Schuldrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches [2., umgearb. Aufl. Reprint 2019]
 9783111696393, 9783111308388

Table of contents :
Vorwort
Abkürzungen und Berichtigung von Druckfehlern
Inhaltsverzeichnis
§ 1. Einleitung
I. Teil
1. Kapitel. Das Wesen des Schuldrechts
§ 2. Die menschliche Bedeutung des Schuldrechts
§ 3. Die juristische Gestalt des Schuldrechts
§ 4. Der Gegenstand des Schuldverhältnisses
§ 5. Die beteiligten Personen
§ 6. Die Starke der schuldrechtlichen Bindung
2. Kapitel. Entstehung und Inhalt der Leistungspflicht
§ 7. Entstehung der Leistungspflicht
§ 8. Bestimmung des Leistungsinhalts
§ 9. Die Gattungsschuld
§ 10. Geldschulden
§ 10 a. Die sogenannte Aufwertung
§ 11. Die Zinspslicht. (§§ 246 bis 248)
§ 12. Die Wahlschuld
§ 13. Schuld aus Gegenseitigkeit
§ 14. Der Vertrag zugunsten eines Dritten
§ 15. Die Pflicht zum Schadensersatz
§ 16. Die Pflicht zur Auskunft, zur Rechnungslegung und zum Ersatz von Aufwendungen
§ 17. Die Vertragsstrafe und die Draufgabe
3. Kapitel: Vollzug der Leistung
§ 18. Die Abführung der Leistung an den Gläubiger
§ 19. Das Zurückbehaltungsrecht des Schuldners
§ 20. Der Rücktritt vom Vertrage
4. Kapitel. Die Lehre von den Leistungsstörungen
§ 21. Grundlagen
§ 22. Verschulden und Vertretenmüsse
§ 23. Die Lehre von der Unmöglichkeit der Leistung
§ 24. Die Lehre vom Verzug des Schuldners
§ 25. Die Lehre von den positiven Vertragsverletzungen
§ 26. Die Lehre vom Verzug des Gläubigers
5. Kapitel. Das Erlöschen der Schuldverhältnisse
§ 27. Die Erfüllung
§ 28. Die Hinterlegung
§ 29. Die Ausrechnung
§ 30. Sonstige Erlöschensgründe
6. Kapitel: Personenwechsel
§ 31. Übertragung der Forderung auf einen neuen Gläubiger
§ 32. Schuldübernahme
7. Kapitel. Personenmehrheit
§ 33. Die drei Grundformen der Mehrheitsbeteiligung
§ 34. Die Verwendung der drei Grundformen im geltenden Recht
8. Kapitel. Anhang
§ 35. Internationales Privatrecht
II. Teil. Einzelne Schulverhältnisse
§ 36. Einleitung
1. Kapitel. Veräußerungsverfräge
§ 37. Der Kauf
§ 38. Schenkung und Schenkungsversprechen
2. Kapitel. Gebrauchsüberlassungsverträgre
§ 39. Überblick
§ 40. Die Miete
§ 41. Die Pacht
§ 42. Die Leihe
§ 43. Der Bertriebsvertrag
3. Kapitel. Kreditgeschäfte
§ 44. Einführung
§ 45. Darlehn und Darlehnsverfprechen
§ 46. Anweisung und Scheck
§ 47. Inhaberschuldverschreibungen
§ 48. Versicherungsvertrag und Leibrente
§ 49. Spiel und Wette
4. Kapitel. Arbeitsverlräge
§ 50. Einführung in das Arbeitsrecht
§ 51. Der Dienstvertrag
§ 52. Der Werkvertrag
§ 53. Der Maklervertrag
§ 54. Die Auslobung
§ 55. Der Auftrag
§ 56. Die Geschäftsführung ohne Auftrag
§ 57. Der Berwahrungsvertrag
§ 58. Einbringung bei Gastwirten
5. Kapitel: Personenvereinigungen
§ 59. Überblick
§ 60. Die Gesellschaft
§ 61. Die Gemeinschaft
6. Kapitel. Hilfsgeschäfte
§ 62. Die Bürgschaft
§ 63. Der Pfandvertrag
§ 64. Der Vergleich
§ 65. Schuldanerkenntnis und Schuldversprechen
§ 66. Die Verpflichtung zur Vorlegung
7. Kapitel. Ausgleich unrechtmäßiger Rechtslagen
§ 67. Ungerechtfertigte Bereicherung
§ 68. Die Schadenserfatzpflicht aus unerlaubter Handlung
§ 69. Unerlaubte Handlungen
§ 70. Unerlaubte Handlungen
§ 71. Unerlaubte Handlungen
Quellenregister
Wortverzeichnis
Nachweis wichtiger Gesetzesausgaben
Inhaltsverzeichnis
I. Allgemeines, Sammelwerke
II. Bürgerliches Recht
III. Grenzgebiete des Bürgerlichen Rechts
IV. Zivilprozeß
V. Strafrecht und Strafprozeß
VI. Öffentliches Recht
VII. Entscheidungs-Sammlungen und Zeitschriften

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Lehrbücher und Grundrisse

Rechtswissenschaft Unter Mitarbeit von

Prof. Dr. Ernst Beling-München, Prof. Dr. G.J. EberS-Köln a.RH., Dr. Alexander Elster-Berlin, Prof. Dr. Dr. Friedrich Endemann-Leidelberg, Prof. Dr. HanS Fehr-Bern, Prof. Dr. Heinrich Gerland-Jena, Prof. Dr. ZulinS v. GierkkGöttingen, Prof. Dr. Justus Wilhelm Hedemann-Jena, Prof. Dr. Herbert Kraus-Göttingen, Prof. Dr. Heinrich Lehmann-Köln a. Rh., Prof. Dr. Claudius Freih. v. SchwerinFreiburg i.B., Prof. Dr. Fritz Stier-Somlo Köln a. Rh. herausgegeben von den

Professoren Dr. Hans Fehr-Bern, Dr. Heinrich Gerland-Jena, Dr. Justus Wilhelm HedemannIena, Dr. Heinrich Lehmann-Köln a. Rh. und dem redattionellen Leiter Professor Dr. Fritz Stier-Somlo-Köln a. Rh.

Zweiter Band

Berlin «nd Leipzig 1931

Walter

d e Gruyter LCo.

vormals G. I. Göschen'sche BerlagShandlung - I. Guttentag, Verlagsbucbhandlung - Georg Reimer - Karl I. Trübner - Beit L Tomp.

Schuldrecht des

Bürgerlichen Gesetzbuches von

Dr. Justus Wilhelm Hedemann ordentl. Professor der Rechte In Jena

Zweite, um gearbeitete Auflage

Berlin und Leipzig 1931

Walter de G r u y t e r & 6 o. vormals S. I. Göschen sche BerlagShandlung - I. Guttentag, BerlagSbuchbandlung - Georg Reimer - Karl I. Trübner - Beit & Comp.

Copyright by Walter de Gruyter L Co. Berlin und Leipzig 1931.

Vorwort. Tie erste Auflage dieses kleinen Buches erschien vor zehn Jahren, noch unter dem unmittelbaren Einfluß der Kriegs- und Nachkricgswirkungen. Seit fünf Jahren ist die erste Auflage vergriffen. Schwer­ wiegende wissenschaftliche Arbeiten anderer Art verhinderten mich an der sofortigen Herstellung einer Neuauflage. Vielleicht ist das dem Buche zugute gekommen. Wir sehen jetzt, trotz der augenblicklichen Note unseres Landes, wieder klarer in den

schuldrechtlichen Dingen. Es ist nicht so viel verschoben, „modernisiert" worden, wie man vor zehn oder auch noch fünf Jahren annehmen mußte. Zwar steht über manchem Kapitel, wie etwa dem Pacht­ recht, noch immer das Zeichen der „Reform" (S. 283). Aber als Ganzes hat das Schuldrecht seinen geschlossenen Charakter bewahrt,

wie er aus der Pandektenlehre des 19. Jahrhunderts zu uns ge­ kommen ist. In der Neuauflage bin ich daher auch zu dem herrschenden System des Aufbaus zurückgekehrt. Die erste Auflage stellte die „Einzelnen Schuldverhältnisse" voran und ließ die „Allgemeinen Lehren" folgen. Das widersprach der überkommenen Gelehrsamkeit und auch dem Gang des Gesetzes mit) sollte den Stoff lebendiger wirken lassen. Inzwischen habe ich eingesehen, daß es pädagogisch doch besser ist, die allgemein anerkannte Reihenfolge beizubehalten. Der Studierende wächst gerade auf diese Weise stärker in den Stoff hinein: vom Studium zum Leben. Denn auch bei solchem Aufbau bietet sich Gelegenheit genug, über das dürre Gefüge der Paragraphen hinauszugelangen und die einzelnen Erscheinungen des Schuldrechts in ihrer wirtschaftlichen und kulturellen Wirksamkeit darzustellen. In dieser Richtung ist die Neuauflage eher noch über die erste hinaus-

VI

Borwort.

gegangen. Darum sind an geeigneten Stellen zusammeniassende Überblicke vorangestellt, die den Blick aus dem engeren Rahmen des

bürgerlichen Rechts auf die großen Zusammenhänge leiten sollen, wie etwa die Abschnitte über das Kreditwesen, das Arbeitsrecht und die Personenvereinigungen (S.288ff., 326ff., 382ff.). Aber auch der eigentliche Stoff des Bürgerlichen Gesetzbuches ist Schritt für Schritt so behandelt, daß der Studierende sich selber sagen kann, welche Bedeutung die behandelten juristischen Figuren für das Leben und damit für seinen eigenen zukünftigen Beruf als juristischer Prak­ tiker haben werden. Bei keinem Teil des bürgerlichen Rechts ist eine solche Betrachtungsweise derart nötig, wie beim Schuldrecht, das uns in seiner einzigartigen Vielgestaltigkeit die Menschen in ihrem regen Verkehr, bei ihren rasch wechselnden Alltagsgeschäften vor Augen führt.

Den ganzen Stoff des „Schuldrechts" darzustelleu vermag kein Buch. Immer nur kann es eine Erziehung zum Schuldrecht sein. So habe ich Bedacht darauf genommen, alles Zuviel von der Neuauflage fernzuhalten. Das gilt in erster Linie von den mancherlei „Kontroversen", die unser ganzes Schuldrecht überschatten. Sie sind nur in Auswahl herangezogen, um den Studierenden zunächst einmal für den juristischen Meinungskampf zu gewinnen und zu schulen. Von da aus wird er ohne sonderliche Schwierigkeiten weiter­ finden, zumal es doch ein Ting der Unmöglichkeit ist, ihm in ver­ ständlicher Weise alles vorzuführen, was sich in dreißig Jahren Bürger­ lichen Gesetzbuchs an „Streitfragen" ereignet hat. Ebenso sind Literaturnachweise nur in knapper Zahl ausgenommen. Die sehr freie Auswahl aus der stellenweise kaum noch zu überseheudeu Schriftenmenge ist so getroffen, daß der Studierende eine erste An­ regung empfängt und dabei die ganz verschiedenen Arten unseres Schrifttums durch Beispiele kennenlernt, große monographische Werke, leichte Studien, Zeitschriftenaufsätze — sogar eine Doktordissertation ist gelegentlich angegeben. Wiederum wird er alles Weitere unschwer selber finden: die Kommentare wimmeln von Literaturzitaten und zeigen ihm den Weg in der erschreckenden Fülle des Geschriebenen. Auch bei dem Hinweis auf die Rechtsprechung war der gleiche Gedanke bestimmend: einige kräftige (und verschiedenartige) Bei­ spiele aus der Judikatur des Reichsgerichts sinh mehr wert als eine

Vorwort.

VII

leere und doch niemals erschöpfende Häufung von Zitaten. Am schmälsten ist die Historie weggekommen. Nur ganz selten habe ich kleine geschichtliche Rückblicke, etwa auf die Entstehungsgeschichte einer einzelnen Bestimmung oder auf andere geschichtliche Zusammenhänge eingeflochten. Dieser Verzicht ist mir am schwersten geworden. Bei der Benutzung des Grundrisses wird der Studierende gut tun, unablässig den Gesetzestext heranzuziehen. Gerade das Widerspiel zwischen Text und Verarbeitung hat Reiz und erzieherischen Wert. Verweisungen von einer Stelle des Buches zur anderen sind reichlich, vielleicht schon im Übermaß, ausgenommen. Auch mit ihnen möge sich der Leser bald befreunden. Daneben werden ihm die Register, bei deren Anfertigung mir Herr Referendar Wehrsdorfer freundlicherweise geholfen hat, gute Dienste leisten.

Juli 1931.

Justus Wilhelm Kedemann.

Abkürzungen. BGB. — (5:C>k — WciuC. — HGB. — H.M. — MC. — RG. — RGBl. = RGZ. — RB. — RBO. — StrGB. — ZPO. — ZBG. — a.E. —

Bürgerliches Gesetzbuch. Einführungsgesetz. Gewerbeordnung. Handelsgesetzbuch. Herrschende Meinung. Konkursordnung. Reichsgericht oder Reichsgcsetz. Reichsgesetzblatt. Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen. Reichsverfassung. Reichsversicherungsordnung. Strafgesetzbuch. Zivilprozeßordnung. Zwangsversteigerungsgesetz. am Ende (bei Seitenzitaten).

Rils die alldcren „Grundrisse" ist nicht unter dem Rainen ihrer Persajser, sondern nach ihrem sachlichen Kennwort verwiesen. Z. B. bedeutet „Gnmdr. Allgm. Teil" den von Heinrich Lehmann bearbeiteten „Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches".

Berichtigung von Druckfehlern. Seite 18 vorletzter Absatz: Der Rovembererlaß ist nicht von 1908 sondern von 1918. „ 99 Das (neue) Ges. gegen den unlauteren Wettbewerb ist nicht vom 27. Mai 1896 (so das alte), sondern vom 7. Juni 1909. „ 355 Zeile 7: nicht BGB., sondern BRG. „ 393 Zeile 6 von unten: nicht Abschwägung, sondern Abschwächung. „ 445 unter al ist nachzutragen: Aus dem Schrifttum vgl. Reinhardt, Das Persönlichkeitsrecht in der geltenden Rechtsordnung, 1931 (während des Druckes erschienen).

Inhaltsverzeichnis. Seite

§ 1. Einleitung I. Tie Stellung des Schuldrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch II. Der Ausbau des Schuldrechts III. Ter Verhältnis des Schuldrechts zum Handelsrecht ... IV. Das Verhältnis des Schuldrechts zum öffentlichen Recht . V. Das Verhältnis des Schuldrechts zur Wirtschaftswissenschaft VI. Schrifttum

1 1 1 2 3 4 4

I. Teil: Allgemeine Lehren. Kapitel 1: Das Wesen des Schnldrechts. § 2. Tie menschliche Bedeutung des Schuldrechts I. Der Einzelne und die Rechtsordnung II. Die wirtschaftliche Bedeutung des Schuldrechts a) Schuldrecht ist das Recht des Verkehrs b) Schuldrecht ist das Recht des „geschäftlichen" Verkehrs . c) Schuldrecht ist das Recht des „egoistischen" Verkehrs . III. Die kulturelle Bedeutung des Schuldrechts a) Politische Bedeutung b) Sittliche Bedeutung c) Soziale Bedeutung d) Der humane Zug im heutigen Schuldrecht § 3. Die juristische Gestalt des Schuldrechts............................ 1. Verhältnis zum Sachen-, Familien- und Erbrecht .... a) Kennzeichen des Schuldrechts b) Kennzeichen des Sachenrechts c) Kennzeichen des Familienrechts d) Kennzeichen des Erbrechts II. Schuldrecht außerhalb des II. Buches III. Die Überordnung der „allgemeinen Lehren" IV. Allmähliche Wandlung der Gestalt des Schuldrechts? ... a) Beispiele der Kriegswirtschaft ........................ b) Beispiele aus der heutigen Zeit §4. Der Gegenstand des Schuldverhältnisses I. Gegenstand des Schuldverhältnisses ist das Verhalten des Schuldners

5 6 7 10 10 11 12 13

15 15

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23 23

Inhaltsverzeichnis.

X

(reite

II. Inhalt der Leistungspflicht................................................... III. Ausscheidungen........................................................................ a) Ausscheidung durch Parteiwillen........................................ b) Ausscheidung durch Bestimmung der Rechtsordnung . . 1. Ausscheidung des Familienrechts ......... 2. Ausscheidung des gesetzlich Verbotenen.................... 3. Ausscheidung des Unsittlichen........................................ 4. Unterbindung der freien Persönlichkeit .................... 5. Knebelungsverträge........................................................ IV. Verträge über Gütermassen....................................................

24 25 25 26 26 26 26 27 27 28

§5. Die beteiligten Personen........................................................ I. Der Grundfall........................................................................... a) Gläubiger und Schuldner................................................ b) Fähigkeit, Gläubiger und Schuldner zu werden .... o) Beitritt Dritter.................................................................... II. Mehrheitsbeteiligung.......................................................... a) Beteiligung nebeneinander................................................ b) Beteiligung hintereinander................................................ 1. Grundsatz der Zulässigkeit............................................ 2. Ausnahmen.................................................................... 3. Konfusion................................................................... III. Ungewißheit der Person............................................................ IV. Hilfspersonen............................................................................

29 29 29 29 M 30 .30 .32 32 32 33 33 31

§ 6. Die I. II. III. IV.

36 36 38 39 39

Stärke der schuldrechtlichen Bindung........................ Schuld und Haftung............................................................... Klagbarkeit (natürliche Verbindlichkeiten)........................... Vollstreckbarkeit........................................................................ Umfang der Haftung................................................................

Kapitel 2: Entstehung und Inhalt der Leistungspflicht. § 7. Entstehung der Leistungspflicht............................................ I. Gesetz und Vertrag ................................................................ II. Grundsatz der Formlosigkeit.................................................... III. Auflösung des Schuldverhältnisses in einzelne Leistung? pflichten....................................................................................... IV. Gegenseitige Verträge........................................................... V. Das abstrakte Schuldverhältnis ...........................................

44 46 48

§ 8. Bestimmung des Leistungsinhalts........................................ I. Der Wille der Beteiligten ................................................... II. Klauseln................................................................................... III. Der Wille der Rechtsordnung................................................ IV. Die Einwirkung des Richters................................................ V. Treu und Glauben................................................................... VI. Nachträgliche Bestimmung des Leistungsinhalts................ § 9. Die Gattungsschuld................................................................... I. Begriff....................................................................................... II. Die Stellung des Schuldners................................................ a) Freiere Stellung................................................................ b) Größeres Risiko....................................................................

49 49 50 51 52 54 57 60 60 61 61 61

N 41 42

Inhaltsverzeichnis.

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III. Die „Konkretisierung" (Beschränkung).................................... §10. Die Geldschuld ........................................................................... I. Vorbemerkung........................................................................... II. Der Begriff des Geldes (Währung).................................... III. Einfluß der Bertragsfreiheit.................................................... IV. Das Geld als Gegenstand eines Schuldverhältnisses ... § 10a Die sog. Aufwertung............................................................... I. Entwicklung............................................................................... a) Der Währungsverfall............................................................ b) Die Stellungnahme der Gerichte.................................... c) Die Stellungnahme der Gesetzgebung............................ II. Der geltende Rechtszustand................................................... a) Bei Privatschulden........................................................... b) Bei den Anleihen öffentlichrechtlicher Körperschaften . . III. Enzyklopädische Bedeutung................................................... § 11. Die Zinspflicht........................................................................... I. Bedeutung der Zinsen........................................................... II. Begriff der Zinsen................................................................... III. Rechtslage ............................................................................... a) Begründung der Zinspflicht............................................ b) Höhe der Zinsen................................................................... ^Gesetzliche Beschränkungen............................................... 6) Der einzelne Zinsanspruch ............................................ § 12. Die Wahlschuld........................................................................' . I. Wesen der Wahlschuld........................................................... a) Verhältnis zur Gattungsschuld........................................... b) Der Wahlberechtigte........................................................... c) Ausübung der Wahl........................................................... II. Störungen................................................................................... a) Verzögerung der Wahl....................................................... b) Irrtum bei der Wahl....................................................... c) Einfluß der Unmöglichkeit................................................... d) Verschlechterung eines Wahlgegenstandes........................ III. Die facultas alternativa...................................................... § 13. Die Schuld auf Gegenseitigkeit........................................... I. Wesen..................................................................................... II. Volle Gegenseitigkeit und ihre Wirkungen.......................... III. Vorleistungspflicht................................................................... IV. Die „Auflage" ............................................................................ §14. Der Vertrag zugunsten eines Dritten................................ I. Wesen..................................................................................... II. Konstruktion.............................................................................. III. Dogmatik................................................................................... IV. Vertrag zu Lasten eines Dritten? .................................... § 15. Die Pflicht zum Schadensersatz........................................... I. Die Grundlagen der Schadensersatzpflicht.......................... a) Casus a nullo praestantur............................................... b) Die 3 Entstehungsgründe für eine Schadenserstattungs-pflicht . . . /.......................................................................... 92

Inhaltsverzeichnis.

XII

II.

III.

IV.

V.

Gcitc c) Der Kausalzusammenhang............................................... 94 d) Das Berschuldensprinzip................................................... 97 e) Das Schadensersatzrecht als Kulturerscheinung .... 97 Das Ziel der Schadensersatzpflicht: Ausgleich.................... 98 a) Der Begriff des Schadens (insbesondere der „ideelle" Schaden)............................................................................... 98 b) Naturalrestitution oder Geldersatz?.........................................100 Die Berechnung des Schadens.....................................................101 a) Der Ersatz von „Alt durch Neu".............................................102 b) Die Verhältnisse des Geschädigten sind entscheidend . . 103 c) Kann auch ein Drittinteresse in Rechnung gestellt werden? 103 d) Damnum emergens und lucrum cessans............................. 104 e) Welcher Zeitpunkt ist für die Berechnung maßgebend?. 10.j Die sog. Minderungsposten.................................................... 105 a) Das Mitverschulden des Geschädigten (Kulpakompensation).................................................................................... 105 b) Der Vorteilsausgleich (compensatio lucri cum damno). 108 c) Die Pflicht, Ersatzansprüche gegen Dritte an den Schadens­ ersatzpflichtigen abzutreten.....................................................110 Prozessuale Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs . HO

§16. Die Pflicht zur Auskunft, zur Rechnungslegung und zum Ersatz von Aufwendungen........................................ 111 I. Die Auskunftspflicht................................................................ 111 II. Die Pflicht zur Rechnungslegung.................................................113 lH. Die Pflicht zum Ersatz von Aufwendungen............................. 111

§17. Die Vertragsstrafe und die Draufgabe................................. 115 I. Die Vertragsstrafe (Konventionalstrafe)................................ 115 a) Ihre Verwirkung................................................................ 116 b) Ihr Verhältnis zur Ersüllungsklage und zum Schadens ersatzanspruch....................................................................... 117 c) Ihre „akzessorische Natur"................................................ 118 d) Herabsetzung zu hoher Vertragsstrafen............................118 II. Die Draufgabe (und das Reugeld).............................................119 Kapitel 3: Der Bollzug der Leistung. Abführung der Leistung an denGläubiger .... Vorbemerkung............................................................................ Teilleistungen........................................................................... Leistung durch einen Dritten............................................... Ort und Zeit der Leistung....................................................

120 120 120 121 122

§ 19.

Das Zurückbehaltungsrecht des Schuldners................... I. Vorbemerkung........................................................................... II. Grundlage des Zurückbehaltungsrechts (Konnexität). . . . III. Die Durchführung des Zurückbehaltungsrechts....................

126 126 126 127

§20.

Der Rücktritt vom Vertrage................................................... I Grundlage.................................................................................... II. Dogmatik................................................................................... a) Die Ausübung des Rücktritts............................................

128 128 130 130

§ 18. Die I. II. III. IV.

Inhaltsverzeichnis.

xin Seite

b) Die Wirkung des Rücktritts.....................................................131 c) Veränderungen zwischen Vertragsschluß und Rücktritt . 132 III. Sondertatbestände........................................................................ 134 a) Die Verwirkungsklausel............................................................ 135 b) Das Fixgeschäft........................................................................ 135 c) Das Reugeld............................................................................ 135 IV. Der Rücktritt wegen veränderter Umstände (Clausula rebus sic stantibus, Geschästsgrundlage).............................136 a) Ausgangspunkt........................................................................ 136 b) Geschichtliche Entwicklung.........................................................136 c) Dogmatik.................................................................................... 138 d) Konstruktion............................................................................ 138 Kapitel 4: Die Lehre von den Leistungsstörungen.

§ 21. Grundlagen....................................................................................... 139 I. Vorbemerkung................................................................................ 139 II. Die vier Tatbestände.................................................................... 139 a) Die drei vom Gesetz erfaßten Fälle (Unmöglichkeit, Verzug, Mängelhaftung).........................................................................139 b) Hinzutritt eines vierten Falles (Positive Vertrags­ verletzung) ................................................................................ 141 III. Die Hilfsmittel des Gläubigers................................................141 a) Die Erfüllungsklage.................................................................141 b) Die Schadensersatzklage.........................................................141 c) Das Rücktrittsrecht.....................................................................142 d) Tatsächlicher Druck auf den Schuldner................................. 142 § 22. Verschulden und Vertretenmüssen............................................. 143 I. Die Schuld als Ausgangspunkt................................................ 143 II. Schuldgrade.................................................................................... 144 a) Vorsatz und Fahrlässigkeit......................................................... 144 b) Unterarten der Fahrlässigkeit................................................. 145 c) Zufall und höhere Gewalt..................................................... 145 d) Die Verwendung der verschiedenen Schuldgrade im Gesetz ....'..................................................................... 146 III. Haftung für Hilfspersonen.............................................................146 IV. Vertragliche Abänderung der Hastungsgrundsätze..................... 149 V. Die sog. Culpa in contrahendo................................................. 149

§ 23. Tie Lehre von der Unmöglichkeit der Leistung .... 151 I. Begriff und Zerlegung.................................................................151 a) „Unmöglichkeit"........................................................................ 151 b) „Unvermögen"........................................................................ 153 c) Anfängliche undnachträgliche Unmöglichkeit........................... 154 d) Teilweise Unmöglichkeit.........................................................154 II. Allgemeine Haftungsgrundlage bei nachfolgender Unmöglich­ keit ....................................................................................................155 a) Das Freiwerden des Schuldners......................................... 155 b) Die Schadenersatzpflicht des Schuldners............................. 155 t) Der Anspruch des Gläubigers auf die Ersatzwerte ... 156

XIV

Inhaltsverzeichnis. Gelte III. Gestaltung der Verhältnisse bei gegenseitigem Vertrage. . 157 a) Keiner von beiden Teilen hat zu vertreten......................... 157 b) Der Gläubiger hat zu vertreten............................................15s c) Der Schuldner hat zu vertreten............................................158

§ 24. Tie Lehre vom Verzug des Schuldners................................ 160 I. Begriff und Voraussetzungen.................................................... IGO a) Verhältnis zur Leistungszeit.....................................................160 b) Verhältnis zur Unmöglichkeit.................................................160 c) Voraussetzungen des Schuldnerverzuges............................. 160 II. Allgemeine Hastungsgrundlage.....................................................161 a) Die Haftung verschärft sich.....................................................162 b) Geldschulden sind zu verzinsen.................................................162 c) Der Verspätungsschaden ist zu ersetzen................ 162 d) Der Vertrag kann abgebrochen werden........................ 163 III. Besonderheiten bei gegenseitigem Vertrage............................. 163 a) Bloßer Verspätungsschaden........................................... 163 b) Schadensersatz wegen Nichterfüllung............................ 164 e) Rücktritt vom Vertrage................................................... 164 d) Setzung einer Nachfrist......................................................... 164 e) Verzug bei Sukzessivlieferungen............................................. 165 f) Verzug mit bloßen Nebenpflichten............................... 166 IV. Rechtshängigkeit der Schuld............................................... 166 §

25. Die Lehre von den positiven Vertragsverletzungen . 167 I. Der Grundgedanke dieser Lehre.................................................. 167 II. Hilfsmittel des Gläubigers........................................................ 168 III. Begrenzung............................................................................ 160

§

26. Die Lehre vom Verzug des Gläubigers............................ I. Begriff und Voraussetzungen................................................ 11. Wirkungen................................................................................

160 160 171

Kapitel 5: DaS (Erlöschen der Tchuldverhiiltniffe.

§

27. Die Erfüllung................................................................................. 1. Überblick.................................................................................... II. Die Erfüllung............................................................................ a) Verhältnis zur Leistungspslicht....................................... b) Verrechnung aus mehrere Schulden............................... c) Beweislast........................................................................... d) Schuldschein und Quittung............................................... III. Die Hingabe an Ersüllungsstatt........................................... IV. Konstruktion der Erfüllung...................................................

172 172 173 174 175 175 176 177 177

$

28. Die Hinterlegung........................................................................ I. Grundlage.................................................................................... II. Durchführung............................................................................ III. Selbsthilfeverkauf ....................................................................

179 179 180 181

§

29. Die Aufrechnung............................................................................ I. Wesen der Aufrechnung............................................................ II. Voraussetzungen der Aufrechnung........................................ III. Vollzug der Aufrechnung........................................................

181 181 182 184

Inhaltsverzeichnis.

xv Geile

IV. Wirkung der Aufrechnung........................................................ 184 V. Ausnahmen (Unzulässigkeit derAufrechnung)........................... 185

§ 30. sonstige Erlöschensgründe........................................................ 186 I. Der Erlaß ................................................................................... 186 II. Die Novation................................................................................. 187 [II. Die Konfusion................................................................................. 188 IV. Die Zweckerreichung..................................................................... 188 Kapiel 6: Personenwechsel. § 31. Übertragung der Fordernng aus einenneuen Gläunger........................................................................................................ 189 I. Vorbemerkung................................................................................ 189 II. Die Abtretung................................................................................ 190 a) Der Abschluß des Vertrages................................................. 190 b) Der persönliche Rahmen.........................................................190 1. Im allgemeinen.................................................................191 2. Die fiduziarische Zession.....................................................191 3. Die Blankozession.................................................................192 c) Der sachliche Rahmen.............................................................192 d) Unzulässigkeit der Abtretung................................................. 193 III. Wirkungen der Abtretung . .................................................... 194 a) Stellung des neuen Gläubigers............................................. 194 b) Stellung des Schuldners.................................................... 195 IV. Übergang kraft Gesetzes und kraft Richterspruchs..................... 198

§

32. Schuldübernahme...........................................................................199 I. Wesen und Zustandekommen.................................................... 199 II. Begriffliche Abscheidungen .........................................................201 a) Ersüllungsübernahme.............................................................201 b) Vertrag zugunsten Dritter.....................................................201 c) Kumulative Schuldübernahme.............................................201 III. Abwicklung der Schuldübernahme............................................. 202 IV. Sondersälle.................................................................................... 203 a) Hypothekenübernahme.............................................................203 b) Vermögensübernahme.............................................................203

Kapitel 7: Personenmehrheit.

§ 33. Die drei Grundformen der Mehrheitsbeteiligung . . . 204 I. Zerlegte (geteilte) Schuld........................................................... 204 II. Gesamtschuld und Gesamtforderung........................................205 a) Gesamtschuld............................................................................ 205 b) Gesamtforderung.................................................................... 206 c) Jnnenabrechnung.................................................................... 206 m. Einheitsschuld (Gesamthandsschuld)........................................... 207 IV. Sonstige Formen einer Mehrheitsbeteiligung........................207

§ 34. Die Verwendung der drei Grundformen im geltenden Recht........................................................................................................208 I. Überblick........................................................................................208 II. Auf derSchuldnerseite................................................................. 208 III. Auf derGläubigerseite................................................................. 210

XVI

Inhaltsverzeichnis.

Kapitel 8: Anhang. Leite § 35. Internationales Privatrecht..................................................... 210 I. Schuldrecht und internationales Privatrecht............................ 210 II. Bertragsfreiheit............................................................................211 III. Der Wohnsitz des Schuldners istentscheidend............................ 212 IV. Bei unerlaubten Handlungen: Ort der Tat............................. 213

II. Teil: Einzelne SchuldverhSltnisse. § 36. Einleitung.............................................................................................214 I. Ausbildung von Typen................................................................. 214 II. Bertragsfreiheit.............................................................................214 a) Im Gesetz nicht geregelte Typen......................................... 215 b) Mischung mehrerer Typen..................................................... 215 III. Systematische Ordnung dereinzelnen Schuldverhältnisse . . 217

Kapitel 1: Beräußerungsverträge §37. Der Kauf.............................................................................................218 I. Grundzüge des Kaufes................................................................. 219 a) Der Rahmen............................................................................. 219 1. Bertragscharakter................................................................. 219 2. Die Ware............................................................................. 219 3. Der Preis............................................................................. 220 b) Der Abschluß............................................................................. 222 c) Erfüllungsort und Erfüllungszeit......................................... 223 II. Die beiderseitigen Pflichten......................................................... 223 a) Die Berschaffungspslicht des Berkäuserö............................. 223 1. Übergabe der verkauften Sache......................................... 223 2. Eigentumsverschasfung......................................................... 224 b) Pflichten des Käufers............................................................. 224 III. Die Zeit zwischen Abschluß und Lieferung............................. 226 a) Die Gefahrtragung................................................................. 226 b) Lasten, Verwendungen,Kosten................................................227 c) Nutzungen.................................................................................228 d) Außergewöhnliche Umstände..................................................... 228 IV. Haftung des Verkäufers für Rechtsmängel............................. 230 a) Der Tatbestand......................................................................... 230 b) Wegfall der Haftung ............................................................. 232 c) Inhalt der Haftung................................................................. 232 V. Haftung des Verkäufers für Sachmängel (Gewährleistung) . . 233 a) Voraussetzungen der Haftung................................................. 234 1. Haftung für Fehler............................................................. 234 2. Haftung für zugesicherte Eigenschaften............................. 235 3. Entscheidender Zeitpunkt..................................................... 236 4. Ausschluß der Haftung......................................................... 236 b) Schutzmittel des Käufers nach Kauirecht............................. 237 1. Überblick: Die 4 Rechtsbehelfe ......................................237 2. Wahlrecht des Käufers..................................................... 238 3. Die Wandlung im einzelnen............................................. 238

Inhaltsverzeichnis.

xvn Seite 4. Die Minderung im einzelnen ............................................ 240 5. Der Viehkauf.............................................................................. 240 c) Schutzmittel des Käufers nach allgemeinen Lehren . . 241 1. Jrrtumsanfechtung................................................................. 241 2. Schadensersatz wegen schuldhaften Verhaltens . . . 242 3. Schadensersatz aus unerlaubter Handlung.......................243 4. Anwendung der Regeln vom gegenseitigen Vertrage 243 VI. Ausbau des Kaufgeschäftes durch Nebenabreden.......................243 a) Kauf nach Probe......................................................................... 244 b) Kauf auf Probe, Kauf auf Umtausch................................... 244 c) Eigentumsvorbehalt..................................................................... 245 d) Abzahlungsgeschäft......................................................................... 247 e) Wiederkauf und Wiederverkauf................................................ 247 f) Das Vorkaufsrecht..........................................................................248 VII. Kausähnliche Schuldverhältnisse.................................................... 251 a) Der Tausch...................................................................................... 251 b) Sonstige kaufähnliche Vorgänge................................................ 251

Schenkung und das Schenkungsversprechen .... 252 Begriff................................................................................................... 252 Voraussetzungen einer Schenkung................................................ 253 Rechtslage nach vollzogener Schenkung........................................255 a) Haftung des Schenkers................................................................. 255 b) Rückforderung der Schenkung.................................................... 256 IV. Schenkung unter Auflage................................................................. 257

§ 38. Tie I. II. III.

Kap.tel 2: GebrauchSüberlasfungdverlrage. §39. Überblick....................................................................................................... 258 I. Verhältnis zu den Veräußerungsverträgen................................... 258 II. Dauerschuldverhältnisse..................................................................... 258 III. Gebrauchsüberlassung als bloße Begleiterscheinung .... 259

§ 40. Die Miete................................................................................................... 260 I. Begriff................................................................................................... 260 a) Abscheidung von ähnlichen Rechtsverhältnissen .... 260 b) Wirkung gegen Dritte................................................................. 261 c) Wirtschaftliche und soziale Bedeutung der Miete. . . . 263 d) Zwiespältige Regelung des heutigen Mietsrechts durch das BGB. und die Zwangswirtschaftsgesetzgebung der Nach­ kriegszeit ...........................................................................................265 II. Fortdauer der Herrenstellung des Vermieters........................... 265 a) Tragen der Lasten ..................................................................... 265 b) Beschränkter Eigengebrauch.........................................................266 c) Rückforderungsrecht nach beendeter Miete...........................266 III. Die Miete als gegenseitiges Verhältnis........................................266 IV. Die Miete als Vertrauensverhältnis............................................ 267 V. Die Miete als Gebrauchsverhältnis................................................ 268 a) Die Verschaffungspslicht des Vermieters............................... 268 b) Schutz gegen Mitmieter und sonstige Dritte.......................269 c) Haftung des Vermieters.............................................................269 d) Pflicht des Mieters zu ordnungsmäßigem Gebrauch . . 271 Hed ? mann , Tas Lchuldrecht. 2. Auf!.

b

XVIII

Inhaltsverzeichnis.

Seile VI. Die Miete als entgeltliches Verhältnis..................................... 272 a) Art und Bedeutung des Entgeltes..................................... 272 b) Schutzmittel des Vermieters................................................. 273 c) Insbesondere sein gesetzliches Pfandrecht............................. 273 VII. Die Miete als vorübergehendes Verhältnis............................. 274 a) Methoden der Berechnung..................................................... 274 b) Ordentliche Kündigungsfristen................................................. 274 c) Sonderregeln für einzelne Fälle............................................. 275 d) Stillschweigende Verlängerung............................................. 275 e) Rückgabepflicht des Mieters..................................................... 276 VIII. Die Wohnungszwangswirtschaft......................................... 277 a) Das Mieterschuhgesetz............................................................277 b) Das Reichsmietengesetz............................................................278 c) Das Wohnungsmangelgesetz ................................................ 279 § 41. Die Pacht............................................................................................ 279 I. Wesen der Pacht.........................................................................279 II. Der Pächter als Wirtschafter..................................................... 281 a) Maß der Nutzung.....................................................................281 b) Rechtslage im täglichen Wirtfchajtsbetrieb............................. 282 c) Beendigung des Pachtverhältnisses......................................... 282 III. Neues „soziales" Pachtrecht......................................................... 283 a) Die Pachtschutzordnung......................................................... 283 b) Die Kleingarten, und Kleinpachtordnung............................. 284 c) Übergang ins Siedlungsrecht................................................. 284 § 42. Die Leihe.............................................................................................284 I. Begriff............................................................................................ 284 II. Einzelregelung.................................................................................285 § 43. Der Vertriebsvertrag (Trödelvertrag)......................................... 286 I. Wesen und wirtschaftliche Bedeutung......................................... 286 II. Rechtliche Behandlung................................................................. 287

Kapitel 3: Kreditgeschäfte. §44. Einführung in das Kreditwesen................................................. 288 I. Kredit im weiteren und im engeren Sinne............................. 288 II. Übergänge anderer Schuldverhältnisse in Kreditgeschäfte. . 289 III. Arten des Kredits.........................................................................291 a) Perfonalkredit und Realkredit............................................ 291 h) Öffentlicher und privater Kredit....................................... 292 c) Anlagekredit und Umlausskredit............................................. 293 d) Konsumtiver und produktiver Kredit................................. 293 IV. Zerrissenheit der Gesetzgebung..................................................... 294 § 45. Das Darlehn und das Darlehnsversprechen.................... 294 I. Wesen des Tarlehns............................................................... 294 II. Die Hingabe des Darlehnswertes........................................ 296 III. Die Pflichten des Darlehnsnehmers.................................... 297 a) Die Rückgabepslicht........................................................... 297 b) Die Verzinsungspflicht........................................................ 298 IV. Das Darlehnsversprechen (Geldgebevertrag)........................ 299

Inhaltsverzeichnis.

§ 46.

§47.

§48.

§49.

xix Seite Die Anweisung und der Scheck.................................................... 300 I. Wesen der Anweisung.................................................................300 II. Voraussetzungen der Anweisung.................................................302 III. Rechtslage .................................................................................... 302 a) Doppelte Ermächtigung............................................................ 302 b) Die „Annahme".........................................................................303 c) Die drei Einzelbeziehungen (Valutaverhältnis, Deckungshältnis, Annahmeverhältnis).................................................... 304 IV. Besondere Arten der Anweisung.................................................305 a) Der Kreditbrief........................................................................ 305 b) Der Scheck.................................................................................306 Die Jnhaberschuldverschreibungen .........................................307 I. Ihr Wesen.....................................................................................307 II. Die Rechtslage................................................................................ 309 a) Das Papier in der Hand desersten Inhabers .... 309 b) In der Hand des zweiten Inhabers..................................... 310 c) In der Hand des unberechtigten Inhabers......................... 311 d) Verlust des Papiers vor der „Begebung"......................... 312 III. Stammpapier und Nebenpapiere.................................................313 IV. Abarten............................................................................................ 314 a) Die Verpslichtungszeichen des § 807 ................................ 314 b) Die Legitimationspapiere des § 808.................................. 315 Der Versicherungsvertrag und die Leibrente.................... 316 I. Der Versicherungsvertrag.............................................................316 a) Sein Wesen.................................................................................316 b) Beteiligte.................................................................................318 c) Abwägung der beiderseitigenInteressen...............................319 d) Der Versicherungsschein.........................................................320 e) Die öffentlichrechtliche Sozialversicherung............................. 320 II. Der Leibrentenvertrag................................................................ 321 a) Sein Wesen................................................................................ 321 b) Seine rechtliche Konstruktion................................................ 321 Das Spiel und die Wette........................................................... 322 I. Allgemeine Stellung der Rechtsordnungzum Spiel . . . 322 II. Vorkehr gegen Umgehungen........................................................ 323 III. Besondere Fälle............................................................................ 323 a) Das verbotene Spiel (Glücksspiel).........................................323 b) Das staatlich genehmigte Spiel.............................................324 IV. Die Differenzgeschäfte (Börsentermingeschäfte)......................... 325

Kapitel 4: ArbeitSvertrLge. § 50. Einführung in das Arbeitsrecht.................................................326 I. Unsicherheit der Begrisssbildung................................................ 326 II. Bürgerliches Recht und Arbeitsrecht........................................ 328 a) Die Doppelregelung................................................................ 328 b) Überblick über das bürgerliche Recht.....................................328 III. Grundelemente des neuzeitlichen Arbeitsrechts......................... 330 a) Der schuldrechtliche Charakter des Arbeitsvertrages... 331 b) Die Arbeit . . i.................................................................... 331 b*

XX

Inhaltsverzeichnis. Leite

§ 51.

§ 52.

§ 53.

§ 54. § 55.

c) Ter Lohn................................................................................ 332 d) Die Gewinnbeteiligung ........................................................ 332 e) Die Disziplinargewalt im Betriebe.....................................333 f) Die Arbeitsordnung................................................................ 334 g) Das Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer.....................335 h) Der kollektive Arbeitsvertrag (Tarifvertrag).........................336 i) Der Streik, die Aussperrung, der Vertragsbruch. . . . 338 k) Der Prozeß über Arbeitsstreitigkeiten.................................339 l) Das Schlichtungswesen............................................................ 340 IV. Problematik des neuzeitlichen Arbeitsverhältnisses .... 341 a) Zentralisation oder Dezentralisation?.....................................341 b) Selbsthilfe oder Eingreifen des Staates?.............................342 e) Individualistische oder kollektivistische Gestaltung?. . . . 342 Der Dienstvertrag............................................................................ 342 I. Begriff (Gegensatz zum Werkvertrag)........................................ 342 II. Die Pflichten des Dienstverpflichteten (Arbeitnehmers) . . 344 a) Inhalt und Arten der Dienstleistung.....................................344 b) Sozialer Schutz bei der Durchführung der Dienstleistung . 345 c) Klagbarkeit, aber keine Vollstreckbarkeit.................................346 d) Treupflicht................................................................................ 346 III. Tie Pflichten des Tienstbercchtigten (Arbeitgebers) . . . 347 a) Die Lohnzahlungspflicht........................................................ 347 b) Lohnanspruch trotz nicht geleisteter Dienste.........................348 1. Ter Fall des $ 616............................................................ 348 2. Der Fall des §615............................................................ 349 c) Tie Fürsorgepslicht................................................................ 351 1. Ter soziale Schutz aus § 618.............................................351 2. Die Krankheitsfürsorge nach § 617.....................................352 IV. Die Beendigung des Dienstvertrages.........................................352 a) Die Kündigung auf der Grundlage des BGB.....................353 b) Sozialer Schutz gegen Entlassung.........................................353 Der Werkvertrag............................................................................ 355 I. Ter Begriff................................................................................... 355 a) Innere Elemente.................................................................... 355 b) Gegensatz zu anderen Schuldverhältmssen .........................356 1. Gegensatz zum Dienstvertrag.............................................356 2. Gegensatz zum Kauf (Werklieferungsvertrag) .... 357 II. Durchführung des Werkvertragsverhältnisses............................. 359 a) Das Stadium der Arbeit............................................... 359 b) Die Abnahme des fertigen Werkes................................ 360 c) Die Haftung für Mängel des Werkes................................. 360 d) Die Eigentumsverhältnisse und das gesetzliche Pfandrecht 362 III. Beendigung des Werkvertragsverhältnisses........................ 363 IV. Das Bauunternehmen im besonderen ............................... 363 Der Mäklervertrag.................................................................. 365 Die Auslobung............................................................................... 366 Der Auftrag................................................................................... 367 I. Der Begriff............................................................................... 367 II. Auftrag und Vollmacht........................................................... 369

Inhaltsverzeichnis.

xxi

Seite III. Durchführung des Auftragsverhältnisses.....................................369 IV. Geschäftsbesorgung als Bestandteil anderer Rechtsverhält­ nisse ................................................................................................ 371 $56. Die Geschäftsführung ohne Auftrag.........................................372 I. Grundsatz........................................................................................ 372 II. Abwandlungen................................................................................ 373 III. Durchführung des Geschäftssührungsverhältnisses.....................374 IV. Irrtümliche Auffassung der Lage durch den Geschäfts­ führer ............................................................................................ 374 §57. Ter Berwahrungsvertrag.............................................................375 I. Der Begriff.................................................................................... 375 II. Die Durchführung des Verwahrungsverhältnisses..... 376 a) Die Stellung des Verwahrers.................................................376 b) Die Stellung des Hinterlegers.............................................377 III. Übergang in andere Schuldverhältnisse .................................377 a) Verwahrung als bloße Begleiterscheinung.............................377 b) Sonderregelung bestimmter Verwahrungsverhältnisse. . 378 c) Das depositum irreguläre.....................................................378 IV. Öffentliche Hinterlegung.............................................................379 §58. Die Einbringung bei Gastwirten.............................................380 I. Die besondere Haftung des Gastwirts.....................................380 II. Tas gesetzliche Pfandrecht des Gastwirts................................ 381

Kapitel 5: Perfonenvereinigungcn. §59. Überblick................................................................................................ 382 I. Ausgangspunkt................................................................................ 382 II. Stellung des Staates zum Verbandswesen.............................383 a) Die Bereinigung^- und Koalitionsfreiheit .........................383 b) Überwachung und Regulierung des Verbandswesens 384 c) Verleihung der Rechtsfähigkeit.............................................384 III. Die Grundformen menschlicher Organisation .........................385 a) Der Brüderschastsgedanke.........................................................385 b) Der Gedanke der Abstimmung.............................................385 c) Der Vertretergedanke.............................................................385 d) Der Herrschaftsgedanke............................................................ 386 e) Der Anstaltsgedanke.................................................................386 IV. Die Leistung des Gesetzgebers.....................................................386 a) Im bürgerlichen Recht.............................................................387 b) Im Handelsrecht.................................................................... 387 c) Im Genossenschaftsrecht.........................................................387 d) Im Kartell- und Konzernrecht.............................................388 e) Im Recht der gemischt-wirtschaftlichen Unternehmungen 389 f) Im Recht der wirtschaftlichen Selbstverwaltungskörper . 389 §60. Die Gesellschaft................................................................................ 390 I. Das Wesen der Gesellschaft.........................................................390 a) Im allgemeinen........................................................................ 390 b) Verwandtschaft mit dem Verein............................................ 391 c) Der Geltungsbereich des Gesellschaftsrechts........................ 392

Inhaltsverzeichnis.

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Seite II. Das Gesellschaftsvermögen................................................................. 393 III. Die Bindung an das gemeinsame Ziel....................................... 394 a) Der Gesamthandsgedanke .........................................................394 b) Wie weit werden Dritte betroffen?....................................... 395 IV. Der Betrieb der Gesellschaften .................................................... 397 a) Die Organisation..........................................................................397 b) Gewinn und Verlust..................................................................... 399 c) Einstellung des Betriebes .........................................................399

§ 61. Die Gemeinschaft.................................................................................. 399 I. Das Wesen der Gemeinschaft.........................................................399 II. Die Durchführung des Gemeinschaftsverhältnisses...................... 400 Kapitel 6: HilfSgeschäfte. § 62. Die I. II. III.

Bürgschaft...........................................................................................401 Das Wesen der Bürgschaft.............................................................401 Die Form der Bürgschaft................................................................. 401 Unterscheidungen der Bürgschaft.................................................... 402 a) Von der Schuldübernahme.........................................................402 b) Von der kumulativen Schuldübernahme...............................402 c) Vom Garantievertrag................................................................. 402 IV. Das Maß der Bürgenhaftung.........................................................403 a) Die akzessorische Natur der Bürgschaft................................... 403 b) Beschränkung durch Vertrag. .....................................................404 c) Befreiung von der Bürgschaft.................................................... 404 V. Die Belangung des Bürgen............................................................. 404 a) Die Einrede der Vorausklage (und die „selbstschuldnerische" Bürgschaft).......................................................................................404 b) Der Rückgriff des Bürgen gegen den Hauptschuldner und etwaige Mitbürgen..........................................................................405 VI. Der Kreditantrag..............................................................................406

§ 63.

Der Pfandvertrag................................................................................. 407 I. Das Wesen des Pfandvertrages................................................... 407 II. Der Inhalt des Pfandvertrages................................................... 408 III. Einzelheiten...........................................................................................409

§ 64. Der I. II. III. § 65.

Vergleich...........................................................................................410 Das Wesen des Vergleichs............................................................410 Die Behandlung des Irrtums beim Vergleich...........................410 Der Prozeßvergleich..........................................................................412

Das Schuldanerkenntnis und dasSchuldversprechen 413 I. Allgemeines Wesen..............................................................................413 II. Recht des BGB.....................................................................................414

§ 66. Die Verpflichtung zur Vorlegung................................................ 415 I. Das Wesen der Vorlegungspflicht................................................ 415 II. Die Durchführung des Gedankens................................................ 416

Kapitel 7: Ausgleich unrechtmäßiger Rechtslagen.

§ 67.

Die ungerechtfertigte Bereicherung............................................417 I. Das Wesen der ungerechtfertigten Bereicherung.......................417

Inhaltsverzeichnis.

xxm

Seite II. Die Bereicherung auf Kosten eines anderen........................419 a) Es muß „etwas erlangt" sein................................................. 419 b) Und zwar „auf Kosten" des anderen..................................... 420 III. Das Fehlen des rechtlichen Grundes......................................... 421 IV. Die einzelnen Bereicherungstatbestände................... 422 a) Die Leistung einer Nichtschuld............................................. 423 b) Das Ausbleiben des bezweckten Erfolges............................. 423 c) Verwerflicher Empfang............................................................. 423 ck) Der Fall des § 816................................................................. 423 e) Fälle außerhalb bet §§ 812 ff....................................................424 f) Zusammenfassung?................................................................. 425 V. Äe Gefahr einer übermäßigen Verwendung des Anspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung............................................. 425 a) Im allgemeinen.........................................................................425 b) Gesetzliche Einschränkungen..................................................... 426 VI. Der Umfang der Herausgabepflicht......................................... 427 VII. Ausgestaltungen.............................................................................428 a) Verschärfung der Haftung..................................................... 428 b) Erstreckung auf Dritte.............................................................428

§68. Die unerlaubten Handlungen. 1. Allgemeine Kenn­ zeichnung .....................................................................................429 I. Vorbemerkung.................................................................................429 II. Verhältnis zum Vertragsrecht..................................................... 429 III. Verhältnis zum Strafrecht.............................................................432 IV. Bedeutung für die menschliche Kultur..................................... 433 V. Haltung des BGB...........................................................................434

§69. Die der I. II. III.

unerlaubten Handlungen. 2. Tie Grundelemente Schadensersatzpflicht.................................................................435 Der Kausalzusammenhang.............................................................435 Die Verletzung eines rechtlichanerkannten Gutes .... 436 Tas Verschuldungsprinzip.............................................................436 a) Die Fragestellung.....................................................................436 b) Der Standpunkt des BGB...................................................... 438 c) Die Lehre von der Zurechnungsfähigkeit............................. 439 d) Mitschuld des Beschädigten..................................................... 441 IV. Die Widerrechtlichst.....................................................................441

§70. Unerlaubte Handlungen. 3. Die einzelnen Delikts­ tatbestände............................................................................................ 442 I. Überblick........................................................................................ 442 II. Der Schutz der geschlossenen Rechtsgüter (§ 823 1) .... 443 a) Die Theorie.................................................................................444 b) Die Praxis.................................................................................445 c) Die Eigentumsverletzung im besonderen............................. 446 III. Der Verstoß gegen Schutzgesetze (§ 823 II)........................... 447 a) Umfang des Schutzes.............................................................447 b) Besondere Behandlung des Verschuldens............................. 448 c) Grenzen des Schutzes aus § 823 II..................................... 449 IV. Ter Verstoß gegen die guten Sitten (§ 826)........................ 450

Inhaltsverzeichnis.

XXIV

Seite

V. Einzelne a) Die b) Die c) Die d) Die e) Die f) Der

Sondertatbestände......................................................... 452 Kreditgefährdung........................................................... 453 Verführung einerFrauensperson................................. 453 Haftung für Gebäudeeinsturz....................................... 453 Beamtenhaftung........................................................... 453 Tierhalterhaftung........................................................... 456 Wildschadenersatz............................................................456

§71. Unerlaubte Handlungen. 4. Der Schadensersatzan­ spruch nach Inhalt und Umfang'................................................. 456 I. Die Aktivlegitimation..................................................................... 457 a) Der Erstgeschädigte..................................................................... 457 b) Zweitgeschädigte......................................................................... 457 II. Die Passivlegitimation................................................................. 458 a) Mehrere Täter......................................................................... 458 b) Die Haftung für Angestellte (§ 831)................................. 460 c) Die Haftung des Aufsichtspflichtigen..................................... 461 III. Der Umfang der Ersatzpflicht..................................................... 462 IV. Die vorbeugende Unterlassungsklage..................................... 463

Quellenregister.................................................................................................. 465 Wortverzeichnis..................................................................................................478

§ 1. Einleitung.

§ 1.

I. Die Stellung des Schuldrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch. Das Schuldrecht, vom Gesetzgeber „Recht der Schuldverhälmisse" genannt, früher meist als „Obligationenrecht" bezeichnet, bildet das zweite Stück im BGB. Im Aufbau der Pandektenlehr­ bücher stand es erst an dritter Stelle, das Sachenrecht ging ihm voran. Der Grund, weswegen man bei der Schaffung des BGB. das Schuldrecht vorschob, liegt in dem nahen Zusammenhang mit dem ersten Buch. Dieses behandelt bekanntlich die „Allgemeinen Lehren" des bürgerlichen Rechts. Nun beginnt auch das Schuld­ recht mit allgemeinen Lehren, die denen des I. Buches in vielem wesensverwandt sind. Darum zog man es vor, das Schuldrecbt dem Allgemeinen Teil sofort folgen zu lassen. Die meisten ausländischen Kodifikationen haben keinen „Allgemeinen Teil"; unser I. Buch fehlt ihnen oder enthält nur die Personenlehre. Dafür sind die allgemeinen Lehren des Schuldrechts entsprechend weiter ausgebaut, indem sie vieles von dem in sich aufnehmen mußten, was wir in dem selbständigen I. Buch untergebracht haben, z. B. die Lehre von den Willenserklärungen und den Willensmängeln (bei uns $§ 116sf. BGB.).

II. Der Aufbau des Schuldrechts. Das BGB. hat inner­ halb des II. Buches 7 Abschnitte gebildet (Inhalt der Schuldver­ hältnisse, Schuldverhältnisse aus Verträgen, Erlöschen der Schuld­ verhältnisse, Übertragung der Forderung, Schuldübernahme, Mehr­ heit von Schuldnern und Gläubigern, Einzelne Schuldverhältnisse). Dabei ist der 7. Abschnitt bei weitem der umfänglichste. Während die ersten 6 Abschnitte zusammen nicht ganz 200 Paragraphen in Anspruch nehmen, umfaßt er allein über 400, also mehr wie das Doppelte. Dieser letzte Abschnitt schildert die einzelnen Obligationen (Schuldrechtstypen), z. B. Kauf, Tausch, Miete, Pacht, Spiel, Schenkung. Die 6 vorangehenden Abschnitte sind dagegen „ab­ strakt". sie behandeln Fragen, die nicht bloß beim Snnf oder der Miete oder sonst einem einzelnen Schuldverhältnis auftauchen, sondern bei allen oder doch mehreren, also Fragen, die einer los­ gelösten (abstrakten) Behandlung zugänglich sind. Z. B. handeln sie über den Begrifs der Unmöglichkeit (vgl. § 275). Daß die zugesagte Leistung unmöglich wird, da§ kann bei allen Schuld Hed' e in a n n, Das Lchuldrecht. 2. Ausl.

1

2

§ 1. Einleitung: Schuldrecht und Handelsrecht.

rechtstypen Vorkommen, beim Kauf, wenn das verkaufte Pferd stirbt, bei der Miete, wenn das vermietete Haus abbrennt, beim Schenkungs­ versprechen, wenn das in Aussicht genommene Geschenk unwiederbringlich gestohlen wird usw. Und aus der Tatsache der Unmöglichkeit entwickeln sich nun eine ganze Reihe von Rechtsfragen, z. B., ob der enttäuschte Teil Schadensersatz verlangen kann, oder ob er sich wenigstens, wenn er selbst zu einer Gegenleistung verpflichtet war, von dieser lossagen darf; ferner, welcher Unterschied gemacht werden muß, je nachdem der Lieferungs pflichtige die Unmöglichkeit selber verschuldet (z. B. durch Mißhandlung den Tod des Pferdes herbeigesührt) hat oder nicht; usw. Weil diese Fragen bei allen Schuldverhältnissen wiederkehren, hat man sie eben nicht bei jedem von neuem angeschnitten, sondern hat sie abgehoben, ganz allgemein geklärt und in den vorderen Abschnitten des II. Buches untergebracht (vgl. unten § 23).

Durch diese „Allgemeingültigkeit" werden die ersten 6 Ab­ schnitte zusammengehalten. Darum ist es im Schrifttum und Vor­ lesungswesen üblich geworden, sie gemeinsam dem 7. Abschnitt gegenüberzustellen und nur 2 große Teile innerhalb des Schuld­ rechts zu bilden: die allgemeinen Lehren und die einzelnen Schuld­ verhältnisse. Dem schließt sich auch die nachfolgende Darstellung an. III. Das Verhältnis des Schuldrechts zum Handels­ recht. Das Schuldrecht steht in engster Berührung mit dem Handels­ recht. Eine unübersehbare Zahl von Fäden laufen von dem einen Rechtsgebiet zum anderen hinüber. Das hängt damit zusammen, daß das Handelsrecht keine in sich abgerundete, nach außen ver­ schlossene Materie bildet. Der „Kaufmann" ist zugleich auch „Bürger" und behält seinen Anteil am bürgerlichen Recht, soweit nicht von Fall zu Fall die Besonderheiten des Handelsrechts eingreifen. Dao Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch (EGHGB.) bringt das in seinem Art. 2 mit den Worten zum Ausdruck: „In Handelssachen kommen die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs nur insoweit zur Anwendung, als nicht im Handelsgesetzbuch oder in diesem Gesetz ein anderes bestimmt ist." Die Verbindung mit dem Schuldrecht ist nun eine besonders vielseitige, reichhaltiger als etwa mit dem Sachenrecht oder gar dem Familienrecht. Aus dem Gesellschastsrecht des BGB. (§§ 705 ff.) wachsen die besonderen Formen der handelsrechtlichen Gesellschaften (offene Handelsgesellschaft, Aktiengesellschaft, Gesellschaft mit be­ schränkter Haftung usw.) heraus. Der schwierige Abschnitt über die „Schuldverschreibungen auf den Inhaber" (§§ 793ff. BGB.) enthält zugleich die allgemeine Dogmatik für eine ganze Reihe von kauf­ männischen Wertpapieren. Das Recht des Dienstvertrags (§§ 611 ff. BGB.) ist zwar zugunsten der kaufmännischen Angestellten, der sog. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge, in den Sondervorschristeu

§ 11V. Schuldrecht und öffentliches Recht.

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des HGB. (§§ 59ff.) vielfach umgestaltet, aber es bleibt doch die allgemeine Grundlage. Aus alledem ergibt sich, daß das Handels­ recht nicht aus sich selbst heraus voll verstanden werden kann, sondern im stärksten Ausmaß einer Ergänzung durch das bürgerliche Recht, vor allem das Schuldrecht bedarf. IV. Das Verhältnis des Schuldrechts zum öffentlichen Recht. Das bürgerliche Recht als Ganzes, einschließlich des Handelsrechts, steht im Gegensatz zum öffentlichen Recht (vgl. darüber Grundriß „Einführung in die Rechtswissenschaft § 2 III, § 22). Darum hat auch das Schuldrecht grundsätzlich nichts mit dem öffent­ lichen Recht zu tun. Eine Reihe von Vorgängen, die zwar an sich schuldrechtlichen Charakter haben, aber in das öffentliche Recht hinüber­ greifen, sind deshalb nicht mit in das BGB. hineingenommen worden, sondern der landesrechtlichen Regelung überlassen geblieben. Darüber gibt u. a. das Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) Auskunft. So ist z. B. für den bürgerlichen Zahlungs­ verkehr grundsätzlich vorgeschrieben, daß der Schuldner das Geld auf seine Gefahr und seine Kosten dem Gläubiger an dessen Wohnsitz, unter Umständen an dessen gewerbliche Niederlassung zu übermitteln hat (§ 270 BGB.). Aber dem wird nun wegen des öffentlich-recht­ lichen Einschlags im Art 92 EG. als Ausnahme gegenübergestellt: „Unberührt bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften, nach welchen Zahlungen aus öffentlichen Kassen an der Kasse in Empfang zu nehmen sind." Eine ganz reine Scheidung zwischen privatem und öffentlichem Recht läßt sich indessen nicht durchführen. Namentlich in neuester Zeit ist vielfach in Gesetzen, weniger in der Wissenschaft, öffent­ liches und privates Recht durcheinandergeworfen worden, so daß es schwer zu sagen ist, wo das Privatrecht aufhört und das öffentliche Recht anfängt. Wiederum ist daran das Schuldrecht in ganz besonderem Maße beteiligt. Einige seiner Stoffe, die früher allein dem bürgerlichen Recht angehörten, haben sich weit über dessen Grenzen ausgewachsen. Das gilt vor allem vom Arbeitsrecht. Seine Regelung im bürgerlichen Recht als sog. Dienstvertrag (§ 611) hat lange Zeit den Bedürfnissen genügt. Inzwischen aber ist der Rahmen gesprengt worden, und gute Teile des jetzigen, des „modernen" Arbeiitsrechts gehören dem öffentlichen Recht an (Näheres unten im § ;’50). Ebenso werden die Mietsverhältnisse beute nicht mehr­ allein mit den §§ 535ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs gemeistert, sonder'n es ist von der Seite des öffentlichen Rechts her an sie eine gewisste Zwangsregelung herangetragen worden (Näheres unten 1*

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§ 1 V. Schuldrecht und Wirtschaftswissenschaft.

im § 40 VIII). Auch gewisse Ausweitungen des Gesellschaftsrechts, z. B. in Gestalt der sog. Kartelle, haben es angezeigt erscheinen lassen, diese Vorgänge nicht mehr ganz dem „freien Spiel der Kräfte", also den §§ 705ff. BGB., zu überlassen, sondern ihnen eine öffentlichrechtliche Kontrolle entgegenzustellen (unten § 59 IVd). Wir stehen mit diesen Dingen mitten im Strome der Zeit. Es ist der große Abstrich am „Individualismus" zugunsten einer „sozialeren" oder „kollektivistischen" Auffassung, dem wir hier be­ gegnen. Es kommt dadurch in den schuldrechtlichen Stoff viel Unruhe hinein. In keinem Teile des BGB. ist so viel „neu" wie gerade im Schuldrecht. Tie nachfolgende Darstellung wird daraus Rück­ sicht zu nehmen haben, beschränkt sich aber, um den Studierenden nicht zu verwirren, in der Hauptsache auf die Dogmatik des Bürger­ lichen Gesetzbuchs. V. Das Verhältnis des Schuldrcchts zur Wirtschafts­ wissenschaft. Seit Jahren sind Bestrebungen im Gange, das Recht und die Wirtschaft und namentlich auch die beiderseitigen Wissen­ schaften einander anzunähern. Das hat einen gewissen, aber bod) keinen sehr großen Erfolg gehabt. Es bleibt also der Zukunft noch viel zu tun übrig. Die nachfolgende Darstellung wird an einigen besonders wichtigen Stellen auf die entsprechenden wirtschafts­ wissenschaftlichen Zusammenhänge Hinweisen, muß sich aber im übrigen, wiederum um Verwirrung und auch Überlastung zu ver­ meiden, Beschränkung auferlegen. VI. Schrifttum. Tie Literatur zum Schuldrecht fällt in der Hauptsache mit der allgemeinen Literatur zum bürgerlichen Recht zusammen. Über diese unterrichtet der „Allgemeine Teil" (vgl. im Grundriß von Heinrich Lehmann § 9). Doch fehlt es auch mcf)l an Sonderbearbeitungen gerade des Schuldrechts.

Aus neuerer Zeit sind hervorzuheben: Franz Leonhard, Ach gemeines Schuldrecht des BGB. (1929); ttreß, Lehrbuch des SK1V gemeinen Schuldrechts (1929); Philipp Heck, Grundriß des Schuld­ rechts (1929). Der Studierende wird gut daran tun, sich nicht von Anfang an sogleich den Kommentaren als alleinigem Hilfsmittel in die Arme zu werfen, vielmehr die systematischen Darstellungen zu bevor­ zugen. In der Praxis ist es dann anders. Deren Bedürfnisse drängen in erster Linie zum Kommentar. Natürlich ist dieser Gegensatz kein vollkommener. Auch der Studierende bedarf des Kommentars zur Ergänzung, so wie der Praktiker bei allen schwierigeren Fragen (ins die Lehrbücher zurückgreifen muß.

I. Tcil.

Allgemeine Lehren. 1. Kapitel.

Das Wesen des Schuldrrchls.

§ 2. Die menschliche Bedeutung des Schuldrcchts. I. Alles Recht ist um der Menschen willen da (vgl. Grundriß „Einführung" § 6). Auch das Schuldrecht soll menschlichen Zwecken dienen. Der Einzelne sieht dabei zunächst nur auf die ihm nütz­ lichen Zwecke, auf das, was er selbst mit der Anbahnung des be­ treffenden Schuldverhältnisses erreichen will. Wer beispielsweise ein Buch kauft, denkt nur daran, daß er dieses Buch in die Hände bekommen möchte. Gleichgültig ist ihm fürs erste, welche Zwecke der Buchhändler für seinen Teil verfolgt, und wie sich diese Zwecke mit seinen eigenen vereinigen lassen. Selbst der geschulte Jurist kann sich in den meisten Fällen der Wucht dieser Tatsache nicht entziehen und denkt nur an das letzte Ende, das er mit seinen Käufen, Mietsverträgen usw. erreichen will.

Tie Rechtsordnung, die das Schuldrecht schafft und ge­ währleistet, hat dagegen noch andere Aufgaben. Sie steht scholl bei jedem einzelnen Geschäft über den Parteien. Überdies aber hat sie nicht mit einem einzigen, sondern mit Millionen voll Ge­ schäften zu rechnen, denen sie als konstante Macht gegenübertreteil soll. Tas belastet sie mit einer schwereil Verantwortung, sowohl llach der wirtschaftlichen lvie nach der fiilturctlcn Seite. Wirt­ schaft und Kultur werden aufs stärkste dadurch beeinflußt, wie die Rechtsordnung die Beziehungen zwischen der Gläubigerschaft und der Schuldnerschaft, also eben das Schuldrecht, ausgebaut hat.

II. Die wirtschaftliche Bedeutung des Schuldrechts. a) Das Schuldrecht ist das Recht des Verkehrs, den die einzelwen Menschen miteinander pflegen. Es zeigt uns in besonderer Deutlichkeit den Menscheil als soziales Wesen, angewiesen auf den

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§ 2 II. Geschäftlicher Verkehr.

Verkehr mit seinen Mitmenschen (vgl. Grundriß „Eiiisührmlg" 8 6Ziff.II). Bekanntlich ist die Güterverteilung keine gleiche, und sie wird es auch trotz aller Ausgleichsbestrebungen nie werden. Ta sich nun die verschiedenen Güterinhaber nicht gänzlich voneinander absondern können, kommt es zu Umlagerungen in der Güterverteilung. Die Rechtsform dafür ist das Schuldverhältnis. Beispiel: A hat Hunger, er ist nicht selber Bäcker. Aber er weis;, daß der B Backware auf Vorrat hat. An ihn wendet er sich, er tritt in Verkehr mit ihm, und sofort springt die Rechtsform des Kaufes heraus (§ 433 BGB.). Oder: X bemerkt einen Schaden am Dach seines Hauses. Er hat nicht selbst ein Handwerk gelernt. Das Bedürfnis treibt ihn zuin Nachbarn, der geschulter Dachdecker ist. Ein Schuldverhältnis entsteht: ein sog. Werkvertrag (§ 631).

Der Zusammenhang zwischen Schuldrecht und Verkehr zeigt sich auch im gemeinsamen Wachsen. Wächst der Verkehr, so entwickelt sich auch das Schuldrecht weiter. Nimmt der Verkehr neue Formen an, so werden neue Schuldrechtstypen ge­ boren. Sinkt der Verkehr, so versumpft das Schuldrecht. Solange noch jeder Haushalt selber bäckt und jeder Hausvater selber die Axt führt (Naturalwirtschaft), hat man kaum ein Schuldrecht nötig. Der Tausch ist allenfalls der einzige Typus, dessen man bedarf. Sobald aber diese urwüchsigen Verhältnisse abflauen, kommt das Geld und mit ihm der Kaufmann und mit ihm der Verkehr. Sofort werden neue Schuldrechtstypen wach. Zunächst der Kauf. Und mit rasender Geschwindigkeit drängt er den Tausch in den Hintergrund. Wer aber kein Geld hat oder im Strudel des anschwellenden Verkehrs sein Vermögen verloren hat, trägt seine Arbeitskraft zu Markt: der Dienstvertrag (Arbeitsvertrag) tritt in die Rechtswelt ein. Wieder ein anderer borgt sich das Geld, das so wichtig geworden ist als treibender Faktor im Ver­ kehrsleben, und sofort ist wieder eine neue Schuldrechtsfigur da: das Darlehen (der Kreditvertrag). So geht es weiter. Wo reicher Verkehr, wie im Rom der Kaiserzeit, da reiche Ausgestaltung des Schuldrechts. Wo Weltverkehr, wie in unseren Zeiten, da Wachstum der Schuldrechts­ figuren ins Ungemessene (Schaffung der Wertpapiere, Gründung von Kartellen, Abschluß von Lieferungsverträgen größten Stils, internationale Rechtsabmachungen).

b) Das Schuldrecht ist das Recht des geschäftlichen Verkehrs. Nicht jede Verkehrsbeziehung zweier Menschen zueinander hat schuld­ rechtlichen Charakter. Vielmehr ist eine doppelte sehr bedeutsame Abscheidung nötig. 1. Es ist alles abzuscheiden, was überhaupt nicht der Rechts Welt angehört. Das ist bei weitem das meiste von den Wechsel­ beziehungen der Menschen (vgl. Grundriß „Einführung" § 9 Ziff. I).

§ 2 IIc. Vertragsfreiheit.

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Hierher gehören die ungezählten alltäglichen Bekundungen der Fremdschaft, Kameradschaft, beruflichen Zusammengehörigkeit. Nähe es im § 4 III a (S. 25). L Auszuscheiden ist ferner die Welt des Familienverkehrs. Melei aus ihrem Bereich fällt schon unter 1, weil es gar keinen Rechßcharakter besitzt. jAber auch die in Rechtsform gebrachten Famüenbeziehungen (z.^B. das Güterrecht der Ehegatten) gehören nicht ins Recht der Schuldverhältnisse, sind vielmehr in einem be­ sondren Buch des BGB., dem IV., untergebracht. Was nach diesen beiden Abscheidungen übrigbleibt, kann man als den „geschäftlichen" Verkehr der Menschen bezeichnen. Ihn deckt das Schuldrecht. Das verbleibende Gebiet ist groß genug. Von den Rechtsverhältnffen des bürgerlichen Rechts fallen bei weitem die meisten in den Nahmen des Schuldrechts, viel weniger ins Sachen-, Familien- und Erb­ richt. Vor allem aber herrscht im Bereich des Schuldrechts eine außero:dentliche Beweglichkeit. Die einzelnen Schuldverhältnisse wechseln vel schneller als etwa die Eigentumsverhältnisse des Sachenrechts oder v.e Eheverhältnisse des Familienrechts. Und auck innerhalb vieler einzelner Echuldverhältnisse, z. B. innerhalb eines Äesellschaftsvertrags, kann es in rascher Folge zu immer neuen rechtlichen Verschiebungen kommen,

c) Das Schuldrecht ist schließlich das Recht des egoistischen Verkehrs. Freilich darf man dieses Wort nicht in seiner vollen Schärfe nehmen. Einmal ist auch in den anderen Rechtsgebieten noch reichlicher Raum und häufige Gelegenheit für eigensüchtige Betäligung. Zum anderen begegnen im Schuldrecht bedeutende Gegenmittel gegen einen überspannten Egoismus (vgl. Ziff. IIIb und c). Aber der Wurzel nach ist es doch richtig und eine notwendige Folge des „geschäftlichen" Geistes, daß gerade im Schuldrecht dem egoistischen Trieb ein besonders weiter Spielraum gelassen wird. Das kommt in elementarer Weise dadurch zum Ausdruck, daß kein Gebiet so stark wie das Schuldrecht (und das ihm nächstver­ wandte Handelsrecht) von dem Grundsatz der Bertragsfreiheit beherrscht ist. Damit soll gesagt werden, daß grundsätzlich die Be­ teiligten ihre Käufe, Arbeitsverträge und sonstigen schuldrechtlichen Geschäfte so einrichten können, wie sie Lust haben, und daß sich die Rechtsordnung tunlichst im Hintergrund hält. Freilich ist diesem Grundsatz, der so recht zu dem Liberalismus um die Mitte des 19. Jahrhunderts (S. 11) stimmte, in den letzten Jahrzehnten viel Abbruch getan worden. Auf breiten Lebensgebieten ist es nur noch ein Trugschluß, daß wirklich die beiden einzelnen „Kontrahenten", z. B. ein einzelner Mieter mit seinem Vermieter,

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£ 2 IIc. Verkehrssitte, Formulare, Normativbedingungen.

ihren Vertrag ganz selbständig entwürfen, sozusagen ihn ganz neu formten. Dazu ist der Druck der Verkehrssitte viel zu groß geworden. Und wenn auf der einen Seite der Einzelwille nirgends sein Haupt so stolz und frei erheben darf, wie im Schuldrecht, jo ist aus der anderen Seite umgekehrt in keinem Gebiet (wiederum unter Einschluß des Handelsrechts) die Macht der Verkehrssitte so groß, so alltäglich, so vielgestaltig wie hier. Solche Verkehrsbräuche haben vielfach noch dadurch eine größere Bedeutung bekommen, daß sie sich in festgefügten, in Paragraphenfornr gegossenen Musterformularen niederschlagen. Zunächst werden diese Formulare ohne besonderes Nachdenken, gleichsam mechanisch zur 'An­ wendung gebracht; die Möglichkeit, sie gedruckt in tausenden von Exemplaren weiterzugeben, verstärkt ihr Gewicht. Allmählich schiebt sich dann die Entwicklung auf eine weitere Stufe: der eine Teil, mehr noch der hinter ihm stehende Verband, z. B. die Organisation der Hausbesitzer, lehnt es geradezu ab, anders als nach seinem Formular zu kontrahieren. So werden aus den bloßen, als Beispiele gedockten und als solche emp­ fohlenen Mustern sog. Normativb edingungen, ohne die es kaum einen „Abschluß" in dem betreffenden Geschäftszweig gibt. In ungeahntein Umfang haben sich diese „Konditionen", „allgemeinen Geschäftsbedin gütigen" usw. verbreitet und festgesetzt. Vgl. dazu auch Grundriß „Ein­ führung" § 13 II 2 (und über das Klauselwesen unten § 8 II).

Trotzdem, oder gerade dadurch noch verstärkt, bleibt das so reglementierte Schuldrecht ein ausgesprochenes Gebiet egoistischer Betätigung. Tenn um diese Normativbedingungen, um ihren Inhalt, ihre Fassung wird von beiden Seiten gerungen, und namentlich, wenn sich auf beiden Seiten mächtige Verbände gegen­ übertreten, wie die Mieterschutzvereinigungen und die Hausbesitzer­ verbände, vor allem aber die gewaltigen Organisationen der Arbeiterschaft und des Unternehmertums, so kommt es ost zu wochenlangen heißen Kämpfen um die Einzelheiten des neuen Musterformulars, um jede einzelne Zeile des neuen „Tarifs". An die Stelle des Einzelegoismus ist dann der Massenegoismus getreten, nur mäßig gedämpft durch Gemeingeist und Angst vor der öffent­ lichen Meinung.

Dann kann der Zeitpunkt für ein erneutes Einschreiten der Rechtsordnung gekommen sein. Sie tritt aus ihrer grundsätzlichen Reserve hervor, hinein in die Domäne der Vertragssreiheit. Sie kann es zunächst mit Güte versuchen. Ganz allgemein ist das Streben nach gütlicher Vermittelung der privaten Streitigkeiten durch die staatlichen oder sonstigen Gerichte in den letzten Jahrzehnten gewachsen (Grundriß „Einführung" § 33 Vb). Gerade die jüngste Zeit hat aber Erscheinungen ganz eigenartigen Gepräges hervorgebracht,

§ 2 11c.

Mietseinigungsämter, Schlichtungsbehörden.

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die ton der gütlichen Vermittelung bereits zum Zwange hinüberführen. Meist sind dann auch eigene Behörden oder Selbstver­ waltungskörper geschaffen worden, die dieses merkwürdige Ver­ fahren handhaben sollen. Der Leitgedanke bleibt jedoch immer derselbe: Sicherung der Wirtschaft gegen Erschütterungen, indem einem Übermaß von schuldrechtlicher Eigensucht entgegengetreten wird. Beispiele: 1. Die Miets- und Pachteinigungsämter, seit 1914 (Kinegsanfang) immer stärker entwickelt, heute schon wieder in ihrer Bedeutung gemindert. Sie sollten das Wohnungs- und Pacht­ wesen aus der rein individualistischen Auffassung des BGB. (§§ 535ff.) yerausheben und dadurch die wirtschaftlich schwächer gestellten Kreise gegen die wirtschaftliche Überlegenheit des Hausbesitzerstandes und der Verpächterkreise schützen. Ihre Aufgabe wurde ursprünglich dahin be­ stimmt, „zum Zwecke eines billigen Ausgleichs der Interessen zu ver­ mitteln". Sehr bald aber (1917) bekamen sie Entscheidungsgewalt, sowohl darüber, ob ein Miets- oder Pachtverhältnis trotz Kündigung seitens des Vermieters oder Verpächters fortzusetzen sei, wie über die Höhe des Mietzinses. Daß die Vermieter oder Verpächter sich das gefallen lassen müssen, zeigt deutlich die Ausschaltung der „Vertragsfreiheit"; Kündigungsfristen und Zinssummen, die die Parteien von sich aus früher vereinbart haben, werden beiseitegeschoben und der Spruch der besonderen Behörde an die Stelle gesetzt. Das Wesen dieser Behörde hat das Reichs­ gericht folgendermaßen beschrieben: „Tas Mieteinigungsamt hat nicht Rechtsfragen zu lösen, nicht Rechtsschutz zu gewähren, es hat viel­ mehr in Betätigung von sozialwirtschaftlichen Gesichtspunkten und von Erwägungen der Billigkeit und Zweckmäßigkeit rechtsgestaltend und rechtsschaffend zu wirken" (RGZ. Bd. 107 S. 286). — 2. Die Schlich­ tungsbehörden in Arbeitsstreitigkeiten. Sie gehen in ihren Anfängen schon auf die Vorkriegszeit zurück (Gewerbegerichte 1890, Kaufmannsgerichte 1904), haben aber erst in jüngster Zeit ihre volle Entfaltung gefunden. Ihre Aufgabe ist es, beim Zustandekommen von „Gesamtvereinbarungen" (Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen) mit­ zuwirken. Wenn eine solche Gesamtvereinbarung fehlt, sind die Arbeit­ geber und Arbeitnehmer auf Einzelverträge angewiesen. Damit gibt es, wie heute die Verhältnisse liegen, kein Auskommen. Alles drängt zu Gesamtvereinbarungen (über deren Wesen noch später zu sprechen sein wird, §50Ulf und h). Man spricht daher, wenn eine solche Gesamtvereinbarung, insbesondere ein Tarifvertrag, abgelaufen ist, ohne erneuert zu werden, geradezu von einem „vertraglosen Zustand". Streik oder Aussperrung können sich dann sehr leicht einstellen: die Wirtschaft wird erheblich be­ unruhigt. Da setzt das Schlichtungswesen ein. Deutlich bringt es den Übergang von bloßer Vermittelung zum Zwang in Erscheinung. Zu­ nächst nämlich macht die Behörde (Schlichtungsausschuß, Schlichter) nur einen „Vorschlag". Keine von beiden Parteien braucht ihn an­ zunehmen. Aber man hofft, daß sie sich daraufhin einigen werden, und, wenn sie es nicht tun, kann der Vorschlag („Schiedsspruch") eben doch vom Schlichter oder dem Reichsarbeitsminister „für verbindlich erklärt werden". Dabei soll nach dem Gesetzestext (Schlichtungs­ verordnung vom 30. Oktober 1923) neben der Berücksichtigung der beider­ seitigen Interessen entscheidend sein, ob die Durchführung des Schieds-

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§ 2 Illa. Politische Bedeutung des Schuldrechts. spruches „aus wirtschaftlichen und sozialen Gründen erforderlich ist". Dieses Schlichtungswesen steht übrigens heute im Brennpunkt des öffent­ lichen Interesses. Es kann kein Zweifel sein, daß es neben segensreicheil auch nachteilige Wirkungen hervorgerufen hat. Tas Verantwortungs­ gefühl ist erheblich geschwächt worden. Man stellt möglichst hohe Forde­ rungen, unbekümmert, ob sie wirklich für den anderen Teil noch „tragbar" sind, nur in der Hoffnung, bei der staatlichen Einmischung möglichst gilt abzuschneiden. Das rührt gleichzeitig an die tiefsten Gründe solcher Regelungen: man will dem Egoismus wehren, stachelt ihn aber gerade auch durch die Schaffung derartiger irregulärer Einrichtungen an ein letzten Endes unlösliches Problem. Würden alle einzelnen Arbeits­ verträge oder alle Tarifverträge beiderseits mit einem gerade noch er­ träglichen Maß von Egoismus abgeschlossen, brauchte man keinen staat lichen Eingriff. Das gewöhnliche Schuldrecht würde genügen.

III. Die kulturelle Bedeutung des Schuldrechts. Die Art und Weise, wie das Schuldrecht gehandhabt wird, beeinflußt neben der Wirtschaft auch die Kultur. Das zeigt sich in der Richtung der Politik, der Sittlichkeit, des sozialen Wesens. a) Auslösung politischer Werte. Das Schuldrecht dient dem Verkehr. Der Verkehr bleibt nicht auf das Inland beschränkt, sondern überschreitet die Grenzen. «Darum ist die Art und Weise, wie das Schuldrecht bei einem Volke gehandhabt wird, bedeutsam für seine Stellung gegenüber dem Ausland, also für die Außenpolitik. Ein gefestigtes Schuldrecht hebt das Ansehen, ein von Fäulnis durchsetztes erschüttert das Ansehen. Mangelnder Rechtsschutz für die Fremden, die der Verkehr ins Land geführt hat, schreckt ab, Gewißheit, daß der Nachbarstaat die „Obligationen" achtet und rechtlich sichert, zieht an. Deshalb ist auch für die „Handelsbilanz" eines Volkes die Güte und Reichhaltigkeit seines Schuldrechts mitbestimmend. Umgekehrt kann eine Stockung oder böswillige Hemmung im Abwickeln schwebender Schuldverhältnisse diplomatische Verwickelungen hervorrufen. — Ein historisches Beispiel bietet die Zeit des Währungsverfalles, oder, wie man es auch nannte, der Aufwertung (etwa 1920 bis 1925). So wie der Deutsche im Inland seine Schulden aus Kauf oder Darlehen oder sonst einem Schuldverhältnis mit immer wertloser werdendem Papiergeld bezahlte, so auch den ausländischen Geschäftspartnern gegen über. Das fand bei diesen naturgemäß kein Verständnis. Es bildeten sich „Schutzverbände", die Erregung wuchs, die ausländischen Staaten schritten zu diplomatischen Vorstellungen. Dadurch wurde nicht nur die deutsche Wirtschaft, sondern auch das Ansehen des deutschen Namens, gewiß ein hoher kultureller Wert, geschädigt. Inzwischen sind diese Dinge durch die Tatkraft der deutschen Nation überwunden worden.

Dazu tritt die vielseitige Bedeutung für die Innenpolitik. Wirtschaftliche Regsamkeit schafft Nationalreichtum, ohne brauchbares Schuldrecht ist aber wirtschaftliche Regsamkeit nicht möglich. Gesundes Wohnungswesen ist eine wichtige nationale Frage,

§ 2 III b. Sittliche Ausgaben des Schuldrechts.

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den Rahmen dafür setzt (mindestens teilweise) das Schuldrecht mit seinem Typus Miete. Breite Teile der Agrarverhältnisse wurzeln in dem Rechtsinstitut der Pacht. An den im Schuldrecht wurzelnden Figuren für die Anlage des Privatkapitals kann die Finanzpolitik nicht vorübergehen. Und bei der Regelung des Arbeitsvertrages wird das ganze große Gebiet der Sozialpolitik lebendig (darüber noch unter c). Im allgemeinen ist im heutigen Schuldrecht auf die politische Seite zu wenig Rücksicht genommen. Es ist Aufgabe der Zukunft, diese Seite mehr in den Vordergrund zu rücken.

b) Auslösung sittlicher Werte. Der Verkehr zeitigt Rücksichts­ losigkeiten. Der Egoismus in seiner grundlegenden Bedeutung ist im vorangehenden geschildert worden. Soll hier das Schuld­ recht den Dingen steten Lauf lassen oder regulierend eingreifen und^dadurch eine höhere sittliche Note in den geschäftlichen Ver­ kehr hineinbringen? Die Entscheidung ist unbedingt im letzteren Sinne zu treffen. Wir berührten das schon, als wir von den Mietseinigungsämtern und den Schlichtungsbehörden sprachen (S. 9). In der Tat kann kein Schuldrecht der Welt auskommen, ohne nicht im gegebenen Augenblick den sittlichen Appell an Gläubiger und Schuldner heranzutragen. Nur über das Maß des Eingreifens läßt sich streiten. Ein gutes Beispiel gibt die Geschichte des 19. Jahrhunderts. Hier drang unter dem Druck einer bekannten nationalökonomischen Theorie und Lebensanschaunng (wirtschaftlicher Liberalismus, Freihandelslehre) auch in das Schuldrecht die Meinung ein, es sei am besten, dem Spiel der Kräfte möglichst freien Lauf zu lassen (Laisser faire, laisser aller). Die Rücksichtslosigkeit konnte sich breitmachen. Das beflügelte zwar d>en Verkehr, hob aber vielfach unsaubere Elemente in die Höhe. Daher k.am es in den achtziger Jahren zu einem Rückschlag (Wuchergesetze), und auch das BGB. läßt die rückläufige Bewegung noch deutlich erkennen. Wgl. § 138. Geradezu unerträglich wurde das wucherische Treiben in der späteren Kriegs- und in der Nachkriegszeit. Die Gesetzgebung hat Huer in unzähligen Verordnungen einen verzweifelten Kampf gegen die „.Preistreiberei" und ähnliche Erscheinungen geführt. Gewiß leitete sie dabei in erster Linie das Bestreben, die Wirtschaft vor dem Zusammendruch zu bewahren, aber daneben galt es, dem tiefen Verfall der Moral emtgegenzutreten und die Bevölkerung langsam wieder an einen höheren (Grad von Sittlichkeit zu gewöhnen.

Bei solchem Kampf gegen die Sittenlosigkeit im Geschäftslebem kommen dem bürgerlichen Recht andere Rechtsgebiete zu Hilfe:. In erster Linie das Strafrecht. Es ahndet den Betrug und andere Verfehlungen. Daneben das Verwaltungsrecht, das viele Teile des Geschäftslebens unter ständiger Kontrolle hält.

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§ 2 IIIc. Soziale Aufgaben des Scbuldrechts.

Man muß sich diese durchlaufende Ergänzung aus anderen Rechtsgebieten gegenwärtig halten, wenn man das Funktionieren des Schuldrechts im wirklichen Leben richtig abschätzen will. c) Auslösung „sozialer" Werte. Die Schichtung der Be­ völkerung in Besitzende und Besitzlose, mit all den unbestimmt baren Zwischenstufen zwischen den äußersten Extremen des ganz Reichen und des ganz Armen, wird bis zu einem gewissen Grade vom Schuldrecht getragen und geschützt. Wäre das Schuldrecht nicht, so hätte der Kapitalist das Beste von seiner Macht verloren. Insbesondere wird das sog. „arbeitslose Einkommen" in der Hauptsache durch das Dasein und die Durchführung eines Schuldrechts gewährleistet. Der Bargeldkapitalist, der die Hände in den Schoß legen kann, sein Geld auf Zinsen ausleiht (in Wertpapieren „anlegt") und sich dadurch ohne Arbeit eine laufende Rente sichert, verdankt das sichere funktionieren dieses wirtschaftlichen Vorgangs dem Dasein entsprechender Schuldrechtstypen (vgl. §§ 607ff.: Darlehen, §§ 793ff.: Schuldver­ schreibung auf den Inhaber, und sehr vieles aus dem ergänzenden Handelsund Wechselrecht). Der Häuserkapitalist verdankt seine Rente dem Dasein eines rechtlich gefestigten Mietsverhältnisses. Ter Fabrikherr stützt sich nicht minder bei seinen über bloße Arbeitsentlohnung hinausgehenden Einnahmen auf den schuldrechtlichen Schutz.

Verschärfend wirkt der freilich unentbehrliche, weil urwüchsige Grundsatz der Vertragsfreiheit (oben S. 7). Denn danach lmt es der stärkere Teil, und das wird meistens der sozial besser gestellte sein, in der Hand, die Schuldverhältnisse (Kaufverträge, Arbeitsverträge usw.) so zu gestalten, wie es zu feinen Zielen am besten paßt, und insbesondere kann er mittels einer einmal durch­ gekämpften günstigen Abfassung jener Normativbedinguugen (S. 8) sogleich eine Wirkung ins Tausendfache erzielen. Aber das Schuldrecht ist nicht bei der bloßen Hinnahme und Anerkennung der sozialen Unterschiede stehen geblieben, sondern es hat Bedacht darauf genommen, einer Überspannung entgegenzuwirkcn. Tarin liegt dann eine Auslösung sozialer Werte. Dieses Bestreben äußert sich einmal in Einzelbcstimmungen, die durch das ganze Schuldrecht des BGB. verstreut liegen. Es kommen aber auch große allgemeingültige Regeln des BGB. zur Anwendung, so vor allem die §§ 138, 826 (unten § 70 Zisf. IV), 242 (unten §8 Zifs. V). Sie bekämpfen die Verstöße gegen die guten Sitten, gehören also zunächst unter b, haben sich aber gerade auch zur Regulierung des sozialen Kampfes als äußerst dienlich erwiesen. Als Beispiel einer Einzelbestimmnng § 247: „Ist ein höherer Zinssatz als sechs vom Hundert für das Jahr vereinbart, so kann der

§2 Illd.

Der humane Zug im Schuldrecht.

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Shuldner nach dem Ablauf von sechs Monaten das Kapital unter Einhcltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten kündigen". Es ist alo ein Zinsennehmen über sechs vom Hundert durchaus nicht schlechthin verboten. Aber der Schuldner soll nicht auf Jahre hinaus an einen so hrhen Zinssatz gebunden sein. Er bekommt einseitig (nicht auch der Gläubiger!) ein Kündigungsrecht und kann es ausnützen, sobald er an arderer Stelle billigeres Geld bekommt. Diese Bestimmung ist allerdings gegenwärtig durch ein besonderes Gesetz (vom 3. März 1923) außer K:aft gesetzt, weil sich die Zinssätze z. Z. ganz allgemein in ungesunder H)he bewegen. Sobald aber normale Verhältnisse zurückgekehrt, der normale Zinssatz also wieder auf etwa 4 v. H. (vgl. § 246) zurückgegangen sein wird, wird auch diese soziale Regel des § 247 wieder in Kraft gesetzt lverden. — Vgl. auch § 624 (keine Festlegung der Arbeitskraft über 5Jahre hinaus). Weitere Beispiele: das Mietskündigungsrecht bei Gesundheitsgefährdung (unten im § 40, S. 264 a. E.), der „soziale Schutz" beim Dienstvertrag (unten § 51 IIIc), die Zusprechung eines Schadensersatzanspruchs an den Armen gegenüber dem Reichen im §829 (unten S. 440 Ziff. 3).

Vor allem aber ist ausschlaggebend, daß auch hier wieder wie bei b) andere Rechtsgebiete, namentlich das Gewerberecht und das Strafrecht, ergänzend hinzutreten. Ihre Bestimmungen wirken in das bürgerliche Schuldrecht aufs stärkste hinein, mindestens indem sie jenen Grundsatz der Vertragsfreiheit einschnüren und ein Mindestmaß sozialer RLicksichtnahme erzwingen. Man kann z. B. das heutige Arbeitsrecht gar nicht auf seinen sittlichen Gehalt würdigen, wenn man nicht die unzähligen Ergänzungen aus dem „öffentlichen" Recht hinzunimmt (unten § 50 II und III). Eben­ sowenig ist das sozial besonders wichtige Recht der „unerlaubten Handlungen" aus sich allein verständlich (vgl. namentlich unten §70 Ziff. III: Schutzgesetze).

d) Insbesondere der humane Zug im heutigen Schuldrecht. Schon im BGB. selbst begegnen vereinzelte Bestimmungen die aus dem „humanen" Zug unserer Zeit entsprungen sind und darauf hinausgehen, einen Schuldner, trotzdem er echter Schuldner ist, also voll und ganz bezahlen müßte, milder zu behandeln. Vgl. z. B. § 343, der den Fall behandelt, da ein Schuldner sich für Unpünktlichkeit der Lieferung oder ähnliche Verstöße von vornherein einer Strafe (einer sog. Vertragsstrafe) unterworfen hat: „Ist eine verluirfte Strafe unverhältnismäßig hoch, so kann sie auf Antrag des Schuld­ ners auf den angemessenen Betrag herabgesetzt werden." — Über sog. Moratorien zugunsten des Schuldners vgl. unten §18 IV b 4.

Vor allem fällt die Milde des Bollstreckungsrechts bedeutend ins Gewicht. Das Vollstreckungsrecht gehört zwar der Systematik nach nicht ins Schuldrecht hinein, bildet vielmehr einen Teil des Prozeßrechts (Grundriß „Einführung" § 33 V e); aber für das prak­ tische Leben gehört es mit dem Schuldrecht zusammen. Alles Schuld-

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§ 2 Illd. Schuldrecht und Existenzminimum.

recht nützt dem Gläubiger nichts, wenn nicht dahinter die Vollstreckungsrnöglichkeit (Gerichtsvollzieher) steht. Es ist nun das heutige Vollstreckungsrecht sehr human gestaltet und ganz auf den Ton gestimmt, daß dem Schuldner keinesfalls sein Existenzminimum genommen werden darf. Ein langer Katalog „unpfändbarer" Sachen (ZPO. §§ 811, 850) führt denn auch tatsächlich dazu, daß eine überraschend große Zahl von Pfändungen „fruchtlos" verlaufen, so daß der Gläubiger das Nachsehen hat, ein besonders kennzeichnender Zug der neueren Rechtsentwicklung. Das läßt sich nur verstehen im Vergleich mit früheren Zeiten. In ältester Zeit verfiel der Schuldner, der nicht zahlen konnte, mit Haut und Haar seinem Gläubiger: der Gläubiger konnte ihn als Sklaven verkaufen, wohl auch töten (das berüchtigte „partes secanto“ des vor­ geschichtlichen römischen Rechts). Später, als die Sklaverei überwunden war, blieb doch die Schuldknechtschaft: der Schuldner, der nicht zahlte, wurde in den Schuldturm geworfen. Reste davon bestanden bis ins 19. Jahrhundert hinein. Erst das Bundesgesetz vom 29. Mai 1868 hob sie auf: „Der Personalarrest ist als Exekutionsmittel in bürgerliches! Rechtssachen insoweit nicht mehr statthaft, als dadurch die Zahlung einer Geldsumme oder die Leistung einer Quantität vertretbarer Sachen ober Wertpapiere erzwungen werden soll". Doch blieb auch über diese Zeit hinaus noch der sog. Sicherungsarrest erhalten, der „die gefährdete Exekution in das Vermögen des Schuldners" sichern, namentlich dao Beiseitebringen von Vermögensstücken unterbinden sollte. Dieses letzte Mittel persönlichen Vorgehens gegen den Schuldner ist erst durch das Einführungsgesetz zur Zivilprozeßordnung (EGZPO.) im Jahre 1877 beseitigt worden. Seitdem haftet der Schuldner nur noch mit seinem Vermögen, aber auch dies nur in den oben schon erwähnten Grenzen. Wenn z. B. ein leichtsinniger Familienvater an den verschiedensten Stellen Schulden gemacht hat, etwa im Wirtshaus oder, indem er Bekannte auf der Rennbahn anborgte, um am Totalisator zu wetten, so können seine Gläubiger zwar eine „Vollstreckung" bei ihm versuchen, aber sie dürfen u. a. nicht wegnehmen „die Kleidungsstücke, die Betten, die Wäsche, das Haus- und Küchengerät, insbesondere die Heiz- und Kochöfen, soweit diese Gegenstände für den Bedarf des Schuldners oder zur Erhaltung eines angemessenen Hausstandes unentbehrlich sind", auch nicht „die für den Schuldner, seine Familie und sein Gesinde auf vier Wochen erforder­ lichen Nahrungs-, Feuerungs- und Beleuchtungsmittel oder, soweit solche Vorräte auf zwei Wochen nicht vorhanden und ihre Beschaffung für diesen Zeitraum auf anderem Wege nicht gesichert ist, den zur Be­ schaffung erforderlichen Geldbetrag", usw. Ein Kapitel für sich bildet die Lohnbeschlagnahme. Zum Ver­ mögen des Schuldners gehören auch seine außenstehenden Forderungen, also z. B. die Forderung des Generaldirektors eines industriellen Unter­ nehmens auf sein „Gehalt". Diese Forderung können seine Gläubiger, wenn er z. B. durch mißglückte Spekulationen in Zahlungsschwierigkeiten geraten ist, pfänden lassen. Dann wird das Gehalt am Fälligkeitstage nicht ihm, sondern seinen Gläubigern ausgeantwortet. Auch diese Lohn­ beschlagnahme muß jedoch vor dem Existenzminimum Haltmachen.

§ 31. Juristische Gestalt des Schuldrechts.

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Darum wird die Lohnforderung eines einfachen Fabrikarbeiters meistens unpfändbar sein. Das ist in besonderen Gesetzen, dem Lohnbeschlagnahme­ gesetz vom 21. Juni 1869 und der Lohnpfändungsverordnung vom 25. Juni 1919 (beide durch eine Reihe von Novellen umgestaltet), geregelt worden. Heute ist der Ausgangspunkt folgender Satz: „Der Arbeits­ und Dienstlohn ist bis zur Summe von 30 Reichsmark für die Woche und, soweit er diesen Betrag übersteigt, zu einem Drittel des Mehrbetrags der Pfändung nicht unterworfen." Dieses Kapitel von dem beschlag­ nahmefreien Lohnanteil ist zugleich ein anschauliches Beispiel für die Gefährlichkeit, die solche sozialen Schutzbestimmungen in ethischer Hinsicht haben können. Sie schwächen nicht nur (ähnlich wie die staatliche Hilfe bei der Verbindlicherklärung von Lohnschiedssprüchen, oben S. 9) das Verantwortungsgefühl des Schuldners ab, sondern verlocken auch zu Umgehungen. Eine- Zeitlang war es bei kaufmännischen An­ gestelltenbeliebt, sog. Fünfzehnhundertmark-Verträge abzuschließen. Man verstand darunter Anstellungsverträge, in denen dem Angestellten selbst nur ein Lohn von 1500 Mk., dagegen seiner Ehefrau (oder einem anderen Angehörigen) ein weiterer Betrag, eben der Überstieg, zugesagt wurde. Es handelte sich um eine offenbare Umgehung der Grund­ gedanken des Vollstreckungsrechts. In der Judikatur und Lite­ ratur waren die Meinungen geteilt, es kam zu leidenschaftlichem Kampf. Das Reichsgericht hat sich auf die Seite der Schuldner gestellt (die Gläubiger hätten „keinen von der Rechtsordnung anerkannten An­ spruch darauf, daß der Schuldner seine Arbeitskraft zu ihren Gunsten in einer Weise verwerte, die es ihnen ermöglicht, zum Zwecke ihrer Befriedigung auf das, was sich als Gegenleistung darstellt, Zugriff zu nehmen") und hat damit der „humanen" Richtung Rechnung getragen. Von anderer Seite sind die verschiedensten Versuche gemacht worden, solche Verträge zu unterbinden, geradezu ein Schulbeispiel für die juristische Dogmatik etwa im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts: die einen meinten, es handle sich um ein Scheingeschäft, das nach § 117 BGB. nichtig sei; andere nahmen Sittenwidrigkeit und deshalb Nichtigkeit nach § 138 an; wieder andere zogen den § 826 heran, um so zu einer Schadensersatzverpflichtung insbesondere auch des mitwirkenden Prinzipals zu gelangen; schließlich hat man auch eine Anfechtung nach dem sog. Anfechtungsgesetz (vom 21. Juli 1879) in Vorschlag ge­ bracht. Das richtigste ist, den „abgeschobenen" Anteil kurzerhand dem Gehalt hinzuzurechnen und die Pfändung in den dem Schuldner ver­ bliebenen Anspruch auf die 1500 Mk. insoweit zu erschließen, daß ihm im ganzen 1500 Mk. verbleiben, und dies — ohne besondere „Kon­ struktion" — aus dem Grundgedanken des Gesetzes abzuleiten.

§ 3. Die juristische Gestalt des Schuldrechts. § 3. I. Verhältnis zum Sachen-, Familien- und Erbrecht. Im römisch-gemeinen Recht hatte sich nach dem Vorbild der Institutionen des Gajus eine oberste Dreiteilung des Privatrechtstoffes in das ins quod pertinet ad personas, das ius quod pertinet ad res und das ins quod pertinet ad actiones eingebürgert. Im Allgemeinen Teil des BGB. ist diese Dreiteilung in verkümmerter Form noch

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§31. Verhältnis von Schuldrecht und Sachenrecht.

erkennbar (Personen, Sachen, Rechtsgeschäft). Daneben hat dann die Pandektendoktrin des 19. Jahrhunderts die vier selbständigen Teile des Schuld-, Sachen-, Familien- und Erbrechts gestellt, und das BGB. hat daraus die vier Bücher gemacht, die dem Allgemeinen Teil nachfolgen. Will man diese vier Bücher begrifflich voneinander abscheiden, so taucht von neuem jene alte Dreiteilung auf. Tenn alle vier Bücher handeln von Personen, von Sachen und von der rechtlichen Ver­ knüpfung beider, und gerade die Art, wie diese drei Grundelemenle gemischt werden, unterscheidet die Bücher voneinander und gibt ihnen das Kennzeichen. a) Das Schuldrecht besteht in einer Bindung von Person zu Person (dadurch unterscheidet es sich vom Sachenrecht), und zwar aus dem Boden der Gleichberechtigung (dadurch unterscheidet es sich vom Familienpersonenrecht). Das Gesetz drückt das, im ersten Satz des Rechts der Schuldverhältnisse, mit den Worten aus: „Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern" (§ 241). Wenn z. B. A von B ein Buch kaust, so darf man, um die schuld rechtliche Seite dieses Lebensbildes zu ersassen, noch nicht an das Buch und den Übergang des Eigentums denken. Ins Schuldrecht (Typus Kauf) gehört vielmehr nur die Bindung der beiden Personen an ein­ ander, also der Gedanke, daß B dem A liefern, und daß A den B dasür bezahlen muß. Dabei stehen sich von Rechts wegen beide Beteiligte durchaus gleichwertig gegenüber, mag auch der eine wirtschaftlich oder geistig überlegen sein.

b) Das Sachenrecht besteht in der Bindung einer Sache an die Person; seiner Natur nach kann es sich dabei nur um ein Verhältnis der Überordnung handeln (Herrschaftsverhältnis), denn die Person kann niemals auf den gleichen Stand wie die Sache hinabgedrückt werden. Tas Eigentum, die üernfigur des Sachenrechts, ist ohne eine Sache nicht denkbar. Auch nicht ohne eine Person. Wohl aber ist die Beziehung zu der sonstigen Personenwelt gleichgültig. Wenn daher der B dem A (in Verfolg des selbständig nebenher laufenden Schuldverhältnisses) das Eigentum an dem Buche überträgt, so gehört ihre wechselseitige persönliche Bindung nicht ins Sachenrecht hinein, sondern nur die zwei Vorstellungen, daß bis zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Herr­ schaftsbeziehung zwischen dem B und einer Sache (Eigentum am Buche) bestanden hat und von diesem Zeitpunkt an eine neue solche Beziehung zwischen dem A und der Sache besteht.

Den Gegensatz zwischen Schuldrecht und Sachenrecht heraus­ gearbeitet zu haben, ist ein Verdienst der römischen Juristen. Sie schnitten ihre Prozeßformeln mit aller Schärfe darauf zu. Wurde

§31. Verhältnis zum Familien- und Erbrecht.

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aus einem Kaufe geklagt, so richtete sich die „Formel" auf die Person des Schuldners, wurde dagegen aus Eigentum geklagt, z. B. gegen den Dieb, so richtete sich die Formel auf die gestohlene Sache als das Objekt des Eigentums (vgl. Grundriß „Einführung" § 19 Ilb 3). Das ist heute in unserem zwangloseren Prozeßverfahren verloren­ gegangen, wir haben keine solchen „konzentrierten" Formeln mehr. Aber der Gegensatz ist immer noch von größter Bedeutung. Als Musterbeispiel kann der Konkurs dienen: wer sich nur auf „Schuld­ recht" stützen kann, steht viel schwächer da, wie der, der auf „Sachen­ recht" fußt. Wenn der „Gemeinschuldner" (das ist der Mann, der in Konkurs geraten ist) 1. sich von A 1000 Mk. geborgt, 2. dem B ein Reitpferd für 2000 Mk. verkauft, 3. von dem C sich dessen Auto geliehen hatte, so können sich A und B nur auf Schuldrecht stützen, A als „Darleiher" nach § 607, B als „Käufer" nach § 433. C dagegen stützt sich, da es „sein" Auto war, auf „Eigentum" nach §985. C hat deshalb ein sog. Aussonderungs­ recht, d. h. er kann sein Auto voll und ganz aus der Konkursmasse heraus­ ziehen. A und B dagegen teilen mit den anderen gewöhnlichen Gläubigern des Gemeinschuldners das Schicksal, daß, was übrig bleibt, unter sie verteilt wird (sog. Konkursdividende). Wenn z. B. die „Masse" nur eine Dividende von 17 v. H. abwirft, kann A nur 170 Mk., B nur 340 Mk. verlangen. Ganz anders wäre es, wenn etwa das Eigentum an dem Reitpferd schon auf den Käufer B übergegangen wäre (er hat es z. B. gegen „Pension" bei dem Gemeinschuldner für ein paar Wochen, bis Zur Vollendung des Baues seines eigenen Stalles, noch stehen lassen; vgl. §§ 930 und 868), denn dann könnte er, gleich dem C, Aussonderung beanspruchen. Aber dann stützt er sich eben nicht mehr auf bloßes Schuldrecht (Buch II), sondern auf inzwischen (nach den Vorschriften des Buches III) erworbenes Sachenrecht.

c) Das Familienrecht (oder Personenherrschaftsrecht) be­ steht in einer Bindung von Person zu Person, aber unter Ein­ mischung eines gewissen Maßes von Überordnung. Vater und Kind verkehren nicht auf dem Boden blanker Gleich­ berechtigung. Das Kind kann geradezu als Rechtsobjekt erscheinen, wenn der Vater mit einem anderen darum prozessiert (§1632). Selbst im Eherecht erscheint noch immer, trotz aller Hebung der Frauen im 19. und 20. Jahrhundert, der Mann als Haupt des Hauses (vgl. § 1354). Darum lassen sich die familienrechtlichen Beziehungen nicht im Schuldrecht unterbringen. Und um des Zusammenhanges willen ist dann auch das Familiengüterrecht, trotzdem es stark nach der schuld-(und fachen-) rechtlichen Seite schlägt, im IV. Buche festgehalten worden (vgl. bereits S. 7 Ziff.2).

d) Das Erbrecht besteht in einer Mischung familien-, schuldund sachenrechtlicher Elemente. Dabei überwiegt sowohl in der geschichtlichen Entwicklung wie im dogmatischen Unterbau der familienrechtliche Anteil. Hede mann, Das Schuldrecht. 2. Aufl.

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§ 3II. Schuldrecht außerhalb des II. Buches. Typisch schuldrechtlich ist z. B. die Figur des Vermächtnisses aufgefaßt. Wem ein Buch „vermacht" worden ist, hat damit zunächst noch keine sachenrechtliche Stellung (etwa Eigentum), vielmehr wird nach § 2174 „für den Bedachten nur das Recht begründet, von dem Beschwerten die Leistung des vermachten Gegenstandes zu fordern", und dies ist, wie die bewußte Anlehnung an die im § 241 niedergelegte Definition des Schuldverhältnisses zeigt, eine schuldrechtliche Stellung.

II. Schuldrecht außerhalb des II. Buchs. Die Aufgabe des Schuldrechts, alle diejenigen Rechtsverhältnisse zu erfassen, bei denen eine Bindung von Person zu Person auf dem Boden der Gleichberechtigung erzielt werden soll, hat sich nicht restlos innerhalb des II. Buchs lösen lassen. 1. Bedeutender schuldrechtlicher Stoff findet sich außerhalb des BGB. in anderen Reichsgesetzen. Insbesondere ist das Handels­ gesetzbuch (HGB.) erfüllt von schuldrechtlichen Beziehungen, worauf schon hingewiesen worden ist (S. 2 III). Die kleineren Neben­ gesetze des Handelsrechts treten hinzu, so die Wechselordnung, das Scheckgesetz, das Gesetz betr. die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, das Genossenschaftsgesetz usw. In der Gesamtmasse dieses Stoffes hat das BGB. eine führende Stellung. Geschichtlich freilich ist ihm die Kodifikation des Handels­ rechts vorausgegangen, und das BGB. hat manchen seiner Sätze (z. B. die §§ 494, 719, 269—272) kurzerhand aus dem alten HGB. übernommen. Aber vom dogmatischen Standpunkt bildet heute, wie erwähnt, das Schuld­ recht des BGB. den festen Untergrund auch für die schuldrechtlichen Partien des HGB. und seiner Begleitgesetze.

2. Dazu treten die landesrechtlichen Vorbehalte, die aller­ dings im schuldrechtlichen Bereich bei weitem nicht so ausgedehnt sind wie etwa auf sachenrechtlichem Gebiet. Mehrere Stoffe, die beim Inkrafttreten des BGB., also am 1.1.1900, noch dem Landesrecht überlassen waren, z. B. Verlagsrecht (EG. Art. 76) und Versicherungsrecht (Art. 75), sind inzwischen vom Reich in Sonder­ gesetzen erfaßt worden (Verlagsgesetz von 1901, Versicherungsvertrags­ gesetz von 1908). Bei dem zunächst dem Landesrecht überlassenen Gesinde­ recht waren von Anfang an wenigstens gewisse reichsrechtliche Be­ stimmungen des BGB. dem Landesrecht vorgesetzt (EG. 95.) Inzwischen (Novembererlaß 1908) ist auch diese ganze Materie dem allgemeinen reichsrechtlichen Arbeitsrecht unterstellt worden.

3. Aber auch innerhalb des BGB. selbst ist es zu keiner ganz reinen Ordnung des Stoffes nach jenen begrifflichen Gesichts­ punkten der Ziffer I gekommen. Mehrere schuldrechtliche Be­ ziehungen sind anderwärts untergebracht worden. Für das Erbrecht als ein Mischgebilde verstand sich das von selbst. Im übrigen waren Gründe des Zusammenhangs entscheidend.

§ 3III. Schuldrecht und Allgemeiner Teil.

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Das persönliche Verhältnis zwischen dem Nießbraucher und dem Eigentümer ist seinem Wesen nach schuldrechtlich. Das hatte man schon früher erkannt. Im BGB. deckt ein Vergleich der §§ 1050 und 1053 mit den unzweifelhaft schuldrechtlichen Schwesterbestimmungen aus dem Mietsrecht §§ 548 und 550 die Lage klar auf. Aber man wollte nicht aus der im übrigen sachenrechtlichen Materie des Nießbrauchs die per­ sönliche Seite nur um einer begrifflichen Scheidung willen herausreißen.

III. Die Überordnung der allgemeinen Lehren. Daß das I. Buch des BGB. dem Schuldrecht übergeordnet ist, ergibt sich aus seiner Natur. Es war gerade die Aufgabe dieses viel um­ strittenen „Allgemeinen Teils", diejenigen Rechtsgedanken zu sammeln, die' Allgemeingültigkeit für die mehreren Sondergebiete bekommen sollten. Wenn z. B. im § 145 die bindende Kraft des Antrags aus­ gesprochen ist, so gilt das natürlich u. a. für jedes Kauf- oder Verkaufs­ angebot der §§ 433ff. Und wenn in den §§ 158ff. das Rechtsinstitut der Bedingung geregelt ist, so würden diese Bestimmungen leblos auf dem Papier stehen bleiben, wenn sie nicht im Rahmen besonderer Rechts­ verhältnisse, z. B. des schuldrechtlichen Verhältnisses der Schenkung usw., lebendig würden.

Doch ist die Überordnung keine mechanische. Wenn sich für die Schuldverhältnisse oder einen einzelnen Schuldrechtstypus etwas besonderes empfahl, dann hat der Gesetzgeber etwas be­ sonderes bestimmt, und insofern scheidet dann der Allgemeine Teil aus. Wenn z. B. in § 195 die allgemeine Verjährungsfrist auf 30 Jahre angesetzt ist, so gilt das zunächst auch für den Bereich der Schuldverhältnisse. So verjährt der Anspruch auf Rückzahlung geborgten Geldes (Darlehn, §§ 607ff.) erst nach dieser langen Reihe von Jahren. Aber für das Recht der unerlaubten Handlungen schien eine raschere Verjährung angebracht; darum sind in § 852 drei Jahre angesetzt worden, und damit ist selbst­ verständlich insoweit § 195 ausgeschaltet.

Eine ganz neue und interessante Note kommt nun aber dadurch in das Gesamtbild des BGB., daß das Schuldrecht selbst seine „allgemeinen Lehren" hat (vgl. oben S. 1 Ziff. II). Daß diese den nachfolgenden Schuldrechtstypen übergeordnet sind, ist wiederum eine Selbstverständlichkeit. Aber weit schwieriger ist die Frage, ob sie auch den nachfolgenden Büchern, dem Sachen-, Familienund Erbrecht übergeordnet sind. Man könnte versucht sein, dies kurzerhand mit der Begründung abzulehnen: wenn ihre Wirkung als so weitreichend gedacht worden wäre, so hätte man sie eben mit in das I. Buch gezogen und nicht erst im Schuldrecht, also einem „besonderen Teil" untergebracht. Aber die Lebensverhältnisse sind stärker als diese Überlegung. In den allgemeinen Lehren des Schuld2*

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§ 3 IV. Allmähliche Veränderung des Schuldrechts.

rechts birgt sich ein so bedeutender geistiger Wert, daß man ihn auch für die anderen Teilgebiete des bürgerlichen Rechts möglichst fruchtbar machen muß. Tas schwebte auch bereits den Verfassern des Gesetzbuchs vor. Die Motive, die dem I. Entwurf des BGB. beigegeben wurden, äußerten sich (Band II S. 4) folgendermaßen: „Die allgemeinen Rechts­ normen des II. Buches gelten im allgemeinen für diejenigen Obligationen, welche in sachenrechtlichen, erbrechtlichen Verhältnissen entspringen und im Sachenrecht, Familienrecht und Erbrecht geregelt sind. sDamit ist z. B. die ihrem Wesen nach schuldrechtliche, oben Zisf. II a. E. erwähnte Be­ ziehung zwischen Nießbraucher und Eigentümer getroffen.] Sie finden aber auch im allgemeinen Anwendung auf solche Ansprüche auf eine Leistung, welche lediglich auf einem dinglichen Recht beruhen und einem dinglich Berechtigten als solchem zustehen."

Seitdem hat sich der Gedanke, daß die allgemeinen Lehren des Schuldrechts, etwa die Bestimmungen über Verzug (§§ 284ff.)z über Rücktritt (§§ 346ff.), über das Zurückhaltungsrecht (§§ 273 f.), auch im güterrechtlichen Verkehr der Ehegatten (also einer Materie des IV. Buchs) gelten oder etwa für einen Vertrag, der zwischen Miterben über die Verwaltung des vorläufig noch ungeteilten Erbvermögens zustande gekommen ist (§ 2038 im V. Buch), durchaus eingebürgert. Indessen sind die Grenzen einer solchen Überpflanzung noch un­ bestimmt, namentlich, wenn es sich nicht um bloße schuldrechtliche „Ein sprengungen" in den anderen Büchern (wie bei dem persönlichen Verhältnis zwischen Nießbraucher und Eigentümer) handelt, sondern um Rechtslagen, die ihrem Wesen nach nicht schuldrechtlich sind. Zurzeit befinden wir uns noch im Stadium der Versuche. Erst allmählich, im Lause von Jahr­ zehnten, werden die Richtlinien für eine solche Fernwirkung der all gemeinen Lehren des Schuldrechts klarer hervortreten.

IV. Allmähliche Wandlung der Gestalt des Tas Schuldrecht ist, wie das ganze Bürgerliche Gesetzbllch, indi­ vidualistisch ausgefaßt. Es geht an allen Stellen von dem einzelnen Gläubiger und dem einzelnen Schuldner, z. B. dem einzelnen Käufer und dem einzelnen Verkäufer, dem einzelnen „zur Dienstleistung Verpflichteten" (§ 613), dem einzelnen „Tierhalter" (§ 833) usw., aus und überläßt diesen Einzelnen die Regelung ihrer Beziehungen nach Gutdünken (S. 7 c). Darin sind, wie teilweise schon erwähnt, Änderungen eingetreten. Es fragt sich, ob dadurch die Struktur des Schuldrechts, die oben festgestellte „Bindung von Person zu Person", geändert wird oder gar stellenweise verloren geht. Das wäre der Fall, wenn mit der sozialistischen Ideologie ernst gemacht werden würde (und könnte). Tenn dann würde, wer

§ 3IV. Einfluß der Kriegszeit auf das Schuldrecht.

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z. B. sein Pferd beim Schmied beschlagen läßt (jetzt Werkvertrag, §§ 631 ff.), nicht bei einer beliebig ausgesuchten Privatperson, sondern bei dem staatlich (kollektivistisch) dafür bestellten „Funktionär" die gewünschte Leistung vollziehen lassen. Er würde nicht einen Ver­ trag schließen und Gläubiger auf das Beschlagen des Pferdes, Schuldner auf die „Entrichtung der vereinbarten Vergütung" (§ 631) werden, sondern er würde innerhalb der sozialisierten Wirtschaft von dem anderen (dem Schmied) Erfüllung seiner öffentlichrecht­ lichen Funktion verlangen, so wie er seinerseits die ihm obliegende Funktion,. etwa als Ackerbauer, ausübt und z. B. das ererntete Getreide an die Gemeinschaftsmühle abliefert. Davon sind wir weit entfernt. Immerhin haben Krieg und Umsturz (1918 bis etwa 1921) gezeigt, daß auf eine ziemlich weite Strecke Weges eine Gemeinschaftswirtschaft möglich und in gleichem Maße eine Zurückdrängung des Schuldrechts vorstellbar ist. Auch heute noch sind einige wichtige Erscheinungen lebendig, die der reinen Figur einer „Bindung von Person zu Person" Abbruch zu tun scheinen. Es ist aber überaus eindrucksvoll, daß alle diese Versuche schließlich doch immer wieder bei echten Schuldverhältnissen ein­ münden. a) In der Kriegszeit wurden vor allem die Lebensmittel und Rohstoffe in steigendem Umfange beschlagnahmt, dadurch dem freien Verkehr entzogen und nun wieder nach einem genau geregelten System unter die einzelnen Staatsbürger zur Verteilung gebracht. Man konnte nicht mehr beliebig Brot bei diesem oder jenem Bäcker kaufen, sondern man erhielt eine „Brotmarke", aufGrund deren man bei einem ganz bestimm­ ten Bäcker ein ganz bestimmtes Quantum Brot abheben durfte. So hieß es z.B. in der Bekanntmachung über Brotgetreide vom 29. Juni 1916, RGBl. S. 782 (die dann von Jahr zu Jahr in neuer Überarbeitung erschien): „Die Kommunalverbände haben den Verbrauch der Vorräte in ihrem Bezirke zu regeln, insbesondere die Verteilung von Mehl an Bäcker, Konditoren und Kleinhändler vorzunehmen" und: „Die Kommunal­ verbände haben durch Abgabe von Brotkarten eine Verkehrsregelung einzuführen, die den Verbrauch des einzelnen wirksam erfaßt." Trotzdem aber ist die äußere Form eines schuldrechtlichen Kaufvertrags fest gehalten worden: man schloß auf der Grundlage der Brotkarte mit seinem Bäcker einen Vertrag im Sinne der §§ 433ff. BGB. Man konnte auch nach geschlossenem Vertrage gegen den Bäcker auf Lieferung des betreffenden Brotquantums klagen, hatte auch die Mängelansprüche aus §§ 459ff. und war umgekehrt der gewöhnlichen zivilrechtlichen Klage auf Bezahlung des Kaufpreises ausgesetzt. — Eine ähnliche, merkwürdige Zwittereinrichtung schuf das Hilfsdienstgesetz vom 15. Dezember 1916. Es setzte mit einem klaren öffentlich rechtlichen Ton ein: „Jeder männliche Deutsche vom vollendeten siebzehnten bis zum vollendeten sechzigsten Lebensjahre ist, soweit er nicht zum Dienste in der bewaffneten Macht einberufen ist, zum vaterländischen Hilfsdienst während des Krieges

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§ 3 IV. Soziale Tendenzen im heutigen Scbuldrecht. verpflichtet." Wer daraufhin freiwillig in einen kriegswichtigen Betrieb einsprang, schloß unzweifelhaft einen echten privatrechtlichen Arbeits­ vertrag (unten § 51). Wer aber nicht freiwillig ging, wurde durch eigens eingesetzte Ausschüsse einem geeigneten Betriebe „zur Beschäftigung überwiesen". Kam dann auch noch ein „freier Arbeitsverttag" zustande? Man könnte zweifeln. Das amtliche Material hatte sich jedoch für Bejahung der Frage eingesetzt. Dabei haben politische Gründe mit­ gespielt. Man wollte eine vollständige Parallele zur (unzweifelhaft öffent­ lichrechtlichen) Wehrpflicht eben doch vermeiden. Man wollte bis zuletzt am Gedanken freier Arbeit der Hilfsdienstleistenden festhalten. Bor allem aber sollte der Weg des zivilprozessualen Austrags von Streitigkeiten offen­ bleiben, z. B. über den Lohn. Das wäre nicht möglich gewesen, wenn man das Verhältnis ganz ins öffentliche Recht hätte hinübergleiten lassen, b) Aus derheutigenZeitzwei Beispiele: 1. Das Krankenkassen­ wesen. Es bedeutet zweifellos einen Abstrich an Bewegungsfreiheit. Nach der Grundauffassung des BGB. sucht sich der einzelne Kranke ganz nach Gutdünken irgendeinen einzelnen Arzt und schließt mit ihm einen Werkvertrag nach § 631 ff. BGB. So ist es auch wirklich noch für den­ jenigen Teil der Bevölkerung, der nicht in das Netz der öffentlichrechtlichen Sozialversicherung (vgl. Grundriß „Einführung" § 21IV d) hinein­ gezogen worden ist. Der andere (größere) Teil ist dagegen gebunden, er ist auf die Ärzte angewiesen, die bei der betreffenden „Kasse" an­ geschlossen sind, und auch sonst hat sich dieses Verhältnis zwischen Arzt und Kranken von der zivilrechtlichen (schuldrechtlichen) Basis entfernt. — 2. Die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen. Bon den Tarifverträgen wurde bereits im vorhergehenden kurz gesprochen. Jeder Tarifvertrag nimmt schon viel von der individualistischen Grund­ auffassung des BGB. fort. Das steigert sich aber bei der sog. Allgemein­ verbindlicherklärung (die mit der „Verbindlicherklärung" von Schieds­ sprüchen, oben S. 9, nicht zu verwechseln ist). Beim gewöhnlichen Tarifvertrag bleibt immerhin noch die Vorstellung, daß jeder einzelne durch seine Organisation hindurch am Zustandekommen des Tarifvertrags mitgewirkt hat. Wenn sich also die Tariflöhne und andere Tarifverein­ barungen nun auch in seinen einzelnen „Dienstvertrag" hineinsetzen, so kann das noch als Ausfluß seines individualistischen Wollens betrachtet werden. Bei der Allgemeinverbindlicherklärung handelt es sich dagegen um folgendes. Ein Tarifvertrag ist innerhalb eines Bezirks zwischen dem Arbeitgeberverband des betteffenden Wirtschaftszweiges (Berufskreises) und der Gewerkschaft A geschlossen worden. Eine andere Organisation der Arbeitnehmer, die Gewerkschaft B, hat dagegen nicht mitgewirkt. Dann ist vorläufig der Tarifvertrag nur für die Angehörigen der Gewerk­ schaft A von Bedeutung. Nur sie können Rechte daraus herleiten, nur sie werden daraus verpflichtet, weil es eben ihre Organisation war, die den Tarifvertrag geschlossen hat. Nun kann aber der Reichsarbeitsminister solche Tarifverträge, „die für die Gestaltung der Arbeitsbedingungen des Berufskreises in dem Tarifgebiet überwiegende Bedeutung erlangt haben", für „allgemeinverbindlich" erklären. Und dann gelten sie, z. B. die in ihnen festgelegte Lohnhöhe, „automatisch" für alle Arbeitsverträge, die überhaupt innerhalb des Bezirkes in dem betteffenden Berufskreise ab­ geschlossen werden, mögen nun die Arbeitnehmer zur Gewerkschaft A oder zur Gewerkschaft B oder überhaupt zu keiner Gewerkschaft gehören

§4 1. Gegenstand des SchulSverhältnisses.

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(„Unorganisierte"). Das ist dann allerdings nicht mehr mit der Lehre des bürgerlichen Rechts vom freien Vertragsschluß vereinbar. Vielmehr werden dabei die Arbeitsbedingungen von oben her vorgeschrieben, d. h. gewaltsam in die einzelnen „Dienstverträge" hineingepreßt. Trotzdem wird auch hier letzten Endes die Form eines Schuldverhältnisses gewahrt. Jeder der vielen Arbeitnehmer hat seinen eigenen „Dienst­ vertrag", der den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts untersteht, z. B. nach den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts „auszulegen" ist und nur in seinem Inhalt durch die „Bedingungen" des Tarifvertrags beeinflußt wird.

Die juristische Dogmatik steht diesen Dingen zur Zeit noch durchaus unsicher gegenüber. Langsam erst arbeitet man sich an das Neuartige der Erscheinung heran. So glaubt man z. B. das Rätsel der Tarifverträge dadurch lösen zu können, daß man in ihnen eine besondere Art „Rechtsquelle" erblickt (dazu Grundriß „Ein­ führung" § 13 II 3). Man will damit sagen: was im Tarifvertrag niedergelegt ist, ist objektives Recht ebenso wie das, was im Gesetz niedergelegt ist. So wie nun durch das ganze Privatrecht hindurch das objektive Recht die letzte Unterlage bildet, ohne daß damit das Privatrecht aufhörte Privatrecht zu sein, so auch bei den einzelnen Arbeitsverträgen, die auf Grund eines Tarifvertrags geschlossen werden: sie bleiben echte privatrechtliche Verträge. Damit ist dann auch die juristische Gestalt des Schuldrechts, von der wir unter I dieses Paragraphen ausgegangen sind, gerettet: Bindung von Person zu Person auf dem Boden der Gleichberechtigung. Zu ähnlichen Ergebnissen führt die Figur des „Kontrahierungs­ zwanges", die sich bereits einer gründlichen wissenschaftlichen Durch­ arbeitung erfreut. Auch hier hat man einen klaren Schnitt zwischen der von außen kommenden Zwangseinwirkung und dem schließlich geschlossenen Vertrag angesetzt und lehrt nun: „Der Vertrag ist grundsätzlich ein privatrechtlicher". Auch das führt dann zu der normalen Struktur unseres Schuldrechts zurück. Aus dem Schrifttum: Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeits­ rechts, Bd. 2 (1929) § 12: Rechtsnatur des Tarifvertrags. Als Gegner: Jacobi, Grundlehren des Arbeitsrechts (1927), der den Charakter der Tarifverträge als Rechtsquelle ablehnt und so genötigt wird, wirklich in die Struktur des Schuldrechts eine Wesensänderung hineinzutragen, indem er einen „neuen Vertragstypus" konstruiert und ihn „kollektiven Schuldvertrag" nennt. — Nipperdey, Kontrahierungszwang und diktierter Vertrag (1920, Nr. 1 der Schriften des Jenaer Instituts für Wirtschaftsrecht).

§ 4. Der Gegenstand des Schuldverhiiltnisses. I. Gegenstand des Schuldverhältnisses ist nicht der sachliche Gegenstand, über den ein schuldrechtlicher Vertrag geschlossen wird.

§ 4.

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§ 4 II. Inhalt der schuldnerischen Leistungspflicht.

Gegenstand eines Kaufes ist z. B. nach strenger juristischer Denk­ weise nicht das Buch oder das Pferd oder das Haus, um das cs geht. Gegenstand des Schuldverhältnisscs ist vielmehr das Verhaltcn des Schuldners, sein „Leisten" (oder auch: die „Seijtuihf). Tas folgt ohne weiteres aus der im § 3 gekennzeichneten Gestalt des Schuldrechts (und aus seinem Gegensatz zum Sachenrecht). Tas Schuldrecht vermag nicht aus eigener Kraft Herrschaft über das Buch usw. zu verschaffen, sondern es vermag nur, die Person zu binden. Diesen Gedanken spiegelt die Sprachweise des Gesetzes wieder. Bei der Regelung des Mietsverhältnisses sagt es nicht: Durch den Miets­ vertrag erhält der Mieter den Gebrauch der Mietssache, sondern: „Durch den Mietsvertrag wird der Vermieter verpflichtet, den: Mieter den Gebrauch der vermieteten Sache während der Mietzeit zu gewähren." Und weiter sagt es nicht, daß die Sache so oder so beschaffen sein müsse, sondern: „Der Vermieter hat die vermietete Sache dem Mieter in einem zu dem vertragsmäßigen Gebrauche geeigneten Zustande 311 überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustande 311 er­ halten". Und ebenso ist die Gegenpflicht des Mieters auf eine Betätigung, auf ein Verhalten abgestellt: „Der Mieter ist verpflichtet, dem Ver Mieter den vereinbarten Mietzins zu entrichten" (§§535, 536). Oder ganz allgemein für alle Schuldverhältnisse: „Der Schuldner ist ver­ pflichtet, die Leistung so zu bewirken, usw." (§ 242).

II. Indessen bekommt, wie ohne weiteres einleuchtet, das Verhalten des Schuldners seinen Inhalt erst durch die Beziehung zu einem sachlichen Substrat. Man kauft nicht schlechthin, sondern liidii kauft ein bestimmtes Buch; man mietet nicht schlechthin, sondern man mietet ein bestimmtes möbliertes Zimmer. Dabei darf dann nicht an den „Sachen" im Sinne der Sprachweise des BGB. (also an den „körperlichen Gegenständen", § 90) hängen geblieben werden. Auch unkörperliche Werte können sachliches Substrat, Gegenstand, Ziel eines Schuldverhältnisscs sein. Es ist auch ein Schuldverhältnis, wenn eine „Forderung", also ein unsichtbarer Wert, verkauft wird. Es ist auch ein Schuldverhältnis, wenn ich mir nicht eine bestiminte einzelne Sache, sondern „Geld" versprechen lasse (Tarlehn, § 607). Es ist auch ein Schuldverhältnis, wenn mir jemand seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt, gleichgültig ob ein konkreter körperlicher Gegen­ stand dabei herauskommt (der Maler porträtiert mich; Werkvertrag, § 631) oder nicht (der Musiklehrer gibt mir Unterricht; Dienstvertrag, § 611). Es ist sogar ein Schuldverhältnis, wenn der andere nichts Positives leistet, sondern sich nur zu einer „Unterlassung" ver­ pflichtet (Vertrag auf Nichtlärmen). Man kann daher zusammen­ fassend sagen: Alles, was im geschäftlichen Verkehr der

§ 4 Illa. Ausscheidung aus dem SchuldrechL nach Parteiwillen.

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Menschen als ein „Gut" bewertet wird, kann sich der Gläubiger vom Schuldner zusichern lassen. Im gemeinen Recht wurde darüber gestritten, ob zum Begriffe der Obligation der Geldwert gehöre. Eine verbreitete Meinung ging dahin, daß das, was keinen „Geldwert" besitze, auch nicht schuldrechtlich ver­ sprochen werden könne. Diese Meinung ist für heutige Verhältnisse unverständlich. Sie erklärt sich nur als Nachwirkung einer alten römischen Rechtseinrichtung. Die Römer kannten nämlich keine andere prozessuale Verurteilung als die pecuniaria condemnatio. Dies wieder dürfte sich aus der kühnen Grundvorstellung erklären, daß der Wille des römischen Bürgers nicht durch zivilprozessuale Maßregeln gebrochen werden dürfe. Wenn sich z. B. ein Römer von einem anderen ein Pferd gemietet hatte, so konnte er sich nach Ablauf der Mietzeit ruhig weigern, das Pferd zurück­ zugeben. Allerdings war er der Klage des Vermieters (und Eigentümers) auf „restituerc“ ausgesetzt, aber verurteilt wurde er nur auf eine Geldsumme, nämlich auf das in Geld zu schätzende Interesse des Ver­ mieters („quanti ea res est“; sog. litis aestimatio). Das erklärt es, daß die Gelehrten des römischen Rechts auch schon in den Begriff der Obli­ gation den Geldeswert hineintrugen; denn eine Obligation ohne Geldes­ wert mußte ja nach dem Geschilderten leer ausgehen, also als ein Nichts erscheinen. Einige Gelehrte haben das dann auch noch in das Recht des BGB. hinübernehmen wollen. Aber das ist verfehlt. Heute kann auch ein rein ideelles Gut ein „Gut" im Sinne des Schuldrechts sein, wenn nur die Beteiligten es zum Gegenstand eines Geschäftes machen wollen. Aus dem Schrifttum: So hm, Institutionen § 53, für die Dogmatik des römischen Rechts; Kohler, Das Obligationsinteresse, im Archiv für Bürgerliches Recht Bd.12 (1897) S.lsf., als Beispiel einer temperament­ vollen Einzelstudie über diese Frage.

III. Ausscheidungen. Zum Gegenstand einer schuldrecht­ lichen Bindung kann nicht gemacht werden, was des „geschäftlichen" Charakters entbehrt. Dahin gehört: 1. das, was die Parteien nicht „geschäftlich" werden lassen wollen, 2. das, was nach dem Willen der Rechtsordnung nicht Gegenstand eines rechtlichen Geschäftes sein soll. a) Eine große Zahl alltäglicher Versprechen, Zusagen, Ver­ abredungen ist nach der subjektiven Meinung der Be­ teiligten zwar ernst gemeint, soll aber außerhalb der „Geschäftlichkeit" (im Sinne des Schuldrechts) bleiben. Das gilt von den vielen Beziehungen der Freundschaft, der Kollegialität, der Liebe und des geselligen Verkehrs (vgl. schon S. 6 51). Darum bleiben dem Schuldrecht fern die Verabredung einer Land­ partie, das Versprechen, einem erkrankten Freunde jeden Nachmittag vorzulesen, die Zusage eines Kusses, die feierliche Versicherung des Schwiegersohnes, nach der Hochzeit nie mehr seinen Klub zu besuchen. Usw.

Doch kann es im einzelnen Fall sehr schwer sein, die Grenze zu finden.

§ 4 IIIb. Ausscheidung des Familienrechts.

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Wenn beispielsweise ein Nachbar dem anderen verspricht, künftighin das Ausgießen übelriechender Jauche zu unterlassen, so wird das meist nur eine freundschaftliche, außerrechtliche Zusage sein. Indessen kann ein solches Versprechen im einzelnen Fall sehr wohl auch den Gegenstand eines echten Schuldverhältnisses bilden. Tas wird meist anzunehmen sein, wenn etwas dafür bezahlt wird. Aber auch unentgeltliche Versprechungen solcher Art können Rechtscharakter annehmen.

Es werden dann an die Auslegungstätigkeit des Richters hohe Anforderungen gestellt. Denn er muß dem Willen der Be­ teiligten nachgehen, der oft nur sehr unbestimmt zum Ausdruck gekommen sein wird. Anhaltspunkte werden durch Fragenstellung gewonnen: Wollten die Beteiligten unter den Druck der Gesetze treten? Wollten sie rechtlichen Zwang? Würden sie die Unfolgsamkeit als Rechts brach empfinden?

Zu beachten ist, daß natürlich die Willensrichtung im Augen­ blick der Abmachung entscheidend ist, nicht etwa, was sich der eine oder der andere Beteiligte hinterher gedacht hat. b) Außerhalb schuldrechtlicher Bindung muß ferner bleiben, was nach den Bestimmungen der objektiven Rechts Ordnung nicht zum Gegenstand eines Schuldverhältnisses gemacht werden darf. 1. Dahin gehört zunächst, aus systematischen Gründen, luic schon erwähnt (S. 7 Ziff. 2) der Familienverkehr. Nur müssen die betreffenden Vorgänge aus der Familienzugehörig­ keit als solcher Herfließen. Kauft der Mann der Frau ein Jagdgewehr ab, das sich in einer der Frau angefallenen Erbschaft befindet, oder stellt der Vater seinen erwachsenen Sohn in seinem Handelsgeschäft an, so fällt das in den Bereich des Schuldrechts, denn die Rollen könnten ebenso­ gut durch nicht verheiratete und nicht verwandte Personen ersetzt werden.

2. Hierher gehören ferner einige einzelne Geschäfte, die der Gesetzgeber wegen ihres besonderen Inhalts für nichtig er­ klärt hat. So alles, was gegen gesetzliche Verbote verstößt, z. B. Verträge über Ausfuhr von Waren, deren Ausfuhr aus Deutschland nicht erlaubt ist (§ 134; vgl. § 309), so auch, weil sie eine zu unbestimmte und darum für den Versprechenden zu gefährliche Bindung in sich tragen, Verträge über künftiges Vermögen (§310); ähnlich auch Verträge über beu Nachlaß eines noch lebenden Dritten (§ 312).

3. Vor allem aber gehört hierher die ganze Welt des unsitt­ lichen Verkehrs (8 138). Das spielt in der Praxis keine seltene Rolle: der verklagte Schuldner wendet ein, er sei ausgebeutet worden. sein.

Auch der sachliche Gegenstand des Vertrages kann in sich unsittlich Durch Absprache mit einer Lohndirne wird kein Schuldverhältnis

§ 4 III b. Ausscheidung unsittlicher Geschäfte.

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begründet (Rückforderung des gezahlten Geldes? Darüber unten S. 426 Ziff. 5). Ebensowenig durch den Kauf und Verkauf eines Bordells.

4. Ein eigenes, interessantes, aber auch schwieriges Kapitel entspringt aus der Vorstellung, daß die freie Persönlichkeit nicht zu stark gebunden werden dürfe. Zwar legt jedes Schuldverhältnis den beteiligten Personen eine Bindung auf. Aber der Sprachgebrauch unterscheidet zwischen „Person" und „Persön­ lichkeit" und versteht unter Persönlichkeit die besonders gehobenen, ethisch wertvollen Seiten des Menschen. Diese nun sollen ihm frei von schuldrechtlicher Bindung bleiben, so daß ein etwa ab­ gegebenes Versprechen rechtlich unverbindlich und jeder Einklagung entzogen ist. Ungültig ist darum der Verkauf der politischen Überzeugung. Ungültig z. B. auch ein Vertrag, in dem etwa der Mann auf seine (durch § 1354 gewährleistete) Stellung als Haupt der Familie verzichtet. Un­ gültig eine Bindung in religiösen Dingen. In einem jüdischen Scheidungs­ fall traf die unschuldige Frau mit dem schuldigen Mann ein Abkommen, indem sie ihrerseits auf die vermögensrechtlichen Begünstigungen des unschuldigen Teils verzichtete, während der Mann dafür zusagte, die zur rituellen Scheidung nach mosaischem Recht erforderlichen Erklärungen und Handlungen vorzunehmen. Als später der Mann sich weigerte, das seinerzeit durchaus ernst gemeinte Versprechen einzulösen, verurteilte ihn auf Klage der Frau die Unterinstanz, aber das Reichsgericht hob diesen Spruch mit der Begründung auf: „Die Bindung der Willen auf dem Gebiete der Religion ist eine Bindung des Gewissens und des Her­ zens. Eine rechtliche Fesselung der Willen gibt es hier nicht und kann es nicht geben." Vgl. RGZ. Bd. 57 S. 250ff.

Man kann den Hochstand oder Tiefstand eines Volkes u. a. nach der Stellungnahme zu diesem Problem des Fesselns der freien Persönlichkeit beurteilen. 5. Wiederum ein selbständiges Kapitel bilden die sog. Knebe­ lungsverträge. Sie knüpfen an an das wucherische Ausbeuten (oben 3). Sie stehen auch mit der Bindung der „Persönlichkeit" in Zusammenhang (oben 4). Aber in der Judikatur werden sie als besondere Spezies behandelt. Ihr Wesen besteht darin, daß die besonderen Bedingungen unseres heutigen Wirtschaftslebens dazu ausgenützt werden, um einen Partner in völlige (oder fast völlige) wirtschaftliche Abhängigkeit zu bringen. Das darf ebenfalls nicht geduldet werden. Solche Geschäfte haben keine rechtliche Gültigkeit. Der „Geknebelte" kann sich jederzeit von seinem Ver­ sprechen lossagen. Ein Beispiel, das die Praxis besonders lebhaft beschäftigt hat und auch heute noch gelegentlich beschäftigt, sind die sog. Bierlieferungs­ verträge: Ein Gastwirt verpflichtet sich für alle Zeiten, alles Bier, das

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§ 4 IV. Verträge über Gütermassen.

er braucht, nur von einer bestimmten Brauerei ([citiern Geschäftspartners zu beziehen. Soweit er dadurch seiner wirtschaftlichen Bewegungs­ freiheit nahezu ganz entkleidet wird, ist der Vertrag ungültig. Vgl. Hedemann, Reichsgericht und Wirtschaftsrecht, § 9.

IV. Gütermassen. Ter menschliche Geist pflegt nicht immer den Gegenstand seiner Betrachtung bis auf die kleinsten Einzel­ heiten auseinanderzulöscn. Er denkt und redet oft in Sammel­ begriffen; von einer Erbschaft, einer Schafherde usw., ohne zu­ nächst an die einzelnen Stücke und Tiere zu denken, aus denen sich die Erbschaft (der „Nachlaß") oder die Herde zusammensetzt. Es fragt sich, ob diese Denkweise im Bereich des Schuldrechts anerkannt werden soll, ob also eine Gütermasse als solche, ohne Rücksicht auf ihre innere, vielleicht wechselnde Zusammensetzung, Gegenstand eines Kaufes, eines Gesellschaftsvertrages, einer Schenkung sein kann. Tie Frage hat ihre praktische Seite. Werden von einer Herde die Stücke einzeln verkauft, so bekommt der Käufer auch wirklich nur gerade die beim Kaufabschluß vorhandenen Stücke, diese aber auch voll­ zählig. Ist dagegen Kaufgegenstand die „Herde" als solche, so ist der Vertrag dahin auszulegen, daß auch die inzwischen geworfenen Lämmer dem Käufer zufallen, während er umgekehrt den Abgang des einen oder anderen Mutterschafes „in den Kauf nehmen" muß.

Die Frage ist zu bejahen. Schuldrechtsverträge sönnen auch auf ganze Vermögensmassen gestellt werden. Tas verdient Betonung wegen des Gegensatzes zum Sachenrecht. Denn das Schadenrecht zwingt immer zur Zerlegung in die Einzelsachen, so daß z. B. Eigentum oder Pfandrechte nicht an einer Gütermasse „en bloc“ begründet werden können.

Doch ist auch im Schuldrecht bei solchen Lagen Vorsicht am Platze. Es muß der Wille der Vertragschließenden genau geprüft werden (wieder­ um der Wille im Augenblick des Abschlusses, nicht etwa ein später auf­ gekommener). Dazu treten gewisse gesetzlich eSchutzmaßregeln, Form­ vorschriften, um den Schuldner vor Übereilung zu schützen (vgl. §§ 311, 312 II), oder Schutzmaßregeln im Interesse der Gläubigerschaft, um eine ihnen schädliche Verschiebung des Vermögens zu verhindern (8 419).

In einem Punkt hat sogar der Gesetzgeber die Zusammen­ gehörigkeit an sich verschiedener Vermögensstücke selber betont und in einer Auslegungsregel niedergelegt, nämlich wenn es sich um sog. Zubehörstülle handelt. Sie werden „im Zweifel" mit in den Vertrag einbezogen, auch wenn ihrer nicht eigens gedacht worden ist, (§ 314).

Wer ein Klavier kauft oder eintauscht, kauft den Schlüssel mit, auch wenn der Schlüssel bei den Verhandlungen nicht „gesteckt" hat, sondern

§ 5 la. Beteiligte Personen: Gläubiger und Schuldner.

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an einem anderen Orte lag und bei der Absprache überhaupt nicht er­ wähnt worden ist. Über den Begriff „Zubehör" vgl. Grundriß Allgem. Teck § 51; im Gesetz §§97f.

§ 5. Die beteiligten Personen. I. Grundsall. a) Gläubiger und Schuldner. Das Schuldverhältnis setzt als Mindestmaß einen Gläubiger und einen Schuldner, also zwei Per­ sonen voraus: der Schuldner schuldet die Leistung, der Gläubiger­ kann sie fordern. Wenn jemand eine herrenlose Sache verletzt, etwa einen weg­ geworfenen Zigarrenrest zertritt, so entsteht kein Schuldberhältnis; es würde an einem Gläubiger fehlen. Wenn der Wettersturm meine Bäume bricht, ist es nicht anders, denn es würde kein Schuldner vor­ handen! sein. Über die merkwürdige Lage, die sich dann ergibt, wenn etwa durch Ergbang Gläubiger- und Schuldnerrolle sich vereinigen, s. unten S. 33 Ziff. 3 (Konfusion).

Die Ausdrücke „Gläubiger" und „Schuldner" sind in festem Sinne gebraucht und dem schuldrechtlichen Stoss (im Gegensatz zum Sachen- und Familienrecht) Vorbehalten. Dazu treten Sonder­ bezeichnungen bei den einzelnen Schuldverhältnissen, die zum Teil dem Bolke geläufig sind (Käufer und Verkäufer usw.), zum Teil aber der juristischen Kunstsprache angehören und dann nötigen­ falls mittels Auslegung in die Parteierklärungen hineingetragen werden müssen. Das Gesetz spricht nicht vorn „Dienstherrn"; es sollte jede An­ spielung auf ein Herrschaftsverhältnis vermieden werden, darum heißt es: der „Dienstberechtigte" (§ 615, 618), woran sich der Volksmund niemals gewöhnen wird. Eine Verwechslung ist auch leicht möglich zwischen „Miete" und „Leihe"; Miete ist entgeltlich (8 535), Leihe unentgeltlich (§ 598), darum ist die Bezeichnung „Leihbibliothek" falsch, dagegen „Miets­ bücherei" richtig. Natürlich darf sich niemand hinter dem falschen Firmen­ schild verschanzen und etwa die Bezahlung des Mietsgeldes für die ent­ nommenen Bücher ablehnen; durch Auslegung wird aus der „Leihe" eben doch eine juristische Miete gemacht. Ebensowenig entgeht man der Steuerpflicht (Schenkungssteuer), wenn man etwa, was in Wahrheit Schenkung ist, „Kauf" genannt hat. Vgl. auch unten S. 355 Ziff. I über den Ausdruck „Unternehmer".

b) Fähigkeit zur Beteilignng. Grundsätzlich kann sich jede Person an einem Schuldverhältnis beteiligen, sowohl auf der Aktiv- wie auf der Passivseite. Aber ob jemand „Person" im Rechts­ sinne ist, hängt von den Regeln des I. Buches ab. Darum ist z. B. dem nicht-rechtsfähigen Verein auch die Rolle als Käufer oder Verkäufer, als Bürge oder Gesellschafter verschlossen. Die unter diesem Titel augesponnenen Verhältnisse müssen vielmehr

§ 5.

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§ 5 Ic. Beitritt Dritter zum Schuldverhältnis.

ausgelöst und Rechte und Pflichten auf die einzelnen Mitglieder ver­ teilt werden. Näheres, auch über die wichtige Ausnahme im Punkte „Verklagbarkeit" im Grundriß Allgemeiner Teil, § 59.

Weiter ist von der Fähigkeit, Gläubiger und Schuldner zu sein, die Fähigkeit zu unterscheiden, sich durch selbsttätiges Handeln zum Gläubiger oder Schuldner zu machen. Auch hierüber ist das meiste im I. Buch, und zwar in der Lehre von der Geschäfts­ fähigkeit, enthalten. Erwähnenswert sind in schuldrechtlichem Zusammenhang die be­ deutenden Durchbrechungen des normalen Systems durch die §§ 112 und 113. Denn die hier vollzogene Emanzipation der Jugendlichen, die ein selbständiges Erwerbsgeschäft betreiben oder in einem Arbeits­ verhältnis stehen, wirkt in der Hauptsache auf dem Gebiete des Schuldrechts.

Ein ganzes wichtiges Kapitel, nämlich das der unerlaubten Handlungen ist jedoch unter Sondernormen gestellt, die un­ abhängig von den Lehren des Allgemeinen Teils und im II. Buch selbst untergebracht sind (§§ 827 ff.). Danach beginnt z. B. die volle „Deliktsfähigkeit" bereits mit dem 18. Lebensjahr (§ 828 II), während die volle Geschäftsfähigkeit erst mit dem 21. Jahr einsetzt (§ 106 mit § 2). Während also ein junger neunzehnjähriger Mensch beim Verkauf seines Hauses noch durchaus von der Einwilligung seiner Eltern oder seines Vormundes abhängig ist und sich nicht selber zum „Verkäufer" und zum „Gläubiger auf den Kauf­ preis" machen kann, kann er sich ohne weiteres zum Schuldner aus un­ erlaubter Handlung machen, wenn er eben diese Handlung, sei es mit sei es ohne Willen seiner Eltern, begeht (vgl. unten § 69 III c).

c) Ein Beitritt Dritter zum Schuldverhältnis ist in verschiedenen juristischen Formen vorgesehen. Dergleichen kann von vornherein geplant und deshalb sogleich in die Abrede zwischen Schuldner und Gläubiger mit hineingezogen sein. Ein Beispiel auf der Schuldner­ seite bildet die Bürgschaft (unten § 62), die gleichzeitig zu der unter II behandelten „Mehrheitsbeteiligung" überleitet. Ein Beispiel auf der Gläubigerseite ist der sog. Vertrag zugunsten Dritter (unten § 14). Oder es kommt erst später zum Einspringen eines Dritten, was namentlich für die Schuldnerseite Bedeutung hat, wenn ein Dritter, an den bisher vielleicht gar nicht gedacht wurde, statt des Schuldners den Gläubiger auszahlt (abfindct). Darüber unten § 18 Ziff. III. II. Mehrheitsbeteiligung. a) Beteiligung nebeneinander.

Daß mehrere Personen mit ein- und derselben dritten Person inhaltlich gleichartige Schuld­ verhältnisse abschließen, ist zunächst nur eine zufällige Tatsache.

§ 5 Ha. Mehrheitsbeteiligung.

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Es ist keineswegs gesagt, daß sich daraus eine rechtliche Zusammen­ gehörigkeit der mehreren Abschlüsse ergibt. Beispiel: Eine ganze Reihe von Personen kaufen jede für sich in einer Erfrischungshalle ein Glas Mineralwasser für 10 Pfennig; un­ ablässig wird dasselbe Geschäft geschlossen, ohne daß ein rechtlicher Zu­ sammenschluß erfolgt. Ebenso, wenn Hunderte von Theaterbesuchern mit der Theaterleitung denselben Vertrag auf Gewährung der Vor­ stellung gegen Entgelt schließen.

1. Es kann nun aber beabsichtigt sein, daß die mehreren nebeneinander laufenden Vereinbarungen zu einem einzigen Schuld­ verhältnis verschmolzen werden. Dann treten die mehreren Personen der einen Seite zu einer „Partei" zusammen: sie nehmen gemeinsam die Gläubiger- oder Schuldnerposition ein. So ist es, wenn drei Studierende zusammen ein Ruderboot mieten. Sie wollen nicht drei gesonderte Mietverträge schließen, sondern einen einzigen. Das gleiche kann gemeint sein, wenn zwei Mädchen, etwa Schwestern, die die Schneiderei erlernt haben und sich dabei in die Hände arbeiten, zusammen tageweise in verschiedene Haushaltungen gehen, um dort die Kleidung der Familie in Stand zu setzen. Möglicherweise geht aber hierbei doch die Absicht dahin, daß jede für sich mit der Haus­ frau einen Arbeitsvertrag abschließt. Durch Auslegung ist in jedem einzelnen Falle die Absicht der Beteiligten festzustellen.

Die Rechtsordnung erkennt derartige Erscheinungen ausdrücklich an. Sie hat sogar mehrere Figuren zur Verfügung gestellt, ins­ besondere das sog. Gesamtschuldverhältnis, und hat der „Mehr­ heit von Schuldnern und Gläubigern" einen eigenen Abschnitt im BGB. eingeräumt (§§ 420ff.; näheres unten §§33, 34). 2. Eine Mehrheitsbeteiligung nebeneinander liegt auch vor bei der „Gesellschaft" (§§ 705ff.) und einigen ähnlichen Schuld­ verhältnissen. Hier aber tritt noch hinzu, daß es an einem eigent­ lichen Partner fehlt. Alle Gesellschafter verpflichten sich untereinander. Sie stellen einen „gemeinsamen Zweck" (§ 705) über sich und er­ klären sich an diesen Zweck gebunden. Man kann hier also von einer­ zentralen Beteiligung reden. Dem entspricht es auch, daß hier­ von vorneherein mit einer unbestimmten Zahl von Teilhabern, also von vorneherein mit einer Mehrheit gerechnet wird. Beim Kauf oder beim Darlehn usw. rechnet der Gesetzgeber zunächst nur mit einem Teilnehmer auf beiden Seiten. Wenn zwei oder drei auf der Seite des Käufers, Mieters usw. erscheinen, so ist das eine Aus­ nahme. Bei der Gesellschaft ist es umgekehrt eine Ausnahme, wenn nur zwei die Gesellschaft schließen; nach der Rechnung des Gesetz­ gebers ist alles auf eine größere Zahl von Teilnehmern eingerichtet

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§ 5 Ilb. Rechtsnachfolge innerhalb des Schuldverhältnisses.

(vgl. z. B. § 710). Näheres über die Gesellschaft unten § 60, über die Gemeinschaft unten § 61.

b) Beteiligung hintereinander. Hierbei ist an ein zeitliches Hintereinander gedacht, daran, daß hinter dem bisherigen Gläubiger ein neuer kommt, daß also ein Wechsel in der Person eintritt. 1. Grundsatz der Zulässigkeit. Dem Römer lag der Gedanke nicht, daß an die Stelle eines obli­ gatorisch Gebundenen ein beliebiger anderer Mensch treten könne. Ihm war jedes einzelne Schuldverhältnis von vornherein auf zwei ganz be­ stimmte Bürger geprägt. Sempronius und Caius hatten einen Darlehn skontrakt geschlossen, — unmöglich, daß sich dieses Geschäft auf der Aktiv­ oder Passivseite auf jemand anderes überschreiben ließe. Ihr Geschäft war ihr Geschäft, es konnte durch ihren gemeinsamen Entschluß ganz weggetilgt und ein neues Geschäft an seine Stelle gesetzt werden (No­ vation; unten § 30 II), aber ein Übergang „ihres" Geschäfts auf dritte Personen wäre ihnen fast als Minderung ihrer Persönlichkeit erschienen.

Ter altrömische Standpunkt, schon im späteren Kaiserrecht überwunden, wird auch vom deutschen BGB. nicht geteilt. Es läßt grundsätzlich den Personenwechsel zu, und zwar sowohl auf der Aktiv- wie auf der Passivseite. Ter Gläubiger kann jemand anderes an seine Stelle treten lassen (sog. Abtretung, 398ff.), für den Schuldner kann jenrand anderes einspringen (sog. Schnldübernahme, §§414ff.), aber das SchuldverhäÜnis selbst bleibt das gleiche. Freilich tauchen bei der Abwicklung solcher Verhältnisse eine Reihe von Fragen auf, zu deren Beantwortung besondere Rechtsregeln ausgearbeitet werden mußten. Darüber unten 31 und 32.

2. Ausnahmen. In manchen Lagen tritt auch heute noch das persönliche Moment so stark in den Vordergrund, daß ein beliebiger Wechsel der Personen nicht am Platze ist. Das Schuld­ verhältnis ist auf zwei ganz bestimmte Menschen zugeschnitten, es würde seinen Charakter ändern, wenn ein neuer Gläubiger, ein neuer Schuldner einträte. Das gilt vor allem von den Arbeitsverträgen. Betraue ich einen Handwerker mit der Ausbesserung eines Kunstwerks, stelle ich in meiner Fabrik einen Maschinisten an, begebe ich mich zu einem Arzt, um mich operieren zu lassen, so will ich gerade diesen Handwerker, diesen Maschi­ nisten, diesen Arzt zum Partner. Dem kommt das Gesetz entgegen, indem es im § 613 bestimmt: „Der zur Dienstleistung Verpflichtete hat die Dienste im Zweifel in Person zu leisten." Allerdings fehlt es beim „Werkvertrag" (Fall des Handwerkers und des Arztes) an einer unmittelbar zutreffenden Gesetzesstelle, aber hier ergibt die Auslegung den „höchstpersönlichen" Charakter der Leistungspflicht. Übrigens ist auch auf der Gläubigerseite eine Bindung an den ursprünglichen Teilnehmer möglich. Beim Dienstvertrag stellt das der

§ 5 Ilb und III. Konfusion. Ungewißheit der Person.

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Gesetzgeber sogar als das Übliche hin: „Der Anspruch auf die Dienste ist im Zweifel nicht übertragbar". Darüber hinaus kann auch bei ganz anderen Lagen der Parteiwille auf Unübertragbarkeit gerichtet sein; nötigenfalls muß das wiederum durch Auslegung ermittelt werden.

3. Konfusion. Durch Erbgang oder ähnliche Vorgänge kann es sich ereignen, daß der bisherige Gläubiger selbst in die Stelle des Schuldners einrückt oder umgekehrt. Mein Onkel hatte mir 200 Mk. geborgt; ich war damit sein Schuldner geworden, er mein Gläubiger. Er stirbt, und ich beerbe ihn und erbe nun mit allen anderen Vermögensstücken auch das gegen mich selbst gekehrte Gläubigerrecht.

Es ist dann kein Platz mehr in der lebendigen Welt für dieses Schuldverhältnis. Es stirbt an seiner Überflüssigkeit; es „erlischt" in der- juristischen Sprachweise (s. auch unten § 30 Ziff. III). Der Gesetzgeber hat das nicht besonders ausgesprochen; er hat es als selbstverständlich unterstellt, während im I. Entwurf des BGB. noch eine ausdrückliche Regel dafür ausgenommen war. In gewissen Fällen kann es jedoch zu einem Wiederaufleben kommen, wenn sich nämlich die Parteirollen nachträglich wieder zweien und dies in der Natur des betreffenden Schuldverhältnisses von vornherein begründet lag. Namentlich gilt das von Schuld­ verpflichtungen, die auf einen ständigen Wechsel, auf „Umlauf" zu­ geschnitten sind, wie etwa die Jnhaberschuldbriefe (unten § 47). Kommen durch Umlauf (oder Vererbung) einige Stücke seiner Jnhaberschuldbriefe in das eigene Vermögen des Ausstellers hinein, so werden sie nicht wertlos oder nutzlos. Sie ruhen nur. Jeden Augen­ blick kann sie der Aussteller wieder weitergeben, und dann ist das Schuld­ verhältnis wieder in unverminderter Kraft vorhanden und der neue Gläubiger kann die in der Zwischenzeit ausgelaufenen Zinsen geltend machen, wenn er das Papier in diesem^Sinne erworben hat, und der Aussteller hat wieder nur die Rolle des Schuldners.

III. Ungewißheit der Perfon. Die meisten Schuldverhältnisse sind so gedacht, daß ein für allemal feststeht, wer die geschuldete Leistung tätigen und wer sie empfangen soll. Aber schon die Mög­ lichkeit eines späteren, ursprünglich nicht geplanten Wechsels in der Person bringt ein Moment der Unsicherheit hinein. Von da aus ist es nur noch ein Schritt zu Schuldverhältnissen, bei denen gleich am Anfang, d. h. bei ihrer Begründung damit gerechnet wird, daß man den endgültigen Träger der Rechte oder Pflichten — meist handelt es sich um eine Unbestimmtheit auf der Gläubigerseite — erst später wird feststellen können. Solche Gebilde sind durchaus unrömisch. Wie der Römer ursprüng­ lich jeden Wechsel der Personen verwarf, weil ihm das Schuldverhältnis Hedemann, Das Schuldrecht. 2.Aufl. 3

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§ 5 IVa. Zuziehung von Hilfspersonen.

nur möglich schien in der starren Festlegung auf zwei bestimmte Personen, so konnte er noch viel weniger Schuldverhältnisse zulassen, bei denen von vornherein mit unbekannten persönlichen Größen gerechnet wurde. Diese Begrenztheit seines Denkens ist mit daran schuld, daß der Römer den Weg zu den Wertpapieren nicht gefunden hat.

Es gehört hierher u. et. der (auf die „Erben" gestellte) Lebens­ versicherungsvertrag (unten §48), denn es kann im Augen­ blick seines Abschlusses noch gar nicht gesagt werden, wer dereinst der berechtigte Empfänger der Versicherungssumme sein wird. Weiter das Preisausschreiben (§ 54 a. E.), denn, wer die auf­ gegebene Arbeit leisten und des Preises für würdig befunden werden wird, steht noch dahin. Vor allem rücken ganze Kategorien von Wertpapieren in diesen Zusammenhang, die Jnhaberpapiere (unten § 47) und in gewisser Weise auch die Orderpapiere (Näheres im Grundriß Wertpapiere). Wenn beispielsweise eine Großbrauerei 1 Million Mark Geld qufnimmt und dafür Schuldbriefe in Stücken von 1000 Mk. ausgibt, so könnte sie die Stücke auf feste Namen stellen, nämlich auf die Namen der verschiedenen Geldgeber. Meist aber wird in solchem Falle das Papier „auf den Inhaber" gestellt. Dadurch wird es umlaufsfähiger, zumal wenn es zum Börsenhandel zugelassen wird. Die Zahlungsverpflichtung steht aus einige Jahre hinaus. Wer dann vielleicht nach 10 oder 30 Jahren gerade die einzelnen Stücke haben und sich zur Entgegennahme des Geldes melden wird, ist heute noch gar nicht abzusehen.

Wie die Beispiele zeigen, ist die Unbestimmtheit keine un­ begrenzte. Es ist immer ein Kennzeichen da, an Hand dessen der endlich Berechtigte (oder Verpflichtete) ermittelt werden kann: die Stellung als Erbe, die Anfertigung einer den Bedingungen ent­ sprechenden Preisarbeit, die Jnhabung und Vorweisung des Papieres. Die Person des Gläubigers (oder Schuldners) kann also unbestimmt, muß aber „bestimmbar" sein. IV. Hilsspersonen. Es ist unmöglich, in der heutigen Welt des hochgesteigerten Verkehrs, der Vermögensanhäufungen und der durchgreifenden Arbeitsteilung alle Geschäfte selber abzuschließen und durchzuführen. Der Druck des Massenhaften, der heute auf-allem liegt, tritt noch dazu. Das Gesetz stellt deshalb eine Reihe von Rechts­ einrichtungen und Denkformen zur Verfügung, um die Hilfe anderer Personen bei der Abwicklung von Schuldverhältnissen möglich zu machen. a) Die wichtigste Einrichtung dieser Art ist die Stellvertretung. Ihr Kennzeichen ist, daß der Helfer unmittelbar in den Bereich der Rechts Welt eingreift. Denn er formt selbst die entscheidenden Willenserklärungen, auf die das rechtliche Wirken aufgebaut wird.

§ 5 IVb.

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Der Erfüllungsgehilfe.

Die Lehre von der Stellvertretung ist dem I. Buche des BGB. eingegliedert (Tas einzelne ist daher im Grundriß Allgemeiner Teil § 36 zu vergleichen). b) Der sog. Erfüllungsgehilfe bleibt dagegen aus tatsäch­ lichem Boden. Er rührt die Hände und die Füße, setzt auch sein Denken in Bewegung, aber nur innerhalb der rechtlichen Bahnen, die andere, nämlich die wirklichen Teilhaber am Schuldverhältnis (Gläubiger und Schuldner), vorgezeichnet haben. Beispiel: Der Dienstmann, dessen ich mich bediene, um die geschuldete Weinkiste dem Gläubiger ins Haus zu bringen. Der Kaufvertrag liegt fertig vor. Der Dienstmann legt kein Gramm zu seinem juristischen Gehalt hinzu.

Aus der Unselbständigkeit dieses Helfers ergibt sich die recht­ liche Konstruktion des Verhältnisses: Der Helfer tritt nicht in den Schuldverband ein; gebunden bleibt dem Gläubiger allein der „Schuldner". Begeht daher der Helfer ein Versehen, so kann er nicht haftbar gemacht werden, wenigstens nicht aus dem Gesichts­ punkt des geschlossenen Vertrages. Dafür aber hat in weitgehendem Maße der Schuldner für das Versehen seines Helfers einzutreten, worüber noch in anderem Zusammenhänge (§ 22 III) zu berichten sein wird. Möglicherweise liegt allerdings in dem Verhalten des Helfers gleich­ zeitig eine unerlaubte Handlung. So, wenn der Dienstmann, der mir einen verliehenen Koffer vom Entleiher zurückbringt, aus Wut über zu geringes Trinkgeld meinen Koffer mit den Füßen zertritt. Dann freilich haftet auch er, aber es ist ein ganz neues, zweites Schuldverhältnis (aus § 823 BGB.) entstanden. Aus dem alten Schuldverhältnis der Leihe (§ 598ff.) haftet nach wie vor nur der Freund, dem ich den Koffer borgte. Übrigens ist auch das noch fraglich, denn vielleicht muß das Han­ deln des Dienstmannes als ganz aus dem Nahmen des Leihvertrages hinausfallend bewertet werden. Näheres unten § II und § 71 Ilb.

Auch auf der Gläubigerseite können solche Hilfspersonen Vorkommen. Denn auch die Abnahme der geschuldeten Sache, die beispielsweise für den Kauf ausdrücklich vorgeschrieben ist (8 433 II BGB.; unten § 37 II b), erfordert oft allerlei Hand­ reichungen, bei denen ein Gehilfe unentbehrlich ist. Man wird dann (im Anschluß an § 254 BGB.) den Gläubiger in gleicher Weise haften lassen wie den Schuldner, während der Gehilfe wiederum ans dem Vertrage heraus nicht belangt werden kann. c) Sonstige Hilfsperfonen.

Neben den beiden Hauptformen einer Hilfsbeteiligung kennt das Gesetz noch andere, die aber geringere Bedeutung haben. Zu erwähnen sind der sog. L e i stu n gs e m p f ä n g e r, z. B. der Überbringer einer Quittung

3*

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§6 1. Schuld und Mästung. (nach § 370 BGB.). Ferner der Schiedsmann (§ 317ff.) und der nahe verwandte Preisrichter (§ 661II). Diese Helfer sind selbständiger gestellt als der Erfüllungsgehilfe; sie greisen in gewissen Grenzen in die rechtliche Gestaltung des Schuldverhältnisses ein.

§ 6.

§ 6. Die Starke der schuldrechtlichen Bindung. I. Schuld und Haftung. Schuldverhältnisse sollen erfüllt werden. Das liegt in ihrem Wesen begründet. Der Verkehr rechnet damit. Was nützte ihm eine „Schuld", wenn nicht auch dafür „gehaftet" würde. Trotzdem neigt die gelehrte Meinung dazu, Schuld und Haftung auseinanderzuhalten. Sie meint dabei nicht die Fälle, wo nur tatsächlich keine Haftung erzielt lvird, weil etwa der Schuldner unauffindbar ist oder weil sich bei ihm nur „unpfändbare Gegen­ stände" (oben S. 14) vorfinden. Sondern sie meint, daß begriff­ lich, also immer, „Schuld" iinb „Haftung" zu trennen seien. Zweifel­ los ist das vorstellbar. Man kann es sich denken wie zwei Akte im Theater: 1. Akt: es wird geschuldet, 2. Akt: es kommt zur Haftung. Man kann es sich auch funktionell vorstellen: die eine Schuld „funk­ tioniert", weil es zur Haftung konunt, die andere Schuld funktioniert nicht, weil das Haften ausbleibt. Man kann schließlich diese Vor­ stellung des Getrenntseins von Schuld und Haftung auch in die praktische Rechtswelt übertragen, indem man sagt: aus einem richtig begründeten Schuldverhältnis folgt noch nicht die Haftung, sondern die Haftung muß noch besonders (d. h. durch besondere, von der Begründung des Schuldverhältnisses unabhängige Vor­ gänge) begründet werden. Das letztere war der Standpunkt des alten germanischen Rechts. Hier bedurfte es, um dem Gläubiger einen Zugriff auf den Schuldner (seine Person oder sein Vermögen) zu sichern, „eines besonderen Haftungsgeschäftes oder einer besonderen, Haftung begründenden Rechts­ handlung" (v. Schwerin, Gründzüge des deutschen Privatrechts, Grund­ risse Bd. XIII, § 62). Darum wird auch die Trennung von Schuld und Haftung namentlich von den „Germanisten" vertreten.

Dies alles ist vorstellbar. Aber es ist, auf das heutige Rechts­ leben angewandt, eine Verschrobenheit. Das BGB. ist in klarer Weise auf die grundsätzliche Identität von Schuld und Haftung, auf das regelmäßige Zusammenfallen von Leistensollen iinb Leistenmüssen aufgebaut. Das hat seine praktische Seite: Wo nämlich nicht ausdrücklich Beschränkungen vorgesehen sind, darf kein Gramm aus der Schale der Haftung weggenommen werden. Es hat aber nicht minder eine ethische Seite. Tenn es bedeutet,

§61. Schuld und Haftung.

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daß an dem Ernst und der Gradlinigkeit der schuldrechtlichen Bindung nicht gerüttelt werden darf. An dieser Grundvorstellung ändert es nichts, daß in einigen Ausnahmelagen das Verhältnis zwischen Schuld und Haftung verschoben wird.

1. Es gibt Schuldverhältnisse, in denen aus besonderen Gründen keine Klage oder keine Vollstreckung gewährt wird; darüber nach­ folgend unter II und III; 2. Es gibt Schuldverhältnisse, bei denen der Schuldner statt des eigentlichen Schuld gegenständes dem Gläubiger etwas ganz anderes als Haftungsgegenstand anbieten darf. Er „befreit sich" von der Schuld durch eine mit dieser nicht übereinstimmende Haftung. Das ist der (seltene) Tatbestand der sog. facultas alternativa. Ein Beispiel gibt § 528. Es handelt sich da um die spätere Verarmung eines Schenkers: der in Not geratene Schenker kann dann, noch nach langer Zeit, bis zu zehn Jahren, auf die früher gegebenen Geschenke, etwa das kostbare Böcklinbild zurückgreifen, das er seinem Neffen geschenkthat (unten §38Ziff.IIId1). So der erste Satz des § 528. Bis hierhin decken sich Gläubigermacht und Schuldnerbindung vollkommen: Der Verarmte kann den Böcklin zurück­ verlangen, genau auf das gleiche ist der Beschenkte gebunden. Aber der Paragraph fährt fort: „Der Beschenkte kann die Herausgabe durch Zahlung des für den Unterhalt erforderlichen Betrags abwenden." Dies ist eine einseitige Bestimmung zugunsten des Schuldners; ein ent­ sprechendes Forderungsrecht des Gläubigers korrespondiert nicht damit. Man kann also sagen, daß hierHaftung und Schuld nicht genau zusammen­ fallen. Zur Rechtslage bei solcher „Ersetzungsbefugnis" vgl. unten § 12 Ziff. III. 3. Es gibt Schuldverhältnisse, wo jemand die Haftung übernimmt, ohne daß er der eigentliche Schuldner wäre. So vor allem bei der Bürg­ schaft (§§ 765ff.; näheres über die Bürgschaft unten §62).

Diese (und einige andere) Fälle dienen den Vertretern der Lehre von der grundsätzlichen Trennung von Schuld und Haftung als Beweis­ stücke. Aber sie beweisen nichts. Sie lassen sich zwanglos auch ander­ weitig erklären. So Fall 1: Die Haftung ist auch hier durchaus denkbar, sie wird nur aus besonderen Gründen (vgl. wiederum nachfolgend II und III) vom Gesetzgeber versagt; jeden Augenblick könnte der Gesetz­ geber die Klage und Vollstreckbarkeit wieder bewilligen und damit be­ weisen, daß sie nur durch positiven Rechtssatz, nicht aber begrifflich ab­ geschnitten ist. — So im Fall 2: Die Haftung (auf den eigentlichen Schuldgegenstand) bleibt durchaus neben der „Befreiungsmöglichkeit" bestehen; daß sie aufhört, wenn der Ersatzgegenstand wirklich geleistet ist, ist nichts anderes wie das Aufhören der Haftung, falls der Gläubiger dem Schuldner die Schuld erlassen hat (§397); in beiden Fällen war die Haftung da, und zwar mit der Schuld übereinstimmend. — So im Fall 3: Die Haftung des Bürgen schwebt durchaus nicht in der Luft; selbst wenn man sagt, daß die „Hauptverbindlichkeit" (so § 767) allein bei dem eigent­ lichen Schuldner („Hauptschuldner") bleibt, so wird eben durch den Bei­ tritt des Bürgen eine weitere echte „Schuld", die Bürgschaftsschuld, und keineswegs nur eine „Haftung" begründet.

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§ 6 II. Klagbarkeit.

II. Klagbarkeit. Jedes Schuldverhältnis ist grundsätzlich von der Klagbarkeit begleitet. Das gilt, obwohl es an einem klaren Aus­ spruch des Gesetzgebers fehlt. Ältere Gesetze haben bisweilen einen solchen Ausspruch für nötig gehalten. So z. B. die Einleitung zum Preußischen Allgemeinen Land­ recht von 1794 in ihrem 89. Paragraphen: „Wem die Gesetze ein Recht geben, dem bewilligen sie auch die Mittel, ohne welche dasselbe nicht ausgeübt werden kann." Das BGB. schweigt. Es hat eine sehr wechsel­ volle Sprache. Ganz selten sagt es ausdrücklich, daß der Gläubiger „klagen" könne (z. B. § 550). Meist drückt es sich dahin aus, daß der Gläubiger „berechtigt ist" (z. B. § 601II2), oder daß er „verlangen kann" (z. B. § 810), oder es wendet sich nach der Gegenseite hinüber und spricht davon, daß der Schuldner „verpflichtet ist" (z. B. § 433). Aber an dem Grundsatz, daß aus allen diesen Redeformen in der Praxis die Klage erwächst, ist auch für das BGB. nicht zu zweifeln.

Ter Grundsatz erleidet einige Ausnahmen. Es gibt sog. natürliche Verbindlichkeiten. Sie werden gerade dadurch gekennzeichnet, daß die Klage fehlt. So kann der Vermittler einer Ehe den ihm versprochenen Ehemäklerlohn, der Gewinner bei Spiel mit) Wette die Gewinnsumme nicht einklagen (§§ 656, 762ff.). So kann jede andere Forderung, sobald sie in das Stadium der Ver­ jährung eingetretcn ist, nicht mehr eingeklagt werden (§ 222 Abs. 1). Tas einfachste wäre nun, mittels eines Umkehrschlusses zu sagen: wenu in diesen Fällen keine Klage gegeben ist, liegt überhaupt fein (gültiges) Schuldverhältnis vor. Tas Gesetz legt das sogar nahe, wenn es an einigen Stellen (§§ 656, 762) sagt: „es wird eine Ver­ bindlichkeit nicht begründet". Trotzdem ist das falsch. Tenn die Ehemaklerschuld, die Spielschuld, die verjährte Schuld können in rechtlich gültiger Weise bezahlt werden: die sog. natürlichen Verbindlichkeiten sind zwar nicht klagbar, aber er­ füllbar. Das drückt sick dahin aus, daß das Geleistete „nicht deshalb zurück­ gefordert werden kann, weil eine Verbindlichkeit nicht bestanden babe" (§ 656 Abs. 1 Satz 2, § 762 Abs. 1 Satz 2, § 222 Abs. 2 Satz 1). Also muß eben doch eine Verbindlichkeit dagewesen sein! Wäre wirklich keine Schuld dagewesen, so hätte der Gläubiger das Geld „ohne rechtlichen Grund" erhalten und unterläge der Klage auf Rückgabe dieser „ungerechtfertigten Bereicherung" (§812). — Ter Name ist der römischrechtlichen Be Zeichnung ,»naturales obligationes“ (im Gegensatz zu den klagbaren civiles obligationes) nachgebildet.

Warum hat der Gesetzgeber in diesen (und einigen anderen Fällen) einen solchen zwiespältigen Weg gewählt? Ter Grund liegt in ethischen Empfindungen. Die Fälle liegen alle so, daß man es mit dem Gesetzgeber für etbisch nicht billigenswert halten muß,

§ 6III. Vollstreckbarkeit.

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den Schuldner einer Klage auszusetzen. Es soll in sein Gewissen oder sein gesellschaftliches Taktgefühl gestellt bleiben, ob er leistet oder nicht. Wenn er aber erst einmal gezahlt hat, wird es umgekehrt als unangemessen empfunden, wenn er nun das Geleistete wieder im Prozeßwege zurückhaben will. III. Vollstreckbarkeit. Jedes Schuldverhältnis ist auch grund­ sätzlich vollstreckbar. Ausnahmen gibt es aber auch hier. Das sind also Fälle, wo zwar noch die Klage gewährt wird, also auch ein sieg­ reiches Urteil erstritten werden kann, wo aber die Überleitung des Verfahrens in die Zwangsvollstreckung versagt ist. Der Grund ist wiederum ein ethischer. Es handelt sich um Verhältnisse, wo der Gläubiger an der klageweisen Feststellung seiner Forderung ein berechtigtes Interesse hat, so daß man ihm also den Weg zum richter­ lichen Urteil nicht abschneiden kann, wo aber die Vollstreckung die „freie Persönlichkeit des Schuldners zu sehr treffen würde. Daß hierbei doch ein echtes Schuldigsein vorliegt, zeigt sich übrigens auch darin, daß fast immer der Gläubiger zu einer Schadensersatz forderung übergehen kann (vgl. S. 92 Ziff. 1, S. 141IIIb), und diese (auf Geld gerichtete) Schadensersatzforderung ist dann in vollem Ausmaß vollstreckbar. Hauptbeispiel: Verträge auf Dienstleistungen. Wer in einem an sich durchaus verbindlichen Arbeitsvertrag die Leistung irgendwelcher auf seine Person gestellter Dienste zugesagt hat, mögen es hauswirtschaft­ liche, kaufmännische, fabrikmäßige, künstlerische sein, muß sich eine Ver­ urteilung gefallen lassen. Aber eine Exekution gibt es nicht, weder im Wege unmittelbaren Zwanges noch mittels Androhung von Geld- oder Haftstrafen. Vielmehr kommt nach § 888 Ziff. II ZPO. der Vollstreckungs­ apparat „im Falle der Verurteilung zur Leistung von Diensten aus einem Dienstverträge nicht zur Anwendung"; eine soziale Schutzmaßregel, die mit dem Gedanken, die freie Persönlichkeit nicht allzu stark zu binden (oben S. 27), eng zusammenhängt. Dem Arbeitgeber bleibt dann nur eine etwa aus § 326 oder § 325 abgeleitete neue Klage auf Schadens­ ersatz.

IV. Umfang der Haftung. Der Umfang der Haftung richtet sich natürlich nach dem Inhalt der Schuld. Wer aus einem Tausch­ vertrag (8 515) auf Leistung eines Pferdes verpflichtet ist, haftet auf das Pferd, nicht auf mehr und nicht auf weniger. Kommt es zur Vollstreckung, so wird das Pferd bei ihm abgeholt. §883 Zivilprozeßordnung (ZPO.): „Hat der Schuldner eine be­ wegliche Sache oder von bestimmten beweglichen Sachen eine Quantität herauszugeben, so sind dieselben von dem Gerichtsvollzieher ihm weg­ zunehmen und dem Gläubiger zu übergeben."

Die Frage bekommt aber ein ganz anderes Gesicht, wenn es sich um eine Geldschuld handelt. Und das ist überaus häufig.

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§ 6 IV. Umsang der Haftung des Schuldners.

Nicht nur, daß bei sehr vielen Schnldverhältnissen von Anfang an auf der einen Seite eine Geldschuld besteht (Kaufpreis nach § 433, Mietszins nach § 535, Pachtgeld nach § 581, Darlehnsvaluta nach § 607, Dienstlohn nacb § 611, Beiträge zur Gesellschaftskasse nach § 701 usw.), sondern es werden auch sehr oft Schulden, die auf einen anderen sachlichen Gegenstand gerichtet sind, auf dem Wege der Schadensersatzpflicht in Geld umgewandelt, wie wir das eben schon bezüglich der Pflicht des Arbeitnehmers zur Leistung von Diensten gesehen haben (Näheres über diese Umwandlung später). Bei einer Geldschuld erweitert sich nun der Umfang der Haftung außerordentlich. Denn der Schuldner haftet nunmehr mit seinem ganzen Vermögen (soweit es nicht unpfändbar ist, oben S. 14); d. h. der Gläubiger kann das Vermögen des Schuldners in jedem beliebigen Einzelstück in Anspruch nehmen so lange, bis er den vollen Betrag seiner Forderung herausgeholt hat. Das ist eine Folge aus der rechtlichen Gestalt des Schuldverhältnisses: die eigentliche Bindung zielt auf die Person des Schuldners, nicht auf eine einzelne Sache (S. 16a); darum muß nun der Schuldner mit allem, was er hat, für seine Verpflichtung eintreten. Das könnte so aussehen, als sei die Haftung im Schuldrecht stärker als die im Sachenrecht: beim Sachenrecht (z. B. der Eigentums Herausgabeklage) haftet der Beklagte nur auf die konkrete einzelne Sache (z. B. den weggenommenen Hut), beim Schuldrecht Haftel er mit seinem ganzen Vermögen. Aber das Bild ist schief. Es ändert sich, wenn man den Wettbewerb mehrerer Gläubiger ins Auge faßt. Da nämlich hat, wie wir schon am Beispiel des Konkurses gesehen haben (S. 17), der sachenrechtliche Gläubiger den Vorrang. Darum ist umgekehrt die sachcnrcchtliche Haftung stärker als die schuldrechtliche. Innerhalb des Schuldrechts gilt unter mehreren Gläubigern der Grundsatz der Prävention, d. h. der Gläubiger, der zuerst Befriedigung vom Schuldner erhalten hat, braucht hinterher den anderen Gläubigern nichts abzugeben. Altes deutsches Rechtssprichwort: „Wer zuerst konuni, mahlt zuerst"; vgl. im Sachsenspiegel (über diesen: Grundriß „Einführung" § 18 III) Teil „Landrecht", 2. Buch Art. 59 § 4. So auch Motive zum I. Entwurf des BGB. Bd. 1 S. 276. Erst, wenn daö Gericht einbegriffen und den „Konkurs" eröffnet hat, kommt es zu einer gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger nach Hundertteilen der Masse. — Der Grundsatz der Prävention ist aus praktischen Gründen unentbehrlich. Aber er läßt doch letzten Endes unbefriedigt. Ter gierigere und gewandtere Gläubiger gewinnt das Nennen, der bescheidenere und unbeholfenere hat das Nachsehen. Auch das lateinische Sprichwort „Jura vigilantibus scripta“ hilft nicht ganz über diesen unerfreulichen Eindruck hinweg. Neuerdings sind Versuche gemacht worden die Willküx-

§71. Entstehung der Leistungspflicht: Gesetz und Vertrag.

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macht des tatkräftigeren Gläubigers wenigstens bei bestimmten Lagen, namentlich bei der sog. beschränkten Gattungsschuld (vgl. unten §91) etwas einzuschränken und dem Schuldner ein Verteilungsrecht einzuräumen. Aus der Rechtsprechung: Urteil des Reichsgerichts in RGZ. Bd. 84 S. 125; aus dem Schrifttum: H. O. de Boor, Die Kollision von Forderungsrechten (1928); Hedemann, Reichsgericht und Wirtschaftsrecht (1929) S. 307 ff.

2. Kapitel.

Entstehung und Inhalt der Leistungsxstichl. § 7. Entstehung der Leistrmgsjrflicht.

I. Gesetz und Vertrag. Die große Masse der Schuldverhältnisse, z. B. Kauf, Miete, Darlehn, Gesellschaft, geht aus einem von den Beteiligten geschlossenen Vertrage hervor. Dann wird das Schuld­ verhältnis vom Willen der Beteiligten getragen. Die Rechtsordnung hält sich im Hintergrund und greift nur ausnahmsweise in die Be­ stimmung des Leistungsinhalts ein (darüber §8 Ziff. III). Daneben aber gibt es auch Schuldverhältnisse, die unmittelbar aus dem Gesetz entspringen, sog. Legalschuldverhältnisse. Das Hauptbeispiel bieten die „Unerlaubten Handlungen" (§§ 823 ff.), daneben die „Ungerechtfertigte Bereicherung" (§§ 812ff.). Dann wird das Schuld­ verhältnis vom Willen des Gesetzgebers getragen und ist im ganzen auf einen strengeren Ton gestimmt. Die schulmäßige Unterscheidung geht auf das römische Recht zurück, das obligationes ex contractu und obligationes ex delicto unter­ schied und neben diese noch obligationes quasi ex contractu (z. B. die negotiorum gestio) und obligationes quasi ex delicto (z. B. die actio de effusis vel dejectis) stellte. Wie die beiden letzteren Kategorien zeigen, gibt es Grenzfälle, unreine Typen, die nicht genau unter das Schema Gesetz oder das Schema Vertrag passen. Das gilt auch heute noch. Wir haben z. B. heute noch die negotiorum gestio unter der Bezeichnung „Geschäftsführung ohne Auftrag" (§§677ff.). Dabei ist allerdings der erste Ausgangspunkt das Gesetz: der Verpflichtete kann sich seiner Lei­ stungspflicht nicht entziehen, indem er behauptet, er habe keinen Vertrag geschlossen. Aber die weitere Ausgestaltung ist den vertraglichen Schuld­ verhältnissen so sehr angenähert, daß man es auch heute noch verstehen kann, wenn die Römer von einem Quasi-contractus sprachen. Vor allem schlägt der sehr wichtige § 675 eine breite Brücke zu den benachbarten vertraglichen Schuldverhältnisjen, dem Dienstvertrag und dem Werk­ vertrag (darüber unten S. 371).

Bestritten ist, inwieweit sich jemand einseitig, also ohne mit dem Partner einen Vertrag zu schließen, schuldrechtlich verpflichten kann. Wenn man das für möglich hält, würde die Gegentiber-

§ 7.

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§71. Entstehung der Leistungspflicht: Gesetz oder Vertrag.

stellung „Gesetz und Vertrag" ungenau sein. Es müßte dann heißen „Gesetz und Rechtsgeschäft". In der Tat gibt es Schuldverhältnisse, die eine Bindung schon auf Grund einer einseitigen Willensbekundung eintreten lassen. Hauptbeispiel: die Auslobung (§ 657). Doch sind diese Tatbestände von sehr geringer Bedeutung. Darum hat auch das Gesetz selbst es ausdrücklich als den Normalfall hingestellt, daß zu einem auf den Willen der Parteien aufgebauten Schuldverhältnis „ein Vertrag erforderlich ist" (§ 305). Ein besonders kritischer Tatbestand kann sich bei den sog. Schuld­ verschreibungen auf den Inh ab er (§§ 793 ff.) ergeben. In der großen Masse der Fälle kommen sie in geordneter Weise aus den Markt. Der „Aussteller", der sich in der Schuldverschreibung verpflichtet, „begibt" sie, oder er läßt sie durch seine Bank begeben. Da ist dann ein Vertrag, der „Begebungsvertrag", vorhanden. Aber es haben sich Fälle ereignet, (und können sich immer von neuem ereignen), wo eine solche für spätere Begebung bereitgestellte Schuldverschreibung, noch ehe es zur Begebung gekommen ist, dem Aussteller oder seinem Vertreter „gestohlen worden oder verlorengegangen oder sonst ohne seinen Willen in den Verkehr gelangt ist" (§ 794). Haftet dann der Aussteller? Man könnte aus einem doppelten Grunde geneigt sein, zu verneinen: 1. er habe ja gar nicht den Willen gehabt, schon verpflichtet zu werden (es fehle also sogar an der einseitigen Willenserklärung), 2. es sei ungerecht, ihn bei solchem Tatbestand haften zu lassen. In der Tat ist diese Meinung im gemeinen Recht lebhaft vertreten worden. Auch heute noch hat sie Anhänger. Deren Standpunkt nennt man Vertragstheorie. Man will damit besagen, daß erst dann ein Schuldverhältnis entstanden und eine Haftung gegeben sei, wenn die Papiere in geordnetem Meinungs- und Willens­ austausch in den Verkehr gelangt sind. Aber das ist nicht der Standpunkt des Gesetzes. § 794 läßt den Aussteller auch dann hasten, wenn die Papiere ohne seinen Willen in die Hände eines (gutgläubigen) Erwerbers gelangt sind. Diesen Standpunkt nennt man Kreationstheorie, weil schon die Schaffung (Kreation) der Schuldverschreibung ausreiche, um den Aus­ steller zum Schuldner zu machen. Den beiden Argumenten der Vertrags­ theorie begegnen die Anhänger der Kreationstheorie wie folgt: 1. nach außen hin erscheine der Wille des Ausstellers gewährleistet, sobald er in der Urkunde seinen Ausdruck gefunden habe, es werde die Haftung also doch vom (einseitigen) Willen des Versprechenden getragen; 2. ungerecht sei die Regelung nicht, weil sie nur dem Gutgläubigen (der in seinem Ver­ trauen geschützt werden müsse) zugute käme. — Konstruktiv kann man die vom Gesetz nun einmal getroffene Regelung, d. h. die Haftung des Ausstellers, nur erklären, wenn man entweder einen weiteren Fall eines Legalschuldverhältnisses oder einen weiteren Fall eines einseitig-rechts-geschästlichen statt eines zweiseitig-vertraglichen Schuldverhältnisses annimmt. Das letztere dürfte richtig sein. Näheres über die Schuld­ verschreibungen auf den Inhaber unten § 47.

II. Grundsatz der Formlosigkeit. Jede Form lähmt, hat deshalb etwas Abschreckendes, Vertragserschwerendes an sich. Der Gesetzgeber geht aber umgekehrt davon ans, daß der schuldrechtliche

§ 7 II. Grundsatz der Formlosigkeit.

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Verkehr möglichst ungehemmt sich entfalten solle. Darum gilt gerade irrt Gebiet der Schuldverhältnisse grundsätzlich Formlosigkeit. Den Parteien bleibt es überlassen, wie sie sich verständigen wollen. Flüch­ tige Worte, ja bloßes Kopfnicken oder sonstige Zeichen können genügen. Nur ganz selten wird vom Gesetzgeber für das gültige, d. h. bindende Zustandekommen eines Schuldverhältnisses eine Form vorgeschrieben. a) Der beiweitem wichtigste Fall § 313: Verträge über Veräußerung eines Grundstücks, bei denen nicht einmal schrift­ liche Abfassung ausreicht, die vielmehr gerichtlich oder notariell beurkundet werden müssen. Der Grund ist der, Übereilungen zu verhüten. Eine besondere Spitze kehrt sich gegen die sog. Güter schlächter, die in manchen Gegenden Deutschlands eine Kunst daraus gemacht haben, Bauern zum Verkauf ihres Gutes zu bereden. Würde hier eine bloße mündliche Abmachung oder ein rasch unter­ schriebener Schein genügen, wäre mancher Bauer zum Schaden der Volkswirtschaft um Haus und Hof gebracht worden. Ehe er zum Gericht oder Notar geht, überlegt er sich dagegen den Fall zwei- oder dreimal und findet sich oft genug wieder zur Scholle zurück. Insoweit ist der Formenzwang des § 313 begrüßenswert. Er hat aber auch unerfreuliche Folgen gehabt. Verträge, bei denen ein Grundstück mitspielte, vielleicht gar nicht einmal als Haupt­ gegenstand, sind, nachdem sie schon lange Zeit hindurch ausgeführt worden waren, hinterher wieder vom Käufer (oder auch vom Ver­ käufer) unter Ausnützung des § 313 (in Verbindung mit § 125) aufgesagt worden. Dagegen ist nichts zu machen, da sie wegen Formmangels „nichtig" sind, jeder also seine Leistung zurückfordern darf (§ 812), allerdings auch zur Rückgabe der ihm gewährten Leistung verpflichtet bleibt. Höchstens, wenn der eine Teil, der den § 313 kennt, den anderen Teil darüber arglistig täuscht, z. B. auf Befragen ihm bewußt wahrheitswidrig sagt, es sei Beurkundung nicht er­ forderlich, kann eine „Einrede der Arglist" und eine Schadensersatz­ klage aus § 826 in Frage kommen. Das Anwendungsgebiet des § 313 ist groß. In der Spruch­ praxis der Gerichte hat sich eine überaus reiche (aus den Kommentaren ersichtliche) Kasuistik herausgebildet. Das Formerfordernis gilt nicht nur in bäuerlichen Kreisen, sondern ganz allgemein. Und es gilt nicht nur bei Käufen, sondern auch bei Tauschverträgen, Vergleichen, die ein Grund­ stück einbeziehen, bei Einbringung von Grundstücken in eine Gesellschaft, auch bei Einräumung eines Vorkaufs- und eines Wiederkaufsrechts auf ein Grundstück, bei bloßer „Anstellung" eines Grundstücks (es erklärt sich jemand bereit, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt dem Partner den Erwerb des betreffenden Grundstücks offen zu halten), sogar bei bloßer (bindender) Vollmacht an einen Dritten, das Grundstück an den Mann

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§ 7 II. Grundsatz der Formlosigkeit. zu bringen. Besonders empfindlich wirkt die Heranziehung des § 313, wenn es sich nur nebenher um ein Grundstück handelt, z. B. bei der Ver­ äußerung eines Handelsgeschäftes, zu dem u. a. ein Grundstück gehört. Es kann dann nicht etwa das Grundstück abgetrennt und die Veräußerung im übrigen aufrecht erhalten werden, sondern im Zweifel ist das ganze Abkommen nichtig (§ 139). Der gerichtlichen Beurkundung des § 313 ist ein gerichtlicher Ver­ gleich gleichzusetzen, d. h. durch einen solchen Vergleich wird dem Form­ erfordernis genügt. Gilt das auch für Vergleiche vor dem Mietseinigungs­ amt? Wenn die Mietseinigungsämter „Gerichte" sind, muß bejaht, im umgekehrten Falle verneint werden. Das Reichsgericht hatte in einem Prozeß die Gültigkeit eines solchen Vergleichs zu beurteilen und wurde dadurch gezwungen, zu dem Charakter der Mietseinigungsämter Stellung zu nehmen — eine merkwürdige Fernwirkung des § 313. Die Ent­ scheidung des Reichsgerichts ist dahin gegangen: die Mietseinigungs­ ämter sind keine Gerichte, ein vor ihnen geschlossener Vergleich vermag die Form des § 313 nicht zu ersetzen, die in dem Vergleich über das be­ treffende Grundstück niedergelegte Einigung ist also für keinen der beiden Teile bindend (RGZ. Bd. 107 S. 284ff.). Der Satz 2 des § 313 sieht eine Heilung der fehlenden Form vor: Wenn in Durchführung des (ungültigen) schuldrechtlichen Vertrages die sachenrechtliche Form gewahrt worden ist („Auflassung und Eintragung ins Grundbuch", §§ 873,925), so ist dem Schutzgedanken Genüge geschehen. Es kann sich jetzt keiner der beiden Teile mehr hinter die unterbliebene Beurkundung des Veräußerungsvertrages verstecken.

b) In einigen anderen Fällen ist zwar nicht gerichtliche oder notarielle Beurkundung, aber wenigstens Schriftform vorgeschrieben, so für die Bürgschaftserklärung (§ 766) und das abstrakte Schuldver­ sprechen und Schuldanerkenntnis (§ 780). c) Übrigens kann aber auch da, wo das Gesetz überhaupt keine Form vorschreibt, nach dem Parteiwillen eine Form Voraus­ setzung gültigen Abschlusses sein. Z. B. können die Vertragschließenden, die öfter fernmündliche Ab­ schlüsse tätigen, davon ausgehen, daß das Geschäft erst nach Eingang eines „Bestätigungsbriefes" perfekt, d. h. eben rechtlich bindend sein soll. Ob sie das freilich gewollt und den Brief nicht nur als Beweismittel gemeint haben, ist Auslegungsfrage. Berkehrssitte kann einen Anhalt geben.

III. Auflösung des Schuldverhältnisses in einzelne Leistungs­ pflichten. Im vorhergehenden ist vielfach vom „Schuldverhältnis"

schlechthin gesprochen worden. Für eine schärfere Durchführung der rechtlichen Behandlung ist aber an den meisten Stellen die Auf­ lösung des Schuldverhältnisses in Einzelbeziehungen nötig. Auch das gehört zur Entstehung der Schuldverhältnisse. Denn psycho­ logisch betrachtet ist es eher umgekehrt. Die Parteien denken zunächst an die Einzelbeziehungen, der Käufer daran, daß er das seiner Wirt­ schaft nötige Pferd bekommen, der Verkäufer, daß er Geld für das

§ 7 ITT. Auflösung in die einzelnen Leistungspflichten.

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Pferd erhalten wird. Dann erst setzen sich die Einzelbeziehungen zu einem abgerundeten Ganzen zusammen. Manches im Rechtsleben ergreift dieses „Ganze" in einem einzigen Akt. Wenn z. B. wegen eines Mangels des Pferdes der Käufer die sog. Wandlung erklärt (§§ 462, 487), so ergreift das nicht bloß die Pflicht des Käufers zur Zahlung des Preises, sondern sofort auch („uno actu“) die Pflicht des Verkäufers zur Lieferung des Pferdes, der Kauf im ganzen wird wieder aufgelöst (vgl. § 467). Aber das ist Ausnahme. Die meisten rechtlichen Vorgänge ergreifen, wie sich zeigen wird, nur diese oder jene Einzelbeziehung, diese oder jene „Leistungspflicht". a) Dabei ist zu beachten, daß die verschiedenen, im Leben aus­ gebildeten „Schuldverhältnisse" verschieden umfangreich sind. Darum erschöpft sich bei manchen die Zerlegungsmöglichkeit sehr rasch. Andere können in eine unendliche Zahl von Einzelbeziehungen aufgelöst werden, schon deshalb, weil bei ihnen das Leisten nicht auf einen einmaligen Akt gestellt ist, sondern eine ganze Zeit hin­ durch fortgesetzt werden soll. Man spricht hier von Dauerschuld­ verhältnissen. Der Dienstvertrag, die Miete sind allbekannte Bei­ spiele; hier muß, genau genommen, in jedem Augenblick geleistet werden, und sobald in einem Einzelaugenblick ein (verschuldeter) Fehler unterläuft, entsteht in Gestalt einer Schadensersatzpflicht eine neue Einzelbeziehung. Weitere gangbare Beispiele sind die Renten- und die Zinsverpflichtungen, die sich jahraus jahrein aneinanderreihen, während ihr gemeinsamer Nährboden das „Schuld­ verhältnis" (der Leibrentenvertrag, das verzinsliche Darlehn) ist.

b) Die rechtliche Selbständigkeit solcher Einzelbeziehungen tritt, wenn man erst näher zusieht, überraschend scharf hervor. Einmal in der Richtung, daß die Einzelbeziehungen sehr wohl er­ löschen können, während im übrigen das „Schuldverhältnis" weiter besteht. Das klassische Beispiel ist die Verjährung. Jeder einzelne Zins­ anspruch verjährt für sich besonders, und zwar nach § 197 in 4 Jahren. Beispiel: Zunächst ist der Schuldner pünktlich gewesen, dann hört er mit dem Zinsenzahlen auf, zuerst am 1. Januar 1920, ebenso am 1. April 1920, am 1. Juli 1920 usw. Der großmütige oder träge Gläubiger kümmert sich nicht darum. 1926 stirbt er. Sein Erbe denkt strenger und greift zu. Die Verjährung tritt ihm in den Weg, aber nur eine Strecke lang. Die ältesten Zinsraten, so die von 1920 sind verjährt, die letzten, so die von 1925 dagegen nicht. Klar tritt hervor, daß die Einzelbeziehungen ihre selbständigen rechtlichen Schicksale haben. Im Gesetz ist übrigens die Verjährung an den Begriff des „An­ spruchs" angeschlossen (vgl. Text des § 194). Daraus entspringt eine schwierige, vielbesprochene, aber praktisch kaum bedeutungsvolle Frage,

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§ 7 IV. Die Figür des gegenseitigen Vertrages.

ob nämlich die einzelne schuldrechtliche Forderung mit dem „Anspruch" zusammenfällt. So, wie im vorangehenden Ten die Auslösung in Einzel­ beziehungen gemeint ist, muß die Frage bejaht werden. Umgekehrt ist es auch möglich, daß das „Schuldverhältnis" längst erledigt ist und damit sein rechtliches Dasein eingebüßt hat, während aus ihm entsprungene Einzelbeziehungen noch rege weiterleben, Gläubiger und Schuldner in Atem halten, den Gegenstand von Prozessen bilden, möglicherweise aus sich heraus wieder neue, vorher nicht geahnte Einzelbeziehungen erzeugen ustv. Ein Mietvertrag über ein Haus wird gekündigt. Sobald die Kündi­ gungsfrist um ist, ist er erloschen. Er ist nicht mehr da. Wenn also am 1. Ok­ tober gültig auf 1. Januar gekündigt worden ist, so ist ab 1. Januar das zugrunde liegende „Schuldverhältnis" weggefallen. Aber natürlich behält der Vermieter seinen Anspruch auf den rückständigen Mietzins, und der Mieter seinen Anspruch auf Schadensersatz, wenn die Möbel infolge verheimlichter Feuchtigkeit gelitten haben, und der Vermieter seinen Anspruch auf Herausgabe der Schlüssel, und der Mieter seinen Anspruch auf Wegnahme des eingesetzten eisernen Ofens (dazu §547 II 2 und §258); — jede dieser Einzelbeziehungen aber ist gesondert der Verjährung unterworfen, kann für sich allein zum Gegenstand neuer Abmachungen (z. B. Abschluß eines Vergleichs im Prozeß) gemacht werden, wechselt vielleicht durch Erbgang oder Abtretung ihren Träger und kann untergehen, während die anderen noch weiterlausen.

IV. Gegenseitige Verträge. Tie Einzelbeziehungen, die in einem Schuldverhältnis enthalten sind, können nun trotz ihrer grund­ sätzlichen Selbständigkeit wieder miteinander verbunden werden. Ein Verhältnis dieserArt ist diesog.G egenseingkeit(2ynalla gma). Sie ist im Grunde ihres Wesens durchaus volkstümlich. Die große Mehrzahl der Schuldverhältnisse ist von ihr beherrscht. Man nennt sie „gegenseitige Verträge". Ter Gesetzgeber hat ihnen einen eigenen Titel (§§ 320ff.) gewidmet, und zwar ist dies der wichtigste Ab­ schnitt aus dem gesamten Schuldrecht. a) Kennzeichnend für die gegenseitigen Verträge ist, daß die Parteien beide zu gleicher Zeit die Nolle von Gläubiger und Schuldner übernehmen. So ist es beim ft auf; denn der Käufer ist gleichzeitig (Gläubiger der Ware und Schuldner des Preises und der VerkäuferSchuldner der Ware und Gläubiger des Preises. Und ebenso bei der Miete und der Pacht, beim Tausch und beim Arbeitsvertrag, überhaupt bei den meisten bedeutenden, aller Welt geläufigen Verkehrsgeschäften. Dahinter treten die „einseitigen" Schuldverhältnisse zurück. Freilich stellen auch sie wichtige Typen ins Leben hinein, vor allem das Darlehn; auch das Schenkungsversprechen spielt eine gewisse Rolle. Doch können sie sich in ihrer Gesamtbedeutung mit den „zweiseitigen" nicht messen.

§ 7 IV. Leisten Zug um Zug.

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Es kommt ein Zwischengebilde hinzu, das man entweder als abgeschwächtes zweiseitiges oder als erweitertes einseitiges Schuld­ verhältnis auffassen kann. Hierher gehört z. B. der unentgeltliche Berwahrungsvertrag. Wenn ich bei meinem Freunde einen Koffer einstelle, sind wir uns einig, daß dafür ein Entgelt nicht bezahlt werden soll. Das sieht nach einseitiger Verpflichtung aus: er allein ist Schuldner auf Aufheben und auf Rückgabe des Koffers, ich allein sein Gläubiger. Im Grunde genommen ist das auch richtig. Aber es können doch auch Verwickelungen im Rahmen des Verhältnisses eintreten, die mich als Schuldner, ihn als Gläubiger erscheinen lassen. Wenn etwa der Koffer gefährliche Säuren in zerbrechlichen Gefäßen oder Sprengstoffe enthält, so bin ich verpflichtet, den Freund hierauf aufmerksam zu machen; andernfalls hafte ich ihm für allen daraus entstehenden Schaden. Die romanistische Doktrin sprach bei solchen Typen von Hauptverpflichtungen, die zum Begriffe gehören, und Nebenverpflichtungen, die nur möglicher­ weise eintreten, und nannte das Ganze contractus bilaterales inaequales. Deshalb werden diese Gebilde auch heute noch vielfach zu den zwei­ seitigen Schuldverhältnissen geschlagen. Es ist aber besser, sie als er­ weiterte einseitige auszufassen. Denn dann tritt das Wesen der wirklich „zweiseitigen", d. h. auf Schuld gegen Schuld gestellten Typen um so schärfer hervor.

b) Das rechtliche Wesen der gegenseitigen Verträge besteht darin, daß jede der beiden hinüber und herüber geschuldeten Leistungen ihren Charakter gerade durch die Abhängigkeit von der Gegen­ leistung empfängt. Die Rückgabepflicht bei der (unentgeltlichen) Verwahrung kann man durchaus für sich allein denken. Nicht so die Käuferleistung. Für sich allein betrachtet schwebt sie in der Luft, erst durch die Verbindung mit der Verkäuferleistung bekommt sie ihr Wesen als das einer Kaufleistung. Diese gedankliche Verknüpfung hat wichtige praktische Folgen. Der Abhängigkeit in der Vorstellung entspricht eine Abhängigkeit in der rechtlichen Behandlung. Zwar kann auch hier wieder jede der beiden Leistungen ihre eigenen Wege gehen, z. B. dem Käufer die Kaufpreisschuld erlassen werden (§ 397), während der Verkäufer zur Lieferung der Ware verpflichtet bleibt. Aber das sind Ausnahmen. Normalerweise werden die beiden Leistungen auch rechtlich in Wechselwirkung zueinander gestellt: „Zug um Zug" muß geleistet werden, und der eine Vertragsteil darf seine Leistung so lange zurückhalten, bis auch die Gegenleistring von der anderen Seite her gesichert ist. Weitere sehr wichtige Fragen werden dadurch ausgelöst, daß vielleicht die Leistung des einem Teils verspätet eintrifft oder fehlerhaft ausfällt oder überhaupt'unmöglich wird. Wie wirkt das dann auf die Gegenleistung? Der Gesetzgeber hat, wie schon bemerkt, diesen Fragen eine Reihe von Bestimmungen gewidmet (§§ 320ff.). Sie gehören zum all-

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§ 7 V. Die abstrakte Leistungspslicht.

gemeinen Schuldrecht, sind also den einzelnen Typen übergeordnet und schieben sich in deren Sonderbestimmungen ein. Dadurch ent­ steht eine manchmal recht verwickelte Lage. Es kommt hinzu, daß jene allgemeinen Bestimmungen in ihrer Tragweite durchaus nicht zweifelsfrei sind. Die Lehre von den gegenseitigen Ver­ trägen ist deshalb eine der schwierigsten innerhalb des Schuldrechts. Das Nähere wird in § 13 und §23111, § 24 III dargestellt. V. Das abstrakte Schuldverhältnis. Während das Wesen der gegenseitigen Verträge gerade darin besteht, eine bestimmte Leistung nut etwas anderem, nämlich der Gegenleistung, also, könnte man sagen, mit ihrer Umgebung zu verknüpfen, ist dem denkenden Geiste auch eine Vorstellung zugänglich, wonach eine aus irgendwelchen Beziehungen herausgewachsene Leistung von diesen Beziehungen isoliert, also von ihrer Umgebung gelöst wird. Das ist mehr als jene einseitigen oder erweiterten einseitigen Ver Pflichtungen. Tenn sie standen von vornherein allein, brauchten also nicht erst gelöst zu werden, während es sich hier um eine auf geistigem Entschluß beruhende Trennung handelt.

Zu einer solchen Maßregel würde nicht gegriffen werden, wenn sie nicht einen Vorteil böte. Ter Vorteil liegt auf feiten des Gläubigers: ihm wird in dem sog. abstrakten Schuldverhältnis eine schärfere Waffe geboten. Tenn die Abstreifung der „umgebenden" Beziehungen schneidet dem Schuldner allerlei Eiuwendungen und manche Ausflucht, ein Zurückgreifen auf das Trum und Dran, ein Hilfeholen aus dem darunter gelagerten sog. Kausal­ verhältnis ab. Das gangbarste und kräftigste Beispiel ist der Wechsel. Dies ist ein Papier, in dem nichts anderes zu stehen pflegt, als daß an einem bestimmten Tage an eine bestimmte (oder bestimmbare) Person eine gewisse Geldsumme gezahlt werden wird. Man sieht diesem Papier nicht an, aus welchem Kausalverhältnis es ent­ sprungen ist; es kann zur Deckung einer Kaufpreisschuld oder einer Darlehnsschuld, zur Abgeltung einer Schuld aus unerlaubter Hand­ lung oder einer durch Erbteilung überkommenen Zahlungsver­ pflichtung dienen. Gerade das, nämlich die Lösung vom ursprüng­ lichen Schuldgrund, ist die Absicht. Klagt jetzt der Gläubiger, so bieten sich ihm zwei Vorteile. Erstens braucht er weniger 511 beweisen; die Vorlegung des Wechsels genügt, vom Beweise, daß der Kaufvertrag gültig zustande gekommen, oder daß die Erb­ teilung in Ordnung sei, ist er entbunden. Zlveitens braucht er sich,

§81. Ter Wille der Beteiligten.

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wenn nun der Schuldner auf die „causa“ zurückgreifen, etwa Mängel der Kaufsache geltend machen will, nicht darauf einzulassen; er kann erwidern: ich klage nicht aus dem Kauf, sondern aus dem davon abstrahierten, zu einer selbständigen Größe gestalteten Wechselverhältnis. Schnelligkeit der Durchführung, stärkere Stellung des Gläu­ bigers, Schutzwehr gegen faule und ausredelustige Schuldner sind also die Kennzeichen des abstrakten Schuldverhältnisses. Aber man darf nicht verkennen, daß dadurch auch Gefahren heraufbeschworen werden. Dem einfachen Volksgeist liegt jene Zerreißung fern. Er wird sich immer wieder an das Kausalverhältnis festklammern. Darum bedeutet oft genug für den ehrlichen Schuldner, der nichts­ ahnend ein „abstraktes" Schuldverhältnis eingegangen ist (einen Wechsel unterzeichnet hat), die spätere Aufklärung eine bittere Ent­ täuschung. Die Gesetzgebung ist darum an dieses Gebilde stets mit Vorsicht herangegangen. Bisweilen verbot sie überhaupt ganz eine derartige Schuldgestaltung. Bisweilen ließ sie die unerfahrenen Elemente der Bevölkerung an solche Verkehrseinrichtungen nicht heran (besondere Wechselfähigkeit). Zum mindesten suchte sie durch Bindung an schrift­ liche Form einer Unüberlegtheit entgegenzuwirken. Obwohl sich verwandte Erscheinungen schon im römischen Recht vorfanden (stipulatio), ist doch das heutige abstrakte Schuldverhältnis, namentlich seine Herübernahme aus dem Handels- ins all­ gemeine bürgerliche Recht, erst ein Ergebnis neuzeitlicher Ent­ wicklung. Nach ausführlichem Streit in der gemeinrechtlichen Literatur hat das Bürgerliche Gesetzbuch sich entschlossen, dem abstrakten „Schuld­ versprechen" und „Schuldanerkenntnis" einen Platz einzuräumen (unten § 65). Es hat dabei Schriftsorm vorgeschrieben. Das Schwergewicht dieses schuldrechtlichen Gebildes liegt jedoch nach wie vor in der Welt des Handelsrechts (zu dem auch, als handelsrechtliches Sondergebiet, das Wechselrecht gehört). Eine gedankliche Parallelerscheinung bietet die Abstraktion von der causa bei den sachenrechtlichen Vorgängen. Darüber im Grundriß „Sachenrecht" § 3 Ziff. II b. Vgl. ferner über die abstrakte Natur des Erlasses unten § 30 Ziff. I.

§ 8. Bestimmung des Leistungsinhalts. § 8. I. Der Wille der Beteiligten. In keinem Gebiet des bürger­ lichen Rechts kommt es so sehr auf den Willen der beteiligten Per­ sonen an wie im Schuldrecht. Bei weitem das meiste in der Entstehung und Abwicklung der Schuldverhältnisse richtet sich nach dem, was die Beteiligten sich vornehmen. Sie haben darüber zu entscheiden, ob ein Gegenstand geschenkt oder gekauft sein soll, ihnen ist es anheimgegeben zu beHedenianu, Tas Tchuldrecht. 2.?[ufl.

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§811. Klauseln.

stimmen, ob sich die Pacht eines Bauerngutes auch auf die Bücherei mit erstrecken soll, die der Verpächter aus Liebhaberei zusammen­ gebracht hat, ihr Wunsch ist maßgebend, wenn statt der vom Geseß (§ 246) ausgeworfenen 4 Prozent ein Zinssatz von 8 Prozent gewählt wird, sie sind es, die mehrere nebeneinanderlausende Beziehungen zu einem einheitlichen Schuldverhältnis verschmelzen können (oben 2. 44 III, IV). Vertragsfreiheit steht als oberstes Zeichen über dem gesamten Schuldrecht. Damit hängt aufs engste zusammen, daß die meisten gesetz­ lichen Regeln des II. Buchs (und der Nebengesetze schuldrecbtlichen Charakters) nur sog. dispositives Recht enthalten, nur gleich­ sam ein Vorschlag sind, der durch die Parteidispositionen geändert werden kann. Meist ergibt sich das ohne weiteres aus dem Sinn der betreffenden Borschriften. Nicht selten aber ist es auch ausdrücklich durch Zusätze ge­ kennzeichnet wie etwa „soweit im Vertrage nichts anderes bestimmt ist" oder dgl. Gewisser Vorliebe des Gesetzgebers erfreut sich auch der Zusatz „im Zweifel".

Weiter hängt mit dieser starken Abhängigkeit vom Willen der Beteiligten zusammen, daß im Schuldrecht die Auslegung eine besonders große Rolle spielt. Stein Prozeß über ein Schuldverhältnis, uw nicht der Richter irgendwie zur Auslegung greifen muß, um den bestimmenden Willen zu ermitteln. Über das Problem der Auslegung im allgemeinen vgl. Grundriß „Einführung" § 13 IV und § 43III g 1, sowie Grundriß „Allgemeiner Teil" §30 VI.

II. Klauseln. Bon den „Formularen", deren sich die Parteien ost bedienen, um ihren Willen in besonders erprobter und aus­ geschliffener Weise zum Ausdruck zu bringen, ist schon gesprochen worden (S. 8). Noch mehr wird der Gedankenstoff zusammen­ gedrängt in Gestalt sog. Klauseln. Auch sie sind alltäglich. Man versteht darunter Zusätze zu einem Vertrage, meist in eingebürgerter Formulierung, bisweilen aber eigens für den vorliegenden Fall zurecht gemacht, nnb zwar Zusätze, die dem einen oder dem anderen Teil eine besondere Sicherung gewähren sollen. Am häufigsten sind Entlastungsklauseln (Freizeichnungsklauseln), die einem Lieferanten irgendwelche Haftbarkeit abnehmen sollen („so weit der Vorrat reicht", „freibleibend", „Lieferungsmöglichkeit Vorbehalten", oder ganz allgemein gefaßt: „ohne jede Gewähr" usw.). Tie „Klauseln" spielen in der Praxis eine sehr große Rolle und verlangen sorgfältigste Beobachtung durch den Juristen. An seine Auslegungskunst werden auch hier wieder große Anforderungen gestellt. Der Gefahr einer der-

§ 8III.

Der Wille der Rechtsordnung.

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schiedenen Auslegung in den verschiedenen Gegenden hat das Reichs­ gerichtentgegenzuwirken versucht (vgl. RGZ. 111 S.278). LetzterRegulator ist oft Treu und Glauben (s. unten Ziff. V), namentlich wenn es gilt, den schwächeren Teil gegen allzu starke oder gewandte Aus­ nützung der „Vertragsfreiheit" seitens des anderen Teils zu schützen. Auch die „Nichtigkeit solcher Klauseln wegen Sittenwidrigkeit (§ 138) wird in der Praxis nicht selten geltend gemacht (Beispiel: RGZ. Bd. 112 S. 174ff). Hier kann es dann kommen, daß die Schutzklausel des einen Teils, gerade um den anderen Teil zu schützen, vom Richter als unverbindlich behandelt wird. Früher gab es eine eifrig gepflegte, sogar an den Universitäten dozierte Lehre von den Klauseln. Zeitweise ist es zu schlimmen Aus­ wüchsen dieser sog. Kautelarjurisprudenz gekommen (vgl. Grundriß „Einführung" § 42 unter la). Heute liegt das Schwergewicht der Klauseln im Handelsrecht. In dessen Bereich sind sie besonders entfaltet. Sie dienen da namentlich zur raschen und abgekürzten Bezeichnung wichtiger Lieferungsbedingungen („ab Fabrik", „brutto für netto", „Kasse mit 3°/0", „Kassa gegen Dokumente", „wie besehen", usw.). Vielfach sind sie erstarrt, sie haben eine gefestigte, von niemand mehr bestrittene Auslegung be­ kommen und wirken so nahezu gesetzedartig. Ja, bisweilen haben sie sogar das Ziel, eine mißglückte (dispositive, vorstehend unter I) Gesetzes­ bestimmung planmäßig zu überwinden. — An einer Schulung im Klauselwesen fehlt es heute fast ganz, trotzdem eine solche, namentlich für die Notare (Grundr. Einführung § 41II f), sehr dienlich wäre. Einige Beispiele von Klauseln werden in späteren Teilen der Dar­ stellung gegeben. Einen Fall für sich bildet die berühmte, oder, wie man zeitweise (Inflation) beinahe sagen konnte, berüchtigte clausula rebus sic stantibus. Über sie unten S. 136 IV.

III. Der Wille der Rechtsordnung. Schon mehrfach haben wir gesehen, daß sich der Parteiwille an den Anordnungen der Rechtsordnung brechen kann. So haben wir Schuldverhältnisse kennen gelernt, die überhaupt nicht auf den Willen des Gläubigers und vor allem des Schuldners zurückgehen, sondern unmittelbar aus dem Gesetz entspringen (§ 7 I, S. 41). Wer mir meinen Koffer aus Wut zertrümmert, kann sich gewiß nicht der „actio ex delicto“ entziehen, indem er behauptet, ein Haften für den Schaden entspräche nicht seinem Willen (§ 823). Und wer ver­ sehentlich dieselbe Schuld zweimal von mir bezahlt erhalten hat, muß mir den zweiten Bettag ganz unabhängig von dem, was in ihm dabei vor­ gegangen ist, zurückgeben, weil er ohne Rechtsgrund bereichert wäre (§ 812). Es hat nicht an Versuchen gefehlt, auch diese Fälle auf einen „Willen" zurückzuführen und insbesondere die deliktische Haftung aus dem üblen „Wollen" des Täters abzuleiten. Aber das ist eine Künstelei.

In anderen Zusammenhängen fehlt es zwar nicht an einem Willen der Beteiligten, sie machen ihrerseits einen Anlauf auf ein 4*

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z 8 IV. Einwirkung des Richters.

Schuldverhältnis, aber der Gesetzgeber gestattet ihnen Schuld­ verhältnisse solcher Art nicht (§ 4 III b, S. 26 f.). Sehr oft ist es auch so, daß zwar das Schuldverhältnis im übrigen zugelassen und gültig ist, daß aber eine Einzelbeziehung innerhalb des Schuldverhältnisses (S. 44 Biff- HI) auf den Widerstand der Rechtsordnung stößt und von ihr ausgeschaltet wird. Meist drückt sich das in der Weise aus, daß der Gesetzgeber an der betreffenden Stelle (ausnahmsweise) eine zwingende statt einer dispositiven Borschrift aufstellt. Zinsen darf man nehmen. Jnsosern Bertragsfreiheit. Aber Zinses­ zins darf man sich nicht im voraus versprechen lassen. Hier schreitet die Rechtsordnung verbietend ein, die Grenze des Spielraums für den Partei­ willen ist überschritten (§ 248 I). — Tie Parteien dürfen grundsätz­ lich die beiderseitige Haftung schärfen oder mildern, so wie "es ihnen gutdünkt. Aber, sagt der Gesetzgeber- „Tie Haftung wegen Borsatzes kann dem Schuldner nicht im voraus erlassen werden" (§ 276 II). — Unverzichtbarkeit der sozialen Schutzbestinnnungen des Arbeitsrechts, § 619, unten S. 352. — Usw.

Schließlich wird jedes Schuldverhältnis, auch wenn der Rahmen vom Parteiwillen gesetzt worden ist, bei seiner Abwicklung von der Rechtsordnung getragen. Tenn immer wieder können Überraschungen, ungeahnte Wendungen eintreten, die der (ursprüng­ liche) Parteiwille nicht mit umfaßt hat. Tann immer greift die Rechtsordnung ergänzend, lückenfüllend ein. Ein besonders lebendiges Beispiel ist die Mängelhaftung. Wer denkt beim Bertragsschluß gleich an Mängel? Ein besonders Vorsichtiger vielleicht, jemand, der schon einmal in gleicher Lage schlimme Erfahrungen gemacht hat. Aber durchaus nicht die große Menge. Nun tauchen die Mängel auf. Wie wollte man behaupten, daß ihre Erledigung auf den Parteiwillen gebaut werden könnte. Toch der Gesetzgeber hat mi die Möglichkeit solcher Überraschungen gedacht und hat bei den gangbarsten Typen, den: Kauf (unten § 37 Zisi. V), der Miete (§ 40 3fff. V c), dem Werkvertrag (§52 Ziff. II e) Regeln dafür bereit gestellt. Die treten dann ein, auch wenn der belastete Teil durchaus nicht seinen Willen darauf gerichtet hat. Gewiß können die Parteien anderes vereinbaren, die Haftung mildern oder auch ganz wegstreichen. Doch die Erfahrung lehrt eben, daß sie meist überhaupt nicht an solche Dinge denken, und dann offenbart sich, daß doch ihr ganzes Schuldverhültnis letzten Endes auf den Weisungen der Rechtsordnung beruht und nicht auf ihrem Willen.

IV. Einwirkung des Richters. Zwischen die objektive Rechts­ ordnung und den subjektiven Willen der Parteien schiebt sich als Mittler der Richter ein. Inwieweit hat er an der Gestaltung der Schuldverhältnisse mitzuwirken? Tie alte Überlieferung, die durch­ aus das BGB. beherrscht, geht dahin, daß dem Richter, wie über­ haupt, so auch im Bereich der Schuldverhältnisse grundsätzlich

§ 8 IV. Das richterliche Gestaltungsrecht.

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nur eine feststellende Funktion zufalle. Das bedeutet, daß der Richter nur die beiden Grundfaktoren, den Parteiwillen und den Gesetzestext gegeneinander zu halten und festzustellen hat, wo die Grenze läuft, daß er dagegen an dem Inhalt des geschlossenen Vertrages seinerseits nichts ändern darf. Diese Lehre kreist vor allem um den Begriff der Nichtigkeit. Ergibt sich bei der richterlichen Prüfung, daß ein von den Parteien ge­ schlossener Vertrag gegen die objektive Rechtsordnung verstößt, so ist das ganze Geschäft kurzerhand nichtig, was u. a. die Folge hat, daß die inzwischen bereits gemachten Leistungen beiderseits restlos zurückgegeben werden müssen. Namentlich in den §§ 138 (unsittliche Geschäfte) und 134 (gesetzeswidrige Geschäfte) ist das niedergelegt. Wenn also z. B. bei einem Darlehn 15 Prozent Zinsen verabredet sind, und der Richter kommt zu der Überzeugung, daß dies wucherisch und darum unsittlich sei, so kann er nicht etwa bessernd in den Vertragsinhalt eingreifen und be­ stimmen, daß das Schuldverhältnis zu 7 Prozent oder 5V2 Prozent weiterlaufen solle, sondern er muß das ganze Geschäft für schlechthin ungültig erklären, ein nacktes Entweder-Oder.

Demgegenüber hat sich neuerdings an einigen Stellen ein wachsendes Bedürfnis nach einem richterlichen Gestaltungsrecht bemerkbar gemacht. Bescheidene Ansätze und damit den Beweis, daß dieser Weg gangbar ist, hat schon das BGB. selbst gebracht. So kennt es ein richterliches Mäßigungsrecht bei allzu hohen Vertragsstrafen (BGB. § 343; unten §17 Id) und ähnlich eine Herabsetzungsbefugnis, wenn eine zu hohe Mäklerprovision aus­ bedungen worden ist (BGB. § 655; unten im § 53II). In diesen Fällen wird also das plumpe Entweder-Oder (entweder glatte Un­ gültigkeit des ganzen Geschäfts oder völlig unveränderte Gültigkeit) zugunsten einer verbessernden Umformung des Geschäftes überwunden. Im Zuge der Kriegs- und Übergangswirtschaft hatte diese „Vertragskorrektur" bedeutend an Boden gewonnen, z. B. in der Spruchpraxis zur Höchstpreisgefetzgebung. Dabei handelte es sich um Verträge über Waren, für die (anfänglich von den kommandierenden Generälen, dann im Wege von Verordnungen oder Gesetzen) Höchstpreise eingeführt worden waren. Wie sollten Ge­ schäfte behandelt werden, die sich nicht darum kümmerten, bei denen also der Verkäufer einen höheren Preis gefordert, der Käufer diesen bewilligt hatte? Wiederum glaubte man anfänglich auf Grund der §§ 134 und 138 (Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot, Unsittlichkeit) das ganze Geschäft nichtig sprechen zu müssen. Dann hätte der Käufer von Brot und anderen lebenswichtigen Dingen das Nachsehen gehabt; seine Beschwerde über den überhöhten Preis hätte sein Darben zur Folge gehabt. Darum eben hat man sich von der Totalnichtigkeit gelöst. Dies geschah mittels folgender Argumentation. Den § 138 ließ man ziemlich beiseite und legte den Hauptton auf § 134. Bei § 134 aber stellte man, gestützt auf den Zusatz in seinem Text: „wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes

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§ 8 Va. Treu und Glauben. ergibt", auf den Zweck des Verbotsgesetzes ab und kam hinsichtlich der Höchstpreisgesetzgebung zu der Erkenntnis, ihr Zweck bestehe nicht (oder nur nebenbei) darin, die Verkäuferschast übermäßiger Gewinne zu ent­ kleiden, sondern darin, der Käuferschast, d. h. dem Verkehr die betr. Waren wirklich (unter annehmbaren Preisen) zuzusühren. Grundlegend war das Urteil des RG. vom 19. Mai 1916 (Bd. 88 S. 250).

Diese Höchstpreisgesehgebung ist allerdings heute fallen gelassen. Aber andere Rechtsverhältnisse zeigen noch heute die Nachwirkung der irregulären Kriegs- und Nachkriegszeit und ein ihr entsprechendes behördliches Hineinwirken in den Inhalt geschlossener Verträge. Das gilt namentlich von den Miets- und Pachtverträgen, bei denen z. B. die Zinshöhe oder die Kündigungsverhältnisse durch Miets- und Pachteinigungsämter entgegen dem Text des geschlossenen Vertrages umgestaltet werden können (vgl. unten § 40 VIII). Auch das wird wahrscheinlich langsam verschwinden. Trotzdem verdient, ganz allgemein, das Problem des richterlichen Gestaltungsrechts im Auge behalten zu werden. Vgl. Nipperdey, Kontrahienmgszwang (wie oben S. 23), § 15: Der korrigierte Vertrag. — Über den Zusammenhang mit der Lehre von der Geschäftsgrundlage unten S. 136 IV.

V. Treu und Glauben. An die Spitze des Schuldrechts hat der Gesetzgeber den Satz gestellt (§ 242), daß der Schuldner seine Leistung so zu bewirken habe, „wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern". a) Allgemeine Kennzeichnung: Mit dieser Bestimmung gelangt der Jurist an die Grenzen seiner juristischen Macht. Es ist der Punkt erreicht, wo er in das Allgemeinmenschliche hinüber muß. wo der Gesetzgeber auf eine eigene Regelung verzichtet und statt dessen Anlehnung an Sitte und Anstand gesucht hat. Solche Anlehnungen sind unvermeidlich. Es war ein Wahn des 19. Jahrhunderts, daß sich alle Rechtsfragen aus dem bloßen juristischen Gedankenschatz, aus dem Rechtssystem heraus beantworten ließen. Die Römer hatten sich in der berühmten exceptio doli generalis ein Sicherheitsventil geschaffen, um allzu schlimme Schroffheiten des spezifisch­ juristischen Gedankengefüges abzuschleisen. Das Bürgerliche Gesetz­ buch besitzt statt dessen den § 242. Neben ihn treten die §8157 (Aus­ legung nach Treu und Glauben) und 826 (sittenwidrige Schädigung; unten 8 70IV). Diese Paragraphen, namentlich auch § 242, bedeuteten bei Schaffung des BGB. eine Neuerung. Als solche sind sie deutlich empfunden worden. Was im gemeinen Recht mittels jener exceptio nur mittelbar und in prozessualem Gewände anerkannt, im I. Entwurf des BGB. ebenfalls noch mit Zurückhaltung behandelt war, ist seit dem II. Entwurf zu breitester Wirksamkeit entfaltet, zumal die allgemeine Regel des § 242 noch durch wichtige Sonderregeln (§320II, § 162, § 815), die gleichfalls von „Treu

§ 8 Vb. Treu und Glauben.

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und Glauben" ausgehen, ergänzt wird. Ausländische Kodifikationen haben daran Anlehnung genommen, wobei die Schweiz sogar die über das Schuldrecht hinausreichende Formel gewählt hat: „Jedermann hat in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln" (Art. 2 des schweiz. ZGB.). Tie Praxis der Gerichte hat sich der Waffe des § 242 vom ersten Tage des BGB. an in ungezählten Fällen bedient und greift auch heute noch immer wieder und zwar gerade bei neu austauchenden Problemen, auf ihn zurück. Beispiele. Vgl. den Fall der Verteilung von Restbeständen (S. 60 Ziff. 2), das Beispiel der „Konnexität" beim Zurückbehaltungsrecht (S. 127 Ziff. 1), die gesamte Regulierung des Mietsverhältnisses (S. 267), die nachträgliche Benennung einer anderen Person, die statt des eigent­ lichen Gläubigers die versprochene Leistung bekommen soll (S. 174 unter ß), und die ganze Methode der Schadensberechnung, z. B. bei dem Ersatz von „Alt durch Neu" (S. 102), die Zahlung unter Vorbehalt (S. 179 Ziff. 4), die Frage, inwieweit ein Schuldverhältnis wegen „Zweckerreichung" als erloschen zu betrachten ist (S. 189), die Regulierung der sog. Anzeigepflicht (S. 151) und der ihr verwandten Auskunftspflicht (S. 112), die Erfassung der sog. positiven Vertragsverletzungen (S. 169), die Behandlung der „Klauseln" (S. 51 oben), die Regulierung der „Nichtzumutbarkeit (S. 152), die Frage einer zeitlichen Hinausschiebung der Leistung (S. 229); und vieles andere. — Überblick über die Spruch­ praxis des Reichsgerichts im Grundriß „Allgemeiner Teil" § 15 I 2 c. Aus der Literatur: Hamburger, Treu und Glauben im Verkehr (1930), mit einer Fülle von Einzelmaterial. Die Neuheit dieser Gedankengänge versteht man nur voll, wenn man den übertriebenen Liberalismus des 19. Jahrhunderts dagegen hält (S. 7 und 11; vgl. auch Grundriß Einführung § 21 IV a und § 27 III). Ihm Schranken anzulegen, ist die tiefste Kraft, die int § 242 am Wirken ist. Insofern verkörpert er ein Stück des „sozialen Ideals" (Stammler). Vgl. Hedemann, Reichsgericht und Wirtschaftsrecht § 17: Tas Ein münden bei der Ethik.

b) Inhalt der Formel: Ter Begriff „Treu unb Glauben" ist nicht leicht zu fassen. Jedenfalls ist er als objektiver Begriff zu gestalten. Auf die innere Absicht konimt es nicht an. Wenn der Handelnde schmierig-geizig gesinnt lvar, aber zufällig gerade uoch die objektive Grenze eingehalten hat, so darf § 242 nicht ausgenützt werden, um ihn etwa lvegen seiner doch dabei vorhandenen iiblen Gesinnung zu strafen. Und unlgekehrt kann jemand, den die beste Absicht leitet, gegen die objektiven Anforderungen verstoßen haben, und er hat dann seine Leistungspflicht eben nicht voll erfüllt. Beispiel: Tie Verpackung. Verkäufer hat sehr schlecht verpackt, in der durchaus ehrlichen Meinung, das werde dem Käufer lvegen der Verbilligung nur angenehm sein. Verpackung platzt, Schaden entsteht, Sachverständige bekunden, das objektive Maß (Perkehrssitte"; s. unten) sei nicht eingehalten, Verkäufer hastet.

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§ 8 Vc. Treu und Glauben; Gefahren.

Der objektive Maßstab selbst wird auf doppelter Basis gewonnen. Einmal hat der Gesetzgeber, gleichsam zur Unterstützung und Festigung, noch die Worte beigegeben, daß auf die Berkehrssitte Rücksicht genommen werden solle, deren große Bedeutung schon in anderem Zusammenhänge wiederholt betont worden ist (vgl. S. 8 oben, auch Grundriß Einführung § 13 II5, Grundriß Allgem. Teil § 30 VI4). Aber zum anderen muß gerade immer auch auf die besonderen Verhältnisse des konkreten Falls Rücksicht genommen werden. In letzterer Hinsicht gewinnt man einen Anhalt, wenn man dem Schuldner zumutet, nicht einzig und allein auf seine eigenen Zwecke hinzuarbeiten, sondern auch die Zwecke, die der Gläubiger verfolgt, in vernünftigen Grenzen mit zu berücksichtigen. Auf diese Weise kommt eine gerechte Abwägung der beider­ seitigen Interessen zustande. c) Gefahren. Dem Richter fällt damit eine große Verant­ wortung zu. Der § 242 gibt ihm einen Regulator für das gesamte Schuldrecht mit seinen vielen Typen, seinen tausend Verzweigungen in die Hand. Sachverständige können ihm etwas helfen, namentlich, wenn es auf die Verkehrssitten ankommt. Aber die letzte Entscheidung bleibt doch beim Richter. Dabei liegt bei der gegenwärtigen Ent­ wicklung die Hauptschwierigkeit nicht im Zuwenig, sondern im Zuviel der Anwendung. Tie Lockung ist groß, allen juristischen Unebenheiten kurzerhand mit der Formel von Treu und Glauben zu begegnen und in eine sentimentale Gefühlsjurisprudenz zu ver­ fallen. Nicht genug kann vor dieser Gefahr gewarnt werden. Unter dem Appell des § 242 an Treu und Glauben dürfen weder die Vertragstreue noch die Gesetzestreue leiden. Ter Richter darf sich nicht anmaßen, „Sittenrichter" zu sein. Mög­ licherweise muß er das Verhalten eines Schuldners als noch mit „Treu und Glauben" vereinbar bewerten, obwohl vom SittlichkeitsMoral-) Standpunkte aus das Verhalten zu verwerfen wäre (Beispiel: RG.Urteil in Jur. Wochenschr. 1925 S. 1633 Zifs. 5). Die Ausweitung des Prinzips durch die Praxis ist be­ deutend. Keineswegs hat man sich, obwohl dies allein im Text des § 242 steht, auf eine Regulierung der Schuldnerseite beschränkt. Auch der Gläubiger muß sich mit demselben Maße messen lassen. So kann z. B. sein Verlangen, eine unverschuldet Jahre hindurch ins Stocken geratene Lieferungspflicht des Schuldners später bei gänzlich veränderten Ver­ hältnissen wieder aufzunehmen, gegen Treu und Glauben verstoßen. Auf der Schuldnerseite hat die Theorie bereits eine ganze Reihe von Einzelpflichten aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ab­ geleitet und dogmatisch ausgebaut, so eine Pflicht, den Vertragsgegner über inzwischen eingetretene Hemmungen auszuklären (vgl. unten

§ 8 Vd. Treu und Glauben; Grenzen.

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§ 161), so eine Pflicht, über das wortwörtlich versprochene Maß hinaus für eine Erhaltung des Schuldgegenstandes zu sorgen, usw. Sogar eine allgemeine Pflicht, alles zu unterlassen, was die Erreichung des Vertragszwecks gefährden könnte, wird im Schrifttum viel verwertet (vgl. unten § 20 V c).

d) Grenzen: Der Gedanke, die Schuldverhältnisse mittels „Treu und Glauben" regulieren zu wollen, findet von vornherein seine Grenze überall da, wo der Gesetzgeber starre Regeln — eine Erinnerung an das ins strictum der Römer — aufgestellt hat. So z. B., wo feste Zahlengrößen in den Gesetzestext ausgenommen worden sind, wie etwa bei der Verjährung (§§ 194ff.): eine Ver­ jährungsfrist kann nicht, weil das angeblich Treu und Glauben ent­ spräche, verlängert oder verkürzt werden. Ganz besonders gilt das aber von den Formvorschriften. Man kann sehr wohl in einem bestimmten Fall das Empfinden haben, daß es wider den Anstand geht, wenn der verklagte Schuldner sich hinter das Fehlen der Form verschanzt und um deswillen die Ungültigkeit des ganzen Geschäfts behauptet. Namentlich gegenüber dem §313 (Grund­ stücksgeschäfte; vgl. S. 43) ist immer wieder der Versuch gemacht worden, das unbeurkundete Geschäft doch als gültig darzustellen, weil die Flucht hinter § 313 wider Treu und Glauben sei. Aber die Praxis ist in der Ver­ teidigung der Formvorschriften gegen solche Lockerung festgeblieben und hat die unbeurkundeten Geschäfte nach wie vor als ungültig behandelt: „Der Vertragsgegner nimmt", wie das Reichsgericht es öfter formuliert hat (z. B. Bd. 96 S. 315, ähnlich Bd. 72 S. 343), „nur ein ihm gesetzlich verliehenes Recht in Anspruch", wenn er den Formmangel hinterher zu seinen Gunsten ausnützt. Gewisse Ausnahmen müssen aber doch an­ erkannt werden. Wenn z. B. die eine Partei die Einhaltung der Form­ vorschrift, also z. B. der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung, in der Absicht hintertrieben hat, um dann hinterher die Nichtigkeit des Geschäftes (§125) geltend zu machen, so bleibt zwar das Geschäft auch in diesem Falle nichtig, aber es kann dem überlisteten Teil ein Schadens­ ersatzanspruch aus §826 (oder auch aus § 823II) zustehen, und zwar auf Ersatz des sog. negativen Vertragsinteresses (vgl. S. 105). So auch das RG. a. a. O. Ein weiteres Gebiet, wo mit Zurückhaltung operiert werden muß, bilden die abstrakten Verbindlichkeiten (S. 48 V); ihnen darf ebenfalls ihr Wesen nicht durch zu starkes Einmischen von Treu und Glauben ge­ nommen werden.

VI. Nachträgliche Bestimmung des Leistungsinhalts (BGB. 88 315 bis 319). Die Idee einer Leistungspflicht ist ohne konkreten Inhalt für die Praxis des Lebens nicht verwertbar. Aber es ist nicht nötig, daß der Inhalt schon von vornherein bis ins Einzelne festgesetzt ist. Vielmehr genügt es, wenn ein Weg vorgesehen wird, auf dem man noch nachträglich zur Bestimmung gelangen kann, wenn also die Leistungspflicht ihrem Inhalt nach unbestimmt,

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§ 8 VI. Nachträgliche Bestimmung des Leistungsinhalts.

aber bestimmbar ist (vgl. die Parallele bei der Bestimmung der beteiligten Personen S. 33 III). Tas Gesetz hat für solche Lagen einige Aushilfssätze im §§ 315 bis 319 aufgestellt. Sie sagen aber nicht alles. Vielmehr ergibt sich folgende Gedankenreihe: a) Zunächst ist zu prüfen, ob überhaupt eine rechtliche Bindung erstrebt war, oder ob nicht das Offenlassen des Leistungsinhalts auf ein bloßes Freundschaftsverhältnis (3. 25 III a) schließen läßt. b) Ist an sich ein Streben nach rechtlicher Bindung festgestellt, so ist weiter zu prüfen, ob die Parteien schon „fertig" waren, oder ob nicht das Offenlassen des Leistungsinhalts auf ein bloßes Vorbereitungsstadium schließen läßt; ist das zu bejahen, so fehlt es noch an einer Verbindlichkeit, keiner von beiden Teilen könnte klagen (vgl. BGB. § 154; Grundriß Allgemein. Teil § 33 IV). c) Ist der Vertrag unzweifelhaft schon fertig geschlossen, aber der Leistungsinhalt (namentlich der einen der beiden Leistungen) noch offen, so ist im Wege der Auslegung zn ermitteln, wie sich die Parteien die Nachholung gedacht haben. Fälle solcher Art sind außerordentlich häusig. Unzähligemal wird Ware bestellt, ohne daß nach dem Preise gefragt'wird. Oft genug sagt der, der eine Arbeit verrichten soll, bei der Frage nach den Kosten, das wisse er noch nicht, oder (z. B. beim Tragen von Gepäck), er überlasse das dem anderen Teil. In solchen Fällen greifen nun keineswegs so gleich die §§ 315ff. ein. Vielmehr wird meistens die Auslegung ergeben, daß das objektive Maß, der Marktpreis, „die Taxe", das „Übliche" gelten solle. Im Bereich des Arbeitsrechts hat der Gesetzgeber selbst aus die Taxen verwiesen (§§ 612, 632, 653). Überboten wird das noch durch die seit Inkrafttreten des BGB. andauernd gewachsene Bedeutung des Tarifwesens (vgl. unten § 50111h). Bisweilen haben auch die Parteien von vornherein an solche nachträgliche Bestimmung gedacht und ein Schiedsgericht vereinbart (nachfolgend f). Erst, wenn das alles nicht in Frage kommt, setzt die Bestimmung durch eine Einzelperson ein.

d) Soll durch eine Einzelperson die „Bestimmung" des Leistungsinhalts getroffen werden, so ist weiter zn scheiden, ob ein Dritter dazu berufen ist oder die eine der beiden Vertrags­ parteien, im letzteren Falle wieder, ob der Schuldner oder der Gläubiger. 1. Ein Dritter kommt nur in Frage, wenn das klar aus den Um­ ständen hervorgeht. Nicht selten bei Geschenken, die nach näherer Be­ stimmung eines Dritten verteilt werden sollen. Sonderfall des Preisausschreibens (S.367). Übergang in eine richterähnliche Funktion des Dritten (vgl. S. 36 oben). 2. Bleibt die Bestimmung (nach Auslegung) zuüschen den Parteien hängen, so wird sie im Zweifel dem Schuldner zu überlassen sein, nach dem allgemeinen Grundsatz, daß niemand auf mehr gebunden sein soll, als sich erweisen läßt (Parallelen S.122 Zisf.2: sein Wohnsitz entscheidet.

§ 8 V. Feststellung der Leistung durch ein Schiedsgericht.

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S. 79 b: er 1)at das Wahlrecht). Daran ändert auch §316 nichts, denn, wenn er auch beim verkauften Buch dem Verkäufer die Bestimmung des Preises überläßt, also scheinbar dem Gläubiger, so handelt es sich doch ausgesprochenermaßen hierbei um die Gegenleistung, und da soll dann der Verkäufer, dessen eigene Schuldnerleistung (Buch) bereits feststeht, nicht auf mehr (d. h. einen niedrigeren Preis) gebunden werden, als ihm nachgewiesen werden kann.

e) Diese Bestimmung durch die eine Vertragspartei oder durch einen Dritten unterliegt aber wiederum einer objektiven Kon­ trolle, die sich an den Grundsatz von Treu und Glauben (vorstehend Ziff. V) anlehnt. Die Bestimmung darf nämlich nicht der „Billig­ keit ins Gesicht schlagen. Der dadurch Benachteiligte kann den Richter anrufen, dann erfolgt die Bestimmung durch richterliches Urteil. Nach näherer Maßgabe der §§ 315fs. Ist dem Dritten „freies" Ermessen eingeräumt (Auslegungsfrage), dann allerdings gibt es keine Kontrolle, und zeigt er passiven Widerstand, so ist ebenfalls keine Waffe gegeben, vielmehr bricht dann der ganze Vertrag als undurchführbar zusammen (§31911 im Gegensatz zu § 315III letzter Halbsatz; vgl. S. 80II a: passiver Widerstand bei der Wahlschuld).

f) Überlassung der Bestimmung an einen Dritten führt hinüber zur Feststellung der Leistung durch ein Schiedsgericht. Diese Methode erfreut sich wachsenden Zuspruchs. Namentlich nehmen es die Parteien selbst oft in die Hand, von vornherein in ihren Verträgen für Meinungsverschiedenheiten eine solche Schieds­ stelle vorzusehen. Bisweilen hat aber auch der Gesetzgeber die „Bestimmung des Leistungsinhalts" zwangsweise in die Hände eines Schiedsgerichts gelegt, so daß auch hier wieder die Duplizität (Wille der Beteiligten und Wille der Rechtsordnung) in Erscheinung tritt. Eine Hochflut gesetzlicher Unterwerfung unter schiedsrichterliche Leistungsbestimmung hatte die Kriegswirtschaft hervorgebracht. Die Nachwirkungen erstrecken sich noch bis in die Gegenwart. Im Jahre 1915 wurde ein „Reichsschiedsgericht für Kriegsbedarf" eingesetzt, das für die vielen beschlagnahmten Waren die seitens des Reiches (der „Kriegsgesellschaften") zu zahlenden Preise letztinstanzlich festsetzen sollte. Es hätte sich das Ganze in den Rahmen der Enteignung (Grundriß „Sachenrecht" § 11), also eines öffentlichrechtlichen Verfahrens, bringen lassen. Dann hätte von schuldrechtlichen „Leistungen" gar nicht mehr die Rede sein können. Indessen zog man es auch hier wieder vor (vgl. oben S. 21 f. über das Hilfsdienstgesetz), den Vorgang sich in den Bahnen des Privatrechts, kaufähnlich, abspielen zu lassen. So hieß es gleich in der ersten Verordnung vom 24. Juni 1915: „Der Übernahme­ preis wird unter Berücksichtigung des Friedenspreises zuzüglich eines nach den Verhältnissen des Einzelfalles angemessenen Gewinnes durch ein Schiedsgericht endgültig festgesetzt." Allerdings ist im weiteren Verlauf die materiellrechtliche Funktion der Leistungsbestimmung (in

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§91. Tic Gattungsschuld, Bcgrisf.

Parallele zu 8 317) mehr und mehr hinter der „gerichtlichen" Funktion zurückgetreten. Nachfolger des Reichsschiedsgerichts für Kriegsbedarf ist das noch heute bestehende (auch mit anderen Aufgaben betraute) Reichs Wirtschaftsgericht geworden.

§9.

§ 9. Die Gattungsschuld. (BGB. § 243; vgl. auch §§ 279, 300 II, 480, 491, 524 II).

I. Begriff: Eine Gattungsschuld liegt vor, wenn der Schuld­ gegenstand nicht im einzelnen, sondern vorläufig nur der Gattung nach bestimmt ist. Danach ist die Gattungsschuld eine unfertige Schuld: das schließlich wirklich zu liefernde Stück muß erst aus der Gattung herausgeholt werden. Durch diese Unfertigkeit unterscheidet sich die Gattungsschuld von der sog. Speziesschuld, bei der von vorneherein schon ein ganz bestimmtes Einzelstück den Schuldgegen­ stand bildet. Speziesschuld wird so gut wie immer vorliegen, wenn ein Pferd oder ein Gemälde gekauft wird. Gattungsschuld (auch Genusschuld genannt) ist dagegen z. B. der Kauf von 10 Zentnern Äpfel, der Kauf eines Romans, der Kauf eines Paares Handschuhe; denn hier soll überall aus dem bei Vertragsschluß allein ins Auge gefaßten größeren Vorrat ein Stück (oder eine Menge Stücke) herausgezogen werden. Doch kann eine solche Schuld in eine Speziesschuld übergehen, z. B. wenn der Roman ein ganz altes seltenes Exemplar („tadellos erhalten") ist, für das ein Liebhaberpreis geboten wird. Auch kann der Rahmen, aus dem die einzelnen Stücke entnommen werden sollen, also der Umfang der „Gattung", sehr verschieden ab­ abgesteckt sein, wofür der Partei Wille entscheidend ist: Äpfel schlechthin, Äpfel einer bestimmten Marke, Äpfel von einem bestimmten Baume. Tie gewöhnliche geht dann in die sog. begrenzte GattungSfchuld über. Von einer solchen spricht man nämlich, meint an sich eine weiterreichende Masse da ist, die Lieferungspflicht aber auf einen durch irgendwelche begrenzenden Merkmale abgezirkelten Ausschnitt aus dieser allgemeinen Masse gelegt ist („eigenes Fabrikat", aus „meinen gegenwärtigen Be­ ständen"). Diese Begrenzung kann bedeutsam sein'. 1. für die Gefahrtragung (s. im folgenden), insofern bei der be­ grenzten Gattungsschuld der Schuldner schon „frei" wird, wenn alle Stücke in dem begrenzten Rahmen (z. B. sein „gegenwärtiger Bestand") vernichtet oder, was im Kriege eine große Rolle gespielt hat, beschlagnahmt werden; der Gläubiger kann dann nicht verlangen, daß der Schuldner sich ähnliche, anderwärts noch vorhandene Stücke beschafft, um sie dem Gläubiger zu liefern. Die Auslegung, ob das wirklich so gemeint war, kann im einzelnen Falle schwierig sein. 2. Für die Verteilung unter mehreren Gläubigern. Lage: der Lieferant hat mehrere Kunden, denen er durch Verträge gebunben ist, bestimmte Quanten seines „Bestandes" zu liefern. Ein Teil des Be­ standes wird vernichtet (oder beschlagnahmt), der Restbestand reicht nicht für alle. Soll hier wirklich die „Prävention" (vgl. oben S. 40)

§ 9II. Die Gattungsschuld, Stellung des Schuldners.

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entscheiden, oder hat der (gemeinsame) Schuldner ein Verteilungs­ recht oder sogar eine Verteilungs Pf licht? — Ein offenes, interessantes Problem. Das Reichsgericht hat sich schon früh im letzteren Sinne ge­ äußert (Bd. 84 S. 125ff.): Fall einer Mißernte; das gesamte Ge­ erntete reicht nicht für alle Besteller. Begründung mit „Treu und Glauben" (§242) und Verkehrsauffassung: „Der Verkäufer konnte nicht mehr tun, als die gesamte Ernte der Gesamtheit seiner Käufer zur Verfügung zu stellen". Bloße Befugnis des Verkäufers, oder muß er sich auf eine solche Verteilung einrichten, also für die noch Ausstehenden ein entsprechendes Quantum „reservieren"? Man wird auch letzteres bejahen müssen. Die mehreren Käufer bilden eine Art unsichtbare, nicht verabredete, aber bei Zuspitzung der Verhältnisse voraussehbare „Interessengemeinschaft" (eine parallele Erscheinung hinsichtlich der Gefahrtragung bei Sammelsendungen, unten S. 63). — Schrifttum bereits S. 41.

II. Die Stellung des Schuldners: Er ist einerseits wesentlich freier gestellt, andererseits mit größerem Risiko belastet. a) Seine freiere Stellung zeigt sich darin, daß er aus der Gattung auswählt. Freilich setzt ihm das Gesetz dabei Schranken, er darf nicht die schlechtesten Stücke herausholen, sondern hat sich an mittlere Güte zu halten (§2431; leistet er bessere Stücke, keine Rückforderung, in Parallele zu § 813 II). Umgekehrt ist der Gläubiger noch in keiner Weise Herr über irgendwelche einzelnen Stücke, die ihm etwa schon verfangen wären. Das hat eine doppelte Folge. Einmal kann der Gläubiger in einem etwaigen Konkurse des Schuldners nicht „Aussonderung" (vgl. oben S. 17) geltend machen. Sodann kann er, wenn die ganze Gattung untergeht, nicht den Anspruch auf den Ersatzwert aus § 281 erheben. Über den Anspruch aus § 281 und seine Nichtverwendbarkeit bei Gattungsschulden Näheres unten S. 156 c.

b) Das größere Risiko des Schuldners läuft parallel dazu. Er hat eben gleichsam die ganze Gattung zu vertreten. Ist ihm sein eigener Vorrat ausgegangen, etwa ganz ohne sein Verschulden durch Explosion vernichtet, so muß er sich an anderer Stelle ein­ decken, weil und solange von der Gattung noch irgendwo Exemplare vorhanden sind. Dies ist der bedeutende Gegensatz zwischen § 279 und § 275. Das Unmöglichwerden der Leistung befreit an sich den Schuldner, und dem ist sein persönliches „Unvermögen" gleichgestellt. Aber bei Gattungs­ schulden darf der Schuldner seine persönliche Behinderung nicht aus­ spielen. Das ist besonders in der Kriegs- und Folgezeit bei dem außer­ ordentlichen Zusammenschrumpfen aller Bestände fühlbar geworden und hat die Lieferanten „marktgängiger Ware", vor allem im Groß­ handel, dank einer sehr strengen Praxis des Reichsgerichts schwer getroffen. Das RG. stellte damals fest (und es waren dabei die Gattungs-

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§ 9 III. Die Gattungsschuld; Konkretisierung. käuse des Großhandels gemeint): „Für solche Geschäfte gilt der Grund­ satz, daß der Verkäufer niemals von der Leistung frei wird, solange die Ware am Markte gehandelt wird und zu haben ist. Kein noch so außer­ ordentliches Steigen des Preises befreit den Verkäufer, solange ... die Ware in einer für die Vertragsleistung genügenden Menge käuflich ist". Wer also zu 100 Mk. für 1 kg verkauft hatte, mußte zu diesem Preis liefern, auch wenn er selbst die Ware sich nur für 2000 Mk. pro kg be­ schaffen konnte: § 2791

III. Die sog. Konkretisierung. Jede Gattungsschuld muß ein­ mal bei einem speziellen Gegenstand enden. Wer 100 Sack Klee, 500 Zentner Zinn, 10 Zigarren bestellt, will nicht bei der bloßen Zahl als Bruchteil einer vielleicht unübersehbaren Menge stehen bleiben, sondern er will wirkliche 10 Zigarren in die Hand, greif­ bare 100 Sack Klee in die Scheuer, ganz konkrete 5OO Zentner Zinn auf sein Lager bekommen. Es geht also die Gattungsschuld schließlich in eine Speziesschuld über. Und das ist für die recht­ liche Behandlung von großerBedeutung; denn vondiesemAugenblickan kann man dem Schuldner billigerweise nicht mehr das erweiterte Risiko auferlegen (jetzt § 275 statt 279), so wie er umgekehrt nun auch nicht mehr Wahlfreiheit hat, sondern an die gewählten Stücke gebunden ist (kein ius variandi). So klar dies Endergebnis ist, so schwierig ist es, den Zeitpunkt zu bestimmen, in dem die Umwandlung einsetzt. Das war schon im gemeinen Recht lebhaft bestritten (Ausscheidungs­ theorie, Mitteilungstheorie, Lieferungstheorie). Im BGB. ist dafür, nach starker Unsicherheit in der Entstehungszeit, die nicht sehr klare Formel gewählt worden: Tie Beschränkung auf eine be­ stimmte Einzelsache trete dann ein, wenn der Schuldner „das zur Leistung einer solchen Sache seinerseits Erforderliche getan hat" (§ 243II). Wann das geschehen ist, wird vom Einzelfall abhängen. Das kritischeste Stadium ist natürlich das des Trans­ ports, wo die schon ausgesonderten Stücke unterwegs, aber noch nicht in die Hände des Gläubigers gelangt sind. In der juristischen Technik dürfte als spätester Zeitpunkt die „Erfüllung" (unten § 27) anzusetzen sein, obwohl auch dann noch gattungsschuldliche Wir­ kungen nachkommen können, wie z. B. der Ersatzlieferungs­ anspruch des Käufers, wenn ihm mangelhafte Stücke verkauft worden sind (unten S. 237 ). Wichtiger Gegensatz zum römischen Recht, das die Gesahr schon mit dem Vertragsschluß wechseln ließ („Pericuhim ost emtoris“). — Mehrere bedeutende Ausnahmen. 1. Beim Persendungskauf (vgl. schon S. 123). Hier geht die Ge sahr schon früher über. 2. Beim ausschiebend bedingten Kauf; praktisch namentlich beim Kauf aus Probe, unten Ziff. VIb. Hier geht die Gefahr erst später, d. h. noch nicht mit der Übergabe über. 3. Beim Eigentumsvorbehalt ergibt sich eine schwierige Lage. Wenn hier die Übergabe bereits stattgesunden hat, während das Eigentum noch beim Verkäufer bleibt (§ 455; Näheres unten Vic),

§ .37 Illb. Kauf, Übergang der Lasten und Nutzungen.

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könnte der Verkäufer übermäßig begünstigt erscheinen: er ist noch recht­ licher Herr der Sache, aber die Last der Gefahrtragung soll schon auf den Schultern des Käufers liegen. Doch ist aus der anderen Seite zu bedenken, daß der Verkäufer sich durch die Übergabe der Obhut über den Gegenstand entkleidet hat, und daß er umgekehrt bereits die Nutzung entbehren muß- und das spricht eben doch dafür, es bei der Regel des § 446 bewenden zu lassen. So auch das Reichsgericht (Bd. 85 S. 321, Jahr 1914) und die überwiegende Lehrmeinung. Eigentümliche Lagen können sich auch beim Grundstücksverkauf ergeben. Zunächst greift eine gesetzliche Sonderregel ein (§ 446 Abs. II). Danach geht, wenn der Käufer im Grundbuch als neuer Eigentümer eingetragen ist, noch ohne daß die Übergabe erfolgt wäre, schon in diesem Augenblick, also früher, die Gefahr auf ihn über. Wie aber, wenn er — ein seltener „Schulfall" — dasselbe Grundstück zweimal verkauft und dem 1. Käufer übergeben hat, ohne ihn eintragen zu lassen, während er den 2. hat eintragen lassen, ohne ihm das Grund­ stück zu übergeben? Dann ist nach dem Gesetzestext die Gefahr auf beide übergegangen, auf den 1. nach Abs. I, auf den 2. nach Abs. II des § 446. Aber soll dann wirklich der Verkäufer, dem keiner von beiden (nachdem das Grundstück etwa durch Überschwemmung unter­ gegangen ist) zu vertretendes Nichtleisten vorwerfen kann, von beiden, also zweimal, den Kaufpreis einkassieren dürfen? Das geht nicht an. Doch herrscht starker Streit, wie da zu helfen sei. Auch hier empfiehlt es sich, auf Obhut und Nutzung den entscheidenden Ton zu legen. Danach „trägt die Gefahr" der, dem übergeben ist. Er muß also zahlen. Der Nur-Eingetragene wird dagegen nach § 323 von der Zahlungspslicht frei. (Sehr bestritten). Eine eigentümliche Verlängerung der Gefahrtragung zu Lasten des Verkäufers zeigt sich, wenn es später zur Wandlung kommt (vgl. unten S. 239$. Bei Sammelverkäufen wird oft die Auslegung ergeben, daß die einzelnen Stücke überhaupt keine Rolle spielen (vgl. bereits S. 28 Ziff. IV), daß deshalb auch der zufällige Untergang einzelner Stücke noch vor der Übergabe an der Pflicht des Käufers, den ganzen Preis zu bezahlen, nichts ändert. So beim Verkauf eines Haufens Gerümpel, aus dem einige Stücke noch vor der Übergabe in Schutt zerfallen. Man kann also sagen, daß insoweit der Käufer schon vor der Übergabe „die Gefahr trägt". Aus der Literatur: Eißer, Die Gefahrtragung beim Kaufverträge rechtsvergleichender Darstellung (1927).

b) Lasten, Verwendungen und Kosten sind nach ähnlichen Gesichtspunkten verteilt. Solange die Sache noch im räumlichen Herrschaftsbereich des Verkäufers bleibt, hat er grundsätzlich die Obhut imb die Pflicht, die entstehenden Aufwendungen zu decken; das reicht bis zu den Kosten, die durch das Znmessen imb Abwägen der Ware entstehen. Von da ab, angefangen mit den Kosten der „Abnahme" und Versendung, muß der Käufer einspringen. Vgl. 8 446 („Lasten"), 8 448 („Kosten"), 8 450 („Verwendungen"). -- Jii der Praxis spielen die Grund buch losten eine besonders wichtige 15*

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§ 37 III d. Kauf, Einwirkung des Krieges.

Rolle. Gesetzlicher Anhalt in § 449. Auch Steuerfragen greifen ost ein. So die Grunderwerbssteuer. Sie beträgt (nach dem Grund­ erwerbssteuergesetz, Fassung vom 11. März 1927, RGBl. I 72, § 17) drei vom Hundert des „gemeinen Wertes" des Grundstücks, fällt also schwer ins Gewicht. Wenn das Steuergesetz (§ 20) für diese Steuer „Erwerber und Veräußerer gesamtschuldnerisch" haften läßt, so ist das für das bürgerliche Recht ohne Bedeutung. Hier entscheidet allein die Auslegung, ob diese Steuer zu den „Kosten" im Sinne des § 449 gehört. Im Zweifel wird man bejahen müssen. In jedem Falle aber empfiehlt sich in der Praxis klare Absprache über alle solche Einzelpunkte, zumal der Verkehrs- und Ortsgebrauch verschieden sein kann.

c) Nutzungen. Hierbei ist namentlich auch an verkaufte Rechte zu denken, die in der Zwischenzeit durchlaufend Zinsen tragen. Stichpunkt auch hier grundsätzlich die Übergabe (§ 446 1 2); bei Rechten tritt die Rechtsverschaffung (Abtretung) an die Stelle der körperlichen Übergabe. Über die Verteilung vgl. § 101. — Unglückliche Regelung beim Versendungskaus. Nur die Gefahr geht dann schon früher (mit der Absendung) über; wenigstens setzt das Gesetz den Umschwung nur für die Gefahr fest (§ 447). Die Nutzungen sollen dagegen bis zur schließ­ lichen Übergabe auf Rechnung des Verkäufers weiterlaufen. Beispiel: Hühnertransport auf der Eisenbahn, 2 sterben, mehrere legen Eier; der Tod soll auf Rechnung des Käufers gehen, während die Eier noch dem Verkäufer zufallen würden. Unhaltbar; Auslegung auf anderen Parteiwillen unerläßlich.

d) Außergewöhnliche Umstände. Die Kriegs- und die Nachkriegszeit haben eine unübersehbare Fülle von Beispielen gebracht, lvo gerade das Dasein einer Zwischenzeit zwischen Kauf­ abschluß und Kauferfüllung zu schwierigsten Verwicklungen geführt hat. Mehr und mehr ist aber die Behandlung dieser Konflikte aus dem Kaufrecht ausgeschieden und in den Bereich der Allgemeinen Lehren versetzt worden.

1. Ta war z. B. die Beschlagnahme der Warenbestände, die es dem Verkäufer „unmöglich" machte, zu liefern. Hier vor allem spielte die Frage, ob bloße Leistungserschwernis schon (befreiende) „Unmöglichkeit" sei, eine große Rolle. Vgl. dazu oben § 23 I a. Weiter wurde über die Frage nach der Zugehörigkeit der „Ersatz­ werte" , die der Verkäufer von der Beschlagnahmebehörde für die Beschlagnahme erhielt, lebhaft gestritten. Vgl. dazu oben S. 156.

2. Nahe damit verwandt ist die Frage, wie etwaige Restbestände des Verkäufers, die nicht mehr für alle seine Kunde;: reichen, zu verteilen seien. Auch darüber ist schon in früherem Zusammenhange gesprochen worden (S. 60 Ziff. 2).

§37 111 d. Kauf, Einfluß der clausula rebus sic stantibus.

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3. Vor allem aber ist durch die Kriegs- und Nachkriegslage ganz allgemein, d. h. über den Einzeltatbestand der Beschlagnahme hinaus, die Frage in schärfstes Licht gerückt worden, inwieweit außergewöhnliche Umstände, die in der Zwischenzeit eintreten, die Lösung von einem gültig geschlossenen Kaufverträge ermög­ lichen. Die Lehre von der clausula rebus sic stantibus hatte in diesem Zusammenhänge großes Ansehen erworben. Darüber oben S. 136 Ziff. IV und S. 152 Ziff. 2. Das Problem ist heute erheblich zurückgetreten. Nicht so leicht werden heute die Gerichte geneigt sein, einen „Rücktritt" wegen veränderter Umstände zu bewilligen. Immerhin sind Fälle in den früher geschilderten Grenzen denkbar. 4. Schließlich zweigt sich von der Frage der Rücktrittsmöglichkeit die einschränkende Frage ab, ob wenigstens der Verkäufer beim Eintritt außergewöhnlicher Umstände eine Hinausschiebung der Lieferung bis zur Rückkehr geordneter Verhältnisse ver­ langen darf. Im Kriege lag es nahe, an eine Hinausschiebung bis „nach Friedens­ schluß" zu denken. Nach dem Kriege kam es vor, daß die Lieferung bis zur „Aufhebung der Zwangswirtschaft" vertagt werden sollte. Heute wird dergleichen wiederum viel seltener sein. Immerhin kann z. B. an eine Hinausschiebung bis zur „Änderung der Zollgesetze", eines „wirtschaft­ lichen Dumpings" oder dergleichen gedacht werden.

Bei der rechtlichen Behandlung ist natürlich zu unterscheiden, ob der Vertrag von Anfang an eine dahingehende Klausel enthalten hat, oder ob der Verkäufer hinterher erst die Hinaus­ schiebung begehrt. Im letzteren Fall steht er ziemlich schutzlos da. Die gesetzlichen oder von der Wissenschaft entwickelten Hilfskategorien der Unmöglichkeit und der clausula rebus sic stantibus, sowieso schon in feste Grenzen gebannt, sind auf eine Lösung der Bindung, nicht aber auf ein Hinaus schieben der Erfüllungspflicht zu­ geschnitten. Höchstens kann der § 242 (Treu und Glauben) dazu verwendet werden, eine mäßige Hinausschiebung zu erzielen. Für die Konstruktion kann auch § 285 (Verzug) herangezogen werden, in der Weise, daß geprüft wird, inwieweit der Verkäufer das vorläufige Unterlassen der Lieferung „zu vertreten hat".

Für den ersten Fall (Vertragsklausel) kann die Lage dadurch kritisch werden, daß sich der erwartete Endpunkt unver­ hältnismäßig lange hinausschiebt. Kann dann der Gläubiger oder der Schuldner — beide können daran ein Interesse haben — das Geschäft aufsagen? Grundsätzlich wird das zu verneinen sein. Immerhin kann ein allzu langes Wartenmüssen ergeben, daß

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§ 37 IV a. Haftung des Verläufers für Recbtsmängel.

eine Abwicklung nach so langer Zeit nicht wehr „dem lvahren Willen der Parteien" entspricht. Tann wird die Kategorie der nachträg­ lichen Unmöglichkeit anzuwenden sein (oben § 23). Beispiel aus der Kriegszeit: Tie Klägerin hatte im Februar 1914 die Lieferung von 10000 kg Kupferdraht aus Abruf seitens der Beklagten übernommen. Im Januar 1915 einigten sich die Parteien (also Ein­ schiebung einer Klausel in ihren Vertrag), „daß die Lieferung bis zum Friedensschluß mit England hinausgeschoben werden sollte". Im Juli 1915 und nochmals im Mai 1916 erklärte dann aber die Klägerin, „daß sie mit Rücksicht auf die weitere Entwicklung des Krieges und die dadurch her vorgerufenen Verhältnisse den Abschluß in ihren Büchern gestrichen habe und den Vertrag wegen Unmöglichkeit der Erfüllung als erloschen be­ trachte". Tie Beklagte widersprach dem. Tas Reichsgericht (Bd. 94 2.47: Jahr 1918) entschied: „daß die durch den Krieg notwendig gewordene zeitliche Verschiebung der Leistung als ein der Unmöglichkeit gleichzuachtender Umstand die dauernde Befreiung des Schuldners mit der Folge einer Auflösung des Vertragsverhältnisses bewirkt, wenn die Leistung durch die Verschiebung derart verändert wird, daß sie nicht mehr als die beim Vertragsschluß erwartete und gewollte Leistung zu erachten fein würde", und fuhr fort, daß auch eine nachträgliche Einigung der Parteien, bis zur Beendigung des Krieges warten zu wollen, daran nichts ändere, wenn nicht nach dem Willen der Parteien anzunehmen sei, daß der Lieferant wirklich unter allen Umständen zur Lieferung verpflichtet bleiben sollte: „Tie Übernahme aller und jeder Gefahr durch die Vertragsteile, insbesondere den Verkäufer, ist aber nicht zu vermuten, vielmehr als eine seltene Ausnahme zu betrachten, die nur danu an­ genommen werden darf, wenn der Wille der Parteien, an der Lieferungs­ pflicht für alle Fälle sestzuhalten, mögen sich auch die Verhältnisse ändern, wie sie wollen, klar und unzweideutig zum Ausdruck gekommen ist".

IV. Haftung des Verkäufers für Rechtsmängel. Tie Pflichten des Verkäufers haben wir bereits keuneugelernt (S. 223 a). Kommt er ihnen nicht nach, so seht ein verwickeltes Haftungsspstem ein, das zum Teil aus den Vorschriften des allgemeinen Schitldrechts, zum Teil ans Sonderregeln des Kaufrechts aufgebaut ist. Einer sehr ills einzelne gehendell Sonderregelung sind die Fälle unterworfen, ill denen der Kaufgegenstalld mit einem sachlichen Mangel behaftet, das oerkanfte Tier z. B. krank ist. Tarüber folgt das Nähere unter V. Alles übrige wird im geläufigen Sprachgebrauch der Juristen unter der (an sich zu engen) Bezeichnung „Rechtsmangel" oder „Mangel im Recht" zusammengefaßt und durch den § 440 Abf. 1 zusammengehaltet!. Aus der Literatur: Tiefgreifende historische Studien bei Nabel, Tie Haftung des Verkäufers wegen Mangels im Rechte, I. Teil (1902).

a) Der Tatbestand. Tie Rechtsmängelhaftung seht ein, sowohl wenn die tatsächliche Übergabe ausbleibt (S. 223 Ziff. 1), wie wenn dem Käufer nicht uneingeschränktes Eigentum verschafft

§ 37 IVa. Haftung des Verläufers für Rechtsmängel.

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wird (Ziff. 2). Letzterer Teil des Tatbestandes wird durch eine wichtige Regel erweitert: Der Verkäufer hat nicht nur das Eigentum, sondern er hat es frei von Rechten Dritter zu beschaffen (§ 434). Einzelregeln ergänzen das System:

1. Richt nur dingliche Drittrcchte braucht sich der Käufer nicht gefallen zu lassen, wie z.B. Pfand- oder Nießbrauchsrechte (§8 1204ff., §§ 1030ff.), sondern auch gewisse schuldrechtliche Trittrechte, die gegen ihn wirksam sein würden. Es sind dies die Miet- und Pachtrechte, die in der Tat mit einer gewissen, auch den Käufer bindenden Wirkung ausgestattet sind (Näheres unten S. 261 b). Wer also ein Haus kaust und nun, als er selber einziehen will, erfährt, daß ein Dritter noch einen, vielleicht auf längere Zeit lausenden „Mietskontrakt" hat, kann den Dritten nicht hinauswerfen. Dafür ober haftet ihm der Verkäufer.

2. Beim Kauf von Grundstücken muß auf das Grundbuch wesen Bedacht genommen werden. Ein dort eingetragenes Dritt­ recht, z.B. eine Hypothek (§§ 1113ff.), bedeutet wegen des Gut­ glaubensschutzes, der mit dem Grundbuch verbunden ist (§ 892; Näheres im Grundriß Sachenrecht § 30 VI) auch dann eine Gefahr für den Käufer, wenn das Recht in Wahrheit gar nicht besteht. Deshalb kann der Käufer in jedem Falle Löschung verlangen (§ 435). Wegen der öffentlichen Abgaben, z.B. Steuer, vgl. § 436.

3. Beim Verkauf von Forderungen oder anderen Rechten mnß scharf geschieden werden die Haftung für den rechtlichen Bestand (nomen verum esse) und die Haftung für die Güte der Forderung (nomen bonum esse). Nach dem Gesetz hat der Verkäufer allein für ersteres einzustehen (vgl. auch schon S. 194 unter III a 1), für letzteres dagegen nur, wenn er die Haftung aus­ drücklich im Vertrage übernommen hat. 8 437 im Gegensatz zu 8 438. Wenn z. P. jemand eine Hypothek kauft, so hat der Verkäufer dafür einzustehen, daß die Hypothek wirklich als solche besteht, also nicht etwa erloschen ist. Ob dagegen im Falle einer Zwangsversteigerung des Grundstücks wirklich der Erlös ausreicheu wird, um diese Hypothek zu decken, ist eine andere, durch etwaige Zusagen des Verkäufers zu regelnde Frage. Bei der vertraglichen Übernahme der Haftung auch für die „Bonität" (Eindringlichkeit, Zahlungsfähigkeit des Drittschuldners) kann die Auslegung wieder noch verschiedene Lagen ergeben. So kann es z. B. zweifelhaft sein, ob der Verkäufer nur sagen will, daß jetzt — im Augenblick des Vertragsschlufses — die Forderung „gut" sei, oder ob er in die Zukunft hinein für die Bei­ treibbarkeit einstehen will. Im Zweifel gilt nach § 438 das erstere.

4. Die Beweislast für das Dasein des Rechtsmangels hat grundsätzlich der Käufer zu tragen (§ 442).

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§ 37 IVb. Haftung des Verkäufers für Rechtsmängcl. Tas gilt aber nicht für das reine Nichtleisten. Behauptet z. B. der Käufer, daß ihm die Ware noch gar nicht zugegangen sei, oder daß der Verkäufer die zur Abtretung der verkauften Forderung abzugebende Willenserklärung noch gar nicht abgegeben habe, so hat der Verkäufer zu beweisen, daß er insoweit seiner Leistungspflicht nachgekommen ist.

5. Beim Doppelverkauf ist es ohne weiteres klar, daß der Verkäufer dem 1. Käufer haftet, wenn er den Gegenstand an einen 2. Käufer unwiederbringlich weggegeben hat. Hier tritt aber die Frage hinzu, ob der 1. Käufer sich unmittelbar an den 2. Käufer halten kann, weil dieser an der Nichterfüllung des 1. Kaufes „mit schuld" sei. Das ist nur auf Umwegen zu erreichen. Denn der Kaufvertrag bindet nur den Verkäufer: der andere Käufer steht außerhalb dieses Vertrages. Aber in besonders schweren Fällen ist dem 2. Käufer, der etwa mit dem Verkäufer gemeinsame Sache gemacht hat, um den 1. Käufer zu schädigen, mit § 826 (Sitten­ widrigkeit) beizukommen. So das Reichsgericht, das sogar unter bem Gesichtspunkt der Naturalrestitution (§ 249; oben S. 100 b) einen Herausgabeanspruch des 1. gegen den 2. Käufer zulasscn will (Bd. 108 S. 58; Jahr 1924). Doch ist Zurückhaltung am Platze.

b) Wegfall der Haftung: 1. Bei Verzicht seitens des Käufers (nach näherer Maßgabe des § 443),

2. bei Kenntnis des Käufers (nach näherer Maßgabe des § 439), 3. bei Verkäufen, die sich im Zusammenhang mit einer Zwangsvollstreckung („Veräußerung eines Gegenstandes auf Grund der Pfändung", § 806 ZPO., § 56 ZVG.) abspielen. c) Inhalt der Haftung. Um die Rechte des Käufers aus „Rechtsmäugeln" näher zu bestimmen, hat sich der Gesetzgeber einer zu­ sammenfassenden Verweisung auf das Recht der gegen­ seitigen Verträge bedient (§ 440). Danach stehen dein Käufer zu Gebote: 1. Tie gewöhnliche Klage auf Erfüllung (vgl. oben S. 141 III a), gegebenenfalls in Verbindung mit Ersatz des Verspätungs­ schadens (oben 5. 162 c). 2. Die Einrede des nichterfülltell Vertrages (oben S. 85). 3. Wahlweise Schadensersatz wegen Nichterfüllung und Rücktritt nach Maßgabe der §§ 325, 326 (oben S. 158 e und S. 164 b und c). Diese Ansprüche kann der Käufer sofort geltend machen, sobald das Nichtleisten des Verkäufers feststeht, aber mit einer wichtigen Ein­ schränkung: Beim Verkauf beweglicher Sachen setzt nämlich die Schadensersatzberechtigung des Käufers (im Gegensatz zum Rück-

§ 37 V’a. Haftung des Verkäufers für Sachmängel.

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tritt) erst dann ein, wenn er den umstrittenen Gegenstand dem Tritten (dem wahren Eigentümer) hat herausgeben müssen. Beispiel: A hat dem B ein Fahrrad verkauft, das gestohlen war. Ter wahre Eigentümer ist C. Wenn C das Interesse an dem Rade verloren hat und deshalb den B in Ruhe läßt, ist dem B noch kein Schaden erwachsen. Erst, wenn C ihm das Rad abgenommen hat, kann B gegen A mit Schadensersatz­ ansprüchen vorgehen. Immerhin ist er schon vorher in einer peinlichen Lage. Darum gibt ihm das Gesetz (§440 Abs. 2) die Möglichkeit, dem A das Rad zur Verfügung zu stellen und daran anschließend eben doch Schadensersatz zu verlangen.

4. Neben den Rechten aus § 440 können übrigens dem Käufer noch andere Rechtsbehelfe gegeben sein. So kann sich das Ver­ halten des Verkäufers zugleich als eine unerlaubte Handlung darstellen. Dann steht nichts im Wege, daß der Käufer aus § 440 in Verbindung mit § 325 seinen Rücktritt erklärt und daneben (also nicht nur wahlweise) aus dem Tatbestand der unerlaubten Handlung einen Schadensersatzanspruch herleitet. Beispiel: X hat dem Y ein Grundstück verkauft. Auf dem Grundstück lastet eine (ausnahmsweise der Eintragung im Grundbuch nicht unter­ worfene) Wegegerechtigkeit zugunsten des Z. X hat dem Y diese Wege­ gerechtigkeit betrügerisch verheimlicht. Y hat schon Baumaterial an­ geschafft. Jetzt kann er nicht bauen. Rücktritt nach § 325, aber außerdem Schadensersatz wegen der nutzlosen Anschaffungen aus § 823 Zisf. II (Schutzgesetz ist der Betrugsparagraph des Strafgesetzbuchs).

5. Auch „Anfechtung wegen Irrtums und arglistiger Täuschung" (§§ 119, 123) kann in Frage kommen. Doch läuft sie praktisch ungefähr auf den „Rücktritt" hinaus, und man wird sie nur wahlweise neben der Schadensersatzpflicht aus § 325 zu­ lassen dürfen; sonst würde die Wahlbesugnis einfach umgangen werden. V. Die Haftung des Verkäufers für Sachmängel. Die Sachmäugelhaftung des Verkäufers ist vom Gesetzgeber aus dem übrigen Kaufrecht herausgelöst und zum Gegenstand eines eigenen Unter­ abschnitts gemacht worden (§§ 459|f.). Sie spielt auch in der Praxis des Lebens eine weit größere Rolle als die Rechtsmängelhaftung. Ihrem Namen und Wesen nach müßte sie auf den Verkauf von „Sachen", also körperlichen Gegenständen (§ 90), beschränkt bleiben. In der Tat kommt sie denn auch für den Verkauf von Rechten, wie z. B. Forderungen, Patenten oder dergleichen, nicht in Frage. Immerhin hat die Praxis den Rahmen etwas erweitert, indem sie auch den „Verkauf eines Unternehmens" (Handelsgeschäftes) der Sachmängelhaftung der §§ 459ff. unterstellt hat. So hat das Reichsgericht mehrfach seinen Willen dahin kund­ gegeben, „daß die Vorschriften des BGB. über die Gewährleistung

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§ 37 Va. Kausmängelhastung. wegen Mängeln der Lache mit Einschluß der Verjährungsvorschrist des § 477 auf den Kauf gewisser Rechtsgüter, insbesondere eines bestehenden Handelsgeschäfts als Ganzes, entsprechend anwendbar sind" (vgl. Bd. 100 S. 203, Jahr 1920). An anderer Stelle sagt es, daß „das Funktionieren eine wesentliche Eigenschaft eines Geschäftsbetriebes bilde", und daß des ­ halb „eine durch irgendwelche Umstände hervorgerufene Beeinträchtigung sdes Funktionierens) einen Mangel des Unternehmens darstelle" (Bd. 98 S. 292, Jahr 1920). Dem hat sich auch die Wissenschaft angeschlossen. Bezüglich der Anwendung der Verjährungsvorschriften (8 477, unten S. 239 /) sind jedoch Zweifel aufgetaucht.

Tie besondere Heraushebung der Sachmängelhaftung geht auf das römische Recht zurück. Ihre Folge ist, daß beim Dasein eines Sachmangels die sonst immer an erster Stelle zu nennende Erfüllungsklagc (oben S. 141 III a) ausscheidet. Darum kann auch der Däuser nicht, unter dem Zeichen einer solchen Ersüllungsklage, vom Käufer die Beseitigung des Mangels (Besse rungsanspruch) verlangen. Gleichzeitig ist das ein Unterschied des Dauses vom Werkvertrag. Denn bei letzterem ist ein solcher Beseitigungsanspruch gegeben (§ 633 Abs. 2). Ans dem Schrifttum: Theodor Süß, Wesen imi) Rechtsgrund der Gewährleistung für Sachmängel (1931); Haymann, Fehler und Zu­ sicherung beim Kauf, in der Festgabe der juristischen Fakultäten für das Reichsgericht (1929) Bd. 3 S. 317ff.

Dafür stehen nun aber dein Käufer Svnderrechtsbehelfe in großer, man kann sagen iibergroßer Zahl zur Verfügung. Der erwähnte eigene Abschnitt (§§ 459ff.) bringt allein schon 4 solcher Rechtsbehelfe: Wandlung, Minderung, Schadensersatz, Ersatz­ lieferung. Dazu treten noch (nachfolgend c) Hilfsmittel ans dem Allgemeinen Teil des BGB. und ans den Allgemeinen Lehren des Schuldrechts, so daß im ganzen ein Zuviel, nicht ein Znlvenig von Rechtsbehelfen gegeben ist. a) Voraussetzungen der Haftung des Verkäufers. Im An­ schluß an das römische Recht läßt das BGB. den Verkäufer in doppelter Weise haften. Und zwar tritt in beiden Fällen die Haftung zunächst ganz unabhängig von einem etwaigen Ver­ schulden des Verkäufers ein, so daß die Haftung den Charakter eines „Einstehenmüssens" bekomnit und sich einer „Gefahrtragung" nähert. 1. Erstens haftet der Verkäufer dafür, daß der Kaufgegenstand keine Fehler (vitia) hat. Er will klaren Wein, nicht trüben, gesunde Gerste, nicht dumpfige, eine Uhr, die geht, ein Haus, das bewohnbar ist. Doch darf er nichts Übermäßiges verlangen. Das Maß wird einmal durch das Verkehrs­ übliche bestimmt (Gesetz: „Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen Gebrauch"), doch kann auch aus der Lage des Falles sich eine Erweiterung ergeben

§ 37 Va. Hstufninnßcltjajtnnfl, dicta et promissa.

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(besetz: „Tauglichkeit zu dem nach dem Vertrage vorausgesetzten Ge­ brauch"). Beides kann ineinander übergehen, z. B. wenn es sich um ein Gemälde handelt, das hinterher als unecht erkannt wird (vgl. RG. in Bd. 115 S. 286, Jahr 1926). Ausgeschlossen von der Haftung sind kraft ausdrücklicher Bestimmung des Gesetzes die sog. minima (Gesetz: „unerhebliche Minderung des Werts oder der Tauglichkeit"). Der Wert selbst ist keine „Eigenschaft"; wer also hinterher erkennt, daß er ungünstig gekauft hat, daß die Sache viel weniger wert sei als er und vielleicht auch der (gutgläubige) Verkäufer annahm, kann das nicht als einen „Fehler" der Sache hinstellen. Wohl aber können alle Einzelelemente, die zum Wert der Sache beitragen, in einen „Fehler" übergehen. So z. B. der zu geringe Grad landwirtschaftlicher Nutzbarkeit bei einem als „Anwesen" verkauften Grundstück (RG. in Bd. 129 S. 280, Jahr 1930). Schwierig ist die Abgrenzung zu den QuantitatSfehlern. Wenn mir statt 100 Flaschen nur 50 geliefert werden, so ist das kein „Fehler der Sache"; es steht mir die einfache Erfüllungsklage (auf Nachlieferung des Nestes) zu. Und wenn mir umgekehrt statt 100 Flaschen 200 ins Haus geschickt werden, so liegt zur Hälfte „unbestellte Zusendung" (oben S. 222) vor. Wenn aber in verschlossenen Büchsen (Sardinen, Zigaretten) weniger Stücke als verkehrsüblich untergebracht sind, so ist das unter dem Gesichtspunkt der Mängelhaftung zu behandeln.

2. Zweitens haftet der Verkäufer dafür, daß die eigens zu­ gesicherten Eigenschaften der Kaufsache auch wirklich vorhanden sind (dicta et promissa). Hier ist sogar, wie sich zeigen wird, die Haftung des Verkäufers schärfer als bei bloßen „Fehlern". Auch kann er sich hier nicht mit dem Einwand entlasten, es handle sich nur um eine „Kleinigkeit" (minima). Oft fällt das „Zusichern" mit den „Fehlern" zusammen. Wenn mir vom Uhrmacher versichert wird, die Uhr gehe und brauche nur alle 24 Stunden ausgezogen zu werden, so liegt, wenn das unwahr ist und etwa alle 3 Stunden aufgezogen werden muß, sowohl ein (verkehrt widriger) Fehler wie ein Verstoß gegen das Zusichern vor. Wenn mir dagegen ein bestimmter Mietsertrag eines Zinshauses, ein Nettogewinn einer Fischhandlung zugesichert ist, so kann man beim Ausbleiben der Einnahmen nicht gleichzeitig sagen, daß in dem Kaufgegenstand ein Fehler liege. — Der Verkehr drängt wie aus so vielen Gebieten auch hier zur Reglementierung („Standardisierung"). Es werden sog. „Han­ delsklassen" aufgestellt, und wenn dann Waren als einer solchen Klasse zugehörig verkauft werden, „so sind die Eigenschaften als zugesichert auzuseheu, die die Waren nach der Handelsklasse haben müssen" (so z. B. Notverordnung vom 1.12. 30. RGBl. I S. 602: § 2). Auch hier darf kein Übermaß beansprucht werden. Allgemeine Lobpreisungen („Sie werden mit dem Hause Ihr Glück machen"; „un­ zerreißbares Bilderbuch") bleiben außer Ansatz oder müssen aus ein ver­ nünftiges Maß heruntergesetzt werden. Eine „Zusicherung" geht auch über eine bloße, wenngleich beiderseitige „Annahme" hinaus: „Beiderseits als vorhanden vorausgesetzte Eigenschaften sind noch nicht zugesichert im Sinne des §459 Abs. 2" (so RG. in Bd. 114 S. 242, Jahr 1926).

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§37 Va. ft auf mangel, Wegsall der Haftung.

Umgekehrt kann sich die Zusicherung zu einer Garantieübernahmc steigern. Dafür fehlt es an einer gesetzlichen Regel. Eine solche Garantie­ übernahme wird außerhalb der Sachmängelhaftung zu stellen und meist dahin aufzufassen sein, daß der Verkäufer bei Hervortreten eines Mangels dessen Beseitigung übernimmt (was der Sachmängelhaftung der §§ 459ff. gerade fremd ist), gegebenenfalls auch den Schaden trägt. Diese Erscheinung ist häufig, z. B. beim Verkauf von Autos, usw.

3. Sowohl für die Fehler wie für die zugesicherten Eigelb schäften muß ein fester Zeitpunkt gewonnen werden, an dem die Haftung des Verkäufers ihr Ende erreicht. Denn es versteht sich von selbst, daß der Käufer nicht Mängel ausspielen kann, die erst lange nach dem Kaufgeschäft entstanden sind; diese gehen dann vielmehr auf seine eigene Rechnung. Das BGB. hat als Basis nicht etwa den Vertragsschluß, sondern den „Zeitpunkt des Gefahrüberganges" gewählt. Praktisch fällt der fiktive Punkt des Gefahrüberganges meist mit der Übergabe der .Kaufsache zusammen (oben (5.226a). — Der Schadensersatz anspruch des § 463 (s. im folgenden) ist jedoch nicht an diesen Zeit­ punkt, sondern umgekehrt an den des Vertragsschlnsses („zur Zeit des Kaufes") angeschlossen.

4. Ausschluß der Haftung. Tas Gesetz kennt mehrere Gründe, die zu einem Wegfall der Haftung des Verkäufers führen, der vertragliche Ausschluß tritt hinzu.

a) Ter Käufer muß sich, nach näherer Maßgabe des § 460, seine Kenntnis des Mangels, in gewissen Fällen auch seine grobfahrlässige Unkenntnis anrechneu lassen. Der Käufer muß also vorsichtig sein. Er darf nicht aus falscher Schonung für den Verkäufer zunächst schweigen. Wichtig in dieser Hin sicht auch § 464.

ß) Die Haftung fällt ferner fort bei der öffentlichen Ver­ steigerung von Pfändern. Eine solche Versteigerung läuft zwar auch auf einen „Berkaus" hinaus. Aber es ist ein Verkauf besonderer Art. Der Pfandgläubiger, der dabei als „Verkäufer" erscheint, wäre allzu großen Gefahren ausgesetzt, wenn er nach der Versteigerung noch für etwaige später ent­ deckte Mängel eintreten müßte. Darum nimmt § 461 ihm die Haftung ab. Wenn er aber (selbst oder durch den Versteigerer als seinen Ver­ treter) „Zusicherungen" gemacht hat, wird man ihn doch dafür haften lassen müssen. Noch mehr natürlich bei arglistigem Verschweigen.

/) Vertragsfreiheit gilt auch auf dem Gebiet der Mängel­ haftung. Oft genug wird der Verkäufer die Neigung haben, sich von vorneherein gegen spätere Mängel zu decken, indem er „ohne Gewähr" oder unter einer ähnlichen Klausel verkauft. Doch findet das seine Grenze an etwaigem arglistigen Verschweigen seitens

§ 37 Vb. Kaufmängel, die 4 Ansprüche des Käufers.

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des Verkäufers. In diesem Falle wäre die Enthaftungsklausel schon nach § 138 nichtig; der Gesetzgeber hat aber überdies noch eine Sonder­ regel in § 476 aufgestellt.

b) Schutzmittel des Käufers nach Kaufrecht. 1. Überblick. Das Gesetz kennt innerhalb des Kaufrechts im ganzen vier Ansprüche des Käufers:

— Anspruch auf Wandelung, d. h. auf Rückgängigmachung des ganzen Geschäfts, näheres unter Ziff. 3. — Anspruch auf Minderung, d. h. auf Herabsetzung des Preises entsprechend der durch den Fehler verursachten Wert­ minderung der Ware, näheres unter Ziff. 4.

— Anspruch auf Schadensersatz, erfüllung".

und

zwar

„wegen

Nicht­

— Anspruch auf Ersatzlieferung, d. h. auf Nachlieferung einer mangelfreien Sache gegen Rückgabe der mangelhaften.

Diese vier verschiedenen Ansprüche sind jedoch nicht immer alle gangbar.

a) Mindestens gegeben ist in jedem Falle der Wandlungsanspruch.

ß) Fast immer (doch nicht beim Viehkauf, § 487) ist gegeben der Minderungsanspruch. /) Der Schadensersatzanspruch, der natürlich eine Ver­ schärfung bedeutet, tritt nur dann hinzu, wenn entweder eine eigens zugesicherte Eigenschaft ausgeblieben oder der Fehler arglistig ver­ schwiegen worden ist (§§ 463, 480 II). Dabei ist das Reichsgericht in der Frage, was „Arglist" sei, sehr weit gegangen und hat den Verkäufer sogar für verpflichtet erklärt, seine bloßen Zweifel an der Fehlerlosigkeit dem Käufer zu offenbaren. Solchen Entscheidungen wohnt eine erzieherische Tendenz inne, über deren Wert und Anspannung im Schrifttum lebhafte Bedenken laut geworden sind.