Slavoteutonica: Lexikalische Untersuchungen zum slawisch-deutschen Sprachkontakt im Ostmitteldeutschen [Reprint 2013 ed.] 9783110827460, 9783110033441

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Slavoteutonica: Lexikalische Untersuchungen zum slawisch-deutschen Sprachkontakt im Ostmitteldeutschen [Reprint 2013 ed.]
 9783110827460, 9783110033441

Table of contents :
1. Allgemeiner Hauptteil
1.1. Außersprachliche Grundlagen des Sprachkontaktes
1.2. Sprachentwicklungen unter den Bedingungen des Sprachkontaktes
2. Spezieller Hauptteil
2.1. Pflanzenbezeichnungen
2.2. Tierbezeichnungen
2.3. Bezeichnungen für zubereitete Speisen
2.4. Bezeichnungen haus- und landwirtschaftlicher Geräte u. ä
2.5. Sonstige haus- und landwirtschaftliche Bezeichnungen
2.6. Familien- und kindersprachliche Bezeichnungen
2.7. Rechts- und Verwaltungsterminologie
2.8. Militärische Terminologie u. ä
3. Abkürzungs-, Quellen- und Literaturverzeichnis
3.1. Allgemeine Abkürzungen
3.2. Gekürzt zitierte Zeitschriften- und Reihentitel
3.3. Gedruckte Quellen
3.4. Ungedruckte Quellen
3.5. Wörterbücher und Sprachatlanten
3.6. Darstellungen und Untersuchungen zur Sprache
3.7. Darstellungen und Untersuchungen zur Landes-, Orts-, Siedlungs- und Sozialgeschichte
3.8. Darstellungen und Lexika zur Kulturgeschichte, zur Realien-, Volks- und Landeskunde
3.9. Quellenverzeichnis der Karten
4. Konkordanz der verwendeten deutschen und der fremdsprachigen Ortsnamenformen
5. Register

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Günter Bellmann Slavoteutonica

w DE

G

Studia Linguistica Germanica Herausgegeben von Ludwig Erich Schmitt und Stefan Sonderegger

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Walter de Gruyter · Berlin · New York 1971

Günter Bellmann

Slavoteutonica

Lexikalische Untersuchungen zum slawisch-deutschen Sprachkontakt im Ostmitteldeutschen

Walter de Gruyter · Berlin · New York

1971

Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

© ISBN 3 11 003344 5 Copyright 1971 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J . Göschen'schc Verlagshandlung — J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung — Georg Reimer — Karl J . Trübner — Veit & Comp., Berlin 30 — Printed in Germany — Alle Rechte der Übersetzung, des Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe und der Anfertigung von Mikrofilmen — auch auszugsweise — vorbehalten Satz und Druck: Walter de Gruyter & Co., Berlin Karten: Eukerdruck K G , Marburg

Vorwort Der Band ist hervorgegangen aus dem einen, den Sprachkontakt behandelnden Hauptteile der Marburger Habilitationsschrift „Lexikalische Untersuchungen im Schlesischen — Beiträge zum deutsch-slawischen Kontakt und zur ostmitteldeutschen Sprachgeschichte". Dieser 1967 niedergeschriebene Text ist annähernd identisch mit dem jetzigen Speziellen Hauptteil (2.). Für den Druck wurde er ergänzt durch einen Allgemeinen Hauptteil (1.), der im Herbst 1970 verfaßt wurde und der, im wesentlichen empirisch auf den Einzeluntersuchungen des Speziellen Hauptteils aufbauend, deren zu verallgemeinernde Ergebnisse auch als Ansatz einer Theorie zusammenfaßt und vorausschickt. Die Absicht war, einen zu wenig beachteten Teilbereich der ostmitteldeutschen Sprachgeschichte zu beleuchten und zum anderen, an Hand eines verläßlich vorbereiteten Materials eine Reihe von Regularitäten des Funktionierens und mehr noch der Aus- und Nachwirkung des Kontaktes in diesem Gebiet zu ermitteln. Indem sie die Wirkung des Kontaktes auf das Deutsche, die Bildung von Integraten und die semantische und paradigmatische Stellung und Entwicklung der Integrate innerhalb des Deutschen in den Vordergrund stellt, will die Arbeit in erster Linie als eine germanistische verstanden werden. Spezialfragen der Slawistik durften deshalb ausgeklammert werden. Aus dem Grunde fehlen hier Bezeichnungen, deren Slawizität in jüngerer Zeit in Frage gestellt worden ist, wie etwa für Preiselbeere, Zauke u. a. durch E. Eichler. Um Slawismen als Elemente des Deutschen verfolgen zu können, war es nötig, sich auf die Lexik zu stützen, die untere Schicht der Diastratik besonders zu beachten und, wo möglich, die älteren Sprachverhältnisse zu berücksichtigen. Die Gebiete, soweit sie östlich Oder, Lausitzer Neiße und Erzgebirge liegen, bestehen als deutsche Sprachareale nicht mehr. So mußte der Arbeit in gewissem Sinne auch ein resümierender Charakter zukommen. Die Quellen — das Verzeichnis S. 286—293 führt sie auf — wurden deshalb extensiv ausgewertet. Ihre Heterogenität bedingt eine uneinheitliche Verwendung der Methoden: Eine wichtige Rolle spielt der areallinguistische Aspekt. Die Grundhaltung ist diachronisch, wobei, wenn es irgend das Material erlaubt, die Diachronie von Teilstrukturen ins Auge gefaßt wurde. Im großen und ganzen gilt, daß selbst die jüngste Stufe der Diachronie historisch verbleibt, etwa im Jahre 1939, der Zeit der Aufnahme für den DWA LE (f, i) Lj anzusetzen ist102» sondern stattdessen: (1) LE (f, i) Lj -> LE (f', i) Li Auch die (sekundäre) Substitution von Flexionsmorphemen deutet nicht unbedingt auf Vollzug der Integration, wie die § 1,2,6 mitgeteilten Satzbeispiele zeigen können. Integrierte Einheiten müssen flexivisch substituiert sein, doch Eine substituierte Einheit wird als S u b s t i t u t bezeichnet. Lessiak . 1 0 2 ζ. B. Eichler 13f. „Lautersatzlehre". Ders. 656—663 mit besonderer Berücksichtigung der Phonemdistribution. — Ferner die Reihe Deutsch-slawische Forschungen zur Namenkunde und Siedlungsgeschichte. Hg. v. Theodor Frings u. Rudolf Fischer. Halle (Saale) 1955 ff. 1 0 2 a Die Formalisierung ist allgemein und besonders einfach deshalb, weil sie für L x die Problematik der Inhaltsseite außer acht läßt bzw. für L x eine lexikalische Leerstelle, d. h. den Fall der 1:0-Äquivalenz voraussetzt. — Zu den verwendeten Symbolen vgl. Fußnoten 130 u. 140. 100 101

1, 2. Sprachentwicklungen unter den Bedingungen des Sprachkontaktes

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sie sind es in der Regel auch schon in dem vorangehenden prä-integrativen Stadium. Beispiele für Flexions(morphem)substitution in eine dt. Struktur sind: prèda-in hlàs-en Kalin-e Kokot (Nullmorphem)

'verkaufen'103, 'melden'104, 'Schneeballstrauch usw.'105, 'Hahn'108.

Flexionssubstitution in eine slawische Struktur zeigen: las-owac 'lesen'107, sztrik-owac 'stricken'108, richt-ovati 'richten'109, fan-a 'Fahne'110, feler (Nullmorphem) 'Fehler'111. Anders verhält es sich mit der (sekundären) D e r i v a t i o n s ( m o r p h e m ) s u b s t i t u t i o n , die im Text Hauptteil 2 gekürzt auch Morphemsubstitution genannt wird. Sie bedeutet eine offensichtliche Integration, zumal im Gegensatz zur Flexion durch die Derivation neue Lexikoneinheiten entstehen, die besonders augenfällig — grammatisch und semantisch — als nicht mehr L¡¡ zugehörig ausgewiesen sind. Beispiele der Derivationssubstitution in eine dt. Struktur: be-witaen Rutsch-erchen Ge-bab-icht laküitn-tsch

'begrüßen'112, 'Händchen (PI.)'113, 'Weibsvolk'114, 'gierig'116.

Einen im wesentlichen entsprechenden Vorgang bedeutet das im Deutschen im Vergleich zu den slawischen Sprachen charakteristische kompositorische Verfahren, durch das Slawismen als Grund- und Bestimmungsglied fungieRudolf Mehl 'Mehl' : Mauke 'Brei aus Mehl' 146 Haujen 'Haufen', *kopica 'Haufen' Haufen 'Haufen' : Kupse 'kleiner Heuhaufen', 'Rübenmiete' 147 Himbeere 'Himbeere', * malina 'Himbeere' -> Himbeere 'Gartenhimbeere' : Maline u. ä. 'wildwachsende Himbeere' 148 Lunge 'Lunge', * piuca 'Lunge' -> Lunge 'Lunge' : Plauze 'Tierlunge' 149 Birne 'Birne', *grusska 'Birne, Birnbaum' -> Birne 'Birne' : Grauschke 'Birne (negat.-expressiv)', 'nicht kultivierte, minderwertige Birnensorte' 150 Messer 'Messer', *nozS 'Messer' -> Messer 'Messer' : Nusche 'Messer (negat.expressiv)', 'schlechtes Messer' 151 . Wie auch die Beispiele zeigen, besteht in diachroner Sicht eine Besonderheit darin, daß für die von dieser Entwicklung betroffenen Lexikoneinheiten, von der Vorstellung des lexikosemantischen Feldes her, eine semantische Modifikation v o m Zentrum zur Peripherie hin stattfindet 162 , die ich als P e r i p h e r i s i e r u n g bezeichnet habe 153 . Die Peripherisierung erstreckt sich auf den notionalen (im engeren Sinne semantischen) und auf den konnotionalen (subsemantischen) Bereich. Unter den angeführten Beispielen zeigen notionale Peripherisierung Mauke '(Mehl-)Brei', Maline 'wildwachsende Himbeere', Kupse 'kleiner Heuhaufen' usw., Plauze 'Tierlunge'. Im Hauptteil 2 sind weitere abgehandelt. Häufiger tritt eine konnotionale Peripherisierung auf, die in der Annahme von E x p r e s s i v i t ä t 1 6 4 seitens der betroffenen Lexikoneinheiten besteht. Die Dublette des Deutschen, für die genannten Beispiele eine omd. Dialektform jeweils verschiedenen Alters, ist hier als Typus zu einer nhd. Form vereinfacht. 146 § 2,3,6. 147 § 2,5,4. 148 § 2,1,7. 149 § 2,5,10. 150 § 2,1,9. 151 §2,4,2. — Vgl. weiterhin §§2,2,2.5; 2,5,1—3; 2,5,7; 2,7,5.7—9.12.13.15.16.18. 152 Vgl. Josef Filipec: Probleme des Sprachzentrums und der Sprachperipherie im Wortvorratssystem. In: Travaux linguistiques de Prague 2. Prague 1966, S. 257—275. Die Peripherisierung besteht also, von den betroffenen Lexikoneinheiten aus gesehen, in der Entwicklung zusätzlicher (notionaler und/oder konnotionaler M e r k m a l e . Es ergibt sich dadurch zwischen den peripherisierten Integraten einerseits und ihren vormaligen Äquivalenten und — postintegrativ — späteren „Feldnachbarn" anderseits vielfach das Verhältnis von partiell kommutierbaren Teilsynonymen oder H o m o i o n y men. Letzterer Terminus nach Stephen Ullmann: The principles of semantics. Oxford. Glasgow ( 3 1963). (Glasgow University Publications. 84.), S. 109. 163 Bellmann 234f. 164 Zum Problem der Expressivität Jaroslav Zima: Expresivita slova ν soucasné cestinè. Studie lexikologická a stylistická. Praha 1961. (Rozpr. Ceskoslovenské Ak. Ved, rada spolecenskych véd. 71,16.). Demnach ist (1) die i n h ä r e n t e die durch die phonematische und/oder morphematische Struktur bedingte Expressivität. Die als Modifikation der Bedeutung in bestimmten Kontexten realisierte adhärente Expressivität Zimas läuft 145

/, 2. Sprachentwicklungen

unter den Bedingungen des

Sprachkontaktes

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Positive Expressivität ist das Zusatzmerkmal bei einigen meist kindersprachlichen Tierbezeichnungen: Betschel 'Kälbchen'155, Spatschke 'Star'156, S(ch)konner 'Sperling'157, Ratsche 'Ente'158, (Mai-) Kutscher 'Maikäfer'159. Besonders zahlreich sind die Fälle, in denen Slawismen als integrierte Lexikoneinheiten durch das zusätzliche Merkmal n e g a t i v e r E x p r e s s i v i t ä t gekennzeichnet sind, wie Grauschke und Nusche sowie Kaluppeleo, Kamorke161, Bublatschke162, Jauche163, Halunke164 usw. Offensichtlich von da aus erst ergibt sich gelegentlich ein notionales Merkmal, so daß ζ. B. für Grauschke die Polysemie 'Birne (negativ-expressiv)', 'nichtkultivierte, minderwertige Birnensorte' entsteht. Diese besondere Art der konnotionalen Peripherisierung, die zweifellos ein Charakteristikum des Integrationsprozesses darstellt, ist seit längerem bekannt und im allgemeinen als Pej oration bezeichnet worden165, wofür von einigen, sicher zu Unrecht, außersprachliche Ursachen vermutet worden sind166. Vielmehr ist, auch im Hinblick auf das Deutsche, Weinreich zuzustimmen, der bemerkt hat, daß "the existence of Slavic-origin terms of opprobrium in Yiddish is not necessarily a symptom of a negative evaluation of Slavic culture"167. So ist in diesem Zusammenhang wichtig, daß auf der Seite des Polnischen und des Tschechischen Integrate deutscher Herkunft sehr häufig ebenfalls negative Expressivität erlangt haben188. Nach Gamillscheg gilt dies bei mir im Text (Teil 2) unter der Bezeichnung (2) K o n t e x t e x p r e s s i v i t ä t . Ein Typ (3), der durch den Wechsel von Stilschichten hervorgerufen wird und nicht zur Lexikalisierung führt, tritt in der vorliegenden Untersuchung nicht auf. Insgesamt ist also zu unterscheiden zwischen Lexikoneinheiten mit dem Merkmal [+expressiv] und anderen Lexikoneinheiten ohne dieses Merkmal (bzw. mit einem Merkmal [—expressiv]). Die letzteren werden, ebenso wie die ohne ein bestimmtes zusätzliches (im engeren Sinne) semantisches Merkmal, an späterer Stelle als m e r k m a l f r e i e (Norma) ^Bezeichnungen geführt werden. 155 Hier § 2,2,2. 159 § 2,2,5. 157 § 2,2,6. 158 § 2,2,7,1. 159 § 2,2,7,2. 180 § 2,5,1. 161 § 2,5,2. 162 § 2,5,3. 163 § 2,5,7. 164 § 2,7,10. 165 Schon unter bezug auf die Slawismen in ostdeutschen Dialekten Tomanek s hatte im Poln. schon vor dem Einzüge der Deutschen in Schlesien die endgültige Stufe erreicht. Vgl. Koneczna