverfügungstellung ist der Reisende nicht befugt (D. 56), wie er überhaupt nicht zur Abgabe und zur Billigung , sondern nur zur Entgegennahme der hier in Rede stehenden Erklärungen befugt ist (RG. im „Recht" 06, 509). 3. Soweit der Umfang der Vollmacht des Reisenden nicht besonders bezeichnet ist, Anm. 7. bestimmt er sich nach § 54 und den dort ausgestellten Gesichtspunkten. Der in die Erscheinung tretende Wille des Prinzipals und das in solcher Stellung Übliche sind entscheidend. Man darf nicht etwa aus § 55 entnehmen, daß der Reisende z. B. zur Einziehung des ftmifpmicv ans anderen Käufen niemals befugt 'ei. Im einzelnen gilt hier folgendes: a) Zur Einziehung des Kaufpreises aus Geschäften, die der Prinzipal selbstAnm. 8. oder der Vorgänger des Reisenden auf der Reise abgeschlossen hat, wird man den Reisenden gesetzlich nicht für ermächtigt erachten (Bernerk. d. Einsenders in ROHG. 4, 298; a. M. Großmann bezüglich des Vorgängers). Doch kann er dazu besondere Vollmacht, auch allgemeine Vollmacht besitzen, die selbst aus den Umständen hervorgehen kann (ROHG. 15, 407). — Vgl. ferner § 54 Anm. 10. b) Zur Feststellung der Kaufbestimmungerl ist er, sofern er Abschlußvollmacht besitztAnm. 9. Anm. 3), ermächtigt, doch auch hier in vernünftigen Grenzen. Ein Preisverzeichnis,

318 § 55.

V. Abschnitt: Prokura und Handlungsvollmacht.

das ihm mitgegeben und dem Kunden vorgelegt wird, ist dabei nicht ohne weiteres als Grenze zu erachten (zust. Lehmann-Ring Nr. 6). Es kann auch eine Weisung für den Reisenden sein, wenn möglich diese Preise zu erzielen (vgl. z. B. RG. in DIZ. 02, 345), und außerdem ist es üblich, von den Preisen des Preisverzeichnisses verschiedene Abzüge und Vergütungen (Skonti) zu bewilligen. Durch allgemeine Vereinbarungen für die Zukunft den Prinzipal dauernd festzulegen, ist er im Zweifel nicht ermächtigt (ZHR. 21, 539). Ebensowenig zum Abschlüsse von Tauschgeschäften (Tove-Meyerstein Nr. 35, 36).

«nm. 10. e) Auf wohlerworbene Rechte verzichten darf er nicht, abgesehen von den oben in Anm. 5 hervorgehobenen kleinen Abzügen. Er darf also insbesondere nicht Geschäfte rückgängig machen, die er dem Prinzipal bereits angezeigt hat, noch weniger solche, die dieser schon zu erfüllen begonnen (ROHG. 7, 115) oder gar schon erfüllt hat (OLG. Kassel in SeuffA. 48, 70; RG. im „Recht" 06, 509). Nicht einmal gleich­ sam als Bedingung der neuen Bestellung darf er auf Rechte aus der früheren Lieferung verzichten. Dagegen folgt aus der Natur seiner Stellung, daß er bis zur Anzeige an den Prinzipal die Bestellung durch Vereinbarung mit der Gegenpartei ändern oder rückgängig machen kann (a. A. Goldmann 257, Makower 185 und Brand 182). Zur Erteilung einer einen Verzicht enthaltenden allgemeinen Quittung ist er nicht befugt (OAG. Dresden in ZHR. 11, 150). Auch zur Änderung der zwischen Prinzipal und Kunden festgestellten Vertragsbestimmungen ist er nicht ermächtigt (Bolze 18 Nr. 442). Anm. 11. d) Bürgschaften für den Prinzipal zu übernehmen ist der Reisende nicht befugt (LG. Frankfurt in ZHR. 42, 511). Anm. 12.

Zusatz 1. über den Handlungsreisenden als Handlungsgehilfen, also über die Dienstverhältnisse deS HandlungSreisenden s. § 59 Anm. 36 u. 37.

Anm. 13.

Zusatz 2. Wegen des Erlöschens der Abs. 2 u. 3 zustehenden Ermächtigung sinngemäß anzuwenden. Siehe daher Anhang § 171 BGB. (Anhang zu §58 Anm. 93 letzter

§ 56.

dem Handlungsreisenden nach § 55 sind die Vorschriften der §§ 168ff. BGB. zu § 58 Anm. 88 ff. Insbesondere gilt auch Absatz; SächsOLG. 39, 85).

§ 56.

Wer in einem Laden oder in einem offenen Warenlager angestellt ist, gilt als ermächtigt zu Verkäufen und Empfangnahmen, die in einem der­ artigen Laden oder Warenlager gewöhnlich geschehen. Einleitung.

§ 56 gibt eine gesetzliche Vollmacht sttr den Angestellten in einem Laden oder offenen Warenlager. Es wird damit lediglich ein aus der Regel des § 54 abgeleiteter Auslegungssatz aufgestellt (ROHG. 23, 348), und zwar im Interesse der Sicherheit des Verkehrs, denn es wäre für den Käufer oder den, der in einem Laden oder offenen Warenlager Gegenstände abliefert, völlig unerträglich, müßte er erst prüfen, ob der An­ gestellte, der mit ihm verhandelt, zu Verkäufen bzw. Empfangnahmen bevollmächtigt ist (KG. in IW. 1924, 1181"). Aus diesem Grunde muß die Vorschrift eher weit als eng ausgelegt werden (RG. 69, 309). Der Erläuterung bedürfen folgende Begriffe:

Anm. 1. 1. Angestellt. Erforderlich und ausreichend ist, daß die Person mit dem Willen des Prinzipals, jedoch nicht notwendig auf Grund eines Dienst- oder eines Vertrags­ verhältnisses, vorübergehend oder bleibend, berufsmäßig in dem Raume nut dem Publikum verkehrt. Angestellt in diesem Sinne sind jedenfalls die Handlungsgehilfen, deren Tätigkeitskreis sich auf den Raum bezieht. Aber auch die Angehörigen, z. B. die Ehefrau, können es sein (RG. 51, 23), auch der Lehrling (Hofgericht Gießen in ZHR. 2, 402), nicht aber Personen, die zufällig int Laden anwesend sind, mögen sie auch im übrigen zum Geschäftspersonal gehören, z. B. Kontoristen, Handlungsreijende usw.,

V. Abschnitt: Prokura und Handlungsvollmacht.

319

oder sonstige Personen, die augenscheinlich zu anderem Zwecke in den Räumen an- § 56» wesend sind, z. B. zum Packen oder Reinigen, jedenfalls nicht zum Verkehr mit Kunden (RG. 108, 48). Noch weitergehend: v. Seeler in ArchBürgR. 28, 48. Über bie Frage der Beweispflicht s. Titze in IW. 1924, 1040.

2. Laden, offenes Warenlager. Als Laden erscheint ein geschlossener Raum, der aberAnm. 2. zum freien Eintritt für das Publikum und zum Abschluß der Geschäfte, besonders zum Warenverkauf im Kleinverkehr (LG. Berlin in KGBl. 09, 11), bestimmt ist (An­ hang zu § 37 Anm. 5), z. B. der Verkaufsladen, die Konditorei, die Schankstube, die Leihbibliothek. Dagegen ist das Kontor kein Laden, insbesondere auch nicht das Bureau einer Bank, außer wenn es, wie dies nicht selten ist, in der Tat die Gestalt eines Ladens hat (Geldwechslergeschäft: vgl. ROHG. 12, 38). In diesem Falle ist aber die Anwendung des § 56 nur auf den Teil der Geschäftsräume, der wirklich diese Gestalt hat, zu beschränken und nicht aus die übrigen Räume, die den Charakter eines Kontors haben, auszudehnen. Damit ist nicht gesagt, daß die in einem Kontor Angestellten die hier aufgestellte Vollmacht schlechterdings nicht besitzen. Vielmehr entscheiden hier die Umstände über die Bevollmächtigung nach § 54 (OAG. Dresden in ZHR. 11, 156). Nur kann § 56 nicht auf die im Kontor Angestellten angewendet werden (vgl. oben Einl. und IW. 1924, 1181"). Darauf, ob es ein Detail- oder ein Engrosladen ist, kommt es nicht an (Hahn § 2 zu Art. 50). Das Warenlager muß ein offenes sein, also für den Verkehr mit dem Pu­ blikum bestimmt; dazu gehört also nicht der Vorratskellereines Weingeschäfts. Gemeint ist z. B. die Meßbude.

Ein Laden oder offenes Warenlager setzt nicht eine Verkaufsstätte in fester Niederlassung und ebensowenig eine Einrichtung voraus, die das Dauerhafte des Ge­ schäftsbetriebs erkennen läßt. Es genügt z. B. ein Stand auf einer Ausstellung, vor­ ausgesetzt, daß er tatsächlich als offene Verkaufsstätte benutzt wird (RG. 69, 307). Oder ein Musterzimmer, in dem Verkäufe abgeschlossen werden (RG. im „Recht" 1923 RsprBeil. Nr. 1026). 3. Für ermächtigt gilt der Angestellte zu den hier vorgesehenen Rechtsakten dem Dritten Anm. 3. gegenüber, auch wenn ihm in Wahrheit eine solche Ermächtigung nicht erteilt wurde. An bekannte oder erkennbar gemachte Beschränkungen ist aber der Dritte gebunden (ROHG. 23, 348; § 54 Anm. 22). So fällt die gesetzliche Vollmacht weg, wenn der Zahlende wußte, daß der Zahlungsempfänger nicht oder nur unter ge­ wissen, nicht vorhandenen Voraussetzungen zum Geldempfang ermächtigt war (ROHG. 12, 38), oder wenn er dies hätte wissen sollen, so namentlich, wenn dies durch eine für jeden Besucher des Raums sichtbare Ankündigung bekanntgemacht ist (ROHG. 20, 122; zust. Cosack 7. Aufl. §21 S. 98). Als genügende Ankündigung wird man es aniehen müssen, wenn in dem Raurne die besondere Einrichtung einer Kasse getroffen ist und dies aus einem deutlichen Anschlag („Zahlung an der Kasse") hervorgeht. Die betreffende Bekanntmachung muß aber den ernsten Einschränkungswillen ergeben. Der Anschlag „feste Preise" dürfte die Vollmacht der Angestellten zur Preisvereindarung nicht einschränkcn, auch nicht die Anheftung einer Preisliste. Es müßte schon deutlicher heißen: daß nur die hier aus ben Waren vermerkten Preise gelten (zust. Hoertsch Anm. 5 zu Art. 50; Allfeld 297; anders Hahn §10 zu Art. 50). Ein Anichlag, wonach nur Barzahlung stattfindet, schließt die Vollmacht zur Gestundungs-rteilung aus; aber der Anschlag „feste Preise" bringt nur einen Geschäftsgrundsatz unverbindlich zum Ausdruck (LehmannLehrb. § 41 S. 226).

Nur für den Geschäftsraum selbst besteht die Vollmacht (ROHG. 52, 59), ob­ wohl das Wort „daselbst", das in dem früheren Art. 50 stand, fortgelassen ist. Immerhin Darf das nicht engherzig ausgelegt werden. Auch solche Geschäfte, die im Geschäfts­ räume nur angebahnt, dann aber auf Grund dieser Anbahnung durch den Laden-

320

815«.

V. Abschnitt: Prokura und Handlungsvollmacht.

angestellten außerhalb

des

Ladens zum Abschluß gebracht sind,

fallen unter

§ 56

(RG. 108, 49). Im übrigen gilt die Vollmacht aus § 56 nur für wirklich Angestellte („Wer" . . . „angestellt ist"). Glaubt der Tritte, einen Angestellten vor sich zu haben, der es aber in Wirklichkeit nicht ist, so braucht der Geschäftsinhaber Verhandlung oder Zahlung nicht anzuerkennen. Demgemäß hört die Vollmacht auch mit dem Augenblick der Dienstentlassung auf, ohne daß weitere Bekanntmachungen erforderlich sind (Cosack 7. Aufl. § 21 S. 97); allein dies gilt nur für die Vollmacht aus § 56 (wegen des Erlöschens der Vollmacht aus § 54 s. dort Anm. 24). Anm. 4. 4. Verkaufe und Empfangnahmen, die in einem derartigen Raume gewöhnlich ge­ schehen. Ist eine Handlung in dem Geschäftsräume selbst üblich, dann kommt es auf die allgemeine Üblichkeit nicht mehr an. Es genügt aber jedenfalls die allgemeine Üblichkeit. Danach richtet es sich, ob der Angestellte nur im einzelnen verkaufen darf oder auch en gros (OG. Wien bei Adler u. Clemens Nr. 956), ob nur gegen Barzahlung oder auch gegen Kredit, ob mit Rabatt usw. — Zu den Empfangnah­ men gehören vor allem die Zahlungen. Diese müssen auf den Geschäftsbetrieb des betreffenden Geschäftsraums Bezug haben: der Erlös aus einem Grundstücksgeschäft darf an den Angestellten in einem Verkaufslokal nicht ohne weiteres ausgehändigt werden. Dagegen ist es gleichgültig, ob bet betreffende Gehilfe den Verkauf selbst abgeschlossen hat (OLG. Kassel in VuschA. 45, 358). Mit der Vollmacht zur Empfang­ nahme sollen aber nur die rein tatsächlichen Fragen nach der Ablieferung erledigt sein. Die Übergabe an Angestellte gilt als Übergabe an den Prinzipal. Dagegen können anderweite rechtliche Folgerungen an diese Empsangnahmehandlungen nicht geknüpft werden, wie etwa die Anerkennung von Mängeln Vers auf ter Waren oder die Genehmigung von Mängeln gekaufter Waren. Noch weniger ist der Angestellte zur Ver­ einbarung solcher rechtlichen Folgen befugt. Demnach gilt z. B. eine von einem Kun­ den bemängelte Ware, die dem Angestellten zurückgegeben ist, hierdurch als zurück­ geliefert, aber nicht als zurückgenommen (vgl. § 54 Anm. 19). Anm. 5.

§ 57.

Zusatz. § 56 stellt eine Sondcrbestimmung dar, die ihren Grund besonders in den Bedürfnissen des Detailhandels hat. Daher ist eine entsprechende Anwendung auf andere Betriebe als die darin bezeichneten nicht zulässig. Z. B. kann § 56 nicht auf das Kanzleipersonal eines Rechtsanwalts entsprechend angewendet werden (RG. in IW. 1922, 13152; Albrecht in IW. 08, 729 bes. 732). Über Anwendung auf einen Zahl­ meister s. RG. 75, 331. § 57.

Der Handlungsbevollmächtigte bat sich bei der Zeichnung jedes eine Prokura andeutenden Zusatzes zu enthalten; er hat mit einem das Vollmachts­ verhältnis ausdrückenden Zusatze zu zeichnen. Anm. 1. 1. Hier gilt daS zu § 51 Gesagte. Tie Vorschrift ist also ebenfalls nur eine Ordnungsvorschrift. Ihre Nichtbeachtung tut der Gültigkeit des Aktes keinen Ein­ trag. Zwar hat das preuß. Obertribunal, indem cs die Namcnszeichnung für ein höchstpersönliches Recht erachtete, das keine Vertretung leide, die ohne Beachtung der hier gegebenen Vorschrift erfolgte Zeichnung der Firma durch den Handlungsbevoll­ mächtigten für unverbindlich erachtet, „weil der 9?ante eines Menschen gleichsam ein Stück seiner Persönlichkeit sei" (Plenarbeschl. vom 4. Dez. 1854, Präjudiz Nr. 2585). Doch ist diese Ansicht vom ROHG. (5, 263; 12, 133) und vom NG. (4, 320; vgl. auch Bolze 16 Nr. 285) abgelehnt worden. Mit vollem Recht. Es bezieht sich das auch auf Formalakte, wie die Annahme eines Wechsels (vgl. noch unter entsprechender Anwendung die in § 51 Anm. 2 hinsichtlich der Prokura entwickelten Grundsätze). Vgl. auch Anm. 3 und § 350 Anm. 58.

V. Abschnitt: Prokura und Handlungsvollmacht.

321

2. DaS Verbot der Prokurazeichnung findet Nachdruck durch die Haftung nach § 179 § 57. BGB.; s. Anhang zu § 58 Anm. Ulfs. Jedoch ist durch eine solche Zeichnung der Unm. 2. Prinzipal nicht befreit, wenn sonst keine Vollmachtsüberschreitung vorliegt. Selbst wenn diese vorliegt, bleibt es dem Prinzipal überlassen, das Geschäft zu genehmigen. 3. Die Handlungsbevollmächtigten zeichnen im Handelsverkehr vielfach „per X."Anm.3. (Name bzw. Firma des Prinzipals). Diese Formel hat im Geschäftsverkehr die aus­ schließliche Bedeutung, daß der Unterzeichner als zur Abgabe der Erklärung Bevoll­ mächtigter für den Vollmachtgeber die Erklärung abgebe (OLG. Braunschweig in ZHR. 34, 569), während „p. p. X." im Handelsverkehr per procura (ROHG. 15, 77) bedeutet (s. auch § 51 Anm. 2). Häufig ist auch der Zusatz: „i. V." (in Voll­ macht, in Vertretung). Ter Bevollmächtigte kann aber auch nur mit dem Namen des Vertretenen (also mit dessen Firma) unterzeichnen, und zwar selbst bei der ge­ setzlichen Schriftform (RG. 50, 51; 74, 69; DIZ. 1911, 762); vgl. Anm. 1. Über die Zeichnung wechselmäßiger Unterschriften durch Bevollmächtigte s. auch Leist im „Recht" 09, 653 und die dort Angeführten.

§58.

§ 58.

Der Handlungsbevollmächtigte kann ohne Zustimmung des Inhabers des Handelsgeschäfts seine Handlungsvollmacht auf einen andern nicht übertragen. 1. § 58 bestimmt die Unübertragbarkeit der Handlungsvollmacht. Der Handlungsbevoll-Anm. 1. mächtigte kann also keinen Ersatzmann bestellen, der ganz an seine Stelle tritt, keinen Ersatzbevollmächtigten (Enneccerus I § 172, 2). Nur mit Einwilligung des Prin­ zipals, die auch im voraus erteilt werden kann, ist dies zulässig. Anders liegt es mit der Bestellung eines Unterbevollmächtigten zur Ausführung einzelner Ge­ schäfte. Eine solche ist ihm gestattet, sofern dies nach Lage der Sache als der Wille des Vollmachtgebers anzunehmen ist, namentlich dann, wenn dieser kein Interesse an der persönlichen Ausführung durch den Bevollmächtigten hat (Enneccerus a. a. O.). Die Befugnis des Handlungsbevollmächtigten zur Bestellung von Unterbevollmäch­ tigten in diesem Sinne ist daher immer dann als gegeben anzusehen, wenn sie ge­ wöhnlich ist, namentlich also bei Rechtshandlungen, bei denen es auf die Persönlich­ keit des Handlungsbevollmächtigten, auf dessen Geschicklichkeit oder Zuverlässigkeit nicht besonders ankommt, oder bei denen die Bedürfnisse des Verkehrs die anderweite Ausführung geboten oder üblich erscheinen lassen (vgl. § 54). Bei besonderen Ver­ trauensakten wird die fragliche Befugnis nur mit Vorsicht anzunehmen sein (RG. in IW. 91, 556").

2. Die im Widerspruch mit dieser Vorschrift erfolgte Übertragung der Hand-Anm.2. lungsvollmacht ist wirkungslos. Das liegt in den Worten „kann nicht". 3. Uber die Unübertragbarkeit der Prokura s. § 52 Anm. 6; über die Befugnis des Pro-Anm. 3. kuristen zur Bestellung von Handlungsbevollmächtigten s. § 49 Anm. 1.

Anhang zu § 58. Ergänzung zur Lehre von den handelsrechtlichen Vollmachten. Lit.: Schloßmann, Stellvertretung, Bd. I 1900, Bd. II 1902; Biermann, Ver­ tretung und Vollmacht, in der Festgabe der Gießener Juristenfakultät für Dernburg, 1900; Jsay, Tie Geschäftsführung nach dem BGB., 1900; Hupka, Die Vollmacht, 1901 (angeführt als: Hupka); derselbe, Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht, 1903 (angef. als: Hupka, Haftung); Rümelin, Das Handeln in fremdem Namen im BGB., ArchZivPrax. 93, 131; v. Seeler, Vollmacht und Scheinvollmacht, ArchSlaub, HGB., 12. u. 13. Aufl. Bd. I. (Bondi.) 21

Anhang r« § 58.

322

V. Abschnitt: Prokura und Handlungsvollmacht.

Anhang BürgR. 28, 1; Eecius, Zur Lehre von der Vollmacht, Gruch. 47, 209; Flatau, Ist zu § 38. die Vollmacht abstrakt oder kausal? Gruch. 52, 753; DürHach., Vordem, vor §§ 48ff.; Enneccerus I §§ 171 ff.; Jsay, Vollmacht und Verfügung, ArchZivPrax. NF. 2, 195; Raape ebenda 1, 257 u. 3, 194.

Einleitung.

Einleitung. Die folgenden Darlegungen wollen die an anderer Stelle, insbesondere in den Anm. zu §§ 48ff., gegebene Lehre von den handelsrechtlichen Vollmachten durch Darstellung der zugrunde liegenden Vorschriften des BGB. ergänzen. Vorausgeschickt sei eine kurze Übersicht über den Begriff der Stellvertretung. Es ist zu unterscheiden zwischen unmittelbarer und mittelbarer Stellvertretung. Erstere liegt dann vor, wenn jemand im Namen eines anderen Willenserklärungen abgibt oder entgegennimmt, letztere, wenn jemand zwar im fremden Interesse, aber im eigenen Namen handelt (Näheres in Anm. 14, 17 u. 109ff.). Von Stellvertretung im eigentlichen Sinne wird nur dann gesprochen, wenn dem Vertreter die Ermächtigung, in fremdem Namen zu handeln (Vertretungsmacht), ertellt ist. Im Gegensatz steht die Vertretung ohne Vertretungsmacht (Anm. Ulfs.). Die Ermächtigung, in fremdem Namen zu handeln, kann durch Rechtsgeschäft erteilt sein (Vollmacht) oder aus gesetzlicher Regelung beruhen (gesetzliche Vertretungsmacht). Von gesetzlicher Vertretung redet das BGB. ausdrücklich nur dann, wenn es sich um die Vertretung geschäftsunfähiger oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkter Personen handelt. Sie kann entweder durch die natürlichen Beziehungen zweier Personen unmittelbar begründet sein (so die elter­ liche Gewalt, § 1630 BGB.) oder durch behördliche Anordnung (so die Vormundschaft, § 1793 BGB.). Auf Gesetz beruhende Vertretungsmacht findet sich aber auch im ehe­ lichen Güterrechte (Beispiel: Die Schlüsselgewalt der Ehefrau, § 1357 BGB.). Be­ sonderes gilt im Vereins- und Gesellschaftsrecht. Ter Vorstand eines Vereins handelt nicht als Vertreter eines „anderen", sondern als „Organ" des Vereins (Hupka 5 Anm. 2); nach § 26 Abs. 2 BGB. finden aber die Grundsätze der gesetzlichen Vertretung auf ihn Anwendung; dies gilt auch für diejenigen Handelsgesellschaften, die juristische Personen sind; vgl. Anm. zu §§ 231—234 u. 320 HGB. Über die Stellung des ver­ tretungsberechtigten Gesellschafters bei der Gesellschaft des BGB., der o.HG. und der KG. s. unten Anm. 3; vgl. ferner Anm. zu §§ 125, 126 (bes. Anm. 3), 170; Lit. zu §714 BGB.; vgl. auch DürHach. Bd. 4, Allg. Einl. Anm. 130. Streitig ist die Frage, ob Stellvertretung vorliegt bezüglich des Konkursverwalters (vgl. Jaeger zu §6 KO.), bezüglich des Testamentsvollstreckers und des Pflegers (vgl. Lit. zum BGB.) und bezüglich des Gerichtsvollziehers (hierüber Gaupp-Stein Erl. V, 3 vor § 166 und Erl. I zu § 153 ZPO.). Uber den Boten vgl. Anm. 12. Im folgenden kommen in erster Linie die Vorschriften des BGB. über die Voll­ macht zur Darstellung; nur soweit es für diese notwendig erschien, ist auf die Lehre von der Stellvertretung zurückgegriffen worden; die Fragen der gesetzlichen Vertretung und der Vertretung im Gesellschaftsrecht sind dabei nur gelegentlich gestreift wor­ den; aber auch die Lehre von der Vollmacht macht dem Zwecke der Darstellung ent­ sprechend weder Anspruch auf völlig systematischen Aufbau noch auf Vollständigkeit. Gegenteilige Meinungen sind meist nicht erwähnt (wegen der abweichenden Grundaus­ fassung Schloßmanns s. Planck zu §§ 164ff. BGB.). Ganz ausgeschieden sind die Fragen der Prozeßvollmacht. Ergänzt wird die Darstellung durch Ausführungen über die Haf­ tung für Versehen der Bevollmächtigten und Gehilfen (Anm. 51—87), die mittelbare Stellvertretung (Anm. 101—110) und die Vertretung ohne Vertretungsmacht (Anm. 111—137). A. Erteilung der Vollmacht.

Anm. 1. 1. Unter Vollmacht versteht das Gesetz die durch Rechtsgeschäft erteilte Ver­ tretungsmacht (8 166 Abs. 2 BGB.). Entscheidend ist also, wie die Erteilung er­ folgt ist, nicht dagegen, ob das Gesetz über den Umfang der Vertretungsmacdt Be-

V. Abschnitt: Prokura und Handlungsvollmacht.

323

stimmungen getroffen hat. Ter Prokurist (vgl. RG. 66, 244) und der Handlungs- AnhaNK bevollmächtigte sind daher Bevollmächtigte, nicht gesetzliche Vertreter. zu § 88. 2. Die Erteilung der Vollmacht (Bevollmächtigung) erfolgt nach § 167 BGB. durch ©i» klärung gegenüber dem zu Bevollmächtigenden oder dem Dritten, dem gegenüber die Vertretung stattfinden soll. Eine weitere Art der Bevollmächtigung erwähnt das Ge­ setz nicht ausdrücklich: die durch öffentliche Bekanntmachung; auch § 171 BGB. spricht nur von der Kundgebung einer bereits erfolgten Bevollmächtigung. Indessen kann eine solche Kundgebung erfolgen, ohne daß vorher eine Bollmachtserteilung statt­ gefunden hat. Tann ist in der Kundgebung selbst eine Vollmachtserteilung zu er­ blicken (bestritten; ebenso Hupka 108, 163; DürHach. Vordem, vor § 48 Anm. 42; Staudinger zu §§171, 172 Bem. 2; Planck § 167, Erl. 2c und § 171 Erl. 4; Oertmann § 171 Nr. 1 und Ennecccrus I § 171 mit weiteren Nachweisen). Die Vollmachtserteilung ist in der Regel ein einseitiges empfangsbedürf­ tiges Rechtsgeschäft des Vollmachtgebers, nämlich die im voraus erteilte Zustim­ mung zu dem vom Bevollmächtigten vorzunehmenden Rechtsgeschäfte (Hupka 32; Planck § 167 Erl. 2e). Die Erteilung kann unter Umständen aber auch in Form eines Vertrags zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigten erfolgen (vgl. Breit im SächsAR. 13, 306). 3. Gesetzliche Vollmachten. BollmachtSvermutungen. Nach Anm. 1 u. 2 gehört zum Anm. 3. Bollmachtsbegrisf, daß die Erteilung durch Rechtsgeschäft erfolgt. Ausnahmsweise knüpft das Gesetz an bestimmte rechtliche Beziehungen zwischen zwei Personen die Folge, daß jemand auch ohne rechtsgeschäftliche Vollmachtserteilung bevollmächtigt ist. Dies gilt insbesondere für den Notar aus Grund §§ 71, 100, 129 FGG. und § 15 GBO. Über die Stellung des vertretungsberechtigten Gesellschafters der o.HG. vgl. Anm. zu §§ 125, 126; zu beachten ist, daß die Vertretungsmacht dort anders geregelt ist als bei der Gesellschaft nach BGB. Im Gegensatz zur o.HG. (§ 125 Anm. 1) ist bei der Gesellschaft nach BGB. der einzelne Gesellschafter nicht kraft Gesetzes vertretungsberechtigt. Wenn ein einzelner Gesellschafter die übrigen vertreten soll, bedarf es hierzu einer ausdrücklichen oder stillschweigenden Vollmachtserteilung (vgl. RGRKomm. § 714 Anm. 1); § 714 BGB. gibt aber eine Auslegungsregel dahin, daß im Zweifel die Gesellschafter, denen die Geschäftsführung zusteht, ver­ tretungsberechtigt sind. Vermutet wird die Erteilung einer Vollmacht in den Fällen der §§ 56, 86 Abs. 2 HGB. Dagegen wird in den §§ 55 Abs. 2, 87 HGB. nur Be­ stimmung über den Umfang (vgl. Anm. 8) bereits erteilter Vollmachten getroffen. — Keine Vermutung für Erteilung einer Vollmacht gibt § 370 BGB. für den Über­ bringer einer Quittung (vgl. Anm. 45ff.); keine vermutete Vollmacht zu Geschäfts­ abschlüssen haben endlich die zur Bemltzung des Fernsprechers berechtigten Angestellten (vgl. § 54 Anm. 13; Anhang zu § 361 Anm. 31a). — Vgl. zu vorstehendem auch Hupka 119ff. — Auf die Streitfragen, die sich an die Begriffe „Auslegungsregel" und „Vermutung" knüpfen, kann hier nicht eingegangen werden; vgl. hierüber Oertmann, Rechtsordnung und Verkehrssitte, 1914, insbesondere 293ff. 4. Form der Bollmachtserteilung. Anm. 4. n) Die Vollmacht wird in der Regel formlos erteilt. Schriftliche Erteilung (Aus­ stellung einer Vollmachtsurkunde) ist also in der Regel nicht erforderlich (Ausnahmen: Anm. 5 u. 6). Tie Erteilung kann ausdrücklich oder stillschweigend er­ folgen. Stillschweigende Erteilung kommt im kaufmännischen Verkehr häufig vor. Sowohl aus dem Verhalten des Vollmachtgebers wie aus dem des Bevollmächtigten in Verbindung mit anderen Umständen kann auf eine stillschweigend erfolgte Bevoll­ mächtigung geschlossen werden (vgl. RG. 81, 260; Anhang zu § 361 Anm. 31 u. 32; DürHach. Vordem, vor §48 Anm. 36; Hupka 119ff.; Planck § 167 Erl. 6 mit weiteren Beispielen aus der Rechtsprechung). Ausnahmsweise schreibt das Gesetz ausdrückliche Erteilung vor; so für die Prokura (§ 48 Anin. 5ff.).

324

V. Abschnitt: Prokura und Handlungsvollmacht.

Anhang d)Die Bevollmächtigung kann auch dann formlos erfolgen, wenn daS Rechtsgeschäft, zu § 58. auf daS sich die Vollmacht bezieht, sormbedürftig ist. Ties gilt aber dann nicht, Aum. 5. wenn Vollmacht und Grundgeschäft so voneinander abhängen, daß sie als ein Geschäft anzusehen sind (RG. 81, 51; Näheres hierüber in Anm. 11). Ferner darf die formlose Vollmachtserteilung nicht zur Umgehung gesetzlicher Formvorschriften führen. So können solche nicht dadurch umgangen werden, daß die Gegenpartei formlos ermächtigt wird, einen formbedürftigen Vertrag nach § 811 BGB. (Anm. 31 ff.) mit sich abzu­ schließen (bezüglich der Formvorschrist des § 313 BGB. vgl. RG. 54, 79; 76, 182; 81, 49; RG. in IW. 1911, 806»; vgl. auch RG. 62, 336 und Kiehl im „Recht" 1923, 121; bezüglich der Formvorschrist des § 15 Abs. 3 u. 4 GmbHG. vgl. RG. 87, 248 und hierzu die Fußnote von Hachenburg in IW. 1916, 4911; gegen letztere Katzenstein in IW. 1916, 1182; vgl. auch Fuchs in TNotVZ. 1916, 377ff.). Vgl. hierzu § 350 Anm. 24. Uber Vollmacht zur Vertretung bei Gründung einer AG. § 182 Anm. 11. «nm. 6. o) Gesetzlich bestimmt ist die Form der Vollmacht in einer Reihe von Fällen. Die Vollmachtserteilung kann zwar formlos erfolgen; dies ist aber ohne Bedeutung, weil ein wirksames Handeln auf Grund der Vollmacht nur bei Wahrung der Form mög­ lich ist. Dies gilt insbesondere für einseitige Rechtsgeschäfte des Bevollmächtigten, die unter den in Anm. 28 erörterten Umständen unwirksam sind, wenn der Bevollmäch­ tigte nicht eine Vollmachtsurkunde vorlegt (§174 BGB.; vgl auch § 54 Anm. 14 u. 15); ferner bei Vollmacht zur Anmeldung in das Handelsregister (§ 12 Anm. 3), bei Vollmacht zur Ausübung des Stimmrechts bei AG. (§ 252 Abs. 2), ebenso bei GmbH. (§47 GmbHG.); weitere Formvorschristen finden sich nii BGB., FGG., ZVG., in der ZPO. und der GBO. Anm. 7. 5. Ungültigkeit der Bollmachtserteilung. Uber die Frage, unter welchen Voraussetzungen das Rechtsgeschäft der Vollmachtserteilnng nichtig oder anfechtbar, und wer im letz­ teren Falle Ansechtungsgegner ist, vgl. Hupka 126ff., insbes. 139ff.; Planck § 167 Erl. 4. Ungültigkeit der Vollmachtserteilung hat in der Regel Unwirksamkeit des vom Bevollmächtigten abgeschlossenen Rechtsgeschäfts zur Folge: an Stelle dieses Rechts­ geschäfts tritt aber die Haftung des Vertreters nach § 179 BGB. (vgl. Anm. 122ff.). Gutgläubigen Dritten gegenüber gilt dies aber nur mit Einschränkung: in den Füllen der §§ 170—172 BGB. wird der gutgläubige Tritte geschützt; nämlich dann, wenn die Vollmacht durch Erklärung ihm gegenüber erteilt ist (§ 170 BGB.), oder wenn der Vollmachtgeber die Bevollmächtigung durch besondere Mitteilung an diesen Tritten oder durch öffentliche Bekanntmachung kundgegeben (§171 BGB.), oder wenn er dem Bevollmächtigten eine Vollmachtsurkunde ausgehäudigt hat und der Bevoll­ mächtigte diese vorlegt (§ 172 BGB.). Streitig ist, luoiui der Tritte als bösglänbig zu gelten hat, insbesondere, ob der für das Erlöschen der Vollmacht gegebene § 173 BGB. (vgl. Anm. 104) hier anwendbar ist. Ties ist grundsätzlich zu bejahen; als bösglüubig wird aber der Dritte nur zu gelten haben, wenn er die Ungültigkeit oder die Anfechtbarkeit (nicht, nur die bereits erfolgte Anfechtung) wirklich kannte; daß er sie kennen mußte, schadet hier nicht (ebenso Planck § 173 Erl. 3; abw. v. Sceler a. a. O. 43ff.; Hupka 227; anders auch TürHach. Vordem, vor §48 Anm. 42ff.). Ergeben sich dagegen aus der Kundgebung der Bevollinächtigung oder aus der vorgelegten Vollmachtsurkunde selbst formelle oder materielle Mängel des Bevollmächtigungsaktes, so können diese dem Tritten von dem Machtgeber entgegengehalten werden (RG. 108, 128). — Über den Schutz Dritter bei Eintragung der Pro­ kura in das Handelsregister s. § 15 Anm. 4ff.: über den Schutz Tritter bei Er­ löschen der Vollmacht s. unten Anm. 104ff. Anm. 8. 6. Umfang der Vollmacht. Das BGB. gibt keine Bestimmungen über den Umfang der Vollmacht; dieser ist vielmehr im Wege der Auslegung zu ermitteln (RG. in IW. 1913, 1034»). Eine ausführliche Darlegung der hierbei in Frage kommenden Gesichts-

V. Abschnitt: Prokura und Handlungsvollmacht.

325

punkte gibt Hupka 175ff. Wohl aber finden sich gesetzliche Bestimmungen im Bereiche Anhang des HGB. Teils ist der Umfang durch Gesetz festgelegt und Tritten gegenüber un-jN § 58» beschränkbar; so bei der Prokura: vgl. §§ 49, 50 Abs. I und die Erl. hierzu; vgl. ferner bezüglich der Handlungsvollmacht § 54 Anm. 16, ferner § 55 Abs. 2, § 87 und Erl. hierzu. Teils ist der Umfang der Vertretungsmacht unbeschränkt und unbeschränkbar; so in den Fällen der §§ 126, 231 Abs. 1; vgl. die Erl. hierzu; vgl. ferner § 170 Anm. 2 und GmbHG. §§ 35, 36. Uber den Umfang der Vollmacht bei gemeinsamer Vertretung durch Gesellschafter und Prokuristen sowie bei solcher durch Vorstands­ mitglieder und Prokuristen s. § 50 Anm. 5, § 125 Anm. 16, § 232 Anm. 17 u. 19. B. Abgrenzungen deS Begriffs Vollmacht. 1. Die Bevollmächtigung ist zu unterscheiden von der Vollmacht. Während letztere in Anm. 9. dem in Anm. 1 entwickelten Sinne kein Rechtsgeschäft ist, sondern nur, ganz dem Wortsinne entsprechend, die Vertretungsmacht des Bevollmächtigten bedeutet, d. h. seine Macht, den Vollmachtgeber vertreten zu können (Hupka 21), ist die Bevoll­ mächtigung das Rechtsgeschäft, durch das die Vollmacht erteilt wird (vgl. Anm. 2 Abs. 2). 2. Das auf Grund der Vollmacht vom Bevollmächtigten vorgenommene Rechtsgeschäft Anm. 10. ist von dem Rechtsgeschäfte der Bevollmächtigung zu unterscheiden. Beide Rechts­ geschäfte sind völlig getrennt zu behandeln; ein Zusammenhang zwischen ihnen be­ steht aber insofern, als Gültigkeit der Bevollmächtigung Voraussetzung ist für die im § 164 BGB. bestimmten Wirkungen des vom Bevollmächtigten vorgenommenen Rechts­ geschäfts. über dessen Wirkungen bei Ungültigkeit der Vollmacht vgl. Anm. 7. 3. Der Auftrag ist ferner von der Vollmacht scharf zu trennen. Der Begriff Auftrag Anm. 11. ist hier und im folgenden im weiteren Sinne verstanden; er umfaßt nicht nur den Auftrag gemäß §§ 662ff. BGB., sondern auch die Geschäftsbesorgung aus Dienst-, Werk- oder Gesellschaftsvertrag. Der Auftrag bedeutet das innere Verhältnis zwischen Auftraggeber und Beauftragtem; die Vollmacht dagegen die Ermächtigung, nach außen im Namen des Vollmachtgebers aufzutreten. In gleicher Weise, wie Auftrag und Vollmacht getrennt sind, sind auch Erteilung des Auftrags und Bevollmächtigung zu unterscheiden; erstere begründet eine Verpflichtung, ein Handelnsollen des Be­ auftragten, letztere, wie bereits in Anm. 9 ausgeführt, ein Handelnkönnen. Auftrag und Vollmacht stimmen ihrem Umfange nach zwar in der Regel über­ ein. Häufig wird aber eine Vollmacht erteilt, ohne daß überhaupt ein Auftragsver­ hältnis vorliegt. Dies gilt insbesondere für allgemeine (General-) Vollmachten. Auch kann der Bevollmächtigte eine Vollmacht haben, die ihrem Umfange nach weiter geht als der zugrunde liegende Auftrag (Beispiel: § 48 Anm. 1). Für die Wirsamkeit der auf Grund der Vollmacht vorgenommenen Rechtsgeschäfte ist es in der Regel belang­ los, ob ein Auftrag vorliegt, ob dieser bewußt überschritten wird, oder ob sich der Bevollmächtigte über den Umfang des Auftrags geirrt hat. Tatsächlich besteht aber doch ein enger Zusanunenhang zwischen Vollmacht und Auftrag. So hat Nichtigkeit des Auftrags wegen Unsittlichkeit oder Gesetzwidrigkeit dem bösgläubigen Dritten gegenüber Unwirksamkeit der Vollmacht zur Folge (Hupka 160; vgl. RG. in IW. 08, 655). genier ist der Zusammenhang vou der Rechtsprechung anerkannt bei Miß­ brauch der Vollmacht (vgl. Anm. 16) und gesetzlich festgelegt bei Erlöschen der Vollmacht (vgl. Anm. 88ff.). Endlich können auch Vollmacht und Auftrag so eng mit­ einander verbunden sein, daß sie als ein Rechtsgeschäft anzusehen sind; so, wenn aus­ drücklich bestimmt ist, daß die Vollmacht nur nach Maßgabe des Auftrags Gültigkeit hat. Ob eine solche Bestimmung bei Ungültigkeit des Auftrags — auch abgesehen von den Fällen der Unsittlichkeit und Gesetzwidrigkeit — Ungültigkeit der Vollmacht zur Folge hat, ist nach § 139 BGB. zu beurteilen (RG. 81, 51; vgl. auch Anm. 5). Die Frage nach der Abhängigkeit der Vollmacht von dem zugrunde liegenden Rechtsgeschäft wird häufig auch dahin gestellt, ob die Vollmacht abstrakt oder kausal ist. Da diese Begriffe verschiedener Teutung fähig sind, ist es richtiger, die Beziehun-

326

V. Abschnitt: Prokura und Handlungsvollmactit.

Nvhavg $*§ 58.

gen zwischen Vollmacht und Auftrag im einzelnen darzulegcn, wie dies im Vvrhergehenden kurz versucht wurde, als sie durch Hincinbringung dieser mehrdeutigen Be­ griffe zu beantworten; vgl. über die Frage Flatau bei Gruch. 52, 753; Hupka 155 ff. An«. 12. 4. Die Bollmachtsurkunde wird häufig gleichfalls Vollmacht genannt; das BGB. ge­ braucht nur den ersteren Ausdruck. — Weitere Abgrenzungen des Begriffs Voll­ macht können hier außer Betracht bleiben; vgl. Hupka 70 ff. Aum. 13. 5. Der Bote unterscheidet sich vom Bevollmächtigten dadurch, daß er nur Überbringer einer fremden Willenserklärung ist, während der Bevollmächtigte die Willenserklärung als eigene abgibt. Die durch den Boten übermittelte Willenserklärung ist nicht anders zu beurteilen als eine brieflich übermittelte; die Person des Boten scheidet völlig aus. Dies wird in der Regel so ausgedrückt, daß der Bevollmächtigte Vertreter im Willen, der Bote Vertreter in der Erklärung ist (vgl. Anhang zu § 361 Anm. 32; RGRKomm. §§ 164 Anm. 1, 120 Anm. 1; auch RG. 81, 2 und Matthiesen in IW. 1924, 659).

C. Voraussetzungen und Wirkungen der Bollmacht. Anm. 14. I. 1. Diese sind im BGB. nicht gesondert behandelt, sondern in den Bestimmungen über die Stellvertretung. Die einschlagenden §§ 164- 166 BGB. lauten: § 164. Eine Willenserklärung, die jemand innerhalb der ihn: zustchenden Vertretungs­ macht im Namen des Vertretenen abgibt, wirkt unmittelbar für und gegen den Vertretenen. Es macht keinen Unterschied, ob die Erklärung ausdrücklich im Namen des Vertretenen erfolgt, oder ob die Umstände ergeben, daß sie in dessen Namen erfolgen soll. Tritt der Wille, in fremdem Namen 511 handeln, nicht erkennbar hervor, so kommt der Mangel des Willens, im eigenen Namen zu handeln, nickst in Betracht. Die Vorschriften des Absatz 1 finden entsprechende Anwendung, wenn eine gegenüber einem anderen abzugebende Willenserklärurig dessen Vertreter gegenüber erfolgt. § 165. Tie Wirksamkeit einer von oder gegenüber einem Vertreter abgegebenen Willens­ erklärung wird nicht dadurch beeinträchtigt, das; der Vertreter in der Geschäftsfähigkeit be­ schränkt ist. § 166. Soweit die rechtlicher: Folgen einer Willenserklärurig durch Willerrsmängel oder durch die Kenntnis oder das Kennenniüsser: gewisser Umstände beeinflußt worden, konurrt nicht die Person des Vertretenen, sondern die des Vertreters in Betracht. Hat im Falle einer durch Rechtsgeschäft erteilten Vertretungsnracht (Vollmacht) der Vertreter nach bestimmten Weisungen des Vollmachtgebers gehandelt, so kann sich dieser in Ansehung solcher Umstände, die er selbst kannte, nicht auf die Unkenntnis des Vertreters be­ rufen. Dasselbe gilt von Umstünden, die der Vollmachtgeber kennen mußte, ior'ern das Kennen müssen der Kenntnis gleichsteht.

Aum. 15. 2. Die vorstehenden Bestimmungen werden im folgenden unter Anwendung auf die Bollmacht erläutert. Aus dem weiteren Rechtsgebiete der Stellvertretung ist also — von gelegentlichen Bemerkungen über die gesetzliche Vertretung abgesehen — das engere der Vollmacht herausgeschält. Sprachlich kommt dies dadurch zu:n Ausdruck, daß im folgenden in der Regel, nicht vom „Vertreter" und den: „Vertretenen", son­ dern vom „Vollmachtgeber" und dem „Bevollmächtigte::" die Rede ist. Dem Sprach­ gebrauch des BGB. (§ 167 Abs. 2 BGB.) folgend, wird letzterer aber auch Vertreter genannt. Das Gesetz spricht in den vorstehenden Paragraphen von „Willenserklärungen"; im folgenden wird gleichbedeutend mit diesem Ausdruck auch von „Rechtsgeschäften" oder, den kaufmännischen Verhältnissen entsprechend, auch nur von „Geschäften" ge­ sprochen; über den begrifflichen, hier unwesentlichen Unterschied zwischen Willens­ erklärung und Rechtsgeschäft vgl. z. B. Staudinger Ein!, vor § 104, insbesondere

Bem. II 4. II. Die Boraussetzunge«. Anm. 16. 1. Vorausgesetzt ist ein Handeln innerhalb der Vollmacht. Der Unifang der handels­ rechtlichen Vollmachten wird durch die §§ 49 u. 50, 54—56 bestimmt; vgl. ferner § 126; Näheres in den Anmerkungen zu diesen Paragraphen: vgl. auch oben Anm. 8.

V. Abschnitt: Prokura und Handlungsvollmacht.

2. a)

b>

c)

327

Ter Bevollmächtigte muß ferner während der Tauer seiner Vollmacht handeln, d. h. Anhang diese darf nicht erkennbar widerrufen oder aus einem anderen Grunde erloschen sein; zu § 58. hierüber vgl. Anm. 88ff. Wird die Vollmacht überschritten, liegt Vertretung ohne Vertretungsmacht vor, s. Anm. 125. Handelt jemand zwar innerhalb seiner Voll­ macht, bedeutet dieses Handeln aber dem Auftraggeber gegenüber Mißbrauch der Bollmacht (vgl. Anm. 11), so gilt folgendes: Hat der Vertragsgegner erkannt oder erkennen müssen, daß der Bevollmächtigte gegen den Willen des Auftraggebers ge­ handelt hat, so braucht dieser die Folgen des Mißbrauchs nicht gegen sich gelten zu lassen (RG. 52, 99; 75, 299; 108, 407; RG. in IW. 1914, 3991). Der Vertrags­ gegner braucht dabei nicht wissentlich auf vorsätzliche Schädigung des Auftraggebers ausgegangen zu sein (RG. 71, 219). Anders bei der gesetzlich nicht beschränkbaren Vollmacht des Prokuristen; hier braucht der Auftraggeber das Geschäft nur dann nicht gegen sich gelten zu lassen, wenn ein unerlaubtes Einverständnis zu dem Zwecke vor­ liegt, ihn zu schädigen (sog. Kollusion; vgl. § 50 Anm. 2). Dasselbe gilt bezüglich des vertretungsberechtigten Gesellschafters der o.HG. (§ 126 Anm. 15) und der Vorstands­ mitglieder der AG. (§ 235 Anm. 17), ebenso dann, wenn die Vollmacht im Interesse des Bevollmächtigten oder des Vertragsgegners erteilt und nicht widerruflich ist (DürHach. Borbem. vor § 48 Anm. 9). Vorausgesetzt ist ferner ein Handeln im Namen des Vollmachtgebers. Anm. 17. Handeln für Rechnung des Machtgebers genügt nicht (RG- 35, 41). Hierin liegt der wesentliche Unterschied zwischen der mittelbaren und der unmittelbaren Stellvertretung. Dadurch, daß das Geschäft im Namen des Vollmachtgebers abgeschlossen ist, wird es ein Geschäft des Vollmachtgebers, nicht ein solches des Bevollmächtigten (vgl. Oertmann Vordem. 2c vor § 164). Es ist aber hervorzuheben, daß man im Handelsver­ kehr häufig sagt, man handle für Rechnung des X, um damit auszudrücken, man handle im Namen des X (RG. 97, 261). Dem ausdrücklichen Handeln im Namen des Vollmachtgebers wird eS gleichgestellt, Anm. 18. wenn die Umstände ergeben, daß in seinem Namen abgeschlossen werden sollte, oder, wie dies auch ausgedrückt wird, das stillschweigende Verhalten des Bevollmächtigten. Tas Gesetz fordert also nicht, daß der Bevollmächtigte seinerseits das Handeln im fremden Namen erkennbar macht, wohl aber, daß dieses, sei es aus ausdrücklicher Erklärung, sei es aus den Umständen (RG. in LZ. 1922, 23010), erkennbar hervor­ tritt (sog. offene Vertretung; vgl. hierzu Anin. 20). Darüber, ob dies der Fall ist, entscheidet in erster Linie Auslegung der Erklärung nach §§ 133, 157 BGB. Trotz der Ausdrucksweise, als schließe der Bevollmächtigte das Geschäft für sich ab („ich kaufe", „ich garantiere Ihnen"), können die Umstände ergeben, daß in frem­ dem Namen abgeschlossen werden sollte; eine solche Ausdrucksweise entspricht kauf­ männischen Gewohnheiten (ROHG. 18, 296). Auch wenn der Bevollmächtigte eine Urkunde nur mit dem eigenen Namen unterschreibt, können die Umstände ergeben, daß die in der Urkunde enthaltene Willenserklärung im Namen eines anderen ab­ gegeben sein soll. Für formbedürstige Rechtsgeschäfte gilt dies aber nur, soweit dem Gesagten nicht Sondervorschriften entgegenstehen; so muß bei Wechseln der Wechsel­ verpflichtete selbst aus der Urkunde hervorgehen (vgl. § 51 Anm. 2; § 57 Anm. 1; § 126 Anm. 17). Dagegen genügt es zur Wahrung der schriftlichen Form nach § 126 BGB., wenn der Bevollmächtigte ausschließlich mit dem eigenen Namen unterschreibt (§ 350 Anm. 58; Plenarentsch. RG. 74, 69; 81, 1; RG. in DIZ. 1911, 762; vgl. Rumpf in IW. 1914, 1019). Bei Vertragen müssen ferner die Parteien sich einig sein, daß im fremdem Namen Anm. IS. abgeschlossen werden sollte. Ties ergibt sich aus dem Wesen jedes Vertrags (vgl. § 154 BGB.). Die hiermit zusammenhängenden Fragen können hier nicht erschöpfend behandelt werden. In folgendem werden nur einzelne Fälle herausgegriffen. Vgl. ferner über den Einfluß von Willensmängeln Anm. 25ff.

328 Anhang zu § 58.

V. Abschnitt: Prokura und Handlungsvollmacht.

a) Eine Einigung liegt vor, auch wenn der Vertragsgegner nicht weiß, wer der Vollmachtgeber ist. Es genügt, daß er mit dem Vollmachtgeber des mit ihm Verhandelnden abschließen will; ob dies ein Einzelkaufmann oder eine juristische Person usw. ist, ist regelmäßig gleichgültig (RG. 67, 149; KG. in OLGR. 5, 48; OLG. Hamm in OLGR. 32, 350; vgl. OLG. Dresden in OLGN. 24, 285). Wer in einem Geschäft kauft, will — auch wenn er gar nicht weiß, wer Inhaber des Betriebes ist — in der Regel mit dem Geschäftsinhaber abschließen (Folgerungen hieraus s. OLG. Nürnberg in IW. 1925, 1891« und Anm. dazu von Titze).

ß) Besteht Einigkeit darüber, daß mit dem Inhaber eines bestimmten Geschäfts ab­ geschlossen werden sollte, so kommt ein Vertrag mit diesem zustande, auch wenn der Vertragsgegner irrtümlich den Bevollmächtigten für den Geschäfts­ herrn selbst gehalten hat. Der Irrtum über die Stellung dessen, der den Vertragsabschluß herbeigeführt hat, ist in der Regel unwesentlich (RG. im „Recht" 08 Nr. 2295; KG. in OLGN. 24, 271). Ausnahmsweise kann er aber auch wesent­ lich sein und dann ein Anfechtungsrecht geben (OLG. Dresden in OLGR. 20, 61); entscheidend ist die Verkehrsauffassung. — Ter Bevollmächtigte kann in diesen Fällen auch nicht aus § 164 Abs. 2 BGB. in Anspruch genommen werden; dieser dient dem Schutze des Vertragsgegners und ist deshalb nicht anzuwenden, wenn Einigkeit darüber besteht, wer berechtigt und verpflichtet werden sollte (NG. 67,149).

Y) Haben die Parteien sich in Wirklichkeit nicht darüber geeinigt, daß der Abschluß in fremdem Namen erfolgen sollte, glaubt vielmehr der Bevollmächtigte, den Willen, in fremdem Namen zu handeln, erklärt, der Vertragsgegner aber mit dem Bevollmächtigten als Vertragspartei abgeschlossen zu haben, so gilt § 155 BGB. (vgl. Anh. zu § 361 Anm. 8ff. u. 31 ff.), wenn der Wille, in fremdem Namen zu handeln, erkennbar war. War dies nicht der Fall, gilt § 164 Abs. 2 BGB. (Anm. 20). Irrtum gemäß § 119 BGB. liegt hier nicht vor, da §119 Irrtum über die eigene Erklärung voraussetzt, hier aber Irrtum über die Erklärung des Vertragsgegners in Frage kommt (anders Cosack BGB. § 66 Ib). Aum. 20. 6) Tritt der Witte, in fremdem Ramen zu handeln, nicht erkennbar hervor, so wird die Willenserklärung so angesehen, als ob sie der Bevollmächtigte im eigenen Namen abgegeben hätte (herrschende Auslegung des § 164 Abs. 2 BGB.; vgl. DürHach. Vor­ dem. vor § 48 Anm. 5; Staudinger § 164 Bem. 3b; Planck § 164 Erl. 3). Nach ande­ rer Ansicht erwirbt in diesem Falle zwar nur der Bevollmächtigte Rechte, der andere Teil kann sich aber sowohl an den Bevollmächtigten wie an den Geschäftsherrn halten (Näheres bei Planck a. a. O.). — Der Bevollmächtigte kann seine Erklärung auch nicht wegen Irrtums anfechten, weil er seinen Willen, in fremdem Namen zu handeln, nicht erklärt habe; die Anwendung des § 119 BGB. wird durch § 164 Abs. 2 BGB. ausgeschlossen (jetzt herrschende Ansicht; abw. noch Dernburg I § 168 Anm. 9). — Vgl. auch Anm. 19 a. E.

Lum. 21. e)Die dargelegten Grundsätze gelten auch für den Prokuristen; die Eintragung und Bekanntmachung der Prokura (§15 Abs. 2) beweist zwar, daß Vertretungsmacht (Pro­ kura) erteilt ist, kann aber für sich allein noch nicht als Umstand angesehen werden, aus dem sich der Vertretungswille gerade für das vorliegende Geschäft ergibt (RG. im „Recht" 07, 316; DürHach. Vordem, vor §48 Anm. 5), wohl aber in Verbindung mit anderen Tatsachen als wesentlich ins Gewicht fallender Umstand. Dementsprechend ist die Anwendung des § 164 Abs. 2 BGB. aus den Prokuristen nicht ausgeschlossen (OLG. Karlsruhe in BadRpr. 07, 247 und dazu EhrenbergHandb. 1, 641).

Lum. 22. f) BeweiSlast.

Daß in fremdem Namen abgeschlossen wurde, muß nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen der beweisen, der Rechte daraus herlcitet; beweispflichtig ist also der Vertragsgegner, der Rechte gegen den Geschäftsherrn geltend macht, und um­ gekehrt der Geschäftsherr, der aus dem vom Bevollmächtigten abgeschlossenen Geschäfte

V. Abschnitt: Prokura und Handlungsvollmacht.

329

Rechte herleitet. — Behauptet der aus einem Rechtsgeschäft in Anspruch genommene Anhang Beklagte, er habe in fremdem Namen abgeschlossen, jo ist dies Leugnen des Klaggrundes, zu § 58, Der Kläger ist beweispslichtig; er kann den Beweis dahin führen, daß der Beklagte tatsächlich in eigenem Namen abgeschlossen hat; es genügt aber, wenn er beweist, daß ein Abschließen in fremdem Namen nicht erkennbar war; denn auch in diesem Falle ist der Beklagte nach § 164 Abs. 2 BGB. verpflichtet. Hiergegen kann der Beklagte im Gegenbeweis Umstände anführen, die für die Erkennbarkeit des Abschlusses in fremdem Namen sprechen; er übernimmt damit aber nicht die Beweispflicht (wie hier RG. bei Warneyer 08, 69; OLG. Rostock in OLGN. 20, 61 und 22, 153; ferner nach früherem Rechte RG. 2, 194; 3, 122; 18, 157; für grundsätzliche Beweislast des Klägers, im einzelnen teilweise abw.: DürHach. Vordem, vor § 48 Anm. 8; dieselben Bd. 2, Einl., Anm. 420; Staudinger § 164 Bem. 9; Planck § 164 Erl. 9; RGRKomm. §164 Anm. 6; Strucksberg in LZ. 1912, 52; Hörle im „Recht" 1912, 671; für grund­ sätzliche Beweislast des Beklagten: Oertmann § 164 Nr. 6; Brach im „Recht" 1911, 225).

3. Vorausgesetzt ist endlich, was das Gesetz nicht besonders erwähnt, das Vorhandensein Anm. 23. der allgemeinen rechtlichen Fähigkeiten. Der Bevollmächtigte tritt handelnd auf; er muß also geschäftsfähig sein, mindestens beschränkt geschäftsfähig (§ 165 BGB.; vgl. § 54 Anm. 2 und § 48 Anm. 3). Die Rechtswirkungen aber sollen den Vollmachtgeber treffen; dieser muß also rechtsfähig sein. Die Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers ist dagegen für die Gültigkeit der vom Bevollmächtigten vorgenommenen Rechtsgeschäfte nur insoweit von Bedeutung, als durch sie die Gültigkeit der Vollmachtserteilung beeinflußt wird (Hupka 128, 384).

III.Die Wirkungen.

1. Die Wirkungen der vom Bevollmächtigten abgegebenen Willenserklärungen treffen Anm. 24. den Geschäftsherrn, wenn die Voraussetzungen der Anm. 16ff. vorliegen. Daraus folgt umgekehrt, daß zwischen dem Vertragsgcgner und dem Bevollmächtigten keine Rechte und Verbindlichkeiten entstehen; unberührt bleibt die Haftung des Bevoll­ mächtigten für eigene unerlaubte Handlungen (Anm. 83). Tie eigene Haftung des Bevollmächtigten tritt dagegen ein, wenn die angegebenen Voraussetzungen fehlen: vgl. § 164 Abs. 2 (Anm. 20) und § 179 BGB. (Anm. 131). über Versehen und Arg­ list des Bevollmächtigten und deren Wirkung auf die vom Bevollmächtigten abge­ schlossenen Rechtsgeschäfte s. Anm. 51 ff.

2. Einslutz von Willensmängeln, der Kenntnis oder dem Kennenmüssen von gewissen Anm. 2S. Umständen (§ 166 BGB ). a) Soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch Willensmängel (Irr­ tum, Drohung, Täuschung usw.) beeinflußt werben, kommt nicht die Person des Voll­ machtgebers, sondern die des Bevollmächtigten in Frage. Tie wichtigste Folge von Willensmängeln des Erklärenden sind Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit der Willens­ erklärung (§§ 116 bis 123 BGB.). Zu beachten ist aber hier das Anm. 10 über den Unterschied zwischen der Bevollmächtigung und dem auf Grund der Vollmacht ab­ geschlossenen Rechtsgeschäft Gesagte; Willensmängel des Vollmachtgebers bewirken unter Umständen Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit der Bevollmächtigung, über den Schutz Dritter s. Anm. 7 und § 54 Anm. 7.

b) Willensmängel auf selten des ErklärungSgegners geben nur diesem selbst ein An- Anm. 26. sechtungsrecht. Für dieses ist es unter Umständen von Bedeutung, durch wen der Willensmängel verursacht ist; im Falle der arglistigen Täuschung hat nämlich, soweit es sich um empfangsbedürstige Willenserklärungen handelt, der Getäuschte kein Anfechtungsrecht, wenn die Täuschung von einem Dritten verübt worden ist (§ 123 Abs. 2 BGB.). Hat der Bevollmächtigte die Täuschung verübt, so ist er nicht als Dritter im Sinne dieser Bestimmung anzusehen; der Vertragsgegner kann dem Voll-

330

Anhang r« § 58.

V. Abschnitt: Prokura und Handlungsvollmacht.

machtgeber gegenüber anfechtcn, auch wenn dieser die Täuschung weder kannte noch kennen mußte (RG. 76, 107; 101, 98; über diese Rechtsprechung vgl. Müller-Erzbach in JheringsJ. 1923, 140). Ebenso ist der Vollmachtgeber nicht als Dritter anzusehen, wenn er selbst die Täuschung vorgenommen hat (vgl. Planck § 123 Erl. Illa; § 167 Erl. 5; vgl. ferner bezüglich des Anfechtungsrechts des Vertragsgegners bei Täuschung durch einen am Abschluß des Geschäfts nicht beteiligten Gesamtvertreter RG. 81, 433).

Armr. 27. c) Das zu a Gesagte gilt in gleicher Weise auch, soweit es für die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung auf die Kenntnis oder das Kennenmüssen gewisser Umstände ankommt. Hat der Bevollmächtigte aber nach bestimmten Weisungen des Geschäfts­ herrn gehandelt, so kommt neben der Kenntnis des Bevollmächtigten auch die des Vollmachtgebers in Frage; das gleiche gilt vom Kennenmüssen (§ 166 Abs. 2 BGB.). Die bestimmten Weisungen brauchen sich nicht aus der Vollmacht selbst zu ergeben, sondern dies kann auch aus dem zugrunde liegenden Auftrage der Fall sein; anderer­ seits ist es nicht erforderlich, daß zu der Vollmacht noch getrennt von dieser besondere Weisungen hinzutreten, vielmehr genügt es, daß der Bevollmächtigte im Rahmen der Vollmacht eine Handlung vornimmt, bereit Vornahme der Vollmachtgeber erreichen wollte (RG. in IW. 1916, 3172). Ob sich § 166 Abs. 2 BGB. auch auf Willensm äuge l bezieht, ist streitig. Die Frage wird nach dem klaren Wortlaut des § 166 Abs. 2 BGB. zu verneinen sein (so Staudinger § 166 Bem. 8), soweit nicht für Willensmängel wieder die Frage der Kenntnis oder des Kennenmüssens von Umständen von Bedeutung ist (vgl. § 122 Abs. 2 BGB.; ebenso Planck § 166 Erl. 2).

Anm. 28. IV Einseitige Rechtsgeschäfte des Bevollmächtigten sind unwirksam, wenn dieser nicht eine Vollmachtsurkunde vorlegt und der andere Teil das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist (§ 174 Satz 1 BGB.: vgl. § 54 Anm. 15). Bezug­ nahme auf eine im Besitze des Bevollmächtigten befindliche, nicht vorgelegte Boll­ machtsurkunde ist nicht geeignet, deren Vorlegung zu ersetzen; ebensowenig Vorlegung einer Abschrift (vgl. RG. 56, 66 und 88, 431). Kündigt also z. B. ein Bevollmäch­ tigter, so kann der andere Teil die Vorlegung einer Vollmachtsurkunde verlangen und, wenn diese nicht vorgelegt wird, die Kündigung dem Bevollmächtigten gegen­ über (vgl. OLGR. 12, 250) zurückweisen. Die Zurückweisung ist ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber den anderen von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hat (§ 174 Satz 2 BGB.). Anderweite Kenntnis von der erfolgten Bevollmächtigung ge­ nügt nicht; doch kann der andere Teil ein einseitiges Rechtsgeschäft des Prokuristen nicht zurückweisen, wenn die Prokura eingetragen und bekanntgemacht ist (§48 Anm. 7).

Anm. 29. V. Auf Willenserklärungen, die einem anderen gegenüber abzugeben sind, finden die Grundsätze deS § 164 Abs. 1 BGB. (oben Anm. 14ff.) entsprechende Anwendung (§ 164 Abs. 3 BGB ). Es kann also z. B. einem Bevollmächtigten gekündigt, einem Bevollmächtigten gegenüber eine Mängelanzeige gemacht, einem Bevollmächtigten eine Bestellung, eine Annahmeerklärung abgegeben werben (vgl. auch Anhang zu § 361).

Anm. 30. VI.Gesamtvollmacht. Das Wesen der Gesamtvollmacht beruht darin, daß mehrere, meist zwei Bevollmächtigte, zu gemeinsamer Vertretung ermächtigt sind (vgl. §48 Anm.9ff.; § 125 Anm. 6ff.; § 232 Anm. 2ff.; auch §54 Anm. 2 u. 2a). Die Gesamtvertretung ist durch die Bedürfnisse des geschäftlichen Lebens geboten, sie schützt den Vertretenen gegen ungeschickte und vornehmlich gegen unehrliche Vertretung durch einen einzelnen. Wenn Brodmann GmbHG. § 35 Anm. 2 sie als eilte „ziemlich üble Einrichtung" be­ zeichnet, so können wir dem nicht zustimmen. Was den Bedürfnissen des Verkehrs entspricht, ist notwendig, und die rechtliche Regelung einer derartigen Verkehrsnvtwendigkeit kann keine üble Einrichtung sein. Wur muß bei der Handhabung und in der Rechtsprechung — darin stimmen wir Brodmann a. a. O. zu — darauf Rücksicht genommen werden, daß ein buchstäbliches Zusammenhandeln der Gesamtvertrerer in

V. Abschnitt: Prokura und Handlungsvollmacht.

331

vielen Fällen praktisch unmöglich ist, und daß die für den Vertretenen daraus ent- Anhang springende Gefahr nicht in unbilliger Weise auf den Bertragsgegner abgewälzt werden ZU §J>8» darf. Das verkennt u. E. Wieland § 31 VIII, wenn er die gegenwärtige Rechtspre­ chung bekämpft, die dem dargelegten Gesichtspunkte im allgemeinen voll Rechnung trägt. Nach der zur Zeit fast allgemein anerkannten Rechtsprechung genügt es in der Regel (Ausnahme s. unten), wenn der eine Gesamtbevollmächtigte nach außen die Willenserklärung allein abgibt und der andere ihm hierzu vorher oder nachträglich seine Zustimmung erteilt (RG. 81, 325; 101, 343; vgl. hierzu Fuchs in IW. 1913, 561; Titze 941). Das Reichsgericht hat damit seine frühere Ansicht aufgegeben, daß der eine Gesamtbevollmächtigte nach außen nur eine Teilwillenserklärung abgeben könne, und daß es zur Wirksamkeit dieser erforderlich sei, daß der andere Gesamt­ bevollmächtigte seine Zustimmung an den Vertragsgegner richte (so RG. 61, 223; RG. im „Recht" 07 Nr. 1783; vgl. RG. 80, 182; ebenso auch Hupka 371; vgl. § 125 Anm. 7 u. 10; § 48 Anm. 9ff.). Vorübergehend gelangte das Reichsgericht praktisch zu dem hier vertretenen Ergebnisse durch Annahme eines „stillschweigend nach außen betätigten Willens" (RG. 75, 419; RG. in IW. 08, 151). Wie erwähnt, kann die jetzige Rechtsprechung des RG. als herrschende Meinung angesehen werden (ebenso Brodmann a. a. £).). Danach kann die Zustimmung des einen Gesamtbevollmächtigten dem Mitbevollmächtigten gegenüber (nicht nur dem Vertragsgegner gegenüber, wie Wieland a. a. O. will) erklärt werden und auch bei formbedürftigen Rechtsgeschäften formlos erfolgen (RG. 81, 325; 101, 343; für Prokuristen vgl. § 48 Anm. 13). Allein der Vertragsgegner kann auf Wahrung der Form bestehen, ebenso ist solche bei Akten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geboten (KGJ. 20, 75). Hiernach genügt nach Befinden sogar die Unterschrift nur des einen von zwei Gesamtprokuristen zur Wahrung der durch Rechtsgeschäft bestimmten Schrift­ form, sofern nur der andere Gesamtprokurist sein Einverständnis erklärt hat (RG. 106, 268). Ebenso kann ein Vertrag dadurch zum Abschluß kommen, daß ein Gesamt­ bevollmächtigter die Erklärung abgibt und der andere sie nachträglich genehmigt. Eine solche Genehmigung ist nach Treu und Glauben und nach der Berkehrssitte in der Regel dann anzunehmen, wenn ein vom Vertragsgegner zugehendes Bestätigungs­ schreiben unwidersprochen bleibt; es kann dann nicht nachträglich geltend gemacht wer­ den, daß nur ein Gesamtbevollmächtigter gehandelt habe (Koffka in DIZ. 1921, 614). Daß in allen diesen Fällen § 181 BGB. (s. unten Anm. 31) dem hier Gesagten nicht entgegensteht, s. Anm. 40. Im Sinne der dortigen Darlegungen (vgl. auch § 48 Anm. 13, 14) kommt auch die Erteilung einer Einzelvollmacht seitens mehrerer Gesamtprokuristen an einen von ihnen häufig vor und ist ein unabweisbares prak­ tisches Bedürfnis, z. B. bei vorübergehender Abwesenheit, für Börsenaufträge, für Verhandlungen mit Kunden oder Rechtsanwälten, für die Anstellung von Personal u. dgl. Gleiches gilt für andere Gesamtvertreter. Daß die Gesamtprokuristen nicht an einen von ihnen Einzelprokura erteilen können, ergibt sich aus § 52 Abs. 2. Das Abschließen durch den einen Gesamtbevollmächtigten darf aber nicht zu einer Umgehung des Zwecks der Gesamtvollmacht führen. Diesem würde es widersprechen, wollte man die Übertragung einer allgemeinen (General-) Vollmacht an einen Ge­ samtbevollmächtigten durch diesen und seinen Mitbevollmächtigten namens der Firma zulassen (vgl. auch RG. in IW. 1912, 5263). Die vorstehenden Ausführungen be­ ziehen sich daher nur auf Vollmachten für bestimmte Geschäfte oder bestimmte Arten von solchen (§54 Anm. 1; s. auch § 125 Abs. 2 Satz 2 und Anm. 4; §232 Abs. 1 Satz 2 und Anm. 7; a. M. RitterKomm. Borbem. vor §48 Anm.6). Uber Erklärungen gegenüber einem von mehreren Gesamtbevollmächtigten s. § 48 Anm. 9; über Kündigungen gegenüber einem solchen § 66 Anm. 12a. Uber Haftung aus Verschulden eines der Gesamtvertreter s. unten Anm. 87 a.

332

V. Abschnitt: Prokura und Handlungsvollmacht.

Anhang D. Bornahme von Rechtsgeschäften durch den Bevollmächtigten mit sich selbst. § 58‘ 1. Hierüber bestimmt § 181 BGB.: Anm. 31.

„Ein Vertreter kann, soweit nicht ein anderes ihm gestattet ist, im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Tritten ein Rechtsgeschäft nicht vor­ nehmen, es sei denn, daß das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlich­ keit besteht."

Anm. 32. 2. Rach diesem § 181 BGB. ist die Bornahme von Rechtsgeschäften im Namen des Geschästsherrn durch den Bevollmächtigten mit sich selbst zwar begrifflich gestattet (RG. 56, 104), aber für den Regelfall verboten und nur in zwei Fällen erlaubt, nämlich 1. wenn das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit be­ steht, und 2. wenn dem Bevollmächtigten „ein anderes gestattet ist". — Zu 1. s. Anm. 38. — Die unter 2 angeführte Bestimmung seht eine ausdrückliche oder doch unzweifelhaft aus den Umständen hervorgehcnde Gestattung des Vertragschließens mit sich selbst voraus (RG. 51, 422; 68, 175). Für das Gebiet der handelsrechtlichen Voll­ macht ist anzunehmen, daß dem Bevollmächtigten überall dort der Abschluß mit sich selbst gestattet ist, wo dies nach dem zum Ausdruck gelangten Willen des Voll­ machtgebers innerhalb der von diesem ihm eingerüumten Vertretungsmacht liegt, wo also der Betrieb eines Handelsgewerbes (Prokura; § 49 Anm. 1) oder der Betrieb des betreffenden Handelsgewerbes (§ 54 Anm. 17) oder die betreffenden Geschäfte (§ 64

Anm. 33.

Anm. 18) es gewöhnlich mit sich bringen, und zwar mit Wissen und Willen des Prinzipals. So ist es in vielen Geschäften allgemein üblich, daß Handlungsgehilfen die in dem betreffenden Geschäfte gehandelten Gegenstände auch für den eigenen Bedarf zu dem Kostenpreise des Geschäfts oder zu einem bestinunten niedrigeren Preise, z. B. dem Einkaufspreise, entnehmen. Dernburg (I § 1708) schlägt folgende Fassung vor: „vielleicht läßt sich sagen, es muß als gestattet gelten, was nicht gegen Treu und Glauben verstößt". Ebenso unsere 8. Aufl. Gegen diese Fassung s. StaubHach. GmbHG. § 36 Anm. 14. Zu weit geht auch die Ansicht, daß eine Gestattung anzunehmen sei, wenn das Geschäft dein Geschästsherrn offenbar zum Vorteil gereicht und nur in dieser Absicht abgeschlossen wurde (so unsere 9. Ausl. Anm. 11; hiergegen Staudinger § 181 Bem. 4). Beide Ansichten übersehen, daß das Gesetz eben doch aus­ drücklich eine Gestattung voraussetzt. Es ist sehr wohl möglich, daß der Geschäfts­ herr grundsätzlich nicht will, daß ein Angestellter Rechtsgeschäfte mit sich selbst abjchließt, auch wenn der Geschüftsherr von diesen Geschäften mir Vorteile hat. Man kann da­ her auch nicht sagen, daß ein Prokurist oder Handlungsbevollmächtigter schlechthin mit sich selbst Geschäfte abschließcn dürfe, soweit der Betrieb des Handelsgewerbes es mit sich bringe (KG. in OLGR. 8, 33 zieht in dieser Hinsicht die Grenzen zu weit); vielmehr muß zu der Einräumung der Vertretuugsmacht noch ausdrücklich oder still­ schweigend das „Gestatten" des Prinzipals hinzukommen (2G. Freiburg in BadRpr. 06, 20). Immerhin muß berücksichtigt werden, daß — mag auch § 181 BGB. keine Zwecke rechtspolizcilicher Natur verfolgen und kein Verbotsgesetz sein, vielmehr nur auf die Art des Zustandekommens der Rechtsgeschäfte, nicht aus die zugrunde liegen­ den Interessen zu beziehen sein (RG. 103, 418) — doch der gesetzgeberische Grund in der Besorgnis eines Widerstreits der Interessen zu finden ist, so daß man, wo ein solcher nicht zu besorgen ist, eher geneigt sein mag, ein stillschweigendes „Gestatten" anzunehmen als in anderen Füllen. Vgl. Manigk in IW. 1922, 902. Kein Vertragschließen mit sich selbst liegt vor, wenn ein Bevollmächtigter im Namen des Vollmachtgebers für eine eigene Schuld Bürgschaft leistet; denn der Bürg­ schaftsvertrag ist nach § 765 BGB. ein Rechtsgeschäft zwischen dem Bürgen und dem Gläubiger; der Schuldner ist bei dem Vertragsabschlüsse rechtlich nicht beteiligt (NG. 71, 219; RG. in WarneyerNspr. 09 Nr. 189; a. M. Hoeniger in DIZ. 1910, 1347). Aber eine derartige Bürgschaftserklärung kann unter Umständen wegen Mißbrauchs der

V. Abschnitt: Prokura und Handlungsvollmacht.

333

V ollmacht unverbindlich sein, freilich nur, wenn der Gläubiger erkannt hat oder er-Anhang kennen mußte, daß ein solcher Mißbrauch vorlag (vgl. Anm. 16). ZU § 58. Kein Vertragschließen mit sich selbst liegt ferner vor, wenn der Bevollmäch-Anm. 34. tigte befugterweise einen Nachbevollmächtigten bestellt und dieser im Namen des Vollmachtgebers mit dem Erstbevollmächtigten in dessen eigenem Namen abschließt (ebenso die ständige Rechtsprechung des KG. in OLGN. 7, 6; 12, 23; 22, 179; KGJ. 30, 160; auch OLG. Kolmar in DIZ. 09, 1336 gegen DIZ. 03, 204; NG. 108, 405; Planck § 181 Erl. Id; Oertmann § 181 Nr. 3a; Enneccerus I § 168 Anm. 9; a. A. Staub 6. bis 9. Aufl. Anm. 11a; DürHach. Vordem, vor § 48 Anm. 12; Staudinger § 181 Bem. 9b; Levy in IW. 1925, 240; auch Kiehl in LZ. 1925, 807). Ebenso ist es zu beurteilen, wenn für den Fall der Verhinderung des Bevollmächtigten ein Stellvertreter bestimmt ist, und dieser im Namen des Vollmachtgebers mit dem Erstbevollmächtigten abschließt (KG. in OLGR. 11, 395). — Nur darf auch hier in beiden Füllen nicht ein Mißbrauch der Vollmacht vorliegen (Anm. 16; RG. 56, 106; 108, 407; es wird etwa zur Umgehung des § 181 BGB. eine Mittelsperson ein­ geschoben). — Ferner bleibt § 181 BGB. anwendbar, wenn der Nachbevollmächtigte nicht Vertreter des Vollmachtgebers, sondern Vertreter des Bevollmächtigten ist (KG. in OLGR. 7, 6 und KGJ. 37, 242; OLG. Kolmar in DIZ. 09, 1336). — Vgl. hier­ zu allenthalben Predari in Gruch. 63, 675 und Kiehk a. a. O. Bei gesetzlichen Vertretern nicht voll handlungsfähiger natürlicher PersonenAnm.35. kann die Gestattung in der Regel nur durch Gesetz erfolgen. Werden solche Rechts­ geschäfte erforderlich, so muß ein Pfleger bestellt werden (Planck § 181 Erl. lc u. 2d; KG. in NIA. 2, 113; RG. 67, 61; vgl. RG. 71, 162 und in IW. 1924, 1862 sowie die dort Zit.). „Handelt es sich aber um verkehrsübliche, insbesondere verhältnis­ mäßig geringfügige Geschäfte, so hat man auch beim gesetzlichen Vertreter das Verbot des Selbstkontrahierens nicht pedantisch durchzuführen" (so mit Recht Dernburg I § 170). 3. Hat der Bevollmächtigte unstatthasterweise mit sich selbst abgeschlossen, so ist das Anm. 36. Rechtsgeschäft nicht nichtig, sondern schwebend unwirksam. Es liegt ein ohne Ver­ tretungsmacht vorgenommenes Rechtsgeschäft vor; dieses kann also regelmäßig durch Genehmigung des Vertretenen rechtswirksam werden (§§ 177, 180 BGB.; vgl. Anm. Ulfs.). So jetzt die herrschende Meinung, nachdem zwei verschiedene Senate des RG. in dieser früher umstrittenen Frage gleichmäßig so entschieden haben (RG. 56, 107; 67, 54; 68, 40; im „Recht" 1924 RsprBeil. Nr. 331; ebenso LG. Berlin in KGBl. 09, 57; KG. in KGJ. 41, 172; Hupka 341; Dernburg I § 170; Enneccerus I § 168; DürHach. Vordem, vor § 48 Anm. 12; jetzt auch Planck § 181 Erl. 3; a. M. RG. 51, 426, V. Senat, der seine Meinung später in 67, 54 geändert hat; KG. in NIA. 2, 110; OLG. Braunschweig in OLGR. 15, 344; unser Kommentar bis zur 8. Aufl. Anm. 12). Vgl. hierzu auch Anm. 114. Unter besonderen Umständen würde eine Nichtgenehmigung gegen Treu und Glauben verstoßen (RG. 64, 373; 110, 214). 4. Erforderlich ist, daß dad Abschließen mit sich selbst, soweit es überhaupt gültig ist, Anm. 37. in irgendwelcher Art in die äußere Erscheinung tritt, damit es rechtliche Wirkungen erzeugt. Ob dies durch Erklärung vor Zeugen oder durch Eintragung in die Geschäfts­ bücher oder durch Entnehmen des Geldes aus der einen und Hineinlegen in die andere Kasse oder durch eine sonstige Willensbetütigung geschieht, ist gleichgültig. Tas Gesetz bestimmt dies zwar nicht ausdrücklich. Allein ein lediglich innerer Vorgang ist un­ beachtlich, es muß eine Willenserklärung vorliegcn (RG. 52, 133; 76, 138; RG. in DZZ. 03, 153; OLG. Hamburg im „Recht" 07, 1062; DürHach. Vordem, vor § 48 Anm. 10; Planck § 181 Erl. la). Ein auffallend in die äußere Erscheinung tretender Fall ist z. B. das Auslassen eines Grundstücks, welches der Vertreter von seinem Pnnzipal erwirbt oder umgekehrt (vgl. Anm. 39), Einlegung von Gegenständen (z. B. Wertpapieren) in einen mit dem Namen des Geschäftsherrn bzw. des Vertreters ver­ sehenen Umschlag (RG. 52, 133; 63, 17 u. 405).

334

V. Abschnitt: Prokura und Handlungsvollmacht.

Anhang 5. WaS insbesondere die Vertretung bei der Erfüllung betrifft, so ist diese grundsätzz« § 58. lich zulässig, sei es, daß es sich um eine Verbindlichkeit des Vollmachtgebers gegen» «nm. 38.

über dem Bevollmächtigten oder um eine Verbindlichkeit des Bevollmächtigten gegen­ über dem Vollmachtgeber oder um die Verbindlichkeit mehrerer von derselben Person Vertretenen gegeneinander handelt. Kommt die Erfüllung einer Verbindlichkeit des Vollmachtgebers an den Bevollmächtigten in Frage, so darf diese nicht mit einer Ein­ rede behaftet und muß fällig sein; erfüllt der Bevollmächtigte dagegen eine eigene Ver­ bindlichkeit, so ist dies auch bei nicht fälligen und bei solchen Verbindlichkeiten zulässig, die mit einer Einrede behaftet sind (ebenso Planck § 181 Erl. Id; Staudinger § 181 Bem. 7b; Oertmann § 181 Nr. 3c; RGRKomm. § 181 Anm. 2). — Nur wirkliche Erfüllung (§ 362 BGB.) ist zulässig, nicht Leistung an Erfüllungs Statt; Aufrechnung aber ist zulässig, soweit nicht das Aufrechnungsrecht nur dem Vollmachtgeber zusteht (ebenso Enneccerus I § 168 Anm. 13; jetzt auch Planck § 181 Erl. Id; für Zulässigkeit schlechthin, ohne die er­ wähnte Einschränkung hervorzuheben: KG. in OLGR. 8, 32; DürHach. Vorbem. vor § 48 Anm. 11; Dernburg I § 1707; ferner Staudmger, Oertmann und RGRKomm. a. a. O.).

Anm. 39. 6. Besonders praktisch ist dies bei der Übergabe durch Willenserklärung. Auch sie ist auf diesem Wege statthaft (RG. in IW. 03 Beil. 4, 31; RG. 86, 264). § 930 BGB. steht der Vornahme einer derartigen Übergabe, wenn die Eigentumsübertragung die Erfüllung einer Verbindlichkeit darstellt oder sonst gestattet ist, nicht entgegen (vgl. § 383 Anm. 33 u. 34 und oben Anm. 37).

Anm. 40. 7. § 181 BGB. gilt auch für Gesamtbevollmächtigte lAnm. 30). Infolgedessen können diese, insbesondere auch Gesamtprokuristen (§ 48 Abs. 2), nicht Rechtsgeschäfte im Namen des Geschästsherrn mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten abschließen, auch nicht mit einem einzelnen von ihnen, soweit der Betreffende gleichzeitig den Geschäftsherrn vertreten soll, ausgenommen die vorstehend erörterten Fälle, wo solches Abschließen von Rechtsgeschäften mit sich selbst zulässig ist. Daher kann z. B. — von solchem Ausnahmefall abgesehen, wofür er beweispflichtig ist — ein Gesamtprokurist einen auf den Prinzipal indossierten Wechsel nicht durch sein eigenes und eines anderen Gesamtprokuristen Indossament auf sich übertragen (RG. im „Recht" 1921 RsprBeil. Nr. 1829). Schließt ein Gesamtbevollmächtigter das Geschäft nach außen allein ab (Anm. 30) und erteilt der andere ihm hierzu vorher oder nachträglich seine Zustimmung, so steht § 181 BGB. dem nicht entgegen. Ein näheres Eingehen auf diese Streitfrage, die davon ausgeht, daß bei Erteilung dieser Zustimmung nach dem Wesen der Gesamtvollmacht auch der Gesamtbevollmächtigte mitzuwirken hat, dem die Zustimmung erteilt wird, er­ scheint nach der in Anm. 30 dargelegten neueren Auffassung über die Gesamtvertretung nicht mehr erforderlich; vgl. hierüber 9. Ausl. Anm. 15a, Hupka 363ff. Falls Anwend­ barkeit des § 181 in diesem Falle überhaupt bejaht wird, wird man jedenfalls ein „Gestatten" des Geschäftsherrn (Anm. 32) annehmen können. Ähnlich Titze 940. Das Verbot des § 181 BGB. gilt auch für die Gesellschafter der o.HG. und der Kommanditgesellschaft (§ 126 Anm. 14) und für die Vorstandsmitglieder der AG. (§ 232 Anm. 48), sowie für die persönlich hastenden Gesellschafter der KGaA. (§ 320). E. Die Ermächtigung deS Überbringers einer Quittung.

Anm. 41. I. Hierüber bestimmt § 370 BGB.: „Der Überbringer einer Quittung gilt als er,nächtigt, die Leistung zu empfangen, sofern nicht die dem Leistenden bekannten Umstände der Annahme einer solchen Ermächtigung ent­ gegenstehen."

Anm. 42. II. Der Paragraph stellt eine Vermutung für die Ermächtigung deS Überbringers einer Quittung auf. Sie war früher durch Art. 296 ADHGB. für Handelsgeschäfte ausgestellt und ist seit Einführung des BGB. für den gesamten Rechtsverkehr ausgedehnt. — Als

V. Abschnitt: Prokura und Handlungsvollmacht.

335

Vermutung wird die Bestimmung des § 370 BGB. von der herrschenden Meinung AühüNg angesehen; anders Planck § 370 Erl. 1; vgl. auch Anm. 45. ZU § 58.

1. Die Vermutung geht dahin, daß der Überbringer der Quittung für ermächttgt gilt, Anm. 43. die Leistung zu empfangen. a) Der Überbringer einer Quittung gilt als ermächtigt. Ohne Belang ist, ob der Über­ bringer gesandt war, die Quittung vorzulegen und die Leistung zu empfangen. Die Quittung kann also auch gestohlen oder gefunden sein. Wer eine Quittung ausstellt, soll sie wohl verwahren, damit sie nicht mißbraucht werde. Geschieht dies dennoch, so wird der Zahlende geschützt. Der Überbringer muß die Quittung dem Schuldner vorlegen. Aushändigung ist nicht unbedingt erforderlich (ebenso Planck § 370 Erl. lb; abw. Keyßner in der Berliner Festschr. f. Koch 144; Oertmann § 370 Nr. 1; RGRKomm. § 370 Erl. 1). Ohne Aushändigung wird dem Schuldner aber der Beweis der Zahlung oft nicht möglich sein. — Eine Quittung, die erst nach erfolgter Leistung vorgelegt wird, genügt nicht (RG. in LZ. 1911, 21615). b) 6ine Quittung muß überbracht sein. Darunter ist echte, gültige und ausgefüllte Anm. 44. Quittung zu verstehen. Der Begriff der Quittung ergibt sich aus § 368 BGB.; über Er­ teilung vgl. § 372 Anm. 69 ff. Nicht gültig ist die Quittung z. B., wenn der Aussteller geisteskrank oder zur Ausstellung nicht ermächtigt war. War die Quittung ungültig, so ist der Leistende geschädigt und im Falle der Fälschung betrogen, nicht der Gläubiger. Bei Zahlung an den Überbringer einer falschen oder verfälschten Quittung braucht der Gläubiger zwar die Zahlung nicht aus § 370 BGB. gegen sich gelten zu lassen. Er wird aber unter Umständen aus anderen Gründen, insbesondere aus einem zwischen ihm und dem Schuldner bestehenden Nertragsverhältnisse schadensersatzpflichtig; so z. B., wenn ein wegen Unredlichkeit entlassener Angestellter auf Grund einer gefälschten Quit­ tung Geld abhebt, sofern der Gläubiger bisher regelmäßig Beträge durch diesen Ange­ stellten erhoben und den Schuldner von der Entlassung nicht benachrichtigt hat (RG. 65, 141; OLG. Oldenburg in DIZ. 1910, 974); oder wenn der Gläubiger Quittungs­ oordrucke unvorsichtig herumliegen läßt und hierdurch Benutzung unter Fälschung seiner Unterschrift ermöglicht (RG. 73, 351; vgl. auch RG. 81, 254 und 92, 50 über mißbräuch­ liche Benutzung von Scheckvordrucken; s. hierzu Anm. 82; abw. Staudinger § 370 Bem. 1 and Staub 6. bis 9. Aufl., die in solchen Fällen die Zahlung gemäß § 370 BGB. gegen )en Gläubiger gelten lassen wollen; gegen diese Auffassung RGRKomm. § 370 Anm. 1). — Das gleiche gilt auch bei unberechtigter Ausfüllung eines mit echter Unterschrift versehenen Quittungsvordrucks; hierin liegt Berfälschung einer Urkunde; die Quittung ist ungültig anders Planck § 370 Erl. le, der bei Echtheit der Unterschrift § 370 BGB. für anwend­ bar hält). Doch kann in der Aushändigung unterschriebener Quittungsvordrucke unter Umständen eine Ermächtigung zur Ausfüllung und zur Empfangnahme von Leistungen liegen (vgl. ROHG. 11, 32). — Vgl. auch Anhang zu § 372 Anm. 71. Auch quittierte Wechsel gehören hierher. Der Überbringer eines quittierten Wechsels gilt als zur Geldempfangnahme ermächtigt, auch wenn ihm die wechselrechtliche Legitimation fehlt. Doch wird der Besitzer eines quittierten Wechsels durch den Besitz illem nicht zur Protesterhebung gegen den Akzeptanten berechtigt; die formalen Vor­ christen des Wechselrechts werden durch § 370 BGB. nicht berührt (RG. 69, 101).

2. rr gilt für ermächtigt. Ob er wirklich ermächtigt ist, kommt nicht in Betracht. Der Anm. 45* Zahlende kann sich gegen den Aussteller auf diese Vermutung stützen. Nicht vermutet vird aber eine Vollmacht. Die Ermächtigung kann auf Vollmacht beruhen; der Über­ iringer kann aber auch Bote (Anm. 13) sein; er kann auch im eigenen Namen handeln, B. weil ihm die Forderung abgetreten ist; das Gesetz enthält sich in dieser Hinsicht jeder Vermutung (im Ergebnis ebenso: Oertmann § 370 Nr. la u. lb; Planck § 370 Erl. 1; ibw. Staub 6. bis 9. Aufl. Anm. 17 und Anhang zu § 372 Anm. 71; Hupka 125; Stau­ ungen § 370 Bem. 1, die in der Bestimmung des § 370 die Vermutung einer Vollmacht

336

V. Abschnitt: Prokura und Handlungsvollmacht.

Anhang r» § 58.

sehen; abw. auch TürHach. Vordem, vor § 48 Anm. 32, die zwar auch die Vermutung einer Vollmacht ablehnen, aber mit Unrecht im Quittungsüberbringer stets einen Boten sehen). Auch prozessual liegt eine Vermutung vor. Ter Aussteller hat den Gegenbeweis zu führen, soweit ein solcher überhaupt zugelassen ist. Der Gegenbeweis mutz dahin gehen, daß der Zahlende Umstände kannte, die der Annahme einer Er­ mächtigung entgegenstehen. Im einzelnen: Anm. 46. a) Daß der Zahlende solche Umstände kannte. Taß er sie kennen mußte, ist hiernach nicht ausreichend. Anm. 47. d) Umstände, die der Annahme entgegenstehen. Dazu sind nicht nur solche Um­ stände zu rechnen, aus denen sich ergibt, daß der Zahlende die Nichtermächtigung kannte. Umstände, die der Ermächtigung entgegenstehen, brauchen nicht gerade mit Sicherheit für das Gegenteil zu sprechen. Daß Umstünde dieser Art vorliegcn und an der Ermächti­ gung daher gezweifelt werden mußte, genügt zur Entkräftung der Vermutung (ebenso Planck § 370 Erl. 2).

Anm. 48. 3. Die Leistung zu empfangen, gilt der Überbringer für ermächtigt. Es sind aber, da § 370 im Titel von der Erfüllung steht, nur solche Leistungen gemeint, die zum Zweck der Erfüllung gemacht werden, also z. B. nicht solche, durch die Kredit gewährt werden soll. Aber mit dieser Maßgabe sind nicht nur Zahlungen gemeint, sondern es fällt z. B. hier­ unter auch Empfangnahme von Waren. Anm. 49. 4. Die Tragweite der Rechtsvermutung wird durch den Inhalt der Quittung begrenzt. Eine Leistung anderer Art als die, über welche quittiert ist, darf der Überbringer nicht in Empfang nehmen, also nicht andere Gegenstände an Zahlungs Statt, auch nicht Nachlaß oder Stundung bewilligen, soweit sich nicht aus dem Rechtsverhältnis zwischen ihm und dem Gläubiger ein anderes ergibt.

Anm. 50.

Zusatz. Nicht in das Gesetz ausgenommen ist eine dem früheren Art. 51 ADHGB. entsprechende Vorschrift, datz der Überbringer einer Ware und einer unquittierten Rechnung deshalb noch nicht ermächtigt ist, die Zahlung in Empfang zu nehmen. Eine solche Warnung spricht das jetzige Gesetz nicht aus. Sie gilt aber and) für das jetzige Recht. In der Über­ bringung der Ware mit unquittierter Rechnung liegt keine Ermächtigung zur Empfangnahme der Zahlung (vgl. D. 56). Aber der Überbringer kann anderweit dazu ermächtigt sein, so z. B. wenn er Prokurist oder Handlungsbevollmäck)tigter ist oder die Ware nid)t zur tatsächlichen Übergabe, sondern zum Verkauf erhalten hat, oder wenn sonst aus den Umständen, z. B. aus der wiederholten Duldung der Zahlung an den Überbringer der Ware, die Ermächtigung zu entnehmen ist. — Vgl. auch § 54 Anm. 10 über die Frage nad) der Vollmad)t zur Empfangnahme von Geld und Geldeswert; vgl. ferner § 56 Anm. 4. F. Haftung für Berschen der Bevollmächtigten und Gehilfen.

Anm. 51.

Einleitung. Dieses Rechtsgebiet ist durd) die Vorschriften des BGB. geregelt. Es soll hier zusammenhängend dargestellt werden, wobei auf die Erörterung von Einzelheiten viel­ fad) verzichtet werden muß.

Anm. 52. I. Übersicht. Unter dem Begriff „Haftung für fremdes Verschulden" werden häufig die Bestimmungen der §§ 278, 831 BGB. zusammengefaßt, wenn and) diese Ausdrucks­ weise für den Fall des § 831 BGB. rechtlich nicht zutreffend ist (j. Anm. 78). Die wesent­ lichen Unterschiede dieser beiden Bestimmungen seien gleid) hier hervorgehoben: § 278 BGB. setzt ein bestehendes Schuldverhältnis zwischen dem Haftpflichtigen und dem Ge­ schädigten voraus; die Haftung tritt nur ein bei Verschulden der Hilsspersonen be: Er­ füllung einer Verbindlichkeit (Anm. 65ff.). § 831 BGB. bezieht sich dagegen auf Schäden außerhalb eines bestehenden Schuldverhältnisses; er setzt objektiv eine uner­ laubte Handlung, nicht aber ein Verschulden der vom Geschästsherrn zu einer Ver­ richtung bestellten Personen voraus; der Gejchäftsherr haftet rechtlich nicht für frendes,

V. Abschnitt: Prokura und Handlungsvollmacht.

337

sondern sür eigenes Verschulden; ihm steht im Gegensatz zu § 278 BGB. der unten Anhang näher erörterte Entlastungsbeweis (Anm. 79sf.) zu. Über das Verhältnis der beiden zu § 58.

Bestimmungen vgl. ferner Staudinger § 831 Bem. 6. — Beide Bestimmungen gelten sowohl für den Gehilfen wie für den Bevollmächtigten, also auch für den Prokuristen. (Über Haftung bei der o.HG. vgl. § 126 Anm. 4ff., bei der AG. § 232 Anm. 37ff.). — Gehilfen und Bevollmächtigte werden im folgenden im Falle des § 278 BGB. Erfül­ lungsgehilfen, im Falle des § 831 BGB. Berrichtungsgehilfen genannt. — Als dritter Fall kommt in gewissem Umfange eine Haftung für Verschulden hinzu, das nicht bei Er­ füllung, sondern bei Eingehung von Verbindlichkeiten liegt. Dieser letzte Fall soll im folgenden zunächst erörtert werden.

II. Haftung für Verschulden bei Eingehung und Erfüllung von Verbindlichkeiten.

Anm. 53.

1. Haftung für Verschulden bei Eingehung von Verbindlichkeiten, insbesondere von Ver­ trägen. Bevor dieses Rechtsgebiet in Beziehung auf Bevollmächtigte und Gehilfen dar­ gestellt wird, ist es erforderlich, auf die Lehre unabhängig von dieser Frage kurz ein­ zugehen. Lit.: Leonhard, Verschulden bei Vertragsabschluß, 1910; Geppert, Arglist des Ver­ treters bei Vertragsabschluß im „Recht" 1915, 264ff.; Oertmann, Culpa in contrahendo in LZ. 1914, 513ff.; Riehl, Die Arglist beim Vertragsabschluß unter besonderer Berück­ sichtigung der Arglist der Vertreter, Gruch. 60, 790ff. u. 897 ff., auch als Sonderdruck, Berlin 1916; weiteres Schrifttum dortselbst 901; vgl. hierzu Oertmann in IW. 1917, 25ff.; Kiehl, Ansprüche des Käufers im Falle der Arglist des Bevollmächtigten des Verkäufers beim Kaufsabschlusse, Gruch. 63, 257.

a)DaS BGB. behandelt Verschulden bei Eingehung von Verträgen nicht alS Verschulden Anm. 54. innerhalb eineS BertragsverhältnisseS. Eine allgemeine Bestimmung, daß für Ver­ schulden bei Eingehung von Verträgen gehaftet würde, besteht nicht (vgl. RG. in IW. 1916, H52 und 1163; aber hierzu die Fußnote von Hachenburg; ferner Cohen in IW. 1916, 373; andererseits RG. in IW. 1912, 743°, s. Anm. 57, und in IW. 1919, 35a, s. Anm. 58). Zn bestimmten Fällen setzt das Gesetz aber eine solche Haftung fest.

c) Hierher gehören in erster Linie die Fälle der §§ 179, 307, 309 BGB.Anm.55. Diese Fälle haben gemeinsam, daß ein Vertrag nicht zustande kommt oder infolge An­ fechtung nichtig wird. Von Verschulden innerhalb eines bestehenden Vertragsverhültnisses kann deshalb in diesen Fällen nicht die Rede sein. Tas Gesetz gibt hier dem, welchem gegenüber Willenserklärungen bestimmter Art abgegeben waren, einen Schadensersatzanspruch. Das gleiche gilt auch im Falle des § 122 BGB.; während aber in den erstgenannten Fällen ein Verschulden des Erklärenden Voraussetzung ist, tritt die Haftung des § 122 unabhängig vom Verschulden ein; ferner gilt § 122 zwar auch für Willenserklärungen bei Eingehung von Verträgen, aber nicht nur für diese, sondern für Willenserklärungen aller Art (vgl. Staudinger § 122 Anm. 7; vgl. auch § 347 Anm. 2a).

f) In einer Reihe weiterer Fülle setzt das Gesetz eine Haftung für Verschulden fest, Anm. 56. das begrifflich gleichfalls bei Eingehung von Verträgen liegt. Hierher gehören die Fälle der §§ 524, 538, 600, 678, 694 BGB. (Oertmann a. a. O.), ferner aus dem Be­ reiche des HGB. der Fall des § 377 HGB. in Verb, mit § 463 BGB.; hierüber § 377 Anm. 150, vgl. auch § 384 Anm. 1. In allen diesen Fällen stellt sich das Verschulden, das zwar begrifflich bereits vor Vertragsabschluß entstanden ist, doch als eine Ver­ letzung vertraglicher Pflichten dar, in der Mehrzahl dieser Fülle handelt es sich dabei um arglistige Verletzung solcher Pflichten. Y Der Gesichtspunkt, Verschulden bei Vertragsabschluß als eine Verletzung rechtsgeschäft-Anm. 57. licher Pflichten aufzufassen, hat in der neueren Rechtsprechung des Reichsgerichts und in der Wissenschaft weitgehende Anwendung auch außerhalb der vom Gesetz geregelten Fälle gefunden, besonders auf solche, in denen es sich nicht um eine Verletzung der -taub, HÄA., 12. u. 13. Ausl. Bd. 1. (Bondi.) 22

338

Anhang z« 8 68.

Anm. 58.

Anm. 59.

Anm. 60.

V. Abschnitt: Prokura und Handlungsvollmacht.

Hauptverpflichtung, sondern um eine solche von Nebenverpflichtungen handelt; als solche sind die Anzeigepflicht und die Aufklärungspslicht hervorzuheben (Oertmann a. a. O. 514). Ob und welche Nebenverpflichtungen bestehen, richtet sich nach den Umständen des einzelnen Falles (vgl. RG. 103, 50 ff. und die dort. Zit.; vgl. ferner § 347 Anm. 2 über culpa in contrahendo und unten Anm. 82 bezüglich der Haftung für falsche Auskunft). Rechtsgeschäftliche, vertragsähnliche Verpflichtungen liegen im Augenblicke von Vorverhandlungen zu einem Kauf auch dann vor, wenn der Kauf später nicht zustande kommt (RG. 78, 239). Nur dann tritt eine Haftung aus dem Vertrage nicht ein, wenn die Parteien einander in dem Augenblicke, in dem der Schaden entstanden ist, noch zu nichts verpflichtet sind (RG. in IW. 1915, 2403). 8) Die ganze Frage ist zur Zeit als noch im Flusse befindlich zu betrachten. Wie über­ haupt, so neigt auch im vorliegenden Falle die neuere Rcchtsentwicklung dahin, Fragen dieser Art nicht auf konstruktivem Wege, sondern im Wege der gegenseitigen Interessen­ abwägung zu lösen. Das Reichsgericht sucht diesem Gesichtspunkte auch Rechnung zu tragen (vgl. RG. in IW. 1919, 352 und die Fußnote von Oertmann hierzu), ohne jedoch in allen Fällen auf konstruktive Begründung zu verzichten, wodurch sich der von Cohen a. a. O. bemängelte Widerspruch zwischen verschiedenen Entscheidungen des Reichsgerichts erklären dürfte. Vgl. hierzu oben Allg. Einleitung Anm. 37a (Seite 14). e) Darüber hinaus stehen dem Vertragsgegner für Verschulden bei Vertragsabschluß Rechte aus dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung (hierüber Anm. 73 ff.) und der Arglist (§ 123 BGB.) zu. Ist das arglistige Handeln zugleich eine Verletzung von Vertragspflichten, so stehen die Vertragsansprüche neben den Ansprüchen aus unerlaubter Handlung oder aus dem arglistigen Verhalten. Sind letztere nicht als eine Verletzung vertraglicher Pflichten anzusehen, so insbesondere, wenn die eine Ver­ tragspartei durch arglistiges Verhalten bei den Vorverhandlungen getäuscht ist und sich dieses nach dem in Anm. 56 Gesagten nicht als eine arglistige Übernahme von Vertrags­ pflichten darstellt (Riehl a. a. O. 797 ff.), entfällt dagegen ein Anspruch aus dem Ver­ trage; vgl. § 347 Anm. 2. £) Auch der Umfang der Schadensersatzpflicht ist streitig. Uber den Vertragsschaden vgl. insbesondere Oertmann a. a. O.; über die Rechtsbehelfe des Vertragsgegners bei Arglist vgl. Riehl a. a. O.

Anm. 61. d) Für die Haftung für Vertreter und Gehilfen ergibt sich hieraus folgendes: «) In den in Anm. 55 angeführten Fällen der § § 307, 309, 122 BGB. kommt nur eine Haftung für Vertreter, nicht eine solche für Gehilfen in Frage. Die Haftu rg ist an Willensmängel des Erklärenden oder an die Kenntnis oder das Kennenmüssen ge­ wisser Umstände geknüpft. Ist die Willenserklärung durch einen Vertreter abgegeben, so werden das Vorliegen von Willcnsmüngeln und die Kenntnis oder das Kernenmüssen dieser Umstände auS dessen Person beurteilt (§ 166 BGB.). Der Vertretene haftet für diese Erklärungen auf Grund § 164 BGB. Anm. 62. ß) In den Fällen der Anm. 56 u. 57 beruht die Haftung auf Verletzung vertraglicher Pflichten, für den Erfüllungsgehilfen tritt hier die Haftung aus § 278 BGB. ein (hierüber Anm. 64 ff.). Soweit Vertreter in Frage kommen, besteht bmiebei die Haftung für Willenserklärungen des Vertreters aber auch aus 164, 166 BGB., soweit es sich um arglistiges Eingehen von Vertragsvcrbindlichkeiten handelt (RG. 83, 241; Riehl a. a. O. 921 stimmt dem Urteile, das er im übrigen ablehnt, insowet zu). Anm. 63. y) Soweit der Geschästsherr aus unerlaubter Handlung haftet, richtet jich seine Ver­ antwortlichkeit für Verrichtungsgehilfen und Vertreter nach § 831 BGB. (hicrüber Anm. 73 ff.; s. ferner Anh. zu § 349 Anm. 38; § 377 Anm. 169). Anm. 64. 8) Der Umfang der Haftung richtet sich nach der des Vertretenen. — Über die Rcchtsb eh elfe bei arglistigem Verhalten des Bevollmächtigten s. insbes. Riehl a. a. £. 113ff. Anm. 65. 2. Haftung für Verschulden bei Erfüllung einer Verbindlichkeit. a) Hier bestimmt § 278 BGB., daß der Schuldner ein Verschulden der Personen, deren

V. Abschnitt: Prokura und Handlungsvollmacht.

339

er sich zur Erfüllung einer Verbindlichkeit bedient (Erfüllungsgehilfen; Anhang vgl. hierzu RG. 63, 116; 91, 138; 102, 216 u. 234), in gleichem Umfange zujU Z 58. vertreten hat wie eigenes Verschulden. Ob es sich um Bevollmächtigte oder Gehilfen handelt, ist hier unerheblich. (Für den gesetzlichen Vertreter, der Verbindlich­ keiten des Vertretenen erfüllt, haftet letzterer gemäß § 278 BGB. in gleichem Umfange), a) § 278 BGB. setzt nach dem Gesagten das Bestehen einer Berbindlichkeit voraus. Anm. 66. Dabei ist es gleichgültig, ob diese aus einem Vertrage oder aus einem anderen Rechts­ grunde entstanden ist; es kann sich auch um eine bereits bestehende Verbindlichkeit (z. B. die Erfüllung einer Schadensersatzpflicht aus unerlaubter Handlung) handeln, ß) Vorausgesetzt ist ferner ein Verschulden der genannten Personen; dieses hat der Schuld-Anm. 67. ner in gleichem Umfange zu vertreten wie eigenes Verschulden. Der Schuldner haftet also unbeschränkt für Vorsatz und für jede Fahrlässigkeit dieser Personen, wenn er für Vorsatz und für jede eigene Fahrlässigkeit unbeschränkt haftet. Haftet er nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit, so hat er für Vorsatz und grobes Versehen der Erfüllungsgehilfen einzutreten (bestritten; ebenso Staudinger § 278 Bem. II; Josef bei Gruch. 52, 280; RG. 65, 17; jetzt auch Oertmann § 278 Erl. 4b; nach anderer Ansicht ist § 278 BGB. überhaupt nicht anwendbar, wenn der Schuldner nur für Vor­ satz und grobe Fahrlässigkeit haftet; so jetzt Planck § 278 Erl. 3; Dernburg II § 68 Anm. 15; Nußbaum „Haftung für Hilfspersonen" 88 ff.). Hat der Schuldner nur für die Sorgfalt einzustehen, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt, so haftet er dafür, daß die Erfüllungsgehilfen ihrerseits dieses Maß von Sorgfalt an­ wenden (ebenso Planck § 278 Erl. 3; Dernburg II § 68; jetzt auch Oertmann § 278 Nr. 4b; abw. Nußbaum a. a. O.). — In beiden Fällen ist aber das Maß der vom Gehilfen anzuwendenden Sorgfalt nicht aus dessen Person, sondern aus der des Schuld­ ners zu beurteilen. Ob eine grobe Fahrlässigkeit vorliegt, richtet sich also danach, ob es eine grobe Fahrlässigkeit gewesen wäre, wenn der Schuldner selbst so gehandelt hätte; der Schuldner haftet ferner dafür, daß der Gehilfe die Sorgfalt anwendet, die der Schuldner selbst, nicht die, die der Gehilfe in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt (ebenso Staudinger § 278 Bem. II; Dernburg II § 68; Josef a. a. O. 282; jetzt auch Planck a. a. O.; abw. Oertmann a. a. £).). — Nach dem hier vertretenen Grundsatz haftet z. B. der Bankier, der eine Geldsendung übernommen hat, für die gehörige Absendung, und kann sich nicht damit entschuldigen, daß ihn bei der Auswahl seiner Beamten kein Verschulden trifft (vgl. früher RG. 23, 106). Der Glaser haftet dem Besteller, wenn sein Geselle die Scheibe so einsetzt, daß jie herausfällt. Der Fähr­ unternehmer haftet für das Verschulden des Fährmanns (RG. 72, 53). Über die Haf­ tung des Geschäftsherrn für Auskunftserteilung seiner Angestellten s. Anm. 82 und Anhang zu § 349 Anm. 38. — Über Haftung für fremdes Verschulden bei mitwirkendem eigenen Verschulden (§§ 254 u. 278 BGB.) s. unten § 347 Anm. 13; vgl. auch Hinze in IW. 08, 230, sowie RG. 73, 353 und 91, 138. Y) § 278 BGB. ist auch auf Fälle anwendbar, in denen die Verbindlichkeit in einem Anm. 68. Unterlassen besteht; daher kann z. B. der Kaufmann, der sich bei Vertragsstrafe ver­ pflichtet hat, mit einem aiibovu nicht in Wettbewerb zu treten, bei Zuwiderhandlungen seines Angestellten auf die Vertragsstrafe in Anspruch genommen werden (vgl. RG. 63, 116). Auch schließt eine selbständige Tätigkeit des Erfüllungsgehilfen bei der Ausführung die Anwendbarkeit des § 278 nicht aus (RG. 55, 335; 59, 22; 64, 234). Daher haftet auch der, welcher es entgeltlich übernimmt, die Dienste Dritter anderen zu verschaffen, z. B. Vermietung eines Kraftwagens mit Führer, für die betreffenden Dritten (Talberg in IW. 1911, 140). 8) Die Haftung aus § 278 besteht nur dem Gläubiger gegenüber; Dritte können aus dieser Vorschrift keine Rechte herleiten (KG. in OLGR. 10, 159; RG. 62, 319). e) Diese Haftung kann durch Vertrag ausgeschlossen werden, selbst die Haf-Anm. 69. tung für Vorsatz der Verrichtungsgehilfen 278 Latz 2 BGB.).

340

V. Abschnitt: Prokura und Handlungsvollmacht.

Anhang r» § 68.

) Tie Haftung tritt ein, wenn der Schaden bei Erfüllung der Verbindlichkeit angerichtet wird, nicht aber, wenn er angerichtet wird bei Gelegenheit der Erfüllung (ebenso Planck

Anm. 70.

§ 278 Erl. lb; RG. 63, 343; 84, 222; 87, 276). Tas erstere liegt vor, wenn der Schaden durch die Ausführung der betreffenden Erfüllungshandlung entstanden ist. Es ist nicht notwendig, daß der Schaden an den bei der Erfüllung in Betracht konrmenden Gegenständen entstanden ist, wenn er nur durch die Erfüllungshandlung selbst entstanden ist, sei es auch an anderen Gegenständen; vorausgesetzt nur, daß er den Gläubiger (in der Regel: den Vertragsgegner), nicht aber einen Tritten trifft (Beispiele: ein Töpfergeselle steckt beim Setzen des Ofens die Gardine in Brand, ein Glasergehilfe wirft beim Einsetzen des Fensters die Wanduhr herunter usw.). Für solche von Erfüllungsgehilfen angerichtete Schäden wird dem Vertragsgegner (Gläubiger) wie für selbst angerichtete Schäden gehaftet. Tas ist aber die Grenze. Darüber hinaus liegt Schaden vor, der nicht bei Erfüllung einer Verbindlichkeit entstanden ist; für diesen wird nur nach den Grundsätzen der Anm. 73 ff. gehaftet. Bei dieser Abgrenzung ist in Betracht zu ziehen, ob der Prinzipal, wenn er selbst die Handlung begangen hätte, auf Grund einer zur Zeit der Schadenszufügung bereits bestehenden Verbindlichkeit haften würde, oder ob er selbst nur aus unerlaubter Handlung haftet. So würde z. B., wenn der Machtgeber seinen Küfer entsendet, um ein Faß Wein abzufüllen, und dieser ein Faß Wein stiehlt, Haftung aus einer bestehenden Verbindlichkeit nicht vorliegen, weil auch der Prinzipal in diesem Falle nicht aus einem Vertrage oder einer sonstigen bereits bestehenden Verbindlichkeit haften würde. Stiftet der Gehilfe durch Wegwerfen einer Zigarre einen Brand, so kann hierin unter Umständen die Verletzung einer Sorgfaltspflicht liegen, für die auch der Prinzipal vertraglich haften würbe (vgl. Planck § 278 Erl. lb, der hier eine Nebenverpflichtung zur Erhaltung des Gläubigereigentums annimmt); unter Umständen kann aber nach Art des zwischen Prinzipal uub Geschädigtem bestehenden Rechtsverhältnisses eine solche Verpflichtung verneint werden.

Anm. 71. b) Weiter geht die Haftung des Prinzipals dann, wenn er sich unberechtigterweise eines Gehilfen bedient. In diesem Falle haftet er für das hierin liegende eigene Verschulden unabhängig von einem Verschulden des Gehilfen. § 278 BGB. ist nicht anwendbar; dieser setzt voraus, daß die Inanspruchnahme von Gehilfen berechtigterweise geschehen ist.

Anm. 72. o) Andererseits aber unterliegen die Fälle einer milderen Beurteilung, in denen bei Geschäftsbesorgungsverträgen (Auftrag, Dienst- und Werkvertrag auf Geschäfts­ besorgung) die Ausführung des Auftrags selbst berechtigterweise einem anderen übertragen worden ist. In solchen Fällen hastet der mit der Geschäfts­ besorgung Beauftragte nur für ein Verschulden, das ihm bei der Übertragung zur Last fällt (§ 664 BGB.; sog. Substitution). Dies gilt sowohl dann, wenn der Beauftragte nach außen als Vertreter des Geschäftsherrn auftritt, als auch dann, wenn er nach außen im eigenen Namen abschließt (RG. in DIZ. 1912, 690). Die Anwendbarkeit der Be­ stimmung des § 664 BGB. auf die Fälle der entgeltlichen Geschäftsbesorgung (Dienstund Werkvertrag) ist bestritten (wie hier RGRKomm. § 278 Anm. 3; RG. 78, 313; abw. Hupka 362; Planck § 278 Erl. 2b). Zur Übertragung des ganzen Auftrags ist der Geschäftsherr im Zweifel nicht berechtigt. Eine solche liegt aber nur dann vor, wenn der Übertragende aufhört, Herr des Auftrags zu sein.

Anm. 73. III. Haftung bei unerlaubten Handlungen von Bevollmächtigten und Gehilfen (§ 831 BGB.). 1. Voraussetzungen: § 831 BGB. setzt voraus, daß Personen, die zu einer Verrichtung bestellt sind (Anm. 74), in Ausführung dieser Verrichtung (Anm. 76) einem Dritten (Anm. 77) widerrechtlich Schaden zufügen (Anm. 75).

die zu einer Verrichtung bestellt sind (Verrichtungsgeh.lfen), sind alle Angestellten im weitesten Sinne zu verstehen, sowohl solche, die in einem dauern-

Anm. 74. a) Unter Personen,

V. Abschnitt: Prokura und Handlungsvollmacht.

341

den Bertragsverhältnisse stehen, wie solche, die nur zu einer einmaligen Verrichtung be-Anhang stellt sind; sowohl solche, die gegen Entgelt, als solche, die unentgeltlich beschäftigt werden zu § 58. (vgl. RG. 73, 437; 91, 363). Tie Frage, ob der Bestellte Bevollmächtigter ist, ist hier bedeutungslos. Vorausgesetzt ist aber, daß der zur Verrichtung Bestellte verpflichtet ist, den Weisungen des Geschäftsherrn zu folgen (vgl. RG. 78, 179; 86, 432; 91, 364; 92, 37). Nicht erforderlich ist es dagegen, daß der Geschäftsherr den Angestellten zu der in Frage kommenden Einzelverrichtung ausdrücklich bestellt hat; es genügt, daß die Handlung in den allgemeinen Rahmen des Auftrags fällt (RG. in IW. 1915, 7049). b) Widerrechtliche Schadendzufügung liegt vor bei jedem Eingriff in die in § 823 Abs. 1 Anm. 75. BGB. bezeichneten Rechtsgüter oder bei einem Verstoß gegen ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB., soweit der Eingriff oder der Verstoß nicht durch eine besondere Befugnis begründet ist. Unter „sonstigen Rechten" im Sinne des § 823 BGB. sind jedoch Forderungsrechte nicht zu verstehen (bezüglich aktienrechtlicher Fragen vgl. § 241, insbes. Anm. 25 ff.). Widerrechtlich ist ferner die vorsätzliche, sittenwidrige Schadenszufügung im Sinne des § 826 BGB., hier auch, wenn nur Forderungsrechte verletzt werden (vgl. RG. in IW. 1911, 58427). Der Begriff der widerrechtlichen Schadenszufügung deckt sich also mit dem der unerlaubten Handlung im Sinne der §§ 823, 826 BGB., nur daß im Falle des § 823 BGB. ein Verschulden seitens des Gehilfen nicht vorausgesetzt wird (vgl. Staudinger § 831 Bem. 3 und die in Anm. 78 angeführten Urteile). o) In Ausführung der Verrichtung muß der Schaden zugefügt sein, nicht bei Gelegen-Anm. 76. heit dieser. Hierfür genügt es, daß die Handlung in den Kreis der Maßnahmen fällt, die die Ausführung der Verrichtung darstellen, und daß sie mit dieser in ursächlichem Zu­ sammenhänge steht (vgl. RG. 73, 437; RG. in IW. 1913, 326"; 1914, 471"; 1915, 704»). d) Einem Dritten muß der Schaden zugefügt sein. Als solcher kann auch ein anderer An-Anm. 77. gestellter desselben Geschäftsherrn, der in dessen Auftrag bei derselben Verrichtung mit­ wirkt, in Betracht kommen (RG. in IW. 1912, 296"; RGRKomm. § 831 Anm. 4). 2. Haftung für fremdes Verschulden wird zwar dem tatsächlichen Inhalt nach durch § 831 Anm. 78. BGB. begründet: rechtlich betrachtet setzt diese Bestimmung aber nicht Haftung für frem­ des, sondern eine solche für eigenes Verschulden des Geschäftsherrn fest (RG. 50, 65; 70, 76; 87, 3, dort auch über Beweislast; RG. in IW. 1911, 979"; Deetz in Gruch. €4, 161). a) Das eigene Verschulden des Geschäftsherrn wird vom Gesetz vermutet, wenn die Voraus­ setzungen gemäß Anm. 73 ff. gegeben sind. Tie Vermutung geht dahin, daß der Schaden tadurch entstanden ist, daß der Geschäftshcrr bei Auswahl der Angestellten (Anm. 80), bei Beschaffung etwa erforderlicher Geräte oder bei etwa erforderlicher Leitung (Anm. 81) tie erforderliche Sorgfalt nicht angewendet hat. b) Gegenüber dieser Vermutung kann der Geschäftsherr gemäß § 831 Abs. 1 Satz 1 BGB. Anm. 79.

ten Entlastungsbeweis führen, entweder dahin, daß er die erforderliche Sorgfalt angevendet hat, oder daß der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden wäre. Der Entlastungsbeweis ist aber ausgeschlossen, wenn die schädigenden Handlungen in der Villensrichtung des Geschäftsherrn gelegen haben (RG. 76, 49). o) tzm einzelnen ist hier im kaufmännischen Leben folgendes zu beachten: Anm. 80. a Sorgfalt bei Auswahl zur Verrichtung kommt in doppelter Hinsicht in Frage: einmal als Sorgfalt in der Auswahl des Angestellten bei Beginn eines mit ihm abgeschlossenen Vertragsverhültnijses; hier genügen in der Regel vorgelegte gute Zeugnisse des An­ gestellten aus früherer Tätigkeit; der Geschäftsherr ist in der Regel nicht verpflichtet, außerdem noch persönliche Erkundigungen einzuziehen (RG. in LZ. 08, 64; vgl. jedoch RG. 84, 423 und die dort angeführten Urteile); andererseits ist dieselbe Sorgfalt aber auch erforderlich bei Auswahl zu der Verrichtung, in deren Ausführung der Schaden im einzelnen Falle entstanden ist. Tiefer Augenblick ist der entscheidende (vgl. RG. 78, 109; 79, 105; 87, 4). Tiese Sorgfalt ist bei Handlungsgehilfen, die schon seit langer Zeit im Geschäft beschäftigt sind, in der Regel schon dann gewahrt, wenn der Prinzipal

342 Anhang zu § 58.

«nm. 81.

Anm. 82.

V. Abschnitt: Prokura und Handlungsvollmacht.

sie mit Verrichtungen betraut, die er nach den im Geschäft mit ihnen gemachten Erfahrungen ihnen unbedenklich anvertrauen durfte (RG. in IW. 06, 19643). Ter Kauf­ mann kann sich aber nicht dadurch von seiner Haftung befreien, daß er einen Prokuristen, auch wenn dieser ihm als zuverlässig bekannt ist, so schalten läßt, wie dieser will; hier greift seine allgemeine Aufsichtspflicht ein (RG. in TJZ. 1912, 692; vgl. Anm. 81). — Inwieweit die AuswahLpflicht bezüglich der niederen Angestellten den Geschäftsherrn selbst trifft, bestimmt die Verkehrsauffassung. Art und Umfang des Geschäfts und persönliche Hinderungsgründe können dazu führen, daß die Auswahl durch höhere Angestellte er­ folgt. Dann kann der Geschäftsherr den Entlastungsbeweis dahin führen, daß er bei Auswahl dieser höheren Angestellten die erforderliche Sorgfalt angewendet hat (RG. 78, 107; 79, 106; RG. in IW. 1913, 919«). ß) Die Leitung der Verrichtung. Aus § 831 BGB. ist nicht zu entnehmen, daß der Ge­ schäftsherr stets die Ausführung der Verrichtung persönlich zu leiten hat; denn diese Bestimmung legt ihm den Entlastungsbeweis für Beobachtung der erforderlichen Sorg­ falt bei der Leitung wicht schlechthin auf, sondern nur für den Fall, daß er die Aus­ führung der Verrichtung zu leiten hat (vgl. RG. in IW. 1913, 203"). Danach ist die Frage, welcher Maßstab an eine an sich gegebene Leitungspflicht, wenn eine solche über­ haupt angenommen werden kann, anznlegen ist, gleichfalls entsprechend dem in Anm. 80 Gesagten nach der vernünftigen Verkehrsanschauung und den besonderen Verhältnissen des Falles zu beantworten; danach bestimmt sich auch, ob und inwieweit der Geschäfts­ herr die Leitung persönlich auszuüben hat (RG. 53, 123; 78, 107; 82, 218 und RG. in IW. 1911, 40316 u. 1913, 3322). Im kaufmännischen Leben bildet es die Regel, daß der Kaufmann nicht verpflichtet ist, die Ausführungen von Verrichtungen persönlich zu leiten. — Hierbei handelt es sich um die Leitung der einzelnen in Frage kommen­ den Verrichtung; die allgemeinen Aufsichtsanordnungen sind dagegen regel­ mäßig von ihm selbst zu treffen (RG. 78, 107; 87, 4; RG. in IW. 1913, 919; vgl. RG. in DIZ. 1912, 612). y) Einzelne Fälle. Haftung für Auskunftserteilung (vgl. hierüber insbes. Anhang zu § 349 und das dort angegebene Schrifttum; Brand in DIZ. 1912, 724; Feil bei Hold­ heim 1915, 94ff., 114ff.). Es ist zu unterscheiden, ob die Auskunft innerhalb oder außer­ halb eines bestehenden Vertragsverbältnisses erteilt wird. Ersteres gilt z. B. für Auskunft eines Bankangestellten über Wertpapiere als Vorbereitung für ein Kauf- oder Kom­ missionsgeschäft; hier haftet der Geschäftsherr nach § 278 BGB. (vgl. Anm. 67; RG. in IW. 03, 351?; 07, 363; 15, 57710; anders Brand a. a. £.). Wird die Auskunft da­ gegen außerhalb eines bestehenden Vertragsverhültnisses erteilt, so haftet der Geschäfts­ herr aus § 831 BGB.; so z. B. bei Auskunft über Kreditwürdigkeit, die zu den geschäfts­ gebräuchlichen Verrichtungen einer Bank (RG. in IW. 1917, 2855), regelmäßig aber nicht zu ihren Vertragsverpflichtungen gehört; ebenso bei Auskünften über fiühere Angestellte (vgl. § 49 Anm. 1 Abs. 1 a. E.); anders dagegen bei bezahlten Auskünften, z. B. bei Auskunfteien. Aus § 831 BGB. haftet der Gejchästsherr auch für eins „ins Blaue hinein" erteilte Auskunft, soweit in einer solchen ein Verstoß gegen § 826 SGB. zu erblicken ist (RG. in IW. 1911, 58427; abw. die frühere Rechtsprechung des Reichs­ gerichts, s. WarneyerRspr. 09 Nr. 484). — Tas Gesagte gilt auch für den Prokuristen und den Handlungsbevollmächtigten; in den Kreis der unter die Prokura fallenden Geschäfte gehört auch die Auskunft an Ansragende (§ 49 Anm. 1; § 54 Anm. 11). — Soweit der Geschäftsherr nach dem Gesagten aus § 831 BGB. haftet, steht ihm natürlich auch der Entlastungsbevveis (Anm. 79) zu; vgl. OLG. Hamburg in HansGZ. 08, H. 264; RG. in IW. 1911, 58427. — Über die Pflicht des Bankiers zum Widerruf cimr von einem Angestellten wissentlich falsch erteilten Auskunft s. RG. in IW. 1917, 38)«. — Werden Zeugnisse im Sinne der §§ 73, 80 zulässigerweise (vgl. § 73 Anm. 1) von Gehilfen, insbesondere von Prokuristen oder Handlungsbevollmächtigten ausgrstellt, so haftet bei Unrichtigkeit der Prinzipal dem neuen Prinzipal gegenübe: aus

V. Abschnitt: Prokura und Handlungsvollmacht.

343

§ 831 BGB. (vgl. § 73 Anm. 8), dem Handlungsgehilfen oder -lehrling gegenüber aus Anhang § 278 BGB. ZU § 58. Weitere Einzelfälle. Über die Frage der Haftung des Prinzipals für den Miß­ brauch unverwahrter Geschäftsstempel (§ 826 BGB.) s. RG. in DIZ. 1910, 705; über Schadenersatzpflicht wegen mangelhafter Verwahrung von Vordrucken RG. 73, 347; vgl. hierzu auch über die vertragliche Haftung bei Mißbrauch von Scheck­ vordrucken: RG. 81, 254; 92, 50; RG. in IW. 1919, 363; hier kommt aber Haftung aus § 278 BGB. in Frage, über die mißbräuchliche Verwendung von Quittungs­ vordrucken s. oben Anm. 44. Zu berücksichtigen ist in Fällen mißbräuchlicher oder unge­ wollter Verwendung von Geschäftsstempeln oder Ausfüllung von Geschäftsformu­ laren (ähnlich wie in dem Falle der Anm. 7 zu § 54) der Gesichtspunkt, wie der red­ liche Dritte das fragliche Verhalten auffassen mußte. Daher geschieht es z. B., wenn ein Kaufmann Geschäftspapiere mit gedruckter Unterschrift verwendet, auf seine Gefahr, wenn sie ausgefüllt hinausgehen; er muß dann dem gutgläubigen Empfänger gegen­ über deren Inhalt gegen sich gelten lassen (RG. 105, 185). Auch haftet der Kaufmann aus diesem Gesichtspunkte für rechtsgeschästliche Erklärungen, die während seiner Ab­ wesenheit vom Geschäftssitze von den mit der einstweiligen Leitung der Geschäfts be­ trauten Personen Dritten gegenüber abgegeben werden, dergestalt, daß er sie wegen Irrtums nur auf Grund eines Irrtums des Vertreters anfechten kann (§ 166 BGB.; RG. 106, 200; vgl. oben Anm. 25). — über die Haftung des Inhabers eines Betriebs wegen durch Angestellte oder Beauftragte vorgenommener Handlungen des unlauteren Wettbewerbs s. UnlWG. §§ 13, 14 u. 16, auch §§ 4 u. 15 (überall Schlußsatz) und Rosenthal UnlWG. in den Anm. dazu; ferner Siegel in MuW. 9 Nr. 6—8; Rosenthal im „Recht" 1911, 252; auch HansOLG. in HansRZ. 1924, 343. IV. Daneben bleibt die eigene Verantwortlichkeit der Berrichtnngs- und Erfüllungsgehilfen Anm. 83. für ihre unerlaubten Handlungen bestehen, auch wenn sie solche als Bevollmächtigte eines anderen oder bei Gelegenheit einer für andere vorgenommenen Erfüllungshandlung oder sonstigen Verrichtung begangen haben (RG. in IW. 06, 59; RG. 30, 44; s. auch § 840 Abs. 2 BGB.). Die Statthaftigkeit der Klage gegen den Gehilfen oder Bevoll­ mächtigten aus unerlaubter Handlung wird durch die Statthaftigkeit einer Vertragsklage gegen den Geschästsherrn nicht ausgeschlossen; beide haften in diesem Falle als Gesamt­ schuldner (vgl. RG. 92, 143). § 826 BGB. ist z. B. für anwendbar erklärt worden hin­ sichtlich der Haftung eines Prokuristen gegenüber einem Dritten, weil er unmittelbar vor Ausbruch des Konkurses bezüglich des Vermögens seines Prinzipals namens des letzteren in sittenwidriger Weise Maßnahmen getroffen hatte, durch die der Dritte geschädigt wurde (OLG. Kiel in OLGR. 18, 78). Uber die eigene Verantwortung von Vertretern, Angestellten und Beauftragten (Reisen­ den, Gehilfen usw.) bei Handlungen des unlauteren Wettbewerbs s. Rosenthal UnlWG. S. 55 u. 58. Auch strafrechtlich und steuerrechtlich sind Bevollmächtigte für ihre Ver­ tretungshandlungen verantivortlich. Vgl. hierzu Anhang zu § 53 Anm. 3 und RAbgO. §§ 89 ff. V Die Haftung der juristischen Personen für die von ihren Vertretern angerichteten Schäden. Anm. 84. 1 Nach § 31 BGB. haftet ein Verein für den Schaden, den der Vorstand, ein Mitglied des Vorstandes oder ein anderer verfassungsmäßig berufener Vertreter durch eine in Ausführung der ihur zusteheuden Verrichtungen begangene, zum Schadensersatz ver­ pflichtende Handlung einem Dritten zusügt. — Zur Erläuterung dieser Bestimmung soll hier nur folgendes hervorgehoben werden: a Auf Handelsgesellschaften, soweit sie juristische Personen sind, finden die Bestimmungen Anm. 85. der §§ 30, 31 BGB. gleichfalls Anwendung (vgl. RG. 76, 48; 91, 75; bezüglich der AG. vgl. § 232 Anm. 37). Über die Frage der Haftung der o.HG. für unerlaubte Hand­ lungen ihrer vertretungsberechtigten Gesellschafter s. § 126 Anm. 4.

344

V. Abschnitt: Prokura und Handlungsvollmacht.

Anhang b) Die Bestimmungen der § § 278, 664 B G B. bleiben durch § 31 B G B. unberührt. KU § 58. Auch § 831 BGB. wird durch § 31 BGB. nicht berührt, soweit es sich um gewöhnliche Anm. 86.

Angestellte des „Vereins" handelt. An Stelle der Haftung aus § 831 BGB. tritt aber eine solche aus §§ 30, 31 BGB., soweit die dort erwähnten Organe des Vereins in Frage kommen. Für diese hat der Verein also den Entlastungsbeweis aus § 831 BGB. nicht. Ob jemand „verfassungsmäßig berufener Vertreter" oder, wie § 30 BGB. sagt, „beson­ derer Vertreter" ist, bestimmt sich nach der Satzung. Durch die Bestellung des Ver­ treters auf Grund der Satzung unterscheidet sich ein solcher von den sonstigen Angestellten (vgl. RG. 74, 257; 78, 146; RG. in IW. 1911, 6401). Es genügt, daß sich die Bestellung aus einer Bestimmung der Satzung ergibt; sie braucht nicht ausdrücklich ausgesprochen zu sein; so sind die Direktoren oder Leiter einer Zweigniederlassung schon dann als „be­ sondere Vertreter" anzusehen, wenn durch den Gesellschaftsvcrtrag zwar nicht ihre Be­ stellung, wohl aber die Errichtung von Zweigniederlassungen überhaupt vorgesehen ist und die Errichtung dieser die Bestellung eines Leiters erforderlich macht (RG. 91, 3; enger Planck § 31 Erl. 2b). Daher können auch Prokuristen und Handlungsbevollmächtigte als Leiter von Zweigniederlassungen besondere Vertreter im Sinne des § 30 BGB. sein.

Anm. 87.

2. Für die juristischen Personen des öffentlichen Rechts gilt §89 BGB., der seinerseits wieder den § 31 BGB. für anwendbar erklärt. Näheres über §§ 31, 89 BGB. s. in den Kommentaren zum BGB.

Anm. 87a. VI. Haftung bei Gesarntvertretung. Bei Gesamtvertretung (Amn. 30) genügt grundsätzlich schon das Verschulden eines der mehreren Vertreter, um die Haftung auf Grund der vor­ stehenden Darlegungen zu begründen. Dies gilt sowohl für die Haftung aus vertraglichem Verschulden (RG. 110, 145), als auch für die Verbindlichkeiten aus unerlaubter Hand­ lung (RG. 57, 94; 74, 257; 78, 353).

Anm. 88. G. Erlöschen der Vollmacht. 1. Hierüber bestimmt § 168 BGB.:

„Das Erlöschen der Vollniacht bestimmt sich nach dem ihrer Erteilung zugrunde liegenden Rechtsverhältnisse. Die Vollmacht ist auch bei bem Fortbestehen deS Rechtsverhältnisses reiber ruflich, sofern sich nicht aus diesent ein anderes ergibt. Auf die Erklärung des Widerrufs nndet die Vorschrift des § 167 Abs. 1 entsprechende Einwendung. Anm. 89.

2. Hiernach endet die Vollmacht:

a) Nach Maßgabe deS zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses, d. h. nicht notwendig erst mit dessen Endigung, vielmehr möglicherweise auf Grund dieses auch schon vorher, mtcr Umständen auch nachher (RG. 81, 257). Anm. 90. Im einzelnen gilt hierüber folgendes:

a) Beruht die Vollmacht auf einen: Auftrage, so bestimmt sich das Erlöschen rach den §§ 671—674 BGB. (Kündigung des Auftrags durch den Auftraggeber und durch den Beauftragten; im Zweifel nicht Tod des Machtgebers und seine Geschäitsunfähigkeit; im Zweifel Tod des Beauftragten; vgl. Amn. 96—99).

Anm. 91.

ß) Beruht die Vollmacht auf einem Dienstverträge (bei der Handlungsvollnacht der Normalfall), so findet § 675 BGB. Anwendung. Es gilt also hinsichtlich des Ddes des Machtgebers und des Bevollmächtigten das gleiche wie zu a: hinsichtlich der Künd­ barkeit gilt nicht § 671 BGB., sondert: es gelten die Regeln des betreffenden Dimstvertrages; vgl. Anm. 103.

Anm. 92.

y) Beruht die Vollmacht auf einen: Gesellschaftsvertrage (z. B. der stille Ge­ sellschafter hat für die Dauer des Gesellschaftsvertragcs Handluttgsvollmacht; vgl. §335 Anm. 25), so richtet es sich nach den für das betreffende Gesellschaftsverhältnis geltetden Regeln, ob das Geselljchaftsverhültnis beendet ist (dann erlischt die Vollmacht von selbst), oder ob wenigstens nach Maßgabe dieses das Erlöschen der Vollmacht cnzunehmen ist. Soweit die Vorschriften des bürgerliche:: Rechts über die Gesellschaft An-

V. Abschnitt: Prokura und .Handlungsvollmacht.

345

Wendung finden, entscheiden §§ 712, 715, 723—729, 736 BGB.; für die stille Gesell-Anhang schäft s. § 339 HGB. ZU § 58.

d) Durch Widerruf. Tiefer ist nicht unter allen Umständen jederzeit zulässig; anders nach Anm. 93. Art. 54 des alten HGB. Ter Regel nach besteht zwar diese jederzeitige Widerruflich­ keit, und zwar selbst dann, wenn das Rechtsverhältnis noch fortbesteht; auch wenn Un­ widerruflichkeit vereinbart ist (RG. 62, 337; Hupka 402; a. M. DürHach. Vordem, vor § 48 Anm. 37). Aber sie fällt weg, wenn sich aus dem Rechtsverhältnisse ein anderes ergibt. Dies ist hauptsächlich dann der Fall, wenn die Vollmacht nicht nur im Interesse des Vollmachtgebers, sondern auch im Interesse des Bevollmächtigten gegeben ist. Es beteiligt sich z. B. jemand als stiller Gesellschafter bei dem Geschäft eines anderen; zur besseren Ausübung der Aufsicht und zur wirksamen Förderung des Geschäfts wird ihm für die Dauer der Gesellschaft Handlungsvollmacht erteilt. Diese ist nicht jederzeit wider­ ruflich. Ähnlich, wenn auch nicht völlig gleich, ist der Fall zu beurteilen, wenn ein Schuldner einem Gläubiger oder einem Vertrauensmann seiner Gläubiger in deren Interesse zur Ordnung seiner Angelegenheiten Vollmacht erteilt, oder wenn der Bevollmächtigte aus einem anderen Grunde einen vertragsmäßigen Anspruch auf Ausübung der Vollmacht hat; eine solche ist gleichfalls vor Beendigung der Angelegenheit nicht widerruflich (RG. 52, 99; 53, 419; 90, 400; RG. in LZ. 08, 454; RG. 109, 331). In allen derartigen Fällen ist Widerruf der Vollmacht im Widerspruch mit dem Sinne des abgeschlossenen Rechts­ geschäfts nicht nur unzulässig, sondern wirkungslos, auch dem Dritten gegenüber (streitig; Näheres s. v. Thur, Die unwiderrufliche Vollmacht, Festschrift für Laband, Tübingen 08; s. auch Hallbauer, Die unwiderrufliche Vollmacht als Sicherungsmittel, in BankA. 9, 337). Eine allgemeine (General-) Vollmacht ist dagegen jederzeit widerruflich; denn es gibt kein Rechtsverhältnis, das jemandem unwiderruflich gestattet, einen anderen in allen geschäftlichen und privaten Angelegenheiten beliebig zu vertreten (OLG. Hamburg in OLGR. 24, 267; Planck § 168 Erl. 2b; Staudinger § 168 Bem. 5). Doch ft zu beachten, daß allgemeine Vollmachten häufig der bequemeren Form wegen an Stelle von Sondervollmachten erteilt werden. Es ist deshalb zu ermitteln, zu welchem Zwecke die Generalvollmacht erteilt ist, und danach festzustellen, ob sie nach Maßgabe des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses widerruflich ist oder nicht (RG. in IW. 1912, 11022). — Daß eine unbeschränkte Generalvollmacht zugleich auch im Interesse des Bevollmächtigt?n erteilt ist, begründet aber die Unwiderruflichkeit nicht (KG. in KGJ. 47, 152).

Die Prokura ist ohne Rücksicht auf das zugrunde liegende Rechtsverhältnis stets niderruslich (§ 52 Anm. 1—4); für die Handlungsvollmacht kann dagegen Unwiderriflichkeit vereinbart sein (vgl. aber hierüber KG. in KGJ. 40, 71). Ter Widerruf der Vollmacht (soweit er nach vorstehendem nicht ausgeschlossen ist) erfolgt in derselben Weise, in der sie erteilt ist, entweder gegenüber dem Bevollmächtigten io er gegenüber dem Tritten, mit bem das Rechtsgeschäft vorgenommen werden sollte (5 168 BGB.). War dem Tritten erklärt, daß dem Bevollmächtigten Vollmacht erteilt sti, oder war eine solche Erklärung öffentlich bekanntgegeben, so muß auch der Widerruf befer Kundgebung in derselben Weise erfolgen (§ 171 Abs. 2 BGB.; über Widerruf ter Prokura vgl. § 52 Aum. 3).

Über den Schutz des guten Glaubens bei Erlöschen der Vollmacht s. Anm. 104 ff. ferner sei auf § 54 Anm. 24 und auf § 55 Aum. 13 verwiesen. 3. £ 168 BGB. erwähnt von den Gründen, die unabhängig von dem zugrunde liegenden Anm. 94. Rechtsverhältnis die Vollmacht zum Erlöschen bringen, nur den Widerruf. Diese Regehng ist nicht erschöpfend. Auch bei zugrunde liegendem Auftrag braucht sich das Erlöschen ncht in allen Fällen nach diesem zu richten (Anm. 95). Überhaupt nicht anwendbar ist § 168 BGB., wenn die Vollmacht unabhängig von einem zugrunde liegenden Rechts­ verhältnis erteilt ist (vgl. Anm. 96 ff.). Es sollen deshalb im folgenden die wichtigsten Tatsachen aufgeführt werden, die die Vollmacht zum Erlöschen bringen können, und zwar

346

Anhang zu 8 58. Anm. 95.

Anm. 96.

Anm. 97.

Anm. 98.

V. Abschnitt: Prokura und Handlungsvollmacht.

sowohl in Hinsicht auf ein zugrunde liegendes Rechtsverhältnis, wie auch für den Fall, daß die Vollmacht unabhängig von einem solchen erteilt ist. kl) In erster Linie ist der Inhalt der Vollmacht selbst maßgebend. Eine auf bestimmte Zeit erteilte Vollmacht erlischt mit dem Ablauf dieser Zeit; eine unter auflösender Bedingung erteilte erlischt mit dem Eintritt der Bedingung; eine für einen bestimmten Zweck erteilte mit Erreichung oder Unmöglichwerden dieses Zwecks (vgl. Hupka 379; Planck § 167 Erl. Ick). Das Erlöschen kann hier mit Beendigung des Auftrags zusammenfallen; die Vollmacht würde dann schon aus diesem Grunde erlöschen; maßgebend ist hier aber der Gesichtspunkt, daß bei Erteilung der Vollmacht, z. B. in einer etwa erteilten Vollmachtsurkunde, das Erlöschen der Vollmacht in der angegebenen Weise bestimmt worden ist. Ist eine Voll­ macht überhaupt nicht auf Dauer und Zweck eines Auftragsverhältnisses beschränkt (z. B. eine Generalvollmacht), sondern nach außen unbeschränkt erteilt, so kommt ein Erlöschen mit Erledigung eines zugrunde liegenden Auftrags überhaupt nicht in Frage (RG. 81, 257). b) Tod deS Vollmachtgebers. Die Vollmacht erlischt dann nicht durch den Tod des Voll­ machtgebers, wenn das zugrunde liegende Rechtsverhältnis durch den Tod nicht auf­ gehoben wird. Bei Auftrag, Dienst- und Werkvertrag erlischt sie im Zweifel nicht (§§ 672, 675 BGB.). Sie erlischt aber auch dann nicht, wenn die Fortgeltung über den Tod sich aus der Vollmachtsurkunde selbst ergibt (BayObLG. in OLGR. 30, 411; RG. 88, 345). Die Vollmacht ermächtigt in diesen Fällen zu einer Vertretung der Erben des Vollmacht­ gebers unabhängig von der Frage des Fortbestehens des zugrunde liegenden Auftrags (KG. in KGJ. 32, 198; 37, 231; 41, 165; 41, 168; vgl. jedoch KG. in KGJ. 43, 157, wo Fortbestehen auf Grund der besonderen Verhältnisse des Falles verneint wird). Selbst­ verständlich haben die Erben in diesem Falle das Recht, die Vollmacht zu widerrufen, soweit ihnen ein solches nach Anm. 93 zusteht, oder sie durch Kündigung des zugrunde liegenden Dienstvertrags usw. (vgl. Anm. 103) zum Erlöschen zu bringen. Liegt der Voll­ macht kein Auftrag zugrunde und ergibt diese selbst nichts anderes, so erlischt sie mit dem Tode des Vollmachtgebers (ebenso Hupka 382 und die herrschende Ansicht; abw. Planck § 168 Erl. 3a). Siehe zu diesen Fragen auch Wolff, Die Vererblichkeit der Generalvoll­ macht, im „Recht" 1922, 70, sowie Spielmans, Zum Mandatum post mortem, ebenda 1924, 401. — Die Prokura erlischt durch den Tod des Prinzipals nicht (§ 52 Abs. 3; vgl. § 52 Anm. 7). c) Tod des Bevollmächtigten ist Erlöschungsgrund, wenn sich nicht ausnahmsweise aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnisse oder aus der Vollmacht selbst (Hupka 381) ergibt, daß die Vollmacht auf die Erben des Bevollmächtigten übergehen soll. Durch den Ted des Beauftragten erlischt im Zweifel der Auftrag (§ 673 BGB.); ebenso bei Dienst- und Werk­ vertrag durch den Tod des Verpflichteten (§ 675 BGB.). Durch den Tod des Gesellschafters endet im Zweifel das Gesellschaftsverbältnis (vgl. § 727 BGB., § 138 HGB.). Damit erlöschen auch die auf Grund dieser Verhältnisse erteilten Vollmachten. Durch den Tod des Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten erlöschen Prokura und Handlum'svollmacht stets (§ 52 Anm. 9; ebenso DürHach. Vorbem. vor § 48 Anm. 38). — Liegt der Vollmacht kein Auftrag zugrunde, erlischt diese mit dem Tod des Bevollmächtigten (Hupka 380; abw. Planck § 168 Erl. 3a). — Erlischt die Vollmacht aber nicht durch den T.'d des Bevollmächtigten, so dauert sie auch fort, wenn die Erben des Bevollmächtigten geschäfts­ unfähig oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkt sind (Kisch in BapZ. 18, 58; zustimmend Josef ebenda 60; a. M. Süsser daselbst 17, 353). ck) Eintritt der Geschäftsunfähigkeit des Vollmachtgebers bringt die Vollmacht auf tiuinb des Auftragsverhältnisses im Zweifel nicht znrn Erlöschen (§§ 672, 675 BGB.). Hesellschaftsverträge des bürgerlichen Rechts und damit die auf Grund solcher erteilten Voll­ machten bleiben durch Eintritt der Geschäftsunfähigkeit einzelner Gesellschafter unberührt (Mot. z. BGB. II, 624); ebenso die o.HG. (Umkehrschlnß aus § 138; vgl. § 131 Ann. 17, anders nach altem HGB.). Ist die Vollmacht von dem zugrunde liegenden Rechtsverhält­ nis unabhängig, so ist Eintritt der Geschäftsunfähigkeit des Vollmachtgebers einlußlos

V. Abschnitt: Prokura und Handlungsvollmacht.

347

(abw. für Grundbuchverkehr BayObLG. in SeuffA. 69 Nr. 49). — Beschränkung der Anhang Geschäftsfähigkeit berührt die Vollmacht nicht. — Hier sei erwähnt, daß auch die Voll-zu § 58.

macht, die eine Unverheiratete erteilt hat, nicht dadurch ohne weiteres erlischt, daß diese demnächst eine Ehe eingeht, für die das gesetzliche Güterrecht gilt (RG. 80, 247); ein dem Verfügungsrecht des Ehemannes widersprechendes Verfügungsrecht hat aber in diesem Falle der Bevollmächtigte nicht. — Verschollenheit des Vollmachtgebers ist an sich kein Erlöschungsgrund (vgl. ROHG. 24, 45). e) Eintritt der Geschäftsunfähigkeit deS Bevollmächtigten bringt den zugrunde liegenden Anm. 99. Auftrag und die auf ihm beruhende Vollmacht im Zweifel nicht zum Erlöschen (Umkehr­ schluß aus § 673 BGB. in Verb, mit § 672 BGB.; ebenso Hupka 3841; abw. Planck § 167 Erl. Id). Eine Vollmacht ohne Auftrag endet in diesem Falle nicht. — Der geschäftsun­ fähige Bevollmächtigte ist aber tatsächlich nicht in der Lage, auf Grund der Vollmacht wirksam zu handeln; die Vollmacht wird ihm in solchen Fällen in der Regel nicht belassen werden. Beschränkung der Geschäftsfähigkeit des Bevollmächtigten ist ohne Einfluß (§ 165 BGB.). f) Konkurs deS Vollmachtgebers. Nach § 23 KO. erlischt mit dem Eintritt des Konkurses Anm. 100. des Machtgebers jeder Geschäftsbesorgungsauftrag, er mag auf unentgeltlichem Auftrag oder auf Dienst- oder Werkvertrag beruhen (Ausnahmen s. Jaeger § 23 Anm. 3—5). Damit erlöschen auch die Vollmachten, die auf Grund des Auftrags erteilt sind. — Ferner erlischt die Vollmacht, wenn der Konkursverwalter die Erfüllung eines dieser zugrunde liegenden gegenseitigen Vertrags gemäß § 17 KO. ablehnt. — Über Einfluß des Kon­ kurses eines Gesellschafters vgl. §§ 728, 736 BGB., §§ 131, 138 HGB.; § 131 Anm. 11. — Vollmachten ohne Auftrag erlöschen nicht; Verfügung über die Konkursmasse ist jedoch gemäß §§ 6, 7 KO. nicht möglich (ebenso Oertmann § 169 Nr. 1 f.; Planck § 167 Erl. 3d). — Prokura und Handlungsvollmacht erlöschen mit dem Konkurse des Prinzipals un­ abhängig von der Fortdauer des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses (vgl. § 52 Anm. 12 und RG. in LZ. 1916, 22, erläutert von Jaeger). — Schutz gutgläubiger Dritter s. Anm. 106. g) Konkurs deS Bevollmächtigten bringt die auf Auftrag, Dienst- und Werkvertrag beruhen- Anm. 101. den Vollmachten nicht zum Erlöschen, auch nicht Prokura und Handlungsvollmacht, wohl aber die auf Gesellschaftsvertrag beruhenden gemäß § 728 BGB.; vgl. §§ 131, 138 HGB.; § 131 Anm. 18 f.; Jaeger § 23 Anm. 13. — Für Vollmachten ohne Auftrag gilt das Anm. 100 Gesagte entsprechend. d) Einstellung deS GewerbebettiebS. Die Vollmacht erlischt, soweit sie sich auf Rechts-Anm. 102. Handlungen bezieht, die zur Fortsetzung des Gewerbebetriebs gehören; sie schränkt sich ein auf Rechtshandlungen, die zur Abwicklung des Geschäftsbetriebs bzw. der betreffen­ den Geschäfte gehören (vgl. § 52 Anm. 13). Das Erlöschen der Firma hat an sich auf den Bestand der Vollmacht keinen Ein­ fluß. Wird das Geschäft eines Einzelkaufmanns veräußert, so erlischt die Voll­ macht. Stillschweigendes Geschehenlassen durch einen neuen Prinzipal kann aber unter Umständen als Erteilung einer neuen Vollmacht angesehen werden. Das gleiche gilt-auch bei Umwandlung einer bisherigen Einzelfirma in eine o.HG., auch bezüglich des Prokuristen (BapObLG. in OLGN. 34, 332); doch bleibt bezüglich des Prokuristen § 15 unberührt. Hört eine juristische Person auf zu bestehen oder wird eine Gesell­ schaft des bürgerlichen Rechts oder eine o.HG. aufgelöst, so hört begrifflich auch die Vertretungsmacht der bisher Berechtigten auf. Auch hier gilt jedoch § 15, soweit die Vertretungsmacht in das Handelsregister einzutragen war; vgl. § 136 Anm. 2, ferner § 149 Anm. 29; vgl. auch § 294 Anm. 6. i) Niederlegen der Vollmacht kann diese in der Regel nicht zum Erlöschen bringen, da die Anm. 103. Vollmacht in der Regel durch eine einseitige Willenserklärung des Vollmachtgebers ent­ standen ist (Hupka 390f.). Ist die Vollmacht ausnahmsweise durch Vertrag erteilt, oder ist über das Niederlegen ein Vertrag abgeschlossen, so ist dieser Vertrag maßgebend. — Kann das zugrunde liegende Rechtsverhältnis gekündigt werden, so endet die Vollmacht

348 Anhang ZU § 58.

V. Abschnitt: Prokura und Handlungsvollmacht.

mit dem Wirksamwerden der Kündigung. Tas Recht sofortiger Kündigung hat der Beaustragte ohne weiteres (§ 671 BGB.); beim Dienstvertrag nur nach Maßgabe des § 626

BGB. oder auf Grund Vertrags; für Handlungsgehilfen gelten §§ 70, 71 HGB. Soweit nach dem Gesagten das zugrunde liegende Rechtsverhältnis durch sofortige Kündigung des Bevollmächtigten beendet wird, spricht man im täglichen Leben häufig von einem „Niederlegen der Vollmacht"; diese Ausdrucksweise ist rechtlich nicht zutreffend; zu be­ achten ist auch, daß die Vollmacht erst mit Wirksamwerden der Kündigung erlischt, unter Abwesenden also erst, wenn diese dem anderen Teile zugeht (§ 130 BGB.). Be­ steht kein Kündigungsrecht des Bevollmächtigten oder ist die Vollmacht auftragslos erteilt, kann der Bevollmächtigte die Vollmacht überhaupt nicht zum Erlöschen bringen. Uber die Prokura vgl. § 52 Anm. 5. Mit der Kündigung endet die Vollmacht natürlich nicht nur in den erwähnten Fällen der sofortigen Kündigung des Bevollmächtigten, sondern in allen Fällen, in denen das zugrunde liegende Rechtsverhältnis durch Kündigung beendet wird. Beim Auftrag tritt für den Auftraggeber an Stelle des Kündigungsrechts das Recht des Widerrufs (§ 671 BGB.), der nicht mit dem Widerruf der Vollmacht (Anm. 93) zu verwechseln ist. Beim Dienstvertrag haben beide Teile das Kündigungsrecht (§ 620 Abs. 2 BGB.), beim Werk­ vertrag nur der Besteller, nicht aber der Unternehmer (§ 649 BGB.). Ferner kann auch Ausübung eines vertragsmäßigen Rücktritts rechts (§§ 346, 327 BGB.) das zugrunde liegende Rechtsverhältnis beenden und damit die Vollmacht zum Erlöschen bringen (Planck § 167 Erl. le). Anm. 104. 4. Schutz deS guten Glaubens bei Erlöschen der Bollmacht. Vgl. oben Anm. 7. Renier Goldberger, Schutz gutgläubiger Dritter im Verkehr mit Nichtbevollmächtigten, 1908; Enneccerus I § 174; Kiehl, Die Grenze der §§ 171, 172 BGB., im „Recht" 1924, 424. a) Dritten gegenüber gilt die erloschene Vollmacht unter bestimmten Voraussetzungen als fortbestehend. Nicht geschützt werden Dritte, wenn die Vollmachterteilung gegenüber dem Bevollmächtigten erfolgt ist und nach außen nicht im Sinne der §§ 170—172 BGB. kundgegeben ist. Vertraut der Dritte trotzdem auf die Behauptung des Bevollmächtig­ ten, er habe Vollmacht, so entfällt ein Grund dafür, den Dritten zu schützen. Ist dagegen die Vollmacht dem Dritten gegenüber erteilt, so bleibt sie in Kraft, bis der Vollmacht­ geber ihm das Erlöschen anzeigt (§ 169 BGB.). Ebenso bleibt die Vollmacht bis zum Widerruf durch den Vollniachtgeber im Falle des § 171 BGB. und bis zur Rückgabe oder Kraftloserklärung der Vollmacht im Falle des § 172 BGB. Dritten gegenüber in Kraft. Zu § 172 BGB. ist zu bemerken, daß der Tritte nur geschützt wird, wenn der Bevollmäcktigtc ihm die Vollmachtsurkunde in Urschrift vorlegt; eine Abschrift genügt nicht (vgl. B. RG. in IW. 1916, 15272; auch der Ähnlichkeit der Sachlage wegen RG. 56, 68 u. 88, 431). Vorausgesetzt ist aber, daß der Dritte gutgläubig ist, d. h. hier, daß er das Erlöschen der Vollmacht weder kennt noch kennen muß. Bezüglich des Kennenmüssens gill das § 54 Anm. 22 Abs. 2 Gesagte entsprechend. Erlischt z. B. nach Lage des Rechtsvechültnisses die Vollmacht durch den Tod des Machtgebers, so muß der Dritte dieses Erlöschen sich entgegenhalten lassen, wenn die Umstände so liegen, daß der Tritte wußte oder Nissen mußte, daß der Vollmachtgeber gestorben ist und daß das zugrunde liegende Rechtsvechältnis von der Art ist, daß durch den Tod des Vollmachtgebers die Vollmacht erlischt. Andirerseits schadet ihm sein Wissen oder Wissenmüssen derart, daß er, wenn er dch Er­ löschen der Vollmacht kennt oder kennen muß, nicht geltend machen kann, die Vollnacht sei nicht in derselben Weise widerrufen oder die Kundgebung des erfolgten Erlöshens sei nicht in der Weise erfolgt wie die Erteilung oder die Kundgebung der Vollnacht (§ 173 BGB.). Anm. 105. b) Sowohl der gutgläubige Bevollmächtigte wie der gutgläubige Dritte werden gechützt auf Grund § 169 BGB. in Verb, mit §§ 674, 675, 729, 168 BGB. Ein Auftrag ein Dienst-, Werk- oder Gesellschaftsvertrag, der anders als durch Widerruf oder Kündgung

V. Abschnitt: Prokura und Handlungsvollmacht.

349

erloschen ist, gilt dem gutgläubigen Beauftragten usw. gegenüber als fortbestehend, bis Anhang dieser vom Erlöschen Kenntnis hat. Gemäß § 168 BGB. gilt auch die auf Grund eines ZU § 58.

solchen Verhältnisses erteilte Vollmacht als fortbestehend; dies gilt nach § 169 BGB. auch dem gutgläubigen Dritten gegenüber. Diesem gegenüber kommt es also hier nicht, wie in Anm. 104, auf die Art der Vollmachterteilung an. c) Im Falle deS Konkurses werden gutgläubige Dritte bei Abschließen mit einem Bevoll- Anm. 106. mächtigten nur insoweit geschützt, als sie es bei Abschließen mit dem Vollmachtgeber selbst sein würden; es kommt § 7 KO., bei Leistungen an den Bevollmächtigten § 8 KO. zur Anwendung (Jaeger § 23 Anm. 12; s. ferner § 52 Anm. 12). d) Das Gesagte gilt auch bezüglich der Handlungsvollmacht (vgl. KG. in KGJ. 40, 71),Anm. 107. nicht dagegen ohne weiteres für die Prokura und die Vertretungsmacht im Gesell­ schaftsrechte, soweit diese in das Handelsregister einzutragen ist. Hier greifen wieder die Vorschriften des § 15 ein, auch zugunsten des Dritten (vgl. § 15 Anm. 14 und Anm. 4; § 125 Anm. 26; § 136 Anm. 2). 5. Der Widerruf der Vollmacht kann noch andere Rechtsfolgen nach sich ziehen. Unter Anm. 108. Umständen Auflösung des Dienstverhältnisses (§ 71 Anm. 6) und Klage auf Entschädigung (§ 52 Anm. 4). Selbstverständlich aber kann der Grund der Vollmachtsentziehung gerecht­ fertigt oder gar so beschaffen sein, daß der Prinzipal gleichzeitig zur Aufhebung des zu­ grunde liegenden Verhältnisses befugt ist. — Eine Vertragsstrafe, die für den Fall des Widerrufs versprochen ist, ist in der Regel gültig. Denn auch das Leistungsver­ sprechen ist rechtlich zulässig, da auf das Recht auf Widerruf der Vollmacht wirksam ver­ zichtet werden kann. Ist ein Verzicht auf das Widerrufsrecht nach Anm. 93 unwirksam, so wird in der Regel auch eine für diesen Fall ausbedungene Vertragsstrafe als ungültig anzusehen sein. Im allgemeinen wird ein Vertrag, durch den der Vollmachtgeber für den Fall des Widerrufs der Vollmacht eine Vertragsstrafe verspricht, so auszulegen sein, daß diese Vertragsstrafe nur für den Fall eines Widerrufs ohne wichtigen Grund oder mindestens ohne einen in der Person des Bevollmächtigten liegenden Grund zugesagt ist. H. Mittelbare Stellvertretung. 1. Oft wird jemand beauftragt, für einen anderen Rechtshandlungen vorzunehmen; für Anm. 109. dessen Rechnung, aber im eigenen Namen. In dieser Rechtslage sind insbesondere der Kommissionär (§ 383) und der Spediteur (§ 407). Auch abgesehen von diesen beiden Fällen ist diese Art des Auftretens im Rechtsverkehr sehr häufig, und doch wird sie weder im HGB. noch im BGB. geregelt. Es will z. B. jemand aus irgendwelchen Gründen nicht als Zeichner von Aktien auftreten; er beauftragt deshalb einen anderen, im eigenen Namen, aber für seine Rechnung zu zeichnen (vgl. § 182 Anm. 12). In allen diesen Fällen liegt sog. mittelbare Stellvertretung vor (vgl. oben Einleitung und Anm. 17; ferner An­ hang zu § 382 Anm. 56). 2. In solchen Fällen wird aus dem abgeschlossenen Rechtsgeschäfte der Beauftragte berechtigt Anm. 110. und verpflichtet. Man kann sein Auftreten nicht etwa als ein Scheingeschäft und die ab­ geschlossenen Rechtsgeschäfte als nichtig ansehen. Die Rechte werden zunächst seine Rechte, die Pflichten seine Pflichten und gehen erst durch selbständige Übertragungshandlungen auf den Auftraggeber über. Das Eigentum an Gegenständen, die aus solche Weise erworben werden, erwirbt zunächst der Beauftragte (vgl. § 383 Anm. 31; RG. 54, 106; 80, 398). Auch wenn er die Absicht hätte, unmittelbar für den Auftraggeber Eigentum zu erwerben, würde er es doch für sich erwerben. Die Übertragung des Eigentums an den Auftrag­ geber kann gemäß § 930 BGB. auch ohne ausdrückliche Übergabe erfolgen, da auf Grund des Austragsverhältnisses zwischen ihm und dem Auftraggeber ein Rechtsverhältnis besteht, vermöge dessen der Auftraggeber mittelbaren Besitz hat. Erforderlich ist nur, daß der Wille, Eigentum zu übertragen, irgendwie in die äußere Erscheinung tritt (vgl. Anm. 37). So überträgt der Handlungsgehilfe, der eine Ware für den Prinzipal einkauft, das Eigen­ tum auf diesen, indem er die Ware im Laden seines Prinzipals niederlegt (DürHach. Vordem, vor § 48 Anm. 29). Anders, wenn der Beauftragte Bevollmächtigter oder sonst

350 Anhang zu § 58.

V. Abschnitt: Prokura und Handlungsvollmacht.

unmittelbarer Stellvertreter ist. Dann gehen die Rechte und Pflichten gemäß Anm. 14ff. unmittelbar auf den Auftraggeber über, ohne daß eS eines besonderen Ubertragungs-

geschäfts bedürfte.

J. Vertretung ohne Vertretungsmacht. Anm. 111. I. Hierüber bestimmen die §§ 177—180 BGB. Sie lauten:

§ 177. Schließt jemand ohne Vertretungsmacht im Namen eines anderen einen Ver­ trag, so hängt die Wirksamkeit des Vertrags für und gegen den Vertretenen von dessen Ge­ nehmigung ab. Fordert der andere Teil den Vertretenen zur Erklärung über die Genehmigung auf, so kann die Erklärung nur ihm gegenüber erfolgen: eine vor der Aufforderung dem Vertreter gegenüber erklärte Genehmigung oder Verweigerung der Genehmigung wird unwirksam. Die Genehmigung kann nur bis zum Ablaufe von zwei Wochen nach dem Empfange der Auf­ forderung erklärt werden: wird sie nicht erklärt, so gilt sie als verweigert. 8 178. Bis zur Genehmigung des Vertrags ist der andere Teil zum Widerrufe berech­ tigt, es sei denn, daß er den Mangel der Vertretungsmacht bei dem Abschlüsse des Vertrags gekannt hat. Der Widerruf kann auch dem Vertreter gegenüber erklärt werden. 8 179. Wer als Vertreter einen Vertrag geschlossen hat, ist, sofern er nicht seine Ver­ tretungsmacht nachweist, dem anderen Teile nach dessen Wahl zur Erfüllung oder zum Schadens­ ersätze verpflichtet, wenn der Vertretene die Genehmigung des Vertrags verweigert. Hat der Vertreter den Mangel der Vertretungsinacht nicht gekannt, so ist er nur zum Ersätze desjenigen Schadens verpflichtet, welchen der andere Teil dadurch erleidet, daß er auf die Vertretungsmacht vertraut, jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus, welches der andere Teil an der Wirksamkeit des Vertrags hat. Der Vertreter haftet nicht, wenn der andere Teil den Mangel der BertretungSmacht kannte oder kennen mußte. Der Vertreter haftet auch dann nicht, wenn er in der Geschäfts­ fähigkeit beschränkt war, es sei denn, daß er mit Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters gehandelt hat. 8 180. Bei einem einseitigen Rechtsgeschäft ist Vertretung ohne Vertretungsinacht unzulässig. Hat jedoch derjenige, welchen, gegenüber ein solches Rechtsgeschäft vorzunehmen war, die von dein Vertreter behauptete Vertretungsinacht bei der Vornahme des Rechts­ geschäfts nicht beanstandet oder ist er damit einverstanden gewesen, daß der Vertreter ohne Vertretungsmacht handle, so finden die Vorschriften über Verträge entsprechende Anwen­ dung. Das gleiche gilt, wenn ein einseitiges Rechtsgeschäft gegenüber einem Vertreter ohne BertretungSmacht mit dessen Einverständnisse vorgenommen wird. Anm. 112. II. Zunächst ist von dem Falle zu handeln, daß ein Vertrag von einem Ver­ treter ohne

Vertretungsmacht

geschlossen

ist

(§§ 177—179 BGB.).

Bemerkt

sei, daß letzterer vom Gesetze und ebenso im folgenden schlechthin als „Vertreter* bebezeichnet wird. Hier kommt in Betracht: einmal das Rechtsverhältnis zlvischen den bdbcii

Vertragsteilen, und zweitens die Folgen eures derartigen Auftretens für den angeblichen Vertreter.

Anm. 113. 1. DaS Verhältnis zwischen den beiden BertragSteilen (§§ 177ff. BGB.). (Über eine Aus­ nahmevorschrift bei den Vermittlungsagenten s. § 85 HGB.) u) Der Vertretene ist nicht gebunden.

Er kann den Vertrag genehmigen und da)urch

für und gegen sich wirksam machen oder die Genehnngung versagen.

Anm. 114. b) Die Genehmigung kann sowohl durch Erklärung gegenüber dem Vertreter als gegenüber dem anderen Teile erfolgen

(§ 182 BGB.). —

Ob

die

Ge­

nehmigung unwirksam oder anfechtbar ist, richtet sich nach den allgemeirren Grundätzen (§§ 116—121 BGB.). Ist die Genehmigung erteilt, weil der Genehnrigende durch cinen

Dritten getäuscht worden ist, und hat der Vertragsgegner die Täuschung rveder ge'.annt noch kennen müssen (§ 123 Abs. 2 BGB.), so ist die Genehmigung nicht anfechtbar, der

Getäuschte hat nur gegen den Täuschenden Anspruch auf Schadensersatz; dabei st es

streitig, ob als Dritter auch der Vertreter anzusehen ist, wenn die Täuschung vorn Verlags­ gegner erfolgt ist, und umgekehrt (vgl. Staudirrger § 182 Bem. 8). — Ein Rechtsgeschäft,

V. Abschnitt: Prokura und Handlungsvollmacht.

351

daS der Vorschrift deS § 181 BGB. zuwider vom Vertreter mit sich im eigenen Namen Anhang abgeschlossen worden ist, wird durch Genehmigung deS Vertretenen, ein solches, das vom ZU § 58. Vertreter mit sich als Vertreter eines Dritten vorgenommen worden ist (Anm. 31 ff.), wird durch die Genehmigung der beiden Vertretenen gültig (RG. 67, 51). c) Der andere Teil kann der Ungewißheit darüber, ob der Vertrag genehmigt wird oder Anm. 115. nicht, durch eine Aufforderung an den Vertretenen zur Erklärung über die Genehmigung ein Ende machen. Diese Aufforderung bewirkt einmal, daß eine etwa bereits dem Vertreter gegenüber erklärte Genehmigung oder Verweigerung der Ge­ nehmigung unwirksam wird. Der Vertretene hat jetzt nochmals freie Hand, sich über die Genehmigung zu erklären, aber nur innerhalb zweier Wochen und nur gegenüber dem anderen Teile. Erfolgt sie nicht in dieser Frist und in dieser Weise, so gilt sie als ver­ weigert. d) Der andere Teil hat noch das weitere Recht, den Vertrag seinerseits zuAnm. 116. widerrufen, und zwar so lange, bis ihm die Genehmigung des Vertretenen zugegangen ist, also auch dann, wenn er die Aufforderung der Erklärung an den Vertretenen bereits erlassen hat. Nur dann hat er dieses Widerspruchsrecht nicht, wenn er den Mangel der Vertretungsmacht bei Abschluß des Vertrags gekannt hat. In diesem Falle muß er warten, bis der Vertretene sich erklärt. Er kann nur eine endgültige Entscheidung durch die Auf­ forderung zur Erklärung herbeiführen. Der rechtmäßig erklärte Widerruf bewirkt, daß der Vertrag als von Anfang an un­ wirksam anzusehen ist. Auch gegenüber dem angeblichen Vertreter sind die in Anm. 121 ff. dargelegten Rechtsfolgen nicht entstanden; seine Haftung aus unerlaubter Handlung bleibt unberührt. o) Eine dem Vertreter gegenüber erklärte Genehmigung wirkt nicht immerAnm. 117. endgültig; s. Anm. 115. t) Die erteilte Genehmigung bewirkt, daß der Vertrag als von Anfang an wirksamAnm. 118. gilt (§ 184 BGB.). Doch muß der von den Vertragschließenden gewollte Erfolg zu diesem Zeitpunkte noch rechtlich möglich sein, was z. V. nicht der Fall ist, wenn es sich um eine befristete Rechtsfolge handelt und die Genehmigung nach Ablauf der Frist erklärt ist. Durch die Genehmigung wird der Vertrag so, wie er abgeschlossen ist, von Anfang an wirksam; es ist also nicht anders, als wenn der Vertreter Vollmacht gehabt und nach bestimmter Weisung des Vollmachtgebers gehandelt hätte; daher finden beide Absätze des § 166 BGB. Anwendung (RG. 68, 374; streitig). Ein Anspruch des Vertragsgegners gegen den Ver­ treter besteht im Falle der Genehmigung nicht, außer aus unerlaubter Handlung. Die Verweigerung der Genehmigung bewirkt, daß der Vertrag als von Anfang an unwirksam gilt. Die Erteilung und die Verweigerung der Genehmigung können nicht widerrufen werden; s. jedoch Anm. 120. Der Anspruch gegen den Vertreter tritt im Falle der Weigerung in seine eigentliche Wirksamkeit. 8) Die Genehmigung ist formfrei, auch dann, wenn das zu genehmigende RechtsgeschäftAnm. 119. an eine Form gebunden ist (§ 182 BGB.). Genehmigung kann z. B. im Mitstimmen in einer Gesellschafterversammlung für die zu genehmigende Maßregel liegen (RG. 63, 96); ebenso darin, daß Ansprüche aus dem Vertrage erhoben werden (vgl. auch RG. 64, 149). Auch bloßes Stillschweigen hat die Bedeutung einer Genehmigung, aber nur, falls eine Erklärung möglich und nach den Grundsätzen Lon Treu und Glauben für den Fall der Nichtgenehmigung zu erwarten war (Bolze 22 Nr. 243; RG. 75, 419; vgl. auch RG. in IW. 1911, 49120; s. jedoch zu diesen Urteilen Anm. 30). ü) Die Genehmigung kann unter einer Bedingung erfolgen. (Ebenso PlanckAnm. 120. § 177 Erl. 3; Vordem, vor § 158 Erl. 3d; auch der RGRKomm. vor § 158 Anm. 6 so­ wie Dernburg und Oertmann führen die Genehmigung nicht unter den bedingungsfeind­ lichen Rechtsgeschäften auf; abw. unser Kommentar 6. bis 9. Aufl. und Staudinger Vordem, vor § 158 Bem. 5 Abs. 2). Hat aber der andere Teil den Vertreter gemäß § 177 Abs. 2 BGB. zur Genehmigung aufgefordert, so verlangt die Sicherheit des anderen Teiles unbedingte

352 Anhang z« § 58.

Anm. 121.

Anm. 122.

Anm. 123.

Anm. 124.

Anm. 125.

V. Abschnitt: Prokura und Handlungsvollmacht.

Erklärung (ähnlich Cosack, BGB. 6. Ausl. S. 176 zu § 108 BGB.). Ferner ist bedingte Genehmigung nicht zulässig, wenn das vom Vertreter vorgenommene Rechtsgeschäft selbst bedingungsfeindlich ist. — Die Genehmigung unter einer Einschränkung, Er­ weiterung oder sonstigen Abänderung ist nicht, wie im Falle des § ISO BGB., immer eine endgültige Weigerung; es kann daher eine spätere vorbehaltlose Genehmigung nach den Umständen doch wirksam werden (ebenso Planck § 177 Erl. 1 in Verb, mit § 108 Erl. 4). i) Ob der Vertretene bei teilweiser Überschreitung der Bertretungsmacht den Teil des Geschäfts, in dem die Überschreitung liegt, ablehnen, den anderen aber genehmigen kann, ist entsprechend dem in Anm. 125 Gesagten zu beurteilen. 2. Die Rechtsfolgen für den Vertreter ohne Bertretungsmacht. a) Die Rechtsfolgen treten ein, wenn der Geschäftsherr die Genehmigung ver­ weigert (nicht, wenn er sie erteilt, Anm. 118; nicht, wenn der Vertragsgegner den Vertrag zulässigerweise widerruft, Anm. 116; und noch nicht, solange die Frage der Ge­ nehmigung oder Verweigerung noch schwebt). d) Rechtsgrund der Haftung. Die Frage war unter dem früheren Rechte streitig, ihre Beantwortung ist u. a. für die Verjährungsfrist von Bedeutung. Sie ist jetzt dahin zu be­ antworten, daß es sich um gesetzliche Haftung handelt (Hupka, Haftung 83ff.; Oertmann § 179 Nr. II4). Der gesetzgeberische Gedanke, der dieser Haftung zugrunde liegt, ist Schutz des gutgläubigen Erklärungsgegners in seinem Vertrauen auf die vom Ver­ treter behauptete Vertretungsmacht (vgl. RG. bei Gruch. 58, 652; Übersichten über ab­ weichende Ansichten bei Hupka und Oertmann a. a. £).). c) Als Vertreter muß er gehandelt haben, er muß sich als solcher ausgegeben haben. Stellte er die Vertretungsmacht als zweifelhaft hin, fo liegt allenfalls ein durch die einzuholende Genehmigung des Geschäftsherrn bedingter Vertrag vor, aber nicht ein Fall der Haftung des Vertreters. d) Ohne Vertretungsmacht muß der angebliche Vertreter gehandelt haben; dies ist dann der Fall, wenn er überhaupt keine Vertretungsmacht hatte (weder gesetzliche Vertretungs­ macht noch Vollmacht; vgl. RG. bei Gruch. 58, 652), oder wenn die Vollmacht nichtig war (z. B. wegen Geschäftsunfähigkeit des Machtgebers, RG. 69, 264), oder wenn sie mit Erfolg angefochten oder erloschen war, oder wenn ein Vertreter entgegen § 181 BGB. mit sich selbst abgeschlossen hatte. Über die Besonderheiten, die sich bei erloschener Voll­ macht aus §§ 170—172 ergeben, vgl. Anm. 104ff.; über die bei Ungültigkeit der Voll­

macht vgl. Anm. 7; soweit hiernach die erloschene oder ungültige Vollmacht dem anderen Teile gegenüber als wirksam gilt, ist der Vollmachtgeber verpflichtet; eine Haf­ tung des Vertreters tritt nicht ein. Bei Überschreitung der Vollmacht liegt gleichfalls Vertretung ohne Vertretungs­ macht vor; vgl. RG. bei WarneyerRspr. 09 Nr. 345. Liegt nur teilweise Über­ schreitung vor, so ist eine einheitliche Beantwortung der Frage nicht möglich. Wird durch die Überschreitung das ganze Geschäft beeinflußt, so z. B. wenn unter anderen Nebenabreden oder zu niedrigeren Preisen verkauft wurde, als der Vertretungsmacht ent­ sprach, oder wenn es sich um nicht teilbare Ansprüche handelt, so ist Vollmachtsüberschreitung für das ganze Geschäft anzunehmen. Handelt es sich dagegen um teilbare Ansprüche, ist z. B. mehr verkauft, als der Vollmacht entsprach, so ist in entsprechender Anwendung des § 139 BGB. zu entscheiden, ob der eine Teil des Geschäfts für und gegen den Vertretenen gilt und auf den anderen § 179 BGB. Anwendung findet, oder ob nach der Jnteressenlage des Vertragsgegners und des Vertretenen (Hupka, Haftung 149ff.; vgl. ROHG. 4, 219) das ganze Geschäft nach § 179 BGB. zu beurteilen ist. Sind mehrere Geschäfte abgeschlossen, die zum Teil innerhalb, zum Teil außerhalb der Vertretungs­ macht liegen, so wirken diese natürlich zum Teil für und gegen den Vertretenen, auf den anderen Teil findet § 179 BGB. Anwendung. Anm. 126. e) Der Nachweis, daß ohne Vertretungsmacht gehandelt ist, ist nicht vom Vertragsgegner zu führen. Vielmehr muß der, welcher sich als Vertreter ausgibt, auch beweisen, daß

V. Abschnitt: Prokura und Handlungsvollmacht.

353

er Vertretungsmacht hatte, oder daß eine der Voraussetzungen des § 179 Abs. 2 BGB. Anhang (vgl. Anm. 132, 133) oder des § 179 Abs. 3 BGB. (Anm. 127, 128) vorliegt. Der andere ZU § K8.

Teil hat, wenn er den Vertreter in Anspruch nehmen will, nur nachzuweisen, daß der Geschäftsherr die Genehmigung verweigert (vgl. RGRKomm. § 179 Anm. 5). Anderer­ seits hat der Vertragsgegner gegen den Vertreter kein klagbares Recht auf Nachweis der Vollmacht. Vielmehr stehen ihm, wenn der Vertreter als solcher handelt, der Geschäfts­ herr aber die Genehmigung verweigert hat, nur Rechte aus § 179 BGB. zu (KG. in OLGR. 5, 52). f) Ob § 179 Abs. 1 BGB. auch anwendbar ist, wenn die zu vertretende Person nichtAnm. 126a. vorhanden ist, ist streitig; vgl. hierüber Meyer im „Recht" 1910, 695; Strucksberg in LZ. 1912, 378; Planck § 179 Erl. 3c; RGRKomm. § 179 Anm. 1; abw. von diesen Staudinger § 179 Bem. 3a. Besondere Regelung hat die Frage gefunden für noch nicht bestehende juristische Personen; s. hierüber § 200 HGB., besonders dort Anm. 7; ferner § 11 GmbHG. (vgl. hierzu RG. 70, 296); auch Koenige, PrivVUntG. § 15 Anm. 3 u. 6. g) Vorausgesetzt ist in den Anm. 122ff., daß der andere Teil den Mangel der Ver-Anm. 127. tretungsmacht nicht kannte und auch nicht kennen mußte (§ 179 Abs. 3 BGB.). Kannte der andere Teil den Mangel der Vertretungsmacht oder mußte er ihn auch nur kennen — wofür aber der Vertreter behauptungs- und beweispflichtig ist —, so fällt der Anspruch gegen den Vertreter fort, auch wenn dieser wissentlich ohne Vertretungsmacht gehandelt hat. Kennen müssen bedeutet: Aus Fahrlässigkeit nicht kennen (§ 122 Abs. 2 BGB.). Fahrlässigkeit aber begeht, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht läßt (§ 276 BGB.). Daraus folgt, daß das Vertrauen auf das Wort des Vertreters nicht ohne weiteres als Fahrlässigkeit ausgelegt werden kann; es müssen die Umstände des Falles so liegen, daß nach der Auffassung des Verkehrs eine Erkundigung nach der Voll­ macht geboten ist (vgl. RG. bei Gruch. 58, 654). — Auch § 179 Abs. 3 BGB. findet in den in Anm. 126a angeführten Fällen auf die Vertreter der noch nicht bestehenden Ge­ sellschaften keine Anwendung; vgl. die in Anm. 126a Angeführten. h) Voraussetzung für die Haftung des angeblichen Vertreters ist endlich, daß er entwederAnm. 128. voll geschäftsfähig ist oder daß er, wenn er in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, mit Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters gehandelt hat (§ 179 Abs. 3 BGB.). i) Dagegen ist es ohne Belang, ob der Vertreter den Mangel seiner Ver-Anm. 129. tretungsmacht kannte oder nicht. Nur ist im letzteren Falle seine Haftung eine be­ schränktere (Anm. 133). k) Nicht Voraussetzung ist ferner die Vorausklage gegen den Vertretenen.Anm. 130. Die Haftung des angeblichen Vertreters ist keine ersatzweise, sondern eine selbständige. Aber der Vertragsgegner ist dem Vertreter gegenüber berechtigt, den Vertretenen zu verklagen, und kann im Unterliegensfalle die Kosten des Rechtsstreits vom Vertreter ersetzt verlangen (s. Anm. 133). Er ist nicht etwa verpflichtet, wenn der Vertretene die Genehmigung verweigert, sich nunmehr lediglich an den Vertreter zu halten. Wohl aber wird der Vertreter in der Regel dann nicht zum Ersätze der Kosten des Rechtsstreits zu verurteilen sein, wenn er selbst nachträglich, aber vor Rechtshängigkeit des Rechtsstreits gegen den angeblichen Machtgeber, dem Vertragsgegner glaubhaft mitteilt, er sei in Wahrheit nicht bevollmächtigt gewesen. — Voraussetzung ist, daß der angebliche Macht­ geber bestreitet, daß zur Zeit des Geschäftsabschlusses Vertretungsmacht bestand. — Hat der Vertreter den Vertrag von der Genehmigung des Vertretenen abhängig gemacht, so findet § 179 Abs. 1 BGB. nicht Anwendung. 3. Die Folge der Vertretung ohne BertretungSmacht ist daS Recht deS anderen Teils, Anm. 131. nach seiner Wahl Erfüllung oder Schadensersatz zu Verlangen (§ 179 Abs. 1 BGB.). a) Nach seiner Wahl. Es handelt sich um eine Wahlschuld im Sinne der §§ 262ff. BGB., nur mit der Ausnahme von der Regel des § 262 BGB., daß das Wahlrecht ausschließ­ lich dem Gläubiger zusteht (bestritten; Näheres s. Hupka, Haftung 240ff.). Es kann des­ halb nicht etwa der Vertreter die Erfüllung anbieten und die Gegenleistung erzwingen. Staub, HGB., 12. u. 13. Bd. I. (Bondi.) 23

354

Anhang r« 6 68.

V. Abschnitt: Prokura und Handlungsvollmacht.

Auch kann der andere Teil nur eines dieser Rechte geltend machen, nicht beide, und ist, wenn er die Erfüllung gewählt hat, an diese Wahl gebunden, so zwar, daß nun auch der Vertreter auf Grund des Vertrags klagen kann (Stark in LZ. 1918, 365; a. M. Hupka, Haftung 223, der dem Vertreter dieses Recht erst dann einräumt, wenn der andere Teil Erfüllung gefordert, nicht schon dann, wenn er Erfüllung gewühlt hat). Die Er­ klärung der Wahl erfolgt gegenüber dem angeblichen Vertreter (§ 263 Abs. 1 BGB.). Auch kann der Vertreter dem anderen Teile, wenn dieser im Verzüge ist, eine Frist zur Aus­ übung der Wahl stellen, nach deren Ablauf die Wahl auf ihn übergeht (§ 264 Abs. 2 BGB.; Planck § 179 Erl. 4c; DürHach. Vordem, vor § 48 Anm. 72). Anm. 132. d) Erfüllung oder Schadensersatz. Wählt der andere Teil Erfüllung, so kann er sie so verlangen, wie er sie vorn Vertretenen hätte verlangen können (OLG. Hamburg in OLGR. 12, 21). War daher dem Vertretenen infolge seiner Kaufmannseigenschaft die Einrede der kurzen Verjährung entzogen, so kann sie auch der angebliche Vertreter nicht geltend machen. Umgekehrt kann er die sachlichen Einreden, die der Vertretene hätte vorbringen können, gleichfalls vorschützen und hat auch sonst, z. B. bei Mängeln der Kaufsache (Anhang zu § 374 Anm. 42), die gleichen Rechte wie der Vertretene (vgl. ROHG. 11, 358); dagegen kann er nicht mit einer Forderung des Vertretenen aufrech­ nen (Hupka, Haftung 225). — Andererseits erwirbt der andere Teil gegen den Vertreter nicht mehr Rechte, als er gegen den Vertretenen gehabt hätte. Die Gegenleistung muß er nunmehr an den Vertreter bewirken, so daß er umgekehrt Erfüllung nicht mehr ver­ langen kann, wenn er seinerseits nicht mehr imstande ist, dem Vertreter die Gegenleistung zu gewähren; so z. B. wenn der angeblich Vertretene die Gegenleistung angenommen und seinerseits den Preis gezahlt hat, zu dessen Vereinbarung der Vertreter ermächtigt war, während er den Rest wegen Vollmachtsüberschreitung zu zahlen verweigert. Hier kann der andere Teil entweder die Erfüllung zurückfordcrn und alsdann gegen den an­ geblichen Vertreter auf Erfüllung klagen oder, wenn er dies nicht will, gegen den Ver­ treter nur auf Ersatz des Schadens klagen, der in dem Unterschiede zwischen dem verein­ barten und dem von dem angeblich Vertretenen gezahlten Preise liegt. — Ist Erfüllung unmöglich, so tritt, wenn der Vertreter hierfür verantwortlich ist, an Stelle dieser der Schadensersatzanspruch. — Neben der Erfüllung kann der Dritte Schadensersatz wegen Verzögerung fordern (Wendt in Endemanns Handb. I § 73; DürHach. Vorbern, vor § 48 Anm. 74). — Erfüllung kann nicht verlangt werden, tuciui der Vertreter den Mangel der Vertretungsmacht nicht kannte, gleichviel ob schuldhaft oder nicht (§ 179 Abs. 2 BGB.). Infolge dieser und der oben in Annr. 127 behandelten Einschränkung engt sich das tatsächliche Endergebnis dahin ein, daß die volle unbe­ schränkte Haftung des Vertreters ohne Vertretungsnracht rrur eintritt, wenn er sich allein des Mangels der Vertretungsmacht bewußt war. Anm. 133. Auch der Schadensersatz gestaltet sich verschieden, je nachdenr der Vcrtretcr den Mangel der Vertretungsmacht kannte oder nicht kannte (§ 179 Abs. 2 BGB.). Kannte er ihn, so ist jede Art von Schaden gemeint, das volle Erfülluugsinteresse. Hat ater der Vertreter den Mangel der Vertretungsmacht nicht gekannt, und sei es auch aus cigener Schuld, so haftet er nur auf das sog. negative Vertragsinteresse (Vertrauensinttresse), jedoch nicht über das Erfüllungsinteresse hinaus; über abstrakte Berechnung j. RG. 5S, 327; 59, 157 und RG. bei Holdheim 08, 15. Die mildere Haftung des Vertreters nach § 179 Abs. 2 tritt jedoch nicht ein, wenn er das Bestehen der Vertrctungsmacht so zuglsichert hat, daß hierin ein Garantieversprechen liegt; vgl. Hölder, BGB. § 179 Erl. 4 und Planck § 179 Erl. 2c. Der Schadensersatz ist nach § 249 BGB. dadurch zu leisten, daß der Zustand mederhergestellt wird, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstan) nicht eingetreten wäre, hier also, wenn der Mangel der Vertretungsmacht nicht vorhanden, diese vielmehr rechtsbeständig gewesen wäre. Aus der Gegenüberstellung von „Er­ füllung" und „Schadensersatz^ im § 179 Abs. 1 BGB. folgt aber, daß als Schadens-

V. Abschnitt: Prokura und Handlungsvollmacht.

355

ersatz hier nicht wieder Erfüllung gefordert werden kann; sonst würde Schadensersatz in Anhang der Regel dasselbe bedeuten wie Erfüllung; eine Abweichung würde sich nur aus §§ 250, jU § 58.

251 BGB. ergeben (vgl. hierüber 9. Ausl. Anm. 60). Vielmehr muß aus der Gegen­ überstellung von Erfüllung und Schadensersatz und der Entstehungsgeschichte des § 179 BGB. (Planck § 179 Erl. 4b) gefolgert werden, daß hier Schadensersatz wegen Nicht­ erfüllung gemeint ist; dieser ist in Geld zu leisten und kann gleichfalls abstrakt berechnet werden (ebenso Hupka, Haftung 231; Planck § 179 Erl. 4b; RGRKomm. § 179 Anm. 1; Enneccerus I § 170 Anm. 13; im Ergebnis ebenso Oertmann § 179 Nr. II 2b, der jedoch nicht Schadensersatz wegen Nichterfüllung, sondern Ersatz „des Wirksamkeitsinteresses" annimmt; a. A. unser Kommentar 6. bis 9. Ausl.; DürHach. Vordem, vor §48 Anm. 74; Staudinger § 179 Bem. 4). — Unter Umständen übersteigt der Schadensersatzanspruch den Erfüllungsanspruch, z. B. wenn der Vertragsgegner erst den angeblich Vertretenen er­ folglos verklagt hat und nun von dem angeblichen Vertreter auch die Kosten dieses Rechts­ streits als Schadensersatz verlangt (Anm. 130; DürHach. Vordem, vor § 48 Anm. 74; Behrend in DIZ. 08, 642; a. M. Ternburg I § 1697). In allen Fällen tritt freie Schadensschätzung nach § 287 ZPO. ein (hierüber § 347 Anm. 24). Uber den Er­ füllungsort entscheidet der Inhalt des Vertrags; wo dieser zu erfüllen ist, hat auch der falsche Vertreter zu leisten (OLG. Kolmar in ElsLothZ. 18, 124). III-Bei einseitigen Rechtsgeschäften, die der Vertreter ohne Bertretungsmacht vornimmt, Anm. gilt folgendes: 1. Die Regel ist, daß Vertretung ohne Vertretungsmacht bei einseitigen Rechtsgeschäften unzulässig ist. Das Geschäft ist also nichtig, und auch der Vertreter haftet nicht, außer bei unerlaubter Handlung. 2. Ausnahmsweise ist das einseitige Rechtsgeschäft nicht unwirksam, nämlich wenn derAnm. Vertreter die Vertretungsmacht behauptet und der andere Teil die Vornahme des Rechts­ geschäfts nicht beanstandet hat oder gar damit einverstanden war, daß der Vertreter ohne Vertretungsmacht handle (RG. 66, 432). In diesem Falle finden die Vorschriften über Verträge Anwendung. Das heißt: das Geschäft wird nach Maßgabe der §§ 177, 178 BGB. genehmigungsfähig. Wird die Genehmigung erteilt, so wird das Geschäft nach Maßgabe des § 184 BGB. wirksam. Wird sie verweigert oder gilt sie als verweigert, so ist das Geschäft für den Vertretenen unwirksam, und der Vertreter haftet nach § 179 BGB. Er haftet also in dem Falle nicht, in dem der andere Teil mit dem Handeln ohne Ver­ tretungsmacht einverstanden war (§ 179 Abs. 3 BGB.), wohl aber in den Fällen, in denen der andere Teil nicht gerade mit dem Verhandeln ohne Vertretungsmacht einverstanden war, aber dies Handeln auch nicht beanstandet hat, weil er nicht wußte und auch nicht wissen mußte, daß die Vertretungsmacht fehlte (vgl. das Beispiel bei DürHach. Vordem, vor § 48 Anm. 79: Die Ehefrau eines Kaufmanns kündigt einem Handlungsgehilfen, der annimmt, daß dies in Vollmacht ihres Ehemanns erfolge. Es stellt sich heraus, daß eine solche fehlt. Für den Schaden, der durch die Erklärung der Ehefrau des Prinzipals erwächst, haftet sie; z. B. auf Ersatz der Auslagen des Handlungsgehilfen für Zeitungs­ anzeigen). — Tie Bestimmungen dieser Anmerkung gelten aber nur für empfangs­ bedürftige Rechtsgeschäfte; für nicht empfangsbedürftige gilt Anm. 34 ohne Aus­ nahme (vgl. RIA. 2, 216; a. A. Hupka, Haftung 122ff.). IV. Bei einem einseitigen Rechtsgeschäfte, das gegenüber dem Vertreter ohne BertretungS-Anm. macht vorgenommen wird, gilt das gleiche, wenn es mit dessen Einverständnisse vor­ genommen wird. Gleichgültig ist, ob er oder der andere Teil den Mangel der Vertretungs­ macht gekannt hat. Das hat nur für die Anwendung der §§ 178, 179 BGB. Bedeutung. Wohl aber ist erforderlich, daß der Vertreter und der andere Teil von der gleichen Art der Vertretungsmacht des Vertreters (rechtsgeschästlich oder gesetzlich) ausgehen. V. Das Verhältnis zwischen dem angeblichen Vertreter und dem Vertretenen bestimmt Anm. sich in der Regel nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677ff.

BGB.).

134.

135.

136.

137.

356

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

Sechster Abschnitt.

§ 59.

Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge. § 59. Wer in einem Handelsgewerbe zur Leistung kaufmännischer Dienste gegen Entgelt angestellt ist (Handlungsgehilfe), hat, soweit nicht besondere Vereinbarungen über die Art und den Umfang seiner Dienstleistungen oder über die ihm zukommende Vergütung getroffen sind, die dem Grtsgebrauch entsprechenden Dienste zu leisten sowie die dem Grtsgebrauch entsprechende Vergütung zu beanspruchen. )n Ermangelung eines Grtsgebrauchs gelten die den Umständen nach angemessenen Leistungen als vereinbart. Lit.: Horrwitz, Das Recht der Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge, 2. Aufl., Berlin 1905; Fuld, Das Recht der Handlungsgehilfen, Hannover 1897; Lotmar, Der Arbeits­ vertrag, 2 Bände, Leipzig 1902 u. 1908; Korn, Der kaufmännische Dienstvertrag und die Ver­ kehrssitte, in GewGer. 10, 359; Baum, Der Dienstvertrag der kaufmännischen Angestellten, Jena 1908; van der B orght, Das Recht des Handlungsgehilfen, Berlin 1909; Koehne, Dienst­ vertrag und Werkvertrag, in GewKfmG. 11, 156; Baum, Das Recht des Arbeitsvertrags, Leipzig 1911; Mantel, Das Dienstverhältnis der Handlungsgehilfen, Leipzig 1918; Kaskel, Das neue Arbeitsrecht, systematische Einführung, Berlin 1920; Oertmann, Deutsches Arbeitsvertragsrecht, Berlin 1923; Baum, Das Recht der Angestellten, Berlin 1924; Kaskel, Arbeitsrecht, Berlin 1925; vor allem (im folgenden vielfach zitiert): Titze in EhrenbergHandb. 2 Abt. 2 (auch als „Das Recht des kaufmännischen Personals" als Sonderabdruck erschienen), Leipzig 1918.

Einleitung.

Der 6. Abschnitt des HGB. (§§ 59 bis 83) regelt das Recht der Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge (vgl. Anm. 1 u. 2). Er stammt aus einer Zeit, da eine einheitliche Rege­ lung des Arbeitsrechts und eine tarifmäßige Ordnung des Arbeitsverhältnisses noch nicht in Aussicht standen. Wie in § 105 GewO, für den gewerblichen Arbeitsvertrag, ist auch in § 59 HGB. für den der kaufmännischen Angestellten der Grundsatz der Bertragsfreiheit ausge­ sprochen. Trotzdem beruhen heute die für das einzelne Arbeitsverhältnis geltenden Regeln nur noch zum geringsten Teil auf der Einigung zwischen dem einzelnen Arbeitgeber und dem einzelnen Arbeitnehmer, vielmehr haben teils die V. über Tarifverträge vom 23. Dez. 1918 (vgl. dazu die V. vom 31. Mai 1920 und das Ges. vom 23. Jan. 1923), teils das Be­ triebsrätegesetz vom 4. Febr. 1920 neue rechtliche Grundlagen geschaffen, die die Ver­ tragsfreiheit wesentlich einengen. Aus der großen Anzahl der einschlagenden Literatur sei hier nur auf Hueck in Gruch. 65, 16 (vom Jahre 1921) und in JheringsJ. 1923, 33 sowie auf das oben angeführte Werk von Oertmann und auf Günther, Arbeiterschutz und Arbeitsrecht, Berlin und Leipzig 1920, verwiesen. Der in §§ 59ff. HGB. behandelte Arbeitsvertrag der kaufmännischen Angestellten ist durch die erwähnten gesetzlichen Bestimmungen stark beein­ flußt worden, wenn auch auf diesem Gebiete unzweifelhaft der freien Vereinbarung immer noch mehr Raum geblieben ist als auf dem des gewerblichen Arbeitsvertrags. Die Aufgabe unseres Kommentars kann es nicht sein, zu den einschlagenden Vorschriften der Tarifvertrags­ verordnung und des Betriebsrätegesetzes ausführliche Darlegungen vorzutragen. Soweit derartige Vorschriften Anwendung finden, werden sie aber an den betreffenden.Stellen behandelt werde.n; vgl. insbesondere unten Anm. 33, 33c, 34c, § 62 Anm. 18, § 66 Einl., § 70 Anm. 11, § 74 Anm. 4. Hier sei nur noch hervorgehoben, daß die leitenden Ange­ stellten, Prokuristen und Generalbevollmächtigten laut § 12 des BRG. von diesem nicht ergriffen werden. Dagegen kann das erst in Vorbereitung befindliche Allgemeine Arbeitsvertrags­ gesetz in diesem Kommentar noch nicht berücksichtigt werden. Die Vorarbeiten dazu s.

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

357

28. Sonderheft zum RArbBl. (1923), vgl. auch DIZ. 1924, 438 und GewKfmG. 29, 188. § 5». Die an letzterer Stelle sowie auch sonst vielfach, z. B. von Baum in Heft 2 der Schriften der Gesellschaft für soziale Reform (Jena) S. 80, ausgesprochene Ansicht, der Unterschied zwischen den verschiedenen Arten von Angestellten müsse gesetzlich neu geregelt und es müßten die ganzen Vorschriften über Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge aus dem HGB. heraus­ genommen und einer Neuordnung unterzogen werden, scheint danach Tatsache werden zu sollen. Denn § 169 des Entwurfes zum Arbeitsvertragsgesetz sieht vor, daß die 59 bis 75f. und 83 HGB. aufgehoben und durch die neuen Bestimmungen des Entwurfes ersetzt werden sollen. Vgl. dazu auch Hueck in DIZ. 1924, 437.

I. Vorbemerkungen zum sechsten Abschnitt. 1. Dieser 6. Abschnitt, ausgenommen § 65, ist gemäß Art. 1 Abs. 2 des EG.HGB. bereits Anm. 1. seit dem 1. Januar 1898 in Kraft. Uber die Änderungen durch das Gesetz vom 10. Juni 1914, betreffend das vertragsmäßige Wettbewerbverbot, s. § 74 Anm. 1. Der 6. Abschnitt gliedert sich wie folgt: §§ 59—75f regeln das Recht der Hand­ lungsgehilfen, §§ 76—82 das Recht der Handlungslehrlinge, in § 82a folgen Be­ stimmungen über Volontäre, in § 83 solche über andere Angestellte des Kaufmanns. Der ganze 6. Abschnitt regelt nur das Verhältnis zwischen dem Prinzip al Anm. 2. und dem Handlungsangestellten, und zwar nur das Jnnenverhältnis. Uber die Frage, inwieweit jemand, z. B. ein Handlungsgehilfe, bevollmächtigt ist, den Ge­ schäftsherrn Dritten gegenüber zu vertreten, handelt der 5. Abschnitt (§§ 48—58). 2. Verhältnis zum Handlungsbevollmächtigten. Handlungsgehilfen und Handlungsbevoll-Anm. 3. mächtigte sind zwei selbständige Begriffe. Drei Fälle sind denkbar: 1. Es ist jemand zugleich Handlungsgehilfe und Handlungsbevollmächtigter; dies ist der Regelfall. 2. Es ist jemand Handlungsgehilfe, aber nicht Handlungsbevollmächtigter. 3. Umgekehrt: es ist jemand Handlungsbevollmächtigter, aber nicht Handlungsgehilfe; dieser untersteht nicht den Vorschriften des vorliegenden Abschnitts. Näheres § 48 Anm. 1. 3. Verhältnis zum Gewerbegehilfen. Uber die Stellung des Handlungsgehilfen zum Ge-Anm. 4. Werbegehilfen vgl. Anm. 15ff. — Eine Anzahl Vorschriften der GewO, gelten auch für die Handlungsgehilfen und -lehrlinge, vgl. z. B. Anm. 28 (Sonntagsruhe), § 62 Einl. und Anm. 3 (Einrichtung der Geschäftsräume usw.). 4. Der RechtSgang. Anm. 5. a) Nach dem Gesetz über die Kaufmannsgerichte vom 6. Juli 1904 (KfmGG.) unter­ liegen Streitigkeiten auS dem Dienst- und Lehrverhältnisse zwischen Kaufleuten und ihren Handlungsgehilfen oder Handlungslehrlingen der Zuständigkeit dieser Ge­ richte nach näherer Maßgabe des Gesetzes. Eine beklagenswerte Folge hiervon ist, daß damit der Segen der einheitlichen reichsgerichtlichen Rechtsprechung dem Rechte der Handlungsgehilfen fast völlig verlorengegangen ist. Um so mehr muß es Aufgabe der Wissenschaft sein — eine Aufgabe, der dieser Kommentar treu bleiben wird —, den einheitlichen Mittelpunkt für dieses Recht zu bilden. Deswegen wird auch die Rechtsprechung der KfmG. von uns gerade im 6. Abschnitt mit besonderer Ausführlich­ keit berücksichtigt. b) Die hier interessierenden wichtigsten Bestimmungen des KfmGG. sind in den §§ 4—6 Anm. 5a. enthalten. Diese lauten in ihrer jetzigen Fassung (vgl. dazu Ges. vom 14. Jan. 1922 Art. II; verschiedene Zwischen-V.; V. vom 6. Juni 1924 Art. II und V. vom 12. Dez. 1924, RGBl. 1924 I 775):

§ 4. Auf Handlungsgehilfen, deren Jahresarbeitsverdienst an Lohn oder Gehalt den Betrag von fünftausend Reichsmark übersteigt, sowie auf die in Apotheken beschäftigten Gehilfen und Lehrlinge finden die Vorschriften dieses Gesetzes keine Anwendung. 8 5. Die Kaufmannsgerichte sind ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes zuständig für Streitigkeiten der im § 1 Abs. 1 bezeichneten Art, wenn die Streitigkeiten be­ treffen:

358 § 59.

VI. Mschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge. 1. Antritt, Fortsetzung oder Auflösung des Dienst- oder Lehrverhältnisses, Aushändigung, Form oder Inhalt des Zeugnisses, sowie Erteilung, Form oder Inhalt einer Auskunft des Arbeitgebers über den Handlungsgehilfen oder den Lehrling; 2. die Leistungen aus dem Dienst- oder Lehrverhältnisse; 3. die Rückgabe von Sicherheiten, Zeugnissen, Legitimationspapieren oder anderen Gegen­ ständen, welche aus Anlaß des Dienst- oder Lehrverhältnisses übergeben worden sind; 4. die Ansprüche auf Schadenersatz oder Zahlung einer Vertragsstrafe wegen Nichterfüllung oder nicht gehöriger Erfüllung der Verpflichtungen, welche die unter Nr. 1 bis 3 bezeich­ neten Gegenstände betreffen, wegen gesetzwidriger oder unrichtiger Eintragungen in Zeug­ nisse, Krankenkassenbücher oder Quittungen der Angestellten- und der Invalidenversicherung, Steuerkarten und ähnliche Urkunden, sowie wegen Einholung, Erteilung, Verweigerung, Form oder Inhalt einer Auskunft des Arbeitgebers über den Handlungsgehilfen oder den Lehrling; 5 (aufgehoben durch Art. 101 des EG.RBO.); 6. die Ansprüche aus einer Vereinbarung, durch welche der Handlungsgehilfe oder Handlungs­ lehrling für die Zeit nach Beendigung des Dienst- oder Lehrverhältnisses in seiner gewerb­ lichen Tätigkeit beschränkt wird. § 6. Durch die Zuständigkeit eines Kaufmannsgerichts wird die Zuständigkeit der ordent­ lichen Gerichte ausgeschlossen. Vereinbarungen, durch welche der Entscheidung des Kaufmannsgerichts künftige Streitig­ keiten, welche zu seiner Zuständigkeit gehören, entzogen werden, sind nichtig.

Anm. 5b. c) Eine eingehende Erläuterung des KfmGG. geht über den Rahmen dieses Werkes hinaus. Von einzelnen besonders erheblichen Punkten seien folgende hier hervorgehoben: a) Die Errichtung eines KfmG. ist vorgeschrieben für Gemeinden, welche nach der jeweilig letzten Volkszählung mehr als 20000 Einwohner haben (§ 2 Ges.).

Soweit

ein KfmG. hiernach nicht besteht, sind die ordentlichen Gerichte zuständig (KG. und

KfmG. Bremen in GewKfmG. 27, 123 ff. und 28, 72; Wölbling in ArbEntschBerl.

1925, 10).

ß) Die Zuständigkeitsgrenze zwischen dem Gewerbe-, dem Kaufmanns- und dem ordentlichen Gerichte ist in der Praxis oft streitig.

Vor die KfmG. gehören nur die

Streitigkeiten der Handlungsgehilfen oder Handlungslehrlinge mit ihrem Prin­ zipal (§ 1 Abs. 1 Ges.).

Über den Begriff der Handlungsgehilfen s. Anm. 13 ff. Die

Streitigkeiten der Gewerbegehilfen (Anm. 15 ff.), des Gesindes (Anm. 21) und anderer

Gehilfen des Kaufmanns (Anm. 22) gehören nicht vor die KfmG. Y) Durch die Zuständigkeit eines KfmG. wird die Zuständigkeit der ordentlichen

Gerichte

ausgeschlossen

ausgeschlossen

(§ 6 Ges.).

Schiedsverträge,

wird, sind zulässig (V. vom 27. Nov.

1922,

durch die das KfmG. RGBl. I 887; durch

diese V. ist der frühere Abs. 2 des § 6 KfmGG., der derartige Schiedsverträge unter­ sagte, aufgehoben worden).

8) Die KfmG. sind ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes sach­

lich

zuständig für Streitigkeiten aus dem Dienst- oder Lehrverhältnisse (zur Aus­

legung vgl. RG. in IW. 1911, 23051) zwischen Kaufleuten einerseits und ihren Hand­ lungsgehilfen oder Handlungslehrlingen andererseits, wenn die Streitigkeiten die im

§ 5 Nr. 1—6 des Ges. aufgezählten Ansprüche betreffen. Nicht für Streitigkeiten über Ansprüche, die sich nicht unmittelbar aus dem Dienstverhältnis ergeben, sondern nur

mittelbar auf ihm beruhen, z. B. Ansprüche aus § 62 HGB. (RG. 87, 84). Auch nicht

für sonstige Ansprüche aus unerlaubter Handlung.

Dagegen sind die KfmG. zur Ent­

scheidung von Streitigkeiten aus dem Dienstverhältnis auch dann ausschließlich zuständig,

wenn mit dem Vertragsanspruch ein Anspruch aus unerlaubter Handlung (z. B. Unter­ schlagung) zusammentrifft (RG. 106, 32). — § 4 KfmGG. (oben Anm. 5s,)'ist zu be­ achten. in

Näheres über Lohn und Gehalt s.' Anm. 33 f. Im übrigen vgl. hierzu Jafft

GewKfmG. 22, 57.

Uber die Frage, wieweit die Reisespesen eines Handlungs-

VT. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

359

gehilfen bei der Berechnung des Jahresarbeitsverdienstes für die Zuständigkeit des § 59. KfmG. zu berücksichtigen sind, vgl. GewKfmG. 11, 150 u. 333; 12, 185; BerlKfrnGJ. 08, 303. Bezüge von feiten mehrerer Prinzipale werden zusammengerechnet (KG. in OLGR. 20, 284). e)

Die Zuständigkeit der KfmG. ist auch dann gegeben, wenn der erhobene Anspruch vor oder nach Erhebung der Klage auf einen Rechtsnachfolger übergegangen ist. Dies soll durch die Fassung des § 1 Abs. 1 KfmGG. („Streitigkeiten aus dem Dienst-und Lehrverhältnisse zwischen" usw.) zum Ausdruck gebracht werden. Es gilt dies nicht nur von gesetzlichen Rechtsnachfolgern (Erben, Konkursverwaltern usw.; sogar für Klagen auf Feststellung des Vorrechts der Gehaltsforderung gegen die Konkursmasse: KfmG. Braunschweig in GewKfmG. 15, 89; BerlKfrnGJ. 1912, 360), sondern auch von Rechts­ nachfolgern auf Grund eines Rechtsgeschäfts, z. B. auf Grund einer Abtretung oder einer Pfändung und Überweisung (KG. in OLGR. 11, 418; Horrwitz 173; KfmG. Köln' in GewKfmG. 13, 237). Die Rechtslage bei den Gewerbegerichten ist in dieser Beziehung eine andere, weil der § 1 GewGG. die oben angeführte Fassung nicht hat '(vgl. RG. 51, 193; 55, 265).

£) Auf das Verfahren vor den KfmG. finden die Vorschriften der §§ 26—61 GewGG. entsprechende Anwendung (§ 16 KfmGG.). Danach sind im wesentlichen die für das amtsgerichtliche Verfahren geltenden Vorschriften der ZPO. maßgebend. Doch sind zahlreiche besondere Bestimmungen getroffen, die namentlich auf eine größere Be­ schleunigung hinzielen (§ 26 GewGG.). Als Berufungs- und Beschwerdegericht ist das Landgericht, in dessen Bezirk das KfmG. seinen Sitz hat, zuständig (§ 55 Abs. 2 GewGG.). Aber die Berufung gegen die Urteile der KfmG. ist nur zulässig, wenn der Wert des Streitgegenstandes den Betrag von 300 Reichsmark übersteigt (§ 16 Abs. 1 KfmGG.; B. vom 6. Juni 1924 und vom 12. Dez. 1924). — Rechtsanwälte und Personen, die das Verhandeln vor Gericht geschäftsmäßig betreiben, werden als Prozeßbevollmächtigte oder Beistände vor dem KfmG. nicht zugelassen (§ 31 GewGG.; § 16 KfmGG.). II. Die Erläuterung deS § 59.

§ 59 gibt 1. eine Begriffsbestimmung des Handlungsgehilfen, 2. eine Bor-Anm.6. schrift über seine Leistungen, 3. eine Vorschrift über seine Ansprüche. Bevor wir in eine Erläuterung dieser Bestimmungen eintreten, müssen wir die Vor­ frage behandeln: Wer ist Prinzipal im Sinne deS HGB.? Hierzu s. DürHach. Anm. 1, Großmann in IW. 1912, 774 und vor allem Titze 545—558. Wir folgen im nachstehen­ den den vorzüglichen Darlegungen Titzes. Während das frühere Recht in Art. 41 eine Begriffsbestimmung des Prinzipals gab, allerdings in ungenügender Weise, fehlt solche in unserem HGB. Mit Recht, denn der Be­ griff ist ein verschiedener, je nachdem es sich darum handelt, wer gegenüber dem An­ gestellten der Dienstberechtigte ist, oder darum, wem der Angestellte zu Ge­ horsam und Achtung verpflichtet ist. Prinzipal im ersteren Sinne ist der Inhaber des Handelsgewerbes, also je nach Lage des Falles der Einzelkaufmann bezw. dessen Erben, die o. HG., die Kommanditgesellschaft, die AG., die KGaA., die GmbH. usw. Prinzipal im zweiten Sinne ist der Einzelkaufmann, sofern er geschäftsfähig ist, sonst sein gesetzlicher Vertreter, für die Erben nach Befinden der Nachlaßverwalter, Nachlaßpfleger oder Testaments­ vollstrecker, für die o.HG. und für die Kommanditgesellschaft die nicht von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschafter bzw. persönlich haftenden Gesellschafter, für die AG. bzw. die KGaA, und die GmbH, die Vorstandsmitglieder bzw. die zur Geschäftsführung berufenen persönlich haftenden Gesellschafter und die Geschäftsführer (ArbEntschBerl. 1925 Nr. 364). In jedem Falle, in dem vom „Prinzipal" die Rede ist, muß geprüft werden, welche von bei­ den Bedeutungen gemeint ist. Wo es sich darum handelt, wem gegenüber der Angestellte diejenige Unterordnung und Achtung schuldet, die dem Leiter des Geschäftsorganismus,

360

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

§ 59. dessen Glied der Angestellte ist, zukommt, muß das Wort „Prinzipal" in dem an zweiter Stelle behandelten Sinne verstanden werden. Es muß der vom RG. in LZ. 1914, 1386 mit Recht hervorgehobene Gesichtspunkt berücksichtigt werden, daß es sich bei Angestellten und Prinzipal um ein der öffentlich-rechtlichen Beamtengliederung ähnliches Unterordnungs­ verhältnis privatrechtlicher Natur handelt, auf das der von Borhaltungen und Rügen der Vorgesetzten gegen Untergebene handelnde § 193 StGB. Anwendung leidet. Ebenso ist die oben an zweiter Stelle behandelte Bedeutung des Wortes „Prinzipal" in den Fällen zu­ grunde zu legen, in denen es sich um die Verpflichtung des Prinzipals handelt, den Gehilfen seiner sozialen Stellung entsprechend würdig und rücksichtsvoll zu behandeln (vgl. z. B. § 70 Anm. 6, § 71 Anm. 5). Wo dagegen nur in Frage steht, wem der Angestellte seine Dienste schuldet, wer ihm sein Gehalt zu zahlen hat, oder wem er keinen Wettbewerb bereiten darf (§§ 60, 61, 74 ff.), da greift nur die oben an erster Stelle behandelte Bedeutung des Be­ griffs „Prinzipal" Platz. Ist der Handlungsgehilfe für eine in Gründung befindliche AG. oder GmbH, angestellt worden, so kann er seine Ansprüche nach § 200 HGB. bzw. nach § 11 GmbHG. gegen die geltend machen, die für die Gesellschaft gehandelt haben (§ 200 Anm. 5; KfmG. München in GewKfmG. 30, 473). Die Erläuterung des § 59 soll nunmehr nach folgender Einteilung erfolgen: 1. Der Begriff des Handlungsgehilfen (Anm. 7—23). 2. Tie Pflichten des Handlungsgehilfen (Anm. 24—31). 3. Die Ansprüche des Handlungsgehilfen (Anm. 32—34a). 4. Die Dauer des Dienstverhältnisses (Anm. 34 b). 5. Der Urlaub (Anm. 34c). Zusatz 1. Erfordernisse des Anstellungsvertrags (Amu. 35—35b). Zusatz 2. Die Dienstverhältnisse des Handlungsreisenden (Anm. 36—37a). Zusatz 3. Die Verschwiegenheitspflicht (Anm. 38—43). Zusatz 4. Tie Pflicht zur Rechenfchaftscrteilung und Rechnungslegung (Anin. 44). Zusatz 5. T as Zurückbehaltungsrecht des Handlungsgehilfen, insbesondere des Rei­ senden (Anm. 45). Zusatz 6. Schmiergelder (Anm. 46). Zusatz 7. Pfändbarkeit und Abtretbarkeit des Anspruchs auf die Vergütung (Amu. 47). Uber Kranken- und Unfallversicherungspflicht von Handlungsgehilfen s. § 63 Anm. 6. Uber die Haftung des Prinzipals für Versehen der Gehilfen s. Anhang zu § 58 Anm. 51 ff. Anm. 7. l.Der Begriff deS Handlungsgehilfen ist vom Gesetz dahin gegeben: wer in einem Han­

delsgewerbe zur Leistung kaufmännischer Dienste gegen Entgelt angestellt ist. a) Der Handlungsgehilfe ist gegen Entgelt angestellt. Er steht also in einem Dierstvertragsverhältnisse (§§ 611 ff. BGB.; über den Unterschied zwischen Dienstvertrag und Werkvertrag vgl. RG. in IW. 1911, 5379). Anm. 8. a) Angestellt ist er. Das will sagen, er steht in eineru Vertragsverhältnijse, kraft dessen er dem Organismus des Geschäfts derart angehört, daß er in bezug auf die Art der Ausübung seiner Dienstleistungen von den Anordnungen der Gesckäftsleitung abhängig ist. Er ist ein unselbständiges Glied im geschäftlichen Organis­ mus (KGJ. 19, 23), der Untergebene des Prinzipals. Er ist (im Gegensatz zum Hand­ lungsagenten; § 84 Anm. 6) dem Betriebe des Geschäftsherrn ein- und untergeordnet. Alles dies natürlich in den durch Vertrag und Gebrauch gezogenen Grenzen, de das Untergebenheitsverhältnis gemäß den berechtigten sozialen Anschauungen dei Zeit gemildert und abgeschwücht haben. Mit Recht hat daher das jetzige HGB. du Be­ zeichnung des alten (Art. 57): „Handlungsdiener" fallen lassen. Tie Handungsgehilfen bilden einen besonderen Stand und sind infolge guter Organisationen wirt­ schaftlich immer mehr erstarkt. Die Parteien des Dienstvertrags sind euander gleichgestellt (KfmG. Dortmund in KfmWuR. 1924, 269); daher ist der oben

VT Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

361

gebrauchte Ausdruck „untergeordnet" nur im Sinne der geschäftlichen Organi- § 59. sation zu verstehen.. Ter „Angestellte" vermietet nicht den Erfolg seiner Tätigkeit, sondern diese selbst. Handlungsgehilfe ist demnach der Kommis, der Reisende (dieser nicht immer, s. Anm. 36), der Korrespondent, in der Regel auch der Vorsteher einer Zweigniederlassung (weitere Beispiele s. Anm. 14); nicht der Agent (vgl. zu § 84), nicht der sog. freie Provisionsreisende (s. Anm. 36 ff.), nicht die Vorstandsmitglieder einer AG. (diese sind nicht Handlungsgehilfen, sondern gesetzliche Vertreter der juristischen Person und im Verhältnis zu den übrigen Angestellten in dem in Anm. 6 an zweiter Stelle behandelten Sinne selbst die Prinzipale; s. hierüber § 231 Anm. 23), nicht der Geschäftsführer einer GmbH, (aus dem gleichen Grunde; RG. bei Holdheim 08, 147; 1911, 118; BerlKfmGJ. 08, 313; SächsOLG. 37, 303; Brodmann GmbH. § 6 Anm. 5), nicht der Liquidator einer Handelsgesellschaft (RG. in DIZ. 96, 57), endlich für die Regel nicht, wer in einem Geschäft nur tätig ist, um es kennenzulernen, z. B. zwecks späteren Eintritts als Gesellschafter (ZHR. 34, 569). Auch ein Hausierer, dessen Entlohnung lediglich in einem Teile des Erlöses besteht, ist nicht Handlungsgehilfe, da kein Dienstvertrag vorliegt (KfmG. Mannheim in GewKfmG. 13, 219). Ist aber der durch Dienstvertrag Angestellte am Gewinn beteiligt, erhält er z. B. Provision oder Tantieme (§65 und Erl. dazu), so wird hierdurch allein sein Gehilfen­ verhältnis nicht zu einem Gesellschaftsverhältnis. Einzelfälle s. ArbEntschBerl. 1925 Nr. 1338 ff. Nicht notwendig ist, daß der Angestellte in den Geschäftsräumen, wenn dies Anm. 9. auch die Regel ist, oder während der ganzen üblichen Geschäftszeit für den Prinzipal tätig ist. Es kann sogar jemand gleichzeitig Handlungsgehilfe in verschiedenen Geschäf­ ten sein (Licbrecht in BerlKfmGJ. 08, 165; über die Haftung verschiedener Arbeit­ geber bei gleichzeitiger Beschäftigung in gemeinsamen Geschäftsräumen s. ArbEntsch­ Berl. 1925 Nr. 23ff.; über Kündigungsfristen daselbst Nr. 149). Ebenso kann jemand in der einen Beziehung selbständiger Kaufmann, in der anderen Handlungsgehilfe eines Dritten sein (einen Fall dieser Art s. RG. in IW. 07, HO14 und in LZ. 1922, 652). Natür­ lich bedarf es zu einer derartigen Doppeltätigkeit der Zustimmung des Prinzipals (§ 60). Fälle dieser Art liegen vielfach bei dem sog. Stundenbuchhalter vor, d. h. dem, der einige Stunden des Tages oder der Woche im Geschäfte tätig ist, um die Bücher in Ordnung zu halten. Tie meisten Gerichte haben sich allerdings dahin ausgesprochen, der Stundenbuchhaller sei nicht Handlungsgehilfe (so KfmG. Leipzig in GewG. 10, 170 und OLG. Kalmar im „Recht" 08 Nr. 3893, welche über­ haupt ein festes Anstellungs- bzw. Abhängigkeitsverhältnis verneinen und sagen, es sei für den Betreffenden nur eine Nebenbeschäftigung; KfmG. Hamburg in GewKfmG. 14, 246, welches den Stundenbuchhalter als selbständigen Unternehmer, den Vertrag aber überhaupt nicht als Dienstvertrag, sondern als Werkvertrag ansieht; BerlKfmGJ. 08, 313 und 1910, 314; Gradenwitz in GewKfmG. 12, 78, der sagt, die Handlungsgehilfen­ eigenschaft des Stundenbuchhalters sei mindestens nicht zu vermuten, sondern im einzelnen Falle zu beweisen; ArbEntschBerl. 1925 Nr. 1329 ff.). Als herrschende An­ sicht ist daher jetzt festzusiellen, das; der Stundenbuchhalter in der Regel nicht Hand­ lungsgehilfe ist (ebenso DürHach. Anm. 12). Indessen kann er immerhin nach Lage des einzelnen Falles Handlnngsgehilfe jein (vgl. OLG. Dresden in OLGR. 19, 217). Man wird den einzelnen Fall prüfen und namentlich erörtern müssen, inwieweit der Betreffende Herr seiner Zeit bleibt, seine Arbeiten unabhängig von den Weisungen des Geschäftsherrn leistet und nur für den Erfolg seiner Tätigkeit aufkommt (BerlKfmGJ. 1912, 350; KG. in GewKfmG. 29, 288). Wird ein Buchhalter nur nach Bedarf von Fall zu Fall gegen Stundenlohn bestellt, dann ist er sicherlich nicht Handlungsgehilfe (KfmG. Charlottenburg in GewKfmG. 11, 241). Ein kaufmännischer Angestellter, der von vornherein nur zu vorübergehender Aushilfe angenommen wird (§ 69), ist, wenn die sonstigen Voraussetzungen vor-

362 § 59.

Anm. 10.

VI. Wschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

liegen, Handlungsgehilfe (ebenso RG. in LZ. 1922, 652 und für den besonderen Fall des § 56 auch RG. 108, 49). Ein Dienstvertrag liegt in der Regel nicht vor, wenn die Ehefrau oder das hausangehörige Kind des Geschäftsinhabers im Geschäfte arbeitet. Tas ist int Zweifel die Erfüllung gesetzlicher Pflichten (§§ 1356, 1617 BGB.; vgl. Hoffmann im „Recht" 1910, 649 und Titze 568). Freilich können auch solche Personen durch Dienst­ vertrag angestellt werden; daß dies der Fall ist, muß der, der hieraus Rechte, z. B. den Anspruch auf Vergütung, herleitet, beweisen, weil cs der gesetzlichen Regel widerspricht. Aus demselben Grunde kann in diesen Fällen Vergütung nicht verlangt werden, wenn sie nicht vereinbart ist (BerlKfmGJ. 1910, 315; zum Teil abw. Oertmann in DIZ. 1911, 124; gegen diesen s. Titze 570; vgl. auch Oertmann, Arbeitsvertragsrecht 109); selbst nicht bei Konkurs des Geschäftsinhabers (OLG. Hamm im „Recht" 06, 63). Ist Vergütung vereinbart, so ist dies, falls nicht besondere Gründe für eine derartige An­ nahme vorliegen, nicht als Schenkung aufzufassen (RG. 64, 328). Auch die Frau des Gesellschafters einer o.HG., die ohne Anspruch auf Gehalt im Geschäfte der letzteren Dienste verrichtet, erfüllt im Zweifel die ihr als Ehefrau gemäß § 1356 BGB. ob­ liegende Pflicht und ist daher nicht Handlungsgehilfin (RG. in IW. 09, 50230). Nicht ganz gleich, aber ähnlich liegt der Fall, wenn der Ehemann im Geschäfte seiner Frau Dienste verrichtet. Auch in diesem Falle muß Unentgeltlichkeit angenommen werden, wenn nicht die Vereinbarung einer Vergütung dargetan ist. Ter unentgeltlichen Lei­ stung der Dienste können auch etwaige Gläubiger des Ehemanns nicht widersprechen (RG. 67, 169; 69, 63). Der Fall, daß ein Mädchen im Geschäft ihres Verlobten tätig ist, um sich für ihre spätere Stellung als Frau eines Geschäftsmanns vorzubereiten, ist ähnlich zu beurteilen (GewG. Chemnitz in GewKsmG. 15, 246). In Fällen der vor­ stehend gedachten Art ist das KfmG. nicht zuständig (BerlKfmGJ. 1910, 315). Ob die Beamten des handeltreibenden Staates bzw. Kommunal­ verbandes Handlungsgehilfen sind, darüber s. Anm. 11 zu § 36. ß) Gegen Entgelt. Uber die Art des Entgelts (Vergütung usw.) s. Anm. 33 ff. Nicht Handlungsgehilfe ist der Volontär, da er kein Entgelt erhält (Berl. KfmGJ. 08, 310; ArbEntschBerl. 1925 Nr. 1334ff.). Wegen der Begriffsbestimmung s. § 82a, auch wegen des mit ihm vereinbarten Wettbewerbverbots. Erhält Der als Volontär Eingestellte ein Entgelt, so kann er trotz der Bezeichnung als Volontär je nach Umstünden rechtlich als Handlungslehrling zu betrachten sein (§§ 76 ff.; KfmG. München in GewKfmG. 12, 64; BerlKfmGJ. 1912, 295; ein bloßes „Taschengeld" dürfte allerdings hierfür nicht genügen; BerlKfmGJ. 08, 310; Baum, WeMewerbverbot 173 hält ihn diesfalls für einen Handlungsgehilfen). Ebenso, wenn er en Lehr­ geld entrichtet (BerlKfmGJ. 1912, 297). Vielfach ist durch Tarifvertrag bestimmt, daß Volontäre als Lehrlinge zu behandeln und zu entlohnen sind (Lieb in GewKfmG. 25, 15). Soweit dies der Fall, ist solche Vorschrift maßgebend. Jin übrigen gehört es zum Begriffe des Volontärs, daß er freiwillig die Pflichten. eines Handlungsgehilfen übernimmt, und als Gegenleistung hierfür wird man ihm auch alle Rechte des Hand­ lungsgehilfen (außer dem Rechte auf Vergütung) gewähren müssen. So wer)en die Regeln vom Zeugnisse (§ 630 BGB.; § 73 HGB.), vom gesetzlichen Wetttewerbverbot (§§ 60, 61), von den Fürsorgemaßregeln für das Wohl der Handlungsgehilfen (§ 618 BGB.; § 62 HGB.) und von der Kündigung ohne Einhaltung einer Kündgungsfrist (§ 70) auf den Volontär entsprechende Anwendung finden (im allg. ülereinst. DürHach. Vordem, vor § 59 Anm. 6; Titze 902; a. M. Brand 194). Tie Frige der Kündigungsfristen wird meist keine Rolle spielen, weil hier gewöhnlich eine betimmte Volontärzeit vereinbart sein ttnrd. Ist dies aber nicht der Fall, so nehmen wir (gegen Horrwitz 26) keinen Anstand, auch für und gegen den Volontär die für Harvlungsgehilfen geltenden Kündigungsfristen hi Anwendung zu bringen, weil er sich ebm frei­ willig und ohne Gegenleistung in die Stellung eines Handlungsgehilfen begewn hat

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

363

(zust. Baum, Ter Dienstvertrag der kaufmännischen Angestellten S. 10; a. M. DürHach. § 5V.

a. a. C. und Lehmann-Ring § 66 Nr. 1, bic „angemessene" Kündigungsfristen einge­ halten wissen wollen, sowie Titze 904, Müller-Erzbach Kap. 30 II, Ocrtmann, Arbeitsvertragsrecht 261, und Hueck, Tarifrecht 257, die sogar tägliche Kündigung zulassen). Uber alle vorstehend behandelten Fragen vgl. auch Rüstige, Tie rechtliche Stellung des Handelsvolontärs, Stuttgart 08, und Kahn, Der Volontär im Handels­ gewerbe, Heidelberg 1911; ebendort und Titze 905 über die rechtliche Natur des Volon­ tärvertrags. Für Klagen von Volontären und gegen solche ist das KfmG. nicht zu­ ständig (BerlKfmGJ. 08, 310). d) Fn einem HandelSgewerbe (§ 1 Anm. 6 ff.) muß die Anstellung erfolgt sein. Das ist Anm. 11. selbstverständlich, denn es handelt sich ja nur um die Gehilfen des Kaufmanns. — Auch der Minderkaufmann kann Handlungsgehilfen haben (keine Prokuristen, § 48 Anm. 4). Z. B. ist das Ladenmädchen bzw. die Verkäuferin in einem Fleischer- oder Bäckerladen (§ 4 Anm. 16) Handlungsgehilfin (KfmG. Lichtenberg in GewKfmG. 11, 14; BerlKfmGJ. 08, 304; 1910, 302). Ebenso der überwiegend mit Aufsuchen von Kunden zu Verkaufszwecken oder mit dem Fleischverkauf im Laden betraute Schlächter­ geselle (BerlKfmGJ. 1910, 311; 1912, 333; anders der Schlächtergeselle, der nur ge­ legentlich mit im Laden verkauft: GewG. und LG. I Berlin in GewKfmG. 17, 204 und KG. in OLGR. 31, 1). Diese rechtliche Tatsache wird im praktischen Leben vielfach über­ setzen, indem gerade derartige Minderkaufleute bei Anstellung von Ladenmädchen häufig gegen § 67 HGB. verstoßen, worauf das KfmG. Berlin in seinem Jahresbericht für 1905 auf Grund reicher Erfahrungen mit Recht hinwcist. — Ebenso sind die kaufmännischen Angestellten der Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit gemäß § 16 PrivVUntG. (s. § 1 Anm. 61) Handlungsgehilfen, daher ist auch die Zuständigkeit des KfmG. gegeben (s. hierzu Koenige PrivVUntG. § 16 Anm. 2; die Rechtsprechung der Gerichte in der Zuständigkeitsfrage schwankt noch; hierüber s. BerlKfmGJ. 08, 300 u. 310, auch 193; 1912, 331; Krönig in DIZ. 1910, 1291; Zeitschr. für Versicherungswesen 10, 362; GewKfmG. 15, 247; OLG. Jena in IW. 1924, 1054« und Anm. dazu von Sauer). — Konsumvereine im Sinne von § 1 Anm. 7 sind nicht Kaufleute, ihre Angestellten daher nicht Handlungsgehilfen (BerlKfmGJ. 08, 301; 1910, 300; a. M. LG. I Berlin in GewKfmG. 12, 131). — Handlungsgehilfen darf auch anstellen, wer keine Lehrlinge halten darf (8 81). — Die Gehilfen anderer Gewerbetreibenden als von Kaufleuten sind auch dann keine Handlungsgehilfen, wenn ihre Dienste kaufmännischer Natur sind, z. B. die Buchhalter und Korrespondenten der Handwerker ohne Kaufmannseigenschaft oder der Landwirte, sowie aller derer, die ein eintragungspflichtiges oder -fähiges, aber noch nicht eingetragenes Gewerbe betreiben (§§ 2, 3, 36; RG. 63, 202); ebensowenig selbstverständlich kaufmännische Angestellte derer, die überhaupt kein Gewerbe betreiben, z. B. Buchhalter von Anwälten, Künstlern (§ 1 Anm. 9). Wohl aber genügt es, daß der Gewerbetreibende auf Grund des § 5 als Kaufmann gilt, d. h. daß jemand, der ein Ge­ werbe betreibt, eingetragen ist, obwohl sein OJciucTbe kein Handelsgewerbe ist. Und end­ lich muß der, welcher im Rechtsverkehr als Kaufmann auftritt, auch in dieser Hinsicht gegen sich gelten lassen, daß er als Kaufmann gelte (Anhang zu § 5). Tie ihm nach­ teiligen, dem Gehilfen vorteilhaften Bestimmungen über die Handlungsgehilfen kommen in diesem Falle dem Gehilfen zustatten. Aber auch der Gehilfe wird meist gegen sich gelten lassen müssen, daß er als Handlungsgehilfe zu erachten sei, weil er mit einer Per­ son einen Dienstvertrag abgeschlossen hat, die als Kaufmann gelten wollte (Anhang zu § 5 Anm. 7; zust. Horrwitz 22 und Karlsruhe im „Recht" 04, 171). Im allge­ meinen ebenso, zum Teil mit anderer Begründung, Titze 592 und Hueck in ArchBürgR. 43, 453. Das Handelsgewerbe, um das es sich handelt, ist das eines anderen, des Prinzipals. Jedoch ist es möglich, daß jemand, der nach außen das Handelsgewerbe als selbständiger Kaufmann und unter seiner eigenen Firma führt, im innern Verhältnis zu dem eigent-

364

§ 59.

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

lichen Inhaber nur dessen Handlungsgehilfe dagegen Titze 564). Anm. 12. o)Zur Leistung kaufmännischer Dienste muß wiegend (vgl. Anm. 13 u. 15; auch Bolze beweisen, der aus der Natur der Dienste

Anm. 13.

ist (RG. in LZ. 07, 216; DürHach. Anm. 4;

die Anstellung erfolgt sein, mindestens vor­ 17 Nr. 410). Daß dies der Fall ist, muß der Rechte herleiten will (RG. 1, 268). Nicht alle Gehilfen des Kaufmanns leisten kaufmännische Dienste. Nach der ver­ schiedenen Natur der geleisteten Dienste unterscheidet man vielmehr vier Klassen von Gehilfen deS Kaufmanns. Ties wird im folgenden dargelegt (vgl. aber oben Einl. a. E.). a) Die Handlungsgehilfen („kaufmännische Gehilfen"). Diese bilden den Gegenstand des vorliegenden Paragraphen. Auf sie finden die Vorschriften des 6. Abschnittes An­ wendung. Es sind die Gehilfen des Kaufmanns, die ihm kaufmännische Dienste leisten oder bei deren Dienstleistung wenigstens die kaufmännischen Dienste die Hauptsache bilden (IW. 06, 396; KGBl. 07, 119; OLG. Bamberg in BayZ. 07, 302). Dabei gilt nicht jeder Dienst als kaufmännisch, der einem Kaufmann als solchem geleistet wird. Vielmehr decken die Begriffe „Kaufmann" und „kaufmännisch" sich nicht (Cosack § 26 I 3a). Jener ist gesetzlich fest ausgeprägt (§§ 1 ff.), dieser nicht; „kaufmännisch" ist gleichbedeutend mit dem, was die Verkehrssitte im herkömmlichen Sinne als kaufmännisch ansieht (KG. in OLGR. 10, 150). Es müssen Dienste sein, zu denen die Schulung und Fertigkeit gehören, die man in ihrer Vollendung die kaufmännische Tüchtigkeit nennt (anders KfmG. Stuttgart in GewKfmG. 27, 21, wo darauf abgestellt wird, ob die Dienste für den technischen oder den kaufmännischen Betrieb geleistet wer­ den). Die kaufmännische Signatur seiner Tätigkeit ist es (so mit Recht ROHG. 17, 309 und RG. in LZ. 09, 236), die den Gehilfen zum Handlungsgehilfen macht (vgl. auch RG. 1, 268; D. 60). Einzelheiten bei Neumann in BerlKfmGJ. 1912, 76. Dazu gehören aber nicht nur und nicht notwendig die Abschlüsse von Rechtsgeschäften, son­ dern alle Tätigkeiten, die sich auf den Umsatz von Waren beziehen, einschließlich der Kontorgeschäfte (OLG. Braunschweig in OLGR. 6, 348; Schlichtungsausschuß Berlin in JAR. 1923, 41; KfmG. Mannheim tu GewKfmG. 30, 435; einschränkend DürHach. Anm. 5). Z. B. auch das Einträgen von Wiege- und Messungsergebnissen in ein dazu bestimmtes Buch (KfmG. Chemnitz in GewKfmG. 18, 208). Dagegen nicht die Er­ ledigung von Krankenkassenangelegenheiten, sofern dies das ausschließliche Oiebiet der Tätigkeit ist (KfmG. Düsseldorf ebenda 24, 64). Tie wichtigsten Arten sind: der Ver­ kauf, der Einkauf, die Buchführung, die Korrespondenz, die Kassenführung, das Reisen. Im Gegensatze dazu sind im Falle der Vereinigung von Handwerks- oder Fabrik- mit einem Handelsbetriebe diejenigen Hilfspersonen Gewerbcgehilfen, die mit der Be­ arbeitung, Verarbeitung, Herstellung der Waren durch technische Dienstleistungen be­ schäftigt sind (ROHG. 10, 299; 14, 114; auch v. Landmann, Kommentar zur GewO., Vordem, zum VII. Titel, Anm. 5c; vgl. unten Anm. 15). — Leistet der Gehilfe kauf­ männische und gewerbliche oder andere, dem BGB. unterstebende Dienste, io ent­ scheidet das Überwiegende (OLG. Braunschweig a. a. O.; OLG. Hamm im /Recht" 07, 1474; RG. in IW. 19 1 0, 83978; OLG. Kolmar in LZ. 09, 792; letztere Entsch. betrifft einen auch mit kaufmännischer Tätigkeit betrauten Werkmeister und Filial­ leiter; KfmG. Charlottenburg in GewKfmG. 27, 75; a. M. DürHach. Anm. 10). Nicht immer ist dabei allein entscheidend, ob der Umfang der kaufmännischen oder de: nicht­ kaufmännischen Tätigkeit größer ist, vielmehr kommt es darauf an, auf welche Art der Tätigkeit die Parteien das Hauptgewicht gelegt haben (BerlKfmGJ. 08, 302/ auch ist die soziale Stellung des Gehilfen zu berücksichtigen, ebenso die Verkehrsauf'assung der beteiligten Kreise (vgl. die in Anm. 11 angeführten Entsch. in GewKfmG. 1", 204; Titze 585; unten Anm. 15). — Ähnlich ist der Fall zu beurteilen, wenn ein Prinzipal zugleich ein Handelsgewerbe und daneben ein von diesem unabhängiges andercs Ge­ werbe betreibt und der Gehilfe in beiden Dienste leistet; dieser kann so bei demselben Prinzipal zugleich Handlungs- und Gewerbegehilfe sein, r;nd es ist zu untersuchen,

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen uiib Handlungslehrlinge.

365

welche Eigenschaft nach den Anschauungen des Lebens die Haupteigenschast ist (RG. § 59* 63, 200). Ist aber jemand in zwei Geschäften zweier verschiedener Inhaber tätig und ist das eine ein Handelsgeschäft, das andere nicht, so kann er die zwei verschiedenen Eigenschaften als Handlungs- unb Gewerbegehilfe getrennt in sich vereinigen und unter­ steht dann in jener den Vorschriften über den Handlungsgehilfen und daher dem KfmG., in dieser den Vorschriften über den Gewerbegehilfen und daher dem GewG. Beispiele von Handlungsgehilfen in alphabetischer Reihenfolge (stets abhängige Anm. 14. Stellung — Annr. 8 — vorausgesetzt): Der Abonnentensammler für eine Zeitschrift (BerlKfmGJ. 1912, 336; a. M. Neumann daselbst 91); der Akquisiteur (AG. Berlin in KGBl. 04, 64); auch der Annoncenakquisiteur; der Anzeigensammler (RG. in IW. 1917, 8146); der sog. Anweiser auf dem Kohlenplatze, der auch Lagerbücher führt (BerlKfmGJ. 1912, 340); der Buchhalter; der Büfettier einer Gastwirtschaft (wenn kein Pachtvertrag vorliegt, vgl. SeuffA. 57, 392); der Bureauchef eines Zeitungsverlegers, auch wenn er daneben redaktionelle Geschäfte zu besorgen hat (KG. in KGBl. 91, 85; über Schrift­ leiter und Berichterstatter s. Anm. 22); der Bureauvorsteher einer großstädtischen Detektei (KfmG. Charlottenburg in GewKfmG. 23, 88); der Direktor eines Waren­ hauses, denn zu dieser Stellung gehören kaufmännische Fähigkeiten, kaufmännischer Geschmack, Kenntnis der Bedürfnisse und Gewohnheiten des Publikums; die Direk­ trice, wenn sie auch Kunden bedient oder Stoffe einkauft (z. B. im Putzgeschäft: OLG. Braunschweig in OLGR. 6, 348; BerlKfmGJ. 08, 305; OLG. Kolmar in ElsLothZ. 27, 494; im Konfektionsgeschäft: KfmG. Tilsit in GewKfmG. 16, 17); der Disponent (Bolze 10 Nr. 428); der Einkäufer; der sog. Einrichter in einem Konfektionsgeschäfte (BerlKfmGJ. 1912, 339); der Expedient (KGBl. 91, 63); der Fabrikdirektor (ROHG. 18, 25; vgl. Anm. 19); der Fahrkartenverkäufer einer Bahngesellschast (BerlKfmGJ. 1910, 306); der Fakturenschreiber (ebenda 310 u. 1912, 337); der durch Dienstvertrag angestellte allgemeine Handlungsbevollmächtigte, z. B. der Leiter einer Filiale, einer Wechselstube (vgl. RG. in IW. 02, 17338); der Vorsteher der Zweigniederlassung einer Bank oder sonstigen AG. oder GmbH. (Filialleiter), der nicht Mitglied des Vorstandes der AG. bzw. Geschäftsführer der GmbH, ist (LG. Rostock in GewKfmG. 13, 407; vgl. § 13 Anm. 15); der von einer Brauerei angestellte Leiter­ einer ihr gehörigen Gastwirtschaft (RG. in LZ. 09, 236; dagegen nicht der Leiter einer Schankfiliale, der nicht über den Einkauf zu verfügen, vielmehr in der Hauptsache nur die Gäste zu bedienen hat: BerlKfmGJ. 08, 313); der Hotelleiter (Bolze 16 Nr. 238; vgl. aber Titze 580); der Hotelsekretür (über den Hotelportier s. Anm. 17 a. E.); der Kassierer (anders KfmG. Hannover in GewKfmG. 26, 284 hinsichtlich der Theater­ kassiererin in einem Lichtspieltheater); der Konfektionär und die Konfektioneuse (Auskunft der Berliner Ältesten bei Horrwitz 29); der Kontrolleur einer Straßen­ bahn (Puchelt Anm. 2 zu Art. 57 und die dort angef. Entsch. des ROHG.; s. wegen der Schaffner Anm. 22); der Korrespondent (ROHG. 14, 115); das Laden­ mädchen, auch wenn es nicht Verkäuferin ist, sondern nur etikettiert, sortiert, zum Versande bereitstellt, die erledigten Aufträge im Lagerbuche bucht (LG. I Berlin in KGBl. 91, 63 und in ZHR. 42, 513; zu den Ladenmädchen gehört die im Laden ver­ kaufende Schlächtermamsell, vgl. Anm. 11); der Lagerist, der die Aufsicht über das Lager führt, die Waren zu empfangen und zu expedieren hat (vgl. OLG. Hamburg in ZHR. 46, 486); auch der gegen Wochenlohn beschäftigte Lagerist eines Waren­ hauses (KfmG. Elberfeld in GewKfmG. 12, 86); die Lageristin in einem Kleider­ geschäft (BerlKfmGJ. 08, 304); die Lagerverwalterin, die Muster zusammenstellt und aushilfsweise mit verkauft (Landsberger in GewKfmG. 22, 189; BerlKfmGJ. 1912, 340); unter Umständen der Maschinenschreiber (s. Anm. 14a); der „erste Packer", der die Waren zu prüfen und die Aufträge in ein Versandbuch einzutragen lat (Landsberger a. a. O.), während sonst die Tätigkeit des Packers nicht als kauf-

366 § 59.

Anm. 14a.

Anm. 15.

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen imb Handlungslehrlinge.

rnännisch anzusehen ist (ebenda 190); ebenso die Packerin in einem Warenhause, der auch die Nachprüfung der Verkaufszettel obliegt (KfmG. Charlottenburg in GewKfmG. 14, 247; BerlKfmGJ. 1910, 308); der Prokurist, wenn er durch Dienst­ vertrag angestellt ist; der Propagandist (ArbEntschBerl. 1925 Nr. 1321; KfmG. Mannheim in GewKfmG. 30, 435); der Provisionsreisende, außer wenn er selb­ ständig bleibt und daher ein festes Anstellungs- und Abhängigkeitsverhältnis gar nicht vorliegt, wie meist bei nur auf Provision gestellten Reisenden anzunehmen (BerlKfmGJ. 08, 305; vgl. Anm. 36 ff.); der sog. Regimenter einer Holzhandlung (BerlKfmGJ. 1910, 307); der Restaurations- oder Cafä-Geschäftsführer, vorausgesetzt, daß ihm kaufmännische Dienste obliegen, z. B. Buchführung, Abrechnung, Einkäufe u. dgl., nicht nur Überwachung der Speisenzubereitung und der Kellner sowie Aufrechterhal­ tung der Ordnung (Berliner Handelskammer in ihrem Jahresberichte für 1907, s. Gew­ KfmG. 13, 139»; BerlKfmGJ. 1910, 310; KG. in GewKfmG. 22, 242; BerlKfmGJ. 1912, 344; ArbEntschBerl. 1925 Nr. 1306; ebenso für einen Geschäftsführer in Aschingers Bierquellen KG. in KGBl. 00, 21, in einem Automatenrestaurant KfmG. Stutt­ gart in GewKfmG. 19, 397, in einem großstädtischen Kaffeehause KG. in GewKfmG. 27, 253); der Schaufensterdekorateur (KfmG. München und LG. Elberfeld in GewKfmG. 13, 15 u. 62; BerlKfmGJ. 08, 304; anders der Wanderdekorateur, der gar nicht dem Organismus des Geschäfts angehört: KfmG. München in GewKfmG. 19, 227); nach Befinden der Schlächtergeselle (s. Anm. 11); der Speisewagen­ kontrolleur (KfmG. Frankfurt in GewKfmG. 29, 167; anders GewG. München daselbst 18, 78; erstere Entsch. betont die rechnerische Tätigkeit); unter besonderen Um­ ständen der Stenograph (s. Anm. 14a) und der Stundenbuchhalter (Näheres Anm. 9 Abs. 2); der Verkäufer; auch die Verkäuferin in einer Trinkhalle (KfmG. Plauen in GewKfmG. 12, 158; a. M. zu Unrecht GewGer. 10, 221); in einem Friseur­ geschäft (KfmG. München in GewKfmG. 20, 226); in einer Bahnhofsbuchhandlung (Landsberger ebenda 22, 189); in einem Zeitschriftenstande (auch der nicht kaufmännisch vorgebildete; KfmG. und LG. Chemnitz ebenda 26, 126); als Verkäufer auch der nicht nur für technische Dienstleistungen Angestellte eines Optikers (OLG. Kolmar im „Recht" 07, 905); der Vorführer von Erfindungen (RArbBl. 1, 589); die Verlags­ geschäftsgehilfen, jedoch nur, soweit sie kaufmännische Hilfsdienste verrichten, nicht auch die literarischen Gehilfen, so daß die Schriftleiter, Korrektoren, Berichterstatter keine Handlungsgehilfen sind (KG. in ZHR. 42, 513; vgl. Attm. 22); die Wechsel­ kassiererin in einem Automatenrestaurant (KfmG. Liegnitz in GewKfmG. 11, 242); der Werkstattschreiber des Kaufmanns (BerlKfmGJ. 08, 311; 1912, 336; v. Schulz in GewKfmG. 23, 345; KfmG. Stuttgart ebenda 27, 20; ArbEntschBerl. 1925 Nr. 1336; anders der, welcher nur ein Arbeitsausgabebuch zu führen hat: KfmG. Ludwigsburg in GewKfmG. 15, 205.) Weitere Einzelfragen s. ArbEntschBerl. 1925 Nr. 1292 ff. Zweifelhaft ist die rechtliche Einordnung des Stenographen und Maschinen­ schreibers. Hat dieser die nach Vortrag aufgenommenen Stenogramme noch selb­ ständig auszuarbeiten und in zur Absendung fertige Geschäftsbriefe umzuformen, so ist er Handlungsgehilfe (GewG. Waltershausen in GewKfmG. 14, 289). Hat er da­ gegen nur das ihm Diktierte wörtlich wiederzugeben, nicht selbständig zu arbeiten, so behandeln ihn die meisten Gerichte nicht als solchen (so KG. in KGBl. 00, 21; Berl­ KfmGJ. 08, 311 Anm. 139; GewKfmG. 14, 317; Prenner KfmGG. § 1 Annr. 2); doch sehen andere Gerichte ihn auch diesfalls als Handlungsgehilfen an (so LG. Ham­ burg in HansGZ. 00, 65; LG. I Berlin in KGBl. 19, 105; KfmG. Mainz in Gew­ KfmG. 17, 206; KfmG. Berlin ebenda 21, 178). Der ersteren Auffassung dürfte der Vorzug zu geben sein (z. T. a. M. DürHach. Anm. 6; s. auch Dove-Meyexstein 1). ß) Eine zweite Klasse der Gehilfen des Kaufmanns sind die Gewerbegehilfen. Ihre Dienstverhältnisse regeln sich nach der GewO, (der Anstellungsvertrag selbst ist natür­ lich auch hier ein Handelsgeschäft: RG. 38, 117; die dem Gewerbegehilfen vom Kauf-

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Hanblnngslehrlinge.

mann erteilte Vollmacht ist eine Handlungsvollmacht).

367

Es sind die Gehilfen, die — § 59*

lediglich oder vorwiegend, s. Anm. 13 — nicht kaufmännische, sondern gewerbliche Dienste leisten. Bei der Frage, ob jemand Handlungs- oder Gewerbegehilfe ist, kommt es je­ doch nicht aus den Wortlaut oder auf die Bezeichnung im Anstellungsvertrage an, son­ dern darauf, welcher Art Dienste tatsächlich geleistet werden (KfmG. Charlottenburg in GewKfmG. 14, 247). Es muß daher jeder Fall selbständig beurteilt werden (Baum Handbuch für GewG. Nr. 164 u. 108). Ist aber jemand zu Diensten verschiedener Art an­ gestellt, so kann der Prinzipal ihn nicht dadurch in eine an sich nicht einschlagende Kate­ gorie drängen, daß er gewisse Dienste ihn nicht leisten läßt (OLG. Hamburg in OLGR. 21, 380). Einzelheiten bei Neumann in BerlKfmGJ. 1912, 72. Daselbst s. auch über die rechtlichen Beziehungen der gewerblichen Angestellten des Kaufmanns. aoc) Gewerbliche Dienste sind die, welche in der Mittätigkeit bei der Bearbeitung oder Ver-Anm. 16. arbeitung der Waren durch technische Dienstleistungen (ROHG. 14, 113; 10, 299) oder — denn diese Begriffsbestimmung ist nicht umfassend genug — in der Mittätigkeit bei dem sonstigen technischen Teil des Gewerbebetriebs bestehen. Die Dienste brauchen nicht dem betreffenden Gewerbe eigentümlich anzugehören, sie setzen auch nicht be­ sondere technische Kenntnisse oder Fertigkeiten voraus (vgl. ROHG. 19, 382), so daß selbst Personen, die untergeordnete Dienste der fraglichen Art leisten, zu den Ge­ werbegehilfen gehören. Auf alle diese Personen findet die GewO. Anwendung (Gra­ denwitz in GewKfmG. 12, 79). Beispiele von Gewerbegehilsen: Die Gesellen und Arbeiter einer Fabrik;Anm. 17. der Koch einer Gastwirtschaft (ROHG. 10, 299); der Zuschneider in einem Kleider­ geschäft (ROHG. 21, 18; RG. in IW. 1911, 33440); die technische Leiterin eines Damenkleidergeschäfts (OLG. Kolmar in ElsLothZ. 27, 494); die Probiermamsell (GewG. Berlin im Gewerbearchiv 7, 492); die Leserin eines Zeitungsausschnitt­ bureaus (Berliner Handelskammer in ihrem Jahresberichte für 1907, s. GewKfmG. 13, 1394; anders, wenn sie zugleich Expeditionsarbeiten verrichtet, dann ist sie Handlungsgehilfin; BerlKfmGJ. 1910, 307); der Hausmeister in einem Kaufhause, dem keinerlei kaufmännische Tätigkeit, vielmehr nur eine rein mechanische Kontrolle obliegt (LG. I Berlin in GewKfmG. 14, 343); die Kellner und Oberkellner, auch wenn sie Rechtsgeschäfte abschließen und Handlungsbevollmächtigte sind, weil einerseits dies der Verkehrsauffassung entspricht, andererseits zu diesen einfachen Ge­ schäftsabschlüssen keinerlei kaufmännische Fähigkeit gehört (ROHG. 24, 270; OLG. Stettin in GewKfmG. 11, 183; RG. in LZ. 09, 236). Uber den Restaurations- bzw. Caf^-Geschästssührer und über den Speisewagenkontrolleur s. Anm. 14. Als Gewerbegehilfe ist ferner anzusehen der Bierfahrer oder Milchfahrer, auch wenn er Bier oder Milch verkauft oder Gelder einkassiert, denn die Hauptsache ist doch die Kutscher- und Botentätigkeit (so Horrwitz 22; Tietze 578; verkauft der Bierfahrer das Bier gegen Provision, so ist er Reisender und danüt Hand­ lungsgehilfe; ebenso Neumann in BerlKfmGJ. 1912, 98, während Titze 578 oies nur gelten läßt, wenn die Stellung über niedere Dienste herausgehoben); der Petroleumkutscher (OLG. Düsseldorf im RheinA. 106, 23); die Büfett­ mamsell; der Fahrradlehrer in einem Fahrradgeschäft; die Fuhrknechte eines Spediteurs; der Registrator, der nur mechanisch die abgehenden Briese zu kopieren und die eingehenden in Mappen einzuordnen hat (LG. Mainz in GewKfmG. 14, 317; dagegen ist Allfertigung niib Bearbeitung einer Karthotek eine kau männische Be'chüstigung: BerlKfmGJ. 1910, 309). Über Linnibns- und Straßenbahnschaffter s. Anm. 22. Über die eigenartige Stellllng des Hotelportiers (in großen Hotels mit internationalem Publikum wird die Hotelportierstelle vielfach verpachtet) s. Pick in GewKfmG. 30, 384. ßß) Andererseits hören die Dienste nicht dadurch auf, gewerbliche zu sein, daß die Herstellung Anm. 18. )es Erzeugnisses eine künstlerische ist; auch die Künstler (z. B. Maler, Zeichner, Bild-

368

VL Abschnitt:

Handlicugsgehilfen imi) Haridlungslehrlinge.

§ 89.

Anm.

Hauer), die von einem Gewerbetreibenden (z. B. einem Möbelfabrikanten) zur Her­ stellung eines, wenn auch kunstgewerblichen Erzeugnisses beschäftigt werden und in diesem Sinne die Kunst in den Dienst des Gewerbes stellen, gehören zu den Gewerbe­ gehilfen (RG. 17, 92). Ebenso sind die Dienste des wissenschaftlich vorgebildeten chemisch- oder mechanisch-technischen Personals (z. B. der Chemiker, Ingenieure, Maschinen­ techniker) in einem Handelsunternehmen gewerbliche, keine kaufmännischen (s. auch Gareis Lehrbuch § 21 S. 91). Jedoch kann ein Ingenieur auch kaufmännische Dienste leisten, z. B. als sog. Jngenieurreisender; in diesem Falle ist er Handlungsgehilfe (OLG. Köln im RheinA. 106, 21). 19. yy) Indessen fällt doch ins Gewicht, daß die Gewerbegehilfen in der GewO, eine Unterart der gewerblichen Arbeiter bilden, so daß vor allem die Merkmale dieses Begriffs vor­ handen sein müssen. Aus diesem Gesichtspunkte ist die Gewerbegehilfeneigenschaft der Schauspieler und Orchestermitglieder zu verneinen, obwohl das Schauspiel­ unternehmen an sich zu den Gewerbeunternehmungen gehört (RG. 17, 86; 41, 55). Das gleiche gilt hinsichtlich der Tierbändiger (RG. 37, 67); des Schriftleiters und des Berichterstatters einer Zeitung (diese sind auch keine Handlungsgehilfen, vgl. Anm. 22); endlich aller der Personen, die eine leitende und überwachende Stel­ lung einnehmen, denen die Leitung und Beaufsichtigung des betreffenden Ge­ werbebetriebs im ganzen oder zum Teil zusteht. Aus diesem letzten Grunde ist nicht als Gewerbegehilfe anzusehen dec Kontrolleur einer Straßenbahngesellschaft (er ist Hand­ lungsgehilfe, s. Anm. 14); der Gunnniermcister einer Hanfschlauchfabrik, der zur Leitung der Gununieranstalt, Verteilung der Arbeiten und ihrer Beaufsichtigung an­ gestellt ist (Bolze 12 Nr. 620); der Müllermcistcr (Bolze 9 Nr. 228); der Brau­ meister (RG. 37, 279); der Brennereidirektor (RG. 38, 26; vgl. hierzu Gradenwitz in GewKfmG. 12, 79). Ob solche technische Vertreter des Prinzipals als Handluugsgehilfen anzusehen sind, richtet sich danach, ob sie auch kaufmännische Dienste verrichten, und zwar so, daß dieser Teil ihrer Tätigkeit einen wesentlichen und erheblichen, nicht nur nebensächlichen Bestandteil ihrer Dienste bildet. Das gilt auch vom Ziegelmeister einer Fabrik. Wie dessen Stellung rechtlich einzuordnen ist, richtet sich nach der Lage des einzelnen Falles. Unter Uniständen kann er sogar selbständiger Unternehmer, also überhaupt nicht Angestellter sein. Wegen der Verschiedenheit des Tatbestands in ein­ zelnen Fällen und wegen der jeweiligen rechtlichen Beurteilung vgl. RG. 13, 58; 37,

279; 72, 284.

Anm. 20.

Die Dienstverhältnisse dieser selbständigen Leiter und technischen Hilfsarbeiter sind durch die §§ 133aff. GewO, besonders geregelt, und zwar im Anschluß an die Bestim­ mungen des HGB. über die Handlungsgehilfen. 88) Zu den Gewerbegehilfen gehören nicht die Apothekergehilsen (und -lehrlingc), uiib zwar nach ausdrücklicher Gesetzesvorjchrist (§ 151 GewO.). Sie sind aber, einschließ­ lich der Provisoren, auch nicht zu den Handlungsgehilfen zu rechnen, weil sie iin wesentlichen technische Dienste verrichten und selbst bei den Provisoren das Verkaufen der Arzneien nicht die Hauptsache ist und kaufmännische Fähigkeit nicht erfordert (Gut­ achten der Apothekerkammer Berlin und LG. Frankfurt a. O. in KGBl. 04, 85; KG. in OLGR. 10, 149; BayObLG. in GoltdA. 48, 139; DürHach. Anm. 9; Titze 588; anders StrA. 61, 93 u. RG. bei Holdheim 8, 269 für den Verwalter einer Aootheke mit allgemeiner Vollmacht zum Ein- und Verkauf und Leitung des ganzen Bctriebs; Horrwitz 29 und Lehmann-Ring Nr. 5 für die Provisoren; Neumann in BerlÄfmGJ. 1912, 97 für die nur den Umsatz der Aporhckerwaren besorgenden Apothekergestlsen). Aus der Bestimmung des § 4 KfmGG. (oben Anm. 5a) ist über die Auffassung tes Ge­ setzgebers nichts zu entnehmen. Dieser wollte den Apothekergehilfen und -lehckingen hinsichtlich der Gerichtsbarkeit eine Ausnahmestellung einräumen, entsprechend schon der Vorschrift des § 81 GewGG., gleichviel wie man diese Angestellten rechtlich einordne.

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungvlehrlinge.

369

Y) Sine dritte Klasse der Gehilfen des Kaufmanns bildet daS Gesinde. Personen, die § 59. im wesentlichen Hilfsdienste verrichten und in enger Beziehung zur Familie stehen,Unm. 21. unterliegen hinsichtlich ihrer Dienstverhältnisse den für das Gesinde geltenden Vor­ schriften; vgl. hierzu Anrn. zu § 83. Der betreffende Anstellungsvertrag ist natürlich auch hier ein Handelsgeschäft (vgl. RG. 38, 117), und soweit hiernach, sowie über­ haupt dadurch, daß das HGB. mit den für das Gesinde geltenden Sondervorschriften im Widerspruch steht, Handelsrecht Platz greift, findet das HGB. auch für die Gesinde­ bediensteten des Kaufmanns Anwendung (vgl. Art. 2 EG.HGB.). Hinsichtlich des Dienstverhältnisses des Gesindes kann ein solcher Widerspruch nicht vorliegen, weil das HGB. sich mit ihm nicht beschäftigt (§ 83). Zum Gesinde gehören die Hausdiener, Aufwartefrauen usw., wenn sie gleichzeitig zur häuslichen Gemeinschaft des Prinzipals gehören, der Hausknecht eines Hotels, der im Hotel selbst schläft (LG. I Berlin in KGBl. 90, 31). Über den Hotel­ portier s. Anm. 17 a. E. 8) Die vierte Klaffe bilden die sonstigen Gehilfen des Kaufmanns. Die Dienstverhält- Anm. 22. nisse aller der Personen, die zu keiner der vorgenannten drei Klassen gehören, regeln sich nach „den für das Arbeitsverhältnis dieser Personen geltenden Vor­ schriften" (§ 83 HGB.). Es werden zwei Arten zu unterscheiden sein: aa) Personen (zumeist wissenschaftlich vorgebildete), welche höhere, nach eigenem Ermessen ausgeübte Dienste leisten, z. B. Juristen oder Nationalökonomen als Syndici oder Beiräte von Banken und Gesellschaften oder wissenschaftlich gebildete Chemiker als Mitarbeiter von Fabriken. Die freiere Stellung, die Selbständigkeit in der Aus­ übung der Dienste unterscheidet sie von den oben Anm. 18 erwähnten technischen Ge­ hilfen (s. auch GareisLehrbuch § 20 S. 92). Zu den „anderen" Gehilfen des Kaufmanns gehören ferner die Schriftleiter einer Zeitung (AG. Zwickau in BuschA. 22, 254; KfmG. Meerane und LG. Zwickau in GewKfmG. 15, 17; ist aber der Schriftleiter zugleich kaufmännischer Leiter des Verlags, so ist er Handlungsgehilfe: OLG. Hamburg in OLGR. 21, 380; vgl. auch Anm. 14 unter „Bureauchef"); ihre Berichterstatter (ROHG. 14, 23; RG. 1, 268; KfmG. Fürth in GewKfmG. 18, 105; vgl. auch Neu­ mann in BerlKfmGJ. 1912, 97), sowie die meisten der sonst noch oben Anm. 19 Ge­ nannten. Die Apothekergehilfen (Anm. 20) sind gleichfalls hier einzureihen. Ferner der Taxator eines Pfandleihgeschüfts, das (vgl. § 1 Anm. 69) gemäß § 2 ein kauf­ männisches Unternehmen sein kann (GewG. Plauen in GewKfmG. 12, 37), sowie ein ausschließlich mit Führung von Prozessen beschäftigter, nicht wissenschaftlich vor­ gebildeter Angestellter (BerlKfmGJ. 1910, 312). ßß) Personen, die untergeordnete Hilfsdienste verrichten (Packen, Reinigen, Briefe aus­ tragen usw.), soweit sie nicht zur häuslichen Gemeinschaft gehören, wie die Haus- und Kontordiener, Laufburschen, Aufwartefrauen (StrA. 88, 218), Kassenboten (BerlKfmGJ. 08,314), Einkassierervon Abzahlungsgeschäften (KfmG.Chemnitz in GewKfmG. 15, 179), ferner die Schaffner der Straßenbahnen und die Omnibusschoffner, da der Verkauf von Fahrscheinen sich in einfachen, eine kaufmännische Übung nicht erfordernden Formen vollzieht (Gewerbegehilfen sind sie nicht, soweit Straßen­ bahnen unter die Eisenbahnunternehmungen fallen, da letztere nach § 6 GewO, dieser entzogen sind, s. auch KG. in OLGR. 9, 249; wegen der Omnibusschaffncr anders LG. I Berlin in KGBl. 91, 28). Bei diesen Personen zu aa und ßß finden bie allgemeinen Vorschriften des BGB. über den Dienstvertrag überall dort Anwendung wo besondere Vorschriften nicht ge­ geben sind (§§ 611—630 BGB.). Luppe in GewKfmG. 11, 224 und Gradenwitz ebenda 12, 79 wollen die Handelshilfsarbeiter (mit Ausnahme der Straßenbahnschaffner nach § 6 GewO.) als Gewerbegehilfen behandelt haben. Zusatz. Inwieweit können die Vertragschließenden diese Klassenzuge-Anm. 22». Hörigkeit willkürlich verändern? Inwieweit können sie z. B. bestimmen, daß für einen Staub, HGB., 12. u. 13. 9(ufL Bd. I. (äonbi.) 24

370

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

5 59. Gewerbegehilfen das Recht der Handlungsgehilfen gelten soll, oder umgekehrt?

Nur, so­

weit es sich um nachgiebiges Recht handelt, dagegen nicht, soweit Vorschriften zwingen­ den Rechts vorliegen (ArbEntschBerl. 1925 Nr. 1295). Daher können z. B. die Bestimmungen der §§ 62, 67, 74f. HGB. nicht dadurch ausgeschlossen werden, daß der Prinzipal mit dem Hand­ lungsgehilfen vereinbart, dieser solle rechtlich nicht als Handlungsgehilfe gelten, sondern etwa unter die Klasse der in Anm. 22 behandelten Gehilfen fallen. Ebenso kann die Zuständig­ keit des ordentlichen Gerichts, des KfmG. und des GewG. nicht willkürlich verändert werden (Titze 584). Auch können, soweit Tarifverträge zwingende Vorschriften enthalten, diese nicht willkürlich dadurch umgangen werden, daß die Vertragschließenden eine unrichtige Klassen­ zugehörigkeit vereinbaren. Anm. 23. d) Handlungsgehilfe kann jeder sein, auch die Frau, die ledige oder verheiratete (für letztere vgl. noch Allg. Einl. Anm. 73ff.). Tie Kursmäkler dürfen nicht zugleich Handlungs­ gehilfen sein (§ 32 Abs. 2 BörsG.). Andere Ausnahmen s. bei Horrwitz § 9. Der Stellen­ vermittler darf zu dem Arbeitgeber in keinem Dienstverhältnisse stehen (Stellenvermittler­ gesetz vom 2. Juni 1910 § 3 Abs. 5). Anm. 24. 2. Die Pflichten des HandlnngSgehilfen. Hier soll nur von der Dienstleistungspflicht (Anm. 24—29) und der bei ihrer Verletzung eintretenden Verpflichtung zum Schadens­ ersatz (Anm. 30 u. 31) die Rede sein. Über weitere Verpflichtungen des Hand­ lungsgehilfen s. Anm. 38—44. In erster Linie hat er Dienste zu leisten. Die Art und der Umfang der Dienste richten sich zunächst nach der Vereinbarung, in deren Ermanglung nach Ortsgebrauch; in dessen Ermanglung gelten die den Umständen nach angemessenen Leistungen als ver­ einbart. Schließlich entscheidet also richterliches Ermessen. Tarifverträge dürften in dieser Hinsicht selten einschlagen; soweit dies aber der Fall ist und sie zwingendes Recht enthalten, sind sie maßgebend. Unter Ortsgebrauch ist die Handelsverkehrssitte eines örtlichen Bezirks zu verstehen (Allg. Einl. Anm. 25ff.). Eine Übung, die nur von einer beträcht­ lichen Mehrheit befolgt wird, ist noch nicht Ortsgebrauch. Ter Ortsgcbrauch ist auch gegen das Gesetz anzuwenden (Allg. Einl. Anm. 27), kann sich aber nicht gegen zwingende Gesetzesvorschriften bilden (a. M. Horrwitz 13). Er ist selbst nachgiebiger Natur, weicht also der Vereinbarung, wie in § 59 noch ausdrücklich bestimmt ist. Vereinbarungen sind dabei wohl zu unterscheiden von Tienstanweisungen und Geschäfts­ ordnungen; diese können innerhalb angemessener Grenzen auch einseitig vom Prinzipal geändert werden (RG. in IW. 02, 609"). Anm. 25. oc) Aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen und der Natur des Verhältnisses folgt, )aß der Gehilfe seine Dienste persönlich leisten muß (§ 613 BGB.). Andererseits folgt auch daraus, daß der Gehilfe nur dem Prinzipal, nicht Tritten, seine Dienste zu lesten hat (LG. I Berlin in KGBl. 01, 19: der Gehilfe braucht im Zweifel die Schreibmaschinen, die der Prinzipal gewerbsmäßig verleiht, bei dem Tritten nicht ständig zu bedienen, wenn er den Dritten auch anlernen muß). Doch darf der Gehilfe das Recht, Leistung der Dienste an Dritte zu verweigern, nicht in schikanöser Weise ausüben. Unter be­ sonders gearteten Umständen kann dem Gehilfen sogar zugemutet werden, soveit ihn dies nicht beschwert, eine andere, gleichwertige Stellung anzunehmen; vgl. Wassertrüdinger im „Recht" 1924, 364 und unten § 70 Anm. 11, 12 u. 20. Anm. 26. ß) Im Zweifel braucht der Gehilfe nur kaufmännische Dienste zu leisten. Dies gilt grundsätzlich, doch ist es nicht ausgeschlossen, daß im einzelnen Falle, ncmentlich wenn Not am Manne ist, gelegentlich auch einem Handlungsgehilfen einmal zrgemutet werden kann, einen Dienst zu leisten, der nicht als ein rein kaufmännischer arzusehen ist. Beispiele: Die Direktrice braucht nicht als Probiermamsell, der Buchhaber nicht als Zeichner sich beschäftigen zu lassen. Tie Verkäuferin in einem Konfektionsgeschäft ist selbst während der Saison nicht verpflichtet, ein auch nur mäßig großes Plket nach Schluß der Geschäftszeit zu einem Kunden zu tragen (Berliner Ältesten bei Horrvitz 42); überhaupt ist sie im Zweifel — namentlich, wenn Hausdiener und Laufbursche im Ge-

371

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

schäft vorhanden sind — nicht verpflichtet, größere Pakete fortzutragen, auch nicht wäh- § 5V. rend der Geschäftszeit (KfmG. Stettin in GewKfwG. 11, 242); anders bei bloßer Mit­ nahme von Briesen zur Post (BerlKfmGJ. 1910, 222). Dagegen ist die Verkäuferin, wenn ihr zugleich obliegt, das Lager in Ordnung zu halten, verpflichtet, gegebenen­ falls mit Hilfe eines Lehrlings die Lagcrjachen abzubürsten (Berliner Ältesten bei Hold­ heim 8, 122). Der Kommis in einem Wäschegeschäft ist nicht verpflichtet, Bettfedern umzuschütten (Berliner Ältesten bei Horrwitz 42), der Handlungsgehilfe einer Verlags­ buchhandlung nicht, längere Zeit hindurch mit Verpackung von Kalendern in Kreuz­ band sich zu beschäftigen (Dove-Meyerstein 4). Das Wiederverpacken und Wegräumen der zum Zwecke des Verkaufs ausgepackten und vorgelegten Waren ist aber Sache des Verkäufers, wenn es nicht eine erhebliche Mühewaltung mit sich bringt; in der Regel auch das Reinigen, Putzen und Glätten solcher Sachen, wenn die Mühe eine unbedeutende ist (z. B. das Glätten von anprobierten Handschuhen vor ihrem Wegräumen, Horrwitz 42). Reine Gesindedienste (z. B. Auskehren) oder Hausdienerarbeiten (wie Kistenfortschaffen; BerlKfmGJ. 08, 241) braucht der Handlungsgehilfe nicht zu verrichten, es sei denn, daß der Ortsgebrauch ihn hierzu verpflichtet (Horrwitz 43). So kann z. B. ein Dekorateur reine Aufräumungsarbeiten ablehnen (KfmG. u. LG. Duisburg in GewKfmG. 18, 185). Ebenso gehört das Geldabholen in der Regel nicht zu den Dienstpflichten einer Buch­ halterin (BerlKfmGJ. 1912, 212). Dagegen ist der Gehilfe verpflichtet, kleinere Hilfe­ leistungen zu verrichten, auch wenn sie nicht vertraglich vereinbart sind. Z. B. darf ein Verkäufer sich nicht weigern, gelegentlich beim Wegnehmen von Brettern aus einem Schaufenster mitzuhelfen (KfmG. Solingen in GewKfmG. 12, 263). Ebenso ist ein Verkäufer in einem Juweliergeschäft verpflichtet, gelegentlich während der Ver­ kaufszeit, sobald keine Käufer anwesend sind, mit dem Abreiben der Silber- und Gold­ sachen sich zu beschäftigen, wogegen ihm nicht selbständige Putzarbeit zugemutet werden kann, am wenigsten außerhalb der Geschäftszeit (Berliner Ältesten und LG. I Berlin in GewKfmG. 14, 316). Y Auch braucht der Handlungsgehilfe nur die kaufmännische Tätigkeit zu leisten, für Anm. 27. die er angestellt ist: der Korrespondent braucht nicht den Ladenverkäufer, der Rei­ sende nicht den Buchhalter zu spielen. Der grundlegende Unterschied, der zwischen Reise- und Bureautätigkeit, zwischen dieser und Ladenverkauftstätigkeit besteht, muß berücksichtigt werden (KfmG. Stuttgart in GewKfmG. 31,40). Aber wer als Handlungsge­ hilfe schlechtweg angestellt ist, muß sich in jedem Fache beschäftigen lassen. Ebenso hat der, dem eine Tätigkeit nur tatsächlich zugewiesen ist, im Zweifel keinen Anspruch aus deren Be­ lassung (Anm. 32). War der Gehilfe indessen längere Zeit und über den Kündigungstermin hinaus in einem Fach tätig, so hat sich die Anstellung häufig in eine für dieses Sonder­ fach verwandelt (KfmG. Hamburg in GewGer. 10, 185); jedoch ist dies Frage des ein­ zelnen Falles (BerlKfmGJ. 1910, 22072 u. 22173). Auch wer nach den Abmachungen zum Übertritt in ein anderes Fach oder nach einer anderen Stadt verpflichtet ist, darf eine gleichwertige Stellung verlangen (RG. in SeuffA. 70, 110). Z. B. muß dem Leiter einer Fabrik, der ins Kontor übertritt, dort eine leitende Stellung geboten werden (Bolze 14 Nr. 396). Ein als Filialleiter angestellter Handlungsgehilfe ist nicht verpflichtet, unter einem anderen Leiter nur noch als Verkäufer zu wirken (BerlKfmGJ. 08, 253) oder in einer mit der Fabrik verbundenen Verkaufsstelle Dienste zu tun (KfmG. Solingen in GewKfmG. 13, 40), während er eine Versetzung als Kassierer in das in derselben Stadt gelegene Hauptgeschäft, da dies auch eine Vertrauensstellung ist, sich gefallen lassen muß (KfmG. Rixdorf in GewKfmG. 12, 6226). Eine Stenographin und Maschinen­ schreiberin (Anm. 14 a. E.) ist dagegen verpflichtet, gelegentlich auch Fakturen abzu­ schreiben und deren Beträge zusammenzurechnen (KfmG. Schöneberg in GewKfmG. 13, 186). Der Konfektionär ist zwar verpflichtet, Kalkulationsarbeiten zu übernehmen, braucht sich aber nicht dauernd damit beschäftigen zu lassen (Dove-Meyerstein 3). Da­ gegen muß ein Korrespondent, dessen Leistungen nicht genügen, sich als Buchhalter

24*

372 § 59.

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge. weiterbeschäftigen lassen (KfmG. u. LG. Heilbronn in GewKfmG. 19, 276). Diese Grundsätze erleiden eine der Billigkeit entsprechende Abänderung dann, wenn es sich um eine vorübergehende, alle Kräfte anspannende wichtige Arbeit handelt (z. B. die Inventur), oder wenn es zeitweilig an anderem Personal fehlt, sowie bei plötzlichen eiligen Verrichtungen. Im Notfälle ist jeder Handlungsgehilfe verpflichtet, vorüber­ gehend auch eine kaufmännische Arbeit zu leisten, die außerhalb seiner eigentlichen Tätigkeit liegt (RG. in LZ. 1913, 475; KfmG. u. LG. I Berlin in DIZ. 08, 1352; Titze 734). Einzelfragen s. ArbEntschBerl. 1925 Nr. 602 bis 621. In allen Fällen ist zu berücksichtigen, daß die Parteien des Dienstvertrags einander gleichgestellt sind, und daß daher der Dienstverpflichtete, namentlich ein solcher, der vertragsmäßig Dienste höherer Art zu leisten hat, sich nicht mit unangemessenen, z. B. mit gewöhnlichen Bureauarbeiten, beschäftigen zu lassen braucht (KfmG. Dortmund in KfmWuR. 1924,269).

Entsprechende Grundsätze gelten hinsichtlich des Ortes der Beschäftigung des Handlungsgehilfen: Versetzung in eine andere Stadt braucht er sich in der Regel nicht gefallen zu lassen (RG. in SeuffA. 70,110; Berliner Ältesten bei Horrwitz 46; wegen der entsprechenden Frage bei einem Vorstandsmitgliede einer AG., vgl. § 231 Anm. 32). Es macht hierbei keinen Unterschied, ob es sich um eine Geschäftsverlegung oder um Beschäftigung in einer auswärtigen Niederlassung des Prinzipals handelt. Ist Ver­ setzung nach einem anderen Orte bedungen, oder willigt der Gehilfe darein, so sind ihm mangels anderweiter Vereinbarung die Umzugskosten vom Prinzipal zu erstatten (Titze 736). Versetzung nach einer anderen Niederlassung in derselben Stadt muß sich der Gehilfe im Zweifel gefallen lassen (BerlKfmGJ. 1912, 213). Entsprechendes gilt bei Geschäftsverlegung. Liegt jedoch in einer großen Stadt, z. B. in Berlin, die neue Arbeitsstätte von der bisherigen sehr weit entfernt, so kann nach Befinden eine andere Beurteilung gerechtfertigt sein (ebenda 08, 21916). Ist der Angestellte Mitglied einer Betriebsvertretung, so ist § 96 BRG. zu berücksichtigen (Zustimmung der Be­ triebsvertretung erforderlich). Den Arbeitsplatz innerhalb der Geschäftsräume zu bestimmen, untersteht dem billigen Ermessen des Prinzipals. Unter Umständen ist der Gehilfe auch verpflichtet, vorübergehend in der Privatwohnung des Prinzipals tätig zu werden, z. B. wenn dieser krank ist, oder mangels eines anderen geeigneten Arbeitsplatzes. Anders, wenn wichtige Gründe vorliegen. Z. B. kann einer Hand­ lungsgehilfin nicht zugemutet werden, zum Prinzipal in dessen Wohnung zu gehen, wenn er sich ihr schon einmal zärtlich genähert hat und sie neue Zudringlichkeiten fürchtet (KfmG. Neukölln in GewKfmG. 19, 352). Im übrigen vgl. § 62, dessen Vorschriften stets zu beachten sind. Anm. 28.

8) Der zeitliche Umfang der Dienste hat eine gewisse gesetzliche Festlegung durch die Be­ stimmungen der GewO, über die Sonntagsruhe und über die Regelung der Arbeits­ zeit in offenen Verkaufstellen erfahren. aa) Die Sonn- und FesttagSruhe. In dieser Hinsicht bestimmt § 105b Abs. 2 GewO, in der Fassung der V. über die Sonntagsruhe im Handelsgewerbe und in Apotheken vom 5. Febr. 1919 (vgl. auch § 8 der später unter yy erwähnten B. vom 18; März 1919), was folgt: Im Handelsgewerbe dürfen Gehilfen, Lehrlinge und Arbeiter an Sonn- und Festtagen nicht beschäftigt werden. Die Polizeibehörde kann für sechs Sonn- und Festtage, die höhere Verwaltungsbehörde für weitere vier Sonn- und Festtage im Jahre, an denen besondere Ver­ hältnisse einen erweiterten Geschäftsverkehr erforderlich machen, für alle oder für einzelne Geschäftszweige eine Beschäftigung bis zu acht Stunden, jedoch nicht über sechs Uhr abends hinaus, zulassen und die Beschäftigungsstunden unter Berücksichtigung der für den öffentlichen Gottesdienst bestimmten Zeit feststen. Für das Speditions- und das Schiffsmäklergewerbe sowie für andere Gewerbebetriebe, soweit es sich um Abfertigung und Expedition von Gütern handelt, kann die höhere Verwaltungs­ behörde eine Beschäftigung bis zu zwei Stunden zulassen.

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

373

Nach Art. 2 der V. vom 5. Febr. 1919 finden diese Vorschriften auf Geschäfts- § 59. betriebe der Versicherungsunternehmer einschließlich der Vereine zur Versicherung auf Gegenseitigkeit, der Versicherungsagenten und der Sparkassen entsprechende Anwen­ dung. Nach Art. 3 der V. ist die höhere Verwaltungsbehörde befugt, für eine Gemeinde oder für benachbarte Gemeinden mit mehreren Apotheken an Sonn- und Festtagen oder während bestimmter Stunden dieser Tage abwechselnd einen Teil der Apotheken zu schließen. Die Schließung kann bis 8 Uhr morgens des nächsten Tages ausgedehnt werden. Welche Tage als Festtage gelten, bestimmen unter Berücksichtigung der örtlichen und konfessionellen Verhältnisse die Landesregierungen (§ 105a Abs. 2 GewO.). Nur insoweit die Vorschriften der GewO, dies zulassen, sind Verpflichtungen der Gehilfen zur Tätigkeit an Sonn- und Festtagen gültig. Weitergehende Verpflichtungen sind nichtig (§ 105a Abs 1; dazu tritt weiter der Schutz durch Geld- oder Haftstrafe; § 146a GewO.). Nur insoweit sind auch Ortsgebräuche beachtlich. Dies gilt auch für den Reisenden, der zu Geschäftsreisen am Sonntag nicht verpflichtet ist und über ihn frei verfügen darf (Horrwitz 46). Hat der Handlungsgehilfe außer den kaufmännischen noch technische Dienste zu verrichten, so sind noch rücksichtlich der letzteren die für den betreffenden technischen Betrieb geltenden Vorschriften über die Sonntagsruhe zu be­ achten; so darf z. B. der Verkäufer in einem Hutgeschäft die zum Verkauf vorliegenden Hüte an Sonn- und Festtagen nicht aufbügeln oder glätten (KG. in DIZ. 96, 202). — Ausnahmen von der Sonntagsruhe stellt teils die GewO, selbst fest (§ 105i für das Gast-, Schankwirtschafts- sowie das Verkehrsgewerbe; § 105c für Notfälle, Inventur­ arbeiten usw.), teils läßt sie diesbezügliche Verfügungen der höheren (§ 105e Abs. 1) oder der unteren Verwaltungsbehörde (§ 105f Abs. 1) zu, teils greifen andere Be­ stimmungen Platz (z. B. die V. über die Arbeitszeit in den Bäckereien und Kondito­ reien vom 23. Nov. 1918). Eine erteilte polizeiliche Genehmigung der Sonntagsarbeit ändert nichts an dem Vertragsverhältnis zwischen Prinzipal und Handlungsgehilfen, vielmehr bleiben in dieser Beziehung die bestehenden Verträge bzw. der Ortsgebrauch maßgebend; daher ist ohne Vorliegen diesbezüglicher Gründe ein Handlungsgehilfe nicht verpflichtet, an derartig polizeilich gestatteten Sonntagsarbeiten sich zu beteiligen (LG. I Berlin in DIZ. 08, 1352). Über die hiervon zu trennende Frage, ob der Gehilfe zur Arbeit an den Haupt­ feiertagen seiner Konfession verpflichtet ist, vgl. § 72 Anm. 5.

ßß Die die Die sind

Arbeitszeit in offenen Verkaufsstellen. Tie §§ 139c—139m GewO, betreffen Regelung des Geschäftsbetriebs und der Arbeitszeit in offenen Verkaufsstellen. Vorschriften, welche die hier in Betracht kommende Arbeitszeit betreffen, in §§ 139c, 139d und 139c enthalten. Diese lauten:

§ 139c. In offenen Verkaufsstellen und den dazu gehörenden Schreibstuben (Kontoren) und Lagerräumen ist den Gehilfen, Lehrlingen und Arbeitern nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens zehn Stunden zu gewähren. In Gemeinden, welche nach der jeweilig letzten Volkszählung mehr als zwanzigtausend Einwohner haben, muß die Ruhezeit in offenen Verkaufsstellen, in denen zwei oder mehr Gehilfen und Lehrlinge beschäftigt werden, für diese mindestens elf Stunden betragen; für kleinere Ortschaften kann diese Ruhezeit durch Ortostatut vorgeschrieben werden. Innerhalb der Arbeitszeit muß den Gehilfen, Lehrlingen und Arbeitern eine angemessene Mittagspause gewährt werden. Für Gehilfen, Lehrlinge und Arbeiter, die ihre Hauptmahl­ zeit außerhalb des die Verkaufsstelle enthaltenden Gebäudes einnehmen, muß diese Pause mindestens ein und eine halbe Stunde betragen. § 139 d. Tie Bestimmungen des § 139 c finden keine Anwendung 1. auf Arbeiten, die zur Verhütung des Verderbens von Waren unverzüglich vorgenommcn werden müssen, 2. für die Aufnahme der gesetzlich vorgefchrie denen Inventur sowie bei Neueinrichtungen und Umzügen,

374

§ 69.

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge. 3. außerdem an jährlich höchstens dreißig von der Ortspolizeibehörde allgemein oder für ein­ zelne Geschäftszweige zu bestimmenden Tagen.

8 139e. Von neun Uhr abends bis fünf Uhr morgens müssen offene Verkaufsstellen für den geschäftlichen Verkehr geschloffen sein. Tie beim Ladenschluß im Laden schon anwesenden Kunden dürfen noch bedient werden. Uber neun Uhr abends dürfen Verkaufsstellen für den geschäftlichen Verkehr geöffnet sein 1. für unvorhergesehene Notfälle, 2. an höchstens vierzig von der Lrtspolizeibehörde zu bestimmenden Tagen, jedoch bis spätestens zehn Uhr abends, 3. nach näherer Bestimmung der höheren Verwaltungsbehörde in Städten, welche nach der jeweilig letzten Volkszählung weniger als zweitausend Einwohner haben, sowie in länd­ lichen Gemeinden, sofern in denselben der Geschäftsverkehr sich vornehmlich auf einzelne Tage der Woche oder auf einzelne Stunden des Tages beschränkt. Die Bestimmungen der §§ 139c und 139d werden durch die vorstehenden Bestimmungen nicht berührt. Während der Zeit, wo die Verkaufsstellen geschlossen sein müssen, ist das Feilbieten von Waren auf öffentlichen Wegen, Straßen, Plätzen oder an anderen öffentlichen Orten oder ohne vorherige Bestellung von Haus zu Haus im stehenden Gewerbebetriebe (§ 42 b Abs. 1 Ziffer 1) sowie im Gewerbebetrieb im Umherziehcn (§ 55 Abs. 1 Ziffer 1) verboten. Ausnahmen können von der Ortspolizeibehörde zugelassen werden. Tie Bestimmung des § 55 a Abs. 2 Satz 2 findet Anwendung.

Diese Bestimmungen, die dem Schutze des wirtschaftlich Schwächeren dienen sollen, sind zwingenden Charakters. Sie beziehen sich auf alle in offenen Verkaufsstellen An­ gestellten, insbesondere also auch auf Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge. Der Begriff der „offenen Verkaufsstelle" ist umfassender als der des offenen Ladens (An­ hang zu § 37 Anm. 5). Die „offene Verkaufsstelle" ist jede dem Zutritt des Publikums offenstehende, dem Verkauf von Waren dienende Stätte (Goldmann I 369; ähnlich Bail 33). Tie Verkaufsstätten auf den Straßen, die Buden auf den Jahrmärkten, die Verkaufsautomaten (KG. in DIZ. 96, 183 und 97, 186) fallen darunter. Ohne Belang ist, ob die Verkaufsstelle von einem Voll- oder Minder­ kaufmann betrieben wird, ob sie dem Groß- oder Kleinverkauf und welchem Geschäfts­ zweige sie dient. Nur muß der Verkauf von Waren (nicht etwa die Übernahme der Bearbeitung oder Verarbeitung von Waren oder ein sonstiges Handelsgewerbe) in ihr betrieben werden. Daher zählt z. B. die Tcpositenkasse eines Bankgeschäfts hierher, sofern sie sich mit Scheck- und Wechselverkehr und mit An- und Verkauf von Wertpapieren befaßt (KG. in Gewerbearchiv 6, 519), dagegen nicht Geschäftsstellen, in denen Stoffe zum Färben oder Reinigen angenommen werden (OLG. Dresden ebenda 5, 152). YY) Im übrigen gilt für die Arbeitszeit an den Werktagen der Grundsatz des Acht­ stundentags. Die regelmäßige werktägliche Arbeitszeit, ausschließlich der Pausen, darf die Tauer von acht Stunden nicht überschreiten. Jedoch kann ein an einzelnen Werk­ tagen eintretender Ausfall von Arbeitsstunden nach Anhörung der gesetzlichen Be­ triebsvertretung durch Mehrarbeit an den übrigen Werktagen der gleichen oder der fol­ genden Woche ausgeglichen werden (zur Auslegung dieser Bestimmung vgl. Flatow und Landmann in GewKfmG. 29, 273 u. 30, 24). Die gesamte Regelung dieser und sonstiger einschlagender Fragen findet sich in der V. über die Regelung der Arbeitszeit der Angestellten während der Zeit der wirtschaftlichen Demobilmachung vom 18. März 1919 und in der sie zu dauernder Geltung erhebenden und verschiedentlich abändernden und ergänzenden V. über die Arbeitszeit vom 21. Dez. 1923 (Ausführungsbestimmungen dazu s. V. vom 17. April 1924). Eine eingehende Erläuterung dieser Vorschriften würde über die Zwecke dieses Kommentars hinausgehen. Es muß daher auf die Spezialliteratur hierzu verwiesen werden (besonders Gottschalk in IW. 1919, 353, sowie Shrup und Weigert, B. über die Arbeitszeit, Kommentar, 1924). Die V. vom 18. März 1919

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

375

bestimmt ausdrücklich in § 11 Ziff. 1, daß sie auf Handlungsgehilfen Anwendung findet, § 59, nimmt aber in § 12 Generalbevollmächtigte und Angestellte in leitender und über eine gewisse Gehaltsgrenze gehobener Stellung aus. Im Rahmen der vorgedachten Vor­ schriften ist in den meisten Fällen die werktägliche Arbeitszeit der Handlungsgehilfen durch Tarifverträge festgelegt. Soweit die Tarifverträge abweichende Vereinbarungen gestatten (§ 1 der V- vom 23. Dez. 1918, s. unten Anm. 33c), oder soweit eine tarifliche Regelung nicht vorliegt, gelten hinsichtlich der Arbeitszeit die zwischen dem Dienstherrn und dem Handlungs­ gehilfen ausdrücklich oder stillschweigend getroffenen Vereinbarungen; in deren Er­ mangelung der Ortsgebrauch (Anm. 24). Beide sind aber nur zulässig im Rahmen der obengedachten Vorschriften über die gesetzliche Regelung der Arbeitszeit; außerdem sei auf § 62 Anm. 4 verwiesen. Die vertraglich (ausdrücklich oder stillschweigend) festgesetzte Arbeitszeit kann nur mit Bewilligung des Angestellten abgeändert werden (BerlKfmGJ. 08, 222; 1910, 239; 1912, 215; ArbEntschBerl. 1925 Nr. 622ff.). Anders bei nur vorübergehender Ände­ rung aus wichtigen Gründen (BerlKfmGJ. 1910, 240; 1912, 214). Uber die regelmäßige Geschäftszeit hinaus braucht der Gehilfe sich nicht be­ schäftigen zu lassen. Doch ist es allgemein üblich, daß die Gehilfen das Geschäft nicht vor Beendigung ihrer dringenden Arbeiten verlassen, selbst wenn dadurch eine geringe Verlängerung der Arbeitszeit eintritt (KfmG. Mannheim in GewKfmG. 12,137; Berl­ KfmGJ. 08, 25483; KfmG. Breslau m GewKfmG. 18, 88); anders, wenn besondere Umstände vorliegen (BerlKfmGJ. 1910, 22275; 1912, 216). Vorübergehende gering­ fügige Mehrleistungen, die durch Jahreszeit und Konjunktur bedingt werden, sind nach der herrschenden Meinung nicht besonders zu vergüten (vgl. Berliner Ältesten bei DoveApt 1 und dieselben Entsch.; ferner KfmG. München in RArbBl. 05, 900). In der Ultimozeit, in der Inventur- und Weihnachtszeit wird wohl auch länger gearbeitet, ohne daß der Gehilfe sich dessen weigern oder besondere Bezahlung verlangen darf. Doch gilt dies nur, wenn diese Mehrbeschäftigung sich in mäßigen und herkömmlichen Grenzen hält (KfmG. München in GewKfmG. 12, 65). Vgl. aber hierzu Anm. 33a. Uber die Zulässigkeit von Überstunden s. auch §§ 4 u. 7 der V. vom 18. März 1919 und §§ 3 u. 10 der V. vom 21. Dez. 1923 (Mehrarbeit bis zu zwei Stunden an höchstens dreißig Tagen im Jahre; zur Auslegung vgl. die oben angeführten Aufsätze von Flatow und Landmann). cr Der Handlungsgehilfe ist dem Prinzipal (wer als solcher anzusehen ist, s. Anm. 6) Anm. 29. Gehorsam schuldig. Nur wenn ihm gesetz- oder vertragswidrige oder unsittliche oder schikanöse (§ 226 BGB.) Anweisungen erteilt werden, kann er den Gehorsam ver­ weigern. Vgl. auch § 72 Anm. 5. — Ordentliche und pünktliche Dienstleistung durch einseitig angedrohte Ordnungsstrafen zu erzwingen, ist der Prinzipal nicht be­ rechtigt. Geschäftsordnungen nach dieser Richtung sind nur gültig, wenn der Gehilfe sich ihnen rechtsgültig unterworfen hat. — Zur Tätigkeit außerhalb des Geschäfts­ lokals ist der Gehilfe nur verpflichtet, wenn dies im Rahmen des übernommenen Dienstes liegt, z. B. der Einkäufer, der Reisende (s. auch Anm. 9 u. 27). () Der Gehilfe kann auf Leistung der Dienste verklagt und zu ihr ver-Anm.30 urteilt werden (AG. I Berlin in KG Bl. 04, 64). Zwangsvollstreckung findet statt gemäß §§ 887, 888 ZPO. Nach § 887 ZPO. ist der Prinzipal auf seinen Antrag zu ermächtigen, sich die Dienste durch einen anderen leisten zu lassen, wenn sie so beschaffen sind, daß solche Leistung durch einen Tritten erfolgen kann. Dies wird meist der Fall sein, obwohl das Verhältnis zwischen Prinzipal und Handlungsgehilfen ein Vertrauens­ verhältnis ist. Dieser Umstand steht der Eigenschaft der Dienste als solcher, die auch ein Dritter vornehmen kann, nicht entgegen. Nur selten wird hiernach der Fall vorliegen, daß ein Dritter die Dienste überhaupt nicht leisten kann; in diesem Falle versagt das Zwangsvollstreckungsrecht, denn die Erzwingung der Dienste durch Geld- oder Haft-

376

§ 59,

Anm. 31.

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

strafe findet bei Dienstverträgen nicht statt (§ 888 Abs. 2 ZPO.). In jedem Falle hat der seine Dienste schuldhafterweise nicht oder nicht ordnungsmäßig leistende Gehilfe Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu leisten (§ 286 BGB-) und muß sich einen Abzug an der Vergütung gefallen lassen (§ 614 BGB.). Näheres hierüber s. Elster, Mangelhafte Arbeitsleistung und verschuldete Verhinderung usw., in DIZ. 1910, 801 sowie in GewKfmG. 16, 1; Landsberger, Der Vertragsbruch des Handlungsgehilfen, ebenda 18, 92; Titze 772. Der Gehilfe ist zur sorgfältigen Ausführung der ihm übertragenen Arbeiten verpflichtet und haftet für den durch seine Fahrlässigkeit dem Arbeitgeber entstandenen Schaden (Einzelsälle ArbEntschBerl- 1925 Nr. 661 ff.). Außerdem kann in der Nichtleistung oder schlechten Leistung der Dienste nach Befinden ein Entlassungsgrund gegeben sein (§ 72). Nach § 16 Abs. 1 KfrnGG., § 51 GewGG. kann das Gericht bei Verurteilung eines Handlungsgehilfen zur Leistung von Diensten für den Fall, daß diese nicht binnen einer zu bestimmenden Frist erfolgt, den Gehilfen auf Antrag des Prinzipals zur Zahlung einer nach dem Ermessen des Gerichts festzusetzenden Entschädigung verurteilen; in diesem Falle ist die Zwangsvoll­ streckung nach §§ 887, 888 ZPO. ausgeschlossen. Dies gilt auch dann, wenn im einzel­ nen Falle die Zuständigkeit des KfmG. nicht gegeben ist (§ 4 KfmGG.), sofern beim Amtsgericht geklagt wird (§§ 510b, 888a ZPO.). Da der Gehilfe zur Leistung seiner Dienste nicht durch gerichtliche Zwangsmaßnahmen, wie Geldstrafe oder Haft, ange­ halten werden kann, ist auch eine einstweilige Verfügung gegen ihn zur Erwirkung von Dienstleistungen nicht zulässig (OLG. Dresden im SüchsA. J3, 377; ArbEntschBerl. 1925 Nr. 591).

7)

In den Streitigkeiten vor den KfmG. spielt oft eine große Rolle die Frage, ob und inwieweit Handlungsgehilfen, namentlich Filialleiter oder Lagerhalter in Nah­ rungsmittelgeschäften, für Fehlbeträge haften: sog. Mankohaftung, über diese Frage s. Krönig, Die Haftung des Filialleiters für Manko, in GewKfmG. 19, 313; Neumann, Haftung für Fehlbeträge, in BerlKfmGJ. 1910, 157; Titze 774; Ent­ scheidungen: RG. im „Recht" 08 Nr. 2149; 1912 Nr. 192; GewKfmG. 17, 18069; BerlKfmGJ. 1912, 288ff.; ArbEntschBerl. 1925 Nr. 1158 bis 1184. Der Kernpunkt ist, daß auch bei Vorhandensein von Abmachungen, zufolge deren der Filialleiter für Fehl­ beträge unbedingt haftet, er doch mindestens dann von seiner Haftung frei ist, wenn er nachweist, daß auch bei pflichtmäßiger Aufsicht der Schaden nicht zu vermeiden war (z. B. Einbruchsdiebstahl). Bei Bestehen solcher Abmachungen haftet er im Zweisel für Diebstähle durch Mitangestellte, sofern er diesen Entschuldungsbewcis nicht führen kann (Krönig 317). Ist aber solche strenge Haftung nicht vereinbart, so haftet der Gehilfe nur bei Verschulden, doch hat er, wenn er in der betreffenden Niederlassung allein tätig ist, seine Schuldlosigkeit zu beweisen, während anderenfalls das Verschulden vom Prin­ zipal nachgewiesen werden muß (Krönig 316). In der Vereinbarung, daß ein Gehilfe ohne Rücksicht aus Verschulden für alle Fehlbeträge haften, also auch für Zufall ein­ stehen soll, kann unter Umständen ein sittenwidriger Vertrag liegen. So namentlich dann, wenn darin ein auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Entgelt (Z 138 Abs. 2 BGB.) zu finden ist (KfmG. Berlin in DIZ. 1917, 532; LG. III Ber.in in GewKfmG. 15, 163; KfmG. Berlin in SozPr. 15, 435; KfmG. München in GewKfmG. 21, 119; vgl. auch KfmG. Wilhelmsburg und LG. Stade ebenda 17, 161). In solchen Fällen ist aber im Zweifel nur die Vereinbarung wegen der Fehlbetragshastung n.chtig, nicht der ganze Vertrag (Anhang zu § 62 Anm. 2).

Anm. 32. 3. Die Ansprüche deS Handlungsgehilfen.

a) Bon diesen Ansprüchen ist hier nur die

Vergütung abgehandelt.

Einen Anspruch auf Beschäftigung, auf Entgegennahme der Dienste, hct der Gehilfe mangels besonderer Abrede nicht (RG. in Gruch. 47, 400; ferner vgl. RH- in IW. 1911, 3922). Der Entwurf des Arbeitsvertragsges. von 1923 (oben Einl. a. E. sieht

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

377

allerdings in § 46 eine Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers für den Fall vor, daß der § 59. Arbeitnehmer durch Nichtbeschäftigung in seiner Leistungsfähigkeit oder in seinem Fort­ kommen geschädigt wird. Allein diese Bestimmung ist noch nicht Rechtens. Immerhin sind aber Fälle denkbar, in denen schon jetzt anzunehmen ist, daß nach dem Willen der Parteien bei Abschluß des Anstellungsvertrags der Arbeitgeber die Verpflichtung über­ nommen hat, den Arbeitnehmer angemessen zu beschäftigen. Dann liegt eine Abrede der vorstehend gedachten Art vor. Ebenso hat der Gehilfe im Zweifel nicht einen Anspruch auf Belassung zugewi'esener Befugnisse und Vollmachten (§§ 611, 168 BGB.; s. auch § 84 Anm. 24 für Agenten), es sei denn, daß er für eine bestimmte Tätigkeit angestellt ist (s. Anm. 27). Der Handlungsgehilfe mag, wenn er hierin eine Abredewidrigkeit erblickt, die ihm sonst zustehenden Rechte geltend machen (§ 70 Anm. 30, § 71 Anm. 6). Denkbar ist noch ein Anspruch auf Rückzahlung einer gestellten Sicherheit. Sie kann erst nach Ablauf einer Frist, innerhalb deren sich beurteilen läßt, ob Fälle der Haftbarkeit vorliegen, zurückverlangt werden (KG. in KGBl. 94, 48). Ist Sicherheit ge­ stellt, so ist ihr Zweck regelmäßig nur der, die tatsächliche Beitreibbarkeit von Ansprüchen des Dienstherrn zu sichern, dagegen wird dadurch im Zweifel die Haftung des Gehilfen nicht erhöht, so daß der Prinzipal, wenn er die Rückgabe der Sicherheit verweigert, nach­ weisen muß, daß ihm Ansprüche gegen den Gehilfen zustehen (KfmG. Posen in GewKfmG. 23, 285). * Über die Rückgabe der Kaution nach Beendigung des Dienstverhältnisses s. Anm. 34 b letzter Absatz. Über Urlaub s. Anm. 34c. b) Die Vergütung. Wie bereits oben in der Einleitung erwähnt, bedarf die einschlägige Be- Anm. 33. stimmung des § 59 einer Ergänzung durch das Tarifrecht. Soweit Tarife bestehen, wird die Frage der Vergütung meist durch diese geregelt, und zwar in der Regel in zwin­ gender Weise. In derartigen Fällen ist sonach der betreffende Tarif maßgebend (vgl. Anm. 33c). Nur soweit Tarife nicht Platz greifen, insbesondere also meist bei höheren Angestellten (Prokuristen, Geschäftsführern, allgemeinen Handlungsbevollmächtigten) und in sonstigen Fällen einer Entlohnung über die tarifmäßigen Sätze hinaus, gilt praktisch noch die in.§ 59 getroffene Regelung. Nach dieser richtet sich die Vergütung nach der Ver­ einbarung; fehlt diese, dann nach Ortsgebrauch, und mangels eines Ortsgebrauchs entscheidet die Angemessenheit. Über den Begriff Ortsgebrauch vgl. Anm. 24. Über den Begriff der Angemessenheit des Arbeitsentgelts (schon unter Berücksichtigung des oben in der Einleitung gedachten Entwurfes zu dem Arbeitsvertragsgesetz) s. Bewer in Gruch. 67, 248. Die Vereinbarung muß bestimmt und deutlich sein. Sonst gilt sie nicht als solche. Die gewöhnlichen Arten der Vergütung sind: Gehalt, Naturalver­ gütung (über die rechtliche Bedeutung der Einräumung einer Dienstwohnung s. OLG. Hamburg in LZ. 1918, 791), Provisionen oder Tantieme (Erl. zu § 65), vielfach in Mischformen. Auch Pension (Ruhegehalt) kommt vor. Näheres hierüber allenthalben s. Titze 596—631. Wegen aller seiner Vergütungsansprüche hat der Handlungsgehilfe im Konkurse des Prinzipals das Vorzugsrecht gemäß § 61 Nr. 1 KO. Daß das Ruhegehaltsversprechen insbesondere nicht einen Leibrenten­ vertrag darstellt, daher nicht der Schriftform des § 761 BGB. bedarf, s. RG. 80, 208 und IW. 1919, 184*. Hervorgehoben sei, daß vielfach in den Tarifverträgen auch über die verschiedenen Vergütungsarten und ihre Behandlung maßgebliche Bestimmungen oder wenigstens Auslegungsvorschriften enthalten sind. Auch sei bemerkt, daß der Entwurf des Arbeitsvertragsges. von 1923 (oben Einl. a. E.) in § 48 die zweckmäßige Bestimmung vorsieht, daß das Versprechen von Ruhegeld oder Hinterbliebenenversorgung der Schrift­ form bedarf. Die Vereinbarung der Vergütung kann auch stillschweigend geschehen. Z. B. ist solches anzunehmen bei fortgesetzter tatsächlicher Zahlung. Das gilt auch für still­ schweigend gewährte Gehaltserhöhungen. Die Mehrzahlung kann nicht nachträglich wegen

378 § 59.

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

Irrtums angefochten werden, sofern der Gehilfe die erhöhte Vergütung in gutem Glauben angenommen hat (ArbEntschBerl. 1925 Nr. 686; vgl. auch RG. 101, 721). Bisweilen kommt es auch vor, daß der Prinzipal weiblichen Angestellten fjür den Fall ihrer Verheiratung nach einer bestimmten Tienstzeit eine Aussteuer verspricht. Eine solche Zusage ist rechtsverbindlich. Tie Aussteuer ist unter Berücksichtigung derr wirt­ schaftlichen Verhältnisse beider Parteien im Sinne von § 1620 BGB. nach billigerm Er­ messen zu bestimmen (ArbEntschBerl. 1925 Nr. 808). Die Vereinbarung allzu niedriger Löhne, sogenannter Hungerlöhnekann unter Umständen ein unsittliches oder ein wucherisches Geschäft und nach § 138 BGB. nichtig sein (AG. und LG. Königsberg im „Recht" 04, 440; KsmG. Leipzig in SozPr. 05, 676; BerlKfmGJ. 08, 2137 u. 264"; 1912, 268 ff.; GewG. Berlin in DIZ.. 1911, 768; KfmG. Mühlheim in GewKfmG. 28, 153; vgl. auch RG. in IW. 04, 4812 und RGSt. 45, 199 und Oertmann, Arbeitsvertragsrecht S. 105). Der Gehilfe kamn die Nichtigkeit eines solchen Vertrags jederzeit geltend machen. Der Prinzipal hat in sol­ chem Falle den Gehilfen für die geleisteten Dienste und nach § 826 BGB. unten: Um­ ständen auch für die Folgezeit, bis der Gehilfe eine neue Stellung findet, zu entschädigen (rechtliche Begründung s. Oertmann in DIZ. 1913, 254; derselbe, Arbeitslohn, 1921, S. 55 f.). Auf Grund dieser Erwägungen sind für nichtig erklärt worden Vereinbarungen der Art, daß ein Versicherungsinspektor nur dann weiter Gehalt bekommen solle,, wenn er bessere Abschlüsse bringe (KfmG. München in GewKfmG. 12, 39); daß ein n.ur auf Provision gesetzter Reisender sich etwaige vom Prinzipal bewilligte Preisnachlässe von der Provision in Abzug bringen lassen müsse (KfmG. München in GewGer. 10„ 143); daß Angestellte eines Hotels wegen ihrer Lohnansprüche sich nur an Mitangestelltte, nicht an den Dienstherrn selbst halten können (GewG. Chemnitz und Hamburg in GewKfmG. 14, 150 ii. 219; diese auf Gewerbegehilfen sich beziehenden Entsch. sind auf Handlungs­ gehilfen entsprechend anwendbar). Ter maßgebende Gesichtspunkt ist stets, daß deis vom Prinzipal dem Handlungsgehilfen zu gewährende Einkommen die Bestreitung be5 not­ wendigen Unterhalts ermöglichen und in einem angemessenen Verhältnis zu seinem Lei­ stungen stehen muß. Aus diesem Grunde ist auch ein Vertrag, nach dem ein vermwgensloser Handlungsgehilfe unter schwierigen Verhältnissen gar kein festes Gehalt, vielmehr nur Gewinnanteil erhalten oder bei niedrigen Provisionssätzen selbst die Spesen tragen sollte, als unvereinbar mit den guten Sitten und daher nichtig erklärt worden (RG. in IW. 1910, 55; BerlKfmGJ. 1910, 266; anders in einem für den Gehilfen aussichts­ reicher gelagerten Falle RG. in SeuffA. 69, 239); ebenso ein Vertrag, nach dem ein mit ungewöhnlich geringem festen Gehalt und verhältnismäßig hoher Tantieme angestellter Handlungsgehilfe die letztere nur erhalten sollte, wenn er zu einem bestimmten Zeit­ punkte noch im Geschäft tätig sein werde (KfmG. Hamburg in GewKfmG. 14, 290); ebenso eine Vereinbarung des Inhalts, daß die Gewährung von Provision oder Tan­ tieme nach freiem Belieben des Prinzipals erfolgen solle, obgleich nach dem offenbaren Willen der Parteien diese als erhebliche Bezüge des Angestellten neben dem nur gering bemessenen festen Gehalt gelten sollten (BerlKfmGJ. 08, 26396); ebenso die Verein­ barung, eine Garantie für den Provisionsverdienst des Gehilfen, der hauptsächlich auf Provisionen angewiesen ist, falle im Kündigungsmonat weg (ArbEntschBerl. 1925 Nr. 827; dort Nr. 821 ff. noch andere einschlagende Entsch.). Sittenwidrig ist es auch, wenn das Geschäftsrisiko durch Vertrag auf schlecht bezahlte Angestellte abgewälzt wird (Wald­ müller in GewKfmG. 19, 47). Z. B. darf einem Reisenden in der Regel nicht die ganze Haftung für die Zahlungsfähigkeit der Kunden aus von ihm gebrachten Geschäften auf­ gebürdet werden (KfmG. Berlin und München in GewKfmG. 20, 332 und 22, 125). Ja, das RG. (in LZ. 1914, 5787) hat sogar einen Anstellungsvertrag für nichtig erklärt, weil darin ein Handlungsgehilfe mit 15000 Mark Jahreseinkommen für jeden Fall einer Zu­ widerhandlung gegen seine Dienstverpflichtungen einer Vertragsstrafe von 20000 Mark sich unterworfen hatte. Wegen Nichtigkeit einzelner Bestimmungen in Anstellungs-

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

379

Verträgen vgl. Anm. 31 a. E.; § 67 Anm. 9; § 63 Anm. 7a. Als Beispiel der Nichtigkeit § 59. einer einzelnen Bestimmung eines Anstellungsvertrags wegen Sittenwidrigkeit sei hier noch der Fall hervorgehoben, daß der Gehilfe eine ihm zugesicherte hohe Gewinnbeteili­ gung als Sicherheit stehen lassen muß und sie bei jeder Zuwiderhandlung gegen seine Vertragspflichten voll verlieren soll (RG. 90, 182). Und nur der Vollständigkeit halber sei noch bemerkt, daß auch aus anderen Gründen eine Gehaltszusicherung nach § 138 BGB. wegen Sittenwidrigkeit nichtig sein kann, z. B. ein Vertrag, durch den ein Ange­ stellter seinen Tienstherrn dafür, daß er ihm die Vertragstreue wahrt, zu einer erheb­ lichen Gehaltserhöhung nötigt (RG. in IW. 1916,11853), oder wegen sonstiger wucherischer Ausbeutung einer Notlage des Dienstherrn durch den Gehilfen. — über Anfechtung eines Anstellungsvertrags wegen Betrugs, Irrtums oder Zwanges s. § 70 Anm. 24. Wer angemessenen Lohn fordert, hat zu beweisen, daß eine bestimmte Vergütung nicht vereinbart (a. M. Rosenberg in ArchZivPrax. 94, 90) oder daß die ge­ troffene Vereinbarung nichtig ist (Titze 632). Gegenstand der Vergütung kann Geld oder auch Waren (das Trucksystem ist hier nicht grundsätzlich verboten; s. Anm. 5 zu § 64) oder auch Unterhalt (Naturallohn) sein. Auch kann z. B. vereinbart werden, daß ein Teil der Vergütung in Aktien oder an­ deren Wertpapieren oder Beteiligungen gewährt werden soll (KfmG. Bremen in GewKfmG. 29, 238). In allen derartigen Fällen ist aber zu prüfen, ob die Vereinbarung nicht gegen dre guten Sitten verstößt. Der Anspruch auf jede Art der Vergütung verjährt in 2 Jahren: „Gehalt, Lohn oder andere Dienstbezüge" (§ 196 Nr. 8 BGB.), also auch der Anspruch auf Tantieme und Provision. Die Verjährung beginnt am Schlüsse des Fälligkeitsjahres. Für Überstunden — soweit solche zulässig sind; hierüber s. Anm. 28 letzter Absatz —Anm. 33a. hat der Handlungsgehilfe, falls keine Vereinbarung vorliegt, eine besondere Vergütung im Zweifel nicht zu beanspruchen (Berliner Ältesten bei Horrwitz 73 und KfmG. Mün­ chen im GewGer. 10, 364; Oertmann, Arbeitsvertragsrecht S. 125). Beim Mangel eines wirklichen Geschäftsbedürfnisses kann er aber die Arbeit in Überstunden verweigern. Unter Überstunden sind nur Überleistungen innerhalb des vertragsmäßig umgrenzten Geschäftsbereichs zu verstehen, also Leistungen, die ohne Rücksicht auf die Zeit ihrer Ver­ richtung an sich unter die Obliegenheiten des Gehilfen fallen würden. Andere Dienstle.stungen (z. B. ein Fakturist erledigt auf Wunsch des Prinzipals außerhalb d^r Ge­ schäftszeit den Abgang von Postsachen) sind auf Grund von § 612 BGB. besonders und angemessen zu vergüten (KfmG. München in GewKfmG. 12, 65). Ebenso kann der Gehilfe denn besondere Vergütung von Überstunden verlangen, wenn die Leistung solcher von ihm verlangt wird und ihre Dauer das übliche und hergebrachte Maß überschreitet. Neuerdugs wird — namentlich aus Handlungsgehilfenkreisen — vielfach die Ansicht ver­ traten, daß Überstunden stets besonders zu vergüten seien. In den meisten Tarifver­ trägen wird jetzt sogar eine Bezahlung der Überstunden mit Ausschlägen vorgesehen. Auch kommt es vor, daß in Tarifverträgen Überarbeit überhaupt verboten wird, wohl aber dies mchr für gewerbliche Arbeiter als für Handlungsgehilfen (über die rechtliche Bedeutmg eines solchen Verbots und die Behandlung von Zuwiderhandlungen s. Hueck, Tirifrecht, Stuttgart 1922, S. 57, 59, 62). Manche Tarifverträge für kaufmännische Angchellte sehen auch vor, daß gewisse Überarbeit nicht nach dem Satz der Überstunden zu vrrgüten ist, dafür aber durch Gewährung von Sonderurlaub (außer dem tariflichen Ur­ laib; s. unten Anm. 34c) unter Weiterzahlung des Gehalts oder durch besondere Vergttung ein Ausgleich herbeizuführen ist. Auch die Bestimmung kommt in Tarifverträgen vir, daß die Zeit, die zur Bedienung der beim gesetzlich vorgeschriebenen Ladenschluß scton anwesenden Kunden sowie zu Aufräumungsarbeiten und zur Postbeförderung er­ forderlich ist, nicht als Überstunden-Arbeitszeit gilt, sofern sie nicht eine halbe Stunde ülerschreitet, daß dagegen, wenn letzteres der Fall, auch diese halbe Stunde als Über­

sünde zu bezahlen ist.

380 § 59*

Anm. 33d.

Anm. 33o.

VI. Abschnitt: .Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

Die Frage, ob und inwieweit eine Pflicht für Handlungsgehilfen zur Leistung von Überstunden besteht, wurde in der Nachkriegszeit (namentlich für Bankangestellte) brennend. Hierüber vgl. Oertmann im BankA. 1921, 21 und ArbEntschBerl. 1925 Nr. 629 ff. Tort Nr. 711 ff. auch viele Entsch. über die Frage der Überstundenbezahlung. Auch Borschutzleistung kann vereinbart werden. S. hierzu ArbEntschBerl. 1925 Nr. 831 f. Ohne Vereinbarung kann ein Vorschuß auf Gehalt, Provision oder Tantieme (anders Vorschuß auf Reijespcsen oder ionitigc Auslagen, s. Anm. 37) nicht gefordert werden, da das Entgelt im Zweifel erst nach Leistung der Dienste bzw. nach Ablauf der einzelnen Zeitabschnitte zu entrichten ist (§ 614 BGB.). Auch der Anspruch auf Rückzah­ lung geleisteter Vorschüsse verjährt hier in 2 Jahren (§ 196 Nr. 8 BGB.; BerlKfmGJ. 08, 266102). Über die Frage, ob Vorschüsse zu verzinsen sind und zu welchem Zinsfüße, s. § 354 u. dort Anm. 10 sowie § 352 Abs. 2. Nach dem oben in der Einleitung erwähnten Entwürfe des Arbeitsvertragsgesetzes (§§ 68 ff. des Entwurfs) soll die Borschußfrage gesetzlich geregelt werden. Hierzu s. Bewer in LZ. 1925, 225. Unabdingbarkeit der tarismätzigen Bergütung. Soweit Tarifverträge be­ stehen, treffen, wie bereits in Anm. 33 erwähnt, diese meist Bestimmungen über die zu gewährende Vergütung. In der Regel sind zu diesem Zwecke die Angestellten in Grup­ pen eingeteilt und die Bezüge nach Berufsjahren gestaffelt. Die Tarifverträge gelten in der Regel für einen örtlich begrenzten Bezirk. Inwieweit ein Ortstarif auf auswärtige Arbeitnehmer Anwendung findet, s. KfmG. Mannheim in GewKfmG. 30, 361 und Arb­ EntschBerl. 1925 Nr. 1442 f. Im Bereich der Tarifverträge sind nach § 1 der V. über Tarifverträge vom 23. Dezember 1918 (durch die V. vom 31. Mai 1920 und das Ges. vom 23. Jan. 1923 insoweit nicht abgeändert) abweichende Vereinbarungen unwirk­ sam. Wirksam sind sie nur, soweit sie im Tarifverträge grundsätzlich zugelassen sind, oder soweit sie Änderungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten und im Tarifverträge nicht ausdrücklich ausgeschlossen sind. Die Vereinbarung eines tarifwidrigen Gehalts macht aber nicht den ganzen Anstellungsvertrag nichtig (ähnlich Anm. 31 a. E.), vielmehr treten zufolge des § 1 der V. an die Stelle der unwirksarnen Vereinbarungen die entsprechenden Be­ stimmungen des Tarifvertrags. Hiernach kaun bei Vereinbarung eines untertarifmäßigen Gehalts der Gehilfe trotzdem den Tarisgehalt fordern. Eine andere Frage ist es, ob der Gehilfe, wenn er den untertarifmäßigen Gehalt vorbehaltlos angenommen hat. nach­ träglich Nachzahlung bis zur Höhe des Tariflohnes verlangen kann. Über diese Frage gehen die Meinungen sehr auseinander. Unserer Ansicht nach ist der Arbeitnehmer durch die Unabdingbarkeit des Tarifvertrags nicht daran gehindert, nachträglich auf einen Teil des bereits verdienten Tariflohnes zu verzichten und mit einem niedrigeren Lo'Me sich zu begnügen. Daher kann der Gehilfe, der längere Zeit hindurch widerspruchslos nied­ rigeren Gehalt angenommen hat, nicht nach ieinem Austritt Nachzahlung fordern (§§ 364 Abs. 1 und 397 BGB.). Allein ein derartiger nachträglicher Verzicht unterliegt )en all­ gemeinen Regeln über die Anfechtung von Rechtsgeschäften. Ist die Annahme des tarif­ widrigen Gehalts z. B. aus Irrtum oder infolge der unter Ausbeutung einer augen­ blicklichen Notlage des Angestellten sittenwidrig erfolgten Drohung des Prinzipes, ihn sonst zu entlassen, erfolgt, so kann je nach den Umständen des einzelnen Falles )er (Ge­ hilfe unter Anfechtung seiner Verzichtserklärung zur Nachforderung bis zur HZhe des Tarifgehalts befugt sein. Indes darf eine solche Anfechtung nur in ganz besonders gear­ teten Fällen zugelassen werden. Ist ein Gehilfe (etwa auf sein eigenes Ansuchen hin) zu untertarifmäßigem Gehalt angenommen worden, und hat er diesen Gehalt längcre Zeit hindurch in Kenntnis seiner untertarifmäßigen Höhe ohne Widerspruch angenommen, so verstößt es gegen Treu und Glauben und ist arglistig, wenn er nach seinem Austritt Nachzahlung fordert. Einem derartigen Verhalten will und kann die Rechtsordnung nicht dienen; eine ein derartiges Verhalten unterstützende Entsch. ist im Sinne wütiger Rechtspflege (vgl. Allg. Einl. Anm. 37a, oben Seite 14) nicht erträglich. Im wesent­ lichen ebenso LG. Kiel und GewG. Königsberg im Jahrb.arbeitsr.Entsch. 1921, 40 u.

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

381

52; GewG. Olsnitz ebenda 1922, 57; teilweise LG. I Berlin in mehreren Entsch. in JAR. § 59* 1923, 66 (dort u. JAR. 1922, 67 s. weitere Lit.); ferner ArbEntschBerl. 1925 Nr. 1487f. Im übrigen vgl. Cichorius in GewKfmG. 26, 269; Hueck, Das Tarifrecht, Stuttgart 1922, S. 58 und die dort Zit.; ferner Gülde in IW. 1924, 1419, im „Recht" 1924, 444 und in DIZ. 1925, 507; viele — zum Teil widersprechende — Entsch. verschiedener Gerichte in GewKfmG. 26,127 u. 283; 27, 116, 175 u. 271; 28,139—140; 30, 47; 31, 79. Nipperdey, Beiträge zum,Tarifrecht, Mannheim 1924, vertritt die Ansicht, daß jeder Verzicht auf Tariflohn als unzulässige Umgehung der Unabdingbarkeit anzusehen sei. Ebenso LG. Königsberg in IW. 1924, 1060 und Anmerkung dazu von Nipperdey; LG. Leipzig im Jahrb.arbeitsr.Entsch. 1922, 57. Gegen Nipperdey zum Teil Gieseke in Gruch. 1924, 216, der die Verhältnisse des einzelnen Falles berücksichtigt wissen will. Priebe in DIZ. 1925, 662 hinwiederum nimmt Rechtsverwirkung der Nachforderung an. Den Charakter der vertragsmäßigen Vergütung tragen auch zugesagte Sonder- Anm. 34.

Vergütungen, sog. Gratifikationen, besonders Weihnachts-, Neujahrs- und Bilanz­ gratifikationen (Berliner Ältesten bei Dove-Apt 25). — Lit.: Neumann in BerlKfmGJ. 1910, 138; Verhandlungen des Verbandes Deutscher Gew.- und KfmG. Sept. 1910 in GewKfmG. 16, 136; Citron in DIZ. 1914, 365; Oertmann in BankA. 12, 22 und 13, 167. Nur in seltenen Fällen wird man annehmen können, daß eine solche Zusage in Schenkungsabsicht erfolgt, meist soll sie ein Zuschlag zur Vergütung sein, wenn auch als Ausdruck der Anerkennung und zur Anspornung (ebenso B e ck in IW. 1920,634; Oert­ mann, Arbeitsvertragsrecht S. 148). Ist sie im Einzelfalle eine Schenkung, so greift die Formvorschrift des § 518 BGB. (gerichtliche oder notarielle Beurkundung, deren Mangel durch Bewirkung der versprochenen Leistung geheilt wird; vgl. § 350 Anm. 43) Platz; es kommt aber auch § 534 BGB. zur Anwendung, d. h. es liegt eine Schenkung vor, durch die einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht ent­ sprochen wird, so daß sie nicht der Rückforderung und dem Widerrufe unterliegt (so auch der Berliner Handelsbrauch Dove-Apt 24 u. 26; DürHach. Anm. 30; Neumann 142; Titze 623; a. M. Horrwitz 69), also auch nicht, wenn der Handlungsgehilfe später Unred­ lichkeiten sich zuschulden kommen läßt oder den Prinzipal schwer beleidigt. Irgendeine Formvorschrift greift nicht Platz, wenn die Gratifikation, was die Regel ist, ein Zu­ schlag zur Vergütung sein soll. Dann ist sie eine Entlohnung, nicht eine Schenkung (RG. in IW. 1919, 3786 und die Anm. dazu von Titze). Dieser Fall kann selbst dann vorliegen, wenn die Höhe der Vergütung nicht vereinbart ist (ArbEntschBerl. 1925 Nr. 794). Diese ist dann in ortsüblicher oder angemessener Weise zu leisten, wie dies auch § 59 ergibt (Berl. Ältesten bei Dove-Apt 25; KfmG. München in GewKfmG. 14, 373; RG. in IW. 1921, 1062 u. 33910). Es gilt als üblich, die Höhe der einmal gewährten Gratifikation nicht wieder zu vermindern, sofern nicht die Führung des Angestellten oder ungünstige Geschäftslage eine Ausnahme veranlassen (Dove-Apt 25; KfmG. Danzig in GewKfmG. 13, 406). Die Zahlung einer Sondervergütung neben dem Gehalte kann auch vertrags­ mäßig dem Ermessen des Prinzipals anheimgestellt werden, in welchem Falle allerdings ein klagbarer Anspruch des Gehilfen auf sie im Zweifel nicht besteht (KfmG. Hamburg in GewKfmG. 14, 199; BerlKfmGJ. 08, 276115; LG. I Berlin in GewKfmG. 18, 108). Eine andere Beurteilung kann Platz greifen, wenn die Gratifikation einen besonders er­ heblichen Teil der Gesamtbezüge ausmacht (KfmG. und LG. Chemnitz in GewKfmG. 16, 18; ArbEntschBerl. 1925 Nr. 803). Auch kann unter „Ermessen" das billige Ermessen gemeint sein, dann ist ein klagbarer Anspruch anzunehmen, und es kommt § 315 BGB. zur Anwendung (GewKfmG. 16,21). Bei sehr niedrigem Gehalte kann nach Befinden die Ver­ einbarung, der Gehilfe solle auf die ihm daneben in Aussicht gestellte Gratifikation keinen Rechtsanspruch haben, gemäß § 138 BGB. nichtig sein (KfmG. Berlin-Wilmersdorf in Gew­ KfmG. 22, 323). Stets ist festzuhalten, daß die Gratifikation nicht nur Entschädigung für geleistete Dienste darstellt, sondern daneben einen Ansporn zur Fortsetzung der Tätig-

382

§ 59t

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

leit und weiterer Dienstbeflissenheit bezweckt (BerlKfmGJ. 08, 277116; 1910, 251 Vor allem aber ist sie eine Art Belohnung für das Ausharren im Dienste bis zu dem Zeitpunkte der Gratifikationsverteilung, daher im Zweifel an diese Tienstdauer geknüpft und deswegen auch nicht anteilig zu gewähren, wenn der Angestellte vor dem gedachten Zeitpunkte austritt oder aus gerechtem Grunde entlassen wird (RG. in SeussA. 69, 72; OLG. Hamburg in HansGZ. 03 Beibl. 285 und in OLG. 12, 417; KfmG. Stettin und München in GewKfmG. 11, 132 u. 219; KfmG. Hamburg daselbst 14, 199; KfmG. Berlin in DIZ. 08, 768; KfmG. Danzig in GewKfmG. 17, 160; BerlKfmGJ. 1910, 250121 u. 251122; 1912, 232; KfmG. Köln im Jahrb.arbeitsr.Entsch. 1920, 26; KfmG. Mainz daselbst 1921, 18; ArbEntschBerl. 1925 Nr. 805 f.; Neumann 141; TürHach. Anm. 30; Oertmann, Arbeitsvertragsrecht S. 148). Auch bei Tod des Angestellten vor dem Zeitpunkte der Vergütung fällt diese im Zweifel weg und ist nicht anteilig zu gewähren (KG. in KGBl. 27, 91). Vielfach wird allerdings auch die Ansicht vertreten, bei Aus­ scheiden des Gehilfen vor Verteilung der betreffenden Gratifikation sei diese — aller­ dings erst mit Fälligkeit zu Weihnachten usw. — ihm anteilig zu leisten, falls der Gehilfe sich keine Pflichtverletzungen habe zuschulden kommen lassen (BerlKfmGJ. 1910, 250120; KfmG. Fürth in GewKfmG. 12, 157; KfmG. Hamburg ebenda 14, 153). Allein ein derartiger Anspruch auf Zahlung anteiliger Vergütung kann höchstens für den Fall an­ erkannt werden, daß der Prinzipal kündigt, ohne daß der Gehilfe dazu Anlaß gegeben hat, oder wenn der Gehilfe durch vertragswidriges Verhalten des Prinzipals zur Kün­ digung veranlaßt wird (RitterKomm. Anm. 7; a. M. Neumann 141). Ein fester Handels­ brauch hat sich nicht gebildet (für Berlin streitig; vgl. Berl. Ältesten bei Horrwitz 69; DoveMeperstein 7; für Breslau im Kolonialgroßhandel anteilige Vergütung üblich; Riesen­ feld NF. 17). Vielfach wird vertragsmäßig festgesetzt, daß der Handlungsgehilfe aus die Gratifikation nur Anspruch hat, wenn er am Tage ihrer Verteilung noch in ungekündigter Stellung ist; eine solche Vereinbarung ist rechtsgültig (BerlKfmGJ. 08, 277 u. 278; Titze 627). Eine andere Beurteilung kann Platz greifen, wenn die Gratifikation einen erheblichen Teil des Jahreseinkommens ausmacht (ArbEntschBerl. 1925 Nr. 802). Wird )ie Ver­ gütung für ein bestimmtes Geschäftsjahr verteilt, lociui auch erst einige Zeit nach dessen Ende, so ist der Stichtag der Endtag des betreffenden Geschäftsjahrs, nicht der Tag der Verteilung der Gratifikation (KfmG. München in GewKfmG. 20, 99). — Vielfach ent­ halten die Tarifverträge Bestimmungen über die vorstehend erörterten Fragen, in die­ sem Falle sind die Bestimmungen der Tarifverträge maßgebend. Unter Umstänken kann ein Tarifvertrag sogar dahin ausgelegt werden, daß — namentlich, wenn er eire erheb­ liche Erhöhung der Bezüge bringt — damit früher gewährte, nicht ausdrückich ver­ sprochene Gratifikationen in Wegfall kommen. Tas KfmG. Hamburg (in HansGZ., Arbeitsrecht 1924, 21) vertritt diese Ansicht allgemein dahin, derartige Smdervergütungen könnten seit Einführung der Tarifgehälter überhaupt nur im Falle bcsonderer Vereinbarung gefordert werden. Ist die Gratifikation nicht zugefagt, wird sie vielmehr freiwillig genährt, so besteht kein Anspruch auf sie. Wie aber, wenn sie zwar nicht versprochen, aberatsächlich lange Zeit hindurch gewährt worden ist? Die Ansichten gehen ausnnander. Viele Entscheidungen lehnen für diesen Fall die Anerkennung eines Anspruchs aus die Sondervergütung ab, weil die Dauer der Gewährung den Charakter der Freivilligkeit nicht zu beseitigen vermöge und ein solcher Rechtsanspruch nicht ersessen werdm könne (KfmG. Mannheim in GewKfmG. 11, 269 und 23, 85; BerlKfmGJ. 08, 278"»; Schieds­ spruch LZ. 1914, 1013). Andere Entscheidungen legen das Hauptgewicht darauf daß die regelmäßig gewährte Vergütung einen Teil des Diensteintommens bilde und daß der An­ gestellte seine Lebenshaltung danach eingerichtet habe; sie besagen daher, daß de jahre­ lange Übung das Recht des Dienstherrn ausschließe, ohne Grund plötzlich keine Sonder­ vergütung mehr zu geben oder einzelne Angestellte davon auszuschließen (KfnG. M.Gladbach-Rheydt in GewKfmG. 17, 86; KfmG. Breslau ebenda 17, 65; Ksm6. Mün-

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

383

chen daselbst 20, 99; BerlKfmGJ. 08, 279119 und 1912, 230, erstere unter Bezugnahme Z 59. auf die Ältesten der Kaufmannschaft; ferner vgl. Neumann 145; Waldmüller in GewKfmG. 19,49; Denkschrift über die Gratifikationen der Bankangestellten ebenda 307). Der letzteren Anschauung dürfte der Vorzug zu geben sein (anders 6. bis 9. Aufl.), doch muß nach den Umständen des einzelnen Falles ermittelt werden, ob eine stillschweigende Ver­ einbarung angenommen werden kann (ebenso Titze 625 und KfmG. Bremen in GewKfmG. 30, 326). Dies ist dann nicht der Fall, wenn bei der Hingabe der Vergütung er­ klärt wurde, ^iese erfolge aus freien Stücken, ohne Anerkennung eines Rechtsanspruchs (NG. in GewKfmG. 21, 304; KfmG. Breslau a. a. £).). Wird in einem Betriebe allge­ mein den Angestellten für Inventur- oder ähnliche Leistungen eine Vergütung oder eine Weihnachts- bzw. Neujahrsgratifikation gewährt, so darf nicht ein einzelner Angestellter willkürlich ausgeschlossen werden (BerlKfmGJ. 08, 280120); selbst dann nicht, wenn im Anstellungsvertrage steht, daß die Gewährung von Gratifikationen vom freien Be­ lieben des Prinzipals abhängt (ArbEntschBerl. 1925 Nr. 799). — Auch in dieser Be­ ziehung finden sich oft bindende Bestimmungen in Tarifverträgen. Es ist dazu auf das vorher Gesagte zu verweisen. o) Neben der Vergütung hat der Handlungsgehilfe vom Prinzipal nach den allgemeinen Anm. 34a. Grundsätzen des Dienstvertrags Ersatz der ihm erwachsenen Auslagen zu bean­ spruchen, soweit nicht aus den Umständen etwas anderes zu entnehmen ist. Erstattungs­ fähig sind im Zweifel nach §§ 670, 675 BGB. die Auslagen, die der Angestellte den Um­ ständen nach für erforderlich halten darf. Hierunter kann nach Befinden auch ein Er­ satz erlittenen Schadens fallen, z. B. für die bei einem Aufstande zugrunde gegangene Habe (LG. I Berlin in RArbBl. 07, 78). Uber die Spesen des Handlungsreisenden und über die Vorschußpflicht des Prinzipals hinsichtlich der Auslagen s. Anm. 37. Zu den zu erstattenden Auslagen gehören auch die Vorstellungskosten, sofern solche nach dem auszulegenden Willen der Parteien oder nach Handelsgebrauch von dem Prinzipal zu tragen sind. Auch wenn die Verhandlungen nicht zu einem Anstellungsverhältnisse führen, kann, sofern dies der Fall (aber auch nur dann), der Prinzipal zur Erstattung der Vor­ stellungskosten angehalten werden. So z. B., wenn der Prinzipal einen bestimmten aus­ wärtigen Bewerber zu persönlicher Vorstellung aufgefordert hat. Ähnlich KfmG. Stutt­ gart in GewKfmG. 19, 199 und, unter Bezugnahme auf § 670 BGB., LG. Osnabrück (anders I. Instanz) ebenda 537; Dove-Meyerstem l1; Titze 658; Oertmann, Arbeits­ vertragsrecht S. 206, der den Gesichtspunkt des Auftrags hervorhebt; Erdel in Gew­ KfmG. 23, 34, der mit Recht betont, daß, wenn der Anstellungsvertrag nicht zustande ge­ kommen, die Zuständigkeit des KfmG. nicht gegeben ist. 4. Die Dauer des Dienstverhältnisses. Beginn und Ende des Dienstverhältnisses be-Anm. 34d. stimmen sich nach der getroffenen Vereinbarung. — Was zunächst den Beginn des Dien st Verhältnisses anbetrifft, so kommt es oft vor, daß Handlungsgehilfen einer Vertragsstrafe für den Fall sich unterwerfen, daß sie ihre Stellung nicht rechtzeitig antreten. Für ein derartiges Strafversprechen gelten die §§ 339 ff. BGB., insbesondere das richter­ liche Ermäßigungsrecht nach § 343 BGB. (BerlKfmGJ. 08, 288, 289 u. 337; KfmG. Charlottenburg in GewKfmG. 16, 268; KfmG. und LG. Halle daselbst 19, 11). Der minderjährige Handlungsgehilfe ist zur Vereinbarung einer derartigen Vertragsstrafe unbeschränkt geschäftsfähig, sofern er überhaupt die Genehmigung seines gesetzlichen Ver­ treters, in Dienst zu treten, besitzt (Anm. 35a), denn sie gehört zu den üblichen Verein­ barungen, namentlich in Großstädten (BerlKfmGJ. 08, 289136; 1912, 128 u. 301; Titze 658). Zahlreiche Entsch. über diese Fragen s. ArbEntschBerl. 1925 Nr. 670 f. Fällt der vereinbarte Tag des Dienstantritts auf einen Sonn- oder Feiertag, so erfolgt der Dienstantritt am folgenden Werktage (Anm. 28). Ist der Gehilfe zur Zeit des Dienst­ antritts verhindert, so gilt § 63, doch ist es Pflicht des Gehilfen, den Prinzipal von der Verhinderung und ihrem Grunde in Kenntnis zu setzen, sobald die Umstände dies ge­ statten. — Was die Beendigung des Vertrags anbetrifft, so kann vereinbart wer-

384

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlnngslehrlinge.

den, daß dieser mit einem bestimmten Zeitpunkte endigt; hierüber s. § 67 Anm. 3 u. 5. Der gewöhnliche Fall ist Abschluß des Vertrags auf unbestimmte Zeit; in diesem Falle greifen die Bestimmungen in §§ 66—69 Platz. Mit der Frage vorzeitiger Beendigung des Dienstverhältnisses durch Kündigung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist be­ schäftigen sich §§ 70—72. Bei Beendigung des Dienstverhältnisses hat der Gehilfe dem Prin­ zipal alle die Gegenstände zurückzugeben, die er zur Benutzung im Dienste erhalten oder zu diesem Zwecke angefertigt hat, z. B. Muster, Musterkoffer, Einführungsschreiben, schriftliche Vollmacht, Kundenlisten. Über die Frage, ob ihm ein Zurückbehaltungsrecht daran zusteht, s. Anm. 45. Auch Auftragsbücher ge­ hören zu den herauszugebenden Gegenständen, auch Kommissionsbücher des Reisenden (ArbEntschBerl. 1925 Nr. 1141). Der Angestellte hat auch kein Recht auf die geschäft­ lichen Notizen, die er im Geschäfte des Prinzipals gemacht hat, muß also auch diese her­ ausgeben (OLG. Hamburg in OLGR. 36, 252). Über Verschwiegenheitspflicht nach Beendigung des Dienstverhältnisses s. Anm. 41. Über Pension (Ruhegehalt) Anm. 33. Andererseits hat bei Beendigung des Dienstverhältnisses der Dienst­ herr dem Gehilfen alle die Gegenstände herauszugeben, die er von letz­ terem mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis in Händen hat, namentlich dessen Arbeitspapiere, Steuerkarte, Versicherungskarte u. dgl. An diesen Papieren hat der Prinzipal kein Zurückbehaltungsrecht, selbst wenn der Arbeitnehmer sich hat Unred­ lichkeiten zuschulden kommen lassen. Verschiedene Entsch. s. ArbEntschBerl. 1925 Nr. 1098 f. Auch eine vom Gehilfen etwa gestellte Kaution muß ihm zurückgegeben werden, soweit nicht Ersatzansprüche gegen ihn bestehen (vgl. Anm. 32 Abs. 3). Aufwertung erfolgt nach allgemeinen Grundsätzen (daselbst Nr. 814 f. und Zeiler in GewKfmG. 30, 417; vgl. auch OLG. Düsseldorf ebenda 30, 443). Über das Dienstzeugnis s. § 73. Anm. 34c. 5. Der Urlaub. Lit.: Liebrecht in BerlKfmGJ. 1912, 55; Titze 767 ff.; Jaerisch in Gew­ KfmG. 26, 106; Deckert ebenda 28, 129; Freymuth dortselbst 28, 207; Oertmann, Arbeitsvertragsrecht S. 126. — Der Urlaub bedeutet eine vorübergehende Befreiung des Gehilfen von seiner Dienstleistungspflicht. Wenn nichts anderes vereinbart ist, so hat der Gehilfe kein Recht auf Urlaub. Auch nicht deshalb, weil ihm im Vorjahre freiwillig Urlaub bewilligt worden ist (GewG. Kiel in GewKfmG. 30, 13; die Entsch. ist für Handlungs­ gehilfen entsprechend anwendbar). Doch wird man immerhin aus längerer Übung unter Umständen einen Schluß dahin ziehen dürfen, daß Gewährung eines jährlichen Urlaubs stillschweigend vereinbart ist. Dies namentlich, wenn solches — wie z. B. frei Bank­ angestellten — allgemein üblich ist. Ist in dem Geschäfte des Prinzipals allen Handlungs­ gehilfen gegenüber Urlaubsgewährung üblich, dann darf der einzelne Gehilfe nicht will­ kürlich davon ausgeschlossen werden. Ist der Urlaub gewährt, so gehen die Bezüge des Gehilfen mangels anderweiter Vereinbarung während des Urlaubs weiter. Es gelten diesfalls wegen der Fortgewährung dieser Bezüge (Gehalt, Naturallohn, Tantieme; Besonderes gilt für Stücklohn und Abweichendes für Provision; s. § 63 Anm. 5 Abs. 2) die gleichen Grundsätze wie im Falle einer vorübergehenden Behinderung des Gehilfen im Sinne des § 63. Rechtlich ist die Gewährung des Urlaubs mit Fortzahlung der Bezüge als Leistung aus dem Anstellungsvertrage anzusehen, nicht etwa als Schenkung (so mit Recht Schultz in KGBl. 1916, 39; Titze 769 und Schalhorn in GewKfmG. 22, 164 gegen Liebrecht 60). Daher ist der Urlaub nicht frei widerruflich, auch nicht bis zum Augen­ blicke seines Antritts (wie Liebrecht annimmt). Vielmehr kann der Prinzipal den ein­ mal gewährten Urlaub nur aus wichtigen Gründen wieder entziehen (BerlKfmGJ. 08, 273109; 1912, 221; Schultz 47). Dies gilt auch dann, wenn der Gehilfe die Stellung kündigt (KfmG. Berlin-Wilmersdorf in GewKfmG. 23, 159). Über die Frage, ob nach­ trägliche Kürzung der während der Urlaubszeit gewährten Bezüge für den Kündigungs­ fall vereinbart werden kann, s. § 67 Anm. 9. über Erkrankung während des Urlaubs s. § 63 Anm. 4. Über Urlaubsüberschreitung s. § 72 Anm. 5. Über Ansprüche des

8 ss.

385

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

Arbeitnehmers bei Verweigerung zugejagten Urlaubs j. Schalhorn in GewKfmG. 22, 163 § 59. und Jaerijch ebenda 26, 108. Uber Urlaub im Kündigungsfalle Schminke ebenda 25, 22. Ob unentschuldigt versäumte Tage auf den Urlaub angerechnet werden können, dürfte nach der Lage des einzelnen Falles zu entscheiden sein (Dgl. hierzu LG. Aachen in IW. 1925, 2841). — Häufig enthalten die Tarifverträge Bestimmungen über Ur­ laubsgewährung, meist gestaffelt nach Lebensalter und Zahl der Berufsjahre des einzelnen Angestellten. — Uber die Mitwirkung des Betriebsrats bei der Regelung des Urlaubs der Allgestellten s. § 78 Ziff. 2 BRG. — Ter Entwurf des Arbeitsvertragsges. von 1923 (oben Eint. a. E.) sieht in §§ 93 ff. Vorschriften über den Urlaub vor. § 98 schlägt eine Bestimmung des Inhalts vor: „Der Arbeitnehmer darf während des gesetzlichen Urlaubs keine dem Urlaubszwecke widersprechende Erwerbsarbeit leisten. Allderenfalls verliert er jeden Anspruch auf Urlaubsentgelt." Nach § 104 des Entwurfs soll Entsprechendes für einen vereinbarten Urlaub gelten, der den gesetzlichen Mindest­ urlaub überschreitet. Ähnliche Bestimmungen dürften im Wege der Auslegung meist schon heute als Wille der Vertragschließenden anzunehmen sein. Sehr anzuerkennen ist die ge­ schickte Fassung des § 98 des Entwurfs, namentlich der Worte: „Keine dem Urlaubs­ zwecke widersprechende Erwerbsarbeit". Wenn ein musikalisch begabter Handlungs­ gehilfe auf seiner Urlaubsreise zum Tanze ausspielt und dafür ein Entgelt bekommt, so kann der Prinzipal das nicht beanstanden, denn Musizieren widerspricht nicht dem Ur­ laubszwecke. — Muß ein Gehilfe im Geschäftsinteresse auf seinen Urlaub verzichten und arbeiten, so hat er Anspruch auf eine besondere Entschädigung (ArbEntschBerl. 1925 Nr. 905). — Uber Urlaub von Mitgliedern des Vorstands einer AG. s. § 231 Anm. 28. Zusatz 1. Erfordernisse deS Anstellungsvertrags. Der Abschluß des Anstel-Anm. 35. lungsvertrags ist ein Handelsgeschäft. Er bedarf keiner Form. Auch nicht das Versprechen eines Ruhegehalts; s. Anm. 33 (wie dort erwähnt, soll nach § 48 des Ent­ wurfs für das Arbeitsvertragsges. für dieses Versprechen das Erfordernis der Schriftform eingeführt werden). Auch im Regelfälle nicht das Versprechen von Gratifikationen; s. Anm. 34. Sogar stillschweigender Vertragsabschluß ist möglich (einen solchen Fall s. ArbEntschBerl. 1925 Nr. 1 ff. und unten § 77 Anm. 6). Ist Prinzipal oder Handlungsgehilfe in der Geschäftsfähigkeit beschränkt, Anm. 35a. so müssen die Voraussetzungen des BGB. vorliegen, unter denen solche Personen gültig Verträge schließen können. Beim Prinzipal bedarf es hierzu der gemäß § 112 Abs. 1 BGB. mit Genehmigung des Gerichts erteilten Ermächtigung zu selbständigem Betriebe eines Er­ werbsgeschäfts. Beim Handlungsgehilfen genügt die Ermächtigung des gesetzlichen Ver­ treters, in Dienst oder Arbeit zu treten (§ 113 BGB.; zur Auslegung vgl. Anm. 34b und BerlKfmGJ. 08, 336), die nur mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts zurück­ genommen werden kann (§ 112 Abs. 2 BGB.). Die Rücknahme darf nicht deshalb erfolgen, weil das religionsmündige und iüd)t mehr crgehungsbedürftige Mündel den Vorschriften seiner Religion zuwider, z. B. das jüdische am Sonnabend, beschäftigt wird (KGJ. 23 A 8). Ob ein minderjähriger Gehilfe den vom gesetzlichen Vertreter genehmigten oder abge­ schlossenen Anstellungsvertrag durch selbständige Vereinbarung mit den: Prinzipal später abändeur kann, ist Frage des einzelnen Falles; im Zweifel, sofern nicht besondere Umstände dagegen sprechen, ist es anzunehmen (KfmG. und LG. Creseld in GewKfmG. 27, 221; v. Karger in IW. 1924, 1197; ArbEntschBerl. 1925 Nr. 36). Zu Dienstverträgen, die über ein Jahr hinaus geschlossen werden, gehört bei Bevormundeten die Genehmigung des Bormundjchaftsgerichts, § 1822 Nr. 7 BGB.; der Vater bedarf ihrer jedoch nicht, wie aus § 1643 BGB. folgt. Es kann aber auch der an sich unwirksame Vertrag durch den gesetzlichen Vertreter genehmigt werden, anch vom beschränkt Geschäftsfähigen selbst nach erlangter Geschäftsfähigkeit (§ 108 BGB.). Verschiedene Entsch. über Anstellung durch Vertreter s. ArbEntschBerl. 1925 Nr. 28f. Auslegungsfragen. Daß der Anstellungsvertrag im Zweifel zugunsten des Anm. 35d. Handlungsgehilfen auszulegen sei (so Horrwitz 37), ist eine 311 weitgehende Annahme. Stiub, HGB., 12. u. 13. Ausl.

Bv. 1.

(Bondi.)

25

386

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

8 5». ROHG.

17, 19 besagt auch nur, daß die Auslegung, soweit es sich um die Verpflichtungen des Gehilfen handelt, im Zweifel zu dessen Gunsten zu geschehen habe. Das entspricht aber einer allgemein anerkannten Auslegungsregel, daß im Zweifel zugunsten des Verpflichteten auszulegen ist. Es gilt der Satz, daß Verträge so auszulegen und Leistungen so zu bewirken sind, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es gebieten (§§ 157 u. 242 BGB-). — Über die rechtliche Bedeutung der auf Grund des § 139k GewO, erlassenen Arbeitsordnung oder sonstiger Geschäftsordnungen sowie etwaiger Tarifverträge für die Auslegung des Vertrags s. Titze 662 (allerdings ist dort die Rechtsentwickelung seit 1918, dem Erscheinungsjahre des Titzeschen Werkes, noch nicht berücksichtigt, doch gelten die dortigen Ausführungen zum größten Teil noch heute). — Zahlreiche Entsch. über Inhalt und Form des Anstellungsvertrags sowie über Auslegung und schriftliche Festlegung s. ArbEntschBerl. 1925 Nr. 11 f.

Anm. 36.

Zusatz 2. Besondere Betrachtung verdienen die Dienstverhältnisse deS Handlungs­ reisenden (Lit.: Liebrecht in BerlKfmGJ. 08, 163; 1912, 281 ff.).

Nicht jeder Handlungsreisende ist Handlungsgehilfe. Er ist dies nur dann, wenn die in Anm. 7—14 dargelegten Voraussetzungen zutreffen. Ost fehlt von diesen das Merkmal der „Anstellung" (Anm. 8). Daher ist der sog. freie Provisionsreisende, der weiter keine Vergütung vom Prinzipal erhält als Provision, meist nicht Handlungsgehilfe, am wenigsten dann, wenn er mehrere Firmen gleichzeitig vertreten darf, vielmehr je nach Lage des Falles Handlungsagent oder Mäkler; auch ist es möglich, daß das Vertragsverhältnis nur als ein nach §§ 611 ff. BGB. zu beurteilendes Dienstverhältnis angesehen werden kann (Einzelheiten und Beispiele s. Liebrecht a. a. O.; ferner GewKfmG. 11, 10—14; BerlKfm­ GJ. 08, 305—309). Die Entscheidung kann stets nur von Fall zu Fall getroffen werden, wobei es nicht auf den gewählten Namen, sondern aus den sachlichen Inhalt des Vertrags und die Beschäftigung ankommt. So sind z. B. die „Agenten" der Singer-Compagnie rechtlich Handlungsgehilfen, denn sie sind wirtschaftlich mit) sozial nicht selbständig, besitzen keine eigenen Geschäftseinrichtungen, beziehen festen Gehalt und stellen ihre volle Arbeits­ kraft der Gesellschaft zur Verfügung (KfmG. Hamburg und Dresden in GewKfmG. 11, 13 u. 312; a. M. LG. Hamburg ebenda 314; KfmG. Augsburg ebenda 12 und BerlKfmGJ. 08, 308). Im übrigen s. § 84 Anm. 5 ff. Die Unterscheidung, ob ein Reisender Handlungs­ gehilfe ist oder nicht, ist nicht nur materiellrechtlich von Wichtigkeit, sondern auch hinsichtlich der Frage, ob das KfnrG. oder die ordentlichen Gerichte zuständig sind. Anm. 36a. Im folgenden sollen die Dienstverhältnisse des Handlungsreisenden betrachtet werden,

soweit er Handlungsgehilfe ist. Im allgemeinen gelten die oben erörterten Vorschriften für die Handlungsgehilfen. Als Besonderheiten aber sind zu erwähnen: rr)Bon der Natur der Dienste deS Handlungdreisenden (Liebrecht 167). Der Reisende ist verpflichtet, die Weisungen seines Prinzipals zu befolgen, darf nicht willkürlich die ihm vorgeschriebene Reise ändern, muß zurückkehren, sobald ihm dies geboten mitt), darf nicht sog. „fingierte Orders" überschreiben oder auch nur die Bedingungen der von ihin ab­ geschlossenen Geschäfte unrichtig mitteilen. Er ist vielmehr zu gewissenhafter Bericht­ erstattung verpflichtet und haftet andernfalls für den entstandenen Schaden, wozu be­ sonders unnütze Prozeßkosten gehören (ROHG. 11, 93), jetzt sich auch unter Umständen der Entlassung aus (BerlKfmGJ. 08, 255; 1910, 223; 1912, 286, woselbst im allgemeinen wöchentlich zweimalige, für einen Stadtreisenden aber tägliche Berichterstattung als an­ gemessen angesehen wird; Liebrecht 168). Innerhalb angemessener Grenzen kann der Prinzipal über die Art der Berichterstattung Bestimmungen treffen. Z. B. hat daKfmG. Hamburg (in HansGZ., Arbeitsrecht, 1924, 52) es als Grund zur fristlosen Ent* lassung eines Reisenden (vgl. § 72 Anm. 4) angesehen, daß ein solcher trotz Verwarnung wiederholt seiner Verpflichtung nicht nachgekommen ist, am Wochenschluß nach Rückkehr von seiner Reisetour dem Prinzipal mündlich Bericht zu erstatten. Auf Reisen in fremden Ländern muß der Reisende sich über die Zollverhältnisse unterrichten und der

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

387

art verfahren, daß dem Prinzipal möglichst wenig Spesen erwachsen. Bei der Auswahl § 59. der Kunden muß er, wenn er auch nicht gerade für deren Zahlungsfähigkeit schlecht­ hin auszukommen hat, dennoch insofern sorgsam vorgehen, als er mit offensichtlich zahlungsunfähigen Kunden nicht arbeiten darf und bei zweifelhaften wenigstens diesen Umstand angeben muß. Jedenfalls haftet er für die Sorgfalt eines ordentlichen Reisenden, wenn er die guten Verhältnisse des Kunden versichert, über seine Pflicht zur Rechnungslegung s. Anm. 44. Außerhalb der Reise braucht er mangels besonderer Abrede nicht „auf dem Lager" zu arbeiten, außer soweit dies zur Vorbereitung der Reise notwendig ist. Desgleichen nicht in der Buchführung. Ebensowenig muß er sich mit Bureauarbeiten beschäftigen lassen, auch nicht in der letzten Zeit vor deendigung seines Anstellungsvertrages (KfmG. Stuttgart in GewKfmG. 31, 40). Uber er ist verpflichtet, die Dienste zu leisten, die mit der Reisetätigkeit Zusammenhängen, z. B. den Briefwechsel mit der Reisekundschaft zu erledigen. Ebenso Horrwitz 44 und Liebrecht 170 sowie eine Reihe von Ersterem angezogener Auskünfte der Berliner Ältesten; cnders dagegen dieselbe Behörde bei Dove-Apt 7 u. 8. Bezüglich der Stadtreisenden lat sich ein fester Handelsgebrauch nicht gebildet, aber es wird von den Berl. Ältesten (□et Horrwitz 45; vgl. auch bei Dove-Apt 7) als geschäftsüblich bezeugt, daß die Stadt­ reisenden außerhalb der Besuchszeit im Geschäft insbesondere solche Arbeiten leisten Nüssen, die mit der Verkaufstätigkeit im Zusammenhänge stehen, und daß sie jedenfalls tiglich oder wenigstens mehrere Male in der Woche im Geschäft zu erscheinen haben (Liebrecht 168). — Stets ist es Pflicht des Reisenden, das Interesse und das geschäftliche Unsehen des Prinzipals nach Möglichkeit zu wahren. Daher darf er z. B. im Zweifel an Kleinhändler nicht zu gleichen Preisen verkaufen wie an Großhändler, weil letztere sonst nöglicherweise die Geschäftsverbindung abbrechen (BerlKfmGJ. 08, 267). Über alle wrstehenden Fragen s. auch ArbEntschBerl. 1925 Nr. 1123—1133. b) tutet den Ansprüchen deS HandlungSreisenden spielen eine große Rolle die Diäten Anm. 37. coer Reisespesen (Lit.: Liebrecht 171; Eckstein in GewKfmG. 17, 234). Hat der Reisende feste Spesen vereinbart, so trifft ihn die Gefahr etwaigen Mehr­ verbrauchs, aber etwa Erspartes ist sein Gewinn. In Ermangelung einer bestimmten Abrede über den Spesensatz hat der Reisende nur soviel Spesen zu fordern, als er tat* sichlich verauslagt hat (Berl. Ältesten bei Holdheim 06, 225). Unter Umständen und n Zweifels füllen hat er einen angemessenen Satz zu verlangen; er braucht dabei nicht süne Auslagen bis ins einzelne aufzuführen, sondern nur im allgemeinen die Art und jöhe der gehabten Bedürfnisse anzugeben (ROHG. 19, 9; Bolze 11 Nr. 332). Ins­ besondere gilt dies, wenn Vertrauensspesen vereinbart sind (OLG. Dresden in ZHR. 3t, 571). Der Gegenbeweis, daß der Reisende mehr berechne, als er im Interesse des Geschäfts verbraucht habe, ist dem Prinzipal gestattet; bei Vertrauensspesen auch der Gegenbeweis, daß die berechneten Spesen unangemessen hoch sind (OLG. Dresden im ,Recht" 03, 268). Aber eine Eideszuschiebung dahin, daß der Reisende höchstens einen bestimmten Betrag täglich im Interesse des Geschäfts gebraucht habe, entbehrt der scheren tatsächlichen Grundlage und ist unzulässig (Bolze 18 Nr. 714). Nach Breslauer Handelsgebrauch (Riesenfeld 24) muß der Reisende, der Vertrauensspesen erhält, aus verlangen nachweisen, daß er die angegebene Zeit wirklich auf Reisen gewesen ist. Dies dnste sogar als allgemein gebräuchlich anzusehen sein. Auch bei Vertrauensspesen darf ü>rigens der Reisende nicht nach Belieben Aufwand treiben, sondern muß auch beim Cpesenverbrauch das Interesse des Prinzipals wahren (OLG. Frankfurt a. M. im ,Recht" 06, 1270). Immerhin muß es ihm gestattet sein, im geschäftlichen Interesse auch enmal einen größeren Aufwand zu machen als regelmäßig (BerlKfmGJ. 08, 265"). Dm Stadtreisenden werden Rcisediäten in der Regel nicht vergütet, höchstens Fahrglder zu Fahrten nach den Vororten mtö entfernten Stadtteilen. Als angemessen gilt bi Reisenden größerer und selbst mittlerer Häuser die Benutzung zweiter Wagenklajse, nmentlich bei größeren Reisen. In den Spesen ist die Gepäckfracht (besonders für 9;;*

388 § 59.

Anm.37u.

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrliuge.

Musterkoffer) mit inbegriffen (Horrwitz 98). Tie Spesen sind vom Prinzipal im voraus zu zahlen, wenn auch nicht vor Beginn der Reise für die ganze Tauer, so doch mindestens jedesmal für einige Tage. Während also die Gehaltszahlung in der Regel nach Leistung der Dienste erfolgt (§ 64) und insoweit eine Borschußpflicht des Prinzipals nicht besteht (oben Anm. 33b), ist dieser verpflichtet, die Rcisejpesen und sonstigen Auslagen vorzuschießen (§§ 669—675 BGB.; OLG. Hamburg in OLGR. 30, 392; BerlKfmGJ. 08, 264"; auch 274111; KfmG. und LG. Stettin in GewKfmG. 14, 151), und zwar die ersteren, ohne daß es in der Regel einer besonderen Aufforderung hierzu seitens des Reisendes bedarf (Liebrecht 172). Abrechnung darüber kann der Prinzipal erst nach Beendigung der Reise verlangen (BerlKfmGJ. 08, 265"). Auch darf der Reisende die Ausgaben aus den von ihm eingenommenen Geldern bestreiten (Berl. Ältesten bei Horrwitz 97). Die Spesen sind auch für eine Probereise zu zahlen; auch für Sonn- und Festtage; auch für Krankheitstage (§ 63 Abs. 1); auch für die Tage des Reiseantritts und der Rückkehr, selbst wenn diese Tage nur teilweise ausgenützt sind (Berl. Ältesten bei Horrwitz 98 und bei Dove-Apt 16; s. aber KfmG. Stettin in GewKfmG. 11, 153). Ter Reisende, der Vertrauensspesen erhält, hat hieraus auch die Auslagen für Porti unb Depeschen zu tragen (Breslauer Handelskammer bei Holdhcim 8, 122). Im übrigen vgl. ArbEntschBerl. 1925 Nr. 1134 ff. Die Natur der Spesen wird wichtig, wenn der Prinzipal den Reifenden nicht reisen läßt oder vorzeitig entläßt. Es fragt sich in solchen Fällen, ob der Reisende dennoch einen Anspruch auf die Spesen hat. Für Beantwortung der Frage ist folgender Gesichtspunkt entscheidend. Die Spesen sind dazu bestimmt, nicht nur die Beförderungs­ kosten und den Mehraufwand, sondern den gesamten Lebensunterhalt des Reisenden während der Reisezeit zu bestreiten. Tas ergibt schon ihre erfahrungsmäßige Höhe und die Art, wie sie berechnet werden. Ter Reisende bringt alles in Ansatz, was er für Essen, Trinken und Wohnung gebraucht hat, nicht nur das Mehr gegen seinen regelmäßigen Aufwand an seinem Wohnorte. Läßt man ihn daher vertragswidrig (d. h. trotz ver­ einbarter oder in dem Geschäftszweige bzw. in dem betr. Geschäft üblicher, sonst nach billigen: Ermessen zu bestimmender Reisezeit; vgl. RG. in IW. 99, 23023 und § 315 BGB.) nicht reisen, so wird er insofern geschädigt, als er nunmehr seinen Lebens­ unterhalt von eigenem Gelde bezahlen muß (sog. Mundspesen). Insoweit bilden die Spesen einen wesentlichen Bestandteil der ihm vertraglich zugesicherten Einkünfte unb dürfen ihm in dieser Höhe nicht durch Willkür entzogen werden (TO. in IW. 99, 23023; Bolze 11 Nr. 321; KG. in TJZ. 99, 466 und in OLGR. 2, 311; die OLG. Celle, Tarmstadt, Dresden in OLGR. 6, 465 u. 464 sowie 7, 148; Zweibrücken bei Holdheim 12, 210; BerlKfmGJ. 1912, 281; vgl. auch KfmG. Mainz in GewKfmG. 11, 151; KfmG. Chem­ nitz daselbst 12, 184; Liebrecht 176; Horrwitz 72; Berl. Ältesten bei Tove-Apt 9 u. 10). Der Reisende darf zurückberufen werden, wenn durch je tue schuld, vielleicht infolge seiner Unfähigkeit, sehr geringe Erfolge erzielt werden, oder nx'im der Prinzipal sonst einen wichtigen Grund dafür hat, z. B. wegen ungünstiger Geschäftslage, auch wenn nicht gleichzeitig ein wichtiger Grund zu seiner Entlassung vorliegt. Es kann dem Prinzipal in solchen Fällen nicht zugemutet werden, den Reisenden fortgesetzt reisen zu lassen (s. auch RG. in IW. 99, 23023; KfmG. Stettin in GewKfmG. 11, 154; nach dem Urt. des OLG. Marienwerder in SeuffA. 57, 26 darf er ihn in solchen Fällen mit Kontorarbeiten beschäftigen; ebenso OLG. Kiel in SchlHolstAnz. 08, 175). Über­ haupt ist es Sache des Prinzipals, nach billigem Ermessen (nicht nad) Willkür: OLG. Hamburg in HansGZ. 28 H. 296) die Reisezeit festzusetzen, wie es sein Geschäftsinteresse verlangt; daher kann einem Prinzipal nicht zugemutet werden, einen in kurzer Zeit ab­ gehenden Reisenden noch auf die Reise zu schicken imb ihm neue Muster anzuvertrauen (KfmG. Chemnitz in GewKfmG. 12, 183; Riesenfeld NF. 22 Nr. 21; anders KfmG. Stuttgart in GewKfmG. 31, 40 auf Grund besonderer Verhältnisse). Unterbleibt die Reise aus nichtigen Gründen dieser Art, oder tvird aus solchen der Reisende vor-

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen uiib Handlungslehrlinge.

389

zeitig zurückgerufen, so hat er keinen Anspruch auf Ersatz des ausfallenden Spesendienstes § 59. (KfmG. Stettin a. a. £. und das dort erwähnte Gutachten der Kaufmannschaft; anders BerlKfmGJ- 08, 25993). Liegen aber dergleichen wichtige Gründe nicht vor, so muß der Prinzipal dem Reisenden außer dem Gehalt einen angemessenen Spesenanteil, nämlich den Betrag der regelmäßigen Spesen abzüglich dessen, was er infolge des Unter­ bleibens der Reise erspart (über die Berechnung vgl. Liebrecht 177), und nach Befinden außerdem die entgangene Provision vergüten (BerlKfmGJ. 08, 25891 u. 92). Einen weitcrgehenden Anspruch hat der Reisende nicht. Er kann den Prinzipal nicht darauf verklagen, daß er ihn reisen lasse (ebenso Horrwitz 71), und auch nicht darauf, daß er ihm seinen Schaden ersetze, weil er dadurch den Zusammenhang mit „seiner" Kund­ verliere. Derartige Rücksichten braucht der Prinzipal nicht zu nehmen. Der Reisende reist im Interesse des Prinzipals, das er auch wahrzunehmen hat. Sein Interesse wird im Verhältnis zum Prinzipal durch die Vergütung, die er erhält, begrenzt. Daß er nebenbei Verbindungen für seine Zukunft anknüpfen will, ist seine Sache. Darauf Rück'icht zu nehmen, ist der Prinzipal nicht verpflichtet.

Zrsatz 3. Zu den Pflichten deS Handlungsgehilfen gehört auch die Verschwiegen-Anm. 38. heitSpfljcht. Der in Frage kommende § 17 des UnlWG. vom 7. Juni 1909 lautet: Mit Gefängnis bis zu einem Jahre und mit Geldstrafe bis zu fünftausend Mark oder nit einer dieser Strafen wird bestraft, wer als Angestellter, Arbeiter oder Lehrling eines Ge­ schäftsbetriebs Geschäfts- oder Betriebsgeheiinnisse, die ihm vermöge des Dienstverhältnisses awertraut oder sonst zugänglich geworden sind, während der Geltungsdauer des Dienstverhältnsses unbefugt an andere zu Zwecken des Wettbewerbs oder in der Absicht, dem Inhaber des Geschäftsbetriebs Schaden zuzufügen, mitteilt. Gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse, deren Kenntnis er durch eine der im Abs. 1 bezeichneten Mitteilungen oder durch eine gegen das besetz oder die guten Sitten verstoßende eigene Handlung erlangt hat, zu Zwecken des Wettb'werbs unbefugt verwertet oder an andere mitteilt.

Nlch § 19 UnlWG. verpflichten Zuwiderhandlungen gegen diese Vorschrift außerdem zum Erntze des entstandenen Schadens. Mehrere Verpflichtete haften als Gesamtschuldner. W'gen der jetzigen Höhe der angedrohten Geldstrafe vgl. die oben § 14 Anm. 2 an­ geführter beiden Verordnungen von 1924. Rcheres in der Lit. zum UnlWG. Hier sei nur folgendes hervorgehoben: 1. Unke Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen sind nicht nur solche geschäftliche Vorkomm- Anm. 39. niisse zu verstehen, deren Geheimhaltung der Geschäftsinhaber seinen Angestellten ausdcückich zur Pflicht gemacht hat; vielmehr kann sich die gleiche Pflicht aus den Umstäindn und insbesondere aus dem erkennbaren Interesse des Geschäftsinhabers an der G'ehenrhaltung ergeben (RGSt. 29, 430). Zu derartigen Geheimnissen gehören nament­ lich dr Inhalt der Handelsbücher, einschließlich der Bilanzen und Inventuren, die Einumd Verkaufspreise, die Bezugsquellen, die Kundenlisten usw. (RGSt. 39, 321; RG. in. . Doch kann eine besondere Sachlage, z. B. Schwierigkeit der Rechtslage oder Furcht vor Nachteilen, eine andere Beurteilung rechtfertigen (RG. in DIZ. 1921, 369). Auch steht gegebenenfalls dem Gehilfen die Möglichkeit zu, seine Verzichtserklärung wegen Irrtums, arglistiger Täuschung oder Drohung nach §§ 119 ff. BGB. anzusechten. Au». 10. g) Der Anspruch auf die Tantieme verjährt in 2 Jahren (§ 196 Nr. 8 BGB.; RG. in IW. 1918, 5501). Dagegen verjährt der in Anm. 5 a. (5. behandelte Anspruch aus Ausstellung

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

425

der Bilanz, Gewinnberechnung usw. in 30 Jahren (Michels im „Recht" 1912, 620; a. M. § 65* Titze 842; vgl. dazu Eckstein in LZ. 1920, 379). Tie erstgedachten 2 Jahre sind vom Schlüsse des Kalenderjahres ab zu rechnen, in dem die Gewinnberechnung aufgestellt wor­ den ist. Tiefe zweijährige Verjährung gilt auch für Ansprüche auf Nachzahlung von Tan­ tieme wegen unrichtiger Gewinnberechnung (Michels ebenda 759 gegen Kiese dort 703). Bei arglistiger Täuschung gilt aber Verjährung nach §§ 826, 852 BGB. Außerdem steht in derartigen Fällen dem Einwand der Verjährung nach § 196 Nr. 8 BGB. nach Be­ finden die Gegeneinrede der Arglist entgegen (RG. 87, 281; RG. in LZ. 1918, 1077).

b) Bezieht der Gehilfe nur einen Anteil vom Reingewinn eines einzelnen Geschäfts-Anm. 11. zweiges oder einer einzelnen Niederlassung (Anm. 4), so stehen ihm die in Anm. 5 gedachten Rechte nur betreffs der für diesen Geschäftszweig bzw. diese Niederlassung geführten Bücher zu. Es hängt von der Auslegung des Anstellungsvertrages ab, ob und inwieweit in diesem Falle Abschreibungen und Verlustreserven in die Sonderbilanz der betreffenden Zweigabteilung aufzunehmen sind (RG. in LZ. 1910, 2124). Jedenfalls ist es in diesem Falle Pflicht des Prinzipals, eine sachgemäße Sondergewinnberechnung aufzustellen (ausführlich hierüber Tietz in LZ. 1920, S. 782 u. 821). Dabei sind die all­ gemeinen Geschäftsunkosten (sog. Regiekosten) angemessen zu verteilen, ebenso nach Be­ finden die von der Hauptniederlassung getragenen Steuern. Tenn Reingewinn der einzelnen Zweigabteilung ist nur, was nach anteiligem Abzug dieser Lasten verbleibt; vgl. Bondi in LZ. 1919, 354.

§ 66.

8 66.

Das Dienstverhältnis zwischen dem Prinzipal und dem Handlungsgehilfen kann, wenn es für unbestimmte Zeit eingegangen ist, von jedem Teile für den Schluß eines Aalendervierteljahrs unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Wochen gekündigt werden. Lit.: Hohe, Die Kündigung des Handlungsgehilfenvertrages nach Deutschem und Osterr. Rechte. Erlangen 1919.

Tie §§ 66—72 handeln von der Kündigung des Tienstverhältnisses zwischenEinleitung. dem Prinzipal und dem Handlungsgehilfen. Ergänzend sind dazu die Vorschriften des Betriebsrätegesetzes vom 4. Febr. 1920 heranzuziehen. Nach diesem Gesetze muß jeder Betrieb mit mindestens 20 Arbeitnehmern einen Betriebsrat, jeder mit mindestens 5 Arbeit­ nehmern einen Betriebsobmann haben (§§ 1, 2 Ges.). Der Betriebsrat kann sich in einen Arbeiterrat und einen Angestelltenrat gliedern (§ 6 Ges.). Diese Vertretung der Arbeit­ nehmer ist als Schutzinstanz für letztere gegenüber ungerechtfertigten Kündigungen seitens des Arbeitgebers bestellt (§ 78 Ziff. 9 Ges.). Allein nicht in dem Sinne, als ob dadurch eine vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung — gleichviel ob Kündigung mit Kündigungs­ frist oder sofortige Kündigung (sog. Entlassung) — für unwirksam erklärt werden könnte. Vielmehr kann das Eingreifen dieser Schutzorganisation im Schlichtungsverfahren höchstens dahin führen, daß der kündigende Arbeitgeber, wenn er Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers ablehnt, zu Schadensersatz verurteilt wird. Das Nähere ergeben §§ 84—90 Ges. Auf diese Bestimmungen und die zum Betriebsrütegesetz ergangene Lit. wird hiermit verwiesen. Insbesondere s. Hueck, Tas Kündigungsrecht gegenüber kaufmännischen Ange­ stellten nach dem Betriebsrätegesetz, in ZHR. 85, 368; Müller in TJZ. 1922, 598; RG. 105, 135 u. 108, 98; Schulz-Schaeffer, Das Einspruchsrecht der §§ 84 ff. BRG. im Falle der außerordentlichen fristlosen Kündigung in GewKfmG. 27, 60; Oertinann, ArbeitSvertragsrecht S. 236 ff. Dabei sei hervorgehoben, daß die Bestimmungen des Betriebs­ rätegesetzes privatrechtlich an den Vorschriften der §§ 66—72 HGB. überhaupt nichts geändert haben, abgesehen von der soeben gedachten Entschädigungspflicht. Insoweit räumt § 87 Ges. dem Schlichtungsausschusse das Recht ein, in der dort gedachten Weise dem Arbeitgeber,

426

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

§ 66. dessen Kündigung als nicht gerechtfertigt erachtet wird, der aber trotzdem die Weiter­ beschäftigung ablehnt, eine Entschädigungspflicht auszuerlegen. Über das Verhältnis dieser Entschädigungspflicht zu der nach dem HEB. bei ungerechtfertigter sofortiger Ent­ lassung bestehenden s. § 70 Anm. 11, letzter Absatz. Wegen der Frage der Pfändbarkeit vgl. § 59 Anm. 47 unter a, letzter Satz. Die Bestimmungen der §§ 66—69 (Kündigungsfristen) gehören zusammen und betreffen nut ein auf unbestimmte Zeit eingegangenes oder verlängertes Dienstverhältnis. Über Vereinbarung bestimmter Zeitdauer s. Anm. 2 und § 67 Anm. 1, 3 u. 5. Die Vorschrift deS § 66 über die gesetzliche Kündigungsfrist ist allerdings in dem Sinne nachgiebigen Rechtens, als zunächst der Vertrag über die Zeitdauer und die Kündi­ gungsfrist entscheidet. Allein der Zulässigkeit von Vertragsabreden sind in den folgenden Paragraphen Schranken gesetzt. In der Erläuterung unseres Paragraphen soll nicht nur die gesetzliche Kündigungsfrist, sondern sollen überhaupt die allgemeinen Grundsätze über die Dauer und die normale Lös­ barkeit deS Dienstvertrages zwischen dem Prinzipal und dem Handlungsgehilfen behandelt werden. (Über die Dienstverhältnisse der Vorstandsmitglieder von AG. s. § 231 Anm. 23ff.)

Anm. 1. 1. In erster Linie sind für die Dauer und die normale Lösbarkeit des Dienstvertrages die Vereinbarungen der Parteien maßgebend. Dies ist zwar nicht ausdrücklich gesagt, aber es ergibt sich daraus, daß die Bestimmung nachgiebigen Rechtens ist, wie § 67 zeigt. Zur Auslegung der Vereinbarungen sei folgendes bemerkt: a)AnS dem Zeitabschnitte, für den der Lohn festgesetzt wird, ist auf die verabredete Dauer des Dienstverhältnisses nicht 511 schließen. Durch die Festsetzung eines Jahresgehaltes ist daher eine frühere Kündigung nicht ausgeschlossen (BuschA. 26, 269). Auch § 621 BGB. ändert hieran nichts: er gilt überhaupt für >)andlungsgehilfen nicht, weil hier unser § 66 Platz greift. Nachstehend einige Auslegungsfälle aus der Praxis: Tie Abrede, das Dienstverhältnis solle beim Verkauf des Geschäfts oder beim Tode des Prinzipals aufhören, ist entsprechend der Verkehrssitte dahin 311 verstehen, daß beiden Teilen bei Eintritt dieser Ereignisse die in § 66 festgesetzte Kündigung zustehen solle (OLG. Karlsruhe in DIZ. 00, 363; s. auch Anm. 14); doch kann natürlich die Abrede and) ein anderes ergeben. Lautet die Anstellung ans einen längeren Zeitraum, z. B. auf ein Jahr, „mit gegenseitiger einvierteljähriger Kündigung", so bedentet das im Zweifel, daß der Vertrag aus den bestimmten Zeitraum fest abgeschlossen ist und daß es, uni eine still­ schweigende Verlängerung über diesen Zeitraum hinaus auszuschließen, einer der Voll­ endung des Zeitraums vorausgehenden einvierteljährigen Kündigung bedarf (OLG. Hamm im „Recht" 07, 135). Die Anstellung für eine Geschäftsreise, deren Dauer sick) nach objektiven Merkmalen, z. B. dem Plane der Reise, bestinunen läßt, gilt als für einen bestinunten Zeitraum abgeschlossen (OLG. Braunschweig bei Warueuer 3 S. 219 Nr. 2; vgl. § 67 Anm. 3). Anm. 2. b) Ist eine bestimmte Dauer des Vertrags-Verhältnisses vereinbart, so endigt das Dienstverhältnis mit Ablauf dieser Zeit, ohne daß es einer Kündigung bedarf (§ 67 Anm. 3). Ist die bestimmte Vertragsdauer abgelausen nnb wird das Tienstverhältnis stillschweigend, d. h. ohne unverzüglichen Widerspruch, fortgesetzt, so gilt nunmehr der Vertrag als auf unbestimmte Zeit verlängert (§ 625 BGB.). Darill liegt eine Art stillschweigender Verlängerung, eine Fortsetzung des alten Vertrages iu allen seinen Einzelbestimmungen (Natur der Dienste, Ansprüche des Gehilfen, Vertrags strafe usw.). Doch gilt dies nur im Zweifel, es sann auch aus den Umstünden etlvas anderes als Wille der Parteien sich ergeben (KfmG. Mannheilll in GewKfmG. 13, 85; ArbEntschBerl. 1925 Nr. 56 ff.). Überdies kann and) die Fortsetzung auf bestimmte Zeit bei unterlassener Kündigung im voraus vereinbart werden (hierüber § 67 Anm. 5). Möglich ist auch die Vereinbarung einer bestinunten Vertragsdauer unter einer Be­ dingung. Für letztere gelten dann die allgemeinen Bestimmungen des BGB. Z. B. kann die Bedingung für einen langjährigen Anftellungsvertrag dahin gehen, daß das

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen uiib Handlungslehrlinge.

427

Geschäft mit einer aktiven Bilanz (mit Gewinn) abschließt. In einem solchen Falle gilt § 66. die Bedingung im Verhältnis der Parteien trotz tatsächlich vorhandener passiver Bilanz als erfüllt, wenn die letztere nur infolge einer allein den Interessen des Geschäftsherrn dienenden Preispolitik entstanden ist und bei normaler, auf Gelvinn ausgehender Preis­ politik eine Aktivbilanz sich ergeben haben lvürde (RG. in IW. 1920, 6383 und Anm. dazu von Titze). c) Für Anstellungen auf Lebenszeit oder für längere Zeit als 5 Jahre gilt die Vorschrift Anm. 3. des § 624 BGB., nach der das Dienstverhältnis von dem Dienstverpflichteten nach dem Ablauf von 5 Jahren mit einer Frist von 6 Monaten gekündigt werden kann. Diese Vorschrift ist durch § 66 HGB. für die Handlungsgehilfen nicht beseitigt; schon deshalb nicht, weil § 66 HGB. nur Anstellungen auf unbestimmte Zeit im Auge hat, und dann, weil der Gesetzgeber nicht beabsichtigt hat, durch die Sondervorschriften des HGB. dem Handlungsgehilfen Vergünstigilngen zu entziehell, die für andere Dienstverpflichtete bestehen. Dem Prinzipale steht dieses Kündigungsrecht nicht zu. (£r kann auch nicht etlva den ganzen Vertrag ausheben, rveil er ihn bei Kenntnis dieser Rechtslage nicht geschlossen haben würde. — Eine An­ stellung auf Lebenszeit liegt deshalb allein noch nicht vor, weil dem Handlungsgehilfen bei der Anstellung gesagt wurde, der Posten solle eine Lebensstellung für ihn sein (OLG. Bamberg in OLGR. 3, 411; BerlKfrnGJ. 1912, 135; ArbEntschBerl. 1925 Nr. 67); auch in diesem Falle greift in der Regel die gesetzliche sechswöchige Kündigung Platz; doch kann nach der Lage des einzelnen Falles auch anzunehmen sein, daß die Parteien eine auf längere Zeit berechnete Anstellung und eine längere Kündigungsfrist als 6 Wochen haben vereinbaren wollen (RG. in SeufsA. 63, 56). — Über „Anstellung bis zur Arbeits­ unfähigkeit" vgl. ArbEntschBerl. 1925 Nr. 68. 6) Die Anstellung auf Probe mit dem Rechte eintägiger Aufhebung ist wegen der Vorschrift Anm. 4. des § 67 nicht statthaft. So auch die ständige Rechtsprechung; vgl. z. B. ArbEntschBerl. 1925 Nr. 47—53; a. M. Leo in DIZ. 1914, 295; dagegen Mantel in GewKfmG. 20, 259. Die Ausnahme des § 69 hat mit der Probeanstellnng nichts zu tun (§ 69 Anm. 1). Eine Probeanstellung auf unbestimmte Zeit ist daher nur mit der Maßgabe statthaft, daß die Kündigung nicht vor Ablauf eines Monats erfolgen: darf (Mäher in GewKfmG. 14, 156). Man kann den Ausweg wählen, den Gehilfen auf bestimmte kurze Zeit zum Zwecke der Probe anzustellen. Daun kaun die Zeit auch kürzer als ein Monat sein (§ 67 Anm. 3). Ist in dieser Weise eine Anstellung auf Probe erfolgt, daun ist der Gehilfe auf eine betzimmte Zeit fest angestellt. Die Absicht, zu probieren, ist nur Beweggrund, für den Vertragsinhalt aber bedeutungslos, so daß weder der Prinzipal noch der Gehilfe den Vertrag deshalb vorzeitig losen kaun, rveil es nach den bisherigen Ergebnissen der Probezeit zu einer Verlängerung der Vertragsdauer, ,;n einer endgültigen Anstellung nicht kommen werde. Wenn das Verhältnis nach Ablauf der vereinbarten Probezeit stillschweigend fortgesetzt wird, so gilt für die Folgezeit das in Anm. 2 Gesagte; das Verhältnis setzt sich also auf unbestiuunte Zeit fort. § 67 Abs. 3 greift hier nicht Platz; er betrifft einen andern (IqII, nämlich den, daß im voraus vereinbart wird, das Verhältnis solle sich fortsetzen, wenn es ni'i)t vor dem Ablauf der Vertragszeit gekündigt werde; für diese Kündigung gelten bnnn die Zwangsvorschriften des § 67 Abs. 1. Es kann ferner vereinbart werden, daß nach Vtülauf der bestimmten Probezeit der Vertrag sich auf bestimmte Zeit fortsctze. Auch das ist gültig (vgl. auch 5 67 "Anm. 5). Wird dagegen ohne Vereinbarung einer lestimmteu Zeitdauer oder einer Kündigung bei der Anstellung nichts weiter erklärt, cls daß sie zur Probe erfolgt, so ist dies als bloße Angabe eines Beweggrundes ohne rechtliche Bedeutung. Es greifen einfach die gesetzlichen Kündigungsfristen Platz (OLG. Hamburg in OLGR. 3, 78 und OLG. 5remisnd a. M. im „Recht" 08 Nr. 845). Anders Titze 689, der in solchen Fällen die kleinste, nach § 67 zulässige Kündigungsfrist als ver­ einbart ansieht. e) Vereinbarungen eintägiger, cinwöchiger, vierzehntügiger, vierwöchigerAnm. 5. Kündigung sind durch § 67 für den Regelfall ausgeschlossen (falsch daher KfmG. Kiel

428

§ 66.

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

in SozPr. 05, 718). Siehe jedoch $§ 68 u. 69. Tie Vereinbarung vierwöchiger Kün­ digung wird aber meist als Vereinbarung einer einmonatigen Kündigung auszulegen und als solche ausrechtzuerhalten fein (§ 67 Anm. 8). Die Vereinbarung einer sechs­ wöchigen Kündigung wird nach Treu und Glauben als Bestätigung des gesetzlichen Normalfalles, die Kündigung also als lediglich zum Vierteljahrsschlusse zulässig, angesehen werden müssen. Für Berlin ist biete Auffassung handelsgebräuchlich (Ältesten bei DoveApt 28). Die Vereinbarung einer längeren als einer sechswöchigen Kündigung gilt gleich­ falls zum Vierteljahrsschlusse, weil nun § 67 Abs. 2 gilt (RG. in SeuffA. 36, 436).

«nm. 6. 2. In zweiter Linie greift die gesetzliche Kündigungsfrist Platz. Sie beträgt 6 Wochen vor Ablauf des Kalendervierteljahrs. Wegen Berechnung der Frist s. §§ 187 ff. BGB.; zu deren Auslegung vgl. unten Anhang zu § 359 Anm. 18 bis 41. Tie Kündigung muß daher (§ 187 BGB.) am 43. Tage vor Ablauf des Kalendervierteljahrs, in dem sie erfolgt, dem anderen Teile zugegangen sein (T. 64). Ist z. B. der Handlungsgehilfe am 1. Januar eingetreten, so kann ihm zum 31. März gekündigt werden. Die Kündigungstermine sind nicht etwa, wie die Kaufleute hüufxg annehmen, der 15. Februar, 15. Mai, 15. August und 15. November, sondern der 17. (im Schaltjahr 18.) Februar, 19. Mai, 19. August und 19. November, stets zum Schlüsse des betreffenden Kalendervierteljahrs (ebenso Hohe 42 u. 45). «nm. 7. 3. Die BeweiSlast richtet sich, wenn streitig ist, ob die gesetzliche Kündigungsfrist Platz greift oder eine vertragliche, nach dem Grundsätze, daß die natürlichen, allgemein üblichen Be­ griffsmerkmale sich aus dem Gesetz ergeben und nicht bewiesen zu werden brauchen, daß vielmehr der zu beweisen hat, der die Abänderung jener Merkmale infolge besonderer Umstünde behauptet (vgl. Bolze 23 Nr. 570). Es hat daher, wer die Vereinbarung einer von der gesetzlichen abweichenden Kündigungsfrist oder einer bestimmten Vertrags­ dauer behauptet, dies zu beweisen (vgl. RG. 57, 50; Adler-Clemens Nr. 475; ArbEntschBerl. 1925 Nr. 151; Titze 690; anders Stölzel, Schulung für die ziv. Praxis I 159 u. BuschZ. 35, 57, sowie KfmG. Hainburg in GewKfmG. 30, 434; 30, 545; IW. 1925, 19291 u. a; an letzteren beiden Stellen in den Anmerkungen von Titze und Rosenberg widerlegt). Steht fest, daß eine von der Gesetzesregel abweichende Kündigungsfrist oder eine bestimmte Vertragsdauer vereinbart ist, aber nicht, welche Abweichung, so hat der zu beweisen, dessen Darstellung (ich am weitesten von der Gejetzesregel entfernt. Das gilt auch von der Probeanstellung (s. Anm. 4); bei ihr wird eine dem § 66 entgegen­ stehende Vereinbarung getroffen, die der zu beweisen hat, der sie behauptet. Allenthalben zustimmend Krönig in GewKfmG. 30, 426. «nm. 8. 4. Die Folge der verspäteten Kündigung ist klar: sie bringt das Verhältnis z« dem beab­ sichtigten Zeitpunkte nicht zur Lösung. Ob sie wenigstens als Kündigung zum nächsten zulässigen Zeitpunkt anzusehen ist, ist Tatsrage (Motive z. BGB. II 413). Meist wird es der Fall sein (Sigel im GewGer. Beil, zur Nr. v. 1. Okt. 00; Hohe 45 u. 100; anders bei Vorliegen besonderer Umstände, die eine andere Beurteilung rechtfertigen: KfmG. Ulm in GewKfmG. 31, 43; anders zu bewerten ist auch Bestreiten gültigen Abschlusses des Dienstvertrages: HansGZ. 91, 311). Einer verspäteten Kündigung braucht im allge­ meinen nicht ausdrücklich widersprochen zu werden, in ihrer stillschweigenden Entgegen­ nahme liegt an sich keine Annahme; § 151 BGB. bezieht sich nur aus Vertragsanträge und ist daher nicht anwendbar (OLG. Kolmar in ElsLothZ. 32, 521; DürHach. Anm. 4; Hohe a. a. O.). Wohl aber kann aus den Umständen eine stillschweigende Annahme der unzeitgemäßen Kündigung gefolgert werden, z. B. wenn der Gehilfe nach Empfang der Kündigung widerspruchslos nach anderweiter Tätigkeit sich umsieht oder am Kündigungstermin widerspruchslos den Dienst verläßt (KfmG. Danzig u. Augsburg in GewKfmG. 12, 9; 14, 246; vgl. auch Hilse im „Recht" 07, 50). — Hinsichtlich einer Kündigung mit unrichtiger Frist gilt entsprechendes (KfmG. Charlottenburg in GewKfmG. 17, 253; KfmG. Ulm ebenda 31, 43).

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

429

Vorzeitige Kündigung aber ist rechtzeitige (OTrEntsch. 34, 170), so daß auch vor § 66. Antritt des Dienstes gekündigt werden kann, doch nur unter Einhaltung des zulässigen Kündigungszeitpunktes (OLG. Hamburg in ZHR. 40, 452; ausführlich abgedruckt in HansGZ. 91, 310). Es kann z. B. ein mit einmonatiger Kündigungsfrist angestellter Gehilfe, der am 1. Oktober eintritt, schon am 30. September zum Schlüsse des Oktobers kündigen, nicht etwa erst zum Schlüsse des Novembers, dem nach Beginn des Vertrages ersten zu­ lässigen Kündigungstermin, wie das OLG. Frankfurt (im „Recht" 02, 269; ebenso Ritter Komm. Anm. 2) im Anschluß an eine ungenaue Fassung in der 6./7. Aufl. angenommen hat; aber nicht etwa schon am 31. August für den 30. September, denn das wäre keine Kündigung, sondern eine Aushebung des Dienstvertrags (Landsberger in GewKfmG. 18, 175; anders Reichel in LZ. 1923, 523). Ebenso Brand Anm. 3. Ebenso auch für die Kündigung eines Gewerbegehilfen GewG. Leipzig in GewKfmG. 24, 223. Dagegen hält Titze 675 eine Kündigung vor dem Tage des Dienstantritts überhaupt in der Regel für ausgeschlossen. Ausdrücklich hervorgehoben sei, daß in einer Kündigung auf den ersten zulässigen Zeitpunkt als solcher weder Arglist noch ein Verstoß gegen die guten Sitten noch Schikane liegt (OLG. Hamburg in HansRZ. 1921, 157 Nr. 43). Doch sind immer­ hin Fälle denkbar, die eine andere rechtliche Beurteilung rechtfertigen. Erklärung sofortiger Kündigung (§§ 70 ff.), wenn sie sich als unberech­ tigt erweist (§ 70 Anm. 11 ff. u. 15 ff.), gilt in der Regel wenigstens als ordentliche Kündi­ gung. Denn in solchem Akte liegt der Wille ausgedrückt, das Verhältnis sobald als möglich zu lösen. Desgleichen wirkt die Weigerung, den Dienst anzutreten oder den Ge­ hilfen in den Dienst aufzunehmen, jedenfalls als ordentliche Kündigung. Vgl. hierzu JAR. 1922, 45; 1923, 39. 6. Eine Form der Kündigung ist nicht vorgeschrieben. Sie kann schriftlich oder mündlich Anm. 9. erfolgen, nur mutz sie dem anderen Teil zugehen und ist in diesem Augenblick wirksam. Einmal erklärt, kann sie nicht einseitig zurückgenommen werden (RG. in IW. 1911, 39"). Sie ist eine empfangsbedürftige Erklärung (§§ 130—132 BGB.). Dem Zugehen steht die durch Vermittlung eines Gerichtsvollziehers nach den Vorschriften der ZPO. erfolgte Zustellung gleich (§ 132 Abs. 1 BGB.). Bei einer Kündigung unter Abwesenden trägt der Kündigende die Gefahr der rechtzeitigen Ankunft. Doch darf sich der andere Teil nicht der Kündigung durch eigenes Verschulden entziehen (RG. in LZ. 1925, 470), wie z. B., wenn der unterwegs befindliche Reisende in dieser Absicht fortwährend seinen Aufenthalt wechselt oder ihn verschweigt oder gar falsch angibt, sollte letzteres auch un­ absichtlich geschehen (vgl. OLG. Braunschweig in ZHR. 34, 572, wo eine Kündigung mit Recht als wirksam behandelt ist, weil der Reisende sich die Briefe abzuholen pflegte und gerade an jenem Tage nicht abholte; ebenso Lehmann-Ring Nr. 4; anders Brand Anm. 4, der nur Schadensersatzpflicht annimmt). Einen praktischen Ausweg, auch für den Fall, daß der Aufenthalt einer Person unbekannt ist. bietet § 132 Abs. 2 BGB., nämlich den Weg der öffentlichen Zustellung, doch nicht in dem Sinne, als ob nur auf diesem Wege die Willenserklärung als dem anderen Teile, dessen Aufenthalt zur Zeit unbekannt ist, zugegangen gelte. Bei solcher Annahme wäre die rechtzeitige Kündigung in vielen Fällen unmöglich. Zwar ist die Kündigung eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Aber die Erklärung gilt als dem anderen Teile zugegangen, roenn sie ihm dorthin geschickt wird, wo der andere Teil sich nach seiner eigenen Angabe zu einer bestimmten Zeit auf­ hält (ArbEntschBerl. 1925 Nr. 143 f.). Wie sie ihm als zugegangen gilt, wenn sie in seinen Privatbriefkasten gesteckt wird, auch wenn er den Bries nicht herausnimmt (anders, wenn der Bote den Brief wieder mitnimmt: KfmG. Chemnitz in GewKfmG. 26, 149), so gilt sie ihm als zugegangen, wenn sie ihm in das Gasthaus geschickt wird, in welchem er sich nach seiner Angabe am bestimmten Tage aufhält. Wenigstens wird man dies bei solchen empfangsbedürftigen Willenserklärungen annehmen müssen, die innerhalb eines Vertragsverhältnisses, wie hier, erfolgen; die Rücksicht auf dieses Verhältnis legt solche Pflichten aus (vgl. ROHG. 8, 80). Ohne Vertragsverhältnis dürfte man aller-

430 §66.

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

dings kaum soweit gehen. Vgl. auch Anbang zu § 361 Anm. 5 und Ti Ye in JheringsI. 47, 379 f.; ferner RG. in IW. 1919, 569 und Titzes Amu. dazu. In ähnlicher Weise ist der Fall zu beurteilen, wenn der Empfänger des Kündigungsbriefs dessen Annahme verweigert. Diese Weigerung ist, da ein Vertragsverhältnis vorliegt, eine schuldhafte. Allerdings empfiehlt sich in solchem Falle, damit überhaupt die Kündigung dem anderen Teile zugehe, deren nachträgliche Zustellung gemäß § 132 BGB. Wird aber diese sofort veranlaßt, dann muß der Empfänger sich so behandeln lassen, als wäre ihm die Kündi­ gungserklärung schon in dem Zeitpunkte der Annahmeverweigerung zugegangen. Näheres RG. 110, 34. Dazu Krückmann in IW. 1925, 938; Letzterer hält sogar die nachträgliche Zustellung nicht für erforderlich. Über die sog. Einschreibeklausel (die Vereinbarung, daß Kündigung nur durch eingeschriebenen Brief erfolgen dürfe) s. Stäben und Landsberger in GewKfmG. 20 S. 309 u. 344; Reichel im BankA. 11, 40. über die vertragsmäßige Annahme des Zugangs einer Kündigung Reichel in DIZ. 1911, 1534; dagegen Wedemeper in DIZ. 1912, 252 u. Kleinrath in IW. 1912, 261. Über den Zeitpunkt des Zuge Heus bei Einschreibe­ sendungen s. RGSt. 44, 350 und dazu Galli in DIZ. 1912, 715; ferner Bendix ebenda 1913, 407 und die bereits erwähnte Entsch. RG. 100, 34. Die vereinbarte Form der Kündigung mittels eingeschriebenen Briefes wird jedenfalls durch Zitstellung, z. B. der Klage, ersetzt (RG. 77, 70; s. dazu Stäben u. Landsberger a. a. £.). Dagegen dürfte für den Fall, daß in anderer Weise ohne Einhaltung der vereinbarten Form gekündigt wird, die richtige Meinung die sein, daß solche Kündigung zwar an sich unwirksam ist, daß sie aber als von vornherein wirksam gilt, wenn der andere Teil sich mit der Nicht­ einhaltung der Form ausdrücklich oder stillschweigend einverstanden erklärt, und daß das letztere im Zweifel dann anzunehmen ist, wenn er der soruuvidrigen Kündigung nicht widerspricht. Dieser Widerspruch muß solchenfalls mid) Treu und Glauben ohne schuld­ haftes Zögern erklärt werden. Im Falle der Kündigung ohne Einhaltung einer Kändigungsfrist nach §§ 70—72 greift die Eiuschreibeklausel, dafern sie nicht ausdrücklich and) für diesen Fall vereinbart ist, überhaupt nicht Platz; denn sie ivill im Zweifel nur die Form der ordentlichen (nicht die der außerordentlichen) Kündigung regeln.

Anm. 10. 6. Inhaltlich mutz die Kündigung bestimmt und endgültig sein, nicht unbestimmt iihl) unklar, wie z. B.: „Das Verhältnis gilt nach Ablauf von 3 Monaten als gelöst, wenn Sie bis dahin keine besseren Geschäfte machen" (RDHG. 4, 342), oder: „Ich löse zum 1. Juli mein Geschäft auf", oder: „Wenn Sie wollen, können Sie schott zunt Ersten gehen". Ausdrückliche Bezeichnung des zeitlichett Ettdpttnktes der Kündigung ist dabei nimt erforderlich (RG. in IW. 08, 2704); auch nicht der Gebrauch des Wortes „kündigen". ^Bestimmte, aber bedingte Kündigung ist nicht unwirksam (ebenso Lehmann-Ring "Nr. 4; Titze 676; anders RG. 91, 308; BerlKfntGJ. 1912, 145: Horrwitz 127). Mit dein Ein­ tritte der Bedingung ist vielmehr die Kündigung wirkjant, d. h. es gilt, als tväre sie erst jetzt erfolgt; der Eintritt der Bedingung wirkt nicht zttrück. Attders attsgedrückt: Die Kündigung wird nur wirksam, wenn der Kündigungsempsänger bis ztt dem letzten Tage, an welchem ihm gekündigt werden ttmti, (6etvißheit darüber besitzt, daß die Bedingting eingetreten ist; ein späterer Eintritt der Bedingung kann höchstens für den nächsten Kündigungstermin wirken. Die Kündigmtg must also von dem Eintritte der Be­ dingung ab, sofern der Gekündigte über ihn nicht in Ungewißheit sein kattn (vgl § 643 BGB., wo ein Beispiel einer bedingten Kündigttng enthaltett ist; KfmG. München in GewKfmG. 13, 60: „Sollten Sie mit meinem Vorschlag nicht eittig gehen, so müßte ich hiermit Ihren Posten für den 1. April kündigen" enthält eine gültige Kündigung; OLG. Stuttgart im „Recht" 10 Nr. 999: Kündigung eines Gehilfen, der erklärte, wenn er keine Gehaltszulage bekontme, küttdige er hiermit, als gültig behandelt). Weitere Entsch. s. ArbEntschBerl. 1925 "Nr. 118 ff. Hohe 12 läßt bedingte Kündigung überhaupt nur als Androhung einer Kündigung geltett.

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

431

7. Kann an einem Sonntag oder staatlich allgemein anerkannten Feiertage gekündigt wer-§ 66. den? Tie früheren Auflagen (6.-9.) verneinten diese Frage, weil dies der Verkehrssitte Anm. 11. widerspräche. Diese Ansicht kann aber nicht aufrechterhaltcn werden. Es gibt weder eine Gesetzesvorschrift noch eine Verkehrssitte, nach der an Sonn- und Feiertagen kein gültiger Empfang von Erklärungen — man denke an Zugang durch die Post, die ja auch an Sonnund Feiertagen Briefe bestellt — stattfinden könnte (Titze 674; KfmG. Schöneberg in GewKfmG. 17, 138; ArbEntschBerl. 1925 Nr. 147). Aber wie man auch darüber denke, jedenfalls kann eine an einem Sonn- oder Feiertage erklärte, von der Gegenseite nicht beanstandete Kündigung nicht nachträglich als unwirksam behandelt werden (KfmG. Stettin in GewKfmG. 15, 224). Fällt der Tag, bis zu welchem die Kündigung erklärt werden muß (Anm. 6), auf einen Sonn- oder Feiertag, so kann noch an dem darauf­ folgenden Werktage gekündigt werden; denn jener Tag ist rechtlich betrachtet der letzte Tag der seit Beginn des Dienstverhältnisses laufenden Frist, binnen deren für den betreffenden Kündigungstermin gekündigt werden kann, daher § 193 BGB. anwendbar (RG. in IW. 07, 705°; OLG. Hamburg im „Recht" 1915 Nr. 1389; Erdel in GewKfmG. 17, 187; a. M. Horrwitz 125; KfmG. Stettin u. Mainz und GewG. Plauen in GewKfmG. 15, 224; 17, 178; 30, 325; ArbEntschBerl. 1925 Nr. 147; diese nehmen unter Hinweis darauf, dem Kündigungsempfänger müsse die volle Kündigungsfrist gewahrt bleiben, an, daß solchenfalls spätestens am Werktage vorher gekündigt werden müsse). Im übrigen vgl. zu vorstehenden Fragen Anhang zu § 359 Anm. 34 bis 41. — Am Wochen­ tage muß die Kündigung zu geschäfts üblich er Zeit erklärt werden (LG. Hamburg in HansGZ. 01, 131, woselbst abends l/210 Uhr im großstädtischen Verkehr noch als ge­ schäftsüblich angesehen ist; ob diese Entsch. noch für die Jetztzeit paßt, erscheint zweifelhaft). 8. Bei Kündigung durch einen Bevollmächtigten sind die §§ 174 u. 180 BGB. zu beachten Anm. 12. (vgl. § 54 Anm. 15 und Anhang zu § 58 Anm. 28 u. 111 f. bes. Anm. 135). Kündigt ein zur Alleinvertretung berechtigter Prokurist oder Generalhandlungsbevollmächtigter, etwa der Geschäftsleiter, so ist, ohne daß dies ausdrücklich erklärt werden müßte, als selbstverständlich anzunehmen, daß er im Namen des Prinzipals kündigt (KfmG. München in GewKfmG. 13, 60; vgl. Anhang zu § 58 Anm. 18 und £ 51 Anm. 2). Der Gehilfe, dem bekannt ist, daß der Kündigende Handlungsvollmacht besitzt, kann die Kündigung nicht nach § 174 BGB. (vgl. Anhang zu § 58 Anm. 28) zurückweisen, weil ihm keine Vollmachtsurkunde vorgelegt sei (BerlKfmGJ. 1912, 126). Kündigt einer von mehreren gemeinsam Vertretungsberechtigten, so wird solche Kündigung nach allgemeinen Grundsätzen durch Ge­ nehmigung seitens eines Mitvertretungsberechtigten wirksam (LG. Berlin in GewKfmG. 22, 129; Anhang zu § 58 Anm. 30). Weitere Entsch. s. ArbEntschBerl. 1925 Nr. 138 ff. 9. Für die Kündigung gegenüber einem Bevollmächtigten gelten die allgemeinen Grund-Anm. 12». sätze; s. Anhang zu § 58 Anm. 29. Daher kann von dein Handlungsgehilfen die Kündi­ gung gegenüber einem Prokuristen oder allgemeinen Handlungsbevollmächtigten (Ge­ schäftsleiter, Leiter der betreffenden Zweigniederlassung, Personalchef usw.) erklärt werden. Auch im Falle der Gesamtprokura bzw. Gesamtvollmacht (vgl. § 48 Anm. 9). Unter Uniständen auch der im Geschäfte mittätigen bihesrau des Prinzipals (GewG. Mann­ heim in GewKfmG. 25, 201). 10. Ordnungsmäßig erklärte Kündigung bringt das Dienstverhältnis mitAnm. 12d. Ablauf der Kündigungsfrist zum Erlöschen. Das Ende der Kündigungsfrist und das Ende des Dienstverhältnisses können begriffsmäßig zeitlich nicht auseinander­ fallen; denn unter Kündigungsfrist versteht man die nach dem Gesetz oder abredegemäß bis zu dem Ereignisse lausende Frist, dessen Eintritt durch die Kündigung herbeigeführt werden soll (RG. in WarneperRjpr. 1921, 131). Zusatz 1. Nach der Kündigung muß der Prinzipal dem HandlungsgehilfenAnm. 13. auf Verlangen angemessene Zeit zum Aufsuchen eines neuen Dienstverhältniises gewähren (§ 629 BGB.), allerdings nur dann, wenn das bisherige Dienstver­ hältnis ein dauerndes ist (Titze 766 gibt dieses Recht schon vor der Kündigung und auch bei

432

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

§ 66. nicht dauerndem Verhältnis, doch findet diese Ansicht, so sehr sie auch dem beruflichen Fort­ kommen des Angestellten mit Recht entgegenkommt, in dem Wortlaute des § 629 BGB., der doch als maßgebend anerkannt werden muß, leider keine Stütze). Dauernd in diesem Sinne ist das Dienstverhältnis dann, wenn der Dienstverpflichtete auf eine längere Dauer des Dienstes rechnen konnte, also wenn entweder eine lange bestimmte Dauer (Oertmann §629 Anm. 1 sagt mit Recht, daß in diesem Falle der Zeitpunkt maßgebend ist, in dem bei unbe­ stimmter Vertragsdauer hätte gekündigt werden müssen) oder eine unbestimmte Dauer ver­ einbart war. Nicht dauernd ist z. B. ein Vertrag, bei dem der Gehilfe auf 6 Wochen zur Aushilfe angestellt wird; dauernd ein Vertrag, bei dem der Gehilfe gegen einmonatige Kündigung angestellt wird (Cosack BGB. I 501). Ausführlich hierzu Landsberger in GewKfmG. 26, 177. Bedauerlich ist, daß nicht eine bestimmte Zeit zum Aufsuchen einer neuen Stellung gesetzlich bestimmt ist. Es muß eine nach Ortsgebrauch geeignete Zeit sein, wobei die Interessen beider Teile angemessen berücksichtigt werden müssen. Der Dienstherr hat nicht das Recht, vom Gehilfen darüber Auskunft zu verlangen, bei wem er sich vorstellen will. Nichtbewilligung angemessener Zeit macht den Dienstherrn schadensersatzpflichtig. Bleibt der Gehilfe über die bewilligte Zeit aus, so tut er dies auf seine Gefahr; die Ange­ messenheit entscheidet. Doch darf der Gehilfe sich zum Stellungsuchen nicht willkürlich aus dem Geschäft entfernen (BerlKfmGJ. 08, 247), muß vielmehr um Urlaub nachsuchen und darf höchstens dann eigenmächtig handeln, wenn der Prinzipal ihm den Urlaub rechtlos verweigert. Allein auch in diesem Falle muß er hinsichtlich der Wahl der Zeit die Interessen des Geschäfts in Betracht ziehen, darf nicht ohne Not eine für diese ungünstige Zeit wählen. Uber alle diese Fragen s. ArbEntschBerl. 1925 Nr. 357 bis 363; KfmG. Charlottenburg und LG. III Berlin in GewKfmG. 25, 132: Landsberger a. a. O.; Oertmann, Arbeitsvertrags­ recht S. 236; auch DürHach. § 72 Amu. 5 und KfmG. Konstanz in BadRpr. 06, 6. Ferner vgl. § 72 Anm. 5. Die Gewährung einer angemessenen Zeit zum Suchen einer neuen Stel­ lung kann in der Regel nicht davon abhängig gemacht werden, daß der Angestellte nach­ weist, er sei zu persönlicher Vorstellung aufgefordert worden. Hierüber s. BerlKfmGJ. 1912, 183. Diese Entscheidung behandelt auch die Frage, ob dem Angestellten zum Suchen einer neuen Stellung nur am Orte des Dienstes Gelegenheit oder auch nötigenfalls ein mehrtägiger Urlaub zwecks auswärtiger Vorstellung gegeben werden muß. Tie Entscheidung dürfte richtigerweise vom Einzelfall abhängig gemacht werden. Der Prokurist einer Groß­ bank muß in dieser Beziehung anders behandelt werden wie der Verkäufer in einem kleinen Ladengeschäft. Mindestens ist, soweit der Fall dies gestattet, dein Gehilfen zuzumuten, zu einer derartigen Vorstellungsreise einen dienstfreien Tag mit zu benutzen. — Die Vorschrift des § 629 BGB. ist zwingenden Rechts. Sie kann nicht durch Abrede der Vertrag­ schließenden zum Nachteile des Arbeitnehmers ausgeschlossen werden (Landsberger a. a. O.). Dagegen können, aber ebenfalls nicht zum Nachteile des Arbeitnehmers, Tarifverträge ergänzende Bestimmungen treffen. Anm. 14. Zusatz 2. Andere EndigungSgründe. Tod des Prinzipals ist im Zweifel kein Erlöschungsgrund für das Dienstverhältnis (§§ 675, 672 BGB.), wohl aber Tod des Hand­ lungsgehilfen (§§ 675, 673 BGB.). In beiden Fällen aber kann Gegenteiliges vereinbart werden oder aus dem Sinne des Vertrags sich ergeben, insbesondere also auch für den Fall des Todes des Dienstverpflichteten (zust. RG. in IW. 03 Beil. 2 S. 17). Über die Frage der Vererblichkeit des Dienstverhältnisses s. Oertmann in GewKfmG. 29, 127. Uber Ge­ schäftsveräußerung und Konkurs s. § 70 Anm. 27. Anm. 15. Zusatz 3. Stillschweigende Fortsetzung des Dienstverhältnisses nach erfolgter Kündi­ gung über den kündigungsgemäßen Endtag hinaus bedeutet im Zweifel nach § 625 BGB. eine Verlängerung des bisherigen Dienstverhältnisses auf unbestimmte Zeit unter Aufrecht­ erhaltung der bisherigen Vereinbarungen über Bezüge, Dienstverpflichtungen und Kündi­ gungsfristen. Vgl. indessen § 67 Anm. 5 u. 10 (auch dort Anm. 5).

Anm. 16.

Zusatz 4. Die erklärte Kündigung kann nicht einseittg zurückgenommen oder wider­ rufen werden. Der andere Teil muß sich aber aus den Widerruf äußern. Behält er sich die

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

433

Cnlschhließung vor, so muß er sie in angemessener Zeit mitteilen, sonst gilt sein Schweigen § 66. als Einverständnis mit der Rücknahme (ArbEntschBerl. 1925 Nr. 133). ^Zufatz 5. Uber die Kündigung des Dienstverhältnisses eines Mitglieds einerAnm. 17. Betrciebsvertretung durch den Arbeitgeber s. § 96 BRG. In der Regel ist danach Zustimnnung der Betriebsvertretung erforderlich. Vgl. aber oben Einl. Außerdem s. hierzu § 72 Anm. 12.

§ 67.

§ 67.

wird durch Vertrag eine kürzere oder längere Kündigungsfrist bedungen, so inluß sie für beide Teile gleich sein; sie darf nicht weniger als einen Monat betrcagen. Die Kündigung kann nur für den Schluß eines Kalendermonats zugelassem werden. Die Vorschriften des Abs. \ finden auch in dem Falle Anwendung, wenn das Dienstverhältnis für bestimmte Zeit mit der Vereinbarung eingegangen ivitö), daß es in Ermangelung einer vor dem Ablaufe der Vertragszeit erfolgten Künldigung als verlängert gelten soll. Line Vereinbarung, die diesen Vorschriften zuwiderläuft, ist nichtig. 8 67 enthält eine weitgehende Einschränkung der Bertragsfreiheit bei Vereinbarung Einleitung, von .«Kündigungsfristen. (Lit.: Thiesing in GesuR. 8, 167.) Er verbietet aber nur Vereinbmrungen gegen seinen Inhalt vor Erklärung der Kündigung. Dagegen verbietet er nncht Vereinbarungen bei oder nach erfolgter Kündigung dahin, daß das Dienstverhäiltnis entgegen § 67 an einem bestimmten Tage endigen solle. Ebenso verbietet er nicht die Heilung einer an sich nach § 67 unzulässigen Kündigung durch Einverständnis des Verltragsgegners. Wann solches angenommen werden darf, insbesondere wann bloßes Stillsschweigen des Kündigungsempfängers Einverständnis bedeutet, ist nach Lage des ein­ zelnem Falles zu entscheiden. Verschiedene Fälle s. ArbEntschBerl. 1925 Nr. 167 ff. Vgl. Amm 2. 1. Der Paragraph bezieht sich nur auf die Vereinbarung von Kündigungsfristen. Die Anm. 1. Vereinbarung von auflösenden, nicht in den Willen des Vertragsgegners ge­ stellten Bedingungen fällt nicht unter § 67 (Makower Anm. 1). So ist z. B. die Anstellung auf die Zeit der Krankheit des ersten Buchhalters, oder auf so lange, bis der Handlungsgehilfe eine neue Stellung gefunden habe, zulässig (OLG. Hamburg in OLGR. U, 23; vgl. auch Anm. 10 und § 69). Wohl aber fällt unter § 67 die Vereinbarung einer bestimmten Zeitdauer, sofern das Lösungsrecht für beide Teile verschieden fest­ gesetzt ist. Denn im Grunde genommen ist dies nicht die Vereinbarung einer bestimmten Zeitdauer, sondern ein Kündigungsrecht. Die Vereinbarung einer bestimmten Zeitdauer kann begrifflich nur den Inhalt haben, daß der Vertrag mit Ablauf einer bestimmten Zeit aufhört, so daß für beide Teile Rechte und Verpflichtungen ihr Ende erreichen. Wird aber z. B. vereinbart, daß der Prinzipal nach Ablauf eines Jahres den Vertrag auf­ heben kann, der Gehilfe aber erst nach Ablauf von 3 Jahren, so liegt darin nichts weiter als die Vereinbarung von verschiedenen Kündigungsfristen für beide Teile (RG. 68, 319). Dagegen kann gültigerweise ein Anstellungsvertrag auf eine bestimmte Reihe von Jahren abgeschlossen, aber dem Dienstherrn das Recht eingeräumt werden, ihn schon früher ge­ mäß § 66 aufzukündigen, falls der Gehilfe sich seiner Aufgabe nicht gewachsen zeigen sollte; in diesem Falle unterliegt die letztere Frage richterlicher Nachprüfung (RG. in LZ. 1914, 13726). Durch § 67 ist nicht für unzulässig erklärt die im Laufe eines Vertrags er-Anm. 2. folgende Vereinbarung, daß bet Vertrag vorzeitig aufgehoben werden soll, sei es Staub, HGB., 12. u. 13. Aufl. Bd. I. (Bondi.) 28

434 § 67.

VI. Abschnitt- Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

sofort, sei es nach Ablauf einer gewissen Frist. Diese Abrede ist durch § 67 nicht berührt; weder ist sie für unzulässig erklärt, noch ist die hierbei bedungene Frist den Vorschriften des § 67 unterworfen, sofern es nur nicht wieder eine Kündigungsfrist ist. Vgl. Einl. A»m.3. 2. Unbeschränkt zulässig ist die Abrede einer bestimmten Bertragsdauer im eigentlichen Sinne, d. h. so, daß der Vertrag für beide Teile an einem bestimmten Zeitpunkt endet (§ 620 BGB.); als bestimmt gilt danach die Tauer auch dann, wenn sie aus der Beschaffenheit oder dem Zwecke der Dienste zu entnehmen ist (z. B. für eine Reise; vgl. § 66 Anm. 1; für die Meßzeit; viele einschlagende Entsch. s. ArbEntschBerl. 1925 Nr. 54ff.). Im Falle bestimmter Dauer findet § 67 keine Anwendung; bei be­ stimmter Vertragsdauer kann vielmehr vereinbart werden, daß sie auch im Laufe des Monats ende, oder daß sie kürzer als ein Monat sei. Es ist also zulässig, daß jemand auf sechs Wochen oder auf 14 Tage oder auf drei Tage angestellt wird. Diesen AuSweg kann man wählen, wenn man jemanden ans Probe anstellen will (T. 65; vgl. § 66 Anm. 4 und BerlKfmGJ. 08, 211 ff.; 1910, 186; KfmG. Halle in GewKfmG. 19, 304). Reicht die erste Probezeit nicht aus, um die Fähigkeiten des Gehilfen genügend zu beurteilen, so kann man ihn nach Ablauf der Probezeit auf eine bestimmte weitere Zeit anstellen. Das kann sich von Woche zu Woche wiederholen. Dagegen kann die Erneuerung einer solchen Anstellung nicht im voraus ausgemacht werden, etwa in der Form: Wenn die Anstellung nicht während der ersten Woche gekündigt wird, so seht sich die Probezeit auf eine weitere Woche fort. Vielmehr unterliegt die Vereinbarung einer Verlängerung für den Fall unterlassener Kündigung der Vorschrift des § 67 Abs. 3 (f. Anm. 5). Ein Angestellter, mit dem eine Probeanstellung auf bestimmte Zeit vereinbart worden ist, kann übrigens nur seine vereinbarte Vergütung für diese Zeit verlangen; dagegen hat er keinen Anspruch darauf, daß seine Fähigkeiten tatsächlich erprobt werden; auch nicht auf eine spätere feste Anstellung, falls ihm solche nur ohne rechtliche Bindung in Aussicht gestellt war (BerlKfmGJ. 1912, 133). Verschiedene Entsch. über einschlägige Fragen s. ArbEntschBerl. 1925 Nr. 47 ff. Anm. 4. 3. Die im § 67 vorgesehenen Beschränkungen der Bertragssreiheit sind dreifacher Art: a) 3=ebe andere Kündigungsfrist als die gesetzliche des § 66 muß mindestens einen Monat dauern. Die Kündigung muß am letzten Tage des vorhergehenden Monats erfolgen (§ 187 BGB.), d. h. dem anderen Teile zugehen (s. § 66 Anm. 9—12). b) Sie muß, gleichviel ob länger oder kürzer als die gesetzliche, jedenfalls für beide Teile gleich sein (entsprechend dem § 122 GewO.). c) Sie wird immer nur für den Schluß eines Kalendermonats zugelassen, wie lang sie auch sein mag; so kann z. B. auch eine Kündigungsfrist von sechs Wochen oder drei Monaten oder einem Jahr immer nur zum Monatsschluß ausgeübt werden. Anm. 5. 4. Die gleichen Beschränkungen gelten auch für die Kündigung, in deren Ermange­ lung ein auf bestimmte Zeit geschlossener Vertrag sich abredegemäß verlängert (Abs. 3; „unechte Kündigung", Lehmann-Ring Nr. 4). Ist der Vertrag zwar auf bestimmte Zeit eingegangen, soll aber die unterlassene Kündigung die Verlängerung des Verhältnisses zur Folge haben, so finden auf dieses Kündigungsrecht gleichfalls die Beschränkungen des Abs. 1 Anwendung: die Kündigungsfrist muß also für beide Teile gleich sein, und sie darf nicht weniger als einen Monat betragen. Dagegen darf die Kündigung auf einen anderen Zeitpunkt als auf den Schluß eines Kalendermonats lauten, da Abs. 2 nicht für anwendbar erklärt ist. War z. B. der Vertrag auf die Zeit vom 10. Januar bis zum 10. Juli eingegangen und vereinbart, daß er, falls nicht einen Monat vorher gekündigt werde, sich verlängern solle, so kann er spätestens am 10. Juni (§ 188 Abs. 2 BGB.) zum 10. Juli gekündigt werden; die Kündigung ist also in diesem Falle auch für einen anderen Endpunkt als für den Schluß des Kalendermonats zulässig (RG. in WarneyerRspr. 1921, 131). Wird nicht gekündigt und das Dienstverhältnis fortgesetzt, so kann der Ver­ einbarung entsprechend die Verlängerung entweder eine bestimmte Dauer haben (im obigen Beispiel: „falls nicht einen Monat vorher gekündigt wird, soll sich der Vertrag

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

435

aus ein weiteres halbes Jahr verlängern") oder auf unbestimmte Zeit gelten § on seinem Prinzipal angebotene Arbeitsgelegenheit anzu­ nehmen, s. Anm. 12. Im übrigen vgl. Anm. 22a. Der Ersatzklage kann auch damit begegnet werden, daß dem Prinzipal ebenfalls Entlassungsgründe zur Seite standen (KfmG. u. LG. Liegnitz in GewKfmG. 14, 177). Dies auch, wenn er nachträglich En lassungsgründe erfährt. Denn der Schadens­ ersatz besteht ja nur in der Wiederherstellung de - früheren Zustandes. Wäre aber der Prinzipal bei dem früheren Zustande zur Ent assung berechtigt gewesen, so hat der Ge­ hilfe durch sein Gehen keinen Schaden erlitten. Hat auch der Gehilfe wichtige Gründe, so braucht in solchem Falle keiner den anderen zu entschädig n. Hatte der Gehilfe sie nicht, so besteht ja das Dienstverhältnis, und es kann der Prinzipal nunmehr „für sofort" kündigen. Das Entsprechende gilt, wenn umgekehrt der Prinzipal aus Schadens­ ersatz klagt. ß; Die Schadensersatzforderung des Gehilfen unte liegt den gesetzlichen Lohnbe-chlagnahme-Beschränkungen (Anm. 47 zu § 59); auch der ku.zen Verführung des § 196 Nr 8 (RG. in IW. 1918, 5501); ebenso hat sie das Konkursvorrecht des § 61 Nr. 1 KO. (Goldmann I 343; Ritter 119). Sie taun auch im Wege der Feststellungsklage geltend gemacht werden (KG. in DIZ. 96, 202; vgl. auch RG. 37, 3oö und ir. IW. 96, 356). Ist noch keine Leistung fällig, so hat die Klage allgenrein mif Schadensersatz a)

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge. zu lauten.

453

Auf Zahlung der künftig'n Gehaltsraten kann nicht geklagt werden; dieß 70.

§§ 258 u. 259 ZPO. sind nicht anwendbar, weil nicht feststeht, daß der entstehende Schaden g rade diese Höhe haben werde (ebenso Titze 841; a. M. TürHach. 394; RitterKomm. Anm. 3). Ist eine Rate fällig so kann diese eingeklagt und im Laufe des Pro­ zesses Feststellung gemäß § 280 ZPO. beansprucht werden. In jedem Falle kann wegen der im Lause des Prozesses fällig werdenden Raten der Klagantrag erweitert, auch der Feststellungsantrag in den Leistungsantrag umgewandelt werden. d)Dem Prinzipal ist der Schaden zu ersetzen, den er infolge des Verlustes der Arbeitskraft Anm. 22. des Handlungsgehilfen erlitten hat (Bekanntmachungen, höheres Gehalt für einen Ersatz­ mann, entgangener Gewinn, wenn er keinen Ersatzmann, z. B. keinen Reisenden während der Reisezeit finden konnte, usw.; Landsberger in GewKfmG. 18, 92). Ja, er braucht auch für die Zeit bis zur Entlassung dem Gehilfen insoweit keine Vergütung zu gewähren, als dessen bisherige Leistungen infolge der Kündigung für ihn kein Interesse haben (§ 628 Abs. 1 Satz 2 BGB.). Im letzteren Falle trifft die Beweislast den Prinzipal (RGRKomm. § 628 Anm. 3). o) In allen Fällen ist der Schadensersatzberechtigte verpflichtet, zur Abwen-Anm. 22a. düng oder Verringerung des Schadens nach Kräften mitzuwirken. Unter Umständen kann, wenn mitwirkendes Verschulden im Sinne des § 254 BGB. vorliegt, eine angemessene Verteilung des Schadens angeordnet werden (KfmG. u. LG. Frankfurt in GewKfmG. 18, 159; LG. III Berlin ebenda 15; Landsberger ebenda 94; Bondi in GewKfmG. 24,183). Vgl. Anm. 20 (auch Anm. 18, wo der Rechtsgedanke des § 254 BGB. in anderem Zusammenhänge verwertet ist). Zusatz 1. Sonstige AufhebungSgründe des Dienstvertrags. Abgesehen von dem Anm. 23. Rechte sofortiger Kündigung nach § 70 kann der Dienstvertrag noch aus anderen Gründen vorzeitig enden. 1. Der Bertrag kann unter einer auflösenden Bedingung geschlossen sein. Dies ist zulässig (vgl. Anm. 1 zu 8 67). 2. Der Bertrag kann wegen Irrtums oder Betrugs angefochten werden. Diese Anfechtung Anm. 24. ist wohl zu unterscheiden von der sofortigen Kündigung. Sie beruht auf einem Mangel bei der Eingehung des Rechtsgeschäfts; dagegen hat die sofortige Kündigung einen gültigen Vertrag zum Gegenstände. Als Anfechtungsgründe kommen Irrtum, Betrug (arglistige Täuschung) und Zwang in Betracht (§§ 119 ff. BGB.). Die Anfechtung wegen Irrtums muß unverzüglich nach erlangter Kenntnis vom Anfechtungsgrunde, die wegen Betrugs oder Zwangs kann nur binnen Jahresfrist erfolgen (§§ 121, 124 BGB.). Die Anfechtung hat zur Folge, daß der Vertrag als von Anfang an nichtig erscheint (§ 142 Abs. 1 BGB.). Für die bisher geleisteten Dienste ist der Wert zu vergüten (§§ 346, 818 Abs. 2 BGB.). Trotzdem ist nach dem Willen des Gesetzgebers anzunehmen, daß auch für solche Vergütungs­ ansprüche das KfmG. zuständig ist. Beim Irrt irrn handelt es sich meist um Eigenschaften der Person. Diese begründen eine Anfechtung wegen Irrtums nur dann, wenn sie im Verkehr als wesentlich erachtet werden (§ 119 Abs. 2 BGB.). Es kommt hierbei alles auf die Umstände des einzelnen Falles an; was in dem einen Falle als wesentlich anzusehen ist, kann in dem anderen un­ wesentlich sein. Beispielsweise wird Anfechtung wegen Irrtums (vgl. hierzu RG. in IW. 1912, 255, wo auch dargelegt ist, daß diese Frage der Nachprüfung des Nevisionsgerichts unterliegt) begründet sein, wenn sich herausstellt, daß der Gehilfe geisteskrank ist, an Kleptomaiite leidet (KfmG. Berlin-Schöneberg in GewKfmG. 18, 156) oder wegen dauernder Krankheit völlig arbeitsunfähig ist (anders, wenn Heilung angenommen werden kann, z. B. bei einem viele Jahre zurückliegenden Leiden: ArbEntschBerl. 1925 Nr. 107; vgl. Anm. 25). Ebenso in der Regel wegen verschwiegener erheblicher Vorstrafen, namentlich wegen Eigcntumsvergehen, wobei die in Anm. 8 dargelegten Gesichtspunkte zu be­ rücksichtigen sind (ArbEntschBerl. 1925 Nr. 111 ff.; RG. 7, 77; OLG. Dresden im SächsA. 13 580; LG. Braunschweig in LZ. 07, 687; der einzelne Fall kann auch eine andere Be-

454

§ 70.

Anm. 25.

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

urteilung rechtfertigen: BerlKfmGJ. 1910, 190 ff.). Begründet ist eine Anfechtung wegen

Irrtums unter Umständen auch, wenn sich herausstellt, daß der Gehilfe in zerrütteten Vermögensverhältnissen lebt (RG. 12, 102); aber auch, wenn er in früherer Stellung in gröblicher Weise untreu gewesen und aus Schonung nicht bestraft worden ist. Auch der Irrtum über Fähigkeiten des Gehilfen, wie sie zur Ausfüllung der Stellung erforder­ lich sind, kann geltend gemacht werden, doch nur dann, wenn dem Gehilfen die erforder­ lichen Fähigkeiten schlechthin mangeln, nicht schon dann, wenn er in der Betätigung nur geringe Fertigkeit hat. So ist z. B. wesentlich, wenn ein Korrespondent die Recht­ schreibung nicht beherrscht, wenn ein Buchhalter nicht sicher rechnen kann oder die Buch­ führung nicht versteht (Bolze 1 Nr. 997). Es steht nichts entgegen, daß Anfechtungsgründe (Vorleben, Unfähigkeit usw.) ge­ gebenenfalls auch als Entlassungsgründe geltend gemacht werden können (Anm. 8 und § 72 Anm. 10). Bei Entlassung wegen verschwiegener Krankheit ist aber der Schluß­ satz von § 72 (dort Anm. 8 a. E. und § 63 Anm. 4) zu beachten, daher solchenfalls An­ fechtung den Prinzipal günstiger stellt (ArbEntschBerl. 1925 Nr. 929). Zweckmäßiger­ weise wird er in derartigen Fällen neben der Anfechtung hilfsweise Entlassung erklären. Übrigens kann unter Umständen in einer Anfechtungserklärung auch ohne weiteres die Erklärung sofortiger Kündigung gefunden werden, und umgekehrt (KfmG. BerlinSchöneberg a. a. O.; anders LG. Berlin in ArbEntschBerl. 1925 Nr. 115). Bei der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (Betrug ist jeder Irrtum maßgebend, der in der Gegenpartei absichtlich erregt worden ist und dadurch die Vertragsschließung veranlaßt hat; es braucht kein wesentlicher Irrtum im Sinne des § 119 BGB. zu sein, es genügt sogar ein Irrtum im Beweggründe. Immerhin muß es sich um unrichtige Angaben handeln, durch die das Vertrauen des Prinzipals in die Zuver­ lässigkeit des Gehilfen erschüttert worden ist, so daß bloße Nenomnüstereien nicht ge­ nügen (ArbEntschBerl. 1925 Nr. 95ff.). Daher ist z. B. als Anfechtungsgrund die Vor­ legung gefälschter Zeugni'se anerkannt worden (ebenda Nr. 105). Die Beilegung eines falschen Namens kann als Anfechtungsgrund durchgreifen (LG. I Berlin in KGBl. 04, 57); ebenso falsche Angaben des Anzustellenden über seine bisherige Tätigkeit (KfmG. Offen­ bach in GewKfmG. 21, 41). Unter Umständen kann die Täuschung auch durch arg­ listiges Verschweigen begangen tverden. Z. B. kann der Prinzipal den Anstellungs­ vertrag anfechten, wenn der Gehilfe bei dessen Abschluß wußte und arglistig verschwieg, daß er krank und deshalb dauernd an Leistung seiner Dienste verhindert ist; § 63 steht diesfalls dem Gehilfen nicht zur Seite (BerlKfmGJ. 1910, 193 u. 257; 1912, 141; Arb­ EntschBerl. 1925 Nr. 929; Liebrecht BerlKfmGJ. 1910, 123 u. 134; DürHach. §63 Anm. 4; vgl. auch oben Anm. 24). Dagegen ist bloßes Verschweigen von Schulden (anders Be­ lügen in dieser Richtung) im Zweifel 'cm Anfechtungsgrund, da es Sache des Prinzipals ist, vor Anstellung den Gehilfen über seine Vermögenslage zu befragen, wenn er Ge­ wicht darauf legt (KfmG. Danzig in GewKfmG. 13, 38). Tas gleiche gilt in der Regel

von dem Verschweigen einer Verwandtschaft des Anzustellenden mit einem Konkurrenten des Prinzipals. Wohl aber ist deren wahrheitswidrige Ableugnung auf Besraeen im Zweifel ein Anfechtungsgrund (BerlKfmGJ. 1912, 143). Andererseits kann der Dienst­ herr nicht anfechten, wenn er den Gehilfen vor Anstellung zur Aufgabe von Referenzen ausgefordert und dieser eine ungünstige Referenz ihm nicht angegeben hat (KfmG. u. LG. Duisburg in GewKfmG. 18, 185; Titze 659). Anm. 26. 3. Ob der Tod deS Handlungsgehilfen und der Tod des Prinzipals Endigungszründe sind, darüber s. § 66 Anm. 14. — Uber Geschäftsaufgabe s. Anm. 5. Anm. 27. 4. Einfluß der GeschäftSveräußerung auf den Dienstvertrag. Der Anspruch auf die Dienste ist im Zweifel nicht übertragbar (§ 613 BGB.), und wenn sich der Leilungsinhalt durch die Abtretung verändert, ist die Übertragung überhaupt unwirksam as Gericht je nach Lage der Verhältnisse entweder diese Billigkeitsprüfung unter Berücksichtigung des Einzelfalles in etwas nachsichtigerer Weise vor­ nehmen oder bestimmen, daß das Wettbewerbverbot bestehenbleibt und das in Anm. 3 unter ß gedachte Lossagungs?echt des Gehilfen wegfällt. Jnr umgekehrten Falle, wenn der Prinzipal wegen vertragswidrigen Verhaltens des Gehilfen fristlos kündigt, kann das Gericht bei Mitverschulden des Prinzipals nach billigem Ermessen bestimmen, daß entgegen der Regel in Anm. 4 der Prinzipal, wenn er sich das Wettbewerbverbot erhalten will, dem Gehilfen eine nach gerechter Würdigung des Falles vom Gericht festzusetzende Entschädigung zu zahlen haben soll. Endlich kann in dem Falle der Beendigung des Dienstverhältnisses durch gegenseitige Übereinkunft das Gericht entgegen der Regel in Anm. 8 das Wettbewerb­ verbot dann für weggefallen erklären, wenn tatsächlich der Prinzipal die Veranlassung zu der Beendigung des Dienstverhältnisses gegeben hat (ebenso für das frühere Recht KsmG.

u. LG. Hamburg in GewKfrnG. 18, 85). In entsprechender Weise müssen alle anderen Fälle entschieden werden, in denen ein Mitverschulden beider Teile vorliegt. Auch eine der Billigkeit entsprechende Herabsetzung der Entschädigung kann in einem solchen Falle aus­ gesprochen werden. Ebenso im geeigneten Füllen eine Bestimmung des Inhalts, daß der Prinzipal durch Erhöhung der Entschädigung auf die vollen zuletzt vom Gehilfen bezogenen vertragsmäßigen Leistungen (wie im Falle der Anm. 6) die Befugnis erhalten soll, den Gehilfen an der Wettbewerbb-eschränkung festzuhalten. Eine Ausdehnung des Wettbewerb­ verbots über die in § 74a Ads. 1 gedachte zweijährige Dauer kann aber natürlich niemals angeordnet werden. Es erwachsen hierdurch dem Gericht große und verantwortungsvolle Aufgaben. Dieses muß stets berücksichtigen, daß bei Vereinbarung des Wettbewerbverbots an einen normalen Verlauf des Dienstverhältnisses gedacht worden ist und daß unvorher­ gesehene Umstände eine sachgemäße Berücksichtigung verlangen. Vgl. hierzu Bondi in GewKfmG. 24, 189. Den vorstehenden Darlegungen stimmt zu LG. Frankenthal in IW. 1925, 288®; dagegen werden sie von Titze ebendort bekämpft. Vgl. auch Hein und Titze in IW. 1925, 1872 ff. Anm. 10. Zusatz. Wird der Diemstvertrag von der einen oder anderen Seite wegen Irrtums, arglistiger Täuschung oder Zwanges mit Erfolg angefochten, so gilt der ganze Dienstvertrag als von Anfang an nichtig (§ 70 Anm. 24). Damit fällt auch das Wett­ bewerbverbot weg. Mit Recht machen Lehmann-Ring Nr. 7 darauf aufmerksam, daß, soweit dem Prinzipal durch arglistiges Verhallen des Gehilfen ein Schaden erwächst, § 826 BGB. aushelfen würde. Für eine derartige Schadeusersatzklage dürfte allerdings (im Gegensatze ztr einer Klage des Gehilfen auf Vergütung: § 70 Anm. 24) die Zuständigkeit des KfmG. nicht anzunehmen sein.

§ 75a.

§ 75 a. Der Prinzipal kann vor der Beendigung des Dienstverhältnisses durch schriftliche Erklärung auf das lvettbewerbverbot mit der Wirkung verzichten, daß er mit dem Ablauf eines Jahres seit der Erklärung von der Verpflichtung zur Zahlung der Entschädigung frei wird.

Wem. 1. I. Im allgemeinen. Der § 75a, das Ergebnis langwieriger Beratungen und verschieden­ artiger Vorschläge, gibt bem Prinzipal das Recht, in gewissem Umfangt einseitig auf das Wettbewerbverbot zvr verzichten. Das iväte an sich nichts Besonderes. Allein mit dem Rechte des Prinzipals aus der Wettbewerbvereinbarung ist seine Verpflichtung

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

503

zur Zahlung der Entschädigung gemäß §§74 Abs. 2, 74b, 74c verbunden, und das K 75b. Besondere der Vorschrift des § 75a liegt darin, daß unter gewissen Voraussetzungen infolge des einseitigen Verzichts des Prinzipals auf das Wettbewerb­ verbot auch das Recht des Gehilfen auf die Entschädigung in gewissem Umfange wegfällt. Es bedarf also in diesem Falle keiner Einverständniserklärung des Gehilfen, vielmehr ist der Grund des Wegfalls seiner Entschädigungsforderung der einseitige Ver­ zicht des Prinzipals. Dieser letztere soll durch die Vorschrift dagegen geschützt werden, falls das Wettbewerbverbot für ihn wertlos werden sollte, nach Befinden noch zwei Jahre lang die Entschädigung zahlen zu müssen. Selbstverständlich kann durch Einverständnis beider Vertragsteile auch über die Grenzen des § 75a hinaus eine Aufhebung des Wettbewerbverbots jederzeit vereinbart werden. Eine derartige Vereinbarung ist an keine Form gebunden. Fälle dieser Art s. z. B. Anm. 2, 3 u. 5 sowie § 75 Anm. 3. 2. geit der BerzichtSerklärung. Der Prinzipal kann nur vor der Beendigung desAnm. 2. Dienstverhältnisses den Verzicht einseitig rechtswirksam erklären. Die Verzichts­ erklärung ist demgemäß nach Beendigung des Dienstverhältnisses nicht mehr wirksam, aber bis zum Augenblicke der Beendigung des Dienstverhältnisses (über diesen Be­ griff s. § 74 Anm. 7) kann sie jederzeit abgegeben werden: Bei der Kündigung, vor oder nach ihr, auch zu jeder Zeit ohne Kündigung, selbst schon vor Dienstantritt. Die Zeit steht völlig im Belieben des Prinzipals. Der Gehilfe hat kein Recht, von diesem zu irgend­ einer Zeit oder durch irgendwelche Fristsetzung eine Erklärung darüber zu erzwingen, ob von dem Verzichtsrechte Gebrauch gemacht werde oder nicht. Eine verspätete einseitige BerzichtSerklärung des Prinzipals ist wirkungslos, kann aber dadurch Wirkung erlangen, daß der Gehilfe sich einverstanden erklärt (Anm. 1).

3. Form der BerzichtSerklärung. Rechtswirksam ist nur eine schriftliche Erklärung, undAnm. 3. zwar eine solche des Prinzipals oder seines Vertreters (gesetzlichen Vertreters, Prokuristen, allgemeinen Handlungsbevollmächtigten usw.). Diese schriftliche Erklärung muß dem Ge­ hilfen bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses (Anm. 2) zugegangen sein. In dieser Hinsicht können die Darlegungen in Anm. 3 zu § 75 entsprechend herangezogen werden. Eine mündliche Erklärung ist an sich wirkungslos, doch kann sie dadurch Wirkung erlangen, daß der Gehilfe sich einverstanden erklärt (Anm. 1).

4. Wirkung der BerzichtSerklärung. Die Verzichtserklärung bewirkt, daß der Gehilfe vonAnm. 4. der Wettbewerbbeschränkung sofort, der Prinzipal aber erst nach Ablauf eines Jahres von der Entschädigungsverpflichtung frei wird. Dieses Jahr zählt von dem Augenblicke an, in dem die Verzichtserklärung des Prinzipals dem Gehilfen zugeht (Berechnungsweise vgl. §§ 187 ff. BGB.). Ist z. B. die Erklärung dem Gehilfen am 31. Mai 1925 zugegangen, so braucht der Prinzipal nach dem 31. Mai 1926 keine Ent­ schädigung mehr zu zahlen. Endigt also das Dienstverhältnis am 30. Juni 1925, so muß der Prinzipal noch 11 Monate lang die Entschädigung bezahlen. Endigt es am 31. Dezember 1925, dann noch 5 Monate. Endigt es am 31. Mai 1926 oder später, dann wird die Entschädigungspslicht überhaupt nicht praktisch. Diese Art der Berechnung kann zu Härten führen, wenn der Gehilfe schon vor Abgabe der Verzichtserklärung infolge des Wett­ bewerbverbots eine ihm vorteilhafte Konkurrenzstellung ausgeschlagen und von einem ihm zustehenden Kündigungsrechte keinen Gebrauch gemacht hat. Doch ist Baum 141 darin zuzustimmen, daß nach dem Wortlaute des Gesetzes auch in einem solchen Falle keine andere Berechnungsweise Platz greifen kann. 5. Zulässig ist nur ein gänzlicher Verzicht. Eine zeitliche, örtliche oder gegenständliche Ein-Anm. 5. schränkung ist ausgeschlossen (ebenso Baum 141 und Litthauer-Mosse Anm. 4). Sie würde die Erklärung unwirksam machen; diese könnte höchstens durch Zustimmung des Gehilfen wirksam werden (Anm. 1). In: Gegensatz zu dieser Ansicht lassen Lehmann-Ring Nr. 3 teilweisen Verzicht zu. Indes können durch solchen die Interessen des Gehilfen, sofern er dadurch seiner Entschädigungsansprüche verlustig gehen soll, schwer geschädigt werden; und

504 § 75a.

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

im Gesetze findet eine solche Meinung keine Rechtfertigung. Titze 823 vertritt die Ansicht,

der Verzicht könne wenigstens hinsichtlich der Zeit ein teilweiser sein, z. B. könne der Prinzipal auf 1 Jahr des zweijährigen oder auf 6 Monate des einjährigen Wettbewerb­ verbots verzichten. Allein auch gegen diese Auffassung bestehen schwere Bedenken. Die ganzen Bestimmungen über das Wettbewerbverbot sind ein Schutzgesetz zugunsten des Gehilfen. Der § 75a stellt eine Ausnahmebestimmung von diesem Schutzgesetze dar. Schon diese Erwägung spricht gegen eine ausdehnende Auslegung des § 75 a. Zudem spricht dessen Wortlaut dagegen; er sagt nichts von einem teilweisen Verzicht in zeitlicher Hinsicht. Der Gehilfe aber könnte durch einen solchen gegebenenfalls schwer geschädigt werden; es zerschlägt sich ihm vielleicht durch das Wettbewerbverbot trotz dessen zeitlicher Herab­ minderung eine aussichtsreiche Anstellungsverhandlung, aber trotzdem soll er nicht auf die ganze vettragsmäßig vereinbatte Verbotsdauer seine Entschädigung bekommen, sondern nur aus eine infolge der einseitigen Handlungsweise des Prinzipals herabgesetzte geringere Zeit! In Fällen, in denen nicht ein voller, sondern nur ein teilweiser Verzicht auf das Wettbewerbverbot im Interesse des Prinzipals gelegen ist, mag dieser versuchen, das Ein­ verständnis des Gehilfen dazu zu erlangen (Anm. 1), aber einseitig kann er mit Wirkung auf die Entschädigungszahlung nur entweder ganz oder gar nicht auf das Verbot ver­ zichten. L«m. 6. 6. Kann die Vorschrift des § 75a durch Vertrag abgeändert werden? Diese Frage ist zu bejahen, soweit es sich um Abweichungen zum Nachteil des Prinzipals handelt, dagegen gemäß § 75d zu verneinen, soweit zum Nachteil des Gehilfen abgewichen werden soll. Daher wäre z. B. eine Bestimmung gültig, nach welcher dem Prinzipal das Verzichtsrecht des § 75a überhaupt nicht oder nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkte vor der Beendi­ gung des Dienstverhältnisses zustehen soll; dagegen nicht eine Bestimmung, durch welche die einjährige Frist für die Entschädigungsverpflichtung (Anm. 4) abgekürzt oder diese letztere erlassen würde.

Lum. 7. 7. Die Vorschrift des § 75a gilt, sofern nichts anderes vereinbart ist, auch in Fällen, in denen der Prinzipal mit dem Gehilfen eine Entschädigung vereinbart, obgleich — vgl. §§ 75b, 82a — das Wettbewerbverbot auch ohne Entschädigung gültig vereinbart werden könnte. Das folgt aus der Fassung des § 75a und der zu vermutenden Absicht der Vertrag­ schließenden. § 75b.

§ 75b. 3ft der Gehilfe für eine Tätigkeit außerhalb (Europas angenommen, so ist die Verbindlichkeit des Wettbewerbverbots nicht davon abhängig, daß sich der Prinzipal zur Zahlung der im § 74 Abs. 2 vorgesehenen (Entschädigung verpflichtet. Das gleiche gilt, wenn die dem Gehilfen zustehenden vertrags­ mäßigen Leistungen den Betrag von achttausend Mark für das Jahr über­ steigen; auf die Berechnung des Betrags der Leistungen finden die Vor­ schriften des § 74b Abs. 2, 3 entsprechende Anwendung.

Lum. 1.

Im allgemeinen. Der § 75b sieht zwei Ausnahmen lichen Entschädigungspflicht (§ 74 Abs. 2) vor, nämlich 1. bei einer Tätigkeit außerhalb Europas (Satz 2. bei einem Einkommen über eine gewisse welche jetzt die V. vom 23. Okt. 1923 (abgedruckt in ist (Satz 2; s. Anm. 3 u. 4).

von dem Grundsätze der gesetz­

1; s. Anm. 2), Mindestgrenze hinaus, für der Einl. zu § 08) maßgebend

Die im Entwurf vorgesehen gewesene dritte Ausnahme für die sog. „kleine Konkurrenz­ klausel" (Wettbewerbverbot nur für 1 Jahr und auf einen Umkreis von 2 km beschränkt) ist nicht Gesetz geworden.

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

505

1. (Satz L) Wegfall der EntfchädigungSpflicht bei einer Tätigkeit außerhalb Europas. § 75b*

Die Motive (13) begründen diese Bestimmung durch den Hinweis, daß bei einer derartigen 2. Tätigkeit die Notwendigkeit, sich durch ein Wettbewerbverbot gegen ungerechtfertigte Ein­ griffe zu schützen, für den Prinzipal häufiger und dringender vorliegen wird als bei den sonstigen Angestellten, zumal es sich vielfach um Vertrauensstellungen handelt, die für den Prinzipal in der Regel mit erheblichen Aufwendungen verbunden sind, ihm andererseits aber erst nach längerer Tätigkeit des Gehilfen einen Nutzen bringen; außerdem könne eine zuweitgehende Belastung der Prinzipale durch die deutsche Gesetzgebung leicht zur Bevor­ zugung ausländischer Gehilfen für derartige Stellungen führen. Die Vorschrift erinnert an die des § 68 Abs. 2, doch geht die Fassung des § 75b: „für eine Tätigkeit außerhalb Europas" über die des § 68 Abs. 2: „für eine außereuropäische Handelsniederlassung" hinaus. Unter den ersteren, für unsern § 75b maßgebenden Begriff fallen außer den in Anm. 2 zu § 68 bezeichneten Angestellten namentlich auch die Reisenden, die in über­ seeischen Staaten für deutsche Geschäftshäuser tätig sind (KB. 67). Aber vorausgesetzt ist, daß der betreffende Gehilfe für eine Tätigkeit außerhalb Europas ange­ nommen ist. Es muß also eine solche Tätigkeit einerseits mit ihm als Gegenstand des Anstellungsverhältnisses vereinbart, andererseits von ihm tatsächlich aus­ geübt sein. Daß er bloß tatsächlich außerhalb Europas beschäftigt wird, genügt nicht. Auch muß die außereuropäische Tätigkeit nach dem Anstellungsvertrage die ausschließ­ liche oder wenigstens die überwiegende Tätigkeit darstellen (Baum 144). Indes wird die Anwendbarkeit des § 75 b nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Gehilfe außerdem nebenbei in Europa tätig ist, z. B. in geschäftsüblicher Weise (§ 59 Anm. 36a) in dem inländischen Geschäftsorte außerhalb der Reisezeit auf dem Lager die Waren zusammen­ stellt oder den Briefwechsel mit der Reisekundschaft führt (Baum 144). Dasselbe dürfte bei einer Reisetätigkeit innerhalb Europas gelten, namentlich in Grenzgebieten (Türkei, Rußland, Spanien, Balkanstaaten), vorausgesetzt, daß eine solche nur nebenbei betrieben wird und nicht der eigentliche Gegenstand des Dienstvertrags ist (ebenso Lehmann-Ring Nr. 1; anders Baum 144, der solchenfalls den § 75b nicht für anwendbar hält). Wird allerdings der Gehilfe für eine Tätigkeit außerhalb Europas angestellt, aber lediglich oder doch hauptsächlich für eine europäische Tätigkeit tatsächlich verwendet, so ist § 75b nicht anwendbar (so mit Recht Lehmann-Ring Nr. 1). Das gleiche gilt, wenn die ursprünglich außereuropäische Tätigkeit später einer Beschäftigung innerhalb Europas weicht (Baum 144). 2. (Satz 2.) Wegfall der Entschüdigungspflicht bei den Hochbefoldeten. Vgl. hierzu Anm. 3. oben Anm. 1 unter 2. Bei den hier in Betracht kommenden hochbesoldeten Handlungs­ gehilfen liegt ein Bedürfnis für die Entschädigungspflicht nicht vor. Der auf sie bezüg­ liche Satz 2 des § 75b erinnert an § 68 Abs. 1. Aber während in diesem ein „Gehalt" von einer Mindesthöhe vorausgesetzt ist (s. dort Anm. 1), verlangt § 75b in Verbindung mit der in der Einl. zu § 68 abgedruckten V. vom 23. Eft. 1923 nur, daß der gesamte Betrag der vertragsmäßigen Leistungen (über diesen Begriff s. § 74 Anm. 13 u. 14 sowie § 74b Anm. 3) die zu errechnende Mindestgrenze übersteige. Die Berechnung hat in der gleichen Weise zu erfolgen wie nach § 74a Anm. 10. Bei steigenden Bezügen kann das Wettbewerbverbot ohne Entschädigung von dem Augenblick ab vereinbart werden, in dein der Gehilfe in die Gehaltsklajse aufrückt, die ihm ein Jahreseinkommen von der betreffenden Mindesthöhe bringt. Indes kann auch schon im voraus die Vereinbarung ge­ troffen werden, daß die Entschädigung wegfallen soll, sobald das Jahreseinkommen diese Mindeststufe übersteigen wird (KB. 14; Baum 146; daher bedarf die Bemerkung bei Titze 810, die Einkommensgrenze müsse „zur Zeit der Errichtung des Wettbewerbverbots" überschritten sein, der Einschränkung). In Anbetracht der in Anm. 3 besprochenen Bestimmung macht Titze 811 mit Recht Anm. 4. darauf aufmerksam, daß in Ansehung des Wettbewerbverbots nach §§ 74 Abs. 2, 74a Abs. 2 Satz 1 und § 75b Satz 2 die Handlungsgehilfen in drei verschiedene Einkommensklassen

506

§ 75b»

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

sich einteilen lassen: solche unter 1500 M., die eines Wettbewerbverbots überhaupt nicht,

solche zwischen 1500 M. und 8000 M., die seiner nur bei Entschädigungszahlung, und solche über 8000 M., die seiner auch ohne Entschädigungszahlung fähig sind. Diese Bemerkung gilt noch heute, nur ist die Teuerungszahl im Sinne der V. vom 23. Okt. 1923 (Einl. zu § 68) zu berücksichtigen. Die in Anm. 2 behandelte Bestimmung dagegen gilt ohne Rück­ sicht auf die Höhe des Einkommens.

Anm. 5.

Zu 1 u. 2. In den vorstehend behandelten Fällen fallt nur die EntschädigungSpflicht des § 74 Abs. 2 fort, dagegen bleiben die übrigen Vorschriften über das Wettbewerbverbot bestehen, soweit sie nicht auf die EntfchüdigungSPflicht Bezug haben. Insbesondere bleiben also aufrechterhalten die Vorschriften des § 74 Abs. 1 (Schriftlichkeit und Aushändigung der Urkunde an den Gehilfen), des § 74a (Unverbindlichkeit bzw. Nichtigkeit des Wettbewerb­ verbots wegen mangelnden Interesses, Unbilligkeit, Minderjährigkeit, Verpfändung des Ehrenworts usw., sowie Zeitgrenze von 2 Jahren) und des § 75 (Geltendmachung des Wett­ bewerbverbots, je nachdem, von welcher Seite und aus welchen Gründen das Dienstverhält­ nis gekündigt wird). Für den § 75 gilt dies natürlich unter Ausscheidung der auf die Ent­ schädigung bezüglichen Bestimmungen. Doch ist anzunehmen, dast auch diese in dem Falle Anwendung finden, wenn der Prinzipal, ohne durch § 74 Abs. 2 dazu gezwungen zu sein, dem unter § 75b fallenden Gehilfen gegenüber zu einer Entschädigung sich verpflichtet hat (Lehmann-Ring § 75 Nr. 1).

Zu 1 u. 2. Umgehungen fallen unter § 75 d. Daher kann der Prinzipal sich auf eine Vereinbarung nicht berufen, durch die von den vorstehend dargelegten Vorschriften zum Nachteil des Gehilfen abgewichen wird. Dies würde z. B. für einen Vertrag gelten, durch den der Gehilfe nur zum Scheine für eine Tätigkeit außerhalb Europas angenommen wird, oder durch den die Vertragschließenden zwar Bezüge über die in Betracht kommende Ein­ kommensmindestgrenze hinaus vereinbaren, aber dabei darüber einig sind, daß der Gehilfe tatsächlich nur weniger erhalten (Baum 146) oder davon (entgegen § 74b Abs. 3) seine Reise­ spesen selbst bezahlen und infolgedessen als Reineinkommen nur weniger als das nach Anm. 1 unter 2 maßgebende Mindesteinkommen beziehen soll. Anm. 7. Obgleich in den Fällen des § 75b eine Entschädigungspflicht nicht gesetzlich geboten ist, kann eine solche natürlich vertragsmäßig festgesetzt werden. Für solche Fälle vgl. oben Anm. 5 sowie § 82a Anm. 2, § 75e Anm. 2, § 75a Anm. 7, § 75c Annr. 6.

Anm. 6.

§ 75c.

§ 75c. Hat der Handlungsgehilfe für den Lall, daß er die in der Vereinbarung übernommene Verpflichtung nicht erfüllt, eine Strafe versprochen, so kann der Prinzipal Ansprüche nur nach Maßgabe der Vorschriften des § 3)0 des Bürgerlichen Gesetzbuchs geltend machen. Die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herabsetzung einer unverhältnismäßig hohen Vertrags­ strafe bleiben unberührt. Ist die Verbindlichkeit der Vereinbarung nicht davon abhängig, daß sich der Prinzipal zur Zahlung einer Entschädigung an den Gehilfen verpflichtet, so kann der Prinzipal, wenn sich der Gehilfe einer Vertragsstrafe der im Abs. t bezeichneten Art unterworfen hat, nur die verwirkte Strafe verlangen; der Anspruch auf Erfüllung oder auf Ersatz eines weiteren Schadens ist aus­ geschlossen.

«nm. 1.

Der § 75 c ordnet die Folgen einer Übertretung des Wettbewerbverbots für den Fall, daß eine BertragSstrase verfprochen ist (über die Form eines solchen Versprechens s. Anm. 7). Und zwar behandelt Abs. 1 den regelmäßigen Fall, in welchem der Grundsatz der Entschädi-

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

507

gungspflicht nach § 74 Abs. 2 gilt, Abs. 2 den Ausnahmefall der §§ 75b und 82a, in welchem § 75 e. dieser Grundsatz nicht besteht. Abs. 2 schließt sich im wesentlichen an das frühere Recht an, während die in Abs. 1 enthaltene Bestimmung infolge Berücksichtigung der Entschädigungs­ zahlung eine Neuordnung des Stoffes verlangte. Bevor wir auf die Erläuterung des § 75c selbst zukommen, sind die Folgen einer über-Anm. 2. tretuug des Wettbewerbverbots sür den Fall zu besprechen, datz eine Vertragsstrafe nicht

versprochen ist. ») In diesem Falle hat der Prinzipal zunächst die Möglichkeit, auf Erfüllung, d. h. auf Unterlassung des verbotenen Wettbewerbs zu klagen (RG. in LZ. 1911, 542® und die dort Angeführten). Die Zwangsvollstreckung erfolgt nach § 890 ZPO. Eine einstweilige Verfügung (Bolze 15 Nr. 709) kann unter Umständen auch auf Einstellung des Wettbewerbs gehen und so den mit der Klage zu erzielenden Erfolg vorwegnehmen (LG. und OLG. Frankfurt in ZHR. 46, 487; RG. 9, 334; 27, 430). Auch eine Fest­ stellungsklage seitens des Gehilfen ist zulässig, damit dieser zur Gewißheit gelange, ob er sich niederlassen darf oder nicht.

b) Zweitens hat der Prinzipal das Recht, Schadensersatz zu beanspruchen. Freilich besteht dafür nach § 325 BGB. die Voraussetzung, daß der Gehilfe den betreffenden Umstand zu vertreten hat. Doch wird dies in der Regel der Fall sein. Anders z. B., wenn der Gehilfe ohne Verschulden nicht gewußt hat, daß das Geschäft, in das er eingetreten ist, ein Wett­ bewerbgeschäft ist. c) Drittens ist der Prinzipal von dem Augenblick an, in dem der Gehilfe dem Wettbewerb­ verbot zuwiderhandelt, von der Verpflichtung zur Zahlung der Entschädigung befreit. Der Gehilfe kann nicht etwa, nachdem er zuwidergehandelt hat, mit der Er­ klärung, er wolle von jetzt ab das Wettbewerbverbot wieder einhalten, Weiterzahlung der Entschädigung verlangen. Eine in Unkenntnis der Zuwiderhandlung geleistete Zahlung kann der Prinzipal nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812 ff. BGB.) zurückfordern.

d) Endlich kann der Prinzipal in Gemäßheit der §§ 325, 326 BGB. bzw. auf Grund der Lehre von den positiven Vertragsverletzungen (Anhang zu § 374 Anm. 172 ff.) den Rücktritt von dem Wettbewerbverbot erklären und damit ebenfalls für die Zukunft von seiner Entschädigungspflicht sich befreien. Das Recht auf Schadensersatz bleibt ihm daneben gewahrt. Zustimmend Lehmann-Hoeniger § 35 S. 175. Über den Verzug des Prinzipals hinsichtlich der Entschädigungszahlung s. § 74b Anm. 2.

1. (Abs. 1.) Ist eine Berttagsstrafe wegen Nichterfüllung deS Wettbewerbverbots ver- Anm. 3. sprochen, so gilt grundsätzlich der 8 340 BGB. Dieser lautet: Hat der Schuldner die Strafe für den Fall versprochen, daß er seine Verbindlichkeit nicht erfüllt, so kann der Gläubiger die verwirkte Strafe statt der Erfüllung verlangen. Erklärt der Gläubiger dem Schuldner, das; er die Strafe verlange, so ist der Anspruch auf Erfüllung aus­ geschlossen. Steht dem Gläubiger ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu, so kann er die verwirkte Strafe als Aiindestbetrag des Schadens verlangen. Tie Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

Zur Erläuterung vgl. § 348 Anm. 15 ff. Danach hat also der Prinzipal die Wahl. Er kann neben den in Anm. 2 unter a—d dargelegten Möglichkeiten auch die verwirkte Strafe statt der Erfüllung verlangen. Jin Verzugsfalle konnuen zu der Strafe noch 4% (nicht 5%) Verzugszinsen (RG. in PucheltsZ. 34, 15). Der Gehilfe kann sich nicht durch Zah­ lung der Vertragsstrafe einseitig von dem Wettbewerbverbot loskaufen. Anderseits kann der Prinzipal nicht die Vertragsstrafe und daneben weitere Erfüllung des Wettbewerb­ verbots beanspruchen. Diese Vorschrift kann nach § 75d auch nicht zuungunsten des Gehilfen durch Vertrag abgeändert werden. Dagegen wäre eine Vereinbarung des In-

508

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

§ 75c*

Halts zulässig, daß der Prinzipal (wie im Falle des Abs. 2) überhaupt nur die Vertrags­ strafe verlangen kann, aber nicht Unterlassung des Wettbewerbs.

Anm. 4.

Die Vorschriften des BGB. über die Herabsetzung einer unverhältnismäßig hohen Vertragsstrafe bleiben unberührt. Hier kommt § 343 BGB. in Betracht, nach bem

Anm. 5.

eine verwirkte und noch nicht bezahlte, unverhältnismäßig hohe Strafe auf Antrag des Schuldners durch Urteil auf den angemessenen Betrag herabgesetzt werden kann. Bei Würdigung der Höhe einer Vertragsstrafe sind die Interessen des Handlungsgehilfen und des Prinzipals nebeneinander in Betracht zu ziehen (OLG. München im „Recht" 03, 161). Dabei ist jegliches Interesse zu berücksichtigen. Bildet auch die Vertragsstrafe nicht lediglich Schadensersatz, so dient sie doch als Ausgleichung für erlittenen Schaden. Dem richterlichen Ermessen ist der weiteste Spielraum für die Würdigung der in Betracht zu ziehenden Umstände eingeräumt. Tas Gericht ist dabei auch nicht an die Verhält­ nisse zur Zeit der Vereinbarung der Strafe gebunden, sondern es kann ebensowohl — nach Lage des einzelnen Falles sogar ausschließlich — die Verhältnisse der Folgezeit und insbesondere die zur Zeit der Zuwiderhandlung oder der Urteilsfällung bestehenden berücksichtigen (RG. in IW. 07, ll12; LG. Gießen in GewKfmG. 13, 318; KfmG. Bremen dort 13, 302). In Betracht zu ziehen sind alle erheblich erscheinenden Umstände insbesondere das geschäftliche Interesse des Prinzipals, das Interesse des Gehilfen an möglichst günstigem Fortkommen, die Höhe des wirklichen und des möglichen Schadens, die Schwere der Zuwiderhandlung, die Vermögens- und Gehaltsverhältnisse des Gehilfen (RG. in IW. 06, 34" u. 5810; LG. Gießen a. a. £.; KsmG. Stuttgart in GewKfmG. 16, 248). Es sind vielfach ähnliche Erwägungen maßgebend, wie nach § 74a Anm. 9 für die Frage, ob ein Wettbewerbverbot zu beschränken sei, aber trotzdem ist die Frage nicht die gleiche. Ist ein Wettbewerbverbot nach § 74a zu beschränken, so folgt daraus nicht eine Herabsetzung der Höhe der Vertragsstrafe, eine solche kann vielmehr nur unter den Voraussetzungen des § 343 BGB. erfolgen (ebenso für das ältere Recht RG. im „Recht" 08 Nr. 816). Aber häufig wird beides gerechtfertigt sein. Ob eine verwirkte Vertragsstrafe zu ermäßigen sei, ist regelmäßig Tatfrage (RG. in IW. 07, 1213). Uber die Ermäßigung vgl. auch § 348 Anm. 26. Soweit es sich um die Vertragsstrafe handelt, ist nicht Abschluß jedes einzelnen

unter daS Verbot fallenden Handelsgeschäfts alS ein besonderer UbertretungSsall zn betrachten, vielmehr ist der Betrieb eines Wettbewerbgeschäfts oder der Eintritt in ein solches nur ein Zuwiderhandlungssall und die Vertragsstrafe daher nur einmal ver­ wirkt (Bolze 5 Nr. 603). Das gilt auch bei Herausgabe von periodischen Zeitschriften: Nicht die Herausgabe jeder Nummer ist ein Zuwiderhandlnngsfall, sondern der betref­ fende Zeitungsbetrieb als Ganzes. Überhaupt kann, sofern es sich nicht um Zuwider­ handlungen gegen getrennte Weltbewerbverbote verschiedener Arten handelt, eine Ver­ tragsstrafe für Nichterfüllung eines solchen Verbots mit einem Handlungsgehilfen (anders bei derartigen Vereinbarungen unter selbständigen Kaufleuten; s. RG. in IW. 09, 272°) nicht „für jeden Zuwiderhandlungsfall einzeln zahlbar" versprochen werden, sondern nur als einmalige Strafe für ein unter das Verbot fallendes Verhalten. Ties folgt aus § 340 Abs. 1 Satz 2 BGB., nach dem die Verwirkung einer für ein bestimmtes Wett­ bewerbverbot versprochenen Vertragsstrafe nur einmal möglich ist, weil mit der ein­ maligen Verwirkung der Strafe die Verpflichtung des Gehilfen zu der betreffenden Wettbewerbenthaltung selbst erlischt (Dropsen 84; ähnlich DürHach. Anm. 11). Daß bloße Vorbereitungen des Wettbewerbbetriebs nicht genügen, s. § 74 Anm. 20. Anm. 6. 2. (Abs. 2.) Im Falle des § 75 b (Tätigkeit außerhalb Europas oder Besoldung über die dort vorgesehene Mindestgrenze hinaus) und gegenüber Volontären (§ 82a) kann der Prinzipal nur die verwirkte Strafe Verlangen. In diesem Falle ist also der Prinzipal auf die Geltendmachung der Vertragsstrafe beschränkt. Tie in Anm. 2 unter a, b u. d gedachten Möglichkeiten bestehen solchenfalls für den Prinzipal nicht. Dagegen hat er selbstverständlich das dort unter c gedachte Recht der Nichtzahlung der Entschädigung

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

509

bei Zuwiderhandlung gegen das Verbot für den Fall, daß er, obgleich dies nach § 75b § 75c. bzw. § 82a nicht notwendig gewesen wäre, eine Entschädigung versprochen hat. Die Sonderbestimmung des § 75c Abj. 2 hat zur Folge, daß die dort gedachten Gehilfen gewissermaßen die Möglichkeit haben, sich durch die Vertragsstrafe von dem Wettbewerb­ verbote loszukaufen. Wenn sie diesem zuwiderhandeln, kann der Prinzipal sie trotzdem niemals auf Unterlassung des Wettbewerbs verklagen, vielmehr nur auf die Vertrags­ strafe. Sofern der Gehilfe vermögenslos ist, ist der Prinzipal also tatsächlich schutzlos. Auch wenn vereinbart ist, daß der Prinzipal Erfüllung und Vertragsstrafe verlangen kann, oder nach seiner Wahl das eine oder das andere, so ist diese Vereinbarung nichtig, der Prinzipal kann nur die Vertragsstrafe verlangen. Aus diesem Gesichtspunkte emp­ fiehlt Recken in LZ. 1915, 810 mit Recht, bei Wettbewerbverboten mit Handlungsgehilfen, die unter § 75c Abs. 2 fallen, in der Regel Vertragsstrafen nicht zu vereinbaren. Die Ausführungen in Anm. 4 und 5 gelten auch im Falle des § 75c Abs. 2. 3. Form deS Versprechens der Vertragsstrafe. Das Gesetz enthält keine ausdrückliche Be-Anm. 7. stimmung über die Form, in der das Versprechen der Vertragsstrafe abgegeben werden muß. Wie Litthauer-Mosse Anm. 4 mit Recht hervorheben, wird nach der Absicht des Gesetzes anzunehmen sein, daß auch das Strafversprechen unter dem Formzwange des § 74 Abs. 1 steht. Daher ist ein solches Versprechen als nichtig zu betrachten, wenn es nicht schriftlich erteilt und in der dem Gehilfen ausgehändigten Urkunde enthalten ist. 4. Zuständigkeit. Für Klagen auf Vertragsstrafe sind die KfmG. zuständig (OLG. Düssel-Anm. 8. dorf in OLGR. 19, 43; vgl. § 74 Anm. 4). Der Anspruch auf die Vertragsstrafe kann bei dem für die Hauptverpflichtung zuständigen Gerichte erhoben werden (RG. 69, 12).

§ 75d.

§ 75d.

Auf eine Vereinbarung, durch die von den Vorschriften der §§ bis 75 c zürn Nachteil des Handlungsgehilfen abgewichen wird, kann sich der Prinzipal nicht berufen. Das gilt auch von Vereinbarungen, die bezwecken, die gesetzlichen Vorschriften über das Mindestmaß der Entschädigung durch Verrechnungen oder auf sonstige weise zu umgehen. Der § 75d ist in den Erläuterungen zu §§ 74—75c schon wiederholt erwähnt worden. Anm. 1.

Sein Zweck ist, den zwingenden Charakter der Vorschriften über dad Wettbewerbverbot z« sichern und den Gehilfen gegen Umgehungen zu schützen. Indes sind Vereinbarungen, welche diesen Vorschriften zuwiderlaufen, nach § 75d nicht „nichtig", so daß auch der Ge­ hilfe daraus Rechte nicht geltend machen könnte; vielmehr kann nur der Prinzipal auf derartige Abmachungen „sich nicht berufen" (ein dem VVG. entnommener Ausdruck). Dadurch werden die anderweiten Vorschriften nicht berührt, nach denen Wettbewerbverein­ barungen nichtig sind; s. hierüber besonders § 74 Anm. 15; § 74a Anm. 10—15; § 74b Anm. 1. In diesen Fällen ist es rechtlich so, als wäre das Wettbewerbverbot überhaupt nicht vereinbart. In den nach § 75d zu beurteilenden Fällen dagegen können sowohl der Prinzipal wie der Gehilfe sich auf das Wettbewerbverbot beziehen und Rechte daraus geltend machen, nur kann der Prinzipal keine Rechte aus solchen Vertragsbestimmungen herleiten, in denen von den gesetzlichen Vorschriften zum Rachteil des Gehilfen abgewichen ist. Diese Be­ stimmungen scheiden also, soweit der Prinzipal Rechte daraus herleiten will, rechtlich aus, das übrige Wettbewerbverbot bleibt aber gültig. Lehmann-Hoeniger weifen auf S. 175 mit Recht darauf hin, § 75d sei nur deshalb nötig geworden, weil die Rechtsprechung vielfach gegen Umgehungen nicht streng genug vor­ gehe. In diesem Sinne vergleichen sie seine Vorschrift mit der des § 5 RAbgO. Beispiele (vgl. außerdem § 74c Anm. 11 und § 75a Anin. 6): Anm. 2. Die Entschädigung des § 74 Abs. 2 ist nach § 74b Abs. 1 am Schlüsse jedes Monats zu zahlen (§ 74b Anm. 1). Eine frühere Zahlung kann vereinbart werden, ebenso ist eine Vor-

510

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

§ 786. schußzahlung zulässig, das letztere z. B- kurz vor Beendigung des Dienstverhältnisses. Wollte aber der Prinzipal mit dem Gehilfen verabreden, daß er diesem schon während bestehenden Dienstverhältnisses gewisse monatliche Zahlungen leistet, die später auf die Entschädigung angerechnet oder als vorschußweise Vorauszahlung der Entschädigung angesehen werden sollen, so könnte sich der Prinzipal aus eine derartige Vereinbarung nicht berufen. Gerade um sol­ chen Umgehungen zu steuern, ist dem § 75d der Satz 2 in der Kommission angefügt worden. In Anm. 12 zu § 74 haben wir dargelegt, daß statt des Prinzipals unter gewissen Um­ ständen ein anderer die Zahlung der Entschädigung nach § 74 Abs. 2 übernehmen kann. Wollte aber der Prinzipal unter Beitritt eines vermögenslosen Tritten mit dem Gehilfen die Vereinbarung treffen, daß dieser sich wegen der Entschädigung nur an jenen Dritten solle halten können, so würde eine derartige Abrede unter § 75d fallen. Dasselbe würde gegebenenfalls von einer nachträglichen Entlassung des Prinzipals aus seiner Haftung und Annahme des Dritten als Schuldners gelten. Anders, wenn gegen die Schuldübernahme keine Bedenken bestehen, z. B. in dem a. a. £. erörterten Falle der Geschäftsveräußerung. Ferner kann der Prinzipal sich nicht aus Abmachungen berufen, die nur getroffen sind, um scheinbar den Gehilfen unter § 75 b fallen zu lassen ((. dort Anm. 6), oder auf Verein­ barungen, die dahin zielen, von den Vorschriften des § 75 zum Nachteil des Gehilfen abzu­ weichen. Das letztere würde z. B. von einer Vertragsbestimmung des Inhalts gelten, der Gehilfe verzichte im voraus auf daß in § 7si Abs. 1 ihm eingeräumte Wahlrecht, oder der Prinzipal solle entgegen § 75 Abs. 2 ausnahmslos auch dann, wenn er kündigt, das Wett­ bewerbverbot geltend machen können. Anm.3. Der § 75d ist nur auf Vereinbarungen anwendbar, die während bestehen­ den Dienstverhältnisses getroffen werden. Vgl. § 74 Anm. 5. Werden anläßlich der Auflösung des Dienstverhältnisses oder nach dessen Beendigung derartige Vereinbarungen getroffen, so gilt nicht § 75d, vielmehr finden dann die allgemeinen Bestimmungen (nach Befinden § 138 BGB.) Anwendung. Daher wäre es z. B. gültig, wenn ein unter Wett­ bewerbverbot ausscheidender Gehilfe, der sid) selbständig machen will und deshalb Kapital braucht, anläßlich seines Ausscheidens mit dem Prinzipal vereinbart, dieser solle ihm, unter Verzicht aus die Anrechnung nach § 74c, eine einmalige mäßige Kapitalzahlung leisten, wo­ gegen er, der Gehilfe, auf die Entschädigungsansprüche nach § 74 Abs. 2 verzichte. Auch eine Annahme an Zahlungs Statt (der Gehilfe übernimmt z. B. eine Zweigniederlassung oder Teile des Lagers) wird in diesem Zeitpunkte meist bedenkenfrei sein. Dagegen würde eine Vorausvereinbarung dieser Art während bestehenden Dienstverhältnisses regelmäßig unter § 75d fallen.

8 75«.

§ 75e. Die Entschädigung, die der Handlungsgehilfe auf Grund der Vorschriften der §§ 74 bis 75d für die Zeit nach der Beendigung des Dienstverhältnisses beanspruchen kann, gehört zu den Dienstbezügen im Sinne des § 154 GewO.). Trotzdem rechtfertigt nicht jede leichte Züchti­ gung den sofortigen Austritt des Lehrlings, namentlich wenn dieser durch sein Verhalten den Lehrherrn gereizt hat (ArbEntschBerl. 1925 Nr. 1233). Im übrigen ist der Lehrherr als zur Aufsicht über den minderjährigen Lehrling verpflichtet anzusehen (vgl. Anm. 17); § 832 BGB. (Ersatzpflichtig Dritten gegenüber wegen Verletzung dieser Aufsichtsführung) ist daher anwendbar (RG. 97, 229; Staudinger § 832 Anm. II laß; Titze 910 und in

IW. 1920, 285). Anm. 10. 3. über die Art und den Umfang der Bergütuvg ist im Gesetze nichts gesagt. Auch hier entscheidet Verabredung, kbei deren Fehlen Ortsgebrauch, in dessen Ermangelung Ange­ messenheit, obwohl § 59 nicht ausdrücklich herangezogen ist (Anm. 5). über tarifliche Regelung s. Anm. 25. Tatsächlich ist gegenwärtig eine nach Monaten oder nach dem Jahre bemessene Vergütung an den Lehrling üblich und meist tariflich festgesetzt (Lieb in GewKfmG. 25, 14). Die Vergütung, die der Lehrling erhält (Anm. 1), kann auch in Wohnung und Beköstigung bestehen, and) in einem kleinen Taschengelde. Im letzteren Falle ist die Vergütung im Zweifel nicht als Arbeits- oder Dienstlohn anzusehen, der Anspruch auf sie daher pfändbar (KfmG. Breslau in GewKfmG. 17, 68). Da auch der Lehrherr Dienste zu leisten hat, so erhält auch dieser bisweilen eine Vergütung, das Lehrgeld. Doch ist das bei kaufmännischen Lehrlingsverträgen nicht eben üblich. Viel­ fach ist es sogar durch Tarifverträge für die gewöhnlichen Fälle untersagt (höchstens eine Aufwandsentschädigung zvgelassen, wenn der Lehrling beim Lehrherrn Kost und Woh­ nung erhält). Schließt d«er Vater des Lehrlings den Lehrvertrag, so ist im Zweifel an­ zunehmen, daß er für das Lehrgeld aufzukommen hat (ROHG. 9, 279; 13, 106; 14, 18). Gleiches gilt hinsichtlich eiiner etwa vereinbarten, an den Lebrherrn zu zahlenden Auf­ wandsentschädigung. Anm. 11. Die Ansprüche des Lehrherrn wegen des Lehrgeldes und anderer durch Lehrverträge vereinbarter Leistungen, sorvie endlich wegen der für den Lehrling gemaä)ten Auslagen verjähren in zwei Jahren (§ 196 Nr. 10 BGB.). Anm. 12. Auch Weihnachts- und sonstige (Gratifikationen können vereinbart jein (§ 59 Anm. 34). Anm. 13. 4. Der Anstellungsvertrag. Er ist ein Handelsgeschäft. Eine Form für ihn ist nicht vorgeschrieben (Erdel in GewKfmG. 24, 283). Wegen § 79 ist aber schriftliche Form zu empfehlen. Hierfür ist § 126 BGB. maßgebend (vgl. § 79 Anm. 2). Der Abschluß erfolgt, da es sich bei den Lehrlingen meist um Minderjährige handelt, regelmäßig durch gesetzliche Vertreter, und zwar mit oder ohne (OLG. Kolmar im „Recht" 07, 905) Mitwirkung des Mündels. Bei Lehrverträgen mit einer ein Jahr übersteigenden Dauer ist für den Vormmnd — nicht für den Inhaber der elterlichen Gewalt — Ge­ nehmigung des Vormundischaftsgerichts erforderlich; das Gericht soll vor der Entscheidung den Mündel hören: §§ 1&22 Nr. 6, 1643 Abs. 1, 1827 Abs. 1 BGB. Eine Ermächtigung des gesetzlichen Vertreters nach § 113 reicht nicht aus, um einen Vertrag mit dem Lehrling selbst zum gültigen zu gestatten (Planck § 113 Nr. 2; Staudinger § 113 Anm. 4; DürHach. § 77 Anm. 3; a. M. RitterKomm. Anm. 2; Goldmann I 378: Gordan 18; Lewinsohn in IW. 02, 246). Denn der Lehrvertrag ist kein Dienst- oder Arbeitsvertrag im Sinne jener Vorschrift: die Dienste, die der Lehrling zu leisten hat, sind nebensächlich, und in diesem Sinne stellt das BlGB. in §§ 1822 Nr. 6 u. 7 und 1827 den Lehrvertrag, bei dem es sich für den Lehrling vorwiegend um das Lernen handelt, den Dienst- oder Arbeitsver­ trägen gegenüber. Trotzdiem ist die Begriffsbestimmung des Lehrvertrags als eines Dienst-

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

517

Vertrags in der Hauptsache (Anm. 1) zutreffend. Allein die Hauptdienste verspricht der § 76. Lehrherr; feine Leistung besteht in einem Tun. Der von Goldmann I 378 gerügte an­ gebliche Widerspruch zwischen den Ausführungen Anm. 1 u. 13 ist somit nicht vorhanden. — Auf feiten des Lehrherrn kann dessen Prokurist oder allgemeiner Handlungsbevollmächtig­ ter den Lehrvertrag für jenen abschließcn (Gordan 13). — Im übrigen gelten für den Lehr­ vertrag die allgemeinen Vorschriften für Verträge. Daher kann er z. B. wegen Irrtums oder wegen arglistiger Täuschung angefochten werden, wenn der Lehrherr ihn lediglich zwecks Erlangung des Lehrgeldes, ohne Absicht und Fähigkeit zur ordnungsmäßigen Aus­ bildung des Lehrlings, abgeschlossen hat (BerlKfmGJ. 1912, 294). Oft wird der Lehrvertrag auch von dem Erzieher des Lehrlings abgeschlossen (Erdel Anm. 14. a. a. O. 284). Dabei ist zu unterscheiden, ob die Personen, die den Lehrvertrag abschließen, dies im eigenen Namen oder im Namen des Lehrlings tun. In der Regel wird der Lehrling als Vertragschließender anzusehen sein (OLG. Dresden in OLGR. 36, 256). Wer im eigenen Namen den Lehrvertrag abschließt, leistet Gewähr für das vertragsmäßige Verhalten des Lehrlings (anders Titze 879, der diese Haftung wesentlich einschränkt). Er ist also nicht nur bei eigenem Verschulden verantwortlich (ROHG. 14, 18; dgl. Entschädigungsansprüche gehören aber nicht vor das KfmG.; OLG. Kolmar im „Recht" 07, 905). Vormund und Pfleger werden dabei meist im Namen des Mündels handeln, Vater oder Mutter einfach im eigenen Namen (ROHG. 17, 394). Auf alle Fälle hat der Lehrherr das Recht, von den Erziehern zu verlangen, daß sie ihm durch ihre Erziehungsgewalt helfen, den Lehrling gehörig auszubilden (Bloch 22, 23). Zwischen Eltern und Kindern wird der Rege! nach ein eigentliches Lehrlings-Anm. 15. Verhältnis im Sinne des Gesetzes nicht angenommen; der Abschluß eines schriftlichen Lehrvertrags wird sich empfehlen, nnt jeden Zweifel auszuschließen (Fuld 102). Eine ähnliche Bestimmung, wie sie § 126b Abs. 3 GewO, in der Fassung des Ges. vom 30. Mai 1908 für das gewerbliche Lehrverhältnis zwischen Eltern und Kindern vorsieht (Anzeige an die Handwerkskammer), gibt es für Handlungslehrlinge nicht (§ 154 GewO.). Zum Abschluß eines Lehrvertrags mit dem minderjährigen Kinde ist die Zuziehung eines Pfle­ gers erforderlich (§§ 181, 1909 BGB.); doch kann, wenn solches versehen worden, im Interesse des Minderjährigen über diesen Mangel hinweggesehen werden, sofern der Be­ stand des Lehrverhältnisses klar zutage liegt, namentlich wenn Entschädigungsansprüche nicht in Frage stehen (GewG. Stettin in GewKfmG. 12, 81). Stempelfreiheit ist dem Lehrvertrage von Reichs wegen nicht zugebilligt, wohlAnm. 16. aber meist landesrechtlich, z. B. in Preußen (Tarifstelle 71 Nr. 2a PrStStG.), in Sachsen (Tarifstelle 32 Anm. 2b SächsStStG.).

5. In Abs. 2 und 3 sind einzelne Verpflichtungen deS Lehrherrn gegenüber dem Lehr- Anm. 17. Ung besonders hervorgehoben: die Verpflichtung gehöriger Ausbildung (Anm. 5) und die Pflicht, dem Lehrling die Gelegenheit zur Ausbildung und zum Besuche des Gottesdienstes nicht zu entziehen, sowie die Verpflichtung, ihn zur Arbeitsamkeit und zu guten Sitten anzuhalten. Die letztere Vorschrift verpflichtet den Lehr­ herrn zur Entfaltung einer erzieherischen Tätigkeit; daher kann der Lehrhcrr auch als „Erzieher" des Lehrlings in Betracht kommen, z. B. im Sinne von § 247 StGB. (RGSt. 34, 311 und in DIZ. 08, 1283; vgl. auch Anm. 9). Gelegenheit zum Besuche des Gottesdienstes (an einem benachbarten Orte, wenn sie am Niedcrlassungsorte fehlt) braucht er ihm laut Abs. 3 nur an Sonn- und Festtagen zu geben. Darunter sind nur die allgemein anerkannten Festtage zu verstehen. Eine weitergehende Verpflichtung, d. h. eine Berücksichtigung der betreffenden Religion, liegt dem Lehrherrn gegenüber dem in die häusliche Gemeinschaft ausgenommenen Lehrling ob (Anm. 20; nach Goldmann I 382 und Gordan 30 allen Lehrlingen gegenüber). Aus der besonderen Hervorhebung dieser Pflichten, and ihrer Natur und aus der Strafbestim­ mung des §82 folgt, daß diese Verpflichtungen öffentlich-rechtlicher Natur und der freien Vereinbarung entzogen sind.

518 § 7k.

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

Über die Sonn- und Festtagsruhe und über die Arbeitszeit s. § 59 Anm. 28. Überstunden muß der Lehrling in dringenden Fällen, wie der Gehilfe, unentgeltlich leisten (Auskunft der Berl. Ältesten bei Horrwitz 164; s. auch § 59 Anm. 33a).

Aum. 18. 6. Wegen der weiteren Verpflichtung, den Lehrling zum Besuche der Fortbildungsschule anzuhalten, verweist Abs. 4 aus § 120 GewO., zu dem aber später noch § 139i GewO, hinzugetreten ist. Durch diesen ist die Verpflichtung des Lehrherrn auch rücksichtlich des Besuchs einer vom Staat oder der Gemeindebehörde anerkannten Fachschule (Handels­ schule) festgesetzt, sofern eine solche am Orte besteht, und es hat danach der Lehrherr nicht nur die erforderliche Zeit zum Schulbesuch zu gewähren, sondern er hat die weitere Ver­ pflichtung, Gehilfen und Lehrlinge unter 18 Jahren zum Besuche der Fortbildungs­ und Fachschule anzuhalten und den Schulbesuch zu überwachen.

A«m» 19. 7. über die Einzelheiten deS Lehrverhültnisses s. Abs. 1: Es gelten die §§ 60—63 u. 75 f. a)Die §§ 60 und 61: DaS gesetzliche Wettbewerbverbot während der Dauer deS Dienst­ verhältnisses. Dies gilt in vollem Umfange auch gegen den Handlungslehrling. Anm. 20. b) § 62: Die Fürsorgepflichten deS Prinzipals. Hierbei wird besonders der im § 62 Abs. 2 vorgesehene Fall, die Aufnahme in die häusliche Gemeinschaft, praktisch werden, zumal in kleinen Städten. Daraus ergibt sich für den Lehrherrn die Pflicht, an Stelle des Vormundes für das leibliche Wohl des Lehrlings zu sorgen, z. B. durch rechtzeitige ärztliche Hilfe; lehnt der Lehrling die Hilfe des Arztes ab, so muß der Lehrherr ernstlich einzuwirken suchen, er darf den Dingen nicht ihren Lauf lassen. Was die Rücksicht auf die Religion anbetrifft, so kommt es hier auf die objektiven Satzungen der Religion an, nicht auf die subjektiven Anschauungen des Lehrlings, den: der Gesetzgeber nach dieser Hinsicht noch keine selbständige Meinung zugetraut haben wird (zust. Hans Lehmann 35); doch werden auch die Anschauungen zu berücksichtigen sein, die im Elternhause des Lehr­ lings herrschen und in denen er bisher erzogen worden ist. Anm. 21. c) § 63: Fortzahlung des GehaltS aus sechs Wochen bei unverschuldetem Unglück. Bei der Frage der Verschuldung wird hier auf die Unerfahrenheit des Lehrlings und seine Jugend Rücksicht zu nehmen sein. Die Anwendung des § 616 BGB. (Fortzahlung der Vergütung bei sonstiger unverschuldeter Behinderung) ist nicht ausgeschlossen, da auch der Lehrvertrag ein Dienstvertrag ist; vgl. Anm. 1; anders Bloch 24. Anm. 22. d) § 75 f: Unwirksamkeit der sog. geheimen Konkurrenzklausel. Anm. 23. 8. Die BerschwiegenheitSpslicht laut § 69 Anm. 38ff. gilt auch für Lehrlinge. Anm. 24. 9. Dagegen sind vertragsmäßige Wettbewerbverbote sür die Zeit nach Beendigung des Lehr- oder Dienstverhältnisses gegenüber Lehrlingen schlechthin nichtig (Abs. 1 Say 2; vgl. oben Einl.). Dabei ist es gleichgültig, ob der Lehrling minderjährig oder volljährig ist; ob er selbst oder ein gesetzlicher Vertreter für ihn handelt. Auch Genehmigung des Vormundschaftsgerichts kann die Nichtigkeit nicht beseitigen. Uber Begriff und Wirkung der Nichtigkeit s. § 74 Anm. 15 u. 16. Die Nichtigkeit wird auch nicht geheilt, wenn der Lehrling später Gehilfe wird; vielmehr kann dann nur ein Wettbewerbverbot gemäß §§ 74ff. neu abgeschlossen werden. Auch Vereinbarungen Dritter mit dem Lehrhcrrn, die auf ein Wettbewerbverbot für den Lehrling hiuzielen, sind nichtig. Das folgt aus dem Wortlaute des Abs. 1 Satz 2; vgl. auch § 74a Anm. 13.

Anm. 25.10. Auch durch Tarifvertrag können Bestimmungen über den Lehrvertrag getroffen Ver­ den, aber nur, soweit nicht öffentlich-rechtliche Bestimmungen dem entgegenstehen. Wie in Anm. 1 hervorgehoben, sind im Rahmen des Lehrvertrags die Elemente eines Üusbildungs- und eines Arbeitsvertrags zu unterscheiden. Soweit die Tätigkeit des Lehr­ lings innerhalb des reinen Ausbildungsvertrags liegt, unterliegt der Lehrvertrag der tariflichen Regelung nicht, denn nach § 1 der TarisvertragsV. vom 23. Dez. .918 (s. oben Einl. zu § 59) kann ein Tarifvertrag nur die Bedingungen für den Abschluß von Arbeitsverträgen regeln. Dagegen ist das Lehrverhältnis tariflicher Regelung fchig, soweit es Arbeitsvertrag ist. Allein auch insoweit ist eine tarifliche Regelung nur zu-

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

519

Lässig, soweit nicht die Innungen Regeln für das Jnnungswesen aufgestellt haben, bzw. § 76. soweit nicht der Ausbildungszweck des Lehrvertrags dem entgegensteht. Daher erachten wir z. B. für zulässig tarifliche Regelung der Vergütung, der Dauer der Lehrzeit und innerhalb angemessener Grenzen Festsetzung eines bestimmten Urlaubs für den Lehrling. Darüber hinaus halten wir eine tarifliche Regelung für ausgeschlossen. Ähnlich KfmG. Ham­ burg in GewKfmG. 27, 195; Hueck, Tarifrecht (1922) S. 13, 19 u. 26 und in IW. 1925, 1887 sowie die dort. Zit.; Bescheid des Reichsarbeitsministeriums vom 30. Nov. 1920, abgedruckt in GewKfmG. 26, 175; KfmG. Magdeburg u. LG. Flensburg ebenda 26, 160 u. 30, 286; LG. Frankfurt a. M. u. Darmstadt im Jahrb.arbeitsr.Entsch. 1922, 67ff.; LG. Köln in IW. 1924, 224°. Dagegen hat der Staatskommisfar für die wirtschaftliche Demobilmachung in Hessen (DIZ. 1922, 760) den Lehrvertrag schlechthin als nicht tariflicher Regelung fähig erklärt, auch nicht hinsichtlich der Urlaubsvereinbarungen. Andere teils zustimmende, teils abweichende Meinungen s. bei Hueck a. a. O. Im übrigen vgl. Einl. zu § 77. 11. Uber den Lehrling im BRG. s. Lieb in GewKfmG. 26, 100.

§ 77.

Anm. 26. § 77.

Die Dauer der Lehrzeit bestimmt sich nach dem Lehrvertrag, in Er­ mangelung vertragsmäßiger Festsetzung nach den örtlichen Verordnungen oder dein Grtsgebrauche. Das Lehrverhältnis kann, sofern nicht eine längere Probezeit vereinbart ist, während des ersten Monats nach dem Beginne der Lehrzeit ohne Ein­ haltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Line Vereinbarung, nach der die Probezeit mehr als drei Monate betragen soll, ist nichtig. Nach dem Ablaufe der Probezeit finden auf die Kündigung des Lehr­ verhältnisses die Vorschriften der §§ 70 bis 72 Anwendung. Als ein wichtiger Grund zur Kündigung durch den Lehrling ist es insbesondere auch anzusehen, wenn der Lehrherr seine Verpflichtungen gegen den Lehrling in einer dessen Gesundheit, Sittlichkeit oder Ausbildung gefährdenden lveise vernachlässigt. 3m Falle des Todes des Lehrherrn kann das Lehrverhältnis innerhalb eines Monats ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Der Paragraph behandelt die Dauer des Lehrvertrags. Diese ist jetzt vielfach durch Einleitung. Tarifvertrag geordnet (vgl. § 76 Anm. 25), meist abgestuft nach der Schulbildung des Lehr­ lings: z. B. bei höherer Schulbildung (genauer bestimmt) zwei, sonst drei Jahre. Auch ist vielfach eine gewisse Anzahl jährlicher Urlaubstage im Tarifverträge vorgesehen.

l.Der erste Monat ist die gesetzliche Probezeit (vgl. § 127b GewO.). Während dieserAnm. 1. Probezeit taiiu jeder Teil jederzeit das Verhältnis willkürlich durch sofortige Kündigung lösen (Abs. 2). Für die Berechnung sind die §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 und 3 BGB. maß­ gebend. Diese gesetzliche Probezeit kann durch Vereinbarung biS auf drei MonateAnm. 2. verlängert werden, nicht aber auf längere Zeit, sonst gilt sie als aus drei Monate fest­ gesetzt. So mit Recht Gordan 39 und Titze 886. (Die herrschende Meinung, die auch in der 6.—9. Auflage vertreten war, ninunt freilich an, daß in solchem Falle die gesetzliche Probezeit von einem Monat gelte; Lehmann-Ring Nr. 3 meinen sogar, daß die Verein­ barung einer längeren Probefrist im Lehrvertrage diesen im Zweifel nichtig mache.) Auch während des Lehrverhältnisses kann vereinbart werden, daß eine neue Probefrist laufen soll; doch darf die Gesamtprobezeit nicht länger als drei Monate betragen (RitterKomm. Anm. 2).

520

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

§ 77.

Aber es kann die Probezeit durch Vereinbarung auch nicht auf einen geringeren Zeitraum als einen Monat verkürzt und demgemäß auch nicht beseitigt werden. Ebenso Lehmann-Ring Nr. 3; 886; dagegen hält Gordan 40 eine Verkürzung oder Ausschließung der Probezeit für den Lehrherrn für gültig, doch sprechen gegen diese Auffassung die in Anm. 10 zu § 70 dargelegten Gesichtspunkte. Aum. 4. 2. Für die Dauer der Lehrzeit (der Ausdruck „Lehrzeit" wird im Gesetz unter Einschluß der Probezeit gebraucht) ist der Vertrag maßgebend und, falls dieser nichts darüber bestimmt, örtliche Verordnungen oder der Ortsgebrauch. Über Regelung durch Tarifvertrag s. oben Einl. Unter örtlicher Verordnung ist nicht etwa eine Verordnung der Ortsbehörden, sondern das Sonderrecht des betreffenden Ortes zu verstehen (Hahn 8 3 zu Art. 61 des alten HGB., dessen Abs. 2 die gleiche Vorschrift enthielt; Art. 15 EG.HGB.); nur ist die in § 624 BGB. gesetzte Höchstgrenze zu beachten (so mit Recht Lehmann-Ring Nr. 2). Über Ortsgebrauch vgl. § 59 Anm. 24. Fehlt es an örtlichen Verordnungen und an Ortsgebrauch, so entscheidet die Angemessenheit, wie sich dies aus entsprechender Anwendung des § 59 HGB. und des § 315 BGB. ergibt (DürHach. Anm. 4). Verträge, durch die eine all­ zulange Lehrzeit bestimmt wird, unterliegen der in § 624 BGB. gesetzten Grenze, können aber auch unter Umständen unsittlich und schon deshalb ungültig sein (Horrwitz 169). Der Ortsgebrauch ist in den einzelnen Geschäftszweigen verschieden. Im Konfektions­ geschäft und im Exportgeschäft sowie im Bankgeschäft dauert z. B. in Berlin die Lehrzeit meist drei Jahre (Älteste Berlins bei Horrwitz 169). Anm. 5. Kündigungsfristen sieht das Gesetz nicht vor, uiib sie können auch nicht ver­ tragsmäßig vorgesehen werden. Die Lehrzeit muß eine bestimmte Dauer haben, wie sich zwingend aus ihrer Natur und aus dem Zusanunenhange von Abs. 1 u. 3 ergibt (ebenso Titze 882 mit ausführlicher Begründung und ArbEntschBerl. 1925 Nr. 1231 sowie Lieb in GewKfmG. 26, 100; anders Gordan 38 und Lehmann-Ring Nr. 6). Anm. 6. Verbleibt der Lehrling nach Ablauf der Lehrzeit in seiner Stellung, jo gilt das Verhältnis nicht als stillschweigend fortgesetzt; § 625 BGB. kann hier feine Anwendung finden. Ter Lehrling ist vielmehr uoii diesen! Augenblicke an Handlungs­ gehilfe (ebenso DürHach. Anm. 4; Lehmann-Ring Nr. 2; Titze 883; Lehmann-Hoeniger § 35 II 1; vgl. § 59 Anm. 35). Doch setzt ein derartiger stillschweigender Abschluß des An­ stellungsvertrags als Handlungsgehilfe Kenntnis beider Teile vom Ablauf der Lehrzeit voraus.

Aum. 3.

Anm. 7. 3. Wahrend der Dauer der eigentlichen Lehrzeit kann aus wichtigem Grunde nach Maß­ gabe der §§ 70—72 ohne Einhaltung einer Frist gekündigt werden (Abs. 3). Freilich wird bei gleichem Tatbestände hier oft eine andere, bald strengere, bald mildere Beur­ teilung gerechtfertigt sein. Beim Lehrling z. B., der sich ja noch im Erziehungsalter be­ findet, wird ein Ungehorsamsakt oder eine Nachlässigkeit nicht so leicht zur Auflösung führen wie beim Gehilfen (OLG. Hamburg in ZHR. 42, 516). In diesem Sinne hebt das Gesetz noch besonders hervor, daß hier unter gewissen Umständen schon die bloße Vernachlässigung der Pflichten des Lehrherrn in bezug auf die Gesundheit, die Sitt­ lichkeit und die Ausbildung des Lehrlings ausreicht, um den Lehrling zur sofortigen Kün­ digung zu berechtigen, während nach § 70 Nr. 3 erst die Verweigerung dazu berech­ tigt. Ja schon die bloße objektive Vernachlässigung wird hier oft genügen. So z. B., wenn der Lehrherr zwar einen an sich geeigneten Vertreter bestellt, dieser aber seine Verpflich­ tungen vernachlässigt. Umgekehrt wird man den Lehrherrn auch bei erheblicher Störung des Lehrverhältnisses (z. B. erheblicher Ehrverletzung) seitens des gesetzlichen Vertreters des Lehrlings für berechtigt ansehen müssen, den Lehrvertrag aufzuheben (BerlKfmGJ. 1916, 22580). — Die Verwendung zu mechanischen Tienstverrichtungen und Arbeiten, wie sie dem Hausgesinde obliegen, kann mit den Zwecken des Lehrvertrags, nament­ lich auch in Rücksicht auf Art, Umfang und Ort des Geschäfts, vereinbar sein und braucht nicht unter allen Umständen einen wichtigen Grund zur Aufhebung des Vertrags zu bilden (RG. in SeuffA. 36, 318; vgl. aber § 76 Anm. 5 u. 7). — Ter Übergang des

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

521

Geschäfts auf einen neuen Inhaber (bei Veräußerung, beim Ausscheiden eines Ge-8 77. sellschafters) wird nicht ohne weiteres ein wichtiger Grund zur sofortigen Kündigung für den Lehrling sein, es sei denn, daß gerade mit Rücksicht auf die Persönlichkeit des Lehrherrn der Vertrag geschlossen war (D. 71). Ebenso wird die Verlegung des Betriebs nach einem anderen Stadtteil (anders Verlegung nach einem anderen, namentlich einem entlegenen Ertc; vgl. § 59 Anm. 27) in der Regel kein solcher Grund sein, höchstens wird der Lehrherr unter Umständen nach Treu und Glauben verpflichtet sein, dem Lehrling eine Straßenbahnkarte zu bezahlen (KfmG. Frankfurt a. M. in GewKfmG. 15, 42; vgl. § 59 Anm. 34a). Eine andere Frage ist es, ob der Lehrherr den Lehrvertrag auflösen kann, wenn er den Geschäftsbetrieb an einen anderen Ort verlegt. Auch diese Frage dürfte zu verneinen sein (vgl. für gewerbliche Lehrlinge LG. I Berlin in GewKfmG. 30, 185). Da­ gegen sind als wichtige Gründe für den Lehrling — nur unter besonderen Umständen auch für den Lehrherrn — anzusehen: der Konkurs des Lehrherrn (Jaeger § 22 KO. Anm. 7; anders AG. Frankfurt a. M. in ZHR. 14, 543; aber § 22 KO. — s. oben § 70 Anm. 28 — ist hier nicht anwendbar, da gesetzliche Kündigungsfristen für den Lehrver­ trag nicht bestehen; Jaeger a. a. O. folgert auch aus § 22 KO. das Recht zu fristloser Kün­ digung); die Unfähigkeit des Lehrherrn zur Erfüllung der ihm obliegenden Pflichten (D. 71; vgl. § 127b Abs. 3 Nr. 2 GewO.); Betriebseinstellung; bei einem in die häusliche Gcnreinschaft aufgenommenen Lehrling auch nach Befinden gestörte Familienverhält­ nisse des Lehrherrn (ROHG. 13, 109). Über die Erklärung der sofortigen Kündigung und ihre Folgen gelten sinngemäß die Regeln des § 70. Vgl. jedoch § 79. Über alle vor­ stehenden Fragen s. ArbEntschBerl. 1925 Nr. 1234—1254.

4. Ein eigentümlicher Rechtsznstand tritt ein, wenn der Lehrherr stirbt. Hier tritt nach Anm. 8. Abs. 4 wieder eine gesetzliche Probezeit ein: während der Dauer eines Monats kann jeder Teil jederzeit willkürlich ohne Frist kündigen. Stirbt bei einer o.HG. ein Mitinhaber, so liegt der Fall so lange nicht vor, als ein anderer Mitinhaber für die Leitung der Aus­ bildung Sorge zu tragen fähig ist. Ist der Lehrherr eine juristische Person, so greift bei Tod ihres gesetzlichen Vertreters Abs. 4 nicht Platz; doch kann er — ebenso der Tod eines Mitinhabers der o.HG. — einen wichtigen Grund zur sofortigen Lösung des Lehrverhält­ nisses bedeuten, namentlich wenn dieses gerade mit Rücksicht auf die Persönlichkeit des Verstorbenen eingegangen war. — Der Tod des Lehrlings ist stets Endigungsgrund (s. auch § 127b Abs. 4 GewO.).

§ 78.

8 78.

wird von dem gesetzlichen Vertreter des Lehrlinges oder, sofern dieser volljährig ist, von ihm selbst dem Lehrherrn die schriftliche Erklärung abgegeben, daß der Lehrling zu einem anderen Gewerbe oder zu einem anderen Beruf übergehen werde, so endigt, wenn nicht der Lehrling ftüher entlassen wird, das Lehrverhältnis nach dem Ablauf eines Monats. Tritt der Lehrling der abgegebenen Erklärung zuwider vor dem Ablaufe von neun Monaten nach der Beendigung des Lehrverhältnisses in ein anderes Geschäft als Handlnngslehrling oder als Handlungsgehilfe ein, so ist er dem Lehrherrn zum Ersätze des diesem durch die Beendigung des Lehrverhält­ nisses entstandenen Schadens verpflichtet. Mit ihm haftet als Gesamt­ schuldner der neue Lehrherr oder Prinzipal, sofern er von dem Sachverhalte Kenntnis hatte. Lit.: Ritter im „Recht" 01, 131; Rudorfs dort 00, 525. Ferner s. bei § 76. Die Bedeutung des § 78 liegt darin, daß der Lehrling trotz des Abschlusses des Lehr-Einleitung. Vertrags nicht behindert sein soll, einen anderen Berus zu wählen, wenn er oder sein ge-

522

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

§ 78. setzlicher Vertreter dies als in seinem Interesse liegend erachtet. Aus diesem Gesichtspunkte muß § 78 ausgelegt werden. Anm. I. l.Die hier in Rede stehende Erklärung muß den Inhalt haben, daß der Lehr­ ling zu einem anderen Gewerbe oder zu einem anderen Berufe übergehen werde. Was hierunter zu verstehen ist, muß für den Einzelfall unter Berücksichtigung der wirt­ schaftlichen Anschauungen entschieden werden. Tie herrschende, von uns auch in Aufl. 6—9 vertretene Meinung (so auch Titze 890; Lehmann-Ning Nr. 1), Übergang zu einem anderen Handelszweige genüge nicht, wird von Gordan 47 mit Recht als zu eng bezeich­ net. Der Verkehr betrachtet die Geschäfte eines Kramers und eines Großkaufmanns, eines Warenhändlers und einer Bank als so verschieden, als ob es verschiedene Gewerbe wären. Man muß daher bei einem Berufswechsel dieser Art im Interesse des Lehrlings den § 78 für anwendbar erachten (OLG. Hamburg in OLGR. 1, 227; vgl. § 76 Anm. 4). Aber Übergang in ein anderes Handelsgeschäft gleichen Geschäftszweigs kann allerdings nicht unter § 78 fallen; ebenso kaum Übergang aus einem Ladengeschäft in ein anderes Ladengeschäft, selbst bei Verschiedenheit des Geschäftszweigs. — Die Erklärung muß — trotz der in dieser Hinsicht nicht ganz klaren Fassung des Gesetzes — gutgläubig abge­ geben sein; auf arglistigen Bruch des Lehrvertrags wollte das Gesetz nicht einen Preis setzen. Dies ergibt auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift, die ihren Vorgang in § 127e GewO, hat (so mit Recht OLG. Hamburg a. a. £).; Rudorfs a. a. O.; Makower Anm. I; a. M. Ritter a. a. O. und Komm. Anm. 1; DürHach. Anm. 4; Harnapp 60; Titze 890; Gordan 46). Anm.2. 2. Die Erklärung muß schriftlich abgegeben sein. Sie braucht nicht in einem be­ sonderen Scheine abgegeben zu werden; cs kann dies auch im Laufe des Briefwechsels geschehen, auch durch Bevollmächtigte erklärt werden, wenn nur die Erfordernisse des § 126 BGB. erfüllt sind. Lediglich mündliche Erklärungen sind aber wirkungslos. Höch­ stens wenn sie die Absicht erkennen lassen, demnächst willkürlich das Lehrverhältnis zu lösen, können sie unter Umständen ein wichtiger Grund zur vorzeitigen Kündigung für den Lehrhernr sein; auch kann dieser sich einverstanden erklären, in welchem Falle der Lehr­ vertrag durch gegenseitige Übereinkunft endigt. Das gleiche gilt, wenn die Erklärung aus einem anderen Grunde (Anm. 1) nicht rechtswirksam ist. — Die Erklärung ist eine „einem anderen gegenüber" abzugebende; über ihre Wirksamkeit vgl. daher §§ 130ff. BGB. und unten § 350 Anm. 54 ff. Anm.3. 3. Liegt eine solche schriftliche Erklärung vor, so bedarf es einer besonderen Kündigung oder EntlassungSerklärung nicht mehr. Das Verhältnis endet vielmehr nach Ablauf eines Monats von selbst. Der Prinzipal kann den Lehrling aber auch sofort nach Abgabe der Erklärung entlassen. Im übrigen vgl. Anm. 7. Anm. 4. 4. Die Folgen der Zuwiderhandlung gegen die abgegebene Erklärung. Der Erklärung zuwider wird gehandelt, wenn der Lehrling vor dem Ablauf von neun Monaten „nach der Beendigung des Lehrverhältnisses", d. h. hier nach der laut Abs. 1 erfolgten Be­ endigung (über die Berechnung vgl. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB.), in ein anderes Geschäft als Handlungsgehilfe oder als Handlungslehrling eintritt (auch als Volontär; DürHach. Anm. 6; anders Goldmann I 390). Die Worte „in ein anderes Ge­ schäft" sind jedoch im Sinne unserer Erläuterung in Anm. 1 zu verstehen. Daher ver­ hindert die Erklärung den Lehrling nicht, sich überhaupt weiter denn Kaufmanns­ stande zu widmen, vielmehr nur, in gedachter Eigenschaft in ein solches Geschäft einzutreten, das nach der Verkehrsaufsassung oom Gesichtspunkte des Lehrlings nicht als anderer Beruf oder anderes Gewerbe betrachtet werden kann. Als gewerblicher Lehrling, Gewerbegehilfe oder Dienstbote darf der Lehrling unbeschadet der Erklärung auch in ein gleichartiges Handelsgeschäft eintreten. Ebenso wird durch selbständige Niederlassung die Erklärung nicht verletzt. Anm. ü. Die Schadensersatzpflicht tritt für den Lehrling ein, wenn der gesetzliche Ver­ treter oder der volljährige Lehrling selbst die Erklärung abgibt. Es genügt nicht,

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

523

wenn die Mutter, falls sie nicht gesetzliche Vertreterin (Inhaberin der elterlichen Gewalt § 78. oder Vormünderin) ist, sie abgibt. Damit die Schadensersatzpflicht gegen den Lehrling zur Entstehung kommt, muß der Lehrvertrag von ihm oder in seinem Namen geschlossen sein, und zwar wegen § 79 schriftlich. Ist der Lehrvertrag vom gesetzlichen Vertreter im eigenen Namen abgeschlossen, so trifft die Schadensersatzpflicht in sinngemäßer Anwendung des Abs. 2 ihn selbst (a. M. DürHach. Anm. 7 u. 9 und Titze 879; vgl. § 76 Anm. 14).

Soweit der Lehrling haftet, hastet mit ihm als Gesamtschuldner laut Abs. 2Anm.6. Satz 2 der neue Lehrherr oder Prinzipal, wenn er von dem Sachverhalt Kenntnis hatte, d. h. von dem gesamten Sachverhalte, wenn auch nicht von dem Vorhandensein eines schriftlichen Lehrvertrags (DürHach. Anm. 8; vgl. § 79 Anm. 3). Kennenmüssen genügt hier nicht. Dagegen genügt Kenntnis des Vertreters des Prinzipals, z. B. des Prokuristen, sofern dieser den Anstellungsvertrag abgeschlossen hat; sonst wäre der Zweck des Gesetzes häufig vereitelt (Titze 922). Nachträgliche Kenntnis verpflichtet den neuen Lehrherrn nicht zur Entlassung des Lehrlings. Unter Umständen wird auch der gesetzliche Vertreter persönlich als Gesamtschuldner haften, falls die Voraussetzungen der Haftung für un­ erlaubte Handlungen vorliegen (zust. DürHach. Anm. 9). DerneueLehr-oderDienstvertrag aber ist gültig.

5. Die Vorschrift deS Abs. 1 ist zwingenden RechtS, soweit sie zum Schutze des Lehrlings Anm. 7. dienen soll; Vereinbarungen, welche die freie Berufswahl verhindern sollen (z. B. Ver­ tragsstrafen für den Fall solcher Endigung), sind ungültig (Fuld 123). — Die Vorschrift des Abs. 2 ist insoweit nicht zwingenden Rechts, als Einschränkungen oder Aufhebungen der Rechte des Lehrherrn in Frage stehen. Soweit aber die Lage des Lehrlings erschwert werden soll, wird man auch dieser Vorschrift zwingenden Charakter beilegen müssen. Da­ her kann auch nicht mit Harnapp 55, Lehmann-Ring Nr. 3 und Titze 893 angenommen werden, daß der Lehrling sich für Zuwiderhandlungen gegen Abs. 2 gültig einer Vertrags­ strafe unterwerfen kann. Harnapps Anführen, der § 78 wolle nur den loyalen, nicht auch den illoyalen Lehrling schützen, rechtfertigt es nicht, diesem einen Tütigkeitswechsel noch mehr zu erschweren, als im Gesetz vorgesehen.

§ 79.

§ 79.

Ansprüche wegen unbefugten Austritts aus der Lehre kann der Lehr­ herr gegen den Lehrling nur geltend machen, wenn der Lehrvertrag schrift­ lich geschlossen ist. 1. Zu den hier vorgesehene« Ansprüchen gehören solche aus Verletzungen der §§ 77, 78:Anm. 1. Verlassen der Lehre vor dem Ablauf der Lehrzeit ohne wichtigen Grund oder unter Zuwiderhandlung gegen § 78. Welches diese Ansprüche sind, s. § 76 Anm. 8, § 78 Anm. 4 ff. und Lewinsohn in IW. 02, 245. Es gehören also hierher nicht nur Geldansprüche des Lehrherrn, sondern auch dessen Anspruch gegen den Lehrling auf Fortsetzung des Lehr­ verhältnisses (BerlKfmGJ. 08, 218"). Diese Ansprüche kann der Lchrherr mangels schriftlichen Vertrags nicht geltend machen. Der Lehrvertrag ist aber im übrigen gültig, auch wenn er mündlich geschlossen wird (§ 76 Anm. 13). Alle sonstigen Ansprüche sönnen also auch aus einem mündlichen Vertrage geltend gemacht werden, z. B. An­ spruch auf Lehrgeld (anders GewO. § 127 t). Die Allsprüche lvegen unbefugten Aus­ tritts fallen aber bei nur mündlichem Abschlüsse and) dann fort, wenn sie vertraglich festgesetzt sind; nidjt nur die gesetzlichen Ansprüche fallen fort.

2. über die schriftliche Forln s. § 126 BGB. und unten § 350 Anm. 62ff. SchwerereAnm.2. Formen (gerichtlid)e oder notarielle) genügell natürlich (§ 126 Abs. 3 BGB.); Tele­ gramme oder Briefwechsel uidjt (KsmG. Hamburg in GelvKfmG. 12, 288); ebensowenig eine einseitige schriftliche Bestätigung, da § 126 Abs. 2 BGB. Unterschrift beider Teile

524 8 79.

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslchrlinge.

entweder auf derselben Urkunde oder bei Austausch gleichlautender Urkunden auf der für die andere Partei bestimmten Urkunde verlangt (BerlKsmGJ. 08, 21812).

Anm. 3. 3. Der Anspruch gegen den Lehrling fällt fort. Damit fällt natürlich auch im Falle des § 78 Abf. 2 Sah 2 der Anspruch gegen den neuen Prinzipal fort; denn dieser kann nicht „mit dem Lehrling als Gesamtschuldner" hasten, wenn der Lehrling nicht hastet (zust. DürHach. Anm. 4). Wenn dagegen der Lehrvertrag von dem Vater oder dem Vormunde im eigenen Namen abgeschlossen wurde (§ 76 Anm. 14), so besteht der Anspruch gegen diesen auch dann, wenn der Lehrvertrag nicht schriftlich abgeschlossen wurde, weil es sich nicht um einen Anspruch „gegen den Lehrling" handelt (zust. Lehmann-Ring Nr. 2; Lewinsohn a. a. O.; Harnapp 175; Gordan 20; anders Erde! in GewKfmG. 24, 248).

Anm. 4. 4. Der Anspruch gegen den Lehrherrn wegen unbefugter sofortiger Kündigung ist übrigens durch § 79 nicht berührt. Dieser besteht also auch bei mündlichem Lehrvertrage (ebenso

Lewinsohn).

8 80.

§ 80.

Bei der Beendigung des Lehrverhältnisses hat der Lehrherr dein Lehrling ein schriftliches Zeugnis über die Dauer der Lehrzeit und die während dieser erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten sowie über sein Betragen auszustellen. Auf Antrag des Lehrlinges hat die Grtspolizeibehörde das Zeugnis kostenund stempelfrei zu beglaubigen. Anm. 1. 1. Bei Beendigung des Verhältnisses kann das Zeugnis

sog. Leyrzeugnis — verlangt werden, auch wenn das Verhältnis während der Probezeit durch willkürlichen Rücktritt oder während der Tauer der Lehrzeit aus wichtigem (Grunde aufgelöst wird, ja mid) dann, wenn der Rücktritt aus einem Grunde erfolgt, den der andere Teil als wichtigen nicht gelten lassen will (vgl. § 73 Anin. 1 u. 3). Andauernde Krankheit des Lehrlings ist kein Grund zur Versagung deS Zeugnisses, doch ist es dem Lehrherrn unbenommen, ge­ gebenenfalls im Zeugnis 511111 Ausdruck zu bringen, daß der Lehrling infolge seiner Krankheit nicht sämtliche für seine Ausbildung erforderlichen Kenntnisse sich habe aneignen können (BerlKfmGJ. 08, 25281). Im Falle, daß die Lehrzeit normal endigt, kann das Zeugnis schon mäßige Zeit vor der Beendigung verlangt werden, natürlich auch nach­ her (vgl. § 73 Anm. 3). Dagegen kann die Ansicht, die freilich die herrschende ist (so 5. B. Bloch 27; DürHach. zu § 80; Lehmann-Ring zu § 80), nicht geteilt werden, daß wegen der verschiedenen Fassung des § 80 und des § 73 die Erteilung des Zeugnisses hier ohne Antrag vorgeschrieben sei. Tie D. (71) läßt nicht erkennen, daß eine so außerordentliche eigentümliche Verpflichtung vorgeschrieben sein sollte; nur „ein Recht des Lehrlings auf Erteilung eines Zeugnisses" sollte vorgejchrieben iverden (ebenso Gordan 33). Die Erl. zu § 73 können zu § 80 im allgemeinen verwertet werden.

Anm. 2. 2. Inhalt des Zeugnisses. Tas hier vorgesehene Zeugnis erstreckt sich auf die Dauer der Lehrzeit, die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten und auf das Betragen des Lehr­ lings. Die Vorschrift weicht in dieser Hinsicht von der des § 73 ab. Es kann hier vom Lehrherrn nicht verlangt werden, daß er lediglich die Tauer der Lehrzeit bescheinigen und die erworbenen Fähigkeiten oder daS Betragen unberührt lassen soll. Vielmehr kann sich der Lehrherr auf den Standpunkt stellen, daß er eniiveder alles oder gar nichts be­ scheinigt. Wohl aber taun im Einverständnisse mit dem Lehrling oder seinem gesetzlichen Vertreter der eine oder andere Punkt unbescheinigt bleiben, freilich aus Gefahr des Lehr­ herrn, wenn dadurch bei einem späteren Prinzipal ein falsches Gesamtbild erzeugt wird. Die in Anm. 4 erwähnte Unverzichtbarkeit steht dem nicht entgegen; dort handelt es sich um den Verzicht auf das Zeugnis überhaupt. — In der Rege! muß das Zeugnis zum Ausdruck bringen, was der Lehrling an Kenntnissen und Fähigkeiten erworben und wie

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge.

525

er sich geführt hat. Dabei muß der Lehrherr berücksichtigen, daß es sich nicht um einen § 80. fertigen Handlungsgehilfen, sondern um einen Lernenden handelt (ArbEntschBerl. 1925 Nr. 1255). — Der Lehrherr ist berechtigt, die Gründe der Entlassung im Zeugnis anzu­ geben (OLG. Dresden in OLGR. 5, 273). Teilnahme an einem Streik kann z. B. er­ wähnt werden (KfmG. Saarbrücken im Jahrb.arbeitsr.Entsch. 1922, 45). — Vgl. noch § 73 Anm. 4. 3. Aus Ausstellung oder Berichtigung des Zeugnisses kauu der Lehrling klagen. Außer- Anm. 3. dem kann er wegen Weigerung der Berichtigung oder Ausstellung in den geeigneten Fällen Schadensersatz beanspruchen (vgl. § 73 Anm. 7). Das KfmG. ist zuständig (§ 59 Anm. 5a). — Auch dem Dritten haftet der Lehrherr bei Ausstellung eines wahrheits­ widrigen Zeugnisses nach den Grundsätzen der unerlaubten Handlung (§ 73 Anm. 8). 4. Die Bestimmung ist öffentliche« Rechts und deshalb unverzichtbar. Auch ein nach- Anm. 4. träglicher Verzicht ist deshalb unverbindlich (s. Anm. 5 zu § 73).

§ 81.

§ 81.

Personen, die nicht im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte sind, dürfen Handlungslehrlinge weder halten noch sich mit der Anleitung von Handlungs­ lehrlingen befassen. Der kehrherr darf solche Personen zur Anleitung von Handlungslehrlingen nicht verwenden. Die Entlassung von Handlungslehrlingen, welche diesem Verbote zuwider beschäftigt werden, kann von der Polizeibehörde erzwungen werden.

1. Zufolge Abs. 1 sind derartige Lehrverträge nicht ungültig (ebenso Harnapp 38; Bloch 9; Anm. 1. Gordan 14; Titze 876). Im Sprachgebrauche des BGB. wie des HGB. werden, wenn eine Handlung derartig verboten werden soll, daß die gleichwohl vorgenommene Hand­ lung unwirksam ist, die Worte „kann nicht" gebraucht; wenn aber nicht die Unwirksam­ keit, sondern andere Nachteile sich daran knüpfen sollen, wird „darf nicht" gesagt (vgl. z. B. §§ 227, 230, 238, 274, 283, 287, 288, 301 HGB.). DürHach. (Anm. 1) behaupten die Nichtigkeit; ebenso Goldmann I 395; Lehmann-Ring Nr. 1; RitterKomm. Anm. 1. Sie beziehen sich auf § 134 BGB. und darauf, daß die Durchführung des in Abs. 1 ent­ haltenen Verbots durch administrativen Zwang (§ 81 Abs. 2) und durch Strafdrohung (§ 82 Abs. 2) gesichert sei. Allein diese Gründe reichen nicht aus. Nach § 134 BGB. ist ein gesetzlich verbotenes Rechtsgeschäft nur dann nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. Hier aber ergibt sich aus der Fassung des Gesetzes ein anderes. Administrativer Zwang und Polizeistrafen machen das verbotene Rechtsgeschäft nicht notwendig ungültig, wie das Beispiel der nichtkonzessionierten Gastwirtschaft ergibt. Auch geht es nicht an, den Vertrag einseitig für den Lehrling für unverbindlich zu erklären, wie es Gareis (Lehrbuch § 21) will. Selbstverständlich aber besteht in solchem Fall ein wichtiger Grund zur einseitigen Aufhebung des Verhältnisses, und zwar für beide Teile. Der Lehrherr wird in sinngenüißer Anwendung der §§ 70, 77 schadensersatzpflichtig sein. Auch die Polizei kann die Entlassung erzwingen. Gemeint ist hierhei die tatsächliche Ent­ lassung. Zwang und Rechtsmittel bestimmen sich nach Landesrecht. 2. Zu berücksichtigen ist hier ferner § 1391 GewO., wonach auf das Halten von Lehrlingen Anm. 2. in offenen Verkehrsstellen sowie in anderen Betrieben des Handelsgewerbes (also auf jedes Halten von Handlungslehrlingen) § 128 GewO. Anwendung findet. Dieser lautet: Wenn der Lehrherr eine im Mißverhältnisse zu dem Umfang oder der Art seines Gewerbe­ betriebs stehende Zahl von Lehrlingen hält und dadurch die Ausbildung der Lehrlinge ge­ fährdet erscheint, so kann dem Lehrherrn von der unteren Verwaltungsbehörde die Entlassung eines entsprechenden Teiles der Lehrlinge auferlegt und die Annahme von Lehrlingen über eine bestimmte Zahl hinaus untersagt werden. Die Bestimmungen des § 126 a Abs. 3 finden hierbei entsprechende Anwendung.

526 § 81.

VI. Abschnitt: Handlungsgehilfen und HandlungÄehrlinge. Unbeschadet der vorstehenden Bestimmung können durch Beschluß des BundeSrats für einzelne Gewerbszweige Vorschriften über die höchste Zahl der Lehrlinge erlassen werden, welche in Betrieben dieser Gewerbszweige gehalten werden darf. Soweit solche Vorschriften nicht erlassen sind, können sie durch Anordnung der Landes-Zentralbehörde erlassen werden.

Wegen der privatrechtlichen Folgen einer Zuwiderhandlung s. Anm. 1.

8 82.

§ 82. wer die ihnr nach § 62 Abs. 2 oder nach § 76 Abs. 2, 3 dein Lehrlinge gegenüber obliegenden Pflichten in einer dessen Gesundheit, Sittlichkeit oder Ausbildung gefährdenden weise verletzt, wird mit Geldstrafe bis zu ein­ hundertfünfzig Mark bestraft. Die gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher entgegen der Vorschrift des § 8\ Handlungslehrlinge hält, ausbildet oder ausbilden läßt.

Anm. 1. I. Die Vorschrift des Abs. 1: Verletzung der Fürsorgepflicht gegenüber dem Lehr­ linge in einer dessen Gesundheit, Sittlichkeit und Ausbildung gefährden­ den Weise. Es muß zunächst der gleiche Tatbestand vorliegen, wie er den in Bezug ge­ nommenen Paragraphen zugrunde liegt. Aber außerdem muß hinzukommen, daß die Pflichtverletzung in der bezeichneten Weise gefährdend war; nicht jede Verletzung der gedachten Fürsorgepflichten fällt darunter. Vorsatz oder mindestens Fahrlässigkeit sind vorausgesetzt (vgl. Anm. 2). Der Vorschrift untersteht nur der Lehrherr, nicht auch der, dem der Lehrherr die Ausübung dieser Pflichten überträgt. Die Materialien lassen erkennen, daß dies gewollt ist (KB. 45; so auch DürHach. Anm. 1; Cadenbach, Der Lehrvertrag, Leipzig 02, S. 25). Die angedrohte Geldstrafe beträgt jetzt 1 bis 150 Reichsmark; vgl. die in Anm. 2 zu § 14 angeführten Verordnungen von 1924. Anm. 2. 2. Die Strafvorschrift deS Abs. 2 ist eine reine Polizeivorschrift. Wie alle Polizeidelikte setzt auch dieses mindestens Fahrlässigkeit voraus (Olshausen Bd. I 4. Abschn. Nr. 4 S. 210 u. Bd. II 29. Abschn. Nr. 2 S. 1418). Sie trifft den Lehrherrn, wenn er, obwohl nicht im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte, einen Handlungslehrling in seinem Geschäfte anstellt, und wenn er den Handlungslehrling durch eine nicht im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte befindliche Person ausbllden läßt; sie trifft aber in dem letzteren Falle auch die ausbildende Person.

8

82a.

§ 82 a. Auf Weltbewerbverbote gegenüber Personen, die, ohne als Lehrlinge angenommen zu sein, zum Zwecke ihrer Ausbildung unentgeltlich mit kauf­ männischen Diensten beschäftigt werden (Volontäre), finden die für Hand­ lungsgehilfen geltenden Vorschriften insoweit Anwendung, als sie nicht auf das dem Gehilfen zustehende Entgelt Bezug nehmen.

An«. 1.

Im allgemeinen. Der § 82a wurde in das HGB. eingestellt durch das Gesetz vom 10. Juni 1914 (s. § 74 Anm. 1). Er bezieht sich auf die Anwendbarkeit der Borschrifte« über daS Wettbewerbverbot ans Volontäre. Während gegenüber Handlungslehrlingen nach § 76 Abs. 1 Satz 2 Wettbewerbverbote überhaupt ausgeschlossen sind, sind sie Volontären gegen­ über grundsätzlich zugelassen. Über den Begriff der letzteren s. § 59 Anm. 10. Soweit nach den dortigen Darlegungen jemand trotz seiner Bezeichnung als Volontär rechtlich als Hand­ lungslehrling anzusehen ist, greift § 76 Abs. 1 Satz 2 (Nichtigkeit) Platz.

Anm. 2.

Ans das Wettbewerbverbot gegenüber Bolontüre« finde« die für Handlungsgehilfen geltende« Vorschriften insoweit Anwendnng, als sie nicht auf daS dem Gehilfe« zustehende

VII. Abschnitt: Handlungsagenten.

527

Entgelt Bezug nehmen. Es sind dies die §§ 74—75 f. Namentlich sind von Wichtigkeit die in § 82a. Anm. 5 zu § 75b hervorgehobenen Bestimmungen. Wird mit dem Volontär für die Wett­ bewerbbeschränkung eine Entschädigung vereinbart (§ 74 Abs. 2 schlägt nicht ein, doch ist natürlich die Vereinbarung einer Entschädigung dadurch nicht ausgeschlossen; vgl. § 75b Anm. 7), so finden auf diese im Zweifel die Vorschriften der §§ 74b Abs. 1, 74c, 75 Abs. 3 Anwendung; auch ist sie deshalb bei der Frage der Erschwerung des Fortkommens nad) § 74a Abs. 1 Satz 2 zu berücksichtigen, während dieser Gesichtspunkt für den Regelfall aus­ fällt. Vgl. für diesen Fall noch § 75e Anm. 2.

§ 83.

§ 83.

Hinsichtlich der Personen, welche in dem Betrieb eines Handelsgewerbes andere als kaufmännische Dienste leisten, bewendet es bei den für das Arbeits­ verhältnis dieser Personen geltenden Vorschriften. Der Gegenstand ist bereits im § 59 Anm. 15—22 erläutert. Vgl. noch Tit. VII der GewO., §§ 511—555 HGB. und §§ 7—25 BinnenSchiffG. sowie die Seemannsordnung über die Rechtsverhältnisse der Seemannschaft. Für das Gesinderecht sind gemäß Art. 95 EG.HGB. die landesgesetzlichen Vorschriften unberührt geblieben. Diese sind jetzt aufgehoben

Die vorstehenden Ausführungen gelten für den Fall, daß der Auftrag an den Mäkler dahin gegangen ist, ein Geschäft zu vermitteln. Ist aber dieser Auftrag nur dahin gegangen, dem Auftraggeber eine Gelegenheit zum Abschlüsse des gewünschten Vertrages (z. B. eines Verkaufes) nachzuweisen (Nachweismäkler; oben Anm. 6), dann wird eine vermittelnde Tätigkeit des Mäklers überhaupt nicht erfordert, und es genügt eine nachweisende Tätigkeit (vgl. hierzu RG. in Gruch. 24, 987). In einem solchen Falle braucht der Nachweis nur mitwirkend zu dem Erfolge des Geschäfts­ abschlusses gewesen zu sein (RGRKomm. § 652 Anm. 2). Immerhin muß daher der Nachweis zu einer Zeit erfolgt sein, zu der der in Betracht kommende Gegenstand dem Bertragsgegner als verkäuflich (bzw. als sonst für ihn in Betracht kommend) noch nicht bekannt war (Bolze 11 Nr. 317). b) Die Parteien müssen das Geschäft abgeschlossen haben, das der Auftraggeber begehrt Anm. 33. hat. Haben sie ein anderes Geschäft abgeschlossen, oder hat der eine Teil das Geschäft mit einem anderen gemacht (Bolze 6 Nr. 494), so ist grundsätzlich der Mäklerlohn nicht verdient, ebenso nicht bei Ausführung in anderer Weise (Bolze 7 Nr. 501). Der Mäkler erhält daher in der Regel die vertragsmäßige Vergütung nicht, wenn sie ihm für den Fall der Erzielung eines bestimmten Kaufpreises zugesichert war und ein geringerer er­ zielt wurde (Bolze 23 Nr. 430; ebenso RG. bei Neubauer 15; ähnliche Fälle in Bolze Staub, HGB., 12. u. 13. Aufl. Bd. I. (Bondi.) 37

578 Borbem. bet § 93,

VIII. Abschnitt: Handelsmäller.

IO Nr. 414: ausbedungen war ein schuldenfreies Grundstück; OLG. Kiel in SeuffN. 43, 162: statt Verkaufs des Grundstücks war ein Tauschgeschäft vermittelt). Allein auch hier wird vorsichtig zu erwägen sein, ob nicht der Abschluß des in veränderter Form aus­ geführten Geschäfts doch auf die Bermittlertätigkeit zurückzuführen ist, oder ob nur ge­ legentlich ein wirklich anderes Geschäft gemacht worden ist. Ter zwischen dem Auftrag­ geber und dem Mäkler abgeschlossene Vertrag ist gemäß § 157 BGB. so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern (RG. in IW. 1912, 1906; SächsOLG. 35, 226). Man kann den hier in Frage stehenden Grundsatz (vgl. RG. bei Bolze 9 Nr. 324 und in IW. 1916, 14753) auch dahin fassen: Ter Anspruch auf Pro­ vision kann nicht davon abhängen, ob das Geschäft ganz nach den ursprünglich geplanten Einzelheiten oder unter Mitwirkung der ursprünglich ins Auge gefaßten Personen zu­ stande kam, wenn nur das beabsichtigte Unternehmen als solches in seiner Wesenheit ge­ lungen und der Zweck der Unternehmung erreicht ist (Bolze 8 Nr. 431; 16 Nr. 357 und OLG. Posen in OLGR. 8, 76: die rechtliche Natur des Vertrags, ob Dienst- oder Ge­ sellschaftsvertrag, ist gleichgültig, wenn nur mit dem geschlossenen Geschäfte der gewollte wirtschaftliche Zweck — Beteiligung eines Fachmanns an der Ausbeutung eines ge­ kauften Waldes — erreicht ist; RG. in LZ. 1911, 54727: Der Mäkler hatte seine Tätigkeit für die Vermittlung eines Tauschvertrags mit P. aufgewandt, während der wirklich zu­ stande gekommene Vertrag mit D. abgeschlossen iuiirbe; Mäklerlohn wurde trotzdem zugesprochen, weil D. auf Veranlassung des P. das betreffende Haus dem Auftraggeber aufgelassen und P. dabei eine gewisse Haftung übernommen hatte). Ausführlich hierzu mit vielen Beispielen Reichel 89. Gelingt es dem Mäkler nicht, einen Geschäftsabschluß herbeizuführen, der sich im wesentlichen mit dem Inhalt des Auftrags deckt, läßt sich aber der Auftraggeber die Vermittlung des Mäklers soweit gefallen, daß er das ihm ange­ botene Geschäft anderen Inhalts abschließt, so wird dein Mäkler der Anspruch auf eine angemessene Provision nicht zu versagen sein; wobei aber als angemessen nicht etwa ohne weiteres eine Quote der versprochenen Provision im Verhältnis des geringeren Wertes des erzielten Erfolges zu dem in Aussicht genommenen Erfolge zu betrachten ist (RG. in IW. 94, 20026; anders Bolze 23 Nr. 433). Tas entspricht der Billigkeit und der regel­ mäßigen Vertragsabsicht. Deshalb ist die Entsch. des OLG. Braunschweig (ZHR. 38, 233) unzutreffend: einem Mäkler war bei Erzielung eines Kaufpreises von lOOOOO M. eine Provision von 15000 M. versprochen; erzielt wurden 90000 M.; seine Klage auf 5000 M. — Unterschied zwischen 15000 M. und dem Mindererlös von 10000 M. — wurde abgewiesen. Vielmehr wird der Mäkler in solchen Fällen mindestens so viel verlangen können, als der Verkäufer sonst trotz des billigeren Verkaufs durch Ersparung der Provi­ sion verdient (ebenso Jacusiel II 75). Freilich ist daran festzuhalten: Der bloße Umstand, daß dem Geschäftsherrn aus der Tätigkeit des Mäklers ein Vorteil zugeflossen ist, begründet allein noch leinen Anspruch auf Maklergebühr (NG. in IW. 1911, 9393; KG- in OLGR. 18, 17); auch nicht der wirtschaftliche Erfolg allein (RG. im „Recht" 1913 Nr. 671). Ist es aber infolge der Tätigkeit des Mäklers zum Abschlüsse eines Vertrags gekommen, so ist für die Beantwortung der Frage, ob dies das vom Auftraggeber begehrte Geschäft war, das Schwergewicht weniger auf die juristische Gestalt als auf den wirtschaftlichen Erfolg zu legen (RG. in LZ. 1911, 54727). Auch ist zu prüfen, ob nicht in der Fortsetzung der Tätigkeit des Mäklers, die der Auftraggeber sich gefallen läßt (Anm. 10a), und in dem Abschlüsse des Vertrags in Kenntnis dieser Tätigkeit ein stillschweigend zustande gekommener neuer Provisionsvertrag liegt (NG. 1920, 4912 und Anm. dazu von Bondi). Anm. 34. 4. Richt vorausgesetzt ist die persönliche Tätigkeit des Mäklers. Es ist ihm im Zweifel nicht verwehrt, sich Gehilfen, sog. Unter- oder Zwischenmäkler, zu bestellen (Bolze 5 Nr. 579; OLG. Marienwerder in OLGR. 4, 47). Uber das Verhältnis zwischen Haupt­ mäkler und Untermäkler s. RG. 88, 1 und IW. 1918, 301 (Anm. von Bondi dort und in IW. 1916, 585); RG. in LZ. 1920, 158; KG. in OLGR. 22, 325; Reichel 125 u. 188; Jaff6 im „Recht" 1919, 152. Uber die Vertretungsmacht des Untermäklers vgl. RG. im

579

Vorbemerkung vor § 93: Die Zivilmäkler.

„Recht" 1920 RsprBeil. Nr. 3106. Der Kernpunkt ist, daß der Hauptmäkler gegenüber Borbem. dem Untermäkler der Bestimmende bleibt, ihn aber ebensowenig arglistig ausschalten darf bot § 93. wie der Geschästsherr den Mäkler. Den Anspruch gegen den Auftraggeber hat regelmäßig nur der Hauptmäkler, der aber auch für seine Untermäkler haftet (z. B. bei Unredlichkeit, Übernahme widerstreitender Aufträge usw., § 278 BGB.; Näheres Anm. 35, 37f.). Da­ her haftet, wenn die Provision in Erwartung des Zustandekommens des Geschäfts vor­ zeitig bezahlt worden ist, bei dessen Nichtzustandekommen der Hauptmäkler, der seinem Untermäkler einen Teil dieser noch nicht endgültig verdienten Provision abgegeben hat, dem Auftraggeber für die Rückzahlung des ganzen Betrags (RG. in BayZ. 1919, 283). Soll der Untermäkler gemeinsam mit dem Hauptmäkler gegenüber der Partei pro­ visionsberechtigt sein, so muß dies besonders zum Ausdruck kommen; hierbei ist das Ver­ halten des einen so zu beurteilen, als Hütten beide gehandelt, wie zum Vorteil, so auch zum Nachteil, so daß z. B. ein Verstoß des einen gegen die Vertragstreue (Anm. 37, 38) die Provisionsansprüche beider beseitigt (OLG. Posen in OLGR. 6, 87). Der Haupt­ mäkler hat auch dafür zu sorgen, daß ersichtlich werde, es handele der Zwischenmäkler in seinem Auftrage, damit der Provisionsanspruch bei Festsetzung der Vertragsbedingungen in Rechnung gezogen werden kann. Unterläßt er dies, so fällt sein Anspruch fort (Bolze 1 Nr. 974; ZHR. 22, 263; Neubauer 18; vgl. auch Anm. 29). Selbstverständlich kann auch vereinbart werden, daß der Mäkler keines Untermäklers sich bedienen darf; ebenso, daß er nur persönlich tätig werden soll. Ist der Mäklervertrag ausnahmsweise als Dienstvertrag abgeschlossen, d. h. so, daß der Mäkler die Verpflichtung zur Ausübung der Vermittlungstätigkeit übernommen hat (Anm. 2), so hat er im Zweifel die ihm übertragene Tätigkeit selbst zu entfalten (§ 613 BGB.). Allein auch in solchen Fällen, wie in allen anderen, ist im Zweifel anzunehmen, daß er Gehilfen verwenden darf, die z. B. die schriftlichen Arbeiten besorgen, Besichtigungen vornehmen, Erkundi­ gungen einziehen, Telephongespräche erledigen u. dgl. Für diese seine Erfüllungsgehilfen haftet der Mäkler nach allgemeinen Grundsätzen (Anhang zu § 58 Anm. 51 ff. und unten Anm. 37; vgl. OLG. Hamburg in OLGR. 41, 199; RG. in BayZ. 1922, 46). C. Trotz dieser Voraussetzungen ist der Maklerlohn nicht verdient, wenn der Mäkler wider- Anm. 35. streitende Interessen vertreten hat oder, wie § 654 BGB. sagt, wenn der Mäkler dem Inhalte des Vertrags zuwider auch für den anderen Teil tätig gewesen ist. Das Gesetz steht also auf dem Standpunkte, daß die Übernahme der Vermittlung für beide Teile nicht notwendig eine Vertragswidrigkeit bedingt, daß es aber der Fall sein kann, und daß der Mäkler sich dieses Toppeldienstes enthalten muß, wenn er zu einem Widerstreit der Interessen führen kann; alsdann ist er dem Inhalte des Vertrags zuwider. Zur An­ wendung des § 654 BGB. ist nicht erforderlich, daß der Mäkler für den anderen Teil auf Grund eines von diesem ihm erteilten Auftrags tätig gewesen ist (RG. im „Recht" 08 Nr. 496). Doch genügt nicht eine nur nachweisende Tätigkeit (RG. in IW. 1922, 1647). Der gesetzgeberische Grund des § 654 ist die Vertragswidrigkeit, deren Vorliegen in jedem einzelnen Falle seiner Anwendung zu prüfen ist. Dabei sind die Verhältnisse des einzelnen Falles zu berücksichtigen (RG. in LZ. 1920, 798). § 654 ist eine Sonder­ bestimmung, neben welcher nicht noch Raum für die Prüfung ist, ob etwa ein Vertreten widerstreitender Interessen durch den Mäkler gegen § 138 BGB. verstößt (OLG. Stutt­ gart in DIZ. 1910, 1303). Durch die Übernahme und Allsbildung widerstreitender Aufträge verwirkt der Mäkler seinen Provisionsanspruch, allerdings nur, wenn er ohne Vorwissell des Auftraggebers dies tut (RG. in IW. 1913, 200"). Anders bei dessen Einver­ ständnis (RG. ebenda 1913, 6414). Vertritt der Mäkler mit Wissen beider Teile die beiden Vertragsparteien, so kann er bei Zustandekoinmen des Geschäfts im Zweifel von beiden Teilen Mäklerlohn beanspruchen; es trifft sogar unter Umständen § 653 Abs. 1 BGB. zu (stillschweigende Vereinbarung des Maklerlohns; vgl. OLG. Rostock in OLGR. 20,

37*

580

Vorbem. Vor § 93.

Vni. Abschnitt: Handelsmäkler.

215). — Auch auf Umwegen darf die Übernahme widersprechender Aufträge nicht et« reicht werden; so z. B. wenn zwei Mäkler sich derart geheim verbinden, daß jeder von ihnen einer Partei als Mäkler dient (Rocholl, Rechtsfälle des RG. II 95). Als unzulässig gilt es auch, wenn der Mäkler dem zugeführten Käufer gegenüber, sei es auch nur münd­ lich, sich verpflichtet, ihm das Grundstück wieder abzukaufen (Bolze 10 Nr. 415), oder wenn der Mäkler sich bei dem Bertragsgegner an dem Geschäfte geheim beteiligt. Ob der Mäkler bei seinem Doppeldienste den einen oder den anderen Teil wirklich schädigt, sein Interesse wirklich verletzt, ist nicht erheblich. Die Vergütung ist verwirkt, wenn es als Vertragswidrigkeit und als gegen Treu und Glauben verstoßend (OLG. Posen in OLGR. 20, 217) angesehen werden muß, beiden Teilen als Vermittler zu dienen, und der Mäkler dies dennoch getan hat. Aber in der bloßen Entgegennahme des Provisions­ versprechens von der anderen Seite liegt eine solche Pflichtverletzung nicht; § 654 BGB. setzt voraus, daß der Mäkler dem Inhalte des Vertrags zuwider tätig gewesen sei (RG. in IW. 85, 16327). Noch weniger liegt sie darin, daß man hinterher nach Abschluß des Geschäfts eine Vergütung von der anderen Seite annimmt (Bolze 11 Nr. 314; IW. 02, 371"); ferner nicht darin, daß man zuerst als Vermittler für die eine Partei auftritt, so­ dann aber diese Rolle aufgibt und sich in die Vermittlerdienste der anderen Partei begibt (Bolze 19 Nr. 455); auch nicht in der Vereinbarung einer weiteren Provision für späteren Weiterverkauf des Grundstücks seitens des jetzigen Erwerbers (RG. im „Recht" 09 Nr- 224ö). Weiteres hierzu vgl. geiler in Bang. 08, 395 ff. Doch gelten die für den Widerstreit der Interessen entwickelten Sätze nur bei wirk­ lichen Vermittlungen, nicht bei Nachweisungen und sonstiger rein tatsächlicher Tätig­ keit, z. B. nicht, wenn die Tätigkeit nur darin besteht, die Parteien einander zuzuführen (RG. in IW. 96, 254" und im SächsA. 10, 239, sowie OLG. Braunschweig in OLGR. 22, 323). Geht der Auftrag nur aus den Nachweis (z. B. eines Käufers oder Verkäufers), so ist es mit dem Auftrage nicht unvereinbar, daß der Mäkler auch im Interesse des anderen Teils tätig ist (Mot. BGB. II 515). Nur ist auch ein Nachweismäkler verpflichtet, sich nach der Zuweisung jeder Handlung, die aus die Verhinderung des Zustandekommens des Vertrags abzielt, bei Vermeidung des Verlusts des Provisionsanspruchs zu ent­ halten (RG. in SächsA. 10, 238), denn zu seinen vertragsmäßigen Leistungen gehört auch ein dem Vertrage entsprechendes späteres Verhalten. Uber Tätigkeit der Stellenvermittler (Anm. 44) für beide Vertragsteile s. Stellen­ vermittlergesetz § 5.

Anm. 35a.

An«. 36.

Zusatz. Über die Frage, ob ein Mäklervertrag wegen Vereinbarung übermäßigen Lohnes nichtig sein kann, s. Anm. 12. Über die Frage, ob er aus anderen Gründen, namentlich wegen Verstoßes gegen die guten Sitten, nichtig ist, entscheiden die allgemeinen Be­ stimmungen (Anhang zu § 346 Anm. 1 ff.; vgl. auch oben Anm. 21). Ein Verstoß gegen die guten Sitten kann auch darin liegen, daß der Mäkler und der Geschästsherr sich zu geniein­ samer arglistiger Täuschung des Dritten verabreden, daß sie z. B. den Dritten (etwa eine Behörde), weil sie wissen, daß dort die Zulassung von Vertretern grundsätzlich abgelehnt wird, über die Mitwirkung eines Vermittlers planmäßig täuschen (RG. in LZ. 1920, 40, wo auch dargelegt ist, daß ein Anschlag in dem betreffenden Geschäftszimmer „Vertreter verbeten" nicht genügt).

III. Rechtliche Wirkungen des Mäklervertrags. A. Der Auftraggeber ist zur Zahlung der Mäklergebühr verpflichtet, wenn die ebengedachten Voraussetzungen vorliegen. Er ist außerdem verpflichtet, dem Mäkler Auskunft über den erfolgten Abschluß zu geben, auch nach Befinden ihm die über das Geschäft etwa errichtete Urkunde vorzulegen. Hierzu s. Reichel, Anspruch des Mäk­ lers auf Mitteilung und Aufklärung über den Vertragsabschluß, im SächsAR. 1912, 433.

An«. 37. L. Der Mäkler ist zunächst zu keiner Tätigkeit verpflichtet (Anm. 2, vgl. aber Anm. 39). übt er sie jedoch aus, so muß er dies im Interesse seines Auftraggebers tun. Diesem

Vorbemerkung vor § 93: Die Zivilmäkler.

581

gegenüber liegt ihm eine Treupslicht ob, die Pflicht zur Müklertreue (RG. in SeuffA. Vordem. 66 Nr. 73; Gruch. 45, 1012; IW. 1910, 28415; Staudinger § 652 Anm. II, 1). bot § »3. 1. Er haftet für Nichtausübung seiner Pflichten in derselben Weise, wie auch sonst jeder seine und seiner Gehilfen Handlungen zu vertreten hat, d. h. er hastet für eigenen Vor­ satz und für eigene Fahrlässigkeit und für Vorsatz und Fahrlässigkeit seiner Gehilfen (§§ 276, 278 BGB.), auch seines Untermäklers (Anm. 34; OLG. Hamburg in OLGR. 36, 268). Ist der Mäkler Kaufmann (Anm. 8), so tritt an die Stelle der Fahrlässigkeit, d. h. der Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, nach § 347 HGB. die Ver­ letzung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns. Zufolge § 278 BGB. hat der Mäkler in solchem Falle auch bei seinen dort genannten Gehilfen dafür einzustehen, daß sie die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht verletzen. Dabei ist hervorzuheben, daß dem Mäkler keine Verpflichtung obliegt, die Zahlungsfähigkeit des Vertragsgegners oder die Eigenschaften der von diesem zur Erfüllung angebotenen Gegenstände zu prüfen, so daß ihn eine Verantwortlichkeit in dieser Hinsicht nicht ohne weiteres trifft (Anm. 25). Wenn er aber Versicherungen abgibt, so hastet er für ein ihn hierbei treffendes Verschulden; sicherlich für Arglist (Bolze 4 Nr. 646); aber auch für Fahrlässigkeit bzw. Verletzung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns, sei es, daß er die Zahlungsunfähigkeit der Gegen­ partei oder die Mängel des Erfüllungsgegenstandes hätte kennen sollen und dennoch das Gegenteil versicherte, oder daß er dies ohne Prüfung tat (Bolze 3 Nr. 643), wobei jedoch wirkliche Zusicherungen von landläufigen Anpreisungen wohl zu unterscheiden sind. Immer­ hin kann § 463 BGB. aus die Haftung aus dem Mäklervertrage nicht angewendet werden (RG. in LZ- 1916, 305"). Der Mäkler hat ferner während der ganzen Dauer des Mäkler­ verhältnisses die Pflicht, seiner Partei ihm bekannte Umstände anzugeben, welche diese, falls sie ihr bekannt gewesen wären, von dem Vertragsabschlüsse abgehalten hätten, z. B. die ihm bekannte Zahlungsunfähigkeit der anderen Partei (Rocholl, Rechtsfälle des RG. II 96; Bolze 4 Nr. 647; RG. bei Gruch. 45, 1011; KG. in OLGR. 2, 119 u. 40, 330; OLG. Karlsruhe im „Recht" 04, 251), oder die ihm bekannten Mängel des Hauses, dessen Ankauf er vermittelt (RG. in SeusfA. 56 Nr. 75; IW. 1910, 284"). Endlich darf er seine Partei darüber nicht täuschen, ob der Vertrag wirklich abgeschlossen ist. In diesem Falle wird er ihr verantwortlich, vorausgesetzt, daß dies schuldhasterweise geschah (ROHG. 4, 415). Überhaupt hat der Mäkler die Pflicht, seinen Auftraggeber über seine Tätigkeit auf dem lausenden zu erhalten; Zuwiderhandlung macht ihn schadensersatzpflichtig und kann nach Befinden dem Auftraggeber das Recht geben, das Provisionsversprechen wegen arglistiger Täuschung anzufechten (RG. in DIZ. 1912, 515). — Unter Umständen schließt die Inanspruchnahme des Mäklers für diesen die Verpflichtung in sich, seinem Auftrag­ geber mit Rat beizustehen, so daß sich diese Ratserteilung zu einer Nebenverpflich­ tung des Mäklers gestaltet; hierüber entscheiden die Umstünde des Einzelfalles (OLG. Hamburg in OLGR. 20, 219). Z. B. muß der ein Grundstücksgeschäft vermittelnde Haus­ mäkler seinen rechtsunkundigen Auftraggeber darüber belehren, daß nach § 313 BGB. gerichtliche oder notarielle Beurkundung erforderlich ist. Sonst macht er sich nach Be­ finden schadensersatzpflichtig (OLG. Hamburg im „Recht" 1916 Nr. 1100). 2. Er hat hier überall den Schaden zu ersetzen, den er durch seine Handlungs-Anm. 38» weise verursacht hat; dazu tritt unter Umständen — sei es auf Grund der Einrede des nicht erfüllten Vertrags, sei es auf Grund der Einrede der Arglist — der Verlust des Anspruchs auf Müklerlohn (IW. 00, 44 8 28; 1910, 284"; SeuffA. 56 Nr. 73; Gruch. 45, 1012; OLG. Hamburg in OLGR. 24, 387; vgl. auch dasselbe OLG. ebenda 22, 321; Reichel 236ff.). Das gleiche gilt, wenn der Mäkler gegen die Mäklertreue dadurch verstößt, daß er zu falschen Angaben über einen wesentlichen Umstand anstiftet (RG. im „Recht" 07, 1401; KG. in OLGR. 20, 217), oder daß er in anderer Weise den Interessen seines Auftraggebers schuldhaft zuwiderhandelt (RG. in LZ. 1920, 758). — Der Mäkler hastet, wenn er seinen Auftraggeber in den Glauben versetzt hat, der Vertrag sei abge­ schlossen, nicht für den entgangenen Gewinn, das Ersüllungsinteresse, sondern nur für

582

VIII. Abschnitt: Handelsmäkler.

BvrbkM. vor 8 »3.

das negative Bertragsinteresse, d. h. für die Folgen von Handlungen und Unterlassungen, die auf jenen Irrtum zurückzuführen find, z. B. wenn die Partei infolgedessen es unter­ lassen hat, anderweit abzuschließen (Bolze 3 Nr. 637; RG. in ZHR. 34, 575f.; vgl. auch RG. 12, 21). Anders, wenn durch sein Verschulden der Vertrag nicht zustande gekommen ist; in diesem Falle haftet er auch für den entgangenen Gewinn (OG. Wien in BuschA. 41, 130). Hat der Makler ohne Verschulden etwas Unrichtiges berichtet, z. B. eine schwierige Rechtslage unzutreffend beurteilt, so besteht keine Haftung (OLG. Ham­ burg in LZ. 1917, 766^). — Der Mäkler verstößt auch dadurch gegen seine Treupflicht, daß er dem Vertragsabschluß entgegen wirkt. Auch solches Verhalten, als welches jedoch das bloße Nachweisen anderer Vertragsgelegenheiten nicht anzusehen ist, zieht Schadensersatzpflicht und Verlust des Maklerlohns nach sich (OLG. Posen, Bamberg und Kolmar in OLGR. 6, 87; 12, 85 u. 87; SeuffA. 56, 41 f.). — Bei vertragswidrigem Verhalten des Mäklers kann der Auftraggeber auch dann den Auftrag widerrufen, wenn er diesen fest (unwiderruflich) erteilt hatte (KG. in OLGR. 22, 322). Anm. 39. 3. Hinzuzufügen ist (vgl. Anm. 2 u. 5), daß der Mäkler auch die Verpflichtung zur Ausübung der Bermittlungstätigkeit übernehmen kann. Er kann in diesem Falle auf Vor­ nahme der zugesagten Vermittlungstätigkeit verklagt werden. Nur wird die Klage kaum praktischen Erfolg haben. Dagegen wird Schadensersatz wegen Unterlassung, insbesondere nach § 283 BGB., in manchen Fällen begründet werden können (so Dernburg II § 338). Das Vorliegen eines Dienstvertrags in diesem Falle (Anm. 2) hat besondere Folgen. So darf der Mäkler z. B. einen solchen Auftrag nicht kündigen, außer aus wichtigen Gründen (§ 626 BGB.). — In den seltenen Fällen endlich, in denen der Mäkler die Verpflichtung zur Herbeiführung des Abschlusses übernimmt, greifen auch die Regeln vom Werkverträge Platz. Anm. 40.

IV. Verjährung der Ansprüche des Mäklers.

Der Anspruch des Mäklers verjährt, wenn er ein gewerbsmäßiger Mäkler ist, nach § 196 Nr. 7 BGB. regelmäßig in zwei Jahren. Das gleiche gilt, wenn er Kaufmann ist (Anm. 8). In diesem Falle kommt es nicht darauf an, ob er gewerbsmäßiger Vermittler ist oder nicht; auch wenn jemand, der aus sonstigen Gründen Kaufmann ist, eine Vermittlungsprovision verdient, verjährt sie in zwei Jahren (§ 196 Nr. 1 BGB.; O2G. Dresden in SeuffA. 73, 186). Ist der Mäkler Kaufmann, so tritt an die Stelle der zweijährigen dann eine vierjährige Ver­ jährung, wenn außerdem auch der Auftraggeber Kaufmann ist oder das vermittelte Geschäft sonst zu seinem Gewerbebetriebe gehört (§ 196 Nr. 1 und Abs. 2 BGB.). Ist endlich der Vermittler weder gewerbsmäßiger Vermittler noch Kaufmann, so verjährt der Anspruch in 30 Jahren. Die hier erwähnten kurzen Verjährungen beginnen mit dem Schlüsse des Fälligkeitsjahres (§ 201 BGB.). Anm. 41.

V. Hilfsmittel zur Durchführung der Mäkleranfprüche.

Zur Durchführung seiner Ansprüche steht dem Mäkler, wenn seine Gebühr in einem Bruchteile des Gewinns am vermittelten Geschäft besteht, das Recht auf Rechnungslegung zu, das sich in der Vorlegung der Bücher erschöpft, falls dadurch die Rechnung als ge­ nügend gelegt gelten kann, sonst auf weitere Rechnungslegung (vgl. RG. bei Gruch. 38, 1130). Anm. 43.

VI. Erfüllungsort.

Der Erfüllungsort richtet sich nach § 269 BGB., auch bei dem Handelsmükler (RG. bei Gruch. 38 Beil. S. 1136). Daß dort, wo das vermittelte Darlehn zu zahlen ist, auch die Provision zu zahlen sei, läßt sich nicht begründen (vgl. Bolze 18 Nr. 303). Vgl. Anhang zu § 372 Anm. 4 ff. Anm. 42a.

VII. Einige EndigungSgründe deS Mäklervertrags.

A. Durch den Tod deS Auftraggebers, auch vor dem Zustandekommen des zu vermittelnden Geschäfts, werden die Rechte und Pflichten der Vertragschließenden nicht geändert;

Vorbemerkung vor § 93: Die Zivilmäkler.

583

namentlich bleibt auch das beiderseitige Recht jederzeitiger Kündigung bestehen (Sinnt. Borbem. 2 u. 17). Die Rechte und Pflichten des Auftraggebers gehen auf seine Erben über (RG. bot § »3.

47, 255; ebenso jetzt Jacusiel II 100; a. M. Riesenfeld bei Gruch. 37, 580f. und Neubauer 30, nach deren Ansicht der Mäklervertrag aufgehoben wird), es sei denn, daß das Abschlußinteresse ein höchst persönliches war (Reichel 216). Die Maklergebühr ist also auch dann verdient, wenn die Erben, die das Geschäft abschließen, keine Kenntnis von dem Mäklervertrage haben; nur müssen sie bei Abschluß des Geschäfts Kenntnis von der Ver­ mittlertätigkeit haben (RG. 47, 255).

B. Tod sowie Geschäftsunfähigkeit deS Mäklers heben im Zweifel den Vertrag auf. 0. Der Konkurs des Auftraggebers wird für die Regel den Vertrag aufheben, dagegen der des Mäklers nicht ohne weiteres; die für den Agenturvertrag (§ 92 Sinnt. 12, 13) entwickelten Grundsätze sind mit den aus der Verschiedenheit des Rechtsverhältnisses sich ergebenden Abänderungen entsprechend anwendbar (Lehmann-Ring § 93 Nr. 2; Jaeger § 22 Sinnt. 10, § 23 Sinnt. 7; Planck, Vordem. III vor § 652 BGB.). VIII. Pflichten des Mäklers gegenüber der anderen Partei.

«nm. 43.

Der Zivilmäkler tritt zu der anderen Partei in kein vertragliches Verhältnis, was einen der Hauptunterschiede zwischen ihm und dem Handelsmäkler bildet (übereinst. Dernburg II § 339; Endemann, Handelsrecht § 165; s. § 93 Sinnt. 6 u. § 98; a. M. Riesenfeld bei Gruch. 37, 273). Aber wenn er auch zu der anderen Partei in keinem vertraglichen Verhältnis steht, so tritt er doch zu ihr in nahen geschäftlichen Verkehr und hat daher die allgemeine Pflicht der Redlichkeit, deren Verletzung ihn auch dieser Partei gegenüber ersatzpflichtig macht, wenngleich aus einem anderen Rechtsgrunde, nämlich auf Grund der Vorschriften über außer­ vertragliche Rechtsverletzungen. Eine unerlaubte Handlung muß also vorliegen; bloßes Versehen genügt nicht, wenn die sonstigen Voraussetzungen einer unerlaubten Handlung nicht vorliegen, wie dies auch im Slnhang zu § 58 Sinnt. 75, 83 ausgeführt ist (vgl. RG. 63, 146; ferner RG. 30, 50 und § 84 Sinnt. 31 für den ähnlichen Fall des Agenten). Unter Umständen kann in einer Zusicherung des Mäklers an die Gegenpartei auch die vertragsmäßige Über­ nahme einer Gewähr gefunden werden; dann haftet er aus dieser (RG. in IW. 1917, 101®). Steht ausnahmsweise der Mäkler zu beiden Teilen in einem Vertragsverhältnis (Anm. 35 Abs. 2), dann besteht eine vertragsmäßige Haftung nach beiden Seiten (OLG. Hamburg in OLGR. 36, 115). Hat der Mäkler als Vertreter ohne Vertretungsmacht abgeschlossen, so haftet er nach § 179 BGB. (Anhang zu § 58 Anm. 111 ff.). Wegen der Frage, wie ein Betrug des Mäklers gegenüber der anderen Partei auf den Bestand des Vertrags wirkt, vgl. § 84 Sinnt. 31 letzter Absatz. IX. Gewerberechtliche Borschristen.

Für gewisse Klassen gewerbsmäßiger Mäkler enthalten die GewO, und das Stellenvermittlergesetz (Rges. vom 2. Juni 1910) öffentlich-rechtliche Vorschriften. Gewerbsmäßige Vermittler für Grundstücksverträge, Darlehen oder Heiraten haben vor Eröffnung ihres Gewerbebetriebs der zuständigen Behörde Slnzeige zu machen. Ihnen kann der Gewerbebetrieb untersagt werden, wenn Tatsachen vorliegen, welche ihre Unzuverlässigkeit in bezug auf diesen Gewerbebetrieb dartun (§ 35 GewO.); s. dazu oben Sinnt. 12 a. E. Zuwiderhandlungen sind mit Strafen bedroht (§§ 147, 148 GewO.). Aber die abgeschlossenen Mäklerverträge sowie die vermittelten Geschäfte sind gültig (Riesenfeld bei Gruch. 36, 815). Die Gesindevermieter und Stellenvermittler bedürfen auf Grund des Stellen­ vermittlergesetzes einer Erlaubnis. So auch jemand, der nur nebenbei, um seinen Kunden gefällig zu sein und dadurch Vorteile zu haben, kostenfrei regelmäßig Stellen vermittelt (LG. II Berlin in DIZ. 1915, 420). Unter die Stellenvermittler fallen u. a. auch die Theateragenten (§ 93 Sinnt. 4), die Heuerbaase und die Herausgeber von sog. Stellen- und

Anm. 44.

584

VIEL Abschnitt: Handelsmäkler.

Borbem. Vakanzenlisten. Alle diese Vermittler unterliegen hinsichtlich ihrer Gebühren gewissen, auch Vor A SS. privatrechtlich wirksamen Beschränkungen und Taxen (Anm. 11). Betträge, welche die Taxen überschreiten, sind zivilrechtlich nichtig (§§ 134, 139 BGB.). Bei Zuwiderhandlungen drohen Entziehung der Erlaubnis und Strafen. Die vorstehend gedachten gewerbsmäßigen Vermittler sind nicht Kaufleute nach $ 1 Nr. 7, doch möglicherweise Kaufleute nach § 2 (vgl. KG. in RIA. 9, 33). Näheres oben Anm. 8. Dott s. auch über die Buchführung.

§ 93.

§ 93.

wer gewerbsmäßig für andere Personen, ohne von ihnen auf Grund eines Vertragsverhältnisses ständig damit betraut zu sein, die Vermittelung von Verträgen über Anschaffung oder Veräußerung von waren oder Wert­ papieren, über Versicherungen, Güterbeförderungen, Bodmerei, Schiffs­ miete oder sonstige Gegenstände des Handelsverkehrs übernimmt, hat die Rechte und Pflichten eines Handelsmäklers. Auf die Vermittelung anderer als der bezeichneten Geschäfte, insbesondere auf die Vermittelung von Geschäften Über unbewegliche Sachen, finden, auch wenn die Vermittelung durch einen Handelsmäkler erfolgt, die Vorschriften dieses Abschnitts keine Anwendung. Einleitung.

Lit.: Vgl. die Angaben in der Vordem. vor § 93; ferner Laband in ZHR. 20, Grünhut bei Endemann III 132ff.; Cohen bei Holdheim 06, 248.

1 ff.;

Unter den Handelsmäklern versteht das HGB. nicht die amtlichen HandelSmäkler, sondern die Privathandelsmäkler. Die Einrichtung der früheren amtlichen Handelsmäkler, die aus dem Mittelalter stammt (in Italien hießen sie „Sensale", in Frankreich „courtiers“ von cursores, Gierke § 32), ist jetzt gänzlich abgeschafst. Zur Mitwirkung bei der Kursfest­ stellung dienen jetzt die KurSmäkler. Diese müssen aber aus der Reihe der — nun nicht mehr amtlichen — Handelsmäkler hervorgehen, sie müssen, solange sie die Tätigkeit als Kurs­ mäkler ausüben, die Vermittlung von Börsengeschäften in den betreffenden Waren oder Wertpapieren betreiben (Anm. 5; § 30 BörsG.). Auch sonst können die Privathandelsmäkler zu gewissen Tätigkeiten, Verkäufen und Käufen, öffentlich bestellt werden, entweder rcichsrechtlich (Anm. 5) oder landesrechtlich (z. B. Vornahme gewisser Schätzungen nach der Mecklenb.-Schwerinschen AusfB. zum HGB. §§ 2—5). Aber durch diese öffentlich-rechtlichen Tätigkeiten ändert sich nicht die Rechtsstellung der Handelsmäkler, ihre vermittelnde Tätig­ keit behält ihren privaten Charakter, sie bleiben daher Privathandelsmäkler, sind insbesondere Kaufleute und haben alle Verpflichtungen solcher, auch die Verpflichtung zur Führung von Handelsbüchern und zur Eintragung in das Firmenregister (vgl. Anm. 5 und § 1 Anm. 77). Übereinstimmend unter eingehender Darlegung OLG. Dresden in OLGR. 8, 245ff. In §§ 93—104 sind die Rechtsverhältnisse der Handelsmükler geregelt. Soweit diese Bestimmungen Lücken lassen, finden sie ihre Ergänzung durch die Bestimmungen der §§ 652 ff. BGB., sofern nicht etwa die Verschiedenheit des rechtlichen Charakters der beiden Arten von Mäklertätigkeit solche ergänzungsweise Anwendung ausschließt (RG. 101, 210 und bic dott. Zit.). Bgl. daher Vordem, vor § 93.

Der vorliegende Paragraph bestimmt den Begriff detz HandelSmäklerS. Handels­ mäkler ist, wer gewerbsmäßig für andere Personen, ohne von ihnen auf Grund eines Vertragsverhältnisses ständig damit betraut zu sein, die Ver­ mittlung von Verträgen über Gegenstände des Handelsverkehrs übernimmt,

«nm. 1. I. Gewerbsmäßig muß die Übernahme der Vermittlungen erfolgen, über den Begriff der Gewerbsmäßigkeit s. § 1 Anm. 6ff. Wer nur gelegentlich einen Auftrag zur Vermitt-

VHI. Abschnitt: Handelsmäkler.

585

lung eines Vertrags über einen Gegenstand des Handelsverkehrs übernimmt, ist kein § 93. Handelsmäkler, der betreffende Vertrag ist ein Zivilmäklervertrag (Vorbem. vor § 93 Anm. 3). 2. Der Handelsmäkler ist nicht ständig mit der Vermittlung von einer Partei betraut, d. h. Anm. 2. er ist nicht von einer Partei vertragsmäßig zur ständigen Vermittlung von Geschäften für sie bestellt. Das ist der Unterschied vom Handlungsagenten (zust. OLG. Hamburg in OLGR. 2, 383). DürHach. (Anm. 2) weisen darauf hin, daß sich der Unterschied auch in der Bezeichnung Handelsmäkler und HandlungSagent ausdrücke, weil letzterer bei seiner Tätigkeit notwendig mit dem Interesse einer Handlung, eines Geschäfts, verknüpft sei. Vgl. hierzu und über Fälle, wo Agentur und Müllerei sich kreuzen, Wüstendörfer in ZHR. 58, 129, sowie bei uns § 84 Anm. 7.

3. Die Vermittlung von Verträgen ist der Gegenstand seiner Tätigkeit. Das Gesetz geht also Anm. S. davon aus, daß die bloße Nachweistätigkeit, auch wenn sie gewerbsmäßig betrieben wird, und auch wenn durch sie Verträge über Gegenstände des Handelsverkehrs zustande kommen, den Vermittler nicht zum Handelsmäkler macht (D. 81). Allein in der Praxis verschwindet dieser Unterschied meist. Denn gerade die Handelsmäkler üben in bezug auf das Zustandekommen des Geschäfts eine sehr geringe vermittelnde Tätigkeit aus. Sie reden nicht zu, sie bearbeiten nicht den einen Teil, sondern sie führen die Parteien nur zusammen und stellen dann allerdings zum Zeichen des Abschlusses Schlußnoten zu. Aber eine eigentliche vermittelnde Tätigkeit liegt gerade diesen Mäklern in der Regel fern. Man würde daher, wollte man das Merkmal der Vermittlung im Gegensatz zum bloßen Nachweis allzu sehr betonen, den Kreis der Handelsmäkler über Gebühr einengen (zust. RG. in LZ. 1916, 754). Es ist das auch nicht nötig, weil ja in der bloßen Zuführung des zum Vertragsabschluß geneigten Vertragsgegners die Vermittlung dann liegt, wenn eine wertere Vermittlungstätigkeit nicht erforderlich ist (Vorbem. vor § 93 Anm. 32). Jeden­ falls aber ist festzuhalten, daß die Handelsmäkler nicht mehr zu tun haben, als zu ver­ mitteln. Sie haben nicht abzuschließen, sondern den Abschluß herbeizuführen und den erfolgten Abschluß zu beurkunden (ROHG. 4, 412). Der Handels­ mäkler kann aber als Beauftragter bestellt werden. So z. B. im Falle des § 95: Wenn nämlich der Verkäufer vom Mäkler eine Schlußnote mit dem Vermerk „Aufgabe des Käu­ fers vorbehalten" angenommen hat, so gilt der Mäkler als zum Abschlüsse mit einem ein­ wandfreien Käufer beauftragt (RG. 24, 64).

4. Auf Gegenstände deS Handelsverkehrs müssen sich die Verträge beziehen, die der Handels-Anm. 4. Mäkler vermittelt; bei „Gegenständen" ist nicht etwa an körperliche Sachen zu denken. Das Gesetz hebt als solche Verträge besonders hervor: Verträge über die Anschaffung und Veräußerung von Waren oder Wertpapieren, über Versicherungen, Güterbeförderung (vgl. RG. 97, 218), Bodmerei, Schiffsmiete. Zu den erstgenannten gehören auch Ver­ träge über den Erwerb von Edelmetallen, Geldsorten und Wechseln sowie von Schiffen (D. 81). Auch Patente sind Gegenstände des Handelsverkehrs (die Patentanwälte also sind, sofern sie sich gewerbsmäßig mit der Vermittlung von Patentveräußerungsgeschästen befassen, Handelsmäkler; vgl. § 1 Anm. 84); ferner die Geschäfte des Bankgewerbes (z. B. Vermittlung von Wechseldiskontgeschüften); nicht dagegen Hypothekengeschäfte, wohl aber Bankkredit gegen hypothekarische Sicherheit (Vorbem. vor § 93 Anm. 1); nicht die Tätig­ keit bei der Gründung von Gesellschaften oder überhaupt die Vermittlung kaufmännischer Gesellschaftsvertrüge (zust. Goldmann 1435; OLG. Hamburg in OLGR. 2,251; weiter gehend Lehmann-Ring § 1 Nr. 67); nicht die Tätigkeit bei der Vermittlung von Mieträumen, und seien es auch Geschäftsräume; nicht die Vermittlung von Anstellungen (Gesinde, Geschäftspersonal usw.). Daß unbewegliche Sachen nicht Gegenstände des Handelsverkehrs sind, hebt das Gesetz besonders hervor. Die Grundstücksvermittler sind infolgedessen keine Handelsmäkler. Die Theatcragenten (richtiger Theatermäkler) sind als Vermittler von Anstellungsverträgen Zivilmükler (Vorbem. vor § 93 Anm. 44).

586

VIII. Abschnitt: Handelsmäkler.

§ 93.

Daß der Abschluß des vermittelten Vertrags ein Handelsgeschäft sei, ist im Gegensatz zum früheren Recht (Art. 272 Nr. 4) nicht erforderlich; es ist aber auch nicht ausreichend (OLG. Hamburg a. a. O.).

Anm. 5.

Zusatz 1. Die HandelSmäkler sind Kaufleute. Ihr Gewerbe ist ein Handelsgewerbe (§ 1 Nr. 7). Sie haben daher sowohl die öffentlich-rechtlichen Pflichten der Kaufleute (z. B. die Pflicht zur Führung von Handelsbüchern, also neben dem Tagebuche des § 100), als auch sonst die Rechte und Pflichten eines Kaufmanns (so z. B. haben sie die Sorgfalt ordentlicher Kaufleute zu erfüllen, § 347). Unter den Voraussetzungen des § 4 sind sie Minderkauf­ leute. Alsdann haben sie keine Handelsbücher zu führen, wohl aber ein Tagebuch (§ 100 Anm. 1 ff.). Dieses gilt nicht als Handelsbuch. Von der Führung dieses Buches ist der Handels­ mäkler nur unter den Voraussetzungen des § 104 befreit. Auch die Pflicht zur Eintragung in das Handelsregister besteht wie bei sonstigen Kaufleuten. Insbesondere gilt dies alles auch von den Handelsmüklern, die außerdem eine amtliche Tätigkeit ausüben (Kursmäkler, öffentliche Versteigerungsbeamte usw.; KGJ. 17, 6; T. 83). — Tie öffentliche Stellung der Kursmäkler, die von der Landesregierung des Orts der Börse ernannt und entlassen wer­ den (§§ 29ff. BörsG.), macht sie nicht etwa zu Beamten und hebt sie aus dem Kreise der Kaufleute nicht heraus (s. oben Einl.). Soweit eine Vereidigung der öffentlich angestellten Mäkler erforderlich ist, war nach früherem Rechte die Gültigkeit ihrer amtlichen Handlungen nicht schlechthin abhängig von der Vereidigung (RG. 18, 92). In Preußen trifft das pr. AG.BGB. (Art. 13) Bestimmungen über die Ermächtigung von Handelsmäklern zu Kaufgeschäf­ ten und ihre Vereidigung. Hier heißt es auch, daß die öffentliche Ermächtigung, deren Handels­ mäkler zu Verkäufen oder Käufen nach gewissen Bestimmungen des BGB. (§§ 385, 1221, 1235) und des HGB. (§§ 368, 373 Abs. 2, 376 Abs. 3, 379 Abs. 2, 388 Abs. 2, 389 u. 437 Abs. 2) bedürfen, erst durch die Vereidigung wirksam werde. Für die Kursmäkler, die nach § 30 BörsG. vor Antritt ihrer Stellung gleichfalls zu vereidigen sind, ist jedoch gleiches nicht anzunehmen, auch soweit sie (vgl. § 34 BörsG.) Verkäufe oder Käufe vornehmen, die sonst durch einen dazu öffentlich ermächtigten Handelsmäkler zu bewirken sind.

Im Interesse der unparteiischen Stellung der Kursmükler sind gewisse Verbote ge­ troffen. Sie dürfen zwar in Geschäften jeder Art mäkeln und müssen es in gewissen Geschäften tun (vgl. oben Einl.), aber sie dürfen kein sonstiges Handelsgewerbe betreiben noch sich an einem solchen beteiligen, und sie dürfen auch einzelne Geschäfte in dem Zweige, für den sie an der Kursfeststellung mitwirken, nur insoweit für eigene Rechnung oder im eigenen Namen schließen, als dies zur Ausführung der ihnen erteilten Aufträge nötig ist. Nur inso­ weit sind ihnen auch Bürgschaften für die von ihnen vermittelten Geschäfte gestattet. Die verbotswidrigen Geschäfte sind nicht ungültig, sondern haben disziplinäre Ahndung zur Folge; auch der Kursmäkler selbst kann auf Grund eines verbotswidrigen Geschäfts klagen (§ 32 BörsG.). Anm. 6.

Zusatz 2. Die rechtliche Stellung des Handelsmäklers zu den Parteien ist eine eigen­ tümliche. Nach § 99 hat er von jeder Partei die Hälfte des Müklerlohns zu fordern, nach § 98 haftet er beiden Parteien gleichmäßig auf Schadensersatz, nach § 101 hat er beiden Teilen Auskunft zu erteilen. Er tritt also, auch wenn er von einer Partei mit der Vermittlung beauftragt wurde, dadurch, daß er die Vermittlungstätigkeit ausübt, auch zu der andern Partei in ein vertragliches Verhältnis; vgl. § 99 Anm. 1. Indessen gehören diese objektive Stellung über den Parteien und das vertragliche Verhältnis zu beiden Parteien nicht zum Wesen des Handelsmäklers. Tie Begriffsbestimmung des § 93 enthält von einem solchen Merkmal nichts. Es kann sehr wohl auch der Handelsmäkler in den Dienst einer Partei treten und ausschließlich damit beauftragt sein, das Interesse der einen Partei zu wahren. Nur so viel ergibt sich aus den Gesetzesbestimmungen, daß die objektive Stellung und das vertragliche Verhältnis zu beiden Parteien als die regelmäßige und mangels besonderer Vereinbarungen als die gesetzliche Gestaltung des Verhältnisses zu betrachten sind (vgl. Vordem, vor § 93 Anm. 3).

VIII. Abschnitt: Handelsmäkler.

587

Zusatz 3. Hat der Handelsmäkler die Zahlungsfähigkeit deS BertragSgegnerS zu § 93, prüfen? Hier wird dasselbe gelten müssen wie für den Zivilmäkler. Denn seine Aufgabe A««, 7. ist dieselbe. Er soll den Abschluß vermitteln. Tie Pflicht der Redlichkeit, die dem Zivilmäkler gegenüber der einen Partei obliegt, liegt ihm beiden Teilen gegenüber ob. Aber der Inhalt seiner Pflicht wird dadurch kein anderer. Vgl. daher über diesen Punkt Vordem, vor § 93 Anm- 25 u. 37. Zusatz 4. Ist der Handelsmäkler nach § 3843 ZPO. zeugniSverweigerungSberechtigt? Anm. Hierüber s. OLG. Hamburg in LZ. 19 1 6, 57220.

§ 94.

8.

§ 94.

Der Handelsrnäkler hat, sofern nicht die Parteien ihm dies erlassen oder der Mrtsgebrauch mit Rücksicht auf die Gattung der Ware davon entbindet, unverzüglich nach dem Abschlüsse des Geschäfts jeder Partei eine von ihm unterzeichnete Schlußnote zuzustellen, welche die Parteien, den Gegenstand und die Bedingungen des Geschäfts, insbesondere bei Verkäufen von waren ober Wertpapieren deren Gattung und Menge sowie den Preis und die Zeit der Lieferung, enthält. Bei Geschäften, die nicht sofort erfüllt werden sollen, ist die Schlußnote den Parteien zu ihrer Unterschrift zuzustellen und jeder Partei die von der anderen unterschriebene Schlußnote zu übersenden. verweigert eine Partei die Annahme oder Unterschrift der Schlußnote, so hat der Handelsmäkler davon der anderen Partei unverzüglich Anzeige zu machen. § 94 handelt von den durch den Handelsmäkler zuzustellenden Schlutzuoten. I.Die rechtliche Bedeutung dieser Vorschriften besteht: a)Für die Parteien darin, daß ihnen für die abgeschlossenen Geschäfte Beweismittel gesichert werden. Die Gültigkeit oder das Zustandekommen des Geschäfts hängt von der Aushändigung, Annahme oder Unterschrift der Schlußnoten nicht ab (RG. im „Recht" 1910 Nr. 2714). Auch begründet die Annahme der Schlußnoten keine gesetzliche Ver­ mutung für die Genehmigung des Geschäftsabschlusses (ROHG. 13, 295), keine formelle Beweiskraft (RG. 90, 168). Aber es begründet eine tatsächliche Vermutung für die Vollständigkeit des im Schlußscheine als vereinbart Bezeichneten, wenn der Schluß­ schein vorbehaltlos angenommen wird (OLG. Hamm in OLGR. 32, 154). Diese Ver­ mutung gilt jedoch nur hinsichtlich dessen, was vorschriftsgemäß oder üblicherweise in den Schlußnoten der Mäkler zum Ausdruck zu bringen ist. Dies ist bedeutsam, wenn eine Partei mündliche Nebenabreden oder unrichtige Beurkundung behauptet. In der Regel wird die Annahme der Schlußuote auch als Zustimmung zum Geschäfte zu betrachten jein. Eine Genehmigung des Inhalts der Schlußnote wird in deren vorbehaltloser An­ nahme stets zu finden sein (RG. 59, 350; 90, 168). Ein etwaiger Widerspruch ist an den Vertragsgegner zu richten, nicht an den Mäkler (RG. 105, 205). Den Mäkler, der beiden Teilen Schlußnoten über ein Geschäft erteilt hat, das von einem Teile nicht anerkannt wird, trifft nicht die Beweislast dafür, daß er von beiden Teilen mit dem Abschluß des Geschäfts beauftragt war; auch haftet er nur, soweit ihn ein Verschulden trifft (OLG. Hamburg im „Recht" 1922 Rsprbeil. Nr. 1165). Außerdem ist die Schlußnote, die der Handelsmäkler gemäß Abs. 1 unterzeichnet, eine Urkunde, die nach § 416 ZPO. beweist, daß der Handelsmäkler den Abschluß des Geschäfts als zustande gekommen beurkundet hat. Nach freier richterlicher Beweiswürdi­ gung hat der Richter zu ermessen, welche Beweiskraft er dieser Urkunde sonst beilegen

Anm. 1.

688 §94.

VIII. Abschnitt: Handelsmäkler.

will. Die Beweiskraft wird um so größer sein, je zuverlässiger der Handelsmäkler im allgemeinen seines Amtes waltet und im vorliegenden Falle gewaltet hat, insbesondere dann, wenn der Inhalt der Schlußnote mit seinen sonstigen Aufzeichnungen, dem Tage­ buche usw., übereinstimmt. Die nach Abs. 2 von den Parteien bei Geschäften, die nicht sofort erfüllt werden sollen, zu unterzeichnende Schlußnote hat selbstverständlich erhöhte Bedeutung für den Beweis des abgeschlossenen Geschäfts. Geschäfte, die nicht sofort erfüllt werden sollen, sind die sog. Zeitgeschäfte und die aufschiebend bedingten Geschäfte, nicht aber solche, bei denen der Verkäufer sofort erfüllt, während dem Käufer der Preis gestundet wird (Lehmann-Ring Nr. 5; a. M. Jacusiel II 39). Wird die Annahme der Schlußnote oder ihre Unterzeichnung ohne berechtigten Grund verweigert, so berührt dies die Gültigkeit des zustande gekommenen Geschäfts nicht. Auch die Provision des Mäklers bleibt verdient.

«nm. 2. b) Für den Mäkler haben die Vorschriften die Bedeutung von privatrechtlichen Verpflich­ tungen, zu deren Erfüllung er im Wege der Klage gezwungen werden kann, und deren Nichterfüllung ihn zum Schadensersatz nach § 98 verpflichtet. So z. B., wenn eine Partei infolge der Nichtzusendung des Schlußscheins zu der Annahme berechtigt erschien, das Geschäft sei nicht abgeschlossen, und aus diesem Grunde anderweit abgeschlossen hat, oder wenn der Mäkler die Schlußnote verfrüht zustellt und dadurch die Partei von ander­ weitem Abschluß abhält (RG. in ZHR. 34, 575). Auch unrichtige Schlußnoten können einen Schadensersatzanspruch gegen den Handelsmäkler begründen (OLG. Hamburg in OLGR. 32, 98). «nm. 3. 2. Der Inhalt der Vorschrift. „Unverzüglich" bedeutet ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 BGB.; anders Weyl in Gruch. 64, 257). über „Abschluß des Geschäfts" vgl. Vor­ dem. vor § 93 Anm. 18 ff. Der Begriff „Zustellung" ist selbstverständlich im Sinne einer einfachen Übersendung, nicht einer prozessualen Zustellung zu verstehen. Im Börsen­ verkehr geschieht die Zustellung der Schlußnoten des Nachuüttags nach Schluß der Börse. Unter Umständen wird eine schleunigere Zustellung geboten sein. Der im § 94 vorge­ schriebene Inhalt der Schlußnoten ist solange gesetzlich geboten, als nicht beide Teile (oder Ortsgebrauch; Anm. 4) den Mäkler von der Pflicht entbinden, alle diese Bestand­ teile aufzunehmen. Tie Zeit des Abschlusses gehört nicht zum gesetzlich vorgeschriebenen Inhalt der Schlußnote, doch empfiehlt sich ihre Ausnahme (Gg. Cohn in ArchBürgR. 12, 246). Bei wiederholten Abschlüssen unter gleichen Bedingungen kann man es als Willen beider Parteien ansehen und deshalb als genügend erachten, wenn der Mäkler in die Schlußnoten schreibt: „zu früheren Bedingungen" (übereinst. DürHach. Anm. 4; RitterKomrn. Anm. 1; abw. Jacusiel II 38).

«nm. 4. 3. Die Parteien können auf die Schlußnoten verzichten, aber nur beide Qcinctufom, nicht eine allein, auch nicht mit der Wirkung, daß sie ihr allein nicht zugestellt zu werden braucht. Der Zustellung der Schlußnote oder des vollen Inhalts derselben (Anm. 3) bedarf es auch insoweit nicht, als der Ortsgebrauch (§ 59 Anm. 24) mit Rücksicht auf die Gattung der Ware davon entbindet.

«nm. 5. 4. Eine Ausnahme von der Pflicht zur Schlußnotenzustellung enthält § 104 (Kleinverkehr; s. dort). Der Mäkler braucht ferner, wenn er im Wege des Selbsteintritts abschließt, eine — für diesen Fall auch bedeutungslose — Schlußnote nicht zuzustellen (ROHG. 8, 266 ff.). «nm. 6. 5. § 162 der Ausf.-Bestimmungen zum Kapitalverkehrsteuerges. (Zentralbl. f. d. Deutsche Reich 1922 S. 1043) legt dem Mäkler ferner die Verpflichtung zur Numerierung und zehnjährigen Aufbewahrung der Schlußnoten aus. Über die Börsenumsatzsteuer und den Schlußnotenzwang für gewisse Arten von Geschäften vgl. §§ 35 ff. des Kapitalverkehrsteuerges. (letzte Fassung vom 10. Aug. 1925, RGBl. I 241).

VIII. Abschnitt: Handelsmäkler.

589

8 95.

8 »6.

Nimmt eine Partei eine Schlußnote an, in der sich der Handelsrnäkler die Bezeichnung der anderen Partei vorbehalten hat, so ist sie an das Geschäft mit der Partei, welche ihr nachträglich bezeichnet wird, gebunden, es sei denn, daß gegen diese begründete Einwendungen zu erheben sind. Die Bezeichnung der anderen Partei hat innerhalb der ortsüblichen Frist, in Ermangelung einer solchen innerhalb einer den Umständen nach ange­ messenen Frist zu erfolgen. Unterbleibt die Bezeichnung oder sind gegen die bezeichnete Person oder Firma begründete Einwendungen zu erheben, so ist die Partei befugt, den Handelsmäkler auf die Erfüllung des Geschäfts in Anspruch zu nehmen. Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn sich die Partei auf die Aufforderung des Handelsmäklers nicht unverzüglich darüber erklärt, ob sie Erfüllung ver­ lange. Lit.: Behrend, Schlußnoten mit vorbehaltener Aufgabe, DIZ. 04, 371 ff.; Gutkind, Das Geschäft „an Aufgabe" (§ 95 HGB.), Leipzig 05; Schiffer, Die rechtliche Natur des Geschäfts nach § 95 HGB., Borna-Leipzig 09; Marcus in DIZ. 1910, 136.

§ 95 regelt das Rechtsverhältnis, das auf Grund einer besonderen Art von Schluß-Einleitung, noten entsteht, die im Börsenverkehr (namentlich von Berlin, Hamburg, Frankfurt a. M.) häufig vorkommen, nämlich solcher, auf denen der Vermerk steht: Aufgabe Vorbehalte« (oder ein gleichbedeutender, z. B. „an" oder „für Aufgabe"). Die Regelung, wie sie im § 95 — anschließend im wesentlichen an RG. 20, 37 ff. und 24, 64 ff. — erfolgt ist (vgl. RG. 97, 262), entspricht der Auffassung des Verkehrs. Denn mit der Annahme einer derartigen Schlußnote gibt die Partei, wie DürHach. (Anm. 1) mit Recht hervorheben, zu erkennen, daß sie die Auswahl des Vertragsgegners dem Mäkler überläßt, es sei denn, daß sie besondere berechtigte Ablehnungsgründe hat (§ 93 Anm. 3 Schlußsatz). Andererseits liegt in der Hingabe die Gewährleistung des Mäklers für das Zustandekommen des Geschäfts, aus der die Befugnis der Partei entspringt, ihn selbst auf die Erfüllung in Anspruch zu nehmen. Hält man diese Leitsätze fest, so entwickeln sich aus ihnen die Einzel­ bestimmungen.

1. Der Mäkler behält sich die Bezeichnung der „anderen", d. h. der dem Empfänger der Anm. 1. Schlußnote gegenüberstehenden Vertragspartei vor. Ein Schlußschein, der den Namen der andern Vertragspartei offen läßt, entspricht richtiger Ansicht nach dem gesetz­ lichen Erfordernis, vorausgesetzt, daß die Verkehrssitte ihm diese Bedeutung beilegt (Behrend a. a. O. 373). Schlußnoten mit vorbehaltener Aufgabe brauchen nicht angenommen zu werden (D. 82), wie sie auch der Mäkler nicht auszustellen braucht. Sie stellen sich als Vertragsantrag dar; ein Widerruf ist nach § 130 BGB. zu behandeln. Werden fie aber angenommen, was auch stillschweigend durch Unterlassung sofortiger Zurück­ weisung geschehen kann (DürHach. Anm. 2; Behrend 373), fo ist die Partei daran ge­ bunden, und zwar sowohl dem Mäkler, als auch unmittelbar der Gegenpartei gegenüber, obgleich diese noch nicht bekannt ist (über die rechtliche Konstruktion vgl. Anm. 2). Nur dann ist sie nicht gebunden, wenn sie begründete Einwendungen gegen den nachträglich angegebenen Vertragsgegner zu erheben hat. Diese werden sich insbesondere aus die Zahlungsfäbigkeit beziehen (D. 82), aber natürlich ist auch das ein begründeter Einwand, daß der nachträglich Benannte als unredlich oder als Schikaneur bekannt ist (RG. 24, 66 und 70). Die Gründe müssen so beschaffen sein, daß nach der Auffassung des Handels­ verkehrs ein Vertragsabschluß mit solcher Partei nicht zugemutet werden kann. Die

590 § »5.

VIII. Abschnitt: Handelsmäkler.

mangelnde Zahlungsfähigkeit des Vertragsgegners hört auf, ein Mangel zu sein, wenn

er genügende Deckung gewährt oder einen tauglichen Bürgen stellt. Als solcher kann auch der Mäkler gelten, wenn er selbst sicher ist. Die Beweis last, daß begründete Ein­ wendungen vorliegen, hat der Einwendende (RG. 35, 105; Planck I 48 Nr. 2: „es sei denn, daß"). Anm. 2. 2. Die Aufgabe des Bertragsgegners muß rechtzeitig erfolgen. Nicht etwa, daß der Mäkler, auch wenn er eine Vorbehaltsschlußnote zugestellt hat, verpflichtet wäre, eine geeignete oder überhaupt eine Gegenpartei zu bezeichnen (Behrend 374); er haftet nur im Unterlassungsfälle; vgl. Anm. 3. Bei rechtzeitiger Aufgabe ist das Geschäft, das bis dahin geschwebt hat, indem der eine Vcrtragsteil daran gebunden war, der andere noch nicht, nunmehr zustande gekommen, und zwar auf den Augenblick der Annahme der Schlußnote zurückgerechnet. Denn die Gebundenheit während des Schwebe­ zustandes ist in der juristischen Konstruktion den Fällen an die Seite zu setzen, in denen eine rechtliche Verfügung der Mitwirkung eines Dritten bedarf (vgl. z. B. § 1829 BGB.; DürHach. Anm. 3; Behrend a. a. £.; andere Konstruktionen s. Schiffer 44 ff., 57 ff. und Wüstendörfer in ZHR. 58, 128; der Vertrag ist ein Vertrag mit einem unbestimmten Dritten: Demelius in JheringsJ. 72, 277). Ob der Mäkler den nicht be­ nannten Vertragsgegner seinerseits schon gekannt und mit diesem schon abgeschlossen hatte, oder ob er ihn erst nachträglich gesucht iniü gefunden hat, ist dabei unerheblich. Es genügt, daß der Vertragsgegner rechtzeitig benannt wird, gleichgültig, ob vom Mäkler selbst oder von dem Bertragsgegner. Dies aber nur, wenn der benannte Vertragsgegner zu den vom Mäkler abgeschlossenen Vertragsbestiminungen erfüllen will (RG. 103, 70). Hat der Mäkler einen Vertragsgegner aufgegeben, so kann er diese Ausgabe nicht einseitig ändern (HansOLG. in HansRZ. 1924, 596). Die Frist, innerhalb deren die Bezeichnung geschehen muß, um rechtzeitig zu sein, ist die ortsübliche (d. h. die dem Ortsgebrauch entsprechende; vgl. § 59 Anm. 24), in deren Ermangelung die angemessene; innerhalb der Frist muß die Bezeichnung der Partei zu geh en. Einer Fristsetzung an den Mäkler zur Bezeichnung des Vertrags­ gegners bedarf es nicht; auch ist eine etwa erfolgte Fristsetzung wirkungslos, wenn die gesetzte Frist nach richterlicher Entscheidung nicht ortsüblich ist bzw. nicht angemessen er­ scheint. Geschieht aber die Ausgabe des Vertragsgegners nicht rechtzeitig, so hört ohne weiteres die Partei auf, gebunden zu sein; doch erscheint bei einer verspäteten Bezeich­ nung mit Rücksicht auf Treu und Glauben, wie Behrend mit Recht hervorhebt, eine ent­ sprechende Anwendung des § 149 BGB. geboten. Die Partei hört selbst bei rechtzeitiger Aufgabe auf, gebunden zu sein, wenn be­ gründete Einwendungen gegen den Aufgegebenen zu erheben sind und, wie den Gesetzesworten unbedenklich hinzuzufügen ist, erhoben werden, und zwar unverzüglich, ohne schuldhaftes Zögern, da sonst das Einverständnis mit dem bezeichneten Vertrags­ gegner anzunehmen ist. Die Ablehnung — eine empsangsbedürftige Willenserklärung — ist entweder dem Mäkler oder der Gegenpartei zu erklären. Ablehnung des rechtzeitig benannten Vertragsgegners ohne begründeten Einwand ist unbeachtliche Willkür, gibt aber dem Benannten das Recht, seinerseits zurückzutreten. — Voraussetzung einer wirk­ samen Bezeichnung der Gegenpartei ist die Ermächtigung des Mäklers hierzu seitens dieser Partei. Diese Ermächtigung muß auch auf Verlangen gemäß § 174 BGB- und zur Vermeidung der dort genannten Folgen durch Vorlegung einer Urkunde dargetan werden (Behrend 375). Anm. 3. 3. In den drei gedachten Füllen (nichtreehtzeitige Benenmmg eines Vertragsgexners, Benennung eines nicht geeigneten Vertragsgegners oder Benennung ohne Ermächti­ gung), wie überhaupt bei unwirksamer Benennung, ist die Partei befugt, den Handels­ mäkler selbst auf die Erfüllung des Geschäfts in Anspruch zu nehmen. Dieser Anspruch der Partei besteht ohne Rücksicht daraus, ob den Mäkler ein Verschulden trifft (RG. 103, 70). Die von der Partei, falls sie den Mäkler in Anspruch nehmen will, diesem gegen-

VIII. Abschnitt: Handelsmäkler.

591

über abzugebende Erklärung ist eine empfangsbedürftige (§ 130 BGB.), unwiderrufliche. § 95. Nachträgliche auf Heilung hinzielende Handlungen des Mäklers, z. B. Benennung eines geeigneten Vertragsgegners, heben die Verpflichtung des Mäklers nicht auf. Diese Haf­ tung des Mäklers ist ähnlich (nicht die gleiche, s. Schiffer 64) wie die des Kommissionärs, der nicht zugleich mit der Anzeige von der Ausführung der Kommission den Dritten nam­ haft macht, mit dem er das Geschäft abgeschlossen hat (§ 384 Abs. 3 und Erl. dazu). Der Erfüllungsanspruch kann sich im geeigneten Falle auch in einen Anspruch auf Schadens­ ersatz, und zwar Ersatz für Erfüllung, verwandeln. In dieser Beziehung, z. B. wegen Setzung einer Nachfrist und deren Folgen, gelten die allgemeinen Bestimmungen (RG. im „Recht" 1920 Rsprbeil. Nr. 1995). Weitere Nachteile, etwa sonstiger Schadensersatz, treffen den Mäkler nicht (Behrend 376). — Der Mäkler seinerseits hat den Provisions­ anspruch, da diese Haftung eine Art der Erfüllung des Mäklervertrages ist (DürHach. Anm. 12; ebenso Behrend 377). Aber die Partei hat nur das Recht dazu. Sie kann auch das Geschäft ganzAnm.4. zurückweisen. Keinesfalls hat der Mäkler das Recht, in das Geschäft einzutreten (D. 82; OLG. Hamburg in OLGR. 36, 268), es sei denn, daß es ihm vertragsmäßig eingeräumt ist (Anm. 5). Andererseits kann der Mäkler verlangen, daß ihm darüber Ge­ wißheit wird, ob er auf Erfüllung in Anspruch genommen wird oder nicht. Es muß ihm daher auf seine Aufforderung unverzüglich diese Erklärung klar, ohne Vorbehalte, ab­ gegeben werden, sonst erlischt das Recht gegen ihn; aber auch nicht vor solcher Auf­ forderung, es sei denn, daß aus den Umständen ein Verzicht entnommen werden kann. Zusatz 1. Ein besonderer Fall des Abschlusses unter Vorbehalt der Be-Anm.5. Zeichnung des Vertragsgegners ist der, daß hierbei eine bestimmte Eigenschaft deS Bertragsgegners bedungen wird; z. B. „Primaablader". In diesem Falle kommt der Vertrag zwar bereits bei Abschluß mit dem Handelsmäkler als fester, aber als ein durch jene Eigenschaft des Vertragsgegners bedingter, zustande (RG. 33, 133; 35, 106 ; 38, 188). Auch sonst sind gegenteilige Abreden zwischen der Partei und dem Mäkler über die Wirkung des Vorbehalts der Bezeichnung einer anderen Partei nicht ausgeschlossen (RG. 20, 37). Es kann daher von vornherein bedungen werden, daß der Mäkler nicht in Anspruch genommen werden kann, wenn er den Vertragsgegner nicht recht­ zeitig benennt; es kann ihm auch durch Vertrag das Recht eingeräumt werden, das Geschäft durch Selbsteintritt zu übernehmen; dabei ist jedoch für die Kursmäkler § 32 BörsG. zu be­ achten, welcher den Kursmäklern den Eintritt in die Geschäfte verbietet, soweit dies nicht nötig ist (§ 93 Anm. 5).

Zusatz 2. Die Vorschrift des § 95 ist auf den Fall auszudehnen, daß der Mäkler Anm. 6. keine Schlußnoten auSstellt, die Partei aber in den Abschluß des Geschäfts gewilligt hat, ohne die Gegenpartei zu kennen (so mit ausführlicher Begründung RG. 103, 68; ferner OLG. Oldenburg in OLGR. 7, 151; OLG. Hamburg ebenda 36, 268; Hueck in IW. 1922, 164; DürHach. Anm. 15). Tenn Grund der Gejetzesvorschrift ist nicht der Regelfall der Ausstellung der Schlußnoten, sondern die besondere Art der Willenserklärung (anders Lehmann-Ring Nr. 8 und Goldmann I 450). Überhaupt ist § 95 als der Ausdruck eines gesetz­ geberischen Willens anzusehen, der aus andere ähnlich liegende Fälle entsprechend ange­ wendet werden kann. So z. B. nach Demelius in JheringsJ. 72, 274 auf den Fall, daß ein Vermieter dem Mieter gestattet, ihm einen neuen Mieter zu bringen und damit aus dem Mietverhältnis auszuscheidcn. Ferner nach OLG. Hamburg in HansRZ. 1923, 540 auf den Fall, daß der Mäkler jemanden als Vertragsgegner benennt, den zu benennen er nicht ermäch­ tigt war. Zusatz 3. § 95 ist nicht an wendbar, wenn ein Handelsmäkler seine Ge-Anm.7. schäftsverbindung geheim halten will, und wenn deshalb nach der Willensabsicht der Parteien, die mit einer ordnungsmäßigen Abwickelung des Geschäfts rechnen, der dem Mäkler von vornherein bekannte Auftraggeber ungenannt bleiben soll (RG. 97, 260; vgl. auch OLG. Hamburg in LZ. 1916, 7709). In einem Falle dieser Art ist es möglich, daß der Mäkler

592

VIII. Abschnitt: Handelsmäkler.

§ 95. mit Rücksicht auf etwa sich ergebende Schwierigkeiten die Mithaft übernimmt; ebenso mög­ lich ist es aber auch, daß der andere Teil sich mit einer Verpflichtung des Mäklers begnügt, auf Erfordern den Auftraggeber zu offenbaren (RG. a. a. £).). Mit TürHach. Anm. 17 erblicken wir in einem derartigen Abkommen den Abschluß mit einer objektiv gewissen, subjektiv un­ gewissen Person; doch sind wir — entgegen der dort ausgesprochenen Ansicht, in einem solchen Falle werde in der Erklärung des Mäklers eine Garantieübernahme zugunsten der anderen Partei liegen — der Meinung, daß der Wille der Vertragschließenden für jeden einzelnen Fall nach seiner Lage durch Auslegung besonders ermittelt werden muß. Soll der Vertragsgegner nur zeitweilig ungenannt bleiben, dann ist dies als Vorbehalt nachträg­ licher Bezeichnung gemäß § 95 aufzufassen (TürHach. Anm. 18); bei nachträglicher Bezeich­ nung wird die Rechtslage aus § 95 geschaffen. Anm. 8. Zusatz 4. Zu den Pflichten des Mäklers, der einen seinem Auftraggeber unbekannten Vertragsgegner bringt, gehört es, daß er auf Verlangen möglichst vollständige Auskunft über diesen und über alle Punkte gibt, die für das Geschäft in Frage kommen. Wenn der Mäkler hierüber nichts weiß, muß er es sagen (OLG. Hamburg im „Recht" 1923 RsprBeil. Nr. 1251).

§ 96.

§ 96. Der Handelsrnäkler hat, sofern nicht die Parteien ihm dies erlassen oder der Drtsgebrauch mit Rücksicht aus die Gattung der Ware davon entbindet, von jeder durch seine Vermittelung nach Probe verkauften Ware die probe, falls sie ihm übergeben ist, so lange aufzubewahren, bis die Ware ohne Ein­ wendung gegen ihre Beschaffenheit angenommen oder das Geschäft in anderer weise erledigt wird. Er hat die probe durch ein Zeichen kenntlich zu machen.

Anm. 1. 1. Die den Handelsmaklern auserlegte Pflicht zur Aufbewahrung der Probe bezieht sich nur auf den „Kauf nach Probe oder nach Muster" im Sinne des § 494 BGB., nicht auf andere Käufe. Sie hat zur weiteren Voraussetzung, daß die Probe dem Mäkler übergeben ist; er hat nicht dafür zu sorgen, daß sie in seinen Besitz kommt. Die Pflicht besteht als eine gesetzliche und wird nur durch beiderseitigen Erlaß der Parteien oder durch Ortsgebrauch aufgehoben (über letzteren Begriff s. § 59 Anm. 24). Sie erstreckt sich aus die Probe, auf Grund deren verkauft ist, nicht notwendig auf die ganze Probe, wohl aber auf einen solchen Teil, daß die Vergleichung möglich ist. Tie Parteien haben einen Anspruch auf Vorlegung der Probe (§§ 809 ff. BGB.). Ein Anspruch auf eine besondere Vergütung für die Aufbewahrung steht dem Mäkler regelmäßig nicht zu. — Die Aufbewahrungspslicht endet, sobald ein Streit über die Beschaffenheit der Ware nicht mehr anzunehmen ist, also wenn die Ware ausdrücklich genehmigt ist oder nach § 377 HGB. als genehmigt gilt, oder wenn die Verjährungsfrist für Erhebung von Ein­ wendungen verstrichen, oder das Geschäft (durch Vergleich, nachträgliches Rückgängig­ machen usw.) erledigt ist. — Als Zeichen zum Kenntlichmachen der Probe genügen Zeichen, die die Identität gewährleisten, insbesondere Buchstaben oder Nummern; zu empfehlen ist aber ein Vermerk mit den Namen der Parteien, dem Tage des Abschlusses, der Nummer der Schlußnote. Anm. 2. 2. Die Verletzung der Aufbewahrungspslicht hat Schadensersatzpflicht nach § 98 zur Folge. Es kann auf die Probe noch ankommen, wenn der Käufer zwar auf Lieferung verzichtet, aber Schadensersatz wegen Nichtlieferung verlangt (vgl. z. B. § 283 BGB.). Bei der Prüfung aller dieser Fragen darf der Mäkler sich auf die Angaben einer Partei nicht verlassen; tut er es gleichwohl, so geschieht es auf seine Gefahr. Anm. 3. 3. Nach Beendigung der Aufbewahrungspflicht darf der Handelsmäkler — das Gesetz schweigt darüber — die Probe der Partei zurückgeben, von der er sie erhalten hat (§§ 675, 667 BGB.).

593

VIII. Abschnitt: Handcismäkler.

§ 97.

§ 97.

Der Handelsmäkler gilt nicht als ermächtigt, eine Zahlung oder eine andere im vertrage bedungene Leistung in Empfang zu nehmen. Daß der Handelsmäkler, der als solcher nicht Handlungsbevollmächtigter ist, an sich nicht zur Erfüllungsannahme ermächtigt ist, ergibt sich aus dem Begriff des Mäklers, dessen Aufgabe sich in der Vermittlung des Vcrtragsschlusses erschöpft. Der Mäkler ist regelmäßig nur Überbringer (eine „zur Übermittlung verwendete Person" im Sinne des § 120 BGB.) von Willenserklärungen (OLG. Braunschweig in DIZ. 06, 884). Aber es kann ihm be­ sonders die Ermächtigung zur Erfüllungsannähme erteilt werden (OLG- Braunschweig in OLGR. 13, 392). Ein bloßer Handelsbrauch kann diese besondere Erteilung nicht ersetzen (Goldmann I 452; Jacusiel II 11; Brand zu § 97; anders Makower zu § 97 und unsere 6.—9. Aufl. unter Bezugnahme auf die unter der Geltung des früheren Rechts ergangene Entsch. ROHG. 11, 241). — Über den Schiffsmakler s. Vorbem. vor § 93 Anm. 8 a.

8 »8.

§ 98. Per Handelsmäkler haftet jeder der beiden Parteien für den durch sein verschulden entstehenden Schaden.

1. Regel. Er haftet jeder der beiden Parteien. Das Gesetz denkt sich das VerhältnisAnm. 1. regelmäßig so, daß er zu beiden Teilen in ein vertragliches Verhältnis tritt (vgl. § 93 Anm. 6). Es gilt daher hier über die Ursache der Schadensersatzpflicht und über den Umfang des Schadens gegenüber beiden Parteien dasselbe, was in der Vordem, vor § 93 Anm. 38 über die Schadensersatzpflicht des Zivilmäklers gegenüber dem Auftrag­ geber gesagt ist. Denn es liegt hier überall ein vertraglicher Schadensersatzanspruch hinsichtlich beider Parteien vor. Die Haftung besteht nicht nur dann, wenn der Mäkler mit Erfolg vermittelt hat, sondern auch dann, wenn seine Tätigkeit ohne Erfolg geblieben ist. Es genügt, daß er zu der Partei durch Entfaltung einer Vermittlungstätigkeit in rechtliche Beziehungen getreten ist und diese sich hierauf eingelassen hat. Begründet wird diese Haftung durch das Verschulden als solches; Vorsatz ist nicht erforderlich (RG. 76, 251). 2. Die Regel ist keine ausnahmslose. Die gleichmäßige Haftung für beide Teile fälltAnm. 2. fort, wenn der Handelsmäkler im gegebenen Falle nur für einen Teil tätig sein soll, z. B. jeder Teil durch einen von ihm angenommenen Mäkler seine einseitigen Interessen wahrnehmen läßt (OLG. Hamburg in OLGR. 10, 238; RG. in LZ. 1916, 754; Jacusiel II 35; RitterKomm. zu § 98; anders OLG. Hamburg in OLGR. 14, 348; DürHach. Anm. 4; s. auch § 99 Anm. 4). Dieser Ausnahmefall liegt aber dann noch nicht vor, wenn abredegemäß mit ein Teil den Lohn bezahlt (DürHach. und Ritter a. a. O.). 3. Hat der Handelsmäkler abgeschlossen, ohne dazu bevollmächtigt zu sein, so haftet er außer-Anm. 3. dem noch als Vertreter ohne Vertretungsmacht nach § 179 BGB. (Anhang zu § 58 Anm. 111 ff.).

§ 99.

8 »9.

3ft unter den Parteien nichts darüber vereinbart, wer den Maklerlohn bezahlen soll, so ist er in Ermangelung eines abweichenden Grtsgebrauchs von jeder Partei zur Hälfte zu entrichten. 1. § 99 bestimmt, bah der Handclsmäklcr den Mäklerlohn (Provision, Courtage, Sensaric Anm. 1. heißt bicfer Lohn im Handelsverkehr) im Zweifel von beiden Parteien je zur Hälfte zu verlangen hat. Vgl. § 93 Anm. 6. Tics, soweit nicht durch Ortsgebrauch (vgl. § 59

Staub, HGB., 12. u. 13. Aufl. Bd. I. (Bondi, Pinuer.)

33

594

Vni. Abschnitt: Handelsmäkler.

Anm. 24) Abweichendes zur Regel genwrden ist. Tie Parteien können auch anderes vereinbaren (Anm. 4), doch bindet den Mäkler ihre Vereinbarung nur, wenn er ihr aus­ drücklich oder stillschweigend zustimmt. Bei dem vom Mäkler zugeführten Vertrags­ gegner wird hier meist stillschweigender Abschluß des Mäklervertrags anzunehmen sein: vgl. Vordem, vor § 93 Anm. 10a. Anm. 2. 2. Unter welchen Voraussetzungen der Mäklcrlohn verdient ist, s. Vordem, vor § 93 Anm. 16 ff. (OLG. Hamburg in OLGR. 2, 383). Bloße Verhandlungen und Bemühun­ gen werden nicht bezahlt, ebensowenig mangels Abrede Auslagen, während andererseits nichts weiter als der Abschluß des Geschäfts, nicht etwa die Ausführung des Geschäfts, Entstehungsbedingung des Provijionsanspruchs ist. Rur ist hier überall in der Regel (vgl. Anm. 1) nicht nur der zur Zahlung verpflichtet, der den Mäkler beauftragt, ihm die Leistung übertragen hat, sondern auch der andere Teil: jeder zur Hälfte.

§ 99.

Anm. 3. 3. § 654 BGB. (Fortfall der Mäklergebühr bei Vertretung widerstreitender Interessen) bleibt hier regelmäßig außer Anwendung und demgemäß auch die Erläuterung, die hieran in der Vorbem. vor § 93 Anm. 35 geknüpft ist. Denn den Handelsmäkler denkt sich, wie §§ 98 u. 99 ergeben, der Gesetzgeber regelmäßig als über den Parteien stehend und für beide Teile tätig. Hier ist es nicht „dem Inhalte des Vertrages zuwider", für beide Teile tätig zu sein. Aber ausnahmsweise kann § 654 BGB. auch auf den Handels­ mäkler Anwendung finden (vgl. Anm. 4 und Vorbem. vor § 93 Anm. 3).

Anm. 4. 4. Den Parteien ist eS unbenommen, das Verhältnis auch anders zu gestalten, also ins­ besondere den Handelsmäkler zu verpflichten, die Verhandlungen lediglich für eine Partei zu führen (§ 98 Anm. 2). Tann aber füllt auch die gan^e eigentümliche Stellung des Handelsmäklers, als einer über den Parteien! stehenden Person, fort. Daraus folgt, daß auch seine Haftung sich nicht nach § 98 richtet, sondern sich entsprechend der Haftung des Zivilmäklers gestaltet, daß ebenso sein Anspruch auf den Maklerlohn ihm nicht nach § 99 gegen beide Parteien zusteht, sondern gemäß § 652 BGB. nur gegen seinen Auftrag­ geber. Allenthalben zust. NG. in LZ. 1916, 754; OLG. Hamburg in OLGR. 32, 99. Anm. 5. 5. Der Betrag der Mäklergebühr wird hier durch Gebräuche wohl stets bestimmt sein. Soweit auch die Vermittlung von Dienstverträgen Gegenstand der Handels­ mäklerei sein kann, ist zu bemerken, daß das im § 655 BGB. festgesetzte Herabsetzungs­ recht auch hier Platz greift und nicht etwa (wie im § 348 für die Vertragsstrafe) handels­ rechtlich außer Kraft gesetzt ist (vgl. Vordem, vor § 93 Anm. 12). Anm. 6. 6. Die Ansprüche deS Handelsmäklers verjähren in 2 Jahren, soweit aber eine Partei seine Tätigkeit in ihrem Gewerbebetriebe verwendet hat, in 4 Jahren (Vorbem. vor § 93 Anm. 40). So kann es kommen, daß gegen beide Teile die Verjährung in verschiedener Frist abläuft.

§100.

100.

Der Handelsmäkler ist verpflichtet, ein Tagebuch zu führen und in dieses alle abgeschlossenen Geschäfte täglich einzutragen. Die Eintragungen sind nach

der Zeitfolge zu bewirken; sie haben die im § 94 Abs. \ bezeichneten Angaben

zu enthalten. Das Eingetragene ist von dein Handelsmäkler täglich zu unter­ zeichnen. Die Vorschriften der

45, 44 über die Einrichtung und Aufbewahrung

der Handelsbücher finden auf das Tagebuch des Handelsmäklers Anwendung. Anm. 1. 1. Das hier vorgeschriebene Tagebuch gehört nicht zu den HandelSbüchern im Sinne der §§ 38 ff. Denn das Tagebuch dient nicht dazu, die eigenen Geschäfte des Buchsührenden, sondern die anderer Personen zu verzeichnen. Handelsbücher hat der Handels­ mäkler, wenn er Vollkaufmann ist, außerdem zu führen (§ 93 Anm. 5). Auf die Unter­ lassung der Führung des Tagebuchs finden nicht die Strafvorschriften über Nichtsührung

VIII. Abschnitt: Handelsmäkler.

595

der Handelsbücher, sondern die Sondervorschrift des § 103 Anwendung. Die Führung § 10V. eines Handbuchs außer dem Tagebuche ist nicht vorgeschrieben. Die §§ 163, 208 u. 366 RAbgO. (vgl. oben § 38 Einl.) sind auf das Tagebuch anwendbar. 2. Die Eintragungen in das Tagebuch brauchen nicht persönlich vom Handelsmäkler ge- Anm. 2. macht zu werden, wohl aber muß die Unterzeichnung eigenhändig erfolgen. Zu unter­ zeichnen ist nicht jede Eintragung, sondern es sind immer nur sämtliche Eintragungen eines Tages zu unterzeichnen. Eine Unterschrift kann also alle Eintragungen eines Tages decken. Ist an einem Tage gar kein Geschäft gemacht worden, so mag der Ordnung wegen dies vermerkt werden; vorgeschrieben ist es nicht. 3. In das Tagebuch gehören die durch Vermittlung des Mäklers abgeschlos-Anm. 3. jenen Geschäfte. Weitere Eintragungen zu machen ist er nicht verpflichtet, also ins­ besondere nicht Vermerke darüber, daß das Geschäft später wieder aufgehoben wurde, falls nicht etwa der Aufhebungsvertrag wiederum ein durch seine Vermittlung abge­ schlossenes selbständiges Geschäft ist. Wenn dagegen das abgeschlossene Geschäft vor der Eintragung wieder rückgängig gemacht wurde, so bedarf es wohl keiner Eintragung. 4. Die Eintragungen sind nach der Zeitfolge zu bewirken, d. h. die früher zustande ge-Anm. 4. kommenen vor den späteren; die Eintragungen eines Tages dürfen auf einmal, müssen aber unter Wahrung der Zeitfolge geschehen. Vermerk der Stunde ist nicht nötig. Die Eintragungen haben die im § 94 Abs. 1 bezeichneten Angaben zu enthalten. 5. Die Unterlassung der Eintragung berührt die zivilrechtliche Gültigkeit des Ge-Anm.5. schäfts nicht. 6. Auf die Führung des Tagebuchs und die Eintragungen können die Par-Anm. 6. teien nicht verzichten. Die Pflicht beruht auf öffentlichem Recht (§ 103). Die Eintragung muß daher erfolgen, auch wenn der Mäkler die Zustellung von Schlußnoten gemäß § 94 Abs. 1 unterlassen darf. 7. Auf Einrichtung vnd Aufbewahrung der Tagebücher finden nach Abs. 2 die §§ 43Anm. 7. und 44 Anwendung. Die Pflicht zur Aufbewahrung besteht auch nach der Aufgabe des Mäklergewerbes fort, bis zum Ablauf von 10 Jahren vom $age der letzten Eintragung an gerechnet. Die Strafbestimmung des § 103 bezieht sich auch hierauf. — Wegen der Erben vgl. Erl. zu § 103.

Zusatz. Für das Tagebuch des KurSmäklerS bestehen noch die Sondervorschriften Anm. 8. im § 33 BörsG. Danach muß es vor dem Gebrauche dem Börsenvorstande zur Beglau­ bigung der Zahl der Blätter vorgelegt werden. Nach dem Tode oder Ausscheiden des Mäklers ist es beim Börsenvorstand niederzulegen.

§ 101.

§ 101.

Der Handelsmäkler ist verpflichtet, den Parteien jederzeit auf verlangen Auszüge aus dern Tagebuche zu geben, die von ihm unterzeichnet find und alles enthalten, was von ihm in Ansehung des vermittelten Geschäfts ein­ getragen ist. 1. Die Parteien, und zwar beide, nicht nur der Auftraggeber des Mäklers, aber lediglich Anm. 1. die Parteien, nicht Tritte, haben auf die Erteilung der Auszüge einen klagbaren An­ spruch. Er besteht während der ganzen Dauer der Aufbewahrungspflicht (§ 100 Anm. 7). Der Anspruch kann gegen Erben und Rechtsnachfolger nicht geltend gemacht werden, weil der Auszug vom Handelsmäkler zu unterzeichnen ist (a. M. RitterKomm.). Hier kann nur die Vorlegung des Tagebuchs (§ 102) helfen. Höchstens wird man die Erben und Rechtsnachfolger unter Umständen für verpflichtet erachten können, nicht unter­ zeichnete Abschriften aus dem Tagebuche zu erteilen, soweit sie dadurch nicht unbillig beschwert werden, und sicher müssen sie die Entnahme von Abschriften gestatten (vgl. die ähnlichen Ausführungen in Anm. 5 zu § 65).

596

VIII. Abschnitt: Handelsmäkler.

§ 181.

2. Ist der Handelsmäkler zugleich zu einer öffentlichen Tätigkeit bestellt, z. B. Kurslnäklcr, so wird auch die Beschwerde bei seiner vorgesetzten Bebörde wegen dieser Weigerung zu­ lässig sein (vgl. § 33 BörsG.). Anm. 3. 3. Die Strafvorschrist des § 103 bezieht sich auf diese Weigerung nicht, weil dem § 101 („auf Verlangen") der öffentlich-rechtliche Charakter fehlt. Anm. 4. 4. Die Verlegung des Tagebuchs können die Parteien nicht verlangen, außer auf richterliche Anordnung nach § 102. Tie Pflicht zur Erteilung von Auszügen soll eben diese Vorlegungspflicht ersetzen. Ebenso TürHach.; a. M. Makower und Ritter. Anm. 2.

8 102.

§ 102. 3m Laufe eines Rechtsstreits kann das Gericht auch ohne Antrag einer Partei die Vorlegung des Tagebuchs anordnen, um es mit der Schlußnote, den Auszügen oder anderen Beweismitteln zu vergleichen. Die Vorschrift ist ähnlich der des § 45. Hier wie dort kann die Vorlegung auch von Amts wegen angeordnet werden, aber immer nur zu dem Zwecke der Vergleichung, wie der Wortlaut ausdrücklich sagt, mit einem vorhandenen Beweismittel, nicht um darüber hinaus den Inhalt des Tagebuchs zu erforschen und dadurch einen tatsächlichen Beweis für eine Partei heranzuschaffen, der ihr sonst gefehlt hätte (OLG. Hamburg in LZ. 1916, 57220). Gedacht ist hier wohl zunächst an einen Prozeß der Parteien untereinander. Aber es fehlt an einer Bestimmung, wie der Mäkler gezwungen werden soll, das Tagebuch vorzu­ legen. Hat der Handelsmäkler zugleich öffentliche Befugnisse, ist er z. B. Kursmäkler, so wird entweder das Ersuchen gemäß § 432 ZPO. oder eine Beschwerde bei seiner Anfsichtsbehörde zum Ziele führen. Sonst bleiben nur das Klagerecht der Parteien (vgl. auch §§ 429—431 ZPO ) und drohende Schadensersatzansprüche als Zwangsmittel übrig. Ist der Mäkler selbst Partei, so kommt § 102 unmittelbar zur Anwendung, im übrigen greifen beim Antrag der Gegenpartei aus Vorlegung die Vorschriften des § 422 ZPO. (in Verbindung mit § 810 BGB.) Platz. Wegen der Rechtsfolge der Nichtvorlegung s. § 427 ZPO. Hervorgehoben sei noch, daß bei Nichtvorlegung des Tagebuchs freie Beweiswürdi­ gung nach § 286 ZPO. mit einem für den Herausgabepflichtigen regelmäßig ungünstigen Ergebnis eintreten wird.

8 103.

§ 103. Handelsmäkler, die den Vorschriften über die Führung und Aufbewahrung des Tagebuchs zuwiderhandeln, werden mit Geldstrafe bis zu eintausend Mark bestraft. Die Handlung ist ein Vergehen (§§ 1, 27—30 StGB.). Wegen der jetzigen Höhe der Geldstrafe und wegen Umwandlung in Freiheitsstrafe vgl. die in Annr. 2 zu § 14 angef. Ver­ ordnungen von 1924. Wegen der Entschuldigungsgründe s. § 38 Anm. 4. Die Handlung kann auch von dem begangen werden, der das Handelsmüklergewerbe aufgegeben hat (vgl. § 100 Anm. 7). Die Erben des Handelsmäklers — die eben nicht Handelsmükler sind — unter­ liegen der Vorschrift nicht, obwohl zivilrechtlich auf sie die Pflicht zur Arlsbewahrung übergeht.

8 104.

§ 104. Auf Personen, welche die Vermittelung von Warengeschäften im Aleinverkehre besorgen, finden die Vorschriften über Schlußnoten und Tagebücher keine Anwendung.

Anm. 1. 1. Die hier behandelten Mäkler werden vielfach Kramermätler genannt. Sie beschäf­ tigen sich mit der Vermittlung von Warengeschäften im Kleinverkehr. Unabhängig

I. Abschnitt: Offene Handelsgesellschaft.

1. Titel: Errichtung der Gesellschaft.

597

davon ist die Frage, ob der betreffende Mäkler Großmäkler oder Kleinmäkler, d. h. Voll- § 104. kaufmann oder Minderkausmann ist. Ties richtet sich nicht nach dem Charakter der von ihm vermittelten Geschäfte, der Warengeschäfte im Kleinverkehr, sondern nach Art und Umfang seiner eigenen geschäftlichen Tätigkeit, ob sein Gewerbe als Klein­ gewerbe zu betrachten ist oder nicht. Bollkaufmann kann ein Mäkler sein, der sich mit Kleinverkehrsgeschäften befaßt, und Minderkaufmann kann ein Mäkler sein, der die Vermittlung von Großverkehrsgeschästen besorgt. Ist er Bollkaufmann und beschäftigt er sich mit Kleinverkehrsgeschäften, so muß er Handelsbücher, aber kein Tagebuch führen. Ist er Minderkaufmann und beschäftigt er sich mit Großverkehrsgeschäften, so muß er ein Tagebuch, aber nicht Handelsbücher führen. Ist er Minderkaufmann und beschäftigt er sich mit Kleinverkehrsgeschäften, so hat er weder Tagebuch noch Handelsbücher zu führen. Ist er Vollkaufmann und beschäftigt er sich mit Großverkehrsgeschästen, so hat er Handelsbücher und Tagebuch zu führen. Vgl. Vordem, vor § 93 Anm. 1 und § 93 Anm. 5.

2. Nur die Vorschriften über Schlußnoten und Tagebücher finden auf Krämer-Anm.2. Mäkler keine Anwendung, dagegen die sonstigen unseres Abschnitts. So regeln sich ihre Ansprüche an die Parteien, ihre Haftung ihnen gegenüber nach den §§ 98 u. 99, sie haben ferner nach Maßgabe des § 96 bei einem Verkauf nach Probe die Pflicht zur Aufbewahrung

der ihnen übergebenen Probe.

Zweites Buch.

Handelsgesellschaften und stille Gesellschaft. Erster Abschnitt.

Offene Handelsgesellschaft. Erster Titel.

Errichtung der Gesellschaft.

§ 105. Line Gesellschaft, deren Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma gerichtet ist, ist eine offene Handelsgesellschaft, wenn bei keinem der Gesellschafter die Haftung gegenüber den Gesellschafts­ gläubigern beschränkt ist. Auf die offene Handelsgesellschaft finden, soweit nicht in diesem Ab­ schnitt ein anderes vorgeschrieben ist, die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Gesellschaft Anwendung. Lit.: Gierke, Handelsgesellschaft und bürgerliches Recht, ArchBürgR. 19, 114; Knoke, Das Recht der Gesellschaft nach BGB., 01; Oelfke, Die Unterschiede der offenen Handels­ gesellschaft von der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, 03.

Vorbemerkung. Das HGB. unterscheidet Handelsgesellschaften und die Gesellschaft, die dem Handelsrecht angehört, ohne Handelsgesellschaft zu sein, nämlich die stille Ge­ sellschaft. (Tie Gelegenheitsgesellschaft ist gestrichen.) Die Handelsgesellschaften sind: die offene Handelsgesellschaft, die Kommanditgesellschaft, die Aktiengesellschaften, die Kommandit­ gesellschaften auf Aktien; dazu treten noch die Gesellschaften mit beschränkter Haftung.

§ 105.

598 § 105.

I. Abschnitt: Offene Handelsgesellschaft.

Der vorliegende Paragraph gibt die Begriffsbestimmung der o.HG. (Ws. I) und

Aum. 1. ordnet an, daß ergänzend die Vorschriften des BGB. über die Gesellschaft Anwendung finden (Abs. 2).

I. Die Begriffsbestimmung der o.HG. Sie ist eine Gesellschaft, deren Zweck auf den Betrieb eines Handels­ gewerbes unter gemeinschaftlicher Firma gerichtet ist, und bei der die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern bei keinem Gesellschafter beschränkt ist.

Anm. 2. 1. Eine Gesellschaft ist sie.

Dadurch ist zum deutlichen Ausdruck gebracht, daß zu ihrem Wesen das Vorhandensein einer Gesellschaft gehört. Abgelehnt ist hierdurch die ins­ besondere von Laband (in ZHR. 30, 509 ff.) vertretene Ansicht, daß die o.HG. ein Ver­ hältnis ist, durch das ohne Rücksicht auf die zugrunde liegenden inneren Beziehungen der Beteiligten lediglich die Haftung für die Schulden eines unter gemeinschaftlicher Firma betriebenen Handelsgewerbes geregelt wird (D. 86).

Anm. 3.

Erforderlich ist hiernach, daß die Gesellschafter sich verpflichten, die Erreichung eines gemeinschaftlichen Endzwecks in bestimmter Weise zu fördern, insbesondere die verein­ barten Beiträge zu leisten. Denn das gehört nach § 705 BGB. zum Wesen einer jeden Gesellschaft. Durch welche Art von Beiträgen der Gesellschaftszweck gefördert werden soll, ist völlig dem Gesellschaftsvertrage überlassen. Es können Sachen, Rechtshand­ lungen, Verpflichtungsübernahmen, Dienste, z. B. also auch Übernahme der Geschäfts­ führung (vgl. Wimpfheimer Liquidation 39 ff.) sein, aber die Leistung von Beiträgen ist wesentlich. Aber ganz erlassen kann die Beitragsleistung einem Gesellschafter nicht werden; sonst liegt keine Gesellschaft vor (Mot. z. BGB. II 594; § 629 des ersten Ent­ wurfs). Jedoch ist der Inhalt der Leistung unwesentlich, sie kann materielle Aufwendungen erfordern; sie kann auch in Leistungen bestehen, die nicht materielle Opfer erfordern (Wie­ land 454). So kann z. B. ein Gesellschafter dadurch den Endzweck der Gesellschaft för­ dern, daß er sich als Gesellschafter eintragen läßt, dadurch die Schuldenhaftung mit übernimmt und so den Kredit der Gesellschaft fördert (RG. 37, 61). Ferner muß der Endzweck der Gesellschaft ein gemeinsamer sein. Die Absicht muß dahin gehen, die Ergebnisse des Geschäfts allen Gesellschafter»: zukonunen zu lassen, nicht gerade notwendig allen in gleichem Umfange, aber doch allen, und zwar als Geschäfts­ ergebnisse, als Ergebnisse der wechselnden Schicksale der Gesellschaft.

Anm. 4.

Verschieden hiervon ist die Frage, ob eine Gesellschaft vorhanden ist, »Denn ein­ zelne Gesellschafter am Gewinn oder am Verlust nicht beteiligt sind. Fürletzteren Fall, also »venn die Teilnahme am Verlust erlassen ist, ist die Zulässigkeit unbe­ stritten (RG. in IW. 03, Beil. S. 1734 und bei Bauer 7, 212; OLG. Kiel in SchlHolstAnz. 1922, 268). Dagegen herrschte Streit, ob ein Gesellschafter von jedem Gewinn aus geschlossen werden darf. Die Frage ist für die o.HG. zu verneinen. Eine ausdrückliche, dem § 336 Abs. 2 entsprechende Bestimmung hat allerdings das Gesetz hier nicht; § 705 BGB. aber erklärt nur die Beitragspflicht, nicht die Gewinnbeteiligung für wesentlich. Immerhin aber muß nach der Vorschrift des § 705 der Zweck ein gemeinsamer sein; da dieser nun bei der o.HG. aus bcn Betrieb eines Handelsgewerbes gerichtet ist, so ist für den, der nur am Verlust, nicht am Gewinn dieses Gewerbes beteiligt ist, eine Teilnahme am Zweck nicht mehr vorhanden (a. A. für BGB. Goldmann-Lilienthal § 193 Anm. 17: Dernburg II § 361 Anm. 2; Leist, Untersuchungen 97; dagegen Knoke 51 und DürHach. IV, 16). Die Gemeinsamkeit des Zweckes fehlt auch, wenn ein Gesellschafter lediglich eine bestimmt festgesetzte Summe erhält (dagegen RG. in IW. 1915, 14283 u. 14703; RG. 90, 17 und im „Recht" 1919 Nr. 125 sowie bei Bauer 24, 53; ferner OLG. Dresden bei Bauer 25, 28, RG. bei Bauer 26, 175); nicht aber würde ein garantierter Mindest­ betrag dem Vorhandensein einer Gesellschaft entgegenstehen; beim immerhin hängt doch der Überschuß über diesen Mindestbetrag von den Schicksalen der Gesellschaft ab.

1. Titel: Errichtung der Gesellschaft.

599

2. Notwendig ist begrifflich ein Vertrag; ein tatsächlicher Zustand kann keine Handelsgesell- § 105» schäft begründen. Nicht nötig ist allerdings der förmliche Abschluß eines solchen; er kannU^.."). auch aus den Umständen des Falles entnommen werden; etwa im Vertrage fehlende Be­ stimmungen können aus dem Gesetz ergänzt werden (RG. im „Recht" 1914 Nr. 2309). Immer aber sind die für den Abschluß eines Vertrags nach bürgerlichem Recht gegebenen Voraussetzungen erforderlich; er muß die rechtlichen Erfordernisse eines Gesellschafts­ vertrags enthalten (RG. in SeuffA. 74, 239; insbesondere müssen die Vorschriften über die Vertretung Minderjähriger, die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts usw. berücksichtigt werden (KGJ. 22 A 283; OLG. Posen bei Bauer 10, 211; vgl. auch Anm. 21 zu § 1). Wird der Vertrag von dem Vater mit minderjährigen Kindern ge­ schlossen, so muß jedes Kind durch einen Pfleger vertreten werden; weder kann der Vater als Inhaber der väterlichen Gewalt abschließen, noch ein Pfleger für mehrere Kinder (KGJ. 22 A 284; 31, 156; OLGR. 12, 226; RG. in LZ. 1922, 686). Uber Gesellschaft zwischen Ehegatten vgl. Hachenburg in SeuffBl. 72, 51. Selbstverständlich liegt keine Gesellschaft vor, wenn aus anderen Gründen (etwa Anm. 6. aus einem Abhängigkeitsverhältnisse oder den vereinbarten Kündigungsbedingungen) folgt, daß nach innen Dienst, Miete oder Darlehen oder ein sonstiger Vertrag verabredet ist, weil eben eine Gesellschaft vorhanden sein muß, wenn eine o.HG. vorliegen soll. Andererseits kann die Gemeinschaft ursprünglich auch auf anderer Grundlage als auf Aum. 7. Vertrag beruhen: Beschließen zwei Personen, deren Gemeinschaft auf anderer als ver­ tragsmäßiger Grundlage beruht, unter gemeinschaftlicher Firma ein Handelsgewerbe zu betreiben, so schließen die ursprünglich durch andere Rechtsgründe vereinigten Per­ sonen hiermit einen Gesellschaftsvertrag und bilden eine o.HG.; so wenn es sich um die Gemeinschaft zwischen Erben handelt (vgl. Anm. 40), oder um die fortgesetzte Güter­ gemeinschaft (OLG. Stuttgart in ZHR. 40, 457; ROHG. 11, 102; RG. 10, 103; vgl. auch § 22 Anm. 6a). Uber weitere Erfordernisse des Gesellschaftsvertrages s. Anm. 4 zu § 109. 3. Da eine Gesellschaft vorliegen muß, so folgt daraus ohne weiteres, daß die o.HG. Anm. 8. keine juristische Person ist. Der alte Streit hierüber ist damit aber auch jetzt noch nicht, wie die 6.—7. Auflage annahm, endgültig begraben; irrt Gegenteil besteht nach wie vor eine Verschiedenheit der Ansichten, die nicht nur theoretische, sondern sehr wesentliche praktische Bedeutung hat (vgl. Silberschmidt in LZ. 1925, 422). Fest steht einerseits, daß die Natur der juristischen Persönlichkeit der o.HG. nicht gegeben, andererseits, daß nicht nur eine lediglich schuldrechtliche Bindung, wie bei der römisch-rechtlichen societas vorhanden ist. Die o.HG. ist eine Unterart der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, die auch nicht lediglich nach schuldrechtlichen Grundsätzen aufgebaut ist. Aber sie unterscheidet sich von dieser noch dadurch, daß sie einen einheitlichen Namen (die Firma) hat, daß sie unter diesem Namen Rechte errverben, Verbindlichkeiten eingehen, Prozesse führen kann: sie hat also Eigenschaften, die ihr nach außen hin die Befugnisse geben, die eine juristische Person hat. Man kann daher mit Dernburg sagen, daß die o.HG. in gewissen Be­ ziehungen so behandelt wird, wie eine juristische Person; man kann sie mit Gareis (Lehr­ buch § 27 Anm. 5 und Handausgabe zu § 105) eine „relative juristische Person" nennen (vgl. auch KG. bei Ring I, 369). Man entscheidet aber damit nicht die materielle Frage, wer Subjekt der Rechte ist, die die Gesellschaft unter ihrer Firma erwirbt, ins­ besondere also nicht die des Eigentums am Gesellschaftsvermögen und die der Prozeß­ führung (so auch LehmannLehrb. 237 Anm. 5). Die zu beantwortende Frage ist hier folgende: Ist die Gesellschaft als solche Eigentümerin des Gesellschaftsvermögens, führt sie als solche den Prozeß, oder tut dies die unter der Firma zusammengefaßte Gesamt­ heit der Gesellschafter? Beantwortet man die erste Frage nach dem Grundsatz der ge­ samten Hand in letzterem Sinne (vgl. Anm. 27 f.), so kann der Umstand allein, daß der o.HG. gestattet ist, unter einem selbständigen Namen aufzutreten, gegenüber der doch nicht wegzuleugnenden Absicht des Gesetzes, die o.HG. als Gesellschaft hinzustellen, nicht

600 §105.

Anm. 9.

Anm.9».

Anm. 10.

Anm. 11.

I, Abschnitt: Lffene Handelsgesellschaft.

dazu führen, die zweite Frage anders zu entscheiden.

Es ist daher davon auszugehen,

daß die Gesellschafter in ihrer jeweiligen (vgl. Wieland 420 Anm. 61) Zusam­ menfassung Eigentümer des Vermögens und Prozeßpartei sind. (So in dauernder Rechtsprechung die Praxis; vgl. Anm. 27 f. und die Erl. zu § 124; insbes. RG. 46, 41; 65, 21 u. 229 und bei Gruch. 45, 86 sowie dort 61, 132; RG. 86, 70; 84, 108 und in IW. 1916, 14092; in LZ. 1910, 150; BayObLG. bei Bauer 8, 257; OLG. Braun­ schweig in DIZ. 01, 312; BayObLG. in BayObLGZ. 20, 424; KG. in KGJ. 31 A 155; Gierke 116; Joerges, Zur Lehre vom Miteigentum in ZHR. 49, 167; Behrend § 74; Lehmann-Ring Vordem, zu § 105; Goldmann Anm. 1 zu § 124; dagegen insbesondere HellwigAnspruch 266; Gaupp-Stein ZPO. Anm. II, 4 zu § 50; Wieland 425; Lenz in IW. 1925, 733. Kohler ist in ZHR. 74, 456 für die juristische Persönlichkeit der o.HG. eingetreten. Auf Erwiderung Lehmanns hat er seinen Standpunkt im ArchBürgR. 40, 229 eingehend dargelegt; dagegen Jaeger, Tie o.HG. im Zivilprozeß.) Andererseits ist auch die o.HG. keine physische Person; es kann ihr z. B. das Armenrecht nicht gegeben werden (RG. in IW. 02, 2504 und Arend, Parteiqualität der o.HG., 28; vgl. RitterKomm. Anm. 2 zu § 124; dagegen OLG. Jena in DIZ. 1919, 356; DürHach. Anm. 9 zu § 124 und Jaeger, Die o.HG. im Zivilprozeß 24, der zu Un­ recht einen Widerspruch mit § 124 Anm. 6 annimmt); sie kann auch nicht als Inhaberin einer Einzelfirma eingetragen werden (KGJ. 23 A 96); vielmehr sind die Gesell­ schafter einzutragen, die das Geschäft als o.HG. fortsehen. Vollmacht kann der o.HG. erteilt werden (KGJ. 23 A 124; OLGR. 4, 466; Stampe in IW. 1922, 518 Anm.; da­ gegen RitterKomm. Anm. 1 zu § 54; Näheres vgl. Anm. 2 zu § 54). Daß eine o.HG. zum Liquidator sowohl einer o.HG., wie einer AG. bestellt werden kann, ist, da sie keine juristische Person ist, anzunehmen (vgl. § 146 Anm. 1; § 295 Anm. 1). Eine Bestellung zum Vormund oder Pfleger erscheint unzulässig, da das BGB. hierbei nur von natürlichen Personen ausgeht; ob, wenn etwa im Testament eine o.HG. als Vormund bezeichnet ist, dies dahin zu verstehen ist, daß einer der Gesell­ schafter Vormund ist, ist Auslegungssrage. Testamentsvollstrecker kann die o.HG. werden, da hier das persönliche Moment zurücktritt. Strafen des Registerrichters können gegen die o.HG. als solche nicht verhängt werden (§126 Anm. 4): vgl. 8 14 Anm. 3 und § 5 Anm. 4a. Eine Vereinbarung, daß eine o.HG. Schiedsrichter sein solle, kann dahin aus­ gelegt werden, daß jeder vertretungsberechtigte Gesellschafter als Schiedsrichter ein­ treten kann (OLG. Hamburg in HansGZ. 49, 40 u. 206; bestätigt von RG. ebenda 234). Die Frage, ob eine o.HG. als solche Staatsangehörigkeit besitzt, ist bei den Ausgleichsverhandlungen praktisch geworden. Tas Teutsch-Englische Schiedsgericht hat diese Frage verneint (IW. 1922, 11614); vgl. jedoch Rabel Anm. zu diesem Erk.; Jsay in BankA. 22, 253 und Wieland 459 Anm. 57, 617 Annr. 18; sowie RG. 36, 393 und unten Anm. 45. Über Staatsangehörigkeit ausländischer Zweigniederlassungen vgl. OLG. Hamburg in OLGR. 43, 135. Es muß aber hier sofort bemerkt werderr, daß eine Vereinigung von Personen, die keine o.HG. ist, doch für den Rechtsverkehr als solche gelten kann (s. hierüber Anm. 17 und ferner § 123 sowie Anhang zu § 5). 4. Auf den Betrieb eines HandelsgewcrbeS muß der Zweck der o.HG. gerichtet sein. Wie zu 1 dargelegt, gehört zum Wesen jeder Gesellschaft die Erreichung eines gemeinsamen Zweckes. Dieser muß hier der Betrieb eines Handelsgcwerbes sein. a) Der Begriff Betrieb ist in Anm. 15ff. zu § 1 auseinandergesetzt. Es folgt aus diesem Begriff, daß die Geschäfte im Namen aller Gesellschafter (d. h. unter der Firma der Ge­ sellschaft, als dem gemeinschaftlichen Handelsnamen) abgeschlossen werden müssen. Aber während beim Einzelkaufmann der Abschluß im Namen des Firmeninhabers genügt, muß hier zufolge des zu § 1 erwähnten Erfordernisses des Vorhandenseins einer Gesell­ schaft außerdem der Abschluß der Geschäfte für Rechnung der Gesellschafter erfolgen.

1. Titel: Errichtung der Gesellschaft.

601

Hier muß der Betrieb des Handelsgewerbes, die Erzielung des dadurch erzielten Ge- § 105. Winnes, der gemeinsame Endzweck der Gesellschafter sein. Sonst läge ja keine Gesellschaft vor. Es wäre keine o.HG., wenn das Geschäft lediglich für Rechnung eines Dritten ge­ führt würde, dem aller Gewinn zufiele und den aller Verlust träfe, während die beiden eingetragenen Inhaber des Geschäfts von diesem ein Gehalt bezögen (vgl. zu 1). Hier­ gegen Goldmann (Anm. 17), Lehmann-Ring (Nr. 5), Ritter (Komm. Anm. 3), DürHach. (Anm. 6), die eine interne Vereinbarung, daß einem Dritten der Gewinn zufließe, für zulässig erachten. Sie verkennen hierbei die Vorschrift des § 705 BGB., nach denen die Gesellschafter gegenseitig zur „Erreichung eines gemeinsamen Zwecks" mitwirken. Fällt ihnen weder Gewinn noch Verlust zu, so scheidet der gemeinsame Zweck aus. — Jedenfalls aber muß betont werden, daß der Betrieb eines Handelsgewerbes vorliegen muß. Es genügt nicht, daß mehrere Personen einen Gesellschaftsvertrag schließen, der den Betrieb eines Handelsgewerbes bezweckt (dagegen DürHach. Anm. 11). Obwohl der Wortlaut unseres Paragraphen dazu verleiten möchte, dies anzunehmen, so wäre das irrig. Der bloße Vertragsabschluß ist ein innerlicher Vorgang, durch ihn wird zwar eine Vereinigung erzielt, aber keine „offene Handelsgesellschaft". Schon dieser Name zeigt deutlich, daß ein Wirken nach außen erforderlich ist. Außerdem ergibt § 6, daß die Handelsgesellschaft als Kaufmann gedacht ist, also (vgl. § 1) als ein Rechtsgebilde, wel­ ches ein Gewerbe betreibt. Und überdies knüpft der Begriff ja an den des alten HGB. an (nach Art. 85 lag eine o.HG. vor, wenn mehrere Personen ein Handelsgewerbe „be­ treiben") und es sollte durch die neue Fassung an dieser Seite der Sache nichts geändert, sondern nur klargestellt werden, daß das Rechtsgebilde eine wirkliche Gesellschaft ist (alles das gegen Makower Anm. Ilb). Andererseits wird, wenn der Betrieb begonnen hat, der Beginn der Gesellschaft nicht dadurch hinausgeschoben, daß ein Gesellschafter seine Einlage nicht voll geleistet hat; es sei denn, daß dies im Vertrage anders bestimmt ist (BayObLG. im „Recht" 1919 Nr. 308). Da ein wirklicher Betrieb beabsichtigt sein und vorliegen muß, so ist eine o.HG.Anm. 12. z. B. nicht vorhanden, wenn vereinbart ist, daß die Gesellschaft sich sofort im Augenblick ihres Entstehens wieder auflösen soll (OLG. Köln in RheinA. 92, 12 und RG. in DIZ. 02, 167); ferner, wenn es an der Ernstlichkeit des Willens, ein Handelsgewerbe zu be­ treiben, mangelt (OLG. Kolmar in OLGR. 8, 378); z. B. wenn zwei Personen, deren eine den Namen Mumm führt, eine Weingroßhandlung Mumm & Co. errichten und fest­ gestellt wird, daß sie nicht die Absicht haben, Weinhandel zu betreiben, sondern der Ver­ trag nur die Verwertung des Namens bezweckt; vgl. auch BayObLG. in LZ. 1921, 385. b) Der Begriff Gewerbe ist bei Anm. 6 ff. zu § 1 auseinandergesetzt. Ohne Gewerbe keine Anm. 13. o.HG. (RG. 13, 230). Daher können Konsumvereine, deren Zweck nicht ist, aus der Gesamtheit ihrer Geschäfte eine dauernde Einnahmequelle zu machen, nicht als o.HG. eingetragen werden (RG. im „Recht" 01, 203). o) Ein Handelsgewerbe muß es sein, entweder ein solches im Sinne des § 1 oder einAnm. 14. solches im Sinne des § 2 oder des § 3 Abs. 2, nicht aber ein Kleingewerbe im Sinne des § 4; OLGR. 14, 330. (Uber den Begriff des Kleingewerbes vgl. Anm. 18 ff- zu § 4.) Die Anwendung der §§ 1, 2 u. 3 führt hier zu nachstehenden Folgerungen: Betreiben mehrere Personen unter gemeinschaftlicher Firma ein unter § 1 fallendes Anm. 15. Gewerbe in erheblichem Umfange, so bilden sie ohne weiteres eine o.HG. (KGJ. 41, 117). Betreiben sie ein sonstiges Gewerbe in Art und Umfang gemäß § 2, und sei es auch unter gemeinschaftlicher Firma, so sind sie trotzdem keine o.HG., sondern werden es erst durch die Eintragung. Aber zu dieser sind sie nach § 2 verpflichtet (dagegen Wieland 448 Anm. 41). Sie sind aber ferner zu dieser Eintragung und demgemäß zur Errichtung einer o.HG. auch dann verpflichtet, wenn sie irgendein Gewerbe ohne gemeinschaftliche Firma so führen, daß es nach Art und Umfang einen kaufmännisch eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. (Für Handwerker trifft dies nicht zu; vgl. § 4 Anm. 8 ff.) Tenn es folgt aus § 2, daß dann die Inhaber des Gewerbes sich eintragen lassen und dadurch Kauf-

602

§ 105.

Anm. 16.

leute werden sollen.

I. Abschnitt: Offene Handelsgesellschaft. Betreiben sie also das Gewerbe in einer Vereinigung, so müssen

sie sich als Handelsgesellschaft eintragen lassen, indem sie eine der vom Gesetze zur Wahl gestellten handelsrechtlichen Vereinigungen wählen. Daß sie dies auch dann tun müssen, wenn ihr Gewerbe unter § 1 fällt, darüber siehe Anm. 21. Vereinigungen von Landwirten mit erheblichem Nebengewerbe sind berechtigt, sich eintragen zu lassen. Über Ber­ einigung von Zivilmäklern vgl. Vordem, vor § 93 Anm. 8. Nach früherem Recht war die Frage wichtig, wie es zu halten ist, wenn eine Gesell­ schaft teils Handelsgeschäfte, teils Nichthandelsgeschäfte betreibt, und es wurde die Gesell­ schaft bei einheitlichem Betrieb und, wenn der Handelsgeschäftscharakter überwog, als Handelsgesellschaft erklärt (RG. 32, 32). Die Frage ist jetzt unpraktisch geworden. Denn absolute Nichthandelsgeschäste, wie es früher die Geschäfte über Grundstücke waren, gibt es nicht mehr. Ist eine Gesellschaft o.HG., so sind alle ihre Geschäfte Handelsgeschäfte

(§ 343). Anm. 17. 6) Ohne den Betrieb eines Handelsgewerbes gibt es keine o.HG. Aber es kann ohne den Betrieb eines Handelsgewerbes eine Gesellschaft als o.HG. gellen. Es ist nämlich daraus aufmerksam zu machen, daß, wenn ohne die Voraussetzungen des § 1 oder des § 2 oder des § 3 Abs. 2 oder trotz des Vorhandenseins eines Kleingewerbes zwei oder mehrere Personen als o.HG. in das Handelsregister eingetragen sind, der § 5 Platz greift (vgl. § 6), so dlch n!jn für hie Dauer der Eintragung im Rechtsverkehr eine

Anm. 18.

o.HG. des eingetragenen Inhalts als bestehend gilt. Hiergegen ist freilich, wie zu § 15 ausgeführt ist, der Gegenbeweis zulässig, daß die eingetragenen Personen kein Gewerbe betreiben. Denn nur der Einwand, daß das unter der Firma betriebene Gewerbe kein Handelsgewerbe oder kein Vollhandelsgewerbe sei, ist gegen die Eintragung ausgeschlossen. Betreibt von mehreren eingetragenen Personen, die in Wahrheit keine Handelsgesellschaft bilden, wenigstens eine ein Oiewerbe, so greift die Rechtsregel des § 5 wenigstens gegen diese Platz, es gilt also diese wenigstens als Kaufmann; vgl. hierzu § 5 Anm. 4a. Dagegen können Personen, die als offene Handelsgesellschafter ein­ getragen sind, nicht einu'enden, daß sie in Wahrheit keinen Gesellschafts­ vertrag oder nur einen ungültigen abgeschlossen haben. (Näheres hierüber

Anhang zu § 5 und Anm. 9 zu § 123.) Es ist ferner zu bemerken, daß mehrere Personen, die in anderer Weise im Rechts­ verkehr so auftreten, als seien sie zu einer o.HG. vereinigt, für den Rechtsverkehr als o.HG. gelten. Hierüber vgl. die Ausführungen im Anhang zu § 5, besonders Anm. 1 u. 3. Anm. 20. 5. Unter gemeinschaftlicher Firma muß das Handelsgewerbe betrieben werden. Diese Firma bezeichnet die Gesellschafter in ihrer Vereinigung und ist wesentliches Erfordernis der o.HG. (RG. 13, 230; 33, 128: Bolze 3 Nr. 789; 10 Nr. 528). Haben daher die Gesellschafter vereinbart, daß das Gesellschaftsverhältiiis nicht hervortreten und ein Betrieb unter gemeinschaftlicher Firma nicht stattsinden solle, so ist die Annahme einer o.HG. ausgeschlossen (RG. in IW. 01, 4OG21; vgl. auch RG. 13, 230 und 82, 24). Ob die Firma den Vorschriften des HGB. entspricht, ist dabei nicht erheblich (Behrend § 64 Anm. 3; RGSt. 24, 262). Fehlt das Erfordernis der gemeinschaftlichen Firma, so liegt beim Vor­ handensein aller übrigen Erfordernisse einer Gesellschaft eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts vor (ROHG. 5, 388; 8, 248: NG. 33, 129; RGSt. 24, 261; RG. in SüchsA. 3, 319; vgl. auch Anm. 4 zu § 1). Allein es ist hier auf das Eingreifen des § 2 aufmerk­ sam zu machen: Gemäß § 2 hat der Negisterrichter die Pflicht, darauf zu dringen, daß der Inhaber jedes gewerblichen Unternehmens, welches einen kaufmännisch eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, seine Firma eintragen läßt, und das bezieht sich auch auf Ge­ sellschaften (vgl. Anm. 4 zu § 2). Betreiben daher mehrere Personen unter gemeinschaft­ licher Firma ein Gewerbe in derartigem Umfange, daß es einen kaufmännisch einge­ richteten Geschäftsbetrieb erfordert, so müssen sic eine Firma wühlen und eintragen lassen und sich dadurch zur o.HG. machen (iin übrigen vgl. über die Firma der o.HG. Anm. 1 zu § 19). Anm. 19.

1. Titel: Errichtung bei Gesellschaft.

603

Darüber, daß die o.HG. nur eine Firma haben kann (dagegen insbes. Scheuing § 10». in der Anm. 22 angef. Schrift), vgl. hier Anm. 3 zu § 17 und RG. im „Recht" 1916 Nr. 1502 und 1917 Nr. 2075, sowie IW. 1916 Nr. 9617 und 1920, 8333. Dabei ist bemerkenswert, daß dieser Eintragungszwang auch dann Platz greift und Anm. 21. notwendig wird, wenn es sich um ein Handelsgewerbe nach § 1 handelt. Denn § 2 greift Platz, „auch wenn die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 nicht vorliegen", sicher also dann, wenn sie vorliegen. Beim Einzelkaufmann kann § 2 nicht Platz greifen, wenn er ein Handelsgewerbe nach § 1 betreibt. Denn dann ist er ohne weiteres Kaufmann und muß sich allerdings auch eintragen lassen, aber nicht wegen § 2, sondern wegen § 29. Eine Gesellschaft aber wird durch den Betrieb eines Handelsgewerbes nicht Kauf­ mann bzw. Handelsgesellschaft, sondern nur, wenn sie das Handelsgewerbe unter ge­ meinschaftlicher Firma betreibt. Zur Annahme einer Firma und zur Eintragung der­ selben kann sie nun aber nach § 2 angehalten werden.

6. Mitglieder der o.HG.: A. Juristische Personen sind nicht grundsätzlich von der Mitgliedschaft ausgeschlossen (vgl. RG. 36, 139). Wenn auch verschiedene Bestimmungen des Gesetzes darauf hindeuten, daß der Gesetzgeber in erster Linie an physische Personen als Mitglieder der o.HG. dachte, so liegt doch kein zwingender Grund vor, an sich juristischen Personen die Mit­ gliedschaft schlechthin zu versagen. Ob sie Mitglieder einer o.HG. werden können, hängt von ihrer Verfassung ab. Die wichtigste und auch jetzt noch grundsätzlich bestrittene Frage ist die, ob Aktien­ gesellschaften und GmbH. Mitglied einer o.HG. oder persönlich haf­ tende Gesellschafterin einer Kommanditgesellschaft sein können. Die Frage ist für die Praxis jetzt gelöst. Es wird daher für die bisherige Sitetatur und die Rechtsbedenken auf die früheren Auflagen verwiesen. Es mag zugegeben werden, daß die Konstruktion einer o.HG. mit einer Aktien­ gesellschaft oder GmbH, als persönlich haftendem Gesellschafter oder, wie es in der Praxis meist geschieht, einer Kommanditgesellschaft, deren persönlich haftender Gesell­ schafter eine Aktiengesellschaft oder eine GmbH, ist, zunächst aus steuerlichen Gründen gewählt worden ist. Es ist eine bekannte Tatsache, daß, soweit, was vielfach geschehen ist, in der Kriegs- oder Nachkriegszeit eine grundsätzliche Änderung der Steuergesetzgebung stattfand und entweder die Jndividualgesellschaften oder Aktiengesellschaften bzw. GmbH, stärker besteuert wurden, vielfach eine Umgründung in andere Gesellschaftsformen er­ folgte. Dieser steuerliche Grund aber mar sicherlich, insbesondere bei den späteren derartigen Gründungen, nicht allein maßgebend. Die Praxis suchte eine Zwischenstufe zwischen der Jndividualgesellschaft und der Aktiengesellschaft bzw. GmbH. Die o.HG. ist grundsätz­ lich eine Gesellschaft zwischen Einzelpersonen, bei denen lediglich die Persönlichkeiten maßgebend sind. Stirbt einer der Gesellschafter, so wird, soweit der Gesellschastsvertrag nichts anderes anordnet, die Gesellschaft aufgelöst (§ 131 Nr. 4). Man findet, da diese Auflösung für die meisten Gesellschaften eine große Wertminderung des Geschäfts be­ deutet, in fast allen Gesellschastsverträgen Bestimmungen darüber, wie es nach dem Tode eines Gesellschafters zu halteu sei. In bcii meisten Füllen aber wird diese Regelung eine äußerst schwierige sein. Tenn die au die Person geknüpfte Gesellschaft kann nicht ohne weiteres an Stelle eines Gesellschafters die Aufnahme seiner Erben in Aussicht nehmen, da man ja nicht wissen kaun, welcher Art die Erben zur Zeit des Falles sein werden; die oft in den Vertrügen enthaltene Bestimmung, daß der Überlebende das Recht hat, das Geschüft zu übernehmen, wird in den meisten Fällen für eine der beiden Parteien eine Unbilligkeit enthalten. Diesen Schwierigkeiten entgeht man wenigstens zum großen Teil, wenn man zum offenen Gesellschafter bzw. bei der Kommandit­ gesellschaft zum persönlich haftenden Gesellschafter ein Rechtsgebilde macht, das be­ grifflich nicht stirbt. Und so erklärt sich die Beliebtheit der Rechtsform, bei der der persönlich haftende Gesellschafter eine Aktiengesellschaft oder GmbH. ist. Daß hiergegen

Anm. 22.

604

I. Abschnitt: Cffcne Handelsgesellschaft.

grundsätzlich Bedenken nach geltendem Recht entgegenstehen, ist nicht zu leugnen und insbesondere in der 10. und 11. Auflage eingehend dargelegt. Die Gerichtspraxis war eine schwankende. Zunächst hat das BayObLG. im Beschluß vom 16. Febr. 1912 (OLGR. 27, 331) die Form für zulässig erklärt. Es führt aus, daß allerdings in solchem Falle durch den anderen Teilhaber der o.HG. oder Kommandit­ gesellschaft, den sie abzubcrufen nicht in der Lage sei, die GmbH, mitvertreten werde; dies sei aber eine tatsächliche Folgeerscheinung, einer derartigen Beteiligung stehe grund­ sätzlich nichts im Wege. Dem Obersten bayrischen Gerichtshof schloß sich das KG. am 28. März 1913 (DIZ. 1913, 1500) an, während das OLG. Dresden in einem älteren Erkenntnis (Holdheim 9, 21) sich dagegen aussprach und das OLG. Hamburg (in OLGR. 30, 385) die Frage unentschieden ließ. Demnächst haben das LG. u. OLG. Hamburg sich gegen die Zulässigkeit erklärt. Das RG. hat in einem Beschluß vom 4. Juli 1922 (RG. 105, 101 ff.) jedoch die Zulässigkeit in einem eingehend begründeten Urteil bejaht. Von der Literatur seien angeführt außer den beim RG. zitierten Schriftstellern: Hachenburg in DIZ. 1913, 53; 1916, 787; Held in DIZ. 1913, 1197; DürHach. Anm. 20 zu § 105; Brand Anm. 2, die sich sämtlich für die Zulässigkeit aussprechen; zweifelnd Liebmann in DIZ. 1913, 230; vgl. auch Daeschner, Handelsgesellschaftliche Gestaltungs­ formen (Leipzig 1924, vgl. auch Fritz Eahn, Tie GmbH. & (So. Kommanditgesellschaft; Mannheim 1922). Während des Druckes erschien Zielinski', „Grundtypvermischungen unb Handelsgesellschaftsrecht" Marburg 1925, in dem unter eingehender Prüfung aller wirtschaftlichen und rechtlichen Gesichtspunkte die Zulässigkeit bejaht wird. Ferner wird verwiesen auf die Aufsätze zum Reichsgerichtsurteil, insbesondere von Brodmann in IW. 1923, 683 u. 1922, 1656; Flechtheim in IW. 1923, 227; Gold­ schmidt in IW. 1922, 1671; Eugen Fuchs und Pinner in IW. 1922, 1676 ff. Ferner wird noch verwiesen aus (Teiler in IW. 1921, 302 und Brodmann GmbH. 30 u. 60. Außer­ dem hat noch das KG- in OLGR. 42, 214 n. 40, 189 Anm. sowie in KGJ. 51, 122 u. 52, 90 die Zulässigkeit bejaht. Man kann daher davon ausgehen, daß das Bedürfnis der Praxis sich über Bedenk­ lichkeiten hinweggesetzt hat, die aus Übertragung juristischer Formen aus Einrichtungen hervorgehen, für die sie ihrer Natur nach nicht passen. Als Firma einer derartigen Gesellschaft muß der Name eines persönlich hastenden Gesellschafters mit einem das Gesellschaftsverhültnis ausdrückenden Zusatz gewählt werden. Wird daher der Name der Aktiengesellschaft oder GmbH, als Firma gewühlt, so muß die Firma lauten: „Westdeutsche Hotel-Aktiengesellschaft & Eo."; oder „Westdeutsche Hotel­ gesellschaft in. b. H. & Co., Kommanditgesellschaft" (RIA. 16, 82 und KG. in KGJ. 51, 122) oder ähnlich. Bei der Anmeldung hat der Geschäftsführer der als offener Gesellschafter eintretenden GmbH, die Anmeldung auch mit der Firma der GmbH. zu unterschreiben (KGJ. 51, 125). Eine besondere Art der hier behandelten Handelsgesellschaft ist die, bei der die Kommanditisten gleichzeitig Gesellschafter der GmbH., die persönlich haftende Gesell­ schafterin ist, sind. In betreff der Besteuerung derartiger Gesellschaften hatte der RFH. (10, 65) für älteres Recht entschieden, daß die gleichzeitige Begründung einer GmbH, und einer Kommanditgesellschaft, deren persönlich haftender Gesellschafter die GmbH, ist und deren Kommanditisten die Gesellschafter der letzteren sind, unter Umständen als Umgehung gemäß § 5 RAbgO. anzusehen ist (vgl. auch Dünckelsbühler in IW. 1922, 1545 Anm. zu diesem Erk.). Jetzt bestimmt § 5 Abs. 2 KB StG., daß, wenn zu den persönlich haftenden Ge­ sellschaftern einer Kommanditgesellschaft eine Kapitalgesellseyaft gehört, die Anteile der Kommanditisten als Anteile an der Kapitalgesellschaft anzusehen sind. Sie sind daher gemäß § 6 KB StG. zu versteuern. Anm.23.L. Eine weitere Frage, ob eine offene HandelSgesellschast Mitglied einer offenen HandelSgefellfchaft sein kann, ist ebenfalls streitig. Während auch hier die Theorie teilweise sich § 105.

1. Titel: Errichtung der Gesellschaft.

605

für die Zulassung ausspricht (z. B. Eltzbacher in ZHR. 45, 47; DürHach. Anm. 22; Geiler K 105 in IW- 1924, 1113; Schreiber KGaA. 41 Anm. 1), hat die Praxis bisher sich auf den ent­ gegengesetzten Standpunkt gestellt (RG. 36, 39; OLG. Hamburg in ZHR. 40, 457; OLG. Stuttgart in OLGR. 24, 170). Hier spricht noch mehr als im Fall der Anm. 22 das Wesen der o.HG. gegen die Zulassung. Durch die Aufnahme einer o.HG. als Gesell­ schafterin kommt, da diese sich jederzeit ohne Widerjpruchsrecht der anderen Gesellschafter in ihrem Mitgliederbestand ändern kaun, ein störender Umstand der Unbestimmtheit und Unbestimmbarkeit der Gesellschafter in die Gesellschaft, der ihrem Wesen widerspricht (Anm. 19 zu § 109). Das KG. ist seiner bereits früher (KGJ. 11, 17) ausgesprochenen Ansicht von der Unzulässigkeit treugeblieben (DNotVZ. 18, 466; ebenso OLG. Dresden in RIA. 15, 43; Daeschner (Handelsgesellschaftliche Gestaltungsformen) kommt grund­ sätzlich ebenfalls zur Verneinung, ein Zusammenschluß sei jedoch möglich, wenn die Ge­ sellschaftsverträge der beiden sich zusammenschließenden Gesellschaften einen Wechsel der Gesellschafter ausschließen. C. Welche Personen können sonst Mitglieder einer o.HG. sein? Uber Minderjährige und Anm. 24. sonstige in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Personen s. Anm. 4, 20, 21 zu § 1 und KGJ. 22 A 281. Ehefrauen können auch ohne Genehmigung ihres Mannes Mitglieder einer o.HG. werden, doch ist es wegen der Wirksamkeit der dadurch entstehenden Verpflichtungeii und der dinglichen Verfügungen auf die Rechte des Ehemannes von Erheblichkeit, ob der Ehemann eingewilligt hat (vgl. Allg. Einl. Anm. 39 ff. und Ullmann, Die Ehefrau als Gesellschafterin einer o.HG., in IW. 02, 49; ferner Otto Martin Simon, Die Ehefrau als Gesellschafterin einer o.HG.). Uber die Frage, wann anzunehmen ist, daß eine am Geschäft mit tätige Ehefrau Gesellschafterin ist, vgl. OLG. Augsburg in SeufsA. 70, 223. Uber das Recht des Ehemannes, Gesellschaftsverträge der Ehefrau zu kündigen, s. Anm. 73, 74 in Allg. Einl. Uber Erbengemeinschaften s. Anm. 1 zu § 139; und Anm. 40 zu diesem Parapraphen. 7. Die Haftung gegenüber den Gläubigern darf bei keinem Gesellschafter beschränkt sein, Anm. 25. und zwar nach außen. Ob die unbeschränkte Haftung von den Gesellschaftern gewollt ist, ist gleichgültig. Entscheidend ist nur, daß sie das Beschränkt-Haftenwollen nicht nach außen erkennbar gemacht haben (ROHG. 15, 21). Man nennt dies das negative Begrisfsmerkmal der o.HG. Beschränkungen nach innen berühren den Charakter der o.HG. nicht (KGJ. 41, 120). Die Beschränkung der Haftung nach innen auf Vermögenseinlagen ist im Gegen­ teil die normale Gestaltung des inneren Verhältnisses. Auch das würde dem Vorhanden­ sein einer o.HG. nicht entgegenstchen, daß bei jedem Vertragsabschlüsse der Ausschluß gesamtschuldnerischer Haftung mit dem Gläubiger bedungen würde (eine Abrede, die an sich zulässig ist, vgl. § 128); auch das nicht, daß dem vertrctungsbefugten Gesellschafter zur Pflicht gemacht ist, nur in dieser Weise abzuschließen. Denn immerhin würden die Gesellschafter aus anderen Rechtsgründen als Verträgen gesamtschuldnerisch hasten (aus unerlaubten Handlungen, Bereicherungen). Soll das hier in Rede stehende Merkmal ausgeschlossen und trotz der übrigen Voraussetzungen eine o.HG. nicht begründet werden, so muß eine Kommanditgesellschaft gegründet und müssen die Voraussetzungen dieser erfüllt werben. Daß dies geschehen, muß, wenn das Vorhandensein aller übrigen Voraussetzungen bewiesen wird, gegenbeweislich dargetan werden, da die beschränkte Haftung bei einer Gesellschaft, die nicht juristische Person ist, Ausnahme ist (vgl. Makower Anm. III). 8. Ist zur Existenz der o.HG. die Eintragung erforderlich? Antwort: Wenn ein Handels-Anm. 26. gewerbe nach § 1 vorliegt, nein; wohl aber, wenn ein Handelsgewerbe nach § 2 die Grund­ lage bildet. Durch bloße Eintragung wird umgekehrt eine Gesellschaft, die ein Handelsgewerbe Anm. 27. weder gemäß § 1 noch gemäß 8 2 (vgl. § 1 Anm. 31) betreibt, nicht offene Handelsgesell­ schaft. Allein die erfolgte Eintragung hat doch in dieser Hinsicht die erhebliche Wirkung, daß eine Gesellschaft unter Umständen als o.HG. für den Rechtsverkehr gilt, obwohl sie es nicht ist. Hierüber s. Anm. 17 n. 18, besonders aber § 123.

606

I. Abschnitt: Offene Handelsgesellschaft.

§ 105. 9. RechtSuatur deS GeseNfchaftSvermögenS.

Anm. 28.

Die o.HG. hat ein GesellfchaftSvermögeu (doch ist dies keine wesentliche Voraus­ setzung des Gesellschaftsvertrages: RG. 77, 226; 80, 268; sowie in IW. 1919, 933*; vgl. auch § 111 Anm. 2 und LehmannLehrb. 247 Anm. 3). Es kommen gemäß Abs. 2 § 105 die Vorschriften des BGB., insbesondere § 718 u. § 719, 1 zur Anwendung. Diese lauten: § 718. Die Beiträge der Gesellschafter und die durch die Geschäftsführung für die Gesellschaft erworbenen Gegenstände werden gemeinschaftliches Vermögen der Gesellschafter (Gesellschaftsvermögen). Zu dem Gesellschaftsvermögen gehört auch, was auf Grund eines zu dem Gesellschaftsvermögen gehörenden Rechtes oder als Ersatz für die Zerstörung, Be­ schädigung oder Entziehung eines zu dem Gesellschaftsvermögen gehörenden Gegenstandes erworben wird. § 719. Ein Gesellschafter kann nicht über seinen Anteil an dem Gcsellschaftsvermögen und an den einzelnen dazu gehörenden Gegenständen verfügen: er ist nicht berechtigt, Teilung zu verlangen.

Es ist die rechtliche Natur dieser Bestimmungen zu untersuchen, die einem der bestrittensten Gebiete des Rechts angehören.

Die römisch-rechtliche Gesellschaft war ein rein schuldrechtliches Verhältnis, dem sich das deutsch-rechtliche Prinzip der gemeinsamen Verfügungsberechtigung und Schaffung eines gemeinsamen, nach außen fyin wirksamen Vermögens entgegenstellte. Der erste Entwurf zum BGB. blieb auf dem römischen Standpunkte stehen, die zweite Kommission aber schloß sich den insbesondere tioit Gierke geltend gemachten Einwendungen an und nahm den Grundsatz der gesamten Hand an, das dann auch im Gesetz selbst in den §§ 718 ff. BGB. zum Ausdruck gekommen ist. Allerdings ist eine Begriffsbestimmung nicht ge­ geben und hat nicht gegeben werden sollen; das wesentliche aber, daß ein gemeinschaft­ liches Vermögen, ein Gesellschaftsvermögen, vorhanden sein kann, das im Gegensatz zu dem Sondervermögen der Gesellschafter steht, ferner, daß ein Gesellschafter weder über seinen Anteil am Gesellschaftsvermögen noch an den einzelnen hierzu gehörigen Gegen­ ständen zu verfügen berechtigt ist, wird im Gesetz ausdrücklich bestimmt. Aus diesen Be­ stimmungen ist das Grundsätzliche, insbesondere die Beantwortung der auch für die Praxis überaus wichtigen Frage abzuleiten, wer Eigentümer des Gesellschaftsvermögens ist (vgl. Kattausch, Tie Anteile der Miteigentümer und der Gesamthänder an den gemein­ schaftlichen Sachen, Mainz 1911, und Kaufmann, Tas Eigentum am Gesellschafts­ vermögen, München 1911). Eine allseitig anerkannte Beantwortung dieser Frage ist bis jetzt nicht gegeben, immerhin aber miijj festgestelltwerden, daß Theorie sowohl luie Praxis trotz mancher Rückfälle in die romanistischen Sozietätsbegriffe zu der Gierkeschen Auffassung strebt, nach der die Gesellschafter eine Personeneinheit bilden, die keine juri­ stische, von den einzelnen Mitgliedern verschiedene Person ist, die aber in ihrer Gesamt­ heit fähig ist, selbständig Rechte und Pflichten zu haben. Eigentümer deS Gesellschafts­ vermögens sind die Gesellschafter in ihrer Gesamtheit, der einzelne hat keine bestimmte oder bestimmbare Quote, weder am Gesellschaftsvermögen noch an den einzelnen Gegen­ ständen. Es ist während des Bestehens der Gesellschaft ein Anteil am Gesamteigentum ohne Quoten, aber immerhin ein dinglicher Anteil (vgl. § 719 BGB.), nicht lediglich ein schuldrechtlicher Anspruch vorhanden (vgl. hierüber besonders: Gierke „Genossenschafts­ theorie" und „Handelsgesellschaft und bürgerliches Recht" im ArchBürgR. 19, 114: Knoke 7 ff.; Affolter im ArchBürgR. 35, 225; Wieland 602 Anm. 12; LehmannLehrb. 237 Anm. 5; dagegen Joerges in ZHR. 49, 172 ff.; Ternburg II § 359, II). GoldmannLilienthal (I 783) nehmen Eigentum nach Bruchteilen an; ebenso Lehmann-Ring (Vor­ dem. vor § 105). (über das Verhältnis Dritten gegenüber vgl. Anm. 34). Die Praxis hat geschwankt. Das RG. hat in früheren Entscheidungen, zum Teil vor Einführung des BGB., (z. B. Gruch. 38, 1065; IW. 99, 320 48; 98, 609; RG. 30, 162 usw.) den Begriff des selbständigen Eigentums der Gesamtheit der Gesellschafter den

1. Titel: Errichtung der Gesellschaft.

607

einzelnen Gesellschaftern gegenüber nicht mit der notwendigen Folgerichtigkeit § durchgeführt. Die neuere Praxis dagegen nähert sich mehr und mehr der oben darge­ legten Auffassung. So hat das RG. (IW. 01, 57612) die Gesellschafter als Inhaber des Vermögens erklärt, denen das Eigentum nur unter den denkbar weitesten Be­ schränkungen zusteht, dergestalt, daß nur deren Organe im ganzen oder über reelle und ideelle Teile verfügen können. Ebenso verneint das RG. (56, 209) die Annahme eines nach Quoten geteilten Eigentums und verwirft andererseits die lediglich obligatorische Bindung der Gesellschafter (ebenso IW. 03, 436"; RG. 56, 432; 54, 297; 61, 75; 65, 229; 74, 9; 79, 143; 84, 110; Gruch. 39, 856; 50, 840 und in DIZ. 04, 817; IW. 1916, 14092 und 1917, 748"; RFH. 7, 196; 9, 66; 12, 70, sowie die bei Wieland 602 Anm. 12 angef. Entsch. Ferner RG. 107, 172; OLG. Hamburg in HansGZ. 1918, Nr. 38; BayObLG. in BayZ. 22, 264 und in BayObLGZ. 20, 424). Das Kammergericht, das in seiner Entscheidung in OLGR. 6, 260 die Frage dahin­ gestellt sein läßt, hat sich in anderen Entscheidungen (KGJ. 24 A 111; 23 A 97; 28 A 252) der oben dargelegten Ansicht angeschlossen, ebenso das BayObLG. in SeuffA. 3. F., I 319, welches das Gesellschaftsvermögen ein von den Gesellschaftern für die Zwecke der Gesell­ schaft festgelegtes Vermögen nennt (vgl. auch BayZ. 14, 193), sowie das OLG. Köln (RheinA. 95, 228), OLG. Posen in OLGR. 9, 193; OLG. Karlsruhe bei Bauer 11, 213 (bestätigt von RG. 66, 431); OLG. Hamburg in KGJ. 22 D 24; OLG. Dresden in OLGR. 9, 255 und in SächsA. 3, 509; LG. Straßburg bei Bauer 9, 36. Nach dieser Entwicklung der Praxis kann man sagen, daß die Theorie von der Selb­ ständigkeit des Gesellschastsvermögens und dem Eigentum der Gesellschafter zur gesamten Hand die Praxis beherrscht. Sie wird den folgenden Erörterungen zugrunde gelegt. (Uber die Rechtsnatur des „Vermögens zur gesamten Hand" vgl. Deitigsmann, Eigentums­ übergang von Gesamthandgrundstücken ohne Auflassung, Karlsruhe 1910.) Es ergeben sich aus ihr sehr wesentliche praktische Folgerungen, insbesondere für das Grundbuchrecht (vgl. im einzelnen Güthe, Grundbuchordnung, 3. Aufl. II, 1578 und I, 486 und Oberneck, Reichsgrundbuchrecht, 4. Aufl. I 570).

A.

105.

Im Grundbuch ist als Berechtigte, insbesondere als Eigentümerin die Firma und Anm. 29. der Sitz einzutragen (für Preußen Preuß. Allg. Verf. vom 20. 11. 1899 § 9; entsprechend in den anderen Ländern; vgl. auch KG. in OLGR. 6, 260 und OLG. Hamburg in HansGZ. 1913,191). Die Eintragung des Gesellschaftscharakters ist unnötig (KGJ. 39 A 218).

B. Die rechtsgeschäftliche Umwandlung von Bruchteilseigentum in Gesamteigentum und umgekehrt erfordert stets die Auflassung (RG. 56, 96; 57, 433; 84, 108), selbst wenn ein im Bruchteilseigentum aller Gesellschafter stehendes Grundstück auf die o. HG. über­ geht (RFH. 1, 94; 6, 113 und in DIZ. 1923 Nr. 6 auch über Steuerpflicht). Daraus folgt: a) Einbringen von Grundstücken in die Gesellschaft durch Gesellschafter erfordert Auflassung, und zwar selbst dann, wenn das Grundstück im Bruchteilseigentum aller Ge­ sellschafter stand (siehe auch oben und zu d). Dies war früher vom RG. bestritten, ist aber jetzt nach den oben dargelegten Grundsätzen anerkannten Rechtens (Oberneck I 571 Anm. 5 und die dort Angeführten; Güthe I 487, Lehmann, Lehrb. 249 Anm. 1, sowie RG. 56, 96; 65, 233; KG. in OLGR. 13, 23; BayObLG. in OLGR. 10, 239; dagegen Jung in BayNotZ. 12, 320). Inwieweit Grundstücke der o.HG. steuerrechtlich als deren Eigen­ tum anzusehen sind vgl. RFH. 15, 113.

1>) In Fällen, in denen die Gesellschaft trotz Veränderung der Rechtsformen sonen ihre Identität wahrt (vgl. Anm. 48 ff.), bedarf es, selbst wenn ändert, keiner Auslassung (KGJ. 28 A 251; RG. 82, 161; 84, 112; RFH. und in IW. 1924, 1695; vgl. jedoch über Grundbuchberichtigung für Firmenänderung KGJ. 39 A 218).

oder der Per-Anm. 30. sie ihre Firma 1, 261; 12, 76 den Fall der

c) Verkauft eine o. HG. ein Grundstück an eine andere o.HG. mit denselben Gesell-Anm. 31. schaftern, so ist Auflassung nicht nötig, da Eigentumswechsel nicht stattfindet (Güthe I 490

608 § 105,

I. Abschnitt: Cffenc Handelsgesellschaft.

und die dort angef. Entjch.; dagegen ^rGJ. 28 A 251; Cberncd I 572 Anm. 9; Ott BankA. 23, 279 und Lehmann-Ning § Hl Nr. 2). d) Geht eine o.HG. auf eine aus denselben Personen gebildete Gesellschaft bürger­ lichen Rechts über, so ist Auflassung nicht nötig, da bei beiden Gesellschaften dasselbe Gejamthandeigentum vorhanden ist (OLG. Hamburg in OLGR. 35, 323; KGJ. 53, 261; Güthe I 489 Anm. 19 und die dort angef. Entsch.). c) Ebenso bedarf es nicht der Auflassung, wenn eine ungeteilte Erbengemeinschaft ein Grund­ stück in die von den Erben gebildete o.HG. einbringt und umgekehrt (RFH. 6, 27; Güthe I 490 dagegen KGJ. 53, 261). k) Mittelbarer Besitz steht nicht der o.HG. als einer von den Gesellschaftern verschiedenen Rechtspersönlichkeit, sondern den Gesellschaftern gur gesamten Hand zu. Jeder Gesell­ schafter kann einzeln aus § 861 BGB. verklagt werden (RG. im „Recht" 1924 Nr. 24). g) Geschäftsgeheimnisse gehören der Gesamtheit der Gesellschafter (RG. 107, 172).

h) Über Grund erwerb st euer bei Wechsel des Eigentums von Grundstücken vgl. RFH. 12, 76 und in DIZ. 1925, 1438; Friesecke in DIZ. 1925, 938; über Umsatzsteuer bei Geschäften zwischen der o.HG. und ihren Gesellschaftern das. 936; über weitere Steuer­ fragen ders. in ZAktW. 1925, 255. i) Eine Verfallserklärung auf Grund der Steuergesetze kann bei einem Vorgehen gegen die Gesellschaft nicht die Objekte treffen, die einem (Gesellschafter gehören (BayObLG. in BayZ. 22, 264). k) Die o.HG. kann mit ihren Gesellschaftern Geschäfte abschließen (BayObLGZ. 20, 424). Über Umsatzsteuerpflicht hierbei RFH. 10, 101 und Friesecke angef. zu h.

l) Ein Gesellschafter kann sich für eine Gesellschaftsschnld verbürgen; dies kann praktischen Wert haben, da die Bürgschaft auch nach seinem Ausscheiden fortdauert (Reichel in HansRZ. 1921, 401). Anm. 32. m) Bei Umwandlung der o.HG. in eine andere Rechtssorm ohne Wahrung der Identität, z. B. in eine Aktiengesellschaft, GmbH., Gewerkschaft usw., ist Auflassung erforderlich (Güthe I 490; OLGR. 40, 189). Anm. 33. n) Bei Auflösung der Gesellschaft werden die einzelnen Gesellschafter nicht etwa Eigen­ tümer des Gesellschaftsgrundstücks zu Bruchteilen; es ist vielmehr stets Auflassung erforder­ lich (RG. 65, 233; KGJ. 27 A 277; BayObLG. im „Recht" 1916 Nr. 994 und in Bay­ ObLGZ. 17, 44). über die Frage, ob bei Übernahme des Geschäfts durch einen Gesell­ schafter Auflassung nötig ist, vgl. Anm. 9 zu § 145 und Amn. 3 zu § 142. Ebenso bleiben die Gesellschafter Eigentümer des sonstigen Gesellschaftsvermögens (z. B. auch der Fabrikund Geschäftsgeheimnisse) in ihrer Gesamtheit (RG. 107, 172).

Anm. 34. C. Andererseits ist es eine Folge der Notwendigkeit der Übertragung und Auflassung, daß, so­ lange diese noch nicht erfolgt ist, das Vermögensstück Tritten gegenüber noch im Eigen­ tum des Gesellschafters steht, so daß es dem Zugriff seiner Gläubiger unterliegt (RG. 54, 103). Dies muß auch für das Verhältnis der Gesellschafter unter sich gelten. Nach § 718 BGB. werden die Beiträge der Gesellschafter Gesellschaftsvermögen. Die Gesell­ schafter sind obligatorisch zur Übertragung verpflichtet (RG. 54, 106), ein dingliches Recht der Gesellschaft setzt aber die vollzogene Übertragung voraus. Das RG. (50, 158) hat in einem Fall, in dem ein Grundstück auf den Namen beider Gesellschafter eingetragen war, entgegengesetzt entschieden und für den Fall, daß das Grundstück nachweislich zum Ver­ mögen der Handelsgesellschaft gehöre, nur beide Gesellschafter gemeinschaftlich für be­ rechtigt erachtet, den Versteigerungsantrag zu stellen. Der Umstand, daß im Grundbuch die Eintragung auf die Gesellschaft nicht vermerkt ist, sei auf das Verhältnis zwisckren den Parteien ohne Bedeutung (ebenso Wieland 541 Anm. 14; vgl. auch RG. in IW.

1925, 1634°). Anm. 35. v. Die Einbringung in eine Gesellschaft ist, da eine Eigentumsveränderung vorliegt, eine Veräußerung, es finden daher die Vorschriften des BGB. über die Folgen eines

609

1. Titel: Errichtung der Gesellschaft.

Mangels im Rechte oder eines Mangels der Sache Anwendung (§§ 445, 493 BGB., Tern- § bürg II 2, § 357, IV Nr. 3).

105»

E. Insbesondere haftet der Einbringer einer Forderung für den rechtlichen Bestand, Anm. 36. nicht für die Zahlungsfähigkeit des Schuldners (§437 BGB.). Auch im Sinne der §§ 932ff. BGB., § 336 HGB. gilt die Einbringung als Veräußerung. Gutgläubiger Erwerb ver­ nichtet daher auch hier früheres Eigentum und frühere dingliche Rechte an dem eingebrachten Gegenstand; wobei jedoch zu bemerken ist, daß schon der böse Glaube des Einbringenden den gutgläubigen Rechtserwerb hindert (RG. 9, 143; OLG. Hamburg in ZHR. 40, 458). Näheres zu § 366. F. Aus der Selbständigkeit des Gesellschaftsvermögens sind in der Praxis fernerAnm. 37. noch nachstehende Einzelfolgerungen gezogen:

a) Bei Verfügungen über das Gesellschaftsvermögen, die von deren Organen mit einem der Gesellschafter vorgenommen werden, steht der letztere als Dritter der Gesellschaft gegen­ über (RG. in IW. 01, 57612); natürlich ist § 181 BGB. zu berücksichtigen. b) Ein Rechtsgeschäft über Vermögensstücke einer Gesellschaft, bei der ein Teilhaber minder­ jährig ist, bedarf nicht der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts, da es sich nicht um im Miteigentum des Minderjährigen stehendes Vermögen handelt (RG. 54, 278). и) Ein Gesellschafter kann auf einen Anteil des zum Gesellschaftseigentum gehörigen Grund­ stücks keine Hypothek eintragen lassen (KG. im „Recht" 02, 206).

d) Für den einzelnen Gesellschafter kann eine Hypothek auf dem Gesellschaftsgrundstück ein­ getragen werden (KGJ. 26 A 135). e) Ein Gesellschafter, der Gesellschaftsgut unterschlägt, ist der Unterschlagung des ganzen Betrages schuldig, nicht etwa nur des seinen Anteil übersteigenden (RG. in DIZ. 04, 817). f) Obgleich § 5 des GmbHG. die Übernahme mehrerer Stammanteile durch einen Ge­ sellschafter verbietet, kann die o. HG. sowie jeder der Gesellschafter einen Stammanteil übernehmen, da das Vermögen der Gesellschafter, zu dem deren Anteil gehört, rechtliche Selbständigkeit genießt (LG. Straßburg bei Bauer 9, 36). g) Eine Forderung eines Dritten gegen die Gesellschaft können die Gesellschafter gemein­ schaftlich zu ihrem Privatvermögen erwerben, ohne daß die Forderung durch Vereinigung erlischt (PrOVG. in DIZ. 06, 1009 und Wieland 641 Anm. 3). h) Kein Gesellschafter hat als solcher ein selbständiges Klagerecht gegen den Gesellschafts­ schuldner auf Zahlung eines verhältnismäßigen Anteils der Schuld an ihn (OLG. München in LZ. 07, 146 und Anm. 39 zu § 124). i) Übernimmt jemand das gesamte Vermögen einer o. HG., so haftet er nicht den Gläubigern aus § 419 BGB., da die o.HG. keine juristische Person ist (RG. in LZ. 1917, 12423). Vgl. hierzu § 22 Anm. 20 und § 25 Anm. 29. к) Bis zur Auflösung der Gesellschaft besteht zwischen den Gesellschaftern kein Schuld­ verhältnis in Ansehung des Gemeinschaftsvermögens (RFH. 1, 144).

1) Schenkungen der o.HG. an den Sohn eines Teilhabers werden steuerrechtlich wie Schen­ kungen an Fremde beurteilt (RFH. I, 199; 7, 197). m) Tritt eine o.HG. einem Verein bei, so wird sie und nicht die einzelnen Gesellschafter Bereinsmitglieder (RG. im „Recht" 1923 Nr. 764). n) Rechtsgeschäfte zwischen der Gesellschaft und einzelnen Gesellschaftern sind möglich (RG. bei Bauer 25, 15). o) Über steuerliche Rechtsfähigkeit der o.HG. vgl. RFH. 12, 79 und Ott im BankA. 22, 277. p) Ansprüche aus einem o.HG.-Vertrage fallen nicht unter die Aufwertungsgrenzen des Aufw. Ges. vom 16. 7. 25 (§ 10 Abs. 13 Nr. 1). Soweit eine Forderung in eine o.HG. eingebracht ist, liegt Identität mit dem früheren Gläubiger nicht vor (§ 3 Aufw.Ges. und Schlegelberger Anm. 3 zu § 3). Staub, HGB., 12. u. 13. Aufl.

Bd. I.

(Pinner.)

39

610

I. Abschnitt: Offene Handelsgesellschaft.

§ 105» II. Die Anordnung der ergänzenden Geltung der Vorschrift über die bürgerliche Gesell-

schastDiese Vorschrift ist im Grunde genommen selbstverständlich, da ja die o.HG. eine Gesellschaft ist (vgl. Art. 2 EG.HGB.). Tie sich hieraus ergebenden Folgerungen sind an den betteffenden Absatzstellen dargelegt, z. B. zu §§ 109, 111, 114, Anhang zu § 141 usw. Nicht ohne weiteres anwendbar sind andere Vorschriften des BGB., z. B. nicht § 29 so daß für einen im Felde befindlichen oder sonst behinderten Liquidator einer o.HG. nicht vom Gericht ein Vertreter bestellt werden kann (RG. im „Recht" 1917 Nr. 1219). «nm. 39. Zusatz 1. Sönnen dieselben Personen mehrere o.HG. bilden? Da eine o.HG. dann besteht, wenn mehrere durch Gesellschaftsvertrag vereinigte Personen ein Handelsgewerbe betreiben, dieselben Personen aber mehrere Handelsgewerbe betreiben können, so können dieselben Personen auch mehrere o.HG. bilden, wenn sie nämlich mehrere Handelsgewerbe betteiben (RG. 16, 16; 32, 34; Bolze 19 Nr. 626; OLG. Hamburg in ZHR. 40, 456; KGJ. 28 A 253). Ob im einzelnen Falle eine Gesellschaft mit mehreren Geschäften oder mehrere Gesellschaften vorliegen, wird sich danach beantworten, ob der Betrieb mehrerer getrennter Geschäfte vorliegt, worauf insbesondere der Betrieb getrennter Handelsniederlassungen hin­ deutet (vgl. Wieland 789ff.). Auch durch die Wahl verschiedener Firmen wird dies unver­ kennbar nachgewiesen (RG. 43, 81; OLG. Hamburg in ZHR. 40, 456; dagegen ROHG. 24, 156; Jaeger, Der Konkurs der o.HG. 12). Doch ist Ft'rmenverschiedenheit nicht geboten, um zwei Handelsgesellschaften anzunehmen (RG. 16, 18; KGJ. 15 A 14). Die mehreren o.HG. sind durch ihr Sondervermögen einzeln gekennzeichnet; es kann über jede besonderer Konkurs eröffnet werden. Der Konkurs der einen o.HG. ergreift nicht das Vermögen der anderen (OLG. Hamburg in DIZ. 09, 720). Ferner kann die eine Gesellschaft unter ihrer Firma an die Order der anderen eigene Wechsel ziehen (RG. 47, 156); sie können überhaupt miteinander Verträge schließen; Prozesse miteinander können sie allerdings wegen des Anm. 6 zu § 124 entwickelten Grundsatzes nur führen, »nenn nicht alle Gesellschafter iden­ tisch sind (so gegen 9. Aufl. DürHach. IV Anin. 10; vgl. OLG. Hamburg in OLGR. 3, 81). Grundstückseigentum geht von der einen auf die andere ohne Auflassung über (vgl. Anm. 31 zu diesem Paragraphen). In dem interessanten Falle Bolze 19 Nr. 626 hatten drei Kaufleute vier verschiedene Bankgeschäfte bettieben (verschiedene Firmen, selbständige Prokuren, förmlicher Kontokorrentverkehr der Firmen 2 und 3 mit Finna 1, eigene Konten bei Banken, völlig gesonderte Buchführung und Bilanz, ungleichmäßige Beteiligung der Mitglieder an den verschiedenen Firmen; über jede Gesellschaft wurde ein besonderer Konkurs eröffnet). Die Auseinanderhaltung der verschiedenen Gesellschaften ist wichtig im Hinblick auf die mög­ liche Verschiedenheit der Gläubiger der beiden Gesellschaften (vgl. ROHG. 24, 156; § 124 Abs. 2 HGB.). Uber Umsatzsteuer vgl. RFH. 7, 209; 10, 88, 101 und Ott in BankA. 23, 278; Friesecke in DIZ. 1925, 936, sowie ZAktW. 1925, 255. «nm. 40. Zusatz 2. Übergang eines Handelsgeschäfts vom Einzelkaufmann ans mehrere Erben (vgl. Bondi in DIZ. 1923, 563). Tie Erben des Einzelkausmanns können das Geschäft fortsetzen, indem sie eine o.HG. bilden (Echarti in LZ. 1913, 664). Dies geschieht aber nicht ohne weiteres (OLG. Stuttgart in ZHR. 40, 457 und KG. im „Recht" 1910 Nr. 2712), auch nicht z. B. notwendigerweise durch Löschung der Einzelfirmen und Ein­ tragung einer Gesellschaftsfirma (RG. 16, 339); sondern nur durch ausdrückliche, oder aus den Umständen, z. B. der Eintragung in das Handelsregister (RG. in LZ. 1912, 1572) zu ent­ nehmende (vgl. KGJ. 35 A 153) Vereinbarung deS Weitcrbetriebs als o.HG. (ROHG. 11, 101; RG. 10, 101), oder der Weiterführung des Geschäfts über die beabsichtigte Auseinander­ setzung hinaus (RG. in LZ. 1922, 686). Derartige Vertrüge müssen natürlich den Vorschrif­ ten des bürgerlichen Rechts, z. B. in betreff der Vertretung Minderjähriger, der Genehmi­ gung des Bormundschaftsgerichts usw., entsprechen (vgl. Anm. 5). (Uber die Frage, ob ein einzelner Miterbe den Geschäftsbetrieb einstellen kann, vgl. Anm. 27 zu § 27.) Jedoch ist die Fortsetzung des Geschäfts in dieser Form nicht notwendig (vgl. Anm. 26 zu § 27 und Anm 6a zu § 22); sie kann auch in der Weise erfolgen, daß die Erbengemeinschaft, als ungeteilte Gemein-

«nm. 38.

I. Titel: Errichtung der Gesellschaft.

611

schäft zur gesamten Hand, die Fortführung übernimmt (anders im Falle des § 139, vgl. Anm. 14 § 105* zu diesem Paragraphen; vgl. auch Anm. 6 zu § 161). Tie Erbengemeinschaft ist für diesen Fall, nach dem treffenden Ausdruck von Marcus (Holdheim 19, 88) „als Personeneinheit für den Zweck der Gesellschaftssatzung gebunden", Inhaberin des Geschäfts (RG. 35, 17; OLG. Posen bei Bauer 10, 211; KGJ. 15, 6; 22 A 281; 35, 251; 48 A 127; RIA. 15, 51; KG. bei Bauer 25, 28; OLGR. 4, 454; 19, 319; dagegen Kretzschmar in ZBlFG. 17, 13). Sie kann als solche in das Register eingetragen werden; kein Miterbe darf aber von der Vertretung ausgeschlossen werden, da § 125 auch keine entsprechende Anwendung findet (KGJ. 48 A 127). Neuerdings wendet sich Lion (IW. 1925, 2105) in einem eine eingehende Behandlung vorbereitenden Aussatz gegen diese Lehre. Uber die Frage, ob ein Mitglied der Erbengemeinschaft Prokurist sein kann, vgl. § 48 Anm. 3; über die Frage, ob Auflassung nötig ist, vgl. Anm. 31 e; über die Möglichkeit einer Liquidationvgl. Anm. 40 zu § 105). Möglich ist auch, daß unter den Erben eine o.HG. durch letztwillige Anordnung des Erblassers gebildet wird. Ob dies beabsichtigt wird, oder ob der Erblasser nur die Erben schuld­ rechtlich binden wollte, die o.HG. fortzusetzen, ist Frage der Auslegung (OLG. Hamm in OLGR. 44, 195). Ist eine Witwe mit minderjährigen Kindern Erbin und ist ersterer testamentarisch die alleinige Verwaltung des Vermögens übertragen, so bedarf es zu dem Anträge der Witwe an den Registerrichter, die Erben als Inhaber der Einzelfirma einzutragen, nicht der Ge­ nehmigung des Vormundschastsgerichts, da cs sich weder um den „entgeltlichen Erwerb" eines Erwerbsgeschäfts, noch um einen „Gesellschaftsvertrag" (§§ 1822, 1643, 1690 BGB.) handelt. Wohl aber kann in solchem Falle in das Handelsregister eingetragen werden, daß die Witwe allein vertretungsberechtigt ist (KGJ. 15, 6; 22 A 281); nicht aber kann die Ein­ tragung von vertraglicher Ausschließung einzelner Erben von der Vertretung verlangt wer­ den (KGJ. 35 A 155 und Anm. 6a zu § 22). Die Tatsache, daß die Mutter als Inhaberin der elterlichen Gewalt die minderjährigen Kinder vertritt, eignet sich nicht zur Eintragung (OLG. Dresden in SächsOLG. 32, 333). Über das Prüfungsrecht des Registerrichters hierbei vgl. Marcus in DIZ. 01, 185; über Wirkung nach außen Anm. 15 zu § 123; über Fortführung eines Geschäfts in „fort­ gesetzter Gütergemeinschaft" KGJ. 26 A 220. Ist die Witwe als Vorerbin eingesetzt (vgl. Anm. 6a zu § 22), so kann sie das Ge­ schäft allein fortführen und sich, ohne daß es der Einwilligung der Nacherben oder der Ge­ nehmigung des Vormundschaftsgerichts bedarf, als Firmeninhaberin eintragen lassen (RG. in OLGR. 4,456). über Eintragung von Testamentsvollstreckern vgl. Anm. 6a zu § 22; über die Haftung der Erben vgl. § 27 und Anm. hierzu, bes. 25ff. Zusatz 3. Eine Form ist für den Gesellschaftsvertrag nicht vorgeschrieben. Es gilt Anm. 41. daher die Formfreiheit, die in der Regel auch nach dem BGB. gilt, aber es gelten auch die Ausnahmen dieses Gesetzbuchs (vgl. auch Anm. 25 zu § 350). Hierbei kommt insbesondere § 313 BGB. in Betracht, demzufolge alle Gesellschaftsverträge der gerichtlichen oder notariellen Form bedürfen, bei denen ein Gesellschafter ein Grundstück einbringt (OLG. Jena in ThürBl. 59, 213; OLG. Rostock in MecklZ. 37, 212; anders steuerrechtlich RFH. 14, 218; 15, 113). Denn darin liegt die Verpflichtung, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen. Das gilt auch dann, wenn sämtliche Mitglieder der Gesellschaft Miteigentümer des Grundstücks sind und es nunmehr der Gesellschaft einbringen (vgl. Anm. 29). Ebenso ist die Form des § 313 nötig, wenn ein Gesellschafter sich nicht zur Einbringung der Grundstücke, sondern zur Hergabe zum Zwecke der Verwertung mit unmittelbarer Auflassung an die Käufer ver­ pflichtet (RG. in IW. 05, 737 und bei Holdheim 17, 102). Ist der Vertrag dagegen aus den gemeinschaftlichen Erwerb von Grundstücken gerichtet, so greift § 313 nicht Platz (ebenda und RG. 68, 260 sowie in LZ. 09, 396); ebensowenig, wenn jemand einer o.HG. beitritt, zu deren Vermögen Grundstücke gehören (RG. 82, 160). Über die Formfreiheit von Verträgen, durch die Grundstücke zwar zum Vermögen der o.HG. erklärt werden, aber auf den Namen des ein­ bringenden Gesellschafters stehenbleiben sollen vgl. RG. IW. 1925, 1634° und Hoeniger,

612

I. Abschnitt: Cffcnc Handelsgcscllschajt.

§105. Anm.

hierzu. Ermangeln die Gesellschaftsvcrträge der vorgeschriebenen Form, so ssind sie ungültig, werden aber durch Auflassung und Eintragung des Grundstücks auf die Gesellschaft gültig (§ 313 BGB.).

Weiter könnte in Betracht kommen § 311 BGB., Inhalts dessen ein Vertrag, durch den jemand sein ganzes Vermögen oder einen Bruchteil veräußert, der gerichtlichen ober nota­ riellen Beurkundung bedarf. Ob dies auf den Fall, daß ein Gesellschafter sein Geschäft in eine Gesellschaft einbringt, Platz greift, darüber s. Anm. 20 zu § 22, welche hier entsprechend Anwendung findet. Der Vertrag über Einbringung von Hypotheken bedarf jedoch keiner Form (Anm. 33 zu § 350), sondern nur — was aber hier nicht mit in Frage — der Akt der Bestellung des dinglichen Rechts (vgl. Anm. 44).

A«m. 42.

Ist die Form nicht beachtet, so ist der Teil des Vertrags, durch welchen die Eigentums­ überlassung des Grundstücks vereinbart wurde, jedenfalls ungültig; gleichwohl gilt der Ver­ trag, wenn anzunehmen ist, daß er auch ohne diesen ungültigen Teil geschlossen worden wäre (§ 139 BGB.; vgl. RG. 79, 303).

Anm. 43.

Infolge der Formfreiheit kann, wenn keiner der Ausnahmefälle vorliegt, ein Gesell­ schaftsvertrag auch stillschweigend durch entsprechende Handlungen geschlossen werden, mit Wirksamkeit nach außen natürlich nur durch nach außen wirkende Akte (ROHG. 9, 283; Bolze 3 Nr. 795). So wird z. B. in dem tatsächlichen Gewerbebetriebe unter ge­ meinsamer Firma regelmäßig mangels entgegengesetzter Vereinbarungen der Wille zu finden sein, daß auch nach innen ein Gesellschaftsverhältnis vorliegen soll. In der Anmeldung zum Handelsregister liegt an sich, wie Laband in ZHR. 30, 523 zutreffend betont, nicht notwendig die Vereinbarung eines Gesellschastsvertrags nach innen, doch wird, wie gesagt, mangels entgegenstehender Vereinbarung auch darin der Willensausdruck eines Gesellschaftsverhältnisses nach innen zu finden sein, weil das eben das regelmäßige ist.

An«. 44.

Verschieden von der Frage nach der Form des Gesellschaftsvertrags ist die Frage nach der Ausführung der im Gesellschaftsvertrage vereinbarten Bedingungen, insbesondere die wirkliche Einbringung der Gegenstände, deren Einbringung im Gesellschafts­ verträge versprochen ist. Sind z. B. Grundstücke oder Hypotheken versprochen, so greifen hierfür die Sonderbestimmungen des Grundbuchrechts Platz (RG. 13, 4; vgl. zu § 122). Uber die Form von Vorverträgen vgl. Anm. 6 zu § 109.

Zusatz 4. Uber ausländische offene Handelsgesellschaften s. Anm. 3 zu § 6, Anm. 9a zu diesem Paragraph und OLG. Hamburg in OLGR. 10, 129, sowie Wieland 617f. Eine ausländische Handelsgesellschaft liegt dann vor, wenn sie ihren Sitz im Auslande hat, mögen auch die Mitglieder Deutsche sein (OLG. Hamburg in DIZ. 00, 444). Daß in diesem Falle prozessuale Sicherheitsleistungspflicht für Ausländer nicht besteht, beruht auf der Aus­ legung der Prozeßgesetze und der Anwendung des Grundsatzes, daß nicht die Gesellschaft, sondern die Gesellschafter Kläger sind (RG. 36, 396; dagegen von seinem entgegengesetzten Standpunkt aus Gaupp-Stein Anm. 6 zu 8 110 ZPO.). Sind Ausländer Inhaber einer o.HG., die in Deutschland ihren Sitz hat, so ist es eine inländische Gesellschaft. Es ist in Ver­ folg der vom Reichsgericht a. a. O. aufgestellten Grundsätze gleichwohl die Pflicht zur Sicher­ heitsleistung anzunehmen (Wieland 619 Anm., dagegen Jaeger, Die o.HG. im Zivilprozeß 25). Ebenso befreit der Umstand, daß die ausländische Gesellschaft in Deutschland eine Zweignieder­ lassung besitzt, nicht von der Pflicht zur Sicherheitsleistung (OLG. Hamburg in OLGR. 15, 172 und RG. 38, 403). Das OLG. Hamburg (HansGZ. Beibl. 1921 Nr. 51) verlangt, da das Hamburgische AG. zum BGB. für den Erwerb von Grundstücken durch Ausländer staatliche Genehmigung fordert, für solchen bei einer o.HG., daß sämtliche Gesellschafter, bei einer Kommanditge­ sellschaft, daß auch sämtliche Kommanditisten Inländer sind, erkennt also für diesen speziellen Fall nicht die Nationalität nach dem Sitz an. , Anm.46. Die Parteifähigkeit ausländischer Gesellschaften richtet sich nach dem ausländischen Recht. Art. 10 EG.BGB. kommt für diese dem HGB. unterstehenden Gesellschaften nicht zur Anm. 45.

1. Titel: Errichtung der Gesellschaft.

613

Anwendung (vgl. Anm. 3 zu § 6 und OLG. Kassel in LZ. 09, 954 sowie LG. Berlin III in § 105. KGBl. 08, 72).

Zusatz 5. Übergangsfrage (RG. 84, 138). Auch eine aus der Zeit vor dem 1. Januar Anm. 47. 1900 stammende Eintragung als o.HG. hat die Wirkung des § 5 (vgl. Anm. 8 zu § 5; Leh­ mann in ZHN. 48, 26; vgl. RG. 50, 158). Zusatz 6. Umwandlung der o.HG. Einer Erörterung bedarf die Frage, wie Ände-Anm. 48. rungen im Bestände der Gesellschaft auf diese wirken (vgl. Lehmann, Umwandlungen handels­ rechtlicher Unternehmungsformen in ZHN. 50, 1 ff. und Joerges in ZHN. 48, 225; ferner Gierke 129; Wieland 795f.). Es kommen folgende Fälle, die vom Gesetz verschieden be­ handelt werden, in Betracht.

1. Umwandlung durch Änderung der Personen. An sich müßte, da die o.HG. jur. Person nicht ist, jede Änderung in dem Personalbestand der Gesellschafter als Begrün­ dung einer neuen Gesellschaft angesehen werden. Das Gesetz zieht aber diese Folgerung nicht, soweit Parteien nicht, was sie natürlich können, die Begründung einer neuen Ge­ sellschaft gewollt haben. Zu vermuten ist dies nicht (Anm. 9 Anh. zu § 177; RFH. in IW. 1922, 630 und Pinner Anm. hierzu; ferner RFH. 2, 5; 12, 76 und RG. 43, 81). Eine Neugründung wird aus der Tatsache, daß zwei Geschäfte zu einer Gesell­ schaft zusammengefaßt werden, allein nicht zu entnehmen sein. Dies schließt nicht aus, daß beide Geschäfte in der Weise fortgeführt werden, daß jeder Teilhaber in das Geschäft des anderen eintritt. Ob dies anzunehmen ist, oder ob aus der Verbindung ein neues Geschäft entstehen soll, ist Tatfrage (RG. im „Recht" 1924 Nr. 405). a) Der Eintritt eines neuen Gesellschafters ändert an dem Bestände der Gesellschaft nichts, die o.HG. bleibt dieselbe (vgl. §§ 107, 130 „in eine bestehende Gesellschaft"). Für den Eintretenden entsteht ein Anteil aus Kosten der übrigen Gesellschafter.

b) Bei dem Austritt (Tod, Konkurs, Ausschließung usw.) eines Gesellschafters derart, daß mindestens zwei Gesellschafter übrigbleiben, gilt, falls das Weiterbestehen der Ge­ sellschaft vereinbart ist, das gleiche (§§ 138, 140, 141), ebenso, wenn die Fortdauer mit den Erben vereinbart wird. e) Für den Fall des §142, daß der eine Gesellschafter einer nur aus zwei Personen be­ stehenden Gesellschaft vom Gericht für berechtigt erklärt wird, das Geschäft mit Aktiven und Passiven zu übernehmen, hat das Gesetz diese Folgerung nicht gezogen (Näheres zu § 142). d) Vereinbaren die Gesellschafter, daß einer oder mehrere austreten, so ist zu unter­ scheiden: Bleiben noch mindestens zwei Gesellschafter übrig, so können die Gesellschafter das Fortbestehen der Gesellschaft unter den übrigbleibenden vereinbaren und es besteht dann Identität der fortbestehenden Gesellschaft und der früheren (Näheres Anm. 2, 5 und 8 zu § 131). Ebenso ist zu entscheiden, wenn bei einer aus zwei Personen bestehenden Gesellschaft an Stelle eines austretenden ein neuer Gesellschafter eintritt; auch hier kann die Gesell­ schaft als solche bestehenbleiben (Amu. 3 zu § 130; Anm. 8 zu § 131 und OLG. Karls­ ruhe in OLGR. 41, 200, sowie Schreiber KGaA. 146; zweifelnd LehmannLehrb. 274 Anm. 4). Wenn dagegen das Ausscheiden eines oder mehrerer Gesellschafter derart erfolgt, daß nur einer der Gesellschafter übrigbleibt, dieser also das Geschäft als Einzelkausmann mit Aktiven iinb Passiven übernimmt, so kaun von einem Fortbestehen der Gesellschaft keine Rede sein. Es tritt ein neues Rechtssubjekt an Stelle des alten (§ 145 Anm. 9ff.). e) Identität liegt auch vor, bei Umwaudluug einer Gesellschaft in eine Abwicklungsgesell­ schaft und demnächstigen Eintritt eines neuen Gesellschafters unter Wiederherstellung der Gesellschaft (RG. 106, 65 und Fischer Anm. hierzu in IW. 1924, 1695). Vgl. auch § 131 Anm. 1. f) Über das Firmenrecht bei teilweisem Wechsel der Gesellschafter vgl. §§ 22ff. und Erl. dazu, insbcs. § 24.

614

I. Abschnitt: Offene Handelsgesellschaft.

8 105. 2. Umwandlung durch Änderung der Rechtsform. A»m. 49. a) Tritt jemand als persönlich haftender Gesellschafter in das Geschäft eines Einzellauf­ manns ein, so ist in § 28 Übergang der Forderungen und Schulden bestimmt. Im übrigen tritt keine Gesamtrechtsnachfolge ein. b) überträgt ein Einzelkaufmann sein Geschäft an eine o.HG., jo bestimmt sich der Über­ gang von Aktiven und Passiven gemäß § 25. Im übrigen gilt das zu a Gesagte. c) Der Übergang einer o.HG. in eine Kommanditgesellschaft, den § 162 Abs. 3 regelt, be­ wirkt keine Änderung der Identität der Gesellschaft (vgl. RG. 55, 127; KG. bei Bauer 30, 12; Näheres zu § 162). Einen besonderen Fall behandelt § 139 (vgl. dort Anm. 17). d) Veräußert eine o.HG. ihr Vermögen an eine AG. oder eine GmbH., so treten die aktien­ rechtlichen Grundsätze der Einbringung usw. ein; eine Gesamtrechtsnachsolge oder ein Fortbestand der alten Gesellschaft findet nicht statt (RG. 74, 6); ebensowenig gibt es eine Umwandlung einer o.HG. in eine GmbH. (RG. 74, 6). e) Umwandlung der stillen Gesellschaft in eine o.HG., Kommanditges. oder umgekehrt oder in eine Einzelfirma (Wieland 817) bewirkt keine Identität. A»m.50. 3. Fortsetzung einer durch andere Umstände als Austritt, Tod usw. eines Gesellschafters aufgelösten Gesellschaft. Das Gesetz (§ 144) läßt eine solche Fort­ setzung nach Erledigung eines Konkurses durch Zwangsvcrgleich oder Einstellung zu. In entsprechender Anwendung dieser Vorschrift ist mit Recht eine Fortsetzung auch durch Beschluß der Gesellschafter für zulässig erachtet. Der Beschluß setzt natürlich voraus, daß die Auflösung noch nicht tatsächlich bewirkt ist (§ 131 Anm. 2 n. 5). Unter dieser Voraus­ setzung kann aber auch die Vereinbarung nut Erben eines verstorbenen Gesellschafters erfolgen. Anm. 51. 4. Änderung der Firma, Verlegung des Sitzes ändern an dem Bestände der Ge­ sellschaft nichts (§ 107 HGB.; KGJ. 28 A 251). Wo nach Vorstehendem die Gesellschaft trotz Änderung in den Personen oder in der Gesellschaftsform ihre Identität wahrt (vgl. in steuerlicher Beziehung RFH. 12, 76), oder wo sie fortgesetzt wird, ist eine besondere Übertragung der Aktiven nicht erforder­ lich (vgl. Anm. 30 und insbesondere KOI. in OLGR. 9, 254 und OLG. Dresden ebenda 255). Die hieran sich knüpfenden, sowie die prozeßrechtlichen Fragen sind bei den die ein­ zelnen Fälle behandelnden Paragraphen erörtert. Anm.52. Ansatz 7. Steuersragen. Nach dem geltenden Steuerrccht (§§ 4—6 KörpStG.) vorn 10. August 1925 (vgl. auch RosendorffKomm. hierzu Anm. III, 2a zu' § 6) unterliegen OHG. nicht einer besonderen Einkommensteuer im Gegensatz zur AG. und GmbH., die als solche eine Körperschaftsteuer zu zahlen haben; vielmehr ist der volle Reingewinn, gleichviel ob er aus­ geschüttet oder gutgeschrieben wird, bei den einzelnen Gesellschaftern einkommen­ steuerpflichtig. Zu bemerken ist, daß der Geschäftsgewinn der o.HG. für sämtliche Gesellschafter einheitlich festzustellen ist und daß der in einem solchen Feststellungsbescheide festgestellte Betrag für die Veranlagung jedes einzelnen der beteiligten Gesellschafter zur Einkommensteuer maß­ gebend ist (§§ 65 u. 67 EStG, vom 10. August 1925). Hieraus ergibt sich ein nicht nur steuerrcchtlich wesentlicher Unterschied der o.HG. von der AG. Erstere erzielt bilanzmäßig und steuermäßig Gewinn selbst wenn im Vorjahre das Kapital durch Verluste gemindert war, während bei der AG. wegen des stets gleicht) leiben den Kapitals Gewinn erst in Erscheinung tritt unb steuerpflichtig wird, wenn der Verlustwrtrag früherer Jahre gedeckt ist. Dies ergibt sich aus der Bestimmung des § 15 Nr. 3 KörpstG., wonach bei AG. die Beträge, die zur Beseitigung einer Unterbilanz dienen, abzugsfähiz sind (über die Einwirkung der Steuervorschriften auf die Gesellschaften vgl. Geiler in IW. 21, 300 und die dort Angef.). Neu eingeführt durch das Vermögensteuergesetz vom 10. August 1925 ist die Ver­ mögensteuerpflicht der o.HG. (§§ 2, 2c), wogegen bei der Besteuerung der einzelnen Eesellschaster deren Anteile an der o.HG. nicht zu deren Vermögen gerechnet werden (§46 Reichs­ bewertungsgesetz; vgl. auch Wünschmann in IW. 1925, 1957).

1. Titel: Errichtung der Gesellschaft.

615

Zusatz 7b. Gesellschaftssteuer. Nach den: jetzt geltenden KVStG. vom 10. 8. 25 (§§ 16ff.) ß 105. unterliegt die Errichtung einer o.HG. einer Steuer von 5 vom Tausend des Wertes des Gegenstands z^m. 52». (Einlagen der Gesellschafter), sofern im Inland eine Urkunde hierüber errichtet oder eine im Auslande errichtete in das Inland gelangt (Urkundensteuer). Als Urkunde gilt auch der An­ trag aus Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister (§ 19 KVStG.; § 52 Ausf.-Best.; vgl. Ott BankA. 23, 279). Umwandlung der Gesellschaft, oder deren Fortsetzung, bei der die Identität gewahrt wird (Anm. 48ff.), unterliegt der KVSt. als solcher nicht (vgl. RFH. 12,76). Soweit neue Gesellschafter hinzutreten, ist die Gesellschaftssteuer zu entrichten (Anm. 10 zu § 130). Über Mindestbetrag der Steuer vgl. § 22 KVStG. (in der Fassung der zweiten StNB. vom 19. 12. 23 und 2. DV. zum Finanzgesetz vom 12. 12. 24).

Zusatz 8. Vorverträge über Begründung einer o.HG. bedürfen zu ihrer Gültigkeit eines Anm. 53. solchen Maßes von Bestimmtheit, daß im Streitfall der Inhalt des geschlossenen Vertrags richterlich bestimmt werden kann (RG. 66, 121); Vorschriften über Gewinnverteilung und Ent­ nahmen sind wesentlich (RG. in IW. 1917, 29112).

Zusatz 9. An sich bedürfen o.HG.-Verträge einer Genehmigung nicht. Soweit der Anm. 54. Gegenstand des Unternehmens staatlicher Genehmigung bedarf, ist diese einzuholen. Eine besondere Genehmigung für Depositenbanken, die Depot- und Depositengeschäfte geschäfts­ mäßig betreiben dürfen, führten die Kapitalfluchtgesetze, jetzt das Gesetz über Depot- und Depositengeschäfte vom 26. Juni 1925, ein. Danach dürfen o.HG. und Kommanditgesellschaften nur dann derartige Geschäfte betreiben, wenn zu deren Inhabern oder persönlich haftenden Gesell­ schaftern ausschließlich Personen gehören, die gewisse Voraussetzungen erfüllen (§ 4 Abs. 2 Nr. 2). Die hiernach zugelassenen Depositenbanken haben jede Anmeldung ihrer Inhaber sowie die Einstellung ihres Betriebes der hierzu bestimmten Stelle unverzüglich mitzuteilen (§ 6 Abs. 3). Das Gesetz soll am 31. Dezember 1926 außer Kraft treten.

§ 106.

8 106.

Die Gesellschaft ist bei dem Gericht, in dessen Bezirke sie ihren Sitz hat, zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Die Anmeldung hat zu enthalten: den Namen, Vornamen, Stand und Wohnort jedes Gesellschafters; 2. die Firma der Gesellschaft und den (Drt, wo sie ihren Sitz hat; 3. den Zeitpunkt, mit welchem die Gesellschaft begonnen hat. Der vorliegende Paragraph ordnet die Anmeldung der Gesellschaft an. 1. (Abs. 1). Die hier angeordnete Anmeldung zur Eintragung ist an eine Frist nicht ge-Anm. 1. knüpft. Sie muß ohne Verzug nach dem Beginne der Gesellschaft erfolgen. Die Ge­ sellschaft beginnt aber mit dem Betriebe des Handelsgewerbes (vgl. Anm. 5). Die An­ meldung hat also zu erfolgen, sowie der Betrieb eröffnet ist (ebenso Makower Anm. 4). Für das Jnnenverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter sowie zwischen den Gesellschaftern ist die Eintragung ohne Bedeutung (RG. im „Recht" 1915 Nr. 619). Die Form der Anmeldung richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 12 bis 13, der Zwang dazu nach § 14. An zu melden haben alle Gesellschaften (§ 108). Hat ein Gesellschafter vor der Eintragung seine Allmeldung widerrufen, so hat die Eintragung zu unterbleiben (KG. in OLGA. 42, 214 Anm. a; 43, 204 und Zusatz 4 zu § 12, § 108 Anm. 3). Auf die Bewirkung der Anmeldung kann auch jeder Gesellschafter gegen den anderen klagen, und cs ist gegen solche Klage nicht der Einwand zulässig, daß der Kläger seiner Einlagepflicht llicht genügt habe, da es sich um eine öffentlichrechtliche Pflicht handelt (DürHach. Alim. 9; OLG. Hamburg in LZ. 1920, 4903; vgl. § 143 Anm. 1). Über die Vollstreckung solcher Entscheidungen s. § 16.

616

I. Abschnitt: Offene Handelsgesellschaft.

§ 106. 2. (Abs. 2.) Der Inhalt der Anmeldungen. Darüber, ob umfassendere Eintragungen

Ann. 2.

gestattet sind, insbesondere Straße, Hausnummer und Geschäftszweig, s. Anm. 4 zu § 29. Eine Änderung des Wohnorts eines Gesellschafters braucht nicht zum Handels­ register angemeldet zu werden (OLG. Hamburg in KGJ. 36 A 263); ebensowenig Ände­ rungen im Namen und Stand der Gesellschafter (KG. in OLGR. 10, 331). Im einzelnen ist zu bemerken:

Anm. 3.

Zu Nr. 1. Da auch jur. Personen Mitglieder einer o.HG. sein können (vgl. Anm. 22 und 27 zu § 105), so ist die Bestimmung nicht umfassend genug. Bei diesen werden der Name der jur. Person und ihr gesetzlicher Vertreter anzumelden sein. Über die Frage, wie ein­ zutragen ist, wenn ein Gesellschafter einen gesetzlichen Vertreter (Vormund) hat, vgl. Anhang zu § 8 Anm. 6. Dagegen kann die Eintragung nicht in der Weise erfolgen, daß, wenn eine o.HG. das Geschäft eines Einzelkaufmanns mit der Firma erwirbt, bei letzterer die o.HG. als solche als Inhaberin eingetragen wird (vgl. Anm. 9 zu § 105).

Anm. 4.

Zu Nr. 2. Die Firma und der Sitz. Über die Firma der o.HG. vgl. § 19. Die o.HG. kann nur einen einheitlichen Sitz haben (BuschA. 9, 453; OLG. Kolmar in OLGR. 13, 73), daS ist der Ort, von dem aus die Zentralleitung ausgeht (KG. in OLGR. 22, 2; dagegen Wieland 171, der der o. HG. größere Freiheit in der Wahl des Ortes gibt), alle weiteren Handelsniederlassungen der Gesellschaft sind Zweigniederlassungen (§ 13 Anin. 4). Als Sitz der Gesellschaft kann auch nur der Ort der Zentralleitung angemcldet werden (KG. in OLGR. 42, 214 Anm.). Wo die Gesellschafter ihren Wohnsitz haben, ist gleichgültig (vgl. Anm. 45 zu § 105). Der Sitz der Gesellschaft bestimmt deren allgemeinen Gerichtsstand (§ 17 ZPO.) und bestimmt zugleich in sachlicher Beziehung das auf ihre Rechtsverhältnisse anzu­ wendende Recht, so insbesondere in bezug auf die Befugnis der Gesellschafter und sonstiger Gesellschastsorgane zur Vertretung der Gesellschaft, sowie in bezug auf alle Fragen betreffend den Inhalt des Rechtsverhältnisses der Gesellschafter zueinander und zur Gesellschaft. Über Anmeldung von Zweigniederlassungen vgl. Anm. 6 zu § 13.

Anm. 5.

Zu Nr. 3. Der Zeitpunkt, in dem die Gesellschaft begonnen hat, ist an­ zumelden (zwingende Vorschrift: RG. im „Recht" 1916 Nr. 1503), das ist also der Zeit­ punkt, in dem die Gesellschafter begonnen haben, das Handelsgewerbe unter gemeinschaft­ licher Firma zu betreiben, nicht der Zeitpunkt des Gesellschaftsvertragsabschlusses (Brand Anm. la), denn dieser begründet nicht den vollwirksamen Bestand der o.HG. (RG. 34, 55; vgl. Anm. 11 zu § 105). Wann bei o.HG. nach § 2 und § 3 Abs. 2 der Beginn vocliegt, darüber s. Anm. 8. Nicht ausgeschlossen ist, daß eine Gesellschaft auch noch nach ihrer Auflösung eingetragen wird, wenn sich die Gesellschafter die Vorteile, welche mit der Eintragung der Auflösung verknüpft sind, sichern wollen (ROHG. 23, 227; vgl. Anm. 4 zu § 15). Ter Zeüpunkt der in Aussicht genommenen Endigung der Gesellschaft ist bei der Anmeldung nicht mit einzutragen.

Anm. 6. 3. Der Registerrichter hat zu prüfen, ob der GcsellschaftSvertrag, dessen Beibringung an sich nicht nötig ist, formell rechtsgültig geschlossen ist; namentlich, wenn sich aus de: All­ meldung Bedenken in dieser Beziehung ergeben. Sind also z. B. Minderjährige be­ teiligt, so ist dem Registerrichter die gehörige Vertretung und die Genehmigung des Vor­ mundschaftsgerichts nachzuweisen (KGJ. 22 A 280; 23 A 89 und in OLGR. 41, 202).

Eine materielle Prüfung insbesvlldere der Deutlichkeit oder der Rechts­ wirksamkeit der einzelnen Bestimlnungen des Vertrags, der überhaupt nicht eingereicht zu werden braucht, liegt dem Richter nicht ob (vgl. Anm. 7 ff. im Anhang zu § 8 und KG. in OLGR. 42, 214). Stellen sich jedoch erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit an­ gemeldeter Tatsachen heraus, so hat der Registerrichter das Recht, Aufklärungen zu verlangen und gemäß § 12 FGG. Ermittlungen zu veranstalten. Zeigt sich dann z. B., daß der Gesellschaftsvertrag nur zum Schein abgeschlossen ist, so hat er die Eintrogung abzulehnen (KG. in OLGR. 11, 372).

1. Titel: Errichtung der Gesellschaft.

4.

617

Nicht abgelehnt kann die Eintragung deswegen werden, weil der Zeichnungspflicht § IOK. (§ 108 Abs. 2) nicht genügt ist (KGJ. 37 A 138 und § 12 Anm. 2 a. E.). Über Strafverfahren des Negisterrichters vgl. § 143 Anm. 4. Stellt sich nach geschehener Eintragung heraus, daß die Gesellschaft nicht hätte ein-Anm.7. getragen werden dürfen, z. B. weil ein Scheingeschäft vorliegt (vorige Anm. und Anm. 12 zu § 105), so kann der Registerrichter gemäß § 142 FGG. bic Eintragung löschen (OLG. Kolmar bei Bauer 11, 236; KGJ. 22 A 284).

Zusatz 1. Die Borschriften sind auch auf die Gesellschaften, die zufolge § 2 oder § 3Anm. 8. Abs. 2 (vgl. Anm. 14 zu § 105) durch Eintragung o.HG. werden, anzuwenden (vgl. Anm. 15 u. 20 zu § 105). Unter dem Zeitpunkt, mit dem die Gesellschaft begonnen hat (Nr. 3), versteht man hier den Zeitpunkt der Eintragung. Denn es ist der Zeitpunkt gemeint, an dem die Ge­ sellschaft eine o.HG. geworden ist, und das ist die Eintragung. Der Zeitpunkt dagegen, in dem die betreffenden Personen ein Handelsgewerbe nach §§ 2, 3 zu betreiben begonnen haben, interessiert handelsrechtlich nicht. Ein früherer Beginn der Gesellschaft als der der Eintragung kann hier daher weder angemeldet noch eingetragen werden. Zusatz 2. Weitere Anmeldungen ergeben sich daraus, daß auf Handelsgesellschaften Anm. die allgemeinen Borschriften über Kaufleute Anwendung finden. Bei Anmeldung der Zweig­ niederlassung (§ 13) muß außer dem Ort des Sitzes der Gesellschaft auch der Ort der Zweig­ niederlassung angemeldet werden. Nicht vorgejchrieben ist die Anmeldung des Gegen­ standes des Unternehmens, anders bei der jur. Person (§§ 33, 36). Zusatz 3. Steuerfrage. Ist keine Vertragsurkunde über die Begründung der o.HG. Anm. ausgenommen, so gilt der Eintragungsantrag als steuerpflichtiger Akt (vgl. Anm. 52a zu § 105).

§ 107.

9.

1V.

§ 107.

wird die Firma einer Gesellschaft geändert oder der Sitz der Gesellschaft an einen anderen Grt verlegt oder tritt ein neuer Gesellschafter in die Gesell­ schaft ein, so ist dies ebenfalls zur Eintragung in das Handelsregister an­ zumelden. 1. Während § 106 die Tatsachen bezeichnet, die bei Errichtung der o.HG. in das Handels- Anm. 1. register einzutragen sind, gibt der § 107 die Tatsachen an, die einzutragen sind, wenn sie während deS Bestehens der Gesellschaft sich ereignen, jedoch nicht vollständig: Die Veränderungen im Vertretungsrecht finb im § 125 Abs. 4 behandelt. Ferner ist das Ausscheiden eines Gesellschafters beim Fortbestehen einer Gesellschaft (§§ 138, 140) zur Eintragung anzumelden, auch das Erlöschen der Firma (§ 157) usw. 2. Zu den anzumeldenden Veränderungen gehört der Eintritt von ErbenAnm. 2. an Stelle eines Gesellschafters (Bay Ob LG. in DIZ. 1920, 320 und KGJ. 53, 258), nicht aber die Erweiterung des Geschäftsbetriebs auf andere Gegenstände, da ja der Gegenstand des Unternehmens überhaupt nicht anzumelden ist. Über die Frage, wie es zu halten ist, wenn der Geschäftszweig eingetragen ist, s. Anm. 4 zu § 29. Ver­ änderungen der nach § 106 cmzilmeldenden Tatsachen, über die in § 107 nichts bestimmt ist, brauchen nicht, können aber angcmelbet werden, z. B. Änderungen der persönlichen Verhältnisse der Gesellschafter (KGJ. 30 B 33; LZ. 1908, 710; gegen die Eintragungs­ möglichkeit TürHach. Anm. 1; dafür Brand Anm. 5). 3. über den Zwang zur Anmeldung s. § 14. Anm. 3. 4. Die Bedeutung der erfolgten Eintragung und Nichteintragung, die früherAnm. 4. in Art. 87 behandelt war, ist jetzt nicht besonders bei der o.HG. geordnet, sondern all­ gemein in den §§ 5 u. 15. Siehe die Erl. zu den §§ 5 u. 15, namentlich aber über die Bedeutung dieser beiden Paragraphen für die o.HG. die Erl. zu § 123 und § 143. über Anzeige des Ausscheidens von persönlich haftenden Gesellschaftern bei Depo-Anm. 5. sitenbanken vgl. Anm. 5-1 zu § 105.

618

I. Abschnitt: Offene Handelsgesellschaft.

§ 108.

§ 108.

Die Anmeldungen sind von sämtlichen Gesellschaftern zu bewirken. Die Gesellschafter, welche die Gesellschaft vertreten sollen, haben die ^irma nebst ihrer Namensunterschrift zur Aufbewahrung bei dem Gerichte zu zeichnen. An«. 1. 1. (Abs. 1.) Die Anmeldungen nach §§ 106 u. 107, ebenso die in Anm. 9 zu § 106 er­

wähnten Anmeldungen sind der Regel nach von sämtlichen Gesellschaftern bzw. deren gesetzlichen Vertretern zu bewirken, also auch von den von der Vertretung ausgeschlossenen. (Über die Frage der Löschung von Amts wegen, wenn nicht sämtliche Gesellschafter mit angemeldet haben, vgl. KG. in DIZ. 1919, 412.) über Bevoll­ mächtigung zur Anmeldung vgl. Anm. 3 zu § 12. Das KG. (bei Ring II 189) halt eine Bevollmächtigung durch die Gesellschafterversammlung für unzulässig, da es sich nicht um Angelegenheiten der Gesellschaft, sondern der einzelnen Gesellschafter handelt. Dagegen dürfte eine ausdrückliche Vollmacht eines Gesellschafters zur Anmeldung zulässig sein. Anm.2. 2. (Abs. 2.) Außerdem aber haben alle vertretungsbefugten Gesellschafter die Firma nebst ihrer Namensunterschrift zur Aufbewahrung bei dem Gericht zu zeichnen. Es ist dabei nicht zu übersetzen, daß sie nicht mit die Firma zu zeichnen haben, sondern auch ihre Namensunterschrift, während beim Einzelkaufmann das letztere nicht vorgeschrieben ist (§ 29). Beide Zeichnungen brauchen aber nicht in räumlichem Zusammenhänge zu stehen; die Firma kann daher im Text, der Name am Schluß als Unterschrift stehen (KG. in OLGN. 19, 310). Dagegen genügt es für das Erfordernis der Zeichnung nicht, daß ein Firmeninhaber sich auf eine von ihm früher als Prokurist gefertigte und eingereichte Zeichnung beruft (KGJ. 37 A 140). Die Zeichnung der Firma und des Namens hat persönlich zu erfolgen; Herstellung durch Stempeldruck genügt nicht (KGJ. 30 A 119). Das Nähere über die Zeichnungsvorschrift, insbesondere inwieweit hierbei Vertretung zulässig ist, und was für Schreibensunkundige hier gilt, s. Anm. 4 zu § 12. Über Zeichnung, wenn eine Aktiengesellschaft oder GmbH. Gesellschafterin ist, vgl. Anm. 22 zu § 105. Anm. 3. 3. Die Eintragung hat nicht zu erfolgen, wenn, bevor die Eintragung erfolgt ist, einer der Gesellschafter seine Anmeldung widerruft (LG. Haniburg bei Holdheim 13, 303; KG. in OLGR. 82, 214 Anm. und Marcus bei Holdheim 16, 151; vgl. Anm. 1 zu § 106). Dagegen kann sie nicht abgelehnt werden, weil der Zeichnungspslicht nicht genügt ist (KGJ. 37 A 138; vgl. § 12 Anm. 2). Über Einfluß des Todes vor Eintragung vgl. Anm. 7a zu § 12. Anm. 4. 4. über die Form der Firmenzeichnung durch den persönlich hastenden Gesellschafter

im Geschäftsverkehr fehlt es an einer dem § 51 entsprechenden Vorschrift (vgl. Anm. 1 zu § 17). Gemäß § 124 HGB., § 164 BGB. kommt es nur darauf an, daß der Gesell­ schafter tatsächlich und erkennbar für die Gesellschaft gezeichnet hat (OLG. Hamburg in HansGZ. 1920 Nr. 122). Es genügt daher die Zeichnung des persönlichen Namens mit Zusatz: in Firma usw. oder als Mitinhaber der Firma usw. (OLG. Marienwerder in OLGR. 4, 165). Aus demselben Grunde genügt es, wenn der Namensunterschrift eines Gesell­ schafters die Firma vorgedruckt ist (so auch bei Wechselunterschrist RG. 47, 165 und bei Holdheim 12, 47; ebenso Goldmann und Lehmann-Ring zu § 108; Brodmann, GmbH. Anm. 4 zu § 35; dagegen 6./7. Aufl. Anhang zu § 108; vgl. auch § 51 Anm. 2 und § 126 Anm. 17). Auch genügt die Zeichnung der Firma ohne Zusatz des persönlichen Namens (RG. in IW. 02, 63619). Sind Gesamtvertreter vorhanden, so genügt die Zeichnung der Firma durch einen Gesellschafter mit Ermächtigung des anderen (Lehmann-Ning zu § 108), ferner Vordruck der Firma unter Hinzufügung des Namens der Vertremngsberechtigten. Bei Notariatsurkunden genügt die Unterschrift mit dem persönlichen Namen ^KGJ. 13, 170); nach einer Entsch. des KG. (KGJ. 21 A 103) genügt aber auch die

2. Titel: Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander.

619

Unterschrift der Firma, falls sie durch den Notar, als von einem vertretungsberechtigten 8 108. Inhaber herrührend, bestätigt wird (vgl. auch Schultze-Görlitz in DIZ. 01, 524 und KGJ. 31 A 211). Uber die Verpflichtung der Gesellschaft aus Geschäften, die zwar nicht unter der Firma der o.HG. geschlossen sind, die aber nach dem erkennbaren Willen der Vertrag­ schließenden für sie ausgeschlossen werden sollten, vgl. Anm. 17 zu § 126.

Zweiter Titel.

Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander.

§ 109.

8 10».

Das Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander richtet sich zu­ nächst nach dein Gesellschaftsvertrage; die Vorschriften der §§ uo bis 122 finden nur insoweit Anwendung, als nicht durch den Gesellschaftsvertrag ein anderes bestimmt ist. Lit.: Mahnkopf, Die Rechtsverhältnisse zwischen der o.HG. und dem einzelnen Ge­ sellschafter, 98. Der Paragraph bestimmt, daß für die Rechtsverhältnisse der Gesellschafter unter-Einleitung, einander zunächst der Gesellschaftsvertrag, ev. die §§ 110—122 Anwendung finde«. Hin­

zuzufügen ist, daß, soweit nicht die §§ 110—122 entgegenstehende Vorschriften enthalten, die Vorschriften des BGB. über die Gesellschaft (§§ 705ff. BGB.) und die sonstigen Vor­ schriften des BGB. Platz greifen. Es ist aus § 105 ersichtlich, daß «nm. 1. eine o.HG. ihrem Wesen nach das Vorhandensein einer Gesellschaft voraussetzt. Eine Gesellschaft aber ist nur vorhanden, wenn sich mehrere Personen zur Erreichung eines gemeinschaftlichen Endzwecks durch Vertrag vereinigen (§ 705 BGB.). Gesckllschaftsv ertrüge setzen im Vergleich zu anderen Vertragsverhält­ nissen in erhöhtem Maße persönliches Vertrauen und die Betätigung von Treu und Glauben voraus (RG. 81, 235). Auf sie findet die Auslegungsregel des § 242 BGB. Anwendung (RG. in IW. 1924, 6704 und Hoeniger Anm. dazu). a) Uber die Form des Gesellschastsvertrags s. Anm. 41 zu § 105. 1>) Auch die materielle Gültigkeit des Gesellschaftsvertrags ist bereits im § 105«nm.2. insofern erörtert, als ausgeführt ist, daß nur dann eine Gesellschaft vorliegt, wenn die Gesellschafter sich über einen gemeinsamen Endzweck geeinigt haben. Uber die sog. societas Iconina (Ausschluß eines Gesellschafters vom Gewinn) vgl. Anm. 4 zu § 105. Das Recht wird durch selbständige Entnahme geltend gemacht, wenn derAnm. V. Gesellschafter die Befugnis hat, über die Kasse zu verfügen, sonst nötigenfalls durch eine Klage gegen die Gesellschaft (ROHG. 19, 416). Doch ist auch eine Klage gegen die widersprechenden Gesellschafter auf Gestattung der Entnahme zulässig (ROHG. ebenda; OLG. Celle in LZ. 1913, 402; Behrend 70 Anm. 11). Der Klage kann nicht der Einwand entgegengesetzt werden, daß die Entnahme zum offenbaren Nachteil der Gesellschaft gereicht. Uber die Einrede des nicht erfüllten Vertrags vgl. Anm. 5 zu § 109. em Amtsgericht ist auch zulässig, nachdem die Gesellschaft in Liqui­ dation getreten ist (§§ 156, 161 Abs. 2; DürHach. Anm. 11). Anders liegt das im Fall des § 338 (vgl. dort Anm. 9). Der Kommanditist hat im Fall des Abs. 3 die Wahl, ob er klagen oder das Beschluß­ verfahren beantragen will (KG. in OLGR. 42, 177).

Anm. 8. c) Wichtige Gründe liegen vor: wenn begründeter Anlaß zum Mißtrauen in die Geschäfts­ führung des geschäftsführenden Gesellschafters gegeben ist (OG. Wien bei Adler u. Clemens Nr. 335); ferner wenn die Bücher unvollständig sind oder über die Lage des Geschäfts keine genügende Auskunft geben (vgl. Anm. 1); wenn der Kommanditist, um für seine Abstimmungen in GeseKlschaftssachen, von denen er ja nicht schlechthin ausgeschlossen ist, unterrichtet zu sein, due Verhältnisse der (Gesellschaft kennen lernen will, der persönlich haftende Gesellschafter aber diese Auskunft verweigert; nnö endlich, wenn die Lage des Geschäfts derart bedenklich ist, daß er zur Geltendmachung seiner Rechte auf Auslösung oder sonst sich Einblick verschaffen muß.

II. Abschnitt: Kommanditgesellschaft.

821

6) Der Inhalt der Anordnung ist immer nur Mitteilung der Bilanz (auch einer Zwischen-Z 166.

bilanz, KG. in OLGR. 27, 397), Vorlegung der Bücher und Papiere und Erteilung Unm. S. sonstiger Aufklärungen durch die persönlich haftenden Gesellschafter. Mehr zu verlangen ist der Gesellschafter nicht berechtigt, und weiteres kann daher der Richter nicht anordnen, auch nicht ausnahmsweise. Tie schrankenlose Freiheit, die der Richter bei einstweiligen Verfügungen hat, bezieht sich gleichfalls nur auf die Art der Durchführung der vom ma­ teriellen Recht gewährten Befugnisse. Die einstweilige Verfügung kann zwar gegebenen­ falls bis zur vorweggenommenen Zwangsvollstreckung gehen (RG. 9, 334 ; 27, 432 und in IW. 99, 43"), aber nicht weiter, sie kann nicht die Befugnisse des materiellen Rechts erweitern. Hier muß dasselbe gelten. Doch liegt die Gestattung, einen Sachverständigen zuzuziehen, innerhalb des gesetzlichen Rahmens (Bolze 16 Nr. 481 und KG. in KGJ. 30 A 124 sowie KGJ. 40 A 121). Aus diesem Grunde kann auch der Richter nur Anordnungen für den einzelnen Fall Anm. 10. treffen, nicht aber einem Kommanditisten ein für allemal das Recht der jederzeitigen Ein­ sicht gewähren. Zusatz 1. Durch den GesettschastSvertrag können diese Rechte erweitert und beschrankt Anm. 11. werden (§ 163).

1. Erweitert. Das muß aber ausdrücklich geschehen. In der Übertragung der Geschäfts­ führung an einen Kommanditisten liegt nicht ohne weiteres die Verleihung aller Aufsichts­ rechte gemäß § 118 (dagegen Brande 22). Denn diese haben ja ihren eigentlichen Grund in der persönlichen Haftung. Nur werden durch solche Übertragung die Aufsichtsrechte von selbst insoweit ausgedehnt, als es die Art der Geschäftsführung mit sich bringt, aber auch nur in diesen Schranken. Der Kommanditist, dem technische Leistungen zugewiesen sind, ist von der kaufmännischen Kontrolle ausgeschlossen. Zum Schutze der auf Vertrag beruhenden erweiterten Rechte dient aber nicht der Abs. 3 des vorliegenden Paragraphen. Richterliche Hilfe kann hier nur im ordentlichen Prozeßwege (Klage und einstweilige Ver­ fügung) erwirkt werden. 2. Beschränkt. Auch dies ist zulässig (Ritter in ArchBürgR. 40, 417). Aber es ist zu erwägen, Anm. 12. daß Verzichte auf Kontrollrechte in einem erhöhten Vertrauen auf den Vertragsgegner ihren Grund haben. Mit dem Eintritte von Tatsachen, durch die dieses Vertrauen erschüttert ist, fällt daher auch der Verzicht weg. Es ist hier trotz Abs. 2 unseres Paragraphen der § 118 Abs. 2 entsprechend anwendbar, zumal er einen allgemeinen Grundsatz zur Geltung bringt (vgl. § 716 Abs. 2 BGB. und Makower Anm. I). In solchem Falle tritt auch der Abs. 3 des vorliegenden Paragraphen wieder in sein Recht (richterlicher Schutz im einfachen Beschlußverfahren). Daß (wie DürHach. Anm. 10 meinen) auch bic Befugnis, den Richter anzugehen, vertraglich beschränkt werden kann, ist nicht anzunehmen. Insbesondere erscheint es zulässig, irn Gesellschaftsvertrage die Aufsichtsrechte dem einzelnen Kommanditisten zu nehmen und sie einem Vertrauensmanne oder einer von den Kommanditisten zu wählenden Person oder einem Ausschüsse zu übertragen (RG. in IW. 1906, 14421; vgl. oben Anm. 3 und Anm. 8 zu § 164). Dagegen steht auch in diesem Falle das Recht aus Abs. 3 jedem Kommanditisten zu (DürHach. Anm. 9 entgegen Anm. 10). Zusatz 2. Dem ausgeschiedeuen Kommanditisten stehen die Rechte aus § 166 Abs. 3Anm. 13. nicht zu. Soweit er einen Anspruch auf Einsicht hat (vgl. Anm. 28 im Anh. zu § 141), muß er ihn im ordentlichen Prozeß geltend machen (KG. in KGJ. 28 A 56 und Brand Anm. 2c).

§167. Die Vorschriften des § \2o über die Berechnung des Gewinns oder Ver­ lustes gelten auch für den Kommanditisten.

8167.

822

EL Abschnitt: Kommanditgesellschaft.

§ 167.

jedoch wird der einem Kommanditisten zukommende Gewinn seinem Kapitalanteile nur so lange zugeschrieben, als dieser den Betrag der be­ dungenen Einlage nicht erreicht. An dem Verluste nimmt der Kommanditist nur bis zum Betrage seines Kapitalanteils und seiner noch rückständigen Einlage teil.

Einleitung.

Vorbemerkung. Die §§ 167—169 regeln die Beteiligung der Gesellschafter am Ge­ winn und Verlust der Gesellschaft für den Fall, daß der Gesellschaftsvertrag sich nicht regelt. Sie haben dieselbe Bestimmung wie die §§ 120—122 für die o.HG. Das System ist das gleiche wie bei der o.HG. Siehe daher Anm. 1 zu § 120. Im einzelnen sind jedoch einige Abweichungen vorgeschrieben. Zunächst gilt der § 120 nur mit Abweichungen. Wie sich der im § 120 enthaltene Stoff für die Kommanditgesellschaft regelt, soll hier im Zusammenhang und im Anschluß an die Erläuterung des § 120 dargestellt werden.

An«. 1. 1. Die Berechnung des Geschäftsergebnisses für die Gesellschaft erfolgt auf Grund der Bilanz, und zwar für jedes Jahr besonders. Hierüber Anm. 2 zu § 120. Die Aufstellung der Bilanz ist Sache der persönlich hastenden Gesellschafter. Der Kommanditist erhält eine Abschrift (§ 166). Soweit zu Abschreibungen und Reserven Zustimmung der Gesellschafter erforderlich ist (Anm. 2 zu § 120), haben auch die Kom­ manditisten zuzustimmen, da diese ein Recht darauf haben, daß die Bilanz gemäß dem Gesetze aufgestellt wird. Aber auch hier gilt das in der angeführten Anm. zu § 120 in betreff der zulässigen Wertschätzung Ausgeführte. 2. Die Beteiligung der Gesellschafter am Geschüftsergebnisse der Gesellschaft erfolgt durch Zuschreibung des Gewinnes und Belastung mit dem Verluste (hierüber Näheres Anm. 3 zu § 120). Daß auch für den Kommanditisten in dieser Weise Gewinn und Verlust zu berechnen sind, hebt der vorliegende Paragraph ausdrücklich hervor. Allein in seinem Abs. 2 bestimmt dieser Paragraph, daß der Anteil des Kommanditisten am Gewinn nur so lange seinem Aktivsaldo zugeschrieben wird, bis er den Betrag der bedungenen Einlage (d. h. der zwischen den Gesellschaftern vereinbarten, nicht der möglicherweise hier­ von verschiedenen sAnm. 8 zu § 161], nach außen wirkenden Haftsumme) erreicht. So­ lange also der Kommanditist einen Passivsaldo hat (ist das überhaupt möglich? vgl. hierüber Anm. 4 zu § 169), wird ihrn sein Anteil am Gewinn gutgejchrieben und vermindert seinen Passivsaldo. Solange ferner sein Aktivsaldo den Betrag der bedungenen Einlage nicht erreicht, erfolgt ebenfalls die Zuschreibung des Gewinnanteils. Sobald aber dieser Betrag erreicht ist, hört die Zuschreibung auf. Indessen bedeutet dies nicht, daß der Kommanditist fortan nicht mehr am Gewinn teilnehme. Er nimmt vielmehr am Gewinne noch weiter teil, es unterbleibt nur die Zuschreibung der Kapitalguthaben. Die weiteren Gewinnanteile werden ihm zwar auch gutgeschrieben, und zwar auf Privatkonto (oder Separatkonto, vgl. Anm. 5 zu § 120), sie bilden eine einfache Buchforderung des Kommanditisten (D. 122). Sie gelten als „bezogen" im Sinne des § 169 Abs. 2. Uber sie kann er beliebig verfügen, selbst wenn dies zum Nachteile der Gesellschaft geschieht, und die Gesellschaft ist berechtigt, sie ihm ohne weiteres und trotz seines Widerspruchs auszuzahlen. Sie bilden nur nicht einen Bestandteil seines Aktivsaldos und sind daher der Zinsberechnung nicht zugrunde zu legen, dienen nicht zur Ausgleichung späterer Verluste (Anm. 8 zu § 169), sie bilden endlich nicht die Grundlage für die Teilnahme am Auseinandersetzungsguthaben; im Konkurse der Gesellschaft ist dieser Anspruch eine Konkursforderung (vgl. Anm. 2 zu § 172). Nur durch Vereinbarung aller Gesellschafter kann dies geändert und bestimmt werden, daß die weiteren G ewinnanteile das Kapitalguthaben vermehren (vgl. Cosack 492ff.).

Anm. 2.

Es ist ferner bestimmt, daß der Kommanditist nur bis zum Betrage seines Kapitalanteils und seiner noch rückständigen Einlage am Verluste

II. Abschnitt: Kommanditgesellschaft.

823

teilnimmt. Darüber hinaus nimmt er am Verluste nicht teil. Gleichwohl ist sein Konto § 167. auch darüber hinaus noch mit etwaigen Verlustanteilen zu belasten. Aber aus anderen Gründen (vgl. hierüber Anm. 4 zu § 169) und mit anderer Wirkung (vgl. Anm. 4 zu § 168), jedenfalls nicht mit der Wirkung, daß diese weiteren Belastungen einen wirklichen Passiv­ saldo darstellen, dessen Betrag nach der Auseinandersetzung der Kommanditist einzu­ schießen hätte. Er hat also keinesfalls diesen über seine Einlage hinausgehenden Verlust zu zahlen (DürHach. Anm. 4 und hier § 168 Anm. 4). Für und gegen den persönlich haftenden Gesellschafter bestehen dieseAnm.Z. beiden Sonderbestimmungen nicht: Ihm ist der Gewinn gutzuschreiben, auch wenn er den Betrag seiner bedungenen Einlage übersteigt, und mit dem Verluste ist er auch über den Betrag seines Kapitalanteils und seiner etwa noch rückständigen Einlage hinaus zu belasten (vgl. Anm. 4 zu § 169), alles nach Maßgabe seiner vertraglichen oder seiner nach § 168 zu bemessenden Gewinn- oder Verlustbeteiligung, aber, wie gesagt, ohne die ge­ dachte Grenzbestimmung.

3. Für jeden Gesellschafter erfolgt die Gewinn- und Berlustrechnung. Auch der In-Anm. 4. Haber eines Passivsaldos nimmt an dem Gewinne teil. Für den persönlich haftenden Gesellschafter gilt dies ohne weiteres, aber auch für den Kommanditisten gilt dies (vgl. hierüber Anm. 2 u. 3 und ferner Anm. 4 zu § 169).

4. Über die Frage, wie Entnahmen iin Laufe des Jahres bei der Jahresrechnung Anm. 5. zur Geltung kommen, s. Anm. 5 zu § 120.

5. Über die Frage, wie Leistungen, die der Gesellschafter im Laufe des JahresAnm.6. gemacht hat, bei der Jahresrechnung zur Geltung kommen, s. Anm. 6 zu § 120.

6. Über das juristische Wesen der Kapitalkonten, des Aktiv-und des Passivsaldos Anm. 7. s. Anm. 7 zu § 120.

7. Über Umrechnung in Goldmark (jetzt RM.) vgl. auch zu § 120. Die Grundsätze sind hier Anm. 8. entsprechend anzuwenden (vgl. auch GBSch. 86).

§ 168.

§ 168.

Die Anteile der Gesellschafter am Gewinne bestimmen sich, soweit der Gewinn den Betrag von vier vom hundert der Kapitalanteile nicht über­ steigt, nach den Vorschriften des § 12t Abs. t, 2. )n Ansehung des Gewinns, welcher diesen Betrag übersteigt, sowie in Ansehung des Verlustes gilt, soweit nicht ein anderes vereinbart ist, ein den Umständen nach angemessenes Verhältnis der Anteile als bedungen. Der vorliegende Paragraph gibt den Maßstab für die Verteilung von Gewinn und Verlust unter die Gesellschafter. 1. Die Verteilung deS Gewinnes. Anm. 1. а) Vorweg gebühren jedem Gesellschafter, also auch den Kommanditisten, vom Gewinn 4% seines Aktivsaldos. Siehe hierüber, insbesondere über die Be­ rechnung dieser sogenannten Gesellschafterzinsen, Anm. 1 u. 2 zu § 121.

б) Der übrigbleibende Jahresgewinu wird nicht, wie bei der o.HG., nachAnm.2. Köpfen verteilt, vielmehr gilt ein angemessenes Verhältnis als bedungen, wenn nichts anderes vereinbart ist. Die Vorschrift bezieht sich gleichmäßig aus persönlich haftende Gesellschafter und Kommanditisten. — Gilt sie auch dann, wenn der Vertrag nur den Anteil am Verluste festsetzt und nicht den Anteil am Gewinn? Man wird wohl be­ rechtigt sein, die Bestimmung des § 722 Abs. 2 BGB. auch hier zur Anwendung zu bringen (io auch DürHach. Anm. 2). Dieser bestimmt, daß, wenn nur der Anteil am Gewinn oder am Verlust vereinbart ist, die Bestimmung im Zweifel für den Gewinn und Verlust

824 § 168.

Anm. 3.

II. Abschnitt: Kommanditgesellschaft.

gilt. Es ist dies eine Auslegungsregel, die mit der Vorschrift des vorliegenden Para­ graphen nicht in Widerspruch steht. Denn wenn etwas anderes vereinbart ist, so gilt natür­ lich auch die Auslegungsvorschrift nicht. Aber jene Auslegungsregel als solche darf man hier ersatzweise anwenden, falls nicht aus den Umständen ein anderer Wille der Vertrag­ schließenden erhellt, zumal sie dem entspricht, was unter der Herrschaft des früheren Rechts gegolten hat (vgl. unsere 5. Aufl. § 2 zu Art. 162; Behrend § 88 Anm. 14; Bolze 17 Nr. 517) und nicht ersichtlich ist, daß dieser Rechtszustand durch das jetzt geltende Gesetz beseitigt werden sollte. Anhaltspunkte für die Frage der Angemessenheit werden sein: die per­ sönliche Haftung der persönlich haftenden Gesellschafter, deren persönliche Tätigkeit, die Höhe der Vermögenseinlage usw. (vgl. Bolze 17 Nr. 517 und NG. bei Gruch. 38, 1132). Nötigenfalls sind Sachverständige zuzuziehen, was Art. 162 des früheren HGB. aus­ drücklich vorschrieb. — Zu bemerken ist jedoch, daß dies alles nur eine Berechnungsart ist; über die Auszahlung des Gewinnanteils bestimmt § 169.

Anm. 4. 2. Die Berteilung des Verlustes. Auch diese richtet sich nach den Umständen. Dies ist aber wiederum nur eine Berechnungsart. Die Wirkung ist für den Kommanditisten schlimmsten­ falls die, daß seine Einlage aufgezehrt wird, und daß die Möglichkeit der Teilnahme am Gewinn späterer Jahre hinausgeschoben wird (vgl. hierüber Anm. 4 zu § 169); eine Pflicht zur Zahlung des Passivsaldos besteht aber weder während der Dauer der Gesellschaft noch nach deren Auflösung (natürlich, soweit die Einlage­ pflicht erfüllt ist). Beim persönlich hastenden Gesellschafter besteht die letztere Pflicht, wenn infolge seiner Verlustbeteiligung ein Passivsaldo für ihn entsteht. Auch diese Bestimmung ist nachgiebigen Rechtens, der Gesellschaftsvertrag kann anders bestimmen. Setzt er den Maßstab nur für die Gewinnbeteiligung fest, so gilt auch hier im Zweifel derselbe Maßstab für die Verlustbeteiligung (vgl. Anm. 2). Anm. 5. 3. Aber auch hier ist, wie bei der o.HG., davon auszugehen, daß eine Beteiligung des Kommanditisten nötig ist, bei einer festen Verzinsung ohne Beteiligung am Gewinn und Verlust fehlt es an der Gemeinsamkeit des Zweckes (vgl. Anm. 4 zu § 105 und RG. in BayZ. 15, 41; gegen DürHach. Anm. 2 zu § 161). Verzinsung neben Beteiligung ist zulässig, ebenso Garantie eines Mindestgewinns, so daß die Beteiligung am Verlust fortfällt (Anm. 4 zu § 105).

§ 169.

§ 169. Der § 122 findet auf den Kommanditisten keine Einwendung. Dieser hat nur Anspruch auf Auszahlung des ihm zukommenden Gewinns; er kann auch die Auszahlung des Gewinns nicht fordern, solange sein Kapitalanteil durch Verlust unter den auf die bedungene Einlage geleisteten Betrag herabge­ mindert ist oder durch die Auszahlung unter diesen Betrag herabgemindert werden würde. Der Kommanditist ist nicht verpflichtet, den bezogenen Gewinn wegen späterer Verluste zurückzuzahlen.

Einleitung.

Der vorliegende Paragraph behandelt das Recht der einzelnen Gesellschafter zu Ent­ nahmen aus der GesellschaftSkasse. In dieser Beziehung sind die persönlich hastenden Gesellschafter und die Kommanditisten verschieden gestellt.

Anm. 1. 1. Die persönlich haftenden Gesellschafter. Für diese bestimmt der vorliegende Paragraph nichts. Für sie gilt gemäß § 161 Abs. 2 der § 122. Sie dürfen also 4% Zinsen ihres Aktivsaldos schlechtweg entnehmen, auch wenn kein Gewinn erzielt ist, auch wenn ihre Einlage durch Verluste früherer Jahre gemindert ist (D. 122). Sie dürfen ferner den diese 4% übersteigenden etwaigen Anteil am Jahresgewinn entnehmen, letzteren jedoch

II. Abschnitt: Kommanditgesellschaft.

825

nur, soweit dies nicht zum offenbaren Schaden der Gesellschaft gereicht. Im übrigen § 169. darf der persönlich haftende Gesellschafter sein Kapitalkonto nicht vermindern. Über alles dieses siehe die Erläuterung zu § 122. 2. Die Kommanditisten. Für diese gilt § 122 nicht, vielmehr gelten die folgenden Regeln: Anm. 2. a) Der Anspruch des Kommanditisten auf Auszahlung erstreckt sich schlechtweg auf den ihm zukommenden Gewinn. Dieser berechnet sich nach § 168, umfaßt daher einen Vorwegbetrag bis zu 4% seines Aktivsaldos und den ganzen diesen übersteigenden Anteil am Gewinn. Ist aber kein Gewinn gemacht, so kann der Kommanditist nichts ausbezahlt verlangen, während der Komplementär 4% auch dann ausbezahlt verlangen kann, wenn ein Gewinnanteil für ihn sich nicht ergeben hat. — Der Kommanditist kann nur Geld verlangen; das ist zwar nicht, wie im § 122, besonders hervorgehoben; doch sollte in dieser Hinsicht offensichtlich nichts anderes bestimmt werden, als im § 122, wie schon das Wort „auszahlen" ergibt. Ist kein Geld vorhanden, so muß es durch Aufnahme von Darlehen, Veräußerung von Gegenständen usw. beschafft werden. — Die Auszahlung wird durch die persönlich haftenden Gesellschafter bewirkt, der Kommanditist kann die Gesellschaft darauf verklagen. Der Anspruch ist gegen die Gesellschaft zu richten, nicht gegen die persönlich haftenden Gesellschafter (Bolze 19 Nr. 614; vgl. Anm. 21 zu § 128; dagegen DürHach. Anm. 2). Ist der Kommanditist ausnahmsweise geschäftsführender Gesell­ schafter und als solcher mit der Kasse betraut (vgl. Anm. 7 zu § 164), so kann er die Ent­ nahme selbst bewirken (vgl. Anh. zu § 58 Anm. 38). b) Sein Anspruch auf Auszahlung ist nicht dadurch bedingt, daß die EntnahmeAnm. 3. der Gesellschaft nicht schädlich ist. Beim Kommanditisten macht das Gesetz diese Beschränkung nicht, der § 122 aber ist ausdrücklich von der Anwendung ausgeschlossen. e) Aber eine andere Einschränkung ist gemacht: Der Kommanditist erhältAnm. 4. keinen Gewinn ausgezahlt, solange sein Kapitalanteil unter den auf die bedungene Einlage geleisteten Betrag, sei es durch Verlust, sei es auf andere Weise, z. B. durch unberechtigte Entnahmen (vgl. Anm. 7 zu 8 122; dagegen DürHach. Anm. 3) herabgemindert ist oder durch die Auszahlung unter diesen Betrag herabgemindert werden würde. Die Vorschrift denkt in erster Linie an den Fall, in dem bic Einlage zum Teil noch vorhanden, aber durch Verlust (oder auf andere Weise) vermindert ist. Der Gewinn wird in diesem Falle zur Deckung des Verlustes verwendet und zu diesem Zwecke dem Komman­ ditisten gutgeschrieben. Der diesen Betrag überschreitende Teil des Gewinnes wird ihm natürlich ausgezahlt. Dasselbe gilt zweifelsohne, wenn die Einlage nicht nur vermindert, sondern ganz aufgezehrt ist. Aber man muß ferner annehmen, daß das Konto des Kommanditisten auch belastet werden muß, wenn nach Aufzehrung seiner Einlage sich Gesellschaftsverluste ergeben, und daß er nicht eher den Gewinn ausbezahlt erhält, als bis der so ent­ standene Passivsaldo ausgeglichen und außerdem seine Einlage bis zur ursprünglichen Höhe herangewachsen ist. Dies gilt als herrschende Ansicht (vgl. DürHach. Anm. 4 zu 8 167, Anm. 3 zu 8 169 und die dort Angef.; dagegen Wieland 746 Anm. 11). Sie entspricht auch den gesetzlichen Vorschriften. Allerdings nimmt der Kommanditist an den Verlusten der Gesellschaft nur bis zum Betrage seiner Einlage teil. Bis zum Betrage der Einlage, aber am ganzen Gesellschaftsverlust. Wenn seine Einlage auch aufgezehrt ist, so hört er dadurch nicht auf, geradeso wie er fortfährt, am Gewinn beteiligt zu sein, auch an den Verlusten der Gesellschaft teilzu­ nehmen. Diese Teilnahme ist nicht gegenstandslos. Sie ist es nur für den Augenblick, weil kein augenblickliches Deckungsobjekt vorhanden ist, aber das Deckungsobjekt liegt in der weiteren Teilnahme des Gesellschafters am Gewinn. Sein Konto wird jetzt belastet.

826

II. Abschnitt: Kommanditgesellschaft.

§ 169.

Diese Buchung hat den Sinn, daß in den folgenden Jahren der Gewinnanteil des Kom­ manditisten zunächst zur Ausgleichung dieser Belastung zu benutzen ist. Diese Auffassung entspricht der Stellung der Kommanditisten. Dieser unterscheidet sich vom offenen Gesellschafter lediglich dadurch, daß er nichts weiter einzusetzen hat, als seine Einlage; aber nirgends ist die Absicht erkennbar, ihn vor dem offenen Gesellschafter und folgeweise auch vor dem persönlich haftenden Gesellschafter, der sein Mitgesell­ schafter ist, insofern zu bevorzugen, als er an den Verlusten der Jahre, während derer seine Einlage aufgezehrt ist, nicht teilnehmen soll. Anm.5. Diese Einschränkung bezieht sich, wie schließlich bemerkt werden muß, auch auf die Gesellschafterzinsen. Früher war dies mit Recht verneint worden (RG. in IW. 97, 469). Jetzt aber bilden diese Zinsen einen Bestandteil des dem Kom­ manditisten zukommenden Gewinnes, und der ganze ihm zukommende Gewinn kann zur Deckung von Verlusten zurückbehalten werden. Anm.6. d) Andererseits braucht der Kommanditist bezogenen Gewinn wegen späterer Verluste nicht mehr zurückzuzahlen. Damit wird aber kein Gegensatz zu den dem offenen Handelsgesellschafter zustehenden Rechten bestimmt, sondern im Gegenteil zur Verdeutlichung hervorgehoben, daß in dieser Beziehung der Kommanditist dem offenen Handelsgesellschafter gleichsteht. Zu beachten ist aber hinsichtlich des Kommanditisten, daß die Vorschrift, wie der ganze Paragraph, nur für das innere Verhältnis zur Gesellschaft gilt. Im Verhältnis zu den Gläubigern gilt § 172. Die beiden Vorschriften verhalten sich zueinander wie folgt: Was der Kom­ manditist im Einverständnis mit seinen Mitgesellschaftern an Zinsen und Gewinn bezogen hat, sei es auch nach Verminderung seiner Einlage, bleibt endgültig sein eigen und tarnt von der Gesellschaft nicht zurückgefordert werden. Die Gläubiger aber können den Kommanditisten haftbar machen, wenn er unter Beeinträchtigung seiner Einlage Zinsen und Gewinn bezogen hat, es sei denn, daß Verteilung und Bezug in gutem Glauben geschehen (§ 172 Abs. 5). Anm. 7. Durch die Vorschrift des vorliegenden Absatzes aber wird ein Rückforderungsrecht der Gesellschaft gegen den empfangenden Gesellschafter nicht schlechthin ausgeschlossen: Beruhte die Auszahlung auf anfechtbarer Willenserklärung, auf Irrtum, z. B. auf einem Rechenfehler in der Bilanz, so kann die Gesellschaft gegen ihn das Ausgezahlte zurück­ fordern. Insbesondere ist dann die Rückforderung gegeben, wenn dem Kommanditisten irrtümlich Gewinn ausbezahlt wurde, der zur Deckung des Verlustes zu verwenden war. Wendt (bei Endemann I 439) meint allerdings, die Rückforderung sei dann ausgeschlossen, weil ihm ja der Gewinn in Wirklichkeit geschuldet gewesen sei und ihm mir kein Recht auf Erhebung zugestanden hätte. Allein der Gewinn war ihm nicht geschuldet, es war nur buchmäßig ausgerechnet, wieviel er an Gewinnanteil zu fordern gehabt hätte, wenn seine Einlage nicht vermindert gewesen wäre. Da aber die Einlage vermindert war, so hatte er eben den der ausgerechneten Ziffer entsprechenden Betrag nicht zu fordern (vgl. Anm. 4). Anm. 8. Die Vorschrift ist auf die Gewinnbezüge, anzuwenden, die dem Kapital­ anteile des Kommanditisten nicht zugeschrieben sind, weil dieser den Betrag der bedungenen Einlage überstiegen hat (§ 167 Abs. 2). Dieser übersteigende Betrag ist eine wirkliche Forderung und kann auch zur Deckung späterer Verluste ebensowenig ver­ wendet werden wie ein bezogener Gewinn (Anm. 2 zu § 167; D. 122). Anm. 9. o) Daß der Kommanditist seinen Kapitalanteil nicht einseitig vermindern kann, versteht sich von selbst, und es sollte ihm dies nicht etwa dadurch gestattet werden, daß der § 169 den § 122, dessen Abs. 2 dieses Verbot enthält, von der Anwendung auf den Kommanditisten ausschließt. Es liegt das im Wesen der Gesellschaft überhaupt. Mit Zu­ stimmung der Mitgesellschafter kann eine Verminderung der Einlage (Zurückzahlung oder Erlaß) erfolgen (D. 123); doch hat dies den Gläubigern gegenüber keine Wirkung (§ 172 Abs. 3; so auch Makower Anm. III).

II. Abschnitt: Kommanditgesellschaft.

827

Ebenso kann, da die Vorschrift des § 169 nachgiebigen Rechtens ist, mit Zu-H 169 stimmung aller Gesellschafter über Gewinnauszahlung anderes bestimmt werden, z. B. Anm. 10. daß der Kommanditist feste Zinsen erhalten soll, die unter allen Umständen auszuzahlen sind. Auch hier gilt aber den Gläubigern gegenüber die Vorschrift des § 172 (vgl. Anm. 5 ZU § 168).

§ 170.

§ 17».

Der Kommanditist ist zur Vertretung der Gesellschaft nicht ermächtigt. Der vorliegende Paragraph ordnet die Vertretung der Gesellschaft nach außen, aber Einleitung, in negativer Weise, indem er die Kommanditisten von der Vertretung ausschließt. Daraus folgt, daß die persönlich haftenden Gesellschafter die gesetzlichen Vertreter dcr Kommanditgesellschaft sind. Doch ist mit diesem einfachen Satze die Sache nicht abgetan.

1 Der persönlich hastende Gesellschafter als gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft. Hier-Anm. 1. über gelten die §§ 125 bis 127 entsprechend. a; § 125. Gesetzliche Regel ist, daß jeder persönlich haftende Gesellschafter allein zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt ist. In diesem Falle braucht hierüber nichts eingetragen zu werden. Es kann aber auch ein persönlich haften­ der Gesellschafter von der Vertretungöbefugnis ausgeschlossen sein, jedoch nicht alle (Anm. 3 zu § 125); der ausgeschlossene kann beschränkte Vollmacht er­ halten, nicht aber kann der von der Vertretung ausgeschlossene persönlich haftende Gesell­ schafter zum Prokuristen bestellt werden. Auch zu Gesamtvertretern können mehrere persönlich haftende Gesellschafter bestellt werden, und endlich kann bestimmt werden, daß ein persönlich haftender Gesellschafter zusammen mit einem Prokuristen vertretungsberechtigt ist; es sei denn, daß nur ein persönlich haftender Gesellschafter vorhanden ist (Anm. 15 zu § 125). Die Ausnahmen von der Einzelvertretung müssen zur Eintragung angemeldet werden. über alles dieses s. die Erl. zu § 125. Auch bei der Kommanditgesellschaft ist der einzelne Gesellschafter als solcher nicht zur Einziehung von Gesellschaftsforderungen berechtigt (Anm. 39 zu § 124 und RG. in IW.

1916, 837"). I) § 126. Der Umfang der Bertretungsmacht des persönlich haftenden Gesell-Anm. 2. schafters, deren grundsätzliche Unbeschrünkbarkeit und die möglichen Ausnahmen von der Unbeschränkbarkeit: alle diese Fragen beantworten sich ebenso wie beim offenen Gesellschafter. Der persönlich haftende Gesellschafter kann daher alle innerhalb seiner Vertretungsmacht liegenden Handlungen mit Wirkung nach außen vornehmen (z. B. den Verkauf einer Zweigniederlassung: LG. Düsseldorf bei Holdheim 8, 154); für Eintragungen bei Gelegenheit derartiger Handlungen kann der Registerrichter nicht die Zustimmung des Kommanditisten fordern. Siehe hierüber die Erl. zu § 126, ebenso auch die dort gegebenen Erläuterungen über die Haftung der Gesellschaft für unerlaubte Handlungen der Gesellschafter, über ein unerlaubtes Einverständnis mit Dritten, über die Wirkung der Vertretungshandlnngen, über stillschweigendes Handeln. Uber Rechtsgeschäfte mit sich selbst und über Vertretung ohne Vertretungsmacht s. die Anm. 31 ff. und Anm. lllff. im Anh. zu § 58. -*) § 127. Die Entziehung der Vertretungsbefugnis bestimmt sich ebenso wie imAnm.3. § 127. Da nur alle übrigen Gesellschafter die Entziehung verlangen können, so muß der Antrag auch von den Kommanditisten ausgehen. Außerdem aber kann auch hier durch einstweilige Verüfgung auf Antrag eines Gesellschafters, auch eines Kommanditisten, die Entziehung erfolgen (vgl. hierüber Anm. 7 zu § 127). Auch die Beantwortung der Frage, ob der persönlich haftende Gesellschafter die Vertretung niederlegen kann, richtet sich nach Anm. 8 zu § 127.

828

II. Abschnitt: Kommanditgesellschaft.

§ 170« 2. Der Kommanditist kann nicht zvm gesetzlichen Vertreter bestellt werden. Dies bestimmt Anm. 4.

§ 171.

unser § 170. Zwar ist der Wortlaut des Paragraphen („ist zur Vertretung nicht ermächtigt") nicht sehr klar, es sollte aber jedenfalls dies damit gesagt sein und folgt auch aus der rechtlichen Gestaltung der Kommanditgesellschaft. Das ist auch, da es sich nicht um eine nur nach innen geltende Vorschrift handelt, nicht abänderungsfähig. Gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft kann daher der Kommanditist nie sein, denn eine gewillkürte Bestellung zu dem gesetzlich als Organ der Gesellschaft bestellten Vertreter (wie sie Marcus bei Holdheim 18, 160 und Braude 33 ff. konstruieren wollen) gibt es nicht. Vertragsmäßig ist eine Bestellung zum Prokuristen, zum Bevollmächtigten möglich; diese ist durch § 170 nicht verboten; es kann daher der Kommanditist zum Prokuristen (RG. 31, 39; vgl. Anm. 3 zu § 48 und Anm. 6 zu § 164) und zum sonstigen Handlungsbevollmächtigten (OLG. Bam­ berg in OLGR. 3, 277 zum „kaufmännischen Leiter") bestellt werden (vgl. Anm. 7 zu § 164). Alsdann verpflichtet er durch seine Rechtshandlungen, die er erkennbar namens der Gesellschaft vornimmt, die Gesellschaft. Daß er dabei zur Vermeidung eigener Voll­ haftung ausdrücklich erklären müsse, daß er als Prokurist oder als Handlungsbevollmächtigter handle, wie dies Art. 167 Abs. 3 des früheren HGB. vorschrieb, ist jetzt nicht mehr vor­ geschrieben. Daß der Kommanditist, wenn er zum Prokuristen bestellt ist, mit einem mi» deren Gesamtprokuristen zusammen nicht zeichnen dürfe, wie Koenige (IW. 1923, 215) deshalb annimmt, weil beide nicht voll für die Verbindlichkeiten haften, findet im Gesetz keine Stütze. Man müßte dann ja auch folgerichtig die gemeinsame Zeichnung zweier Prokuristen nicht zulassen.

§ 171. Der Kommanditist haftet den Gläubigern der Gesellschaft bis zur Höhe seiner (Einlage unmittelbar; die Haftung ist ausgeschlossen, soweit die (Einlage geleistet ist. über das vermögen der Gesellschaft der Konkurs eröffnet, so wird während der Dauer des verfahrens das den Gesellschaftsgläubigern nach Abs. \ zustehende Recht durch den Konkursverwalter ausgeübt.

Einleitung.

Der vorliegende Paragraph beschäftigt sich mit der Hastung des Kommanditisten gegenüber den Gläubigern. Von der Haftung des persönlich haftenden Gesellschafters handelt er nicht. Die Vollständigkeit erheischt die Erörterung auch dieser Haftung.

Anm. 1. 1. Die Haftung des persönlich haftenden Gesellschafters gegenüber den Gläubigern richtet sich nach § 128 und § 129. Siehe daher die Erläuterungen zu diesen Paragraphen. Zu bemerken ist hier:

a) § 128. Die zu diesem Paragraphen gegebene Erläuterung ist auch hier maßgebend, ins­ besondere über den Rechtsgrund der Haftung, über das Verhältnis der Gesamthaft zur Gesellschaftsschuld, über die dabei in Betracht kommenden prozessualen Fragen, über die aus dem Gesamtschuldverhältnisse sich ergebenden Einzelfragen (wie Erlaß, Verzug usw. des einzelnen Schuldners wirken), über den Gegenstand der Gesamthaftung (welche Gesellschastsschulden damit gemeint sind), über den Rückgriff der Gesellschafter unter sich; über die Haftung des angeblichen Gesellschafters; über den Gesellschafter als Gläubiger und Schuldner der Gesellschaft; über den Einfluß des Konkurses der Gesellschaft auf die Gesamthaftung des persönlich haftenden Gesellschafters. Anm. 2. b) § 129. Hierüber vgl. die Erläuterung zu § 129, insbesondere über die Ausdehnung der gegen die Gesellschaft gerichteten Klagen auf die Gesellschafter; über die Verbindung dieser Klagen; über die Umwandlung der einen Klage in die andere; über die Einwendungen, die dem persönlich haftenden Gesellschafter zustehen (aus seiner Person? aus den Rechten der Gesellschaft? Beschränkungen des Rechts, Einreden der Gesellschaft vorzubringen bei

II. Abschnitt: Kommanditgesellschaft.

829

Anfechtung und Aufrechnung); über die Zwangsvollstreckung gegen den einzelnen Gesell-Z 171. schafter; über die Frage, inwieweit sich alles dies auf ausgeschiedene Gesellschafter bezieht,

c Ausschluß der Haftung deS Gesellschaftsvermögens für die persönlichen Schulde« der Einzelgesellschaster. Ter Art. des früheren HGB. 119 sprach ausdrücklich aus, daß die persönlichen Gläubiger einer o.HG. die zum Gesellschastsvermögen gehörigen Sachen nicht zum Gegenstand ihres Zugriffs machen sonnten, und im Art. 169 war diese Be­ stimmung für die Kommanditgesellschaft für anwendbar erklärt. Jetzt ist bei der o.HG. jene Bestimmung gestrichen, und ebenso findet sich bei der Kommanditgesellschaft diese Bestimmung nicht. Sie ist aber dort nicht gestrichen, weil sie nicht gelten soll, sondern weil sie überflüssig ist, indem sie schon aus der Zusammensetzung der Gesellschaft nach dem BGB. folgt. Vgl. hierüber Anm. 28—32 zu § 124, wo die Begriffe persönlicher Gläubiger, Gesell­ schaftsgläubiger und Zugriff erläutert sind. Ties gilt zufolge § 161 Abs. 2 auch für die Kommanditgesellschaft (vgl. Anm. 13 zu § 161).

6) DaS Aufrechnungsrecht bei der Kommanditgesellschaft. Hierüber s. Anm. 33—38 zu § 124 und RG. 63, 265. Die dort aufgestellten Grundsätze gelten auch hier, aber auch für den Kommanditisten. Hinzuzufügen ist noch, daß das RG. (41, 27) entschieden hat, der Schuldner könne, wenn der persönlich haftende Gesellschafter eine Privatforderung einklagt, ihm seine Forderung an die Gesellschaft entgegenhalten, und zwar auch, wenn die Gesellschaft im Konkurse ist. Jenes Aufrechnungsrecht bedeutet etwas ganz anderes, als die in Anm. 20 erörterte Aufrechnungsfrage. An dieser letzteren Stelle ist die Frage behandelt, inwieweit der von dem Gesellschaftsgläubiger belangte Kommanditist den ihm zustehenden Einwand, er habe seine Einlage bereits gemacht, durch Aufrechnung einer ihm an die Gesellschaft zustehenden Forderung begründen kann. Hier dagegen handelt es sich um die davon verschiedene Frage, inwieweit der Einzelgesellschafter, der seine Einlage noch nicht gemacht hat, sie auch nicht durch Aufrechnung mit einer Forderung, die ihm gegen die Gesellschaft zusteht, machen kann, dem Gläubiger gegenüber mit einer ihm gegen diesen zustehenden Forderung auf­ rechnen kann. Ferner handelt es sich hier um weitere Aufrechnungsfragen, die mit der ersterwähnten nichts zu tun haben (inwieweit die Gesellschaft eine dem Gesellschafter zu­ stehende Forderung zur Aufrechnung benutzen kann usw.).

Die Haftung deS Kommanditisten (Linsmaher in DIZ. 03, 474). Anm. 3. t) Er haftet den Gläubigern unmittelbar. Diese früher bestrittene Frage ist hier im Sinne der herrschend gewesenen Meinung entschieden. Das Reichsgericht hatte in Überein­ stimmung mit der Literatur schon früher eine unmittelbare Haftung den Gläubigern gegenüber angenommen (RG. 17, 37; 32, 399; vgl. ferner jetzt RG. 51, 36 und Furrer 19).

>) Die Haftung ist aber ausgeschlossen, soweit die Einlage geleistet ist (vgl. Anm. 16). Als Anm. 4. eingezahlt gilt den Gläubigern gegenüber die Einlage nur, wenn ein der Einlageziffer entsprechender Wert dem Gesellschaftsvermögen zugeführt ist. Insoweit eine solche Zuführung nicht stattgefunden hat, ist die Einlage im Verhältnis zu den Gläubigern als nicht eingezahlt zu betrachten. Für diese sind daher auch die von den Gesellschaften festgesetzten Einbringungöpreise nicht unbedingt maßgebend (Behrend § 89; D. 120; anders RG. 51, 36, sowie bei Holdheim 20, 147). Die Beweislast für die gehörige Einzahlung hat der Konunanditist (vgl. Anm. 16): also hat er, wenn nicht bar eingezahlt ist, im Streitfall den Wert der Einlage zu beweisen. Als eingezahlt gilt aber auch das, was der Kommanditist zur Befriedigung von Gesellschaftsgläubigern geleistet hat, ferner was er an Gewinn wirklich bezogen und stehengelassen hat (DürHach. Anm. 7). Hierüber und über die Frage, inwieweit er Aufrechnung vorschützen kann, um damit seiner Einlagepflicht zu genügen, s. Anm. 19 u. 20.

2) Die Grenze der Haftung ist der Bettag der versprochenen Einlage. Näheres hierüber Anm. 5. Anm. 1 zu § 172.

830

II. Abschnitt: Kommanditgesellschaft.

§ 171. ä) Die Haftung deS Kommanditisten ist eine gesamtschuldnerische (ebenso Furrer 121). eie Anm. 6.

tritt, wie die Haftung des persönlich haftenden Gesellschafters, neben die Gesellschafts­ schuld und ist eine Gesamtschuld neben der Schuld des persönlich haftenden Gesell­ schafters und der Schuld der anderen Kommanditisten. Für diese hinzutretende und gesamtschuldnerische Verbindlichkeit gelten dieselben Regeln wie für die Gesamtschuld des persönlich haftenden Gesellschafters (vgl. daher die Erläuterungen zu § 128 und zu § 129, auf welche auch oben Anm. 1 u. 2 verwiesen ist). Es kann z. B. aus einem von der Kommanditgesellschaft angenommenen Wechsel verklagt werden: einmal die Gesellschaft, sodann jeder persönlich haftende Gesellschafter und endlich jeder Kommanditist, soweit dessen Einlage nicht dem Gesellschaftsvermögen einverleibt ist, und zwar nach Wahl des Gläubigers alle zusammen, oder nur einer dieser Verpflichteten allein, oder einzelne von ihnen. Es können alle diese Verpflichteten am Sitze der Gesellschaft verklagt werden, da sowohl der persönlich haftende Gesellschafter als auch der Kommanditist aus dem gleichen Rechtsgrunde wie die Gesellschaft haftet, der Sitz der Gesellschaft also für ihn Erfüllungsort ist (ROHG. 24, 166; RG. in IW. 98, 225; OLG. Dresden in DIZ. 99, 24; vgl. Anm. 4 zu § 129).

Anm. 7.

Die Gesamthaftung des Kommanditisten versagt and) nicht nach Auf­ lösung der Gesellschaft (OLG- Hamburg in OLGR. 32, 109), ferner auch nicht im Konkurse (vgl. Anm. 28 zu § 128, sllis lueMje üben in Anm. 1 verwiesen ist). Folgerichtig müßte nun hier, wie bei der o.HG. (vgl. Anm. 28 zu § 128), jeder Gläubiger auch im Falle des Konkurses der Kommanditgesellschaft berechtigt jein, die Haftung gegen den Kom­ manditisten geltend zu machen, wie er dies auch gegenüber beut persönlich haftenden Gesellschafter zu tun berechtigt ist (s. oben Anm. 1). Allein im Anschluß an die frühere, von Staub nicht gebilligte Rechtsprechung (vgl. 5. Ausl. § 5 zu Art. 169) bestimmt Abs. 2 unseres Paragraphen aus Zwecknüißigkeitsgründen, weil durch das selbständige Vorgehen jedes einzelnen Gläubigers die Einlage der Konkursmasse entzogen werben könnte (D. 123),

Anm. 8.

daß im Konkurse nur der Konkursverwalter die Ansprüche auS der Gesamthaftung geltend machen kann, niemals der einzelne Gläubiger (vgl. RG. 74, 428). Was die rechtliche Begründung der Klage des Konkursverwalters betrifft, so ist von dem der Sach- und Rechtslage nicht gerecht werdenden Wortlaute des § 171 abzusehen. Der Konkursverwalter kann seiner ganzen rechtlichen Stellung nach nicht die den einzelnen Gläubigern zustehenden Forderungen geltend machen. Mit Recht führt daher das Reichs­ gericht (RG. 51, 37 und ähnlich 46, 353) aus: der Konkursverwalter, der das Recht aus § 171 geltend macht, handelt nicht in Vertretung des Gemeinschuldners, also der Gesell­ schaft; er übt vielmehr ein selbständiges, ihm vom Gesetz verliehenes Recht aus. Für den Inhalt dieses Rechts ist der Umfang des Rechts maßgebend, das bi'n Gläubigern zusteht, und hierfür ist nicht der Gesellschaftsvertrag, sondern die Eintragung entscheidend (vgl. auch RG. in IW. 00, 414"; dagegen Wieland 760 Anm. 13). Dieser Auffassung ist beizutreten; es ist nur noch hervorzuheben, daß das Recht des Konkursverwalters ein anderes ist, als das den Gläubigern nach Abs. 1 zustehende Recht. Dies letztere hört mit der Konkurseröffnung auf; an seine Stelle tritt das selbständige Recht des Verwalters, das dieser im Interesse der gesamten Gläubigerschaft wahrzunehmen hat. Es verhält sich hiermit ähnlich wie mit dem Anfechtungsrecht (§ 13 Ges. v. 21. Juli 1879).

Hieraus ergeben sich nachstehende Folgerungen:

Anm. 9.

1. Nach der Konkurseröffnung taun der Kommanditist nicht mehr einen Gläubiger mit

Anm. 10.

2. Nach Aufhebung des Konkurses ist wieder jeder Gläubiger zur Geltendmachung be­ fugt. Ein vom Verwalter abgeschlossener Vergleich steht aber jedem Gläubiger ent­ gegen (vgl. RG. 39, 64).

Anm. 11.

3. Für die Klage des Konkursverwalters ist der Gerichtsstand am Sitze der Gesellschaft gegeben (RG. 46, 352).

der Wirkung befriedigen, daß er dies dem Verwalter entgegenhalten kann (RG. 37, 86).

II. Abschnitt: K ommanditgesellschaft.

831

4. Tie Haftung des Kommanditisten wird dem Verwalter gegenüber nicht dadurch aus-K 171. geschlossen, daß er einwendet, er sei durch Betrug zum Beitritt zur Gesellschaft be-Unm. 12. wogen (RG. 51, 33). Tie entgegengesetzte Ansicht von DürHach. (Anm. 18) stützt sich auf die diesseits nicht gebilligte Auffassung, daß über eine nichtige Gesellschaft nicht Konkurs eröffnet werden kann (vgl. Anm. 11 zu 8 131). e DaS Ziel der vom Gläubiger gegen den Kommanditisten gerichteten Klage ist Zahlung Anm. 13. einer Geldsumme an den Gläubiger; das Ziel der Klage des Konkursverwalters (Anm. 7ff.) Zahlung einer Geldsumme an die Konkursmasse.