Sonderausgaben als Kategorie des Einkommensteuerrechts: Eine steuersystematische, verfassungs- und unionsrechtliche Einordnung [1 ed.] 9783428550845, 9783428150847

Bei der Kategorie der Sonderausgaben (§§ 10 ff. EStG) handelt es sich de lege lata um Privataufwendungen. Ein einheitlic

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Sonderausgaben als Kategorie des Einkommensteuerrechts: Eine steuersystematische, verfassungs- und unionsrechtliche Einordnung [1 ed.]
 9783428550845, 9783428150847

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Schriften zum Steuerrecht Band 125

Sonderausgaben als Kategorie des Einkommensteuerrechts Eine steuersystematische, verfassungs- und unionsrechtliche Einordnung

Von Stefanie Schild

Duncker & Humblot · Berlin

STEFANIE SCHILD

Sonderausgaben als Kategorie des Einkommensteuerrechts

S c h r i f t e n z u m St e u e r r e c ht Band 125

Sonderausgaben als Kategorie des Einkommensteuerrechts Eine steuersystematische, verfassungs- und unionsrechtliche Einordnung

Von Stefanie Schild

Duncker & Humblot · Berlin

Veröffentlicht mit finanzieller Unterstützung der Universität Passau.

Die Juristische Fakultät der Universität Passau hat diese Arbeit im Sommersemester 2016 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2017 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany

ISSN 0582-0235 ISBN 978-3-428-15084-7 (Print) ISBN 978-3-428-55084-5 (E-Book) ISBN 978-3-428-85084-6 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2016 von der Juristischen Fakultät der Universität Passau als Dissertation angenommen. Das Manuskript wurde im März 2016 fertiggestellt. Nachfolgende Rechtsprechung und Literatur konnten bis Ende Juni 2016 berücksichtigt werden. Mein besonderer Dank gilt Herrn Professor Dr. Rainer Wernsmann, der die Arbeit thematisch angeregt und vorbildlich betreut hat. Ihre Entstehung während meiner Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an seinem Lehrstuhl hat er in jeder Hinsicht unterstützt und gefördert. Herrn Professor Dr. Hartmut Söhn danke ich sehr für die Übernahme des Zweitgutachtens und die zügige Erstellung. Herzlich bedanken möchte ich mich des Weiteren bei Herrn Privatdozent Dr. Christian Thiemann für wertvolle Anregungen und kritische Diskussionen, aber auch für die aufmunternden Worte zum rechten Zeitpunkt. Mein Dank gilt außerdem Herrn Dr. Matthias Blankenauer, der mich beim Korrekturlesen unterstützt hat. Wesentlich gefördert wurde die Arbeit durch ein Promotionsstipendium nach dem Bayerischen Eliteförderungsgesetz sowie durch ein Promotionsabschlussstipendium der Universität Passau. Hierfür wie auch für die seitens der Universität Passau gewährte Publikationsbeihilfe danke ich sehr. Von ganzem Herzen möchte ich mich schließlich bei meinen Eltern bedanken, die mir meine akademische Ausbildung ermöglicht und mich stets unterstützt haben. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Passau, im Januar 2017

Stefanie Schild

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 1. Kapitel Die Sonderausgaben im System des Einkommensteuerrechts

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§ 1 Einfachrechtliche Qualifikation als Privataufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 § 2 Abzug dem Grunde nach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 I. Aufwendungen mit Bezug zur Erwerbssphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 1. Altersvorsorgeaufwendungen i.S.v. § 10 I Nr. 2 lit. a, b EStG . . . . . . . . . . . . 23 a) Veranlassung durch die Einkünfte i.S.v. § 19 I Nr. 1 EStG . . . . . . . . . . . . 23 b) Veranlassung durch die Alterseinkünfte i.S.v. § 22 Nr. 1 S. 3 lit. a Doppelbuchstabe aa EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 c) Sonderausgabenabzug als Besteuerungsverzicht in der Erwerbsphase . . . . 27 d) Existenzsichernder Charakter der Altersvorsorgeaufwendungen . . . . . . . . 30 2. Kinderbetreuungskosten, § 10 I Nr. 5 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 a) Erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 b) Betreuungskosten bei Krankheit oder Behinderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 c) Sonstige Kinderbetreuungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 3. Berufsausbildungskosten i.S.v. § 10 I Nr. 7 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 a) Qualifikation des Veranlassungszusammenhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 b) Kein existenzsichernder Charakter der Berufsausbildungskosten . . . . . . . 41 II. Existenzsichernde Aufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 1. Beiträge für eine Kranken- und Pflegeversorgung auf Sozialhilfeniveau, § 10 I Nr. 3 lit. a, b EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2. Unterhaltsleistungen i.S.v. § 10 Ia Nr. 1 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 3. Kirchensteuer, § 10 I Nr. 4 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 4. Altersvorsorgeaufwendungen i.S.v. § 10 I Nr. 2 lit. a, b EStG . . . . . . . . . . . . 49 5. Kinderbetreuungskosten bei Krankheit oder Behinderung, § 10 I Nr. 5 EStG 49 III. Sonstige privat veranlasste Aufwendungen, deren Abzug Förderungs- und Lenkungszwecke zugrunde liegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 1. Nicht existenzsichernde Vorsorgeaufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 a) Aufwendungen für eine zusätzliche Altersvorsorge i.S.v. § 10a EStG . . . . 49 b) Vorsorgeaufwendungen i.S.v. § 10 I Nr. 3a EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

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Inhaltsverzeichnis 2. Unterhalts- und Versorgungsleistungen an Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 a) Ausgleichsleistungen im Rahmen bzw. zur Vermeidung eines Versorgungsausgleichs, § 10 Ia Nr. 3, 4 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 b) Versorgungsleistungen im Zusammenhang mit einer Vermögensübertragung, § 10 Ia Nr. 2 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 c) Sonstige Kinderbetreuungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 d) Schulgeld, § 10 I Nr. 9 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 3. Sonstige Steuervergünstigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 a) Zuwendungen zur Förderung steuerbegünstigter Zwecke und an politische Parteien, § 10b EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 b) Aufwand für Gebäude, Baudenkmäler und Kulturgüter, § 10f und § 10g EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

§ 3 Verhältnis der Sonderausgabentatbestände zu anderen Vorschriften des Einkommensteuergesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 I. Verhältnis zu den Betriebsausgaben und Werbungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 1. Vorrang des Betriebsausgaben-/Werbungskostenabzugs, § 10 I S. 1 EStG . . . 65 a) Trennbar gemischt veranlasste Aufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 b) Untrennbar gemischt veranlasste Aufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 2. Einwirkung der Abzugsverbote des § 12 EStG auf das Verhältnis der Tatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 II. Verhältnis zu den außergewöhnlichen Belastungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 III. Verhältnis zu den Abzugsverboten des § 12 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 2. Kapitel Qualifikation von Aufwendungen als Sonderausgaben – Verfassungsrechtliche Vorgaben und Grenzen

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§ 4 Aufwendungen mit Bezug zur Erwerbssphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 I. Folgen der Zuordnung zu den Sonderausgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 II. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für die Zuordnungsentscheidung . . . . . . . . . . . 78 1. Objektives Nettoprinzip: Berücksichtigung von Erwerbsaufwendungen . . . . 78 2. Objektives Nettoprinzip: Interperiodische Verlustberücksichtigung . . . . . . . . 82 3. Gleichheit bei der Gewährung von Steuervergünstigungen . . . . . . . . . . . . . . 85 4. Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 a) Grenze des Willkürverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 b) Notwendigkeit eines „besonderen sachlichen Grundes“ . . . . . . . . . . . . . . . 88 c) Erfordernisse der Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89

Inhaltsverzeichnis

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III. Verfassungsrechtliche Grenzen der Zuordnung von Aufwendungen mit Bezug zur Erwerbssphäre zu den Sonderausgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 1. Qualifizierung des Veranlassungszusammenhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 a) Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 b) Qualifizierung der Alterseinkünfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 c) Veranlassungszusammenhang bei den Berufsausbildungskosten . . . . . . . . 96 2. Qualifizierung als Sonderausgabe bei untrennbar gemischter Veranlassung

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3. Umqualifizierung von „Erwerbsaufwendungen“ in Sonderausgaben . . . . . . . 99 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 § 5 Existenzsichernde Aufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 I. Grundsatz der Nichtabziehbarkeit von Privataufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . 103 II. Verfassungsrechtliche Pflicht zur Steuerfreistellung des Existenzminimums . . . 104 1. Freiheitsrechtliche Verankerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 2. Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, Art. 3 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 3. Folgerichtige Umsetzung des Gebots zur Steuerfreistellung des Existenzminimums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 III. Indisponibles, nicht der Existenzsicherung dienendes Einkommen . . . . . . . . . . 113 IV. Zwangsläufige Aufwendungen im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 V. (Kein) verfassungsrechtliches Gebot für einen Abzug von der Bemessungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 1. Stand der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . 119 2. Systematische Richtigkeit eines Abzugs von der Bemessungsgrundlage . . . . 120 3. Die Belastungsgleichheit als materielles Gleichbehandlungsgebot im Einkommensteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 a) Bezugspunkt des Anspruchs auf Gleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 b) Unterschiedliche Entlastungswirkungen der Freistellungsmethoden . . . . . 122 c) Folgerichtige Umsetzung der Belastungsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . 122 VI. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 § 6 Förderungs- und Lenkungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 I. Gesetzgebungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 II. Rechtfertigung der Durchbrechung der Belastungsgleichheit durch Förderungsund Lenkungstatbestände im Einkommensteuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 1. Maßstab der Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 a) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 b) Strenger Prüfungsmaßstab: Erfordernisse der Verhältnismäßigkeit . . . . . . 131 aa) Kein erhöhter Rechtfertigungsbedarf wegen Systemwidrigkeit . . . . . . 132 bb) Allgemeine Anforderungen des Art. 3 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 cc) Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Durchbrechung der Belastungsgleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134

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Inhaltsverzeichnis 2. Erkennbarkeit der gesetzgeberischen Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 3. Kapitel Abzug(sbeschränkungen) der Höhe nach

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§ 7 Berücksichtigung von Aufwendungen in Höhe des Existenzminimums . . . . . . . . . . 141 I. Grenzen der Typisierung des steuerlichen Existenzminimums . . . . . . . . . . . . . . 142 1. Typisierbarkeit des Existenzminimums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 2. Realitätswidrige „Typisierung“ am Maßstab eines oberen Grenzwerts . . . . . 144 3. Realitätswidrige „Typisierung“ am Maßstab eines unteren Grenzwerts . . . . . 145 4. Typisierung der Beiträge zur Sicherung einer Kranken- und Pflegeversorgung auf Sozialhilfeniveau im Grundfreibetrag? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 II. Abzugshöchstbeträge bei existenzsichernden Sonderausgaben . . . . . . . . . . . . . . 148 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 § 8 Berücksichtigung von „zwangsläufigen“ Aufwendungen in realitätsgerechter Höhe 153 I. Typisierung des zwangsläufigen Aufwands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 II. Beschränkung des Abzugs der Kinderbetreuungskosten nach § 10 I Nr. 5 EStG und der Berufsausbildungskosten nach § 10 I Nr. 7 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 1. Zwangsläufigkeit des Aufwands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 2. Berücksichtigung in zwangsläufiger Höhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 § 9 Abzug zur Vermeidung einer doppelten Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 I. Verbot einer doppelten Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 II. Abzugshöchstbeträge bei den Altersvorsorgeaufwendungen, § 10 III EStG . . . . 163 4. Kapitel Wirkungen des Sonderausgabenabzugs

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§ 10 Vereinbarkeit der Wirkungen mit dem Grundgesetz bei einem Abzug von existenzsichernden Aufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 I. Keine überperiodische Berücksichtigung von existenzsicherndem Aufwand . . . 165 1. Subsidiarität sozialstaatlicher Leistungen, Art. 1 I GG i.V.m. Art. 20 I GG 166 2. Gebot der Besteuerungsgleichheit, Art. 3 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 II. Verfassungsmäßigkeit einer mit steigendem Einkommen progressiven Entlastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 III. Beeinträchtigung der Verteilungswirkungen eines progressiven Tarifs . . . . . . . . 172 1. Sozialstaatliche Umverteilung durch Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 2. Verfassungsrechtlich zulässige Beeinträchtigung der Umverteilungswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174

Inhaltsverzeichnis

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IV. Vergleich mit den Wirkungen eines tariflichen Grundfreibetrags . . . . . . . . . . . . 175 V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 § 11 Vereinbarkeit der Wirkungen mit Art. 3 I GG bei Förderungs- und Lenkungstatbeständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 I. Dreidimensionale Gleichheitssatzrelevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 II. Abzugshöchstbeträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 1. Wirkung im Verhältnis der nichtbegünstigten zu den begünstigten Steuerpflichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 2. Differenzierung innerhalb des Kreises der Begünstigten . . . . . . . . . . . . . . . . 180 3. Höchstbetragsregelung als Umgrenzung des begünstigten Personenkreises 182 III. Progressive Entlastungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 1. Progressive Entlastung als eine durch den Förderungs- und Lenkungszweck zu rechtfertigende Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 2. Bisherige Entscheidungen zur progressiven Entlastung . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 a) Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu den Parteispenden . . . 187 b) Aufgabe der progressionsabhängigen Wohneigentumsförderung . . . . . . . . 189 c) Keine Verallgemeinerungsfähigkeit der Argumentationsansätze . . . . . . . . 190 3. Kriterien einer sachgerechten progressiven Entlastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 a) Effizienz der Verwaltung und der Lenkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 b) Stärkere Förderung von Besserverdienern wegen höheren Aufwands . . . . 192 c) Uneigennütziger Aufwand ohne Gegenwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 d) Schaffung eines größeren Anreizes für Besserverdiener . . . . . . . . . . . . . . 197 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 IV. Leistungsfähigkeit des begünstigten Personenkreises . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 1. Unzulänglichkeit einer systemgerechten Auswahl der Begünstigungsadressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 2. Gleichheitsgerechte Auswahl der Begünstigungsadressaten . . . . . . . . . . . . . . 201 V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 § 12 Freiheitsrechtliche Relevanz der Förderungs- und Lenkungstatbestände . . . . . . . . . 206 5. Kapitel Der Sonderausgabenabzug bei grenzüberschreitenden Sachverhalten

209

§ 13 Das Besteuerungsrecht bei grenzüberschreitenden Sachverhalten . . . . . . . . . . . . . . . 209 I. Begrenzung der Besteuerungsbefugnis durch das Territorialitätsprinzip . . . . . . 209 II. Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Gewährung von Steuervergünstigungen bei beschränkter Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 III. Folgerung für den Sonderausgabenabzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214

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Inhaltsverzeichnis

§ 14 Die Einwirkung der Diskriminierungsverbote auf die Ausgestaltung des Sonderausgabenabzugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 I. Unionsrechtliche Maßstäbe für die Ausgestaltung des Sonderausgabenabzugs

214

II. Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 1. Zuständigkeitszuweisung für die Berücksichtigung von Aufwendungen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 a) Berücksichtigung von Privataufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 b) Berücksichtigung von Aufwendungen, die unmittelbar mit der steuerbaren Tätigkeit zusammenhängen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 2. Zuständigkeit für die Berücksichtigung von Sonderausgaben . . . . . . . . . . . . 220 a) Irrelevanz der einfachrechtlichen Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 b) Notwendigkeit einer unionsautonomen Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 c) Anwendung der Ergebnisse auf die Sonderausgabentatbestände . . . . . . . . 225 III. Diskriminierungsfreie Ausgestaltung der Sonderausgabentatbestände . . . . . . . . 228 1. Unzulässigkeit einer Differenzierung nach der Ansässigkeit des Empfängers der Aufwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 2. Beschränkung von Steuervergünstigungen auf rein inländische Förderungsund Lenkungszwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 a) Sonderausgabentatbestände mit national bzw. innerstaatlich radizierter Zwecksetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 b) Grundsätzliche Legitimität rein inländischer Förderungs- und Lenkungsziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 c) Begrenzung des gesetzgeberischen Entscheidungsspielraums wegen verpflichtender Zusammenarbeit auf Unionsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 6. Kapitel Zusammenfassung der Ergebnisse

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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266

Einleitung Die Einkommensteuer ist eine Steuer auf den Hinzuerwerb. Für die Besteuerung ist daher zwischen der Erwerbs- und der Privatsphäre zu differenzieren. Für den Bereich der Erwerbssphäre ist unzweifelhaft, dass diesem Bereich zuordenbare Aufwendungen abzugsfähig sind (objektives Nettoprinzip1). Hingegen gilt für den Bereich der Privatsphäre, dass in dieser wurzelnde Ausgaben grundsätzlich nicht abzugsfähig sind. Von diesem Grundsatz der Unbeachtlichkeit der privaten Lebensführung sieht der Gesetzgeber jedoch verschiedene Ausnahmen vor. Dies gilt namentlich für die Kategorie der Sonderausgaben (§§ 10 ff. EStG).2 Der Gesetzgeber hat den Sonderausgaben abschließend einzelne Arten von Privataufwendungen zugeordnet, die steuermindernd berücksichtigt werden können. Der Blick in den Katalog der Tatbestände zeigt, dass diese sehr heterogen sind. Beispielsweise können als Sonderausgaben Vorsorgeaufwendungen, die Kirchensteuer, Berufsausbildungskosten, Schulgeld und Spenden von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden. Ein einheitlicher Leitgedanke liegt den Tatbeständen nicht zugrunde. Teils geht es um die Steuerfreistellung des Existenzminimums, teils um die Normierung von Förderungs- und Lenkungstatbeständen. Darüber hinaus weisen einzelne als Sonderausgaben abzugsfähige Aufwendungen einen Bezug zur Erwerbssphäre auf. Auch bestehen Unterschiede bei der Abzugsfähigkeit der Höhe nach; der Gesetzgeber differenziert zwischen unbeschränkt und beschränkt abzugsfähigen Aufwendungen. Dementsprechend vielschichtig sind auch die aufgeworfenen Fragen, die sich aus einem einfachrechtlichen, verfassungsrechtlichen und unionsrechtlichen Blickwinkel stellen. 1

Das Bundesverfassungsgericht hat bisher offen gelassen, ob das objektive Nettoprinzip verfassungsrechtlich verankert ist, und fordert jedenfalls wegen des Art. 3 I GG eine folgerichtige Umsetzung der mit § 2 II EStG getroffenen Belastungsentscheidung, vgl. BVerfG v. 23. 01. 1990, 1 BvL 4/87, 1 BvL 5/87, 1 BvL 6/87 u. a., BVerfGE 81, 228 (237); v. 30. 09. 1998, 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 (97); v. 04. 12. 2002, 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (48); v. 09. 12. 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08 u. a., BVerfGE 122, 210 (234); v. 12. 10. 2010, 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224 (248 f.). 2 Die Kategorie der Sonderausgaben wurde mit dem Einkommensteuergesetz v. 24. 10. 1934 (RGBl I 1934, 1005 ff.) eingeführt. Auch in den früheren Fassungen des Einkommensteuergesetzes waren abschließend aufgezählte Privataufwendungen abziehbar: im Einkommensteuergesetz v. 10. 08. 1925 (RGBl I 1925, 189 ff.) nach § 15 I Nr. 3 EStG a.F. oder als Sonderleistungen i.S.v. § 17 EStG a.F.; im Einkommensteuergesetz v. 29. 03. 1920 (RGBl 1920, 359 ff.) im Rahmen des § 13 EStG a.F.; im Einkommensteuergesetz v. 19. 06. 1906 (GesetzSammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1906, 260 ff.) nach § 8 II EStG a.F. und v. 24. 06. 1891 (Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1891, 175 ff.) nach § 9 EStG a.F.

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Während es dem Grunde nach allgemein anerkannt ist, dass das für die Existenzsicherung gebundene Einkommen von Verfassungs wegen verschont werden muss (Art. 1 I GG i.V.m. Art. 20 I GG),3 ist die genaue Reichweite eines solchen Gebots und damit auch dessen Einwirkung auf die Sonderausgaben ungeklärt.4 Dies gilt ebenso für die Frage, ob andere indisponible Aufwendungen jenseits der Existenzsicherung von Verfassungs wegen berücksichtigt werden müssen.5 Soweit der Gesetzgeber nach den vorgenannten Grundsätzen nicht verpflichtet ist, das für die private Lebensführung aufgewendete Einkommen von der Besteuerung auszunehmen, ist es einkommensteuerrechtlich belastbar. Daher stellt sich die Zuordnung derartiger Aufwendungen zu den Sonderausgaben vor dem Hintergrund der Belastungsgleichheit als rechtfertigungsbedürftig dar. Die Anforderungen an die Rechtfertigung solcher Förderungs- und Lenkungstatbestände werden von der Literatur und der Rechtsprechung zum Teil unterschiedlich bestimmt.6 Als problematisch 3 Vgl. BVerfG v. 29. 05. 1990, 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60 (85); v. 10. 11. 1998, 2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91, BVerfGE 99, 216 (233); v. 13. 02. 2008, 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125 (154 f.), hinsichtlich der Literatur statt aller Moes, Die Steuerfreiheit des Existenzminimums vor dem Bundesverfassungsgericht, S. 171 ff.; Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 273 f., 286. 4 Die Frage nach der Reichweite des Schutzes des Existenzminimums „vor oder nach Steuern“ und damit verbunden die Frage nach den verfassungsrechtlich zulässigen Steuerfreistellungsmethoden hat das Bundesverfassungsgericht für das individuelle und das familiäre Existenzminimum unterschiedlich beantwortet, vgl. BVerfG v. 25. 09. 1992, 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153 (169 f.), sowie BVerfG v. 29. 05. 1990, 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60 (90); v. 10. 11. 1998, 2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246 (264 f.). Zuletzt hat es jedoch die Frage offen gelassen, ob dem Gesetzgeber neben einem Abzug von der Bemessungsgrundlage auch noch andere Methoden zur Steuerfreistellung des individuellen Existenzminimums zur Verfügung stehen, vgl. BVerfG v. 13. 02. 2008, 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125 (158). Hingegen hält die überwiegende steuerjuristische Literatur einen Abzug von der Bemessungsgrundlage generell für geboten, vgl. hierzu stellvertretend Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 87; P. Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 679; Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, S. 172, 176 f. A.A. namentlich Bareis, DB 2012, 994 (999); Moes, Die Steuerfreiheit des Existenzminimums vor dem Bundesverfassungsgericht, S. 149, 155 ff., 171 ff. 5 So nach der Lehre vom indisponiblen Einkommen u. a. Böckenförde, StuW 1986, 335 (336); zurückhaltender Englisch, DStJG 37 (2014), 159 (168); P. Kirchhof, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, § 118 Rn. 187; Söhn, StuW 1985, 395 (400 f.). A.A. Moes, Die Steuerfreiheit des Existenzminimums vor dem Bundesverfassungsgericht, S. 155 ff.; Wernsmann, StuW 1998, 317 (326 ff.). 6 Das Bundesverfassungsgericht erkennt dem Gesetzgeber bei der Auswahl des Förderungs- und Lenkungszwecks einen weiten Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum zu, während die Bindungsintensität bei der Ausgestaltung der Tatbestände – nach der neueren Rechtsprechung – auch von „Umfang und Ausmaß“ der Belastungsunterschiede abhängig ist, vgl. BVerfG v. 17. 12. 2014, 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136 (181, 182 f.); v. 24. 03. 2015, 1 BvR 2880/11, BVerfGE 139, 1 (14); v. 23. 06. 2015, 1 BvL 13/11, 1 BvL 14/11, BVerfGE 139, 285 (309 f.). Hingegen bejaht die überwiegende Literatur jedenfalls bei der Ausgestaltung, vgl. stellvertretend Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 222, 242 ff.; Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, S. 407 f., zum Teil auch schon bei der Auswahl des Förderungs- und Lenkungszwecks eine strenge Bindung des Gesetzgebers, vgl.

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erweist sich auch die Qualifikation von Aufwendungen als Sonderausgaben, die einen Bezug zur Erwerbssphäre aufweisen, beispielsweise die Berufsausbildungskosten7. Die Zuordnung entweder zu den Betriebsausgaben/Werbungskosten oder zu den Sonderausgaben ist nämlich nicht nur eine Frage rein dogmatischer Natur, sondern kann sich für die Steuerpflichtigen insbesondere wegen der fehlenden Verlustabzugsmöglichkeit unterschiedlich auswirken. Anders als Erwerbsaufwendungen, die im Rahmen der Einkünfteermittlung berücksichtigt werden (vgl. § 2 II EStG), werden die Sonderausgaben nach § 2 IV EStG vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen, sodass nach § 10d EStG vor- und rücktragsfähige negative Einkünfte nicht entstehen können.8 Die Zuordnung zu den Sonderausgaben erscheint daher im Hinblick auf das objektive Nettoprinzip9 bedenklich. Verfassungsrechtliche Fragen werden auch dadurch aufgeworfen, dass die Sonderausgaben nach § 2 IV EStG von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden. Aufgrund der progressiven Ausgestaltung des Einkommensteuertarifs (§ 32a EStG) hat dies den Effekt, dass die Entlastungswirkungen mit steigendem Einkommen, also mit steigender Leistungsfähigkeit zunehmen. Solche Unterschiede erscheinen „ungerecht“, zumal gerade Besserverdiener im Vergleich zu Geringverdienern größere steuerliche Vorteile erhalten.10 Es profitiert der Personenkreis am stärksten von der Steuervergünstigung, der nach sozialen Gesichtspunkten einer solchen am wenigsten u. a. Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 240; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 19 Rn. 76. 7 Kritisch hierzu Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 264; Söhn, in: Festschrift für Solms, S. 97 (101 ff.). Im Rahmen der Vorlagen des BFH v. 17. 07. 2014, VI R 2/12, BFHE 247, 25 (Az. des BVerfG: 2 BvL 23/14); v. 17. 07. 2014, VI R 8/12, BFHE 247, 64 (Az. des BVerfG: 2 BvL 24/14); v. 17. 07. 2014, VI R 61/11 (Az. des BVerfG: 2 BvL 22/14); v. 17. 07. 2014, VI R 38/12 (Az. des BVerfG: 2 BvL 25/14); v. 17. 07. 2014, VI R 2/13 (Az. des BVerfG: 2 BvL 26/ 14); v. 17. 07. 2014, VI R 72/13 (Az. des BVerfG: 2 BvL 27/14), wird das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsmäßigkeit der Zuordnung bestimmter Berufsausbildungskosten zur Privatsphäre zu entscheiden haben. 8 Vgl. 2. Kapitel § 4 I. (S. 77). 9 Nach der jedenfalls folgerichtig umzusetzenden Belastungsentscheidung des Gesetzgebers müssen Verluste zumindest innerhalb der Einkunftsart periodenübergreifend berücksichtigt werden können, vgl. BVerfG v. 30. 09. 1998, 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 (97). 10 Nach der herrschenden Meinung sind die Entlastungswirkungen eines Abzugs von der Bemessungsgrundlage als notwendige Folge eines progressiven Tarifs verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn existenzsichernde Aufwendungen steuermindernd berücksichtigt werden, vgl. BVerfG v. 29. 05. 1990, 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60 (90); P. Kirchhof, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, § 118 Rn. 188; Söhn, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 10 Rn. A 136; Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO Rn. 506. A.A. Bareis, DStR 2010, 565 (567). Bei Förderungs- und Lenkungstatbeständen stoßen die progressionsbedingten Belastungsunterschiede hingegen auf gleichheitsrechtliche Bedenken, vgl. stellvertretend Birk, StuW 1989, 212 (217); P. Kirchhof, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, § 118 Rn. 50, 188; Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 77, 137 f. Insofern eröffnet sich nach Kirchhof, StuW 2000, 316 (324), „ein weites Feld zukünftiger Verfassungsrechtsprechung“.

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bedarf. Zum anderen hat der Abzug von der Bemessungsgrundlage den Effekt, dass ausschließlich leistungsfähige Steuerpflichtige finanzielle Vorteile erhalten. Da die Aufwendungen nur bis zu einer Bemessungsgrundlage von 0 E in Ansatz gebracht werden können, treten begünstigende Wirkungen auch nur ein, wenn ein hinreichendes Einkommen vorhanden ist. Bürger, die nicht Steuerschuldner sind, bleiben daher generell von der Begünstigung ausgeschlossen.11 Die Ausgestaltung des Sonderausgabenabzugs ist außerdem an den Anforderungen der Europäischen Rechtsordnung zu messen. Zwar besteht für die Einkommensteuer als direkte Steuer kein Harmonisierungsauftrag12, vielmehr fällt diese in die Zuständigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten. Dennoch ist der nationale Gesetzgeber an die primärrechtlichen Vorgaben, insbesondere an die Grundfreiheiten und das allgemeine Diskriminierungsverbot, gebunden. Insofern erscheint insbesondere problematisch, dass § 50 I S. 3 EStG den Sonderausgabenabzug auch für solche Personen ausschließt, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind und entsprechend dem Quellenprinzip nur mit ihren in Deutschland erzielten inländischen Einkünften zur Besteuerung herangezogen werden.13 Ferner stellt sich die Frage, ob es dem Gesetzgeber aufgrund der Diskriminierungs- und Beschränkungsverbote verwehrt ist, durch Steuervergünstigungen rein innerstaatliche oder territorial begrenzte Ziele zu verfolgen14, indem etwa für den Spendenabzug nach § 10b I S. 6 EStG ein struktureller Inlandsbezug vorausgesetzt wird15. 11

Den Begünstigungsausschluss nicht leistungsfähiger Bürger erachten u. a. P. Kirchhof, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, § 118 Rn. 50; Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 136; ders., in: Leitgedanken des Rechts, Bd. II, § 152 Rn. 20, für gleichheitsrechtlich problematisch. A.A. BFH v. 29. 01. 2009, VI R 44/08, BStBl II 2009, 411 (413). 12 Vgl. Grube, Der Einfluss des unionsrechtlichen Beihilfenverbots auf das deutsche Steuerrecht, S. 26 f. 13 In Bezug auf einzelne Sonderausgabentatbestände hat der Europäische Gerichtshof den Ausschluss beschränkt Steuerpflichtiger von der Vergünstigung für unionsrechtswidrig erklärt: EuGH v. 06. 07. 2006, Rs. C-346/04 (Conijn), Slg 2006, I-6137 Rn. 22 ff., zu den Steuerberatungskosten nach § 10 I Nr. 6 EStG a.F. (in der Fassung des Einkommensteuergesetzes v. 16. 04. 1997, BGBl I 1997, 821); v. 31. 03. 2011, Rs. C-450/09 (Schröder), Slg 2011, I-2497 Rn. 45 ff., und v. 24. 02. 2015, Rs. C-559/13 (Grünewald) Rn. 31 ff., zu den Versorgungsleistungen i.S.v. § 10 I Nr. 1a EStG a.F. (in der Fassung des Einkommensteuergesetzes v. 19. 10. 2002, BGBl I 2002, 4210 ff.). A.A. wohl Wernsmann, in: Europarecht – Handbuch für die deutsche Rechtspraxis, § 30 Rn. 106 (Fn. 26), nach dessen Ansicht diese Rechtsprechung mit der Schumacker-Doktrin nicht zu vereinbaren ist. 14 Der Europäische Gerichtshof hat es im Bereich sozialer Vergünstigungen für zulässig erachtet, die Gewährung finanzieller Vorteile von einer hinreichenden Verbundenheit des Betroffenen zum jeweiligen Mitgliedstaat abhängig zu machen, vgl. EuGH v. 01. 10. 2009, Rs. C-103/08 (Gottwald), Slg 2009, I-9117 Rn. 32. Anders sind derartige Beschränkungen jedoch bei steuerlichen Vergünstigungen für Wirtschaftsinvestitionen sowie zum Zwecke der Forschungsförderung beurteilt worden, vgl. EuGH v. 10. 03. 2005, Rs. C-39/04 (Laboratoires Fournier), Slg 2005, I-2057 Rn. 23; v. 22. 12. 2010, Rs. C-287/10 (Tankreederei I), Slg 2010, I-4233 Rn. 30 ff.; v. 16. 06. 2011, Rs. C-10/10 (Kommission/Österreich), Slg 2011, I-5389 Rn. 37. National radizierte Zwecke hält wohl v. Danwitz, in: Europäische Perspektiven im

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Wie die hier nur skizzenhaft aufgeworfenen Problemstellungen zeigen, stellen sich trotz der Heterogenität der Tatbestände allgemeine, den Sonderausgabenabzug als solchen betreffende Fragen. Ein Blick auf diese ist bisher vernachlässigt worden. Die Wissenschaft hat sich schwerpunktmäßig und erschöpfend mit den einzelnen Problemen der jeweiligen Abzugstatbestände auseinandergesetzt. Eine übergreifende, von systemtragenden Erwägungen geleitete Betrachtung eröffnet dagegen auch die Möglichkeit, dass allgemeingültige, von den einzelnen sich ändernden Tatbeständen der §§ 10 ff. EStG losgelöste Ergebnisse erzielt werden. Dadurch erlangt die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Regelung von Sonderausgaben trotz deren Heterogenität deutlichere Konturen, womit ein Gewinn an Rechtssicherheit einhergeht. Mit dieser Arbeit soll daher durch die Herausarbeitung der systemtragenden Prinzipien der Versuch unternommen werden, den gesetzgeberischen Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum bei der Berücksichtigung von Privataufwendungen als Sonderausgaben zu konturieren. Anhand der so entwickelten Maßstäbe sollen sodann die im geltenden Einkommensteuerrecht normierten Tatbestände der §§ 10 ff. EStG einer Prüfung unterzogen werden. Die Arbeit gliedert sich in fünf Kapitel. Das erste Kapitel beleuchtet die Stellung und die Bedeutung der Sonderausgaben im System des Einkommensteuerrechts. Insbesondere werden die Tatbestände der §§ 10 ff. EStG dahingehend untersucht, welche Erwägungen dem Abzug zugrunde liegen. Es erfolgt eine Systematisierung der Sonderausgaben dahingehend, ob sie einen Bezug zur Erwerbssphäre aufweisen, existenzsichernden Charakter haben oder der Verwirklichung von Förderungs- und Lenkungszielen dienen. Im zweiten Kapitel wird anknüpfend an die vorgenommene Kategorisierung erörtert, inwieweit der gesetzgeberische Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum bei der Qualifikation von Aufwendungen als Sonderausgaben divergiert. Es werden zum einen die zwingenden Vorgaben bestimmt, die das Grundgesetz für die Berücksichtigung von Privataufwendungen enthält. Zum anderen werden die verfassungsrechtlichen Grenzen konturiert, innerhalb welcher der Gesetzgeber Aufwendungen mit Bezug zur Erwerbssphäre den Sonderausgaben zuordnen sowie Förderungs- und Lenkungsziele durch Steuervergünstigungen verfolgen darf. Im dritten Kapitel wird vor dem Hintergrund der im vorangegangenen Kapitel gewonnenen Ergebnisse der Spielraum des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung der Vergünstigungstatbestände der Höhe nach bestimmt. Es wird die Zulässigkeit sowohl von Abzugsbeschränkungen als auch von typisierenden Regelungen, insbesondere die Typisierbarkeit des Existenzminimums, untersucht. Das vierte Kapitel widmet sich den verschiedenen Wirkungen des Sonderausgabenabzugs, insbesondere der nur innerperiodischen Wirksamkeit, den progressiSteuerrecht – Steuergerechtigkeit und Steuervereinfachung, S. 73 (82), für grundsätzlich zulässig. 15 Diese Regelung ist nach Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, S. 512, und Hüttemann, EuZW 2011, 641 (642), mit dem Unionsrecht nicht zu vereinbaren.

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ven Entlastungseffekten sowie dem Ausschluss der Nicht-Steuerschuldner von der Steuervergünstigung. Insofern erfolgt, entsprechend den unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Berücksichtigung existenzsichernder Aufwendungen einerseits und an aus Förderungs- und Lenkungsgründen abziehbaren Aufwendungen andererseits, eine differenzierte Betrachtung. Im fünften Kapitel wird schließlich erörtert, welche verfassungsrechtlichen und unionsrechtlichen Vorgaben für die Ausgestaltung des Sonderausgabenabzugs bei grenzüberschreitenden Sachverhalten bestehen.

1. Kapitel

Die Sonderausgaben im System des Einkommensteuerrechts § 1 Einfachrechtliche Qualifikation als Privataufwendungen Als Sonderausgaben können nur solche Aufwendungen berücksichtigt werden, die weder Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind noch wie solche behandelt werden. Es handelt sich de lege lata um Privataufwendungen. Entscheidendes Kriterium für die Zuordnung zu den Sonderausgaben ist damit das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen eines Veranlassungszusammenhangs zur Erwerbssphäre. Maßgebend ist die Veranlassung auch für die Werbungskosten. Zwar wird dieser Begriff in § 9 I S. 1 EStG final definiert, er ist jedoch im Hinblick auf Art. 3 I GG deckungsgleich zum Betriebsausgabenbegriff auszulegen, wie es auch in ständiger Rechtsprechung16 und von der herrschenden Literatur17 vertreten wird. Bei einem kausalen Verständnis der Veranlassung liegen Erwerbsaufwendungen vor, wenn die ausgehend von der Verursachung im Sinne der conditito sine qua non zu bestimmenden relevanten Ursachen der Erwerbssphäre zuzurechnen sind18. Nach einem anderen Ansatz, der den Wortlaut „veranlasst“ in § 4 IV EStG in den Mittelpunkt rückt, kommt es auf das – nach objektiven19, subjektiven20 oder objektiven und

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BFH v. 02. 03. 1962, VI 79/60 S, BStBl III 1962, 192 (194); v. 24. 07. 1972, VIII R 56/68, BStBl II 1972, 880; v. 28. 11. 1977, GrS 2/77, GrS 3/77, BStBl II 1978, 105 (108); v. 21. 07. 1981, VIII R 154/76, BStBl II 1982, 37 (38); v. 12. 12. 1996, X R 65/95, BStBl II 1997, 603 (604); v. 02. 05. 2001, VIII R 32/00, BStBl II 2001, 668 (669 f.); v. 28. 09. 2010, IX R 42/09, BStBl II 2011, 271 (272); v. 28. 02. 2013, VI R 6/12, BStBl II 2015, 180 (181); v. 17. 07. 2014, VI R 2/12, BFHE 247, 25 (41). 17 Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 1012; v. Bornhaupt, DStJG 3 (1980), 149 (181 ff., 198); ders., DStR 1983, 11 (12 ff.); ders., in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 9 Rn. B 171 f., 178 f., 181; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 230; Jakob/Jüptner, FR 1988, 141 (142); Kreft, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 9 EStG Rn. 132, 138; Offerhaus, BB 1979, 617 (621); Prinz, FR 1986, 397 (401 f.); Wassermeyer, StuW 1982, 352 (355, 357). A.A. Kruse, FR 1981, 473 (474 f.); Stapperfend, in: Festschrift für Kruse, S. 533 (536 f.). 18 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 216 ff.; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 307, 311 ff., 322 ff.; Lange, BB 1971, 405 (407 f.); ders., DB 1978, 1854 (1856 f.); Söhn, DStJG 3 (1980), 13 (19 ff.). 19 Kröger, StuW 1978, 289 (292).

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1. Kap.: Die Sonderausgaben im System des Einkommensteuerrechts

subjektiven21 Kriterien zu bestimmende – auslösende Moment an. Der Bundesfinanzhof hingegen stellt in ständiger Rechtsprechung22 darauf ab, ob die Aufwendungen objektiv mit der einnahmeerzielenden Tätigkeit zusammenhängen und fakultativ dieser subjektiv zu dienen bestimmt sind.23 Letztlich ist allen Theorien gemeinsam, dass es in Grenzfällen einer Bewertung und Gewichtung der maßgeblichen Umstände bedarf, wobei dem Gesetzgeber ein Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum zukommt.24 Obgleich Privataufwendungen die für die Einkommensbesteuerung maßgebliche finanzielle Leistungsfähigkeit grundsätzlich nicht mindern, werden Sonderausgaben steuerwirksam berücksichtigt. In Abweichung vom Grundsatz der Unbeachtlichkeit der privaten Lebensführung, der einfachgesetzlich in § 12 EStG seinen Niederschlag findet, können sie nach § 2 IV EStG von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden. Dies wirft die Frage auf, die nachfolgend für jeden einzelnen Tatbestand gesondert beantwortet wird, aus welchen Gründen der Gesetzgeber die in §§ 10 ff. EStG abschließend aufgezählten Aufwendungen steuerwirksam zum Abzug zulässt. Für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der Abzugstatbestände sind nämlich diese Gründe sowie deren Tragfähigkeit von entscheidender Bedeutung. So müssen Aufwendungen, die der Existenzsicherung dienen, nach Art. 1 I GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 I GG, Art. 12 I und Art. 14 I bzw. Art. 2 I GG, Art. 3 I GG von der Steuer freigestellt werden.25 Verfolgt der Gesetzgeber hingegen außerfiskalische Ziele, handelt es sich also um Förderungs- und Lenkungstatbestände, bedarf der Sonderausgabenabzug einer Rechtfertigung vor Art. 3 I GG. Aber auch die vorgelagerte Frage, ob die Aufwendungen überhaupt der Privatsphäre zugeordnet werden können oder nicht vielmehr als Erwerbsaufwendungen berücksichtigt werden müssen, kann sich als problematisch erweisen. Dies zeigt insbesondere der Streit um die Rechtsnatur der Altersvorsorgeaufwendungen und der Berufsausbildungskosten. Daher soll nun zunächst untersucht werden, wie die Aufwendungen zu 20 Kreft, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 9 EStG Rn. 142, 149, der für die Zuordnung des nach subjektiven Kriterien festzustellenden auslösenden Moments objektive Kriterien für maßgeblich erachtet; Prinz, FR 1986, 397 (402 ff.); Wassermeyer, StuW 1981, 245 (251); ders., StuW 1982, 352 (359). 21 v. Bornhaupt, DStJG 3 (1980), 149 (180, 187 f., 198); ders., FR 1982, 313 (318); Görlich, DB 1979, 711 (712); Offerhaus, BB 1979, 617 (621); Stapperfend, in: Herrmann/Heuer/ Raupach, EStG/KStG, § 4 EStG Rn. 793. 22 BFH v. 20. 11. 1979, VI R 25/78, BStBl II 1980, 75 (76); v. 15. 05. 1981, VI R 66/78, BStBl II 1981, 735 (736); v. 21. 11. 1983, GrS 2/82, BStBl II 1984, 160 (163); v. 23. 10. 1984, IX R 48/80, BStBl II 1985, 453 (454); v. 04. 07. 1990, GrS 2/88, GrS 3/88, BStBl II 1990, 817 (823); v. 01. 02. 2007, VI R 25/03, BStBl II 2007, 459; v. 19. 06. 2008, VI R 33/07, BStBl II 2009, 11 (12); v. 21. 09. 2009, GrS 1/06, BStBl II 2010, 672 (681); v. 01. 12. 2010, IV R 17/09, BStBl II 2011, 419 (424); v. 17. 07. 2014, VI R 2/12, BFHE 247, 25 (41). 23 So im Ergebnis auch Ruppe, DStJG 3 (1980), 103 (127 f., 138), der losgelöst von den Veranlassungstheorien auf das Vorliegen eines wirtschaftlichen Zusammenhangs abstellt. 24 Vgl. hierzu 2. Kapitel § 4 III. (S. 91 ff.). 25 Vgl. hierzu 2. Kapitel § 5 II. (S. 104 ff.).

§ 2 Abzug dem Grunde nach

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qualifizieren sind. In den nachfolgenden Kapiteln wird darauf aufbauend der Frage nachzugehen sein, ob sich der Gesetzgeber mit der Zuordnung der Aufwendungen zu den Sonderausgaben sowie der Ausgestaltung der Tatbestände innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen seines Entscheidungs- und Gestaltungsspielraums bewegt.

§ 2 Abzug dem Grunde nach Im Bereich der Sonderausgaben lassen sich drei Arten von Abzugstatbeständen unterscheiden: Aufwendungen mit Bezug zur Erwerbssphäre (I.), existenzsichernde Aufwendungen (II.) sowie Aufwendungen, die aus Förderungs- und Lenkungszwecken berücksichtigt werden (III.).

I. Aufwendungen mit Bezug zur Erwerbssphäre 1. Altersvorsorgeaufwendungen i.S.v. § 10 I Nr. 2 lit. a, b EStG Aufgrund der Qualifikation der Altersvorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben liegt die Annahme einer ausnahmsweise beachtlichen privaten Vermögensumschichtung nahe. Allerdings besteht auch ein gewisser Zusammenhang mit steuerbaren Einkünften, infolge dessen es sich um durch die Erwerbssphäre veranlasste Aufwendungen handeln könnte. a) Veranlassung durch die Einkünfte i.S.v. § 19 I Nr. 1 EStG Die Altersvorsorgeaufwendungen der Arbeitnehmer im Rahmen der Sozialpflichtversicherung stehen in einem untrennbaren Zusammenhang mit den Einkünften i.S.v. § 19 I Nr. 1 EStG. Die Beitragspflicht ist durch den sozialversicherungspflichtigen Erwerb bedingt. Der Qualifikation als Werbungskosten steht auch nicht der zwangsläufige Charakter der Beiträge entgegen. Selbst wenn man einen finalen Werbungskostenbegriff zugrunde legt, ist jedenfalls subsidiär auf den Veranlassungszusammenhang abzustellen.26 Allerdings bestehen wegen des Zwecks der Beiträge Zweifel am Vorliegen von Erwerbsaufwendungen. Es soll die finanzielle Versorgung im Falle der Risikorealisierung gesichert werden. Es ist also die private Lebensführung der Steuerpflichtigen betroffen. Die Anknüpfung an den Erwerb stellt lediglich ein Mittel dar, dessen sich der Gesetzgeber in Verwirklichung des Sozialstaatsprinzips bedient, um das typischerweise vorhandene Vorsorge- und Si26

Vgl. oben 1. Kapitel § 1 (S. 21 f.).

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1. Kap.: Die Sonderausgaben im System des Einkommensteuerrechts

cherungsbedürfnis im Interesse der Arbeitnehmer und der Allgemeinheit zu befriedigen27. Folglich kann der indisputable unmittelbare Zusammenhang mit den Einnahmen i.S.v. § 19 I Nr. 1 EStG nicht als „hinreichend“, „auslösendes Moment“ bzw. „wesentlich kausal“ betrachtet werden. Es handelt sich nicht um Aufwendungen zur Erzielung von Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit. b) Veranlassung durch die Alterseinkünfte i.S.v. § 22 Nr. 1 S. 3 lit. a Doppelbuchstabe aa EStG Allerdings könnte es sich um Aufwendungen handeln, die durch die Einkünfte i.S.v. § 22 Nr. 1 S. 3 lit. a Doppelbuchstabe aa EStG veranlasst sind. Nach den Neuregelungen durch das Alterseinkünftegesetz vom 05. 07. 200428 sind die Rentenbezüge (nach Ablauf einer bis zum Jahr 2040 laufenden Übergangsfrist) nicht mehr nur in Höhe des Ertragsanteils, sondern in voller Höhe als steuerbarer Erfolg zu qualifizieren und dem steuerlich relevanten Hinzuerwerb zuzuordnen. Folgerichtig müssten auch die Beiträge als durch die Einnahmeerzielung veranlasst grundsätzlich vollumfänglich steuerwirksam werden.29 Der Steuerpflichtige erwirbt nur wegen der getätigten Altersvorsorgeaufwendungen einen Anspruch auf Versicherungsleistungen bei Risikorealisierung. In dieser unabdingbaren Voraussetzung liegt ein hinreichend objektiver Zusammenhang mit der Erzielung von Einkünften i.S.v. § 22 Nr. 1 S. 3 lit. a Doppelbuchstabe aa EStG, die auch subjektiv – soweit es sich nicht um die zwangsläufige gesetzliche Rentenversicherung handelt – gefördert werden soll.30 Auch nach der kausalen Theorie ist eine Veranlassung zu bejahen, da die Beiträge conditio sine qua non für die Bezüge sind. Legt man die finale Veranlassungstheorie zugrunde, kommt man zu demselben Ergebnis. Die Sicherung von Einnahmen im Alter ist das auslösende, wenn auch bei der Sozialversicherungsrente gesetzlich aufgedrängte Moment für die Beitragszahlung.31 Mit derselben Begründung lässt sich auch ein Veranlassungszusammenhang zwischen den Aufwendungen für eine 27 BVerfG v. 26. 11. 1964, 1 BvL 14/62, BVerfGE 18, 257 (270 f.); v. 14. 10. 1970, 1 BvR 307/68, BVerfGE 29, 221 (235 ff.); v. 26. 06. 2007, 1 BvR 2204/00, 1 BvR 1355/03, NVwZ-RR 2007, 683 (684). 28 Gesetz zur Neuordnung der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen (BGBl I 2004, 1427 ff.). 29 Balke, FR 2005, 1143 (1145); Heuermann, DB 2006, 688 (691); Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 711; Kulosa, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10 EStG Rn. 121 f.; Musil, StuW 2005, 278 (280); Paus, FR 2006, 584 (585); Ruland, in: DRV-Schriften, Bd. 39, S. 29 (30); ders., in: Festschrift für Selmer, S. 889 (897 f.); Scheffler/Kandel, StuW 2011, 236 (239). Hingegen handelt es sich nach BVerfG v. 14. 06. 2016, 2 BvR 290/10 Rn. 46, und v. 14. 06. 2016, 2 BvR 323/10 Rn. 57, der Rechtsnatur nach nicht in vollem Umfang um Werbungskosten, da die Beiträge auch nichtsteuerbare Leistungen finanzieren. 30 So auch Birk, in: Festschrift für Ruland, S. 425 (431 f.); Heidrich, FR 2004, 1321 (1324); Intemann/Cöster, DStR 2005, 1921 (1923). 31 So auch Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10 Rn. E 281 f.; ders., StuW 2003, 332 (334); ders., FR 2006, 905 (908).

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zusätzliche private Altersversorgung i.S.v. §§ 10a, 82 EStG und den Einkünften i.S.v. § 22 Nr. 5 EStG bejahen.32 Zweifel an der Einordnung als Werbungskosten bestehen allerdings, wenn man die durch die Beitragszahlung erlangte Rechtsposition bereits in der Erwerbsphase als steuerlich beachtlich qualifiziert. Bei den Altersvorsorgebeiträgen handelt es sich dann um Aufwendungen auf den Vermögensstamm33, die grundsätzlich außerhalb der steuerlich relevanten Sphäre34 liegen. Ob es sich allerdings um eine steuerlich beachtliche Rechtsposition handelt, ist umstritten.35 Unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach die nichtselbstständig Tätigen erst mit Abschluss der Erwerbsphase eine geldwerte Rechtsposition erlangten, die den Grund späterer Bezüge bilde36, wird dies abgelehnt.37 Der Rentenanspruch sei aufschiebend bedingt und dürfe daher nach § 4 BewG nicht berücksichtigt werden.38 Auch könne die Rentenanwartschaft keinen relevanten Vermögensgegenstand darstellen,39 weil die Steuerpflichtigen nur beschränkt darüber verfügen könnten.40 Dies folgt aus einer analogen Anwendung des § 53 I SGB I bezogen auf die gesetzliche Rentenversicherung und im Übrigen aus § 10 I Nr. 2 lit. b EStG. Gleichwohl erscheint es auch denkbar, schwerpunktmäßig den Gedanken eines „aus dem eigenen Vermögen des Steuerpflichtigen herrührende[n] Kapitalzufluss[es]“41 in den Vordergrund zu stellen. Als ein solcher kann – so auch das Bundesverfassungsgericht42 – der auf den Arbeitnehmerbeiträgen beruhende Anteil der Rentenzahlungen quali32 Vgl. ausführlich zu den nach § 10a EStG abziehbaren Altersvorsorgeaufwendungen 1. Kapitel § 2 III. 1. a) (S. 49 ff.). 33 Söhn, FR 2006, 905 (909 f.). 34 Vgl. Kreft, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 9 EStG Rn. 185 f. 35 Von einer Doppelnatur der Altersvorsorgeaufwendungen als Werbungskosten einerseits und als vermögensbildend andererseits geht der Bundesfinanzhof unter Bezugnahme von Weber-Grellet, DStR 2004, 1721 (1725), in den Entscheidungen v. 18. 11. 2009, X R 6/08, BStBl II 2010, 282 (286); X R 34/07, BStBl II 2010, 414 (418); X R 9/07, BFH/NV 2010, 412 (415); X R 45/07, BFH/NV 2010, 421 (425); v. 09. 12. 2009, X R 28/07, BStBl II 2010, 348 (353), aus. Diesem folgt Förster, DStR 2010, 137 (138 f.). Den „doppelgesichtigen Charakter“ der Altersvorsorgeaufwendungen bestätigt das Bundesverfassungsgericht in den Beschlüssen v. 14. 06. 2016, 2 BvR 290/10 Rn. 47 f., und v. 14. 06. 2016, 2 BvR 323/10 Rn. 58, 60. 36 BVerfG v. 06. 03. 2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (124). 37 Myßen, DStJG 29 (2006), 249 (273); Sachverständigenkommission zur Neuordnung der steuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen, Abschlussbericht, S. 22. 38 Söhn, StuW 2003, 332 (335). 39 Heidrich, FR 2004, 1321 (1324); Heuermann, DB 2006, 688 (690 f.); Söhn, FR 2006, 905 (909). 40 Myßen, DStJG 29 (2006), 249 (273); Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10 Rn. E 286; Ruland, in: Festschrift für Selmer, S. 889 (897). 41 BVerfG v. 26. 03. 1980, 1 BvR 121/76, 1 BvR 122/73, BVerfGE 54, 11 (26); v. 06. 03. 2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (128). 42 BVerfG v. 06. 03. 2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (128 f.), wodurch BVerfG v. 26. 03. 1980, 1 BvR 121/76, 1 BvR 122/73, BVerfGE 54, 11 (26), bestätigt worden ist.

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1. Kap.: Die Sonderausgaben im System des Einkommensteuerrechts

fiziert werden.43 Dem Argument einer fehlenden Verfügungsbefugnis lässt sich entgegnen, dass der streng personale Bezug auch dahingehend verstanden werden kann, dass dem Steuerpflichtigen auf Lebenszeit gerade eine werthaltige und -beständige Rechtsposition zwangsweise zugeordnet wird.44 Im Ergebnis kann jedoch dahingestellt bleiben, ob der Steuerpflichtige bereits in der Erwerbsphase eine steuerlich beachtliche Rechtsposition erlangt. Selbst wenn man Aufwendungen auf einen nicht abnutzbaren Vermögensstamm annehmen will, müssen diese entgegen der einfachgesetzlichen Systematik des § 9 I EStG45 ausnahmsweise als Werbungskosten steuerwirksam werden. Zwar ist die private Vermögenssphäre entsprechend der quellentheoretischen Konzeption der Überschusseinkünfte grundsätzlich unbeachtlich, weicht der Gesetzgeber aber auf der Einnahmenseite von diesem Grundsatz ab, indem er die sich in der privaten Vermögenssphäre vollziehende Umwandlung der Rentenanwartschaft in Rentenbezüge nach § 22 Nr. 1 S. 3 EStG in vollem Umfang als steuerbar qualifiziert, müssen folgerichtig auch die Beiträge der Erwerbssphäre zugerechnet und steuermindernd berücksichtigt werden. Es ist also festzustellen, dass die Altersvorsorgeaufwendungen im Sinne des § 10 I Nr. 2 lit. a, b EStG der Rechtsnatur nach als Werbungskosten qualifiziert werden können. Ein solcher Ansatz hat jedoch die Konsequenz, dass die Regelung des § 10 I Nr. 2 EStG leer läuft46, sofern man nicht annimmt, dass der Gesetzgeber die Beiträge durch § 10 I Nr. 2 EStG bzw. § 10 III S. 5 EStG konstitutiv den Sonderausgaben zugeordnet hat47. Nach dem Einleitungssatz des § 10 I EStG ist der Abzug als Betriebsausgaben/Werbungskosten nämlich grundsätzlich vorrangig.48 43 Mit dem Gedanken einer privaten Vermögensumschichtung hat der im Vergleich zu Beamtenpensionen ungleich mindere steuerliche Zugriff auf Sozialversicherungsrenten in Form einer Ertragsanteilsbesteuerung jedoch nicht vor Art. 3 I GG gerechtfertigt werden können, da der überwiegende Teil der Rentenbezüge einem solchen Leitbild nicht entsprochen hat, vgl. BVerfG v. 06. 03. 2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (128 ff.). 44 Ähnlich Jachmann, in: DRV-Schriften, Bd. 51, S. 125 (131). Im Ergebnis auch BVerfG v. 14. 06. 2016, 2 BvR 290/10 Rn. 47, und v. 14. 06. 2016, 2 BvR 323/10 Rn. 58. 45 Vgl. Kreft, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 9 EStG Rn. 186 ff., zum Streitstand, ob Aufwendungen auf den Vermögensstamm vom Werbungskostenbegriff des § 9 I S. 1 EStG erfasst werden. Unter Zugrundelegung der quellentheoretischen Konzeption der Überschusseinkünfte wird man dies allerdings verneinen müssen. Offensichtlich geht auch der Gesetzgeber davon aus, dass Anschaffungskosten auch im Falle der Besteuerung des Vermögensstamms keine Werbungskosten sind, wenn diese in § 23 III EStG explizit neben den Werbungskosten genannt werden. 46 Mit dieser Folge Balke, FR 2005, 1143 (1144 f.); Intemann/Cöster, DStR 2005, 1921 (1923 ff.); Ruland, in: Festschrift für Selmer, S. 889 (898). 47 So beispielsweise BFH v. 01. 02. 2006, X B 166/05, BStBl II 2006, 420 (422); Fischer, in: Kirchhof, EStG, § 10 Rn. 15; Kulosa, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10 EStG Rn. 122; Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10 Rn. E 315 f.; ders., FR 2006, 905 (912). Ebenso BVerfG v. 14. 06. 2016, 2 BvR 290/10 Rn. 47; v. 14. 06. 2016, 2 BvR 323/10 Rn. 58; BFH v. 18. 11. 2009, X R 6/08, BStBl II 2010, 282 (284 f.); v. 18. 11. 2009, X R 34/07, BStBl II 2010, 414 (416 f.); v. 18. 11. 2009, X R 9/07, BFH/NV 2010, 412 (414); v. 18. 11. 2009, X R 45/07, BFH/NV 2010, 421 (424); v. 09. 12. 2009, X R 28/07, BStBl II 2010, 348 (351), die jedoch von einer Doppelnatur der Altersvorsorgeaufwendungen ausgehen.

§ 2 Abzug dem Grunde nach

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c) Sonderausgabenabzug als Besteuerungsverzicht in der Erwerbsphase Die Altersvorsorgeaufwendungen i.S.v. § 10 I Nr. 2 lit. a, b EStG können der Rechtsnatur nach statt als Erwerbsaufwendungen auch als Privataufwendungen qualifiziert werden. Es erscheint vertretbar, den Veranlassungszusammenhang der Ausgaben mit der Erwerbssphäre abzulehnen.49 Der Abzug der Altersvorsorgebeiträge als Sonderausgaben kann auch als eine Regelung verstanden werden, mit welcher der Gesetzgeber in der Erwerbsphase auf die Besteuerung des für die Altersvorsorge aufgewendeten Einkommens verzichtet.50 Werden diese Einnahmen im Alter nachversteuert, handelt es sich insoweit nicht um ein in der Versorgungsphase erzieltes Einkommen, sondern um Privatvermögen, das aus in der Erwerbsphase steuerbarem, jedoch nicht besteuertem Einkommen stammt.51 Folgerichtig stehen die Altersvorsorgebeiträge nicht in einem hinreichenden Zusammenhang mit einem in der Versorgungsphase erzielten Erfolg. Ob der Gesetzgeber diesen Ansatz verfolgt hat, geht aus der Begründung des Alterseinkünftegesetzes52 nicht hervor. Die Ausführungen beschränken sich darauf, dass die nachgelagerte Besteuerung verwirklicht werden solle.53 Allerdings sprechen die besseren Gründe für die Annahme, dass am bisherigen, historisch gewachsenen Verständnis der Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezüge als private Vermögensumschichtung festgehalten werden sollte. Zum einen weicht der Gesetzgeber von der Zuordnungsentscheidung der Sachverständigenkommission ab, die die Altersvorsorgeaufwendungen der Rechtsnatur nach als Werbungskosten qualifiziert hat. Diese divergierende Beurteilung lässt darauf schließen, dass er – anders als die Kommission – nicht von in der Bezugsphase erzielten Einkünften, sondern von einer privaten Vermögensumschichtung ausgeht. Zudem entspricht dieser Ansatz auch dem herkömmlichen Verständnis der Überschusseinkünfte, nur die Erträge aus

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Vgl. ausführlich zum Verhältnis der Betriebsausgaben/Werbungskosten zu den Sonderausgaben 1. Kapitel § 3 I. (S. 65 ff.). 49 Vgl. 2. Kapitel § 4 III. 1. (S. 91 ff.) zu den verfassungsrechtlichen Grenzen des gesetzgeberischen Spielraums bei der Qualifizierung des Veranlassungszusammenhangs. 50 Birk/Wernsmann, in: Alterssicherung und Besteuerung, § 9 Rn. 17; Fischer, in: Kirchhof, EStG, § 10 Rn. 15, sowie Wernsmann, DStR 2008, Beihefter zu Heft 17, 37 (46), ordnen die Altersvorsorgeaufwendungen der Einkommensverwendung zu. Hingegen geht das BVerfG v. 14. 06. 2016, 2 BvR 290/10 Rn. 47 f.; v. 14. 06. 2016, 2 BvR 323/10 Rn. 58, 60, von einem „doppelgesichtigen Charakter“ der Altersvorsorgeaufwendungen aus. Sie seien „zur Erzielung zukünftiger Einkünfte“ bestimmt (Erwerbssphäre) und wiesen zugleich „vermögensbildende oder versicherungsspezifische Komponenten“ (Vermögenssphäre, d. h. steuerlich grundsätzlich unbeachtliche Privatsphäre) auf. 51 Vgl. Birk, in: Festschrift für Ruland, S. 425 (432). 52 Gesetz zur Neuordnung der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen v. 05. 07. 2004 (BGBl I 2004, 1427 ff.). 53 BR-Drs. 2/04, S. 2, 57, 67.

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1. Kap.: Die Sonderausgaben im System des Einkommensteuerrechts

ständigen Einnahmequellen zu besteuern,54 nicht jedoch die Quelle selbst. Ob der Gesetzgeber mit der vollen Besteuerung der Alterseinkünfte i.S.v. § 22 Nr. 1 S. 3 lit. a Doppelbuchstabe aa EStG von diesen Grundsätzen hat abweichen wollen, erscheint zweifelhaft. Es handelt sich um die Reaktion auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts55, das die gleichheitswidrige Besteuerung von Renten der gesetzlichen Rentenversicherung einerseits und von Beamtenpensionen andererseits beanstandet hat. Eine den Anforderungen des Art. 3 I GG entsprechende Behandlung hat sich wegen der bloß fiktiven Beitragsleistungen der Beamten56 und des Fehlens eines steuerbaren Zuflusses in der Erwerbsphase57 einzig durch eine Systemumstellung auf die nachgelagerte Besteuerung praktikabel verwirklichen lassen. Im Hinblick auf die Verwaltungseffizienz ist eine differenzierte Ertragsanteilsbesteuerung nach Maßgabe der individuellen Finanzierungsanteile kaum möglich. Rechtlich aber – so das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 13. 02. 200858 – ist ein Nebeneinander von vor- und nachgelagerter Besteuerung zulässig, sofern die Systeme folgerichtig ausgestaltet sind.59 Zudem liefen die Regelungen des § 10 I Nr. 2, III EStG wegen dessen Einleitungssatzes leer, wenn die Altersvorsorgeaufwendungen als Werbungskosten qualifiziert würden. Zwar verbliebe ein Anwendungsbereich, sofern man von einer konstitutiven Zuordnung zu den Sonderausgaben durch den Gesetzgeber ausginge, eine solche erschiene jedoch wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen gleichheitsrechtlich nicht unproblematisch.60 Nachteilig würde sich der Ausschluss des Verlustvor- und -rücktrags nach § 10d EStG wohl nur theoretisch auswirken.61 Folge der Umqualifikation wäre jedoch eine unterschiedliche Beschränkungsmöglichkeit der Höhe nach. Anders als Privataufwendungen müssen die erwerbsbedingt notwendigen62 Aufwendungen grundsätzlich in voller 54

Fuisting, Die Preußischen direkten Steuern, S. 110. BVerfG v. 06. 03. 2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (134 f.). 56 Sachverständigenkommission zur Neuordnung der steuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen, Abschlussbericht, S. 10. 57 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rn. 76. 58 BVerfG v. 13. 02. 2008, 2 BvR 1220/04, 2 BvR 410/05, BVerfGE 120, 169. 59 BVerfG v. 13. 02. 2008, 2 BvR 1220/04, 2 BvR 410/05, BVerfGE 120, 169 (176, 178 f.). 60 Vgl. hierzu ausführlich 2. Kapitel § 4 I. (S. 77 f.) und 2. Kapitel § 4 II. (S. 78 ff.). 61 Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10 Rn. E 301. 62 Grundsätzlich sind durch die Erwerbssphäre veranlasste Aufwendungen unabhängig von ihrer Notwendigkeit, Üblichkeit oder Zweckmäßigkeit abziehbare Betriebsausgaben/Werbungskosten, vgl. BVerfG v. 07. 12. 1999, 2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297 (312); v. 06. 07. 2010, 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268 (282); sowie BFH v. 04. 03. 1986, VIII R 188/84, BStBl II 1986, 373 (374); v. 29. 04. 1999, IV R 40/97, BStBl II 1999, 828 (830); v. 09. 08. 2007, VI R 10/06, BStBl II 2007, 820 (821 f.); v. 10. 01. 2008, VI R 17/07, BStBl II 2008, 234 (245), in ständiger Rechtsprechung. Allerdings gebietet Art. 3 I GG nicht, dass in jedem Fall der gewillkürte tatsächliche Aufwand steuermindernd in Abzug gebracht werden kann, vgl. BVerfG v. 07. 12. 1999, 2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297 (310 ff.); v. 04. 12. 2002, 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (50 ff.); v. 06. 07. 2010, 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268 (282 ff.). Im geltenden Einkommensteuerrecht wird beispielsweise die Abziehbarkeit von Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung als auch von Übernachtungskosten auf den notwendigen 55

§ 2 Abzug dem Grunde nach

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Höhe abgezogen werden. Mit diesem Gebot würde die Abzugsbeschränkung in § 10 III EStG konkurrieren. Möge man die Unterschiede auch als „nicht besonders gravierend“63 beurteilen und einen Gleichheitsverstoß ablehnen, erschiene es doch fragwürdig, Erwerbsaufwendungen systemwidrig den Sonderausgaben zuzuordnen. Selbst wenn die Aufwendungen als privat mitveranlasst qualifiziert würden, weil sie auch nicht steuerbare Leistungen nach dem Grundsatz „Rehabilitation vor Rente“ finanzieren,64 wäre dieser Veranlassungsbeitrag jedenfalls als unwesentlich zu bewerten.65 Die Zuordnung zu den Sonderausgaben würde dieser wohl kaum tragen können.66 Letztlich erschienen auch Praktikabilitätserwägungen als nicht hinreichend, weil der Verwirklichung des objektiven Nettoprinzips nicht größere Schwierigkeiten entgegenstünden als bei anderen Werbungskosten. Zumal der Gesetzgeber die Aufwendungen ohne Weiteres den Werbungskosten hätte zuordnen können.67 Daher sprechen die besseren Gründe dafür, dass der Gesetzgeber entsprechend seiner Zuordnungsentscheidung von einer privaten Vermögensumschichtung ausgegangen ist. Die Altersvorsorgeaufwendungen sind folgerichtig nicht der Erwerbssphäre, sondern der Privatsphäre zugeordnet.68 Hiervon geht wohl auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 13. 02. 200869 aus, wenn es auf das Verbot einer Doppelbesteuerung abstellt, während der Beschwerdeführer mit dem Vorbringen, dass es sich um Betriebsausgaben handele, einen Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip geltend gemacht hatte. Insofern hält es die Regelung für verfassungskonform.

Mehraufwand beschränkt (§ 9 I Nr. 5, 5a EStG). Nach § 4 V Nr. 7 EStG gegebenenfalls i.V.m. § 9 V EStG können Erwerbsaufwendungen, die die Lebensführung des Steuerpflichtigen oder anderer Personen betreffen, nur geltend gemacht werden, soweit sie nicht unangemessen sind. 63 BFH v. 18. 11. 2009, X R 6/08, BStBl II 2010, 282 (286); v. 18. 11. 2009, X R 34/07, BStBl II 2010, 414 (418); v. 18. 11. 2009, X R 9/07, BFH/NV 2010, 412 (415); v. 18. 11. 2009, X R 45/07, BFH/NV 2010, 421 (425); v. 09. 12. 2009, X R 28/07, BStBl II 2010, 348 (353). 64 So BFH v. 18. 11. 2009, X R 6/08, BStBl II 2010, 282 (286); v. 18. 11. 2009, X R 34/07, BStBl II 2010, 414 (418); v. 18. 11. 2009, X R 9/07, BFH/NV 2010, 412 (415); v. 18. 11. 2009, X R 45/07, BFH/NV 2010, 421 (425); v. 09. 12. 2009, X R 28/07, BStBl II 2010, 348 (353). 65 A.A. wohl BVerfG v. 14. 06. 2016, 2 BvR 290/10 Rn. 46, 48; v. 14. 06. 2016, 2 BvR 323/ 10 Rn. 57, 60. 66 A.A. BVerfG v. 14. 06. 2016, 2 BvR 290/10 Rn. 48; v. 14. 06. 2016, 2 BvR 323/10 Rn. 60, das die Zuordnung zur Privatsphäre auch durch den vermögensbildenden Charakter der Altersvorsorgeaufwendungen legitimiert. 67 So auch Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10 Rn. E 311. 68 Vgl. zur Verfassungsmäßigkeit der Zuordnung zu den Sonderausgaben 2. Kapitel § 4 III. 1. b) (S. 95 f.). 69 BVerfG v. 13. 02. 2008, 2 BvR 1220/04, 2 BvR 410/05, BVerfGE 120, 169 (177 f.).

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1. Kap.: Die Sonderausgaben im System des Einkommensteuerrechts

d) Existenzsichernder Charakter der Altersvorsorgeaufwendungen Ordnet der Gesetzgeber die Altersvorsorgeaufwendungen der privaten Lebensführung zu, stellt sich die Frage, ob es sich um existenzsichernde Ausgaben handelt, die als solche von Verfassungs wegen zu berücksichtigen sind. Naheliegend ist die Zurechnung zum steuerlich zu verschonenden Existenzminimum insofern, als durch die Beiträge i.S.v. § 10 I Nr. 2 EStG ein Anspruch auf Versorgungsbezüge erworben wird, die der Befriedigung des existenznotwendigen Bedarfs nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben dienen sollen. Es werden im Alter typischerweise keine Einkünfte mehr erzielt, sodass die Steuerpflichtigen Vorsorge treffen müssen, um nicht von sozialstaatlichen Leistungen abhängig zu sein.70 Andererseits kann nicht jegliche Altersvorsorgemaßnahme – beispielsweise Ansparen von Geld „unter dem Kopfkissen“ oder auf der Bank oder Anschaffung von Wohneigentum zur Erzielung von Mieteinnahmen im Alter – dem Prinzip der Steuerfreistellung des Existenzminimums unterfallen, obgleich auch solche Maßnahmen eine sozialhilferechtliche Bedürftigkeit vermeiden können. Ein solcher Ansatz wäre schon mit einer Vielzahl praktischer Probleme behaftet71, vor allem aber ließe sich eine zweckwidrige, nicht der Existenzsicherung im Alter dienende Verwendung nicht ausschließen.72 Insofern rechtfertigt sich die Annahme, dass Sparvorgänge nicht dem Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums unterfallen können. Solche Bedenken bestehen jedoch hinsichtlich der Altersvorsorgeaufwendungen i.S.v. § 10 I Nr. 2 EStG nicht, da Leistungen ohnehin nur für den Fall der Risikorealisierung vorgesehen sind. Entscheidend kommt es vielmehr auf die grundsätzliche Frage an, ob die Steuerfreistellung des Existenzminimums nur der „Befriedigung des gegenwärtigen Bedarfs“73 dient oder auch Sparvorgänge zur Sicherung der Existenz in künftigen Kalenderjahren miteinzubeziehen sind. Freilich lässt sich schon darüber streiten, ob es sich bei der Altersvorsorge i.S.v. § 10 I Nr. 2 EStG überhaupt um einen Sparvorgang handelt: Wegen des Erwerbs eines Anwartschaftsrechts kann dies bejaht werden.74 Der gegenteilige Ansatz erscheint jedoch gleichermaßen vertretbar, stellt man darauf ab, dass die Beiträge für den Einzelnen verloren sind, falls sich das Risiko nicht realisiert.75 Selbst wenn man aber eine Risikoversicherung annimmt, gegen deren Einbeziehung in das steuerfrei zu stellende Existenzminimum „keine grund70

Wernsmann, StuW 1998, 317 (330). Vgl. hierzu nur das Gedankenexperiment von Moes, Die Steuerfreiheit des Existenzminimums vor dem Bundesverfassungsgericht, S. 248 f. 72 Aus diesen Gründen hält es Moes, Die Steuerfreiheit des Existenzminimums vor dem Bundesverfassungsgericht, S. 249, grundsätzlich für zulässig, das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums auf den existenznotwendigen Bedarf im jeweiligen Kalenderjahr zu beschränken. 73 BVerfG v. 25. 09. 1992, 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153 (179 f.). 74 So Moes, Die Steuerfreiheit des Existenzminimums vor dem Bundesverfassungsgericht, S. 247. 75 So BFH v. 14. 12. 2005, X R 20/04, BStBl II 2006, 312 (326); Söhn, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 10 Rn. E 289. 71

§ 2 Abzug dem Grunde nach

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sätzlichen Bedenken“76 bestehen, stellt sich wie bei Sparvorgängen die Zukunftsgerichtetheit der Altersvorsorge als problematisch dar. Anders als durch die Beiträge zu einer Kranken- und Pflegeversicherung (§ 10 I Nr. 3 EStG) wird durch die Aufwendungen i.S.v. § 10 I Nr. 2 EStG kein Risiko abgesichert, das sich gegenwärtig realisieren kann.77 Es handelt sich – unabhängig von der Qualifikation als Sparvorgang oder als Risikoversicherung – nicht um einen „Bedarf, der zur Bestreitung des Existenzminimums im jeweiligen Kalenderjahr anfällt“78. Daher sei nach dem Zweck der Steuerfreiheit des Existenzminimums, der „Befriedigung des gegenwärtigen Bedarfs“79 zu dienen, der Abzug der Altersvorsorgebeiträge nicht geboten.80 Nur wenn die Aufwendungen einen sozialhilferechtlich anerkannten Bedarf deckten, müssten sie wegen des Vorrangs der Eigenvorsorge auch steuerrechtlich beachtet werden.81 Stellt man im Sinne dieser Auffassung auf das Leistungsniveau nach SGB II bzw. SGB XII als quantifizierende Vergleichsebene ab82, lässt sich der existenzsichernde Charakter der Altersvorsorgeaufwendungen schwerlich begründen.83 Zwar können im Rahmen der Leistungsgewährung nach SGB XII auch Altersvorsorgebeiträge übernommen werden, jedoch steht die Vorsorge dem Grunde nach gemäß § 33 SGB XII im Ermessen der Sozialhilfeträger und ist andererseits der Höhe nach nicht auf eine Altersversorgung auf Sozialhilfeniveau begrenzt.84 Daher kann die Entrichtung der Beiträge insbesondere zur gesetzlichen Rentenversicherung und zum Aufbau einer eigenen kapitalgedeckten Altersvorsorge (Rürup- und Riester-Rente) kaum als eine existenznotwendige Leistung qualifiziert werden. Hierfür spricht auch, dass im SGB II derartige Vorsorgeleistungen nicht vorgesehen sind, obgleich beide Sozialgesetzbücher ein der Würde des Menschen entsprechendes Leben ermöglichen sollen. Eine andere sozialrechtliche Wertung lässt sich auch nicht damit begründen, dass die Altersvorsorgeaufwendungen nach § 11b I S. 1 Nr. 2, 3 SGB II und § 82 II Nr. 2, 3 SGB XII bei der Bestimmung der Hilfebedürftigkeit 76

BVerfG v. 13. 02. 2008, 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125 (156). Anders ist dies jedoch für die typischerweise mitversicherten Risiken der Berufs- und Erwerbsunfähigkeit sowie des Todes zu beurteilen. 78 BVerfG v. 13. 02. 2008, 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125 (156). 79 BVerfG v. 25. 09. 1992, 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153 (179 f.). 80 Moes, Die Steuerfreiheit des Existenzminimums vor dem Bundesverfassungsgericht, S. 249. 81 Moes, Die Steuerfreiheit des Existenzminimums vor dem Bundesverfassungsgericht, S. 249. 82 BVerfG v. 10. 11. 1998, 2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246 (259); v. 13. 02. 2008, 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125 (157). 83 Anders hat sich die Rechtslage noch vor den Änderungen durch das Haushaltsbegleitgesetz v. 09. 12. 2010 (BGBl I 2010, 1885) dargestellt. Bis zu diesem Zeitpunkt sind die Beiträge nach §§ 3 Nr. 3a, 170 I Nr. 1 SGB VI (BGBl I 2003, 2954 [2977 f.]), § 26 I SGB II (BGBl I 2003, 2954 [2963]) und § 33 SGB XII übernommen worden. Unter Zugrundelegung der inzwischen veralteten Rechtslage bejaht Moes, Die Steuerfreiheit des Existenzminimums vor dem Bundesverfassungsgericht, S. 249 f., den existenziellen Charakter. 84 Coseriu, in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, § 33 SGB XII Rn. 4, 10; Flint, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 33 Rn. 10 f., 16. 77

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1. Kap.: Die Sonderausgaben im System des Einkommensteuerrechts

berücksichtigt werden. Es muss zwischen der Tatbestandsebene und der hier relevanten Rechtsfolge, der Gewährung von insbesondere existenzsichernden Leistungen, differenziert werden.85 Folglich sind die Altersvorsorgeaufwendungen nicht dem steuerlichen Existenzminimum zuzurechnen, versteht man das Gebot zu dessen Steuerfreistellung streng periodenbezogen. Einem solchen Ansatz liegt jedoch eine Argumentation zugrunde, welche die Fragen nach der Qualifikation der Aufwendungen als existenznotwendig einerseits und nach dem Zeitpunkt der Steuerwirksamkeit andererseits vermengt. So wirkt sich die Periodizität der Einkommensbesteuerung richtigerweise dahingehend aus, dass der existenzielle Bedarf zwingend in der Besteuerungsperiode zu berücksichtigen ist, in welcher die zur Befriedigung erforderlichen Ausgaben anfallen. Eine Steuerwirksamkeit in anderen Veranlagungszeiträumen verfehlt den Zweck, eine von sozialstaatlichen Leistungen unabhängige Lebensführung zu ermöglichen, da das Existenzminimum nur gegenwärtig bestritten werden kann.86 Eine solche Konstellation liegt auch der Aussage des Bundesverfassungsgerichts zugrunde, dass die Steuerfreiheit des Existenzminimums der „Befriedigung des gegenwärtigen Bedarfs“ diene.87 Hingegen kann die Periodizität der Einkommensbesteuerung – sei es ein technisches oder materielles Prinzip – auf Qualifikationsebene keine Rolle spielen. Maßgebend muss allein sein, ob es sich um einen Bedarf handelt, der Mindestvoraussetzung für ein menschenwürdiges Dasein ist. Insoweit ist das Einkommen jedenfalls nach Art. 1 I GG i.V.m. Art. 20 I GG zur Vermeidung sozialhilferechtlicher Bedürftigkeit von der Steuer freizustellen.88 Zwar sind die Altersvorsorgeaufwendungen nicht zur Bestreitung der gegenwärtigen Existenz erforderlich, sie begründen jedoch einen Anspruch auf Versorgungsbezüge, die nach Ausscheiden aus dem Erwerbsleben, wenn typischerweise keine Einkünfte mehr erzielt werden, eine von sozialstaatlichen Leistungen unabhängige Lebensführung ermöglichen. Mit den freiheitsrechtlichen Wertungen des Grundgesetzes ist es daher nicht zu vereinbaren, die Beiträge vom steuerlichen Existenzminimum auszugrenzen, nur weil Verausgabung und existenzsichernde Wirkung nicht in dasselbe Kalenderjahr fallen. Für dieses Ergebnis spricht auch die korrespondierende, vorrangige 85

Nach Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, S. 89 f., sind vergleichbare Differenzierungen im Bundessozialhilfegesetz dadurch begründet gewesen, dass dadurch einerseits der Nachranggrundsatz konkretisiert und andererseits ein Anreiz zur Selbsthilfe geschaffen worden sei. A.A. Jachmann, in: DRV-Schriften, Bd. 51, S. 125 (136). 86 Vgl. zu der Frage, ob eine Pflicht zur überperiodischen Berücksichtigung von existenzsichernden Aufwendungen besteht, 4. Kapitel § 10 I. (S. 165 ff.). 87 BVerfG v. 25. 09. 1992, 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153 (179 f.), zur rückwirkenden Korrektur eines in den vorangegangenen Veranlagungszeiträumen defizitären Grundfreibetrags. Der in diesem Sinne als gegenwärtig zu qualifizierende Bedarf wird in der Entscheidung v. 13. 02. 2008, 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125 (156), konkretisiert, wobei auch hier die Frage explizit offen gelassen wird, ob sich das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums auch auf Sparvorgänge erstreckt. 88 Vgl. ausführlich zu den verfassungsrechtlichen Wurzeln des Gebots zur Steuerfreistellung des Existenzminimums 2. Kapitel § 5 II. (S. 104 ff.).

§ 2 Abzug dem Grunde nach

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Pflicht zur Eigenvorsorge. Es werden Vorsorgemaßnahmen für existenzielle Risiken erwartet, um bei Risikorealisierung nicht zulasten der Allgemeinheit sozialstaatliche Leistungen in Anspruch nehmen zu müssen.89 Somit sind die Altersvorsorgeaufwendungen trotz ihrer Zukunftsgerichtetheit dem steuerlich anzuerkennenden Existenzminimum zuzurechnen.90 Soweit die Beiträge einen Anspruch auf Versorgung in existenzieller Höhe begründen, sind sie im Jahr der Verausgabung von Verfassungs wegen dem steuerlichen Zugriff entzogen. Auf die Höhe der zwangsläufig zu leistenden Beiträge der gesetzlichen Rentenversicherung kommt es hingegen nicht an.91 Dieses Ergebnis steht auch nicht im Widerspruch zum Sozialhilferecht und zur Grundsicherung für Arbeitssuchende, die vergleichbare Leistungen nicht (zwingend) vorsehen. Ein menschenwürdiges Dasein wird unabhängig davon gesichert, ob die Existenz im Alter mittels einer durch staatliche Leistungen finanzierten Vorsorge gesichert wird oder nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben ergänzend Sozialleistungen gewährt werden. Der Gedanke der vorrangigen Existenzsicherung aus eigenen Mitteln, der im Hinblick auf Art. 1 I GG die Steuerfreistellung auch des künftigen Existenzminimums trägt, greift im Falle sozialhilferechtlicher Bedürftigkeit nicht. Die auf den steuerfrei zu stellenden existenzsichernden Beiträgen beruhenden Altersbezüge müssen von Verfassungs wegen in der Nacherwerbsphase besteuert werden.92 Der steuerliche Zugriff auf diese Einkommensteile ist ein Gebot gleicher steuerlicher Lasten (Art. 3 I GG) wie der Vergleich mit der Besteuerung von Personen zeigt, die ohne eigene Beiträge einen Anspruch auf Versorgungsleistungen erhalten – namentlich Beamte. Deren Bezüge werden in voller Höhe besteuert, da es sich um den erstmaligen Zufluss steuerbaren Einkommens handelt. Sofern man auch die Alterseinkünfte, die aus den hier in Rede stehenden beitragsfinanzierten Systemen stammen, als in der Versorgungsphase erzieltes Einkommen qualifiziert, ist es 89

Englisch, NJW 2006, 1025 (1027). So auch BFH v. 18. 11. 2009, X R 6/08, BStBl II 2010, 282 (287); v. 18. 11. 2009, X R 34/ 07, BStBl II 2010, 414 (419); Birk, in: Verhandlungen des 65. Deutschen Juristentages, Bd. II/1, Q 57 (Q 60); Lang, StuW 1974, 293 (298); Seer, StuW 1996, 323 (333); Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 828; Wernsmann, StuW 1998, 317 (330). Unklar BVerfG v. 20. 08. 1997, 1 BvR 1523/88, HFR 1998, 397. Offenlassend BVerfG v. 14. 06. 2016, 2 BvR 290/10 Rn. 61. 91 Vgl. 2. Kapitel § 5 II. 2. (S. 111 f.) und 2. Kapitel § 5 III. (S. 113 ff.). A.A. 57. Deutscher Juristentag, Sitzungsberichte, Bd. II, N 215; P. Kirchhof, Verfassungsrechtliche Maßstäbe für die Besteuerung der Alterssicherung, S. 8; Seer, StuW 1996, 323 (336). 92 In diesem Sinne fordert Fischer, in: Kirchhof, EStG, § 22 Rn. 44, dass „die tatsächlich gezahlten Beiträge im betragsmäßigen Umfang des ,aufschiebend bedingt steuerfrei belassenen Einkommens‘ nachversteuert werden [müssten]“. In der Literatur wird die Frage nach der folgerichtigen Abstimmung von Aufbau- und Versorgungsgsphase überwiegend nur im Hinblick auf das Doppelbesteuerungsverbot erörtert, vgl. hierzu 3. Kapitel § 9 (S. 160 ff.). Dies liegt wohl darin begründet, dass sich der Gesetzgeber ohnehin für eine volle nachgelagerte Besteuerung entschieden hat, sodass die Frage, ob ein steuerlicher Zugriff auf die mit den existenzsichernden Beiträgen korrespondierenden Bezüge verfassungsrechtlich geboten ist, rein theoretischer Natur ist. 90

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1. Kap.: Die Sonderausgaben im System des Einkommensteuerrechts

folgerichtig, diese vollumfänglich nachgelagert zu besteuern. Allerdings liegt es nach dem geltenden Recht näher93, von einem „aus dem eigenen Vermögen des Steuerpflichtigen herrührende(n) Kapitalzufluss“94 auszugehen. Legt man diesen Gedanken zugrunde, stellt die Besteuerung in der aktiven Phase der Vermögensbildung einen sachlichen Grund dafür dar, den steuerlichen Zugriff in der Bezugsphase zu begrenzen. Eine im Vergleich zu Pensionären ungleich mindere Belastung der Alterseinkünfte ist insoweit mit Art. 3 I GG vereinbar, als die Altersvorsorgebeiträge aus steuerlich belastetem Einkommen finanziert wurden. Zutreffend konkretisiert das Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 06. 03. 200295, dass „von einer tatsächlichen steuerlichen Belastung in der Erwerbsphase, die eine Entlastung in der Nacherwerbsphase rechtfertigt, immer dann auszugehen [ist], wenn in der Erwerbsphase eine ,Regelbesteuerung‘ ohne spezielle Vergünstigung stattgefunden hat“96. Für die Frage nach der folgerichtigen Besteuerung der auf den existenzsichernden Beiträgen beruhenden Bezüge kommt es somit nicht nur auf die Steuerfreistellung in der Erwerbsphase, sondern auch auf die Ausgestaltung des entsprechenden Tatbestands an. Entscheidend ist, ob es sich um eine spezielle Vergünstigung handelt, die nicht allen Steuerpflichtigen offen steht.97 Verneinen ließe sich dies auf den ersten Blick für § 10 I Nr. 2 EStG, da grundsätzlich auch solche Steuerpflichtige Begünstigungsadressaten sind, die ohne eigene Beitragsleistung einen Anspruch auf Altersbezüge erwerben. Andererseits ist bei diesen der Abzugshöchstbetrag des § 10 III S. 1 EStG nach § 10 III S. 3 EStG um einen fiktiven Gesamtrentenversicherungsbeitrag zu kürzen. Tatsächlich handelt es sich daher im Wesentlichen um eine Vergünstigung, die ausschließlich Steuerpflichtigen vorbehalten ist, die eigene Beiträge zum Aufbau einer Altersversorgung auf Sozialhilfeniveau leisten müssen.98 Die existenzsichernden Aufwendungen werden in der Erwerbsphase steuerlich nicht belastet, sodass es mit Blick auf Art. 3 I GG einzig folgerichtig ist, die darauf beruhenden Einkünfte in der Bezugsphase zu besteuern. Im Rahmen der gleichheitsrechtlichen Betrachtung ist es unerheblich, dass es von 93

Vgl. hierzu 1. Kapitel § 2 I. 1. c) (S. 27 ff.). BVerfG v. 26. 03. 1980, 1 BvR 121/76, 1 BvR 122/76, BVerfGE 54, 11 (26); v. 06. 03. 2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (128). 95 BVerfG v. 06. 03. 2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73. 96 BVerfG v. 06. 03. 2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (129). 97 Vgl. BVerfG v. 26. 03. 1980, 1 BvR 121/76, 1 BvR 122/76, BVerfGE 54, 11 (32); v. 06. 03. 2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (129). 98 In den bis zum 31. 12. 2004 geltenden Fassungen des Einkommensteuergesetzes konnten hingegen nach § 10 I Nr. 2 EStG a.F. auch sonstige Vorsorgeaufwendungen innerhalb eines Höchstbetrags (§ 10 III EStG a.F.) steuermindernd berücksichtigt werden; das Abzugsvolumen war für die Steuerpflichtigen gleich, die mit oder ohne eigene Beitragsleistung einen Anspruch auf Altersbezüge erhielten, vgl. beispielsweise BGBl I 2002, 4210 (4245 f.). So hatte das Bundesverfassungsgericht in den Entscheidungen v. 26. 03. 1980, 1 BvR 121/76, 1 BvR 122/76, BVerfGE 54, 11 (32), und v. 06. 03. 2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (129), die steuerliche Entlastung der beitragsfinanzierten Rentenanteile damit rechtfertigen können, dass es sich bei § 10 I Nr. 2 EStG a.F. „um eine Abzugsmöglichkeit von Vorsorgeaufwendungen handel[t], die allen Steuerpflichtigen offen [steht]“. 94

§ 2 Abzug dem Grunde nach

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Verfassungs wegen geboten ist, existenzsichernde Altersvorsorgebeiträge steuerfrei zu stellen. Der Gesetzgeber muss die Altersbesteuerung vielmehr unter Berücksichtigung der zwingenden Vorgaben des Grundgesetzes folgerichtig ausgestalten. Abschließend ist klarstellend darauf hinzuweisen, dass eine vorgelagerte Altersbesteuerung nicht generell unzulässig ist. Wie das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 13. 02. 200899 ausgeführt hat, ist ein Nebeneinander von vor- und nachgelagerter Besteuerung unter der Voraussetzung der folgerichtigen Ausgestaltung der Systeme rechtmäßig.100 Trägt der Gesetzgeber dem Gebot zur Steuerfreistellung des Existenzminimums – anders als im geltenden Recht – nicht durch eine spezielle Vergünstigung Rechnung, so entspricht es gerade dem Folgerichtigkeitsgebot, die auf den existenzsichernden Beiträgen beruhenden Alterseinkünfte vom steuerlichen Zugriff auszunehmen. 2. Kinderbetreuungskosten, § 10 I Nr. 5 EStG Die Kinderbetreuungskosten werden einkommensteuerrechtlich im Rahmen des Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsfreibetrags nach § 32 VI EStG sowie als Sonderausgaben i.S.v. § 10 I Nr. 5 EStG steuerwirksam. Durch den Freibetrag wird einem generellen, von der Art und Weise der Deckung unabhängigen Betreuungsbedarf Rechnung getragen, der nach der kritikwürdigen Auffassung des Bundesverfassungsgerichts als Teil des familiären Existenzminimums von der Steuer freizustellen ist.101 Hingegen werden als Sonderausgaben nur tatsächlich entstandene Kosten der Höhe nach begrenzt berücksichtigt. a) Erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten Unabhängig von den Gründen für das Entstehen von Kinderbetreuungskosten im Einzelfall wird jedenfalls ein in der familiären Sphäre wurzelnder Bedarf gedeckt. Erst die private Entscheidung der Eltern für Kinder macht eine Betreuung notwendig. Daher sind auch die Kosten, die durch eine Fremdbetreuung entstehen, durch die 99

BVerfG v. 13. 02. 2008, 2 BvR 1220/04, 2 BvR 410/05, BVerfGE 120, 169. BVerfG v. 13. 02. 2008, 2 BvR 1220/04, 2 BvR 410/05, BVerfGE 120, 169 (176). 101 Entgegen der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts in der Entscheidung v. 10. 11. 1998, 2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91, BVerfGE 99, 216 (233 f., 241 f.), mindert der Betreuungsbedarf als solcher die steuerlich relevante Leistungsfähigkeit der Eltern nicht. Zwar handelt es sich dem Grunde nach um einen existenziellen Bedarf, der jedoch im Rahmen der Einkommensbesteuerung unerheblich ist, sofern die Betreuung des Kindes keinen Aufwand verursacht. Es wird nicht auf Mittel zugegriffen, die für die Existenzsicherung gebunden sind. Vielmehr wird die Eigenbetreuung steuerlich gefördert, wenn keine oder geringere Kosten für die Kinderbetreuung entstehen. Vgl. Birk, in: Festschrift für Kruse, S. 339 (349); Birk/ Wernsmann, JZ 2001, 218 (220 f.); Kanzler, FR 2001, 921 (937); Lange, ZRP 2000, 415 (417); Sacksofsky, NJW 2000, 1896 (1902); Schön, DStR 1999, 1677 (1680); Seer/Wendt, NJW 2000, 1904 (1907); Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 302 f. A.A. Heuermann, DStR 2000, 1546 (1547); P. Kirchhof, NJW 2000, 2792 (2795). 100

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1. Kap.: Die Sonderausgaben im System des Einkommensteuerrechts

Privatsphäre des Steuerpflichtigen veranlasst. Tritt daneben eine betriebliche bzw. berufliche Veranlassung, weil die Eltern ihre Kinder wegen einer Erwerbstätigkeit nicht selbst betreuen können oder wollen, so sind die Kosten als untrennbar gemischt veranlasst zu bewerten.102 Auch solche Aufwendungen ordnet der Gesetzgeber – ausweislich der Gesetzesbegründung103 – in vollem Umfang der Privatsphäre zu und qualifiziert sie als Sonderausgaben.104 Ein Abzug als Betriebsausgaben/Werbungskosten kommt auch unter Berücksichtigung des Einleitungssatzes des § 10 I S. 1 EStG105 nicht in Betracht. Zum einen würde der Anwendungsbereich des § 10 I Nr. 5 EStG entgegen dem ausdrücklich erklärten Willen des Gesetzgebers106 auf privat veranlasste Kinderbetreuungskosten beschränkt werden. Zum anderen wäre eine Differenzierung nach der Art der Veranlassung erforderlich, die dem Gesetzeszweck der Reduzierung des Nachweis- bzw. Prüfaufwands107 zuwiderlaufen würde.108 b) Betreuungskosten bei Krankheit oder Behinderung Der Freibetrag i.S.v. § 32 VI S. 1 EStG kann im atypischen Fall einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung des Kindes nicht zur Existenzsicherung ausreichend sein. Ob ein in zeitlicher und/oder qualitativer Hinsicht erhöhter existenznotwendiger Betreuungsbedarf besteht, hängt wesentlich vom Grad der Behinderung ab.109 Dieser wirkt sich auch auf die Frage aus, ob in solchen Fällen die 102

So auch BVerfG v. 16. 03. 2005, 2 BvL 7/00, BVerfGE 112, 268 (281 f.); BFH v. 12. 04. 2007, VI R 42/03, BFH/NV 2007, 1312 (1313); v. 23. 04. 2009, VI R 60/06, BStBl II 2010, 267 (268); Cöster, in: Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 10 Rn. 298; Kanzler, DStR 2002, Beihefter zu Heft 11, 1 (14); P. Kirchhof, NJW 2000, 2792 (2795); Krömker, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 9c EStG; Kulosa, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10 EStG Rn. 212 f.; Reimer, FR 2011, 929 (931 f.). Hingegen nehmen Hey, NJW 2006, 2001 (2002 f.); dies., in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 755; Jachmann, Anhörung vor dem Finanzausschuss des Deutschen Bundestages am 11. 05. 2011, Steuervereinfachungsgesetz 2011, S. 5 f.; Jachmann/Liebl, DStR 2010, 2009 (2011); Seer/Wendt, NJW 2000, 1904 (1907 f.), einen ausschließlich durch die Erwerbssphäre veranlassten Mehrbedarf an. Den entgegengesetzten Ansatz, dass es sich ausschließlich um Aufwendungen der Privatsphäre handele, vertritt Seiler, DStR 2006, 1631 (1633 f.); ders., in: Gleichheit im Verfassungsstaat, S. 133 (143). 103 Erwerbsbedingte und nicht erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten werden nicht nur in einem Tatbestand, sondern auch hinsichtlich ihrer Voraussetzungen zusammengeführt, vgl. BT-Drs. 17/5125, S. 37. 104 Vgl. zu den verfassungsrechtlichen Grenzen der Zuordnung gemischt veranlasster Aufwendungen zu den Sonderausgaben 2. Kapitel § 4 III. 3. (S. 99 ff.) und 2. Kapitel § 4 III. 2. (S. 98 f.). 105 Vgl. zur Reichweite des Einleitungssatzes von § 10 I EStG 1. Kapitel § 3 I. 1. (S. 65 ff.). 106 Vgl. BT-Drs. 17/5125, S. 37. 107 BT-Drs. 17/5125, S. 37. 108 A.A. Nacke, DB 2011, 132 (133 f.); Scharfenberg/Marbes, DB 2011, 2282 (2283); offenlassend Heinicke, in: Schmidt, EStG, § 10 Rn. 86. 109 Auch beim Pauschbetrag für einen behinderungsbedingten Mehrbedarf i.S.v. § 33b I EStG trägt der Gesetzgeber in § 33 III EStG der Tatsache Rechnung, dass die Höhe des zusätzlich erforderlichen Aufwands insbesondere vom Grad der Behinderung abhängig ist.

§ 2 Abzug dem Grunde nach

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typisierende Betrachtung realitätsgerecht ist, dass sich mit zunehmendem Alter der Bedarf an Betreuung verringert, während der Erziehungs- und später der Ausbildungsbedarf steigen. Diese Verschiebung rechtfertigt gerade bei gesunden Kindern einen einheitlichen Freibetrag für alle Altersstufen.110 Bei behinderten Kindern jedoch wird der Betreuungsbedarf in vielen Fällen gleich bleiben oder mit fortschreitenden Beeinträchtigungen zunehmen. Regelmäßig wird eine umfangreichere Betreuung erforderlich sein, die im Falle der Fremdbetreuung eine stärkere finanzielle Belastung der Eltern mit behinderten Kindern im Vergleich zu Eltern mit gesunden Kindern zur Folge hat. Einen solchen atypisch erhöhten existenznotwendigen Aufwand kann der Freibetrag nach § 32 VI S. 1 EStG, dem die Annahme „eine[r] gleiche[n] betreuungsbedingte[n] Minderung der steuerlichen Leistungsfähigkeit“111 zugrunde liegt, nicht erfassen. Stattdessen werden diese Kinderbetreuungskosten nach § 10 I Nr. 5 EStG i.V.m. § 2 IV EStG von der Steuer freigestellt. Ein erhöhter existenzieller Aufwand für eine Fremdbetreuung112, der durch den Kinderbetreuungsfreibetrag nicht mehr gedeckt ist, kann auch in Fällen bestehen, in welchen die Eltern wegen Krankheit oder Behinderung außer Stande sind, die Betreuung ihres Kindes selbst zu übernehmen.113 Folglich verwirklicht § 10 I Nr. 5 EStG das Gebot zur Steuerfreistellung des familiären Existenzminimums, sofern die existenznotwendigen Kinderbetreuungskosten wegen einer Behinderung des Kindes bzw. einer Krankheit oder einer Behinderung der steuerpflichtigen Eltern atypisch erhöht sind. c) Sonstige Kinderbetreuungskosten Im Übrigen stellt der Tatbestand des § 10 I Nr. 5 EStG eine Steuervergünstigung dar. Das Kindergeld bzw. der Kinderbetreuungsfreibetrag des § 32 VI EStG gilt den existenziellen Bedarf durch eine realitätsgerechte Typisierung ab. Regelmäßig ist eine Fremdbetreuung von erheblich geringerem Umfang, wenn eine Veranlassung durch die Erwerbssphäre und eine Behinderung nicht vorliegen.114 Entsprechend niedriger sind die Kinderbetreuungskosten, sodass der im Rahmen des Kinderlastenausgleichs gewährte Betrag im Regelfall hinreichend sein wird. Mit dem Abzug 110

Grönke-Reimann, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 32 EStG Rn. 169; Jachmann, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 32 Rn. A 90, D 1. 111 BVerfG v. 10. 11. 1998, 2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91, BVerfGE 99, 216 (241). 112 Der Bundesfinanzhof qualifiziert solche Aufwendungen im Urteil v. 05. 07. 2012, III R 80/09, BStBl II 2012, 816 (819), als „zwangsläufige ,private‘ Betreuungskosten“, die von Verfassungs wegen in realitätsgerechter Höhe zu berücksichtigen seien. 113 So auch Hey, NJW 2006, 2001 (2004). 114 Es kann typisierend davon ausgegangen werden, dass grundsätzlich eine Eigenbetreuung der Kinder erfolgt, vgl. BFH v. 05. 07. 2012, III R 80/09, BStBl II 2012, 816 (820); v. 14. 11. 2013, III R 18/13, BStBl II 2014, 383 (384); Krömker, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/ KStG, Kommentierungsarchiv, § 9c EStG Rn. 3c.

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1. Kap.: Die Sonderausgaben im System des Einkommensteuerrechts

sonstiger Kinderbetreuungskosten verfolgt der Gesetzgeber zunächst das Ziel, die für die Betreuung von Kindern in der Altersgruppe von drei bis sechs Jahren typischerweise anfallenden Kosten steuerlich zu begünstigen und dadurch die frühkindliche Bildung zu fördern.115 Daneben treten Gründe der Verwaltungsvereinfachung im Massenverfahren. Anders als in § 9c EStG a.F.116 wird der Abzug nicht mehr von unterschiedlichen persönlichen Voraussetzungen abhängig gemacht, wodurch sich der Nachweis- bzw. Prüfaufwand erheblich verringert.117 Unabhängig von der Veranlassung können Kinderbetreuungskosten ab der Geburt bis zum nicht vollendeten 14. Lebensjahr geltend gemacht werden. Darin kann jedenfalls unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Einschätzungsprärogative ein solcher Gewinn an Verwaltungseffizienz und -praktikabilität gesehen werden, der die dadurch bedingten ungleichen steuerlichen Lasten rechtfertigen kann. 3. Berufsausbildungskosten i.S.v. § 10 I Nr. 7 EStG Eine differenzierende Regelung hat der Gesetzgeber für die Berücksichtigung von Bildungsaufwendungen getroffen: Durch die Erwerbssphäre veranlasste Aufwendungen werden als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten steuerwirksam. Solche Erwerbsaufwendungen liegen nach dem in § 4 IX S. 1 EStG und § 9 VI S. 1 EStG eindeutig zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Willen jedoch nur vor, wenn der Steuerpflichtige bereits eine Erstausbildung (Berufsausbildung oder Studium) abgeschlossen hat oder wenn die Berufsausbildung oder das Studium im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet.118 Im Übrigen – entsprechend dem 115 So die Gesetzesbegründung zu § 10 I Nr. 5 EStG in der Fassung des Gesetzes zur steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung v. 26. 04. 2006 (BGBl I 2006, 1091 [1092]), vgl. BT-Drs. 17/5125, S. 37, der zwischenzeitlich durch eine inhaltsgleiche Regelung in § 9c EStG a.F. ersetzt und schließlich wieder, wenn auch ohne Beschränkung auf die Altersgruppe von drei bis sechs Jahren, in § 10 I Nr. 5 EStG geregelt worden ist. Diese Zusammenhänge lassen erkennen, dass der Gesetzgeber auch mit der aktuellen Fassung des § 10 I Nr. 5 EStG das außerfiskalische Ziel verfolgt, die frühkindliche Bildung zu fördern. 116 In der Fassung des Einkommensteuergesetzes v. 08. 10. 2009 (BGBl I 2009, 3366 [3407 f.]). 117 Vgl. BT-Drs. 17/5125, S. 20 f., 37. 118 Diese Regelung ist vorläufiger Endpunkt einer über Jahre hinweg ausgetragenen Auseinandersetzung zwischen dem Gesetzgeber und dem Bundesfinanzhof über die Zuordnung solcher Bildungsaufwendungen entweder zur Privat- oder zur Erwerbssphäre, die hier nur grob skizziert werden soll. Beginnend in der Entscheidung v. 04. 12. 2002, VI R 120/01, BStBl II 2003, 403, hat der Bundesfinanzhof Bildungsaufwendungen nicht mehr den Privataufwendungen zugeordnet, sondern einen Abzug als Betriebsausgaben/Werbungskosten für vorrangig erachtet. Hierauf hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und weiterer Gesetze v. 21. 07. 2004 (BGBl I 2004, 1753) reagiert und in § 12 Nr. 5 EStG ein Abzugsverbot für „Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine erstmalige Berufsausbildung und für ein Erststudium, wenn diese nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfinden“, normiert. Gleichwohl hat der Bundesfinanzhof in den Urteilen v. 28. 07. 2011, VI R 7/10, BStBl II 2012, 557 (559 f.); v. 28. 07. 2011, VI R 38/10, BStBl II 2012, 561 (562); v. 28. 07. 2011, VI R 59/09, BFH/NV 2012, 19 (20); v. 15. 09. 2011, VI R 22/09, BFH/NV 2012, 26 (27); v. 15. 09.

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Einleitungssatz des § 10 I EStG handelt es sich nicht um vorrangig zu berücksichtigende Betriebsausgaben und Werbungskosten – können Bildungsaufwendungen nach § 10 I Nr. 7 EStG beschränkt auf 6000 E im Kalenderjahr berücksichtigt werden. a) Qualifikation des Veranlassungszusammenhangs Die Zuordnung der Kosten für eine Erstausbildung außerhalb eines Dienstverhältnisses zu den Sonderausgaben könnte eine Ungleichbehandlung darstellen, die im Hinblick auf Art. 3 I GG einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedarf. Es ist fragwürdig, ob die Ausgaben der Rechtsnatur nach tatsächlich keine Erwerbsaufwendungen i.S.v. § 4 IV EStG oder § 9 I S. 1 EStG sind. Insofern ist unerheblich, ob die Tätigkeit bereits ausgeübt wird bzw. Einnahmen erzielt werden.119 Für die Qualifikation der Aufwendungen als vorab veranlasste Betriebsausgaben/Werbungskosten ist allein maßgeblich, dass sie in einem hinreichend konkreten Zusammenhang mit der Erwerbssphäre stehen.120 Ein solcher Veranlassungszusam-

2011, VI R 15/11, BFH/NV 2012, 27 (28), daran festgehalten, dass diese Aufwendungen als Erwerbsaufwendungen berücksichtigt werden müssten und auch de lege lata berücksichtigt werden könnten, da das Abzugsverbot insofern nicht greife. Nach dem Einleitungssatz des § 12 EStG stehe dessen Nr. 5 unter dem Vorbehalt einer anderweitigen Regelung, die mit § 10 I Nr. 7 EStG getroffen worden sei. Weil dem Sonderausgabenabzug nach dem Einleitungssatz des § 10 I EStG wiederum der Betriebsausgaben- oder Werbungskostenabzug vorgehe, könnten solche Berufsausbildungsaufwendungen trotz § 12 Nr. 5 EStG als Erwerbsaufwendungen steuerwirksam werden. Mit § 4 IX EStG und § 9 VI EStG, die durch das Gesetz zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften v. 07. 12. 2011 (BGBl I 2011, 2592) eingeführt worden sind, hat der Gesetzgeber auf die „Umgehung“ des Abzugsverbots durch den Bundesfinanzhof reagiert und nun unzweideutig klargestellt, dass es sich nicht um Betriebsausgaben oder Werbungskosten handelt. Die Frage der Verfassungsmäßigkeit dieses Ausschlusses hat der Bundesfinanzhof mit den Beschlüssen v. 17. 07. 2014, VI R 2/12, BFHE 247, 25 (Az. des BVerfG: 2 BvL 23/14); v. 17. 07. 2014, VI R 8/12, BFHE 247, 64 (Az. des BVerfG: 2 BvL 24/14); v. 17. 07. 2014, VI R 61/11 (Az. des BVerfG: 2 BvL 22/14); v. 17. 07. 2014, VI R 38/12 (Az. des BVerfG: 2 BvL 25/14); v. 17. 07. 2014, VI R 2/13 (Az. des BVerfG: 2 BvL 26/14); v. 17. 07. 2014, VI R 72/13 (Az. des BVerfG: 2 BvL 27/14), dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Zwischenzeitlich sind diese Vorschriften erneut durch das Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 22. 12. 2014 (BGBl I 2014, 2417) geändert worden. In den aktuellen Fassungen des § 4 IX EStG und § 9 VI EStG wird nun positiv formuliert, unter welchen Voraussetzungen es sich um Erwerbsaufwand handelt. Zudem werden Mindestanforderungen einer Erstausbildung definiert. Gleichzeitig ist das Abzugsverbot des § 12 Nr. 5 EStG (in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften v. 07. 12. 2011, BGBl I 2011, 2592 [2600]) aufgehoben worden. 119 Bergkemper, FR 2006, 1037 (1038); Drenseck, StuW 1999, 3 (6); Kreft, in: Herrmann/ Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 9 EStG Rn. 162; Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 9 Rn. 95. 120 Vgl. zum Streitstand über die Voraussetzungen vorab veranlasster Aufwendungen Kreft, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 9 EStG Rn. 162.

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1. Kap.: Die Sonderausgaben im System des Einkommensteuerrechts

menhang könnte für die Berufsausbildungsaufwendungen bejaht werden121: Es geht nicht um die Vermittlung von Allgemeinbildung, sondern von berufsspezifischem Wissen.122 Solche Kenntnisse sind grundsätzlich notwendig, um am Arbeitsmarkt konkurrenzfähig zu sein, sodass eine Berufsausbildung bzw. ein Studium als eine unerlässliche Voraussetzung für die Erwerbstätigkeit anzusehen ist.123 Zudem wird die Bildungsmaßnahme in subjektiver Hinsicht gerade wegen der späteren Erzielung eines Gewinns bzw. Einnahmeüberschusses durchgeführt, auch wenn sich – so im Optimalfall – der Steuerpflichtige zugleich persönlich entfalten und verwirklichen kann. Eine daneben bestehende Veranlassung durch die Privatsphäre wird als regelmäßig unwesentlich qualifiziert.124 Mögen im Einzelfall auch wesentliche Veranlassungsbeiträge in der Privatsphäre liegen, könnten sie die Zuordnung zur Privatsphäre gleichwohl nicht tragen. Es handele sich nicht um den für eine Typisierung maßgeblichen Normalfall.125 Hingegen qualifiziert der Gesetzgeber den Zusammenhang mit der Erwerbssphäre als „typischerweise noch nicht hinreichend konkret“126 und ordnet die Aufwendungen konsequent der Privatsphäre zu. Dabei stützt er sich auch auf einen Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts, welcher zu der typisierenden

121 Beginnend in den Urteilen v. 04. 12. 2002, VI R 120/01, BStBl II 2003, 403 (405 ff.), und v. 17. 12. 2002, VI R 137/01, BStBl II 2003, 407 (410 ff.), hat der Bundesfinanzhof seine differenzierende Rechtsprechung aufgegeben, Berufsausbildungskosten der allgemeinen Lebensführung zuzuordnen und nur Berufsfortbildungskosten in einem erlernten oder ausgeübten Beruf als Erwerbsaufwendungen zu qualifizieren. Statt einer solchen pauschalen Betrachtung müsse auf den Veranlassungszusammenhang abgestellt werden, der selbst bei der erstmaligen Berufsausbildung regelmäßig erwerbsbezogen sei. Vgl. hierzu BFH v. 27. 05. 2003, VI R 33/01, BStBl II 2004, 884 (885); v. 28. 07. 2011, VI R 38/10, BStBl II 2012, 561 (562, 564); v. 17. 07. 2014, VI R 2/12, BFHE 247, 25 (41); v. 17. 07. 2014, VI R 8/12, BFHE 247, 64 (79); sowie die Parallelentscheidungen v. 17. 07. 2014, VI R 61/11, juris Rn. 68; VI R 38/12, juris Rn. 71; VI R 2/13, juris Rn. 65; VI R 72/13, juris Rn. 66. Ebenso Balke, FR 2003, 851 (853); Bergkemper, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 9 EStG Rn. 608; Drenseck, DStR 2004, 1766 (1771); Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 264; Johenning, Bildungsaufwendungen im Einkommensteuerrecht, S. 228 f., 240 f.; Lang, StuW 2007, 3 (12); Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 9 Rn. 280; Müller-Franken, DStZ 2007, 59 (63 f.); Pfab, Die Behandlung von Bildungsaufwendungen im deutschen Einkommensteuerrecht, S. 205 ff., 220 ff.; Söhn, in: Festschrift für Solms, S. 97 (101 f.). 122 Drenseck, StuW 1999, 3 (7); Johenning, Bildungsaufwendungen im Einkommensteuerrecht, S. 229. 123 Drenseck, StuW 1999, 3 (7); Müller-Franken, DStZ 2007, 59 (64). 124 Müller-Franken, DStZ 2007, 59 (63); Pfab, Die Behandlung von Bildungsaufwendungen im deutschen Einkommensteuerrecht, S. 209 ff., 217 ff., 219; Söhn, in: Festschrift für Solms, S. 97 (102). 125 BFH v. 17. 07. 2014, VI R 2/12, BFHE 247, 25 (46); v. 17. 07. 2014, VI R 8/12, BFHE 247, 64 (84); v. 17. 07. 2014, VI R 61/11, juris Rn. 81; v. 17. 07. 2014, VI R 38/12, juris Rn. 84; v. 17. 07. 2014, VI R 2/13, juris Rn. 78; v. 17. 07. 2014, VI R 72/13, juris Rn. 79. 126 BT-Drs. 18/3017, S. 42.

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Differenzierung der Finanzrechtsprechung127 zwischen Berufsausbildungs- und -fortbildungskosten in einem erlernten oder ausgeübten Beruf ergangen ist. Dort heißt es, dass durch eine solche Typisierung gleichheitskonform „die Grenze zwischen einer der grundsätzlich steuerlich nicht zugänglichen Privatsphäre zuzuordnenden Ausbildung und der steuerlich erheblichen Berufstätigkeit“128 markiert werde. Nach einem anderen Ansatz legitimiert sich die Zuordnung zur allgemeinen Lebensführung dadurch, dass auch ein wesentlicher Veranlassungszusammenhang zur Privatsphäre bestehe. Durch die Ausbildung werde der Steuerpflichtige in die Lage versetzt, seine Lebenshaltung selbst zu finanzieren, sich idealerweise persönlich zu entfalten und eine höherrangige berufliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Stellung insbesondere durch ein Erststudium zu erlangen.129 Wie sich gezeigt hat, ist die Rechtsnatur der Aufwendungen für erstmalige Berufsbildungsmaßnahmen außerhalb eines Dienstverhältnisses nicht eindeutig. Der Gesetzgeber trifft mit der Zuweisung der Aufwendungen zu den de lege lata privat veranlassten Sonderausgaben eine Entscheidung über deren Qualifikation. Dabei bewegt er sich im Grenzbereich zwischen der Erwerbs- und der Privatsphäre, aufgrund dessen ihm ein gewisser Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum zukommt. Für die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit einer Zuordnung zu den Privataufwendungen kommt es daher maßgeblich auf die insoweit bestehenden, erst noch näher zu konkretisierenden Grenzen an.130 b) Kein existenzsichernder Charakter der Berufsausbildungskosten Sofern die Zuordnung der Berufsausbildungskosten i.S.v. § 10 I Nr. 7 EStG zur Privat- anstatt zur Erwerbssphäre mit Art. 3 I GG vereinbar ist131, stellt sich die Frage, ob die Aufwendungen für solche berufsbildenden Maßnahmen existenznotwendig und aus diesem Grunde von Verfassungs wegen steuerfrei zu stellen sind. Richtigerweise ist davon auszugehen, dass eine auf die Berufsausbildung folgende künftige 127 Vgl. hierzu beispielsweise BFH v. 16. 03. 1967, IV R 266/66, BStBl III 1967, 723; v. 10. 12. 1971, VI R 150/70, BStBl II 1972, 254 (255); v. 24. 07. 1973, IV R 27/72, BStBl II 1973, 817; v. 28. 09. 1984, VI R 44/83, BStBl II 1985, 94 (95 f.); v. 14. 02. 1992, VI R 26/90, BStBl II 1992, 556 (557 f.). 128 BVerfG v. 08. 07. 1993, 2 BvR 773/93, NJW 1994, 847 (848). 129 BFH v. 16. 03. 1967, IV R 266/66, BStBl III 1967, 723 (724), hinsichtlich eines Hochschulstudiums; Ismer, Bildungsaufwand im Steuerrecht, S. 23, zur Erlangung eines erhöhten sozialen Status. 130 Nach Förster, DStR 2012, 486 (490), und Thiemann, JZ 2015, 866 (870), bewegt sich der Gesetzgeber mit der Zuordnung zur Privatsphäre innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen, während dies von Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 264, abgelehnt wird. Vgl. hierzu 2. Kapitel § 4 III. 1. c) (S. 96 ff.). 131 Im 2. Kapitel § 4 III. 1. c) (S. 96 ff.) wird sich zeigen, dass sich der Gesetzgeber mit der Qualifikation der Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung außerhalb eines Dienstverhältnisses als Sonderausgaben innerhalb seines Entscheidungs- und Gestaltungsspielraums bewegt und ein Verstoß gegen Art. 3 I GG nicht vorliegt.

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1. Kap.: Die Sonderausgaben im System des Einkommensteuerrechts

Tätigkeit typischerweise eine Lebensführung aus eigenen Mitteln ermöglicht.132 Mittelbar können die Aufwendungen damit auch der individuellen Existenzsicherung dienen. Ob dieser Zusammenhang allerdings dafür ausreicht, dass das für die Berufsausbildung gebundene Einkommen nach Art. 1 I GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 I GG steuerlich nicht belastet werden darf, erscheint zweifelhaft. Dem verfassungsrechtlichen Schutz unterliegen diejenigen finanziellen Mittel, mit denen der Steuerpflichtige den existenziellen Bedarf bestreiten muss. Insoweit ist das eigens erzielte Einkommen in erster Linie für die persönliche Lebensführung gebunden und daher vom steuerlichen Zugriff zu verschonen. Insbesondere ist die Gewährung von sozialstaatlichen Leistungen unter dem Aspekt der Menschenwürde kein Äquivalent, wenn dem Steuerpflichtigen zuvor das erwirtschaftete Einkommen in Höhe des Existenzminimums wegbesteuert worden ist. Anders stellt sich die Situation jedoch hinsichtlich des für die Berufsausbildung gebundenen Einkommens dar. Die beruflichen Bildungsmaßnahmen schaffen lediglich die Voraussetzungen, zu einem späteren Zeitpunkt entsprechende Einnahmen erzielen zu können. Allein diese zukünftigen Einnahmen ermöglichen eine Lebensführung unabhängig von sozialstaatlichen Leistungen und sind daher in Höhe des existenziellen Bedarfs von der Steuer freizustellen. Daher müssen die Berufsbildungskosten nicht nach Art. 1 I GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 I GG steuerlich berücksichtigt werden.133 In diesem Sinne hat auch das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 26. 01. 1994134 zu den Kosten der Eltern für die Berufsausbildung ihrer Kinder entschieden. Es handele sich nicht um Aufwendungen für die Existenzsicherung im engeren Sinne, sodass sie auch nicht wie solche Mittel zu behandeln seien.135 Selbst wenn man Berufsausbildungskosten entgegen der hier vertretenen Auffassung als existenzsichernd qualifizieren will, scheidet jedenfalls eine Steuerfreistellung bei den Kindern aus, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Deren Existenzminimum wird durch den Kinderfreibetrag (§ 32 VI EStG) bei den Eltern berücksichtigt. Dieser Freibetrag umfasst nach § 32 VI S. 1, 2. Hs. EStG auch eine Pauschale für den Ausbildungsbedarf. Daneben kann im Falle der auswärtigen Unterbringung eines volljährigen Kindes nach § 33a II EStG ein Freibetrag in Höhe von 924 E bei den Eltern berücksichtigt werden.

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Müller-Franken, DStZ 2007, 59 (63); Söhn, in: Festschrift für Solms, S. 97 (101). Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs hingegen dienen die Aufwendungen für die Berufsausbildung „in ähnlicher Weise“ der Existenzsicherung der Steuerpflichtigen wie der unverzichtbare sächliche Bedarf. Sie seien daher von der Steuer freizustellen, vgl. BFH v. 17. 07. 2014, VI R 2/12, BFHE 247, 25 (50 f.); v. 17. 07. 2014, VI R 8/12, BFHE 247, 64 (86 f.); sowie die Parallelentscheidungen v. 17. 07. 2014, VI R 61/11, juris Rn. 91; VI R 38/12, juris Rn. 94; VI R 2/13, juris Rn. 88; VI R 72/13, juris Rn. 89. 134 BVerfG v. 26. 01. 1994, 1 BvL 12/86, BVerfGE 89, 346. 135 BVerfG v. 26. 01. 1994, 1 BvL 12/86, BVerfGE 89, 346 (354). 133

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II. Existenzsichernde Aufwendungen 1. Beiträge für eine Kranken- und Pflegeversorgung auf Sozialhilfeniveau, § 10 I Nr. 3 lit. a, b EStG Eine Kranken- und Pflegeversorgung ist, knüpft man an das SGB II bzw. SGB XII als quantifizierende Vergleichsebene an, als existenznotwendig zu qualifizieren.136 Auch dem Hilfebedürftigen wird Zugang zu solchen Leistungen gewährt. Daher ist das Einkommen, soweit es zur Deckung dieses Bedarfs gebunden ist, zumindest nach Art. 1 I GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 I GG von der Steuer freizustellen. Die Aufwendungen zur Sicherung einer Mindestversorgung werden anders als das sächliche Existenzminimum, das typisiert in einem Grundfreibetrag erfasst wird, nach § 10 I Nr. 3 EStG in der tatsächlichen Höhe berücksichtigt. Damit sieht der Gesetzgeber von einer Typisierung unter Zugrundelegung eines statistisch ermittelten einheitlichen Betrags ab, welche auch beim Bundesverfassungsgericht für die Kranken- und Pflegeversorgung auf durchgreifende Bedenken gestoßen ist.137 Das für die Quantifizierung des steuerlichen Existenzminimums maßgebliche Versorgungsniveau nach SGB II bzw. SGB XII entspricht im Wesentlichen dem Versorgungsniveau der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Entweder werden die Versicherungsbeiträge nach § 26 I, II SGB II und § 32 SGB XII übernommen oder es werden nach §§ 47 ff., 61 ff. SGB XII die Kosten für Leistungen getragen, die denen einer gesetzlichen Kranken- und Pflegeversorgung entsprechen. Daher sind die Versicherungsbeiträge mit Ausnahme der Beitragsteile als existenznotwendig von der Steuer freizustellen, die einen Anspruch auf Krankengeld oder einen vergleichbaren Anspruch begründen. Diese Leistungen kompensieren lediglich den Einnahmeausfall zur Sicherung des Lebensstandards, haben jedoch keinen existenzsichernden Charakter. Durch eine pauschale Minderung der Beiträge um 4 % nach § 10 I Nr. 3 lit. a S. 4 EStG werden diese Anteile eliminiert. Hingegen geht das Leistungsniveau einer privaten Krankenversicherung über diese Mindestvorsorge hinaus. Als existenznotwendig sind nur solche Vertragsleistungen anzuerkennen, die den Leistungen nach den §§ 11 ff. SGB V unter Ausschluss des Krankengelds bzw. nach den §§ 28, 36 ff. SGB XI vergleichbar sind. Unabhängig von der Höhe des für eine existenzielle Versorgung betriebenen Aufwands, werden diese Kostenteile nach § 10 IV S. 4 EStG in jedem Fall steuerlich berücksichtigt. Darüber hinausgehende Aufwendungen werden vom Förderungs- und Lenkungstatbestand des § 10 I S. 1 Nr. 3a EStG erfasst und können im Rahmen der Höchstbeträge des § 10 IV S. 1 – 3 EStG berücksichtigt werden.

136

BVerfG v. 13. 02. 2008, 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125. BVerfG v. 13. 02. 2008, 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125 (160 f.). Vgl. zur Typisierbarkeit der Beiträge 3. Kapitel § 7 I. 4. (S. 147 f.) 137

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1. Kap.: Die Sonderausgaben im System des Einkommensteuerrechts

2. Unterhaltsleistungen i.S.v. § 10 Ia Nr. 1 EStG Der Leistungsfähigkeitsminderung aufgrund von Unterhaltsleistungen an den dauernd getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten trägt der Gesetzgeber durch einen Abzug von der Bemessungsgrundlage alternativ nach § 10 Ia Nr. 1 EStG i.V.m. § 2 IV EStG oder nach § 33a I EStG i.V.m. § 2 IV EStG Rechnung. Der steuerliche Vorteil eines Sonderausgabenabzugs im Vergleich zur Steuerwirksamkeit als außergewöhnliche Belastung liegt darin, dass das Abzugsvolumen nicht auf die zur Deckung des existenziellen Bedarfs erforderlichen Unterhaltsleistungen beschränkt ist. Andererseits werden die Leistungen nach § 22 Nr. 1a EStG beim Unterhaltsberechtigten versteuert, weshalb dessen Zustimmung nach § 10 Ia Nr. 1 S. 1 EStG Voraussetzung für die Geltendmachung als Sonderausgabe ist. Mit dieser Regelung eines Realsplittings erfüllt der Gesetzgeber seine verfassungsrechtliche Pflicht zur Berücksichtigung von Unterhaltsaufwendungen überobligatorisch. Weder Art. 3 I GG noch Art. 6 I GG erfordern dem Ehegattensplitting138 vergleichbare Progressionsvorteile. Nach Trennung besteht wegen der geänderten Lebensverhältnisse eine der Ehe entsprechende familiäre Erwerbsgemeinschaft nicht.139 Vielmehr müssen die dauernd getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten eigenverantwortlich für die Sicherung ihrer Existenz sorgen. Vor allem im nachehelichen Unterhaltsrecht trägt der Grundsatz der Eigenverantwortung nach § 1569 BGB dem Wandel der familiären Verhältnisse Rechnung. Nur in besonderen Konstellationen, in denen eine angemessene Erwerbstätigkeit nicht zu erwarten ist, nicht gefunden werden kann oder keine hinreichenden Einkünfte hervorbringt, kann eine „nachwirkende Mitverantwortung“140 einen Unterhaltsanspruch begründen. In einem solchen Fall ist der Gesetzgeber von Verfassungs wegen gefordert, die Leistungen des Unterhaltsverpflichteten an den Unterhaltsberechtigten steuermindernd zu berücksichtigen.141 Allerdings müssen die Unterhaltsaufwendungen nach Art. 1 I GG i.V.m. Art. 20 I GG i.V.m. Art. 6 I GG nur insoweit berücksichtigt werden, als sie der eigenen und familiären Existenzsicherung dienen.142 Auf deren zivilrechtliche Indisponibilität dem Grunde und der Höhe nach 138 Vgl. Wernsmann, in: Verfassungsrechtsprechung, S. 90 (94), zur Frage nach der (verfassungsrechtlichen) Bedeutung des Ehegattensplittings. 139 Im Ergebnis auch BVerfG v. 21. 11. 1986, 1 BvR 840/86, DStZ 1988, 488 (489); v. 04. 07. 1988, 1 BvR 729/88, HFR 1989, 442 (443). Nach BVerfG v. 03. 11. 1982, 1 BvR 620/ 78, 1 BvR 1335/78, 1 BvR 1104/79 u. a., BVerfGE 61, 319 (348), ist eine Ausdehnung des Splittingvorteils auf Alleinerziehende mit Kindern im Hinblick auf Art. 3 I GG i.V.m. Art. 6 I GG nicht geboten, weil sich solche Unterhaltsverhältnisse nicht als wirtschaftliche oder familiäre Gemeinschaft des Erwerbs darstellten. 140 BVerfG v. 14. 07. 1981, 1 BvL 28/77, 1 BvL 48/79, 1 BvR 154/79, 1 BvR 170/80, BVerfGE 57, 361 (389). 141 BVerfG v. 04. 10. 1984, 1 BvR 789/79, BVerfGE 67, 290 (297); BVerfG v. 15. 07. 1987, 1 BvR 54/87, HFR 1988, 242; v. 04. 07. 1988, 1 BvR 729/88, HFR 1989, 442. 142 Das Bundesverfassungsgericht hält es in der Entscheidung v. 22. 02. 1984, 1 BvL 10/80, BVerfGE 66, 214 (223), zum Elternunterhalt sowie hinsichtlich des Geschiedenen- und Ge-

§ 2 Abzug dem Grunde nach

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kommt es hingegen nicht an.143 Insoweit verwirklicht der Sonderausgabenabzug nach § 10 Ia Nr. 1 EStG i.V.m. § 2 IV EStG das verfassungsrechtliche Gebot zur Steuerfreistellung des eigenen und familiären Existenzminimums. Die Unterhaltsleistungen unterfallen als Folgewirkungen einer Ehe dem Schutzbereich des Art. 6 I GG.144 Anders als bei § 33a I EStG können im Rahmen von § 10 Ia Nr. 1 EStG aber auch Unterhaltsleistungen berücksichtigt werden, die für die Sicherung der Existenz nicht zwingend sind. So können im Wege des Realsplittings Aufwendungen bis zu 13805 E im Kalenderjahr unabhängig davon steuerwirksam werden, ob der Unterhaltsberechtigte eigene Einkünfte erzielt, die den tatsächlichen existenznotwendigen Bedarf mindern. Die für die Bemessung des Unterhaltsanspruchs maßgebliche Bedürftigkeit knüpft nicht an das Sozialhilferecht an, sondern bestimmt sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen.145 Von Verfassungs wegen muss der Unterhalt nicht in der trenntlebendenunterhalts in den Entscheidungen v. 04. 10. 1984, 1 BvR 789/79, BVerfGE 67, 290 (298); v. 15. 07. 1987, 1 BvR 54/87, HFR 1988, 242 (243); v. 04. 07. 1988, 1 BvR 729/88, HFR 1989, 442, für geboten, für die Berücksichtigung zwingender Unterhaltsaufwendungen keine realitätsfremden Grenzen zu ziehen. Für diese Bewertung liefere das Sozialhilferecht Anhaltspunkte. Expressis verbis erklärt es zum Kindesunterhalt, dass ein verfassungsrechtliches Abzugsgebot nur in Höhe des Existenzminimums bestehe, vgl. BVerfG v. 29. 05. 1990, 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60 (87); v. 10. 11. 1998, 2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91, BVerfGE 99, 216 (233); v. 10. 11. 1998, 2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246 (260); v. 16. 03. 2005, 2 BvL 7/00, BVerfGE 112, 268 (280 f.). Zum Geschiedenen- und Getrenntlebendenunterhalt Englisch, DStJG 37 (2014), 159 (187); Kulosa, in: Herrmann/ Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10 EStG Rn. 67. Allgemein zur steuerlichen Berücksichtigung zivilrechtlicher Unterhaltsansprüche Hufeld, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 33a Rn. A 101 f.; Osterloh/Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 158; Wernsmann, in: Hübschmann/ Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO Rn. 506. Hingegen fordern Korallus, Steuerliche Gerechtigkeit und Geschiedenen-Unterhalt, S. 275, und Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 818, eine folgerichtige Ausgestaltung der Unterhaltsabzugstatbestände der Höhe nach entweder nach Maßgabe des Existenzminimums oder der zivilrechtlichen Unterhaltspflichten. 143 Vgl. 2. Kapitel § 5 II. 2. (S. 111 f.) und 2. Kapitel § 5 III. (S. 113 ff.). A.A. 57. Deutscher Juristentag, Sitzungsberichte, Bd. II, N 200 f.; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 98; Kanzler, DStJG 24 (2001), 417 (442); Kayser-Eichberg, Die steuerlichen Regelungen des Trennungs- und Geschiedenenunterhalts im Lichte des Leistungsfähigkeitsprinzips unter besonderer Berücksichtigung der Unterhaltsgewährung in Form einer Wohnraumüberlassung, S. 110 f., 119; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 82; Müller, Das interpersonale Korrespondenzprinzip im Einkommensteuerrecht – Eine steuersystematische Betrachtung, S. 85 f., 110; Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10 Rn. C 10 f., 16; ders., StuW 2005, 109 (112, 115). 144 BVerfG v. 10. 01. 1984, 1 BvL 5/83, BVerfGE 66, 84 (96); v. 07. 10. 2003, 1 BvR 246/93, 1 BvR 2298/94, BVerfGE 108, 351 (364). 145 Hingegen bejaht Englisch, DStJG 37 (2014), 159 (172, 175), den existenzsichernden Charakter der Unterhaltsleistungen auch in Fällen, in welchen der Unterhaltsberechtigte eigene Einkünfte erzielt. Da ein Unterhaltsanspruch nach § 1577 BGB Bedürftigkeit voraussetze, müsse das Bestehen eines zivilrechtlichen Anspruchs trotz eigener Einkünfte dahingehend gewertet werden, dass die Einkünfte nicht für die Existenzsicherung verwendet werden müssten. Folglich seien die Unterhaltsaufwendungen in jedem Fall existenzsichernd. Allerdings greift diese Argumentation nicht, weil im Falle von § 1361 BGB und § 1577 BGB die

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1. Kap.: Die Sonderausgaben im System des Einkommensteuerrechts

tatsächlichen Höhe abziehbar sein.146 Vielmehr wird die Belastungsgleichheit beeinträchtigt, wenn über die Existenzsicherung hinausgehende Aufwendungen nach § 10 Ia Nr. 1 EStG berücksichtigt werden. Daher bedarf es einer Rechtfertigung vor Art. 3 I GG. Insbesondere erscheint es gleichheitsrechtlich bedenklich147, dass die Steuerpflichtigen mit Unterhaltsverpflichtungen gegenüber getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten im Vergleich zu solchen Steuerpflichtigen begünstigt werden, die ihren Kindern oder sonstigen Berechtigten Unterhalt schulden. Letztere können nach § 32 VI EStG bzw. § 33a I EStG nur existenzsichernde Aufwendungen steuermindernd berücksichtigen. Höhere steuerliche Vorteile können zwar auch Ehegatten bei intakter Ehe durch das Splitting-Verfahren (§ 32a V EStG) generieren, mit der Trennung entfällt jedoch der die Ungleichbehandlung legitimierende Grund, das Vorliegen einer familiären Erwerbsgemeinschaft148. Die zivilrechtliche Wertung des § 1609 BGB, wonach im Kollisionsfalle nacheheliche Unterhaltsansprüche regelmäßig solchen vorgehen, die von § 33a EStG erfasst werden, kann die steuerliche Besserstellung nicht tragen.149 Ferner hat die unterschiedliche Belastung der Unterhaltsempfänger – während die nach § 32 VI EStG bzw. § 33a I EStG zu berücksichtigenden Unterhaltsleistungen beim Empfänger steuerfrei sind, werden solche i.S.v. § 10 Ia Nr. 1 EStG beim unterhaltsberechtigten geschiedenen oder getrennt lebenden Ehegatten besteuert – keine legitimierende Wirkung. Die für die Besteuerung maßgebliche finanzielle Leistungsfähigkeit eines Steuerpflichtigen bemisst sich unabhängig von der Besteuerung anderer Steuerpflichtiger.150 Ihre Rechtfertigung findet die übermäßige Begünstigung jedoch darin, dass die finanziellen Nachteile infolge der Auflösung der Ehe abgefedert werden sollen: der Wegfall des Ehegattensplittings, die Entstehung im Vergleich zu anderen Unterhaltsverhältnissen zumeist höherer Unterhaltspflichten151 sowie Nachteile aufgrund unterhaltsrechtliche Bedürftigkeit nicht auf die sozialhilferechtliche Bedürftigkeit abstellt, sondern an die ehelichen Lebensverhältnisse anknüpft. Dem Zivilrecht kann daher allenfalls die Wertung entnommen werden, dass die eigenen Einkünfte nicht eine Lebensführung entsprechend der ehelichen Lebensverhältnisse ermöglichen, die jedoch – abhängig vom sozialen Status – auch weit über dem Sozialhilfeniveau liegen kann. 146 Vgl. die Nachweise zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Fn. 142. 147 Englisch, DStJG 37 (2014), 159 (197); Korallus, Steuerliche Gerechtigkeit und Geschiedenen-Unterhalt, S. 322 ff.; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 818. Weitergehend ist der Ansatz von Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 98, und Kanzler, DStJG 24 (2001), 417 (442), die das Realsplitting bei allen Unterhaltsgemeinschaften für geboten halten. So werde die durch zwangsläufige Unterhaltsleistungen transferierte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sachgerecht berücksichtigt. 148 Vgl. BVerfG v. 21. 11. 1986, 1 BvR 840/86, DStZ 1988, 488 (489); v. 04. 07. 1988, 1 BvR 729/88, HFR 1989, 442 (443); v. 03. 11. 1982, 1 BvR 620/78, 1 BvR 1335/78, 1 BvR 1104/79 u. a., BVerfGE 61, 319 (348). 149 So aber Kulosa, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10 EStG Rn. 67. 150 Insbesondere ist der Abzug nicht zur Vermeidung einer mit Art. 3 I GG unvereinbaren Doppelbesteuerung geboten. Im Einkommensteuerrecht gilt der Grundsatz der Individualbesteuerung, vgl. Söhn, StuW 2005, 109 (112, 115). 151 BT-Drs. 8/2118, S. 76.

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einer „tiefgreifenden Veränderung der gesamten Lebensverhältnisse“152. Dabei erscheint es nicht außer Verhältnis, die steuerlichen Vorteile nicht auf einen kurzen Übergangszeitraum zu beschränken.153 Vielmehr kann wegen der Erwartung einer auf Dauer angelegten gegenseitigen Beistands- und Verantwortungsgemeinschaft angenommen werden, dass finanzielle Nachteile fortwirken, die durch ein zeitlich unbegrenztes, zumal der Höhe nach beschränktes Realsplitting steuerlich gemildert werden sollen. Soweit die Unterhaltsleistungen i.S.v. § 10 Ia Nr. 1 EStG existenzsichernd sind, stellt der Sonderausgabenabzug beim Unterhaltsverpflichteten das „familiäre“ Existenzminimum von der Steuer frei. Im Übrigen handelt es sich um einen Fördertatbestand, der zumindest hinsichtlich des „Ob“ vor Art. 3 I GG gerechtfertigt werden kann. 3. Kirchensteuer, § 10 I Nr. 4 EStG Das Bundesverfassungsgericht hat im Urteil vom 09. 02. 2010154 entschieden, dass die nach Art. 1 I GG i.V.m. Art. 20 I GG zu gewährenden Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein nicht nur die Mittel für die „physische Existenz“155, sondern auch für ein „Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben“156 umfassen. Daran anknüpfend stellt sich die Frage, ob auch die Beiträge für eine Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft einem solchen „nicht-physischen“ Existenzminimum zuzurechnen sind. Insoweit kann nicht auf den Leistungskatalog des SGB II bzw. SGB XII als quantifizierende Vergleichsebene abgestellt werden. Etwaige Leistungen sind schon deshalb nicht vorgesehen, weil es im Falle der Hilfebedürftigkeit ohnehin an der auch für die Erhebung der Kirchensteuer maßgeblichen Leistungsfähigkeit157 fehlt. Explizit führt das Bundesverfassungsgericht eine Teilhabe am religiösen Leben nicht an. Unter Zugrundelegung eines weiten Verständnisses des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens könnte es die religiöse Komponente allerdings als mitumfasst ansehen.158 Jedenfalls erfordert die Achtung der Menschenwürde, eine Person nicht nur auf ihre physische Natur zu reduzieren, sondern sie auch, sofern durch eine Religion oder Weltanschauung geleitet, als ein solches geistiges Wesen zu begreifen. Der eigenen 152

BT-Drs. 8/2118, S. 76; 8/2201, S. 4. A.A. Englisch, DStJG 37 (2014), 159 (197). 154 BVerfG v. 09. 02. 2010, 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, BVerfGE 125, 175. 155 BVerfG v. 09. 02. 2010, 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, BVerfGE 125, 175 (223). 156 BVerfG v. 09. 02. 2010, 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, BVerfGE 125, 175 (223). 157 BVerfG v. 14. 12. 1965, 1 BvR 413/60, 1 BvR 416/60, BVerfGE 19, 206 (220); Korioth, in: Maunz/Dürig, GG, zu Art. 140, Art. 137 WRV Rn. 98. 158 So zählt Geserich, Privater, gemeinwohlwirksamer Aufwand im System der deutschen Einkommensteuer und des europäischen Rechts, S. 53 f., in Anknüpfung an Hollerbach (vgl. Fn. 161) die Religion und die Religiosität als „Urphänomene menschlicher Existenz“ zum kulturellen Leben. 153

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1. Kap.: Die Sonderausgaben im System des Einkommensteuerrechts

Überzeugung liegt das natürliche159 Streben nach den Antworten auch auf essenzielle Fragen des Menschseins zugrunde. Die Fähigkeit zur und die „Definition“ der eigenen Identität selbst sind Ausdruck der nach Art. 1 I GG unantastbaren Menschenwürde.160 Im Zusammenwirken mit Art. 4 I, II GG muss eine solche Identitätsfindung auch in religiöser Hinsicht anerkannt werden.161 Wird eine solche Identität ausgebildet, ist sie als für ein menschenwürdiges Dasein unverzichtbar zu qualifizieren. Mithin sind die Mittel zur Gewährleistung der Mindestvoraussetzungen für ein solches religiöses oder weltanschauliches Dasein existenznotwendig162 und als solche von der Steuer freizustellen. Durch die existenzielle Bedeutung unterscheidet sich die Ausübung der Religionsfreiheit von der Ausübung sonstiger Freiheiten beispielsweise der Informations-, Demonstrations- oder Kunstfreiheit, deren materielle Voraussetzungen der Staat grundsätzlich nicht zur Verfügung stellen bzw. vor dem steuerlichen Zugriff bewahren muss. Einen solchen originär verfassungsrechtlichen Anspruch auf Förderung vermitteln die Grundrechte, die vor allem Abwehrrechte gegen den Staat sind, über die Schaffung der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein hinaus nicht.163 Dem religiösen Existenzminimum sind die auf Grundlage von Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 VI, VII WRV erhobenen Steuern164 zuzurechnen. Mangels Berücksichtigung im Grundfreibetrag des § 32a I EStG165 wird durch den Kirchensteuerabzug nach § 10 I Nr. 4 EStG i.V.m. § 2 IV EStG das religiöse Existenzminimum von der Steuer freigestellt.166 Auf deren

159 160

Rn. 6.

Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 4 Rn. 11. Vgl. Höfling, in: Sachs, GG, Art. 1 Rn. 37 ff.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 1

161 Nach Hollerbach, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. VI2, § 138 Rn. 6, sind die Religion und Religiosität „Urphänomene menschlicher Existenz“. 162 A.A. BVerwG v. 11. 02. 1982, 5 C 85/80, BVerwGE 65, 52 (57), zur Übernahme der Mehrkosten für die Betreuung durch anthroposophische Pflegekräfte nach § 3 BSHG. Aus dem Menschenwürdegehalt des Art. 4 GG könne keine Pflicht zur Gewährung der Mittel abgeleitet werden, die für ein religiöses Bekenntnis erforderlich seien. 163 Vgl. hierzu ausführlich 2. Kapitel § 5 III. (S. 113 ff.). 164 Selbstredend sind auch vergleichbare Beiträge an andere Religionsgemeinschaften dem steuerlichen Existenzminimum zuzurechnen. Daher ist die Berücksichtigung solcher Kosten nicht nur wegen des Art. 3 I GG verfassungsrechtlich geboten, sondern hiervon unabhängig nach Art. 1 I GG i.V.m. Art. 20 I GG. 165 Vgl. BT-Drs. 17/11425, S. 3 ff. 166 Im Ergebnis auch Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 712; P. Kirchhof, in: Festschrift für Selmer, S. 745 (753), der den Abzug aber in DStZ 1986, 25 (32), noch anders begründet und auf das Verbot der Belastung desselben Einkommens durch Einkommen- und Kirchensteuer abgestellt hat; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 828 f.; Traxel, DStZ 1994, 74 (75). Dem Grunde nach auch Geserich, Privater, gemeinwohlwirksamer Aufwand im System der deutschen Einkommensteuer und des europäischen Rechts, S. 53 f., und Schön, DStZ 1997, 385 (388 f.), die jedoch nur eine für alle Steuerpflichtigen gleiche „Kulturpauschale“ für geboten erachten. A.A. Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 1044; Droege, Staatsleistungen an Religionsgemeinschaften im säkularen Kultur- und Sozialstaat, S. 82 ff.; Englisch, DStJG 37 (2014), 159 (170); Kulosa, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG,

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Zwangsläufigkeit bzw. Indisponibilität – sei es wegen eines weltanschaulichen, sittlichen oder gesellschaftlichen Zwangs, der religiösen Überzeugung oder des Zugriffs auf das Einkommen durch die Kirchensteuer167 – kommt es hingegen nicht an.168 4. Altersvorsorgeaufwendungen i.S.v. § 10 I Nr. 2 lit. a, b EStG Die Altersvorsorgeaufwendungen i.S.v. § 10 I Nr. 2 EStG sind insoweit als existenzsichernd zu charakterisieren, als durch die Beiträge ein Anspruch auf Altersversorgung in existenzieller Höhe erworben wird.169 5. Kinderbetreuungskosten bei Krankheit oder Behinderung, § 10 I Nr. 5 EStG Soweit ein erhöhter Betreuungsbedarf für ein behindertes Kind oder infolge Erkrankung oder Behinderung der Eltern in Rede steht, bezweckt der Sonderausgabenabzug auch die Steuerfreistellung des familiären Existenzminimums.170

III. Sonstige privat veranlasste Aufwendungen, deren Abzug Förderungs- und Lenkungszwecke zugrunde liegen 1. Nicht existenzsichernde Vorsorgeaufwendungen a) Aufwendungen für eine zusätzliche Altersvorsorge i.S.v. § 10a EStG Selbst wenn man die Aufwendungen für eine zusätzliche private Altersvorsorge als durch die Einkünfteerzielung i.S.v. § 22 Nr. 5 S. 1 EStG veranlasst ansieht171, können sie der Rechtsnatur nach nicht als Werbungskosten qualifiziert werden.172 Der Steuerpflichtige erlangt durch die Beitragszahlung eine steuerlich relevante § 10 EStG Rn. 200; Mellinghoff, in: Leitgedanken des Rechts, Bd. II, § 174 Rn. 30; Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 371 ff. 167 Vgl. hierzu Wernsmann, StuW 1998, 317 (326 f.). 168 Vgl. 2. Kapitel § 5 II. 2. (S. 111 f.) und 2. Kapitel § 5 III. (S. 113 ff.). A.A. Mellinghoff, in: Leitgedanken des Rechts, Bd. II, § 174 Rn. 30; Schön, DStZ 1997, 385 (389 ff.); Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10 Rn. G 5, und ders., StuW 1985, 395 (405), der auf deren faktische Indisponibilität abstellt. 169 Vgl. hierzu bereits 1. Kapitel § 2 I. 1. d) (S. 30 ff.). 170 Vgl. 1. Kapitel § 2 I. 2. b) (S. 36 f.). 171 Vgl. hierzu bereits 1. Kapitel § 2 I. 1. b) (S. 24 f.). 172 A.A. Scheffler/Kandel, StuW 2011, 236 (240).

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1. Kap.: Die Sonderausgaben im System des Einkommensteuerrechts

Rechtsposition, über welche – wenn auch förderschädlich gemäß § 93 EStG – verfügt werden kann.173 Entsprechend der quellentheoretischen Konzeption der Überschusseinkünfte sind solche Vermögensumschichtungen steuerlich grundsätzlich unbeachtlich. In Abweichung von diesem Grundsatz können die Altersvorsorgebeiträge auch nicht nach § 9 I S. 3 Nr. 7 EStG i.V.m. §§ 7 ff. EStG berücksichtigt werden, da es sich nicht um Anschaffungskosten für ein abnutzbares Wirtschaftsgut handelt.174 Vielmehr verfolgt der Gesetzgeber mit der steuerlichen Begünstigung der Altersvorsorgebeiträge i.S.v. § 10a EStG bzw. der Gewährung einer Zulage nach §§ 79 ff. EStG das außerfiskalische Ziel, einen Anreiz zum Aufbau einer zusätzlichen privaten kapitalgedeckten Altersvorsorge zu schaffen.175 Eine solche wird im Hinblick auf das künftig langsamer steigende Versorgungsniveau in der gesetzlichen Rentenversicherung zur Sicherung des Lebensstandards im Alter notwendig sein.176 Als existenznotwendig können die Aufwendungen für eine zusätzliche Altersversorgung gleichwohl nicht qualifiziert werden. Steuerpflichtige können Beiträge i.S.v. § 10 I Nr. 2 EStG bis zum Höchstbetrag zur knappschaftlichen Rentenversicherung (§ 10 III EStG) geltend machen, wodurch ein Anspruch auf Versorgungsbezüge in existenzieller Höhe begründet werden kann. Bei Geringverdienern mag man wegen der künftigen Entwicklung des Rentenniveaus in Zweifel ziehen, ob mit den gesetzlichen Rentenversicherungsbeiträgen eine Altersversorgung auf Sozialhilfeniveau aufgebaut werden kann. Typisierend wird man dies wohl bejahen können.177 Jedenfalls aber schöpft dieser Personenkreis das Abzugsvolumen des § 10 III EStG mit den Pflichtbeiträgen nicht aus, sodass auch Aufwendungen i.S.v. § 10 I Nr. 2 lit. b EStG für eine ergänzende – gegebenenfalls zur Existenzsicherung im Alter not173 So auch die Sachverständigenkommission zur Neuordnung der steuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen, Abschlussbericht, S. 26. Hingegen nimmt der Gesetzgeber an, dass die Beitragszahlungen erst mit Renteneintritt zu einem steuerlich relevanten Vermögenswert erstarken, vgl. BT-Drs. 16/2712, S. 50. 174 Myßen, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10a Rn. A 38; ders., DStJG 29 (2006), 249 (274 ff.). 175 Birk/Wernsmann, Die Besteuerung der Aufwendungen für die Altersvorsorge und der Alterseinkommen, in: Alterssicherung und Besteuerung, § 9 Rn. 50 ff.; Braun, in: Herrmann/ Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10a EStG Rn. 1; Sachverständigenkommission zur Neuordnung der steuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen, Abschlussbericht, S. 14, 26; Wernsmann, in: Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung SGB VI, S. 783 (786 ff.). 176 BR-Drs. 764/00, S. 91, 144. 177 Nach der Statistik der Deutschen Rentenversicherung zu den Rentenanwartschaften am 31. 12. 2013 wird eine den existenziellen Bedarf von derzeit 8652 E (monatlich 721 E) deckende Rentenanwartschaft von den Pflichtversicherten durchschnittlich – also unter Berücksichtigung individuell verschiedener Erwerbsbiographien – bereits mit 48 Jahren erreicht, vgl. Deutsche Rentenversicherung Bund, Rentenanwartschaften am 31. 12. 2013, S. 217. Bei den Pflichtversicherten mit 64 Jahren beträgt die Rentenanwartschaft durchschnittlich 1217,24 E, vgl. Deutsche Rentenversicherung Bund, Rentenanwartschaften am 31. 12. 2013, S. 217. Es erscheint daher realitätsgerecht, davon auszugehen, dass trotz Absenkung des Rentenniveaus von 48,7 % im Jahr 2013 auf 43 % im Jahr 2030 (§ 154 III SGB VI) durch die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung bis zum Erreichen des Renteneintrittsalters typischerweise ein Anspruch auf Versorgung in Höhe des Existenzminimums begründet werden kann.

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wendige – kapitalgedeckte Altersversorgung berücksichtigt werden können. Der steuerliche Zugriff in der Bezugsphase nach § 22 Nr. 5 S. 1 EStG erfasst im Sinne einer nachgelagerten Besteuerung auch die Einkünfte, die in der Erwerbsphase aus Lenkungs- und Förderungsgründen unberücksichtigt geblieben sind.178 b) Vorsorgeaufwendungen i.S.v. § 10 I Nr. 3a EStG Die Vorsorgeaufwendungen i.S.v. § 10 I Nr. 3a EStG sind dem Bereich der privaten Einkommensverwendung zuzuordnen, die steuerlich grundsätzlich unbeachtlich ist. Mögen die Beiträge aufgrund der gesetzlichen Sozialversicherungspflicht auch zwangsläufig geleistet werden, müssen von Verfassungs wegen nur solche existenzieller Natur vom steuerlichen Zugriff ausgenommen werden.179 Bei der Beurteilung der Existenznotwendigkeit kommt es nicht auf die umstrittene Frage an, ob nur Aufwendungen zur „Befriedigung des gegenwärtigen Bedarfs“180 dem steuerfrei zu stellenden Existenzminimum unterfallen oder grundsätzlich auch zukunftsgerichtete Sparvorgänge einbezogen werden können.181 Mit den Vorsorgeaufwendungen wird ausschließlich das gegenwärtige Risiko der Arbeitsunfähigkeit, Erwerbs- und Berufsunfähigkeit usw. abgesichert.182 Dies zeigt sich deutlich an der Tatsache, dass der Versicherungsschutz vom Fortbestehen des Versicherungsverhältnisses abhängig ist und ein hiervon unabhängiger, beständiger Anspruch vergleichbar einer Anwartschaft nicht erworben wird. Fraglich erscheint allerdings, ob die Beiträge auch einen existenznotwendigen Bedarf finanzieren. Die Realisierung des Risikos selbst beeinträchtigt die menschenwürdige Existenz des Steuerpflichtigen nicht. Anders als in den Fällen von Krankheit oder Pflegebedürftigkeit, in welchen die Wiederherstellung der Gesundheit bzw. Pflegeleistungen für ein menschenwürdiges Dasein unverzichtbar ist bzw. sind, können sich Vorsorgefälle i.S.v. § 10 I Nr. 3a EStG lediglich existenzbedrohend183 auswirken. Durch die Risikorealisierung bedingte Einnahmeausfälle oder finanzielle Belastungen können – nach Verzehr von Einkommen und Vermögen des Betroffenen – zur Inanspruchnahme staatlicher Sozialleistungen zwingen. Deshalb mag eine Vorsorge von Existenzängsten befreien oder ein individuell höchst unterschiedliches Sicherungsbedürfnis 178

So auch Risthaus, DStR 2008, 845 (847). Vgl. hierzu 2. Kapitel § 5 III. (S. 113 ff.). A.A. Seer, StuW 1996, 323 (333 f.); Söhn, StuW 1990, 356 (359 f.); ders., in: Festschrift für Lang, S. 549 (559 f.). 180 BVerfG v. 25. 09. 1992, 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153 (179 f.). 181 Vgl. zu dieser Frage bereits die Ausführungen im Rahmen der Altersvorsorge im 1. Kapitel § 2 I. 1. d) (S. 30 ff.). 182 So auch zu den Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen BVerfG v. 13. 02. 2008, 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125 (156), sowie vorgehend der X. Senat des Bundesfinanzhofs in der Entscheidung v. 14. 12. 2005, X R 20/04, BStBl II 2006, 312 (326). A.A. XI. Senat v. 16. 10. 2002, XI R 41/99, BStBl II 2003, 179 (180 f.); v. 11. 12. 2002, XI R 17/00, BStBl II 2003, 650 (651 f.), zu den Renten-, Lebens-, Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen; Weber-Grellet, DStR 2003, 454 (455). 183 Söhn, StuW 1985, 395 (404); Tipke, StuW 1976, 157 (160). 179

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1. Kap.: Die Sonderausgaben im System des Einkommensteuerrechts

befriedigen. Die Freiheit von solchen Sorgen ist jedoch nicht Voraussetzung für eine menschenwürdige Existenz.184 Letztlich kann hier auch offen bleiben, ob eine Mindestabsicherung gegen allgemeine Lebensrisiken dem steuerfrei zu stellenden Existenzminimum unterfällt, wenn deren Realisierung die finanziellen Verhältnisse tiefgreifend verändern und in letzter Konsequenz zur sozialhilferechtlichen Bedürftigkeit führen kann.185 Jedenfalls ist der existenzsichernde Charakter deshalb abzulehnen, weil der durch die Beiträge i.S.v. § 10 I Nr. 3a EStG erlangte Versicherungsschutz über dem Niveau einer Mindestvorsorge liegt. Es soll der gegenwärtige Lebensstandard auch nach Eintritt des Versicherungsfalls zumindest annäherungsweise erhalten werden. Die Alterssicherungssysteme umfassen regelmäßig bereits eine hinreichende Absicherung gegen das Erwerbs- und Berufsunfähigkeitsrisiko sowie der Hinterbliebenen für den Todesfall, sodass eine zusätzliche private Vorsorge nicht als existenznotwendig zu bewerten ist.186 Die Leistungen der Arbeitslosenversicherung zielen auf die Eingliederung in den Arbeitsmarkt ab, mit Ausnahme des Arbeitslosengelds, dessen Höhe an das zuletzt erworbene jährliche Nettoentgelt anknüpft. Letzterem kommt eine dem Krankengeld187 vergleichbare Lohnersatzfunktion ohne existenziellen Charakter zu.188 Schließlich bestimmen sich die Leistungen der Unfall- und Haftpflichtversicherung nach dem Schadensereignis bzw. nach der Versicherungssumme und sind völlig unabhängig vom Bestehen eines etwaigen existenziellen Bedarfs. Zudem sprechen die Wertungen des SGB II und SGB XII als quantifizierende Vergleichsebene gegen die Zurechnung der Vorsorgeaufwendungen zum Existenzminimum. Während eine Kranken- und Pflegeversorgung nach § 26 I, II SGB II und § 32 SGB XII durch Entrichtung der Versicherungsbeiträge oder nach §§ 47 ff., 61 ff. SGB XII durch Übernahme der Kosten gewährleistet werden, bleiben anderweitige Vorsorgemaßnahmen bei der Leistungsgewährung außer Ansatz. Auch für die Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung und zu anderen verpflichtenden oder angemessenen Versicherungen ergibt sich keine andere Betrachtung: Diese können zwar im Rahmen der Ermittlung der Bedürftigkeit nach § 19 III, I SGB II bzw. §§ 85 ff. SGB XII gemäß § 11b I S. 1 Nr. 2, 3 SGB II bzw. § 82 II Nr. 2, 3 SGB XII in Abzug gebracht werden. Jedoch ist streng zwischen der Tatbestandsebene, insbesondere dem Vorliegen von Hilfebedürftigkeit, und der hier allein maßgeblichen

184 So auch Englisch, NJW 2006, 1025 (1026). A.A. Schmal, Der Abzug von Vorsorgeaufwendungen im Einkommensteuerrecht, S. 126 f. 185 So Englisch, NJW 2006, 1025 (1026 f.); Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 828 f. Zutreffend differenzierter Söhn, in: Festschrift für Lang, S. 549 (559 ff.). 186 Kulosa, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10 EStG Rn. 384; Söhn, in: Festschrift für Lang, S. 549 (560). 187 Vgl. zum Krankengeld BVerfG v. 13. 02. 2008, 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125 (161 f.). 188 BFH v. 18. 11. 2009, X R 6/08, BStBl II 2010, 282 (294); Kulosa, in: Herrmann/Heuer/ Raupach, EStG/KStG, § 10 EStG Rn. 384; Myßen/Wolter, NWB 2009, 2313 (2326 f.).

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Rechtsfolgenebene, der Gewährung von existenzsichernden Leistungen, zu unterscheiden.189 Auch widerspricht die Annahme, dass Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung nicht existenznotwendig sind, entgegen der Auffassung des Bundesfinanzhofs190 nicht den Wertungen des Sozialrechts. Es ist zutreffend, dass eine Pflichtmitgliedschaft als Eingriff in Art. 2 I GG regelmäßig nur gerechtfertigt werden kann, wenn sie die Absicherung existenzieller Risiken zum Gegenstand hat. Unter dieser Prämisse stellt sich die Versicherungspflicht zum einen als angemessenes Mittel zur Vorbeugung einer potentiellen staatlichen Belastung aufgrund mangelnder Eigenvorsorge dar.191 Zum anderen wird in verhältnismäßiger Weise einem typischerweise bestehenden Sicherungsbedürfnis Rechnung getragen, indem dieser Personenkreis Zugang zu einem angemessenen Schutz vor Risiken des persönlichen Lebens erhält.192 Von der Voraussetzung der Absicherung existenzieller Risiken ist jedoch die Frage zu unterscheiden, welches Versorgungsniveau solche Versicherungen bieten. Bei den hier in Rede stehenden Pflichtversicherungen liegt es, wie der Vergleich mit den Leistungen des SGB II bzw. SGB XII gezeigt hat, über dem existenziellen Bedarf.193 Es handelt sich um nicht existenznotwendige Aufwendungen194, die der steuerlich unbeachtlichen Privatsphäre zuzuordnen sind und die finanzielle Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen unberührt lassen. Gleichwohl können die Beiträge als Sonderausgaben von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden, soweit der 189 Vgl. Fn. 85. A.A. Schmal, Der Abzug von Vorsorgeaufwendungen im Einkommensteuerrecht, S. 117. 190 BFH v. 14. 12. 2005, X R 20/04, BStBl II 2006, 312 (325). 191 BVerfG v. 03. 04. 2001, 1 BvR 2014/95, BVerfGE 103, 197 (222 f.); Ruland, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Sozialrecht, Rn. 29. 192 Vgl. BVerfG v. 25. 02. 1960, 1 BvR 239/52, BVerfGE 10, 355 (369); v. 14. 10. 1970, 1 BvR 307/68, BVerfGE 29, 221 (236); v. 09. 02. 1977, 1 BvL 11/74, 1 BvL 2/75, 1 BvL 11/75 u. a., BVerfGE 44, 70 (89); Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, S. 51 ff. 193 Zur Frage eines verfassungsrechtlichen Abstandsgebots zwischen dem Leistungsniveau der Sozialversicherungen und der Sozialhilfe, vgl. Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, S. 240 ff. 194 So auch BFH v. 18. 11. 2009, X R 6/08, BStBl II 2010, 282 (294); v. 09. 09. 2015, X R 5/13, BStBl II 2015, 1043 (1045); Fischer, in: Kirchhof, EStG, § 10 Rn. 34; Kulosa, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10 EStG Rn. 384; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 208; Myßen/Wolter, NWB 2009, 2313 (2326 f.); Seer, StuW 1996, 323 (333), hinsichtlich der Mindestvorsorge gegen Arbeitslosigkeit; Söhn, in: Festschrift für Lang, S. 549 (559), mit Ausnahme der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung. A.A. Englisch, DStJG 37 (2014), 159 (179), zumindest dem Grunde nach unter Ausnahme der Haftpflichtversicherung; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 711; Mellinghoff, in: Leitgedanken des Rechts, Bd. II, § 174 Rn. 22, hinsichtlich der Beiträge für die Unfall-, die Arbeitslosen- und der Risikoversicherungen auf den Todesfall; Schmal, Der Abzug von Vorsorgeaufwendungen im Einkommensteuerrecht, S. 121 ff., unter Ausnahme der Risikolebensversicherung. Das Bundesverfassungsgericht hat zu dieser Frage noch nicht abschließend entschieden, vgl. BVerfG v. 13. 02. 2008, 2 BvR 1220/04, 2 BvR 410/05, BVerfGE 120, 169.

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1. Kap.: Die Sonderausgaben im System des Einkommensteuerrechts

Höchstbetrag von 2800 E bzw. 1900 E (§ 10 IV EStG195) durch die Aufwendungen i.S.v. § 10 I Nr. 3 EStG nicht ausgeschöpft wird. Darin ist eine rechtfertigungsbedürftige Durchbrechung der Belastungsgleichheit zu sehen. Insofern ist das sozialpolitische Ziel grundsätzlich anzuerkennen, insbesondere für Steuerpflichtige mit kleineren oder mittleren Einkommen einen Anreiz für eine zusätzliche Absicherung gegen derartige Lebensrisiken zu schaffen.196 2. Unterhalts- und Versorgungsleistungen an Dritte a) Ausgleichsleistungen im Rahmen bzw. zur Vermeidung eines Versorgungsausgleichs, § 10 Ia Nr. 3, 4 EStG Ein hinreichender, die Veranlassung durch die Erwerbssphäre begründender Zusammenhang zwischen den Ausgleichsleistungen im Rahmen oder zur Vermeidung eines Versorgungsausgleichs und den steuerbaren Versorgungsbezügen der geschiedenen Ehegatten besteht nicht. Es ist nicht ausreichend, dass die Leistungen entsprechend dem Korrespondenzprinzip beim Ausgleichsberechtigten zu steuerbaren Einkünften führen. Erforderlich ist eine Veranlassung durch eigene Einkünfte des Steuerpflichtigen. Ein solcher Zusammenhang mit der Erwerbssphäre erscheint insofern denkbar, als die Versorgungsanwartschaft wegen der Ausgleichsleistungen nicht geteilt wird und dem Steuerpflichtigen dadurch die Bezüge in voller Höhe erhalten bleiben. In diesem Sinne differenziert der Bundesfinanzhof danach, ob die durch die Parteien vereinbarten Leistungen kausal dafür geworden sind, dass eine dingliche Teilung nicht stattgefunden hat. Bejahendenfalls handele es sich um Erwerbsaufwendungen.197 Komme jedoch eine dingliche Teilung ohnehin nicht in Betracht, wie bei den Zahlungen im Rahmen des gesetzlich angeordneten schuld195 Vgl. 4. Kapitel § 11 II. 3. (S. 183 f.) zur Unvereinbarkeit der Höchstbetragsregelung mit Art. 3 I GG und Art. 6 I GG. 196 Vgl. BT-Drs. 16/13429, S. 44. 197 BFH v. 22. 08. 2012, X R 36/09, BStBl II 2014, 109 (112); hinsichtlich der Ausgleichsleistungen zur Erlangung ungekürzter Pensionsansprüche BFH v. 08. 03. 2006, IX R 107/ 00, BStBl II 2006, 446 (447 f.); v. 08. 03. 2006, IX R 78/01, BStBl II 2006, 448 (449); v. 24. 03. 2011, VI R 59/10, BFH/NV 2011, 1130 (1131); folgend Kulosa, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10 EStG Rn. 116; Mellinghoff, Stbg 1999, 60 (71 f.). Es ist jedoch zu beachten, dass nach der in den Streitjahren geltenden Fassung des Einkommensteuergesetzes Ausgleichszahlungen zur Vermeidung eines Versorgungsausgleichs anders als in der geltenden Fassung nicht als Sonderausgaben abzugsfähig gewesen sind. Erst mit dem Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 22. 12. 2014 (BGBl I 2014, 2417 [2423]) hat der Gesetzgeber in § 10 Ia Nr. 3 EStG einen entsprechenden Abzugstatbestand normiert. Nimmt man mit dem Bundesfinanzhof gleichwohl der Rechtsnatur nach Erwerbsaufwendungen an, stellt sich die Frage, ob solche Ausgleichszahlungen entgegen der im Einleitungssatz des § 10 I EStG zum Ausdruck kommenden Systematik mit konstitutiver Wirkung den Sonderausgaben zugeordnet werden. Bejahendenfalls wäre zu prüfen, ob sich der Gesetzgeber mit einer solchen Qualifikation im Rahmen seines Entscheidungs- und Gestaltungsspielraums bewegt.

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rechtlichen Versorgungsausgleichs, seien die Aufwendungen der Privatsphäre zuzuordnen.198 Ein solcher Ansatz lässt jedoch außer Betracht, dass auch solche Vereinbarungen typischerweise in der privaten Sphäre wurzeln, die kausal eine dingliche Teilung abwenden. Mag die Ausgleichsmethode auch den Zufluss ungekürzter Bezüge zur Folge haben, so wird doch primär ein angemessener und sachgerechter Ausgleich für die während der Ehe erworbenen Anwartschaften geschaffen. Folgerichtig qualifiziert der Gesetzgeber die Leistungen als Privataufwendungen, da sie nicht – jedenfalls nicht wesentlich – durch die Erwerbssphäre veranlasst sind.199 Die Annahme einer sich in der privaten Sphäre vollziehenden Vermögensumschichtung entspricht auch der Wertung des Zivilrechts. Danach werden, vergleichbar dem Zugewinnausgleich, die während der Ehe erworbenen, beiden Ehegatten zu gleichen Teilen zuzuordnenden Versorgungsanwartschaften auseinandergesetzt.200 Steuerrechtlich ist ein solcher Vorgang grundsätzlich unbeachtlich.201 Normiert der Gesetzgeber eine Regelung, welche die Ausgleichsleistungen beim Verpflichteten von der Steuer freistellt und diese stattdessen beim Ausgleichsberechtigten der Besteuerung unterwirft, mag man darin einen vom Zivilrecht abweichenden besonderen steuerlichen Ansatz sehen und einen „Transfer steuerbarer Einkünfte“ annehmen.202 Die Frage aber, ob der Abzug zur Verwirklichung der Besteuerungsgleichheit verfassungsrechtlich geboten ist oder vielmehr außerfiskalische Ziele verfolgt werden, kann auch eine solche Qualifikation nicht beantworten. Stattdessen muss darauf abgestellt werden, ob die finanzielle Leistungsfähigkeit des Ausgleichsverpflichteten durch entsprechende Zahlungen vermindert ist. Insofern ist es unerheblich, ob korrespondierend eine Besteuerung beim Ausgleichsberechtigten stattfindet, denn es gilt der Grundsatz der Individualbesteuerung.203 Maßgeblich ist allein die jeweilige individuelle Leistungsfähigkeit der geschiedenen Ehegatten unabhängig davon, ob die Aufwendungen bei dem einen Ehegatten steuerwirksam geworden sind oder der Vermögenszufluss bei dem anderen Ehegatten steuerbar ist. Auch kommt es nicht auf die zivilrechtliche Zwangsläufigkeit an.204 Von Verfassungs wegen müssen nur die nach den objektiv-rechtlichen Wertungen des Grundgesetzes unverzichtbaren, also die existenznotwendigen Aufwendungen berücksichtigt wer198

BFH v. 15. 06. 2010, X R 23/08, BFH/NV 2010, 1807 (1808). So auch v. Bornhaupt, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 9 Rn. B 700 („Versorgungsausgleichsleistungen“); Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10 Rn. E 528. 200 Vgl. BVerfG v. 28. 02. 1980, 1 BvL 17/77, 1 BvL 7/78, 1 BvL 9/78 u. a., BVerfGE 53, 257 (298 f.); v. 20. 05. 2003, 1 BvR 237/97, NJW 2003, 2819 (2820). 201 In diesem Sinne Stephan, DB 1986, 450 (453). 202 So BFH v. 18. 09. 2003, X R 152/97, BStBl II 2007, 749 (753); v. 15. 10. 2003, X R 29/01, BFH/NV 2004, 478 (479); v. 07. 07. 2014, X B 135/13, BFH/NV 2014, 1542 (1543); Heinicke, in: Schmidt, EStG, § 10 Rn. 153; Ruland, Versorgungsausgleich, Rn. 1259. 203 Söhn, in: Festschrift für Tipke, S. 343 (360). 204 Kulosa, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10 EStG Rn. 9; Müller, Das interpersonale Korrespondenzprinzip im Einkommensteuerrecht – Eine steuersystematische Betrachtung, S. 189. A.A. Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10 Rn. D 339. 199

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1. Kap.: Die Sonderausgaben im System des Einkommensteuerrechts

den.205 Auf die Sicherung der Existenz des geschiedenen Ehegattens zielen die Ausgleichsleistungen im Gegensatz zu den Unterhaltsleistungen jedoch nicht ab. Sie sind dem Grunde und der Höhe nach unabhängig von einem etwaigen Versorgungsbedürfnis des Ausgleichsberechtigten. Maßgebend sind allein die während der Ehe erworbenen Anwartschaften, deren Wert sich nach der Höhe der Beitragsleistungen bestimmt. Mittelbar wird also an die Einkommensverhältnisse während der Ehe angeknüpft. Mag es zivilrechtlich auch wegen des Grundsatzes der hälftigen Teilung bedenklich sein, wenn der Ausgleichswert nach den Bruttobezügen bestimmt wird, obgleich der Ausgleichsverpflichtete die Bezüge in vollem Umfang besteuern muss. Im Steuerrecht kann eine solche „störende Asymmetrie“206 hingenommen werden, soweit die Gleichheit der steuerlichen Lasten nicht beeinträchtigt wird.207 Im Hinblick auf Art. 3 I GG ist allerdings fraglich, ob der Sonderausgabenabzug nicht zum Zwecke der steuerlichen Gleichbehandlung der verschiedenen Ausgleichsmechanismen geboten ist. Beim dinglichen Versorgungsausgleich fließen den geschiedenen Ehegatten hälftig jeweils eigene steuerbare Einkünfte aus der geteilten Versorgungsanwartschaft zu. Hingegen hätte der Ausgleichsverpflichtete beim schuldrechtlichen Ausgleich die Bezüge ohne einen entsprechenden Abzug in vollem Umfang zu versteuern. Dies hätte zur Folge, dass sie einer progressiv höheren Besteuerung unterliegen. Entsprechend verblieben dem Steuerpflichtigen nach Besteuerung und schuldrechtlicher Teilung Versorgungsbezüge in geringerer Höhe als im Falle einer dinglichen Teilung. Solche Belastungsunterschiede erschienen jedoch bedenklich, da die Ausgleichsmechanismen bei wirtschaftlicher Betrachtung als äquivalent zu bewerten sind. Sie zielen gleichermaßen auf eine hälftige Teilhabe an den Versorgungsbezügen ab, belasten den Ausgleichsverpflichteten also grundsätzlich im Ergebnis gleich.208 Wirtschaftlich gesehen macht es keinen Unterschied, ob der Wert des Anwartschaftsrechts aufgrund der Teilung gemindert ist, mit der 205

Vgl. hierzu ausführlich 2. Kapitel § 5 II. 2. (S. 111 f.) und 2. Kapitel § 5 III. (S. 113 ff.). BFH v. 18. 09. 2003, X R 152/97, BStBl II 2007, 749 (754); v. 15. 10. 2003, X R 29/01, BFH/NV 2004, 478 (480). 207 A.A. BFH v. 18. 09. 2003, X R 152/97, BStBl II 2007, 749 (754); v. 15. 10. 2003, X R 29/01, BFH/NV 2004, 478 (480), der es für geboten hält, eine „störende Asymmetrie“ im Wege des Steuerrechts durch eine „Transferlösung“ zu vermeiden. Hiergegen spricht jedoch, dass ein solches Spannungsverhältnis dogmatisch richtig zivilrechtlich aufzulösen ist, da es nach dem Versorgungsausgleichsgesetz eine hälftige Teilung zu verwirklichen gilt. So kann die zu zahlende Steuer im Rahmen der Vereinbarung zur Vermeidung eines Versorgungsausgleichs bzw. inzwischen auch – anders als nach der vom BFH zugrundegelegten Rechtslage – bei der Bestimmung des im Grundsatz nach den Bruttobezügen bemessenen Ausgleichswerts über § 20 I S. 2 VersAusglG berücksichtigt werden. Während Brudermüller, in: Palandt, BGB, § 20 VersAusglG Rn. 9, dies ablehnt, differenziert Glockner, in: Münchener Kommentar, BGB, § 20 VersAusglG Rn. 51, zutreffend danach, ob der Verpflichtete die Ausgleichszahlungen zu versteuern hat. 208 So auch BVerfG v. 22. 02. 1995, 1 BvR 117/95, NJW-RR 1995, 916, zur Frage, ob im Rahmen eines schuldrechtlichen Versorgungsaugleichs abgetretene Versorgungsbezüge bei der Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge zu berücksichtigen sind. 206

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Folge von vornherein gekürzter Bezüge, oder ob die Hälfte der aus dem Anwartschaftsrecht fließenden Einnahmen weitergeleitet wird. Ein stärkerer steuerlicher Zugriff für den Fall eines schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs wäre daher als willkürlich zu bewerten. Die Belastung hinge allein vom Zufall der Ausgleichsreife der Anrechte ab. Daher müssen der dingliche und der schuldrechtliche Ausgleich, qualifiziert der Gesetzgeber die aus den Versorgungsanwartschaften fließenden Bezüge als steuerbares Einkommen, steuerlich gleich behandelt werden. Insofern ist der Abzug der Ausgleichszahlungen von Art. 3 I GG geboten.209 Folgerichtig müssen die Aufwendungen unabhängig davon abzugsfähig sein, ob die Versorgungsbezüge beim Ausgleichsberechtigten der Besteuerung unterliegen. b) Versorgungsleistungen im Zusammenhang mit einer Vermögensübertragung, § 10 Ia Nr. 2 EStG Mit der Neufassung des § 10 I Nr. 1a EStG durch das Jahressteuergesetz 2008 – § 10 Ia Nr. 2 EStG in der geltenden Fassung – hat der Gesetzgeber das von der Rechtsprechung210 entwickelte Rechtsinstitut der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen kodifiziert. Lediglich der sachliche Anwendungsbereich ist auf bestimmte Vermögen begrenzt worden. Versorgungsleistungen stellen Erträge dar, die sich der Versorgungsberechtigte aus dem von ihm unentgeltlich übertragenen Vermögen vorbehalten hat.211 Durch die vorweggenommene Zuweisung der zu erwirtschaftenden Erträge an den Unterhaltsberechtigten unterscheiden sie sich von den nicht abzugsfähigen Zuwendungen i.S.v. § 12 Nr. 2 EStG und durch das Fehlen einer Gegenleistung von Anschaffungskosten. Überdies stehen die Leistungen nicht in einem hinreichenden Zusammenhang mit der Erwerbssphäre,212 sondern sie dienen einem privaten Versorgungsinteresse. Ein Konkurrenzverhältnis zum Einleitungssatz des § 10 I S. 1 EStG besteht nicht. Handelt es sich aber um privat veranlasste Aufwendungen, die die steuerliche Leistungsfähigkeit grundsätzlich unberührt lassen, drängt sich die Frage nach der steuersystematischen Begründung des Sonderausgabenabzugs auf. Allein die Tatsache, dass steuerbare Einkünfte auf einen anderen Steuerpflichtigen transferiert werden213, kann die steuerliche Ver-

209 Ebenso BFH v. 18. 09. 2003, X R 152/97, BStBl II 2007, 749 (755); v. 15. 10. 2003, X R 29/01, BFH/NV 2004, 478 (481); Scheffler/Kandel, StuW 2011, 236 (244). 210 Grundlegend BFH v. 05. 07. 1990, GrS 4/89, GrS 5/89, GrS 6/89, BStBl II 1990, 847 (852); v. 15. 07. 1991, GrS 1/90, BStBl II 1992, 78 (84); v. 12. 05. 2003, GrS 1/00, BStBl II 2004, 95 (97 ff.). 211 Vgl. zur grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Konstruktion BVerfG v. 17. 12. 1992, 1 BvR 4/87, NJW 1993, 2093 (2094). 212 Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10 Rn. D 101. 213 In diesem Sinne BFH v. 14. 07. 1993, X R 54/91, BStBl II 1994, 19 (22); v. 31. 03. 2004, X R 66/98, BStBl II 2004, 830 (831); v. 11. 10. 2007, X R 14/06, BStBl II 2008, 123 (125); v. 08. 11. 2012, V R 57/10, BStBl II 2013, 912 (913), in ständiger Rechtsprechung.

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1. Kap.: Die Sonderausgaben im System des Einkommensteuerrechts

günstigung nicht rechtfertigen.214 Nach den allgemeinen Grundsätzen wären diese Einkünfte gleichwohl dem Versorgungsverpflichteten zuzurechnen. Dass die Erträge als vorbehalten gelten, ändert an diesem Ergebnis grundsätzlich nichts.215 Auch ist die steuerliche Leistungsfähigkeit des Versorgungsverpflichteten nicht gemindert, da die Versorgungsleistungen typischerweise keinen existenzsichernden Charakter haben. Die Aufwendungen gründen regelmäßig nicht in einer durch die familiäre Verbundenheit bedingten gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung, die dem Schutzbereich des Art. 6 I GG unterfällt.216 Auch wird deren Höhe typischerweise nach dem Versorgungsbedürfnis des Versorgungsberechtigten bestimmt. Maßgeblich wird regelmäßig nicht die sozialhilferechtliche Bedürftigkeit, sondern der soziale Status sein. Da die Leistungsfähigkeit des Versorgungsverpflichteten durch seine Leistungen an den Versorgungsberechtigten grundsätzlich nicht gemindert ist, muss § 10 Ia Nr. 2 EStG als eine echte Steuervergünstigung qualifiziert werden.217 Die Besserstellung, insbesondere auch gegenüber anderen Versorgungsleistungen ohne bzw. ohne privilegiertem Vermögen, findet ihre Rechtfertigung vor Art. 3 I GG darin, dass die künftige Versorgung unter Erhaltung der fortzuführenden – typischerweise im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übergebenen – Wirtschaftseinheit gesichert wird.218 Der Regelung liegen grundsätzlich anzuerkennende wirtschafts- und sozialpolitische Ziele zugrunde.219

214 Vgl. zur Unbeachtlichkeit eines „Einkünftetransfers“ die Ausführungen im Rahmen der Ausgleichsleistungen i.S.v. § 10 Ia Nr. 3, 4 EStG, 1. Kapitel § 2 III. 2. a) (S. 55). A.A. Fischer, in: Kirchhof, EStG, § 22 Rn. 12. 215 Hingegen „macht es Sinn“, so die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, die Leistungsfähigkeit von dem Versorger und dem Versorgungsempfänger in Konstellationen, in welchen die Versorgungsaufwendungen aus den erwirtschafteten Erträgen zu erbringen sind, korrespondierend zu bemessen, vgl. BVerfG v. 17. 12. 1992, 1 BvR 4/87, NJW 1993, 2093 (2094). Ähnlich Stöcker, in: Bordewin/Brandt, EStG, § 10 Rn. 204, der die Vorschriften des § 10 Ia Nr. 2 EStG und § 22 Nr. 1a EStG auch durch den Gedanken der vorbehaltenen Erträge für gerechtfertigt hält. 216 So auch Müller, Das interpersonale Korrespondenzprinzip im Einkommensteuerrecht – Eine steuersystematische Betrachtung, S. 273, und Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10 Rn. D 13, die jedoch sodann auf das Kriterium der Indisponibilität abstellen. 217 Hecht, Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen, S. 123 f.; Söhn, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10 Rn. D 13, 241, nimmt unter Zugrundelegung der Lehre vom indisponiblen Einkommen einen Förderungstatbestand insoweit an, als der Verpflichtungsgrund nicht zwangsläufig entstanden ist. 218 Vgl. BT-Drs. 16/6290, S. 53 f. 219 Vgl. zur Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Ausgestaltung des Tatbestands Hecht, Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen, S. 191 ff.; Krumm, StuW 2011, 159.

§ 2 Abzug dem Grunde nach

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c) Sonstige Kinderbetreuungskosten Der Abzug von Kinderbetreuungskosten nach § 10 I Nr. 5 EStG stellt eine Steuervergünstigung dar, soweit es sich nicht um einen erwerbsbedingten oder um einen existenzsichernden familiären Aufwand handelt.220 d) Schulgeld, § 10 I Nr. 9 EStG Eine hinreichende betriebliche bzw. berufliche Veranlassung besteht nicht, soweit das Entgelt für den Besuch einer allgemeinbildenden Schule entrichtet wird. Anders mag man dies beurteilen können, wenn es sich um Aufwendungen für berufsbildende Schulen handelt.221 Jedoch besteht allenfalls ein Zusammenhang mit der Erwerbssphäre des Kindes, keinesfalls zu derjenigen Dritter, die entsprechende Kosten tragen. Daher handelt es sich bei den Schulgeldzahlungen der Eltern generell um eine der privaten Sphäre zuzuordnenden Einkommensverwendung. Solche Aufwendungen müssen von Verfassungs wegen nicht berücksichtigt werden, wenn und weil sie nicht existenznotwendig sind. Sie decken einen Bedarf, dem durch staatlich finanzierte öffentliche Systeme hinreichend Rechnung getragen wird.222 Ergänzend werden im Rahmen des Familienlastenausgleichs sowie nach § 33a II EStG zusätzliche Bedarfe und die entsprechenden Kosten typisierend erfasst und abgegolten.223 Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht eine differenzierende Würdigung der Einkommensverwendung im Lichte betroffener Grundrechte, wie sie das Bundesverfassungsgericht fordert224. Zwar ist die Ausübung des aus Art. 7 IV GG i.V.m. Art. 6 II GG abzuleitenden Wahlrechts225 zwischen dem Besuch einer privaten oder öffentlichen Schule verfassungsrechtlich geschützt, gleichwohl sind die Kosten, die infolge der Entscheidung für eine Schule in freier Trägerschaft oder für eine privat finanzierte Schule entstehen, nach den objektiv-rechtlichen Wertungen des Grundgesetzes nicht unverzichtbar. Wegen des Bestehens eines staatlichen Schulsystems wird der Zugang zu Bildung als solcher nicht in Frage gestellt.226 Auch ist uner220

Vgl. hierzu bereits 1. Kapitel § 2 I. 2. c) (S. 37 f.). Vgl. zum Streit über die Rechtsnatur der Berufsausbildungskosten vorgehend 1. Kapitel § 2 I. 3. (S. 38 ff.). 222 Vgl. BVerfG v. 23. 11. 1976, 1 BvR 150/75, BVerfGE 43, 108 (121); v. 29. 05. 1990, 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60 (88); v. 26. 01. 1994, 1 BvL 12/86, BVerfGE 89, 346 (355). 223 Ähnlich BVerfG v. 16. 04. 2004, 2 BvR 88/03, HFR 2004, 690. 224 BVerfG v. 04. 12. 2002, 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (49); v. 16. 03. 2005, 2 BvL 7/00, BVerfGE 112, 268 (280); v. 09. 12. 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08 u. a., BVerfGE 122, 210 (235). 225 Vgl. Badura, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 7 Rn. 109; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 7 Rn. 28. 226 Im Ergebnis auch Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10 Rn. L 11. A.A. Ebner, DStZ 2009, 645 (652 f.); Geserich, Privater, gemeinwohlwirksamer Aufwand im System der deutschen Einkommensteuer und des europäischen Rechts, S. 73 f. 221

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1. Kap.: Die Sonderausgaben im System des Einkommensteuerrechts

heblich, ob die Unterhaltsverpflichtung der Eltern etwaige Schulgeldzahlungen umfasst.227 Jedenfalls muss der Unterhalt nicht in der zivilrechtlich geschuldeten Höhe berücksichtigt werden228, da es auf die Indisponibilität gerade nicht ankommt.229 Folglich handelt es sich um Aufwendungen, die zwar nicht die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen mindern, gleichwohl – sachlich dem Grunde nach zulässig – zur Förderung des Privatschulwesens steuermindernd berücksichtigt werden.230 3. Sonstige Steuervergünstigungen a) Zuwendungen zur Förderung steuerbegünstigter Zwecke und an politische Parteien, § 10b EStG In der Rechtsprechung und in der Literatur besteht – soweit ersichtlich – Einigkeit darüber, dass privat veranlasste Zuwendungen zur Förderung von gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken i.S.v. §§ 52 – 54 AO von Verfassungs wegen nicht berücksichtigt werden müssen. Umstritten ist jedoch die Frage, ob der Abzug solcher Aufwendungen dem Gebot der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit entspricht oder eine rechtfertigungsbedürftige Durchbrechung desselben darstellt. Nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung231 liegt eine Beeinträchtigung der Belastungsgleichheit nicht vor. Der Gesetzgeber könne gemeindienliche Ausgaben im Rahmen seines Gestaltungsspielraums als leistungsfähigkeitsmindernd qualifizieren, auch wenn solche Zuwendungen freiwillig geleistet würden. Es handele sich um eine „Art Steuerersatz oder Steuersurrogat“232. Durch Zuwendungen zur Förderung steuerbegünstigter Zwecke könnten entsprechend dem Grundsatz der Subsidiarität im Wege privater Initiative Aufgaben wahrgenommen werden, die der Staat ansonsten mit Mitteln finanzieren müsse, die als Steuern dem allgemeinen Haushalt zuflössen.233 Neben diese „konzeptionelle Alternativität“234 227

Vgl. hierzu Brudermüller, in: Palandt, BGB, § 1610 Rn. 13. Vgl. BVerfG v. 23. 11. 1976, 1 BvR 150/75, BVerfGE 43, 108 (121); v. 29. 05. 1990, 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60 (88); v. 26. 01. 1994, 1 BvL 12/86, BVerfGE 89, 346 (355). 229 Vgl. zu dieser Frage 2. Kapitel § 5 III. (S. 113 ff.). 230 So auch BVerfG v. 16. 04. 2004, 2 BvR 88/03, HFR 2004, 690; BFH v. 14. 10. 2008, X B 252/07, BFH/NV 2009, 23 (24); BT-Drs. 11/7833, S. 8; 16/10494, S. 3; Fischer, in: Kirchhof, EStG, § 10 Rn. 54; Förster, DStR 2012, 486 (488); Kulosa, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10 EStG Rn. 270; Lindberg, in: Frotscher, EStG, § 10 Rn. 166; Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10 Rn. L 7. 231 Geserich, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10b Rn. A 46; P. Kirchhof, DStJG 26 (2003), 1 (5); Mellinghoff, in: Leitgedanken des Rechts, Bd. II, § 174 Rn. 27 f.; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 832 f. 232 Unabhängige Sachverständigenkommission zur Prüfung des Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts, Gutachten, S. 228. 233 Mellinghoff, in: Leitgedanken des Rechts, Bd. II, § 174 Rn. 27. 228

§ 2 Abzug dem Grunde nach

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trete ein Zugewinn an Dispositionsmöglichkeiten, weshalb der Spendenabzug freiheitsschonender sei235. Die Steuerpflichtigen könnten selbst darüber entscheiden, ob und worin sie gemeinwohldienlichen Förderbedarf sähen, insbesondere auch in Bereichen aktiv werden, in welchen der Staat zur Neutralität verpflichtet sei.236 Durch einen solchen uneigennützigen Aufwand werde das für die private Bedürfnisbefriedigung und für die Steuerzahlung zur Verfügung stehende Einkommen vermindert,237 sodass es folgerichtig sei, diesen bei der Besteuerung außer Betracht zu lassen238. Ein solcher Ansatz steht jedoch im Widerspruch zu dem im Einkommensteuerrecht geltenden Grundsatz, dass die private freiwillige Einkommensverwendung unbeachtlich ist.239 Jeder Verausgabung ohne Gegenwert ist es immanent, dass mit ihr eine Minderung der zur Verfügung stehenden Mittel einhergeht.240 Gleichwohl sind private Aufwendungen nur dann zu berücksichtigen, wenn sie nach den objektiv-rechtlichen Wertungen des Grundgesetzes als zwangsläufig zu bewerten sind.241 Denknotwendig schließen sich jedoch Zwangsläufigkeit und freiwillige Spendentätigkeit aus. Allein wegen der Verwendung für selbstlose, im öffentlichen Interesse liegende Zwecke ist die steuerlich relevante Sphäre nicht betroffen. Ferner können Zuwendungen für steuerbegünstigte Zwecke nicht als die Einkommensteuer „ersetzend“ berücksichtigt werden. Anders als die grundsätzlich zweckungebundenen Steuern, die der allgemeinen staatlichen Einnahmeerzielung dienen und allen Steuerpflichtigen gleichmäßig auferlegt werden (vgl. § 3 I AO), leisten die Steuerpflichtigen solche Zuwendungen freiwillig und sie haben in diesem Rahmen auch die Hoheit über den Spendenzweck.242 Folglich müssen die Aufwendungen i.S.v. § 10b I EStG als steuerlich grundsätzlich unbeachtliche Vermögensverwendungen bewertet werden, die wegen außerfiskalischer Gründe begünstigt werden.243 Der Vergünstigungstatbestand findet seine Rechtfertigung darin, dass die 234

P. Kirchhof, DStJG 26 (2003), 1 (5). Geserich, Privater, gemeinwohlwirksamer Aufwand im System der deutschen Einkommensteuer und des europäischen Rechts, S. 26 ff. 236 Geserich, Privater, gemeinwohlwirksamer Aufwand im System der deutschen Einkommensteuer und des europäischen Rechts, S. 26 f. 237 Geserich, Privater, gemeinwohlwirksamer Aufwand im System der deutschen Einkommensteuer und des europäischen Rechts, S. 44; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 833. 238 Geserich, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10b Rn. A 33; ders., Privater, gemeinwohlwirksamer Aufwand im System der deutschen Einkommensteuer und des europäischen Rechts, S. 21 f.; P. Kirchhof, DStJG 26 (2003), 1 (5); Mellinghoff, in: Leitgedanken des Rechts, Bd. II, § 174 Rn. 27. 239 Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, S. 359; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, § 1 Rn. 68; Lang, StuW 1987, 221 (230, Fn. 73). 240 Zitzelsberger, StuW 1985, 197 (200). 241 Vgl. hierzu 2. Kapitel § 5 II. 2. (S. 111 f.) und 2. Kapitel § 5 III. (S. 113 ff.). 242 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 20 Rn. 15 (Fn. 3). 243 Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, S. 359; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 20 Rn. 15; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, § 1 Rn. 68; Isensee, 235

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1. Kap.: Die Sonderausgaben im System des Einkommensteuerrechts

als förderungswürdig anerkannte Bereitschaft gesteigert werden soll, Mittel für gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke zuzuwenden und dadurch regelmäßig die öffentlichen Kassen zu entlasten. Hingegen werden mit Zuwendungen an politische Parteien nicht gemeinnützige, sondern mittelbar durch die finanzielle Unterstützung einer Partei eigene politische Ziele verfolgt. Es handelt sich um privat veranlasste Aufwendungen, die die finanzielle Leistungsfähigkeit unberührt lassen. Ein etwaig bestehender Zusammenhang von Spenden mit der Erwerbssphäre stellt sich regelmäßig als nicht hinreichend konkret, jedenfalls im Verhältnis zu der vordergründig leitenden politischen Gesinnung als nicht wesentlich dar.244 Dies wird in § 4 VI EStG gegebenenfalls i.V.m. § 9 V EStG deklaratorisch normiert. Auch wäre es mit dem Gebot der Chancengleichheit der Parteien und des Rechts auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung unvereinbar, wenn eine Verlagerung solcher Aufwendungen in die Erwerbssphäre möglich wäre, mit der Folge eines grundsätzlich unbegrenzten steuermindernden Abzugs.245 Somit ist der Spendenabzug nach § 10b II EStG eine Steuervergünstigung, die den verfassungsrechtlich zulässigen Zweck verfolgt, die Finanzierung politischer Parteien im Wege der Förderung privater Zuwendungen zu unterstützen.246 Als Sonderausgaben können solche Aufwendungen allerdings nur insoweit in Ansatz gebracht werden, als sie nicht im Rahmen des vorrangigen § 34g EStG berücksichtigt werden. Mit der differenzierten Regelung des Parteispendenabzugs trägt der Gesetzgeber den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für die Berücksichtigung von Parteispenden247 Rechnung. Zur Wahrung der Chancengleichheit der Parteien und des Rechts auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung fordert es, dass jedem Bürger die Möglichkeit eröffnet werden müsse, in vergleichbarer Weise an der Steuervergünstigung teilzuhaben.248 Dies erfordere zum einen für alle Steuerpflichtigen einheitliche249 Höchstbeträge, die vom durchschnittlichen Einkommensempfänger erreicht werden könnten250. Zum andein: Festschrift für Dürig, S. 33 (42 ff.); Kulosa, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10b EStG Rn. 7; Lang, StuW 1987, 221 (246); Seer, DStJG 26 (2003), 11 (41); Zitzelsberger, StuW 1985, 197 (200). 244 Vgl. Hey, DB 2005, 1403 (1405 ff.), zur Abgrenzung der Parteispenden von Aufwendungen, die im Zusammenhang mit einer Gegenleistung stehen und deren Abzug grundsätzlich als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten in Betracht kommt. 245 BFH v. 25. 11. 1987, I R 126/85, BStBl II 1988, 220 (223). 246 Vgl. BVerfG v. 24. 06. 1958, 2 BvF 1/57, BVerfGE 8, 51 (65); v. 24. 07. 1979, 2 BvF 1/78, BVerfGE 52, 63 (84); v. 14. 07. 1986, 2 BvE 2/84, 2 BvR 442/84, BVerfGE 73, 40 (73); v. 09. 04. 1992, 2 BvE 2/89, BVerfGE 85, 264 (313). 247 Hierzu ausführlich im 4. Kapitel § 11 III. 2. a) (S. 187 f.). 248 Vgl. insbesondere BVerfG v. 24. 07. 1979, 2 BvF 1/78, BVerfGE 52, 63 (91); v. 14. 07. 1986, 2 BvE 2/84, 2 BvR 442/84, BVerfGE 73, 40 (75 f., 79); v. 09. 04. 1992, 2 BvE 2/89, BVerfGE 85, 264 (313). 249 Vgl. BVerfG v. 24. 06. 1958, 2 BvF 1/57, BVerfGE 8, 51; v. 14. 07. 1986, 2 BvE 2/84, 2 BvR 442/84, BVerfGE 73, 40. 250 BVerfG v. 09. 04. 1992, 2 BvE 2/89, BVerfGE 85, 264 (316).

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ren seien mit steigendem Einkommen progressive Entlastungswirkungen nur innerhalb enger Grenzen zulässig.251 Entsprechend wird eine Steuerermäßigung nach § 34g EStG in Höhe von 50 % der Zuwendungen, höchstens 825 E gewährt, mit der Folge einer gleichen Entlastung aller Steuerpflichtigen. Weitere Ausgaben können nach §§ 10b II, 2 IV EStG bis zu einem Betrag von 1650 E als Sonderausgaben berücksichtigt werden. Die steuerlichen Vorteile können progressionsbedingt maximal in Höhe von 742,50 E divergieren.252 b) Aufwand für Gebäude, Baudenkmäler und Kulturgüter, § 10f und § 10g EStG Bei den privat veranlassten Aufwendungen für Gebäude, Baudenkmäler und Kulturgüter i.S.v. § 10f und § 10g EStG handelt es sich um Förderungs- und Lenkungstatbestände. Während § 10f EStG einen Anreiz für Baumaßnahmen an Objekten schafft, die für eigene Wohnzwecke genutzt werden und besonderen öffentlich-rechtlichen Belastungen unterliegen,253 zielt § 10g EStG auf die Erhaltung und Bewahrung der im Privateigentum liegenden schutzwürdigen Kulturgüter ab.254

IV. Zwischenergebnis Die Sonderausgabentatbestände der §§ 10 ff. EStG sind ein Sammelsurium verschiedenster Aufwendungen. Für deren Steuerwirksamkeit dem Grunde nach besteht kein einheitliches „Konzept“. Der Gesetzgeber verfolgt zum einen Fiskal- und zum anderen Sozialzwecke. Die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge i.S.v. § 10 I Nr. 3 EStG, die Unterhaltsleistungen, die Kirchensteuer, die Altersvorsorgeaufwendungen sowie die Kinderbetreuungskosten im Falle einer Behinderung oder einer Krankheit haben zumindest dem Grunde nach existenzsichernden Charakter. Diese Sonderausgabentatbestände verwirklichen im Zusammenwirken mit dem Grundfreibetrag und den Kinderfreibeträgen das verfassungsrechtliche Gebot zur Steuerfreistellung des eigenen und familiären Existenzminimums. Im Übrigen handelt es sich um Förderungs- und Lenkungstatbestände. Die zugrunde liegenden außerfiskalischen Ziele sind grundsätzlich geeignet, die Durchbrechung der Belastungsgleichheit zu rechtfertigen. Zudem hat sich gezeigt, dass bei den Altersvor251 BVerfG v. 24. 06. 1958, 2 BvF 1/57, BVerfGE 8, 51 (65 ff.); v. 03. 12. 1968, 2 BvE 1/67, 2 BvE 3/67, 2 BvE 5/67, BVerfGE 24, 300 (358 f.); v. 24. 07. 1979, 2 BvF 1/78, BVerfGE 52, 63 (88 ff.); v. 09. 04. 1992, 2 BvE 2/89, BVerfGE 85, 264 (313 f.). 252 Vgl. zur Vereinbarkeit der Regelung des Parteispendenabzugs mit dem Recht des Bürgers auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung und der Chancengleichheit der Parteien einerseits Kulosa, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10b EStG Rn. 111; andererseits Steiner, in: Lademann, EStG, § 10b Rn. 149. Nach Kirchhof, in: Kirchhof, EStG, § 10b Rn. 54, ist die verfassungsrechtlich zulässige „äußerste[n] Grenze“ erreicht. 253 BT-Drs. 11/5680, S. 1, 13. 254 Clausen, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10g EStG Rn. 1.

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1. Kap.: Die Sonderausgaben im System des Einkommensteuerrechts

sorgeaufwendungen, den Berufsausbildungskosten sowie den erwerbsbedingten Kinderbetreuungskosten auch ein Zusammenhang mit der Erwerbssphäre besteht. Unbegründet erscheint es daher nicht, wie es in weiten Teilen der Literatur vertreten wird, die Aufwendungen als Betriebsausgaben/Werbungskosten zu qualifizieren. Hiervon zu unterscheiden ist allerdings die Frage, ob die Zuordnung zur Erwerbssphäre verfassungsrechtlich zwingend ist oder sich der Gesetzgeber mit der Zuordnung zur Privatsphäre vielmehr innerhalb seines Entscheidungs- und Gestaltungsspielraums bewegt.255 Aufgrund der Inhomogenität der Sonderausgaben unterliegt der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der jeweiligen Abzugstatbestände, wie sich noch zeigen wird, auch divergierenden verfassungsrechtlichen Vorgaben. Die Grenzen seines Entscheidungs- und Gestaltungsspielraums werden in den nachfolgenden Kapiteln konkretisiert. Insbesondere wird sich in diesem Rahmen die Frage stellen, ob die Wirkungen des Sonderausgabenabzugs gleichermaßen den Anforderungen an Fiskal- und Sozialzwecknormen entsprechen.

§ 3 Verhältnis der Sonderausgabentatbestände zu anderen Vorschriften des Einkommensteuergesetzes Wie schon die Ausführungen zum Abzug dem Grunde nach haben erkennen lassen, stehen die Sonderausgabentatbestände in einem Spannungsverhältnis auch zu anderen einkommensteuerrechtlichen Normen. Grundsätzlich hält der Gesetzgeber den Abzug der in den einzelnen Nummern des § 10 I, Ia EStG sowie in den §§ 10a, 10b, 10f, 10g EStG aufgezählten Aufwendungen als Sonderausgaben für möglich. Im konkreten Einzelfall können die tatbestandlich erfassten Ausgaben jedoch auch die abstrakt-generellen Voraussetzungen für das Vorliegen von Erwerbsaufwendungen bzw. von außergewöhnlichen Belastungen erfüllen. So besteht etwa bei der Berufshaftpflichtversicherung, bei den erwerbsbedingten Kinderbetreuungskosten sowie jedenfalls bei einer weiteren Ausbildung (auch) ein Veranlassungszusammenhang mit der betrieblichen/beruflichen Sphäre. Als außergewöhnliche Belastung i.S.v. § 33 I S. 1 EStG mag man der Legaldefinition nach beispielsweise behinderungsbedingte Kinderbetreuungskosten und Unterhaltsleistungen qualifizieren können. In solchen Konstellationen besteht ein Konkurrenzverhältnis zwischen den verschiedenen Abzugstatbeständen, das es aufzulösen gilt. Es stellt sich daher die Frage, in welchem Verhältnis die Tatbestände nach der einfachgesetzlichen Systematik zueinander stehen (I. und II.). Darüber hinaus ist zu untersuchen, wie sich der Sonderausgabenabzug zu den Abzugsverboten des § 12 EStG verhält, die einfachrechtlich dem Grundsatz der Unbeachtlichkeit der privaten Lebensführung Rechnung tragen (III.). 255

Vgl. 2. Kapitel § 4 III. (S. 91 ff.).

§ 3 Verhältnis zu anderen Vorschriften

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I. Verhältnis zu den Betriebsausgaben und Werbungskosten 1. Vorrang des Betriebsausgaben-/Werbungskostenabzugs, § 10 I S. 1 EStG Expressis verbis regelt der einleitende Satz des § 10 I EStG das Verhältnis der Erwerbsaufwendungen und der Sonderausgabentatbestände zueinander. Vorrangig ist demnach der Abzug der Aufwendungen im Rahmen der Einkünfteermittlung als Betriebsausgaben/Werbungskosten. Diese Regelung geht auf das Einkommensteuergesetz vom 10. 08. 1925256 zurück, in welchem der Gesetzgeber einen Abzug von Schuldzinsen, bestimmten Renten und dauernden Lasten nur dann nach § 15 I Nr. 3 EStG zugelassen hat, wenn es sich dabei nicht um Werbungskosten gehandelt hat. Diese Differenzierung ist von dem Gedanken getragen gewesen, den Erfolg in der Erwerbssphäre richtig zu ermitteln.257 Eine entsprechende Regelung findet sich nach der Zuordnung der Schuldzinsen, Renten und dauernden Lasten zu den neu geschaffenen Sonderausgaben in § 10 I Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes vom 16. 10. 1934258. Weil auch andere als Sonderausgaben abzugsfähige Aufwendungen in der Erwerbssphäre anfallen können und in diesem Fall den betrieblichen/beruflichen Erfolg beeinflussen, ist der Vorrang durch das Gesetz zur Neuordnung von Steuern vom 16. 12. 1954259 im Einleitungssatz des § 10 I EStG normiert und so auf alle Sonderausgaben „klarstellend“260 ausgeweitet worden. An dieser Regelung hält der Gesetzgeber bis hin zur geltenden Fassung des Einkommensteuergesetzes fest. Daher ist der Steuerwirksamkeit als Sonderausgabe grundsätzlich – sofern der Gesetzgeber keine konstitutive Zuordnung zu den §§ 10 ff. EStG vorgenommen hat261 – die Frage vorgelagert, ob und in welchem Umfang es sich um Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten handelt.262 Der Abzug nach §§ 10 ff. EStG i.V.m. § 2 IV EStG ist zu versagen, wenn der Rechtsnatur nach Aufwendungen vorliegen, die ausschließlich durch die Erwerbssphäre veranlasst sind. Selbst wenn der Gesetzgeber unter Anerkennung des Betriebsausgaben- oder Werbungskostencharakters den Abzug ausschließt oder beschränkt, wie insbesondere in § 4 V EStG oder § 9 I S. 3 EStG, muss entsprechend der gesetzlichen Systematik und, um ein Leerlaufen der

256

RGBl I 1925, 189 ff. Zimmermann, Kommentar zum Einkommensteuergesetz vom 10. August 1925, § 15, S. 159. 258 RGBl I 1934, 1005 ff. 259 BGBl I 1954, 373 ff. 260 BT-Drs. 2/481, S. 81. 261 Vgl. zu den Grenzen einer konstitutiven Zuordnung nachfolgend 2. Kapitel § 4 III. 2. und 3. (S. 98 ff.). 262 BFH v. 10. 06. 1986, IX R 11/86, BStBl II 1986, 894 (895); v. 14. 12. 1994, X R 74/91, BStBl II 1995, 259 (260 f.); v. 18. 06. 2009, VI R 14/07, BStBl II 2010, 816 (817); sowie die Parallelentscheidungen vom selbigen Tag VI R 6/07, BFH/NV 2009, 1796 (1797), und VI R 31/07, BFH/NV 2009, 1797 (1798). 257

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1. Kap.: Die Sonderausgaben im System des Einkommensteuerrechts

einschränkenden Regelungen zu verhindern, das Vorliegen von Sonderausgaben verneint werden.263 a) Trennbar gemischt veranlasste Aufwendungen Für den Fall einer gemischten Veranlassung normiert der Einleitungssatz des § 10 I S. 1 EStG nicht generell das Gebot, solche Aufwendungen in voller Höhe vorrangig im Rahmen der Einkünfteermittlung zu berücksichtigen. Ausweislich der Gesetzesbegründung kommt der Regelung lediglich eine klarstellende Bedeutung zu.264 Maßgeblich ist daher, ob bzw. inwieweit es sich bei gemischter Veranlassung der Rechtsnatur nach um Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten handelt. Typisierend sind gemischt veranlasste Aufwendungen vollumfänglich als vorrangig abzuziehende Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten zu behandeln, wenn die private Mitveranlassung unwesentlich und daher zum Zwecke der Verwaltungsvereinfachung außer Ansatz bleiben kann. Im umgekehrten Fall ist eine unwesentliche Veranlassung durch die Erwerbssphäre nicht zu berücksichtigen. Die Aufwendungen sind in vollem Umfang als privat zu qualifizieren und als Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte in Abzug zu bringen. Hingegen ist die Rechtsnatur bei wesentlich gemischter Veranlassung umstritten. Während Teile der Literatur zumindest bei trennbar gemischter Veranlassung aufteilen und im jeweiligen Umfang Erwerbs- bzw. Privataufwendungen annehmen, schließen andere Teile der Literatur das Vorliegen von Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten in jeder Hinsicht aus.265 Losgelöst von dieser Frage muss jedenfalls berücksichtigt werden, dass mit dem Abzug nach § 2 II EStG oder nach § 2 IV EStG nicht nur unerhebliche unterschiedliche Rechtsfolgen verbunden sind. Die Zuordnungsentscheidung wirkt sich auf die Höhe der zumutbaren Belastung i.S.v. § 33 III EStG aus. Vor allem aber hat sie auf die Frage Einfluss, ob ein Verlustvor- bzw. -rücktrag nach § 10d EStG möglich ist. Im Hinblick auf Art. 3 I GG erscheint es daher bedenklich, wenn dem Steuerpflichtigen wegen der privaten Mitveranlassung ein Abzug nach den Grundsätzen des objektiven Nettoprinzips verwehrt bzw. privat veranlasster Aufwand nach den günstigeren Regelungen für Erwerbsaufwendungen zum Abzug gebracht wird. Zumal eine solche folgewidrige Behandlung der Aufwendungen im Falle der Trennbarkeit der Veranlassungsbeiträge ohne Weiteres dadurch vermieden werden kann, dass der Aufwand entsprechend aufgeteilt wird. Daher ist zumindest im Wege verfassungskonformer Auslegung des Einleitungssatzes von § 10 I EStG davon 263 BFH v. 21. 07. 1966, IV 170/61, BStBl III 1966, 646; v. 31. 01. 1969, VI R 114/68, BStBl II 1969, 294 (295); v. 10. 06. 1986, IX R 11/86, BStBl II 1986, 894 (895), zum Schuldzinsenabzug nach § 10 I Nr. 1 EStG, der jedoch durch das Steueränderungsgesetz v. 26. 06. 1973 (BGBl I 1973, 676) abgeschafft worden ist. Im Ergebnis auch Kulosa, in: Herrmann/Heuer/ Raupach, EStG/KStG, § 10 EStG Rn. 45; Rindermann, in: Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 10 Rn. 10. 264 BT-Drs. 2/481, S. 81. 265 Vgl. zum Streitstand Arndt, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 12 Rn. A 26 ff.

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auszugehen, dass sich der Vorrang des Abzugs als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten bei trennbar gemischter Veranlassung nur auf den durch die Erwerbssphäre veranlassten Teil bezieht.266 Sollen solche Aufwendungen entgegen der gesetzlichen Systematik in vollem Umfang nach §§ 10 ff. EStG i.V.m. § 2 IV EStG berücksichtigt werden, muss sie der Gesetzgeber mit konstitutiver Wirkung den Sonderausgaben zuordnen. In diesem Falle entfaltet der jeweilige Sonderausgabentatbestand als lex specialis zugleich eine Sperrwirkung gegenüber dem allgemeinen Betriebsausgaben-/Werbungskostenabzug.267 Im geltenden Einkommensteuerrecht hat der Gesetzgeber eine solche Zuordnungsentscheidung für trennbar gemischt veranlasste Aufwendungen nicht getroffen. b) Untrennbar gemischt veranlasste Aufwendungen Hingegen müssen die untrennbar gemischt veranlassten Aufwendungen alternativ als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten oder als Sonderausgaben berücksichtigt werden, da eine Aufteilung mangels objektivierbarer Kriterien ausscheidet. Es bedarf einer gesetzgeberischen Zuordnungsentscheidung, die bezogen auf den einzelnen Tatbestand oder generell für derartige Fallkonstellationen getroffen werden kann. Als eine solche grundsätzliche Regelung kommt der Einleitungssatz des § 10 I EStG in Betracht. Hiergegen spricht jedoch, dass der Vorrang der Betriebsausgaben und Werbungskosten ausweislich der Gesetzesbegründung nur klarstellend normiert worden ist.268 Eine Zuordnungsentscheidung hinsichtlich der Behandlung untrennbar gemischt veranlasster Aufwendungen sollte nach dem gesetzgeberischen Willen folglich nicht getroffen werden. Auch unter Berücksichtigung des Telos der Vorschrift, den Erfolg in der Erwerbssphäre richtig zu ermitteln, ist eine andere Auslegung nicht geboten. Unabhängig von der Zuordnung wird das betriebliche/berufliche Ergebnis stets durch die Berücksichtigung untrennbar gemischt veranlasster Aufwendungen „verfälscht“: Der Erfolg ist „nicht richtig“ bemessen, weil entweder die Mitveranlassung durch die Erwerbssphäre unberücksichtigt bleibt (Abzug als Sonderausgaben) oder privat mitveranlasste Anteile im Rahmen der Einkünfteermittlung steuerwirksam werden (Abzug als Betriebsausgaben bzw. Werbungskos266 BFH v. 10. 06. 1986, IX R 11/86, BStBl II 1986, 894 (895); v. 12. 07. 1989, X R 35/86, BStBl II 1989, 967 (968); v. 22. 06. 1990, VI R 2/87, BStBl II 1990, 901 (902 f.). So auch Arndt, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 12 Rn. A 25; Fischer, in: Kirchhof, EStG, § 10 Rn. 1, 40; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 701; Kulosa, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10 EStG Rn. 45; Heinicke, in: Schmidt, EStG, § 10 Rn. 1, 107; Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10 Rn. A 48 f. Der Bundesfinanzhof verneint in der Entscheidung v. 18. 04. 1996, VI R 54/95, BFH/NV 1996, 740 (741), eine Aufteilbarkeit im Falle der gleichzeitigen Mischveranlassung, bejaht diese jedoch bei zeitlich aufeinanderfolgender Nutzung. 267 Zu den verfassungsrechtlichen Grenzen einer konstitutiven Zuordnung zu den Sonderausgaben, vgl. 2. Kapitel § 4 III. 3. (S. 99 ff.). 268 BT-Drs. 2/481, S. 81.

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1. Kap.: Die Sonderausgaben im System des Einkommensteuerrechts

ten). Aus diesem Grund zwingt – anders als bei den trennbaren Teilen gemischt veranlasster Aufwendungen – eine verfassungskonforme Auslegung nicht dazu, diese Ausgaben vorrangig im Rahmen der Einkünfteermittlung zu berücksichtigen. Folglich kann weder der gesetzlichen Systematik noch dem Einleitungssatz des § 10 I EStG entnommen werden, dass untrennbar gemischt veranlasste Aufwendungen als Erwerbsaufwendungen zu berücksichtigen sind.269 Vielmehr trifft der Gesetzgeber mit der Qualifikation als Sonderausgaben die maßgebende, konstituierende Zuordnungsentscheidung.270 Ferner kann eine gesetzgeberische Entscheidung, wie untrennbar gemischt veranlasste Aufwendungen zu berücksichtigen sind, nicht § 12 Nr. 1 EStG entnommen werden. Das Aufteilungs- und Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 S. 2 EStG271 greift nach dem Einleitungssatz des § 12 EStG expressis verbis – mit Ausnahme von § 10 Ia Nr. 2 – 4 EStG – nicht in Bezug auf Sonderausgaben.272 Allerdings kann daraus richtigerweise273 nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass wegen der Nichtanwendbarkeit des Aufteilungs- und Abzugsverbots in jedem Falle eine Aufteilung erfolgen muss. Es handelt sich lediglich für die Fälle der untrennbar gemischten Veranlassung im Sinne von § 12 Nr. 1 S. 2 EStG um eine punktuelle Klarstellung der Rechtslage. Entsprechend der vorangegangenen Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs zu den Repräsentationsaufwendungen soll die Abgrenzung der steuerlich beachtlichen Erwerbssphäre von der unbeachtlichen Privatsphäre dadurch erfolgen, dass zur Vermeidung eines unerwünschten Eindringens in den privaten Lebensbereich im Zweifel der Nichtabzugsfähigkeit der Vorrang eingeräumt wird.274 Ein darüber hinausgehender gesetzgeberischer Wille, inzident auch eine Regelung für das Zusammentreffen der Erwerbssphäre mit der ausnahmsweise beachtlichen Pri269

Für nicht zwingend hält dies Kulosa, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10 EStG Rn. 45. A.A. BFH v. 18. 04. 1996, VI R 54/95, BFH/NV 1996, 740 (741), und darauf Bezug nehmend Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 701, die solche Aufwendungen vorrangig als Erwerbsaufwendungen berücksichtigen wollen. Für einen zwingenden Sonderausgabenabzug Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10 Rn. A 53. 270 So auch Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10 Rn. A 53, der die Zuordnung zu den Sonderausgaben für allein maßgebend hält. 271 Nach der Rechtsprechungsänderung durch den Beschluss des BFH v. 21. 09. 2009, GrS 1/06, BStBl II 2010, 672, kommt das Aufteilungs- und Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 S. 2 EStG nur noch in Fällen der untrennbar gemischten Veranlassung zum Tragen. 272 Im Ergebnis auch Fischer, in: Kirchhof, EStG, § 10 Rn. 1; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 701. 273 So BFH v. 18. 04. 1996, VI R 54/95, BFH/NV 1996, 740 (741); Kulosa, in: Herrmann/ Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10 EStG Rn. 18; Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10 Rn. A 49. 274 Vgl. Gesetzesbegründung zum Einkommensteuergesetz v. 16. 10. 1934, RStBl I 1935, 33 (41), und die in Bezug genommene vorangegangene Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs v. 23. 01. 1929, VI A 719/27, RStBl 1929, 448; v. 20. 03. 1930, VI A 147/30, RFHE 27, 82 (84); v. 13. 11. 1930, VI A 558/30, RStBl 1931, 108; v. 10. 06. 1931, VI A 686/31, StuW 1931, Sp. 1305 (1307); v. 04. 05. 1932, VI A 1646/31, RStBl 1932, 727 (728); v. 23. 06. 1933, VI A 1493/30, RStBl 1933, 811 (812); v. 23. 06. 1933, VI A 170/32, RStBl 1933, 812 (814).

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vatsphäre zu treffen, ist den Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen. Daher scheidet ein Umkehrschluss im Sinne eines Aufteilungs- und Abzugsgebots aus. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass das Einkommensteuergesetz keine grundsätzliche Regelung enthält, wie die in Rede stehenden untrennbar gemischt veranlassten Aufwendungen zu behandeln sind. Das Spannungsverhältnis zwischen der Erwerbssphäre und der Privatsphäre, die im Rahmen des Sonderausgabenabzugs ausnahmsweise steuerlich beachtlich ist, wird einfachgesetzlich nicht generell aufgelöst. Vielmehr ist in jedem Einzelfall eine entsprechende Zuordnungsentscheidung durch den Gesetzgeber zu treffen, die den Anforderungen der Verfassung genügen muss.275 2. Einwirkung der Abzugsverbote des § 12 EStG auf das Verhältnis der Tatbestände Die Tatbestände des § 12 EStG normieren in ihrem Anwendungsbereich ein generelles Abzugsverbot. Deren Verfassungsmäßigkeit vorausgesetzt, schließen sie den Abzug ausweislich des Gesetzeswortlauts „bei den einzelnen Einkunftsarten“ sowie „vom Gesamtbetrag der Einkünfte“ aus. Daher ist grundsätzlich, sofern kein anderer gesetzgeberischer Wille erkennbar ist, eine Berücksichtigung der Aufwendungen sowohl bei den Betriebsausgaben/Werbungskosten als auch bei den Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen ausgeschlossen. Eine abweichende Bestimmung wird jedoch im Einleitungssatz des § 12 EStG getroffen, der eine Vielzahl der hier interessierenden Sonderausgaben vom Anwendungsbereich des Abzugsverbots ausnimmt. Hingegen ist es nach dem Wortlaut ausgeschlossen, dass Erwerbsaufwendungen im Rahmen der Einkünfteermittlung steuerwirksam werden. Allerdings wird die Frage diskutiert, ob sich der Vorbehalt des § 12 EStG mittelbar auch auf Erwerbsaufwendungen erstrecken kann. Durch die Aufzählung der Sonderausgabentatbestände könnte der Einleitungssatz des § 10 I EStG mit der Wirkung in Bezug genommen sein, dass dem Sonderausgabenabzug wiederum der Betriebsausgaben-/Werbungskostenabzug vorgeht, wenn bzw. soweit diese Aufwendungen (trennbar) betrieblich bzw. beruflich (mit-)veranlasst sind. Gestützt auf einen solchen doppelten Vorbehalt hat der Bundesfinanzhof, der die Berufsausbildungskosten der Rechtsnatur nach als Erwerbsaufwendungen einordnet, bis zum rückwirkenden Inkrafttreten der § 4 IX EStG und § 9 VI EStG a.F. zum Veranlagungszeitraum 2004276 angenommen, dass mit § 10 I Nr. 7 EStG im Sinne des 275

Hierzu ausführlich 2. Kapitel § 4 III. 2. (S. 98 f.). Die durch das Gesetz zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften v. 07. 12. 2011 (BGBl I 2011, 2592) eingefügten Vorschriften sind zuletzt durch das Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 22. 12. 2014 (BGBl I 2014, 2417) geändert worden. Vgl. Fn. 118 zur Entwicklung der Vorschriften im Zusammenhang mit den Bildungsaufwendungen als Reaktion des Gesetzgebers auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs. 276

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1. Kap.: Die Sonderausgaben im System des Einkommensteuerrechts

Einleitungssatzes von § 12 EStG etwas „anderes bestimmt“ und entgegen § 12 Nr. 5 EStG a.F.277 ein Betriebsausgaben-/Werbungskostenabzug zulässig sei.278 Auch wird von Teilen der Literatur bei entsprechender Argumentation die Steuerwirksamkeit von erwerbsbedingten Kinderbetreuungskosten im Rahmen der Einkünfteermittlung entgegen § 12 Nr. 1 S. 2 EStG als Betriebsausgaben/Werbungskosten für zulässig erachtet.279 Grundsätzlich denkbar ist die Konstruktion eines doppelten Vorbehalts bei betrieblich bzw. beruflich veranlassten als auch bei trennbaren Teilen gemischt veranlasster Aufwendungen, die nach § 10 I S. 1 EStG vorrangig im Rahmen der Einkünfteermittlung zu berücksichtigen sind. Tatsächlich stößt dieser Ansatz jedoch auf erhebliche Zweifel: Zunächst erscheint fraglich, ob durch § 12 EStG überhaupt der Einleitungssatz des § 10 I EStG in Bezug genommen wird. Erstreckt sich der Vorbehalt nur auf die jeweiligen Nummern, wie der Wortlaut nahe legt, kann über § 10 I S. 1 EStG der Betriebsausgaben-/Werbungskostenabzug gar nicht eröffnet werden. Gegen eine solche Wortlautauslegung spricht jedoch die Entwicklung der Vorschriften. So haben die Abzugsverbote des § 12 EStG bis zum Steueränderungsgesetz 1979 „unbeschadet des § 10 [EStG]“ gegolten.280 Etwaige Anhaltspunkte gegen eine Einbeziehung auch des Einleitungssatzes haben nicht bestanden. Erst in der Fassung des Steueränderungsgesetzes sind die abweichend von § 12 EStG als Sonderausgaben abzugsfähigen Aufwendungen in dessen Einleitungssatz nummerisch aufgelistet gewesen. Mit der Neuregelung ist jedoch zugleich eine Begrenzung des Vorbehalts auf bestimmte Sonderausgabentatbestände verbunden gewesen, konkret sind die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten

277

Aufgehoben durch das Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 22. 12. 2014 (BGBl I 2014, 2417). 278 BFH v. 28. 07. 2011, VI R 5/10, BStBl II 2012, 553 (555); v. 28. 07. 2011, VI R 7/10, BStBl II 2012, 557 (559); v. 28. 07. 2011, VI R 38/10, BStBl II 2012, 561 (562); v. 28. 07. 2011, VI R 8/09, BFH/NV 2011, 2038 (2039); v. 28. 07. 2011, VI R 59/09, BFH/NV 2012, 19 (20); v. 15. 09. 2011, VI R 22/09, BFH/NV 2012, 26 (27); v. 15. 09. 2011, VI R 15/11, BFH/NV 2012, 27 (28). 279 Kanzler, NWB 2011, 525 (538); Nacke, DB 2011, 132 (133 f.); Scharfenberg/Marbes, DB 2011, 2282 (2283); offenlassend Heinicke, in: Schmidt, EStG, § 10 Rn. 86. 280 Der Vorrang der Erwerbsaufwendungen ist zunächst nur für Schuldzinsen und für auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende Renten und dauernde Lasten in § 15 I Nr. 3 EStG in der Fassung v. 10. 08. 1925 (RGBl I 1925, 189 [192]) und § 10 I Nr. 2 EStG in der Fassung v. 16. 10. 1934 (RGBl I 1934, 1005 [1008]) normiert gewesen. Entsprechend ist in § 18 I EStG in der Fassung v. 10. 08. 1925 (RGBl I 1925, 189 [193]) und diesem nachfolgend in § 12 EStG in der Fassung v. 16. 10. 1934 (RGBl I 1934, 1005 [1009]) geregelt worden, dass die Abzugsverbote nur „unbeschadet des § 15 Abs. 1 Nr. 3 [EStG in der Fassung v. 10. 08. 1925]“ bzw. „unbeschadet der Vorschrift des § 10 [EStG in der Fassung v. 16. 10. 1934]“ gelten. An der letzteren Formulierung hat der Gesetzgeber auch festgehalten, als der Vorrang der Erwerbsaufwendungen durch das Gesetz zur Neuordnung von Steuern v. 16. 12. 1954 (BGBl I 1954, 373 [376]) im Einleitungssatz normiert worden ist.

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und dauernden Lasten nach § 10 I Nr. 1a EStG a.F.281 ausgenommen worden.282 Entsprechend ist das Ergebnis einer historischen Auslegung, dass die nummerische Auflistung nur eine Abgrenzung zwischen den abzugsfähigen und nicht abzugsfähigen Sonderausgaben bezweckt. Für eine Bezugnahme auch des Einleitungssatzes von § 10 I EStG spricht zudem der Vergleich mit den außergewöhnlichen Belastungen. Der Vorbehalt des § 12 EStG, „soweit in […] den §§ 33 bis 33b [EStG] nichts anderes bestimmt ist“, erstreckt sich unzweifelhaft auch auf § 33 II S. 2 EStG, der gleichermaßen das Nichtvorliegen von Erwerbsaufwendungen voraussetzt. Etwaige Gründe für eine abweichende Bewertung des Vorbehalts in § 12 EStG im Hinblick auf das Verhältnis der Sonderausgaben zu den Erwerbsaufwendungen sind nicht ersichtlich. Trotzdem ist es äußerst zweifelhaft, ob durch die Bezugnahme des Einleitungssatzes des § 10 I EStG die Möglichkeit eröffnet wird, die betrieblich bzw. beruflich veranlassten (gegebenenfalls trennbaren Teile von gemischten) Aufwendungen im Rahmen der Einkünfteermittlung zu berücksichtigen. Hiergegen spricht zum einen, dass dem § 10 I S. 1 EStG nach dem gesetzgeberischen Willen nur eine deklaratorische Bedeutung zukommt.283 Allerdings hätte die Regelung eine konstitutive Wirkung, wenn aufgrund des Vorbehalts eine Abzugsmöglichkeit für Erwerbsaufwendungen eröffnet würde, die als solche grundsätzlich den Abzugsverboten des § 12 EStG unterfielen. Eine derartige Wirkung liefe auch dem Telos des § 10 I S. 1 EStG zuwider. Bezweckt ist eine Definition der Aufwendungen, die als Sonderausgaben nach § 2 IV EStG vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden können.284 Entsprechend ist die Voraussetzung des Nichtvorliegens von Betriebsausgaben/Werbungskosten lediglich als negatives Tatbestandsmerkmal zu bewerten. Deren Abzug im Rahmen der Einkünfteermittlung kann der Einleitungssatz nach seinem Sinn und Zweck nicht begründen. Auch widerspricht es der gesetzlichen Systematik, Erwerbsaufwendungen mittelbar „über den Umweg“ des § 10 I S. 1 EStG von den Abzugsverboten auszunehmen. Solche Regelungen trifft der Gesetzgeber im Übrigen systematisch richtig in den §§ 4, 9 EStG. Überdies wird die Konstruktion eines doppelten Vorbehalts regelmäßig dem gesetzgeberischen Willen zuwiderlaufen, wie es bei den Berufsausbildungskosten und bei den erwerbsbedingten Kinderbetreuungskosten deutlich wird. Bei berufsbildenden Aufwendungen hätte dieser Ansatz nämlich die Konsequenz gehabt, dass das in § 12 Nr. 5 EStG normierte Abzugsverbot leer gelaufen wäre. Eine solche Regelung ohne Anwendungsbereich wird vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt gewesen sein, zumal es sich um eine Reaktion auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs gehandelt hatte, der 281 Die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernden Lasten sind seit dem Steueränderungsgesetz 1979 (BGBl I 1978, 1849 ff.) bis zur Änderung durch das Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 22. 12. 2014 (BGBl I 2014, 2417) in § 10 I Nr. 1a EStG geregelt worden. 282 BGBl I 1978, 1849 (1850 f.). 283 BT-Drs. 2/481, S. 81. 284 Ismer, FR 2011, 846 (849).

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1. Kap.: Die Sonderausgaben im System des Einkommensteuerrechts

auch die Kosten für die Erstausbildung oder das erstmalige Studium der Erwerbssphäre zugeordnet hatte.285 Im Hinblick auf die erwerbsbedingten Kinderbetreuungskosten widerspricht ein Betriebsausgaben-/Werbungskostenabzug dem explizit erklärten Willen des Gesetzgebers, der sie ausschließlich als Sonderausgaben berücksichtigt wissen will.286 Im Übrigen handelt es sich um untrennbar gemischt veranlasste Aufwendungen, für welche, wie gezeigt, die Vorrangregel des § 10 I S. 1 EStG ohnehin keine Wirkungen entfaltet.

II. Verhältnis zu den außergewöhnlichen Belastungen Die Sonderausgaben können zu den außergewöhnlichen Belastungen, anders als zu den Betriebsausgaben/Werbungskosten, nicht anhand des Veranlassungszusammenhangs abgegrenzt werden. Beide Regelungen erfassen Aufwendungen, die durch die Privatsphäre veranlasst sind. In Abweichung vom Grundsatz der Unbeachtlichkeit der privaten Einkommensverwendung werden sie nach § 2 IV EStG steuerwirksam vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen. Trotzdem unterscheiden sich die Tatbestände in ihren Rechtsfolgen, sodass die Zuordnung zu dem einen oder zu dem anderen Abzugstatbestand nicht unerheblich ist. Während die Ausgaben im Rahmen von § 33 EStG generell um eine zumutbare Belastung zu kürzen sind, hat der Gesetzgeber hinsichtlich der §§ 10 ff. EStG differenzierte Regelungen für die einzelnen Tatbestände getroffen. Die Aufwendungen werden entweder in der tatsächlichen Höhe, gegebenenfalls begrenzt durch einen Höchstbetrag, oder nur anteilig steuerwirksam. Soweit sich deren sachlicher Anwendungsbereich überschneidet, bedarf es also einer Zuordnung entweder zu den Sonderausgaben oder zu den außergewöhnlichen Belastungen. Eine Doppelverwertung scheidet wegen des Art. 3 I GG grundsätzlich aus. Eine solche Entscheidung trifft der Gesetzgeber explizit in § 33 II S. 2, 1. Hs. EStG. Als außergewöhnliche Belastungen können nur solche Aufwendungen berücksichtigt werden, die nicht zu den Sonderausgaben gehören. Der Regelung des § 33 II S. 2, 1. Hs. EStG kommt allerdings nur deklaratorische Bedeutung zu.287 Der Vorrang der Sonderausgaben folgt bereits daraus, dass die abschließend aufgezählten Aufwendungen der §§ 10 ff. EStG im Verhältnis zu den abstrakt generell bestimmten außergewöhnlichen Belastungen leges speciales sind. Insbesondere ist auch § 10 Ia Nr. 1 EStG spezieller als § 33a EStG, dem allgemeinen Tatbestand zur Berücksichtigung von Unterhaltsaufwendungen. Insoweit kommt es also nicht auf die Frage an, ob sich § 33 II S. 2, 1. Hs. EStG auch auf § 33a EStG

285

Vgl. hierzu bereits Fn. 118. Ausweislich der Begründung des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 sollen die Kinderbetreuungskosten einheitlich, unter Verzicht auf die Ermittlung des Veranlassungszusammenhangs nur als Sonderausgaben berücksichtigt werden, vgl. BT-Drs. 17/5125, S. 37. 287 So auch Kanzler, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 33 EStG Rn. 200. 286

§ 3 Verhältnis zu anderen Vorschriften

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erstreckt.288 Offengelassen werden kann dies auch im Hinblick auf das Verhältnis des § 33b EStG zu § 10 I Nr. 5 EStG. Die Tatbestände haben schon dem Grunde nach einen unterschiedlichen sachlichen Anwendungsbereich. Die Pflege und die Hilfe bei der Verrichtung des täglichen Bedarfs sind nicht mit Betreuungsleistungen gleichzusetzen. Fraglich ist allerdings, ob auch solche Aufwendungen vom Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgenommen sind, die „wie Sonderausgaben“ berücksichtigt werden. Zweifelhaft erscheint es, allein wegen des Wortlauts von § 33 II S. 2, 1. Hs. EStG, nach dem es sich um zu den Sonderausgaben gehörige Aufwendungen handeln muss, auf einen entgegenstehenden gesetzgeberischen Willen zu schließen.289 Zielführend ist es stattdessen, nach dem Zweck der Regelungen abzugrenzen. In §§ 10f, 10g EStG werden auch gewöhnliche Herstellungs- und Erhaltungsaufwendungen begünstigt, die der Gesetzgeber jedoch nur dann für förderungswürdig hält, wenn sie an bestimmten Gebäuden bzw. Kulturgütern vorgenommen werden. Daraus lässt sich allerdings nicht der Schluss ziehen, dass andere atypisch anfallende Aufwendungen nach dem gesetzgeberischen Willen generell unberücksichtigt bleiben sollen. Vielmehr hat § 33 EStG eine andere Zielrichtung. Die Steuerpflichtigen sollen wegen eines außergewöhnlichen, zwangsläufigen Aufwands entlastet werden, wobei ihnen ein Eigenanteil gemäß § 33 III EStG zumutbar ist.290 Insoweit treffen §§ 10f, 10g EStG nach deren Normzweck keine abschließende Regelung, sodass die „wie Sonderausgaben“ abziehbaren Herstellungsund Erhaltungsaufwendungen im Rahmen von § 33 EStG i.V.m. § 2 IV EStG zu berücksichtigen sind,291 wenn eine solche außergewöhnliche „Veranlassung“ vorliegt. Offengeblieben ist bisher noch die Reichweite des Vorrangs. Denkbar erscheint es, eine „Sperrwirkung“ nur insoweit anzunehmen, als die Aufwendungen tatsächlich als Sonderausgaben steuerwirksam werden. Vorzugswürdig erscheint allerdings die Auffassung, dass der Abzug nach §§ 33 ff. EStG i.V.m. § 2 IV EStG bereits unzulässig ist, wenn es sich dem Grunde nach um Sonderausgaben handelt. Andernfalls würden die speziellen Abzugsbeschränkungen der §§ 10 ff. EStG durch 288

Nach Arndt, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 33 Rn. C 35; Kanzler, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 33 EStG Rn. 200; Kulosa, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10 EStG Rn. 19, erstreckt sich § 33 II S. 2, 1. Hs. EStG auch auf die §§ 33a, 33b EStG. 289 In diesem Sinne auch Arndt, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 33 Rn. C 36b; Kanzler, FR 1995, 31; anders aber BFH v. 06. 05. 1994, III R 27/92, BStBl II 1995, 104 (106). 290 Zu dessen verfassungsrechtlicher Problematik vgl. einerseits Englisch, DStJG 37 (2014), 159 (177); Arndt, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 33 Rn. D 1; andererseits Kanzler, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 33 EStG Rn. 216, mit Nachweisen zur Rechtsprechung insbesondere des Bundesverfassungsgerichts; Steger, Die außergewöhnliche Belastung im Steuerrecht, S. 191 f.; Wernsmann, StuW 1998, 317 (329). Zur Verfassungsmäßigkeit der Anrechnung einer zumutbaren Belastung bei Krankheitskosten BFH v. 02. 09. 2015, VI R 32/ 13, BStBl II 2016, 151 (152 f.), sowie die Parallelentscheidung v. 02. 09. 2015, VI R 33/13 Rn. 18 ff.; a.A. Haupt, DStR 2010, 960 (963); Karrenbrock/Petrak, DStR 2011, 552 (555). 291 Im Ergebnis auch Kanzler, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 33 EStG Rn. 202, der jedoch auf den Charakter als fiktive Sonderausgaben abstellt.

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1. Kap.: Die Sonderausgaben im System des Einkommensteuerrechts

eine allgemeinere Vorschrift ausgehebelt. Zudem normiert der Gesetzgeber in § 33 II S. 2, 2. Hs. EStG, dass Schul- und Berufsausbildungsaufwendungen als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden können, soweit sie nicht als Sonderausgaben abziehbar sind. Im Umkehrschluss kann dies für alle übrigen Tatbestände der §§ 10 ff. EStG nur bedeuten, dass dem Vorrang eine absolute Wirkung beizumessen ist.292

III. Verhältnis zu den Abzugsverboten des § 12 EStG Die in § 12 EStG normierten Abzugsverbote konkretisieren einfachgesetzlich den Grundsatz der Unbeachtlichkeit der privaten Lebensführung. Den Regelungen kommt insbesondere Bedeutung bei der Abgrenzung zwischen der steuerlich relevanten Erwerbssphäre und der unerheblichen Privatsphäre zu. Grundsätzlich können die Abzugsverbote aber auch Wirkungen hinsichtlich der Sonderausgaben entfalten, wie schon dem Einleitungssatz des § 12 EStG zu entnehmen ist. Eine Berücksichtigung im Rahmen der Einkommensermittlung (§ 2 I – IV EStG) ist ausgeschlossen. Auch sind die Abzugsverbote des § 12 Nr. 1293 und Nr. 2 EStG wegen des Charakters der Sonderausgaben als Aufwendungen der privaten Lebensführung tatbestandlich regelmäßig einschlägig. Zur Vermeidung sich gegenseitig ausschließender Rechtsfolgen werden im Einleitungssatz des § 12 EStG eine Vielzahl der als Sonderausgaben abzugsfähigen Aufwendungen ausdrücklich aus dessen sachlichen Anwendungsbereich ausgenommen. Im Übrigen, konkret hinsichtlich der §§ 10 Ia Nr. 2 – 4, 292

Im Ergebnis auch BFH v. 29. 11. 1991, III R 191/90, BStBl II 1992, 293 (293 f.); v. 07. 11. 2000, III R 23/98, BStBl II 2001, 338 (341); Arndt, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 33 Rn. C 36; Kanzler, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 33 EStG Rn. 202; Kulosa, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10 EStG Rn. 19; Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 33 Rn. 4; Mellinghoff, in: Kirchhof, EStG, § 33 Rn. 4, 44. 293 Fraglich erscheint, wie die sachliche Reichweite der Abzugsverbote in § 12 Nr. 1 S. 1 EStG und § 12 Nr. 1 S. 2 EStG zu beurteilen ist. Geht man von dem allgemeinen Sprachgebrauch aus, so reicht der in Satz 2 verwendete Ausdruck „Aufwendungen für die Lebensführung“ als Oberbegriff weiter als die in Satz 1 verwendeten Begriffe „Haushalt des Steuerpflichtigen“ und „Unterhalt seiner Familienangehörigen“. Andererseits würde eine solche Auslegung zu dem zweifelhaften Ergebnis führen, dass das Abzugsverbot in § 12 Nr. 1 EStG für diejenigen Aufwendungen sachlich weiter reicht, die auch betrieblich bzw. beruflich veranlasst sind. Zudem sollte mit § 12 Nr. 1 S. 2 EStG lediglich die Rechtslage hinsichtlich der Repräsentationsaufwendungen entsprechend der vorangegangenen Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs klarstellend normiert werden (vgl. RStBl 1935, 33 [41]). Dieser hatte das Abzugsverbot für Repräsentationsaufwendungen auf die Vorläuferregelung des § 12 Nr. 1 S. 1 EStG gestützt, dessen Anwendungsbereich jedoch nicht auf haushalts- und unterhaltsbezogene Aufwendungen begrenzt (vgl. RFH v. 20. 03. 1930, VI A 147/30, RFHE 27, 82 [83]; v. 13. 11. 1930, VI A 558/30, RStBl 1931, 108; v. 23. 06. 1933, VI A 1493/30, RStBl 1933, 811 [812]; v. 23. 06. 1933, VI A 170/32, RStBl 1933, 812 [814]). Folglich ist davon auszugehen, dass sich die Abzugsverbote in § 12 Nr. 1 S. 1 und S. 2 EStG gleichermaßen auf Aufwendungen erstrecken, die die Lebensführung des Steuerpflichtigen oder seiner Familienangehörigen betreffen. Vgl. hierzu Arndt, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 12 Rn. B 5a ff.; Fissenewert, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 12 EStG Rn. 31.

§ 3 Verhältnis zu anderen Vorschriften

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10f, 10g EStG, muss untersucht werden, ob es sich tatsächlich um konkurrierende Normen handelt. Nur in diesem Falle besteht ein Spannungsverhältnis, das es aufzulösen gilt, weil sich die Rechtsfolgen gegenseitig ausschließen. Ein solches Konkurrenzverhältnis liegt nur dann vor, wenn ein Sachverhalt unter mehrere Tatbestände subsumiert werden kann, da sich diese zumindest teilweise decken.294 Das Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 EStG erfasst tatbestandlich jedenfalls auch die wie Sonderausgaben abzugsfähigen Herstellungs- und Erhaltungsaufwendungen i.S.v. §§ 10f, 10g EStG. Es handelt sich um Aufwendungen zur Deckung des Lebensbedarfs und zur Befriedigung sonstiger persönlicher, geistiger oder sittlicher Bedürfnisse. Hingegen zielen die Leistungen im Rahmen bzw. zur Vermeidung eines Versorgungsausgleichs nach § 10 Ia Nr. 3, 4 EStG auf eine Vermögensauseinandersetzung ab. Als solche unterfallen sie nicht dem § 12 Nr. 1 EStG, dessen Tatbestand nur die Aufwendungen für die allgemeine Lebensführung des Steuerpflichtigen und seiner Familie erfasst. Auch greift § 12 Nr. 2 EStG nicht, da die Leistungen einen bestehenden Ausgleichsanspruch erfüllen bzw. verzichtsweise abgelten und daher nicht unentgeltlich sind.295 Ferner besteht kein Konkurrenzverhältnis zwischen § 12 Nr. 1 oder Nr. 2 EStG und den gemäß § 10 Ia Nr. 2 EStG abzugsfähigen Versorgungsleistungen gegen Vermögensübergabe. Dessen Anwendungsbereich ist mit dem Jahressteuergesetz 2008296 auf den Kernbereich der Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistung begrenzt worden. Der Tatbestand erfasst ausschließlich Fälle, denen die Konstruktion der vorbehaltenen Erträge zugrunde liegt, sodass es sich weder um Zuwendungen i.S.v. § 12 Nr. 2 EStG297 noch um Aufwendungen i.S.v. § 12 Nr. 1 EStG handeln kann. Ein zu lösendes Spannungsverhältnis besteht damit nur zwischen den §§ 10f, 10g EStG und § 12 Nr. 1 EStG. Diese Konkurrenzfrage kann allerdings zweifelsfrei zugunsten der wie Sonderausgaben abzugsfähigen Aufwendungen beantwortet werden. Stellt man auf die zeitliche Reihenfolge ihrer Entstehung ab, verdrängen die §§ 10f, 10g EStG298 grundsätzlich als leges posteriores299 in ihrem Anwendungsbereich § 12 Nr. 1 EStG.300 Überdies ist nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber abweichend vom Grundsatz der Unbeachtlichkeit der Lebensführung explizit Abzugstatbestände normiert, denen, wie es aber beim Durchgreifen des Abzugs294

S. 30. 295

Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft; Zippelius, Juristische Methodenlehre,

Fissenewert, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 12 EStG Rn. 117. Jahressteuergesetz 2008 v. 20. 12. 2008 (BGBl I 2008, 3150 ff.). 297 Seiler, in: Kirchhof, EStG, § 12 Rn. 9. Vgl. Zippelius, Juristische Methodenlehre, § 7 Rn. 33, allgemein zum Verhältnis von Auslegungs- und Konkurrenzfragen. 298 § 10f EStG ist durch das Wohnungsbauförderungsgesetz v. 22. 12. 1989 (BGBl I 1989, 2408) und § 10g EStG durch das Steueränderungsgesetz v. 25. 02. 1992 (BGBl I 1992, 297) eingefügt worden. 299 Vgl. hierzu Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 33. 300 Das Abzugsverbot ist seit dem Einkommensteuergesetz v. 16. 10. 1934 (RGBl I 1934, 1005) in § 12 Nr. 1 EStG geregelt. 296

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1. Kap.: Die Sonderausgaben im System des Einkommensteuerrechts

verbots der Fall wäre, keine Wirkung zukommt.301 Daher sind die §§ 10f, 10g EStG als vorrangig zu qualifizieren. Es bleibt damit festzuhalten, dass die Regelungen des § 12 EStG den Sonderausgabenabzug nicht einschränken bzw. ausschließen.

IV. Zwischenergebnis Der Gesetzgeber hat das Verhältnis der Sonderausgaben zu den Erwerbsaufwendungen und den außergewöhnlichen Belastungen weitgehend expressis verbis geregelt. Der im Einleitungssatz des § 10 I EStG kodifizierte Vorrang der Betriebsausgaben/Werbungskosten folgt bereits aus der Systematik der Einkommensermittlung, insbesondere aber aus dem zumindest folgerichtig umzusetzenden objektiven Nettoprinzip. Entsprechend müssen trennbar gemischt veranlasste Aufwendungen, die als Erwerbsaufwendungen oder als Sonderausgaben abziehbar sind, nach Maßgabe der jeweiligen Veranlassungsbeiträge aufgeteilt und abgezogen werden, sofern diese nicht typisierend als unwesentlich außer Ansatz bleiben können. Hingegen können untrennbar gemischt veranlasste Aufwendungen entweder als Erwerbsaufwendungen oder als Sonderausgaben qualifiziert werden. Mit dem Einleitungssatz des § 10 I EStG wird insofern keine generelle konstituierende Zuordnungsentscheidung zu den Betriebsausgaben/Werbungskosten getroffen. Ausweislich der Gesetzesbegründung ist diesem lediglich eine deklaratorische Bedeutung beizumessen. Stattdessen fällt der Gesetzgeber mit der Qualifikation als Sonderausgabe eine entsprechende Zuordnungsentscheidung für den Einzelfall, die maßgebend ist. Für die Abgrenzung der Sonderausgaben von den außergewöhnlichen Belastungen ist mit § 33 II S. 2, 1. Hs. EStG eine Konkurrenzregel geschaffen worden. Entsprechend dem Grundsatz lex specialis derogat legi generali wird den als Sonderausgaben abzugsfähigen Aufwendungen mit grundsätzlich absoluter Wirkung der Vorrang eingeräumt. Hingegen werden Herstellungs- und Erhaltungsaufwendungen i.S.v. §§ 10f, 10g EStG, wenn sie außergewöhnlich und zwangsläufig anfallen, nach § 33 EStG steuerwirksam. Das Spannungsverhältnis zwischen den Abzugsverboten des § 12 EStG und den als Sonderausgaben abzugsfähigen privaten Aufwendungen ist ausweislich des Vorbehalts in § 12 EStG zugunsten der Steuerwirksamkeit aufzulösen. Die §§ 10 Ia Nr. 2 – 4, 10f, 10g EStG werden nicht expressis verbis aus dem Anwendungsbereich des § 12 EStG ausgenommen. Im Wege der Gesetzesauslegung bzw. gemäß den allgemeinen Konkurrenzregeln ist ihnen gleichwohl der Vorrang vor den Abzugsverboten einzuräumen.

301

Fissenewert, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 12 EStG Rn. 6.

2. Kapitel

Qualifikation von Aufwendungen als Sonderausgaben – Verfassungsrechtliche Vorgaben und Grenzen § 4 Aufwendungen mit Bezug zur Erwerbssphäre Wie sich bereits gezeigt hat, werden im geltenden Einkommensteuerrecht die Altersvorsorgeaufwendungen, die Kinderbetreuungskosten und die Bildungsaufwendungen den Sonderausgaben zugeordnet. Obgleich auch eine Veranlassung durch die Erwerbssphäre angenommen werden kann, werden sie als Privataufwendungen qualifiziert. Dies erscheint bedenklich, wenn mit der Zuordnung entweder zur Erwerbs- oder zur Privatsphäre unterschiedliche Rechtsfolgen verbunden sind (I.), die den verschiedenen verfassungsrechtlichen Vorgaben an die Berücksichtigung von Betriebsausgaben/Werbungskosten im Vergleich zu privaten Aufwendungen Rechnung tragen (II.). Es stellt sich sodann die Frage, welchen verfassungsrechtlichen Grenzen der Gesetzgeber bei seiner Zuordnungsentscheidung zu den Sonderausgaben unterliegt (III.).

I. Folgen der Zuordnung zu den Sonderausgaben Auf den ersten Blick mag man annehmen, dass es keinen Unterschied macht, ob die Aufwendungen der Erwerbssphäre oder der Privatsphäre zugeordnet werden. Qualifiziert der Gesetzgeber die Aufwendungen jedenfalls als Sonderausgaben, so wirken sie sich gleichermaßen bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage steuermindernd aus. Gleichwohl ist es nicht unerheblich, ob sie im Rahmen der Einkünfteermittlung nach § 2 II EStG oder der Einkommensermittlung nach § 2 IV EStG berücksichtigt werden. Zum einen können nach § 10d EStG nur negative Einkünfte als Verluste in andere Besteuerungsperioden vor- oder rückgetragen werden. Folglich können sich zwar als Betriebsausgaben/Werbungskosten, nicht jedoch als Sonderausgaben qualifizierte Aufwendungen auch in anderen Veranlagungszeiträumen steuermindernd auswirken. Zum anderen werden die Höhe der zumutbaren Belastung nach § 33 I, III EStG sowie die Abzugshöchstbeträge für Spenden gemäß § 10b I EStG in Abhängigkeit vom Gesamtbetrag der Einkünfte i.S.v. § 2 III EStG bestimmt. Da diese Maßgröße nur durch Erwerbsaufwendungen

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2. Kap.: Qualifikation von Aufwendungen als Sonderausgaben

beeinflusst wird, wirkt sich die Zuordnungsentscheidung auch auf das Abzugsvolumen von Spenden und außergewöhnlichen Belastungen aus. Unterschiede bestehen ferner insoweit, als dass Erwerbsaufwendungen nach § 2 II EStG i.V.m. §§ 4 IV, 9 I S. 1 EStG grundsätzlich in voller Höhe – im geltenden Einkommensteuerrecht sind jedoch zahlreiche Ausnahmen normiert, vgl. §§ 4 V Nr. 6b, Nr. 7, 9 I Nr. 4, Nr. 5, 9 IVa EStG – berücksichtigt werden. Hingegen sind Privataufwendungen im Grundsatz für die Einkommensbesteuerung unbeachtlich, wie § 12 EStG einfachgesetzlich zum Ausdruck bringt. Ordnet der Gesetzgeber die Aufwendungen den Sonderausgaben zu, erscheinen Abzugsbeschränkungen der Höhe nach, zumindest nach der einfachgesetzlichen Konzeption, erst recht möglich und auch naheliegend. So kann der Großteil der gemäß §§ 10 ff. EStG abziehbaren Aufwendungen nicht in vollem Umfang, sondern nur der Höhe nach begrenzt berücksichtigt werden. Somit ist die Frage nach der Zuordnung entweder zu den Erwerbsaufwendungen oder zu den Sonderausgaben nicht rein dogmatischer Natur. Vielmehr sind mit der Zuordnungsentscheidung unterschiedliche Rechtsfolgen verbunden, die sich auf die Höhe der steuerlichen Lasten auswirken können. Deshalb kann der Gesetzgeber auch nicht vollkommen frei darin sein, ob er die Aufwendungen diesem oder jenem Tatbestand zuordnet.

II. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für die Zuordnungsentscheidung Es bestehen insbesondere für die Berücksichtigung von Erwerbsaufwendungen verfassungsrechtliche Vorgaben, die den gesetzgeberischen Entscheidungsspielraum begrenzen. 1. Objektives Nettoprinzip: Berücksichtigung von Erwerbsaufwendungen Im Ergebnis besteht Einigkeit darüber, dass der einfache Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Einkommensteuer an das objektive Nettoprinzip gebunden ist. Allein über dessen Rechtsnatur – Verfassungsprinzip oder einfachrechtliches Prinzip – besteht Uneinigkeit. Das Bundesverfassungsgericht302 hat diese Frage bisher offen gelassen und jedenfalls wegen des Art. 3 I GG eine folgerichtige Umsetzung der getroffenen, einfachgesetzlichen Belastungsentscheidung gefordert. Soweit in der Literatur ein Verfassungsprinzip angenommen wird, stützen sich deren Vertreter auf 302 BVerfG v. 23. 01. 1990, 1 BvL 4/87, 1 BvL 5/87, 1 BvL 6/87 u. a., BVerfGE 81, 228 (237); v. 30. 09. 1998, 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 (97); v. 04. 12. 2002, 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (48); v. 09. 12. 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08 u. a., BVerfGE 122, 210 (234); v. 12. 10. 2010, 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224 (248 f.).

§ 4 Aufwendungen mit Bezug zur Erwerbssphäre

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die finanzverfassungsrechtlichen Regelungen des Art. 105 II GG i.V.m. Art. 106 III GG303, auf Freiheitsrechte304 und/oder auf den allgemeinen Gleichheitssatz305. Nach dem finanzverfassungsrechtlichen Ansatz kommt dem Begriff „Einkommen“ i.S.v. Art. 105 II GG i.V.m. Art. 106 III GG eine materielle Bedeutung für die Bestimmung des wesentlichen Besteuerungsgegenstands zu. Diesem Schluss aus der Kompetenzordnung ist im Grundsatz zu folgen:306 Zum einen misst der Verfassungsgeber dem Begriff eine bestimmte Bedeutung bei, wenn die Steuer auf das Einkommen in Abgrenzung zu anderen Steuerarten in Art. 106 GG benannt wird. Zum anderen kommt den finanzverfassungsrechtlichen Kompetenzvorschriften ein abschließender Charakter mit rechtsstaatlicher Ordnungsfunktion zu.307 Zudem zielen die Vorschriften darauf ab, eine finanzielle Überbelastung der Bürger zu vermeiden.308 Diesen Zwecken kann eine Kompetenzvorschrift allerdings nur dann gerecht werden, wenn ihr zumindest ein gewisser materieller Gehalt zukommt, der eine Abgrenzung zwischen den verschiedenen Steuern ermöglicht. Zweifelhaft erscheint allerdings, ob dem Begriff „Einkommen“ i.S.v. Art. 105 II GG i.V.m. Art. 106 III GG auch immanent ist, dass durch die Erwerbssphäre veranlasste Aufwendungen zu berücksichtigen sind. Eine solche Nettobesteuerung kann jedenfalls nicht dem allgemeinen Sprachgebrauch entnommen werden, da die Begriffe Einkommen, Einkünfte und Einnahmen synonym verwendet werden.309 Fachspe303

Drüen, StuW 2008, 3 (7); Englisch, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 92 f.; Jachmann, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 129 f.; P. Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 68 ff., 150 f.; Röder, Das System der Verlustverrechnung im deutschen Steuerrecht, S. 124 f.; Schulze-Osterloh, DStJG 23 (2000), 67 (69 f.); Vogel, DStJG 12 (1989), 123 (142 f.); Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO Rn. 501; ders., DVBl 2015, 1085 (1088). 304 Frye, FR 2010, 603 (607); Lehner, in: Verluste im nationalen und internationalen Steuerrecht, S. 1 (7); ders., DStR 2009, 185 (189 f.). 305 Birk, StuW 2000, 328 (331); Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 188 ff.; Hey, in: Tipke/ Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 55; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 183 f.; Tipke, JZ 2009, 533 (537 f.); Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 317 f.; ders., in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO Rn. 502. Unter Berücksichtigung auch freiheitsrechtlicher Aspekte Englisch, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 92 (94); Jachmann, in: Für ein gerechteres Steuerrecht, S. 59 (66 ff.); Lang/Englisch, StuW 2005, 3 (5 f.); Mellinghoff, in: Festschrift für Bareis, S. 171 (178 f.); ders., Stbg 2005, 1 (3 f.); Söhn, FA 1988, 154 (155 f.); Seiler, DStJG 34 (2011), 61 (66 f.); Wendt, DStJG 28 (2005), 41 (50 ff.). Eine gleichheitsrechtliche Bindung lediglich im Sinne der Folgerichtigkeit nehmen Droege, StuW 2011, 105 (111); Heuermann, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10d Rn. A 75; G. Kirchhof, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Einf. zum EStG, Rn. 299, an. 306 So auch Hidien, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 106 Rn. 1338; P. Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 150 f.; Vogel, DStJG 12 (1989), 123 (142 f.); Wernsmann, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 101. 307 Hidien, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 106 Rn. 1338 ff. 308 BVerfG v. 10. 12. 1980, 2 BvF 3/77, BVerfGE 55, 274 (302); v. 06. 11. 1984, 2 BvL 19/ 83, 2 BvL 20/83, 2 BvR 363/83 u. a., BVerfGE 67, 256 (288 f.). 309 Vgl. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, Stichwort „Einkommen“.

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2. Kap.: Qualifikation von Aufwendungen als Sonderausgaben

zifisch kommt den Termini jedoch eine unterschiedliche Bedeutung zu: Insofern stellt Wernsmann310 zutreffend fest, dass es sich „nicht mehr um eine ,Einkommensteuer‘ handel[te], sondern um eine Steuer auf die ,Einnahmen‘ des Steuerpflichtigen“, wenn Erwerbsaufwendungen nicht mehr abziehbar wären. Für eine finanzverfassungsrechtliche Verankerung der Nettobesteuerung spricht auch die Auslegung der Art. 105, 106 GG anhand des vorkonstitutionellen und traditionellen Steuerrechts, unter dessen Berücksichtigung die Finanzverfassung geschaffen worden ist.311 Ein Abzug durch die Erwerbssphäre veranlasster Aufwendungen war stets zugelassen.312 Entsprechend den der Finanzverfassung zugrunde liegenden Typusbegriffen handelt es sich daher nur dann um eine Einkommensteuer, wenn grundsätzlich um erwerbsbezogene Aufwendungen geminderte Einnahmen besteuert werden.313 Als freiheitsrechtliche Wurzeln des objektiven Nettoprinzips werden die Eigentums- und die Berufsfreiheit herangezogen. Art. 14 I GG schütze die privatnützige Verfügungsbefugnis über das Einkommen. Daher müsse es steuerlich unbelastet bleiben, soweit es für die Erzielung von Erträgen im privaten Interesse notwendig sei.314 Fraglich erscheint insofern schon, ob das Vermögen dem Schutzbereich des Art. 14 I GG unterfällt.315 Jedenfalls aber kann daraus ein Anspruch auf bzw. eine zwingende objektiv-rechtliche Wertung zugunsten einer Nettobesteuerung nicht abgeleitet werden. Die Befugnis des Vermögensinhabers, Einkommen für die Einnahmeerzielung zu verwenden, wird durch eine Bruttobesteuerung nicht grundsätzlich eingeschränkt. Auch geht der private Nutzen des Einkommens nicht allein dadurch verloren, dass sich der steuerliche Zugriff auch auf die für die Einkommenserzielung aufgewendeten Beträge erstreckt. Für die Frage, ob ein Eingriff vorliegt, kommt es vielmehr auf das Maß der Besteuerung an. Erst wenn die Nutzung des Vermögens zur Ertragserzielung wirtschaftlich unmöglich gemacht 310

Wernsmann, DVBl 2015, 1085 (1088). BVerfG v. 04. 02. 1958, 2 BvL 31/56, 2 BvL 33/56, BVerfGE 7, 244 (252); v. 10. 05. 1962, 1 BvL 31/58, BVerfGE 14, 76 (91); v. 27. 07. 1971, 2 BvF 1/68, 2 BvR 702/65, BVerfGE 31, 314 (331 f.); v. 20. 04. 2004, 1 BvR 905/00, 1 BvR 1748/99, BVerfGE 110, 274 (296); v. 04. 02. 2009, 1 BvL 8/05, BVerfGE 123, 1 (16). Vgl. hierzu auch Hidien, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 106 Rn. 1348. 312 § 9 PrEStG in der Fassung v. 24. 06. 1891, Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1891, 175 (178); § 9 PrEStG in der Fassung v. 19. 06. 1906, GesetzSammlung für die Königlichen Preußischen Staaten 1906, 241 (242 f.); § 13 EStG in der Fassung v. 29. 03. 1920, RGBl 1920, 359 ff.; §§ 12, 15 f. EStG in der Fassung v. 10. 08. 1925, RGBl I 1925, 189 (191 ff.); §§ 2 IV, 4, 9 EStG in der Fassung v. 16. 10. 1934, RGBl I 1934, 1005 ff. 313 Vgl. bereits Fn. 303. 314 Lehner, in: Verluste im nationalen und internationalen Steuerrecht, S. 1 (7); ders., DStR 2009, 185 (190). 315 Vgl. Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO Rn. 535 ff., zur Frage, ob das Vermögen in den Schutzbereich des Art. 14 I GG fällt oder subsidiär „nur“ Art. 2 I GG greift. 311

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wird, der steuerliche Zugriff also erdrosselnd wirkt,316 ist die Verfügungsbefugnis zu privaten Zwecken beeinträchtigt. Im Übrigen ist der Abzug von Erwerbsaufwendungen nicht von Art. 14 I GG geboten. Sofern die steuerbare Tätigkeit der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dient, kommt eine Ableitung des objektiven Nettoprinzips auch aus Art. 12 I GG in Betracht. Unabhängig von der Frage, ob Steuergesetze überhaupt einen Eingriff mit berufsregelnder Tendenz darstellen können317, liegt ein solcher jedenfalls nicht vor, wenn erwerbsbezogener Aufwand unberücksichtigt bleibt. Zwar wirkt sich die Nichtabziehbarkeit auf die Höhe der Steuerbelastung aus, solange aber die Lebensführung noch aus eigenen Mitteln bestritten werden kann, bleibt die Bruttobesteuerung regelmäßig ohne Einfluss auf die berufliche Tätigkeit. Die für den Eingriff maßgebliche Grenze der Erdrosselung318 wird durch einen entsprechenden steuerlichen Zugriff nicht erreicht. Gestützt auf Art. 3 I GG lässt sich das objektive Nettoprinzip nur dann als Verfassungsprinzip begründen, wenn es Ausfluss der Besteuerungsgleichheit ist. Maßstab für den Gesetzgeber bei der Gestaltung der Steuergesetze ist die Gleichheit der steuerlichen Lasten.319 Dieses Gebot wird bereichsspezifisch dahingehend konkretisiert, dass die Besteuerung an der individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen auszurichten ist.320 Maßgebend ist im Einkommensteuerrecht grundsätzlich der Hinzuerwerb, der nach Art. 105 II GG i.V.m. Art. 106 III GG – jedenfalls insoweit kommt den finanzverfassungsrechtlichen Vorschriften ein materieller Gehalt zu – Belastungsgegenstand ist. Würde man allerdings allein diese Größe zugrunde legen, wären Steuerpflichtige mit einer erwerbsaufwendungsintensiven Tätigkeit im Vergleich zu solchen Steuerpflichtigen, deren Tätigkeit geringere Erwerbsaufwendungen erfordert, faktisch stärker belas316 So auch Lang/Englisch, StuW 2005, 3 (5); Papier, Der Staat 1972, 483 (502 f.); Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO Rn. 548 ff. 317 Vgl. hierzu Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rn. 188; Jachmann, DStJG 25 (2002), 195 (199 f.); Steger, Die außergewöhnliche Belastung im Steuerrecht, S. 78 f. 318 So auch Lang/Englisch, StuW 2005, 3 (5). A.A. Jachmann, in: Für ein gerechteres Steuerrecht, S. 59 (71). 319 BVerfG v. 27. 06. 1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (268 ff.); v. 22. 06. 1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (134); v. 06. 03. 2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (126); v. 04. 12. 2002, 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (46 f.); v. 09. 12. 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08 u. a., BVerfGE 122, 210 (231); v. 12. 10. 2010, 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224 (245). 320 BVerfG v. 23. 11. 1976, 1 BvR 150/75, BVerfGE 43, 108 (120); v. 03. 11. 1982, 1 BvR 620/78, 1 BvR 1335/78, 1 BvR 1104/79 u. a., BVerfGE 61, 319 (344); v. 29. 05. 1990, 1 BvL 20/ 84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60 (86); v. 06. 03. 2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (125 f.); v. 04. 12. 2002, 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (46 f.); v. 16. 03. 2005, 2 BvL 7/00, BVerfGE 112, 268 (279); v. 09. 12. 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/ 08 u. a., BVerfGE 122, 210 (230 f.). Vgl. zur Tauglichkeit des Prinzips Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 265 ff. Kritisch Moes, Die Steuerfreiheit des Existenzminimums vor dem Bundesverfassungsgericht, S. 139 ff.

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2. Kap.: Qualifikation von Aufwendungen als Sonderausgaben

tet.321 Die tatsächlichen Belastungswirkungen wären vom Zufall abhängig, ob viel oder wenig finanzieller Aufwand erforderlich gewesen ist, um denselben wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen. Von einer gleichmäßigen Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit kann nicht die Rede sein. Vielmehr muss berücksichtigt werden, dass die Erwerbsaufwendungen den Hinzuerwerb veranlassen, der nach der Finanzverfassung Anknüpfungspunkt für die Besteuerung ist. Nur insoweit liegt ein „individualnütziger Erfolg privaten Wirtschaftens“322 vor, der leistungsfähigkeitserhöhend wirkt und den steuerlichen Zugriff rechtfertigt. Somit ist das objektive Nettoprinzip eine Konkretisierung des aus Art. 3 I GG fließenden bereichsspezifischen Grundsatzes der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit.323 Letztlich könnte die verfassungsrechtliche Verankerung des objektiven Nettoprinzips für die hier zu untersuchende Frage auch dahingestellt bleiben, da Abweichungen von der Belastungsgrundentscheidung in § 2 II EStG i.V.m. §§ 4 IV, 9 I S. 1 EStG jedenfalls einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedürfen. 2. Objektives Nettoprinzip: Interperiodische Verlustberücksichtigung Können Erwerbsaufwendungen mangels hinreichender Einnahmen nicht in vollem Umfang steuerwirksam werden, stellt sich die Frage, ob sie als Verluste von Verfassungs wegen auch in anderen Veranlagungszeiträumen zu berücksichtigen sind. Diese Frage bewegt sich im Spannungsverhältnis zwischen dem grundsätzlich gebotenen Abzug von Erwerbsaufwendungen einerseits und dem in § 2 VII S. 1 EStG kodifizierten Prinzip der Abschnittsbesteuerung andererseits. Zugunsten eines unbegrenzten periodenübergreifenden Verlustabzugs ist dieses Spannungsverhältnis jedenfalls dann aufzulösen, wenn sich die maßgebliche finanzielle Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen nach deren Lebenseinkommen bestimmt, das Prinzip der Abschnittsbesteuerung also als ein technisches Prinzip anzusehen ist.324 In diesem Falle ist es zur Verwirklichung der Besteuerungsgleichheit geboten, dass die Erwerbsaufwendungen unabhängig davon berücksichtigt werden, ob in den jeweiligen Veranlagungszeiträumen ausreichend verrechenbare Einnahmen vorhanden sind. Ist 321

Ähnlich Seiler, DStJG 34 (2011), 61 (66 f.). P. Kirchhof, AöR 128 (2003), 1 (7). 323 Vgl. Fn. 305. 324 In diesem Sinne BFH v. 09. 05. 2001, XI B 151/00, BStBl II 2001, 552 (554); Hackmann, Die Besteuerung des Lebenseinkommens, S. 47 ff.; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 44, 62; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 91 f., 187 f.; ders., DStJG 24 (2001), 49 (64 f.); wohl Musil, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 2 EStG Rn. 900; Schneider/Hoffmann, Information StW 2003, 182 (184); Seer, BB 2004, 2272 (2274); Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 756. Eine Überlagerung der Lebenseinkommensbesteuerung durch das Abschnittsprinzip nimmt der Bundesfinanzhof im Urteil v. 11. 02. 1998, I R 81/97, BStBl II 1998, 485 (486), zur Verwirklichung von Rechtssicherheit an. 322

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hingegen die gegenwärtige Leistungsfähigkeit Bezugspunkt der Gleichheitsprüfung, das Abschnittsprinzip also als ein materielles Prinzip zu qualifizieren,325 erscheint es naheliegend, ein entsprechendes Gebot zu verneinen. Gegen die Maßgeblichkeit des Lebenseinkommens spricht nicht schon der Zweck der Einkommensteuer, der in der Finanzierung des öffentlichen Bedarfs liegt. Entsprechend ist der Staat zwar auf stetige Steuereinnahmen angewiesen, um den gegenwärtigen Finanzbedarf decken zu können,326 jedoch lässt sich daraus nicht ableiten, welche zeitliche Dimension der Leistungsfähigkeit als Maßstab für eine gleichheitsgerechte Besteuerung zukommt. Der Notwendigkeit stetiger Einnahmen kann auch auf Ebene der Steuererhebung Rechnung getragen werden. Der gegenwärtige Finanzbedarf lässt sich ebenso gut decken, wenn die regelmäßigen Zahlungen lediglich vorläufig auf die nach dem Lebenseinkommen zu bestimmende Gesamtsteuerschuld geleistet werden.327 Der steuerliche Zugriff stellt sich dann auch als „zugleich“ dem Allgemeinwohl dienend entsprechend Art. 14 II S. 2 GG dar, wolle man die Verfassungsnorm im Sinne einer „gleichzeitigen“ Sozialbindung des Einkommens auslegen.328 Durch Vorauszahlungen kann außerdem der Gefahr begegnet werden, dass der Steueranspruch am Lebensende nicht mehr durchgesetzt werden kann, weil zwischenzeitlich alle finanziellen Mittel verbraucht sind.329 Stellt man hingegen auf die Natur der Einkommensteuer als Subjektsteuer ab, erscheint es 325 So BFH v. 28. 07. 2004, XI R 54/99, BStBl II 2005, 262 (265); v. 17. 02. 2005, XI B 138/ 03, BFH/NV 2005, 1264 (1265); Eckhoff, DStJG 28 (2005), 11 (32 f.); Heuermann, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10d Rn. A 76; Ismer, DStJG 34 (2011), 91 (106); P. Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 136 f.; ders., in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, § 118 Rn. 211; ders., Besteuerung im Verfassungsstaat, S. 41; Lehner, in: Verluste im nationalen und internationalen Steuerrecht, S. 1 (15 f.); Schick, Der Verlustrücktrag, S. 13 ff., 16; Seiler, DStJG 34 (2011), 61 (81). Ein technisches und materielles Prinzip nimmt Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn, S. 99 ff., 127 ff., an, wobei die zugrunde liegenden kollidierenden Verfassungsprinzipien durch den Gesetzgeber – darin liege die Bedeutung des § 10d EStG – zum Ausgleich gebracht werden müssten; ähnlich Desens, FR 2011, 745 (747); Hallerbach, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10d EStG Rn. 10; Heuermann, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10d Rn. A 79; Müller-Franken, StuW 2004, 109 (121 f.). Offenlassend BVerfG v. 22. 07. 1991, 1 BvR 313/88, NJW 1992, 168 (169); BFH v. 17. 12. 2007, GrS 2/04, BStBl II 2008, 608 (613); Wernsmann, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, S. 101 (103, Fn. 19). 326 So P. Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 136; ders., in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, § 118 Rn. 211. 327 Ebenso Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn, S. 87 (Fn. 453), S. 89 (Fn. 475); Ismer, DStJG 34 (2011), 91 (100); Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 187. Hingegen ist nach Müller-Franken, StuW 2004, 109 (122), die Effizienz staatlichen Handelns beeinträchtigt, wenn nur eine vorläufige Finanzausstattung gegeben ist und latent Rückabwicklungspflichten drohen. 328 So P. Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 137, der wegen des Art. 14 II S. 2 GG nur eine „gegenwartsgerechte[n], auf einen überschaubaren Zeitabschnitt bezogene[n] Besteuerung“ für verfassungsrechtlich zulässig hält. 329 Dies lassen Eckhoff, DStJG 28 (2005), 11 (32), und P. Kirchhof, in: Kirchhof, EStG, § 2 Rn. 18, außer Ansatz.

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2. Kap.: Qualifikation von Aufwendungen als Sonderausgaben

naheliegend, die gleichheitsrechtliche Betrachtung auf die Lebenszeit der Steuerpflichtigen zu erstrecken.330 Allerdings lässt ein solcher Ansatz außer Betracht, dass sich bei einer Besteuerung des Lebenseinkommens die tatsächlichen Belastungswirkungen aufgrund sich wandelnder äußerer Bedingungen in nicht zu vernachlässigender Weise unterscheiden. Insbesondere wirken sich die mangelnde Gleichwertigkeit der Einkünfte wegen sich verändernder Lebenshaltungskosten331 als auch Änderungen der Gesetzeslage332 negativ aus. Deshalb lässt sich, knüpft die Besteuerung tatsächlich an das Lebenseinkommen an, allenfalls eine nominelle, nicht jedoch – auch nicht annäherungsweise – eine reale Belastungsgleichheit unter Berücksichtigung der sich ändernden rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse schaffen. Darüber hinaus besteht eine erhebliche, im Widerspruch zum Rechtsstaatsprinzip stehende Rechtsunsicherheit, wenn die Einkommensteuerschuld unter Berücksichtigung der Vorauszahlungen erst am Lebensende des Steuerpflichtigen endgültig feststeht und Gesetzesänderungen, soweit verfassungsrechtlich zulässig333, rückwirkend die Steuerpflicht beeinflussen.334 Folglich muss die nach Art. 3 I GG maßgebliche Leistungsfähigkeit als Leistungsfähigkeit innerhalb einer bestimmten Zeitspanne definiert werden. Gleichheit lässt sich nur verwirklichen, wenn auch die jeweiligen Umstände miteinbezogen werden, unter welchen der Mensch handelt335. Das Prinzip der Abschnittsbesteuerung ist daher als ein materielles, nicht als ein technisches Prinzip zu qualifizieren. Gleichwohl lässt sich nicht der Schluss ziehen, unabhängig von der Frage, wie diese Besteuerungsabschnitte zu bemessen sind, dass die Berücksichtigung von erwerbsbezogenen Aufwendungen grundsätzlich auf das Jahr des Abflusses nach § 11 II EStG bzw. der Verursachung i.S.v. § 252 I Nr. 5 HGB i.V.m. §§ 4 I, 5 I EStG zu beschränken ist. Wenn allein dieser Zeitpunkt maßgeblich für die Frage der Steuerwirksamkeit wäre, wären die einkommensteuerbaren Tätigkeiten abhängig von ihrem proportionalen, degressiven oder progressiven Anfall 330

Ismer, DStJG 34 (2011), 91 (101). Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn, S. 90, 101; Ismer, DStJG 34 (2011), 91 (102); Mitschke, StuW 1980, 122 (128 f.); auf die Änderung der wirtschaftlichen Realitäten abstellend Schick, Der Verlustrücktrag, S. 13. 332 Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn, S. 90, 101; Schick, Der Verlustrücktrag, S. 13. 333 In den Entscheidungen v. 19. 12. 1961, 2 BvR 1/60, BVerfGE 13, 274 (277 f.); v. 14. 05. 1986, 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200 (252 f.); v. 07. 07. 2010, 2 BvL 2/04, 2 BvL 14/02, 2 BvL 13/05, BVerfGE 127, 1 (18); v. 07. 07. 2010, 2 BvL 1/03, 2 BvL 57/06, 2 BvL 58/06, BVerfGE 127, 31 (48 f.); v. 10. 10. 2012, 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, 302 (318); v. 17. 12. 2013, 1 BvL 5/08, BVerfGE 135, 1, stellt das Bundesverfassungsgericht zur Abgrenzung zwischen grundsätzlich zulässiger unechter Rückwirkung bzw. tatbestandlicher Rückanknüpfung und grundsätzlich unzulässiger echter Rückwirkung bzw. Rückbewirkung von Rechtsfolgen auf die Besteuerungsperiode ab. Hingegen wird im Beschluss v. 03. 12. 1997, 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67 (80), für maßgeblich erachtet, ob schutzwürdige Dispositionen getroffen worden sind. 334 BFH v. 17. 02. 2005, XI B 138/03, BFH/NV 2005, 1264 (1265); Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn, S. 92 f.; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 188; Schick, Der Verlustrücktrag, S. 15. A.A. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 44. 335 Ähnlich P. Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 136; Kube, DStR 2011, 1781 (1784); Müller-Franken, StuW 2004, 109 (122). 331

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von Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten ungleich dem staatlichen Steuerzugriff ausgesetzt.336 Es wäre allein vom Zufall abhängig, ob bzw. in welchem Umfang erwerbsbezogene Aufwendungen berücksichtigt werden können. Zumal der Steuerpflichtige nur in begrenztem Maße Einfluss auf deren Entstehung, insbesondere auf den Entstehungszeitpunkt nehmen kann. Daher ist die Entscheidung des Gesetzgebers für eine Belastung des Einkommens abzüglich erwerbsbezogenen Aufwands nur gleichheitskonform ausgestaltet, wenn eine periodenübergreifende Verlustberücksichtigung nicht vollkommen ausgeschlossen ist.337 Eine andere Frage ist hingegen, über wie viele Veranlagungszeiträume die Verluste berücksichtigt werden müssen.338 Insoweit stellt § 10d EStG eine gesetzgeberische Grundentscheidung dar, die jedenfalls folgerichtig umzusetzen ist. Eine vollständige Abschaffung der periodenübergreifenden Verlustabzugsmechanismen verstieße jedoch, wie vorgehend erörtert, gegen Art. 3 I GG. 3. Gleichheit bei der Gewährung von Steuervergünstigungen Art. 3 I GG wirkt sich ganz allgemein, nicht nur beim Betriebsausgaben- und Werbungskostenabzug, auf die Frage aus, ob und gegebenenfalls wie Aufwendungen steuerwirksam zu berücksichtigen sind. In seiner allumfassenden Relativität fordert 336

Ähnlich Kube, DStR 2011, 1781 (1785). So im Ergebnis auch BFH v. 22. 08. 2012, I R 9/11, BStBl II 2013, 512 (515); wohl auch BFH v. 26. 08. 2010, I B 49/10, BStBl II 2011, 826 (828); v. 26. 02. 2014, I R 59/12, BStBl II 2014, 1016 (1020 f.), der fordert, dass der Kernbereich eines Verlustausgleichs gewährleistet sein müsse. Ismer, DStJG 34 (2011), 91 (107 ff.); Kube, DStR 2011, 1781 (1787 f.); Lehner, in: Verluste im nationalen und internationalen Steuerrecht, S. 1 (16); Seiler, DStJG 34 (2011), 61 (82); Wendt, DStJG 28 (2005), 41 (54); Wernsmann, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 101 (103). Wie auch die Vertreter in der Literatur, die eine Prinzipienkollision annehmen, vgl. Desens, FR 2011, 745 (747 f.); Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn, S. 101 f.; Hallerbach, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10d EStG Rn. 10; Heuermann, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10d Rn. A 79. Hingegen zweifelt Wassermeyer, FR 2011, 752 (753), am Bestehen eines verfassungsrechtlichen Gebots, während das Bundesverfassungsgericht ein solches im Beschluss v. 08. 03. 1978, 1 BvR 117/78, HFR 1978, 293 (294), ablehnt. 338 Vgl. BVerfG v. 22. 07. 1991, 1 BvR 313/88, NJW 1992, 168 (169), das jedenfalls eine Beschränkung des Verlustvortrags auf fünf Jahre im Zusammenwirken mit einer Verlustrücktragsmöglichkeit von einem Jahr für verfassungsrechtlich zulässig erachtet. Lehner, in: Verluste im nationalen und internationalen Steuerrecht, S. 1 (16), hält gestützt auf Art. 14 GG im Grundsatz einen unbeschränkten Abzug echter Verluste für geboten. Für einen zeitlich unbeschränkten Verlustvortrag spricht sich Dorenkamp, Systemgerechte Neuordnung der Verlustverrechnung – Haushaltsverträglicher Ausstieg aus der Mindestbesteuerung, S. 13, aus. Ebenso Ismer, DStJG 34 (2011), 91 (108 ff.), nach dessen Ansicht jedoch Durchbrechungen zulässig sind. Lediglich bezogen auf die Erwerbsquelle hält Wendt, DStJG 28 (2005), 41 (54), einen intertemporalen Verlustabzug für verfassungsrechtlich geboten. Nach Kube, DStR 2011, 1781 (1787 f.), darf der Zeitraum von fünf bis sieben Jahren jedenfalls nicht unterschritten werden. Einen weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers erkennen Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn, S. 99 ff.; Hallerbach, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10d EStG Rn. 10; Heuermann, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10d Rn. A 79; Seiler, DStJG 34 (2011), 61 (82), an. 337

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der Gleichheitssatz, dass wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches entsprechend anders behandelt wird. Als verbindliche Leitlinie für die Qualifizierung von Sachverhalten als rechtlich gleich ist insbesondere im Bereich des Einkommensteuerrechts die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen heranzuziehen.339 Entsprechend müssen Aufwendungen, soweit sie – dem Grunde und der Höhe nach – die Leistungsfähigkeit mindern, steuerwirksam berücksichtigt werden. Im Übrigen dürfen sie nicht in Ansatz gebracht werden. Daher müssen Erwerbsaufwendungen grundsätzlich abziehbar sein. Durchbrechungen des verfassungsrechtlich verankerten objektiven Nettoprinzips bedürfen einer Rechtfertigung. Hingegen sind Privataufwendungen bei der Besteuerung im Grundsatz340 außer Ansatz zu lassen. Selbst wenn der Grundsatz der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit zugunsten außerfiskalischer Zwecke durchbrochen wird, bleibt der Gesetzgeber im Übrigen an Art. 3 I GG gebunden. Auch Förderungs- und Lenkungstatbestände sind gleichheitsgerecht auszugestalten.341 Daher müssen auch durch solche Regelungen in Bezug genommene Maßgrößen, wie der Gesamtbetrag der Einkünfte in § 10b I EStG und § 33 I, III EStG, zutreffend bemessen werden. Ist die Bezugsgröße schon nicht gleichheitsgerecht, insbesondere nicht realitätsgerecht erfasst, setzt sich dieses Defizit in ungleichen Entlastungswirkungen fort. Es genügt gerade nicht, dass die Steuerpflichtigen prozentual in demselben Umfang entlastet werden bzw. prozentual dieselbe zumutbare Belastung tragen, wenn die Bezugsgröße nicht zutreffend ermittelt worden ist. Daher ist es auch insoweit gleichheitsrechtlich geboten, dass der Gesamtbetrag der Einkünfte entsprechend der Leistungsfähigkeit ermittelt wird, durch die Erwerbssphäre veranlasste Aufwendungen also auch als Betriebsausgaben/Werbungskosten steuerwirksam werden. 4. Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers Während Eingriffe in Freiheitsrechte zur Verwirklichung legitimer Ziele den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes entsprechen müssen, ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz „je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfor339 BVerfG v. 06. 03. 2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (125); v. 04. 12. 2002, 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (46); v. 21. 06. 2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (180); v. 09. 12. 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08 u. a., BVerfGE 122, 210 (230 f.); v. 12. 05. 2009, 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111 (120); v. 06. 07. 2010, 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268 (277 f.); v. 07. 07. 2010, 2 BvL 2/04, 2 BvL 14/02, 2 BvL 13/05, BVerfGE 127, 1 (27 f.). 340 Soweit die Aufwendungen der Existenzsicherung dienen, ist es jedoch verfassungsrechtlich geboten, das Einkommen in dieser Höhe von der Steuer freizustellen, vgl. hierzu 2. Kapitel § 5 II. (S. 104 ff.). 341 Vgl. ausführlich zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung von Förderungs- und Lenkungstatbeständen 2. Kapitel § 6 II. (S. 129 ff.) sowie 4. Kapitel § 11 (S. 177 ff.).

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dernissen reichen“342. Nach der neueren Rechtsprechung ist der Prüfungsmaßstab stufenlos und am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientiert.343 a) Grenze des Willkürverbots Die Erhebung von Steuern ist, abgesehen von der Notwendigkeit staatlicher Einnahmen, im Ausgangspunkt eine Frage politischer Art, die durch den unmittelbar demokratisch legitimierten Gesetzgeber zu beantworten ist. Entsprechend ist ihm im Grundsatz ein weiter Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum zuzuerkennen, der seine Grenzen im Willkürverbot findet. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz liegt erst dann vor, wenn es an sachlichen Gründen für die Ungleichbehandlung fehlt. Auf die dogmatische Überzeugungskraft oder die systematische Richtigkeit kommt es nicht an.344 In diesem Sinne hat das Bundesverfassungsgericht auch seine ältere Rechtsprechung zur Auswahl des Steuergegenstands weiter ausgedehnt. Es hält nicht mehr „finanzpolitische, volkswirtschaftliche, sozialpolitische oder steuertechnische Erwägungen“345 für zwingend, sondern lässt in seiner neueren Rechtsprechung jeglichen sachlichen Grund genügen, der „so erheblich ist, dass [die unterschiedliche Behandlung] bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht als willkürlich“346 erscheint.347 Darüber hinaus erkennt es einen weiten Entscheidungsspielraum bei der Bestimmung des Steuersatzes an.348 Die Grundrechte bilden nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts lediglich „einen allgemeinen Rahmen für die weitgehende Gestaltungs342 BVerfG v. 06. 03. 2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (110); v. 04. 12. 2002, 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (45); v. 20. 04. 2004, 1 BvR 905/00, 1 BvR 1748/99, BVerfGE 110, 274 (291); v. 21. 06. 2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (180); v. 07. 11. 2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 (30); v. 15. 01. 2008, 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 (29); v. 12. 05. 2009, 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111 (119 f.); v. 12. 10. 2010, 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224 (244); v. 07. 05. 2013, 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07, BVerfGE 133, 377 (407), in ständiger Rechtsprechung. 343 BVerfG v. 21. 06. 2011, 1 BvR 2035/07, BVerfGE 129, 49 (69); v. 18. 07. 2012, 1 BvL 16/11, BVerfGE 132, 179 (188); v. 17. 12. 2014, 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136 (180 f.); v. 23. 06. 2015, 1 BvL 13/11, 1 BvL 14/11, BVerfGE 139, 285 (309). 344 BVerfG v. 12. 05. 2009, 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111 (127). 345 BVerfG v. 30. 10. 1961, 1 BvR 833/59, BVerfGE 13, 181 (203); v. 12. 10. 1978, 2 BvR 154/74, BVerfGE 49, 343 (360); v. 06. 12. 1983, 2 BvR 1275/79, BVerfGE 65, 325 (354); v. 11. 02. 1992, 1 BvL 29/87, BVerfGE 85, 238 (244). 346 BVerfG v. 15. 01. 2008, 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 (31); v. 05. 11. 2014, 1 BvF 3/11, BVerfGE 137, 350 (370); so aber auch schon in der Entscheidung v. 25. 10. 1977, 1 BvR 15/75, BVerfGE 46, 224 (233). 347 Vgl. Thiemann, in: Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 179 (193). 348 BVerfG v. 06. 12. 1983, 2 BvR 1275/79, BVerfGE 65, 325 (354); v. 15. 01. 2008, 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 (29 f.); v. 04. 02. 2009, 1 BvL 8/05, BVerfGE 123, 1 (19); v. 07. 07. 2010, 2 BvL 2/04, 2 BvL 14/02, 2 BvL 13/05, BVerfGE 127, 1 (27); v. 05. 11. 2014, 1 BvF 3/11, BVerfGE 137, 350 (366).

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2. Kap.: Qualifikation von Aufwendungen als Sonderausgaben

freiheit des Gesetzgebers“349 bei der Konkretisierung der Lastenverteilung entsprechend der einkommensteuerlichen Grundentscheidung. Auf dieser Ebene kann auch ein grundlegender Prinzipien- und Systemwechsel vollzogen werden, ohne durch Art. 3 I GG im Sinne eines Folgerichtigkeitsgebots an vorangegangene Grundentscheidungen gebunden zu sein350. Die weite Grenze des Willkürverbots gilt auch für Ungleichbehandlungen, die sich im Rahmen der Belastungsgrundentscheidungen bewegen und nur auf untergeordneter Ebene eine Differenzierung treffen.351 b) Notwendigkeit eines „besonderen sachlichen Grundes“352 Hingegen bedarf es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eines „besonderen sachlichen Grundes“, wenn eine Ungleichbehandlung darauf zurückzuführen ist, dass eine einmal getroffene Belastungsgrundentscheidung nicht folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt wird. Einem solchen Folgerichtigkeitsgebot unterliegt der Gesetzgeber in Bezug auf Belastungsentscheidungen, die subjektiv primär von Überlegungen zur gerechten Verteilung von Steuerlasten getragen werden und in objektiver Hinsicht deren grundlegende zentrale Fragen als nicht entwicklungsoffene Leitlinie betreffen.353 Im Bereich des Einkommensteuerrechts ist die Besteuerung nach dem objektiven Nettoprinzip als eine solche Grundentscheidung anzusehen.354 Ähnlich verhält es sich mit dem subjektiven Nettoprinzip in Form des Gebots zur Steuerfreistellung des Existenzminimums, auch wenn dessen verfassungsrechtliche Verankerung anders als beim objektiven Netto-

349

BVerfG v. 12. 05. 2009, 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111 (123). BVerfG v. 09. 12. 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08 u. a., BVerfGE 122, 210 (242); v. 17. 11. 2009, 1 BvR 2192/05, BVerfGE 125, 1 (20). 351 Vgl. BVerfG v. 12. 05. 2009, 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111 (122 f.). 352 BVerfG v. 30. 09. 1998, 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 (95); v. 11. 11. 1998, 2 BvL 10/ 95, BVerfGE 99, 280 (290); v. 06. 03. 2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (126); v. 04. 12. 2002, 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (48); v. 21. 06. 2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (180 f.); v. 07. 11. 2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 (31); v. 09. 12. 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08 u. a., BVerfGE 122, 210 (231); v. 12. 05. 2009, 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111 (121); v. 06. 07. 2010, 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268 (280); v. 12. 10. 2010, 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224 (248). 353 Vgl. BVerfG v. 12. 05. 2009, 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111 (123 f.). 354 Während das objektive Nettoprinzip in BVerfG v. 30. 09. 1998, 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 (97), zunächst noch zurückhaltender als „gesetzliches Belastungssystem“ bezeichnet worden ist, wird es in BVerfG v. 04. 12. 2002, 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (48); v. 09. 12. 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08 u. a., BVerfGE 122, 210 (234); v. 12. 05. 2009, 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111 (121); v. 06. 07. 2010, 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268 (280); v. 12. 10. 2010, 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224 (248), als eine gesetzgeberische „Grundentscheidung“ des Einkommensteuerrechts qualifiziert. 350

§ 4 Aufwendungen mit Bezug zur Erwerbssphäre

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prinzip allgemein anerkannt ist.355 Gleichwohl kann es als ein Grundprinzip des Einkommensteuerrechts angesehen werden.356 Der Gesetzgeber muss diese Entscheidungen folgerichtig umsetzen. Die Bedeutung des Folgerichtigkeitsgebots ist darin zu sehen, dass der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum nicht erst im Willkürverbot seine Grenze findet. Vielmehr ist diese Grenze bereits erreicht, wenn es an einem „besonderen sachlichen Grund“ für die Ungleichbehandlung fehlt. Als solche sind in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts außerfiskalische Förderungs- und Lenkungszwecke anerkannt, wenn sie von einer erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidung getragen, gleichheitsgerecht und in einem Mindestmaß zweckgerecht ausgestaltet sind.357 Daneben genügen auch Gründe der Vereinfachung und Typisierung von Massenerscheinungen, wenn realitätsgerecht der typische Fall erfasst wird358 und „die steuerlichen Vorteile der Typisierung im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung notwendig verbundenen Ungleichheit der steuerlichen Belastung stehen“359. Hingegen genügt der Fiskalzweck der staatlichen Einnahmeerhöhung nicht. c) Erfordernisse der Verhältnismäßigkeit Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kommt nicht nur bei Eingriffen in Freiheitsrechte zum Tragen, sondern kann auch Ausdruck einer besonders strengen 355 Zu den verfassungsrechtlichen Wurzeln des Gebots der Steuerfreistellung des Existenzminimums und den verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Ausgestaltung, vgl. 2. Kapitel § 5 II. (S. 104 ff.). 356 So ist das Bundesverfassungsgericht zu verstehen, wenn es in den Entscheidungen v. 04. 12. 2002, 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (47); v. 09. 12. 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08 u. a., BVerfGE 122, 210 (233); v. 12. 05. 2009, 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111 (121), ausführt, dass der einfache Gesetzgeber „[d]ie für die Lastengleichheit im Einkommensteuerrecht maßgebliche finanzielle Leistungsfähigkeit […] nach dem objektiven und dem subjektiven Nettoprinzip [bemisst]. Danach unterliegt der Einkommensteuer grundsätzlich nur das Nettoeinkommen, nämlich der Saldo aus den Erwerbseinnahmen einerseits und den (betrieblichen/beruflichen) Erwerbsaufwendungen sowie den (privaten) existenzsichernden Aufwendungen andererseits.“ 357 BVerfG v. 22. 06. 1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (147 f.); v. 20. 04. 2004, 1 BvR 905/00, 1 BvR 1748/99, BVerfGE 110, 274 (293 f.); v. 21. 06. 2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (182); v. 07. 11. 2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 (32 f.); v. 09. 12. 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08 u. a., BVerfGE 122, 210 (232). 358 Vgl. BVerfG v. 16. 03. 2005, 2 BvL 7/00, BVerfGE 112, 268 (280 f.); v. 21. 06. 2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (183); v. 15. 01. 2008, 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 (30); v. 09. 12. 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08 u. a., BVerfGE 122, 210 (232 f.); v. 06. 07. 2010, 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268 (279); v. 12. 10. 2010, 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224 (245 f.), in ständiger Rechtsprechung. 359 BVerfG v. 20. 04. 2004, 1 BvR 905/00, 1 BvR 1748/99, BVerfGE 110, 274 (292); v. 07. 11. 2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 (31); v. 15. 01. 2008, 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 (30); v. 12. 10. 2010, 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224 (246).

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2. Kap.: Qualifikation von Aufwendungen als Sonderausgaben

Bindung des Gesetzgebers an den allgemeinen Gleichheitssatz sein360. Zwar will das Bundesverfassungsgericht die Frage nach der Bindungsintensität nicht losgelöst von den zu regelnden Bereichen beantwortet wissen,361 doch hält es allgemein im Wesentlichen drei Gesichtspunkte maßgebend dafür, ob Ungleichbehandlungen Verhältnismäßigkeitserfordernissen genügen müssen: Der Gesetzgeber unterliegt einer strengen Bindung, wenn es sich um ein personenbezogenes Differenzierungskriterium handelt. Die Anforderungen werden dabei umso strenger, je mehr sich die Merkmale denen des Art. 3 III GG annähern.362 Wird hingegen an ein verhaltensbezogenes Differenzierungskriterium angeknüpft, so greifen diese Grundsätze nur, wenn der Einzelne auf deren Verwirklichung keinen Einfluss nehmen kann.363, 364 Für relevant hält das Bundesverfassungsgericht auch, ob und inwieweit sich die Ungleichbehandlung nachteilig auf grundrechtlich geschützte Freiheiten auswirkt.365 Neuerdings kommt für den Bereich des Steuerrechts ein vierter Gesichtspunkt hinzu: Das Bundesverfassungsgericht nimmt eine strenge Bindung des Gesetzgebers an Art. 3 I GG an, wenn die Ungleichbehandlung von großem Ausmaß ist.366 In derartigen Konstellationen genügt allein das Vorliegen eines legitimen Zwecks nicht. Vielmehr muss die differenzierende Regelung auch geeignet, erforderlich und angemessen sein. Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers ist also eng. 360

Vgl. hierzu Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 224 ff. BVerfG v. 06. 03. 2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (111); v. 08. 06. 2004, 2 BvL 5/00, BVerfGE 110, 412 (432); v. 11. 01. 2005, 2 BvR 167/02, BVerfGE 112, 164 (174); v. 09. 12. 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08 u. a., BVerfGE 122, 210 (230); v. 21. 07. 2010, 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07, BVerfGE 126, 400 (416); v. 07. 05. 2013, 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07, BVerfGE 133, 377 (407), in ständiger Rechtsprechung. 362 Seit BVerfG v. 26. 01. 1993, 1 BvL 38/92, 1 BvL 40/92, 1 BvL 43/92, BVerfGE 88, 87 (96), in ständiger Rechtsprechung. Vgl. für den Bereich des Steuerrechts jüngst BVerfG v. 18. 07. 2012, 1 BvL 16/11, BVerfGE 132, 179 (189); v. 07. 05. 2013, 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07, BVerfGE 133, 377 (407 f.). 363 So zuletzt im Steuerrecht BVerfG v. 21. 07. 2010, 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07, BVerfGE 126, 400 (418); v. 18. 07. 2012, 1 BvL 16/11, BVerfGE 132, 179 (189). 364 Obgleich das Bundesverfassungsgericht, wie Wernsmann, DVBl 2015, 1085 (1090), zutreffend feststellt, „von der Zweiteilung zwischen personen- und verhaltensbezogenen Differenzierungen abgerückt [ist] und […] jetzt eine stufenlose Prüfung am Gleichheitssatz [favorisiert]“, erlangt die Frage nach der Art der Differenzierung wohl auch in diesem Rahmen Bedeutung, vgl. BVerfG v. 18. 07. 2012, 1 BvL 16/11, BVerfGE 132, 179 (189); v. 17. 12. 2014, 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136 (180 f.); v. 23. 06. 2015, 1 BvL 13/11, 1 BvL 14/11, BVerfGE 139, 285 (309). 365 BVerfG v. 30. 05. 1990, 1 BvL 2/83, BVerfGE 82, 126 (146); v. 26. 01. 1993, 1 BvL 38/92, 1 BvL 40/92, 1 BvL 43/92, BVerfGE 88, 87 (96); v. 06. 03. 2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (110); v. 11. 01. 2005, 2 BvR 167/02, BVerfGE 112, 164 (174); v. 09. 12. 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08 u. a., BVerfGE 122, 210 (230); v. 21. 07. 2010, 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07, BVerfGE 126, 400 (418); v. 18. 07. 2012, 1 BvL 16/11, BVerfGE 132, 179 (189). 366 BVerfG v. 17. 12. 2014, 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136 (181, 182 f.); v. 24. 03. 2015, 1 BvR 2880/11, BVerfGE 139, 1 (14); v. 23. 06. 2015, 1 BvL 13/11, 1 BvL 14/11, BVerfGE 139, 285 (310). 361

§ 4 Aufwendungen mit Bezug zur Erwerbssphäre

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III. Verfassungsrechtliche Grenzen der Zuordnung von Aufwendungen mit Bezug zur Erwerbssphäre zu den Sonderausgaben Unter Berücksichtigung der vorgehend erörterten verfassungsrechtlichen Vorgaben erscheint es bedenklich, wenn durch die Erwerbssphäre (mit-)veranlasste Aufwendungen den Sonderausgaben zugeordnet werden. Es stehen nicht nur bloße Systemwidrigkeiten in Rede. Vielmehr gehen damit verfassungsrechtlich relevante Belastungsunterschiede einher, insbesondere die Beeinträchtigung des periodenübergreifenden objektiven Nettoprinzips. Daher kann es sich allenfalls um Grenzfälle handeln, in welchen dem Gesetzgeber ein Entscheidungsspielraum über die Zuordnung entweder zur Erwerbs- oder zur Privatsphäre zukommt. Welchen Schranken er dabei unterliegt, bleibt nun zu untersuchen. Ausgangspunkt ist die Frage, welcher Spielraum dem Gesetzgeber schon bei der Qualifizierung des Veranlassungszusammenhangs zukommt (1.). Fehlt es bereits an einer betrieblichen/ beruflichen Veranlassung, unterfallen die Aufwendungen schon nicht den insoweit bestehenden verfassungsrechtlichen Vorgaben. Ist allerdings eine Mitveranlassung durch die Erwerbssphäre zu bejahen, stellt sich die Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber solche Aufwendungen den Sonderausgaben zuordnen darf. Insofern muss zwischen einer Qualifizierung untrennbar gemischt veranlasster Aufwendungen als Sonderausgaben (2.) und einer Umqualifizierung von durch die Erwerbssphäre veranlassten trennbaren Teilen gemischt veranlasster Aufwendungen (3.) differenziert werden. 1. Qualifizierung des Veranlassungszusammenhangs Wenn es, wie soeben gezeigt, von Verfassungs wegen geboten ist, betrieblich bzw. beruflich veranlasste Aufwendungen steuermindernd zu berücksichtigen, stellt sich vorgelagert notwendig die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein solcher Zusammenhang mit der Erwerbssphäre angenommen werden kann. Mag es auch in vielen Fällen eindeutig sein, ob eine Zuordnung zur Erwerbssphäre oder zur Privatsphäre geboten ist, gibt es auch Grenzfälle, deren Bewertung erhebliche Schwierigkeiten bereitet. Dies zeigt sich auch im Bereich der Sonderausgaben. So ist heftig umstritten, aus welchen Gründen die Altersvorsorgebeiträge in der Erwerbsphase steuermindernd als Sonderausgaben berücksichtigt werden.367 Im Ausgangspunkt geht es hierbei um die Frage, ob die Alterseinkünfte i.S.v. § 22 Nr. 1 S. 3 lit. a Doppelbuchstabe aa EStG einen Erfolg in der Erwerbssphäre oder in der Privatsphäre darstellen. Qualifiziert man den Zufluss im Alter als Ergebnis einer Erwerbstätigkeit, ist der Aufwand folgerichtig als durch die Erwerbssphäre veranlasst zu bewerten. In diesem Falle wird der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum durch das objektive Nettoprinzip begrenzt. Die Zuordnung zu den Sonderausgaben 367

Vgl. hierzu bereits 1. Kapitel § 2 I. 1. (S. 23 ff.).

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2. Kap.: Qualifikation von Aufwendungen als Sonderausgaben

erweist sich dann als problematisch. Handelt es sich hingegen im Wesentlichen um eine Vermögensumschichtung außerhalb der steuerlich beachtlichen Erwerbssphäre, ist der Gesetzgeber an die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Berücksichtigung von Erwerbsaufwendungen nicht gebunden. Der wirtschaftliche Erfolg ist bereits in der aktiven Erwerbsphase erzielt worden und liegt in der Bezugsphase grundsätzlich außerhalb der steuerlich relevanten Sphäre.368 Die Besteuerung wird in der Bezugsphase lediglich nachgeholt, soweit sie in der Erwerbsphase unterblieben ist. Maßgeblich kommt es sodann aber auf das Verbot der doppelten Besteuerung369 an. Anders ist die Streitfrage nach dem Veranlassungszusammenhang bei den Berufsausbildungskosten gelagert.370 Umstritten ist, ob der Zusammenhang mit der einkünfteerzielenden Tätigkeit bereits hinreichend konkret ist. Es muss also beurteilt werden, „wann“ bzw. „wo“ die Erwerbssphäre beginnt, deren Bestehen dem Grunde nach aber – anders als bei den Altersvorsorgeaufwendungen – nicht bezweifelt wird. In solchen Grenzfällen stellt sich die Frage, welcher Entscheidungsspielraum dem Gesetzgeber bei der Qualifizierung des Veranlassungszusammenhangs zukommt. Entsprechend der Zuordnung entweder zur Erwerbs- oder zur Privatsphäre sind die Aufwendungen dem jeweiligen Regelungsregime zu unterwerfen. a) Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers Wie bereits erkennbar geworden ist, eröffnen sich dem Gesetzgeber grundsätzlich auf zwei verschiedenen Ebenen Beurteilungsspielräume: (1) Ist der mit den Aufwendungen im Zusammenhang stehende Erfolg als Teil der steuerbaren Erwerbssphäre oder der im Grundsatz unbeachtlichen Privatsphäre zu qualifizieren? (2) Besteht ein hinreichend konkreter Veranlassungszusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Erwerbssphäre? Für die Frage nach der Grenze der Gestaltungskompetenz auf der ersten Ebene ist entscheidend, welchen gleichheitsrechtlichen Bindungen der Gesetzgeber bei der Entscheidung unterliegt, Einnahmen entweder der steuerlich beachtlichen oder der unbeachtlichen Sphäre zuzuordnen. Das Bundesverfassungsgericht differenziert in ständiger Rechtsprechung zwischen einem weit reichenden Entscheidungsspielraum bei der Auswahl des Steuergegenstands sowie der Bestimmung des Steuersatzes einerseits und dem Gebot der Folgerichtigkeit bei der Umsetzung der mit der Wahl des Steuergegenstands einmal getroffenen Belastungsentscheidung andererseits.371 368

Birk, in: Festschrift für Ruland, S. 425 (432). BVerfG v. 06. 03. 2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (134 f.); v. 13. 02. 2008, 2 BvR 1220/04, 2 BvR 410/05, BVerfGE 120, 169 (178 f.). 370 Vgl. hierzu bereits 1. Kapitel § 2 I. 3. (S. 38 ff.). 371 Vgl. zunächst BVerfG v. 27. 06. 1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (271); v. 15. 01. 2008, 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 (29 ff.); v. 07. 07. 2010, 2 BvL 2/04, 2 BvL 14/02, 2 BvL 13/05, BVerfGE 127, 1 (27 ff.); v. 05. 11. 2014, 1 BvF 3/11, BVerfGE 137, 350 (366 f., 370), in ständiger Rechtsprechung; bezogen auf die Steuerquelle bereits BVerfG v. 09. 07. 1969, 2 BvL 20/65, BVerfGE 26, 302 (312). 369

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Entsprechend ist danach abzugrenzen, ob es sich noch um eine Auswahl des Steuergegenstands oder schon um eine Differenzierung innerhalb dessen handelt. Hierfür ist es nicht zielführend, auf die Finanzverfassung abzustellen. Zwar lässt sich dem finanzverfassungsrechtlichen Begriff der Einkommensteuer entnehmen, dass das Grundgesetz darauf gerichtet ist, die Erzielung von Einkünften in ihrer ganzen Breite steuerlich zu erfassen.372 Der Begriff des „Einkommens“ i.S.v. Art. 105 II GG i.V.m. Art. 106 III GG ist aber nicht hinreichend bestimmt, als dass ihm konkret entnommen werden könnte, wie einzelne wirtschaftliche Vorgänge steuerlich zu bewerten sind.373 Es handelt sich in erster Linie um eine Kompetenznorm, die dem einfachen Gesetzgeber einen Spielraum auf materieller Ebene bei der Konkretisierung des Steuergegenstands belässt. Auch erscheint zweifelhaft, ob der Gesetzgeber eine Belastungsgrundentscheidung getroffen hat. Weder die Reinvermögenszugangs-, die Quellen-, die Markteinkommenstheorie noch deren Kombination entsprechend dem geltenden Dualismus der Einkunftsarten tragen dem gesetzgeberischen Willen abschließend Rechnung. Entsprechend hat der Gesetzgeber bewusst auf die Zugrundelegung eines bestimmten Einkommensbegriffs verzichtet.374 Stattdessen wird das steuerbare Einkommen steuerzweckorientiert bestimmt, wie sich in der abschließenden Aufzählung der Einkunftsarten in § 2 I EStG zeigt. Besonders deutlich wird dies aber daran, dass selbst die Prämissen des historisch gewachsenen Dualismus der Einkunftsarten nicht konsequent umgesetzt werden. So betrachtet es das Bundesverfassungsgericht vielmehr als eine Frage der politischen Entscheidung, ob die Reinvermögenszugangstheorie auch auf Überschusseinkünfte ausgedehnt werden solle.375 Dies lässt doch darauf schließen, dass es sich noch um die Auswahl des Steuergegenstands handelt, wenn erst durch § 2 I EStG der steuerbare Erfolg definiert wird. Dem Gesetzgeber kommt somit ein weiter Beurteilungsspielraum bei der vorgelagerten Frage zu, ob die Einnahmen der steuerbaren Erwerbssphäre zuzuordnen sind.376 372

Vgl. Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 313. Nach Drüen, StuW 2008, 3 (7), werden die „Essentialia der Steuertypen“, nach Isensee, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. VI, § 126 Rn. 215, die „identitätsbestimmenden Strukturen“ festgeschrieben. Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 68, 70, qualifiziert den verfassungsrechtlichen Begriff des Einkommens als einen Typusbegriff, der den Gesetzgeber hinsichtlich des Steuergegenstands in „Grobkonturen“ binde. Nach Waldhoff, Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Steuergesetzgebung im Vergleich Deutschland – Schweiz, S. 190, zeichnet die Finanzverfassung die „Essentialien des Charakters einer Steuerart“ vor. 374 Gesetzesbegründung zum Einkommensteuergesetz v. 10. 08. 1925, RT-Drs. III/795, S. 22; zum Einkommensteuergesetz v. 16. 10. 1934, RStBl 1935, 33 (34); zum Dritten Steuerreformgesetz von 1974, BT-Drs. 7/1470, S. 211. 375 BVerfG v. 07. 07. 2010, 2 BvL 2/04, 2 BvL 14/02, 2 BvL 13/05, BVerfGE 127, 1 (29); v. 07. 07. 2010, 2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05, BVerfGE 127, 61 (86); ähnlich BVerfG v. 09. 07. 1969, 2 BvL 20/65, BVerfGE 26, 302 (312); v. 07. 10. 1969, 2 BvL 3/66, 2 BvR 701/64, BVerfGE 27, 111 (127). 376 P. Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 172. Zur Ausdehnung der Besteuerung auf private Veräußerungsgeschäfte Müller-Franken, in: Gedächtnisschrift für Trzaskalik, S. 195 (215), der in einer solchen Entscheidung eine Auswahl des Steuergegen373

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Die Anforderungen an den Veranlassungszusammenhang definiert der Bundesfinanzhof dahingehend, dass die Aufwendungen objektiv mit der einnahmeerzielenden Tätigkeit zusammenhängen und fakultativ dieser subjektiv zu dienen bestimmt sein müssen.377 Eine Bindungswirkung, die den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers begrenzen könnte, kann diese Definition allerdings nicht entfalten. Zum einen ist dem Grundgesetz eine Konkretisierung des objektiven Nettoprinzips nicht zu entnehmen, erst recht nicht, welcher Inhalt einem solchen Veranlassungsprinzip beizumessen ist.378 Das objektive Nettoprinzip ist von Verfassungs wegen nur auf „institutioneller Ebene“379 gewährleistet und bedarf einfachgesetzlicher Ausgestaltung.380 Zum anderen trifft der einfache Gesetzgeber insoweit auch keine hinreichend bestimmte Belastungsgrundentscheidung, die gleichheitsrechtlich ein Folgerichtigkeitsgebot nach sich ziehen könnte. Schon dem Wortlaut nach setzt der Werbungskostenbegriff nach § 9 I EStG final an, während allein die Betriebsausgaben in § 4 IV EStG als Aufwendungen definiert werden, die durch die Erwerbssphäre veranlasst sind. Selbst wenn man den Begriffen im Wege der Auslegung – entsprechend dem gesetzgeberischen Willen – deckungsgleich das Veranlassungsprinzip zugrunde legt, kann es im Grenzbereich zwischen der Erwerbs- und der Privatsphäre keine bestimmten Vorgaben entfalten. Daher muss dem Gesetzgeber auch bei der Beurteilung, ob der Zusammenhang zur Erwerbssphäre bereits hinreichend konkret ist, ein weiter Spielraum zuerkannt werden.381 Sofern er sich innerhalb der Grenzen des Willkürverbots382 bewegt, liegt schon keine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung vor. Eine Entscheidungskompetenz bei der Abgrenzung zwischen der Erwerbs- und der Privatsphäre erkennt auch das Bundesverfassungsgericht im Beschluss zur doppelten Haushaltsführung an: Eine „Grundentscheidung“ des Gesetzgebers, die steuerrechtlich erhebliche Berufssphäre nicht erst am Werkstor beginnen zu lassen383, setzt eine solche notwendig voraus. stands sieht. Das Bundesverfassungsgericht hat die grundsätzliche Nichtsteuerbarkeit privater Veräußerungsgeschäfte gebilligt, vgl. BVerfG v. 09. 07. 1969, 2 BvL 20/65, BVerfGE 26, 302; v. 11. 05. 1970, 1 BvL 17/67, BVerfGE 28, 227. 377 So BFH v. 20. 11. 1979, VI R 25/78, BStBl II 1980, 75 (76); v. 15. 05. 1981, VI R 66/78, BStBl II 1981, 735 (736); v. 21. 11. 1983, GrS 2/82, BStBl II 1984, 160 (163); v. 23. 10. 1984, IX R 48/80, BStBl II 1985, 453 (454); v. 04. 07. 1990, GrS 2/88, GrS 3/88, BStBl II 1990, 817 (823); v. 01. 02. 2007, VI R 25/03, BStBl II 2007, 459; v. 19. 06. 2008, VI R 33/07, BStBl II 2009, 11 (12); v. 21. 09. 2009, GrS 1/06, BStBl II 2010, 672 (681); v. 01. 12. 2010, IV R 17/09, BStBl II 2011, 419 (424), in ständiger Rechtsprechung. 378 Vgl. Drüen, StuW 2008, 3 (6 f.); Tipke, JZ 2009, 533 (538); Thiemann, JZ 2015, 866 (870). Auch Droege, StuW 2011, 105 (110), erkennt Spielräume im Grenzbereich zwischen der Erwerbs- und der Privatsphäre an. 379 Englisch, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 92 (93). 380 Englisch, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 92 (93). 381 G. Kirchhof, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Einf. zum EStG, Rn. 298 f., der eine Bindung an das objektive Nettoprinzip jedoch nur im Sinne der Folgerichtigkeit annimmt; Seiler, DStJG 34 (2011), 61 (69, 74 f.). 382 Thiemann, JZ 2015, 866 (870); ähnlich Förster, DStR 2012, 486 (490). 383 BVerfG v. 04. 12. 2002, 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (50).

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b) Qualifizierung der Alterseinkünfte Entsprechend den vorangegangenen Ausführungen hat der Gesetzgeber einen weiten Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum bei der Qualifizierung der Alterseinkünfte. Bewegt er sich mit der Annahme innerhalb der Grenzen des Willkürverbots, dass die Bezüge in wesentlichen Teilen aus der grundsätzlich nicht steuerbaren privaten Vermögenssphäre stammen, ist die Zuordnung zu den Sonderausgaben folgerichtig. Gegen einen solchen Ansatz kann nicht eingewendet werden, dass bei den umlagefinanzierten, anders als bei den kapitalgedeckten Alterssicherungssystemen kein Vermögen angespart wird, das in Altersbezüge umgeschichtet werden könnte. Die Steuerpflichtigen erlangen infolge der Beitragszahlung jedenfalls ein Rentenanwartschaftsrecht, das den Grund für die Leistungen im Alter bildet.384 Mag man einen solchen in der aktiven Phase erlangten, aufschiebend bedingten Anspruch auf Versorgungsbezüge mit dem Bundesverfassungsgericht nicht als eine „geldwerte[n] Rechtsposition“385 bewerten, „die den Grund späterer Versorgungsbezüge bildet“, sondern eine solche „erst mit Abschluss der Erwerbsphase“386 annehmen, so erscheint es gleichwohl hinsichtlich der beitragsäquivalenten Teile der Alterseinkünfte nicht völlig sachfremd, einen der privaten Vermögensumschichtung vergleichbaren Vorgang anzunehmen.387 Es besteht ein Zusammenhang zwischen Beitragszahlung, Entstehung eines Anwartschaftsrechts und den Bezügen, der eine solche Zuordnung zur privaten Vermögenssphäre legitimiert. Dies entspricht auch dem historisch gewachsenen Verständnis der Altersbesteuerung. Hält der Gesetzgeber an der Konstruktion einer privaten Vermögensumschichtung fest, kann dies wohl kaum als willkürlich bezeichnet werden. Der Gesetzgeber bewegt sich somit im Rahmen seines weiten Entscheidungs- und Gestaltungsspielraums, wenn die Alterseinkünfte insoweit als aus der Privatsphäre fließende Einnahmen qualifiziert werden. Folgerichtig werden die Altersvorsorgebeiträge den Sonderausgaben zugeordnet. Im Übrigen hat auch das Bundesverfassungsgericht, anders als teilweise rezipiert388, einen solchen Ansatz nicht für unzulässig erklärt. Es hat „lediglich“ die gleichheitswidrige Ausgestaltung der Besteuerung von Beamtenpensionen und gesetzlichen Renten beanstandet und den Gesetzgeber zur Beseitigung des Gleichheitsverstoßes unter Beachtung des Doppelbesteuerungsverbots verpflichtet.389 Es er384 So auch BVerfG v. 14. 06. 2016, 2 BvR 290/10 Rn. 47; v. 14. 06. 2016, 2 BvR 323/10 Rn. 58. 385 BVerfG v. 06. 03. 2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (124). 386 BVerfG v. 06. 03. 2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (124). 387 Im Ergebnis auch Birk, in: Verhandlungen des 65. Deutschen Juristentages, Bd. II/1, Q 57 (Q 60). Ein zwingender Grund gegen einen solchen Ansatz sei nicht ersichtlich. 388 Vgl. beispielsweise Myßen, DStJG 29 (2006), 249 (273); Sachverständigenkommission zur Neuordnung der steuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen, Abschlussbericht, S. 22. 389 BVerfG v. 06. 03. 2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (134 f.).

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2. Kap.: Qualifikation von Aufwendungen als Sonderausgaben

kennt jedoch auch an, dass der bereits dargestellte Zusammenhang zwischen der Beitragszahlung und der Rentenanwartschaft „einen einleuchtenden und einkommensteuersystematisch vertretbaren Grund dafür [darstelle], die Rentenzahlung insoweit als ,aus dem eigenen Vermögen des Steuerpflichtigen herrührende(n) Kapitalzufluss‘ […] zu werten“390. In diesem Sinne ist wohl auch der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 13. 02. 2008391 zu verstehen. Während der Beschwerdeführer vorgebracht hatte, dass es sich bei den Beiträgen zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen aus dem Jahre 1997 um unbeschränkt abzugsfähige Betriebsausgaben handele, stellt das Bundesverfassungsgericht allein auf das Zusammenspiel von Aufbau- und Versorgungsphase zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung ab.392 Es geht offenbar davon aus, dass die Aufwendungen nicht, zumindest nicht von Verfassungs wegen zwingend als Erwerbsaufwendungen qualifiziert werden müssen. Jüngst hat das Bundesverfassungsgericht in den Beschlüssen vom 14. 06. 2016393 den hier vertretenen Ansatz bestätigt, dass der Gedanke einer privaten Vermögensumschichtung die Zuordnung zu den Sonderausgaben legitimiert. Es geht zwar davon aus, dass die Beiträge einen Bezug zur Erwerbssphäre und wegen des Erwerbs eines Anwartschaftsrechts zugleich einen Bezug zur Vermögenssphäre (steuerlich unbeachtliche Privatsphäre) aufweisen, die einheitliche Qualifikation als Sonderausgaben hält es aber wegen der „vermögensbildende[n] oder versicherungsspezifische[n] Komponenten“394 der Altersvorsorgeaufwendungen für verfassungsrechtlich zulässig. Mit der Zuordnung zur Privatsphäre bewege sich der Gesetzgeber innerhalb des weiten Spielraums, der ihm aufgrund des „doppelgesichtigen Charakters“395 der Beiträge „bei der Bewertung und Gewichtung der unterschiedlichen Anteile“396 zukomme.397 c) Veranlassungszusammenhang bei den Berufsausbildungskosten Wie der Bundesfinanzhof und die überwiegende Literatur zutreffend herausarbeiten, besteht zwischen den Berufsausbildungsaufwendungen und der späteren einkünfteerzielenden Tätigkeit ein Zusammenhang, der eine Veranlassung durch die Erwerbssphäre begründen kann. Der Zusammenhang lässt sich als hinreichend 390

BVerfG v. 06. 03. 2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (128). BVerfG v. 13. 02. 2008, 2 BvR 1220/04, 2 BvR 410/05, BVerfGE 120, 169. 392 BVerfG v. 13. 02. 2008, 2 BvR 1220/04, 2 BvR 410/05, BVerfGE 120, 169 (178 f.). 393 BVerfG v. 14. 06. 2016, 2 BvR 290/10; v. 14. 06. 2016, 2 BvR 323/10. 394 BVerfG v. 14. 06. 2016, 2 BvR 290/10 Rn. 47; v. 14. 06. 2016, 2 BvR 323/10 Rn. 58. 395 BVerfG v. 14. 06. 2016, 2 BvR 290/10 Rn. 48; v. 14. 06. 2016, 2 BvR 323/10 Rn. 60. 396 BVerfG v. 14. 06. 2016, 2 BvR 290/10 Rn. 48; v. 14. 06. 2016, 2 BvR 323/10 Rn. 60. 397 Das Bundesverfassungsgericht begründet den weiten gesetzgeberischen Spielraum auch damit, dass die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung nur zum Teil zu steuerbaren Einkünften führten, mithin nur zum Teil eine Veranlassung durch die Erwerbssphäre vorliege, vgl. BVerfG v. 14. 06. 2016, 2 BvR 290/10 Rn. 46; v. 14. 06. 2016, 2 BvR 323/10 Rn. 57. 391

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konkret qualifizieren, da die Aufwendungen getätigt werden, um sich die fachlichen Voraussetzungen der beabsichtigten Erwerbstätigkeit anzueignen. Gleichwohl stellt eine hiervon abweichende Beurteilung nicht zwingend einen Verstoß gegen das verfassungsrechtlich verankerte objektive Nettoprinzip398 dar. Zwar muss das vom einfachen Gesetzgeber zugrunde gelegte Veranlassungsprinzip folgerichtig ausgestaltet werden. Hängt die Qualifikation im Grenzbereich zwischen der Erwerbs- und der Privatsphäre jedoch von Wertungen ab, wie es im Bereich der Berufsausbildungsaufwendungen der Fall ist, verbleibt dem Gesetzgeber ein Spielraum zur Konkretisierung des Veranlassungsprinzips399, der nur durch das Willkürverbot begrenzt wird.400 Als völlig sachfremd stellt es sich jedoch nicht dar, wenn die Ausbildung als solche, sei es in einem Beruf oder durch ein Studium, noch nicht der Ausübung der späteren einkünfteerzielenden Tätigkeit zugerechnet wird.401 Unter dieser Prämisse ist es aber nur folgerichtig, dass – anders als bei den vorab veranlassten Erwerbsaufwendungen – der Zusammenhang zur Erwerbssphäre als nicht hinreichend konkret bewertet und deshalb das Vorliegen von Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten abgelehnt wird. Die Tatsache, dass eine Berufsausbildung oder ein Studium auch die Voraussetzungen für eine selbstbestimmte Lebensführung schaffen, plausibilisiert eine solche Zuordnung zur Privatsphäre überdies. In diesem Sinne hat bereits das Bundesverfassungsgericht entschieden und die typisierende Differenzierung zwischen Berufsausbildungs- und -fortbildungskosten durch die Finanzrechtsprechung402 als mit Art. 3 I GG vereinbar erklärt. „[D]ie Grenze zwischen einer der grundsätzlich steuerlich nicht zugänglichen Privatsphäre zuzuordnenden Ausbildung und der steuerlich erheblichen Berufstätigkeit“403 werde im Einklang mit dem Grundgesetz markiert.404

398

Vgl. zu dessen verfassungsrechtlichen Wurzeln 2. Kapitel § 4 II. 1. (S. 78 ff.). Zur Gegenauffassung vgl. Fn. 121. 400 Vgl. im Allgemeinen bereits 2. Kapitel § 4 III. 1. a) (S. 94). 401 Thiemann, JZ 2015, 866 (867, 870). Unklar BFH v. 05. 11. 2013, VIII R 22/12, BStBl II 2014, 165 (168), der im Ergebnis aber eine gemischte Veranlassung annimmt: Kosten für eine Berufsausbildung außerhalb eines Anstellungsverhältnisses stünden „noch nicht im direkten Zusammenhang mit einer konkreten Einnahmeerzielung“, sondern dienten „zunächst primär der individuellen Bereicherung des Steuerpflichtigen durch Erlangung von Kenntnissen und Fertigkeiten im Sinne einer ,Ausbildung‘“. 402 BFH v. 16. 03. 1967, IV R 266/66, BStBl III 1967, 723; v. 10. 12. 1971, VI R 150/70, BStBl II 1972, 254 (255); v. 24. 07. 1973, IV R 27/72, BStBl II 1973, 817; v. 28. 09. 1984, VI R 44/83, BStBl II 1985, 94 (95 f.); v. 14. 02. 1992, VI R 26/90, BStBl II 1992, 556 (557 f.). 403 BVerfG v. 08. 07. 1993, 2 BvR 773/93, NJW 1994, 847 (848). 404 In diesem Sinne Fissenewert, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Kommentierungsarchiv, § 12 EStG Rn. 164; Förster, DStR 2012, 486 (490), und Ismer, Bildungsaufwand im Steuerrecht, S. 405 f., bezugnehmend auf die durch das Bundesverfassungsgericht gebilligte Finanzrechtsprechung. Hingegen hält Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 264, die Zuordnung zur Privatsphäre für „willkürlich“. 399

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Ferner fehlt es nicht an dem erforderlichen Mindestmaß an Konsequenz405. Die differenzierte Behandlung der Kosten für berufsbildende Maßnahmen – Aufwand für die Erstausbildung, die nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet, wird der steuerlich unbeachtlichen Privatsphäre, Aufwand für sonstige berufsbildende Maßnahmen der Erwerbssphäre zugerechnet – erscheint nicht willkürlich.406 Die ungleiche Behandlung der Berufsausbildungskosten findet ihre Rechtfertigung darin, dass bei den als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten abzugsfähigen Aufwendungen (bereits) ein konkreter Zusammenhang zur Erwerbssphäre besteht. Ist die erstmalige Berufsausbildung Gegenstand eines entgeltlichen Dienstverhältnisses, fallen die Aufwendungen im Rahmen einer einkünfteerzielenden Tätigkeit an.407 Hinsichtlich der weiteren Aus- oder Fortbildung wird man typischerweise davon ausgehen können, dass die einer solchen Entscheidung zugrunde liegenden Gründe in der gegenwärtigen beruflichen Situation, also in der Erwerbssphäre wurzeln. 2. Qualifizierung als Sonderausgabe bei untrennbar gemischter Veranlassung Handelt es sich um betrieblich/beruflich mitveranlasste Aufwendungen, stellt sich sodann die Frage, ob deren Zuordnung zu den Sonderausgaben den verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechen kann. Bei untrennbar gemischt veranlassten Aufwendungen ist es grundsätzlich dem Gesetzgeber anheimgestellt, diese als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten oder als Privataufwendungen zu qualifizieren. Anders als bei trennbar gemischten Aufwendungen bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Bestimmung der verschiedenen Veranlassungsbeiträge, sodass dem Gesetzgeber bei deren Bewertung und Gewichtung ein Spielraum zuzuerkennen ist. In diesen Fällen der Untrennbarkeit steht es ihm daher grundsätzlich frei, ob er die Veranlassung durch die Erwerbssphäre oder durch die Privatsphäre „systematisch in den Vordergrund stellt“.408 Insoweit hat der Gesetzgeber einen großzügigen Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum409, der seine Grenzen im Willkürverbot410 findet. Mit § 12 Nr. 1 S. 2 EStG ist eine solche Entscheidung dahingehend getroffen 405 Vgl. BVerfG v. 09. 12. 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08 u. a., BVerfGE 122, 210 (243). Das Bundesverfassungsgericht fordert für einen Systemwechsel oder für eine grundlegende Zuordnungsentscheidung ein „Mindestmaß an konzeptioneller Neuorientierung“. 406 Im Ergebnis Fissenewert, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Kommentierungsarchiv, § 12 EStG Rn. 164; Fischer, in: Kirchhof, EStG, § 10 Rn. 42. 407 Thiemann, JZ 2015, 866 (874). 408 BVerfG v. 16. 03. 2005, 2 BvL 7/00, BVerfGE 112, 268 (281 f.). 409 So auch das BVerfG v. 14. 06. 2016, 2 BvR 290/10 Rn. 48; v. 14. 06. 2016, 2 BvR 323/10 Rn. 60, zu den Altersvorsorgeaufwendungen i.S.v. § 10 I Nr. 2 lit. a EStG, die es als gemischt veranlasst qualifiziert. 410 So auch Thiemann, JZ 2015, 866 (871).

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worden, dass untrennbar gemischt veranlasste Aufwendungen grundsätzlich der steuerlich unbeachtlichen Privatsphäre zuzurechnen sind. Will der Gesetzgeber solche Ausgaben in Abweichung vom Aufteilungs- und Abzugsverbot berücksichtigt wissen, muss er für den Einzelfall eine entsprechende Zuordnungsentscheidung treffen. Es liegt innerhalb seines Gestaltungsspielraums, die Aufwendungen – gegebenenfalls aufgrund typisierter Beiträge anteilig – als Betriebsausgaben/Werbungskosten zu berücksichtigen. Grundsätzlich erscheint es jedoch auch möglich, als privat qualifizierte Aufwendungen den Sonderausgaben zuzuordnen411, soweit eine solche Ausgestaltung mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben im Übrigen vereinbar ist.412 Entsprechend der willkürfreien Zuordnung ergeben sich unterschiedliche verfassungsrechtliche Bindungen für die Berücksichtigung der Ausgaben. Es bleibt zu untersuchen, ob sich der Gesetzgeber innerhalb seines Gestaltungsspielraums bewegt, wenn auch die durch die Erwerbssphäre mitveranlassten Kinderbetreuungskosten als Sonderausgaben qualifiziert werden. Hinsichtlich der übrigen Tatbestände der §§ 10 ff. EStG stellt sich die Frage nicht, da sie nicht untrennbar gemischt veranlasst sind. Die Zuordnung solcher Kinderbetreuungskosten zur Privatsphäre liegt darin begründet, zum Zwecke der Verwaltungsvereinfachung und zur Reduzierung des Nachweis- oder Prüfaufwands413 einen einheitlichen Abzugstatbestand zu schaffen, der eine schwierige Abgrenzung nach der Veranlassung entbehrlich macht. Diese Erwägungen sind nicht völlig sachfremd, sondern sie werden von Effizienzerfordernissen im steuerlichen Massenfallrecht getragen. Die Grenze des Willkürverbots ist daher nicht überschritten. 3. Umqualifizierung von „Erwerbsaufwendungen“ in Sonderausgaben Trennbar gemischt veranlasste Aufwendungen hat der Gesetzgeber im geltenden Einkommensteuerrecht nicht den Sonderausgaben zugeordnet. Die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit einer Umqualifizierung der durch die Erwerbssphäre veranlassten Teile gemischter Aufwendungen in Privataufwendungen stellt sich daher nicht konkret. Gleichwohl soll im Hinblick auf etwaige zukünftige Regelungsabsichten des Gesetzgebers dessen Gestaltungs- und Entscheidungsspielraum auch insoweit umgrenzt werden. Bedenklich erscheint eine Zuordnung solcher Aufwendungen zu den Tatbeständen der §§ 10 ff. EStG nämlich insofern, als sie der ein411 Zur verfassungsrechtlich zulässigen gesetzgeberischen Bewertung und Gewichtung multikausaler und multifinaler Wirkungszusammenhänge hinsichtlich der Berufsausbildungsaufwendungen BFH v. 05. 11. 2013, VIII R 22/12, BStBl II 2014, 165 (168), und FG Münster v. 20. 12. 2011, 5 K 3975/09 F, EFG 2012, 612 (614); Kulosa, in: Herrmann/Heuer/ Raupach, EStG/KStG, § 10 EStG Rn. 212. 412 Vgl. zum Gebot der Steuerfreistellung des Existenzminimums sowie zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Förderungs- und Lenkungstatbeständen 2. Kapitel § 5 und § 6 (S. 102 ff.). 413 BT-Drs. 17/5125, S. 37 f.

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2. Kap.: Qualifikation von Aufwendungen als Sonderausgaben

fachgesetzlichen Systematik zuwider läuft. Nach § 4 IV EStG bzw. § 9 EStG handelt es sich um Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten, soweit die Aufwendungen abgrenzbar betrieblich oder beruflich veranlasst sind. Dahinter tritt der Sonderausgabenabzug gemäß dem Einleitungssatz des § 10 I EStG expressis verbis zurück. Der Vorrang gilt, wie bereits gezeigt414, auch bei trennbar gemischt veranlassten Aufwendungen. Zwar ist nicht jede Systemwidrigkeit gleichheitsrechtlich relevant, die systemwidrige Zuordnung der durch die Erwerbssphäre veranlassten trennbaren Teile zu den Sonderausgaben jedoch wirkt sich nachteilig auf die Belastungsgleichheit aus. Zum einen wird die Bemessungsgröße des § 10b EStG und des § 33 EStG, der Gesamtbetrag der Einkünfte, nicht richtig bestimmt, wenn die Erwerbsaufwendungen wegen der Zuordnung zu den Sonderausgaben unvollständig erfasst werden. Dieses Defizit setzt sich in einem ungleichen Abzugsvolumen und schließlich in einer unterschiedlichen Ent- und Belastung der Steuerpflichtigen fort. Zum anderen können die Aufwendungen nicht nach § 10d EStG vor- oder rückgetragen werden. Handelt es sich nicht um Betriebsausgaben/Werbungskosten, die im Rahmen der Einkünfteermittlung zu berücksichtigen sind, führen die Ausgaben nicht zu negativen Einkünften. Folglich bedarf es einer Rechtfertigung vor Art. 3 I GG, wenn der Gesetzgeber trennbar gemischt veranlasste Aufwendungen einheitlich den Sonderausgaben zuordnet. Entsprechend den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Prüfungsintensität415 bedarf es zur Rechtfertigung eines besonderen sachlichen Grundes.416 Die Bindung an den Gleichheitssatz ist in solchen Konstel-

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Vgl. hierzu bereits 1. Kapitel § 3 I. 1. a) (S. 66 f.). Vgl. 2. Kapitel § 4 II. 4. (S. 86 ff.). 416 Wenn man entgegen der hier vertretenen Auffassung die Altersvorsorgeaufwendungen i.S.v. § 10 I Nr. 2 EStG, die erwerbsbedingten Kinderbetreuungskosten i.S.v. § 10 I Nr. 5 EStG und die Berufsausbildungsaufwendungen i.S.v. § 10 I Nr. 7 EStG der Rechtsnatur nach als Betriebsausgaben/Werbungskosten qualifiziert, hat die Zuordnung zu den Sonderausgaben einen konstitutiven Charakter. Unter dieser Prämisse ist es zutreffend, das Vorliegen eines besonderen sachlichen Grundes für eine Rechtfertigung zu fordern. Vgl. zu den Altersvorsorgeaufwendungen im Ergebnis Kulosa, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10 EStG Rn. 122, 335; Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10 Rn. E 325 ff.; wohl auch Dreher, Das Alterseinkünftegesetz, S. 110. Hingegen wollen der Bundesfinanzhof, vgl. BFH v. 18. 11. 2009, X R 6/08, BStBl II 2010, 282 (286); v. 18. 11. 2009, X R 34/07, BStBl II 2010, 414 (418); v. 18. 11. 2009, X R 9/07, BFH/NV 2010, 412 (415); v. 09. 12. 2009, X R 28/07, BStBl II 2010, 348 (352), und diesem folgend Förster, DStR 2010, 137 (139), sowie Risthaus, DB 2010, 137, jeglichen sachlichen Grund im Sinne des Willkürverbots genügen lassen. A.A. Musil, StuW 2005, 278 (280), der eine systemwidrige Zuordnung von Werbungskosten zu den Sonderausgaben nicht für verfassungsrechtlich unzulässig hält. Vgl. zu den Berufsausbildungskosten Drenseck, DStR 2004, 1766 (1771); Johenning, Bildungsaufwendungen im Einkommensteuerrecht, S. 246 ff.; Pfab, Die Behandlung von Bildungsaufwendungen im deutschen Einkommensteuerrecht, S. 283 ff.; Söhn, in: Festschrift für Solms, S. 97 (102 f.); weitergehend Müller-Franken, DStZ 2007, 58 (64 f.), der eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung zugrunde legt. 415

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lationen strenger, weil jedenfalls das einkommensteuerrechtliche Grundprinzip eines periodenübergreifenden objektiven Nettoprinzips417 nicht folgerichtig verwirklicht wird. Nach dem gesetzgeberischen Willen sind durch die Erwerbssphäre veranlasste Aufwendungen zumindest innerhalb der Einkunftsart auch in anderen Veranlagungszeiträumen zu berücksichtigen. Diese Grundentscheidung ist von Verfassungs wegen auch insoweit vorgezeichnet, als der periodenübergreifende Verlustabzug nicht vollkommen ausgeschlossen sein darf. Andernfalls würde die Verwirklichung des im Grundgesetz verankerten objektiven Nettoprinzips auch vom Zufall abhängen, ob der Steuerpflichtige in der jeweiligen Besteuerungsperiode ausreichend verrechenbare Einkünfte erzielt hat. Aufwendungsintensive Tätigkeiten würden dadurch tendenziell benachteiligt werden.418 Eine konstitutive Zuordnung der durch die Erwerbssphäre veranlassten trennbaren Teile von gemischten Aufwendungen kommt daher nur in Betracht, wenn Förderungs- und Lenkungsziele oder Vereinfachungs- und Typisierungserfordernisse im Massenverfahren419 die Belastungsunterschiede rechtfertigen können.

IV. Zwischenergebnis Der Entscheidung über die Zuordnung der Aufwendungen zu den Betriebsausgaben/Werbungskosten oder den Sonderausgaben geht notwendig die Frage nach deren Veranlassung voraus. Gilt es, den Veranlassungszusammenhang zu qualifizieren, unterliegt der Gesetzgeber lediglich dem Willkürverbot. In Grenzfällen besteht ein weiter Beurteilungsspielraum, die Aufwendungen als betrieblich/beruflich und/oder privat veranlasst zu bewerten. Dies gilt sowohl für die vorgelagerte Frage, ob der mit dem Aufwand im Zusammenhang stehende Erfolg der steuerbaren Erwerbssphäre oder der nicht steuerbaren Privatsphäre zuzuordnen ist, als auch bei der Beurteilung, ob der Veranlassungszusammenhang hinreichend konkret ist. Werden die Aufwendungen willkürfrei als Privataufwendungen qualifiziert, wie es für die Altersvorsorgeaufwendungen und die Kosten für eine erstmalige Berufsausbildung Vgl. BVerfG v. 21. 06. 2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (180 f.); v. 09. 12. 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 1 BvL 1/08 u. a., BVerfGE 122, 210 (231 f.); v. 06. 07. 2010, 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268 (278); v. 12. 10. 2010, 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224 (245 f.). 417 Zurückhaltender geht das Bundesverfassungsgericht im Beschluss v. 30. 09. 1998, 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 (97), von einer Benachteiligung „[i]m Rahmen dieses gesetzlichen Belastungssystems“ aus. Steuerpflichtige mit sonstigen Einkünften i.S.v. § 22 Nr. 3 EStG in der Fassung v. 24. 01. 1984 (BGBl I 1984, 113 [150]) hätten ihre Erwerbsaufwendungen nur im Veranlagungszeitraum ihrer Entstehung geltend machen können, während der Gesetzgeber bei anderen Einkünften zumindest innerhalb der Einkunftsart eine periodenübergreifende Berücksichtigung vorgesehen habe. 418 Vgl. 2. Kapitel § 4 II. 2. (S. 84 f.). 419 Vgl. BVerfG v. 21. 06. 2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (182); v. 09. 12. 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08 u. a., BVerfGE 122, 210 (231 f.); v. 06. 07. 2010, 2 BvL 13/ 09, BVerfGE 126, 268 (278); v. 12. 10. 2010, 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224 (245 f.).

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2. Kap.: Qualifikation von Aufwendungen als Sonderausgaben

bzw. ein Studium außerhalb eines Dienstverhältnisses hat nachgewiesen werden können, ist die Zuordnung zu den Sonderausgaben nur folgerichtig. Handelt es sich hingegen um eindeutig durch die Erwerbssphäre mitveranlasste Aufwendungen, erscheint der Sonderausgabenabzug wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen verfassungsrechtlich zweifelhaft. Begründet sind diese Bedenken jedenfalls dann, wenn die durch die Erwerbssphäre veranlassten trennbaren Teile gemischter Aufwendungen in Privataufwendungen umqualifiziert werden. Erstens verstößt der Gesetzgeber dadurch gegen das periodenübergreifend wirkende objektive Nettoprinzip. Zweitens sind unterschiedliche, mit Art. 3 I GG unvereinbare Entlastungswirkungen im Rahmen von § 10b EStG und § 33 EStG die notwendige Konsequenz. Daher ist eine Zuordnung zu den Sonderausgaben vor Art. 3 I GG zu rechtfertigen. Insoweit unterliegt der Gesetzgeber einer strengen Bindung an den Gleichheitssatz. Die Umqualifizierung kann nur durch einen besonderen sachlichen Grund gerechtfertigt werden. Hingegen ist dem Gesetzgeber ein weiter Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum zuzuerkennen, wenn es um die Zuordnung untrennbar gemischt veranlasster Aufwendungen geht. Es gibt keine hinreichenden Anhaltspunkte über die verschiedenen Veranlassungsbeiträge, sodass diese zunächst durch den Gesetzgeber bewertet und gewichtet werden müssen. In diesem Rahmen ist der Gesetzgeber zwar an Art. 3 I GG gebunden, der Gleichheitssatz zieht insoweit aber lediglich die Grenze des Willkürverbots. Innerhalb dieser Grenze bewegt sich der Gesetzgeber mit der Zuordnung der durch die Erwerbssphäre mitveranlassten Kinderbetreuungskosten zu den Sonderausgaben.

§ 5 Existenzsichernde Aufwendungen Auch wenn es sich bei den Sonderausgaben um Privataufwendungen handelt, steht es dem Gesetzgeber, wie schon mehrmals angeklungen ist, nicht in jedem Fall frei, ob bzw. wie solche Aufwendungen steuerlich berücksichtigt werden. Allein die Zuordnung zur Privatsphäre entscheidet nicht über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Abzugsgebots bzw. -verbots. Das Grundgesetz enthält nicht nur Vorgaben für die Steuerwirksamkeit von Erwerbsaufwendungen, sondern auch Vorgaben für die Steuerwirksamkeit von Privataufwendungen. Über die konkreten Inhalte eines von Verfassungs wegen gebotenen „subjektiven Nettoprinzips“ herrscht jedoch Uneinigkeit. Insbesondere ist umstritten, ob einem solchen Prinzip neben den existenzsichernden auch sonstige indisponible oder zwangsläufige (Sonder-)Ausgaben unterfallen. Die Frage nach der verfassungsrechtlichen Geltungskraft der Lehre vom indisponiblen Einkommen erlangt beispielsweise bei den nicht existenzsichernden Sozialversicherungsbeiträgen, die § 10 I Nr. 3a EStG tatbestandlich erfasst und deren Abzug der Höhe nach begrenzt ist (§ 10 IV EStG), oder bei den Leistungen im Rahmen oder zur Vermeidung eines Versorgungsausgleichs (§ 10 Ia Nr. 3, 4 EStG) Bedeutung. Darüber hinaus stellt sich auch die Frage, auf welche Weise einem Gebot zur Steuerfreistellung Rechnung getragen werden kann. Der Sonderausgabenabzug

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nach § 2 IV EStG i.V.m. § 10 EStG entspricht der von weiten Teilen der Literatur vertretenen Forderung nach einem Abzug von der Bemessungsgrundlage. Das sächliche Existenzminimum will der Gesetzgeber jedoch in einem tariflichen Grundfreibetrag berücksichtigt wissen. Diese Inkonsequenz aus dem Nebeneinander verschiedener Freistellungsmethoden gilt es schließlich zu beurteilen.

I. Grundsatz der Nichtabziehbarkeit von Privataufwendungen Bei den als Sonderausgaben abzugsfähigen Aufwendungen handelt es sich um Privataufwendungen, die nach Art. 3 I GG im Grundsatz nicht steuerwirksam zu berücksichtigen sind. In der privaten Einkommensverwendung kommt finanzielle Leistungsfähigkeit zum Ausdruck, die Anknüpfungspunkt für die Besteuerung des Einkommens ist. Dessen Einsatz zu privaten Zwecken mindert die Leistungsfähigkeit grundsätzlich nicht.420 Privataufwendungen unterscheiden sich von den Erwerbsaufwendungen dadurch, dass sie nicht zur Erzielung eines einkommensteuerrechtlich relevanten Hinzuerwerbs getätigt werden. Sie wirken sich nicht zulasten des Erfolgs aus und sind daher auch nicht aus Gründen eines gleichheitsgerechten staatlichen Zugriffs auf den Hinzuerwerb zu berücksichtigen. Grundsätzlich gilt dies auch dann, wenn der Gesetzgeber gemischt durch die Erwerbssphäre und die Privatsphäre veranlasste Aufwendungen als Sonderausgaben den Privataufwendungen zuordnet. Sofern eine solche Zuordnungsentscheidung innerhalb seines Entscheidungs- und Gestaltungsspielraums liegt, bestimmt sich danach auch die Frage, ob der Abzug von Verfassungs wegen geboten ist. Daher ist entsprechend der einfachrechtlichen Qualifikation der Sonderausgaben als Privataufwendungen grundsätzlich davon auszugehen, dass sie steuerlich nicht zu berücksichtigen sind. Anders muss dies jedoch beurteilt werden, wenn abweichende verfassungsrechtliche Vorgaben bestehen. Als solche kommen insbesondere grundrechtliche Wertungen in Betracht.

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Nur existenzsichernde und nach einer Auffassung in der Literatur auch indisponible Privataufwendungen mindern die für die Besteuerung maßgebliche finanzielle Leistungsfähigkeit, vgl. Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 190; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 785 f.; Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO Rn. 504 ff. Hierzu sogleich 2. Kapitel § 5 II. bis IV. (S. 104 ff.).

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2. Kap.: Qualifikation von Aufwendungen als Sonderausgaben

II. Verfassungsrechtliche Pflicht zur Steuerfreistellung des Existenzminimums 1. Freiheitsrechtliche Verankerung Voraussetzung für ein menschenwürdiges Dasein ist es, dass ausreichend Mittel zur Sicherung des Existenzminimums vorhanden sind. Aufgrund der Wertungen des Art. 1 I GG i.V.m. dem in Art. 20 I GG verankerten Sozialstaatsprinzip müssen diese Mittel gegebenenfalls durch Sozialleistungen gewährt werden.421 Daher liegt es nahe, Art. 1 I GG auch ein Gebot zur Steuerfreistellung des Existenzminimums zu entnehmen. Aufgrund der Schwierigkeiten bei der Konkretisierung der unantastbaren Menschenwürde422 soll sich der Frage nach deren Wirkung für die Besteuerung des Einkommens – insbesondere Steuerfreistellung „vor oder nach Steuern“ – schrittweise angenähert werden. Ausgangspunkt ist die subsidiäre Pflicht des Staates nach Art. 1 I GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 I GG, den existenziellen Bedarf durch Sozialleistungen zu decken. Die Subsidiarität bedeutet für den Einzelnen, dass er staatliche Hilfe nur dann in Anspruch nehmen kann, wenn die Mittel zur Sicherung der Existenz nicht aus eigener Kraft aufgebracht werden können. Andererseits kann sich der Staat nicht auf die Position zurückziehen, ergänzend Sozialleistungen zu gewähren, wenn er gerade durch den steuerlichen Zugriff selbst Bedürftigkeit verursacht hat.423 Vielmehr korrespondiert in der freiheitlichen Grundordnung des Grundgesetzes, die der Würde des Menschen Unantastbarkeit zuschreibt, das Gebot zur Steuerfreistellung des Existenzminimums mit der subsi-

421 Während das Bundesverfassungsgericht im Beschluss v. 19. 12. 1951, 1 BvR 220/51, BVerfGE 1, 97 (105), Leistungsansprüche zum Schutz vor materieller Not verneint hat, sind solche im Beschluss v. 18. 06. 1975, 1 BvL 4/74, BVerfGE 40, 121 (133), zumindest für Personen anerkannt worden, die wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen außerstande sind, sich selbst zu unterhalten. Allgemein ist die Frage nach einem verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährung der existenziellen Mindestvoraussetzungen im Beschluss v. 20. 05. 1987, 1 BvR 762/85, BVerfGE 75, 348 (360), noch offengelassen und schließlich inzident bei der Begründung des verfassungsrechtlichen Gebots zur Steuerfreistellung des Existenzminimums bejaht worden, vgl. BVerfG v. 29. 05. 1990, 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60 (85). Seither wird ein solcher Anspruch in ständiger Rechtsprechung anerkannt, vgl. BVerfG v. 13. 02. 2008, 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125 (155); v. 09. 02. 2010, 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, BVerfGE 125, 175 (222 f.); v. 18. 07. 2012, 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11, BVerfGE 132, 134 (159 f.); v. 23. 07. 2014, 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13, BVerfGE 137, 34 (72). 422 Vgl. zu den verschiedenen Ansätzen Dreier, GG, Art. 1 I Rn. 52 ff., und Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 33 ff.: Nicht- oder Negativdefinition, positive Bestimmung nach der Mitgift-, Leistungs- und Kommunikationstheorie sowie die auf Dürig zurückgehende Objektformel. 423 Vgl. BVerfG v. 29. 05. 1990, 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60 (85 f.); v. 13. 02. 2008, 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125 (154 f.); Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 135 ff.; Friauf, DStJG 12 (1989), 3 (30 f.); Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO Rn. 591; ders., in: Verfassungsrechtsprechung, S. 447 (449) m.w.N.

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diären Pflicht zur Gewährung sozialstaatlicher Leistungen.424 Im Zusammenwirken mit Art. 6 I GG gilt dies auch für das familiäre Existenzminimum.425 Allerdings ist das für die Existenzsicherung gebundene Einkommen nicht nur wegen der Koppelung von Sozialrecht und Steuerrecht426, sondern auch – hiervon unabhängig – wegen Art. 1 I GG steuerfrei zu stellen.427 Ohne die Menschenwürde im Allgemeinen näher konkretisieren zu müssen, genügt im hier interessierenden Zusammenhang die Erkenntnis, dass der Mensch jedenfalls nicht allein auf seine physische Existenz als solche reduziert werden darf. Er muss als Lebewesen mit unabdingbaren menschlichen Bedürfnissen verstanden werden, die Voraussetzung eines menschenwürdigen Daseins sind. Als ein solches würde der Mensch allerdings verkannt und zum bloßen Objekt der staatlichen Einnahmeerzielung gemacht werden, wenn sich der steuerliche Zugriff auch auf die hierfür erforderlichen Mittel erstrecken würde. Ob aus Art. 1 I GG allerdings auch das Gebot folgt, dass das Einkommen in Höhe des Existenzminimums schon gar nicht belastet werden darf, also der Verbleib nach Steuern den Anforderungen nicht genügt, ist in der Literatur428 umstritten. Das 424 Insoweit besteht weitestgehend Einigkeit: BVerfG v. 29. 05. 1990, 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60 (85 f.); v. 12. 06. 1990, 1 BvL 72/89, BVerfGE 82, 198 (207); v. 10. 11. 1998, 2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91, BVerfGE 99, 216 (233); v. 10. 11. 1998, 2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246 (259 f.); v. 13. 02. 2008, 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125 (154 f.); Friauf, DStJG 12 (1989), 3 (30); Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rn. 161; Jachmann, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 31 Rn. A 47; Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, S. 136 f.; Moes, Die Steuerfreiheit des Existenzminimums vor dem Bundesverfassungsgericht, S. 171 ff.; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 420 ff.; Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, S. 177, 292; Wendt, in: Festschrift für Tipke, S. 47 (51); Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 273 f., 286; ders., in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO Rn. 591 f. Für die Steuerökonomen Bareis, in: Festschrift für Schneider, S. 43 ff., 52; ders., DStR 2010, 565 (568); Dziadkowski, DStZ 1987, 131 (133 f.); Siegel, BFuP 2007, 625 (635). 425 BVerfG v. 29. 05. 1990, 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60 (85 f.); v. 12. 06. 1990, 1 BvL 72/89, BVerfGE 82, 198 (206 f.); v. 10. 11. 1998, 2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91, BVerfGE 99, 216 (233); v. 10. 11. 1998, 2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246 (259 f.). 426 So aber Moes, Die Steuerfreiheit des Existenzminimums vor dem Bundesverfassungsgericht, S. 171 ff., 178 f. 427 So bereits Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Sonderdruck Artikel 1 und 2 GG, Art. 1 Rn. 44. 428 Nicht belastbar ist das Einkommen in Höhe des Existenzminimums nach Brandis, DStJG 29 (2006), 93 (105); Dziadkowski, DStZ 1987, 131 (133 f.); Dreier, in: Dreier, GG, Art. 1 I Rn. 148; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 193, 195 f.; Söhn, FA 1988, 154 (162 f.); ders., FA 1994, 372 (393 f.); Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, S. 292. Hingegen halten Bareis, in: Festschrift für Schneider, S. 45; ders., DStR 2010, 565 (568); wohl Jachmann, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 31 Rn. A 47; Leibohm, Bedarfsorientierung als Prinzip des öffentlichen Finanzrechts, S. 188 f.; Liesenfeld, Das steuerfreie Existenzminimum und der progressive Tarif als Bausteine eines freiheitsrechtlichen Verständnisses des Leistungsfähigkeitsprinzips, S. 142; Martinez Soria, JZ 2005, 644 (652); Mellinghoff, in: Festschrift für Spindler, S. 153 (162); Osterloh/Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 154; Tipke, FR 1990, 349 (350); ders., Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 799 f.; Wernsmann, in: Verfassungsrechtsprechung, S. 447 (449 f.), einen Verbleib nach Steuern grundsätzlich für hinreichend. Weiter geht der Ansatz von Schmidt-Liebig, BB 1992,

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2. Kap.: Qualifikation von Aufwendungen als Sonderausgaben

Bundesverfassungsgericht beantwortet diese Frage nur scheinbar uneinheitlich. Nach ständiger Rechtsprechung sind die Einkommensteile, die das familiäre Existenzminimum sichern, steuerlich nicht belastbar. Das Bundesverfassungsgericht stützt sich dabei dem Grunde nach auch auf Art. 1 I GG i.V.m. Art. 20 I GG i.V.m. Art. 6 I GG. Jedoch argumentiert es hinsichtlich des „wie“ der Steuerfreistellung nicht freiheits-, sondern ausschließlich gleichheitsrechtlich. Das familiäre Existenzminimum sei nicht belastbar, weil Steuerpflichtige mit Kindern nicht gegenüber solchen ohne Kinder benachteiligt werden dürften.429 Hingegen lässt es im Beschluss vom 13. 02. 2008430 zur Abzugsfähigkeit der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge – bezogen auf das individuelle Existenzminimum – offen, „wieweit dem Gesetzgeber neben diesem Abzug von der Bemessungsgrundlage noch andere steuersystematische Lösungen zur Freistellung des Existenzminimums zur Verfügung gestanden hätten oder für künftige Regelungen zur Verfügung stehen“431. Zutreffend ist: Das selbst verdiente Einkommen ist zunächst für die Deckung des eigenen existenziellen Bedarfs gebunden. Dieser kann allerdings auch dann aus eigenen Mitteln befriedigt werden, wenn „nach Steuern“ ein entsprechender Betrag verbleibt. In jedem Fall sind dann ausreichend Mittel vorhanden, die sozialstaatliche Leistungen entbehrlich machen. Andererseits steht das Einkommen nicht mehr für die Steuerzahlung zur Verfügung, soweit es für die Sicherung der Existenz verwendet werden muss. In dieser Höhe ist die Zahlungsfähigkeit der Steuerpflichtigen vermindert, sodass der Schluss nahe liegt, dass der Gesetzgeber diese Einkommensteile schon nicht in seine Belastungsentscheidung miteinbeziehen dürfe. Entsprechend sei nur das über das Existenzminimum hinausgehende Einkommen belastbar.432 Insofern stützen sich Teile der Literatur auch darauf, dass die existenzsichernden Einkommensteile keine Fähigkeit zur solidarischen Lastentragung vermittelten oder es sich nicht um sozialpflichtiges Einkommen i.S.v. Art. 14 II S. 2 GG handele.433 Dies setzt freilich voraus, dass das Einkommen dem Schutzbereich der Eigentumsgarantie unterfällt.434 Andere Stimmen qualifizieren das eigenverdiente Existenzminimum 107 (108 f., 112, 113 f.), der nur dann einen Verstoß gegen Art. 1 I GG annehmen will, wenn die Einkommensteuerschuld nur aus existenznotwendigen Mitteln bestritten werden kann. 429 BVerfG v. 29. 05. 1990, 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60 (85 ff.); v. 10. 11. 1998, 2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91, BVerfGE 99, 216 (233); v. 10. 11. 1998, 2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246 (260); v. 08. 06. 2004, 2 BvL 5/00, BVerfGE 110, 412 (434). 430 BVerfG v. 13. 02. 2008, 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125. 431 BVerfG v. 13. 02. 2008, 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125 (158). 432 Brandis, DStJG 29 (2006), 93 (105). Nach Söhn, FA 1994, 372 (394), genügt es nicht, dass das Existenzminimum nach Steuern verbleibt. Vielmehr verlange die Verfassung eine „qualitative Betrachtung“, weil jedermann diese Mittel für die eigene Existenzsicherung benötige. 433 Englisch, DStJG 37 (2014), 159 (163 ff.); Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, S. 404 ff.; Söhn, FA 1988, 154 (166); Wendt, in: Festschrift für Tipke, S. 47 (51). 434 Vgl. zu der sehr umstrittenen Frage, ob das Vermögen von Art. 14 I GG geschützt wird, Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO Rn. 535 ff.

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wegen entsprechender Wertungen des Sozialhilferechts als nicht belastbar. Werde dem Hilfebedürftigen der existenzielle Bedarf ohne Weiteres durch Sozialleistungen gewährt, wäre es widersprüchlich, einen solchen im Steuerrecht nicht ebenso vorweg anzuerkennen.435 Ob die Annahme, dass das Existenzminimum schon gar nicht Zugriffsobjekt sein darf, verfassungsrechtlich zwingend ist, erscheint zweifelhaft. Grundsätzlich kann der geringeren Belastbarkeit der Steuerpflichtigen – zumindest bezogen auf das individuelle Existenzminimum auch ohne Verstoß gegen Art. 3 I GG – ebenso durch einen entsprechend verminderten Zugriff auf das gesamte Einkommen Rechnung getragen werden.436 Es lässt sich dann allenfalls ein qualitativ größerer Freiheitswert des selbst erwirtschafteten Existenzminimums im Vergleich zu dem durch Sozialleistungen gewährten Existenzminimum begründen.437 Solch ein Abstandsgebot bedeutet aber keinesfalls, dass nur die nicht existenzsichernden Teile des Einkommens der Besteuerung unterworfen werden dürfen.438 Allein maßgeblich ist, dass nach Steuern ein Nettoeinkommen verbleibt, das die Höhe der zur Existenzsicherung gewährten Sozialleistungen übersteigt. Das Gebot zur Steuerfreistellung des Existenzminimums folgt auch aus Art. 14 I GG, sofern man das Einkommen dessen Schutzbereich unterstellt439, jedenfalls aber aus Art. 12 I GG440 bei steuerbaren Einkünften, die der Schaffung und Erhaltung

435 So Englisch, NJW 2006, 1025 (1027); ähnlich Brandis, DStJG 29 (2006), 93 (105). P. Kirchhof, JZ 1982, 305 (311), konkretisiert dies an einem Beispiel: „[Ein] Mieter oder Eigentümer einer Wohnung [wird] nicht verstehen, da[ss] seine Fähigkeit zur Selbstfinanzierung des eigenen Wohnbedarfs als Anla[ss] für eine progressive Einkommensbesteuerung gewertet wird, während ein gleicher Wohnbedarf des Nachfragers ohne ausreichendes Eigeneinkommen durch staatliches Wohngeld befriedigt wird.“ 436 So Hackmann, BB 1994, Beilage zu Heft 28, 1 (12); Liesenfeld, Das steuerfreie Existenzminimum und der progressive Tarif als Bausteine eines freiheitsrechtlichen Verständnisses des Leistungsfähigkeitsprinzips, S. 141 ff. 437 So Friauf, DStJG 12 (1989), 3 (31 f.); Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, S. 136 f., 333; Wendt, in: Festschrift für Tipke, S. 47 (51). A.A. Englisch, DStJG 37 (2014), 159 (176); tendenziell auch Moes, Die Steuerfreiheit des Existenzminimums vor dem Bundesverfassungsgericht, S. 182 f., der die verfassungsrechtliche Qualität des Abstandsgebots im Ergebnis aber offen lässt. 438 Hingegen zieht Söhn, FA 1994, 372 (380, 394), wegen der qualitativen Unterschiede den Schluss, dass das Einkommen in Höhe des Existenzminimums nicht steuerbar sei. 439 Vgl. Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO Rn. 535 ff., zur Frage, ob das Vermögen von Art. 14 I GG oder nur über Art. 2 I GG geschützt wird. 440 Jenseits der in diesem Zusammenhang interessierenden Grenze der Erdrosselung stellt die Erhebung von Steuern oder sonstigen Abgaben nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nur dann einen Eingriff in Art. 12 I GG dar, wenn sie „in [einem] enge[n] Zusammenhang mit der Ausübung des Berufs steht und – objektiv – eine berufsregelnde Tendenz deutlich erkennen lässt“, BVerfG v. 16. 12. 1997, 2 BvR 1991/95, 2 BvR 2004/95, BVerfGE 98, 106 (117); v. 05. 03. 1974, 1 BvL 27/72, BVerfGE 37, 1 (17) m.w.N. Hingegen wird in der Literatur vertreten, dass die Belastung der Einkünfte aus einer von Art. 12 I GG geschützten Tätigkeit stets als Eingriff zu werten ist, vgl. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rn. 188; Jachmann, DStJG 25 (2002), 195 (199 f.).

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2. Kap.: Qualifikation von Aufwendungen als Sonderausgaben

einer Lebensgrundlage dienen441, oder Art. 2 I GG. Der Zugriff auf die Einkommensteile, die für die eigene und familiäre Existenzsicherung gebunden sind, ist in zweifacher Hinsicht nicht zur allgemeinen staatlichen Einnahmeerzielung geeignet: Es müssten dem Steuerpflichtigen im Gegenzug staatliche Leistungen zur Sicherung eines menschenwürdigen Daseins nach Art. 1 I GG i.V.m. Art. 20 I GG gegebenenfalls i.V.m. Art. 6 I GG gewährt werden, wenn durch die Besteuerung Bedürftigkeit entstünde.442 Überdies würde typischerweise die freiheitliche Betätigung aufgegeben, wenn von dem erzielten Erfolg nicht einmal die Mittel zur Sicherung der eigenen und familiären Existenz verblieben.443 Die Steuerpflichtigen wären trotz eigener Erwerbstätigkeit im Ergebnis wie Hilfebedürftige ohne jegliche Erwerbsanstrengung gestellt und auf Sozialleistungen angewiesen. Diese Wirkungen werden dadurch vermieden, dass nach Besteuerung zumindest ein Einkommen verbleibt, dessen Höhe das Existenzminimum erreicht444 und auch einem Abstandsgebot hinreichend Rechnung trägt. Verfassungsrechtlich lässt sich die Nichtsteuerbarkeit der für die Existenzsicherung gebundenen Einkommensteile allenfalls begründen, wenn schon vorgelagert, gestützt auf Art. 14 I GG, die Sozialpflichtigkeit des Einkommens i.S.v. Art. 14 II S. 1 GG in Höhe des Existenzminimums verneint wird.445 Auf die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs kommt es dann nicht an. Allerdings stellt sich auch insoweit die Frage, wie schon vorgehend erörtert, ob die existenznotwendigen Einkommensteile vorweg ausschließlich privatnützig sind446 oder nicht unter Einbeziehung des gesamten Einkommens beurteilt werden kann, in welchem Umfang sich der Steuerzugriff wegen notwendiger privatnütziger Verwendung verbietet.447 Die hier vertretene Auffassung entspricht auch derjenigen des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 25. 09. 1992448 : Den verfassungsrechtlichen Anforderungen genüge es, wenn dem Steuerpflichtigen nach Besteuerung ein 441 Dies wird regelmäßig der Fall sein bei den Einkünften aus selbstständiger und unselbstständiger Arbeit (§ 2 I Nr. 3, 4 EStG), Land- und Forstwirtschaft (§ 2 I Nr. 1 EStG) und den Einkünften aus Gewerbebetrieb i.S.v. § 2 I Nr. 2 EStG i.V.m. § 15 EStG. 442 Wernsmann, StuW 1998, 317 (323 f.); ders., Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 274; Moes, Die Steuerfreiheit des Existenzminimums vor dem Bundesverfassungsgericht, S. 225. Eine übermäßige Besteuerung durch Zugriff auf das Existenzminimum zieht auch Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rn. 197, in Erwägung. 443 BVerfG v. 25. 09. 1992, 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153 (169); Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, S. 314, bezogen auf Art. 12 GG; Moes, Die Steuerfreiheit des Existenzminimums vor dem Bundesverfassungsgericht, S. 221. 444 Ebenso Moes, Die Steuerfreiheit des Existenzminimums vor dem Bundesverfassungsgericht, S. 225. 445 So Englisch, DStJG 37 (2014), 159 (166); Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, S. 404 ff.; Söhn, FA 1988, 154 (166); ähnlich P. Kirchhof, VVDStRL 39 (1981), 213 (270). 446 So Englisch, DStJG 37 (2014), 159 (166); Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, S. 404 ff.; Söhn, FA 1988, 154 (166). 447 Wohl Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, S. 49; unklar P. Kirchhof, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, § 118 Rn. 135 f. 448 BVerfG v. 25. 09. 1992, 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153.

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Einkommen in Höhe des individuellen Existenzminimums verbleibe. Es erkennt dem Gesetzgeber zudem einen Gestaltungsspielraum bei der Verwirklichung des Steuerfreistellungsgebots zu449, Progressionssprünge müssten aber aus Gründen der vertikalen Steuergleichheit in jedem Fall vermieden werden.450 2. Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, Art. 3 I GG Ausgangspunkt einer an Art. 3 I GG ausgerichteten Besteuerung ist stets die Definition eines Vergleichsmaßstabs (tertium comparationis), an welchem die Gleichheit der steuerlichen Lasten zu messen ist. Insofern ist noch nicht viel gewonnen, wenn man im Grundsatz der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit eine Konkretisierung des Art. 3 I GG451 für den Bereich des Steuerrechts sieht. Vielmehr muss weiter präzisiert werden, worin die einkommensteuerrechtlich relevante Leistungsfähigkeit liegt. Es muss, wie auch in anderen Bereichen, bei der Bestimmung des Vergleichsmaßstabs auf die grundgesetzlichen Wertungen abgestellt werden, mag man diese auch als von Verfassungs wegen gebotene Indikatoren finanzieller Leistungsfähigkeit bezeichnen.452 Nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung eröffnet das Grundgesetz einen gewissen Spielraum bei der Bildung des für die Einkommensbesteuerung maßgeblichen tertium comparationis:453 Es sei insbesondere zulässig454 und aus steuer-

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Vgl. hierzu 2. Kapitel § 5 V. (S. 118 ff.). BVerfG v. 25. 09. 1992, 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153 (169 f.). 451 BVerfG v. 06. 03. 2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (125); v. 04. 12. 2002, 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (46); v. 08. 06. 2004, 2 BvL 5/00, BVerfGE 110, 412 (433); v. 16. 03. 2005, 2 BvL 7/00, BVerfGE 112, 268 (279); v. 09. 12. 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08 u. a., BVerfGE 122, 210 (231); v. 12. 05. 2009, 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111 (120); v. 06. 07. 2010, 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268 (277); v. 07. 07. 2010, 2 BvL 2/04, 2 BvL 14/02, 2 BvL 13/05, BVerfGE 127, 1 (27 f.); v. 12. 10. 2010, 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224 (245), in ständiger Rechtsprechung. 452 Kritisch auch Arndt, NVwZ 1988, 787 (791); Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 3 AO Rn. 50 f.; Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, S. 300, 306; Moes, Die Steuerfreiheit des Existenzminimums vor dem Bundesverfassungsgericht, S. 210 (Fn. 757). Hingegen sieht Lang, StuW 1990, 107 (112), in der Verwendung des Leistungsfähigkeitsprinzips als sachgerechten Vergleichsmaßstab einen Gewinn an steuerjuristischer Operationalität. 453 Liesenfeld, Das steuerfreie Existenzminimum und der progressive Tarif als Bausteine eines freiheitsrechtlichen Verständnisses des Leistungsfähigkeitsprinzips, S. 122 ff.; Moes, Die Steuerfreiheit des Existenzminimums vor dem Bundesverfassungsgericht, S. 211. Dieser Ansatz entspricht der vorwiegend von Steuerökonomen vertretenen Theorie, namentlich Bareis, in: Festschrift für Schneider, S. 39 (40 ff., 51 ff.) m.w.N.; Siegel/Schneider, DStR 1994, 597 (600 ff.), dass die steuerlich relevante Leistungsfähigkeit allein im Markteinkommen zu sehen sei. 454 Liesenfeld, Das steuerfreie Existenzminimum und der progressive Tarif als Bausteine eines freiheitsrechtlichen Verständnisses des Leistungsfähigkeitsprinzips, S. 122 ff. 450

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systematischer Sicht auch sachgerecht455, auf das objektive Markteinkommen abzustellen. Für die Berücksichtigung des – nicht vergleichsrelevanten – eigenen und familiären Existenzminimums könnten dem allgemeinen Gleichheitssatz folglich keine zwingenden Vorgaben entnommen werden.456 Art. 3 I GG verpflichte den Gesetzgeber nur insoweit zur Verwirklichung eines (existenzsichernden) subjektiven Nettoprinzips, als eine entsprechende Grundentscheidung folgerichtig umzusetzen sei.457 Hingegen hält es das Bundesverfassungsgericht für geboten, im Rahmen der Gleichheitsprüfung familiäre Unterhaltsverpflichtungen in Höhe des Existenzminimums zu berücksichtigen.458 Im Hinblick auf Art. 6 I GG wird dies zutreffend damit begründet, dass die Steuerpflichtigen mit Kindern anders als die Steuerpflichtigen ohne Kinder Teile ihres Einkommens auch für die familiäre Existenzsicherung aufwenden müssen, die aufgrund der – wie vorgehend erörtert – zwingenden freiheitsrechtlichen Wertungen steuerlich zu verschonen sind.459 Gleichheitsgerecht kann deren verminderter Leistungsfähigkeit bei einem für alle Steuerpflichtigen einheitlichen Tarif wie im geltenden Einkommensteuerrecht nur durch einen Abzug von der Bemessungsgrundlage Rechnung getragen werden.460 Solch ein Steuerfreistellungsgebot lässt sich, so auch das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 25. 09. 1992461, für das individuelle Existenzminimum jedoch nicht begründen, da die Steuerpflichtigen insofern gleichermaßen betroffen sind.462

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Moes, Die Steuerfreiheit des Existenzminimums vor dem Bundesverfassungsgericht, S. 155 ff., 211. 456 Liesenfeld, Das steuerfreie Existenzminimum und der progressive Tarif als Bausteine eines freiheitsrechtlichen Verständnisses des Leistungsfähigkeitsprinzips, S. 124 f.; Moes, Die Steuerfreiheit des Existenzminimums vor dem Bundesverfassungsgericht, S. 210 ff., 214. 457 Moes, Die Steuerfreiheit des Existenzminimums vor dem Bundesverfassungsgericht, S. 214 f. 458 BVerfG v. 29. 05. 1990, 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60 (86 f.); v. 10. 11. 1998, 2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91, BVerfGE 99, 216 (232 ff.); v. 10. 11. 1998, 2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246 (260); v. 16. 03. 2005, 2 BvL 7/00, BVerfGE 112, 268 (280 f.). Vgl. hierzu Wernsmann, in: Verfassungsrechtsprechung, S. 447 (450 ff.). 459 Vgl. BVerfG v. 29. 05. 1990, 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60 (86 f.); v. 10. 11. 1998, 2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91, BVerfGE 99, 216 (232 ff.); v. 10. 11. 1998, 2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246 (259 f.). 460 So bereits BVerfG v. 29. 05. 1990, 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60 (86 ff.); v. 14. 06. 1994, 1 BvR 1022/88, BVerfGE 91, 93 (109); v. 10. 11. 1998, 2 BvR 1057/ 91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91, BVerfGE 99, 216 (232 f.); v. 10. 11. 1998, 2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246 (263 f.). 461 In der Entscheidung v. 25. 09. 1992, 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153 (169 f.), begründet das Bundesverfassungsgericht das Gebot zur Steuerfreistellung des individuellen Existenzminimums ausschließlich freiheitsrechtlich. Aus dem Gebot horizontaler Belastungsgleichheit könnten anders als beim familiären Existenzminimum keine „zusätzlichen verfassungsrechtlichen Anforderungen“ hergeleitet werden. 462 In diesem Sinne auch Jachmann, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 31 Rn. A 46b; dies., Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 11 (insbes. Fn. 54); Kanzler, FR 1990, 457 (458); Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, S. 306; Schmidt-Liebig,

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Grundsätzlich gebietet Art. 3 I GG lediglich die Schaffung relativ gleicher Lasten: Soweit Steuerpflichtige in Bezug auf den Belastungsgegenstand wesentlich gleich bzw. ungleich sind, müssen die steuerlichen Lasten auch gleich bzw. unterschiedlich verteilt werden. Auf welche Weise diesem Gleichheitsgebot aber Rechnung getragen wird, obliegt der Entscheidung des Gesetzgebers. Aus Art. 3 I GG kann eine Verpflichtung zur Steuerfreistellung nur dann folgen, wenn andere Steuerpflichtige entsprechend verschont werden.463 Ein über das Gebot relativer Gleichheit hinausgehender Gehalt lässt sich Art. 3 I GG nur dann entnehmen, wenn man das Leistungsfähigkeitsprinzip als materielles Besteuerungsprinzip versteht. Legitimiert wird eine solche absolute Wirkkraft insbesondere damit, dass der Grundsatz der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit nicht nur gleichheits-, sondern auch freiheitsrechtlich und/oder auch sozialstaatlich verankert sei.464 Diesem Prinzip wird der Inhalt beigemessen, dass zulässiger Anknüpfungspunkt der Besteuerung nur eine vorhandene Leistungsfähigkeit sein dürfe. Belastbar sei nur das tatsächlich für die Steuerzahlung zur Verfügung stehende Einkommen. So umgrenzt die ganz herrschende steuerjuristische Literatur den Belastungsgegenstand der Einkommensteuer nach der Lehre vom indisponiblen Einkommen.465 In diesem Sinne stellt auch das Bundesverfassungsgericht gestützt auf Art. 3 I GG darauf ab, dass „nicht disponibel[es]“466 Einkommen BB 1992, 107 (112); Tipke, FR 1990, 349 (350); ders., Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 795, 800; Vogel, in: Festschrift für Offerhaus, S. 47 (52 f.). 463 Vogel, in: Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, S. 527 (544); Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 288 f. (Fn. 419). 464 Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 123 ff., 155 ff.; Englisch, Wettbewerbsgleichheit im grenzüberschreitenden Handel, S. 571 ff.; Jachmann, StuW 1998, 293; P. Kirchhof, StuW 1985, 319 (321 f.); ders., StuW 2000, 316 (325 f.); ders., in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, § 118 Rn. 183, 187; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 128, 196; Pezzer, in: Festschrift für Zeidler, S. 757 (764); Söhn, FA 1988, 154 (155 ff., 167 f.); Waldhoff, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, § 116 Rn. 102 ff., 113; Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 288. 465 57. Deutscher Juristentag, Sitzungsberichte, Bd. II, N 214; Arndt/Schumacher, AöR 118 (1993), 513 (525); Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 150, 167 f.; Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 190, 630; Böckenförde, StuW 1986, 335 (336); Englisch, DStJG 37 (2014), 159 (167 ff.); Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rn. 72, § 8 Rn. 74; P. Kirchhof, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, § 118 Rn. 187; ders., in: Verhandlungen des 57. Deutschen Juristentages, Bd. II, N 174; Mellinghoff, in: Leitgedanken des Rechts, Bd. II, § 174 Rn. 9 f.; Seer, StuW 1996, 323 (332 f.); Söhn, StuW 1985, 395 (400 f.); ders., StuW 1990, 356 (358); Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 785 ff.; ders., StuW 1993, 8 (16); Vogel, NJW 1974, 2105 f.; Wendt, DÖV 1988, 710 (720 f.); ders., in: Festschrift für Tipke, S. 47 (51); Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, S. 292. A.A. Fischer, DStJG 24 (2001), 463 (502 f.); Moes, Die Steuerfreiheit des Existenzminimums vor dem Bundesverfassungsgericht, S. 149, 155 ff., 210; Thiemann, JZ 2015, 866 (873); Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 369 f. (Fn. 137); ders., StuW 1998, 317 (326 ff.). 466 BVerfG v. 29. 05. 1990, 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60 (87 f.); v. 10. 11. 1998, 2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91, BVerfGE 99, 216 (233); ähnlich

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2. Kap.: Qualifikation von Aufwendungen als Sonderausgaben

bzw. grundsätzlich auch „zwangsläufige[r], pflichtbestimmte[r] Aufwand“467 die steuerliche Leistungsfähigkeit mindern könne. Warum aber solche Teile des Einkommens von Verfassungs wegen zwingend nicht belastbar sein sollen, wird dogmatisch nicht begründet.468 So muss auch die Frage offen bleiben, warum dem Einzelnen die Fähigkeit zur Steuerzahlung generell fehlen solle, wenn ihm nach Besteuerung ein hinreichendes Einkommen verbleibe, aus welchem alle unerlässlichen Aufwendungen bestritten werden könnten.469 Zudem bleibt weiter konkretisierungsbedürftig, welche Teile des Einkommens indisponibel sind und daher nicht belastet werden dürfen. Jedenfalls muss, will man aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip nicht nur die Ergebnisse ableiten, die bereits im Wege einer zuvor vorgenommenen Definition hineingesteckt worden sind,470 bzw. nicht „nur“ Erwünschtes in die Verfassung hineinlesen,471 auf die zwingenden verfassungsrechtlichen, insbesondere freiheitsrechtlichen Wertungen abgestellt werden. Im Zusammenwirken von Art. 1 I GG mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 I GG lässt sich das Existenzminimum konsequent als nicht belastbar qualifizieren. Nach einem so verstandenen Prinzip der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit ist es unzulässig, für die Besteuerung an das für die Existenzsicherung gebundene Einkommen anzuknüpfen.

3. Folgerichtige Umsetzung des Gebots zur Steuerfreistellung des Existenzminimums Das Gebot zur Steuerfreistellung des Existenzminimums lässt sich freiheits- und gleichheitsrechtlich begründen. Beiden Ansätzen ist allerdings gemein, dass sich die Frage nach einem Schutz des Existenzminimums „vor oder nach Steuern“ unterschiedlich beantworten lässt. Insofern ist entscheidend, ob man dem Grundgesetz die zwingende Wertung entnehmen will, dass das für die Existenzsicherung gebundene Einkommen nicht belastbar ist, weil Anknüpfungspunkt der Besteuerung nur eine tatsächlich vorhandene Leistungsfähigkeit sein darf. Letztlich kann diese Frage im BVerfG v. 23. 11. 1976, 1 BvR 150/75, BVerfGE 43, 108 (120); v. 03. 11. 1982, 1 BvR 620/78, 1 BvR 1335/78, 1 BvR 1104/79 u. a., BVerfGE 61, 319 (344). 467 BVerfG v. 04. 12. 2002, 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (49); v. 16. 03. 2005, 2 BvL 7/00, BVerfGE 112, 268 (280); v. 09. 12. 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08 u. a., BVerfGE 122, 210 (234 f.). 468 Insofern zutreffend ist die Kritik von Liesenfeld, Das steuerfreie Existenzminimum und der progressive Tarif als Bausteine eines freiheitsrechtlichen Verständnisses des Leistungsfähigkeitsprinzips, S. 92, und Moes, Die Steuerfreiheit des Existenzminimums, S. 155 f., 211 f. Ebenso Bareis, der darin lediglich eine „Behauptung“ sieht, die einer Überprüfung nicht standhalte (DStR 2010, 565 [570]), sondern ihre „Rechtfertigung allein auf begrifflicher Ebene“ (DB 2012, 994 [999]) finde. 469 Nach Moes, Die Steuerfreiheit des Existenzminimums vor dem Bundesverfassungsgericht, S. 156, wird diese Frage „systematisch ausgeblendet“. 470 Bareis, StuW 2000, 81 (85). 471 Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 3 AO Rn. 50a.

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hier interessierenden Zusammenhang offen bleiben. Zwar hat die Reichweite des verfassungsrechtlichen Schutzes des Existenzminimums Auswirkung darauf, welche Methoden zu dessen Steuerfreistellung grundsätzlich zur Verfügung stehen. Soweit sich der Gesetzgeber aber dafür entschieden hat, existenzsichernde Aufwendungen als Sonderausgaben zu qualifizieren und durch einen Abzug von der Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen, muss diese Grundentscheidung jedenfalls folgerichtig umgesetzt werden.472

III. Indisponibles, nicht der Existenzsicherung dienendes Einkommen Inwieweit über den existenznotwendigen Bedarf hinausgehende unvermeidbare Aufwendungen von Verfassungs wegen berücksichtigt werden müssen, ist durch das Bundesverfassungsgericht noch nicht abschließend geklärt worden. Solche Aufwendungen sind bei der Bestimmung der steuerlich relevanten Leistungsfähigkeit in den Beschlüssen vom 29. 05. 1990473 und vom 10. 11. 1998474 außer Ansatz gelassen worden.475 Nur in Höhe des Existenzminimums ist eine kindbedingte Leistungsfähigkeitsminderung angenommen worden. Hingegen wird in der neueren Rechtsprechung zumindest auch „die Unterscheidung zwischen freier oder beliebiger Einkommensverwendung einerseits und zwangsläufigem, pflichtbestimmtem Aufwand andererseits“ für verfassungsrechtlich relevant erachtet.476 Es erscheint jedoch zweifelhaft, ob es aus freiheits- oder gleichheitsrechtlicher Sicht zwingend ist, nicht existenzsichernde indisponible Aufwendungen steuerwirksam zu berücksichtigen.477

472 So BVerfG v. 13. 02. 2008, 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125 (158). Nach Moes, Die Steuerfreiheit des Existenzminimums vor dem Bundesverfassungsgericht, S. 214 f., ist der Gesetzgeber an das (existenzsichernde) subjektive Nettoprinzip nur im Sinne eines Folgerichtigkeitsgebots gebunden, vgl. hierzu bereits 2. Kapitel § 5 II. 2. (S. 109 f.). 473 BVerfG v. 29. 05. 1990, 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60 (86 ff.). 474 BVerfG v. 10. 11. 1998, 2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91, BVerfGE 99, 216 (232 f.); v. 10. 11. 1998, 2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246 (263). 475 Anders noch in BVerfG v. 23. 11. 1976, 1 BvR 150/75, BVerfGE 43, 108 (120); v. 03. 11. 1982, 1 BvR 620/78, 1 BvR 1335/78, 1 BvR 1104/79 u. a., BVerfGE 61, 319 (344); v. 22. 02. 1984, 1 BvL 10/80, BVerfGE 66, 214 (223). 476 BVerfG v. 04. 12. 2002, 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (49); v. 16. 03. 2005, 2 BvL 7/00, BVerfGE 112, 268 (280); v. 09. 12. 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08 u. a., BVerfGE 122, 210 (234 f.). 477 Die Lehre vom indisponiblen Einkommen geht auf den Ökonomen Adolph Wagner zurück, der die Einkommensteile, die „durch natürliche Verhältnisse, durch Sitten und sociale Momente […] einer bestimmten Verwendung zugeführt werden [müssen]“ als gebundenes Einkommen bezeichnet. Diese Einkommensteile seien von dem freien Einkommen zu unterscheiden, wonach sich die Steuerfähigkeit im Wesentlichen bestimme, vgl. Wagner, Grundlegung der politischen Ökonomie, S. 409 f.

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2. Kap.: Qualifikation von Aufwendungen als Sonderausgaben

Eine differenzierende Würdigung im Lichte betroffener Grundrechte, wie sie das Bundesverfassungsgericht in dieser Frage fordert478, führt nicht zu eindeutigen Ergebnissen.479 In erster Linie gewähren die Grundrechte in ihrem Schutzbereich einen Raum frei von staatlicher Beeinträchtigung.480 Diese Sphäre muss geschaffen bzw. geachtet werden. Jedoch ist es dem Einzelnen überlassen und daher auch individuell höchst unterschiedlich, ob und in welchem Umfang er hiervon Gebrauch macht. Daher ist es zumindest auch Folge der freien Entscheidung für eine Betätigung im Schutzbereich von Grundrechten, wenn in diesem Zusammenhang Aufwendungen entstehen. Es kann daher nur um die Frage gehen, ob eine entsprechende Freiheitsausübung nach den objektiv-rechtlichen Wertungen des Grundgesetzes als unverzichtbar anzusehen ist.481 Von Verfassungs wegen müssten dann auch die erforderlichen materiellen Voraussetzungen geschaffen werden bzw. sie dürften dem Einzelnen in dieser Höhe nicht durch den steuerlichen Zugriff entzogen werden.482 In diesem Sinne indisponibel sind, wie soeben gezeigt, jedenfalls die Aufwendungen zur Sicherung der eigenen Existenz. Dazu gehören auch, versteht man den Mensch als soziales Wesen, Aufwendungen für eine Mindestteilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben. In gewissem Umfang ist also auch die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten grundsätzlich unverzichtbar, der allgemein und abstrakt im Grundfreibetrag Rechnung getragen wird. Konkretere Vorgaben lassen sich der Verfassung auch nicht entnehmen.483 Dies spiegelt sich darin wider, dass es an einer weitergehenden Konkretisierung des zwangsläufigen bzw. pflichtbestimmten Aufwands fehlt, wenn von Teilen der Literatur die Steuerwirksamkeit eines über das Existenzminimum hinausgehenden Aufwands als von Verfassungs

478 BVerfG v. 04. 12. 2002, 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (49); v. 16. 03. 2005, 2 BvL 7/00, BVerfGE 112, 268 (280); v. 09. 12. 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08 u. a., BVerfGE 122, 210 (235). 479 Nach Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 369 f. (Fn. 137); dems., StuW 1998, 317 (328), ist „der Begriff indisponibler Einkommensteile nicht trennscharf“. Zustimmend Fischer, DStJG 24 (2001), 463 (502); Moes, Die Steuerfreiheit des Existenzminimums vor dem Bundesverfassungsgericht, S. 156 f., 167; Thiemann, JZ 2015, 866 (873). Seiler, in: Gleichheit im Verfassungsstaat, S. 133 (134), sieht in den Freiheitsrechten „eine offene Flanke“ mit geringer Aussagekraft für gleichheitsrechtliche Fragestellungen. 480 Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 368 f. 481 In diesem Sinne nun auch Englisch, DStJG 37 (2014), 159 (168 f.). 482 Birk, StuW 1983, 293 (297 f.), führt aus, dass die rechtliche Freiheitsgewährleistung nicht dadurch wertlos gemacht werden dürfe, dass eine bestehende wirtschaftliche Basis durch den Steuerstaat ausgezehrt werde. 483 Deshalb will Englisch, DStJG 37 (2014), 159 (168), unter wertender Betrachtung auch solche Aufwendungen erfassen, deren konkreter Verwendungszweck „in einer dem Existenzminimum vergleichbaren Weise“ indiziert sei, wodurch ein absoluter Vorrang der Eigenbedarfsdeckung begründet werde. Ähnlich G. Kirchhof, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/ KStG, Einf. zum EStG, Rn. 287, der auch auf die Nähe der zwangsläufigen Aufwendungen zum Bereich der Existenzsicherung abstellen will.

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wegen geboten proklamiert wird.484 Ob, in welcher Form und in welchem Umfang der Einzelne von seinen Freiheiten Gebrauch macht, ist Ausdruck seiner eigenen Persönlichkeit und Selbstbestimmung. Entsprechend ist auch die Frage, ob neben den existenzsichernden auch andere Aufwendungen als verfassungsrechtlich zwangsläufig zu betrachten sind, von individuellen Wertungen beeinflusst.485 Daher lässt sich insoweit nicht ein Gebot der Steuerfreistellung begründen. Auch der allgemeine Gleichheitssatz verpflichtet den Gesetzgeber nicht, einen über das Existenzminimum hinausgehenden indisponiblen Aufwand steuermindernd zu berücksichtigen. Bei einer am Maßstab der finanziellen Leistungsfähigkeit ausgerichteten Besteuerung müssen von Verfassungs wegen Aufwendungen nur dann berücksichtigt werden, wenn sie nach den Wertungen des Grundgesetzes als zwingend anzusehen sind.486 Entstehen die Aufwendungen aber im Zusammenhang mit einer selbstbestimmten Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten, sind sie, wie vorgehend erörtert, der einkommensteuerrechtlich unbeachtlichen Privatsphäre zuzuordnen. Folglich besteht kein verfassungsrechtliches Gebot, dass nicht existenzsichernde unvermeidbare Privataufwendungen steuerlich zu verschonen sind.487 Der Gesetz484 Böckenförde, StuW 1986, 335 (336), „Aufwendungen, die […] auf gesetzlich begründeten Unterhalts-/Ausbildungspflichten und ähnlichem beruhen“; P. Kirchhof, VVDStRL 39 (1981), 213 (270 f.), „zwangsläufige persönlichkeitsbedingte Aufwendungen für die Entfaltungsfreiheit des Steuerpflichtigen“; ders., in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, § 118 Rn. 187, „anderen pflichtbestimmten Aufwand und Aufwendungen für die Sicherung der eigenen Zukunft“; Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, S. 146, „Verschonung von bestimmten zwangsläufigen Aufwendungen“; Söhn, StuW 1985, 395 (400), „Privatausgaben, die für den Steuerpflichtigen unvermeidbar (zwangsläufig, indisponibel) sind“; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 796, „Vorsorgeaufwendungen und andere ,Sonderausgaben‘ [sowie] andere zwangsläufige private Aufwendungen“; ders., StuW 1993, 8 (16), „für sich und seine Familie oder sonst notwendig aufwenden mu[ss]“; Vogel, NJW 1974, 2105 (2105 f.), „bestimmte andere Minderungen der Leistungsfähigkeit, z. B. Sozialversicherungsbeiträge und sonstige Vorsorgeaufwendungen […]; typisierungsfähige Minderungen der Leistungsfähigkeit […] (Kinder- und besondere Freibeträge, vgl. § 32 Abs. 2 und 3 a.F. EStG); untypische und ungewöhnliche Minderungen“; Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, S. 176, „Abzug der existenzsichernden Aufwendungen und den Abzug unabweisbarer Sonderbelastungen“, und S. 292, „Aufwendungen zur Deckung des Existenzminimums und […] bestimmte[n] weitere[n] indisponible[n] und existenzsichernde[n] Aufwendungen“. 485 Moes, Die Steuerfreiheit des Existenzminimums vor dem Bundesverfassungsgericht, S. 157 ff., 167; Sacksofsky, NJW 2000, 1896 (1901, Fn. 60); Wernsmann, StuW 1998, 317 (326 ff.). 486 Ähnlich Moes, Die Steuerfreiheit des Existenzminimums vor dem Bundesverfassungsgericht, S. 210. 487 Fischer, DStJG 24 (2001), 463 (502 f.); Moes, Die Steuerfreiheit des Existenzminimums vor dem Bundesverfassungsgericht, S. 149, 155 ff., 210; Sacksofsky, NJW 2000, 1896 (1901); Thiemann, JZ 2015, 866 (873); Waldhoff, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, § 116 Rn. 113; Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 369 f. (Fn. 137); ders., StuW 1998, 317 (326 ff.). Für eine Zurücknahme der Lehre vom indisponiblen Einkommen spricht sich auch Englisch, DStJG 37 (2014), 159 (168 ff.), aus, der jedoch einen „in einer dem Existenzminimum vergleichbaren Weise“ indizierten Verwendungszweck anerkennen will.

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2. Kap.: Qualifikation von Aufwendungen als Sonderausgaben

geber kann aber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums entsprechende Entscheidungen treffen.488

IV. Zwangsläufige Aufwendungen im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts In der Konstellation, in welcher das Bundesverfassungsgericht die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen bejaht hat, weil die steuerlich relevante Leistungsfähigkeit gemindert sei, ist nicht deren Indisponibilität ausschlaggebend für das Abzugsgebot. Gegenstand der Entscheidung sind gemischt durch die Erwerbssphäre und die Privatsphäre veranlasste Aufwendungen gewesen: die erwerbsbedingt notwendigen Kinderbetreuungskosten489. Wegen der privaten Mitveranlassung erkennt das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber einen Entscheidungsspielraum bei der Frage der Zuordnung entweder zur Erwerbssphäre oder zur Privatsphäre zu. Trotz der Qualifikation als Privataufwendung hält es einen Abzug aber für verfassungsrechtlich geboten, soweit die Kosten erwerbsbedingt notwendig sind. Dieser Entscheidung liegt wohl die Annahme zugrunde, dass die private Mitveranlassung zwar die Zuordnung zur Privatsphäre tragen, jedoch wegen entgegenstehender verfassungsrechtlicher Vorgaben nicht Anknüpfungspunkt für ein Abzugsverbot sein kann.490 Der zwangsläufige Charakter solcher gemischt veranlassten Aufwendungen liegt dann aber nicht in der Privatsphäre, sondern eigentlich in der Mitveranlassung durch die Erwerbssphäre begründet.491 So fordert auch das Bundesverfassungsgericht nur den Abzug der erwerbsbedingt notwendigen Kinderbetreuungskosten.492

A.A. 57. Deutscher Juristentag, Sitzungsberichte, Bd. II, N 214 f.; Arndt/Schumacher, AöR 118 (1993), 513 (525); Birk, DStZ 1998, 74 (75); Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 190, 630; Böckenförde, StuW 1986, 335 (336); P. Kirchhof, VVDStRL 39 (1981), 213 (270 f.); ders., in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, § 118 Rn. 187; Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, S. 146, 172, 406; Söhn, StuW 1985, 395 (400 f.); ders., StuW 1990, 356 (358); Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 796; ders., StuW 1993, 8 (16); Vogel, NJW 1974, 2105 f.; Wendt, DÖV 1988, 710 (720 f.); ders., in: Festschrift für Tipke, S. 47 (51); WeberGrellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, S. 292. 488 Englisch, DStJG 37 (2014), 159 (169 f.), und Wernsmann, StuW 1998, 317 (329), weisen darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht die Einschätzungsprärogative der anderen Staatsgewalten zu beachten hat, wenn die Anwendung einer Verfassungsnorm von Wertungen abhängt. 489 BVerfG v. 16. 03. 2005, 2 BvL 7/00, BVerfGE 112, 268. 490 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 73; zustimmend Thiemann, JZ 2015, 866 (873). 491 A.A. Schilling, Zwangsläufiger, pflichtbestimmter Aufwand in Ehe und Familie, S. 66 ff., 116, nach dessen Auffassung die Kriterien der Zwangsläufigkeit und Pflichtbestimmtheit ein von der Veranlassung unabhängiges, „sphärenübergreifendes“ Abzugsgebot im Grenzbereich zwischen der Erwerbs- und der Privatsphäre begründen. 492 BVerfG v. 16. 03. 2005, 2 BvL 7/00, BVerfGE 112, 268 (282).

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Aspekte der Zwangsläufigkeit können der Gestaltungskompetenz des Gesetzgebers auch im Anwendungsbereich des sog. objektiven Nettoprinzips Schranken setzen. Die entsprechenden Fragestellungen sind jedoch anders gelagert. Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten sind grundsätzlich abziehbar. Allerdings kommt dem Gesetzgeber in Bezug auf Aufwendungen, die auch mit der privaten Lebensführung zusammenhängen, die Befugnis zu, mittels Abzugsbeschränkungen die steuerlich beachtliche Erwerbs- von der grundsätzlich unbeachtlichen Privatsphäre abzugrenzen, wobei er sich typisierender Regelungen bedienen kann. Die Grenzen einer realitätsgerechten Typisierung werden durch Aspekte der Zwangsläufigkeit konturiert: In diesem Sinne erklärt das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 06. 07. 2010493 die Abziehbarkeit der Aufwendungen für ein betrieblich/beruflich erforderliches – ein anderer Arbeitsplatz steht nicht zur Verfügung – häusliches Arbeitszimmer für verfassungsrechtlich geboten.494 In der Entscheidung vom 04. 12. 2002495 hält es dafür, dass durch eine Kettenabordnung bedingte „notwendige[n] Mehraufwendungen“ für eine doppelte Haushaltsführung folgerichtig der Erwerbssphäre zuzuordnen sind. Insoweit verstieße eine zeitliche Begrenzung der Abziehbarkeit gegen Art. 3 I GG496. Für die Anerkennung einer Kategorie der zwangsläufigen Privataufwendungen ist maßgeblich, ob bzw. welchen verfassungsrechtlichen Vorgaben ein Verbot des Abzugs gemischt veranlasster Privataufwendungen zuwiderlaufen kann. Dies ist nicht abschließend geklärt.497 Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ist eine differenzierende Würdigung „im Lichte betroffener Grundrechte“498 vorzunehmen. In seiner bisherigen Rechtsprechung hat es sich auf Art. 6 I GG gestützt, demnach die Entscheidung für Kinder verfassungsrechtlich geschützt sei.499 Das Abstellen auf grundrechtliche Wertungen erscheint jedoch sehr zweifelhaft500, weil die Ausübung der geschützten Freiheiten höchst individuell ist. Entsprechend ist auch die Frage, ob der Aufwand zwangsläufig bzw. pflichtbestimmt entsteht, von individuellen Wertungen beeinflusst501, jedoch regelmäßig nicht verfassungsrecht-

493

BVerfG v. 06. 07. 2010, 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268. BVerfG v. 06. 07. 2010, 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268 (282 f.). 495 BVerfG v. 04. 12. 2002, 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27. 496 BVerfG v. 04. 12. 2002, 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (51 f.). 497 Vgl. BVerfG v. 04. 12. 2002, 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (48); v. 16. 03. 2005, 2 BvL 7/00, BVerfGE 112, 268 (280); v. 09. 12. 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08 u. a., BVerfGE 122, 210 (234 f.). 498 BVerfG v. 04. 12. 2002, 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (49); v. 16. 03. 2005, 2 BvL 7/00, BVerfGE 112, 268 (280); v. 09. 12. 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08 u. a., BVerfGE 122, 210 (235). 499 BVerfG v. 16. 03. 2005, 2 BvL 7/00, BVerfGE 112, 268 (282). 500 Vgl. hierzu bereits 2. Kapitel § 5 III. (S. 113 ff.). 501 Wernsmann, StuW 1998, 317 (326, 328). 494

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2. Kap.: Qualifikation von Aufwendungen als Sonderausgaben

lich eindeutig vorgezeichnet.502 Vielmehr wird sich nur für den Einzelfall beurteilen lassen, will man dem Bundesverfassungsgericht insoweit folgen, ob die private Mitveranlassung ausnahmsweise ein Abzugsverbot nicht begründen kann.

V. (Kein) verfassungsrechtliches Gebot für einen Abzug von der Bemessungsgrundlage Es ist nicht abschließend geklärt, auf welche Weise dem Gebot der Steuerfreistellung des Existenzminimums Rechnung getragen werden kann. Welche Gesetzestechniken zur Freistellung grundsätzlich zur Verfügung stehen, hängt auch davon ab, ob man der Verfassung die zwingende Wertung entnehmen will, dass das für die Existenzsicherung gebundene Einkommen nicht belastbar ist. Der Gesetzgeber jedenfalls will das Existenzminimum durch einen Abzug existenzsichernder Aufwendungen von der Bemessungsgrundlage (§§ 10 I Nr. 2, 3, 4, Ia Nr. 1, 33 ff. EStG503 i.V.m. § 2 IV EStG, § 32 VI EStG i.V.m. § 2 V EStG) und durch einen den sächlichen Bedarf typisierenden tariflichen Grundfreibetrag (§ 32a I S. 2 Nr. 1 EStG) berücksichtigt wissen. Das Nebeneinander verschiedener Freistellungsmethoden steht im Widerspruch zu der vor allem in der steuerjuristischen Literatur vertretenen Auffassung504, dass ein Abzug von der Bemessungsgrundlage geboten sei. Es stellt sich also die Frage, ob der Gesetzgeber mit einer solchen Steuergestaltung die Grenzen seines Gestaltungsspielraums überschritten hat.

502 So auch Fischer, DStJG 24 (2001), 463 (502); Moes, Die Steuerfreiheit des Existenzminimums vor dem Bundesverfassungsgericht, S. 149, 155 ff., 210; Sacksofsky, NJW 2000, 1896 (1901); Waldhoff, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, § 116 Rn. 113; Wernsmann, StuW 1998, 317 (328); ders., in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO Rn. 595. Einschränkend auch Englisch, DStJG 37 (2014), 159 (169), der aber solche Aufwendungen berücksichtigen will, deren Entstehung nach wertender Betrachtung „in einer dem Existenzminimum vergleichbaren Weise“ indiziert ist. Nach Seiler, in: Gleichheit im Verfassungsstaat, S. 133 (134), bieten die Freiheitsrechte im Rahmen von gleichheitsrechtlichen Fragestellungen „eine offene Flanke“ mit lediglich geringer Aussagekraft. Vgl. hierzu ausführlich 2. Kapitel § 5 III. (S. 113 ff.). 503 Auch die Kinderbetreuungskosten i.S.v. § 10 I Nr. 5 EStG können in atypischen Konstellationen existenzsichernden Charakter haben, vgl. hierzu bereits 1. Kapitel § 2 I. 2. b) (S. 36 f.). 504 57. Deutscher Juristentag, Sitzungsberichte, Bd. II, N 214 f.; Dziadkowski, FR 1986, 504 (508 f.); Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 87; P. Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 679; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 71 f., 213; Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, S. 172, 176 f.; Schlick, Wirtschaftsdienst 2013, 841 (843); Söhn, FA 1994, 372 (392 f.); Wendt, in: Festschrift für Tipke, S. 47 (54 f.).

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1. Stand der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist zumindest das familiäre Existenzminimum von der Bemessungsgrundlage abzuziehen. Während es dem Gesetzgeber in einer früheren Entscheidung eine Wahlmöglichkeit eingeräumt hatte, das Kinderexistenzminimum steuerlich entweder durch einen Abzug von der Bemessungsgrundlage oder von der Steuerschuld zu berücksichtigen,505 erklärte es schließlich in den Beschlüssen vom 29. 05. 1990506 und vom 10. 11. 1998507 einen Abzug von der Bemessungsgrundlage für verfassungsrechtlich geboten. Hingegen befindet sich die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Steuerfreistellung des individuellen Existenzminimums offenbar noch im Wandel. Im Beschluss vom 25. 09. 1992508 ist dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zuerkannt worden.509 Insbesondere sei es zulässig, die Entlastungswirkungen des tariflichen Grundfreibetrags (individuelles Existenzminimum) mit steigender Leistungsfähigkeit zu kompensieren, sofern es nicht zu Progressionssprüngen komme.510 Generell müsse bei der Verwirklichung des Steuerfreistellungsgebots berücksichtigt werden, dass „Tarif und Bemessungsgrundlage in ihrer verfassungsrechtlichen Vertretbarkeit wechselseitig voneinander“511 abhingen. Unbeanstandet ist geblieben, dass das Existenzminimum durch ein Nebeneinander verschiedener Steuertechniken, Abzügen von der Bemessungsgrundlage sowie einem tariflichen Grundfreibetrag, verschont worden ist. In den neueren Entscheidungen wird jedoch regelmäßig ein Abzug von der Bemessungsgrundlage gefordert.512 Lediglich im Beschluss zu den Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen513 wird die Frage aufgeworfen, ob auch „noch andere steuersystematische Lösungen zur Freistellung des Existenzminimums zur Verfügung gestanden hätten oder für künftige Regelungen zur Verfügung [stünden]“514.

505

BVerfG v. 23. 11. 1976, 1 BvR 150/75, BVerfGE 43, 108 (120, 123). BVerfG v. 29. 05. 1990, 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60 (90). 507 BVerfG v. 10. 11. 1998, 2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246 (264 f.). 508 BVerfG v. 25. 09. 1992, 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153. 509 BVerfG v. 25. 09. 1992, 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153 (170); inzident bestätigt durch BVerfG v. 14. 06. 1994, 1 BvR 1022/88, BVerfGE 91, 93 (109). 510 BVerfG v. 25. 09. 1992, 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153 (170). 511 BVerfG v. 25. 09. 1992, 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153 (170). 512 BVerfG v. 06. 03. 2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (126 f.); v. 04. 12. 2002, 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (47 f.). 513 BVerfG v. 13. 02. 2008, 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125. 514 BVerfG v. 13. 02. 2008, 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125 (158). 506

120

2. Kap.: Qualifikation von Aufwendungen als Sonderausgaben

2. Systematische Richtigkeit eines Abzugs von der Bemessungsgrundlage Ausgehend von der steuersystematischen Bedeutung der Bemessungsgrundlage ist es sicherlich zutreffend, das Existenzminimum auf dieser Ebene in Abzug zu bringen. Sie quantifiziert den steuerlichen Belastungsgrund.515 In Abhängigkeit von dieser Größe trifft der Gesetzgeber mit dem Steuertarif eine Entscheidung über das Maß der steuerlichen Belastung.516 Systemgerecht ist es daher, das für die Existenzsicherung gebundene Einkommen, hält man diese Teile des Einkommens von Verfassungs wegen für nicht belastbar, bereits aus der Bemessungsgrundlage auszugrenzen.517 Wird das verfassungsrechtliche Gebot zur Steuerfreistellung des Existenzminimums hingegen im Sinne eines „Verbleibs nach Steuern“ verstanden, ist jedenfalls im geltenden Einkommensteuerrecht eine Steuerwirksamkeit im Rahmen der Einkommensermittlung konsequent. Das Einkommen in Höhe des Existenzminimums ist nicht Anknüpfungspunkt für eine progressive Besteuerung. Auf Grundlage einer in diesem Sinne systemgerecht bestimmten Bemessungsgrundlage kann im Zusammenwirken mit dem lastenausteilenden Maßstab des Tarifs die gesetzgeberische Belastungsentscheidung folgerichtig verwirklicht werden.518 Der Gesetzgeber weicht von dieser steuertatbestandlichen Systematik im geltenden Einkommensteuerrecht ab. Das individuelle sächliche Existenzminimum wird erst durch den tariflichen Grundfreibetrag berücksichtigt. Eine solche Systemwidrigkeit allein indiziert jedoch keinen Verfassungsverstoß.519 Es muss nicht „die“ dogmatisch „überzeugende“ oder systematisch „richtige“ Lösung gefunden werden.520 Der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum findet erst dort seine Grenze, wo die Abweichung auch einen Verstoß gegen Art. 3 I GG darstellt.

515 Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 102 f.; P. Kirchhof, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, § 118 Rn. 266 ff. 516 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 43. 517 Arndt, StVj 1993, 1 (5 f.); Englisch, DStJG 37 (2014), 159 (167); Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 28, 213; ders., Die einfache und gerechte Einkommensteuer, S. 39 f., 42 f.; Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, S. 172 f., 176 f.; Söhn, StuW 1985, 395 (401 f.); ders., FA 1988, 154 (156); Tipke, FR 1990, 349; Wendt, in: Festschrift für Tipke, S. 47 (54). A.A. Bareis, DB 2012, 994 (1001); Giloy, FR 1986, 56 (58 f.). 518 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 43. 519 BVerfG v. 27. 01. 1965, 1 BvR 213/58, 1 BvR 715/58, 1 BvR 66/60, BVerfGE 18, 315 (334); v. 10. 11. 1981, 1 BvL 18/77, 1 BvL 19/77, BVerfGE 59, 36 (49); v. 19. 10. 1982, 1 BvL 39/80, BVerfGE 61, 138 (148); v. 26. 04. 1988, 1 BvL 84/86, BVerfGE 78, 104 (123); v. 11. 02. 1992, 1 BvL 29/87, BVerfGE 85, 238 (247); v. 10. 10. 2001, 1 BvL 17/00, BVerfGE 104, 74 (87); Wernsmann, Das gleichheitswidrige Steuergesetz, S. 142. 520 BVerfG v. 12. 05. 2009, 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111 (123, 127).

§ 5 Existenzsichernde Aufwendungen

121

3. Die Belastungsgleichheit als materielles Gleichbehandlungsgebot im Einkommensteuerrecht a) Bezugspunkt des Anspruchs auf Gleichbehandlung Ob ein Verstoß gegen Art. 3 I GG vorliegt, hängt vom Bezugspunkt des Anspruchs auf Gleichbehandlung ab. Gilt es, die Steuerpflichtigen bereits bei der Bildung der Bemessungsgrundlage gleich zu behandeln, muss diese den Belastungsgegenstand folgerichtig abbilden.521 Es dürfen nur die Teile des Einkommens erfasst werden, die die Leistungsfähigkeit erhöhen, während die – zumindest nach der gesetzgeberischen Grundentscheidung – nicht belastbaren Teile auszugrenzen sind. Mit einem so verstandenen Gleichbehandlungsgebot ist es daher unvereinbar, wenn das Existenzminimum erst im Tarif berücksichtigt wird. Vorzugswürdig erscheint allerdings die Auffassung, dass Bezugspunkt des Anspruchs auf Gleichbehandlung allein die steuerliche Last ist.522 Die den Steuerpflichtigen nachteilig treffende Rechtsfolge des Steuertatbestands ist die Entstehung der Steuerschuld. Die Bildung der Bemessungsgrundlage ist lediglich ein Zwischenschritt bei deren Berechnung. Inkonsequenzen bei der Einkommensermittlung berühren als solche die Rechtssphäre der Steuerpflichtigen nicht nachteilig.523 Nur wenn sie sich in Form von Belastungsunterschieden fortsetzen, wirken sie sich realiter zulasten der Steuerpflichtigen aus. Somit fehlt es auf der Ebene der Bemessungsgrundlage, isoliert betrachtet, an einem materiellen Nachteil, der Voraussetzung für das Vorliegen eines Gleichheitsverstoßes ist524. Daher kann sich der Anspruch auf Gleichbehandlung auch nicht auf die Bildung der Bemessungsgrundlage, sondern nur auf die steuerlichen Lasten beziehen. Bezugspunkt des Anspruchs auf steuerliche Gleichbehandlung ist die Belastungsgleichheit. In diesem Sinne hat auch das Bundesverfassungsgericht zur Vermögenssteuer und zur Erbschaftsteuer entschieden. Eine realitätswidrige Bewertung des Vermögens (mit der Folge einer unzutreffenden Bemessungsgrundlage) sei mit Art. 3 I GG unvereinbar, wenn das verfassungsrechtlich gebotene Gleichmaß im Belastungserfolg beeinträchtigt werde.525

521

So wohl Söhn, FA 1994, 372 (392). In diesem Sinne auch Drüen, in: Leitgedanken des Rechts, Bd. II, § 158 Rn. 18; Jachmann, StuW 1998, 293 (296); P. Kirchhof, StuW 2000, 316 (319 f.); Liesenfeld, Das steuerfreie Existenzminimum und der progressive Tarif als Bausteine eines freiheitsrechtlichen Verständnisses des Leistungsfähigkeitsprinzips, S. 98. 523 Nach Drüen, in: Leitgedanken des Rechts, Bd. II, § 158 Rn. 18, handelt es sich um eine „virtuelle Gleichbehandlung auf der Ebene der Bemessungsgrundlage“, die Art. 3 I GG jedoch nicht fordere. 524 Vgl. Osterloh/Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 84 m.w.N. 525 BVerfG v. 22. 06. 1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (143, 146 f.); v. 07. 11. 2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 (30 f., 34 ff.). 522

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2. Kap.: Qualifikation von Aufwendungen als Sonderausgaben

b) Unterschiedliche Entlastungswirkungen der Freistellungsmethoden Unterschiedlich sind jedenfalls die Entlastungswirkungen der einkommensteuerrechtlichen Methoden zur Steuerfreistellung des Existenzminimums – Abzug von der Bemessungsgrundlage oder Grundfreibetrag. So ist die Entlastung infolge einer tariflichen Nullzone für alle Steuerpflichtigen gleich. Die Einkommensteuer wird auf 0 E festgesetzt bzw. der Einkommensteuersatz beträgt einheitlich 0,00 %.526 Erst für ein darüber hinausgehendes zu versteuerndes Einkommen setzt der Tarif mit seinem progressiven Verlauf ein. Hingegen führt ein Abzug von der Bemessungsgrundlage zu einer unterschiedlichen Entlastung der Steuerpflichtigen in Höhe des jeweiligen Grenzsteuersatzes.527 Diese Wirkung liegt in der gesetzgeberischen Entscheidung über die Ausgestaltung des Einkommensteuertarifs begründet. Die Einkommenszuwächse werden in den Progressionszonen des § 32a I S. 2 Nr. 2 und Nr. 3 EStG mit steigenden Steuersätzen und in den Proportionalzonen des § 32a I S. 2 Nr. 4 EStG mit einem Steuersatz von 42 % bzw. des § 32a I S. 2 Nr. 5 EStG von 45 % besteuert. Korrespondierend zum Anstieg des Grenzsteuersatzes nimmt auch der Steuervorteil bei einem Abzug von der Bemessungsgrundlage mit steigendem Einkommen progressiv zu. Verfassungsrechtlich bedenklich sind solche Entlastungsunterschiede jedoch nur, wenn die Belastungsgleichheit beeinträchtigt wird.528 Nur in diesem Fall ist, wie vorgehend erörtert, die Rechtssphäre der Steuerpflichtigen nachteilig berührt. c) Folgerichtige Umsetzung der Belastungsentscheidung Somit kommt es allein auf die Frage an, ob die verschiedenen Freistellungsmethoden die gesetzgeberische Belastungsentscheidung folgerichtig verwirklichen können. Es muss dabei berücksichtigt werden, dass die Höhe der steuerlichen Lasten von der Bemessungsgrundlage, vom Tarif und von deren notwendigem Zusammenwirken abhängt.529 Entsprechend der gesetzgeberischen Belastungsentscheidung mindert sich bei einem Abzug von der Bemessungsgrundlage das zu versteuernde Einkommen um den existenzsichernden Betrag x und der korrespondierende niedrigere Steuersatz kommt zur Anwendung. Bei einer tariflichen Regelung hingegen ist das Existenzminimum zwar Teil der Bemessungsgrundlage i.S.v. § 2 V S. 1 EStG, jedoch wird erst das darüber hinausgehende Einkommen entsprechend dem Tarif steuerlich be526 Vgl. Moes, Die Steuerfreiheit des Existenzminimums vor dem Bundesverfassungsgericht, S. 64. 527 Knaupp, Der Einkommensteuertarif als Ausdruck der Steuergerechtigkeit, S. 69; Wernsmann, NJW 2009, 3681. Vgl. auch Moes, Die Steuerfreiheit des Existenzminimums vor dem Bundesverfassungsgericht, S. 63. 528 Im Ergebnis auch Liesenfeld, Das steuerfreie Existenzminimum und der progressive Tarif als Bausteine eines freiheitsrechtlichen Verständnisses des Leistungsfähigkeitsprinzips, S. 118 f.; Wernsmann, NJW 2009, 3681, sieht darin zumindest eine Inkonsequenz. 529 Vgl. BVerfG v. 25. 09. 1992, 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153 (170).

§ 5 Existenzsichernde Aufwendungen

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lastet. Unter der Prämisse, dass ein Tarif ohne Grundfreibetrag im Übrigen dem des § 32a I S. 2 EStG entspricht, stellt sich der Grundfreibetrag als Verschiebung des Graphs der Steuerfunktion um den Betrag x an der x-Achse dar.530 In diesem Fall sind die steuerlichen Lasten identisch. Es macht keinen Unterschied, ob der Tarif ungleich 0,00 % erst auf ein den Betrag x übersteigendes zu versteuerndes Einkommen angewendet wird oder der um den Betrag x gekürzte Gesamtbetrag der Einkünfte ab dem ersten hinzuverdienten Euro besteuert wird. Daher entspricht auch die Steuerfreistellung durch tariflichen Grundfreibetrag grundsätzlich der gesetzgeberischen Belastungsentscheidung.531 Zu einer unterschiedlichen Steuerbelastung führen die Freistellungsmethoden jedoch in einer speziellen Konstellation: Das Einkommen erreicht das Existenzminimum nur unter Berücksichtigung der Einnahmen, die nach § 32b I EStG dem Progressionsvorbehalt unterliegen. Bei einem Abzug der existenzsichernden Aufwendungen von der Bemessungsgrundlage entsteht keine Einkommensteuerschuld, da der besondere Steuersatz des § 32b II EStG auf ein zu versteuerndes Einkommen von 0 E angewendet wird. Hingegen führt die tarifliche Freistellung zu einer steuerlichen Belastung. Die Einkünfte, die der Progression vorbehalten sind, wirken sich dahingehend aus, dass der Grundfreibetrag überschritten wird. Der sich daraus ergebende besondere Steuersatz des § 32b II EStG ungleich 0,00 % ist auf das zu versteuernde Einkommen größer 0 E anzuwenden.532 Ob eine tarifliche Steuerfreistellung allein deshalb als folgewidrig zu bewerten ist, erscheint zweifelhaft. Grundsätzlich trägt eine solche Regelung gerade der höheren, wenn auch nicht in der Bemessungsgrundlage zum Ausdruck kommenden Leistungsfähigkeit Rechnung. Die Steuerpflichtigen werden entsprechend ihrer tatsächlichen Leistungsfähigkeit, unter Berücksichtigung der der Progression vorbehaltenen Einnahmen, nach Maßgabe der tariflichen Belastungsentscheidung besteuert. Allein die Anwendung des besonderen Steuersatzes von ungleich 0,00 % auf existenzsichernde Einkommensteile kann freiheits- und gleichheitsrechtlich in Zweifel gezogen werden. Dies kann jedoch allenfalls zur Verfassungswidrigkeit von § 32b II EStG führen.533 Daher sind die Methoden zur Steuerfreistellung des Existenzminimums (Abzug von der Bemessungsgrundlage und tariflicher Grundfreibetrag) grundsätzlich

530

S. 63 f.

Moes, Die Steuerfreiheit des Existenzminimums vor dem Bundesverfassungsgericht,

531 A.A. Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, S. 172. Ein Abzug von der Bemessungsgrundlage werfe einen progressionserhöhenden Schatten auf das disponible Einkommen. 532 Homburg, FA 1995, 182 (191). 533 Vogel, in: Freistellung im internationalen Steuerrecht, S. 1 (5 ff.), zeigt anhand des negativen Progressionsvorbehalts, dass die Regelung des § 32b II EStG verfassungswidrig sei, soweit dadurch dem Steuerpflichtigen die Mittel zur Existenzsicherung entzogen würden. Hingegen hat der BFH v. 01. 08. 1986, VI R 181/83, BStBl II 1986, 902 (904), die Verfassungsmäßigkeit gar nicht in Zweifel gezogen.

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2. Kap.: Qualifikation von Aufwendungen als Sonderausgaben

äquivalent.534 Gleichermaßen setzen sie die gesetzgeberische Belastungsentscheidung folgerichtig um. Für das geltende Einkommensteuerrecht muss diese Aussage jedoch wegen des für alle Steuerpflichtigen einheitlichen Tarifs eingeschränkt werden. Voraussetzung einer äquivalenten Umformbarkeit ist, dass existenzielle Aufwendungen berücksichtigt werden, die – zumindest typisiert – dem Grunde und der Höhe nach für alle Steuerpflichtigen gleich sind. Andernfalls divergierten die individuellen Eingangssteuersätze, wodurch die horizontale Besteuerungsgleichheit beeinträchtigt würde.535 Daher ist ein Abzug von der Bemessungsgrundlage nicht generell536, sondern nur insoweit verfassungsrechtlich geboten, als es einen individuell bzw. familienbedingt erhöhten existenziellen Aufwand von der Steuer freizustellen gilt. Im Übrigen ist es der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit überlassen, ob das existenznotwendige Einkommen durch einen Abzug von der Bemessungsgrundlage oder durch einen tariflichen Grundfreibetrag steuerfrei gestellt wird. Selbstredend ist auch eine Kombination der verschiedenen Gesetzestechniken möglich. Man mag eine tarifliche Regelung für inkonsequent halten, sie ist gleichwohl verfassungsrechtlich unbedenklich.537

534 Die Äquivalenz der Methoden wäre jedoch zu verneinen, wenn die Steuerfreistellung durch Abzug von der Bemessungsgrundlage – anders als im geltenden Einkommensteuerrecht – auch periodenübergreifende Wirkungen hätte. Entsprechende Wirkungen ließen sich bei einem Grundfreibetrag wegen des für alle Steuerpflichtigen einheitlichen Tarifs nicht erzielen, vgl. Homburg, FA 1995, 182 (192 f.). Unzutreffend ist hingegen die Auffassung von Moes, Die Steuerfreistellung des Existenzminimums vor dem Bundesverfassungsgericht, S. 65 (Fn. 169), dass die äquivalente Umformbarkeit wegen des § 10d EStG entfalle. Es wird verkannt, dass nur Betriebsausgaben und Werbungskosten als Verluste wirksam werden können, jedoch im Übrigen ein Vortrag nicht in Betracht kommt. 535 So im Ergebnis auch Liesenfeld, Das steuerfreie Existenzminimum und der progressive Tarif als Bausteine eines freiheitsrechtlichen Verständnisses des Leistungsfähigkeitsprinzips, S. 118; Knaupp, Der Einkommensteuertarif als Ausdruck der Steuergerechtigkeit, S. 163, zum Kinderexistenzminimum. 536 A.A. 57. Deutscher Juristentag, Sitzungsberichte, Bd. II, N 214 f.; Dziadkowski, FR 1986, 504 (508 f.); Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 87; P. Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 679; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 71 f., 213; Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, S. 172, 176 f.; Schlick, Wirtschaftsdienst 2013, 841 (843); Söhn, FA 1994, 372 (392 f.); Wendt, in: Festschrift für Tipke, S. 47 (54 f.). 537 So im Ergebnis auch Hackmann, BB 1994, Beilage zu Heft 28, 1 (21 f.); Knaupp, Der Einkommensteuertarif als Ausdruck der Steuergerechtigkeit, S. 141, 163; Lammers, Die Steuerprogression im System der Ertragsteuern und ihr verfassungsrechtlicher Hintergrund, S. 116; Liesenfeld, Das steuerfreie Existenzminimum und der progressive Tarif als Bausteine eines freiheitsrechtlichen Verständnisses des Leistungsfähigkeitsprinzips, S. 118 f. Offenlassend Englisch, DStJG 37 (2014), 159 (167).

§ 6 Förderungs- und Lenkungstatbestände

125

VI. Zwischenergebnis Mit dem Abzug existenzsichernder Aufwendungen als Sonderausgaben trägt der Gesetzgeber dem verfassungsrechtlichen Gebot zur Steuerfreistellung des Existenzminimums Rechnung. Es lässt sich freiheits-, aber auch gleichheitsrechtlich begründen, dass das für die Existenzsicherung gebundene Einkommen steuerlich zu verschonen ist. Im Übrigen besteht von Verfassungs wegen keine Pflicht, Aufwendungen steuerwirksam zu berücksichtigen. Auf die Indisponibilität kommt es entgegen der von weiten Teilen in der Literatur vertretenen Auffassung nicht an. Auch das Bundesverfassungsgericht hat in der Entscheidung, in der es zwangsläufige Aufwendungen angenommen hat, nicht auf das Kriterium der Indisponibilität abgestellt. Bei genauerer Betrachtung handelt es sich um gemischt veranlasste Aufwendungen, bei denen die private Mitveranlassung wegen entgegenstehender verfassungsrechtlicher Wertungen „nicht zum Anknüpfungspunkt von Abzugsverboten“538 genommen werden dürfe. Die Anerkennung in diesem Sinne zwangsläufiger Aufwendungen erscheint allerdings zweifelhaft. Den Grundrechten können zwingende Wertungen für die Berücksichtigung von nicht existenzsichernden Privataufwendungen nicht entnommen werden. Mit der Steuerwirksamkeit existenzsichernder Aufwendungen als Sonderausgaben berücksichtigt der Gesetzgeber solche Ausgaben systematisch richtig durch einen Abzug von der Bemessungsgrundlage. Der These ist jedoch zu widersprechen, dass ein Abzug von der Bemessungsgrundlage auch verfassungsrechtlich geboten ist: Es ist fraglich, ob die Verfassung die zwingende Wertung enthält, dass das für die Existenzsicherung gebundene Einkommen nicht belastbar ist, weil Anknüpfungspunkt der Besteuerung nur die tatsächliche Leistungsfähigkeit sein kann. Jedenfalls hat sich gezeigt, dass die Methoden – Abzug von der Bemessungsgrundlage und tariflicher Grundfreibetrag – äquivalent sind. Deshalb läuft es grundsätzlich nicht der gesetzgeberischen Belastungsentscheidung zuwider, wenn das Existenzminimum in einem tariflichen Grundfreibetrag berücksichtigt wird. Liegt aber ein Verstoß gegen die Belastungsgleichheit nicht vor, kann ein Abzug von der Bemessungsgrundlage auch nicht verfassungsrechtlich geboten sein. Eine differenziertere Beurteilung ist jedoch bei einem für alle Steuerpflichtigen einheitlichen Tarif wie im geltenden Einkommensteuerrecht geboten. Die Äquivalenz kann nicht in allen Konstellationen bejaht werden.

§ 6 Förderungs- und Lenkungstatbestände Andere Privataufwendungen als existenzsichernde mindern die für die Einkommensbesteuerung maßgebliche finanzielle Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen nicht. Werden solche Ausgaben der allgemeinen Lebensführung 538

Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 73.

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2. Kap.: Qualifikation von Aufwendungen als Sonderausgaben

gleichwohl als Sonderausgaben steuermindernd berücksichtigt, wird die Belastungsgleichheit beeinträchtigt. In seiner bereichsspezifischen Konkretisierung als Gebot gleicher steuerlicher Lasten setzt Art. 3 I GG dem gesetzgeberischen Spielraum, im Wege des Einkommensteuerrechts auch außerfiskalische Ziele zu verfolgen, Grenzen. Diese gilt es im Hinblick auf die Förderungs- und Lenkungstatbestände der §§ 10 ff. EStG zu konkretisieren. Vorgelagert stellt sich jedoch die Frage, ob sich die Steuergesetzgebungskompetenz überhaupt auf solche Sachregelungen erstreckt. Die Verfolgung außerfiskalischer Ziele mittels des Einkommensteuerrechts steht im Spannungsverhältnis zu der Regelungskompetenz des Sachgesetzgebers.

I. Gesetzgebungskompetenz Im Bereich des Steuerrechts ist der Gesetzgeber nicht auf das alleinige Ziel der Einnahmeerzielung beschränkt. Es können auch außerfiskalische Förderungs- und Lenkungszwecke verfolgt werden. Solange die Einnahmeerzielung zumindest Nebenzweck bleibt, handelt es sich begrifflich um Steuern im Sinne des Grundgesetzes.539 Dies wirft die Frage auf, wer nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes für den Erlass von Normen mit außerfiskalischer Zwecksetzung zuständig ist. Naheliegend ist die Annahme, dass der Gesetzgeber für Förderungs- und Lenkungstatbestände der entsprechenden Sachkompetenz nach Art. 30, 70 ff. GG540 oder infolge der steuerrechtlichen Regelung von Sachzielen einer doppelten Gesetzgebungszuständigkeit541 bedarf, also als Steuergesetzgeber (Art. 105 I, II, IIa GG) und als Sachgesetzgeber (Art. 30, 70 ff. GG). Konsequent würde auf diese Weise nach den verschiedenen Regelungsbereichen unterschieden und vermieden werden, dass sich der Steuergesetzgeber einer fremden Sachkompetenz ermächtigt. Allerdings macht ein solcher Ansatz eine Abgrenzung zwischen Fiskal- und Lenkungsnormen erforderlich, die sich als schwierig und streitanfällig darstellt.542 Es entstünde bei der

539 Inzwischen nahezu allgemeine Ansicht in Rechtsprechung und Literatur, vgl. Vogel/ Waldhoff, in: Bonner Kommentar, GG, Vorb. Art. 104a–115 Rn. 387 ff. m.w.N. 540 Wohl Wieland, in: Festschrift für Zeidler, S. 735 (744). 541 Friauf, Verfassungsrechtliche Grenzen der Wirtschaftslenkung und Sozialgestaltung durch Steuergesetze, S. 28 ff.; Kloepfer/Bröcker, DÖV 2001, 1 (5); Knies, Steuerzweck und Steuerbegriff, S. 141 ff.; Stern, Staatsrecht, Bd. II, S. 1105; tendenziell Vogel, in: Festschrift für Badura, S. 589 (603 f.); Vogel/Walter, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 105 Rn. 68o ff.; BVerfG v. 10. 05. 1962, 1 BvL 31/58, BVerfGE 14, 76 (99), und Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 164 ff., hinsichtlich solcher Konstellationen, in welchen außerfiskalische Ziele den Hauptzweck bilden. 542 Dies erkennt auch Friauf, Verfassungsrechtliche Grenzen der Wirtschaftslenkung und Sozialgestaltung durch Steuergesetze, S. 31 f., an.

§ 6 Förderungs- und Lenkungstatbestände

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Bestimmung der Gesetzgebungszuständigkeit Rechtsunsicherheit.543 Des Weiteren ist es dem finanzverfassungsrechtlichen Steuerbegriff immanent, dass auch außerfiskalische Zwecke verfolgt werden können. Es ist nur folgerichtig, dass die Gesetzgebungszuständigkeiten des Art. 105 GG auch insoweit als leges speciales zum Tragen kommen.544 Einer Sachkompetenz bedarf es daher nicht.545 Für die hier interessierenden einkommensteuerrechtlichen Förderungs- und Lenkungstatbestände hat der Bund daher grundsätzlich die Gesetzgebungskompetenz nach Art. 105 II Var. 2 GG i.V.m. Art. 106 III S. 1 GG. Allerdings birgt das Nebeneinander von Sach- und Steuergesetzgebungskompetenzen die Gefahr, dass die jeweils kompetenzgemäß erlassenen Regelungen miteinander konkurrieren. Daher verneint das Bundesverfassungsgericht die Befugnis, im Wege des Steuerrechts außerfiskalische Ziele zu verfolgen, die „der Gesamtkonzeption der sachlichen Regelung“546 oder „konkreten Einzelregelungen“547 zuwiderlaufen.548 Teile der Literatur549 stehen einer Kompetenzbeschränkung 543 Kube, Finanzgewalt in der Kompetenzordnung, S. 262; Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 181. 544 Ähnlich Jarass, Nichtsteuerliche Abgaben und lenkende Steuern unter dem Grundgesetz, S. 14 f.; Seiler, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 105 Rn. 116 ff. A.A. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 160 f. 545 BVerfG v. 22. 05. 1963, 1 BvR 78/56, BVerfGE 16, 147 (162); v. 07. 05. 1998, 2 BvR 1991/95, 2 BvR 2004/95, BVerfGE 98, 106 (118); v. 20. 04. 2004, 1 BvR 905/00, 1 BvR 1748/ 99, BVerfGE 110, 274 (292); v. 15. 01. 2014, 1 BvR 1656/09, BVerfGE 135, 126 (142); v. 05. 11. 2014, 1 BvF 3/11, BVerfGE 137, 350 (362). Birk, in: Grundrechtsschutz im Steuerrecht, S. 67 (82); Heintzen, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 105 Rn. 35; Jachmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 105 Rn. 26; G. Kirchhof, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Einf. zum EStG, Rn. 315; Kube, Finanzgewalt in der Kompetenzordnung, S. 262; Seiler, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 105 Rn. 118; Müller-Franken, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 105 Rn. 48; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 105 Rn. 4; Rodi, StuW 1999, 105 (114); Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 2 Rn. 55; Siekmann, in: Sachs, GG, Vor Art. 104a Rn. 16; Trzaskalik, Inwieweit ist die Verfolgung ökonomischer, ökologischer und anderer öffentlicher Zwecke durch Instrumente des Abgabenrechts zu empfehlen?, E 26 ff., 76; Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 179 ff.; ders., in: Leitgedanken des Rechts, Bd. II, § 152 Rn. 6. 546 BVerfG v. 07. 05. 1998, 2 BvR 1876/91, 2 BvR 1083/92, 2 BvR 2188/92 u. a., BVerfGE 98, 83 (98); v. 07. 05. 1998, 2 BvR 1991/95, 2 BvR 2004/95, BVerfGE 98, 106 (119). 547 BVerfG v. 07. 05. 1998, 2 BvR 1876/91, 2 BvR 1083/92, 2 BvR 2188/92 u. a., BVerfGE 98, 83 (98); v. 07. 05. 1998, 2 BvR 1991/95, 2 BvR 2004/95, BVerfGE 98, 106 (119). 548 So auch BVerwG v. 17. 09. 2008, 9 C 17/07, NJW 2009, 1097 (1099); Birk/Haversath, Verfassungsmäßigkeit der kommunalen Vergnügungsteuern auf Geldspielgeräte am Beispiel Berlins, S. 26 ff.; Bothe, NJW 1998, 2333; Jachmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 105 Rn. 27; G. Kirchhof, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Einf. zum EStG, Rn. 318; P. Kirchhof, in: Festschrift für Selmer, S. 745 (759 f.); ders., in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, § 118 Rn. 57; restriktiver Kloepfer/Bröcker, DÖV 2001, 1 (6 ff.); MüllerFranken, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 105 Rn. 50; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 2 Rn. 55; Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 173 ff.; im Ergebnis zustimmend Siekmann, in: Sachs, GG, Vor Art. 104a Rn. 18; Sodan/Kluckert, NVwZ 2013, 241 (242 ff.). Reservierter Kube, Finanzgewalt in der Kompetenzordnung, S. 271 ff., der das Gebot

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durch ein solches Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung kritisch gegenüber, das aus dem Rechts- und dem Bundesstaatsprinzip abgeleitet550 wird. Der Sachgesetzgeber könne nicht durch einfachgesetzliche Regelungen über die Reichweite der in der Verfassung verankerten Kompetenz des Steuergesetzgebers bestimmen.551 Außerdem könne das Erfordernis der Widerspruchsfreiheit zu erheblichen Rechtsunsicherheiten hinsichtlich der Grenzen der Zuständigkeit führen.552 Dies gelte umso mehr, wenn die jeweiligen Landesgesetzgeber verschiedenste Regelungen getroffen hätten.553 Besonders in solchen Konstellationen bärgen in diesem Sinne verstandene Anpassungspflichten des Steuergesetzgebers auch die Gefahr, dass dessen Kompetenz zur Förderung und Lenkung leer laufe.554 Überzeugend ist die Ablehnung einer Kompetenzbeschränkung durch das Gebot der Widerspruchsfreiheit vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass es allein auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben ankommt, wenn es die Reichweite der Steuergesetzgebungskompetenz zu bestimmen gilt. Einfachrechtliche Regelungen können die Befugnis des Steuergesetzgebers nach Art. 105 GG, im Wege des Einkommensteuerrechts mittelbar auch außerfiskalische Ziele zu verfolgen, nicht begrenzen oder im Falle stark divergierender Regelungen unterschiedlicher Sachgesetzgeber gar aushebeln. Rechtsunsicherheiten auf kompetenzieller Ebene sind insofern von vornherein ausgeschlossen. Es ist der Zuweisung der Gesetzgebungszuständigkeit an verschiedene Kompetenzträger immanent und daher im Grundgesetz angelegt, dass den Regelungen einander widersprechende Wertungen zugrunde gelegt werden können.555 der Widerspruchsfreiheit als zusätzliches Kriterium bei der Bestimmung der Übergriffsintensität betrachtet. Nach anderen in der Literatur vertretenen Ansätzen werden die Kompetenzausübungsschranken nach der Intensität der Gestaltungswirkungen, vgl. Rodi, StuW 1999, 105 (115 f.), oder auch nach der Intensität der außerfiskalischen Motivation – Haupt- oder Nebenzweck – bestimmt, vgl. hierzu Friauf, Verfassungsrechtliche Grenzen der Wirtschaftslenkung und Sozialgestaltung durch Steuergesetze, S. 16 ff.; Knies, Steuerzweck und Steuerbegriff, S. 86 ff.; Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 164, 167, 169. 549 Jarass, AöR 126 (2001), 588 (594 ff.); Rodi, StuW 1999, 105 (108 ff.); Trzaskalik, Inwieweit ist die Verfolgung ökonomischer, ökologischer und anderer öffentlicher Zwecke durch Instrumente des Abgabenrechts zu empfehlen?, E 33 f.; Weber-Grellet, NJW 2001, 3657 (3662); Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 185 ff.; ders., in: Leitgedanken des Rechts, Bd. II, § 152 Rn. 7. 550 Vgl. beispielsweise Müller-Franken, in: Friauf/Höfling, GG, Art. 105 Rn. 50; Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 162, 176 f. 551 Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 184; ders., in: Leitgedanken des Rechts, Bd. II, § 152 Rn. 7. 552 Kloepfer/Bröcker, DÖV 2001, 1 (7); Kube, Finanzgewalt in der Kompetenzordnung, S. 273; Rodi, StuW 1999, 105 (112 f.); Vogel/Walter, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 105 Rn. 68q. 553 Rodi, StuW 1999, 105 (113). 554 Wernsmann, in: Leitgedanken des Rechts, Bd. II, § 152 Rn. 7. 555 Ähnlich Heintzen, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 105 Rn. 36.

§ 6 Förderungs- und Lenkungstatbestände

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Das Gebot der Widerspruchsfreiheit kann die Steuergesetzgebungskompetenz – entgegen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – grundsätzlich nicht beschränken. Die Gesetzgebungszuständigkeit nach Art. 105 I, II, IIa GG findet erst dort ihre Grenze, wo eine Regelung erdrosselnde Wirkung hat und nicht mehr auf staatliche Einnahmeerzielung ausgerichtet ist.556

II. Rechtfertigung der Durchbrechung der Belastungsgleichheit durch Förderungs- und Lenkungstatbestände im Einkommensteuerrecht Die mit der steuerlichen Förderung bzw. Lenkung verbundenen ungleichen steuerlichen Lasten sowohl im Verhältnis der nichtbegünstigten zu den begünstigten Steuerpflichtigen als auch innerhalb des begünstigten Personenkreises bedürfen einer Rechtfertigung vor Art. 3 I GG. 1. Maßstab der Rechtfertigung a) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts In ständiger Rechtsprechung erkennt das Bundesverfassungsgericht dem Gemeinwohl dienende557 außerfiskalische Förderungs- und Lenkungsziele grundsätzlich als „sachliche Gründe“558 bzw. als „besondere sachliche Gründe“559 an, die eine Durchbrechung der Belastungsgleichheit rechtfertigen können. Der Gesetzgeber

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BVerwG v. 15. 10. 2014, 9 C 8/13, BVerwGE 150, 225 (229); Tappe/Wernsmann, Öffentliches Finanzrecht, Rn. 212; Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 3 AO Rn. 122. Nach BVerfG v. 16. 12. 1997, 2 BvR 1991/95, 2 BvR 2004/95, BVerfGE 98, 106 (118) m.w.N.; v. 15. 01. 2014, 1 BvR 1656/09, BVerfGE 135, 126 (142), ist die Steuerkompetenz ausreichend, solange „die steuerliche Lenkung nach Gewicht und Auswirkung [nicht] einer verbindlichen Verhaltensregelung nahekommt, die Finanzfunktion der Steuer also [nicht] durch eine Verwaltungsfunktion mit Verbotscharakter verdrängt wird“. Offener BVerfG v. 18. 01. 2006, 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97 (115): Eine erdrosselnde Steuer könne „begrifflich kaum noch [sic] als Steuer qualifiziert werden“. 557 BVerfG v. 22. 06. 1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (147); v. 11. 11. 1998, 2 BvL 10/ 95, BVerfGE 99, 280 (296); v. 20. 04. 2004, 1 BvR 905/00, 1 BvR 1748/99, BVerfGE 110, 274 (299); v. 07. 11. 2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 (32); v. 09. 12. 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/ 07, 2 BvL 1/08 u. a., BVerfGE 122, 210 (231); v. 06. 07. 2010, 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268 (278); v. 17. 12. 2014, 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136 (182). 558 BVerfG v. 20. 04. 2004, 1 BvR 905/00, 1 BvR 1748/99, BVerfGE 110, 274 (299). 559 BVerfG v. 11. 11. 1998, 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280 (290); v. 29. 10. 1999, 2 BvR 1264/90, BVerfGE 101, 132 (139); v. 07. 11. 2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 (31); v. 09. 12. 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08 u. a., BVerfGE 122, 210 (231); v. 06. 07. 2010, 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268 (278); v. 17. 12. 2014, 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136 (181).

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2. Kap.: Qualifikation von Aufwendungen als Sonderausgaben

habe auch im Bereich des Steuerrechts eine „große Gestaltungsfreiheit“560, wenn ein bestimmtes Verhalten gefördert oder auf die Bürger lenkend eingewirkt werden solle. In der Wahl der zu fördernden Sachverhalte und des Kreises der Begünstigten sei er „weitgehend frei“.561 Ob hinsichtlich der Ausgestaltung solcher Tatbestände strengere Maßstäbe zur Anwendung gelangen, ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unterschiedlich beantwortet worden. In den älteren Entscheidungen ist ein weiter Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers unzweifelhaft gewesen. Entsprechend dem ursprünglichen Verständnis des allgemeinen Gleichheitssatzes hat das Bundesverfassungsgericht lediglich die Grenze des Willkürverbots gezogen.562 Nach der Entwicklung der sog. Neuen Formel durch den Ersten Senat563 hat dieser strengere Maßstab auch im Bereich des Steuerrechts Eingang gefunden. Die verfassungsrechtlichen Grenzen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums seien erst überschritten, „wenn […] eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt [werde], obgleich zwischen den beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht [bestünden], da[ss] sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten“564. Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht bei der steuerlichen Förderung bzw. Lenkung darauf abgestellt, ob die Lenkungszwecke „tatbestandlich vorgezeichnet“565, „gleichheitsgerecht ausgestaltet“566 und ein „Mindestmaß an gegenseitiger Abstimmung“567 zwischen Vor- und Nachteilen bzw. an „zweckge-

560 BVerfG v. 20. 04. 2004, 1 BvR 905/00, 1 BvR 1748/99, BVerfGE 110, 274 (293); v. 25. 07. 2007, 1 BvR 1031/07, NVwZ 2007, 1168 (1171); v. 15. 01. 2014, 1 BvR 1656/09, BVerfGE 135, 126 (151); v. 05. 11. 2014, 1 BvF 3/11, BVerfGE 137, 350 (371); v. 17. 12. 2014, 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136 (182) („große[r] Spielraum“). 561 BVerfG v. 20. 04. 2004, 1 BvR 905/00, 1 BvR 1748/99, BVerfGE 110, 274 (293); v. 25. 07. 2007, 1 BvR 1031/07, NVwZ 2007, 1168 (1171); v. 07. 11. 2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 (32); v. 15. 01. 2014, 1 BvR 1656/09, BVerfGE 135, 126 (151); v. 05. 11. 2014, 1 BvF 3/11, BVerfGE 137, 350 (371); v. 17. 12. 2014, 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136 (182). 562 BVerfG v. 22. 05. 1963, 1 BvR 78/56, BVerfGE 16, 147 (184); v. 02. 10. 1969, 1 BvL 12/68, BVerfGE 27, 58 (65 ff.); v. 17. 07. 1974, 1 BvR 51/69, 1 BvR 160/69, 1 BvR 285/69 u. a., BVerfGE 38, 61 (100 f.). 563 Erstmalige Anwendung dieses strengeren Maßstabs in BVerfG v. 07. 10. 1980, 1 BvL 50/79, 1 BvL 89/79, 1 BvR 240/79, BVerfGE 55, 72 (88), dem sich der Zweite Senat in BVerfG v. 07. 12. 1983, 2 BvR 282/80, BVerfGE 65, 377 (384), angeschlossen hat. 564 BVerfG v. 11. 02. 1992, 1 BvL 29/87, BVerfGE 85, 238 (244). 565 BVerfG v. 22. 06. 1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (148); v. 11. 11. 1998, 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280 (296); ähnlich BVerfG v. 29. 10. 1999, 2 BvR 1264/90, BVerfGE 101, 132 (140). 566 BVerfG v. 22. 06. 1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (148); v. 11. 11. 1998, 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280 (296); v. 20. 04. 2004, 1 BvR 905/00, 1 BvR 1748/99, BVerfGE 110, 274 (293); v. 07. 11. 2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 (32); v. 09. 12. 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08 u. a., BVerfGE 122, 210 (232); ähnlich BVerfG v. 29. 10. 1999, 2 BvR 1264/90, BVerfGE 101, 132 (140). 567 BVerfG v. 06. 03. 2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (113).

§ 6 Förderungs- und Lenkungstatbestände

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rechter Ausgestaltung des Vergünstigungstatbestands“568 gegeben seien. Hingegen bettet das Bundesverfassungsgericht in der neueren Rechtsprechung die Frage nach der Bindungsintensität des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung von Förderungs- und Lenkungstatbeständen in die allgemeine gleichheitsrechtliche Dogmatik ein. Es gelte ein stufenloser am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter Prüfungsmaßstab, der von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen könne.569 Allerdings ziehe eine Abweichung von der Belastungsgleichheit – so das Bundesverfassungsgericht im Beschluss zur Zweitwohnungssteuer vom 15. 01. 2014570 – eine strengere Bindung des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung der Tatbestände nach sich.571 Dies wird damit begründet, dass es sich beim Leistungsfähigkeitsprinzip um ein materielles Gleichheitsmaß handele, an welchem etwaige Differenzierungen auszurichten seien.572 Hingegen erklärt es im Urteil zur Erbschaftsteuer vom 17. 12. 2014573, dass die Anforderungen an die Rechtfertigung auch davon abhingen, in welchem „Umfang und Ausmaß“574 von der Lastengleichheit abgewichen werde.575 Diesen Ansatz bestätigt es in den Beschlüssen vom 24. 03. 2015576 und 23. 06. 2015577 zum Grunderwerbsteuergesetz. Im Ergebnis wirkt das Ausmaß der Belastungsunterschiede nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, vergleichbar den Kriterien der Personenbezogenheit und der Verfügbarkeit des Differenzierungsmerkmals, der Freiheitsrelevanz der Ungleichbehandlung sowie der Nähe zu den Benachteiligungsverboten des Art. 3 III GG, auf die Intensität der Bindung an den allgemeinen Gleichheitssatz ein.578 b) Strenger Prüfungsmaßstab: Erfordernisse der Verhältnismäßigkeit Die Frage nach den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtfertigung ungleicher steuerlicher Lasten stellt sich erst, wenn man eine Durchbrechung der 568 BVerfG v. 07. 11. 2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 (33); v. 09. 12. 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08 u. a., BVerfGE 122, 210 (232). 569 BVerfG v. 17. 12. 2014, 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136 (180 f.); v. 23. 06. 2015, 1 BvL 13/11, 1 BvL 14/11, BVerfGE 139, 285 (309). 570 BVerfG v. 15. 01. 2014, 1 BvR 1656/09, BVerfGE 135, 126. 571 Vgl. BVerfG v. 15. 01. 2014, 1 BvR 1656/09, BVerfGE 135, 126 (148, 152 f.). 572 BVerfG v. 15. 01. 2014, 1 BvR 1656/09, BVerfGE 135, 126 (148). 573 BVerfG v. 17. 12. 2014, 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136. 574 BVerfG v. 17. 12. 2014, 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136 (181 f.). 575 Verhältnismäßigkeitserwägungen kommen schon in BVerfG v. 07. 11. 2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 (32), zum Ausdruck, wenn das Bundesverfassungsgericht auch einen vollständigen Ausschluss bestimmter Steuergegenstände für grundsätzlich möglich hält, sofern nur ausreichende Gründe des Allgemeinwohls vorliegen. 576 BVerfG v. 24. 03. 2015, 1 BvR 2880/11, BVerfGE 139, 1 (14). 577 BVerfG v. 23. 06. 2015, 1 BvL 13/11, 1 BvL 14/11, BVerfGE 139, 285 (310). 578 BVerfG v. 17. 12. 2014, 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136 (182).

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2. Kap.: Qualifikation von Aufwendungen als Sonderausgaben

Steuergleichheit zugunsten anderer Wertungen grundsätzlich für möglich hält.579 Im Bereich des allgemeinen Gleichheitssatzes, worin auch das Gebot der Besteuerungsgleichheit seine verfassungsrechtliche Wurzel findet, können Ungleichbehandlungen grundsätzlich gerechtfertigt werden. Der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum findet je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen erst dort seine Grenze, wo es an einem bzw. einem den Verhältnismäßigkeitsgrundsätzen entsprechenden sachlichen Grund für die differenzierende Behandlung fehlt.580 Konsequent muss dies auch für die Fälle ungleicher steuerlicher Lasten gelten, mag man in der Steuergerechtigkeit auch einen besonders hohen Wert sehen. Der Spielraum des Gesetzgebers wäre in erheblicher Weise eingeschränkt, wenn im Bereich des Steuerrechts allein der Belastungsgleichheit entsprechende Regelungen getroffen werden könnten und der Gesetzgeber damit gezwungen wäre, zur Förderung und Lenkung auf andere Rechtsgebiete auszuweichen.581 aa) Kein erhöhter Rechtfertigungsbedarf wegen Systemwidrigkeit Daran schließt sich die Frage an, ob sich erhöhte Anforderungen an die Rechtfertigung schon allein aus der systemwidrigen Umsetzung der gesetzgeberischen Belastungsentscheidung ergeben. In diesem Sinne könnte das Bundesverfassungsgericht verstanden werden, wenn es bei Folgewidrigkeit einen „besonderen“ sachlichen Grund zur Rechtfertigung für erforderlich hält.582 Allerdings bleibt offen, worin die Besonderheit dieser Gründe zu sehen ist, wenn diese nur als solche positiv bestimmt (Typisierung, Vereinfachung und außerfiskalische Zwecke) werden.583 Jedenfalls setzt ein durch eine Systemwidrigkeit begründeter, erhöhter Rechtfertigungsbedarf voraus, dass das gewählte System selbst mit der Verfassung vereinbar ist. Für den hier interessierenden, den allgemeinen Gleichheitssatz im Bereich des 579 Ablehnend wohl 57. Deutscher Juristentag, Sitzungsberichte, Bd. II, N 211; kritisch auch Friauf, DStJG 21 (1998), 85 (86 f.). 580 Vgl. BVerfG v. 21. 06. 2011, 1 BvR 2035/07, BVerfGE 129, 49 (68 f.); v. 24. 01. 2012, 1 BvL 21/11, BVerfGE 130, 131 (142); v. 18. 12. 2012, 1 BvL 8/11, 1 BvL 22/11, BVerfGE 132, 372 (388); v. 19. 02. 2013, 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59 (86 f.), in ständiger Rechtsprechung. 581 Ähnlich Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 236 f. 582 BVerfG v. 30. 09. 1998, 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 (95); v. 11. 11. 1998, 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280 (290); v. 06. 03. 2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (126); v. 04. 12. 2002, 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (48); v. 21. 06. 2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (180 f.); v. 07. 11. 2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 (31); v. 09. 12. 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08 u. a., BVerfGE 122, 210 (231); v. 12. 05. 2009, 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111 (121); v. 06. 07. 2010, 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268 (280); v. 12. 10. 2010, 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224 (248). 583 Nach Thiemann, in: Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 179 (189 f., 204), liegt die Besonderheit darin, dass die Gründe eine besondere Qualität aufweisen müssten und eine besondere Begründung erforderlich sei. Allerdings sei eine „semantische Differenzierung“ zu den abgestuften Anforderungen des Willkürverbots in abstrakt-genereller Form nicht möglich.

§ 6 Förderungs- und Lenkungstatbestände

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Steuerrechts konkretisierenden Grundsatz der Besteuerung nach der individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit kann dies grundsätzlich bejaht werden. Allerdings entspricht es nicht der allgemeinen gleichheitsrechtlichen Dogmatik wegen des Bruches mit einem gesetzlichen System einen erhöhten Rechtfertigungsbedarf anzunehmen.584 Über die für die Frage der Prüfungsintensität maßgebliche Schwere der persönlichen Betroffenheit durch die Ungleichbehandlung sagt die Nichtbeachtung eines wie auch immer gearteten gesetzlichen Systems nichts aus.585 Überdies löst nicht jede Systemwidrigkeit zwingend einen Rechtfertigungsbedarf aus. Eine vor Art. 3 I GG zu rechtfertigende Ungleichbehandlung liegt nur dann vor, wenn sie auch zu Belastungsunterschieden führt.586 bb) Allgemeine Anforderungen des Art. 3 I GG Nach den allgemeinen Grundsätzen zu Art. 3 I GG kommt ein stufenloser vom Willkürverbot bis zu Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichender Maßstab zur Anwendung. Die Prüfungsintensität hängt davon ab, ob sich die Ungleichbehandlung auf grundrechtlich geschützte Freiheiten auswirkt, personen- oder sachbezogen bzw. das Differenzierungskriterium für den Einzelnen verfügbar ist oder sich an diejenigen des Art. 3 III GG annähert.587 Bei steuerlichen Vergünstigungen kann der Einzelne regelmäßig selbst beeinflussen, ob er daran teilhaben will, indem er sein Verhalten entsprechend ausrichtet.588 Der Gesetzgeber schafft durch steuerliche Entlastungstatbestände lediglich einen Anreiz für ein bestimmtes Verhalten, im Bereich der Sonderausgaben beispielsweise zum Aufbau einer Altersvorsorge, zur Spendentätigkeit und durch die Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten zum Besuch frühkindlicher Bildungseinrichtungen. Allerdings kann eine personenbezogene Differenzierung darin gesehen werden, dass mittelbar an den Familienstand angeknüpft wird, wenn nacheheliche Unterhalts- und Versorgungsleistungen sowie Kinderbetreuungskosten steuermindernd berücksichtigt werden. Überdies stehen Verhaltenslenkungen stets im Spannungsverhältnis zu den grundrechtlich gewährleisteten Freiheiten.589 Allerdings muss jeweils für den einzelnen Tatbestand beurteilt werden, ob von diesem tatsächlich eine Lenkung von hinreichendem Gewicht590 584 Nach Huster, Rechte und Ziele, S. 390 ff., begründen aber die vom Gesetzgeber selbst gewählten Gerechtigkeitsmaßstäbe Bindungswirkungen dahingehend, dass von ihnen nicht ohne besonderen Grund abgewichen werden dürfe. 585 Englisch, Wettbewerbsgleichheit im grenzüberschreitenden Handel, S. 148 ff.; Kischel, AöR 124 (1999), 174 (198); ders., in: Gleichheit im Verfassungsstaat, S. 175 (184 f.). 586 Vgl. zur Belastungsgleichheit als Bezugspunkt des Anspruchs auf steuerliche Gleichbehandlung 2. Kapitel § 5 V. 3. a) (S. 121). 587 Vgl. Britz, NJW 2014, 346 (348 ff.), zur Entwicklung der Kriterien in der Rechtsprechung, die eine strenge Prüfung nach sich ziehen. 588 So auch Kischel, in: Gleichheit im Verfassungsstaat, S. 175 (177, Fn. 7); Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 218. 589 Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 362. 590 Vgl. hierzu 4. Kapitel § 12 (S. 206 ff.).

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2. Kap.: Qualifikation von Aufwendungen als Sonderausgaben

ausgeht, die sich zulasten der Freiheitsrechte auswirken kann. Letztlich kann eine genaue Abgrenzung nach den allgemein anerkannten Kriterien dahinstehen, wenn ohnehin die Ungleichheit im Belastungserfolg einen erhöhten Rechtfertigungsbedarf auslöst. cc) Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Durchbrechung der Belastungsgleichheit Ausgangspunkt der Untersuchung ist die Feststellung, dass der Auferlegung von ungleichen steuerlichen Lasten „Tür und Tor“ geöffnet würde, verneinte man eine strenge Bindung an den allgemeinen Gleichheitssatz. Das Willkürverbot ließe schon jeglichen sachlichen Grund genügen. Das Steuerrecht könnte nahezu unbeschränkt für außerfiskalische Zwecke „instrumentalisiert“ werden mit der Folge, dass der Gleichheitssatz im Steuerrecht leer liefe591. Der Bedeutung der steuerlichen Lastengleichheit als bereichsspezifische Konkretisierung des Art. 3 I GG würde ein solcher Ansatz nicht hinreichend gerecht werden. Ein Verstoß bewirkt nämlich nicht nur, dass dem einzelnen Steuerpflichtigen ein Vorteil gewährt wird, während ein anderer davon ausgeschlossen wird. Zwangsläufig entfalten der Belastungsgleichheit zuwiderlaufende Begünstigungen Globalwirkungen. Es entsteht eine Finanzlücke, die durch einen stärkeren steuerlichen Zugriff auf anderer Ebene bzw. in anderen Bereichen, beispielsweise durch Anhebung des Steuersatzes, ausgeglichen werden muss.592 Wenn die Steuererhebung zudem in den Freiheitsrechten nur eine äußerste Schranke – die der Erdrosselung – findet, erscheint eine auf das Willkürverbot begrenzte Bindung an den Gleichheitssatz unzulänglich. Schließlich stellt die steuerliche Lastengleichheit als Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes schon für sich genommen einen eigenständigen Wert dar, dem ein hoher Rang zukommt.593 In der Allgemeinheit und der Gleichheit der Steuererhebung gründet deren Akzeptanz.594 Daher trägt eine Ungleichbehandlung durch Anknüpfung an außersteuerliche Kriterien stets, also nicht nur in Abhängigkeit von Umfang und Ausmaß der Abweichung sowie den Auswirkungen auf die gleichmäßige Erhebung der Steuer insgesamt595, eine besondere Schwere in sich, die eine strenge Prüfung am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit596 nach sich ziehen muss.597 591

Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 222. Englisch, Wettbewerbsgleichheit im grenzüberschreitenden Handel, S. 113; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 346. 593 v. Arnim, VVDStRL 39 (1981), 286 (327, Fn. 166); Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 237, 240; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 346; Papier, KritV 1987, 140 (154 f.); Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 222. 594 Isensee, StuW 1994, 3 (7). 595 In diesem Sinne aber BVerfG v.17. 12. 2014, 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136 (181 ff.); v. 24. 03. 2015, 1 BvR 2880/11, BVerfGE 139, 1 (14); v. 23. 06. 2015, 1 BvL 13/11, 1 BvL 14/ 11, BVerfGE 139, 285 (310). 592

§ 6 Förderungs- und Lenkungstatbestände

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Schließlich stellt sich noch die Frage, ob der Gesetzgeber nur bei der Ausgestaltung des steuerlichen Vergünstigungstatbestands einer strengeren Bindung unterliegt598 oder bereits bei der Auswahl des Förderungs- und Lenkungszwecks599. Sicherlich wird es der Belastungsgleichheit am besten gerecht, wenn hohe Anforderungen sowohl an das „Ob“ als auch an das „Wie“ der Steuervergünstigung gestellt werden. Ein solcher Rechtfertigungsmaßstab erscheint gerade angesichts des politischen Drucks hin zu Steuervergünstigungen600 als eine zweckmäßige Schranke. Allerdings darf nicht außer Ansatz bleiben, dass dem Gesetzgeber gerade auch 596 Vgl. Huster, Rechte und Ziele, S. 213 ff., 239 ff., zur Anwendbarkeit des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Rahmen der Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen vor Art. 3 I GG. 597 Für eine Verhältnismäßigkeitsprüfung Englisch, Wettbewerbsgleichheit im grenzüberschreitenden Handel, S. 110 ff.; ders., in: Festschrift für Lang, S. 167 (206 f.); Glaser, StuW 2012, 168 (173 f.); Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 19 Rn. 76; Huster, Rechte und Ziele, S. 374; G. Kirchhof, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Einf. zum EStG, Rn. 271; P. Kirchhof, AöR 128 (2003), 1 (50); Kube, Finanzgewalt in der Kompetenzordnung, S. 239; Osterloh/Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 141; Osterloh, DStJG 24 (2001), 383 (401); Rüfner, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 3 Rn. 208 f.; Schön, in: Festschrift für Spindler, S. 189 (198 ff.), der die strengeren Rechtfertigungsanforderungen daraus ableitet, dass Steuervergünstigungen im Vergleich zu direkten Finanzhilfen in geringerem Maße demokratisch legitimiert seien; wohl auch Seer, Ubg 2012, 376 (380); Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, II, S. 342 ff., 858; Vogel/Waldhoff, in: Bonner Kommentar, GG, Vorb. Art. 104a–115 Rn. 527, 529; Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 242 ff. Für eine Abwägung v. Arnim, VVDStRL 39 (1981), 286 (322 f., 326 ff.), der jedoch Art. 3 I GG als bloßes Willkürverbot versteht und deshalb aus Art. 14 GG das Gebot der steuerlichen Lastengleichheit ableitet; Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 237 f., 239 ff.; Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 214 f.; Friauf, DStJG 12 (1989), 3 (28). A.A. Fann, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Steuervergünstigung, S. 91 ff., 105; Kruse, StuW 1990, 322 (325, 327); Papier, StuW 1984, 315 (318); Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 361 f.; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 3 Rn. 203 f.; Trzaskalik, Inwieweit ist die Verfolgung ökonomischer, ökologischer und anderer öffentlicher Zwecke durch Instrumente des Abgabenrechts zu empfehlen?, E 82 f. Weitergehend Schaden, Die Steuervergünstigung als staatliche Leistung, S. 167 f., nach dessen Auffassung eine Steuervergünstigung ohne Einfluss auf die Steuergleichheit ist. 598 So BVerfG v. 15. 01. 2014, 1 BvR 1656/09, BVerfGE 135, 126 (148, 151 ff.); v. 17. 12. 2014, 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136 (182 f.), das jedoch die Bindungsintensität an Art. 3 I GG entgegen der hier vertretenen Auffassung von „Umfang und Ausmaß“ der Ungleichbehandlung abhängig macht; Kube, Finanzgewalt in der Kompetenzordnung, S. 238 f.; Kulosa, Verfassungsrechtliche Grenzen steuerlicher Lenkung am Beispiel der Wohnungsgenossenschaften, S. 104 f.; Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 222, 244, 249. Einen strengeren Maßstab allein auf Ebene der Ausgestaltung fordert auch Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, S. 407 f., will diesen aber als ein Folgerichtigkeitsgebot verstanden wissen. 599 So Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 240; Birk/ Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 209; Englisch, in: Festschrift für Lang, S. 167 (206 f.); Glaser, StuW 2012, 168 (173); Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 19 Rn. 76; Huster, Rechte und Ziele, S. 372, 374; Mellinghoff, in: Festschrift für Bareis, S. 171 (182); Schön, in: Festschrift für Spindler, S. 200 f.; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 345 f. 600 Di Fabio, JZ 2007, 749 (751).

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2. Kap.: Qualifikation von Aufwendungen als Sonderausgaben

wegen seiner demokratischen Legitimation ein gewisser Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum zuzuerkennen ist.601 Die Frage nach dem materiellen Prüfungsmaßstab darf also nicht nur aus dem Blickwinkel der Gleichheit der steuerlichen Lasten beantwortet werden, sondern es muss auch berücksichtigt werden, dass dem Gesetzgeber ein hinreichender Spielraum für eine dem Grunde nach zulässige mittelbare Verhaltenslenkung durch Steuern verbleibt. Diesem Spannungsverhältnis wird die Beschränkung der Verhältnismäßigkeitsprüfung auf die Ausgestaltung des Vergünstigungstatbestands bestmöglich gerecht. Damit steht dem Gesetzgeber ein großer Spielraum zu, wenn es um das „Ob“ der steuerlichen Förderung bzw. Lenkung geht. Hingegen unterliegt er bei der Ausgestaltung, also dem „Wie“, einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse. 2. Erkennbarkeit der gesetzgeberischen Entscheidung Zur Wahrung der Allgemeinheit und Gleichheit der Besteuerung sind gesetzliche Regelungen zwingend, um die Vielzahl der verschiedenen Fälle einer gerechten Besteuerung zuzuführen.602 Deshalb müssen im Hinblick auf Art. 3 I GG die Belastungsentscheidungen des Gesetzgebers, gleichermaßen aber auch die im vorliegenden Zusammenhang interessierenden Durchbrechungen zugunsten von Förderungs- und Lenkungszwecken gesetzlich normiert werden. Über das bloße Tätigwerden des demokratisch legitimierten Gesetzgebers hinaus fordert das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung, dass durch Steuergesetze verfolgte außerfiskalische Ziele von „erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidungen“603 getragen werden müssen. Zutreffend muss der Wille des Gesetzgebers deutlich werden, um die Rechtsanwendung sowie die Gleichheit der Rechtsanwendung im Sinne der gesetzgeberischen Entscheidung zu sichern und eine gerichtliche Kontrolle insbesondere am strengen Maßstab der Verhältnismäßigkeit zu ermöglichen.604 Auch erfordert das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot, dass es für den einzelnen Steuerpflichtigen erkennbar ist, ob und wie sich sein Verhalten auf die steuerlichen Lasten

601

Ähnlich Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, S. 403. Tappe, Die Begründung von Steuergesetzen, S.145 ff. 603 BVerfG v. 22. 06. 1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (147); v. 06. 03. 2002, 2 BvL 17/ 99, BVerfGE 105, 73 (112); v. 20. 04. 2004, 1 BvR 905/00, 1 BvR 1748/99, BVerfGE 110, 274 (293); v. 21. 06. 2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (182); v. 07. 11. 2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 (32); v. 09. 12. 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08 u. a., BVerfGE 122, 210 (232); v. 06. 07. 2010, 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268 (281); v. 15. 01. 2014, 1 BvR 1656/ 09, BVerfGE 135, 126 (151 f.); v. 05. 11. 2014, 1 BvF 3/11, BVerfGE 137, 350 (367). Insofern führt Thiemann, in: Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 179 (205), aus, dass das Erfordernis „einer ,erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidung‘ […] eine – bemerkenswerte – Ausnahme zu dem Grundsatz [darstellt], dass Gesetze von Verfassungs wegen keiner Begründung bedürfen.“ 604 Kischel, Die Begründung, S. 265 f. 602

§ 6 Förderungs- und Lenkungstatbestände

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unterschiedlich auswirken kann.605 Zur Gewährleistung dieser Funktionen ist es allerdings nicht erforderlich, an den Ausdruck der gesetzgeberischen Entscheidung, die einer außerfiskalischen Regelung zugrunde liegt, besondere Anforderungen zu stellen.606 Es ist hinreichend, wenn Inhalt und Zweck der Norm nach den allgemeinen Grundsätzen – insbesondere dem Wortsinn, dem Bedeutungszusammenhang und der Systematik des Gesetzes, dem Telos und dem gesetzgeberischen Willen – durch Auslegung ermittelt werden können.607 Einer besonderen Begründung des gesetzlichen Förderungs- oder Lenkungstatbestands bedarf es nicht.608 An diese den Steuervergünstigungen zugrunde liegenden, bestimmten bzw. bestimmbaren Erwägungen des durch das Volk legitimierten Gesetzgebers sind auch die Gerichte wegen des Grundsatzes der Gewaltenteilung und des Demokratieprinzips gebunden.609 Fraglich ist allerdings, ob ungleiche steuerliche Lasten nur durch Zwecke gerechtfertigt werden können, die der gesetzgeberischen Entscheidung bereits zum Erlasszeitpunkt erkennbar zugrunde gelegen haben. Im Rahmen der Auslegung könnten dann solche Gründe nicht berücksichtigt werden, die nachträglich ausgetauscht oder nachgeschoben worden sind, selbst wenn diese rechtfertigend wirken würden. In diesem Sinne hat sich das Bundesverfassungsgericht im Beschluss zur Vermögensbesteuerung vom 22. 06. 1995610 geäußert. Eine Rechtfertigung durch außerfiskalische Förderungs- und Lenkungszwecke ist deshalb verneint worden, weil die ungleichen steuerlichen Lasten allein den tatsächlichen Entwicklungen (realitätswidrige Bestimmung der Grundstückspreise wegen der Preisentwicklung am Grundstücksmarkt) außerhalb der steuerrechtlichen Norm geschuldet gewesen seien.611 Im Urteil zur Rentenbesteuerung vom 06. 03. 2002612 ist zwar ein bewusster Verzicht auf eine Gesetzesänderung in Erwägung gezogen worden, ein solches Unterlassen sei aber nicht hinreichend erkennbar gewesen.613 Der Forderung nach einer besonderen Erkennbarkeit der gesetzgeberischen Entscheidung liegt zum einen 605

Kube, Finanzgewalt in der Kompetenzordnung, S. 229; allgemein Kischel, Die Begründung, S. 74 ff. 606 So auch Kischel, in: Gleichheit im Verfassungsstaat, S. 175 (187 ff.); Tappe, Die Begründung von Steuergesetzen, S. 394 f., 420. 607 BVerfG v. 20. 04. 2004, 1 BvR 905/00, 1 BvR 1748/99, BVerfGE 110, 274 (296 f.); v. 09. 12. 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08 u. a., BVerfGE 122, 210 (238); v. 15. 01. 2014, 1 BvR 1656/09, BVerfGE 135, 126 (151 f.); v. 05. 11. 2014, 1 BvF 3/11, BVerfGE 137, 350 (367), wobei auch auf die Gesetzesbegründung abgestellt wird. Aus der Literatur zuletzt Wernsmann, DVBl 2015, 1085 (1089). 608 Vgl. im Allgemeinen zur Begründungspflicht von Gesetzen Kischel, Die Begründung, S. 283 ff., und Tappe, Die Begründung von Steuergesetzen, S. 335 ff. 609 Wernsmann, NVwZ 2000, 1360 (1362); ders., Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 257 f. 610 BVerfG v. 22. 06. 1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121. 611 BVerfG v. 22. 06. 1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (147). 612 BVerfG v. 06. 03. 2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73. 613 BVerfG v. 06. 03. 2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (113).

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2. Kap.: Qualifikation von Aufwendungen als Sonderausgaben

der Gedanke zugrunde, dass sich der Gesetzgeber den zweckwidrigen Einsatz des Steuerrechts für außerfiskalische Ziele, die damit verbundenen kompetenzrechtlichen614 und finanzverfassungsrechtlichen615 Konsequenzen sowie die ungleichen steuerlichen Lasten616 bewusst machen müsse. Man könnte von einer Art „Warnfunktion“ sprechen. Zum anderen wird angeführt, dass bei der „Erforschung“ von Förderungs- und Lenkungszwecken im Rahmen der gerichtlichen Prüfung wegen des Gewaltenteilungsgrundsatzes äußerste Vorsicht geboten sei.617 Gerichte können nicht über das „Ob“ der Lenkung wegen Vorliegens hypothetisch möglicher sachlicher Gründe entscheiden. Es obliegt allein dem unmittelbar demokratisch legitimierten Gesetzgeber Förderungs- und Lenkungszwecke zu bestimmen (vgl. Art. 20 II S. 2, III GG). Der Gesetzeszweck ist Teil des nicht disponiblen Prüfungsgegenstands.618 Allerdings erfordert eine dem Gewaltenteilungsgrundsatz entsprechende Bindung der Rechtsprechung an die gesetzgeberisch verfolgten Ziele richtigerweise619 nicht zwingend, allein auf den Willen des historischen Gesetzgebers bei Erlass der Norm abzustellen. Eine Legitimation anderer Zwecke kann sich auch daraus ergeben, dass der Gesetzgeber der Regelung im Laufe der Zeit eine andere Bedeutung beimisst, ohne dass dies einen anderen Ausdruck im Gesetzestext gefunden hat. Eine „Zwecksuche durch das BVerfG“620 erscheint wegen des Grundsatzes der Gewaltenteilung aber nur insoweit zulässig, als hinreichende im Rahmen der Auslegung zu berücksichtigende Anhaltspunkte für eine entsprechende Zweckänderung seitens des Gesetzgebers bestehen.621 Neben einer ausdrücklichen Erörterung durch die Legislative wäre beispielsweise daran zu denken, dass sich die Regelung in ein Förderungs- oder Lenkungskonzept einfügt, das zu einem späteren Zeitpunkt entwickelt worden ist. Ferner bedarf es eines bewussten förmlichen Gesetzgebungsaktes nicht als eine Art „Warnfunktion“, wenn und weil außerfiskalische Zwecke verfolgt werden. Insofern erscheinen die hohen Anforderungen an die Rechtfertigung auf materieller Ebene hinreichend. Es genügt gerade nicht, dass der Norm eine andere Bedeutung zukommt, die im Wege der Auslegung ermittelt werden kann. In jedem 614

BVerfG v. 22. 06. 1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (147). BVerfG v. 22. 06. 1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (147); P. Kirchhof, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, § 118 Rn. 53 ff. 616 Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 253. 617 So Selmer, AöR 101 (1976), 399 (453); auch Tappe, Die Begründung von Steuergesetzen, S. 416, hält eine Zweckbestimmung durch das Gericht nicht für grundsätzlich unproblematisch. 618 Wernsmann, NVwZ 2000, 1360 (1362); ders., Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 255. 619 Tappe, Die Begründung von Steuergesetzen, S. 416 ff.; Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 261. A.A. Englisch, in: Festschrift für Lang, S. 167 (208). 620 Tappe, Die Begründung von Steuergesetzen, S. 419 f. 621 Tappe, Die Begründung von Steuergesetzen, S. 420. Ähnlich Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 261, der dem Willen des historischen Gesetzgebers bei der Auslegung im Zeitverlauf weniger Gewicht beimessen will. 615

§ 6 Förderungs- und Lenkungstatbestände

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Fall muss der Tatbestand im Hinblick auf die ausgetauschten oder nachgeschobenen Gründe zweckgerecht ausgestaltet sein, also den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes entsprechen.622 Wenn aber bereits auf diese Weise ein Leerlaufen der Belastungsgleichheit verhindert werden kann und der Gesetzgeber ohne Weiteres einen inhaltsgleichen Förderungs- bzw. Lenkungstatbestand erlassen könnte, kann von Verfassungs wegen nicht ein zusätzlicher formeller gesetzgeberischer Akt zwingend geboten sein. Folglich ist es ausreichend, wenn durch Auslegung der mit der Norm verfolgte Zweck ermittelt werden kann, wobei ein vom gesetzgeberischen Willen getragener Bedeutungswandel der Regelung nicht außer Ansatz gelassen werden darf.623

III. Zwischenergebnis Die Steuergesetzgebungskompetenz umfasst auch die Befugnis, unabhängig von den Kompetenzzuweisungen hinsichtlich der Sachgesetzgebung, Normen mit außerfiskalischer Zwecksetzung zu erlassen. Allerdings sind solche Steuervergünstigungen materiell-rechtlich nicht unproblematisch. Sie bewegen sich im Spannungsverhältnis zwischen dem Gebot der Belastungsgleichheit als bereichsspezifische Konkretisierung des Art. 3 I GG einerseits und einer zumindest dem Grunde nach zulässigen mittelbaren Förderung bzw. Lenkung im Wege des Steuerrechts andererseits. Dieses Spannungsverhältnis ist dahingehend aufzulösen, dass der Gesetzgeber bei der Frage des „Ob“ einer außerfiskalischen Zielsetzung nur den Grenzen des Willkürverbots unterliegt. Insoweit ist der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum weit. Hingegen muss die Ausgestaltung der Förderungs- und Lenkungstatbestände, also das „Wie“, den strengen Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes genügen. Die Auferlegung ungleicher Lasten trägt stets – entgegen der Ansicht des Bundesverfassungsgerichts also unabhängig von deren Umfang und Ausmaß – eine besondere Schwere in sich, die eine Begrenzung der gesetzgeberischen Gestaltungsmöglichkeiten nach sich ziehen muss. 622

Um mit den Worten von Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 253, zu sprechen, können also nicht „beliebige Zwecke zur ,Rettung‘ ungleich behandelnder Normen ,aus dem Hut gezaubert‘ werden“. 623 Kischel, in: Gleichheit im Verfassungsstaat, S. 175 (187 f.); Kulosa, Verfassungsrechtliche Grenzen steuerlicher Lenkung am Beispiel der Wohnungsgenossenschaft, S. 107 f.; Tappe, Die Begründung von Steuergesetzen, S. 418 ff.; Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 260 f., der zuletzt im DVBl 2015, 1085 (1089), das „,Nachschieben von Gründen‘ im verfassungsgerichtlichen Verfahren“ für unzulässig erklärt hat; Zitzelsberger, StuW 1985, 197 (201). A.A. Englisch, in: Festschrift für Lang, S. 167 (208), der eine Erkennbarkeit im Gesetzgebungsverfahren fordert; F. Kirchhof, in: Handbuch der Grundrechte, Bd. III, § 59 Rn. 15; ders., DVBl 2000, 1166 (1167), verlangt einen „finalen Einsatz lenkender Abgaben“; P. Kirchhof, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, § 118 Rn. 58; Kube, Finanzgewalt in der Kompetenzordnung, S. 251 f.; Mellinghoff, in: Festschrift für Bareis, S. 171 (182); Osterloh, DStJG 24 (2001), 383 (396).

140

2. Kap.: Qualifikation von Aufwendungen als Sonderausgaben

Hingegen erfordert der zweckwidrige Einsatz des Steuerrechts zulasten der Belastungsgleichheit keine besondere Begründung. Ausreichend ist es, wie auch in anderen Bereichen, wenn die Entscheidung des Gesetzgebers – gegebenenfalls durch Auslegung – erkennbar ist. Dabei können auch nachgeschobene oder später ausgetauschte Gründe berücksichtigt werden, wenn sie entsprechend dem Gewaltenteilungsgrundsatz auf den Gesetzgeber zurückgeführt werden können. Einer Art „Warnfunktion“ bedarf es wegen der strengen materiellen Anforderungen an Förderungs- und Lenkungstatbestände gerade nicht.

3. Kapitel

Abzug(sbeschränkungen) der Höhe nach § 7 Berücksichtigung von Aufwendungen in Höhe des Existenzminimums Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen verpflichtet, das Einkommen in der Höhe von der Steuer freizustellen, in der es für die Deckung des existenziellen Bedarfs gebunden ist. Konkrete Zahlen können dem Grundgesetz insoweit zwar nicht entnommen werden, jedenfalls aber darf das steuerliche Existenzminimum nicht hinter dem Leistungsniveau nach SGB II bzw. SGB XII zurückbleiben.624 Der Gesetzgeber hat in den Sozialgesetzbüchern selbst die Voraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins definiert und darf sich zu diesen Wertungen nicht in Widerspruch setzen. Allerdings ist der dem Sozialrecht vorwiegend zugrunde liegende Ansatz, die zur Existenzsicherung erforderlichen Leistungen nach den Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls zu bestimmen, im Massenverfahren der Einkommensbesteuerung praktikabel nicht gangbar. So stellt sich die Frage, ob das steuerfrei zu stellende Existenzminimum, auch wenn das Gebot in der Unantastbarkeit der Menschenwürde wurzelt, einer Typisierung zugänglich ist und bejahendenfalls, wo die Grenzen eines solchen gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums verlaufen. Mit der „Typisierbarkeit“ steht und fällt, wie bereits gezeigt, auch die Möglichkeit der Steuerfreistellung im Wege einer tariflichen Regelung. Im geltenden Einkommensteuerrecht jedenfalls wird das sächliche Existenzminimum des Steuerpflichtigen und seiner Familie typisiert in einem Grund- bzw. Kinderfreibetrag (§ 32a I S. 2 Nr. 1 EStG bzw. § 32 VI S. 1, 1. Hs. EStG) oder als außergewöhnliche Belastung (§ 33a I EStG) erfasst sowie ein einheitlicher Freibetrag für den Betreuungsund Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf (§ 32 VI S. 1, 2. Hs. EStG) gewährt. Hingegen wird bei den existenzsichernden Sonderausgaben an den zur Bedarfsdeckung erforderlichen tatsächlichen, individuellen Aufwand angeknüpft. Besonders hinsichtlich der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge drängt sich aber die Frage auf, ob diese nicht als Teil des sächlichen Existenzminimums des Steuerpflichtigen typisiert und konsequent im Grundfreibetrag hätten berücksichtigt werden können. Schließlich bleibt zu erörtern, ob im Rahmen solcher Tatbestände Abzugsbeschränkungen der Höhe nach möglich erscheinen. 624 BVerfG v. 25. 09. 1992, 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153 (170 f.); v. 10. 11. 1998, 2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246 (259); v. 13. 02. 2008, 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125 (156 f.); kritisch hingegen Hackmann, BB 1994, Beilage zu Heft 28, 3 ff.

142

3. Kap.: Abzug(sbeschränkungen) der Höhe nach

I. Grenzen der Typisierung des steuerlichen Existenzminimums 1. Typisierbarkeit des Existenzminimums Zweifelhaft erscheint, ob eine Typisierung des Existenzminimums mit dem verfassungsrechtlichen Gebot zu dessen Steuerfreistellung vereinbar ist. Bei einer solchen Tatbestandsgestaltung wird, wie dem Begriff immanent, nur das typischerweise für die Existenzsicherung gebundene Einkommen verschont. Hingegen bleibt ein vom Regelfall abweichender erhöhter Bedarf steuerlich unberücksichtigt. Ein solches Ergebnis steht im Spannungsverhältnis zu Art. 1 I GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 I GG, Art. 12 I GG und Art. 14 I GG bzw. Art. 2 I GG sowie gegebenenfalls Art. 3 I GG, die einen steuerlichen Zugriff auf das eigene und im Zusammenwirken mit Art. 6 I GG auch auf das familiäre Existenzminimum absolut verbieten. Über die Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins enthält die Verfassung andererseits aber keine konkreten Aussagen. Vielmehr beeinflussen Wertungen die Ermittlung und die Quantifizierung des existenziellen Bedarfs. Zudem sind diese Vorgänge von Unsicherheiten sowie Ungenauigkeiten geprägt.625 Aus diesen Gründen ist dem Gesetzgeber bei der Qualifizierung eines Bedarfs als existenznotwendig sowie dessen Quantifizierung ein Einschätzungsspielraum zuzuerkennen.626 Entsprechend ist die gerichtliche Prüfung auf eine Evidenzkontrolle beschränkt.627 Grundsätzlich erscheinen in diesem Rahmen auch typisierende Festsetzungen des Existenzminimums zur Ordnung von Massenerscheinungen möglich. Ferner sind solche vereinfachenden Regelungen für einen effektiven Vollzug des Sozialhilferechts und der Grundsicherung für Arbeitssuchende, vor allem aber auch des Steuerrechts unumgänglich.628 Das verfassungsrechtliche Gebot zur Steuerfreistellung des Existenzminimums jedoch setzt dem Gesetzgeber enge Grenzen. Diese konkretisiert das Bundesverfassungsgericht dahingehend, dass der Betrag „in möglichst allen Fällen“629 den existenznotwendigen

625

Vgl. BVerfG v. 14. 06. 1994, 1 BvR 1022/88, BVerfGE 91, 93 (113); v. 09. 02. 2010, 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, BVerfGE 125, 175 (224 ff.). 626 BVerfG v. 25. 09. 1992, 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153 (170); v. 09. 02. 2010, 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, BVerfGE 125, 175 (224 f.). 627 BVerfG v. 29. 05. 1990, 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60 (91 f.); v. 09. 02. 2010, 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, BVerfGE 125, 175 (225 f.); zuletzt BVerfG v. 23. 07. 2014, 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13, BVerfGE 137, 34 (75); ähnlich BVerfG v. 14. 06. 1994, 1 BvR 1022/88, BVerfGE 91, 93 (114). 628 Vgl. BVerfG v. 29. 05. 1990, 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60 (91 f.); v. 25. 09. 1992, 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153 (172); v. 13. 02. 2008, 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125 (155); zu den Regelleistungen des SGB II BVerfG v. 09. 02. 2010, 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, BVerfGE 125, 175 (253). 629 BVerfG v. 29. 05. 1990, 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60 (91); v. 25. 09. 1992, 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153 (172); v. 13. 02. 2008, 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125 (155). Hingegen wird in BVerfG v. 10. 11. 1998, 2 BvL 42/93,

§ 7 Aufwendungen in Höhe des Existenzminimums

143

Bedarf decken muss bzw. nicht „in einer größeren Zahl von Fällen nicht ausreichen [darf]“630, sondern hiervon „nur eine kleine Zahl von Personen“631 bzw. „nur vergleichsweise wenige Steuerpflichtige“632 betroffen sind. Nach diesen Maßstäben lassen sich grundsätzlich auch solche existenznotwendigen Aufwendungen erfassen, die nicht alle Steuerpflichtigen gleichermaßen zu tragen haben.633 Im Sozialrecht wird ein entsprechender Bedarf zwar durch individualisierte Leistungen gedeckt, gleichwohl kann ein solcher im Steuerrecht typisiert erfasst werden.634 Auch in diesen Fällen findet der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum seine Grenze erst dort, wo sich – gegebenenfalls auch im Wege einer differenzierten Typisierung beispielsweise nach Regionen oder Gruppen635 – ein im Regelfall erforderlicher existenznotwendiger Bedarf nicht quantifizieren lässt oder sich in bestimmten Konstellationen als evident unzureichend erweisen würde. Die Wertungen des SGB II und des SGB XII wirken jedoch dahingehend, dass eine Typisierung – die vorrangige Privatnützigkeit des Einkommens für die eigene und familiäre Existenzsicherung sowie korrespondierend die Subsidiarität sozialstaatlicher Leistungen konsequent zu Ende gedacht – betragsmäßig nicht hinter den im Einzelfall zu gewährenden sozialstaatlichen Leistungen zurückbleiben darf. Als bedenklich erweist sich eine Typisierung aber auch im Hinblick auf die Belastungsgleichheit. Ist der existenznotwendige Bedarf nicht bei allen Steuerpflichtigen dem Grunde und der Höhe nach gleich, ist mit einer „Vereinheitlichung“ stets eine Gleichbehandlung von Ungleichem verbunden. Dies kann vor Art. 3 I GG durch den Zweck der Verwaltungsvereinfachung gerechtfertigt werden, sofern der typische Fall als Leitbild gewählt wird und es nur im Einzelfall zu Härten kommen kann.636 Eine solche realitätsgerechte Typisierung setzt nach ständiger RechtspreBVerfGE 99, 246 (261), eine Deckung des existenznotwendigen Bedarfs „in allen Fällen“ gefordert. 630 BVerfG v. 29. 05. 1990, 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60 (91); v. 13. 02. 2008, 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125 (160). 631 BVerfG v. 29. 05. 1990, 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60 (97); v. 14. 06. 1994, 1 BvR 1022/88, BVerfGE 91, 93 (115). 632 BVerfG v. 16. 03. 2005, 2 BvL 7/00, BVerfGE 112, 268 (283). 633 Englisch, DStJG 37 (2014), 159 (181). 634 Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 194 f., erkennt die Notwendigkeit an, die Vorgaben des Sozialhilferechts unter Umständen im Steuerrecht nur vereinfacht zu befolgen; ebenso Seiler, AöR 136 (2011), 95 (110 f.). Grundsätzlich anerkennt dies auch Moes, Die Steuerfreiheit des Existenzminimums vor dem Bundesverfassungsgericht, S. 233, der darin jedoch ein Spannungsverhältnis sieht, das es „einigermaßen im Lot zu halten“ gelte. 635 So explizit Moes, Die Steuerfreiheit des Existenzminimums vor dem Bundesverfassungsgericht, S. 239 f. 636 BVerfG v. 16. 03. 2005, 2 BvL 7/00, BVerfGE 112, 268 (280 f.); v. 07. 11. 2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 (31); v. 15. 01. 2008, 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 (30); v. 09. 12. 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08 u. a., BVerfGE 122, 210 (232); v. 06. 07. 2010, 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268 (278 f.); v. 07. 05. 2013, 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/ 07, BVerfGE 133, 377 (412 f.).

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3. Kap.: Abzug(sbeschränkungen) der Höhe nach

chung des Bundesverfassungsgerichts voraus, dass der „Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv“637 ist. Allerdings genügt es nicht, anders als beispielsweise im Bereich des objektiven Nettoprinzips, dass nur eine „verhältnismäßig kleine Zahl von Personen“638 nachteilig betroffen ist, sondern der Betrag muss „in möglichst allen Fällen“639 den existenznotwendigen Bedarf decken. Diese erhöhten Anforderungen beruhen darauf, dass eine Typisierung des Existenzminimums im Vergleich zu anderen Gegenständen nicht nur im Spannungsverhältnis zur Belastungsgleichheit steht, sondern auch zum verfassungsrechtlichen Gebot der Steuerfreistellung des Existenzminimums. Grundsätzlich erscheint es daher möglich, auch die als Sonderausgaben abzugsfähigen existenzsichernden Aufwendungen typisierend zu erfassen. Divergieren die Aufwendungen dem Grunde und der Höhe nach jedoch in einem Maß, dass eine realitätsgerechte – gegebenenfalls auch differenzierte – Typisierung nicht möglich erscheint, stellt sich die Frage, ob ausnahmsweise auch eine „realitätswidrige Typisierung“ gerechtfertigt werden kann. Einheitliche Abzugstatbestände der Höhe nach wären jedenfalls aus Gründen der Verwaltungseffizienz im steuerlichen Massenverfahren wünschenswert. 2. Realitätswidrige „Typisierung“ am Maßstab eines oberen Grenzwerts Eine realitätswidrige Bemessung des Existenzminimums an einem oberen Grenzwert bewirkt eine aufwandsunabhängige Begünstigung der Steuerpflichtigen, deren tatsächliches Existenzminimum den festgesetzten Betrag unterschreitet. Durch diese übermäßige Entlastung wird die gesetzgeberische Belastungsentscheidung in einem Maße beeinträchtigt, deren Rechtfertigung Gründe der Verwaltungsvereinfachung nicht mehr zu leisten vermögen. Die Vorteile im steuerlichen Verwaltungsverfahren stehen nicht „im rechten Verhältnis“640 zu den ungleichen steuerlichen Lasten. Letztere können allenfalls dadurch gerechtfertigt werden, dass der Gesetzgeber erkennbar Förderungs- und Lenkungsziele verfolgt.641 Insbesondere 637 BVerfG v. 29. 05. 1990, 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60 (97); v. 14. 06. 1994, 1 BvR 1022/88, BVerfGE 91, 93 (115). 638 BVerfG v. 08. 10. 1991, 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348 (360); v. 07. 05. 2013, 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07, BVerfGE 133, 377 (412). 639 BVerfG v. 29. 05. 1990, 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60 (91); v. 25. 09. 1992, 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153 (172); v. 13. 02. 2008, 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125 (155). Weitergehend BVerfG v. 10. 11. 1998, 2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246 (261), wonach eine Deckung des existenznotwendigen Bedarfs „in allen Fällen“ geboten sei. 640 BVerfG v. 20. 04. 2004, 1 BvR 905/00, 1 BvR 1748/99, BVerfGE 110, 274 (292); v. 07. 11. 2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 (31); v. 15. 01. 2008, 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 (30); v. 04. 02. 2009, 1 BvL 8/05, BVerfGE 123, 1 (19). 641 Lang, Die einfache und gerechte Einkommensteuer, S. 29; Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO Rn. 457. Vgl. auch BVerfG v. 21. 06. 2006, 2 BvL 2/99,

§ 7 Aufwendungen in Höhe des Existenzminimums

145

muss in einem solchen Fall aber auch legitimiert werden können, dass Adressaten der Steuervergünstigung nur diejenigen Steuerpflichtigen sind, deren tatsächliches Existenzminimum unter dem einheitlich festgesetzten Betrag liegt. Grundsätzlich erscheint es bedenklich, dass eine realitätswidrige Typisierung am Maßstab eines oberen Grenzwerts bedingt, dass die Verfolgung außerfiskalischer Ziele und die Steuerfreistellung des Existenzminimums in einem Tatbestand vermengt werden.642 Es ist besondere Vorsicht geboten, da die verfassungsrechtlichen Vorgaben an die Ausgestaltung der Abzugstatbestände nicht unerheblich divergieren.643 Beispielsweise ist die progressive Entlastung bei der Steuerfreistellung des Existenzminimums ein Gebot der Besteuerungsgleichheit, während sie bei außerfiskalischen Zwecken einer besonderen Rechtfertigung bedarf.644 Jedenfalls wird der Gesetzgeber ohnehin zurückhaltend sein, aus Vereinfachungsgründen einen, wenn auch durch Förderungs- und Lenkungsziele zu rechtfertigenden einheitlichen Betrag festzusetzen, da eine begünstigend wirkende realitätsfremde Typisierung stets dem Fiskalzweck der Einnahmeerzielung zuwiderläuft.645 3. Realitätswidrige „Typisierung“ am Maßstab eines unteren Grenzwerts Aus dem fiskalischen Blickwinkel erscheint es naheliegender, den existenzsichernden Betrag atypisch an einem unteren Grenzwert auszurichten und so den „Steuerausfall“ möglichst gering zu halten. Sozialstaatliche Leistungen müssen nur bei Bedürftigkeit, also wenn das Einkommen im Einzelfall nicht zur Existenzsicherung ausreicht, ergänzend gewährt werden. Eine solche Regelung hat der Gesetzgeber – vom Bundesverfassungsgericht für zulässig erachtet646 – für die steuerlich zu verschonenden existenznotwendigen Wohnkosten getroffen.647 Die Ausrichtung an einem unteren Grenzwert erscheint allerdings aus zweierlei Gründen verfassungsrechtlich problematisch: Zum einen lässt sich schon an der Eignung einer derartigen Regelung zur Verwaltungsvereinfachung zweifeln, jedenfalls an deren Angemessenheit. Zum anderen läuft eine solche realitätswidrige Festsetzung des Existenzminimums dem Vorrang der Eigenvorsorge zuwider. BVerfGE 116, 164 (189, 193). Die zusätzliche Gewerbesteuerbelastung könne wegen Überschreitens des gesetzgeberischen Typisierungsspielraums allein durch Förderungs- und Lenkungszwecke gerechtfertigt werden. 642 Axer, DStJG 29 (2006), 175 (186); Jachmann, BB 2008, 591 (593). 643 Vgl. zur Steuerfreistellung des Existenzminimums 2. Kapitel § 5 (S. 102 ff.) sowie zur Ausgestaltung von Förderungs- und Lenkungstatbeständen 2. Kapitel § 6 (S. 125 ff.). 644 Vgl. zum Abzug von existenzsichernden Aufwendungen 4. Kapitel § 10 II. (S. 169 ff.) und zur Rechtfertigung von Lenkungs- und Förderungstatbeständen 4. Kapitel § 11 III. (S. 184 ff.). 645 BVerfG v. 13. 02. 2008, 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125 (165). 646 BVerfG v. 25. 09. 1992, 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153 (172). 647 BT-Drs. 17/11425, S. 4 f.

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3. Kap.: Abzug(sbeschränkungen) der Höhe nach

Eine verwaltungsvereinfachende Wirkung lässt sich selbst unter Berücksichtigung der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers nur schwerlich begründen. Zwar wird die steuerliche Verwaltung entlastet, wenn der existenznotwendige Bedarf nicht in jedem Einzelfall bestimmt werden muss, jedoch wird im Gegenzug die Sozialverwaltung entsprechend stärker belastet, da diese ergänzend Leistungen gewähren muss. Ob ein Effizienzgewinn darin gesehen werden kann, dass die Sozialbehörden nur im Falle der Bedürftigkeit tätig werden müssen, erscheint zweifelhaft, zumal zweckwidrig mehrere Stellen mit der Sicherung bzw. Steuerfreistellung des Existenzminimums befasst werden. Die Zielsetzung einer vorrangigen Entlastung der Steuerverwaltung zur Sicherung eines regelmäßigen Zuflusses von Haushaltseinnahmen ist wegen des Art. 1 I GG nur dann legitim, wenn die Funktionsfähigkeit der Sozialverwaltung nicht beeinträchtigt wird. Ein zeitlicher Aufschub ist auch bei Sozialleistungen nicht möglich, weil das Existenzminimum notwendig gegenwärtig zu decken ist. Jedenfalls stehen die ungleichen steuerlichen Lasten regelmäßig nicht mehr „im rechten Verhältnis“648 zu dem Gewinn an Verwaltungseffizienz, mag das Bundesverfassungsgericht dies für die Wohnkosten auch anders beurteilen. Insbesondere aber stellt sich die Frage, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, als Ausgleich für einen im Einkommensteuerrecht realitätswidrig zu niedrig bemessenen existenzsichernden Freistellungsbetrag Sozialleistungen zu gewähren. So erscheint schon zweifelhaft, ob entsprechende Tatbestände des Sozialrechts und des Steuerrechts überhaupt in einem für eine Kompensation notwendigen Maße aufeinander abgestimmt sind.649 Während das Existenzminimum unabhängig von der Höhe des Einkommens bei allen Steuerpflichtigen unbelastet bleibt, werden Sozialleistungen ausschließlich im Falle der Bedürftigkeit gewährt. Einen entsprechenden Ausgleich würde also nur ein Teil der Steuerpflichtigen erhalten. Jedenfalls kann ein Betrag, der in einer Vielzahl von Fällen evident zu niedrig bemessen ist, das Existenzminimum entgegen Art. 1 I GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 I GG, Art. 12 I GG oder Art. 14 I GG bzw. Art. 2 I GG und gegebenenfalls Art. 3 I, 6 I GG nicht steuerfrei stellen: In den unteren Einkommensbereichen würde die Gefahr eines steuerlichen Zugriffs auf existenznotwendige Einkommensteile mit der Folge drohen, dass die Steuerpflichtigen sodann auf staatliche Hilfe angewiesen wären. Dies ist mit dem freiheitlichen Menschenbild des Grundgesetzes nicht vereinbar. Es läuft dem unantastbaren Gehalt der Menschenwürde zuwider, wenn der Fiskus die selbst erwirtschafteten existenznotwendigen Mittel entzieht und im Gegenzug Sozialleistungen gewährt. Ein Hin- und Herzahlen muss wegen des Vorrangs der Ei648 BVerfG v. 20. 04. 2004, 1 BvR 905/00, 1 BvR 1748/99, BVerfGE 110, 274 (292); v. 07. 11. 2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 (31); v. 15. 01. 2008, 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 (30); v. 04. 02. 2009, 1 BvL 8/05, BVerfGE 123, 1 (19). 649 Allgemein zu den Anforderungen einer – auch über das Rechtsgebiet hinausgreifenden – Kompensation, vgl. BVerfG v. 06. 03. 2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (112 f.); v. 21. 06. 2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (187); enger Hey, AöR 128 (2003), 226 (242 ff.), die gleichwohl einen rechtsgebietsübergreifenden Ausgleich grundsätzlich für möglich hält.

§ 7 Aufwendungen in Höhe des Existenzminimums

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genvorsorge und – korrespondierend – der Subsidiarität sozialstaatlicher Leistungen in jedem Fall vermieden werden.650 Der höhere Freiheitsgehalt des eigens erwirtschafteten Einkommens sowie dessen vorrangige Privatnützigkeit zur Sicherung der Existenz verbieten eine Typisierung anhand eines Grenzwerts, der hinter dem sozialstaatlichen Leistungsniveau zurückbleibt.651 Von bloßen Typisierungshärten kann nicht gesprochen werden, wenn die von der Steuer freigestellten Einkommensteile in einer Vielzahl von Fällen evident den existenznotwendigen Bedarf nicht decken können. Nimmt man das Gebot der Steuerfreistellung des Existenzminimums und dessen verfassungsrechtliche Wurzeln ernst, so lässt sich eine finanzielle Kompensation im Wege des Sozialrechts nicht rechtfertigen.652 Folglich können solche Teile des Existenzminimums, die bei den Steuerpflichtigen einen der Höhe nach erheblich divergierenden Aufwand verursachen, nur durch mehrere, differenziertere Typisierungen erfasst werden. Ein für alle Steuerpflichtigen einheitlicher Betrag lässt sich nicht realitätsgerecht bestimmen und genügt den Anforderungen an die Steuerfreistellung des Existenzminimums nicht.

4. Typisierung der Beiträge zur Sicherung einer Kranken- und Pflegeversorgung auf Sozialhilfeniveau im Grundfreibetrag? Legt man diese Ergebnisse zu den Grenzen des gesetzgeberischen Typisierungsspielraums zugrunde, so können die Beiträge zur Sicherung einer Kranken- und Pflegevorsorge auf Sozialhilfeniveau nicht in einem für alle Steuerpflichtigen identischen Betrag erfasst werden. Es bestehen erhebliche Unterschiede hinsichtlich des Umfangs des zur Bedarfsdeckung erforderlichen Aufwands. So divergieren die Aufwendungen zur Erlangung einer Versorgung auf Sozialhilfeniveau in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung signifikant: Zum einen ist die Beitragshöhe von den beitragspflichtigen Einnahmen i.S.v. §§ 226 ff. SGB V bzw. i.V.m. § 57 SGB XI abhängig. Zum anderen können kassenindividuelle Zusatzbeiträge erhoben werden. Auch die Prämien für die private Kranken- und Pflegeversicherung können erheblich 650 A.A. Moes, Die Steuerfreiheit des Existenzminimums vor dem Bundesverfassungsgericht, S. 238 f., der bezogen auf das Wohngeld die Notwendigkeit sieht, ein Hin- und Herzahlen als unauflösbares Dilemma hinzunehmen, wolle man Typisierungen überhaupt zulassen. 651 So auch Englisch, DStJG 37 (2014), 159 (182 f.); Söhn, FA 1988, 154 (170 f.). A.A. wohl Moes, Die Steuerfreiheit des Existenzminimums vor dem Bundesverfassungsgericht, S. 238 f. 652 Im Ergebnis auch Englisch, DStJG 37 (2014), 159 (182 f.); P. Kirchhof, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 283; zurückhaltender Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 82; Wendt, in: Festschrift für Tipke, S. 47 (59). Wernsmann, DStR 2008, Beihefter zu Heft 17, 37 (42), hält Ausgleichszahlungen nur bei einem atypisch höheren Existenzminimum für zulässig; differenzierter Hackmann, BB 1994, Beilage zu Heft 28, 1 (7 ff.). Bezogen auf die Doppelfunktion des Kindergeldes auch Felix, DStJG 29 (2006), 149 (156); Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 95 f.; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 810; Wendt, in: Festschrift für Tipke, S. 47 (61 f.). A.A. Jachmann, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 31 Rn. A 49; Pezzer, StuW 1989, 219 (221).

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3. Kap.: Abzug(sbeschränkungen) der Höhe nach

voneinander abweichen. Deren Höhe ist insbesondere von der individuellen Konstitution (vgl. § 146 I Nr. 1 VAG bzw. hinsichtlich der Pflegeversicherung i.V.m. § 148 VAG) und dem Leistungsniveau des Versicherungsschutzes abhängig, sofern nicht der Basistarif im Sinne des § 152 VAG gewählt wird. Der Ansatz des von den Sozialversicherungsträgern erhobenen durchschnittlichen Beitrags stellt keine realitätsgerechte Bezifferung des Existenzminimums dar653, da er in einer Vielzahl von Fällen evident zu niedrig bemessen wäre. Eine im Bedarfsfall ergänzende Gewährung von Sozialleistungen ist mit Art. 1 I GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 I GG unvereinbar. Wenn der Gesetzgeber gleichwohl einen einheitlichen Betrag ansetzen wollte, insbesondere durch Erhöhung des tariflichen Grundfreibetrags, müsste dieser zum einen so hoch bemessen sein, dass der existenznotwendige Aufwand „in möglichst allen Fällen“654 steuerlich verschont wird.655 Zum anderen müsste die damit untrennbar verbundene Förderung von Steuerpflichtigen mit geringerem Aufwand vor Art. 3 I GG gerechtfertigt werden können.

II. Abzugshöchstbeträge bei existenzsichernden Sonderausgaben Entscheidet sich der Gesetzgeber für einen Abzug existenzsichernder Aufwendungen als Sonderausgaben, können diese individualisiert, grundsätzlich aber auch typisiert berücksichtigt werden. Allerdings ist die gesetzgeberische Grundentscheidung für einen Abzug von der Bemessungsgrundlage folgerichtig umzusetzen.656 Zu versteuern ist nur das um die existenzsichernden (Sonder-)Ausgaben verminderte Einkommen. Daher müssen die Tatbestände so ausgestaltet werden, dass der existenznotwendige Aufwand in voller bzw. realitätsgerechter Höhe steuerwirksam werden kann. Eine Abzugsbegrenzung der Höhe nach ist verfassungsrechtlich also nur insoweit zulässig, als ausschließlich solche Teile von der Vergünstigung ausgegrenzt werden, die eine über die Existenzsicherung hinausgehende Lebensführung finanzieren.657 653 A.A. wohl Schmal, Der Abzug von Vorsorgeaufwendungen im Einkommensteuerrecht, S. 151, 153 f. 654 BVerfG v. 29. 05. 1990, 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60 (91); v. 25. 09. 1992, 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153 (172); v. 13. 02. 2008, 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125 (155). 655 Das Bundesverfassungsgericht hält es grundsätzlich für zulässig, wenn auch aus fiskalischer Sicht für nicht zweckmäßig, einen für alle Steuerpflichtigen einheitlichen Betrag zugrunde zu legen, sofern dieser so hoch bemessen ist, dass er in möglichst allen Fällen die erforderlichen Beiträge der Steuerpflichtigen zur Erlangung eines sozialhilfegleichen Versorgungsniveaus von der Steuer freistellt, vgl. BVerfG v. 13. 02. 2008, 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125 (165). 656 BVerfG v. 13. 02. 2008, 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125 (158). 657 In diesem Sinne bezogen auf die Altersvorsorgeaufwendungen Wernsmann, DStR 2008, Beihefter zu Heft 17, 37 (46).

§ 7 Aufwendungen in Höhe des Existenzminimums

149

Dies konkretisiert das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 13. 02. 2008658 für die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Demnach müsse ein Höchstbetrag jedenfalls so bemessen sein, dass zumindest die Aufwendungen zur Erlangung einer Versorgung auf Sozialhilfeniveau für den Steuerpflichtigen und seine Familie erfasst würden.659 Soweit die Beiträge allerdings ein darüber hinausgehendes Versorgungsniveau finanzierten, könne der entsprechende Anteil bei der Einkommensteuer unberücksichtigt bleiben. „[D]as Prinzip der Steuerfreistellung des Existenzminimums [habe] […] nicht den Sinn, die Kosten eines über dem Sozialhilfeniveau liegenden Lebensstandards über die Einkommensteuer auf die Allgemeinheit zu verteilen.“660 In der „streng[en]“661 Bindung an die Quantifizierungen des Sozialhilferechts mag man eine Verschärfung der bisherigen Rechtsprechung sehen662, nach der es sich nur um eine Grenze handele, die der Gesetzgeber „jedenfalls nicht unterschreiten“663 bzw. „über-, aber nicht unter[schreiten]“664 dürfe. Gleichwohl entspricht gerade dieser Ansatz den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Steuerfreistellung des Existenzminimums. Zwar ist dem Gesetzgeber bei dessen Quantifizierung grundsätzlich ein Einschätzungsspielraum zuzuerkennen,665 soweit allerdings für den Bereich des Sozialhilferechts eine verfassungsgemäße Konkretisierung erfolgt ist, erlangt diese Maßgröße auch für das Einkommensteuerrecht Bedeutung. Es wäre widersprüchlich, das von Verfassungs wegen zwingend zu gewährende bzw. freizustellende Existenzminimum unterschiedlich zu definieren. Die Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins sind für den Leistungsberechtigten wie auch für den Steuerpflichtigen gleich.666 Konsequent ist dem Gebot der Steuerfreistellung des Existenzminimums daher der Inhalt beizumessen, dass die Einkommensteile steuerlich verschont werden müssen, die eine Lebensführung auf Sozialhilfeniveau ermöglichen.667 Wie das Bundesverfassungs658

BVerfG v. 13. 02. 2008, 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125. BVerfG v. 13. 02. 2008, 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125 (164 f.). 660 BVerfG v. 13. 02. 2008, 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125 (164). 661 BVerfG v. 13. 02. 2008, 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125 (156). 662 So Schmal, Der Abzug von Vorsorgeaufwendungen im Einkommensteuerrecht, S. 104 f.; Söhn, in: Festschrift für Lang, S. 549 (552 f.). 663 BVerfG v. 25. 09. 1992, 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153 (171); v. 14. 06. 1994, 1 BvR 1022/88, BVerfGE 91, 93 (111). 664 BVerfG v. 10. 11. 1998, 2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246 (262). 665 BVerfG v. 25. 09. 1992, 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153 (170); v. 14. 06. 1994, 1 BvR 1022/88, BVerfGE 91, 93 (111); v. 10. 11. 1998, 2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246 (261 f.). 666 So ausdrücklich auch Lang, StuW 1990, 331 (343). 667 A.A. Schmal, Der Abzug von Vorsorgeaufwendungen im Einkommensteuerrecht, S. 105. Nach Söhn, in: Festschrift für Lang, S. 549 (552 ff.), handelt es sich um einen „,besonderen‘ Ansatz für die Bemessung der abzugsfähigen Aufwendungen“, wenn das Bundesverfassungsgericht in BVerfGE 120, 125 (156 f.), hinsichtlich der Zwangsbeiträge „streng auf das sozialhilferechtlich gewährleistete Leistungsniveau“ abstellt. Bei den zwangsläufigen Aufwendungen für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung sei eine solche Begren659

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3. Kap.: Abzug(sbeschränkungen) der Höhe nach

gericht zutreffend festgestellt hat, ist der Gesetzgeber aber nicht verpflichtet, die Mittel zur Bestreitung eines höheren Lebensstandards steuerlich zu berücksichtigen. Gleichwohl steht es dem Gesetzgeber frei, aus anderen Gründen, insbesondere dem Abstandsgebot, das einkommensteuerrechtliche Existenzminimum höher anzusetzen. Will man dem Abstandsgebot Verfassungsrang beimessen, so muss die Nettoausstattung nach Besteuerung zumindest über dem sozialhilferechtlichen Leistungsniveau liegen. Folglich ist eine Abzugsbeschränkung der Höhe nach verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn auf diese Weise die nicht existenznotwendige Einkommensverwendung aus dem Vergünstigungstatbestand ausgegrenzt wird, die der Erlangung eines über das Sozialhilfeniveau hinausgehenden Lebensstandards dient. Bei einer solchen Abgrenzung zwischen der steuerlich beachtlichen und der unbeachtlichen Privatsphäre ist dem Gesetzgeber ein Typisierungsspielraum zuzuerkennen. Es gilt, ein unerwünschtes Eindringen in die Privatsphäre zu vermeiden sowie die Effektivität der Verwaltung im Massenverfahren zu sichern. Auch ist es mit dem Gebot der Steuerfreistellung des Existenzminimums grundsätzlich vereinbar, wenn im Wege einer typisierenden Regelung ein Abzugshöchstbetrag bestimmt wird.668 Wegen der verfassungsrechtlichen Verankerung in Art. 1 I GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 I GG ist der Spielraum des Gesetzgebers jedoch enger als in anderen Bereichen. Ein Höchstbetrag zum Zwecke der Abgrenzung zwischen der beachtlichen und der unbeachtlichen Einkommensverwendung muss jedenfalls so bemessen sein, dass das Existenzminimum „in möglichst allen Fällen“669 steuerlich verschont wird.670 In diesem Sinne ist das Abzugsvolumen am Aufwand auszurichten, der realitätsgerecht zur Deckung des realitätsgerecht ermittelten existenznotwendigen Bedarfs erforderlich ist. Auch das Bundesverfassungsgericht hält solche sphärenabgrenzenden Typisierungen grundsätzlich für zulässig. Im Beschluss zu den Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen räumt es dem Gesetzgeber die Befugnis zu typisierenden Regelungen insbesondere bei der Frage ein, „ob und in welchem Umfang das Versorgungsniveau privater Krankenversicherungen über dem Sozial-

zung nicht erforderlich, da nicht die Gefahr bestehe, dass die Kosten eines höheren Lebens-/ Versorgungsniveaus zulasten der Allgemeinheit in Ansatz gebracht werden könnten. Vielmehr sei deren Zwangsläufigkeit maßgeblich für den Abzug dem Grunde und der Höhe nach. 668 Vgl. zu den Grenzen der Typisierung des Existenzminimums vorgehend 3. Kapitel § 7 I. (S. 142 ff.). 669 BVerfG v. 29. 05. 1990, 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60 (91); v. 25. 09. 1992, 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153 (172); v. 13. 02. 2008, 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125 (155). 670 Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe erscheint es verfassungsrechtlich bedenklich, wenn nach § 33 I, III EStG i.V.m. § 2 IV EStG außergewöhnliche existenzsichernde Aufwendungen nur insoweit berücksichtigt werden, als sie die zumutbare Belastung überschreiten. Eine Regelung, die an die familiären Verhältnisse und den Gesamtbetrag der Einkünfte anknüpft, ist nicht geeignet, die nicht existenznotwendige Einkommensverwendung aus dem Vergünstigungstatbestand auszugrenzen.

§ 7 Aufwendungen in Höhe des Existenzminimums

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hilfeniveau liegt“.671 Es müsse nicht stets der tatsächliche existenzielle Aufwand tatbestandlich erfasst werden, sondern es könne auf typisierende und pauschalierende Regelungen zurückgegriffen werden, die nicht notwendig für alle Steuerpflichtigen einheitlich sein müssten.672 Entsprechend diesen Vorgaben hat der Gesetzgeber die Abziehbarkeit der existenzsichernden Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge durch das Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung673 neu geregelt. Die Beiträge für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung finanzieren grundsätzlich eine Versorgung auf Sozialhilfeniveau674 und werden daher als existenznotwendig qualifiziert. Diese Rechtsnatur teilen jedoch nicht die Beitragsteile, die einen Anspruch auf lohnersetzendes Krankengeld oder einen vergleichbaren Anspruch begründen. Folgerichtig werden sie durch einen pauschaliert festgesetzten Beitragsteil in Höhe von 4 % ausgegrenzt.675 Hingegen müssen bei der privaten Vorsorge nach § 10 I Nr. 3 lit. a S. 3 EStG die Beitragsanteile bestimmt werden, die ein vergleichbares Versorgungsniveau sicherstellen. Sie werden entsprechend einer besonderen Ausweisung im Tarif oder durch einheitliche prozentuale Abschläge auf die Prämie nach § 10 V EStG i.V.m. der Krankenversicherungsbeitragsanteils-Ermittlungsverordnung676 realitätsgerecht erfasst. Die Beschränkung des Abzugs der Höhe nach auf 2800 E bzw. 1900 E gemäß § 10 IV S. 1, 2 EStG (einheitlicher Höchstbetrag für Vorsorgeaufwendungen i.S.v. § 10 I Nr. 3 und 3a EStG) ist unbedenklich. In jedem Fall können die Beiträge, soweit sie der Erlangung einer Kranken- und Pflegevorsorge auf Sozialhilfeniveau dienen, nach § 10 I Nr. 3, IV S. 4 EStG i.V.m. § 2 IV EStG in vollem Umfang steuermindernd berücksichtigt werden. Ein Abzug der übrigen Vorsorgeaufwendungen scheidet in diesen Fällen aus. Folglich wird das für eine existenznotwendige Kranken- und Pflegeversorgung des Steuerpflichtigen gebundene Einkommen steuerlich nicht belastet.677 Dem Gebot der Steuerfreistellung des 671

BVerfG v. 13. 02. 2008, 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125 (165). BVerfG v. 13. 02. 2008, 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125 (165 f.). 673 Gesetz zur verbesserten steuerlichen Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen v. 16. 07. 2009, BGBl I 2009, 1959 ff. 674 Vgl. 1. Kapitel § 2 II. 1. (S. 43). 675 Diese prozentuale Kürzung korrespondiert mit dem im Vergleich zum allgemeinen Beitragssatz (14,6 %) ermäßigten Beitragssatz nach § 243 SGB V (14 %) für Mitglieder, die keinen Anspruch auf Krankengeld haben. Wenn x das zu versteuernde Einkommen und y der gesuchte prozentuale Abschlag ist, ergibt sich aus der Auflösung von x·0,146 – (x·0,146·y) = x·0,14, dass y = 0,0410958904, also gerundet 4 % ist. Die Pauschalierung liegt innerhalb der Grenzen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums. 676 Verordnung zur tarifbezogenen Ermittlung der steuerlich berücksichtigungsfähigen Beiträge zum Erwerb eines Krankenversicherungsschutzes im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 3 Buchstabe a des Einkommensteuergesetzes (BGBl I 2009, 2730 f.). 677 Ebenso Kulosa, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10 EStG Rn. 384; Söhn, in: Festschrift für Lang, S. 549 (555 f.); Wernsmann, NJW 2009, 3681 (3683 f.). An der Verfassungsmäßigkeit zweifelt hingegen Schmal, Der Abzug der Vorsorgeaufwendungen im Einkommensteuerrecht, S. 105. 672

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3. Kap.: Abzug(sbeschränkungen) der Höhe nach

familiären Existenzminimums wird dadurch Rechnung getragen, dass die im Rahmen der Unterhaltsverpflichtung getragenen eigenen Beiträge eines Kindes nach § 10 I Nr. 3 S. 2 EStG fiktiv als solche des Steuerpflichtigen behandelt oder im Rahmen von § 33a I S. 2 EStG berücksichtigt werden. Erstreckt sich hingegen der durch die eigenen Beiträge des Steuerpflichtigen erlangte Versicherungsschutz auch auf dessen Kinder, entsteht schon kein gesondert zu berücksichtigender Aufwand. Allerdings erscheint fraglich, ob es mit Art. 3 I GG vereinbar ist, dass bestimmte Gruppen von Steuerpflichtigen nach § 10 IV S. 4 a.E. EStG typischerweise von vornherein vom Abzug weiterer Vorsorgeaufwendungen i.S.v. § 10 I Nr. 3a EStG ausgeschlossen sind, weil deren Beiträge für eine Kranken- und Pflegeversorgung auf Sozialhilfeniveau regelmäßig die Höchstbeträge übersteigen. Insbesondere besteht ein Spannungsverhältnis zu Art. 6 I GG, wenn das Überschreiten der Höchstbeträge allein in der familiären Vorsorge gründet. Es handelt sich dabei um eine Frage der gleichheitsgerechten Ausgestaltung von Förderungs- und Lenkungstatbeständen, die sodann in diesem Rahmen erörtert wird.678 Als verfassungsrechtlich unbedenklich erscheint auch die Begrenzung der Unterhaltsaufwendungen im Rahmen des Realsplittings nach § 10 Ia Nr. 1 EStG. Der Abzugshöchstbetrag von 13805 E zuzüglich etwaiger Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge liegt weit über dem typischen existenznotwendigen Bedarf.679 Auch kann durch einen Abzug von Vorsorgeaufwendungen bis zum Höchstbetrag der knappschaftlichen Rentenversicherung ein Anspruch auf eine Altersversorgung in existenzieller Höhe begründet werden. Der Höchstbetrag i.S.v. § 10 III EStG ist daher verfassungsgemäß.680

III. Zwischenergebnis Im Steuerrecht, das Massenerscheinungen regelt, ist dem Gesetzgeber grundsätzlich eine Typisierungsbefugnis zuzuerkennen. Eine solche erscheint zwar bezogen auf das Existenzminimum als besonders problematisch, weil das Gebot zu dessen Steuerfreistellung zumindest auch in Art. 1 I GG verankert ist. Allerdings hat sich gezeigt, dass auch die Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins einer Typisierung zugänglich sind, unabhängig davon, ob nach SGB II bzw. SGB XII für den Einzelfall Mehr- oder Sonderbedarfe gewährt werden. Der Steuergesetzgeber unterliegt insoweit jedoch strengeren Bindungen, die das Bundesverfassungsgericht dahingehend konkretisiert hat, dass der existenznotwendige Bedarf „in möglichst allen Fällen“681 gedeckt sein muss. Gelingt eine – gegebe678

Vgl. 4. Kapitel § 11 II. 3. (S. 183 f.). Vgl. hierzu auch 1. Kapitel § 2 II. 2. (S. 44 ff.). 680 So auch BVerfG v. 14. 06. 2016, 2 BvR 290/10 Rn. 61. 681 BVerfG v. 29. 05. 1990, 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60 (91); v. 25. 09. 1992, 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153 (172); v. 13. 02. 2008, 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125 (155). 679

§ 8 „Zwangsläufige“ Aufwendungen in realitätsgerechter Höhe

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nenfalls differenzierte – Typisierung in dieser Weise nicht, liegt darin ein Verstoß gegen Art. 1 I GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 I GG. Insbesondere kann die übermäßige Besteuerung nicht durch Sozialleistungen kompensiert werden. Orientiert sich der Gesetzgeber hingegen an einem oberen Grenzwert, werden Steuerpflichtige ungleich höher entlastet, deren Existenzminimum unter diesem Betrag liegt. Dies bedarf einer Rechtfertigung durch Förderungs- und Lenkungszwecke. Nach diesen Maßstäben lassen sich die als Sonderausgaben abzugsfähigen existenzsichernden Aufwendungen, insbesondere die Beiträge zur Sicherung einer Kranken- und Pflegeversorgung auf Sozialhilfeniveau, nicht typisieren. Letztere haben daher auch nicht dem sächlichen Existenzminimum zugerechnet und im tariflichen Grundfreibetrag berücksichtigt werden können. Abzugsbeschränkungen der Höhe nach sind bei (Sonderausgaben-)Tatbeständen, die dem Gebot der Steuerfreistellung des Existenzminimums Rechnung tragen, nur insoweit zulässig, als eine nicht existenznotwendige Einkommensverwendung aus dem Vergünstigungstatbestand ausgegrenzt wird. Diejenigen Teile des Einkommens müssen jedoch unbelastet bleiben, welche die Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins finanzieren. Dem Gesetzgeber steht auch bei der Abgrenzung der in diesem Sinne steuerlich beachtlichen von den unbeachtlichen Teilen von Privataufwendungen die Befugnis zu typisierenden Regelungen zu. Hiervon ist bei der Bestimmung der als existenznotwendig zu qualifizierenden Beitragsteile für eine Kranken- und Pflegeversicherung realitätsgerecht Gebrauch gemacht worden. Auch entsprechen die Höchstbeträge des § 10 III EStG und des § 10 Ia EStG dem verfassungsrechtlichen Gebot der Steuerfreistellung des Existenzminimums, da infolge eines Abzugs der Aufwendungen innerhalb der normierten Grenzen eine steuerlich unbelastete Lebensführung auf Sozialhilfeniveau ermöglicht wird.

§ 8 Berücksichtigung von „zwangsläufigen“ Aufwendungen in realitätsgerechter Höhe Will man der kritikwürdigen682 Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den zwangsläufigen Aufwendungen folgen, so stellt sich die Frage, wie solche (Abzugs-)Tatbestände der Höhe nach auszugestalten sind. Es handelt sich um gemischt veranlasste Aufwendungen, deren private Mitveranlassung zwar die Zuordnung zur Privatsphäre, nicht jedoch ein Abzugsverbot legitimieren kann.683 Der Grund für die steuerliche Beachtlichkeit liegt, wie sich gezeigt hat, eigentlich in der betrieblichen bzw. beruflichen Mitveranlassung. Als zwangsläufig sind die Privataufwendungen daher nur insoweit zu berücksichtigen, als sie der Erwerbssphäre geschuldet sind. Folgerichtig sind Beschränkungen der Höhe nach jedenfalls als unbedenklich zu qualifizieren, wenn sie die Ausgrenzung unbeachtlicher, privater 682 683

Vgl. hierzu 2. Kapitel § 5 IV. (S. 117 f.). Ausführlich 2. Kapitel § 5 IV. (S. 116).

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3. Kap.: Abzug(sbeschränkungen) der Höhe nach

Veranlassungsbeiträge bezwecken. In diesem Sinne fordert auch das Bundesverfassungsgericht, lediglich die erwerbsbedingt notwendigen Kinderbetreuungskosten in realitätsgerechter Höhe zu berücksichtigen.684 Allerdings kann die Quantifizierung des zwangsläufigen Aufwands erhebliche Schwierigkeiten bereiten, sodass sich auch insoweit die Frage nach den Grenzen gesetzgeberischer Typisierung stellt. Ähnliche Abgrenzungsprobleme bestehen bei den gemischt veranlassten Aufwendungen, die der Höhe nach beschränkt als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten steuerwirksam werden. Eine vergleichende Betrachtung liegt nahe.

I. Typisierung des zwangsläufigen Aufwands Die Berücksichtigung gemischt veranlasster Aufwendungen steht im Spannungsverhältnis zwischen dem objektiven Nettoprinzip und dem Grundsatz der Unbeachtlichkeit der privaten Lebensführung, wodurch sich dem Gesetzgeber gewisse Entscheidungs- und Gestaltungsspielräume eröffnen. Dabei geht es nicht nur um die Frage der Zuordnung entweder zur Erwerbs- oder zur Privatsphäre.685 Werden die Aufwendungen als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten qualifiziert, muss der abzugsfähige Betrag bestimmt werden. Dabei kommt dem Gesetzgeber insbesondere die Befugnis zu, durch Typisierungen und Pauschalierungen die regelmäßig durch die Privatsphäre veranlassten Anteile auszugrenzen.686 Solche Regelungen sind zur Vermeidung eines unerwünschten Eindringens in die von Art. 2 I GG geschützte private Sphäre sowie zur Verwaltungsvereinfachung zulässig. So trägt beispielsweise der Abzugshöchstbetrag des § 4 V Nr. 6b S. 3, 1. Hs. EStG der Möglichkeit einer privaten Mitbenutzung des häuslichen Arbeitszimmers Rechnung. Der unangemessene Aufwand, der typischerweise der privaten Lebensführung geschuldet ist, wird gleichsam durch Abzugsbeschränkungen eliminiert, wie in § 9 I Nr. 5 S. 4 EStG für die Unterkunftskosten bei einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung. Dem gleichen Zweck dienen die allgemeineren Begrenzungen auf den „notwendige[n]“ oder den „nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als angemessen anzusehen[den]“ Aufwand nach § 9 I Nr. 5 S. 1, Nr. 5a EStG bzw. § 4 V Nr. 2, 7 EStG. Solche Abzugsbeschränkungen der Höhe nach dienen dem Zweck, zwischen der steuerlich beachtlichen Erwerbssphäre und der grundsätzlich unbeachtlichen Privatsphäre abzugrenzen. Insofern zielen sie auf die Verwirklichung einer gleichheitsgerechten Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit. Vergleichbare Abgrenzungsprobleme stellen sich auch bei der Quantifizierung des zwangsläufigen Aufwands im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Es muss zwischen den unbeachtlichen und den ausnahmsweise be684

BVerfG v. 16. 03. 2005, 2 BvL 7/00, BVerfGE 112, 268 (282). Vgl. hierzu bereits 2. Kapitel § 4 III. 3. (S. 99 ff.) und 2. Kapitel § 4 III. 2. (S. 98 f.). 686 Vgl. BVerfG v. 07. 12. 1999, 2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297 (311); v. 09. 12. 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08 u. a., BVerfGE 122, 210 (240); v. 06. 07. 2010, 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268 (282). 685

§ 8 „Zwangsläufige“ Aufwendungen in realitätsgerechter Höhe

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achtlichen (zwangsläufigen) Teilen von Privataufwendungen differenziert werden. Ohne Eindringen in die grundrechtlich geschützte Privatsphäre stellt sich dies regelmäßig als unmöglich bzw. jedenfalls als besonders schwierig dar. Zudem fehlt es bei untrennbar gemischt veranlassten Aufwendungen an hinreichenden Anknüpfungspunkten für eine Aufteilung nach den verschiedenen Beiträgen, welche im Übrigen ohnehin mit einem erheblichen Nachweis- und Prüfaufwand verbunden und daher mit dem Erfordernis der Verwaltungspraktikabilität im Massenverfahren nicht zu vereinbaren wäre. Insofern können Regelungen vereinfachend wirken, die den zwangsläufigen Aufwand der Höhe nach typisieren. Durch Abzugsbeschränkungen lassen sich diejenigen Kostenanteile ausgrenzen, die regelmäßig nicht notwendig und daher der unbeachtlichen Privatsphäre zuzurechnen sind. Allerdings stehen solche Regelungen im Spannungsverhältnis zur Besteuerungsgleichheit. Sie lassen die Besonderheiten des Einzelfalls außer Ansatz, da lediglich der typische Fall erfasst wird und alle abweichenden Fälle diesem gleich behandelt werden.687 Die ungleiche Bestimmung der finanziellen Leistungsfähigkeit wirkt sich zulasten einer gleichmäßigen Besteuerung aus. Andererseits erscheint die Gleichheit der steuerlichen Lasten ebenso gefährdet, wenn nicht ermittelt werden kann, inwieweit die Aufwendungen zwangsläufigen Charakter haben, weil die Verwaltung damit überfordert ist oder es sich um innerste Privatangelegenheiten handelt, die keiner Prüfung zugänglich sind. Unter Abwägung der widerstreitenden Interessen ist dem Gesetzgeber grundsätzlich ein Typisierungsspielraum bei der Bestimmung der zwangsläufigen Teile gemischt veranlasster Aufwendungen zuzuerkennen.688 Dessen Grenzen hat das Bundesverfassungsgericht in anderen Konstellationen konkretisiert, in welchen das Spannungsverhältnis zwischen Art. 3 I GG und der Verwaltungspraktikabilität689 bzw. der Sachaufklärung durch ein unerwünschtes Eindringen in die geschützte Privatsphäre690 aufzulösen war. Entsprechend liegt die Grenze im hier interessierenden Zusammenhang dort, wo die steuerlichen Vorteile der Typisierung nicht mehr im rechten Verhältnis zu der damit verbundenen Beeinträchtigung der Belastungsgleichheit stehen.691 Die Regelung muss zur Verwaltungsvereinfachung geeignet und auch erforderlich sein, weil der Regelungsbereich eine Massenerscheinung betrifft und nicht in jedem Einzelfall der individuell abziehbare Betrag ermittelt, nachgewiesen bzw. überprüft werden kann. Darüber hinaus ist – wie dem Begriff immanent – der realitätsgerecht bestimmte typische Fall zugrunde zu 687

Vgl. Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO Rn. 452 m.w.N. So auch BVerfG v. 16. 03. 2005, 2 BvL 7/00, BVerfGE 112, 268 (282). 689 BVerfG v. 15. 01. 2008, 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 (45 f.); v. 12. 10. 2010, 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224 (254); v. 15. 01. 2014, 1 BvR 1656/09, BVerfGE 135, 126 (149); v. 07. 04. 2015, 1 BvR 1432/10, HFR 2015, 695 (696). 690 BVerfG v. 07. 12. 1999, 2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297 (310 f.); v. 06. 07. 2010, 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268 (282). 691 Vgl. zuletzt BVerfG v. 15. 01. 2008, 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 (30); v. 07. 05. 2013, 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07, BVerfGE 133, 377 (413); v. 15. 01. 2014, 1 BvR 1656/09, BVerfGE 135, 126 (149 f.); v. 17. 12. 2014, 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136 (234); v. 07. 04. 2015, 1 BvR 1432/10, HFR 2015, 695 (696), in ständiger Rechtsprechung. 688

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3. Kap.: Abzug(sbeschränkungen) der Höhe nach

legen.692 Angemessen ist eine solche Typisierung allerdings nur dann, wenn sich im Vergleich zum Tatsächlichen lediglich geringe Abweichungen ergeben können und die für den Einzelfall zulässigen Härten nur eine relativ geringe Zahl von Personen betreffen. Der Verstoß gegen den Gleichheitssatz darf folglich nicht besonders intensiv und nur unter Schwierigkeiten vermeidbar sein.693 Wie auch in anderen Bereichen ist dem Gesetzgeber bei der Quantifizierung des als zwangsläufig, „erwerbsbedingt notwendig“ zu qualifizierenden Privataufwands ein Typisierungsspielraum zuzuerkennen.

II. Beschränkung des Abzugs der Kinderbetreuungskosten nach § 10 I Nr. 5 EStG und der Berufsausbildungskosten nach § 10 I Nr. 7 EStG 1. Zwangsläufigkeit des Aufwands Die Berufsausbildungskosten i.S.v. § 10 I Nr. 7 EStG können nicht als zwangsläufiger, pflichtbestimmter Aufwand, legt man die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde, qualifiziert werden. Sie unterscheiden sich von den zwangsläufigen Privataufwendungen dadurch, dass sie nicht zugleich betrieblich bzw. beruflich veranlasst sind. Der Gesetzgeber verneint einen hinreichend konkreten Zusammenhang mit der Erwerbssphäre und bewegt sich damit innerhalb seines weiten Entscheidungs- und Gestaltungsspielraums.694 Im Übrigen lässt sich dem Grundgesetz ohnehin nicht die zwingende Wertung entnehmen, dass die Veranlassung der Berufsausbildungskosten durch die Privatsphäre nicht zum Anknüpfungspunkt eines Abzugsverbots gemacht werden darf. Freilich unterfällt die Berufsausbildung dem Schutzbereich des Art. 12 I GG. Es wird nicht nur, wie der Wortlaut nahe legt, die Wahl der Ausbildungsstätte, sondern generell das Ausbildungswesen geschützt.695 Aus Art. 12 I GG lässt sich aber kein Anspruch darauf ableiten, dass der Staat die konkreten Voraussetzungen für eine entsprechende Freiheitsausübung originär696 schafft. Ein Recht auf Ausbildung besteht nicht697, erst 692

Vgl. BVerfG v. 16. 03. 2005, 2 BvL 7/00, BVerfGE 112, 268 (280 f.); v. 21. 06. 2006, 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (183); v. 15. 01. 2008, 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 (30); v. 09. 12. 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08 u. a., BVerfGE 122, 210 (233); v. 06. 07. 2010, 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268 (279); v. 12. 10. 2010, 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224 (246), in ständiger Rechtsprechung. 693 Vgl. BVerfG v. 08. 10. 1991, 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348 (360, 365); v. 07. 05. 2013, 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07, BVerfGE 133, 377 (412); Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO Rn. 454. 694 Dies ist bereits im 2. Kapitel § 4 III. 1. c) (S. 96 ff.) gezeigt worden. 695 BVerfG v. 18. 07. 1972, 1 BvL 32/70, 1 BvL 25/71, BVerfGE 33, 303 (329). 696 Ein Recht auf Teilhabe im Rahmen der vorhandenen – voll auszuschöpfenden – Kapazitäten leitet das Bundesverfassungsgericht aus Art. 12 I GG i.V.m. Art. 3 I GG bezogen auf

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recht nicht auf eine kostenlose Berufsbildung698. Prohibitiv dürfen Gebühren für staatlich geschaffene Ausbildungseinrichtungen allerdings nicht wirken.699 Entsprechend wird die Berufsfreiheit nicht dadurch beeinträchtigt, dass eine kostenfreie oder weniger kostenintensive Ausbildung gemacht werden muss, weil entsprechende finanzielle Mittel fehlen.700 Art. 12 I GG kann folglich nicht die zwingende Wertung entnommen werden, dass die Berufsausbildungskosten steuerlich nicht belastet werden dürfen. Im Widerspruch zu diesem Ergebnis steht nicht, dass das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 26. 01. 1994701 eine verfassungsrechtliche Pflicht des Staates anerkannt hat, einen gewissen Anteil der elterlichen Aufwendungen für die Berufsausbildung ihres Kindes entweder unmittelbar zu übernehmen oder steuerlich anzuerkennen. Der Entscheidung liegt die Erwägung zugrunde, dass Steuerpflichtige mit Kindern im Vergleich zu solchen ohne Kinder im Hinblick auf Art. 3 I GG und Art. 6 I GG nicht benachteiligt werden dürften und daher der zusätzliche Aufwand steuermindernd zu berücksichtigen sei. Eine allgemeine Aussage über die Behandlung von Berufsausbildungskosten im Einkommensteuerrecht lässt sich daraus jedoch nicht ableiten. Die Zwangsläufigkeit der erwerbsbedingten Kinderbetreuungskosten hat das Bundesverfassungsgericht jedoch wegen des Art. 6 I GG bejaht702. Der besondere Schutz der Familie erfordere es, dass die höchstpersönliche Entscheidung für Kinder nicht zum Anknüpfungspunkt für nachteilige Rechtsfolgen genommen werde.703 Die Bindung des Einkommens für die Kinderbetreuung zum Zwecke der Erzielung von Einkünften müsse daher dazu führen, dass die notwendigen Aufwendungen zur Wahrung der horizontalen Steuergleichheit steuermindernd berücksichtigt wür-

den Hochschulzugang ab, vgl. BVerfG v. 18. 07. 1972, 1 BvL 32/70, 1 BvL 25/71, BVerfGE 33, 303 (331 f.); v. 08. 02. 1977, 1 BvF 1/76, 1 BvL 7/75, 1 BvL 8/75 u. a., BVerfGE 43, 291 (313 ff.); v. 22. 10. 1991, 1 BvR 393/85, 1 BvR 610/85, BVerfGE 85, 36 (53 f.). 697 Epping, Grundrechte, Rn. 386; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12 Rn. 441 f., 447; Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Grundrechte, Staatsrecht II, Rn. 958. 698 Zur Kostenfreiheit des Hochschulstudiums BVerfG v. 08. 05. 2013, 1 BvL 1/08, BVerfGE 134, 1 (14) m.w.N. Im Allgemeinen Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12 Rn. 447; Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Grundrechte, Staatsrecht II, Rn. 911. 699 Vgl. BVerfG v. 08. 05. 2013, 1 BvL 1/08, BVerfGE 134, 1 (14) m.w.N. 700 A.A. BFH v. 17. 07. 2014, VI R 2/12, BFHE 247, 25 (57); v. 17. 07. 2014, VI R 8/12, BFHE 247, 64 (95); v. 17. 07. 2014, VI R 61/11, juris Rn. 104; v. 17. 07. 2014, VI R 38/12, juris Rn. 107; v. 17. 07. 2014, VI R 2/13, juris Rn. 101; v. 17. 07. 2014, VI R 72/13, juris Rn. 102. 701 BVerfG v. 26. 01. 1994, 1 BvL 12/86, BVerfGE 89, 346. 702 BVerfG v. 16. 03. 2005, 2 BvL 7/00, BVerfGE 112, 268 (281 f.). 703 Vgl. Birk/Wernsmann, JZ 2001, 218 (220); Hey, NJW 2006, 2001 (2002); Jachmann, Anhörung vor dem Finanzausschuss des Deutschen Bundestages am 11. 05. 2011, S. 6; Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 305 f. Hingegen läge nach Seiler, in: Gleichheit im Verfassungsstaat, S. 133 (134 f.), ein Eingriff in Art. 6 I GG nicht vor, wenn erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten nicht abziehbar wären, da es sich um ein staatliches Leistungsangebot handele.

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3. Kap.: Abzug(sbeschränkungen) der Höhe nach

den.704 Folgt man dem Bundesverfassungsgericht insoweit, erscheint fraglich, ob der Tatbestand des § 10 I Nr. 5 EStG die erwerbsbedingt notwendigen Kosten in realitätsgerechter Höhe berücksichtigt. Die Beschränkung des Abzugs auf zwei Drittel der Aufwendungen, höchstens jedoch 4000 E je Kind, ist Gegenstand der nachfolgenden Untersuchung. 2. Berücksichtigung in zwangsläufiger Höhe Es erscheint zweifelhaft, ob die zwangsläufigen Kinderbetreuungskosten typisierend als fester Bruchteil der jeweiligen Gesamtkosten definiert werden können. Zwar ist dem Gesetzgeber zum Zwecke der Verwaltungsvereinfachung ein Typisierungsspielraum bei der Abgrenzung der steuerlich unbeachtlichen von den beachtlichen Kosten zuzuerkennen, eine solche Regelung muss jedoch den typischen Fall erfassen. Ob man regelmäßig Kostenanteile wird annehmen können, die über das notwendige Maß hinausgehen, kann bezweifelt werden. Abzugsbeschränkungen mögen sicherlich realitätsgerecht sein, wenn die Kinderbetreuungskosten einen gewissen Umfang erreichen. Aus diesem Grunde erscheint es insbesondere verfassungsrechtlich zulässig, dass der Gesetzgeber auch einen absoluten Abzugshöchstbetrag von 4000 E festgesetzt hat.705 Bedenklich erweist sich eine generelle Kürzung um ein Drittel jedoch in Konstellationen, in welchen die für die Betreuung aufgewendeten Beträge ohnehin gering sind. In solchen Konstellationen wird ein der unbeachtlichen Privatsphäre zuordenbarer unnötiger bzw. unangemessener und daher aus dem Vergünstigungstatbestand auszugrenzender Aufwand regelmäßig nicht vorliegen. Allerdings werden die Kinderbetreuungskosten auch durch den Freibetrag nach § 32 VI S. 1, 2. Hs. EStG erfasst. Durch das Zusammenwirken der verschiedenen Regelungen werden die zwangsläufigen Kosten in realitätsgerechter Höhe berücksichtigt. Zwar wird der Betreuungsfreibetrag nach § 32 VI S. 1, 2. Hs. EStG aufwandsunabhängig gewährt, worin eine vor Art. 3 I GG zu rechtfertigende Förderung zu sehen ist.706 Soweit jedoch tatsächlich Kosten entstehen, werden diese jedenfalls steuerfrei gestellt. Gleichheitsrechtlich verbietet sich insoweit eine

704 A.A. Schilling, Zwangsläufiger, pflichtbestimmter Aufwand in Ehe und Familie, S. 98 ff., 116, 163, der das Kriterium der Zwangsläufigkeit sphärenübergreifend versteht und daher nicht nur die erwerbsbedingt notwendigen Aufwendungen berücksichtigt wissen will. Unabhängig von der Veranlassung seien die Kosten maßgebend, die eine Fremdbetreuung nach den subjektiven „Mindestbetreuungsanforderungen“ der Eltern finanzierten. 705 Durch diese Höchstgrenze von 4000 E wird der Abzug der Kinderbetreuungskosten im Einkommensteuerrecht auf insgesamt 6640 E (einschließlich des Betreuungsfreibetrags i.H.v. 1320 E je Elternteil) je Kind beschränkt. Der Gesetzgeber erkennt Kosten von monatlich ca. 550 E als notwendig an. Unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Einschätzungsspielraums können diese Kosten als realitätsgerecht angesehen werden, auch wenn der Freibetrag nach § 32 VI S. 1, 2. Hs. EStG den Erziehungsbedarf einschließt. So auch Kulosa, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10 EStG Rn. 212; Reimer, FR 2011, 929 (932). 706 Vgl. zum aufwandsunabhängigen Freibetrag bereits Fn. 101.

§ 8 „Zwangsläufige“ Aufwendungen in realitätsgerechter Höhe

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nochmalige Steuerwirksamkeit im Rahmen von § 10 I Nr. 5 EStG.707 Diesem Gebot der Besteuerungsgleichheit trägt die Begrenzung auf zwei Drittel der Aufwendungen typisierend Rechnung. Folglich werden die Kinderbetreuungskosten durch das Zusammenwirken von § 10 I Nr. 5 EStG mit § 32 VI S. 1, 2. Hs. EStG realitätsgerecht in zwangsläufiger Höhe berücksichtigt.708

III. Zwischenergebnis Folgt man der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts und erkennt zwangsläufige, pflichtbestimmte Aufwendungen grundsätzlich steuerlich an, können einer solchen Kategorie andere Sonderausgaben als die erwerbsbedingten Kinderbetreuungskosten nicht zugerechnet werden. Insbesondere teilen die Berufsausbildungskosten diesen Charakter nicht. Bei einem solchen Verständnis der Zwangsläufigkeit ist es jedenfalls konsequent, einen Abzug nur insoweit zu fordern, als die Kosten erwerbsbedingt notwendig sind. Durch Abgrenzung der in diesem Sinne zwangsläufigen von den steuerlich unbeachtlichen Teilen der Privataufwendungen ist der abzugsfähige Betrag realitätsgerecht zu bestimmen. Dabei kommt dem Gesetzgeber ein Typisierungsspielraum zu, um ein unerwünschtes Eindringen in die Privatsphäre sowie einen erheblichen Nachweis- und Prüfaufwand zu vermeiden. Insbesondere können diejenigen Kostenanteile durch Abzugshöchstbeträge ausgegrenzt werden, die typischerweise nicht notwendig und daher der steuerlich unbeachtlichen Lebensführung zuzuordnen sind. Den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Anforderungen an die Berücksichtigung der erwerbsbedingten Kinderbetreuungskosten wird der Gesetzgeber gerecht. Durch das Zusammenwirken des Freibetrags i.S.v. § 32 VI S. 1, 2. Hs. EStG mit dem Sonderausgabentatbestand des § 10 I Nr. 5 EStG werden die Aufwendungen in realitätsgerechter Höhe berücksichtigt.

707

Ähnlich das Bundesverfassungsgericht zum Zusammenwirken von § 32 VI EStG und § 33c EStG in der Fassung v. 16. 08. 2001 (BGBl I 2001, 2074 [2076]), vgl. BVerfG v. 20. 10. 2010, 2 BvR 2064/08, HFR 2011, 208; Nolte, NWB 2012, 1508 (1513). Hingegen hält Jachmann, Anhörung vor dem Finanzausschuss des Deutschen Bundestages am 11. 05. 2011, S. 4; dies., Familienbesteuerung kompakt, S. 27 f., wegen der Aufwandsunabhängigkeit des Betreuungsfreibetrags eine Anrechnung bei den erwerbsbedingt notwendigen Kinderbetreuungskosten für unzulässig; ebenso ablehnend Schilling, Zwangsläufiger, pflichtbestimmter Aufwand in Ehe und Familie, S. 173 ff. 708 Heinicke, in: Schmidt, EStG, § 10 Rn. 87; Hutter, in: Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 10 EStG Rn. 353; Kulosa, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10 EStG Rn. 212. Zur inhaltsgleichen Abzugsbeschränkung der Vorläuferregelung § 9c EStG in der Fassung v. 08. 10. 2009 (BGBl I 2009, 3366 [3407 f.]), vgl. BFH v. 09. 02. 2012, III R 67/09, BStBl II 2012, 567 (568); v. 05. 07. 2012, III R 80/09, BStBl II 2012, 816 (819). A.A. Hey, NJW 2006, 2001 (2003 f.).

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3. Kap.: Abzug(sbeschränkungen) der Höhe nach

§ 9 Abzug zur Vermeidung einer doppelten Besteuerung Liegen dem Sonderausgabenabzug außerfiskalische Ziele zugrunde, findet der gesetzgeberische Spielraum bei der Ausgestaltung der Tatbestände der Höhe nach seine Grenze im Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.709 Eine Begrenzung der Belastungsunterschiede durch Abzugshöchstbeträge ist als ein grundsätzlich milderes Mittel anzusehen, wobei sich eine solche Regelung auch als gleich geeignet darstellen muss.710 Es erscheint jedoch zweifelhaft, ob Beschränkungen der Höhe nach auch dann verfassungsrechtlich zulässig sind, wenn den Tatbeständen der Gedanke der nachgelagerten Besteuerung zugrunde liegt, wie bei den Altersvorsorgeaufwendungen i.S.v. § 10 I Nr. 2 EStG. Es droht eine doppelte Besteuerung, da die Altersbezüge seit dem Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes711 am 01. 01. 2005 in vollem Umfang (ab 2040) der Besteuerung unterliegen.

I. Verbot einer doppelten Besteuerung Nach einem freiheitsrechtlichen Ansatz verbiete sich eine doppelte Besteuerung, da das Einkommen nach dem steuerlichen Zugriff einen besonderen Bestandsschutz durch Art. 14 I GG genieße.712 Dessen Vertreter stützen sich vor allem auf die von P. Kirchhof zu der Vermögenssteuer entwickelten These, dass das Vermögen die „Kontrollstellen der progressiven Einkommensteuern […] passiert [habe] und nach Zahlung in die Privatheit entlassen worden“713 sei. Diese hat schließlich im Beschluss zur Vermögenssteuer714 auch Eingang in die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gefunden. Jedoch erscheint zweifelhaft, ob die zu einer wiederkehrenden Sollertragsteuer entwickelten Grundsätze auf die Einkommensbesteuerung übertragen werden können. Anknüpfungspunkt für die Besteuerung im Einkommensteuerrecht ist der Zufluss von Einnahmen, die Zahlungsfähigkeit indizieren,

709 Vgl. zu den Anforderungen an die gleichheitsgerechte Ausgestaltung von Förderungsund Lenkungstatbeständen 2. Kapitel § 6 II. 1. b) cc) (S. 134 ff.). 710 Vgl. ausführlich zu den Abzugshöchstbeträgen bei Förderungs- und Lenkungstatbeständen 4. Kapitel § 11 II. (S. 178 ff.). 711 Gesetz zur Neuordnung der einkommensteuerlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen (BGBl I 2004, 1427). 712 Zur Altersbesteuerung Dreher, Das Alterseinkünftegesetz, S. 90 ff., 124; Gröpl, FR 2001, 620 (626); Hopf, Das Verbot der doppelten Besteuerung bei Alterseinkünften, S. 79; Ruland, in: Festschrift für Selmer, S. 889 (899 f.); Seer, StuW 1996, 323 (331); offenlassend Musil, StuW 2005, 278 (283). 713 P. Kirchhof, in: VVDStRL 39 (1981), 213 (248). 714 BVerfG v. 22. 06. 1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121.

§ 9 Abzug zur Vermeidung einer doppelten Besteuerung

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sodass eine schrittweise Konfiskation des Vermögens nicht droht.715 Anders als bei der Vermögenssteuer wird die Privatnützigkeit des Eigentums nicht generell in Frage gestellt. Jedenfalls kann Art. 14 GG nicht die Wertung entnommen werden, dass das Vermögen nach Besteuerung konsolidiert ist und nicht erneut der Besteuerung unterworfen werden darf. Eine solche Differenzierung ist weder im Wortlaut angelegt, noch lässt sie sich durch Auslegung begründen.716 Zweifelsohne kann der Staat nicht unbegrenzt zum Zwecke der Einnahmeerzielung auf die finanziellen Mittel der Bürger zugreifen. Verhältnismäßig ist nur eine solche Besteuerung, die dem Steuerpflichtigen zumindest den „Kernbestand des Erfolgs eigener Betätigung“717 belässt. Wo allerdings die Grenze zwischen der Sozialpflichtigkeit einerseits und der Privatnützigkeit andererseits verläuft, ist jenseits der Erdrosselung weitgehend ungeklärt.718 Die Einmaligkeit der Besteuerung ist hierfür jedenfalls kein taugliches Kriterium.719 Eine solche Grenze ist absolut und unflexibel, sodass sie dem Spannungsverhältnis, den verschiedenen in Ausgleich zu bringenden Interessen nicht angemessen Rechnung tragen kann. Solche strikten Verbote laufen, wie das Bundesverfassungsgericht bereits zum Halbteilungsgrundsatz entschieden hat, dem gesetzgeberischen Spielraum zuwider, den die Verfassung bei der Gewichtung der „Freiheitsbeeinträchtigung und des rechtfertigenden öffentlichen Interesses“720 eröffnet. Vielmehr lässt sich die Angemessenheit der Teilhabe nur anhand der Intensität der steuerlichen Belastung beurteilen. Für die Frage der Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit eines doppelten oder gar mehrfachen steuerlichen Zugriffs ist daher allein entscheidend, ob die Gesamtbelastung einen Umfang erreicht, der im Hinblick auf die Privatnützigkeit unverhältnismäßig ist. Ein generelles Verbot der doppelten Besteuerung lässt sich aus Art. 14 GG jedoch nicht ableiten. Ohnehin erscheint fragwürdig, ob die Auferlegung von Geldleistungspflichten dem Schutzbereich der Eigentumsfreiheit unterfällt.721 Es wird das Vermögen als solches belastet, welches keine konkrete Rechtsposition darstellt. Stellt man aus diesem Grunde subsidiär auf Art. 2 I GG ab, müssen die Grenzen der Besteuerung gleichermaßen beurteilt 715

In diesem Sinne kritisiert Böckenförde, Sondervotum zu BVerfG v. 22. 06. 1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (155), dass bei Annahme eines absoluten Bestandsschutzes für bereits versteuertes Vermögen nicht hinreichend berücksichtigt werden könne, welches Potential an Leistungsfähigkeit in ihm zum Ausdruck komme. 716 Böckenförde, Sondervotum zu BVerfG v. 22. 06. 1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (155). 717 BVerfG v. 25. 09. 1992, 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153 (169); v. 14. 06. 1994, 1 BvR 1022/88, BVerfGE 91, 93 (137). 718 Vgl. BVerfG v. 18. 01. 2006, 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97 (116). 719 Zutreffend Böckenförde, Sondervotum zu BVerfG v. 14. 06. 1994, 1 BvR 1022/88, BVerfGE 93, 121 (155); Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 450 f., stellt fest, dass sich die Verteilung der Belastung auf mehrere Eingriffsphasen nicht auf die Intensität der tatsächlichen Belastung auswirke. 720 BVerfG v. 18. 01. 2006, 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97 (115), zur Ablehnung der allgemeinen Verbindlichkeit eines sog. „Halbteilungsgrundsatzes“. 721 Vgl. zum Streitstand Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO Rn. 535 ff.

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3. Kap.: Abzug(sbeschränkungen) der Höhe nach

werden. Die Frage der Verhältnismäßigkeit stellt sich zwar in einem anderen Gewande, jedoch gelten entsprechende Maßstäbe. Folglich kann auch Art. 2 I GG nicht die zwingende Wertung eines Verbots doppelter Besteuerung entnommen werden.722 Jedoch ist es nicht mit dem Gebot gleicher steuerlicher Lasten vereinbar, wenn der Staat auf dasselbe Einkommen mehrfach zugreift.723 Die finanzielle Leistungsfähigkeit bemisst sich im Einkommensteuerrecht nach dem Vermögenszugang, der als solcher einmalig erfasst wird. Eine doppelte Besteuerung bedeutet eine ungleich stärkere Belastung bestimmter Steuerpflichtiger, die dem Folgerichtigkeitsgebot zuwider läuft. Dies gilt unabhängig davon, ob auf das Einkommen entsprechend der gesetzgeberischen Grundentscheidung im Zeitpunkt des erstmaligen Zuflusses oder ausnahmsweise nachgelagert zugegriffen wird.724 So kommt das Bundesverfassungsgericht im Urteil zur Pensionsbesteuerung zu dem zutreffenden Ergebnis, dass „[e]ine ,spätere‘ steuerliche Erfassung einer Vermögensmehrung [nur] […] in Betracht [kommt], wenn die Besteuerung zu einem – möglichen – früheren Zeitpunkt unterblieben ist oder ,aufgeschoben‘ wurde.“725 Im Hinblick auf die Altersbesteuerung lässt sich das Verbot der Doppelbesteuerung auch damit begründen, dass eine doppelte steuerliche Erfassung in der Vorsorge- und in der Versorgungsphase eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung (Art. 3 I GG) gegenüber solchen Fällen darstellt, die rein nachgelagert besteuert werden.726 Es widerspricht dem Gebot folgerichtiger Ausgestaltung der Systeme, dessen Beachtung Voraussetzung für das rechtlich zulässige Nebeneinander von vorund nachgelagerter Besteuerung ist, wenn die Bezüge auch insoweit besteuert werden, als sie aus steuerlich belasteten Beiträgen fließen. Entscheidend ist, so das Bundesverfassungsgericht im Urteil zur Pensionsbesteuerung, ob in der Erwerbsphase „eine ,Regelbesteuerung‘ ohne spezielle Vergünstigung“727 erfolgt ist.

722

A.A. wohl Wernsmann, NJW 2006, 1169 (1173). Dreher, Das Alterseinkünftegesetz, S. 89; Hey, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/ KStG, Einf. zum EStG, Rn. 49; Hopf, Das Verbot der doppelten Besteuerung bei Alterseinkünften, S. 75 f.; Musil, StuW 2005, 278 (283). 724 Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob die mit dem Besteuerungsverzicht in der Erwerbsphase verbundenen Progressions- und Zinsvorteile mit Art. 3 I GG vereinbar sind. Dies kann jedenfalls insoweit bejaht werden, als die Altersvorsorgeaufwendungen der Existenzsicherung im Alter dienen, vgl. hierzu bereits 1. Kapitel § 2 I. 1. d) (S. 30 ff.). 725 BVerfG v. 06. 03. 2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (123). 726 Vgl. BVerfG v. 06. 03. 2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (134 f.); v. 13. 02. 2008, 2 BvR 1220/04, 2 BvR 410/05, BVerfGE 120, 169 (176, 178). Vgl. hierzu auch Hopf, Das Verbot der doppelten Besteuerung bei Alterseinkünften, S. 73; Ruland, in: Festschrift für Selmer, S. 889 (899); Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO Rn. 511. 727 BVerfG v. 06. 03. 2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (129). 723

§ 9 Abzug zur Vermeidung einer doppelten Besteuerung

163

II. Abzugshöchstbeträge bei den Altersvorsorgeaufwendungen, § 10 III EStG Fraglich erscheint, ob die nachgelagerte Altersbesteuerung im geltenden Einkommensteuerrecht diesen Anforderungen genügt. Trotz der vollen Besteuerung der Altersbezüge ab dem Jahr 2040 können die Altersvorsorgeaufwendungen i.S.v. § 10 I Nr. 2 EStG nach § 10 III EStG nur der Höhe nach begrenzt berücksichtigt werden. Das maximale Abzugsvolumen bemisst sich nach dem Höchstbeitrag zur knappschaftlichen Rentenversicherung und liegt somit im Jahr 2016 bei 22767 E. Eine Doppelbesteuerung ist daher nicht nur in der Übergangsphase, für deren Ausgestaltung dem Gesetzgeber sicherlich ein großzügigerer Typisierungsspielraum einzuräumen ist, sondern auch für die Zeit danach möglich. Andererseits muss die steuerliche Begünstigung in der Erwerbsphase nicht auf jegliche Sparvorgänge für das Alter erstreckt werden. Die nachgelagerte Besteuerung eröffnet erhebliche Progressions- und Zinsvorteile, aufgrund derer auch missbräuchliche Steuergestaltungen drohen. Dieser Gefahr begegnet der Gesetzgeber zum einen durch eine sachliche Beschränkung auf Altersvorsorgeprodukte, bei welchen eine Verwendung zu anderen Zwecken als die Altersversorgung ausgeschlossen ist. Zum anderen wird der Abzug nach § 10 III EStG der Höhe nach auf einen solchen Aufwand begrenzt, der typischerweise zur Sicherung einer angemessenen Altersversorgung ausreichend ist. Dieser ist so hoch bemessen, dass Vorsorgemaßnahmen in einem Umfang berücksichtigt werden können, der die Höchstbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung sogar übersteigt. Wird trotzdem für eine solche „reine“ Alterssicherung ein höherer Aufwand betrieben, so ist die Einschätzung des Gesetzgebers nicht von der Hand zu weisen, dass ein solcher Aufwand den Anschein „missbräuchliche[r] Gestaltung“728 trägt.729 Aus diesem Grunde kann es in einem System der vollen nachgelagerten Besteuerung gerechtfertigt werden, die Alterseinkünfte trotz eines beschränkten Abzugs in voller Höhe zu berücksichtigen.730 Als problematischer er728

BR-Drs. 2/04, S. 38. Im Ergebnis ebenso BVerfG v. 14. 06. 2016, 2 BvR 290/10 Rn. 52 ff.; v. 14. 06. 2016, 2 BvR 323/10 Rn. 68 f.; Dreher, Das Alterseinkünftegesetz, S. 120 ff.; Hey, Stellungnahme zum Alterseinkünftegesetz vor dem Finanzausschuss am 28. 01. 2004, S. 10; Weber-Grellet, DStR 2004, 1721 (1726). Unter dem Blickwinkel eines Verstoßes gegen das objektive Nettoprinzip auch BFH v. 18. 11. 2009, X R 6/08, BStBl II 2010, 282 (287); v. 18. 11. 2009, X R 34/ 07, BStBl II 2010, 414 (419); v. 18. 11. 2009, X R 9/07, BFH/NV 2010, 412 (416); v. 09. 12. 2009, X R 28/07, BStBl II 2010, 348 (353); Förster, in: Festschrift für Wendt, S. 817 (820); Söhn, FR 2006, 905 (911), jedoch sprechen nach dessen Ansicht die „besseren Gründe“ gegen eine Abzugsbegrenzung der Höhe nach. A.A. Kulosa, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/ KStG, § 10 EStG Rn. 335. 730 A.A. Kulosa, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10 EStG Rn. 335. Offenlassend BVerfG v. 13. 02. 2008, 2 BvR 1220/04, 2 BvR 410/05, BVerfGE 120, 169 (178); v. 29. 09. 2015, 2 BvR 2683/11, BStBl II 2016, 310 (314); v. 30. 09. 2015, 2 BvR 1066/10, HFR 2016, 72; Fischer, in: Kirchhof, EStG, § 22 Rn. 44. Zuletzt hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass das Ziel der Missbrauchsvermeidung eine Abzugsbeschränkung der Höhe nach rechtfertigen kann. Unbeantwortet ist aber die Frage geblieben, ob trotz des beschränkten Abzugs eine volle Besteuerung der Altersbezüge zulässig, insbesondere mit dem Verbot der 729

164

3. Kap.: Abzug(sbeschränkungen) der Höhe nach

weisen sich die Übergangsregelungen, auch wenn dem Gesetzgeber bei einer grundlegenden Systemumstellung ein großer Typisierungsspielraum zuzuerkennen ist.731 Ohne eine solche Typisierungsbefugnis erscheint es wegen der Vielgestaltigkeit der Konstellationen kaum möglich, einen verwaltungseffizienten und schonenden Übergang hin zum neuen System der nachgelagerten Besteuerung zu schaffen.732 Die Aussage des Bundesverfassungsgerichts, dass eine doppelte Besteuerung „in jedem Fall“ vermieden werden müsse,733 wird daher nicht in dieser Absolutheit zu verstehen sein.734 Gleichwohl bestehen Zweifel, ob die Regelung der Abziehbarkeit in der Erwerbsphase und der Besteuerung in der Bezugsphase hinreichend aufeinander abgestimmt sind.735 Jedenfalls kann sich in der Erwerbsphase aus dem Verbot der Doppelbesteuerung kein Anspruch auf eine Berücksichtigung der Altersvorsorgeaufwendungen in einer bestimmten Höhe ergeben.736 Ein Verstoß gegen Art. 3 I GG kommt allenfalls in der Bezugsphase in Betracht, wenn die Alterseinkünfte gegebenenfalls doppelt besteuert werden. Daher kann erst zu diesem Zeitpunkt die Gleichheitswidrigkeit des § 10 III EStG im Zusammenwirken mit § 22 Nr. 1 S. 3 lit. a Doppelbuchstabe aa EStG geltend gemacht werden.737, 738

Doppelbesteuerung vereinbar ist, vgl. BVerfG v. 14. 06. 2016, 2 BvR 290/10 Rn. 54 ff.; v. 14. 06. 2016, 2 BvR 323/10 Rn. 69. 731 Vgl. BVerfG v. 06. 03. 2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (134), „weite[r] gesetzgeberische[r] Gestaltungsraum“; v. 29. 09. 2015, 2 BvR 2683/11, BStBl II 2016, 310 (314, 315), „weiter Gestaltungsspielraum“. 732 Ähnlich Musil, StuW 2005, 278 (284). 733 BVerfG v. 06. 03. 2002, 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (134 f.). 734 Ob eine solche Auslegung vor dem Hintergrund der neuesten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts noch haltbar ist, erscheint zweifelhaft, vgl. BVerfG v. 29. 09. 2015, 2 BvR 2683/11, BStBl II 2016, 310 (316); v. 14. 06. 2016, 2 BvR 290/10 Rn. 67; v. 14. 06. 2016, 2 BvR 323/10 Rn. 75, das von einem „strikte[n] Verbot der doppelten Besteuerung“ bzw. einer „strikten Vorgabe“ ausgeht. Auch nach Ruland, in: Festschrift für Selmer, S. 889 (907 f.), kann eine Doppelbesteuerung nicht durch die Notwendigkeit der Typisierung gerechtfertigt werden. 735 Vgl. Birk/Wernsmann, in: Alterssicherung und Besteuerung, § 9 Rn. 23 ff.; Dreher, Das Alterseinkünftegesetz, S. 131 ff.; zweifelnd Fischer, in: Kirchhof, EStG, § 22 Rn. 44; Hopf, Das Verbot der doppelten Besteuerung bei Alterseinkünften, S. 194 ff.; Ruland, in: Festschrift für Selmer, S. 889 (906 ff.); Wernsmann, in: Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung SGB VI, S. 783 (785 f.). A.A. Musil, StuW 2005, 278 (284). 736 BVerfG v. 13. 02. 2008, 2 BvR 1220/04, 2 BvR 410/05, BVerfGE 120, 169 (179). 737 BVerfG v. 14. 06. 2016, 2 BvR 290/10 Rn. 55 ff.; v. 14. 06. 2016, 2 BvR 323/10 Rn. 82 ff.; Förster, DStR 2010, 137 (142, 144); Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO Rn. 511; ders., in: Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung SGB VI, S. 783 (786). A.A. Dreher, Das Alterseinkünftegesetz, S. 111 ff.; Kulosa, in: Herrmann/ Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10 EStG Rn. 335, der jedoch auch einen Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip annimmt. 738 Die Frage, ob in der Versorgungsphase eine doppelte Besteuerung droht, ist eine solche der Besteuerung der Altersbezüge. Diese liegt außerhalb des Themas der vorliegenden Arbeit und wird daher nicht weiter erörtert.

4. Kapitel

Wirkungen des Sonderausgabenabzugs § 10 Vereinbarkeit der Wirkungen mit dem Grundgesetz bei einem Abzug von existenzsichernden Aufwendungen Die Berücksichtigung existenzsichernder Aufwendungen als Sonderausgaben entspricht der von weiten Teilen der Literatur vertretenen Forderung, das Existenzminimum durch einen Abzug von der Bemessungsgrundlage steuerfrei zu stellen. Dass diese Methode zwar systemgerecht, jedoch nur in bestimmten Konstellationen verfassungsrechtlich geboten ist, ist bereits erörtert worden. Außer Betracht geblieben ist in diesem Rahmen jedoch, dass die Wirkungen eines Abzugs von der Bemessungsgrundlage auch einige verfassungsrechtliche Fragen aufwerfen. So erscheint es „ungerecht“, dass die Entlastungswirkungen infolge des progressiven Tarifs mit steigender Leistungsfähigkeit zunehmen. Erhalten Besserverdiener höhere steuerliche Vorteile als Geringverdiener, wird auch die im Tarif zum Ausdruck kommende Umverteilungsentscheidung relativiert. Vereinzelt wird angenommen, dass es sich um eine dem Sozialstaatsprinzip zuwiderlaufende Umverteilung zugunsten von Besserverdienern handele.739 Schließlich können als Sonderausgaben abzugsfähige Aufwendungen, anders als Betriebsausgaben oder Werbungskosten, die als Verluste nach § 10d EStG auch in anderen Besteuerungsperioden wirksam werden, nicht vor- oder rückgetragen werden. Wie bei der Steuerfreistellung im Wege eines tariflichen Grundfreibetrags wird nur das gegenwärtige Existenzminimum berücksichtigt.

I. Keine überperiodische Berücksichtigung von existenzsicherndem Aufwand Das Existenzminimum wird nur bei denjenigen Steuerpflichtigen berücksichtigt, die im jeweiligen Kalenderjahr leistungsfähig sind. Ein Vor- oder Rücktrag in andere Besteuerungsperioden erscheint bei einem Abzug von der Bemessungsgrundlage zwar grundsätzlich möglich, jedoch ist ein Ausgleich im geltenden Einkommensteuerrecht nicht vorgesehen. Nach § 10d I, II EStG können nur negative Einkünfte 739

Bareis, DStR 2010, 565 (571); ders., DB 2012, 994 (997 f., 999).

166

4. Kap.: Wirkungen des Sonderausgabenabzugs

(vgl. § 2 II EStG) periodenübergreifend berücksichtigt werden. Fraglich ist, ob der Sonderausgabenabzug den verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Steuerfreistellung des Existenzminimums entspricht. 1. Subsidiarität sozialstaatlicher Leistungen, Art. 1 I GG i.V.m. Art. 20 I GG Eine Pflicht, das Existenzminimum auch periodenübergreifend zu berücksichtigen, könnte aus Art. 1 I GG i.V.m. Art. 20 I GG gegebenenfalls i.V.m. Art. 6 I GG folgen. Danach muss das für die Sicherung der eigenen und familiären Existenz gebundene Einkommen steuerlich unbelastet bleiben. Die Fähigkeit, den notwendigen Bedarf aus eigens erwirtschafteten Mitteln bestreiten zu können, darf nicht als Folge des steuerlichen Zugriffs beeinträchtigt sein. Die Inanspruchnahme sozialstaatlicher Leistungen ist subsidiär zur Eigenversorgung. Wenn es allerdings an entsprechenden Einnahmen fehlt, kann das gegenwärtige Existenzminimum ohnehin nicht selbst finanziert werden. Der Bedarf muss zwischenzeitlich anders – insbesondere durch Vermögensverzehr, Kreditaufnahme oder durch sozialstaatliche Leistungen – gedeckt werden. Daher kann die Steuerfreistellung eines entsprechenden Betrags „durch Vortrag“ in andere Veranlagungszeiträume nicht mehr das verfassungsrechtliche Gebot verwirklichen, dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit zu erhalten, die eigene und familiäre Existenz aus eigener Kraft zu sichern. Die steuerliche Entlastung muss „zeitnah“ gewährt werden, um nicht ihren Zweck zu verfehlen.740 Ferner können die zur Existenzsicherung erforderlichen Mittel nicht durch einen „Rücktrag“ generiert werden. Eine Steuererstattung könnte erst nach Ablauf der Besteuerungsperiode gewährt werden, sodass Sozialleistungen nicht entbehrlich würden. Der Bedarf müsste gleichwohl zwischenzeitlich anderweitig gedeckt werden. Zudem erscheint ein Rücktrag auch deshalb nicht geboten, weil der steuerliche Zugriff in den vorangegangenen Veranlagungszeiträumen den Anforderungen des Art. 1 I GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 I GG entsprochen hat. Zutreffend ist das periodenbezogene Existenzminimum in Erwartung künftiger Einnahmen von der Steuer freigestellt worden. Wegen eines späteren Einnahmeausfalls wird die Besteuerung nicht verfassungswidrig. Im Übrigen liefe ein Rücktrag der haushaltspolitisch notwendigen Planungs- und Rechtssicherheit zuwider.741 Ferner ist ein periodenübergreifender Ausgleich nicht erforderlich, um das gegenwärtige Existenzminimum anderer Veranlagungszeiträume von der Steuer freizustellen. Der existenzielle Bedarf ist in den nachfolgenden Kalenderjahren nicht erhöht, sodass es keines Vortrags bedarf. Selbst wenn eine finanzielle Lücke durch ein Darlehen überbrückt worden ist und die Tilgungszahlungen gegenwärtig den 740 BVerfG v. 25. 09. 1992, 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153 (180); ebenso Röder, Das System der Verlustverrechnung im deutschen Steuerrecht, S. 252 f. 741 Englisch, DStJG 37 (2014), 159 (184).

§ 10 Vereinbarkeit mit dem GG – existenzsichernde Aufwendungen

167

Steuerpflichtigen belasten, sichern derartige Aufwendungen – mögen sie auch mittelbar einen existenziellen Bedarf finanzieren742 – nicht die Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins. Notwendig haben die existenziellen Bedürfnisse zu einem früheren Zeitpunkt mit anderen Mitteln befriedigt werden müssen. Dieses Ergebnis stimmt auch mit den Wertungen des SGB II und des SGB XII überein. Deren Leistungsspektrum, das im Steuerrecht als quantifizierende Vergleichsebene heranzuziehen ist, umfasst Kredittilgungszahlungen nicht. Das Ausfallrisiko liegt allein bei den Gläubigern. Es kann nicht, auch nicht mittelbar durch Steuerfreistellung, vom Staat mitgetragen werden. Art. 1 I GG i.V.m. Art. 20 I GG gegebenenfalls i.V.m. Art. 6 I GG verpflichtet den Gesetzgeber nicht, das Existenzminimum periodenübergreifend zu berücksichtigen.743 2. Gebot der Besteuerungsgleichheit, Art. 3 I GG Es stellt sich sodann die Frage, ob es ein Gebot der Besteuerungsgleichheit ist, das Existenzminimum in anderen Veranlagungszeiträumen zu berücksichtigen. Art. 3 I GG fordert einen periodenübergreifenden Ausgleich, wenn die finanzielle Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen gemindert ist, obgleich das Existenzminimum nicht aus dem gegenwärtigen Einkommen bestritten wird. Unabhängig hiervon erscheint zweifelhaft, ob sich der Gesetzgeber innerhalb der Grenzen des Willkürverbots bewegt, wenn die Steuerfreistellung des Existenzminimums streng am Periodizitätsprinzip ausgerichtet wird. Die Höhe der steuerlichen Lasten hängt dann auch davon ab, ob regelmäßig ein zur Existenzsicherung ausreichendes Einkommen erzielt wird.744 Insgesamt werden diejenigen Steuerpflichtigen stärker belastet, deren Existenzminimum sich nicht in jedem Veranlagungszeitraum steuerlich auswirkt, weil sie schwankende Einkünfte erzielen. Diese gleichheitsrechtlichen Bedenken lassen sich nicht mit einem Hinweis auf das Periodizitätsprinzip ausräumen, obgleich es sich um ein materielles Prinzip – die Gleichheit der steuerlichen Lasten lässt sich nur bezogen auf einen bestimmten 742

So Englisch, DStJG 37 (2014), 159 (184). So auch das Bundesverfassungsgericht, das auf den Zweck der Steuerfreistellung des Existenzminimums abstellt, den gegenwärtigen im jeweiligen Kalenderjahr erforderlichen Bedarf zu decken, vgl. BVerfG v. 25. 09. 1992, 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153 (179 f.); v. 13. 02. 2008, 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125 (156). Ein periodenübergreifendes Steuerfreistellungsgebot lehnen auch der BFH v. 29. 04. 2005, XI B 127/04, BStBl II 2005, 609 (610 f.); Desens, FR 2011, 745 (746); Heuermann, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10d Rn. A 71; Ismer, DStJG 34 (2011), 91 (109 f.); P. Kirchhof, Einkommensteuergesetzbuch, S. 157 f.; Moes, Die Steuerfreiheit des Existenzminimums vor dem Bundesverfassungsgericht, S. 249; Röder, Das System der Verlustverrechnung im deutschen Steuerrecht, S. 252 f.; Wendt, DStJG 28 (2005), 41 (75), ab. A.A. Englisch, DStJG 37 (2014), 159 (183 f.); Homburg, FA 1995, 182 (193). 744 So Kempny, FR 2009, 470 (472); Schneider/Hoffmann, Information StW 2003, 182 (183); Steger, Die außergewöhnliche Belastung im Steuerrecht, S. 194. 743

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4. Kap.: Wirkungen des Sonderausgabenabzugs

Zeitraum verwirklichen – handelt.745 Dessen Durchbrechung kann nämlich geboten sein, wie sich auch bei den Verlusten gezeigt hat, um willkürliche Ergebnisse zu vermeiden. Eine Vergleichbarkeit der Steuerpflichtigen setzt allerdings voraus, dass Teile des Einkommens tatsächlich für die Existenzsicherung gebunden sind. Nur in diesem Fall kommt eine Minderung der finanziellen Leistungsfähigkeit in Betracht, die einen Vor- oder Rücktrag legitimieren könnte. Daher scheidet ein Anspruch auf Gleichbehandlung von vornherein aus, soweit die existenzsichernden Mittel in einkommensschwachen Jahren durch sozialstaatliche Leistungen oder durch Leistungen Dritter aufgebracht werden.746 Der Einzelne ist finanziell nicht belastet, seine Vermögenssphäre wird nicht nachteilig berührt. Anders stellt sich die Situation allerdings dar, wenn die existenziellen Bedürfnisse mit dem Vermögen oder durch Kredite finanziert werden. In beiden Konstellationen wird ein Teil des Einkommens für die Existenzsicherung verwendet. Das Vermögen rührt typischerweise aus Einkommen her, das in der Vergangenheit erzielt worden ist, während die Tilgungsraten mit dem künftig zu erzielenden Einnahmen finanziert werden. Im Ergebnis wird das Existenzminimum somit nicht minder aus dem eigenen Einkommen bestritten.747 Daher liegt es nahe, ein periodenübergreifendes Abzugsgebot gleichheitsrechtlich zu begründen. Jedoch liegt der Geltungsgrund des Gebots zur Steuerfreistellung des Existenzminimums nicht allein darin, eine relativ gleiche Belastung der Steuerpflichtigen zu verwirklichen. Vielmehr ist der steuerliche Zugriff absolut zurückzunehmen, weil das Einkommen für die Sicherung der eigenen und gegebenenfalls familiären Existenz gebunden ist. Es kann daher nur darauf ankommen, ob diese Erwägungen bei den Steuerpflichtigen gleichermaßen greifen. Dies ist zu verneinen. Da das Existenzminimum, wie vorgehend erörtert, nur gegenwärtig gedeckt werden kann, entfällt in anderen Besteuerungsperioden der Grund für die Steuerfreistellung und damit auch der Grund für einen Vor- oder Rücktrag.748 Darüber hinaus ließe sich eine so verstandene Gleichheit nur mit einem erheblichen Nachweis- und Prüfauf745 Vgl. 2. Kapitel § 4 II. 2. (S. 84) zur Leistungsfähigkeit innerhalb eines bestimmten Besteuerungsabschnitts als Anknüpfungspunkt einer an Art. 3 I GG ausgerichteten Besteuerung. 746 So auch Röder, Das System der Verlustverrechnung im deutschen Steuerrecht, S. 250 ff., der darauf abstellt, dass Steuerpflichtige mit schwankenden Einkünften begünstigt wären. Zum einen zögen sie Steuervorteile aus der periodenübergreifenden Berücksichtigung des Existenzminimums, zum anderen müssten gewährte Sozialleistungen nicht zurückbezahlt werden. Gegen diese Begründung lässt sich aber richtigerweise einwenden, dass selbstverständlich eine „Doppelverwertung“ ausgeschlossen werden muss, vgl. auch Englisch, DStJG 37 (2014), 159 (184 f.). 747 In diesem Sinne Englisch, DStJG 37 (2014), 159 (183 f.). Die für die Sicherung der Existenz verwendeten Einkommensteile befähigten nicht im Sinne des Art. 14 II S. 2 GG zur solidarischen Lastentragung. 748 Vgl. bereits Fn. 743 sowie Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 190; Reiff, DStZ 1998, 858 (861). A.A. Englisch, DStJG 37 (2014), 159 (183 f.); Hackmann, Die Besteuerung des Lebenseinkommens, S. 130; Palm, DStR 2002, 152 (160); Paus, BB 1988, 184 (185); Schneider/Hoffmann, Information StW 2003, 182 (184); Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 806.

§ 10 Vereinbarkeit mit dem GG – existenzsichernde Aufwendungen

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wand verwirklichen, der dem Erfordernis der Verwaltungspraktikabilität im steuerlichen Massenverfahren zuwiderliefe. Konsequent müsste die Höhe des Vortrags an die Höhe und die Fälligkeit der Kredittilgung(sraten) angepasst werden. Zudem müsste in jedem Einzelfall die Art der Zwischenfinanzierung ermittelt und nachgeprüft werden, ob die Kredite tatsächlich für die Sicherung der Existenz verwendet worden sind. Ein Eindringen in die Privatsphäre wäre unabdingbar. Das Gebot der Steuerfreistellung des Existenzminimums erfordert eine periodenübergreifende Wirksamkeit nicht. Daher ist der auf das Kalenderjahr begrenzte Sonderausgabenabzug insoweit verfassungsrechtlich unbedenklich.

II. Verfassungsmäßigkeit einer mit steigendem Einkommen progressiven Entlastung Es erscheint sozial ungerecht, wenn die Berücksichtigung des Existenzminimums zu einer stärkeren Entlastung höherer Einkommen im Vergleich zu niedrigeren Einkommen führt. Eine solche Wertung hat auch das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 23. 11. 1976749 bezogen auf den Kinderfreibetrag getroffen, der nach § 2 V EStG im Rahmen der Ermittlung der Bemessungsgrundlage berücksichtigt wird und wie der Sonderausgabenabzug progressiv entlastend wirkt: Es sei mit Art. 3 I GG vereinbar, anstelle eines Kinderfreibetrags allen Eltern einheitlich einen festen Geldbetrag als Kindergeld zu gewähren.750 Der Gesetzgeber dürfe oder müsse sich sogar von dem Anliegen leiten lassen, „die Ungleichheit der Startchancen, die an sich schon aus den verschiedenen Einkommensverhältnissen der Eltern folg[e], nicht noch [durch eine mit steigendem Einkommen progressiv entlastend wirkende Berücksichtigung des Existenzminimums] zu verstärken.“751 Hingegen hat sich das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 29. 05. 1990752 von dem Gedanken gelöst, dass bei höherem Einkommen auch eine kindbedingte Minderung der Leistungsfähigkeit leichter zu ertragen sei.753 Aus Gründen der horizontalen Steuergerechtigkeit – Vergleich von Steuerpflichtigen mit und ohne Kinder – müsse das Existenzminimum eines Kindes durch einen Abzug von der Bemessungsgrundlage Berücksichtigung finden. Die damit verbundene progressive Entlastung hält es für eine selbstverständliche Folge des progressiven Tarifs, ohne die Verfassungsmäßigkeit dieser Wirkung in Frage zu stellen.754 749

BVerfG v. 23. 11. 1976, 1 BvR 150/75, BVerfGE 43, 108. BVerfG v. 23. 11. 1976, 1 BvR 150/75, BVerfGE 43, 108 (124). 751 BVerfG v. 23. 11. 1976, 1 BvR 150/75, BVerfGE 43, 108 (124 f.). 752 BVerfG v. 29. 05. 1990, 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60. 753 BVerfG v. 29. 05. 1990, 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60 (89 f.); nachfolgend auch BVerfG v. 14. 06. 1994, 1 BvR 1022/88, BVerfGE 91, 93 (115 f.); v. 10. 11. 1998, 2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246 (264 f.). 754 BVerfG v. 29. 05. 1990, 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60 (90). 750

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4. Kap.: Wirkungen des Sonderausgabenabzugs

Indes drängt sich eine Prüfung der Verfassungsmäßigkeit am Maßstab von Art. 3 I GG geradezu auf, nimmt man die Entlastungsunterschiede in den Blick. Diese Wirkungen eines Abzugs von der Bemessungsgrundlage können jedoch nicht losgelöst von den steuerlichen Lasten beurteilt werden. Im Bereich des Steuerrechts unterliegt der Gesetzgeber dem Gebot der Besteuerungsgleichheit als bereichsspezifische Konkretisierung des Art. 3 I GG. Dies bedeutet einerseits, dass die für die Existenzsicherung gebundenen Teile des Einkommens – sei es eine zwingende Wertung der Verfassung oder nur eine folgerichtig umzusetzende Belastungsgrundentscheidung des Gesetzgebers – nicht Anknüpfungspunkt für die Besteuerung sind. Andererseits muss auch die für das belastbare Einkommen getroffene Belastungsentscheidung, durch das Zusammenwirken von Bemessungsgrundlage und Tarif, folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der mit steigendem Einkommen progressiv zunehmenden Entlastung bewegt sich somit im – wie sich noch zeigen wird: bloß scheinbaren – Spannungsverhältnis zwischen Belastungsgleichheit einerseits und Entlastungsgleichheit andererseits. Dieselbe Frage stellt sich auch bezogen auf die Erwerbsaufwendungen, bei denen jedoch die Vereinbarkeit der progressiven Entlastungswirkung mit Art. 3 I GG bzw. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 I GG – soweit ersichtlich – nicht in Zweifel gezogen wird. Dieses Spannungsverhältnis gilt es nun ausgehend von der gesetzgeberischen Belastungsentscheidung zu lösen. Dabei kommt der Entscheidung über das Besteuerungsmaß besondere Bedeutung zu. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen Besserverdiener nicht nur absolut, sondern auch relativ stärker belastet werden. Entsprechend wird der zunehmenden Leistungsfähigkeit durch einen progressiv steigenden Tarif begegnet. Anknüpfungspunkt für einen stärkeren steuerlichen Zugriff sind allerdings nur solche Einkommensteile, welche die steuerliche Leistungsfähigkeit erhöhen. Daher können – folgt man der ganz herrschenden Auffassung in der steuerjuristischen Literatur755 – die Teile des Einkommens, die für die Sicherung der eigenen und familiären Existenz gebunden und aus diesem Grunde nicht steuerbar sind, einen relativ stärkeren Zugriff nicht legitimieren.756 Versteht man das Gebot zur Steuerfreistellung weiter und hält einen Verbleib nach Steuern für ausreichend, handelt es sich um grundsätzlich steuerbares Einkommen. Gleichwohl werden diese Teile des Einkommens jedenfalls nach der gesetzgeberischen Belastungsgrundentscheidung nicht der progressiven Besteuerung unterworfen. Folgerichtig wirkt sich die Steuerfreistellung des Existenzminimums wegen des Tarifverlaufs dahingehend aus, dass die Entlastung mit steigendem Einkommen zunimmt. Es handelt sich um die notwendige Konsequenz einer am Maßstab des Art. 3 I GG ausgerichteten Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit. Auch in horizontaler Richtung kann nur eine progressive, nicht jedoch eine gleiche oder mit steigendem Einkommen sogar abnehmende Entlastung Steuergleichheit verwirkli755 756

Vgl. Fn. 465. So P. Kirchhof, in: Verhandlungen des 57. Deutschen Juristentages, Bd. I, F 1 (F 57).

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chen. Andernfalls würden Steuerpflichtige unterschiedlich belastet, die zwar nicht denselben Gesamtbetrag der Einkünfte haben, jedoch unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse gleich leistungsfähig sind.757 Die steuerlichen Lasten würden umso stärker divergieren, je mehr die gegriffene prozentuale Entlastung vom individuellen Grenzsteuersatz abwiche. Insbesondere kann auch eine gleiche Entlastung aller Steuerpflichtigen in Höhe des Eingangssteuersatzes nicht genügen, wenn an einem einheitlichen Tarif festgehalten wird.758 Faktisch bedeutet ein solcher Ansatz einen ungleich höheren Eingangssteuersatz für Steuerpflichtige, die für die eigene Existenz einen atypisch größeren Aufwand betreiben oder auch die Existenz ihrer Familie sichern müssen. Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass die gesetzgeberische Belastungsentscheidung nur dann folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt wird, wenn sich der Abzug existenzsichernder Aufwendungen von der Bemessungsgrundlage progressiv entlastend auswirkt.759 Insbesondere läuft eine dem Betrag nach identische Entlastung der Besteuerungsgleichheit zuwider.760 Auf eine gleiche, dem Grundsatz der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit entsprechende Lastenverteilung zielt die Steuerfreistellung des Existenzminimums jedoch ab. Es handelt sich um nicht belastbares Einkommen, das als solches dem steuerlichen Zugriff entzogen und nicht Anknüpfungspunkt der progressiven Besteuerung ist. Daher ist die auf diese Einkommensteile entfallende Steuerlast auszugrenzen. „Entlastungsgleichheit“ lässt sich folglich nicht im Wege identischer Entlastungsbeträge, sondern nur durch eine Entlastung in Höhe des individuellen Grenzsteuersatzes realisieren.761 Solche Entlastungswirkungen verwirklichen Belastungsgleichheit, nicht eine hiervon abweichende Entlastungsentscheidung.762 Die progressive Wirkung ist – von Art. 3 I GG geboten – notwendige

757 So auch Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 170 ff.; Englisch, DStJG 37 (2014), 159 (167); Steger, Die außergewöhnliche Belastung im Steuerrecht, S. 141 f. 758 A.A. Bareis, DStR 2010, 565 (572). 759 Indessen folgert Bareis, DStR 2010, 565 (567), aus der im Tarif zum Ausdruck kommenden Entscheidung des Gesetzgebers für eine stärkere Besteuerung höherer Einkommen, dass die Entlastung mit steigendem Einkommen zwingend nicht progressiv sein dürfe. Hierbei verkennt er jedoch, dass Geringverdiener ohnehin durch einen niedrigeren Steuersatz belastet sind und daher die Entlastung zur Steuerfreistellung des Existenzminimums folgerichtig von geringerem Umfang sein muss. 760 Hingegen stellt sich die progressive Entlastung als gleichheitsrechtlich bedenklich dar, wenn im Wege einer Steuervergünstigung außerfiskalische Zwecke verfolgt werden, vgl. hierzu 4. Kapitel § 11 III. (S. 184 ff.). Die verschiedenen Vorgaben für die Ausgestaltung der Tatbestände beruhen auf dem wesentlichen Unterschied, dass das Einkommen nicht belastbar ist, soweit es zur Deckung des erwerbs- und existenzsichernden Bedarfs gebunden ist. 761 Englisch, DStJG 37 (2014), 159 (167); P. Kirchhof, in: Verhandlungen des 57. Deutschen Juristentages, Bd. I, F 1 (F 57). Nach Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 43, und Lang, Die einfache und gerechte Einkommensteuer, S. 39, gilt es, die übermäßige, da auf das Existenzminimum zugreifende Besteuerung zu erfassen. 762 Ebenso Englisch, DStJG 37 (2014), 159 (167).

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4. Kap.: Wirkungen des Sonderausgabenabzugs

Folge der gesetzgeberischen Belastungsentscheidung.763 Es handelt sich nicht um eine der Belastungsgleichheit zuwiderlaufende Steuervergünstigung764, wie dies teilweise zum Kinderfreibetrag (§ 32 VI EStG i.V.m. § 2 V EStG) vertreten wird: Es solle ein Ausgleich für „standesgemäße“ Erziehungsaufwendungen765 und höhere Unterhaltsverpflichtungen766 geschaffen werden, die freilich von Verfassungs wegen nicht in der tatsächlich geschuldeten Höhe berücksichtigt werden müssen767.

III. Beeinträchtigung der Verteilungswirkungen eines progressiven Tarifs Die mit steigendem Einkommen progressiv zunehmende Steuerentlastung wirkt sich auch dahingehend aus, dass das Verhältnis höherer zu niedrigeren Einkommen nach Besteuerung größer ist, als es der Fall wäre, wenn das Existenzminimum außer Ansatz geblieben wäre.768 Solche umverteilenden Effekte zugunsten von Besserverdienern stellen nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung einen Verstoß gegen das Sozialstaatsprinzip des Art. 20 I GG769 dar.770 Hiergegen spricht jedoch schon, dass die progressiven Entlastungswirkungen und folglich auch die korrespondierenden Verteilungswirkungen, wie soeben gezeigt, ein Gebot der – auch durch 763 So auch 57. Deutscher Juristentag, Sitzungsberichte, Bd. II, N 214; Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 170 ff.; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 8 Rn. 43; dies., in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Einf. zum EStG, Rn. 45; Jachmann, Nachhaltige Entwicklung und Steuern, S. 237 f.; P. Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 2 Rn. A 606 ff., 684; ders., in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, § 118 Rn. 188; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 213; ders., Die einfache und gerechte Einkommensteuer, S. 39; Mellinghoff, in: Leitgedanken des Rechts, Bd. II, § 174 Rn. 14; Steger, Die außergewöhnliche Belastung im Steuerrecht, S. 141 f.; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 801 f.; Wendt, in: Festschrift für Käfer, S. 457 (468); Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 319; ders., in: Hübschmann/Hepp/ Spitaler, AO/FGO, § 4 AO Rn. 506. Auch nach Moes, Die Steuerfreiheit des Existenzminimums vor dem Bundesverfassungsgericht, S. 176, ist die progressive Entlastung zwingende Folge der gesetzgeberischen – nicht von Verfassungs wegen gebotenen – Entscheidung für das subjektive Nettoprinzip. A.A. Bareis, DStR 2010, 565 (567); ders., DB 2012, 994 (999); Bareis/Siegel, DB 2006, 748 (750 f.); Schneider, StuW 1984, 356 (363). 764 57. Deutscher Juristentag, Sitzungsberichte, Bd. II, N 214. 765 Knaupp, Der Einkommensteuertarif als Ausdruck der Steuergerechtigkeit, S. 163. 766 Giloy, FR 1986, 56 (59). 767 Vgl. BVerfG v. 29. 05. 1990, 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60 (87 f.); v. 10. 11. 1998, 2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91, BVerfGE 99, 216 (233); v. 10. 11. 1998, 2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246 (260); v. 16. 03. 2005, 2 BvL 7/00, BVerfGE 112, 268 (280 f.). 768 Zutreffend Bareis, DStR 2010, 565 (571); ders., DB 2012, 994 (997). 769 Vgl. zur Bedeutung des Sozialstaatsprinzips und dessen Wirkungsweise Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Rn. 2 ff., 18 ff. (VIII. Die Verfassungsentscheidung für die Sozialstaatlichkeit). 770 Bareis, DStR 2010, 565 (567, 571); ders., DB 2012, 994 (997 f.).

§ 10 Vereinbarkeit mit dem GG – existenzsichernde Aufwendungen

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das Sozialstaatsprinzip geprägten – gerechten Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit sind. Um jeglichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit auszuräumen, wird im Nachfolgenden ausgehend von der Bedeutung des Sozialstaatsprinzips bei der Erhebung von Steuern, also im Rahmen der nicht zweckgebundenen staatlichen Einnahmeerzielung, die Frage nach der Zulässigkeit der Verteilungswirkungen gesondert auch im Hinblick auf Art. 20 I GG erörtert. 1. Sozialstaatliche Umverteilung durch Besteuerung Eine am Maßstab von Art. 3 I GG orientierte Besteuerung erfordert nicht eine Belastung aller Steuerpflichtigen in Höhe desselben Betrags, sondern eine Differenzierung entsprechend ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit. Es ist Ausdruck einer durch das Sozialstaatsprinzip geprägten gerechten Besteuerung, wenn Besserverdiener in größerem Umfang zur Finanzierung der Staatstätigkeit herangezogen werden als Geringverdiener.771 Aus dem Grundgesetz lassen sich insoweit jedoch keine konkreten Vorgaben ableiten.772 Der Gesetzgeber hat einen weiten Gestaltungsspielraum, innerhalb dessen Grenzen er eine Umverteilungsentscheidung treffen kann.773 Als eine Entscheidung über das Maß der Umverteilung ist – ein progressiver Verlauf ist von Verfassungs wegen nicht zwingend774 – der Einkommensteuertarif i.S.v. § 32a I EStG zu qualifizieren. Dessen Progression hat auf der einen Seite eine dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 I GG entsprechende Umver771 BVerfG v. 24. 01. 1962, 1 BvR 845/58, BVerfGE 13, 331 (346); v. 15. 12. 1970, 1 BvR 559/70, 1 BvR 571/70, 1 BvR 586/70, BVerfGE 29, 402 (412); v. 09. 02. 1972, 1 BvL 16/69, BVerfGE 32, 333 (339); v. 15. 01. 2014, 1 BvR 1656/09, BVerfGE 135, 126 (144), zur Verschonung und zum Schutz schwächerer Schichten als Ausdruck sozialer Steuerpolitik; Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 142; Englisch, Wettbewerbsgleichheit im grenzüberschreitenden Handel, S. 577 f.; Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 9 ff.; dies., StuW 1998, 293 (295 f.); P. Kirchhof, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, § 118 Rn. 218 f.; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 165; Robbers, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 20 Abs. 1 Rn. 1381, 1404 ff., 1638; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 403 ff., 480 f. 772 In der Weimarer Reichsverfassung hingegen war das Leistungsfähigkeitsprinzip in Art. 134 WRV kodifiziert, dem konkrete Vorgaben für die Besteuerung entnommen werden konnten, vgl. dazu zuletzt Wernsmann, DVBl 2015, 1085 (1088). 773 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rn. 210 ff.; Robbers, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 20 Abs. 1 Rn. 1627. 774 Während BVerfG v. 24. 06. 1958, 2 BvF 1/57, BVerfGE 8, 51 (68 f.), einen progressiven Tarif als gleichheitsrechtlich geboten angesehen hat, betont das Bundesverfassungsgericht in seiner neueren Rechtsprechung, dass dem Gesetzgeber bei der Bestimmung des Steuersatzes ein weiter Gestaltungsspielraum zukommt, vgl. BVerfG v. 06. 12. 1983, 2 BvR 1275/79, BVerfGE 65, 325 (354); v. 15. 01. 2008, 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 (29 f.); v. 04. 02. 2009, 1 BvL 8/05, BVerfGE 123, 1 (19); v. 07. 07. 2010, 2 BvL 2/04, 2 BvL 14/02, 2 BvL 13/05, BVerfGE 127, 1 (27); v. 05. 11. 2014, 1 BvF 3/11, BVerfGE 137, 350 (366). Auch ein linearer Einkommensteuertarif ist grundsätzlich zulässig, vgl. BVerfG v. 27. 06. 1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (282), für Kapitaleinkünfte; v. 18. 01. 2006, 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97 (117).

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4. Kap.: Wirkungen des Sonderausgabenabzugs

teilung zur Folge.775 Das finanzielle Gefälle der Einkommen zueinander verringert sich im Verhältnis vor und nach Besteuerung. Auf der anderen Seite bewirkt der progressive Tarif, wird das Existenzminimum von der Bemessungsgrundlage abgezogen, dass Besserverdiener stärker entlastet werden als Geringverdiener. Das Verhältnis der Einkommen zueinander verändert sich zugunsten der leistungsfähigeren Steuerpflichtigen. 2. Verfassungsrechtlich zulässige Beeinträchtigung der Umverteilungswirkungen Ob eine solche Spreizung der Einkommensverhältnisse776 mit dem Sozialstaatsprinzip unvereinbar ist, erscheint jedoch zweifelhaft. Wegen der Unbestimmtheit dieses Prinzips777 ist dem Gesetzgeber ein weiter Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum zuzuerkennen778. Entsprechend steht es ihm grundsätzlich frei, den Umverteilungsmaßstab allgemein zugunsten von Besserverdienern zu ändern. Bedenken mögen insofern bestehen, als durch die Steuerfreistellung des Existenzminimums die im progressiven Tarif zum Ausdruck kommende Umverteilungsentscheidung punktuell modifiziert wird. Die umverteilenden Wirkungen des Tarifs verringern sich infolge der Steuerfreistellung entsprechend dem individuellen Grenzsteuersatz. Daher klaffen die Einkommensverhältnisse von Geringverdienern und Besserverdienern weiter auseinander. Dies ist jedoch nur folgerichtig, berücksichtigt man, dass der Gesetzgeber mit der Progression der steigenden Sozialfähigund -pflichtigkeit im höheren Einkommensbereich Rechnung trägt – sei dies aus fiskalischen oder sozialpolitischen Gründen.779 Die Einkommensteile, die für die eigene und familiäre Existenzsicherung gebunden sind, vermitteln kein absolut und relativ höheres, Sozialzwecken zur Verfügung stehendes Umverteilungspotential. Entsprechend führt die Berücksichtigung des Existenzminimums, wird das Umverteilungspotential als mit steigendem Einkommen progressiv zunehmend bewertet, folgerichtig zu einer Minderung der umverteilenden Wirkungen nach

775 Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 141 f.; Robbers, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 20 Abs. 1 Rn. 1492, 1503, 1630. 776 Bareis, DStR 2010, 565 (571). 777 BVerfG v. 19. 10. 1983, 2 BvR 485/80, 2 BvR 486/80, BVerfGE 65, 182 (193); BVerfG v. 13. 07. 2000, 1 BvR 395/00, NVwZ-RR 2001, 166 (167). 778 Vgl. BVerfG v. 13. 01. 1982, 1 BvR 848/77, 1 BvR 1047/77, 1 BvR 916/78, BVerfGE 59, 231 (263); v. 08. 10. 1985, 1 BvL 17/83, 1 BvL 19/83, BVerfGE 70, 278 (288); v. 22. 06. 1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (163) – Sondervotum Böckenförde; v. 27. 01. 1998, 1 BvL 15/ 87, BVerfGE 97, 169 (185); Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Rn. 18 (VIII. Die Verfassungsentscheidung für die Sozialstaatlichkeit); Robbers, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 20 Abs. 1 Rn. 1627. 779 Vgl. hierzu vertiefend Lammers, Die Steuerprogression im System der Ertragsteuern und ihr verfassungsrechtlicher Hintergrund, S. 80 ff., und Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 403 ff.

§ 10 Vereinbarkeit mit dem GG – existenzsichernde Aufwendungen

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Maßgabe des jeweiligen Grenzsteuersatzes.780 In vertikaler Richtung hat dies zur Folge, dass sich das Verhältnis der Einkommen von Geringverdienern zu Besserverdienern bei einem Vergleich mit und ohne Freistellung des Existenzminimums im oben dargestellten Sinne ändert. Folglich ist es nicht sozialwidrig781, dass die Verteilungswirkungen des progressiven Tarifs zugunsten von Besserverdienern beeinträchtigt werden. Vielmehr wird die sozialgerechte Umverteilungsentscheidung des Gesetzgebers folgerichtig verwirklicht, die an die Sozialpflichtig- und -fähigkeit des Einkommens anknüpft.782

IV. Vergleich mit den Wirkungen eines tariflichen Grundfreibetrags Die Wirkungen eines tariflichen Grundfreibetrags können im Hinblick auf den existenzsichernden Betrag oder im Hinblick auf die Einkommensteuerschuld mit denjenigen eines Abzugs von der Bemessungsgrundlage verglichen werden. Sofern man die Betrachtung auf den konkret zu berücksichtigenden Aufwand beschränkt, sind die Entlastungs- und Verteilungswirkungen unterschiedlich: Zum einen wird durch den tariflichen Grundfreibetrag die auf das sächliche Existenzminimum entfallende Einkommensteuer für alle Steuerpflichtigen auf 0 E bzw. der Einkommensteuersatz auf einheitlich 0,00 % festgesetzt.783 Anders als bei einem Abzug von der Bemessungsgrundlage ist die Entlastung unabhängig vom individuellen Grenzsteuersatz für alle gleich. Zum anderen treten in der tariflichen Nullzone selbstredend keine Umverteilungseffekte auf. Bedenklich sind diese Wirkungen des § 32a I S. 2 Nr. 1 EStG wegen der vorgehend gefundenen Ergebnisse. Die mit steigendem Einkommen progressive Entlastung ist ein Gebot der Belastungsgleichheit; die Umverteilung zugunsten der Besserverdiener entspricht der tariflichen Umverteilungsentscheidung. Zudem erscheint es fragwürdig, dass sich die Methoden, die gleichermaßen die Steuerfreistellung des Existenzminimums bezwecken, unterschiedlich entlastend auswirken.784 Zu einem anderen Ergebnis kommt man jedoch, wenn die Wirkungen bezogen auf die Einkommensteuerschuld untersucht werden: Unter der Prämisse, dass ein Tarif ohne Nullzone im Übrigen identisch ist, also der Graph der Steuerfunktion nur 780

A.A. Bareis, DStR 2010, 565 (571); ders., DB 2012, 994 (997 f.). Nach Schneider, StuW 1984, 356 (363), und Siegel/Schneider, DStR 1994, 597 (601), läuft der Abzug von der Bemessungsgrundlage dem Umverteilungsziel zuwider. 781 So aber Bareis, DB 2012, 994 (997). 782 So wohl auch Jachmann, StuW 1998, 293 (296), wenn diese bei Versagung eines Abzugs von der Bemessungsgrundlage eine entsprechende Umverteilungskorrektur durch Tarifgestaltung oder Abzug von der Steuerschuld fordert. 783 Vgl. Moes, Die Steuerfreiheit des Existenzminimums vor dem Bundesverfassungsgericht, S. 64. 784 Vgl. Wernsmann, NJW 2009, 3681.

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4. Kap.: Wirkungen des Sonderausgabenabzugs

entlang der x-Achse verschoben wird, sind die Entlastungswirkungen gleich.785 Es macht keinen Unterschied, ob erst ein den existenzsichernden Betrag x übersteigendes zu versteuerndes Einkommen dem Tarif ungleich 0,00 % unterworfen oder ob dieser ab dem ersten hinzuverdienten Euro auf den um den Betrag x gekürzten Gesamtbetrag der Einkünfte angewendet wird.786 Die Steuerersparnis nimmt beim Grundfreibetrag wie bei einem Abzug von der Bemessungsgrundlage mit steigendem Einkommen progressiv zu. Als notwendige Folge der progressiven Entlastung findet eine Umverteilung zugunsten von Besserverdienern statt. Allein letztere Wirkungen sind maßgeblich, weil es sich im Übrigen nur um solche handelt, die sich im Rahmen der Ermittlung der Einkommensteuer zeigen und ohne Einfluss auf die Steuerschuld sind. Die Methoden – der Abzug von der Bemessungsgrundlage und der tarifliche Grundfreibetrag – verwirklichen grundsätzlich gleichermaßen das Gebot der Steuerfreistellung des Existenzminimums, die Belastungsgrund- sowie die tarifliche Umverteilungsentscheidung. Zutreffend führt Homburg787 aber aus, dass die Wirkungen im geltenden Einkommensteuerrecht divergieren können, wenn im Rahmen des Progressionsvorbehalts nach § 32b EStG steuerfreie Einnahmen berücksichtigt werden.788

V. Zwischenergebnis Die Wirkungen des Sonderausgabenabzugs sind verfassungsrechtlich unbedenklich, sofern existenzsichernde Aufwendungen steuerwirksam werden. Zwar eröffnet der Abzug von der Bemessungsgrundlage im Unterschied zu einer tariflichen Regelung grundsätzlich die Möglichkeit, das Existenzminimum auch periodenübergreifend zu berücksichtigen, aber das Gebot der Steuerfreistellung des Existenzminimums erfordert einen solchen Ausgleich anders als das objektive Nettoprinzip für einen Überschuss erwerbsbezogener Aufwendungen über die Einnahmen nicht. Vielmehr kann der existenzielle Bedarf nur gegenwärtig gedeckt werden, sodass eine Minderung der Leistungsfähigkeit ausschließlich zu diesem Zeitpunkt eintreten kann. Daher ist es mit dem Grundgesetz vereinbar, wenn die als Sonderausgaben abzugsfähigen existenzsichernden Aufwendungen nur in dem Veranlagungszeitraum berücksichtigt werden, in welchem sie entstehen. Ein Voroder Rücktrag in andere Besteuerungsperioden ist nicht geboten. Die Entlastungsund Verteilungswirkungen eines Abzugs von der Bemessungsgrundlage erwecken 785

S. 65.

Moes, Die Steuerfreiheit des Existenzminimums vor dem Bundesverfassungsgericht,

786 Moes, Die Steuerfreiheit des Existenzminimums vor dem Bundesverfassungsgericht, S. 63 ff.; zur grundsätzlichen Äquivalenz der Freistellungsmethoden Homburg, FA 1995, 182 (189). Vgl. hierzu auch 2. Kapitel § 5 V. 3. b) und c) (S. 122 f.). 787 Homburg, FA 1995, 182 (190 ff.), der die Äquivalenz richtigerweise auch dann verneint, wenn existenzsichernde Aufwendungen – anders als im geltenden Recht – periodenübergreifend berücksichtigt würden. 788 Vgl. dazu ausführlich 2. Kapitel § 5 V. 3. c) (S. 123).

§ 11 Vereinbarkeit mit Art. 3 I GG – Förderungs- und Lenkungstatbestände

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den Anschein der „Ungerechtigkeit“, gleichwohl entsprechen sie der gesetzgeberischen Belastungs- und Umverteilungsentscheidung. Das für die Existenzsicherung gebundene Einkommen ist nicht Anknüpfungspunkt für einen stärkeren steuerlichen Zugriff, wie er im progressiven Tarif zum Ausdruck kommt. Daher ist eine Entlastung in Höhe des individuellen Grenzsteuersatzes einzig folgerichtig und zur Verwirklichung von Belastungsgleichheit geboten. Gleichermaßen zwingend ist es, dass sich die Verteilungswirkungen eines progressiven Tarifs zugunsten von Besserverdienern ändern.

§ 11 Vereinbarkeit der Wirkungen mit Art. 3 I GG bei Förderungs- und Lenkungstatbeständen I. Dreidimensionale Gleichheitssatzrelevanz Im Hinblick auf Art. 3 I GG erscheint es problematisch, wenn der Gesetzgeber außerfiskalische Zwecke im Wege des einkommensteuerrechtlichen Sonderausgabenabzugs zu erreichen sucht. Werden Aufwendungen aus Förderungs- bzw. Lenkungsgründen steuermindernd berücksichtigt, so liegt darin eine Abweichung von der gesetzgeberischen Belastungsentscheidung für eine Besteuerung der Nettoeinkünfte abzüglich der existenzsichernden Aufwendungen. Die Gleichheit der steuerlichen Lasten der begünstigten im Vergleich zu den nichtbegünstigten Steuerpflichtigen wird beeinträchtigt. Zu einer Verschärfung führt hierbei, dass die Entlastungswirkungen eines Abzugs von der Bemessungsgrundlage vom individuellen Grenzsteuersatz abhängen und daher mit zunehmendem Einkommen progressiv steigen. Dies hat zum einen zur Folge, dass die Belastungsunterschiede auf horizontaler Ebene mit steigendem Einkommen wachsen. Zum anderen wird in vertikaler Richtung die Gleichheit der steuerlichen Lasten umso stärker beeinträchtigt, je leistungsfähiger der begünstigte Steuerpflichtige ist. Nur wenn diese Unterschiede in der steuerlichen Belastung vor Art. 3 I GG gerechtfertigt werden können, kann der Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums zur Erzielung außerfiskalischer Zwecke einen Sonderausgabenabzug gewähren. Darüber hinaus wirkt sich eine solche Begünstigung innerhalb des Adressatenkreises unterschiedlich aus. Die Höhe des steuerlichen Vorteils ist nicht für alle begünstigten Steuerpflichtigen gleich, sondern hängt von den Einkommensverhältnissen ab. Der Steuerwirksamkeit der Sonderausgaben im Rahmen der Bemessungsgrundlage ist es immanent, dass die Entlastung wegen des progressiven Tarifs mit zunehmendem Einkommen steigt. Diese Entlastungsunterschiede wirken sich auch innerhalb des Kreises der begünstigten Steuerpflichtigen nachteilig auf die vertikale Steuergleichheit aus. Ferner differenziert der Gesetzgeber bei einigen Sonderausgabentatbeständen hinsichtlich des Abzugsvolumens. Insbesondere wird im Rahmen des § 10b I EStG der abzugsfähige Betrag in Abhängigkeit vom Gesamtbetrag der Einkünfte bzw. der Summe der Umsätze bestimmt, wodurch Bes-

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4. Kap.: Wirkungen des Sonderausgabenabzugs

serverdiener in größerem Umfang Aufwendungen steuermindernd geltend machen können als Geringverdiener. Schließlich ist der Adressatenkreis durch die Wahl des Mittels, der einkommensteuerrechtlichen Förderung bzw. Lenkung, zwingend auf leistungsfähige Bürger begrenzt. Einen finanziellen Vorteil erhalten nur Steuerpflichtige, deren Gesamtbetrag der Einkünfte über dem Existenzminimum liegt. Andernfalls ist das Einkommen ohnehin von der Steuer freigestellt, sodass der Sonderausgabenabzug tatsächlich keine steuerbegünstigende Wirkung entfalten kann. Die Bemessungsgrundlage kann nur bis zum Betrag von 0 E gemindert werden, ein Vor- oder Rücktrag wie auch eine negative Einkommensteuer sind nicht vorgesehen. Der darin liegende inzidente Begünstigungsausschluss nicht leistungsfähiger Bürger muss den Anforderungen des Art. 3 I GG genügen, will der Gesetzgeber im Wege eines Sonderausgabenabzugs außerfiskalische Zwecke verfolgen. Gleichheitsrechtliche Relevanz erlangt die Förderung bzw. Lenkung durch Berücksichtigung von Privataufwendungen nach § 2 IV EStG i.V.m. §§ 10 ff. EStG also nicht nur im Verhältnis der begünstigten zu den nichtbegünstigten Steuerpflichtigen, sondern auch innerhalb des Adressatenkreises sowie im Hinblick auf den inzidenten Ausschluss nicht leistungsfähiger Bürger von der Begünstigung. Inwieweit Art. 3 I GG den Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers konturiert, wird zunächst hinsichtlich des Abzugsvolumens (II.) untersucht. Im Weiteren werden die Zulässigkeit und die Grenzen einer Förderung bzw. Lenkung im Hinblick auf die progressive Entlastungswirkung des Sonderausgabenabzugs (III.) und den systemimmanenten Begünstigungsausschluss von Nicht-Steuerschuldnern (IV.) erörtert.

II. Abzugshöchstbeträge Eine Vielzahl der Sonderausgaben, die aus Förderungs- bzw. Lenkungsgründen berücksichtigt werden, können nur der Höhe nach begrenzt abgezogen werden. Lediglich die Aufwendungen i.S.v. § 10 Ia Nr. 2, 3 und 4 EStG werden in vollem Umfang steuerwirksam. Dies wirft die Frage auf, welchen verfassungsrechtlichen Grenzen der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Förderungs- und Lenkungstatbestände hinsichtlich des Abzugsvolumens unterliegt. 1. Wirkung im Verhältnis der nichtbegünstigten zu den begünstigten Steuerpflichtigen Bei der Ausgestaltung der Förder- und Lenkungstatbestände ist der Gesetzgeber im Sinne der Verhältnismäßigkeit streng an den Gleichheitssatz gebunden.789 Aus diesem Grunde ist der Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum auch bei der Frage 789

Vgl. 2. Kapitel § 6 II. 1. b) cc) (S. 134 ff.).

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eng, ob solche Aufwendungen in vollem Umfang oder nur der Höhe nach begrenzt als Sonderausgaben abziehbar sein sollen. Im Spannungsverhältnis zwischen dem Grundsatz gleicher steuerlicher Lasten und dessen Durchbrechung zur Verwirklichung außerfiskalischer Ziele wird eine Beschränkung des Abzugs der Höhe nach in einer Vielzahl der Fälle verfassungsrechtlich geboten sein. Gewiss darf eine Begrenzung der Belastungsunterschiede mittels eines Abzugshöchstbetrags nicht zulasten der zur Rechtfertigung erforderlichen Eignung gehen. Die Förderungs- bzw. Lenkungstatbestände sind der Höhe nach zumindest so auszugestalten, dass die Verwirklichung der außerfiskalischen Ziele gefördert wird.790 Es genügt, wie das Bundesverfassungsgericht auch im Urteil zur Erbschaftsteuer ausgeführt hat, ein geringer Beitrag zur791 als auch die bloße Möglichkeit792 der Zweckerreichung. Zugleich müssen die Belastungsunterschiede zwischen den begünstigten und den nichtbegünstigten Steuerpflichtigen auf das zur Zweckerreichung erforderliche Maß begrenzt werden.793 Daher genügt ein unbeschränkter Abzug von Aufwendungen den Anforderungen des Art. 3 I GG nur dann, wenn die außerfiskalischen Ziele nicht in gleicher Weise durch einen der Höhe nach begrenzten, die Belastungsgleichheit weniger beeinträchtigenden Abzug erreicht werden können und die Maßnahme angemessen ist.794 Bei der Beurteilung der Geeignetheit und der Erforderlichkeit ist dem Gesetzgeber allerdings eine Einschätzungsprärogative zuzuerkennen, sodass diese Entscheidungen nur beschränkt überprüft werden können.795 Die Abzugshöchstbeträge der hier interessierenden Sonderausgaben erscheinen unter Berücksichtigung des gesetzgeberischen Einschätzungsspielraums als sachgerecht. Aber auch bei den der Höhe nach unbeschränkt abzugsfähigen Sonderausgaben sind die daraus resultierenden unterschiedlichen Lasten nicht offensicht790

Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 19 Rn. 76. Vgl. BVerfG v. 17. 12. 2014, 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136 (189). 792 BVerfG v. 17. 12. 2014, 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136 (189). Ebenso bereits BVerfG v. 03. 09. 2009, 1 BvR 2384/08, NVwZ 2010, 313 (317). 793 So auch Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 345; Vogel, in: Festschrift für Ipsen, S. 539 (552 f.); Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 248. BVerfG v. 03. 09. 2009, 1 BvR 2384/08, NVwZ 2010, 313 (317), prüft die kommunale Spielgerätesteuer dahingehend, ob nicht die gleiche Lenkungswirkung durch einen weniger belastenden Mindeststeuerbetrag erreicht werden kann. 794 In diesem Sinne hat das Bundesverfassungsgericht zur erbschaftsteuerlichen Privilegierung von Betriebsvermögen durch weitgehende oder vollständige Steuerfreistellung entschieden: Neben der Eignung der steuerlichen Vergünstigung zur Erreichung eines legitimen Zwecks sei Voraussetzung, dass „kein anderes Mittel zur Verfügung steh[e], mit dem der Gesetzgeber unter Bewirkung geringerer Ungleichheiten das angestrebte Regelungsziel gleich wirksam erreichen oder fördern [könne]“. Ferner müsse das Maß der Privilegierung in einem „angemessene[n] Verhältnis zur Bedeutung des mit der Differenzierung verfolgten Ziels und zu dem Ausmaß und Grad der Zielerreichung“ stehen, vgl. BVerfG v. 17. 12. 2014, 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136 (190, 197). 795 BVerfG v. 03. 09. 2009, 1 BvR 2384/08, NVwZ 2010, 313 (316 f.); v. 15. 01. 2014, 1 BvR 1656/09, BVerfGE 135, 126 (153); v. 17. 12. 2014, 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136 (189 f.). 791

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4. Kap.: Wirkungen des Sonderausgabenabzugs

lich zur Zweckerreichung ungeeignet oder nicht erforderlich. Der vollumfängliche Abzug der auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Versorgungsleistungen i.S.v. § 10 Ia Nr. 2 EStG kann als geeignet, erforderlich und angemessen beurteilt werden, die Versorgung unter Erhaltung der fortzuführenden Wirtschaftseinheit zu sichern. Entsprechendes gilt für den Abzug der Leistungen im Rahmen bzw. zur Vermeidung des Versorgungsausgleichs, wodurch die Folgen der nachehelichen Vermögensauseinandersetzung abgemildert werden sollen. Insofern bestehen faktische Grenzen, aufgrund derer die steuerbaren Einkünfte nicht beliebig steuerwirksam auf den ausgleichsberechtigten Ehegatten bzw. Lebenspartner verlagert werden können. Diese bestimmen sich nach den Regelungen des Versorgungsausgleichsgesetzes bzw. einer entsprechenden Vereinbarung, welche wegen der entgegengesetzten Interessen der Parteien typischerweise nicht beliebige Steuergestaltungen ermöglicht. 2. Differenzierung innerhalb des Kreises der Begünstigten Die Belastungsgleichheit ist nicht nur im Verhältnis der begünstigten zu den nichtbegünstigten Steuerpflichtigen, sondern auch innerhalb des Kreises der Begünstigten zu wahren. Daher müssen die steuerlichen Vorteile allen Adressaten grundsätzlich in gleicher Weise, insbesondere in gleicher Höhe gewährt werden. In diesem Sinne ist der Abzugshöchstbetrag beispielsweise bei den Berufsausbildungsaufwendungen gemäß § 10 I Nr. 7 S. 1 EStG und den Altersvorsorgeaufwendungen nach § 10 III EStG sowie § 10a I EStG für alle Steuerpflichtigen gleich. Differenziert der Gesetzgeber hingegen hinsichtlich des Abzugsvolumens zwischen den Begünstigten, so muss eine solche Gestaltung vom Förderungs- und Lenkungszweck getragen sein. Die Unterschiede der Höhe nach müssen zur Verwirklichung der außerfiskalischen Ziele geeignet und erforderlich sein. Zudem müssen die verfolgten Förderungs- und Lenkungszwecke in einem angemessenen Verhältnis zu den – durch die verschiedenen Abzugsvolumina bedingten – Belastungsunterschieden innerhalb des begünstigten Personenkreises stehen. Dies gilt auch dann, wenn der Gesetzgeber mittelbar differenziert, indem zwar für alle Steuerpflichtigen identische Abzugsbeträge bestimmt, diese jedoch so hoch bemessen werden, dass sie ausschließlich von Besserverdienern voll ausgeschöpft werden können. Auch solch ein faktisch ungleich höheres Steuerminderungspotential muss den Erfordernissen der Verhältnismäßigkeit entsprechen. In diesem Sinne hat das Bundesverfassungsgericht zur Abziehbarkeit von Parteispenden entschieden, wobei es nicht wie hier auf das Gebot der gleichheitsgerechten Ausgestaltung des Vergünstigungstatbestands abgestellt hat, sondern auf die streng formalen Grundsätze der Chancengleichheit der Parteien und des Rechts des Bürgers auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung.796 796 BVerfG v. 09. 04. 1992, 2 BvE 2/89, BVerfGE 85, 264 (316); bereits in einem obiter dictum BVerfG v. 24. 07. 1979, 2 BvF 1/78, BVerfGE 52, 63 (91).

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Als gleichheitsgerecht kann es angesehen werden, dass die sonstigen Kinderbetreuungskosten und das Schulgeld innerhalb eines absoluten Höchstbetrags sowie die Aufwendungen für Kulturgüter, Baudenkmäler u. ä. i.S.v. §§ 10f, 10g EStG nur prozentual bzw. anteilig berücksichtigt werden. Eine solche Gestaltung hat zwar die Wirkung, dass Steuerpflichtige mit höheren Aufwendungen einen proportional höheren Betrag steuerwirksam geltend machen können, dies kann aber vor Art. 3 I GG gerechtfertigt werden. Die Differenzierung trägt nämlich der Tatsache Rechnung, dass der Förderbedarf mit zunehmendem Aufwand steigt. Aus diesem Grunde ist es beispielsweise zulässig, dass Eltern, die jährliche Kinderbetreuungskosten in Höhe von 900 E zu tragen haben, nur 600 E als Sonderausgaben abziehen können, während andere Eltern 900 E berücksichtigen können, wenn sie für die Kinderbetreuung einen Aufwand von insgesamt 1350 E betreiben. Bei den Kinderbetreuungskosten legitimieren sich die unterschiedlichen Abzugsvolumina zudem durch den Gedanken, dass es allen Steuerpflichtigen zumutbar ist, einen gleichen Bruchteil des tatsächlichen Aufwands selbst zu tragen797. Die Regelung verwirklicht die willkürfreie gesetzgeberische Entscheidung, dass die Förderwürdigkeit erst jenseits eines im vorgehenden Sinne definierten Selbstbehalts einsetzt. Problematisch erscheint es hingegen, wenn der Abzugshöchstbetrag wie in § 10b I EStG für die Zuwendungen zur Förderung steuerbegünstigter Zwecke in Abhängigkeit von der Höhe des Gesamtbetrags der Einkünfte bzw. der Summe der gesamten Umsätze einschließlich der im Kalenderjahr aufgewendeten Löhne und Gehälter bestimmt wird.798 Dadurch können leistungsfähigere Steuerpflichtige in größerem Umfang an der steuerlichen Vergünstigung teilhaben als weniger leistungsfähige Steuerpflichtige. Es wird die Belastungsgleichheit innerhalb des Kreises der Begünstigten beeinträchtigt, weil das Steuerminderungspotential mit steigendem Einkommen bzw. mit steigenden Umsätzen zunimmt. Verschärfend tritt die progressive Entlastungswirkung799 hinzu. Das Bundesverfassungsgericht800 hat für den Parteispendenabzug von der Höhe der Einkünfte bzw. der Summe der Umsätze abhängige Höchstbeträge als mit Art. 3 I GG unvereinbar erklärt. Der Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien und das Recht des Bürgers auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung verlangten, „da[ss] allen Bürgern in gleicher Weise die Möglichkeit offensteh[e], die steuerliche Begünstigung der von ihnen erbrachten Zuwendungen und den damit verbundenen Steuervorteil in Anspruch zu nehmen“801. Außerhalb der Geltung der parteispezifischen Grundsätze kann allein bzw. muss 797 Nach Auffassung der Koalitionsfraktionen ist es sozial gerecht, wenn „alle Haushalte mit Kindern gleichermaßen von dem Selbstbehalt in Höhe eines Drittels der Aufwendungen betroffen [sind]“, BT-Drs. 16/974, S. 7. 798 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, § 1 Rn. 67. 799 Vgl. zu den verfassungsrechtlichen Grenzen einer progressiven Entlastung nachfolgend 4. Kapitel § 11 III. (S. 184 ff.). 800 BVerfG v. 14. 07. 1986, 2 BvE 2/84, 2 BvR 442/84, BVerfGE 73, 40 (78 f., 84, 105), und als obiter dictum bereits in BVerfG v. 24. 07. 1979, 2 BvF 1/78, BVerfGE 52, 63 (91). 801 BVerfG v. 14. 07. 1986, 2 BvE 2/84, 2 BvR 442/84, BVerfGE 73, 40 (79).

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darauf abgestellt werden, ob die Festsetzung unterschiedlicher Abzugsvolumina den gleichheitsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung von Förderungs- und Lenkungstatbeständen entspricht, also verhältnismäßig ist. Für die Höchstbetragsregelung in § 10b I EStG kann dies bejaht werden.802 Zum einen trägt sie der Tatsache Rechnung, dass die Zuwendungsempfänger regelmäßig auch auf größere Spenden angewiesen sind, welche typischerweise nur von Besserverdienern erbracht werden können. Für diesen Personenkreis schafft die Regelung einen Anreiz, Zuwendungen auch in größerem Umfang zu tätigen. Zum anderen wird ein gleichmäßiges Steueraufkommen gesichert803, indem der Spendenabzug bei allen Steuerpflichtigen der Höhe nach begrenzt wird. Kein Steuerpflichtiger kann sich, sofern die Einkünfte nicht im Grenzbereich zum Existenzminimum liegen, durch seine Freigiebigkeit von der Steuerschuld freizeichnen, wenn der Abzugshöchstbetrag in Abhängigkeit vom Gesamtbetrag der Einkünfte bzw. von der Summe der Umsätze bemessen wird. Überdies besteht die Möglichkeit eines Vortrags nach § 10b I S. 9 EStG, sodass sich die unterschiedlichen Abzugsbeträge bei einer periodenübergreifenden Betrachtung regelmäßig nicht mehr auswirken werden. 3. Höchstbetragsregelung als Umgrenzung des begünstigten Personenkreises Im Bereich der Sonderausgaben wirken Abzugshöchstbeträge allerdings nicht nur als quantitative Begrenzung, sondern auch als eine solche des Adressatenkreises der Steuervergünstigung. So können nach § 10 I Nr. 3a EStG zwar formal alle Steuerpflichtigen nicht existenzsichernde Vorsorgeaufwendungen steuerwirksam geltend machen, faktisch jedoch wird der Kreis der Begünstigten durch den Abzugshöchstbetrag des § 10 IV EStG umgrenzt. Ein Teil der Steuerpflichtigen wird das Abzugsvolumen schon durch die existenzsichernden Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge i.S.v. § 10 I Nr. 3 EStG ausgeschöpft haben, sodass eine darüber hinausgehende Berücksichtigung anderer Vorsorgeaufwendungen nach § 10 IV S. 4 a.E. EStG nicht mehr in Betracht kommt. Eine solche Abgrenzung des Kreises der Begünstigten von den Nichtbegünstigten muss den Anforderungen des Art. 3 I GG entsprechen. Es genügt nicht, dass die Begünstigungsadressaten dem Grunde nach sachgerecht bestimmt werden, wenn Steuerpflichtige im Wege eines Abzugshöchstbetrags faktisch in nicht zu rechtfertigender Weise von der Begünstigung ausgeschlossen werden. Bei der Auswahl des zu fördernden bzw. zu lenkenden Personenkreises ist die Bindung an den allgemeinen Gleichheitssatz gelockert. Insofern kann der Gesetzgeber innerhalb der Grenzen des Willkürverbots von seinem

802

Im Ergebnis auch Geserich, Privater, gemeinwohlwirksamer Aufwand im System der deutschen Einkommensteuer und des europäischen Rechts, S. 36 f.; ders., in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 10b Rn. A 241, B 381; Seer, DStJG 26 (2003), 11 (44). 803 P. Kirchhof, DStJG 26 (2003), 1 (5); Seer, DStJG 26 (2003), 11 (44).

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weiten Gestaltungsspielraum Gebrauch machen.804 Hingegen unterliegt die nähere Ausgestaltung einer strengen Verhältnismäßigkeitskontrolle.805 Zweifelhaft erscheint es806, die Begünstigungswirkung des § 10 I Nr. 3a EStG i.V.m. § 2 IV EStG auf diejenigen Steuerpflichtigen zu begrenzen, deren existenzsichernde Vorsorgeaufwendungen (§ 10 I Nr. 3 EStG) unter dem Höchstbetrag des § 10 IV S. 1 bzw. S. 2 EStG liegen. Durch das einheitliche Abzugsvolumen soll sichergestellt sein, dass insbesondere die Bezieher geringer oder mittlerer Einkommen begünstigt werden.807 Der Gesetzgeber hält eine zusätzliche Vorsorge gegen andere Lebensrisiken vor allem bei solchen Steuerpflichtigen für sinnvoll, weil sie entsprechende Ausgaben anders als Besserverdiener ohne staatliche Unterstützung oftmals nicht finanzieren könnten.808 Darin ist eine sachgerechte Auswahl der Begünstigungsadressaten zu sehen. Bedenken bestehen allerdings, ob dieser Personenkreis dadurch zutreffend tatbestandlich erfasst wird, dass an die Höhe der existenznotwendigen Vorsorgeaufwendungen angeknüpft wird. Der Förderwürdigkeitsentscheidung entspricht eine solche Tatbestandsgestaltung insoweit, als es sich um Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung handelt. Diese steigen mit wachsender Leistungsfähigkeit proportional an, sodass nur Besserverdiener den Höchstbetrag des § 10 IV EStG mit der Folge erreichen, dass sonstige Vorsorgeaufwendungen nicht mehr geltend gemacht werden können (vgl. § 10 IV S. 4 a.E. EStG). Die Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung hingegen liegen regelmäßig über dem Höchstbetrag. Anders als im gesetzlichen System lässt die Höhe der Prämie aber einen Rückschluss auf die Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen und damit die Förderungsbedürftigkeit entsprechend der dem § 10 I Nr. 3a EStG zugrunde liegenden Wertung nicht zu. Es sind nicht die Einkommensverhältnisse, sondern es ist insbesondere die individuelle Konstitution maßgeblich (vgl. § 146 I Nr. 1 VAG bzw. für die Pflegeversicherung i.V.m. § 148 VAG). Daran knüpft sich die Frage an, ob bereits die Art der Versicherung bessere Ein804 So BVerfG v. 07. 11. 1995, 2 BvR 413/88, 2 BvR 1300/93, BVerfGE 93, 319 (350); v. 20. 04. 2004, 1 BvR 905/00, 1 BvR 1748/99, BVerfGE 110, 274 (293); v. 07. 11. 2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 (32); v. 25. 07. 2007, 1 BvR 1031/07, NVwZ 2007, 1168 (1171); v. 15. 01. 2014, 1 BvR 1656/09, BVerfGE 135, 126 (151); v. 05. 11. 2014, 1 BvF 3/11, BVerfGE 137, 350 (371); v. 17. 12. 2014, 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136 (182). 805 Vgl. BVerfG v. 17. 12. 2014, 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136 (182 f.), das jedoch die Intensität der Bindung an Art. 3 I GG entgegen der hier vertretenen Auffassung von „Umfang und Ausmaß“ der Ungleichbehandlung abhängig macht. Friauf, StuW 1985, 308 (317); Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 19 Rn. 77; Schön, in: Festschrift für Spindler, S. 189 (199); Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 345; Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 245, 247 f.; ders., in: Leitgedanken des Rechts, Bd. II, § 152 Rn. 21. A.A. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 362 f., und Starck, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Art. 3 Rn. 203 f., unter Ausnahme von Konkurrenzverhältnissen. 806 Für verfassungsgemäß hält die Neuregelungen durch das Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung hingegen Kulosa, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10 EStG Rn. 384. 807 Vgl. BT-Drs. 16/13429, S. 39, 41, 44. 808 BT-Drs. 16/13429, S. 39 ff., 44.

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kommensverhältnisse indiziert, die es im Sinne der gesetzgeberischen Förderwürdigkeitsentscheidung legitimieren, Privatversicherte von der Vergünstigung auszuschließen. Ein solcher Zusammenhang besteht notwendig bei privat versicherten Arbeitnehmern, weil diese nur bei Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze (56250 E bzw. 50850 E im Jahr 2016809) nach § 6 I Nr. 1, VI, VII SGB V von der Sozialversicherungspflicht befreit sind. Hingegen sind die übrigen Versicherten nicht zwangsläufig leistungsfähig. Diese haben unabhängig von der Höhe des Einkommens Zugang zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung (vgl. zur grundsätzlichen Sozialversicherungsfreiheit §§ 5, 6 SGB V). Realitätswidrig ist daher eine undifferenzierte Typisierung, dass privat versicherte Steuerpflichtige regelmäßig Besserverdiener und als solche nicht förderungswürdig sind. Der grundsätzliche von der Leistungsfähigkeit unabhängige Ausschluss der Privatversicherten ist mit der außerfiskalischen Zielsetzung unvereinbar, sonstige Vorsorgemaßnahmen der Steuerpflichtigen mit geringen oder mittleren Einkommen zu fördern. Dem Adressatenkreis kommt die Begünstigung nicht gleichmäßig zugute, sondern sie hängt auch vom Zufall des Versicherungsverhältnisses ab. Die Ausgestaltung des Förderungs- und Lenkungstatbestands ist insoweit nicht geeignet und daher mit Art. 3 I GG unvereinbar.810 Im Hinblick auf Art. 6 I GG kommt hinzu, dass bei der Bemessung der Höchstbeträge eine zusätzliche Beitragslast für die familiäre Kranken- und Pflegevorsorge außer Ansatz bleibt. Dadurch werden privat versicherte Steuerpflichtige benachteiligt, die für die existenzielle Vorsorge der Familie zusätzliche Beiträge aufbringen müssen, während in der gesetzlichen Versicherung die Familienangehörigen nach § 10 SGB V mitversichert sind. Eine Rechtfertigung scheidet insoweit aus.811 Hingegen entspricht es Art. 3 I, 6 I GG, dass bei zusammenveranlagten Ehegatten die jeweils zustehenden Höchstbeträge nach § 10 IV S. 3 EStG addiert werden.

III. Progressive Entlastungswirkung Anders als bei den existenzsichernden Aufwendungen812 entspricht es nicht der Belastungsgleichheit, wenn Aufwendungen aus Förderungs- und Lenkungsgründen von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden und die Entlastung wegen des 809

Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2016 (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2016) (BGBl I 2015, 2137 [2138]). 810 Im Ergebnis auch Schmal, Der Abzug von Vorsorgeaufwendungen im Einkommensteuerrecht, S. 266, die die Beschränkung des Abzugs als eine Durchbrechung der Belastungsgleichheit wertet und konsequent eine Rechtfertigung wegen außerfiskalischer Gründe prüft. 811 So auch Englisch, DStJG 37 (2014), 159 (178 f.); Fischer, in: Kirchhof, EStG, § 10 Rn. 34; Schmal, Der Abzug von Vorsorgeaufwendungen im Einkommensteuerrecht, S. 259 ff. 812 Vgl. hierzu bereits 4. Kapitel § 10 II. (S. 169 ff.).

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progressiven Tarifs mit steigendem Einkommen zunimmt. Da der Gesetzgeber gleichwohl mit einer Vielzahl der Sonderausgabentatbestände außerfiskalische Ziele zu erreichen sucht, drängt sich die Frage nach der Rechtfertigung dieser Entlastungswirkungen auf, insbesondere nach einem verallgemeinerungsfähigen Argumentationsmuster. 1. Progressive Entlastung als eine durch den Förderungsund Lenkungszweck zu rechtfertigende Wirkung Die gesetzgeberische Entscheidung für eine Förderung bzw. Lenkung im Wege eines Sonderausgabenabzugs stellt sich wegen der damit verbundenen progressiven Entlastung im Hinblick auf Art. 3 I GG als besonders problematisch dar.813 Die Belastungsgleichheit wird nicht nur dadurch beeinträchtigt, dass bestimmte Steuerpflichtige wegen der Verwirklichung eines Förderungs- oder Lenkungstatbestands begünstigt werden und dadurch von der gesetzgeberischen Belastungsentscheidung abgewichen wird. Verfassungsrechtlich bedenklich ist insbesondere, dass die Entlastung korrespondierend zum Verlauf des Grenzsteuersatzes mit steigendem Einkommen progressiv zunimmt. Dies bedeutet im Verhältnis zu den Nichtbegünstigten, dass die Steuergerechtigkeit – in horizontaler und vertikaler Richtung – bei der Begünstigung eines leistungsfähigeren Steuerpflichtigen in stärkerem Maße beeinträchtigt wird, als wenn ein weniger leistungsfähiger Steuerpflichtiger gefördert bzw. gelenkt wird. Zudem divergieren die steuerlichen Vorteile innerhalb des Adressatenkreises, da sie vom jeweiligen individuellen Grenzsteuersatz abhängig sind. Infolge des progressiven Tarifverlaufs werden leistungsfähigere im Vergleich zu weniger leistungsfähigen Personen in größerem Umfang steuerlich entlastet. Diese Binnendifferenzierung läuft auch der im Tarif zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Grundentscheidung für eine stärkere Belastung von Besserverdienern 813

Gleichheitsrechtliche Bedenken haben Birk, StuW 1989, 212 (217); Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 211; Drenseck, DStR 1986, 379 (380); Hey, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Einf. zum EStG, Rn. 701; dies., in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 19 Rn. 77; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 46a; P. Kirchhof, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, § 118 Rn. 50; Schaden, Die Steuervergünstigung als staatliche Leistung, S. 172 ff.; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 857; Vogel, DStZ 1975, 409 (414 f.); Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 77, 137 f., 244 f.; ders., in: Leitgedanken des Rechts, Bd. II, § 152 Rn. 20; Zitzelsberger, StuW 1985, 197 (204). Offener hingegen Heun, in: Dreier, GG, Art. 3 Rn. 78; v. Arnim, VVDStRL 39 (1981), 286 (329); Drüen, in: Leitgedanken des Rechts, Bd. II, § 158 Rn. 20; tendenziell auch G. Kirchhof, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Einf. zum EStG, Rn. 319; Kube, Finanzgewalt in der Kompetenzordnung, S. 240 ff.; Osterloh, DStJG 24 (2001), 383 (402); Rüfner, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 124, nach deren Ansicht eine Rechtfertigung der Entlastungsunterschiede grundsätzlich – wenn auch beschränkt – möglich erscheint. Weitergehend wohl der BFH v. 29. 01. 2009, VI R 44/08, BStBl II 2009, 411 (413), der dem Gesetzgeber grundsätzliche Gestaltungsfreiheit dahingehend zuerkennen will, ob die steuerliche Förderung durch einen progressiv wirkenden Abzug von der Bemessungsgrundlage oder durch einen Abzug von der Steuerschuld überbracht wird.

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zuwider. Zutreffend ist daher die Feststellung, dass durch die progressive Entlastungswirkung der „Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit […] auf den Kopf“814 gestellt werde. Es wird „im Regelfall“815 bzw. „in der Regel“816 ein Verstoß gegen Art. 3 I GG vorliegen, da es für diese Wirkung „nur in Ausnahmefällen“817 bzw. „kaum einen sachlichen Grund geben [wird]“818, diese also „nur beschränkt rechtfertigungsfähig“819 ist. Insbesondere erscheint es nicht sachgerecht, wenn die Förderung umso höher ausfällt, je geringer die Bedürftigkeit des Einzelnen ist.820 Anhand allgemeiner Gerechtigkeitserwägungen lässt sich die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit einer progressiven Entlastung allerdings nicht beantworten. Allein maßgeblich ist, ob die jeweiligen außerfiskalischen Ziele diese Wirkungen eines Abzugs von der Bemessungsgrundlage zu rechtfertigen vermögen. Insoweit unterliegt der Gesetzgeber einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse. Die Wahl einer Steuervergünstigungsmethode, die eine progressive Entlastung nach sich zieht, betrifft die Frage der gleichheitsgerechten Ausgestaltung der Förderungs- und Lenkungsentscheidung. Subventionspolitische Rationalität allein genügt nicht.821 Ob die verschiedenen außerfiskalisch motivierten Sonderausgabentatbestände diesen Anforderungen genügen, erscheint fraglich. Es eröffnet sich „ein weites Feld zukünftiger Verfassungsrechtsprechung“822. Das Bundesverfassungsgericht hat sich bisher nur mit der progressiven Entlastung infolge eines Parteispendenabzugs nach § 10b II EStG auseinandergesetzt, sich hierbei jedoch auf die spezifischen Aspekte der Parteienfinanzierung beschränkt. Am Maßstab der Belastungsgleichheit sind die Wirkungen eines Abzugs von der Bemessungsgrundlage verfassungsgerichtlich noch nicht überprüft worden. Der Gesetzgeber hält in Kenntnis der Gleichheitsproblematik grundsätzlich am Sonderausgabenabzug fest. Allein die progressionsabhängige Wohneigentumsförderung (§ 10e EStG a.F.) ist zugunsten einer vom individuellen Einkommen unabhängigen Eigenheimzulage aufgegeben worden. Die Frage nach der Zulässigkeit und den Grenzen einer progressiven Entlastungswirkung ist noch nicht oder allenfalls punktuell beantwortet. 814

Drenseck, DStR 1986, 379 (380). Wernsmann, in: Leitgedanken des Rechts, Bd. II, § 152 Rn. 20. 816 P. Kirchhof, AöR 128 (2003), 1 (46). 817 Zitzelsberger, StuW 1985, 197 (204). 818 Birk, StuW 1989, 212 (217). 819 Drüen, in: Leitgedanken des Rechts, Bd. II, § 158 Rn. 20. 820 Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 19 Rn. 77; P. Kirchhof, StuW 1984, 297 (299); Schaden, Die Steuervergünstigung als staatliche Leistung, S. 172; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 343; Trzaskalik, Inwieweit ist die Verfolgung ökonomischer, ökologischer und anderer öffentlicher Zwecke durch Instrumente des Abgabenrechts zu empfehlen?, E 86; ähnlich Vogel, DStZ 1975, 409 (414); Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 137. 821 So aber Zitzelsberger, StuW 1985, 197 (204). 822 P. Kirchhof, StuW 2000, 316 (324). 815

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2. Bisherige Entscheidungen zur progressiven Entlastung Deshalb sollen die bisher ergangenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Gesetzgebers näher betrachtet und dahingehend untersucht werden, ob sich ein verallgemeinerbares Argumentationsmuster feststellen lässt. a) Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu den Parteispenden In einigen Entscheidungen hat sich das Bundesverfassungsgericht mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Regelungen zur steuerlichen Berücksichtigung von Parteispenden mit dem Grundgesetz vereinbar sind. In diesem Rahmen hat es jedoch nicht geprüft, ob die Beeinträchtigung der steuerlichen Belastungsgleichheit, insbesondere die progressive Entlastungswirkung eines Sonderausgabenabzugs vor Art. 3 I GG gerechtfertigt werden kann, sondern ob die Regelungen mit der Chancengleichheit der Parteien823 und dem Recht des Bürgers auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung824 vereinbar sind. Wegen dieser Grundsätze streng formaler Gleichheit, die in Art. 21 I S. 2 GG, Art. 21 I GG i.V.m. Art. 3 I GG, Art. 21 I S. 1 GG i.V.m. Art. 38 I S. 1 GG, Art. 3 I GG i.V.m. dem Demokratieprinzip825 bzw. in Art. 3 I GG, Art. 3 I GG i.V.m. dem Demokratieprinzip, Art. 3 I GG i.V.m. Art. 38 I S. 1 GG826 verfassungsrechtlich verankert sind, hat das Bundesverfassungsgericht enge Grenzen für die steuermindernde Berücksichtigung von Parteispenden gezogen. Diese verliefen dort, wo die steuerlichen Vorteile dazu geeignet seien, die bestehenden Wettbewerbschancen der Parteien bzw. die individuellen Einflussnahmemöglichkeiten „in einer ernsthaft ins Gewicht fallenden“827 Weise zu verändern. 823 BVerfG v. 24. 06. 1958, 2 BvF 1/57, BVerfGE 8, 51 (63); v. 03. 12. 1968, 2 BvE 1/67, 2 BvE 3/67, 2 BvE 5/67, BVerfGE 24, 300 (357 f.); v. 24. 07. 1979, 2 BvF 1/78, BVerfGE 52, 63 (86, 88 f.); v. 14. 07. 1986, 2 BvE 2/84, 2 BvR 442/84, BVerfGE 73, 40 (88 ff.); v. 09. 04. 1992, 2 BvE 2/89, BVerfGE 85, 264 (312 ff.). 824 BVerfG v. 24. 06. 1958, 2 BvF 1/57, BVerfGE 8, 51 (68); v. 03. 12. 1968, 2 BvE 1/67, 2 BvE 3/67, 2 BvE 5/67, BVerfGE 24, 300 (357, 360); v. 24. 07. 1979, 2 BvF 1/78, BVerfGE 52, 63 (86, 88); v. 14. 07. 1986, 2 BvE 2/84, 2 BvR 442/84, BVerfGE 73, 40 (78); v. 09. 04. 1992, 2 BvE 2/89, BVerfGE 85, 264 (314 ff.). 825 BVerfG v. 24. 06. 1958, 2 BvF 1/57, BVerfGE 8, 51 (63 ff.); v. 03. 12. 1968, 2 BvE 1/67, 2 BvE 3/67, 2 BvE 5/67, BVerfGE 24, 300 (357); v. 24. 07. 1979, 2 BvF 1/78, BVerfGE 52, 63 (89); v. 14. 07. 1986, 2 BvE 2/84, 2 BvR 442/84, BVerfGE 73, 40 (88 f.); v. 29. 09. 1990, 2 BvE 1/90, 2 BvE 3/90, 2 BvE 4/90 u. a., BVerfGE 82, 322 (337); v. 09. 04. 1992, 2 BvE 2/89, BVerfGE 85, 264 (312, 315); v. 29. 09. 1998, 2 BvL 64/93, BVerfGE 99, 69 (77 f.); v. 21. 04. 2009, 2 BvC 2/06, BVerfGE 124, 1 (20). 826 BVerfG v. 24. 06. 1958, 2 BvF 1/57, BVerfGE 8, 51 (68); v. 14. 07. 1986, 2 BvE 2/84, 2 BvR 442/84, BVerfGE 73, 40 (71); v. 09. 04. 1992, 2 BvE 2/89, BVerfGE 85, 264 (315); v. 29. 09. 1998, 2 BvL 64/93, BVerfGE 99, 69 (77 f.). 827 BVerfG v. 24. 07. 1979, 2 BvF 1/78, BVerfGE 52, 63 (91); v. 14. 07. 1986, 2 BvE 2/84, 2 BvR 442/84, BVerfGE 73, 40 (89); v. 09. 04. 1992, 2 BvE 2/89, BVerfGE 85, 264 (313).

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4. Kap.: Wirkungen des Sonderausgabenabzugs

Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts ist eine progressive Entlastung mit diesen Grundsätzen vereinbar, solange wegen der relativ ungleichen Entlastungswirkung Besserverdiener nicht in erhöhtem Maße zur Spendentätigkeit angeregt werden, sich dadurch das Gewicht bestimmter Parteien bei der Willensbildung also nicht verstärkt,828 und der staatliche Einnahmeverzicht der politischen Meinung der überproportional geförderten Steuerpflichtigen nicht zu einer erhöhten Wirkkraft verhilft829. Hierfür hält es die Begrenzung des Sonderausgabenabzugs auf einen für alle Steuerpflichtigen gleichen830 Höchstbetrag für zwingend. Zudem müsse der Abzug auf ein solches Maß beschränkt werden, dass die Entlastungsunterschiede nicht einen Umfang erreichten, der sich nachteilig auf die Chancengleichheit der Parteien und das Recht auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung auswirke.831 Für verfassungsrechtlich zulässig erachtet hat das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 03. 12. 1968832 einen Abzugshöchstbetrag von 600 DM bzw. bei Zusammenveranlagung von 1200 DM und im Urteil vom 24. 07. 1979833 auch eine Erhöhung dieser Beträge innerhalb enger Grenzen. Hingegen hat es im Urteil vom 09. 04. 1992834 die Beträge von 60000 DM bzw. 120000 DM für verfassungswidrig erklärt. Im Übrigen müsse die steuerliche Wirksamkeit von Parteispenden, unabhängig von der Freistellungsmethode, auf einen Abzugshöchstbetrag begrenzt werden. Das Gesamtabzugsvolumen sei so zu bemessen, dass es nicht nur von einer bestimmten Wählerklientel voll ausgeschöpft werden könne.835 Andernfalls würden die Chancengleichheit der Parteien und das Recht der Bürger auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung beeinträchtigt. 828 BVerfG v. 24. 06. 1958, 2 BvF 1/57, BVerfGE 8, 51 (65 ff.); v. 03. 12. 1968, 2 BvE 1/67, 2 BvE 3/67, 2 BvE 5/67, BVerfGE 24, 300 (358 f.); v. 24. 07. 1979, 2 BvF 1/78, BVerfGE 52, 63 (89 f.); v. 09. 04. 1992, 2 BvE 2/89, BVerfGE 85, 264 (313 f.). 829 BVerfG v. 24. 06. 1958, 2 BvF 1/57, BVerfGE 8, 51 (68 f.); v. 24. 07. 1979, 2 BvF 1/78, BVerfGE 52, 63 (88). 830 Die Beschränkung des Abzugs auf einen individuell verschiedenen Betrag von bis zu 5 % des Gesamtbetrags der Einkünfte oder 2 % der Summe der gesamten Umsätze und der im Kalenderjahr aufgewendeten Löhne und Gehälter in § 10b EStG in der Fassung v. 21. 12. 1954 (BGBl I 1954, 441 [450]), v. 13. 11. 1957 (BGBl I 1957, 1793 [1803]) und v. 15. 04. 1986 (BGBl I 1986, 441 [466]) hat das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt, vgl. BVerfG v. 24. 06. 1958, 2 BvF 1/57, BVerfGE 8, 51; v. 14. 07. 1986, 2 BvE 2/84, 2 BvR 442/84, BVerfGE 73, 40. 831 BVerfG v. 03. 12. 1968, 2 BvE 1/67, 2 BvE 3/67, 2 BvE 5/67, BVerfGE 24, 300 (358 f., 360 f.); v. 24. 07. 1979, 2 BvF 1/78, BVerfGE 52, 63 (88, 91); v. 14. 07. 1986, 2 BvE 2/84, 2 BvR 442/84, BVerfGE 73, 40 (114) – Sondervotum Böckenförde; v. 09. 04. 1992, 2 BvE 2/89, BVerfGE 85, 264 (313 f., 316). 832 BVerfG v. 03. 12. 1968, 2 BvE 1/67, 2 BvE 3/67, 2 BvE 5/67, BVerfGE 24, 300 (352). 833 BVerfG v. 24. 07. 1979, 2 BvF 1/78, BVerfGE 52, 63 (82). 834 BVerfG v. 09. 04. 1992, 2 BvE 2/89, BVerfGE 85, 264 (312 ff.). 835 BVerfG v. 03. 12. 1968, 2 BvE 1/67, 2 BvE 3/67, 2 BvE 5/67, BVerfGE 24, 300 (359); v. 24. 07. 1979, 2 BvF 1/78, BVerfGE 52, 63 (91 f.); v. 14. 07. 1986, 2 BvE 2/84, 2 BvR 442/84, BVerfGE 73, 40 (75 f.); v. 09. 04. 1992, 2 BvE 2/89, BVerfGE 85, 264 (313, 316).

§ 11 Vereinbarkeit mit Art. 3 I GG – Förderungs- und Lenkungstatbestände

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b) Aufgabe der progressionsabhängigen Wohneigentumsförderung Mit dem Wohneigentumsförderungsgesetz vom 15. 05. 1986836 hatte der Gesetzgeber die Förderung selbstgenutzten Wohneigentums neu geregelt und – neben der bereits bestehenden, an das Vorhandensein von Kindern anknüpfenden Steuerermäßigung nach § 34f EStG837 (sog. Baukindergeld) – progressionsabhängige Sonderausgabenabzüge eingeführt (§ 10e EStG a.F.). Während der Abzug von der Bemessungsgrundlage im Gesetzgebungsverfahren von der Mehrheit der im Finanzausschuss angehörten Sachverständigen wegen der ungleichen Wirkung zugunsten der Besserverdiener kritisiert worden war838, hatte der Gesetzgeber die Entlastungsunterschiede in der Gesetzesbegründung ausdrücklich als eine „zwangsläufige Folge des progressiven Einkommensteuertarifs“839, mithin als systemgerecht gekennzeichnet. Schließlich wurde diese stark kritisierte840 Förderung durch eine vom individuellen Grenzsteuersatz unabhängige Eigenheimzulage durch das Gesetz zur Neuregelung der steuerrechtlichen Wohneigentumsförderung vom 15. 12. 1995841 ersetzt, die mittlerweile ersatzlos entfallen ist842. In der Gesetzesbegründung843 hierzu heißt es sinngemäß, dass der Abzug von der Bemessungsgrundlage in vielen Fällen zur Förderung von Wohneigentum nicht geeignet sei. Die Entlastung sei oftmals zu gering oder werde bei fehlender Steuerbelastung nicht gewährt, sodass sie den Haushalten mit geringem Einkommen oftmals nicht über die Schwelle zum Wohneigentum helfen könne. Zur verstärkten Förderung dieser Gruppe werde deshalb eine gleich hohe Eigenheimzulage gewährt. Der Gesetzgeber hat also ausschließlich Zweckmäßigkeits- und nicht Rechtmäßigkeitserwägungen angestellt. Dies spiegelt sich auch darin wider, dass er am progressionsabhängigen Sonderausgabenabzug für sog. Vorkosten (§ 10i EStG844) festgehalten hat. Hierzu heißt es wiederum in einer Äußerung der Bundesregierung, dass eine progressive

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Gesetz zur Neuregelung der steuerrechtlichen Förderung des selbstgenutzten Wohneigentums v. 15. 05. 1986 (BGBl I 1986, 730 ff.). 837 Eingefügt durch das Zweite Gesetz zur Verbesserung der Haushaltsstruktur v. 22. 10. 1981 (BGBl I 1981, 1523 [1539 f.]). 838 BT-Drs. 10/5208, S. 31 f. 839 BT-Drs. 10/5208, S. 35 (Empfehlung des Finanzausschusses). 840 Vgl. hierzu die Nachweise bei Meyer, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Kommentierungsarchiv, § 10e EStG Rn. 8. 841 BGBl I 1995, 1783 ff. 842 Die Anwendbarkeit des Eigenheimzulagengesetzes ist mit dem Gesetz zur Abschaffung der Eigenheimzulage v. 22. 12. 2005 (BGBl I 2005, 3680) nach § 19 IX EigZulG auf die Fälle beschränkt worden, in welchen mit der Herstellung des Objekts vor dem 01. 01. 2006 begonnen bzw. die Wohnung vor diesem Zeitpunkt angeschafft worden ist. 843 BT-Drs. 13/2235, S. 14 (Gesetzesentwurf der Bundesregierung). 844 Durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2001 v. 24. 03. 1999 ist mit § 52 XXIX EStG die Anwendbarkeit des § 10i EStG auf bestimmte Altfälle beschränkt worden, vgl. § 52 XXI EStG der aktuellen Fassung.

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4. Kap.: Wirkungen des Sonderausgabenabzugs

Entlastung in diesem Bereich aus Gründen der „Gleichstellung mit Bauherrn oder Erwerbern von zu vermietenden Wohnungen geboten“ sei.845 c) Keine Verallgemeinerungsfähigkeit der Argumentationsansätze Wie sich gezeigt hat, problematisieren sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch der Gesetzgeber die progressiven Entlastungswirkungen eines Abzugs von der Bemessungsgrundlage. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit wird jedoch unterschiedlich und anhand verschiedener Maßstäbe beantwortet. Dies wirft die Frage auf, ob die divergierenden Ergebnisse von Gründen getragen werden, die über den Einzelfall hinaus verfassungsrechtliche Grenzen einer progressiven Entlastung definieren können. Der Neuregelung der Wohneigentumsförderung liegt ein solches verallgemeinerbares Argumentationsmuster nicht zugrunde. Die gleich hohe Zulage ist allein deshalb eingeführt worden, um eine dem Förderzweck zuwiderlaufende Ausgrenzung von Nicht-Steuerschuldnern und faktisch von vielen Geringverdienern zu beseitigen. Die ungleichen Entlastungswirkungen eines Abzugs von der Bemessungsgrundlage sind gar nicht problematisiert worden. Hinsichtlich der damals weiterhin als Sonderausgaben abzugsfähigen Vorkosten sind die vorgebrachten Gründe nicht tragfähig, erst recht nicht verallgemeinerungsfähig. Entgegen der Ansicht der Bundesregierung ist es verfassungsrechtlich nicht geboten, die steuerliche Berücksichtigung von Aufwendungen in der Privatsphäre progressionsabhängig auszugestalten, nur weil dies für entsprechende Aufwendungen in der Erwerbssphäre gilt.846 Anders als Privataufwendungen mindern Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten das belastbare Einkommen. Ein Zuwachs an Leistungsfähigkeit, der progressiv zu besteuern wäre, liegt insoweit nicht vor. Hingegen sind die Teile des Einkommens, die zur Befriedigung privater Bedürfnisse eingesetzt werden, grundsätzlich belastbar. Dieser Unterschied legitimiert es, dass die Aufwendungen verschieden behandelt werden. Kriterien für die Bestimmung der verfassungsrechtlichen Grenzen lassen sich aus dieser Argumentation also nicht ableiten. Besonders interessant erscheint im Hinblick auf die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Entlastungsunterschiede, dass das Bundesverfassungsgericht solche beim Parteispendenabzug innerhalb gewisser Grenzen für zulässig hält. Die progressiven Entlastungswirkungen seien mit der Chancengleichheit der Parteien und dem Recht des Bürgers auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung vereinbar, sofern die steuerlichen Vorteile wegen eines Abzugshöchstbetrags nur in einem bestimmten Umfang voneinander divergieren könnten.847 Zwar stützt sich das 845

BT-Drs. 13/2476, S. 8 (Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates). 846 Vgl. BT-Drs. 13/2476, S. 8 (Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates). 847 Vgl. Fn. 831.

§ 11 Vereinbarkeit mit Art. 3 I GG – Förderungs- und Lenkungstatbestände

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Bundesverfassungsgericht dabei ausschließlich auf die spezifischen Aspekte der Parteienfinanzierung und lässt das Gebot gleicher steuerlicher Lasten außer Betracht, aber eine solche Toleranzschwelle könnte, wenn sie schon im Rahmen der Grundsätze streng formaler Gleichheit bei der Parteienfinanzierung zum Tragen kommt, doch erst recht für die steuerliche Ent- und damit Belastungsgleichheit anzuerkennen sein. Diese Argumentation ist allerdings nicht zielführend, da sich eine Begrenzung der progressionsbedingten Unterschiede mittels Abzugshöchstbeträge nicht gleich auswirkt. Solche Regelungen haben bezogen auf die Chancengleichheit der Parteien und das Recht auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung den Effekt, dass eine Beeinträchtigung nicht vorliegt. Entlastungsunterschiede erlangen in diesem Zusammenhang nur Bedeutung, wenn sie dem Umfang nach geeignet sind, die Wettbewerbschancen der Parteien bzw. die individuellen Einflussnahmemöglichkeiten zu verändern. Auf die Belastungsgleichheit hingegen wirken sich vom Grenzsteuersatz abhängige Steuervorteile, deren Gewährung außerfiskalische Ziele zugrunde liegen, in jedem Fall negativ aus. Eine Ungleichbehandlung kann durch Abzugshöchstbeträge nicht vermieden, es kann nur deren Intensität verringert werden. Anders als im vorgehend erörterten Zusammenhang liegt eine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung vor, eine Toleranzschwelle existiert nicht. Aus diesem Grunde lassen sich die zur Chancengleichheit der Parteien und zum Recht auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung entwickelten Grundsätze nicht auf das Gebot gleicher steuerlicher Lasten übertragen bzw. verallgemeinern. Dies bedeutet zugleich, dass auch bei den Parteispenden die progressionsbedingten Entund Belastungsunterschiede mit einer parteienspezifischen Argumentation nicht gerechtfertigt werden können. Das Bundesverfassungsgericht hat sich mit den insoweit bestehenden Grenzen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums überhaupt nicht auseinandergesetzt. Somit stellt sich bezogen auf den Parteispendenabzug (§ 10b II EStG i.V.m. § 2 IV EStG) die Frage nach der Vereinbarkeit der progressiven Entlastungswirkungen mit dem Gebot gleicher steuerlicher Lasten in gleicher Weise wie bei den anderen Sonderausgaben, die aus Förderungs- und Lenkungsgründen berücksichtigt werden. 3. Kriterien einer sachgerechten progressiven Entlastung Die Entlastungswirkungen eines Abzugs von der Bemessungsgrundlage lassen sich nicht pauschal als entweder gleichheitsgerecht oder gleichheitswidrig beurteilen. Vielmehr muss für jeden Vergünstigungstatbestand gesondert geprüft werden, ob die jeweiligen Förderungs- und Lenkungszwecke solche Unterschiede rechtfertigen können. Dies schließt es jedoch nicht aus, die Zulässigkeit und Grenzen dieser Wirkungen durch ein vom einzelnen Tatbestand losgelöstes, allgemeines Argumentationsmuster zu konkretisieren.

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4. Kap.: Wirkungen des Sonderausgabenabzugs

a) Effizienz der Verwaltung und der Lenkung Will man eine Rechtfertigung der progressiven Entlastung aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung annehmen848, so muss dargelegt werden, worin der Effizienzgewinn eines Abzugs von der Bemessungsgrundlage gegenüber einem Abzug von der Steuerschuld liegen soll. Die Freistellungsmethoden unterscheiden sich allein darin, dass es bei einem Abzug von der Steuerschuld, soll die Steuerentlastung korrespondierend zum Abzug von der Bemessungsgrundlage nur einen, wenn auch fixen prozentualen Teil der Aufwendungen betragen, eines zusätzlichen Rechenschrittes bedarf, um diesen zu bestimmen.849 Darin kann allerdings kein Effizienzgewinn liegen, der die ungleichen steuerlichen Lasten zu rechtfertigen vermag. Zumal die Ermittlung der Steuerschuld ohnehin computergestützt erfolgt. Zieht man hingegen eine Rechtfertigung aus steuerpsychologischen Aspekten in Erwägung850, so wird ein erhöhter Lenkungserfolg auf eine bedenkliche Art und Weise herbeigeführt. Ein solcher Effizienzgewinn geht zulasten der Rechtsklarheit und der Entscheidungs„freiheit“, die weniger frei ist, wenn sie wesentlich auf einem bewusst herbeigeführten bzw. aufrechterhaltenen Irrtum beruht.851 b) Stärkere Förderung von Besserverdienern wegen höheren Aufwands Anknüpfungspunkt für die Rechtfertigung der progressiven Entlastungswirkungen eines Abzugs von der Bemessungsgrundlage kann die Förderwürdigkeitsentscheidung des Gesetzgebers sein.852 Sofern es einer solchen willkürfreien Entscheidung entspricht, Besserverdiener stärker zu begünstigen, sind die unterschiedlichen steuerlichen Vorteile in Abhängigkeit vom Einkommen jedenfalls geeignet. Von vornherein scheidet dieser Rechtfertigungsansatz jedoch aus, wenn soziale Aspekte für die Steuervergünstigung maßgebend sind. Eine mit steigendem Einkommen progressive Entlastung läuft einer solchen Förderwürdigkeitsentscheidung schlechthin zuwider.853 Allerdings kann eine stärkere Förderung von 848

So Osterloh, DStJG 24 (2001), 383 (402). Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 77. 850 So Osterloh, DStJG 24 (2001), 383 (402). 851 Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 77 f., hält es für zweifelhaft, einen rechtfertigenden Vorteil in einem besseren Lenkungserfolg zu sehen, der durch Ausnutzen eines Irrtums bei Nichtsteuerrechtskundigen erzielt wird. 852 In diesem Sinne Drüen, in: Leitgedanken des Rechts, Bd. II, § 158 Rn. 20. Förderungsund Lenkungsmaßnahmen seien gleichheitsrechtlich problematisch, wenn die Entlastung „ungeachtet der individuellen Förderungswürdigkeit“ mit steigendem Einkommen progressiv zunehme. 853 Vgl. Birk, StuW 1989, 212 (217); Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 19 Rn. 77; P. Kirchhof, StuW 1984, 297 (299); Kube, Finanzgewalt in der Kompetenzordnung, S. 241; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 343; Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 137. 849

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Besserverdienern in bestimmten Konstellationen geeignet sein, einem mit steigendem Aufwand zunehmenden Förderbedarf Rechnung zu tragen. Grundsätzlich wirken vom Einkommen abhängige Entlastungen freilich nicht in dem Sinne, dass diejenigen Steuerpflichtigen in absolut und relativ stärkerem Maße gefördert werden, die mit höheren Aufwendungen belastet sind. Regelmäßig fehlt es an der erforderlichen Verknüpfung zwischen der Höhe des Einkommens einerseits und der Ausgaben andererseits. Besteht allerdings ein solcher Zusammenhang, weil korrespondierend zur wachsenden Leistungsfähigkeit die Aufwendungen und damit auch der Förderbedarf entsprechend der gesetzgeberischen Förderwürdigkeitsentscheidung ansteigen, sind die Wirkungen eines Abzugs von der Bemessungsgrundlage grundsätzlich geeignet. Die Förderwürdigkeitsentscheidung ist auch – außerhalb des Steuerrechts – bei der Rechtfertigung der Höhe nach unterschiedlicher Zuwendungen in Form des Elterngelds maßgeblich, das mit steigender Leistungsfähigkeit zunimmt. Es wird nach § 2 I BEEG bis zu einem Höchstbetrag von monatlich 1800 E in Höhe von 67 %854 des vor der Geburt des Kindes erzielten Einkommens zum einen als Unterstützung bei der „Sicherung der Lebensgrundlage der Familie“855 und zum anderen als „Ausgleich für [die] finanzielle[n] Einschränkungen“856 infolge der Betreuung des Kindes gewährt. Der Kompensationsgedanke rechtfertigt eine stärkere Förderung von Besserverdienern, da dieser Personenkreis umfangreichere finanzielle Einbußen hinnehmen muss. Zugleich trägt der Gesetzgeber aber der Bedeutung des Elterngelds als sozialstaatliche Familienleistung angemessen Rechnung, indem es der Höhe nach auf maximal 1800 E begrenzt wird. Im Bereich der Sonderausgaben erscheint eine Rechtfertigung der progressiven Entlastung mit dem Argument, dass korrespondierend zur Leistungsfähigkeit der Aufwand steigt, bei den Sozialversicherungsbeiträgen i.S.v. § 10 I Nr. 3a EStG sowie den nicht existenzsichernden Unterhaltsleistungen i.S.v. § 10 Ia Nr. 1 EStG denkbar. Die Beiträge zu den Sozialpflichtversicherungen werden entsprechend dem Solidaritätsprinzip nach der individuellen Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen bemessen. Sie steigen mit zunehmendem Einkommen proportional an. Eine korrespondierend stärkere, zumal überproportionale Entlastung in Höhe des individuellen Grenzsteuersatzes ist gleichwohl nicht geeignet. Dem Sonderausgabentatbestand des § 10 I Nr. 3a EStG liegt die Erwägung zugrunde, wie aus der Gesetzesbegründung857 und der Höchstbetragsregelung des § 10 IV EStG deutlich wird, dass die Notwendigkeit finanzieller Unterstützung mit steigendem Einkommen abnimmt bzw. entfällt. Entwickelt sich der Förderbedarf aber gegenläufig zu den Wirkungen eines Abzugs von der Bemessungsgrundlage, können die Entlastungsunterschiede auch 854 Für die hier interessierende Frage nach der Rechtfertigung einer stärkeren Förderung von Besserverdienern kann vereinfachend außer Betracht bleiben, dass der Berechnungsfaktor bei geringeren Einkommen bis zu 100 % ansteigt und bei höheren Einkommen bis auf 65 % abschmilzt (vgl. § 2 II BEEG). 855 BT-Drs. 16/2454, S. 2. 856 BT-Drs. 16/2454, S. 2. 857 BT-Drs. 16/13429, S. 44.

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4. Kap.: Wirkungen des Sonderausgabenabzugs

nicht vor Art. 3 I GG gerechtfertigt werden. Im Übrigen erscheint es äußerst fragwürdig, die nach dem Solidaritätsprinzip bemessene unterschiedliche Beitragslast im Wege des Einkommensteuerrechts zu mildern. Gleichheitsgerecht ist es hingegen, wenn sich der Abzug des Geschiedenen- oder Getrenntlebendenunterhalts von der Bemessungsgrundlage mit steigendem Einkommen progressiv entlastend auswirkt. Dieser Effekt ist, wie schon gezeigt, ein Gebot der Belastungsgleichheit, soweit die Leistungen existenzsichernd sind. Im Übrigen entspricht es dem Förderzweck, dass leistungsfähigere Steuerpflichtige in größerem Umfang entlastet werden. Der Gesetzgeber verfolgt mit dem Realsplitting das legitime Ziel, einen Ausgleich für die Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Lage infolge der Auflösung der Ehe zu schaffen858. Einer solchen Entscheidung entspricht eine stärkere Entlastung des Personenkreises, der durch die Folgen der Ehescheidung bzw. eines dauernden Getrenntlebens größere finanzielle Nachteile erleidet. Dies sind typischerweise Besserverdiener: Sie haben regelmäßig höhere Unterhaltszahlungen zu tätigen, da sich der Umfang der Verpflichtung nach den ehelichen Lebensverhältnissen bestimmt. Zudem unterliegt deren Einkommen einer höheren Grenzsteuerbelastung, infolgedessen sich der Wegfall des Ehegattensplittings in stärkerem Maße nachteilig auswirken kann. Zwar liegen die Voraussetzungen des § 32a V EStG nicht mehr vor, doch steht es dem Gesetzgeber innerhalb der Grenzen des Willkürverbots frei, den mit § 10 Ia Nr. 1 EStG bezweckten finanziellen Ausgleich auch auf diese Nachteile zu erstrecken. Die progressiven Entlastungswirkungen eines Abzugs von der Bemessungsgrundlage sind daher zur Zweckerreichung geeignet und erscheinen unter Berücksichtigung der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers auch erforderlich. Die überproportionale Begünstigung ist zudem verhältnismäßig im engeren Sinne. Die Steuerpflichtigen können Unterhaltsleistungen nur bis zu einem Höchstbetrag von 13805 E geltend machen, wodurch die progressionsbedingten Entlastungs- und Belastungsunterschiede, mithin das Ausmaß der Ungleichbehandlung, tatbestandlich begrenzt werden. In diesem Rahmen stellt eine mit steigendem Einkommen zunehmende Förderung, die an eine tatsächliche – wenn auch von Verfassungs wegen steuerlich unbeachtliche – Minderung der für die individuelle Lebensführung zur Verfügung stehenden Mittel anknüpft, unter Berücksichtigung der besonderen Bedeutung der Belastungsgleichheit859 einerseits und der legitimen außerfiskalischen Zwecksetzung andererseits eine außer Verhältnis stehende Privilegierung von leistungsfähigeren Steuerpflichtigen nicht dar. Die unterschiedlichen steuerlichen Vorteile tragen dem Umstand angemessen Rechnung, dass die finanziellen Belastungen von Besserverdienern im Vergleich zu Geringverdienern durch die Folgen einer Trennung bzw. Ehescheidung typischerweise größer sind, für welche der Gesetzgeber einen Ausgleich schaffen will.

858 859

Vgl. BT-Drs. 8/2118, S. 76. Vgl. 2. Kapitel § 6 II. 1. b) cc) (S. 134).

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c) Uneigennütziger Aufwand ohne Gegenwert Nach einem Ansatz in der Literatur sind die Entlastungsunterschiede infolge eines Abzugs von der Bemessungsgrundlage auch dann gleichheitsgerecht, wenn ausschließlich allgemeinwohldienliche Aufwendungen begünstigt werden, der Steuerpflichtige also selbst keinen Vorteil erlangt.860 Unzweifelhaft liegt es grundsätzlich innerhalb des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums, ein uneigennütziges Verhalten zum Wohle der Allgemeinheit zu fördern und zu einem entsprechenden Tätigwerden anzuregen. Dem Abzug von Spenden und Mitgliedsbeiträgen nach § 10b I EStG liegt eine solche Zwecksetzung zugrunde.861 Fraglich erscheint allerdings, worin die unterschiedlichen, von den Einkommensverhältnissen abhängigen steuerlichen Vorteile ihre Rechtfertigung finden sollten. Im Ausgangspunkt kann darin zugestimmt werden, dass ein Zusammenhang zwischen der Höhe des Einkommens und dem uneigennützigen Verhalten besteht. Neben der sozialen Einstellung des Steuerpflichtigen wirken sich vor allem dessen Einkommensverhältnisse darauf aus, ob und in welchem Umfang uneigennützige Aufwendungen getätigt werden. Der Verzicht zugunsten des Allgemeinwohls fällt Geringverdienern aufgrund der finanziellen Gegebenheiten typischerweise schwerer als Besserverdienern.862 Ihnen verbleibt nach Deckung des existenziellen Bedarfs ein geringerer Teil des Einkommens, der für die Befriedigung anderer privater Bedürfnisse zur Verfügung steht. Hingegen ist bei Besserverdienern ein größeres Bedürfnisbefriedigungspotential vorhanden. Daher kann es zweckdienlich sein, um die Spendenbereitschaft aller Steuerpflichtigen gleichermaßen anzuregen, den weniger Leistungsfähigen höhere steuerliche Vorteile in Aussicht zu stellen.863 Eine mit steigendem Einkommen zunehmende Entlastung hingegen ist – bei einer solchen Betrachtungsweise – nicht geeignet. Andererseits haben nur leistungsfähigere Steuerpflichtige die finanziellen Möglichkeiten, höhere Zuwendungen zu tätigen, die zur Verwirklichung der steuerbegünstigten Zwecke unabdingbar sind. Während Geringverdiener faktisch nur einen kleineren Betrag aufbringen können, stellt sich bei Besserverdienern die Frage, in welchem Umfang sie auf die privatnützige Einkommensverwendung zugunsten des Allgemeinwohls verzichten wollen. Im Rahmen einer solchen individuellen Abwägung wird namentlich die Höhe der steuerlichen Vorteile von Bedeutung sein. Je mehr sich der Staat nämlich im Wege des Steuerverzichts an den Zuwendungen 860

Geserich, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10b Rn. A 251, 253; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 834. 861 Vgl. 1. Kapitel § 2 III. 3. a) (S. 60 ff.). 862 Daher hält Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 20 Rn. 15, die progressive Entlastung mit dem zur Rechtfertigung herangezogenen Verdienstprinzip für unvereinbar. Ein Geringverdiener mache sich mehr um das Allgemeinwohl verdient, als wenn ein Besserverdiener denselben Betrag gäbe. 863 Der Gesetzgeber kann den Vergünstigungstatbestand in diesem Sinne ausgestalten, verfassungsrechtlich geboten ist dies jedoch nicht.

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4. Kap.: Wirkungen des Sonderausgabenabzugs

„beteiligt“, desto geringer ist die tatsächliche finanzielle Belastung der Steuerpflichtigen. Daher erscheint es zur Erhöhung der Spendenbereitschaft dem Grunde nach geeignet, für die leistungsfähigeren Steuerpflichtigen einen stärkeren Anreiz zu setzen, indem ihnen umfangreichere Entlastungen in Aussicht gestellt werden. Eine mit steigendem Einkommen progressiv zunehmende Entlastung hat aber auch die Konsequenz, dass der Anreiz zur Erhöhung der Aufwendungen innerhalb des Kreises der Besserverdiener unterschiedlich ist, obgleich alle, nicht nur diejenigen, die dem Spitzensteuersatz unterliegen, stärker angeregt werden sollen.864 Mag man diese Wirkungen eines Abzugs von der Bemessungsgrundlage auch – unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Einschätzungsprärogative – als geeignet bewerten können, leistungsfähigere Steuerpflichtige zu höheren Zuwendungen zu veranlassen, so bestehen doch erhebliche Zweifel an der Erforderlichkeit vom Einkommen abhängiger Entlastungseffekte.865 Zur Erhöhung der Spendenbereitschaft ist es mindestens in gleicher Weise geeignet, relativ oder auch absolut mit der Höhe des Aufwands steigende finanzielle Vorteile zu gewähren. Durch eine solche Regelung werden zudem alle Steuerpflichtigen gleichermaßen angeregt, den Umfang der Spenden zu erhöhen. Vor allem aber wird verhindert, dass Besserverdiener auch dann überproportional entlastet werden, wenn der uneigennützige Aufwand nur gering ist. Eine solche Tatbestandsgestaltung ist im Hinblick auf die Belastungsgleichheit als ein milderes Mittel zu qualifizieren. Folglich können die ungleichen Entlastungwirkungen durch Abzug von der Bemessungsgrundlage nicht allein damit gerechtfertigt werden, dass es sich um einen uneigennützigen Aufwand handelt, für den der Steuerpflichtige keinen Gegenwert erhält.866 Selbst wenn man wegen der endgültigen Entreicherung durch selbstlose Ausgaben eine der Steuer vergleichbare Wirkung annimmt, ist es mit Art. 3 I GG nicht vereinbar, dass der Staat einen solchen Verzicht bei Besserverdienern in größerem Maße durch steuerliche Vorteile „kompensiert“ als bei Geringverdienern.867

864 Nach Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 834, ist es hinreichend, dass „beim Gros der Spender, vor allem der Großspender der Spendenanreiz verstärkt“ werde. 865 A.A. Rüfner, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 124. 866 Im Ergebnis auch Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, S. 409; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 20 Rn. 15; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, § 1 Rn. 69; Schaden, Die Steuervergünstigung als staatliche Leistung, S. 179 f.; Seer, DStJG 26 (2003), 11 (42 f.); Trzaskalik, Inwieweit ist die Verfolgung ökonomischer, ökologischer und anderer öffentlicher Zwecke durch Instrumente des Abgabenrechts zu empfehlen?, E 85; Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 244 f. 867 Nach Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, S. 409, widerspricht die progressive Entlastung bei gleichem Spendenaufwand der Surrogationslogik. A.A. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 834.

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d) Schaffung eines größeren Anreizes für Besserverdiener Eine Rechtfertigung vor Art. 3 I GG erscheint grundsätzlich in solchen Konstellationen möglich, in denen eine stärkere Veranlassung von Besserverdienern der Erreichung des Lenkungszwecks dient. Eine solche Notwendigkeit, für leistungsfähigere Steuerpflichtige einen größeren Anreiz durch eine mit steigendem Einkommen progressive Entlastung zu schaffen, lässt sich – vom Einzelfall losgelöst – in zweierlei Richtungen denken. Zum einen kann der Lenkungsanreiz vor allem in höheren Einkommensbereichen versagen, in welchen es die finanzielle Situation erlaubt, sich der Einflussnahme durch Steuerzahlung zu entziehen.868 Von dieser Freiheit wird jedoch auch dieser Personenkreis in einem umso geringeren Umfang Gebrauch machen, je höher die dadurch entgehenden steuerlichen Vorteile sind. Daher bedarf es eines mit steigendem Einkommen wachsenden finanziellen Anreizes, wenn zur Verwirklichung der außerfiskalischen Ziele gleichmäßig auf alle Einkommensschichten lenkend Einfluss genommen werden soll. In solchen Konstellationen sind die progressiven Entlastungswirkungen zweckdienlich.869 Beispielsweise werden von der Höhe des Einkommens abhängige unterschiedliche Lenkungsanreize für denkbar gehalten, um alle Steuerpflichtigen gleichermaßen zur Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit zu bewegen.870 Während es sich Besserverdiener bei geringeren steuerlichen Vorteilen noch leisten können bzw. wollen, zu diesen Zeiten nicht tätig zu werden, wird ihnen der Verzicht auf die Steuerersparnis mit zunehmender Höhe schwerer fallen. Die in § 3b EStG geregelte Steuerfreiheit von Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit wirkt sich in diesem Sinne mit zunehmendem Einkommen progressiv aus. Zum anderen kann es zur Erreichung des außerfiskalischen Zwecks erforderlich sein, dass vor allem bzw. schwerpunktmäßig Besserverdiener der Lenkungswirkung nachgeben. Wenn die leistungsfähigeren Steuerpflichtigen einen stärkeren finanziellen Anreiz erhalten als andere Steuerpflichtige, wird typischerweise auch deren Verhalten überproportional beeinflusst

868

P. Kirchhof, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, § 118 Rn. 50. P. Kirchhof, StuW 1984, 297 (299), definiert als Vergleichsziel „eine Gleichheit in den steuerlich überbrachten Verhaltensanreizen“ und als Vergleichsmaßstab „die Befolgungsfähigkeit der Steuerpflichtigen“. Eine so verstandene Gleichheit erscheint unbedingt jedoch wenig überzeugend, da sie nicht alternativ an die Stelle der Belastungsgleichheit treten kann. Vielmehr ist stets Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit von Förderungs- und Lenkungsnormen, dass das Gebot gleicher steuerlicher Lasten gewahrt wird. Folglich ist die Schaffung identischer Verhaltensanreize nur innerhalb des durch Art. 3 I GG konturierten Entscheidungsund Gestaltungsspielraums möglich, wobei es maßgeblich auf die Lenkungsentscheidung des Gesetzgebers ankommt. 870 So v. Arnim, VVDStRL 39 (1981), 286 (329), und diesem folgend Kube, Finanzgewalt in der Kompetenzordnung, S. 241. A.A. Trzaskalik, Inwieweit ist die Verfolgung ökonomischer, ökologischer und anderer öffentlicher Zwecke durch Instrumente des Abgabenrechts zu empfehlen?, E 85; wohl auch Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 244 f. 869

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4. Kap.: Wirkungen des Sonderausgabenabzugs

werden.871 Intendiert der Gesetzgeber jedoch ausschließlich, Besserverdiener zu höheren Aufwendungen zu veranlassen, ist eine mit steigendem Einkommen progressiv wachsende Entlastung nicht erforderlich. Verhältnismäßig ist in solchen Fällen eine mit der Höhe der Aufwendungen zunehmende, nicht eine vom Einkommen abhängige Förderung.872 Ob sich auf diese Weise die progressive Entlastung der hier interessierenden Sonderausgaben rechtfertigen lässt, ist unter Zugrundelegung des Förderungs- bzw. Lenkungszwecks für die jeweiligen Tatbestände gesondert zu prüfen. Von vornherein scheidet eine solche Argumentation bei den Beiträgen zu den sonstigen Sozialpflichtversicherungen i.S.v. § 10 I Nr. 3a EStG, den Leistungen zur Erfüllung bzw. Vermeidung der nachehelichen Ausgleichsansprüche i.S.v. § 10 Ia Nr. 4, 3 EStG sowie in Bezug auf die nicht existenzsichernden Unterhaltsleistungen nach § 10 Ia Nr. 1 EStG aus. Diese Aufwendungen müssen aufgrund gesetzlicher Verpflichtung getätigt werden, sodass die Steuerpflichtigen zu diesem Verhalten nicht mehr angeregt werden müssen. Damit bedarf es auch keines erhöhten Anreizes für Besserverdiener. Allerdings gelingt eine Rechtfertigung der progressiven Entlastung auch im Übrigen nicht. Leistungsfähigere Steuerpflichtige sollen nicht in stärkerem Maße angesprochen werden, sodass es auch nicht zweckdienlich ist, schwerpunktmäßig auf deren Verhalten Einfluss zu nehmen. Noch ist in diesen Fällen erkennbar, dass Besserverdiener eines stärkeren finanziellen Anreizes bedürfen, damit sie der Lenkungswirkung nachgeben und die entsprechenden Aufwendungen tätigen. 4. Zwischenergebnis Die mit steigendem Einkommen progressiven Entlastungswirkungen infolge eines Abzugs von der Bemessungsgrundlage wirken sich nachteilig auf die Ent- und Belastungsgleichheit aus und bedürfen daher einer Rechtfertigung vor Art. 3 I GG. Es handelt sich um eine Frage der gleichheitsgerechten Ausgestaltung von Förderungs- und Lenkungstatbeständen, insoweit der Gesetzgeber einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitsgrundsätze unterliegt. Gründe der Verwaltungsvereinfachung oder steuerpsychologische Aspekte können unterschiedliche, von der Höhe des Einkommens abhängige steuerliche Vorteile nicht rechtfertigen. Allenfalls der Förderungs- und Lenkungszweck selbst kann solche Wirkungen legitimieren. Daher lässt sich die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit einer progressiven Entlastung

871 Haverkate, in: Öffentliches Wirtschaftsrecht, Besonderer Teil I, S. 331 (387 f.); in Erwägung ziehend P. Kirchhof, in: Verhandlungen des 57. Deutschen Juristentages, Bd. I, F 1 (F 79); Kube, Finanzgewalt in der Kompetenzordnung, S. 241; Schaden, Die Steuervergünstigung als staatliche Leistung, S. 176. Hingegen hält Trzaskalik, Inwieweit ist die Verfolgung ökonomischer, ökologischer und anderer öffentlicher Zwecke durch Instrumente des Abgabenrechts zu empfehlen?, E 85 f., dieses Argument für unzulässig. 872 Dies ist bereits im Rahmen der Ausführungen zu den uneigennützigen Aufwendungen gezeigt worden, vgl. 4. Kapitel § 11 III. 3. c) (S. 196).

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nicht allgemein, sondern stets nur für den einzelnen Abzugstatbestand gesondert beantworten. Verallgemeinerbar können die Zulässigkeit und die Grenzen einer solchen Wirkung lediglich durch ein vom einzelnen Tatbestand losgelöstes Argumentationsmuster konkretisiert werden. Hierfür bieten die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu den Parteispenden und die Erwägungen des Gesetzgebers, die den Änderungen der Wohneigentumsförderung zugrunde gelegen haben, keine Anhaltspunkte. Der zum Teil in der Literatur vertretene Ansatz, dass bei uneigennützigen Aufwendungen ohne Gegenwert eine mit steigendem Einkommen progressive Entlastung vor Art. 3 I GG gerechtfertigt werden könne, ist widerlegt worden. Zweckdienlich können die progressiven Entlastungswirkungen eines Abzugs von der Bemessungsgrundlage jedoch sein, wenn der Gesetzgeber Steuerpflichtige mit höherem Aufwand überproportional fördern will und ein hinreichender Zusammenhang zwischen der Höhe des Einkommens einerseits und der Höhe des Aufwands andererseits besteht. In solchen Konstellationen entspricht der Progressionseffekt der Förderwürdigkeitsentscheidung. Des Weiteren kann es zur Verwirklichung eines Lenkungsziels geeignet sein, für leistungsfähigere Steuerpflichtige einen stärkeren Anreiz zu schaffen, entsprechende Aufwendungen zu tätigen. Solche Gestaltungen kommen in Betracht, wenn schwerpunktmäßig Besserverdiener angesprochen werden müssen oder die Lenkungswirkung bei diesem Personenkreis andernfalls nicht einträte, weil es deren finanzielle Situation ermöglichen würde, sich der lenkenden Einflussnahme leichter zu entziehen. Im Bereich der Sonderausgaben greifen diese Erwägungen größtenteils nicht. Einzig der Förderwürdigkeitsentscheidung des § 10 Ia Nr. 1 EStG, soweit die Leistungen keinen existenzsichernden Charakter haben873, entspricht eine mit steigendem Einkommen progressiv wachsende Entlastung. Im Übrigen bestehen erhebliche Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit solcher Wirkungen.

IV. Leistungsfähigkeit des begünstigten Personenkreises 1. Unzulänglichkeit einer systemgerechten Auswahl der Begünstigungsadressaten Bei einer einkommensteuerrechtlich überbrachten Förderung bzw. Lenkung ist es systemimmanent, dass nur leistungsfähige Steuerpflichtige begünstigt werden. Die Regelungen des Einkommensteuerrechts sind auf die Bemessung der individuellen Leistungsfähigkeit im jeweiligen Veranlagungszeitraum gerichtet, um auf dieser Grundlage die Einkommensteuerschuld zu ermitteln. Entsprechend knüpft auch die Möglichkeit zur Geltendmachung der hier interessierenden Sonderausgaben an einen 873 Soweit die Unterhaltsleistungen existenzsichernden Charakter haben, sind die vom individuellen Grenzsteuersatz abhängigen, unterschiedlichen Entlastungswirkungen ein Gebot der Belastungsgleichheit. Vgl. hierzu bereits 4. Kapitel § 10 II. (S. 169 ff.).

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4. Kap.: Wirkungen des Sonderausgabenabzugs

hinreichenden Gesamtbetrag der Einkünfte an. Wenn der Steuerpflichtige einen hinreichenden Gesamtbetrag der Einkünfte in der jeweiligen Besteuerungsperiode nicht erreicht, kann er an der Begünstigung nicht teilhaben. Sonderausgaben können mit Ausnahme der Zuwendungen für steuerbegünstigte Zwecke (vgl. § 10b I S. 9 EStG874) nicht vor- oder rückgetragen werden. Die Regelung des § 10d EStG erfasst als negative Einkünfte allein die aus Gründen der Belastungsgleichheit periodenübergreifend zu berücksichtigenden Betriebsausgaben und Werbungskosten (vgl. zum Begriff der „Einkünfte“ § 2 II EStG). Regelmäßig wird es ohnehin ein Gebot der gleichheitsgerechten Ausgestaltung des Vergünstigungstatbestands sein, dass steuerliche Vorteile nur im Kalenderjahr der Verausgabung generiert werden können.875 Zur Erreichung der außerfiskalischen Ziele ist es in der Regel nicht geeignet, jedenfalls nicht erforderlich, dass die aus Förderungs- und Lenkungsgründen abzugsfähigen Aufwendungen auch in anderen Veranlagungszeiträumen steuerwirksam zulasten der Belastungsgleichheit berücksichtigt werden. Vielmehr ist ein hinreichender zeitlicher Zusammenhang zwischen Verausgabung und steuerlichem Vorteil zwingend, soll ein Anreiz geschaffen werden, entsprechende Aufwendungen zu tätigen, oder der Steuerpflichtige insoweit gefördert werden. Eine Ausdehnung des begünstigten Personenkreises über die Steuerschuldner hinaus lässt sich ferner nicht durch Festsetzung einer negativen Einkommensteuer erreichen. Eine solche Gestaltung widerspricht der Rechtsnatur der Einkommensteuer als Mittel der Einnahmeerzielung. Entsprechend wird nämlich nur belastbares Einkommen herangezogen, während eine etwaige Bedürftigkeit im Steuerrecht einen Leistungsanspruch nicht begründen kann. Es ist somit konsequent, dass nicht leistungsfähige Bürger keine finanziellen Vorteile erhalten. Ob allerdings ein genereller Ausschluss der Nicht-Steuerschuldner mit der Struktur des zur Förderung bzw. Lenkung gewählten Systems legitimiert werden kann, erscheint zweifelhaft. Der Adressatenkreis würde allein durch die gesetzgeberische Entscheidung für eine Begünstigung im Wege des Steuerrechts bestimmt, ohne dass vorgelagert die Frage gestellt werden müsste, ob diese Auswahl den Anforderungen des Art. 3 I GG genügt. Grundsätzlich hat der Gesetzgeber bei der Entscheidung über das Mittel der Förderung bzw. Lenkung einen weiten Gestaltungsspielraum. Ihm steht es weitgehend frei, ob er seine Ziele auf dem direkten Weg über die Zuwendung von Finanzhilfen oder indirekt durch staatlichen Einnahmeverzicht zu erreichen sucht.876

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Hierzu kritisch Kulosa, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10b EStG Rn. 65. Ähnlich BFH v. 29. 01. 2009, VI R 44/08, BStBl II 2009, 411 (413 f.). 876 Nach BVerfG v. 20. 04. 2004, 1 BvR 905/00, 1 BvR 1748/99, BVerfGE 110, 274 (292); v. 07. 11. 2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 (31); v. 17. 04. 2008, 2 BvL 4/05, BVerfGE 121, 108 (120); v. 09. 12. 2008, 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08 u. a., BVerfGE 122, 210 (231); v. 15. 01. 2014, 1 BvR 1656/09, BVerfGE 135, 126 (151); v. 05. 11. 2014, 1 BvF 3/11, BVerfGE 137, 350 (367), „[darf der Gesetzgeber] nicht nur durch Ge- und Verbote, sondern ebenso durch mittelbare Verhaltenssteuerung auf Wirtschaft und Gesellschaft gestaltend Einfluss nehmen.“ 875

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Es muss auch nicht die „zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung“877 gefunden werden, wohl aber eine solche, die den Anforderungen des Art. 3 I GG genügt. Die Reichweite eines solchen Rechts auf Gleichbehandlung kann aber nicht von den Systemkonsequenzen des jeweiligen Rechtsgebiets abhängig gemacht werden.878 Andernfalls könnte der Gesetzgeber selbst, allein mit der Wahl des Mittels, über seine gleichheitsrechtlichen Bindungen disponieren. Vielmehr müssen die Grenzen eines Anspruchs auf Gleichbehandlung vom Zweck der Norm her bestimmt werden. Daher ist dem Gesetzgeber schon das Mittel des Einkommensteuerrechts verwehrt, wenn die steuerliche Förderung bzw. Lenkung zu einem gleichheitswidrigen Begünstigungsausschluss nicht leistungsfähiger Bürger führt.879 Der Begünstigungsausschluss kann nicht damit legitimiert werden, dass es sich um eine Wirkung handelt, die bei einer einkommensteuerrechtlich überbrachten Förderung bzw. Lenkung systemimmanent ist. 2. Gleichheitsgerechte Auswahl der Begünstigungsadressaten Der Gesetzgeber hat einen weiten Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum bei der Frage, welche Zwecke durch Förderungs- und Lenkungstatbestände verfolgt werden sollen. In diesem Rahmen ist er auch bei der Auswahl der zu begünstigenden Personen und Sachverhalte weitgehend frei.880 Eine solche Begünstigungsentscheidung muss allerdings gleichheitsgerecht ausgestaltet werden. Selbstredend bedeutet dies jedoch nicht, dass allen Bürgern gleichermaßen die tatsächliche Möglichkeit eingeräumt werden muss, an der Begünstigung teilzuhaben. Art. 3 I GG gewährt kein Recht auf faktische, sondern allein auf rechtliche Gleichheit.881 Vielmehr muss das jeweilige Ziel entscheidend sein, das der Gesetzgeber durch den Vergünstigungstatbestand zu erreichen sucht. Entsprechend ist der Adressatenkreis 877 Vgl. BVerfG v. 28. 01. 1970, 1 BvL 4/67, BVerfGE 27, 375 (390); v. 06. 12. 1983, 2 BvR 1275/79, BVerfGE 65, 325 (354); v. 07. 11. 2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 (36); vgl. auch BVerfG v. 29. 11. 1989, 1 BvR 1402/87, 1 BvR 1528/87, BVerfGE 81, 108 (118); v. 19. 02. 1991, 1 BvR 1231/85, BVerfGE 83, 395 (401); v. 04. 02. 2009, 1 BvL 8/05, BVerfGE 123, 1 (21). 878 So auch Zacher, AöR 93 (1968), 341 (354). 879 So auch P. Kirchhof, StuW 1984, 297 (299, 308); ders., in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, § 118 Rn. 50; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 343; Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 136; ders., in: Leitgedanken des Rechts, Bd. II, § 152 Rn. 20; ders., in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO Rn. 450. A.A. BFH v. 29. 01. 2009, VI R 44/08, BStBl II 2009, 411 (413), und Apitz, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 35a EStG Rn. 3, hinsichtlich der Aufwendungen für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse und Dienstleistungen i.S.v. § 35a EStG. 880 So BVerfG v. 07. 11. 1995, 2 BvR 413/88, 2 BvR 1300/93, BVerfGE 93, 319 (350); v. 20. 04. 2004, 1 BvR 905/00, 1 BvR 1748/99, BVerfGE 110, 274 (293); v. 07. 11. 2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 (32); v. 25. 07. 2007, 1 BvR 1031/07, NVwZ 2007, 1168 (1171); v. 15. 01. 2014, 1 BvR 1656/09, BVerfGE 135, 126 (151); v. 05. 11. 2014, 1 BvF 3/11, BVerfGE 137, 350 (371); v. 17. 12. 2014, 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136 (182). 881 Vgl. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 3 Rn. 3 ff. m.w.N.

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zweckgerecht nach Maßgabe der zugrunde liegenden Förderungs- und Lenkungsentscheidung zu bestimmen. Dies bedeutet für den inzidenten Begünstigungsausschluss durch eine Förderung bzw. Lenkung im Wege des Steuerrechts zweierlei: Die Begrenzung des Adressatenkreises auf Steuerschuldner ist jedenfalls dann mit Art. 3 I GG vereinbar, wenn dies dem Zweck entspricht882, weil insoweit ohnehin nur Steuerschuldner als Begünstigte gedacht werden können883. In solchen Konstellationen stellt sich das Kriterium der steuerlichen Leistungsfähigkeit als ein sach- und zweckgerechtes Kriterium zur Abgrenzung des begünstigten Personenkreises dar. Auch im Übrigen erscheint die Annahme eines Gleichheitsverstoßes nicht zwingend.884 Eine solche Ungleichbehandlung löst zunächst einen Rechtfertigungsbedarf vor Art. 3 I GG aus.885 In diesem Rahmen muss berücksichtigt werden, dass sich das Steuerrecht als ein effizientes Mittel zur Verfolgung von Förderungs- und Lenkungszielen darstellt, insbesondere erheblich zur Verwaltungsvereinfachung beitragen kann. Der Prüfaufwand ist zwar unabhängig von der Methode – direkte oder indirekte Förderung bzw. Lenkung – gleich, jedoch bestehen beachtliche Unterschiede hinsichtlich des zur Abwicklung erforderlichen Verwaltungsaufwands. Werden außerfiskalische Zwecke im Wege des Steuerrechts verfolgt, kann auf Einnahmen aus einem bestehenden Schuldverhältnis verzichtet werden. Eine unbestimmte Vielzahl verschiedenster Förderungs- und Lenkungstatbestände kann auf diese Weise „en passant“ abgewickelt werden. Hingegen ist dieser äußerst praktikable Weg versperrt, wenn die Begünstigung auch auf Personen auszudehnen ist, die nicht Steuerschuldner sind. Es muss in jedem einzelnen Fall – in personeller sowie in sachlicher Hinsicht – ein Leistungsverhältnis zwischen Staat und Bürger begründet werden, in welchem die finanziellen Mittel zugewendet werden. Auch ein Nebeneinander der verschiedenen Methoden kann nur bedingt zu einem Effizienzgewinn führen. Folglich entspricht es grundsätzlich dem anzuerkennenden Erfordernis der Verwaltungspraktikabilität, im Rahmen eines bestehenden Steuerschuldverhältnisses durch Steuerverzicht finanzielle Förderungen zu gewähren bzw. Lenkungsanreize zu setzen. Der generelle Begünstigungsausschluss nicht leistungsfähiger Bürger lässt sich gleichwohl nur rechtfertigen, wenn die Vorteile „im rechten Verhältnis zu der mit [ihm] notwendig

882 Kube, Finanzgewalt in der Kompetenzordnung, S. 240; ähnlich Trzaskalik, Inwieweit ist die Verfolgung ökonomischer, ökologischer und anderer öffentlicher Zwecke durch Instrumente des Abgabenrechts zu empfehlen?, E 88. 883 Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 196, spricht in diesem Zusammenhang von einer Beschränkung „aus der Natur der Sache“. 884 Einen Gleichheitsverstoß nehmen hingegen Fann, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Steuervergünstigung, S. 105 f.; Schaden, Die Steuervergünstigung als staatliche Leistung, S. 177; Trzaskalik, Inwieweit ist die Verfolgung ökonomischer, ökologischer und anderer öffentlicher Zwecke durch Instrumente des Abgabenrechts zu empfehlen?, E 88. 885 P. Kirchhof, StuW 1984, 297 (308); ders., in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, § 118 Rn. 50; Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 136; Wieland, in: Festschrift für Zeidler, S. 735 (751).

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verbundenen Ungleichheit“886 stehen. Es muss sich um eine verfassungsrechtlich zulässige Typisierung des Adressatenkreises handeln, bei der die Anzahl der nachteilig betroffenen Personen relativ gering und die Ungleichbehandlung nicht besonders intensiv ist.887 Maßgeblich kommt es somit darauf an, ob im typischen Fall nur leistungsfähige Steuerpflichtige den förderungswürdigen Tatbestand erfüllen bzw. zu einem bestimmten Verhalten veranlasst werden sollen.888 Im Bereich der Sonderausgaben knüpft die Förderung bzw. Lenkung an einen bestimmten finanziellen Aufwand an, dessen Entstehung gerade Ausdruck finanzieller Leistungsfähigkeit ist. So müssen regelmäßig nur leistungsfähige Steuerpflichtige Beiträge zu den Sozialpflichtversicherungen i.S.v. § 10 I Nr. 3a EStG zahlen und nacheheliche Unterhalts- und Ausgleichsansprüche i.S.v. § 10 Ia Nr. 1, 3, 4 EStG erfüllen. Zwar sind solche Aufwendungen sozialversicherungsrechtlich bzw. zivilrechtlich zwingend, doch hängt die Verpflichtung dem Grunde und der Höhe nach von der Einkommenshöhe und damit von der einkommensteuerrechtlichen Leistungsfähigkeit ab. Auch werden typischerweise keine freiwilligen Ausgaben für eine zusätzliche Vorsorge i.S.v. §§ 10 I Nr. 3a, 10a EStG getätigt und auch keine Verpflichtungen zur Versorgung Dritter gemäß § 10 Ia Nr. 2 EStG eingegangen, wenn das Einkommen schon nicht bzw. gerade noch ausreicht, um die gegenwärtigen individuellen Bedürfnisse zu befriedigen. Aus demselben Grund wird auf den Besuch einer kostenpflichtigen Schule und auf eine Fremdbetreuung von Kindern verzichtet werden. Auch werden die Berufsausbildungsaufwendungen typischerweise nur von dem Betroffenen selbst getragen, wenn dieser hinreichend leistungsfähig ist, während im Übrigen regelmäßig die Eltern die Kosten tragen und im Rahmen des Familienleistungsausgleichs entlastet werden. Ferner werden im Regelfall nur Steuerschuldner Ausgaben für Bauwerke und Kulturgüter i.S.v. §§ 10f, 10g EStG oder als Zuwendung an Dritte für steuerbegünstigte Zwecke i.S.v. § 10b EStG tätigen. Folglich kann der Ausschluss der nicht leistungsfähigen Bürger von den Förderungs- bzw. Lenkungswirkungen der § 2 IV EStG i.V.m. §§ 10 ff. EStG als realitätsgerechte Typisierung gerechtfertigt werden.889 In diesem Sinne hat das Bundesverfassungsgericht bereits für die Begünstigung von Parteispenden ent886

Vgl. BVerfG v. 20. 04. 2004, 1 BvR 905/00, 1 BvR 1748/99, BVerfGE 110, 274 (292); v. 07. 11. 2006, 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 (31); v. 15. 01. 2008, 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 (30); v. 04. 02. 2009, 1 BvL 8/05, BVerfGE 123, 1 (19); v. 12. 10. 2010, 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224 (246); v. 07. 05. 2013, 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07, BVerfGE 133, 377 (396); v. 17. 12. 2014, 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136 (234). 887 Zu den Anforderungen einer gleichheitsgerechten Typisierung 3. Kapitel § 7 I. 1. (S. 143 f.) sowie 3. Kapitel § 8 I. (S. 155 f.). 888 BVerfG v. 09. 04. 1992, 2 BvE 2/89, BVerfGE 85, 264 (317), zur Abziehbarkeit von Parteispenden nach § 34g EStG; Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 196; ders., in: Leitgedanken des Rechts, Bd. II, § 152 Rn. 20. 889 Den Ausschluss nicht leistungsfähiger Bürger von der Wohneigentumsförderung nach §§ 10e, 34f EStG in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung der steuerrechtlichen Förderung des selbstgenutzten Wohneigentums v. 15. 05. 1986 (BGBl I 1986, 730 ff.) hält Wieland, in: Festschrift für Zeidler, S. 735 (754), für gleichheitswidrig.

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4. Kap.: Wirkungen des Sonderausgabenabzugs

schieden. Es bleibe „im Rahmen zulässiger gesetzlicher Typisierung […], wenn der Gesetzgeber für den Regelfall davon ausgeh[e], da[ss] Personen ohne oder mit geringem Einkommen in der Regel nicht als Spender in Betracht [kämen]“890. Insbesondere wird man es im Hinblick auf den erheblichen Effizienzgewinn der Verwaltung auch noch als angemessen betrachten müssen, dass viele Rentner von der Begünstigung ausgeschlossen werden. Diese Problematik ist mit dem Systemwechsel auf die nachgelagerte Besteuerung durch das Alterseinkünftegesetz891 entschärft worden. Ab 2040 werden die Renten nachgelagert besteuert, sodass die Maßgröße der steuerlichen Leistungsfähigkeit wie auch bei anderen Steuerpflichtigen Aussagekraft darüber hat, ob der Vergünstigungstatbestand typischerweise erfüllt wird.892

V. Zwischenergebnis Die Wirkungen des Sonderausgabenabzugs, die Be- und Entlastungsunterschiede innerhalb des Kreises der Begünstigten als auch im Verhältnis zu den Nichtbegünstigten sowie der Begünstigungsausschluss von Nicht-Steuerschuldnern, müssen vor Art. 3 I GG gerechtfertigt werden können. Da es sich um eine Frage der Ausgestaltung der Förderungs- und Lenkungstatbestände handelt, unterliegt der Gesetzgeber einer strengen Bindung an den allgemeinen Gleichheitssatz. Folglich ist sein Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum eng umgrenzt, sollen Aufwendungen zum Zwecke der Förderung bzw. Lenkung als Sonderausgaben wirksam werden. Dies bedeutet zum einen, dass die Belastungsunterschiede zwischen den begünstigten und den nichtbegünstigten Steuerpflichtigen auf das zur Zweckerreichung erforderliche und angemessene Maß zu begrenzen sind. In einer Vielzahl der Fälle wird daher ein Abzugshöchstbetrag verfassungsrechtlich geboten sein, auch wenn dem Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative hinsichtlich der Eignung und der Erforderlichkeit zuzuerkennen ist. Höchstbetragsregelungen dürfen jedoch nicht faktisch zu einem gleichheitswidrigen Begünstigungsausschluss führen. Die Beschränkung des § 10 IV EStG für sonstige Vorsorgeaufwendungen hat eine solche 890 BVerfG v. 09. 04. 1992, 2 BvE 2/89, BVerfGE 85, 264 (317). Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 196, zieht aus der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Typisierung im Bereich der streng formalen Chancengleichheit der Parteien und des Rechts der Bürger auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung den Schluss, dass erst recht in weniger sensiblen Bereichen eine Typisierung verfassungsrechtlich zulässig sein muss. 891 Gesetz zur Neuordnung der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen (BGBl I 2004, 1427 ff.). 892 Als besonders problematisch hat sich der Begünstigungsausschluss von Rentnern unter dem System der vorgelagerten Besteuerung dargestellt. Besteuerbar ist nur der Ertragsanteil der Altersbezüge gewesen, nicht jedoch die Kapitalanteile. Daher hat die steuerliche Leistungsfähigkeit bei diesen Steuerpflichtigen nur beschränkt eine Aussagekraft dahingehend gehabt, ob sie den Förderungs- und Lenkungstatbestand typischerweise erfüllen können.

§ 11 Vereinbarkeit mit Art. 3 I GG – Förderungs- und Lenkungstatbestände

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unzulässige Wirkung. Unterschiedliche Abzugsvolumina sind nur dann zulässig, wenn die Differenzierung innerhalb des Kreises der Begünstigten verhältnismäßig ist. Diesen Anforderungen genügen mit der Höhe des Aufwands proportional wachsende Abzugshöchstbeträge, wenn durch eine solche Gestaltung dem korrespondierend zunehmenden Förderbedarf Rechnung getragen werden soll. Aus diesem Grunde sind die Begrenzungen auf einen bestimmten Anteil der tatsächlichen Kinderbetreuungskosten und des Schulgelds innerhalb eines absoluten Höchstbetrags sowie der Aufwendungen i.S.v. §§ 10f, 10g EStG zulässig. Grundsätzliche Bedenken bestehen hingegen, wenn das Abzugsvolumen mit steigender Leistungsfähigkeit zunimmt. Im Einzelfall kann auch eine solche Differenzierung zulässig sein, wie sich beim Spendenabzug nach § 10b I EStG gezeigt hat. Zum anderen ist der Gesetzgeber nicht frei darin, den Sonderausgabenabzug als Mittel der steuerlichen Förderung bzw. Lenkung zu wählen. Diese Möglichkeit steht nur dann zur Verfügung, wenn die progressionsbedingten Entlastungsunterschiede den strengen Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes genügen. Gründe der Verwaltungspraktikabilität oder steuerpsychologische Erwägungen wirken nicht rechtfertigend. Vielmehr muss eine mit steigendem Einkommen progressiv zunehmende Entlastung zur Erreichung des Förderungs- bzw. Lenkungsziels geeignet, erforderlich und angemessen sein. Dies kann nur für den einzelnen Tatbestand gesondert beurteilt werden. Jedoch können die Zulässigkeit und die Grenzen solcher Wirkungen verallgemeinerbar durch ein Argumentationsmuster konkretisiert werden, wie es hier entwickelt worden ist. Die verschiedenen Ansätze greifen hinsichtlich der im geltenden Recht normierten Sonderausgaben, mit Ausnahme der über die Existenzsicherung hinausgehenden Unterhaltsleistungen i.S.v. § 10 Ia Nr. 1 EStG, allerdings nicht. Schließlich darf der Gesetzgeber seine Ziele nur dann im Wege des Steuerrechts – Abzug von der Bemessungsgrundlage oder Abzug von der Steuerschuld – verfolgen, wenn der inzidente Begünstigungsausschluss nicht leistungsfähiger Bürger mit Art. 3 I GG vereinbar ist. Eine Grenze findet das Recht auf Gleichbehandlung nämlich nicht in den Systemkonsequenzen des Einkommensteuerrechts. Daher sind Steuervergünstigungen nur zulässig, wenn es nach der sachlichen Förderungs- und Lenkungsentscheidung schon nicht denkbar ist, dass Nicht-Steuerschuldner Adressaten sein können, oder wenn zumindest typischerweise ausschließlich Steuerschuldner den Tatbestand erfüllen. Letzteres hat für die als Sonderausgaben abzugsfähigen Aufwendungen nachgewiesen werden können. Festzustellen bleibt damit, dass sich der Gesetzgeber stets im Spannungsverhältnis zu Art. 3 I GG bewegt, wenn Sonderausgabentatbestände mit außerfiskalischer Zielsetzung normiert werden. Dieses Spannungsverhältnis ist umsichtig unter Beachtung der Verhältnismäßigkeitserfordernisse aufzulösen.

206

4. Kap.: Wirkungen des Sonderausgabenabzugs

§ 12 Freiheitsrechtliche Relevanz der Förderungs- und Lenkungstatbestände Die Gestaltungswirkungen von Normen mit außerfiskalischer Zwecksetzung können grundsätzlich auch einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in Freiheitsrechte darstellen. Es steht nicht ein Eingriff im klassischen Sinne, der als finale und unmittelbare Verkürzung grundrechtlicher Freiheiten durch einen gegebenenfalls mit Befehl und Zwang durchsetzbaren Rechtsakt charakterisiert wird893, in Rede, da es sich nicht um verbindliche Ge- und Verbote handelt. Im Vergleich zu solchen Maßnahmen stellt die Lenkung im Wege des Steuerrechts ein milderes Mittel dar.894 Sie belässt dem Adressaten eine Wahlmöglichkeit, sich in der gewünschten Art und Weise oder eben anders zu verhalten. Gleichwohl will der Gesetzgeber auf die Willensbildung des Bürgers einwirken, stellt er unterschiedliche finanzielle Folgen in Aussicht. Eine solche Einflussnahme auf das Verhalten der Steuerpflichtigen kann als mittelbarer Eingriff in Freiheitsrechte zu werten sein895, der in gleicher Weise einen Rechtfertigungsbedarf auslöst wie ein klassischer Eingriff896. Allerdings ist deren Abwehrgehalt nicht bei jeglichen mittelbaren und faktischen Wirkungen staatlicher Maßnahmen betroffen, sondern nur bei solchen, die „in der Zielsetzung und ihren Wirkungen [klassischen] Eingriffe[n] gleichkommen“897, also eine hinreichende Eingriffsqualität aufweisen. Entsprechend können zu deren Beurteilung insbesondere die Intensität der Betroffenheit von Grundrechten898 als auch die Frage 893 BVerfG v. 26. 06. 2002, 1 BvR 670/91, BVerfGE 105, 279 (300); v. 20. 02. 2008, 1 BvR 2722/06, NVwZ 2008, 780 (786). 894 Trzaskalik, Inwieweit ist die Verfolgung ökonomischer, ökologischer und anderer öffentlicher Zwecke durch Instrumente des Abgabenrechts zu empfehlen?, E 68; Vogel, BayVBl 1980, 523 (525). 895 v. Arnim, VVDStRL 39 (1981), 286 (330); Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 215; Fann, Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Steuervergünstigung, S. 116 ff.; Kloepfer, Verfassungsrecht, Bd. II, § 51 Rn. 27; Kube, Finanzgewalt in der Kompetenzordnung, S. 230 ff.; Osterloh/Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 141; Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 217 ff.; Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 349 f., 353 f., 356 ff. A.A. Trzaskalik, Inwieweit ist die Verfolgung ökonomischer, ökologischer und anderer öffentlicher Zwecke durch Instrumente des Abgabenrechts zu empfehlen?, E 23, 79. 896 BVerfG v. 26. 06. 2002, 1 BvR 558/91, 1 BvR 1428/91, BVerfGE 105, 252 (273); v. 26. 06. 2002, 1 BvR 670/91, BVerfGE 105, 279 (300 f.); v. 17. 03. 2004, 1 BvR 1266/00, BVerfGE 110, 177 (191); v. 24. 05. 2005, 1 BvR 1072/01, BVerfGE 113, 63 (76 f.); v. 11. 07. 2006, 1 BvL 4/00, BVerfGE 116, 202 (222); v. 14. 10. 2008, 1 BvR 928/08, NVwZ 2008, 1338 (1339); v. 31. 08. 2009, 1 BvR 3275/07, NVwZ 2009, 1486 (1487). 897 BVerfG v. 17. 03. 2004, 1 BvR 1266/00, BVerfGE 110, 177 (191); v. 24. 05. 2005, 1 BvR 1072/01, BVerfGE 113, 63 (77); v. 11. 07. 2006, 1 BvL 4/00, BVerfGE 116, 202 (222); v. 14. 10. 2008, 1 BvR 928/08, NVwZ 2008, 1338 (1339); v. 31. 08. 2009, 1 BvR 3275/07, NVwZ 2009, 1486 (1487); ähnlich BVerfG v. 26. 06. 2002, 1 BvR 558/91, 1 BvR 1428/91, BVerfGE 105, 252 (273 f.). 898 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Vorb. Art. 1 Rn. 29; Kloepfer, Verfassungsrecht, Bd. II, § 51 Rn. 36; Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Grundrechte, Staatsrecht II, Rn. 268. A.A.

§ 12 Freiheitsrechtliche Relevanz der Förderungs- und Lenkungstatbestände

207

herangezogen werden, ob die Wirkungen bezweckt oder bloßer Reflex staatlichen Handelns sind899. Die Förderungs- und Lenkungstatbestände der hier interessierenden Sonderausgaben weisen eine derartige Eingriffsqualität nicht auf.900 Sofern die Ausgaben ohnehin von Gesetzes wegen zu tätigen sind, ist ein steuerlicher Vorteil nicht zur Verhaltensbeeinflussung geeignet. Im Übrigen zielt der Gesetzgeber zwar darauf ab, dass der Wille auch wegen der in Aussicht gestellten Steuervergünstigung in der erwünschten Weise gebildet wird. Die steuerlichen Motive werden jedoch regelmäßig nicht vordergründig sein, da der finanzielle Aufwand nicht in vollem Umfang steuerlich kompensiert wird.901 Vielmehr bewirkt der Abzug von der Bemessungsgrundlage lediglich eine „Beteiligung“ des Staates an den Kosten in Höhe des jeweiligen Grenzsteuersatzes. Es müssen also vor allem andere Motive bestehen, welche den Aufwand trotz der per Saldo verbleibenden finanziellen Belastung aus Sicht des Steuerpflichtigen rechtfertigen. So erhält der Leistende wegen der als Sonderausgaben abzugsfähigen Ausgaben, abgesehen von den Spenden für steuerbegünstigte Zwecke, eine wie auch immer geartete Gegenleistung. Hat diese für den Einzelnen selbst schon keinen Wert, werden entsprechende Aufwendungen auch nicht getätigt werden. Im Übrigen wird regelmäßig schon die zu erwerbende Leistung, beispielsweise Berufsausbildung, frühkindliche oder schulische Bildung, hinreichender Anreiz für entsprechende Ausgaben sein. Für die Frage nach der Eingriffsqualität kann dies nur die Folge haben, dass die Lenkungswirkungen die Schwelle zum Eingriff nicht überschreiten und damit auch keinen Rechtfertigungsbedarf auslösen. Sind die Freiheitsrechte der begünstigten Steuerpflichtigen nicht beeinträchtigt, so stellt sich schließlich noch die Frage, ob die punktuelle Förderung die FreiHillgruber, in: Handbuch des Staatsrechts, Bd. IX, § 200 Rn. 95; wohl Peine, in: Handbuch der Grundrechte, Bd. III, § 57 Rn. 49; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/2, S. 203 f. Kritisch insbesondere im Hinblick auf Lenkungssteuern Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 355 f. 899 BVerfG v. 26. 06. 2002, 1 BvR 670/91, BVerfGE 105, 279 (300); v. 11. 07. 2006, 1 BvL 4/00, BVerfGE 116, 202 (222); v. 14. 10. 2008, 1 BvR 928/08, NVwZ 2008, 1338 (1339); v. 31. 08. 2009, 1 BvR 3275/07, NVwZ 2009, 1486 (1487). 900 So auch Osterloh, DStJG 24 (2001), 383 (397), allgemein zu den einkommensteuerrechtlichen Lenkungsnormen „bisherigen Musters“; Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 380, zur Lenkungswirkung eines Abzugs der gezahlten Kirchensteuer als Sonderausgabe, die dieser – entgegen der hier vertretenen Ansicht – nicht als existenzsichernd einordnet; ders., in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO Rn. 574, sieht in der Anknüpfung an ein bestimmtes Verhalten noch nicht einen „motivationsbeeinflussenden Druck“. A.A. Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, S. 449 f., zu den begünstigenden Anreizen des Gemeinnützigkeitsrechts; Glaser, StuW 2012, 168 (171), allgemein zu Lenkungsnormen; Trzaskalik, Inwieweit ist die Verfolgung ökonomischer, ökologischer und anderer öffentlicher Zwecke durch Instrumente des Abgabenrechts zu empfehlen?, E 78, zur begünstigenden steuerlichen Lenkung. 901 Ähnlich Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 379 f., zum Kirchensteuerabzug.

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4. Kap.: Wirkungen des Sonderausgabenabzugs

heitsrechte der nichtbegünstigten Bürger beeinträchtigt.902 Dies ist zu verneinen. Eine Freiheitsbeeinträchtigung kann nicht darin gesehen werden, dass andere Kosten der Grundrechtsausübung vom Staat nicht „mitgetragen“ werden. Die grundrechtlich geschützten Freiheiten sind primär Abwehrrechte gegen staatliche Eingriffe, begründen jedoch keinen Anspruch auf die Schaffung der tatsächlichen Voraussetzungen der Grundrechtsausübung.903 Nur ausnahmsweise wird im Bereich der Wirtschaftssubventionen ein Eingriff durch Nichtförderung904 bejaht, sofern eine wettbewerbsverzerrende Wirkung eintritt.905 In diesem Sinne wirkt sich die steuerliche Begünstigung der als Sonderausgaben abzugsfähigen Aufwendungen allerdings nicht aus.

902

Hierzu bereits Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 230 ff. Hufen, Staatsrecht II, § 5 Rn. 10; Maurer, Staatsrecht I, § 9 Rn. 28; Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, S. 366 ff. 904 Vgl. allgemein zur Gleichbehandlungsfunktion von Grundrechten Jarass, in: Handbuch der Grundrechte, Bd. II, § 38 Rn. 39. 905 BVerfG v. 12. 10. 1977, 1 BvR 216/75, 1 BvR 217/75, BVerfGE 46, 120 (137 f.); v. 06. 06. 1989, 1 BvR 727/84, BVerfGE 80, 124 (133 f.). 903

5. Kapitel

Der Sonderausgabenabzug bei grenzüberschreitenden Sachverhalten § 13 Das Besteuerungsrecht bei grenzüberschreitenden Sachverhalten I. Begrenzung der Besteuerungsbefugnis durch das Territorialitätsprinzip Ein Staat kann steuerlich auch auf Einnahmen zugreifen, die aus einer grenzüberschreitenden Tätigkeit herrühren. Ein solches Besteuerungsrecht setzt allerdings voraus, dass ein hinreichender sachlicher Anknüpfungspunkt (sog. genuine link) gegeben ist, der den Zugriff im Hinblick auf das Territorialitätsprinzip völkerrechtlich legitimiert. Als solche hat das Bundesverfassungsgericht im Bereich der Abgabenerhebung „die Staatsangehörigkeit, Niederlassung, Wohnsitz oder Aufenthalt im Inland, die Verwirklichung eines Abgabentatbestands im Inland oder die Herbeiführung eines abgabenrechtlich erheblichen Erfolges im Inland“906 anerkannt, die einem „Mindestmaß an Einsichtigkeit genügen“907. Entsprechend unterwirft der deutsche Steuergesetzgeber nicht nur im Inland ansässige natürliche Personen oder solche i.S.v. § 1 II EStG mit ihren gesamten Einkünften, sondern auch in anderen Staaten ansässige Personen mit ihren inländischen Einkünften (§ 1 III, IV EStG) der Einkommensteuer. Dabei ist die Differenzierung einerseits nach dem Welteinkommen und andererseits nach den Quelleneinkünften Ausfluss des Territorialitätsprinzips908, das über Art. 25 GG als Bundesrecht Geltung beansprucht909. Eine solche Beschränkung des Besteuerungsrechts auf bestimmte inländische Einnahmen wirkt sich auch auf die Pflichten des Gesetzgebers aus, Aufwendungen steuerwirksam zu berücksichtigen. 906

BVerfG v. 22. 03. 1983, 2 BvR 475/78, BVerfGE 63, 343 (369). BVerfG v. 22. 03. 1983, 2 BvR 475/78, BVerfGE 63, 343 (369). 908 Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, Rn. 676; Frotscher, Internationales Steuerrecht, Rn. 39; Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht, Rn. 23, 366; Schaumburg, in: Europäisches Steuerrecht, S. 311 (333). 909 BFH v. 18. 12. 1963, I 230/61 S, BStBl III 1964, 253 (256 f.); Herdegen, in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 25 Rn. 27, 36 f.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 25 Rn. 3, 11; Wollenschläger, in: Dreier, GG, Art. 25 Rn. 13, 41. 907

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5. Kap.: Der Sonderausgabenabzug bei grenzüberschreitenden Sachverhalten

II. Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Gewährung von Steuervergünstigungen bei beschränkter Steuerpflicht Betriebsausgaben und Werbungskosten stehen in einem hinreichenden, durch die grenzüberschreitende Betätigung nicht durchbrochenen Zusammenhang mit der inländischen Steuerquelle, die Anknüpfungspunkt des Besteuerungsrechts ist. Daher müssen, wie auch bei reinen Inlandssachverhalten, durch diese Einnahmen veranlasste Aufwendungen grundsätzlich wegen des Art. 3 I GG910 die Bemessungsgrundlage mindern.911 Gleichwohl werden Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten nicht berücksichtigt, wenn die Einkommensteuer nach § 50a EStG i.V.m. § 50 II EStG mit abgeltender Wirkung durch Steuerabzug erhoben wird. Nach umstrittener Ansicht912 kann eine solche Bruttobesteuerung zum Zwecke der Verwaltungsvereinfachung vor Art. 3 I GG durch den geringen Steuersatz von 15 % bzw. ausnahmsweise von 30 % nach § 50a II S. 1 EStG gerechtfertigt werden. Lediglich bei beschränkt Steuerpflichtigen, die im Anwendungsbereich des Unionsrechts ansässig sind, werden die Erwerbsaufwendungen nach § 50 III EStG berücksichtigt.913 Aus Art. 3 I GG folgt grundsätzlich keine Pflicht des Gesetzgebers, das Existenzminimum der Steuerpflichtigen von der Steuer freizustellen, die nur mit ihren inländischen Quelleneinkünften zur Besteuerung herangezogen werden.914 Anders als bei den ansässigen Steuerpflichtigen wird nur ein Teil des Einkommens und nicht die gesamte individuelle Leistungsfähigkeit erfasst. Dieser Unterschied stellt einen sachlichen Grund dafür dar, im Rahmen der Quellenbesteuerung – korrespondierend zum Umfang der Steuerpflicht – solche Faktoren unberücksichtigt zu lassen, die die Gesamtleistungsfähigkeit mindern.915 Zudem kann im Tätigkeitsstaat nicht abschließend beurteilt werden, ob durch die Besteuerung auf ein für die Existenzsicherung gebundenes Einkommen zugegriffen wird. Der Zweck der Steuerfreistel-

910

Vgl. zur verfassungsrechtlichen Verankerung des objektiven Nettoprinzips bereits 2. Kapitel § 4 II. 1. (S. 78 ff.). 911 Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht, Rn. 405; Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 50 Rn. 7. 912 So Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht, Rn. 405; Frotscher, Internationales Steuerrecht, Rn. 39, 195, 197; Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 50a Rn. 3. A.A. Schaumburg, Internationales Steuerrecht, S. 153 ff. 913 Vgl. zu den Anforderungen des Unionsrechts nachfolgend 5. Kapitel § 14 II. 1. b) (S. 219). 914 BVerfG v. 12. 10. 1976, 1 BvR 2328/73, BVerfGE 43, 1 (9 f.); v. 09. 02. 2010, 2 BvR 1178/07, HFR 2010, 640 (641); Frotscher, Internationales Steuerrecht, Rn. 195; Kube, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 50 Rn. A 61; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, S. 156 f.; Stapperfend, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Vor §§ 1, 1a EStG Rn. 31. 915 BFH v. 20. 04. 1988, I R 219/82, BStBl II 1990, 701 (704); ähnlich BVerfG v. 09. 02. 2010, 2 BvR 1178/07, HFR 2010, 640 (641). A.A. Eckert, Die beschränkte Steuerpflicht, S. 109 f.

§ 13 Das Besteuerungsrecht

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lung aber, das „unabweisbare Lebenshaltungsbedürfnis“916 außer Ansatz zu lassen, kann nur verwirklicht werden, wenn neben den inländischen Einkünften i.S.v. § 49 EStG keine nennenswerten ausländischen Einkünfte erzielt werden.917 Schließlich birgt eine Steuerfreistellung im Tätigkeitsstaat die Gefahr, dass ein für die Existenzsicherung gebundenes Einkommen mehrfach, insbesondere im Ansässigkeitsstaat918, berücksichtigt wird.919 Daher ist es im Grundsatz mit Art. 3 I GG vereinbar, wenn im Quellenstaat das Existenzminimum bei der Besteuerung unberücksichtigt bleibt. Eine Ausnahme gilt jedoch für den Fall, dass der existenzielle Bedarf in einem anderen Staat nicht steuerfrei gestellt werden kann, weil überwiegend inländische Einkünfte im Sinne des § 49 EStG erzielt werden.920 Mit dem unterschiedlichen Umfang der Steuerpflicht kann die Ungleichbehandlung dann nicht gerechtfertigt werden, weil trotz der formalen Beschränkung auf Quelleneinkünfte faktisch wie bei unbeschränkt Steuerpflichtigen (nahezu) die gesamte Leistungsfähigkeit erfasst wird. Auch besteht nicht die Gefahr, dass der Zweck der Steuerfreistellung verfehlt oder das Existenzminimum mehrfach berücksichtigt wird. Schließlich handelt es sich nicht nur um Ausnahmefälle, die zum Zwecke der Verwaltungsvereinfachung typisierend außer Betracht bleiben können. Jedenfalls in Bezug auf beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer, die neben den inländischen Einkünften i.S.v. § 49 EStG wesentliche andere Einkünfte typischerweise nicht erzielen, ist die Annahme nicht realitätsgerecht, dass deren Existenzminimum im Ansässigkeitsstaat berücksichtigt wird. Mit § 1 III EStG921 hat der Gesetzgeber eine den gleichheitsrechtlichen Vorgaben entsprechende Regelung getroffen. Beschränkt Steuerpflichtige können die Veranlagung mit ihren inländischen Einkünften als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig beantragen, wenn die Steuerfreistellung im Ansässigkeitsstaat mangels Einkünfte in existenzieller Höhe nicht gelingen kann oder ihre Einkünfte zu mindestens 90 % der deutschen Einkommensteuer unterliegen. Dem Gebot der Steuerfreistellung des Existenzminimums wird sodann wie bei den Ansässigen durch den Grundfreibetrag und den Abzug existenzsichernder Aufwendungen als Sonderausgaben und gegebenenfalls als außergewöhnliche Belastungen Rechnung ge916

BVerfG v. 12. 10. 1976, 1 BvR 2328/73, BVerfGE 43, 1 (9). Vgl. BVerfG v. 12. 10. 1976, 1 BvR 2328/73, BVerfGE 43, 1 (10). 918 BVerfG v. 12. 10. 1976, 1 BvR 2328/73, BVerfGE 43, 1 (10); Kube, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 50 Rn. A 61. 919 Frotscher, Internationales Steuerrecht, Rn. 195; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, S. 156. 920 So wohl Lehner/Waldhoff, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 1 Rn. D 32; Wassermeyer, DStJG 8 (1985), 49 (64). Weitergehend BVerfG v. 09. 02. 2010, 2 BvR 1178/07, HFR 2010, 640 (641), das allein auf den Umstand abstellt, dass der überwiegende Teil der Einkünfte im Tätigkeitsstaat erzielt wird. Im Sinne des Bundesverfassungsgerichts auch Schaumburg, Internationales Steuerrecht, S. 156 f. Hinsichtlich des Bestehens einer verfassungsrechtlichen Pflicht unklar BVerfG v. 12. 10. 1976, 1 BvR 2328/73, BVerfGE 43, 1 (10), wonach eine Steuerfreistellung in solchen Konstellationen „angemessen“ wäre. 921 Der Gesetzgeber hat mit § 1 III EStG die Rechtsprechung des EuGH v. 14. 02. 1995, Rs. C-279/93 (Schumacker), Slg 1995, I-225, umgesetzt und darüber hinaus auch in Drittstaaten ansässige Steuerpflichtige in den Anwendungsbereich der Regelung einbezogen. 917

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5. Kap.: Der Sonderausgabenabzug bei grenzüberschreitenden Sachverhalten

tragen.922 Ob sich ein Gebot zur Steuerfreistellung des Existenzminimums bei beschränkter Steuerpflicht freiheitsrechtlich begründen lässt, wird in der Rechtsprechung und Literatur kaum diskutiert.923 Dies beruht wohl darauf, dass die freiheitsrechtlichen Argumentationsstränge überwiegend darin gründen924, dass der Gesetzgeber, entzöge er dem Steuerpflichtigen die eigens erwirtschafteten existenzsichernden Mittel, im Gegenzug nach Art. 1 I GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 I GG Sozialleistungen gewähren müsste. An einem solchen Zusammenhang fehlt es jedoch im Falle der Quellenbesteuerung, weil die Steuerpflichtigen wegen der Ansässigkeit in einem anderen Staat regelmäßig925 keinen Anspruch auf Sozialleistungen in Deutschland haben.926 In diesem Sinne argumentiert das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 24. 05. 2005927 und verneint die etwas anders gelagerte Frage, ob ins Ausland fließende Unterhaltsleistungen unbeschränkt Steuerpflichtiger im Rahmen von § 33a EStG abziehbar sein müssen: Den Gesetzgeber treffe das „Gebot [zur Steuerfreistellung des Existenzminimums] nicht mit der gleichen Konsequenz“928, da er „gegenüber den im Ausland lebenden ausländischen Staatsangehörigen […] keine sozialstaatliche Verantwortung [habe]“929. Dabei bleibt jedoch unberücksichtigt, dass Art. 1 I GG in seiner schutz- und abwehrrechtlichen Dimension dem gesetzgeberischen Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum unabhängig vom Bestehen etwaiger Leistungsansprüche Grenzen für den steuerlichen Zugriff setzt. Der Mensch würde zum bloßen Objekt staatlicher Einnahmeerzielung 922

Eine Besserstellung infolge einer doppelten Berücksichtigung des Existenzminimums wird durch den Progressionsvorbehalt des § 32b I Nr. 5 EStG vermieden. 923 Soweit ersichtlich wird diese Frage im Hinblick auf Art. 1 I GG nicht, vereinzelt im Hinblick auf Art. 14 I GG diskutiert. 924 Vgl. hierzu ausführlich 2. Kapitel § 5 II. 1. (S. 104 ff.). 925 Nach § 24 SGB XII sind im Ausland lebende deutsche Staatsangehörige grundsätzlich vom Leistungsbezug ausgeschlossen. Im Einzelfall können in einer außergewöhnlichen Notlage Leistungen subsidiär zu solchen des Ansässigkeitsstaates erbracht werden, sofern eine Rückkehr aus bestimmten Gründen nicht möglich ist. 926 So führt das Bundesverfassungsgericht hinsichtlich der Frage, ob den im Ausland lebenden Ausländern Renten von einem deutschen Rentenversicherungsträger ausbezahlt werden müssen, aus, „da[ss] der Gesetzgeber durch das verfassungsrechtliche Sozialstaatsgebot grundsätzlich nur verpflichtet ist, denen eine soziale Sicherheit zu garantieren, für die er verantwortlich ist. Das [seien] in erster Linie deutsche Staatsangehörige und die in seinem Gebiet lebenden Ausländer“, BVerfG v. 20. 03. 1979, 1 BvR 111/74, 1 BvR 283/78, BVerfGE 51, 1 (27). Zur Grundrechtsberechtigung der sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhaltenden ausländischen Staatsangehörigen auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums zuletzt BVerfG v. 18. 07. 2012, 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11, BVerfGE 132, 134 (159). Jedoch könne bei der Gewährung von Fürsorgeleistungen berücksichtigt werden, dass deutsche Staatsangehörige, die im Inland leben, „der Fürsorge des Gesetzgebers eher anvertraut [seien] als diejenigen, deren Verbindung zur Bundesrepublik Deutschland durch die Wahl ihres Wohnsitzes im Ausland weniger eng [sei]“, vgl. BVerfG v. 30. 05. 1978, 1 BvL 26/76, BVerfGE 48, 281 (290), und diesem folgend BSG v. 16. 12. 1993, 13 RJ 11/92, BSGE 73, 293 (300). 927 BVerfG v. 24. 05. 2005, 2 BvR 1683/02, BFH/NV 2005, Beilage 4, 361. 928 BVerfG v. 24. 05. 2005, 2 BvR 1683/02, BFH/NV 2005, Beilage 4, 361 (365). 929 BVerfG v. 24. 05. 2005, 2 BvR 1683/02, BFH/NV 2005, Beilage 4, 361 (365).

§ 13 Das Besteuerungsrecht

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degradiert, wenn nicht dessen existenzielle, unverzichtbare Bedürfnisse bei der Einkommensbesteuerung geachtet und geschützt würden.930 Es liefe in nicht zu rechtfertigender Weise der Menschenwürdegarantie zuwider, wenn auf die eigens erwirtschafteten Mittel der beschränkt Steuerpflichtigen mit der Folge zugegriffen würde, dass eine menschenwürdige Lebensführung nicht mehr möglich wäre.931 Insbesondere erstreckt sich der Schutzbereich des Art. 1 I GG in persönlicher Hinsicht auf alle Menschen, auf eine hinreichende Verbundenheit zur Bundesrepublik Deutschland wie im Rahmen der nach Art. 1 I GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 I GG gebotenen Leistungsgewährung kommt es nicht an. Eine der Menschenwürdegarantie zuwiderlaufende Besteuerung beschränkt Steuerpflichtiger droht, wenn neben den Einkünften i.S.v. § 49 EStG keine wesentlichen ausländischen Einkünfte erzielt werden und aus diesem Grunde das Existenzminimum insbesondere im Ansässigkeitsstaat unberücksichtigt bleibt. In diesem Fall ist der Gesetzgeber wegen des Art. 1 I GG verpflichtet, die für die Existenzsicherung gebundenen Einkommensteile in der Bundesrepublik Deutschland als Quellenstaat steuerfrei zu stellen. Vereinzelt wird auch die Auffassung vertreten932, dass Art. 14 I GG zur Vermeidung einer erdrosselnden bzw. konfiskatorischen Besteuerung die Berücksichtigung leistungsfähigkeitsmindernder Umstände fordere, sofern dies im Ansässigkeitsstaat mangels hinreichender Einkünfte nicht möglich sei.933 Bei Aufwendungen, die aus Gründen der Förderung bzw. Lenkung steuermindernd berücksichtigt werden, ist am Maßstab des Art. 3 I GG zu beurteilen, ob auch beschränkt Steuerpflichtige in den Adressatenkreis einzubeziehen sind.934 Hierfür ist die technische Unterscheidung zwischen der beschränkten und der unbeschränkten Steuerpflicht grundsätzlich unerheblich. Der Kreis der Begünstigten ist abhängig vom jeweiligen Tatbestand nach der außerfiskalischen Zwecksetzung zu bestimmen. Die Differenzierung nach der Ansässigkeit durch Anknüpfung an die Steuerpflicht kann den Förderungs- und Lenkungszwecken entsprechen.

930

Vgl. hierzu 2. Kapitel § 5 II. 1. (S. 104 ff.). In jedem Fall müssen wegen des Art. 1 I GG nur die Teile des Einkommens steuerfrei gestellt werden, die nach den Verhältnissen im Ansässigkeitsstaat zur Finanzierung der Existenz notwendig sind. Diesem Umstand trägt der Gesetzgeber auch in § 1 III S. 2 EStG Rechnung: Die absolute Grenze der zweiten Variante knüpft daran an, dass die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den Grundfreibetrag nicht übersteigen, wobei dieser Betrag gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Verhältnisse des Ansässigkeitsstaates zu kürzen ist. 932 BFH v. 20. 04. 1988, I R 219/82, BStBl II 1990, 701 (704 f.); Schaumburg, Internationales Steuerrecht, S. 156 f. 933 Vgl. Fn. 315 zur Frage nach dem sachlichen Schutzbereich des Art. 14 I GG. 934 Vgl. hierzu bereits 4. Kapitel § 11 IV. 2. (S. 201 f.). 931

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5. Kap.: Der Sonderausgabenabzug bei grenzüberschreitenden Sachverhalten

III. Folgerung für den Sonderausgabenabzug Nach diesen Grundsätzen ist es verfassungsrechtlich regelmäßig nicht geboten, dass die als Sonderausgaben abzugsfähigen Aufwendungen die Bemessungsgrundlagen der beschränkt Steuerpflichtigen mindern. Es handelt sich um privaten Aufwand, der im Quellenstaat grundsätzlich nicht steuerwirksam werden muss. Entsprechend der einfachgesetzlichen Zuordnungsentscheidung gilt dies gleichermaßen für solche Aufwendungen, die zwar auch in einem (Veranlassungs-)Zusammenhang mit der Erwerbssphäre stehen, jedoch im Einklang mit dem Grundgesetz als Sonderausgaben qualifiziert worden sind. In diesem Sinne hat der deutsche Gesetzgeber in § 50 I S. 3 EStG geregelt, dass als Sonderausgaben abziehbare Aufwendungen bei der Besteuerung von Quelleneinkünften grundsätzlich nicht berücksichtigt werden können.935 Ausnahmsweise werden diese Aufwendungen nach § 2 IV EStG i.V.m. §§ 10 ff. EStG steuerwirksam, wenn ein gebietsfremder Steuerpflichtiger nach § 1 III EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird.

§ 14 Die Einwirkung der Diskriminierungsverbote auf die Ausgestaltung des Sonderausgabenabzugs Da die Bundesrepublik Deutschland als Mitgliedstaat der Europäischen Union ihre Befugnisse auch unter Wahrung des Unionsrechts ausüben muss936, stellt sich die Frage, inwieweit das Primär- oder auch das Sekundärrecht auf die Ausgestaltung des Sonderausgabenabzugs einwirken.

I. Unionsrechtliche Maßstäbe für die Ausgestaltung des Sonderausgabenabzugs Im Bereich der direkten Steuern können die Mitgliedstaaten ihre Besteuerungshoheit weitgehend frei von unionsrechtlichem Sekundärrecht ausüben. Während die 935 Nicht ausgeschlossen wird in § 50 I S. 3 EStG die Anwendbarkeit des § 10b EStG. Darüber hinaus können bei Arbeitnehmern, die Quelleneinkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit i.S.v. § 49 I Nr. 4 EStG erzielen, nach § 50 I S. 4 EStG Vorsorgeaufwendungen i.S.v. § 10 I Nr. 2 lit. a, 3, III EStG sowie der Sonderausgabenpauschbetrag gemäß § 10c EStG von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden, soweit diese auf die Zeit der Einkünfteerzielung im Inland entfallen. 936 EuGH v. 14. 02. 1995, Rs. C-279/93 (Schumacker), Slg 1995, I-225 Rn. 21; v. 11. 08.1995, Rs. C-80/94 (Wielockx), Slg 1995, I-2493 Rn. 16; v. 14. 09. 1999, Rs. C-391/97 (Gschwind), Slg 1999, I-5451 Rn. 20; v. 06. 07. 2006, Rs. C-346/04 (Conijn), Slg 2006, I-6137 Rn. 14; v. 10. 05. 2012, Rs. C-39/10 (Kommission/Estland) Rn. 47. (Abrufbar in der ab 01. 01. 2012 nur noch elektronisch veröffentlichten Sammlung unter: http://eur-lex.europa.eu/homepage.html, Stand: 30. 06. 2016).

§ 14 Die Einwirkung der Diskriminierungsverbote

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Europäische Union für die indirekten Steuern nach Art. 113 AEUV einen Harmonisierungsauftrag937 hat, der schon durch umfangreiche Maßnahmen ausgeführt worden ist, kann im Bereich der direkten Steuern eine Angleichung lediglich auf Grundlage der allgemeinen Ermächtigungsnorm des Art. 115 AEUV erfolgen. Richtlinien können nur dann erlassen werden, wenn sie sich unmittelbar auf die Errichtung oder das Funktionieren des Binnenmarkts auswirken. Von der Kompetenz zur Rechtsangleichung mit Konsequenzen auch für das Einkommensteuerrecht ist vereinzelt Gebrauch gemacht worden. So erlangt beispielsweise die Richtlinie im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen938 Bedeutung. Solche rechtsangleichenden Maßnahmen schränken den Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten im hier interessierenden Zusammenhang jedoch nicht ein. Allerdings unterliegt der nationale Gesetzgeber bei der Ausübung der Besteuerungshoheit auch einer Bindung an das Primärrecht. Besondere Bedeutung erlangen hierbei die auf Inländergleichbehandlung abzielenden Diskriminierungsverbote, insbesondere die Grundfreiheiten, aber auch das allgemeine Recht auf Freizügigkeit nach Art. 21 AEUV sowie das subsidiär wirkende allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV. Die unmittelbar anwendbaren939 Grundfreiheiten schützen die Freiheit des Warenverkehrs (Art. 28, 34 f. AEUV), der Niederlassung (Art. 49 AEUV), des Dienstleistungsverkehrs (Art. 56 AEUV), des Kapital- und Zahlungsverkehrs (Art. 63 AEUV) sowie die Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Art. 45 AEUV) bei grenzüberschreitenden Sachverhaltskonstellationen.940 Rechtfertigungsbedürftig sind in ihrem Anwendungsbereich nicht nur an die Staatsangehörigkeit anknüpfende Differenzierungen (sog. offene bzw. unmittelbare Diskriminierungen), sondern auch Differenzierungen anhand neutraler Kriterien, die sich aber typischerweise zulasten von Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten auswirken (sog. versteckte bzw. mittelbare Diskriminierungen). Einer Rechtfertigung bedürfen auch unterschiedslos wirkende Maßnahmen, die geeignet sind, die Ausübung der geschützten Freiheiten zu behindern, zu beeinträchtigen oder weniger attraktiv zu machen (sog. Beschränkungen).941 Es dürfen grundsätzlich keine Regelungen getroffen werden, die den freien Wirtschaftsverkehr innerhalb der Europäischen Union beeinträchtigen. Räumlich greift Art. 64 AEUV weiter, der auch den internationalen Kapital- und 937

Kamann, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 113 AEUV Rn. 1. Richtlinie 2003/48/EG v. 03. 06. 2003 (ABl 2003, L 157/38) in der durch die Richtlinie 2014/48/EU v. 24. 03. 2014 (ABl 2014, L 111/50) geänderten Fassung. 939 Vgl. Ehlers, in: Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 7 Rn. 7; Oppermann/ Classen/Nettesheim, Europarecht, § 9 Rn. 14 ff., § 22 Rn. 1. 940 Vgl. zur Abgrenzung der Grundfreiheiten Ehlers, in: Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 7 Rn. 2 ff.; Streinz, Europarecht, Rn. 809. 941 Vgl. EuGH v. 11. 07. 1974, Rs. C-8/74 (Dassonville), Slg 1974, 837 Rn. 5; v. 03. 12. 1974, Rs. C-33/74 (van Binsbergen), Slg 1974, 1299 Rn. 10 ff.; v. 30. 11. 1995, Rs. C-55/94 (Gebhard), Slg 1995, I-4165 Rn. 37; v. 15. 12. 1995, Rs. C-415/93 (Bosman), Slg 1995, I-4921 Rn. 94 ff.; v. 04. 06. 2002, Rs. C-367/98 (Kommission/Portugal), Slg 2002, I-4731 Rn. 45, in ständiger Rechtsprechung. 938

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5. Kap.: Der Sonderausgabenabzug bei grenzüberschreitenden Sachverhalten

Zahlungsverkehr zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten einschließt.942 Zur Rechtfertigung solcher Beeinträchtigungen bedarf es Gründe, die als sog. geschriebene Rechtfertigungsgründe im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union normiert sind. Korrespondierend zur Ausweitung des grundfreiheitlichen Schutzes auf Beschränkungen können insoweit auch andere, ungeschriebene Rechtfertigungsgründe legitimierend wirken.943 Diese können nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auch bei mittelbaren Diskriminierungen herangezogen werden.944 Als solche rechtfertigenden zwingenden Gründe des Allgemeinwohls hat der Europäische Gerichtshof im Bereich der direkten Steuern die Kohärenz des Steuersystems, die Vermeidung eines mehrfachen steuerwirksamen (insbesondere Verlust-)Abzugs, die Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Staaten, die Wirksamkeit der Steuerkontrolle sowie die Verhinderung von Steuerumgehungen und Steuerhinterziehungen anerkannt.945

II. Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland 1. Zuständigkeitszuweisung für die Berücksichtigung von Aufwendungen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs Legt man diese Maßstäbe des Unionsrechts zugrunde, erscheint es bedenklich, wenn in Deutschland den in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen beschränkt Steuerpflichtigen nach § 50 I S. 3 EStG grundsätzlich die Möglichkeit eines steuermindernden Sonderausgabenabzugs verwehrt wird. Sie bewegen sich im Schutzbereich einer Grundfreiheit, wenn sie eine steuerbare Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat als dem Ansässigkeitsstaat ausüben, mit welcher sie Quelleneinkünfte erzielen. Zudem beruht eine solche Differenzierung zwischen unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtigen auf dem Kriterium der Ansässigkeit, das mittelbar diskriminierend wirken kann. Es liegt typischerweise bei den eigenen Staatsange-

942 Insoweit ist allerdings umstritten, ob der Beschränkungsbegriff im Verhältnis zu Drittstaaten enger auszulegen ist, der Drittstaatenbezug in einer Vergleichbarkeitsprüfung Bedeutung erlangen kann oder Rechtfertigungsgründe großzügiger anzuerkennen sind. Vgl. hierzu Kemmerer, Kapitalverkehrsfreiheit und Drittstaaten, S. 94 ff., 211 ff., 261 ff.; Sedlaczek/ Züger, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 64 AEUV Rn. 1 ff. 943 Vgl. Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 36 AEUV Rn. 80; Streinz, Europarecht, Rn. 863. 944 Vgl. beispielsweise im Bereich des Steuerrechts EuGH v. 27. 06. 1996, Rs. C-107/94 (Asscher), Slg 1996, I-3089 Rn. 49 ff.; v. 05. 02. 2014, Rs. C-385/12 (Hervis Sport – és Divatkereskedelmi) Rn. 41 f.; v. 24. 02. 2015, Rs. C-559/13 (Grünewald) Rn. 38. 945 Vgl. Frotscher, Internationales Steuerrecht, Rn. 118 ff.; Ismer, in: Herrmann/Heuer/ Raupach, EStG/KStG, Einf. zum EStG, Rn. 437 ff., und Wernsmann, in: Europarecht – Handbuch für die deutsche Rechtspraxis, § 30 Rn. 115 ff., mit Nachweisen zur Rechtsprechung.

§ 14 Die Einwirkung der Diskriminierungsverbote

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hörigen, nicht jedoch bei den Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten vor.946 Daher erhalten regelmäßig nur die Angehörigen des eigenen Staates steuerliche Vorteile, wenn der Vergünstigungstatbestand die unbeschränkte Steuerpflicht zur Voraussetzung hat. Von einer rechtfertigungsbedürftigen Diskriminierung geht der Europäische Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung allerdings nur dann aus, wenn sich Gebietsansässige und Gebietsfremde in einer „vergleichbaren Situation“947 befinden.948 Diese Grundsätze gelten auch im Bereich der Kapitalverkehrsfreiheit, deren Vorbehalt in Art. 65 I lit. a AEUV wegen des Art. 65 III AEUV wie im vorgehend dargestellten Sinne zu verstehen ist.949 a) Berücksichtigung von Privataufwendungen Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs besteht eine solche „vergleichbare Situation“ bei der Einkommensbesteuerung regelmäßig nicht.950 Das Gericht geht zutreffend davon aus, dass sich die Gebietsfremden von den Gebietsansässigen typischerweise dadurch unterscheiden, dass die im Hoheitsgebiet des Staates ausgeübte steuerbare Tätigkeit nicht den Schwerpunkt ihrer Einkünfteerzielung bildet.951 Deren Gesamteinkünfte stammen regelmäßig vorwiegend aus dem

946 EuGH v. 14. 02. 1995, Rs. C-279/93 (Schumacker), Slg 1995, I-225 Rn. 28 f.; v. 27. 06. 1996, Rs. C-107/94 (Asscher), Slg 1996, I-3089 Rn. 38 f.; v. 22. 03. 2007, Rs. C-383/05 (Talotta), Slg 2007, I-2555 Rn. 32; v. 31. 03. 2011, Rs. C-450/09 (Schröder), Slg 2011, I-2497 Rn. 40, in ständiger Rechtsprechung. 947 EuGH v. 14. 02. 1995, Rs. C-279/93 (Schumacker), Slg 1995, I-225 Rn. 30 ff.; v. 12. 06. 2003, Rs. C-234/01 (Gerritse), Slg 2003, I-5933 Rn. 27; v. 25. 01. 2007, Rs. C-329/05 (Meindl), Slg 2007, I-1107 Rn. 23 ff.; v. 24. 02. 2015, Rs. C-559/13 (Grünewald) Rn. 24 ff., in ständiger Rechtsprechung. 948 Kritisch zum Kriterium der Vergleichbarkeit Kokott, Schlussantrag v. 13. 03. 2014 im Rahmen der Rs. C-48/13 (Nordea Bank) Rn. 21 ff. Hingegen hält der EuGH in seiner Entscheidung v. 17. 07. 2014, Rs. C-48/13 (Nordea Bank), an der Voraussetzung der objektiven Vergleichbarkeit fest. Ebenso Wernsmann, in: Europarecht – Handbuch für die deutsche Rechtspraxis, § 30 Rn. 96 (dort Fn. 257), der die Verortung auf Rechtfertigungsebene für dogmatisch nicht überzeugend hält. 949 EuGH v. 07. 09. 2004, Rs. C-319/02 (Manninen), Slg 2004, I-7498 Rn. 29 ff.; v. 27. 01. 2009, Rs. C-318/07 (Persche), Slg 2009, I-359 Rn. 41 ff.; v. 22. 04. 2010, Rs. C-510/08 (Mattner), Slg 2010, I-3553 Rn. 34 ff.; zuletzt v. 17. 09. 2015, Rs. C-589/13 (Familienprivatstiftung Eisenstadt) Rn. 58 ff.; v. 17. 09. 2015, Rs. C-10/14, C-14/14, C-17/14 (Miljoen) Rn. 64 ff., in ständiger Rechtsprechung. 950 EuGH v. 14. 02. 1995, Rs. C-279/93 (Schumacker), Slg 1995, I-225 Rn. 31; v. 11. 08. 1995, Rs. C-80/94 (Wielockx), Slg 1995, I-2493 Rn. 18; v. 14. 09. 1999, Rs. C-391/97 (Gschwind), Slg 1999, I-5451 Rn. 22; v. 12. 06. 2003, Rs. C-234/01 (Gerritse), Slg 2003, I-5933 Rn. 43; v. 01. 07. 2004, Rs. C-169/03 (Wallentin), Slg 2004, I-6443 Rn. 15; v. 10. 05. 2012, Rs. C-39/10 (Kommission/Estland) Rn. 49. 951 EuGH v. 14. 02. 1995, Rs. C-279/93 (Schumacker), Slg 1995, I-225 Rn. 32; v. 12. 06. 2003, Rs. C-234/01 (Gerritse), Slg 2003, I-5933 Rn. 43; v. 01. 07. 2004, Rs. C-169/03 (Wallentin), Slg 2004, I-6443 Rn. 15; v. 10. 05. 2012, Rs. C-39/10 (Kommission/Estland) Rn. 49.

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5. Kap.: Der Sonderausgabenabzug bei grenzüberschreitenden Sachverhalten

Ansässigkeits-, nicht aus dem Quellenstaat.952 Dort liegt auch der Mittelpunkt der persönlichen Lebensführung, sodass sich die einkommensteuerrechtlich relevanten Umstände der Privatsphäre am leichtesten im Ansässigkeitsstaat beurteilen lassen.953 Daher ist es zweckmäßig, dass die für die Bestimmung der individuellen Leistungsfähigkeit maßgeblichen Faktoren, die Gesamteinkünfte sowie die persönlichen und familiären Verhältnisse, durch den Ansässigkeitsstaat berücksichtigt werden. Insoweit ist eine ungleiche Behandlung grundsätzlich nicht diskriminierend.954 Der Europäische Gerichtshof akzeptiert also grundsätzlich das Nebeneinander von beschränkter und unbeschränkter Steuerpflicht mit den jeweils unterschiedlichen Rechtsfolgen (vgl. im deutschen Recht § 50 EStG). Allerdings sind – wie der Europäische Gerichtshof zu Recht entschieden hat – Gebietsfremde ausnahmsweise dann mit Gebietsansässigen vergleichbar, wenn die Gesamteinkünfte „im [W]esentlichen aus einer Tätigkeit“955 stammen, die im Quellenstaat ausgeübt wird. Wenn im Ansässigkeitsstaat „keine nennenswerten Einkünfte“956 erzielt werden, die der Besteuerung unterliegen, können die persönlichen und familiären Verhältnisse dort nicht bzw. nicht umfassend berücksichtigt werden. Die persönliche Steuerkraft kann lediglich im Quellenstaat erfasst werden, worin die Vergleichbarkeit mit den Gebietsansässigen zu sehen ist.957 Dies setzt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs voraus, dass zumindest 90 % der Gesamteinkünfte im Quellenstaat erzielt werden.958 Alternativ ist eine vergleichbare 952 EuGH v. 14. 02. 1995, Rs. C-279/93 (Schumacker), Slg 1995, I-225 Rn. 32 f.; v. 14. 09. 1999, Rs. C-391/97 (Gschwind), Slg 1999, I-5451 Rn. 22; v. 12. 06. 2003, Rs. C-234/01 (Gerritse), Slg 2003, I-5933 Rn. 43; v. 01. 07. 2004, Rs. C-169/03 (Wallentin), Slg 2004, I-6443 Rn. 15; v. 10. 05. 2012, Rs. C-39/10 (Kommission/Estland) Rn. 49. 953 EuGH v. 14. 02. 1995, Rs. C-279/93 (Schumacker), Slg 1995, I-225 Rn. 32; v. 12. 06. 2003, Rs. C-234/01 (Gerritse), Slg 2003, I-5933 Rn. 43; v. 01. 07. 2004, Rs. C-169/03 (Wallentin), Slg 2004, I-6443 Rn. 15; v. 10. 05. 2012, Rs. C-39/10 (Kommission/Estland) Rn. 49. 954 EuGH v. 14. 02. 1995, Rs. C-279/93 (Schumacker), Slg 1995, I-225 Rn. 33 f.; v. 11. 08. 1995, Rs. C-80/94 (Wielockx), Slg 1995, I-2493 Rn. 18 f.; v. 14. 09. 1999, Rs. C-391/97 (Gschwind), Slg 1999, I-5451 Rn. 22; v. 12. 06. 2003, Rs. C-234/01 (Gerritse), Slg 2003, I-5933 Rn. 44; v. 01. 07. 2004, Rs. C-169/03 (Wallentin), Slg 2004, I-6443 Rn. 16; v. 10. 05. 2012, Rs. C-39/10 (Kommission/Estland) Rn. 50. 955 EuGH v. 14. 02. 1995, Rs. C-279/93 (Schumacker), Slg 1995, I-225 Rn. 36; v. 01. 07. 2004, Rs. C-169/03 (Wallentin), Slg 2004, I-6443 Rn. 17; v. 10. 05. 2012, Rs. C-39/10 (Kommission/Estland) Rn. 52. 956 EuGH v. 14. 02. 1995, Rs. C-279/93 (Schumacker), Slg 1995, I-225 Rn. 36; v. 01. 07. 2004, Rs. C-169/03 (Wallentin), Slg 2004, I-6443 Rn. 17; v. 10. 05. 2012, Rs. C-39/10 (Kommission/Estland) Rn. 52. Ähnlich im Urteil v. 11. 08. 1995, Rs. C-80/94 (Wielockx), Slg 1995, I-2493 Rn. 20, in welchem eine Vergleichbarkeit angenommen wird, wenn „die gesamten oder nahezu die gesamten Einkünfte“ im Quellenstaat erzielt werden. 957 EuGH v. 14. 02. 1995, Rs. C-279/93 (Schumacker), Slg 1995, I-225 Rn. 36 f.; v. 11. 08. 1995, Rs. C-80/94 (Wielockx), Slg 1995, I-2493 Rn. 20 ff.; v. 14. 09. 1999, Rs. C-391/97 (Gschwind), Slg 1999, I-5451 Rn. 27; v. 10. 05. 2012, Rs. C-39/10 (Kommission/Estland) Rn. 52. 958 EuGH v. 14. 09. 1999, Rs. C-391/97 (Gschwind), Slg 1999, I-5451 Rn. 28, 32; v. 12. 06. 2003, Rs. C-234/01 (Gerritse), Slg 2003, I-5933 Rn. 47 ff.

§ 14 Die Einwirkung der Diskriminierungsverbote

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Lage auch dann anzunehmen, wenn die Einkünfte im Ansässigkeitsstaat absolut zu gering sind, als dass die privaten Umstände berücksichtigt werden könnten.959 In solchen Sachverhaltskonstellationen müssen den Gebietsfremden zur Vermeidung einer rechtfertigungsbedürftigen Diskriminierung die gleichen Steuerminderungsmöglichkeiten eingeräumt werden wie den Gebietsansässigen.960 b) Berücksichtigung von Aufwendungen, die unmittelbar mit der steuerbaren Tätigkeit zusammenhängen Im Übrigen nimmt der Europäische Gerichtshof eine Vergleichbarkeit auch hinsichtlich solcher Aufwendungen an, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit einer Tätigkeit stehen, die zu steuerbaren Quelleneinkünften führt. Entscheidet sich der Gesetzgeber für eine Besteuerung der Einnahmen abzüglich der Erwerbsaufwendungen, so macht es richtigerweise keinen Unterschied, ob steuerlich lediglich auf die Quelleneinkünfte oder auf das gesamte Welteinkommen zugegriffen wird. Die Minderung der objektiven Leistungsfähigkeit „haftet“ den besteuerbaren inländischen Einkünften an, auch wenn der Steuerpflichtige in einem anderen Staat ansässig ist. Daher ist der Abzug von Betriebsausgaben und Werbungskosten beschränkt Steuerpflichtiger auch unionsrechtlich geboten.961 Darüber hinaus müssen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aber auch andere Aufwendungen berücksichtigt werden, die unmittelbar mit den besteuerbaren Einkünften zusammenhängen.962 Ein solcher Zusammenhang wird – auch wenn die Aufwendungen einfachrechtlich der Privatsphäre zugeordnet werden – angenommen, wenn die Ausgaben durch die steuerbare „Tätigkeit verursacht werden“963 und „damit für deren Ausübung erforderlich“964 bzw. „notwendig sind“965. Ob bzw. inwieweit die Berücksichtigung solcher Aufwendungen unionsrechtlich geboten und bejahendenfalls mit der Schumacker-Rechtsprechung in Einklang zu bringen ist, wird nachfolgend bezogen auf die Sonderausgaben erörtert.

959 EuGH v. 14. 09. 1999, Rs. C-391/97 (Gschwind), Slg 1999, I-5451 Rn. 28 ff.; v. 10. 05. 2012, Rs. C-39/10 (Kommission/Estland) Rn. 55. 960 Das Alles-oder-Nichts-Prinzip des § 1 III EStG halten Lang, EC Tax Review 2009, 98 (102), und Reimer, in: Grundfreiheiten im Steuerrecht der EU-Staaten, S. 39 (80 f.), für mit dem Unionsrecht unvereinbar. 961 EuGH v. 12. 06. 2003, Rs. C-234/01 (Gerritse), Slg 2003, I-5933 Rn. 27; v. 15. 02. 2007, Rs. C-345/04 (Centro Equestre da Leziria Grande), Slg 2007, I-1425 Rn. 21 ff. 962 EuGH v. 06. 07. 2006, Rs. C-346/04 (Conijn), Slg 2006, I-6137 Rn. 20; v. 31. 03. 2011, Rs. C-450/09 (Schröder), Slg 2011, I-2497 Rn. 40; v. 24. 02. 2015, Rs. C-559/13 (Grünewald) Rn. 28. 963 EuGH v. 31. 03. 2011, Rs. C-450/09 (Schröder), Slg 2011, I-2497 Rn. 44; v. 24. 02. 2015, Rs. C-559/13 (Grünewald) Rn. 30. 964 EuGH v. 31. 03. 2011, Rs. C-450/09 (Schröder), Slg 2011, I-2497 Rn. 44. 965 EuGH v. 24. 02. 2015, Rs. C-559/13 (Grünewald) Rn. 30.

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5. Kap.: Der Sonderausgabenabzug bei grenzüberschreitenden Sachverhalten

2. Zuständigkeit für die Berücksichtigung von Sonderausgaben Entsprechend diesen Grundsätzen ist die Annahme naheliegend, dass sich Gebietsfremde und Gebietsansässige hinsichtlich der Sonderausgaben grundsätzlich nicht in einer vergleichbaren Situation befinden, da es sich einfachrechtlich um Privataufwendungen handelt. Es erscheint unbedenklich, wenn nur die im Inland, nicht jedoch die in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Steuerpflichtigen die Aufwendungen i.S.v. §§ 10 ff. EStG steuermindernd berücksichtigen können, sofern nicht die inländischen Einkünfte den wesentlichen Teil der gesamten Einkünfte ausmachen. a) Irrelevanz der einfachrechtlichen Qualifikation Allerdings ist fraglich, ob es tatsächlich auf die einfachgesetzliche Qualifikation als Privataufwendung ankommen kann. Eine solche rein formale Betrachtung stellt sich in Grenzfällen als zweifelhaft dar, in denen die Aufwendungen zwar nach nationalem Recht in vertretbarer Weise der Privatsphäre zugeordnet worden sind, gleichwohl einen bestimmten Zusammenhang zur Erwerbssphäre aufweisen. Gewiss hätte eine solche pauschale Zuständigkeitszuweisung den praktischen Vorteil, dass keine Rechtsunsicherheit mehr darüber bestehen kann, ob der Quellenstaat die in Rede stehenden Aufwendungen berücksichtigen muss.966 Wie aber auch der Europäische Gerichtshof in den Urteilen „Conijn“ vom 06. 07. 2006967 zu den Steuerberatungskosten nach § 10 I Nr. 6 EStG a.F.968 sowie „Schröder“ vom 31. 03. 2011969 und „Grünewald“ vom 24. 02. 2015970 zu den Versorgungsleistungen i.S.v. § 10 I Nr. 1a EStG a.F.971 entschieden hat, kann die einfachgesetzliche Zuordnungsentscheidung nicht maßgebend sein. Könnten die Mitgliedstaaten allein im Wege der Qualifikation der Aufwendungen als erwerbsbezogen oder privat über das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer rechtfertigungsbedürftigen Diskriminierung entscheiden, 966 In diesem Sinne Wernsmann, in: Europarecht – Handbuch für die deutsche Rechtspraxis, § 30 Rn. 101. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs führe „im Ergebnis zu einer klaren Zuständigkeitszuweisung an die jeweiligen Mitgliedstaaten, welcher Staat was zu berücksichtigen [habe].“ 967 EuGH v. 06. 07. 2006, Rs. C-346/04 (Conijn), Slg 2006, I-6137. 968 Die Entscheidung ist zu § 10 I Nr. 6 EStG in der Fassung des Einkommensteuergesetzes v. 16. 04. 1997 (BGBl I 1997, 821) ergangen. Allerdings hat der nationale Gesetzgeber die Vorschrift noch vor dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs durch das Gesetz zum Einstieg in ein steuerliches Sofortprogramm v. 22. 12. 2005 (BGBl I 2005, 3685) aufgehoben und den Abzug der Steuerberatungskosten allen Steuerpflichtigen gleichermaßen versagt. 969 EuGH v. 31. 03. 2011, Rs. C-450/09 (Schröder), Slg 2011, I-2497. 970 EuGH v. 24. 02. 2015, Rs. C-559/13 (Grünewald). 971 Die Urteile sind zu § 10 I Nr. 1a EStG in der Fassung des Einkommensteuergesetzes v. 19. 10. 2002 (BGBl I 2002, 4210 ff.) ergangen. Im geltenden Einkommensteuerrecht stellt § 10 Ia Nr. 2 EStG eine vergleichbare Regelung dar, wobei jedoch der sachliche Anwendungsbereich auf bestimmte Vermögensübertragungen beschränkt worden ist, vgl. 1. Kapitel § 2 III. 2. b) (S. 57).

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stünde insoweit die Bindung an das Unionsrecht zu deren „Disposition“. Eine rein formale Betrachtung ist mit dem aus Art. 4 III EUVabgeleiteten Grundsatz des „effet utile“972 nicht vereinbar. Ferner entspricht ein solcher Ansatz nicht der Schutzrichtung der Grundfreiheiten. Soll nämlich ein Binnenmarkt verwirklicht werden, indem die Behinderungen des grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehrs durch nationale Vorschriften beseitigt werden973, muss es vor allem auch auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise ankommen. Schließlich kann beschränkt Steuerpflichtigen die Steuervergünstigung nicht deshalb verwehrt werden, weil es im deutschen Einkommensteuerrecht systemgerecht ist, Privataufwendungen grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Auf eine Systemwidrigkeit kann sich der nationale Gesetzgeber nicht berufen, wenn abweichend von einem solchen System den Gebietsansässigen Steuervergünstigungen gewährt werden.974 Folglich kann es nicht auf eine pauschale Betrachtung nach Maßgabe der Zuordnungsentscheidung der Mitgliedstaaten ankommen.975 b) Notwendigkeit einer unionsautonomen Auslegung Es stellt sich sodann die Frage, welche Kriterien stattdessen maßgebend dafür sind, ob der Quellenstaat Privataufwendungen – scheinbar abweichend von der Schumacker-Rechtsprechung976 – berücksichtigen muss. Entsprechend den bereits erörterten allgemeinen Grundsätzen ist darauf abzustellen, ob die Ausgaben den Erfolg privaten Wirtschaftens im Quellenstaat, als Anknüpfungspunkt der Besteuerung, in gleicher Weise beeinträchtigen wie denjenigen der unbeschränkt Steuerpflichtigen.977 In diesem Rahmen kommt es jedoch nicht, wie sich gezeigt hat, auf die formale Qualifikation der Aufwendungen an. Stattdessen ist die Frage der Vergleichbarkeit anhand der tatsächlichen Wirkungen zu beantworten. In Grenzfällen muss im Wege unionsautonomer Auslegung zwischen den beachtlichen und den unbeachtlichen Aufwendungen abgegrenzt werden. Dabei ist den Zielsetzungen der Europäischen Union, insbesondere also der Verwirklichung und dem Funktionieren des Binnenmarktes, Rechnung zu tragen. Es gilt unionsautonom zu bewerten, 972

Streinz, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 4 EUV Rn. 33. Ehlers, in: Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 7 Rn. 1. 974 Ähnlich Krumm, IWB 2011, 456 (459), zu den Versorgungsleistungen gegen Vermögensübergabe i.S.v. § 10 I Nr. 1a EStG a.F. (§ 10 Ia Nr. 2 EStG n.F.). 975 So auch Frotscher, Internationales Steuerrecht, Rn. 115; Grube, in: Europäische Perspektiven im Steuerrecht – Steuergerechtigkeit und Steuervereinfachung, S. 113 (118); Ismer, IStR 2013, 297 (300); zu den Versorgungsleistungen i.S.v. § 10 I Nr. 1a EStG a.F. (§ 10 Ia Nr. 2 EStG n.F.) Krumm, IWB 2011, 456 (459); Kube, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 50 Rn. C 94; Schaumburg, in: Europäisches Steuerrecht, S. 311 (332). Auch nach Lang, RIW 2005, 336 (342), kommt es nicht auf die Regelungstechnik an, mit Hilfe derer die Steuervergünstigung gewährt wird. A.A. wohl Wernsmann, in: Europarecht – Handbuch für die deutsche Rechtspraxis, § 30 Rn. 106. 976 Hierzu sogleich. 977 Vgl. 5. Kapitel § 14 II. 1. b) (S. 219). 973

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ob die Aufwendungen der Tätigkeit im Quellenstaat zuzurechnen sind und daher die quellenbezogene Leistungsfähigkeit mindern oder vielmehr in der privaten Sphäre wurzeln. Im letzteren Fall wird allenfalls die im Ansässigkeitsstaat zu berücksichtigende Gesamtleistungsfähigkeit beeinträchtigt. In diesem Sinne hat auch der Europäische Gerichtshof im Urteil „Conijn“ entschieden. Trotz der einfachgesetzlichen Zuordnung der Steuerberatungskosten zu den Privataufwendungen wird ein „unmittelbarer Zusammenhang“ mit den Quelleneinkünften bejaht.978 Fielen die Kosten nur deshalb an, weil die Steuerpflichtigen wegen der im Inland erzielten Einkünfte zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet seien, belasteten sie die Einkünfte aller Steuerpflichtigen in gleicher Weise unabhängig vom Ort ihrer Ansässigkeit.979 Diese Rechtsprechung wird in den Entscheidungen „Schröder“980 und „Grünewald“981 bestätigt. Das Vorliegen einer rechtfertigungsbedürftigen Diskriminierung wird zutreffend damit begründet, dass die Aufwendungen „Voraussetzung“982 für die Erlangung des Ertrag bringenden Vermögens und daher für die Erzielung der steuerbaren Einkünfte notwendig seien.983 Wiederholt wird damit an das Vorliegen eines „unmittelbaren Zusammenhangs“984 zwischen den Aufwendungen und den Quelleneinkünften angeknüpft. Eine solche differenzierende Würdigung läuft den allgemeinen Rechtsprechungsgrundsätzen hinsichtlich der Zuständigkeit für die Berücksichtigung von Aufwendungen nur scheinbar zuwider. Vielmehr muss unionsautonom bestimmt werden, ob es sich um Privataufwendungen im Sinne der Schumacker-Rechtsprechung handelt, die ausschließlich durch den Ansässigkeitsstaat zu berücksichtigen sind, oder um Aufwendungen, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den Quelleneinkünften stehen. Letztere muss der Staat zum Abzug zulassen, der die entsprechenden Einnahmen besteuert. Nach der unionsrechtlichen Zuständigkeitsverteilung droht eine Doppelberücksichtigung mit der Folge einer steuerlichen Besserstellung beschränkt Steuerpflichtiger nicht.985 Freilich aber steht es den Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer Besteuerungshoheit frei, solche Ausgaben im Grenzbereich zwischen der Erwerbs- und der Privatsphäre über 978

EuGH v. 06. 07. 2006, Rs. C-346/04 (Conijn), Slg 2006, I-6137 Rn. 22. EuGH v. 06. 07. 2006, Rs. C-346/04 (Conijn), Slg 2006, I-6137 Rn. 22. 980 EuGH v. 31. 03. 2011, Rs. C-450/09 (Schröder), Slg 2011, I-2497. 981 EuGH v. 24. 02. 2015, Rs. C-559/13 (Grünewald). 982 EuGH v. 31. 03. 2011, Rs. C-450/09 (Schröder), Slg 2011, I-2497 Rn. 45; v. 24. 02. 2015, Rs. C-559/13 (Grünewald) Rn. 33. 983 EuGH v. 31. 03. 2011, Rs. C-450/09 (Schröder), Slg 2011, I-2497 Rn. 45; v. 24. 02. 2015, Rs. C-559/13 (Grünewald) Rn. 33. Eine solche Argumentation hält Fischer, FR 2011, 535 (536 f.), für nicht überzeugend, da es sich nach nationalem Recht gerade nicht um Anschaffungskosten handele. 984 EuGH v. 31. 03. 2011, Rs. C-450/09 (Schröder), Slg 2011, I-2497 Rn. 40 ff.; v. 24. 02. 2015, Rs. C-559/13 (Grünewald) Rn. 30 ff. 985 Aufwendungen wie die Steuerberatungskosten nach § 10 I Nr. 6 a.F. (BGBl I 2002, 4210 [4245]), die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den im Quellenstaat als auch mit den im Ansässigkeitsstaat erzielten Einkünften stehen können, sind aufzuteilen und entsprechend den obigen Grundsätzen abziehbar. 979

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die zwingenden Vorgaben des Unionsrechts hinaus – sodann als Privataufwendungen – auch dann zu berücksichtigen, wenn sie die korrespondierenden Einnahmen nicht der Besteuerung unterwerfen. In diesem Fall bewirkt die Freistellung im Quellenund im Ansässigkeitsstaat zwar eine steuerliche Besserstellung grenzüberschreitender im Vergleich zu reinen Inlandssachverhalten, jedoch verstößt eine solche „Diskriminierung“ weder gegen das Unionsrecht noch gegen Art. 3 I GG: Zum einen ist der Anwendungsbereich der Grundfreiheiten und des Art. 18 AEUV mangels grenzüberschreitenden Bezugs nicht eröffnet.986 Zum anderen beruht die Besserstellung ausschließlich auf dem Zusammenwirken verschiedener Hoheitsträger, die für sich genommen grenzüberschreitende Sachverhalte und reine Inlandssachverhalte gleich behandeln.987 Ein weitergehendes, über die Inländergleichbehandlung hinausgehendes Abzugsgebot für Aufwendungen, die unmittelbar mit den Quelleneinkünften zusammenhängen, kann unionsrechtlich nicht begründet werden. Es liegt keine Differenzierung vor, wenn auch Gebietsansässigen der Ansatz solcher Ausgaben verwehrt wird, sodass die Grundfreiheiten in ihrer gleichheitsrechtlichen Dimension keine Wirkungen entfalten können. Auch mit Blick auf deren – grundsätzlich anerkannte988 – freiheitsrechtliche Dimension sind die nationalen Gesetzgeber nicht verpflichtet, Abzugstatbestände für unmittelbar mit Quelleneinkünften im Zusammenhang stehende Ausgaben zu schaffen, selbst wenn es sich um einen durch die Grenzüberschreitung bedingten (Mehr-)Aufwand handelt. So stellt es beispielsweise keine unzulässige Beschränkung dar, dass der deutsche Gesetzgeber, nachdem der Sonderausgabentatbestand des § 10 I Nr. 6 EStG a.F. für Steuerberatungskosten aufgehoben worden ist989, einen bei grenzüberschreitenden Sachverhalten gegebenenfalls erhöhten Beratungs- und Erklärungsaufwand unberücksichtigt lässt.990 Zum einen vermitteln die Grundfreiheiten keinen Anspruch auf Förderung bzw. Begünstigung einer grenzüberschreitenden Tätigkeit991, sondern sie zielen auf die Beseitigung von nationalen Maßnahmen, die dem Ziel eines einheitlichen Binnen-

986 P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 179; Streinz, in: Streinz, EUV/ AEUV, Art. 18 AEUV Rn. 62. 987 Vgl. allgemein zur gleichheitsrechtlichen Problematik von Inländerdiskriminierungen P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 179 m.w.N. 988 Stellvertretend EuGH v. 24. 01. 2002, Rs. C-164/99 (Portugaia Construções), Slg 2002, I-787 Rn. 16 ff.; v. 13. 05. 2003, Rs. C-98/01 (Kommission/Vereinigtes Königreich), Slg 2003, I-4641 Rn. 44 ff.; v. 28. 09. 2006, Rs. C-282/04, C-283/04 (Kommission/Niederlande), Slg 2006, I-9141 Rn. 21 ff. 989 Gesetz zum Einstieg in ein steuerliches Sofortprogramm v. 22. 12. 2005 (BGBl I 2005, 3682). 990 In diesem Sinne auch Kube, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 50 Rn. C 93, der ausführt, dass das unionsrechtliche Problem mit Streichung des § 10 I Nr. 6 EStG entfallen ist; tendenziell auch Gosch, in: Kirchhof, EStG, § 50 Rn. 6 (Fn. 6). 991 Ehlers, in: Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 7 Rn. 40; Streinz, Europarecht, Rn. 840.

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markts zuwiderlaufen992. Zum anderen liegt die Zuständigkeit für die Einkommensteuer als direkte Steuer bei den Mitgliedstaaten. Im Spannungsverhältnis zu deren Besteuerungshoheit stünde es aber, jegliche unterschiedslos wirkende Belastungsentscheidung, die als solche die Ausübung der Freiheiten stets weniger attraktiv macht, als rechtfertigungsbedürftige Beschränkung zu qualifizieren.993 Die Grundfreiheiten entfalten im Bereich des Steuerrechts freiheitliche Wirkungen im Gegensatz zu anderen Rechtsgebieten994 regelmäßig nicht.995 In den Entscheidungen, in denen steuerliche Maßnahmen als Beschränkungen qualifiziert worden sind, sind grundsätzlich Ungleichbehandlungen grenzüberschreitender im Vergleich zu reinen Inlandssachverhalten in Rede gestanden, sodass die freiheitsrechtliche Dimension der Grundfreiheiten nicht zum Tragen gekommen ist.996 Auch bei Förderungs- und Lenkungstatbeständen kann es unionsrechtlich geboten sein, die Vergünstigung auf beschränkt Steuerpflichtige zu erstrecken. Maßgebendes Kriterium für die Bestimmung des Adressatenkreises sind die außerfiskalischen Ziele der Norm. Befinden sich unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtige insofern in einer vergleichbaren Situation, verpflichten die Diskriminierungs- und Beschränkungsverbote, letztere in den Vergünstigungstatbestand einzubeziehen. Verfolgt der Gesetzgeber allerdings legitime territorial bzw. national begrenzte Ziele, wird eine Ausweitung des begünstigten Personenkreises auf beschränkt Steuerpflichtige mangels Vergleichbarkeit regelmäßig nicht geboten sein. Insofern ist fraglich, welchen Spielraum das Unionsrecht dem Gesetzgeber belässt, seine Ziele in einem solchen Sinne zu begrenzen (vgl. sogleich unter III. 2.).997 Auch 992 Ehlers, in: Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, § 7 Rn. 29, 32; Oppermann/ Classen/Nettesheim, Europarecht, § 22 Rn. 2. 993 Bammens, The Principle of Non-Discrimination in International and European Tax Law, S. 570. Vgl. allgemein zu der Frage, ob die Besteuerung als solche eine Beschränkung darstellt, Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4 Rn. 85; Kokott, Schlussantrag v. 28. 10. 2004 im Rahmen der Rs. C-134/03 (Viacom Outdoor) Rn. 58 ff.; Reimer, in: Europäisches Steuerrecht, S. 206 (228 f.). 994 Vgl. Fn. 988. 995 Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4 Rn. 85 m.w.N., der feststellt, dass der einzige bisher klar nach freiheitsrechtlichen Maßstäben entschiedene Fall EuGH v. 09. 11. 2006, Rs. C-433/04 (Kommission/Belgien), Slg 2006, I-10653, ist; Terra/Wattel, European Tax Law, S. 90. 996 So beispielsweise EuGH v. 26. 10. 2006, Rs. C-345/05 (Kommission/Portugal), Slg 2006, I-10633 Rn. 20 ff.; v. 12. 07. 2012, Rs. C-269/09 (Kommission/Spanien) Rn. 51 ff.; v. 18. 10. 2012, Rs. C-498/10 (X) Rn. 44 ff.; v. 23. 01. 2014, Rs. C-296/12 (Kommission/Belgien) Rn. 30; v. 17. 09. 2015, Rs. C-10/14, C-14/14, C-17/14 (Miljoen) Rn. 44 ff. Vgl. auch Bammens, The Principle of Non-Discrimination in International and European Tax Law, S. 543 ff.; Lang, IStR 2010, 570 (572). 997 Beispielsweise hat sich im deutschen Recht die Steuerbegünstigung des § 10e EStG a.F. bzw. die Eigenheimzulage (vgl. zur Entwicklung der Wohneigentumsförderung bereits 4. Kapitel § 11 III. 2. b) [S. 189 f.]) als problematisch dargestellt, weil die Wohneigentumsförderung unbeschränkt Steuerpflichtigen nur unter der Voraussetzung gewährt worden ist, dass eine Wohnung in einem im Inland belegenen Haus oder einer im Inland belegenen eigenen Eigentumswohnung hergestellt bzw. angeschafft worden ist. Die Bundesrepublik Deutschland

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der Europäische Gerichtshof hat in der Entscheidung zu den Steuerberatungskosten auf den außerfiskalischen Zweck der Norm abgestellt. Solle ein Ausgleich für die wegen der Komplexität des Einkommensteuerrechts erforderliche Inanspruchnahme eines Steuerberaters geschaffen werden, müssten auch beschränkt Steuerpflichtige in den Adressatenkreis einbezogen werden. Die Entstehung solcher Kosten sei bei diesem Personenkreis in gleicher Weise unausweichlich wie bei unbeschränkt Steuerpflichtigen, soweit als Folge der Erzielung inländischer Einkünfte die Pflicht zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung bestehe.998 In diesem Sinne hat der Europäische Gerichtshof999 ferner zur Altersvorsorgezulage nach §§ 79 ff. EStG entschieden, bei der es sich jedoch um eine soziale, nicht um eine steuerliche Vergünstigung handelt. Sie stelle eine Förderung dar, die hauptsächlich wegen der objektiven Arbeitnehmereigenschaft gewährt werde. Durch die Voraussetzung der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland würden zweckwidrig Grenzarbeitnehmer von der Vergünstigung ausgeschlossen, deren Einkommen wegen eines Doppelbesteuerungsabkommens ausschließlich im Wohnsitzstaat besteuert werde, worin ein Verstoß gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit und Art. 7 II VO Nr. 1612/ 681000 zu sehen sei.1001 Folglich lässt sich keine allgemeingültige Aussage darüber treffen, unter welchen Voraussetzungen der Quellenstaat der Privatsphäre zugeordnete Aufwendungen ausnahmsweise zu berücksichtigen hat. Vielmehr bedarf es einer Betrachtung im Einzelfall, welche den Besonderheiten des jeweiligen Vergünstigungstatbestands Rechnung trägt. c) Anwendung der Ergebnisse auf die Sonderausgabentatbestände Entsprechend diesen Grundsätzen muss für die einzelnen Sonderausgabentatbestände unionsautonom beurteilt werden, ob der Quellenstaat die Aufwendungen trotz der Zuordnung zur Privatsphäre zu berücksichtigen hat. Bei den Sozialversicherungsbeiträgen i.S.v. § 10 I Nr. 2 lit. a, 3, 3a EStG liegt es nahe, einen Zusammenhang mit den Quelleneinkünften anzunehmen, da die Beiträge wegen der Erzielung inländischer Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit anfallen. Gleichhat die territoriale Beschränkung im Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof mit dem Ziel gerechtfertigt, ausreichend Wohnraum im Inland zu schaffen. Ob eine solche Radizierung unionsrechtskonform ist, lässt der EuGH v. 17. 01. 2008, Rs. C-152/05 (Kommission/ Deutschland), Slg 2008, I-39 Rn. 27 f., schließlich offen. Jedenfalls sei eine solche Beschränkung zur Zielerreichung nicht erforderlich. 998 EuGH v. 06. 07. 2006, Rs. C-346/04 (Conijn), Slg 2006, I-6137 Rn. 23. 999 EuGH v. 10. 09. 2009, Rs. C-269/07 (Kommission/Deutschland), Slg 2009, I-7811. 1000 Verordnung über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (Verordnung [EWG] Nr. 1612/68 v. 15. 10. 1968 [ABl 1968, L 257]). 1001 Der Ausschluss der beschränkt Steuerpflichtigen von der Altersvorsorgeförderung nach § 10a EStG (vgl. § 50 I EStG) ist nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen. Vgl. zur Unvereinbarkeit der Beschränkung mit dem Unionsrecht nachfolgend 5. Kapitel § 14 II. 2. c) (S. 225 ff.).

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5. Kap.: Der Sonderausgabenabzug bei grenzüberschreitenden Sachverhalten

wohl mindern die Beiträge den wirtschaftlichen Erfolg nicht. Ihnen liegt ausschließlich ein privates Interesse zugrunde, die Sicherung der individuellen Vorsorge im Falle der Risikorealisierung.1002 Solche Aufwendungen muss der Quellenstaat grundsätzlich nicht berücksichtigen.1003 Als problematisch stellen sich jedoch die Altersvorsorgeaufwendungen dar, handelt es sich um eine private oder eine gesetzliche Vorsorge, weil die Altersbezüge nach § 49 I Nr. 7, 10 EStG steuerbar sind. Zwar kann der Gedanke eines Besteuerungsverzichts in der Erwerbsphase den Sonderausgabenabzug bei beschränkt Steuerpflichtigen nicht begründen, weil Aufwendungen zur Befriedigung eines rein privaten Vorsorgeinteresses im Quellenstaat nicht wirksam werden müssen, jedoch ist auch zu berücksichtigen, dass die steuerbaren Versorgungsbezüge aus einem Anwartschaftsrecht fließen, das einzig wegen der Beitragszahlung in der Erwerbsphase entstanden ist. Die Altersvorsorgeaufwendungen sind unabdingbare, zugleich aber hinreichende Voraussetzung für die Versorgungsleistungen nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben. Sie sind jedoch nicht Teil des steuerbaren Erfolgs in der Bezugsphase. Diesem Zusammenhang muss unionsrechtskonform dadurch Rechnung getragen werden, dass die Altersvorsorgeaufwendungen auch bei beschränkt Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, soweit die Bezüge voll besteuert werden. Der Zusammenhang mit den Quelleneinkünften wird auch nicht dadurch durchbrochen, dass es den Steuerpflichtigen mit Ausnahme der gesetzlich Pflichtversicherten frei steht, stattdessen in ihrem Ansässigkeitsstaat eine vergleichbare Vorsorge aufzubauen, die in Deutschland nicht steuerbar ist. Ein solcher Ansatz ist mit der Kapitalverkehrsfreiheit unvereinbar. Unionsrechtlich ist es daher geboten, dass die Altersvorsorgebeiträge der in anderen Mitgliedstaaten ansässigen beschränkt Steuerpflichtigen als Sonderausgaben steuerwirksam werden.1004 Zudem erfordert die außerfiskalische Zwecksetzung des § 10a EStG auch beschränkt Steuerpflichtige in den Vergünstigungstatbestand miteinzubeziehen. Soweit sie wegen ihrer Tätigkeit in Deutschland in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert sind, sind sie gleichermaßen von der Absenkung des Rentenniveaus betroffen wie die Ansässigen. Unabhängig von 1002

Vgl. 1. Kapitel § 2 I. 1. a) (S. 23). Im Ergebnis auch FG Düsseldorf v. 30. 04. 2009, 16 K 4273/07 E, EFG 2009, 1911 (1913), zu den Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen. A.A. Kulosa, in: Herrmann/Heuer/ Raupach, EStG/KStG, § 10 EStG Rn. 14; Richter, Die Besteuerung grenzüberschreitender Altersversorgung in der EU, S. 254 ff., hinsichtlich der Altersvorsorgeaufwendungen. 1004 Insbesondere kann der Sonderausgabenabzug beschränkt Steuerpflichtigen nicht versagt werden, auch wenn das Recht zur Besteuerung der Altersbezüge durch ein Doppelbesteuerungsabkommen dem Ansässigkeitsstaat zugewiesen ist (Art. 18, 21 I OECD-MA). Der grundsätzlich anerkannte Rechtfertigungsgrund der Kohärenz der Steuersysteme greift nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht, wenn der Zusammenhang zwischen der Abziehbarkeit der Beiträge und der Steuerbarkeit der Versicherungsleistungen durch eine bilaterale Regelung „durchbrochen“ wird. Die Kohärenz verlagere sich sodann auf die Ebene der Gegenseitigkeit, vgl. EuGH v. 11. 08. 1995, Rs. C-80/94 (Wielockx), Slg 1995, I-2493 Rn. 24 f.; v. 10. 09. 2009, Rs. C-269/07 (Kommission/Deutschland), Slg 2009, I-7811 Rn. 63. Kritisch zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs Englisch, in: Europäisches Steuerrecht, S. 230 (292 f.). 1003

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der persönlichen Steuerpflicht besteht bei diesem Personenkreis wegen der nachteiligen Entwicklung ein Bedürfnis für eine zusätzliche Altersvorsorge. Soll § 10a EStG für deren Aufbau einen Anreiz schaffen, erfordert eine diskriminierungsfreie Ausgestaltung, beschränkt steuerpflichtige Mitglieder der gesetzlichen Rentenversicherung in den Vergünstigungstatbestand miteinzubeziehen.1005 Im engen Zusammenhang mit den Altersvorsorgeaufwendungen stehen die Leistungen im Rahmen bzw. zur Vermeidung eines Versorgungsausgleichs i.S.v. § 10 Ia Nr. 3, 4 EStG. Bei der Frage, ob sich die beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtigen auch insoweit in einer vergleichbaren Situation befinden, ist zu berücksichtigen, dass dem ausgleichsverpflichteten Ehegatten aufgrund solcher Leistungen die Anwartschaften in voller Höhe erhalten bleiben und daher die steuerbaren Bezüge ungekürzt zufließen. Im Vordergrund steht allerdings die nicht dingliche Teilung der während der Ehe erworbenen Versorgungsanwartschaften bzw. -ansprüche. Eine solche Vermögensauseinandersetzung ist durch die geänderten familiären Verhältnisse bedingt und hängt von der Rechtslage des Ansässigkeitsstaates ab, dem der Steuerpflichtige typischerweise auch angehört.1006 Dieser enge Zusammenhang mit der Privatsphäre legitimiert und lässt es auch als zweckmäßig erscheinen, eine im Ansässigkeitsstaat zu berücksichtigende Minderung der Gesamtleistungsfähigkeit anzunehmen. Aus denselben Gründen ist es unionsrechtlich auch nicht geboten, die Unterhaltsleistungen i.S.v. § 10 Ia Nr. 1 EStG von beschränkt Steuerpflichtigen zu berücksichtigen.1007 Unionsrechtlich bedenklich erscheint es, zumindest auf den ersten Blick, den Kirchensteuerabzug beschränkt Steuerpflichtigen zu verwehren. Die Kirchensteuer wird als Zuschlag zur Einkommensteuer erhoben und ist damit, wie auch die Steuerberatungskosten im Falle „Conijn“, notwendige Folge der einkünfteerzielenden Tätigkeit. Allerdings ist unabdingbare Voraussetzung für die Entstehung einer Steuerschuld, dass der Steuerpflichtige Mitglied in einer Religionsgemein1005 EuGH v. 10. 09. 2009, Rs. C-269/07 (Kommission/Deutschland), Slg 2009, I-7811, hält es für unionsrechtlich geboten, auch den in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Grenzarbeitnehmern die Altersvorsorgezulage nach §§ 79 ff. EStG zu gewähren, deren Einkommen nach einem Doppelbesteuerungsabkommen ausschließlich im Wohnsitzstaat besteuert wird. Die Förderung knüpfe als soziale Vergünstigung hauptsächlich an die objektive Arbeitnehmereigenschaft an und dürfe daher diesem Personenkreis im Hinblick auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit sowie Art. 7 der Verordnung über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (Verordnung [EWG] Nr. 1612/68 v. 15. 10. 1968 [ABl 1968, L 257]) nicht verwehrt werden. 1006 Vgl. zur Frage der Zuständigkeit bei grenzüberschreitenden Sachverhalten innerhalb der Europäischen Union § 98 II FamFG i.V.m. § 98 I FamFG i.V.m. Brüssel-IIa-VO (Verordnung [EG] Nr. 2201/2003 v. 27. 11. 2003 [ABl 2003, L 338/1]) sowie § 102 FamFG und zur Frage des anwendbaren Rechts Art. 17 III EGBGB i.V.m. Rom-III-VO (Verordnung [EU] Nr. 1259/2010 v. 20. 12. 2010 [ABl 2010, L 343/10]). 1007 Innerhalb der Europäischen Union richtet sich die Zuständigkeit nach Art. 3 ff. EUUnthVO (Verordnung [EG] Nr. 4/2009 v. 18. 12. 2008 [ABl 2009, L 7/1]) und das anwendbare Recht nach Art. 15 EUUnthVO i.V.m. dem Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht (ABl 2009, L 331/19).

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5. Kap.: Der Sonderausgabenabzug bei grenzüberschreitenden Sachverhalten

schaft ist. Eine solche Entscheidung ist ausschließlich der Privatsphäre geschuldet, sodass man einen unmittelbaren Zusammenhang der Kirchensteuer mit der einkünfteerzielenden Tätigkeit nicht wird annehmen können.1008 Zum selben Ergebnis wird man hinsichtlich der Kinderbetreuungskosten i.S.v. § 10 I Nr. 5 EStG kommen müssen. Seien die Aufwendungen ausschließlich durch die Privatsphäre oder auch durch die Erwerbssphäre veranlasst, wurzeln sie jedenfalls in der familiären Situation, die nur unter den besonderen Voraussetzungen der Schumacker-Doktrin im Quellenstaat zu berücksichtigen ist. Eine andere Bewertung hätte die Konsequenz, dass die Kosten zwischen den Mitgliedstaaten aufgeteilt werden müssten, wenn sie zugleich durch die Erwerbssphäre veranlasst wären. Dies liefe den Praktikabilitätserwägungen zuwider, die auch der Schumacker-Rechtsprechung zugrunde liegen. Ob man bei den Berufsausbildungskosten i.S.v. § 10 I Nr. 7 EStG einen unmittelbaren Zusammenhang mit künftig zu erzielenden Quelleneinkünften annehmen kann, erscheint äußerst zweifelhaft. Ob, wann und welche inländische Einnahmen erzielt werden, ist von einer Vielzahl ungewisser Faktoren abhängig, die gegen eine Unmittelbarkeit sprechen. Jedenfalls wird die Frage nach der Abgrenzung zwischen der beachtlichen und der unbeachtlichen Sphäre aus praktischen Gründen nicht relevant werden. Die Aufwendungen können nämlich nicht in die Besteuerungsperioden vorgetragen werden, in welchen unter Umständen inländische Einkünfte erzielt werden, die im Zusammenhang mit einer solchen Erstausbildung stehen. Damit bleibt festzuhalten, dass es – abgesehen von den Altersvorsorgeaufwendungen und den Versorgungsleistungen i.S.v. § 10 Ia Nr. 2 EStG – keinen Verstoß gegen die Diskriminierungsverbote darstellt, wenn die beschränkt Steuerpflichtigen als Sonderausgaben abziehbare Aufwendungen nicht steuermindernd berücksichtigen können.

III. Diskriminierungsfreie Ausgestaltung der Sonderausgabentatbestände Die Diskriminierungsverbote erlangen nicht nur bei der Frage nach dem persönlichen Anwendungsbereich von Steuervergünstigungen Bedeutung, sondern auch bei deren sachlicher Ausgestaltung. Dem Grunde nach besteht unionsrechtlich keine Verpflichtung, bestimmte Aufwendungen steuermindernd zu berücksichtigen. Entscheidet sich der Gesetzgeber jedoch, private Aufwendungen der unbeschränkt Steuerpflichtigen von der Bemessungsgrundlage abzuziehen, so muss der Vergünstigungstatbestand unionsrechtskonform, insbesondere diskriminierungsfrei ausgestaltet werden.

1008

A.A. Kulosa, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10 EStG Rn. 14.

§ 14 Die Einwirkung der Diskriminierungsverbote

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1. Unzulässigkeit einer Differenzierung nach der Ansässigkeit des Empfängers der Aufwendungen Der Europäische Gerichtshof hat bei einigen Sonderausgabentatbeständen die Voraussetzung beanstandet, dass der Empfänger der Aufwendungen im Inland ansässig ist. Als Folge dieser Entscheidungen verzichtet der Gesetzgeber nun bei den Sonderausgaben grundsätzlich auf entsprechende Differenzierungen. Ob das Unionsrecht jedoch tatsächlich keinen Spielraum für eine solche Tatbestandsgestaltung belässt, soll nachfolgend untersucht werden. Insofern ist maßgebend, ob eine unterschiedliche Behandlung der Steuerpflichtigen in Abhängigkeit von der Verausgabung entweder im In- oder im Ausland diskriminierend bzw. beschränkend wirkt. Durch eine solche Differenzierung werden vor allem Steuerpflichtige nachteilig betroffen, die von den Grundfreiheiten Gebrauch gemacht haben und in einem anderen Mitgliedstaat als dem Herkunftsstaat Einkünfte erzielen. Vorwiegend werden diese Personen wegen der regelmäßig fortbestehenden Verbindungen ins Ausland die Aufwendungen i.S.v. §§ 10 ff. EStG in anderen Mitgliedstaaten tätigen. Insbesondere bei unbeschränkt steuerpflichtigen Gastarbeitern als auch bei fiktiv unbeschränkt Steuerpflichtigen i.S.v. § 1 III EStG fällt der Aufwand regelmäßig nicht im Tätigkeitsstaat an, da sich deren persönlicher und familiärer Lebensmittelpunkt in einem anderen Mitgliedstaat befindet.1009 Sie würden im Vergleich zu anderen unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Personen, die von ihren vertraglich geschützten Freiheiten nicht Gebrauch gemacht haben, nachteilig behandelt, wenn nur im Inland geleistete Aufwendungen begünstigt würden. Zudem erscheint die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit, der Niederlassungsfreiheit bzw. der allgemeinen Freizügigkeit für Personen weniger attraktiv, die auch in anderen Mitgliedstaaten, insbesondere in ihrem Herkunftsstaat, solche Ausgaben tätigen müssen. Die steuerlichen Nachteile könnten sie – so die sehr weitgehende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs – davon abhalten, in Deutschland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt zu nehmen.1010 Folglich liegt eine rechtfertigungsbedürftige Beschränkung der Grundfreiheiten bzw. des Rechts auf Freizügigkeit aus Art. 21 AEUV vor, wenn der Sonderausgabenabzug generell für solche Aufwendungen ausgeschlossen wird, die in einen anderen Mitgliedstaat abfließen. Als problematisch stellt sich eine solche Differenzierung ferner dar, wenn der Gesetzgeber durch den Sonderausgabenabzug die Inanspruchnahme einer Dienstleistung begünstigt, die dem Schutzbereich des Art. 57 AEUV unterfällt. Wegen der 1009

Nach EuGH v. 14. 02. 1995, Rs. C-279/93 (Schumacker), Slg 1995, I-225 Rn. 31 ff., ist in solchen Fällen der Staat, in dem die steuerbare Tätigkeit ausgeübt wird, zur Berücksichtigung der persönlichen und familiären Verhältnisse verpflichtet. Vgl. zum Schulgeld EuGH v. 11. 09. 2007, Rs. C-318/05 (Kommission/Deutschland), Slg 2007, I-6957 Rn. 115 f. 1010 Vgl. zum Schulgeld EuGH v. 11. 09. 2007, Rs. C-318/05 (Kommission/Deutschland), Slg 2007, I-6957 Rn. 115 f., 128 ff.; zu Versicherungsbeiträgen EuGH v. 30. 01. 2007, Rs. C-150/04 (Kommission/Dänemark), Slg 2007, I-1163 Rn. 41 ff.; v. 23. 04. 2009, Rs. C-544/07 (Rüffler), Slg 2009, I-3389 Rn. 65 ff.; v. 19. 11. 2009, Rs. C-314/08 (Filipiak), Slg 2009, I-11049 Rn. 71.

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5. Kap.: Der Sonderausgabenabzug bei grenzüberschreitenden Sachverhalten

unterschiedlichen steuerlichen Folgen erscheint es für die im Inland unbeschränkt Steuerpflichtigen weniger attraktiv, eine Leistung durch einen im EU-Ausland ansässigen Dienstleister erbringen zu lassen. Zugleich werden Anbieter aus anderen Mitgliedstaaten benachteiligt, die durch eine solche Regelung aus dem inländischen Markt verdrängt werden bzw. deren Angebot dort erheblich erschwert wird. Aufgrund dieser Wirkungen wird die Leistungserbringung zwischen den Mitgliedstaaten behindert, wenn ein Sonderausgabentatbestand so ausgestaltet wird, dass nur die Leistungen der inländischen Dienstleister begünstigt werden. Eine solche Beeinträchtigung bedarf der Rechtfertigung vor Art. 56 AEUV. In diesem Sinne hat der Europäische Gerichtshof für die Schulgeldzahlungen i.S.v. § 10 I Nr. 9 EStG entschieden und die Beschränkung auf Kosten für inländische Schulen als mit der Dienstleistungsfreiheit unvereinbar erklärt.1011 Auch unterfällt dem Schutzbereich des Art. 56 AEUV die grenzüberschreitende Inanspruchnahme von Versicherungs-, Betreuungs- sowie berufsbezogenen Bildungsleistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht und daher als Dienstleistungen i.S.v. Art. 57 AEUVanzusehen sind. Der Gesetzgeber ist daher auch unionsrechtlich verpflichtet, die Beträge unabhängig von der Ansässigkeit des Empfängers zu begünstigen.1012 Solche Differenzierungen verbieten sich grundsätzlich auch bei Ausgaben, die in den Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit fallen. Zwar ist den Mitgliedstaaten eine unterschiedliche Behandlung nach dem Kapitalanlageort vorbehalten, doch darf diese nach Art. 65 III AEUV nicht zu einer willkürlichen Diskriminierung oder einer verschleierten Beschränkung führen.1013 So hat auch der Europäische Gerichtshof hinsichtlich der 1011

EuGH v. 11. 09. 2007, Rs. C-76/05 (Schwarz und Gootjes-Schwarz), Slg 2007, I-6849 Rn. 64 ff.; v. 11. 09. 2007, Rs. C-318/05 (Kommission/Deutschland), Slg 2007, I-6957 Rn. 65 ff. 1012 Die generelle Nichtabziehbarkeit der an einen Versicherungsträger mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat geleisteten Beiträge kann nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs – anders als es noch in den Urteilen v. 28. 01. 1992, Rs. C-204/90 (Bachmann), Slg 1992, I-276 Rn. 31 ff., 21 ff., und v. 28. 01. 1992, Rs. C-300/90 (Kommission/Belgien), Slg 1992, I-314 Rn. 22 ff., 14 ff., vertreten worden ist – nicht mit der Notwendigkeit gerechtfertigt werden, die Kohärenz des Steuersystems zu wahren, vgl. EuGH v. 30. 01. 2007, Rs. C-150/04 (Kommission/Dänemark), Slg 2007, I-1163 Rn. 71 ff., und v. 23. 01. 2014, Rs. C-296/12 (Kommission/Belgien) Rn. 34 ff. Dies wird zutreffend damit begründet, dass der Zusammenhang zwischen der Abzugsfähigkeit der Beiträge und der Besteuerung der Leistungen nicht durch den Umstand aufgehoben wird, dass die Beiträge ins Ausland abfließen, da der Ansässigkeitsstaat den steuerlichen Zugriff auch auf Leistungen ausländischer Versicherungsträger erstrecken kann. Eine Beeinträchtigung der Kohärenz stehe nur in den Fällen in Rede, in denen der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz vor Eintritt in die Bezugsphase in einen anderen Mitgliedstaat verlege. Nur insoweit könne eine Abzugsbeschränkung gerechtfertigt werden. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass eine Differenzierung nur nach dem Sitz des Versicherungsträgers zur Wahrung der Kohärenz des Steuersystems nicht erforderlich ist und folglich die Beeinträchtigung der Grundfreiheiten dadurch nicht gerechtfertigt werden kann. Mit dem Gesetz zur Bekämpfung des Mi[ss]brauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts v. 21. 12. 1993 (BGBl I 1993, 2310 [2311]) sind die als Sonderausgaben abzugsfähigen Versicherungsbeiträge im Sinne des EG-Rechts bzw. Unionsrechts tatbestandlich erfasst worden. 1013 EuGH v. 06. 06. 2000, Rs. C-35/98 (Verkooijen), Slg 2000, I-4071 Rn. 43 ff.; v. 07. 09. 2004, Rs. C-319/02 (Manninen), Slg 2004, I-7477 Rn. 29; v. 20. 05. 2008, Rs. C-194/06

§ 14 Die Einwirkung der Diskriminierungsverbote

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Zuwendungen i.S.v. § 10b I S. 1 EStG entschieden. Mit der Kapitalverkehrsfreiheit sei es unvereinbar, dass Zahlungen an Empfänger im EU-Ausland generell nicht begünstigt würden.1014 Weder dem Schutz der Dienstleistungs- noch der Kapitalverkehrsfreiheit unterfallen die Anteilsübertragungen i.S.v. § 10 Ia Nr. 2 EStG. Wegen der Übertragung einer unternehmerischen Beteiligung1015 ist der Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit eröffnet, insofern die vorgehend erörterten Grundsätze entsprechend zum Tragen kommen. Daher müssen solche Versorgungsleistungen auch dann berücksichtigt werden, wenn der Versorgungsempfänger in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist. Der Gesetzgeber trägt den Vorgaben des Unionsrechts insoweit mit § 1a I Nr. 1 EStG Rechnung. Folglich ist es mit den Diskriminierungs- und Beschränkungsverboten des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union unvereinbar, wenn Aufwendungen eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nur deshalb nicht als Sonderausgaben steuerwirksam werden, weil deren Empfänger in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist. Einer solchen Differenzierung liegt kein objektives, mit dem Primärrecht zu vereinbarendes Kriterium zugrunde.1016 Der Gesetzgeber wird diesen unionsrechtlichen Vorgaben im geltenden Einkommensteuerrecht gerecht. Insbesondere kann der Tatbestand des § 10 I Nr. 4 EStG zutreffend unionsrechtskonform dahingehend ausgelegt werden, dass nicht nur Zahlungen an inländische Körperschaften des öffentlichen Rechts abzugsfähig sind.1017 2. Beschränkung von Steuervergünstigungen auf rein inländische Förderungs- und Lenkungszwecke Als unionsrechtlich problematisch sind auch solche Steuervergünstigungstatbestände zu beurteilen, mit welchen ein Mitgliedstaat rein innerstaatliche oder terri(Orange European Smallcap Fund), Slg 2008, I-3747 Rn. 58 f.; v. 10. 02. 2011, Rs. C-436/08, C-437/08 (Haribo Lakritzen Hans Riegel und Österreichische Salinen), Slg 2011, I-305 Rn. 57; v. 13. 03. 2014, Rs. C-375/12 (Bouanich) Rn. 62 f., in ständiger Rechtsprechung. 1014 EuGH v. 27. 01. 2009, Rs. C-318/07 (Persche), Slg 2009, I-359 Rn. 38 ff. Der Gesetzgeber hat dieser Entscheidung durch das Gesetz zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften v. 08. 04. 2010 (BGBl I 2010, 386 [387]) Rechnung getragen. Der Spendenabzug ist auf Empfänger ausgeweitet worden, die im EUAusland oder in Staaten belegen sind, auf die das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum anwendbar ist. Vgl. zur Anwendbarkeit der Grundfreiheiten im Gemeinnützigkeitsrecht Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, S. 486 ff. 1015 Vgl. zur Abgrenzung zwischen unternehmerischer und nicht-unternehmerischer Kapitalbeteiligung Müller-Graff, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 49 AEUV Rn. 14 f. 1016 Vgl. EuGH v. 11. 09. 2007, Rs. C-76/05 (Schwarz und Gootjes-Schwarz), Slg 2007, I-6849 Rn. 72; v. 11. 09. 2007, Rs. C-318/05 (Kommission/Deutschland), Slg 2007, I-6957 Rn. 99; v. 16. 06. 2011, Rs. C-10/10 (Kommission/Österreich), Slg 2011, I-5389 Rn. 33 ff. 1017 Nach dem Schreiben des BMF v. 16. 11. 2010, BStBl I 2010, 1311, ist allein maßgebend, ob die religiöse Vereinigung entsprechend Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 WRV bei Inlandsansässigkeit als Körperschaft des öffentlichen Rechts anzuerkennen wäre.

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5. Kap.: Der Sonderausgabenabzug bei grenzüberschreitenden Sachverhalten

torial begrenzte Ziele zu erreichen sucht. Eine ausschließlich auf das Inland bezogene Zwecksetzung erfordert notwendig eine entsprechende Differenzierung im Tatbestand der begünstigenden Regelung, die diskriminierend oder beschränkend wirken kann. a) Sonderausgabentatbestände mit national bzw. innerstaatlich radizierter Zwecksetzung Im Bereich der Sonderausgaben lässt der Gesetzgeber beispielsweise den Abzug von Zuwendungen i.S.v. § 10b I EStG nur zur Förderung solcher steuerbegünstigter Zwecke zu, die einen strukturellen Bezug zum Inland aufweisen. Diese Förderwürdigkeitsentscheidung, die tatbestandlich in § 10b I S. 6 EStG bzw. bezugnehmend durch § 10b I S. 2 Nr. 2 und Nr. 3 EStG in § 5 I Nr. 9 KStG i.V.m. § 52 II AO zum Ausdruck kommt, wirkt sich zulasten der Kapitalverkehrsfreiheit aus. Aufgrund der nachteiligen steuerlichen Folgen erscheint es für die Steuerpflichtigen weniger attraktiv, entsprechende grenzüberschreitende Zuwendungen für Zwecke ohne Inlandsbezug zu tätigen.1018 Ferner wird in § 10f und § 10g EStG die Steuerwirksamkeit von Herstellungs- und Erhaltungsaufwand für bestimmte, eigenen Wohnzwecken dienende Gebäude sowie für Kulturgüter von der Voraussetzung abhängig gemacht, dass sie im Inland belegen sind. Verfolgt der Gesetzgeber dadurch auch die territorial begrenzten Ziele, zu Maßnahmen an Gebäuden anzuregen, die öffentlichrechtlichen Beschränkungen unterliegen, und nationale Kulturgüter zu schützen, wird die Ausübung vertraglich geschützter Freiheiten beschränkt.1019 Die steuerliche Benachteiligung kann Personen von entsprechenden Investitionen im Ausland abhalten, sei es als Kapitalanlage oder wegen eines beruflich oder privat veranlassten Wohnsitzwechsels. Schließlich wird in § 10 Ia Nr. 2 S. 2 lit. c EStG die Begünstigung von Versorgungsleistungen im Zusammenhang mit der Übertragung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft auf die Rechtsform der GmbH beschränkt, also inzident auf Gesellschaften mit Sitz im Inland gemäß § 4a GmbHG.1020 Die unterschiedlichen steuerlichen Folgen, die mit der Wahl einer vergleichbaren Rechtsform eines anderen Mitgliedstaates verbunden sind, wirken als Beschränkung der Niederlassungsfreiheit. Allein eine auf das Inland begrenzte wirtschaftspolitische Zwecksetzung (Sicherung der Arbeitsplätze und des produktiven Wachstums1021) könnte rechtfertigend

1018

Vgl. 5. Kapitel § 14 III. 2. c) (S. 236) zur (teilweisen) Unvereinbarkeit mit dem Unionsrecht. 1019 Vgl. 5. Kapitel § 14 III. 2. c) (S. 236) zur (teilweisen) Unvereinbarkeit mit dem Unionsrecht. 1020 Nach BMF v. 11. 03. 2010, BStBl I 2010, 227, legt die Finanzverwaltung die Regelung unionsrechtskonform dahingehend aus, dass der sachliche Anwendungsbereich auf im EUAusland ansässige Kapitalgesellschaften ausgedehnt wird, die einer in Deutschland ansässigen GmbH vergleichbar sind. 1021 BT-Drs. 16/6290, S. 53.

§ 14 Die Einwirkung der Diskriminierungsverbote

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wirken.1022 Nachfolgend ist daher zu untersuchen, ob solche rein inländischen Förderungs- und Lenkungsziele zulässig sind. b) Grundsätzliche Legitimität rein inländischer Förderungs- und Lenkungsziele Es stellt sich die Frage, ob eine Beeinträchtigung der geschützten Freiheiten als notwendige Folge einer innerstaatlich oder territorial begrenzten Zielsetzung mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Anders gewendet geht es um die grundsätzliche Frage, ob Diskriminierungs- und Beschränkungsverbote „zu einer Ausweitung der Vergünstigung auf Sachverhalte verpflichten [können], in denen die Zwecksetzung im eigentlichen Sinne nicht verwirklicht werden kann.“1023 Mit einem pauschalen Verweis auf die Besteuerungshoheit der Mitgliedstaaten kann dies nicht verneint werden. Zwar obliegt ihnen allein die Entscheidung darüber, welche Zwecke mit einer steuerlichen Vergünstigung verfolgt werden,1024 sie bleiben dabei jedoch an die Vorgaben des Unionsrechts gebunden. Diskriminierende bzw. beeinträchtigende Gestaltungen bedürfen einer Legitimation durch ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel, dem eine rechtfertigende Wirkung zukommen kann.1025 Ob ein solches Ziel jedoch auch zur Rechtfertigung geeignet ist, wenn es nur innerstaatlich oder territorial begrenzt verfolgt wird, bedarf einer differenzierenden Würdigung.1026 Im Ausgangspunkt ist festzuhalten, dass die Mitgliedstaaten grundsätzlich nicht dazu verpflichtet bzw. auch nicht berechtigt sind, die Aufgaben oder Interessen anderer Mitgliedstaaten wahrzunehmen.1027 Selbst wenn man für bestimmte Bereiche des Unionsrechts eine Vergemeinschaftung des Rechtserzeugungsprozesses anzunehmen hat, muss die Hoheitsgewalt durch Institutionen der Europäischen Union

1022 Vgl. 5. Kapitel § 14 III. 2. c) (S. 235 f.) zur Unzulässigkeit „wirtschaftlicher Ziele“ (EuGH v. 14. 11. 1995, Rs. C-484/93 [Svensson und Gustavsson], Slg 1995, I-3955). 1023 v. Danwitz, in: Europäische Perspektiven im Steuerrecht – Steuergerechtigkeit und Steuervereinfachung, S. 73 (82). 1024 EuGH v. 14. 09. 2006, Rs. C-386/04 (Centro di Musicologia Walter Stauffer), Slg 2006, I-8203 Rn. 39; v. 27. 01. 2009, Rs. C-318/07 (Persche), Slg 2009, I-359 Rn. 48; v. 22. 12. 2010, Rs. C-287/10 (Tankreederei I), Slg 2010, I-14233 Rn. 30; v. 16. 06. 2011, Rs. C-10/10 (Kommission/Österreich), Slg 2011, I-5389 Rn. 32. 1025 Seit EuGH v. 20. 02. 1979, Rs. C-120/78 (Cassis de Dijon), Slg 1979, 649 Rn. 8, 14, in ständiger Rechtsprechung. 1026 Gilt es, die Frage zu beantworten, ob beschränkt Steuerpflichtige in den Adressatenkreis der Vergünstigung miteinzubeziehen sind, ist die Legitimität von innerstaatlichen bzw. national begrenzten Zielen nach der Dogmatik des Europäischen Gerichtshofs bereits auf Ebene der Vergleichbarkeit von unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtigen zu prüfen. Eine Vergleichbarkeit besteht auch in solchen Fällen, in welchen der Normzweck unionsrechtswidrig radiziert worden und eine Ausweitung der Vergünstigung auf beschränkt Steuerpflichtige geboten ist. 1027 Vgl. zur Regelungsgewalt bei Sachverhalten mit Auslandsberührung Herdegen, Völkerrecht, § 26; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 25 Rn. 11.

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5. Kap.: Der Sonderausgabenabzug bei grenzüberschreitenden Sachverhalten

wahrgenommen werden.1028 Ein einzelner Mitgliedstaat kann und darf insoweit nicht für andere Mitgliedstaaten tätig werden. Korrespondierend ist grundsätzlich auch das Bedürfnis anzuerkennen, steuerliche Vorteile nur für solche Zwecke zu gewähren, die einen hinreichenden Bezug zum Hoheitsgebiet aufweisen.1029 In diesem Sinne hat der Europäische Gerichtshof bereits für den Bereich sozialer Vergünstigungen entschieden: Mit dem Unionsrecht sei es zu vereinbaren, Vorteile nur dann zu gewähren, wenn eine hinreichende Verbundenheit zwischen dem Betroffenen und dem jeweiligen Mitgliedstaat bestehe.1030 Für den Spendenabzug i.S.v. § 10b I EStG kann grundsätzlich – wie sich zeigen wird, bedarf es jedoch Einschränkungen – nichts anderes gelten. Die Bundesrepublik Deutschland verfolgt das legitime Interesse, nur solche Zwecke steuerlich zu begünstigen, deren Verfolgung bzw. Verwirklichung in den eigenen Verantwortungsbereich fällt.1031 Die Entscheidung für ein national begrenztes Gemeinwohl wird durch die Voraussetzungen des § 10b I S. 6 EStG – Zweckverwirklichung im Inland, Förderung von im Inland ansässigen Personen oder Leistung eines Beitrags zum Ansehen der Bundesrepublik Deutschland – typisierend tatbestandlich verwirklicht. Unionsrechtlich bedenklich erscheint jedoch die Alternative, einen Beitrag zum Ansehen der Bundesrepublik Deutschland leisten zu können. Dadurch soll für inländische Vereinigungen nämlich der erforderliche Inlandsbezug indiziell begründet sein1032, während ausländische Vereinigungen einen Nachweis, insbesondere über den geförderten Personenkreis, erbringen müssen.1033 Von Differenzierungen, die einer innerstaatlich bzw. territorial begrenzten Zwecksetzung Rechnung tragen, sind jedoch solche zu unterscheiden, die ausschließlich fiskalisch motiviert sind. Die Ziele, Steuerausfälle bzw. die Verringerung des Steueraufkommens zu vermeiden, stellen kein zwingendes Interesse des All-

1028

Vgl. hierzu Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, § 9 Rn. 10. So wohl auch v. Danwitz, in: Europäische Perspektiven im Steuerrecht – Steuergerechtigkeit und Steuervereinfachung, S. 73 (82); tendenziell Ismer, in: Herrmann/Heuer/ Raupach, EStG/KStG, Einf. zum EStG, Rn. 496. 1030 EuGH v. 18. 07. 2007, Rs. C-213/05 (Geven), Slg 2007, I-6347 Rn. 28 f.; v. 01. 10. 2009, Rs. C-103/08 (Gottwald), Slg 2009, I-9117 Rn. 32, und in Abgrenzung zu diesem Urteil EuGH v. 22. 12. 2010, Rs. C-287/10 (Tankreederei I), Slg 2010, I-4233 Rn. 30 f. Im Rahmen der Entscheidung über die Eigenheimzulage hat der Europäische Gerichtshof offen gelassen, ob das Ziel der Schaffung von ausreichend Wohnraum im Inland legitim ist, vgl. EuGH v. 17. 01. 2008, Rs. C-152/05 (Kommission/Deutschland), Slg 2008, I-39 Rn. 27. 1031 So auch Geserich, DStR 2009, 1173 (1176); P. Kirchhof, in: Kirchhof, EStG, § 10b Rn. 20; offengelassen in EuGH v. 14. 09. 2006, Rs. C-386/04 (Centro di Musicologia Walter Stauffer), Slg 2006, I-8203 Rn. 37 f.; v. 27. 01. 2009, Rs. C-318/07 (Persche), Slg 2009, I-359 Rn. 47 ff.; tendenziell ablehnend Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, S. 499 ff., 507 ff. 1032 Der Finanzausschuss nimmt eine solche Indizwirkung an, vgl. BT-Drs. 16/11108, S. 46. 1033 Vgl. Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, S. 512; Hüttemann, EuZW 2011, 641 (642); für eine unionsrechtskonforme Auslegung Förster, BB 2011, 663 (665); Unger, DStZ 2010, 154 (163 f.). 1029

§ 14 Die Einwirkung der Diskriminierungsverbote

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gemeinwohls dar, das rechtfertigend wirken könnte.1034 Dies gilt auch in solchen Konstellationen, in denen es die Haushaltslage nicht zulässt, das für notwendig erachtete Förderniveau aufrechtzuerhalten, ohne den sachlichen Anwendungsbereich des Vergünstigungstatbestands zu begrenzen.1035 Andernfalls könnte der unbegrenzte Fiskalzweck jegliche, wie auch immer gegriffene, also auch willkürliche Tatbestandsgestaltung rechtfertigen. Daher bedarf es auch in den Fällen, in denen eine übermäßige Belastung in Rede steht, objektiver Differenzierungskriterien, die auf ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel zurückgeführt werden können.1036 c) Begrenzung des gesetzgeberischen Entscheidungsspielraums wegen verpflichtender Zusammenarbeit auf Unionsebene Allerdings ist das Interesse der Mitgliedstaaten an inländisch radizierten Förderungs- und Lenkungstatbeständen nicht uneingeschränkt anzuerkennen. Eine abweichende Beurteilung ist in solchen Bereichen geboten, in welchen sie in den Verträgen gemeinsame Ziele definiert und sich zu einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit verpflichtet haben.1037 Insoweit läuft es der unionsrechtlichen Integration zuwider, die Zwecksetzung auf das eigene Hoheitsgebiet zu begrenzen. Daher kann es sich auch nicht um legitime Ziele des Allgemeinwohls handeln, die eine Diskriminierung oder Beschränkung rechtfertigen könnten. Dies gilt insbesondere für den Bereich einer auf die nationale Wirtschaft begrenzten Förderung.1038 Derartige Maßnahmen sind mit dem in Art. 3 III UAbs. 1 S. 1 EUV und Art. 26 AEUV kodifizierten Ziel unvereinbar, einen Binnenmarkt zu verwirklichen bzw. 1034

EuGH v. 11. 09. 2007, Rs. C-318/05 (Kommission/Deutschland), Slg 2007, I-6957 Rn. 95; v. 27. 01. 2009, Rs. C-318/07 (Persche), Slg 2009, I-359 Rn. 46; v. 22. 12. 2010, Rs. C-287/10 (Tankreederei I), Slg 2010, I-14233 Rn. 27; v. 10. 02. 2011, Rs. C-25/10 (Missionswerk Werner Heukelbach), Slg 2011, I-497 Rn. 31, in ständiger Rechtsprechung. 1035 EuGH v. 11. 09. 2007, Rs. C-76/05 (Schwarz und Gootjes-Schwarz), Slg 2007, I-6849 Rn. 77. 1036 Bereits EuGH v. 14. 11. 1995, Rs. C-484/93 (Svensson und Gustavsson), Slg 1995, I-3955 Rn. 13 ff.; in diesem Sinne ist wohl auch der EuGH v. 15. 03. 2005, Rs. C-209/03 (Bidar), Slg 2005, I-2119 Rn. 56 ff., zu verstehen. Zwar erkennt das Gericht das Bedürfnis der Mitgliedstaaten an, dass die Absenkung des gesamten Niveaus der Studienförderung nicht allein deshalb notwendig werden darf, weil auch Studenten anderer Mitgliedstaaten in die Förderung einzubeziehen sind. Für die Frage der unionsrechtlichen Zulässigkeit der Differenzierung stellt es allerdings nicht auf den fiskalischen Aspekt ab, sondern auf den legitimen Zweck, nur in die Gesellschaft integrierte Studenten zu fördern. 1037 Ismer, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Einf. zum EStG, Rn. 437, 496; speziell für den Bereich des Gemeinnützigkeitsrechts Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, S. 510 f.; Geserich, DStR 2009, 1173 (1176), sowie Hüttemann/Helios, IStR 2008, 200 (202). 1038 Nach EuGH v. 14. 11. 1995, Rs. C-484/93 (Svensson und Gustavsson), Slg 1995, I-3955 Rn. 15, sind „wirtschaftliche Ziele“ keine zur Rechtfertigung geeigneten Gründe des Allgemeininteresses. Vgl. auch EuGH v. 06. 06. 2000, Rs. C-35/98 (Verkooijen), Slg 2000, I-4071 Rn. 47 f.; v. 22. 12. 2010, Rs. C-287/10 (Tankreederei I), Slg 2010, I-14233 Rn. 32.

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5. Kap.: Der Sonderausgabenabzug bei grenzüberschreitenden Sachverhalten

dessen Funktionsfähigkeit zu sichern.1039 Aus diesem Grunde ist eine auf die Übertragung von GmbH-Anteilen begrenzte Begünstigung der Versorgungsleistungen nach § 10 Ia Nr. 2 S. 2 lit. c EStG unionsrechtswidrig.1040 Aber auch in anderen Bereichen bestehen vertragliche Verpflichtungen, die den Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten für Maßnahmen mit einer auf das Hoheitsgebiet beschränkten Zielsetzung erheblich einschränken. Dem Gesetzgeber werden vor allem beim Spendenabzug nach § 10b I EStG Grenzen gesetzt. Einige der als gemeinnützig anerkannten Zwecke i.S.v. § 52 I, II AO sind Gegenstand solcher Vereinbarungen, sodass sich insoweit ein struktureller Inlandsbezug verbietet. Beispielsweise läuft eine national begrenzte Förderung von Wissenschaft und Forschung (§ 52 II Nr. 1 AO) der nach Art. 179 II AEUV verpflichtenden Zusammenarbeit zum Zwecke der Schaffung eines europäischen Forschungsraums zuwider.1041 Weiter genannt sei hier die Begünstigung von kulturellen Zwecken.1042 Zwar wird grundsätzlich das Bedürfnis nationaler Kulturpolitik anerkannt1043, jedoch müssen die Mitgliedstaaten im Rahmen des Art. 167 AEUV auch auf Europäischer Ebene tätig werden. Die Verpflichtung zur Zusammenarbeit im kulturellen Bereich erlangt auch hinsichtlich des § 10g EStG Bedeutung. Mit dem gemeinsamen Ziel der Erhaltung und des Schutzes europäischen Kulturguts nach Art. 167 II AEUV ist es unvereinbar, wenn die Förderung schutzwürdiger Kulturgüter generell, also auch soweit sie von besonderer europäischer Bedeutung sind, an das Erfordernis der Belegenheit im Inland gebunden ist.

IV. Zwischenergebnis Im Bereich der Sonderausgaben erlangen die unionsrechtlichen Diskriminierungsverbote in zweierlei Hinsicht Relevanz. Zum einen wirken sie auf die Frage ein, welcher Staat – der Ansässigkeits- oder der Quellenstaat – die als privat qualifizierten Aufwendungen zu berücksichtigen hat. Mit dem Europäischen Gerichtshof ist davon 1039

Das Erfordernis einer gewissen Verbundenheit des Begünstigten mit der Gesellschaft erkennt der Europäische Gerichtshof im Bereich der Wirtschaftsinvestitionen nicht an, vgl. EuGH v. 22. 12. 2010, Rs. C-287/10 (Tankreederei I), Slg 2010, I-14233 Rn. 32. 1040 Zweifel an der Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht hat auch Kulosa, in: Herrmann/ Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10 EStG Rn. 90. 1041 Vgl. zur Unzulässigkeit der Begrenzung steuerlicher Vergünstigungen auf das Inland wegen des Art. 163 II EGV (Art. 179 II AEUV in der Fassung des Vertrages von Lissabon [ABl 2008, C 115/01, S. 47 ff.]) EuGH v. 10. 03. 2005, Rs. C-39/04 (Laboratoires Fournier), Slg 2005, I-2057 Rn. 23; v. 16. 06. 2011, Rs. C-10/10 (Kommission/Österreich), Slg 2011, I-5389 Rn. 37. 1042 So auch Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, S. 511 f.; Förster, BB 2011, 663 (666); offenlassend Hüttemann, in: Europäische Perspektiven im Steuerrecht – Steuergerechtigkeit und Steuervereinfachung, S. 143 (154). 1043 Vgl. etwa EuGH v. 22. 12. 2008, Rs. C-336/07 (Kabel Deutschland und NLM), Slg 2008, I-10889 Rn. 38; v. 18. 12. 2014, Rs. C-87/13 (X) Rn. 29 ff.; v. 18. 12. 2014, Rs. C-133/13 (Q) Rn. 25 ff.

§ 14 Die Einwirkung der Diskriminierungsverbote

237

auszugehen, dass eine Differenzierung zwischen unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtigen bei der Berücksichtigung von Privataufwendungen nicht diskriminierend ist. Insoweit befinden sich die verschiedenen Personengruppen nicht in einer vergleichbaren Situation, sodass der Quellenstaat solche Aufwendungen nicht berücksichtigen muss. Pauschal kann daraus jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass alle Aufwendungen außer Ansatz bleiben können, die einfachgesetzlich der Privatsphäre zugeordnet worden sind. Stattdessen muss unionsautonom bestimmt werden, unter Berücksichtigung der Ziele der Europäischen Union, insbesondere der Verwirklichung eines Binnenmarkts, ob es sich um solche Aufwendungen handelt, die nur der Ansässigkeitsstaat zu berücksichtigen hat. Diese Betrachtung führt im Hinblick auf die hier interessierenden Sonderausgaben zu dem Ergebnis, dass es sich – mit Ausnahme der Aufwendungen i.S.v. § 10 Ia Nr. 2 EStG und für die Altersvorsorge – um Privataufwendungen handelt, hinsichtlich derer sich die beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtigen nicht in einer vergleichbaren Situation befinden. Insoweit ist der nationale Gesetzgeber also auch nicht verpflichtet, beschränkt Steuerpflichtige in den Kreis der Begünstigten miteinzubeziehen. Zum anderen setzen die Diskriminierungsverbote der Ausgestaltung der Vergünstigungstatbestände in sachlicher Hinsicht Grenzen. Unzulässig ist es, den Steuervorteil davon abhängig zu machen, dass der Empfänger der Aufwendungen im Inland ansässig ist. Einer solchen Differenzierung liegt kein objektives, mit dem Unionsrecht zu vereinbarendes Kriterium zugrunde. Differenzierter ist die Frage zu beantworten, ob die Mitgliedstaaten innerstaatliche oder territorial begrenzte Ziele verfolgen dürfen oder die Diskriminierungs- und Beschränkungsverbote vielmehr zu einer Ausweitung des Tatbestands entgegen der eigentlichen Zwecksetzung verpflichten. Grundsätzlich ist bei steuerlichen Vergünstigungen, wie auch bei sozialen Vergünstigungen, das Interesse der Mitgliedstaaten als legitim anzuerkennen, die Vorteile von einer hinreichenden Verbundenheit zur Gesellschaft abhängig zu machen. Eine abweichende Beurteilung ist aber bei Regelungsgegenständen geboten, hinsichtlich derer die Mitgliedstaaten gemeinsame Ziele verfolgen und sich zu einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit verpflichtet haben. In solchen Bereichen wirken sich die Diskriminierungs- und Beschränkungsverbote dahingehend aus, dass die Vergünstigung entgegen der innerstaatlich oder territorial begrenzten Zwecksetzung auch auf grenzüberschreitende Konstellationen auszudehnen ist. Aus diesem Grunde sind die Beschränkung der Begünstigung auf die Fälle der Übertragung von GmbH-Anteilen in § 10 Ia Nr. 2 S. 2 lit. c EStG sowie der undifferenzierte strukturelle Inlandsbezug des § 10b I EStG und des § 10g EStG als unionsrechtswidrig zu beurteilen.

6. Kapitel

Zusammenfassung der Ergebnisse I. Die Sonderausgaben im System des Einkommensteuerrechts Bei den Sonderausgaben handelt es sich um Privataufwendungen, wie bereits aus dem Einleitungssatz des § 10 I EStG hervorgeht. Sie werden in Abweichung vom einfachrechtlichen Grundsatz der Unbeachtlichkeit der privaten Lebensführung, der in § 12 EStG seinen Ausdruck findet, entweder zur Verwirklichung des Gebots der Steuerfreistellung des Existenzminimums oder zum Zwecke der Förderung bzw. Lenkung steuermindernd berücksichtigt. Entsprechend werden eine Vielzahl der als Sonderausgaben abzugsfähigen Aufwendungen im Einleitungssatz des § 12 EStG expressis verbis aus dessen Anwendungsbereich ausgenommen. Soweit der Vorbehalt nicht greift, sind die Abzugsverbote gleichwohl nicht einschlägig, da sie schon tatbestandlich nicht erfüllt sind (§ 10 Ia Nr. 2, 3, 4 EStG) bzw. nach allgemeinen Konkurrenzregeln verdrängt werden (§§ 10f, 10g EStG). Ferner gehen die Sonderausgaben in ihrem Anwendungsbereich grundsätzlich den außergewöhnlichen Belastungen nach § 33 II S. 2 EStG vor, wie es auch dem Grundsatz „lex specialis derogat legi generali“ entspricht. Eine differenzierende Beurteilung ist nur bei Privataufwendungen geboten, die zur Herstellung bzw. Erhaltung von zu eigenen Wohnzwecken genutzten Baudenkmälern und Gebäuden in Sanierungsgebieten und städtebaulichen Entwicklungsbereichen oder von eigenen schutzwürdigen Kulturgütern getätigt werden: Solche Aufwendungen sind nach §§ 2 IV, 33 EStG zu berücksichtigen, wenn sie dem Grunde und der Höhe nach außergewöhnlich und zwangsläufig sind. Im Übrigen ist der Anwendungsbereich der §§ 10f, 10g EStG eröffnet. II. Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Zuordnung von Aufwendungen mit Bezug zur Erwerbssphäre zu den Sonderausgaben Als Sonderausgaben können grundsätzlich nicht durch die Erwerbssphäre veranlasste Aufwendungen qualifiziert werden. Dem Gesetzgeber steht es wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen, insbesondere des Ausschlusses der Verlustvor- und -rücktragsmöglichkeiten, im Hinblick auf Art. 3 I GG nicht frei, Ausgaben entweder dem betrieblichen bzw. beruflichen oder dem privaten Bereich zuzuordnen. Einen Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum hat er allerdings in Bezug auf Aufwendungen, die im Grenzbereich zwischen der Erwerbs- und der Privatsphäre anfallen:

6. Kap.: Zusammenfassung der Ergebnisse

239

Weder der Finanzverfassung, dem allgemeinen Gleichheitssatz noch den einfachrechtlichen Grundentscheidungen lassen sich bestimmte Vorgaben entnehmen, wenn für Grenzfälle, wie den Altersvorsorgebeiträgen und den Berufsausbildungskosten, beurteilt werden muss, ob ein hinreichend konkreter Zusammenhang mit einem steuerbaren Erfolg der Erwerbssphäre besteht. Vielmehr obliegt es dem Gesetzgeber, innerhalb der weiten Grenzen des Willkürverbots eine Zuordnungsentscheidung zu treffen. Die weite Grenze des Willkürverbots kommt auch dann zum Tragen, wenn es untrennbar gemischt veranlasste Aufwendungen, wie die erwerbsbedingten Kinderbetreuungskosten, zu qualifizieren gilt. In solchen Konstellationen, in denen zwar eindeutig eine Mitveranlassung durch die Erwerbssphäre vorliegt, allerdings die verschiedenen Veranlassungsbeiträge mangels hinreichender Anhaltspunkte nicht voneinander getrennt werden können, steht es dem Gesetzgeber innerhalb der Grenzen des Willkürverbots frei, die Aufwendungen entweder der Erwerbs- oder der Privatsphäre zuzuordnen. Hingegen bestehen etwaige Unsicherheiten bei trennbar gemischt veranlassten Aufwendungen nicht. Eine Aufteilung und entsprechende Zuordnung ist gleichheitsrechtlich geboten. Will der Gesetzgeber solche Ausgaben gleichwohl einheitlich als Sonderausgaben qualifizieren, bedarf es hierfür eines besonderen sachlichen Grundes. Mit der Zuordnung der Altersvorsorgeaufwendungen i.S.v. § 10 I Nr. 2 EStG, den Berufsausbildungs- sowie den erwerbsbedingten Kinderbetreuungskosten zu den Sonderausgaben bewegt sich der Gesetzgeber innerhalb der Grenzen seines weiten Entscheidungs- und Gestaltungsspielraums. In solchen Konstellationen, in denen die Aufwendungen verfassungskonform als Sonderausgaben qualifiziert worden sind, greift auch nicht der – gegebenenfalls durch den Einleitungssatz des § 12 EStG in Bezug genommene – Vorbehalt des § 10 I EStG. Insoweit handelt es sich lediglich um eine deklaratorische Regelung, die das Vorliegen von Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten voraussetzt, jedoch einen solchen Charakter nicht begründen kann. III. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben und Grenzen für die Qualifikation von Privataufwendungen als Sonderausgaben Es steht nicht im freien Belieben des Gesetzgebers, Privataufwendungen als Sonderausgaben zu berücksichtigen. Das für die Existenzsicherung gebundene Einkommen muss von Verfassungs wegen dem steuerlichen Zugriff entzogen werden. Ein solches Gebot der Steuerfreistellung des Existenzminimums lässt sich sowohl freiheitsrechtlich als auch gleichheitsrechtlich begründen: Art. 1 I GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 I GG; Art. 14 I GG, sofern man das Vermögen dessen Schutzbereich unterstellt; Art. 12 I GG bei steuerbaren Einkünften, die der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dienen; subsidiär Art. 2 I GG; Art. 3 I, 6 I GG. Ein Abzug von der Bemessungsgrundlage ist entgegen der vor allem in der steuerjuristischen Literatur vertretenen Forderung nicht generell geboten.

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6. Kap.: Zusammenfassung der Ergebnisse

Vielmehr sind die im Einkommensteuerrecht gewählten Methoden – der Abzug von der Bemessungsgrundlage und der tarifliche Grundfreibetrag – grundsätzlich äquivalent. Bei einem für alle Steuerpflichtigen einheitlichen (nichtlinearen) Tarif wie im geltenden Recht ist jedoch eine differenziertere Beurteilung geboten. In diesem Falle sind die Steuerfreistellungsmethoden nur äquivalent, wenn Aufwendungen wirksam werden, die alle Steuerpflichtigen – zumindest typisiert – dem Grunde und der Höhe nach gleichermaßen belasten. Insoweit besteht keine Pflicht, das Existenzminimum im Wege der einen oder der anderen Methode zu berücksichtigen. Im Übrigen ist jedenfalls im geltenden Recht ein Abzug von der Bemessungsgrundlage geboten. Die Steuerfreistellung durch tariflichen Grundfreibetrag hätte unterschiedliche Eingangssteuersätze zur Folge. Dies liefe der Belastungsgleichheit zuwider. Indisponible Aufwendungen müssen entgegen der Lehre vom indisponiblen Einkommen von Verfassungs wegen nicht steuerwirksam werden. Den Grundrechten können keine zwingenden Wertungen für die Berücksichtigung solcher Ausgaben jenseits der Existenzsicherung entnommen werden. Aus diesem Grunde erscheint auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kritikwürdig, das der Privatsphäre zugeordnete gemischt veranlasste Aufwendungen steuermindernd berücksichtigt wissen will, wenn diese „zwangsläufig“ bzw. „pflichtbestimmt“ sind. Als solche anerkennt es Ausgaben, deren private Mitveranlassung zwar die Qualifikation als Privataufwand, wegen entgegenstehender verfassungsrechtlicher Wertungen jedoch nicht ein Abzugsverbot für die erwerbsbedingt notwendigen Kostenteile begründen könne. Andere Privataufwendungen als existenzsichernde können zur Verwirklichung von Förderungs- und Lenkungszielen als Sonderausgaben berücksichtigt werden. Einer (zusätzlichen) Sachkompetenz bedarf es hierfür nicht. Die Steuergesetzgebungskompetenz umfasst auch die Befugnis zur Verfolgung außerfiskalischer Ziele, ohne im Sinne der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung an die Regelungen des Sachgesetzgebers gebunden zu sein. Derartige Steuervergünstigungen sind materiell jedoch nur verfassungsgemäß, wenn die dadurch bedingten unterschiedlichen Lasten vor Art. 3 I GG gerechtfertigt werden können. Dem Spannungsverhältnis zwischen der Belastungsgleichheit einerseits und der grundsätzlichen Befugnis des Gesetzgebers andererseits, auch im Wege des Steuerrechts außerfiskalische Ziele zu verfolgen, ist durch differenzierte Anforderungen Rechnung zu tragen: Bei der Frage des „Ob“ der Förderung bzw. Lenkung ist dem Gesetzgeber ein weiter Spielraum zuzuerkennen, der seine Grenze lediglich im Willkürverbot findet, während die nähere Ausgestaltung der Tatbestände, das „Wie“, den strengen Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes genügen muss. Hingegen bedarf es erhöhter formeller Anforderungen an die Erkennbarkeit der gesetzgeberischen Entscheidung, wie sie das Bundesverfassungsgericht fordert, nicht. Es ist ausreichend, wenn der gesetzgeberische Wille durch Auslegung ermittelt werden kann, wobei auch nachgeschobene oder ausgetauschte Gründe miteinzubeziehen sind, sofern diese, wie es der Gewaltenteilungsgrundsatz gebietet, dem Gesetzgeber zugerechnet werden können.

6. Kap.: Zusammenfassung der Ergebnisse

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IV. Abzug(sbeschränkungen) der Höhe nach Abzugshöchstbeträge erscheinen verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn es sich um Förderungs- und Lenkungstatbestände handelt. Regelmäßig wird es ein Gebot der Verhältnismäßigkeit sein, wobei dem Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative hinsichtlich der Geeignetheit und der Erforderlichkeit zuzuerkennen ist, nicht jeglichen gewillkürten Aufwand in voller Höhe steuerlich zu begünstigen. Unterschiedliche Abzugsvolumina infolge individuell verschiedener Höchstgrenzen widersprechen grundsätzlich dem Gebot, die Begünstigten bei der Gewährung der steuerlichen Vorteile gleich zu behandeln. Mit Art. 3 I GG sind solche Differenzierungen innerhalb des Adressatenkreises nur vereinbar, wenn sie vom Förderungs- und Lenkungszweck getragen, sprich verhältnismäßig sind. Diesen Anforderungen genügt ein mit zunehmendem Aufwand proportional ansteigendes Abzugsvolumen, sofern dadurch einem mit der Höhe des Aufwands wachsenden Förderbedarf Rechnung getragen wird. So verhält es sich zum Beispiel bei den Kinderbetreuungskosten und dem Schulgeld. Selbst ein von der Höhe des Einkommens abhängiges Steuerminderungspotential kann im Einzelfall, wie sich beim Spendenabzug nach § 10b I EStG gezeigt hat, gleichheitsgerecht sein. Unzulässig sind Abzugsbeschränkungen, die faktisch zu einem gleichheitswidrigen Begünstigungsausschluss führen. Eine solche Wirkung hat die Höchstbetragsregelung des § 10 IV EStG für die sonstigen Vorsorgeaufwendungen. Privat versicherte Steuerpflichtige können unabhängig von ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit grundsätzlich nicht an der Vergünstigung teilhaben, weil deren existenzsichernde Beiträge regelmäßig den Höchstbetrag übersteigen. Ein solch genereller Begünstigungsausschluss läuft der außerfiskalischen Zwecksetzung zuwider, sonstige Vorsorgemaßnahmen von Gering- und Mittelverdienern zu fördern, und ist daher nicht mit Art. 3 I GG vereinbar. Ferner verstößt es gegen Art. 3 I, 6 I GG, dass bei der Bemessung der Höchstbeträge die zusätzlichen Beiträge von Privatversicherten für die Vorsorge der Familie unberücksichtigt bleiben. Bei den Sonderausgaben hingegen, die das Gebot der Steuerfreistellung des Existenzminimums verwirklichen, sind Abzugsbeschränkungen der Höhe nach nur insoweit zulässig, als ausschließlich die nicht existenznotwendige Einkommensverwendung aus dem Vergünstigungstatbestand ausgegrenzt wird. Die für die Deckung des existenziellen Bedarfs erforderlichen Mittel müssen in jedem Fall steuerlich verschont werden. Der Gesetzgeber kann sich allerdings typisierender Regelungen bedienen. Die Anforderungen an eine solche Typisierung sind strenger als in anderen Bereichen, weil nicht nur ein Spannungsverhältnis zur Belastungsgleichheit, sondern auch zur unantastbaren Menschenwürde besteht. Ein zu niedrig bemessener Betrag stellt einen Verstoß gegen Art. 1 I GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 I GG dar. Solche Defizite im Steuerrecht können – entgegen der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts zu den Wohnkosten – auch nicht durch Sozialleistungen kompensiert werden. Ein zu hoch bemessener Betrag hingegen bewirkt eine übermäßige Entlastung, die einer Rechtfertigung vor Art. 3 I GG durch

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6. Kap.: Zusammenfassung der Ergebnisse

Förderungs- und Lenkungszwecke bedarf. Diesen Grundsätzen entsprechend werden die Beitragsteile, die eine Kranken- und Pflegeversorgung auf Sozialhilfeniveau finanzieren, realitätsgerecht bestimmt. Wegen der stark divergierenden Beträge ist eine einheitliche Typisierung für alle Steuerpflichtigen nicht möglich, sodass eine Einbeziehung in den Grundfreibetrag von vornherein ausscheidet. Ferner können im Rahmen der Höchstbeträge des § 10 Ia Nr. 1 EStG und des § 10 III EStG die existenznotwendigen Unterhaltsleistungen und Altersvorsorgebeiträge berücksichtigt werden. Im Übrigen müssen die Aufwendungen für die Alterssicherung nicht in der Erwerbsphase zur Vermeidung einer doppelten Besteuerung in voller Höhe als Sonderausgaben wirksam werden. Erkennt man mit dem Bundesverfassungsgericht eine verfassungsrechtliche Pflicht des Gesetzgebers an, zwangsläufigen, pflichtbestimmten Aufwand steuerlich zu berücksichtigen, so bezieht sich eine solche jedenfalls nur auf die erwerbsbedingt notwendigen Kostenteile. Die sonstigen Kostenteile können durch Abzugshöchstbeträge ausgegrenzt werden, wobei dem Gesetzgeber auch die Befugnis zu typisierenden Regelungen zukommt. V. Der Begünstigungsausschluss nicht leistungsfähiger Bürger Es entspricht dem Gebot der Steuerfreistellung des Existenzminimums, dass nur die im jeweiligen Kalenderjahr leistungsfähigen Steuerpflichtigen steuerlich entlastet werden. Nur dieser Personenkreis kann den existenziellen Bedarf, der notwendig gegenwärtig zu decken ist, aus eigenen finanziellen Mitteln bestreiten. Daher muss auch nur deren Einkommen in Höhe des Existenzminimums steuerlich verschont werden. Insbesondere ist eine Steuerfreistellung in anderen Veranlagungszeiträumen durch Vor- oder Rücktrag weder freiheits- noch gleichheitsrechtlich geboten. Wegen des zwingenden Gegenwartsbezugs würde der Zweck verfehlt, dem Steuerpflichtigen die zur Bestreitung der Existenz erforderlichen Mittel zu erhalten. Hingegen kommt es bei Förderungs- und Lenkungstatbeständen entscheidend darauf an, ob der inzidente Begünstigungsausschluss nicht leistungsfähiger Bürger mit Art. 3 I GG vereinbar ist. Die Reichweite eines Anspruchs auf Gleichbehandlung ist von den Systemkonsequenzen des Steuerrechts unabhängig. Maßgeblich ist die Förderungs- und Lenkungsentscheidung, die dem Vergünstigungstatbestand zugrunde liegt. Kommen nach der außerfiskalischen Zwecksetzung nur Steuerschuldner als Begünstigte in Betracht, ist die Abgrenzung des Adressatenkreises nach dem Kriterium der finanziellen Leistungsfähigkeit sach- und zweckgerecht. Andernfalls kann der Begünstigungsausschluss zumindest vor Art. 3 I GG gerechtfertigt werden, wenn typischerweise nur leistungsfähige Bürger den Tatbestand verwirklichen, wie es bei den Förderungs- und Lenkungstatbeständen der §§ 10 ff. EStG der Fall ist.

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VI. Die progressive Entlastungswirkung Die progressionsbedingten Entlastungsunterschiede eines Abzugs von der Bemessungsgrundlage sind ein Gebot der Belastungsgleichheit, sofern existenzsichernde Aufwendungen steuerwirksam werden. Insoweit ist das Einkommen – zumindest nach der gesetzgeberischen Grundentscheidung – nicht belastbar und auch nicht Anknüpfungspunkt der progressiven Besteuerung. Daher ist es nur folgerichtig, dass die Höhe der steuerlichen Entlastung vom individuellen Grenzsteuersatz abhängt. Auch die Umverteilungseffekte zugunsten der Besserverdiener sind sozialgerecht. Die für die Existenzsicherung gebundenen Einkommensteile vermitteln gerade kein absolut und relativ höheres, Sozialzwecken zur Verfügung stehendes Umverteilungspotential. Bei Förderungs- und Lenkungstatbeständen jedoch läuft es der Ent- und Belastungsgleichheit zuwider, wenn die steuerlichen Vorteile mit steigendem Einkommen progressiv zunehmen. Solche Differenzierungen innerhalb des Kreises der Begünstigten sind nur zulässig, wenn die Entlastungsunterschiede vor Art. 3 I GG gerechtfertigt werden können. Da es sich um eine Frage der Ausgestaltung des Vergünstigungstatbestands handelt, sind die Rechtfertigungsanforderungen strenger. Gründe der Verwaltungspraktikabilität oder einer effizienten Lenkung greifen nicht. Allenfalls der jeweilige Förderungs- bzw. Lenkungszweck selbst kann vom Einkommen abhängige Entlastungsunterschiede legitimieren. Pauschal beantworten lässt sich die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit solcher Wirkungen daher nicht. Vielmehr ist für jeden einzelnen Tatbestand eine gesonderte Betrachtung erforderlich. Verallgemeinerbar können die Zulässigkeit und die Grenzen der progressiven Entlastung nur durch ein vom einzelnen Tatbestand losgelöstes Argumentationsmuster konkretisiert werden. So hat sich gezeigt, dass mit steigendem Einkommen progressiv zunehmende steuerliche Vorteile grundsätzlich in drei Konstellationen zulässig erscheinen: (1) Die Entlastungswirkungen entsprechen der gesetzgeberischen Förderwürdigkeitsentscheidung, Steuerpflichtige mit umfangreicheren Aufwendungen überproportional zu begünstigen, weil korrespondierend zur Leistungsfähigkeit auch die Höhe des Aufwands zunimmt. (2) Es dient der Verwirklichung des Lenkungsziels, schwerpunktmäßig Besserverdiener anzusprechen. (3) Den leistungsfähigeren Steuerpflichtigen müssen höhere steuerliche Vorteile in Aussicht gestellt werden, weil die außerfiskalische Zwecksetzung eine gleichmäßige Einwirkung auf alle Einkommensschichten erfordert und sich dieser Personenkreis andernfalls der lenkenden Einflussnahme aufgrund der finanziellen Situation leichter entziehen könnte. Bei den Förderungs- und Lenkungstatbeständen der §§ 10 ff. EStG greift eine dieser Erwägungen nur in Bezug auf die nicht existenzsichernden Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder dauernd getrenntlebenden Ehegatten. Im Übrigen sind die progressionsbedingten Entlastungsunterschiede mit Art. 3 I GG unvereinbar.

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VII. Die Einwirkung des Unionsrechts auf die Ausgestaltung der Sonderausgabentatbestände Unionsrechtlich ist es grundsätzlich zulässig, beschränkt Steuerpflichtige vom Sonderausgabenabzug auszuschließen. Da sich unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtige – so die zutreffende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs – hinsichtlich der Privataufwendungen regelmäßig nicht in einer vergleichbaren Situation befinden, wirkt die Versagung der steuerlichen Vorteile nicht diskriminierend. Anders muss dies jedoch für Sonderausgaben beurteilt werden, die nach unionsautonomer Auslegung in einem unmittelbaren Zusammenhang mit Quelleneinkünften stehen. Eine solche Auslegung unter Berücksichtigung der tatsächlichen Wirkungen und der Ziele der Europäischen Union, insbesondere der Verwirklichung des Binnenmarkts, kann im Grenzbereich zwischen der Erwerbs- und der Privatsphäre eine vom nationalen Recht abweichende „Zuordnungs“entscheidung erfordern. Für die Frage nach der Vergleichbarkeit von beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtigen ist sodann nicht die einfachrechtliche Qualifikation durch den nationalen Gesetzgeber maßgeblich, dessen Qualifikationsspielraum im Übrigen freilich unberührt bleibt. In derartigen Fällen, in denen wegen Bestehens eines unmittelbaren Zusammenhangs mit den Quelleneinkünften eine vergleichbare Lage gegeben ist, verpflichten die Diskriminierungsverbote den Gesetzgeber, die als Sonderausgaben abzugsfähigen Aufwendungen auch bei beschränkt Steuerpflichtigen zu berücksichtigen, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind. Bei unionsautonomer Auslegung stehen im geltenden Einkommensteuerrecht die Versorgungsleistungen gegen Vermögensübergabe i.S.v. § 10 Ia Nr. 2 EStG sowie die Altersvorsorgebeiträge i.S.v. § 10 I Nr. 2 EStG in einem unmittelbaren Zusammenhang mit Quelleneinkünften. Der Ausschluss der beschränkt Steuerpflichtigen vom Sonderausgabenabzug wirkt diskriminierend. Zudem sind die in anderen Mitgliedstaaten ansässigen beschränkt Steuerpflichtigen in den Adressatenkreis von Förderungs- und Lenkungstatbeständen einzubeziehen, wenn sie sich im Hinblick auf die außerfiskalischen Ziele in einer Situation befinden, die derjenigen der unbeschränkt Steuerpflichtigen vergleichbar ist. So ist es unionsrechtlich geboten, dass beschränkt Steuerpflichtige aus anderen Mitgliedstaaten zusätzliche Altersvorsorgebeiträge i.S.v. § 10a EStG geltend machen können, wenn sie wie Ansässige von der Absenkung des Rentenniveaus negativ betroffen sind. Es ist grundsätzlich mit dem Unionsrecht vereinbar, wenn die Mitgliedstaaten rein innerstaatliche oder territorial begrenzte Ziele zu erreichen suchen. Regelmäßig ist deren Bedürfnis anzuerkennen, die Gewährung steuerlicher Vorteile von einer hinreichenden Verbundenheit zur Gesellschaft abhängig zu machen. Unzulässig sind solche Beschränkungen allerdings in Bereichen, in denen die Mitgliedstaaten gemeinsame Ziele definiert und sich zu einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit verpflichtet haben. Insofern fordern die Diskriminierungs- und Beschränkungsverbote eine Ausdehnung der Vergünstigung auf grenzüberschreitende Sachverhalte,

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auch wenn die eigentliche Zwecksetzung innerstaatlich bzw. territorial radiziert ist. Aus diesem Grunde ist es mit dem Unionsrecht unvereinbar, dass die Begünstigung der Versorgungsleistungen in § 10 Ia Nr. 2 S. 2 lit. c EStG auf GmbH-Anteile beschränkt wird und der strukturelle Inlandsbezug des § 10b I EStG und des § 10g EStG undifferenziert zur Anwendung kommt. Schließlich ist es im Anwendungsbereich der Diskriminierungsverbote unzulässig, die Gewährung der steuerlichen Vorteile davon abhängig zu machen, dass die als Sonderausgaben abzugsfähigen Aufwendungen an einen im Inland ansässigen Empfänger geleistet werden. Solchen Differenzierungen, wie sie in älteren Fassungen des Einkommensteuergesetzes typisch gewesen sind, liegt kein objektives, mit dem Unionsrecht zu vereinbarendes Kriterium zugrunde.

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Sachverzeichnis Abschnittsbesteuerung siehe Periodizitätsprinzip Abzugsbeschränkung der Höhe nach – Erwerbsaufwendungen 28 f., 78, 154 – existenzsichernde Aufwendungen 148 ff. – Förderungs- und Lenkungstatbestände 178 f., 180 ff., 182 ff. – nachgelagerte Altersbesteuerung 163 f. – zwangsläufige Aufwendungen 155, 158 Abzugsverbote 69 ff., 74 ff. Alterseinkünfte 95 (siehe auch nachgelagerte Besteuerung) Alterseinkünftegesetz 24, 27 Altersvorsorge, zusätzliche – außerfiskalische Zielsetzung 50 f. – beschränkte Steuerpflicht 225, 226 f. – inländischer Leistungsempfänger 230 – Nicht-Steuerschuldner 203 – Veranlassungszusammenhang 24 f., 49 Altersvorsorgeaufwendungen – Abzugshöchstbetrag 152, 163 f. – beschränkte Steuerpflicht 225 f. – existenzsichernder Charakter 30 ff. – inländischer Leistungsempfänger 230 – Veranlassungszusammenhang 23 ff. – Zuordnung zur Privatsphäre 27 ff., 95 f. Aufteilungs- und Abzugsverbot 68 f., 99 Aufwendungen – gemischt veranlasste 36, 66 ff., 98 ff., 116 – indisponible 113 ff. – uneigennützige 61, 195 f. – zwangsläufige 116 f., 153 ff. außergewöhnliche Belastungen 72 ff.

Begünstigungsadressaten 182 ff., 199 ff., 213, 224, 226 f. Belastungsgleichheit – Durchbrechung der 126, 143, 155, 177 f., 185 f. – Gebot der 121, 134, 170 f.

– Rechtfertigung einer Durchbrechung 129 ff., 134 ff., 143 f., 155 f. Belastungsgrundentscheidung – Begriff 88 – Besteuerungsmaß 170 – existenzsicherndes subjektives Nettoprinzip 88 f., 113 – (periodenübergreifendes) objektives Nettoprinzip 78, 85, 88, 101 – Steuergegenstand 93 Berufsausbildungskosten – beschränkte Steuerpflicht 228 – inländischer Leistungsempfänger 230 – kein existenzsichernder Charakter 41 f. – kein zwangsläufiger Aufwand 156 f. – Nicht-Steuerschuldner 203 – Veranlassungszusammenhang 38 ff., 96 f. – Zuordnung zur Privatsphäre 40 f., 97 f. Berufsfreiheit 81, 107 f., 156 f. Besteuerungshoheit 214 f., 233 Betriebsausgaben siehe Erwerbsaufwendungen

Chancengleichheit der Parteien 62, 187 f.

Diskriminierung – Inlandssachverhalte 223 – mittelbare 215, 216 – Rechtfertigung 216, 233 ff., 235 f. – unmittelbare 215 – vergleichbare Situation 217 ff., 221 f., 224 Diskriminierungsverbot – allgemein 215 – Berücksichtigung von Aufwendungen 216 ff., 220 ff. – inländischer Leistungsempfänger 229 ff. – innerstaatliche Zwecksetzung 231 ff. Doppelbesteuerungsverbot 160 ff.

Sachverzeichnis effet utile 221 Ehe und Familie – Benachteiligungsverbot 106, 110, 157 f., 184 – Folgewirkungen einer Ehe 45 Ehegattensplitting 46, 194 Eigentumsfreiheit 80 f., 107 f., 160 f., 213 Einkommensbegriff 79 f., 93 Einkünftetransfer 55, 57 Erdrosselung 81, 129, 213 Erwerbsaufwendungen – beschränkt Steuerpflichtiger 210, 219 – Veranlassung 21 f., 94 – Vorrang der 65 ff. Existenzminimum – Altersvorsorge 30 ff. – Kirchensteuer 47 ff. – Kranken- und Pflegeversicherung 43 – Quantifizierung 142 – Steuerfreistellung siehe dort – Typisierung 142 ff. – zukunftsgerichtete Vorsorge 31 ff. Existenzminimum, familiäres – Kinderbetreuung 35, 36 f. – Kinderfreibeträge siehe dort – Unterhaltsleistungen 44 f. Folgerichtigkeitsgebot – Bedeutung 88 f. – Besteuerung der Alterseinkünfte 33 ff., 162 f. – Besteuerung der Nettoeinkünfte 78, 85, 100 f. – Freistellungsmethoden 113, 122 ff. – progressive Entlastung 170 f. – Steuergegenstand 92 f. Förderungs- und Lenkungstatbestände – Entscheidung des Gesetzgebers 136 ff. – Gesetzgebungskompetenz 126 f. – gleichheitsgerechte Ausgestaltung 86, 178 ff., 180 ff., 182 ff., 185 f., 191 ff., 201 ff., 213 – Grundrechtseingriff 206 ff. – Rechtfertigung 129 ff., 134 ff. – unionsrechtskonforme Ausgestaltung 224, 229 ff., 233 ff., 235 f. Freistellungsmethoden – Äquivalenz der 123 f., 175 f.

267

– – – –

Auswirkungen auf die Steuerlast 122 f. Entlastungswirkungen 122, 169 ff., 175 f. Folgerichtigkeitsgebot 113 Umverteilungswirkungen 172 f., 174 f., 175 f. Freizügigkeit 215

genuine link 209 Geschiedenen- und Getrenntlebendenunterhalt siehe Realsplitting Gleichheitssatz, allgemeiner – bereichsspezifische Konkretisierung 81 f., 84, 86, 109 ff., 170 – Bindungsintensität 86 ff., 129 ff., 134 ff. – Reichweite 201 Grundfreibetrag 114, 122 f., 175 f. Grundfreiheiten 215 (siehe auch Diskriminierungsverbot) Handlungsfreiheit, allgemeine 108, 161 f. indisponibles Einkommen 111 f., 113 ff. Kinderbetreuungskosten – Abzugsbeschränkung 158 f., 181 – außerfiskalische Zielsetzung 38 – beschränkte Steuerpflicht 228 – existenzsichernder Charakter 36 f. – inländischer Leistungsempfänger 230 – Nicht-Steuerschuldner 203 – Veranlassungszusammenhang 35 f. – Zuordnung zur Privatsphäre 99 – Zwangsläufigkeit 116, 157 f. Kinderfreibeträge 35, 36 f., 42, 158, 169 Kirchensteuer 47 ff., 227 f., 231 Kohärenz des Steuersystems 226, 230 Korrespondenzprinzip 54, 55 Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge – Abzugshöchstbetrag 149, 151 – beschränkte Steuerpflicht 225 f. – Existenzminimum 43 – inländischer Leistungsempfänger 230 – Typisierung 147 f. Lebenseinkommen 82 f. Lebensführung, allgemeine siehe Privataufwendungen

268

Sachverzeichnis

Leistungsfähigkeit – finanzielle 81 f., 86, 103, 109 f., 111 f., 115, 168 – individuelle 46, 55 – periodenbezogene 84 – quellenbezogene 210, 221 f. Leistungsfähigkeitsprinzip 111 f. Markteinkommen 110 Menschenwürde 47 f., 104 ff., 146, 212 f. nachgelagerte Besteuerung 28, 33 ff., 51, 163 f., 204 Nachschieben von Gründen 137 ff. objektives Nettoprinzip 28 f., 66, 78 ff., 82 ff., 88, 94, 99 ff., 117 Parteispenden – Abzugshöchstbetrag 62, 181, 188 – außerfiskalische Zwecksetzung 62 – Nicht-Steuerschuldner 203 f. – progressive Entlastung 63, 188, 190 f. Periodizitätsprinzip 32, 82, 167 Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung 23, 193, 198, 203, 225 f. Privataufwendungen – beschränkt Steuerpflichtiger 214, 217 ff., 220 ff. – Grundsatz der Unbeachtlichkeit 22, 74, 78, 103 Progressionsvorbehalt 123 progressive Entlastung – Förderungs- und Lenkungstatbestände 185 f., 190 f., 191 ff. – Steuerfreistellung des Existenzminimums 169 ff., 175 f. Realsplitting – Abzugshöchstbetrag 152 – außerfiskalische Zielsetzung 46 f. – beschränkte Steuerpflicht 227 – familiäre Existenzsicherung 44 f. – Nicht-Steuerschuldner 203 – progressive Entlastung 194, 198 – Ungleichbehandlung 46 Recht auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung 62, 187 f.

Religionsfreiheit 48 Rentenanspruch/-anwartschaft 25, 95 f. Schulgeld – Abzug dem Grunde nach 59 f. – Abzugsbeschränkung 181 – inländischer Leistungsempfänger 230 – Nicht-Steuerschuldner 203 Sozialhilfe – quantifizierende Vergleichsebene 43, 52, 149 – Quantifizierung 142 – Subsidiaritätsprinzip siehe dort Sozialstaatsprinzip 104 f., 173 f., 174, 212 Sparvorgänge 30 ff. Spenden – Abzug dem Grunde nach 60 ff. – Abzugshöchstbetrag 181 f. – inländischer Leistungsempfänger 231 – Nicht-Steuerschuldner 203 – Parteispenden siehe dort – progressive Entlastung 195 – struktureller Inlandsbezug 232, 234, 236 Steuerbegünstigung für Kulturgüter – Abzugsbeschränkung 181 – Abzugsverbot 75 f. – außerfiskalische Zwecksetzung 63 – innerstaatliche Zwecksetzung 232, 236 – Nicht-Steuerschuldner 203 Steuerbegünstigung für Wohneigentum – Abzugsbeschränkung 181 – Abzugsverbot 75 f. – außerfiskalische Zwecksetzung 63 – innerstaatliche Zwecksetzung 232 – Nicht-Steuerschuldner 203 Steuerberatungskosten 222, 223, 225 Steuerfreistellung des Existenzminimums – Abzugsbegrenzung der Höhe nach 148 ff. – beschränkte Steuerpflicht 210 ff. – Existenzminimum siehe dort – Freistellungsmethoden siehe dort – Gebot der 104 ff., 149 f. – gegenwärtiges Existenzminimum 31 f., 166 ff. – Periodenbezogenheit 32, 166 ff. – Typisierungsspielraum 142 ff. Steuergegenstand 92 f. Steuergesetzgebungskompetenz 126 ff.

Sachverzeichnis Steuerpflicht, beschränkte – Erwerbsaufwendungen 210, 219 – Existenzminimum 210 ff. – Privataufwendungen 213, 217 ff., 220 ff. – Sonderausgaben 214, 220 ff., 225 ff. – unmittelbarer Zusammenhang mit Quelleneinkünften 219, 221 ff. subjektives Nettoprinzip 88 f., 110, 113 Subsidiaritätsprinzip 104, 143, 147 Systemwidrigkeit 100, 120, 132 f., 221 Territorialitätsprinzip 209 Typisierung – der Begünstigungsadressaten 203 – des Existenzminimums 142 ff., 144 f., 145 ff., 147 f., 150 – eines zwangsläufigen Aufwands 155 f. Umverteilung 172 ff., 175 f. unmittelbarer Zusammenhang mit Quelleneinkünften 219, 221 ff. Veranlassungsprinzip 94 Veranlassungszusammenhang – Altersvorsorge, zusätzliche 24 f., 49 – Altersvorsorgeaufwendungen 23 ff. – Berufsausbildungskosten 38 ff., 96 ff. – Kinderbetreuungskosten 35 f. – Versorgungsausgleichsleistungen 54 f. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 89 f., 134 ff., 178 f., 180, 186 Verlustabzug, periodenübergreifender 82 ff., 101

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Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen – Abzug, unbegrenzter 180 – Abzug dem Grunde nach 57 f. – Abzugsverbot 75 – beschränkte Steuerpflicht 222 – inländischer Leistungsempfänger 231 – innerstaatliche Zwecksetzung 232, 236 – Nicht-Steuerschuldner 203 Vermögensumschichtung, private 25 f., 27 f., 50, 55, 95 f. Versorgungsausgleichsleistungen – Abzug, unbegrenzter 180 – Abzug dem Grunde nach 55 ff. – Abzugsverbot 75 – beschränkte Steuerpflicht 227 – Nicht-Steuerschuldner 203 – progressive Entlastung 198 – Veranlassungszusammenhang 54 f. Vorrang der Eigenversorgung/-vorsorge 32 f., 42, 104, 143, 146 f. Vorsorgeaufwendungen, sonstige – außerfiskalische Zielsetzung 54 – beschränkte Steuerpflicht 225 f. – inländischer Leistungsempfänger 230 – nicht existenznotwendig 51 ff. – Nicht-Steuerschuldner 203 – Privatversicherte 183 f. – progressive Entlastung 193 f., 198 Werbungskosten siehe Erwerbsaufwendungen Willkürverbot 87, 94, 95, 97 f., 98 Wohneigentumsförderung 189 f., 190