Schuldrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches [3., umgearb. Aufl. Reprint 2017]
 9783111533421, 9783111165424

Table of contents :
Vorwort zur Neuauflage
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Neue Zeitschriften und Sammlungen
Nachträge
I. Teil: Allgemeine Lehren des Schuldrechts
I. Abschnitt: Wesen des Schuldrechts
§ 1. Die juristische Gestalt des Schuldrechts
§ 2. Die Bedeutung des Schuldrechts
II. Abschnitt: Die Leistungspflicht
§ 3. Die beteiligten Personen
§ 4. Die Entstehung der Leistungspflicht
§ 5. Der Inhalt der Leistungspflicht
§ 6. Durchsetzung der Leistungspflicht
III Abschnitt: Kategorien von Schuldverhältnissen
§ 7. Die Gattungsschuld
§ 8. Die Geldschuld
§ 9. Die Zinsschuld
§ 10. Die Wahlschuld
§ 11. Schuld auf Gegenseitigkeit
§ 12. Vertrag zugunsten eines Dritten (BGB. 328–335)
IV. Abschnitt: Die Pflicht zum Schadensersatz (BGB. 249–255)
§ 13. Grundlagen der Schadensersatzpflicht
§ 14. Die Geltendmachung des Anspruchs auf Schadensersatz
V. Abschnitt: Vollzug der Leistung. Zurückbehaltung. Rücktritt
§ 15. Leistungsvollzug
§ 16. Das Zurückbehaltungsrecht
§ 17. Der Rücktritt vom Vertrage
VI. Abschnitt: Leistungsstörungen
§ 18. Die Grundlagen
§ 19. Verschulden und Vertretenmüssen
§ 20. Unmöglichkeit der Leistung
§ 21. Verzug des Schuldners
§ 22. Positive Vertragsverletzungen des Schuldners
§ 23. Verzug des Gläubigers
VII. Abschnitt: Das Erlöschen der Schuldverhältnisse
§ 24. Die Erfüllung
§ 25. Die Hinterlegung
§ 26. Die Aufrechnung
§ 27. Sonstige Fälle des Erlöschens
VIII. Abschnitt: Personenwechsel und Personenmehrheit
§ 28. Abtretung der Forderung an einen neuen Gläubiger
§ 29. Schuldübernahme
§ 30. Personenmehrheit
IX. Abschnitt: (Anhang)
II. Teil: Einzelne Schuldverhältnisse
§ 31. Einleitung
1. Kapitel: Veräußerungsverträge
§32. Kauf
§ 33. Schenkung und Schenkungsversprechen
2. Kapitel: Gebrauchsüberlassungsverträge
§ 34. Überblick
§ 35. Die Miete
§ 36. Die Pacht
§ 37. Die Leihe
§ 33. Der Vertriebsvertrag
3. Kapitel: Kreditgeschäfte
§ 39. Einführung
§ 40. Darlehn und Darlehnsversprechen
§ 41. Anweisung und Scheck
§ 42. Inhaberschuldverschreibungen
§ 43. Versicherungsvertrag und Leibrente
§ 44. Spiel und Wette
4. Kapitel: Arbeitsverträge
§45. Das Arbeitsrecht als selbständiges Rechtsgebiet
§46. Der Dienstvertrag
§ 47. Der Werkvertrag
§ 48. Der Mäklervertrag
§ 49. Die Auslobung
§ 50. Der Auftrag
§ 51. Die Geschäftsführung ohne Auftrag
§ 52. Der Verwahrungsvertrag
5. Kapitel: Personen Vereinigungen
§ 53. Überblick
§ 54. Die Gesellschaft
§ 55. Die Gemeinschaft
6. Kapitel: Hilfsgeschäfte
§ 56. Die Bürgschaft
§ 57. Der Pfandvertrag
§ 58. Der Vergleich
§ 59. Schuldanerkenntnis und Schuldversprechen
§ 60. Die Verpflichtung zur Vorlegung
7. Kapitel: Ausgleich unrechtmäßiger Rechtslagen
§ 61. Ungerechtfertigte Bereicherung
§ 62. Die Schadensersatzpflicht aus unerlaubter Handlung
§ 63. Unerlaubte Handlungen
§ 64. Unerlaubte Handlungen
§ 65. Unerlaubte Handlungen
Überblick über das Schrifttum
Quellenregister
Wortverzeichnis
Lateinische Kennworte und Sprüche

Citation preview

Lehrbücher und Grundrisse der

Rechtswissenschaft

Zweiter Band

Berlin 1 9 4 9

Walter de Gruyter & Co. v o r m a l s G . I. G ö s c h e n ' s c h e V e r l a g s h a n d l u n e buchhandlung

• Georg Reimer

- I. G u t t e n t a e , Verlags-

- Karl J. T r ü b n e r

- Veit & C o m p .

Schuldrecht des

Bürgerlichen Gesetzbuches von P r o f e s s o r

Dr.

j u r i s

Justus Wilhelm Hedemann

in

Berlin

Dritte, umgearbeitete Auflage

Berlin 1 9 4 9

Walter de Gruyter & Co. vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung - J. Guttentagr, Verlagsbuchhandlung • Georg Reimer - Karl J. Triibner - Veit & Comp.

Copyright by W a l t e r d e G r u y t e r & Co. Berlin 1949

Archiv-Nr. 230549/2 Druck von Otto Walter, Berlin SW 29

Vorwort zur Neuauflage Das Recht der Schuldverhältnisse hat w i e alle Teile des bürgerlichen Rechts im Laufe der Jahre, die seit der v o r a n g e g a n g e n e n A u f l a g e verstrichen sind, manche Wandlungen durchgemacht. Sie sind, soweit sie einen erhst zu nehmenden Charakter und einen bleibenden rechtlichen W e r t besitzen, sorgfältig in den überkommenen Stoff eingearbeitet worden. Im ganzen aber ist es erstaunlich und erfreulich, w i e die Grundsubstanzen des bürgerlichen Rechts trotz der schweren Erschütterungen der vergangenen Jahre ihr W e s e n gewahrt haben. Das hat um so höheren Wert, als damit auch ein Palladium der Rechtseinheit für alle deutschen Zonen und Länder erhalten geblieben ist. W i e bei den früheren A u f l a g e n ist es mein Bestreben gewesen, die Dinge dem jungen Studierenden v e r s t ä n d l i c h zu machen. Das bedeutet ein Hineinstellen in das lebendige Leben. Das w i e d e r hat in manchen Zusammenhängen zur A u s w e i t u n g des Blickes über die bloßen juristischen Figuren hinaus geführt. Lebenszusammenhänge sprengen nur allzu oft den Rahmen der dogmatisch-schulmäßigen Begriffe. Die geschichtliche Entwicklung hat dabei an geeigneten Stellen in Gestalt v o n Exkursen gute Dienste leisten können. Historie als Lehrmeisterin versagt nie, auch w e n n sie vorübergehend im Schatten steht. Zur Belebung des oft recht spröden Stoffes soll auch die sorgfältig erw o g e n e A u s w a h l von Richtersprüchen dienen. Das Reichsgericht hat dabei im Vordergrund gestanden. "Hauptsächlich sind Urteile aus den letzten z w e i Jahrzehnten seines Bestehens herangezogen worden, da dieses Material in vielen älteren Lehrbüchern und Kommentaren noch fehlt. Dem reihen sich an geeigneter Stelle auch einige Sprüche der Oberlandesgerichte oder Landgerichte aus der jüngsten Zeit an. Deren A u f g a b e w a r es, v o r allem bei der schwierigen Lösung der unmittelbaren und neuartigen Gegenwartsfragen tatkräftig mitzuwirken. A u f fortlaufende Literaturzitate habe ich verzichtet. Sie hätten Bereicherung bringen oder ermöglichen können. A b e r es überwog der Gedanke, die glatte Linie der Darstellung nicht durch solche ständige V e r w e i s u n g e n zu unterbrechen. Stattdessen ist am Schlüsse des Buches ein Uberblick über das Schrifttum beigegeben worden, begleitet v o n einer kurzen Anleitung. Der Überblick vermag den jungen Studierenden an den reichen Schatz der Fachliteratur heranzuführen und soll ihn anregen, selbst auf die Suche nach

VI weiterem Schrifttum zu gehen. Das bereitet ihn auf die Arbeit, die ihn in der Praxis erwartet, besser vor, als wenn ihm an jeder Stelle bis ins kleinste gehende Literaturzitate vorgelegt werden. Mit tiefer Dankbarkeit denke ich an das zurück, was mir die eigene Studienzeit und vier Jahrzehnte akademischer Tätigkeit an innerem Reichtum eingetragen haben. Freunde und Schüler haben mir bei dem Streben nach wissenschaftlicher Erkenntnis unermüdlich beigestanden. Literarisches Schaffen hat mir auch gezeigt, wieviel der Autor anregendem Gespräch und tatkräftiger Förderung durch einen weitblickenden Verleger zu verdanken hat. So gilt bei der Wiederaufnahme der Lehrbücherreihe, in die sich der vorliegende Grundriß des Schuldrechts eingliedert, mein besonderer Dank dem Verlag Walter de Gruyter. 1919 wurde die Lehrbücherreihe von uns eröffnet. Dreißig Jahre lang ist sie vom Verlag Walter de Gruyter betreut und unablässig gefördert worden. Möge es ihr auch in Zukunft gelingen, ihre Aufgabe zu erfüllen: der Rechtswissenschaft im Kreise der Studierenden und der Praktiker die Wege zu ebnen. Justus Wilhelm

Hedemann

Inhaltsverzeichnis I. Teil Allgemeine Lehren des Schuldrechts I. A b s c h n i t t . §

§

Wesen des Schuldrechts

1

1. D i e j u r i s t i s c h e G e s t a l t d e s S c h u l d r e c h t s . . I. Der Platz im Gesetz a) Das II. Buch des BGB b) Der Aufbau des II. Buches c) Die Uberordnung des I. Buches (Allgemeiner Teil) . . II. Die Struktur des Schuldrechts im Vergleich zu den anderen Teilen des Bürgerlichen Rechts a) Das Schuldrecht b) Das Sachenrecht c) Das Familienrecht d) Das Erbrecht

1 1 1 1 2

III. Schuldrecht außerhalb des II. Buches a) Im Rahmen des BGB b) Über den Rahmen des BGB. hinaus (im Handelsrecht und Wirtschaftsrecht)

4 4

IV. Schuldrecht auf öffentlichrechtlichen Gebieten a) Privatrecht und öffentliches Recht als Gegensatz . . . b) Keine reine Trennung

5 5 6

Die B e d e u t u n g des S c h u l d r e c h t s I. Die kulturelle Bedeutung des Schuldrechts a) Sittliche Regulierung des Verkehrs der Menschen . . b) Soziale Ausrichtung des Schuldrechts c) Der humane Zug im Schuldrecht, insbesondere die richterliche Vertragshilfe

7 7 7 8

2.

II. Die wirtschaftliche Bedeutung des Schuldrechts a) Tausch der Güter b) Der einzelne Mensch und das Schuldrecht

2 3 3 4 4

5

9 10 10 11

Inhaltsverzeichnis

VIII

III. Der Grundsatz der Vertragsfreiheit a) Der Grundsatz b) Eindämmung durch Verkehrssitte und „allgemeine Geschäftsbedingungen" c) Eindämmung durch staatliche Wirtschaftslenkung . . 1. Diktierter Vertrag 2. Kontrahierungszwang 3. Marktordnung

11 11

IV. Die politische Bedeutung des Schuldrechts

14

II. A b s c h n i t t . §

3.

Die Leistungspflicht

Die b e t e i l i g t e n P e r s o n e n I. Gläubiger und Schuldner II. Die Fähigkeit, Gläubiger und Schuldner zu sein

§

4.

15 15 15 15

III. Mehrheit von Gläubigern und Schuldnern

16

IV. Ungewißheit der Person

16

V. Hilfspersonen a) Stellvertreter b) Erfüllungsgehilfen c) Andere Hilfspersonen

17 17 18 19

Die E n t s t e h u n g der L e i s t u n g s p f l i c h t I. Gesetz und Vertrag II. Grundsatz der Formlosigkeit

19 19 20

III. Zerlegung des Schuldverhältnisses in einzelne Leistungspflichten

21

IV. Der gegenseitige Vertrag

23

V. Das abstrakte Schuldverhältnis

23

VI. Begleitende Pflichten a) Auskunftspflicht b) Pflicht zur Rechnungslegung c) Ersatz von Aufwendungen d) Das Wegnahmerecht

24 24 25 25 25

VII. Die Vertragsstrafe VIII. Die Draufgabe § 5.

11 13 13 13 14

Der I n h a l t der L e i s t u n g s p f l i c h t I. Ausscheidungen a) Das Nichtgeschäftl'iche

26 27 28 28 28

Inhaltsverzeichnis

IX

b) Das Unerlaubte c) Das Unsittliche 1. Praxis des Reichsgerichts 2. Übermäßige Bindung der Persönlichkeit 3. Die sog. Knebelungsverträge

29 30 30 30 31

II. Gesetz und Parteiwille regeln die Leistungspflicht . . . . a) Die Duplizität: Parteiwille und Rechtsordnung b) Zwingendes und dispositives Recht c) Mitwirkung des Richters 1. Auslegung 2. Richterliches Gestaltungsrecht • d) Nachträgliche Bestimmung des Leistungsinhalts . . . . §

6.

41

Durchsetzung

43

der Leistungspflicht

I. Klagbarkeit

43 44

III. Schuld und Haftung

44

a) GrundsätzlicherZusammenfall vonSchuld undHaftung b) Die natürlichen Verbindlichkeiten c) Die facultas alternativa IV. Der Umfang der Haftung III. A b s c h n i t t . 7.

Die

Kategorien von Schuldverhältnissen

47

Gattungsschuld

47 47

II. Stellung des Schuldners a) Freiere Stellung

47 47

b) Größeres Risiko III. Die Konzentration auf ein bestimmtes Einzelstück 8.

44 45 45 46

I. Begriff

§

39

III. Die Generalklausel von Treu und Glauben

II. Selbsthilfe

§

32 32 34 35 35 36

47 ....

48

IV. Die begrenzte Gattungsschuld

48

Die

49

Geldschuld

I. Bedeutung der Geldschuld (Währung) II. Begriff des Geldes III. Einfügung in das System des Schuldrechts a) Geldschuld und Gattungsschuld b) Sonderregeln für die Geldschuld c) Die Geldsortenschuld LI H e d e m a n n , S c h u l d r e c h t , 3. Aufl.

49 51 52 52 52 53

X

Inhaltsverzeichnis §

9. D i e Z i n s s c h u l d I. Bedeutung der Zinsen

§10.

II. Begriff der Zinsen a) Das wirtschaftliche Ziel b) Ausscheidung der Dividenden, der Tilcjungsbeträge, der Renten und des Miets- und Pachtzinses

54

III. Rechtliche Regelung der Zinsleistungspflicht a) Begründung der Zinspflicht b) Höhe der Zinsen c) Einschränkungen und Abschwächungen derZinspflicht d) Der einzelne Zinsanspruch

55 55 55 55 55

Die W a h l s c h u l d

54 54

56

I. Begriff a) Wesen der Wahlschuld b) Unterschied von der Gattungsschuld c) Der Wahlberechtigte

56 56 56 57

II. Störungen vor Ablauf der Wahl a) Verzögerung der Wahl b) Störung durch Eintritt der „Unmöglichkeit" c) Bloße Verschlechterungen

57 57 57 58

III. Die sog. facultas alternativa § 11. D i e S c h u l d a u f G e g e n s e i t i g k e i t I. Begriff

§12.

53 53

58 59 59

II. Wirkungen der Gegenseitigkeit a) Die Einrede des nichterfüllten Vertrages b) Die Verurteilung Zug um Zug c) Wechselwirkung bei Störungen III. Die Vorleistungspflicht IV. Die „Auflage" als Gegengabe

59 59 60 61 61 62

Der V e r t r a g z u g u n s t e n eines D r i t t e n

62

I. Begriff und Beispiel II. Konstruktion des Rechtsverhältnisses III. Die Rechtslage in einzelnen a) Versprechender und Versprechensempfänger b) Versprechender und Dritter c) Dritter und Versprechensempfänger IV. Vertrag zu Lasten eines Dritten

62 63 63 64 64 64 65

XI

Inhaltsverzeichnis IV. A b s c h n i t t . § 13.

Die Pflicht zum Schadensersatz

65

G r u n d l a g e n der S c h a d e n s e r s a t z p f l i c h t

65

I. Ausgangspunkt

65

II. Die Tatbestände einer Schadensersatzpflicht a) Schadensersatzpflicht wegen Vertragsverletzung b) Schadensersatzpflicht wegen einer unerlaubten Handlung c) Schadensversicherungsverträge

...

66 67

III. Der Kausalzusammenhang a) Fragestellung b) Theorie des adaequaten Kausalzusammenhanges . . .

67 67 67

IV. Der Grundsatz des Verschuldens

69

V. Die Gefährdungshaftung § 14.

Die G e l t e n d m a c h u n g Schadensersatz

70 des

Anspruches

auf

70

I. Vermögensschaden und ideeller Schaden a) Sprachweise von Gesetz und Volk b) Grundsätzliche Nichtbeachtung des „ideellen Schadens" II. Naturalrestitution oder Geldersatz? a) Bei Personenverletzung und Sachbeschädigung . . . . b) Naturalrestitution nicht möglich oder nicht genügend c) Fristsetzung für die Wiederherstellung d) Der Schuldner zieht Geldersatz vor e) Heutige Lage

71 72 73 73 73 73 74

III. Die Berechnung des Schadens a) Ersatz von Alt durch Neu b) Durchschnittsmaßstab oder subjektives Interesse? . . c) Entgangener Gewinn d) Positives und negatives Vertragsinteresse e) Einbeziehung von Fremdinteressen f) Zeitpunkt für die Berechnung

74 74 75 75 76 76 76

IV. Die Minderungsposten a) Mitverschulden des Geschädigten b) Der Vorieilsausgleich (compensatio lucri cum damno) c) Die Abtretung von Ersatzansprüchen

77 77 78 79

V. Die prozessuale Geltendmachung von Ersatzansprüchen

80

V. A b s c h n i t t . Ii»

66 66

Vollzug der Leistung. Rücktritt

Zurückbehaltungsrecht.

70 70

80

XII

Inhaltsverzeichnis § 15. D e r L e i s t u n g s v o l l z u g I. Ort und Zeit der Leistung a) Ort der Leistung b) Zeit der Leistung II. Teilleistung III. Leistung durch Dritte a) Grundsatz der Zulässigkeit b) Fälle der Unzulässigkeit

81 81 81 81 83 83 83 84

§ 16. D a s Z u r ü c k b e h a l t u n g s r e c h t

84

I. Grundsatz der Konnexität

84

II. Unterscheidung von anderen Verteidigungsmitteln a) Einrede des nichterfüllten Vertrages b) Aufrechnung mit einer Gegenforderung III. Zwei Tatbestände der Konnexität §17.

84 84 85 85

IV. Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts

85

Der R ü c k t r i t t v o m V e r t r a g e

86

I. Der Grundsatz der Vertragstreue II. Vier Rücktrittsmöglichkeiten a) Rücktrittsklausel im Vertrage b) Nachträgliche Vereinbarung des Rücktritts c) Rücktritt bei Verzug und Unmöglichkeit d) Rücktritt wegen veränderter Umstände (näheres unter V)

86 86 87 87 87 87

III. Durchführung des Rücktritts a) Der Rücktritt erfolgt durch Erklärung b) Wirkung: Erlöschen des Schuldverhältnisses c) Untergang oder Verschlechterung in der Zwischenzeit d) Schadensersatz; Herausgabe inzwischen gezogener Nutzungen; Erstattung inzwischen gemachter Verwendungen

87 87 88

IV. Sondertatbestände a) Die Verwirkungsklausel b) Das Fixgeschäft c) Das Reugeld V. Der Rücktritt wegen veränderter Umstände (Wegfall der Geschäftsgrundlage) a) Das Thema b) Die geschichtliche Entwicklung

90 90 91 91

88 89

91 91 92

Inhaltsverzeichnis c) Die Voraussetzungen für den Rücktritt wegen veränderter Umstände d) Zukunftsgeltung VI. A b s c h n i t t . Leistlingsstörungen §18. D i e G r u n d l a g e n I. Bedeutung der Leistungsstörung II. Die vier Tatbestände a) Nichtleistung, verspätete Leistung, mangelhafte Leistung b) Die „positiven Vertragsverletzungen" III. Die Hilfsmittel des Gläubigers a) Die Erfüllungsklage b) Die Klage auf Schadensersatz c) Das Rücktrittsrecht §19.

Verschulden und Vertretenmüssen I. Der Begriff des Vertretenmüssens II. Die Schuldgrade a) Vorsatz, grobe Fahrlässigkeit, leichte Fahrlässigkeit b) Der Vorsatz im besonderen c) Der Zufall und die höhere Gewalt III. Vertraglicher Ausschluß der Haftung IV. Die Haftung für Hilfspersonen a) Haftung für den Erfüllungsgehilfen b) Vier Theorien zur Begründung dieser Haftung c) Grenzen dieser Haftung d) Haftung für Hilfspersonen bei unerlaubten Handlungen

XIII 92 93 94 94 94 94 95 ' 96 96 96 96 97 97 97 97 97 99 99 100 100 100 100 101 101

V. Verschulden beim Vertragsschluß (culpa in contrahendo) 101 § 20.

U n m ö g l i c h k e i t der Leistung I. Begriffliche Klärung a) Physische und „juristische" Unmöglichkeit b) Das subjektive „Unvermögen" c) Anfängliche und nachträgliche Unmöglichkeit d) Teilweise Unmöglichkeit e) Vorübergehende Unmöglichkeit

103 103 103 104 105 105 105

II. Folgen der Unmöglichkeit 106 a) Wenn sie der Schuldner n i c h t zu vertreten hat . . 106 b) Wenn sie der Schuldner zu vertreten hat 106

XIV

Inhaltsverzeichnis c) Wenn der Schuldner Ersatz von einem Dritten verlangen kann 106 III. Weitere Folgen beim gegenseitigen Vertrage 107 a) Keiner von beiden hat sie zu vertreten 107 b) Der Gläubiger hat sie zu vertreten 107 c) Der Schuldner hat sie zu vertreten 108 §21.

Verzug des Schuldners

109

I. Wesen des Verzuges

109

II. Voraussetzungen des Verzuges a) Fälligkeit der Leistung b) Mahnung c) Verschulden III. Folgen des Verzuges a) Haftung für Zufall b) Verzinsungspflicht c) Ersatz des Verspätungsschadens d) Schadensersatz wegen Nichterfüllung

110 110 110 110 111 111 111 111 112

IV. Weitere Folgen beim gegenseitigen Vertrage V. Verzug bei Sukzessivlieferungsverträgen

112 113

VI. Gleichsetzung der Rechtshängigkeit mit dem Verzug . . 114 § 22.

§23.

Positive Vertragsverletzung Schuldners

114

I. Begriff II. Begründung der Haftung III. Folgen der positiven Vertragsverletzung

114 115 116

Verzug des G l ä u b i g e r s

116

I. Begriff II. Voraussetzungen III. Folgen des Gläubigerverzugs

116 117 118

VII. A b s c h n i t t . § 24.

des

Das Erlöschen des Schuldverhältnisses

Die E r f ü l l u n g I. Wesen der Erfüllung a) Ihre Eingliederung in das System des BGB b) Konstruktion II. Durchführung der Erfüllung a) Korrespondenz mit der Leistungspflicht b) Verrechnung auf mehrere Schulden

119 119 119 119 119 120 120 120

Inhalts vefzeichnis

XV

c) Beweislast d) Schuldscheinrückgabe und Quittungspflicht III. Die Hingabe an Erfüllungsstatt

121 121 121

§25.

Die H i n t e r l e g u n g I. Methode der Hinterlegung II. Die zwei Wege der Durchführung

121 121 122

§ 26.

Die A u f r e c h n u n g

122

I. Wesen der Aufrechnung

§ 27.

II. Voraussetzungen a) Gleichartigkeit der Forderungen b) Die gleichen Personen c) Beiderseitige Fälligkeit d) Schutz gewisser Forderungen gegen Aufrechnung . . III. Vollzug der Aufrechnung IV. Wirkung der Aufrechnung

123 123 123 123 124 124 124

S o n s t i g e Fälle des E r l ö s c h e n s I. Der Erlaß II. Die Novation III. Die Konfusion IV. Erlöschen durch Zweckerreichung

125 125 126 126 127

VIII. A b s c h n i t t . §28.

§ 29.

122

Personenwechsel und Personenmehrheit

A b t r e t u n g der F o r d e r u n g an Gläubiger I. Der Abtretungsvertrag a) Ausschaltung des Schuldners b) Abschluß des Vertrages c) Die fiduziarische Zession d) Unzulässige Abtretungen II. Die Wirkung der Abtretung a) Position des neuen Gläubigers b) Stellung des Schuldners c) Ausdehnung auf andere Fälle III. Forderungsübefgang kraft Gesetzes Schuldübernahme durch einen Schuldner I. Begriff a) Stellung des Gläubigers

einen

:

127 neuen

127 127 127 128 128 129 129 129 129 130 131

neuen 131 131 131

XVI

Inhaltsverzeichnis

§ 30.

b) Die zwei Formen der Schuldübernahme II. Wirkung der Schuldübernahme a) Übergang der Einreden b) Erlöschen der besonderen Sicherungsmittel III. Sonderfälle a) Hypothekenübernahme b) Vermögensübernahme c) Übernahme eines Handelsgeschäfts

132 133 133 133 133 133 134 134

Personenmehrheit I. Drei Grundformen der Mehrheitsbeteiligung a) Ausgangspunkt b) Die drei Formen bei Schuldnermehrheit 1. Die zerlegte Schuld 2. Die Gesamtschuld 3. Die Einheitsschuld (Gesamthandsschuld) c) Die drei Formen bei Gläubigermehrheit d) Das Innenverhältnis der Mehreren II. Anwendung der drei Grundformen a) Überblick b) Auf der Schuldnerseite c) Auf der Gläubigerseite III. Sonstige Personenmehrheit

134 134 134 135 135 136 136 137 137 138 138 138 140 140

IX. A b s c h n i t t ( A n h a n g ) . Internationales Privatrecht I. Schuldrecht und internationales Privatrecht a) Das Einführungsgesetz (EG. z. BGB.) b) Insbesondere Art. 30 II. Vertragsfreiheit III. Der Wohnsitz des Schuldners als Ausgangspunkt IV. Sonderregelung bei unerlaubten Handlungen V. Interlokales und interzonales Recht

141 141 141 142 142 143 145 145

II. Teil Einzelne Schuldverhältnisse § 31.

Einleitung

146

I. Ausbildung von Typen II. Vertragsfreiheit a) Im Gesetz nicht geregelte Typen b) Mischung mehrerer Typen III. Systematische Ordnung der einzelnen Schuldverhältnisse

146 146 146 147 l^8

Inhaltsverzeichnis

XVII

K a p i t e l 1: VeräußerungsVerträge § 32.

Der Kauf

149 149

I. Grundzüge des Kaufes a) Der Rahmen 1. Vertragscharakter 2. Die W a r e 3. Der Preis b) Der Abschluß c) Erfüllungsort und Erfüllungszeit II. Die beiderseitigen Pflichten a) Die Verschaffungspflicht des Verkäufers 1. Übergabe der verkauften Sache 2. Eigentumsverschaffung b) Pflichten des Käufers

150 150 150 151 151 153 154 154 154 154 155 155

III. Die Zeit zwischen Abschluß und Lieferung a) Die Gefahrverteilung b) Lasten, Verwendungen, Kosten c) Nutzungen d) Außergewöhnliche Umstände IV. Haftung des Verkäufers für Rechtsmängel a) Der Tatbestand b) Wegfall der Haftung c) Inhalt der Haftung

157 157 158 159 159 159 160 161 161

V. Haftung des Verkäufers für Sachmängel (Gewährleistung) a) Voraussetzungen der Haftung 1. Haftung für Fehler 2. Haftung für zugesicherte Eigenschaften 3. Entscheidender Zeitpunkt 4. Ausschluß der Haftung b) Schutzmittel des Käufers nach Kaufrecht 1. Überblick: Die vier Rechtsbehelfe 2. Wahlrecht des Käufers 3. Die Wandlung im einzelnen 4. Die Minderung im besonderen 5. Der Viehkauf c) Schutzmittel des Käufers nach allgemeinen Lehren 1. Irrtumsanfechtung 2. Schadensersatz wegen schuldhaften Verhaltens . . 3. Schadensersatz aus unerlaubter Handlung

162 163 164 164 165 165 166 166 167 168 169 170 170 171 171 172

XVIII

Inhaltsverzeichnis 4. Anwendung der Regeln vom gegenseitigen Vertrage 172 VI. Ausbau des Kaufgeschäftes durch Nebenabreden 172 a) Kauf nach Probe 173 b) Kauf auf Probe, Kauf auf Umtausch 173 c) Eigentumsvorbehalt 174 d) Abzahlungsgeschäft 175 e) Wiederkauf und Wiederverkauf 176 f) Das Vorkaufsrecht 176 VII. Der Tausch 179 VIII. Sonstige kaufähnliche Vorgänge 180 § 33. D i e S c h e n k u n g u n d d a s versprechen

Schenkungs-

I. Begriff II. Voraussetzungen im einzelnen III. Rechtslage nach vollzogener Schenkung a) Haftung des Schenkers b) Rückforderung der Schenkung IV. Schenkung unter Auflage K a p i t e l 2: Gebrauchsüberlassungsverträge § 34. Ü b e r b l i c k I. Verhältnis zu den Veräußerungsverträgen II. Dauerschuldverhältnisse III. Gebrauchsüberlassung als bloße Begleiterscheinung § 35.

180 180 181 183 183 183 184 185 185 185 186 . . 186

Die Miete I. Begriff a) Abscheidung von ähnlichen Typen b) Wirkung gegen Dritte II. Fortdauer der Herrenstellung des Vermieters a) Tragen der Lasten b) Beschränkter Eigengebrauch c) Rückforderungsrecht nach beendeter Miete III. Die Miete als gegenseitiges Verhältnis

187 188 188 188 191 191 191 192 192

IV. Die Miete als Vertrauensverhältnis V. Die Miete als Gebrauchsverhältnis a) Die Verschaffungspflicht des Vermieters b) Schutz gegen Mitmieter und sonstige Dritte

192 193 194 194

Inhaltsverzeichnis c) Haftung des Vermieters

XIX 195

d) Pflicht des Mieters zu ordnungsmäßigem Gebrauch . 196 VI. Die Miete als entgeltliches Verhältnis a) Art und Bedeutung des Entgeltes b) Schutzmittel des Vermieters c) Insbesondere sein gesetzliches Pfandrecht VII. Die Miete als vorübergehendes Verhältnis a) Methoden der Berechnung b) Ordentliche Kündigungsfristen c) Sonderregeln für einzelne Fälle d) Stillschweigende Verlängerung e) Rückgabepflicht des Mieters

198 198 198 198 199 199 199 200 200 201

VIII. öffentliche Fürsorge für das Wohnungswesen 201 a) Das Reichsmietengesetz 202 b) Der Mieterschutz 202 c) Die behördliche Beschlagnahme und Verfügung über den Wohnraum 203 § 36.

Die Pacht

205

I. Wesen der Pacht

205

II. Der Pächter als Wirtschafter a) Maß der Nutzung b) Rechtslage im täglichen Wirtschaftsbetrieb c) Beendigung des Pachtverhältnisses III. Sozialer Ausbau des Pachtrechts a) Überblick b) Die Reichspachtschutzordnung c) Alliiertes Kontrollratsgesetz d) Zonenmäßige Ausgestaltung e) Kleingärtenpacht § 37.

Die Leihe

210

II. Einzelregelung Der V e r t r i e b s v e r t r a g

211 (Trödelvertrag)

I. Wesen und wirtschaftliche Bedeutung II. Rechtliche Behandlung K a p i t e l 3: Kreditgeschäfte § 39.

Einführung

208 208 209 209 210 210 210

I. Begriff § 38.

206 206 207 207

211 211 212 214

in das K r e d i t w e s e n

I. Der Begriff des Kredits

214 214

XX

Inhaltsverzeichnis II. Grenzverwischung in der Praxis

215

III. Arten des Kredits a) Personalkredit und Realkredit b) öffentlicher und privater Kredit c) Anlagekredit und Umlaufskredit d) Konsumtiver und produktiver Kredit § 40.

216 216 217 218 218

Das D a r l e h n und das D a r l e h n s v e r s p r e c h e n I. Wesen des Darlehens II. Die Hingabe des Darlehnswertes

§ 41.

220

III. Die Pflichten des Darlehnsempfängers a) Die Rückgabepflicht b) Die Verzinsungspflicht

221 221 221

IV. Das Darlehnsversprechen (Geldgebevertrag)

222

Die A n w e i s u n g u n d d e r S c h e c k

223

I. Wesen der Anweisung

223

II. Voraussetzungen der Anweisung

§ 42.

225

III. Rechtslage a) Doppelte Ermächtigung b) Die „Annahme" c) Die einzelnen Wechselbeziehungen (Valutaverhältnis, Deckungsverhältnis, Annahmeverhältnis)

225 225 22G

IV. Besondere Arten der Anweisung a) Der Kreditbrief b) Der Scheck

228 228 229

Die I n h a b e r s c h u l d v e r s c h r e i b u n g e n

230

II. Die Rechtslage a) Das Papier in der Hand des ersten Inhabers b) In der Hand des zweiten Inhabers c) In der Hand des unberechtigten Inhabers d) Verlust des Papiers vor der „Begebung" III. Stammpapier und Nebenpapiere

231 . . . . . . 232 232 233 234 236

IV. Abarten a) Die Verpflichtungszeichen des § 807 b) Die Legitimationspapiere des § 808 D e r V e r s i c h e r u n g s v e r t r a g und die rente

227

230

I. Ihr Wesen

§ 43.

219 219

237 237 238 Leib-

239

§ 44.

Inhaltsverzeichnis

XXI

I. Der Versicherungsvertrag a) Sein Wesen b) Die private Versicherung c) Beteiligte d) Abwägung der beiderseitigen Interessen e) Der Versicherungsschein f) Die öffentlichrechtliche Sozialversicherung

239 239 240 240 241 241 241

II. Der Leibrentenvertrag a) Sein Wesen b) Seine rechtliche Konstruktion

242 242 .243

DasSpielunddieWette

243

I. Allgemeine Stellung der Rechtsordnung zum Spiel . . . . 243 II. Vorkehr gegen Umgehungen

245 245 245

IV. Die Differenzgeschäfte (Börsentermingeschäfte)

246

K a p i t e l 4: Arbeitsverträge § 45.

244

III. Besondere Fälle a) Das verbotene Spiel (Glücksspiel) b) Das staatlich genehmigte Spiel

Das Arbeits r e c h t als s e l b s t ä n d i g e s R e c h t s gebiet I. Die historische Entwicklung a) Der Gang der Rechtsordnung b) Die heutige Lage der Materie Arbeitsrecht c) Die organisierte Arbeiterschaft d) Der Einfluß des allgemeinen Weltgeschehens e) Das Bürgerliche Recht II. Der Begriff des Arbeitsrechts a) Der Rahmen des Arbeitsrechts b) Die Typenbildung des BGB III. Die Grundelemente des Arbeitsrechts a) Die Arbeit b) Der Lohn c) Ordnung im Betriebe 1. Das Direktionsrecht der Betriebsleitung 2. Die Betriebsordnung 3. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats d) Überbetriebliche Ordnung 1. Die Gewerkschaften als Träger 2. Der kollektive Arbeitsvertrag (Tarifvertrag)

247 247 247 247 248 249 250 251 251 251 253 253 254 254 255 255 256 257 258 258 259

XXII

Inhaltsverzeichnis §46.

Der D i e n s t v e r t r a g I. Begriff (Gegensatz zum Werkvertrag)

261 261

II. Die Pflichten des Dienstverpflichteten (Arbeitnehmers) . 263 a) Inhalt und Arten der Dienstleistung 263 b) Sozialer Schutz bei der Durchführung der Dienstleistung 263 c) Klagbarkeit, aber keine Vollstreckbarkeit 264 d) Treupflicht 264 III. Die Pflichten des Dienstberechtigten (Arbeitgebers) . . . 265 a) Die Lohnzahlung 265 b) Lohnanspruch trotz nicht geleisteter Dienste 266 1. § 6 1 6

2. §615 3. Das Betriebsrisiko c) Die Fürsorgepflicht 1. Der soziale Schutz aus § 618 2. Die Krankheitsfürsorge nach § 617 IV. Die Beendigung des Dienstvertrages a) Die Kündigung auf der Grundlage des BGB b) Sozialer Schutz gegen Entlassung

266

267 267 269 '270 271 271 271 272

§ 47. D e r W e r k v e r t r a g

272

I. Der Begriff

272

II. Gegensatz zu anderen Schuldverhältnissen a) Gegensatz zum Dienstvertrag b) Gegensatz zum Kauf (Werklieferungsvertrag)

273 273 275

III. Durchführung des Werkvertragsverhältnisses a) Das Stadium der Arbeit b) Die Abnahme des fertigen Werkes c) Die Haftung für Mängel des Werkes d) Die Eigentumsverhältnisse und das gesetzliche Pfandrecht

276 276 277 278

IV. Beendigung des Werkvertragsverhältnisses V. Sicherung der Bauhandwerker

280 280

§48.

Der M ä k l e r v e r t r a g

281

§49.

Die A u s l o b u n g

283

§ 50.

Der A uftrag

284

I. Der Begriff

284

279

XXIII

Inhaltsverzeichnis II. Auftrag und Vollmacht

-

III. Durchführung des Auftragsverhältnisses

285 285

IV. Geschäftsbesorgung als Bestandteil anderer Rechtsverhältnisse 287 § 51.

Die G e s c h ä f t s f ü h r u n g o h n e A u f t r a g I. Grundsatz II. Abwandlungen

288 288 289

III. Durchführung des Geschäftsführungsverhältnisses . . . . 290 IV. Irrtümliche Auffassung der Lage durch den Geschäftsführer 290 §52.

Der V e r w a h r u n g s v e r t r a g I. Der Begriff II. Die Durchführung des Verwahrungsverhältnisses a) Die Stellung des Verwahrers b) Die Stellung des Hinterlegers

291 291 292 292 292

III. Übergang in andere Schuldverhältnisse a) Verwahrung als bloße Begleiterscheinung b) Sonderregelung bestimmter Verwahrungsverhältnisse c) Das depositum irreguläre

293 293 293 294

IV. öffentliche Hinterlegung

295

V. Die Einbringung bei Gastwirten a) Die besondere Haftung des Gastwirts b) Das gesetzliche Pfandrecht des Gastwirts K a p i t e l 5: Personenvereinigungen § 53. Ü b e r b 1 i c k

295 295 296 296 296

I. Ausgangspunkt

296

II. Stellung des Staates zum Verbandswesen a) Die Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit b) Überwachung und Regulierung des Verbandswesens c) Verleihung der Rechtsfähigkeit

297 297 298 298

III. Die Grundformen menschlicher Organisation a) Der Brüderschaftsgedanke b) Der Gedanke der Abstimmung c) Der Vertretergedanke d) Dar Herrschaftsgedanke e) Der Anstaltsgedanke

299 299 299 299 299 300

XXIV

Inhaltsverzeichnis

§ 54.

IV. Die Leistung des- Gesetzgebers a) Im bürgerlichen Recht b) Im Handelsrecht c) Im Genossenschaftsrecht d) Im Kartell- und Konzernrecht e) Im Recht der gemischt-wirtschaftlichen Unternehmungen

300 300 301 301 301

Die G e s e l l s c h a f t

303

I. Das Wesen der Gesellschaft a) Im allgemeinen b) Verwandtschaft mit dem Verein c) Der Geltungsbereich des Gesellschaftsrechts II. Das Gesellschaftsvermögen

§ 55.

302 303 303 304 305 306

III. Die Bindung an das gemeinsame Ziel a) Der Gesamthandsgedanke b) Wie weit werden Dritte betroffen?

307 307 308

IV. Der Betrieb der Gesellschaften a) Die Organisation b) Gewinn und Verlust c) Einstellung des Betriebes d) Unmöglichwerden einer Leistung

310 310 311 312 312

Die G e m e i n s c h a f t

312

I. Das Wesen der Gemeinschaft

312

II. Die Durchführung des Gemeinschaftsverhältnisses . . . . 313 K a p i t e l 6: Hilfsgeschäfte § 56.

Die B ü r g s c h a f t I. Das Wesen der Bürgschaft II. Die Form der Bürgschaft

314 314 314 314

III. Unterscheidungen der Bürgschaft a) Von der Schuldübernahme b) Von der kumulativen Schuldübernahme c) Vom Garantievertrag

315 315 315 315

IV. Das Maß der Bürgenhaftung a) Die akzessorische Natur der Bürgschaft b) Beschränkung durch Vertrag c) Befreiung von der Bürgschaft

316 316 317 317

Inhaltsverzeichnis

XXV

V. Die Belangung des Bürgen 317 a) Die Einrede der Vorausklage (und die „selbstschuldnerische" Bürgschaft) 317 b) Der Rückgriff des Bürgen gegen den Hauptschuldner und etwaige Mitbürgen 318 VI. Der Kreditauftrag (§ 778) §57.

§ 58.

319

Der P f a n d v e r t r a g

320

I. Das Wesen des Pfandvertrages II. Der Inhalt des Pfandvertrages III. Einzelheiten

320 321 322

Der V e r g l e i c h

323

I. Das Wesen des Vergleichs

§ 59.

§ 60.

323

II. Die Behandlung des Irrtums beim Vergleich III. Der Prozeßvergleich

323 325

Das S c h u l d a n e r k e n n t n i s und das versprechen

326

Schuld-

I. Allgemeines Wesen II. Recht des BGB

326 327

Die V e r p f l i c h t u n g zur V o r l e g u n g

328

I. Das Wesen der Vorlegungspflicht II. Durchführung des Gedankens K a p i t e l 7: Ausgleich unrechtmäßiger Rechtslagen §61.

Die u n g e r e c h t f e r t i g t e B e r e i c h e r u n g I. Das Wesen der ungerechtfertigten Bereicherung

328 329 329 329 329

II. Die Bereicherung auf Kosten eines anderen a) Es muß „etwas erlangt" sein

332 332

b) Und zwar „auf Kosten" des anderen

332

III. Das Fehlen des rechtlichen Grundes

333

IV. Die einzelnen Bereicherungstatbestände a) Die Leistung einer Nichtschuld b) Das Ausbleiben des bezweckten Erfolges c) Verwerflicher Empfang (§817) d) Der Fall des § 816 e) Fälle außerhalb der §§ 812ff f) Zusammenfassung?

334 335 335 335 336 336 337

XXVI

Inhaltsverzeichnis V. Die Gefahr einer übermäßigen Verwendung des Anspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung a) Im allgemeinen b) Gesetzliche Einschränkungen VI. Umfang der Herausgabepflicht

339

VII. Ausgestaltungen a) Verschärfung der Haftung b) Erstreckung auf Dritte § 62.

340 340 340

Die u n e r l a u b t e n H a n d l u n g e n . 1. A l l g e m e i n e K e n n z e i c h n u n g

341

I. Vorbemerkung

341

II. Verhältnis zum Vertragsrecht

341

III. Verhältnis zum Strafrecht

344

IV. Bedeutung für die menschliche Kultur

345

V. Haltung des BGB §63.

345

D i e u n e r l a u b t e n H a n d l u n g e n . 2. D i e G r u n d elemente der S c h a d e n s e r s a t z p f l i c h t 346 I. Der Kausalzusammenhang

346

II. Die Verletzung eines rechtlich anerkannten Gutes

§ 64.

337 337 338

347

III. Das Verschuldungsprinzip a) Die Fragestellung b) Der Stanpdunkt des BGB. (Sondergesetze) c) Die Lehre von der Zurechnungsfähigkeit d) Mitschuld des Beschädigten IV. Die Widerrechtlichkeit

347 347 349 351 353 353

Unerlaubte Handlungen. Deliktstat bestände

354

3. D i e

einzelnen

I. Überblick

354

II. Der Schutz der geschlossenen Rechtsgüter (§ 823 I) a) Die Theorie b) Die Praxis c) Die Eigentumsverletzung im besonderen III. Der Verstoß gegen Schutzgesetze (§ 823 II) a) Umfang des Schutzes b) Besondere Behandlung des Verschuldens c) Grenzen des Schutzes aus § 823 II

355 356 357 358 359 359 360 360

IV. Der Verstoß gegen die guten Sitten (§ 826)

362

Inhaltsverzeichnis

XXVII

V. Einzelne Sondertatbestände a) Die Kreditgefährdung (§824) b) Die Verführung einer Frauensperson (§ 825) c) Die Haftung für Gebäudeeinsturz (§ 836) d) Die Beamtenhaftung (§839) e) Die Tierhalterhaftung (§ 833) f) Der Wildschadenersatz §65.

364 365 365 365 366 368 368

U n e r l a u b t e H a n d l u n g e n . 4. D e r S c h a d e n s e r s a t z a n s p r u c h n a c h I n h a l t u n d U m f a n g ... I. Die Aktivlegitimation a) Der Erstgeschädigte b) Zweitgeschädigte II. Die Passivlegitimation a) Mehrere Täter (§ 830) b) Die Haftung für Angestellte (§ 831) c) Die Haftung des Aufsichtspflichtigen (§832) III. Der Umfang der Ersatzpflicht

369 369 369 370 371 371 373 375 375

IV. Die vorbeugende U n t e r l a s s u n g s k l a g e

376

überblick über das Schrifttum

379

Quellenregister

385

Wortverzeichnis

396

Lateinische Kennworte und Sprüche

419

XXIX

Abkürzungsverzeichnis AO. AV. BGB. EG. EGBGB. FrGG. G. GBO. GewO. HGB. HdwbR. KO. Mot. OLG. Prot. RG. RGBl. RGZ. Rvgld.HWB. StrGB. UnlWG. VO. (oder V.) ZPO. ZVG.

Anordnung Ausführungsverordnung Bürgerliches Gesetzbuch Einführungsgesetz Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Reichsgesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Gesetz Grundbuchordnung Gewerbeordnung Handelsgesetzbuch Handwörterbuch der Rechtswissenschaft Konkursordnung Motive zum Entwurf des BGB. Oberlandesgericht Protokolle der Kommission für die II. Lesung des Entwurfs des BGB. Reichsgesetz, oder Reichsgericht Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen (Bd, 1—170) Rechtsvergleichendes Handwörterbuch für das Zivil- und Handelsrecht des In- und Auslandes Strafgesetzbuch Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs Verordnung Zivilprozeßordnung Gesetz über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung

Neue Zeitschriften und Sammlungen (z. T. im Anschluß an frühere Zeitschriften) BB. DRspr. DRZ. HEZ. JB1.

Der Betriebsberater Deutsche Rechtssprechung Deutsche Rechtszeitschrift Höchstridhterliche Entscheidungen in Zivilsachen Justizblatt fz. B. JB1. Braunschweig, JB1. Köln, JB1. Oldenburg, JB1. Westfalen/Lippe, usw.) JR. Juristische Rundschau MDR. Monatsschrift für Deutsches Recht NJ. Neue Justiz Neue Juristische Wochenschrift NJW. SJZ. (Südd. JZ.) Süddeutsche Juristenzeitung ZJB1. Zentraljustizblatt für die Britische Zone

XXX

Nachträge Seite 240. Zur Arbeitsgerichtsbarkeit: Einrichtung eines obersten B u n d e s a r b e i t s g e r i c h t s vorgesehen im Bonner Grundgesetz Art. 96 Abs. 1. Berufung der Richter nach Art. 95 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 96 Abs. 2. Seite 257, letzter Absatz: Neben dem Bremer Betriebsrätegesetz auch BRG. f. Hessen vom 31. 5. 1948, für Württemberg-Baden vom 18. 8. 1948, für Baden vom 24. 9. 1948 (Weiteres zu erwarten).

I. Teil: Allgemeine Lehren des Schuldrechts I. Abschnitt: Wesen des Schuldrechts § 1. Die juristische Gestalt des Schuldrechts

I. D e r P l a t z i m G e s e t z . a) D a s II. B u c h d e s B ü r g e r l i c h e n Gesetzbuches (B G B.). Das BGB. hat das Schuldrecht unter der Überschrift „Recht der Schuldverhältnisse" in das II. seiner fünf Bücher gestellt. Das geschah wegen des Zusammenhanges mit dem I. Buch. Das I. Buch enthält die „Allgemeinen Lehren" des g e s a m t e n bürgerlichen Rechts (auch Zivilrecht oder Privatrecht genannt). Das sind Grundsätze und Vorschriften, die für alle vier folgenden Bücher gemeinsam gelten. Daran knüpft das II. Buch an. Es bringt in seiner ersten Hälfte a u c h w i e d e r a l l g e m e i n e L e h r e n u n d B e g r i f f e . Allerdings grundsätzlich nur für das Gebiet des Schuldrechts. Aber es wird sich zeigen, daß ihre Wirksamkeit darüber hinausgreift. In den Kodifikationen anderer Länder sind übrigens die allgemeinen Lehren unseres I. Buches (soweit sie dort überhaupt gesetzlich erfaßt sind) vielfach mit den allgemeinen Lehren unseres Schuldrechts verschmolzen. Sehr verbreitet ist im Auslande die Bezeichnung des Schuldrechts als „ O b l i g a t i o n e n r e c h t", nach dem römisrhrerhtlirhen Wort obligatio, das etwa schuldrechtliches Gebundensein bedeutet.

b) A u f b a u d e s II. B u c h e s . Das B G B hat innerhalb des Zweiten Buches sieben Abschnitte gebildet. Der letzte regelt die e i n z e l n e n Obligationen (Schuldrechtstypen) z.B. Kauf, Tausch, Miete, Darlehen, Dienstvertrag, Schenkung. Die sechs vorangehenden Abschnitte sind dagegen „abstrakt" gehalten. Sie behandeln Fragen, die nicht bloß beim Kauf oder der Pacht oder sonst einem einzelnen Schuldverhältnis Bedeutung haben, sondern bei allen wirksam werden können. t

H e d e m a n n , S c h u l d r e c h t 3 Aufl

2

§ 1 II.

Schuldrecht, Struktur

Beispiel: D e r V e r z u g . Das ist die Säumigkeit des Schuldners, er gerät in „Verzug". Was soll da gelten? Muß der Schuldner eine Strafe zahlen? (nein). Muß er den Schaden ersetzen, den der andere erleidet? (ja). Immer? (nein, nur unter gewissen Voraussetzungen) usw. Das ist allgemein und sehr sorgfältig gleich im ersten Titel des Schuldrechts geregelt (§§284ff. und für die sog. gegenseitigen Verträge noch einmal in dem wichtigen § 326), und nun gilt das sowohl beim Kauf, wenn eine Ware nicht pünktlich geliefert wird, wie bei der Miete, wenn das Mietsgeld nicht pünktlich gezahlt wird, wie beim Darlehen, wenn der Schuldner mit der Zahlung der Zinsen in Rückstand kommt. — Näheres über den Verzug unten §21.

Durch diese „Allgemeingültigkeit" werden die ersten sechs Abschnitte zusammengehalten. Sie bilden den „Allgemeinen Teil" des Rechts der Schuldverhältnisse. Sie werden in diesem Buch als Teil I behandelt. Die einzelnen Schuldverhältnisse gelangen dann im Teil II (§§31 ff.) zur Darstellung. c) D i e Ü b e r o r d n u n g d e s l . B u c h e s bleibt daneben erhalten, d. h. seine Regeln gelten auch f ü r das Schuldrecht, trotzdem dieses seine eigenen allgemeinen Regeln hat. So gilt f ü r das Schuldrecht, und zwar auch für seine eigenen allgemeinen Lehren, d a s g a n z e P e r s o n e n r e c h t d e s B u c h e s I, sowohl die Lehre von den natürlichen und juristischen Personen wie die Lehre von der Geschäftsfähigkeit; und zugleich auch die ganze Lehre von der Abgabe der W i l l e n s e r k l ä r u n g e n und vom Zustandekommen eines V e r t r a g e s usw. Wer kann „Schuldner" oder „Gläubiger" sein? Wer kann sich durch einen „Vertrag" verpflichten? Auch ein Jugendlicher von 19 Jahren, auch ein Trunkenbold? usw. Das alles ist aus dem Buch I des BGB herbeizuholen. In der Praxis des Lebens besonders hervortretend: D i e b i n d e n d e K r a f t d e s A n t r a g s . Ausgesprochen im I. Buch (§ 145). Das gilt nun wegen jener „Überordnung" des Allgemeinen Teils für jedes Kauf- oder Verkaufsangebot der §§ 433ff., für je-den Antrag an einen Handwerker (§ 631), für jede ernstgemeinte Einladung zur Gründung einer Gesellschaft (§ 705), usw.

II. D i e S t r u k t u r d e s S c h u l d r e c h t s . Sie wird am besten erfaßt im Gegensatz zu den anderen Teilgebieten des BGB., dem S a c h e n r e c h t , dem F a m i l i e n r e c h t und dem E r b r e c h t . Diese Viergliederung des Stoffes trifft man auch im Recht anderer Länder, meist ist aber dort die Grenze zwischen dem Schuldrecht und dem Sachenrecht nicht annähernd so scharf gezogen wie in der deutschen Dogmatik und dem deutschen BGB. Auf scharfe Formeln gebracht, ergibt sich f ü r die Viergliederung das folgende:

§ 1 II a.

Schuldrecht und Sachenrecht

3

a) D a s S c h u l d r e c h t b e s t e h t i n e i n e r B i n d u n g v o n P e r s o n zu P e r s o n auf dem B o d e n der G l e i c h b e r e c h t i g u n g . D a s Gesetz drückt das i m ersten Satz d e s Rechts der Schuldverhältnisse mit den Worten aus: „Kraft des Schuldverhältnisses ist der G l ä u b i g e r berechtigt, v o n d e m S c h u l d n e r e i n e Leistung zu fordern" (§ 241). Ins Schuldrecht gehört bei einem Kauf noch nicht der Erwerb des Eigentums, seine Übertragung vom Verkäufer auf den Käufer. Das gehört ins Sachenrecht. Ins Schuldrecht gehört nur die Bindung der beiden P e r s o n e n aneinander, also der Gedanke, daß der Verkäufer l i e f e r n muß, und daß der Käufer den Verkäufer dafür bezahlen muß. Dabei ist stets im Auge zu behalten, daß die beiden „Bürger" g l e i c h b e r e c h t i g t sind. Wirtschaftliche Überlegenheit des einen Teils, z. B. des Käufers, oder besondere Schlauheit des einen Teils, z. B. eines Vermieters, sichert ihm nicht ein r e c h t l i c h e s Übergewicht. Im Gegenteil kann ihm eine unlautere Ausnützung seiner wirtschaftlichen Überlegenheit (Wucher) oder seiner Schlauheit (Betrug) sogar rechtliche Nachteile bringen: Nichtigkeit des Geschäfts nach § 138 BGB, Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach § 123, und vielleicht außerdem sogar Bestrafung nach dem Strafgesetzbuch. b) D a s S a c h e n r e c h t b e s t e h t i n d e r B i n d u n g e i n e r S a c h e a n d i e P e r s o n . Das kann nicht auf d e m B o d e n der Gleichberechtigung, sondern nur in der F o r m einer Überordnung, z. B. der Überordnung des E i g e n t ü m e r s über den Sachkörper, s e i n e n Hund, s e i n Grundstück, erfolgen. Das Gleiche gilt auch von den anderen sachenrechtlichen Figuren, dem Pfandrecht (§ 1204), dem Nießbrauch (§ 1030) usw. Auch hier Überordnung über das Pfandobjekt, den Nießbrauchgegenstand usw. I m L e b e n rücken allerdings die D i n g e n a h e aneinander heran. Manche Schuldverhältnisse, so vor allem der Kauf, zielen eben doch auf E i g e n t u m s b e s c h a f f u n g u n d d a m i t auf Herbeiführung einer s a c h e n r e c h t l i c h e n Wirkung. A b e r rechtlich („schulgemäß", dogmatisch) m u ß der Trennungsstrich beachtet werden. Ins Schuldrecht gehört der Satz: „Durch den Kaufvertrag wird der Verkäufer einer Sache v e r p f l i c h t e t , dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum z u v e r s c h a f f e n " (§ 433). Wohlgemerkt: nur z u v e r s c h a f f e n . Also geht das Eigentum mit dem bloßen Kaufvertrag n o c h n i c h t über. Dazu gehört vielmehr die Befolgung des im Sachenrecht, also im Buch III, niedergelegten Satzes: „Zur Übertragung des Eigentums ist erforderlich, daß der Eigentümer die Sache dem Erwerber ü b e r g i b t (genauer: übergeben h a t ) usw." (§ 929). Noch deutlicher: Bestellung eines Buches beim Buchhändler ist nur ein A n t r a g (oben I c). Sagt der Buchhändler ja, so ist ein Vertrag zustandegekommen. Gibt der Buchhändler das Buch dem Kunden nicht gleich mit, weil er es selber nicht auf Lager hat, so fehlt noch der Eigeni*

4

§ 1 III.

Schuldrecht außerhalb Buch II

tumsübergang. Schickt er dann das Buch dem Kunden zu, so wird gleichzeitig seine Pflicht als Verkäufer erfüllt (Schuldrecht) und das Eigentum übertragen (Sachenrecht). — Näheres über die Methodik des Eigentums-, Überganges im Lehrbuch Sachenrecht.

c) D a s F a m i l i e n r e c h t zerfällt in das Familienpersonenrecht und das Familiengüterrecht. Der Gegensatz zum Schuldrecht tritt in voller Schärfe im Familienpersonenrecht hervor: Nicht zwei Personen auf dem Boden der G l e i c h berechtigung, sondern auf dem Boden einer U b e r o r d n u n g . Am deutlichsten bei Vater und Kind. Aber auch in der Ehe besteht ein Stück Überordnung des Mannes über die Frau (§ 1354), besonders verdeutlicht dadurch, daß die Frau den Namen des Mannes bekommt. Das F a m i l i e n g ü t e r r e c h t (§§ 1363 ff.) schlägt dagegen seinem Wesen nach stark in die v e r m ö g e n s r e c h t l i c h e Welt zurück. Daher weist es sachenrechtliche und schuldrechtliche Züge auf. Aber es behält doch auch seinerseits ein familienrechtliches Eigengepräge.

d) D a s E r b r e c h t läßt sich nicht auf eine einheitliche Formel bringen wie das Schuldrecht (Bindung von Person zu Person auf dem Boden der Gleichberechtigung) oder wie das Sachenrecht (Bindung einer Sache an die Person im Wege einer Überordnung) oder wie das persönliche Familienrecht (Bindung von Person zu Person auf dem Boden der Überordnung). Es weist Elemente von jedem dieser drei anderen Teilgebiete auf. Ein Beispiel schuldrechtlicher Erscheinung im Erbrecht sogleich im folgenden.

III. S c h u l d r e c h t a u ß e r h a l b d e s II. B u c h e s . Das Leben läßt sich niemals in Schablonen einzwängen. So dringt auch das Wesen des „Schuldrechts" stellenweise über die dogmatisch ihm gesetzten Grenzen hinaus. a) Z u n ä c h s t i m R a h m e n d e s B G B s e l b s t . Man trifft, wie schon erwähnt, auch in den anderen Teilgebieten auf Bindungen, die dem Wesen nach schuldrechtlich sind. 1. Typisches B e i s p i e l a u s d e m S a c h e n r e c h t : Der N i e ß b r a u c h (§§ 1030 ff.). Seinem Grundcharakter nach ist er ein Stück Herrschaft über die Sache. Dem Nießbraucher werden die Nutzungen der Sache zugeschlagen. Das Gesetz läßt ganz deutlich die Überlassung eines Stück Sachherrschaft erkennen (vgl. § 1030). Aber nun kommen doch die p e r s ö n l i c h e n Beziehungen zwischen dem Besteller des Nießbrauchs (dem Eigentümer) und dem Nießbraucher in Lauf. Und sie haben stellenweise klaren schuldrechtlichen Charakter wie ein Vergleich der §§ 1050 und 1053 mit den

§ 1 IV.

Schuldrecht und öffentl. Recht

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Schwesterbestimmungen des schuldrechtlichen Mietsrechts zeigt (§§ 548 u. 550). 2. Typisches B e i s p i e l a u s d e m F a m i l i e n r e c h t : Das G ü t e r r e c h t d e r E h e g a t t e n , soweit sie, was erlaubt ist, von der gesetzlichen Normalregelung der §§ 1363 ff. abweichen und einen Pakt über ihr beiderseitiges Vermögen, die künftigen Einnahmen usw. schließen. Da kann dann, wenn es z. B. um die gegenseitige Abrechnung geht, sehr wohl die L e h r e v o m V e r z u g aus dem Recht der Schuldverhältnisse zur Anwendung kommen; oder die L e h r e v o n d e r A u f r e c h n u n g der beiderseitigen Forderung gegeneinander (§§ 387 ff.). Usw.

3. Typisches B e i s p i e l a u s d e m E r b r e c h t : Das V e r m ä c h t n i s , so wie die Verfasser des BGB es konstruiert haben. Wem ein Schmuckstück „vermacht" worden ist, hat damit zunächst noch keine sachenrechtliche Stellung (etwa Eigentum), vielmehr wird nach § 2174 „für den Bedachten nur das Recht begründet, von dem Beschwerten die Leistung (Lieferung) des vermachten Gegenstandes z u f o r d e r n " , in bewußter (fast wörtlicher) Anlehnung an die Definition des Schuldverhältnisses im § 241: „von dem Schuldner eine Leistung zu fordern".

b) Aber auch a u ß e r h a l b d e s B G B ist dem Schuldrecht ein breites Wirkungsfeld gesichert. Das gilt vor allem vom H a n d e l s r e c h t , das seit 150 Jahren ein selbständiges Rechtsgebiet geworden und in eigenen Gesetzen (zuerst in Frankreich 1807) geregelt ist. Aus dem G e s e l l s c h a f t s r e c h t des BGB (§ 705ff.) wachsen die besonderen Formen der handelsrechtlichen Gesellschaften heraus (Offene Handelsgesellschaft, Aktiengesellschaft, Gesellschaft mit beschränkter Haftung, usw.). Der Abschnitt über „ S c h u l d v e r s c h r e i b u n g e n a u f d e n I n h a b e r " (§§ 793 ff. BGB) enthält zugleich die allgemeine Dogmatik für eine Reihe von kaufmännischen Wertpapieren. Usw.

Das Handelsrecht ist übrigens im Laufe der letzten dreißig Jahre von einer neuen bedeutenden und noch nicht genügend abgeklärten Stoffmasse überboten worden, dem sogenannten W i r t s c h a f t s r e c h t . Vor allem ist damit gemeint die Fülle der Rechtsvorschriften, welche der O r d n u n g des Wirtschaftslebens, seiner p l a n m ä ß i g e n Gestaltung gewidmet sind. Das leitet bereits zum Abschnitt IV über. IV. S c h u l d r e c h t a u f ö f f e n t l i c h - r e c h t l i c h e n G e b i e t e n . Das bürgerliche Recht steht als Ganzes im Gegensatz zum öffentlichen Recht. a) Zum ö f f e n t l i c h e n R e c h t gehören das „Staatsrecht", das „Verwaltungsrecht", das „Strafrecht", das „Prozeßrecht" und ähn-

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§ 1 IV.

Schuldrecht und öffentl. Recht

liehe Rechtsgebiete. Bei ihnen ist eine übergeordnete Macht der Träger des Rechts. Als solche kommt in erster Linie der S t a a t in Frage, neben ihm aber auch andere Körperschaften, z. B. die G e m e i n d e n , die K i r c h e . Das V ö l k e r r e c h t beansprucht sogar, seinerseits den Staaten übergeordnet zu sein. Neben dem allen liegt die „private" Sphäre der Bürger: das bürgerliche Recht, Zivilrecht, Privatrecht. Der Gegensatz zwischen j u s p u b l i c u m und j u s p r i v a t u m geht bereits auf das klassische römische Recht zurück. Berühmter Ausspruch des römischen Juristen Ulpian (3. Jahrhd. n. Chr.): „Publicum jus est, quod ad statum rei Pomanae spectat, privatum quod ad singulorum utilitatem" (öffentliches Recht ist, was auf den römischen Staat, privates Recht, was auf den Nutzen der Einzelnen abzielt).

b) Eine ganz reine S c h e i d u n g zwischen privatem und öffentlichem Recht ist in der Praxis des Lebens n i c h t d u r c h f ü h r b a r . Kennzeichnend für die Gegenwart ist eine sehr starke Zunahme des öffentlichen Rechts. Gerade das S c h u l d r e c h t ist davon stark betroffen worden. Einige Rechtsgebiete, die früher allein im bürgerlichen Recht geregelt waren, sind in den letzten Jahrzehnten so stark mit öffentlichrechtlichen Elementen durchsetzt worden, daß sie vom bürgerlichen abgewandert und zu einem eigenen Rechtsgebiet, gemischten Charakters, geworden sind. Hauptbeispiel: das A r b e i t s r e c h t . Lange Zeit hat der „Dienstvertrag" des BGB (§ 611) als Grundlage genügt. Inzwischen ist dieser heute viel zu enge Rahmen gesprengt worden. Die Vorschriften des BGB sind zwar nicht ganz gegenstandslos geworden, aber sie treten hinter hunderten von „arbeitsrechtlichen" Sondervorschriften, meist öffentlichrechtlichen oder halb-öffentlichrechtlichen Charakters zurück.

Andere Schuldverhältnisse haben zwar ihren alten Sitz im BGB behalten, aber sie sind von außen her durchtränkt von ö f f e n t l i c h r e c h t l i c h e n K o n t r o l l m a ß r e g e l n der verschiedensten Art. Jedermann ist die sog. P l a n w i r t s c h a f t (gelenkte Wirtschaft) bekannt. Sie hat eine Zeitlang namentlich das K a u f r e c h t vollständig überdeckt. Das hat nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern gegolten. Inzwischen ist es vielfach zur Auflockerung dieser „Zwangswirtschaft" gekommen. Die Parole „Rückkehr zur freien Wirtschaft" hat das Kaufrecht des BGB wieder in den Vordergrund treten lassen. Aber sehr vieles wird unter öffentlichrechtlicher Kontrolle bleiben müssen. Auch die M i e t s v e r h ä l t n i s s e können heute nicht dem reinen Privatrecht (BGB §§ 535 ff.) überlassen werden. Überall sind von außen her Regulierungen an das Wohnungswesen herangetragen worden, die öffentlichrechtlichen Charakter haben. Auch das Pachtrecht

§21.

Schuldrecht, kultureller Wert

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(§§ 581 ff.) oder das G e s e 11 s c h a f t s r e c h t (§§ 705 ff.) sind Beispiele solcher Nebenwirkungen von außen her.

Das alles liegt m i t t e n i m S t r o m d e r Z e i t . Die „soziale" Durchtränkung breiter Teile des Rechtslebens (im folgenden § 2 I b usw.) macht sich auch hier bemerkbar.

§ 2. Di« Bedeutung des Schuldrechts Die große, über weite Flächen des Lebens reichende Wirksamkeit des Schuldrechts ist schon im vorhergehenden gekennzeichnet worden. Im § 2 soll sie nach der spezifisch menschlichen Seite hin untersucht werden. I. Die kulturelle Bedeutung des Schuldrechts Der Jurist, namentlich der Studierende, ist leicht geneigt, n u r die juristische Struktur der behandelten Rechtsverhältnisse zu beachten. Oft genug ist auch bei der Bearbeitung eines praktischen Falles, sei es im Studium, sei es durch den Richter im Prozeß, sei es bei der beratenden Tätigkeit des Anwalts, d e r j u r i s t i s c h e G e h a l t des betreffenden Falles schlechthin entscheidend. Aber es darf nie vergessen werden, daß d a r ü b e r h i n a u s das Schuldrecht mit seiner Regelung der Kaufverträge, der Dienstverträge, der Gesellschaftsverträge, des Schadensersatzes bei unerlaubten Handlungen usw. auch d a s k u l t u r e l l e L e b e n d e s V o l k e s und der einzelnen deutschen Menschen beeinflußt. a) S i t t l i c h e R e g u l i e r u n g d e s V e r k e h r s d e r M e n s c h e n . Der Verkehr zeitigt überall Rücksichtslosigkeit. Vieles davon kann mit rein juristischen Regeln abgeriegelt werden. Aber das genügt nicht. Das Schuldrecht a l s G a n z e s muß von einem sittlichen Ethos getragen sein. Über die Maßstäbe und Methoden kann man streiten. Auch die V e r s c h i e d e n h e i t d e r Z e i t a l t e r spielt naturgemäß eine Rolle. Ein berühmtes Beispiel für letzteres, das zugleich auch in die w i r t s c h a f t l i c h e Sphäre hinüberspielt, gibt die historische Entwicklung des 19. Jahrhunderts. Der „ L i b e r a l i s m u s", die „Freihandelslehre" führte. Der Verkehr wurde beflügelt. Das Schuldrecht stand im Bann dieser Gedankenwelt. Es vermied fast ängstlich jede Einschränkung des Geschäftsverkehrs. Dann aber kam es zu einer allmählichen Wandlung der Anschauungen. Und die Gesetzgebung folgte nach, mit ihrem Kampf gegen den Wucher und andere Ausartungen.

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§ 2 I b.

Schuldrecht, sozialer Wert

Auch heute noch, heute ganz besonders, hat das Schuldrecht neben der unmittelbaren r e c h t l i c h e n Regelung der ihm unterstellten Lebensverhältnisse die Aufgabe, an dem Kampf gegen den argen Verfall der Sitten mitzuwirken. b) S o z i a l e A u s r i c h t u n g d e s S c h u l d r e c h t s . Das Wort sozial wird in sehr verschiedenem Sinne gebraucht. In der politischen Arena ist es auch oft mißbraucht worden. In unserem Zusammenhang bildet, zugeschärft, den gedanklichen Ausgangspunkt d e r G e g e n s a t z z w i s c h e n r e i c h u n d a r m . Oder, wie es in der wissenschaftlichen Literatur auch oft genannt worden ist: Der Gegensatz zwischen B e s i t z e n d e n u n d B e s i t z l o s e n . Es unterliegt keinem Zweifel, daß das S c h u l d r e c h t (dank des oben unter a behandelten „Liberalismus") dem Reichen blanke Waffen liefert, um seinen Reichtum spielen zu lassen. Er kann mittels des Schuldrechts (und des dabei eng verschwisterten Handelsrechts) „Geschäfte machen", und zwar Geschäfte, die sehr lukrativ für ihn sind. Das D a r l e h n (§§ 607 ff.) ist das einfachste, fast simple Beispiel. Auch die S c h u l d b r i e f e , die er sich ausstellen läßt oder im Handel erwirbt (einfachste Form: Schuldverschreibung auf den Inhaber, §§ 793 ff.), gibt ihm Gelegenheit, sein Geld spielen zu lassen und gut „anzulegen". Wer sein Geld für sich „arbeiten" läßt, braucht kein schlechter Mensch zu sein. Andere Länder beweisen das heute noch. Wahrhaft entscheidend für die Übermacht des „Kapitals" und seine übermäßige Ausnutzung sind nicht die Menschen, sondern die Z e i t e n t w i c k l u n g gewesen. Zwanzigstes Jahrhundert!

Verschärfend können bei diesem Gegenüber der wirtschaftlich Stärkeren und der wirtschaftlich Schwächeren die Z u s a m m e n s c h l ü s s e wirken. Die Geldgeber oder z. B. auch die Mietshausbesitzer schließen sich zu einem einflußreichen V e r e i n o d e r V e r b a n d zusammen, und diese Zusammenschlüsse bringen dann mittels vorgedruckter, ganz auf ihr Interesse zugeschnittener F o r m u l a r e serienweise für ihre Mitglieder besonders günstige Verträge (Schuldverhältnisse) zustande. Über die Macht dieser „Musterformulare" Näheres unter Illd. Dem allen m u ß d a s S c h u l d r e c h t e n t g e g e n t r e t e n , sobald die ethisch zulässige Grenze überschritten ist. Und das hat auch das Schuldrecht des BGB getan. Vor allem sind hier zu nennen die berühmten G e n e r a l k l a u s e l n . Neben dem § 138 aus dem 1. Buch, im Schuldrecht: §242 ( T r e u u n d G l a u b e n ) und §826 (Schadenersatz bei sittenwidrigem Handeln). Diese Generalklauseln, die sich der Studierende besonders einprägen muß, dienen auch anderen Zwecken, aber eine ihrer Hauptaufgaben ist es, für s o z i a l e n A u s g l e i c h zu sorgen.

§ 2 I c.

Schuldrecht, humaner Zug

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Dazu treten mancherlei E i n z e l r e g e l n , die zwar noch im Geist des 19. Jahrhunderts befangen sind, aber doch den ehrlichen Willen zeigen, einem Ausufern der „Macht des Stärkeren" entgegenzutreten und s o z i a l e P o l i t i k zu treiben. So das M i e t s k ü n d i g u n g s r e c h t bei Gesundheitsgefährdung, der „soziale Schutz" beim D i e n s t v e r t r a g , die Zusprechung eines Schadensersatzanspruches an den Armen gegenüber dem Reichen im § 829. Über das alles später Näheres. c) E i n e b e s o n d e r e S p i e l a r t des s o z i a l e n A u s g l e i c h s ist das, w a s m a n als d e n h u m a n e n Z u g i m S c h u l d r e c h t b e z e i c h n e n k a n n . D a m i t ist m e n s c h l i c h e Milde, j u r i s t i s c h e S c h o n u n g des „ S c h u l d n e r s " gemeint. Ein Beispiel im kleinen: Die H e r a b s e t z u n g e i n e r V e r t r a g s s t r a f e . Der Schuldner hat sich hier für den Fall seiner Unpünktlichkeit zu einer Geldstrafe verpflichtet. W e n n sich dann aber vor dem Richter ergibt, daß die Strafe „unverhältnismäßig hoch" ist, dann kann sie der Richter „auf den angemessenen Betrag" herabsetzen (§ 343). Näheres über die Vertragsstrafe unten § 4 VII. Vor a l l e m a b e r w i r d in Z e i t e n s c h w e r e r N ö t e d e m h u m a n e n B e dürfnis durch d a s I n s t i t u t d e r r i c h t e r l i c h e n V e r t r a g s h i l f e R e c h n u n g g e t r a g e n . D e m B G B w a r das n o c h u n b e k a n n t . E s h a t s i c h aus d e n N ö t e n d e s 1. W e l t k r i e g s u n d der a n s c h l i e ß e n d e n J a h r e e n t w i c k e l t . I m 2. W e l t k r i e g ist es w i e d e r breit u n d stark h e r v o r g e t r e t e n . J e t z t ist e s d u r c h b e s o n d e r e M a ß r e g e l n d e r a l l i i e r t e n Mächte i n a l l e n v i e r Z o n e n w i e d e r u m anerkannt. Die Grundlage ist, noch heute nachwirkend, die bei Beginn des Krieges erlassene V e r t r a g s h i l f e v e r o r d n u n g (VHV) vom 30. 11. 1939 (RGBl I S. 2329), später in einigen Punkten neugefaßt. In der a m e r i k a n i s c h e n Zone ist sie 1946 durch Neufassung ersetzt worden (Bayern am 25. 4. 46, Württemberg-Baden 2. 5. 46, Hessen 24. 8. 46). — In der b r i t i s c h e n und f r a n z ö s i s c h e n Zone sind Entwürfe zu einer Neufassung ausgearbeitet worden, abeT vorläufig liegen geblieben; doch erging 1946 in der britischen Zone eine V. über die A u s s e t z u n g gerichtlicher Verfahren, und in der französischen Zone eine Rechtsanordnung zur Ergänz, d. VO. über die B e w i l l i g u n g v o n Z a h l u n g s f r i s t e n . — In der s o w j e t i s c h e n Zone ist am 7. 7. 46 eine Stundungsverordnung mit DV (Durchführungsverordnung) vom 21. 2. 47 erlassen worden, neben der aber, wie in der britischen und französischen Zone die VHV noch ergänzende Geltung hat. Die E n t w i c k l u n g i s t n o c h i m F l u ß . Der Studierende wird darauf achten müssen, daß möglicherweise inzwischen neue Verordnungen erlassen worden sind. Insbesondere hat die W ä h r u n g s r e f o r m das Bild für manche Lagen verschoben, oft in dem Sinne, daß der Schuldner durch die Herabsetzung 1 : 10 genügend entlastet ist, so daß er nicht noch Anspruch auf Stundung oder dql. erheben kann. Vgl. z. B. britisches Umstellungsgesetz § 21.

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§211.

Schuldrecht, wirtschaftlich

Der Grundzug der Regelung: Das betreffende Rechtsgeschäft wird n i c h t kurzerhand f ü r ungültig (nichtig) erklärt, wie bei einem Verstoß gegen die guten Sitten oder gegen ein gesetzliches Verbot (vgl. §§ 138, 134 BGB), sondern der Vertrag soll erhalten bleiben. Aber es werden m i l d e r n d e M i t t e l eingeschoben, die schon im Titel der zitierten Gesetze gekennzeichnet sind. Bewilligung von Zahlungsfristen (Stundung), vorläufige Aussetzung des Verfahrens und dergl. In Grenzen kann es dabei auch zu Eingriffen in die materielle Substanz kommen: Zinsen werden herabgesetzt oder sogar auch ein Bruchteil der Forderung gestrichen. Im letzteren Fall spricht man von einem r i c h t e r l i c h e n G e s t a l t u n g s r e c h t (vgl. unten § 5 II c 2). Dem Richterspruch folgt, wenn der Schuldner sich nicht freiwillig fügt, die V o l l s t r e c k u n g . Ihr sichtbarster Repräsentant ist der Gerichtsvollzieher. Er selbst muß Strenge walten lassen. Aber wiederum kann sich das Gericht auch in diesem Stadium noch mit Milderungen, z. B. Stundungen, einschalten. Und vor allem hat schon das G e s e t z (die Prozeßgesetzgebung) d e n h u m a n e n Z u g eingeschaltet. Das Vollstreckungsrecht ist ganz auf den Ton gestimmt, daß dem Schuldner keinesfalls sein E x i s t e n z m i n i m u m genommen werden darf. Ein langer Katalog „ u n p f ä n d b a r e r " S a c h e n (ZPO §§ 811, 850) führt denn auch tatsächlich dazu, daß eine überraschend große Zahl von Pfändungen „fruchtlos" verlaufen, so daß der Gläubiger das Nachsehen hat.

II. Die wirtschaftliche Bedeutung des Schuldrechts a) Die ökonomische (wirtschaftliche) Bedeutung wird am besten erfaßt von einer Erscheinung aus, die fast so alt ist, wie die Menschheit überhaupt. Das ist der T a u s c h , d e r T a u s c h d e r G ü t e r (im BGB § 515). Denn die Güter sind nicht gleich verteilt. Der eine hat dies, der andere das. Der Erste braucht das, was der Zweite hat, der Zweite braucht, was der Erste hat. So tauschen sie miteinander. Damit ist die U r f o r m der „Ökonomie", des w i r t s c h a f t l i c h e n Verkehrs der Menschen u n t e r e i n a n d e r gefunden. Das steigert sich mit der V e r s c h i e d e n h e i t d e r B e r u f e . Wer nicht selber Handwerker ist, muß sich einen Handwerker kommen lassen, er schließt mit ihm einen schuldrechtlichen Vertrag (Werkvertrag, § 631). Eine ungeheure Beflügelung und Erweiterung bringt dann das G e l d : Geld wird eingetauscht gegen Ware (Kauf), Geld wird eingetauscht gogen die Nutzung eines Feldes oder eines Obstgartens (Pacht), Geld wird eingetauscht gegen Dienstleistungen (Dienstvertrag), Geld wird eingetauscht gegen die Arbeit des Handwerkers (Werkvertrag), usw. Geld ist deshalb ein Grundelement des gesamten Schuldrechts; Näheres über die „Geldschuld" unten § 8.

§ 2 III.

Vertragsfreiheit

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Hier nur die Notiz, daß d i e s c h w e r e H r s c h ü t t e i u n g und Aufwühlung des Geldes in der Nachkriegszeit dem T a u s c h , wie allgemein bekannt, eine überaus starke Belebung gebracht hat. Früher spielte der Tausch eine ganz geringe Rolle. In den Jahren nach dem Zusammenbruch von 1945 hat er stellenweise den normalen Verkehrstypus, den K a u f , überflügelt. Auch heute noch sind Güteraustausch und Geldwesen so unruhig, daß der Tausch sich vielfach an den wunden Stellen einschiebt.

b) J e d e r e i n z e l n e M e n s c h wird in dieses ökonomische Netz des Schuldrechts hineingezogen. Selbst wenn er betteln geht, tritt ihm das Schuldrecht in Gestalt der Schenkung entgegen (§ 516). Die Z a h l d e r S c h u l d v e r h ä l t n i s s e , die an jedem einzelnen Tage abgeschlossen werden, erreicht Millionenziffern, in einem J a h r sind es Milliarden. Keine Statistik ist in der Lage, das alles zu erfassen. Und überall steht das ö k o n o m i s c h e Element Pate. D e r E i n z e l n e denkt dabei zunächst nur an sich. Er sieht zunächst nur auf die i h m nützlichen Zwecke, auf das, was er selbst mit der Anbahnung des betreffenden Schuldverhältnisses erreichen will. D i e R e c h t s o r d n u n g , die das Schuldrecht geschaffen hat und es gewährleisten muß, hat darüber hinausgehende Pflichten. Ihr Schuldrecht muß „funktionieren", dazu gehört, daß es auf die W i r t s c h a f t a l s G a n z e s ausgerichtet ist. Anschauliches Beispiel dafür die im folgenden behandelte Regulierung der Vertragsfreiheit.

III. Der Grundsatz der Vertragsfreiheit und seine Eindämmung a) D e r G r u n d s a t z . „Geschäftlicher Geist" ist mit dem Schuldrecht untrennbar verbunden. Gerade das zeigt die Kluft, die das Schuldrecht etwa vom Familienrecht trennt (oben § 1 II c). Ein gewisser, gesunder, nicht übersteigerter E g o i s m u s muß nicht nur geduldet werden, sondern trägt das Schuldrecht. Damit korrespondiert der Grundsatz der Vertragsfreiheit. Das will besagen, daß grundsätzlich die Beteiligten ihre Käufe, Pachtverträge und sonstigen schuldrechtlichen Geschäfte so einrichten können, wie sie Lust haben, und daß sich die Rechtsordnung tunlichst im Hintergrund hält. Darin liegt d a s m e n s c h l i c h w i c h t i g s t e S t ü c k d e s S c h u l d r e c h t s . Diese Vertragsfreiheit ist aus dem Leben des Menschen nicht wegzudenken. Aber sie bedarf der R e g u l i e r u n g in angemessenen Bahnen. b) E i n d ä m m u n g d u r c h d i e V e r k e h r s s i t t e u n d d i e „ A l l g e m e i n e n G e s c h ä f t s b e d i n g u n g e n " . Das BGB hat an wichtigster Stelle die Verkehrssitte neben den sittlichen Grundsatz von Treu und Glauben gestellt. § 242: „Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie T r e u u n d G l a u b e n mit

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§ 2 III b.

Verkehrssitte, Geschäftsbedingungen

Rücksicht auf die V e r k e h r s s i t t e es erfordern". Ebenso § 157 f ü r die Auslegung der Verträge. Ethische und ökonomische Zielsetzung werden hier also miteinander verflochten. 1. D e r D r u c k d e r V e r k e h r s s i t t e hat sich aber auch ganz unabhängig von dieser gesetzlichen Direktive und in rein ökonomischen Bahnen so stark entwickelt, daß an vielen Stellen — übrigens meist ganz im Einverständnis mit den jeweils betroffenen Einzelpersonen — von der „Vertragsfreiheit" nicht viel übrig geblieben ist. Das gilt vor allem von den weitverbreiteten, ganze Wirtschaftsgebiete überdeckenden M u s t e r f o r m u l a r e n , die Paragraph f ü r Paragraph bestimmen, was bei einem Warenlieferungs- oder bei einem Gelddarlehns- oder einem Miet- oder Pacht- oder Dienstvertrag (Arbeitsvertrag) gelten soll. 2. Dicht daneben die sog. A l l g e m e i n e n G e s c h ä f t s b e d i n g u n g e n . Sie haben eine ungeheure Verbreitung in der ganzen 'Veit. Für ganze Wirtschaftsgebiete sind sie schlechthin unentbehrlich geworden. Heute haben sie in Deutschland viel eingebüßt. Aber an ihrer Zukunft ist nicht zu zweifeln. Berühmte Beispiele waren im deutschen Wirtschaftsleben über das ganze Reichsgebiet hinweg die Allgemeinen deutschen Spediteurbedingungen, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken oder der Versicherungsgesellschaften, usw. Verstärktes Gewicht wird diesen Komplexen von „Bedingungen" zuteil, wenn sie von der Autorität g r o ß e r V e r b ä n d e getragen werden, was heute ebenfalls in Deutschland eine starke Einbuße erlitten hat, aber doch, wie die anderen Länder zeigen, eine unausweichliche Zeiterscheinung ist.

Der Wert der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist umstritten. Ihre p o s i t i v e Seite liegt darin, daß f ü r hunderte von Abschlüssen die G l e i c h m ä ß i g k e i t gewährleistet und damit Sicherheit und Überblick gesteigert werden. Man erspart sich langwierige Verhandlungen. Ein Wort, eine Unterschrift genügt. Zugleich bedeutet das eine Kostenersparnis. Das kommt zunächst b e i d e n Vertragschließenden zustatten. Aber nun kommt die Frage nach dem I n h a l t dieser formularmäßigen Allgemeinen Bedingungen. Und da zeigt sich oft die Überlegenheit des einen, besser fundierten und besser organisierten Teils (z. B. der Bank). E r hat die Bedingungen ausgearbeitet, er oder der noch stärkere Verband, dem er angehört. Und nun diktiert er sie dem „Kunden": S o wird abgeschlossen, oder gar nicht! Da zeigt sich die n e g a t i v e Seite, eine e i n s e i t i g e Ausnutzung der „Vertragsfreiheit", die Gefahr einer Überrumpelung

§ 2 III c.

Diktierter Vertrag, Kontrahierungszwang

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und Übervorteilung des anderen Vertragspartners. Darauf wird später, bei der Behandlung des „Leistungsinhalts" (§ 5 Ic 3) zurückzukommen sein. Jedenfalls aber ist, was aus der Verkehrssitte entspringt oder in solchen Allgemeinen Geschäftsbedingungen niedergelegt ist, auch S c h u l d r e c h t . c) E i n d ä m m u n g durch staatliche Wirtschaftsl e n k u n g . Hier ist der Abstrich an „Liberalismus", an „Vertragsfreiheit", an freier Auswahl des Partners, an selbstwilliger Festlegung der einzelnen Vertragsbedingungen, z. B. der Preise, am stärksten. Und hier müssen auch die Verbände, die Musterformulare, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen weichen, wenn sie mit s t a a t l i c h e r P l a n u n g u n d L e n k u n g unvereinbar sind. „Öffentliches Recht" bringt dabei dem ursprünglichen Privatrecht einen starken Abbruch (vgl. bereits oben § 1 IVb). W i e d e r u m ist d i e g a n z e W e l t e r f ü l l t v o n diesem staatlichen Planen, Lenken, Befehlen, Satzunggeben. Einzigartig das aufs äußerste zentralisierte Wirtschaftssystem des sowjetrussischen Staates (deT Union der sozialistischen Sowjetrepubliken). — In Deutschland ist noch alles erfüllt v o n der Erinnerung an die immer höher, immer v e r z w e i f e l t e r angespannte, schließlich sich selbst überstürzende und vernichtende Kommandowirtschaft des nationalsozialistischen Staates. Heute steht alles im Zeichen der neuen Demokratie, aber ihre Wirtschaftsordnung ist ebenfalls v o n starker staatlicher Wirtschaftslenkung begleitet. — A u c h die freiesten aller Länder, w i e v o r allem die U S A , kommen nicht ohne Eindämmung der liberalen Wirtschaftsgebarung und der Vertragsfreiheit aus.

Die staatliche Mitbetätigung hat eigenartige neue R e c h t s f i g u r e n gezeitigt, die neben dem BGB — diesem ganz fremd — aufgewachsen sind. 1. Der sog. d i k t i e r t e V e r t r a g . Er ist eine merkwürdige Erscheinung. Der Vertrag wächst seinem Wesen nach aus (beiderseitiger) Freiwilligkeit heraus. Hier aber wird ein „Vertrag" den Beteiligten auferlegt, also diktiert, ob sie das wünschen oder nicht. Es handelt sich also um eine F i k t i o n : Es wird „fingiert", daß der Vertrag geschlossen worden sei. Der Grund für die Anwendung einer solchen Unwahrheit liegt darin, daß eben doch auf das anbefohlene Verhältnis zwischen den beiden Beteiligten ganze Schichten von s c h u l d r e c h t l i c h e n Regeln, das Gegenüber von Leistung und Gegenleistung (§§ 320 ff.), die Lehre vom Verzug und anderen Leistungsstörungen (unten §§ 18ff.), ein etwaiger Rücktritt (im BGB §§ 346 ff.) usw. angewendet werden sollen, 2. Der K o n t r a h i e r u n g s z w a n g . Bei ihm ist die inhaltliche Ausgestaltung des Vertrages noch den Beteiligten selbst überlassen, nur der Abschluß des Vertrages wird ihnen anbefohlen.

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§ 2 IV.

Schuldrecht, politische Bedeutung

Die gesetzliche Sprache ist dabei verschieden. Es wird etwa vorgeschrieben, daß bestimmte Folgen, die dem Gesetzgeber wünschenswert erscheinen, „als vereinbart g e l t e n". Oder es wird, wenn einer der beiden nicht freiwillig auf den „Vertrag" eingehen will, angeordnet, daß seine Zustimmung durch eine Behörde oder durch das Gericht „ersetzt werden kann" usw.

3. D i e M a r k t o r d n u n g . Hier wird die Anwendung der unter 1 und 2 genannten Mittel und ähnlichen Methoden d u r c h Z u s a m m e n f a s s u n g gesteigert. Die Marktordnung wächst besonders deutlich über das Privatrecht hinaus. Doch aber bleiben auch hier die Grundfiguren des Schuldrechts erhalten. Es wird „gekauft", die berühmte Mängelhaftung (§ 459 ff.) ist zwar zurückgedrückt, aber noch da. Es wird in Verwahrung genommen, und dabei bleibt der Maßstab des § 690 beachtlich. Es wird Reparatur an einer Maschine bestellt, das Recht des Werkvertrages kommt zur Anwendung (§§ 631 ff.). Es wird „aufgerechnet", wenn sich beiderseits Forderungen gegenüber stehen (§§ 387 ff.). Usw.

IV. D i e p o l i t i s c h e B e d e u t u n g d e s S c h u l d r e c h t s . Ein gutes Schuldrecht, das Sicherheit gewährt, von tatkräftigen und verantwortungsbewußten Richtern gestützt, trägt viel zur A c h t u n g e i n e s S t a a t e s bei. Das g i l t n a c h i n n e n : Die Bürger haben Vertrauen zu ihrem Staat und seinem Recht und seinen Gerichten. Es gilt aber auch n a c h a u ß e n . Denn kein Rechtsgebiet ist so geneigt, die Grenzen der Staaten und Länder zu überfliegen wie das S c h u l d r e c h t , Seite an Seite mit dem H a n d e l s r e c h t . Auf diese Weise kann ein b e s o n d e r s gut funktionierendes Schuldrecht geradezu zur Weltgeltung eines Volkes beitragen. Das große historische Beispiel bietet d a s r ö m i s c h e R e c h t . Sein „ O b l i g a t i o n e n r e c h t " war einzigartig, eine geistige Größe erster Ordnung. Das hat schon in der Antike mächtig dazu beigetragen, dem damaligen Imperium Romanum seine Weltgeltung zu sichern. Darüber hinaus hat das römische Schuldrecht das Schuldrecht fast aller Staaten des Erdballs bis in die Gegenwart hinein beeinflußt.

Zu dieser auf privatrechtlichem Boden verbleibenden Außenwirkung tritt d a s M i t w i r k e n s c h u l d r e c h t l i c h e r I d e e n u n d F o r m e n im V e r k e h r d e r S t a a t e n m i t e i n a n d e r . Auch Staaten können sich als Gläubiger und Schuldner nicht nur im bildhaften Sinne gegenüberstehen. Selbst da, wo es sich inhaltlich nicht um schuldrechtliche Verpflichtungen wie Warenlieferungen, Geldgeschäfte und dergleichen handelt, hat die jahrhundertelang gepflegte Dogmatik des bürgerlichen Schuldrechts Einfluß auf die juristische Formung der v ö l k e r r e c h t l i c h e n , also auch der rein politischen Staatenverträge ausgeübt.

§31.

Gläubiger und Schuldner

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In diesem Lehrbuch bleiben diese Erscheinungen beiseite. Es konzentriert sich im folgenden durchaus auf die D o g m a t i k d e s b ü r g e r lichen Rechts.

II. Abschnitt: Die Leistungspflicht § 3. Die beteiligten Personen I. G l ä u b i g e r u n d S c h u l d n e r . So nennt das Gesetz die Beteiligten. In der Volkssprache werden diese Worte viel enger gebraucht, im wesentlichen nur auf Geldverhältnisse angewendet. Niemand denkt daran, bei einem Mietsverhältnis oder beim Vertrag mit einem Handwerker oder bei der Gründung einer Gesellschaft von Gläubigern und Schuldnern zu sprechen. Höchstens, wenn es an das Bezahlen geht, sagt auch der Volksmund: „Der ist mein Gläubiger" oder: „Sie sind mein Schuldner". Das BGB sagt dagegen ganz allgemein „Kraft des Schuldverhältnisses ist der G l ä u b i g e r berechtigt, von dem S c h u l d n e r eine Leistung zu fordern" (§ 241). Allerdings stellt das Gesetz bei der Regelung der „einzelnen Schuldverhältnisse" Sonderbezeichnungen daneben: „Mieter", „Verwahrer", „Gastwirt" usw. — Ganz farblos wieder im wichtigen Kapitel von den u n e r l a u b t e n H a n d l u n g e n (§§ 823 ff.): Nicht „Täter" und „Verletzter", sondern: „Wer . . . ." und „der Andere" oder ähnlich.

Neben dem Gläubiger und Schuldner kann ein D r i t t e r am Verlauf des Schuldverhältnisses beteiligt sein. Beispiel auf der Schuldnerseite: der B ü r g e (§ 765). Beispiel auf der Gläubigerseite: V e r t r a g z u g u n s t e n e i n e s D r i t t e n , wobei dem Dritten das Forderungsrecht und damit die Gläubigerstellung zufällt (unten § 12; im BGB §§ 328 ff.). Es kann auch s p ä t e r zum Einspringen eines Dritten kommen. So wenn ein Dritter die Schulden des Schuldners bezahlt (unten § 15 III; im BGB § 267 f.).

II. D i e F ä h i g k e i t , G l ä u b i g e r u n d S c h u l d n e r z u s e i n , richtet sich nach dem Grundbegriff der R e c h t s f ä h i g k e i t . Danach kann jeder M e n s c h Gläubiger oder Schuldner sein (BGB § 1). Daneben die „ j u r i s t i s c h e n P e r s o n e n " (§§ 21 ff.). Auch ein kleines Kind kann z. B. durch Erbgang Gläubiger oder Schuldner werden, oder wenn in seiner Vertretung z. B. der Vater ein Rechtsgeschäft abschließt. Beim V e r e i n kommt es darauf an, ob er eingetragen (oder sonst rechtsfähig) ist, oder ob er das nicht ist. Nur im ersteren Fall ist er selbst Gläubiger oder Schuldner.

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§ 3 III.

Mehrheit v o n Schuldnern

Sonst sind es die Mitglieder, ein Fall der „Mehrheit" von Gläubigern oder Schuldnern (unten III). Und ebenso ist auch bei der unter die Schuldverhältnisse eingereihten „ G e s e l l s c h a f t " (§§ 705 ff.) nicht die Gesellschaft Gläubiger oder Schuldner, sondern die Gesellschaft e r. Zu erinnern ist daran, daß v o n der Rechtsfähigkeit die H a n d l u n g s f ä h i g k e i t (Geschäfts- und Deliktsfähigkeit) zu unterscheiden ist. Zur Geschäftsfähigkeit v g l . im BGB §§ 104 ff. Für die schuldrechtlirhen V e r hältnisse sind besonders bedeutungsvoll die Sondertatbestände der Geschäftsfähigkeit J u g e n d 1 i c h e r ; ihre teilweise „Emanzipation" v o n d e r v ä t e r l i c h e n G e w a l t (§§ 107 ff.). — D i e D e l i k t s f ä h i g k e i t , d. h. die Frage, von w e l c h e m Lebensalter an für unerlaubte Handtungen gehaftet wird, und die Frage nach der Deliktshaftüng Geistesgestörter und Trunksüchtiger ist nicht im Buch I, sondern im S c h u l d r e c h t selbst geregelt. Darüber unten § 69 III.

III. M e h r h e i t von Gläubigern und Schuldnern (§§ 420 ff). Ein wichtiger, fein ausgeschliffener Rechtsstoff. Die mehreren Personen treten hier auf der einen Seite eines Schuldverhältnisses zu einer „Partei" zusammen: Sie nehmen gemeinsam die Gläubiger- oder Schuldnerposition ein. So, wenn z w e i Mädchen, etwa Schwestern, die die Schneiderei erlernt haben und sich dabei in die Hände arbeiten, zusammen tageweise in verschiedene Haushaltungen gehen, um dort die Kleidung der Familie in Stand zu setzen, M ö g l i c h e r w e i s e geht aber hierbei doch die Absicht dahin, daß jede für sich mit der Hausfrau einen Dienstvertrag abschließt. Durch A u s 1 e g u n g ist im einzelnen Fall die Absicht der Beteiligten zu ermitteln.

Die Rechtsordnung erkennt derartige Erscheinungen ausdrücklich an. Sie hat sogar mehrere Figuren dafür zur Verfügung gestellt, insbesondere das sog. G e s a m t s c h u l d v e r h ä l t n i s (Näheres unten § 30 II). Eine Mehrheitsbeteiligung liegt auch vor bei der „ G e s e l l s c h a f t " (§§ 705 ff.) und einigen ähnlichen Schuldverhältnissen. Hier aber tritt noch hinzu, daß es an einem gegenüberstehenden Partner fehlt, alle Gesellschafter verpflichten sich untereinander und stellen den „gemeinsamen Zweck" über sich und erklären sich an diesen Zweck gebunden (Näheres unten § 54). IV. U n g e w i ß h e i t d e r P e r s o n . Seiner Grundidee nach ist das Schuldrecht darauf abgestellt, daß eine ganz bestimmte Person einer anderen bestimmten Person gegenübertritt. Eine Auflockerung bringt bereits der durchaus geläufige G l ä u b i g e r oder S c h u l d n e r W e c h s e l : Der Gläubiger tritt seine Forderung an einen neuen Gläubiger ab, an den anfänglich in keiner Weise ge-

§ 3 V.

Hilfspersonen, Stellvertretung

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dacht war; oder die Schuld wird mit Einwilligung des Gläubigers von einem Dritten übernommen (Näheres unten § 28 f.). Von da aus ist es n u r noch ein Schritt zu Schuldverhältnissen, bei denen g l e i c h a m A n f a n g damit gerechnet wird, daß man den endgültigen Träger der Rechte oder Pflichten — meist handelt es sich um Unbestimmtheit auf der Gläubigerseite — erst später wird feststellen können. Es gehört hierher u. a. der (auf die „Erben" gestellte) L e b e n s v e r s i c h e r u n g s v e r t r a g (unten § 43Ic), denn es kann im Augenblick seines Abschlusses noch gar nicht gesagt werden, wer dereinst der berechtigte Empfänger der Versicherungssumme sein wird. Weiter das P r e i s a u s s c h r e i b e n (§ 49 a. E.), denn, wer die aufgegebene Arbeit leisten und des Preises f ü r würdig befunden werden wird, steht noch dahin. Vor allem rücken ganze Kategorien von W e r t p a p i e r e n in diesen Zusammenhang, die I n h a b e r p a p i e r e (unten § 42) und in gewisser Weise auch die O r d e r p a p i e r e (Näheres in der Lehre von den Wertpapieren). Wenn beispielsweise eine Großbrauerei 1 Million Mark Geld aufnimmt und dafür Schuldbriefe in Stücken von 1000 Mk ausgibt, so k ö n n t e sie die Stücke auf feste Namen stellen, nämlich auf die Namen der verschiedenen Geldgeber. Meist aber wird in solchem Falle das Papier „auf den Inhaber" gestellt. Dadurch wird es u m l a u f s f ä h i g e r , zumal wenn es zum Börsenhandel zugelassen wird. Die Zahlungsverpflichtung steht auf einige Jahre hinaus. Wer dann vielleicht nach 10 oder 30 Jahren gerade die einzelnen Stücke haben und sich zur Entgegennahme des Geldes melden wird, ist heute noch gar nicht abzusehen.

Wie die Beispiele zeigen, ist die Unbestimmtheit keine unbegrenzte. Es ist immer ein K e n n z e i c h e n da, an Hand dessen der endlich Berechtigte (oder Verpflichtete) ermittelt werden kann: die Stellung als Erbe, die Anfertigung einer den Bedingungen entsprechenden Preisarbeit, die Inhabung und Vorweisung des Papiere?. Die P e r s o n des G l ä u b i g e r s (oder S c h u l d n e r s ) k a n n also u n b e s t i m m t , m u ß a b e r „ b e s t i m m b a r " sein. V. H i l f s p e r s o n e n spielen bei der Begründung und Abwicklung von Schuldverhältnissen eine alltägliche Rolle. a) Die juristische Kernfigur ist die S t e l l v e r t r e t u n g . Da sie in allen Teilen des bürgerlichen Rechts wirksam ist, ist sie im I. Buch des BGB geregelt (§§ 164 ff.). Das Gesetz hat die sog. d i r e k t e S t e l l v e r t r e t u n g in den Vordergrund gerückt. Das Wort „direkt" soll die Wirkung kennzeichnen. Bei der direkten Stellvertretung wirkt nämlich die vom „Stellvertreter" abgegebene 2 H e d e m a n n , Schaldrecht 3. Aufl.

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§ 3 V b.

Erfüllungsgehilfen

Willenserklärung, z. B. ein Vertragsangebot oder eine Kündigung u n m i t t e l b a r f ü r und gegen den Vertretenen; das ist deshalb besonders bedeutsam, weil d e r S t e l l v e r t r e t e r s e l b s t d e n W i l l e n b i l d e t u n d d i e E r k l ä r u n g f o r m t . Er ist also im Augenblick der Abgabe der Erklärung gewissermaßen der Herr des Handelns; der Vertretene, der ihm „Vollmacht" gab, muß das gegen sich gelten lassen. Damit unterscheidet sich der „Stellvertreter" vom B o t e n . Dieser „überbringt" n u r die Erklärung. Er fällt damit unter die Kategorie der Erfüllungsgehilfen. b) D e r E r f ü l l u n g s g e h i l f e . Das ist jeder, „dessen sich der Schuldner zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient" (vgl. § 278). Er „bedient sich" des Gehilfen. Das bedeutet, daß er ihn — bildlich gesprochen — als Werkzeug benützt. Der „Gehilfe" ist juristisch unselbständig. Darin liegt der Unterschied vom Stellvertreter. Der Begriff des Erfüllungsgehilfen reicht weit über die Abgabe (Überbringung) von Willenserklärungen hinaus. Auch rein h a n d l i c h e T ä t i g k e i t f ü r den Schuldner fällt unter den juristischen Begriff des Erfüllungsgehilfen. Tausendfach bedient sich der H a n d w e r k e r , der einen Auftrag übernommen hat und dadurch seinerseits allein zum „Schuldner" geworden ist, seiner Gesellen und Lehrlinge. Ebenso bedient sich der K a u f m a n n seines Ladenpersonals (das allerdings auch „Stellvertretung" haben kann; Tatfrage, Auslegung).

Aus der Unselbständigkeit dieses Helfers ergibt sich die rechtliche Konstruktion des Verhältnisses: Der Helfer tritt nicht in den Schuldverband ein; gebunden bleibt dem Gläubiger allein der „Schuldner". Begeht daher der Helfer ein Versehen, so kann er nicht haftbar gemacht werden, wenigstens nicht aus dem Gesichtspunkt des geschlossenen V e r t r a g e s . Dafür aber hat in weitgehendem Maße der S c h u l d n e r f ü r das Versehen seines Helfers einzutreten, worüber noch in anderem Zusammenhange zu berichten sein wird. Möglicherweise liegt allerdings in dem Verhalten des Helfers g l e i c h z e i t i g e i n e u n e r l a u b t e H a n d l u n g . So, wenn der Dienstmann, der mir einen verliehenen Koffer vom Entleiher zurückbringt, aus Wulr über zu geringes Trinkgeld meinen Koffer mit den Füßen zertritt. Dann freilich haftet auch er, aber es ist ein ganz neues, zweites Schuldverhältnis (aus § 823 BGB) entstanden. Aus dem alten Schuldverhältnis der Leihe (§ 598 ff.) haftet nach wie vor nur der Freund, dem ich den Koffer borgte. Übrigens ist auch das noch fraglich, denn vielleicht muß das Handeln des Dienstmannes als ganz aus dem Rahmen des Leihvertrages hinausfallend bewertet werden. Näheres unten § 62 II und § 65 IIb.

§41.

Gesetz und Vertrag

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Auch auf der G l ä u b i g e r s e i t e können solche Hilfspersonen vorkommen. Denn auch die A b n a h m e der geschuldeten Sache, die beispielsweise f ü r den Kauf ausdrücklich vorgeschrieben ist (§43311 BGB; unten § 32 IIb 2), erfordert oft allerlei Handreichungen, bei denen ein Gehilfe unentbehrlich ist. Man wird dann (im Anschluß an § 254 BGB) den Gläubiger in gleicher Weise haften lassen wie den Schuldner, während der Gehilfe wiederum aus dem Vertrage heraus nicht belangt werden kann. c) A n d e r e H i l f s p e r s o n e n finden sich verstreut im Gefüge des Schuldrechts. Ihre Wirksamkeit ist sehr eng begrenzt. Der S c h i e d s m a n n (§§ 317 ff.). Der P r e i s r i c h t e r (§ 661 II). Der Ü b e r b r i n g e r e i n e r Q u i t t u n g , der damit als legitimiert für die E n t g e g e n n a h m e der Zahlung gilt: der Schuldner wird durch Zahlung an ihn endgültig frei i§ 368).

§ 4. Die Entstehung der Leistungspflicht I. G e s e t z u n d V e r t r a g . Die große Masse der Schuldverhältnisse, z. B. Kauf, Miete, Darlehn, Gesellschaft, geht aus einem von den Beteiligten geschlossenen V e r t r a g e hervor. Dann wird das Schuldverhältnis vom Willen der Beteiligten getragen. Daneben gibt es aber auch Schuldverhältnisse, die unmittelbar aus dem Gesetz entspringen, sog. L e g a l s c h u l d v e r h ä l t n i s s e . Dann wird das Schuldverhältnis vom Willen des Gesetzgebers getragen und ist im ganzen auf einen strengeren Ton gestimmt. Das Hauptbeispiel bieten die „ u n e r l a u b t e n H a n d l u n g e n " (§§ 823 ff.), daneben die „ u n g e r e c h t f e r t i g t e B e r e i c h e r u n g " (§§ 812 ff.). Die schulmäßige Unterscheidung geht auf das r ö m i s c h e R e c h t zurück, das obligationes e x contractu und o b l i g a t i o n e s e x delicto unterschied. Es gibt auch G r e n z f ä 11 e. Hauptbeispiel die G e s c h ä f t s f ü h r u n g o h n e A u f t r a g (§§ 677 ff.). Hier greift j e m a n d für e i n e n anderen ein (der vielleicht auf Reisen ist), bezahlt für ihn Rechnungen, läßt einen Handwerker kommen. D i e s e s Eingreifen beruht nicht auf e i n e m Vertrag im Gegensatz zu e i n e m wirklich e r t e i l t e n Auftrag (§§ 662ff.), aber die nähere R e g e l u n g mündet dann doch w i e d e r in den Bahnen des Vertragsrechts ein. Die Romer sprachen deshalb hier v o n einer obligatio quasi e x contractu.

Kann man sich e i n s e i t i g so verpflichten, daß ein Schuldverhältnis entsteht? Das müßte an sich verneint werden, da zum Begriff des Schuldverhältnisses (vgl. vorstehend § 3) nicht n u r ein S c h u l d n e r , sondern auch ein G l ä u b i g e r gehört. Trotzdem gibt es einige, freilich ziemlich abseits liegende Tatbestände, wo das

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§ 4 II.

Grundsatz der Formlosigkeit

Gesetz eine B indüng schon auf Grund einer e i n s e i t i g e n Erklärung entstehen läßt. Ausgangspunkt § 305: „Zur Begründung eines Schuldverhältnisses ist ein V e r t r a g erforderlich", aber Zusatz: „soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt". Beispiel für letzteres: Die A u s l o b u n g (§ 657), z. B. Belohnung für den Finder.

II. G r u n d s a t z d e r F o r m l o s i g k e i t . Jede Form lähmt, hat deshalb etwas Abschreckendes, Vertragserschwerendes an sich. Der Gesetzgeber geht aber umgekehrt davon aus, daß der schuldrechtliche Verkehr möglichst ungehemmt sich entfalten solle. Darum gilt gerade im Gebiet der Schuldverhältnisse grundsätzlich Formlosigkeit. Den Parteien bleibt es überlassen, wie sie sich verständigen wollen. Flüchtige Worte, ja bloßes Kopfnicken oder sonstige Zeichen können genügen. Nur ganz selten wird vom Gesetzgeber für das gültige, d. h. bindende Zustandekommen eines Schuldverhältnisses eine Form vorgeschrieben. a) Der beiweitem wichtigste Fall § 313: V e r t r ä g e ü b e r V e r ä u ß e r u n g e i n e s G r u n d s t ü c k s , bei denen nicht einmal schriftliche Abfassung ausreicht, die vielmehr gerichtlich oder notariell beurkundet werden müssen. Der Grund ist der, Übereilungen zu verhüten. Der Kampf galt, als das BGB geschaffen wurde, vor allem den sog. G ü t e r s c h l ä c h t e r n , die in manchen Gegenden Deutschlands eine Kunst daraus gemacht hatten, Bauern zum Verkauf ihres Gutes zu bereden. Würde hier eine bloße mündliche Abmachung oder ein rasch unterschriebener Schein genügen, wäre mancher Bauer zum Schaden der Volkswirtschaft um Haus und Hof gebracht worden. Ehe er zum Gericht oder Notar geht, überlegt er sich dagegen den Fall zwei- oder dreimal und findet sich oft genug wieder zur Scholle zurück. Insoweit ist der Formenzwang des § 313 begrüßenswert. Er hat aber auch u n e r f r e u l i c h e F o l g e n gehabt. Verträge, bei denen ein Grundstück mitspielte, vielleicht gar nicht einmal als Hauptgegenstand, sind, nachdem sie schon lange Zeit hindurch ausgeführt worden waren, hinterher wieder vom Käufer (oder auch vom Verkäufer) unter Ausnützung des § 313 (in Verbindung mit § 125) aufgesagt worden. Dagegen ist nichts zu machen, da sie wegen Formmangels „nichtig" sind, jeder also seine Leistung zurückfordern darf (§ 812), allerdings auch zur Rückgabe der ihm gewährten Leistung verpflichtet bleibt. Höchstens, wenn der eine Teil, der den § 313 kennt, den anderen Teil darüber arglistig täuscht, z. B. auf Befragen ihm bewußt wahrheitswidrig sagt, es sei Beurkundung n i c h t erforderlich, kann eine „Einrede der Arglist."

§ 4 III.

Die einzelne Leistungspflicht

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und eine Schadensersatzklage aus § 826 in Frage kommen (RGZ. Bd. 169 S. 75). Sehr streng OLG. Koblenz 23. 6. 48 (DRZ. 49, 40). Das A n w e n d u n g s g e b i e t d e s § 313 ist groß. In der Spruchpraxis der Gerichte hat sich eine überaus reiche (aus den Kommentaren ersichtliche) Kasuistik herausgebildet. Das Formerfordernis gilt nicht nur in bäuerlichen Kreisen, sondern ganz allgemein. Und es gilt nicht nur bei Käufen, sondern auch bei Tauschverträgen, Vergleichen, die ein Grundstück einbeziehen, bei Einbringung von Grundstücken in eine Gesellschaft, auch bei Einräumung eines Vorkaufs- und eines Wiederkaufsrechts auf ein Grundstück, sogar bei bloßer (bindender) Vollmacht an einen Dritten, das Grundstück an den Mann zu bringen. Besonders empfindlich wirkt die Heranziehung des § 313, wenn es sich nur nebenher um ein Grundstück handelt, z. B. bei der Veräußerung eines Handelsgeschäftes, zu dem u. a. ein Grundstück gehört. Es kann dann nicht etwa das Grundstück abgetrennt und die Veräußerung im übrigen aufrecht erhalten werden, sondern im Zweifel ist das ganze Abkommen nichtig (§ 139). Der Satz 2 des § 313 sieht eine H e i l u n g der fehlenden Form vor: W e n n in Durchführung des (ungültigen) schuldrechtlichen Vertrages die s a c h e n rechtliche Form gewahrt worden ist (,,Auflassung und Eintragung ins Grundbuch", §§ 873, 925), so ist dem Schutzgedanken Genüge geschehen. Es kann sich jetzt keiner der beiden Teile mehr hinter die unterbliebene Beurkundung des Veräußerungsvertrages verstecken.

b) In einigen anderen Fällen ist zwar nicht gerichtliche oder notarielle Beurkundung, aber wenigstens S c h r i f t f o r m vorgeschrieben, so für die Bürgschaftserklärung (§ 766) und das abstrakte Schuldversprechen und Schuldanerkenntnis (§ 780). c) Übrigens kann aber auch da, wo das Gesetz überhaupt keine Form vorschreibt, n a c h d e m P a r t e i w i l l e n eine Form Voraussetzung gültigen Abschlusses sein. Z. B. können die Vertragschließenden, die öfter fernmündliche Abschlüsse tätigen, davon ausgehen, daß das Geschäft erst nach Eingang eines „ B e s t ä t i g u n g s b r i e f e s " perfekt, d. h. eben rechtlich bindend sein soll. Ob sie das freilich gewollt und den Brief nicht nur als Beweismittel gemeint haben, ist Auslegungsfrage. Verkehrssitte kann einen Anhalt geben.

III. Z e r 1 e g u n g d e s S c h u l d v e r h ä l t n i s s e s in e i n z e l n e L e i s t u n g s p f l i c h t e n . Jedes Schuldverhältnis ist als geschlossenes Ganzes gedacht. Ein Ring umgibt es. Aber dieser Ring kann mehrere, kann eine ganze Reihe einzelner Verpflichtungen umschließen. Das ist durchaus geläufig. Das einfachste Beispiel: Ein verzinsbares Darlehn — jahraus, jahrein folgen die einzelnen Zinstermine und damit die Zinszahlungspflichten, schließlich im Hintergrund die Pflicht zur Rückzahlung der Stammsumme.

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§ 4 III.

Die einzelne Leistungspflicht

Eindrucksvoll auch die sog. D a u e r s c h u l d v e r h ä l t n i s s e , z. B. das Miets- oder Pachtverhältnis. Hier spielen nicht nur j e n e „Termine" für die fortlaufende Mietzinszahlung eine Rolle; sondern genau genommen ist hier in jedem Augenblick die Leistungspflicht gegeben: Der Vermieter muß dauernd den Mietsgegenstand für den Mieter zur Verfügung halten, der Mieter muß ihn dauernd schonend behandeln. W e n n dann ein V e i s t o ß eintritt, kann plötzlich eine sehr konkrete Einzelpflicht, nämlich die Schadensersatzpflicht, herausspringen.

Jede solche Einzelbestimmung geht i h r e n e i g e n e n W e g , sie entsteht, wird erfüllt, erlischt oder löst bei Nichterfüllung einen Ersatzanspruch aus. Deshalb ist sie auch in der Regel selbständig k l a g b a r und v o l l s t r e c k b a r , z. B. eine einzelne Zinsrate.

Das klassische Beispiel ist die V e r j ä h r u n g . J e d e r einzelne Zinsanspruch verjährt für sich besonders, und zwar nach § 197 in 4 Jahren. Beispiel: Zunächst ist der Schuldner pünktlich gewesen, dann hört er mit dem Zinsenzahlen auf, zuerst am 1. J a n u a r 1950, ebenso am 1. April 1950, am 1. J u l i 1950 usw. Der großmütige oder träge Gläubiger kümmert sich nicht darum. 1956 stirbt er. Sein Erbe denkt strenger und greift zu. Die Verjährung tritt ihm in den W e g , aber nur eine Strecke lang. Die ältesten Zinsraten, so die von 1950 sind verjährt, die letzten, so die von 1955 dagegen nicht. Klar tritt hervor, daß die Einzelbeziehungen ihre selbständigen rechtlichen Schicksale haben. Im Gesetz ist übrigens die V e r j ä h r u n g an den Begriff des „A n s p r u c h s " angeschlossen (vgl. T e x t des § 194). Daraus entspringt eine schwierige, vielbesprochene, aber praktisch kaum bedeutungsvolle Frage, ob nämlich die einzelne schuldrechtliche Forderunq mit dem „Anspruch" zusammenfällt. So, wie im vorangehenden Text die Auflösung in Einzelbeziehungen gemeint ist, muß die Frage bejaht werden.

Umgekehrt ist es auch möglich, daß das „Schuldverhältnis" längst erledigt ist und damit sein rechtliches Dasein eingebüßt hat, während aus ihm entsprungene E i n z e l b e z i e h u n g e n n o c h r e g e w e i t e r l e b e n , Gläubiger und Schuldner in Atem halten, den Gegenstand von Prozessen bilden, möglicherweise aus sich heraus wieder neue, vorher nicht geahnte Einzelbeziehungen erzeugen usw. Ein Mietvertrag über ein Haus wird gekündigt. Sobald die Kündigungsfrist um ist, ist er erloschen. Er ist nicht mehr da. W e n n also am 1. Oktober gültig auf 1. J a n u a r gekündigt worden ist, so ist ab 1. J a n u a r das zugrunde liegende „Schuldverhältnis" weggefallen. Aber natürlich behält der Vermieter seinen Anspruch auf den rückständigen Mietzins, und der Mieter seinen Anspruch auf Schadensersatz, wenn die Möbel infolge verheimlichter Feuchtigkeit gelitten haben, und der Vermieter seinen Anspruch auf Herausgabe der Schlüssel, und der Mieter seinen Anspruch auf W e g n a h m e des eingesetzten eisernen Ofens (dazu § 547 II 2 und § 258); — j e d e dieser Einzelbeziehungen aber ist gesondert der Verjährung unterworfen, kann für sich allein zum Gegenstand neuer Abmachungen (z. B. Abschluß eines Vergleichs im Prozeß) gemacht werden, wechselt vielleicht durch Erbgang oder Abtretung ihren Träger und kann untergehen, während die anderen noch weiterlaufen.

§ 4IV, V.

Abstraktes Schuldverhältnis

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IV. D e r g e g e n s e i t i g e V e r t r a g . Er ist dadurch gekennzeichnet, daß ebenfalls eine Z e r l e g u n g in zwei Pflichten (oder zwei Pflichtenmehrheiten) vorliegt. Aber das Charakteristikum ist bei ihm die klare K o n f r o n t a t i o n der beiden Pflichtenseiten. Wie du mir, so ich dir. Dies ist nicht im Sinne der Feindseligkeit gemeint, sondern im Sinne geschäftlichen Einverständnisses. Und in diesem Sinne ist die große Mehrzahl der Schuldverhältnisse aufgebaut; die Gegenseitigkeit (das S y n a l l a g m a ) gibt ihnen das entscheidende Gepräge. Ware gegen Preis: Kauf; Nutzung gegen Pachtzins: Pacht; Arbeit gegen Lohn: Dienstvertrag; Reparatur gegen Bezahlung: Werkvertrag. Usw. — Die e i n s e i t i g e n Schuldverhältnisse fallen dagegen ab, auch wenn sie im Einzelfall sehr wichtig sein können. Beispiel: Die Schenkung, das Darlehn. — Näheres über die Einzeltypen später.

Folge der Gegenseitigkeit: jeder der beiden Vertragschließenden wird zugleich G l ä u b i g e r u n d S c h u l d n e r . Es geht also „über Kreuz" mit den Leistungen. Die dabei sich entwickelnden Rechtsfragen sind so fein ausgearbeitet und spielen im Leben eine so elementare Rolle, daß, entsprechend der Haltung des Gesetzgebers (eigener Titel, §§ 320 ff.) eine S o n d e r b e h a n d l u n g der gegenseitigen Verträge erforderlich ist (nachfolgend § 11). V. D a s a b s t r a k t e S c h u l d v e r h ä l t n i s . Während das Wesen der gegenseitigen Verträge gerade darin besteht, eine bestimmte Leistung mit einer Gegenleistung zu verknüpfen, ist dem denkenden Geiste auch eine Vorstellung zugänglich, wonach eine aus irgend welchen Beziehungen h e r a u s g e w a c h s e n e Leistung von diesen Beziehungen isoliert, also v o n i h r e r U m g e b u n g g e l ö s t wird. Das nennt man dann eine a b s t r a k t e (losgezogene) Schuldverpflichtung. Der Vorteil liegt auf seiten des Gläubigers: ihm wird hier eine schärfere Waffe geboten. Denn die Abstreifung der „umgebenden" Beziehungen schneidet dem Schuldner allerlei Einwendungen und manche Ausflucht, ein Zurückgreifen auf das Drum und Dran, ein Hilfeholen aus dem darunter gelagerten sog. K a u s a l v e r h ä l t n i s ab. Darin liegt allerdings zugleich die G e f a h r dieses Rechtsgebildes. Der Schuldner hat oft keine Ahnung von dieser juristischen Finesse: „Abstrakte Natur" der ihm auferlegten Verpflichtung. Der Gesetzgeber hat deshalb auch Zurückhaltung geübt und den Typus der abstrakten Schuldverpflichtung nur in bestimmten Grenzen anerkannt. Hauptsitz der h a n d e l s r e c h t l i c h e V e r k e h r . Hier seit Jahrhunderten geläufig der sog. W e c h s e l , ein Schriftstück, in

§ 4 VI a.

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Auskunftspflicht

dem zu einem festen Termin die Zahlung einer festen Geldsumme versprochen wird (gesetzliche Regelung im Wechselgesetz von 1933). Wechsel werden für alle möglichen Schuldverhältnisse ausgestellt. Sie l ö s e n s i c h d a n n v o n d e r G r u n d l a g e , und das hat starke praktische Bedeutung. W e n n z. B. für eine Kaufschuld ein W e c h s e l ausgestellt und am Fälligkeitstage dem Käufer „präsentiert" wird, kann dieser nicht, um sich von der Zahlungspflicht zu befreien, auf den Kaufvertrag, z. B. darauf, daß der Kaufgegenstand Mängel gehabt hat, zurückgreifen. Das B G B hat als abstrakte Verpflichtungen nur das „ S c h u l d v e r s p r e c h e n " und dicht daneben das „ S c h u l d a n e r k e n n t n i s " geregelt (§§ 780, 781). N ä h e r e s d a r ü b e r unten § 59.

VI. B e g l e i t e n d e

Pflichten.

a) D u r c h l a u f e n d e A u s k u n f t s p f l i c h t . In verschiedenem Ausmaß und in verschiedener Ausprägung begleitet diese Pflicht viele Schuldverhältnisse. Sie entspricht dem allgemeinen Grundsatz von T r e u u n d G l a u b e n . Juristisch ist besonders beachtlich, daß auch schon bei V o r v e r h a n d l u n g e n zu einem Vertrag das Auskunftgeben eine Rolle spielen und bei Unterlassen zu einer Schadensersatzpflicht führen kann (sog. culpa in contrahendo, unten § 19 V). G e s e t z l i c h e B e i s p i e l e : § 666 (Auftrag); § 681: (Geschäftsf ü h r u n g o h n e Auftrag); § 545 (Miete, sofortige Anzeige bei a u f t r e t e n d e n Mängeln); § 444 (Kauf: A u s k u n f t über die „den v e r k a u f t e n Gegenstand betreffenden rechtlichen Verhältnisse", z. B. die auf dem H a u s lastenden Hypotheken), § 650 II (Werkvertrag; w e n n der Kostenanschlag nicht eingehalten w e r d e n kann). Usw.

Die rechtliche Behandlung der Auskunftspflicht ist wieder bei den einzelnen Schuldverhältnissen verschieden. Bald gibt es eine p o s i t i v e K l a g e auf Auskunftserteilung, bald nur mittelbare Wirkung bei Verletzung der Pflicht: S c h a d e n s e r s a t z . Vereinzelt auch Wirkung dahin, daß der Auskunftspflichtige, der gegen diese Pflicht verstoßen hat, die ihm seinerseits zustehenden A n s p r ü c h e v e r l i e r t (z. B. der Mieter seinen Anspruch auf Minderung des Mietzinses oder auf vorzeitige Kündigung, § 545 II). Die Verschiedenheit der Verhältnisse ist so groß, daß der Gesetzgeber im a l l g e m e i n e n T e i l des Schuldrechts nur die Pflicht zur A b l e g u n g e i n e s O f f e n b a r u n g s e i d e s geregelt hat (§ 260 f.). — Konstruktiv wird die Auskunftspflicht grundsätzlich nicht als eine selbständige Hnuplverpflichtung des Schuldners zu b e w e r t e n sein. Darum nimmt sie im Zweifel nicht an dem G e g e n s e i t i g k e i t s v e r h ä l t n i s (Synallagma, oben IV) teil. Das hat die Folge, daß ihre Verletzung regelmäßig dem a n d e r e n Teil nicht schon das Rücktrittsrecht aus § 325 oder § 326 verleiht (vgl. u n t e n § 21 IVc).

§ 4 VI c.

Ersatz v o n A u f w e n d u n g e n

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b) A b s c h l i e ß e n d e R e c h n u n g s l e g u n g . Ein Spezialfall der Auskunftspflicht. Es handelt sich um „eine die geordnete Zusammenstellung der Einnahmen oder der Ausgaben enthaltende Rechnung" (§ 259), wiederum begleitet von dem als letztes Mittel eingreifenden Offenbarungseid. Auch hier Umfang, etwaiger Zeitpunkt und sonstige Einzelheiten nach dem konkreten Schuldverhältnis ausgerichtet. V g l . § 666 (bei A b s c h l u ß e i n e s „Auftraqes"), § 7 4 0 1 1 ( a u s g e s c h i e d e n e r Gesellschafter kann am Schluß j e d e n Jahres „Rechenschaft" verlangen). — W i c h t i g e Rolle im F a m i l i e n r e c h t und E r b r e c h t bei dortiger V e r m ö g e n s v e r w a l t u n g ; vgl. § 1667 II, 2218 II.

Rechtliche Mittel: K l a g e auf Rechnungslegung, Z u r ü c k b e h a l t u n g s r e c h t an der eigenen geschuldeten Leistung, bisweilen auch S c h a d e n s e r s a t z . c) E r s a t z v o n A u f w e n d u n g e n . Wie bei der Auskunftspflicht und der Rechnungslegung auch hier eine Begleiterscheinung bei der A b w i c k l u n g von Schuldverhältnissen. Es hat der eine Teil im Laufe des Schuldverhältnisses Ausgaben oder sonstige Aufwendungen (z. B. auch Material, eigene Arbeitskraft u. dergl.) gemacht, die nach Lage des Falles auf Rechnung des anderen gehen müssen. Gesetzlich ist dann die Ersatzpflicht des anderen Teils vorgesehen. Die Fälle (im g a n z e n e t w a 30) über das ganze BGB verstreut. Z. B. bei G e s c h ä f t s f ü h r u n g mit oder ohne Auftrag (§ 670, 683), beim K a u f v e r t r a g , w e n n es zur „Wandlung" kommt und der Käufer inz w i s c h e n auf die nun zurückzugebende S a c h e A u f w e n d u n g e n g e m a c h t hat, e t w a Steuerzahlungen (sehr v e r w i c k e l t e Regelung; § 467 v e r w e i s t auf § 347, dieser w i e d e r v e r w e i s t auf § 994 ff.). — Beispiele aus d e m F a m i l i e n r e c h t : § 1390, 1648. Im S a c h e n r e c h t kann der Ersatz v o n A u f w e n d u n g e n (Verwendungen) bei der A u s e i n a n d e r s e t z u n g zwis c h e n B e s i t z e r u n d E i g e n t ü m e r e i n e wichtige Rolle spielen (§§ 994 ff.).

Einige a l l g e m e i n e R e g e l n in der ersten Hälfte des Schuldrechts. So ein Z u r ü c k b e h a l t u n g s r e c h t (§ 273 II) und die sehr „geldmäßige" Regel des § 256: f ü r den „aufgewendeten Betrag" (z. B. die veranlagten Steuern) müssen auch Z i n s e n f ü r die ganze Zwischenzeit gezahlt werden. Ferner kann, wer als ein solcher Verwalter in der Zwischenzeit selbst eine Verbindlichkeit gegenüber Dritten (z. B. gegenüber einem Handwerker) eingegangen ist, „B e f r e i u n g von der Verbindlichkeit" verlangen (§ 257). d) W e g n a h m e r e c h t (ius tollendi). Ähnliche Lage wie beim Ersatz von Aufwendungen. Der eine Teil hat eine Sache, die er jetzt

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§ 4 VII.

Vertragsstrafe

zurückgeben muß, inzwischen mit einer Einrichtung, z. B. einer Heizungsanlage, versehen. Statt hier Ersatz in Geld zu verlangen, kann er die Einrichtung i n n a t u r a wegnehmen und behalten. Doch muß er mit aller S o r g f a l t verfahren. Deshalb § 258. — Praktisch bedeutsamster Fall das M i e t s v e r h ä l t n i s (vgl. § 547 II 2).

VII. D i e V e r t r a g s s t r a f e (BGB §§ 336—345). a) B e g r i f f . Die Vertragsstrafe, auch K o n v e n t i o n a l s t r a f e genannt, ist eine W a f f e d e s G l ä u b i g e r s , denn sie ist so gemeint, daß der Schuldner, wenn er seine Verpflichtungen nicht (oder „nicht in gehöriger Weise") erfüllt, die Strafe an den Gläubiger zu erlegen hat. Auf diese Weise wird a u f d e n S c h u l d n e r e i n D r u c k ausgeübt. Daneben hat die Vertragsstrafe f ü r den Gläubiger den Wert, daß er sich mit ihr auch den sog. i d e e l l e n Schaden sichern kann, der sonst grundsätzlich nicht zu ersetzen ist (§ 253; unten § 14 Ib). Ferner erleichtert er sich durch Verabredung einer festen Vertragsstrafe den B e w e i s , denn durch den § 345 wird bei der Vertragsstrafe grundsätzlich der Schuldner in die Rolle des Beweispflichtigen gedrängt. D e r G l ä u b i g e r h a t n o c h a n d e r e W a f f e n , um den säumigen Schuldner zu treffen. Zunächst stehen ihm die allgemeinen Rechtsmittel der V e r z u g s l e h r e zur Verfüqung (unten § 21). Oder er macht bei F i x g e s c h ä f t e n den Rücktritt geltend (§ 361; unten § 17 IVb). Oder er hat sich vertraglich eigens den R ü c k t r i t t vorbehalten (§§ 346ff., unten § 17). Oder er hat es dazu gebracht, daß eine V e r w i r k u n g s k l a u s e l (lex commissoria, unten § 17 IVa) in den Vertrag aufgenommen worden ist, etwa dahingehend, daß, wenn der Schuldner mit der Zinszahlung im Rückstand ist, sofort (ohne die sonst vorgesehene Kündigung) die Kapitalschuld fällig werden soll, wodurch ebenfalls ein starker Druck auf den Schuldner ausgeübt wird. Allen anderen Mitteln gegenüber z e i c h n e t s i c h d i e V e r t r a g s s t r a f e d u r c h K l a r h e i t und S c h n e i d i g k e i t aus.

Die Vertragsstrafe darf aber n i c h t z u U m g e h u n g e n ausgenutzt werden. Wenn sie ein unsittliches oder verbotswidriges und deshalb ungültiges Geschäft decken soll (z. B. ein Schiebergeschäft), so kann sie ebenso wenig eingeklagt werden wie die direkte Vertragsverpflichtung. b) V o r a u s s e t z u n g f ü r die „Verwirkung" (den „Verfall") einer Vertragsstrafe ist grundsätzlich V e r s c h u l d e n (dogmatisch genauer „Vertretenmüssen"; über diesen Begriff unten § 19 I. Im Gesetz kommt das dadurch zum Ausdruck, daß die Strafe erst mit „Verzug" des Schuldners fällig wird, denn der Verzug ist seinerseits an ein Verschulden gebunden (unten § 21 IIc).

§ 4 VIII.

Draufgabe

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Es muß auch in jedem Fall sorgfältig g e p r ü f t werden, ob die Strafklausel wirklich mit a l l e n Verpflichtungen des Schuldners v e r k n ü p f t sein soll. Oft wird die Auslegung ergeben, daß der bloße Verstoß gegen eine n e b e n s ä c h l i c h e Pflicht die Vertragsstrafe n i c h t auslösen soll. Streit herrscht darüber, ob auch b e i V e r s t o ß g e g e n eine U n t e r l a s s u n g s p f l i c h t (wenn z. B. der Mieter bei einer jedesmaligen V e r t r a g s s t r a f e v o n 20 Mk. sich verpflichtet hat, es w e r d e nach 8 Uhr abends niemand in der W o h n u n g Klavier spielen) der Verfall der Vertragsstrafe an ein V e r s c h u l d e n gebunden ist. Anlaß zu der Streitfrage hat der W o r t l a u t des Gesetzes gegeben, insofern hier die V e r w i r k u n g schon „mit der Z u w i d e r h a n d l u n g " eintreten soll (§ 339, 2). Auch die Entstehungsgeschichte des § 339 spricht dafür, daß bei Unterlassungspflichten der Verfall ohne Rücksicht auf eine Schuld des Schuldners eintreten soll. Trotzdem tritt eine immer weiter um sich greifende und billigenswerte Meinung d a f ü r ein, daß auch bei Unterlassungspflichien das Verschuldungsprinzip z u g r u n d e zu legen sei.

c) Juristisch der schwierigste Punkt ist der A u s g l e i c h d e r V e r t r a g s s t r a f e m i t d e r E r f ü l l u n g s k l a g e . An sich ist sie nur als Z u t a t gedacht. Es kann aber auch so gemeint sein, daß die Vertragsstrafe nicht n e b e n die Erfüllungsklage treten, sondern a n s t a t t der Erfüllungsklage entrichtet werden soll. Der Gesetzgeber hat die beiden Fälle klar gegenübergestellt (§ 340, 341). Auch das Verhältnis zu einem etwaigen S c h a d e n s e r s a t z a n s p r u c h ist geregelt, der etwa auf den Verzug des Schuldners gestützt werden kann. Die gleiche Frage: Soll die Vertragsstrafe den Schadensanspruch absorbieren, oder geht sie nebenher als ein Plus, daß zum Schadensersatz hinzutritt? Keines von beiden: sie wird als „ M i n d e s t b e t r a g " auf den Schadensanspruch verrechnet (§ 34011, 341 II). d) E i n e z u h o h e V e r t r a g s s t r a f e kann durch den Richter h e r a b g e s e t z t werden, und zwar „auf den angemessenen Betrag" (§ 343). Dies einer der seltenen Fälle, wo das B G B dem Richter die Umgestaltung des Vertragsinhalts zugestanden hat, ein „humaner Zug" (oben § 2 Ic). Die Abschätzung der A n g e m e s s e n h e i t ist bei dieser Herabsetzung schwierig. Das Gesetz bestimmt, daß „jedes berechtigte Interesse des Gläubigers, nicht bloß das V e r m ö g e n s i n t e r e s s e " zu veranschlagen sei. Darum darf der Gläubiger auch die F r e u d e in Rechnung stellen, die er an der v e r s p r o c h e n e n Leistung gehabt h a b e n würde. Daneben ist die b e i d e r s e i t i g e V e r m ö g e n s l a g e zu veranschlagen, und auch auf der S c h u l d n e r s e i t e können ideelle Gesichtspunkte berücksichtigt werden, z. B. seine Notlage und der Grad seines Verschuldens.

VIII. D i e D r a u f g a b e . Sie ist in früheren Zeiten bei manchen Lebensverhältnissen fest eingebürgert gewesen. So der sog. „Miets-

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§ 5 I a.

Das Nichtgeschäflliche

taler", den das ländliche Gesinde beim Antritt des Dienstes zum Zeichen des Abschlusses als eine Extrazulage, eine D r a u f gäbe erhielt. Heute ist die Draufgabe sehr selten geworden. Gesetzliche Regelung in §§ 336—338. Die Hauptfrage, ob wirklich das Draufgeld als ein E x t r a entgelt gemeint sein soll, hat das BGB im Gegensatz zu dem alten Gesinderecht verneint. Sie ist „im Zweifel auf die von dem Geber geschuldete Leistung a n z u r e c h n e n " . Doch nur „im Zweifel", also A u s 1 e g u n g s frage. — Über das soq. R e u g e l d vgl. § 336 II und 359.

§ 5. Der Inhalt der Leistungspflicht I. A u s s c h e i d u n g e n . Mit dieser Negative muß begonnen werden. Das Feld muß frei sein f ü r schuldrechtliche Gestaltung. Darum ist vorab auszuscheiden, was nicht auf dieses Feld gehört. a) D a s N i c h t g e s c h ä f t l i c h e . Das Wort „geschäftlich" ist hier im weiten Sinne gemeint: das, was schwer genug wiegt, um in eine rechtliche Bindung hineingezogen zu werden. Maßgebend ist dabei in erster Linie der Parteiwille. Ergänzend tritt die allgemeine Meinung, die Verkehrssitte hinzu. In der Tat wird tagtäglich eine Unzahl von Besprechungen, Zusagen, Verabredungen getroffen, die nach der Absicht der Beteiligten jenseits der rechtlich bindenden Grenzen bleiben sollen. Dazu gehören die B e k u n d u n g e n d e r F r e u n d s c h a f t , der Liebe, der Kollegialität, des bloßen geselligen Verkehrs. Darum bleiben dem Schuldrecht fern die Verabredung einer Landpartie, das Versprechen, einem erkrankten Freunde jeden Nachmittag vorzulesen, die Zusage eines Kusses, die feierliche Versicherung des Schwiegersohnes, nach der Hochzeit nie mehr seinen Klub zu besuchen. Usw.

Doch kann es im einzelnen Fall sehr schwer sein, die Grenze zu finden. Wenn beispielsweise ein Nachbar dem anderen verspricht, künftighin das Ausgießen übelriechender Jauche zu unterlassen, so wird das meist nur eine freundschaftliche, außerrechtliche Zusage sein. Indessen k a n n ein solches Versprechen im einzelnen Fall sehr wohl auch den Gegenstand eines echten Schuldverhältnisses bilden. Das wird meist anzunehmen sein, wenn etwas dafür bezahlt wird. Aber auch unentgeltliche Versprechungen solcher Art können Rechtscharakter annehmen.

Es werden dann an die A u s l e g u n g s t ä t i g k e i t des Richters hohe Anforderungen gestellt. Denn er muß dem Willen der Beteiligten nachgehen, der oft nur sehr unbestimmt zum Ausdruck gekommen sein wird.

§ 5 I b.

Das Unerlaubte

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A n h a l t s p u n k t e w e r d e n durch Fragenstellung gewonnen: W o l l t e n die Beteiligten u n t e r d e n D r u c k d e r G e s e t z e treten? W o l l t e n sie rechtlichen Zwang? W ü r d e n sie die Unfolgsamkeit als R e c h t s b r u c h empfinden?

Zu beachten ist, daß natürlich die Willensrichtung im Augenblick der Abmachung entscheidend ist, nicht etwa, was sich der eine oder der andere Beteiligte hinterher gedacht hat. b) D a s U n e r l a u b t e . Hier schaltet sich die Rechtsordnung ein. Wo ein g e s e t z l i c h e s V e r b o t besteht, können die Parteien noch so sehr auf einen rechtlich bindenden Vertrag hinarbeiten, das Geschäft ist n i c h t i g , keiner von beiden kann Ansprüche erheben und seine „Forderungen" einklagen (§ 134). Ein Spezialbeispiel aus dem BGB der § 310: V e r t r ä g e ü b e r k ü n f t i g e s V e r m ö g e n sind nichtig. Grund: Schutz des Versprechenden gegen sich selbst; er übersieht vielleicht die Tragweite nicht (vgl. auch § 312). Das g r o ß e H a u p t g e b i e t der gesetzlichen V e r b o t e bildet, dank der h e u t e außerordentlichen Spannungen im Wirtschaftsleben, der W a r e n v e r k e h r (vergl. schon oben § 2 IIIc). Hier wimmelt es bekanntlich von Regulierungen v e r s c h i e d e n s t e r Art. Die Parteien mögen dabei im besten Glauben gewesen sein, sie h a b e n das V e r b o t nicht gekannt. Das Geschäft ist trotzdem nichtig. Es k a n n dabei allerdings fraglich werden, ob ein echtes „ V e r b o t " im Sinne d e s § 134 vorliegt. Das ist kritisch g e w o r d e n bei der R e g u l i e r u n g d e r P r e i s e f ü r G r u n d s t ü c k s v e r k ä u f e . Hier sollte einer u n g e s u n d e n Grundstücksspekulation entgegengetreten werden. Eigene Preisbehörden h a t t e n danach festzustellen, welches der höchste Preis f ü r bestimmte G r u n d s t ü c k s a r t e n sein dürfe (Ähnliche Gesetzesbestimmungen sind auch in Zukunft denkbar). W a s sollte n u n gelten, w e n n die V e r t r a g s p a r t e i e n einen h ö h e r e n Preis verabreden, vielleicht k e i n e s w e g s u n t e r Ü b e r r u m p e l u n g des Käufers, sondern mit dessen vollem Einverständnis? Hier ist es seinerzeit (1939/41) zu einem scharfen Gegensatz zwischen der Preisbehörde und dem Reichsgericht gekommen. Im k o n k r e t e n Fall w a r ein Preis von 22 000 Mk. vereinbart worden. Die Preisbehörde erklärte, n u r ein Preis von 13 000 Mk. sei zulässig und g e n e h m i g t e den V e r t r a g unter dieser Bedingung. Der Käufer w a r begreiflicherweise e i n v e r s t a n d e n damit. Aber der V e r k ä u f e r wollte das nicht gelten lassen: W e n n die v e r e i n b a r t e n 22 000 Mk. nicht zugelassen würden, sei das Geschäft ungültig und er behielte sein Grundstück. Das RG. hat dem V e r k ä u f e r recht gegeben. Es hat dabei die Grundstücke in G e g e n s a t z z u g e w ö h n l i c h e n W a r e n gestellt. Bei letzteren sei der Grundsatz richtig, daß der Verkauf zu dem von der Preisbehörde heruntergesetzten Preis gültig bleibe (darüber näh. unten IIc 2), nicht aber bei G r u n d s t ü c k e n : „Bei Grundstücken pflege die Höhe des vereinbarten Preises ein den Entschluß zum Verkauf sehr wesentlich bestimmender Umstand zu sein. Es w ü r d e ein ü b e r r a s c h e n d e s Ergebnis sein, wenn ein Eigentümer, der sich zum V e r k a u f e seines Hauses zu einem bestimmten Preis entschlossen habe, nachträglich gezwungen werden könnte, das

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§ 5 I c.

Das Unsittliche

H a u s a u c h zu einem weit geringeren Betrag abzugeben. Damit w ü r d e die größte Unsicherheit in das wichtige Gebiet der Grundstücksveräußerungen hineingetragen werden." (RG. 168 S. 96f.; 166 S. 89ff; zum W a r e n handel: RG. 156 S. 92; 169 S. 142). — Vgl. auch unten: K a u f (§ 32 I a 3). W i e wirkt bei einem ins Ausland hinüberspielenden Geschäft ein dort i m A u s l a n d b e s t e h e n d e s g e s e t z l i c h e s V e r b o t ? Darüber RG. 161 S. 296ff.

c) D a s U n s i t t l i c h e . 1. Daß das Schuldrecht nicht in den Dienst sittenwidriger Ziele treten darf, ist schon in § 2 I behandelt worden; der „soziale" und „humane" Zug ist dabei besonders zu beachten. In der Praxis des Lebens handelt es sich vor allem um die A u s b e u t u n g des schwächeren Teiles. Der Gesetzgeber hat deshalb im § 13& noch einen besonderen II. Absatz gegen den W u c h e r eingefügt. Die D o g m a t i k der Sittenwidrigkeit ist im Rahmen des I. Buches des BGB. entwickelt worden, vor allem im Anschluß an § 138. Reichhaltige Literatur und Judikatur. A u s der Spruchpraxis des RG. einige Beispiele, die besonders kritisch gelegen haben. — 1. V e r k a u f e i n e r A n w a l t s p r a x i s , z. B. seitens der W i t w e des v e r s t o r b e n e n Anwalts. Die „Praxis" beruht auf dem V e r t r a u e n der „Klienten". Darf gewissermaßen über deren Kopf hinweg die Praxis zum O b j e k t eines Geldgeschäftes gemacht werden? Anfangs sehr strenge Haltung des RG. Es verneint, das Geschäft widerspräche den guten Sitten: „Eine Rechtsanwaltspraxis k a n n nicht Gegenstand des H a n d e l s v e r k e h r s sein, der Beruf des Rechtsanwalts ist kein Gewerbe." Später Milderung, A n e r k e n n u n g v o n Ausnahmefällen und Erweiterung dieser Ausnahmen. Vgl. RG. 153 S. 284; 161 S. 153. Ähnlich bei der Ä r z t e p r a x i s ; RG. 153 S. 294. — 2. S c h m i e r g e l d e r an einen Angestellten. Ist hierbei die „Sittenwidrigkeit" davon abhängig, ob die Vertragsschließenden mit einer nachteiligen W i r k u n g des Vertrages f ü r den Dienstherrn gerechnet haben; oder auch, ob dieser wirklich einen Nachteil erlitten hat? Strenge Haltung des RG. in 161 S. 229ff. — 3. Kann sich b e i e i n e r G e s e l l s c h a f t d i e M i n d e r h e i t durch vertragliche Bindung u n b e s c h r ä n k t dem Willen der Mehrheit unterwerfen? RG. 163 S. 391. — 4. E h e s c h e i d u n g . Ist ein Vertrag zulässig, in dem f ü r ein V e r s p r e c h e n v o n Vermögensvorteilen die Schuldfrage entgegen der wirklichen Lage festgelegt w e r d e n soll, also „ A b k a u f " der Schuld? RG. 158 S. 294; 163 S. 91ff.; 168 S. 269ff. — 5. Der sog. M o n o p o l m i ß br a u c h , z. B. w e n n ein Elektrizitätswerk, das allein ü b e r den Strom verfügt, einzelnen A b n e h m e r n b e s o n d e r s h a r t e Bedingungen stellt, unter der Androhung, daß es ihnen bei A b l e h n u n g den Strom sperren w ü r d e : RG. 132 S. 276; ~155 S. 285; 161 S. 81. Ü b e r g a n g zu den „Knebelungsverträgen" (s. im Folgenden).

2. Ein eigenes schwieriges Kapitel entspringt aus der Vorstellung, daß die f r e i e P e r s ö n l i c h k e i t n i c h t z u s t a r k g e b u n d e n w e r d e n d ü r f e . Zwar legt j e d e s Schuldverhältnis den beteiligten Personen eine Bindung auf. Aber der Sprachgebrauch unterscheidet zwischen „Person'" und „Persönlichkeit" und versteht unter

§ 5 I c.

Persönlichkeit des Menschen. dung bleiben, unverbindlich

Knebelungsverträge

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die besonders gehobenen, ethisch wertvollen Seiten Diese nun sollen ihm frei von schuldrechtlicher Binso daß ein etwa abgegebenes Versprechen rechtlich und jeder Einklagung entzogen ist.

Ungültig ist darum der Verkauf der p o l i t i s c h e n Überzeug u n g . Ungültig z. B. auch ein Vertrag, in dem etwa der M a n n auf seine (durch § 1354 gewährleistete) Stellung als H a u p t der Familie verzichtet. Ungültig eine Bindung in religiösen Dingen. In einem jüdischen Scheidungsfall traf die unschuldige Frau mit dem schuldigen M a n n ein Abkommen, indem sie ihrerseits auf die vermögensrechtlichen Begünstigungen des unschuldigen Teils verzichtete, w ä h r e n d der Mann d a f ü r zusagte, die zur r i t u e l l e n Scheidung nach mosaischem Recht erforderlichen Erklärungen und H a n d l u n g e n vorzunehmen. Als später der Mann sich weigerte, das seinerzeit durchaus ernst gemeinte V e r s p r e c h e n einzulösen, verurteilte ihn auf Klage der Frau die Unterinstanz, aber das Reichsgericht hob diesen Spruch mit der Begründung auf: „Die Bindung der Willen auf dem Gebiete der Religion ist eine B i n d u n g d e s G e w i s s e n s u n d d e s H e r z e n s . Eine rechtliche Fesselung der W i l l e n gibt es hier nicht und k a n n es nicht geben." Vgl. RGZ. Bd. 57 S. 250ff.

3. D i e s o g . K n e b e l u n g s v e r t r ä g e . Sie knüpfen an an das wucherische Ausbeuten. Sie stehen auch mit der Bindung der „Persönlichkeit" in Zusammenhang. Aber in der Judikatur werden sie als besondere Spezies behandelt. Ihr Wesen besteht darin, daß die besonderen Bedingungen des Wirtschaftslebens dazu ausgenützt werden, um einen Partner in völlige (oder fast völlige) w i r t s c h a f t l i c h e A b h ä n g i g k e i t zu bringen. Das darf ebenfalls nicht geduldet werden. Solche Geschäfte haben keine rechtliche Gültigkeit. Der „Geknebelte" kann sich jederzeit von seinem Versprechen lossagen. Berühmter Fall der F r a n k f u r t e r S c h u h m a s c h i n e n p r o z e ß (RG. 165 S. lff.): Eine F r a n k f u r t e r Schuhmaschinenfabrik, Tochtergesellschaft eines großen nordamerikanischen Unternehmens, stellte Schuhmaschinen v o n höchstem W e r t her. A b e r sie v e r k a u f t e die Maschinen nicht, sondern v e r m i e t e t e sie nur. Und die Mietsverträge enthielten so fein ausgeklügelte Klauseln, daß die Firmen, die die Maschinen mieteten (Schuhfabriken), in ihrer Bewegungsfreiheit aufs äußerste eingeschränkt, vor allem daran gehindert wurden, gleichzeitig noch nach ihrem G u t d ü n k e n a n d e r e Maschinen in ihrem Herstellungsverfahren zu benutzen. Sie sollten damit ganz an die Maschinenfabrik a n g e k e t t e t werden. Dazu diente auch eine ausgeklügelte Fristenberechnungsmethode: „Diese Klausel kann", wie gerichtlich festgestellt wurde, „dazu f ü h r e n , daß der Mieter immer n e u e V e r t r ä g e abschließen oder l a u f e n d e Verträge v e r l ä n g e r n muß, und daß er so in eine enge Bindung an die Beklagte gelangt, die aus sich selbst heraus niemals endet.' Trotzdem hat das RG. in diesem Fall die Mieterin nicht von der Bindung an die mit der Maschinenfabrik geschlossenen V e r t r ä g e freigesprochen. Es h a t dabei die allgemeine Formel aufgestellt: „Eine Beschränkung in der wirt-

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§ 5 II a.

Gesetz und Parteiwille

schaftlichen Freiheit ist nicht ohne weiteres sittenwidrig; vielmehr kommt es dabei auf die Beurteilung der gesamten Umstände an und sind die Belange beider Vertragsteile in Betracht zu ziehen" (S. 15). Von dieser Basis aus hat das RG. unter Berücksichtigung seiner früheren Entscheidungen (Bd. 130 S. 143 und Bd. 152 S. 251,257) die einzelnen Klauseln gewürdigt, dabei ausgesprochen, daß der Inhaber der mietenden Firma „ein erfahrener Geschäftsmann war, der die Folgen seines Entschlusses vorher ermessen konnte", und ist so zur A b l e h n u n g eines „Knebelungsvertrages" gekommen (die Entscheidung ist bedenklich).

II. G e s e t z , P a r t e i w i l l e u n d r i c h t e r l i c h e G e s t a l t u n g . Auf dem Raum, der nach Berücksichtigung dieser „Ausscheidungen" freibleibt — ein riesiger Raum — bestimmen Gesetz und Parteiwille den Leistungsinhalt. Ergänzend kommt es zur Einwirkung des Richters. a) D i e D u p l i z i t ä t v o n G e s e t z u n d P a r t e i w i l l e ist uns schon bei der E n t s t e h u n g der Leistungspflicht begegnet (oben § 4 I). Das gleiche Nebeneinander zeigt sich bei der I n h a l t s gestaltung. 1. D e r P a r t e i w i l l e . Er hat die Vorhand. Auf keinem Gebiet des bürgerlichen Rechts ist ihm ein so freier Spielraum gelassen wie im Schuldrecht. Bei weitem das meiste in der Entstehung und Abwicklung der Schuldverhältnisse richtet sich nach dem, was die Beteiligten sich vornehmen. Sie „geben sich ihr Gesetz", weshalb man in diesem Zusammenhang von P r i v a t a u t o n o m i e spricht. V e r t r a g s f r e i h e i t steht also als oberstes Zeichen über dem gesamten Schuldrecht. So wenigstens die Grundkonzeption des BGB. von 1896. Einen charakteristischen Ausschnitt aus dieser „Privatautonomie", dieser Bildung des Leistungsinhalts durch den Parteiwillen stellen die sog. K l a u s e l n dar (vgl. den eben behandelten Fall der Schuhmaschinenmiete). — Ihr Hauptsitz liegt im H a n d e l s r e c h t . Hier ist eine große Zahl von Klauseln auf breiter Grundlage eingebürgert, die in knappen Abkürzungen („cif", „fob" usw.) scharf geschliffene Bedingungen für bestimmte Arten von Geschäften festlegen. I n t e r n a t i o n a l e B e d e u t u n g haben z. B. die sog. „Incoterms", die auf der Tagung der Internationalen Handelskammer (Sitz Paris, Deutschland damals beteiligt) im Jahre 1936 festgelegt worden sind. Alle solche Klauseln wirken dann gese'.zesartig. Aber im Kern ruhen sie doch auf f r e i w i l l i g e m Anschluß und f r e i w i l l i g e r Unterwerfung.

Die einzelnen Klauseln können sich zu ganzen Musterformularen und umfangreichen „ A l l g e m e i n e n G e s c h ä f t s b e d i n g u n g e n " verdichten. Darüber ist schon oben im § 2 Illb berichtet worden. Grundsätzlich sind sie als b e i d e r s e i t i g e r Parteiwille gedacht. Oft aber werden sie von dem einen Teil, z. B. einer Bank oder

§ 5 IIa. Parteiwille und Gesetz.

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einer Versicherungsgesellschaft, d e m anderen Teil (dem „Kunden") kurzerhand auferlegt. Er u n t e r w i r f t sich, w e i l er gar nicht anders kann. Ist das noch echter P a r t e i w i l l e ? Erwächst auf diesem W e g e ein wirklicher u n d damit r e c h t l i c h verbindlicher Leistungsinhalt? D i e s ist e i n e s c h w i e r i g e u n d s e h r kritische Frage. Zunächst: Es ist durchaus möglich, sich gewissermaßen p a u s c h a l i e r mit einer Reihe von Formeln einverstanden zu erklären. Der Verkehr würde ins Stocken geraten, wenn in jedem der täglich zu Hunderten eintretenden Fälle der betreffenden Art jeder Satz erst beraten und dann von neuem formuliert werden müßte. Darum ist grundsätzlich gegen eine rechtliche Verbindlichkeit solcher „pauschalen" Annahme der vom anderen angebotenen Geschäftsbedingungen durch einfache Unterschrift nichts einzuwenden. Unsicherheit setzt erst ein, wenn dem „Kunden" diese Bedingungen überhaupt nicht vorgelegt worden sind. Das ist nicht selten. Eine Bank gibt etwa ihre „Geschäftsbedingungen" n u r ö f f e n t l i c h in den Zeitungen bekannt. Auch hier kann noch von einem (stillschweigenden) Einverständnis des Kunden ausgegangen werden. Aber dabei ist, wie es das RG. schon in einer Entscheidung von 1921 ausgedrückt hat, vorauszusetzen, „daß sie nicht solche Bestimmungen enthalten, die die freiwillige Unterwerfung der Kunden unter sie von vornherein ausgeschlossen erscheinen lassen, und deshalb nicht üblich sind" (RG. 103 S. 86). Die Gerichtspraxis geht also davon aus, daß die Geschäftsbedingungen n i c h t s U n g e w ö h n l i c h e s e n t h a l t e n d ü r f e n . Wenn das doch der Fall ist, muß der Geschäftspartner besonders darauf hingewiesen werden, sonst sind die Bedingungen nicht verbindlich, s i e w e r d e n n i c h t „ L e i s t u n g s i n h a i t". Ein weiterer Stützpunkt für den anderen Teil ergibt sich bei der A u s l e g u n g d e r B e d i n g u n g e n . Wenn man über den Sinn einer Stelle in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder den sonstigen Formularen verschiedener Meinung sein kann, so ist im Zweifel die dem anderen Teil günstigere Auslegung zu wählen, Unklarheiten gehen also zu Lasten dessen, der die Geschäftsbedingungen formuliert und dem anderen auferlegt hat. Eine kritische Frage tritt dann aber möglicherweise noch hinzu. W i e w e i t w i r k t d i e e t w a i g e U n g ü l t i g k e i t eines bestimmten Satzes (einer bestimmten Klausel) der Geschäftsbedingungen? Fallen damit die betreffenden Geschäftsbedingungen als Ganzes oder ist nur die nicht zu billigende Bestimmung als ungültig zu behandeln? Im Zweifel wird in letzterem Sinne zu entscheiden sein, weil (vgl. § 139 BGB.) „anzunehmen ist, daß das Rechtsgeschäft auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde." B e i all d e m ist also f ü r einen s o z i a l e n A u s g l e i c h zu sorgen, der zu der kulturellen S e i t e des Schuldrechts gehört (oben § 2 Ib). 2. D a s G e s e t z . Das B G B . hat dem Recht der Schuldverhältnisse m e h r als 600 Paragraphen gewidmet. Sie bilden das F u n d a ment aller v o r a n g e g a n g e n e n und nachfolgenden Teile dieses Lehr3 Hede mann, Schuldrocht, 3. Aufl.

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§ 5 IIb. Zwingendes und dispositives Recht.

buchs, begleitet von den Bestimmungen ergänzender Gesetze und Verordnungen. Die meisten dieser vielen Paragraphen betreffen den Inhalt der Leistungspflicht. Die Parteien können allerdings, wenn sie wollen, diesen Gesetzesbestimmungen bei ihren Verträgen weitgehend a u s w e i c h e n . Sie können anders „disponieren" (s. sogleich im folgenden b). Aber wenn sie das n i c h t tun, gilt eben das, was der Gesetzgeber zu dem betreffenden Punkte, z. B. der Haftung f ü r Mängel beim Kauf (§§ 459ff.) oder der Kündigung eines Mietsverhältnisses (§§ 564ff. und ergänzende Bestimmungen), gesagt hat. Dazu kommt, daß eben doch an vielen Stellen der Gesetzgeber sich als der stärkere Teil erweist. Er stellt, wenn es ihm gut erscheint, z w i n g e n d e R e g e l n auf. Er arbeitet, wie schon f r ü h e r gezeigt (§ 2 IIIc), mit „diktierten Verträgen" oder mit „Kontrahierungszwang" oder mit der in vielem unausweichlichen „Marktordnung" und seiner „gelenkten Wirtschaft". Weiter kommt hinzu, daß ein Teil der „Schuldverhältnisse'' überhaupt nicht aus einem P a r t e i w i l l e n ents p r i n g t , sondern unmittelbar aus dem Gesetz entsteht. Das sind die schon in § 4 1 erwähnten L e g a l s c h u l d v e r h ä l t n i s s e , vor allem die „Unerlaubten Handlungen". Da ist natürlich auch der I n h a l t der Leistungspflicht primär vom Gesetzgeber gestaltet, und nur in engen Grenzen können die Parteien davon abweichen. Das Nebeneinander von Gesetz und Parteiwillen zeigt sich auch im i n t e r n a t i o n a l e n V e r k e h r . Kaufleute schließen ihre Verträge von Land zu Land, über die Grenzen hinweg. In erster Linie ist es ihre eigene Sache, diese Verträge zu entwerfen und ihren persönlichen Wünschen anzupassen. Aber auch hier schalten sich die Staaten gesetzgebend ein. Zunächst jeder für sich, indem er ergänzende und zwingende Vorschriften für seine Untertanen erläßt. Sodann schließen d i e S t a a t e n m i t e i n a n d e r H a n d e l s v e r t r ä g e a b , die dann auf die Einzelverträge der Kaufleute und sonstigen Vertragsschließenden einwirken. — Das sog. I n t e r n a t i o n a l e P r i v a t r e c h t ist eine Sondermaterie. Darüber unten IX. Abschnitt.

b) D e r G e g e n s a t z v o n z w i n g e n d e m u n d d i s p o s i t i v e m R e c h t . Hier liegt die Initiative beim G e s e t z g e b e r . Er prüft seine eigenen Regeln und wägt ab: Die eine Hälfte wiegt so schwer, daß sie nicht durch die Parteien geändert oder beiseite geschoben werden kann, er erklärt diese Regeln f ü r „unabdingbar", für zwingend (i u s c o g e n s ) . Die andere Hälfte dagegen soll n u r einen Anhalt bieten, die Parteien können es auch anders machen; diese Regeln sind „nachgiebiges" Recht (i u s d i s p o s i t i v u m ) . Die zweite Hälfte überwiegt bei weitem. Im Schuldrecht des BGB. kommt auf hundert dispositive Regeln kaum ein zwingender Satz.

§ 5 IIc. Mitwirkung des Richters.

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Wohl aber kommt von außen her, dank der staatlichen Planwirtschaft, sehr viel zwingendes Recht an die Schuldverhältnisse heran. Beispiel z w i n g e n d e n Rechts im B G B.: § 276 II (Haftung für V o r s a t z kann nicht durch Vertrag im voraus wegbedungen werden) ; § 619 (soziale Schutzbestimmung^n im Recht des Dienstvertrages sind unverzichtbar). Die Sprache der Gesetze ist an manchen Stellen nicht klar und scharf. Der Laie kann bisweilen nicht erkennen, ob eine Vorschrift nachgiebig oder zwingend sein soll. Umso genauer muß der J u r i s t aufmerken. — Aus der Indikatur des R e i c h s g e r i c h t s : Der § 567, der einer anzulangen Bindung an ein Mietvertiältnis (und Pachtverhältnis, § 581 II) entgegentreten will und deshalb nach spätestens 30 Jahren jedem Teil ein Kündigungsrecht gibt, ist zwingenden Rechts, und da die Tendenz dieser Bestimmung guten Grund hat, ist das auch auf „miet- oder pacht ä h n l i c h e Vertragsverhältnisse" auszudehnen (RG. 121 S. 13).

Das große Kontingent der dispositiven Regeln hat nicht nur die negative Aufgabe, zurückzuweichen, sobald die Parteien es anders haben wollen, sondern es kommt ihm auch eine p o s i t i v e Aufgabe zu. Die Parteien denken nämlich beim Vertragsschluß oft nur an das Nächstliegende, vieles bleibt unbesprochen, und damit zunächst ungeregelt. Da eben rücken dann die disposiitven Regeln des BGB. in die Lücken. Man nennt das die e r g ä n z e n d e K r a f t der dispositiven Regeln. Ein besonders lebendiges Beispiel ist die M ä n g e l h a f t u n g beim Kauf. Wer denkt beim Vertragsschluß gleich an Mängel? -Nun aber tauchen doch unerwartet Mängel auf. Die Parteien haben geschwiegen. Der Gesetzgeber tritt helfend und regelnd auf den Plan. Ein ganzes System von Bestimmungen hat er bereit gestellt (§§ 459ff.). D i s p o s i t i v bleiben diese Bestimmungen. Die Parteien können es auch anders machen, wenn sie an die Gefahr von Mängeln gedacht haben. Der Verkäufer kann sogar seine Haftung vertraglich ausschließen. Doch tritt hier plötzlich eine z w i n g e n d e , schon oben zitierte Vorschrift hinzu, die ein Mindestmaß von Haftung für unverzichtbar erklärt; § 276 Abs. 2: „Die Haftung wegen V o r s a t z kann dem Schuldner nicht im voraus erlassen werden."

c) E i n w i r k u n g d e s R i c h t e r s auf den Leistungsinhalt. I. A u s l e g u n g (auch I n t e r p r e t a t i o n genannt). Überall, wo Zweifel über den Inhalt einer Leistungspflicht auftreten, entscheidet als letzte Instanz der Richter. Er prüft den Fall; zunächst nach der Seite des P a r t e i w i l l e n s hin: Was haben die Parteien gemeint, was haben sie gewollt? Dazu tritt aber auch die Auslegung der hierher gehörigen G e s e t z e s b e s t i m m u n g e n : Sind sie zwingendes oder dispositives Recht, und in beiden Fällen bei vielen Gesetzesstellen die Frage, was mit den Worten des Gesetzgebers g e m e i n t sei. Treffen sie auf den vorliegenden Fall zu oder nicht? 3*

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§ 5 IIc 2. Richterliches Gestaltungsrecht.

Diese auslegende Tätigkeit ist das wichtigste Stück der richterlichen Funktionen. Kaum ein Urteil wird erlassen, wo nicht irgend etwas gedeutet, ausgelegt, interpretiert werden muß. Schon in den Übungsarbeiten der Studierenden tritt dieses Deuten, Auslegen hervor. Nicht ohne Grund hat man von einer Auslegungs k u n s t gesprochen, die durch Schulung und Selbstdisziplin erworben werden kann. Sie tritt als gediegene, charaktervolle Tätigkeit den Wortverdrehungen, Künsteleien, „Advokatenkniffen" entgegen. Für die Auslegung des Parteiwillens hat der G e s e t z g e b e r dem Richter vielfach Anhaltspunkte gegeben. Von den §§ des BGB. sind viele reine „Auslegungsvorschriften" (so nennt sie das Gesetz selbst im § 186). An der Spitze stehen die beiden berühmten G e n e r a l r e g e l n d e s § 1 3 3 („Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften") u n d d e s § 1 5 7 („Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern": Parallele dazu §242, sogleich im folgenden III). Dazu treten Ausleg-ungsregeln für viele E i n z e l t a t b e s t ä n d e , z. B. für die schon erwähnten „Fristen und Termine" (§ 186). Eine Gruppe für sich bilden die Regeln, wo der Gesetzgeber selbst die Worte gebraucht: „ i m Z w e i f e l " ; z.B. in § 314ff„ § 453 (was heißt „Marktpraxis"?), § 613 (Dienste sind im Zweifel „in Person" zu leisten) usw. Das bringt dem Richter einen Anhaltspunkt lind damit eine Erleichterung. Eine andere Gruppe bilden die „ V e r m u t u n g e n " ; sie haben eine spezifisch prozessuale Funktion, indem sie die sog. Beweislast regeln (Zivilprozeßordnung § 292). Im Schuldrecht des BGB. nur § 484 (Mängelvermutung beim Viehkauf).

2. R i c h t e r l i c h e s G e s t a l t u n g s r e c h t . Bei der Auslegung hält sich der Richter allein an den Parteiwillen, er t u t nichts Eigenes hinzu, er „holt nur heraus", was im Parteiwillen enthalten ist. Nun aber tritt die Frage auf, ob und inwieweit der Richter berufen ist, selbst gestaltend in das Gefüge des Vertrages einzugreifen und damit bewußt den Inhalt der Leistungspflicht zu ändern. Man kann dann von einer s c h ö p f e r i s c h e n T ä t i g k e i t des Richters sprechen. (Vgl. dazu auch oben § 2 Ic über „richterliche Vertragshilfe" und unten § 17 V über den Wegfall der Geschäftsgrundlage"). Die alte Überlieferung, die durchaus das BGB. beherrscht, geht dahin, daß dem Richter, wie überhaupt, so auch im Bereich der Schuldverhältnisse g r u n d s ä t z l i c h nur eine feststellende F u n k t i o n zufalle. Das bedeutet, daß der Richter n u r die beiden Grundfaktoren, den Parteiwillen und den Gesetzestext gegeneinander zu halten und festzustellen hat, wo die Grenze läuft, daß er dagegen an dem I n h a l t des geschlossenen Vertrages seinerseits nichts ändern darf.

§ 5 IIc 2. Richterliches Gestaltungsrecht.

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Diese Lehre kreist vor allem um den B e g r i f f d e r N i c h t i g k e i t . Ergibt sich bei der richterlichen Prüfung, daß ein von den Parteien geschlossener Vertrag gegen die objektive Rechtsordnung verstößt, so ist das ganze Geschäft kurzerhand nichtig, was u. a. die Folge hat, daß die inzwischen bereits gemachten Leistungen beiderseits restlos zurückgegeben werden müssen. Namentlich in den §§ 138 (unsittliche Geschäfte) und 134 (gesetzeswidrige Geschäfte) ist das niedergelegt. W e n n also z.B. bei einem Darlehn 15°/o Zinsen verabredet sind, und der Richter kommt zu der Uberzeugung, daß dies wucherisch und darum unsittlich sei, so kann er nicht etwa bessernd in den Vertragsinhalt eingreifen und bestimmen, daß das Schuldverhältnis zu 7 %> oder 5V2 °/o weiterlaufen solle, sondern er muß das ganze Geschäft für schlechthin ungültig erklären, ein nacktes Entweder-Oder. D e m g e g e n ü b e r hat sich neuerdings an einigen Stellen ein w a c h s e n d e s B e d ü r f n i s nach e i n e m r i c h t e r l i c h e n G e s t a l t u n g s r e c h t b e m e r k b a r gemacht. B e s c h e i d e n e A n s ä t z e und damit d e n Beweis, daß dieser Weg gangbar ist, hat schon das BGB. selbst g e bracht. So kennt es ein r i c h t e r l i c h e s Mäßigungsrecht bei allzu h o h e n Vertragsstrafen (BGB § 343; oben § 4 VII) u n d ähnlich eine Herabsetzungsbefugnis, w e n n e i n e zu h o h e Mäklerprovision ausbedungen w o r d e n ist (BGB. § 655; unten im § 48). In diesen F ä l l e n w i r d also das p l u m p e E n t w e d e r - O d e r (entweder glatte U n g ü l t i g k e i t des ganzen Geschäfts oder völlig unveränderte Gültigkeit) z u g u n s t e n einer v e r b e s s e r n d e n U m f o r m u n g d e s Geschäftes ü b e r w u n d e n . D i e s e s c h m a l e n u n d u n b e d e u t e n d e n Einzelfälle aus d e m B G B . v o n 1896 sind w e i t überboten w o r d e n durch e i n e Entwicklung, die mit dem ersten Weltkrieg eingesetzt hat. Bahnbrechend w a r die damals z u m erstenmal geschaffene H ö c h s t p r e i s g e s e t z g e b u n g . Hier brach mit elementarer Stärke die Frage durch: W i e sollen G e s c h ä f t e behandelt werden, die sich nicht u m die v o r g e s c h r i e b e n e Höhe des Preises kümmern, bei denen also der V e r k ä u f e r e i n e n höheren Preis gefordert, der K ä u f e r diesen b e w i l l i g t hat? Wiederum glaubte man anfänglich auf Grund der §§ 134 und 138 (Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot, Unsittlichkeit) das g a n z e Geschäft nichtig sprechen zu müssen. Dann hätte der Käufer von Brot und anderen lebenswichtigen Dingen das Nachsehen gehabt: Seine Beschwerde über den überhöhten Preis hätte sein Darben zur FoLge gehabt, denn mit der Nichtigsprechung wäre auch er seinerseits verpflichtet worden, das Brot zurückzugeben. Darum eben hat man sich schon damals von der Totalnichtigkeit gelöst. Dies geschah mittels folgender Argumentation: Den § 138 ließ man ziemlich beiseite und legte den Ha-uptton auf § 134. Bei § 134 aber stellte man, gestützt auf den Zusatz in seinem Text: „wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt", auf den Z w e c k des Verbotsgesetzes ab und kam hinsichtlich der Höchstpreisgesetzgebung zu der Erkenntnis, ihr Zweck besteht nicht (oder nur nebenbei) darin, die Verkäuferschaft übermäßiger Gewinne zu entkleiden, sondern darin,

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§ 5 IIc 2. Richterliches Gestaltungsrecht. der Käuferschaft, d. h. dem Verkehr die betreffenden Waren wirklich (unter annehmbaren Preisen) zuzuführen. Grundlegend war das Urteil des RG. vom 19. Mai 1916 (Bd. 88 S. 250). B i s h e u t e wirkt diese Behandlung der Höchstpreisüberschreitung nach. Bemerkenswert ist aber das Abbiegen von dieser Linie beim G r u n d s t ü c k s v e r k a u f (vgl. bereits oben I b).

Ein z w e i t e s bedeutendes Kapitel dieser Rechtsentwicklung, das ebenfalls auch h e u t e noch n a c h w i r k e n d G e w i c h t beanspruchen kann, h ä n g t mit der G e l d e n t w e r t u n g nach d e m ersten Weltkrieg zusammen. Zuerst w a r das R G. zurückhaltend. Urteil v o m Mai 1915 (Bd. 86 S. 397): „Da durch die Vorschriften des geltenden Rechtes dem Richter nicht die Machtbefugnis erteilt ist, zwecks Milderung der Härten des Krieges einen Ausgleich zwischen den Vertragsparteien zu schaffen, handelt es sich nur um die Frage, ob dem Kläger wegen des Kriegsausbruchs ein Rücktrittsrecht zusteht. D a n n aber der U m s c h w u n g . Urteil desselben S e n a t s v o m S e p t e m b e r 1920 (Bd. 100 S. 132): „Jener Ausspruch des Senats kann in seiner strengen Allgemeinheit nach der jetzigen Überzeugung des Senats n i c h t m e h r a u f r e c h t e r h a l t e n w e r d e n . Er ist durch die Erfahrungen überholt, die der Senat im weiteren Verlaufe des Krieges und insbesondere durch dessen ungeahnten Ausgang und die daran sich anschließende, ebenfalls ungeahnte Umwälzung aller wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat. Diese Verhältnisse e r f o r d e r n u n b e d i n g t e i n E i n g r e i f e n d e s R i c h t e r s in b e s t e h e n d e Vertragsverhältnisse, wenn anders nicht ein Treu und Glauben und jedem Gebote von Gerechtigkeit und Billigkeit hohnsprechender, einfach nicht zu ertragender Zustand geschaffen werden soll." Ebenso RG. 104 S. 122. — Eine gewisse Einschränkung im Urteil vom April 1932 (Bd. 136 S. 185): Die richterliche „Ergänzung" müsse in dem von den Parteien geschaffenen Vertragsinhalt" eine Stütze als „R i c h t u n g s 1 i n i e" finden. Vgl. auch Bd. 142 S. 23ff. und Bd. 145 S. 51ff. I n z w i s c h e n h a t sich das richterliche Gestaltungsrecht so gefestigt, daß es a u c h i n G e s e t z e n , allerdings i m m e r n u r i m begrenzten Rahmen, a u s d r ü c k l i c h a n e r k a n n t und geregelt w o r d e n ist. S o auf d e m B o d e n der schon oben § 2 I c behandelten V e r t r a g s h i l f e (VertragshilfeV. v. 3 0 . 1 1 . 3 9 usw.), so i m Gesetz über Hypothekenzinsen v o n 1936 u s w . D a m i t ist die D r e i w i r k s a m k e i t v o n Parteiwille, Gesetz und richterlicher Einwirkung gekräftigt worden. Das RG. hat in der Tat seinen gleichberechtigten Platz neben den beiden anderen mit stolzen Worten in Anspruch genommen. Urt. vom Mai 1922 (Jurist. Wochenschrift 1922 S. 910): „Es gibt d r e i Q u e l l e n , aus denen das subjektive Recht geschaffen wird, einmal das P a r t e i r e c h t , der übereinstimmende Wille der Parteien, dann d e r W e g d e r

§ 5 Ild. Nachträglicher Leistungsinhalt.

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G e s e t z g e b u n g und drittens d a s r i c h t e r l i c h e R e c h t . Dieses steht den beiden anderen Rechtsquellen vollkommen ebenbürtig zur Seite." Und weiter, mit weisen Worten über die U n v o l l k o m m e n h e i t a l l e r G e s e t z g e b u n g : „Wenn das Gesetz versagt, tritt der Richter an die Stelle des Gesetzgebers für den einzelnen Fall. Hier ist häufig von einer Lücke der Gesetzgebung die Rede. Aber das ist nicht zutreffend. Dem liegt die Anschauung zu Grunde, als ob die ganze Fülle und der ganze Reichtum des Lebens in eine kodifizierte Gesetzgebung eingeschlossen wäre. Das ist unmöglich. J e d e r T a g z e i g t n e u e G e s t a l t u n g e n d e s R e c h t s . Die schöpferische Kraft des Lebens ist unendlich, und in allen solchen Fällen h a t d e r R i c h t e r d a s R e c h t z u f i n d e n . Alle Gesetzgebung, auch das Bürgerliche Gesetzbuch, ist in Wirklichkeit Stückwerk."

d) N a c h t r ä g l i c h e B e s t i m m u n g d e s Leistungsi n h a l t s (BGB. §315 bis 319). Die Idee einer Leistungspflicht ist ohne konkreten I n h a l t f ü r die Praxis des Lebens nicht verwertbar. Aber es ist nicht nötig, daß der Inhalt schon von vornherein bis ins Einzelne festgesetzt ist. Vielmehr genügt es, wenn ein Weg vorgesehen wird, auf dem man noch nachträglich zur Bestimmung gelangen kann, wenn also die Leistungspflicht ihrem Inhalt nach u n b e s t i m m t , a b e r b e s t i m m b a r ist (vgl. die Parallele bei der Bestimmung der beteiligten Personen, § 3 IV). Das Gesetz hat für solche Lagen einige Aushilfssätze im §§ 315 bis 319 aufgestellt. Sie sagen aber nicht alles. Vielmehr ergibt sich folgende Gedankenreihe: 1. Zunächst ist zu prüfen, ob überhaupt eine rechtliche Bindung erstrebt war, oder ob nicht das Offenlassen des Leistungsinhalts auf ein bloßes F r e u n d s c h a f t s v e r h ä l t n i s (§5Ia) schließen läßt. 2. Ist an sich ein Streben nach rechtlicher Bindung festgestellt, so ist weiter zu prüfen, ob die Parteien schon „fertig" waren, oder ob nicht das Offenlassen des Leistungsinhalts auf e i n b l o ß e s V o r b e r e i t u n g s s t a d i u m schließen läßt; ist das zu bejahen, so fehlt es noch an einer Verbindlichkeit, keiner von beiden Teilen könnte klagen (vgl. BGB. § 154). 3. Ist der Vertrag unzweifelhaft schon fertig geschlossen, aber der Leistungsinhalt (namentlich der e i n e n der beiden Leistungen) noch offen, so ist im Wege der A u s l e g u n g zu ermitteln, wie sich die Parteien die Nachholung gedacht haben. Fälle solcher Art sind außerordentlich häufig. Unzähligemal wird Ware bestellt, ohne daß nach dem Preise gefragt wird. Oft genug sagt der, der eine Arbeit verrichten soll, bei der Frage nach den Kosten, das wisse er noch nicht, oder (z. B. beim Tragen von Gepäck), er überlasse das dem anderen Teil. In solchen Fällen greifen nun keineswegs sogleich die §§ 315ff. ein. Vielmehr wird meistens die Auslegung ergeben, daß das o b j e k t i v e M a ß , der Marktpreis, ,,die Taxe", das „Übliche"

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§ 5 Ild. Nachträglicher Leistungsinhalt. aelten solle. Im Bereich des A r b e i t s r e c h t s hat der Gesetzgeber selbst auf die Taxen verwiesen (§§ 612, 632, 653). Bisweilen haben auch die Parteien von vornherein an solche nachträgliche Bestimmung gedacht und ein S c h i e d s g e r i c h t vereinbart (nachfolgend 6). Erst, wenn das alles nicht in Frage kommt, setzt die Bestimmung durch eine Einzelperson ein.

4. Soll d u r c h e i n e E i n z e l p e r s o n die „Bestimmung" des Leistungsinhalts getroffen werden, so ist weiter zu scheiden, ob ein D r i t t e r dazu berufen ist oder die eine der beiden V e r t r a g s p a r t e i e n , im letzteren Falle wieder, ob der S c h u l d n e r oder der G l ä u b i g e r . Ein D r i t t e r kommt nur in Frage, wenn das klar aus den Umständen hervorgeht. Nicht selten bei Geschenken, die nach näherer Bestimmung eines Dritten verteilt werden sollen. Sonderfall des P r e i s a u s s c h r e i b e n s (unten § 49). Bleibt die Bestimmung (nach Auslegung) zwischen den Parteien hängen, so wird sie im Zweifel dem S c h u l d n e r zu überlassen sein, nach dem allgemeinen Grundsatz, daß niemand auf mehr gebunden sein soll, als sich erweisen läßt (Parallelen § 15 Ia 2: s e i n Wohnsitz entscheidet, § 10 Ic: e r hat das Wahlrecht).

5. Diese Bestimmung durch die eine Vertragspartei oder durch einen Dritten unterliegt aber wiederum einer o b j e k t i v e n K o n t r o l l e , die sich an den Grundsatz von Treu und Glauben (nachfolgend III) anlehnt. Die Bestimmung darf nämlich nicht der „ B i l l i g k e i t " ins Gesicht schlagen. Der dadurch Benachteiligte kann den R i c h t e r anrufen, dann erfolgt die Bestimmung durch richterliches Urteil. Nach näherer Maßgabe der §§ 315ff. Ist dem D r i t t e n „freies" Ermessen eingeräumt (Auslegungsfrage), dann §31911.

6. Überlassung der Bestimmung an einen Dritten f ü h r t hinüber zur F e s t s t e l l u n g d e r L e i s t u n g d u r c h e i n S c h i e d s g e r i c h t . In bestimmten Wirtschaftskreisen, namentlich der Industrie und des Großhandels, sind solche privaten Schiedsgerichte beliebt und eingebürgert. Man will damit dem umständlicheren staatlichen Gerichtsverfahren ausbiegen, glaubt auch bisweilen, daß den staatlichen Juristen nicht die genügende Sachkenntnis eigne. Die betreffenden Wirtschaftskreise bauen sich dann in ihren Verträgen, die oft von den wirtschaftlichen V e r b ä n d e n entworfen sind, ihr eigenes „Gerichtsverfahren" auf. Das ist staatlich anerkannt. Die Z i v i l p r o z e ß o r d n u n g (ZPO.) hat einen eigenen Abschnitt (§§ 1025ff.) dem „Schiedsrichterlichen Verfahren" gewidmet, um ihm doch einen sicheren Boden zu verschaffen.

§ 5 III. Treu und Glauben.

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So hat der Gesetzgeber für S c h u t z d e s „schwächeren T e i l s " gesorgt. Durch eine Novelle von 1933 ist im § 1025 ein Abs. II eingefügt worden: „Der Schiedsvertrag ist unwirksam, wenn eine Partei ihre w i r t s c h a f t l i c h e o d e r s o z i a l e Ü b e r l e g e n h e i t d a z u a u s g e n u t z t h a t , den andern Teil zu seinem Abschluß oder zur Annahme von Bestimmungen zu nötigen, die ihr im Verfahren, insbesondere hinsichtlich der Ernennung oder Ablehnung der Schiedsrichter, ein Übergewicht über den anderen Teil einräumen." Zwingend ist auch vorgeschrieben, daß die Parteien ,.gehört" werden müssen (§ 1034). Vor allem darf der Schiedsspruch nicht gegen die guten Sitten verstoßen (§ 1041 Ziff. 2). — Die W i r k u n g des gültig ergangenen Schiedsspruchs ist dann für die Parteien, die sich ihm unterworfen haben, b i n d e n d , er hat die Wirkung eines ,.rechtskräftigen Urteils". Beispiele für die Stellungnahme des RG. zu solcher Schiedsgerichtsbarkeit: Bd. 153 S. 193ft (im Anschluß an §§ 317ff. BGB.); 146 S. 262ff.; 133 S. 16ff.

Auch im i n t e r n a t i o n a l e n W i r t s c h a f t s v e r k e h r spielen Verträge über Erledigung der Streitfälle vor Schiedsgerichten eine wichtige Rolle. Ihre Geltung in Deutschland richtet sich nach § 1044 ZPO. III. D i e G e n e r a l k l a u s e l v o n T r e u u n d G l a u b e n . 1. Im Jahre 1896 war es eine große Tat des BGB., daß es — über die gemeinrechtliche „ e x c e p t i o d o l i g e n e r a l i s " hinausgreifend — als dominierende, über allen Schuldverhältnissen wie ein Leitstern stehende, p o s i t i v e Formel den Satz an die Spitze des Schuldrechts gestellt hat: „Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern" (§ 242). Inzwischen hat sich diese Generalregel fest eingebürgert. Unzählige Urteile der Gerichte sind darauf gestützt worden. Unsichtbar hat sie aber auch außerhalb der richterlichen Sphäre stark auf das ganze deutsche Geschäftsleben gewirkt. Es hat sich in das Bewußtsein des Volkes, mindestens in seine Empfindungswelt eingelebt, daß alles Schuldrecht auf „Treu und Glauben" eingerichtet sein soll. H e u t e freilich ist das moralische Fundament des Geschäftslebens an vielen Stellen erschüttert. Umso wichtiger ist die erzieherische Aufgabe der Gerichte, der Anwälte und aller anderen Juristen, den W e r t einer solchen Leitidee zu betonen und ihr zu neuem Durchbruch zu verhelfen. D e r j u n g e J u r i s t w i r d g u t d a r a n t u n , an Hand der erreichbaren Kommentare oder der Sammlung der Reichsgerichtsentscheidungen mit ihrem von zehn zu zehn Bänden laufenden Registern einmal durchzustudieren, was alles mit diesem § 242 geleistet worden ist.

2. Aus der energischen Handhabung des Grundgesetzes von Treu und Glauben ist von der Rechtswissenschaft und Judikatur e i n e

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§ 5 III. Treu und Glauben.

R e i h e n e u e r R e c h t s b e g r i f f e entwickelt und in das Gefüge des bürgerlichen Rechts eingebaut worden. — 1. Historisch das erste große Beispiel: die Bemeisterung des Geldverfalls (der Inflation) durch die „Aufwertung" (vgl. unten § 8 I). — Später hat sich entwickelt: 2. Das R ü c k t r i t t s r e c h t w e g e n veränderter U m s t ä n d e (zusammenhängend mit der Lehre von der Geschäftsgrundlage und der clausula; vgl. unten § 17 V). 3. In Weiterführung der Lehre von der Geschäftsgrundlage ist der sog. A u s g l e i c h s a n s p r u c h entwickelt worden: das erschütterte Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung soll durch Gewährung dieses Rechtsmittels wiederhergestellt werden. — 4. Die Lehre von der V e r w i r k u n g (unten § 17 IVa), — 5. die Lehre von der c u l p a i n c o n t r a h e n d o , dem Verschulden beim Vertragsabschluß (unten § 19 V). 3. Diesem bedeutenden Erfolg stehen aber auch G e f a h r e n gegenüber. Das teilt der Grundsatz von Treu und Glauben mit a l l e n a n d e r e n „ G e n e r a l k l a u s e l n". Man kann, vor allem als Richter, z u w e i t g e h e n bei solchen Ermächtigungen. Das trägt U n s i c h e r h e i t in das Rechtsieiben hinein, die Parteien (und damit die ganze Bevölkerung) wissen nicht, ob der von ihnen nach bestem Willen abgeschlossene Vertrag etwa hinterher auf Verlangen des anderen Teils wieder aufgehoben oder erheblich ungedeutet wird. Vor allem droht d e m R i c h t e r s e l b s t eine Gefahr. Die Gefahr, es sich zu bequem zu machen, die restlose Durchdenkung des Für und Wider mit aller ihm gebotenen Gedankenschärfe zu unterlassen, er „flüchtet" dann in die bequeme Generalklausel, begründet sein Urteil nicht mehr mit sorgfältig geprüften konkreten Gesetzesregeln, sondern begnügt sich mit dem Spruch: Nach Treu und Glauben ist so zu entscheiden.

4. Der F e s t i g u n g gegenüber der Unbestimmtheit (Weichlichkeit) der Formel können folgende d o g m a t i s c h e R i c h t l i n i e n dienen: a) „Treu und Glauben" sind als o b j e k t i v e r M a ß s t a b gedacht. Auf das, was die Beteiligten sich gedacht, ob sie vielleicht ihre Handlungsweise als „anständig", also keineswegs als anstößig empfunden haben, kommt es nicht an. ß) Um deswillen hat der Gesetzgeber im § 242 neben Treu und Glauben die V e r k e h r s s i t t e gestellt (ebenso in § 157). y) Die „Objektivierung" darf nicht übertrieben werden. Es kommt immer auf die besondere Situation des k o n k r e t e n F a l l e s an. 8) Von dieser Basis aus muß eine g e r e c h t e A b w ä g u n g d e r b e i d e r s e i t i g e n I n t e r e s s e n erstrebt werden.

§ 6 [. Klagbarkeit der Leistung.

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H i e r liegt h e u t e bei der schweren Erschütterung der wirtschaftlichen Verhältnisse eine besondere Gefahr, die G e f a h r z u w e i t g e h e n d e r M i l d e . Davor warnt das OLG Hamm in einem Urt. v. 11. 12.47 (DRZ48 H. 8/9 S. 309): „Die Rechtsprechung hat stets angenommen, daß der Schuldner nicht schon dann befreit wird, wenn er zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten e r h e b l i c h e O p f e r bringen muß. So sind insbesondere bedeutende Preissteigerungen für nicht erheblich erachtet, ebenso andere mehr oder weniger schwere Opfer. N u r b e i ganz außerordentlichen, nicht mehr zumutbaren O p f e r n tritt eine Befreiung des Schuldners ein . . . " .

e) Auch der vielleicht bewußt in starre Formen gebrachte W i l l e d e s G e s e t z g e b e r s darf nicht mit dem Griff auf Treu und Glauben beiseite geschoben werden. So z.B. wo f e s t e Z a h l e n g r ö ß e n in den Gesetzestext aufgenommen worden sind, wie etwa bei der Verjährung (§§ 194ff.): eine Verjährungsfrist kann nicht, weil das- angeblich Treu und Glauben widerspräche, verlängert oder verkürzt werden. Kritisch das Gewicht g e s e t z l i c h e r F o r m v o r s c h r i f t e n , wie z. B. die gerichtliche oder notarielle Beurkundung bei Grundstücksgeschäiten (§313). Immer wieder ist der Versuch gemacht worden, das unbeurkundete Gesuhäft doch als gültig darzustellen, weil die Flucht hinter § 313 wider Treu und Glauben sei. Aber die Praxis ist in der Verteidigung der Formvorschriften gegen solche Lockerung festgeblieben und hat die unbeurkundeten Geschäfte nach wie vor als ungültig behandelt: „Der VertragsgegneT nimmt", wie das R e i c h s g e r i c h t es öfter formuliert hat (z.B. Bd. 96 S. 315, ähnlich Bd. 72 S. 343), „nur ein ihm gesetzlich verliehenes Recht in Anspruch", wenn er den Formmangel hinterher zu seinen Cunsten ausnützt. Gewisse Ausnahmen müssen aber doch anerkannt werden. W e n n z. B. die eine Partei die Einhaltung der Formvorschrift, also z. B. der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung, i n d e r A b s i c h t hintertrieben hat, um dann hinterher die Nichtigkeit des Geschäftes (§ 125) geltend zu machen, s o b l e i b t zwar das Geschäft auch in diesem Falle nichtig, aber es kann dem überlisteten Teil ein S c h a d e n s e r s a t z a n s p r u c h aus § 826 (oder auch aus § 823 III zustehen, und zwar auf Ersatz des sog. negativen Vertragsinteresses (vgl. § 14 Illd). S|0 auch das RG. a. a. O. Vgl. bereits oben § 4 II (RG. 169 S. 75).

§ 6. Durchsetzung der Leistungspflicht I. K l a g b a r k e i t . Im wissenschaftlichen Denken ist auszugehen von der Figur des s u b j e k t i v e n R e c h t s . Aus dem subjektiven Recht entwickelt sich der A n s p r u c h . Beides gehört zur Dogmatik des I. Buches (vgl. Lehmann, Allg. Teil, § 13). Beim S c h u l d r e c h t ist zu erinnern an das Auseinanderspringen der Leistungspflichten (oben § 4 III) und an das Gegenüberstehen der Leistungen ( § 4 IV).

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§ 6 II. Selbsthilfe des Gläubigers

a) J e d e r e i n z e l n e A n s p r u c h , jede einzelne Leistungspflicht ist grundsätzlich begleitet und verteidigt durch die K l a g b a r k e i t. Das ist nirgends im Gesetz ausdrücklich gesagt. Es ist eine Selbstverständlichkeit. Andere Mittel der Durchsetzung treten hinzu.

In älteren Gesetzen ist das bisweilen doch ausdrücklich ausgesprochen worden. So z. B. in der Einleitung zum Preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794: „Wem die Gesetze ein Recht geben, dem bewilligen sie auch die Mittel, ohne welche dasselbe nicht ausgeübt werden kann" (§89).

b) Hinter der Klagbarkeit steht die V o l l s t r e c k b a r k e i t . In der hierfür zuständigen ZPO. ist beides getrennt gehalten. Für den Übergang aus dem Klageverfahren zur Vollstreckung ist ein zweites besonderes Verfahren nötig. Es gibt Fälle, wo die Klage erlaubt, aber die V o l l s t r e c k u n g n i c h t z u g e s t a n d e n i s t . Hauptbeispiel: Verpflichtungen aus einem Dienstvertrag (BGB. 611). Klage auf Leistung der Dienste zulässig (praktisch selten), aber der Zwangsvollstreckungsapparat kommt „im Fall der Verurteilung zur Leistunq von Diensten aus einem Dienstvertrag n i c h t zur Anwendung" (ZPO. 888 11). Grund: Das wäre ein zu starker Druck auf die „freie Persönlichkeit". — Es bleibt das Mittel einer (vollstreckbaren) S c h a d e n s e r s a t z p f l i c h t . Neben diesen vereinzelten Sonderfällen steht heute der allgemeine Vollstreckungsschutz, eng verbunden mit dem „humanen Zug" (oben § 21c), der auch das neue Institut der richterlichen Vertragshilfe geschaffen hat. Näheres im Recht des Zivilprozesses.

II. S e l b s t h i l f e ist grundsätzlich nicht erlaubt, Der Gläubiger darf nicht eigenmächtig in die Wohnung des Schuldners eindringen, um den geschuldeten Gegenstand an sich zu bringen oder Wertgegenstände des Schuldners zu pfänden. Ebenso wenig kann er den Schuldner beliebig auf der Straße festnehmen, um ihn dem Richter zuzuführen. Das alles behält d e r S t a a t in seiner Hand. Nur a u s n a h m s w e i s e ist dem Schuldner S e l b s t h i l f e erlaubt, dann nämlich, „wenn obrigkeitliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist und ohne sofortiges Eingreifen die Gefahr besteht, daß die Verwirklichung des Anspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert wird" (§ 229; zu beachten auch 230, 231). III. S c h u l d u n d H a f t u n g . a) G r u n d s ä t z l i c h e r Z u s a m m e n f a l l . Der Lernende stößt hier auf eine feingeistige wissenschaftliche K o n t r o v e r s e . Die einen lehren, Schuld und Haftung seien z w e i g e t r e n n t e B e g r i f f e , und sie wollen das durch praktische Beispiele beweisen. Die anderen halten das für eine künstliche Überspitzung und treten

§ 6 III b. Naturalis obligatio

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für grundsätzlichen Zusammenfall und g r u n d s ä t z l i c h e I d e n t i t ä t v o n S c h u l d u n d H a f t u n g ein. Die letztere Meinung ist vorzuziehen. Sie entspricht der Haltung des B G B., das grundsätzlich davon ausgeht, daß Schuld und Haftung sich decken. Zwei Gründe können für die T r e n n u n g von Schuld und Haftung angeführt werden. 1. Ein h i s t o r i s c h e r . Es ist nachgewiesen, daß im alten germanischen Recht in der Tat die beiden Vorstellungen getrennt waren. W e n n eine „Schuld" da war, so mußte noch etwas besonderes hinzutreten, um dem Gläubiger den Z u g r i f f auf den Schuldner und sein Vermögen zu gestatten. 2. G e l t e n d e R e c h t s f ä l l e , wo in der Tat von einem Auseinanderfallen gesprochen werden kann, gibt es. Aber sie haben einen solchen Ausnahmecharakter, daß es ungesund ist, daraus die Reqel zu machen und eine Aufspaltung der Begriffe als Dogma herauszustellen. — Man nennt die B ü r g s c h a f t , bei der der Bürge zwar h a f t e t , aber nicht der „Schuldner" sei. Man verweist auf die (oben unter I behandelten) Fälle, wo die V o l l s t r e c k b a r k e i t v e r s a g t wird. Und man zieht die beiden nachfolgend unter bj und c) behandelten Tatbestände herbei.

b) Die sog. n a t ü r l i c h e n V e r b i n d l i c h k e i t e n (obligationes naturales). Sie werden in Gegensatz gebracht zu den „rechtlichen" Verbindlichkeiten, und zwar weil bei ihnen die K l a g e , das „rechtliche" Mittel der Durchsetzung, versagt wird. Es sind ganz vereinzelte Fälle ohne Gewicht. Hauptbeispiel: Die S p i e l - u n d W e t t s c h u l d e n , sie sind nicht klagbar (§§762ff.); weiteres Beispiel: der Ehemaklerlohn (§656).

Eine bedeutende dogmatische A b s c h w ä c h u n g der Trennung von Schuld und Haftung bringt die E r f ü l l b a r k e i t dieser Sorten von Schulden (nicht klagbar, aber erfüllbar). Hat z. B. der Verlierer im Spiel doch b e z a h l t , so kann er das Bezahlte nicht hinterher als „ungerechtfertigte Bereicherung" zurückverlangen. Das zeigt, daß eben doch eine V e r p f l i c h t u n g da war, wenn auch nur eine „natürliche". Vgl. § 222 II (verjährte Schuld). c) Die sog. f a c u l t a s a l t e r n a t i v a . Hier kann keinesfalls die „Haftung" geleugnet werden. Aber insofern kann hier eine besondere Wendung eintreten, als der Schuldner den Zugriff von der primär geschuldeten Leistung a b l e n k e n und auf einen anderen Gegenstand hinlenken kann. Beispiel aus dem S c h e n k u n g s r e c h t . Hier hat der Gesetzgeber (wieder ein Stück „humaner Zug") dem verarmten Schenker, der sich selbst und seine nächsten Angehörigen nicht zu unterhalten vermag, das Recht eingeräumt, das Geschenk wieder zurückzufordern, z. B. ein kostbares Ölgemälde, das er seinerzeit etwa einem kunstliebenden Freund

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§ 6 IV. Umfang der Haftung geschenkt hat. Klage und Vollstreckung auf das Bild sind hier durchaus möglich. Aber der Beschenkte kann das von dem ihm lieb gewordenen Bild ablenken: er „kann die Herausgabe durch Zahlung des für den Unterhalt erforderlichen Betrages abwenden" (§ 528; im Leben ganz selten).

Dogmatlk dieser Rechtsfigur unten § 10 III. IV. D e r U m f a n g d e r H a f t u n g u n d d i e A r t d e r H a f t u n g entsprechen natürlich dem I n h a l t der Leistungspflicht. Im Vordergrund stehen beim Vollstreckungszugriff die G e l d schulden. Hier muß der Schuldner m i t s e i n e m g a n z e n V e r m ö g e n einstehen, eine Folge der „persönlichen" Bindung, die das Grundwesen der Schuldverhältnisse ausmacht (vgl. oben § 1 IIa). Anders, wenn nur ein bestimmter Einzelgegenstand geschuldet wird, z.B. ein Pferd. Der Schuldner kann dann nicht, wenn das Pferd entschwunden ist, ein anderes Pferd oder einen Zugochsen verlangen. (Über die weiteren Folgen bei solcher „Unmöglichkeit" der Leistung unten § 20). Vom bürgerlichen Recht zweigt ab die K o n k u r r e n z m e h r e r e r G l ä u b i g e r . Sie ist häufig. Fast immer handelt.es sich dabei um Geldschulden. Schwierigkeiten entstehen dann nicht, wenn das, was beim Schuldner vorhanden ist, f ü r alle reicht. Wie aber, wenn nicht so viel an (pfändbaren) Vermögensstücken da ist, um alle zu befriedigen? Dann müßte, vom Standpunkt grundsätzlicher Gleichberechtigung der Gläubiger — „Gläubiger ist Gläubiger" — jeder einen Anteil entsprechend der Höhe seiner Forderung bekommen. Das ist auch das dominierende Prinzip des K o n k u r s v e r f a h r e n s (geregelt in der Konkursordnung von 1877, mit späteren Änderungen). Aber außerhalb des „Konkurses", also beim gewöhnlichen Ablauf der Dinge, gilt der G r u n d s a t z d e r P r ä v e n t i o n : Wer zuerst zugreift, also z.B. die Vollstreckung betreibt, bekommt seinen Anspruch in voller Höhe ausbezahlt. Wer später kommt, muß sich mit dem Rest abfinden lassen oder bekommt gar nichts mehr. Altes deutsches Rechtssprichwort aus dem 13. Jahrhundert ( S a c h s e n s p i e g e l ) : „WeT zuerst kommt (zur Mühle, um mahlen zu lassen), mahlt zuerst."

Die Gerichtspraxis hat jedoch bei bestimmten, eng begrenzten Tatbeständen ein V e r t e i l u n g s r e c h t in die Hand des Schuldners gelegt, in dem Sinne, daß er bei nichtreichendem Gesamtquantum jedem der mehreren Gläubiger einen prozentualen Anteil reservieren darf (oder sogar muß?). So bei der „begrenzten Gattungsschuld" (sogleich in § 7 IVb).

§ 7. Die Gattungsschuld.

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III Abschnitt: Kategorien von Schuldverhältnissen § 7. Die Gattungsschuld I. D e r B e g r i f f . Der Ausdruck ist nicht volkstümlich, aber die Erscheinung, um die es sich dabei handelt, ist jedermann geläufig. Wer sich Briefpapier bestellt, will nicht bestimmte, wohl gar numerierte Blätter, sondern eine bestimmte A n z a h l aus der „Gattung", der von ihm gewünschten „Sorte" heraus. Es muß also sein Quantum erst a u s g e s c h i e d e n werden. Dadurch unterscheidet sich die Gattungsschuld von der S p e z i e s s c h u l d (Stückschuld). Bei dieser wird von vornherein ein ganz bestimmter Einzelgegenstand (oder mehrere bestimmte Einzelgegenstände) geschuldet, etwa ein Reitpferd, das Autogramm eines berühmten Sängers oder dergleichen. — Die Gattungsschulden ü b e r w i e g e n b e i w e i t e m i m L e b e n , wie schon die täglichen Einkäufe der Hausfrauen zeigen. Sie kaufen Äpfel, nicht einen bestimmten Apfel; sie kaufen ein Pfund Kaifee, nicht bestimmte einzelne Bohnen usw. Der P a r t e i w i l l e kann einflußreich sein. Der Käufer will doch vielleicht ein ganz bestimmtes Einzelstück haben, obwohl gleiche Stücke daneben liegen. Z. B., vielleicht aus Aberglauben, von den dreißig auf dem Ladentisch liegenden gleichen Büchern das unterste Stück. — Auch lür die B e g r e n z u n g ist oft der Parteiwille von großer Bedeutung (nachfolgend IVa und b).

Die g e s e t z l i c h e n R e g e l n über Gattungsschulden sind verstreut. Der oberste Grundsatz im § 243. Einzelheiten in §§ 279, 300 II, 480 (wichtig), 491, 524 II. II. S t e l l u n g d e s S c h u l d n e r s . Er ist einerseits f r e i e T g e s t e l l t , andererseits mit g r ö ß e r e m R i s i k o belastet. a) Seine f r e i e r e S t e l l u n g zeigt sich darin, daß er aus der Gattung a u s w ä h l t . Freilich setzt ihm das Gesetz dabei Schranken, er darf nicht einfach die schlechtesten Stücke herausholen, sondern hat sich an m i t t l e r e G ü t e zu halten (§ 243 I). Umgekehrt ist der G l ä u b i g e r noch in keiner Weise Herr über irgend welche einzelnen Stücke, die ihm etwa schon verfangen wären. Folgen-, Der Gläubiger hat 1. n i c h t den Ersatzanspruch aus §281 (bemerkenswertes RG.-Urteil Bd. 88 S. 287) und 2. kein „Aussonderungsrecht" im Konkurs des Schuldners.

b) D a s g r ö ß e r e R i s i k o des Schuldners läuft parallel zu seiner freieren Stellung. Er hat eben gleichsam die ganze Gattung zu vertreten. Ist ihm sein eigener Vorrat ausgegangen, so muß er sich an anderer Stelle eindecken, so lange von der Gattung noch irgend-

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§ 7 HI. Die Gattungsschuld, Konzentration.

wo etwas vorhanden ist, — auch wenn er dabei seinerseits „zusetzen" muß. Seit dem ersten Weltkrieg ist es immer wieder zu P e r i o d e n g r o ß e r W a r e n k n a p p h e i t gekommen. Das R e i c h s g e r i c h t hat eine sehr strenge Praxis, vor allem bei den Gattungskäufen des Großhandels, entfaltet: „Für solche Geschäfte gilt der Grundsatz, daß der Verkäufer n i e m a l s von der Leistung frei wird, solange die Ware am Markte gehandelt wird und zu haben ist. Kein noch so außerordentliches Steigen des Preises befreit den Verkäufer, solange . . . die Ware in einei für die Vertragsleistung genügenden Menge käuflich ist." Wer also zu 100 Mk. für 1 kg verkauft hat, m u ß t e zu diesem Preis liefern, aucn wenn er selbst die Ware sich nur für 2000 Mk. pro kg beschaffen konnte: § 279! Dogmatische Zuspitzung im Zeichen der Lehre von der U n m ö g l i c h k e i t der Leistung. S c h a r f e r G e g e n s a t z z w i s c h e n § 2 7 9 u n d 2 7 5. Dies juristisch der Kernpunkt der „Gattungsschuld". Bei der S p e z i e s s c h u l d wird der Schuldner schon frei, wenn sein persönliches „Unvermögen" vorliegt, bei der Gattungsschuld nicht: hier befreit ihn nur die o b j e k t i v e „Unmöglichkeit", d. h. der Umstand, daß n i r g e n d w o mehr ein Stück zu finden ist. — Näheres über die Lehre von der Unmöglichkeit unten § 20.

III. Die K o n z e n t r a t i o n (Konkretisierung). Das ist die endgültige Auswahl des zu leistenden Stückes. Sie liegt in der Hand des Schuldners. Aber w e l c h e r U m s t a n d i s t e n t s c h e i d e n d für dieses „Endgültige"? Die interne A u s w a h l durch den Schuldner? Oder daß B e i s e i t e s t e l l e n ? Oder die M i t t e i l u n g a n d e n G l ä u b i g e r (Kennzeichnung)? Oder gar erst die effektive L i e f e r u n g des konkreten Stückes an ihn? Das B G B hat eine sehr unbestimmte Formel gewählt: Wenn der Schuldner „das zui Leistung einer solchen Sache s e i n e r s e i t s E r f o r d e r l i c h e getan hat" (§ 24311). Es kommt also auf den Einzelfall an. Das kritische Stadium: der T r a n s p o r t . „Ausgesondert" ist hier, aber beim Gläubiger noch nicht das konkrete Einzelstück. Wie steht es da mit dem G e f a h r ü b e r g a n g , wenn unterwegs das Stück verloren geht oder zerstört wird? Viel Meinungsstreit. Zwei Sonderregeln im Gesetz für die wichtigsten Fälle § 447 (Versendungskauf) 300 II (Gläubigerverzug).

IV. D i e b e g r e n z t e G a t t u n g s s c h u l d . Gattung und Gattung sind verschiedene Dinge. Man kann 1. „Äpfel" bestellen, oder 2. Äpfel einer bestimmten Sorte oder 3. Äpfel aus einem bestimmten Sack oder Schaufenster. Immer bleibt es eine „Gattung". Aber der Umfang wird b e g r e n z t , bald weiter, bald enger. Das kann nach zwei Richtungen bedeutsam werden. a) Für die „ U n m ö g l i c h k e i t " der Lieferung. Bei Bestellung Nr. 2 wird der Schuldner schon frei, wenn nichts mehr von der betreffenden S o r t e aufzutreiben ist. Und heute starke Neigung der

§ 81. Die Geldschuld.

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Verkäuferschaft, von vornherein auf Nr. 3, also den e i g e n e n Vorrat abzustellen, um bei dessen Verbrauch von jeder Lieferpflicht frei zu sein und damit der unter I I b geschilderten strengen Praxis des RG zu entgehen. b) Für die V e r t e i l u n g u n t e r m e h r e r e G l ä u b i g e r , wenn der Vorrat nicht f ü r alle reicht. An sich Prävention (oben § 6 am Schluß). Die Gerichtspraxis hat aber bei einer e n g begrenzten Gattungsschuld („aus meinem Vorrat") unter gewissen Umständen dem Schuldner das Recht oder sogar die Pflicht gleichmäßiger Verteilung zugesprochen, wenn z. B. durch Unglücksfall der Vorrat reduziert worden ist. Grundlegend RG.-Urteil von 1914 (Bd. 84 S. 125): Fall einer M i ß e r n t e ; das gesamte Geerntete reicht nicht für alle Besteller. Begründung mit „ T r e u u n d G l a u b e n " (§ 242) und V e r k e h r s a u f f a s s u n g : „Der Verkäufer konnte nicht mehr tun, als die gesamte Ernte der Gesamtheit seiner Käufer zur Verfügung zu stellen." Bloße Befugnis des V e r k ä u f e r s , oder m u ß er sich auf eine solche Verteilung einrichten, also für die noch Ausstehenden ein entsprechendes Quantum „reservieren"? Man wird auch letzteres bejahen müssen. Die mehreren Käufer bilden eine Art unsichtbare, nicht verabredete, aber bei Zuspitzung der Verhältnisse voraussehbare „ I n t e r e s s e n g e m e i n s c h a f t " .

§ 8. Die Geldschuld I. B e d e u t u n g d e r G e l d s c h u l d . Schon im Vorhergehenden ist an verschiedenen Stellen die besondere Bedeutung der Geldschulden hervorgetreten. Sie beherrschen weithin unser ganzes Dasein, nicht n u r das Wirtschaftsleben. Das BGB läßt freilich die große Bedeutung der „Geldschuld" auf den ersten Blick nicht erkennen. A l l g e m e i n e Regeln über Geldschulden stellt es im II. Buch nur in geringer Zahl und n u r f ü r einige Sondertatbestände auf (§§ 244, 245, 288, 291, 301). Es ist aber überhaupt nicht möglich, die Bedeutung der Geldschulden allein aus dem BGB zu deuten. Eine solche a l l g e m e i n e Deutung „des Geldwesens" ist n u r möglich vom Standpunkt der S o n d e r g e s e t z g e b u n g aus, die dem Gelde gewidmet ist. Sie kreist um den Begriff der W ä h r u n g . Kein Staat kann ohne eine „Währung" leben. Dabei ist auch an internationale Verflechtungen des Handels und hunderter von Einzelgeschäften zu denken. Das Währungsrecht kann hier nicht dargestellt werden, es liegt a u ß e r h a l b d e s b ü r g e r l i c h e n R e c h t s . Da aber die Währungsverhältnisse unter dem Zeichen der „Geldschuld" unmittelbar in das bürgerliche Recht hineinwirken, soll im folgenden eine n u r a l s A n r e g u n g f ü r den Studierenden 4 H e d e m a n n , Schaldrecht, 3. Aufl.

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§81. Geldschuld, Währungsreform.

gedachte kurze Skizze der letzten Währungsreform gegeben werden. Historisch ist ihr nach dem 1. Weltkrieg der Währungsverfall (die „Inflation") der Jahre 1919/1924 und die anschließende „ A u f w e r t u n g s g e s e t z g e b u n g " des Jahres 1925 vorangegangen. Die „ W ä h r u n g s r e f o r m " vom Sommer 1948 ist gekennzeichnet durch den Auseinanderfall in die Ostzone und die drei Westzonen. Die drei Westzonen sind dabei im wesentlichen Schritt für Schritt zusammengegangen. Deutschland weist also zur Zeit zwei Geldsysteme auf. Im W e s t e n haben drei Gesetze die Grundlage gebildet, das Währungsgesetz (WC,), das Emissionsgesetz (EG.) und das Umstellungsgesetz (UG.). — In der O s t z o n e hat der Befehl 111/48 der Sowjetischen Militär-Administration den Auftakt gebracht. Eine V. über die Währungsreform und Durchführungsbestimmungen übertrugen die Grundgedanken des Befehls in die Praxis. — In b e i d e n Gebieten ist die Bewegung z. Z. noch nicht abgeschlossen. Mit weiteren wenn auch nur ergänzenden Anordnungen muß gerechnet werden. W i e d e r v e r e i n i g u n g b e i d e r T e i l e zu einem einheitlichen Währungsgebiet ist das Ziel der Zukunft. — Besondere Währungsspaltung in B e r l i n . In die s c h w e b e n d e n p r i v a t r e c h t l i c h e n V e r h ä l t n i s s e hat die Währungsreform vor allem durch die „Umstellung" eingegriffen. Dabei kam es in beiden Gebieten zu einer zwiespältigen Bewertung. Die eine Hälfte der Schuldverhältnisse ist 10 : 1, die andere 1 : 1 umgestellt worden. Für einige Schuldverhältnisse wurden noch andere Umrechnungssätze gewählt. Das hat zu einer Fülle von juristischen Problemen geführt. Sie liegen vor allem in dem G e g e n ü b e r v o n G l ä u b i g e r u n d S c h u l d n e r , namentlich wenn die beiden nicht in der gleichen Zone leben. Welcher Ort soll dann entscheidend sein, wenn „hüben" ein anderes Umstellungsverhältnis gilt als „drüben"? Alte Probleme des i n t e r n a t i o n a l e n P r i v a t r e c h t s tauchen hierbei im Gewände „interzonaler" Wirksamkeit auf. Ist der W o h n s i t z d e s G l ä u b i g e r s entscheidend oder der W o h n s i t z d e s S c h u l d n e r s ? Wird beides etwa verdrängt durch den O r t d e s V e r t r a g s s c h l u s s e s ? Als Anhaltspunkt kann dienen § 269 BGB, der den sog. Erfüllungsort wie folgt fixiert: „Ist ein Ort für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses, zu entnehmen, so hat die Leistung an dem Orte zu erfolgen, an welchem der S c h u l d n e r zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz hatte". Daran schließt sich Abs. II: „Ist die Verbindlichkeit im G e w e r b e b e t r i e b e des Schuldners entstanden, so tritt, wenn der Schuldner seine gewerbliche Niederlassung an einem anderen Ort hatte, der Ort der Niederlassung an die Stelle des Wohnsitzes". Vergl. auch unten § 15 über Ort und Zeit der Leistung, und über das Internationale Privatrecht den Anhang hinter § 30. Doch setzt sogleich eine weitere Verwicklung ein. Denn bei den meisten Schuldverhältnissen sind b e i d e P a r t n e r s o w o h l S c h u l d n e r w i e G l ä u b i g e r . Beim Kauf ist der Käufer Schuldner auf den Preis und Gläubiger auf die Ware, der Verkäufer Schuldner der Ware und Gläubiger auf den Preis. Hier ist eine getrennte Behandlung der beiden einander gegenüberstehenden Forderungen unvermeidlich.

§ 8 II. Begriff des Geldes.

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Als Beispiel weiterer Verwicklung: die H y p o t h e k e n . Bei ihnen wird unterschieden die „persönliche Schuld", zu deren Deckung die Hypothek dienen soll, z. B. ein Darlehen, und die „dingliche Sicherung", die durch die hypothekarische Verhaftung des Grundstücks erreicht werden soll (vgl. § 1113 BGB; Näheres im Sachenrecht). Wie, wenn nun z. B. Gläubiger und Schuldner in derselben Zone wohnen, aber das Grundstück in der anderen Zone liegt? Auch hier getrennte Behandlung unvermeidlich, Umstellung der persönlichen Forderung nach dem für das Wohnsitzgebiet erlassenen Währungsgesetz, Umstellung der Hypothek nach dem Währungsgesetz, in dessen Bereich das Grundstück liegt. Bei solchen mannigfaltigen und z. T. sehr verwickelten Umwandlungen sind H ä r t e n für den einen oder anderen Teil nicht zu vermeiden. Die Währungsgesetze haben gewisse Milderungs- und Hilfsmittel vorgesehen, z. B. R ü c k t r i t t von einem noch nicht abgewickelten Lieferungsvertrag; r i c h t e r l i c h e V e r t r a g s h i l f e (vgl. oben § 2 Ic); usw. II. B e g r i f f d e s G e l d e s . Das Geld ist s e i n e m w i r t s c h a f t lichen Wesen nach der a l l g e m e i n e Wertmesser, nach d e m e b e n sosehr der Arbeitslohn w i e der Preis der Nahrungsmittel, die Mitgift der Frau w i e die steuerliche Belastung, das V e r m ö g e n w i e das Eink o m m e n geschätzt werden. J u r i s t i s c h erscheint die Geldschuld w i e e i n e U n t e r a r t d e r G a t t u n g s s c h u l d . Es werden aber s o w o h l n a c h der juristischen w i e nach der nationalökonomischen Lehre z w e i G e l d b e g r i f f e "unterschieden. a) G e l d i m e n g e r e n S i n n e sind diejenigen Zahlungsmittel, die g e n o m m e n w e r d e n m ü s s e n , deren A n n a h m e v e r w e i g e r u n g dem Gläubiger als „ A n n a h m e v e r z u g " angerechnet w i r d (unten § 23). Auf der F e s t l e g u n g dieser Z w a n g s k u r s z a h l u n g s m i t t e l beruht die W ä h r u n g e i n e s Staates. Als Beispiele der heutigen gesetzlichen Fixierung die e r s t e n Proklamationen vom Juni 1948 bei der Währungsumstellung in B e r l i n : 1) V. der Kommandanten des französischen, britischen und amerikanischen Sektors von Groß-Berlin: „Mit Wirkung vom Inkrafttreten dieser Verordnung werden die auf Deutsche Mark oder Pfennig lautenden Noten und Münzen, die von der Bank Deutscher Länder ausgegeben werden, als gesetzliche Zahlungsmittel in dem betreffenden Gebiet eingeführt. Die Deutsche Mark ist in hundert Deutsche Pfennig eingeteilt." — 2) Befehl des Obersten Chefs der sowjetischen Militär-Administration: Ich befehle, „ab 24. Juni 1948 auf dem gesamten Territorium der sowj. Besatzungszone Deutschlands und auf dem Gebiet Groß-Berlins neue Geldscheine einzuführen: Reichsmark und Rentenmark alten Musters mit aufgeklebten Spezialkupons. Scheidemünzen bleiben ihrem Nominalwert nach im Umlauf". Bald danach Umtausch in neue Noten; V. der Deutschen Wirtschaftskommission: „Reichsmark und Rentenmark mit aufgeklebten Spezialkupons werden in Deutsche Mark der Deutschen Notenbank im Verhältnis 1 : 1 umgetauscht. Alle auf Reichsmark lautende Konten bei den Kredit- und Geldinstituten (einschließlich der Postkonten) 4*

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§ 8 Illa. Geldschuld und Gattungsschuld. werden auf Deutsche Mark der Deutschen Notenbank im Verhältnis 1 : 1 umgestellt". — Verfeinerung (Vergenauerung) hat sich in weiteren Maßregeln angeschlossen und ist durch die ganze Übergangszeit zu erwarten.

b) G e l d i m w e i t e r e n S i n n e sind (außer dem staatlich gewährleisteten) alle anderen, vom V e r k e h r anerkannten Zahlungsmittel. Ihr Dasein erklärt sich daraus, daß das staatlich gewährleistete Geld f ü r den überaus raschen und vielseitigen Verkehr nicht ausreicht. Er nimmt dann auch andere Zeichen (Noten, die keinen Zwangskurs haben, ausländisches Geld, gute Wechsel usw.) so, wie wenn sie echtes „Geld"' wären, hin. Es geht dann juristisch die „Erfüllung" (§ 362) in eine „Hingabe an Erfüllungsstatt" (§ 364) über. III. E i n f ü g u n g i n d a s S y s t e m d e s S c h u l d r e c h t s . a) G e l d s c h u l d u n d G a t t u n g s s c h u l d . Innerhalb des S c h u l d r e c h t s tritt das Geld insofern als Gattimgssache auf, als es nicht auf ein bestimmtes Einzelstück oder mehrere solcher ankommt, sondern n u r auf ein Herausholen aus der Masse. Aber die Geldschuld rückt noch um einen Schritt weiter von der Speziesschuld ab. Bei der Gattungsschuld (Obst, Gemüse, Briefbogen) kommt es schon beim Vertragsschluß, vor allem aber auch bei der Leistung selbst (der Konzentration, oben § 7 III) auf bestimmte n a t ü r l i c h e Eigenschaften an. Bei der Geldschuld ist maßgebend n u r der W e r t , eine r e c h n e r i s c h e Größe. Das verwendete Metall oder Papier ist gleichgültig, der garantierte (durch die Währungsgesetzgebung garantierte) Wert ist allein entscheidend. Das zeigt sich darin, daß es gleich ist, aus welcher der mehreren Sorten (Gattungen) des Geldes der Schuldner schöpft. Er kann ebenso gut in Metall wie in Banknoten zahlen und kann ganz nach Belieben Scheine zu 5 oder 10 oder 20 oder 50 oder 100 oder 1000 Mark verwenden.

b) D i e G e l d s c h u l d unterliegt dank ihres besonderen Charakters auch innerhalb des bürgerlichen Rechts einer Reihe von S o n d e r r e g e l n . Die hervorstechendste betrifft den E r f ü l l u n g s o r t : „Geld hat der Schuldner im Zweifel auf seine Gefahr und seine Kosten dem Gläubiger an dessen Wohnsitz zu ü b e r m i t t e l n " (§ 2701; wichtig auch II: Gewerbebetrieb des Gläubigers). Die Durchführung in der Praxis hat zu einer ganzen. Reihe strittiger Fragen geführt, zum Teil schon früher, zum Teil seit der Banken- und Währungskrise ab 1945. Der Studierende kann daran, als an einem B e i s p i e l , lernen, wie ein einziger Satz des Gesetzes sich verfeinern kann. Gespräche mit einem Bankfachmann können dabei förderlich sein. — Die Fragen (nicht erschöpfend): 1) Ist mit der „ Ü b e r m i t t l u n g " nur die Bargeldübermittlung (durch Brief oder Post) gemeint, oder auch die „ Ü b e r w e i s u n g " im Bankverkehr (Verrechnungsverkehr), d. h. das Abschreiben auf dem Konto des Schuldners und die Gutschrift auf dem

§91.

Die Zinsschuld.

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Konto des Gläubigers? L e t z t e r e s ist im Grundsatz zu bejahen. — 2) Darf d e r S c h u l d n e r e i g e n m ä c h t i g diesen W e g w ä h l e n o d e r nur, w e n n dies dem Gläubiger g e n e h m ist? Es genügt, w e n n der Gläubig e r sein B a n k k o n t o b e k a n n t g e g e b e n , z. B. auf dem Briefkopf a n g e g e b e n hat. — 3) W e l c h e s ist der , , Z a h l u n g s t a g", z. B. für die Zinsenberechnung und die F r a g e der „Pünktlichkeit"? Der der U b e r w e i s u n g (bei der Bank des Schuldners) oder der d e r Gutschrift (bei der Bank des Gläubigers)? Letzteres ist richtig; erst mit der Gutschrift „Erfüllung" und damit Befreiung des Schuldners. — 4) Ist B e n a c h r i c h t i g u n g des G l ä u b i g e r s erforderlich? Zu verneinen, Gutschrift als solche ist Erfüllung. — 5) Dazwischentreten einer B a n k e n s p e r r e (Kontensperre); der Schuldner hatte der Bank bereits den A u f t r a g zur Ü b e r w e i s u n g erteilt, die Bank hatte den A u f t r a g (stillschweigend, w i e üblich) a n g e n o m men. Dann Sperre. Ist der Schuldner befreit o d e r kann der Gläubiger nun „ n o c h m a l i g e " Zahlung auf anderem W e g v e r l a n g e n ? Darüber 1947/48 lebhafter Streit. E r s t e r e Meinung will aus d e r b e s o n d e r e n L a g e h e r a u s den § 270 ausschalten, will also dem d u r c h die K o n t e n s p e r r e s c h w e r getroffenen Schuldner helfen. Dies dürfte indessen abzulehnen sein, er muß eben doch n o c h die „ G e f a h r " tragen.

Aus dem Sondercharakter der Geldschuld ergeben sich weitere Folgen: Bei ihr kommt eine M ä n g e l h a f t u n g , die bei den Gattungsschulden geläufig ist, nicht in Frage. Auch die „ U n m ö g l i c h k e i t " (unten § 20 I) scheidet so gut wie ganz aus, da immer Stücke da sein werden. c) D i e G e l d s o r t e n s c h u l d . Auf dem Boden der Vertragsfreiheit ist auch innerhalb des Geldes eine gewisse S p e z i a l i s i e r u n g möglich. Früher (in anderen Ländern noch heute) berühmt und gewichtig die Goldklausel. Bei Erstreckung der Schuld ins Ausland (aber gelegentlich auch bei Inlandsgeschäften) kann Zahlung in a u s l ä n d i s c h e r V a l u t a verabredet sein (vgl. § 244). Auch bei inländischen Geldbeziehungen, z. B. zwischen zwei Banken, kann bei diesem oder jenem Geschäft die Lieferung in einer bestimmten Geldsorte (Hundertmarkscheine oder dergl.) ausbedungen sein. Das Geld nähert sich dann der Ware. § 9. Die Zinsschuld I. B e d e u t u n g d e r Z i n s e n . Die Zinspflicht ist eine alltägliche Erscheinung. Sie beherrscht vor allen die „Kreditgeschäfte" (darüber unten § 39), aber darüber hinaus durchzieht sie das ganze Rechtssystem und macht auch vor den Toren des Familienrechts nicht halt (vgl. z. B. § 1386). So gehört sie zum heutigen Wirtschaftssystem, mag man es kapitalistisch nennen oder nicht. Die Welt ist daran gewähnt, das Geld „arbeiten" zu lassen. Dadurch ist es im

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§ 9 II. Begriff der Zinsen.

juristischen Sinne geradezu zur fruchtbringenden Sache geworden, und der Gesetzgeber hat dies auch seinerseits anerkannt (§ 99 III). D e r K a m p f g e g e n d a s Z i n s e n n e h m e n (und die damit verbundene Gefahr des Wuchers) durchzieht die ganze Menschheitsgeschichte. Das a l t j ü d i s c h e R e c h t verbot das Zinsennehmen ganz allgemein. Später bemächtigte sich die c h r i s t l i c h e K i r c h e des Zinsverbots (zuerst auf der Synode von Aachen 789, unter Billigung Karls des Großen; später in dem kodifizierten Recht der Päpste; sog. kanonisches Zinsverbot). Das a l t e D e u t s c h e R e i c h übernahm die kanonische Theorie, ohne sie praktisch durchsetzen zu können. Seit 1654 •wurde das Zinsennehmen von reichswegen ausdrücklich gestattet, dafür Höchstmaße (5 %> als Norm) eingeführt. Auch letztere fielen unter Mitwirkung liberalistischer Gedankengänge, als das neue Reich heraufzog (RGes. vom 14.11.1867). — U m g e h u n g s v e r s u c h e (Renten statt Zinsen; Annahme von „Geschenken"; Vorwegabzug am hinzugebenden Kapital usw.) haben die ganze historische Entwicklung begleitet.

II. B e g r i f f d e r Z i n s e n . a) D a s w i r t s c h a f t l i c h e Z i e l . Die Zinsen bilden d e n G e g e n w e r t f ü r d i e Ü b e r l a s s u n g v o n K a p i t a l an einen anderen, der nun das Kapital seinerseits ausnutzen kann. Der Gegenwert wird durch eine Proportion, üblicherweise Hundertsatz („Prozent"), gefunden. F ü r die H ö h e d e r Z i n s e n sind verschiedene Gründe entscheidend. 1. Der G r a d d e r S i c h e r h e i t ; je unsicherer die „Anlage" ist, desto höher der Zins; insbesondere deutlich im Hypothekenwesen. — 2. D i e b e s o n d e r e n V e r h ä l t n i s s e d e r P a r t e i e n , Geldbedürfnis des Schuldners und Anlagepläne des Gläubigers. — 3. D i e a l l g e m e i n e L a g e d e s G e l d m a r k t e s , bei Geldknappheit hohe, bei Geldüberfluß niedrige Zinsen. b) A u s s c h e i d u n g ä h n l i c h e r B e g r i f f e . Keine Zinsen sind: 1. D i v i d e n d e n . Hier wird kein fester Prozentsatz festgelegt, sondern auf den G e w i n n gewartet, der dann an die Beteiligten (z. B. die Aktionäre) nach Ablauf des Geschäftsjahres gleichmäßig verteilt wird (dividere = verteilen). — 2. Die T i l g u n g s s ä t z e (Amortisationsquoten). Sie werden meist gleichzeitig mit den Zinsen, z. B. vierteljährlich, entrichtet und dienen dazu, die Kapitalschuld Schritt f ü r Schritt abzubauen („tot zu machen"). Sehr verbreitet im Hypothekenrecht. Das B G B . kennt sie nicht. — 3. R e n t e n . Sie werden fortlaufend gezahlt wie die Zinsen. Aber bei ihnen steht kein später zurückzuzahlendes Kapital dahinter. — 4. D e r s o g . M i e t s - o d e r P a c h t z i n s ( § § 535, 581), der richtiger Miets- oder Pachtgeld hieße.

§ 9 III. Regulierung der Zinspflicht.

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III. Rechtliche Regelung der Zinsleistungspflicht. a) B e g r ü n d u n g d e r Z i n s p f l i c h t . Im Vordergrund steht auch hier wieder die v e r t r a g l i c h e V e r e i n b a r u n g . Sie kann auch aus stillschweigendem Verhalten gefolgert werden. Im Verkehr der K a u f l e u t e u n t e r e i n a n d e r ist sie das Normale. Darum im H a n d e l s g e s e t z b u c h (HGB.) eine entsprechende Auslegungsregel: „Kaufleute untereinander sind berechtigt, für ihre Forderungen aus beiderseitigen Handelsgeschäften vom Tage der Fälligkeit an Zinsen zu fordern" (§ 353).

Daneben eine Reihe von Fällen, wo das B G B . von sich aus eine Zinspflicht für geboten hält (sog. G e s e t z e s z i n s e n ) . Hauptfall die V e r z u g s z i n s e n (BGB. 288; unten §21 Illb). Weitere Fälle: §288 (die sog. P r o z e ß z i n s e n ) ; durch § 675), 256, 452 usw.

§688 (ausgedehnt

b) H ö h e d e r Z i n s e n . Wiederum f r e i e V e r e i n b a r u n g zwischen Gläubiger und Schuldner der Ausgangspunkt. Doch greift das G e s e t z hilfsweise mit N o r m a l s ä t z e n ein, die gelten sollen, wenn nichts anderes vereinbart wird. M a r k a n t e A b s t u f u n g : Im bürgerlich-rechtlichen Verkehr 4 °/o (BGB. §246), im Handelsverkehr 5 °/o (HGB. §352), im Wechselrecht 6 °/o (Wechselgesetz Art. 48 f.; daneben besonderes Gesetz über Wechsel- und Scheckzinsen vom 3. 7. 1925).

c) E i n s c h r ä n k u n g e n u n d A b s c h w ä c h u n g e n der Z i n s p f l i c h t begegnen in verschiedener Gestalt. 1. V e r b o t d e s Z i n s e s z i n s e s (Anatozismus), § 248. Grund: Schutz des Schuldners, der dabei leicht den Überblick verlieren und Wuchererausbeutung anheimfallen könnte. Gilt sogar zwischen Kaufleuten (BGB. 248; HGB. 353 II). Wichtige Ausnahmen im § 248 II BGB. und für den handelsrechtlichen Kontokorrentverkehr (HGB. § 355).

2. G e s e t z l i c h e s K ü n d i g u n g s r e c h t f ü r den Schuldner bei einer Zinslage über 6 %>; „kann nicht durch Vertrag ausgeschlossen werden" (§ 247). 3. Dazu die allgemeine Möglichkeit, den Zinssatz als w u c h e r i s c h anzugreifen (§ 138 BGB.). 4. Zu erinnern ist an das r i c h t e r l i c h e H e r a b s e t z u n g s r e c h t im Zuge der sog. Vertragshilfe (oben § 2 Ic). d) D e r e i n z e l n e Z i n s a n s p r u c h führt, einmal entstanden, ein selbständiges Dasein. Darum ist bezüglich jeder einzelnen Zinsrate s e l b s t ä n d i g e K l a g e u n d s e l b s t ä n d i g e Voll-

§ 10 I. Die Wahlschuld.

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S t r e c k u n g gegeben, jede Rate kann selbständig als Mittel zur Aufrechnung benutzt werden, jede Rate unterliegt selbständiger Verjährung, usw. — Vgl. bereits oben §4111. § 10. Die Wahlschuld I.

Begriff.

a) W e s e n d e r W a h l s c h u l d . Bei der Wahlschuld bleibt nach der getroffenen Verabredung dem einen der beiden Vertagschließenden (überwiegend ist es der Gläubiger) d i e W a h l u n t e r m e h r e r e n G e g e n s t ä n d e n vorbehalten. Die praktisch häufigsten Fälle beruhen auf einem E n t g e g e n k o m m e n des S c h u l d n e r s , er will den Gläubiger nicht zur sofortigen Entscheidung drängen oder will dem Geschmack und den Bedürfnissen des Gläubigers ein breiteres Feld lassen. So ist es, wenn mehrere Sachen zur Probe mit nach Haus genommen werden (Abgrenzung zum „ K a u f a u f P r o b e " § 495: bei diesem liegt noch gar kein endgültiger Kauf vor, während bei der Wahlschuld der Kaufhandel schon fertig ist). Oft auch bei P r e i s a u s s c h r e i b e n (§661) oder V e r l o s u n g e n Wahlrecht des Gewinners. Bei V e r m ä c h t n i s s e n : der Bedachte soll sich ein Stück auswählen. Bei F a h r k a r t e n : Freie Wahl der Strecken. •— Aber auch ein E n t g e g e n k o m m e n d e s G l ä u b i g e r s ist keine Seltenheit: er gönnt dem Schuldner Zeit für die Auswahl, doch aber soll schon eine Bindung, ein Schuldverhältnis, vorhanden sein.

b) U n t e r s c h i e d v o n d e r G a t t u n g s s c h u l d . Die Grenze ist schwer zu bezeichnen. Begrifflich läßt sie sich leicht beschreiben: bei der W a h l s c h u l d sind die mehreren Wahlgegenstände eben doch schon bestimmt, sie sind geistig bereits a l s k o n k r e t e S t ü c k e e r f a ß t , sie bilden deshalb zusammen den Schuldgegenstand, sie sind sämtlich bereits schuldrechtlich verfangen. Bei der G a t t u n g s s c h u l d ruht dagegen die geistige Vorstellung nicht auf konkreten Einzelstücken, sondern eben nur auf der unbegrenzten „Masse", dem Vorrat, der Gattung, und deshalb ist von rechtswegen n o c h k e i n e i n z i g e s S t ü c k w i r k l i c h e r S c h u l d gegenstand. Maßgebend ist, was den P a r t e i e n vorschwebt. Gingen sie von der V e r s c h i e d e n h e i t der Stücke aus, so daß eben „gewählt" werden muß, dann ist Wahlschuld anzunehmen. Gingen sie dagegen von der G l e i c h a r t i g k e i t der Stücke aus, so rücken die Stücke zur „Masse", zur „Gattung" zusammen, die Aussonderung der zu liefernden Stücke ist keine „Wahl".

W i c h t i g e F o l g e n , sowohl konstruktiv wie praktisch. Weil bei der Wahlschuld doch schon alle Stücke „verfangen" sind („in

§ 10 II. Störungen bei der Wahlschuld.

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obligatione"), ist der Schuldner auch bereits zur S o r g f a l t , zur B e h ü t u n g , zur c u s t o d i a verpflichtet. Er muß bei jedem einzelnen Stück damit rechnen, daß der Gläubiger gerade dieses wählen wird (vgl. Wortlaut § 263). Wird praktisch, wenn dieses Stück inzwischen durch sein Verschulden verlorengegangen ist (vgl. unten § 20 II). Das f e h l t b e i d e r G a t t u n g s s c h u l d . Dadurch unterscheidet sich auch von der Wahlschuld die f a c u l t a s a l t e r n a t i v a (nachfolgend III). c) D e r W a h l b e r e c h t i g t e . I. Wer ist wahlberechtigt? Das ergibt sich fast immer klar aus der Verabredung; bei Unklarheit soll der Schuldner das Wahlrecht haben (§262). — 2. W a s er wählt, steht grundsätzlich im B e l i e b e n des Wahlberechtigten, er braucht nicht wie bei der Gattungsschuld ein Stück „mittlerer Art und Güte" zu wählen (vgl. oben §7IIa). — 3. A u s ü b u n g d e r W a h l dann durch „Erklärung", die der allgemeinen Dogmatik der Willenserklärungen unterliegt und deshalb z. B. wegen Irrtums angefochten werden kann (aber nur in den Grenzen des §119). — 4. W i r k u n g dann jene rückwirkende K r a f t (§ 263). II. S t ö r u n g e n i n d e r Z w i s c h e n z e i t (ehe es zur Wahl kommt). a) V e r z ö g e r u n g d e r W a h l . Mangel an Entschlußkraft, Abwartenwollen, wie sich die Geldverhältnisse (die „Konjunktur") entwickeln werden, und ähnliche Motive können dazu beitragen, daß der Wahlberechtigte die Wahl übermäßig hinausschiebt. Das kann dem anderen Teil nicht zugemutet werden. 1. Der wahlberechtigte S c h u l d n e r verzögert. Milde Behandlung im BGB. Der Gläubiger kann zwar klagen, auch schon die Zwangsvollstreckung einleiten, aber noch in diesem Augenblick kann der Schuldner mit bindender Wirkung f ü r den Gläubiger die Auswahl treffen, der Gläubiger muß dann den gewählten Gegenstand nehmen (§ 264). 2. Der wahlberechtigte G l ä u b i g e r verzögert. Hier schärfere Regelung: Fristsetzung; nach Ablauf geht das Wahlrecht kurzerhand auf den Schuldner über (§ 264 II). b) S t ö r u n g d u r c h E i n t r i t t e i n e r „ U n m ö g l i c h k e i t", noch ehe fertig gewählt worden ist. Wenn a l l e Wahlgegenstände untergehen, oder z. B. unwiederbringlich gestohlen werden, ergeben sich keine besonderen Schwierigkeiten, die allgemeine Unmöglichkeitslehre (unten § 20) kommt zur Anwendung. Wenn aber n u r

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§ 10 III. Die facultas alternativa.

e i n e r d e r m e h r e r e n W a h l g e g e n s t ä n d e untergeht, ents t e h e n bedeutende V e r w i c k l u n g e n . Gelegenheit zu e i n e m g u t e n Ged a n k e n e x e r z i t i u m f ü r d e n Studierenden. F o l g e n d e s S c h e m a gibt Aufschluß, drei F ä l l e v o n der Schuldnerseite, drei F ä l l e v o n der Gläubigerseite. 1. W a h l b e r e c h t i g t e r S c h u l d n e r . — Z u f ä l l i g e r Untergang. § 265 Satz 1: „Das Schuldverhältnis b e s c h r ä n k t s i c h auf die übrigen Leistungen." — D e r S c h u l d n e r i s t s c h u l d an dein Untergang. Es gilt dasselbe. Grund: Der Schuldner konnte ja wählen, da kann er auch einen der Wahl gegenstände vernichten. — D e r G l ä u b i g e r i s t s c h u l d . Hier genau das Gegenteil: „Die Beschränkung tritt n i c h t ein" (§265 Satz 2). Folge: Der Schuldner hat weiter das Wahlrecht. E n t w e d e r „verweist" er den Gläubiger auf das von diesem vernichtete (etwa bei einer Probe schuldhaft zerstörte) Stuck und wird damit frei. O d e r er wählt eines der übrig gebliebenen Stücke und macht daneben —• wenn die Voraussetzungen für eine Haftung des Gläubigers gegeben sind — Schadensersatz für das vernichtete Stück geltend. 2. W a h l b e r e c h t i g t e r G l ä u b i g e r . — Z u f ä l l i g e r U n t e r g a n g . „Beschränkung" wie oben im e r s t e n F a l l , der Gläubiger muß eines der Reststücke wählen. — D e r S c h u l d n e r i s t s c h u l d . Der Gläubiger behält sein Wahlrecht. E n t w e d e r nimmt er den übrig gebliebenen Gegenstand (oder einen der mehreren übrig gebliebenen). O d e r er verlangt S c h a d e n s e r s a t z in Geld für den untergegangenen, weil dessen Wert vielleicht höher war. — D e r G l ä u b i g e r i s t s c h u l d . Dieser Fall hat ein Sondergepräge. Man könnte sagen: Vernichtung durch ihn sei „Ausübung der Wahl", und damit sei alles zu Ende. Nicht so das BGB., es stellt nur Satz 1 des § 265 zur Verfügung. Also Beschränkung auf die Reststücke, aus denen kann der Gläubiger wählen. Aber natürlich läuft nun, gewissermaßen auf einem Sonderkonto, seine etwaige (meist gegebene) Schadensersatzpflicht. c) B l o ß e V e r s c h l e c h t e r u n g eines der Wahlgegenstände. Hier kann n e b e n d e m Weiterbestand d e s Wahlrechts eine H a f t p f l i c h t d e s S c h u l d n e r s eintreten, w e i l es seiner Sorgfaltspflicht nicht g e n ü g t hat: Nach Ib trifft ihn die „custodia" f ü r a l l e Stücke. III. Eine sog. f a c u l t a s a l t e r n a t i v a (Ersetzungsbefugnis, Abfindungsrecht) ist dann gegeben, w e n n der Schuldner durch einseitiges Handeln seinerseits, u n d o h n e d a ß e i n e n t s p r e c h e n d e s R e c h t d e s G l ä u b i g e r s g e g e n ü b e r s t ü n d e , statt des eigentlichen S c h u l d g e g e n s t a n d e s d e m Gläubiger eine andere Leis t u n g gültig anbieten darf ( B e i s p i e l bereits oben § 6 I I I c ) .

§111. Schuld auf Gegenseitigkeit.

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Das Verhältnis ist k e i n e W a h l s c h u l d . Das zeigt sich begrifflich darin, daß nur die eine Leistung „in obligatione" ist. Folge: keine custodia des Schuldners bezüglich des Ersatzleistungsgegenstandes. Weitere Folge: Wird die allein wirklich „geschuldete" Leistung u n m ö g l i c h , so ist der Schuldner bei Schuldlosigkeit ohne weiteres frei (§275); der Gläubiger kann nicht etwa eine „Beschränkung" auf die Ersatzleistung behaupten und nunmehr diese fordern. B e i s p i e l (ob § 6IIIc): Das Gemälde ist verbrannt; der verarmte Schenker hat das Nachsehen, er kann nicht etwa eine Unterhaltsrente in Geld verlangen, höchstens kann er auf Grund des § 281 die Feuerversicherungssumme in Anspruch nehmen.

§ 11. Schuld auf Gegenseitigkeit I. B e g r i f f . Das Wesen der „gegenseitigen Schuldverhältnisse' 1 beruht auf der G e g e n ü b e r s t e l l u n g z w e i e r L e i s t u n g e n , der Konfrontation. Die beiden Leistungen sind miteinander durch ein Hinüber und Herüber verflochten. Das sog. S y n a l l a g m a verbindet sie. Darüber schon oben § 4 III im Anschluß an die „Zerlegung" des Schuldverhältnisses in die einzelnen Leistungspflichten. Die Erscheinung dieser „Gegenseitigkeit" ist von Grund aus volkstümlich. Beim Kauf, beim Werkvertrag, bei der Miete, bei der großen Mehrzahl der Schuldverhältnisse heißt es: Ich gebe dir, was gibst du mir? Das so entstehende A u s t a u s c h v e r h ä l t n i s muß juristisch fest gefaßt werden. Der G e s e t z g e b e r hat das getan. Er reguliert die A b h ä n g i g k e i t der beiden Leistungen voneinander und folgt dabei durchaus dem volkstümlichen Empfinden. In dem besonderen Titel „Gegenseitiger Vertrag" — er ist vielleicht der wichtigste im ganzen Schuldrecht des BGB. — ist in drei Grundparagraphen das W e s e n der Gegenseitigkeit erfaßt (320—323). Dies wird im folgenden behandelt. Daran anschließend wird die Wirkung der „Unmöglichkeit" (323—325) und des „Verzugs" (326) mit einer gemeinsamen Schlußbestimmung für beide (327) geregelt; d i e s e besonders wichtigen Regeln können erst in späterem Zusammenhang näher geschildert werden (unten § 20 III und § 21 IV). — Verweisung auf die §§ 320 ff., z. B. in § 348, § 440.

II. W i r k u n g e n d e r G e g e n s e i t i g k e i t . a) D i e E i n r e d e d e s n i c h t e r f ü l l t e n V e r t r a g e s . Allen Juristen geläufig ist die aus dem römischen Recht übernommene e x c e p t i o n o n i m p l e t i c o n t r a c t u s . Sie läßt die „Konfrontation" besonders deutlich hervortreten. Plastisch wirkt sie namentlich im P r o z e ß .

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§ 11 IIb. Verurteilung Zug um Zug.

Der Käufer k l a g t etwa auf Lieferung der Ware. Nach geltendem Prozeßrecht braucht er seinerseits nichts über seine Gegenleistung, also die Bezahlung des Preises zu sagen. Aber dem B e k l a g t e n (dem Verkäufer) ist es nun überlassen, „die Einrede des nichterfüllten Vertrages" zu erheben. Er hat dabei das materielle Recht des BGB. zur Seite: Er „kann die ihm abliegende Leistung bis zur BeWirkung der Gegenleistung v e r w e i g e r n " (§ 320,1. Satz). Wichtig die B e w e i s l a s t (da oft Streit, ob schon geleistet ist oder nicht). Es beginnt mit der Klage. Der Kläger braucht nur zu beweisen, daß die eingeklagte Leistung ihm geschuldet wird. Über seine Gegenverpflichtung kann er schweigen. Erhebt nun aber der Verklagte die Einrede, so muß der Kläger den Beweis erbringen, daß er schon (gehörig) geleistet hat (oder er muß sich wenigstens jetzt zur Gegenleistung erbieten). Hat allerdings der Beklagte die Gegenleistung ohne Vorbehalt „als Erfüllung angenommen", und will er sie jetzt nicht als Erfüllung gelten lassen, so geht die Beweislast wieder auf ihn über (§ 363 BGB.).

Mit der N i c h t l e i s t u n g ist eine „ n i c h t g e h ö r i g e " Leistung auf eine Stufe zu stellen. Wissenschaftliche Terminologie: Neben der exceptio non impleti contractus steht die exceptio non r i t e impleti contractus, sie gibt dem verklagten Vertragspartner die gleiche Abwehrmöglichkeit. Auf Verschulden des Vorleistungspflichtigen kommt es nicht an (RG. 145, S. 282). Auch die u n v o l l s t ä n d i g e L e i s t u n g gehört hierher. Der auf Kaufpreiszahlung verklagte Käufer wendet ein: Es fehlt ja noch ein Drittel der Ware. Das darf aber nicht ausarten. Bei nur teilweiser Leistung hat die Einrede k e i n e Geltung, wenn sie „nach den Umständen, insbesondere wegen v e r h ä l t n i s m ä ß i g e r G e r i n g f ü g i g k e i t des rückständigen Teiles, gegen Treu und Glauben verstoßen würde" (Schluß des § 320).

b) D i e V e r u r t e i l u n g Z u g u m Z u g . Eine interessante und eigenartige Rechtsfigur. An sich ist im Wesen der „Einrede" begründet, daß, wenn sie stichhaltig ist, die K l a g e a b g e w i e s e n wird. Nicht so bei der „Einrede des nicht (oder nicht gehörig) erfüllten Vertrages". Vielmehr erfolgt hier V e r u r t e i l u n g , und zwar zur „ E r f ü l l u n g Z u g u m Z u g " (§ 322). Der Verkäufer, der den Kaufpreis einklagt, aber selbst auch noch nicht geliefert hat, siegt zwar insoweit, daß der Käufer zur Zahlung verurteilt wird, aber der Verurteilungsformel wird beigesetzt, daß der Beklagte nur gegen Lieferung der Ware zu zahlen braucht. Das geht bis in die Z w a n g s v o l l s t r e c k u n g hinein. Sinnfälligster Verlauf: Der Gerichtsvollzieher nimmt die verkaufte Sache, wenn sie irgend dazu.geeignet ist, in die Behausung des Schuldners (Käufers)

§ 11 III. Die Vorleistungspflicht.

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mit, übergibt sie ihm und pfändet im Austausch soviel, wie zur Deckung der Kaufpreisforderung nötig ist. Vgl. ZPO. § 756, 765.

c ) W e c h s e l w i r k u n g b e i S t ö r u n g e n . Die beiden elementaren Fälle der Leistungsstörung, die U n m ö g l i c h k e i t d e r L e i s t u n g und der V e r z u g können natürlich auch mitten in das Gegenseitigkeitsverhältnis hineinschlagen. Wenn hüben die Leistung unmöglich wird, wie wirkt sich das drüben auf die Pflicht zur Gegenleistung aus? Wenn der Schuldner der einen Vertragsseite (z. B. Verkäufer) säumig und damit in Verzug geraten ist, kann dann der Schuldner auf der anderen Vertragsseite (Käufer) „die Brücken abbrechen" und den ganzen Vertrag für ungültig erklären? Das wird, wie schon unter I angekündigt, erst in späterem Zusammenhang geschildert werden. Hier genügt die Feststellung, daß auch bei dieser Lage das Abhängigkeitsverhältnis, das „Synallagma", die Wechselwirkung hinüber und herüber, sehr deutlich in Erscheinung tritt. III. Die V o r l e i s t u n g s p f l i c h t ist eine sehr häufige, mindestens die Hälfte aller Fälle der „Gegenseitigkeit" begleitende Erscheinung. Sie macht gewissermaßen einen S t r i c h d u r c h d i e R e c h n u n g . „Gegenseitigkeit" wird zunächst einmal rein zeitlich ausgeschaltet. Der eine muß sofort leisten, der andere erst später. Getragen wird das vom Parteiwillen, der eben tausendfach in dieser Richtung liegt. Daneben tritt ergänzend die V e r k e h r s s i t t e , oft in jenen Musterformaxlaren oder Allgemeinen Geschäftsbedingungen niedergelegt. Doch greift auch das G e s e t z gelegentlich ergänzend (ius dispositivum) ein, z. B. für die „Postnumerando'-Zahlung des Mietzinses (§ 551). Das Geschäft b l e i b t e i n g e g e n s e i t i g e r V e r t r a g . Nur jene E i n r e d e des nichterfüllten Vertrages geht dem Vorleistungspflichtigen selbstverständlich verloren. Er soll ja gerade v o r leisten, nicht „Zug um Zug". Damit trifft ihn ein gewisses R i s i k o , daß nämlich, nachdem er (vor-)geleistet hat, bei dem anderen nichts mehr zu holen ist ( „ w e s e n t l i c h e V e r s c h l e c h t e r u n g in s e i n e n V e r m ö g e n s v e r h ä l t n i s s e n " ) . Hier springt ihm das Gesetz helfend bei, er kann sich weigern vorzuleisten, „wenn nach dem Abschluß des Vertrages in den Vermögensverhältnissen des anderen Teiles eine wesentliche Verschlechterung eintritt, durch die der Anspruch auf die Gegenleistung gefährdet wird" (§ 321). Aber w i e s o l l e s n u n w e i t e r g e h e n ? Ist das Geschäft damit zu Ende? Kann nicht der bis dahin Vorleistungspflichtige abwarten und dann doch auf Leistung Zug um Zug klagen? Das Gesetz schweigt dar-

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§ 1 1 I V . Die Auflage. über. Wird zu bejahen sein. RG. 53 S. 63.

Doch herrscht Meinungsstreit. — Vgl.

IV. Die A u f l a g e (lateinisch modus). Auch bei ihr das Gegenüberstehen, richtiger vielleicht das N e b e n e i n a n d e r zweier Leistungen. Die Auflage ist im ganzen selten, aber geläufig bei unentgeltlichen Zuwendungen, so bei der S c h e n k u n g (§ 525ff.) und bei testamentarischen Zuwendungen (§§ 1940, 2192ff.). Der Zuwendende stattet dabei seine unentgeltliche Zuwendung doch mit einer gewissen Beschränkung aus: er legt dem Beschenkten etwas auf, er erwartet etwas von ihm, z. B. eine Zuwendung an die Armen. Dieses Erwarten eines bestimmten Verhaltens auf seiten des „Gegners" rückt die Auflage an die „gegenseitigen Verträge" heran. W i s s e n s c h a f t l i c h müssen aber die beiden Erscheinungen streng voneinander getrennt werden: Die vom anderen erwartete Leistung tritt bei der Auflage n i c h t in ein echtes Gegenseitigkeitsverhältnis. Darum hat der Schenker zwar an sich ein Klagerecht, aber kein s e l b s t ä n d i g e s Klagerecht auf Erfüllung der Auflage, das er etwa Zug um Zug geltend machen könnte, sondern nur ein abgeschwächtes, von seiner eigenen vorangegangenen Leistung abhängiges Klagerecht. Er kann auch nicht, wenn umgekehrt er selbst aus seinem Schenkungsversprechen verklagt wird, die „Einrede des noch nicht erfüllten Vertrages" nach §320 geltend machen. Näheres bei. den Spezialfällen.

Doch kann die A b g r e n z u n g v o m g e g e n s e i t i g e n V e r t r a g e in der P r a x i s Schwierigkeiten machen. Eine „Auflage" kann so sehr ins Gewicht fallen, daß sie eben doch den Charakter einer echten Gegenleistung annimmt. Gleichzeitig hört dann natürlich der Vertrag auf, eine Schenkung zu sein, er wird ein entgeltlicher Vertrag und dann meist auch sogleich ein echter „gegenseitiger" Vertrag. Schwierig ist auch die A b g r e n z u n g z u r ( a u f s c h i e b e n d e n o d e r a u f l ö s e n d e n ) B e d i n g u n g . „Ich schenke dir diese Bücher unter der Bedingung, daß du das Examen bestehst" könnte allenfalls als Auflage der fleißigen Benutzung der Bücher gedeutet werden, wird aber im Zweifel als Bedingung aufzufassen sein. Und das hat den praktischen Erfolg, daß keine Klage auf Vollzug, auch nicht die unselbständige Klage aus § 525 gegeben ist, daß dafür aber auch bei u n verschuldetem Nichterfüllen zurückgefordert werden kann. (Über die Bedingung handelt das Lehrbuch „Allgemeiner Teil").

§ 12. Vertrag zugunsten eines Dritten (BGB. 328—335) I. B e g r i f f u n d B e i s p i e l . Beim gewöhnlichen Vertrag stehen sich nur Gläubiger und Schuldner gegenüber. Der Gläubiger ist mit

§ 12. Vertrag zugunsten Dritter.

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dem, der die Leistung bekommen soll, identisch. Es ist etwas Außergewöhnliches, wenn ein Dritter hinzugenommen wird und die Leistung nicht an den primären Gläubiger, sondern an ihn abgeführt werden soll. Im Leben sind Fälle dieser Art verhältnismäßig selten, aber doch auch volkstümlich. Ein beliebtes S c h u l b e i s p i e l wird hier gleich an die Spitze gestellt und d u r c h d i e g a n z e f o l g e n d e D a r s t e l l u n g beibehalten. Der Vater (V.) überträgt sein Geschäft oder seine bäuerliche Siedlungsstelle dem Sohn (S.), aber damit wird zugleich die Abfindung der Tochter (T.) verbunden, die der Sohn an sie auszahlen soll. Für die Rechtsfigur des Vertrages zugunsten eines Dritten spielt nur die letztere Begleiterscheinung eine Rolle. Und zwar dreht sich alles um die Frage, welche Rechte die Tochter aus diesem Vertrag, an d e m s i e g a r n i c h t b e t e i l i g t i s t , haben soll. Der Gesetzgeber hat den Vertrag zugunsten eines Dritten sorgfältig geregelt, aber mit guten Gründen das meiste der A u s l e g u n g überlassen. Er verwendet dabei abstrakte, farblose Bezeichnungen: Der „ V e r s p r e c h e n d e " , der zum Schuldner wird (im Beispiel S.), der „ V e r s p r e ch e n s e m p f än g e r " , der zunächst als Gläubiger erscheint (V.), und der „ D r i t t e " , dem die versprochene Leistung zugute kommen soll (T.). II. K o n s t r u k t i o n : Vorab ist festzustellen, daß wirkliche V e r t r a g s p a r t e i e n nur der Versprechende (S.) und der Versprechensempfänger (V.) sind. Wenn und soweit also der Dritte (T.) ein Recht auf die Leistung bekommt, — und das eben ist der Kern bei einem echten „Vertrag zugunsten eines Dritten" —, so erwirbt er dieses Redht „unmittelbar", d. h. ohne Anteilnahme am Vertragsschluß (ohne „Annahme"). Konstruktiv gesehen ist dies ein seltener Ausnahmefall. Natürlich kann der Dritte f a k t i s c h zugezogen worden sein. Aber umgekehrt braucht er gar nichts von dem geschlossenen Vertrag zu wissen (Überraschung geplant).

III. R e c h t s l a g e i m e i n z e l n e n . Praktische Hauptfragen: O b ü b e r h a u p t der Dritte ein eigenes Recht bekommen soll (bei Verneinung kein echter „Vertrag zugunsten eines Dritten"). Ob s o f o r t oder „nur unter gewissen Voraussetzungen". Ob ihm das Recht wieder durch neue Verabredung der beiden anderen (V. und S.) e n t z o g e n werden kann. Ziemlich abseits liegend: Ob die G l ä u b i g e r d e s V e r s p r e c h e n s e m p f ä n g e r s (V.) noch Anspruch auf das vertraglich wegbedungene Vermögensquantum erheben können, oder ob dieses

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§ 12 III. Vertrag zugunsten Dritter.

ihnen schon in die Hand des „Dritten" entglitten ist. Diese Frage vom Gesetzgeber nicht behandelt (ist umstritten). — Im übrigen ist der Gesetzgeber mit A u s l e g u n g s r e g e l n eingesprungen. Aus der Beteiligung von d r e i Personen ergibt sich naturgemäß eine d r e i g l i e d r i g e r e c h t l i c h e R e g e l u n g . a) V e r s p r e c h e n d e r u n d V e r s p r ec h e n s e m p f ä g er (S. und V.). Dies die Basis. E in g e w öh n 1 i c h e s S c h u l dv e r h ä 11 n i s. Allen allgemeinen Regeln des Schuldrechts und des Buches I unterworfen, z. B. Anfechtungsmöglichkeit wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich im Schlußparagraphen 335 gesagt, daß der Empfänger des Versprechens die Ausführung der Leistung an den Dritten fordern, also auch einklagen kann (nur dispositiv, nicht zwingendes Recht). b) V e r s p r e c h e n d e r u n d D r i t t e r (S. und T.). Dies der Kern. W e n n — nach klarer Verabredung oder nach Auslegung des Vertrages — der Dritte ein eigenes Recht auf die Leistung hat, ergibt sich ein interessantes N e b e n e i n a n d e r z w e i e r F o r derungen : T. sagt: „Leiste mir", V. sagt: „Leiste an die T." Wie, wenn der Dritte (T.) a b l e h n t ? (§333). Auslegungsfrage, ob dann der Versprechensempfänger die Abführung der Leistung (etwa der betreffenden Kapitalsumme) an sich selbst verlangen kann.

Unter Umständen ist die Forderung des Dritten schon ein Vermögensobjekt, das d e m P f ä n d u n g s z u g r i f f s e i n e r G l ä u b i g e r unterliegt. — Die Verbundenheit der beiden Forderungen zeigt sich darin, daß E i n r e d e n , die sich etwa für den Versprechenden (S.) aus dem Vertrag ergeben, auch dem Dritten (T.) von dem Versprechenden (S.) entgegengehalten werden können (§ 334). Z. B. eine B e f r i s t u n g . — Ausgeschlossen dürfte freilich die A u f r e c h n u n g s m ö g l i c h k e i t sein (S., von der T. in Anspruch genommen, will eine Forderung, die ihm gegen V. zusteht, aufrechnen).

Kritisch die W i d e r r u f s m ö g l i c h k e i t . Keinesfalls einseitig seitens des S. Ob gemeinsam durch V. und S., „ist aus den Umständen, insbesondere aus dem Zwecke des Vertrages, zu entnehmen" (§ 328 II). c) D r i t t e r u n d V e r s p r e c h e n s e m p f ä n g e r (T. und V.). Es hängt vom konkreten Fall ab, ob auch zwischen ihnen ein bindendes Versprechen zustande gekommen ist (V.: „Ich stehe dir dafür ein, daß S. seine Verpflichtung erfüllt").

§ 13 I. Schadensersatzpflicht.

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Ob das dann klagbar oder bloße freundschaftliche Zusage ist, und ob danach der Vater sich bei Nichteinhaltung der Zusage haftbar macht oder nicht, hängt von den Umständen ab.

IV. V e r t r a g z u L a s t e n e i n e s D r i t t e n ? Vorstellbar — als Denkfigur — ist auch ein solches Verhältnis. Aber es widerspricht allen Grundgedanken des bürgerlichen Rechts. Gegen seinen Willen kann niemand zum Schuldner gemacht werden. Z w e i s c h e i n b a r e D u r c h b r e c h u n g e n : 1. Beim E r w e r b e i n e s g a n z e n V e r m ö g e n s k o m p l e x e s rücken auch die darin sitzenden Schulden zu dem Erwerber (dem „Dritten") hinüber, belasten ihn also. Aber hier ist nicht ein von anderen darüber geschlossener Vertrag die Basis. — 2. Die T a r i f v e r t r ä g e d e s m o d e r n e n A r b e i t s r e c h t s . Hier werden z. B. die Lohnzahlungspflichten bei sog. „Allgemeinverbindlichkeit" des Tarifvertrages auch für Hunderte oder Tausende bindend, die an dem Vertragsschluß selbst nicht beteiligt waren. Aber das ist ein Vorgang, der nicht dem bürgerlichen Recht angehört.

IV. Abschnitt: Die Pflicht zum Schadensersatz (BGB. 249—255) § 13. Grundlagen der Schadensersatzpflicht I. A u s g a n g s p u n k t . Es wäre falsch anzunehmen, daß jedweder Schaden, der irgendwem irgendwann zustößt, einen anderen ersatzpflichtig macht. Allerdings ist die heutige Zeit mit ihren sozialen und humanen Bestrebungen stark geneigt, möglichst viel Schadensfälle, sei es durch öffentlich-rechtliche Mittel (z.B. die Sozialversicherung, unten (§ 43 If), sei es in den Bahnen des Privatrechts, auszugleichen. Aber allen diesen vielgestaltigen Versuchen gegenüber bewendet es auch jetzt noch grundsätzlich bei der alten Erkenntnis der Römer: Casus a nullo praestantur (Schaden, der durch Zufall entsteht, ist von niemand zu vertreten), oder, wie man es nach der positiven Seite gewendet hat: C a s u m s e n t i t d o m i n u s , — der Schaden bleibt auf dem Herrn des geschädigten Gutes sitzen. Das gilt zunächst einmal von den N a t u r e r e i g n i s s e n , von dem Schaden, den Wind und Wetter, den das Alter und der allmähliche Zerfall anrichten. Das gilt weiter von den vielen f e h l g e s c h l a g e n e n H o f f n u n g e n , davon, daß man sich bei seinen Verträgen „verspekuliert" hat, daß der Gewinn ausgeblieben ist, daß der erworbene Gegenstand sich nicht in die eigene Wirtschaftssphäre so einpassen läßt, wie man es erwartet hatte. Es gilt ferner auch von sehr vielem, was uns die .5

H e d e m a n a , S c h u l J r e c h t , 3 Aufl.

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§ 13 II. Arten der Schadensersatzpflicht. M i t m e n s c h e n antun, von der größeren Tüchtigkeit eines Konkurrenten, der uns überflügelt und dadurch in erheblichen Schaden stürzt, von der stärkeren Kapitalkraft eines Mitbewerbers, der uns den ersehnten, vielleicht dringend nötigen Gegenstand wegfängt, indem er uns beim Verkäufer durch ein Übergebot aussticht.

Um die Ersatzpflicht eines anderen ins Leben zu rufen, bedarf es infolgedessen immer e i n e s b e s o n d e r e n Entstehungsgrundes. II. D i e T a t b e s t ä n d e e i n e r

Schadensersatzpflicht.

a) S c h a d e n s e r s a t z w e g e n Vertragsverletzung. Ein Urphänomen. Fast immer mit einer Überraschung verbunden. Beim Abschluß dachten beide Teile nur an die übernommenen Leistungspflichten und nicht an einen Schaden, der entstehen könnte. Dafür hat der G e s e t z g e b e r die Augen aufgetan und sehr fein ausgeschliffene Regeln bereitgestellt. Dabei hat er drei Haupttatbestände herausgestellt: 1. Die N i c h t e r f ü l l u n g , 2. die S c h l e c h t e r f ü l l u n g , 3. die v e r s p ä t e t e E r f ü l l u n g . Dem ersten Tatbestand versucht der Gesetzgeber mit der Kategorie der „ U n m ö g l i c h k e i t " beizukommen (darüber alles Nähere unten § 20), der zweite Tatbestand steht im Zeichen der M ä n g e l h a f t u n g (vor allem im Kaufrecht, §§ 459ff.), der dritte führt zur Lehre vom V e r z u g (unten §21). Schon hier ist festzustellen, daß keineswegs immer beim Vorliegen einer sog. Unmöglichkeit oder Mangelhaftigkeit oder Verspätung der Leistung eine Schadensersatzpflicht gegeben ist. Vielmehr gelten jedesmal besondere Voraussetzungen. Vor allem steht dieses ganze Stück der Schadensersatzlehre — um dies vorweg zu nehmen — u n t e r d e m g r u n d s ä t z l i c h e n Z e i c h e n d e s V e r s c h u l d e n s (vgl. im folgenden IV). Zu den a l l g e m e i n e n Regeln über Unmöglichkeit, Verzug, Mängelhaftung, treten ergänzende Sonderbestimmungen, die der besonderen Natur des betreffenden Schuldverhältnisses Rechnung tragen; z. B. § 538 bei der Miete.

b) S c h a d e n s e r s a t z w e g e n u n e r l a u b t e r H a n d l u n g (§ 823ff.), kurz D e l i k t s h a f t u n g genannt. Wiederum eine Fülle von Lebensvorgängen, Körperverletzungen, Ehrkränkungen und vieles andere. K o n s t r u k t i v e r U n t e r s c h i e d von a): Dort ist schon ein Schuldverhältnis da, erst aus dem weiteren Verlauf und im Rahmen des schon bestehenden Schuldverhältnisses entwickelt sich die Schadensersatzpflicht, hier dagegen e n t s t e h t erst mit dem Schaden das Schuldverhältnis.

§ 13 III. Schadensersatz, Kausalzusammenhang.

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Unterschied auch beim praktischen Ausbau. Hauptbeispiel: H a f t u n g d e r J u g e n d l i c h e n . V g l . über ihre „Geschäftsfähigkeit" § 108 in Verbindung mit § 2: Beschränkung der Haftung bis zum 21. Lebensjahr; und über ihre ,,Deliktsfähigkeit" § 828 II: Grenze der beschränkten Haftung schon bei 18 Jahren.

c) S c h a d e n s e r s a t z a u f G r u n d v o n V e r s i c h e r u n g s v e r t r ä g e n . Solche Verträge sind volkstümlich und weit verbreitet, z. B. Feuerversicherung, Hagelversicherung, Unfallversicherung. Die Fälle gehören w e d e r unter a noch unter b. Gemeinsam mit diesen z w e i Fallgruppen haben sie, daß es sich auch bei ihnen um p r i v a t r e c h t l i c h e V o r g ä n g e handelt. Deshalb Abscheidung v o n den oben unter I genannten s o z i a l e n Unfall-, Kranken- und ähnlichen öffentlichrechtlichen Versicherungen. H e u t e besonders brennende Frage, inwieweit solche p r i v a t e n Versicherungen noch neben der immer w e i t e r e Kreise ziehenden ö f f e n t l i c h e n Sozialversicherung weiter bestehen sollen (Unterschied in den Zonen, namentlich zwischen Ost und West).

III. D e r

Kausalzusammenhang.

a) F r a g e s t e l l u n g . Zur Entstehung der Schadensersatzpflicht gehört außer den vorstehend geschilderten Voraussetzungen der sog. Kausalzusammenhang. Das, worauf der Anspruch gestützt wird, muß d i e e n t s c h e i d e n d e U r s a c h e ( c a u s a ) für den Eintritt des Schadens gewesen sein. Aber was ist die entscheidende Ursache? Besonders anschaulich beim Recht der unerlaubten Handlungen: Ausgangspunkt das unscheinbare Wörtlein „durch", die Tat muß d u r c h den, der auf Ersatz in Anspruch genommen wird, begangen sein. Der Kausalzusammenhang spielt vor allem eine große Rolle im S t r a f r e c h t . Bestrafung nur, wenn die Straftat wirklich v o n dem A n g e k l a g t e n „verursacht" w o r d e n ist. Scharfe Trennung v o n dem (subjektiven) „Verschulden". Seit Jahrzehnten im Strafrecht v i e l gelehrter Streit über d i e K a u s a l i t ä t . Mannigfaltige Theorien. Im b ü r g e r l i c h e n R e c h t ist verhältnismäßig rasch eine, allerdings nur für das bürgerliche Recht selbst bestimmte Klärung eingetreten.

b) T h e o r i e des a d ä q u a t e n K a u s a l z u s a m m e n h a n g s . Zwei Haupttheorien sind in der Lehre vom Kausalzusammenhang aufgestellt worden. 1. D i e B e d i n g u n g s t h e o r i e . Sie herrscht im Strafrecht. Danach ist jeder, auch der geringfügigste Umstand, der nicht weggedacht werden kann, ohne daß es „anders gekommen", also der in Rede stehende Schaden nicht eingetreten wäre, auch eine „U r s a c h e " des Schadens gewesen. Wenn also der Beklagte auch nur einen einzigen, vielleicht schon weit zurückliegenden Umstand in 6*

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§ 13 Illb. Adaequater Kausalzusammenhang.

der „Kausalreihe" gesetzt hat, so ist er (vielleicht neben anderen) „Täter". Der Schaden ist „durch" ihn veranlaßt, sein Tun war c o n d i t i o s i n e q u a n o n („Bedingungstheorie") für den nunmehr zu sühnenden und auszugleichenden Erfolg. E i n b e l i e b t e s S c h u l b e i s p i e l : Ein Bursche droht einem Nebenbuhler Prügel an. Der Nebenbuhler entläuft, von dem Bedroher verfolgt. Er sucht seine Flucht über eine morsche Brücke. Dort bricht er durch und ertrinkt. Man kann das noch weiterspinnen: Er ertrinkt nicht, sondern erkältet sich nur, aber bei der Pflege nimmt er eine falsche Medizin; erst daran geht er zugrunde. Zweifellos kann die erhobene Faust des Angreifers n i c h t w e g g e d a c h t w e r d e n . Hätte er nicht gedroht, so wäre der andere nicht geflüchtet, wäre nicht auf die Brücke geraten, wäre nicht eingebrochen, nicht ins Krankenhaus gekommen, nicht mit falschen Medikamenten behandelt worden, nicht gestorben. — Kausalzusammenhang! Strafrechtlich sind natürlich Auswege gefunden worden, um den Burschen doch nicht wegen Tötung ins Gefängnis oder Zuchthaus zu bringen. Man spricht bei dieser Bedingungstheorie auch vom „natürl i c h e n " oder „ e r k e n n t n i s t h e o r e t i s c h e n " oder „ p h i l o s o p h i s c h e n " Kausalzusammenhang.

2. D i e Theorie des adäquaten Kausalzusamm e n h a n g s . Sie hat sich nach Inkrafttreten des BGB., im Anschluß an die §§ 823ff., rasch entwickelt und ist herrschende Meinung, auch für den Schadensersatz wegen Vertragsverletzung. Was will sie besagen? „Adäquat" heißt: angepaßt. In der Tat ist es so gedacht, daß der zu vertretende Erfolg (der Schaden) zu der Handlungsweise des Beklagten „passen" muß, wenn dieser wirklich haften, also den Schaden ersetzen soll. Enger gefaßt: Die Frage ist dahin zu stellen, ob der Eintritt des Schadens e r w a r t e t werden konnte, ob er also in den B e r e i c h n o r m a l e r W e i t e r e n t w i c k l u n g , oder ob er vielmehr a u ß e r h a l b j e d e r B e r e c h n u n g fiel. Nur im ersteren Fall paßt er zu dem Tun des Inanspruchgenommenen, ist er adäquat, ist Kausalzusammenhang gegeben und die Ersatzpflicht begründet. Bahnbrechend waren, neben sehr eindrucksvollen wissenschaftlichen Untersuchungen, R e i c h s g e r i c h t s u r t e i l e vom 2 0 . 2 . 0 2 (Bd. 50 S. 222) und vom 5. 12.27 (Bd. 119 s. 204). Vgl. auch Bd. 81 S. 360. Die damals gefundene D e f i n i t i o n : „Ein adaequater ursächlicher Zusammenhang besteht nur dann, wenn eine H a n d l u n g (oder Unterlassung) im allgemeinen und nicht nur unter ganz besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen und nach dem regelmäßigen Lauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen zur Herbeiführung des eingetretenen Erfolges geeignet gewesen ist", ist dann immer wieder in den Urteilen des RG. ausgesprochen worden; RG. 142 S. 388, 158 S. 38, 168 S. 88. I n d e m v o r a n g e s c h i c k t e n B e i s p i e l ist der Bedrohung mit

§ 13 IV. Schadensersatz, Verschulden.

G9

Prügeln das Flüchten, auch das Stolpern auf der Flucht und die dabei erworbene Verletzung noch adäquat; das ist normale Weiterentwicklung des Falles, mit dergleichen muß man rechnen. Aber auf den Gedanken, daß ein mit Prügel Bedrohter durch eine Brücke bricht und dabei ertrinkt, oder bei der nachfolgenden Erkältung in falsche ärztliche Behandlung gerät, kann niemand im voraus kommen. Prügeldrohung ist nicht „allgemein geeignet", den Tod durch Ertrinken oder durch falsche Medikamente herbeizuführen.

Es tritt noch eine weitere Verfeinerung unter dem wissenschaftlichen Kennwort P r o g n o s e hinzu. Iis kommt nämlich sehr darauf an, von welchem Standpunkt aus die „ W a h r s c h e i n l i c h k e i t s r e c h n u n g " unternommen wird. Kommt es auf die Reife,den Blick, das Erkenntnisvermögen des T ä t e r s an ( s u b j e k t i v e P r o g n o s e ) , oder ist der Maßstab des o r d e n t l i c h e n D u r c h schnittsmenschen anzulegen ( o b j e k t i v e Prognose)? Das letztere ist richtig. Weiter: Ist die Beurteilung vom „damaligen" Zeitpunkt, d. h. Erkennbarkeit im Augenblick der Tat ( v o r g ä n g i g e Prognose) entscheidend, oder eine Beurteilung vom späteren Standpunkt, nachdem der Schaden schon eingetreten ist und nun nachträglich die ihn veranlassenden Tatumstände ans Licht gekommen sind ( n a c h t r ä g l i c h e Prognose)? Letzteres würde viel zu weit führen. Darum ist ersterem beizutreten. RG. 81 S. 361: „zur Zeit der die Verantwortung begründenden Handlung".

IV. D e r G r u n d s a t z d e s V e r s c h u l d e n s . Verursachung und Verschuldung (causa und culpa) sind wissenschaftlich scharf zu scheiden. Der einfache Mann aus dem Volk w i r f t leicht beides durcheinander. Jenes schlichte Wörtlein „durch" deckt f ü r ihn nicht n u r den Kausalzusammenhang, sondern zugleich auch die Schuld („durch dich ist das alles gekommen"). Auch in älteren Rechtsordnungen war beides nicht scharf getrennt. Erst die Gelehrten des 19. Jahrhunderts haben den Gegensatz in helles Licht gerückt (wiederum vor allem im Strafrecht). V e r u r s a c h e n kann einen Schaden auch ein Geisteskranker oder ein kleines Kind oder jemand, der von einem Dritten gestoßen worden ist und nun einen anderen dabei zu Fall gebracht und körperlich verletzt hat, aber ein V e r s c h u l d e n liegt bei allen diesen Personen nicht vor.

Eine andere Frage ist, ob nun, wenn der Kausalzusammenhang (die Verursachung) erwiesen ist, a u ß e r d e m zur Begründung der Schadensersatzpflicht noch das „Verschulden" nachgewiesen werden muß. Grundsätzlich ist das zu b e j a h e n . Die bloße Verursachung genügt also nicht. Sowohl im Deliktsrecht wie bei den Tatbeständen der Vertragsverletzung (Unmöglichkeit, Verzug, Schlechterfüllung) ist davon a u s z u g e h e n , daß auch das

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§ 13 V. G e f ä h r d u n g s h a f t u n g .

zweite Erfordernis, das Verschulden, gegeben sein muß. Die Schuldgrade können allerdings verschieden gestaltet sein. Normalerweise v o l l e s H a f t e n , d . h . sowohl für V o r s a t z wie für F a h r lässigkeit. A u s n a h m s w e i s e H a f t u n g für „Zufall", also über V e r s c h u l d e n hinaus; z. B. bei Verzug im Rahmen des § 287; vgl. unten § 21 IIa. — Über M i t v e r s c h u l d e n d e s G e s c h ä d i g t e n u n t e n § 14 IVa.

V. D i e G e f ä h r d u n g s h a f t u n g . Dies ist eine „moderne" Erscheinung, die dem früheren klassischen Recht unbekannt war. Sie setzt an in der Mitte zwischen Kausalität (im Sinne bloßer Verursachung) und dem Verschulden und stellt insofern eine Vergeistigung dar. Der Kernsatz ist: Wer durch einen an sich erlaubten (also nicht schuldhaften) Gewerbebetrieb oder ein ähnliches Unternehmen eine Gefährdung hervorruft, soll für den Schaden, der irgend einem Dritten dabei widerfährt, einstehen, auch wenn ihn (oder seine Angestellten) bei dem konkreten Schadensfall kein Verschulden trifft. Es ist also eine ihm vom Gesetzgeber gewissermaßen auferlegte G a r a n t i e ü b e r n a h m e f ü r U n f ä l l e . Die Gesetzgebung hat sich schrittweise entwickelt. J e d e s m a l h a t es sich um engbegrenzte T a t b e s t ä n d e gehandelt. Der erste Tatbestand: die besondere H a f t u n g der E i s e n b a h n e n nach dem Reichshaftpflichtgesetz v o n 1871. Es folgte 1909 in einem Sondergesetz die H a f t u n g des Halters v o n K r a f t f a h r z e u g e n , und 1922 durch ein weiteres Sondergesetz die H a f t u n g des Halters von L u f t f a h r z e u g e n . „Analoge" A u s d e h n u n g auf a n d e r e neuzeitliche Betriebe ist wiederholt versucht, aber v o n der Rechtsprechung im Grundsatz abgelehnt worden. Berühmter Fall: S t a r k s t r o m l e i t u n g ; ein Leitungsdraht ist, ohne ein Verschulden, herabgefallen, ein Mensch berührt ihn und wird getötet. RG Urteil v o n 1935: „.. . so geht es nicht an, auf dem Gebiete der Elektrizitäts -Anlagen den Grundsatz der Gefährdungsh a f t u n g . . . aus dem geltenden Recht herzuleiten" (Bd. 147 S. 353ff.). Übrigens k a n n sich der Unternehmer durch Versicherung Deckung f ü r sein etwaiges Haften verschaffen (Haftpflichtversicherung). Im BGB. selbst kann von einer ..Gefährdungshaftung" beim T i e r h a l t e r (§ 833 Satz 1) und allenfalls auch beim W i l d s c h a d e n (§ 835) gesprochen werden. N ä h e r e s später beim Recht der „Unerlaubten Handlungen", u n t e n §§ 62ff.

§ 14. Die Geltendmachung des Anspruchs auf Schadensersatz I. V e r m ö g e n s s c h a d e n

und ideeller

Schaden.

a) S p r a c h w e i s e . „Schaden" ist ein vieldeutiges Wort. Man kann es eng oder weit auslegen. Die heutige Zeit mit ihrem materialisierten Empfinden neigt stark dazu, nur an den V e r m ö g e n s -

§ 14 Ib. Ideeler Schaden.

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s c h a d e n zu denken. Das BGB. hat durch seinen §253 zur Stärkung dieser Auffassung beigetragen (siehe im folgenden). Demgegenüber muß die Rechtswissenschaft und die Gerichtspraxis an einem viel weiteren Schadensbegriff festhalten. Auch wer mich an meiner Ehre kränkt, oder meine Freiheit beschneidet, fügt mir einen Schaden zu. Man kann ganz allgemein sagen, daß jedes beliebige „Rechtsgut" verletzungsfähig ist, und damit den Ausgang f ü r einen juristischen Schadensersatzanspruch bilden kann. Zu eng die Begrenzung der ,,Rechtsgüter" in dem führenden § 823. Darüber Näheres im Recht der „Unerlaubten Handlungen".

b) D e r „ i d e e l l e S c h a d e n". Das B G B . zwingt in seiner Dogmätik dazu, den V e r m ö g e n s s c h a d e n und den a u ß e r h a l b d e r V e r m ö g e n s s p h ä r e l i e g e n d e n S c h a d e n getrennt zu halten. Für den letzteren ist die Bezeichnung „ideeller Schaden" als wissenschaftlicher Begriff fest eingebürgert (in der verbreiteten französischen Terminologie: dommage moral). Das BGB. fügt nun e i n z w e i t e s G e g e n s a t z p a a r hinzu, daß sich auf die M e t h o d e d e s S c h a d e n s e r s a t z e s bezieht: einerseits „ W i e d e r h e r s t e l l u n g " (auch Naturalrestitution genannt) und andererseits „ E r s a t z in G e l d " (Nähreres sogleich in II) Unter Verwertung dieser zwei Gegiensatzpaare schlägt dann das BGB. folgenden Weg ein: 1. Bei einem V e r m ö g e n s s c h a d e n stellt es b e i d e Möglichkeiten zur Verfügung, Wiederherstellung oder Geldersatz; praktisch steht der Geldersatz durchaus im Vordergrund. 2. Bei einem i d e e l l e n S c h a d e n verweigert es dagegen grundsätzlich den Geldersatz (§ 253) und stellt nur, ohne dies klar auszusprechen (es folgt aus § 249), den Anspruch auf N a t u r a l r e s t i t u t i o n , d. h. auf Wiederherstellung zur Verfügung. Die A b l e h n u n g e i n e s G e l d e r s a t z e s für Ehr-Kränkung und seelischen Schmerz, für Kummer und vergossene Tränen, für die verhinderten Heiratsaussichten eines Mädchens, oder auch für entgangenes Vergnügen haben die Verfasser des BGB. mit der These begründet: Der Deutsche läßt sich solche ideellen Werte nicht mit Geld a b k a u f e n . Ausländische Rechte, insbesondere das romanische, haben in dieser Richtung einen freieren Standpunkt eingenommen, sie gewähren Schadensersatz in blanker Münze auch für jede ideelle Einbuße von einigem Gewicht. Das B G B . kennt übrigens selbst beträchtliche A u s n a h m e n . Darüber sogleich unter 4.

3. Die W i e d e r h e r s t e l l u n g i s t a u c h n u r e i n s e l t e n e s H i l f s m i t t e l b e i i d e e l l e r S c h ä d i g u n g . Wie soll, u m die Worte des Gesetzgebers zu gebrauchen, „der Zustand wieder-

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§ 14 Ib. Ideeller Schaden.

hergestellt werden, der bestehen würde, w e n n der z u m Ersatz v e r pflichtende U m s t a n d nicht e i n g e t r e t e n wäre" (§ 249)? I m m e r h i n einige eindrucksvolle B e i s p i e l e in der P r a x i s der Gerichte. Früher Fall, schon vor Inkrafttreten des BGB.: B i s m a r c k gestorben, feierlich aufgebahrt. Photographen dringen heimlich in das Sterbezimmer und photographieren den Toten. Das R e i c h s g e r i c h t hat sie zur Heraasgabe der Platten und aller Abzüge verurteilt. Aber es konnte das damals, auf dem Boden des gemeinen Rechts, noch nicht mit der Kategorie des Schadensersatzes decken, sondern griff zur Kategorie der „ungerechtfertigten Bereicherung" (jetzt im BGB. §812). Doch der Gedanke der „ N a t u r a l r e s t i t u t i o n " trat dabei schon klar hervor: „Es ist mit dem natürlichen Rechtsgefühl unvereinbar, daß jemand das unangefochten behalte, was er durch eine widerrechtliche Handlung erlangt und dem durch diese in seinen Rechten Verletzten entzogen hat", der Kläger hat daher ein Recht darauf, „daß dieses Ergebnis w i e d e r r ü c k g ä n g i g g e m a c h t w e r d e " (RG. v. 28. 12. 1899; Bd. 45 S. 170ff.). Späteres RG.-Urteil: Ehefrau öffnet heimlich Briefe an ihren Mann, nimmt Abschrift und klebt die Briefe wieder zu. Verurteilung zur Auslieferung der Abschriften an den Gerichtsvollzieher zwecks V e r n i c h t u n g . Der frühere Zustand (es gab keine Abschriften) muß wiederhergestellt werden. Auch Verurteilung zu einem künftigen U n t e r l a s s e n wird gegebenenfalls von dem Begriff der Wiederherstellung gedeckt. Z. B. das Unterlassen unlauterer Anschwärzung im Geschäftsleben, denn mit dem Unterlassen tritt d e r g u t e R u f des Geschädigten wieder hervor. 4. A u s n a h m s w e i s e G e l d e r s a t z a u c h b e i i d e e l l e m S c h a d e n . B e d e u t e n d s t e r Fall: Körperverletzung, G e s u n d h e i t s störung u n d Freiheitsberaubung (§ 847). Hier also w i r d doch auch S c h m e r z e n s g e l d gewährt, oder Entschädigung eines v e r s t ü m m e l t e n Mädchens für die v e r h i n d e r t e Heiratsaussicht, oder Entschädigung eines G e s c h ä f t s m a n n e s für die B l o ß s t e l l u n g durch e i n e n K o n k u r renten u s w . Eindrucksvoll auch der „ D e f l o r a t i o n s a n s p r u c h " d e r v e r l a s s e n e n B r a u t (§ 1300). Ueber die Möglichkeit, sich durch eine V e r t r a g s s t r a f e im v o r a u s auch für e i n e n ideellen Schaden einzudecken vgl. oben § 4 V l l a . Nebenher läuft die s t r a f r e c h t l i c h e B u ß e , z.B. bei Beleidigung (StrGB. § 183), bei Körperverletzung (StrGB. § 231), bei Verletzung des literarischen oder künstlerischen Urheberrechts (Ges. v. 19. 6. 1901 § 40). Usw. — Wichtig, daß die Geltendmachung dieser „Buße" im S t r a f p r o z e ß den Anspruch erschöpft, nachträgliche Geltendmachung eines weiteren Schadens im Z i v i l p r o z e ß ist ausgeschlossen. Nicht umgekehrt: Niedrige Entschädigung im Zivilprozeß schließt Geltendmachung von Buße im nachfolgenden Strafprozeß nicht aus. II. N a t u r a l r e s t i t u t i o n u n d G e l d e r s a t z . D i e Verfasser des BGB. h a b e n den G r u n d s a t z d e r N a t u r a l r e s t i t u t i o n an die Spitze gestellt u n d z u m dominierenden Prinzip erklärt (§ 249).

§ 14 II. Naturalrestitution oder Geldersatz?

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Was das BGB. unter der Naturalrestitution versteht, ergibt sich aus seinen, schon vorstehend u n t e r 3 zitierten Worten: Wiederherstellung des Zustande« usw. Der Grundsatz wird jedoch im weiteren Fortgang d u r c h A u s n a h m e n s t a r k a b g e s c h w ä c h t : a) Bei einer der größten Gruppen von Schadensfällen, nämlich bei P e r s o n e n v e r l e t z u n g u n d S a c h b e s c h ä d i g u n g , ist von vornherein dem Gläubiger das Recht eingeräumt, „statt der Herstellung den dazu erforderlichen G e l d b e t r a g zu verlangen". Zu beachten ist, daß auf dieser Grundlage keineswegs immer der ganze Schaden eingefordert werden kann, sondern nur d e r z u r W i e d e r h e r s t e l l u n g e r f o r d e r l i c h e G e l d b e t r a g ; so' § 249,2. Insofern ist diese Regelung noch mit dem Gedanken der „Wiederherstellung" verbunden. Aus der Praxis frühes RG.-Urteil von 1909 (Bd. 71 S.214). Der Gläubiger ist aber, wenn er diesen W e g beschreitet, nicht verpflichtet, nun wirklich die Reparatur vollziehen zu lassen, vielmehr kann er den G e l d b e t r a g v e r w e n d e n , w i e e r w i l l .

Die Einengung der Geldzahlung durch § 249 Satz 2 schließt nicht aus, daß der Geschädigte daneben noch „Ersatz in Geld" f ü r den Schaden verlangt, der durch die Herstellung (oder das Herstellungsgeld) n i c h t gedeckt wird. Das leitet zu dem zweiten Ausnahmetatbestand über. b) Geldersatz kann ferner verlangt werden, „soweit die Herstellung n i c h t m ö g l i c h oder zur Entschädigung des Gläubigers n i c h t g e n ü g e n d ist" (§251). Beispiel: Patentverletzung. Sie hat so schwer gewirkt, daß der Gläubiger seine Kundschaft inzwischen verloren hat und sein Geschäft hat schließen müssen. Das läßt sich „in Natur" nicht wieder gut machen.

Vor allem gehört in diesen Zusammenhang der Fall, wo gerade wegen der vom Schuldner verschuldeten „ U n m ö g l i c h k e i t " eine Schadensersatzforderung in Lauf kommt (unten § 20 IIb). Ähnlich beim V e r z u g , bei dem der Gläubiger von der Erfüllungsklage abbiegen und Schadensersatz wählen kann. Da bleibt eben auch n u r der Weg des Ersatzes in Geld (vgl. § 286 II). c) F r i s t s e t z u n g f ü r die Wiederherstellung. Nach ergebnislosem Ablauf kann der Gläubiger zur Forderung des Ersatzes i n G e l d übergehen (§ 250). d) Schließlich darf auch d e r S c h u l d n e r seinerseits Geldersatz statt Naturalrestitution verlangen, „wenn die Herstellung nur m i t u n v e r h ä l t n i s m ä ß i g e n A u f w e n d u n g e n möglich ist" (§ 251 II).

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§ 14111a. Ersatz von Alt durch Neu. Es kann z. B. die Reparatur eines Kochapparates, dessen „System" längst veraltet und den heutigen Handwerkern nicht mehr geläufig ist, viel kostspieliger sein als die Anschaffung eines ganz neuen, vielleicht sogar praktischeren Apparates. Es wäre Schikane (vgl. § 226), den Schuldner dann auf den Grundsatz der Naturalrestitution festzunageln. Bei der Prüfung der „UnVerhältnismäßigkeit" wird jedoch ein besonderes i d e a l e s I n t e r e s s e d e s G l ä u b i g e r s an der Herstellung des Gegenstandes (Erinnerungsstück) zu seinen Gunsten mit veranschlagt werden dürfen.

e) H e u t e h a t die starke V e r k n a p p u n g d e r S a c h m a t e r i a l i e n u n d die Unsicherheit d e s G e l d w e r t e s auf der Gläubigers e i t e das V e r l a n g e n nach Naturalrestitution stark gesteigert, und u m g e k e h r t das V e r l a n g e n des Schuldners, sich m i t Geldersatz „losk a u f e n " zu können. Wie s o oft, h o l t die Gerichtspraxis auch hier § 242 (Treu u n d Glauben) heran, u m e i n e n g e r e c h t e n A u s g l e i c h zu finden. Beispiel der G e r i c h t s p r a x i s ; Verlust eines vermieteten Kraftwagens durch Diebstahl. LG. Lindau, Urt. v. 20.8.47: „In normalen Friedenszeiten bedeutet die Verweisung des Gläubigers auf eine Geldzahlung seitens des Schuldners keine Verschlechterung der Lage des Gläubigers, sondern eine Verbesserung, eine Erleichterung, weil zu normalen Zeiten der Gläubiger sich mit Celd ohne weiteres den Naturalersatz verschaffen kann. Heutzutage dagegen würde der Gläubiger mit dem Geld in der Hand in vielen Fällen auf die Befriedigung seines Ersatzanspruchs verzichten müssen, was dann der Versagung eines berechtigten und notwendigen Anspruches und damit einer Rechtsverweigerung gleich käme. Daraus folgt, daß besondere Umstände dargetan sein müssen, usw.". Und dann zur richterlichen Bewertung: „ Z u m u t b a r k e i l u n d B i l l i g k e i t entscheiden insbesondere auch darüber, ob dem Gläubiger oder dem Schuldner das Risiko der Ersatzbeschaffung in Natur aufzubürden ist." III. D i e B e r e c h n u n g d e s S c h a d e n s . D i e h i e r aufgestellten Sätze beziehen sich in der Hauptsache auf die B e r e c h n u n g des G e 1 d ersatzes. D o c h k o m m t auch bei der Naturalrestitution e t w a s Ä h n l i c h e s w i e e i n e „Berechnung" vor. a) B e i der Naturalrestitution f r a g t es sich vor allem, ob unter d e m Gesichtspunkt der „Herstellung" der E r s a t z v o n „ A l t d u r c h N e u " verlangt w e r d e n kann. Gehört z. B. bei der Sachbeschädigung (einem besonders häufigen Fall) zur Wiederherstellung u n t e r allen U m s t ä n d e n B e s c h a f f u n g e i n e r n e u e n S a c h e , oder genügt es, die alte ausbessern zu lassen? D i e F r a g e ist besonders brennend in Notzeiten, sobald die Rohmaterialien knapper sind u n d deshalb eine N e u b e s c h a f f u n g i m m e r kostspieliger wird. Man w i r d dann an eine S c h o n u n g des Ersatzpflichtigen in

§ 14 IIIc. Entgangener Gewinn.

7.5

Anlehnung an § 251 II denken müssen. Sorgfältig ausgeführte Reparaturen werden regelmäßig genügen. Ein Riß im Mantel berechtigt also keineswegs zum Verlangen nach einem ganz neuen Kleidungsstück, einwandsfreie Ausbesserung reicht aus. Ebenso ist es bei Mangel an echtem Rohmaterial ausreichend, wenn einigermaßen gleichwertige E r s a t z s t o f f e verwendet werden.

Von der Gegenseite her kann der S c h u l d n e r einwenden, daß das gelieferte Neue mehr wert sei als das schon abgenutzt gewesene „Alt", daß i h m deshalb ein A u s g l e i c h i n G e l d zuzubilligen sei. Übergang in die sog. compensatio lucri cum damno (unten IVb): Der Geschädigte macht mit dem „Neu" gleichzeitig einen G e w i n n . ' b) D u r c h s c h n i t t s m a ß s t ä b e o d e r s u b j e k t i v e I n t e r e s s e n l a g e ? Hier der Geldersatz im Vordergrund. Soll der „Schaden" nach einem objektiven Durchschnitt berechnet werden oder nach den s u b j e k t i v e n V e r h ä l t n i s s e n d e s G e s c h ä d i g t e n ? Grundsätzlich ist im letzteren Sinne zu entscheiden, also S c h a d e n s e r s a t z , nicht W e r t e r s a t z . Eine gewisse Stütze findet diese subjektive Berechnung durch die gesetzliche Regelung des entgangenen Gewinns im § 252 (darüber sogleich c). Doch gibt es A u s n a h m e n , insbesondere für gewisse Zwecke des H a n d e l s v e r k e h r s . Z. B. braucht der Frachtführer, der an sich für gänzlichen oder teilweisen Verlust des Gutes Ersatz leisten muß, nur den „ g e m e i n e n H a n d e l s w e r t " zu ersetzen (HGB. § 430).

c) E n t g a n g e n e r G e w i n n . Dies die Spitze der Schadensberechnung. Noch heute ist bei den Juristen in der ganzen Welt geläufig die aus dem römischen Recht abgeleitete Gegenüberstellung von d a m n u m e m e r g e n s und l u c r u m c e s s a n s , von schon vollzogener „E i n b u ß e" und erwartetem „Gewinn". Sprichwortartig kann man sagen: damnum emergens hat den Geschädigten ä r m e r gemacht, lucrum cessans hat verhindert, daß er r e i c h e r wurde. Damnum emergens sind z. B. die Kosten für Telegramme, die der vom Lieferanten im Stich Gelassene hat aufwenden müssen; lucrum cessans das Plus, das er beim Weiterverkauf gemacht hätte.

F ü r die Berechnung des „ e n t g a n g e n e n G e w i n n s " hat der Gesetzgeber (§ 252 S. 2) eine gute Formel aufgestellt: „Als entgangen gilt der Gewinn, der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte." Objektiver und subjektiver Maßstab sind hier miteinander verbunden, und die Abstellung auf die bloße Wahrscheinlichkeit erinnert an die Theorie vom a d ä q u a t e n K a u s a l z u s a m m e n h a n g (oben § 13111b) und ist gewissermaßen deren Fortsetzung in die Schadensberechnung hinein.

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§ 14 Hid. Positives und negatives Vertragsinteresse.

d) P o s i t i v e s u n d n e g a t i v e s Vertragsinteresse. Dies ist ein wichtiges Gegensatzpaar, das der Gesetzgeber f ü r die Fälle der U n g ü l t i g k e i t v o n R e c h t s g e s c h ä f t e n , namentlich wegen Irrtumsanfechtung (§ 119) und anfänglicher Unmöglichkeit (§ 306; unten § 20 Ic) aufgestellt hat. Dogmatisch fein ausgeschliffen. Die Sprache des Gesetzes schwer verständlich. Das n e g a t i v e Vertragsinteresse (auch „Vertrauensinteresse" genannt) wird mit den Worten ausgedrückt: Schaden, „den der andere Teil dadurch erleidet, daß er auf die Gültigkeit des Vertrages vertraut"; das p o s i t i v e Vertragsinteresse (auch „Erfüllungsinteresse" genannt), ist im Gesetz als „das Interesse, das der andere Teil an der G ü l t i g k e i t des Vertrages hat", präzisiert (vgl. §§ 122, 307). Verständlicher in zwei sehr vulqäre Ausrufe umgeformt: „Oh, wäre ich doch n i c h t auf die Erklärungen des anderen hereingefallen" (negativ), und: „Ach, wenn doch das Geschäft g ü l t i g wäre" (positiv). — Formulierungen des RG.: Ermittelung des Schadens in der Weise, „dali an die Stelle des geschlossenen Vertrages ein anderer gedacht wird" (Bd. 103 S. 159) für das n e g a t i v e Interesse; Ausgangspunkt von der „Vermögenslage, in der der Käufer sein würde, wenn der Verkäufer richtig geliefert hätte" (Bd. 91 S. 33) für das p o s i t i v e Interesse.

Dieses Gegensatzpaar ist keineswegs gleichzusetzen m i t dem Gegensatz unter c), „Einbuße" und „entgangener Gewinn", man verweist es besser zu den besonderen Tatbeständen (also insbesondere § 122) und läßt es bei der hier behandelten allgemeinen Dogmatik des Schadensersatzrechts beiseite. e) E i n b e z i e h u n g v o n f r e m d e m I n t e r e s s e . Grundsätzlich darf der Geschädigte n u r s e i n e i g e n e s , n i c h t a u c h f r e m d e s I n t e r e s s e in Rechnung stellen. Das fällt wirtschaftlich oft schwer ins Gewicht, weil etwa der Leistungsgegenstand gar nicht f ü r den bestimmt war, der juristisch als der Geschädigte auftreten muß, sondern f ü r eine andere, hinter ihm stehende Person. Der Druck der wirtschaftlichen Bedürfnisse macht deshalb auch A u s n a h m e n von dem Grundsatz nötig. Die Lage verwickelt sich, wenn d e r E r s a t z b e r e c h t i g t e s e i n e r s e i t s einem Dritten ersatzpflichtig ist. Ein überaus häufiger Fall, namentlich in der Art, daß der Käufer inzwischen schon weiter verkauft hat. Läßt ihn jetzt der eigene Lieferant im Stich, so braucht er sich nicht auf den (geringen) Wert verweisen zu lassen, den die Ware bei Verwendung in seiner eigenen Hand gehabt hätte; sein Schaden ist vielmehr identisch mit der Ersatzsumme, die er etwa selbst an seinen Abnehmer zu entrichten hat, so daß also des Letzteren Zwecke in der Schadensberechnung mit zum Ausdruck kommen.

f) Als Z e i t p u n k t f ü r die Berechnung wird man grundsätzlich den Z e i t p u n k t d e r A b r e c h n u n g s e l b s t einsetzen müssen,

,§ 14IVa. Mitverschulden des Geschädigten.

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also im Fall des Prozesses den Zeitpunkt des Urteils. Doch ist hier dem richterlichen Ermessen — in Gestalt der A b w ä g u n g d e r b e i d e r s e i t i g e n I n t e r e s s e n — ein gewisser Spielraum einzuräumen. Der Gefahr einer S p e k u l a t i o n (Abwarten weiterer Preissteigerung) seitens des Geschädigten auf Kosten des Ersatzpflichtigen wird der Richter entgegentreten müssen. Übrigens gilt der Grundsatz auch zugunsten des Ersatzpflichtigen, z. B. dann, wenn der Schaden inzwischen nachwirkungslos ausgeglichen ist.

IV. D i e s o g . M i n d e r u n g s p o s t e n . a) Elementare Bedeutung hat das M i t v e r s c h u l d e n d e s G e s c h ä d i g t e n (culpa concurrens). Sowohl nach der juristischen Dogmatik, die vom Verschulden ausgeht (oben § 13 IV) wie nach dem Volksempfinden ist es eine Selbstverständlichkeit, daß dem Geschädigten, wenn auch er mit s c h u l d ist an dem Schaden, dies „angerechnet" werden muß. Trotzdem stand die Dogmatik des gemeinen Rechts dem f r e m d gegenüber. Nicht so das BGB. Sein § 254 ist seinerzeit sehr beachtet worden, als eine gewichtige Neuerung gegenüber der Pandektendogmatik. 1. Ü b e r b l i c k . Das alltägliche Leben bringt die lebendigsten Beispiele hervor. Wenn ein Radfahrer einen Spaziergänger umfährt, so pflegt zunächst jeder von beiden Teilen dem anderen die „Schuld" zuzuschieben. Da eben ist es dann A u f g a b e d e s R i c h t e r s , durch Beweiserhebung und Abwägung der bewiesenen Tatsachen das Richtige herauszustellen. Ergibt die Beweiserhebung, daß die ganze Schuld n u r auf der e i n e n Seite gelegen hat, so liegt nichts besonderes vor; war der Verklagte ganz schuld, so wird er voll verurteilt; war der Kläger ganz schuld, so wird er voll abgewiesen. Aber oft zeigt sich, daß wirklich alle beide s c h u l d an dem Schaden sind, wenn auch vielleicht die Schuld des einen höher wiegt als die des anderen. Dann nun setzt d i e s e g e n s r e i c h e R e g e l d e s § 2 5 4 .ein. 2. Die juristische Durcharbeitung der Lage fördert d r e i T a t b e s t ä n d e zutage: a) der Beschädigte h a t u n m i t t e l b a r m i t g e w i r k t bei der Entstehung des Schadens (sog. Kulpakompensation). — b) Er hat es versäumt, den anderen „ a u f d i e G e f a h r eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam z u m a c h e n". — c) Er hat er unterlassen, durch geeignete, ihm zuzumutende Gegenmaßregeln „ d e n S c h a d e n abzuwenden o d e r zu m i n d e r n " .

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§ 14 IVb. Schadensersatz, Vorteilsausgleich. Kritischer Fall zu c), viel in der Öffentlichkeit, vor allem in Ärztekreisen besprochen: Der körperlich von einem anderen Verletzte könnte durch eine O p e r a t i o n geheilt oder mindestens erheblich gebessert werden. Er lehnt ab, aus Angst oder aus als prinzipieller Gegner von Operationen. Kann ihm dann zuqemutet werden, daß er sich doch operieren läßt? Das R e i c h s g e r i c h t anfänglich ablehnend, später jedoch u n t e r g e w i s s e n U m s t ä n d e n dem Verletzten die Operation zumutend (Bd. 129 S. 399; 139 S. 133). Bei Weigerung dann V e r l u s t d e s Schadensersatzanspruchs.

3. M i t v e r u r s a c h u n g . Es hat sich als notwendig erwiesen, bei dieser „ B e r e c h n u n g " n a c h b e i d e n S e i t e n neben dem Verschulden doch auch die b l o ß e V e r u r s a c h u n g zu berücksichtigen (vgl. dazu oben § 13 IV). Deshalb endet § 2541 mit den Worten „inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil v e r u r s a c h t worden ist-'. So tritt also neben die c u l p a c o n c u r r e n s auch die c a u s a c o n c u r r e n s . — Drei Tatbestände haben dazu Veranlassung gegeben. — U n z u r e c h n u n g s f ä h i g k e i t d e s B e s c h ä d i g t e n (Kinder, Geistesgestörte). Von Mit v e r s c h u l d e n kann hier nicht geredet werden. Aber an der Verursachung kann der Geistesgestörte oder das Kind sehr wohl beteiligt gewesen sein. —• Umgekehrt kann auf Seiten des Schadensersatzpflichtigen die Schuld fehlen; so bei der G e f ä h r d u n g s h a f t u n g (oben § 13 V). Er haftet etwa für sein Tier (§ 833 Satz 1), aber der Geschädigte hat das Tier gereizt, bei ihm liegt also Verschulden vor. — Auf beiden Seiten kann die H a f t u n g f ü r H i l f s p e r s o n e n , insbesondere für „Erfüllungsgehilfen" in Frage kommen (§§278,831; unten §19IV); jedenfalls ist dann kein e i g e n e s Verschulden gegeben.

b) D e r V o r t e i l s a u s g l e i c h ( c o m p e n s a t i o l u c r i c u m d a m n o ) . Von einem Schaden kann, rechnerisch genau genommen, gar nicht geredet werden, wenn das entstandene Minus durch ein entsprechendes Plus wettgemacht oder sogar überboten wird. In der Tat zeigt das Leben, daß nicht selten ein S c h a d e n von einem gleichzeitig hervortretenden V o r t e i l begleitet wird. Muß sich dann der Geschädigte diesen Vorteil anrechnen lassen? Das B G B . schweigt. Das Rechtsgefühl spricht bei der bloßen Betrachtung des abstrakten r e c h n e r i s c h e n Bildes sofort für Bejahung. Aber die Bilder des wirklichen Lebens machen einen ganz anderen und sehr verschiedenen Eindruck. So herrscht viel M e i n u n g s s t r e i t über dieses Problem der compensatio lucri cum damno. — Beispiele: 1. B r a n d s t i f t u n g . Der Geschädigte ist i n v o l l e r H ö h e v e r s i c h e r t . Kann der Brandstifter ihm entgegenhalten, er habe zwar Schaden in Höhe des Hauswertes erlitten (damnum), aber zugleich denselben Wert in Gestalt der Versicherungssumme herausbekommen (lucrum)? Unbedingt abzulehnen. Moralische Rechtfertigung: Die Haftung

§il4IVc. Abtretung von Ersatzansprüchen.

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des Brandstifters darf nicht auf den Zufall der Versicherung oder Nichtversicherung gestellt werden. Wirtschaftliche Rechtfertigung: Den Versicherungsanspruch hat sich der Hausbesitzer durch sein eigenes wirtschaftliches Verhalten, insbesondere durch das Zahlen der Prämien, erworben. 2. Ein Feinkosthändler wird von seinem Lieferanten im Stich gelassen. Er schließt einen D e c k u n g s k a u f . Der Zufall will es, daß die Preise inzwischen gesunken sind, oder daß er aus sonst einem Grund d i e W a r e n b i l l i g e r b e k o m m t . Möglicherweise hat er bei der Abwicklung wirklich einen Schaden erlitten, er hat z. B. mehrere Boten oder Agenten bezahlen müssen. Aber die Verbilligunq überschreitet diese Ausgaben. Hier weist das Rechtsgefühl deutlich auf Kompensation (keinesfalls aber braucht der Käufer den nach Abzug der Ausgaben etwa noch verbleibenden Überschuß des Verbilligungsgewinns herauszugeben]. Eine sichere dogmatische F o r m e l f ü r die v i e l e n scharf an der Grenze l i e g e n d e n F ä l l e ist bisher nicht g e f u n d e n worden. A n l e h n u n g an die s c h m i e g s a m e Idee der a d ä q u a t e n V e r u r s a c h u n g (oben § 13 Illb) liegt n a h e u n d w i r d v i e l empfohlen. D a s w ü r d e e t w a bedeuten, daß der Ersatz b e r e c h t i g t e sich A n r e c h n u n g aller d e r j e n i g e n Vorteile g e f a l l e n lassen muß, die m i t der Tat des Ersatzp f l i c h t i g e n in e i n e m „natürlichen", „gewöhnlichen", „der Natur der S a c h e entsprechenden" Z u s a m m e n h a n g stehen. c) D i e A b t r e t u n g v o n E r s a t z a n s p r ü c h e n . § 255 bestimmt: „Wer für den Verlust einer Sache oder e i n e R e c h t e s Ersatz zu leisten hat, ist z u m E r s a t z n u r g e g e n A b t r e t u n g d e r A n s p r ü c h e v e r p f l i c h t e t , die d e m Ersatzberechtigten auf Grund des E i g e n t u m s an der S a c h e oder auf Grund des Rechts g e g e n Dritte zustehen." Wiederum spricht das primäre G e f ü h l sofort f ü r diesen Rechtssatz. A b e r auch h i e r ist scharfes A u f m e r k e n auf die G r e n z e nötig. M e i n W ä c h t e r h a t n i c h t a u f g e p a ß t , er haftet mir wegen des Einbruchsdiebstahls. Aber neben meinem Schadensersatzanspruch gegen den Wächter habe ich g l e i c h z e i t i g g e g e n d e n D i e b den Anspruch aus § 985 auf Herausgabe und, falls er die Sache z. B. beschädigt hat, auch den Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 (vgl. § 992) bekommen. Der Wächter kann dann von mir, indem er zunächst selbst für den Schaden aufkommt, Abtretung aller Rechte gegen den entschwundenen, aber später vielleicht wieder auftauchenden Dieb verlangen. N i c h t a b e r kann umgekehrt der Dieb Abtretung des Anspruchs gegen den Wächter fordern. Denn dieser Anspruch beruht n i c h t auf dem Grund des Eigentums (vgl. Wortlaut des § 255), sondern auf dem Grund e i n e s b e s o n d e r e n V e r t r a g e s , den der Gläubiger mit dem Wächter geschlossen hat. Unter gleichem Gesichtspunkt scheiden auch die Ansprüche kraft Versicherungsvertrages (oben b 1) aus, während umgekehrt die Versicherungsgesellschaft ihre Hand auf die An* Sprüche des Versicherten gegen den Brandstifter legen darf.

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§ 14 V. Ersatzanspruch im Prozeß.

V. D i e p r o z e s s u a l e G e l t e n d m a c h u n g v o n E r s a t z a n s p r ü c h e n . Alle vorhergehenden Abschnitte zeigen zusammengenommen, welche große V e r a n t w o r t u n g dem R i c h t e r auf dem Gebiete des Schadensersatzes zufällt. Es gilt hier wahrhaftig d i e W a g e zu h a l t e n , wie sie seit Jahrhunderten der Göttin Justitia als Symbol in die richtende Hand gegeben wird. Das gilt nicht nur von der Grundfrage, ob eine „Vertragsverletzung" oder eine „unerlaubte Handlung" oder eine haftbarmachende „Gefährdung" vorliegt, sondern ebenso von dem Abwägen der „Schuld" und der „Verursachung", vom „Kausalzusammenhang", zumal in seiner „adäquaten" Prägung, von der Einschätzung einer „ideellen" Schädigung, und vor allem auch von dem, was im Vorhergehenden als Berechnung des Schadens bezeichnet worden ist. Das G e s e t z , und zwar in diesem Fall die Zivilprozeßordnung (ZPO. § 287), hat darum den Richter im Schadensersatzprozeß zu b e s o n d e r s f r e i e r B e w e i s w ü r d i g u n g ermächtigt. Das Gericht soll „unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung entscheiden". Interessanter Fall: Urt. RG. Bd. 155 S. 37ff. In der Praxis der Gerichte hat sich, durch den Wortlaut des § 287 nicht mitgedeckt, eine weitere Auflockerung, nämlich i n d e r R i c h t u n g d e r T ä t e r s c h a f t , eingebürgert. Die Gerichte begnügen sich hier mit einem P r i m a - f a c i e - B e w e i s j d. h. der an sich mit dem Beweis belastete Kläger braucht keine absolute Sicherheit des Geschehens nachzuweisen, e s genügt, wenn er so viel dargetan hat, daß n a c h d e m g e w ö h n l i c h e n L a u f d e r D i n g e der Beklagte als Täter erscheint. Diesem bleibt es dann überlassen, sich durch den Nachweis besonderer Umstände von dem gegen ihn sprechenden „Schein" zu befreien.

V. Abschnitt: Vollzug der Leistung. Zurückbehaltung. Rücktritt. Drei Dinge werden in diesem Abschnitt behandelt. Sie gehören zusammen wie ein J a und Nein. Mit manchen anderen Erscheinungen des allgemeinen Schuldrechts sind sie verflochten, z. B. mit der „Erfüllung", die der Hauptfall des Leistungsvollzuges ist (unten § 24) oder mit der „Einrede des nichterfüllten Vertrags", die dicht neben dem Zurückbehaltungsrecht steht (oben § 11 IIa). — Im übrigen hängt die Durchführung der „Leistung" naturgemäß vom Inhalt der L e i s t u n g s p f l i c h t ab. Es kann sogar ein bloßes U n t e r l a s s e n Inhalt der Leistungspflicht sein (§ 241 S. 2). Der „Vollzug" der Leistung ist dann entsprechend passiv: Nicht tun, was unterbleiben soll.

§ 15 I. Ort und Zeit der Leistung

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§ 15. Leistungsvollzug I. O r t u n d Z e i t d e r L e i s t u n g (§§269—272). a) Die Bindung des Leistungsvorgangs a n e i n e n b e s t i m m t e n O r t bringt Straffheit in den Verkehr. Jeder Teil weiß jetzt, wo die Erfüllung sich abzuspielen hat, und braucht nicht darauf einzugehen, wenn der Gegner einen anderen Ort d a f ü r aussucht: Nur das Leisten an dem vorgeschriebenen Ort ist rechtsgültige „Erfüllung". 1. Doch herrscht B e w e g u n g s f r e i h e i t . D i e P a r t e i e n können sich selber den m a ß g e b e n d e n Ort wählen. Einseitige Bestimmung ist dagegen nicht bindend, z. B. das beliebte Beilegen von Rechnungen mit dem Aufdruck „Erfüllungsort f ü r alle Rechtsstreitigkeiten Berlin" oder dgl. 2. D a s G e s e t z greift ergänzend ein, indem es beim Fehlen einer Parteiabrede den W o h n s i t z d e s S c h u l d n e r s zum Erfüllungsort erklärt (§ 269; vgl. bereits die Bedeutung dessen bei der Währungsreform, oben § 81). Natürlich nötigt das wiederum zur Auflösung des Schuldverhältnisses in seine E i n z e l b e z i e h u n g e n (darüber oben §4111). Freilich wird oft genug der Parteiwille dahin gehen, daß f ü r alle Leistungen derselbe Ort als Erfüllungsort gelten soll. Sehr kritisch ist die Fixierung des Erfüllungsortes bei der S i t z V e r l e g u n g v o n d e r O s t z o n e n a c h d e r W e s t z o n e geworden. Viele große und kleine Firmen haben sich in den letzten Jahren vom Osten nach dem Westen verlagert (vereinzelt auch umgekehrt). Wie steht'es nun, wenn ein Ort im Osten, z.B. Leipzig als Erfüllungsort vereinbart war? Bleibt dann Leipzig Erfüllungsort? Auch prozessual wichtig, weil dann in Leipzig geklagt werden müßte („Gerichtsstand", § 29 ZPO.). OLG. Düsseldorf Urt. v. 18. 7. 47 (Dt. Rechts-Zeitschrift 1948 S. 308) verneint: Keine der beiden Parteien kann sich noch auf den vereinbarten Gerichtsstand berufen, „da die Vertragsgrundlage für diese Vereinbarung fortgefallen ist". — Über das wichtige Thema des „Wegfalls der Geschäftsgrundlage" im allgemeinen unten § 17 V.

3. Vom „Erfüllungsort" ist der A b l i e f e r u n g s o r t zu unterscheiden. Die Gesetzessprache zwingt zu dieser Zwiespältigkeit. Vor allem die Sonderregeln f ü r den K a u f . Wenn nämlich der Käufer sich die Ware nach auswärts schicken läßt, so verschiebt das nach dem gesetzlichen Gedankengang keineswegs den „Erfüllungsort". Vielmehr soll dann die Erfüllung schon damit vollzogen sein, daß die Ware am schuldnerischen Wohnsitz in Bewegung gesetzt wird. Von da an trägt der Käufer die G e f a h r (§ 447, vgl. schon oben §7111)! 6

H e d e m a n n , Schuldrecht, 3. Aufl.

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§ 15 Ib. Erfüllungszeit, Fixgeschäfte Nach all dem pflegt man zu unterscheiden: — H o l s c h u l d e n , vom Gesetz als Normalfall gedacht: Erfüllungsort der Wohnsitz des Schuldners. Dort muß der Gläubiger die Ware „holen". — B r i n g s c h u l d e n : Der Wohnsitz des Gläubigers wird durch Parteiabrede zum Erfüllungsort gemacht. — S c h i c k s c h u l d e n : „Erfüllungsort" bleibt der schuldnerische Wohnsitz, aber der Schuldner „übernimmt" das Versenden. Der Ort, wohin versandt wird, ist dann der „Ablieferungsort". •— Bei G e l d s c h u l d e n Sonderregel des § 270; über die Spannungen, die dabei hervorgetreten sind, vgl. bereits oben § 8 Illb.

b) E r f ü l l u n g s z e i t . Viele Geschäfte werden sofort bei Abschluß beiderseits vollzogen, wie der Kauf im Ladengeschäft, der Vertrag mit dem Friseur in seinem Geschäftsraum. Da spielt die „Erfüllungszeit" praktisch keine Rolle. Aber bei Tausenden von Geschäften soll einerseits oder vielleicht beiderseits erst später geleistet werden. Wann soll das dann geschehen? Streitigkeiten darüber sind keine Seltenheit. 1. Das Gesetz hat a l s R e g e l d i e s o f o r t i g e L e i s t u n g festgelegt (§ 271), also z. B. auch dann, wenn der Kunde beim Kauf im Laden geglaubt hat, seine Schuld auf Rechnung stehen lassen zu können. Eine Abweichung von dem Grundsatz muß auf b a r u n g oder ergänzend auf V e r k e h r s s i t t e b r a u c h gestützt werden.

Parteivereinund H a n d e l s -

2. F i x g e s c h ä f t e . Die Parteien können die Bindung an einen Zeitpunkt stärker oder schwächer betonen. Bei besonders starker Betonung, wenn die Leistung „genau" zu einer festbestimmten Zeit bewirkt werden soll, redet man von „ F i x g e s c h ä f t e n " , und das Gesetz gibt in solchen Fällen bei Unpünktlichkeit dem anderen Teil n e b e n d e n V e r z u g s m a ß r e g e l n noch ein besonderes „Rücktrittsrecht" (§361; nachfolgend § 17 IVb). 3. V o r l e i s t u n g s p f l i c h t . Wenn Leistung „ Z u g u m Z u g " vereinbart ist, oder als vereinbart gilt (vgl. oben § 11 IIb), leisten beide Teile im gleichen Augenblick. Oft genug aber wird vereinbart oder ergibt sich aus den Umständen, daß der eine sofort, der andere erst später zu leisten hat. Davon und von dem Recht des Vorleistungspflichtigen, bei Gefährdung doch das Vor-Leisten zu verweigern, ist schon oben § 11 III berichtet worden. 4. M o r a t o r i e n . Dies ein Einbruch in die zeitliche Gebundenheit der Leistungspflicht: Dem S c h u l d n e r wird e i n e F r i s t b e w i l l i g t , sei es durch den R i c h t e r im konkreten Fall, sei es-

§1511.

Teilleistungen

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durch ein N o t g e s e t z in bedrängten Zeiten f ü r ganze Schichten von Schuldnern. Dem B G B . unbekannt. Starke Anwendung in den beiden Weltkriegen und den anschließenden Notzeiten. Heute wichtige Rolle im Zusammenhang mit der r i c h t e r l i c h e n V e r t r a g s h i l f e (oben § 2 Ic). — Die Moratorien ( S t u n d u n g e n ) haben auch eine Rolle bei der N e u o r d n u n g d e r W ä h r u n g (oben § 8 I) gespielt, jedoch nur für kurze Übergangszeiten.

5. Eine Sprengung trägt in die Gebundenheit an eine Leistungszeit auch das Z u r ü c k b e h a l t u n g s r e c h t hinein; nachfolgend §16.

II. T e i l l e i s t u n g e n sind oft planmäßig verabredet, so z.B. auf der Käuferseite R a t e n z a h l u n g , auf der Verkäuferseite sog. S u k z e s s i v l e i s t u n g e n . Aber das muß vereinbart sein. Einseitig ist der Schuldner „ n i c h t zu Teilleistungen berechtigt" (§ 266). Juristisch-konstruktive Folge: D e r G l ä u b i g e r , der die Annahme einer solchen bloßen Teilleistung verweigert, kommt nicht in „Annahmeverzug" (unten § 23). Über die Sukzessivlieferungsverträge unten § 21 V. Besonders markanter Fall von Teilleistungen auf der Käuferseite: die bei gewissen Waren stark verbreiteten A b z a h l u n g s g e s c h ä f t e .

III. L e i s t u n g d u r c h D r i t t e (§ 267f.). a) G r u n d s a t z . Seinem Grundcharakter nach ist das Schuldverhältnis auf das persönliche Gegenüber zweier bestimmter Personen abgestellt: Der S c h u l d n e r , der G l ä u b i g e r . Einspringen eines D r i t t e n ist eine Ausnahme, z. T. in typischen Figuren wie der Bürgschaft niedergelegt (schon oben § 3 I), z. T. aus der Lage des konkreten Falles sich entwickelnd. Das B G B . hat jedoch als klaren Grundsatz die Z u l ä s s i g k e i t eines solchen Einspringens herausgestellt. Es kann auch ein Dritter „leisten", und seine Leistung ist dann genau so „Erfüllung" und wirkt genau so b e f r e i e n d f ü r den Schuldner, als wenn dieser selbst geleistet hätte (§ 267); sogar ein etwaiger Widerspruch des Schuldners hält das gültige „Leisten" nicht auf (vgl. jedoch unten b 2). Interessanter Sonderfall im § 268: Ein Gläubiger greift im W e g e der Z w a n g s v o l l s t r e c k u n g auf das Vermögen des Schuldners. Ein anderer Gläubiger, der etwa h i n t e r dem ersten rangiert (Rang der Hypotheken bei einem Grundstück), muß befürchten, daß er nichts oder zu wenig bekommt. Er hofft auf „Gesundung" des Schuldners und will warten. Dann kann er den Schuldner gegenüber dem e r s t e n Gläubiger „auslösen" und rückt dann an dessen Platz, bekommt also zu seinem bisherigen Gläubigerrecht noch das des ersten Gläubigers hinzu. 6»

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§ 16. Zurückbehaltungsrecht

b) E i n s c h r ä n k u n g e n d e s G r u n d s a t z e s . 1. Wenn es sich um eine h ö c h s t p e r s ö n l i c h e L e i s t u n g handelt, wie z. B. beim Dienstvertrag. Hier hat man sich seinen Partner ausgesucht, es kann kein anderer als Platzhalter einspringen (§ 613; vgl. auch 664, 691, 713). 2. Wenn d e r S c h u l d n e r w i d e r s p r i c h t (etwa ehrenhalber), so ist die Entscheidung in die Hand des Gläubigers gelegt; e r braucht dann nicht, er kann aber ablehnen (§ 267 II). 3. Mindestens kann der Gläubiger u n m i t t e l b a r e „Erfüllung" erwarten, wenn sich ein Dritter einmengen will: Der „Dritte" muß also in bar zahlen und darf beispielsweise nicht mit einer i h m gegen den Gläubiger zustehenden Forderung hervortreten, um den eigentlichen Schuldner durch A u f r e c h n u n g (über diese unten § 26) auszulösen. Abweichung in dem unter a) behandelten Fall des § 268, weil hier der Dritte ein R e c h t zum Einspringen hat.

§ 16. Das Zurückbehaltungsrecht I. G r u n d s a t z d e r K o n n e x i t ä t . Das Zurückbehaltungsrecht, auch R e t e n t e n t i o n s r e c h t genannt, beruht auf der Vorstellung, daß, wer selber etwas fordern kann, d i e i h m v o m Gegner abgeforderte Leistung zurückbehalten d a r f , bis auch er, im gleichen Augenblick oder schon vorher, befriedigt wird. Der Gesetzgeber hat ein solches Recht a n e r k a n n t (BGB. 273; dazu ausführliche Sonderregelung für das k a u f m ä n n i s c h e Zurückbehaltungsrecht im HGB. §§ 369ff.). Indessen ist dieses Gegenrecht doch nicht in jedem Fall, wo zwei Forderungen rein äußerlich sich gegenüberstehen, gegeben. Vielmehr hat der Gesetzgeber einen gewissen Z u s a m m e n h a n g d e r b e i d e n F o r d e r u n g e n zur Voraussetzung gemacht (sog. K o n n e x i t ä t ) . Beispiel: Bauer A hat dem Händler B eine Kuh verkauft und früher einmal 500 RM geborgt. Verklagt er jetzt den Händler auf Rückzahlung des Darlehns, kann dieser nicht etwa sich damit verteidigen, daß ihm die Kuh noch nicht geliefert sei. Dafür muß er notfalls seinerseits einen Prozeß auf Lieferung der Kuh anstrengen, in dem nun umgekehrt der Bauer ihm nicht mit seiner Darlehnsforderung aufwarten darf.

II. U n t e r s c h e i d u n g v o n a n d e r e n H i l f s m i t t e l n d e s Schuldners. a) Das Zurückbehaltungsrecht erinnert an die „ E i n r e d e d e s n i c h t e r f ü l l t e n V e r t r a g e s (oben § l l l l a ) . Der Unterschied liegt darin, daß bei der exceptio non impleti contractus v o n v o r n -

§ 16 III. Zurückbehaltunsgrecht, Konnexität

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h e r e i n ein organischer Zusammenhang der beiden Leistungen (das Synallagma) gegeben ist, hier nicht. b) D i e A u f r e c h n u n g beruht ebenfalls auf dem Gegenüber zweier Forderungen. Unterschied: bei ihr werden die Forderungen ganz a u f g e z e h r t , während ihre E x i s t e n z beim Zurückbehaltungsrecht unberührt bleibt. Die Aufrechnung gehört ihrem Wesen nach zum E r l ö s c h e n (unten § 26). III. N ä h e r e R e g e l u n g d e r K o n n e x i t ä t . Der Gesetzgeber hat z w e i T a t b e s t ä n d e aufgestellt, von denen der zweite enger begrenzt ist und sinnfällig wirkt, während der erste (absieht-, lieh) sehr dehnbar gehalten ist und zu viel Streit Anlaß gegeben hat. a) Die beiden Leistungen beruhen „ a u f d e m s e l b e n r e c h t l i c h e n V e r h ä l t n i s " (§ 2731). Nicht erfordert: Dasselbe „S c h u 1 d Verhältnis"-, denn dann würde meistens schon „Gegenseitigkeit" gegeben und mit der exceptio non impleti contractu« (vorstehend II a) zu helfen sein. Nicht erfordert ferner: Dasselbe „ R e c h t s Verhältnis"; denn auch das wäre zu eng. Sondern dasselbe „rechtliche Verhältnis". Aber auch das hat sich als noch nicht weit genug erwiesen. Die Praxis der Gerichte (viele Beispiele in den Kommentaren zu § 273) haben deshalb die W o r t e des Gesetzes in „ e i n h e i t l i c h e s Lebensverhältnis", in einen „natürlichen, wirtschaftlichen Zusammenhang" (RGZ. 72 S. 103; Urt. v. 23. 10.09) umgedeutet.

b) Der Schuldner, der einen Gegenstand herauszugeben hat, hat auf eben diesen Gegenstand V e r w e n d u n g e n gemacht. Dann kann er bis zu deren Deckung die Auslieferung verweigern (§ 273 II). Beispiel: Ein Pferd verkauft, die Gefahr nach Lage des Falles schon auf den Käufer übergegangen, das Pferd aber noch in der Obhut des Verkäufers. Es wird krank. Der Verkäufer holt und bezahlt den Tierarzt. Er ist dabei negotiorum gestor und hat Anspruch auf Ersatz seiner Auslagen (§ 683). Dieser Ersatzanspruch stützt sich also nicht mehr auf das Kaufverhältnis, sondern auf einen ganz anderen Schuldgrund. Trotzdem hat der Verkäufer bis zur Bezahlung seiner Auslagen ein Zurückbehaltungsrecht am Pferd.

IV. G e l t e n d m a c h u n g des Zurückbehaltungsr e c h t s ist im entscheidenden Punkte der exceptio non impleti des gegenseitigen Vertrages angeglichen: Die Klage wird nicht abgewiesen, sondern es erfolgt nur V e r u r t e i l u n g Z u g u m Z u g , und entsprechend ist die Zwangsvollstreckung gestellt (§ 274). Kritischer Fall: Kann e i n e v e r j ä h r t e F o r d e r u n g als Gegenstück ausgespielt werden, um eine geschuldete und ihrerseits noch n i c h t v e r j ä h r t e Leistung zurückzubehalten? Die Meinungen sind geteilt. Der Grundgedanke der Verjährung, daß der Schuldner Ruhe haben soll, und daß deshalb eine K l a g e gegen ihn abgewiesen werden würde, spricht für V e r s a g u n g des Zurückbehaltungsrechts.

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§ 17 I. Grundsatz der Vertragstreue U m s t r i t t e n a u c h Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts gegenüber einer vom Gesetzgeber (aus sozialen Gründen) für u n p f ä n d b a r erklärten Forderung, z. B. Lohnforderungen der Arbeiter. Der Arbeiter soll seine Existenzbasis in jedem Fall behalten. Darum darf ihm sein etwaiger Gläubiger den Lohnanspruch gegen den Arbeitgeber n i c h t w e g p f ä n d e n (besondere Lohnpfändungs-V. v. 1940; Rückgriff auf ZPO. §§ 850 b ff.). Schritt weiter: Auch der Arbeitgeber darf nicht mit einer etwaigen Gegenforderung gegen den Arbeiter, etwa wegen fahrlässiger Beschädigung einer Maschine a u f r e c h n e n (BGB. § 394). Noch ein Schritt weiter: Der Gegenüberstehende soll auch k e i n Z u r ü c k b e h a l t u n g s r e c h t gegenüber dem Arbeiter haben, damit eben der Lohnanspruch als Existenzbasis flüssig bleibt. Das BGB. schweigt. Das RG. hat in einer berühmten Entscheidung von 1914 (Bd. 85 S. 108ff) in der Tat dem Arbeitgeber das Zurückbehaltungsrecht versagt, also den Grundsatz des Aufrechnungsrechts in die Lehre vom Zurückbehaltungsrecht hinübergenommen. Dem dürfte beizutreten sein. Aber Gegenstimmen; b i s h e u t e S t r e i t . Und wieder Rückkehr zum Zurückbehaltungsrecht (und evtl. auch zur Aufrechnung) ist anzuerkennen, wenn z. B. der Arbeiter b ö s w i l l i g die Maschine unbrauchbar gemacht hat. Dann kann der Arbeitgeber mittels der allgemeinen „Einrede der Arglist" doch die Lohnzahlung zurückhalten. So auch RG. a. a. o. S. 117. § 17. Der Rücktritt v o m Vertrage

I. D e r G r u n d s a t z d e r V e r t r a g s t r e u e . V e r t r ä g e w e r d e n geschlossen, u m g e h a l t e n zu w e r d e n . P a c t a s u n t s e r v a n d a ! Das bedeutet, daß keiner der beiden Vertragsschließenden willkürlich' v o m V e r t r a g e z u r ü c k t r e t e n k a n n . Die Neigung dazu begegnet f r e i l i c h auf S c h r i t t u n d T r i t t . L e u t e , d e n e n d i e L u s t a n e i n e m V e r t r a g s v e r h ä l t n i s v e r g a n g e n ist, d i e sich v e r r e c h n e t h a b e n , d i e ü b e r v o r t e i l t z u s e i n g l a u b e n , d i e ein „ b i l l i g e r e s A n g e b o t " v o n a n d e r e r S e i t e b e k o m m e n , d i e sich „ w e g z u g s h a l b e r " d e n ü b e r n o m m e n e n V e r p f l i c h t u n g e n e n t z i e h e n w o l l e n , u n t e r l i e g e n alle d e r L o c k u n g , e s e i n s e i t i g m i t e i n e m „ R ü c k t r i t t " zu v e r s u c h e n . A b e r d i e R e c h t s o r d n u n g ist d a f ü r n i c h t z u h a b e n , s o n d e r n z w i n g t sie z u m V o l l z u g e d e r e i n m a l ü b e r n o m m e n e n Leistung. D e r R ü c k t r i t t b l e i b t eine Ausnahme. I n a n d e r e n Z u s a m m e n h ä n g e n und in anderer juristischer Form bieten sich einseitige Absagen reichlich an. So die K ü n d i g u n g von Verträgen, d i e A n f e c h t u n g w e g e n I r r t u m s (§ 119), die W a n d l u n g beim Kauf (letztere unter ausdrücklicher Anlehnung an die Vorschriften des Rücktrittsrechts geregelt (§ 467). II. V i e r R ü c k t r i t t s m ö g l i c h k e i t e n . W i e d e r u m zeigt sich die Mannigfaltigkeit der rechtlichen Erscheinungen. Es müssen eben doch g e g e n ü b e r e i n e m Grundsatz allerlei A u s n a h m e n zugestanden werden.

§ 17 II, III. Rücktritt vom Vertrage

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a) R ü c k t r i t t s k l a u s e l . Der verständlichste Weg. D i e P a r t e i e n h a b e n s e l b s t in ihrem Vertrag eine Rücktrittsmöglichkeit eingefügt, sei es f ü r beide (seltene Ausnahme), sei es nur f ü r den einen Teil (Rücktrittsklausel). Davon handelt der Abschnitt III in der Hauptsache. b) Die Parteien können sich auch h i n t e r h e r e i n i g e n , daß ihr Vertrag aufgehoben sein solle. Das ist dann ein neuer selbständiger Vertrag, ein W i e d e r a u f h e b u n g s v e r t r a g (contrarius consensus, mutuus dissensus). Die Selbständigkeit tritt scharf hervor: dieser zweite Vertrag ist allen Regeln vom Vertragsschluß und von den Willenserklärungen unterstellt. So ist er z. B., wenn ein Grundstück den Gegenstand bildet, an die Form des § 313 gebunden. So ist er selbständiger I r r t u m s a n f e c h t u n g zugänglich (dann lebt der alte Vertrag wieder auf). — Auslegungsfrage, inwieweit eine solche spätere Vereinbarung r ü c k w i r k e n d e K r a f t hat.

c) Für einige wichtige Tatbestände erschließt das G e s e t z einseitigen Rücktritt. So bei der U n m ö g l i c h k e i t der Leistung (unten § 20 II), beim V e r z u g des Schuldners (unten §21) und bei der sog. p o s i t i v e n V e r t r a g s v e r l e t z u n g (§22). d) Zwischen dem gesetzlich bereitgehaltenen und dem vertraglich verabredeten Rücktrittsrecht steht der sog. R ü c k t r i t t w e g e n v e r ä n d e r t e r U m s t ä n d e . Darüber nachfolgend V. III. D u r c h f ü h r u n g d e s R ü c k t r i t t s . Die Einzelheiten f ü r die Ausübung des Rücktrittsrechts hat der Gesetzgeber im Rahmen des vertraglich vereinbarten Rücktrittsrechts (oben a) geregelt, und zwar sehr sorgfältig und mit einem überdurchschnittlichen Paragraphenaufwand. Die so geschaffene Dogmatik wird dann aber auch beim gesetzlichen Rücktritt (vgl. namentlich § 327) und, wie schon erwähnt, bei der Wandlung verwertet. a) D i e G e l t e n d m a c h u n g d e s R ü c k t r i t t s r e c h t s erfolgt durch einseitige Erklärung des Rücktrittsberechtigten (§ 349). Sie ist u n w i d e r r u f l i c h und muß k l a r u n d e i n d e u t i g sein. Sie verträgt grundsätzlich nicht die Beigabe von Bedingungen; der Gegner muß wissen, woran er ist. Darum kann auch nicht, wenn an dem Rücktrittsrecht m e h r e r e b e t e i l i g t sind (sehr seltener Fall), der eine es ausüben, der andere nicht; dadurch würde die Lage unhaltbar verworren werden (§ 356). Das Schweben der Rücktrittsmöglichkeit über dem Vertrag macht die Lage f ü r den anderen Teil unsicher. Er kann dann dem Berechtigten e i n e F r i s t s e t z e n , nach deren Ablauf das Rücktrittsrecht erlischt (§ 355).

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§ 17 III. Rücktritt vom Vertrage

b) D i e W i r k u n g d e s R ü c k t r i t t s ist das E r l ö s c h e n des ganzen Schuldverhältnisses, nicht n u r einzelner Leistungspflichten. Dieses „Erlöschen" ist jedoch nicht so gestaltet, daß das alte Schuldverhältnis kurzerhand als nicht geschehen behandelt würde. Vielmehr hat der Gesetzgeber den gekünstelten konstruktiven Umweg gewählt, daß er e i n n e u e s S c h u l d v e r h ä l t n i s a u f R ü c k g e w ä h r entstehen läßt. Es entsteht also eine eigene Obligation auf Rückgewähr: „Die Parteien sind verflichtet, einander die empfangenen Leistungen zurückzugewähren." Und zwar Z u g u m Z u g , nach dein Vorbild des gegenseitigen Vertrages (Vgl. oben § 11 H b ) . Diese künstliche Konstruktion zwingt dazu, auch hier die scharfe Trennung zwischen s a c h e n r e c h t l i c h e m Vorgang und bloßer s c h u l d r e c h t l i c h e r Bindung (vgl. oben § 1 II a und b) anzuwenden. Meist wird z. B. bei einem schon vollzogenen Lieferungsvertrag d a s E i g e n t u m der Ware bereits auf den Besteller übergegangen sein. Macht nun der Lieferant das Rücktrittsrecht geltend, so fällt nicht etwa ohne weiteres das Eigentum an ihn zurück, sondern er bekommt nur den o b l i g a t o r i s c h e n A n s p r u c h d e s § 3 4 6 gegen seinen Partner auf Rückübertragung des Eigentums. Vgl. RGUrt. v. 2.11.1923, Bd. 106 S. 27. Ein D r i t t e r wird durch diese i n t e r n e (schuldrechtliche) Bindung der Vertragspartner überhaupt nicht berührt, selbst wenn er von dem Rücktrittsrecht wußte. Hat er z. B. inzwischen das Eigentum von dem Besteller der Waren erworben, so behält er es, und i h m gegenüber hat der zurückgetretene Lieferant nicht einmal einen obligatorischen Anspruch. Möglicherweise kann allerdings der Lieferant den Kunden wegen solcher Weggabe in fremde Hand aus § 347 schadensersatzpflichtig machen; darüber im folgenden.

Manche Leistungen können ihrem Wesen nach nicht zurückgegeben werden. Dann muß statt dessen G e l d e r s a t z geleistet werden. Ausdrücklich ausgesprochen n u r f ü r inzwischen vollzogene D i e n s t l e i s t u n g e n und f ü r die inzwischen genossene S a c h b e n u t z u n g (§ 346, 2), aber das Gleiche wird auch analog f ü r andere, nicht in Natur rückgabefähige Werte gelten müssen. c) U n t e r g a n g o d e r V e r s c h l e c h t e r u n g d e s R ü c k g a b e g e g e n s t a n d e s in der Zwischenzeit. Beim Untergang liegt die Frage nahe: Wozu noch Rücktrittsrecht, es läßt sich ja nicht mehr durchführen? Schon die eben geschilderte Regelung inzwischen vollzogener Dienstleistungen und inzwischen gewährter Sachbenutzung zeigt, daß sich die Frage nicht so einfach lösen läßt. Vielmehr ist z u n ä c h s t d i e S c h u l d f r a g e e i n z u s c h a l t e n . Dabei verwickelte Regelung:

§ 17 IIIc. Störungen beim Rücktritt

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1. Trifft k e i n e n v o n b e i d e n die Schuld, liegt also Zufall vor, so „wird der Rücktritt n i c h t ausgeschlossen" (§ 350). Das bedeutet, daß der Hingebende in der ganzen Zeit die G e f a h r d e s U n t e r g a n g e s trägt. Denn e r muß die ihm gewährte Leistung (den Preis) aufgrund des erklärten Rücktritts zurückgeben, während ihm nichts zurückgegeben wird. Ebenso bei Verschlechterung. Der Verkäufer eines Pferdes muß, wenn der Käufer den (ihm zustehenden) Rücktritt erklärt, das Pferd zurücknehmen, auch wenn es inzwischen durch den Hufschlag eines anderen Pferdes schwer verletzt ist, ohne daß er von dem zurückzuzahlenden Kaufpreis einen Pfennig abziehen dürfte.

2. T r i f f t d e n R ü c k t r i t t s b e r e c h t i g t e n die Schuld, so ist der Rücktritt ausgeschlossen (§ 351). Haftung f ü r Gehilfen nach §278 (oben § 3 V b). 3. Dem Untergang sind dabei gleichgestellt: die „wesentliche" V e r s c h l e c h t e r u n g (§351) und die U m w a n d l u n g des Schuldgegenstandes in eine ganz andere Sache (sog. Verarbeitung; vgl. dazu §950). 4. D i e W e i t e r g a b e a n e i n e n D r i t t e n ist dagegen nicht ohne weiteres dem Untergang gleichgestellt. Der Gesetzgeber geht vielmehr von der Vorstellung aus, daß es dem Weggebenden überlassen bleiben könne, ob er den Schuldgegenstand von dem Dritten wieder beizuziehen vermag. Nur, wenn bei dem Dritten der Untergang oder die wesentliche Verschlechterung oder die Umwandlung schuldhaft eingetreten ist, dann soll es natürlich so gehalten werden, wie bei dem Rücktrittsberechtigten selbst (oben 2 und 3): also Wegfall des Rücktrittsrechts (§ 353). d) S c h a d e n s e r s a t z , Herausgabe inzwischen gezogener N u t z u n g e n , Erstattung inzwischen gemachter V e r w e n d u n g e n . Weitere starke Verwicklungen. Der Gesetzgeber hat sie durch V e r w e i s u n g auf einen ganz anderen Zusammenhang zu meistern versucht. Es soll nämlich die Auseinandersetzung zwischen dem Rücktrittsberechtigten und seinem Vertragspartner so reguliert werden, wie die im III. Buch des BGB. geregelte A u s e i n a n d e r s e t z u n g z w i s c h e n E i g e n t ü m e r u n d B e s i t z e r (347). Danach ergibt sich, in knappen Stichworten zusammengefaßt, das Folgende: 1. Der Rückgabepflichtige hat S c h a d e n s e r s a t z zu leisten, soweit der Schuldgegenstand „infolge seines Verschuldens verschlechtert wird, untergeht oder aus einem anderen Grunde von ihm nicht herausgegeben werden kann" (vgl. § 989).

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§ 17IVa. Rücktritt; Verwirkungsklausel

2. Er hat f ü r „ordnungsgemäße Wirtschaft" bezüglich der N u t z u n g e n zu sorgen; tut er das schuldhaft nicht, so hat er entsprechenden Geldersatz zu leisten (vgl. § 987). 3. Er kann E r s a t z v o n V e r w e n d u n g e n im gleichen Ausmaß wie ein „Geschäftsführer ohne Auftrag" verlangen (vergl. § 677ff), soweit es sich nicht um die g e w ö h n l i c h e n Erhaltungskosten handelt (vergl. § 994). IV. S o n d e r t a t b e s t ä n d e . Der Rücktrittsvorbehalt verwebt sich in der geschäftlichen Praxis mit einer Reihe von K l a u s e l n verschiedenster Art. Namentlich immer dann, wenn die Verhältnisse unsicher werden, Krieg oder sonstige, d i e W i r t s c h a f t e r s c h ü t t e r n d e E r e i g n i s s e bevorstehen oder schon eingetreten sind, häufen sich die Fälle, wo sich der eine oder andere Vertragsteil oder auch beide den Rückzug offen halten wollen und dies in irgendeiner K l a u s e l zum Ausdruck bringen. Die „Kriegsklausel", die „Streikklausel" und die ganz weit gefaßte Klausel „freibleibend" haben in dem letzten Menschenalter eine große Rolle gespielt. Von einer solchen, ausdrücklich in den Vertrag eingestellten Klausel bis zu der allgemeinen und unausgesprochenen c l a u s u l a r e b u s s i e s t a n t i b u s (nachfolgend V) ist jedoch noch ein weiter Weg.

Das B G B . lebt abseits von diesen Erscheinungen. Aber es hat auch seinerseits einigen Sondertatbeständen Rechnung getragen. Bei diesen BGB.-Typen handelt es sich allerdings weniger um Meisterung allgemeiner Wirtschaftsnöte als um Berücksichtigung der b e s o n deren V e r h ä l t n i s s e der Beteiligten. a) D i e s o g . V e r w i r k u n g s k l a u s e l (Kassatorische Klausel) nimmt ihren Ausgang von einem M i ß t r a u e n des Gläubigers. Er rechnet mit der Gefahr, daß der Schuldner „seine Verbindlichkeit nicht erfüllen werde", und setzt darauf (und zwar gleich beim Vertragsschluß) als Gegentrumpf die Klausel, daß der Schuldner bei solchem Versagen „ s e i n e r R e c h t e a u s d e m V e r t r a g e v e r l u s t i g s e i n s o l l e " (§ 360). Ob dabei ein V e r s c h u l d e n des Schuldners Voraussetzung sein soll, ist Auslegungsfrage. Wenn z. B. in einen Darlehnsvertrag die Klausel aufgenommen worden ist, daß die Rückzahlung sofort und ohne Kündigung fällig sein solle, wenn die Fristen für die Zinszahlung nicht eingehalten werden, so kann man zweifelhaft sein. Milde Behandlung des Schuldners. Seine Rechte verfallen nicht ohne weiteres, der Gläubiger ist nur „zum Rücktritt berechtigt". Und das bedeutet (oben III bj b e i d e r s e i t i g e Rückgew ä h r , so daß also auch der Schuldner wieder erhält, was er bereits hingegeben hatte. Ferner bleibt dem Schuldner die A u f r e c h n u n g s w a f f e erhalten, nur muß er jetzt „unverzüglich" zugreifen (§ 357).

§ 17 V. Wegfall der Geschäftsgrundlage

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Dem G l ä u b i g e r werden etwaige a n d e r e Rechtsbehelfe durch die Verwirklichungsklausel nicht entzogen, z. B. bei gleichzeitigem „Verzug" des Schuldners wahlweise Rücktritt oder Schadensersatz aus § 326 (vgl. unten § 21 IV).

b) D a s s o g . F i x g e s c h ä f t nimmt seinen Ausgang ebenfalls von dem Bestreben des Gläubigers, sich möglichst zu sichern, und zwar hinsichtlich der P ü n k t l i c h k e i t d e s S c h u l d n e r s . Ein Fixgeschäft liegt vor, wenn vereinbart wird, „daß die Leistung des einen Teiles g e n a u z u e i n e r f e s t b e s t i m m t e n Z e i t oder innerhalb einer festbestimmten Frist bewirkt werden soll". Auch hier deutet der Gesetzgeber die dahingehende Parteivereinbarung als einen R ü c k t r i t t s v o r b e h a l t (§361). Der Hauptwert liegt wiederum in der Lösung des Gläubigers von den stärker einengenden V e r z u g s Vorschriften. Weder braucht er wie dort (unten § 21 IIc) ein V e r s c h u l d e n des säumigen Gegners nachzuweisen, noch muß er ihm wie dort (§ 21 IVd) eine N a c h f r i s t setzen. Doch kann er auch den Verzug als Ausgangspunkt wählen, wenn dessen Voraussetzungen vorliegen.

c) D a s s o g . R e u g e l d erklärt sich vom Schuldner-, nicht vom Gläubigerstandpunkt aus. Es soll den Rücktritt gegen Preisgabe einer dafür angesetzten Summe ermöglichen. Im BGB. nur eine einzige, singuläre Bestimmung (§ 359), getragen von dem Gedanken, daß durch s o f o r t i g e Z a h l u n g d e s R e u g e l d e s klare Verhältnisse geschaffen werden sollen.

V. D e r R ü c k t r i t t w e g e n v e r ä n d e r t e r Umstände (Wegfall der Geschäftsgrundlage). a) D a s T h e m a . Hier liegt vor uns ein rechtliches Mittel von a u ß e r g e w ö h n l i c h e r B e d e u t u n g . Es kann, i m Ü b e r m a ß v e r w e n d e t , nicht n u r einzelne Verträge, sondern das ganze Wirtschaftsleben ins Wanken bringen. Denn der Einwand auf der Schuldnerseite liegt nahe: I c h t r e t e z u r ü c k , die Verhältnisse haben sich geändert, man kann von mir nicht verlangen, daß ich bei dem f r ü h e r Gesagten und Versprochenen stehen bleibe. Das klingt zunächst gewinnend, aber sofort gesellt sich das Gefühl hinzu, daß damit das V e r t r a u e n a u f d i e H a l t b a r k e i t d e r V e r t r ä g e s c h w e r e r s c h ü t t e r t und damit das ganze Verkehrsleben gefährdet wird. So steht an der Schwelle zu diesem großartigen, aber im gleichen Augenblick gefährlichen Rechtsinstitut die ernste D o p p e l p f l i c h t zur B e j a h u n g , aber auch zur V o r s i c h t . „Treu und Glauben" mögen auch hier Leitstern sein (davon schon oben § 5 III). Aber nirgends zeigt sich das Flackern dieses Sterns so deutlich wie hier, wenn es um den „Rücktritt wegen veränderter Umstände" geht. Pacta sunt servanda!

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§ 17 Vb. Clausula rebus sir stantibus

b ) D i e g e s c h i c h t l i c h e E n t w i c k l u n g . Im 18. Jahrhundert w a r der Rücktritt w e g e n veränderter U m s t ä n d e unter d e m Zeichen der c l a u s u l a r e b u s s i e s t a n t i b u s durchaus bekannt. Beispiel bot der bayrische Codex Maximilaneus Bavaricus civilis von 1756: „Da alle Verbinduntjen die Clausula: Rebus sie stantibus stillschweigend in sich halten, so werden solche auch durch die Veränderung der in die Obligation eingebrachten Sache jedoch andergestalt nicht, als unter solchen drei Requisiten aufgehoben, usw." (IV 15 § 12). Die letzten Worte zeigen bereits die Einschränkung. Das Preußische Allgemeine Landrecht von 1794 stellte sogar fest, daß „wegen veränderter Umstände die Erfüllung eines Vertrages i n d e r R e g e l n i c h t verweigert werden kann", verwies die clausula also in den Bereich der Ausnahmen. — Im 19. Jahrhundert geriet die clausula fast in Vergessenheit (nur in der Theorie des Völkerrechts war sie noch lebendig). Das BGB. ist ganz an ihr vorübergegangen. Dann aber brachte ihr d e r 1. W e l t k r i e g u n d d i e F o l g e z e i t gerade für den Bereich der privaten Verträge einen starken Auftrieb. Grundlegend war vor allem das Urt. des RG. vom 21. 9. 1920 (Bd. 100 S. 129ff.): Anerkennung der Clausula als Rechtsinstitut, aber mit Einschränkungen. Mehr und mehr formte die Theorie dieses Mittel außergewöhnlicher Hilfe in den Begriff des W e g f a l l s d e r G e s c h ä f t s g r u n d l a g e um (dafür richtunggebend RGUrt. v. 3. 2. 1922; Bd. 103 S. 131f.). Immerhin blieb die Grundvorstellung die gleiche: Es wächst etwas Unsichtbares und Unausgesprochenes in den Vertrag hinein, als (subjektiv ausgerichtete) Klausel oder als (objektiv ausgerichtete) Geschäftsgrundlage. Und als technisches Mittel trat mehr und mehr der R ü c k t r i t t in den Vordergrund. c) D i e V o r a u s s e t z u n g e n f ü r d e n R ü c k t r i t t w e g e n v e r ä n d e r t e r U m s t ä n d e . Der dogmatische A u s b a u h a t zu f o l g e n d e n Voraussetzungen geführt. 1. D i e Leistung, die der Schuldner zu erbringen hat, m u ß o b j e k t i v so v e r s c h o b e n sein, daß sie zu der ursprünglich vereinbarten Leistung in e i n e m w e s e n t l i c h e n Mißverhältnis steht. 2. A u c h s u b j e k t i v m u ß d i e L e i s t u n g so v e r s c h o b e n sein, daß sie d e m Schuldner so, w i e sie jetzt wäre, n i c h t m e h r z u g e m u t e t w e r d e n kann. 3. D i e Ä n d e r u n g der Verhältnisse m u ß für den S c h u l d n e r n i c h t v o r a u s s e h b a r g e w e s e n sein. 4. A l s letzter Regulator ist das E l e m e n t des V e r t r a g s r i s i k o s heranzuziehen, d. h. es ist zu prüfen, ob nicht doch schon vorher die Möglichkeit einer g e w i s s e n Ä n d e r u n g der Verhältnisse den Beteiligten v o r g e s c h w e b t hat, u n d ob dann der Schuldner nicht (gleichfalls stillschweigend) das Risiko ü b e r n o m m e n hat. 5. A u s der P r a x i s d e s R G . Zur k o n s t r u k t i v e n Erfassung:

§ 17 Vc. Wegfall der Geschäftsgrundlage

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„Die Erschütterung der Geschäftsgrundlage hat n i c h t ohne w e i t e r e s d i e U n w i r k s a m k e i t d e s V e r t r a g e s zur Folge. Insbesondere beseitigt sie nicht die bereits eingetretenen dinglichen Wirkungen des Rechtsgeschäfts. Sie hat vielmehr nur insoweit rechtliche Bedeutung, als das Festhalten am Vertrage den Grundsätzen von Treu und Glauben widersprechen würde. Insoweit dies der Fall ist, stellt das Festhalten am Vertrag eine unzulässige Rechtsausübung dar, die der Vertragsgegner m i t d e r e n t s p r e c h e n d e n E i n r e d e b e k ä m p f e n kann. Ihm steht aber auch ein schuldrechtlicher Anspruch darauf zu, daß der andere Teil von der unzulässigen Rechtsausübung Abstand nimmt". — In vielen Entscheidungen W a r n u n g v o r A u s u f e r u n g , z. B.: „Nur unter ganz besonderen Umständen, deren Vorliegen im Einzelfalle sorgsam zu prüfen ist, kann es nach den Grundsätzen von Treu und Glauben zulässig oder sogar geboten erscheinen, eine Schuldnerverpflichtung als gemildert oder gar erloschen zu behandeln" (Bd. 147 S. 56). — Rücksichtnahme auf d i e b e s o n d e r e N a t u r d e s u m s t r i t t e n e n R e c h t s v e r h ä l t n i s s e s , wiederum im Sinne strenger Prüfung (RG. 158 S. 175; Bürgschaft). — Kritisch, wenn im Vertrage „etwaige Aenderungen" a u s d r ü c k l i c h a u s g e s c h l o s s e n waren (z. B. eine Rente, die nach Vertrag „nicht erhöht und nicht gekürzt werden darf"); hier nur Aenderung, wenn dem Zahlungspflichtigen bei Festhalten an der Höhe „die eigene Lebensmöglichkeit" entzogen würde (Bd. 166 S. 49). — Reiches weiteres Material in den Kommentaren zu § 242.

Aus der n e u e r e n P r a x i s : OLG. B r a u n s c h w e i g , Urt. v. 20. 1. 48 (MDR. 1948 H. 8 S. 256); Warnung vor allzu viel „Billigkeit": Das würde dazu führen, „daß anstelle des Gesetzes und der darauf beruhenden subjektiven Rechte mehr oder weniger bestimmte und nur schwer abwägbare Billigkeitserwägungen treten würden. Dies würde gerade in der heutigen Zeit eine untragbare Rechtsunsicherheit zur Folge haben. Hier gegebenenfalls Wandel zu schaffen, ist ausschließlich Sache des Gesetzgebers . . .". — Aus einem Urt. des OLG. H a m m v. 11. 12.47 (DRZ. 1948 H. 8/9 S. 309): „ . . . nur bei ganz außerordentlichen, nicht mehr zumutbaren Opfern tritt eine Befreiung des Schuldners ein". Und im besonderen zur obigen Ziff. c 4: „Es ist zwar richtig, daß sich die wirtschaftlichen Verhältnisse seit Vertragsabschluß noch verschlechtert haben. Aber die allgemeine Lage war schon damals unübersichtlich. Die Rohstoffknappheit und der Warenbedarf waren groß. Schon bei Geschäftsabschluß war die Uebernahme der klägerischen Bestellung e i n R i s i k o g e s c h ä f t für die Beklagte . ..".

d) Z u k u n f t s g e l t u n g . An diesem eigenwilligen Rechtsinstitut kann festgehalten werden. Heute, bei den bedrückenden Wirtschaftsnöten, kann es in der Hand tatkräftiger und verantwortungsbewußter Richter auf breiten Flächen ausgleichend und rettend wirken. Nur muß man sich klar werden, daß dieses Rechtsinstitut ein n e g a t i v e s Gepräge trägt, es baut nicht auf, sondern es reißt ab: Rück-Tritt. Darum muß es mit den aus gleichen Notwendigkeiten und Empfindungen herausgewachsenen, sehr konstruktiven Hilfs-

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§ 18 I. Leistungsstörungen, Allgemeines

mittein der richterlichen V e r t r a g s h i l f e und der r i c h t e r l i c h e n U m g e s t a l t u n g v o n V e r t r ä g e n (oben § 2 I c und § 5 II c 2) in gesundem Zusammenhalt bleiben. H e u t e wirken vor allem die durch den Krieg hervorgerufenen Zerstörungen und die im Gefolge der Besatzung durch die Alliierten Militärmächte entstandenen Hemmungen in der Richtung eines Wegfalls dessen, was beim Abschluß des Vertrages als gesichert, nicht ernstlich gefährdet, normal verlaufend gedacht war. Beispiel: Vermietete Anlagen oder Räume sind der Kriegsvernichtung verfallen-, Urt. OLG. Hamburg vom 24. 6. 1947 (Monatsschr.Dt.Recht 1948 H. 4 S. 116).

e) Als eine kleine Stütze mag am Schluß beigefügt werden, daß d o c h a u c h i m B G B . einige Spuren eines solchen Rücktritts wegen veränderter Umstände zu finden sind. So im § 779 f ü r den Vertrag, in dem sich zwei Streitende zu einem „ V e r g l e i c h " zusammengefunden haben („wenn der nach dem Inhalt des Vertrages als feststehend zu Grunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht"). Ferner das W i d e r r u f s r e c h t b e i e i n e m z u g e s a g t e n D a r l e h e n (§610). Und vor allem f ü r den ganzen Bereich der g e g e n s e i t i g e n V e r t r ä g e das schon im § 11 III behandelte Leistungsverweigerungsrecht des § 321.

VI. Abschnitt: Leistungsstörungen § 18. Die Grundlagen I. B e d e u t u n g . Es mag sein, daß die große Masse der Schuldverhältnisse sich reibungslos abwickelt. Aber immer wieder muß mit Störungen gerechnet werden. F ü r den Juristen stehen gerade die Störungen, die U n r e g e l m ä ß i g k e i t e n im Vordergrund, wie beim Arzt die Krankheiten. Nach Millionen zählen die Fälle solcher Störungen, die im Laufe der J a h r e hervortreten. Hunderte von Abwandlungen begegnen dabei dem Richter und Anwalt. Immer neue, nicht selten überraschende Richtersprüche treten dabei ans Tageslicht, die Tageszeitungen und die Fachzeitschriften unterbreiten sie dem Publikum. Darum ist die Lehre von den Unregelmäßigkeiten beim Leistungsvollzug (neben dem Delikterecht, §§ 823ff.) d e r w i c h t i g s t e T e i l des ganzen Schuldrechts. II. Die v i e r T a t b e s t ä n d e . Das B G B . hat es nicht leicht gehabt. Aus vielem wissenschaftlichem Streit und peinlich genauen Begriffsbildungen hat es den Stoff herausheben müssen. Eine glückliche Hand hat es dabei nicht gehabt. Vieles ist verschroben, f ü r den

§ 18 IIa. Drei Fälle der Leistungsstörung

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schlichten Blick des Laien unverständlich und auch f ü r den geschulten Juristen immer von neuem eine Quelle der Gedankenanspannung. a) D i e d r e i i m B G B . e r f a ß t e n T a t b e s t ä n d e Grundwesen nach durchaus volkstümlich, freilich nur, sich einer von der gesetzlichen Sprache abrückenden weise bedient. Dann nämlich kann man gliedern: 1. Der Schuldner leistet ü b e r h a u p t n i c h t . 2. Er leistet, aber z u s p ä t . 3. Er leistet, aber s c h l e c h t . Bei der juristischen Erfassung kommt es nun sogleich Verfeinerungen.

sind ihrem wenn man Ausdrucks-

zu starken

Zu 1.: Der sinnfälligste Fall ist der, daß der Schuldner überhaupt nicht leistet, ist sein N i c h t w o l l e n , er weigert sich zu leisten, obgleich er recht gut könnte. Oder auch nur aus Unlust, aus Wankelmütigkeit oder dergleichen. Daran geht das Gesetz schweigend vorüber. Nur, daß dem Gläubiger die Klage auf Erfüllung gewährt wird (oben § 6 I), zeigt, daß der Gesetzgeber daran gedacht hat. Wohl aber ist ein anderer, viel seltener, freilich juristisch viel interessanterer Fall des Überhaupt-nicht-Leistens breit herausgestellt. Das ist d i e U n m ö g l i c h k e i t d e r L e i s t u n g . Sie ist dreimal vom BGB. erfaßt, einmal f ü r bloße schuldnerische E i n z e l leistungen (§§ 275, 279 bis 282), zweitens f ü r V e r t r ä g e (306—308) und drittens f ü r die große Welt der g e g e n s e i t i g e n Verträge (323—325). Das letzte Stück ist bei weitem das wichtigste. — Darstellung der Lehre von der Unmöglichkeit nachfolgend im § 20. Zu 2.: Das Z u s p ä t l e i s t e n ist unter die Kategorie des V e r z u g e s gebracht. Auch hier Aufspaltung: S c h u l d n e r v e r z u g einerseits (nachfolgend §21) u n d G l ä u b i g e r v e r z u g andererseits (§ 23). Der Schuldnerverzug ist bei weitem wichtiger. Dabei wieder, wie bei der Unmöglichkeit, getrennte, allerdings nur zweigliedrige, nicht dreigliedrige Regelung: f ü r e i n s e i t i g e Schuldverhältnisse (z.B.Schenkung) in §§ 284/290, f ü r g e g e n s e i t i g e V e r t r ä g e in dem sehr wichtigen § 326. Zu 3.: F ü r die S c h l e c h t e r f ü l l u n g findet sich überhaupt keine Regelung im Allgemeinen Teil des Schuldrechts. Vielmehr ist die Regelung der sog. „ M ä n g e l h a f t u n g " an die wichtigsten Einzelschuldverhältnisse abgegeben, z. B. Kauf (459ff.) und Miete (537ff.) und Werkvertrag (633ff.).

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§ 18 III. Klage bei Leistungsstörung

b) D i e s o g . p o s i t i v e n V e r t r a g s v e r l e t z u n g e n . Es w u r d e schon angedeutet, daß es sich dabei u m eine wissenschaftliche Entdeckung gehandelt hat. Um das Charakteristikum vorweg zu nehmen, das zugleich die Namengebung erklärt: bei den drei anderen, klassischen, aus der Pandektendoktrin übernommenen Tatbeständen handelt es sich um eine N e g a t i v e : Der Schuldner tut nicht, was er tun sollte (er leistet überhaupt nicht oder nicht pünktlich oder nicht fehlerfrei). Jetzt aber handelt es sich u m einen p o s i t i v gerichteten Verstoß: Er tut etwas, was er bleiben lassen sollte. Näheres dazu im § 22. Die Notwendigkeit, der Einfügung einer solchen 4. Kategorie hat sich daraus ergeben, daß dem deutschen BGB. eine a l l g e m e i n e Formel für die Haftung bei Verstößen des Schuldners fehlt. Viel zitiert wird die entgegengesetzte Haltung des französischen Code civil (von 1804). Er hat für das wichtigste, dem Gläubiger zuzusprechende Schutzmittel, nämlich den Rücktritt (die Auflösung des Vertrages) im Art. 1184 den allgemeinen Satz aufgestellt: „La condition résolutoire est toujours sousentendue dans les contrats synallaqmatiques, pour le cas où l'une des deux parties ne satisfera point à son engagement etc."

III. D i e H i l f s m i t t e l d e s G l ä u b i g e r s . Von dem urwüchsigsten Mittel, nämlich dem t a t s ä c h l i c h e n D r u c k , den der Gläubiger auf den Schuldner auszuüben vermag (z. B. Abbruch aller Beziehungen), kann hier abgesehen werden. Nur daran mag erinnert werden, daß die Benutzung der exceptio non impleti contractas (oben § 11 II a) oder das Ausspielen des Zurückbehaltungsrechts (oben § 16) rechtliche Mittel sind, die einen tatsächlichen Druck in sich schließen. Daß der Gläubiger in der Methode des tatsächlichen Drucks z u w e i t g e h e n k a n n , liegt nahe und wird durch das Leben bestätigt. Z. B. durch laute öffentliche Anschwärzung des Schuldners. Dann kann er in groben Fällen s c h a d e n s e r s a t z p f l i c h t i g (vgl. §§ 824, 826), in sehr argen Fällen sogar strafbar werden.

Folgende r e c h t l i c h e n Hilfsmethoden stellt das Gesetz dem Gläubiger zur Verfügung. a) D i e E r f ü l l u n g s k l a g e . Sie ist der gerade Weg, das nächstliegende und unmittelbarste Schutzmittel. Sie begleitet jedes schuldrechtliche Forderungsrecht (vgl. oben § 61), wenn nötig, in die Vollstreckung übergehend. b) D i e K l a g e a u f S c h a d e n s e r s a t z . Sie ist ein Ersatzmittel. Hauptfall, wenn die Leistung und damit auch die Erfüllungsklage „ u n m ö g l i c h " geworden ist. Aber auch schon beim V e r z u g . Nur ist die Lage bei beiden Tatbeständen nicht so, als ob dann immer ohne weiteres die Schadensersatzklage gegeben wäre. Viel-

§ 19 I. Verschulden und Vertretenmüssen

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mehr müssen die besonderen Voraussetzungen erfüllt, insbesondere V e r s c h u l d e n gegeben sein (vgl. bereits oben § 13 IV). Eine unmittelbare Verknüpfung mit der E r f ü l l u n g s k l a g e bringt § 283: Die Erfüüungsklage hat b e r e i t s z u r V e r u r t e i l u n g g e f ü h r t , jetzt kann der Gläubiger dem Schuldner eine F r i s t s e t z e n , nach deren Ablauf kann er zum Schadensersatz übergehen. Berechnung des Schadens dann als „Schadensersatz wegen Nichterfüllung", nicht nur als ,.Verspätungsschaden". Ueber dieses Gegensatzpaar unten § 21 IIIc und d und IV.

Die allgemeine Dogmatik des Schadensersatzr e c h t s ist schon oben in §§ 13ff. behandelt worden. c) D a s R ü c k t r i t t s r e c h t . Es wird in den meisten, vom Gesetzgeber erfaßten Lagen w a h l w e i s e neben dem Schadensersatz gewährt. Über die allgemeine Regelung des Rücktrittsrechts oben § 17. § 19. Verschulden und Vertretenmüssen I. D e r B e g r i f f d e s V e r t r e t e n m ü s s e n s . Die Schuld ist bei dem hier zu erörternden, weitreichenden Rechtsgebiet der Ausgangspunkt. Aber bei manchen Leistungsstörungen wird darüber hinaus gegriffen. Der Schuldner hat ausnahmsweise für den bloßen ,,Z u f a 11" einzustehen (vgl. schon oben § 13 IV am Schluß). Oder er muß sich das V e r s c h u l d e n s e i n e s E r f ü l l u n g s g e h i l f e n anrechnen lassen (nachfolgend IV). Um diese Fälle in einem Kennwort mit zu umfassen, hat der Gesetzgeber den Begriff des „Vertretenmüssens" gebildet. Darum sagt er z. B. in der Lehre vom Verzuge nicht: „Dem Schuldner kann Verzug nicht vorgeworfen werden, wenn er am Unterbleiben der Leistung keine S c h u l d hat", sondern: Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstandes unterbleibt, den er nicht z u v e r t r e t e n hat" (§ 285). Durch diese Sprachweise wird eben erreicht, daß gleichzeitig auch d i e Tatbestände mit einbezogen sind, in denen dem Schuldner auch ohne eigentliche „Schuld" seinerseits doch eine Haftung angesonnen wird.

Über das M i t v e r s c h u l d e n (und das Mitverursachen) des anderen Teiles, die culpa oder causa concurrens vgl. bereits oben § 14 IVa. II. S c h u l d g r a d e . a) Ü b e r b l i c k . Das BGB. unterscheidet drei Schuldgrade: 1. den V o r s a t z (dolus). 2. Die F a h r 1 ä s s i g k e i t (culpa). 3. Die auf die eigene Haltung des Schuldners abgestellte, also i n d i v i d u a l i s i e r t e Fahrlässigkeit. Die unter 2 erfaßte Fahrlässigkeit wird noch in g r o b e und l e i c h t e (culpa lata und levis) zerlegt. Und nun verwendet das BGB. diese Maßstäbe wie folgt; Vorsatz macht dabei i m m e r haftbar. 7

Hedemann,

S c h u t d r e c h t , 3. Aufl.

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§ 19 II. Vorsatz und Fahrlässigkeit

1. Nur für V o r s a t z wird in seltenen Fällen gehaftet, bei denen sonst die Haftung ins Uferlose gehen könnte. Dies ist der Fall bei der Haftung wegen sittenwidriger Schädigung (§ 826). 2. H a f t u n g f ü r V o r s a t z u n d j e d e n G r a d d e r F a h r l ä s s i g k e i t ist der N o r m a l f a l l (§ 276). 3. H a f t u n g f ü r V o r s a t z u n d g r o b e F a h r l ä s s i g k e i t . Eine mildernde Einschränkung. Sie wird dem zugebilligt, der „gebender Teil" ist, der die Leistung „umsonst" auf sich genommen hat. Vor allem der S c h e n k e r (§521) und der V e r l e i h e r (§599). Weitere Fälle: 680, 968, 3001. Der Gegensatz der g r o b e n zur l e i c h t e n Fahrlässigkeit ist natürlich flüssig. Was heißt grob? W a s heißt leicht? Nicht ohne Grund wird der g a n z e Gegensatz von manchen Theoretikern scharf getadelt.

4. H a f t u n g f ü r V o r s a t z u n d j e n e individualis i e r t e F a h r l ä s s i g k e i t trifft den, der die fremden Angelegenheiten dicht neben den eigenen erledigt. So z. B. den (unentgeltlichen) Verwahrer: er hebt die Sachen des anderen neben seinen eigenen auf (§ 690). Da soll er auch „nur f ü r diejenige Sorgfalt einzustehen haben, welche er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt", die berühmte d i l i g e n t i a q u a m i n s u i s . Das wird dann, vielleicht sogar zu seinem Nachteil, an seiner eigenen Haltung und Lebensweise gemessen: ist er besonders liederlich, so haftet er weniger, ist er besonders peinlich veranlagt, so wird er strenger herangenommen, alles, wie „in den eigenen Angelegenheiten". W e i t e r e F ä l l e in §§ 708, 1359, 1664, 1686, 2131); wie man sieht, weit in andere Rechtsgebiete, vor allem das F a m i l i e n r e c h t (nahe Angehörige) übergreifend.

E i n e n w i c h t i g e n Z u s a t z macht jedoch der Gesetzgeber: Von der g r o b e n Fahrlässigkeit wird man bei der diligentia quam in suis in keinem Falle befreit (§ 277). 5. V o r a u s s e h b a r k e i t ? Das tritt verfeinernd hinzu. Kann sich der in Anspruch Genommene mit dem Einwand befreien: Das konnte ich nicht voraussehen? Im Grundsatz ist das zu bejahen, das „Verschulden" setzt Voraussehbarkeit voraus. Aber doch n u r in Grenzen. RG. 148 S. 165: „Das Verschulden im bürgerlich-rechtlichen Sinne (Vorsatz wie auch Fahrlässigkeit) setzt — im Gegensatz zur Fahrlässigkeit im strafrechtlichen Sinne, welche die Voraussehbarkeit gerade des e i n g e t r e t e n e n Erfolges der Handlung vom (subjektiven) Standpunkt des Täters aus verlangt — nur die Voraussehbarkeit des Eintritts i r g e n d e i n e s Schadens voraus, nicht aber bestimmter und entfernterer Schadenswirkungen. Nur insofern ist die Frage der Voraussehbar-

§ 19 IIb, c. H a f t u n g für Vorsatz u n d Zufall

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keit der letzteren rechtlich von Bedeutunq, als d e r Täter für die außerhalb des a d ä q u a t e n Z u s a m m e n h a n g e s liegenden Folgen nicht einzustehen braucht, also für Folgen, die n u r unter besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen und nach dem regelmäßigen Geschehensablauf außer Betracht zu lassenden Umständen eintreten konnten." —- Ueber den a d ä g u a t e n Zusammenhang vgl. bereits oben § 13 III b.

6. Über ein Verschulden hinaus, d. h. a u c h f ü r Z u f a l l soll der eintreten, dem bereits aus seinem bisherigen Verhalten eine Art Vorwurf gemacht werden kann; §§ 287,678,848. b) D e r V o r s a t z i m b e s o n d e r e n . Die Fahrlässigkeit ist negativ bestimmt: Nichtbeachten der erforderlichen Sorgfalt. Der Vorsatz hat dagegen eine p o s i t i v e Richtung: ein W i l l e treibt den „vorsätzlich" Handelnden vorwärts, auf ein gewolltes Ziel hin. Es ist begreiflich, daß dieser, auf tiefste Wurzeln des menschlichen Seins zurückgehende Vorgang die Denker aller Zeiten, Philosophen und Juristen, immer wieder angezogen und zur D e u t u n g aufgerufen hat. Viel gelehrter Meinungsstreit ist darüber ausgetragen worden, ohne daß ein einstimmiges Urteil erzielt worden wäre. Es stehen sich z w e i H a u p t t h e o r i e n gegenüber, die V o r s t e l l u n g s t h e o r i e und die W i l l e n s t h e o r i e . Die Vorstellunqstheorie h a t einen weiteren Begriff des Vorsatzes entwickelt. Die Willenstheorie steckt den Rahmen enger ab. Die Vorstellungstheorie rechnet zum Vorsatz auch die Fälle, w o der Täter zwar den Erfolg klar vorausgesehen, aber nicht in seinen Zielwillen mit aufgenommen hat. Die Willenstheorie spricht u m g e k e h r t nur dann von Vorsatz, w e n n das Wollen des Täters gerade auf den zur Beurteilung stehenden Erfolg gerichtet war. Kritisch werden d a n a c h die Fälle, w o der zur Beurteilung stehende Erfolg zwar eintreten mußte, wenn der Täter zu seinem Ziel gelangen wollte, der Täter aber d i e s e n Erfolg n i c h t hat haben wollen, sondern ihn n u r bewußt in den Kauf genommen hat, um zu dem a n d e r e n (für ihn allein in Frage kommenden) Erfolge zu gelangen.

c) D e r Z u f a 11. Iis ist schon erwähnt worden, daß in gewissen Ausnahmefällen auch für den „Zufall" (casus), also einen unverschuldeten Vorgang gehaftet wird (z. B. beim Schuldnerverzug in den Grenzen des § 287). Manchmal würde aber mit einer schrankenlosen Zufallshaftung doch zu hoch gegriffen sein, und es wird dann durch eine weiteren, altüberkommenen Begriff eine obere Grenze gesetzt, hinter der der Haftende wieder frei wird: Haftung für Zufall, aber nur bis zur Grenze der „ h ö h e r e n G e w a l t " ( v i s m a j o r ) . Die Fälle sind selten. Hauptbeispiel §701: die H a f t u n g des Gastwirts für eingebrachte Sachen. — Festere Fassung und klare Abgrenzung zu dem sonstigen „Zufall" kaum möglich. Blitzschlag, Erdbeben sind ohne Zweifel „höhere Gewalt". A b e r auch Unruhen, Tumulte? Usw. — Beispiel aus der Praxis des RG.: Bd. 101 S. 95 („elementares Naturereignis", ein „außergewöhnlich heftiger Schneesturm"). 7*

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§ 19 IV. Haftung f ü r Hilfspersonen

III. V e r t r a g l i c h e r A u s s c h l u ß d e r H a f t u n g . Es liegt nahe, daß der Schuldner, zumal wenn er um die gesetzliche Haftung weiß und vielleicht schon tiöibe Erfahrungen gesammelt hat, bei Vertragsschluß erklärt, irgend welche Gewähr könne er nicht f ü r die Leistung übernehmen. Das läßt der Gesetzgeber grundsätzlich zu, der allgemeine Leitgedanke der V e r t r a g s f r e i h e i t (vgl oben § 2 III) wirkt auch hier. Allerdings mit einer wichtigen und verständlichen Ausnahme im II. Absatz des § 276: „Die Haftung wegen V o r s a t z e s kann dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden." IV. D i e H a f t u n g f ü r H i l f s p e r s o n e n . a) H a f t u n g f ü r d e n E r f ü l l u n g s g e h i l f e n . Es ist eine urwüchsige ewige Frage, ob und inwieweit ein Mensch f ü r andere Menschen einzutreten hat. Ihren uralten Kernpunkt findet sie in der Familie. Breite Flächen erschließen sich für sie beim Zusammenschluß der Menschen zu Vereinigungen, Gemeinden, Staaten. Im S c h u l d r e c h t bekommt sie ein nüchternes und zugleich verengtes Gepräge: Hat man einzustehen f ü r Personen, deren man sich „zur E r f ü l l u n g d e r s c h u l d r e c h t l i c h e n V e r b i n d l i c h k e i t b e d i e n t ?" Davon ist schon in anderem Zusammenhang gesprochen worden (§ 3 V b). Dort ist auch bereits festgestellt worden, daß der g r u n d l e g e n d e § 2 7 8 B G B . die Frage b e j a h t hat. Das Leben bringt unzählige Fälle solcher Haftung für die eingesetzten Leute hervor. Die Kommentare und Sammlungen der Entscheidungen der h ö h e r e n Gerichte, insbesondere des RG. enthalten mannigfaltige Beispiele.

b)Vier Theorien zur B e g r ü n d u n g dieser Haft u n g . Es läßt sich sehr darüber streiten, ob der Schuldner wirklich f ü r seine „Erfüllungsgehilfen" eintreten, also deren Verschulden genau so vertreten soll, als wäre es sein eigenes Verschulden. So erklärt es sich, daß die Gelehrten sich sehr bemüht haben, eine B e g r ü n d u n g f ü r diese Haftung und damit f ü r den § 278 zu finden. Es stehen sich folgende Theorien gegenüber. 1. D i e T h e o r i e d e r G e w ä h r s c h a f t s ü b e r n a h m e . Sie deutet in jeden Vertrag von Anfang an das Versprechen des Schuldners hinein: Ich übernehme f ü r meine Leute die Gewähr. 2. D i e T h e o r i e d e r I n t e r e s s e n s p h ä r e . Sie stellt sich den Gläubiger wie den Schuldner gleichsam als Herren eines Interessenbereichs vor und belastet nun jeden von beiden (denn auch beim Gläubiger kann ein solches Einstehenmüssen in Frage kom-

§ 19 V. Culpa in contrahendo

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men) mit dem Grundsatz: Was aus deinem Bereich, aus deiner Sphäre kommt, das hast du zu vertreten. Berührung mit der G e f ä h r d u n g s h a f t u n g , z. B. der Tierhalterhaftung (oben § 13 II c). 3. D i e T h e o r i e d e r l n t e r e s s e n a b w ä g u n g . Der Schuldner kennt seinen Betrieb, er weiß, ob und wen er als Gehilfen heranziehen wird, er gibt die Weisungen. Der Gläubiger steht draußen, er weiß von alldem nichts. Darum verdient er Schutz, s e i n I n t e r e s s e ü b e r w i e g t . — Diese dritte Theorie ist die volkstümlichste. 4. D i e T h e o r i e d e s L e i s t u n g s b e g r i f f s . Sie blickt gewissermaßen über die beteiligten Personen hinweg, will n u r den o b j e k t i v e n B e g r i f f d e r L e i s t u n g sehen und will für das Ausbleiben oder die Mangelhaftigkeit der Leistung kurzerhand den haften lassen, der sie versprochen hat. c) G r e n z e n d e r H a f t u n g . Diese Haftung f ü r Leute, die bei der Erfüllung einer Leistungspflicht irgendwie eingesetzt werden, muß ihre Grenzen haben. Nur f ü r das, was „ b e i d e r E r f ü l l u n g " vorgefallen ist, hat der Herr des Geschäfts einzutreten. Stiehlt der Bote, der einen Gegenstand überbringt, bei dieser Gelegenheit, so geht das den Geschäftsherrn nichts an; wohl aber geht es den Meister an, wenn der Handwerksgeselle den Hammer fallen läßt und dabei eine wertvolle Tischplatte beschädigt. Viele schwierige, an der Grenze liegende Fälle. Auch hier reiches Material an Beispielen aus der Praxis der Gerichte. Zusammenfassender Rückblick im Urteil des RG. 160 S. 314f. Kann die Haftung für den Schaden, den die Gehilfen anrichten könnten, w e g b e d u n g e n werden? Das ist wiederum (vgl. III) zu b e j a h e n . Aber mehr noch: hier k a n n sogar die H a f t u n g für V o r s a t z von vornherein vertraglich ausgeschlossen werden (§ 278, 2).

d) Eine Sonderregelung hat das Haften für Gehilfen im Rahmen der u n e r l a u b t e n H a n d l u n g e n gefunden, in dem sehr wichtigen § 831. Bemerkenswerter Unterschied gegenüber der Haftung f ü r den Erfüllungsgehilfen aus § 278: Bei der unerlaubten Handlung steht dem auf Schadensersatz in Anspruch Genommenen ein E n t l a s t u n g s b e w e i s (Exculpationsbeweis) offen; vgl. Text des § 831. V. C u l p a i n c o n t r a h e n d o . a) D a s P r o b l e m . Das BGB. hat das Haften f ü r Verschulden bei der Abwicklung von Leistungspflichten in den Rahmen e i n e s bereits zustandegekommenen (abgeschlossenen) Vertrages eingebaut. Wie eine Mauer umschließt dieser abgeschlossene Vertrag die Regeln von der Unmöglichkeit (Nichtleisten) vom Verzug (der verspäteten Leistung), von dem mangelhaften

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§ 19 V . Culpa in contrahendo

Leisten und den positiven Vertragsverletzungen (oben § 18 II). An sich ist dieser Standpunkt verständlich. Solange der Vertrag nicht zustande gekommen ist, ist eben, wie es scheint, noch kein Rechtsboden da, von dem aus Ansprüche erhoben werden könnten: D a k a n n m a n n o c h n i c h t g e b u n d e n s e i n , es sind bloße „Vorverhandlungen". Das hat sich als zu eng erwiesen. Schon im gemeinen Recht hat der geniale R u d o l f v. I h e r i n g die Lehre vom Verschulden und Haftenmüssen auch im Stadium der Vorverhandlungen, von der c u l p a i n c o n t r a h e n d o entwickelt. Daran haben die Gelehrten des BGB. angeknüpft, und das RG. hat in konsequenter Rechtsprechung dem Gedanken zum Siege verholfen: Auch schon bei der A n b a h n u n g eines V e r t r a g e s müssen die Männer, die sich dabei gegenüberstehen, wechselseitig aufeinander Rücksicht nehmen, müssen alles vermeiden, um den anderen auf eine, von ihnen selbst erkannte fehlerhafte Bahn zu bringen, müssen ihm „offenbaren", was für ihn etwa zum Fallstrick werden könnte. b) T h e o r e t i s c h e B e g r ü n d u n g . Es handelt sich hier um ein interessantes Sonderkapitel aus der Verschuldenslehre, das ein sorgfältiges Studium verdient. Auch hier sind (wie bei der Gehilfenhaftung) v e r s c h i e d e n e T h e o r i e n zur Begründung entfaltet worden, insbesondere d i e K o n s t r u k t i o n eines s e l b s t ä n d i g e n V o r v e r t r a g e s , der dem schließlichen Vertrag vorausgegangen ist: da er selbst auch schon „Vertrag" ist, kann unschwer die Haftung erzielt werden. A u c h an e i n i g e v e r e i n z e l t e B e s t i m m u n g e n d e s BGB. die nach einem Verschulden beim Vertragsschluß „schmecken", glaubte man anknüpfen zu können, so an §§ 179, 307 und 309 (dazu sogleich in § 20 Ic), usw.

A m besten gibt ein R G.-Urteil vom Oktober 1938 (Bd. 159 S. 53ff.) die Entwicklung und Begründung dieses Haftens für Verschulden beim Vertragsschluß wieder. Es zeigt, wie zunächst bei einem schließlich doch z u s t a n d e g e k o m m e n e n Vertrage eine solche Haftung aus den vorangegangenen Vorverhandlungen anerkannt worden ist, insbesondere in der Richtung einer O f f e n b a r u n g s p f l i c h t schon bei den Vorverhandlungen. Dann der Schritt weiter, „daß selbst dann, wenn die Vorverhandlungen n i c h t zum Vertragsschluß führen, ein v e r t r a g s ä h n l i c h e s Vertraue n s v e r h ä l t n i s entstehe, das die Beteiligten zur Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt verpflichtet". Und schließlich Weiterführung dieser Lehre mit folgenden dogmatisierenden Sätzen:

§ 20 I. Unmöglichkeit der Leistung

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„Das schuldhafte Verhalten bei den Vertragsverhandlungen kann entweder darin liegen, daß man in dem anderen Teil das Vertrauen erweckt hat, es sei ein Vertrag zustande gekommen, während dies in Wahrheit nicht der Fall ist, oder darin, daß man das Vertrauen auf das demnächstige Zustandekommen oder auf das Bestehen eines längeren Vertragsverhältnisses erweckt und den anderen Teil dadurch zu Aufwendungen veranlaßt hat, oder endlich auch darin, daß man den anderen Teil zur Abstandnahme von einem günstigen Vertragsschluß oder zum Abschluß eines nachteiligen Vertrages oder zum Abschluß eines Vertrages mit anderem Inhalt veranlaßt hat, als er bei pflichtmäßiger Offenbarung der wahren Sachlage zustande gekommen wäre."

c) U m f a n g d e r H a f t u n g . Hier ist auf das n e g a t i v e V e r t r a g s i n t e r e s s e abzustellen (vgl. oben § 14 III d). Als allgemeine Direktive kann dabei der Grundsatz von T r e u u n d G l a u b e n mit verwertet werden (vgl. oben § 5 III 2: das 5. Beispiel f ü r die schöpferische Fruchtbarkeit des § 242). § 20. Unmöglichkeit der Leistung (§§ 275, 279 bis 283, 306 bis 308, 323 bis 325) I. Z u r b e g r i f f l i c h e n K l ä r u n g . Schon im Alltagssprachgebrauch wird das Wort,„unmöglich" bald strenger, bald weitherziger aufgefaßt. Wem die Erfüllung seiner Pflichten Schwierigkeiten bereitet, ist leicht mit der Erklärung bei der Hand, es sei ihm „unmöglich" zu leisten. Auch im R e c h t s l e b e n ergeben sich Schwierigkeiten f ü r eine brauchbare Abgrenzung. a) Z w e i T h e o r i e n stoßen hier aufeinander, die zweite ist im Laufe der J a h r e durchaus herrschend geworden. Die erste zieht sich auf den l o g i s c h e n ( p h y s i s c h e n ) B e g r i f f d e s U n m ö g l i c h s e i n s zurück; sie will also von keiner Unmöglichkeit sprechen, solange noch, sei es auch unter den größten Schwierigkeiten und unverhältnismäßigen Opfern, irgend jemand irgendwie die Leistung vollziehen könnte. Die andere Theorie stellt diesem logischen einen „ j u r i s t i s c h e n " B e g r i f f d e r U n m ö g l i c h k e i t gegenüber, der nachgiebiger ist, auf Auslegung des Vertrages zurückführt und der logischen Berechnung die p r a k t i s c h e V e r n ü n f t i g k e i t entgegenhält. Das führt dazu, die „Unmöglichkeit" mit einer N i c h t z u m u t b a r k e i t gleichzusetzen. Bisweilen wird es auch dahin ausgedrückt, dem Schuldner könne keine „ ü b e r o b l i g a t i o n s m ä ß i g e Kraftanstrengung" zugemutet werden. Beispiel: Warentransport zu Srhiff auf der Elbe. Der Strom ist zugefroren. L o g i s c h ist der Transport möglich geblieben, man könnte mit Eisbrechern fahren, wenn das auch ungeheure Kosten machen würde.

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§ 20 la. Begriff der Unmöglichkeit „ J u r i s t i s c h " ist dagegen nach der zweiten Theorie die Leistung eben doch u n möglich geworden, weil nach dem Inhalt des V e r t r a g e s dem Schuldner Kraftanstrengunq n u r b i s z u e i n e r v e r n ü n f t i g e n G r e n z e zuzumuten sei. — Letztes Fundament dabei wieder die ethische Richtlinie T r e u u n d G l a u b e n (§ 242).

D e r B e g r i f f d e r j u r i s t i s c h e n U n m ö g l i c h k e i t läßt sich noch weiter zerlegen: 1. J u r i s t i s c h e U n m ö g l i c h k e i t im engeren Sinne des Wortes: Es steht etwa ein gesetzliches Verbot im Wege, z. B. ein Einfuhr- oder Ausfuhrverbot. 2.Wir t s c h a f t Ii c h e N i c h t z u m u t b a r k e i t : Dem Schuldner kann das viel zu hohe materielle Opfer nicht zugemutet werden; Beispiel oben a: Zugefrorener Strom. G r e n z e schwer zu ziehen. RG. in einigen Urteilen sehr sreng. Z. B. Bd. 102 S. 273: Große Opfer, erhebliche Geldverluste genügen nicht. „Erst dann, w e n n die V e r t r a g s e r f ü l l u n g sich wirtschaftlich als unmöglich erweist, w e n n sie . . . d e n L i e f e r a n t e n geschäftlich vernichten o d e r doch an den Rand des geschäftl i c h e n R u i n s b r i n g e n w ü r d e , ergibt sich die wirtschaftliche und rechtliche Notwendigkeit, d e r j e n i g e n Vertragspartei, die alle Nachteile der wirtschaftlichen Umwälzung der anderen Partei a u f b ü r d e n will, den Rechtsschutz zu versagen." — Aber in anderen Urteilen s t ä r k e r e Auflockerung. So z. B. n u r wenige Monate später (im J a h r e 1921) in Bd. 103 S. 179: Es genügt, „wenn die Ereignisse die W e r t v e r h ä l t n i s s e . . . so verschieben, daß der Schuldner f ü r seine Leistung eine Gegenleistung erhalten würde, in der ein Äquivalent, das doch nach Absicht des Vertrages darin liegen soll, a u c h a n n ä h e r n d n i c h t m e h r erb l i c k t w e r d e n könnte. Der Gläubiger verstößt gegen Treu und Glauben, wenn er unter solchen Umständen auf der Leistung besteht". Auch bei G a t t u n g s s c h u l d e n (oben § 7) k a n n das zu einer Auflockerung f ü h r e n : Unmöglichkeit nicht n u r bei vollem Untergang der ganzen Gattung, sondern schon, wenn Beschaffung der selten gewordenen Restexemplare dem Schuldner nicht zugemutet w e r d e n kann.

Hier gewisse Berührung mit dem R ü c k t r i t t w e g e n v e r ä n d e r t e r U m s t ä n d e . (Wegfall der Geschäftsgrundlage, clausula rebus sie stantibus), denn auch hier spielt die „Nichtzumutbarkeit" hinein; oben § 17 V. 3. P s y c h i s c h e Nichtzumutbarkeit: Die Leistung würde eine übergroße, deshalb nicht zu rechtfertigende s e e l i s c h e B e l a s t u n g oder auch persönliche Gefahr mit sich bringen. Beispiel: Dem Schauspieler w e n n in der gleichen Stunde führer kann die Durchführung nicht angesonnen w e r d e n bei

k a n n nicht zugemutet w e r d e n aufzutreten, seine Frau im Sterben liegt. Dem Bergder vertraglich ü b e r n o m m e n e n Besteigung e k l a t a n t e r Lawinengefahr.

b) D a s s u b j e k t i v e „ U n v e r m ö g e n " . Das BGB. hat diesen wenig volkstümlichen Ausdruck gewählt, um von der objektiven

§ 20 Ic, d. A r t e n der Unmöglichkeit

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„Unmöglichkeit" (die bei allen Menschen gleich vorliegt) das nur persönliche, das s u b j e k t i v e Nichtkönnen des S c h u l d n e r s abzuheben. Grundsätzliche Gleichstellung im § 275, aber a b w e i c h e n d e Behandlung im §279. A n n ä h e r u n g der o b j e k t i v e n Unmöglichkeit an das Unvermögen im Zeichen der Nichtzumutbarkeit. — Heute besonders kritisch der V e r l u s t d e r e i g e n e n V o r r ä t e eines Kaufmanns; kann in ,,Unmöglichkeit" übergehen. Vgl. auch oben § 7 I V über die begrenzte Gattungsschuld.

c) A n f ä n g l i c h e u n d n a c h t r ä g l i c h e Unmöglichk e i t . Scharfer Trennungsstrich im BGB. Dabei Leitgedanke: Bei der nachträglichen Unmöglichkeit war ein V e r t r a g vorhanden (der nun möglicherweise zusammenbricht), bei der anfänglichen ist der Wille der Parteien von vornherein in die Irre gegangen, es konnte eben gar kein Vertrag Zustandekommen. So denn ausdrücklich § 306: „Ein auf eine unmögliche Leistung gerichteter Vertrag ist n i c h t i g." Doch kann nach § 307 eine c u l p a i n c o n t r a h e n d o vorgelegen haben (oben § 19 V), die eine S c h a d e n s e r s a t z p f l i c h t herbeiführt, jedoch nur in Höhe des „negativen Vertragsinteresses" (über dieses oben § 14 III d). Wenn die Unmöglichkeit keine bleibende, sondern b e h e b b a r ist, kann sogar der Vertrag selbst aufrecht erhalten werden (§ 308). All das gilt entsprechend von Verträgen, denen von Anfang an ein g e s e t z l i c h e s V e r b o t entgegensteht. d) T e i l w e i s e U n m ö g l i c h k e i t . Die Lage verwickelt sich hier. Zersplitterte Einzelregeln im Gesetz (280 II, 307 II, 323 12, 325 I 2). Folgende Leitgedanken heben sich heraus: 1. V o r f r a g e : hat das möglich gebliebene Teilstück f ü r den Gläubiger, bei gerechter Würdigung, noch Interesse? Wenn nein, i s t v ö l l i g e U n m ö g l i c h k e i t anzunehmen (vgl. 280 II). 2. Sonst Z e r l e g u n g in die beiden Hälften. Bezüglich der möglich gebliebenen läuft das Schuldverhältnis weiter, bezüglich der unmöglich gewordenen Haftung wie nachfolgend II. e) V o r ü b e r g e h e n d e U n m ö g l i c h k e i t ist genau genommen keine Unmöglichkeit. Aber gegebenenfalls kann dem Gläubiger ein Abwarten nicht zugemutet werden. So beim F i x g e s c h ä f t (oben § 17 IVb). Beispiel der U n s i c h e r h e i t , ob nicht vielleicht doch die Leistung noch möglich werden könnte, im RG.Urteil vom 27. 9. 1938 (Bd. 158 S. 331) : V e r t r a g zwischen einer Filmverleihgesellschaft und einer Filmherstellerin. Filmprüfstelle verbot den Film. Endgütige Unmöglichkeit? Spätere Chancen? RG. prägte dabei auch den Satz: „ W ä r e n infolge einer einmal

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§ 20 II. H a f t u n g bei U n m ö g l i c h k e i t e i n g e t r e t e n e n e n d g ü l t i g e n U n m ö g l i c h k e i t d e r Leistung die u r s p r ü n g lichen V e r t r a g s b e z i e h u n g e n e r l o s c h e n g e w e s e n , so h ä t t e n sie d u r c h d a s spätere unerwartete W i e d e r m ö g 1 i c. h w e r d e n der L e i s t u n g nicht wieder aufleben können".

II. H a f t u n g s g r u n d l a g e b e i n a c h f o l g e n d e r Unm ö g l i c h k e i t ist das Verschulden, genauer (vgl. oben §191) das V e r t r e t e n m ü s s e n d e s S c h u l d n e r s . Danach ergibt sich folgendes Schema: a) D e r S c h u l d n e r h a t d i e U n m ö g l i c h k e i t n i c h t z u v e r t r e t e n . Dann wird er f r e i von der Leistungspflicht (§ 275). A u s n a h m e bei d e r G a t t u n g s s c h u l d , w e n n n u r s u b j e k t i v e s Unv e r m ö g e n vorliegt. D a r ü b e r bereits, im Z e i c h e n des „ g r ö ß e r e n Risikos", o b e n § 7 II. — W e i t e r e A u s n a h m e n : §§ 265, 287.

b) D e r S c h u l d n e r h a t d i e U n m ö g l i c h k e i t z u v e r treten. Dann Schadensersatzpflicht (§ 280), und zwar, da „Naturalrestitution" nicht mehr in Frage kommt, G e l d e r s a t z (oben § 14 IIb), einschließlich entgangenen Gewinnes. In der P r a x i s spielt eine g r o ß e Rolle der E i n d e c k u n g s p r e i s , d e n d e r G l ä u b i g e r h a t a n l e g e n m ü s s e n , u m sich d e n G e g e n s t a n d , d e n ihm der S c h u l d n e r schuldig blieb, v o n a n d e r e r Seite h e r zu v e r s c h a f f e n . Ü b r i g e n s k a n n d a s U n t e r l a s s e n eines g ü n s t i g e n D e c k u n g s g e s c h ä f t e s , das sich d e m G l ä u b i g e r bietet, ein „ k o n k u r r i e r e n d e s V e r s c h u l d e n " n a c h § 254 sein. Doch empfiehlt sich Z u r ü c k h a l t u n g . •— A u s d e r P r a x i s RG. 101 S. 91: W i e l a n g e darf d e r K ä u f e r bei S ä u m n i s des V e r k ä u f e r s die Eindeckung hinausschieben?

Zur B e w e i s l a s t § 282: „Ist streitig, ob die Unmöglichkeit die Folge eines von dem Schuldner zu vertretenden Umstandes ist, so trifft die Beweislast den S c h u l d n e r " . c) D e r S c h u l d n e r h a t v o n e i n e m D r i t t e n E r s a t z b e k o m m e n (oder zu erwarten). Dann kann der Gläubiger H e r a u s g a b e (oder Abtretung des noch schwebenden Ersatzanspruchs) verlangen; §281; sog. Surrogationsprinzip. Beispiel: Der P f e r d e k n e c h t d e s S c h u l d n e r s h a t das Pferd, das demn ä c h s t an d e n G l ä u b i g e r geliefert w e r d e n sollte, in der S c h w e m m e ert r i n k e n lassen. O d e r : Das v e r k a u f t e H a u s ist a b g e b r a n n t , w a r a b e r versichert. Auf d e n E r s a t z a n s p r u c h g e g e n d e n P f e r d e k n e c h t wie g e g e n die V e r s i c h e r u n g s g e s e l l s c h a f t k a n n der G l ä u b i g e r die H a n d legen. Einen damit e t w a nicht g e d e c k t e n , w e i t e r r e i c h e n d e n S c h a d e n k a n n der Gläubiger nebenher geltend machen. Streitig ist, ob b e i f r e i w i l l i g e r W e g g a b e an e i n e n D r i t t e n (Fall des Doppel Verkaufs) d e r G l ä u b i g e r (der 1. Käufer) H e r a u s g a b e des Kaufp r e i s e s v e r l a n g e n k a n n , den der S c h u l d n e r v o n d e m Dritten (dem 2. Käufer) e r h a l t e n hat. D ü r f t e zu b e j a h e n sein. Vgl. RG.Urteil v o m 26. 6. 1922 (Bd. 105 S. 39).

§ 2t) III. Unmöglichkeit beim gegenseitigen Vertrag

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III. D i e U n m ö g l i c h k e i t b e i m g e g e n s e i t i g e n V e r t r a g . Hier liegt durchaus das Schwergewicht. D i e d r e i §§ 3 2 3 b i s 3 2 5 h a b e n e l e m e n t a r e B e d e u t u n g , ihr gründliches Studium ist unerläßlich. Sie setzen sich, wiederum im Zeichen des V e r t r e t e n m ü s s e n s (Verschuldens) scharf voneinander ab. Die unter II. geschilderten Rechtsgrundsätze greifen, da sie a l l g e m e i n , d. h. f ü r alle Rechtsgeschäfte gelten, also übergeordnet sind, auch bei den gegenseitigen Verträgen ergänzend ein. a) K e i n e r v o n b e i d e n h a t d i e U n m ö g l i c h k e i t z u v e r t r e t e n . Z . B . Verbot der versprochenen Leistung (Import oder Export) oder Tod des verkauften Pferdes. Der Schuldner (Verkäufer) wi r d f r e i nach 275 (vorstehend IIa), aber er verliert nun begreiflicherweise auch den A n s p r u c h a u f d i e G e g e n l e i s t u n g (den Kaufpreis); § 3231. 1. Ist die Gegenleistung (Kaufpreis) schon bewirkt, so kann sie der Gläubiger (Käufer) wieder zurückverlangen (§ 323 III), allerdings nur in den Grenzen der „ungerechtfertigten Bereicherung". Hat es sich z. B. um einen T a u s c h gehandelt — der „Gläubiger" hat ein Stück Butter hingegeben für einen jetzt durch Unglückstall verbrannten alten Anzug —, so könnte er den Posten Butter zurückverlangen. Wenp jedoch der Gegner die Butter inzwischen aufgegessen hat, ist keine „Bereicherung" mehr da. Nähere Regulierung in der Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung (unten § 61).

2. Verlangt der Gläubiger (nach vorstehend IIc) den E r s a t z w e r t (ein Dritter hat das Pferd getötet), so muß er auch seinerseits leisten (also den Kaufpreis bezahlen). Wann wird er diesen W e g wählen? Wenn das Geschäft für ihn günstig gewesen war. Er hatte ein Pferd für 3000 M gekauft, das einen wahren Wert von 5000 M hatte. Dann beläuft sich der Ersatzanspruch gegen den Dritten auf 5000 M, und der Käufer kann diesen Betrag in voller Höhe einkassieren, während er selbst nach wie vor nur auf 3000 M verpflichtet bleibt. Deckt dagegen die Ersatzpflicht des Dritten den Wert nicht voll, so tritt Minderung ein.

b) D e r G l ä u b i g e r h a t d i e U n m ö g l i c h k e i t z u v e r t r e t e n . Seltener Fall. Auch hier erster Satz: der Schuldner wird frei (275), aber hier b e h ä l t er den G e g e n a n s p r u c h , unter A n r e c h n u n g e t w a i g e r E r s p a r n i s s e infolge der Befreiung (keine Futterkosten mehr f ü r das Pferd) oder infolge Freiwerdens seiner Arbeitskraft f ü r andere Zwecke (3241). Wichtige Erstreckung dieser Regelung auf den Fall, daß der Gläubiger in A n n a h m e v e r z u g w a r . Tritt jetzt b e i d e r s e i t s unverschuldete Unmöglichkeit ein, so hat der Gläubiger das „zu vertreten" (324 II). Näheres über den Annahmeverzug unten § 23.

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§ 20 IIIc. Austausch- und Differenztheorie

c) D e r S c h u l d n e r h a t d i e U n m ö g l i c h k e i t z u v e r t r e t e n . Dies der häufigste Fall. Er hat z. B. das v e r k a u f t e Pferd inzwischen an einen Dritten weiter verkauft und kann es von diesem nicht zurückbekommen. 1. W a h l r e c h t d e s G l ä u b i g e r s . Daß der Schuldner hier nicht „frei" werden kann von seiner Leistungspflicht, liegt auf der Hand. Das S c h w e r g e w i c h t r ü c k t z u m G l ä u b i g e r h i n ü b e r . Er bekommt ein Wahlrecht zwischen S c h a d e n s e r s a t z und R ü c k t r i t t (325). Den R ü c k t r i t t wird er wählen, wenn er hinterher merkt, daß das Geschäft f ü r ihn ungünstig war, den Schadensersatz im umgekehrten Falle. Beispiel: T a u s c h eines Pferdes gegen einen Zuchtochsen. Der Besitzer des Zuchtochsens A verkauft diesen an einen Dritten und macht die ihm obliegende Leistung damit unmöglich. Der Eigentümer des Pferdes B merkt hinterher, daß sein Pferd doch wertvoller war. Dann behält er es, bekommt aber nichts für den entschwundenen Zuchtochsen (also Rücktritt). Merkt er, daß sein eigenes Pferd weniger wert war, so hält er an dem Vertrage fest, liefert sein Pferd ab (s. aber sogleich unter 2) und verlangt in Bargeld den höheren Wert des Zuchtochsens.

2. G e g e n s a t z d e r A u s t a u s c h - u n d d e r D i f f e r e n z t h e o r i e. Seit Jahrzehnten stehen sich diese beiden Theorien gegenüber. Die Differenztheorie ist vorherrschend, insbesondere vom RG. vertreten. Für den K a u f hat der Gegensatz keine Bedeutung, deshalb auch hier der T a u s c h als Beispiel. Die Differenztheorie berechnet den Schaden gleich auf das g a n z e V e r t r a g s v e r h ä l t n i s , zieht also die möglich gebliebene Leistung gleich mit in die Schadensberechnung hinein und spricht dem Gläubiger die dabei herausspringende Differenz zu. Im obigen Beispiel war der Zuchtochse 5000 M, das Pferd nur 4000 M wert. B kann dann von A nicht etwa 5000, sondern nur die Differenz von 1000 M verlangen; das Pferd darf und m u ß er behalten.

Die A u s t a u s c h t h e o r i e rührt nicht an die andere, die möglich gebliebene Leistung. Diese muß nach wie vor im „Austausch" geleistet werden. D a f ü r fordert der Leistungspflichtige den vollen Wert der unmöglich gewordenen Gegenleistung. Also: B bekommt die vollen 5000, muß aber im Austausch das Pferd dafür hingeben.

An der Differenztheorie ist namentlich d e r G r o ß h a n d e l i n t e r e s s i e r t , dessen Anschauungen es widerspricht, den Gläubiger an der ihm obliegenden Leistung festzuhalten. G e g e n die Differenztheorie spricht u. a. eben dieses Behaltenmüssen des Gläubigers, der

§ 21 I. Schuldnerverzug

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vielleicht gerade den betreffenden Gegenstand (das Pferd) gern los sein wollte. 3. Dem Gläubiger steht übrigens neben den unter 1 und 2 geschilderten Mitteln des § 325 auch die juristische Möglichkeit offen, den Fall in die Bahn des § 323 (oben a) zu lenken, d. h. so zu behanhandeln, als hätte k e i n e r v o n b e i d e n die Unmöglichkeit zu vertreten. Auf diesem Wege kommt er dann an jenen Ersatzanspruch g e g e n d e n D r i t t e n aus § 281 heran, was namentlich wichtig wird, wenn der Schuldner zahlungsunfähig ist, nicht aber der Dritte. § 21. Verzug des Schuldners (BGB. §§ 284—292 und 326 und 327) I. W e s e n d e s V e r z u g s . Verzug bedeutet S ä u m n i s . Beide Teile können säumig sein. Danach sind Schuldnerverzug (mora solvendi) und Gläubigerverzug (mora accipiendi) zu unterscheiden. Vom Gläubigerverzug handelt § 23. Auf der Schuldnerseite ist der Verzug der zweite Fall der L e i s t u n g s s t ö r u n g : Der Schuldner leistet, aber er leistet z u s p ä t . (Vgl. oben § 18IIa). Übrigens ist diese sprichwortartige Prägung ungenau. Wie das Folgende zeigen wird, kommt es bisweilen auf Grund des Verzuges dazu, daß der Schuldner überhaupt nicht leistet. Immerhin hebt sich der Verzug klar von der Unmöglichkeit ab. a) Seinem Wesen nach ist der Verzug eng mit der L e i s t u n g s z e i t verbunden (über diese oben §15Ib). Aber seltsamer- und doch begreiflicherweise hat der Gesetzgeber gerade bei den wichtigsten Fällen, nämlich bei den gegenseitigen Verträgen, es mit der Festnagelung auf die vereinbarte Leistungszeit nicht genau genommen. Er bewilligt dem Schuldner noch eine N a c h f r i s t , die ihm der Gläubiger setzen muß, wenn er weiterkommen will. Schärfer wird der Schuldner angefaßt beim F i x g e s c h ä f t (oben § 15 E b 2). Hier wird dem Gläubiger ohne eine solche „Nachfrist" ein s o f o r t i g e s R ü c k t r i t t s r e c h t eingeräumt.

b) Durch die Anknüpfung an das Zeitmoment u n t e r s c h e i d e t s i c h d e r b l o ß e V e r z u g v o n d e r U n m ö g l i c h k e i t . Der Unmöglichkeitsbegriff ist zeitlos, eine unmöglich gewordene Leistung kann überhaupt nicht mehr erbracht werden. Beim Verzuge aber wird gerade von der N a c h h o l b a r k e i t der Leistung ausgegangen, wenn auch vielleicht dem Gläubiger ein Ablehnungsrecht eingeräumt wird.

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§21 II. Schuldnerverzug, Voraussetzungen Die Grenze ist in der Praxis flüssig. Vertragsauslegung muß stark zu Hilfe genommen werden. Gemessen am Vertragszweck des Einzelfalles kann eine an sich recht gut nachholbare' Leistung doch schon als „unmöglich" erscheinen. Wenn ein Fensterplatz vermietet worden ist, um von dort aus einen Festzug zu besichtigen, so ist die Leistung, nachdem der Festzug bereits vorbeigezogen ist, nicht mehr nachholbar im Sinne des Vertrages, sondern schlechthin unmöglich geworden.

Nicht vergessen werden darf in diesem Zusammenhang, daß die r i c h t e r l i c h e V e r t r a g s h i l f e (oben § 2 Ic) in die R e g u l i e r u n g des Leistungszeitpunktes eingreifen und damit gegebenenfalls Verzugswirkungen abbremsen kann. II. V o r a u s s e t z u n g e n . Daß der Verzug noch an besondere Voraussetzungen gebunden ist, hebt ihn über bloße „Säumnis" hinaus und macht aus ihm einen genau regulierten R e c h t s b e g r i f f . Bloße Verspätung mit der Leistung läßt noch nicht einen Schadensersatzanspruch oder ein Rücktritts recht des Gläubigers entstehen. Dazu kommt es erst, wenn die drei begrifflichen Voraussetzungen erfüllt sind: F ä l l i g k e i t , M a h n u n g , V e r s c h u l d e n . a) F ä l l i g k e i t d e r L e i s t u n g , ein volkstümlicher Begriff, mit der Leistungszeit verbunden. Besser noch würde man sagen F l ü s s i g k e i t d e r L e i s t u n g . Die Leistung darf nämlich nicht gehemmt sein. Damit ist gemeint, daß ihr k e i n e E i n r e d e n e n t g e g e n s t e h e n d ü r f e n , wie etwa eine bewilligte Stundung. B e g r ü n d u n g : Der Verzug ist, wie das Erfordernis des Vertretenmüssens zeigt (nachfolgend c), auf dem Gedanken aufgebaut, daß man d e m S c h u l d n e r g e w i s s e r m a ß e n e i n e n V o r w u r f machen könne. Das trifft aber nicht zu, wenn er mit einer Einrede bewehrt ist. Dann kann er mit gutem Grunde den Leistungszeitpunkt verstreichen lassen.

b) M a h n u n g . Sie ist als ein letzter Appell an den Schuldner gedacht. Doch bedarf es dabei keiner Form. Und f ü r eine Riesenmasse von Fällen scheidet sie überhaupt aus: wenn nämlich f ü r die Leistung „ e i n e Z e i t n a c h d e m K a l e n d e r b e s t i m m t i s t " (284 II). Dann ruft, bildlich gesprochen, das Kalenderblatt von der Wand dem Schuldner die Mahnung zu. „Dies interpellât pro homine". — Die Mahnung selbst ist als rechtsgeschäftliche Willenserklärung zu behandeln. Dem entspricht es, daß bloße Redereien nicht genügen, daß vielmehr eine ernste Erklärung in genügend bestimmter Form (richtige Summe) abgegeben sein muß.

c) V e r s c h u l d e n . Wieder in dem erweiterten Sinne des V e r t r e t e n m ü s s e n s . Die verschrobene Ausdrucksweise des §285 mit dem doppelten „nicht" erklärt sich aus der Absicht, damit zu-

§21111. Folgen des Schuldnerverzuges

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gleich die B e w e i s l a s t zu regeln. Sie wird auf diese Weise dem Schuldner aufgebürdet: daß ihn k e i n Verschulden trifft. Der Gläubiger wird also seinerseits von dem umgekehrten Beweis einer Schuld des Schuldners befreit. III. F o l g e n d e s V e r z u g e s . Zunächst die a l l g e m e i n e n S ä t z e . Die hinzutretenden Regeln beim gegenseitigen Vertrag unter IV. Der G e s a m t e i n d r u c k geht beim Schuldnerverzug dahin, daß der Schuldner von jetzt ab v i e l s t r e n g e r behandelt wird (Umkehr dessen beim G l ä u b i g e r v e r z u g ; unten § 23). a) Der H a f t u n g s m a ß s t a b v e r s c h ä r f t s i c h : Schuldner haftet von jetzt ab sogar f ü r Z u f a l l (§ 287).

Der

Der erfolglos gemahnte unentgeltliche Verwahrer kann sich also, wenn der verwahrte Mantel ohne sein Verschulden zusammen mit seinen eigenen Sachen verbrennt, nicht mehr auf § 690 zurückziehen; er muß vielmehr den Mantel ersetzen (vgl. bereits §19 I I a 6).

b) Bei Geldschulden setzt eine V e r z i n s u n g s p f l i c h t ein, und zwar auf 4 °/o (BGB. § 288; bei beiderseitigem Handelsgeschäft nach HGB. §352: 5 °'o). Es versteht sich von selbst, daß ein etwaiger v e r t r a g l i c h e i n b a r t e r h ö h e r e r Zins bestehen bleibt.

ver-

c) Vor allem aber wird der Schuldner mit einer S c h a d e n s e r s a t z p f l i c h t belastet (§ 286). Dabei ist zunächst nur der V e r s p ä t u n g s s c h a d e n gemeint. Es bleibt also bei dem Gedanken, daß die Leistung selbst noch nachgeholt werden wird: der Gläubiger verlangt n e b e n der Leistung den Schadensersatz. Zum Verspätungsschaden kann z. B. e n t g a n g e n e r G e w i n n gehören. Der Besteller einer W a r e hätte bei pünktlicher Lieferung die Ware unter besonders günstigen Bedingungen weiter verkaufen können. Jetzt ist die glänzende „Konjunktur" vorüber. Beweis und Berechnung kann schwierig sein. Im Zweifel wird man dem Gläubiger zubilligen müssen, daß er den höchsten Wertstand, den die Sache innerhalb der Verzugszeit erklommen hat, seiner Berechnung zugrunde legt. War also die Ware am Lieferungstage (1. April) 1000 wert, am 15. Mai 1350, am 6. Juni (an dem endlich geliefert wird) 1200, so kann der Gläubiger im Zweifel die Ware und außerdem 350 in bar verlangen. Bei inzwischen gesunkenem Wert darf der Schuldner natürlich nicht etwa umgekehrt Abzüge machen. Wohl aber sind die gesetzlichen Verzugszinsen (b) bei der Gewinnberechnung mit einzubeziehen.

Muß der säumige Schuldner auch für eine inzwischen eingetretene G e l d e n t w e r t u n g einstehen? In gewissen Grenzen zu bejahen. Aus der „Inflationszeit" nach dem ersten Weltkrieg RG. 109 S. 21:

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§ 21 IV. Schuldnerverzug beim gegenseitigen Vertrag „Zu dem Schaden, welcher der Klägerin durch einen V e r z u g der Beklagten entstanden ist, w ü r d e aber a u c h die während der Zeit des Verzuges eingetretene Entwertung der deutschen W ä h r u n g insoweit gehören, als die Klägerin bei rechtzeitiger Zahlung den M a r k b e t r a g w e i f beständig, sei es in ausländischer W ä h r u n g , sei es in ihrem Geschäft, a n g e l e g t ' hätte". Vgl. auch Bd. 107 S. 213.

d) Schließlich kann der Gläubiger das g a n z e V e r t r a g s v e r h ä l t n i s a b b r e c h e n und „unter Ablehnung der Leistung Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen" (286 II). Er verlangt dann also nicht mehr Erfüllung und d a n e b e n Verspätungsschaden, sondern rafft alle seine Ansprüche in der Schadensersatzforderung wegen „Nichterfüllung" zusammen. Dieses Recht steht aber dem Gläubiger n u r a u s n a h m s w e i s e zu, nämlich n u r dann, wenn er nachweist, daß die Durchführung des Vertrages jetzt „ k e i n I n t e r e s s e m e h r f ü r i h n " habe. Die W ü r d i g u n g iiegt beim Richter. Ob der Wegfall des Interesses für den Schuldner e r k e n n b a r war, ist gleichgültig. Will der Gläubiger ganz sicher gehen, steht ihm der schon § 18111b geschilderte U m w e g ü b e r § 2 8 3 zur V e r f ü g u n g : Hat er das Urteil in der Hand und eine N a c h f r i s t gesetzt, so bedarf es nicht m e h r des Beweises eines besonderen Interesses.

IV. W e i t e r e F o l g e n b e i m g e g e n s e i t i g e n V e r t r a g e . Dieselbe Duplizität wie bei der Unmöglichkeit, vorn ,,allgemeine 1 ' Regeln (§§ 284ff.), später dann wichtige Fortsetzung f ü r die gegenseitigen Verträge (§ 326, 327). Aus der Verbindung der beiden Möglichkeiten ergibt sich f ü r den Gläubiger ein d r e i f a c h e s W a h l recht: a) V e r s p ä t u n g s s c h a d e n nach 2861 (oben IIIc); dann hält er an der nachzuholenden Leistung fest, was namentlich bei Knappheit der ihm zugesagten Ware in Frage kommen wird. Die H a f t u n g s v e r s c h ä r f u n g und die Verzinsungsp f l i c h t (oben III a und b) treten natürlich auch hier in Aktion.

b) V o l l e r S c h a d e n s e r s a t z w e g e n N i c h t e r f ü l l u n g (wie oben Illd). W a s w i r d d a n n a u s s e i n e r G e g e n l e i s t u n g ? Hier setzt erneut der Gegensatz ein, der bereits bei der Unmöglichkeitslehre dargestellt worden ist, der Gegensatz zwischen der A u s t a u s c h - und der D i f f e r e n z t h e o r i e (oben § 20 IIIc 2 und 3). c) Er kann v o m V e r t r a g e z u r ü c k t r e t e n . Für die Wahl werden dieselben Gründe entscheidend sein wie bei der Unmöglichkeit (§ 20 IIIc 1). Die Abwicklung erfolgt unter Anlehnung an die Lehre vom v e r t r a g s m ä ß i g e n Rücktritt (oben §17).

§ 21 V. Schuldnerverzug bei Sukzessivlieferung

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d) Aber: Bei b und c m u ß der Gläubiger dem S c h u l d n e r e i n e N a c h f r i s t setzen. Das ist jene, schon u n t e r Ia erwähnte Milderung. 1. Der Gläubiger kann dieser Hinausschiebung n u r entgehen, wenn er beweist, daß das Weiterlaufen des Vertragsverhältnisses f ü r ihn „ k e i n I n t e r e s s e m e h r " habe (§326II). 2. Im übrigen muß der Gläubiger sich über die Folgen dieser Fristsetzung klar werden. E r b r i c h t d a m i t d i e B r ü c k e z u r E r f ü l l u n g s k l a g e a b . Ist die Frist um, so kann er n u r Schadensersatz oder Rücktritt wählen, der Anspruch auf die eigentliche Leistung, etwa das unnachahmliche Fabrikat des Schuldners, ist endgültig dahin. Umgekehrt: wenn jetzt innerhalb der Frist die Leistung eintrifft, so sind Rücktritt und Gesamtschadensforderung ausgeschlossen, n u r der Verspätungsschaden bleibt übrig. 3. Auch dem Schuldner gegenüber ist Klarheit unbedingt erforderlich. Soll die Bahn des § 326 beschritten werden, so muß ausdrücklich, z. B. beim Briefwechsel, beigegeben werden, daß n a c h dem Ablauf der Frist „die A n n a h m e der Leistung a b g e l e h n t w e r d e " . Fehlt das, so bewendet es nach strenger Gerichtspraxis nach wie vor bei der bloßen Erfüllungsklage in Verbindung mit Verspätungsschaden, eine Klage aus § 326 würde kostenpflichtig abgewiesen werden. 4. Ist solche Fristsetzung nötig, wenn der Schuldner inzwischen ganz klar erklärt hat, e r w e r d e k e i n e s f a l l s l i e f e r n ? Dann ist dem Gläubiger kaum noch eine besondere Fristsetzung zuzumuten. 5. W i e w i r k t S e t z e n e i n e r z u k u r z e n F r i s t ? Muß noch einmal von vorn angefangen werden oder wird nur die schon in Lauf gekommene Frist bis zur Angemessenheit verlängert? Die herrschende Meinung ist f ü r das letztere. V. D i e S u k z e s s i v l i e f e r u n g s v e r t r ä g e . Sie spielen im Leben eine große Rolle. Ganze Kategorien von Waren werden vorzugsweise so gehandelt, daß größere Quantitäten auf einmal bestellt werden, aber die Lieferung p o s t e n w e i s e , i n z e i t l i c h e n A b s t ä n d e n („sukzessive") erfolgt. Dabei können die Einzelposten und die Einzeltermine von vornherein festgelegt sein (jeden Monatsersten 10 Zentner), oder es wird in Anpassung an den wechselnden Bedarf das Geschäft „auf Abruf" verschieden großer Mengen gestellt.

D i e e n t s c h e i d e n d e R e c h t s f r a g e geht bei solchen schlüssen dahin, ob S ä u m i g k e i t m i t e i n e m P o s t e n 8

Hedemaun,

S c h a l d r e c h t , ö. Aufl.

Abden

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§ 22 I. Positive Vertragsverletzung

Gläubiger berechtigt, seine Ansprüche aus §326 g l e i c h a u f d a s g a n z e L i e f e r u n g s v e r h ä l t n i s auszudehnen. Das ist natürlich im Hinblick auf die R ü c k t r i t t s m ö g l i c h k e i t von größter praktischer Bedeutung. Das R e i c h s g e r i c h t neigt einem strengen Standpunkt zu: daß schon ein einmaliger Verzug den Schuldner der Auflösung der ganzen laufenden Geschäftsverbindung aussetzt. Lebendiges Bild, das nach einem Vierteljahrhundert heute wieder deutlich vor uns steht, im Urt. vom 3.2.1922 (Bd. 104 S. 41): „Bei den Geschäften des Großhandels, die in der K r i e g s z e i t u n d d e r N a c h k r i e g s z e i t unter dem E i n f l u ß d e r s c h w a n k e n d e n W ä h r u n g , beim Schwinden des gegenseitigen Vertrauens, mit der Vereinbarung der B a r z a h l u n g . . . geschlossen worden sind, hat die Rechtsprechung, den Anschauungen der Handelskreise folgend, ganz allgemein besondere Pünktlichkeit der Vertragserfüllung erfordert (vgl. RGZ. Bd. 92 S. 209 und 389; Bd. 96 S. 255). Die Nichtinnehaltung des Zahlungstermins erscheint danach bei einem derartigen Geschäft wohl geeignet, den R ü c k t r i t t von einem Sukzessivlieferungsvertrag ohne weiteres auch dann zu begründen, w e n n der V e r z u g nur die Z a h l u n g für e i n z e l n e der Liefer u n g e n betraf."

Doch erfaßt der Rücktritt den Vertrag nur, s o w e i t e r n o c h n i c h t e r f ü l l t i s t . Was schon vorher erfüllt war, soll nicht in den Strudel des Rücktritts hineingezogen werden. RG. 97 S. 136: „hinsichtlich des ganzen verspätet zugesandten Postens"; 61 S. 130: „ . . . daß der Käufer gegenüber dem säumigen Verkäufer sein Wahlrecht (Schadensersatz oder Rücktritt) wegen a l l e r a u s s t e h e n d e n Lieferungen ausüben kann."

VI. G l e i c h s e t z u n g d e r R e c h t s h ä n g i g k e i t m i t d e m V e r z u g . Unter Rechtshängigkeit ist der Beginn eines Prozesses (die Klageerhebung) zu verstehen. Läßt es der Schuldner darauf ankommen, so wird er regelmäßig im gleichen Augenblick (wenn nicht schon früher) in Verzug kommen. Denn die Klageerhebung ist als „Mahnung" aufzufassen. Aber unabhängig davon hat das BGB. in den §§ 291, 292 an das Rechtshängigwerden einer Leistungspflicht ganz ähnliche Folgen angeschlossen wie an den Verzug desSchuldners. § 22. Positive Vertragsverletzungen des Schuldners I. D e r B e g r i f f ist schon oben in § 18IIb erklärt worden. Man hat ihn gewonnen durch einen, freilich überspitzten G e g e n s a t z zur U n m ö g l i c h k e i t , zum V e r z u g und der S c h l e c h t e r f ü l l u n g . Bei diesen ein negatives Moment bestimmend: der Schuldner tut n i c h t , was er tun sollte (erfüllen, pünktlich erfüllen, fehlerfrei erfüllen). Hier dagegen t u t er, was er nicht tun sollte.

§ 22 II. Positive Vertragsverletzung

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Als das BGB. geschaffen wurde, fehlte die Vorstellung von diesem eigenartigen Begriff der positiven Vertragsverletzungen. Man lebte, im Anschluß an die gemeinrechtliche Praxis, in der Vorstellung, man könne alle Leistungsstörungen, die vom Schuldner ausgehen, mit den drei „negativen" Kategorien bemeistern. Darum s c h w e i g t d a s B G B . von den positiven Vertragsverletzungen. Aber gleich nach seinem Inkrafttreten wurde die „Entdeckung" gemacht, daß viele wichtige Tatbestände des Lebens n i c h t mit den drei im BGB. erfaßten Kategorien gemeistert werden können. Diesen wissenschaftlichen Blick auf Neuland hatte als Erster der Berliner Rechtsanwalt H e r m a n n S t a u b (1904). Eine lange Reihewissenschaftlicher Erörterungen hat sich angeschlossen. Es hat auch keineswegs an Ablehnungen der „Entdeckung" gefehlt. Bedeutenden Einfluß hat auch hier das R G. gehabt, das sich in einer langen Reihe von Entscheidungen b e j a h e n d zu der Kategorie der „positiven Vertragsverletzung" gestellt und ihren dogmatischen Ausbau wesentlich gefördert hat. Bahnbrechend das Urt. vom 6. 3.1903 (Bd. 54 S. 98), noch ohne Erfassung der selbständigen Kategorie der „positiven Vertragsverletzungen", aber die praktischen Notwendigkeiten — nämlich Schadensersatz wegen Nichterfüllung oder Rücktrittsrecht — vorwegnehmend. B e i s p i e l e : 1. Ein Fabrikant übergibt einem Kaufmann sein Fabrikat zum A l l e i n v e r t r i e b , d. h. mit der Zusicherung, daß er das Fabrikat keinem anderen Kaufmann in dem betreffenden Bezirk überlassen werde ( M o n o p o l z u s a g e ) . Hinterher verstößt er dagegen, gibt das Fabrikat auch an einen zweiten Kaufmann, also einen Konkurrenten ab, t u t damit (positives Handeln), was er unterlassen sollte. — 2. Einem Gast werden v e r d o r b e n e S p e i s e n vorgesetzt (nebenher kann ,unerlaubte Handlung" gehen). — 3. Ein Angestellter v e r r ä t Geschäftsgeheimnisse; vielleicht war das ausdrücklich im Vertrage verboten, aber auch ohne dies wird das Verbot oft aus der ganzen Vertragslage zu entnehmen sein. Verrat wiederum positives Tun.

II. B e g r ü n d u n g . a) Der richtigste Weg ist A n a l o g i e : Anlehnung an die beiden Kategorien verschuldeter Unmöglichkeit und des Verzuges. Was dort der Gesetzgeber für gut befunden hat, ist auch hier „analog" anzuwenden (sogleich III). b) Andere Wissenschaftler wollen die Regelung u n m i t t e l b a r aus dem Gesetz ableiten, § 276: „Der Schuldner hat . . . Vorsatz und Fahrlässigkeit zu v e r t r e t e n " ; da müsse er eben auch seine p o s i t i v e Verfehlung vertreten, soweit sie vorsätzlich oder fahrlässig ist. Doch ist zu bedenken, daß die Verfasser des BGB. bei § 276 den 8*

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§ 23 I. Gläubigerverzug

Ton nicht auf das Wort „vertreten" gelegt haben, daß sie vielmehr mit diesem Satz nur den S c h u l d g r a d (oben § 19II) bestimmen wollten. So auch das RG. 65 S. 17; 106 S. 25. c) Eine dritte Meinung hält die Kategorie der positiven Vertragsverletzungen für überflüssig, weil eine weitgesteckte Auslegung der „Unmöglichkeit" und hilfsweise des „Verzuges" alle Fälle zu decken vermöge. Wer i r g e n d w i e gegen die aus dem Vertrage entspringende Leistungspflicht verstoße, mache eben die Erfüllung unmöglich oder schiebe sie in schuldhafter Weise hinaus. Ein Wortspiel, das etwas Gewinnendes hat, nur ist eben klar, daß die Verfasser des BGB. an eine so weite Fassung des Unmöglichkeitsbegriffes niemals gedacht haben. d) Besonders spannend die Beurteilung von U n t e r l a s s u n g s p f l i c h t e n . Die Dogmatik unterscheidet hier: 1. Die s e l b s t ä n d i g e Unterlassirngsp flicht, die den eigentlichen Kern der übernommenen Verpflichtung ausmacht. Z.B. nachbarliche Verpflichtung, nicht zu lärmen. Hier kann man es in der Tat vertreten, daß der nun doch vollzogene Lärm die „Erfüllung'' unmöglich gemacht hat. 2. Wenn es aber um eine sog. u n s e l b s t ä n d i g e Unterlassungspflicht geht, wie etwa oben in den Beispielen 1 und 3 in Abschn. I, ist es sehr gekünstelt, von einem Unmöglichmachen zu sprechen. Doch ist die G r e n z e zwischen selbständiger und unselbständiger Unterlassungspflicht sehr flüssig. III. D i e F o l g e n d e r p o s i t i v e n V e r t r a g s v e r l e t z u n g werden am besten, wie erwähnt, in Anlehnung an Unmöglichkeit und Verzug geregelt. Danach vor allem das W a h l r e c h t d e s § 3 2 5 für den Gläubiger: S c h a d e n s e r s a t z w e g e n N i c h t e r f ü l l u n g o d e r R ü c k t r i t t , gegebenfalls unter Einschaltung der Fristsetzung aus § 326. Die Rechtsprechung, unter Führung des RG., hat jedoch für manche Lagen statt des riickwärtswirkenden Rücktritts als den richtigeren Ausweg ein K ü n d i g u n g s r e c h t aufgestellt, das erst vom Augenblick des Ausspruchs der Kündigung an für die Zukunft wirkt. Dies namentlich für D a u e r vertrage von längerer Dauer. Dabei bot sich Anlehnung an folgende §§ an: §§626 (Dienstvertrag), 723 (Gesellschaft); und aus dem HGB.: §§ 92 und 133. Vgl. Urt. RG. vom 12. 6. 1942 (Bd. 169 S. 206), allerdings in diesem konkreten Fall für Nichtanwendbarkeit.

§ 23. Verzug des Gläubigers I. B e g r i f f . Auch der Gläubiger kann säumig sein, indem er die Leistung nicht annimmt (mora accipiendi). Dann gerät von seiner

§ 23 II. Gläubigerverzug

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Seite aus die Abwicklung des Schuldverhältnisses ins Stocken, u n d insofern r u f t auch der sog. Gläubigerverzug eine „Störung bei der Leistung" hervor. Schwierig und umstritten ist die A b g r e n z u n g v o n d e r U n m ö g l i c h k e i t der Leistung. Treten die Arbeiter frühmorgens zum Dienst an, aber der elektrische Strom ist unterbrochen, so kann man das eben so gut als Unmöglichkeit wie als Nichtannahme der angebotenen Dienste seitens des Arbeitgebers, also als Gläubigerverzug auffassen. Sonderregelung in §615 (unten § 46 Illb 2 und 3).

II. V o r a u s s e t z u n g e n . a) G e h ö r i g e s A n g e b o t d e r L e i s t u n g d u r c h d e n S c h u l d n e r . Gehörig, d. h. in richtiger Gestalt, am richtigen Ort» zur richtigen Zeit. Dazu gehört: 1. R e a l a n g e b o t , d. h. ein tatsächliches Darbieten der Leistung so, daß der Gläubiger n u r zuzugreifen braucht (§ 294). Dazu gehört auch wirkliche F ä h i g k e i t zu leisten. Wer vollständig betrunken zur Arbeit kommt, versetzt den Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug (§ 297). 2. Wörtliches Anbieten, V e r b a l a n g e b o t , genügt, wenn schon eine A b l e h n u n g s e r k l ä r u n g d e s G l ä u b i g e r s vorangegangen ist (§ 295, 1), oder wenn eine Mitwirkungshandlung des Gläubigers erforderlich ist, z. B. wenn er zur A b h o l u n g verpflichtet ist (§ 295, 2). Über „Holschulden" vergleiche oben § 15 Ia 3.

3. Nicht einmal ein wörtliches Angebot ist nötig, wenn f ü r die voranzuschickende Handlung des Gläubigers eine K a l e n d e r z e i t festgelegt ist (§ 296). Beispiel: Es ist fest verabredet worden, daß der Gläubiger den ihm zu liefernden Koks am Donnerstag vormittag abholen soll. Wenn er nicht kommt und der Schuldner bereit steht, tritt Annahmeverzug ein.

4. Umgekehrt kann dem Gläubiger n i c h t d a u e r n d e s B e r e i t s t e h e n zugemutet werden, wenn f ü r die Leistung des Schuldners und damit dessen Realangebot kein Termin festgelegt ist (§ 299). Es war verabredet, daß der Schuldner den Koks anrollen sollte (Bringschuld, oben § 15 Ia 3), aber ohne irgend welchen festen Termin. W i e er kommt, ist niemand da. Kein Annahmeverzug.

5. D a s A n g e b o t k a n n a u c h v o n e i n e m D r i t t e n a u s g e h e n , falls nicht einer der Ausnahmefälle vorliegt, wo das Ein-

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§ 23 III. Gläubigerverzug

springen des Dritten dem Vertrage zuwiderlaufen würde (oben § 15 Illb). Umgekehrt kann das Angebot an einen Dritten ausreichend sein, wenn er nach dem Vertrage als Vertreter des Gläubigers zu gelten hat, wie etwa der Werkmeister bei der Entgegennahme der Arbeitsleistungen den Fabrikherrn vertritt. b) N i c h t a n n a h m e s e i t e n s d e s G l ä u b i g e r s . Dabei ist es gleichgültig, ob mit oder ohne Verschulden. Dies ist ein markanter Unterschied vom Schuldnerverzug (oben § 21 IIc). Darum auch die W i r k u n g e n ganz anders ausgestaltet wie beim Schuldnerverzug. Nichtannahme liegt auch vor, wenn der Gläubiger notwendige M i t W i r k u n g s h a n d l u n g e n unterläßt, wenn er z. B. als Arbeitgeber dem arbeitbereiten, aber im Betriebe noch fremden Arbeiter keine Arbeit zuweist, oder wenn er als Mieter in die Wohnung nicht einzieht, oder wenn er als Besteller dem Unternehmer nicht die erforderlichen Maße angibt.

III. F o l g e n d e s G l ä u b i g e r v e r z u g s . Sie treten charakteristischerweise nicht hüben beim Gläubiger, sondern d r ü b e n b e i m S c h u l d n e r hervor. Wurde der Schuldner bei seinem e i g e n e n Verzug härter behandelt, so setzt jetzt beim Gläubigerverzug M i l d e r u n g s e i n e r H a f t u n g ein. Vgl. bereits oben § 21 III. a) H e r a b s e t z u n g d e s H a f t u n g s m a ß s t a b e s f ü r d e n S c h u l d n e r : Nur noch f ü r Vorsatz und g r o b e Fahrlässigkeit (§ 3001). b) D i e G e f a h r t r a g u n g g e h t a u f d e n G l ä u b i g e r ü b e r , z. B. wenn die ihm gehörig zugeleitete, aber von ihm nicht angenommene Ware auf dem Rücktransport verlorengeht. Der Schuldner wird dann frei nach § 275 und behält seinen Gegenanspruch (§ 324 II), kann also Bezahlung verlangen. — F ü r G a t t u n g s schulden im gleichen Sinne § 300 II. c) Wegfall einer etwaigen V e r z i n s u n g s p f l i c h t (§301). d) Bei einer Pflicht zur' H e r a u s g a b e v o n N u t z u n g e n vom Augenblick des Annahmeverzugs an keine Sorgfalts- oder Arbeitspflicht mehr (§ 302). e) E n t b i n d u n g des Schuldners von einer etwaigen V o r l e i s t u n g s p f l i c h t , Der Schuldner kann also jetzt direkt auf die ihm geschuldete Leistung klagen (§ 322 II). f) A b s t o ß u n g d e s S c h u 1 d g e g e n s t a n d e s . Dies ein besonders eigentümliches Recht des Schuldners, in sorgfältig abgesteckten Grenzen gehalten.

§ 24 I. Wesen der Erfüllung

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Bei G r u n d s t ü c k e n Recht zur Besitzaufgabe (utn von einer Obhutspflicht frei zu werden; § 303). Bei b e w e g l i c h e n Sachen, z. B. Wertpapieren, Hinterlegungsmöglichkeit und ähnliche Maßregeln (darüber unten § 25).

VII. Abschnitt: Das Erlöschen der Schuldverhältnisse § 24. Die Erfüllung (§§ 362 bis 371) I. W e s e n d e r E r f ü l l u n g . a) E i n g l i e d e r u n g i n d a s S y s t e m d e s B G B . Schuldverhältnisse sind dazu da, daß sie e r f ü l l t werden. Die Erfüllung (solutio) ist deshalb der normale Fall für die Abwicklung, die „Erledigung", das E r l ö s c h e n eines Schuldverhältnisses. Wie kleine Geschwister sind im BGB. im 3. Abschnitt des Schuldrechts die H i n t e r l e g u n g (nachfolgend §25), die A u f r e c h n u n g (§26) und der E r l a ß (§27) neben die Erfüllung gestellt. Der Typus der „ E r f ü l l u n g " behält aber die Führung in dem 3.Abschnitt. Doch darf nicht übersehen werden, daß a u ß e r h a l b dieses 3. Abschnitts noch eine Reihe anderer Rechtsinstitute das Ende eines Schuldverhältnisses herbeiführen kann. So die K ü n d i g u n g (z. B. bei der Miete nach § 565, beim Dienstvertrag nach § 621), der vertraglich vereinbarte R ü c k t r i t t (oben § 17) und ein späterer A u f h e b u n g s v e r t r a g (§17 IIb). Ferner der Eintritt einer a u f l ö s e n d e n B e d i n g u n g (BGB. § 158 II) oder die A n f e c h t u n g w e g e n I r r t u m s (§ 119), usw.

b) K o n s t r u k t i o n . Seit langem besteht unter den gelehrten Juristen Streit, ob man die Erfüllung als ein „ R e c h t s g e s c h ä f t " (Vertrag) auffassen soll oder nur als einen t a t s ä c h l i c h e n Vorgang. Die Verfasser des BGB. haben die Entscheidung ausdrücklich „derWissenschaft überlassen" (so die Motive zum I. Entw. Bd. 2 S. 81). Die Fälle liegen verschieden. Z. B. ist die im folgenden Abschnitt III behandelte „Hingabe an Erfüllungsstatt" an die M i t w i r k u n g d e s G l ä u b i g e r s gebunden und deshalb als Vertrag zu konstruieren. Auch die E i g e n t u m s v e r s c h a f f u n g b e i m K a u f , die dort das wichtigste Stück der Erfüllung ist (unten § 32 IIb 2), kann nach § 929 nur durch eine „Einigung" vollzogen werden. Aber andererseits gibt es unzählige Tatbestände, wo sich die „Erfüllung" in Abwesenheit des Gläubigers, ohne jedes Zutun von seiner Seite abspielt, wie z. B. bei der Arbeit des Fabrikarbeiters. Dann kann nicht von einem rechtsgeschäftlichen Vorgang, etwa am Feierabend, gesprochen werden.

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§ 24 II. Durchführung der Erfüllung

II. D u r c h f ü h r u n g d e r E r f ü l l u n g . a) K o r r e s p o n d e n z m i t d e r L e i s t u n g s p f l i c h t . Mit der Festlegung der (beiderseitigen oder einseitigen) Leistungspflicht wird das Schuldverhältnis geboren, mit der Erfüllung der Leistungspflicht kommt es zum Abschluß. Darum muß eine echte „Erfüllung" m i t i h r e r b e f r e i e n d e n W i r k u n g bis in die Einzelheiten hinein zu der übernommenen Leistungspflicht passen. Die Zerlegbarkeit der Schuldverhältnisse i n v e r s c h i e d e n e E i n z e l p f l i c h t e n (oben §4111) spielt dabei natürlich eine große Rolle: die eine Leistungspflicht kann erlöschen, die andere besteht fort. Es kann sich so auch „Erfüllung" an „Erfüllung" reihen, wie bei der fortlaufenden Zinszahlung für ein Darlehen. 1. Die Korrespondenz muß zunächst i n p e r s ö n l i c h e r B e z i e h u n g gewahrt sein: Grundsatz ist, daß die Erfüllung sich zwischen denselben Personen abspielt, die bei der Begründung der Leistungspflicht der S c h u l d n e r und der G l ä u b i g e r waren. Doch kommt es zu mancherlei bedeutenden A b w e i c h u n g e n . So kann von vornherein Abführung der Leistung an einen Dritten verabredet sein: V e r t r a g z u G u n s t e n e i n e s D r i t t e n (oben § 12).

Oder h i n t e r h e r bezeichnet der Gläubiger eine andere Person, an die die Leistung abgeführt werden soll, z. B. der Grossist den Zwischenhändler, an den die Ware geleistet werden soll. Oder der S c h u l d n e r führt von sich aus die Leistung an jemand anderen ab. Das darf er an sich natürlich nicht. Aber der Gläubiger kann es nachträglich genehmigen (§ 362 II). Dann ist es echte „Erfüllung" mit befreiender Wirkung. Vergl. auch oben § 15 III.

2. Korrespondenz i n s a c h l i c h e r B e z i e h u n g : es muß genau so viel und genau in der Art geleistet werden, wie vereinbart war. Gesetzliche Auslegungsregeln greifen ergänzend ein, wie die, daß bei Gattungsschuld Ware „mittlerer Art und Güte" zu leisten ist (oben § 7 IIa). Fehlt es in irgendeinem Punkt, ist z. B. am falschen Ort geleistet, so ist das keine Erfüllung und der Schuldner noch nicht „befreit" (oben § 151). Kritisch der für eine echte „Erfüllung" maßgebende Ort bei Ü b e r w e i s u n g v o n G e l d , von Bank zu Bank. Vergl. oben § 8 Illb; und RG. Bd. 105 S. 269: bei Bankgiroüberweisungen Erfüllung erst mit Buchung auf dem Konto des Empfängers. — Verwicklungen im Rahmen der heutigen Währungsverhältnisse.

b) V e r r e c h n u n g a u f m e h r e r e S c h u l d e n wird nötig, wenn eine Erfüllungsleistung zwar zu den mehreren Schulden paßt, aber nicht alle deckt. Leitsatz: Bestimmungsrecht des Schuldners; schweigt er, verwickelte Auslegungsregel im § 366.

§ 24 III. Hingabe an Erfüllungsstatt

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c) B e w e i s l a s t . Streit darüber, ob geleistet, also „erfüllt" worden ist, ist häufig. Dann spielt die „Beweislast" eine entscheidende Rolle. Sie verteilt sich folgendermaßen: Grundsätzlich hat der S c h u l d n e r zu beweisen, daß er überhaupt etwas geleistet hat und daß diese Leistung eine „Erfüllung" seiner schuldnerischen Verpflichtung darstellt. Wenn allerdings der Gläubiger die „ihm als Erfüllung angebotene Leistung" unbeanstandet, d. h. „als Erfüllung" angenommen hat, dann muß er seine spätere Bemängelung der „Erfüllung" durch eigenen Beweis decken (§ 363). Ob wirklich eine „Annahme an Erfüllungsstatt" vorgelegen hat, ist „ a u s d e n U m s t ä n d e n d e s F a l l e s " zu entscheiden. So RG. Bd. 66 S. 283. Bei U n t e r l a s s u n g s p f l i c h t e n bleibt nichts anderes übrig, als den G l ä u b i g e r mit dem Beweise eines Verstoßes zu belasten.

d) B e g l e i t e r s c h e i n u n g e n : Pflicht des Gläubigers, einen etwaigen S c h u l d s c h e i n zurückzugeben (§371) und Q u i t t u n g zu erteilen (§§ 368 bis 370). Wichtig die gesetzliche Legitimation des Ü b e r b r i n g e r s d e r Q u i t t u n g (§370). Zahlung an ihn b e f r e i t den Schuldner, auch wenn der Überbringer die Quittung gestohlen hat oder das einkassierte Geld unterschlägt. Gilt aber nicht für g e f ä l s c h t e Quittungen.

III. D i e H i n g a b e a n E r f ü l l u n g s s t a t t (datio in solutum). Hier Abbiegen von der Korrespondenz in sachlicher Beziehung (vorstehend IIa 2). Dabei erwächst ein neues Rechtsverhältnis, auf der Einwilligung des Gläubigers beruhend: Er ist z. B. bereit, statt der geschuldeten Geldsumme eine Schreibmaschine „in Kauf zu nehmen". Ein eigentlicher Kauf ist das nicht. Aber der Schuldner haftet für etwaige Rechtsmängel (an der Maschine besteht ein Pfandrecht eines Dritten) oder etwaige Sachmängel (die Hebel sind nicht in Ordnung) wie ein Verkäufer (§ 365).

Schwieriger Fall: Der Schuldner übernimmt, um den Gläubiger zu befriedigen, e i n e n e u e V e r b i n d l i c h k e i t . Praktisch häufiger Fall: er gibt f ü r seine Kaufpreisschuld einen Wechsel. Haftet er dann nur noch aus dem Wechsel oder auch noch aus dem Kaufvertrag? Im Zweifel bleibt d i e z w i e f a c h e H a f t u n g (§ 36411). § 25. Die Hinterlegung (BGB. §§ 372 bis 382) I. M e t h o d e . a) D e r n o r m a l e W e g . Unter den nachfolgenden Voraussetzungen kann der Schuldner den Schuldgegenstand gewissermaßen abstoßen und bei einer öffentlichen Amtsstelle (regelmäßig

122

§ 25. Hinterlegung. § 26. Aufrechnung

die Amstgerichte) „deponieren". Das amtliche Verfahren ist in der H i n t e r l e g u n g s o r d n u n g vom 10.3.37 (RGB1.I285) geregelt. Dabei muß es sich um einen h i n t e r l e g u n g s f ä h i g e n G e g e n s t a n d handeln. Die Hinterlegungsstellen sind nicht darauf eingerichtet, Getreideladungen oder Rindvieh bei sich aufzunehmen. Als hinterlegungsfähig gelten vielmehr n u r G e l d , U r k u n d e n ( e i n s c h l . W e r t p a p i e r e n ) u n d K o s t b a r k e i t e n . Handelt es sich um andere Sachen, muß ein anderer Weg gefunden werden. Das ist: b) D e r Selbsthilfeverkauf der geschuldeten S a c h e (§§ 383ff.): Öffentliche Versteigerung des Schuldgegenstandes und Hinterlegung des Erlöses. Ergänzende Vorschriften im H a n d e l s r e c h t (HGB. § 373), — Hauptfall Annahmeverweigerung des Käufers leicht verderblicher Waren.

c) D i e P r e i s g a b e v o n G r u n d s t ü c k e n , Gläubigerverzug (§ 303). Vgl. bereits oben § 23 Illf.

geregelt beim

II. D i e z w e i W e g e d e r D u r c h f ü h r u n g . Dem Schuldner ist freigestellt, ob er sich die R ü c k n a h m e v o r b e h a l t e n oder endgültig auf den hingegebenen Gegenstand verzichten will. In beiden Fällen ist ein „ H i n t e r l e g u n g s g r u n d " Voraussetzung. Hauptfall: Annahmeverzug des Gläubigers (vergl. § 372). a) Nur wenn der Schuldner a u f d i e R ü c k n a h m e v e r z i c h t e t hat (vergl. jedoch auch Ziff. 2 und 3 in §376), ist eine volle Parallele zur „Erfüllung" erreicht. Nur dann nämlich hat die Hinterlegung b e f r e i e n d e Wirkung (§ 378). b) Hat sich dagegen der Schuldner d i e R ü c k n a h m e v o r b e h a l t e n , so gilt die Hinterlegung n i c h t als Erfüllungssurrogat, der Schuldner bleibt Schuldner, der Gläubiger Gläubiger. Doch auch hier Erleichterung für den Schuldner: Wegfall der V e r z i n s u n g , der G e f a h r t r a g u n g und der Pflicht zum Ziehen von N u t z u n g e n (§379 II).

§ 26. Die Aufrechnung (BGB. §§ 387 bis 396) I. W e s e n . Die Aufrechnung (compensatio) ist eine sehr häufige, namentlich im Handelsverkehr alltägliche, im höchsten Sinne praktische Einrichtung. Der Vorgang ist sinnfällig: Es stehen sich zwei Personen gegenüber, deren jede von der anderen etwas zu fordern hat, vielleicht aus ganz fern voneinander liegenden Schuldgründen; dann kann die „Erfüllung" (z. B. die zweimalige Auszahlung in

§ 26 II. Aufrechnung, Voraussetzungen

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barem Gelde) dadurch ersetzt werden, daß die beiden Forderungen — natürlich n u r in sich entsprechender Höhe — als gegeneinander „aufgerechnet" erklärt werden. Dann „erlöschen" sie beide (§ 389), beiderseits werden die Schuldner frei. Weit verbreitete handelsrechtliche Figur: K o n t o k o r r e n t v e r t r a g (HGB. § 355): hinüber und herüber laufen zwischen den beiden Beteiligten die Geschäfte, dann wird in regelmäßigen Zeitabschnitten, etwa vierteljahresweise, der für den einen sich ergebende Überschuß durch Verrechnung festgestellt. — Weiterer Ausbau, unter Einbeziehung m e h r e r e r Teilnehmer, die S k o n t r a t i o n . Näheres im Handelsrecht.

Im P r o z e ß kann die (vielleicht nur erdichtete) Behauptung des Beklagten, er könne mit einer eigenen Forderung aufrechnen, z u r V e r z ö g e r u n g f ü h r e n . Darum ist das Gericht ermächtigt, die P r ü f u n g der angeblichen Gegenforderung a b z u t r e n n e n (ZPO. § 145 III) und zunächst über die eingeklagte Forderung zu entscheiden, allerdings „unter Vorbehalt der Entscheidung über die Aufrechnung" (ZPO. § 302). Umgekehrt kann der Beklagte sein B e s t r e i t e n der gegen ihn eingeklagten Forderung in den Vordergrund stellen und die ihm zustehende Aufrechnungsmöglichkeit nur als Reserve behandeln: Sog. Eventualaufrechnung. Im einzelnen ein umstrittenes Rechtsinstitut des Prozeßrechts.

II. V o r a u s s e t z u n g e n d e r A u f r e c h n u n g . a) G l e i c h a r t i g k e i t der beiderseitigen Forderungen. (Es kommen fast n u r G e 1 d forderungen in Frage.) Verwicklung, wenn der Leistungs o r t verschieden ist. Das Gesetz läßt trotzdem die Aufrechnung in den Grenzen des § 391 zu.

b) D i e g l e i c h e n P e r s o n e n . Der Ehemann kann nicht eine Forderung seiner Frau heranziehen, um sich mit deren Aufrechnung von einer eigenen Schuld zu befreien. Doch bleibt die Möglichkeit einer raschen Abtretung der Forderung der Frau an ihn (unten § 28). Umgekehrt darf aber nicht eine einmal gegebene Aufrechnungschance gegenüber A dadurch vereitelt werden, daß A seine Forderung an B abtritt. Vielmehr muß sich dann auch B die Aufrechnung gefallen lassen, obgleich die Gegenforderung ihn gar nichts angeht. Die Aufrechnungsmöglichkeit verfolgt also die Forderung des A in die neue Hand (§406).

c) B e i d e r s e i t i g e F ä l l i g k e i t und Flüssigkeit. Wer noch nicht fordern kann, kann auch noch nicht aufrechnen. Ebenso kann, wer eine Forderung besitzt, der eine E i n r e d e gegenübersteht, also eine gehemmte Forderung, diese n i c h t als Gegenforderung ausspielen; es fehlt ihr die „Flüssigkeit" (§ 390).

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§ 26 III, IV. Aufrechnung, Vollzug, Wirkung Bedeutende Ausnahme für v e r j ä h r t e Forderungen; sie können trotz ihrer Belastung mit der Hinrede der Verjährung noch zur Aufrechnung benutzt werden, falls nur vor E i n t r i t t d e r V e r j ä h r u n g , sei es auch nur für einen Augenblick das Gegenüberstehen, also die Aufrechnungslage gegeben war.

d) S c h u t z g e w i s s e r F o r d e r u n g e n g e g e n d i e A u f r e c h n u n g . Diese Forderungen sollen d u r c h g r e i f e n , sie sollen unmittelbar ans Ziel gelangen können, und zwar an das e f f e k t i v e Ziel, auf das sie gerichtet sind. Darum ist ihnen gegenüber die Aufrechnung ausgeschlossen. 1. Der wichtigste Fall: U n p f ä n d b a r e F o r d e r u n g e n , insbesondere Lohnforderungen der Arbeiter und Angestellten, Gehaltsforderungen der Beamten (ZPO. §§ 850ff. in Verbindung mit LohnpfändungsV. v. 30.10.40). 2. Forderungen auf Ersatz des Schadens, den der andere dem Geschädigten durch v o r s ä t z l i c h e u n e r l a u b t e H a n d l u n g zugefügt hat. Der Täter muß z a h l e n , er kann nicht mit einer noch so klaren Gegenforderung aus irgendeinem anderen Tatbestand aufrechnen (§ 393). 3. Die „ f i s k a l i s c h e n " F o r d e r u n g e n des Staates oder der Gemeinden nach Maßgabe des § 395. 4. Übrigens sind auch P a r t e i v e r e i n b a r u n g e n möglich, daß eine Aufrechnung ausgeschlossen sein soll (pactum de non compensando). Meist liegt dann Druck von der einen Seite vor. III. V o l l z u g d e r A u f r e c h n u n g . Damit es zur Aufrechnung kommt, bedarf es einer E r k l ä r u n g des Aufrechnungsgewillten. Die einseitige Erklärung genügt, der andere muß sie sich gefallen lassen. Freilich muß die Erklärung „glatt" sein, Verklausulierungen, insbesondere B e d i n g u n g e n dürfen nicht beigegeben werden (§ 388, 2). Übrigens ist natürlich auch im voraus eine Verständigung über die Aufrechnung möglich, so daß ein beiderseits anerkannter Aufrechnungsvertrag vorliegt (so z. B. bei dem unter I erwähnten Kontokorrentverkehr). Im a u s l ä n d i s c h e n Recht (z. B. französischem und österreichischem) gilt der Grundsatz des i p s o j u r e c o m p e n s a r i , d. h. die Aufrechnung tritt von selbst ein, in dem ersten Augenblick, wo sich die beiden Forderungen aufrechnungsfähig gegenübergetreten sind, irgendeiner E r k l ä r u n g bedarf es nicht.

IV. Die W i r k u n g der von einer Seite einmal ausgesprochenen Aufrechnung ist durchgreifend. Mit einem Schlage e r l ö s c h e n beide Forderungen (natürlich nur in gleicher Höhe, so daß von der einen noch ein Rest übrigbleiben kann). Nicht genug damit, die

§ 271. Der Erlaß

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A u f r e c h n u n g h a t r ü c k w i r k e n d e K r a f t . B i s zu d e m Z e i t p u n k t w i r d d a s E r l ö s c h e n z u r ü c k d a t i e r t , in d e m s i c h d i e b e i d e n F o r d e r u n gen zum erstenmal aufrechnungsfähig gegenüber getreten sind (§ 389). War nach diesem Zeitpunkt einer von beiden Schuldnern in V e r z u g geraten oder hatte er eine V e r t r a g s s t r a f e (oben § 4 VII) verwirkt, so wird das als nicht geschehen betrachtet. Vor allem gilt auch die beiderseitige Z i n s p f l i c h t rückwirkend als nicht mehr vorhanden. Alles inzwischen Gezahlte kann nach § 8I2ff. zurückgefordert werden, auch wenn das rechnerische Schwierigkeiten macht. Aber wie. wenn der eine der beiden Partner i n z w i s c h e n s e i n e S c h u l d d u r c h L e i s t u n g ( Z a h l u n g ) e r f ü l l t hatte und erst hinterher auf den Gedanken kommt oder erst hinterher darüber aufgeklärt wird, daß ihm eine Aufrechnungsmöglichkeit zugestanden hatte? Im Jahre 1948 standen sich etwa die beiden Forderungen schon aufrechnungsfähig gegenüber. A zahlt nun s e i n e Schuld 1949 zurück, weil er die Gegenforderung vergessen (oder die vom Vater geerbte Gegenforderung damals noch nicht gekannt) hatte. 1950 wird ihm erst klar, daß ab 1948 die „A u f r e c h n u n g s l a g e " gegeben war. Darf er dann jetzt noch die Aufrechnung aussprechen, also gewissermaßen seinen Fehlgriff berichtigen? Aus der „rückwirkenden Kraft" könnte man das folgern. Denn sie bedeutet ja: Alles inzwischen vorgefallene gilt nicht, es gilt vielmehr nur die auf 1948 zurückbezogene Aufrechnung. Das würde dann die weitere Folge haben, daß 1949 eine gar nicht mehr bestehende Schuld gezahlt worden ist, die als „indebitum" (§ 812) zurückverlangt werden könnte. Diese Darstellung ist jedoch abzulehnen. Es hat vielmehr umgekehrt die 1949 erfogte Zahlung die eine der beiden Forderungen e n d g ü l t i g zum Erlöschen gebracht, so daß 1950 für eine Aufrechnung, die ja das (Noch-) Gegenüberstehen z w e i e r Forderungen voraussetzt, kein Raum mehr war. So auch —• freilich mit einer anderen, an § 813 anknüpfenden und diesen als n i c h t passend nachweisenden Begründung — das R e i c h s g e r i c h t (RGZ. Bd. 120 S. 280ff.) Verwicklungen können sich auch ergeben, wenn auf der einen oder anderen Seite m e h r e r e Forderungen da sind, zu deren Gesamtdeckung die Aufrechnug nicht langt; es gilt dann § 396. § 27. Sonstige Fälle des Erlöschens I. D e r E r l a ß . D e r G l ä u b i g e r ist in v i e l e n L a g e n d e s L e b e n s b e r e i t , d e m S c h u l d n e r die S c h u l d zu e r l a s s e n . D a s G e s t z v e r l a n g t a b e r die Z u s t i m m u n g d e s S c h u l d n e r s ; S p r i c h w o r t : „ W o h l t a t e n s o l l e n n i c h t a u f g e d r u n g e n w e r d e n " (beneficia n o n o b t r u d u n t u r ) . D e r E r l a ß ist d e s h a l b a u s d r ü c k l i c h als V e r t r a g k o n s t r u i e r t {§ 397). Eine Abweichung von der Grundidee enthält § 267: Wenn ein Dritter einspringt, muß sich der Schuldner diese „Wohltat" gefallen lassen. Vergl. oben § 15 lila.

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§ 27 II, III. Novation. Konfusion

Der Vertrag auf Erlaß ist f o r m 1 o s ; das gilt auch vom sog. n e g a t i v e n A n e r k e n n t n i s (§39711, bemerkenswert als Gegensatz zum formgebundenen positiven Schuldanerkenntnis des § 781). — B e d i n g u n g e n können beigegeben werden. Unverzichtbare Forderungen können n i c h t „erlassen" werden, sondern bleiben trotz einer Erlaßverabredung bestehen (Beispiel §16141). — W i r k u n g des Erlasses: Unmittelbares Erlöschen der Forderung. Konstruktion: Der Erlaß ist als ein a b s t r a k t e s Schuldverhältnis (oben § 4 V) gedacht. Deshalb ist er von dem zugrundeliegenden Kausalverhältnis (meist Schenkung) zu unterscheiden: Ich schenke dir deine Schuld u n d , um das zu bewirken, erlasse ich sie dir.

II. D i e N o v a t i o n . Sie besteht darin, daß an die Stelle des bisherigen Schuldverhältnisses ein anderes, n e u e s S c h u l d v e r h ä l t n i s gesetzt wird. Darin liegt das Erlöschen des alten Schuldverhältnisses beschlossen, und insofern ist auch die Novation ein „Erfüllungssurrogat". Aber der Hauptton liegt doch auf der „Erneuerung" durch das eben hierbei begründete andere Schuldverhältnis. Darum hat sich f ü r diesen Vorgang der römisch-rechtliche Ausdruck Novation eingebürgert. Der G r u n d einer solchen, im BGB. nicht besonders geregelten Novation ist meistens: die alte Forderung ist zu schwerfällig, eine gangbarere, flüssigere soll an ihre Stelle treten. Beispiel: Für eine Forderung aus einer verwickelten Erbteilung wird von dem dabei belasteten Erben (dem „Schuldner") dem anderen Miterben ein Wechsel ausgestellt. Doch muß im Wege der Auslegung genau beobachtet werden, ob es wirklich der Wille der Beteiligten war, das alte Schuldverhältnis wegfallen zu lassen. Es ist sehr wohl möglich und praktisch vielleicht sogar überwiegend, daß n e b e n dem neuen Schuldverhältnis das alte weiterbestehen soll, so daß dem Gläubiger zwei Fundamente für seinen Anspruch zur Verfügung stehen.

Liegt echte Novation vor, so fallen auch die N e b e n e r s c h e i n u n g e n der alten Forderung weg, z. B. die f ü r diese übernommene B ü r g s c h a f t eines Dritten, oder die etwa bei der alten Forderung bestehende k ü r z e r e V e r j ä h r u n g s f r i s t . III. D i e K o n f u s i o n . Gläubigerposition und Schuldnerposition können sich in einer Person vereinigen. Z. B. durch Erbgang: der Neffe beerbt den Onkel, der ihm Geld geborgt hatte und dadurch sein Gläubiger geworden war. Dann ist kein Raum mehr f ü r ein Schuldverhältnis. Man kann nicht sein eigener Gläubiger sein. Also E r l ö s c h e n , und zwar von allein (ipso jure), ohne daß es einer

§ 281. Abtretung von Forderungen

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Erklärung bedarf. Das BGB. hat das für selbstverständlich gehalten und deshalb nicht besonders ausgesprochen. Es gibt Ausnahmen. Vor allem bei Schuldverhältnissen, die in einem W e r t p a p i e r verkörpert sind. Hat eine Bank z. B. Inhaberschuldbriefe (vergl. §§ 793ff. BGB.; unten §42) ausgegeben, so ist sie Schuldnerin. Gelangt ein Posten in ihre eigene Hand, so bekommt sie auch die Gläubigerstellung. Erlöschen wäre hier zweckwidrig: die Bank muß die Möglichkeit behalten, die Papiere erneut in Verkehr zu bringen (wodurch sie wieder allein zur Schuldnerin wird).

IV. E r l ö s c h e n d u r c h Z w e c k e r r e i c h u n g . Auch an dieser Erscheinung ist das BGB. vorübergegangen. Gemeint ist mit der terminologischen Bezeichnung, daß auf einem anderen als dem geplanten und verabredeten Wege „erfüllt" wird, was 'Gegenstand der Leistungspflicht des Schuldners war: Der Zweck ist damit erreicht. Sehr verschiedene Tatbestände gehören hierher. B e i s p i e l e : 1. Ein Eisbrecher ist gechartert worden, um ein eingefrorenes Schiff freizumachen. Werkvertrag (§ 631). Das Schiff wird durch überraschendes Tauwetter von selbst wieder flott. 2. A hat sich verpflichtet, dem B einen Kunstgegenstand zu beschaffen, der zu einer Erbmasse gehört, aus der er ihn erwerben will. B greift selber ein und kauft dem Erben den Gegenstand ab.

Keineswegs tritt hierbei immer ein totales Erlöschen der Beziehungen ein. Was wird aus der G e g e n l e i s t u n g ? Soll der Schuldner durch eine solche, gar nicht von ihm herbeigeführte Zweckerreichung wirklich ganz frei werden oder ergibt sich nicht doch für ihn eine Ersatzleistungspfli cht? Auslegungsfrage. Berührung mit der „ U n m ö g l i c h k e i t " (oben § 20), z. B. im obigen Fall 1. An sich verliert der Besitzer des Eisbrechers, dessen Leistung (das Freimachen) überflüssig, und damit unmöglich geworden ist, nach § 323 seinen Gegenanspruch. Auslegung wird aber bisweilen ergeben, daß ihm wenigstens die inzwischen gemachten Aufwendungen ersetzt werden müssen. Zuspitzung auf die Frage: wer trägt das Risiko?

VIII. Abschnitt: Personenwechsel und Personenmehrheit § 28. Abtretung der Forderung an einen neuen Gläubiger (BGB. §§ 398 bis 413) I. D e r A b t r e t u n g s v e r t r a g . a) A u s s c h a l t u n g d e s S c h u l d n e r s . Die Abtretung, auch Z e s s i o n genannt, vollzieht sich ohne Beteiligung des Schuldners durch einen Vertrag, den d i e z w e i G l ä u b i g e r , der alte und

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§ 28 Ic. Fiduziarische Zession

der neue, miteinander abschließen. Nicht einmal zur A n z e i g e (denuntiatio) an den Schuldner sind sie verpflichtet. Über seinen Kopf hinweg wandert die Schuld von der alten Hand in die neue. Das kann sehr hart für ihn sein. Statt des milden früheren Herrn muß er sich vielleicht einen viel strengeren neuen Herrn der Forderung gefallen lassen. Eine Anzeige ist indessen empfehlenswert und auch gebräuchlich. Ohne sie kann der Schuldner die Leistung an den neuen Gläubiger ablehnen. Auch sonst ist für rechtlichen S c h u t z d e s S c h u l d n e r s gesorgt. Näheres im folgenden.

Der alte Gläubiger wird in der juristischen Fachsprache Z e d e n t , der neue Gläubiger Z e s s i o n a r , der Schuldner in lateinischer Prägung d e b i t o r c e s s u s genannt. b) D e r A b s c h l u ß d e s V e r t r a g e s ist an keine Form gebunden. Die S c h r i f t f o r m hat aber ihre Vorteile, denn die dabei ausgehändigte Urkunde gibt dem neuen Gläubiger eine gefestigtere Stellung (s. im folgenden). Der Abtretungsvertrag ist ein a b s t r a k t e r V e r t r a g . Er löst sich von dem zugrundeliegenden K a u s a l v e r h ä l t n i s . J e d e Abtretung hat ihren G r u n d , ihre causa. Der alte Gläubiger kann die Forderung v e r k a u f e n . Bei verbrieften Forderungen etwas Alltägliches. Übergang in den Typ der Inhaberschuldvers c h r e i b u n g , die schon ihrem Wesen nach auf Weiterwandern eingestellt ist (§§ 793ff. BGB.; unten § 42). Oder Abtretung an den neuen Gläubiger, um damit d i e e i g e n e S c h u l d a n i h n z u d e c k e n . Oder Abtretung als eine Art P f a n d (vergl. nachfolgend c). Usw.

Die „Abstraktion" von diesem Kausalverhältnis hat die übliche Folge (Dogmatik oben §4V): Eine etwaige U n g ü l t i g k e i t d e s K a u s a l v e r h ä l t n i s s e s , z. B. nach Rücktritt des Käufers wegen eines „Mangels" der abgetretenen (verkauften) Forderung (§§437ff.; unten §32IVa3), berührt die vollzogene A b t r e t u n g nicht, diese bleibt gültig; allerdings kann gegebenenfalls Rückübertragung auf Grund „ungerechtfertigter Bereicherung" (§§ 812ff.) verlangt werden. c ) D i e f i d u z i a r i s c h e Z e s s i o n . Ein wichtiger Sondertypus. Der Grundgedanke: Der alte Gläubiger will n i c h t endgültig verschwinden, er schickt den neuen nur vor als seinen „Fiduziar" (Treuhänder), der ihm nach Maßgabe der Verabredung verbunden bleiben soll. Zwei Hauptfälle: 1. D i e S i c h e r u n g s z e s s i o n . Sie ist zur „Sicherung" des neuen Gläubigers (Zessionars) bestimmt, die Forderung soll sein P f a n d sein, aber über eine bloße Verpfändung (§§ 1279ff.)

§ 28 II. W i r k u n g der A b t r e t u n g

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hinaus soll er n a c h a u ß e n wie der w i r k l i c h e I n h a b e r der Forderung, nicht nur wie ein Pfandgläubiger auftreten können. Im I n n e n v e r h ä l t n i s d a g e g e n A b r e c h n u n g mit dem Zedenten; n a c h Lage des Falles Pflicht zur R ü c k ü b e r t r a g u n g (Beispiel: RG. Bd. 102 S. 386). — 2. D i e I n k a s s o z e s s i o n . Der Zessionar wird nur zum „Eink a s s i e r e n " v o r g e s c h i c k t . Er hat eine s c h w ä c h e r e Stellung (vergl. RG. Bd. 133 S. 241).

d) U n z u l ä s s i g e A b t r e t u n g e n . 1. Die Abtretung kann auf Grund einer vorher getroffenen V e r e i n b a r u n g m i t d e m S c h u l d n e r , also „vertraglich" ausgeschlossen sein (§ 399). — 2. Die betreffende Forderung ist k r a f t G e s e t z e s unübertragbar. Grund: sie hat „ h ö c h s t p e r s ö n l i c h e n C h a r a k t e r " und würde diesen Charakter bei Abgabe in eine neue Hand verlieren. Viele Fälle. Z. B. die Forderung auf Dienstleistung, auf Ersatz des ideellen Schadens (§ 847: ..nicht übertragbar"; oben § 14 Ib). — 3. Unübertragbar sind auch die u n p f ä n d b a r e n Forderungen (§400). Parallele: § 2 6 Ild 1).

Sie

sind

auch

gegen

die

Aufrechnung

geschützt

(oben

II. D i e W i r k u n g d e r A b t r e t u n g . a) P o s i t i o n d e s n e u e n G l ä u b i g e r s ( Z e s s i o n a r s ) . Er rückt voll und ganz in die Position des Zedenten ein. 1. Dieser muß ihn unterstützen, wobei sich Näheres aus dem Kausalverhältnis (vorstehend Ib) ergeben kann. Mindestmaß: A u s k u n f t s p f l i c h t des bisherigen Gläubigers über die Rechtslage, z. B. die verabredeten Zinsen, die Kündigungsfristen oder dergleichen. Dazu Pflicht zur H e r a u s g a b e d e r U r k u n d e n , vor allem des Schuldscheins (§402; vergl. §952 über das Eigentum am Schuldschein). Dazu, auf Verlangen des Zessionars, Aushändigung einer besonderen, öffentlich beglaubigten A b t r e t u n g s u r k u n d e (Zessionsurkunde; §403), die als Ausweis gegenüber dem Schuldner praktisch sehr wichtig sein kann. U m g e k e h r t kann auch den n e u e n Gläubiger bezüglich der Geltendm a c h u n g der Forderung eine S o r g f a l t s p f l i c h t g e g e n ü b e r dem Zedenten treffen; RG. Bd. 160 S. 1.

2. Wichtige Zutat: d e r g l e i c h z e i t i g e Ü b e r g a n g d e r S i c h e r u n g s m i t t e l auf den neuen Gläubiger. Er bekommt mit der Forderung insbesondere ein etwaiges P f a n d r e c h t oder H y p o t h e k e n r e c h t , und es haftet ihm auch der B ü r g e , der sich gegenüber dem alten Gläubiger verbürgt hatte (§ 401). b) S t e l l u n g d e s S c h u l d n e r s (debitor cessus). Bei ihm, der gar nicht gefragt zu werden braucht (vorstehend Ia), liegt das 9 H e d e m a n n , Schuldrecht 3. Aufl.

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§ 28 II. W i r k u n g der Abtretung

Schwergewicht der ganzen Zessionslehre. Man stellt sich ihn am besten in der V e r t e i d i g u n g s s t e l l u n g vor. Das Gesetz sekundiert ihm hierbei mehrfach. 1. B e i U n k e n n t n i s v o n d e r A b t r e t u n g kann er noch mit befreiender Wirkung an den alten Gläubiger leisten (auch z. B. diesem gegenüber mit einer Gegenforderung aufrechnen). Der neue Gläubiger muß sich das gefallen lassen und greift also ins Leere (§407). Doch wird sich dann meist eine I n n e n a b r e c h n u n g des neuen Gläubigers mit dem alten Gläubiger anschließen, z. B. w e n n nach dem Kausalverhältnis die Annahme der Leistung durch den alten Gläubiger ungehörig war. Darüber hinaus kann nach Lage des Falles der Satz Platz greifen: „Auch w e n n ihn (den alten Gläubiger) bezüglich der Entg e g e n n a h m e der Erfüllung kein Verschulden trifft, ergibt sich aus § 281 BGB. die Verpflichtung, das Erlangte dem neuen Gläubiger (Zessionar) h e r a u s z u g e b e n " (so RG. Bd. 111 S. 303). Der ..Schuldner" im Sinne des § 281 ist in diesem Fall der alte Gläubiger. Ähnliche Lage bei d o p p e l t e r Z e s s i o n , w e n n der Schuldner n u r von der z w e i t e n Zession weiß und n u n an diesen zweiten Zessionar geleistet hat (§ 408).

2. D e r S c h u l d n e r b e h ä l t a l l e E i n r e d e n auch gegenüber dem neuen Gläubiger, z. B. die mit dem alten Gläubiger vereinbarte Stundung oder die Verjährungseinrede. J e d o c h z w e i E i n s c h r ä n k u n g e n , falls ein S c h u l d s c h e i n ausgestellt ist, den n u n d e r neue Gläubiger in der Hand hat. Ihm kann dann der Schuldner 1. nicht den v e r a b r e d e t e n A u s s c h l u ß d e r A b t r e t u n g entgegenhalten (oben Id 1), und 2. nicht, daß das Schuldverhältnis gar kein echtes Schuldverhältnis gewesen, sondern ,,n u r z u m S c h e i n " aufgestellt worden sei, z. B. um dem alten Gläubiger bei der V e r m ö g e n s s t e u e r als Minderungsposten zu helfen (was natürlich unerlaubt ist).

3. Der Schuldner behält die A u f r e c h n u n g s m ö g l i c h k e i t (vergl. schon oben § 26 IIb). Allerdings gewisse Einschränkungen (vgl. § 406 BGB.). Vor allem darf der Schuldner n i c h t s p ä t e r n o c h (nach der Zession) allerlei Forderungen gegen den alten Gläubiger erwerben, um sie dann dem n e u e n Gläubiger gegenüber auszuspielen.

c) A u s d e h n u n g a u f a n d e r e F ä l l e . Die so geschaffene und sorgfältig ausgebaute Dogmatik der Abtretung von Forderungen, s c h u l d r e c h t l i c h e n Forderungen, hat der Gesetzgeber im § 413 auf den Übergang „ a n d e r e r R e c h t e " ausgedehnt. Beispiel: Verkauf (dies das Kausalgeschäft) mit anschließender „Übertragung" eines P a t e n t r e c h t s .

§ 29 I. Schuldübernahme

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Doch wird das „Abtreten" v i e l f a c h durch S o n d e r r e g e l u n g e n stark umgestaltet, So bei der Abtretung einer H y p o t h e k (§§ 1153ff.) oder e i n e s Erbschaftsanteils (§ 2033).

III. F o r d e r u n g s ü b e r g a n g k r a f t G e s e t z e s . Hier bedarf es keiner Verabredung, keines Abtretungsvertrages. Die Forderung gleitet von selbst (cessio ipsa lege) zu dem neuen Gläubiger hinüber. Die Fälle sind über das ganze BGB. verstreut. Auch hier (wie vorstehend c) Übertragung des v e r t r a g l i c h e n Abtretungsrechts, d. h. der §§ 399ff., auf diese g e s e t z l i c h e n Tatbestände (§412). Hauptfälle: d e r B ü r g e hat den Schuldner ausgelöst, jetzt wird e r Gläubiger g e g e n ü b e r dem Schuldner (§774). V o n m e h r e r e n G e s a m t s c h u l d n e r n (nachfolgend § 30 Ib) hat einer nicht nur d e n auf ihn fallenden Bruchteil, sondern das Ganze bezahlt (§ 426 II). Vergl. ferner §§268, 1438 II. — Ähnlich l i e g e n §§255, 281, d o c h muß bei ihnen der n e u e Erwerber der Forderung die Abtretung b e s o n d e r s „verlangen".

Im Rahmen des Z i v i l p r o z e s s e s und des anschließenden V o l l s t r e c k u n g s r e c h t s kann es auch zu einer r i c h t e r l i c h e n Zession kommen (§§ 828ff. ZPO.). § 29. Schuldübernahme. (BGB. §§414 bis 419) I. B e g r i f f . Hier tritt ein neuer Schuldner (das Gesetz nennt ihn farblos „Dritter") an die Stelle des alten Schuldners (den das Gesetz schlechthin als „Schuldner" bezeichnet). a) S t e l l u n g d e s G l ä u b i g e r s . Für ihn ist die Person des Schuldners von grundlegender Bedeutung, und die ganze Forderung hat keinen Wert mehr f ü r ihn, wenn etwa an Stelle eines zahlungskräftigen („solventen") Schuldners plötzlich ein zahlungsunfähiger tritt. Darum kann diese Wandlung n i c h t o h n e Z u s t i m m u n g d e s G l ä u b i g e r s vollzogen werden, und darum ist die technische Konstruktion der Schuldübernahme ganz anders wie die Konstruktion der Abtretung: Sie vollzieht sich nicht zwischen dem alten und dem neuen Schuldner, so wie die Abtretung zwischen altem und neuem Gläubiger vollzogen wird, sondern es ist eine Zuziehung des Gläubigers unentbehrlich. Das Leben zeigt nun aber andererseits, daß die Schuldübernahme meist doch mit einer bloßen Vereinbarung zwischen dem alten und dem neuen Schuldner beginnt, und, um dem gerecht zu werden, hat das Gesetz z w e i F o r m u n g e n für gut gehalten: 9*

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§ 29 I. Schuldübernahme, Erfüllungsübernahme

1. Die Schuldübernahme kann entweder z w i s c h e n d e m neuen S c h u l d n e r (Übernehmer) und dem Gläubiger vereinbart werden (§ 414). Das bedeutet, daß der alte Schuldner gar nicht gefragt wird, eine Parallele zu dem Einspringen e i n e s Dritten im Stadium der Erfüllung (oben § 15 lila). Das läßt schon erkennen, daß wiederum ein K a u s a l v e r h ä l t n i s z w i s c h e n dem Gläubiger und dem n e u e n Schuldner spielen wird, e t w a ein Gesellschaftsvertrag, während der eigentliche Schuldübergang (so w i e der Zessionsvertrag, oben § 28 Ib) a b s t r a k t g e d a c h t ist.

2. Oder die Schuldübernahme wird zwar zunächst z w i s c h e n d e m a l t e n u n d d e m n e u e n S c h u l d n e r vereinbart. Dann aber muß noch, um wirklich den Personenwechsel durchzuführen, die G e n e h m i g u n g d e s G l ä u b i g e r s hinzutreten (§415). Der Gesetzgeber legt der G e n e h m i g u n g einen starken Ton bei: e t w a i g e s S t i l l s c h w e i g e n auf e i n e (befristete) Aufforderung, sich zu äußern, gilt als V e r w e i g e r u n g (§ 415 II 2). A u s n a h m e bei Hypothekenübernahme, unten lila.

b) B e g r i f f l i c h e A b s c h e i d u n g e n . 1. D i e s o g . E r f ü l l u n g s ü b e r n a h m e . Sie ist das soeben unter a 2 schon charakterisierte Vorstadium, ein I n t e r n u m zwischen dem alten und dem neuen Schuldner, in gewisser Weise ein „Kausalverhältnis". Die Bezeichnung „neuer Schuldner" ist nur in diesem Innenverhältnis richtig. Denn der A u ß e n w i r k u n g nach bleibt eben der alte Schuldner zunächst n o c h der „Schuldner", bis der Gläubiger zugestimmt und damit der internen Erfüllungsübernahme den Charakter einer „Schuldübernahme" g e g e b e n hat. Vergl. § 415.

Der Charakter als i n t e r n e s V e r h ä l t n i s zwischen den beiden „Schuldnern" zeigt sich auch darin, daß die internen Abmachungen dem Gläubiger gegenüber nicht ausgespielt werden können (vgl. § 417 II). Andererseits aber auch darin, daß der Gläubiger keineswegs sogleich ein R e c h t bekommt, den „Übernehmer" in Anspruch zu nehmen (vgl. § 329; über den hierbei hineinspielenden „Vertrag zu Gunsten Dritter" oben § 12). 2. D i e s o g . k u m u l a t i v e S c h u l d ü b e r n a h m e (von „cumulus" ~ Haufen, also: Mehrzahl). Hier tritt der neue Mann nicht an die Stelle des alten Schuldners, sondern n u r n e b e n i h n , so daß jetzt der Gläubiger sich an b e i d e halten kann. Deshalb auch . . S c h u l d m i t ü b e r n a h m e " genannt. Das BGB. kennt diesen Typus nicht. Verständlich wird er durch die Parallele zur B ü r g s c h a f t (§§ 765ff.). Die sog. s e l b s t s c h u l d n e r i s c h e Bürg-

§ 29 II, III. Schuldübernahme

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schaft (unten § 56 Va 2) geht nahezu in die Schuldmitübernahme über. Doch ist man sich ziemlich einig, dogmatisch b e i d e s getrennt zu halten, w a s u. a. Entbindung der kumulativen Schuldübernahme v o n der für die Bürgschaft unerläßlichen S c h r i f t f o r m zur Folge hat.

II. W i r k u n g d e r S c h u l d ü b e r n a h m e (die nach Ia vollzogen ist). Kernsatz: Der Dritte , , t r i t t a n d i e S t e l l e d e s b i s h e r i g e n S c h u l d n e r s " (§414). Der alte Schuldner ist also damit von jeder Haftung frei geworden. Inhaltlich ist dagegen die Schuld dieselbe geblieben. Zwei wichtige B e g l e i t e r s c h e i n u n g e n treten hinzu, die in deutlichem Gegensatz zueinander stehen. a) D i e E i n r e d e n aus dem Schuldverhältnis g e h e n a u c h a u f d e n n e u e n S c h u l d n e r ü b e r , z. B. sogar die „Einrede des nichterfüllten Vertrages" (oben §11 IIa), obgleich ihn die noch außenstehende Gegenleistung gar nichts angeht. Möglicherweise ist er sogar k r a f t seines Innenverhältnisses dem alten Schuldner zur Erhebung der Einrede verpflichtet, um die Gegenleistung auf diese Weise dem alten Schuldner zu sichern. Ausdrücklich a u s g e s c h l o s s e n ist die A u f r e c h n u n g s m ö g l i c l i k e i t (§417 12). Und scharf zu trennen sind die e t w a i g e n i n t e r n e n Einreden, die d e r n e u e S c h u l d n e r g e g e n ü b e r d e m alten g e l t e n d m a c h e n kann, z. B., daß dieser ihm den G e g e n w e r t für die Übernahme n o c h nicht ausgezahlt hat.

b) D i e b e s o n d e r e n S i c h e r ü n g s m i t t e l g e h e n n i c h t m i t ü b e r , sondern erlöschen (§ 418). B ü r g s c h a f t sowohl wie P f a n d b e s t e l l u n g s e i t e n s e i n e s D r i t t e n sind ihrem Wesen nach als Hilfsstellung für eine ganz bestimmte Person (den alten Schuldner) gedacht: diesen kennt der Bürge, f ü r i h n will er sich verbürgen, nicht auch f ü r den anderen, der später der „neue" Schuldner wird. III. S o n d e r f ä l l e . a) H y p o t h e k e n ü b e r n a h m e gelegentlich des Erwerbs eines Grundstücks. Praktisch ein sehr häufiger und gewichtiger Fall. In den Städten ist die Mehrzahl der Grundstücke mit Hypotheken belastet, aber auch auf dem Lande ist die Hypothek weit verbreitet. Jede s o l c h e H y p o t h e k hat e i n e obligatorische Schuld neben sich, zu deren pfandmäßiger Deckung sie bestimmt ist. W ü r d e nun der Erwerbei des Grundstücks diese obligatorische Schuld nicht mit übernehmen (in A n r e c h n u n g auf den Kaufpreis oder dergl.), so käme e s zu einer Z w e i u n g d e r H a f t u n g : Er selbst haftet mit dem e r w o r b e n e n Grundstück, denn die H y p o t h e k verfolgt als e c h t e s Sachenrecht ohne weiteres da;. Grundstück auch in die n e u e Hand hinein, d a g e g e n bleibt die obligatorische V e r f a n g e n h e i t (die „persönliche" Schuld) beim Veräußerer des Grundstücks zurück. Diese Z w e i u n g soll möglichst v e r m i e d e n werden.

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§ 30 I. Personenmehrheit Darum b e g ü n s t i g t d e r G e s e t z g e b e r d e n U b e r g a n g a u c h der p e r s ö n l i c h e n S c h u l d auf den E r w e r b e r d e s G r u n d s t ü c k s . — In das Schuldrecht gehört lediglich d i e f o r m a l e S e i t e , wie z. B. die Einholung der Genehmigung des Gläubigers (§ 416). Alles nähere muß dem Sachenrecht, d. h. der Darstellung des Hypothekenrechts überlassen werden (vergl. im BGB. §§ 1153ff.).

b)Vermögensübernahme mit gleichzeitiger Übern a h m e d e r S c h u l d e n (§419), ebenfalls ein schwerwiegender, wenn auch praktisch seltener Vorgang. Beispiel etwa: Ein Auswanderer schlägt sein ganzes Vermögen einem zurückbleibenden Verwandten zu. Die rechtliche Regelung greift hier sehr energisch durch. Ohne weiteres („kraft Gesetzes") wird der Übernehmer des Vermögens neuer Schuldner sämtlicher zu der Masse gehörigen Schulden, und eine etwa entgegenstehende Vereinbarung zwischen ihm und dem Vermögensgeber ist dem Gläubiger gegenüber bedeutungslos (§ 419 III). Aber: A u c h d e r a l t e S c h u l d n e r h a f t e t w e i t e r . Andererseits kann dem n e u e n S c h u l d n e r nicht der Einsatz seines eigenen Vermögens angesonnen werden: er h a f t e t n u r m i t d e r ü b e r n o m m e n e n M a s s e (§41911). — Sonderfall: Kauf einer ganzen Erbschaft mit den Schulden (§§2371ff.).

c) Ü b e r n a h m e e i n e s H a n d e l s g e s c h ä f t s . Sehr häufiger und wirtschaftlich bedeutsamer Fall. Geregelt im HGB. § 25f. Leitsatz: „Wer ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma fortführt, haftet für alle im Betriebe des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers." § 30. Personenmehrheit (BGB. §§ 420ff.) G r u n d f o r m e n der Mehrheitsbetei-

I. D i e d r e i ügung. a) A u s g a n g s p u n k t . Beteiligung mehrerer an einem Schuldverhältnis, einem Kaufvertrag, einem Mietsverhältnis usw., ist keine Seltenheit. Dabei müssen die Schuldnerseite und die Gläubigerseite getrennt gehalten werden. Der Schuldnerseite fällt dabei in der juristischen Gestaltung wie in der Praxis des Lebens das Schwergewicht zu. Es ist aber zu beachten, daß bei den g e g e n s e i t i g e n V e r t r ä g e n die auf der einen Seite Stehenden z u g l e i c h eine Mehrheit von Schuldnern u n d eine Mehrheit von Gläubigern darstellen. Ein einfaches B e i s p i e l möge zunächst als ein bloßes Probeexempel dienen, um die verschiedenen M ö g l i c h k e i t e n der juristi-

§ 30 Ib. Schuldnermehrheit

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sehen Gestaltung theoretisch vorzuführen. Welche der mehreren Möglichkeiten nach dem heutigen deutschen Recht des BGB. wirklich gilt, wird erst der nachfolgende Abschnitt II darstellen. Das Beispiel: Vier Hausfrauen, die im gleichen Hause wohnen, kaufen gemeinsam eine Waschmaschine, die sie dann abwechselnd benutzen wollen. Der Preis möge 200 Mark betragen. Ihre Verabredung ist zunächst ein I n n e n v e r h ä l t n i s . Das ist auch schon ein Mehrheitsverhältnis, und zwar im Zweifel eine Gesellschaft nach §§ 705ff. BGB. (darüber das Nähere unten § 54). Nun aber treten sie nach außen und kaufen. Dann sind sie eine Mehrheit von Schuldnern auf den Kaufpreis und zugleich eine Mehrheit von Gläubigern auf Lieferung der Maschine. Sofort springen naheliegende F r a g e n heraus. Haftet jede der Frauen dem Gläubiger (Verkäufer) auf die ganzen 200 Mark oder nür auf ein Viertel? S c h u l d n e r s e i t e . Kann jede allein von dem Lieferanten die Lieferung, gewissermaßen als Wortführerin der anderen, verlangen, oder kann der Lieferant das ablehnen mit der Begründung: Ich liefere nur an euch vier zusammen? G l ä u b i g e r s e i t e . Wenn er im Gegensatz dazu die Waschmaschine einer allein ausgehändigt und diese die Maschine sofort weiterverkauft, also unterschlagen hat, können die anderen drei dies dem Lieferanten vorhalten und von ihm nochmals Lieferung verlangen: Du durftest nur an uns g e m e i n s a m liefern? Usw. b) D i e d r e i F o r m e n b e i S c h u l d n e r m e h r h e i t Um den sich hierbei ergebenden, im Leben in v e r s c h i e d e n e n F o r m e n auftretenden Stoff zu meistern, hat der Gesetzgeber (im A n s c h l u ß an jahrhundertelang gepflegte Theorien) d r e i G r u n d f o r m e n der Mehrheitsbeteiligung herausgearbeitet. Schuldnerseite u n d Gläubigerseite g e h e n dabei auseinander. D i e S c h u l d n e r s e i t e steht im Vordergrund. 1. D i e z e r l e g t e ( g e t e i l t e ) S c h u l d . Hier h a f t e t jeder Schuldner nur für einen Anteil, der Gläubiger kann n i c h t v o n einem das Ganze verlangen. A m anschaulichsten bei der Geldschuld. Würde also im obigen Beispiel diese erste Grundform gelten (was verständlich wäre, aber nicht dem Gesetz entspricht), so brauchte jede der vier Frauen eben nur 50 Mark zu bezahlen. Weitere juristische F r a g e n stellen sich rasch genug ein. Drei von den Hausfrauen haben ihre 50 Mark bezahlt, die vierte noch nicht. Kann der Lieferant, auf Lieferung der Maschine verklagt, die exceptio non impleti (oben § 11 IIa) entgegenhalten? Der W e g einer Zerlegung der S c h u l d versagt w e s e n s g e m ä ß bei einer u n t e i l b a r e n Leistung. Umkehr in dem Beispiel: Nur eine Hausfrau, dagegen auf der Lieferantenseite vier junge Männer als Schuldner, die in gemeinsamer Arbeit eine neuartige Waschmaschine konstruiert haben und gemeinsam an die Hausfrau verkaufen. Die Hausfrau kann natürlich nicht von jedem der Vier die Konstruktion und Lieferung eines T e i l s der geschuldeten Maschine verlangen.

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§ 30 Ib. Gesamtschuld

2. D i e G e s a m t s c h u l d . Hier keine Aufteilung. Sondern jeder der mehreren Schuldner muß, nach Wahl des Gläubigers, f ü r das G a n z e eintreten (Haftung in solidum, „Solidarschuld"). Der Gläubiger kann aber auch, wenn er will, die Schuldsumme nach seinem Gutdünken auf die mehreren verteilen. Er kann also in dem Probeexempel die eine Hausfrau ganz frei lassen, eine andere auf die Hälfte (100 Mark), die letzten beiden auf ein Viertel (50 Mark) in Anspruch nehmen.

Entsprechend kann er im Konkurs des einen der vier Schuldner die ganze Forderung anmelden (§ 68 KO.) und den Rest, mit dem er im Konkurse ausgefallen ist, hinterher gegen einen der drei anderen geltend machen. Die Lage ist demnach bei dieser Rechtsfigur für den Gläubiger außerordentlich günstig. Es ist darum begreiflich, daß die Tendenz der Gläubiger möglichst auf Verwendung dieser Schuldform gerichtet ist. Soweit freilich der Gläubiger durch den einen oder anderen der Schuldner b e f r i e d i g t wird, werden dadurch auch die anderen befreit, so daß der Gläubiger die ihm geschuldete Leistung i m g a n z e n n u r e i n m a l bekommt. Das Gesetz hat dieses Verhältnis terminologisch erfaßt und nennt es „Gesamtschuldverhältnis" (§421). A u c h hier zum Teil recht v e r w i c k e l t e F r a g e n . Der Lieferant der W a s c h m a s c h i n e hat e t w a den vier Hausfrauen den Kaufpreis mit vierzehntägiger Kündigungsfrist gestundet. N u n kündigt er der A. die Schuld zur Rückzahlung, behauptet dann der B. g e g e n ü b e r Fälligkeit, mahnt die ebenfalls nichtsahnende C. und will schließlich von der überraschten D. Verzugszinsen (über diese oben § 21 Illb) haben. Das Rechtsgefühl sagt uns, daß das nicht angeht. So hat denn auch der § 425 dahin entschieden, daß Tatsachen w i e die Kündigung, der V e r z u g usw. ,,nur für und g e g e n den Gesamtschuldner wirken, in d e s s e n Person sie eintreten". Ferner: Eine der Frauen könnte aufrechnen, weil sie eine Gegenforderung an den Lieferanten aus e i n e m früheren Geschäft hat. Sie h a t auch aufgerechnet. Kann der Lieferant sich dann an eine andere w e n d e n und v o n dieser den Kaufpreis einkassieren? N e i n (§ 422). Odet: Der Lieferant stirbt. Die Hausfrau A. b e e r b t i h n . Tritt Erlöschen durch „ K o n f u s i o n " ein (oben §27111), oder haften ihr nun als der Erbin die B., C. und D.? Ja, und zwar ,.gesamtschuldnerisch"; allerdings — dies W i r k u n g des Innenverhältnisses, w e n n nichts anderes verabredet ist — nur n o c h auf s/4.

3. E i n h e i t s s c h u l d (Gesamthandsschuld). Hier ist der Gedanke der, daß allerdings keine Zerlegung (1) stattfinden soll, daß aber auf der anderen Seite auch nicht einer beliebig herausgegriffen werden darf (2), sondern daß noch bei der Leistung selbst alle zu einer Einheit zusammengezogen werden. Das spiegelt sich dann auch im Falle eines Prozesses wieder: der Gläubiger muß alle zu-

§ 30 Ic. Gläubigermehrheit

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sammen verklagen. In der Praxis ist diese Form fast ausschließlich an das Dasein eines S o n d e r v e r m ö g e n s angeschlossen, z. B. an den Fall der noch ungeteilten Nachlaßmasse, die mit Schulden behaftet ist (§ 2059 II). c) Auf der Gläubigerseite, also bei einer M e h r h e i t v o n G l ä u b i g e r n , denen der eine Schuldner gegenübersteht, ist die Dreiteilung der Grundformen in entsprechender Abwandlung anwendbar. 1. Zunächst die Z e r l e g u n g : „Jeder Gläubiger ist nur zu einem gleichen Anteil berechtigt" (Text des § 420). In dem zweiten obigen Beispiel kann jeder der vier jungen Konstrukteure nur 50 M a r k von der H a u s f r a u verlangen.

2. Sodann, mit der „Gesamtschuld" korrespondierend, die G e s a m t f o r d e r u n g . Jeder kann f ü r sich allein auf das Ganze vorgehen. Gesetzliche Definition: „Sind mehrere eine Leistung in der Weise zu fordern berechtigt, daß jeder die ganze Leistung fordern kann, der Schuldner aber die Leistung nur einmal zu bewirken verpflichtet ist (Gesamtgläubiger), so kann der Schuldner nach seinem Belieben an jeden der Gläubiger leisten" (§ 428). Wie sich daraus ergibt, liegt das Schwergewicht beim S c h u l d n e r . Er kann wählen und wird durch seine Wahl auch.den anderen Gläubigern gegenüber frei. Abwicklung im einzelnen lehrreich und interessant. Auch hier Verzug, Kontusion usw. möglich. Das meiste in Parallele zur Gesamtschuld geregelt (so § 429 III), abweichend dagegen bei der Konfusion (§ 429 II).

3. D i e G e s a m t h a n d s - ( E i n h e i t s - ) F o r d e r u n g . So wie bei der Gesamthands s c h u l d die mehreren Schuldner als eine geschlossene Einheit angesprochen werden, müssen bei der Gesamthandsforderung die mehreren Gläubiger gemeinsam als Einheit auftreten. Es darf also weder an die mehreren Gläubiger je ein getrennter Anteil, noch an einen von ihnen allein das Ganze geleistet werden, vielmehr ist die Leistung a n s i e a l l e z u s a m m e n abzuführen. Die Rechtslage ist wiederum verwickelt. Einen Anhalt gibt § 432.

d) D a s I n n e n v e r h ä 11 n i s z w i s c h e n d e n m e h r e r e n richtet sich in erster Linie nach ihren Verabredungen, also nach Vertrag. Das Gesetz gibt einige Hilfsregeln. So f ü r die Gesamts c h u l d (oben b 2) im § 426: Unter sich sollen sie die Schuld gleichmäßig verteilen, also nach Köpfen, doch kann anderes verabredet sein. Ebenso bei der Gesamt f o r d e r u n g (oben c 2) im § 430: Gleiche Anteile an dem, was erworben wird.

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§ 30 IIb. Schuldnermehrheit bei teilbarer Leistung In beiden Fällen der gleiche Zusatz: „sofern nicht ein anderes bestimmt ist".

II. A n w e n d u n g d e r d r e i G r u n d f o r m e n . a) Ü b e r b l i c k . Das Gesamtbild ist verworren. Es fehlt an einer klaren, einheitlich durchgeführten Regelung. Allerdings ist im § 420 eine Generalregel vorangestellt. Aber sie deckt keineswegs alle Lagen und erweckt überdies, soweit es sich um die praktischen Lebensergebnisse handelt, eine ganz falsche Vorstellung. In jedem Fall wird zuerst zu prüfen sein, w e l c h e A b s i c h t d e n P a r t e i e n v o r g e s c h w e b t h a t , ob sie also ihr Verhältnis nach der Methode 1, 2 oder 3 geregelt wissen wollten. Dahinter greifen dann d i e g e s e t z l i c h e n H i l f s r e g e l n Platz. b) Auf der S c h u l d n e r s e i t e ist zu unterscheiden zwischen teilbaren- und unteilbaren Leistungen. Die teilbaren überwiegen durchaus. Man braucht nur an eine Geldschuld zu denken. 1. B e i t e i l b a r e n L e i s t u n g e n hat der Gesetzgeber jene G e n e r a l r e g e l d e s § 4 2 0 an die Spitze gestellt, wonach „jeder Schuldner nur zu einem gleichen Anteil verpflichtet" sein soll ( n o m i n a s u n t ipso i u r e divisa). Haben also zwei Brüder gemeinsam Kisten für sich gezimmert und dabei v e r s e h e n t l i c h (sonst unerlaubte Handlung mit gesamtschuldnerischer Haftung, § 840) fremde Bretter verwendet, so sind sie nach § 950 BGB. zwar Eigentümer der „neuen Sache" geworden, aber nach § 951 haben sie dem früheren Eigentümer der Bretter „Vergütung in Geld" zu gewähren, und dabei hat nun jeder n u r f ü r d i e H ä l f t e aufzukommen.

Aber diese Regel ist durch Ausnahmen von größter Tragweite durchbrochen, so daß sich in der Praxis der Grundsatz genau in das Gegenteil, nämlich in gesamtschuldnerische Haftung (Methode Ib 2) verkehrt. Die Hauptausnahme bringt der § 427. Danach soll gesamtschuldnerische Haftung im Zweifel schon dann Platz greifen, w e n n die V e r p f l i c h t u n g der M e h r e r e n auf e i n e m V e r t r a g beruht. Hierher gehören ungezählte Fälle, z. B. der gemeinsame Ankauf der Waschmaschine durch die vier Hausfrauen. Oder das gemeinsame Mieten einer Wohnung, etwa durch Freunde oder ein Ehepaar (doch greift gegebenenfalls das Ehegüterrecht ergänzend ein). Oder die gemeinsame Übernahme von Arbeiten Oder der gemeinsame Ankauf von Saatgetreide durch mehrere Landwirte usw. — Wenn einer der Mehreren als S t e l l v e r t r e t e r vorgeschickt wird, kommt es auf dem W e g über § 164 auch wieder zur gesamtschuldnerischen Haftung aller. Immerhin ist Vorsicht am Platze, ob nicht d e r P a r t e i w i l l e d o c h i n a n d e r e r R i c h t u n g läuft, also dahin, daß jeder eben nur für

§ 30 IIb. Schuldnermehrheit, unteilbare Leistung

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einen Anteil haften soll. Natürlich ist dabei u n t e r Parteiwille nicht der Wille der m e h r e r e n Schuldner untereinander zu verstehen, sondern der von ihnen zusammen mit dem Gläubiger gebildete Vertragswille. Schwierigkeiten k ö n n e n sich auch ergeben, w e n n es sich um die F o r t e n t w i c k l u n g des vertraglichen Verhältnisses handelt. Die mehreren Schuldner sind z. B. in V e r z u g geraten, und es handelt sich nun um ihre Schadensersatzpflicht (§ 283). Öder die mehreren V e r k ä u f e r sehen sich einer W a n d l u n g des Kaufes gegenübergestellt (§ 462), und es handelt sich nun um ihre Rückzahlungspflicht in Ansehung des Kaufpreises. Oder der Vertrag, auf Grund dessen die M e h r e r e n eine Zahlung empfangen haben, wird von dem V e r t r a g s g e g n e r w e g e n arglistiger Täuschung a n g e f o c h t e n (§123), und es handelt sich um das Wiederh e r a u s z a h l e n der e m p f a n g e n e n Summe. Liegt in allen diesen Fällen noch eine „vertraglich" ü b e r n o m m e n e Verpflichtung im Sinne des §427 vor? Das wird bezüglich des V e r z u g e s unbedenklich zu b e j a h e n sein. Bezüglich der W a n d l u n g dürfte sich gleichfalls die Bejahung empfehlen. Dagegen wird man die im Falle der A n f e c h t u n g (Nichtigkeit) einsetzende Rückgabepflicht nicht mehr aus dem V e r t r a g e — der j a gar nicht gilt —• ableiten können. Das R e i c h s g e r i c h t (Bd. 67 S. 261) hält jedoch auch in diesem Falle den § 427, also eine gesamtschuldnerische H a f t u n g für gegeben.

Neben den generellen § 427 treten noch schwerwiegende S o n d e r t a t b e s t ä n d e — aus den verschiedensten Bereichen des BGB. —, die alle ebenfalls statt der geteilten die gesamtschuldnerische Haftung proklamieren, so bei der H a f t u n g d e r M i t t ä t e r , A n s t i f t e r und G e h i l f e n aus u n e r l a u b t e r Handlung (§ 840 mit § 830), so bei der Haftung mehrerer M i t e r b e n (§ 2058), so bei der Haftung der E h e g a t t e n (§ 1388), so bei der M i t b ü r g s c h a f t (§ 769) und bei der M i t v o r m u n d s c h a f t (§ 1833 II). M a n muß nach alledem fast suchen, um Beispiele für die wirkliche A n w e n d u n g des § 420 bei teilbaren Leistungen zu finden, wie etwa die Haftung M e h r e r e r aus einer ungerechtfertigten Bereicherung (§ 812) oder aus einer gemeinsam vollzogenen G e s c h ä f t s f ü h r u n g ohne A u f t r a g (§ 677), oder die Haftung m e h r e r e r Unterhaltpflichtiger (§ 160612 und I I I ) .

2. Bei einer u n t e i l b a r e n L e i s t u n g hatte der Gesetzgeber die Wahl zwischen der Grundform der Gesamtforderung und der Gesamt h a n d forderung. Er hat sich für die erstere entschieden (§ 431), eine überraschende Lösung. Die H a u s f r a u kann d a n a c h in dem zweiten Beispiel (oben Ib 1) j e d e n einzelnen der vier j u n g e n Konstrukteure auf Lieferung der Maschine in Anspruch nehmen, und zwar „nach ihrem Belieben" (Worte des § 421). Der in A n s p r u c h Genommene hat dann dafür zu sorgen, daß es zur Lieferung kommt. Im Prozeßfall empfiehlt es sich jedoch, die Klage sogleich gegen alle zu richten. Die vier j u n g e n Konstrukteure h a b e n dann die prozessuale Stellung von Streitgenossen (§§ 59ff. ZPO.).

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§ 30 IIc, III. Sonstige Personenmehrheiten

c) A u f d e r G l ä u b i g e r s e i t e sind ebenfalls teilbare und unteilbare Leistungen auseinander zu halten. 1. Bei T e i l b a r k e i t der Leistung spielt hier auf der Gläubigerseite, im Gegensatz zur Schuldnerseite der § 420 eine viel gewichtigere Rolle, hier fehlt es an einer Regel nach Art jenes einschnoidenden § 427. Das bedeutet also, daß regelmäßig die mehreren Gläubiger n u r j e e i n e n K o p f t e i l zu beanspruchen haben (Beispiel oben Ic 1). Doch können sie natürlich einen b e v o l l m ä c h t i g e n , für sie die ganze Schuld einzuziehen oder einzuklagen. Ein sehi singulärer Fall, wo den M e h r e r e n die Grundform der G e s a m t g l ä u b i g e r s c h a f t (oben Ic 2) zugesprochen wird, in § 2151 II'. J e d e r der m e h r e r e n testamentarisch Bedachten kann dort allein auf das Ganze vorgehen und braucht im Zweifel nicht mit den a n d e r e n zu teilen.

2. Bei einer u n t e i l b a r e n Leistung schiebt sich dagegen die Grundform der G e s a m t h a n d s f o r d e r u n g (Einheitsforderung oben Ic 3) in den Vordergrund: § 432 BGB. So also bei dem gemeinsamen Kauf der W a s c h m a s c h i n e durch dio vier Hausfrauen, sie müssen gemeinsam auftreten. Der § 432 hat aber selbst schon die W o r t e eingeschoben „sofern sie nicht Gesamtgläubiger (also Grundform Ic 2) sind". Das hängt vom Parteiwillen ab, doch niclr. von dem „internen" Willen der m e h r e r e n Gläubiger, sondern von dem, was mit dem Schuldner ausgemacht worden ist.

III. S o n s t i g e P e r s o n e n m e h r h e i t . Mit den im Vorhergehenden geschilderten, von den Verfassern des BGB. im 6. Abschnitt des Rechts der Schuldverhältnisse zusammengefaßten Formen der Mehrheitsbeteiligung ist der Reichtum des Lebens nicht erschöpft. Im Schuldrecht selbst sind noch andere selbständige Formen eines Miteinandergehens oder Nebeneinanderstehens entwickelt. Die Hauptfälle sind: 1. Das Miteinandergehen der G e s e l l s c h a f t e r ; besonders charakteristisch ist das als Einheit zusammengehaltene „Gesellschaftsvermögen" (im BGB. §§ 705ff: unten § 54). — 2. Ein eigenartiges Nebeneinanderstehen zweier Forderungsberechtigter ergibt sich beim V e r t r a g z u g u n s t e n e i n e s D r i t t e n (oben § 12 Illb). — 3. Eine eigenartige Rechtsfigur auf der Schuldnerseite bietet das „akzessorische" Nebeneinander von Hauptschuldner und Bürgen bei der Bürgschaft (BGB. §§ 765ff; unten § 56 IV). Damit ist bereits der Übergang von den A l l g e m e i n e n L e h r e n des Schuldrechts zu den E i n z e l n e n S c h u l d v e r h ä l t n i s s e n gewonnen.

IX. Abschnitt. Internationales Privatrecht

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IX. Abschnitt: (Anhang) Internationales Privatrecht I. S c h u l d r e c h t u n d i n t e r n a t i o n a l e s P r i v a t r e c h t . Tausende von Schuldverhältnissen reichen in ihren wirtschaftlichen Zielen über die Grenzen eines einzelnen Staatswesens hinaus. Inländer und Ausländer schließen beständig Verträge miteinander, und auch eine unerlaubte Handlung kann leicht genug an der Begrenzung auf inländische Verhältnisse vorübergehen, indem etwa ein Inländer der Täter, der Geschädigte aber ein Ausländer ist. Dann entsteht f ü r die privatrechtliche Behandlung des Falles die V o r f r a g e , welches Recht anzuwenden ist. Zur Regelung dieser bloßen Vorfrage sind eigene Rechtssätze nötig, die in der wissenschaftlichen Erkenntnis zu dem S o n d e r g e b i e t d e s i n t e r n a t i o n a l e n P r i v a t r e c h t s (auch z w i s c h e n s t a a t l i c h e s Recht genannt) zusammengeschlossen worden sind. Die Frage wäre gegenstandslos, wenn alle Rechtsordnungen gleich wären. Aber das ist durchaus nicht der Fall. Die inländische Rechtsordnung führt etwa einen gesetzlichen Zinssatz von 4°/o (§ 246, oben S. 55111b), eine ausländische dagegen von 5 °/o. Die inländische Gesetzgebung hat etwa den Begriff des Schuldnerverzugs an ein Verschulden g e b u n d e n (ob. § 21 IIc), die ausländische nicht. Das deutsche BGB. läßt etwa bei einer unerlaubten Handlung die mehreren, die als Täter in Frage kommen könnten, schon dann alle zusammen haften, wenn sie irgendwie an dem Vorgang „beteiligt" waren (unten § 65 Ziff. IIa), während vielleicht die ausländische Zivilrechtskodifikation strikten Beweis der wirklichen Täterschaft gerade des Beklagten verlangt.

a) Das Internationale Privatrecht ist in seinen Grundzügen wie in fast allen Einzelheiten äußerst bestritten. Im E i n f ü h r u n g s g e s e t z z u m B G B . findet sich eine sehr lückenhafte Regelung. Dabei ist gerade das Schuldrecht, trotzdem (oder: weil?) es bei weitem am meisten an den internationalen Verwickelungen beteilig* ist, ganz unberücksichtigt geblieben, von einigen singulären Sätzen (Art. 11 und 12) abgesehen. Die Entscheidung ist also ganz in die Hände der g e r i c h t l i c h e n P r a x i s gelegt. Da diese jedoch sehr zurückhaltend und keineswegs in allem folgerichtig und einheitlich ist, bleibt vieles offen, und die W i s s e n s c h a f t muß ergänzend eingreifen. A r t . 11 betrifft die F o r m , unter der ein Rechtsgeschäft, wenn es gültig sein soll, abgeschlossen werden muß (schriftlich, notariell beurkundet oder dgl.); das wird entscheidend, wenn in dem einen Land eine solche Form vorgeschrieben ist, während in dem anderen Land das Geschäft auch formlos gültig ist. — Zu A r t . 12 vgl. nachfolgend IV.

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IX. Abschnitt. Internationales Privatrecht

b) Z w e i g e n e r e l l e R e g e l n , die wie ein Bollwerk wirken, hat das deutsche EG. zum BGB. an den Schluß gestellt, A r t . 3 0, der die Anwendung eines ausländischen Gesetzes für ausgeschlossen erklärt, „wenn die Anwendung g e g e n d i e g u t e n S i t t e n oder gegen den Z w e c k e i n e s d e u t s c h e n G e s e t z e s verstoßen würde", und A r t . 31 mit der sog. V e r g e l t u n g s k l a u s e l , die der zuständigen deutschen obersten Instanz (früher Reichskanzler, später Reichsjustizminister) die Befugnis einräumt, „ R e t o r s i o n " gegen einen Staat zu üben, der in seiner privatrechtlichen Gesetzgebung oder Judikatur Unbilligkeit gegen Angehörige deutscher Staaten sanktioniert hat. A r t . 3 0 hat w a h r h a f t internationale Bedeutung. Kein Staat kann auf eine solche Schutzklausel verzichten. In vielen Ländern ist sie wie in Deutschland gesetzlich fixiert. In a n d e r e n Ländern (Frankreich, England, Vereinigte Staaten von Amerika) beruht sie — als „ordre public", „public policy" — auf der festen Praxis der Gerichte. Das deutsche Reichsgericht ist in ständiger Praxis für eine i n s t r e n g e n G r e n z e n geh a l t e n e V e r w e n d u n g dieser äußersten Maßregel eingetreten. So hat es g e g e n ü b e r a u s l ä n d i s c h e n G e s e t z e n festgestellt: Ihre Anw e n d u n g ist nur verboten, „wenn der Unterschied zwischen den staatspolitischen oder sozialen A n s c h a u u n g e n , auf welchen dieses Recht und auf welchen das k o n k u r r i e r e n d e deutsche Recht beruht, s o e r h e b l i c h i s t , daß die A n w e n d u n g des ausländischen Rechts direkt die G r u n d l a g e n des deutschen staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens angreifen w ü r d e " (Bd. 60 S. 300, Bd. 93 S. 183, Bd. 151 S. 300). Zur Frage des Verstoßes g e g e n d i e g u t e n S i t t e n als Beispiele: RG. Bd. 150 S. 283, Bd. 153 S. 207, Bd. 161 S. 299; im letzteren Fall Stimmrechtsausübung deutscher Mitglieder bei einer ausländischen Aktiengesellschaft. A r t. 3 1 , der in das Völkerrecht hinüberwächst und ebenfalls in allen Ländern irgendwie als Dogma a n e r k a n n t ist, hat dagegen trotz dieser universellen A n e r k e n n u n g fast nichts zum eigentlichen A u s b a u des i n t e r n a t i o n a l e n P r i v a t r e c h t s beigetragen, weil er eben seinem G r u n d c h a r a k t e r nach völkerrechtlich ist.

Beide Regeln gelten als ein u l t i m u m r e f u g i u m und stehen deshalb abseits von der im folgenden behandelten regulären Dogmatik des internationalen Privatrechts. II. In der Dogmatik wie in der Praxis des internationalen Privatrechts wird auf dem Gebiet des S c h u l d r e c h t s als oberster Grundsatz anerkannt, daß die P a r t e i e n selbst bestimmen können (natürlich in Übereinstimmung), unter welches Recht sie treten wollen. Die allgemeine V e r t r a g s f r e i h e i t , die für das Schuldrecht charakteristisch ist (vgl. oben § 2 III, § 5 IIa 1, usw.), gilt auch hier. Das RG. hat dem in ständiger Praxis wie folgt Ausdruck gegeben: „Für die Frage, welches Recht von mehreren in Betracht

IX. Abschnitt. Internationales Privatrecht

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kommenden anzuwenden ist, entscheidet in erster Reihe der Wille der Vertragsparteien, sofern er sich tatsächlich feststellen läßt, während im anderen Fall ermittelt werden muß, was die Parteien bei vernünftiger und billiger Berücksichtigung aller Umstände über das anzuwendede Recht bestimmt hätten, wenn sie sich der Notwendigkeit einer solchen Bestimmung bewußt gewesen wären" (Bd. 151 S. 199; fortgeführt in Bd. 167 S. 376). Es wird also zunächst durch A u s l e g u n g zu ermitteln sein, ob ein Engländer und ein Deutscher, die einen Kauf über eine Werkzeugmaschine abgeschlossen haben, unter deutsches oder englisches Recht treten wollten. Auch hier wieder spielen f o r m u l i e r t e L i e f e r u n g s b e d i n g u n g e n (vgl. oben § 2 I I I b l ) eine große Rolle. Namentlich Großfirmen, etwa die Schiffahrtsgesellschaften, die Banken, die großen Exportfirmen, die großen Lagerhäuser haben ihre festen „Konditionen", denen sich im Zweifel stillschweigend jeder unterwirft, der mit ihnen abschließt. Schwierigkeiten ergeben sich, wenn das von den Parteien zugrunde gelegte Auslandsrecht gegen eine z w i n g e n d e Vorschrift des Inlandsrechts verstößt; dann schaltet sich Art. 30 EG. ein. Läßt z. B. das — nach der Parteivereinbarung an sich anzuwendende — ausländische Recht eine vorherige Vereinbarung von Z i n s e s z i n s e n zu, so darf doch der deutsche Richter einer darauf gerichteten Klage nicht stattgeben (vgl. oben § 9 III).

III. Wo die Auslegung versagt, d. h. nichts Klares ergibt, muß irgendein o b j e k t i v e r „A n k n ü p f u n g s p u n k t " gefunden werden, der die einzelnen Schuldverhältnisse einer bestimmten Rechtsordnung zuweist. Als solche Anknüpfungsmomente kommen hauptsächlich in Frage: 1. Der Ort, wo das G e s c h ä f t getätigt worden ist. 2. Der Ort, wo die Leistung erbracht werden soll ( E r f ü l l u n g s ort). 3. Der Ort, wo der G l ä u b i g e r wohnt. 4. Der Ort, wo der S c h u l d n e r wohnt. 5. Der S t a a t , dem der Gläubiger angehört; mit 3. braucht das keineswegs zusammenzufallen, ein deutscher Staatsbürger kann seinen Wohnsitz in der Schweiz haben. 6. Der S t a a t , dem der Schuldner angehört (braucht wiederum nicht mit 4. zusammenzufallen).

Es empfiehlt sich, a n d i e P e r s o n d e s S c h u l d n e r s anzuknüpfen. Sein Verhalten, seine Leistungspflicht (oben §§ 5ff.) bildet den Kern des ganzen Schuldverhältnisses. Dazu kommt der schon seit Jahrhunderten übermittelte, gesunder Erfahrung entsprechende Gedanke: es solle niemand auf mehr verpflichtet werden, als sich ihm klar beweisen läßt. Der Schuldner denkt nun normalerweise zunächst immer nur an sein eigenes Heimatsrecht; auch das also

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IX. Abschnitt. Internationales Privatrecht

spricht für Anknüpfung an seine Person. Bei der weiteren Wahl zwischen Wohnsitz des Schuldners (oben Ziff. 4) und Staatsangehörigkeit des Schuldners (Ziff. 6) empfiehlt es sich, auf den Wohnsitz abzustellen. Das dürfte am meisten dem entsprechen, was der (durchschnittliche) Parteiwille und der (internationale) Verkehrsbrauch verlangen. Der W o h n s i t z d e s S c h u l d n e r s wäre danäch im Zweifel das entscheidende Moment. Die P r a x i s d e s d e u t s c h e n R e i c h s g e r i c h t s hat sich dagegen auf den E r f ü l l u n g s o r t (Ziff. 2) festgelegt. So z. B. Bd. 103 S. 261, Bd. 141 S. 316. Aber das fällt in der Mehrzahl der Fälle mit dem vorstehend v e r t r e t e n e n Standpunkt zusammen. Denn seit dem Inkrafttreten des BGB. ist der „Erfüllungsort" im Zweifel am Wohnsitz des Schuldners (§269, oben § 1 5 I a 2 ; RG. in Bd. 103 S. 261). Überdies hat das RC. in anderen Entscheidungen deutlichen Zweifel geäußert, ob nicht doch an die Person des Schuldners (also entweder Ziff. 4 oder Ziff. 6) anzuknüpfen sei; so Bd. 61 S. 343, Bd. 62 S. 379. Oder es hat die Frage ausdrücklich offen gelassen; so Bd. 101 S. 143. Und schließlich betont es immer wieder, daß der Grundsatz des Erfüllungsortes „ n i c h t a u s n a h m s l o s a n z u w e n d e n ist, sondern eben nur, soweit der mutmaßliche Parteiwille nicht entgegensteht"; so Bd. 107 S. 123. Im A u s l a n d besteht in m a n c h e n Staaten starke Neigung, am O r t d e s V e r t r a g s c h l u s s e s (lex loci contractus, oben Ziff. 1) als entscheidendem Punkt festzuhalten.

Natürlich sind mit der Gewinnung eines solchen allgemeinen Anhaltspunktes keineswegs schon alle Schwierigkeiten überwunden. Vor allem enthalten die Schuldverhältnisse bekanntlich höchst selten nur eine einzige Schuldbeziehung, sondern sind meistens a u s m e h r e r e n B e z i e h u n g e n z u s a m m e n g e s e t z t (vgl. oben § 4 III), und diese mehreren Beziehungen stehen dann regelmäßig in einem Abhängigkeitsverhältnis zueinander, sie sind „synallgamatisch" unter sich verbunden (oben § 11). Soll dann jede einzelne auf die Person i h r e s Schuldners zurückgeführt werden und dessen Wohnsitz ohne Rücksicht auf die gegnerische Leistung entscheidend sein? Im Grundsatz ist das wohl richtig. Man kann z. B. bei einer Lieferung von Maschinenteilen seitens einer deutschen Fabrik an einen französischen Abnehmer die Mängelhaftung nach dem deutschen BGB. (vgl. u n t e n § 3 2 V ) , dagegen die Frage, in w e l c h e m Ausmaß der Besteller für A n n a h m e v e i z u g zu haften hat, nach französischem Recht behandeln. A b e r oft genug wird der P a r t e i w i l l e a u f e i n h e i t l i c h e A b w i c k l u n g d e s g a n z e n G e s c h ä f t s g e r i c h t e t sein, und bisweilen wird auch, davon ganz abgesehen, das Auseinanderreißen der beiderseitigen Leistungen zwecks Abmessung nach verschiedenen Rechtsordnungen zu praktisch unhaltbaren Ergebnissen führen. Hier bleibt nur Rechtsprechung nach dem gesunden M e n s c h e n v e r s t a n d und wirtschaftlicher Vernünftigkeit übrig.

IX, Abschnitt. Interlokales und Interzonenrecht

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IV. Schließlich läßt sich eine S o n d e r b e h a n d l u n g e i n z e l n e r S o r t e n v o n S c h u l d v e r h ä l t n i s s e n nicht umgehen. Das Hauptbeispiel bieten die u n e r l a u b t e n Handl u n g e n (unten §§ 62ff). Hier ist mit dem Verletzten zugleich der Staat, wo die Untat begangen worden ist, getroffen. Der Schuldner (Täter) kann sich nicht darauf zurückziehen, daß er „zu Hause" (an seinem Wohnsitz) milder behandelt worden wäre. Es entscheidet daher bei den Deliktsobligationen nach gefestigter Praxis der Ort der Tat (lex delicti commissi). Man kann verallgemeinern: überall, wo ein ö f f e n t l i c h r e c h t l i c h e s I n t e r e s s e hineinspielt, wird man mit der einseitigen Abstellung auf die Person des Schuldners vorsichtig sein müssen. Der Grundsatz, daß bei Delikten der Ort der Tat entscheidend ist, erfährt eine Abschwächung — und zwar nach der Konzeption von 1896 im damaligen Deutschen Reich eine bewußte M i l d e r u n g z u g u n s t e n d e r e i g e n e n ( d e u t s c h e n ) S t a a t s a n g e h ö r i g e n durch den Art. 12 EG. Danach bildet für einen deutschen Täter das, worauf er nach deutschem Recht zu verurteilen wäre, gegenüber einem vielleicht strengeren Auslandsrecht — in dessen Bereich der Deutsche die Tat begangen hat — das H ö c h s t m a ß . Deshalb kann sich z. B. der Deutsche auch auf die etwa kürzere deutsche Verjährungsfrist (nur 3 Jahre, § 852) berufen. So RG. Bd. 118 S. 142.

V. „ I n t e r l o k a l e s R e c h t " , „ I n t e r z o n e n r e c h t " . Das internationale Privatrecht geht davon aus, daß die Welt als Ganzes in viele einzelne Länder (Staaten) zerlegt ist. Auch innerhalb eines Staates spielt, je nach seiner Verfassung (Gegensatz des Einheitsstaates zum Bundesstaat), die Zerlegung in einzelne Länder, Distrikte, Kantone eine Rolle. Da die Gesetzgebungen dieser Teilgebiete, die „Partikularrechte" (wiederum je nach der Verfassung) in dieser oder jener Frage des Privatrechts einander widersprechen können, entsteht das gleiche Poblem wie bei dem Gegenüber geschlossener selbständiger Reiche und Staaten. Dafür hat sich die juristische Bezeichnung „Interlokales Recht" eingebürgert. Die rechtliche Regulierung ist hier noch weniger klargestellt und noch weniger gesetzlich gefestigt wie beim „Internationalen Privatrecht". Anlehnung an das letztere ist jedenfalls der naheliegende A u s g a n g s p u n k t . Das deutsche Reichsgericht hat dem mit dem allgemeinen, vorsichtig gehandhabten Satz Ausdruck verliehen: „Auf das deutsche interlokale Recht sind wegen seiner Wesensverwandtschaft mit dem zwischenstaatlichen (interzonalen) Privatrecht dessen Vorschriften grundsätzlich anwendbar." RG. Bd. 170 S. 202 (der konkrete Fall scheidet für die heutige staatsrechtliche Lage aus, da es sich nicht um eines der jetzigen deutschen Länder, sondern um das damals einverleibte Österreich gehandelt hat). 10 H e d e m a n n , S c h u l d r e c h t 3. Aufl.

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§ 31. Einzelne Schuldverhältnisse;

Einleitung

Der G r u n d s a t z ist auch v o n den Autoritäten der W i s s e n s c h a f t anerkannt: „Die Konflikte der Partikularrechte sind v o n d e r s e l b e n Art w i e die der Rechte v e r s c h i e d e n e r Staaten; die zu ihrer Regelung e r l a s s e n e n N o r m e n sind daher gleichfalls von d e r s e l b e n Art w i e die für den anderen Fall erlassenen" (Leo Raape).

Heute ist in Deutschland zu der Gliederung in Länder die Aufteilung des verbliebenen Recihsgebietes in Z o n e n hinzugetreten. Eine große Zahl von Problemen sind dadurch auch auf privatrechtlichem Gebiet hervorgerufen worden. Es hat sich d a f ü r die terminologische Bezeichnung „Interzonenrecht" eingebürgert. Ein Hauptbeispiel bildet die Sitzverlegung von wirtschaftlichen Unternehmungen aus einer Zone in die andere. Insbesondere, wenn in der einen Zone das betreffende Unternehmen enteignet worden ist und nun die Frage auftaucht, ob und inwieweit dieser Rechtsakt auch f ü r die anderen Zonen mit dem neuen Sitz des Unternehmens rechtsgültig ist. Davon hängen wieder viele Einzelfragen ab. Gesetze und Verordnungen der Zonen und viele Gerichtsurteile sind bemüht gewesen, diesem neuartigen Stoff juristisch gefestigte Grundlagen zu geben. Doch ist die Materie zur Zeit noch nicht abgeschlossen.

II. Teil: Einzelne Schuldverhältnisse § 31. Einleitung I. Der zweite Teil stellt diejenigen Schuldverhältnisse dar, die sich im Verkehr eingebürgert haben. Sie sind im Laufe der Zeiten zu festen volkstümlichen T y p e n geworden. Das bringt die Gefahr einer Erstarrung mit sich. II. Indessen bietet gerade das Schuld recht g e n ü g e n d e n R a u m f ü r B e w e g u n g s f r e i h e i t . Seine Typenbildung hat nichts Zwingendes. Es sind, von wenigen Ausnahmen abgesehen, Vorschläge, die der Gesetzgeber macht. Die P a r t e i e n können Abweichendes vereinbaren, wenn das zu ihren Zwecken besser paßt: V e r t r a g s f r e i h e i t steht über den typischen Bildern (vgl. oben § 5 IIa 1). a) Das bedeutet einmal, daß die Parteien auch g a n z n e u e T y p e n durch ihre Vereinbarung schaffen können, Typen also, deren der Gesetzgeber gar nicht gedacht hat. Hierher gehört etwa der Vertriebs- oder Trödelvertrag (unten § 38), der zwar alteingebürgert, aber vom BGB weggelassen worden ist. Ferner die K a r t e l l v e r t r ä g e , die zwar aus dem alten Gesel!schaftsrecht herausge-

§ 31 II. G e m i s c h ' e Schuldverhältnisse

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wachsen sind, aber mehr und mehr selbständige Gestalt angenommen haben (vgl. unten § 53 IVd). Der G e s e t z g e b e r folgt dann gegebenenfalls der schöpferischen Leistung der beteiligten V o l k s k r e i s e nach. Er übernimmt den von diesen geschaffenen neuen V e r t r a g s t y p u s und stellt ihm ein S o n d e r g e s e t z zur Verfügung. Hauptbeispiel der V e r l a g s v e r t r a g , der sich allmählich im V e r k e h r zwischen Buchhändlern und Schriftstellern herausgebildet, immer festere Sonderformen angenommen und schließlich seine Stätte im Verlagsgesetz vom 19. J u n i 1901 g e f u n d e n hat.

b) Zum anderen bedeutet die grundsätzlich bestehende Bewegungsfreiheit, daß die Parteien M i s c h u n g e n z w i s c h e n d e n s c h u l m ä ß i g e n T y p e n vollziehen können. Gerade das ist überaus häufig, meist ohne daß den Beteiligten die Mischung zum Bewußtsein kommt. Wer, um sich pflegen zu lassen, in ein Krankenhaus geht, erwirbt die dargebotenen Speisen käuflich (§§ 433 ff.), wohnt in dem Zimmer zur Miete (§§ 535 ff.), genießt entgeltlich die Dienste des Pflegepersonals (§§ 611 ff.) und geht möglicherweise mit dem operierenden Arzt einen Werkvertrag ein (§§ 631 ff.). Oder es steht etwa in der Zeitung zu lesen: „ J u n g e r Mann sucht mit zwei Pferden Beteiligung, auch nur Arbeit." Ihm ist es gleichgültig, wie der J u r i s t seine W ü n s c h e und den zustande gekommenen Vertrag klassifiziert. Er will nur sein Brot verdienen, sei es in Gestalt einer echten „Beteiligung" (juristisch „Gesellschaft", §§705ff.|, sei es als Lohnarbeiter (juristisch „Dienstvertrag", §§ 61 lff.), sei es, indem er wenigstens die Pferde verdingt (juristisch „Mietsvertrag", §§ 535ff.) — oder aber, indem a l l e s z u s a m m e n in den V e r t r a g aufgenommen wird.

Für die j u r i s t i s c h e B e h a n d l u n g solcher gemischten Verträge (negotia mixta) bieten sich d r e i M ö g l i c h k e i t e n dar: 1. Die sog. A b s o r p t i o n s m e t h o d e . Hier wird der e i n e Bestandteil der Abmachungen als die'Hauptsache bewertet. Er „absoibiert" alles andere. W e n n z. B. bei der Miete eines möblierten Zimmers der Morgenkaffee und das Kleiderputzen mit einbegriffen ist, so tut man gut, das ganze Verhältnis e i n h e i t l i c h a l s M i e t e z u b e h a n d e l n und nicht als eine Mischung von Miete, Kauf u n d Dienstvertrag. Immerhin können g e 1 e g e n 11 i c h die Vorschriften des Kauf- und Dienstvertragsrechts ergänzend herangezogen werden.

2. Die sog. K o m b i n a t i o n s m e t h o d e . Hier werden die beiden (oder mehreren) Bestandteile des Geschäfts als einander gleichwertig behandelt. Für j e d e n kommt sein besonderes Recht zur Anwendung. Das gilt z. B. von dem sog. P f ö r t n e r v e r t r a g : Der Pförtner leistet Dienste und steht insoweit in einem Dienstvertragsverhältnis, er bekommt dafür (neben oder anstatt Bargeldlohn) f r e i e W o h n u n g in dem 10»

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§ 31 III. Sieben Gruppen von Schuldverhältnissen

Hause, was als Mietsverhältnis aufgefaßt werden muß. W e n n daher der Pförtner sich infolge einer Gefährdung im Dienst eine Verletzung zuzieht, richten sich seine Ansprüche nach § 618 (Dienstvertrag). Wenn dagegen die schlechte Beschaffenheit des ihm überlassenen Quartiers seine Gesundheit gefährdet, so richten sich seine Ansprüche nach § 544 (Mietsvertrag). Damit werden aber nicht alle Zweifel gelöst. W i e ist es z. B. mit der K ü n d i g u n g bei einem solchen Pförtnervertrag? Die Kündigungsfristen sind schon gesetzlich beim Dienstvertrag andere als beim Mietsvertrag (§§ 621 ff., §§ 565ff.); durch Ortsgebrauch, Tarifverträge usw. kann sich das noch mehr verschieben. Nur e i n e Kündigungsfrist kann aber entscheidend sein, beide zu „kombinieren" ist ausgeschlossen. Hier wird der a u s l e g e n d e R i c h t e r doch dazu gedrängt, den einen der beiden Bestandteile, das Wohnen oder die Dienstleistung, zur Hauptsache zu erklären und nach i h m die Kündigungsfrist zu bestimmen. Einen Sonderfall bildet das n e g o t i u m m i x t u m c u m d o n a t i o n e , bei dem einem Kauf (oder einem anderen entgeltlichen Vertrage) im Hinblick auf den befreundeten oder verwandten Partner e i n S t ü c k S c h e n k u n g beigemischt wird. Er bekommt den Gegenstand zum „Freundschaftspreise", „halb geschenkt". Darüber noch unten §3311.

3. Die sog. E m a n z i p a t i o n s m e t h o d e . Hier wird die Mischung als so neuartig empfunden, daß man, statt einen gemischten Bau aus alten Teilstücken zu errichten, an einen N e u b a u herantritt. Man löst sich von der Befangenheit des gesetzlichen Typensystems und kehrt auf den Weg a zurück: Ausbildung eines neuen Typus. III. O r d n u n g d e r e i n z e l n e n Schuldverhältnisse. Das BGB hat in seinem 7. Abschnitt, der die einzelnen Schuldverhältnisse behandelt, auf eine deutliche S y s t e m a t i k verzichtet. Es reiht die verschiedenen Typen in 25 Titeln hintereinander auf wie Perlen an einer Schnur. Es lassen sich aber doch einige g r ö ß e r e G r u n d g e d a n k e n finden, die es ermöglichen, die einzelnen schuldrechtlichen Erscheinungen zu Gruppen zusammenzufassen und diesen Gruppen eine vernünftige Reihenfolge zu geben. Die gesetzliche Reihenfolge kann dabei nicht vollständig eingehalten werden. An die Spitze sind die Verträge zu stellen, bei denen ein Vermögensgegenstand dem Vertragspartner e n d g ü l t i g ü b e r l a s s e n wird, sei es entgeltlich wie beim Kauf, sei es unentgeltlich wie bei der Schenkung (Kap. 1: Veräußerungsverträge). Dann folgen Schuldverhältnisse, bei denen dem anderen n u r z e i t w e i s e d e r G e b r a u c h des betreffenden Vermögensstückes überlassen wird, wie namentlich bei der Miete (Kap. 2: Gebrauchsüberlassungsverträge). Von einer zeitweisen Überlassung kann man auch sprechen, wenn jemand einem anderen Geld borgt, d. h. K r e d i t g i b t . Abel dabei soll später doch eben nicht ein bestimmtes Einzelstück zurück-

§ 32. Kauf, Vorbemerkung

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gegeben werden, wie beim vermieteten Auto, sondern Geld in Stücken oder Scheinen, von denen man heute noch gar nichts Näheres weiß; darum muß aus den Kreditvorgängen eine weitere selbständige Gruppe gebildet werden (Kap. 3: Kreditgeschäfte). Ganz anderer Art sind wieder die A r b e i t s v e r t r ä g e . Hier handelt es sich nicht um einen toten Gegenstand, der hinüber und herüber wandert, sondern der lebende Mensch tritt mit seiner Arbeitskraft in den Mittelpunkt (Kap. 4). Der lebendige Mensch bildet auch das Kernstück bei den G e s e l l s c h a f t e n oder anderen Personenvereinigungen, nur, daß sich hier die Beteiligten nicht wie Arbeitgeber und Arbeitnehmer g e g e n ü b e r s t e h e n , sondern daß sie z u s a m m e n treten, um gemeinsam ihre Verhältnisse zu regeln (Kap. 5). Das alles genügt noch nicht. Bei allen vorangehenden Typen können Unsicherheiten oder Unklarheiten bestehen, denen dann mit neuem Vertragsschluß zwecks Klärung oder S i c h e r u n g des schon Bestehenden begegnet werden muß, etwa in der Weise, daß ein Bürge einspringt, oder in der Weise, daß man einen ausgebrochenen Streit durch einen „Vergleich" aus der Welt schafft (Kap. 6: Sicherungsverträge). Schließlich bleiben einige sehr wichtige Schuldverhältnisse übrig, bei denen durch andere, vorangehende Ereignisse eine nicht erträgliche Vermögenslage geschaffen worden ist, deren U n r e c h t m ä ß i g k e i t a u s g e g l i c h e n werden soll. Besonders bemerkenswert ist, daß hier die schuldnerische Verpflichtung nicht aus einem Vertrage, sondern über den Willen des Schuldners hinweg unmittelbar aus dem Gesetz entspringt (obligationes ex lege). Das Recht der unerlaubten Handlungen bildet das Schlußstück dieser Gruppe und damit das mächtige Finale der ganzen, langen Reihe „einzelner Schuldverhältnisse" (Kap. 7). Der Studierende wird gut tun, immer das G e s e t z im Auge zu behalten.

1. Kapitel: Veräußerungsverträge §32. Kauf (BGB §§ 433 ff.) V o r b e m e r k u n g : Die Darstellung des Kaufrechts ;st ausführlicher gestaltet wie die der anderen Schuldverhältnisse. Vor allem ist hier das unablässige Hineinwirken der im I. Teil behandelten „ A l l g e m e i n e n L e h r e n " an den verschiedensten Stellen berücksichtigt. Die Darstellung des Kaufs soll in dieser Hinsicht als B e i s p i e l dienen. Der Kauf ist auch dasjenige Schuldverhältnis, das am schnellsten und häufigsten die Grenzen der Staaten überschreitet und deshalb besondere

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§ 32 Ia 1. Kauf, V e r t r a g s c h a r a k t e r i n t e r n a t i o n a l e B e d e u t u n g hat. Reichhaltiges Material aus allen Kulturländern in dem W e r k v o n Ernst R a b e 1, Das Recht des Warenkaufs, eine rechtsvergleichende Darstellung, Bd. I (Schriften des Kaiser-Wilhelnu-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht) 1936. Vom gleichen Autor ist sogar schon, wiederum im Rahmen der Arbeiten des K.-W.-I., ein „ E n t w u r f eines einheitlichen K a u f g e s e t z e s " ausgearbeitet worden (Sonderheft der Zeitschr. t. ausländ, und i n t e m a t . Privatrecht IX. Jg.) 1935. —' Über das internationale Privatrecht oben S. 141ff.

I. G r u n d z ü g e d e s K a u f e s a) D e r R a h m e n . Der Kauf ist ein gegenseitiger Vertrag, in dem sich der eine Teil verpflichtet, dem anderen einen Vermögensgegenstand endgültig zu überlassen, wofür der Vertragsgegner die Zahlung einer Geldsumme zusagt. 1. V e r t r a g s c h a r a k t e r . Käufer und Verkäufer müssen sich zusammenschließen. E i n s e i t i g kann niemandem ein Kaufvertrag aufgedrungen werden. A u c h nicht Einzelheiten des Geschäftes, z. B. die Höhe des Preises, der Erfüllungsort, die Annahme unbestellt zugesandter Waren. Überall k a n n der a n d e r e Teil auf § 154 verweisen: „Solange nicht die Parteien sich über alle Punkte eines Vertrages g e e i n i g t haben, ist im Zweifel der V e r t r a g nicht geschlossen." In diesen G r u n d g e d a n k e n der absoluten Freiwilligkeit hat die E n t w i c k l u n g d e r l e t z t e n J a h r z e h n t e starke Breschen geschlagen. Der schwere Druck der beiden Weltkriege, die anschließende wirtschaftliche Not, die Stagnation des freien kaufmännischen Lebens hat im Zusammenhang mit der staatlich organisierten P l a n w i r t s c h a f t zu den seltsamen Rechtsfiguren eines Kontrahierungszwanges, eines „ d i k t i e r t e n " V e r t r a g e s geführt (darüber schon oben § 2 IIIc). Das alles hat gerade auch in die Welt der Käufe und Verkäufe tief eingeschnitten. Doch muß die Dogmatik des Kaufrechts an der Grundkonzeption des BGB., der Freiwilligkeit des Abschlusses festhalten.

Weil der Kauf ein Vertrag (und damit auch ein „Rechtsgeschäft') ist, nimmt er an dem a l l g e m e i n e n V e r t r a g s r e c h t teil. Z. B. an den Regeln über N i c h t i g k e i t w e g e n Sittenvers t o ß e s (§138 BGB.; Verkauf eines Bordells; weggefallen die gemeinrechtlichen Sonderregeln für die sog. l a e s i o e n o r m i s ) oder wegen Verstoßes gegen ein V e r b o t s g e s e t z (§ 134 BGB.; z. B. gegen ein Ausfuhrverbot).

Der Kauf ist ferner „ g e g e n s e i t i g e r " Vertrag (vgl. oben § 11). Daraus folgt, daß grundsätzlich „Zug um Zug" geleistet werden muß, und daß jeder Teil die „Einrede des nicht erfüllten Vertrages" hat. Häufig ist der Kauf gleichzeitig ein „handelsrechtl V e r t r a g " . Gleichzeitig, denn das BGB. ist keineswegs dabei schaltet, bleibt vielmehr überall entscheidend, wo nicht das HGB. dere Bestimmungen aufstellt (oben § 1 Ziff. Illb). Dies ist nur für

icher ausgebesonEinzel-

§ 32 I a 2. Kauf. Die W a r e

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heiten geschehen, hauptsächlich in den §§ 373 bis 382 des HGB. — Rahmen f ü r die Zugehörigkeit in den handelsrechtlichen Bereich: „Handelsgeschäfte sind alle Geschäfte eines Kaufmanns, die zum Betriebe seines Handelsgewerbes g e h ö r e n " (§ 343 HGB.).

2. D i e W a r e . Das Gesetz spricht im ersten Paragraphen des Kaufrechts (§433) nur von „ S a c h e n " (das sind nach §90 k ö r p e r l i c h e Gegenstände) und von „ R e c h t e n " als Gegenstand des Kaufgeschäftes. Später behandelt es auch den Verkauf ganzer V e r m ö g e n s m a s s e n (so den Erbschaftskauf, § 2373). Daneben bringt das Leben noch andere Werte hervor, die einer käuflichen Behandlung zugänglich sind, namentlich G e w i n n m ö g l i c h k e i t e n , die sich an eine gut beleumundete Firma, an eine feste Praxis, an ein Geschäftsgeheimnis knüpfen. Solche Kaufobjekte sind keineswegs deshalb ausgeschlossen, weil der Gesetzestext van ihnen schweigt. Es muß vielmehr, was im Gesetz über den Kauf von Sachen und Rechten gesagt ist, zweckentsprechend auf diese anderen Fälle übertragen werden. B e i s p i e l e : Verkauf eines Pferdes und Verkauf von 100 Zentnern Klee; hier wurzelt ein b e d e u t e n d e r Unterschied: das Pferd ist als ganz bestimmtes Einzelstück g e k a u f t (sog. S p e z i e s k a u f ) , der Klee als ein zunächst noch nicht a u s g e s o n d e r t e s Q u a n t u m a u s der Gattung „Klee" heraus (sog. G e n u s - o d e r G a t t u n g s k a u f ) . Das N ä h e r e darüber ist bereits im § 7 dargestellt worden. — Verkauf einer H y p o t h e k . Gegenstand nicht der körperlich faßbare Hypothekenbrief, sondern das verbriefte R e c h t . Ebenso Verkauf eines P a t e n t s . — Verkauf eines L a d e n g e s c h ä f t e s : K a u f o b j e k t dabei auch körperliche Gegenstände, z. B. die Einrichtung des Ladens, aber H a u p t s a c h e die ,,K u n d s c h a f t " und die „Firma" und die d a r a n h ä n g e n d e Gewinnaussicht. D a n a c h ist der Preis berechnet. Wichtig bei nachträglich hervortretenden Mängeln, zum Teil auch für die Steuer (Umsatzsteuer, Grunderwerbsteuer). — Ähnlich Verkauf einer ä r z t l i c h e n P r a x i s oder einer A n w a l t s p r a x i s (vgl. schon oben § 5 Ic 1). Auch V e r k a u f e i n e r f r e m d e n S a c h e ist zugelassen. Denn eigentlicher Schuldgegenstand ist das „Verhalten des Schuldners". Der Schuldner muß dann eben die fremde Sache beiziehen; so auch Gesetzestext in §433: „ . . . zu v e r s c h a f f e n " . Doch braucht die Sache nicht durch seine Hand zu w a n d e r n . Es genügt, w e n n der Dritte sie dem Käufer liefert.

3. D e r „ P r e i s " . Es muß dabei immer vom G e l d e ausgegangen werden. Wer ein Buch „kauft" und mit einem Stück Buttc-r „bezahlt", kauft in Wahrheit nicht, sondern t a u s c h t (Über den Tausch unten VII). Aber das Leben setzt sich d a r ü b e r insofern oft genug hinweg, als z u n ä c h s t an Kauf gedacht ist, später aber statt des Geldes G e l d e s w e r t gegeben wird. Namentlich in Gestalt von Wechseln, ausländischen Devisen, Gutschriften in den Büchern, aber eben auch gelegent-

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§ 32 Ia 3. Kauf. Der Preis lieh W a r e n . Das Gesetz stellt f ü r solche Fälle im a l l g e m e i n e n Schuldrecht die b e s o n d e r e Figur der ,,H i n g a b e a n E r f ü l l u n g s s t a t t " zur V e r f ü g u n g (oben § 24 III). Die Konstruktion bleibt also: n i c h t ,,Erfüllung" (solutio), sondern „datio in solutum". Praktisch wichtig w e g e n M ä n g e l h a f t u n g für die an Zahlungsstatt g e g e b e n e W a r e .

a) Nicht selten ist n i c h t s ü b e r d e n P r e i s v e r e i n b a r t . Man kauft in gutem Vertrauen, daß der Preis „normal" sein wird. Wiederum greift hier das „allgemeine" Schuldrecht ein (oben § 5 Ild). Danach darf der Verkäufer nicht etwa hinterher einseitig den Preis diktieren. Vielmehr ist nach dem V e r k e h r s ü b l i c h e n zu entscheiden. Allerdings ist im § 316 gesagt, daß dem V e r k ä u f e r „die Bestimmung über die Gegenleistung zusteht". Aber übergeordnet ist § 315, wonach die Bestimmung „ n a c h b i l l i g e m E r m e s s e n " zu treffen und nur in diesem Ausmaß für den Käufer „verbindlich" ist. Das gilt freilich nur „im Zweifel", beherrscht aber durchaus die große Masse aller Fälle. — Auslegungsregel über „M a r k t p r e i s " in § 453. — Betr. 1 a e s i o e n o r m i s (übermäßig h o h e r Kaufpreis) oben unter 1.

ß) Bisweilen soll der Preis e r s t s p ä t e r n a c h v o r h e r v e r e i n b a r t e n M e r k m a l e n berechnet werden. Dafür hat der Verkehr mancherlei Spielarten hervorgebracht. Große Bedeutung haben z. B. in der Zeit der Geldschwankungen die sog. g l e i t e n d e n P r e i s e , z. B. das jeweilige Wertverhältnis zwischen Mark und amerikanischem Dollar. Alle solche Berechnungsmethoden haben gewisse, vor allem auch psychologische Gefahren. Eine Spielart, die h e u t e noch stellenweise vorkommt, z. B. in der Zuckerrübenindustrie, gipfelt in einer Gewinnbeteiligungsk l a u s e l . Der Landwirt, der Z u c k e r r ü b e n baut, v e r k a u f t schon im voraus seine Ernte an eine Zuckerfabrik. W a s er für die Rüben bekommt, richtet sich (in Prozenten ausgedrückt) nach dem Weiterverkaufspreis, den die Zuckerfabrik später für den Rohzucker bei ihren Abnehmern erzielt. Solche V e r t r ä g e k ö n n e n sich dann v o m K a u f r e c h t m e h r u n d m e h r e n t f e r n e n . Und zwar nach z w e i S e i t e n h i n . J e stärker das Gewinnbeteiligungsmoment hervortritt, desto mehr rückt der Kauf an einen G e s e l l s c h a f t s v e r t r a g (unten §54) heran; z.B. wenn der Lieferant nach dem V e r t r a g e bestimmte Möglichkeiten hat, auf den Betrieb seines A b n e h m e r s mitbestimmend einzuwirken. Zum a n d e r e n kann u m g e k e h r t die Stellung des Lieferanten durch den V e r t r a g h e r a b g e d r ü c k t sein, so daß er, etwa infolge von Kontrollrechten seines Abnehmers, um diejenige freie Stellung kommt, die einem „ V e r k ä u f e r " eignet. Dann kann das Verhältnis in einen D i e n s t v e r t r a g (unten § 46) ü b e r g e h e n : der V e r k ä u f e r wird zum Angestellten des Käufers, in dessen Diensten er fabriziert und das Fabrikat abliefert. Doch zeigt die Praxis eine deutliche Scheu vor der A n e r k e n n u n g derartiger Abhängigkeitsverhältnisse.

§ 32 Ib. Kauf. Der Abschluß

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y) Ganz außerordentliche Bedeutung haben die staatlich festgesetzten H ö c h s t p r e i s e . Trotz Auflockerung der Preisgesetzgebung und der strengen, fast alles kontrollierenden Planwirtschaft (oben § 2 IIIc) werden Höchstpreise voraussichtlich noch weit in die Zukunft hinein eine Rolle spielen. Über sie darf dann nicht hinausgegangen werden. Lautet die Abrede doch auf einen höheren Preis, so ist sie auf den Höchstpreis hinunterzusetzen, während im übrigen der Vertrag unverändert weiter gilt. Vgl. bereits § 5 Ile 2 (S. 37). b) D e r A b s c h l u ß (und sein Gegensatz zur Erfüllung). Regelmäßig ist der Abschluß des Kaufvertrages frei von allen F o r m a l i t ä t e n . Gespräch, Briefe, bloßes Zugreifen und Kopfnicken genügen. Nur müssen b e i d e r s e i t i g Erklärungen abgegeben sein. Darum schafft die u n b e s t e l l t e Z u s e n d u n g von W a r e n noch keinen Kaufvertrag. Sendet mir also eine Firma ohne Aufforderung eine Ansichtssendung ins Haus und läßt nach einem V i e r t e l j a h r die Rechnung folgen, so brauche ich mich auf nichts einzulassen. Muß ich die W a r e n zurücksenden? Grundsätzlich nein. Muß ich antworten? Grundsätzlich nein. Aber es kann sich aus den Umständen e t w a s anderes ergeben, und mit einem mäßigen Maß von S o r g f a l t bei der A u f b e w a h r u n g (etwa nach dem Maßstabe des § 690) wird m a n mich doch wohl belasten müssen. Das Gesetz schweigt ü b e r alle diese Dinge. (Über die sog. culpa in c o n t r a h e n d o oben § 19 V).

Ausnahmsweise kann im G e s e t z eine F o r m v o r g e s c h r i e b e n sein (oben § 4 IIa; wichtigster Fall der Grundstücksverkauf nach § 313; vgl. auch §§ 311, 2371). Auch die P a r t e i e n können von dem Gedanken ausgegangen sein, daß nur Einhaltung bestimmter Formalitäten eine Bindung hervorrufen soll. Solange dann die betreffende Form nicht gewahrt ist, ist das Geschäft „nichtig" (§ 125). Von dem Vorgang des A b s c h l u s s e s ist der Vorgang des E r f ü l l e n s zu trennen. Theoretisch erscheint das selbstverständlich. Aber praktisch kann beides in denselben Zeitpunkt fallen, und das trübt dann den Blick des Unerfahrenen. W e r auf dem Gemüsemarkt Obst, im Kaffeehaus ein Stück Kuchen, beim Buchhändler eine Zeitung kauft, greift nach der W a r e und bezahlt sofort. M a n nennt das R e a 1 k a u f. Abschluß (liefere mir eine Zeitung, ich w e r d e dir dafür 20 Pfennig bezahlen) und Erfüllung fallen in eins zusammen. Das bedeutet weiter, daß auch ein s c h u 1 d rechtliches Ereignis (Kaufvertrag) und eine S a c h e n rechtliche V e r ä n d e r u n g (Eigentumsübergang) in eins zusammenfallen (vgl. § 1 IIa u. b). Aber sehr oft fallen die beiden Vorgänge zeitlich auseinander (man bestellt heute, geliefert wird nach 14 Tagen, Bezahlung erfolgt erst am Vierteljahrsersten); das ist K r e d i t k a u f . Und b e g r i f f l i c h sind die beiden V o r g ä n g e immer, auch bei zeitlichem Zusammenfall, zu trennen; das ist wichtig, denn der eine V o r g a n g hat vielleicht andere Schicksale wie der zweite. Wird der „ K a u f v e r t r a g " w e g e n M ä n g e l n gewandelt (darüber unten Vb),

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§ 32 IIa. Verschaffungspflicht d e s V e r k ä u f e r s

so fällt er fort. Aber der Erfüllungstatbestand und die durch ihn hervorg e r u f e n e S a c h e n rechtliche V e r s c h i e b u n g (Eigentumswechsel) bleibt vorerst bestehen, trotzdem beides sich in derselben Minute abgespielt hat. U b e r die Konstruktion der „Erfüllung" oben § 24 Ib.

c) E r f ü l l u n g s o r t u n d E r f ü l l u n g s z e i t . Beim Realkauf spielen Ort und Zeit keine Rolle, sie können wenigstens keinen Anlaß zum Streit geben. Anders, wenn Versprechen und Leistung auseinanderfallen. Dann gewinnen Ort und Zeit sogleich Bedeutung. Es kommen die Regeln des a l l g e m e i n e n Schuldrechts (oben § 151) zur Anwendung. Doch tritt beim sog. V e r s e n d u n g s k a u f , wo also „Erfüllungsort" und „Ablieferungsort" auseinanderfallen, eine Sonderregel betr. den Gefahrübergang hinzu. Darüber unten lila 1. II. D i e b e i d e r s e i t i g e n P f l i c h t e n . Die Urformel des Kaufes ist die ; daß der Verkäufer die Ware zu liefern und der Käufer den Preis zu zahlen hat. Also „Verschaffungspflicht" des Verkäufers, Zahlungspflicht des Käufers. Aber mit diesen beiden Worten ist durchaus nicht alles gesagt. Schon der Umstand, daß zwischen Abschluß des Kaufvertrages und Lieferung der Ware eine Zeit vergehen kann, bedingt weitere Regeln (nachfolgend III). Vor allem aber ist die H a f t u n g f ü r mangelhaftes Liefern vom Gesetzgeber überaus sorgfältig bis in kleinste Einzelheiten hinein geregelt (darüber IV und V). Schließlich können Nebenabreden weitere Verwicklungen hervorrufen (darüber VI). — In ihren G r u n d z ü g e n stellen sich die beiderseitigen Pflichten wie folgt dar: a ) D i e V e r s c h a f f u n g s p f l i c h t d e s V e r k ä u f e r s hat zwei Seiten: Einmal muß er in die Welt der T a t s a c h e n hineinwirken, denn der Käufer will wirklich etwas „in die Hand bekommen"; aber außerdem will der Käufer „seine (rechtliche) Ruhe haben", und darum muß ihm genügende R e c h t s s i c h e r h e i t geboten werden. 1. Zu erst.erem gehört die Ü b e r g a b e d e r v e r k a u f t e n S a c h e . Das scheidet freilich aus, wenn das Kauf Objekt ein unkörperlicher Gegenstand (Recht) ist. Immerhin kann dann bezüglich eines Nebengegenstandes, z. B. einer Urkunde, doch auch eine Übergabepflicht gegeben sein. Zu den Pflichten des Verkäufers gehört nämlich auch: M i t ü b e r g a b e d e s Z u b e h ö r s , A u s k u n f t s erteilung, Aushändigung zugehöriger Urkunden. Der Schrank o h n e Schlüssel nützt mir nichts. Der Schlüssel muß mitg e g e b e n werden. Er ist „Zubehör" (Begriff §97, Lieferungspflicht §§314, 926 I 2). Ein Grundstück, d e s s e n Grenzen ich nicht kenne, hat fragwürdigen Wert für mich; darum muß mich der Verkäufer über die Grenzen so

§ 32 IIa. Kauf. Eigentumsverschaffung

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g e n a u a u f k l ä r e n als er k a n n (§ 444). Eine H y p o t h e k ist in ihrer Ausübung lahmgelegt, solange man nicht den Hypothekenbrief in den Händen hat (vgl. § 1160), darum k a n n der Käufer seine Aushändigung und auch die Beifügung sonstiger Beweisurkunden v e r l a n g e n (§444, 433 12).

2. Die nötige Rechtssicherheit wird erzielt, indem der Verkäufer dem Käufer d a s E i g e n t u m a n d e r K a u f s a c h e verschafft. Hierbei wird stark ins Sachenrecht übergegriffen, denn, was zum rechtswirksamen Eigentumsübergang gehört, ist nicht im Schuldrecht, sondern im Sachenrecht geregelt. Diese scharfe Trennung zwischen Kaufvertrag und Eigentumsübergang ist ein Spezifikum des deutschen Rechts. Nach den meisten ausländischen Rechten geht das Eigentum ohne weiteres mit dem Abschluß des Kaufvertrages über. Nach deutschem Recht müssen dagegen für den Eigentumsübergang die besonderen Voraussetzungen des Sachenrechts erfüllt sein. Bei b e w e g l i c h e n S a c h e n gehört normalerweise dazu: Übergabe (die schon unter 1 erledigt wird) und „Einigung" (§ 929). Diese Einigung ist nicht mit dem K a u f v e r t r a g e zu verwechseln, wie sich schon daraus ergibt, daß sie dem Kaufvertrag in vielleicht weitem zeitlichen Abstand nachfolgen kann (Näheres im Lehrbuch Sachenrecht). Bei G r u n d s t ü c k e n gehört die Ü b e r g a b e n i c h t zu den Erfordernissen des Eigentumsüberganges! hier also schuldet der V e r k ä u f e r die Ü b e r g a b e nur nach 1, nicht auch nach 2. Dafür schuldet er nach' 2 wiederum die „Einigung" und außerdem die Herbeiführung des Grundbucheintrags (§ 925). Von einer Eigentumsübertragung im eigentlichen Sinne k a n n wieder um nicht gesprochen werden, w e n n Gegenstand des Kaufes nicht eine körperliche Sache, sondern ein R e c h t ist. Dann tritt an die Stelle der Eigentumsverschaffung die Rechtsverschaffung (§ 433 I 2). Aber auch sie belastet den V e r k ä u f e r mit g r e i f b a r e n Pflichten. W e n n er z. B. eine ihm z u s t e h e n d e Forderung v e r k a u f t hat, so muß er sie, um zu erfüllen, an den Käufer a b t r e t e n (§ 398; N ä h e r e s oben § 28). Auf das alles kann der Käufer k l a g e n , w e n n der V e r k ä u f e r seiner Leistungspflicht nicht nachkommt, auch z. B. auf die Einigung oder die Abtretungserklärung. Die Z w a n g s v o l l s t r e c k u n g erfolgt in den letzteren beiden Fällen in der Weise, daß — nach eingetretener Rechtsk r a f t des Urteils •— die dem V e r k ä u f e r obliegende Willenserklärung „fingiert" wird (§ 894 ZPO.). — Im übrigen greift, wenn der Käufer mit der Klage und der Vollstreckung sein Ziel nicht erreicht, ein sorgfältig a u s g e b a u t e s H a f t u n g s s y s t e m ein.

b) D i e P f l i c h t e n d e s K ä u f e r s kann man, einer alten Einteilung der Scholastiker folgend, in essentialia, naturalia und accidentalia negotii zerlegen. 1. W e s e n t l i c h e Pflicht (essentiale) ist nur die Pflicht zur P r e i s b e z a h l u n g ; sie ist begriffsnotwendig für den Kauf (vgl. bereits oben), ist „Hauptpflicht" (siehe sogleich unter 2). Ein Ver-

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§ 32 IIb. Pflichten des Käufers

stoß g e g e n sie löst die v o l l e n Wirkungen des g e g e n s e i t i g e n Vertrages, also insbesondere das Recht aus, nach erfolgloser Frists e t z u n g zurückzutreten oder Schadensersatz zu v e r l a n g e n (§ 326). Im H a n d e l s v e r k e h r sind für die Einzelheiten der Preiszahlung (und -Berechnung) vielfach K l a u s e l n ü b l i c h , bei deren Auslegung sich der Jurist natürlich durchaus an den Verkehrsbrauch anzulehnen hat („Netto Kassa", verschiedene Formen der Skontogewährung, „Kassa gegen Dokumente" usw.). — Einziehung des Preises mittels N a c h n a h m e ist noch nicht so eingebürgert, daß der Verkäufer sie sich ohne weiteres erlauben dürfte; der Käufer kann also regelmäßig die Nachnahmesendung zurückweisen und kommt dadurch n i c h t in Verzug; weitere Folge: die Gefahr auf dem Rücktransport trägt der Verkäufer. 2. R e g e l m ä ß i g e P f l i c h t , in der Regel gegeben, aber doch nicht z u m W e s e n des K a u f e s gehörend (naturale negotii), ist die A b n a h m e p f l i c h t des Käufers. Sie ist d e m K ä u f e r eigens als S c h u l d n e r v e r p f l i c h t u n g auferlegt (§ 433) u n d darf nicht mit der Annahmepflicht des K ä u f e r s in seiner Rolle als G l ä u b i g e r v e r w e c h s e l t werden. Der Wortlaut hat also ungeahnte Wichtigkeit: „ A b n a h m e " und „ A n nahme" stehen sich gegenüber. Jeder Gläubiger muß die gehörig angebotene Leistung „annehmen". Tut er es nicht, so kommt er in Verzug. Aber das ist^ G 1 ä u b i g e r verzug (oben §23) mit viel milderen Wiikungen. Wenn hingegen der Käufer nicht „abnimmt", so kommt er a u ß e r d e m (also beides) in den viel lastenvolleren S c h u l d n e r v e r z u g (oben §21). Schuldnerverzug löst u.a. eine S c h a d e n s e r s a t z p f l i c h t aus (§286; „Gläubiger" ist hierbei der Verkäufer; er kann v e r l a n g e n , daß abgenommen wird), wovon beim Gläubigerverzug nicht die Rede ist. Darum eben ist es wichtig, diese käuferische Abnahmepflicht als eine s c h u l d n e r i s c h e Pflicht zu erfassen. Weil es sich jedoch nicht u m eine wesentliche, eine „ H a u p t p f l i c h t " handelt, wird die Abnahmepflicht (im Gegensatz zur Preiszahlungspflicht) nicht in das G e f ü g e der „ G e g e n s e i t i g k e i t " hineingezogen. Unter diesem Zeichen s t e h e n sich v i e l m e h r n u r Ware und Preis, nicht auch Ware u n d A b n a h m e gegenüber. U n d das hat die B e d e u t u n g , daß die R e g e l n v o m g e g e n s e i t i g e n Vertrage bei e i n e m bloßen Verstoß g e g e n die Abnahmepflicht außer Ansatz bleiben. Theoretisch gefunden durch wissenschaftliche F o r t b i l d u n g , denn das Gesetz schweigt. Praktisches Ergebnis: der e r w e i t e r t e Schadensersatzanspruch und vor allem das R ü c k t r i t t s r e c h t des § 326 stehen dem Verkäufer n i c h t zur Verfügung. — Ausnahme, wenn aus Parteiabsprache oder den Umständen des Falles entnommen werden muß, daß das Abnehmen doch w e s e n t l i c h e r Vertragsbestandteil sein soll, z.B. bei Räumungs verkaufen. — Aus der Praxis des RG.: Bd. 57 S. 110 (unter Würdigung des damaligen, zum Teil abweichenden Schrifttums).

§ 32 lila. Gefahrübergang beim Kauf

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Beim H a n d e l s k a u f tritt die Pflicht des Käufers hinzu, die Ware sofort zu prüfen und etwaige Mängel dem Verkäufer anzuzeigen (HGB § 377).

3. G e l e g e n h e i t s p f l i c h t e n , die im einzelnen Fall noch als Besonderheiten hinzutreten (accidentalia negotii), können in ganz verschiedener Gestalt vorkommen. Meist handelt es sich um eine Erweiterung der Abnahmepflicht oder um die Auflage, auch späterhin (nach Abwicklung des Kaufgeschäftes) mit der Ware in einer bestimmten Weise zu verfahren. B e i s p i e l e . Es kauft jemand die Obsternte eines Gartens und übernimmt das E i n s a m m e l n und vielleicht auch die B e w a c h u n g des Gartens bis zur Ernte, also eine nicht unbedeutende Arbeitsleistung. Ubergang in ein Pachtverhältnis? — Wichtig in der Praxis ist die Pflicht „ n i c h t z u S c h l e u d e r n", d. h. die Ware nicht unter einem festgesetzen Mindestpreis (etwa dem eigenen Einkaufspreis) in den Verkehr zu bringen.

III. D i e Z e i t z w i s c h e n A b s c h l u ß u n d L i e f e r u n g . In dieser Zwischenzeit kann sich allerlei ereignen. Die Sache ist G e f a h r e n ausgesetzt. Es müssen Ausgaben gemacht werden, um sie instand zu halten (sog. V e r w e n d u n g e n ) ; auch bei der Übergabe selbst und der Verschaffung des Eigentums können verschiedentlich K o s t e n entstehen. Andererseits wirft die Sache möglicherweise inzwischen N u t z u n g e n ab. Alle diese Dinge wollen geregelt sein. Der Gesetzgeber hat auch Regeln bereitgestellt. Es ist aber hier besonders stark auf den Parteiwillen und die Verkehrsüblichkeit zu achten, die sehr oft vom gesetzlichen Schema abweichen. a) Die G e f a h r v e r t e i l u n g steht im Vordergrunde. Ihre praktische Bedeutung leuchtet ein. Wenn der Käufer z. B. schon bezahlt hat, die gekaufte Sache verbrennt aber hinterher, so ist ihm der Kaufpreis verloren, falls die „Gefahr" schon auf ihn übergegangen war; dagegen kann er das Geld zurückfordern (nach § 323), wenn der Verkäufer noch mit der Gefahr belastet war. Nach dem Gesetz soll nun grundsätzlich der Z e i t p u n k t d e r Ü b e r g a b e entscheiden: erst von da an geht die Gefahr auf den Käufer über (§ 446). Wichtiger Gegensatz zum r ö m i s c h e n Recht, das die Gefahr schon mit dem Vertragssch'uß wechseln ließ („Periculum est emtoris"). — Mehrere bedeutende A u s n a h m e n . 1. Beim V e r s e n d u n g s k a u f (vgl. schon § 15 la 3). Hier geht die Gefahr s c h o n f r ü h e r über (BGB. § 447). Zu besonderen Spannungen hat die Frage der „Transportgefahr" in der letzten Phase des Krieges geführt, wenn Waren auf dem Transport durch Bombenabwurf, Eisenbahnkatastrophen oder dergl. vernichtet oder auch nur verschwunden waren. Hier machte sich die

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§ 32 Illa. G e f a h r ü b e r g a n g beim Kauf Neigung geltend, den K ä u f e r n i r h t zu belasten, oder wenigstens im Zeichen der „ G e f a h r e n g e m e i n s c h a f t " oder einer „Ausgleichspflicht" die Kosten des Verlustes auf den Käufer und den V e r k ä u f e r je zur Hälfte zu verteilen. Das Argument dafür bot, wie so oft, § 242 oder die bloße Formel „Billigkeit". Dem ist die Gerichtspraxis überwiegend entgegengetreten. Als Beispiel Urt. des LG. Köln (DRZ. 1948, H. 7, S. 249). das nach Darstellung der verschiedenen dogmatischen Denkfiguren und unter Hinweis auf ein Urt. des OLG. Braunschweig zu dem Ergebnis gelangt, „daß solche Billigkeitserwägungen leicht dazu führen, alle gesetzlichen Abgrenzungen niederzureißen, und zur Unsicherdes heit der tatsächlichen Verhältnisse d i e U n g e w i ß h e i t R e c h t s hinzuzufügen". — Dem Käufer wird höchstens recht zu geben sein, wenn der Verkäufer d e n V e r s a n d z u r U n z e i t , d. h. unter Verletzung der allgemeinen Sorgfaltspflicht eingeleitet und dadurch sich f ü r den Untergang verantwortlich gemacht hat. 2. Beim aufschiebend bedingten Kauf; praktisch namentlich beim K a u f a u f P r o b e , u n t e n Ziff. VIb. Hier geht die Gefahr e r s t s p ä t e r , d. h. noch nicht mit der Ü b e r g a b e über. 3. Beim E i g e n t u m s v o r b e h a l t ergibt sich eine schwierige Lage. W e n n hier die U b e r g a b e bereits stattgefunden hat, w ä h r e n d das Eigentum noch beim Verkäufer bleibt (§ 455; N ä h e r e s u n t e n VIc), könnte der V e r k ä u f e r übermäßig begünstigt erscheinen: e r ist noch rechtlicher Herr der Sache, aber die Last der G e f a h r t r a g u n g soll schon auf den Schultern des Käufers liegen. Doch ist auf der a n d e r e n Seite zu bedenken, daß der V e r k ä u f e r sich durch die Ü b e r g a b e der O b h u t über den Gegenstand entkleidet hat, und daß er u m g e k e h r t bereits die N u t z u n g entbehren muß; und das spricht eben doch dafür, es bei der Regel des § 446 b e w e n d e n zu lassen. So auch das R e i c h s g e r i c h t (Bd. 85 S. 321, J a h r 1914) und die ü b e r w i e g e n d e Lehrmeinung. 4. Eigentümliche Lagen können sich auch beim G r u n d s t ü c k s v e r k a u f ergeben. Zunächst greift eine gesetzliche Sonderregel ein (§ 446 Abs. II). Danach geht, wenn der Käufer im G r u n d b u c h als neuer Eigentümer eingetragen ist, noch ohne daß die Ü b e r g a b e erfolgt wäre, schon in diesem Augenblick, also f r ü h e r , die Gefahr auf ihn über. W i e aber, w e n n er — ein seltener „Schulfall" — dasselbe Grundstück z w e i m a l v e r k a u f t und dem ersten Käufer übergeben hat, ohne ihn eintragen zu lassen, w ä h r e n d er den zweiten hat eintragen lassen, ohne ihm das Grundstück zu ü b e r g e b e n ?

b) L a s t e n , V e r w e n d u n g e n u n d K o s t e n sind nach ähnlichen Gesichtspunkten verteilt. Solange die Sache noch im räumlichen Herrschaftsbereich des Verkäufers bleibt, hat er grundsätzlich die Obhut und die Pflicht, die entstehenden Aufwendungen zu decken; das reicht bis zu den Kosten, die durch das Zumessen und Abwägen der Ware entstehen. Von da ab, angefangen mit den Kosten der „Abnahme" und Versendung, muß der Käufer einspringen. Vgl. § 446 („Lasten"), § 448 („Kosten"), § 450 („Verwendungen"). — In der Praxis spielen die G r u n d b u c h k o s t e n eine besonders wichtige

§ 32 IV. Kauf. Haftung für Rechtsmängel

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Rolle. G e s e t z l i c h e i Anhalt in § 449. A u c h S t e u e r f r a g e n greifen oft ein. So v o r allem die G r u n d e r w e r b s s t e u e r .

c) N u t z u n g e n . Hierbei ist namentlich auch an Rechte zu denken, die in der Zwischenzeit durchlaufend tragen. Stichpunkt auch hier grundsätzlich die Übergabe bei Rechten tritt die Rechtsverschaffung (Abtretung) an der körperlichen Übergabe.

verkaufte Zinsen (§44612); die Stelle

Über die V e r t e i l u n g vgl. §101. — U n g l ü c k l i c h e R e g e l u n g beim Versendungskauf. Nur die Gefahr geht dann s c h o n früher (mit der Absendungl über; w e n i g s t e n s setzt das Gesetz den U m s c h w u n g nur für die G e f a h r fest (§447). Die N u t z u n g e n s o l l e n d a g e g e n bis zur schließlichen Ü b e r g a b e auf Rechnung des V e r k ä u f e r s weiterlaufen. Beispiel: Hühnertransport auf der Eisenbahn, z w e i sterben, mehrere l e g e n Eier; der Tod soll auf Rechnung des Käufers gehen, w ä h r e n d die Eier noch dem V e r k ä u f e r zufallen würden. Unhaltbar; A u s l e g u n g auf anderen Parteiwillen unerläßlich.

d) A u ß e r g e w ö h n l i c h e L e i s t u n g s e r s ch w e r n iss e können i n N o t z e i t e n nach dem Vertragsschluß einsetzen und die Rechtslage verschärfen. Wenn etwa dem Verkäufer s e i n e i g e n e r W a r e n b e s t a n d r e s t l o s b e s c h l a g n a h m t worden ist, fragt es sich, ob das bereits ein „Unmöglichwerden" bedeutet (vgl. oben § 20 Ia). Ferner kann das Verteilungsrecht des Verkäufers unter seinen mehreren Kunden bei der b e g r e n z t e n G a t t u n g s s c h u l d in Frage kommen (oben § 7 I Vb). Auch die „clausula rebus sie stantibus" taucht wieder auf (vgl. § 17 V und § 20 Ia 2). Gelegentlich dürfte es auch erwägenswert sein, ob dem Verkäufer, wenn man ihm nicht das radikale Rücktrittsrecht zubilligen will, doch wenigstens das Recht eingeräumt werden soll, die Leistung bis zur Überwindung der Notlage hinauszuschieben. Das greift dann in die Lehre vom V e r z u g (§ 285) hinüber und führt zur Prüfung, inwieweit der Verkäufer das vorläufige Unterlassen der Lieferung „zu vertreten hat". IV. H a f t u n g d e s V e r k ä u f e r s f ü r R e c h t s m ä n g e l . Wenn der Verkäufer seinen Pflichten (oben IIa) nicht nachkommt, setzt ein verwickeltes Haftungssystem ein, das zum Teil aus den Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts, zum Teil aus Sonderregeln des Kaufrechts aufgebaut ist. Einer sehr ins einzelne gehenden S o n d e r regelung sind die Fälle unterworfen, in denen der Kaufgegenstand mit einem s a c h l i c h e n Mangel behaftet, das verkaufte Tier z. B. krank ist. Darüber folgt das Nähere unter V. Alles übrige wird im geläufigen Sprachgebrauch der Juristen unter der (an sich zu engen) Bezeichnung „ R e c h t s m a n g e l " oder „ M a n -

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§ 32 IVa. Kauf. Haftung für Rechtsmängel

g e l i m R e c h t " zusammengefaßt und durch § 4 4 0 A b s . 1 zusammengehalten. a) D e r T a t b e s t a n d . Die Rechtsmängelhaftung setzt ein, sowohl wenn die tatsächliche Übergabe ausbleibt (oben IIa 1), wie wenn dem Käufer nicht uneingeschränktes Eigentum verschafft wird (IIa 2). Letzterer Teil des Tatbestandes wird durch eine wichtige Regel erweitert: Der Verkäufer hat nicht nur das Eigentum, sondern er hat es f r e i v o n R e c h t e n D r i t t e r zu beschaffen (§ 434). Einzelregeln ergänzen das System: 1. Nicht nur d i n g l i c h e Drittrechte braucht sich der Käufer nicht gefallen zu lassen, wie z.B. Pfand- oder Nießbrauchsrechte (§§ 1204ff., §§ 1030ff.), sondern auch gewisse s c h u l d r e c h t l i c h e Drittrechte, die gegen ihn wirksam sein würden. Es sind dies die M i e t - u n d P a c h t r e c h t e , die in der Tat mit einer gewissen, auch den Käufer bindenden Wirkung ausgestattet sind (Näheres unten § 35 Ib). Wer also ein Haus kauft und nun, als er selber einziehen will, erfährt, daß ein Dritter noch einen, vielleicht auf längere Zeit laufenden „Mietskontrakt" hat, kann den Dritten nicht hinausweisen. Dafür aber h a f t e t ihm der Verkäufer.

2. Beim Kauf von Grundstücken muß auf das G r u n d b u c h wesen Bedacht genommen werden. Ein dort eingetragenes Drittrecht, z. B. eine Hypothek (§§ 1113ff.), bedeutet wegen des G u t g l a u b e n s s c h u t z e s , der mit dem Grundbuch verbunden ist (§ 892; Näheres im Sachenrecht) auch dann eine G e f a h r f ü r d e n K ä u f e r , wenn das Recht in Wahrheit gar nicht besteht. Deshalb kann der Käufer in jedem Falle L ö s c h u n g verlangen (§435). Wegen der ö f f e n t l i c h e n A b g a b e n , z. B. Steuer, vgl. § 436.

3. Beim Verkauf von F o r d e r u n g e n oder anderen Rechten muß scharf geschieden werden die H a f t u n g f ü r d e n r e c h t l i c h e n B e s t a n d (nomen verum esse) und die H a f t u n g f ü r d i e G ü t e der Forderung (nomen bonum esse). Nach dem G e s e t z hat der Verkäufer allein f ü r ersteres einzustehen, für letzteres dagegen nur, wenn er die Haftung ausdrücklich im V e r t r a g e übernommen hat. § 437 im Gegensatz zu § 438. Wenn z. B. jemand eine Hypothek kauft, so hat der Verkäufer dafür einzustehen, daß die Hypothek wirklich als solche besteht, also nicht etwa erloschen ist. Ob dagegen im Falle einei Zwangsversteigerung des Grundstücks wirklich der Erlös ausreichen wird, um diese Hypothek zu decken, ist eine andere, durch etwaige Zusagen des Verkäufers zu regelnde Frage. Bei der vertraglichen Übelnähme der Haftung auch für die „Bonität" (Einbringlichkeit, Zahlungsfähigkeit des Drittschuldners) kann die A u s l e g u n g wieder noch veischiedene Lagen ergeben. So kann es z. B. zweifelhaft sein, ob der Ver-

§, 32 IVb, c. Kauf. H a f t u n g f ü r Rechtsmängel

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käufer nur sagen will, daß j e t z t — im Augenblick des Vertragsschlusses — die Forderung „gut" sei, oder ob er i n d i e Z u k u n f t h i n e i n f ü r die Beitreibbarkeit einstehen will. Im Zweifel gilt nach § 438 das erstere.

4. Die B e w e i s l a s t für das Dasein des Rechtsmangels hat grundsätzlich der Käufer zu tragen (§ 442). Das gilt aber nicht für das reine N i c h t l e i s t e n . Behauptet z. B. der Käufer, daß ihm die W a r e noch gar nicht zugegangen sei, oder daß der V e r k ä u f e r die zur Abtretung der v e r k a u f t e n Forderung abzugebende W i l l e n s e r k l ä r u n g noch gar nicht abgegeben habe, so hat der V e r k ä u f e r zu beweisen, daß er insoweit seiner Leistungspflicht nachgekommen ist.

5. Beim D o p p e l v e r k a u f ist es ohne weiteres klar, daß der Verkäufer dem ersten Käufer haftet, wenn er den Gegenstand a:i einen zweiten Käufer unwiederbringlich weggegeben hat. Hier tritt aber die Frage hinzu, o b d e r e r s t e K ä u f e r s i c h u n m i t t e l b a r a n d e n z w e i t e n K ä u f e r h a l t e n k a n n , weil dieser an der Nichterfüllung des ersten Kaufes „mit schuld" sei. Das ist nur auf Umwegen zu erreichen. Denn der Kaufvertrag bindet nur den V e r k ä u f e r : der andere Käufer steht außerhalb dieses Vertrages. Aber in besonders schweren Fällen ist dem zweiten Käufer, der etwa mit dem V e r k ä u f e r gemeinsame Sache gemacht hat, um den ersten Käufer zu schädigen, mit § 826 (Sittenwidrigkeit) beizukommen. So das R e i c h s g e r i c h t , das sogar unter dem Gesichtspunkt der Naturalrestitution (§ 249; oben § 14 II) einen H e r a u s g a b e a n s p r u c h des e r s t e n gegen den zweiten Käufer zulassen will (Bd. 108 S. 58; J a h r 1924). Doch ist Zurückhaltung am Platze.

b) W e g f a l l d e r H a f t u n g : 1. Bei V e r z i c h t seitens des Käufers (nach näherer Maßgabe des § 443), Beim Kauf eines mit einer H y p o t h e k belasteten Grundstücks übernimmt sehr häufig der Käufer die H y p o t h e k in A n r e c h n u n g auf den Kaufpreis.

2. bei K e n n t n i s des Käufers (nach näherer Maßgabe des § 439), 3. bei Verkäufen, die sich im Zusammenhang mit einer Z w a n g s v o l l s t r e c k u n g („Veräußerung eines Gegenstandes auf Grund der Pfändung", § 806 ZPO., § 56 ZVG.) abspielen. c) I n h a l t d e r H a f t u n g . Um die Rechte des Käufers aus „Rechtsmängeln" näher zu bestimmen, hat sich der Gesetzgeber einer zusammenfassenden V e r w e i s u n g a u f d a s R e c h t d e r g e g e n s e i t i g e n V e r t r ä g e bedient (§ 440). Danach stehen dem Käufer zu Gebote: IL H e d e m a n n , S c h u l d r e c h t , 3. Anfl

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§ 32 IVc. Kauf. H a f t u n g f ü r Rechtsmängel

1. Die gewöhnliche K l a g e a u f E r f ü l l u n g (vgl. oben § 6 Ij, gegebenenfalls in Verbindung mit Ersatz des Verspätungsschadent> (oben § 21 IIIc). 2. Die E i n r e d e d e s n i c h t e r f ü l l t e n V e r t r a g e s (oben § 11 IIa). 3. Wahlweise S c h a d e n s e r s a t z w e g e n N i c h t e r f ü l l u n g und R ü c k t r i t t nach Maßgabe der §§ 325, 326 (oben § 20 IIIc und § 21 IVb und c). Diese A n s p r ü c h e k a n n der Käufer s o f o r t geltend machen, sobald das Nichtleisten des V e r k ä u f e r s feststeht, aber mit einer wichtigen E i n s c h r ä n k u n g : Beim Verkauf b e w e g l i c h e r Sachen setzt nämlich die S c h a d e n s e r s a t z b e r e c h t i g u n g des Käufers (im Gegensatz zum Rücktritt) erst dann ein, w e n n er den umstrittenen Gegenstand dem D r i t t e n (dem w a h r e n Eigentümer) hat h e r a u s g e b e n müssen. Beispiel: A hat dem B ein F a h r r a d v e r k a u f t , das gestohlen war. Der w a h r e Eigentümer ist C. W e n n C das Interesse an dem Rade verloren hat und deshalb den B in Ruhe läßt, ist dem B noch kein Schaden erwachsen. Erst, w e n n C ihm das Rad abgenommen hat, kann B gegen A mit Schadensersatzansprüchen vorgehen. Immerhin ist er schon vorher in einer peinlichen I.age. Darum gibt ihm das Gesetz (§ 440 Abs. 2) die Möglichkeit, dem A das Rad zur V e r f ü g u n g zu stellen und daran anschließend eben doch Schadensersatz zu verlangen.

4. Neben den Rechten aus § 440 können dem Käufer noch a n d e r e R e c h t s b e h e l f e gegeben sein. So kann sich das Verhalten des Verkäufers zugleich als eine u n e r l a u b t e H a n d l u n g 'darstellen. Dann steht nichts im Wege, daß der Käufer aus § 440 in Verbindung mit § 325 seinen Rücktritt erklärt und d a n e b e n (also nicht nur wahlweise) aus dem Tatbestand der unerlaubten Handlung einen Schadensersatzanspruch herleitet. Beispiel: X hat d e m Y ein Grundstück verkauft. Auf dem Grundstück lastet eine (ausnahmsweise der Eintragung im Grundbuch nicht unterworfene) W e g e g e r e c h t i g k e i t zugunsten d e s Z. X hat dem Y diese W e g e gerechtigkeit betrügerisch verheimlicht. Y hat schon Baumaterial angeschafft. Jetzt k a n n er nicht bauen. Rücktritt nach § 325, aber a u ß e r d e m Schadensersatz wegen der nutzlosen Anschaffungen aus § 823 Abs. II (Schutzgesetz ist der Betrugsparagraph des Strafgesetzbuchs).

5. Auch „ A n f e c h t u n g w e g e n I r r t u m s u n d a r g l i s t i g e r T ä u s c h u n g " (§§ 119, 123) kann in Frage kommen. Doch läuft sie praktisch ungefähr auf den „Rücktritt" hinaus, und man wird sie nur w a h l w e i s e neben der Schadensersatzpflicht aus § 325 zulassen dürfen; sonst würde die Wahlbefugnis einfach umgangen werden. V. D i e H a f t u n g d e s V e r k ä u f e r s f ü r S a c h m ä n g e l . Die Sachmängelhaftung des Verkäufers ist vom Gesetzgeber aus dem

§ 32 Va. Kauf. Sachmängelhaftung

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übrigen Kaufrecht herausgelöst und zum Gegenstand eines eigenen Unterabschnitts gemacht worden (§§ 459ff.). Sie spielt auch in der Praxis des Lebens eine weit größere Rolle als die Rechtsmängelhaftung. Ihrem Namen und Wesen nach müßte sie aiuf den V e r k a u f v o n „ S a c h e n " , also körperlichen Gegenständen (§90), beschränkt bleiben. In der Tat kommt sie denn auch f ü r den Verkauf von Rechten, wie z. B. Forderungen. Patenten oder dergleichen, nicht in Frage. Immerhin hat die Praxis den Rahmen etwas erweitert, indem sie auch den „ V e r k a u f e i n e s U n t e r n e h m e n s " ( H a n d e l s g e s c h ä f t e s ) der Sachmängelhaftung der §§ 459ff. unterstellt hat. So hat das R e i c h s g e r i c h t mehrfach seinen Willen dahin kundgegeben, „daß die Vorschriften des BGB. über die Gewährleistung w e g e n Mängeln der Sache mit Einschluß der Verjährungsvorschrift des § 477 aut den Kauf gewisser Rechtsgüter, insbesondere eines bestehenden Handelsgeschäfts als Ganzes, entsprechend anwendbar sind" (vgl. Bd. 100 S. 203; Bd. 159 S. 332). An anderer Stelle sagt es, daß „das F u n k t i o n i e r e n eine wesentliche Eigenschaft eines Geschäftsbetriebes bilde", und daß deshalb „eine durch irgendwelche Umstände hervorgerufene Beeinträchtigung [des Funktionierens] einen M a n g e l des Unternehmens darstelle" (Bd. 98 S. 292, Jahr 1920). Dem hat sich auch die W i s s e n s c h a f t angeschlossen. Bezüglich der Anwendung der V e r j ä h r u n g s v o r s c h r i f t e n (§ 477, unten b 3 y) sind jedoch Zweifel aufgetaucht.

Die besondere Heraushebung der Sachmängelhaftung geht auf das r ö m i s c h e R e c h t zurück. Ihre Folge ist, daß beim Dasein eines Sachmangels die sonst immer an erster Stelle zu nennende Erfüllungsklage ausscheidet. Darum kann auch der Käufer nicht, unter dem Zeichen einer solchen Erfüllungsklage, vom Käufer die B e s e i t i g u n g d e s Mangels ( B e s s e r u n g s a n s p r u c h ) verlangen. Gleichzeitig ist das ein Unterschied des Kaufes vom Werkvertrag. Denn bei letzterem ist ein solcher Beseitigungsanspruch gegeben (§ 633 Abs. 2).

Dafür stehen nun aber dem Käufer S o n d e r rechtsbehelfe in großer, man kann sagen übergroßer Zahl zur Verfügung. Der eigene Abschnitt (§§ 459ff.) bringt allein schon vier solcher Rechtsbehelfe: Wandlung, Minderung, Schadensersatz, Ersatzlieferung. Dazu treten noch (nachfolgend c) Hilfsmittel aus dem Allgemeinen Teil des BGB. und aus den Allgemeinen Lehren des Schuldrechts, so daß im ganzen ein Zuviel, nicht ein Zuwenig von Rechtsbehelfen gegeben ist. a) V o r a u s s e t z u n g e n d e r H a f t u n g d e s V e r k ä u f e r s . Im Anschluß an das r ö m i s c h e R e c h t läßt das BGB. den Verkäufer i n d o p p e l t e r W e i s e haften. Und zwar tritt in beiden Fällen die Haftung zunächst ganz u n a b h ä n g i g v o n e i n e m n»

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§ 32 V a 1, 2. Kauf, Sachmängelhaftung

e t w a i g e n V e r s c h u l d e n d e s V e r k ä u f e r s ein, so daß die Haftung den Charakter eines ,,Einstehenmüssens" bekommt und sich einer „Gefahrtragung" nähert. 1. Erstens haftet der Verkäufer dafür, daß der Kauf gegenständ k e i n e F e h l e r (vitia) hat. Der Käufer will klaren Wein, nicht trüben, gesunde Gerste, nicht dumpfige, eine Uhr, die geht, ein Haus, das bewohnbar ist. Doch darf er n i c h t s Ü b e r m ä ß i g e s verlangen. Das Maß wird einmal durch das V e r k e h r s ü b l i c h e bestimmt (Gesetz: „Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen Gebrauch"), doch kann auch aus der L a g e d e s F a l l e s sich eine Erweiterung ergeben (Gesetz: „Tauglichkeit zu dem nach dem Vert r a g e vorausgesetzten Gebrauch"). Beides kann ineinander übergehen, z. B. wenn es sich um ein Gemälde handelt, das hinterher als unecht erk a n n t wird (vgl. RG. in Bd. 115 S. 286, J a h r 1926). A u s g e s c h l o s s e n von der Haftung sind k r a f t ausdrücklicher Bestimmung des Gesetzes die sog. m i n i m a (Gesetz: „unerhebliche Minderung des W e r t s oder der Tauglichkeit"). D e r W e r t s e l b st i s t k e i n e „ E i g e n s c h a f t " ; wer also hinterh e r erkennt, daß er ungünstig g e k a u f t hat, daß die Sache viel weniger w e r t ist als er und vielleich 1 " auch d e r (gutgläubige) V e r k ä u f e r annahm, k a n n das nicht als einen „Fehler" d e r Sache hinstellen. W o h l aber k ö n n e n alle E i n z e l e l e m e n t e , die zum Wert der Sache beitragen, in einen „Fehler" übergehen. So z. B. der zu geringe Grad landwirtschaftlicher Nutzbarkeit bei einem als „ A n w e s e n " v e r k a u f t e n Grundstück (RG. in Bd. 129 S. 280, J a h r 1930). Schwierig ist die Abgrenzung zu den Quantitätsfehlern. W e n n mir statt 1.00 Flaschen nur 50 geliefert werden, so ist das kein „Fehler der Sache"; es steht mir die einfache E r f ü l l u n g s k l a g e (auf Nachlieferung des Restes) zu. Und w e n n mir u m g e k e h r t statt 100 Flaschen 200 ins Haus geschickt werden, so liegt zur Hälfte „unbestellte Z u s e n d u n g " (oben Ib) vor. W e n n aber in verschlossenen Büchsen (Sardinen, Zigaretten) weniger Stücke als verkehrsüblich untergebracht sind, so ist das unter dem Gesichtspunkt der M ä n g e l h a f t u n g zu behandeln. Schwierig ist die Frage, inwieweit der V e r k ä u f e r eine A u f k 1 ä r u n g s p f l i c h t über „Fehler" oder „Schwächen" des Kaufobjektes hat. Ein Verschweigen k a n n in arglistige Täuschung im Sinne des § 123 übergehen. Vgl. RG. 111 S. 233ff. (Bankangestellter v e r k a u f t W e r t p a p i e r e , deren sinkender Kurs für ihn nach seiner Kenntnis der Dinge sehr wahrscheinlich war).

2. Zweitens haftet der Verkäufer dafür, daß die eigens z u^g e s i c h e r t e n E i g e n s c h a f t e n der Kaufsache auch wirklich vorhanden sind (dicta et promissa). Hier ist sogar die Haftung des Verkäufers schärfer als bei bloßen „Fehlern". Auch kann er sich hier nicht mit dem Einwand entlasten, es handle sich nur um eine „Kleinigkeit" (minima). Oft fällt das „Zusichern" mit den „Fehlern" zusammen. W e n n mir vom Uhrmacher versichert wird, die Uhr gehe und b r a u c h e nur alle

§ 32 Va 3, 4. Kauf, Sachmängelhaftung

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24 Stunden aufgezogen zu werden, so liegt, w e n n das unwahr ist und etwa alle 3 Stunden aufgezogen werden muß, sowohl ein (verkehrswidriger) Fehler wie ein Verstoß gegen das Zusichern vor. W e n n mir dagegen ein bestimmter Mietsertrag eines Zinshauses, ein Nettogewinn einer Fischhandlung zugesichert ist, so kann man beim Ausbleiben der Einnahmen nicht gleichzeitig sagen, daß in dem Kaufgegensland ein Fehler liege. — Der Verkehr drängt wie auf so vielen Gebieten auch hier zur Reglementierung („Standardisierung"). Es w e r d e n sog. „ H a n d e l s k l a s s e n " aufgestellt, und w e n n dann W a r e n als einer solchen Klasse zugehörig v e r k a u f t werden, „so sind d i e Eigenschaften als zugesichert anzusehen, die die W a r e n nach der Handelsklasse haben müssen". Auch hier darf kein Ü b e r m a ß beansprucht werden. Allgemeine Lobpreisungen („Sie w e r d e n mit dem Hause Ihr Glück machen"; „unzerreißbares Bilderbuch") bleiben außer Ansatz oder müssen auf ein veinünftiges Maß heruntergesetzt werden. Eine „Zusicherung" geht auch über eine bloße, wenngleich beiderseitige „ A n n a h m e " hinaus: „Beideiseits als v o r h a n d e n vorausgesetzte Eigenschaften sind noch nicht zugesichert im Sinne des §459 Abs. 2" (so RG. in Bd. 114 S. 242). Umgekehrt kann sich die Zusicherung zu einer G a r a n t i e ü b e i n ä h m e steigern. Dafür fehlt es an einer gesetzlichen Regel. Eine solche G a r a n t i e ü b e r n a h m e wird außerhalb der Sachmängelhaftung zu stellen und meist dahin aufzufassen sein, daß der V e r k ä u f e r bei H e r v o i lieten eines Mangels dessen B e s e i t i g u n g übernimmt (was der SacLm ä n g e l h a f t u n g der §§ 459ff. gerade fremd ist), gegebenenfalls auch den Schaden trägt. Diese Erscheinung ist häufig, z. B. beim Verkauf von neuartigen M a s c h i n e n a n l a g e n oder dgl.

3. Sowohl für die Fehler wie für die zugesicherten Eigenschaften muß e i n f e s t e r Z e i t p u n k t gewonnen werden, an dem die Haftung des Verkäufers ihr Ende erreicht. Denn es versteht sich von selbst, daß der Käufer nicht Mängel ausspielen kann, die erst lange nach dem Kaufgeschäft entstanden sind; diese gehen dann vielmehr auf seine eigene Rechnung. Das BGB. hat als Basis nicht etwa den Vertragsschluß, sondern den „Zeitpunkt des G e f a h r ü b e r g a n g e s " gewählt. P r a k t i s c h fällt der fiktive Punkt des G e f a h r ü b e r g a n g e s meist mit der Ü b e r g a b e d e r K a u f s a c h e zusammen (oben lila). — Der S c h a d e n s e r s a t z a n s p r u c h des § 463 (s. im folgenden) ist jedoch n i c h t an diesen Zeitpunkt, sondern umgekehrt an den des Vertragsschlusses („zur Zeit des Kaufes") angeschlossen.

4. A u s c h l u ß d e r H a f t u n g . Das G e s e t z kennt mehrere Gründe, die zu einem Wegfall der Haftung des Verkäufers führen, der v e r t r a g l i c h e Ausschluß tritt hinzu. u) Der Käufer muß sich, nach näherer Maßgabe des § 460, seine K e n n t n i s d e s M a n g e l s , in gewissen Fällen auch seine g r o b f a h r l ä s s i g e U n k e n n t n i s anrechnen lassen.

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§ 32 Vb 1. Kauf, Sachmängelhaftung Der Käufer muß also vorsichtig sein. Er darf nicht aus falscher Schonung für den Verkäufer zunächst schweigen. Wichtig in dieser Hinsicht auch § 464.

ß) Die Haftung fällt ferner fort bei der ö f f e n t l i c h e n V e r steigerung von Pfändern. Eine solche Versteigerung läuft zwar auch auf einen „Verkauf" hinaus. Aber es ist ein Verkauf besonderer Art. Der Pfandgläubiger, der dabei als „Verkäufer" erscheint, wäre allzu großen Gefahren ausgesetzt, wenn er nach der Versteigerung noch für etwaige später entdeckte Mängel eintreten müßte. Darum nimmt § 461 ihm die Haftung ab. Wenn er aber (selbst oder durch den Versteigerer als seinen Vertreter) „Z u S i c h e r u n g e n " gemacht hat, wird man ihn doch dafür haften lassen müssen. Noch mehr natürlich bei a r g l i s t i g e m V e r s c h w e i g e n .

Y) V e r t r a g s f r e i h e i t gilt auch auf dem Gebiet der Mängelhaftung. Oft genug wird der Verkäufer die Neigung haben, sich von vorneherein gegen spätere Mängel zu decken, indem er „ohne Gewähr" oder unter einer ähnlichen Klausel verkauft. Doch findet das seine Grenze an etwaigem a r g l i s t i g e n V e r s c h w e i g e n seitens des Verkäufers. In diesem Falle wäre die Enthaftungsklausel nach § 138 nichtig; der Gesetzgeber h a t aber überdies noch eine Sonderregel in § 476 aufgestellt. b) S c h u t z m i t t e l d e s K ä u f e r s n a c h K a u f r e c h t . 1. Ü b e r b l i c k . Das Gesetz kennt innerhalb des Kaufrechts im ganzen vier Ansprüche des Käufers: — Anspruch auf W a n d e l u n g , d . h . auf Rückgängigmachung des ganzen Geschäfts, näheres unter Ziff. 3. — Anspruch auf M i n d e r u n g , d. h. auf Herabsetzung des Preises entsprechend der durch den Fehler verursachten Wertminderung der Ware, näheres unter Ziff. 4. — Anspruch auf S c h a d e n s e r s a t z , und zwar „wegen Nichterfüllung". — Anspruch auf E r s a t z l i e f e r u n g , d. h. auf Nachlieferung einer mangelfreien Sache gegen Rückgabe der mangelhaften. Diese vier verschiedenen Ansprüche sind jedoch nicht immer alle gangbar. a) Mindestens gegeben ist in jedem Falle der W a n d l u n g s anspruch. ß) Fast immer (doch nicht beim Viehkauf, § 487) ist gegeben der Minderungsanspruch. Y) Der S c h a d e n s e r s a t z a n s p r u c h , der natürlich eine Verschärfung bedeutet, tritt nur dann hinzu, wenn e n t w e d e r eine

§ 32 Vb 2. Kauf, Sachmängelhaftung

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eigens zugesicherte Eigenschaft ausgeblieben o d e r der Fehler arglistig verschwiegen worden ist (§§ 463, 480 II). Dabei ist die Praxis in der Frage, was „Arglist" sei, bisweilen sehr weit gegangen und hat den Verkäufer sogar für verpflichtet erklärt, seine bloßen Z w e i f e l an der Fehlerlosigkeit dem Käufer zu offenbaren. Solchen Entscheidungen wohnt eine e r z i e h e r i s c h e T e n d e n z inne, über deren Wert und Anspannung im Schrifttum jedoch lebhafte Bedenken laut geworden sind.

6) Der E r s a t z l i e f e r u n g s a n s p r u c h schließlich kommt allein bei G a t t u n g s s c h u l d e n , nicht bei Speziesschulden zur Anwendung (§4801). Wer also ein bestimmtes Gemälde oder eine Villa gekauft hat (Speziesschuld), kann nicht Lieferung eines anderen Gemäldes oder Hauses verlangen, wenn das Gemälde eine Beschädigung oder die Villa eine gesundheitsschädigende Eigenschaft aufweist. Wohl aber kann man, wenn 100 Sack dumpfiges Mehl geliefert werden (Gattungsschuld), statt dessen 100 Sack gesunden Mehls verlangen.

E) Alle vier Ansprüche stehen nach obigem n u r dann zur Verfügung, wenn es sich gleichzeitig um eine Gattungssache und um besondere Zusicherung oder Arglist handelt. 2. W a h l r e c h t d e s K ä u f e r s . Zwischen den mehreren Rechts'behelfen hat der Käufer grundsätzlich die Wahl. Von ihm allein hängt es ab, ob gewandelt oder gemindert oder eine Berechnung über den Schadensersatz aufgetan oder zur Ersatzlieferung geschritten werden soll. Es wird ihm sogar, obgleich das im Gesetz nicht mit klaren Worten ausgedrückt ist, noch ein gewisses i u s v a r i a n d i zugesprochen, d. h. die Befugnis von der in Aussicht genommenen Wandlung (oder Minderung usw.) wieder abzugehen und statt dessen Minderung (oder Wandlung usw.) zu wählen. Doch ist in doppelter W e i s e Vorkehr gegen eine Ü b e r v o r t e i l u n g d e s V e r k ä u f e r s getroffen. Hat dieser dem ersten Vorschlag zugestimmt, so ist es mit dem Wählen zu Ende (§ 465). Ferner kann er dem zögernden Käufer, der vielleicht auf seine Kosten spekulieren will (es schwebt ein Bebauungsplan, der das mangelhafte Grundstück mit erfaßt), eine Frist setzen (§ 466). — Wenn freilich hinterher n e u e M ä n g e 1 auftauchen, setzt das Wahlrecht des Käufers von neuem ein (§ 475).

Dieses Wahlrecht des Käufers bedeutet auf der anderen Seite, daß er grundsätzlich n u r e i n e n der mehreren Ansprüche erheben darf. Das gilt auch gleichzeitig von den weiteren Ansprüchen, die aus „allgemeinen Lehren" herbeigezogen werden könnten (nachfolgend c). Insbesondere versteht es sich von selbst, daß der Käufer nicht wegen der einen Schädigung zweimal oder dreimal hinteroder nebeneinander Schadenersatz verlangen darf.

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§ 32 Vb 3. Kauf. Wandelung Doch bestehen, was hier schon vorweg genommen werden mag, gewisse A b w e i c h u n g e n bei der gleichzeitigen Verwertung der allgemeinen Schutzmittel. Insbesondere können der Schadensersatzanspruch wegen allgemeinen Verschuldens (unten c 2) und der Schadensersatz aus unerlaubter Handlung (unten c 3) n e b e n der Wandlung und Minderung und Ersatzlieferung geltend gemacht werden, so zwar, daß der entstandene Schaden rechnerisch nur einmal in voller Höhe gedeckt wird.

3. D i e W a n d l u n g i m e i n z e l n e n . Es ist klar, w e l c h e s wirtschaftliche E n d z i e l bei der W a n d l u n g erreicht w e r d e n soll. a) Aber eine „berüchtigte" K o n t r o v e r s e besteht ü b e r die K o n s t r u k t i o n d e s Wandlungsanspruchs (und gleichzeitig auch des Minderungsanspruchs). Es stehen sich V e r t r a g s t h e o r i e und Herstellungst h e o r i e gegenüber, beide von namhaften Gelehrten und Praktikern vertreten und auf beachtenswerte Gründe gestützt. Die Vertragstheorie nimmt an, daß der Anspruch des Käufers n i c h t direkt auf Rückgewähr zielt, sondern auf „Vollzug" der Wandlung (§462: ,,. . . kann verlangen"); und da nach § 465 die Wandlung (ebenso die Minderung) erst „vollzogen" ist, wenn sich beide Teile darüber g e e i n i g t haben, so muß nach dieser Meinung der Käufer den Verkäufer erst zu dieser Einigung drängen (nötigenfalls darauf verklagen), und erst dann — aus dem s o g e s c h l o s s e n e n n e u e n V e r t r a g e — entspringt der direkte Anspruch auf Rückgewähr (oder Preisherabsetzung). Die Herstellungstheorie dagegen, die vorzuziehen ist und auch vom R e i c h s g e r i c h t vertreten wird (Bd. 66 S. 74, Jahr 1907; Bd. 101 S. 71, Jahr 1920), erachtet das Zwischenglied für ein zweckloses und gekünsteltes Gebilde und gib) dem Käufer sofort die Bahn für Anspruch und Klage auf Rückgewähr frei. ß) Die E i n z e l a b w i c k l u n g einer Wandlung k a n n n e u e Frag e n auslösen, z. B. w e n n die Sache inzwischen V e r ä n d e r u n g e n erlitten hat. D a s Gesetz (§ 467) hat hierfür das m e i s t e m i t t e l s Rückv e r w e i s u n g auf d e n Abschnitt über d e n „ R ü c k t r i t t " (§ 346ff.) geregelt, gibt aber auch einige Sondervorschriften i m Kaufrecht (§ 469ff.). Die wichtigsten praktischen Sätze: Trotzdem d i e S a c h e i n z w i schen v e r s c h l e c h t e r t oder gar gänzlich untergegang e n ist, kann der Käufer noch „wandeln". Er erhält dann unverküizt seinen Kaufpreis wieder, während der Verkäufer nur die entwertete Sache oder im Falle des Untergangs gar nichts zurückerhält. Diese Regelung fordert zur Kritik heraus, muß aber einem klaren gesetzlichen Befehl entsprechend (§ 350) hingenommen werden. Gegen den § 350 darf auch nicht etwa § 323 („so verliert er den Anspruch auf die Gegenleistung") ausgespielt werden, sonst hätte § 348, der zwei Bestimmungen aus dem Rerht der gegenseitigen Verträge heranzieht, auch § 323 erwähnen müssen. Menschlich macht man sich das Ergebnis verständlicher, wenn man sagt: der Verkäufer trägt noch, solange mit Fehlern und Wandlung gerechnet werden muß, die G e f a h r . Übrigens ändert sich das Bild sofort, wenn der Käufer an der Verschlechterung oder dem Unter-

§ 32 V b 4. Kauf. Minderung

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gang s c h u l d ist (§351). Auch kann durch Parteiabrede (beim Veitragsschluß) natürlich etwas anderes festgesetzt werden. M a s s e n v e r k a u f . W e n n eine ganze geschlossene Masse (100 Sack Gerste) g e k a u f t und nur ein Teil davon schlecht ist, so beschränkt sich das W a n d l u n g s r e c h t auf diesen Teil. Anders beim E i n h e i t s k a u f (wenn die m e h r e r e n Stücke „als z u s a m m e n g e h ö r e n d " v e r k a u f t w o r d e n sind); dann nämlich kann jeder von beiden Teilen Gesamtwandlung beanspruchen; z. B. bei einem „Pärchen" Dachshunde (§§ 469, 471). S u k z e s s i v l i e f e r u n g . Die W a r e wird nicht auf einmal, sondern in Posten (z. B. „jeden Monat 10 Sack" oder „waggonweise auf Abruf") geliefert. Nur ein Posten ist zwischendurch mangelhaft. Grundsätzlich W a n d l u n g nur w e g e n dieses Postens. Ausnahme, w e n n auch der Wert der a n d e r e n Teillieferung dadurch in Frage gezogen wird (RGZ. Bd. 57 S. 115: ,,. . . wenn in einer W e i s e a n d a u e r n d mangelhaft geliefert wurde, w e l c h e die Annahme rechtfertigt, es sei nicht zu erwarten, d a ß künftig anders geliefert werde"). — Über S ä u m i g k e i t mit einer einzelnen Leistung s. bereits oben § 21 V.

y) V e r j ä h r u n g . Der Wandlungsansprueh darf nicht zu lange hinausgezögert werden. Die Verkäuferschaft hat ein Interesse, nach gewisser Zeit zur Ruhe zu kommen und vor Mängelansprüchen sicher zu sein. Darum ist das Wandeln an eine verhältnismäßig kurze (aber für die Praxis noch immerhin ziemlich lange) Verjährung gebunden. Bei beweglichen Sachen 6 Monate, bei G r u n d s t ü c k e n 1 J a h r ; beim Viehkauf 6 W o c h e n (§§ 477, 490). Einzelregeln für die e i n r e d e w e i s e erfolgende Geltendmachung in § 478. — Dieselbe k u r z e V e r j ä h r u n g gilt a u c h f ü r d i e a n d e r e n d r e i A n s p r ü c h e (für den Schadensersatzanspruch noch Einzelregel in § 479). Dagegen herrscht Streit, ob ein aus den „ a l l g e m e i n e n R e g e l n " abgeleiteter Schadensersatz anspruch über diese kurze V e r j ä h r u n g hinaus geltend gemacht w e r d e n dürfe, weil f ü r i h n die Sonderregel des Kaufrechts (§ 477) nicht bindend sein könne. Das wird im Schrifttum vertreten. Aber das R e i c h s • g e r i c h t h a t sich dagegen ausgesprochen (Bd. 129 S. 280ff.). Einschränkung. d. h. Ausschaltung der kurzen V e r j ä h r u n g , w e n n der Schadensersatz nicht auf Mangel d e r W a r e selbst, sondern auf fehlerhafte Manipulationen bei Anbringung der W a r e ( E i n b a u des v e r k a u f t e n M o tors) gestützt wird; RG. 144 S. 162. Für den Fall a r g l i s t i g e n V e r s c h w e i g e n s vergl. § 477.

4. D i e M i n d e r u n g i m b e s o n d e r e n . Der wirtschaftliche Gedanke ist der, daß der Preis i m V e r h ä l t n i s z u d e m g e s a m t e n V e r t r a g s b i l d herabgesetzt werden, daß mit veranschlagt bleiben soll, ob der Kaufpreis hoch oder niedrig, das Geschäft also für den Verkäufer günstig oder ungünstig abgeschlossen war: Herabsetzung in dem Verhältnis, „in welchem zur Zeit des Verkaufs der Wert der Sache in mangelfreiem Zustande zu dem wirklichen Werte gestanden hat" (§ 472).

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§ 32 Vb 5. Viehkauf Beispiel: Es ist ein J a g d w a g e n für 1200 Mk. verkauft. N a c h d e m ein Mangel entdeckt ist, schätzen ihn Sachverständige auf 500. Hier darf der Käufer nicht etwa k u r z e r h a n d 700 absetzen, w e n n er schon gezahlt hat, zurückverlangen. Sondern nun wird erst geschätzt, wieviel der W a g e n im (fingierten) mangelfreien Zustand seinerzeit wert gewesen wäre. Eigibt sich ein W e r t von 1000 Mk. (so daß also V e r k ä u f e r gut, nämlich mit 200 Mk. Gewinn, v e r k a u f t hatte), so wird im Verhältnis 1000 zu 500, also 2 zu 1, gemindert und der V e r k ä u f e r behält 600 Mk., so daß ihm ein ent sprechend geminderter Gewinn verbleibt. Ebenso umgekehrt bei Verlust (ungünstigem Verkauf).

Im übrigen ist die r e c h t l i c h e B e h a n d l u n g der Minderung der der Wandlung nachgebildet. Dieselbe k o n s t r u k t i v e Streitfrage, dieselben V e r j ä h r u n g s f r i s t e n .

5. V i e h k a u f (Verkauf von Pferden, Eseln, Mauleseln und Maultieren, von Rindvieh, Schafen und Schweinen). Er ist im Anschluß an geschichtlich übernommenen deutschen Volksbrauch besonders gestaltet (§§481—492). Der Kern ist E i n s c h r ä n k u n g d e r H a f t u n g . Erstens wird nicht etwa für jeden Fehler, sondern für ganz bestimmte, in einer Tabelle eigens aufgezählte (die sog. H a u p t m ä n g e l ) gehaftet. Zweitens wird nur gehaftet, wenn der zugelassene Mangel innerhalb einer ebenfalls tabellarisch festgelegten Frist (der sog. G e w ä h r s f r i s t , meistens 14 Tage) hervorgetreten ist, wozu noch eine an kürzeste Frist gebundene Anzeigepflicht des Käufers tritt (§ 485). Drittens gibt es n u r W a n d l u n g , n i c h t M i n d e r u n g (Schadenersatz und Ersatzlieferung wie beim gewöhnlichen Kauf, oben I y und 8). Viertens ist die V e r j ä h r u n g s f r i s t v i e l k ü r z e r , nämlich auf 6 Wochen, angesetzt. Die E i n z e l h e i t e n sind in einer besonderen V e r o r d n u n g vom 27. März 1899 geregelt.

Kaiserlichen

c) S c h u t z m i t t e l d e s K ä u f e r s n a c h a l l g e m e i n e n L e h r e n . An dieser Stelle ergeben sich viele Zweifel und Unsicherheiten. Das RG. hat energisch eingegriffen, vor allem in der Richtung einer Abriegelung zuweitgehender Ansprüche des Käufers. Die S o n d e r r e g e l u n g d e s K a u f r e c h t s , insbesondere die kurzen Verjährungsfristen, soll nicht durch Heranholung „allgemeiner" Behelfe ausgeschaltet werden. Vergl. RG. 135 S. 340ff. („Über das Verhältnis der Rechte w e g e n Sachmängel beim Kauf einer bestimmten Sache zu d e n Rechtsbehelfen der Anfechtung wegen Irrtums, der mangelnden Geschäftsgrundlage, des Verschuldens beim Vertragsschluß und d e r ungerechtfertigten Bereicherung"). Trotzdem brechen sowohl in der wissenschaftlichen Erörterung wie in der Gerichtspraxis immer wieder diese V e r s u c h e durch. — Der A n f ä n g e r wird gut tun, beim ersten Lernen sich nicht allzu tief in diese Fragen zu versenken, sondern nur das wichtigste a n z u m e r k e n und sich den Ü b e r b l i c k zu sichern.

§ 32 Vc 1, 2. Kauf. Mängelhaftung

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1 Anfechtung wegen Irrtums und arglistiger T ä u s c h u n g . Daß der Käufer sich geirrt hat, wenn er eine Uhr in der falschen Annahme gekauft hat, daß sie ginge, leuchtet ein. Zweifellos ist das auch ein I r r t u m „über solche Eigenschaften der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden" (§ 119 II BGB.). Kann also wegen Irrtums angefochten werden? Das hätte zur Folge, daß der Käufer mittels einer solchen Anfechtung den Kauf n i c h t i g machen könnte (§ 142). Aber dann würden sich unhaltbare Folgen ergeben, denn die Sonderansprüche des Kaufrechts (Wandlung, Minderung, Schadensersatz, Ersatzlieferung) v e r j ä h r e n , wie gezeigt, m i t k u r z e r F r i s t von 6 Monaten oder einem Jahre. Würde daneben die Irrtumsanfechtung zugelassen, die der regelmäßigen Verjährung von 30 Jahren unterworfen ist (§ 195), so würde weit über die Fristen des § 477 hinaus eine „Wandlung" auf dem Umwege der Anfechtung herbeigeführt werden können. Darum ist f ü r Sachmängel (im Gegensatz zu den Rechtsmängeln) d i e I r r tumsanfechtung abzulehnen. Die A n f e c h t u n g w e g e n a r g l i s t i g e r T ä u s c h u n g ist dagegen n i c h t ausgeschaltet.

(§ 123)

2. A l l g e m e i n e r S c h a d e n s e r s a t z a n s p r u c h w e g e n s c h u l d h a f t e n P a r t e i v e r h a l t e n s . Ein solcher Anspruch ist im Gesetz nicht mit klaren Worten anerkannt. Aber man glaubt ihn aus § 276 ableiten zu können: „Der Schuldner hat, sofern nicht ein Anderes bestimmt ist, Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten", indem man aus dem Vertreten-müssen eben eine allgemeine Schadensersatzpflicht ableitet. Auch andere Begründungen kommen vor. So wird, wenn der Verkäufer einen ihm bekannten Mangel der Kaufsache beim Vertragsschluß unterdrückt hat, von einer „ C u l p a i n c o n t r a h e n d o " gesprochen (vgl. oben § 19 V). Oder man greift die allgemeine Schadensersatzpflicht bei verschuldeter Unmöglichkeit (§ 280) auf, was sich mit der Verwendung der Regeln vom gegenseitigen Vertrage (nachfolgend Ziff. 4) berührt. Allen diesen „allgemeinen" Schadensersatzansprüchen gegenüber ist die b e s o n d e r e Schadensersatzpflicht des Kaufrechts, wie gezeigt wurde (oben y) an die einengenden Voraussetzungen der Zusicherung oder Arglist gebunden. Das reicht nicht zu, um alle Fälle zu decken, in denen doch d a s p r a k t i s c h e B e d ü r f n i s eine Schadensersatzpflicht erheischt. Deshalb ist ein algemeiner Schadensersatzanspruch (mit einer der vorstehend bezeichneten Begründungen) als E r g ä n z u n g des Kaufrechts a n z u e r k e n n e n .

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§ 32 V c 3. Kauf. Schadenersatz bei Mängeln Beispiel: Ungenügende Verpackung seitens des Verkäufers. Der Käufer ist dadurch zu Schaden gekommen. § 463 reicht nicht aus. Trotzdem muß dem Käufer geholfen werden. — So auch R e i c h s g e r i c h t und ü b e r w i e g e n d e L e h r m e i n u n g . Aber meist verlangt man, daß dieser Schadensersatzanspruch dann doch auch seinerseits der kurzen V e r j ä h r u n g s f r i s t des Kaufrechts unterworfen werden müsse. Darüber schon oben S. 240 vor Ziff. 3.

3. S c h a d e n s e r s a t z a u s u n e r l a u b t e r H a n d l u n g ist, wenn seine besonderen Voraussetzungen erfüllt sind (namentlich § 823 II: Betrug), ebenfalls neben den Sonderregeln des Kaufrechts anzuerkennen (wie bei Rechtsmängeln, oben S. 162 IVc 4). Über die Berechnung des Schadens (nur das sog. n e g a t i v e t r a g s i n t e r e s s e ) vgl. RG. in Bd. 103 S. 159.

Ver-

Der Vorteil f ü r den Käufer liegt namentlich darin, daß der Anspruch aus unerlaubter Handlung nicht der kurzen Verjährung des § 477 unterliegt (statt dessen 3 Jahre). 4. Schließlich kommen noch die Lehren vom g e g e n s e i t i g e n V e r t r a g e , insbesondere von der U n m ö g l i c h k e i t , in Frage. Das Gebiet der Rechtsmängel beherrschen sie geradezu (oben IV). Bei den Sachmängeln ist ihre Heranziehung mindestens begrifflich möglich. Wenn das gekaufte Gemälde eines Meisters verbrennt, ist v o 11 e Unmöglichkeit gegeben; das kommt für unseren Zusammenhang nicht in Frage. W i e aber, wenn es in fehlerhaftem Zustande (die Farben sind, da das Bild in der Nähe eines Stubenbrandes hing, teilweise ineinander gegangen) geliefert wird? Ist das nicht als t e i l w e i s e Unmöglichkeit einzuschätzen? Das ist bestritten und in d i e s e m Falle bedenklich.

Die Frage dürfte vom grundsätzlichen Standpunkt aus zu bejahen sein. Es kommt also noch ein S c h a d e n s e r s a t z - und ein R ü c k t r i t t s anspruch aus dem Bereich der §§ 320ff. hinzu (vorausgesetzt, daß die „Unmöglichkeit" erst nach dem Vertragsschluß eingetreten ist). Aber es leuchtet ein, daß Zurückhaltung am Platze ist. Eine große Zahl von Fällen liegen so, daß die Umdeutung des „Fehlers" in eine „teilweise Unmöglichkeit" ungesund und darum abzulehnen ist. Übrigens ist mit der grundsätzlichen Zulassung der Unmöglichkeitelehre neben der Sachmängelhaftung die Verwicklung noch nicht zu Ende. Denn es mischt sich durchquerend der Gesichtspunkt der G e f a h r t r a g u n g (oben III) hinein. Vermutlich wird das Netz von Hinzelfragen, das auf die Weise entsteht, nie mit allgemeiner Zustimmung ganz gelöst werden.

VI. N e b e n a b r e d e n können das Bild des Kaufvertrages bereichern. So z. B. der Vorbehalt des Rücktritts, sei es f ü r den Käufer, sei es f ü r den Verkäufer (oben § 17). Oder die Einfügung einer

§ 32 Via, b. Kauf nach Probe und auf Probe

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V e r t r a g s s t r a f e , etwa u m die Pünktlichkeit der Lieferung noch besonders zu sichern (oben §4 VII). Oder eine, dem Volksbrauch in manchen Gegenden und Zusammenhängen entsprechende D r a u f g a b e („Angeld") des Käufers (oben §4 VIII). Zu diesen, dem allgemeinen Schuldrecht angehörigen Abreden treten b e s o n dere Typen des Kaufs. a) K a u f n a c h P r o b e (§ 494). Hierbei handelt es sich um eine Ergänzung der Mängelhaftung. Die Eigenschaften der Probe gelten als „zugesicherte" in dem f r ü h e r (oben Va 2) erörterten Sinne gelten läßt. Danach setzt die dreifache, meist sogar (da Gattungssachen) v i e r f a c h e H a f t u n g ein. Auch m i n i m a sind dann beachtlich; doch muß vorsichtig geprüft werden, ob der Parteiwille wirklich so weit ging und ob auch alle Eigenschaften oder nur bestimmte (z. B. nur die Farbe des Garns, nicht auch die innere Zusammensetzung) zugesichert sein sollten.

b) K a u f a u f P r o b e (§ 495) u n d a u f U m t a u s c h . Beide Typen sind durchaus volkstümlich. Der Käufer behält Bewegungsfreiheit. Er kann sich noch überlegen, kann noch wählen. Um dieser Wahlfreiheit willen verhielt sich das r ö m i s c h e R e c h t ablehnend. Man kann sich nicht binden (der Verkäufer), wenn der andere (Käufer) noch im freien Bereich der Willkür weilt; Pomponius: „Sub hac condicione ,si volam' nulla fit obligatio". So noch die Herrschende Lehre des gemeinen Rechts. Das BGB. hat diesen übertrieben starren Standpunkt verlassen.

Die K o n s t r u k t i o n des Probekaufs erfolgt unter Zuhilfenahme der im I. Buch §§ 158ff. allgemein geregelten) Figur der a u f s c h i e b e n d e n B e d i n g u n g . Wenigstens wird sie „im Zweifel" zugrunde gelegt (§ 495). Das hat die wichtige praktische Folge, daß der Verkäufer die G e f a h r trägt, bis endgültige Klärung eingetreten ist. Bücher werden mir zur Ansicht ins Haus geschickt. Sie verbrennen (ohne meine Schuld). Ich brauche sie nicht zu bezahlen. Vgl. bereits oben IIIa2. — Solche Haftung legt es nahe, daß der Verkäufer ein Ende des unsicheren Zustandes herbeiführen kann: F r i s t s e t z u n g nach § 496; Schweigen gilt als Annahme, wenn der Käufer die Sache schon in Händen hat, als Ablehnung, wenn sie noch beim Verkäufer lagert.

Der K a u f a u f U m t a u s c h ist mit dem auf Probe insofern verwandt, als sich der Verkäufer dem Käufer bis zu gewissem Grade in die Hände gibt. Aber es empfiehlt sich, hier mit einer a u f l ö s e n d e n Bedingung zu operieren, da nach dem Rechtsgefühl die G e f a h r bereits auf den Käufer zu legen ist. Der Gesetzgeber hat sich nicht geäußert.

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§ 32 V I c . Kauf. E i g e n t u m s v o r b e h a l t A n die B e s t i m m u n g e n über W a h l s c h u l d e n (oben § 10) kann mit V o r s i c h t A n l e h n u n g g e n o m m e n w e r d e n ; doch bleibt a u c h ihnen gegenüber ein (wiederum im Punkte der G e f a h r t r a g u n g p r a k t i s c h e r ) Unterschied' bei der W a h l s c h u l d sind alle Gegenstände, zwischen denen gewählt w e r d e n soll, s c h o n bestimmt; bei der U m l a u s c h k l a u s e l nur der eine vorläufig g e w ä h l t e , w ä h r e n d das e t w a statt seiner später zu wählende Ersatzstück n o c h unbestimmt ist.

c) E i g e n t u m s v o r b e h a l t . Kauf nach Probe, Kauf auf Probe und Kauf auf Umtausch dienen im wesentlichen den Interessen des Käufers. Dagegen geht der Eigentumsvorbehalt (das pactum reservati dominii) vom Interesse des Verkäufers aus. Er ist in vielen Geschäftszweigen fest eingebürgert und bildet einen Bestandteil der dabei verwendeten Formulare. Der Vorbehalt trägt eine einschneidende Änderung in die V e r s c h a f f u n g s p f l i c h t (oben II) des Verkäufers hinein. Normalerweise soll er dem Käufer das Eigentum beschaffen. Hier dagegen hält er vorerst das Eigentum zurück. Und zwar zumeist im Gegensatz zur körperlichen Übergabe, mit der nicht zurückgehalten wird, so daß der Eigentumsvorbehalt die Sache gleichsam in die Hände des Käufers hinüber verfolgt. Ein solcher Eigentumsvorbehalt ist nur als etwas Vorübergehendes gedacht — schließlich soll das Eigentum doch an den Käufer gelangen —, er hat nur den Sinn, den Verkäufer so lange zu sichern, als er noch der Sicherung bedarf. Darum ist der Eigentumsvorbehalt meist mit einer S t u n d u n g d e s K a u f p r e i s e s verbunden und erlischt, sobald der volle Preis erlegt ist. So aber wirkt er als Waffe gegen unsichere und böswillige Schuldner. Die juristische Kraft des Vorbehalts zielt vor allem auf eine W i r k u n g n a c h a u ß e n . Denn wenn das Eigentum noch beim Verkäufer bleibt, so muß das jeder Dritte grundsätzlich achten: dem Käufer ist damit das Abschieben der Ware unterbunden. Der V e r k ä u f e r hat im K o n k u r s e des Käufers in seiner Rolle als Eigentümer ein sog. A u s s o n d e r u n g s r e c h t ( § 4 3 KO.), braucht sich also nicht wie die anderen Konkursgläubiqer auf die „Dividende" verweisen zu lassen. Freilich ist es dem K o n k u r s v e r w a l t e r unbenommen, durch Zahlung des noch a u s s t e h e n d e n Kaufpreises das Geschäft ordnungsgemäß abzuwickeln ( § 1 7 KO.). — D e m D r i t t e n gegenü b e r , an den e t w a der Käufer die S a c h e weitergab, hat der V e r k ä u f e r die Eigentumsklage. Freilich s c h w ä c h t der G u t g l a u b e n s s c h u l z (näheres im S a c h e n r e c h t ) diese M a c h t des V e r k ä u f e r s beträchtlich ab. A u c h die §§ 946ff., namentlich § 950 b e r g e n Gefahren: W e r d e n z. B. unter Eigentumsvorbehalt gelieferte Rohstoffe in der Fabrik des Käufers verarbeitet, so geht der E i g e n t u m s v o r b e h a l t ohne w e i t e r e s unter.

§ 32 VId. Kauf. Abzahlungsgeschäft

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Die j u r i s t i s c h e K o n s t r u k t i o n erfolgt wiederum unter Zuhilfenahme der Figur der a u f s c h i e b e n d e n B e d i n g u n g . (Nur der Eigentumsübergang ist bedingt, der Kauf s e l b s t ist unbedingt geschlossen). Außerdem wird dem Verkäufer bei Säumigkeit des Schuldners ein R ü c k t r i t t s r e c h t eingeräumt (§455). Doch gilt das nur für b e w e g l i c h e S a c h e n . Bei Grundstücken ist ein b e d i n g t e r Eigentumswechsel nicht möglich (§ 925 II). A b e r das Bedürfnis ist auch bei ihnen geringer, denn die körperliche Ü b e r gabe läßt hier so wie so nicht das Eigentum übergehen, so daß ein Vorbehalt nicht nötig ist; es wird d a n n eben die zum Eigentumserwerb erforderliche Auflassung und Eintragung (§ 925 1) nicht vollzogen, d. h. erst vollzogen, w e n n der Kaufpreis bezahlt ist. Streit h e r r s c h t bezüglich des G e f a h r e n ü b e r g a n g e s . An sich läßt § 446 die Gefahr ,,m i t d e r Ü b e r g a b e " auf den Käufer übergehen. Aber, sagen manche, u n t e r „ Ü b e r g a b e " im Sinne dieser Bestimmung ist n u r eine Übergabe, die zugleich das Eigentum überträgt, zu v e r s t e h e n (vgl. § 929). Dem ist jedoch nicht beizutreten. Auch beim Eigentums v o r b e h ä l t bekommt der Käufer die Sache schon in Nutz und Pflege; d a r u m geht auch die Gefahr auf ihn ü b e r (RG. 85 S. 320). Andererseits ist dem Käufer, w e n n e i n D r i t t e r d i e S a c h e b e s c h ä d i g t , gegen diesen ein Schadensersatzanspruch einzuräumen, zwar nicht als „Eigentümer", wohl aber aus seiner Besitzposition h e r a u s (der Besitz als „Sonstiges Recht" im Sinne des §823 I; so RG. 170 S. 6).

d) In enger Fühlung mit dem Eigentumsvorbehalt stehen die A b z a h l u n g s g e s c h ä f t e . Sie haben im Laufe der letzten Jahrzehnte einen bedeutenden Umfang angenommen und bilden einen beachtenswerten Faktor im Wirtschaftsleben. Die w i r t s c h a f t l i c h e S t r u k t u r ist so, daß die W a r e (meist) sofort im ganzen geliefert wird, z. B. eine N ä h m a s c h i n e an eine Näherin, ein Konversationslexikon an einen Lernbegierigen, ein Auto an einen Sportsmann, eine Möbelausstattung an Verlobte, w ä h r e n d der P r e i s „etappenweise" in Raten (daher „Abzahlung") entrichtet wird. Danach kann das Gebilde s e h r s o z i a l w i r k e n , wenn es in der Hand vert r a u e n s w ü r d i g e r Verkäufer bleibt. Denn dann wird dem Unbemittelten ein „Schritt v o r w ä r t s " ermöglicht, den er nicht g e h e n könnte, w e n n er den ganzen Kaufpreis sofort a u f b r i n g e n müßte.

Um dem Gebilde einen festen j u r i s t i s c h e n R a h m e n zu geben und um Auswüchse zu bekämpfen, ist bereits kurz vor dem Inkrafttreten des BGB. ein b e s o n d e r e s R e i c h s g e s e t z b e t r d i e A b z a h l u n g s g e s c h ä f t e ergangen (15. Mai 1894). Ausgeschlossen ist danach der „ V e r f a l l " d e r e t w a s c h o n g e z a h l t e n R a t e n . W e n n also ü b e r h a u p t der Rücktritt ausgeübt wird, müssen diese Teilzahlungen wieder h e r a u s g e g e b e n w e r d e n (§ 1), allerdings unter Abzug des W e i t s , den die Benatzung inzwischen für den Käufer gehabt hat, und eines Ersatzes für die Abnützung oder für Beschädigungen, die der Käufer verschuldet hat. Ferner sind die Klauseln

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§ 32 VIe, f. Wiederkauf, Vorkauf über F ä l l i g k e i t d e r R e s t s c h u l d bei Unpünktlichkeit gesetzlich reguliert (§411), und es ist Vorkehr getroffen, daß nicht ein Abzahlungsgeschäft hinter anderer Geschäftsaufmachung (z. B. als Möbelmiete) versteckt wird (§ 6).

e) W i e d e r k a u f u n d W i e d e r v e r k a u f (§497ff). Grundsätzlich ist beim Kauf eine Güterverschiebung f ü r i m m e r geplant. Aber es kann zunächst einmal rein tatsächlich vorkommen, daß später der Verkäufer die Sache wiederhaben möchte, oder daß sie der Käufer wieder los sein und an den Verkäufer zurückbringen will. Einigen sich die Parteien, so ist das e i n g a n z n e u e r K a u f , der mit dem früheren rechtlich in nichts zusammenhängt und beispielsweise unter ganzen anderen Nebenabreden, mit ganz anderem Preis usw. Zustandekommen kann.

Es kann aber auch v o n v o r n h e r e i n den Parteien eine solche Möglichkeit vorgeschwebt haben, und dann eröffnet sich ihnen ein Weg, gleich bei dem ursprünglichen Kauf d i e W i e d e r k a u f s lage bindend festzulegen. Dann ist die Rechtslage eine vollkommen andere. Denn der Teil, der sich den Wiederkauf (oder Wiederverkauf) vorbehalten hat, hat dann ein R e c h t auf Abschluß; er braucht sich nicht mehr zu „einigen", sondern die Einigung ist schon bei dem ersten Abschluß vorweggenommen.

Im G e s e t z sind f ü r den Fall dieser Ausgestaltung des Kaufvertrages eine Reihe von E i n z e l r e g e l n gegeben, die sich namentlich auf den P r e i s beziehen, der vom Zurück-Käufer zu bezahlen ist, und auf die W a n d l u n g e n , die in d e r Z w i s c h e n z e i t eingetreten sein können (Verschlechterung oder gar Untergang, Weitergabe an einen Dritten, Verwendungen auf die Sache usw.). Wichtig ist die z e i t l i c h e B e g r e n z u n g der Wirksamkeit (bei beweglichem Gut 3 Jahre, bei Grundstücken 30 Jahre); die Güter sollen nicht allzu lange festgelegt und dem freien Verkehr entzogen werden. P r a k t i s c h e B e d e u t u n g f ü r d a s B o d e n r e c h t : Mittels der Wiederkaufsbefugnis ist es möglich, kleine Wirte anzusiedeln, aber in ständiger wirtschaftlicher Abhängigkeit zu erhalten. Mittels der V o r m e r k u n g im Grundbuch (§§ 883ff.; näheres im Sachenrecht) kann sogar dingliche Wirkung gegen jeden erzielt werden, an den der Wirt das Bodenstück weitergibt. Die zeitliche Beschränkung wirkt dann natürlich besonders stark.

f) D a s V o r k a u f s r e c h t . Das Leben bringt nicht selten Lagen hervor, wo jemand das Gut eines anderen gern käuflich an sich bringen oder doch diesem Gedanken näher treten möchte, während der andere vorläufig nicht gesonnen ist, die Sache wegzugeben.

§ 32 Vif. Vorkauf

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Es wohnt etwa jemand in der Villa eines anderen zur Miete. Vorerst ist die Villa dem Eigentümer noch nicht feil. Oder umgekehrt kann sich der Mieter vorläufig noch nicht zum Kauf entschließen. Aber er würde es höchst ungern sehen, wenn die Villa in dritte Hand überginge. Er möchte sich für alle Fälle die Vorhand sichern.

Für solche Lagen ist das Vorkaufsrecht bestimmt. Es gibt dem Berechtigten nicht etwa (wie das Wiederkaufsrecht) die Möglichkeit, in jedem beliebigen Augenblick die Sache an sich zu ziehen. Sondern nur dann, wenn der andere Teil im Begriffe steht, die Sache an einen Dritten zu veräußern, kann der Berechtigte einspringen und erklären: wenn schon verkauft wird, dann nehme ich die Sache ( A n w a r t s c h a f t s r e c h t ) . Es leuchtet ein, daß dies für den kauflustigen D r i t t e n eine unangenehme Überraschung sein kann; er hatte vielleicht sorgfältige Vorbereitungen getroffen, kostspielige Berechnungen aufgestellt, und nun, da er zugreifen will, schiebt sich ein anderer dazwischen und behauptet, ein „Vorkaufsrecht" zu haben. Darum ist einer der wichtigsten Punkte, ob d a s V o r k a u f s r e c h t a u c h d e n D r i t t e n , der bei seiner Begründung gar nicht beteiligt war, b i n d e t . Das BGB. hat eine D o p p e l r e g e l u n g für angezeigt gehalten. Es regelt das Gebilde zunächst einmal im Sohuldrecht (§§ 504ff.); da hat es nur Wirkung inter partes, d. h. der Dritte braucht sich nicht darum zu kümmern und dem Vorkaufsberechtigten bleibt nur der Schadensersatzanspruch gegen den treulosen Verkäufer. Daneben aber gibt es, freilich nur bei Grundstücken, einen sachenrechtlichen Typus Vorkaufsrecht (§§ 1094ff.), der ins Grundbuch eingetragen wird und dann von jedermann, also auch von dem kauflustigen Dritten beachtet werden muß. Wiederum ist dieser verdinglichte Typus sehr bedeutsam für die landwirtschaftlichen, vor allem die Siedelungsverhältnisse. Denn er ermöglicht es, das Abfließen von Land an mißliebige Personen zu verhindern. Hat beispielsweise eine Siedelungsgegellschaft an allen Grundstücken ihres Bezirks das Vorkaufsrecht, so liegt es in ihrer Hand, bei jedem geplanten Verkauf an eine nicht genehme Person einzuspringen und das Land an sich selbst zu bringen. Wird gar eine solche Siedelungsgesellschaft mit einem g e s e t z l i c h e n Vorkaufsrecht ausgestattet, so wird damit eine starke Waffe der Siedlungspolitik geschaffen. Reichssiedlungsgesetz vom 11.8.1919 (ein historisches Dokument) § 4: .,Das gemeinnützige Siedlungsunternehmen hat ein Vorkaufsrecht auf die in seinem Bezirke belegenen landwirtschaftlichen Grundstücke im L'mfang von 25 Hektar aufwärts oder Teile von solchen Grundstücken. Das Vorkaufsrecht . . . hat den Vorrang vor allen anderen Vorkaufsrechten. Es bedarf der Eintragung in das Grundbuch nicht." Späterer Ausbau in Gesetzen von 1937, 1939. — Näheres im Sachenrecht (Bodenrccht). 12 H e d e m a n n ,

S c h u l d r e c h t , 3. Aufl.

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§ 32 Vif. Vorkauf

Für die Handhabung des Vorkaufsrechts sind d r e i S t a d i e n zu unterscheiden: 1. Das erste Stadium kennzeichnet sich durch das bloße (gleichsam tote) Bestehen einer Vorkaufsm ö g 1 i c h k e i t (Anwartschaft). Der Berechtigte kann nicht etwa einen Verkauf, der nun sein Recht auslösen würde, erzwingen, muß vielmehr tatenlos abwarten. Er kann auch grundsätzlich die Berechtigung nicht an jemand anderes abtreten, und ebenso ist seine Berechtigung im Zweifel unvererblich, so daß sie vielleicht erlischt, ehe sie hätte praktisch werden können (§ 514). Diese A n w a r t s c h a f t bedeutet aber doch schon eine Bindung des anderen Teiles, er legt sich f ü r die Z u k u n f t fest. Das hat namentlich Bedeutung, wenn es sich um ein G r u n d s t ü c k handelt. Denn hier untersteht jede in die Z u n k u n f t hinein w i r k e n d e Bindung dem Formenzwang des §313. In der Tat hat das R e i c h s g e r i c h t in einer Plenarentscheidung (Bd. 72 S. 385) festgestellt, daß auch die rein schuldrechtliche Begründung eines Grundstücks-Vorkaufsrechts der gerichtlichen oder notariellen Beurkundung bedarf.

2. Ein Umschwung tritt ein, sobald d e r V e r p f l i c h t e t e m i t einem Dritten abschließt. Dieser V e r t r a g mit dem Dritten muß f e r t i g , insbesondere bei Grundstücken in der Form des §313 abgeschlossen sein (RG. 98 S. 47; 154 S. 358). Gerade das wirkt lähmend. Der Dritte, vom V o r k a u f s r e c h t bedroht, wird wenig Neigung haben, sich die Mühen und Kosten zu machen. Darum schreckt das bloße Dasein einer V o r k a u f s b e r e c h t i g u n g erfahrungsgemäß Dritte von K a u f v e r h a n d l u n g e n ab, namentlich w e n n der Grundbucheintrag der Berechtigung dingliche Kraft sichert.

Der Verpflichtete muß dem Berechtigten von dem Abschluß M i t t e i l u n g machen, und es setzt dann für den Berechtigten eine Ü b e r l e g u n g s f r i s t (bei Grundstücken 2 Monate, sonst eine Woche) ein (§ 510). 3. Das letzte Stadium wird durch die E n t s c h e i d u n g des Berechtigten gekennzeichnet. Wenn er sich dafür entscheidet, von seiner Befugnis Gebrauch zu machen, so bedeutet das seinen E i n t r i t t in den K a u f v e r t r a g zu d e n s e l b e n B e d i n g u n g e n , die mit dem Dritten vereinbart worden sind, während der Dritte ausscheidet. Der Dritte hat es also in der Hand, durch Bieten eines überhohen Preises den Vorkaufsberechtigten abzuschrecken. G e f a h r eines Scheinpreises. Gegen geschickte Vereitelungsversuche mittels Einbaues von Klauseln in den V e r t r a g will § 506 sichern. — Die n e u e r e S i e d l u n g s p o l i t i k („Bodenreformbewegung") neigt dazu, etwaige Vorkaufsrechte g e m e i n n ü t z i g e r U n t e r n e h m u n g e n v o n der Bindung an den Preis des Dritten zu befreien und auf einen dann zu ermittelnden

§ 32 VII. Tausch

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„Normalpreis" zu beschränken. M a n will damit spekulatives Hochtreiben der Preise verhindern. Doch ist die Maßregel einseitig und deshalb gefährlich, das Vorkaufsrecht w ü r d e dann fast einer E n t e i g n u n g nahekommen. Wie? sich die zukünftige Gesetzgebung stellen wird, läßt sich zur Zeit nicht voraussagen.

VII. D e r T a u s c h (BGB. § 515). Ursprünglich war er das Grundgeschäft des menschlichen Verkehrs. Nach dem Aufkommen des Geldes trat er mehr und mehr in den Hintergrund. Heute spielt er neben dem Kauf eine bescheidene Rolle. Nur vorübergehend, bei der schweren Gelderschütterung nach dem 1. und 2. Weltkrieg, hat der Tausch seine urwüchsige Bedeutung wiedergefunden und breite Flächen des Wirtschaftslebens überdeckt. Erstaunlich bleibt dabei, wie wenig die Gerichte mit Tauschstreitigkeiten befaßt worden sind. Ein Beispiel aus der RG Judikatur Bd. I I I S . 233, auch dieses in Kauf übergehend. — Im Frieden war der Tausch ziemlich verbreitet im Viehhandel. Auch Tausch v o n Grundstücken ist nicht selten. Ein Kapitel für sich bildet der W o h n u n g s t a u s c h .

Die r e c h t l i c h e B e h a n d l u n g beruht auf einem einzigen Gesetzesparagraphen: „Auf den Tausch finden die Vorschriften über den Kauf entsprechende Anwendung" (§ 515). Das gilt namentlich von der M ä n g e l h a f t u n g . Doch paßt keineswegs alles aus dem Kaufrecht; deshalb ist auch nur „entsprechende" Anwendung vorgeschrieben. Z. B. fällt das ganze Gebilde der M i n d e r u n g fort (bestritten). Denn mindern läßt sich nur Geld, und gerade der Geldpreis fehlt beim Tausch. Das RG. (Bd. 72 S. 299; Bd. 73 S. 152) und die h e r r s c h e n d e Meinung stehen auf entgegengesetztem Standpunkt. Sie zwingen den Tauscher, der eine m a n g e l h a f t e Sache in Tausch gegeben hat, zu einer B a r g e l d nachzahlung. Das widerspricht dem W e s e n des Tausches. Einigen können sich natürlich die beiden Tauscher, aber es kann nicht der eine den anderen zur Zuzahlung von Bargeld zwingen. Nur W a n d l u n g bleibt übrig.

Neuerdings hat sich wie ein neuartiger Typus das K o m p e n s a t i o n s g e s c h ä f t stark eingebürgert. Es ist in seiner Struktur ein gewöhnlicher Tausch, kann aber durch die Verbindung mit einem besonderen, aus dem Wettbewerb aufsteigenden Zweck ein Sondergepräge bekommen. Der Geschäftspartner verlangt dann (und erhält zugesichert) eine B e v o r z u g u n g vor den anderen Kunden. Nur unter dieser Bedingung verspricht er dem Geschäftsfreund die von diesem dringend begehrte Gegenleistung. Oft gibt sorgfältige Geheimhaltung diesen Geschäften ihren deutlichen Stempel. Es ist sehr schwer, dabei die Grenze zwischen dem zu finden, was erlaubt, und dem, was als sittenwidrig verboten werden soll. Beispiel der Gesetzgebung: Gesetz gegen Kompensationen in der britischen Zone vom 3. 11.48. Es ist ein Strafgesetz. Bestraft wird danach, 12*

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§ 331. Schenkung

„wer in Ausübung eines Gewerbes oder Berufes 1. für die B e v o r z u g u n g eines anderen bei der Lieferung einer Ware eine andere Gegenleistung als Geld oder außer einer Gegenleistung in Geld einen V o r t e i l fordert, sich versprechen oder gewähren läßt, 2. eine andere Gegenleistung als Geld oder außer einer Gegenleistung in Geld einen V o r t e i l anbietet, verspricht oder gewährt, um sich oder einem anderen eine Ware oder Leistung bevorzugt zu verschaffen" (gekürzt), usw. Fraglich und umstritten ist, inwieweit die für die Wirtschaft zuständigen V e r w a l t u n g s b e h ö r d e n durch „Genehmigung" ganzer Gruppen von Kompensationsgeschäften die Strafbarkeit ausschließen können.

VIII. S o n s t i g e k a u f ä h n l i c h e V o r g ä n g e . Das Gesetz ist aber noch viel weiter gegangen in der Verwertung des kaufrechtlichen Denkstof¥es. Alle anderen „ V e r t r ä g e , d i e a u f V e r äußerung oder Belastung einer Sache gegen Entg e l t g e r i c h t e t s i n d " werden durch die bündigen Formeln der §§ 4 4 5 und 4 9 3 kurzerhand unter die Haftungspflicht des Verkäufers, und zwar sowohl die Rechtsmängelhaftung, (oben IV) wie die Sachmängelhaftung (V), gestellt, eine sehr weitgreifende Maßregel. Es gehört hierher vor allem die (entgeltliche) Einbringung von Vermögensstücken in das G e s e l l s c h a f t s v e r m ö g e n (vgl. unten § 54 Ziff. II). Ferner der V e r g l e i c h (unten §58), falls er so geschlossen wird, daß der eine Teil dem anderen zur Abfindung eine Sache überläßt. Dann der (persönliche, neben dem sachenrechtlichen Vorgang einhergehende) V e r p f ä n d u n g s v e r t r a g . Für die sog. H i n g a b e a n E r f ü l l u n g s s t a t t (oben § 24 III) vgl. § 365 BGB.

Wenn also bei einem solchen Vertrage der weggebende Teil verabsäumt hat, dem anderen wirkliches Eigentum (oder etwa Pfandrecht) zu verschaffen, oder wenn die dargereichte Sache mit Fehlern behaftet ist oder der zugesicherten Eigenschaften ermangelt, so kommen nun ganze Paragraphenreihen des Kaufrechts zur Anwendung. § 33. Schenkung und Schenkungsversprechen (BGB. §§ 516ff.) I. B e g r i f f . Wie immer hat das BGB. diejenigen Sätze, die eine Begriffsbestimmung wiedergeben sollen, mit besonderer Sorgfalt zurechtgeschliffen. Trotzdem ist es ihm nicht gelungen, dem einfachen Leser von dem begrifflichen Gefüge des Schenkungsrechts ein klares Bild zu geben. Insbesondere tritt nicht deutlich genug hervor, daß das Gesetz in dem Titel über das Schenken (§§516ff.) z w e i T y p e n ausgebildet hat, nämlich die eigentliche „ S c h e n k u n g ' ' und das „ S c h e n k u n g s v e r s p r e c h e n " .

§ 33 IIa. Schenkung, Voraussetzungen

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Die zwiespältige Regelung erklärt sich daraus, daß m a n die Schenkung grundsätzlich als R e a l g e s c h ä f t aufgefaßt wissen wollte: Erst mit dem V o 11 z u g e setzt die „Schenkung" ein; also, w e n n eine bewegliche Sache geschenkt wird, mit deren Ü b e r g a b e zu Eigentum (nach M a ß g a b e der §§ 929ff.), w e n n ein Grundstück geschenkt wird, mit der Auflassung (nach M a ß g a b e der §§ 925, 873), w e n n eine Forderung geschenkweise erlassen wird, mit dem (grundsätzlich formlosen) Erlaßvertrag des § 397, usw. Nun k o n n t e m a n sich aber nicht der Erkenntnis verschließen, daß auch das im voraus gegebene, ernst gemeinte V e r s p r e c h e n zu schenken bereits einen gewissen Rechtscharakter beanspruchen dürfe. Diejenigen, die ein solches Versprechen empfangen, richten sich danach ein, machen Anschaffungen, entwerfen einen Wirtschaftsplan usw. Man kann sie nicht schutzlos der Laune des Zusicherers überlassen. Darum hat das Gesetz doch auch das (bloße) „ S c h e n k u n g s v e r s p r e c h e n " als Schuldrechtsverhältnis a n e r k a n n t und damit klagbar gestellt; freilich mit einer bedeutenden V e r k ü r z u n g seiner praktischen W i r k s a m k e i t : um nämlich zu binden (um „rechtsgültig" zu sein), m u ß e s v o r e i n e m G e r i c h t o d e r N o t a r b e u r k u n d e t w e r d e n (§ 518), w a s mancher Schenkungsbereite entrüstet ablehnen wird.

Im folgenden wird nur von der eigentlichen „Schenkung" gehandelt. Deren Rechtsregeln lassen sich unschwer auf das Schenkungsversprechen übertragen, z. B. die a b g e s c h w ä c h t e H a f t u n g des Schenkers. Der Schenker haftet nicht für jede Schuld, sondern nur für Vorsatz und g r o b e Fahrlässigkeit (§ 521). Das gilt auch vom bloßen Versprecher. Hat er leichtfahrlässig die pünktliche Erfüllung versäumt, kommt er nicht in ,,V e r z u g", denn er hat die leichte Fahrlässigkeit nicht „zu v e r t r e t e n " (§ 285). Darum kann ihn der Bedachte nicht auf Schadensersatz belangen (§ 286). Für Verzugszinsen (§ 288) haftet er sowieso nicht, auch nicht bei grobfahrlässiger oder absichtlicher Säumnis (§ 522). — E i n z e l r e g e l n f ü r d a s S c h e n k u n g s v e r p r e c h e n in §§ 519, 520.

Daß das Schenkungsversprechen als V e r t r a g gedacht ist, leuchtet ein. Aber dasselbe gilt auch von der „Schenkung". Darum ist mit der einseitigen Zuwendung durch den Schenker noch immer nicht eine rechtlich wirksame Schenkung entstanden. Vielmehr bedarf es dazu noch der „ A n n a h m e". Das macht den Eindruck schlimmer Künstelei, der durch die F r i s t s e t z u n g aus §51611 noch gesteigert wird, ist aber nicht ohne praktische W i r k u n g e n . — Können ein sechsjähriges Kind, ein Geisteskranker gültig beschenkt w e r d e n oder scheitert das, weil sie die W i l l e n s e r k l ä r u n g der „ A n n a h m e " (in Abwesenheit ihres gesetzlichen Vertreters) nicht abgeben k ö n n e n (§ 105)? Für M i n d e r j ä h r i g e vgl. § 107.

II. V o r a u s s e t z u n g e n i m e i n z e l n e n , a) Es muß sich um eine „ V e r m ö g e n s z u w e n d u n g " handeln. Allerlei, was Geschäftswert hat, kann zugewendet werden. Es wurde schon der Erlaß einer Forderung erwähnt. Auch Darreichung von Diensten kann Schenkungsgegenstand sein. Dagegen scheidet aus

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§ 33 Ild. Gemischte Schenkung

das bloße „Unterlassen eines Erwerbs". Denn das ist keine Zuwendung „aus dem Vermögen" des Schenkers (§ 517). Wichtigster Fall: Ausschlagung einer Erbschaft, die nunmehr dem nächsten Anwärter zufällt. Bei unentgeltlichen D i e n s t l e i s t u n g e n ergeben sich gewisse Schwierigkeiten. Der Jurist begibt sich dabei in eine gewisse Spitzfindigkeit hinein. Zunächst schon k a n n fraglich sein, ob das Arbeiten für einen anderen eine Z u w e n d u n g „aus dem V e r m ö g e n " des A r b e i t e n d e n ist; denn die Arbeitskraft eines Menschen ist genau genommen kein Bestandteil seines Vermögens. Sodann hat der Gesetzgeber diejenigen unentgeltlichen Dienstleistungen für einen anderen, die den Charakter einer „Geschäftsbesorgung" annehmen, unter ein besonderes Schuldverhältnis gebracht, nämlich den „Auftrag" (§ 662); alles, w a s daher „Auftrag" ist, muß aus dem Schenkungsrecht ausgeschieden werden. — Die H e r a u s n a h m e gewisser unentgeltlicher Leistungen aus dem Schenkungsrecht kommt übrigens nicht bloß in Gestalt des „ A u f t r a g s " vor, sondern z. B. auch in Gestalt der „Leihe" (§ 598) und der (unentgeltlichen) „ V e r w a h r u n g " (§ 688); w i e d e r u m darf nichts, w a s dorthin gehört, als „Schenkung" im Sinne der §§ 516ff. behandelt w e r d e n .

b) B e r e i c h e r u n g des anderen Teils. W e r eine Schuld zahlt, an die sein Gläubiger nicht mehr geglaubt hat, überrascht den Gläubiger, macht ihm eine Freude, aber beschenkt ihn nicht. W e r die (ohne sein Eingreifen ganz aussichtslose) Ehrenschuld eines V e r w a n d t e n einlöst, schenkt dem Verwandten, aber nicht dem Gläubiger. Deshalb k a n n nicht etwa w e g e n groben U n d a n k s des Gläubigers (unten Ziff. III b 2) das gezahlte Geld später wieder zurückgefordert werden; es ist eine S c h u l d bezahlt, nicht ein Geschenk gemacht worden.

c) E i n i g u n g ü b e r d i e

Unentgeltlichkeit.

Gleichgültig ist das „Motiv" (der Beweggrund) des Schenkers. Es leitet ihn vielleicht kühle Berechnung; hohe W e i h n a c h t s g a b e an Angestellte, damit sie zu N e u j a h r nicht kündigen. Oder sogar feindselige Stimmung; er schenkt den Kindern ein Lärminstrument, damit sie den Vater stören. Oder die Hoffnung auf eine „Gegendedikation". Alles dies bleibt Schenkung, weil in den G e s c h ä f t s i n h a l t nur die beiderseitige Vorstellung von der Unentgeltlichkeit a u f g e n o m m e n w o r d e n ist. Kritisch ist der Fall der sog. r e m u n e r a t o r i s c h e n Schenk u n g . Der N a m e will besagen: es soll ein Lohn sein. W e n n z. B. jemand einer Verwandten, die ihm bei E r k r a n k u n g seiner Frau wochenlang den Haushalt geführt hat, nach Abschluß dessen 300 Mk. „schenkt", so wird das meistens eben doch als „ V e r g ü t u n g " im Sinne des §611 gemeint, also n i c h t als Schenkung aufzufassen sein. W e n n dagegen jemand seinem Lebensretter ein Auto „als Lohn" zuschickt, so bleibt das eine echte Schenkung. Keinesfalls zwingt die (sogar beiderseitige) Meinung, „daß die v e r s p r o c h e n e Leistung einer sittlichen oder Anstandspflicht entspricht", dazu, das Geschäft nunmehr als Nicht-Schenkung anzusehen. So RG. in Bd. 125 S. 383 (Jahr 1929).

d) D i e g e m i s c h t e S c h e n k u n g . Das Leben bringt nicht selten Fälle hervor, wo ein Geschäft zwar entgeltlich abgeschlossen,

§ 33 Illa. Haftung des Sclienkers

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aber das Entgelt (z. B. beim Kauf der Preis) wegen der besonderen Beziehungen der beiden Partner n i e d r i g e r angesetzt wird, als es Dritten gegenüber der Fall wäre. Ein solcher „Freundschaftspreis" macht das Geschäft noch keineswegs zur Schenkung. Es k a n n aber die Herabsetzung des Preises so stark sein, daß — nach dem Willen der Beteiligten — ein Stück Schenkung darin sitzen soll. Dann entsteht ein gemischtes Geschäft, halb Verkauf, halb Schenkung ( n e g o t i u m m i x t u m c u m d o n a t i o n e ) . Die rechtliche Behandlung muß auf solche „Mischung" eingestellt werden, was Schwierigkeiten machen kann. Am deutlichsten wird der gemischte Charakter, wenn es an die Berechnung der S c h e n k u n g s s t e u e r geht. Aber auch im Rahmen des bürgerlichen Rechts kommt es zu Schwierigkeiten, z. B. wenn der „Beschenkte" w e g e n eines Mangels des Geschenkgegenstandes das Stück Kaufpreis, das er eben doch gezahlt hat, nach § 462 „mindern" will.

III. R e c h t s l a g e n a c h v o l l z o g e n e r S c h e n k u n g . Wir sahen: die „Schenkung" beginnt erst mit dem Vollzug; Begründung des Schuldverhältnisses und Erfüllung fallen in eins zusammen. Eigentlich müßte damit alles zu Ende sein. Aber es können nachträglich Erscheinungen hervortreten, die ein rechtliches Eingreifen nötig machen, und gerade das füllt die Mehrzahl der Paragraphen im Schenkungsrecht des BGB. a) H a f t u n g d e s S c h e n k e r s . Es könnte wundernehmen, daß man den Wohltäter, den Freigebigen überhaupt h a f t b a r macht. Doch aber läßt sich das nicht ganz vermeiden. 1. M i l d e r e r H a f t u n g s m a ß s t a b : ein Schenker haftet nicht (wie nach § 276) f ü r jeden Grad der Fahrlässigkeit, sondern nur f ü r Vorsatz und g r o b e Fahrlässigkeit (§ 521). 2. H a f t u n g f ü r M ä n g e l d e s G e s c h e n k g e g e n s t a n d e s . Grundsätzlich soll der Schenker f r e i von der Haftung sein. Aber es muß mit a r g l i s t i g e m Verhalten gerechnet werden, und für diesen Fall, nur f ü r diesen Fall ist eine Haftung sowohl f ü r Rechtsmängel (§ 523) wie f ü r Sachmängel (§ 524) in Anlehnung an die Kaufregeln vorgesehen. Beispiel: A schenkt dem B, der sich an einem Pferderennen als Reiter beteiligen will, einen Sattel, dessen Gurt, wie er weiß, bei der nächsten stärkeren Anspannung platzen muß. B verliert das Rennen wegen Platzens des Gurts. A muß ihm den Schaden ersetzen. — Was ist „Arglist"? Dolus eventualis? (Verschenken von Lebensmitteln, die „vielleicht" nichts mehr taugen und dann wirklich schwere Schädigungen hervorrufen.)

b) R ü c k f o r d e r u n g d e s G e s c h e n k s . Durch nichts kommt der R e c h t s Charakter der Schenkung so sehr zum Ausdruck als

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§ 33 IV. Schenkung unter Auflage

dadurch, daß sie grundsätzlich n i c h t zurückgefordert werden kann. Sie bindet rechtlich. Es ist durch sie ein „rechtlicher Grund" f ü r die Zuwendung gesetzt worden. Deshalb kann sie auch nicht unter dem Gesichtspunkt „ungerechtfertigter Bereicherung" (§ 812) herausverlangt werden. Aber in zwei Fällen ist doch ein Rückforderungsrecht anerkannt worden. 1. B e i s p ä t e r e r V e r a r m u n g d e s S c h e n k e r s kann sich eine sozial unerfreuliche Lage ergeben: er selbst muß darben, der Beschenkte lebt sorglos, vielleicht üppig dahin. Um dem zu begegnen, gibt das Gesetz dem Schenker ein Rückforderungsrecht (§§ 528, 529). Nur auf die B e r e i c h e r u n g , d. h. auf das, was von dem Geschenk im Vermögen des Beschenkten noch nachweisbar ist (Beweis oft schwierig). Wegfall bei s e l b s t v e r s c h u l d e t e r V e r a r m u n g , Wegfall, wenn die Schenkung schon über z e h n J a h r z u r ü c k liegt, Wegfall bei gleichzeitiger Notlage des Beschenkten. Vor allem wird die ganze Einrichtung für die große Masse aller Schenkungen (die sog. A n s t a n d s - o d e r P f l i c h t s c h e n k u n g e n ) durch den § 534 wieder weggeräumt. Über die facultas alternativa des Beschenkten oben § 6 III c. — Verwandt mit dem Rückforderungsrecht bei der (vollzogenen) „Schenkung" ist die sog. E i n r e d e d e s N o t b e d a r f s beim „Schenkungsversprechen" (§ 519).

2. B e i g r o b e m U n d a n k d e s B e s c h e n k t e n lehnt sich das sittliche Empfinden dagegen auf, daß er das Geschenk behalten darf. Das Gesetz stattet daher den Schenker mit einem „Widerrufs"-Recht aus. Praktisch läuft dieses Recht auf eine Rückforderung des geschenkten Gegenstandes (nach den Regeln der ungerechtfertigten Bereicherung) hinaus. Auch hier weitgehende Einzelregelung (§§ 530ff.). Wer einmal v e r z i e h e n hat, kann nicht nochmals auf den früheren Undank zurückgreifen. Er muß sich auch b i n n e n e i n e m J a h r e schlüssig machen. An die E r b e n d e s U n d a n k b a r e n kann er überhaupt nicht mit seinem Widerrufsrecht herantreten. Und wiederum die große Ausnahme für alle Anstands- und Pflichtschenkungen. — Über B r a u t l e u t e , deren Verlöbnis auseinandergegangen ist, vgl. § 1301.

IV. S c h e n k u n g u n t e r A u f l a g e (§§ 525 bis 527). Es handelt sich dabei um eine der Schenkung beigefügte N e b e n a b r e d e , ein Gebilde, das im Leben häufig ist, aber der juristischen Erfassung Schwierigkeiten macht. Der menschliche (wirtschaftliche) Ausgangspunkt ist der, daß d i e A u s n ü t z u n g d e s G e s c h e n k s nicht in das reine Belieben des Beschenkten fallen soll, sondern daß ihm f ü r die Behandlung oder Verwertung des Geschenks vom Schenker Richtlinien gesetzt („auferlegt") werden.

§ 34 I. G e b r a u c h s ü b e r l a s s u n g s v e r t r ä g e

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B e i s p i e l e : Ein Bürger schenkt seiner Heimatstadt seinen schönen Garten mit der Bestimmung, daß er als V o l k s p a r k v e r w e n d e t wird und seinen N a m e n bekommt. Eine alte adlige Dame schenkt ihrer Nichte den Familienschmuck mit der Auflage, ihn nicht zu „profanieren", s o n d e r n nur bei großen Familienfestlichkeiten zu tragen. Ein Nachbar schenkt dem v e r a r m t e n Nachbar Lebensmittel mit dem Zusatz, daß er natürlich auch seiner Frau und den Kindern etwas abgeben müsse. — Schwierig die Abgrenzung zum bloßen (als außerrechtlich empfundenen) W u n s c h oder Rat (vgl. oben § 5 I a).

Die a l l g e m e i n e Dogmatik der „Auflage" ist schon früher dargestellt worden (§ 11IV). Für das Schenkungsrecht ist der w i c h t i g s t e p r a k t i s c h e Satz, daß die Erfüllung der Auflage e i n g e k l a g t werden kann (§ 525). Daneben stellt der Gesetzgeber dem Schenker ein R ü c k f o r d e r u n g s r e c h t zur Verfügung, wenn aus der Erfüllung der Auflage nichts wird, allerdings nur, wenn das an einem Verschulden des Beschenkten liegt, und auch nicht in voller Höhe, sondern nur „insoweit, als das Geschenk zur Vollziehung der Auflage hätte verwendet werden müssen" (§ 527). Verwickelung kommt d a d u r c h hinein, daß möglicherweise auch der D r i t t e , dem die Auflage zugute kommen soll, ein Klagerecht besitzt, w a s nach den allgemeinen Regeln vom „Versprechen der Leistung an einen Dritten" (§§ 328ff.; vgl. namentlich §330 S. 2) zu beurteilen ist; das Rückforderungsrecht steht immer nur dem Schenker selbst zu. — Daß die R ü c k f o r d e r u n g an ein V e r s c h u l d e n d e s B e s c h e n k t e n g e k n ü p f t ist, ergibt sich aus dem Hinweis auf die „für das Rücktrittsrecht bei gegenseitigen V e r t r ä g e n bestimmten Voraussetzungen"; denn bei dieser Sorte von V e r t r ä g e n kann der Rücktritt entweder nur auf schuldhafte Säumnis (Verzug, § 326) oder auf schuldhaft h e r b e i g e f ü h r t e Unmöglichkeit (§ 325) gestützt werden.

2. Kapitel: Gebrauchsüberlassungsvertrage § 34. Überblick I. Beim Kauf und den anderen Schuldverhältnissen des 1. Kapitels werden die zugesagten Gegenstände e n d g ü l t i g in das Vermögen des anderen Teils überführt. Das bedeutet, daß grundsätzlich alle Beziehungen zwischen dem bisherigen Inhaber und dem fortgegebenen Gegenstand abgebrochen werden. Der Verkäufer hört mit einem Schlage und vollständig auf, Herr der Kaufsache zu sein, und im gleichen Augenblick beginnt die alleinige Herrschaft des Käufers. Bei den Schuldverhältnissen des 2. Kapitels, z. B. beim Vermieten, wird der Gegenstand dem anderen Teil n u r f ü r e i n e n b e s t i m m t e n Z e i t r a u m , vielleicht für Stunden, vielleicht für Jahre, überlassen. Dann soll er wieder zu seinem alten Herrn zu-

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§ 34 It.

Gebrauchsüberlassungsverträge

rückkehren. Das hat a u c h f ü r d i e g a n z e Z w i s c h e n z e i t wichtige Folgen. Und zwar in erster Linie auf S a c h e n rechtlichem Gebiet. Denn während der ganzen Überlassungszeit bleibt die überlassene Sache im E i g e n t u m des Überlassenden, z. B. des Vermieters, während eben der Ver k ä u f e r sein Eigentum mit dem Kaufe weggibt. Sehr eigentümlich ist auch die B e s i t z l a g e (die vom „Eigentum" scharf geschieden werden muß). Der Besitz erfährt nämlich bei den Schuldverhältnissen des 2.Kapitels eine Z e r l e g u n g . Der Überlassende (Vermieter) behält den sog. m i t t e l b a r e n B e s i t z zurück, während die andere Hälfte des Besitzes, der „ u n m i t t e l b a r e B e s i t z " , auf den Empfänger (Mieter) übergeht. Der Gesetzgeber hat das bei der Besitzlehre (§ 868) ausgesprochen. Die starke, dem Überlassenden verbleibende sachenrechtliche Anteilnahme wirkt nun aber auch auf die s c h u 1 d rechtliche Lage ein: der Vermieter wird während der Zeit, in der er dem Mieter den Gebrauch überlassen hat, durchaus nicht völlig ausgeschaltet, vielmehr behält er auch innerhalb des Schuldverhältnisses wichtige Rechte und Pflichten (vgl. nachfolgend § 35 Ziff. II). II. Eine weitere Besonderheit der Schuldverhältnisse des 2. Kapitels (im Gegensatz zu denen des 1.) liegt darin, daß es sich bei ihnen um D a u e r v e r h ä l t n i s s e handelt. Der Kauf ist auf einen einzigen Zeitpunkt (höchstens, wenn die mehreren Kaufleistungen auseinanderfallen, auf mehrere Z e i t p u n k t e ) gestellt. Bei der Miete hingegen muß fortlaufend durch die ganze Mietszeit hindurch die vermietete Sache dem Mieter zur Verfügung gehalten werden. Das gibt den Verpflichtungen aus dem Mietsverhältnis (wenigstens einigen) ein ganz anderes Gepräge. Trotz dieser Gegensätze sind aber Miete und Kauf, endgültige und zeitweise Überlassung, eng verwandt miteinander. D a s G e i n e i n s a m e beruht eben auf dem Moment der „Überlassung". Dadurch werden für beide Arten von Schuldverhältnissen in gewissen Zusammenhängen dieselben Vorstellungen ausgelöst, z. B. dann, wenn der überlassene Gegenstand fehlerhaft ist (Mängelhaftung), oder wenn die Leistung durch Zufall oder Verschulden unmöglich wird.

III. Nicht alle Schuldverhältnisse, bei denen eine Gebrauchsüberlassung stattfindet, gehören in den Zusammenhang des 2. Kapitels, sondern n u r die, bei denen die Gebrauchsüberlassung den eigentlichen Kern bildet. Bei anderen ist die G e b r a u c h s ü b e r lassung nur eine Begleiterscheinung oder Zutat. Hierher gehört es, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vereinbarungsgemäß das nötige Handwerkszeug stellt, oder wenn ein

§ 35 I. Miete

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Gesellschafter seinen Mitgesellschaftern auf Grund des geschlossenen Vertrages s e i n e Bücherei oder einen R a u m s e i n e s Hauses zur B e n u t z u n g überläßt, oder w e n n der Besitzer e i n e s Reitinstituts das P f e r d jemandes, der eine längere Reise antritt, in Pension nimmt, und nun, schon um dem Tiere B e w e g u n g zu machen, täglich eine S t u n d e darauf spazieren reitet. Überall geht hier die Gebrauchsüberlassung in d e m sonstigen Charakter des Verhältnisses (Dienstvertrag, Gesellschaftsvertrag, Verwahrungsvertrag) unter. Besonders nahe kommt an die Schuldverhältnisse des 2. Kapitels der V e r w ä h r u n g s v e r t r a g (§§ 688ff.) heran. Wenn ein Kunde einer Bank Wertpapiere zum Aufheben gibt, so überwiegt zunächst die fürsorgliche Tätigkeit des Bankiers, so daß ein Verwahrungsvertrag (nachfolgend § 52) anzunehmen ist. Wenn der Kunde dagegen in der Stahlkammer der Bank ein eigenes Fach zugewiesen bekommt, zu dem etwa nur er den Schlüssel hat, so geht das Geschäft in einen Mietsvertrag über. Auch die Verpflichtung zur „ V o r l e g u n g v o n S a c h e n " (23. Titel, §§ 809ff.) läuft auf eine eigenartige Überlassung zu einem bestimmten Gebrauch (Besichtigung) hinaus. Ihr Schwergewicht beruht aber auf einem ganz anderen Gedanken (nachfolgend § 60). Schließlich sind auch auszuscheiden das D a r l e h e n und die ihm verwandten Schuldverhältnisse. Allerdings überläßt auch der Darleiher seinem Geschäftspartner das dargeliehene Geld zum Gebrauch, und dementsprechend soll der Entleiher später das Geld zurückgeben, so wie der Mieter die Mietssache. Aber die Mietssache ist ein ganz b e s t i m m t e s Stück, und dieses bestimmte Stück bleibt die ganze Zeit hindurch dasselbe und ist auch als solches zurückzugeben. Der Entleiher von Geld wird aber, von seltenen Ausnahmefällen abgesehen, das Geld nicht bloß gebrauchen, sondern verbrauchen wollen. Darum ist er auch nicht gehalten, dieselben Stücke zurückzugeben, sondern ganz andere, von denen heute noch niemand etwas weiß. Und darum scheiden auch von vornherein eine große Zahl wichtiger Pflichten aus, die für das 2. Kapitel gerade kennzeichnend sind, so die Pflicht zu pfleglicher Behandlung des anvertrauten Gegenstandes, die Haftung für Sachmängel und vor allem auch die oben geschilderten Eigentums- und Besitzverhältnisse. Das Darlehen und die ihm nahestehenden Geschäfte werden deshalb in einem besonderen Kapitel 3 behandelt. § 35. Die Miete (BGB. §§ 535ff.) W i c h t i g e V o r b e m e r k u n g . Das Mietrecht unterliegt seit dreißig Jahren einer tief einschneidenden Z w i e s p ä l t i g k e i t . Auf der einen Seite ruht es noch immer in der alten, „klassischen" Dogmatik des BGB. Dem ist die nachfolgende Darstellung in erster Linie gewidmet (I bis VII). Zum anderen ist das heutige Mietsrecht durch die öffentlichrechtliche Fürsorge für das Wohnungswesen auf ganz neue Grundlagen gehoben worden. Die Grundzüge dessen werden am Schluß (VIII) in Kürze gekennzeichnet.

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§ 35 Ib. Miete, W i r k u n g gegen Dritte

I. B e g r i f f . Die Miete ist Überlassung einer Sache zum Gebrauch gegen Entrichtung eines Zinses als Entgelt. a) A b s c h e i d u n g v o n a n d e r e n ä h n l i c h e n T y p e n . 1. Zunächst von der L e i h e : die Leihe ist unentgeltlich, die Miete entgeltlich. Leihbibliothek ist daher irreführend; es muß heißen: Mietsbücherei. Das L e i h e n v o n G e l d ist besonders erfaßt, und zwar unter der Bezeichnung „Darlehen" (unten § 40).

2. Ferner von der P a c h t : Bei der Miete wird nur der „Gebrauch" gewährt, bei der Pacht dagegen außerdem die „Früchte". Eine Milchkuh w i r d verpachtet, ein Zugochse vermietet. Ein Park wird vermietet, ein Obstgarten verpachtet. In der Sprache des I. Buches bekommt danach der Pächter die „ N u t z u n g e n " (Früchte + Gebrauch; § 100), während der Mieter nur die eine Hälfte der Nutzungen (nämlich den Gebrauch) erhält. — W i e werden R e c h t e an jemand anderen überlassen? „Gebrauchen" kann man sie nicht; sie haben keinen Sachkörper. A b e r sie werfen Nutzungen (Früchte) ab; darum kann man sie pachten, so z. B. kann man dem Grundeigentümer das ihm v o m Gesetz verliehene Jagdrecht abpachten; Mietgegenstand können dagegen Rechte niemals sein.

3. M i s c h g e b i l d e , bei denen sich Bestandteile anderer Vertragsarten mit einem Mietsverhältnis verbinden, sind nicht selten. Für die juristische Behandlung ergeben sich Schwierigkeiten. Meist tritt die Mischung dadurch ein, daß der Mieter dem Vermieter s t a t t G e l d s e i n e A r b e i t s k r a f t zur Verfügung stellt. Musterbeispiel der P f ö r t n e r v e r t r a g : Der Pförtner (Portier) übernimmt die Hausbereinigung usw. g e g e n „ f r e i e " W o h n u n g (vgl. bereits § 31 II b 2). Oder eine Villenkolonie nimmt einen Arzt „unentgeltlich" in eines ihrer Landhäuser auf, w o f ü r er die Wasserkontrolle und andere auf hygienischem Gebiet liegende Pflichten zu übernehmen hat. Schwierige Fragen: Richtet sich die K ü n d i g u n g nach den Regeln der M i e t e oder des Arbeitsvertrages? Kann der Vermieter sein P f a n d r e c h t (unten Ziff. V I c) bei jedem Anspruch geltendmachen oder nur bei denen, die aus Mietsbeziehungen erwachsen sind?

b) W i r k u n g g e g e n D r i t t e . 1. Grundsätzlich ist das Mietsverhältnis n u r e i n s c h u l d r e c h t l i c h e r V o r g a n g , der die Person an die Person bindet (oben § 1 IIa) und außenstehende Dritte nichts angeht. Kein Dritter brauchte sich also, wenn er in seinen eigenen Interessen behindert wird, um das im Wege stehende Mietsverhältnis zu kümmern. Freilich, um den Mieter zu v e r d r ä n g e n , müßte der Dritte seinerseits ein s t ä r k e r e s Recht haben. Wie ist es nun, wenn ein Dritter den vermieteten Gegenstand dem Vermieter abgekauft hat? Kann er dann den Mieter aus dem gemieteten Hause hinausweisen,

§ 35 Ib. Miete, W i r k u n g gegen Dritte

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weil er nun selber in „sein" Haus einziehen will? Dazu reicht der K a u f v e r t r a g allein nicht aus. Denn der Kauf ist selbst auch nur ein schuldrechtliches Gebilde. Das Bild ändert sich aber bedeutend, wenn (in Durchführung des Kaufvertrages, oben § 32 IIa 2) der Vermieter dem Käufer das E i g e n t u m überträgt. Denn das Eigentum ist eine s a c h e n rechtliche Position, die von jedermann beachtet werden muß, und die der Gesetzgeber auf den fundamentalen Satz aufgebaut hat: „ D e r E i g e n t ü m e r k a n n v o n d e m B e s i t z e r d i e H e r a u s g a b e d e r S a c h e v e r l a n g e n " (§ 985). Danach hätte es der Käufer-Eigentümer also in der Hand, den Mieter (der „Besitzer" im Sinne des § 985 ist), trotzdem dessen Mietsvertrag vielleicht noch auf J a h r e hinaus läuft, jederzeit auf die Straße zu weisen. Dies war in der Tat der streng logische S t a n d p u n k t d e s r ö m i s c h g e m e i n e n R e c h t s , der nur durch mäßige „Räumungsfristen" etwas gemildert war. Auch der I. Entwurf zum BGB. stellte sich auf diesen Boden. Das rief stürmische Kritik hervor, die unter dem volkstümlichen Stichwort stand: „ S o l l K a u f P a c h t u n d M i e t e b r e c h e n?" (juristisch falsch ausgedrückt; nicht der Kauf, sondern der Eigentumserwerb könnte die Miete brechen). Die Tageszeitungen beteiligten sich. Der II. E n t w u r f schwenkte ein: Kauf bricht n i c h t Miete. Und d a r a n hielt auch das fertige Gesetz fest. Aber das ist höchst v e r s c h r o b e n zum Ausdruck gebracht worden.

2. Der G r u n d s a t z von der Überlegenheit des (neuen) Eigentümers gegenüber dem Mieter ist auch jetzt noch der Ausgangspunkt. Er wird jedoch durch gewisse E i n s c h r ä n k u n g e n nahezu in sein Gegenteil verkehrt. a) L a g e b e i G r u n d s t ü c k en (von Wohnungen gilt dasselbe wie von ganzen Grundstücken; so allgemein § 580). Hier muß unterschieden werden, ob der Mieter schon eingezogen ist („nach der Überlassung an den Mieter"), oder nicht. Im letzteren Falle ist der Mieter wirklich machtlos; der Käufer-Eigentümer geht ihm vor, kann ihn also von rechtswegen am Einziehen hindern (vgl. § 578). Im ersteren Fall gilt dagegen der wichtige § 5 7 1 , der nun umgekehrt darauf hinausläuft, daß der (neue) Eigentümer nichts gegen den Mieter unternehmen kann, vielmehr den ganzen Mietsvertrag so durchhalten muß, als wäre er selbst der ursprüngliche Vermieter gewesen. Das Gesetz erreicht das durch eine F i k t i o n : Der Käufer (der durch Auflassung und Eintragung im Grundbuch, §§ 925 und 873, zum Eigentümer geworden ist) „tritt an Stelle des Vermieters in die sich w ä h r e n d der Dauer seines Eigentums aus dem Mietsverhältnis ergebenden Rechte und Verpflichtungen ein." Ein merkwürdiges Gebilde — ein gesetzlich erzwungenes vertragliches Schuldverhältnls. Es tritt ipso iure ein, selbst wenn der Käufer von dem Dasein des Mietsverhältnisses bisher überhaupt nichts gewußt hat und z. B. erst, als er selber einziehen will, auf den

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§ 35 Ib. Miete, Wirkung gegen Dritte

Mieter stößt. Der Mieter bekommt damit eine über ein bloßes Schuldverliältnis hinausragende, q u a s i - d i n g l i c h e R e c h t s s t e l l u n g . Übrigens wird aber bei dieser Änderung auch der Mieter nicht gefragt: er bekommt durch gesetzliche Verwandlung einen anderen Partner. Doch haftet ihm außerdem in gewissen Grenzen der alte Vermieter weiter, wodurch das Bild noch eigenartiger wird. Einzelheiten in §§ 572 bis 576. (Dazu auch zweitfolgender Absatz.) Das gleiche gilt auch, wenn der „neue Herr" auf andere Weise als durch Kauf, z. B. d u r c h S c h e n k u n g o d e r T a u s c h Eigentümer geworden ist. Dagegen ändert sich das Bild bedeutend, wenn das Grundstück d u r c h Z w a n g s v e r s t e i g e r u n g in neue Hände kommt. Der Mieter bleibt allerdings auch hier an den laufenden Kontrakt gebunden, der Ersteher aber kann ihm unter Wahrung der gesetzlichen Fristen (unten § 35 VII b) kündigen. So § 57 a des Zwangsversteigerungsgesetzes (ZVG.). Hauptsächlich für den Fall der Zwangsversteigerung ist auch die Frage brennend, a u f w i e w e i t i n d i e Z u k u n f t h i n e i n d e r V e r m i e t e r b i n d e n d ü b e r d e n M i e t z i n s v e r f ü g e n k a n n . Es liegt nahe, daß der Vermieter-Eigentümer, der sich in Geldnot befindet, seine „Mieten" an einen Geldgeber abtritt; und wenn er seinen Zusammenbruch, d. h. die Zwangsversteigerung kommen sieht, liegt die Verlockung, rasch noch die künftigen Mieten auf lange Zeit hinaus abzuschieben, besonders nahe. Dadurch würde dem Ersteher des Grundstücks (neuen Eigentümer) jede Ausbeutungsmöglichkeit für die entsprechende Zeit entgehen, Bietungslustige würden abgeschreckt werden, und mittelbar würden ungefähr im gleichen Sinne auch die H y p o t h e k e n g l ä u b i g e r getroffen (näheres im Sachenrecht). Dem ist durch die §§ 573, 574 und 1123, 1124 i n V e r b i n d u n g m i t einer besonderen V. v. 26. 5. 33 (RGBl. I 302, 305) ein Riegel vorgeschoben: Nur für einen Monat sind diese Vorausverfügungen über den Mietszins dem neuen Eigentümer (und den Hypothekengläubigern) gegenüber wirksam. Jeder, der sich „Mieten" abtreten läßt oder auch, wer „Mieten" für sich pfänden läßt (nach herrschender Meinung dem „Verfügen" des § 573 gleichzustellen), muß also sehr vorsichtig sein. Ebenso der Mieter selbst, wenn er an seinen (jetzigen) Vermieter im voraus zahlt; bei ihm wird jedoch der g u t e G l a u b e berücksichtigt: nur, wenn er von dem Eigentumswechsel Kenntnis gehabt oder durch gerichtliche Benachrichtigung auf die bevorstehende Versteigerung hingewiesen worden ist (§ 57 b des Zwangsversteigerungsgesetzes), darf er nicht mehr in den folgenden Monat hinein an seinen alten Vermieter zahlen.

ß) L a g e b e i m V e r m i e t e n b e w e g l i c h e r S a c h e n (z. B. Möbel, ein Kraftwagen, eine Handschriftensammlung). Hier fehlt eine entsprechende Paragraphengruppe; § 571 redet nur von Grundstücken. Aber an versteckter Stelle wird dem Mieter beweglicher Sachen ein ähnlicher Schutz zuteil. Ist nämlich die Sache dem Mieter schon überlassen, so hat er damit (oben § 34 I) den (unmittelbaren) B e s i t z bekommen. Und dann ist es ausgeschlossen, daß der Vermieter dem Käufer das Eigentum auf dem normalen Weg der „Übergabe" (§ 929) verschafft, vielmehr ist er auf den Hilfsweg

§ 35 II. Miete; Vermieter beibt Herr

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der A b t r e t u n g d e s H e r a u s g a b e a n s p r u c h s (§931, Text folgt) angewiesen. Und gerade f ü r diese Lage hat der Gesetzgeber (§ 986 II, Text folgt) bestimmt, daß der Besitzer dem neuen Herrn genau das entgegenhalten kann, was er seinem Vermieter entgegenhalten durfte, also vor allem, d a ß d a s M i e t s v e r h ä l t n i s n o c h n i c h t a b g e l a u f e n ist. §931: ,,Ist ein Dritter (der Mieter) im Besitze der Sache, so kann die Ubergabe (vom Vermieter an' den Käufer) dadurch ersetzt werden, daß der Eigentümer (Vermieter) dem Erwerber (Käufer) den Anspruch auf Herausgabe der Sache abtritt." § 986 II: „Der Besitzer (Mieter) einer Sache, die nach § 931 durch Abtretung des Anspruchs auf Herausgabe veräußert worden ist, kann dem neuen Eigentümer (Käufer) die Einwendungen (Mietsvertrag läuft noch) entgegensetzen, welche ihm gegen den abgetretenen Anspruch zustehen."

II. F o r t d a u e r d e r H e r r e n s t e l l u n g d e s V e r m i e t e r s . Wie schon gezeigt, behält der Vermieter während der ganzen Mietszeit sein E i g e n t u m und außerdem grundsätzlich auch die Hälfte des Besitzes, den sog. m i t t e l b a r e n B e s i t z (oben §341). Dazu treten folgende s c h u l d r e c h t l i c h e Erscheinungen: a) F o r t d a u e r d e r B e l a s t u n g . An sich herrscht Vertragsfreiheit. Mieter und Vermieter können sich also eigens darüber verständigen, wer die L a s t e n übernehmen soll, die auf der Sache ruhen, z. B. die Steuern, die Hypothekenzinsen. Aber das Gesetz gibt eine Auslegungsregel dahin, daß der V e r m i e t e r diese Lasten weiter tragen muß (§ 546). Ebenso hat der Vermieter grundsätzlich d i e l a u f e n d e n U n t e r h a l t u n g s k o s t e n zu tragen, vor allem also die notwendigen A u s b e s s e r u n g e n aus seiner Tasche zu bezahlen. Vgl. § 536: Fortlaufende Erhaltung in gebrauchsfähigem Zustand (näheres dazu unter V a ) ; § 547: Erstattungsanspruch des Mieters, wenn er vorläufig die Ausgaben selbst gedeckt hat. Bedeutende Verschiebung in der jetzigen Praxis. Bestreben der Vermieter, die Reparaturlast auf den Mieter abzuwälzen. Oft erfolgreich. Die Ausbesserungsfrage wird immer eine Quelle vielen kleinen Zankes bleiben. Die a l l m ä h l i c h e A b n u t z u n g geht übrigens auch auf Kosten des Vermieters, als Folge seiner fortdauernden Herrenstellung, handelt es sich doch um „seine" Sache. Umgekehrt darf der Mieter nicht wegen jeder Abnützung sogleich Wiederauffrischen verlangen (vgl. § 548).

b) F o r t d a u e r d e r G e b r a u c h s m ö g l i c h k e i t i n g e w i s s e n G r e n z e n . Grundsätzlich verliert der Vermieter mit Abschluß des Mietsvertrages und Überlassung der Mietssache an den Mieter die (rechtliche) Möglichkeit zum eigenen Gebrauch. Aber das ist nicht zwingend. Es kann sich aus den Umständen ergeben

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§ 35 IV. Die Miete als V e r t r a u e n s v e r h ä l t n i s

(Auslegung!), daß dem Vermieter doch ein gewisser Eigengebrauch neben dem Mieter zusteht. Betreten der Mietswohnung, um mit den H a n d w e r k e r n eine Ausbesserung zu besprechen oder um neuen Mietern die W o h n u n g zu zeigen,

c) Vor allem aber offenbart sich die Herrenstellung des Vermieters in seinem R ü c k f o r d e r u n g s r e c h t nach beendetem Mietsverhätlnis.

Nach Beendigung. Also nicht zwischendurch, mag dem Vermieter die Sache auch noch so notwendig g e w o r d e n sein (Gegensatz zur Leihe, § 605 Ziff. 1). Über den Eigenbedarf des Mieters im Rahmen des „Mieterschutzes" unter VIII b. Der Vermieter k a n n bei der Rückforderung s a c h e n rechtlich vorgehen, indem er sich auf sein E i g e n t u m stützt (Herausgabe nach § 985). Daneben aber hat er einen s c h u l d r e c h t l i c h e n Anspruch, der sich sogar (trotzdem da eine unmittelbare vertragliche V e r k n ü p f u n g gar nicht vorliegt!) gegen einen Dritten richtet, dem etwa der Mieter die Sache überlassen hat (§ 556).

III. D i e M i e t e a l s g e g e n s e i t i g e s V e r h ä l t n i s . Auf beiden Seiten entstehen Rechte und Pflichten. Sie sind als Austauschleistungen gedacht. Darum finden g r u n d s ä t z l i c h d i e Regeln vom gegenseitigen Vertrage Anwendung (§§ 320ff.; oben §11). Doch kommt das Gegenseitigkeitsverhältnis (die „synallagmatische V e r k n ü p f u n g " ) bei der Miete nicht so deutlich zum A u s d r u c k wie etwa beim Kauf. Das hängt hauptsächlich damit zusammen, daß bezüglich der wichtigsten Pflichten e i n u n m i t t e l b a r e r Austausch gar n i c h t m ö g l i c h i s t . Denn der Vermieter hat den Gebrauch d u r c h l a u f e n d , d. h. in jedem einzelnen Augenblick zu g e w ä h r e n (oben § 34 If, Dauerverhältnis), während der Mieter seiner Zahlungspflicht normalerweise nur in einem Zeitpunkt (oder mehreren) nachkommen kann. Daraus entspringt zugleich die praktisch sehr wichtige Frage, w e r v o r z u l e i s t e n h a t . Ist der Mietzins postnumerando oder praenumerando zu zahlen? Das Gesetz für nachträgliche Zahlung (§551). V e r k e h r s s i t t e u n d P a r t e i a b r e d e ä n d e r n das mitunter, aber die Vorauszahlung bleibt doch Ausnahme. So e r k l ä r e n sich m e h r e r e im folgenden dargestellte Schutzmaßregeln für den Vermieter.

IV. D i e M i e t e a l s V e r t r a u e n s v e r h ä l t n i s . Die ideale Vorstellung ist die, daß der Mieter die Mietssache für den Vermieter i n g u t e r T r e u e v e r w a l t e t , und daß der Vermieter seinerseits alles tut, um dem Mieter den Gebrauch zu einer Annehmlichkeit, insbesondere bei der Wohnungsmiete die Wohnung zu einem wirklichen Heim zu machen. In Kleinstädten ist dieser Charakter des Mietverhältnisses auch oft noch spürbar, in den Häuserblocks der Großstädte ist er dagegen so gut wie ganz verloren gegangen. Um so wichtiger ist das Eingreifen der Rechtsordnung. Das G e s e t z läßt im Rahmen des Mietrechts den Gedanken nur •schwach in Gestalt einiger Einzelbestimmungen erkennen.

§ 35 V. Die Miete als G e b r a u c h s v e r h ä l t n i s

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Hierher gehört die A n z e i g e p f l i c h t d e s M i e t e r s bei auftauchenden M ä n g e l n (näheres im § 545). Das ist ganz aus der Auffassung eines treuen V e r w a l t e r s entsprungen. Auch die grundsätzliche U n z u l ä s s i g k e i t d e s W e i t e r v e r m i e t e n s (Untermiete) entspringt einer gleichen Vorstellung: man sieht sich die Leute an, denen man seine Sache mietsweise anvertraut. Das Gesetz hat zu vermitteln gesucht (näheres § 549; vgl. auch § 553). Heutige Lage u n t e n VIII b.

Eine wichtige Ergänzung bringt jedoch auch hier wieder der allgemeine Leitsatz des §242: „Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, w i e T r e u u n d G l a u b e n mit Rücksicht auf die V e r k e h r s s i t t e es erfordern" (oben §5111; neben §242 auch § 157). Dies bietet eine Handhabe, um Mißbräuchen, namentlich einer ü b e r t r i e b e n e n A u s n ü t z u n g d e r V e r m i e t e r m a c h t entgegenzuwirken. Namentlich in früheren Zeiten w a r e n sehr einseitig zugunsten des Vermieters abgefaßte F o r m u l a r e üblich, die der Mieter „blindlings" unterschreiben mußte. Gegen diese Klauseln ist die Praxis der Gerichte immer wieder angegangen. B e i s p i e l e : 1. Im V e r t r a g e stand, Mieter müsse jederzeit die V o r n a h m e baulicher V e r ä n d e r u n g e n dulden, möchten sie auch einen Umfang haben, welchen sie wollen. Das Gericht erklärte: Trotzdem braucht sich der Mieter Änderungen, durch die der vertragsmäßige G e b r a u c h fast ganz u n t e r b u n d e n wird, nicht gefallen zu lassen. 2. Der V e r t r a g bestimmte: Mieter darf in der M i e t s w o h n u n g keinerlei Ä n d e r u n g e n ohne Genehmigung des Vermieters vornehmen, u. a. keine größeren H a k e n einschlagen. Darauf gestützt wollte der Vermieter die Anbringung eines T e l e f o n a p p a r a t e s verbieten. Das Gericht wies ihn damit ab. 3. Klausel der U n g ü l t i g k e i t m ü n d l i c h e r N e b e n a b r e d e n . Gerichte h a b e n mehrfach auf das gemeine Recht (exceptio doli generalis) zurückgegriffen, z. B. w e n n der V e r m i e t e r gesagt hatte, „es sei nicht nötig, das alles hineinzuschreiben". A n d e r e r konstruktiver Versuch: W e i c h t die Niederschrift erheblich v o n den mündlichen V e r a b r e d u n g e n ab, so ist der schriftliche V e r t r a g gar nicht als solcher zustande gekommen, folglich gilt auch nicht die ihm eingegliederte Klausel. Allgemeiner Grundsatz des R e i c h s g e r i c h t s : ,,Die Ergänzung des V e r t r a g e s ist zu finden nach den Richtlinien des im V e r t r a g e sonst ausg e d r ü c k t e n Parteiwillens und nach dem Gesichtspunkte von T r e u u n d G l a u b e n " (Bd. 92 S. 421).

H e u t e ist durch den besonderen ,,M i e t e r s c h u t z " (unten VIII b) die Lage eher umgekehrt, so daß „Treu und Glauben" auch einmal g e g e n den Mieter angewendet werden muß, der sich allzu sehr hinter diesen Schutz verschanzt. Die Lage der Vermieterschaft ist dank der allgemeinen Notverhältnisse wesentlich zu ihren Ungunsten verschoben. V. D i e M i e t e a l s G e b r a u c h s v e r h ä l t n i s . Es handelt sich hier um das wirtschaftliche Kernstück und zugleich um das juristische Rückgrat des Mietsvertrages. 13 H o d e m a n n , Schulü recht, 3. Aufl.

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§ 35 Va, b. Miete; Schutz nach außen

a) D i e V e r s c h a f f u n g s p f l i c h t d e s V e r m i e t e r s . D e r G e s e t z e s t e x t gibt nur einen u n b e s t i m m t e n U m r i ß dieser Pflicht i m §536; das R e i c h s g e r i c h t hat gelegentlich v o n einer „positiven Fürsorgepflicht" des V e r m i e t e r s gesprochen (Bd. 102 S. 234). A l l e s übrige aber m u ß aus dem konkreten Vertrage (oder den Formularen) und, da auch dieser oft g e n u g nichts B e s t i m m t e s enthält, aus der V e r k e h r s s i t t e (Abmachungen der beiderseitigen V e r b ä n d e nicht ausgeschlossen) geschöpft werden. Beispiel: Miete eines möblierten Zimmers. Müssen Hausschlüssel, Bettwäsche, Handtücher, Schlüssel zu den Schränken, Kaffeegeschirr, Tischtuch, Seife, Kleiderbürste gewährt werden? Wenn Bedienung mit zugesagt ist, sind Stiefel und Kleider zu reinigen, Knöpfe anzunähen, Pakete auf die Post zu tragen? Sind bei einer Wohnung im Winter Doppelfenster zur Verfügung zu stellen? Wieweit dürfen Hof und Garten mit benützt werden? Sehr oft spielt auch die Beleuchtungsfrage eine Rolle im Streit zwischen Mieter und Vermieter. Usw. Wiederum wird auf die h e u t i g e n N o t z e i t e n gebührend Rücksicht zu nehmen sein. Sehr w i c h t i g ist, daß die Verschaffungspflicht des V e r m i e t e r s w ä h r e n d der ganzen Mietsdauer anhält (§ 536: „ w ä h r e n d der Mietszeit in diesem Zustande zu erhalten"). Daraus ist s e i n e A u s b e s s e r u n g s p f l i c h t abzuleiten, w e n n die Mietssache schadhaft wird. Vertrag und Ortsgebrauch bestimmen hier manche Einzelheiten. Vor allem aber drückt wiederum die N o t z e i t auch hier der Rechtslage ihren Stempel auf und verlangt gebührende Berücksichtigung bei der Auslegung. „Anpassung der Wohnungsmaßstäbe an die Zeitverhältnisse" (so Urt. eines LG.); der Mieter muß heute viel mehr „einstecken" als früher. Das gilt vor allem für die K r i e g s s c h ä d e n . Unter Berücksichtigung der gesamten wirtschaftlichen Lage des Vermieters und der etwa außergewöhnlich hohen Kosten ist zu prüfen, ob die Instandsetzungspflicht für den Vermieter „zumutbar" ist (§ 242). b) Zur Gebrauchsgewährung gehört auch der S c h u t z n a c h a u ß e n , namentlich g e g e n Mitmieter u n d Nachbarn. B i s zu einem g e w i s s e n Grade kann sich der Mieter selber helfen. D e n n er wird, w i e früher gezeigt (§ 341) n e b e n d e m Vermieter auch seinerseits „Besitzer", u n d d a s g e w ä h r t i h m auch Dritten gegenüber, die ihn beeinträchtigen, den B e s i t z s c h u t z der §§ 859, 861, 862. A b e r das reicht nicht zu. D a m u ß der V e r m i e t e r einspringen und die i h m zustehenden stärkeren Waffen f ü r s e i n e n Mieter a n w e n d e n . Z. B. der Schutz gegen unzulässige E i n w i r k u n g e n v o n d e n N a c h b a r g r u n d s t ü c k e n (Lärm, üble Dünste), der immer dann einsetzt, wenn die Einwirkung über das Ortsübliche hinausgeht (vgl. § 906), steht dem E i g e n t ü m e r , also nur dem Vermieter, nicht dem Mieter zu. — I n n e r h a l b d e r M i e t e r s c h a f t ist der Vermieter bis zu einem gewissen Grade entscheidende Instanz (Zuteilung des Gebrauchs an der gemeinsamen Waschküche usw.). Häufig sind H a u s -

§ 35 Vc. Haftung des Vermieters

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O r d n u n g e n . Verbindliche Kraft, wenn sie (ausdrücklich oder stillschweigend) Vertragsbestandteil geworden sind. Einseitiger Neuerlaß seitens des Vermieters bindet nicht.

c) Die Sicherung dieser Verschaffungspflicht des Vermieters wird, ähnlich wie beim Kauf (oben § 32 Vb), durch ein verzweigtes H a f t u n g s s y s t e m erreicht. Wiederum greifen die allgemeinen Schutzmittel, namentlich aus dem Bereich des gegenseitigen Vertrags, und die Sonderschutzmittel aus dem Mietsrecht ineinander. Es kommen danach folgende Schutzmittel für den Mieter in Betracht: 1. Die allgemeine Klage auf E r f ü l l u n g (§241, 536), und gegenüber dem Erfüllungsverlangen des anderen Teils die Einrede des nicht ererfüllten Vertrages (§ 320). 2. Die allgemeine Klage auf S c h a d e n s e r s a t z wegen Nichterfüllung oder Verspätung (§§325, 286, 326). 3. Das allgemeine R ü c k t r i t t s r e c h t wegen Nichterfüllung oder Verspätung (§§ 325, 326). 4. Der Anspruch auf (ganze oder teilweise) B e f r e i u n g v o m M i e t s z i n s wegen Fehlerhaftigkeit der Mietssache (§ 537). 5. Ein spezieller S c h a d e n s e r s a t z a n s p r u c h aus dem Mietsrecht wegen Fehlerhaftigkeit (§ 538); damit verknüpft ein S e l b s t b e s e i t i g u n g s r e c h t des Mieters in Verbindung mit Ersatz dessen, was ihn die Beseitigung gekostet hat (Abs. 2). 6. Ein f r i s t l o s e s K ü n d i g u n g s r e c h t bei Unpünktlichkeit, Fehlerhaftigkeit oder sonstigem Verstoß gegen die Verschaffungspflicht (§ 542).

Die V e r t e i l u n g d i e s e r S c h u t z m i t t e l auf die einzelnen Haftungslagen ist wiederum sehr verwickelt. A. Vermieter l e i s t e t ü b e r h a u p t n i c h t , z. B. weil er das Haus vor Einzug des Mieters schon anderweit vermietet oder verkauft hat. Hier kommen hauptsächlich die Schutzmittel des allgemeinen Schuldrechts zur Anwendung, also 1 bis 3; bemerkenswert, daß 2 und 3 an Verschulden gebunden sind. Wird die Verschaffung ohne Schuld des Vermieters unmöglich (das Haus brennt ab), so braucht zwar der Mieter keinen Mietszins zu zahlen, doch weitergehende Ansprüche, insbes. auf Schadensersatz hat er nicht (§ 323). B. Vermieter l e i s t e t n i c h t p ü n k t l i c h („kommt in Verzug"). In erster Linie wird hier der Mieter nach der Erfüllungsklage 1 greifen (wenn das noch nötig) und damit einen Schadensersatzanspruch wegen Verspätung (Ziff. 2; § 286; z. B. Hotelrechnung, Speichergeld für die inzwischen eingelagerten Möbel) verbinden. W e n n er aber an der Durchführung des Mietsverhältnisses k e i n I n t e r e s s e m e h r hat (Tatfrage, richterliche Würdigung), so kann er vom Vertrage zurücktreten (Ziff. 3, § 326) oder besser das Kündigungsrecht (6) ausnützen, welches n i c h t an ein Verschulden des Vermieters gebunden ist. Streit herrscht, inwieweit n e b e n dem Rücktritts- und Kündigungsrecht Schadensersatz verlangt werden kann. 13*

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§ 35 V d. H a f t u n g des Mieters C. Der Vermieter l e i s t e t , a b e r e r l e i s t e t m i t M ä n g e l n . Ähnliche Arten von Mängeln wie beim Kauf (Rechtsmängel, physische Mängel, zugesicherte Eigenschaften). A m nächsten liegt der B e s e i t i g u n g s a n s p r u c h , der eine Unterart des Erfüllungsanspruchs (1) darstellt. S e l b s t b e s e i t i g u n g bei Säumnis des Vermieters (5). Daneben Anspruch auf H e r a b s e t z u n g o d e r g ä n z l i c h e n Wegfall d e s Z i n s e s für die m a n g e l h a f t e Zeit (4, § 537) und, w e n n der Vermieter auf Zahlung klagen sollte, die Einrede des nicht erfüllten V e r t r a g e s (1, § 320; vgl. auch Z u r ü c k b e h a l t u n g s r e c h t aus §273). S t a t t dieses M i n d e r u n g s a n s p r u c h s kann auch S c h a d e n s e r s a t z gewählt werden, jedoch nur, w e n n die (erschwerenden) Umstände des § 538 vorliegen (5). Schließlich k ö n n e n auch hier alle w e i t e r e n Beziehungen abgebrochen werden, indem der Mieter dem Vermieter das Mietsverhältnis aufsagt (6); es ist ihm unbenommen, dann für die schon abgelaufene Mietszeit Zinsminderung (4) o d e r Schadensersatz (5) geltend zu machen. D. Der Vermieter hat bei alledem auch für etwaige E r f ü l l u n g s g e h i l f e n einzutreten (§278; n ä h e r e s oben §19 V i a ) . Das R e i c h s g e r i c h t hat diese H a f t u n g sehr weit gespannt: Gasvergiftung, weil gelegentlich von Ausbesserungsarbeiten in einem unteren Stockwerk die H a n d w e r k e r ein Gasrohr nicht verstöpselt hatten; das RG. f ü h r t dazu aus: „Läßt der Vermieter Arbeiten am H a u s e vornehmen, die die Möglichkeit einer schädigenden Einwirkung der M i e t r ä u m e in sich schließen, so ist er aus dem Mietvertrage verpflichtet, diese Arbeiten so zu bewirken, daß diese Gefahr v e r m i e d e n wird, gleichviel in welchen Räumen des Hauses und aus welchem Anlaß diese Arbeiten vorgenommen w e r d e n . .. . Überträgt er diese Arbeiten einem anderen, so bedient er sich dieses andern zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit gegenüber allen diesen Mietern; er hat also nach § 278 BGB. dessen Verschulden wie sein eigenes zu vertreten." (Bd. 102 S. 234).

A b w a n d l u n g e n dieses Haftungssystems können d u r c h P a r t e i a b r e d e geschaffen werden. Doch kann, wie beim Kauf, die Haftung wegen Arglist n i c h t wegbedungen werden (§ 540); auch das besondere Kündigungsrecht wegen Gesundheitsgefährdung (§ 544) ist unverzichtbar. Was gilt, wenn der Mieter den Mangel gekannt hat? Vgl. § 539. d) O r d n u n g s g e m ä ß e B e n u t z u n g d u r c h d e n M i e t e r ist das wichtige Gegenstück zu der Verschaffungspflicht des Vermieters. H e u t e wird dem Mieter eine besonders p f l e g l i c h e B e h a n d l u n g der Mietsobjekte, z. B. einer gemieteten Maschine oder eines gemieteten Musikinstruments anzusinnen sein. Von seiner A n z e i g e p f l i c h t ist schon gesprochen worden (oben IV). Im übrigen äußert sich der Inhalt dieser Mieterverpflichtung hauptsächlich in der Negative: e r d a r f n i c h t i n u n z u l ä s s i g e r W e i s e auf d i e M i e t s s a c h e e i n w i r k e n . Darum geht auch das G e s e t z an den einschlagenden Stellen vom „ v e r t r a g s w i d r i g e n G e b r a u c h " aus (z.B. § 550). — Es muß sich um E i n w i r k u n g e n auf die Mietssache handeln. Nicht hierher gehören

§ 35 V d. H a f t u n g des Mieters

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p e r s ö n l i c h e E i g e n s c h a f t e n (der Mieter, der brieflich gemietet hat, entpuppt sich als ein häßlicher Zwerg), auch nicht das persönliche Verhalten, soweit es sich außerhalb der M i e t s w o h n u n g abspielt (Verkehr in schlechter Gesellschaft, mißliebige politische Betätigung); solchen Dingen gegenüber hat der V e r m i e t e r keine Ansprüche, im übrigen k ö n n e n aber die unzulässigen Einwirkungen sehr verschiedener Natur sein, p h y s i s c h e (Zimmer als Hühnerstall eingerichtet, Kochküche als W a s c h küche benützt) oder i d e e l l e (übermäßiges Lärmen, Entwicklung schlechter Gerüche, unzüchtiges Treiben in der W o h n u n g selbst; bei letzterem dürfte v o r h e r i g e r Verzicht oder anfängliches Dulden seitens des Vermieters ihn nicht binden).

Gegenüber Verstößen des Mieters (über Nichtzahlung des Mietzinses erst unter VI) stehen dem Vermieter m e h r e r e S c h u t z m i t t e l zur Verfügung: a

) Ein S c h a d e n s e r s a t z a n s p r u c h nach allgemeinen Regeln (wegen der Dirnenwirtschaft sind andere Mieter ausgezogen). Theoretische Begründung bestritten. Praktische Geltung allgemein anerkannt. C) Klage auf B e s e i t i g u n g unzulässiger V e r ä n d e r u n g e n (Gerüst zum Fenster hinausgebaut). Abzuleiten aus a oder v. y) Klage auf U n t e r l a s s u n g des vertragswidrigen Verhaltens (§ 550). A b m a h n u n g soll v o r a u f g e h e n . Ist sie unterblieben, muß nach einer strengeren Meinung A b w e i s u n g der Klage erfolgen; richtiger ist wohl, gegebenenfalls den Vermieter nur mit den Prozeßkosten zu belasten. 8 ) K ü n d i g u n g o h n e F r i s t (also sofortige Ausweisung, § 553). Das schärfste Mittel. Gewisse Zurückhaltung empfehlenswert. Eingreifen des h e u t i g e n „Mieterschutzes" (unten V f l l b). Nicht jeder kleine Verstoß reicht aus. Gesetz v e r l a n g t ein „erhebliches Maß" von Verletzung. Auch wird man es hier mit der „Abmahnung" als Voraussetzung genauer n e h m e n müssen. — N e b e n diesem Kündigungsrecht k a n n gelegentlich auch das R ü c k t r i t t s r e c h t des gegenseitigen V e r t r a g e s a n g e w a n d t werden. W e n i g s t e n s hat das R e i c h s g e r i c h t festgestellt, „daß ohne die Heranziehung des § 326 dem Vermieter die Möglichkeit der sofortigen Vertragslösung in wichtigen Fällen abgeschnitten und eine empfindliche Lücke im Rechtsschutzsystem des Gesetzes entstehen w ü r d e " (Bd. 105 S. 168). e ) P f a n d r e c h t . Hauptsächlich dient es zur Deckung des Anspruchs auf den Mietzins (näheres deshalb unter VI), aber es ist dem Vermieter schlechthin „für seine Forderungen aus dem Mietsverhältnis" zugesprochen (§ 559).

Diese ganze vielgestaltige Haftung belastet den Mieter nicht bloß hinsichtlich seines eigenen Verhaltens, vielmehr hat er a u c h f ü r d a s V e r h a l t e n s e i n e r G e h i l f e n u n d G ä s t e einzustehen. Gesetzesstellen: §§ 278 und 549 II (über die grundsätzliche Unzulässigkeit des Untervermietens schon oben IV). Grenzziehung in der Praxis schwer. W e n n meine Gäste übermäßig lärmen, meine Arbeitsgehilfen auf dem Hofe Unfug treiben, ist das ein „bei dem G e b r a u c h e " der Mietssache eingetretenes Verschulden (§ 549 II)? Oder habe ich mich in diesem Augenblick dieser Personen „zur Erfüllung meiner Verbindlichkeit" be-

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§ 35 VI. Miete; der Mietzins dient (§ 278)? Selbstverständlich muß die Haftung w e g f a l l e n bei Untermietern, die dem Mieter im W e g e der Z w a n g s e i n w e i s u n g (nachfolgend VIII c) a u f g e d r u n g e n w o r d e n sind, es sei denn, daß er es an W a r n u n g und Aufsicht hat fehlen lassen.

VI. D i e M i e t e a l s e n t g e l t l i c h e s V e r h ä l t n i s . a) Meist besteht das Entgelt in Geld, das bei längerer Dauer z e i t a b s c h n i t t s w e i s e gezahlt wird. Diese abschnittsweise Zahlung ist deshalb wichtig, weil das Gesetz die Kündigungsfristen an die Zeitabschnitte angepaßt hat (§ 565, unten VII). Dabei ist im Zweifel p o s t n u m e r a n d o zu zahlen (oben III). Wirtschaftlich hängt natürlich die Zahlungspflicht mit der G e b r a u c h s g e w ä h r u n g (V) aufs engste zusammen: man will nur bezahlen, wenn und soweit man den Gebrauch auch wirklich bekommt. Dem ist das rechtliche Gefüge angepaßt. — (Heutige Preisregulierung unten Villa). Methodisch wird das wiederum durch Heranziehung der Regeln vom g e g e n s e i t i g e n V e r t r a g erreicht, wobei alles u n t e r den wenig glücklichen Begriff der „ U n m ö g l i c h k e i t " gezogen w e r d e n muß. 1. Liegt der Grund, weshalb der Mieter nicht in den G e b r a u c h kommt, b e i m V e r m i e t e r , so braucht der Mieter nicht zu bezahlen (oben V c A ) ; bei teilweiser Unmöglichkeit entsprechende Minderung (ebenda C; § 537). 2. Hat aber d e r M i e t e r s e l b s t die Unmöglichkeit verschuldet, so muß er den Mietzins entrichten (und außerdem Schadensersatz geben). Er erschoß das Mietspferd; Zahlungspflicht: Wert des Pferdes u n d Mietzins (§§ 324, 823). 3. I s t k e i n e r v o n b e i d e n schuld (das Haus brennt ab), so greifen auch zunächst die allgemeinen Regeln ein (§323); danach braucht der Mieter nicht zu zahlen. Aber w i c h t i g e S o n d e r r e g e l des M i e t s r e c h t s , w e n n die Unmöglichkeit des G e b r a u c h s „einem i n d e r P e r s o n d e s M i e t e r s l i e g e n d e n G r u n d e " entspringt (§552); dann wird er nämlich entgegen der allgemeinen V e r t r a g s l e h r e n i c h t von der Mietzinszahlung frei. Beispiele: Krankheit, Ausweisung. Einerseits n i c h t V e r s c h u l d e n nötig (da liegt Fall 2 vor); andererseits n u r , wenn der Grund „in seiner Person" liegt; also n i c h t beim Abb r e n n e n des Hauses. Einzelheiten vgl. im Text des § 552.

b) Als S c h u t z m i t t e l stehen dem Vermieter gegenüber dem Mieter, der nicht zahlt, die Klage auf E r f ü l l u n g (einschl. Verzugszinsen nach § 288), gegebenenfalls ein S c h a d e n s e r s a t z a n s p r u c h (etwa aus §286) und außerdem ein fristloses, jedoch an gewisse Einschränkungen gebundenes K ü n d i g u n g s r e c h t (vgl. § 554) zur Verfügung. c) Außerdem steht dem Vermieter sowohl für seinen Erfüllungsanspruch wie für etwaige Schadensersatzansprüche ein g e s e t z l i c h e s P f a n d r e c h t an den „eingebrachten Sachen'1 des Mieters zur Verfügung (§§ 599ff.).

§ 35 VII. Miete; Kündigung

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Gesetzliche Pfandrechte sind selten. Dieses ist dem römischen Recht entlehnt und wurde trotz lebhafter Warnung („unsozial") in das BGB. übernommen. Es hat als Sachenrecht d i n g l i c h e W i r k u n g auch gegen Außenstehende; das kann sich namentlich im K o n k u r s e des Mieters äußern (KO. § 49 Ziff. 2). Besonders bedenklich ist seine Erweiterung zur S e l b s t h i l f e b e f u g n i s : Wenn der Mieter sich mit den Sachen entfernen will, kann ihn der Vermieter daran „auch ohne Anrufen des Gerichts verhindern" und die Sachen „in seinen Besitz nehmen" (§ 561). Das bedeutet, daß er nötigenfalls auch G e w a l t anwenden darf; er handelt dann nicht „widerrechtlich" im Sinne des § 227, begeht keine „verbotene Eigenmacht" i. S. des § 858, so daß der Mieter sich nicht wehren darf, weder unter dem Gesichtspunkt der Notwehr (§ 227) noch unter dem des Besitzschutzes (§ 859). Heute ein ganz seltener Vorgang. Folgende E i n s c h r ä n k u n g e n sind jedoch zu beachten: Das Pfandrecht gilt nur bei Grundstücks- (Wohnungs-) Miete. Es erfaßt nur die nach Maßgabe der Prozeßgesetze „pfändbaren" Sachen (ob. § 2 I c). Und es erstreckt sich nur auf die e i g e n e n Sachen des Mieters; insbesondere werden nicht die Möbel, Kleidungsstücke usw. der E h e f r a u ergriffen, es sei denn, daß sie den Mietvertrag mit abgeschlossen hat. Auch Sachen des Untermieters bleiben frei. Weitere Einzelheiten im Text §§ 559ff.! Dogmatische Behandlung im übrigen nach Art des V e r t r a g s Pfandrechts (§ 1257). VII. D i e M i e t e a l s v o r ü b e r g e h e n d e s Verhältnis. Es bleibt den P a r t e i e n überlassen, w i e sie den Endpunkt berechn e n wollen. Aber das G e s e t z gibt ergänzende R e g e l n (und das zur Zeit g e l t e n d e F ü r s o r g e r e c h t , unten VIII, schaltet v i e l f a c h alle v o r a n g e g a n g e n e n A b m a c h u n g e n aus u n d v e r b i e t e t e i n e Kündigung). a) Es sind d r e i M e t h o d e n d e r B e r e c h n u n g zu unterscheiden: 1. E n t w e d e r ist v o n v o r n h e r e i n ein f e s t e s Z e i t m a ß vorgesehen. 2. Oder das Mietsverhältnis beginnt zunächst zu laufen, o h n e daß ein fester Endpunkt ausgemacht wäre, es s t e h t aber j e d e m Teil frei, d a s M i e t s v e r h ä l t n i s m i t s o f o r t i g e r W i r k u n g a u f z u s a g e n . 3. Oder das Ende wird v o n e i n e m solchen A u f s a g e n abhängig gemacht, jedoch m u ß dabei e i n e Frist, die sog. K ü n d i g u n g s f r i s t eingehalten werden. D a s letztere ist durcha u s das häufigste, namentlich bei der Wohnungsmiete. b) Das Gesetz hat d a f ü r „ o r d e n t l i c h e Kündigungsf r i s t e n " aufgestellt, die aber nur gelten, w e n n nichts anderes vereinbart ist, w o b e i das Mieten auf f e s t e Zeit (z. B. auf drei Jahre) natürlich den Ausschluß der K ü n d i g u n g s m ö g l i c h k e i t innerhalb dies e s Zeitraums bedeutet. G e s e t z l i c h e s S c h e m a : 1. Bei G r u n d s t ü c k e n (Wohnungen) kann, wenn der Mietszins nach T a g e n bemessen ist (Hotelzimmer), an jedem Tag für den folgenden gekündigt werden; bestritten ist, ob der „folgende" Tag dann noch mit als Mietstag gilt, also noch bezahlt werden

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§ 35 Vlld. Miete; Verlängerung der Mietszeit muß, was abzulehnen sein dürfte. Ist der Mietszins nach W o c h e n berechnet (in Pensionen), so kann nur für den Schluß einer Kalenderwoche (d. i. Sonnabend, nicht Sonntag; vereinzelt bestr.) gekündigt werden. Ist der Mietszins nach M o n a t e n berechnet, so kann nur für den Schluß des Kalendermonats gekündigt werden, und zwar spätestens am 15. des Monats: Ist der Mietszins nach V i e r t e l j a h r e n berechnet, so kann immer auf den Schluß jedes Kalenderviertels, und zwar spätestens am 3. Werktag des Viertels (also, wenn 1. April Karfreitag, 3. und 4. April Oslerfeiertage sind, spätestens am 6. April) gekündigt werden. — 2. Bei b e w e g l i c h e n S a c h e n muß im Falle der Mietszinsberechnung nach Tagen „für den folgenden Tag" (also wie bei Grundstücken), sonst spätestens am 3. Tage vor dem in Aussicht genommenen Endtag gekündigt werden. c) F ü r einige Lagen gelten w i c h t i g e S o n d e r r e g e l n : 1. Für m ü n d l i c h g e s c h l o s s e n e Verträge über Grundstücke. Sie können, auch wenn sie auf längere Zeiten geschlossen sind, schon auf den Schluß des ersten Jahres (Vertragsjahres, nicht Kalenderjahres) gekündigt werden, doch unter Einhaltung der „ordentlichen" Fristen (§ 566). 2. Für den T o d e s f a l l d e s M i e t e r s (nicht des Vermieters). Beide Parteien können dann sofort unter Wahrung der „gesetzlichen" (§ 565) Frist aufsagen (§ 569). Beispiel: Der Mann stirbt am 13. Juli, der Mietzins wurde vierteljahrsweise bezahlt; die Witwe (als Erbin) kann auf 31. Dezember kündigen, sie muß die Kündigung spätestens am 3, Oktober aussprechen. — Änderung durch den heutigen Mieterschutz (unten VIII b). 3. V e r s e t z t e B e a m t e (ebenso Militärpersonen, Geistliche, Lehrer an öffentlichen Unterrichtsanstalten) können gleichfalls, auch wenn der Kontrakt noch auf Jahre hinaus läuft, unter Wahrung der „gesetzlichen" Frist kündigen (§ 570). G r u n d : Sie sollen nicht in ihrer „Laufbahn" gehemmt werden. Vertraglicher V e r z i c h t ist möglich. 4. Fristlose Kündigung bei V e r t r a g s v e r s t ö ß e n und bei G e s u n d h e i t s g e f ä h r d u n g wurde schon früher behandelt (V c 6, V d v , VIb).

d) S t i l l s c h w e i g e n d e V e r l ä n g e r u n g (sog. relocatio tacita). Oft sind die Parteien in ein Mietsverhältnis eingetreten mit der Absicht, es nach einer b e s t i m m t e n Zeit endigen zu lassen, oder sie h a b e n sich den vorläufig festgesetzten Zeitraum als eine Art Probe gedacht, oder der Zeitraum sollte nur das Höchstmaß ihrer vorläufigen B i n d u n g darstellen. Ist dann aber der Zeitraum um, d e n k e n s i e nicht m e h r an die B e e n d i g u n g . Weder zieht der Mieter aus (oder gibt die g e m i e t e t e Maschine zurück), noch fordert ihn der V e r m i e t e r dazu auf. Soll jetzt der Vertrag auf u n b e s t i m m t e Zeit weiterlaufen, so daß jeder v o n b e i d e n Teilen noch später in j e d e m beliebigen Zeitpunkt erklären kann, jetzt halte er das Ende für gek o m m e n ? Oder tritt eine n e u e B i n d u n g auf einen n e u e n festen Zeitr a u m ein? Möglicherweise ist darüber im Mietsvertrage e t w a s gesagt. W e n n nicht, so greift eine ergänzende Gesetzesregel ein: d a s

§ 35 Vlle. Rückgabe der Mietsache

M i e t s v e r h ä l t n i s g i l t a l s v e r l ä n g e r t , und zwar den „ordentlichen Kündigungsfristen" §§ 568, 564 Abs. 2).

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mit

War also ab 1. Januar 1950 auf 1 Jahr gemietet und bleibt der Mieter unwidersprochen in das Jahr 1951 hinein wohnen (oder behält er die Maschine), so kann er (Mietszahlung nach Jahresvierteln vorausgesetzt) frühestens wieder am 1. April auf 30. Juni kündigen. — Das Gesetz gibt jedoch noch eine z w e i w ö c h i g e Ü b e r l e g u n g s f r i s t in den neuen Zeitraum hinein (vgl. Text § 568).

e) An die Beendigung des Mietsverhältnisses schließt sich die R ü c k g a b e p f l i c h t d e s M i e t e r s (§ 556). Nicht selten kommt es dann zu Gegenansprüchen des Mieters f ü r „V e r w e n d u n g e n " , die er auf die Mietsache gemacht hat. Durch ausdrückliche Bestimmung ist ihm im Falle der Grundstücksmiete das sonst überall gewährte Z u r ü c k b e h a l t u n g s r e c h t (§ 273, oben § 16) entzogen. Wohl aber hat er, an Grundstücken wie an beweglichen Sachen, ein W e g n a h m e r e c h t (ius tollendi) in Ansehung der Einrichtungen, mit denen er die Mietsache versehen hat (§ 547 Abs. 2 Satz 2; § 258). Der Vermieter kann seinen Rückforderungsanspruch sogar g e g e n D r i t t e richten, z. B. gegen Untermieter (vgl. oben IIc). Auch hier wieder bunte Mannigfaltigkeit des Lebens. Jetzt erst zeigt sich d i e ,,A b n ü t z u n g " d e r M i e t s a c h e , für die der Mieter grundsätzlich nicht einzustehen braucht. W i e aber, wenn der Vermieter behauptet, das sei keine gewöhnliche Abnützung, sondern beruhe auf einem „vertragswidrigen" Gebrauch. Dann trifft den Mieter die B e w e i s 1 a s t dafür, daß er sich in vertragsgemäßen Grenzen gehalten habe. Wie, wenn der Auszugstag auf einen S o n n t a g fällt? Dann braucht der Mieter erst am Montag zu räumen (§ 193). Wie, wenn der Mieter schwer k r a n k ist? Dann wird ihn der Vermieter noch in der Wohnung dulden müssen (gegen Weiterzahlung des Mietszinses). Wie, wenn die K r a n k h e i t ans t e c k e n d war? Dann wird der Vermieter Desinfektion auf Kosten des Mieters verlangen können. F o r t b e s t a n d von Einzelverpflichtungen nach Auflösung des Mietsverhältnisses: oben §4111.

Entfernt sich der Mieter nicht freiwillig, so kommt es (neben Schadensersatz) zu der sog. E x m i s s i o n s k l a g e . Der Vermieter kann auch, wenn er mit Widerspenstigkeit des Mieters rechnen muß, schon im voraus a u f k ü n f t i g e R ä u m u n g klagen, wodurch er rechtzeitig einen „vollstreckbaren Titel" in die Hand bekommt (§ 259 ZPO.: „wenn den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, daß der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde"). VIII. D i e ö f f e n t l i c h e F ü r s o r g e f ü r d a s W o h n u n g s w e s e n . Eine Reihe historischer Ereignisse, rasche Zunahme der Bevölkerung, die Zusammendrängung immer stärker anschwellender Menschenmassen in den Großstädten, die Ausnützung des Wohnungsbaues und der Wohnungsmiete zu kapitalistisch-gewinnsüch-

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§ 35 Villa, b. Mieterschutz

tigen Zwecken, die Verarmung starker Teile der Bevölkerung, die Notwendigkeit einer gründlichen hygienischen Fürsorge, vor allem aber im jüngsten Stadium der Entwicklung die Zerstörung zahlloser Wohnstätten durch die Fliegerangriffe des zweiten Weltkrieges, verbunden mit dem Flüchtlingswesen, haben seit 30 Jahren einschneidende, neuartige, nicht mehr im Privatrecht ruhende, sondern öffentlichrechtliche Maßregeln erfordert. Diese tiefe Einwirkung auf die alte „klassische" Schicht des Mietsrechts, wie sie im BGB. konzipiert ist, weist d r e i R i c h t u n g e n auf. Sie reguliert die H ö h e d e s M i e t s z i n s e s und entzieht sie damit dem einseitigen Belieben der Beteiligten. Sie s c h ü t z t d e n Mieter g e g e n K ü n d i g u n g . Sie legt in s t a r k e m Maß d i e V e r f ü g u n g ü b e r d e n W o h n r a u m , freistehenden oder sonstwie „verfügbaren", in die Hand der Behörde.

a) D a s R e i c h s m i e t e n g e s e t z steht im Strom der allgemeinen, seit langen Jahren laufenden Preisregulierung. Auch der „Mietszins'' ist ein Preis, der nach strenger Ordnung verlangt. Die erste Fassung des Gesetzes geht auf das Jahr 1922 zurück. Die letzte derzeitige Fassung datiert vom 20.4. 36 (RGBl. I 380). Mit ihrer Umgestaltung in Einzelpunkten muß gerechnet werden, volle Aufhebung ist in naher Zeit nicht zu erwarten. Für das persönliche Verhältnis v o n Vermieter und Mieter ist der Grundgedanke, daß auch ein höherer oder niedrigerer Mietszins als der gesetzliche v e r e i n b a r t werden darf (insoweit also noch „Vertragsfreiheit"), daß aber j e d e r Vertragsteil das Recht hat, sich jeder Zeit auf die g e s e t z l i c h e Miete zu berufen. W e n n er das tut, so h a t das die Wirkung, „daß die gesetzliche Miete v o n dem ersten Termin ab, für den die Kündigung nach § 565 des BGB. zulässig sein würde, an die Stelle des v e r e i n b a r t e n Mietszinses tritt, und daß der V e r t r a g auf V e r l a n g e n des a n d e r e n Vertragsteils als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt" (§ 1). E r h ö h u n g e n können übrigens an besondere Vorschriften des Preisrechts („Preisstop") g e b u n d e n sein. — Die „ B e r e c h n u n g " der gesetzlichen Miete geht auf die sog. Friedensmiete zurück. Die Deckung der Betriebs- und Instandsetzungskosten wird dabei einkalkuliert (§3); die V e r p f l i c h t u n g zur Tragung der Betriebskosten und der Instandh a l t u n g (Mieter oder Vermieter?) richtet sich nach BGB. (§ 20). Vgl. oben II a und V a. Für w e r t e r h ö h e n d e bauliche V e r ä n d e r u n g e n eine „Zusatzmiete" (§ 13 a).

b) D e r M i e t e r s c h u t z geht bis auf die Zeit des ersten Weltkrieges zurück. 1923 wurde der Stoff in einem „Mieterschutzgesetz" erstmalig zusammengefaßt und in neue soziale Bahnen geleitet. Nach vorangegangenen Ergänzungen erfolgte eine Neufassung irr M i e t e r s c h u t z g e s e t z v o m 15. 12. 42 (RGBl. I 712). Anfänglich erfaßte der Mieterschutz nur die Miete von W o h n r ä u m e n . Jetzt ist er auch auf g e w e r b l i c h e Räume (Läden, Handwerks-

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§ 35 Ville. Wohnraum, Beschlagnahme

räume usw.) ausgedehnt. Besondere Vorschriften (§§ 20ff.) gelten für W e r k w o h n u n g e n (Räume, die im Zusammenhang mit einem zwischen den beiden bestehenden Arbeitsverhältnis dem Mieter zur Verfügung gestellt worden sind). Der Kern des Mieterschutzes ist die A u s s c h a l t u n g d e s i m B G B . (§§ 5 6 4 ff.) n i e d e r g e l e g t e n K ü n d i g u n g s r e c h t s f ü r den Vermieter. Auch ein etwa im Vertrage enthaltenes R ü c k t r i t t s r e c h t wird dem Vermieter entzogen. Er kann eine Entfernung des Mieters nur im Wege der A u f h e b u n g s k l a g e beim Amtsgericht durchsetzen, und auch dies nur aus bestimmten Grnüden, nämlich 1. „wenn der Mieter oder eine Person, die zu seinem Hausstand oder Geschäftsbetrieb gehört ..., sich einer e r h e b l i c h e n B e l ä s t i g u n g des Vermieters oder eines Hausbewohners schuldig macht oder durch u n a n g e m e s s e n e n G e b r a u c h d e s M i e t s r a u m s oder Vernachlässigung der gebotenen Sorgfalt den Mietraum oder das Gebäude erheblich gefährdet, oder wenn der Mieter einem Dritten den Gebrauch des Mietraums beläßt, obwohl er zur Überlassung nicht befugt ist"; 2. bei Verzug mit der M i e t s z i n s z a h l u n g (näher geregelt in § 3); 3. bei besonders dringlichem E i g e n b e d a r f d e s V e r m i e t e r s ; dies der kristische Punkt, namentlich auch bei Geschäftsräumen, in die jetzt der Vermieter selbst eindringen will; hierbei der Schutz des Mieters besonders sorgfältig geregelt (§4). Ergänzungen dessen in Landesgesetzen. In allen drei Fällen ist dem Mieter eine R ä u m u n g s f r i s t zu bewilligen, doch ist dabei die Lage des Falles (z. B. jene „erhebliche Belästigung durch den Mieter" oder „erhebliche Gefährdung" durch ihn) und wiederum etwaiger besonderer Eigenbedarf des Vermieters zu berücksichtigen (§ 5 a). — Eine weitere Begünstigung der Mieterseite durch Ausschaltung des Kündigungsreclits aus § 569 BGB. beim T o d e d e s M i e t e r s ; dann rücken ohne weiteres seine Familienangehörigen ein. Besondere Vorschriften für U n t e r v e r m i e t u n g . Nach BGB. ist sie grundsätzlich an Genehmigung des Vermieters gebunden (§ 549). Mieterschutzgesetz: er kann das „nur aus wichtigem Grunde" verweigern, und das Mietseinigungsamt (MEA.) kann seine Erlaubnis ersetzen (§ 29). Kritisch ein W o h n u n g s t a u s c h , den der Mieter mit einem Dritten vereinbart; wiederum Ersatz der Einwilligung des Vermieters durch das MEA. (§30). Die behördliche Zuständigkeit und das V e r f a h r e n sind eingehend geregelt. Eine große Zahl von G e r i c h t s e n t s c h e i d u n g e n sind zum Mieterschutzgesetz ergangen. — Mit N e u e r u n g e n muß gerechnet werden (das Ges. ist auch schon durch eine V. v. 7. 11. 44 etwas ausgebaut worden, z. B. in Richtung einer Verstärkung des Zwangstausches).

c) D i e b e h ö r d l i c h e B e s c h l a g n a h m e gung über den Wohnraum.

und

Verfü-

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§ 35 VIIIc. Beschlagnahme des W o h n r a u m s

1. Auch sie reicht bereits weit zurück und ist immer wieder neuen Wandlungen unterzogen worden. Diese Materie ist besonders unruhig und im Fluß. Mit U m g e s t a l t u n g e n schon in naher Zeit muß gerechnet werden. Heute fehlt es vor allem an einer e i n h e i t l i c h e n Regelung für ganz Deutschland. Allerdings ist ein vorläufiges Zentrum durch ein Gesetz der Alliierten Besatzungsmächte, d a s K o n t r o l l r a t s g e s e t z (KRG.) Nr. 18, geschaffen w o r d e n (Näheres unter 3). Aber in ihm sind nur die obersten Direktiven gegeben. Die n ä h e r e A u s g e s t a l t u n g ist den Zonen und L ä n d e r n überlassen, so daß z. Z. eine große Zahl von v e r s c h i e d e n e n Durchf ü h r u n g s v e r o r d n u n g e n über Deutschland ausgebreitet sind. Ein besonderer Zug ist durch das F l ü c h t l i n g s w e s e n hineingetragen worden. Dabei hat auch das RLeistungsges. vom 1. 9. 39 eine Rolle gespielt (insbesondere sein § 5); z. Z. zweifelhaft, ob das noch n e b e n dem KRG. Nr. 18 gilt. — N e b e n der Erfassung der W o h n r ä u m e ist auch die Erfassung g e w e r b l i c h e r R ä u m e länderweise geregelt.

2. I d e o l o g i s c h stößt diese behördliche Eingriffsmacht mit dem seit langen Zeiten in vielen Verfassungsurkunden der Staaten unter den „Grundrechten" („allgemeinen Menschenrechten") niedergelegten Dogma der U n v e r l e t z l i c h k e i t d e r W o h n u n g e n zusammen. Berühmte englische Prägung: ,,My house is my Castle". In Deutschland erstmalig als allgemeiner Grundsatz niedergelegt in der W e i m a r e r V e r f a s s u n g v o n 1 9 1 9 : „Die Wohnung jedes Deutschen ist für ihn eine Freistätte und unverletzlich" (Art. 115). Jetzt ähnliche Formeln in den Verfassungsurkunden der Länder und im Bonner Grundgesetz: „Die Wohnung ist unverletzlich" (Art. 13). Diese Ideologie muß in der Frage der Wohnraumbeschaffung z. Z. hinter der großen Wohnungsnot zurücktreten. Die Bekämpfung der W o h n u n g s n o t durch „Erfassung" des W o h n r a u m s hat sich zu einem eigenen, ziemlich wirren Verwaltungsgebiet ausgewachsen. Hauptarbeitsstätte d i e W o h n u n g s ä m t e r . Grenze gegenüber Regierungsmaßregein und polizeilichen Eingriffen bisweilen umstritten. Auch rege Gerichtsbarkeit, die „ V e r w a l t u n g s g e r i c h t e " dabei im Vordergrund. Bei den Gerichten liegt vor allem der S c h u t z d e s E i n z e l n e n (Vermieters) gegen allzuweit g e h e n d e oder rechtlich nicht b e g r ü n d e t e Eingriffe.

3. Die derzeitigen obersten Leitgedanken sind im K o n t r o l l r a t s g e s e t z Nr. 18 vom 8. 3. 46 (DV. vom 2. 9. 48, usw.) gekennzeichnet: Art. IV: „Die zuständigen deutschen W o h n u n g s b e h ö r d e n haben alle erforderlichen M a ß n a h m e n zu treffen, um in ihrem Amtsbereich allen Personen . . . W o h n r a u m zu b e s c h a f f e n " . Sie „können jeden zum Vollzug dieses Gesetzes erforderlichen W o h n r a u m e r f a s s e n " (Art. VII). Sie müssen auf V e r m e h r u n g des W o h n r a u m s durch W o h n u n g s t a u s c h , Um- und A u s b a u v o r h a n d e n e n W o h n r a u m s usw. bedacht sein (Art. VI).

§ 361. Pacht

205

Für die Z u t e i l u n g des freien Wohnraums besteht eine Rangordnung, bei der besonders auf kinderreiche Familien Rücksicht genommen wird. Nach der Zuteilung kehrt die Regelung wieder zu einem bürgerlichrechtlichen M i e t v e r t r a g zurück, wenn auch - - nötigenfalls — in den Bahnen eines „diktierten" Vertrages (vgl. oben § 2 IIIc 1 und 2). § 36. Die Pacht (BGB. §§ 581ff.) V o r b e m e r k u n g . Das Pachtrecht unterliegt heute einer ähnlichen Z w i e s p ä l t i g k e i t wie das Mietsrecht (vgl. Vorbemerkung zu § 35). Das BGB. bildet auch heute noch die dogmatische Grundlage. Ihr sind die Abschnitte I und II gewidmet. Die öffentlichrechtliche, vom sozialen Gedanken ausgehende Regelung wird nachfolgend in III dargestellt. I. D a s W e s e n d e r P a c h t . Sie ist ihrem j u r i s t i s c h e n Wesen nach aufs engste mit der Miete verwandt (oben § 35 Ia Ziff. 2). Deshalb hat auch das Gesetz den Leitsatz vorangestellt, daß auf die Pacht „die Vorschriften über die Miete entsprechende Anwendung finden", sofern nicht durch die nachfolgenden Paragraphen eine Ausnahme oder Besonderheit festgelegt ist (§ 581 II). Der Unterschied beruht, wie schon erwähnt, auf der F r u c h t z i e h u n g , wodurch der Rahmen der Pacht einerseits verengert wird (es kommen nur fruchtbringende Gegenstände in Frage), während ander erseits der weite Fruchthegriff des BGB. (§ 99 II) eine Ausdehnung der Pacht auf Rechte (z. B. ein Jagdrecht) ermöglicht; der Gesetzgeber spricht deshalb auch in § 5811 nicht von verpachteten „Sachen", sondern vom verpachteten „Gegenstand". Dieser scheinbar unbedeutende Unterschied gibt jedoch der Pacht e i n g a n z a n d e r e s w i r t s c h a f t l i c h e s G e p r ä g e . Hier verbindet sich mit dem Gebrauchen, einem mehr passiven Verhältnis, die A r b e i t des Pächters. Und überwiegend ist es so, daß es sich um seine H a u p t b e s c h ä f t i g u n g , um seine B e r u f s t ä t i g k e i t handelt (oder doch eine Lieblingstätigkeit wie bei der Jagd). Während also die Miete mehr oder minder n u r als ein notwendiges Übel erscheint, dient dem Pächter die Pachtsaohe dazu, um über ihre bloße Benutzung hinaus zu einem höheren Ziele hindurchzudringen. Es ergeben sich daraus weitere Folgeerscheinungen. Im Durchschnitt v e r w ä c h s t d e r P ä c h t e r m i t , d e r P a c h t s a c h e mehr als der

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§ 36 IIa. Pacht, Wirtschaftsweise Mieter mit der Mietssache. Er wird weit stärker auf die P f l e g e der Sache, z. B. des Ackerbodens, der Obstbaumanlagen, des Milchviehs bedacht sein, da davon sein ganzes Leben abhängt. Im Durchschnitt wird aus dem gleichen Grunde die Pacht auf w e i t l ä n g e r e Z e i t r ä u m e , nicht selten auf Jahrzehnte, angesetzt; Abmachungen für bloße Tage, wie sie beim Mieten tausendfach vorkommen, sind bei der Pacht höchst selten.

A u s diesem W e s e n der Pacht erklären sich jene Einzelheiten, die anders geregelt sind w i e bei der Miete. Es h e b e n sich überdies aus der Menge der m ö g l i c h e n Pachtverhältnisse die P a c h t u n g e n v o n L a n d g ü t e r n oder einzelnen landwirtschaftlichen Grundstücken als eine besondere Schicht heraus. Von den 17 Paragraphen des Pachtsrechts beziehen sich 2 auf „Landgüter", 6 weitere auf „landwirtschaftliche Grundstücke", außerdem 6 auf „Grundstücke" schlechthin, wobei es sich aber in der Praxis auch wieder durchaus überwiegend um landwirtschaftliche Grundstücke handelt. Vom landwirtschaftlich genutzten Boden Deutschlands dürfte etwa ein Sechstel Pachtland sein. Die Zahl der Pachtbetriebe wurde vor längerer Zeit auf 1 Mill. geschätzt. Doch darf man sich darunter nicht nur große Bauerngüter vorstellen, zumal seit deren vollständiger Beseitigung in der augenblicklichen Ostzone. Vielmehr sind bei weitem die meisten Pachtungen „ K l e i n p a c h t u n g e n " (bis zu 2 ha), die zum Teil von dem Pächter nur n e b e n seinem Beruf ausgeübt werden. Im Zusammenhang mit den Konzernbestrebungen und der heutigen Konzernentflechtung hat auch d a s P a c h t e n v o n H a n d e l s u n t e r n e h m u n g e n von sich reden gemacht. Doch bildet es zur Zeit noch eine Seltenheit. § 22 Abs. 2 des H a n d e l s gesetzbuches erwähnt die „Übernahme eines Handelsgeschäfts im Wege eines Pachtvertrages". Aber das B ü r g e r l i c h e Gesetzbuch nimmt keinerlei Notiz davon. II. D e r P ä c h t e r a l s W i r t s c h a f t e r . Der Pächter kommt, da i h m die wirtschaftliche A u s b e u t e überlassen ist, n ä h e r an die S a c h e heran. Daraus entspringen f o l g e n d e Einzelpunkte: a) M a ß d e r A u s n u t z u n g . Oberster Grundsatz: „nach den R e g e l n einer o r d n u n g s m ä ß i g e n Wirtschaft" (§581). So m u ß bis z u m Schlüsse g e w i r t s c h a f t e t werden. Die Rückgabe hat in e i n e m Zustande zu erfolgen, „der sich bei einer w ä h r e n d der Pachtzeit bis zur R ü c k g e w ä h r fortgesetzten ordnungsmäßigen B e w i r t s c h a f t u n g ergibt" (§591; sonst Schadensersatzpflicht). Damit hängt zusammen, daß die grundsätzliche wirtschaftliche B e s t i m m u n g (z. B. als Ackerland) nicht geändert w e r d e n darf (z. B. durch Anforsten) oder daß m i n d e s t e n s am S c h l u ß der alte Zustand wiederhergestellt sein m u ß (§ 583). Besondere Vorschriften für die U b e r g a b e nach beendeter Pacht; Zurücklassung von Saatgetreide, Dünger usw., Verrechnung dieser Werte zwischen Pächter und Verpächter (592, 593).

§ 36 IIb. Pacht. Das Inventar

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Die F e r n h a l t u n g D r i t t e r ist bei der Pacht noch stärker ausgeprägt. D i e Pacht ist noch w e i t m e h r ein Vertrauensverhältnis als die Miete (oben § 35 IV); m a n sieht sich noch sorgfältiger an, an w e n m a n verpachtet, als an w e n man vermietet. So erklärt sich die Wegstreichung des dem M i e t e r bei Verweigerung der Untermiete im § 549 eingeräumten Kündigungsrechts bei einer beabsichtigten Unter v e r p a c h t u n g (§ 5961). Der P ä c h t e r muß sich also von vornherein sagen, daß Unterverpachten ohne Genehmigung des Verpächters ausgeschlossen ist. b) Der t ä g l i c h e W i r t s c h a f t s b e t r i e b ist in der H a u p t sache in die Hand des Pächters gelegt. D a r u m h a t er (bei landwirtschaftlichen Grundstücken) i m Gegensatz zur Miete die g e w ö h n l i c h e n A u s b e s s e r u n g e n selbst zu ü b e r n e h m e n (§ 582). D a s gilt auch als N o r m f ü r die u n v e r m e i d l i c h e A u f f r i s c h u n g d e s Inventars. Das I n v e n t a r (keine gesetzliche Begriffsbestimmung, Verkehrssitte von maßgebendem Einfluß) spielt bei den Grundstücksverpachtungen eine besondere Rolle. Das Gesetz beschäftigt sich damit in § 586 bis § 590. Ausgangspunkt allerdings, daß der V e r pächter die unverschuldet in Abgang gekommenen Inventarstücke zu ergänzen hat. Aber oft andere Vertragsbestimmung; auch aus der Verkehrssitte kann das Gegenteil entnommen werden, jedoch mit Vorsicht. Häufiger Sonderfall: Ü b e r n a h m e z u m S c h ä t z u n g s w e r t . Wirtschaftlich sehr zu empfehlen. Die Stellung des Pächters kommt hierbei besonders ktar zum Ausdruck. Bei der juristischen Durchführung interessante Figur des E i g e n t u m s e r w e r b s auf Grund von Handlungen eines anderen (§ 588 II 2). Erweiterung des Gedankens: D a s g a n z e L a n d g u t wird auf Grund einer Schätzung übernommen (§ 594). c) B e z ü g l i c h der B e e n d i g u n g ist e b e n f a l l s das Mietsrecht nicht ohne Ä n d e r u n g e n ü b e r n o m m e n worden. Es w i r d mit l ä n g e r e n Fristen f ü r die K ü n d i g u n g gerechnet (§ 595; a u c h f ü r die Zinszahlung, § 584). Das B e a m t e n k ü n d i g u n g s r e c h t (oben § 35 VIIc Ziff. 3) k o m m t ganz in Wegfall; es paßt in der Tat nicht für den, der s i c h auf P a c h t u n g e n eingelassen h a t (§ 596 III). Ferner ist das gesetzliche Kündigungsrecht bei Todesfall (§ 35 VIIc Ziff. 2) aufgehoben, jedoch nur einseitig für d e n V e r p ä c h t e r , w ä h r e n d es den E r b e n des Pächters u n b e n o m m e n ist, das Pachtverhältnis zu lösen, w o b e i sie jedoch die längere Kündigungsfrist des Pachtrechts einhalten m ü s s e n (§ 596 II, § 595 II). Schwierig und verwickelt kann sich die Lage gestalten, wenn die Pacht nicht gerade mit Abschluß eines Wirtschaftsjahres (Pachtjahres) endet, sondern mitten darin. Was wird dann mit der E r n t e ? Vielleicht hat der Pächter in monatelanger Mühe — und unter Aufwand erheblicher Kosten — auf die Ernte gearbeitet. Dicht vorher endet die Pacht. Fällt dann die ganze Ernte dem Verpächter anheim? Nach der a 11 g e m e i -

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§ 36 lila. Pacht, soziale Regelung n e n Regel des § 101 Ziff. 1 müßte so entschieden werden, da die Ernte im Augenblick der Endigung des Pachtverhältnisses noch nicht „getrennt" ist. In der Tat fällt auch die Ernte mit der späteren T r e n n u n g in das E i g e n t u m des V e r p ä c h t e r s (§ 953). A b e r § 592 bringt (in A b ä n d e r u n g des § 101) einen s c h u l d r e c h t l i c h e n A u s g l e i c h zugunsten des Pächters: er kann Ersatz der a u f g e w a n d t e n Kosten verlangen.

III. S o z i a l e r A u s b a u d e s

Pachtrechts.

a) Ü b e r b l i c k . Schon seit dem ersten Weltkrieg sah sich der Staat veranlaßt, von oben her regulierend in die Pachtverhältnisse einzugreifen. Das l a n d w i r t s c h a f t l i c h e Pachtrecht hat dabei im Vordergrund gestanden. Aber auch J a g d - und F i s c h e r e i pacht sind in mehreren Anläufen unter eine Art von Kontrolle gestellt worden. Der dominierende Zug ist dabei, wie beim Mietrecht, eine erhebliche A b s c h w ä c h u n g d e r V e r t r a g s f r e i h e i t . D i e G r ü n d e , die seit 30 Jahren zu einer im einzelnen immer wechselnden Neugestaltung geführt haben, sind verschieden. Knapp heit. der landwirtschaftlichen Lebensmittel, Sucht vieler, um deswillen eigenes Land zu erwerben und den alten erfahrenen Pächter durch Überbieten beim Pachtgeld zu verdrängen, Lockung für den Verpächter, um deswillen dem alten eingesessenen Pächter so schnell wie möglich zu kündigen. Dann bei den Erschütterungen des Geldwertes die bekannte „Flucht in die Sachwerte". Zuletzt der allgemeine Gedanke p l a n m ä ß i g e r Ü b e r w a c h u n g der landwirtschaftlichen Produktion, um so eine „gerechte Verteilung" des Bodens und eine exakte H e b u n g d e r l a n d w i r t s c h a f t l i c h e n E r z e u g u n g hervorzurufen. Die Entwicklung begann 1920 mit dem Erlaß einer Pachtschutzordnung, die aber zunächst die eigentliche Regelung den Landesregierungen überließ. Nach wiederholten A b ä n d e r u n g e n erging schließlich die R e i c h s p a c h t s c h u t z o r d n u n g v. 30. J u l i 1940 (RGBl. I S. 1065). Sie gilt heute noch in ihren wichtigsten m a t e r i e l l e n Bestimmungen. Dagegen sind ihre Bestimmungen über die Behördenorganisation durch n e u e Regelungen überholt. (Aufgehoben ist auch eine am 11.10.44 erlassene besondere V. über außerordentliche M a ß n a h m e n im Pacht- und Landbewirtschaftungsrecht). Neben (oder über) der alten Reichspachlschutz-O. ist die G e s e t z g e b u n g d e s A l l i i e r t e n K o n t r o l l r a t s hervorgetreten, und zwar mit dem Gesetz Nr. 45 v. 2 0 . 2 . 4 7 betr. „ A u f h e b u n g der Erbhofgesetze und Einführung neuer Bestimmungen über land- und forstwirtschaftliche Grundstücke". Es behandelt das Spezialgebiet des Pachtrechts nur als Nebentatbestand. Das Zentrum w a r die Beseitigung des nationalsozialistischen „Erbhofrechts" und sein Ersatz durch eine (auf Früheres zurückgreifende, immerhin ähnliche) Neuregelung. Das Ges. Nr. 45 ist nur ein R a h m e n g e s e t z . Den Ländern (Zonen) ist Spielraum für die n ä h e r e Regelung und den weiteren A u s b a u gelassen. So erging z. B. für

209

§ 36 Illb. Reichspachtschutzordnung

die b r i t i s c h e Z o n e im April 1947 die V. Nr. 84 der dortigen Militärregierung mit einer „H ö f e o r d n u n g" als Anlage B und einer „ L a n d b e w i r t s c h a f t u n g s o r d n u n g " als Anlage C. — Ein besonders eigenartiges und radikales G e p r ä g e zeigen die Eingriffe in der S o w j e t r u s s i s c h e n Z o n e , die unter dem Signum einer höchstmöglichen Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion, der Beseitigung jeglichen privaten Großgrundbesitzes und der Pflege der Gemeinschaftswirtschaft der Landbewohner eines Bezirks stehen. All das reicht weit über das Pachtrecht hinaus und gehört mit seinem Hauptgehalt in das Sachenrecht (Bodenrecht). Im folgenden werden die Ausschnitte für das Pachtrecht dargestellt. M i t N e u g e s t a l t u n g in d e r k o m m e n d e n Z e i t m u ß g e r e c h n e t w e r d e n .

b) D i e R e i c h s p a c h t s c h u t z o r d n u n g (RPSchO.) v. 30.7.40 (RGBl. I 1065) hat die Wahrung der öffentlichrechtlichen Belange in die Hand der P a c h t ä m t e r gelegt. Aber auch den G e r i c h t e n fällt ein wichtiges Stück der Mitwirkung zu. Kernpunkte sind: 1. K ü n d i g u n g s s c h u t z

zugunsten des

Pächters.

Die Kündigung kann für unwirksam erklärt und ein abgelaufener Vertrag auf a n g e m e s s e n e Zeit v e r l ä n g e r t werden, „wenn dies zur Sicherung der V o l k s e r n ä h r u n g oder zu einer gesunden Verteilung der Bodennutzung erforderlich ist" (§ 3).

2. Aber auch Berücksichtigung eines E i g e n b e d a r f s V e r p ä c h t e r s (Eigenbewirtschaftung).

des

Dabei sorgfältige A b w ä g u n g der beiderseitigen Interessen. Z. B. beim Pächter einerseits, ob ihm die „wirtschaftliche Lebensgrundlage" entzogen werden würde, andererseits seine etwaige Untauglichkeit (schlechte Wirtschaft). Im letzteren Fall sogar v o r z e i t i g e A u f h e b u n g des Vertrags möglich.

3. Ä n d e r u n g d e s I n h a l t s d e s l a u f e n d e n V e r t r a g e s durch das Pachtamt (§ 5). Die dabei getroffene Anordnung „gilt dann unter den VertragsteiLen als Vertragsinhalt". Fiktion, „diktierter Vertrag".

4. U n a b d i n g b a r k e i t

Vgl. oben § 2 III c.

dieser gesetzlichen Schutzmaßregeln.

Keiner der beiden Vertragsteile kann auf die ihm durch die RPSchO. zugesprochenen Rechte verzichten, etwa in einer dem V e r t r a g eingegliederten Klausel.

5. M i t v e r p a c h t e t e

Räume.

W e n n zur Verpachtung auch W o h n r ä u m e oder gewerbliche Räume gehören, so greift ergänzend der M i e t e r s c h u t z ein (oben § 35 VIII).

c) A l l i i e r t e s K o n t r o 11 r a t s g e s e t z (KRG.) Nr. 45 v. 20.2.47. Generalsatz: Alle land- und forstwirtschaftlichen Pachtverträge bedürfen der G e n e h m i g u n g (Art. VI). K o n t r o l l e d e r B e w i r t s c h a f t u n g aller landwirtschaftlichen Betriebe; dabei auch die verpachteten eingeschlossen. Wenn der Betrieb „in er14 H e d e m a n D , S c h n l d r e c h t , 3. Aufl.

210

§ 36 IHe. Kleingärtenpacht

heblichem Maße den zur Sicherung der Ernährung des deutschen Volkes nötigen Anforderungen" nicht entspricht, stufenweise: Verwarnung, Überwachung durch eine Aufsichtsperson, Unterstellung unter einen Treuhänder, Entziehung im Wege der Anordnung einer Z w a n g s v e r p a c h t u n g an einen anderen geeigneten Landwirt. Dasselbe bei b r a c h l i e g e n d e n Grundstücken (Art. VII).

d) Als Beispiel der z o n e n m ä ß i g e n A u s g e s t a l t u n g die in Anlehnung an das KRG. Nr. 45 erlassene Verordnung Nr. 84 der britischen Militärregierung. Nähere Regulierung des G e n e h m i g u n g s v e r f a h r e n s ; Vorsagung z. B. bei Wirtschaftsuntüchtigkeit des Pächters oder „wenn die Vertragsbedingungen volkswirtschaftlich nicht gerechtfertigt sind" (Art. III). Weitere Vorschriften über u n z u r e i c h e n d e Bewirts c h a f t u n g (Art. V). Eingehende Regelung für eine etwaige Z w a n g s v e r p a c h t u n g , z. B.: „Die Zwangsverpachtung soll im allgemeinen für eine Zeit von mindestens 6 bis höchstens 12 Jahren angeordnet werden"; usw.

e) Für K l e i n g ä r t e n besteht seit 1919 eine gesetzliche S o n derreglung. Die große Bedeutung der Kleingärten für breite Teile der Bevölkerung ist bekannt. Neben dem E i g e n besitz spielt dabei auch die Erpachtung eine wichtige Rolle. Beim Übergang in das W o h n l a u b e n s y s t e m verbindet sich mit dem Pachtschutz der Mieterschutz. —• Ausgangspunkt die K l e i n g a r t e n - u n d K l e i n p a c h t l a n d o r d n u n g von 1919; spätere Ergänzungen (1935, 1940). Daneben besondere V. über Kündigungsschutz von Kleingärten von 1939 (1942). — Auch hier künftige Ergänzungen wahrscheinlich.

Der S c h u t z geht bei den Kleingärten nach zwei Richtungen, einmal P r e i s s c h u t z (Höhe des Pachtzinses unterliegt behördlicher Regelung; bei Benutzung der Lauben zu ständiger Wohnung Zusatzentgelt), und zweitens K ü n d i g u n g s s c h u t z ; dies verbunden mit der Pflicht zur Erneuerung eines a b g e l a u f e n e n Vertrages. § 37. Die Leihe (BGB. §§ 598ff.) I. B e g r i f f . Die Leihe (commodatum) ist ein Gegenstück zur Miete. Sie unterscheidet sich von ihr n u r durch die U n e n t g e l t lichkeit. Dieses Moment der Unentgeltlichkeit rückt die Leihe dicht an die S c h e n k u n g (oben §33) heran. Verleihen ist unentgeltliches (wenn man will" schenkweises) Überlassen des Gebrauchs. Und wenn man außer dem Gebrauch auch die F r u c h t z i e h u n g überläßt, so entsteht eine wirkliche „Schenkung", und das Verhältnis hört auf „Leihe" zu sein.

§ 37. Leihe. — § 38. V e r t r i e b s v e r t r a g

211

Es gibt also nur zur M i e t e ein selbständiges unentgeltliches Geschwister, nicht auch zur P a c h t . Unentgeltliches Verpachten fällt in den allgemeinen Typus der Schenkung. Dabei d ü r f t e als Gegenstand der Schenkung nicht das R e c h t , die Früchte zu ziehen, sondern d i e F r ü c h t e s e l b s t aufzufassen sein. Folge: das bloße V e r s p r e c h e n der Fruchtüberlassung ist noch nicht „Schenkung", s o n d e r n nur „Schenkungsv e r s p r e c h e n " und ist deshalb mangels Beurkundung (§ 518) ungültig.

Die Annäherung an die Schenkung kommt auch in der gesetzlichen Technik deutlich zum Atisdruck. Mehrere Bestimmungen aus dem Leiherecht sind dem Schenkungsrecht, teilweise in wörtlicher Anlehnung, nachgebildet. So der Satz, daß der freigibige Teil (Schenker, Verleiher) nur Vorsatz und g r o b e Fahrläsigkeit zu vertreten hat (§§ 599, 521), und daß er für Mängel im Rechte und Fehler der Sache nur bei arglistigem Verschweigen einzustehen hat (§§ 600, 5231 und § 5241). Auch das Rückforderungsrecht des Schenkers wegen eigenen Notbedarfs (oben § 33 Illb 1) findet eine gewisse Parallele in dem sog. Kündigungsrecht des Verleihers bei unvorhergesehenem Eigenbedarf (§ 605 Ziff. 1, §§ 528 und 519). II. E i n z e l r e g e l u n g . Soweit nicht derartige Anlehnung an das Schenkungsrecht in Frage kommt, hat sich das Gesetz a n d i e M i e t e a n g e s c h l o s s e n . Es werden die gleichen Begriffe und Redewendungen wie im Mietsrecht benützt. So darf der Entleiher genau so wie der Mieter die Sache nicht ohne Erlaubnis des anderen Teiles einem D r i t t e n überlassen (§ 603 wie § 549). Und w e n n er es doch getan hat, hat der Verleiher genau so w i e der Vermieter ein unmittelbares (schuldrechtliches) Rückforderungsrecht gegen den Dritten, sobald das Leihverhältnis zu Ende ist (§ 604 Abs. 4 wie §556 Abs. 3).

Aus der Unentgeltlichkeit ergeben sich allerdings i n h a l t l i c h e Abweichungen. Sie sind bereits in der Hauptsache unter I erwähnt. Dazu tritt eine noch stärkere Betonung des V e r t r a u e n s v e r h ä l t n i s s e s (vgl. oben § 35 IV). Der Verleiher hat ein sofortiges Rückforderungsrecht (Kündigungsrecht), wenn der Entleiher „die Sache durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt erheblich gefährdet" (§ 605 Ziff. 2). Auch die Belastung des Entleihers mit den „gewöhnlichen Erhaltungskosten" (§ 601) entspringt gleichzeitig diesem ans Freundschaftliche grenzenden Ausbau des Vertrauensverhältnisses und dem Gesichtspunkt der Unentgeltlichkeit. § 33. Der Vertriebsvertrag (Trödelvertrag) I. W e s e n . Durch den Vertriebsvertrag werden einem Händler seitens eines Lieferanten S a c h e n z u m V e r t r i e b e mit der Be14*

212

§ 38 I. Trödelvertrag. Sortimentervertrag

Stimmung übergeben, daß der Händler nach Ablauf einer Frist e n t w e d e r di-e S a c h e n z u r ü c k g i b t (die e r also bei seinen K u n den nicht untergebracht, nicht vertrieben hat) o d e r e i n e n von vornherein festgelegten P r e i s d a f ü r b e z a h l t , der unabhängig von dem Erlös ist, den der Händler seinerseits bei seinen Kunden erzielt. Solche Vertriebsverträge kommen in den verschiedensten Abwandlungen vor. Die beiden praktisch bedeutsamsten, freilich wirtschaftlich sehr weit voneinander abliegenden Erscheinungsformen sind d e r T r ö d e l v e r t r a g und der buchhändlerische Sortimentervertrag. Ein T r ö d e l v e r t r a g kann etwa folgendes Gepräge haben. Ein Fabrikant gibt an eine Reihe von Trödlern Hosenträger, das Stück zu 8,50 Mk. ab. Der Trödler geht mit einem Posten von 300 Stück auf die „Tour". Er bemüht sich natürlich, teurer, vielleicht zu 10,— Mk., zu verkaufen. Nach Ablauf einer bestimmten Zeit ist Abrechnung. Hat der Trödler 200 Stück losgeschlagen, so bezahlt er zunächst 200X8,50 Mk. an den Fabrikanten und behält 200X1,50 Mk. als seinen Verdienst. Die übriggebliebenen 100 Stück gibt er an den Fabrikanten zurück — und dieser m u ß sie zurücknehmen —, wenn sie nicht sogleich dem Trödler für die neue Tour belassen werden. Im B u c h h a n d e l , und zwar gerade in Deutschland besonders blühend, hat sich zwischen den Verleger (Verlagsbuchhändler, der Bücher in Verlag nimmt, herstellen läßt und für den Vertrieb bereit hält) und das Publikum der S o r t i m e n t s b u c h h ä n d l e r eingeschoben. Er kann nun freilich auch Bücher vom Verleger auf feste Rechnung übernehmen; dann liegt ein gewöhnlicher Kauf vor. Aber oft bezieht er Bücher nur „ä condition" ( K o n d i t i o n s g e s c h ä f t e ) , d. h. er behält die Berechtigung, die Bücher bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zurückzusenden. Bei der Preisgestaltung ist allerdings der Sortimenter nicht so freigestellt wie der Trödler; fast immer bestimmt der Verleger den Ladenpreis, für den der Sortimenter weiter verkaufen muß.

Die w i r t s c h a f t l i c h e B e d e u t u n g dieser Einrichtung liegt f ü r den L i e f e r a n t e n (Fabrikant, Großhändler, Verleger) darin, daß er nicht selbst die mühevolle Kleinarbeit des Vertriebs, des Aufsuchens und Bearbeitens des P u b l i k u m s ü b e r n e h m e n muß, freilich d a f ü r mit dem ganzen Risiko, daß die Ware nicht „geht", also auf .'hm „sitzen" bleibt, belastet ist. F ü r den Händler (Trödler, Sortimenter) bildet die Einrichtung zumeist die Basis f ü r seinen Lebensunterhalt. Er entledigt sich des Risikos u n d begnügt sich d a f ü r mit einem etwas mäßigeren Gewinne am Einzelstück; und natürlich muß er sich bestreben, so viele Abschlüsse wie möglich zu zeitigen, wodurch wiederum auch dem Lieferanten in die Hände gearbeitet wird. II. R e c h t l i c h e B e h a n d l u n g . D a s G e s e t z schweigt. Der Vertriebsvertrag ist nicht geregelt worden. Als Grund w u r d e bei der Abfassung des BGB. angeführt, das Gebilde trete in zu verschie-

§ 38 II. V e r t r i e b s v e r t r a g

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denen Gestalten auf, als daß sich das Einspannen in ein gesetzliches Schema empfehle. So beruht also das Gebilde ausschließlich auf d e r W i l l e n s b i l d u n g d e r P a r t e i e n (Vertragsfreiheit), allerdings greift, wie immer, die V e r k e h r s s i t t e (der Handelsbrauch) stark ergänzend ein. Der Kernpunkt für die p r a k t i s c h e Rechtsgestaltung ist die Lage des E i g e n t u m s bei solchen Verträgen. Es ist beim Trödelvertrag Geschäftsgebrauch, daß das Eigentum beim Lieferanten bleibt. Deshalb eben handelt es sich, mindestens bei Beginn des Verhältnisses, um eine Gebrauchsüberlassung auf Zeit mit allen den schon früher dargestellten Folgerungen. Pflicht des Händlers zu p f l e g l i c h e r B e h a n d l u n g . Die G e f a h r eines zufälligen Unterganges trägt der Lieferant. Im K o n k u r s e des Händlers hat der Lieferant das Aussonderungsrecht des Eigentümers. W e i t e r g a b e a n D r i t t e (zu Gebrauchszwecken, zum Untervertrieb) wird im Zweifel als ausgeschlossen zu gelten haben. Es bestehen auch keine Bedenken, den unmittelbar gegen den Dritten gerichteten schuldrechtlichen R ü c k g a b e a n s p r u c h der §§ 556 III, 604 III auf den Vertriebsvertrag zu übertragen. Bei E i g e n b e d a r f im Zweifel kein Rückforderungsrecht.

Allerdings tritt eine grundlegende Wendung in dem Augenblick ein, wo der Händler ein einzelnes Stück an seinen Kunden abstößt. Dann wird das Gebilde nachträglich zum K a u f (Verkäufer der Lieferant, Käufer der Händler), wiederum mit den bekannten Folgen des Kaufrechts. Vor allem M ä n g e l h a f t u n g . Da es sich meist um Gattungssachen handeln wird, kommt auch der Ersatzlieferungsanspruch des § 480 (oben § 32 V b 6 ) zur Anwendung. Der K a u f p r e i s gilt bis zum Abrechnungstermin als gestundet, und zwar im Zweifel ohne Verzinsung. — Interessante Verschiebung des Eigentums. W i r d erst noch der Händler seinerseits zwischendurch Eigentümer, oder überträgt er unmittelbar das Eigentum des Lieferanten als dessen Stellvertreter auf den Kunden? Handelt er hierbei als Beauftragter, so daß sich auch noch die Normen des „ A u f t r a g s " (oder der entgeltlichen „Geschäftsbesorgung" des § 675) einmischen?

Soweit das Weiterverkaufen unterbleibt, zeigt sich wieder das Gesicht der Gebrauchsüberlassung: mit Ablauf des (nach Vertrag oder Verkehrssitte bestimmten) Zeitraums hat der Trödler (Sortimenter) die ihm überlassenen Stücke zurückzugeben.

214

§ 39 I. Kreditgeschäfte, Begriff

3. Kapitel: Kreditgeschäfte § 39. E i n f ü h r u n g

(Wirtschaftliche Bedeutung. Rechtliche Fassung) I. D e r B e g r i f f d e s K r e d i t s . Der einfachste Typus des Kreditgeschäftes ist das gewöhnliche D a r 1 e h n. Hierbei gibt einer dem anderen eine Geldsumme auf Borg: der erste will und soll sie später wieder zurückhaben, er schenkt so lange dem anderen Teil V e r t r a u e n , er gewährt ihm „Kredit" (credere = Vertrauen schenken). Um diese einfache Vorstellung gruppieren sich bedeutende Erweiterungen. Schließlich bekommt der Begriff in der W i r t s c h a f t s w i s s e n s c h a f t (innerhalb deren jedoch im einzelnen viel Streit herrscht) eine solche Ausdehnung, daß er für die Zwecke der j u r i s t i s c h e n Lehre unbrauchbar wird. K r e d i t i m w e i t e r e n S i n n e liegt überall vor, wo der Gläubiger damit einverstanden ist, daß die Leistung e r s t i n d e r Z u k u n f t erfolgen soll. Das ist schon bei Millionen von K ä u f e n gegeben, bei denen nicht sofort auf beiden Seiten erfüllt wird. In der Tat spricht man auch in solchem Falle vom „Kreditkauf" und setzt ihn zum ,,Realkauf" in Gegensatz (ob. § 32 I b). Mit der in diesem 3. Kapitel zu behandelnden Kreditgewährung hat das nichts zu tun. Vgl. jedoch Ziff. II. Bei der M i e t e und den ihr verwandten anderen Schuldverhältnissen (Kap. 2) kann man sogar sagen, daß sie i m m e r Kreditgeschäfte in diesem weiteren Sinne sind. Denn e i n e r von beiden muß hier immer vorleisten: Wird der Mietszins „postnumerando" bezahlt (vgl. S. 192 III), so gewährt der Vermieter dem Mieter Kredit; wird der Mietzins praenumerando bezahlt, so „vertraut" der Mieter dem Vermieter, daß dieser ihm den Gebrauch in der anschließenden Mietszeit richtig gewähren wird.

Eine so weite Spannung des Kreditbegriffs kommt für die Bildung einer besonderen Gruppe von „Kreditgeschäften" von vornherein nicht in Frage. Man könnte und müßte sonst das g a n z e Schuldrecht auf der Vorstellung des „Kredits" aufbauen. Vielmehr ist eine E i n e n g u n g d e s B e g r i f f e s „ K r e d i t " zu erstreben. Man gewinnt sie durch Aufstellung folgender drei Voraussetzungen: 1. Der kreditierte Wert muß a u s d e m V e r m ö g e n d e s K r e d i t g e b e r s h e r g e n o m m e n und in das Vermögen des Kreditgebers überführt worden sein. So ist es z. B. beim gewöhnlichen Darlehn. Dagegen scheidet das bloße „ S t u n d e n", z. B. das Stunden von Kaufgeld aus. Denn hier ist der geschuldete W e r t (das Kaufgeld) von Anfang an im Vermögen des Schuldners (des Käufers) und ist keineswegs früher einmal aus dem Vermögen des anderen Teils (des Verkäufers) in das des Kreditschuldners (ICäafers) hinübergewandert.

§ 39 II. Kreditgeschäfte, Wesensart

2. Der kreditierte Wert muß i n s E i g e n t u m d e s K r e d i t n e h m e r s übergehen.

215

(Vollrecht)

Auf diese Weise werden die Schuldverhältnisse des 2. Kapitels abgeschieden, z. B. die M i e t e . Während beim Darlehn die 1000 Mk. „Valuta" ins Vollrecht des Borgers übergehen, bekommt bei der Miete der Mieter bekanntlich nur eine sorgfältig abgegrenzte Gebrauchsbefugnis (vgl. § 35 V d), und die „Herrenstellung" des Vermieters dauert fort (§ 35 II). — Folgeerscheinung im K o n k u r s e : Der Vermieter kann die hingegebene Sache (seine Sache) aus der Konkursmasse aussondern; der Darlehnsgeber hat w e g e n seiner 1000 Mk. kein solches Aussonderungsrecht, sondern muß mit der Konkursdividende vorlieb nehmen.

3. Der kreditierte Wert muß in v e r t r e t b a r e n Sachen („fungiblen" Gütern) bestehen, Sachen aLso, bei denen die einzelnen Stücke gleichgültig sind (gesetzliche Definition in § 91 BGB.), so daß es n u r auf die Masse, das Quantum ankommt. G e l d steht dabei durchaus im Vordergrund. Auf „Geld oder andere vertretbare Sachen" sind ausdrücklich eingerichtet das D a r 1 e h n (BGB. § 607, unten §40), die A n w e i s u n g (BGB. §783, unten §41); auf „eine bestimmte Geldsumme" der S c h e c k (Scheckgesetz § 1, unten § 41 IV b). Andere Arten der Kreditgeschäfte sind allerdings n i c h t b e g r i f f s n o t w e n d i g auf vertretbare Sachen gestellt, haben aber in der P r a x i s fast ausnahmslos vertretbare oder von den Parteien als vertretbar empfundene Leistungen zum Gegenstand; so die V e r s i c h e r u n g e n (z. B. Zahlung der Lebensversicherungs s u m m e ; unten § 43 I), die L e i b r e n t e (unten § 48 II), die Inhaberschuldbriefe (unten § 42).

II. G r e n z v e r w i s c h u n g i n d e r P r a x i s . Vermöge der allgemeinen Vertragsfreiheit ist es den Parteien unbenommen, Ü b e r g ä n g e zwischen den verschiedenen Typen zu schaffen und ein ursprünglich anders gedachtes Schuldverhältnis hinterher in ein Kreditgeschäft umzuwandeln. a) Dies ist häufig. Namentlich verlockt die g r ö ß e r e F l ü s s i g k e i t der Kreditgeschäfte zu solcher Umwandlung; das G l ä u b i g e r interesse ist dabei fast immer die treibende Kraft. Der Gesetzgeber hat sich dem nicht in den Weg gestellt. „Wer Geld oder andere vertretbare Sachen aus einem anderen Grunde schuldet, kann mit dem Gläubiger vereinbaren, daß das Geld oder die Sachen a l s D a r l e h e n geschuldet werden sollen", bestimmt Abs. 2 des § 607. So kann also der Käufer eines Pferdes mit seinem Verkäufer ausmachen, daß er den Kaufpreis f ü r das verkaufte Pferd eben nicht als Kaufgeld, sondern wie dargeliehenes Geld schulden soll. Darüber hinaus ist ein Ausbau möglich, indem nun die neugeschaffene Darlehnsschuld sogleich wieder in eine der verfeinerten Kreditformen, z. B. in einen S c h e c k (oder einen Wechsel) oder in ein a b s t r a k -

216

§ 39 lila. Personalkredit und Realkredit

t e s S c h u l d v e r s p r e c h e n umgestaltet wird. Es wird dann, wie es der Verkehr kurz auszudrücken pflegt, „für die Kaufschuld ein Wechsel gegeben" oder dergl. P r a k t i s c h b e d e u t s a m e F r a g e , ob neben dem neugeschaffenen Kreditverhältnis auch d a s a l t e S c h u l d v e r h ä l t n i s noch w e i t e r b e s t e h e n s o l l . Für den Gläubiger ist das natürlich v o n Vorteil, w e i l er dann z w e i „Rechtsgründe" und zwei Klagemöglichkeiten hatj er kann sowohl die Kauf schuld aus § 433 w i e die darauf gepflanzte Scheckschuld geltend machen, natürlich nur so, daß er den Betrag im ganzen nur einmal erhält. Nach dem Gesetz (§ 364 II) soll im Z w e i f e l der Fortbestand auch der alten Schuld angenommen werden.

b) Eine andere Art der Grenzverwischung ergibt sich dann, wenn Sachen in V e r w a h r u n g gegeben werden, aber unter der Abrede, daß nicht dieselben Sachen zurückgegeben zu werden brauchen, sondern nur das gleiche Quantum. Auch das ist häufig. Namentlich werden dem Bankier nicht selten Geld oder Wertpapiere in dieser Form ins „Depot" gegeben. Nach dem Gesetz soll dann der Fall in der Hauptsache als D a r l e h n , also als Kreditgeschäft, behandelt werden. BGB. § 700.

Sog. d e p o s i t u m

irreguläre

(unten § 52 III c).

c) Verschiebungen des Grundgedankens der Kreditgeschäfte ergeben sich ferner dadurch, daß bei gewissen Schuldverhältnissen nicht genau dieselbe Wertsumme zurückerstattet werden soll, die hingegeben worden ist. Dies gilt namentlich v o n der V e r s i c h e r u n g (unten § 43), bei der der Versicherungsanstalt fortlaufend P r ä m i e n gezahlt (kreditiert) werden, während sie nach Eintritt des Versicherungsfalls (z. B. bei der Lebensversicherung des Todesfalles) ein ganz anders berechnetes K a p i t a l zu erstatten hat. Umgekehrt ist es bei der (entgeltlichen) L e i b r e n t e , denn hier wird normalerweise ein K a p i t a l hingegeben, während die Rückzahlung in Gestalt einer ganz anders berechneten, fortlaufenden Rente erfolgt.

III. A r t e n d e s K r e d i t s . a) P e r s o n a l k r e d i t u n d R e a l k r e d i t . Jedes Kreditgeschäft baut sich auf Vertrauen auf. Je nachdem nun das Vertrauen in die P e r s ö n l i c h k e i t d e s S c h u l d n e r s gesetzt wird oder in ein zur Haftung gestelltes reales W e r t o b j e k t , unterscheidet man Personal- und Realkredit. Für die beiden Fälle werden ganz verschiedene juristische Figuren bereitgehalten. Das D a r l e h n ist die Normalfigur des Personalkredits; der Realkredit wird am besten durch den P f a n d v e r t r a g verkörpert. Der Gegensatz ist deshalb nicht rein, w e i l beim Realkredit fast immer auch ein Stück Personalkredit nebenhergeht; meist ist der Personalkredit sogar der Anfang, zu dem dann — unterstützend — der Realkredit hinzu-

i§ 39 Illb. Privatkredit und öffentlicher Kredi'.

217

tritt. W i r d für geborgtes Geld ein Ring zu Pfand gegeben, so haftet erstens der Borger persönlich aus dem Darlehn (Personalkredit), zweitens haftet der Ring als Pfand (Realkredit).

1. Beide Kreditarten haben eine s e h r g r o ß e A u s d e h n u n g gewonnen. Zum Personalkredit gehören u. a. die F r e u n d s c h a f t s d a r l e h n , die B a n k e i n l a g e n , die S t a a t s a n l e i h e n , die S p a r k a s s e n g e l d e r ; man vertraut auf die Zuverlässigkeit des Freundes, auf die Güte der Bank, auf die Sicherheit des Staates, auf die Zahlungsfähigkeit der Sparkasse. Zum Realkredit gehört vor allem das große Gebiet des H y p o t h e k e n v e r k e h r s , bei dem Grundstücke für eine Schuld eingesetzt werden, und der L o m b a r d k r e d i t , bei dem Mobilen, vornehmlich Wertpapiere oder Kleinodien, zu Pfand gegeben werden. Im allgemeinen i s t d e r R e a l k r e d i t i m V o r d r i n g e n begriffen. Die Gläubigerschaft verlangt immer mehr „Deckung". Das hat z.u ungesunden N e u e r s c h e i n u n g e n geführt. Es gehört hierzu die bedenkliche Verpfändung d e s g a n z e n W a r e n l a g e r s und die „ D i s k o n t i e r u n g d e r B u c h f o r d e r u n g e n". N ä h e r e s im Sachenrecht.

2. Der Personalkredit ist in der Hauptsache s c h u l d r e c h t l i c h aufgebaut, stellt also juristisch eine Bindung von Person zu Person dar (oben § 1 IIa). Der Realkredit dagegen ist in der Hauptsache s a c h e n r e c h t l i c h geformt, d. h. so, daß die entscheidende rechtliche Bindung zwischen einer Person und einer Sache besteht (I IIb). Danach ist der R e a l k r e d i t s t ä r k e r der Tiefe nach. Er dringt in das h a f t e n d e W e r t o b j e k t ein und sichert dem Kreditgeber eine bevorzugte Befriedigung; „gewöhnliche" Gläubiger müssen vor ihm zurücktreten. Der P e r s o n a l k r e d i t geht demgegenüber m e h r i n d i e B r e i t e , denn es haftet hier die schuldnerische Person mit allem, w a s sie hat, aber ohne irgendwelche Bevorzugung vor anderen Gläubigern. Die G r u n d h g u r e n des Personalkredits gehören nach dem obigen in den Bereich des Schuldrechts (der Ausbau fällt allerdings zum Teil ins H a n d e l s r e c h t und i n s R e c h t d e r W e r t p a p i e r e ) . Die Figuren des Realkredits fallen dagegen in den Bereich des Sachenrechts.

b) Ö f f e n t l i c h e r u n d p r i v a t e r K r e d i t . Diese Unterscheidung stellt auf den Kredit g e b e r ab. Es macht nämlich wirtschaftlich einen gewissen Unterschied aus, ob man von einem P r i v a t m a n n Kredit bekommt oder von einer ö f f e n t l i c h e n A n s t a l t , z. B. einer Hypothekenbank oder gar einer staatlichen Kreditstelle. Wirtschaftspolitisch ist der öffentliche Kredit stark mit S o z i a l i s i e r u n g s b e s t r e b u n g e n verbunden; der Staat legt die Hand auf das Kreditwesen. Praktisch zeigt sich der Unterschied namentlich bei der sog. A m o r t i s a t i o n , d. h. der allmählichen Rückzahlung in kleinen, meist gleichzeitig mit den Zinsen a b g e f ü h r t e n Teilbeträgen (Amortisationsquoten,

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§ 39 IIIc, d. Anlagekredit. Produktiver Kredit Tilgungsbeträge). Der private Darlehnsgeber ist nur höchst selten in der Lage und geneigt, sich darauf einzulassen. Die Anstalt (Darlehnskasse, Hypothekenbank, Siedlungsgesellschaft, Staat) kann dagegen unbedenklich darauf eingehen und tut es in erheblichem Umfang.

c) A n l a g e k r e d i t u n d U m l a u f s k r e d i t . Hierbei ist mehr an die Person des Kredit n e h m e r s als an die des Kreditgebers zu denken. Es handelt sich im wesentlichen darum, ob der Kredit f ü r l ä n g e r e Z e i t gewährt wird (Anlagekredit) o d e r f ü r k ü r z e r e (Umlaufskredit). Natürlich gibt es dafür keine feste Grenze. Zum A n l a g e k r e d i t gehören z. B. die H y p o t h e k e n und die Staatsanleihen. Zum Umlaufskredit gehört z. B. der W e c h s e l - und Scheckkredit.

Für die j u r i s t i s c h e Behandlung ist der Unterschied nicht bedeutungslos. Die Figuren, die dem Umlaufskredit dienen sollen, werden im allgemeinen auf schnellere Abwicklung, größere Beweglichkeit eingerichtet sein; das bedingt z. B. andere Formen der Entstehung, leichtere Möglichkeit der Übertragung. Die Figuren des Anlagekredits werden dafür auf größere rechtliche Sicherheit, auf Planmäßigkeit in der Abwicklung zugeschnitten sein. d ) K o n s u m t i v e r u n d p r o d u k t i v e r K r e d i t . Der „ k o n s u m t i v e " K r e d i t ist die ursprüngliche und einfachere Form; hier fehlt es dem Schuldner an Mitteln f ü r s e i n e n l a u f e n d e n , a u g e n b l i c k l i c h e n B e d a r f ; was er deshalb auf Borg erhält, gibt er gleich wieder für seine Bedürfnisse aus, er „konsumiert" den empfangenen Wert. Der „ p r o d u k t i v e K r e d i t " dagegen benutzt den empfangenen Wert, um ihn a r b e i t e n zu lassen, um ihn entweder unmittelbar (Spekulation mit dem erborgten Geld) oder mittelbar (Anschaffung von Maschinen, Erweiterung des Geschäfts) z u r E r w e r b s q u e l l e zu gestalten. V o m Standpunkt des Kredit g e b e r s sieht sich der produktive Kredit oftmals ganz anders an w i e der konsumtive; der Kreditgeber „beteiligt" sich gleichsam, wenn auch nur im Hintergrund, am Betriebe des Produzenten.

In der j u r i s t i s c h e n Welt hat dieser Unterschied bisher zu keiner klaren Ausprägung geführt. Er ist aber doch auch für das Rechtsleben von Bedeutung. Vor allem wird er die A u s l e g u n g der getroffenen Abmachungen wesentlich beeinflussen. Z. B. jener Gedanke einer „ B e t e i l i g u n g " am Betriebe rückt gegebenenfalls die rechtliche Stellung des Kreditgebers in ein ganz anderes Licht; gewisse K o n t r o l l r e c h t e werden ihm in Auslegung der konkreten Parteiabreden zuzubilligen sein, von denen beim konsumtiven Kredit nicht oder nur unter ganz anderen Voraussetzungen die Rede sein kann.

§ 40 I. Darlehn; W e s e n s a r t

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§ 40. Darlehn und Darlehnsversprechen (BGB. §§ 607ff.). I. W e s e n d e s D a r l e h n s . Darlehn ist die Hingabe von Geld (oder anderen vertretbaren Sachen) mit der Bestimmung, daß später zwar nicht dieselben Münzen (oder Sachen) wiedergegeben zu werden brauchen, wohl aber eine gleiche Menge (§ 607: „Sachen von gleicher Art, Güte und Menge"). Das Darlehn ist volkstümlich und in seiner wirtschaftlichen Bedeutung allgemein bekannt. G e l d steht durchaus im Vordergrund. Aber auch dann, w e n n eine H a u s f r a u von einer anderen 10 Hier oder 1 Liter Petroleum borgt, kommt juristisch ein „Darlehn" zustande. W i e die Parteien ihre A b m a c h u n g bezeichnen, ist unerheblich. Das W o r t Darlehn ist der Volkssprache nicht sehr geläufig. Statt dessen wird von „Borgen", von „Vorschuß" usw. gesprochen. Das Gesetz n e n n t den Kreditgeber „Darleiher", den Kreditnehmer bezeichnet es nur mit dem allgemeinen W o r t „Schuldner". Die zu Darlehn gegebene Summe wird im Geschäftsleben oft „V a 1 u t a " genannt.

a) Z w e i s e i t i g k e i t d e r I n t e r e s s e n . Nach der volkstümlichen Betrachtung steht die Person des Darlehns n e h m e r s im Vordergrund: er hat keine flüssigen Mittel u n d borgt sie sich. Aber darüber darf d e r andere Teil nicht vergessen werden. Z w a r leitet ihn oft n u r freundschaftliche Zuneigung oder ein ähnlicher Beweggrund. A b e r öfter noch stehen w i c h t i g e w i r t s c h a f t l i c h e G r ü n d e hinter seiner Hingabe des Geldes: er will das Geld nicht ungenutzt liegen lassen, sondern sucht nach einer , , A n l a g e " f ü r sein „Kapital". Dabei leiten ihn zwei Gesichtspunkte: 1. M ö g l i c h s t e S i c h e r h e i t und 2. m ö g l i c h s t h o h e V e r z i n s u n g . Beides steht in einem gewissen Gegensatz zueinander, den man am deutlichsten vom Standp u n k t des Schuldners aus erfaßt. Der Schuldner nämlich pflegt bei größerer Unsicherheit einen höheren Zins anzubieten und umgekehrt. Darum ist z. B. im H y p o t h e k e n v e r k e h r der Zins desto höher, je weiter zurück im Rang die H y p o t h e k steht.

b) V e r z i n s l i c h k e i t gehört n i c h t zum Begriff des Darlehns. Tausende von Freundschaftsdarlehn sind unverzinslich. Aber es überwiegt, zumal wenn es sich u m größere Beträge handelt, eben doch die Verzinslichkeit. Das Zinsennehmen ist auch, entgegen geschichtlichen Vorgängen, grundsätzlich gestattet. Es bestehen auch keine ziffernmäßig festgelegten Z i n s m a x i m a mehr. N u r an der allgemeinen W u c h e r s c h r a n k e findet das Zinsmaß seine Grenze. Vgl. oben § 9, über heutige Beschränkungen des Zinsennehmens III c.

c) K o n s t r u k t i o n . Das eigentliche „Darlehn" fängt erst an, wennCJeld wirklich h i n g e g e b e n ist. Einfachen Verhältnissen k a n n

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§ 40 II. Darlehn; Hingabe der Valuta

das genügen. Aber bei fortgeschrittenem Verkehr muß f ü r die bloße Zusage, demnächst (z. B. zum nächsten Vierteljahresersten) Geld darlehnsweise zur Verfügung stellen zu wollen, auch schon eine rechtliche Bindung bereitgehalten werden, genau so, wie ein Mietsvertrag regelmäßig schon bindet, wenn die Einräumung der Mietssache zugesagt ist, obwohl die Übergabe erst später erfolgt. Trotzdem konstruiert das BGB. das Darlehn als sog. R e a l v e r t r a g , der erst durch Hingabe der res zustande kommt. D a n e b e n läßt es, noch deutlich zurückhaltend, einen b l o ß e n V o r v e r t r a g („Wer die Hingabe eines Darlehns v e r s p r i c h t " , §610) zu. Dieser Trennung schließt sich die nachfolgende Darstellung an; der „Vorvertrag" wird selbständig unter Ziff. IV behandelt. II. Die H i n g a b e ist danach rechtsbegründendes Element f ü r das eigentliche Darlehn. A u ß e r d e m aber muß natürlich vertragliche E i n i g u n g vorliegen, die der allgemeinen Lehre von den Willenserklärungen untersteht. Wird sie z. B. wegen Irrtums angefochten, so ist — trotz der vollzogenen Hingabe — kein Darlehn zustande gekommen (Rückforderung wegen ungerechtfertigter Bereicherung aus § 812; unten § 61 III). Die Hingabe ist n a c h der h e r r s c h e n d e n Lohre nicht nur als eine t a t s ä c h l i c h e Hingabe, sondern als H i n g a b e z u E i g e n t u m aufzufassen. Das R e i c h s g e r i c h t behauptet, das läge u n a u s g e s p r o c h e n „im Sinn und Zweck des Darlehnsgeschäfts", und leitet daraus den dogmatischen Satz ab: „Erwirbt der Empfänger kein Eigentum, s o e n t s t e h t a u c h k e i n D a r l e h n " (Bd. 103 S. 288). Natürlich richtet sich der Eigentumserwerb selbst wie immer so auch hier nach S a c h e n r e c h t . Dabei ist wichtig eine E r w e i t e r u n g d e s G u t g l a u b e n s s c h u t z e s : Der Borger bekommt, falls er selbst gutgläubig ist, auch an g e s t o h l e n e m G e l d Eigentum (§ 935 Abs. 2).

Mit der Hingabe wird es jedoch nicht so genau genommen, wie man nach dem grundsätzlichen Festhalten an der Konstruktion als Realvertrag erwarten sollte. Als Urform hat man sich allerdings die unmittelbare körperliche Hingabe (etwa in ein Päckchen gepackt oder auf den Tisch gezählt) zu denken. Aber der fortschreitende V e r r e c h n u n g s v e r k e h r hat verschiedene E r s a t z f o r m e n f ü r d i e k ö r p e r l i c h e H i n g a b e erzwungen, insbesondere in der Art, daß ein Dritter (z. B. ein Bankhaus) als Vermittler benutzt wird. Danach ist es „Hingabe" und echte Darlehnsbegründung, wenn meine Bank dem Darlehnsnehmer d e n B e t r a g g u t s c h r e i b t , den ich ihm borgen will, also mein Konto entsprechend belastet und das Konto des anderen gleichmäßig erhöht (vgl. oben § 8 Illb). Prak-

§ 40 III. Darlehn. Rückzahlung; Verzinsung

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tische Folge: bei Z a h l u n g s u n f ä h i g k e i t d e r B a n k hat bereits der andere die Gefahr zu tragen, muß sich also mit der Konkursdividende abfinden lassen, während er mir (später) die volle Darlehnsvaluta zurückzahlen muß. A u c h das ist Dariehnsbegründung, w e n n der Kreditgeber nicht an den Kreditnehmer, sondern auf dessen Weisung an einen Dritten zahlt. W e i s e ich z. B. eine Bank an, meinem Schneider für seine Forderung an mich 200 Mk. zu zahlen, so b e d e u t e t das, wenn ich bei der Bank kein flüssiges G u t h a b e n besitze, sie soll mir die 200 Mk. „vorschießen". Im Augenblick nun, wo sie dem Schneider den Betrag auszahlt (oder in ihren Büchern gutbringt), hat sie mir die Valuta ,,hingegeben" und ist meine echte Darlehnsgläubigerin geworden. Niederlegen einer solchen „ A n w e i s u n g " in einem Schriftstück: ein Sondertypus entsteht, nachfolgend § 41.

III. D i e P f l i c h t e n d e s D a r l e h n s e m p f ä n g e r s . Er hat eine günstige Stellung. Er hat die Valuta zur Verfügung, hat sogar das E i g e n t u m daran bekommen, kann also frei damit schalten und walten und sich die darin ruhende w i r t s c h a f t l i c h e K r a f t dienstbar machen. Aber auf der anderen Seite wird er mit Pflichten belastet. a) Vor allem hat er die R ü c k g a b e p f l i c h t . Die Rückgabe soll inhaltlich der Hingabe entsprechen („tantundem eiusdem generis"). Namentlich ist der Z e i t p u n k t der Rückgabe von Wichtigkeit. Er kann entweder von vornherein auf einen b e s t i m m t e n T e r m i n festgelegt sein (,,rückzahlbar am 1. Januar 1950"), oder es soll eine K ü n d i g u n g voraufgehen; auch das ist möglich, daß die Rückgabe auf b e l i e b i g e n R ü c k r u f des Geldgebers gestellt ist, wird aber selten sein. Das G e s e t z gibt e r g ä n z e n d e Regein. Im Zweifel soll das Darlehn auf Kündigung stehen; Frist bei größeren Darlehn (über 300 Mk.) drei Monate, bei kleineren (bis zu 300 Mk.) ein Monat. — Wichtig, daß auch der Schuldner nicht immer beliebig zurückzahlen darf; der Gläubiger verliert j a seine „Anlage". Doch hängt es von der Auslegung ab, w a s gelten soll. Gesetzlicher Fingerzeig in § 609 III: „Sind Zinsen nicht bedungen, so ist der Schuldner auch ohne Kündigung zur Rückerstattung berechtigt."

b) Zur Rückgabepflicht tritt, falls vereinbart, die V e r z i n s u n g s p f l i c h t . Die bloße Rückgabe wäre für den Gläubiger .kein voller Gegenwert, denn er entbehrt in der Zwischenzeit die Anlagemöglichkeit. Im unverzinslichen Darlehn steckt ein Stück S c h e n k u n g . Trotzdem ist es im Darlehnsrecht festzuhalten. Folgerung: Der Geldgeber k a n n nicht etwa die Bewilligung der Zinslosigkeit als „Geschenk" w e g e n Undanks (§ 33 III b 2) widerrufen. Doch k a n n in besonderen Fällen wirkliche Schenkung vorliegen, z. B. w e n n bei einem bisher verzinslich gestellten Darlehn der Geldgeber aus besonderem Anlaß dem Schuldner für

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§ 40 IV. Das Darlehnsversprechen die künftigen Termine die Zinsen erläßt. Auslegungsfrage. — Unter K a u f l e u t e n besteht nach einer Sondervorschrift des HGB. (§ 353) von gesetzeswegen, also auch wenn sie nicht darüber gesprochen haben, eine Verzinsungspflicht.

Sind Zinsen ausbedungen, so taucht die Frage auf, ob das Geschäft damit zum g e g e n s e i t i g e n V e r t r a g wird. Ihre Bejahung würde zu der praktischen Folge führen, daß dem Gläubiger im Falle unpünktlicher Zinszahlung d a s R ü c k t r i t t s r e c h t a u s § 326 zugebilligt werden müßte. Für den Regelfall wird man verneinen müssen. Doch kann die Auslegung den umgekehrten Parteiwillen ergeben.

S t a t t d e r Z i n s e n kann dem Gläubiger auch ein anderer Gegenwert für die entgangene Anlagemöglichkeit geboten werden. Seit alters ist dafür beliebt ein A b z u g a m K a p i t a l gleich bei der Hingabe, oder umgekehrt: Verpflichtung, eine etwas höhere Summe zurückzuzahlen, als man empfangen hat. IV. D a s D a r l e h n s v e r s p r e c h e n . Während das „Darlehn" erst mit der Hingabe entsteht, wurzelt das Darlehnsversprechen in der Zusage, d e m n ä c h s t hinzugehen, wobei meist ein fester Termin verabredet wird. Ein solcher Rechtstypus ist für manche Lebenslagen ganz unentbehrlich. Z.B. im H y p o t h e k e n v e r k e h r . Ganz unentbehrlich ist auch die vorher vollzogene Geldzusage im B a uw e s e n . Bei der großen Mehrzahl der Bauten beschafft sich der Bauherr einen Teil des Geldes im W e g e des Kredits. Das kann er nicht von heute auf morgen erreichen. Vielmehr wird das Geschäft oft monatelang vorher abgeschlossen (über das Bauunternehmen vgl. auch unten § 47 V). Praktisch unbrauchbare Konstruktion: Gegenstand des Vorvertrages sei der (demnächstige) Abschluß des Hauptvertrages. Folgerung: Bei Widerstand des Pflichtigen Teils könnte nicht allein auf Zahlung des versprochenen Geldes, sondern müßte außerdem a u f A b gabe einer Willenserklärung g e k l a g t werden, da nur durch eine solche Willenserklärung (in Verbindung mit Hingabe) der Hauptvertrag „abgeschlossen" werden könnte.

Im einzelnen ist die Rechtslage bei einem solchen Vertrage n a c h d e m P a r t e i w i l l e n z u g e s t a l t e n . Es ergeben sich drei Möglichkeiten. Entweder war die Absprache nur als eine beiderseits unverbindliche Z u s a g e gedacht; dann kommt eben kein Vertrag zustande. Oder die Parteiabsicht geht dahin, daß n u r d e r e i n e T e i l g e b u n d e n sein soll. Oder, daß b e i d e T e i l e g e b u n d e n sein sollen. Alle drei Formen sind häufig. Die e i n s e i t i g e Bindung ist regelmäßig so gedacht, daß der Geld g e b e r der gebundene Teil sein soll. Er soll verpflichtet sein, das Geld bereit zu halten, während es dem Geldnehmer überlassen bleibt, ob er es abheben will. So bei der „ K r e d i t -

§ 411. Anweisung und Scheck

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e r ö f f n u n g " seitens eines Bankhauses; meist ist ein H ö c h s t b e t r a g vorgesehen, aber bis zu diesem ist die Bank gebunden. Einseitige Bindung des G e l d n e h m e r s ist selten; Beispiel: Sog. Subskription auf auszugebende Wertpapiere.

Der Fall der b e i d e r s e i t i g e n B i n d u n g ist der juristisch schwierigste. Die praktische Bedeutung zeigt sich beim Verstoß. Sowohl, wenn der Geldgeber das Geld nicht pünktlich bereit hält (liefert), als auch wenn der Geldnehmer das Geld nicht abnimmt (plaziert), muß, Verschulden vorausgesetzt, eine S c h a d e n s e r s a t z p f l i c h t angesetzt werden. Sie wird sich im letzteren Falle meistens darin äußern, daß der Geldsucher, trotzdem er das Geld nicht empfangen hat, es doch dem zum Geben bereiten anderen Teil verzinsen muß. Daneben können andere Rechtswirkungen in Frage kommen, z. B. Ü b e r g a n g d e r G e f a h r , wenn etwa das ordnungsgemäß vom Geldgeber zur Verfügung gestellte, aber vom Geldsucher abgelehnte Geld auf dem Rücktransport geraubt wird (vgl. § 287,2). Weiterer Ausbau: Der Geldsucher übernimmt e i n e s o f o r t i g e G e g e n l e i s t u n g , insbesondere die Hinräumung einer Hypothek. Dann kann darauf geklagt werden, und im übrigen kommen die Regeln vom g e g e n s e i t i g e n V e r t r a g e (oben § 11) zur Anwendung, wenn dem Parteiwillen nichts Entgegenstehendes zu entnehmen ist.

Das G e s e t z schweigt über das alles. Es h a t n u r die eine Bestimmung, daß der Geldgeber von seiner Zusage wieder abgehen darf, wenn sich die V e r m ö g e n s v e r h ä l t n i s s e des anderen Teils in gefährlicher Weise v e r s c h l e c h t e r t haben (§610). Daneben wird man ihm, soweit die Voraussetzungen eines gegenseitigen Vertrages gegeben sind, die Einrede aus §321 (oben §11 IIa) einräumen müssen, z. B. bei Fälligkeit einer neuen Rate. Es wäre sinnlos, ihn auf den radikalen W e g des Widerrufs zu beschränken.

§ 41. Anweisung und Scheck (BGB. §§ 783ff.) I. W e s e n . Die Anweisung ist auf eine Beteiligung von drei Personen zugeschnitten, denn sie besteht darin, daß ein Erster einen Zweiten in einem Schriftstück anweist, an einen Dritten zu leisten. Der häufigste Fall ist die Vermittelung von Zahlungen durch Bankhäuser. Es will etwa ein Bürgersmann einen Kaufmann, dem er etwas schuldet, bezahlen, hat aber kein Bargeld im Hause oder will den neuerdings stark betonten Anforderungen auf möglichst bargeldlosen Zahlungsverkehr entsprechen und weist deshalb sein Bankhaus an, statt seiner den Kaufmann zu bezahlen. Zu diesem

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§ 41 I. Anweisung. Die drei Beteiligten

Zwecke g i b t e r d e m K a u f m a n n e i n S c h r i f t s t ü c k m i t (gleichsam einen Brief), das ihn dem Bankhaus gegenüber ausweisen soll. Das Gesetz nennt die drei Personen „Anweisender", „Anweisungsempfänger" und „Angewiesener". Doch kommen auch manche anderen Bezeichnungen (Delegant, Delegatar und Delegat, oder: Assignant, Assignatar, Assignat; im nahe verwandten W e c h s e l r e c h t : Aussteller, Remittent, Bezogener usw.) vor. Vgl. die Zeichnung. W

E O (Kaufmann)

(Bürger)

O G (Bankhaus)

W = Anweisender, E = Anweisungsempfänger, G =

Angewiesener.

Das Verhältnis zwischen E und W pflegt man, weil es hier darauf ankommt, daß der E die Valuta erhält, als V a l u t a v e r h ä l t n i s zu bezeichnen, das Verhältnis zwischen W und G, weil G natürlich auf seine Deckung bedacht sein muß, als D e c k u n g s v e r h ä l t n i s . Beachte, daß vorläufig zwischen E und G noch keine Beziehung da ist.

Die Erscheinung einer solchen in einem Schriftstück niedergelegten Anweisung ist uralt. Die Payrusfunde in Ägypten haben gezeigt, daß bereits dem Zeitalter der Ptolemäer der Anweisungsverkehr, selbst in den verfeinerten Formen des Giroverkehrs und des Kreditbriefes (vgl. unten Ziff. IV a) geläufig war; z. B. wurden die Beamtengehälter bereits im Staat der Ptolemäer durch Anweisungen an die Königliche Bank in Theben beglichen. Noch viel weiter entwickelt wurde der Anweisungsverkehr von den L o m b a r d e n und großen deutschen Finnen des Mittelalters (im Fuggerarchiv ruht z. B. eine Urkunde von 1530, in der der nachmalige Kaiser Ferdinand einen Teil der Gelder, die ihm das Bankhaus Fugger zu Zwecken der Wahl Ferdinands zum römischen König vorgestreckt hatte, durch Anweisung auf seine neapolitanische Rente von jährlich 16 000 Dukaten abdeckt).

H e u t e hat der Anweisungsverkehr einen außerordentlichen, doch aber noch entwickelungsfähigen Umfang erreicht. Nur darf man dabei weniger an die im BGB. geregelte G r u n d f o r m als vielmehr an A b a r t e n denken, die der Verkehr ausgebildet hat und die zum Teil s o n d e r g e s e t z l i c h geregelt sind. Am wichtigsten ist in letzterer Richtung der S c h e c k . Von ihm führt eine Linie zum W e c h s e l . Die u n m i t t e l b a r e Verwendung der Vorschriften des BGB. ist deshalb in der Praxis nur sehr beschränkt. Dagegen behält der 21. Titel seinen t h e o r e t i s c h e n W e r t , indem er die Gedankenfiguren hervortreten läßt, die dann (mit Abwandlungen) auch für den Scheck usw. bestimmend sind.

§ 41 II, III. Anweisung.

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Rechtslage

II. D i e V o r a u s s e t z u n g e n d e r A n w e i s u n g . a) N i e d e r l e g u n g i n e i n e r U r k u n d e . Bloße mündliche A n w e i s u n g ist keineswegs bedeutungslos (z. B. Fernsprechermitteilung an ein Bankhaus, daß es an Herrn X so und so viel auszahlen solle), sondern nach den a l l g e m e i n e n Regeln, etwa nach dem Typus „Auftrag" zu beurteilen. N u r die §§ 783ff. p a s s e n dann nicht.

b) Die Leistung muß auf G e l d , Wertpapiere oder andere vertretbare Sachen gehen. Geld steht natürlich auch hier durchaus im V o r d e r g r ü n d e . anderer Anweisung: Holzverabfolgezettel oder dgl.

Beispiel

c) Die Leistung muß gedacht und bezeichnet sein als Leistung auf R e c h n u n g des A n w e i s e n d e n . Der G soll also gleichsam n u r die Geschäfte des W führen, das spiegelt sich dann in dem Deckungsverhältnis wider. Falls dem G zugemutet wird, auf s e i n e eigene Rechnung zu leisten, so liegt nicht „Anweisung", sondern höchstens der Fall der sog. „Kreditbürgschaft" (§ 778 BGB.; unten § 56 VI) vor.

d) Im übrigen kann der I n h a l t d e r A n w e i s u n g sehr verschieden ausgestaltet sein. So betreffend den L e i s t u n g s - Z e i t p u n k t ; entweder soll sofort bei Vorlage des Papiers (auf Sicht) oder erst zu späterem Termin geleistet werden. Entweder soll ohne weiteres oder nur gegen Empfang einer Gegenleistung (das erstere weit häufiger) gezahlt w e r d e n . Entweder ist die Leistung an den ursprünglich Ermächtigten (E) gebunden, oder es ist die Ü b e r t r a g u n g an a n d e r e Personen statthaft (Gesetz für Abtretbarkeit, § 792).

e) A u s h ä n d i g u n g sungsempfänger.

der

Urkunde

an

den

Anwei-

Es bekommt also nicht der G, sondern der E das Papier in die Hand. Unsere Postanweisung ist d a n a c h keine echte „Anweisung". Doch schließt das nicht aus, daß gleichzeitig der W dem G von der Aushändigung der A n w e i s u n g an den E Mitteilung macht (sog. Avisbrief).

III. R e c h t s l a g e . a) U n m i t t e l b a r n a c h d e r A u s h ä n d i g u n g der Urkunde an den Anweisungsempfänger ist noch gar keine V e r p f l i c h t u n g da. Dies ist das merkwürdigste Kennzeichen der Anweisung. Vielmehr besteht nur eine doppelte sog. „ E r m ä c h t i g u n g " . Einmal ermächtigt der W den G, auf seine Rechnung zu zahlen, d. h. er will die Verantwortung tragen, wenn der G der Anweisung stattgibt. Zum zweiten ermächtigt der W den E. sich zu G zu begeben und dort gleichsam aus dem Wertfonds des W einen bestimmten Betrag abzuheben. In der Praxis besteht allerdings meist n e b e n 15 H e d e m a n n .

S c h u l J r e c h t , 3. Auf!

226

§ 41 III b. Anweisung; die Annahme

h e r bereits ein Schuld- und Pflichtenverhältnis zwischen W und G und W und E (näheres unter c). Aber diese Verpflichtungen beruhen nicht auf der Anweisung als solcher und, was das Wichtigste ist, es besteht noch keinerlei rechtliche Beziehung zwischen E und G, insbesondere ist der G vorläufig dem E gegenüber n i c h t z u r Zahlung verpflichtet. b) D i e A n n a h m e (§ 784) ist ein schriftlicher Vermerk, den der Angewiesene auf die ihm überbrachte Urkunde setzt, des Inhalts, daß er der Anweisung Folge leisten wolle. Der Text der Annahmeerklärung ist gleichgültig; selbst der bloße Name genügt, wenn nur daraus (was geschäftsüblich ist) der Wille zur Annahme gefolgert werden kann. Allerdings kann die Annahmeerklärung dadurch eine besondere Bedeutung bekommen, daß der Annehmende b e s o n d e r e Z u s ä t z e macht, etwa eine Bedingung beigibt oder einen Höchstbetrag einsetzt, über den hinaus er nicht zahlen will. W

E O

OG

Durch die A n n a h m e wird eine ganz neue R e c h t s l a g e g e s c h a f f e n . Es entsteht nunmehr eine Verpflichtung zwischen dem Anweisungsempfänger und dem Angewiesenen. Erst jetzt also ist juristisch die Linie EG gezogen. Jetzt erst hat E ein unmittelbares klagbares Recht gegen G auf Zahlung, und zwar e i n a b s t r a k t e s R e c h t , was sich wiederum in der bekannten Verkürzung der Einwendungen zeigt (§ 78412; vgl. oben § 4 V). B e i s p i e l : G hat „angenommen". Bald darauf gibt er (unvorsichtigerweise) an W die Wertpapiere zurück, die dieser ihm früher als Deckung ausgehändigt hatte. W bricht zusammen, G kann nichts mehr bei ihm herausholen. Trotzdem muß er an E zahlen, hat also sein gutes Geld eingebüßt.

In tausenden von Fällen ist eine besondere „Annahme" überflüssig, weil der G bei Vorlegung der Anweisung sofort zur Auszahlung schreitet. So ist es vor allem bei den Anweisungen „auf Sicht". Ein besonderes Versprechen, leisten zu wollen, wäre hier natürlich widersinnig. Es kann auch schon im voraus die „Annahme" auf das Papier gesetzt sein (§ 784 II 2). Z. B. zahlt möglicherweise der Bürger W bei dem Bankhaus G 1000 Mk. ein und bekommt dafür 10 Anweisungsformulare auf je 100 Mk., die bereits mit der Annahmeerklärung der Bank versehen sind. Das ist dann, Kreditwürdigkeit des Bankhauses vorausgesetzt, so gut wie bares Geld. Denn der Dritte (E) bekommt hier schon im Augenblick der Aushändigung der Urkunde einen klagbaren Anspruch

§ 41 III c. Valutaverhältnis und Deckungsverhältnis

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gegen die Bank, die dann natürlich bei normalen Verhältnissen ohne weiteres zahlt. — Gesetzlich v e r b o t e n ist die Annahme beim Scheck (vgl. IV b).

c) D i e e i n z e l n e n W e c h s e l b e z i e h u n g e n . 1. Das Verhältnis zwischen Anweisungsempfänger und Anweisendem ( V a l u t a v e r h ä l t n i s ) . Es wird so gut wie immer neben dem abstrakten Gebilde der Anweisung und ihrer Aushändigung an den E irgendein inneres Verhältnis zwischen dem E und dem W bestehen. Meist will der W mit der Anweisung eine Schuld an den E bezahlen, z. B. der Bürger, der einem Kaufmann für Lieferung von Waren eine solche Anweisung gibt. Es gilt dann der wichtige Satz, daß die Schuld des W erst dann als beglichen angesehen werden soll, wenn der E wirklich beim G Zahlung erhalten hat. (Altes deutsches Sprichwort: A n w e i s u n g i s t k e i n e B e z a h l u n g ) . Dadurch steht das heutige bürgerliche Recht (§ 788) im Gegensatz zum römischen Recht, das die Formel vertrat: „Qui delegat, solvit". Es ist aber darauf zu achten, o b n i c h t d e m P a r t e i w i l l e n e t w a s a n d e r e s e n t s p r i c h t . Es kann mit der Aushändigung der Anweisung eine ,.Hingabe an Erfüllungsstatt" (§ 363; oben § 24 III) gemeint sein. Vielleicht geht der Parteiwiüe auch nur dahin, daß der E wenigstens erst Zahlung beim G versuchen solle, ehe er sich mit seinem alten Schuldanspruch wieder gegen den W wendet.

Auch noch andere Pflichten können sich aus dem inneren Verhältnis der beiden ergeben. Ganz unabhängig von dem zuletzt erwähnten Gesichtspunkt kann der E verpflichtet sein, bei G die Anweisung pünktlich vorzulegen. So ist es namentlich im Falle des sog. „ I n k a s s o - M a n d a t s " . Hier soll der Anweisungsempfänger (E) das Geld bei dem Angewiesenen (G) „einkassieren" (und an den Anweisenden W weiterleiten). Damit wird wohl immer die Pflicht verbunden sein, auch wirklich an G heranzutreten. Kommt E dieser Pflicht nicht nach, so macht er sich dem W gegenüber s c h a d e n ersatzpflichtig, was z. B. dann sehr bedeutsam sein kann, wenn das Bankhaus G inzwischen (d. h. nach dem Zeitpunkt, in dem E die Anweisung hätte vorlegen sollen) zusammengebrochen ist. Das Gesetz erwähnt übrigens von sich aus eine A n z e i g e p f l i c h t des E im § 789. 2. Zwischen dem Anweisenden und dem Angewiesenen ( D e c k u n g s v e r h ä l t n i s ) . Auch hier ist so gut wie immer bereits ein internes Verhältnis im Augenblicke der Weggabe der Anweisung an den Dritten (den E) vorhanden oder kommt in diesem Augenblicke zustande. Namentlich schließt sich die Ausgabe von Anweisungen sehr häufig an eine vorher erfolgte K r e d i t e r ö f f 15*

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§ 41 IV a. Der Kreditbrief

n u n g seitens des Angewiesenen an. Es übernimmt etwa das Bankhaus G dem W gegenüber (meist nach vorheriger Deckung durch Wertpapiere oder dgl.) die Pflicht, seine Anweisungen einzulösen („seine Schecks zu honorieren"). Einzelheiten des einzelnen Falles pflegt der W dem G durch sog. A v i s b r i e f e anzukündigen, worauf dann in dem Text der Anweisung selbst nicht selten mit der Klausel „laut Bericht" hingewiesen wird. Diese Möglichkeit des W, dem G noch bestimmte nähere Weisungen zu erteilen, ist besonders deshalb wichtig, weil kraft Gesetzes (§ 790) der W grundsätzlich dem G gegenüber sogar die Anweisung w i d e r r u f e n kann (jedoch nicht mehr nach vollzogener Annahme!).

Andererseits hat der G möglicherweise aus dem internen Verhältnis Anspruch auf E r s a t z s e i n e r „ A u f w e n d u n g e n " , auch etwa entgangener Zinsen u. dgl. Eine sehr schwierige Frage ergibt sich dann, w e n n d i e A n w e i s u n g g e f ä l s c h t w o r d e n i s t . Hier wird grundsätzlich der Bezahlende (also der G) das Risiko zu tragen haben, so daß er dem W auf sein Guthaben den betr. Betrag nicht abbuchen darf. Anderes wird gelten müssen, wenn eine feste Geschäftsverbindung zwischen dem W und dem G besteht. Es greift dann § 670 ein, wonach ein Auftraggeber einem Beauftragten diejenigen Aufwendungen ersetzen muß, „die der Beauftragte den Umständen nach f ü r erforderlich halten darf". Doch ist in dieser Frage sehr vieles bestritten. Scharf denken! Hatte der G denn einen Auftrag dazu, d. h. dazu, auch einen gefälschten Zettel einzulösen?

3. Zwischen dem Anweisungsempfänger und dem Angewiesenen ( A n n a h m e - o d e r A u s z a h l u n g s v e r h ä l t n i s ) . Die Hauptsache bereits unter b: es entsteht mit der Annahme ein abstraktes, n u r gewissen Einwendungen zugängliches Schuldverhältnis. Einzelheiten vgl. im Gesetz (§§ 784if.). Hervorzuheben ist, daß der G nur gegen Aushändigung der Urkunde zu zahlen braucht, damit er gegen nochmalige mißbräuchliche Benutzung gesichert ist und dem W gegenüber einen Ausweis in den Händen hat.

IV. B e s o n d e r e A r t e n d e r A n w e i s u n g , a) D e r K r e d i t b r i e f (Akkreditiv). Das BGB. schweigt über diese Rechtsform. Der Kreditbrief unterscheidet sich von der gewöhnlichen Anweisung dadurch, daß er nicht auf eine bestimmte Summe (oder bestimmte Menge anderer beweglicher Sachen) lautet, sondern dem Empfänger (dem „Akkreditierten") beim Angewiesenen einen K r e d i t i n u n b e s t i m m t e r H ö h e verschaffen soll. Allerdings ist Beigabe eines Höchstmaßes nahezu selbstverständlich und deshalb auch verkehrsüblich.

§ 41 IV b. Der Scheck

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Die häufigste Form ist der Z i r k u l a r - K r e d i t b r i e f , der namentlich a u f R e i s e n gute Dienste leistet. Er ist nicht auf einen einzigen Angewiesenen, sondern auf eine ganze Reihe von A n g e w i e s e n e n an verschiedenen Plätzen (meist Bankhäuser) ausgestellt. Der Reisende ist dann in der Lage, je nach Bedarf an diesen Plätzen Geld in der betreffenden Landesmünze abzuheben. N a t ü r l i c h hat ein solcher Kreditbrief nur W e r t wenn das Deckungsverhältnis in O r d n u n g ist, w e n n also die Angewiesenen auf Grund genügender Deckung beim A n w e i s e n d e n (meist dem heimischen Bankhaus des Reisenden) geneigt sind, Auszahlungen zu machen.

Die rechtliche Behandlung muß in Anlehnung an das allgemeine Recht der Anweisung erfolgen. Manches paßt jedoch nicht, z. B. kann die Aushändigung der Urkunde natürlich nur bei Abhebung des letzten Betrages in Frage kommen. Auch das W i d e r r u f s r e c h t des § 790 wird meist als ausgeschlossen zu gelten haben. Anschauliches R e i c h s g e r i c h t s urteil: Bd. 64 S. 108ff. (Jahr 1906).

b) D e r S c h e c k . 1. Der Scheck verdient besondere Beachtung, weil er auf einem i n t e r n a t i o n a l e n F u n d a m e n t ruht. Im Jahre 1931 fand in Genf im Rahmen des damaligen Völkerbundes eine internationale Konferenz statt. Sie traf ein Abkommen über ein E i n h e i t l i c h e s S c h e c k g e s e t z . Einige „Vorbehalte" blieben dabei den Staaten, die sich anschließen wollten. Der Gesamteindruck, daß es sich hier um einen A k t i n t e r n a t i o n a l e r G e s e t z g e b u n g , sogar über Europa hinaus, gehandelt hat, wird dadurch wenig geschmälert. D e u t s c h l a n d ist dem Abkommen beigetreten und hat den „Einheitlichen Text" als d e u t s c h e s S c h e c k g e s e t z am 14.8.33 veröffentlicht. Dem A b k o m m e n sind (durch die sog. Ratifikation) in den folgenden J a h r e n außer Deutschland beigetreten: Dänemark, Finnland, Griechenland, J a p a n , Monako, Niederlande, Nikaragua, N o r w e g e n , Portugal, Schweden, Schweiz. Neben dem H a u p t a b k o m m e n ist ein ergänzendes Abkommen über die international-privatrechtlichen Wechselwirkungen getroffen worden, worin z. B. die Fragen geregelt werden, n a c h dem Recht welchen Landes „die F ä h i . g k e i t e i n e r P e r s o n , eine Scheckverbindlichkeit einzugehen", bestimmt werden soll (von welchem Lebensalter an und dergl.), nach dem Recht welchen Landes sich die F o r m der S c h e c k u r k u n d e und vor allem auch „die W i r k u n g e n der Scheckerklärung" (z. B. etwaige Nichtigkeit) richten soll.

2. D e r S c h e c k a l s R e c h t s f i g u r stellt einen engeren Ausschnitt aus dem Bereich der Anweisung dar. Der ausdrückliche Gebrauch des Wortes „Scheck" spielt dabei eine Rolle. Ohne dieses Wort kann das Papier allenfalls als gewöhnliche Anweisung gültig

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§ 42 I.

Inhaberschuldverschreibung

sein, fällt dann aber nicht unter die Besonderheiten des Scheckrechts. Die technische Besonderheit des Schecks, die f ü r ihn begriffsnotwendig ist, während sie bei der gewöhnlichen Anweisung fehlen kann, ist, daß die Anweisung auf ein vorher beim Angewiesenen untergebrachtes G u t h a b e n erfolgt. Gleichzeitig beruht darauf der wirtschaftliche U n t e r s c h i e d d e s S c h e c k s v o m W e c h s e l : der Scheck ist im allgemeinen Verfügung über ein vorhandenes Guthaben, während der Wechsel in den meisten Fällen Träger eines Kreditgeschäftes im engeren Sinne ist. Man hat das auch so ausgedrückt, daß der Mann, der einen Wechsel verkauft, Geld b r a u c h t , während der Mann, der einen Scheck verkauft, Geld h a t .

3. D a s S c h e c k r e c h t hat eine Reihe von B e s o n d e r h e i t e n . Die beteiligten drei P e r s o n e n werden mit besonderen Namen (die allerdings auch im Wechselrecht gebraucht werden) bezeichnet: Der Aussteller, der Zahlungsempfänger (Scheckinhaber), der „Bezogene". — Die sog. „ p a s s i v e S c h e c k f ä h i g k e i t " ist beschränkt, nicht jeder beliebige Bürgersmann kann als Bezogener auftreten, sondern n u r B a n k f i r m e n (Art. 3 ScheckG.) — Ausgeschlossen ist, wie schon erwähnt, beim Scheck die A n n a h m e . Dadurch soll sofortige Zahlung und ein möglichst rasches Einlösen erzielt werden; man will gerade ein allzu langes Umwandern solchen „Papiergeldes" vermeiden. Näheres in der Lehre von den Wertpapieren.

§ 42. Inhaberschuldverschreibungen (BGB. §§ 793ff.) I. W e s e n . Normalerweise ist das Schuldverhältnis auf b e s t i m m t e P e r s o n e n abgestellt (oben § 3IV), es trägt den Namen eines bestimmten Gläubigers und eines bestimmten Schuldners. Allerdings ist grundsätzlich ein W e c h s e l in der Person zugelassen. Insbesondere kann der Gläubiger sein Forderungsrecht „abtreten" (oben §28); er läßt dadurch einen neuen Gläubiger an seine Stelle rücken. Aber für gewisse Verkehrsbedürfnisse, die sich namentlich im letzten Jahrhundert in immer wachsender Stärke bemerkbar gemacht haben, reicht diese Art der Beweglichkeit des Schuldverhältnisses noch nicht aus. Man braucht Forderungsrechte mit erhöhter „U m 1 a u f s f ä h i g k e i t", bei denen die Person des Gläubigers gleichsam Nebensache und der rollende Wert, der von einer Hand in die andere gleitet, die Hauptsache ist. So ist der Gedanke aufgetaucht, Schuldversprechungen in einer Urkunde niederzulegen und diese Urkunde ohne jede Namennennung des Gläubi-

§ 42 II.

Inhaberschuldverschreibung

231

gers kurzerhand auf den „ I n h a b e r " zu stellen (vgl. bereits das Beispiel § 3IV). Damit verbindet sich dann ganz von selbst die R e c h t s r e g e l , daß das Recht aus dem Papier (das darin verkörperte Forderungsrecht) einfach dem Papier folgt, d. h. mit der Weitergabe des Papiers auch selbst ohne weiteres in eine neue Hand übergeht, also einen neuen Gläubiger bekommt. Die V e r w e r t u n g dieser Idee hat einen u n g e h e u r e n Umfang angenommen. Milliarden von W e r t e n sind in solchen Inhaberpapieren, oder wie das BGB. sagt: „Schuldverschreibungen auf den I n h a b e r " (§ 793ff.), niedergelegt. So stellen vor allem eine fast unübersehbare Masse von S t a a t s p a p i e r e n solche Schuldverschreibungen auf den Inhaber dar. Aber auch die P r i v a t w i r t s c h a f t bedient sich der Einrichtung in größtem Ausmaß. Das „Publikum" zeigt eine erstaunliche Bereitwilligkeit, diese äußerst umlaufsfähigen Papiere aufzunehmen. Die Bereitwilligkeit ist sogar so stark, daß der Staat das Publikum vor Unvorsichtigkeiten schützen zu müssen geglaubt hat. Deshalb darf keineswegs jede beliebige Firma oder Einzelperson Inhaberschuldverschreibungen auf den M a r k t bringen; vielmehr ist dafür (in den Grenzen des § 795) grundsätzlich s t a a t l i c h e G e n e h m i g u n g vorgeschrieben. — S t r a f r e c h t l i c h e r S c h u t z gegen Fälschung StrGB. §149 mit §§ 146, 147. Auch Ausgabe ohne die staatliche Genehmigung wird bestraft, § 145 a. Das persönliche Kreditverhältnis k a n n sich mit einem Stück R e a l k r e d i t (§ 39 III a) verbinden, indem dem (wechselnden) Gläubiger n e b e n d e r persönlichen Haftung des Ausstellers der Urkunde gewisse W e r t o b j e k t e zu Pfand gesetzt werden. Namentlich ist B e i g a b e e i n e r h y p o t h e k a r i s c h e n S i c h e r h e i t nichts Seltenes. Näheres im Sachenrecht bei den H y p o t h e k e n (vgl. §§ 1187ff.; charakteristische Figur d e r T r e u h ä n d e r nach § 1189). Für den V e r k e h r stehen, wie schon die Beispiele e r k e n n e n lassen, M a s s e n a u s g a b e n von Inhaberschuldverschreibungen, von denen jede einzelne ein Teilstück einer großen Schuld verkörpert, im Vordergrund. Doch geht dann grundsätzlich jedes einzelne Teilstück, jedes einzelne Papier seine eigenen Wege, und erst bei der späteren Einlösung der Schuld finden sie sich im ganzen oder „serienweise" wieder an der Kasse des Schuldners zusammen. Über den Fall, daß sie schon v o r h e r durch seine eigene Hand laufen, vgl. ob. § 27 III.

II. Die R e c h t s l a g e , die sich nach Ausgabe einer Inhaberschuldverschreibung ergibt, erfaßt man am besten vom S t a n d p u n k t d e s S c h u l d n e r s aus. Er schickt ein Versprechen in die Welt hinaus, ohne seinen Lauf verfolgen zu können, er verabschiedet es gleichsam und muß nun warten, wer sich am Einlösungstage als Träger der Forderung melden wird. Von vornherein ist dafür gesorgt, daß er nicht in ewige Zeiten hinein w a r t e n muß. Er hat ein berechtigtes Interesse, nach Ablauf einer Reihe von J a h r e n , vom Einlösungstage an gerechnet, wieder Herr seiner geschäftlichen Dispositionen zu sein. Darum ist eine (keineswegs kurze) «V o r 1 e g u n g s f r i s t" eingeführt; das Gesetz bestimmt, daß jeder An-

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§ 42 II a, b.

Inhaberschuldverschreibung

spruch aus der Schuldverschreibung e r l i s c h t , wenn sie b i n n e n 30 J a h r e n zur Einlösung vorgelegt wird (vgl. § 801).

nicht

Im übrigen kann der Schuldner recht verschiedenen Lagen gegenüberstehen. Es kann das Papier noch in den Händen des ersten Gläubigers sein, es kann statt dessen eine kürzere oder längere Wanderung durch mehrere Hände angetreten haben, es kann schließlich auch in die Hände eines Unberechtigten, eines Diebes oder Betrügers, gekommen sein, der es nun vorweist und sich auf seine Stellung als „Inhaber" stützt. Allen diesen Personen gegenüber erhebt sich die Frage, wie ihnen der Schuldner zu begegnen hat und welche etwaigen V e r t e i d i g u n g s m ö g l i c h k e i t e n ihm gegen den „Präsentanten" des Papiers zustehen. a) Ist das Papier noch in den Händen des e r s t e n I n h a b e r s , werden meistens keinerlei Besonderheiten vorliegen. Es ist dann ein gewöhnliches Schuldverhältnis da, der Schuldner hat insbesondere alle gewöhnlichen Verteidigungsmöglichkeiten, kann sich z. B. darauf berufen, daß er, trotzdem im Text der Urkunde der 1. J a nuar 1952 als Einlösungstermin genannt ist, bei der „Begebung" des Papiers an den ersten Inhaber mit diesem ausgemacht habe, es solle seine Rückzahlungspflicht erst nach einer vorgängigen sechsmonatigen Kündigung einsetzen. b) Sobald nun aber das Papier weitergewandert ist, ändert sich das Bild. D e r z w e i t e I n h a b e r (und ebenso jeder folgende) kann nicht mit dem Hinweis auf das alte Gläubigerrecht des ersten Gläubigers abgespeist werden. Vielmehr ist sein Gläubigerrecht als ein s e l b s t ä n d i g e s n e u e s Gläubigerrecht gedacht. Darin liegt ein wesentlicher Unterschied zu der gewöhnlichen „ A b t r e t u n g " eines Forderungsrechts, denn diese ist so gedacht, daß der neue Gläubiger eben n u r das schon vorhandene Gläubigerrecht des Vormannes zu sich herübernimmt. Der p r a k t i s c h e Erfolg dieses Unterschiedes in der Konstruktion zeigt sich bei der V e r t e i d i g u n g s m ö g l i c h k e i t des Schuldners. Während nämlich bei der gewöhnlichen Abtretung der Schuldner alle die Einwendungen, die er gegen den ersten Gläubiger hatte, ohne weiteres auch dem späteren Gläubiger entgegenhalten kann, weil sie eben dem hinübergegebenen Gläubigerrecht innewohnen (§ 404), beginnt bei dem Inhaberschuldbrief gleichsam bei jedem neuen Inhaber eine neue Rechnung. N u r d r e i S o r t e n v o n E i n w e n d u n g e n können ihm entgegengehalten werden (§ 796):

§ 42 II c.

Inhaberschuldverschreibung

233

1. Die, die sich aus dem Text des Papiers ergeben; denn diese mußte er k e n n e n . Es ist ein verbreiteter Brauch, dem Papier (meist auf der Rückseite) eine ganze Reihe von „Bedingungen" für die Rückzahlung beizugeben, z. B. über serienweise Auslosung usw. All das ist natürlich für j e d e n Inhaber verbindlich. 2. Die, die auf seinem eigenen besonderen Verhältnis zum Schuldner beruhen, z. B. eine v o n i h m bewilligte Stundung. Auch die Aufr e c h n u n g (ob. § 26) gehört hierher. Ferner der Einwand, daß er die Inhaberschuldverschreibung gestohlen oder eine gestohlene in grobfahrlässiger Unkenntnis e r w o r b e n habe (dazu N ä h e r e s sogleich unter c). 3. Die, „welche die Gültigkeit der Ausstellung betreffen", insbesondere, daß die Urkunde gefälscht sei; denn hier ist von Rechts w e g e n überh a u p t keine Schuldverschreibung zustande gekommen.

Dagegen versagen die Einwendungen, die nur den besonderen Beziehungen zu dem ersten Gläubiger (oder sonst einem anderen Gläubiger als dem, der jetzt das Papier vorweist) entspringen. Namentlich kann sich der Schuldner auch nicht mit dem Hinweis lösen, daß er an den ersten Gläubiger b e r e i t s b e z a h l t h a b e , denn dieser Einwand fällt unter keine der drei zugelassenen Kategorien. Als Ausgleich dafür ist dem Schuldner die Schutzvorschrift des § 797 gewidmet, daß er n u r g e g e n A u s h ä n d i g u n g d e s P a p i e r s zu zahlen braucht; so sichert er sich gegen eine zweite Präsentation. c) Alles Vorangegangene gilt nur für den Inhaber, der das Papier auf ordentlichem Wege erhalten hat. Nicht aber für den D i e b u n d s e i n e s g l e i c h e n . Darum setzt der § 793, der das Forderungsrecht des Inhabers aufstellt, sogleich hinzu: „es s e i d e n n , d a ß er z u r V e r f ü g u n g ü b e r d i e U r k u n d e n i c h t ber e c h t i g t ist". Es ergibt sich also, daß ,,G l a u b i g e r " u n d j n h a b e r" k e i n e s w e g s z u s a m m e n z u f a l l e n b r a u c h e n . Der Angestellte, der Inhaberpapiere unterschlagen hat und sie zur Einlösung präsentiert, ist zwar „Inhaber", keineswegs aber (berechtigter) Gläubiger. — Diese Bes c h r ä n k u n g ist erst i n z w e i t e r L e s u n g in das Gesetzbuch hineingekommen. D e r I. E n t w u r f (§ 687) bestimmte erstaunlicherweise: „Der Aussteller der Schuldverschreibung darf dem Inhaber derselben die Leistung nicht deshalb verweigern, weil dieser die Schuldverschreibung i n u n r e d l i c h e r W e i s e erworben hat", und die M o t i v e (Bd. 2 S. 697) führten zur Begründung nur an: „Der Aussteller hat daran, an w e n er zu leisten hat, nach der Natur der auf den Inhaber lautenden Urkunde kein berechtigtes Interesse". Andererseits umfassen die zitierten Gesetzesworte „daß er zur Verf ü g u n g über die Urkunde nicht berechtigt ist" keineswegs alle Nichtgläubiger. Es gibt Nichtgläubiger, die sehr wohl zur V e r f ü g u n g berechtigt sind, nämlich alle die, die der wirkliche Gläubiger mit der Verf ü g u n g betraut, die er insbesondere zu seinem I n k a s s o m a n d a t a r

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§ 42 II d.

Inhaberschuldverschreibung

bestellt hat, oder auch die, die kraft Gesetzes nur Verwalterstellung haben wie der Testamentsvollstrecker (§§ 2197ff.) oder der Ehemann in Ansehung des Frauengutes (§ 1363).

Nach dem bisherigen dürfte der Schuldner an einen solchen „nichtberechtigten" Inhaber nicht zahlen. Anderenfalls liefe er Gefahr, daß hinterher der wahre Gläubiger kommt und noch einmal Zahlung von ihm verlangt. Aber gerade hier setzt nun die w i c h t i g s t e E i g e n t ü m l i c h k e i t d e r I n h a b e r s c h u l d.v e r s c h r e i b u n g e n ein: Der Schuldner wird nämlich „auch durch die Leistung an einen nicht zur Verfügung berechtigten Inhaber b e f r e i t " . Dies ist allerdings nicht so zu verstehen, als ob der Schuldner, der den Präsentanten als offenbaren Betrüger erkannt hat, kühlen Herzens an diesen zahlen und dann dem echten Gläubiger seine „Befreiung" von der Schuld aus § 793 I 2 entgegenhalten dürfte (vielmehr wird er in solchem Falle mit einer S c h a d e n s e r s a t z p f l i c h t aus § 826 zu belasten sein). Wohl aber soll damit gesagt werden, daß der Schuldner v o n j e d e r P r ü f u n g s p f l i c h t b e f r e i t ist, und gerade darin zeigt sich wiederum deutlich der hohe Grad von „Verkehrsfähigkeit", der den Inhaberschuldverschreibungen innewohnt: Man darf zahlen auf bloße Vorweisung des Papiers (an den bloßen „Inhaber") und ist damit ein f ü r allemal der Schuld ledig geworden. Schulfrage: Befreit auch die Z a h l u n g a n e i n e n Geistesk r a n k e n , der nun vielleicht das Geld sogleich wegwirft? Manche lehren, eine solche Zahlung sei nichtig, habe also keine befreiende Wirkung, das Risiko einer solchen Lage müsse der (zahlende) Schuldner tragen. Dem ist aber nicht beizutreten. Der Gedanke, den Schuldner von jeder Prüfungspflicht zu befreien, ist auch hier zu seinen Gunsten durchschlagend.

Immerhin hat der Gesetzgeber auch das Interesse des (etwa bestohlenen) Gläubigers nicht ganz außer acht gelassen. Er gibt ihm die Möglichkeit, das verloren gegangene Papier im Wege eines öffentlichen Aufgebots f ü r k r a f t l o s e r k l ä r e n zu lassen (§ 7991, und das muß dann auch der Schuldner beachten (Verschärfung im Handelsrecht, HGB. § 367). d) Es bleibt noch die Möglichkeit, daß die Schuldverschreibung o h n e d e n W i l l e n i h r e s A u s s t e l l e r s in d e n V e r k e h r g e k o m m e n , daß sie beispielsweise ihm selber, noch bevor er sie an die Börse gebracht oder sonst „begeben" hat, gestohlen worden ist. In solchem Falle ist er trotzdem zur Einlösung verpflichtet (§ 794). Diese Entscheidung hat der Gesetzgeber nach sorgfältiger P r ü f u n g und Abwägung der beiderseitigen Ineressen getroffen.

§ 42 t II d. Gestohlene Inhaberschuldverschreibung

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Man k ö n n t e aus einem doppelten Grunde geneigt sein, entgegengesetzt zu entscheiden: 1. Der Aussteller habe ja gar nicht den W i l l e n gehabt, schon verpflichtet zu w e r d e n (es fehle also an der unerläßlichen Willenserklärung), 2. es sei ungerecht, ihn bei solchem Tatbestand haften zu lassen. In der Tat ist diese Meinung im gemeinen Recht lebhaft vertreten worden. Auch heute noch hat sie Anhänger. Deren Standpunkt nennt m a n V e r t r a g s t h e o r i e . Man will damit besagen, daß erst dann ein Schuldverhältnis entstanden und eine H a f t u n g gegeben sei, w e n n die Papiere in geordnetem Meinungs- und W i l l e n s a u s t a u s c h in den Verkehr gelangt sind. Aber das ist nicht der S t a n d p u n k t des Gesetzes. § 794 läßt den Aussteller auch dann haften, w e n n die Papiere ohne seinen Willen in die Hände eines (gutgläubigen) Erwerbers gelangt sind. Diesen Standpunkt n e n n t man K r e a t i o n s t h e o r i e , weil schon die Schaffung (Kreation) der Schuldverschreibung ausreiche, um den Aussteller zum Schuldner zu machen. Den beiden Argumenten der Vertragstheorie begegnen die A n h ä n g e r der Kreationstheorie wie folgt: 1. nach außen hin erscheine der Wille des Ausstellers gewährleistet, sobald er in der Urkunde seinen Ausdruck g e f u n d e n habe, es w e r d e die Haftung also doch vom (einseitigen) Willen des V e r s p r e c h e n d e n getragen; 2. ungerecht sei die Regelung nicht, weil sie nur dem Gutgläubigen (der in seinem Vert r a u e n geschützt w e r d e n müsse) zugute käme.

Scheinbar widerstreitet die Bestimmung des § 794 den unter c gefundenen Ergebnissen. Denn danach steht der D i e b (oder seinesgleichen) eben doch dem Aussteller der Schuldverschreibung machtlos gegenüber. Aber mit diesem e i n f a c h e n Tatbestande hat es § 794 auch gar nicht zu tun. Er setzt vielmehr voraus, daß der Vorweiser des Papiers nicht der Dieb selber, sondern, wie es § 793 verlangt, jemand ist, der „zur Verfügung über die-Urkunde berechtigt ist". Das aber ist nur möglich auf Grund der V o r s c h r i f t e n über den E i g e n t u m s e r w e r b kraft g u t e n Glaubens. Es zeigt sich hier der enge Zusammenhang des R e c h t s a u s d e m P a p i e r mit dem R e c h t a m P a p i e r . Grundsätzlich ist verfügungsberechtigt im Sinne des § 793, w e r das E i g e n t u m an dem Papier erw o r b e n hat. Für den Eigentumserwerb kommen die §§ 929ff. zur Anwendung. Nach ihnen (§ 932) k a n n man, wenn man gutgläubig ist, auch von einem Vormann, der selber gar nicht Eigentum hat, Eigentum e r w e r b e n (natürlich auf Kosten des bisherigen w a h r e n Eigentümers, der im gleichen Augenblick sein Eigentum verliert). Davon ist im § 935 Abs. I eine A u s n a h m e betreffend „gestohlene, verlorene, oder sonst abhanden gekommene Sachen" gemacht: s i e kann man also n i c h t k r a f t guten Glaubens erwerben, vielmehr ist hier das alte Eigentum des Bestohlenen stärker. Indessen wird davon wiederum, in einem eigenartigen „ZickzackKurs", eine U n t e r a u s n a h m e gemacht, und dabei stoßen wir n u n unter der allgemeineren Bezeichnung „Inhaberpapiere" auch auf unsere Schuldverschreibungen auf den Inhaber. Der Abs. II des § 935 bestimmt nämlich: „Diese Vorschriften (die Ausnahme) finden keine A n w e n d u n g auf Geld oder Inhaberpapiere usw." So kann also auch an gestohlenen (verlorenen oder sonst a b h a n d e n gekommenen) Inhaberschuldverschreibungen d e r G u t g l ä u b i g e e c h t e s E i g e n t u m e r w e r b e n . Und

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§ 42 III. Stammpapier und Zinsschein damit gewinnt erst der § 794 Abs. I volles Leben: Zwar der Dieb, der die Papiere vor der Begebung gestohlen hat, bleibt machtlos, aber der gutgläubige Erwerber kann nunmehr den Aussteller a u f G r u n d d e r b l o ß e n „ K r e a t i o n " voll und ganz in Anspruch nehmen.

III. S t a m m p a p i e r u n d N e b e n p a p i e r e . Es ist denkbar, aber höchst selten, daß das von einem Inhaberschuldbrief gedeckte Geld unverzinslich hingegeben ist. In der großen Masise der Fälle steht das Geld g e g e n Z i n s e n aus; der Kapitalist hat sich Inhaberschuldverschreibungen als „Anlage" f ü r sein Geld gekauft (vgl. § 40 Ia, § 39 IIIc). Hier könnte nun f ü r das Eintreiben der Zinsen der Weg gewählt werden, daß der Gläubiger (Inhaber) an jedem einzelnen Zinstermin dem Schuldner die Schuldverschreibung in natura vorlegt, sich dadurch ausweist und auf diese Weise die Zinsen abhebt. Ein viel zu umständlicher Weg. Bei den marktgängigen Inhaberpapieren, die über hundert Plätze verbreitet sind, wohnen die vielen Gläubiger nur zu geringem Bruchteil am gleichen Platz wie der Schuldner. Versendung des Stammpapiers brächte Belästigungen und Gefahren. So ist der Gedanke aufgekommen und als das durchaus Regelmäßige in die Tat umgesetzt worden, die Zinsverpflichtungen in selbständigen Urkunden (meist viel kleineren Formats) niederzulegen, und zwar für jeden einzelnen künftigen Zinstermin besonders. Diese Schaffung selbständiger Zinss c h e i n e ( C o u p o n s ) neben dem Stammpapier hat dann noch den besonderen verkehrstechnischen Vorteil, daß der Gläubiger, ohne sich von dem Stammwert und dem Stammpapier zu trennen, jeden einzelnen Zinsschein selbständig in den Verkehr bringen, z. B. mit solchen Zinsscheinen seine Rechnungen bezahlen kann; es werden nämlich die Zinsscheine (wenn es sich u m sichere, anerkannte Papiere handelt) im Verkehr fast wie Bargeld angenommen. Vereinigung der Scheine für eine ganze Reihe künftiger Zinstermine zu einem B o g e n . Zu jeder einzelnen Schuldverschreibung, die das Teilstück einer größeren Anleihe bildet (oben I a. E), gehört dann ein solcher Bogen. Jedesmal, wenn ein Zinstermin herangekommen ist, schneidet man den damit fällig gewordenen Zinsschein ab (franz. couper; daher Coupon). Am Schluß des Bogens ist oft ein „ E r n e u e r u n g s s c h e i n " ( T a l o n ) angehängt, gegen den man einen neuen Zinsbogen für die nunmehr beginnende, weitere Reihe von Zinsterminen erhält. Abart: die D i v i d e n d e n s c h e i n e („Gewinnanteilscheine"). Die Zinsscheine sind von vornherein auf einen bestimmten Prozentsatz gestellt. Das paßt nicht zu allen Geschäftsunternehmungen. Manche wollen Jahr für Jahr erst den Gewinn abwarten und diesen dann verteilen (dividere). Dahn lauten die kleinen Begleitscheine des Stammpapiers eben nicht auf einen Jahr für Jahr gleichen festen Betrag, sondern geben nur die Anwartschaft auf den Dividendensatz, vorausgesetzt, daß überhaupt ein Gewinn gemacht und Ausschüttung einer Dividende möglich

§ 42 IV a. Verpflichtungszeichen des § 807

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ist. Deshalb ist bei ihnen auch die r e c h t l i c h e Abhängigkeit von der Stammschuld und deren Schicksalen stärker. Die im folgenden erwähnte S e l b s t ä n d i g k e i t der Zinsscheine darf auf die Divi'dendenscheine nur mit Vorsicht übertragen werden.

Die Zinsscheine werden regelmäßig auch ihrerseits, und zwar jeder f ü r sich, zu I n h a b e r p a p i e r e n gestaltet, die dann unabhängig von dem Stammpapier im Verkehr umlaufen können. Ihre S e l b s t ä n d i g k e i t drückt sich namentlich darin aus, daß sie ihre K r a f t behalten, auch wenn die Hauptforderung (vielleicht überraschend infolge der sehr gebräuchlichen serienweisen A u s l o s u n g ) zur Rückzahlung gekommen und damit erloschen ist (Näheres § 803). IV. A b a r t e n . Die Masse der Bogen, Zettel und Papiere, die als Träger einer raschem Umlauf zugänglichen Forderung dienen sollen, ist mit den reinen Schuldverschreibungen auf den Inhaber nicht erschöpft. Der Verkehr, zumal der h a n d e l s r e c h t l i c h e , hat eine Fülle von anderen „Papierverpflichtungen" erfunden, und auch das BGB. hat zwei Abarten anerkannt, ohne damit, dank der allgemeinen Vertrags fr eiheit, den Weg zu noch anderen Abarten zu versperren. a) V e r p f l i c h t u n g s z e i c h e n , die f ü r die Geltendmachung irgendeiner Forderung als Ausweis dienen sollen, ohne sich in dem festen Text einer Schuldverschreibung niederzuschlagen, kennt der Verkehr in großer Zahl. Theaterbillets, Fahrkarten, Bons auf Waren und vieles andere gehört hierher. Diese Zeichen dienen dem K l e i n v e r k e h r , auch wenn sie oft gleichzeitig in größeren Massen ausgegeben werden. Sie spiegeln den Inhalt der Verpflichung nicht selten n u r andeutungsweise wider, enthalten vielleicht nur eine Nummer, einen Stempel oder ein einzelnes Stichwort. Es kann sehr verschiedenes gemeint sein. A u s l e g u n g muß dann den Sinn ermitteln und daraus die Tragweite der rechtlichen Bindung ableiten. Häufig aber will man ähnliches erreichen wie bei der Inhaberschuldverschreibung, und diese Gruppe ( n u r diese, als die wichtigste) hat das BGB. im § 8 0 7 herausgegriffen und hat sie den Inhaberschuldbriefen angenähert. Nur angenähert, denn nicht alles aus den vorangegangenen §§ 793ff. paßt auf diese viel einfacheren Verhältnisse. So muß wegbleiben, was auf den Großverkehr zugeschnitten ist: die staatliche Genehmigung (oben I), die Zerlegung in Stamm- und Begleitpapiere (oben III), das Institut der Kraftloserklärung (oben vor Ild) und die Vorlegungsfrist (oben II). Immerhin bleibt f ü r diese Sorte von Verpflichtungszeichen doch

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§ 42 IV b. Legitimationspapiere des § 806

das, was den Kern der Inhaberschuldverschreibungen ausmacht: das Leisten .auf Grund der bloßen Präsentation, mit befreiender Wirkung f ü r den Schuldner, ohne daß er zur P r ü f u n g der Legitimation des ..Inhabers" verpflichtet wäre (IIc), die Bindung, auch wenn die Bons oder Marken gestohlen worden sind (Ild), seine Beschränkung in den Einwendungen (IIb) und als Schutzmittel das Recht, nur gegen Aushändigung der Marke oder des Bons zu leisten (II a. E.). b) Die L e g i t i m a t i o n s p a p i e r e d e s § 8 0 8 . Jede Inhaberschuldverschreibung (Ziff. Iff.) und jedes Verpflichtungszeichen (vorstehend a) hat ein gewisses Maß legimitierender K r a f t . Es gibt nun aber eine Gruppe von Papieren, die an sich n i c h t jedem Beliebigen zustehen, vielmehr auf den Namen eines bestimmten Gläubigers gestellt sind (§ 808: ,,in denen der Gläubiger benannt ist"), doch aber dem Inhaber als solchem eine verstärkte Stellung gewähren und um dieser b e s o n d e r e n Legitimationskraft willen als „Legitimationspapiere" in einem ganz bestimmten Sinne bezeichnet werden. Es gehören hierher vor allem die S p a r k a s s e n b ü c h e r , viele V e r s i c h e r u n g s s c h e i n e und die L e i h h a u s s c h e i n e . Gedacht ist bei ihnen an einen ganz bestimmten Gläubiger, sein Name steht in dem Buch oder auf dem Schein. Aber der Schuldner will wiederum der P r ü f u n g s p f l i c h t überhoben, will „befreit" sein, wenn er kurzerhand dem Präsentanten („Inhaber") geleistet hat, und das Gesetz gewährt ihm dies, weshalb man von „ i n h a b e r p a p i e r ä h n l i c h e n N a m e n s p a p i e r e n " spricht. Doch besteht keine volle Identität mit den Inhaberpapieren. Nur die B e r e c h t i g u n g des Schuldners, ohne Prüfung zu zahlen, ist übertragen, nicht aber in gleichem Maß seine P f l i c h t , dem „Inhaber" zu Diensten zu sein. Das zeigt sich in aller Schärfe bei der Frage der B e w e i s 1 a s t. Wenn nämlich der Schuldner es doch für angezeigt hält, der „Berechtigung" des präsentierenden Inhabers nachzugehen, so ist bei der echten Inhaberschuldverschreibung er selbst genötigt, dem Präsentanten zu beweisen, daß dieser „zur Verfügung über die Urkunde nicht berechtigt sei" (§ 793: „ . . . es sei denn, daß"): also ist hier die Stellung des Inhabers immerhin kräftig. Bei den Sparkassenbüchern und sonstigen Legitimationspapieren des § 808 genügt dagegen die bloße Ablehnung des Schuldners (der Sparkasse), um den Präsentanten in die Stellung des Beweisbelasteten zu drängen: Der Schuldner kann abwarten, bis der „Inhaber" beweist, er habe auch die Berechtigung an dem Papier (dem Buche). Also ist hier die Stellung des Inhabers als solchen wesentlich schwächer, und man pflegt deshalb auch von „ h i n k e n d e n I n h a b e r p a p i e r e n " zu sprechen.

§ 43 I. Versicherungsvertrag

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§ 43. Versicherungsvertrag u n d L e i b r e n t e (RG. v o m 30. M a i 1908. — B G B . §§ 759ff.) I.

Versicherungsvertrag.

a) W e s e n . D a s g e l ä u f i g s t e B e i s p i e l e i n e s V e r s i c h e r u n g s v e r t r a g e s b i e t e t d i e L e b e n s v e r s i c h e r u n g . D a n e b e n g i b t es a b e r n o c h v i e l e a n d e r e A r t e n , w i e z. B. F e u e r - , H a g e l - , H a f t p f l i c h t - V e r s i c h e r u n g . A l l e n diesen V e r t r ä g e n ist g e m e i n s a m , d a ß d e r e i n e T e i l (der „ V e r s i c h e r u n g s n e h m e r " ) Einzahlungen macht, w ä h r e n d der a n d e r e Teil i h m v e r s p r i c h t , i m F a l l e des E i n t r i t t s des b e s t i m m e n d e n E r e i g n i s s e s seinerseits eine Zahlung zu machen. Darin liegt einmal ein a l e a t o r i s c h e s Moment (Spielmomen*; vgl. den nachfolgenden § 44). Man kann „gewinnen" oder „verlieren". Wer bei einer Feuerversicherung niemals abbrennt, hat gewissermaßen jahraus, jahrein seine Beiträge umsonst gezahlt. Wer dagegen schon im ersten oder zweiten Jahr ein Brandunglück erleidet, der hat gewissermaßen gut gewonnen. Aber es wäre doch von Grund aus verkehrt, die Versicherungsverträge mit dem Spiel oder der Wette auf eine Stufe zu stellen. Das „aleatorische" Moment tritt hinter dem w i r t s c h a f t l i c h e i n w a n d s f r e i e n Gedanken, daß durch die Versicherung gerade die Gefahren des. Zufalls beseitigt oder gemildert werden sollen, durchaus zurück. Spiel zielt auf Gewinn, Versicherung auf Verhinderung von Verlusten. Darum ist auch die Stellung der R e c h t s o r d n u n g eine ganz andere: sie läßt aus dem Versicherungsvertrag einen vollen Anspruch entstehen und stattet ihn mit Klagbarkeit aus, während das bei Spiel und Wette gerade fehlt. Zum anderen ruht in jedem Versicherungsvertrag ein Stück K r e d i t gewährung. Man vertraut jemandem Geld an, um es bei gegebener Lage in einer freilich ganz anderen Form und in einem ganz anderen Ausmaß zurückzubekommen. In dieser Rolle haben die Versicherungsverträge eine sehr große Bedeutung für das gesamte Wirtschaftsleben gewonnen. (In den ruhigen Zeiten vor dem zweiten Weltkrieg waren z. B. in Deutschland Vermögenswerte von etwa 500 Milliarden gegen Feuer versichert. Die Versicherungssumme bei den Lebensversicherungsanstalten dürfte damals etwa 18 Milliarden oder mehr betragen haben). Das Versicherungsgeschäft hat von Anfang an in den Händen eigens dafür geschaffener G e s e l l s c h a f t e n gelegen. Sie trugen anfänglich rein privaten Charakter. Mehr und mehr sind sie aber unter den Druck öffentlich-rechtlicher Vorschriften getreten. Dem dient vor allem das V e r s i c h e r u n g s a u f s i c h t s g e s e t z vom 6. Juni 1931 (viele Änderungen in der Folgezeit), das insbesondere den Geschäftsbetrieb aller Versicherungsunternehmungen an die E r l a u b n i s der Aufsichtsbehörde bindet (Konzessionssystem). Ein eigenes Reichsaufsichtsamt für Privatversicherungen wurde mit der obersten Leitung betraut. — In der derzeitigen Ostzone Deutschlands ist das private Versicherungswesen so gut wie ganz, erloschen und in der ö f f e n t l i c h e n Sozialversicherung (unten f) aufgegangen.

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§ 43 I b, c.

Versicherungsvertrag

b) Die p r i v a t e Versicherung nimmt ihren Ausgang von einem Vertrag schuldrechtlichen Charakters. Dieser private Versicherungsvertrag ist aber nicht im BGB. geregelt, sondern in einem eigenen R e i c h s g e s e t z . ü b e r d e n V e r s i c h e r u n g s v e r t r a g vom 30. Mai 1908 (viele Änderungen in den folgenden Jahren; letzte wichtigere vom 19.12. 39). Neben der gesetzlichen Regelung herrscht auch hier begrenzte Vertragsfreiheit. Meist werden dem Vertrage sog. „ a l l g e m e i n e V e r s i c h e r u n g s b e d i n g u n g e n " beigegeben, die bei entsprechendem Parteiwillen zum Bestandteil des Vertrages werden. Diese „Allgemeinen Versicherungsbedingungen", meist v o n den V e r b ä n d e n der Gesellschaften entworfen (aber der P r ü f u n g durch die staatliche Aufsichtsbehörde unterliegend), n a t u r g e m ä ß verschieden für die einzelnen Versicherungszweige, sind ein Musterbeispiel für p r i v a t e k o d i f i k a t o r i s c h e A r b e i t . Denn sie n ä h e r n sich in ihrer Fassung wirklichen Gesetzestexten und wirken in der Praxis, obwohl im Rahmen v e r t r a g l i c h e r V e r e i n b a r u n g e n stehen bleibend, immerhin ähnlich wie ein Gesetz. Ihre A u s l e g u n g spielt eine große Rolle. Die den Versicherungsnehmer begünstigende Tendenz tritt auch hierbei gelegentlich in Erscheinung, z. B. RG. Bd. 120 S. 20. Eine e i n s e i t i g e nachträgliche Ä n d e r u n g der „Bedingungen" durch die Versicherungsgesellschaft ist nicht zulässig (RG. Bd. 113 S. 280).

c) Die B e t e i l i g t e n . Mindestens sind zwei Personen beteiligt, der „Versicherer" und der „Versicherungsnehmer". Es kann aber der Vertrag auch so abgeschlossen werden, daß die Versicherung einem Dritten zugute kommen soll, der dann „Versicherter" ist. Anschaulichstes Beispiel die L e b e n s v e r s i c h e r u n g . Da die Versicherungssumme erst nach dem Tode des Versicherungsnehmers ausgezahlt w e r d e n soll, muß noch ein Dritter hinzugenommen werden. Das k ö n n e n die „Erben" des Erblassers sein, so namentlich, w e n n der V e r s i c h e r u n g s n e h m e r keine besonderen Bestimmungen getioffen hat. Aber ebensogut k a n n der V e r s i c h e r u n g s n e h m e r gleich im Versicher u n g s v e r t r ä g e oder später bestimmen, daß die Versicherungssumme u n a b h ä n g i g von der Erbfolge irgendeiner dritten Person, e t w a einem v e r a r m t e n Seitenverwandten, zufallen soll. Der Lebensversicherungsvertrag nimmt damit den C h a r a k t e r eines V e r t r a g e s z u g u n s t e n e i n e s D r i t t e n an, er wird auch vom Gesetzgeber ausdrücklich mit diesem in Zusammenhang gebracht (§ 330 BGB.; Dogmatik oben § 12). W i e bei jedem Vertrag zugunsten eines Dritten taucht nun die weitere Frage auf, ob und wie lange der Versicherungsnehmer das R e c h t z u m W i d e r r u f hat, d. h. den „Dritten", den er zunächst im V e r s i c h e r u n g s v e r t r a g e als Empfänger der Versicher u n g s s u m m e bestimmte, wieder streichen und durch einen anderen Empfänger ersetzen kann. Im Zweifel wird man dem Versicherungsnehmer bis zu seinem Tode freie Hand, also die Möglichkeit einer a n d e r e n Bestimmung lassen müssen (vgl. BGB. § 331).

§ 43 I f.

Sozialversicherung

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d) A b w ä g u n g d e r b e i d e r s e i t i g e n I n t e r e s s e n ist das Kennzeichen des Gesetzes. Mehrfach wird in deutlicher Weise das Interesse des V e r s i c h e r u n g s n e h m e r s wahrgenommen. 1. Nach dem V e r t r a g hat der Versicherungsnehmer oft eine Reihe von Obliegenheiten, z. B. Nachrichtenpflicht, zu übernehmen. Verstößt er dagegen, so herrscht das V e r s c h u l d e n s - P r i n z i p (§6: „. .. tritt die vereinbarte Rechtsfolge nicht ein, wenn die Verletzung als eine unverschuldete anzusehen ist"). 2. Die sog. s t i l l s c h w e i g e n d e V e r l ä n g e r u n g gilt immer nur höchstens für ein J a h r (§ 8). 3. Für gewisse Verpflichtungen des Versicherungsnehmers sind M i n d e s t f r i s t e n aufgestellt, u m ihm Zeit zur Ü b e r l e g u n g zu lassen oder einem zu j ä h e n Verfall seiner Rechte entgegenzuwirken (vgl. §§ 12, 39). 4. Die Vollmacht der A g e n t e n („Vertreter") ist gesetzlich umschrieben und kann mit W i r k u n g gegen den Versicherungsnehmer durch interne A b m a c h u n g zwischen der Gesellschaft und ihren Agenten nicht beschränkt w e r d e n (§ 47). 5. Dazu treten noch viele Einzelheiten, z. B. daß bei der Lebensversicherung der Anspruch erhalten bleibt, w e n n ein etwaiger S e l b s t m o r d in geistiger Umnachtung vollzogen worden ist (§169), oder daß bei der Unfallversicherung an den Versicherten k e i n e u n b i l l i g e n Z u m u t u n g e n b e t r . O p e r a t i o n , ärztlicher Untersuchung, Unterbringung in A n s t a l t e n gestellt werden dürfen (vgl. § 183).

Auf der anderen Seite wird dem Interesse des V e r s i c h e r e r s z. B. gegenüber b e t r ü g e r i s c h e m V e r h a l t e n des Versicherungsnehmers Rechnung getragen (Rücktrittsrecht aus § 16, Anfechtungsrecht aus § 22). W e i t e r e Punkte, die für den Versicherer kritisch werden können: nachträgliche Gefahrerhöhung (z. B. Beginn eines Handels mit feuergefährlichen Stoffen bei einer Feuerversicherung), Überversicherung (vgl. § 51), heimliche Doppelversicherung (vgl. §§ 59ff.).

e) D e r V e r s i c h e r u n g s s c h e i n („Police"). Häufig wird über das Versicherungsverhältnis eine Urkunde ausgestellt, die der Versicherungsnehmer in die Hand bekommt. Diese Urkunde hat jedenfalls Beweiswert. Oft aber wird ihr der Charakter eines W e r t p a p i e r s verliehen, indem sie zum Träger der Versicherungsforderung gemacht wird. Damit geht dann ihre Ü b e r t r a g b a r k e i t Hand in Hand. Sie nähert sich dann den Urkunden des §808 BGB. (oben § 42 IVb). fl A n h a n g . D i e S o z i a l v e r s i c h e r u n g . Neben der privaten Versicherung, diese weit überholend, ist seit den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts in Deutschland als dem ersten Lande der Welt ein großartiges Werk der öffentlichen Versicherung aufgestiegen, das in allen Kulturländern der Welt Nachbildung gefunden hat. Es 16 H e d e m a n n , S c h u l d r e c h t , 3. AutJ.

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§ 43 II. Leibrentenvertrag

soll dabei der breiten Masse der Bevölkerung, der die Mittel zum Abschluß privater Versicherungen fehlen, eine V e r s i c h e r u n g v o n S t a a t s w e g e n geboten werden. Das Ziel ist dabei Versicherung gegen das Leid des Lebens in seinen vier Grundformen: U n f a l l , K r a n k h e i t , A l t e r s s c h w ä c h e (und Tod) und A r b e i t s l o s i g k e i t . Weitere Zweige dieses sozialen Versicherungswerkes sind hinzugetreten. Der materielle Grundgedanke ist, ein ausreichendes finanzielles Fundament f ü r die verschiedenen Zweige dieser Versorgung zu schaffen und dauernd zu erhalten. Der leitende soziale und politische Gesichtspunkt ist, f ü r die Beschaffung dieses Fundaments eine gerechte V e r t e i l u n g d e r L a s t e n auf die Arbeitnehmerschaft, unter Hinzunahme staatlicher Subventionen zu gewinnen. Die praktische Durchführung liegt in der Hand öffentlichrechtlicher, mit Selbstverwaltung ausgestatteter Körperschaften u n d Anstalten. Die Erfassung der Versicherten erfolgt durch unmittelbare gesetzliche Verpflichtung, beruht also grundsätzlich nicht auf freiwilligem Beitritt und privatem Vertragsschluß. Der gesamte Stoff der Sozialversicherung und der ihr verwandten öffentlich-rechtlichen Sozialisierungsmaßregeln (vor allem in der Ostzone entfaltet) fällt daher aus dem Rahmen des bürgerlichen Rechts hinaus. Die hauptsächlichsten Daten unten § 45 I a 2 und 4.

II. D e r L e i b r e n t e n v e r t r a g (BGB. §§ 759ff.). a) S e i n W e s e n . Unter R e n t e ist im allgemeinen der in bestimmten Zeitabschnitten regelmäßig wiederkehrende Empfang von Geld oder anderen vertretbaren Sachen zu verstehen. L e i b r e n t e n v e r t r a g ist eine Abmachung, die dem einen Teil solche Leistungen (also eine Rente) f ü r die Lebenszeit sichern soll. Leibrentenverträge sind auch unentgeltlich denkbar. Das spielt aber in der Praxis keine Rolle. Deshalb gehört seinem Grundwesen nach auch der Leibrentenvertrag zu den Kreditgeschäften. Das Gesetz hat den Leibrentenvertrag als eigenes Schuldverhältnis anerkannt, hat ihm aber eine sehr dürftige Regelung widerfahren lassen (§§ 759—761). Stark ergänzend greift das L a n d e s r e c h t ein, das gemäß HG. 96 die vielen bäuerlichen ,,Leibgedinge-", „Leibzuchts-", „Altenteils-" oder „Auszugs-Verträge" jedenfalls dann regeln darf, wenn der Vertrag mit der Überlassung eines Grundstücks in Zusammenhang steht. In der Tat liegt d a s H a u p t a n w e n d u n g s g e b i e t d e r L e i b r e n t e i n d i e s e m b ä u e r l i c h e n R a h m e n , wo bei der Übergabe des Hofes vom Vater an den Sohn den Eltern der sog. Altenteil vertragsmäßig zugewiesen wird. (Das RG. setzt jedoch einen Unterschied zwischen dem Leibrentenvertrag des BGB. und dem bäuerlichen Altenteilsvertrag; Bd. 104 S. 273). —• Außerhalb dieses ländlichen Gesichtskreises kommt die Rente wirtschaftlich für den in Frage, der sich unter Verzicht auf sein

§ 44 I. Spiel und W e t t e

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Kapital (das er zum Einkauf in die Rente benützt) h ö h e r e Einkünfte als die g e w ö h n l i c h e n Zinsen sichern möchte.

b) R e c h t l i c h e K o n s t r u k t i o n . Es ist vielfach versucht worden, die Leibrente einem anderen größeren Typus unterzuordnen, z. B. dem Kauf („ich kaufe mir eine Rente") oder dem Darlehnsvertrage. Besser ist es, anschließend an das Gesetz, an einem eigenen Typus festzuhalten. Die innerliche Konstruktion des Rechts auf Rentenbezug ist schwierig und bestritten, weil nicht einheitlich, sondern in A b s t ä n d e n m e h r f a c h geleistet wird. F r a g e : ist ein e i n h e i t l i c h e s R e c h t oder eine M e h r h e i t v o n aufschiebend bedingten (durch das Erleben bedingten) F o r d e rungen anzunehmen? P r a k t i s c h e Bedeutung n a m e n t l i c h im Konkurse, sowohl des Verpflichteten, wie des Berechtigten. Zu empfehlen ist die (übrigens d u r c h a u s h e r r s c h e n d e ) Einheitstheorie. Ihr folgt auch das Reichsgericht (Bd. 106 S. 95: „ein g e s c h l o s s e n e s Grundrecht auf fortlaufende Renten, aus dem sich die A n s p r ü c h e auf die einzelnen Bezüge als E r t r ä g e herleiten"). L e h r b u c h a r t i g e A u s f ü h r u n g e n über das L e i b r e n t e n v e r s p r e c h e n in RG. Bd. 67 S. 207ff. Ist ein D r i t t e r als R e n t e n e m p f ä n g e r beteiligt, so entsteht w i e d e r die F r a g e , ob er ein unmittelbares K l a g e r e c h t b e k o m m e n soll (vgl. bereits oben I c, § 330 BGB.).

§ 44. Spiel und Wette (BGB. §§ 762ff.) I. A l l g e m e i n e S t e l l u n g d e r R e c h t s o r d n u n g z u m S p i e l . Beim Kauf, bei der Miete, bei der Schenkung, beim Arbeitsvertrag, beim Darlehn usw. ist von vornherein die Bahn der Leistung und der etwaigen Gegenleistung festgelegt. Auch hier kann freilich Unerwartetes eintreten, kann der Zufall die Rechnung der Parteien durchkreuzen (daher die Lehre von der Gefahrtragung; vgl. z. B. oben § 32 lila), aber in ihrem P l a n e hat das nicht gelegen. Beim Spiel dagegen nehmen von vornherein die Teilnehmer das Moment des Ungewissen, das W i r k e n d e s Z u f a l l s in ihren Gedankenkreis auf und bauen gerade darauf ihre Spielverabredung. Darum fehlt beim Spiel d i e v e r n ü n f t i g e w i r t s c h a f t l i c h e G r u n d l a g e . Die Rechtsordnung aber schützt grundsätzlich nur das Wirtschaftlich-Vernünftige. Darum verhält sie sich dem Spiel gegenüber a b l e h n e n d . Die Ablehnung geht nicht so weit, daß die Rechtsordnung aggressiv gegen den Spielvertrag vorginge und ihn etwa für null und nichtig erklärte (Ausnahme unten Ziff. lila), sondern sie kümmert sich nur nicht um den Spielvertrag und auch nicht um alle anderen Vorgänge, die etwa nachträglich auf dem Boden des Spiels 16*

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§ 44 II. Spiel und W e t t e

erwachsen sind. Praktisch kommt das in Gestalt einer V e r w e i g e r u n g d e r K l a g e zum Ausdruck. Jedoch nicht bloß, wenn der Gewinner die Spielschuld hereinholen will, schließen sich vor ihm die Pforten des Gerichts, sondern auch, wenn etwa der Verlierer freiwillig gezahlt hat, nun aber sein Geld wieder zurückhaben möchte. Der Richter soll sich in alle diese Dinge nicht einmischen. Gerade darauf, daß auch der Rückforderungsklage nicht stattgegeben wird, beruht der S t r e i t u m d i e K o n s t r u k t i o n . Denn w e n n der Verlierer nicht zurückfordern kann, so w a r ein „rechtlicher Grund" (vgl. § 812 BGB., unten § 61 Ziff. III) vorhanden; er hat eben doch e i n e S c h u 1 d bezahlt. Andererseits sagt das Gesetz, es werde „ k e i n e Verbindlichkeit durch das Spiel begründet" (§ 762). Lösung: es liegt eine u n v o l l kommene Verbindlichkeit ( n a t u r a l i s o b l i g a t i o ) vor (bestritten). (Vgl. oben § 6 III b.) Im r ö m i s c h e n u n d g e m e i n e n Recht war die W e t t e — im Gegensatz zum Spiel —,grundsätzlich klagbar. Das findet sich noch heute in ausländischen Rechtsordnungen. Bei solcher verschiedener Behandlung muß ein be g r i f f l i c h e r Unterschied zwischen Spiel und W e t t e gemacht werden. Er liegt darin, daß beim W e t t e n ein an sich nicht verwerflicher M e i n u n g s s t r e i t „erhärtet" w e r d e n soll: man setzt etwas ein für eine aufgestellte Behauptung (über den „Totalisator" unten III b). F ü r d a s h e u t i g e d e u t s c h e Z i v i l r e c h t ist der Unterschied ohne praktische Bedeutung, weil die W e t t e dem Spiel kurzerhand gleichgestellt wird: b e i d e sind unklagbar. Dagegen ist die Unterscheidung heute noch von gewissem Wert für das Strafrecht, das einige seiner Ged a n k e n nur gegen das „Spiel", nicht auch die Wette richtet.

II. U m g e h u n g e n werden in Spielerkreisen immer wieder versucht. Eis werden etwa nach Beendigung des Spiels „selbständige"' Schuldscheine oder Wechsel ausgestellt, in denen nichts von dem Spiel als Untergrnud gesagt ist, und es wird dann, um Klagbarkeit zu erzielen, die Figur des selbständigen („abstrakten") Schuldanerkenntnisses (unten § 59, im Gesetz § 780) herangeholt. Doch auch dann verschließt sich die Rechtsordnung dem Klagebegehren (vgl. § 762 II). Der vom Verlierer ausgestellte Wechsel ist also keineswegs etwas „auf Grund des Spiels G e l e i s t e t e s " , das nach § 76212 „nicht zurückgefordert" werden könnte. Vielmehr kann der Aussteller seine sofortige Rückgabe verlangen. Freilich, an einen gutgläubigen Dritten, der den Wechsel vom Gewinner erworben hat, muß er zahlen. Aber er kann dafür von dem „Gewinner" Herausgabe des Kaufpreises verlangen, den dieser von dem Dritten für den Wechsel erhielt (§812; vgl. RG. Bd. 77 S. 280). Ebenso scheitert der Versuch, eine Spielforderung auf dem Umwege einer „Aufrechnung" hereinzubringen. Der Verlierer, der irgendeine Gegenforderung gegen den Gewinner besitzt, kann also diese Gegenforderung getrost einklagen, ohne den Einwand einer A u f r e c h n u n g (oben § 26) mit der Forderung aus dem Spiel befürchten zu müssen.

§ 44 III. Verbotenes Spiel, erlaubtes Spiel

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III. B e s o n d e r e L a g e n . Der Grundsatz der Gleichgültigkeit des Gesetzes gegenüber den Spielverträgen erfährt eine zweifache Änderung, und zwar nach entgegengesetzter Richtung, einmal verschärfend, im anderen Fall mildernd. a) D a s v e r b o t e n e S p i e l . Hier geht der Gesetzgeber zur a g g r e s s i v e n Tendenz über. Es handelt sich um Formen des Spiels, die die Geldgier in besonderem Maße wecken und fördern, um das sog. strafbare „G1 ü c k s s p i e 1". S t r a f g e s e t z b u c h §§ 284ff., verschärft auf G r u n d eines unmittelbar nach dem 1. Weltkrieg erlassenen besonderen Gesetzes gecjen das Glücksspiel. Danach strafbar die „öffentliche Veranstaltung' eines Glücksspiels, sei es auch klubmäßig hinter v e r s c h l o s s e n e n Türen, ja sogar die bloße Beteiligung ist unter Strafdruck gestellt.

Diese strafrechtliche Ahndung des „verbotenen Spiels" hat eine z i v i l r e c h t l i c h e F o l g e : Jeder einzelne in solchem Rahmen abgeschlossene Spielvertrag ist zivilrechtlich nicht bloß außerhalb rechtlicher Klagbarkeit, sondern er ist schlechthin „ n i c h t i g " (§ 134 BGB.). Und das wieder bewirkt, daß — im Gegensatz zum gewöhnlichen Spiel (oben I) — alles, was aus einem solchen Spielvertrag bereits gezahlt ist, doch wieder zurückgefordert werden kann. Denn diese Beträge sind wirklich „ohne rechtlichen Grund" (§ 812) gezahlt worden. Einschränkung durch § 817.

b) D a s s t a a t l i c h g e n e h m i g t e S p i e l . Ganz zu beseitigen ist das Spiel doch nicht; es liegt nun einmal eine Neigung dazu im menschlichen Wesen. Diese Erkenntnis hat die Rechtsordnung veranlaßt, ein Spiel in geordneten, von der Rechtsordnung gleichsam kontrollierten Bahnen zuzulassen. Und die Rechtslage ist dann eine vollkommen andere: es liegt ein g ü l t i g e s u n d k l a g b a r e s R e c h t s g e s c h ä f t vor. Der Veranstalter des Spieles kann ebenso auf Einzahlung des Einsatzes klagen wie später der Gewinner auf Herausgabe des Gewinns. Solches erlaubtes Spiel liegt vor, wenn es sich um eine staatlich genehmigte L o t t e r i e o d e r A u s s p i e l u n g handelt (§ 763). Den Gesetzgeber können bei der Genehmigung auch ganz a n d e r e Motive leiten. So ist es beim „Totalisator" (wo nicht „gewettet", sondern „gespielt" wird); das Interesse an der Hebung der heimischen Pferdezucht soll dabei belebt werden. Schwierig ist das L o s zu charakterisieren. Es wird fast immer ein Inhaberpapier (vorstehend § 42) sein. Sein Erwerb vollzieht sich in der Form des Kaufs (natürlich auch Tausch, Schenkung möglich). W a s wird gekauft? Die Gewinnchance. Wie, w e n n das Los gewinnt? Ist das ein

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§ 44 IV. Differenzgeschäfte Gewinnabwurf des Loses im Sinne des F r u c h t begriffs (§99 BGB.)? Wichtig bei gespaltener Rechtslage: einer hat den Stamm des Vermögens (Ehefrau), einer die Nutzung (Ehemann). Wohin fällt der Gewinn? Doch wohl zum Stamm (also an die Frau).

IV. D i f f e r e n z g e s c h ä f t e ( B ö r s e n t e r m i n g e s c h ä f t e ) . Wenn Waren oder Wertpapiere in der Weise gehandelt werden, daß sich der eine Teil verpflichtet, an einem bestirnten Termin (z. B. ultimo Juli) dem anderen ein bestimmtes Quantum (100 Doppelzentner prima Gerste, 10 Aktien des Bergwerks Fridolin) zu liefern, und zwar zu einem festgesetzten Preise (60 Mk. der Doppelzentner, 210 Mk. die Aktie), so liegt ein gewöhnliches K a u f g e s c h ä f t vor. Natürlich kann sich dabei Käufer wie Verkäufer „verspekuliert" haben. Denn wenn die Aktien Fridolin am 31. Juli auf dem Wertpapiermarkt 220 stehen, so hat der Käufer, der sie für 210 bekommt und sofort für 220 absetzen kann, ein gutes Geschäft gemacht. Umgekehrt ist der Verkäufer der „Gewinner", wenn die Aktien ultimo Juli nur 200 stehen. Aber das macht das Geschäft nicht zum Spiel, denn die Tendenz, gut abzuschneiden, spielt natürlich bei tausenderlei Schuldverhältnissen mit.

Es hat sich nun aber im Lauf der Zeiten ein eigentümlicher Geschäftstypus herausgebildet, der g a r n i c h t a u f w i r k l i c h e ( „ e f f e k t i v e " ) L i e f e r u n g der betreffenden Waren oder Wertpapiere hinaus will, sondern diese Waren- oder Wertpapierabrede n u r als rechnerischen Rahmen f ü r einen Vorgang benützt, der unzweifelhaft ein Spielen darstellt und auch als solches gemeint ist. Es wird nämlich ausgemacht, daß am Stichtag „der U n t e r s c h i e d zwischen dem vereinbarten Preise und dem Börsen- oder Marktpreise von dem verlierenden Teil an den gewinnenden gezahlt werden soll" (§ 764). Solche Geschäfte nennt man, weil eben n u r die Differenz den wirklichen Leistungsgegenstand ausmacht (nicht etwa die Ware oder das Papier), Differenzgeschäfte. Im BGB. sind sie kurzerhand dem Spiel gleichgestellt. Aber das gilt nur f ü r das gewöhnliche bürgerliche Leben; f ü r den B ö r s e n b e t r i e b sind besondere Regeln aufgestellt, und diese zeigen, daß solche Differenzgeschäfte doch in großem Umfange zugelassen, d. h. mit voller K l a g b a r k e i t ausgestattet sind (Wegfall des sog. Differenzeinwands). G e s e t z l i c h e U n t e r l a g e (mit einigen späteren Änderungen) das B ö r s e n g e s e t z vom 8. Mai 1908 (§§ 50ff.) Grundgedanken: Die betr. Wertpapiere (oder Waren) müssen an der Börse zugelassen, die beiden Vertragsteile müssen ins Handelsregister eingetragene Kaufleute sein. Wenn das vorliegt, sind die Geschäfte voll wirksam. Näheres im H a n d e l s r e c h t (Lehre von den Wertpapieren).

§ 45 I. Historische Entwicklung des Arbeitsrechts

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4. Kapitel: Arbeitsverträge §45. Das Arbeitsrecht als selbständiges Rechtsgebiet I. H i s t o r i s c h e E n t w i c k l u n g . Die wirtschaftliche Entwicklung des 19. Jahrhunderts mit ihrer Industrialisierung und Technisierung, dem Großstadtleben und dem immer mächtiger aufwachsenden Fabriksystem hat die Arbeitsverhältnisse f ü r breite Massen der Bevölkerung umgewandelt. Soziales Elend war auf vielen Gebieten die Folge. Das Kennwort „Proletariertum" kam auf. Auf der anderen Seite stand der „Kapitalismus", durch internationale Wirksamkeit in seiner Macht gesteigert. K a r l M a r x trat auf. Zusammen mit Friedrich Engels verfaßte er u m die Mitte des 19. Jahrhunderts das „Kommunistische Manifest". Seine Ideen, unter dem Kennwort Marxismus zusammengefaßt, haben, wie bekannt, die ganze Welt in Bewegung gebracht. a) D e r G a n g d e r R e c h t s o r d n u n g . Die Rechtsordnung war dem Strom der Entwicklung nicht gewachsen. Erst allmählich raffte sie sich zu einzelnen Aktionen auf, die den dringendsten sozialen Notwendigkeiten Rechnung tragen sollten. Sie wurden von der bürgerlichrechtlichen Dogmatik zunächst kaum beachtet und wie ein Fremdkörper beiseite geschoben, sie standen am Rande. Aber mehr und mehr verdichteten sie sich und drangen ihrerseits in die Stoffschichten des Privatrechts ein. Schließlich wurde um die J a h r hundertwende zuerst von einigen weitblickenden Köpfen erkannt, daß sich hier — ähnlich wie es mit dem „Handelsrecht" gegangen war — eine große s e l b s t ä n d i g e R e c h t s m a t e r i e , ein eigenes „Fach" der Rechtswissenschaft zu entwickeln begann. Das ist inzwischen allgemeine Meinung innerhalb der Rechtswelt geworden. Eine eigene umfangreiche Literatur, eigene Vorlesungen an den Hochschulen, eine eigene „Arbeitsgerichtsbarkeit" haben dem Ausdruck gegeben. I n t e r n a t i o n a l e A b k o m m e n , dem Arbeitsrecht spezifisch gewidmet, haben den Eindruck verstärkt. Im folgenden wird ein Bild der historischen Entwicklung gegeben. 1. Zum ersten Mal sind die „Gewerblichen Arbeiter" (neben den Gesellen und Lehrlingen alten Schlages: die „Fabrikarbeiter") 1869 in der Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes, später Reichsgewerbeordnung, erfaßt worden. Es wurde ihnen ein eigener Titel Vit gewidmet. An der Spitze § 105: „Die Festsetzung der Verhältnisse zwischen den selbständigen Gewerbetreibenden und den gewerblichen Arbeitern ist, vorbehaltlich der durch Reichspesetz begründeten Beschränkungen, Gegenstand freier Übereinkunft', also eine rein privatrechtliche Konzeption, entsprechend dem „Liberalismus" jener Zeiten.

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§ 45 I b. Das heutige Arbeitsrecht Mehr und mehr drang aber die Erkenntnis durch, daß der Arbeiterschaft von der ö f f e n t l i c h r e c h t l i c h e n Seite her Schutz gegen Ausbeutung und a n d e r e Nöte gewährt w e r d e n müsse. 1891 erging eine besonders wichtige Novelle zur GewO., das sog. A r b e i t e r s c h u t z g e s e t z . Eigene Schutzmaßregeln w u r d e n daneben den F r a u e n und den J u g e n d l i c h e n gewidmet. 2. Als ein zweites elementares Stück der Entwicklung w a r inzwischen seit 1881 das große Thema der S o z i a l v e r s i c h e r u n g in Angriff genommen worden (vgl. bereits oben § 43 If.). Die über 1800 P a r a g r a p h e n umfassende R e i c h s v e r s i c h e r u n g s o r d n u n g von 1911 faßte die einzelnen Zweige der Sozialversicherung kodifikatorisch zusammen. Mit der V. v. 13. 11. 1918 trat die Erwerbslosenfürsorge hinzu, später (1927) zur Arbeitslosenversicherung erweitert. 3. Nach dem 1. W e l t k r i e g ging durch alle Kulturländer der Ruf nach dem A c h t s t u n d e n t a g . Deutschland hat sich zu ihm bekannt in der ArbeitzeitV. v. 23. 11. 1918 und vom 18.3. 1919. 4. E i n e b e s o n d e r e G e r i c h t s b a r k e i t für Streitigkeiten, die aus dem Arbeitsverhältnis h e r v o r g e g a n g e n sind, hat sich auf der historischen Grundlage des Gewerbegerichtsgesetzes von 1890 und des Kaufmannsgerichtsgesetzes von 1904 entwickelt. Gipfelpunkt der Entwicklung das A r b e i t s g e r i c h t s g e s e t z von 1926 (neue Fassung 1934; diese kassiert durch Kontrollratsgesetz von 1946; vgl. unten b). 5. In der n a t i o n a l s o z i a l i s t i s c h e n Z e i t stand das Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit (AOG.) vom 20. 1. 34 im Mittelpunkt. Es ist inzwischen durch die Gesetzgebung des Alliierten Kontrollrats aufgehoben worden. 6. Die I n t e r n a t i o n a l e n A b k o m m e n , die ab 1919 von der in Genf tagenden Internationalen Arbeitskonferenz e n t w o r f e n w u r d e n und von einer Mindestzahl von Staaten angenommen (ratifiziert) w e r d e n mußten, erfaßten u. a. den Achtstundentag, die Arbeitslosigkeit, die Beschäftigung der Frauen vor und nach der Niederkunft, das Mindestalter für die Zulassung von Kindern zur gewerblichen Arbeit, die Entschädigung bei Betriebsunfällen, das Koalitionsrecht der landwirtschaftlichen Arbeiter usw.

b) D i e h e u t i g e L a g e d e r M a t e r i e A r b e i t s r e c h t ist von einer Festigung noch weit entfernt. Der Zusammenbruch von 1945 hat das überkommene Arbeitsrecht in allen seinen Teilen erschüttert. Gesetzgeberische Ansätze zu einer Klärung und zu neuem Aufbau haben schon 1945/46 eingesetzt und sind immer lebhafter in bunter Mannigfaltigkeit fortgesetzt worden. Aber vieles trägt den Stempel eines Versuchs. Dazu kommt das Fehlen einer e i n h e i t l i c h e n Gestaltungsmöglichkeit, die Zonen und Ländei gehen ihre eigenen Wege bei diesen Versuchen eines Neuaufbaues. So trägt, was heute an „Rechtsordnung" auf dem Gebiete des Arbeitsrechts vor uns liegt, auch nur den Stempel eines S t ü c k e s h i s t o r i s c h e r E n t w i c k l u n g an sich. — Im folgenden e i n i g e B e i s p i e l e aus der Gesetzgebung von 1946/48.

§ 45 I c. G e w e r k s c h a f t e n , Koalitionsfreiheit

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Der A l l i i e r t e K o n t r o l l r a t ü b e r n a h m zuerst die Initiative. Die 4 Besatzungsmächte erließen im März 1946 das gemeinsame KRG. Nr. 21 als „ D e u t s c h e s A r b e i t s g e r i c h t s g e s e t z". Die Zuständigkeit der neuen Arbeitsgerichte ist dabei weit abgesteckt, und zwar „unter Ausschluß der ordentlichen Gerichte" (Art. II). Die richterliche Unabhängigkeit sollte durch Art. III gewährleistet w e r d e n : „keinerlei Einfluß der Regierungsbehörden auf die Entscheidungen der Arbeitsgerichte". Bemerkenswert, daß die Vorschriften des alten Arbeitsgerichtsgesetzes von 1926 (oben a4) keineswegs erloschen sein sollten, sie sind, so hieß es in Art. X, „vorläufig weiter anzuwenden, soweit sie nicht in Widerspruch zu den Bestimmungen dieses Gesetzes stehen". — Noch im selben J a h r erging das gemeinsame KRG. Nr. 35 vom 20. 8. 46 über das „ A u s g l e i c h s * u n d S c h i e d s v e r f a h r e n in A r b e i t s s t r e i t i g k e i t e n", ebenfalls an V e r g a n g e n e s a n k n ü p f e n d und den „Parteien",Arbeitgebern und Arbeitnehmern, noch guten Spielraum für eigene Initiative belassend, z B. durch Niederlegung der Grundsätze des V e r f a h r e n s in T a r i f v e r t r ä g e n (über diese u n t e n III d 2). — In D u r c h f ü h r u n g der beiden KRGesetze ist dann die L a n d e s g e s e t z g e b u n g in eigenen Gesetzen an die nähere Ausgestaltung herangegangen. Ein Einzelthema, dem b e s o n d e r e A u f m e r k s a m k e i t gewidmet w o r d e n ist, bot z. B. die Fürsorge für S c h w e r b e s c h ä d i g t e , Sicherung eines Arbeitsplatzes, so weit möglich. Ferner der a l l g e m e i n e K ü n d i g u n g s s c h u t z . Zunächst Unsicherheit, inwieweit er nach Aufhebung des AOG. (oben a 5) noch gültig sein sollte. T a t k r ä f t e Gerichtsurteile in b e j a h e n d e m Sinne, gestüzt auf § 242 BGB. (Treu und Glauben), oder auf den allgemeinen G e d a n k e n des Verbots jeden „Rechtsmißbrauchs", oder auf die bloße These, es dürfe dem Arbeiter nicht der Arbeitsplatz als Existenzgrundlage genommen werden. Dann Eingreifen der Gesetzgebung; z. B. in Rheinland/Pfalz (französische Zone): Kündigung an Einwilligung des Arbeitsamts gebunden; Bremisches BetriebsräteG. v. 10. 1. 49; usw. Seitdem s t ä n d i g e W e i t e r e n t w i c k l u n g . Besonders vielseitig die Legislative in der s o w j e t r u s s i c h e n Z o n e , auf Befehlen der Militär-Administration und auf V e r o r d n u n g e n der derzeitigen H a u p t v e r w a l t u n g für Arbeit und Sozialfürsorge beruhend: Erfassung und Registrierung der gesamten arbeitsfähigen Bevölkerung, W i e d e r e i n f ü h r u n g des Arbeitsbuches, planmäßige O r d n u n g des Arbeitseinsatzes der arbeitsfähigen Bevölkerung, Regelung des Ausbildungswesens, mit Umschulung v e r b u n d e n . Ferner Ü b e r w a c h u n g und Fixierung der Löhne, der Arbeitszeit, des Urlaubs usw. Ausschaltung des liberalen T a r i f v e r t r a g s w e s e n s (nachfolgend c) durch Auflösung der Arbeitgeberv e r b ä n d e und Zentralisation der G e w e r k s c h a f t e n in dem Freien Deutschen Gewerkschaftsbund. A n e r k e n n u n g und Ausbau des Arbeitsschutzes, völlige Umgestaltung des Sozialversicherungsrechts (oben § 43 1 f). Usw.

c) D i e o r g a n i s i e r t e A r b e i t e r s c h a f t . In der ganzen Zeit dieser geschichtlichen Entwicklung sind die staatlichen Versuche, ein brauchbares Arbeitsrecht zu schaffen, von den e i g e n e n B e s t r e b u n g e n d e r o r g a n i s i e r t e n A r b e i t e r s c h a f t , sich durchzusetzen, begleitet worden. Das Zentrum dieser Bestrebungen haben die G e w e r k s c h a f t e n ge-

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§ 45 I d. Arbeitsrecht und Weltanschauung

bildet. Anfangs vom Staate mißbilligt, haben sie doch schon 1869 unter dem Zeichen der sog. K o a l i t i o n s f r e i h e i t eine begrenzte Anerkennung in der GewO. gefunden. Als Gegner traten ihnen die A r b e i t g e b e r v e r b ä n d e gegenüber. Diese beiden Parteien rangen immer von neuem miteinander um die Arbeitsbedingungen, vor allem um den Lohn. Das Ergebnis der oft von Streiks und Aussperrungen begleiteten Kämpfe, eine Art Friedensschluß, bilden dann die sog. T a r i f v e r t r ä g e (auch kollektive Arbeitsverträge genannt). Sie haben sich zu einer in der ganzen Welt bekannten, wissenschaftlich freilich immer wieder umstrittenen R e c h t s f' i g' u r entwickelt (unten Illd 2). Daneben steht, ebenfalls bereits zu einer festen Rechtsfigur ausgewachsen, die Organisation der Arbeiter innerhalb eines einzelnen Betriebes, die B e t r i e b s r ä t e o r g a n i s a t i o n (unten IIIc 3). Die Gewerkschaftsorganisation hat sich zuerst in E n g l a n d in Gestalt der Trade Unions entfaltet. In D e u t s c h l a n d war der erste bedeutende Tarifvertrag der historisch berühmt gewordene Buchdruckertarif von 1873. Vor dem 1. Weltkrieg war die Zahl der Tarifverträge bereits auf über 12 000 angewachsen, rund 200 000 Betriebe mit annähernd 2 Millionen Arbeitnehmern waren dabei erfaßt. Auch hier dauernde Tätigkeit der G e s e t z g e b u n g , um den Gewerkschaften und Betriebsräten ein gesetzliches Fundament und einen staatlich fixierten Aufgabenkreis zu geben. Nach dem Krieg auch hier Versuche des AKR., eine gemeinsame Basis für alle 4 Zonen, also für ganz Deutschland, zu schaffen. So AO. Nr. 31 „Grundsätze zur Errichtung von G e w e r k s c h a f t s v e r b ä n d e n"; Hauptsätze: „Die Gewerkschaften müssen a u f d e m o k r a t i s c h e r B a s i s gebildet und organisiert werden. Die Organisation von Gewerkschaftsverbänden muß das Ergebnis der freien Willensäußerung der Gewerkschaftsmitglieder sein" (Art. II). Jetzt Bonner Grundgesetz Art. 9: Koalitionsfreiheit. Für die B e t r i e b s r ä t e KRG. Nr. 22 vom 10.4.46. Zunächst nur Gestattung (nicht zwangsweise Einrichtung) von Betriebsräten, „zur Wahrnehmung der beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen der Arbeiter und Angestellten". Fortsetzung unten III c 3. Den Auseinanderfall der Ostzone und der Westzonen hat dieser erste gemeinsame Versuch nicht aufhalten können. So tragen die Gewerkschaften und Betriebsräte heute in den Zonen ein sehr verschiedenes Gepräge. — Mit weiteren U m g e s t a l t u n g e n muß gerechnet werden.

d) D e r E i n f l u ß d e s a l l g e m e i n e n W e l t g e s c h e h e n s auf die Entwicklung des Arbeitsrechts kann nicht hoch genug veranschlagt werden. Im Arbeitsrecht spiegelt sich die jeweils herrschende Welterregung und W e l t a n s c h a u u n g in hellem Licht. Das gilt vor allem bei dem Aufeinanderprall entgegengesetzter Weltanschauungen, der für das augenblickliche Zeitalter bestimmend ist.

§ 45 IIa. Begriff und Rdhmen des Arbeitsrechts

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Bereits in der revolutionären Bewegung v o n 1848 hat das „Recht auf Arbeit" eine Rolle gespielt, d. h. der Gedanke, daß jeder Staatsbürger ein Recht darauf habe, an einen geeigneten Arbeitsplatz gestellt zu werden, der ihm und seiner Familie eine ausreichende Versorgung g e w ä h r leistet. Immer wieder h a b e n dann die V e r f a s s u n g s u r k u n d e n d e r S t a a t e n i m Rahmen der „Grundrechte" Leitsätze für das Arbeitsrecht aufgestellt. So z.B. die W e i m a r e r Verfassung v o n 1919 in ihren Art. 157ff., mit den beiden einleitenden Sätzen: „Die Arbeitskraft steht unter dem besonderen Schutze des Reiches. Das Reich schafft ein einheitliches Arbeiterrecht". A u c h heute bildet d a s Arbeitsrecht ein hervorragendes Stück des weltanschaulichen Bekenntnisses der Völker und Staaten. Beispiel: Bayrische Verfassung v. 2. 12. 46, Art. 166: ,,Arbeit ist die Quelle des V o l k s w o h l s t a n d e s . . . J e d e r m a n n h a t das Recht, sich durch Arbeit eine auskömmliche Existenz zu schaffen. Usw." Vgl. Bonn. GrundG. Art. 12.

e) D a s b ü r g e r l i c h e R e c h t , dem dieses Lehrbuch gewidmet, ist, ist bei dieser geschichtlichen Entwicklung immer stärker in den Hintergrund gerückt worden. Der Gegensatz der Weltanschauungen wirkt auch hier entscheidend mit. Wo noch liberalistische Ideen im Gange sind, bildet der privatrechtliche Anteil des Arbeitsrechts nach wie vor den dogmatischen Ausganspunkt, insbesondere die V e r t r a g s i d e e . Wo dagegen eine kommunistische Grundauffassung herrscht, ist zwar das privatrechtliche Element nicht restlos ausgeschaltet, aber an den Rand geschoben, das Vertragselement ganz unter die öffentlichrechtliche Regulierung gestellt. Es darf aber nicht v e r g e s s e n werden, daß schon das B ü r g e r l i c h e G e s e t z b u c h von 1896 trotz seiner individualistischen Grundkonzeption gerade bei der Regelung des Dienstvertrages einige soziale, dem Schutz des arbeitenden Vertragsteils gewidmete Bestimmungen gebracht h a t (§§615 bis 619, N ä h e r e s u n t e n § 46111b; Parallele im Handelsrecht, §§62 bis 64, 67, 74ff. HGB.). — Auch die Leistungen der J u d i k a t u r haben, historisch gewertet, dem Fortschritt gedient, so z. B. die Anerk e n n u n g der A r b e i t s k r a f t a l s R e c h t s g u t im Rahmen der „Unerlaubten Handlungen" des BGB. (unten § 64 II b 4).

Die Darstellung dieses Lehrbuches muß sich (nachdem im laufenden § 45 noch einige allgemeine Grundgedanken des „Arbeitsrechts" gekennzeichnet worden sind) a u f d i e R e c h t s f i g u r e n d e s BGB. b e s c h r ä n k e n . II. D e r B e g r i f f d e s A r b e i t s r e c h t s (sein Gegensatz zur Typenbildung des BGB.). a) D e r R a h m e n d e s A r b e i t s r e c h t s . Um für die Sondermaterie des Arbeitsrechts, wie sie sich lehrmäßig entwickelt hat, einen Rahmen zu gewinnen, u n a b h ä n g i g v o n d e r T y p e n b i l d u n g d e s B G B . , geht man am besten von der G ü t e r e r z e u g u n g (Produktion) aus. Das Wort „Gut" ist dabei im

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§ 45 II a. Begriff und Rahmen des Arbeitsrechts

weitesten Sinne zu fassen. Es gehört alles hierher, was f ü r den Menschen einen Wert haben kann, auch ideelle Güter wie Ruhe, Wohlbefinden, Kunstgenuß. Immerhin stehen im Leben und auch f ü r die Gewinnung eines lebendigen Bildes des A r b e i t s r e c h t s die materiell faßbaren Güter im Vordergrunde. Wasi ein einzelner Mensch für sich selber schafft, indem er sich z. B. einen Spazierstock schnitzt, eine Suppe kocht, auf ungepflegtem Boden einen Garten anlegt, scheidet aus. „Arbeitsrecht" entsteht erst, wenn einer dem a n d e r e n Arbeit leistet (wobei unter dem anderen auch eine öffentlichrechtliche Organisation, z. B. die sozialisierten Betriebe oder darüber hinaus der Staat oder die Volksgemeinschaft verstanden werden können). M i t h i l f e ist also das erste Kennzeichen f ü r die Materie des Arbeitsrechts. Der Begriff muß aber noch schärfer gefaßt und eingeengt werden. S o s c h e i det aus: 1. die bloße f r e u n d s c h a f t l i c h e Hilfe, die nicht rechtlich gebunden sein will. 2. scheiden die Fälle aus, wo zwar eine rechtliche Bindung eintritt, aber der „andere" die Mithilfe (Arbeit) u n e n t g e l t l i c h leistet. So wenigstens die Dogmatik des modernen Arbeitsrechts. Im folgenden werden dagegen, der Konzeption des BGB. folgend, auch die unentgeltlichen Geschäfte, der Auftrag der §§ 662ff., die unentgeltliche Verwahrung des § 690, in den Rahmen des 4. Kapitels einbezogen.

3. scheiden die Vorgänge aus, wo sich mehrere zwecks wechselseitiger Hilfe zu einer G e s e l l s c h a f t oder ähnlichen Verbänden zusammenschließen; denn dafür stellt das Recht eigene Typen zur Verfügung (nachfolgend 5. Kapitel). Doch ist die Grenze flüssig; arbeitsrechtliche Elemente können in die Gesellschaft hinüberschlagen und umgekehrt. Die neue Zeit hat auch hier Rechtsfiguren hervorgebracht, die alle früheren Begriffsbildungen gesprengt haben und mit dem alten bürgerlichen Recht gar nicht mehr verbunden werden können. So z. B. die von Sowjetrußland ausgegangenen, haup'sächlich landwirtschaftlichen K o l l e k t i v w i r t s c h a f t e n (Kolchosen).

4. Am schwierigsten ist die auf einer geläufigen Terminologie beruhende G e g e n ü b e r s t e l l u n g von selbständiger u n d u n s e l b s t ä n d i g e r A r b e i t . Der Baumeister, der ein Haus f ü r einen anderen baut, der Professor, der einem anderen ein technisches oder sonstiges Gutachten erstattet, behalten ihre „Selbständigkeit". Nach der herrschenden Dogmatik des Arbeitsrechts scheiden diese Vorgänge aus: Nur. wo unselbständige Arbeit geleistet wird, kommt das „Arbeitsrecht" zum Einsatz.

§ 45 II b. T y p e n der Arbeitsverträge

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Za der Materie des Arbeitsrechts gehört danach a u s dem Bereich des BGB. (s. s o g l e i c h im folgenden) nur der D i e n s t v e r t r a g , nicht auch der W e r k v e r t r a g . Doch ist die Grenze unsicher, und je stärker die Gesamtwirtschaft kollektivistisch gestaltet wird, desto mehr s c h w i n d e t der Gegensatz, w e i l dann der „Unternehmer" d e s W e r k v e r t r a g e s auch nur im Dienst der k o l l e k t i v e n Gesamtwirtschaft erscheint,

b) D i e T y p e n b i l d u n g d e s B G B . steht, ihrer Herkunft aus dem alten bürgerlichen Recht des 19. Jahrhunderts entsprechend, abseits von dieser neuen Konzeption des Arbeitsrechts als einer großen, eigenen Leitgedanken folgenden Sondermaterie. Im BGB. stehen zunächst D i e n s t v e r t r a g (§§611ff.) und W e r k v e r t r a g (§§631ff.) wie Geschwister nebeneinander. Sie unterscheiden sich dadurch, daß beim Dienstvertrag der arbeitende Teil an die Weisungen des anderen, des „Dienstherren", gebunden ist, während beim Werkvertrag der arbeitende Teil „Unternehmer" und deshalb für den Arbeitsvorgang selbständig ist. Insofern kann also auch hier von dem Gegensatz der „unselbständigen" und der „selbständigen" Arbeit gesprochen werden, aber in der nachfolgenden Darstellung dieses Lehrbuches gehört auch der Werkvertrag in das Kapitel der Arbeitsverträge. Daran reihen sich andere Typen, die ebenfalls durch die M i t h i l f e g e k e n n z e i c h n e t sind, die der e i n e Teil dem anderen leistet, und insofern als Verträge über Arbeit g e l t e n können, die aber teils w e g e n der „Selbständigkeit" d e s Handelnden nicht in die n e u z e i t l i c h e A u f f a s s u n g d e s Arbeitsrechts hineingehören, s o der M ä k l e r v e r t r a g (§§ 652ff.) und die sog. A u s l o b u n g (§§ 657ff.), teils w e g e n ihrer Ünentgeltlichkeit (vorstehend a 2) ausscheiden, w i e der A u f t r a g (§§ 662ff.) und die G e s c h ä f t s f ü h r u n g o h n e A u f t r a g (§,§ 677ff.). Die Verwahr u n g (§§ 688ff.) ist zwar in v i e l e n Fällen entgeltlich und kann dann den Charakter e i n e s A r b e i t s v e r h ä l t n i s s e s im Sinne der Dogmatik des „Arbeitsrechts" annehmen, aber das wird eine A u s n a h m e bleiben. Das Verw a h r e n bei der E i n b r i n g u n g v o n S a c h e n b e i G a s t w i r t e n (•§§ 701ff.) steht ebenfalls d e m „Arbeitsrecht" fern.

III. D i e G r u n d e l e m e n t e d e s A r b e i t s r e c h t s . Sie werden im folgenden nur insoweit dargestellt, als sie in die Dogmatik des bürgerlichen Rechts hinüberreichen. Dabei handelt es sich zugleich um eine Wechselwirkung, insofern die Grundelemente erheblich zum Ausbau des Arbeitsrechts beigesteuert haben. Das gilt vor allem, so lange und so weit drüben im „Arbeitsrecht" sich die beiden Partner als V e r t r a g s s c h l i e ß e n d e gegenüberstehen. Breite Teile des Schuldrechts dienen dann der näheren Ausgestaltung ihres Vertragsverhältnisses: beide stehen sich wegen der G e g e n s e i t i g k e i t d e s V e r h ä l t n i s s e s als Gläubiger und Schuldner gegenüber. Doch muß alles vermieden werden, was den Austausch der Leistungen zu einem Handelsgeschäft degradieren würde.

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§ 45 III a, b. Arbeit und Lohn

a) D i e A r b e i t ist die Leistung des einen Teils. Sie steht durchaiis im Vordergrund bei der rechtlichen Würdigung des Arbeitsverhältnisses, die „Gegenleistung" tritt hinter ihr zurück. Arbeit darf niemals zur Ware werden. Sie bleibt hohes Rechtsgut auch in der nüchternsten Umgebung. Immer sitzt ein Stück P e r s ö n l i c h k e i t in ihr. Das drückt sich nicht n u r in den Formeln jener „Grundrechte" aus, die heute in der ganzen Welt verkündet werden und immer der Arbeit einen Platz einräumen, nicht nur in den Verfassungsurkunden der einzelnen Länder, nicht n u r in den Bekenntnissen der „Vereinten Nationen" (UNO oder UN), — sondern das kommt auch in schlichter, bereits dem Praktischen zugewandter Prägung im BGB., im § 618 zum Ausdruck: Räume, Vorrichtungen Gerätschaften, Durchführung des Arbeitsganges müssen, soweit möglich, frei bleiben von Gefahren f ü r Leben und Gesundheit; bei näherem Zusammenwirken der beiden Vertragsteile muß auch den besonderen Erfordernissen der Sittlichkeit und der Religion Rechnung getragen werden. „ U n p f ä n d b a r k e i t " kennzeichnet ebenfalls, im Rahmen des Vollstreckungsrechts der Zivilprozeßordnung (ZPO.), den besonderen Charakter der Arbeit als Gegenstand einer schuldrechtlichen Verpflichtung. Der, der Arbeit versprochen hat, wird nicht durch den „Büttel" zwangsweise zum Arbeitsplatz geführt, sondern nur indirekt unter Druck gesetzt (ZPO. §§ 887, 888).

b) D e r L o h n ist als Austauschwert gegenüber der Arbeit gedacht: so viel Arbeit, so viel Lohn. Wenn er auch hinter dem Gegenwert, der Arbeit, zurücktritt, so kommt doch auch ihm größte Bedeutung zu. Für Millionen ist der Lohn eben nicht n u r ein Gegenwert, sondern der U n t e r h a l t (zugleich f ü r die Familie) also die Existenzgrundlage. Darum politisches Postulat erster Ordnung: ausreichender Lohn und gesicherter Lohn. Das rückt ab von der mechanischen Gleichsetzung: so viel Arbeit, so viel Lohn. Aus der wirtschaftswissenschaftlichen Doktrin tritt hinzu die Lehre vom „gerechten Lohn". 1. Der G e l d l o h n ist der Normalfall des Lohnes. Neben ihm steht der N a t u r a l l o h n : Ein Teil der erarbeiteten Feldfrüchte, freie Verpflegung, Gewährung freier Wohnung usw. Verboten ist aber das sog. Trucksystem (Zwang, Waren aus dem Bestand des Arbeitgebers statt Bargeld zu nehmen; §§ 115f¥. GewO.). Eine Entlohnung besonderer Art, an ein Gesellschaftsverhältnis streifend, ist die G e w i n n b e t e i l i g u n g . Für den Geldlohn gibt es verschiedene B e r e c h n u n g s m e t h o d e n. Die einfachste: nach der Z e i t (Stundenlohn, Wochenlohn usw.).

§ 45 III c. Direktionsrecht des Betriebsleiters

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Wichtig für viele Zweige der Arbeit Berechnung n a c h der g e l e i s t e t e n A r b e i t , nach deren M e n g e und Güte (Stücklohn, A k k o r d ) . Hier naheliegende Gefahr v o n Streitigkeiten. Die Rechtsordnung hat dann die zwiefache A u f g a b e der A b w ä g u n g : Einerseits dürfen die liederlich g e a r b e i t e t e n Stücke nicht mitgezählt werden, andererseits darf ein kleiner Fehler nicht zur gänzlichen Streichung des Lohnes ausgenützt werden.

2. Die r e c h t l i c h e Behandlung des Lohnes trägt seiner besonderen Bedeutung in vielfacher Hinsicht Rechnung. Von der ö f f e n t l i c h r e c h t l i c h e n Seite her Überwachung der Löhne, Festsetzung der Lohnhöhe durch den Staat oder von ihm beauftragte Dienststellen (dabei in Notzeiten auch Lohnstop) usw. Durch die J a h r z e h n t e hindurch ein Strom gesetzlicher Maßregeln, immer wieder reguliert an der jeweiligen Wirtschaftslage, dem Stand des Geldes, den politischen Ideen. — Beispiele: Befehl der Sowj. Mil. Adm. vom 9. 10. 47: Volle Gleichsetzung der Frauen mit den Männern. Aufhebung des Lohnstops in der amerikanisch-engl. Bizone durch Ges. v. 3. 11 48. Usw.

Im p r i v a t r e c h t l i c h e n Rahmen Anerkennung des Lohnes und der Lohnforderung als ein R e c h t s g u t b e s o n d e r e r A r t . Deshalb Ausbau eines vielseitigen Lohnschutzes. Am deutlichsten auch hier das V o l l s t r e c k u n g s r e c h t . Bis zu einer gesetzlich genau fixierten Höhe ist der Lohnanspruch unpfändbar, d. h. ein Gläubiger kann dem Arbeiter seine noch ausstehende Lohnforderung nicht durch Beschlagnahme wegraffen. Privilegierung der Lohnf o r d e r u n g auch i m K o n k u r s d e s A r b e i t g e b e r s (KO. § 61 Ziff. 1). V e r b o t d e r A u f r e c h n u n g seitens des Arbeitgebers mit einer ihm z u s t e h e n d e n Gegenforderung. Bestritten Z u r ü c k b e h a l t u n g s r e c h t des Arbeitgebers. Über das alles schon oben § 16IV und § 26 II d. W e i t e r e s über den Lohnanspruch nach b ü r g e r l i c h e m R e c h t nachfolgend § 46111a.

c) O r d n u n g i m B e t r i e b e . Dabei ist in erster Linie an das Nebeneinander vieler oder mehrerer Abreitsverhältnisse an der gleichen Arbeitsstätte (dem Betriebe) zu denken. Je größer die Zahl, desto wuchtiger treten die hier sitzenden Rechtsprobleme hervor. Mit den im folgenden gekennzeichneten Grundbegriffen rechnen seit langem Wissenschaft und Praxis. Bedeutende Umlagerungen und Umwertungen sind durch die S o z i a l i s i e r u n g s b e w e g u n g , vor allem durch die Umwandlung besonders wichtiger Unternehmen in „volkseigene Betriebe" in der Ostzone, herbeigeführt worden. Das privatrechtliche Element ist dabei ganz ausgeschaltet worden. Wo diese totale Sozialisierung fehlt, hat es noch mitzuwirken. 1. D a s D i r e k t i o n s r e c h t d e r B e t r i e b s l e i t u n g . Überordnung des einen Teils über den anderen liegt der Grundfigur des Schuldrechts fern. Das Schuldrecht besteht bei scharfer dogmati-

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§ 45 III c 2. Die Betriebsordnung

scher Konstruktion (vgl. oben § 1 IIa) in einer Bindung von Person zu Person auf dem Boden der G l e i c h b e r e c h t i g u n g . Aber schon die allgemeine Idee der V e r t r a g s f r e i h e i t schlägt Breschen in das Dogma. Es ist sehr wohl möglich, daß sich beim Abschluß eines Vertrages der eine Teil einer gewissen Direktion des anderen Teils unterwirft. Das dem einen Teil eingeräumte Wahlrecht (oben § 10) illustriert das am einfachsten. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers trägt aber insofern besonderen Charakter, als es unmittelbar die P e r s o n des Arbeitnehmers anspricht. Die dabei zu Tage tretenden Eingriffe in die persönliche Betätigung der Arbeiterschaft sind unentbehrlich. Es muß O r d n u n g herrschen, beim Arbeitsprozeß als solchem, bei der Zeiteinteilung, bei der Abstimmung der verschiedenen Arbeitsgruppen aufeinander, bei der Beschaffung und Benutzung der Werkzeuge und Maschinen usw. Ordnung aber verlangt L e i t u n g . Darum ist das Direktionsrecht (früher schärfer als D i s z i p l i n a r g e w a l t bezeichnet) ein unentbehrlicher Grundbegriff des Arbeitsrechts. Entfernte Ä h n l i c h k e i t mit der „Geschäftsführung" bei einer G e s e l l s c h a f t ( B G B . §710: . . sind die übrigen Gesellschafter v o n der Geschäftsführung ausgeschlossen") oder in e i n e m V e r e i n (BGB. §§2611, 54). W i e hier, so auch im A r b e i t s r e c h t freiwillige Unterwerfung durch Vertragsschluß der ursprüngliche Ausgangspunkt. Schärfster Ausdruck der Disziplinargewalt: V e r h ä n g u n g von S t r a f e n . Bei Großbetrieben ein b e s o n d e r e s Verfahren dafür vorgesehen. Mitwirkung der B e t r i e b s r ä t e (nachfolgend 3) ein bedeutender Regulierungsfaktor für bestimmte Z w e i g e der Direktionsgewalt. Auf privatrechtlichem Boden kann Schutz des Arbeitnehmers g e g e n Mißbrauch durch die ordentlichen Gerichte oder die Arbeitsgerichte in Frage kommen.

2. D i e B e t r i e b s o r d n u n g . Eine seit langem eingebürgerte, gesetzlich fixierte Institution. Der Leitgedanke: Abstimmung der verschiedenen Arbeitsvorgänge untereinander und auf das Gesamtziel des Betriebes. Das erfordert eine gewisse Straffheit und Klarheit, darum sind die Grundlinien f ü r die Betriebsordnungen durch gesetzliche Bestimmungen bindend (unabdingbar) vorgeschrieben. Der historische Ausgangspunkt lag bei dem einseitigen Recht des Arbeitgebers (Unternehmers, Betriebsleiters) die Arbeitsordnung zu e r l a s s e n . Dann setzte das Mitbestimmungsrecht der Betriebsräte (sogleich unter 3) ein. Der Nationalsozialismus sprach unter dem Kennwort des „Führerprinzips" wieder dem „Führer des Betriebs" das Recht zum einseitigen Erlaß einer BO. zu, durch ein Anfechtungsrecht nur wenig abgeschwächt (AOG.; über seine Aufhebung schon oben 15). Heute wieder g e m e i n s a m e Betätigung. Be ; Nichteinigung meist ein Schlichtungsverfahren vorgesehen.

§ 45 III c 3. Mitbestimmung des Betriebsrats

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D i e r e c h t l i c h e N a t u r der BO. ist schwer zu fassen. Soweit es sich um das Organisatorische, den Aufbau, die Kompetenzen handelt, um die „Satzung" des Betriebes, erscheint die BO. als eine R e c h t s q u e l l e (autonomes Recht, etwa wie auch bei den Gemeindeordnungen). Man spricht dann auch von „konstituierender BO.". Doch besteht auch weitgehend eine rechtliche Beziehung zu d e m e i n z e l n e n privaten A r b e i t s v e r t r a g . In ihn wächst die A r b e i t s o r d n u n g ähnlich, nur noch nachdrücklicher, hinein, wie die „Hausordnung" in den Mietsvertrag (oben § 3 5 V b ) .

3. D a s M i t b e s t i m m u n g s r e c h t d e s B e t r i e b s r a t s erinnert wieder, freilich nur entfernt, an die Struktur eines Vertrages. Man e i n i g t sich, Arbeitgeber auf der einen Seite, die gewählten (ausnahmsweise durch staatlichen Eingriff eingesetzten) Vertreter der Arbeiterschaft auf der anderen Seite. Daher auch die Bezeichnung B e t r i e b s v e r e i n b a r u n g . Seit der Revolution von 1918 ist dieses Mitwirkungsrecht ein führender Gedanke, anfangs weniger mit einem „Vertrag" als mit staatsrechtlichen Formen in Parallele gestellt ( B e t r i e b s V e r f a s s u n g nach „konstitutionellem" System). Verstanden wird darunter, daß neben den L e i t e r n eines wirtschaftlichen Unternehmens (der Regierung) auch die Untergebenen (das „Volk") an der Regelung bestimmter Fragen beteiligt werden, im Betriebsrat (als dem „Parlament") verkörpert. Dabei steht im Vordergrund: Mitbestimmung bei der E i n s t e l l u n g von Arbeitskräften, bei der E n t l a s s u n g , bei dem allgemeinen L a u f d e s B e t r i e b s („Sitz und Stimme im Aufsichtsrat", Recht auf Einblick in Bilanz und Bücher), und schließlich bei dem Erlaß von A r b e i t s o r d n u n g e n (Betriebsordnungen, vorstehend 2). Historische Unterlage in erster Linie das B e t r i e b s r ä t e g e s e t z von 1920. Die dadurch e i n g e f ü h r t e „Vertretung" der Arbeiterschaft (Belegschaft) innerhalb der einzelnen Betriebe in Gestalt von Arbeiter- und Angestelltenräten und den beide zusammenfassenden Betriebsräten hat primär ö f f e n t l i c h r e c h t l i c h e n Charakter. Aber sie wirkt auch mit bei der Gestaltung der p r i v a t r e c h t l i c h e n Verhältnisse. Die Betriebsräteorganisation ist nach dem Zusammenbruch v o n 1945 sehr rasch wieder auf ein n e u e s Fundament gestellt worden. Auch hier hat zunächst der A l l i i e r t e K o n t r o l l r a t mit seinem Gesetz Nr. 22 vom 10. 4. 46 die Initiative ergriffen (vgl. bereits oben I c). Seitdem aber auch hier die Zersplitterung in Zonen und Länder. Beispiel aus der britischen Zone: Bremisches BetriebsräteG. v. 10. 1. 49. Beispiel aus der Ostzone: Eefehl der Sowj. Mil.-Adm. vom 9. 10. 47 (Titel „Maßnahmen zur Steigerung der Arbeitsproduktivität und zur w e i t e r e n V e r b e s s e r u n g der materiellen Lage der Arbeiter und Angestellten in der Industrie und im Verkehrswesen"). Darin die Einführung einer BO. nicht nur gestattet, sondern b e f o h l e n . Der Inhalt stark normalisiert, nicht den einzelnen Betrieben überlassen, sondern von der Behörde und den G e w e r k s c h a f t e n 17 B e d e m a n n , Schuldrecht, 3. Aufl

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§ 45 III d 1. Die Gewerkschaften ausgearbeitet und in dem so gewonnenen Text in tausenden von Betrieben automatisch eingeführt. Seit 1948/49 der Betriebsrat immer mehr durch den von außen kommenden Einfluß der Gewerkschaften verdrängt.

Die Träger des Mitbestimmungsrechts (die Mitglieder des Betriebsrates) können v o n a u ß e n eingesetzt sein. Aber das Normale ist ihre W a h l durch die Belegschaft, so daß eben doch auf dem Wege der gewählten „Vertreter" die ganze Belegschaft an der Mitwirkung beteiligt ist. Meist ist auch ausdrücklich vorgeschrieben, daß in bestimmten Zeitabschnitten eine V e r s a m m l u n g a l l e r B e t r i e b s a n g e h ö r i g e n einzuberufen ist, in der der Betriebsrat, mindestens in Form eines Tätigkeitsberichtes Rechenschaft ablegt. d) Ü b e r b e t r i e b l i c h e O r d n u n g . Es ist undenkbar, daß ein Betrieb ein isoliertes Dasein führt. Schon die „Konkurrenz" stellt ihn neben andere Betriebe. Wie ist dort die Arbeit, wie ist dort der Lohn, wie ist dort der Gewinn? Deshalb kann die Regulierung der Arbeitsverhältnisse und die Gestaltung des Arbeitsrechts nicht n u r auf den Betrieb als isolierte Größe eingestellt sein, sondern es müssen auch Querverbindungen, über die einzelnen Betriebe hinweg geschaffen werden. 1. Als T r ä g e r einer weitgreifenden, „überbetrieblichen" Organisation sind auf der Seite der Arbeitnehmer in der ganzen Welt die G e w e r k s c h a f t e n hervorgetreten. In das bürgerliche Recht fügen sie sich ein durch ihre Formation als „juristische Personen", wenngleich dabei sofort auch ein starker öffentlichrechtlicher Einschlag hinzutritt. Ihre Mitarbeit an der Gestaltung der Arbeitsverhältnisse und damit an der Schaffung von Arbeits r e c h t hat elementare Bedeutung. Wirtschaftspolitisch stellen sie, zusammengefaßt, eine Großmacht dar, zumal sich die einzelnen Fachgewerkschaften zu großen, ganze Länder und Reiche überspannenden Gewerkschaftsbünden zusammenschließen, Millionen von Arbeitnehmern fassend. Die Krönung dessen liegt in W e l t g e w e r k gewerkschaftsbünden. Überall reißen allerdings die weltanschaulichen Gegensätze Risse in die Zentralisationsbestrebungen und in das Einzelgefüge hinein. In vielen Augenblicken standen und stehen die Gewerkschaften in Front gegenüber den A r b e i t g e b e r v e r b ä n d e n (diese in der Ostzone aufgehoben). Dann eignet ihnen ein kämpferischer Akzent. Um ihre A n e r k e n n u n g haben sie lange ringen müssen (vgl. schon oben I c), und zwar sowohl gegenüber dem Staat, wie gegenüber der Arbeitgeberschaft. Dem S t a a t haben sie schon früh ihre Anerkennung abgerungen. Während z. B. in dem preußischen Arbeitsgesetz von 1845 „Verbindungen unter Fabrikarbeitern, Gesellen, Gehilfen oder Lehrlingen" ohne polizei-

§ 45 III d 2. Der Tarifvertrag

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liehe Erlaubnis noch verboten und unter die Strafen der „Kriminalgesetze" gestellt waren, erkannte bereits die Bundes-GewO. von 1869 den Arbeitern grundsätzliche Koalitionsfreiheit zu (§ 152). Allerdings mit einem bemerkenswerten Abstrich im 2. (inzwischen aufgehobenen) Absatz: „Jedem Teilnehmer steht der R ü c k t r i t t von solchen Vereinigungen und Verabredungen frei, und es findet aus Letzteren weder Klage noch Einrede statt." Das zeigt die konstruktive Verankerung im bürgerlichen Recht: Mitgliedschaft wie bei Vereinen, aber ohne Klagbarkeit, also im Stile einer bloßen „naturalis obligatio" (oben § 6 III b). — D i e A n e r k e n n u n g s e i t e n s d e r A r b e i t g e b e r s c h a f t errangen die Gewerkschaften erst unmittelbar nach dem 1. Weltkrieg in dem berühmten Abkommen vom 15. Nov. 1918 mit dem an die Spitze gestellten Grundsatz: „Die Gewerkschaften werden a l s b e r u f e n e V e r t r e t e r der Arbeiterschaft anerkannt". Dasselbe Abkommen brachte auch in Punkt 6 das grundsätzliche Bekenntnis zur Regelung der Arbeitsbedingungen durch „ k o l l e k t i v e V e r e i n b a r u n g e n " (nachfolgend 2). — Die Anerkennung wurde dann auch in der W e i m a r e r V e r f a s s u n g unter den Grundrechten niedergelegt: „Die beiderseitigen O r g a n i s a t i o nen und ihre Vereinbarungen werden anerkannt" (Art. 165 I; vgl. auch Art. 159: Koalitionsfreiheit). Über die Anerkennung nach dem 2. Weltkrieg durch den Alliierten KR. schon oben I c. Dabei auch die V e r k o p p e l u n g mit den B e t r i e b s r ä t e n . Immer wieder sind im Laufe der Jahrzehnte v e r s c h i e d e n e T y p e n von Gewerkschaften hervorgetreten, zum Teil in Kampfstellung gegeneinander, dann wieder zusammengehend, so die „freien" Gewerkschaften, die „christlichen", die „liberalen" usw. Die i n t e r a n t i o n a l e Wirksamkeit trat zuletzt auf der Londoner und der Pariser Konferenz von 1946 hervor. Seitdem hat auch hier die Spaltung zwischen Ost und West einen Trennungsstrich gesetzt. Aber die Z e n t r a l i s a t i o n setzt sich in beiden Hälften fort, der dort herrschenden Weltanschauung angepaßt. 2. D e r k o l l e k t i v e A r b e i t s v e r t r a g ( T a r i f v e r t r a g ) . Die „überbetriebliche" Organisation der Arbeiterschaft u n d auf der anderen S e i t e der Arbeitgeberschaft wären zwecklos, w e n n sie nicht A r b e i t s b e d i n g u n g e n für g a n z e Bezirke, d. h. g e m e i n s a m f ü r alle in d e m betreffenden Bezirk g e l e g e n e n Betriebe vereinbaren könnten, j e w e i l s f ü r die Arbeiterschaft eines b e s t i m m t e n Wirtschaftszweiges (Bergarbeiter, Holzarbeiter, Textilarbeiter usw.). D a es sich dabei in erster Linie u m den Lohntarif handelt, hat sich schon seit Jahrzehnten in Deutschland der N a m e Tarifvertrag eingebürgert; i m Ausland wird vielfach statt dessen die terminologische B e z e i c h n u n g „kollektiver Arbeitsvertrag" v e r w e n d e t . D i e Tarifverträge sind also zunächst A b m a c h u n g e n z w i s c h e n den beiderseitigen V e r b ä n d e n und setzen die Arbeitsbedingung e n gleich für hunderte oder tausende v o n Arbeitsverträgen fest. Der Einzelne v e r s c h w i n d e t dahinter. Ihm bleibt meist nur die Wahl, 17*

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§ 45 III d 2. Der T a r i f v e r t r a g

nach den im Tarifvertrag niedergelegten Normen seinen Vertrag zu schließen oder gar nicht abzuschließen. Die r e c h t l i c h e B e h a n d l u n g war, gemessen an dem überkommenen Privatrecht, schwierig. Bis zu dem revolutionären Umschwung von 1918 fehlte jeder gesetzliche Anhalt. Die Wissenschaft und die Rechtsprechung (vgl. RG. Bd. 73 S. 92fT.) vermochten von sich aus nicht darüber hinweg zu kommen, daß häufig die „Vertreter" die Masse der Vertretenen nicht Mann für Mann befragen konnten oder sie trotz Befragung nicht geschlossen hinter sich hatten, daß vielmehr eine Minorität gegen die vorgetragenen Forderungen war; das stimmte dann nicht zu der gefestigten Lehre von der „Stellvertretung" (BGB. §§ 164ff.), wonach eine verbindliche Kraft nur für den einsetzt, der dem Vertreter eigens Vollmacht gegeben hat. Inzwischen a b e r hat die Rechtsordnung im Anschluß an den 1. W e l t krieg kühn zugegriffen, um ohne R ü c k s i c h t auf solche privatrechtlichen Bedenken e i n e b i n d e n d e K r a f t d e r T a r i f v e r t r ä g e für a l l e „ B e t e i l i g t e n " durchzusetzen. Am 23. Dezember 1918 erging (im V o l k s m u n d als W e i h n a c h t s g e s c h e n k für die a r b e i t e n d e n K l a s s e n bezeichnet) eine Verordnung über T a r i f v e r t r ä g e , die folgende sehr grundlegende Bestimmungen enthielt: § 1: „Sind die Bedingungen für den Abschluß von A r b e i t s v e r t r ä g e n zwischen V e r e i n i g u n g e n von A r b e i t n e h m e r n und einzelnen A r b e i t g e b e r n oder V e r e i n i g u n g e n von A r b e i t g e b e r n durch schriftlichen V e r t r a g ger e g e l t (Tarifvertrag), so sind A r b e i t s v e r t r ä g e zwischen den beteiligten Personen i n s o w e i t u n w i r k s a m , a l s s i e v o n d e r tarifl i c h e n R e g e l u n g a b w e i c h e n . . . An die S t e l l e unwirksamer V e r e i n b a r u n g e n treten die entsprechenden Bestimmungen des Tarifvert r a g e s " . — Abs. 2: „Beteiligte P e r s o n e n im S i n n e des Abs. 1 sind Arbeitg e b e r und A r b e i t n e h m e r , die V e r t r a g s p a r t e i e n des T a r i f v e r t r a g e s oder Mitglieder der v e r t r a g s c h l i e ß e n d e n Vereinigungen sind . . . " Damit war also zunächst für die V e r b a n d s m i t g l i e d e r die bindende und unabdingbare Kraft der Tarifnormen kurzerhand ausgesprochen, und zwar ohne R ü c k s i c h t darauf, ob der Tarifvertrag n a c h bürgerlichem R e c h t e für sie bindend wäre, d. h. also ohne Rücksicht darauf, ob sie etwa g a r nicht gefragt oder überstimmt worden sind. Der § 2 b r a c h t e dann n o c h eine bedeutende Erweiterung, indem der R e i c h s a r b e i t s m i n i s t e r s o l c h e Tarifverträge, „die für die Gestaltung der A r b e i t s b e d i n g u n g e n d e s B e r u f s k r e i s e s in dem Tarifgebiet überwiegende Bedeutung erlangt h a b e n " , sogar für „ a l l g e m e i n v e r b i n d l i c h " e r k l ä r e n kann. Dadurch wurden auch die Personen gebunden, die nicht einmal Mitglieder der a b s c h l i e ß e n d e n V e r b ä n d e waren (die Nicht- oder Andersorganisierten). So w a r das Fundament für die T a r i f v e r t r ä g e gewonnen. Ein n a t i o n a l s o z i a l i s t i s c h e s I n t e r m e z z o hat die Einrichtung der auf freier V e r e i n b a r u n g der V e r b ä n d e beruhenden T a r i f v e r t r ä g e aufgeh o b e n und durch von oben her (durch die R e i c h s t r e u h ä n d e r der Arbeit) d e k r e t i e r t e n Tarif O r d n u n g e n ersetzt. Mit der K a s s a t i o n des A O G .

§ 46 I. Der Dienstvertrag

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durch den AKR. (oben I a 5) ist auch die Institution der Tarifordnungen wieder weggefallen (die gerade laufenden sind aber vorläufig aufrechterhalten worden), und das Feld ist erneut den T a r i f v e r t r ä g e n freigegeben. Doch ist die Entwicklung dieser Regeneration noch im Fluß und durch die Spaltung in Ost und West in verschiedene Gleise gedrängt worden — In der Bizone (amerikaninsch-britisch) unter Berücksichtigung von Wünschen der Militärregierung ein n e u e s T a r i f v e r t r a g s g e s e ' z vom 9. April 1949. Kritischer Punkt war dabei die juristische Erfassung und Begrenzung jener oben erwähnten „Allgemeinverbindlichkeit"; grundsätzliche Anerkennung im § 5.

Die j u r i s t i s c h e K o n s t r u k t i o n muß davon ausgehen, daß die „Normen" des Tarifvertrages (also die Bestimmungen über Lohnart und Lohnhöhe, über die Arbeitszeit, über etwaigen Urlaub, über die Kündigungsfristen, über die Schlichtung von Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis usw.) f ü r zahllose Menschen rechtsverbindlich sind, ohne daß diese Menschen gefragt worden wären, ja sogar gegen ihren etwa ausgesprochenen, entgegengesetzten Willen. Das läßt sich p r i v a t r e c h t l i c h ü b e r h a u p t n i c h t m e h r e r k l ä r e n . Man ist sich denn auch in der Wissenschaft sehr rasch einig geworden, die Tarifverträge (d. h. ihren „normativen Teil") über den Stand subjektiver Parteiabmachungen hinaus auf den Stand o b j e k t i v e r R e c h t s s a t z u n g zu heben. Danach stellen die Tarifnormen eine R e c h t s q u e l l e e i g e n e r A r t (..Normenvertrag") dar, erwachsen auf dem Boden einer den beteiligten Wirtschaftsständen insoweit vom Staate verliehenen A u t o n o m i e . §46. Der Dienstvertrag (BGB. § 611ff.) I. B e g r i f f . D i e n s t v e r t r a g i s t D a r r e i c h e n von Diensten irgendwelcher Art gegen eine Entlohn u n g . Durch den Aufbau auf „Dienste" schlechthin unterscheidet sich der Dienstvertrag vom W e r k v e r t r a g . Beim Werkvertrag (nachfolgend § 47) wird das fertige Werk, der schließliche Erfolg geschuldet, beim Dienstvertrag nur das Tätigsein als solches. Gegenstand des Dienstvertrages ist „ n u r e i n W i r k e n , n i c h t e i n W e r k". Die Grenze ist flüssig. Der Vertrag, den ich mit einem Gärtner schließe, ist W e r k v e r t r a g , wenn er mir zwölf Bäume, die ich aus einer Baumschule habe kommen lassen, sachgemäß einpflanzen soll; er ist D i e n s t v e r t r a g , wenn der Gärtner jede Woche einen Nachmittag kommt, um nach meinen Weisungen die inzwischen aufgelaufenen Gartenarbeiten zu verrichten. Zwischen diesen beiden klaren Tatbeständen liegen die verschiedensten Möglichkeiten.

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§ 46 I. Begriff d e s D i e n s t v e r t r a g e s

Aus dem Wesensunterschied des Dienstvertrages vom Werkvertrag ergeben sich mehrere F o l g e r u n g e n , die allerdings durch Parteiabrede im Einzelfall abgeschwächt werden können. Sobald diese Abschwächung einen gewissen Grad überschreitet, hört dann sogar das Schuldverhältnis auf, ein Dienstvertrag zu sein, und geht in einen Werkvertrag über. 1. Die wichtigste Folgerung ist, daß beim Dienstvertrag der Dienstverpflichtete s e i n S e l b s t b e s t i m m u n g s r e c h t a u f g i b t . Er bleibt nicht (wie beim Werkvertrag) der Herr des Arbeitsvorganges, sondern tritt insoweit unter die Botmäßigkeit des Dienstberechtigten. Ü b e r g a n g in die „ D i s z i p l i n a r g e w a l t " des neuzeitlichen h ä l t n i s s e s (oben § 45 III c 1). A n d e r e r s e i t s A b s c h w ä c h u n g „ M i t b e s t i m m u n g s r e c h t " (c 2).

Arbeitsverdurch d a s

2. Der Dienstvertrag erscheint als Dauerschuldverhältnis, weil eben nicht Ablieferung eines fertiggestellen Werkes in einem künftigen Z e i t p u n k t , sondern laufendes Tätigsein während einer Z e i t d a u e r geschuldet wird. V g l . den G e g e n s a t z zwischen K a u f und M i e t e oben § 34 II. — A u s der A b s t e l l u n g auf eine Zeitdauer e r g e b e n sich wichtige F o l g e n . Die Regeln v o m g e g e n s e i t i g e n V e r t r a g e w e r d e n a b g e s c h w ä c h t , einer von b e i d e n muß immer „ v o r 1 e i s t e n " (im Zweifel der Dienstverpflichtete, §614, s o daß er a l s o den Lohn „ p o s t n u m e r a n d o " erhält). B e s o n d e r e w i c h t i g e V o r s c h r i f t e n b e s t e h e n a u c h für d a s b l o ß e B e r e i t h a l t e n der D i e n s t e w ä h r e n d der Dienstzeit (nachfolgend III b 2). Die „F ü r S o r g e p f l i c h t " (nachfolgend III c) ist e b e n f a l l s nur a u s dem D a s e i n eines D a u e r v e r h ä l t n i s s e s zu erklären.

3. Beim Dienstvertrag kommt es auf die P e r s o n d e s D i e n s t l e i s t e n d e n an, weil eben das persönliche Tätigsem, nicht das fertige sachliche Werk den Gegenstand der Schuld bildet. Folge: Der Dienstverpflichtete darf grundsätzlich nicht jemand anderen statt seiner in den Dienst schicken, er hat vielmehr „die Dienste in Person zu leisten" (§ 613, S. 1). E b e n s o u m g e k e h r t : „Der A n s p r u c h auf die Dienste ist im Zweifel nicht ü b e r t r a g b a r " (§ 613 S. 2). Der D i e n s t v e r t r a g ist a l s o beiderseitig „höchstpersönlich."

4. Beim Dienstvertrag trägt der Dienstberechtigte, nicht der Dienstverpflichtete d i e G e f a h r d e s A r b e i t s v o r g a n g e s , weil der Dienstberechtigte nur das Arbeiten als solches, nicht aber das Zustandekommen des Erfolges versprochen hat. Wird z. B d a s A r b e i t s p r o d u k t , noch ehe es vom Dienstverpflichteten „ a b g e l i e f e r t " w o r d e n ist, ohne s e i n e Schuld g e s t o h l e n oder durch Unwetter vernichtet, so b e h ä l t e r s e i n e n L o h n a n s p r u c h , denn

§ 46 II a, b. Pflichten des Dienstverpflichteten

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er h a t gearbeitet, auch wenn schließlich nichts dabei herausgekommen ist. II. D i e P f l i c h t e n d e s D i e n s t v e r p f l i c h t e t e n . Sie richten sich in erster Linie nach d e m Parteiwillen. Ergänzend k o m m e n d e r Verkehrsgebrauch, e t w a i g e Tarifverträge und gesetzliche Hilfsvorschriften in Frage. a) Gegenstand des Dienstvertrages k ö n n e n D i e n s t e jeder A r t sein. Einen besonderen Charakter b e k o m m t der Dienstvertrag, w e n n es sich u m eine „ G e s c h ä f t s b e s o r g u n g " handelt. D a n n nämlich w e r d e n auf Grund des § 6 7 5 eine R e i h e v o n R e g e l n des A u f t r a g s r e c h t s in den Dienstvertrag h i n ü b e r g e n o m m e n . An Hand des Gesetzestextes lassen sich weiterhin aus der Fülle der möglichen Dienstleistungsarten folgende K a t e g o r i e n herausheben: 1. » D a u e r n d e D i e n s t v e r h ä l t n i s s e." J e d e r Dienstvertrag ist seinem Wesen nach auf Dauer gestellt. Aber „Dauer" ist ein relativer Wert. Neben der Dauer, die aus dem allgemeinen Begriff des Dienstvertrages entspringt, gibt es im L e b e n andere Bewertungen. Annahme einer Krankenpflegerin für eine Nacht ist, daran gemessen, kein Dauerverhältnis, wohl aber Anstellung einer Erzieherin für die Kinder auf unbestimmte Zeit. Praktische Folgen: §§ 629, 630. 2. „ H ä u s l i c h e s D i e n s t v e r h ä l t n i s", genauer: Dienst „mit Aufnahme in die häusliche Gemeinschaft", wie bei den meisten städtischen Hausangestellten und bisweilen auch bei Lehrlingen. Näheres Aneinanderrücken der Parteien. Deshalb besondere F ü r s o r g e p f l i c h t (§ 617, näheres unten III c). 3. „ H ö h e r e D i e n s t e", wiederum ein flüssiger, manchmal als „unsozial" bezeichneter, aber im Leben unvermeidlicher Unterschied. Bei den „höheren" Arten von Dienstleistungen ist der Arbeitsmarkt, d. h. die Möglichkeit neu unterzukommen, verringert. Darum l ä n g e r e K ü n d i g u n g s f r i s t (§ 622). 4. „ E r s c h ö p f e n d e D i e n s t v e r h ä l t n i s s e". Eine freie Waschfrau geht von Haus zu Haus, nirgends erschöpft sie ihre Dienste, sie setzt sie jeden Tag bei einem andern Dienstherrn ein. Anders die fest angestellte Wäscherin einer Waschanstalt. Wiederum praktischer Unterschied bei der K ü n d i g u n g (§ 623, auch schon § 622; vgl. § 617). 5. N i c h t unter den Dienstvertrag fallen die f a m i l i e n r e c h t l i c h e n D i e n s t l e i s t u n g s p f l i c h t e n . Die Pflicht der Ehefrau und der im Hausstand lebenden Kinder, sich helfend in Haus und Geschäft zu betätigen, unterliegt besonderem Recht (§ 1356 II, 1617). Hereinziehen vertraglicher Abmachungen und damit des Dienstvertragsrechts ist jedoch nicht ausgeschlossen. b) D i e D u r c h f ü h r u n g der Dienstleistungen steht u n t e r w e i t g e h e n d e m s o z i a l e m S c h u t z . Hier tritt zu den spezifisch sozialen Vorschriften des B G B . (insbes. § 618; u n t e n IIIc 1) der w e i t a u s gebaute Schutz des neuzeitlichen Arbeitsrechts hinzu. Die mannigfaltigen g e w e r b e p o l i z e i l i c h e n Maßregeln zum Schutze der Gesundheit, zur Verhütung von Gefahren, in Ausführung der

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§ 46 II c, d. Stellung des Dienstverpflichteten §§120 ä f f . GewO. (des „Arbeiterschutzgesetzes"; vgl. oben § 4 5 I a l ) , und viele n e u e r e Maßregeln. Die Vorschriften über Maximala r b e i t s z e i t . Die Sondervorschriften zum Schutz der F r a u e n u n d J u g e n d l i c h e n . Usw. — Mitwirkung der B e t r i e b s r ä t e ; KRG. Nr. 22 (oben § 45 III c 3) Art. V: „. . . Erlaß von Betriebsordnungen zum Zwecke des Arbeitsschutzes, einschließlich der in das Gebiet der Unfallverhütung, ärztlichen Betreuung, betriebshygienischen und sonstigen Arbeitsbedingungen fallenden Angelegenheiten."

c) Auf Leistung der Dienste hat der Dienstberechtigte zwar einen k l a g b a r e n A n s p r u c h , aber die V o l l s t r e c k u n g , etwa mittels Ordnungsstrafen, ist abgeschnitten. Die ZPO. unterscheidet zwischen v e r t r e t b a r e n Dienstleistungen („die durch einen Dritten vorgenommen w e r d e n können") und nicht vertretb a r e n (die ihrem W e s e n nach an die Person des Schuldners gebunden sind). Im ersteren Fall bleibt dem Dienstberechtigten nur der Ausweg, die betreffende Arbiet auf Kosten des Schuldners durch einen Ersatzmann vornehmen zu lassen (ZPO. § 887). Bei u n v e r t r e t b a r e n Handlungen hat der § 888 grundsätzlich vorgesehen, „daß der Schuldner zur Vorn a h m e der Handlung durch Geldstrafen oder durch Haft anzuhalten sei", hat aber dann im Abs. II ausdrücklich hinzugesetzt, daß das „im Falle der Verurteilung zur Leistung von Diensten aus einem Dienstvertrage nicht zur A n w e n d u n g kommt." Die Klage auf S c h a d e n s e r s a t z w e g e n V e r t r a g s b r u c h s führt dagegen zur Vollstreckung, soweit nicht auch hier die „Unpfändbarkeit" aller v o r h a n d e n e n G e g e n s t ä n d e (oben S. 10) tatsächlich einen Riegel vorschiebt.

Ein u m g e k e h r t e s Recht des Dienstverpflichteten, daß ihm die angebotenen Dienste a b g e n o m m e n werden, besteht nicht. Doch muß der Dienstberechtigte natürlich den Lohn weiter bezahlen, auch wenn er den Dienstverpflichteten untätig sitzen läßt. In gewissen Fällen wird aber doch dem tives R e c h t a u f „ B e s c h ä f t i g u n g " der S c h a u s p i e l e r , der in der Tat ein bloß seine „Gage" zu beziehen, sondern arbeiten.

Dienstverpflichteten ein posizuzusprechen sein. Beispiel: wichtiges Interesse hat, nicht wirklich aufzutreten, also zu

d) Neben der Pflicht zur unmittelbaren Dienstleistung kann den Dienstverpflichteten eine T r e u p f l i c h t treffen, dahin zu formulieren: alles zu unterlassen, was dem Geist des persönlichen, im Dienstvertrag liegenden Vertrauensverhältnisses zuwiderläuft. Das G e s e t z (BGB.) schweigt, w ä h r e n d z. B. die alten Gesindeordnungen mehrfach ausdrücklich eine Treupflicht des Gesindes aufstellten. Gemeint ist mit dieser Treupflicht nicht eine bestimmte innere Gesinnung, sondern, wie immer innerhalb des Schuldrechts, lediglich ein bestimmtes V e r h a l t e n , das aber ü b e r die unmittelbar ü b e r n o m m e n e n (technischen) Dienstleistungen hinausgeht, und sich insbesondere negativ dahin äußert, daß nichts den Dienstherrn Schädigendes, z. B. ü b l e N a c h r e d e , u n t e r n o m m e n wird. Dem industriellen Leben ist das jedoch ziemlich fremd. Dafür ist auf dessen Boden eine immerhin v e r w a n d t e Erscheinung erwachsen, nämlich die Pflicht, G e s c h ä f t s g e h e i m -

§ 46 III a. Dienstvertrag; Lohnzahlung

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n i s s e z u w a h r e n . Gesetzliche Sonderregel dafür in § 17 Ges. gegen u n l a u t . W e t t b e w e r b vom 7.6.09: »Mit Gefängnis bis zu einem J a h r und mit Geldstrafe bis zu 5000 Mk. oder mit einer dieser Strafen wird bestraft, wer als Angestellter, Arbeiter oder Lehrling eines Geschäftsbetriebs Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse, die ihm vermöge des Dienstverhältnisses a n v e r t r a u t oder sonst zugänglich geworden sind, währendderGeltungsdauerdesDienstverhältnisses unbefugt an andere zu Zwecken des W e t t b e w e r b e s oder in der Absicht, dem Inhaber des Geschäftsbetriebs Schaden zuzufügen, mitteilt." Das b ü r g e r l i c h e Recht ergänzt diese Strafregel mittelst einer S c h a d e n s e r s a t z p f l i c h t (§17 UnlautWG. ist ein Schutzgesetz i. S. von §823 11 BGB.; unten §64111; vgl. überdies §19 UnlautWG.), greift aber möglicherweise nach Lage des Falles noch weiter, insofern sich aus dem Vertragsverhältnis eine a b s o l u t e Schweigepflicht, d. h. auch da, w 0 weder W e t t b e w e r b noch Lust an der Schädigung hineinspielen, e r g e b e n kann. Dann: Schadensersatzpflicht und fristlose Kündigung gemäß § 626 (unten IV a). — Schwierige Lage n a c h A u f l ö s u n g d e s D i e n s t v e r h ä l t n i s s e s . In gewissen Grenzen auch hier noch Strafbarkeit nach einem II. Abs. des § 17. Schadensersatzpflicht kann sich aus Vertrag, äußerstenfalls (Praxis sehr zurückhaltend) aus § 826 BGB. (darüber u n t e n § 64 IV) ergeben.

III. D i e P f l i c h t e n d e s D i e n s t b e r e c h t i g t e n . Sie zerfallen in die Lohnzahlungspflicht und die Fürsorgepflicht. a) D i e L o h n z a h l u n g . Gewährung eines Lohnes (Gesetz: „Vergütung") ist für den Dienstvertrag begriffsnotwendig, sonst liegt „Auftrag" vor (unten § 50). 1. Mitunter ist nichts vereinbart. Daraus folgt keineswegs Unentgeltlichkeit, vielmehr setzt die A u s l e g u n g ein, gestützt auf Verkehrssitte und § 612 BGB. In der Praxis treten nicht selten Schwierigkeiten auf, wenn V e r w a n d t e jahrelang im Haushalt ohne Entgelt Dienste leisten, indem sie z. B. einen älteren V e r w a n d t e n pflegen. Sie verlassen sich auf Versprechungen, daß sie später beschenkt oder zum Erben eingesetzt w e r d e n sollen, r e c h n e n also doch mit einem Entgelt. Die Versprechungen sind dann wegen Formmangels ungültig (§ 518, oben § 33 I; § 2302). Notfalls muß das Verhältnis dahin u m g e d e u t e t werden, daß eben doch ein (seinerseits formfreier) D i e n s t v e r t r a g mit echtem Lohnanspruch unter Befristung der Lohnzahlung (Hemmung der sonst nach § 196 Ziff. 8 rasch eintretenden V e r j ä h r u n g gemäß § 202) gemeint gewesen ist.

2. In Geld braucht die Entlohnung nicht zu bestehen. N a t u r a l l e i s t u n g e n statt Geldes oder neben Geld sind häufig. Auch Arbeit gegen Arbeit kann gewährt werden. Doch steht die Geldzahlung durchaus im Vordergrund. Uber verschiedene Lohnarten vgl. oben § 45 III b. Grundsätzlich postn u m e r a n d o (oben I), gegebenenfalls abschnittsweise (§ 614, 2). R e c h t s b a s i s für Lohnart und Lohnhöhe zunächst f r e i e V e r e i n b a r u n g . Für Millionen von Dienstverträgen verschoben durch das Institut der T a r i f v e r t r ä g e (ob. § 45 III d 2).

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§ 46 III b. Lohnzahlung beim Dienstvertrag

3. Der Lohnanspruch des Dienstverpflichteten ist in mehrfacher Hinsicht p r i v i l e g i e r t . Der Grundgedanke ist ein sozialer: dem Arbeitnehmer soll die D a s e i n s g r u n d l a g e nicht durch Lohnpfändungen oder dergleichen genommen werden. Vgl. schon § 45 Illb. b) L o h n a n s p r u c h t r o t z n i c h t g e l e i s t e t e r D i e n s t e . Seinem Wesen nach ist der Dienstvertrag ein g e g e n s e i t i g e r V e r t r a g : die Leistungen stehen sich als Austauschwerte gegenüber. Darum sind die Regeln des gegenseitigen Vertrages grundsätzlich auch auf jeden Dienstvertrag anzuwenden. Das gilt vor allem von Leistungsverstößen. Die Verweigerung der Lohnzahlung, die Unpünktlichkeit im Dienst, das Davonlaufen, der Verstoß gegen die Treupiiicht, das Versagen in vertraglich übernommenen Nebenpflichten, z. B. das Beschädigen der anvertrauten Maschinen, die Zumutung, ein ungesundes oder sonstwie vertragswidriges Arbeitsquartier zu beziehen usw., sind nach dem a l l g e m e i n e n V e r t r a g s r e c h t , insbesondere nach den Kategorien der „Unmöglichkeit" und des „Verzuges" beim gegenseitigen Vertrag (oben §§ 20, 21), zu beurteilen. Der Grundsatz wird jedoch durch z w e i w i c h t i g e A u s n a h m e n durchbrochen. Beide sind wiederum aus dem Bestreben hervorgegangen, den arbeitenden Menschen über den Stand eines gewöhnlichen Gläubigers hinauszuheben. Sie führen zu der allgemeineren Formel, daß in gewissem Rahmen schon d a s b l o ß e B e r e i t h a l t e n der A r b e i t s k r a f t als s e l b s t ä n d i g e r , des L o h n e s w ü r d i g e r W e r t anzusehen ist. 1. § 6 1 6. Er greift ändernd in die U n m ö g l i c h k e i t s l e h r e ein und trifft den Fall, daß der Dienstverpflichtete eine kurze Zeit lang nicht arbeiten kann, weil er durch einen persönlichen Grund, etwa Krankheit oder irrtümliche Verhaftung oder gerichtliche Ladung, verhindert, und zwar ohne seine Schuld verhindert ist. Geschähe es schuldhaft, so bliebe er h a f t b a r nach § 325. So, da ihn keine Schuld trifft, müßte eigentlich § 323 zur Anwendung kommen, und damit verlöre er seinen Lohnanspruch (für den betreffenden Zeitraum). Statt dessen geht er kraft § 616 seines Lohnanspruches „ n i c h t verlustig"; allerdings unter einer gewissen Anrechnungspflicht, nämlich betr. die Gelder, die er etwa inzwischen aus der öffentlichen Versicherung gegen Unfall und Krankheit bezogen hat. Sonderbestimmungen in GewO. § 133 c Abs. II (bei „unverschuldetem Unglück Lohnanspruch für v o l l e s e c h s W o c h e n ) , HGB. § 6 3 (ebenso). — Ist V e r z i c h t auf den Schutz der §§ 616 BGB., 133 c GewO., 63 HGB. zulässig? Das wird von der herrschenden Lehre bejaht. Doch hat eine Verordnung vom 1. Dezember 1930 (mit wichtiger Berichtigung

§ 46 III b 3. Das Betriebsrisiko

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RGBl. 1930 I S. 608) für Angestellte — im Gegensatz zu Arbeitern — und (nur) für den Fall der Behinderung durch Krankheit die genannten Schutzbestimmungen für u n a b d i n g b a r erklärt, zugleich ein Musterbeispiel für die gesetzliche Kleinarbeit, die auf solchem Gebiet herrscht.

2. § 6 1 5. Er schneidet in die Lehre vom G l ä u b i g e r v e r z u g ein und trifft den Fall, daß der Dienstherr mit der Entgegennahme der Dienste säumig ist, wobei es (nach der allgemeinen Dogmatik des Gläubigerverzuges, oben § 23 IIb) auf Verschulden seinerseits nicht ankommt. Schon nach allgemeinem Vertragsrecht behält dabei der Dienstverpflichtete seinen Lohnanspruch, aber er müßte nun auch seinerseits noch ein entsprechendes Quantum Arbeit nachliefern: er hätte auf Grund des § 322 II nur die Klage auf Leistung „nach Empfang der Gegenleistung". Statt dessen gibt ihm § 615 den Lohnanspruch o h n e eigene Nachleistungspflicht, nur unter Anrechnung des dabei Ersparten oder Ersparbaren. Ganz deutlich tritt hier in Erscheinung, daß der Arbeitnehmer schon f ü r d a s b l o ß e B e r e i t h a l t e n d e r D i e n s t e entlohnt wird. 3. D a s B e t r i e b s r i s i k o . Dieser Begriff war bei der Schaffung des BGB. unbekannt. Erst die Folgen des ersten Weltkrieges, die schweren, oft jähen Stockungen im Arbeitsprozeß dank der wirtschaftlichen Nöte und Spannungen, warfen die Frage auf: Muß hier der Arbeitgeber das Risiko tragen in dem Sinne, daß er d e n A r b e i t e r n den Lohn w e i t e r zahlen muß, obwohl n i c h t g e a r b e i t e t w e r d e n k a n n ? Ausbleibende Kohlenzufuhr, Absperrung des elektrischen Stromes, Maschinendefekte, polizeiliche Schließung des Betriebes waren schon damals die wichtigsten hierher gehörigen Tatbestände. Heute sind sie in gesteigertem Maß wiedergekehrt. Feindliche Besatzungsmaßregeln, Demontage, die schwere Spaltung von Ost und West sind hinzugetreten. Immer wieder wirft das die Frage auf: wer hat ein derartiges „Betriebsrisiko" zu tragen? Vor 30 Jahren hat die W i s s e n s c h a f t mit der rein dogmatischen Frage eingesetzt: ist das in dem Verhältnis des Fabrikherrn zum Arbeiter „ U n m ö g l i c h k e i t " oder „ A n n a h m e v e r z u g " ? Konkreter gefaßt: Bei einer Fabrik ist der Kohlenvorrat aufgebraucht, die erwartete neue Kohlensendung trifft infolge Verkehrssperre oder Streik im Kohlenrevier nicht ein. Die Fabrik wird deshalb geschlossen. Die Arbeiter behaupten, daß sei A n n a h m e v e r z u g , und verlangen fortlaufend den Lohn nach § 615. Der Fabrikherr behauptet, daß sei U n m ö g l i c h k e i t , und lehnt nach § 323 die Lohnzahlung ab. Die soziale und wirtschaftliche Bedeutung springt in die Augen: Im zweiten Falle verlieren die Arbeiter die Existenzbasis, im ersten Fall bricht möglicherweise durch Überlastung das Fabrikunternehmen zusammen.

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§ 46 III b 3. Das Betriebsrisiko

Inzwischen ist die wisssnschaftliche Erkenntnis durch die P r a x i s d e r G e r i c h t e aufgerüttelt und zu einer mehr und mehr vom bürgerlichen Recht abrückenden Abschätzung der Frage geführt worden. Man hat erkannt, daß mit den Paragraphen des BGB. über Unmöglichkeit und Verzug die Frage nicht gemeistert werden kann, daß vielmehr neue Maßstäbe in freischöpferischer Tätigkeit an sie herangetragen werden müssen. Dabei ging, aus begreiflichen sozialen Erwägungen heraus, die Tendenz zunächst dahin, g r u n d s ä t z l i c h n u r d e n A r b e i t g e b e r m i t d e m R i s i k o zu b e l a s t e n , also dem Arbeitnehmer den Lohn zu erhalten. Bahnbrechend w a r das RGUrteil vom 6 . 2 . 2 3 (Bd. 106 S. 272ff. Das RG. stellte damals fest: „Das BGB. steht, den V e r h ä l ' n i s s e n seiner Enstehungszeit entsprechend, auf einem i n d i v i d u a l i s t i s c h e n Standpunkt. Inzwischen hat aber der Gedanke der s o z i a l e n A r b e i t s - u n d B e t r i e b s g e m e i n s c h a f t Ausbreitung und A n e r k e n n u n g g e f u n d e n . . . Von diesem G e d a n k e n und damit von den tatsächlichen sozialen Verhältnissen aus ergibt sich die Lösung: Es handelt sich nicht mehr nur um das Verhältnis des einzelnen Arbeiters zum Arbeitgeber, sondern um eine R e g e l u n g z w i s c h e n z w e i G r u p p e n d e r Gesells c h a f t , dem Unternehmertum und der Arbeiterschaft".

Damit war der Bann gebrochen. Es folgte ein zweites grundlegendes Urteil des R A r b e i t s gerichts vom 20.6.1928 (Samml. d. Entscheid. d. RAG. Bd. 3 S. 116). Aber es war klar, daß irgendeine G r e n z e gefunden werden mußte. Bis in die Gegenwart hinein hat eine Fülle von Gerichtsurteilen die V e r s c h i e d e n h e i t d e r T a t b e s t ä n d e und die Schwierigkeit aufgedeckt, eine einigermaßen feste Grenze zu finden. Verschiedene Theorien sind entwickelt worden. Starken Anklang hat vor allem die S p h ä r e n t h e o r i e gefunden, die unterscheiden will, ob die einzelnen Fälle in die „ S p h ä r e d e s A r b e i t g e b e r s " oder in die „ S p h ä r e d e s A r b e i t n e h m e r s " fallen. Aber abgesehen davon, daß dann der Streit sich unter dem Zeichen der Zuteilung nach der einen oder nach der anderen Seite fortsetzt, bleiben sog. n e u t r a l e Fälle, bei denen weder die Zugehörigkeit zu der Sphäre des einen noch die Zugehörigkeit zur Sphäre des anderen Teiles behauptet werden kann, wie etwa bei einer feindlichen Besetzung. Ein anderer V e r s u c h geht dahin, den k o n k r e t e n Störungen eines einzelnen Betriebs das „ g e n e r e l l e B e t r i e b s r i s i k o " gegenüberzustellen, von dem, wie etwa beim Eindringen feindlicher Truppen, bei V e r k e h r s s p e r r e n großen Stils, beim staatlichen Verbot ganzer Produktionszweige, eine große Reihe von Betrieben gleichmäßig betroffen werden. Aber auch da bleibt die Grenze offen.

§ 46 III c. Fürsorgepflicht des Dienstherrn

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Das d e r z e i t i g e E r g e b n i s der reichhaltigen Judikatur und der angeschlossenen wissenschaftlichen Erörterungen geht dahin, daß die Belastung des Arbeit g e b e r s mit dem Betriebsrisiko der Ausgangspunkt bleiben muß, daß aber doch auch der Arbeitnehmer bereit sein muß, einen Teil des Risikos durch Lohnverzicht auf seine Schultern zu nehmen. Eine v o l l e Entlastung des Arbeitgebers wird dann anzunehmen sein, wenn es zu einer totalen Stillegung des Betriebes kommt, vielleicht auch schon, wenn dem Unternehmen die Gefahr eines vollen wirtschaftlichen Zusammenbruchs droht, falls ohne Produktionsmöglichkeit die Löhne fortlaufend an die gesamte Belegschaft weitergezahlt werden müßten (erschwerend der Kündigungsschutz). Neben einer solchen vollen Entlastung hat sich in jüngster Zeit in vielen Urteilen der Grundsatz einer G e f a h r e n g e m e i n s c h a f t durchgesetzt, mit dem Ziel einer V e r t e i l u n g des Betriebsrisikos. Dabei dominiert eine quantitative Verteilung, das will besagen: der Arbeitnehmer muß sich mit einem Teil des Lohnes begnügen (wieviel? die Hälfte?). Doch ist auch eine z e i t l i c h e Verteilung vorgeschlagen worden, in der Art, daß eine gewisse Zeit lang (wie lange?) der Arbeitgeber allein das Risiko trägt, während dann dem Arbeitnehmer durch Wegfall des Lohnes das Risiko zufällt. Aus der Spruchtätigkeit des LArbG. B r e m e n vom Herbst 1947: Das Betriebsergebnis liegt im guten und schiechten Sinne in erster Linie beim Arbeit g e b e r. In guten Jahren Gewinn, beim Eintritt ungünstiger Verhältnisse die Pflicht, Rückschläge in Kauf zu nehmen. Dann aber: „Eine Ausnahme kann dann Platz greifen, wenn sich aus einer vom Arbeitgeber unverschuldeten Betriebsgefahr für das Unternehmen die Gefahr eines völligen wirtschaftlichen Zusammenbruchs ergibt oder ohne eine Verteilung des Schadens auf die Parteien des Arbeitsvertrages die Fortführung des Betriebes ausgeschlossen oder erheblich gefährdet wird" Und in einem zweiten Urteil: Der R e c h t s g r u n d für die ausnahmsweise Verteilung der Betriebsgefahren ist der Gedanke der sozialen Arbeits- und Betriebsgemeinschaft. . .. Der Fortbestand des Betriebes und die Fortsetzung des gemeinsamen Werkes der Gütererzeugung ist die ursprüngliche Grundlage aller Arbeitsverträge. Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen darum beide dem gemeinsamen Werk Opfer bringen, wenn dieses die Verhältnisse erfordern.

c) F ü r s o r g e p f l i c h t . Wäre die Arbeit eine reine „Ware", die der Dienstverpflichtete an den Dienstberechtigten verkauft, so wäre f ü r eine Fürsorgepflicht des letzeren kein Raum. Aus der besonders eigenartigen persönlichen Berührung, die demgegenüber der Dienstvertrag zwischen den beiden beteiligten Menschen herbeiführt, muß dagegen eine Fürsorgepflicht abgeleitet werden. Das BGB. ist denn auch in dieser Richtung kräftig vorgegangen. Mit der von ihm auf-

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§ 46 III c 1. Sozialer Schutz nach § 618 BGB.

gestellten privatrechtlichen Fürsorgepflicht steht allerdings die ö f f e n t l i c h e S o z i a l v e r s i c h e r u n g (vor a l l e m die Krankenund Unfallversicherung) in W e t t b e w e r b . Namentlich dem nachfolgenden Tatbestand 2 ist dadurch das meiste seiner Anwendbarkeit entzogen worden. Aber auch für den Tatbestand 1 hat die R e i c h s v e r s i c h e r u n g s o r d n u n g v o n 1911 eine Einschränkung gebracht, soweit es sich um einen B e t r i e b s u n f a l l handelt. Dann nämlich ist eine persönliche Inanspruchnahme des Dienstgebers grundsätzlich durch die Versicherung abgeschnitten. Nur, „wenn s t r a f gerichtlich festgestellt ist, daß er den Unfall vorsätzlich herbeigeführt hat" (§ 898 RVO.), haftet er für den über die Versicherungszahlungen etwa hinausgehenden Schaden. Wie das R e i c h s g e r i c h t (Bd. 84 S. 425ff.) festgestellt hat, gilt das nicht bloß für den unmittelbar aus der „unerlaubten Handlung" (§ 823ff.) abgeleiteten Schadensersatzanspruch, sondern auch für die Ansprüche aus § 618. 1. D e r s o z i a l e S c h u t z a u s § 6 1 8 zugunsten des Lebens, der Gesundheit, der sittlichen und religiösen Persönlichkeit des Dienstverpflichteten. Berühmter Paragraph. Zusammen mit 617 und 619 erst im II. Entwurf (bzw. im Reichstag) eingefügt. Scharfe Kritik des I. Entwurfs war vorangegangen. Jetzt sind diese Regeln anerkannter Bestand der geltenden Rechtsordnung. Ü b e r t r a g u n g a u f d i e n s t v e r t r a g s ä h n l i c h e V e r h ä l t n i s s e , z.B. Werkvertrag (nachfolgend §47), Gesellschaften (nachfolgend § 55), ist mehrfach von der Praxis mit Erfolg versucht worden. In bedeutsamer Entscheidung hat das Reichsgericht (Bd. 97 S. 44) ausgeführt, daß auch für das öffentlichrechtliche B e a m t e n v e r h ä l t n i s Ähnliches zu gelten habe, weil hinter BGB. § 618 ein „allgemeiner Rechtsgedanke" stünde. Nachbildung des § 618 in § 62 H a n d e 1 s G B. Eine r e i c h e K a s u i s t i k hat sich an den Gesetzestext angesetzt. G r u n d g e d a n k e n sind: a ) M ö g l i c h s t e G e f a h r l o s i g k e i t d e r A r b e i t (§6181). Nach der Art des Dienstverhältnisses verschieden. Bei einer Polarexpedition liegt für jeden Teilnehmer ein großes Maß von Gefahrübernahme in der Natur der Sache („Natur der Dienstleistung" sagt § 618). Praxis ist streng, verlangt ständiges Aufmerken des Dienstherrn; bloße Warnung ' an den Arbeitenden, vorsichtig zu sein, genügt keineswegs in jedem Falle. Bedeutende Ergänzung durch die g e w e r b e p o l i z e i l i c h e n Schutzvorschriften (oben IIb), die dann als Teil der bürgerlichrechtlichen Verpflichtung des Dienstherrn anzusehen sind. Konkurrierendes V e r s c h u l d e n des Arbeitenden möglich und nach allgemeinen Regeln (oben § 14 IV a) zu veranschlagen. ß) Gesteigerte Fürsorge bei h ä u s l i c h e r Gemeinschaft (§61811). Insbesondere auch seelische Fürsorge, z.B. Freizeit für Gottesdienst; Wahrung der Sittlichkeit, z. B. getrennte Schlafräume für das männliche und weibliche Personal; Gesundheitsprophylaxe, z. B. genügender Wechsel zwischen Arbeits- und Erholungszeit. Dieser soziale Schutz wird sichergestellt durch s e i n e grundsätzliche U n a b d i n g b a r k e i t (§619) und eine w e i t t r a g e n d e S c h a d e n s e r s a t z p f l i c h t (§618111). I m G e w ä n d e v o n Schadens-

§ 46 IV. Dienstvertrag; Kündigung

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ersatzklagen tritt er hauptsächlich in die Gerichtspraxis ein, und es gilt dann für die Bemessung des Schadens nicht das Vertragsrecht, sondern das weiter gespannte, insbesondere auch die Versorgung der Hinterbliebenen (§ 844 II) mit erfassende D e l i k t s r e c h t . 2. Nahe verwandt damit ist die K r a n k h e i t s f ü r s o r g e n a c h § 6 1 7 , von der allerdings das meiste durch die ö f f e n t l i c h e S o z i a l v e r s i c h e r u n g überholt worden ist. Trotzdem behält § 617 BGB. eine gewisse Bedeutung. Er trifft nur „dauernde und häusliche" Dienstverhältnisse. Auch sonst ist die Pflicht des Dienstherrn arg verklausuliert. Besonders wichtig: „Die Kosten (der Verpflegung) können auf die für die Zeit der Erkrankung geschuldete Vergütung a n g e r e c h n e t werden". Schwierige Verrechnung auch mit der etwa nur in geringerem Ausmaß einsetzenden Kassenverpflegung.

IV. B e e n d i g u n g . Da das Dienstverhältnis gleich der Miete ein Dauerverhältnis ist (vgl. oben I), so ergeben sich hinsichtlich der Auflösung Parallelen zum Mietsrecht (über dieses ob. § 35 Ziff. VII): Entweder ist ein festes Zeitmaß oder ein beliebiges sofortiges Auseinandergehen vereinbart, oder es greifen vertragliche oder gesetzliche K ü n d i g u n g s f r i s t e n ein. Auch die „stillschweigende Verlängerung" begegnet wie bei der Miete, nur muß man sich hier „unverzüglich" entscheiden (§ 615), während bei der Miete eine zweiwöchige Überlegungsfrist vorgesehen ist. a) K ü n d i g u n g a u f d e r G r u n d l a g e d e s B G B . Durchaus im Vordergrund steht in der Praxis die A u f l ö s u n g d u r c h K ü n d i g u n g . Das Gesetz kennt auch ein „Kündigen" ohne Kündigungsfrist (so in § 626); aber im Volkssprachgebrauch wird meist zur „Kündigung" eine Zwischenfrist hinzugedacht. L ä n g e d e r F r i s t sehr verschieden. Die Kündigungsfristen können einen wichtigen Punkt in den Arbeitskämpfen und Tarifverträgen bilden. Ergänzende Regeln im Gesetz (§§ 621ff.), ähnlich abgestuft wie bei der Miete. Besonderheiten bei „höheren" und „erschöpfenden" Dienstleistungen (S. 263 Ziff. 3 und 4). Sehr bedeutsam, weil das gesamte System durchbrechend, § 626: Kündigung ohne Frist bei Vorliegen eines „ w i c h t i g e n G r u n d e s". Was sind wichtige Gründe? Viel Streit, Entscheidung liegt beim Richter. In Spezialgesetzen (HGB., GewO.) vielfach besondere Aufzählung der wichtigsten Gründe, die fristlose Auflösung rechtfertigen; neuerdings mehr negativ gewandt: Aufzählung von Gründen, aus denen n i c h t gekündigt werden darf oder bei deren Vorliegen wenigstens eine Nachprüfung verlangt werden kann. Meist mischt sich Streit um die t a t s ä c h l i c h e n Vorgänge ein (ob wirklich eine so hochgradige Untauglichkeit, eine so schlimme Beleidigung, eine so starke Änderung der Wirtschaftslage vorliegt).

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§ 47 I. Der W e r k v e r t r a g V e r w a n d t mit § 626 ist § 627. In beiden Fällen schwierige L o h n V e r r e c h n u n g ; n ä h e r e s in § 628. — Beachtenswert, w e n n auch selten praktisch werdend, § 624, w o n a c h niemand seine Arbeitskraft ü b e r f ü n f J a h r e lang einem a n d e r e n bindend verschreiben kann; deshalb kann z.B. ein j u n g e r genialer Techniker, trotzdem er sich vertraglich auf z e h n J a h r e fest gebunden und um deswillen eine höher angesetzte J a h r e s v e r g ü t u n g bezogen hat, nach fünf J a h r e n kurzerhand (Kündigungsfrist sechs Monate) zu einem a n d e r e n W e r k übertreten. Muß er das M e h r an Vergütung, das ihm im Hinblick auf die geplante l ä n g e r e Bindung geboten war, falls es sich ü b e r h a u p t nachweisen und berechnen läßt, für die erstep fünf J a h r e zurückzahlen? Im Zweifel zu verneinen,

b) S o z i a l e r S c h u t z g e g e n E n t l a s s u n g . Der „Kündigungsschutz" als allgemeiner Zug des heutigen Abeitsrechts ist schon in §45Ib behandelt worden. Das „ R e c h t a u f d e n A r b e i t s p l a t z " ist heute ein Grundelement der soziologischen Eröterung. Die Entwicklung ist zur Zeit noch im Fluß.

Der historische Ablauf ist auch an diesem Punkt charakteristisch. Das B e t r i e b s r ä t e g e s e t z (BRG.) von 1920 (oben § 45 III c 3) hatte ausführliche Einzelbestimmungen gebracht (§§ 84ff.). Dann schob sich das nationalsozialistische AOG. an seine Stelle. Das AOG. ist 1946 kassiert w o r d e n (oben § 45 I a 5). Das alte BRG. konnte formal nicht wieder aufleben, da der Alliierte KR. seinerseits ein neues B R G . erließ (oben § 45 III b3). Aber dieses neue BRG. ist n u r ein Rahmengesetz. Bei der Auslegung kann in gewissen Grenzen auf das alte BRG. zurückgegriffen werden. Im übrigen ruht die weitere gesetzliche Regelung bei den einzelnen Ländern und in den Tarifverträgen. In der Ostzone ist das Betriebsrätesystem stark angezweifelt, seine Funktionen werden mehr und mehr von den Vertretern der G e w e r k s c h a f t e n auch bei der Frage des Entlassungsschutzes übernommen.

§ 47. Der Werkvertrag (BGB. §§ 63 Iff.) I. B e g r i f f . Ein Werkvertrag liegt vor, wenn jemand einem anderen seine Kräfte in der Weise entgeltlich zur Verfügung stellt, daß er ihm die Herstellung e i n e s b e s t i m m t e n W e r k e s , oder doch, wenn eine äußerliche Verkörperung nicht in Frage kommt, die Herbeiführung e i n e s b e s t i m m t e n E r f o l g e s zusagt. Es gehört hierher z. B. das Backen eines Kuchens, die Verfertigung eines Gelegenheitsgedichtes, der Bau eines Hauses, die A u s b e s s e r u n g eines Kleidungsstückes, die Beförderung von Möbeln, die Anlage einer Kanalisation usw. Doch ist s o l c h e V e r k ö r p e r u n g n i c h t begriffsnotw e n d i g . Zum W e r k v e r t r a g gehört es auch, wenn ein Schauspieler eine Gastrolle bei einem Theater, ein Gelehrter einen Vortrag, oder ein Arzt die Operation eines Kranken übernimmt. Für die theoretische Behandlung macht es allerdings einen gewissen Unterschied, ob solche Verkörper u n g vorliegt oder nicht. Denn nur bei V e r k ö r p e r u n g kann von einer

§ 47 II a. W e r k v e r t r a g und Dienstvertrag

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» A b n a h m e" des W e r k e s gesprochen werden, und an diese Abnahme sind gewisse Wirkungen, z.B. der Beginn der V e r j ä h r u n g (§63812) angeschlossen. Indessen wird dieser theoretischen Scheidung für die Praxis die Spitze ziemlich abgebrochen; der § 646 iäßt nämlich ganz allgemein an die Stelle der „Abnahme" die „Vollendung des W e r k e s " treten, w e n n eine A b n a h m e nach der Beschaffenheit des v e r s p r o c h e n e n W e r k e s nicht in Frage kommt. Der Gesetzgeber nennt die Parteien „ B e s t e l l e r " und „ U n t e r n e h m e r". Damit weicht er v o n der V o l k s s p r a c h e insofern ab, als das letztere Wort im gewöhnlichen Sprachgebrauch nur bei größeren W e r k e n , wie etwa beim Bau eines Hauses oder einer W a s s e r l e i t u n g v e r w e n d e t wird. Daneben ist noch der national-ökonomische Sprachgebrauch anzumerken, der den „Unternehmer" in Gegensatz zu der Arbeiterschaft bringt. Hier im Bereich der Jurisprudenz können aber bei einem Werkvertrag beide Teile solche „Unternehmer" sein, z. B. wenn der Besitzer einer Spinnerei bei dem Besitzer einer Maschinenfabrik eine Maschine in A u f t r a g gibt.

Dem Werk steht eine V e r g ü t u n g gegenüber (die allerdings nicht in Geld zu bestehen braucht); sonst liegt wiederum der Typus „Auftrag" vor. Die beiden Leistungen stehen im A u s t a u s c h v e r h ä l t n i s . Und da beim Werkvertrag die Arbeitsleistung gerade auf einen Z e i t p u n k t beschränkt wird, ist (im Gegensatz zum Dienstvertrag, § 46 IIa2) ein u n m i t t e l b a r e r Austausch durch Geben und Nehmen im gleichen Augenblick möglich (vgl. § 641). Nicht selten wird aber das versprochene W e r k in T e i l l e i s t u n g e n dargebracht, und dementsprechend auch die Bezahlung in Abschnitten erledigt. So ist es namentlich oft im Bauwesen. Dann muß mit den allgemeinen Regeln über S u k z e s s i v l i e f e r u n g e n (vgl. oben § 21 V) geholfen werden. Es liegt dann w ä h r e n d der Abwicklung ein Stück jener „Kameradschaft" vor, auf die im folgenden einzugehen ist.

II. G e g e n s a t z z u a n d e r e n S c h u l d v e r h ä l t n i s s e n , a) Der Werkvertrag ist nahe verwandt mit dem D i e n s t v e r trag. Gelegentlich sind beachtliche wissenschaftliche Versuche gemacht worden, Dienstvertrag und W e r k v e r t r a g miteinander zu vereinigen. Aber alle diese Bestrebungen wollen den Unterschied nicht ganz beseitigen-, sie richten sich lediglich gegen die übertriebene Betonung und die völlige T r e n n u n g der beiden Erscheinungen.

Der U n t e r s c h i e d besteht darin, daß der Werkvertrag sich auf e i n m a l i g e s Leisten konzentriert; und das gilt auch dann, wenn eine Zerlegung in Teilleistungen verabredet ist. Der Dienstvertrag dagegen setzt e i n b e s t ä n d i g e s L e i s t e n während eines Zeitraumes voraus, stellt sich also als ein Dauerverhältnis dar. Danach gipfelt der Werkvertrag vom juristischen Standpunkt aus in einem Z e i t p u n k t (oder mehreren einzelnen Zeitpunkten); das ist es. was 18 H e d e m a n n , Schuldreclit, 3. Aufl.

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§ 47 II a. Werkvertrag, Gegensatz zum Dienstvertrag

der Gesetzgeber im § 631 II mit dem Worte besagen will, daß als Gegenstand des Werkvertrages der schließlich eintretende „Erfolg" zu betrachten sei. Aus dem begrifflichen Gegensatz ergeben sich eine Reihe wichtiger Folgerungen (vgl. bereits f ü r den Dienstvertrag oben § 461). E r s t e n s behält beim Werkvertrag grundsätzlich der Arbeitende das S e l b s t b e s t i m m u n g s r e c h t ; er kann also selber über seine Arbeitskraft verfügen, kann sie ansetzen, wann er will, z. B. auch mitten in der Nacht, und oft hat er auch eine gewisse Verfügung über die zu verwendenden Materialien (vgl. aber nachfolgend b). Z w e i t e n s hat die Arbeit beim Werkvertrag einen u n p e r s ö n l i c h e n Charakter. Der Verpflichtete braucht nicht selbst notwendig Hand anzulegen (so beim Unternehmer i. e. S. des Wortes); wer z. B. das Legen einer Kanalisation übernimmt, hat, wie ohne weiteres als Vertragsinhalt anzunehmen ist, mit den unmittelbaren Handarbeiten selber nichts zu tun. D r i t t e n s ist dafür beim Werkvertrag d a s h e r z u s t e l l e n d e W e r k um so individueller. Eis zieht sich hier alles in dem Erfolg zusammen. Juristisch bekommt das noch ein besonderes Gepräge, insofern grundsätzlich der Unternehmer die G e f a h r t r a g e n muß. Das Letztere ist natürlich für die juristische Praxis und f ü r das Wirtschaftsleben von besonderer Bedeutung. Wenn beispielsweise ein Arbeiter in einer Ziegelei auf vierzehntägige Kündigung in der Weise angestellt ist, daß ihm der Lohn nach der Zahl der täglich oder wöchentlich abgelieferten Ziegeln berechnet wird (Akkordlohn, vgl. § 45 III b 1), und es werden nun ohne sein Verschulden die Ziegel nach der Fertigstellung, aber vor der Ablieferung gestohlen, so kann er trotzdem seinen Lohn verlangen, wenn es sich (und dies ist das Richtige) um einen Dienstvertrag handelt. Wäre es dagegen ein W e r k vertrag, so müßte er als „Unternehmer" selber die Gefahr bis zur Abnahme der Ziegel tragen (§ 644) und ginge also seines Lohnes verlustig. Ü b e r g a n g der Gefahr auf den Besteller mit der „Abnahme"; ausnahmsweise schon früher. Näheres in §§ 644, 645.

Die Folgerungen aus dem Gegensatz zum Dienstvertrag können im einzelnen Falle abgeschwächt oder auch ganz aufgehoben werden. Z. B. kann sehr wohl persönliche Leistung durch den „Unternehmer" verabredet sein (Operation durch den Arzt, nicht durch einen beliebigen Gehilfen). Oder der Unternehmer hat es eben doch vertraglich abgelehnt, die Gefahr zu tragen. Oder er unterwirft sich freiwillig den Weisungen des Bestellers und gibt damit doch sein Selbstbestimmungsrecht bis zu einem gewissen Grade preis. Trotzdem bleibt immer die Wurzel des Unterschiedes, d a ß e s s i c h b e i m W e r k v e r t r a g um die F e s t l e g u n g d e r K r ä f t e

§i47 II b. W e r k v e r t r a g , Unterschied vom Kauf

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auf e i n e n b e s t i m m t e n E r f o l g und d a m i t auf e i n e n Z e i t p u n k t , beim D i e n s t v e r t r a g d a g e g e n um eine Kräftebindung für einen Zeitraum handelt. b) V e r h ä l t n i s z u m K a u f . Der Gegensatz des Werkvertrags zum Kauf ist verschwommen. Das Gesetz hat selbst in dem gleich zu besprechenden § 651 einen M i s c h t y p u s (den sog. W e r k 1 i e f e r u n g s v e r t r a g ) aufgestellt. Gemeinsam ist beiden Gebilden, daß die Lieferung auf einen Zeitpunkt abgestellt und daß infolgedessen die Leistungspflicht nach dem fertigen Gegenstande abgeschätzt wird. Deshalb große Ähnlichkeit bei der H a f t u n g f ü r M ä n g e l . Das Gesetz arbeitet hier durchaus mit den gleichen Begriffen: „Fehler", „zugesicherte Eigenschaft", „ W a n d l u n g " und „Minderung"; vgl. §§ 633ff. mit §§ 459ff. N ä h e r e s unten II c.

I. Der U n t e r s c h i e d liegt in der Zugehörigkeit des Kaufs zur G ü t e r ü b e r l a s s u n g , während der Werkvertrag als eine Form der M i t h i l f e b e i d e r G ü t e r h e r s t e l l u n g aufgefaßt ist. Danach ist ein Kauf gegeben, wenn die zu liefernde Sache beim Vertragsschluß schon fertig vorliegt, wie z. B. der im Laden hängende fertige Anzug, während ein Werkvertrag anzunehmen ist, wenn die Sache erst auf Grund des Vertragsschlusses neu hergestellt werden soll. Dieser Gegensatz ist jedoch nicht rein durchgeführt. Vielmehr wird auch der letztere Tatbestand in beträchtlichem Umfange in den Bereich des Kaufs hineingezogen. Dies ist die Wirkung des schon erwähnten § 651. Nach dieser Gesetzesbestimmung muß unterschieden werden, ob der Besteller d e n S t o f f s e l b s t h e r g i b t , an dem die Arbeit ausgeführt werden soll, oder ob der Unternehmer seinerseits auch den Stoff zu beschaffen hat. Nur im ersteren Falle liegt nach dem Willen des Gesetzgebers ein wirklicher ,,Werkvertrag" vor, während im letzteren Falle die Regeln vom Kauf angewandt werden sollen. H e u t e bürden die sog. „Beschaffungsschulden" dem Unternehmer besondere Lasten auf, da die vielen S t ö r u n g e n i m W i r t s c h a f t s a b l a u f , namentlich die V e r k n a p p u n g der Rohstoffe ganz auf seine Schultern fallen. Das muß er tragen. Mit dem Einwand, „die Lieferung der noch ausstehenden Maschinen sei ihm infolge außerordentlicher Produktions- und Materialschwierigkeiten zur Zeit unmöglich", k a n n er grundsätzlich nicht gehört w e r d e n . So ein Urteil des OLG. Hamm vom I I . 1 2 . 4 7 , das unter folgenden Leitsätzen veröffentlicht worden ist: „Bei Beschaffungsschulden kann sich der Schuldner von seiner Leistungspflicht durch die Berufung darauf nicht befreien, daß er zur Anschaffung der Rohstoffe erhebliche Opfer bringen müsse; er hat trotzdem sein Möglichstes zu versuchen, um seine Verbindlichkeit zu erfüllen. Nur wenn die Beschaffung ganz außerordentliche, n i c h t mehr zumutbare O p f e r verlangen würde, kann seine Befreiung eintreten". 16-6

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§ 47 III a. W e r k v e r t r a g : der Arbeitsvorgang

2. Dazu tritt aber noch eine weitere Sonderung. Wenn nämlich das Werk nach der Absicht der Parteien einen i n d i v i d u e l l e n C h a r a k t e r bekommen soll (Anzug nach Maß, Gemälde nach Modell, Maschine nach besonderer Konstruktion), wenn es sich also um. eine „nichtvertretbare" Sache handelt, soll doch wieder der Vertrag in der Hauptsache als ein Werkvertrag behandelt werden. Danach ist es z. B. ein Kaut, w e n n m a n in einer Speisewirtschaft ein fertiges Butterbrot erwirbt; es bleibt auch Kauf, w e n n das Brot erst nach der Bestellung in der Küche angefertigt wird; dagegen kann der V o r g a n g zu einem W e r k v e r t r a g werden, w e n n e t w a eine Torte nach ganz bestimmten A n g a b e n angefertigt w e r d e n soll.

Der Grund zu dieser scheinbar eigenwilligen Stellungnahme des Gesetzgebers liegt darin, daß der Werkvertrag als eine Art k a m e r a d s c h a f t l i c h e s V e r h ä l t n i s gedacht ist (s. sogleich unter lila). Das ist gegeben, wenn es sich um eine Individualleistung handelt, fällt dagegen weg, wenn die Leistung den Charakter eines bloßen Handelsartikels annimmt, bei dem der Gedanke an werktätige Hilfe ganz verloren geht. Natürlich h ä n g e n von der theoretischen A b s t e m p e l u n g prakt i s c h e W i r k u n g e n ab. Z. B. ist beim „ W e r k v e r t r a g " nach § 636 ein R ü c k t r i t t s r e c h t (des Bestellers) a u c h o h n e V e r s c h u l d e n gegeben, das beim Kaufvertrag fehlt, bzw. nur bei Verzug (der grundsätzlich Verschulden vorausgesetzt, § 285 BGB. oben § 21 II c) gegeben ist. Weiter gewährt der § 634 I 1 beim W e r k v e r t r a g einen B e s s e r u n g s a n s p r u c h , der wiederum dem Kaufrecht u n b e k a n n t ist (S. 163). W e n n also ein Spinnereibesitzer bei einer Maschinenfabrik eine Maschine bestellt hat, die sich späterhin als m a n g e l h a f t erweist, so macht es einen bedeutenden Unterschied, ob die Maschine aus den Lagerbeständen „gekauft" oder e t w a nach eigener Zeichnung des Bestellers erst angefertigt worden ist. N u r in letzterem Falle kann der Besserungsanspruch geltend gcmacht werden, w ä h r e n d bei „Kauf" gleich zur W a n d l u n g geschritten werden muß.

III. D u r c h f ü h r u n g des Werkvertragsverhältnisses. a) D a s S t a d i u m d e r A r b e i t hat grundsätzlich nur einen vorbereitenden Charakter, denn geschuldet ist der „Erfolg". Trotzdem besteht inzwischen eine Art von „ K a m e r a d s c h a f t s v e r hältnis". 1. Allerdings tritt dieser wichtige Zug im Gesetzestext nur an einigen Einzelstellen in Erscheinung. Vor allem k ö n n e n den Besteller w ä h r e n d der Arbeit gewisse Pflichten der M i t w i r k u n g treffen. Lieferung des Material (Bauplatz), in der Bereitstellung seiner Person (Anzug nach Maß, ärztliche Behandlung, Porträtmalen), Raterteilung und Geben von Anweisungen, falls solche vertraglich vorgesehen sind, usw.

§ 47 III b. W e r k v e r t r a g } Abnahme des W e r k e s

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Eine „echte" P f l i c h t zur Mitwirkung besteht jedoch in solchen Fällen nicht. Der Unternehmer kann deshalb nicht auf das Mitwirken k l a g e n , und die Säumigkeit des Bestellers ist kein Schuldnerverzug, sondern höchstens Gläubigerverzug (vgl. RG. Bd. 53 S. 223). Aber mittelbar zeigt sich doch das V e r b u n d e n s e i n des Bestellers: 1. W e n n infolge seiner Nichtmitwirkung das W e r k (der Erfolg) u n a u s g e f ü h r t bleibt, so hat er doch die V e r g ü t u n g in entsprechendem Verhältnis zu entrichten (§ 642); 2. er hat die G e f a h r z u t r a g e n , soweit die Gefahr in den Kreis seiner Mitwirkungspflicht fällt (§ 645); vgl. auch § 6 4 4 1 2 ) ; 3. der Unternehmer k a n n bei Säumicjkeit des Bestellers seinerseits die Beziehungen durch eine „Kündigung' abbrechen (§ 643).

2. Das Kameradschaftsverhältnis kann weiter in sehr eigentümlicher Weise in Erscheinung treten, wenn sich während der Arbeit bereits M ä n g e l d e s W e r k e s zeigen. Genau genommen müßte dann der Besteller abwarten, bis ihm das Werk (mit den Mängeln) vorgelegt wird. Er darf indessen, weil eben inzwischen bereits ein Verhältnis zwischen ihm und dem Unternehmer besteht, schon vorher in gewissen Grenzen gegen den Mangel vorgehen (vgl. § 634 I 2). 3. Schließlich kann sich das schwebende Verhältnis auch in Gestalt von stafielweiser Arbeit und staffelweiser Entlohnung zeigen (vgl. bereits I a. E.). b) D i e A b n a h m e d e s f e r t i g e n W e r k e s . Schon beim Kauf ist dem Käufer eine besondere Pflicht zur „Abnahme" auferlegt (§ 32 IIb 2). Dasselbe gilt beim Werkvertrag (§ 6401), und wie beim Kauf so ist auch hier dieses Abnehmen — im Gegensatz zu den Mitwirkungshandlungen (a) — s c h u l d n e r i s c h e Verpflichtung des Bestellers, so daß er bei Nichtabnahme in Schuldnerverzug, nicht nur in Gläubigerverzug gerät. Nach h e r r s c h e n d e r Lehre besteht aber doch eine begriffliche Unterscheidung der „Abnahme" beim W e r k v e r t r a g v o n der „Abnahme" beim Kauf. W ä h r e n d bei letzterem das Abnehmen in rein äußerlichem Sinne zu v e r s t e h e n ist, bedeutet die A b n a h m e beim W e r k v e r t r a g zugleich das B i l l i g e n des W e r k e s als „vertragsmäßig hergestellt". Das dient zur Entlastung des Unternehmers: es k ö n n e n ihm dann nicht alle möglichen, später a u f t a u c h e n d e n Mängel als Fehler seiner Arbeitsweise zugeschoben werden. Aber nun muß die herrschende Lehre sogleich wieder eine merkliche E i n s c h r ä n k u n g machen. Es kann mit der „Abnahme" dem Besteller die Geltendmachung v o n Mängeln (s. sogleich unter c) nicht schlechthin abgeschnitten werden. Darum hat man sich an die Formulierung gewöhnt, die „Abnahme" bedeute nur eine Anerkennung, daß „ d e r H a u p t s a c h e n a c h " die Leistung dem V e r t r a g e entspreche, n i c h t a b e r eine A n e r k e n n u n g der Leistung „ a l s Erfüllung s c h l e c h t h i n " (so z. B. RG. Bd. 107 S. 343). Damit wird, in etwas eingeengtem Maß, die Bahn zur Erhebung von Mängelansprüchen wieder erschlossen.

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§ 47 III c. W e r k v e r t r a g , M ä n g e l h a f t u n g An die so v e r s t a n d e n e „Abnahme" sind m e h r e r e R e c h t s f o l g e n angeschlossen: Beginn der V e r j ä h r u n g für M ä n g e l a n s p r ü c h e (§ 638), Ü b e r g a n g der G e f a h r (§§ 644, 645), Beweisbelastung des Bestellers (§ 363).

c) M ä n g e l h a f t u n g (§§ 633—639). Sie stellt sich dar als eine Verschmelzung der Mängelhaftung beim K a u f und der Mängelhaftung bei der M i e t e , unter Beigabe einiger Besonderheiten, die sich aus der Zugehörigkeit des Werkvertrags zu den A r b e i t s v e r t r ä g e n erklären. —• Leitende Grundsätze RG. Bd. 56 S. 82. W a n n ein „Mangel" vorliegt, h ä n g t vom Einzelfall u n d von der Auslegung des W o r t e s „Erfolg" ab. Keineswegs ist darunter stets ein „glücklicher ' Erfolg gemeint. Z. B. k ö n n e n bei einem ärztlichen Eingriff oder bei einer Theatergastrolle nicht ohne weiteres gegen den „Unternehmer" (Arzt, Schauspieler) A n s p r ü c h e geltend gemacht werden, weil der Eingriff keinen Erfolg gehabt oder der Gast keinen Beifall g e f u n d e n hat.

1. Wie im Mietsrecht ist ein B e s e i t i g u n g s a n s p r u c h vorgesehen (§ 633 II). — So wie z. B. bei einer Mietswohnung, in der ein Ausguß fehlt, auf Beseitigung dieses Übelstandes geklagt werden kann, so auch gegenüber dem Baumeister, der den Ausguß vergessen hat. Gegebenenfalls S e l b s t b e s e i t i g u n g s r e c h t mit Ersatz der Aufwendungen (vgl. ob. § 35 Vc und im BGB. § 633 III). V o n der „Beseitigung des M a n g e l " ist die N e u h e r s t e l l u n g (nämlich eines zweiten, seinerseits m a n g e l f r e i e n Gegenstandes) zu unterscheiden. Es leuchtet ein, daß die Neuherstellung für den Unternehmer oft viel kostspieliger und lastenreicher sein wird, daß er also ein Interesse hat, seine H a f t u n g auf bloße Mängelbeseitigung zu beschränken. Inwieweit man ihm darin folgen kann, ist b e s t r i t t e n . Zunächst ist festzustellen, daß der Anspruch auf N e u h e r s t e l l u n g an sich guten Boden hat. Er stellt sich nämlich als eine b e s o n d e r e Form des E r f ü l l u n g s a n s p r u c h s dar (vgl. ob. S. 96 a). Der Besteller kann Darbringung der versprochenen Leistung verlangen, bis sie dargebracht ist. Das trifft auch Fehlgriffe in der Leistung jedenfalls dann, wenn das Dargebotene so fehlerhaft ist, daß es als e i n e g a n z a n d e r e a l s d i e g e s c h u l d e t e L e i s t u n g (als ein aliud) erscheint. Aber die besondere M ä n g e l h a f t u n g setzt nun eben doch, wie schon im Kaufrecht festgestellt (§ 32 V vor a), einen deutlichen Trennungsstrich: Mängelh a f t u n g b e d e u t e t B e h a l t e n des m a n g e l h a f t e n G e g e n s t a n d e s in Verbindung mit den verschiedenen Mängelansprüchen. Die Frage spitzt sich also darauf zu, v o n w e l c h e m Z e i t p u n k t a n der Besteller den Erfüllungsanspruch verliert und nur noch die M ä n g e l a n s p r ü c h e behält, enger a u s g e d r ü c k t : von welchem Zeitpunkt an er nicht mehr Neuherstellung, sondern nur noch Mängelbeseltigung an dem hergestellten ersten Gegenstand verlangen kann. E i n i g ist man sich, daß der Anspruch auf Neuherstellung j e d e n f a l l s m i t d e r „ A b n a h m e " (vorstehend b) verloren geht. Streit herrscht aber darüber, o b n i c h t s c h o n v o r h e r , d. h. vom Augenblick der Herstellung des W e r k e s an (vielleicht im Einzelfall noch früher), die „Beschränkung" auf den Beseitigungsanspruch eintritt. Als Endpunkt

§ 47 III d. Eigentumsverhältnis beim Werkvertrag

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empfiehlt sich aber doch wohl erst die „ A b n a h m e" in dem früher geschilderten Sinne, sie allein gibt eine gewisse Festigkeit. Dieses Ergebnis wäre höchstens dann zu verwerfen, wenn der Unternehmer dadurch zu schwer belastet würde. Aber man kann ihm unschwer helfen, wenn man den sogar für den B e s e i t i g u n g s anspruch gegebenen E i n w a n d , die Beseitigung „erfordere einen unverhältnismäßigen Aufwand" (§ 633 112), entsprechend auf den noch viel schwerer wiegenden Anspruch auf N e u h e r s t e l l u n g überträgt.

2. Wie im Kaufrecht (ob. § 32 Vb Ziff. 3) ist ein W a n d l u n g s a n s p r u c h bereitgestellt (§ 634), z. B. wenn das Haus völlig unbrauchbare Treppen hat. 3. Wie im Miets- u n d Kauf recht gibt es ferner einen M i n d e r u n g s a n s p r u c h (§ 634), z. B. wenn die gemietete oder bestellteWasserleitung keine genügende Wassermenge durchläßt. 4. Das V e r h ä l t n i s d e r m e h r e r e n A n s p r ü c h e z u e i n a n d e r ist allerdings besonders geregelt, indem beim Werkvertrag a n e r s t e r S t e l l e d e r B e s e i t i g u n g s a n s p r u c h kommt. Das erklärt sich aus seiner Eigenschaft als Arbeitsvertrag. Vorbereitung auf die anderen Ansprüche durch Fristsetzung f ü r das Beseitigen. Ausnahmsweise keine Fristsetzung nötig (§ 634 II). 5. Schließlich tritt noch ein S c h a d e n s e r s a t z a n s p r u c h hinzu (§635), jedoch nur, ganz ähnlich wie im K a u f - u n d Metsrecht, bei erschwerenden Umständen, nämlich nur dann, wenn der Mangel vom Unternehmer „zu vertreten" ist. 6. Nicht eigentlich zur Mängelhaftung gehört die H a f t u n g d e s U n t e r n e h m e r s f ü r S ä u m n i s . Hier begegnet ein beachtenswerter Unterschied zum Kauf, indem beim Werkvertrag ein R ü c k t r i t t s r e c h t auch ohne Verschulden eingeräumt wird (gegebenenfalls nach Fristsetzung). Der S c h a d e n kann allerdings auch hier nur bei Verzug geltend gemacht werden (§ 636). Die E i n z e l h e i t e n zu 1. bis 6. ergibt der Gesetzestext; z. B. § 638: Verjährung der Mängelansprüche, 640 II: Beschränkung der Ansprüche bei vorbehaltloser Annahme. — Die V o r s c h r i f t e n d e s a l l g e m e i n e n S c h u l d r e c h t s kommen ergänzend zur Anwendung, z. B. die Einrede des nicht erfüllten Vertrages (oben § 11 IIa).

d) E i g e n t u m s v e r h ä l t n i s s e . Da beim Werkvertrag oft Sachen herüber und hinüber gegeben werden, insbesondere der zu bearbeitende Stoff vom Besteller dem Unternehmer anvertraut wird, spielt die Eigentumsfrage eine große Rolle (namentlich wenn der Unternehmer in Konkurs gerät). Falls der U n t e r n e h m e r selber den Stoff liefert, so bleibt er zunächst Eigentümer des entstehenden Werks, und es kann der Besteller keineswegs die Sache vor der Ablieferung an ihn als die seine beanspruchen; das gilt sogar dann,

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§ 47 V. Schutz der Bauhandwerker

wenn in dem begonnenen Werk ein Stück von der Persönlichkeit des Bestellers eingefangen ist, wie etwa beim Porträtmalen (unberührt bleibt allerdings das „Recht am eigenen Bilde"). Wenn dagegen der B e s t e l l e r den Stoff geliefert hat, so könnte § 950 aus der Eigentumslehre in die Irre führen. Nach seinem Wortlaut sollte man annehmen, daß der Unternehmer, sobald er nur die Arbeit am Stoff einigermaßen durchgeführt hat, seinerseits das Eigentum an der „neuen beweglichen" Sache erwirbt. Indessen ist man sich ziemlich einig, daß in solchem Falle der Unternehmer nur V e r t r e t e r in der Bearbeitung ist, also gerade durch die Verarbeitung im Dienst des Bestellers diesem das Eigentum erhält (Hedemann, Sachenr. § 24 III e). Neben das Eigentum tritt nun aber ein besonderes g e s e t z l i c h e s P f a n d r e c h t , das die Stellung des Unternehmers erheblich verstärkt. Denn dieses Pfandrecht (§ 647) gibt ihm nicht nur dem Besteller-Eigentümer sondern auch allen Dritten g e g e n ü b e r eine s t a r k e Sicherung: es h a t dingliche Kraft, verschafft also z. B. im K o n k u r s e d e s B e s t e l l e r s dem Unternehmer eine Vorzugsstellung g e g e n ü b e r allen anderen Gläubigern (vgl. § 1257).

IV. B e e n d i g u n g d e s W e r k v e r t r a g s v e r h ä l t n i s s e s . Da der Werkvertrag im Grunde genommen kein Dauerverhältnis ist, kann bei ihm von einer Beendigung nicht in dem Sinne die Rede sein wie etwa bei der Miete oder dem Dienstvertrag; das teilt der Werkvertrag wiederum mit dem Kauf. Regelmäßig tritt daher seine Beendigung mit der beiderseitigen Erfüllung ein. Immerhin besteht, wie wir sahen, schon vorher eine Art K a m e r a d s c h a f t s v e r h ä l t n i s , und bei diesem ist allerdings ein vorheriger Abbruch möglich. Tritt also der U n t e r n e h m e r mitten während der Arbeit unbefugterweise zurück, so liegt ganz ebenso ein Vertragsbruch vor, wie wenn der Verkäufer nicht liefern will. Dagegen hat der Gesetzgeber in eindrucksvoller Einseitigkeit dem B e s t e l l e r ein wirkliches R e c h t zum vorherigen Abbruch der Beziehungen gegeben, das er sich allerdings durch Gewährung eines entsprechenden Teiles der Vergütung erkaufen muß (§ 649). Der Grund ist vorzugsweise ein wirtschaftlicher. Möglicherweise hat die Durchführung für den Besteller keinen Zweck mehr, so, w e n n eine Gemeinde für ein Volksfest, das nun ausfällt, eine Künstlertruppe bestellt hatte. — Der Gesetzgeber nennt die Aufsage „Kündigung", w a s sich eben auf das schwebende Kameradschaftsverhältnis bezieht. Übrigens k a n n diese Kündigung, ganz abgesehen v o n der Teilvergütung, noch Nachw i r k u n g e n haben, wie etwa die Pflicht zur Rückgabe des dem Unternehmer a n v e r t r a u t e n Stoffes usw.

V. S i c h e r u n g d e r B a u h a n d w e r k e r . In der Werdezeit des BGB. kam es an vielen Plätzen zu einer überstürzten, oft rein

§ 48 I. Der Mäklervertrag

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spekulativen und gewinnsüchtigen Bautätigkeit, im Zusammenhang mit der raschen Entwicklung der Großstädte. Oft genug brach das Bauunternehmen zusammen, nicht selten schon während des Baues. Die B a u h a n d w e r k e r (Schlosser-, Tischler-, Maler-, Glasermeister usw.), die während der ganzen Zeit ihre Arbeit und meist auch ihr Material in den Bau hineingesteckt hatten, gingen — mangels einer d i n g 1 i c h en Sicherung (denn das Pfandrecht des § 647 bezieht sich nicht auf Grundstücke, sondern nur auf bewegliche Sachen) — im Konkurse so gut wie leer aus. Der § 648 BGB. wollte helfen, er gab den Bauhandwerkern das gesetzliche Recht auf Einräumung einer Sicherungshypothek an dem Baugrundstück. Der Schutz versagte in den meisten Fällen. Der Gesetzgeber hat deshalb noch einen zweiten Anlauf unternommen, indem er am 1. J u n i 1909 ein S o n d e r g e s e t z z u m S c h u t z e d e r B a u h a n d w e r k e r erließ. Aber auch dieses Gesetz ist ein Fehlschlag gewesen und in seinem wesentlichen Teil unausgeführt geblieben. 1. Der § 648 versagt deshalb, weil er im Gegensatz zu dem Pfandrecht des § 647 (s. vorstehend vor IV) n i c h t e i n e v o n s e l b s t w i r k e n d e dingliche Sicherung gibt, sondern nur einen Anspruch a u f Einräumung einer Hypothek: die dingliche Sicherung (und damit der Vorzug vor den anderen Gläubigern) setzt erst mit der wirklichen Eintragung der Hypothek im Grundbuch ein (§§ 1113ff., § 873); und ehe es dazu kommt, ist es meist schon zu spät, sind insbesondere meist schon andere, i m R a n g e v o r g e h e n d e Hypotheken (die Restkaufgeldhypothek und die Baugelderhypothek) eingetragen, so daß die Bauhandwerker doch wieder das Nachsehen haben. 2. Das B a u h a n d w e r k e r s c h u t z g e s e t z vom l . J u n i 1909 wollte in seinem z w e i t e n T e i l (§§9ff.) eine V e r s t ä r k u n g d e r d i n g l i c h e n S i c h e r u n g zugunste der Leute, die „Bauforderungen" haben, bringen. Aber dieser 2. Teil ist n i c h t i n K r a f t g e s e t z t worden, steht also nur auf dem Papier, — „ein Kuriosum der deutschen Gesetzgebung".

§ 48. Der Mäklervertrag (BGB. §§ 652ff.) I. Der Mäklervertrag ist ein besonders eigenartiger Fall der M i t h i l f e . Die Mithilfe besteht darin, daß der Mäkler zwei andere Personen aneinander heranbringt und ihnen z u m A b s c h l u ß e i n e s V e r t r a g e s verhilft. Im übrigen kann seine vermittelnde Rolle stärker oder schwächer ausgeprägt sein, er kann, wie das Gesetz (§ 652) es ausdrückt, entweder nur „den Nachweis der G e l e g e n h e i t zum Abschluß" des Vertrages oder die „Vermittelung des Vertrages selbst" (also die Durchsprechung, vielleicht auch For-

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§ 48 II. Der M ä k l e r v e r t r a g

mulierung der Einzelheiten) übernehmen. Natürlich hängt davon, da die Mühe verschieden ist, regelmäßig auch die Höhe der Entlohnung ab. In der Praxis kommt, für den Rahmen des BGB., namentlich die Tätigkeit der Grundstücks- und Hypothekenmäkler, der Vermittler von Versicherungsverträgerl und der (privaten) Wohnungsnachweisbüros in Frage. W i e d e r u m sind dem G e s e t z nur einige wenige Leitsätze zu entnehmen. Daneben greifen H a n d e l s b r ä u c h e ein, teilweise in den Gutachten von H a n d e l s k a m m e r n oder anderweitig ziemlich fest formuliert. — Das BGB. regelt wie immer nur die privatrechtliche Seite (wobei aber auch bereits das Verhältnis der sog. H a n d e l s m ä k l e r abgeschieden und ins HGB.( dort §§ 93ff., v e r w i e s e n ist). Daneben k ö n n e n öffentlichrechtliche, insbesondere g e w e r b e p o l i z e i l i c h e V o r s c h r i f t e n , zur A n w e n d u n g kommen.

II. Im BGB. ist, was den Mäkler und seinen Anspruch auf Entlohnung („Provision") anbelangt, ein s t r e n g e r T o n angeschlagen. Im Anschluß an ein altes Rechtssprichwort „Mäklers Müh' ist oft umsonst", wird bestimmt, daß der Mäkler erst dann seinen Lohn verlangen darf, wenn aus dem Geschäft wirklich etwas geworden ist (§ 652). Und das ist nicht nur im zeitlichen Sinne verstanden. Vielmehr bedeutet es, daß der Mäkler beim Abbruch der Verhandlungen, sei es auch nach monatelangem Mühen, seinerseits und auf Grund eines bloßen Launenwechsels seines Auftraggebers, keinerlei Ansprüche auf Vergütung, etwa verhältnismäßig berechnete Vergütung (vgl. als Gegensatz § 615 oder 649) erheben darf. Nicht einmal seine baren Aufwendungen, Reisespesen, Telegrammkosten und dgl., werden ihm erstattet (§ 652 II). Er hat also in der Tat in solchem Falle „umsonst" gearbeitet. In einem besonderen Falle, nämlich der E h e v e r m i t t l u n g , wird ü b e r h a u p t keine k l a g b a r e Verpflichtung begründet, also auch dann, w e n n „aus der Sache e t w a s geworden", die Ehe also wirklich zustandegekomm e n ist. Der Gesetzgeber will ein so heiliges Ding wie den Eheschluß nicht als Artikel geschäftsmäßiger Vermittlung a n e r k a n n t wissen und verweist darum diese Sorte von M ä k l e r n ganz auf den guten Willen des Bräutigams (oder der Braut). Ist allerdings einmal gezahlt, so kann das Gezahlte nicht wieder zurückgefordert werden (§ 656), und so entsteht wie beim Spiel (oben § 44) eine sog. n a t u r a l i s o b l i g a t i o . Verwicklung bei D o p p e l t ä t i g k e i t des M ä k l e r s im Dienste beider Parteien. Grundsätzlich ist das nicht statthaft, und dann verliert der Mäkler j e d e n Anspruch (§ 654). Doch k a n n A b m a c h u n g oder Handelsb r a u c h etwas anderes ergeben. — Eine P f l i c h t , tätig zu werden, also sich wirklich um den Abschluß zu bemühen (und damit eine Klage auf Tätigwerden und etwaigen Schadensersatz) ist für den M ä k l e r v e r t r a g nicht begriffsnotwendig, Auslegung wird aber oft eine solche positive Betätigungspflicht ergeben.

§ 49. Auslobung und Preisausschreiben

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§ 49. Die Auslobung (BGB. §§ 657ff.) Das Wort Auslobung ist gutdeutsch, jedoch in der Sprache des Volkes nicht eingebürgert. Trotzdem ist das Gebilde selbst durchaus volkstümlich. Es gehören hierher die vielen öffentlichen Ankündigungen, namentlich in der Tagespresse, in denen jemand f ü r irgendeine Leistung eine „Belohnung" aussetzt, etwa f ü r das Wiederbringen einer verlorenen Sache, f ü r die Besiegung eines Ringkämpfers, die Lösung eines Rätsels, die Herstellung einer wissenschaftlichen Arbeit oder sonst dergleichen. Ein solches Angebot kann den Charakter eines V e r t r a g s a n t r a g e s annehmen. Wenn sich dann ein Partner einfindet, z. B. ein Detektiv, der sich bereit erklärt, gegen ein bestimmtes Honorar die gewünschten Ermittelungen zu machen, so wird damit die gewöhnliche Bahn eines V e r t r a g s s c h l u s s e s (z. B. eines Werkoder Dienstvertrages) beschritten. So aber hat sich der Gesetzgeber die „Auslobung" als ein selbständiges schuldrechtliches Gebilde n i c h t gedacht. Vielmehr charakterisiert sich die Auslobung gerade dadurch, daß eine B i n d u n g u n a b h ä n g i g v o n e i n e m a u s d r ü c k l i c h e n V e r t r a g s s c h l u ß platzgreift, schon auf Grund der bloßen e i n s e i t i g e n Bekanntgabe. Das wird praktisch, wenn der andere die betreffende, unter Belohnung gestellte Tätigkeit ganz ohne Kenntnis der Auslobung vollzogen hat. Er kann dann die Belohnung verlangen, auch wenn er, wie es das Gesetz (§ 657) ausdrückt, „nicht mit Rücksicht auf die Auslobung gehandelt hat". Wer also einen verloren gegangenen Hund wiederbringt, kann über den gesetzlichen F i n d e r l o h n hinaus (§ 971) den „ausgelobten" Betrag verlangen, auch wenn er zunächst keine Kenntnis von der Zeitungsanzeige hatte, sondern erst hinterher von der Auslobung erfuhr. — E i n z e l h e i t e n im Cesetz. Besonders kritisch die W i d e r r u f s möglichkeit (§ 658): Möglicherweise haben einer oder mehrere inzwischen schon erhebliche Aufwendungen gemacht, um im letzten Augenblick durch einen Widerruf den Anspruch auf die Belohnung zu verlieren. Hier bekommt besondere Bedeutung der Schlußsatz des § 658, wonach Beigabe einer Frist die Widerrufsmöglichkeit abschneidet. Sollte Arglist des Auslobenden mitspielen, wird ihm mit § 826 beizukommen sein.

Eine besondere Abart der Auslobung stellt das P r e i s a u s s c h r e i b e n dar (§661), das namentlich f ü r die „Lösung einer Aufgabe aus den Gebieten der Wissenschaft, Kunst, Technik usw." in Frage kommt (so Motive zum BGB. Bd. 2 S. 523).

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§ 50 I. Der Autfrag

§ 50. Der Auftrag (BGB. §§ 662ff.) I. B e g r i f f . Der „Auftrag" des B G B . (mandatum) ist kein Arbeitsvertrag im volkswirtschaftlichen Sinn, denn es fehlt das eine der beiden Grundelemente: der Lohn. Der „Auftrag" des B G B . ist nämlich seinem Begriff nach u n e n t g e l t l i c h . Im übrigen freilich stimmt er durchaus zum D i e n s t - u n d W e r k v e r t r a g ; alles, was deren Gegenstand sein kann, fortlaufende Dienste wie Herstellung eines bestimmten Werkes, Dienste höherer Art wie niedrigste Handreichungen, kann ebensogut auch den Inhalt eines Auftrags bilden, wenn nur die Bezahlung dafür in Wegfall kommt und statt dessen bloße Gefälligkeit, Hoffnung auf Gegendienste oder ähnliche Motive den Helfer in Bewegung setzen (vgl. aber oben § 5 la: Das „Nichtgeschäftliche"). Das Gesetz hat denn auch selbst eine unmittelbare Verbindung zwischen dem „Auftrag" und dem Dienst- und Werkvertrag hergestellt, und zwar durch den wichtigen § 675 (darüber unten IV). 1. Der § 662 spricht von einem „übertragenen G e s c h ä f t " . Das will zu vielem, was der Sprachgebrauch des Laien „Auftrag" nennt und was auch juristisch als Auftrag behandelt werden muß, nicht passen. W e r mir z. B. täglich eine Stunde vorliest, mein Pferd zureitet, mir auf meine Bitte einen Splitter aus einer Wunde zieht, mich auf seinem W a g e n zum Bahnhof mitnimmt, oder dergleichen, besorgt nicht eigentlich ein „G e s c h ä f t" für mich; doch aber liegt ein Auftrag im Sinne der §§ 662ff. vor. 2. Gelegentlich kann ein Auftrag i n e i n e S c h e n k u n g ü b e r g e h e n , wenn nämlich die Leistung an sich entgeltlich gedacht war und nun nur im Hinblick auf eine besondere Lage, z. B. ein Geburtstagsfest oder ein nahes Verwandtschaftsverhältnis, ausnahmsweise unentgeltlich vollzogen wird. Dann müssen die Regeln von der Schenkung, z. B. die mildere Haftung des § 521, angewendet werden. — 3. Eine Abzweigung vom Auftrag stellt die R a t e r t e i l u n g dar. W e r einem anderen auf dessen Ersuchen einen Rat oder eine Empfehlung erteilt, daß er beispielsweise sein Geld in diesen oder jenen Wertpapieren anlegen solle, daß er ein bestimmtes Haus unbedenklich kaufen, daß er dem X Kredit geben, daß er es ruhig auf einen Prozeß mit dem Y ankommen lassen könne, besorgt gewissermaßen auch die Geschäfte des Beratenen. Darum hat das Gesetz diesen Tatbestand im unmittelbaren Anschluß an das Auftragsrecht geregelt (§ 676). Dabei geht es jedoch von der Vorstellung aus, daß grundsätzlich eine H a f t u n g für die Güte des Rats und die Stichhaltigkeit der Empfehlung n i c h t übernommen wird, daß also im Zweifel solche Vorgänge in der „außerrechtlichen" Welt (ob. § 5 I a) verbleiben. Indessen wird durch den Zusatz „unbeschadet der sich aus einem V e r t r a g s v e r h ä l t n i s ergebenden Verantwortlichkeit" doch wieder alles in die Bahn der A u s l e g u n g gedrängt. Vertragsverhältnisse dieser Art sind überaus häufig: Rechtsanwalt, Arzt, Bankier, Auskunftei werden ihre Ratschläge meist

§ 50 II. A u f t r a g und Vollmacht

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im Rahmen eines V e r t r a g e s (Dienst- oder W e r k v e r t r a g ) abgeben; dann eben h a f t e n sie nach dem das betreffende Verhältnis b e h e r r s c h e n d e n Haftungsmaßstab (also fast immer nach § 276). Umgekehrt ist nun aber in der Praxis ebenso häufig ein a u s d r ü c k l i c h e r Ausschluß d e r H a f t u n g beim Raterteilen („ohne jede Gewähr", „ohne Verbindlichkeit"); dann bleibt höchstens das Haften unter deliktischem Gesichtspunkte, nämLich w e g e n einer mit dem falschen Rat b e g a n g e n e n „ u n e r l a u b t e n H a n d l u n g". Beachtenswert a u ß e r d e m § 276 II: Die Klausel „ohne G e w ä h r " ist wirkungslos bei v o r s ä t z l i c h falsch erteiltem Rat. — Zum § 676 und den einzelnen Raterteilungsverhältnissen ist eine r e i c h e S p r u c h p r a x i s (im ganzen ziemlich streng) ergangen.

II. A u l t r a g u n d V o l l m a c h t . Der erteilte Auftrag wird den Beauftragten oft in den Außenverkehr führen. Er muß in seiner Rolle als Beauftragter an Dritte herantreten; so, wenn er für seinen Auftraggeber etwas einkaufen, eine Wohnung mieten, Rechnungen bezahlen oder ein schwebendes Verhältnis kündigen soll. Dann ist scharf z w i s c h e n d e r a l n n e n v e r h ä l t n i s u n d d e r A u ß e n b e z i e h u n g z u u n t e r s c h e i d e n . Der „Auftrag" hat es als echtes Schuldverhältnis lediglich mit der Innenlage zwischen dem Auftraggeber (Mandant) und dem Beauftragten (Mandatar) zu tun. Aus dem Auftrag allein können danach Rechtsbeziehungen zwischen dem Auftraggeber als dem „Geschäftsherrn" und dem außenstehenden Dritten niemals abgeleitet werden. Solche Beziehungen entspringen vielmehr den besonderen Rechtsfiguren der „ V o l l m a c h t " und der darauf aufgebauten „ S t e l l v e r t r e t u n g " (BGB. §§ 164ff.; näheres bei Lehmann, Allgemeiner Teil § 36). Vollmacht und Auftrag fallen freilich meistens zusammen, werden auch oft in ein und demselben Vorgang ins Leben gerufen, insofern der erteilte Auftrag gleichzeitig auch als Bevollmächtigung gemeint ist. Aber es k ö n n e n auch die beiden Rechtsverhältnisse a u s e i n a n d e r f a l l e n , etwa in der Weise, daß die Vollmacht (und damit die Außenwirkung) noch weiter besteht, während der Auftrag bereits zurückgenommen, also das Innenverhältnis erloschen ist. In jedem Falle müssen Auftrag und Vollmacht b e g r i f f l i c h auseinander gehalten werden. III. D u r c h f ü h r u n g des Auftragsverhältnisses. Trotzdem der Auftrag unentgeltlich ausgeführt wird und insofern an die Schenkung (§ 33), die Leihe (§ 37), den Fall unentgeltlicher Verwahrung (§ 52) erinnert, steht er im Gegensatz zu diesen Schuldverhältnissen doch nicht unter dem Zeichen eines abgeschwächten Haftungsmaßstabs. Vielmehr hat der Beauftragte (entsprechend § 2761) j e d e n G r a d d e r S o r g f a l t z u v e r t r e t e n und darf

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§ 50 III. Pflichten u n d R e c h t e beim A u f t r a g

insbesondere nicht etwa nach Art des § 690 seine eigene Sorglosigkeit oder Liederlichkeit auch bei den Geschäften seines Auftraggebers walten lassen. Im übrigen tritt dem Leser des Gesetzestextes eine S k a l a v o n E i n z e l p f l i c h t e n entgegen, die dann (nachfolgend IV) ganz oder stückweise auf eine Reihe von anderen Rechtsverhältnissen übertragen werden und insofern sich geradezu den Lehren des „allgemeinen" Schuldrechts nähern. Die Skala wird durch folgende Stichworte (Näheres im G e s e t z e s t e x t ) gekennzeichnet: 1. A b l e h n u n g s p f l i c h t (§ 663), a b e r nur, w e n n m a n sich öffentlich (in der Zeitung, d u r c h R u n d s c h r e i b e n oder a u c h im b e s o n d e r e n Ans c h r e i b e n a n d e n einzelnen) zur B e s o r g u n g g e w i s s e r G e s c h ä f t e e r b o t e n h a t oder öffentlich d a f ü r bestellt ist (wie der R e c h t s a n w a l t ) ; N a c h d r u c k : S c h a d e n s e r s a t z p f l i c h t , Wenn m a n das E r s u c h e n u n b e a n t w o r t e t läßt. H a u p t a n w e n d u n g n u r in V e r b i n d u n g mit § 675 (so beim R e c h t s a n w a l t ) . E r w e i t e r u n g im HGB. § 362; hier gilt s o g a r d a s S c h w e i g e n als „ A n n a h m e des A n t r a g s . " 2. G r u n d s ä t z l i c h k e i n e S u b s t i t u t i o n s b e f u g n i s , s o n d e r n p e r s ö n l i c h e E r l e d i g u n g (§ 664). Doch schließt d a s Z u z i e h u n g v o n Erf ü l l u n g s g e h i l f e n (§ 278) nicht aus, n u r i m g a n z e n darf d e r A u f t r a g nicht w e i t e r g e g e b e n w e r d e n . 3. Bindung a n die W e i s u n g e n des A u f t r a g g e b e r s (§ 665). 4. N a c h r i c h t e n p f l i c h t , A u s k u n f t s p f i c h t , R e c h e n s c h a f t s a b l e g u n g (§ 666). 5. H e r a u s g a b e des G e s c h ä f t s a b w u r f s (§ 667). 6. V e r z i n s u n g e i g e n v e r w e n d e t e n G e l d e s (§ 668). 7. V o r s c h u ß für A u f w e n d u n g e n (§ 669). 8. E r s a t z d e r A u f w e n d u n g e n (§ 670). 9. J e d e r z e i t i g e r W i d e r r u f v o n Seiten des A u f t r a g g e b e r s , a b e r a u c h j e d e r z e i t i g e K ü n d i g u n g v o n Seiten des B e a u f t r a g t e n (ähnlich w i e bei der V e r w a h r u n g , u n t e n § 5 2 I I a ) ; n ä h e r e R e g u l i e r u n g d u r c h die Begriffe „ n i c h t z u r U n z e i t " u n d „ V o r l i e g e n eines w i c h t i g e n G r u n d e s " (§671). 10. T o d d e s A u f t r a g g e b e r s ; g r u n d s ä t z l i c h ist das G e s c h ä f t ( n u n m e h r z u g u n s t e n der Erben, d o c h a u c h zu i h r e n Lasten) w e i t e r z u f ü h r e n (§ 672). 11. T o d d e s B e a u f t r a g t e n ; u m g e k e h r t : g r u n d s ä t z l i c h e s Erl ö s c h e n des A u f t r a g s , doch Pflicht zu s o r g s a m e r Ü b e r l e i t u n g (§ 673). 12. F i k t i o n d e s F o r t b e s t a n d e s z u g u n s t e n des nichts a h n e n d e n B e a u f t r a g t e n (§ 674).

Mit dieser gesetzlichen Aufzählung sind keineswegs alle Fragen gelöst, die die Abwicklung eines Auftragsverhältnisses mit sich bringen kann. Wichtiges ist vom Gesetzgeber unberührt gelassen. Hier muß Auslegung und Anlehnung an die allgemeinen Grundbegriffe des Schuldrechts helfen. Oft bringt z. B die Befolgung des Auftrags den Beauftragten in g e f ä h r l i c h e L a g e n , S c h a d e n kann ihm erwachsen. Inwieweit hat ihm dafür der Auftraggeber einzustehen?

§ 50 IV.

Geschäftsbesorgung

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Manchmal wird man noch von „Aufwendungen" (oben Ziff. 8) reden können. F e r n e r kann § 618 (§ 46 IIIc Ziff. 1) mit Vorsicht in das Auftragsrecht übertragen werden. Schließlich muß mit Ermittelung des „Parteiwillens" und mit der allgemeinen Verschuldenslehre (§ 276), gelegentlich auch mit dem Gesichtspunkt „konkurrierenden Verschuldens" (§ 14 IVa) geholfen werden. Die W i s s e n s c h a f t bevorzugt auch hier Konstruktionen. Die einen dehnen im W e g e der Auslegung den Begriff „Aufwendungen" übermäßig weit, um so zu einem gerechten Schadensausgleich für den verunglückten (oder sonst geschädigten) Beauftragten zu gelangen. Die anderen nehmen bei besonders gefährlichen Aufträgen Abschluß eines daneben hergehenden G a r a n t i e v e r t r a g e s an. Aus der Praxis vgl. die anschaulichen Fälle von RG.-Entscheidungen in Bd. 94 S. 169ff., 98 S. 199, 122 S. 298; im letzteren Fall schwierige Frage, ob auch den H i n t e r b l i e b e n e n des verunglückten Beauftragten für den Wegfall ihres Ernährers Schadensersatz geleistet werden muß.

IV. G e s c h ä f s b e s o r g u n g a l s B e s t a n d t e i l anderer Rechtsverhältnisse. B e i der Abwicklung einer ganzen Reihe von Rechtsverhältnissen kommt es dazu, daß jemand Geschäfte für andere in die Hand nimmt.

Das tut der Geschäftsführer einer G e s e l l s c h a f t (BGB. §713) wie der Vorstand eines V e r e i n s (BGB. §27 111), der E r b e , der es später zur Nachlaßverwaltung kommen läßt (BGB. § 1978), wie der T e s t a m e n t s v o l l s t r e c k e r (BGB. §2218). Das tun in tausenden von Fällen Dienstverpflichtete oder Werkunternehmer (vgl. BGB. § 675). In der „Übergangszeit" beim K a u f (ob. § 32111b), im Verlauf des M i e t s v e r h ä l t n i s s e s (ob. §35) können die Verwendungen, die der Verkäufer oder der Mieter machen, den Charakter einer Geschäflsbesorgung für den anderen Teil annehmen (vgl. BGB. § 450 II, § 547 I I I ) . Im E i g e n t u m s p r o z e ß können sich ganz ähnliche Lagen ergeben (vgl. BGB. § 994 11), und, wenn ein E r b e die ihm angefallene E r b s c h a f t h i n t e r h e r a u s s c h l ä g t , sie aber inzwischen schon eine Zeitspanne hindurch verwaltet hat, so hat er damit gleichsam für den, der nun statt seiner wirklicher Erbe wird, Geschäfte besorgt (vgl. BGB. 19591).

In fast allen solchen Lagen hat sich der Gesetzgeber einer V e r w e i s u n g a u f d a s A u f t r a g s r e c h t (oder das Recht der Geschäftsführung ohne Auftrag, nachfolgend § 5 1 ) bedient. Derart bekommen diese beiden schuldrechtlichen Erscheinungen Bedeutung weit über ihren eigenen Rahmen hinaus, und das praktische F u n k tionieren jener S k a l a v o n E i n z e l p f l i c h t e n , die für den „ A u f t r a g " geschaffen worden ist, liegt dank dieser Übertragung weit mehr außerhalb der (unentgeltlichen) Auftragsverhältnisse als bei ihnen selbst. Vor allem ist der § 6 7 5 herauszuheben, der, wie schon erwähnt (§ 46 IIa), das meiste des Auftragsrechts nach ganzen Gruppen von Dienst- und Werkverträgen hinübernimmt.

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§ 51 I. G e s c h ä f t s f ü h r u n g ohne Auftrag Die Hinübernahme ist jedoch k e i n e vollständige und gleichmäßige. Es w e r d e n immer nur Stücke übertragen; manches paßt nicht für das betreffende a n d e r e Rechtsverhältnis u n d muß daher beiseite bleiben. Die Befugnis, a u s n a h m s w e i s e von den W e i s u n g e n des A u f t r a g g e b e r s abzuweichen, w e n n dieser vermutlich „bei Kenntnis der Sachlage die Abweichung billigen w ü r d e " (§ 665) paßt wohl für den leitenden Gesellschafter und den Vereinsvorstand (darum Heranziehung des § 665 in § 713 und § 27 III), nicht aber für den Testamentsvollsrecker, der zwar im allgemeinen die Erben als „Geschäftsherren" anzuerkennen, aber im übrigen doch ein Amt w a h r z u n e h m e n und den letzten Willen des Toten zu erfüllen hat (vgl. § 2216) und deshalb nicht ohne weiteres den vermutlichen oder gar offen g e ä u ß e r t e n Willen der Erben als oberste Richtschnur hinnehmen darf; d a r u m fehlt im Testamentsvollstreckerrecht bei der Heranziehung des Auftragsrechts gerade j e n e r § 665 (s. § 2218). Es folgt daraus, daß i n j e d e m F a l l e b e s o n d e r s z u p r ü f e n i s t , w i e v i e l vom A u f t r a g s r e c h t ü b e r t r a g b a r ist, w i e v i e l nicht. Allen diesen Fällen gemeinsam ist der Begriff der. „ G e s c h ä f t s b e s o r g u n g". N u r w e n n wirklich Geschäftsbesorgung in Frage steht, ist z. B. der, der sich öffentlich angeboten hat (oben III Ziff. 1), gemäß § 675 in V e r b i n d u n g mit § 663 zu einer ausdrücklichen A b l e h n u n g verpflichtet. Gerade die Ausdeutung dieses W o r t e s ist j e d o c h l e b h a f t u m s t r i t t e n . Eine Reihe von Theorien sind aufgestellt. Man wird den Begriff nicht zu weit fassen dürfen, keinesfalls soweit wie im § 662 (oben unter I Ziff. 1). Das „Geschäft" eines a n d e r e n besorgt nur, wer unmittelbar in seine w i r t s c h a f t l i c h e Lage einwirkt, z. B. der Rechtsanwalt, nicht aber der Arzt. Und ein Geschäft „besorgt" nur, wer dabei ein gewisses Maß v o n S e l b s t ä n d i g k e i t hat, z. B. der Gutsinspektor, nicht aber der Fabrikarbeiter.

§ 51. Die Geschäftsführung ohne Auftrag (BGB. §§ 677ff.) I. G r u n d s a t z . Es versteht sich von selbst, daß sich grundsätzlich niemand ungerufen in die Geschäfte eines anderen einmischen darf. Tut er es dennoch, so läuft er Gefahr, eine „unerlaubte Handlung" (unten § 63) zu begehen und sich entsprechend schadensersatzpflichtig zu machen. Aber dieser Grundgedanke läßt sich nicht restlos durchführen. Bisweilen verlangt die Lage des anderen geradezu, daß man einspringt und f ü r ihn, den Abwesenden oder Bewußtlosen, rettet, was noch zu retten ist. Wollte man hier das ganze Verhältnis auf den Boden eines unerlaubten Handelns und einer von vornherein einsetzenden Haftbarkeit bringen, so würde man den Menschenfreund von jeder noch so dringlichen Hilfeleistung abschrecken und den Interessen des anderen gerade zuwider handeln. Deshalb ist seit den Tagen der Römer („negotiorum gestio") eine eigene schuldrechtliche Figur für solche Verhältnisse vorgesehen, die sich bemüht, d e n b e i d e r s e i t i g e n I n t e r e s s e n g e r e c h t

§ 51 II. Geschäftsführung ohne Auftrag

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z u w e r d e n , d. h. auf der einen Seite den Handelnden nicht allzu peinlicher Nachprüfung auszusetzen, auf der anderen Seite den anderen vor allzu unangenehmen Überraschungen sicherzustellen. Aber die Grenze ist schwer zu finden. Es ist vor allem schwierig, e i n e n o b e r s t e n R i c h t u n g s p u n k t aufzustellen, nach dem sich das Handeln des „Geschäftsführers" zu bestimmen hat und woran es hinterher gemessen werden kann. Der Gesetzgeber hat sich von der Vorstellung leiten lassen, daß das Geschäft unbedingt ein Geschäft des anderen (er nennt ihn auch „Geschäftsherr") bleiben muß. Darum setzt es einen i n d i v i d u e l l e n , a u f d i e P e r s o n d e s G e s c h ä f t s h e r r n a b g e s t e l l t e n M a ß s t a b an die Spitze. Das Geschäft ist so zu führen, „wie d a s I n t e r e s s e d e s G e s c h ä f t s h e r r n mit Rücksicht auf dessen w i r k l i c h e n o d e r m u t m a ß l i c h e n W i l l e n es erfordert" (§ 677). Und daran werden nun die beiden Angelpunkte angesetzt, um die sich die Abwicklung einer solchen negotiorum gestio dreht, der S c h a d e n s e r s a t z und von der anderen Seite her (der Seite des Geschäftsführers) der E r s a t z d e r A u f w e n d u n g e n : hat der Geschäftsführer gegen jene Richtungslinie verstoßen, so setzt seine Schadensersatzpflicht ein; hat er sich hingegen innerhalb dieser Linie gehalten, so kann er seine Auslagen und sonstigen Aufwendungen erstattet verlangen (§ 683). Zu der S c h a d e n s e r s a t z p f l i c h t ist jedoch zu bemerken, daß sie nicht etwa eine absolute, von V e r s c h u l d e n gelöste ist. Vielmehr bewendet es auch hier bei dem allgemeinen § 276. Flößt also der barmherzige Samariter dem Bewußtlosen Medikamente ein, die diesem schaden oder die er als Naturheilfreund entschieden abgelehnt haben würde, so ist nicht ohne weiteres eine Schadensersatzpflicht des Barmherzigen gegeben, sondern es muß jetzt erst untersucht werden, ob ihn ein Verschulden trifft. Das Schwergewicht liegt also fast noch mehr nach der anderen, der negativen Seite hin, daß beim Einhalten jener Richtungslinie k e i n e Haftpflicht in Frage kommt, auch wenn das Ergebnis der Geschäftsführung sich zum Schlimmen gewandt hat. Insofern kann man also sagen, daß innerhalb der Richtungslinie d a s R i s i k o d e s A u s gangs beim Herrn des G e s c h ä f t e s bleibt. Zu dem E r s a t z a n s p r u c h d e s G e s c h ä f t s f ü h r e r s ist zu bemerken, daß er nur geltend gemacht werden kann, wenn damals (nicht hinterher) der Geschäftsführer vom Gedanken, Ersatz zu verlangen, geleitet war (§ 685).

II. A b w a n d l u n g e n . Der eine oberste Grundsatz hat nicht genügt. Bei manchen Lagen sind a n d e r e B e s t i m m u n g s p u n k t e nötig geworden, die teils auf eine M i l d e r u n g , teils auf eine V e r s c h ä r f u n g hinauslaufen. 1. Zunächst ist die n a c h t r ä g l i c h e G e n e h m i g u n g durch den Geschäftsherrn dem „wirklichen oder mutmaßlichen Willen" des § 677 19 H e d e m a n n , Schuldrecht, 3. Aufl.

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§ 51 III, IV. G e s c h ä f t s f ü h r u n g ohne A u f t r a g gleichgesetzt (§ 684, 2), und der anständig gesinnte Geschäftsherr wird oft in diesem Sinne „genehmigen", auch w e n n er in seinem wirklichen Willen sich die Sache ganz anders gedacht hatte; der Richter aber wird bei etwaigen Prozessen hier einsetzen und etwa einen Vergleich (unten § 59) in A n r e g u n g bringen. 2. W e n n der Geschäftsführer d e n a b w e i c h e n d e n W i l l e n d e s H e r r n e r k e n n e n m u ß t e , so verschärft sich seine Haftung; im Gegensatz zu dem am Schlüsse v o n I Gesagten haftet er in solcher Lage auch o h n e weiteres Verschulden um seiner bloßen fahrlässigen Einmischung willen (§ 678). 3. W u ß t e er sogar, daß er sich ein fremdes Geschäft anmaße, und hat er es trotzdem betrieben, wie w e n n es sein eigenes wäre, so gilt das gleiche (§ 687 II), aber noch v e r s t ä r k t durch die möglicherweise nebenher einsetzende H a f t u n g aus u n e r l a u b t e r Handlung. 4. Andererseits m i l d e r t sich die Haftung und v e r s t ä r k t sich der Anspruch auf Ersatz der Auslagen, w e n n e i n ö f f e n t l i c h e s I n t e r e s s e hineinspielt. Hier k a n n über den anders gerichteten Willen des G e s c h ä f t s h e r r n h i n w e g g e g a n g e n w e r d e n ; der o b j e k t i v e Maßstab entscheidet (§§ 679, 683 Satz 2). 5. W i e d e r anders ist die Lage, w e n n es sich u m die A b w e h r einer d r i n g e n d e n G e f a h r gehandelt hat. Hier kann v o n dem Menschenfreund nicht k ü h l e s Rechnen und peinlichste Prüfung aller Möglichkeiten erwartet w e r d e n . Er ist zwar nicht schlechthin haftfrei, muß sich auch das W e i t e r g e l t e n der allgemeinen (individuellen) Richtungslinien gefallen lassen; aber der Haftungsmaßstab wird abgeschwächt: Vorsatz und g r o b e Fahrlässigkeit (§ 680). 6. W i e d e r anders der Fall, daß ein J u g e n d l i c h e r geschäftsf ü h r e n d einspringt; hier w e r d e n ü b e r h a u p t nur die a u ß e r h a l b der negotiorum gestio liegenden M a ß s t ä b e der „unerlaubten Handlung" und der „ungerechtfertigten Bereicherung" zur A n w e n d u n g gebracht (•§ 682).

III. D i e D u r c h f ü h r u n g e i n e s G e s c h ä f t s f ü h r u n g s v e r h ä l t n i s s e s ist einfach, nachdem erst einmal die bestimmende Linie gefunden ist. Es genügt dann im wesentlichen A n l e h n u n g a n d a s A u f t r a g s r e c h t (vorstehend § 50; im Gesetz vgl. § 681). IV. I r r t ü m l i c h e E i n s c h ä t z u n g d e r L a g e seitens des Geschäftsführers berücksichtigt der Gesetzestext in verschiedener Gestalt. 1. Irrtum über die P e r s o n d e s H e r r n ; der Geschäftsführer glaubte etwa, es handle sich um einen seiner Bekannten, w ä h r e n d sich nachher herausstellt, daß er für einen Fremden tätig g e w o r d e n ist; § 686: alles geht auf Rechnung des wirklichen Herrn. 2. Der Geschäftsführer wußte nicht, daß es sich um eine fremde Angelegenheit handle, e r h i e l t s i e f ü r s e i n e e i g e n e . Dann ist der Fall n i c h t nach den Regeln der „Geschäftsführung ohne Auftrag" zu behandeln (§ 687 1). Aber der Geschäftsführer kann Gewinn gemacht haben, und es taucht damit die Möglichkeit einer „Ungerechtfertigten Bereicherung" (unten § 62) auf, d a n e b e n kann auch noch eine fahrlässige „unerlaubte Handlung" (unten § 63ff.) in Frage kommen. Über b ö s w i l l i g e A n m a ß u n g fremder Geschäftsherrenstellung vgl. bereits oben unter 113.

§ 52 I. Der V e r w a h r u n g s v e r t r a g

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3. Umgekehrt: Er hielt das Geschäft für ein fremdes, e s w a r s e i n e i g e n e s . Das ist gegenstandslos, mit sich selbst kann er nicht in ein Schuldverhältnis kommen.

§ 52. Der Verwahrungsvertrag (BGB. §§ 688ff.) I. B e g r i f f . Wer f ü r einen anderen eine Sache aufhebt („in Verwahrung nimmt"), leistet ihm einen Dienst, und wenn man an den Zeitpunkt der Rückgabe denkt, kann man sich die Verwahrung auch als ein abgerundetes Werk vorstellen. Insofern gehört der Verwahrungsverl rag zu den Dienst- und Werkverträgen. Indessen hat ihn das BGB., im Anschluß an das Pandektensystem (depositum), als selbständigen Typus aufrecht erhalten. Der Verwahrungsvertrag ist nicht notwendig als Lohnvertrag gedacht, der gesetzliche Typus (§§ 688ff.) deckt vielmehr im Gegensatz zum Dienst- und Werkvertrag, g l e i c h z e i t i g d i e e n t g e l t l i c h e w i e d i e u n e n t g e l t l i c h e B e t ä t i g u n g als Verwahrer. 1. Darum ist es „ V e r w a h r u n g " sowohl, wenn ich meinen Schirm gegen 20 Pfennig in der „Garderobe" abgebe, als auch, w e n n ich meinen Mantel bei meinem Freunde ein paar Tage hängen lasse. 2. Der V e r w a h r u n g s v e r t r a g ist b e g r i f f l i c h a u f b e w e g l i c h e S a c h e n b e s c h r ä n k t . W e n n also j e m a n d ein Grundstück für einen a n d e r e n in Obhut nimmt, so muß man eben doch einen Dienstvertrag ann e h m e n oder, w e n n kein Entgelt gegeben wird, einen A u f t r a g (oben § 50). 3. Im einzelnen ergeben sich U n t e r s c h i e d e , j e n a c h d e m e n t g e l t l i c h o d e r u n e n t g e l t l i c h v e r w a h r t w i r d , vor allem im Haftungsmaßstab. Der Entgeltliche haftet voll (nach § 276 BGB.), der Unentgeltliche, z. B. der Freund, der seine W o h n u n g nicht genügend sicherte und nun zugleich um meinen und seinen Überzieher bestohlen wurde, nur für die sog. d i l i g e n t i a q u a m i n s u i s (§ 690; oben § 19 II a 4).

Beim Verwahrungsvertrag wird nicht eine Sache angefertigt, sondern eine (fertige) Sache auf Zeit überlassen. Damit nähert sich der Verwahrungsvertrag der M i e t e und der Leihe (ob. § 35 u. 37), und manches, was von diesen Verträgen gilt, gilt auch von der Verwahrung. Fortdauer der (sachenrechtlichen) Herrenstellung des Hinterlegers, (oben § 35 II). V e r t r a u e n s v e r h ä l t n i s (oben § 35 IV). Bei gewerbsmäßiger V e r w a h r u n g größeren Stils Abschluß nach Formularen (wie bei der Miete). Rückgabepflicht nach Ablauf der vorher v e r e i n b a r t e n Zeit, (§ 35 VII e; bei der V e r w a h r u n g vorzeitige Rückforderung: nachfolgend IIb); dabei auch unmittelbares Rückforderungsrecht gegen den Dritten, an den der Verwahrer die Sache weitergegeben hat (analoge A n w e n d u n g des § 556 III unbedenklich). 19*

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§ 52 II. Der V e r w a h r u n g s v e r t r a g

c) Der Gesetzgeber ist, ähnlich wie beim Darlehn (§ 40 Ic), davon ausgegangen, daß die Verwahrung ein R e a l v e r t r a g sein solle (Wort „übergebene" in § 683). Selbstverständlich bedeutet das nicht, daß ein Versprechen, demnächst verwahren zu wollen, unverbindlich wäre. W i e d e r konstruieren nun manche, um die Klagbarkeit eines solchen Versprechens zu begründen, einer. „ V o r v e r t r a g". Das ist ebenso abzulehnen wie bei „Darlehnsversprechen" (§ 40 IV): Der Hinterleger braucht nicht erst auf Abschluß eines „Hauptvertrages" zu klagen, sondern kann kurzerhand A b n a h m e der Sache und damit Eröffnung des V e r w a h r u n g s verhältnisses verlangen.

II. D u r c h f ü h r u n g d e s V e r w a h r u n g s V e r h ä l t n i s s e s . a) D i e S t e l l u n g d e s V e r w a h r e r s . Er hat sich auf die Interessen des Hinterlegers einzustellen. Die „vereinbarte Art der Aufbewahrung" bindet ihn; er darf sie n i c h t b e l i e b i g ä n d e r n , nur, wenn dies voraussichtlich dem Willen des Hinterlegers entsprechen würde, wie bei Gefährdung des bisherigen Aufbewahrungsorts durch Hochwasser, bei gesteigerter Diebstahlsgefahr oder ähnlichem (§ 692). Ändert er ohne solche Veranlassung, so trägt er das R i s i k o und hat auch bei Zufallsschaden, der der Sache am neuen Ort zustößt (oben § 19 II), vollen Ersatz zu leisten. Noch besonders hervorgehoben ist, daß er die Sache im Zweifel n i c h t b e i e i n e m D r i t t e n unterbringen darf, sondern in eigene Obhut nehmen muß (§ 691). Dabei können ihn über die bloße Obhut hinaus positive Pflichten treffen (Füttern des verwahrten Tieres, Klopfen der Teppiche gegen Motten). Andrerseits fehlt ihm jede e i g e n n ü t z i g e G e b r a u c h s m a c h t (im Gegensatz zum Mieter oder Pächter), und wiederum steht eine scharfe S c h a d e n s e r s a t z p f l i c h t und daneben eine V e r z i n s u n g s p f l i c h t (§ 698) dahinter. So ist das Ganze f ü r ihn eine sichtliche Last. Um deswillen kann er grundsätzlich „ j e d e r z e i t d i e R ü c k n a h m e verlangen", freilich nur, wenn nicht eine bestimmte Aufbewahrungsdauer vereinbart war. Doch auch im letzteren Fall k a n n es aus „ w i c h t i g e m G r u n d " (er verzieht, will heiraten, hat Konflikte mit der Polizei zu gewärtigen) schon vor der Zeit W i e d e r a b n a h m e der Sache verlangen.

b) S t e l l u n g d e s H i n t e r l e g e r s . Er bleibt Herr der Lage. Da die Sache in seinem Interesse bei dem anderen untergebracht ist, kann er bei geändertem Interesse oder auch bei bloßem Stimmungswechsel in jedem Augenblick die Sache w i e d e r a b h o l e n , auch wenn sie der Verwahrer (z. B. einen liebgewonnenen Hund) recht gern noch länger behalten möchte (§ 695). Doch kann der Ver-

§ 52 III a, b.

Verwahrungsverträge

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v/ahrer nicht Transport an seine Wohnstätte verlangen, vielmehr ist die Rückgabe einer verwahrten Sache sog. „ H o l s c h u l d " (oben § 15 Ja 3). — Für die Zwischenzeit sind dem Verwahrer die etwa nötig gewordenen A u f w e n d u n g e n zu erstatten und die vereinbarte oder den Umständen nach übliche (§ 689) V e r g ü t u n g zu bezahlen. A u ß e r d e m muß der Hinterleger auf die Interessen des V e r w a h r e r s auch insofern Rücksicht nehmen, das er ihm k e i n e a n s t e c k e n d e n o d e r s o n s t w i e g e f ä h r l i c h e n S a c h e n ohne gehörige Warnung ins Haus bringt (§ 694J.

III. Ü b e r g a n g i n a n d e r e S c h u l d v e r h ä l t n i s s e . a) Die Verwahrungspflicht ist vielfach e i n e b l o ß e B e g l e i t e r s c h e i n u n g a n d e r e r S c h u l d v e r h ä l t n i s s e . Oft bittet "nan den Verkäufer den Kaufgegenstand noch eine geraume Zeit aufzuheben, weiter trifft den Finder eine Verwahrungspflicht (§ 9G6), und beim Verpfänden beweglicher Sachen (nachfolgend § 58) ist das Verwahren auf Seiten des Pfandgläubigers geradezu begriffsnotwendig, da ein echtes Pfandrecht überhaupt erst durch Aushändigung der Pfandsache an den Gläubiger zustande kommt (§§ 1205, 1215). In solchen Fällen bleibt das nebenhergehende Verwahren grundsätzlich unter dem Zeichen des betreffenden a n d e r e n Schuldverhältnisses stehen. Praktisch bedeutsam. Z. B. richtet sich die Pflicht zum E r s a t z v o n V e r w e n d u n g e n , die inzwischen nötig g e w o r d e n sind, etwa nach Kaufrecht (oben § 32 III), nicht nach dem § 693. Und vor allem kann nicht etwa der milde H a f t u n g s m a ß s t a b des § 690 von dem Verwahrenden mit der Begründung in Anspruch g e n o m m e n werden, es sei für das „Aufheben" der Kaufsache kein besonderes Entgelt gezahlt worden und darum liege unentgeltliches V e r w a h r e n vor. — Doch k a n n (Auslegungsfrage) das A u f h e b e n nach geschlossenem Kaufvertrag auch so gedacht sein, daß sich an den Kaufvertrag als zweiter selbständiger Vertrag eine Verwahrung, z. B. ein handelsrechtliches Lagergeschäft (s. im folgenden) anschließen soll; dann kommen natürlich die besonderen Regeln des Verwahrungsverhältnisses zur Anwendung.

b) Einige Schuldverhältnisse, die an sich von Grund aus Verwahrungsgeschäfte sind, hat der Gesetzgeber einer S o n d e r regelung unterzogen. So das handelsrechtliche Lagerg e s c h ä f t (HGB. §§416ff.), die E i n b r i n g u n g v o n S a c h e n b e i G a s t w i r t e n (nachfolgend § 53) und die A u f b e w a h r u n g v o n W e r t p a p i e r e n im k a u f m ä n n i s c h e n Depot. 1. Eei G a s t w i r t e n muß unterschieden werden, ob der Sondertatbestand der §§ 701 ff. vorliegt oder nicht. Er hat es nur mit der A u f n a h m e zur B e h e r b e r g u n g zu tun, nicht mit der bloßen A u f n a h m e in die Gast W i r t s c h a f t , fn letzterem Falle wäre an c i c h die Bahn für

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§ 52 III c. Depositum irreguläre einen gewöhnlichen V e r w a h r u n g s v e r t r a g frei, z. B. in A n s e h u n g der Kleidungsstücke, die die Gäste in den W i r t s c h a f t s r ä u m e n oder einem V o r r a u m aufhängen. Aber eine Haftung nach §§ 688ff. w ü r d e in solchem Falle den W i r t zu stark belasten. M a n kann ihm nicht eine gleiche Obhutspfiicht zumuten wie dem echten „Verwahrer". Immerhin ergeben sich in der Praxis leicht Grenzfälle, über deren Entscheidung man streiten kann. Auch w e r d e n in der Praxis des Lebens oft haftungsausschließende oder - b e s c h r ä n k e n d e Anschläge verwendet, die wiederum die Rechtslage verschieben. Vgl. als Beispiel: RG. Bd. 109 S. 262 und dort genannte frühere Urteile. 2. Der B a n k v e r w a h r u n g s v e r t r a g richtet sich zunächst nach dem gewöhnlichen V e r w a h r u n g s r e c h t des BGB. (vgl. RG. Bd. 109 S. 31). Zum Schutze der Kunden ist aber ein darüber hinausgreifendes, sog. D e p o t g e s e t z (G. über die V e r w a h r u n g und Anschaffung von Wertpapieren) vom 4.2. 1937 erlassen worden. Für die Praxis besonders wichtig ist die Sicherung des E i g e n t u m s f ü r d e n K u n d e n , damit er im Falle eines Konkurses der Bank sein Aussonderungsrecht behält (vgl. auch unter c). Dies gilt aber nicht für die sog. „Sammelverw a h r u n g " ; doch ist auch hier für die Sicherung des Kunden gesorgt.

c) Das sog. d e p o s i t u m i r r e g u l ä r e . Auch beim D a r l e h n (oben § 40) hebt der Borgende gleichsam das Geld, das ihm anvertraut wird, f ü r den Geldgeber auf, und oft spielt dieser Gedanke der Geborgenheit, etwa in dem feuersicheren Geldschrank eines Bankhauses, bei dem Geldgeber keine unwichtige Rolle. Hier nun verwischt sich die Grenze zwischen reiner Verwahrung und echtem Darlehnsgeschäft so stark, daß sich der Gesetzgeber (wiederum in Anlehnung an die Pandektenlehre) veranlaßt gesehen hat, eigens ein M i t t e l g e b i l d e in Gestalt des sog. d e p o s i t u m i r r e g u l ä r e („unregelmäßige oder unechte Verwahrung", auch „Hinterlegungsdarlehn" genannt) im § 7 0 0 einzuschieben. Juristisches Kennzeichen der E i g e n t u m s Ü b e r g a n g . Mischt er sich ein, wie bei der großen Masse der sog. D e p o s i t e n g e l d e r , so ist es zu Ende mit der echten Verwahrung. Statt dessen kommt grundsätzlich Darlehnsrecht zur Anwendung. Praktisch wichtigster Punkt: im K o n k u r s d e s V e r w a h r e r s (Bankiers) hat der Kunde kein Aussonderungsrecht, weil er sich eben seines Eigentumsrechtes begab, vielmehr muß er sich unter die Masse der gewöhnlichen Konkursgläubiger einreihen lassen. Doch hat der Gesetzgeber andererseits auch nicht eine vollkommene A b s t e m p e l u n g als „Darlehn" für gut befunden. Vielmehr sollen sich „ Z e i t u n d O r t d e r R ü c k g a b e " auch hier nach Verw a h r u n g s r e c h t richten, so daß also der Hinterleger sich sein Geld selbst abholen (bzw. Kosten und Risiko der Verschickung tragen) muß, andererseits sein Geld jederzeit (§ 695) zurückverlangen kann, ohne an die Kündigungsfristen dos Darlehns (vgl. § 609) gebunden zu sein. Praktisch spielt dieser Unterschied deshalb keine große Rolle, weil meist die Einzelheiten, z. B. die F r a g e der sofortigen oder befristeten Rückzahlung (im ersteren Falle meist niedrigerer Zinsfuß; sog. „ t ä g l i c h e s G e l d " ) sowieso vertraglich geregelt sind.

§ 52 V. Einbringung bei Gastwirten

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IV. ö f f e n t l i c h e H i n t e r l e g u n g . Bei den bisherigen Fällen handelte es sich um eine private Angelegenheit des Hinterlegers. Das Rechtsleben kennt nun aber eine Reihe von Lagen, wo die Unterbringung von Wertgegenständen, namentlich Geld, an einer Verwahrungsstelle g e w i s s e n ü b e r d a s b l o ß e A u f h e b e n h i n a u s r e i c h e n d e n Z w e c k e n dienen, z. B. eine Sicherheitsleistung des Schuldners zwecks Abwendung der ihm drohenden Zwangsvollstreckung darstellen soll. Hier kann nicht bei irgendeinem beliebigen Mitbürger, in irgendeinem beliebigen Speicher oder Bankgeschäft hinterlegt werden. Vielmehr sind f ü r solche Zwecke vom Staate eigene ö f f e n t l i c h e H i n t e r l e g u n g s s t e l l e n eingerichtet worden, und das ganze Verwahrungsverhältnis rückt damit aus dem Privatrecht hinaus und i n s ö f f e n t l i c h e R e c h t hinüber. H a u p t l a g e n : Hinterlegung zwecks Schuldbefreiung (oben §25), Hinterlegung zwecks Sicherheitsleistung auf Grund privatrechtlicher T a t b e s t ä n d e (im BGB. §§ 232ff.), Hinterlegung zur Durchführung prozessualer Sicherheitsleistungen oder der im Konkursrecht, Wechselrecht, Handelsrecht v o r g e s e h e n e n Sicherheitsleistungen. O r d n u n g des V e r f a h r e n s und B e s t i m m u n g der zus t ä n d i g e n B e h ö r d e n . In der Hinterlegungsordnung vom 10.3.37 (RGBl. 1 285); § 7 : „Gesetzliche und gesetzlich zugelassene Zahlungsmittel (also vor allem das Geld) gehen in das Eigentum des Reiches über. A n d e r e Zahlungsmittel werden unverändert autbewahrt". N ä h e r e s über die Rückzahlung, die Verzinsung in der Zwischenzeit, die H a f t u n g der Behörde nach erfolgter H e r a u s g a b e an einen formell Legitimierten usw., unabhängig vom BGB. nach öffentlichrechtlichen Gesichtspunkten geregelt.

Von diesen Tatbeständen zu unterscheiden, ist die bloße O b h u t s p f l i c h t d e r B e h ö r d e n , die sich außerhalb eines geordneten Hinterlegungsverfahrens ergibt; dann nämlich, wenn in irgendwelchen ö f f e n t l i c h r e c h t l i c h e n Zusammenhängen Sachen einer Behörde anvertraut oder auch von ihr eigenmächtig in Verwahr genommen werden. Wie, wenn diese Sachen — etwa eingereichte Urkunden, beschlagnahmtes angebliches Diebesgut — bei der Behörde verlorengehen oder beschädigt werden? Ohne Zweifel handelt es sich um einen ä h n l i c h e n Tatbestand wie bei der „Verwahrung" nach §§ 688ff. (namentlich bei freiwilliger Hingabe). Trotzdem wird man aber diese Verhältnisse im öffentlichen Recht festhalten müssen. V. E i n b r i n g u n g b e i G a s t w i r t e n (§§ 701ff.) a) Wer im Gasthaus absteigt, pflegt meist in den Bereich mehrerer Schuldverhältnisse einzutreten. Er „mietet" das Zimmer und „kauft" Speisen und Getränke. Dazu tritt ein Stück „Verwahrung" hinsieht-

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§ 53 I. Personenvereinigungen

lieh der Sachen, die der Reisende mit sich führt. Hier hatte das römische Recht mit einer sehr strengen, über Verschulden und Versehuldensnaohweis hinausgehenden H a f t u n g d e s G a s t w i r t s eingesetzt, und das BGB. hat das trotz lebhaften Protestes der Gastwirte beibehalten. In der Praxis des Lebens wird aber sehr oft diese Haftung dadurch ausgeschaltet, daß der Gastwirt den Gast zusammen mit der polizeilichen Anmeldung formularmäßig eine Erklärung mit unterschreiben läßt, in der auf diese besondere Haftung verzichtet wird. Außerdem steht dem Gastwirt der Weg einer Haftpflichtversicherung bei einer Versicherungsgesellschaft offen. Die Haftung nach BGB. geht sehr weit, sie springt aus dem sonstigen Haftungssystem des Schuldrechts deutlich hinaus. Sie tritt grundsätzlich auch bei Z u f a l l s s c h ä d e n ein, z. B. bei einem im Betrieb des Hotels entstandenen B r a n d oder (der häufigste Fall) bei D i e b s t a h l . Ihre Grenze findet sie erst bei der sog. „ h ö h e r e n G e w a l t". Grenze schwierig zu bestimmen (vgl. bereits 99 c). Weitere E i n z e l h e i t e n im Gesetz, das die ganze Haftung mit allerlei Klauseln umgeben hat.

b) Gewissermaßen als einen Gegenwert f ü r seine erweiterte Haftimg hat der Gesetzgeber dem Gastwirt zur Deckung seiner Ansprüche ein ziemlich weitgehendes P f a n d r e c h t an den eingebrachten Sachen des Gastes eingeräumt, das mit dem Vermieterpfandrecht (S. 198c) aufs nächste verwandt, aber ausdrücklich über die aus der Quartiergewährung entspringenden Ansprüche hinaus auch auf die sonstigen Leistungen an den Gast, z. B. seine Rechnung f ü r Zehrung, erstreckt ist (§ 704).

5. Kapitel: Personen Vereinigungen §53. Überblick I. A u s g a n g s p u n k t . Der Drang zu seinesgleichen ist dem Menschen von Natur eingepflanzt. Das ganze Schuldrecht ist eine Bestätigung dessen: der eine Mensch f ü h l t sich zum anderen hingezogen. Während aber bei allen bisher behandelten Schuldverhältriissen die beiden Beteiligten sich g e g e n ü b e r s t e h e n , ja als „Parteien" — Gläubiger und Schuldner — sogar in offener Gegensätzlichkeit erscheinen, sind nunmehr Schuldverhältnisse zu behandeln, bei denen die Beteiligten unter einem e i n h e i t l i c h e n Gesichtspunkt zusammengeschlossen sind. Dieser einheitliche Gesichtspunkt ist der Z w e c k , dem sich die Teilhaber unterwerfen. „Durch den Gesellschaftsvertrag", sagt § 705, „verpflichten sich die Gesellschafter gegenseitig, die Erreichung eines g e m e i n s a m e n Zweckes in der durch den Vertrag bestimmten Weise zu fördern". Eine lebendige Folge dessen liegt darin, daß die P e r s o n e n z a h l f ü r das

'§ 53 II a. Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit

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rechtliche Wesen dieser hier zu behandelnden Schuldverhältnisse (und verwandten Erscheinungen) gleichgültig ist. Es kann wohl einmal vorkommen, daß eine „Gesellschaft" nur von zwei Personen eingegangen wird. Aber das bleibt eine Ausnahmeerscheinung. Meist handelt es sich von vornherein um eine M e h r z a h l v o n P e r s o n e n , die bis in die tausende anwachsen kann. Damit ist nicht zu verwechseln die früher schon behandelte „Mehrheit von Gläubigern und Schuldnern" (oben § 30). Denn dabei bleibt die Gegensätzlichkeit der Parteien, und es stehen nur auf der einen oder der anderen Seite mehrere als Käufer, Mieter, Darlehnsnehmer dem Verkäufer, Vermieter, Darlehnsgeber usw. gegenüber.

Der Musterfall eines solchen Zusammenschlusses ist die G e s e l l s c h a f t (nachfolgend §54). Das BGB. hat aber sogleich eine zweite Rechtsform angeschlossen, die G e m e i n s c h a f t (§55). Damit ist jedoch das Bedürfnis des Menschen nach Personenvereinigung bei weitem nicht gedeckt. Eine Fülle von a n d e r e n R e c h t s f o r m e n treten den beiden genannten innerhalb und außerhalb des BGB. an die Seite (darüber unter IV). II. S t e l l u n g d e s S t a a t e s z u m V e r b a n d s w e s e n . Heute ist die sichtbarste Form des Zusammenschlusses der sog. Verband. Einer einheitlichen juristischen Fassung entzieht er sich. Aber im Volksleben erscheint er fest genug, um daran die Einstellung des Staates zu dem Vereinigungsbedürfnis seiner Bürger zu messen. Zugleich spiegelt sich in der Haltung, die der Staat dem Verbandswesen gegenüber einnimmt, jeweils die Weltanschaung wieder, die ihn beherrscht. a) D i e V e r e i n i g u n g s f r e i h e i t mußte im ausgehenden 18. und im Laufe des 19. Jahrhunderts dem Staate gegenüber erkämpft werden. Sie bildete eines der „Grundrechte", die in den Verfassungsurkunden der freiheitlichen Staaten ihren Niederschlag fanden. In Deutschland bildete den ersten Abschluß der Entwicklung die Weimarer Verfassung von 1919, die im Art. 124 unter den Grundrechten und Grundpflichten das Bekenntnis proklamierte: „Alle Deutschen haben das Recht, zu Zwecken, die den Strafgesetzen nicht zuwiderlaufen, Vereine und Gesellschaften zu bilden. Dieses Recht kann nicht durch Vorbeugungsmaßregeln beschränkt werden". Dem trat im Art. 159 die besondere Anerkennung der K o a l i t i o n s f r e i h e i t hinzu (dazu schon oben §45111dl). Heute B o n n e r G r u n d g e s e t z Art.9: „Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden". Im Abs. III anschließend die Koalitionsfreiheit „zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen".

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§ 53 II b, c. Der Staat und die Verbände

b) Trotz grundsätzlicher Anerkennung der Vereinigungsfreiheit wird sich der Staat doch immer wieder das Recht zur Ü b e r w a c h u n g u n d R e g u l i e r u n g des Verbandswesens zusprechen. Das kann bis zur totalen Stillegung der Verbandsfreiheit führen. Dabei leitet den Staat entweder das bloße Gefühl seiner Allmacht verbunden mit dem Verlangen, alles zu erfassen, zu regulieren, zu kontrollieren. Oder seine eigene gespannte politische Lage verbunden mit dringenden wirtschaftlichen Notwendigkeiten zwingt ihn zu scharfen Eingriffen in den Aufbau und die Gestaltung der Verbände. Am schwersten aber wiegt die allgemeine Erkenntnis, daß auch in ruhigen Zeiten eine Z e n t r a l s t e l l e da sein muß, die, wenn auch n u r mit milder Hand, dem sonst einsetzenden Wirrwarr der Verbände und ihrem Kampf untereinander Halt gebietet. Im Laufe der Zeit haben sich i n d e r S p h ä r e d e s b ü r g e r l i c h e n R e c h t s verschiedene S y s t e m e f ü r die staatliche Beeinflussung des Verbandswesens gebildet. So stellt man das S y s t e m d e r K o n z e s s i o n dem S y s t e m d e r b l o ß e n N o r m a t i v b e s t i m m u n g e n gegenüber (Näheres bei Lehmann, Allgemeiner Teil § 6014). So kann die Taktik des Staates entweder darauf aufgebaut sein, v o n s e l b s t e i n z u g r e i f e n — wo es nottut —, oder einen etwaigen A n t r a g a u s d e m K r e i s e d e r B e t e i l i g t e n abzuwarten. So kann der Austrag von Streitigkeiten zwischen dem eingreifenden Staat und dem davon betroffenen Verbände entweder der o r d e n t l i c h e n G e r i c h t s b a r k e i t zugeleitet oder vor die V e r w a l t u n g s g e r i c h t e oder gar vor ein eigens geschaffenes Sondergericht, wie z. B. das Kartellgericht (vgl. nachfolgend IVd), verwiesen werden. c) Ein Kapitel f ü r sich bildet die V e r l e i h u n g d e r R e c h t s f ä h i g k e i t durch den Staat. Sie hängt aufs engste mit der Personenlehre des bürgerlichen Rechts zusammen. Mindestens in diesem Rahmen kann es für einen Verband sehr bedeutsam werden, ob er auf seinen Namen Grundstücke erwerben und sich in das Grundbuch eintragen lassen kann, oder ob er in einem Testament als Erbe eingesetzt werden kann, usw. Diese Rechtsfähigkeit kann nun allein der Staat verleihen, da er das Ganze der Rechtsordnung in den Händen hält. Außerhalb der Sphäre des bürgerlichen Rechts im engeren Sinne ist die Bedeutung der formellen „Rechtsfähigkeit" schwächer geworden. Verbände, deren Wirksamkeit vorzugsweise im Bereich des öffentlichen Rechts liegt, setzen sich durch, auch wenn sie keine „Rechtsfähigkeit" in jenem alten klassischen Sinne haben. Charakteristisch dafür ist, daß z. B. die Gewerkschaften und die Kartelle nicht selten auf den Erwerb

§ 53 III. G r u n d f o r m e n menschlicher Zusammenschlüsse

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der formellen Rechtsfähigkeit verzichtet h a b e n und als bloße ,.Gesells c h a f t e n " oder nichtrechtsfähige Vereine (vgl. BGB. § 54) doch ein kräftiges Dasein führen, wenn sie nicht überhaupt in öffentlichrechtliche Korporationen übergehen.

III. D i e G r u n d f o r m e n m e n s c h l i c h e r O r g a n i s a t i o n . Auch der Staat spielt bei tieferer Betrachtung erst eine zweite Rolle. Die wirklichen G r u n d f o r m e n menschlichen Zusammenseins liegen i n d e r m e n s c h l i c h e n N a t u r begründet. Dabei lassen sich S t u f e n d e s Z u s a m m e n s c h l u s s e s unterscheiden. Sie finden keine planmäßige, doch aber eine gelegentliche Widerspiegelung in der Rechtsordnung, z. B. hängt der Unterschied, den das BGB. zwischen seiner „Gesellschaft" (mit ihrem Gesamthandspririzip, nachfolgend § 54 lila) und seiner „Gemeinschaft" (mit ihrem Majoritätsprinzip, § 55 II) gemacht hat, mit dieser allgemein menschlichen Stufenbildung zusammen. a) D e r B r ü d e r s c h a f t s g e d a n k e. Er stellt die unterste Stufe der „Organisation" dar: alle sind gleich, keiner steht über dem anderen, keiner darf durch eine etwaige Mehrheit überstimmt werden. Das spiegelt sich, wie gesagt, im Gesellschaftsrecht des BGB. theoretisch wider. c) D e r G e d a n k e d e r A b s t i m m u n g . Er rückt eine Stufe höher im Organisatorischen. Es können sich Mehrheiten und Minderheiten bilden, und die Minderheit hat sich dann dem Beschluß der Mehrheit zu fügen. Doch ist die Rechtsordnung an den verschiedensten Stellen darauf bedacht, die „Minorität" g e g e n zu weit gehende Beschlüsse der „Majorität" zu sichern, indem sie f ü r bestimmte Beschlüsse Einstimmigkeit oder eine „qualifizierte" Mehrheit (z. B. 3U der Stimmen) verlangt, oder umgekehrt der Minderheit bestimmte Rechte auf Zusammentritt der Hauptv e r s a m m l u n g usw. einräumt. — Besonders eindrucksvoll: Grundsatz der Einstimmigkeit bei der „Gesellschaft" des BGB. (§ 709 12; n ä h e r e s im folgenden). Viele Einzelregeln im Handelsrecht, z. B. im Aktiengesetz §§ 43, 84, 88, 118, 122, 12.3, 136, 203 Ziff. 2, 206 usw.

c) D e r V e r t r e t e r g e d a n k e . Hier hebt sich aus der Masse der übrigen ein Einzelner (oder mehrere Einzelne) als „Vertreter" heraus. Er bleibt noch an die anderen gebunden, weil er sie eben n u r „vertreten" soll. Wiederum knüpfen wichtige R e c h t s f r a g e n an dieser Stelle an, so die Frage der Abberufbarkeit (vgl. z. B. § 712 BGB.), der „Bindung an die erteilten Weisungen" usw. d) D e r H e r r s c h a f t s g e d a n k e . Er f ü h r t organisatorisch dahin, daß sich der Einzelne von den übrigen löst und u n a b h ä n g i g von ihnen seine bindenden Beschlüsse fassen und verwirklichen darf. Während diese Figur dem öffentlichen Recht in Gestalt des (ab-

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§ 53 IV. V e r b a n d s w e s e n und Gesetzgebung

soluten) Monarchen durchaus geläufig ist, fehlt sie so gut wie ganz im alten Recht der privaten Vereinigungen. Allerdings trifft das in voller Reinheit n u r f ü r das g e s e t z l i c h e Recht zu. Die Gesetze über die bürgerlichrcchtlichen Gesellschatten, Vereine usw. vermeiden es möglichst, die von ihnen e n t w o r f e n e Organisation bis zur Figur eines solchen „Herrschers" hinaufzutreiben. Da jedoch in weitem Maße V e r t r a g s f r e i h e i t (Gestaltungsfreiheil) herrscht, kann das praktische Leben sehr w o h l auch bei privaten, namentlich wirtschaftlichen Vereinigungen einen derartigen Ü b e r g a n g vom bloßen „Vertreter" zum selbstherrlichen Entscheider hervorbringen.

e) D e r A n s t a l t s g e d a n k e . Das Hinauftreiben des organisatorischen Wollens bis zu einer überragenden Spitze kann schließlich noch über die einzelne Person hinaus zu einer V e r s a c h l i c h u n g führen. Dann sind nicht n u r die „übrigen", sondern alle, auch die mit der Geschäftsführung Beauftragten, dieser versachlichten Organisation Untertan. Bis zu einem gewissen (aber im Privatrecht hängenbleibenden) Grade ist das schon bei jeder V e r l e i h u n g d e r „ R e c h t s f ä h i g k e i t " (oben II c) der Fall, insofern sich hier eine neue selbständige „Person" über alle Einzelnen erhebt. Vor allem aber kommt diese Übersteigerung in Gestalt des Rechtsbegriffes der A n s t a l t zutage. Gerade auch im öffentlichen Recht spielt der Anstaltsgedanke heute eine wichtige Rolle. IV. D i e L e i s t u n g d e s G e s e t z g e b e r s . Die große Bedeudeutung des Verbands- und Vereinigungswesens spiegelt sich nicht nur im Alltagsleben, in der Politik, in den internationalen Beziehungen der Völker, sondern auch in der juristischen Sphäre der Gesetzgebung wider. Allerdings zeigt gerade dieser Spiegel, wie schwer es ist, das Phänomen dieses mannigfaltigen Zusammenstrebens der Menschen in Einem zu erfassen. Die Gesetzgebung stellt keineswegs ein einheitliches, zentrales Verbandsgesetz zur Verfügung, sondern springt in sehr verschiedene und in verschiedenen Zeitperioden entstandene, überdies immer wieder „revidierte", veränderte, neugefaßte Gesetze und Verordnungen auseinander. Im folgenden wird ein knapper Überblick gegeben, der die Vereinigungserscheinungen des b ü r g e r l i c h e n Rechts mitten in den Strom der Entwicklung und damit auf einen bunten breiten Hintergrund stellt. a) Das b ü r g e r l i c h e R e c h t selbst läßt in allen fünf Büchern des BGB. „Gemeinschaften" hervortreten. Im I. Buch die V e r e i n e , in rechtsfähige und nichtrechtsfähige gegliedert (§§ 21,54). Im II. Buch die beiden im folgenden (§§ 54 und 55) näher zu behandelnden schuldrechtlichen Figuren der G e s e l l s c h a f t und der G e m e i n s c h a f t . Im III. Buch das M i t e i g e n t u m (BGB. §§ 1008ff.),

§ 53 IV. Aktiengesellschaft, Genossenschaft, Kartell

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das mit der schuldrechtlichen Gemeinschaft in Verbindung steht. Im IV. Buch treffen wir in reichem Ausbau auf die vermögensrechtliche Gemeinschaft der Ehegatten, z.B. die „ A l l g e m e i n e G ü t e r g e m e i n s c h a f t " (§§ 1437ff.). Im V.Buch spielt die E r b e n g e m e i n s c h a f t eine wichtige Rolle (§§ 2032ff.). b) Dicht neben dem bürgerlichen Recht steht das H a n d e l s r e c h t . Hier fällt vor allem die — historisch entstandene — Mannigfaltigkeit der Typen auf, die A k t i e n g e s e l l s c h a f t e n , seit 1937 in dem besonderen „Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien" geregelt; im HGB.: die „Offene Handelsgesellschaft", die Kommanditgesellschaft, die Stille Gesellschaft; ferner, wieder in einem Sondergesetz geregelt, die wichtige Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH.). c) Mit dem bürgerlichen und dem Handelsrecht verflochten, aber doch mit charakteristischen Eigenzügen ausgestattet sind die G e n o s s e n s c h a f t e n , geregelt in dem (inzwischen vielfach geänderten) Ges. betr. die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften von 1889. Wichtig die Einbürgerung dieses Typus auch in ländlichen Kreisen. Der Genossenschaftsgedanke spielt auch, allerdings den Zeitverhältnissen angepaßt, eine Rolle bei gewissen Sozialisierungsbestrebungen, insbesondere den bodenwirtschaftlichen Umgestaltungen der Ostzone. Mit den Genossenschaften v e r w a n d t ist auch eine Form der Versicherungsgesellschaften, nämlich die V e r s i c h e r u n g s g e s e l l s c h a f t e n a u f G e g e n s e i t i g k e i t , die den Versicherungs-Aktiengesellschaften gegenüberstehen (über den V e r s i c h e r u n g s v e r t r a g oben § 43). — Über die sog. Sozialversicherung mit ihren ö f f e n t l i c h r e c h t l i c h e n Anstalten vgl. oben § 43 I f.

d) Alle vorgehend geschilderten Erscheinungen werden im Gebiet der Wirtschaft überboten von den jüngsten Figuren des Verbandswesens, den K a r t e l l e n und K o n z e r n e n . Sie sind typische Ausgeburten der ökonomischen Entwicklung, die etwa mit Stichworten wie Industrialisierung, Amerikanisierung, Rationalisierung bezeichnet werden kann. Eine weder juristisch noch wirtschaftswissenschaftlich bisher voll erfaßte K o n z e n t r a t i o n s b e w e g u n g steht hinter ihnen. Sie findet ihr Widerspiel in der ebenfalls beständig gewachsenen Konzentration der s t a a t l i c h e n V e r w a l t u n g s r e g i e . So ist es auch erklärlich, daß diese staatliche Verwaltungsregie, in Anpassung an die jeweilige politische Weltanschauung, immer wieder die ungesund ansteigende Macht der Kartelle und Konzerne (ihr Streben, ganze Wirtschaftsgebiete

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§ 53 IV e. Gemischtwirtschaftliche Unternehmung

monopolistisch zu beherrschen) durch totale Verbote, durch zwangsweise „Entflechtung" oder mindestens durch scharfe und strenge Kontrolle abzuriegeln versucht. Die G e s e t z g e b u n g ist auf diesem Gebiet hinter der sehr rasch fortschreitenden Entwicklung anfänglich ganz zurückgeblieben. Eine vollständige Umgestaltung der durch Unterdrückung aller irgendwie noch privatrechtlich orientierten Kartelle und Konzerne ist in Sowjetrußland vollzogen worden. In anderen Ländern sind fast überall Spezialgesetze für Kartelle erlassen worden. Deutschland hat seinerzeit als erstes Land ab 1923 (damals „V. gegen den Mißbrauch wirtschaftlicher Machtstellung" vom 2. 11. 23) in wiederholten Anläufen das Kartellrecht zu meistern versucht. Charakteristisch, daß auch eine eigene K a r t e l l g e r i c h t s b a r k e i t (heute erloschen) konstituiert wurde. H e u t e sind in der Ostzone Deutschlands die Kartelle und Konzerne ganz beseitigt und, so weit Zentralisation geboten erscheint, durch neuartige staatliche oder halbstaatliche Verwaltungsorganisationen ersetzt. In den Westzonen ist die Entwicklung noch im Fluß. Aber die „Entflechtung" der großen Konzerne ist auch hier zu einem bedeutenden Stück der Sondergesetzgebung geworden, im Ausgang auf Anordnungen der Militärregierungen beruhend. Schulmäßig fällt das Gebiet des Kartell- und Konzernrechts und verwandter Erscheinungen wissenschaftlich in das neue Fach des W i r t schaftsrechts.

Mit einzelnen Erscheinungen reicht aber auch das Kartellrecht in das b ü r g e r l i c h e R e c h t hinein. Hauptbeispiel ist das den Mitgliedern im § 8 der Kartellverordnung eingeräumte K ü n d i gungsrecht. Fristlose Kündigung bei „wichtigem Grund". Als solcher soll es immer anzusehen sein, „wenn die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Kündigenden, insbesondere bei der Erzeugung, dem Absatz oder der Preisgestaltung unbillig eingeschränkt wird".

e) Besonders eigenartig ist der Typus der g e m i s c h t - w i r t s c h a f t l i c h e n U n t e r n e h m u n g . Bei ihr wird die Wendung vom Privatrecht zum öffentlichen Recht besonders anschaulich. Gerade das soll durch das Beiwort „gemischt" ausgedrückt werden. Die Grundform ist hier nämlich so, daß zunächst eine privatrechtliche Vereinigungsform da ist, z. B. eine Aktiengesellchaft, daß sich aber nun ein öffentlichrechtlicher Machtfaktor, S t a a t o d e r G e m e i n d e , in das Unternehmen einschiebt. Das kann zunächst noch im Rahmen des Privatrechts verbleiben: der Staat erwirbt nur auf dem gewöhnlichen Wege des Kaufs (freihändig oder an der Börse) ein Paket der betreffenden Aktien, wird also gewöhnlicher Aktionär („Beteiligung" der sog. „öffentlichen Hand"). Eine Veränderung des Wesens tritt erst ein, wenn nun der Staat oder die Gemeinde n i c h t gewöhnlicher, mit allen anderen genau gleichgesetzter Teilhaber

§ 54 I a. Die Gesellschaft

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wird, sondern sich irgendwelche b e s o n d e r e n M a c h t b e f u g n i s s e öffentlichrechtlichen Charakters (z. B. ein Vetorecht gegen bestimmte Beschlüsse) gesetzlich oder vertraglich ausbedingt. Dann Ist der Typus der „gemischtwirtschaftlichen Unternehmung" erreicht. Eine gesetzliche Regelung fehlt. Heute verliert dieser Typus mehr und mehr sein privatrechtliches Gepräge und gleitet in reine staatliche oder kommunale V e r w a l t u n g s o r g a n i s a t i o n e n hinüber.

§ 54. Die Gesellschaft (BGB. § 705ff.) I. W e s e n . a) I m A l l g e m e i n e n . Wenn mehrere Personen sich (auf dem •"Boden des bürgerlichen Rechts) zusammenschließen, um einen bestimmten Zweck durch gemeinsames Wirken zu erreichen, so treten sie in ein Gesellschaftsverhältnis zueinander, falls sie nicht die Gründung eines Vereins vorziehen. 1. Der Z w e c k ist also der Leitstern der Beteiligten. Es ist ebensosehr eine Gesellschaft, wenn zwei H a u s f r a u e n beschließen, gemeinsam ihren Tee zu beziehen, wie w e n n hundert Menschen sich vereinigen, um eine Kolonie auf neuer religiöser Grundlage zu bilden. Nur ist zu beachten, daß sehr viele V e r a b r e d u n g e n und Zusammenschlüsse von Menschen überhaupt nicht in den Bannkreis der Rechtsordnung eintreten, s o n d e r n außerrechtlich bleiben wollen (oben § 5 1 a).

2. G e m e i n s a m e s W i r k e n soll den Zweck erreichen lassen oder näher rücken. Gleichmäßige Wirksamkeit aller ist dabei nicht verlangt. Das Maß der K r a f t a n s t r e n g u n g kann also verschieden sein. Die Beiträge (Ziff. II) b r a u c h e n nicht auf der gleichen Höhe zu stehen, auch ihre Art kann verschieden sein; der eine bringt etwa Geld zur Kasse, der a n d e r e wirft seine Dienste als Arbeiter, Sekretär oder als Rechtsberater ein (vgl. §706111). Die Leistungen sind ökonomisch als wechselseitiger A u s t a u s c h gedacht; d a r u m können die Regeln vom g e g e n s e i t i g e n Vertrag (oben §§ 11, 20 III, 21 IV) mit Vorsicht auch auf das Gesellschaftsverhältnis a n g e w a n d t werden. Z. B. ist dem einzelnen Gesellschafter, der auf Zahlung seines Beitrags verklagt wird, der E i n w a n d d e s n o c h n i c h t e r f ü l l t e n V e r t r a g e s (exceptio non impleti) zuzusprechen, wenn Gegenleistungen, auf die er nach dem Gesellschaftsvertrage Anspruch hat, verweigert w e r d e n . Schwieriger ist schon die Frage, ob der einzelne s e i n e n Beitrag zurückhalten darf, weil auch a n d e r e Mitglieder ihren Beitrag noch nicht bezahlt haben. Unmittelbar paßt hier § 320 nicht, denn die einzelnen Gesellschafter stehen sich eben nicht als Gegner mit gegenseitigen Forderungen g e g e n ü b e r (ob. §531), vielmehr steht die Gesellschaft zwischen ihnen. Es ist auch zuzugeben, daß bei einer vielköpfigen Gesellschaft mit der Einziehung der Beiträge

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§ 54 I b. Gesellschaft und Verein irgendwo der A n f a n g gemacht w e r d e n muß. Aber andererseits kann es zu groben Unbilligkeiten führen, w e n n z. B. bei einer finanziell nicht sicheren Gesellschaft der eine herausgegriffen, andere aber zunächst geschont werden. Dem wird man b e g e g n e n können, daß man dem derart Bedrohten die a l l g e m e i n e Einrede der Arglist (exceptio doli generalis) zur V e r f ü g u n g stellt. Auch die Regeln über U n m ö g l i c h k e i t u n d V e r z u g (§§ 323ff.) können herangezogen werden. Nur bestehen Bedenken, das dort dem „anderen Teil" zugesprochene R ü c k t r i t t s r e c h t uneingeschränkt zuzulassen, da (mindestens für schon in Ausführung begriffene Gesellschaften) eigens ein K ü n d i g u n g s r e c h t v o r g e s e h e n ist (§ 723), das seiner Natur nach nicht nach r ü c k w ä r t s hin, sondern n u r in die Zukunft wirkt. Diese vom Gesetzgeber gewollte Einschränkung würde illusorisch werden, w e n n daneben das r ü c k w ä r t s wirkende Rücktrittsrecht (oben § 17) zugelassen würde. Vergl. RGB. Bd. 81 S. 305f. und ebenso in späteren Urteilen. — S c h a d e n s e r s a t z n e b e n der Kündigung bewilligt das RG. ebenfalls nicht aus § 326, s o n d e r n nur aus der allgemeinen Vorschrift des § 276 (Bd. 89 S. 400).

b) V e r w a n d t s c h a f t m i t d e m V e r e i n . Auch der Verein beruht auf der Preisgabe eines Stückes Persönlichkeit seitens seiner Mitglieder. Doch ist bei ihm dieser Gedanke in höherem Grade entwickelt. Darum ist die Lehre von denVereinen in das P e r s o n e n recht eingestellt worden (BGB. §§ 21ff.). Auf diese Weise sind zwei Gebilde, die .sich nahe berühren, im Aufbau des Gesetzes auseinander gerissen worden. Doch hat das Gesetz wiederum eine neue Verkettung durch den § 54 BGB. herbeigeführt. 1. Verhältnismäßig leicht ist sowohl in der Theorie wie in der Praxis die Abscheidung von den r e c h t s f ä h i g e n V e r e i n e n . T h e o r e t i s c h : Beim rechtsfähigen Verein wird ein n e u e s Rechtss u b j e k t gebildet, das sich über die Summe der einzelnen Mitglieder a 1 s e i n e n e u e P e r s o n erhebt und deshalb als alleiniger Träger aller Rechte und Pflichten erscheint, so daß also nur der Verein, nicht etwa seine Mitglieder „Eigentümer", „Gläubiger", „Schuldner", „Kündigungsberechtigter" usw. ist. Bei der Gesellschaft dagegen bleiben stets die einzelnen Mitglieder Träger der Rechte und Verbindlichkeiten. — I n d e r P r a x i s ist die Abscheidung deshalb leicht, weil ein rechtsfähiger Verein nur durch einen äußerlich e r k e n n b a r e n Akt (Eintragung, staatliche Verleihung, BGB. §§ 21, 22) begründet werden kann, w ä h r e n d die Begründung einer Gesellschaft ohne äußere Kenntlichmachung ganz formfrei vollzogen w e r d e n kann.

2. Schwer ist dagegen die Abscheidung vom n i c h t fähigen Verein.

rechts-

Der t h e o r e t i s c h e U n t e r s c h i e d fällt weg, weil bei dieser Sorte von „Vereinen" gleichfalls kein neuer Rechtsträger entsteht, sondern die Rechtsträgerschaft bei den Mitgliedern verbleibt. Dazu kommt, daß jener § 5 4 BGB. eine ganz starke A n n ä h e r u n g an d a s Gesellschaftsrecht vollzieht, denn sein Hauptsatz lautet: „Auf Vereine, die nicht rechtsfähig sind, finden die Vorschriften über die Gesellschaften Anwen-

§ 541 c. Gesellschaften außerhalb des BGB.

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dung." Deshalb bleiben Unterschiede nur in einzelnen Punkten, vor allem auf Grund einer Vorschrift des Prozeßrechts, nämlich des § 50 II ZPO., w o n a c h dem nicht rechtsfähigen Verein d i e p a s s i v e P a r t e i fähigkeit und ebenso (§ 735 ZPO., §213 KO.) die Volls t r e c k u n g s - u n d K o n k u r s f ä h i g k e i t zugesprochen wird, die den Gesellschaften abgeht. — Die p r a k t i s c h e U n t e r s c h e i d u n g im Leben ist deshalb schwierig, weil die Begründung eines nicht rechtsfähigen Vereins (ebenso wie einer Gesellschaft) keines sinnfälligen Aktes, etwa einer öffentlichen V e r l a u t b a r u n g bedarf. Der Unterschied wird sich ü b e r h a u p t nicht auf eine b e g r i f f l i c h e Formel bringen lassen. Er ist vielmehr nur gradueller Natur. Der Verein verlangt einen a u s g e p r ä g t e r e n Aufbau, eine straffere Organisation als die Gesellschaft. Vorstand, Satzung, Mitgliederversammlung sind Kennzeichen des rechtsfähigen Vereins; man wird diese Kennzeichen auch bei der Abscheidung des nicht rechtsfähigen V e r e i n s von der Gesellschaft v e r w e r t e n können. Beispiele nicht rechtsfähiger Vereine: RG. Bd. 78 S. 135; 113 S. 125; 118 S. 198.

c) D e r G e l t u n g s b e r e i c h d e s G e s e l l s c h a f t s r e c h t s ist nicht groß. D i e w i c h t i g s t e n G e s e l l s c h a f t e n s i n d S o n d e r r e g e l n a u ß e r h a l b d e s B G B . u n t e r w o r f e n , so namentlich die offenen Handelsgesellschaften, die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die privaten Versicherungsgesellschaften, die Aktiengesellschaften usw. (oben § 53 IVb. u c). Für eine u n m i t t e l b a r e Anwendung des BGB. bleiben zurzeit nur etwa folgende Fälle: 1. Gesellschaften v o n N i c h t k a u f l e u t e n mit geschäftlichem Ziel, z. B. gemeinsamer Einkauf von W i n t e r k o h l e durch mehrere Hausfrauen. 2. Gesellschaften mit i d e a l e r R i c h t u n g , z. B. Vergnügungsgesellschaften, Lesekränzchen, Sportverbände loser Art usw. 3. Die sog. G e l e g e n h e i t s g e s e l l s c h a f t e n , die von Kaufleuten für einzelne Geschäfte eingegangen w e r d e n . 4. M a n c h e von den neuen Gebilden, z. B. Kartelle, die auf Erwerb der „Rechtsfähigkeit" verzichtet haben (ob. § 53 II c).

Um so bedeutender ist die m i t t e l b a r e R o l l e , die das Gesellschaftsrecht des BGB. spielt. Es greift nämlich einmal ergänzend (subsidär) hinter dem HGB. und manchen Sondergesetzen ein und bildet zweitens die Unterlage für die rechtliche Behandlung der nicht rechtsfähigen Vereine, deren es viele Tausende gibt. Daß die §§ 705ff. auch für das Vereinsrecht entsprechend dem § 54 BGB. verwendbar sind, liegt daran, daß sie durchaus überwiegend dehnbar gestaltet sind, d. h. d i s p o s i t i v e n C h a r a k t e r haben und also der grundsätzlich strafferen Organisation der Vereine angepaßt werden können. N i c h t übertragbar auf das Vereinsrecht z. B. der milde Haftungsmaßstab des § 708 (RG. 143 S. 212). Vgl. unten IV a. 20 He d e m a n n . Schuldrecht, 3. Aufl.

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§ 54 II. Das Gesellschaftsvermögen

II. D a s G e s e l l s c h a f t s v e r m ö g e n . Eine vermögensrechtliche Grundlage ist für die Gesellschaft nicht gerade begriffsnotwendig. Der Kern bleibt das Mitwirken, also eine menschliche Betätigung. Aber in der Praxis wird doch meist eine gewisse Vermögensbasis vorhanden sein. Dazu gehört keine stets volle Kasse. Überhaupt ist nicht bloß Geld darunter zu verstehen, sondern ebenso gut auch Bücher, Maschinen und dgl. Aufgebracht wird das Gesellschaftsvermögen in erster Linie durch die Gesellschafter, durch ihre f o r t l a u f e n d e n „Beiträge" und das einmalige „Einbringen in die Gesellschaft", w o b e i es zu v e r k a u f s ä h n l i c h e n Erscheinungen kommen k a n n (ob. § 32 VIII). Ferner durch den Erwerb im Zuge des Geschäftsganges, schließlich durch Umtausch v o n Werten, w e n n z. B. mit Geld aus der Gesellschaftskasse ein Grundstück e r w o r b e n wird ( „ S u r r o g a t i o n " ! §718 Abs. 2).

Diese Masse ist vom BGB. unter dem Namen „Gesellschaftsvermögen" i n e i g e n t ü m l i c h e r W e i s e verselbständigt w o r d e n (§718). Sie hebt sich gleichsam über Wollen und Interesse des einzelne Genossen heraus. Dies ein wesentlicher Unterschied des fertigen Gesetzes zum I. Entwurf (vgl. Ziff. III). Die Selbständigkeit zeigt sich darin, daß das e i n z e l n e M i t g l i e d d a s G e s e l l s c h a f t s v e r m ö g e n in s e i n e m S t a n d nicht e r s c h ü t t e r n k a n n . Daß der Einzelne nicht über das G a n z e des Gesellschaftsvermögens v e r f ü g e n darf, ist allerdings eine Selbstverständlichkeit. Aber auch über seinen A n t e i l am V e r m ö g e n ist ihm die V e r f ü g u n g genommen. Dadurch erhält das Gesellschaftsvermögen eine bedeutende innerliche Festigung. Es tritt aber auch nach außen hin als eine geschlossene Einheit in Erscheinung. Insbesondere dürfen d i e G l ä u b i g e r d e r E i n z e l n e n sich nicht etwa an das Gesellschaftsvermögen halten (§859 ZPO.; A b s c h w ä g u n g vgl. u n t e r III b 2). Umgekehrt unterliegt das Gesellschaftsvermögen einer s e l b s t ä n d i g e n Z w a n g s v o l l s t r e c k u n g , w e n n es sich um eine Schuld der Gesellschaft handelt und dies dadurch zum Ausdruck g e b r a c h t worden ist, daß ein U r t e i l g e g e n a l l e G e s e l l s c h a f t e r erstritten w u r d e (§ 736 ZPO.). Die Selbständigkeit ist jedoch nicht so hoch getrieben, daß ein n e u e s V e r m ö g e n s s u b j e k t wie etwa beim rechtsfähigen Verein herauskäme. T h e o r e t i s c h muß deshalb gesagt werden, daß das Gesellschaftsvermögen den Gesellschaftern zusteht („zur gesamten Hand", s. sogleich III), daß sie z. B. Eigentümer der v o r h a n d e n e n Sachen, Gläubiger der im Gesellschaftsvermögen sitzenden Forderungen sind usw. alles wieder zur gesamten Hand), Aber bei der p r a k t i s c h e n Weiterf ü h r u n g macht sich die Zwiespältigkeit dieser Regelung (einerseits „Selbständigkeit" des Gesellschaftsvermögens, andererseits wieder Rückf ü h r u n g auf die Einzelnen) deutlich bemerkbar. A u c h im Gesetz tritt eine gewisse Halbheit und ein deutlich w a h r n e h m b a r e s Hin- und Herflackern bei einigen Einzelfragen hervor. Z. B. hat man sich zur Anerk e n n u n g eines K o n k u r s v e r f a h r e n s über das Gesellschaftsvermögen nicht entschließen können.

§ 54 III a. Gesellschaft; Innen Verhältnis

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Zum „Gesellschaftsvermögen" gehören auch die Passiva, also die G e s e l l s c h a f t s s c h u l d e n . Sie können in verschiedenen Vorgängen ihren Grund haben. Ein Hund, der zum Gesellschaftsvermögen gehört, hat etwa jemand gebissen, und diesem ist nun (nach § 833) der Schaden zu ersetzen. Oder von einem Hause, das zum Gesellschaftsvermögen gehört, haben sich Teile abgelöst und auf dem Nachbargrundstück Schaden angerichtet (§ 836). Bei weitem am häufigsten aber wird es sich u m r e c h t s g e s c h ä f t l i c h e Schulden aus Ein- oder Verkauf, aus Mietsverträgen, Darlehnsveträgen usw. handeln. Wieder steht der Jurist dann vor der Zwiespältigkeit: Es s i n d Schulden der „Gesellschaft", da diese aber keine Person ist (keine Rechtsfähigkeit besitzt), muß wieder in die dahinter stehenden einzelnen Gesellschafter aufgelöst werden. Wie (d. h. auf welchem k o n s t r u k t i v e n Wege) man an sie herangelangt, wird unter IHb 1 darzustellen sein. III. D i e B i n d u n g a n d a s g e m e i n s a m e Z i e l , a) D i e G e n o s s e n u n t e r s i c h stehen im Zeichen des G e samthandsgedankens. Im e r s t e n E n t w u r f hatte man die Gesellschaft so eingerichtet, daß das Interesse des Einzelnen, des Individuums möglichst stark hervortrat. Das r ö m i s c h e V o r b i l d war dabei entscheidend. Dementsprechend k o n n t e jeder Einzelne die Gesellschaft beliebig auseinandersprengen oder konnte einen Fremden an seine Stelle treten lassen. Diese A u f f a s s u n g widerspricht der ä l t e r e n deutschen Auffassung. Darum setzte die K r i t i k in der Richtung ein, den Einzelnen der gemeinsamen Idee stärker zu unterstellen. Das hat zur A u f n a h m e des G e s a m t h a n d s g e d a n k e n s geführt.

Der Gesamthandsgedanke äußert sich in folgenden Richtungen: 1. G e m e i n s a m e V e r w a l t u n g m i t E i n s t i m m i g k e i t s p r i n z i p (§ 7091 BGB.). Das Einstimmigkeitserfordernis kittet die Genossen eng aneinander (vgl. oben § 53 lila), während das römische Majoritätsprinzip die Beteiligten untereinander zu Fremden stempelt. 2. K e i n e W e g g a b e i n f r e m d e H a n d (§ 719 11). Das bedeutet also, daß keiner seinen Anteil verkaufen, verpfänden oder sonstwie in fremde Hand geben darf. 3. K e i n e b e l i e b i g e A u s e i n a n d e r s p r e n g u n g (§7211, § 719 I 2). Keiner darf also ohne Grund Auflösung der Gesellschaft und Teilung der Kasse verlangen. Wenn der Tod einen Genossen wegführt, so hört damit grundsätzlich die Gesellschaft auf (§ 727), weil sich das ganz Bild durch das Ausscheiden auch nur eines Einzigen, gemessen an den strengen Anforderungen des Gesellschaftsgeistes, zu sehr ändert. 20*

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§ 54 III b. Gesellschaft; Außenverhältnis Der G e s a m t h a n d s g e d a n k e erfährt indessen eine Reihe von A b Schwächungen. Der Grund dürfte hauptsächlich darin zu suchen sein, daß das Gesellschaftsrecht gleichzeitig die n i c h t rechtsf ä h i g e n V e r e i n e decken soll, denen der strenge Gesellschaftsgeist viel weniger liegt als den eigentlichen Gesellschaften. Technisches Mittel, um die A b s c h w ä c h u n g e n zu erzielen, ist der Gesellschaftsvertrag, der unter dem Zeichen der a l l g e m e i n e n Vertragsfreiheit steht. Danach k a n n doch das Majoritätsprinzip eingeführt werden, das das Vereinsleben beherrscht (§ 709 II). Danach k a n n praktisch doch der Neueintritt eines Mitgliedes vollzogen werden, wobei m a n allerdings über die wissenschaftliche Konstruktion streitet (Auflösung der bisherigen Gesellschaft u n t e r Gründung einer n e u e n Gesellschaft? Übernahme des alten Vermögensbestandes?) Danach ist auch der Fortbestand über den Tod eines Einzelnen hinaus möglich (§§ 727, 736). Schließlich hat der Gestzgeber selbst der allzu s t a r k e n Bindung des Einzelnen an die Gesellschaft einen Riegel vorgeschoben, indem er eine K ü n d i g u n g der Gesellschaft v o r g e s e h e n hat (§§ 723ff.). Doch wirkt der genossenschaftliche Gedanke insofern nach, als die Kündigung „nicht zur Unzeit" erfolgen darf. Übrigens braucht auch hier wieder das Ausscheiden eines einzelnen Mitgliedes die übrigen nicht zur Auflösung der ganzen Gesellschaft zu veranlassen (§ 730). Über A n w e n d b a r k e i t der Regeln vom g e g e n s e i t i g e n Vert r a g oben I a 2.

b) W i e w e i t w e r d e n D r i t t e b e t r o f f e n ? An sich sind außenstehende Dritte an die Abmachungen, die die Gesellschafter unter sich getroffen haben, nicht gebunden. Denn auch die Gesellschaft ist als ein schuldrechtliches Verhältnis gedacht, das lediglich die unmittelbar Beteiligten bindet. Aber dem Leben gegenüber hält eine Abschließung der Gesellschafter unter sich nicht stand. Es finden bei den meisten Gesellschaften ununterbrochen Beziehungen zur Außenwelt statt. 1. Zunächst einmal ist d i e G e s e l l s c h a f t s e l b s t oft genug genötigt, nach außen hin Geschäfte abzuschließen. Daraus erlangen die Geschäftspartner Ansprüche. Gegen wen richten sie sich? Es handelt sich zwar um „Gesellschaftsschulden", aber, um an das „Gesellschaftsvermögen" heranzukommen, bedürfen die Gläubiger, wie schon erwähnt (oben II), eines g e g e n a l l e G e s e l l s c h a f t e r gerichteten Urteils. Hinter dieser Formalvorschrift steht der viel weitertragende materielle Gedanke, daß eben doch nicht die „Gesellschaft", sondern d i e e i n z e l n e n M i t g l i e d e r d i e S c h u l d n e r sind. Zu diesem Ergebnis gelangt m a n entweder unmittelbar auf Grund des § 427, w e n n nämlich alle Gesellschafter zusammen den V e r t r a g geschlossen haben, oder auf dem Umweg über die Stellvertretungslehre (§§ 164ff.), w e n n einer allein als ihr Bevollmächtigter gehandelt hat (dazu s. unter IV a). Die Rückführung auf die Einzelpersonen w ü r d e n u n bedeuten, daß sich die Haftung keineswegs aui das „Gesellschaftsvermögen"

§ 54 III b 2. Gesellschaft; Stellung der Mitglieder

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(die „Kasse") beschränkt, sondern daß j e d e r E i n z e l n e a u c h m i t seinem eigenen Vermögen für jede „Gesellschaftsschuld" einstehen müßte. Daß nach § 427 die Haftung eine g e s a m t s c h u l d n e r i s c h e ist (oben § 30 I b), würde die Lage noch weiter verschärfen: jeder allein würde dem Gläubiger a u f s G a n z e haften. •— Im Grundsatz ist dieser Gedankengang richtig. Aber die A u s l e g u n g eröffnet die Möglichkeit von A u s n a h m e n : Bei jedem einzelnen Geschäft kann dank der allgemeinen Vertragsfreiheit ausbedungen werden, daß nur nach Kopfteilen, oder sogar (was weit wichtiger ist), d a ß ü b e r h a u p t n i c h t m i t d e n E i n z e l v e r m ö g e n , s o n d e r n nur mit dem G e s e l l s c h a f t s v e r m ö g e n (der „K a s s e") g e h a f t e t w e r d e n s o l l . Mehr noch: Im Gesellschaftsvertrage kann ganz allgemein ausgemacht sein, daß der geschäftsführende Gesellschafter (nachfolgend IV a) Geschäfte nur unter solcher Beschränkung der Haftung abschließen darf; dann hat er für Geschäfte mit weitergehender Haftung keine „Vollmacht" gehabt, und durch die Handlungen eines Nichtbevollmächtigten können die vertretenen Gesellschafter nicht oder nicht in voller Höhe verpflichtet werden. Mehr noch: Auch wenn kein fest formulierter Gesellschaftsvertrag dieser Art vorliegt, kann, m i n d e s t e n s b e i e i n e r v i e l k ö p f i g e n G e s e l l s c h a f t , davon ausgegangen werden, daß der D r i t t e mit einem solchen haftungbeschränkenden Willen seiner Vertragsgegner •—• der Gesellschafter •— rechnet und daß auf diese Weise d i e H a f t u n g s b e s c h r ä n k u n g z u m V e r t r a g s i n h a l t w i r d . Parallele zum Recht der nicht rechtsfähigen Vereine (vgl. Lehmann, Allgem. Teil § 60 VII 7 Cj S. 356). Aus der R e i c h s g e r i c h t s judikatur: Bd. 63 S. 65, Bd. 74 S. 374, Bd. 90 S. 176, Bd. 143 S. 216.

2. D i e e i n z e l n e n M i t g l i e d e r pflegen auch meistens nur einen kleinen Teil ihrer Interessen in der Gesellschaft unterzubringen. Andere Interessen veranlassen sie zu ununterbrochenen Geschäftsverbindungen mit dritten Personen. Hier ergeben sich Schwierigkeiten. Einerseits soll das Gesellschaftsvermögen möglichst unberührt von solchen Privatgeschäften der einzelnen Mitglieder bleiben (Ziff. II), andererseits sitzt in dem GeselLschaftsvermögen ein Vermögensanteil der einzelnen Mitglieder, und es würde befremdlich sein, wenn das hier untergebrachte Kapital wirklich dem Zugriff der Privatgläubiger der einzelnen Mitglieder gänzlich entzogen bliebe. Dies hat den Gesetzgeber zu einer eigentümlichen Regelung geführt. Grundsätzlich können allerdings die Privatgläubiger das Gesellschaftsvermögen nicht angreifen. Sie können keine Klage und noch viel weniger eine Vollstreckung unmittelbar auf das Gesellschaftsvermögen richten. Sogar die Aufrechnung mit dem, was sie von dem einzelnen Mitglied zu fordern haben, ist ihnen verschlossen, wenn sie ihrerseits zum Gesellschaftsvermögen etwas schulden und darauf belangt werden (§ 719 II). Wohl aber steht ihnen folgender Ausweg zur Verfügung: s i e k ö n n e n d e n A n t e i l d e s i h n e n

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§ 54 IV a. Gesellschaft; Geschäftsführung

v e r s c h u l d e t e n M i t g l i e d e s p f ä n d e n . Zwar werden sie dadurch nicht selber Mitglied der Gesellschaft, doch aber wird ihnen das Recht der Kündigung zugesprochen (§ 725). Das führt dann zur Auflösung der Gesellscaft und zur Verteilung der Kasse (vgl. IVc). IV. D e r B e t r i e b d e r G e s e l l s c h a f t e n , a) D i e O r g a n i s a t i o n der Gesellschaft beruht auf wechselseitigem Vertrauen. Darum können sich die Gesellschafter untereinander nicht mit dem allgemeinen Haftungsmaßstab belangen. Vielmehr haftet jeder nur nach der ihm angeborenen und von ihm im sonstigen Leben betätigten, sozusagen in die Gesellschaft mitgebrachten Sorgfalt ( d i l i g e n t i a q u a m i n s u i s r e b u s , § 708). Den Grund d a f ü r h a b e n bereits die Römer in den verständlichen W o i t e n gekennzeichnet: „quia qui p a r u m diligentem sibi socium adquirit, de se queri debet".

Im übrigen richtet sich der Betrieb der Gesellschaft ganz nach ihrem Ziel. Es gibt sehr ruhige, aber auch sehr regsame Gesellschaften. Bei letzteren würde das Prinzip der Übereinstimmung aller (lila 1) zu schwerer Belästigung führen. Selbst das Majoritätsprinzip wäre namentlich bei hoher Mitgliederzahl viel zu umständlich, da man immer und immer wieder Versammlungen einberufen müßte. Darum ist der Typus des G e s c h ä f t s f ü h r e r s (beim Verein in den V o r s t a n d übergehend) vom Gesetzgeber anerkannt worden. Vertraglich kann seine Stellung noch beträchtlich über das Gesetz hinaus ausgebaut werden. 1. Soweit die vertraglich gewährleistete Macht des Geschäftsführers reicht, sind d i e a n d e r e n a u s g e s c h a l t e t (§ 710). 2. Sie gilt zunächst nur für den Innenbetrieb. Aber im Zweifel soll dann der Geschäftsführer eine genau entsprechende M a c h t auch für den A u ß e n v e r k e h r haben (§ 714). Dann greift also, wie schon erwähnt, (III b 1) die Lehre v o n der V o l l m a c h t und der Stellvertretung (BGB. §§ 164ff.) ein. 3. Zur wirklichen Stellvertretung kommt es nach § 1 6 4 1 nur, wenn der Vertreter alle entscheidenden Erklärungen „ i m N a m e n des Vert r e t e n e n " abgibt. Das braucht nicht ausdrücklich zu geschehen, aber es muß wenigstens e r k e n n b a r sein. Darüber setzt sich das Leben überall, so auch hier bei der V e r t r e t u n g der (übrigen) Gesellschafter durch den Geschäftsführer, oft hinweg. Der Vertreter k a u f t ein, mietet, borgt Geld, ohne überhaupt von dem V e r t r e t e n e n zu sprechen. Dann gilt das Geschäft grundsätzlich auf seinen Namen geschlossen (§ 164 Abs. 2). Für die F r a g e d e s E i g e n t u m s e r w e r b s h a t das zu Unzuträglichkeiten und in Verfolg dessen zu einer Lockerung der s t r e n g e n Rechtssätze geführt. Beispiel: Der Geschäftsführer (Vorstand) h a t im Rahmen seiner Vollmacht für die Gesellschaft V o r r ä t e eingekauft, ohne ein W o r t v o n der Gesellschaft zu erwähnen. G e n a u genommen w ä r e er allein Eigentümer geworden und müßte erst d u r c h e i n e n

§ 54IV b. Gesellschaft} Gewinn und Verlust

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b e s o n d e r e n R e c h t s a k t (in den Bahnen der §§ 713, 667, 929) das Eigentum an die anderen Gesellschafter übertragen. Ehe das geschehen wäre, könnten seine P r i v a t gläubiger die Vorräte bei ihm pfänden lassen. Um das zu vermeiden, sind z w e i T h e o r i e n aufgstellt worden: a ) Dem D r i t t e n sei es gleichgültig, wer Eigentümer werde; er übertrage deshalb das Eigentum gar nicht an den Geschäftsführer, sondern a n d e n , „ d e n e s a n g e h t " (in incertam personam). Das aber sei nach dem I n n e n Verhältnis zwischen dem Geschäftsführer und den Gesellschaftern die „Gesellschaft", richtiger: die Gesamtheit der Gesellschafter. Deshalb erwerbe der Geschäftsführer, auch ohne den Namen der Gesellschaft zu nennen, f ü r d i e s e. So in gefährlicher Weite RG. Bd. 100 S. 192. I3) Der Geschäftsführer werde zwar zunächst seinerseits Eigentümer, aber durch ein sog. „ a n t i z i p i e r e n d e s K o n s t i t u t " übertrage, er (nach §§ 868, 930) i m g l e i c h e n A u g e n b l i c k und, o h n e daß es eines b e s o n d e r e n Ubertragungsaktes bedürfte, das Eigentum weiter an seine Auftraggeber, d. h. eben die Gesamtheit der Gesellschafter. Diese letztere „Konstruktion" ist vorzuziehen. Eine ihr nahe verwandte Stützungsmöglichkeit bietet auch § 181 dar. Er verbietet zwar grundsätzlich das „ K o n t r a h i e r e n m i t s i c h s e l b s t", macht aber eine Ausnahme, wenn es sich ausschließlich um die „Erfüllung einer Verbindlichkeit" handelt. Gerade das aber könnte hier angenommen werden: Der Geschäftsführer ist verpflichtet („Verbindlichkeit"), das Erworbene an die Gesamtheit der Gesellschafter zu übertragen, und durch stillschweigendes Handeln kommt er dem nach. 4. In einem Punkte ist ausdrücklich die Macht des gesellschaftlichen Geschäftsführers über die Lehre von der Vollmacht und vom Auftrag hinaus gesteigert. Während nämlich dort die erteilte Ermächtigung ohne Zusatz für frei w i d e r r u f l i c h erklärt ist (§ 168, § 671 I), ist hier eine Entziehung grundsätzlich nur bei „wichtigem Grunde" im Gesetz vorgesehen (§712). 5. Sobald die Gesellschaft in einen n i c h t rechtsfähigen V e r e i n übergeht, kommt allerdings eine den Geschäftsführer schwer belastende Sonderregel, nämlich der zweite Satz des § 54 BGB. hinzu. Danach haftet der Geschäftsführer („Vorstand") a u c h p e r s ö n l i c h , d. h. mit seinem ganzen Vermögen, während beim Gesellschaftsrecht, wie gezeigt, die Haftung meist für alle Gesellschafter, also auch für den handelnden Geschäftsführer, beschränkt sein wird. A u c h bei solcher L o c k e r u n g des gesellschaftlichen Prinzips durch Einstellung eines oder mehrerer Geschäftsführer zeigt sich doch i m m e r w i e d e r das A u f t a u c h e n des ursprünglichen Geistes, insbesonder behält jeder Genosse g e g e n ü b e r der Geschäftsführung doch ein w e i t g e h e n d e s I n f o r m a t i o n s r e c h t (§716). b) G e w i n n u n d V e r l u s t . D e r B e t r i e b der Gesellschaft wird häufig auf greifbaren G e w i n n abzielen. Insbesondere ist daran zu erinnern, daß der Gesellschaftstypus des B G B . gleichzeitig ergänz e n d e Unterlage f ü r die Handelsgesellschaften sein soll (oben Ic). Ü b e r die Höhe u n d die A u s z a h l u n g der G e w i n n q u o t e n u n d über die

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§ 55 I. Die Gemeinschaft

Anteilnahme am Verlust enthält das Gesetz ziemlich ausführliche Bestimmungen (§§ 706, 721ff.), die wiederum durch Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrage noch weiter ausgebaut oder aber abgewandelt werden können. c) Die E i n s t e l l u n g d e s B e t r i e b e s wird normalerweise mit der Auflösung der Gesellschaft zusammenfallen. Doch findet auch dann noch ein wohlgeordnetes Auseinandersetzungsverfahren (sog. L i q u i d a t i o n ) statt. Grundgedanken sind dabei die W a h r u n g der G 1 ä u b i g e ri n t e r e s s e n und eine b i l l i g e V e r t e i l u n g d e s R e s t e s . Übrigens bestehen auch für den Fall des Ausscheidens eines einzelnen Genossen gesetzliche Regeln, die wiederum nur dispositiver Natur sind. Vgl. namentlich §§ 738ff.

d) U n m ö g l i c h w e r d e n d e r L e i s t u n g e i n e s e i n z e l n e n G e s e l l s c h a f t e r s hindert an sich die Fortführung der Gesellschaft nicht. Wenn freilich damit zugleich auch der G e s e l l s c h a f t s z w e c k unmöglich wird, muß die Gesellschaft eingestellt werden (§ 726). Im übrigen hängt es von dem Willen der a n d e r e n Gesellschafter ab, ob sie von dem Kündigungsrecht des § 723 (beachte insbesondere Abs. I Halbsatz 2) Gebrauch machen wollen oder nicht. • Auch hier also empfiehlt es sich n i c h t , die Rechtsmittel des gegenseitigen Vertrages, § 323, heranzuziehen (vgl. oben I a 2 über den Rücktritt). Das bedeutet, daß der Gesellschafter, dessen Leistung unmöglich geworden ist, der Gesellschaft nicht nur weiter angehört, sondern unverkürzt sein Recht auf Gewinnbeteiligung behält.

§ 55. Die Gemeinschaft (BGB. §§ 741ff.) I. W e s e n . Bei der Gesellschaft treten die einzelnen Genossen eigens nebeneinander, u m einen über ihr bloßes Nebeneinanderstehen hinausgehenden Zweck zu erreichen. Es muß jedoch auch mit Fällen gerechnet werden, in denen zwei oder mehrere Personen durch die Entwicklung irgendeines Rechtsverhältnisses o h n e i h r e n W i l l e n , also gleichsam n u r durch Zufall zusammengeschlossen werden. Dann können sie begreiflicherweise mit ihrem Nebeneinanderstehen keinen weiteren Zweck verfolgt haben. Doch aber verlangen die so entstandenen Gemeinschaftsverhältnisse nach einer schuldrechtlichen Regelung. So ist der Typus der „ G e m e i n s c h a f t " entstanden, meist als „Gemeinschaft nach Bruchteilen" (communio pro partibus indivisis) bezeichnet. Ein Beispiel hierfür bietet der S c h a t z f u n d (BGB. § 984). Grundstücksbesitzer und Finder sind sich hierbei völlig fremd, doch aber sind sie aufeinander angewiesen, denn irgendwie muß ihre vom Gesetz voll-

§ 55 II. Die Gemeinschaft

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zogene Zusammenschließung zu Ende geführt werden. Dann eben greifen die Regeln von der Gemeinschaft (§§ 741ff. BGB.) in Nachbildung der römischen sog. communio incidens ein. Fälle der Gemeinschaft sind übrigens v e r h ä l t n i s m ä ß i g s e l t e n , zumal manches, was an sich zur Gemeinschaft gehören würde, eine Sonderregelung erfahren hat, wie vor allem das Gemeinschaftsverhältnis der M i t e r b e n (BGB. §§ 2032ff.). Andererseits wird mehrfach bei Gesamthandsverhältnissen für Teilfragen auf die „Gemeinschaft" verwiesen (so in § 731 S. 2, 1477 I, 2038 II).

Die Gemeinschaft verfolgt also keinen Selbstzweck, kein planmäßig gewolltes und verabredetes Ziel. Sie ist gleichsam nur ein notwendiges Übel. Zumeist tritt sie denn auch nur als Begleiterscheinung einer anderen Rechtsfigur, nämlich des M i t e i g e n t u m s (§§ 1008ff.) auf. So ist es z. B. beim Schatzfund, ebenso bei der Vermischung und Vermengung (§ 947). Die sachenrechtliche Seite mag dann im Vordergrund stehen, aber es erwachsen auch schuldrechtliche Beziehungen unter den Teilhabern, die zu regeln die ergänzende Aufgabe der „Gemeinschaft" ist. Über die sachenrechtlichen Erscheinungen alles Näheres bei Hedemann, Lehrbuch Sachenrecht.

II. Die D u r c h f ü h r u n g der Gemeinschaft unterscheidet sich vom Gesellschaftsrecht durch die A b s t o ß u n g d e s P r i n z i p s d e r G e s a m t h a n d . Darum kann eine Gemeinschaft von jedem Teilhaber beliebig auseinander gesprengt werden (§ 749), darum herrscht ohne weiteres das Majoritätsprinzip (§745), darum hat jeder freies Verfügungsrecht über seinen Anteil und kann demgemäß auch einen Fremden in die Gemeinschaft einführen (§ 747), darum haften sich die Gemeinschafter untereinander nicht nach dem milden Maßstab der diligentia quam in suis, sondern nach dem allgemeinen Maßstab des § 276. Alles dies ist durchaus verständlich, da eben die Gemeinschafter im Gegensatz zu den Gesellschaftern nicht durch freien Entschluß zu einander gekommen, sondern vom Zufall miteinander in Verbindung1 gebracht worden sind. Es fehlt aber auch bei der Gemeinschaft nicht an Merkmalen einer z e n t r a l e n T e n d e n z . Alle müssen zu den Kosten und Lasten der Verwaltung mit beitragen. Jeder kann Einführung einer geordneten Verwaltung und Benutzungsweise durchsetzen (§ 745 II), und wenn erst einmal eine solche planmäßige Wirtschaft verabredet worden ist, dann binden diese Verabredungen auch den nachträglich eintretenden Sondernachfolger (§746). Dazu treten diejenigen Lagen, bei denen b e g r i f f l i c h ein Zusammenhalt nötig ist. Gehört z. B. zu einer Gemeinschaft eine ihrem Wesen nach u n t e i l b a r e F o r d e r u n g , so kann auch nicht eine freie Anteilsverfügung des Einzelnen in Frage kommen, vielmehr gilt §432 (dazu oben § 30 II c 2).

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§ 56 I, II. W e s e n und Form der Bürgschaft

6. Kapitel: Hilfsgeschäfte § 56. Die Bürgschaft (BGB. §§ 765ff.) I. W e s e n . Die Bürgschaft ist ein volkstümliches Gebilde. Jedermann weiß, daß sich verbürgen heißt: f ü r einen anderen einstehen. So ist auch die juristische Auffassung. Die Bürgschaft tritt zu einem bereits bestehenden (oder mindestens gleichzeitig geschaffenen) Schuldverhältnis, etwa einem Darlehn, in der Weise hinzu, daß sich der Bürge dem Schuldner an die Seite stellt und dem Gläubiger verspricht, neben dem „Hauptschuldner" auch seinerseits haften zu wollen. Und zwar geschieht das in der Weise, daß e i n z w e i t e s n e u e s S c h u l d v e r h ä l t n i s , zwischen dem Gläubiger und dem Bürgen, begründet wird, nicht etwa in Gestalt einer bloßen „Haftung ohne Schuld". Der w i r t s c h a f t l i c h e Z w e c k der Bürgschaft zielt auf Steigerung des Kredits des Hauptschuldners. Der Hauptschuldner allein ist dem Gläubiger nicht kreditwürdig genug. Der Gläubiger möchte sich einen doppelten Zugriff sichern, oft ist ihm sogar der Bürge die Hauptperson. Diese Erhöhung der Sicherheit teilt die Bürgschaft mit der Verpfändung (unten § 57). Nur ist die Bürgschaft ein Zweig des P e r s o n a l k r e d i t s , während die Verpfändung den Musterfall des R e a l k r e d i t s darstellt (vgl. bereits §39 lila). Die Beliebtheit dieser beiden Kreditarten hat gewechselt. In R o m stand der Personalkredit im Vordergrunde, weshalb gerade die Römer das Bürgschaftsrecht sehr ausgiebig geregelt haben. Bei uns überwiegt dagegen der Realkredit, insbesondere in Gestalt des Hypothekenwesens, bei dem dem Gläubiger ein Grundstück zu Pfände gesetzt wird. Über den Realkredit hat in der Hauptsache das S a c h e n r e c h t zu entscheiden, weil die Ergreifung der Sache den Kern der juristischen Bindung ausmacht. Jedoch findet sich auch bei der Verpfändung ein starker schuldrechtlicher Einschlag (sogleich §57). II. F o r m. Während die Verpfändung einer Sache dem Verpfänder sinnfällig vor Augen führt, was er von sich gibt, entbehrt ein bloßes Bürgschaftsversprechen einer solchen Sinnfälligkeit und würde deshalb als bloße mündliche Zusage zu gefährlich sein. Deshalb hat der Gesetzgeber S c h r i f t f o r m vorgeschrieben (und zwar nur einseitig f ü r die Erklärung des Bürgen, nicht auch f ü r deren Annahme durch den Gläubiger; § 766). Wer also sich bloß mündlich

§ 56 III. Bürgschaft und Schuldübernahme

verbürgt hat, sei es auch unter feierlichster Beteuerung, juristisch h a f t f r e i und ist gegen jede Klage gesichert.

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bleibt

W e n n er jedoch bereits bezahlt hat, k a n n er sich nicht nachträglich noch auf den Mangel der Form berufen; dieser gilt vielmehr mit der Zahlung a l s g e h e i l t („Natürliche Verbindlichkeit", ob. § 6 III b). — N e b e n a b r e d e n w ä r e n an sich auch der Schriftform unterworfen, das R e i c h s g e r i c h t h a t sie jedoch in mündlicher Form für gültig erklärt, soweit sie die Verpflichtung des Bürgen e i n s c h r ä n k e n : Bd. 71, S. 415. Bei K a u f l e u t e n ist kein Grund zu einem b e s o n d e r e n Schutz. Deshalb gilt die Schriftform nicht für das Handelsrecht (HGB. § 350).

III. U n t e r s c h e i d u n g e n . Das persönliche Eintreten f ü r einen anderen kann sich auch in anderer als der Bürgschaftsform vollziehen. a) Durch die gewöhnliche S c h u l d ü b e r n a h m e (oben §29). Hier tritt der „Helfer" nicht neben, sondern an die Stelle des Schuldners: dieser scheidet aus. b) Durch die sog. k u m u l a t i v e S c h u l d ü b e r n a h m e (oben § 291 b 2.) Hier tritt allerdings der Helfer n e b e n den ersten Schuldner, aber nicht als Bürge neben einen „Hauptschuldner", sondern als zweiter wirklicher „Schuldner" neben den ersten „Schuldner": zwei gleichgeordnete Schuldner stehen dem Gläubiger gegenüber. Wichtigster praktischer Unterschied: Der zweite Schuldner hat nicht die für den „Bürgen" sehr v o r t e i l h a f t e E i n r e d e d e r V o r a u s k l a g e (nachfolgend V a). Gerade an diesem Punkte entsteht aber eine Schwierigkeit. Der Bürge k a n n nämlich auf diese Einrede v e r z i c h t e n . Rückt er damit ohne weiteres in den Rang eines zweiten wirklichen „Schuldners" ein, so daß gar nicht mehr eine Bürgschaft, sondern eben eine „kumulative S c h u l d ü b e r n a h m e " vorliegt? Das ist zu verneinen. Vielmehr entsteht dann ein mittleres Gebilde, die sog. s e l b s t s c h u l d n e r i s c h e B ü r g s c h a f t . Darüber noch unten V a 2 .

c) Durch den sog. G a r a n t i e v e r t r a g . Dieses Wort ist freilich sehr unbestimmt, zumal es an einer gesetzlichen Regelung und damit an einer gesetzlichen Begriffsbestimmung fehlt. In einem sehr weiten Sinne umfaßt das Wort z. B. auch die f r ü h e r behandelten Versicherungsverträge (oben § 43). Hier aber ist es in einem viel engeren Sinne zu gebrauchen: Übernahme der Gewähr, daß e i n e Z a h l u n g e i n g e h e n w i r d . Das ist m e h r a l s B ü r g s c h a f t , denn bei dieser wird nur f ü r die Zahlung durch den Hauptschuldner eingestanden: Wenn der Hauptschuldner, wie sich hinterher herausstellt, gar nicht zur Zahlung verpflichtet ist oder sich durch einen Einwand befreien kann, ist auch der Bürge frei. Beim G a r a n t i e v e r t r a g wird dagegen f ü r den o b j e k t i v e n Eingang der Zahlung eingestanden, unabhängig von der Lage irgendeiner anderen Person (Schadensgewähr).

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§ 56 IV a. Maß der Bürgenhaftung Beispiel: Zu einem Kongreß werden viele Teilnehmer erwartet, jeder soll einen Beitrag zahlen, aber es ist unsicher, ob sie wirklich zahlen werden (oder ob eine genügend hohe Zahl kommen wird). Um nun den Kongreß, der Kosten macht, sicherzustellen (zu „finanzieren"), übernimmt die Stadtgemeinde die Garantie für den Hingang von Beiträgen in bestimmter Gesamthöhe. — Wichtigster praktischer Unterschied: das Garantie versprechen ist n i c h t wie das Bürgschaftsversprechen an S c h r i f t f o r m gebunden. Weiter: Der Bürge kann die etwaige kürzere Verjährungsfrist entsprechend der Hauptschuld geltend machen (nach § 768), nicht so der Garant, dessen Verpflichtung der allgemeinen 30jährigen Verjährung (§ 195) unterliegt. — Aus der Rechtsprechung des R e i c h s g e r i c h t s als Beispiel: Bd. 90 S. 415.

IV. M a ß d e r B ü r g e n h a f t u n g . Das Maß der B ü r g e n h a f t u n g richtet sich n a c h d e m j e w e i l i g e n B e s t ä n d e d e r H a u p t s c h u l d (§ 767). a) Man pflegt deshalb die B ü r g s c h a f t als ein „ a k z e s s o r i s c h e s " S c h u i d v e r h ä l t n i s zu bezeichnen. Z u n ä c h s t paßt sie sich der W e r t h ö h e der Hauptschuld an, einschließlich der e t w a i g e n Beitreibungskosten. Weiter paßt sie sich den V e r t e i d i g u n g s m ö g l i c h k e i t e n des Hauptschuldners an: der B ü r g e kann dieselben Einreden w i e der Hauptschuldner g e l t e n d machen, z. B. die Verjährungeinrede, die Einrede des nicht erfüllten Vertrages, ja sogar (dies allerdings n u r in einer mittelbaren Form) den E i n w a n d der A u f r e c h n u n g s m ö g l i c h k e i t u n d der A n f e c h t b a r k e i t (§ 770). 1. Die Anpassung erfolgt an den j e w e i l i g e n Bestand der Hauptschuld. Das bedeutet, daß auch die späteren Ä n d e r u n g e n grundsätzlich den Bürgen genau so treffen wie den Hauptschuldner. Das gilt von der Minderung der Schuld (z. B. durch Abschlagszahlung). Vor allem aber auch, was praktisch kritischer ist, für s p ä t e r e E r h ö h u n g e n d e r S c h u 1 d. Z. B. hat der Bürge gleichmäßig unter den Nachteilen zu leiden, die ein etwaiger V e r z u g des Hauptschuldners hervorruft: wenn beispielsweise die Hauptschuld bisher nicht verzinslich war, aber durch die Säumnis des Schuldners nachträglich verzinslich geworden ist (§ 288 BGB.), so muß der Bürge, auch wenn das für ihn vielleicht eine peinliche Überraschung ist, mit für die Zinsen haften. 2. Diese Bindung des Bürgen an die nachträgliche Änderung gilt jedoch nur dann, wenn es sich um eine gleichsam organische Weiterentwicklung des Schuldverhältnisses handelt. Wenn dagegen die Änderung auf einen nachträglichen W i l l k ü r a k t d e s H a u p t s c h u l d n e r s (er willigt z. B. dem Gläubiger gegenüber in eine Erhöhung des Zinsfußes) zurückzuführen ist, so braucht der Bürge dafür nicht einzutreten (näheres in § 767 I 3, 768 II). 3. Auch die R e c h t s k r a f t eines vom Gläubiger gegen den Hauptschuldner erzielten U r t e i l s wirkt nur gegen letzteren, nicht auch gegen den Bürgen: der Bürge kann daher, selbst wenn im Prozeß gegen den Hauptschuldner der Bestand der eingeklagten Forderung oder der

§ 56 V a. Einrede der Vorausklage

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Nichtbestand einer Einrede festgestellt worden ist, seinerseits von neuem den Nichtbestand der Forderung oder den Bestand der Einrede behaupten; aus der Rechtsprechung des RG.: Bd. 56 S. 111.

b) D u r c h V e r t r a g k a n n d i e A n p a s s u n g der Bürgschaft an das Hauptschuldverhältnis schon im voraus (oder auch hinterher) b e s c h r ä n k t w e r d e n . Der Bürge kann z. B. bei Eingehung der Bürgschaft mit dem Gläubiger vereinbaren, daß er n u r bis zu einem H ö c h s t b e t r a g e oder n u r auf bestimmte Zeit haften wolle (vgl. dazu § 777). c) Schließlich erfährt der akzessorische Charakter noch dadurch eine Abschwächung, daß der Bürge unter Umständen überhaupt seine v o l l e B e f r e i u n g v o n d e r B ü r g s c h a f t v e r l a n g e n k a n n . Wenn nämlich in den Verhältnissen des Hauptschuldners eine wesentliche Verschlechterung eingetreten ist, oder sonst Umstände Platz gegriffen haben, die die Haftung des Bürgen in bedenkliche Nähe rücken, so bekommt der Bürge gegen den Hauptschuldner den B e f r e i u n g s a n s p r u c h d e s § 775 (Näheres im Gesetzestext). Es bleibt das aber eine I n n e n beziehung zwischen ihm und dem Hauptschuldner. Den Gläubiger geht das nichts an. Für ihn wird im Gegenteil gerade jetzt die Haftung des Bürgen besonders bedeutsam. V. D i e B e l a n g u n g d e s B ü r g e n . Die Bürgschaft ist regelmäßig als eine A u s h i l f e i n d e r N o t gedacht. Sie soll den Gläubiger decken, wenn sein Anspruch gegen den Hauptschuldner versagt. a) E i n r e d e d e r V o r a u s k l a g e . Dem entspricht es, daß der Bürge grundsätzlich e r s t a n z w e i t e r S t e l l e („subsidiär") belangt werden soll. Schon die Römer gaben dem dadurch Ausdruck, daß der Bürge ein sog. beneficium excussionis erhielt. Danach durfte er den Gläubiger, der auf ihn greifen wollte, zunächst an den Hauptschuldner v e r w e i s e n . So auch das BGB., das dem Bürgen die sog. „Einrede der Vorausklage" gewährt (§ 771). 1. Die Geltendmachung dieses Einwandes darf indessen n i c h t z u e i n e r A u s f l u c h t d e s B ü r g e n werden. Ist z. B. der Hauptschuldner ausgewandert und verschollen, so wäre es Schikane, den Gläubiger an den Hauptschuldner zu verweisen. Andererseits darf es nicht genügen, daß der Gläubiger nur der persönlichen Meinung ist, beim Hauptschuldner würde nichts zu erlangen sein; vielmehr muß er einen ernstlichen Versuch, regelmäßig in den Bahnen der Zwangsvollstreckung, gemacht haben, um sich beim Schuldner Befriedigung zu holen. Der Gesetzgeber hat zur Regelung dessen genauere Bestimmungen in den §§ 771—773 gegeben. 2. Dabei ist die wichtigste Bestimmung die, daß die Einrede der Vorausklage ausgeschlossen sein soll, „wenn der Bürge a u f d i e E i n r e d e v e r z i c h t e t , insbesondere, wenn er sich als Selbstschuldner

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§ 56 V b. Rückgriff des Bürgen

verbürgt h a t " (§ 773 Ziff. 1). Letzteres ist außerordentlich häufig. Die G l ä u b i g e r s c h a f t wird immer wieder darauf dringen, sich den Bürgen so stramm wie m ö g l i c h zu verbinden. So hat sich die s c h ä r f e r e Haftung des Bürgen geradezu zu e i n e m selbständigen Unterfall der Bürgschaft, der „selbstschuldnerischen B ü r g s c h a f t", e n t w i c k e l t . Dabei haftet dann der Bürge grundsätzlich, als w ä r e er selbst Schuldner. Trotzdem ist, wie schon erwähnt (oben III b), diese s e l b s t s c h u l d n e r i s c h e Bürgschaft von der „kumulativen S c h u l d ü b e r n a h m e " zu trennen. P r a k t i s c h e F o l g e : sie bleibt, weil sie e b e n „Bürgschaft" ist, an die S c h r i f t f o r m ' gebunden, w ä h r e n d die S c h u l d ü b e r n a h m e formlos vollzogen werden kann; ferner: die §§ 767, 768, 770 sind anzuwenden, w ä h r e n d sie auf die kumulative S c h u l d ü b e r n a h m e nicht oder nur b e s c h r ä n k t passen. 3. Die Stellung des Gläubigers dem Bürgen g e g e n ü b e r wird ferner besonders deutlich an Hand des § 776 ( P r e i s g a b e v o n a n d e r e n Sicherheiten). W e n n der G l ä u b i g e r andere S i c h e r h e i t e n fahren läßt, so gefährdet das den Bürgen. Darum wird, kraft gesetzlicher Anordnung, der B ü r g e o h n e w e i t e r e s „frei". Das deckt auf, daß der Gläubiger auf den B ü r g e n Rücksicht n e h m e n muß. Kann man darüber hinaus den G l ä u b i g e r mit einer a l l g e m e i n e n D i l i g e n z p f l i c h t belasten, ist also der Bürcje z. B. auch dann für frei zu erklären, w e n n der Gläubiger nur „zusieht', w i e der Hauptschuldner oder die S i c h e r h e i t e n immer unsicherer w e r d e n ? Das ginge zu weit. Die Bürgschaft soll gerade dem G l ä u b i g e r eine g e w i s s e S o r g l o s i g k e i t gewährleisten. W o l l t e man ihn, e t w a nach „Treu und G l a u b e n " , zugunsten des Bürgen in eine Sorgfaltspflicht hineindrängen, so würde er ein L e i s t u n g s Pflichtiger werden: das aber widerspricht seiner Stellung als Gläubiger und dem W e s e n der Bürgschaft. Vgl. RG. Bd. 65 S. 397 und als A u s n a h m e von dem hier a u s g e s p r o c h e n e n Grundsatz RG. Bd. 87 S. 328.

b) R ü c k g r i f f d e s B ü r g e n a u f d e n H a u p t s c h u l d n e r . Wenn der Bürge vom Gläubiger belangt worden ist, sei es, daß er von vornherein auf die Einrede der Vorausklage verzichtet oder daß er diese Einrede nicht hatte geltend machen wollen, oder daß der Gläubiger den vorherigen Versuch beim Hauptschuldner ordnungsgemäß unternommen hatte, so ist mit der Bezahlung durch den Bürgen grundsätzlich noch nicht alles zu Ende. Der Gläubiger scheidet allerdings aus. Aber es kommt jetzt zu einem N a c h s p i e l z w i s c h e n d e m B ü r g e n u n d d e m H a u p t s c h u l d n e r . Die Lasten seiner Mitwirkung dürfen nicht auf dem Bürgen hängen bleiben. Vielmehr darf er nunmehr an den Schuldner, den er ausgelöst hat, mit einem E r s t a t t u n g s a n s p r u c h (,,Regreß") herantreten. 1. Dieser Anspruch ist in die G e s t a l t eines S c h u l d ü b e r g a n g e s gekleidet. Im r ö m i s c h e n R e c h t w a r sogar die Einkleidung noch gekünstelter. Dort nämlich hatte der B ü r g e zunächst ü b e r h a u p t k e i n e n unmittelbaren A n s p r u c h gegen den Hauptschuldner. V i e l m e h r konnte er nur vom G l ä u b i g e r verlangen, daß dieser ihm seine A n s p r ü c h e gegen den Hauptschuldner a b t r e t e (beneficium cedendarum actionum). Diesen Umweg hat das BGB. vermieden. Es w ä h l t eine sog. c e s s i o ipsa l e g e , immerhin bleibt es bei der Figur eines S c h u l d ü b e r g a n g e s : „So-

§ 5 6 VI. Der Kreditauftrag

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weit der Bürge den Gläubiger befriedigt, geht die Forderung des Gläubigers gegen den Hauptschuldner auf ihn über, usw." (§ 774). — Allgemeines über die cessio ipsa lege oben § 28 III. 2. A u s § 412 und 401 ergibt sich, daß mit der Forderung selbst a u c h e t w a i g e zu i h r e r S i c h e r u n g b e s t e l l t e Pfandrechte a u f d e n B ü r g e n ü b e r g e h e n . Das stößt auf keine Schwierigkeiten, w e n n das Pfandrecht vom Hauptschuldner selbst bestellt war; dann kann sich eben der Bürge bei seinem Rückgriff an das Pfand halten. Zweifel ergeben sich aber, wenn ein a n d e r e r zugunsten des Hauptschuldners einen Gegenstand zu Pfände gesetzt hat. B e i s p i e l : Gläubiger B h a t t e vor Eingehung des Schuldverhältnisses vom Schuldner A „Sicherheiten" verlangt. Mit der von A zunächst beigebrachten Bürgschaft des C w a r er noch nicht zufrieden. A h a t deshalb einen a n d e r e n Geschäftsfreund D bewogen, dem B seinen K r a f t w a g e n für A's Schuld zu verpfänden. Jetzt hat B den Bürgen C belangt. Dieser hat gezahlt. Die Forderung geht auf ihn über: mit der Forderung das Pfandrecht! Also könnte Bürge C — jetzt zum „Gläubiger" g e w o r d e n — sich an den K r a f t w a g e n des D als Pfandgegenstand halten. Das w ä r e gleichbedeutend damit, daß letzten Endes der Bürge C die Zahlungspflicht von sich auf den V e r p f ä n d e r D a b w ä l z e n dürfte. W e n n m a n nun aber nicht von dem Bürgen C, sondern v o n dem V e r p f ä n d e r D den Ausgang nimmt, stößt man auf eine verblüffende Parallele: D h a t (um seinen K r a f t w a g e n nicht preiszugeben) den Gläubiger B bezahlt (das darf er nach § 1223 II, 1249). Dann geht, wie bei der Bürgschaft, durch cessio ipsa lege die Forderung auf ihn über (§ 1225), und zwar w i e d e r u m nicht nur die Forderung selbst, sondern gemäß §§ 412 und 401 auch „die Rechte aus einer für sie bestellten B ü r g s c h a f t". Danach k ö n n t e jetzt also genau umgekehrt D sich bei dem Bürgen C schadlos halten. Es leuchtet ein, daß es nicht auf den Zufall a n k o m m e n kann, ob der Gläubiger sich zuerst an den Bürgen C oder zuerst an den V e r p f ä n d e r D gehalten hat, so daß die Zahlungspflicht auf dem „letzten", bald D, bald C, sitzen bliebe. Z w e i A u s w e g e sind vorgeschlagen worden: a ) Der B ü r g e soll bei solcher Kollision den V o r z u g haben. Das wird aus einigen Gesetzesbestimmungen abgeleitet, die angeblich eine Neigung des Gesetzgebers zur Bessers f ellung des Bürgen (im Vergleich zum Verpfänder) e r k e n n e n lassen. Aber diese Meinung ist gekünstelt. ß) J e d e r v o n b e i d e n t r ä g t d i e H ä l f t e . W e n n also der Gläubiger den C belangt hat, k a n n dieser zur Hälfte von D Ersatz verlangen; und umgekehrt. Dieser A u s w e g bleibt allein übrig und entspricht der Billigkeit. 3. M i t b ü r g e n sind untereinander ebenfalls zum Ausgleich verpflichtet. Hier liegt eine k l a r e Gesetzesregel vor (§ 774 Abs. 2). 4. Alle v o r g e n a n n t e n Regelungen unterliegen jedoch der V e r t r a g s f r e i h e i t , d. h. die Haftungsverhältnisse unter den m e h r e r e n Beteiligten können auch anders vereinbart w e r d e n .

VI. D e r K r e d i t a u f t r a g (§ 77 8). Der Kreditauftrag streift an die „Anweisung" (oben § 41), von der er sich dadurch unterscheidet, daß bei ihr dem Beauftragten nicht angesonnen wird, auf eigene Rechnung und im eigenen Namen dem Dritten Kredit zu geben, sondern auf den Namen und die Rechnung des Auftragerteilers

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§ 57 I. Der Pfandvertrag

das Kreditgeschäft mit dem Dritten einzugehen (vgl. § 41 IIc). Die Anweisung geht also von der Formel aus: „Zahle auf m e i n e Rechnung an den X ...", während der Kreditauftrag sich in die Gedankenformel kleidet: „Zahle auf d e i n e Rechnung an den X . . . " . In solchem Falle soll der Beauftragte den Auftraggeber wie einen Bürgen neben dem Dritten, dem er den Kredit eingeräumt hat, belangen dürfen (§ 778). § 57. Der Pfandvertrag (BGB. §§ 1215ff.) I. W e s e n . Der Pfandvertrag setzt, wie die Bürgschaft, bereits das D a s e i n e i n e s a n d e r e n S c h u l d v e r h ä l t n i s s e s , z.B. eines Darlehns, voraus und dient dazu, dem Gläubiger dieses ersten Schuldverhältnisses eine weitere Sicherheit zu beschaffen. Während bei der Bürgschaft die weitere Sicherung darin besteht, daß dem Gläubiger noch ein zweiter Schuldner (wenn auch n u r subsidiär) verbunden wird, besteht hier die weitere Sicherheit darin, daß ein bestimmtes Objekt dem Gläubiger zur vorzugsweisen Befriedigung zur Verfügung gestellt wird. Die vorzugsweise Befriedigung tritt im Verhältnis zu den etwaigen anderen Gläubigern in Erscheinung, indem beim Zugriff auf die Vermögenswerte der bevorzugte Gläubiger an erster Stelle kommt. Das läßt sich nur erreichen unter Zuhilfenahme des S a c h e n r e c h t s . Die entsprechenden juristischen Figuren sind denn auch im dritten Buch des BGB. untergebracht, insbesondere das sog. „ P f a n d r e c h t", wenn es sich u m die Verpfändung beweglicher Sachen (z. B. eines Schmuckstückes, eines Wertpapieres, einer Briefmarkensammlung) handelt, und die sog. „ H y p o t h e k " , wenn es sich um die Verpfändung eines Grundstücks handelt. N e b e n h e r g e h e n j e d o c h s c h u l d r e c h t l i c h e B e z i e h u n g e n , die n u r um des Zusammenhanges willen mit im dritten Buch untergebracht sind. Sie erinnern stark an die schuld rechtlichen Beziehungen des Bürgen zum Gläubiger. Jedoch besteht in der großen Mehrzahl der Fälle ein wesentlicher Unterschied darin, daß der V e r p f ä n d e r g l e i c h z e i t i g a u c h d e r S c h u l d n e r ist, so daß es hier nicht einen „Hauptschuldner" und eine zweite dem Gläubiger dienstbare Person gibt. Doch kann das auch anders sein, und dabei zeigt es sich dann, daß die Rolle des „Schuldners" und die Rolle des „Verpfänders" praktisch auseinander fallen können; begrifflich aber müssen sie i m m e r auseinander gehalten werden.

§ 57 II. Pfandvertrag, Inhalt

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Wenn z. B. ein junger Mann Kredit sucht und allein nicht genug kreditwürdig ist, so kann er seinen Onkel bitten, für ihn einzuspringen. Das ist dann entweder so möglich, daß sich der Onkel als Bürge dem in Aussicht genommenen Gläubiger seines Neffen zur Verfügung stellt (Personalkredit), oder daß der Onkel dem Gläubiger nicht sich selbst, wohl aber einen seiner Wertgegenstände, z. B. Wertpapiere, zur Sicherung anbietet, das heißt eben verpfändet. Dann sind die beiden Rollen in verschiedenen Händen, und es kann zu ganz ähnlichen Lagen kommen, wie bei der Bürgschaft. So wie z. B. im Bürgschaftsrecht bestimmt ist: „Der Bürge verliert eine Einrede nicht dadurch, daß der Hauptschuldner auf sie verzichtet" (§ 768 II), so heißt es ganz entsprechend im Pfandrecht: „Ist der Verpfänder (Onkel) nicht der persönliche Schuldner (Neffe), so verliert er eine Einrede nicht dadurch, daß dieser auf sie verzichtet" (§ 1211 II). — Die Römer hatten übrigens, um diese schuldrechtlichen Beziehungen eines Pfandverhältnisses zu erfassen, einen selbständigen obligatorischen Typus in ihrem contractus pignoraticius, während das BGB. vom Ausbau eines solchen selbständigen Schuldverhältnisses „Pfandvertrag" abgesehen hat.

II. D e r I n h a l t d e s P f a n d v e r t r a g e s ist verschieden, je nachdem es sich um M o b i l i a r v e r p f ä n d u n g („Pfandrecht" i. e. S.) oder um I m m o b i l i a r v e r p f ä n d u n g (Hypothek oder dgl.) handelt. Die Pfandverhältnisse bei der Verpfändung von beweglichen Sachen sind dabei eindrucksvoller und werden daher im folgenden zugrunde gelegt. Das Kennzeichen ist bei der Mobiliarverpfändung, daß die P f a n d s a c h e d e m G l ä u b i g e r ü b e r g e b e n w i r d . Dadurch tritt er zu der Pfandsache in ein ähnliches Verhältnis, wie etwa ein Mieter oder Entleiher. Manche Gesetzesbestimmungen erinnern denn auch deutlich an das Miets- und Leihrecht (vgl. § 1223 mit §§ 556 und 604). Doch besteht eine grundlegende Abweichung darin, daß das Pfandverhältnis sich nicht in der Innehabung der Sache erschöpft, daß vielmehr das Pfandverhältnis mit einer V e r k a u f s b e r e c h t i g u n g d e s G l ä u b i g e r s schließen kann, wenn der Schuldner seiner Verpflichtung nicht pünktlich nachkommt (vgl. § 1228). Dergleichen fehlt bei der Miete. Andererseits sind die Machtgrenzen des Pfandgläubigers e n g e r als die des Mieters. Denn bei der Miete ist der Hauptzweck der Überlassung der Mietssache, daß diese vom Mieter benutzt wird, also unmittelbar zu seinem Gebrauch zur Verfügung steht. Dagegen ist dem Pfandgläubiger grundsätzlich k e i n G e b r a u c h s r e c h t eingeräumt. Er darf z. B. mit dem ihm verpfändeten Kraftwagen nicht spazieren fahren, darf das ihm anvertraute Schmuckstück nicht anlegen, darf die verpfändeten Wertpapiere nicht seinerseits weiter verpfänden usw. Allerdings kennt das Gesetz, in Anlehnung an ein altgeschichtliches Beispiel ( A n t i c h r e s i s ) eine besondere Unterart des Pfandvertrages, 21 H e d e m a n n , Schuldrecht, 3. .Aull.

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§ 57 III. Pfandvertrag! Pflichten beider Teile das » N u t z p f a n d", wobei der Pfandgläubiger ausdrücklich berechtigt ist, auch „die Nutzungen des Pfandes zu ziehen". Meist geht damit ein Verzicht auf Zinsen Hand in Hand, so daß die Nutzungen gleichsam die Zinsen vertreten, oder es findet sonst irgendwie eine Anrechnung der gezogenen Nutzungen statt (näheres § 1213f.).

III. E i n z e l h e i t e n . a) Der Pfandvertrag begründet ähnlich wie die Miete ein T r e u v e r h ä l t n i s . Einzelne Anwendungen: Gemeinsame Mitwirkung zur Erreichung des Zweckes (vgl. z. B. § 1285 I: Es ist eine Forderung verpfändet, sie soll eingezogen werden; beide, Verpfänder und Pfandgläubiger, haben dabei einander Hilfe zu leisten); Anzeigepflicht bei Gefährdung, z. B. bei drohendem Verderb des Pfandgegenstandes (§121811; deutliche Parallele zum §545 des Mietsreohts). b) P f l i c h t e n d e s P f a n d g l ä u b i g e r s : Ordnungsgemäße V e r w a h r u n g . Die Sachen dürfen nicht Wind und Wetter ausgesetzt oder dem Diebstahl preisgegeben werden. Auch ungebührlicher Eigengebrauch gehört hierher. — R ü c k g a b e p f l i c h t nach beendetem Pfandverhältnis (wenn es nicht zum Verkauf kommt). — R ü c k s i c h t n a h m e auf die Interessen des Verpfänders b e i m V e r k a u f , Androhung des Verkaufes (§ 1234), Benachrichtigung vom Ergebnis (§ 1241), nicht mehr Stücke verkaufen als nötig (§ 1230,2). — S c h u t z m i t t e l d e s V e r p f ä n d e r s : in erster Linie Schadensersatzanspruch, z. B. wegen Fäulnis verpfändeter Feldfrüchte, wegen Diebstahls nicht genügend verwahrter Wertpapiere. Jedoch ist Verschulden Voraussetzung, der Haftungsmaßstab ist der allgemeine (§ 276). — Neben dem Schadensersatzanspruch ein eigentümlicher Anspruch auf Hinterlegung oder Verwahrung bei einem Treuhänder (§ 1217). Dagegen hat der Verpfänder grundsätzlich k e i n K ü n d i g u n g s r e c h t gegenüber unordentlicher Verwahrung seitens des Pfandgläubigers. Denn Kündigung würde Rückgabe der Pfandsache an ihn selbst und damit Ausschaltung des Sicherungselementes bedeuten. Wenn dagegen die gefährdete Sache einem Dritten als Treuhänder anvertraut wird, bleibt die Sicherung erhalten (Parallele zu anderen dinglichen Rechten, insbesondere zum Nießbrauch, §§ 1052.1054). c) S t e l l u n g . d e s V e r p f ä n d e r s . Auch er wird mit der allgemeinen S o r g f a l t s p f l i c h t zu belasten sein, die durch S c h a d e n s e r s a t z a n s p r ü c h e des anderen Teils gesichert wird, z.B. wenn der Verpfänder ein ansteckend krankes Tier oder eine veruntreute Sache als Pfandsache benutzt und dadurch dem Pfand-

§ 58 I. Der Vergleich

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gläubiger Schaden zugefügt wird. — F e r n e r ist er zum E r s a t z d e r V e r w e n d u n g e n verpflichtet; dieser Anspruch, ist e t w a s anders geregelt als bei der Miete, weil eben beim P f a n d v e r h ä l t n i s die Gebrauchsbefugnis fehlt (§ 1216 S. 1). Begleitet wird das Ersatzrecht von dem üblichen W e g n a h m e r e c h t ; h a t z. B. der P f a n d gläubiger an dem verpfändeten K r a f t w a g e n inzwischen ihm gehörige Laternen angesetzt, so darf er diese vor Rückgabe entfernen (§ 1216 S. 2). § 58. Der Vergleich (BGB. § 779) I. Wesen. Der Vergleich setzt, mindestens in der Vorstellung der Beteiligten, e i n a n d e r e s R e c h t s v e r h ä l t n i s voraus. Aber es herrscht Streit oder Ungewißheit ü b e r dieses Rechtsverhältnis, und hier greift n u n als ein zweites, gleichsam darauf gepflanztes Schuldverhältnis der Vergleich ein: J e d e r von beiden Teilen läßt etwas nach von seinen E r w a r t u n g e n und Ansprüchen, und im Wege solchen g e g e n s e i t i g e n N a c h g e b e n s k o m m t der Vergleich als ein s c h u l d r e c h t l i c h e r V e r t r a g zustande. Z. B. streiten Miterben über die Auslegung eines Testaments oder der Erbe mit dem Vermächtnisnehmer über die Gültigkeit des Vermächtnisses. Auch bloße U n g e w i ß h e i t genügt, z. B. darüber, ob eine Schuld schon zurückgezahlt ist oder nicht. Auch bloße U n s i c h e r h e i t d e r V e r w i r k l i c h u n g eines im übrigen durchaus unbestrittenen Anspruchs (wird bei dem Schuldner etwas zu haben sein, wenn man statt gütlicher Einigung es zur Zwangsvollstreckung kommen läßt?) kann die Basis für einen Vergleich bilden, und bei den Prozeß- und Konkursvergleichen (Ziff. [[[) spielt das sogar eine sehr große Rolle.

II. Das G e s e t z hat dem Vergleich n u r einen einzigen P a r a graphen gewidmet. Es schneidet darin die I r r t u m s f r a g e an. Aber nicht einmal diese regelt es erschöpfend. Den wichtigsten P u n k t (unten 1) läßt es u n e r w ä h n t . An sich w ä r e der Vergleich als Vertrag u n d Rechtsgeschäft der allgemeinen I r r t u m s a n f e c h t u n g aus § 119 BGB. unterworfen. (Näheres Lehmann, Allgemeiner Teil § 34 III). Schrankenlose Zulassung solcher Anfechtung w ü r d e aber dem Wesen des Vergleichs hohnsprechen. Er soll ja gerade Streit u n d Unsicherheit aus der Welt schaffen, m a n will durch ihn auf den entbehrten festen Boden gelangen. Könnte jeder von beiden Teilen h i n t e r h e r i m m e r wieder auf I r r t ü m e r zurückgreifen, die ihm beim Abschluß des Vergleichs untergelaufen sind, so w ü r d e den Vergleichen, die der Volksmund seit altersher im Sprichwort als segensreich preist („Besser ein mage21*

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§ 58 II. Irrtum beim Vergleich

rer Vergleich denn ein fettes Urteil"), das beste von ihrem Wesen genommen werden. Deshalb ist es zu einer S o n d e r r e g e l u n g gekommen. Aber die Frage läßt sich doch nicht mit einem Worte lösen, es läßt sich nicht schlechthin jede Geltendmachung von Irrtümern unterbinden. Vielmehr sind drei Lagen zu unterscheiden. 1. D e r I r r t u m ü b e r d i e s t r e i t i g e n P u n k t e . Er ist unerheblich. Dies die Folgerung aus dem Vorangegangenen. Briefe w e r d e n gefunden, jetzt ist ganz klar, w a s der Erblasser mit den undeutlichen W o r t e n seines Testaments gemeint hat. Er h a t t e etwa von seiner „Schatulle" gesprochen, die der Miterbe A als besondere Erinnerung im v o r a u s erhalten solle. Zwei Behälter w e r d e n gefunden, ein seltsam geformter, im übrigen aber geringwertiger und ein recht wertvoller. Beide könnten als „Schatulle" gelten. Man hat sich verglichen. A hat die wertvolle Büchse erhalten, dafür aber den anderen Erben 500 Mk. herausgezahlt. N u n auf einmal weiß man aus den g e f u n d e n e n Briefen: es war wirklich d i e s e Büchse gemeint. Kann er die 500 Mk. zurückverlangen, gestützt auf eine Anfechtung w e g e n Irrtums? Nein. Nicht anders im u m g e k e h r t e n Falle: A hat den geringwertigen Behälter gewählt, hat sich aber dafür v o n den Miterben ein schönes Tischchen außerhalb der Erbteilung versprechen lassen; jetzt ersieht man aus den Briefen, daß eine solche Zugabe „gar nicht nötig g e w e s e n " wäre, weil der Erblasser in der Tat die geringwertige Schatulle gemeint hat. Können die Miterben W i e d e r e i n b r i n g u n g des Tischchens in die Erbmasse verlangen? Nein. Das Gesetz schweigt zwar, abr die Praxis ist sich einig in diesem Ergebnis. — Über b e t r ü g e r i s c h h e r b e i g e f ü h r t e n Irrtum Ziff. 4.

2. I r r t u m ü b e r d i e „ f e s t e G r u n d l a g e " . E r m a c h t d e n V e r g l e i c h u n w i r k s a m . Also ein klarer Gegensatz zu 1, wiederum in der Natur des Vergleichs begründet. Denn wenn auch die spätere Aufklärung über das, was u m s t r i t t e n war, wirkungslos bleibt, — das, was man als sicher und unbestritten annahm, ist darum um so wesentlicher für den Bestand des Vergleichs, und ein Irrtum in d i e s e n Punkten kann nicht unbeachtet bleiben. Bei j e d e m Vergleich wird ein Minimum v o n T a t s a c h e n von den Parteien (objektive Auslegung, Gesetzestext: „nach dem Inhalt des Vertrages") als f e s t s t e h e n d zugrundegelegt, meist unbewußt, sie haben diese Punkte gar nicht besprochen, h a b e n an die Möglichkeit eines Irrtums h i e r ü b e r gar nicht gedacht. Hinterher schlägt gerade an solcher Stelle ein Irrtum ein. Z. B. das Testament, über dessen bloße A u s l e g u n g m a n stritt, w a r gar nicht echt oder v o n einem a n d e r e n Testament überholt. Dann greift gesetzliche „ U n w i r k s a m k e i t " ein. Das ist mehr als nach § 119: besondere Anfechtung nicht nötig, beiderseitige Rückgabepflicht ohne weiteres gegeben. Das aus dem (schuldrechtlichen) Vergleich h e r v o r g e g a n g e n e d i n g l i c h e Erfüllungsgeschäft, z. B. die Eigentumsübertragung, wird auch hier —• dank seiner abstrakten N a t u r — von der Unwirksamkeit zunächst nicht ergriffen. G e r a d e darum eben setzt die oben erwähnte R ü c k g a b e p f l i c h t (statt eines von selbst eintretenden Rückfalls) ein.

§ 58 III. Prozeßvergleich, Zwangsvergleich

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3. Der Irrtum in dem dann noch verbleibenden R e s t g e b i e t . Er unterliegt der g e w ö h n l i c h e n Irrtumsanfechtung aus § 119. Dies eine wenig glückliche Erscheinung, wohl daraus zu erklären, daß man bei der Abfassung des § 779 die Rechtslage nicht i estlos durchdacht hat. Einsatzpunkt die Worte: „und der Streit oder die Ungewißheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde". Also eine Abzweigung von Ziff. 2, von der „festen Grundlage": innerhalb dieser festen Grundlage gibt es wieder solche Punkte, bei deren Aufklärung es überhaupt nicht zum Streit gekommen wäre ( s t r e i t a u s s c h l i e ß e n d e P u n k t e i vgl. das Beispiel unter 2), und solche, bei deren Aufklärung zwar in etwas das Bild sich verschoben hätte, im übrigen aber der Streit weitergelaufen wäre. Beispiel: Die Schatulle ist nicht ganz so wertvoll, als man (beiderseits) annahm, weil einige Beschläge nicht echtes Gold sind. Dann kann die Unwirksamkeit des § 779 nicht angewandt werden, wohl aber rückt nun die allgemeine Irrtumslehre ein, und an der Hand des § 119 wäre zu prüfen, ob die Voraussetzungen einer A n f e c h t u n g gegeben sind.

4. Etwaiger B e t r u g ist nach den a l l g e m e i n e n R e g e l n zu behandeln; d. h., wenn der Fall 2 vorliegt, so ist Rückgriff auf den Betrug nicht nötig, da die Unwirksamkeit schon Abhilfe schafft, wenn aber Fall 1 vorliegt, so ist die A n f e c h t u n g w e g e n a r g l i s t i g e r T ä u s c h u n g (§123) keineswegs ausgeschaltet, im Gegensatz zu der bloßen Irrtumsanfechtung (§ 119). Auch dies eine im Gesetz nicht besonders zum Ausdruck gekommene Regelung. III. Der Vergleich spielt auch außerhalb des Privatrechts eine wichtige Rolle. Er wächst in das P r o z e ß r e c h t hinüber und kommt damit unter die Pflege des Richters ( G ü t e v e r f a h r e n ) . Im K o n k u r s ist der sog. Z w a n g s v e r g l e i c h eingebürgert, den eine Majorität von Gläubigern gegenüber der Minorität durchsetzen kann. Bei allen diesen Lagen gilt nicht das reine Privatrecht, die Mitwirkung öffentlicher Instanzen macht eine besondere Behandlung nötig. Die in solcher Bahn zustandegekommenen Vergleiche können namentlich nicht in derselben einfachen Weise, z. B. durch gewöhnliche mündliche Erklärung, wegen Irrtums angegriffen werden. Vielmehr muß bei ihnen der m a t e r i e l l e G e h a l t und die äußere, unter staatlicher Mitwirkung zustandegekommene Form unterschieden werden. Der materielle Gehalt unterliegt der Verfügung der Parteien. Wenn daher ein I r r t u m über die feste Grundlage (oben Ziff. 2) vorliegt, so kann sich jeder der beiden Teile ohne weiteres auf die „Unwirksamkeit" des § 779 berufen. Aber die einmal geschaffene Form (Beurkundung vor Gericht) besteht zunächst mit der aus i h r entspringenden Wirksamkeit weiter, fällt also nicht

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§ 59 I. Schuldanerkenntnis und Schuldversprechen

schon auf Grund des § 779 in sich zusammen. Dazu zwingt die nahe Verwandtschaft des Prozeßvergleichs mit dem U r t e i l . Wie dieses bildet der Prozeßvergleich einen v o l l s t r e c k b a r e n T i t e l (§ 794 Z. 1 ZPO.). Um i h n zu entkräften, bedarf es eines b e s o n d e r e n Verfahrens. Für den K o n k u r s - Zwangsvergleich §§ 195 bis 197).

gilt Besonderes

(vgl.

KO.

§ 59. Schuldanerkenntnis und Schuldversprechen (BGB. §§ 780 bis 782) I. A l l g e m e i n e s W e s e n . Wenn A von B ein Pferd um 1000 Mark gekauft hat, so schuldet er ihm die 1000 Mk. zunächst als K a u f geld. Er kann nun aber dein B auch einen Schein ausstellen, in dem diese Schuld ohne Bezugnahme auf das Kaufgeld niedergelegt ist, und weiter kann die Parteiabsicht dahingehen, daß das ganze Kaufverhältns zurücktreten und das Schuldverhältnis (soweit es sich um die Geldzahlung handelt) fortan a u f d e n b l o ß e n S c h e i n aufgebaut sein soll. Dabei kann entweder die Form eines Anerkenntnisses gewählt werden („hierdurch bekenne ich, Herrn B 1000 Mk., zahlbar am 1. April 1950 schuldig zu sein"), oder die Form eines gleichsam neuen Versprechens („hierdurch verpflichte ich mich, Herrn B am 1. April 1950 1000 Mk. zu zahlen'"). J e nachdem entsteht der Typus eines „Schuldanerkenntnisses" oder eines „Schuldversprechens". Praktisch besteht jedoch zwischen den beiden Formen kaum ein Unterschied. Das Wesen des Schuldanerkenntnisses (und des Schuldversprechens) beruht also in einer L ö s u n g . Man pflegt sie deshalb als Musterbeispiel sog. a b s t r a k t e r Verpflichtungen zu bezeichnen. Das, wovon losgelöst wird, ist das ursprüngliche, das „Grundverhältnis", das „K a u s a 1 v e r h ä 11 n i s", die „causa". Keineswegs braucht die causa immer, wie im vorstehenden Beispiel, ein Kaufvertrag zu sein, sondern auch auf alle anderen schuldrechtlichen Beziehungen, z. B. ein Darlehn, ja selbst auf erbrechtliche oder familienrechtliche Schuldverhältnisse kann ein abstraktes Schuldversprechen aufgepflanzt werden. 1. Über den allgemeinen Wert der Abstraktion und die Bedürfnisse, die-zu ihrer Aufnahme in das Rechtssystem geführt haben, schon ob. § 4 V. Die V o r t e i l e l i e g e n a u f S e i t e n d e s G l ä u b i g e r s , nämlich: a ) B e w e i s e r l e i c h t e r u n g , insofern er zur Begründung seiner Klage eben nur die Abgabe des abstrakten Versprechens zu beweisen hat.

§ 59 II Schuldanerkenntnis und Schuldversprechen

327

ß) A b s c h n e i d u n g d e r E i n r e d e n aus dem Grundverhältnis. Doch muß gleich hier betont werden, daß die Verkürzung des Beklagten mit seinen Einreden immer nur begrenzt ist. 2. Was w i r d a u s d e m K a u s a l v e r h ä l t n i s ? Z w e i M ö g l i c h k e i t e n sind gegeben. Entweder e r l i s c h t es, dann ist nur noch das abstrakte Versprechen da (sog. N o v a t i o n ; vgl. oben § 27 II). Oder es besteht n e b e n dem abstrakten Versprechen weiter; dann hat der Gläubiger die Wahl, ob er aus dem Kausalverhältnis oder aus dem abstrakten Versprechen oder (sicherheitshalber) aus beiden klagen will. W e l c h e der beiden Möglichkeiten von den Parteien beabsichtigt war, ist A u s l e g u n g s f r a g e . II. R e c h t d e s B G B . D a s B G B . hat d e n abstrakten Versprechung e n einen eigenen Titel (§§ 780ff.) g e w i d m e t , der allerdings sehr dürftig ist. Es geht aus i h m nur s o viel hervor, daß eben e i n e losgelöste „ s e l b s t ä n d i g e " Verbindlichkeit geschaffen, u n d daß N i e derlegung in e i n e m Schein (praktisch w i c h t i g e A u s n a h m e bei A b rechnung u n d Vergleich, § 7 8 2 ; nach §356 HBG. auch f ü r V o l l k a u f leute) erfordert wird. Ob d i e Parteien w i r k l i c h e i n e solche „Selbständigkeit" erstrebten, m u ß notfalls durch A u s l e g u n g ermittelt werden. Ü b e r das Wichtigste, n ä m l i c h die Frage: w i e k a n n d e r B e klagte den gegen ihn geltend g e m a c h t e n Schein ( d i e U r k u n d e ) e n t k r ä f t e n ? , s c h w e i g t das Gesetz. Es herrscht infolgedessen auch h e u t e n o c h v i e l Streit zu diesem Punkte. I m großen u n d ganzen ist die h e u t i g e Rechtslage d e m B e k l a g t e n nicht allzu ungünstig. Man wird zu unterscheiden haben zwischen Einreden aus dem I n h a l t des Kausalverhältnisses und Einreden, die überhaupt das (gültige) D a s e i n des Kausalverhältnisses treffen. 1. Mit ersteren wird der Beklagte grundsätzlich n i c h t gehört z.B. mit dem Einwand, daß er seine Gegenleistung noch nicht bekommen habe, oder daß das verkaufte Pferd Mängel gehabt habe; gerade die Abschneidung solcher Einwendungen soll ja der Hauptzweck der „Lösung" sein. 2. Dagegen wird man den Beklagten mit dem Einwand, es fehle überhaupt ein Kausalverhältnis, hören müssen. Es mündet dann der Streit (namentlich in der Theorie) bei der Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung (nachfolgend § 61) ein, insofern ein ohne Kausalunterlage abgegebenes Schuldanerkenntnis des „rechtlichen Grundes" i. S. des § 812 (vgl. insbes. Abs. 2) entbehrt und zurückgefordert werden kann. Die Zurückforderung muß notfalls im Wege einer K l a g e a u f S c h u l d b e f r e i u n g erfolgen. Praktisch wichtiger aber ist, daß der Schuldner, wenn umgekehrt er aus dem abstrakten Schuldveihältnis verklagt wird, eine B e f r e i u n g s e i n r e d e hat (vgl. § 821). 3. Wie, wenn der Gläubiger inzwischen die Forderung aus dem abstrakten Versprechen an einen anderen a b g e t r e t e n hat? Kann

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§ 601. Verpflichtung zur Vorlegung

dieser sich auf seine Gutgläubigkeit berufen, oder wirkt die Befreiungseinrede auch ihm gegenüber? Nach § 404 (vgl. § 405) ist im letzteren Sinne zu entscheiden. So RG. Bd. 86 S. 304. 4. Ein Kausalverhältnis fehlt auch dann, wenn es zwar ursprünglich eingegangen war oder werden sollte, aber durch eine Einwendung, z. B. die Zahlung, völlig entkräftet oder wegen Unsittlichkeit (Wucher) nichtig ist. 5. Auch als Deckmantel für die vom Gesetz mißbilligten Verpflichtungen, wie Spielschuld und Ehemaklerlohn, soll das Schuldanerkenntnis nicht ausgenutzt werden (vgl. § 762 II, § 656 II). Selbst s o w e i t E i n w e n d u n g e n zugelassen sind, bleibt aber das abstrakte Versprechen e i n e s c h a r f e W a f f e i n d e r H a n d d e s G l ä u b i g e r s , denn in j e d e m F a l l e n i m m t es i h m die B e w e i s l a s t ab u n d bürdet diese Last d e m beklagten Schuldner auf. Abstrakte Versprechen sind also stets ein gefährlich Ding, vor d e m geschäftsu n g e w a n d t e Personen g e w a r n t w e r d e n müssen. § 60. D i e Verpflichtung zur Vorlegung (BGB. §§ 809ff.) I. W e s e n d e r V o r l e g u n g s p f l i c h t . Es handelt sich dabei u m Sachen, n a m e n t l i c h Urkunden, die ein anderer in Besitz hat. Sie sollen nicht „herausgegeben" werden, sondern es k o m m t nur auf ihre B e s i c h t i g u n g an. A n solcher Besichtigung kann m a n aus v e r schiedenen Gründen ein Interesse haben. U n d w e n n n u n wirklich e i n b e a c h t e n s w e r t e s I n t e r e s s e vorliegt, so verleiht das Gesetz gegen den Besitzer der Sache einen A n s p r u c h a u f V o r l e g u n g (die actio ad exhibendum). Der Anspruch beruht n i c h t auf e i n e m Vertragsverhältnis, sondern e n t s p r i n g t u n m i t t e l b a r a u s d e m G e s e t z (obligatio e x lege). Die Erklärung dieser eigentümlichen Erscheinung, die in die befriedete Eigensphäre des Besitzers eingreift, erklärt sich aus dem höheren Gedanken, daß d i e M e n s c h e n a u f e i n a n d e r angewiesen sind. Ohne gegenseitiges Aushelfen ist ein gedeihliches Zusammenleben nicht denkbar. Durchaus überwiegend ist allerdings das Eindringen in die private Sphäre, in Haus und Bücher des einzelnen Staatsbürgers, der O b r i g k e i t anvertraut. Bei der Steuergesetzgebung, bei der Verfolgung von Verbrechen, bei der Beschaffung von Beweisstücken im Prozeß usw., kann man gar nicht auskommen ohne weitgehende Deklarations- und Vorlegungspflicht der einzelnen Staatsbürger. Das hat mit dem hier zu besprechenden Schuldverhältnis nichts zu tun. Aber a u c h z w i s c h e n z w e i P r i v a t p e r s o n e n kann eine solche Vorlegungspflicht dringendes Bedürfnis sein. Man hat z. B. mit einem anderen Geschäfte abgeschlossen, man kann sich nicht mehr auf die Einzelheiten besinnen, das Vertragsinstrument, die gewechselten

§ 611. Ungerechtfertigte Bereicherung

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Briete hat der andere hinter sich und stellt nun allerhand Behauptungen über ihren Inhalt auf. Oder es hat jemand aus irgendeinem Rechtstitel (etwa Vermächtnis) ein W a h l r e c h t zwischen m e h r e r e n Sachen. W i e soll er das a u s ü b e n können ohne vorherige Besichtigung? Darum eben hilft das Gesetz in Nachbildung der römischen a c t i o a d e x h i b e n d u m mit der Vorlegungspflicht der §§ 809ff.

II. D u r c h f ü h r u n g . Dieser Anspruch ist jedoch nicht aus jedem beliebigen Grunde gegeben. Er ist vielmehr an ganz bestimmte, dem Gesetzestext zu entnehmende V o r a u s s e t z u n g e n geknüpft. Sie laufen darauf hinaus, daß ein ernstes und berechtigtes Interesse vorliegen muß. W e r um ein Mädchen wirbt, kann selbstverständlich nicht von dessen Vater Einblick in die Geschäftsbücher verlangen. Ebensowenig k a n n der eine Briefmarkensammler v o m anderen Vorlegung v o n dessen Sammlung fordern, nur um seine Neugier zu befriedigen. W o h l aber kann der Schwiegersohn Vorlegung des Ehekontraktes v e r l a n g e n und der Briefm a r k e n s a m m l e r darf Vorlegung fordern, w e n n er behauptet, ein besonders wertvolles, ihm a b h a n d e n g e k o m m e n e s Stück müsse sich im Album des a n d e r e n befinden.

Wenn der Angesprochene sich nicht freiwillig bereit findet, muß g e k l a g t werden. Leugnet er den Besitz, so kommt Eideszuschiebung in Frage. Ist er verurteilt, so erfolgt Z w a n g s v o l l s t r e c k u n g , aber nicht durch unmittelbares Wegholen der Sache, sondern mittels Androhung von Strafen. Übrigens wird oft das Bedürfnis nach Einsicht von Urkunden (dies der Hauptfall der Vorlegungspflicht) erst im Laufe eines Prozesses, in dem die Urkunde als B e w e i s m i t t e l dienen soll, hervortreten. Dann greifen die besonderen Vorschriften der ZPO. (§§421ff.) ein, die sich jedoch in den Voraussetzungen der Pflicht zur Vorlegung an das bürgerliche Recht anlehnen. Vgl. f e r n e r § 45 Handelsgesetzbuch: „Im Laufe eines Rechtsstreits k a n n das Gericht auf Antrag oder v o n Amts w e g e n die Vorlegung der H a n d e l s b ü c h e r einer Partei verlangen." — V e r w a n d t e Erscheinungen sind auch die Pflicht zur A u s k u n f t s e r t e i l u n g (oben § 4 VI a) und der Anspruch auf A k t e n e i n s i c h t , insbesondere, w e n n es sich um Dinge der freiwilligen Gerichtsbarkeit handelt.

7. Kapitel: Ausgleich unrechtmäßiger Rechtslagen § 61. Ungerechtfertigte Bereicherung (BGB. §§ 812ff.) I. W e s e n . Der Anspruch auf Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung nimmt eine S o n d e r s t e l l u n g ein. Schon dadurch unterscheidet er sich von fast allen vorangegangenen Schuld22 H e d e m a n n , SchulJrecht, 3. Aufl.

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§ 61 I. Ungerechtfertigte Bereicherung, Haüptfälle

Verhältnissen, daß er nicht aus einem Vertrage hervorgeht. Es handelt sich vielmehr bei ihm um einen Musterfall der sog. o b l i g a t i o e x l e g e , die allerdings vom Gesetzgeber vertragsähnlich gestaltet worden ist. Vor allem aber wird dieser Anspruch dadurch aus der Reihe aller anderen herausgerückt, daß ihm eine ganz besondere F u n k t i o n zugewiesen ist: er ist berufen, a l s R e g u l a t o r f ü r a l l e d i e F ä l l e zu d i e n e n , d i e s i c h o h n e i h n n i c h t g l a t t u n d r e s t l o s l ö s e n l i e ß e n . Die Lage bei dem Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung ist nämlich so, daß schon irgendein Rechtsverhältnis vorliegt, dessen Ergebnis jedoch nach einer anderen Seite hin nicht befriedigen kann und nach einem A u s g l e i c h verlangt. Um diesen Ausgleich herbeizuführen, wird nun eben vom Gesetzgeber e i n b e s o n d e r e s S c h u l d v e r h ä l t n i s k o n s t r u i e r t , mit einem Gläubiger und einem Schuldner und mit der Verpflichtung des letzteren, an den ersteren dasjenige h e r a u s z u g e b e n , was dank des vorangegangenen Rechtsverhältnisses „ u n g e r e c h t f e r t i g t e r w e i s e " in seine Hände gelangt ist. 1. Es gehört hierher einmal die große Gruppe von Fällen, in denen ein I r r t u m u n t e r l a u f e n ist; so der F a l l d e r doppelten Z a h l u n g ; ein Käufer hat versehentlich noch ein zweites Mal den Kaufpreis beglichen. Diese zweite Summe darf er wieder zurückfordern; auf Grund des ursprünglichen Schuldverhältnisses (des Kaufes) k a n n er es nicht, denn dieses ist bereits durch die erste Zahlung erloschen; also muß ihm ein neuer selbständiger A n s p r u c h eingeräumt werden, dies ist der Anspruch aus § 812 BGB. Oder es w a r zwischen zwei Personen ein Gesellschaftsvertrag geschlossen; der eine Gesellschafter hat bereits einen Teil v o n seinem Hab und Gut dem Partner ausgehändigt. N u n m e h r stellt sich heraus, daß dieser von A n f a n g an geisteskrank gewesen ist. Dann ist das ganze Gesellschaftsverhältnis nichtig (§ 105). Mit der Gesellschaftsklage k a n n das H i n g e g e b e n e nicht zurückgefordert werden, darum wird w i e d e r u m nach der Aushilfsfigur der u. B. gegriffen. Oder es ist eine Schenkung unter Auflage gemacht worden (ob. § 33 IV; § 525ff. BGB.), aber der Beschenkte denkt nicht daran, die A u f l a g e zu vollziehen, oder er kann sie auch bei gutem Willen nicht durchführen. W i e d e r u m eine Rückforderungsklage, ausdrücklich auf die Formel der „ungerechtfertigten Bereicherung" festgelegt (§ 527). 2. Bei einer zweiten großen G r u p p e von Fällen bekommt die Lage noch ein ganz anderes Gepräge dadurch, daß d i e R e c h t s o r d n u n g selbst das schiefe Ergebnis h e r b e i g e f ü h r t und gew ä h r l e i s t e t h a t . Das Bild ist dann so, daß die Rechtsordnung sich zu weit vorgewagt, daß sie an einer Stelle zu viel gegeben h a t und sich nunmehr genötigt sieht, an anderer Stelle wieder einen Teil des Gegebenen zurückzunehmen. Das Moment des A u s g l e i c h s tritt also auch hier klar hervor. Dabei handelt es sich keineswegs um Fahrlässigkeit oder Ungeschicklichkeit des Gesetzgebers. Vielmehr sind diese Erscheinungen in der S p r ö d i g k e i t d e r R e c h t s f i g u r e n begrün-

§ 61 I. Ungerechtfertigte Bereicherung, Hauptfälle

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det, die zunächst auf ein bestimmtes Interesse geprägt werden müssen, aber eben dann zu a n d e r e n n e b e n h e r g e h e n d e n Lebensverhältnissen nicht ganz passen. Hierher gehören vor allem V o r g ä n g e aus dem S a c h e n r e c h t . Die Sachenrechte müssen stabil, fest, auf äußerliche Merkzeichen abgestellt sein. Sie dürfen nicht einfach zusammenbrechen, w e n n sich im innenverhältnis zweier Personen eine schiefe Lage ergibt. Aber andererseits kann es bei dieser schiefen Lage nicht bleiben, und gerade zu ihrer Beseitigung, d. h. für eine A b w i c k l u n g i m Innenverhältnis wird der Anspruch auf H e r a u s g a b e der ungerechtfertigten Bereicherung gewährt. So ist es im Falle des § 950: In einer Kunstschule v e r w e n d e t ein Schüler im Eifer der Arbeit, bewußt oder unbewußt, eine Kupferplatte, die nicht ihm selbst, sondern einem Mitschüler gehört. Es läßt sich sehr darüber streiten, ob jetzt, nachdem eine wertvolle Radierung auf der Platte eingeätzt ist, die Platte noch immer dem anderen Mitschüler oder dem jungen Künstler gehören soll. Das Bürgerliche Gesetzbuch h a t die E i g e n t u m s f r a g e im Sinne des Künstlers entschieden. Nach außen hin hat also das Eigentum gewechselt und der junge Künstler steht nach außen hin (sachenrechtlich) als der einzig Berechtigte da. Aber im Innenverhältnis muß ein Ausgleich geschaffen werden, und darum eben wird im § 951 dem a n d e r e n Kunstschüler eine Ausgleichsklage auf V e r g ü t u n g in Geld „nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertiqten Bereicherung" eingeräumt (Vgl. Hedemann, Lehrbuch Sachenrt'cht). 3. Ebenso gestaltet sich das Rechtsverhältnis bei einer U n s t i m m i g keit zwischen dem s o g e n a n n t e n Kausalgeschäft und dem abstrakten Erfüllungsgeschäft. Als Erfüllungsgeschäft k a n n dabei verschiedenes in Frage kommen. Z. B. die Begründung einer abstrakten F o r d e r u n g (oben § 4 Ziff. V und § 59 Ziff. I) oder die A b t r e t u n g einer Forderung (ob. § 28 I b) oder der E r l a ß einer F o r d e r u n g (ob. § 27 I), vor allem aber, d u r c h a u s das Hauptbeispiel, die dingliche E i g e n t u m s ü b e r t r a g u n g an Sachen. In allen diesen Fällen kann es sich ereignen, daß das z u g r u n d e liegende Kausalgeschäft u n g ü l t i g ist (oder ungültig wird), w ä h r e n d das Erfüllungsgeschäft gerade w e g e n seiner abstrakten Natur b e s t e h e n bleibt. So z. B. w e n n ein Grundstück v e r k a u f t und auch der Eintrag im G r u n d b u c h bereits vollzogen ist, der Verkauf aber hinterher durch Anfechtung, Bedingungsausfall oder W a n d l u n g in Wegfall kommt. Keineswegs fällt bei solcher Lage das Eigentum v o n s e l b s t an den früheren Eigentümer, also den Verkäufer, zurück; das w ü r d e die Stabilität und Erkennbarkeit des sachenrechtlichen Eigentums (s. unter 2) zerstören (Näheres im Sachenrecht). W o h l aber wird nun dem V e r k ä u f e r e i n s c h u l d r e c h t l i c h e r A n s p r u c h a u f R ü c k ü b e r t r a g u n g eingeräumt, und zwar wiederum als u. B. Hier ist es ganz deutlich: Die Rechtsordnung hat dem einen Teil zuviel gegeben, und zwar bewußt und mit gutem Grunde, nun aber muß sie auf schuldrechtlicher Basis wieder für einen A b b a u sorgen. Das R e i c h s g e r i c h t hat den Vorgang in einem seiner zahlreichen Urteile über die u. B. wie folgt beschrieben „Das dingliche Erfüllungsgeschäft ist vom Bürgerlichen Gesetzbuch zu einem gegenüber dem ihm zugrunde liegenden schuldrechtlichen Geschäfte selbständigen Geschäft ausgestaltet in der Weise, daß es die bestimmte dingliche Rechtswirkung hervorbringt, auch wenn der schuld22*

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§ 61 II. Bereicherung, auf Kosten eines anderen rechtliche Bestimmungsgrund (die causa) nicht besteht oder weggefallen ist (§§ 873, 929, 398 BGB.), und daß der Ausgleich der dadurch eingetretenen ungerechtfertigten Vermögensverschiebung im W e g e des schuldrechtlichen Bereicherungsanspruchs (§§ 812ff.) zu erfolgen hat" (Bd. 104 S. 103).

II. D i e B e r e i c h e r u n g a u f K o s t e n e i n e s a n d e r e n . Schon der Ausbau des Anspruchs aus §812 zu einem S c h u l d v e r h ä l t n i s zwingt dazu, sich zwei Personen vorzustellen, zwischen denen es zu einer V e r m ö g e n s v e r s c h i e b u n g gekommen ist. Der eine ist der „Entreicherte" und tritt jetzt als Gläubiger auf. Der andere ist der „Bereicherte" und gilt jetzt als Schuldner. a) Als Bereicherung genügt es nach den absichtlich unbestimmt gehaltenen Worten des Gesetzes, wenn der Bereicherte „ e t w a s e r l a n g t " hat (§812). Dieses Etwas kann bestehen: 1. I m E r w e r b e i n e s R e c h t e s , wie z. B. in der Erlangung des Eigentums (oben 3), usw. 2. I n d e r B e f r e i u n g v o n e i n e r P f l i c h t ; es ist etwa irrtümlicherweise einem Schuldner unter Rückgabe des Schuldscheins seine Schuld erlassen worden. 3. I n d e r E r s p a r u n g v o n A u f w e n d u n g e n , die sonst sicher gemacht worden wären. A hält den B für seinen Verwandten, den Sohn eines verschollenen Bruders, und gewährt ihm jahrelang Unterhalt. B (der selbst auch gutgläubig sein kann) ist um das bereichert, was er sonst selbst für seinen Unterhalt hätte aufwenden müssen. Das muß jedoch seine G r e n z e haben. A ist vielleicht besonders reich, die Verpflegung war besonders üppig. Dann braucht B nach Aufklärung der Verhältnisse nur das als «ungerechtfertigte Bereicherung" zurückzuerstatten, was er nach s e i n e n , violleicht sehr schmalen Verhältnissen, aufgewandt haben würde.

4. I m E r w e r b d e s B e s i t z e s . Der Besitz ist kein Recht, darum fällt dieser Tatbestand nicht unter 1 (vgl. Lehrbuch Sachenrecht) § 6. Beispiel: Übereignung an einen Geisteskranken; Eigentum hat er nicht erworben, da zu der nach § 929 vorgeschriebenen „Einigung" geistige Gesundheit gehört (§ 105), wohl aber ist er ungerechtfertigter Besitzer geworden. — Nahe verwandt: ungerechtfertigter Erwerb einer P o s i t i o n i m G r u n d b u c h ; sie ist nicht für sich selbst ein „Recht", wohl aber ein wirtschaftlicher Wert und deshalb „kondizierbar" (Näheres im Sachenrecht).

b) Die Bereicherung muß „ a u f K o s t e n d e s a n d e r e n " erfolgt sein. Das setzt dem Ausufern des Bereicherungsanspruchs eine wichtige Schranke. Wenn ein Warenhaus floriert und zehn kleinere Geschäfte dadurch geschädigt werden, so kann man allenfalls von einer „Bereicherung" des Warenhausbesitzers sprechen, aber n u r in sehr freiem (wirtschaftspolitischem) Sinne davon, daß diese Bc-

§ 61 III. Bereicherung; Fehlen des rechtlichen Grundes

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reicherung auf Kosten der Einzelhändler erfolgt sei. Für die juristische Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung ist vielmehr Ausgangspunkt, daß d i e B e r e i c h e r u n g m i t d e r E n t r e i c h e rungin unmittelbarem Zusammenhangesteht. Sowohl die nähere t h e o r e t i s c h e Formulierung wie die p r a k t i s c h e Durchführung im einzelnen bereiten Schwierigkeiten. Die T h e o r e t i k e r formulieren vorzugsweise dahin, die „Vermögensverschiebung" müsse sich „unmittelbar zwischen den Parteien, also dem Bereicherungskläger und dem Bereicherungsbeklagten" abgespielt haben (so auch RG. Bd. 92 S. 83). Bisweilen wird das in der Richtung zugeschärft, daß K a u s a l z u s a m m e n h a n g verlangt wird (so wiederum das Reichsgericht: „Nur dann liegt eine Bereicherung i. S. des § 812 vor, wenn zwischen der Vermögensminderung des einen und der Vermögensvermehrung des anderen ein unmittelbarer ursächlicher Zusammenhang besteht"; Bd. 97 S. 65). Andere verwerfen die Heranziehung des Begriffes Kausalzusammenhang und ziehen statt dessen etwa eine N e g a t i v e vor: die Vermögensverschiebung dürfe vom Entreicherlen an den Bereicherten „ n i c h t a u f d e m U m w e g ü b e r e i n f r e m d e s V e r m ö g e n " gelangt sein. Wie die letzte Wendung bereits erkennen läßt, bereiten in der P r a x i s vor allem die Fälle Schwierigkeiten, wo noch ein D r i t t e r beteiligt ist, der irgendwie z w i s c h e n dem Bereicherten und dem Entreicherten steht. Und hier herrscht nun viel Unklarheit und Streit. Im Gesetzestext finden sich z w e i ausdrücklich geregelte F ä l l e , wo ü b e r den z u n ä c h s t B e t e i l i g t e n h i n w e g auf einen d a h i n t e r s t e h e n d e n D r i t t e n als „Bereichert e n " g e g r i f f e n w e r d e n d a r f (§816 Abs. 1 S. 2, §822; Näheres im folgenden). Daraus ein argumentum e contrario zu entnehmen, daß in allen anderen Fällen das Dazwischenstehen eines Dritten schlechthin den Weitergriff ausschlösse, wäre voreilig. Es ist z. B. ohne weiteres klar, daß, wenn auf meine Anweisung das Bankhaus A an den B, den ich irrtümlicherweise für meinen Gläubiger halte, eine Zahlung macht, nicht das Bankhaus A, sondern ich selbst der „Entreicherte" bin. — Schwieriger ist schon die Lage in folgendem Falle: X glaubt irrtümlich, dem Y zur Lieferung eines Buches verpflichtet zu sein; da er das Buch inzwischen anderweit verkauft hat, vergreift er sich an einem Buche, das Z im Besitze hatte, und „liefert" dieses an Y. Daß Y überhaupt „ungerechtfertigt bereichert" ist, ist klar. Aber wer ist der Entreicherte, der also den Anspruch aus § 812 hat? „Unmittelbar" ist das Buch gewiß nicht von Z an Y gelangt, der X stand mit siner Tat dazwischen. Trotzdem drängt alles dazu, dem Z einen unmittelbaren Anspruch aus § 812 gegen Y zu geben. — Ein besonders kritischer Fall liegt auch dann vor, wenn sich jemand im Geschäftsverkehr eines S t r o h m a n n e s bedient, der vermögenslos ist, so daß, wenn es zu Ansprüchen aus u. B. kommt, er selber n i c h t belangt werden kann, während bei dem (an sich haftenden) Vorgeschobenen aus faktischen Gründen (er ist vermögenslos) nichts zu holen ist.

III. D a s F e h l e n d e s r e c h t l i c h e n G r u n d e s . Dies ist die zweite Voraussetzung, die das Gesetz aufgestellt hat. Die Worte sind, genau genommen, falsch, mindestens für eine große Zahl der Fälle.

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§ 61 IV. Ungerechtfertigte Bereicherung, Einzelfälle

Z. B. in jenem Fall des Grundstückserwerbs mit nachträglich wegfallendem Kausalgeschäft, oder in j e n e m Fall der V e r w e n d u n g einer fremden Kupferplatte. Denn der Grundstückseigentümer und der Künstler haben ihr Eigentum keineswegs „grundlos" hinter sich. Sie stützen sich vielmehr auf sachenrechtliche Gesetzesvorschriften, §873,950, lind diese Kind gewiß ein „rechtlicher Grund"'. So hat denn auch das Reichsgericht gelegentlich das „Rückgängigmachen einer k r a f t R e c h t e n s e i n g e t r e t e n e n Vermögensverschiebung" geradezu als Wesen der ungerechtfertigten Bereicherung bezeichnet (Bd. 97 S. 43). Und auch im S c h r i f t t u m ist oft zu lesen, daß die Bereicherung herauszugeben ist, „obgleich sie d e m g e l t e n d e n R e c h t e n t s p r i c h f . Man m u ß daher mit einem- d o p p e l t e n R e c h t s g r u n d rechnen; der e i n e fehlt, der a n d e r e dagegen ist da, und das Ganze läßt eine unbefriedigende Lage entstehen, zu deren Ausgleich der Anspruch aus § 812 gegeben wird. Daß es letzten Endes auf das Gerechtigkeitsempfinden des G e s e t z g e b e r s ankommt, beweisen am besten die G r e n z e n , bei denen nach dem Willen des Gesetzgebers k e i n e „ungerechtfertigte" Bereicherung mehr vorliegen und deshalb auch k e i n e Herausgabe stattfinden soll. Hierher gehört die E r s i t z u n g (§§ 937ff.). Sie tritt genau nach 10 J a h r e n ein, b i s d a h i n liegt u. B. vor, v o n d a a n nicht mehr. Auch die R e c h t s k r a f t w i r k u n g des Zivilprozesses erklärt sich so: Es soll eben nach Erfüllung bestimmter V o r a u s s e t z u n g e n ein Urteil (das „rechtskräftige" Urteil) nicht mehr angegriffen w e r d e n . Dem darf dann der dadurch Geschädigte, selbst w e n n sein „Fall" menschliches Mitempfinden verdient, auch nicht mit einer Klage aus § 812 —• weil der Gegner „ungerechtfertigt bereichert" sei — begegnen. Eine besondere Beleuchtung b e k o m m e n unter dem Zeichen des „rechtlichen Grundes" auch die sog. n a t u r a l e s o b l i g a t i o n e s , z. B. die Spielschuld (oben § 441) oder das Versprechen eines Entgelts für die Vermittlung einer Ehe (§ 48 II). Es soll bei ihnen nach den W o r t e n des Gesetzes „keine Verbindlichkeit b e g r ü n d e t " werden. W e n n also der Spiel-Verlierer zahlt, so zahlt er eigentlich „ohne rechtlichen Grund" (indebitum) und k ö n n t e das Gezahlte mit der Klage aus § 812 zurückholen. Dem steht aber der ausdrückliche Zusatz im Text der §§ 762, 656 entgegen. Das b e d e u t e t also, daß die Spielschuld doch eben auf einem „rechtlichen G r u n d e " im Sinne des § 812 steht. Ebenso V e r j ä h r u n g (darüber u n t e r IV a).

IV. D i e e i n z e l n e n B e r e i c h e r u n g s t a t b e s t ä n d e . Die Erscheinung der ungerechtfertigten Bereicherung w a r bereits den R ö m e r n bekannt. Der Grundgedanke w a r in eine Reihe von Einzeltatbeständen aufgelöst ( c o n d i c t i o i n d e b i t i , condictio s i n e c a u s a , c o n d i c t i o o b t u r p e m c a u s a m usw.; s. im folgenden). Diese Methode hat das BGB. nachgemacht. Es lassen sich im Rahmen des 24. Titels 4 Tatbestände unterscheiden (a bis d). Da-

§ 61 IVa bis c. Ungerechtfertigte Bereicherung

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zu treten aber noch viele, über das ganze Gesetzbuch verstreute oder außerhalb seiner geregelte Tatbestände (e). Ob sie alle zu einer allgemeinen Formel zusammengezogen werden können, ist bestritten (f.) a) D i e L e i s t u n g e i n e r N i c h t s c h u l d ( c o n d i c t i o i n d e b i t i ) , der gangbarste (schon oben unter 11 behandelte) Fall. Gleichgültig ist, ob es sich um eine schuldrechtliche, sachenrechtliche, familienrechtliche oder erbrechtliche Schuld handelt. Gleichgültig ist auch, ob es sich um unmittelbare Leistung (irrtümliche „Erfüllung") oder mittelbare Leistung (irrtümliche Aufrechnung, irrtümliche Hingabe an Erfüllungsstatt usw.) gehandelt hat. Gleichgestellt ist der „Nichtschuld" eine durch dauernd w i r k s a m e Einreden (z. B. die Einrede aus § 853) lahmg e l e g t e Schuld (§ 813 I 1). Davon ist aber wieder ausgenommen d i e v e r j ä h r t e S c h u l d ; an sich steht auch ihr eine dauernd w i r k s a m e Einrede entgegen, aber n a c h ausdrücklicher Bestimmung (§ 813 I 2) soll, wer eine v e r j ä h r t e Schuld bezahlt hat, doch nicht zurückfordern dürfen. — Ü b e r w e i t e r e E i n s c h r ä n k u n g e n nachfolgend Vb.

b) A u s b l e i b e n d e s b e z w e c k t e n E r f o l g e s (condictio ob causam datorum, auch condictio causa data causa non secuta genannt; §81212). Damit werden Fälle getroffen, wo mit einem Rechtsgeschäft ein über dessen eigentlichen Gehalt hinausgehendes Ziel erreicht werden sollte, aber nicht erreicht worden ist. Beispiel: Kauf eines Grundstücks; auf dem Grundstück w u r d e vom V e r k ä u f e r eine Gastwirtschaft betrieben; d e r K ä u f e r w o l l t e d a s g l e i c h e t u n , das Geschäft w a r in diesem Sinne geschlossen; aber der Käufer erhält wider Erwarten die „Konzession" nicht, der „nach dem Inhalte des Rechtsgeschäftes bezweckte Erfolg tritt nicht ein." Anfechtung w e g e n Irrtums (§ 119) ist ausgeschlossen, da es sich nur um einen Irrtum im Beweggrund handelt. W o h l aber kann beiderseits das Geleistete nach §812 zurückgefordert werden. Der Fall liegt indessen kritisch. Denn e i n s e i t i g e E r w a r t u n g e n des Käufers w e r d e n nicht berücksichtigt. Die W e i t e r f ü h r u n g des W i r t s c h a f t s b e t r i e b e s m u ß zum I n h a l t des Vertrages, und zwar gerade i. S. des b e z w e c k t e n E r f o l g e s gemacht w o r d e n sein. — E i n s c h r ä n k u n g dieser Kondition n a c h §815 (unten V b 4 ) .

Daneben steht die condictio ob causam finitam: Der Grund war da, aber er fiel später weg (ebenfalls §81212). Beispiel: Rückgabe des Schuldscheins, n a c h d e m gezahlt w o r d e n ist (§ 371). Rückgabe der geschäftlich ü b e r g e b e n e n Sachen nach Eintritt einer a u f l ö s e n d e n Bedingung.

c ) V e r w e r f l i c h e r E m p f a n g (condictio ob iniustam vel turpem causam; § 817). Das geläufigste Beispiel ist die E r p r e s s u n g : das erpreßte Geld muß zurückgegeben werden. Das Anwendungsgebiet des § 817 ist nicht groß. Denn oft ist das z u s t a n d e g e k o m m e n e Geschäft nichtig, so daß Zahlung einer Nichtschuld (also bereits Fall a) vorliegt. O f t wird man auch mit einem A n s p r u c h aus u n e r l a u b t e r Handlung (nachfolgend §§ 62ff.) weiterkommen als mit dem A n s p r u c h aus u. B. Vor allem aber scheidet die Rückforderung aus,

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§ 61 IVd, e. Ungerechtfertigte Bereicherung wenn dem Leistenden gleichfalls der Vorwurf der Unsittlichkeit oder Ungesetzlichkeit gemacht werden kann (darüber noch unten V Ziff. 5).

d) E r w e r b d u r c h u n b e r e c h t i g t e V e r f ü g u n g e i n e s D r i t t e n (§816; dem römischen Recht unbekannt). Ein sehr wichtiger Tatbestand, der die G u t g l a u b e n s l e h r e in erheblichem Maße einschränkt. Der deutsche Gesetzgeber schützt an verschiedenen Stellen den gutgläubigen Erwerber, dieser wird z.B. echter Eigentümer, aber es wird versucht, dem anderen Teil, dem Entreicherten, wenigstens einen gewissen Ausgleich zu verschaffen. Besonders deutlich wird das, wenn der Gutgläubige u n e n t g e l t l i c h erworben hat; dann nämlich muß er selbst die „Bereicherung" herausgeben. Wenn er freilich entgeltlich erworben hat, ist i h m nicht beizukommen. Dann bleibt n u r der Rückgriff auf den dazwischenstehenden Dritten, der d e m Gutgläubigen zu seinem Erwerbe verholfen hat. Einfachstes Beispiel: D unterschlägt das Fahrrad, das ihm F geliehen hatte, verkauft es und übergibt es an den gutgläubigen G. Hier wird G echter Eigentümer nach § 932, und zwar „auf Kosten" des F. F ist und bleibt ihm gegenüber machtlos. Aber D hat ihm den Erlös, den er von G erhielt, als u. B. herauszugeben. Hätte dagegen der D dem G das Fahrrad nicht verkauft, sondern g e s c h e n k t , so könnte sich F unmittelbar an den G halten: hier wird also der Gutglaubensschutz gewissermaßen hinterher dem G wieder entzogen.

e) Zu diesen 4 Haupttatbeständen treten a l l e r l e i v e r s t r e u t e F ä l l e , bei denen der Gesetzgeber auf die Lehre von der u. B, v e r w e i s t . Dies geschieht mit der ständig wiederkehrenden Formel: die Rückgabe habe „ n a c h d e n V o r s c h r i f t e n ü b e r d i e Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicher u n g " zu erfolgen. Der Grundgedanke und damit das Gemeinsame aller dieser Fälle ist eine B e s c h r ä n k u n g der Herausgabepflicht. Es soll nicht schlechthin herausgegeben werden, sondern n u r d a s , w a s n o c h d a i s t (vgl. dazu Ziff. VI). Auf der anderen Seite haben diese Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung den hohen praktischen Wert, daß sie von einem V e r s c h u l d e n des Anspruchsgegners unabhängig sind. Beispiele: 1. Beiderseits unverschuldete Unmöglichkeit beim gegenseitigen Vertrage: was vorher bereits geleistet war, kann zurückgefordert werden (§ 323 Abs. 3). 2. Der Schenker verarmt: er kann sein Geschenk zurückfordern (§ 528). 3. Der Schenker widerruft w e g e n groben Undanks (§ 531 Abs. 2). 4. Die unbeauftragte Geschäftsführung eines anderen hat nicht die Genehmigung des Geschäftsherrn gefunden, trotzdem muß dieser dem anderen alles, was er durch die Geschäftsführung erlangt hat, herausgeben (§ 684). 5. Der Kunstschüler, der die fremde Platte verwendet hat (oben I 2), kann zwar die Platte selbst behalten, hat aber Vergütung in Geld zu gewähren (§ 951). 6. Ein Verlöbnis geht zurück,

§ 61 Va. Ungerechtfertigte Bereicherung, Grenzen

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jeder von beiden kann Rückgabe der Geschenke verlangen (§ 1301). 7. Irrtümlich hat sich jemand für den Erben gehalten, nach Auffindung eines entgegenstehenden Testaments hat er die Erbschaft herauszugeben (§2021). Usw.

f) Es fragt sich, ob über diese vielerlei Einzeltatbestände hinweg eine zusammenfassende, a l l g e m e i n e K l a g e aus Bereicherung gewährt werden soll. Bis zu einem gewissen Grade ist das zu bejahen, nämlich soweit der sehr weit gefaßte Wortlaut des 1. Satzes des § 812 reicht. Das bedeutet, daß im Leben i m m e r n e u e F ä l l e auftreten können, die mit der Klage aus§ 812 bemeistert werden müssen. Aber auf der anderen Seite droht sich bereits e i n Ü b e r m a ß i n der Verwendung der Kategorie der ungerechtfertigten Bereicherung einzustellen. Das hat Gefahren zur Folge: V. G e f a h r e i n e r ü b e r m ä ß i g e n V e r w e n d u n g d e s A n s p r u c h s aus ungerechtfe.rtigter Bereicherung. a) I m a l l g e m e i n e n . Es wird eine ewige Verlockung bleiben, mit einer Klage wie der aus § 812ff. überall einzuspringen, wenn man glaubt, ein in irgendeiner Beziehung schiefes Rechtsergebnis vor sich zu haben. Es ist auch ein offenes Geheimnis, daß der Anfänger im Studium und der schwache Kopf in der Praxis n u r allzu leicht nach diesem Hilfsmittel greifen. Dem muß entgegengetreten werden. Die Paragraphengruppe 812ff. darf nicht in allzu weitem Sinne ausgelegt werden. Vor allem soll die Kategorie der ungerechtfertigten Bereicherung nach ihrer ganzen Grundidee m ö g l i c h s t n u r a u s h i l f s w e i s e verwendet werden. Wenn mit der Eigentumsherausgabeklage (§§ 985ff.) oder mit einer Klage auf Schadensersatz wegen unerlaubter Handlung (§§ 823f¥.) geholfen werden kann, ist es meist geradezu ein Fehlgriff, statt dessen zu einer Klage aus ungerechtfertigter Bereicherung zu greifen. Oft steht dahinter nur geistige Bequemlichkeit, weil in dem bereffenden Falle die gesetzlichen Voraussetzungen dieser letzteren Klage leichter zu erweisen sind als die Voraussetzungen jener anderen Klagen. Es kann aber auch dem Kiäger wirklicher Schaden entstehen, weil oft mit den anderen Klagen mehr zu erzielen ist als mit dem bloßen Anspruch aus 812 (vgl. dazu Ziff. VI). Eine schwierige Frage ist es nun aber, inwieweit die Klage aus § 812 a u c h v o n r e c h t s w e g e n n u r „ s u b s i d i ä r " ist, d. h. inwieweit ihre Heranziehung r e c h t l i c h f a l s c h ist, solange dem „Entreicherlen" eine andere (bessere) Klage zur Verfügung steht. Es ist klar, daß gewisse andere Ansprüche aus ihrem W e s e n heraus das Nebenher einer „Bereicherungsklaisse" a u s s c h l i e ß e n . So die M ä n g e l a n s p r ü c h e b e i m K a u f : hat der Käufer seinen Minderungsanspruch (oben § 32 V b 4) wegen Verjährung (§ 32 V b 3 v) eingebüßt, so kann er

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§ 61 Vb. Bereicherung, gesetzliche Einschränkungen nicht jetzt mit einem (erst in 30 Jahren verjährenden) Bereicherungsanspruch das Mehr vom Verkäufer herausverlangen. Umgekehrt wird man zugeben müssen, daß d i e D e l i k t s k l a g e a u s §§ 823ff. eine nebenhergehende Bereicherungsklage n i c h t ausschließt. Denn, wenn § 852 Abs. 2 nach verjährtem Deliktsanspruch eine Haftung aus u. B. gelten läßt, so wird das kaum in dem Sinne zu verstehen sein, daß jetzt erst ein Bereicherungsanspruch neu entstünde, sondern in dem Sinne, daß er von Anfang an gegeben war und jetzt nur fortdauert. — Beachtlich der allgemeine Satz des RG.: „Der Anspruch aus u. B. kommt grundsätzlich erst i n E r m a n g e l u n g eines Erfüllunganspruches aus V e r t r a g in Betracht" (Bd. 166 S. 71).

b) G e s e t z l i c h e E i n s c h r ä n k u n g e n . Die Tendenz, einem Ausufern des Bereicherungsanspruchs entgegenzutreten, läßt auch das Gesetz selbst erkennen. An den verschiedensten Stellen schränkt es den eben bewilligten Bereicherungsanspruch wieder ein. So in folgenden Zusammenhängen: 1. V o r z e i t i g e s Erfüllen einer Schuld bleibt richtige Erfüllung, eine Rückforderung findet also nicht statt (§ 813 II). 2. B e w u ß t e s Z a h l e n einer Nichtschuld nimmt die Rückforderungsklage (§ 814). Bloße Unsicherheit genügt jedoch nicht; das ist wichtig, weil viele sich durch die Unsicherheit des Rechtsweges zunächst von einem Prozeß abschrecken lassen und, vom Gläubiger bedrängt, sicherheitshalber zahlen; ihnen wird man die Rückforderungsklage nicht nehmen dürfen. 3. A n s t a n d s l e i s t u n g e n können nicht mehr zurückgenommen werden, auch wenn sie ohne Rechtsgrund erfolgt sind (ebenfalls § 814), z. B. Gewährung von Unterhalt an Geschwister in der (irrtümlichen) Annahme, man sei dazu gesetzlich verpflichtet. 4. Nichterreichung des bezweckten Erfolges (oben IV Fallb) gibt doch kein Rückforderungsrecht, wenn d i e N i c h t e r r e i c h u n g v o n v o r n h e r e i n k l a r war (Parallele zu 2) oder von dem angeblich Entreicherten selbst w i d e r T r e u u n d G l a u b e n h e r b e i g e f ü h r t worden ist (§ 815). 5. E i g e n e S i t t e n w i d r i g k e i t des Leistenden nimmt ihm die Rückforderungsklage des § 817. Das Geld, mit dem man sich von einem Erpresser losgekauft hat, kann selbstverständlich zurückgefordert werden, nicht aber das Bestechungsgeld, der Dirnenlohn und der Sold f ü r den gedungenen Mörder, denn hier liegt eigene Sittenwidrigkeit vor. Zum Falle des Schweigegeldes vgl. RG. Bd. 58 S. 204). Kritisch: Überschreitung gesetzlich festgelegter H ö c h s t p r e i s e . Meist auch dem Käufer bewußt, daß das unerlaubt sei. Trotzdem dürfte

§ 61 VI. Bereicherung; Herausgabepflicht, Umfang

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ihm die Rückforderung des Ü b e r schusses (Geschäft insoweit nichtig, § 134; fehlender Rechtsgrund) zuzusprechen sein. So Urt. KammerG. v. 24.6.47. Schwierige Lage bei S c h w a r z k ä u f e n und Kompensationsgeschäften.

VI. D e r U m f a n g d e r H e r a u s g a b e p f l i c h t . Wieviel herauszugeben ist, kennzeichnet sich wiederum durch den Gesichtspunkt der „ B e r e i c h e r u n g " . 1. Was man nicht mehr hat, darum ist man nicht mehr bereichert, und deshalb ist jedenfalls mit der Klage aus §§812ff. nichts mehr herauszuholen: „Die Verpflichtung zur Herausgabe ist ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist", d i e s e n e n t s c h e i d e n d e n S a t z bringt der Gesetzgeber an ziemlich versteckter Stelle ( § 8 1 8 1 1 1 ) . 2. Gerade das unterscheidet die Klage aus § 812 scharf von den anderen Klagen, etwa'der allgemeinen Klage auf Leistungsvollzug bei den verschiedenen Verträgen oder der Klage auf Schadensersatz bei unerlaubter Handlung (unten § 65 III). 3. Andererseits kann die Sache inzwischen Früchte (§ 99) odei sonstige N u t z u n g e n (§ 100) abgeworfen haben; die sind dann mit herauszugeben, denn um sie ist der Pflichtige bereichert (§ 818 I).

Es handelt sich also um eine Berücksichtigung der Z w i s c h e n z e i t . Dergleichen „Zwischenzeiten" kommen im Rechtssystem m e h r f a c h vor. A m ausführlichsten geregelt ist die Zwischenzeit beim E i g e n t u m s h e r a u s g a b e a n s p r u c h (§§ 987ff. ; N ä h e r e s im Sachenrecht). Über die Zwischenzeit b e i m K a u f oben § 32 Ziff. III. Für die Zwischenzeit bei der u n g e r e c h t f e r t i g t e n B e r e i c h e r u n g ist der gesetzliche Anhalt schmal. Die wichtigsten Lagen, die sich ergeben können, sind folgende: a) Der dem Kläger entzogene Gegenstand ist ü b e r h a u p t n i c h t m e h i d a beim Beklagten; er w u r d e ihm beispielsweise gestohlen. Nichts h e r a u s z u g e b e n (§ 818 III). b) Der Gegenstand ist nicht mehr da, aber statt dessen w u r d e e i n a n d e r e r d a f ü r e i n g e t a u s c h t ; der Beklagte hat z. B. den Gegenstand v e r k a u f t . Dann ist er noch bereichert, denn er hat den E r l ö s hinter sich. Die Rechengröße ist aber nach wie vor die eigentliche Bereicherung durch den ursprünglichen Gegenstand. W a r dieser 1000 wert, der Beklagte v e r k a u f t e für 1200, so h a t er n u r 1000 auszuliefern; 200 gehen auf seine Rechnung, er hat sie durch geschicktes V e r k a u f e n verdient. Hat er nur 800 erlöst, so braucht er n u r diese abzuliefern, denn n u r soweit reicht seine jetzige Bereicherung (vgl. § 818 II). Das bedeutet freilich eine gewisse Ungleichheit, der Bereicherte spekuliert gleichsam (wenn auch nichtsahnend) auf Kosten des Entreicherten: den Verlust trägt dieser, den Gewinn behält der Bereicherte. A b e r das muß als Folge des G r u n d g e d a n k e n s in den Kauf genommen werden. c) Auch der eingetauschte W e r t ist w i e d e r weggegangen, das erlöste Geld z. B. ausgegeben. Sehr häufiger Fall. F o r t b e s t e h e n d e „Bereicherung" ist dann nur schwer (etwa nach Art von d) nachweisbar. Deshalb wird meist nichts herauszugeben sein (§ 818 III).

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§ 61 VII. Bereicherung, Erweiterung der Haftung

d) Der Gegenstand ist nicht mehr da, weil ihn der Beklagte ins Eigene verwendet, z. B. die Lebensmittel aufgezehrt hat. Mittelbare Bereicherung möglich: E r s p a r u n g v o n A u s g a b e n , die er sonst hätte machen müssen (damnum cessans; Beispiel ob. IIa 3). Umgekehrt keine Wertersatzpflicht bei Genußgütern, die er sonst n i c h t angeschafft haben würde (§ 818 II mit III). e) Der Gegenstand kann s e i n e r N a t u r n a c h nicht herausgegeben werden, z, B. ungerechtfertigt entgegengenommene Dienste. Dann ist der W e r t zu ersetzen (818 II), aber wieder nur soweit, als feststeht, daß der Bereicherte dadurch etwas erspart, daß er also bei Kenntnis der Dinge die betreffenden Dienste gegen E n t g e l t ausgenützt hätte. f) Z i n s e n müssen mit herausgegeben werden, wenn sie wirklich gezogen sind (s. bereits oben). Ohne weiteres gegeben, wenn das Geld im Geschäftsbetrieb des Beklagten untergebracht worden ist, also dort „gearbeitet" hat (Beispiel eines Bankiers: RG. Bd. 53 S. 371). Schwierig bei besonders günstiger „Anlage" des Geldes, die nur dem Weitblick oder den besonderen Beziehungen des Beklagten zu danken ist. Herausgabe nur eines mittleren Abwurfs dürfte das Richtige sein (vgl. b), sonst könnte Kläger jahrelang zusehen, wie Beklagter sich nichtsahnend für ihn müht, und dann kurz vor der Verjährung zugreifen. g) Kann der Bereicherte M i n d e r u n g s p o s t e n geltend machen, insbesondere die A u f w e n d u n g e n in Abzug bringen, die er gelegentlich der Bereicherung gemacht hat? Z. B. Transportkosten für die Wegschaffung der Sache, die er irrtümlich gültig gekauft zu haben glaubte. Grundsätzlich zu bejahen. Haben die Aufwendungen den Wert des Bereicherungsgegenstandes ganz aufgezehrt, so ist nichts herauszugeben. Ob die Aufwendungen leichtfertig und unwirtschaftlich waren, ist gleichgültig. Beachtenswerter Unterschied zu § 996 BGB., der für den Beklagten viel ungünstiger ist. h) Verwicklungen b e i b e i d e r s e i t i g s c h o n v o l l z o g e n e r u n d n u n z u r ü c k z u g e w ä h r e n d e r L e i s t u n g : Ist ein einziger Verrechnungsanspruch anzunehmen (sog. Saldotheorie) oder zwei selbständige Kondiktionen (sog. Zweikondiktionentheorie)? Das erstere dürfte richtig sein. VII. A u s g e s t a l t u n g e n . a) V e r s c h ä r f u n g d e r H a f t u n g . Der U m f a n g der H a f t u n g erweitert sich, w e n n d e r B e r e i c h e r t e g e w u ß t h a t , daß i h m der Gegenstand nicht zusteht (§ 819), oder w e n n er durch den P r o z e ß b e g i n n darauf a u f m e r k s a m g e m a c h t w o r d e n ist ( § 8 1 8 I V ) . Dann tritt H a f t u n g „nach den a l l g e m e i n e n Vorschriften" ein (vgl. insbesondere § 280 nebst §§ 276, 291, 292, 987, 989). b) E r s t r e c k u n g a u f D r i t t e . Eine Erweiterung in persönlicher Hinsicht kann eintreten, s o w e i t die „Bereicherung" an einen Dritten w e i t e r g e w a n d e r t ist. Dieser h a f t e t ebenfalls, aber in folgerichtiger A n w e n d u n g des „ B e r e i c h e r u n g s ' - G e d a n k e n s nur, s o w e i t er unentgeltlich an den Gegenstand h e r a n g e k o m m e n ist (§ 822). Der Sonderfall des § 816 ist bereits oben IVd behandelt.

§ 62 I. Unerlaubte H a n d l u n g e n

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§ 62. Die Schadensersatzpflicht aus unerlaubter Handlung 1. Allgemeine Kennzeichnung (BGB. §§ 823ff.) I. V o r b e m e r k u n g . Dieses letzte der „einzelnen" Schuldverhältnisse kann e i n e a u ß e r o r d e n t l i c h e B e d e u t u n g f ü r sich beanspruchen. Es beherrscht breite Strecken der zivilistischen Praxis, tausende von Prozessen werden auf diesen 25. Titel des Rechts der Schuldverhältnisse gestützt, ein einziger Paragraph aus dieser Folge wiegt schwerer als manches Dutzend von Paragraphen anderer Zusammenhänge. Sei es, daß jemand seinen Mitmenschen körperlich verletzt oder verleumdet, daß er ihn betrogen oder in unlauterer Weise im Wirtschaftskampfe geschlagen hat, sei es, daß ein Mädchen vergewaltigt oder ein Geschäftsgeheimnis ausgeplaudert, eine Fabrikanlage gesundheitswidrig angelegt oder bei Glatteis nicht gestreut worden ist, sei es, daß ein Lehrer nicht gut genug auf die spielenden Schulkinder, ein Fuhrherr nicht scharf genug auf seine Kutscher aufgepaßt hat, sei es, daß Beamte des Staates ihre Amtspflicht überschritten oder Funktionäre einer politischen Partei im Parteikampf zu weit gehende Mittel angewendet haben, immer wieder wird auf diese Paragraphengruppe zurückgegriffen: ein Prozeß auf Ersatz des entstandenen Schadens. II. V e r h ä l t n i s z u m V e r t r a g s r e c h t . a) Eingekleidet wird die Schadensersatzpflicht des Täters in den Rahmen eines S c h u l d v e r h ä l t n i s s e s . Aber diese sog. D e l i k t s o b l i g a t i o n hat einen ganz anderen Charakter als die Obligation bei Kauf und Miete und Arbeitsvertrag, wo sich die Beteiligten in einem V e r t r a g e zusammenfinden. Das Abrücken von der Vertragsfigur ist noch viel deutlicher als bei der ungerechtfertigten Bereicherung. Aber i n d e r ä u ß e r e n F o r m u n g ist doch auch hier das Schema eines Schuldverhältnisses eingehalten: ein Gläubiger, ein Schuldner, ein Leistenmüssen. Die A n e i n a n d e r k e t t u n g der D e l i k t s h a f t u n g und d e r V o r t r ä g e i s t r ö m i s c h e s E r b t e i l . In Rom war der reine Denkbegriff der obligatio entwickelt worden, er paßte auf beides, so sehr die Dinge im Leben auseinanderfallen mochten. Derart wurde der Gegensatz zwischen den obligationes ex contractu und den obligationes ex delicto geradezu zum obersten Einteilungsprinzip innerhalb der allgemeinen gedanklichen Vorstellung vom „Schuldverhältnis". So klar bringt dies das BGB. nicht mehr zum Ausdruck, aber die Grundvorstellung wirkt noch nach, und insbesondere muß jeder, der es mit einem S c h a d e n s -

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§ 62 IIb. Deliktshaftung und Vertragshaftung e r s a t z prozeß zu tun bekommt, sich fragen: handelt es sich um einen Anspruch aus Vertrag oder aus Delikt, — oder etwa aus beiden?

b) Denn auch das letztere ist möglich und keineswegs selten. K o n k u r r e n z des A n s p r u c h s aus u n e r l a u b t e r Handl u n g m i t A n s p r ü c h e n a u s V e r t r a g bildet sogar einen der häufigsten Fälle der wissenschaftlich viel behandelten „Gesetzeskonkurrenz" und „Anspruchskonkurrenz". T h e o r i e und P r a x i s sind dabei weitherzig. Sie lassen g r u n d s ä t z l i c h b e i d e A n s p r ü c h e n e b e n e i n a n d e r zu, und zwar nach freier Wahl des Geschädigten. So z. B„ wenn der Arzt einen Kranken, der sich ihm anvertraut hat, durch fahrlässige oder vorsätzliche Fehloperation schädigt. In einer sehr weitgehenden Entscheidung hat das R e i c h s g e r i c h t folgende, seitdem oft wiederholte Sätze aufgestellt: „Die allgemeine Rechtspflicht, niemanden körperlich zu verletzen,, besteht immer und gegenüber jeder Person, gleichviel ob diese mittels Vertrags oder ohne Vertrag in den Handlungsbereich des Verletzers gekommen ist. Diese allgemeine Rechtspflicht kann dadurch nicht beseitigt werden, daß es ein Vertrag war, durch den die Möglichkeit der Einwirkung auf den Körper des anderen gegeben wurde. Auch der Vertragsgegner bleibt immer der durch § 823 BGB. Geschützte; er wird es in noch stärkerem Grade, wenn der Vertrag den Verletzer sogar noch besonders, nämlich eben auch noch vertragsmäßig, zur Fürsorge verpflichtet" (Bd. 88 S. 435). An einer solchen Grundauffassung mag festgehalten werden. Aber andererseits ist auch hier (wie bei dem Bereicherungsanspruch, oben § 61 V) vor einem Ü b e r m a ß der Doppelhaftung zu warnen. Ein Weg zur Einschränkung bietet sich dar in Gestalt der V e r t r a g s A u s l e g u n g . Daß vertraglich auf etwaige Schadensersatzansprüche verzichtet werden kann, ist (vorbehaltlich § 276 Abs.2) außer Zweifel. Deshalb kann auch, wenn an sich z w e i Haftungsansprüche in Frage kommen, von vorneherein auf den e i n e n verzichtet werden. Und es wird bei kleineren Verletzungen, namentlich unbedeutenden Sachbeschädigungen, die sich im Rahmen eines bestehenden Vertragsverhältnisses abspielen, ohne weiteres als Parteiwille angenommen werden können, daß nicht „das schwere Geschütz des Deliktsrechts" aufgefahren, sondern der Fall nach Vertragsrecht behandelt werden soll. Daß die „allgemeine Rechtspflicht", niemanden körperlich zu verletzen, niemandes Sachen zu beschädigen usw., durch Vertrag geändert, insbesondere gemindert werden kann, wird auch von Theorie und Praxis anerkannt (RG. a. a. O. S. 436). Aber man macht davon geringen Gebrauch und behandelt diese Möglichkeit fast als eine Störung, die man möglichst verstecken müsse. Nur darin ist man sich von vornherein einig, daß ein

§ 62 IIb. Deliktshaftung und V e r t r a g s h a f t u n g

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für das (gleichzeitig gegebene) Vertragsverhältnis vorgeschriebener m i 1d e r e r H a f t u n g s m a ß s t a b nicht dadurch u m g a n g e n werden dürfe, daß statt des Vertragsanspruchs der auf den schärferen H a f t u n g s m a ß s t a b zugeschnittene Deliktsanspruch gewählt wird. So darf z. B. der unentgeltliche V e r w a h r e r , w e n n seine Inanspruchnahme w e g e n des beim Einregnen beschädigten Mantels aus § 690 versagt, nicht nunmehr aus § 823 (der bei j e d e r gewöhnlichen Fahrlässigkeit haften läßt) belangt werden. Aber auch über diesen spezialisierten Rahmen hinaus ist die Be s c h r ä nk u n g d e r H a f t u n g a u f d a s V e r t r a g s r e c h t ständig im A u g e zu behalten Natürlich ist die A b g r e n z u n g schwierig. Schlägt z. B. der Mieter entgegen einer ausdrücklichen Bestimmung der Hausordnung (§ 35 Vb) lange H a k e n in die Zimmerwände, um W ä s c h e l e i n e n zu spannen, so wird man den Ersatzanspruch des Hausbesitzers in der V e r t r a g s s p h ä r e festhalten müssen (ebd. Vd). Kommt dagegen der Mieter schwer b e t r u n k e n nach Haus oder will er dem Vermieter in Zeiten politischer Erregung seine A b n e i g u n g bekunden und schlägt n u n m e h r im Hause das Treppengeländer oder die Beleuchtungsanlage in Trümmer, so ist (neben der Klage aus dem Mietsverhältnis) gleichzeitig der Tatbestand einer unerlaubten Handlung erfüllt und auch ein A n s p r u c h aus § 823 BGB. gegeben. Hat er Helfershelfer zugezogen, die gar nicht in dem Hause wohnen, so k a n n gegen diese n u r mit der Deliktsklage vorgegangen werden, da zwischen ihnen und dem Hausbesitzer ein Vertragsverhältnis j a gar nicht besteht.

Ob aus Delikt oder Vertrag gehaftet wird, ist aus mehr als einem Grunde p r a k t i s c h b e d e u t s a m . Schon früher (§ 3 II) ist darauf hingewiesen worden, daß die sog. D e l i k t s f ä h i g k e i t (näheres unten § 63 III) anders gestaltet ist als die allgemeine, das ganze Vertragsrecht beherrschende G e s c h ä f t s f ä h i g k e i t . Dazu kommen andere gewichtige Unterschiede, z. B. in der Verjährung (unten § 65 III) oder in der Haftung für Gehilfen (unten § 65 II). Es kann daher im einzelnen Fall sehr wichtig sein, ob nur der Anspruch aus dem Vertrage oder nur der Anspruch aus der unerlaubten Handlung oder beide gegeben sind. c) Übrigens kommt für die Deckung entstandener Schäden neben der Haftung des Vertragsgegners und der Haftung des UnerlaubtHandelnden noch eine d r i t t e B a s i s (vgl. über die Dreiteilung bereits §1311) in Frage: die S c h a d e n s v e r s i c h e r u n g . Auch sie spielt in ihren Verzweigungen als Lebensversicherung, Brandversicherung usw. (oben § 43) eine außerordentliche Rolle. Der äußeren Form nach handelt es sich hierbei um Vertragshaftung, aber der w i r t s c h a f t l i c h e n B e d e u t u n g nach liegt doch n e b e n der eigentlichen V e r t r a g s h a f t u n g des Mieters, Verkäufers, Gesellschafters, Dienstherrn usw. und der Deliktshaftung des Brandstifters, Verleumders oder sonstigen Täters ein D r i t t e s vor, nämlich eine V e r t e i l u n g o d e r V e r s c h i e b u n g d e r S c h a d e n s l a s t e n . Wenn etwa ein Einbrecher in einer Mietswohnung die Türen beschädigt hat, so k a n n

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§ 62 III. Unerlaubte Handlungen; Strafrecht 1. dem Vermieter der Mieter deshalb haften, weil er nicht genügend aufgepaßt hat (eigentliche Vertragshaftung; vgl. oben § 3 5 V d ) ; 2. kann der Einbrecher dem Mieter oder auch dem Vermieter haftbar sein (Deliktshaftung); 3. kann die Versicherungsgesellschaft wiederum beiden oder nur einem aus der Versicherung gegen Einbruchsdiebstahl haften (Versicherungshaftung). In den Bereich der unerlaubten Handlungen ragt das Versicherungswesen hauptsächlich in Gestalt der H a f t p f l i c h t v e r s i c h e r u n g hinein; wirtschaftlich wird dadurch eine A b w ä l z u n g der Ersatzlasten von dem nach Deliktsrecht Verpflichteten auf die Versicherungsgesellschaft erzielt; vgl. z. B. unten § 65 IIc (Lehrerhaftung).

III. V e r h ä l t n i s z u m S t r a f r e c h t . Mit der Materie des Strafrechts berührt sich das Recht der „unerlaubten Handlungen" ganz nahe. Das lassen schon die verschiedenen vorangegangenen Beispiele der Sachbeschädigung, Körperverletzung, Verleumdung usw. erkennen. In f r ü h e r e n Z e i t e n floß beides ineinander über. Man setzte „P r i v a t s t r a f e n" an, die vielfach über den eigentlichen Wert der Schädigung hinausgingen, also neben dem zivilrechtlichen Moment des Ausgleichs auch das kriminelle Moment einer Sühne in sich schlössen (wie etwa die römische actio vi bonorum raptorum, die auf das quadruplum ging, w o v o n ein simplum als Schadensersatz gedacht war: „in quadruplo inest et rei persecutio, ut poena tripli sit"). Und noch heute wirkt in der vereinzelt fortbestehenden, im S t r a f prozeß verhandelten „B u ß e" die altgermanische Auffassung fort, daß die Buße g l e i c h z e i t i g sühnen und entschädigen soll.

Allmählich erfaßte man den G e g e n s a t z : Straf recht ein Stück öffentlichen Rechts und_ deshalb ein Recht der Ü b e r o r d n u n g , Schadensersatz ein Teil des Privatrechts und damit ein Stück N e b e n o r d n u n g in der Hand des geschädigten Mitbürgers. Dementsprechend ist das Ziel durchaus verschieden: das Straf recht will das Geschehene in der Person des Ü b e l t ä t e r s abgelten, der zivile Schadensersatz ist dagegen auf die Person des G e s c h ä d i g t e n eingestellt und soll f ü r diesen einen Ausgleich schaffen. Darum fließt die G e l d s t r a f e des Strafrechts an den Staat, während die im Zivilprozeß erstrittene S c h a d e n s e r s a t z s u m m e (gleich dem Mischgebilde der Buße) an den Verletzten zu zahlen ist. Trotzdem sind beide Rechtsgebiete auch heute n o c h v e r s c h w i s t e r t . In beiden wird mit ähnlichen Begriffen gearbeitet. So ist der S c h u l d b e g r i f f mit seiner Zerlegung in Vorsatz und Fahrlässigkeit (unten § 63 lila 2) auch im Strafrecht grundlegend; ebenso die damit zusammenhängende Lehre von der Z u r e c h n u n g s f ä h i g k e i t (unten S. 351 c). Auch die verschiedenen Figuren der M e h r h e i t s b e t e i l i g u n g (unten § 65 IIa) gehören beiden Rechtsgebieten an. Selbst die im Strafrecht aus man-

§ 62 V. Unerlaubte Handlungen; Stellung des BGB.

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chen Beleidigungsprozessen allgemein b e k a n n t e „ W a h r u n g b e r e c h t i g t e r I n t e r e s s e n " begegnet in ähnlicher W e i s e auch Lm BGB. (§ 824). Vor allem aber h a b e n beide Gebiete das s c h w i e r i g e Problem des K a u s a l z u s a m m e n h a n g e s (unten§ 631)gemeinsam. Doch muß vor einer k r i t i k l o s e n Ü b e r t r a g u n g der D e n k e r g e b n i s s e des e i n e n G e b i e t s auf d a s a n d e r e g e w a r n t w e r d e n . Das G e s e t z s e l b s t läßt bereits in mehreren Punkten hervortreten, daß doch eben die strafrechtliche und die zivilrechtliche Behandlung ein und desselben Falles, etwa einer Sachbeschädigung durch einen zehnjährigen Knaben, mitunter in getrennte Bahnen einmünden müssen: die A l t e r s t u f e n (unten § 63 IIIc 1) sind verschieden angesetzt. Das gibt zu denken. Insbesondere ist gerade auch das Problem des K a u s a l z u s a m m e n h a n g e s für die Schadensersatzlehre ganz anders zu behandeln, als es die Kriminalisten in ihrem Schrifttum und ihrer Praxis getan haben. IV. Die hohe k u l t u r e l l e B e d e u t u n g des Schadensersatzrechts k a n n nach dem V o r a n g e g a n g e n e n nicht b e z w e i f e l t w e r d e n . Es ist geradezu ein Gradmesser der Veranlagung und des Kulturzustandes e i n e s Volkes, w i e d e r u m in engster Verschwisterung m i t d e m Strafrecht. Daraus folgt, daß der Gesetzgeber und der Richter ihre A u f g a b e besonders ernst zu n e h m e n haben. Der G e g e n s a t z d e r B e v ö l k e r u n g s s c h i c h t e n , in ihren ideellen Anschauungen wie in ihrer ökonomischen Lage, tritt hier immer wieder hervor. Klassisches Beispiel aus der Entstehungszeit des BGB. der W i l d s c h a d e n e r s a t z ; leidenschaftlicher Kampf der Großgrundbesitzer („Junker") gegen die Ausdehnung auf die Hasen (unten §64 Vf). — Später jahrzehntelange Verwertung der Schadensersatzlehre, insbesondere § 826, bei dem Ringen zwischen A r b e i t e r s c h a f t u n d U n t e r n e h m e r t u m . Usw. — Der Gegensatz zwischen Staat und Bevölkerung tritt bei der B e a m t e n h a f t u n g hervor (unten § 64 Vd). — Sogar der naturgesetzte Gegensatz der Geschlechter tritt beim S c h u t z d e r F r a u e n e h r e in Erscheinung (unten § 64 Vb). Es ist auch bezeichnend, daß die erste Änderung am BGB., an dem man solange wie möglich unverändert festzuhalten gesinnt war, sich schon 1906 im Recht der unerlaubten Handlungen durchgesetzt hat, nämlich bei der Begrenzung der Tierhalterhaftung (unten § 64 Ve). V, D a s B G B . ist der geschilderten a u ß e r g e w ö h n l i c h e n B e d e u tung des Rechts der unerlaubten Handlungen nicht voll gerecht g e worden. E s läßt gerade i m 25. Teil des Schuldrechts die erforderliche Großzügigkeit vermissen. A u c h d i e Kritik des Auslandes, die nach der Fertigstellung des deutschen B G B . einsetzte, hat sich mit Vorliebe diesem Titel zugewandt. N a m e n t l i c h sind f o l g e n d e S c h w ä c h e n oft g e n a n n t worden: 1. Das F e h l e n e i n e s a l l g e m e i n e n L e i t s a t z e s . Einen solchen hatte z. B. das Preußische Allgemeine Landrecht aufgestellt (I 6 § 10: „Wer einen anderen aus Vorsatz oder grobem Versehen beleidigt

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§ 63 I. Unerlaubte Handlungen-, Kausalzusammenhang muß demselben vollständige Genugtuung leisten", wobei unter Beleidigung nach § 8 jede Schadenszufügung verstanden war). Ebenso auch der französische Code civil (art. 1332, 1383) und das Schweiz. Obligationenrecht (Art. 41). Im I. Entwurf des BGB. war ebenfalls eine Generalformel vorgesehen. Das BGB. hat dagegen darauf verzichtet. Es bietet ein buntes Gemisch von Einzeltatbeständen (nachfolgend § 64), wodurch eine große Zahl von Kontroversen hervorgerufen worden ist. 2. Die übermäßig starke B e t o n u n g d e r V e r m ö g e n s i n t e r e s s e n . Man hat geradezu behauptet, daß sich darin der „ k a p i t a l i s t i s c h e G e i s t " der Werdezeit des BGB. widerspiegle, hat z. B. mit Recht unterstrichen, daß das Eigentum eine große Rolle im Schadensersatzrecht spiele, während die A r b e i t s k r a f t als schutzwürdiges Rechtsgut gar nicht genannt sei. 3. Damit hängt zusammen: d i e g r u n s ä t z l i c h e B e s c h r ä n kung der S c h a d e n s e r s a t z p f l i c h t auf den m a t e r i e l l e n S c h a d e n ; deutlicher in der Negative: grundsätzlicher Ausschluß eines Ersatzes für i d e e l l e n S c h a d e n (dommage moral). Das folgt aus § 253 BGB.: „Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen (also grundsätzlich nicht) gefordert werden". Näheres bereits § 14 Ib 2 u. 4.

Die gerügten Schwächen werden jedoch durch andere Werte ziemlich a u s g e g l i c h e n . Einmal ist die an sich vielleicht bedauerliche Zersplitterung in Einzelsätze reichhaltig gestaltet und sehr sorgfältig durchgearbeitet, so daß nicht allzu viele Tatbestände „ungedeckt" bleiben. Und vor allem hat die Generalklausel des § 826 in der Hand einer gestaltungsfrohen Praxis sich über das sie umgebende Einzelwerk zu einer bedeutenden Höhe aufgeschwungen (unten § 64 IV). § 63. Unerlaubte Handlungen 2. Die Grundelemente der Schadensersatzpflicht Der 1. Satz des 25. Titels: „ W e r — v o r s ä t z l i c h o d e r f a h r l ä s s i g — das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen w i d e r r e c h t l i c h verletzt, ist dem anderen zum Ersätze des daraus entstehenden Schadens verpflichtet", läßt bereite d i e v i e r G r u n d v o r a u s s e t z u n g e n erkennen, ohne die es regelmäßig einen Deliktsanspruch nicht gibt: 1. Kausalzusammenhang, 2. Verschulden, 3. Verletzung eines unter Rechtsschutz stehenden Gutes, 4. Widerrechtlichkeit. I. Am undeutlichsten kommt das Erfordernis des K a u s a l z u s a m m e n h a n g e s zum Ausdruck. Es ist nur in dem Worte „Wer" beschlossen. Denn damit wird gesagt, daß nicht ein beliebiger Mensch

§ 63 lila. Unerlaubte Handlungen; Verschuldensprinzip

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herausgegriffen werden darf, der den Schaden ersetzen müßte, sondern nur der „wer", der verletzt hat, der die Tat getan hat, der Täter. Täter aber kann nur sein, wer mit der Tat verknüpft ist. Die Verknüpfung ist der „Kausalzusammenhang" (ursächlicher Zusammenhang). Das N ä h e r e über das schwierige Problem des K a u s a l z u s a m m e n h a n g e s ist bereits früher ausgeführt w o r d e n (§ 13 III). Insbesondere ist dort dargetan, daß das BGB. nach durchaus herrschender Lehre der T h e o r i e v o m a d ä q u a t e n K a u s a l z u s a m m e n h a n g folgt. Dort auch Urteile des RG. An sich muß der Kläger (der Geschädigte) das Dasein des Kausalzusammenhanges b e w e i s e n . Da aber gerade der „adäquate" Kausalz u s a m m e n h a n g immer n u r in einer geistigen Vorstellung beruht, heißt b e w e i s e n hier: dem Richter so viel an schlüssigem Denkstoff darbieten, daß er in seiner geistigen Vorstellung die G e w i ß h e i t der a d ä q u a t e n V e r k n ü p f u n g hat. Freilich eröffnet sich damit der neue Zweifel: W a s ist Gewißheit? Daß zu ihrer Erlangung bisweilen auch eine „ h o h e W a h r s c h e i n l i c h k e i t " g e n ü g e n muß, hat das R e i c h s g e r i c h t gelegentlich in folgender Einkleidung zugegeben: „Allerdings kann die Feststellung einer Wahrscheinlichkeit, auch einer hohen Wahrscheinlichkeit, für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen einer H a n d l u n g oder Unterlassung und einem eingetretenen schädlichen Erfolge nicht die richterliche Feststellung dieses U r s a c h e n z u s a m m e n h a n g e s selbst darstellen oder ersetzen; sie kann nur die G r u n d l a g e für diese, d. i. für die Gewinnung der richterlichen Überzeugung, daß ein bestimmter Erfolg auf ein bestimmtes Handeln oder Unterlassen zurückzuführen sei, abgeben. Diese Überzeugung selbst muß in dem Urteile des Richters zum Ausdruck gelangen." (Bd. 95 S. 249). Interessanter Fall auch RG. Bd. 155 S. 37ff. — Vgl. auch schon oben § 14 V über die „prozessuale Geltendm a c h u n g " des Schadens. Das BGB. k e n n t übrigens sogar einen Fall, wo von einer letzten Klärung des Kausalzusammenhanges b e w u ß t A b s t a n d g e n o m m e n wird, so daß also v o n v o r n h e r e i n mit der Möglichkeit der H a f t b a r m a c h u n g e i n e s N i c h t - T ä t e r s gerechnet wird. Das ist der einzigartige Fall des 2. Satzes im 1. Absatz des § 830 (vgl. u n t e n § 65 IIa Ziff. 2).

II. Das Erfordernis der V e r l e t z u n g e i n e s u n t e r R e c h t s s c h u t z s t e h e n d e n G u t e s (oben 3) bringt zwar § 8231 selbst zunächst durch Aufzählung einzelner elementarer Rechtsgüter sehr anschaulich zum Ausdruck. Aber er fügt dann die gefährliche, unter den Juristen fast berüchtigte Klausel „oder ein sonstiges Recht" bei. Zudem folgen dem § 823 andere Paragraphen, die wieder andere Güter unter Rechtsschutz stellen. Hier also wird der Jurist wohl oder übel in K a s u i s t i k hineingezogen. Vgl. nachfolgend § 64. III. D a s V e r s c h u l d u n g s p r i n z i p . a) F r a g e s t e l l u n g . Schon unter I ist gezeigt worden, daß nicht jeder Beliebige für den Ersatz eines Schadens herausgegriffen

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§ 63 lila. Veranlassungsprinzip und Verschuldungsprinzip

werden kann, sondern nur der T ä t e r , oder, wie er auch genannt wird, der V e r u r s a c h e r oder V e r a n l a s s e r . Aber es fragt sich nun, ob dieses o b j e k t i v e Kriterium genügt, oder ob man außerdem noch ein s u b j e k t i v e s Kriterium verlangen muß, nämlich die S c h u l d , oder besser: das V e r s c h u l d e n . Diese Frage beschäftigt die Juristen seit vielen Jahrhunderten. Theoretisch zugespitzt lautet sie dahin: S o l l d a s V e r a n l a s s u n g s p r i n z i p o d e r d a s V e r s c h u l d u n g s p r i n z i p g e l t e n ? In erster Linie ist natürlich der Gesetzgeber berufen, dazu Stellung zu nehmen (b). 1. Das V e r a n l a s s u n g s p r i n z i p begnügt sich mit einer o b j e k t i v e n Unterlage. Der tatsächliche Zusammenhang zwischen Tat und Täter, die „bloße" Veranlassung, die bloße Verursachung (daher von manchen auch Verursachungs- oder Kausalitätsprinzip genannt) genügt, um ihn haftpflichtig zu machen. Ob er die Tat gewollt hat, oder ob er selber ahnungslos war, oder ob von irgendeinem ethischen Standpunkt aus seine Tat verständlich und „entschuldbar" erscheint, ist gleichgültig. Hat ein Jäger eine Beerensammlerin angeschossen, hat ein Überfallener durch seinen Verteidigungsschuß, der den Räuber nicht traf, einen fernstehenden Unbeteiligten getroffen, so reicht nach dem Veranlassungsprinzip dieses bloße Faktum aus, um die Schadensersatzpflicht zu begründen. Eine Entlastung gibt es nicht. Wer die Tat getan hat, muß die Folgen tragen. — Dies ein naiver, kerniger, ursprünglicher Standpunkt. In der Tat beherrscht er das Recht auf seinen ältesten Entwicklungsstufen. Im alten germanischen Recht mußte das Wehrgeld zahlen, auch wer in Notwehr oder in geistiger Umnachtung getötet hatte. 2. Demgegenüber verlangt das V e r s c h u l d u n g s p r i n z i p außer (!) der Verursachung durch den in Anspruch genommenen noch einen s u b j e k t i v e n Zusammenhang: er muß auch „schuld" sein an der Tat; man muß ihm aus der Tat einen Vorwurf machen können. Zweifellos bedeutet das eine Verfeinerung. Ihre Entwicklung ist von den Römern vollzogen worden, insbesondere auch die Abstufung in Schuldgrade, in V o r s a t z und F a h r l ä s s i g k e i t (oben § 19 II). Danach haftet also der Jäger nicht schon aus dem Schuß als solchem, sondern es muß erst geprüft werden, ob ihm dabei eine Fahrlässigkeit, ein „ V e r s c h u l d e n " unterlaufen ist. Eine weitere Entwicklung kann dann dazu führen, daß ganze Summen von Tatbeständen auf einmal aus der Ersatzpflichtigkeit ausgeschieden werden, weil man bei ihnen generell eine „Schuld" verneinen muß, wie etwa bei den jugendlichen Personen (nachfolgend c).

§ 63 Illb. Verschuldungsprinzip

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3. B e i d e S y s t e m e haben ihren W e r t . Das Veranlassungsprinzip ist schneidiger, es packt fester zu, es stellt sich deutlicher auf die Seite des G e s c h ä d i g t e n und kann insofern „sozialer" sein, als das Verschuldungsprinzip. Dieses erhebt dagegen den Anspruch „gerechter" zu sein, weil es nicht auf die mechanische Verknüpfung durch den bloßen körperlichen Verursachungsvorgang abstellt, sondern den Täter „wertet"; es ist also f ü r den S c h ä d i g e r günstiger. Der Zug der historischen Entwicklung ging vom Veranlassungs- zum Verschuldungsprinzip. Nun ist aber gerade in den letzten Jahrzehnten wieder ein beachtenswerter R ü c k s c h l a g n a c h d e r S e i t e d e s V e r a n l a s s u n g s p r i n z i p s eingetreten. Man versteht ihn am besten, wenn man nach Bevölkerungsschichten denkt und die vollständige Umgestaltung unseres Verkehrswesens hinzunimmt. Da ergibt sich nämlich, daß gewisse Sorten von Schädigungen von sehr mächtigen Wirtschaftsfaktoren ausgehen, denen die übrige Bevölkerung ziemlich machtlos gegenübersteht. Das sinnfälligste Beispiel bietet der E i s e n b a h n v e r k e h r mit seinen Unfällen. Wollte man hier das Verschuldungsprinzip gelten lassen, so blieben die Verletzten in der großen Masse der Fälle ersatzlos. Dem stellt sich das Empfinden gegenüber: wer solche mächtigen, dabei gefährlichen Verkehrsmittel in der Hand hat wie E i s e n b a h n e n , F a b r i k e n , A u t o m o b i l e , der muß auch die Haftung f ü r jeden Schaden, nicht bloß den verschuldeten übernehmen, das Gegenteil wäre „ u n s o z i a l " . So hat sich eine bestimmte Gruppe von Tatbeständen gebildet, bei denen eben doch f ü r die bloße V e r a n l a s s u n g gehaftet wird. Um aber diese Ausnahmen zugleich auf ihren letzten Grund zurückzuführen, und dadurch erklärlicher zu machen, liebt es die Theorie, doch nicht auf das nackte „Veranlassungsprinzip" zurückzugreifen, sondern spricht hier — als wäre das ein 3. Prinzip — von G e f ä h r d u n g s h a f t u n g . Vgl. schon § 13 V. b) D a s B ü r g e r l i c h e G e s e t z b u c h hat sich grundsätzlich auf das V e r s c h u l d u n g s p r i n z i p festgelegt (oben § 13 IV). Dabei läßt es durchaus überwiegend f ü r beide Schuldgrade (Vorsatz und Fahrlässigkeit) haften, so gleich in dem praktisch häufigsten § 823. Mitunter aber tritt n u r bei Vorsatz eine Haftung ein, so daß der bloß Fahrlässige haftfrei ausgeht; so in dem wichtigen § 826 (unten § 64IV). Für den Geschädigten tritt noch erschwerend hinzu, daß er (grundsätzlich) auch die Schuld des Gegners b e w e i s e n muß. Immerhin kennt das BGB. einige A u s n a h m e n vom Verschuldungsprinzip, so bei der Tierhalterhaftung (§ 833; unten § 64

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§ 63 Illb 1. Reichshaftpflichtgesetz

Ve) und beim Wildschaden (§ 835; unten § 64 Vf: inzwischen Jagdges. von 1934). Ferner hat es im Zusammenhang mit der Lehre von der Zurechnungsfähigkeit eine ganz eigenartige, zwischen dem Veranlassungsprinzip und dem Verschuldungsprinzip stehende Regelung getroffen, die man als das P r i n z i p d e r k o n k r e t e n B i l l i g k e i t bezeichnen könnte (nachfolgend c3). Vor allem aber ist die bloße Veranlassungshaftung (verkleidet als „Gefährdungshaftung") in S o n d e r g e s e t z e n über Eisenbahnwesen, Fabrikunternehmungen, Kraftwagenverkehr usw. anerkannt worden. Es k o m m e n hauptsächlich in Frage 1. das R e i c h s h a f t p f l i c h t g e s e t z (voller Titel: Ges. betr. die Verbindlichkeit zum Schadensersatz f ü r die beim Betriebe von Eisenbahnen, Bergwerken, Steinbrüchen, Gräbereien und Fabriken herbeigeführten T ö t u n g e n und Körperverletzungen) vom 7. J u n i 1871 (inzwischen etwas geändert und erweitert; so 1896 durch das EG. z. BGB. Art. 42, zuletzt durch das Ges. vom 15.8. 1943, RGBl. I 489). Danach h a f t e n vor allem E i s e n b a h n u n t e r n e h m u n g e n für den Tod oder Körperverletzungen, soweit ursächlicher Z u s a m m e n h a n g mit den Betriebsgefahren vorliegt; W e g f a l l der Haftung bei „ h ö h e r e r Gewalt" (oben § 19 IIc) oder Selbstverschulden. Zu den //Eisenbahnen" gehören auch die Straßenbahnen (jede Schienenanlage), auch Schwebebahnen. Begrenzung der Haftung bis zu einer J a h r e s r e n t e von 15 000 Mk. durch den am 8. 12. 1939 e i n g e f ü g t e n § 7 a. — Einbeziehung der „Anlagen zur Fortleitung oder A b g a b e v o n E l e k t r i z i t ä t oder G a s " durch Ges. v. 15.8.1943. Beispiel: Reißen eines Drahts einer Hochspannungsleitung, Vieh auf der W e i d e oder ein Mensch w e r d e n durch Berührung mit dem Draht getötet. Haftpflicht des Unternehmens, ohne daß ein Verschulden" nachgewiesen w e r d e n müßte. Aus der v o r a n g e g a n g e n e n Gerichtspraxis: RG. B. 147 S. 393ff. (aus dem J a h r 1935). — Wichtige Erweiterung der E i s e n b a h n h a f t u n g auch auf S a c h s c h ä d e n durch Ges v. 29.4.1940 (RGBl. I 691). W i e d e r u m „Gefährdungshaftung", also ohne Verschulden. Aber w i e d e r u m auch Ausschluß der H a f t u n g bei höherer Gewalt; ferner bei Eintritt des Unfalls im Raum „einer öffentlichen Straße" (Straßenbahn), w e n n der Schaden „durch ein u n a b w e n d b a r e s Ereignis v e r u r s a c h t ist, das w e d e r auf einem Fehler in der Beschaffenheit der Fahrzeuge oder der A n l a g e n der Eisenbahn oder der Straßenbahn noch auf einem Versagen ihrer Verrichtungen beruht". Eigenes Verschulden des Geschädigten nach § 254 BGB. (oben § 14 IVa) zu beurteilen. Höchstgrenze 15 000 Mk. Bedenklicher, aber ökonomisch verständlicher Zusatz: „Sind auf Grund desselben Ereignisses an m e h r e r e P e r s o n e n Entschädigungen zu leisten, die insgesamt den Höchstbetrag von 15 000 Mk. übersteigen, so v e r r i n g e r n sich die einzelnen Entschädigungen in dem Verhältnis, in dem ihr Gesamtbetrag zu dem Höchstbetrag steht". A u s d e h n u n g der H a f t u n g auf H a n d g e p ä c k und Sachen, „die ein Fahrgast an sich trägt" (insbesondere Kleidung), durch w e i t e r e V. v. 6. 5. 1941 (I 252). — Dies alles als ein S c h u l b e i s p i e l f ü r d i e w a c h s e n d e V e r f e i n e r u n g des Haftungssystems.

§ 63 IIIc. Zurechnungsfähigkeit

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2. Das Reichsgesetz über den Verkehr mit Kraftwagen ( A u t o m o b i l h a f t p f l i c h t ) vom 3. Mai 1909 (inzwischen mehrfach geändert). Es stellt (§ 7) eine sehr verklausulierte, stark abgemilderte Gefährdungshaftung für Personen- und Sachschaden auf. Im Mittelpunkte steht, daß der Automobilhalter unbedingt einzustehen hat für „ F e h l e r i n d e r B e s c h a f f e n h e i t d e s F a h r z e u g s " und für ein „V e r s a g e n s e i n e r V o r r i c h t u n g e n". Außerhalb dieses Rahmens kann er sich durch den Nachweis decken, daß der Unfall „ d u r c h e i n u n a b w e n d b a r e s E r e i g n i s verursacht" worden ist, oder daß der Unfall gar nicht „ b e i d e m B e t r i e b e des Kraftfahrzeugs" entstanden ist. Dazu treten noch weitere, merkliche Einschränkungen, namentlich kann auch hier M i t v e r s c h u l d e n d e s G e s c h ä d i g t e n nach § 254 BGB. Entlastung bringen. Überdies bestehen gesetzlich festgelegte H ö c h s t s u m m e n , über die hinaus nur bei Verschulden, und dann nach den allgemeinen Regeln des BGB. (wichtig § 278) gehaftet wird. — H a f t p f l i c h t i g in erster Linie der „ H a l t e r " d e s F a h r z e u g e s , neben ihm der Fahrzeugführer, dieser aber nur bei Verschulden (§ 18). Sondervorschriften für Schwarzfahrten, für Lastautos usw. 3. D a s L u f t v e r k e h r s g e s e t z v . 21. 8. 1936 (RGBl. I 653; frühere Fassung 1922) regelt im II. Abschnitt (§§ 19ff.) eingehend die Haftpflicht des Halters von Flugzeugen bei Unfällen sowohl für Personen- wie für Sachschaden. Auch hier Mitverschulden nach § 254 BGB., Höchstgrenzen (bis 300 000 Mk.) mit Zerlegung in Personen- und Sachschäden, und weitere Berechnungsvorschriften. 4. Die Haftung des Unternehmers bei F a b r i k e n u n d ä h n l i c h e n B e t r i e b e n (vgl. oben 1 den Titel des Gesetzes) war anfänglich ausschließlich in §§ 2 ff. des R e i c h s h a f t p f l i c h t g e s e t z e s von 1871 neben der Eisenbahnhaftung geregelt (Änderungen s. oben 1). Eine grundlegende Verschiebung brachte die S o z i a l v e r s i c h e r u n g (vgl. bereits oben § 43 IfJ: RVersicherungsO., Fassung v. 9. 1. 1926 (19 ff.). Darin III. Buch: Unfallversicherung. Seitdem deckt den Schaden die zuständige Berufsgenossenschaft. Der U n t e r n e h m e r oder seine Bevollmächtigten und Repräsentanten haften (und dann nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts) „nur dann, wenn strafgerichtlich festgestellt worden ist, daß sie den Unfall v o r s ä t z l i c h herbeigeführt haben (RVO. §§ 898f). c) D i e Z u r e c h n u n g s f ä h i g k e i t . Ob den Täter w i r k l i c h eine S c h u l d trifft, hängt v o n dem konkreten Fall ab. D i e Entscheidung kann sehr schwierig sein, z. B. die A n t w o r t auf die Frage, ob ein Kutscher beim Überfahren eines Kindes „fahrlässig" gehandelt hat. Für g e w i s s e Lagen hat n u n der Gesetzgeber durch eine G e n e r a l r e g e l Stellung' zu der Schuldfrage g e n o m m e n , so daß in diesen F ä l l e n eine besondere Untersuchung u n d Würdigung nicht mehr nötig (ja sogar unzulässig) ist. Natürlich übernimmt damit der Gesetzgeber ein großes Maß v o n Verantwortung. Deshalb ist er sehr vorsichtig zu Werke gegangen. 1. Das zeigt am deutlichsten die A u f s t e l l u n g der-drei stufen.

Alters-

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§ 63 IIIc. Zurechnungsfähigkeit

a) Bei der untersten, b i s 7 J a h r , glaubte man bedenkenlos für alle Einzelfälle jede Schuld verneinen zu dürfen; darum sind diese „Kinder" f ü r ihre unerlaubten Handlungen schlechthin „nicht verantwortlich" (§8281). ß) Bei der obersten, ü b e r 18 J a h r , glaubt man umgekehrt ganz sicher zu sein, daß jedenfalls ,,zu geringes Alter" keinen Entlastungsgrund mehr abgeben könne; darum kommt es hier uneingeschränkt zur Haftung. y) Aber nun blieb die Mittelstufe, 7 b i s 18 J a h r . Hier sah man sich genötigt, eben doch wieder auf eine a l l g e m e i n e Regel, sei es im haftungsbejahenden, sei es im haftungsverneinenden Sinne, zu verzichten. Statt dessen entscheidet Würdigung des E i n z e l 'f a 1.1 s : nur dann bleibt der „ J u g e n d l i c h e " haftfrei, wenn ihm „die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht" gefehlt hat (§ 828 II). Ähnlich im S t r a f r e c h t . Kinder sind gänzlich straffrei, ein Jugendlicher nur, „wenn er zur Zeit der Tat nach seiner geistigen oder sittlichen Entwicklung unfähig war, das Ungesetzliche der Tat einzusehen oder seinen Willen dieser Einsicht gemäß zu bestimmen" (früher StrGB. §§ 55, 56, jetzt statt dessen Jugendgeric'htsges. vom 16. Februar 1923). Beachtenswerter Unterschied in der unteren Zahlengrenze: Kindheit reicht hier bis zum 14. Jahr. — Umgekehrt ist innerhalb des Zivilrechts hinsichtlich der o b e r e n Zahlengrenze ein wichtiger Unterschied anzumerken: die volle G e s c h ä f t s f ä h i g k e i t wird erst mit 21 Jahren (§ 2 BGB.), die volle D e l i k t s f ä h i g k e i t schon mit 18 Jahren erreicht.

2. G e i s t i g e S t ö r u n g e n sind ebenfalls unter allgemeine Regeln gebracht. Besonders kennzeichnend ist dabei die Behandlung selbstverschuldeter T r u n k e n h e i t . Näheres in § 827. T a u b s t u m m e stehen Jugendlichen gleich (§ 828 II 2). 3. Dieses ganze System der Entlastung bestimmter Personengruppen wird nun aber durchkreuzt durch die eigenartige, das „System" des BGB. jäh durchbrechende B i 11 i g k e i t s r e g e l d e s § 8 2 9 . Hier wird das in aller Klarheit zugrunde gelegte Verschuldungsprinzip wieder umgestoßen und eine merkliche Annäherung an das Haften aus bloßer Verursachung vollzogen. Kinder, unreife Jugendliche, Geisteskranke, Bewußtlose können danach nämlich doch haftbar gemacht werden, obwohl eine „Schuld" eben wegen ihres Zustandes nicht gegeben ist. Die Entscheidung hängt davon ab, ob „die Billigkeit nach den Umständen, i n s b e s o n d e r e n a c h d e n V e r h ä l t n i s s e n d e r B e t e i l i g t e n , eine Schadloshaltung erfordert." Wurzel des Gedankens im N a t u r r e c h t . Ansätze schon im Preuß. Landrecht von 1794 und im Österreich. Allgem. BGB. von 1811. Während

§ 63 Illd. Mitverschulden; IV. Rechtswidrigkeit

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des ganzen 19. J a h r h u n d e r t s Erwägungen ähnlicher Art im deutschen und schweizerischen Partikularrecht. Allgemeine A n e r k e n n u n g im schweizerischen Obligationenrecht v o n 1881 (Art. 58: „Aus Rücksichten der Billigkeit k a n n der Richter a u s n a h m s w e i s e auch eine nicht zurechnungsfähige Person, welche einen Schaden verursacht hat, zu teilweisem oder vollständigem Ersätze verurteilen"). In der Entstehungszeit des deutschen BGB. herrschte Streit. Der I. Entwurf verwarf eine solche, dem (römischen) Verschuldensprinzip zuwiderlaufende Regel. Umgekehrt verallgemeinerte der II. Entwurf den G e d a n k e n über die T a t b e s t ä n d e der Jugendlichkeit und geistigen Störung hinaus und wollte in j e d e m Falle, wo ein Schadensersatzanspruch am Fehlen einer Schuld an sich scheitern w ü r d e (bloße Veranlassung), aus Billigkeitsgründen doch den Richter zur Zusprechung des Schadensersatzes ermächtigen. Dies ist indessen nicht Gesetz geworden. Die V e r w e r t u n g des § 829 wird in den meisten Fällen von den V e r m ö g e n s v e r h ä l t n i s s e n ausgehen: der reiche geisteskranke Täter haftet dem armen Geschädigten. Man hat d a r a u f h i n geradezu den Satz geprägt: „Richesse oblige". In der Tat liegt hier ein Stück s o z i a l e n A u s g l e i c h s . Doch leidet die Bestimmung unter wichtigen E i n s c h r ä n k u n g e n . Erst kommt d i e p r i m ä r e H a f t u n g d e s A u f s i c h t s p f l i c h t i g e n : hat der arme Hauslehrer den übel v e r a n l a g t e n Millionärssohn nicht genügend beaufsichtigt und deshalb nicht an einer Brandstiftung verhindert, so h a f t e t er, der Millionärssohn ist frei. Zudem hat oft der Millionärssohn noch kein selbständiges Vermögen, das Geld ist noch beim Vater, der aber ist (weil nicht Täter) unangreifbar. Empfehlenswert ist dann im Prozeßfalle ein V e r g l e i c h (oben § 58) unter Einbeziehung des Vaters als Vertragspartei. — Schwieriges Problem: s p ä t e r e Ä n d e r u n g d e r „ V e r h ä l t n i s s e " : erst nach J a h r e n wird z.B. der Geschädigte arm, der Schädiger plötzlich w o h l h a b e n d — oder umgekehrt.

d) M i t v e r s c h u l d e n d e s B e s c h ä d i g t e n (culpa 'con^ currens) spielt im Bereich der unerlaubten Handlungen eine noch größere Rolle als innerhalb des Vertragsrechts. Kaum ein Straßenunfall ereignet sich, ohne daß die Beteiligten es wenigstens versuchen, sich wechselseitig die Schuld zuzuschieben. Alles Nähere bereits §14IVa. IV. D a s E r f o r d e r n i s d e r W i d e r r e c h t l i c h k e i t . Dieses letzte Erfordernis könnte fast als so selbstverständlich erscheinen, •daß es einer Erwähnung im Gesetzestexte gar nicht bedürfte. Wenn jemand einem anderen ein Auge ausschlägt, einen Sapziergänger überfährt, ein Mädchen vergewaltigt, so erscheint das alles ohne weiteres als rechtswidrig. In der Tat bekommt dieses Erfordernis greifbare Gestalt erst, wenn man sich vergegenwärtigt, daß eben doch i n A u s n a h m e f ä l l e n das schädigende Vorgehen r e c h t s g e m ä ß oder wenigstens r e c h t l i c h e r l a u b t sein kann. Dann nämlich fällt die Schadensersatzpflicht fort. 23 H e d e m a n n , Scbnldrecht, 3. Aufl.

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§ 64 I. Die einzelnen Deliktstatbestände

a) Nicht widerrechtlich handelt, wer in N o t w e h r (§ 227), N o t s t a n d (§ 228) oder im Rahmen erlaubter S e l b s t h i l f e (§§229, 859) handelt. b) Nicht widerrechtlich handelt, wer auf Grund ö f f e n t l i c h e n R e c h t s zum Handeln befugt oder sogar verpflichtet ist, wie z. B. der Polizeibeamte, der Gerichtsvollzieher. c) Nicht widerrechtlich handelt, wer die E i n w i l l i g u n g d e s V e r l e t z t e n besitzt, wie z B. der Arzt, der dem Patienten zwecks Operation die Bauchhöhle öffnet. — Vgl. RG. Bd. 163 S. 137 (fehlende Einwilligung). Doch kann die Tat als s o l c h e rechtlich verboten sein, z. B. die Tötung eines Menschen. Dann befreit auch die Einwilligung nicht von der Schadensersatzpflicht, die hier etwa den Hinterbliebenen gegenüber bestehen kann (§ 844 II).

d) Wenn jemandem durch „ U n t e r l a s s e n " eines anderen ein Schaden entstanden ist, kann von Widerrechtlichkeit nur gesprochen werden, falls nach der Rechtsordnung der andere zum H a n d e l n verpflichtet gewesen wäre. Vgl. aus der Praxis: RG. Bd. 97 S. 12.

§ 64. Unerlaubte Handlungen 3. Die einzelnen Deliktstatbestände I. Ü b e r b l i c k . Schon oben (§62 V I ) ist festgestellt worden, daß das BGB. k e i n e a l l g e m e i n e F o r m e l f ü r die unter Schadensersatzpflicht gestellten Rechtslagen aufgestellt, sondern e i n z e l n e T a t b e s t ä n d e aneinander gereiht hat, die einen Schadensersatzanspruch erschließen sollen. Außerhalb dieser eigens ins Gesetz aufgenommenen Deliktsgruppen gibt es daher keine Schadensersatzanspruch, dort muß der Geschädigte den Schaden selber tragen gleichwie bei einem Unfall (casus a nullo praestantur, oben § 13 I). Es wird auf diese Weise ein gewisses Maß von B e w e g u n g s f r e i h e i t gewährleistet. Auf Schritt und Tritt von der Gefahr begleitet sein, sich irgendwem schadensersatzpflichtig zu machen, lähmt den Menschen und mindert die Freude am gesellschaftlichen Dasein. Im übrigen ist der Raum, den die mehreren Deliktsgruppen bedecken, überaus groß. Eine fast unübersehbare Judikatur, ein M e e r v o n K a s u i s t i k ist aus ihnen hervorgegangen. Niemand hat in den Jahren, da an dem BGB. gearbeitet wurde, .auch nur annähernd eine solche Entfaltung geahnt. Die Beispiele, die man damals etwa f ü r die Gruppe der Schutzgesetze (unten III) oder zum § 826 (unten IV) aufgeworfen hat, lassen diese Ahnungslosigkeit

§ 64 II. Leben, Körper, Gesundheit usw.

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deutlich erkennen. Dabei geht noch heute die E n t w i c k l u n g s t e n d e n z trotz mancher Hemmungsversuche der oberen Gerichtshöfe auf eine s t ä n d i g e E r w e i t e r u n g des durch Schadensersatzverpflichtung „gedeckten" Raumes. 1. Sehr beachtenswert ist auch, daß d i e m e h r e r e n G r u p p e n e i n a n d e r e r g ä n z e n . Fehlt es an einer Stelle an Schutz, so w ä c h s t er rasch an anderer Stelle hervor. W e r d e n z. B. die E h r e oder der B e s i t z aus dem Kreise der „gefestigten" Rechtsgüter (II) ausgewiesen, so e m p f a n g e n sie genügende Deckung unter dem Zeichen von „Schutzgesetzen" (III). Und die A r b e i t s k r a f t , deren Schutzlosigkeit im Rahmen des § 823 mit Recht getadelt worden ist (vgl. § 6 2 V 2 ) , wird wenigstens durch § 826 (unten IV) in gewissem Umfang der Schadensersatzmöglichkeit zugeführt. 2. Dazu kommt, daß eine ganze Reihe a n d e r e r G e s e t z e w e i t e r e Deliktstatbestände aufgestellt und unter Schadensersatzpflicht g e b r a c h t haben. So jene schon b e h a n d e l t e n Sondergesetze, die das Prinzip der G e f ä h r d u n g s h a f t u n g angenommen h a b e n (§ 63 III b Ziff. lff.). Weit mehr noch Sondergesetze, die dem Normalprinzip des Verschuldens gefolgt sind. So namentlich die Gesetze, die das sog. geistige Eigentum unter Schutz stellen: das P a t e n t g e s e t z , das Warenzeichens c h u t z g e s e t z , das G e b r a u c h s m u s t e r s c h u t z g e s e t z , die beiden U r h e b e r r e c h t s g e s e t z e usw. In allen diesen Fällen ist d i e a l l g e m e i n e D o g m a t i k des BGB. a n w e n d b a r . J e d o c h nur, soweit die Sondergesetze nicht davon abweichen. W e n n z.B. das Patentgesetz vom 5.5.1936 (RGBl. II 117) im § 4 7 die Schadensersatzpflicht bei einer Patentverletzung im Falle nur leichter Fahrlässigkeit einschränkt, so bewendet es natürlich bei dieser besonderen Regelung.

Die Deliktstatbestände des BGB. lassen sich gegeneinander abstufen und gruppieren. Es sind 3 H a u p t t a t b e s t ä n d e gegeben: die Verletzung der sog. geschlossenen Rechtsgüter (II), der Verstoß gegen Schutzgesetze (III) und die Schädigung gegen die guten Sitten (IV). Unter diesen drei ragt wieder der erste über die anderen hinaus. Von 100 Deliktsfällen werden 99 auf ihn kommen. Der letzte der drei ist aber auch sehr bedeutend, weil er e r g ä n z e n d eingreift, wo alle anderen Tatbestände versagen. An die 3 Haupttatbestände schließen sich dann noch einige S o n d e r t a t b e s t ä n d e an (V). II. D e r S c h u t z d e r g e s c h l o s s e n e n Rechtsgüter. Sitz dieser Gruppe ist der A b s . I d e s § 8 2 3. Der Text zählt einzeln auf: L e b e n , K ö r p e r , G e s u n d h e i t , Freiheit. E i g e n t u m . Aber nun fügt der Text noch die außerordentlich farblose und darum vielsagende Formel bei „oder ein sonstiges Recht". Um diese Worte geht ein lebhafter Streit. Was ist ein „ s o n s t i g e s R e c h t " im Sinne dieser Gesetzesstelle? Aus einem gewissen Instinkt wehrt sich die Praxis gegen ein Zuviel an solchen scha^

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§ 64 IIa. Die gschlossenen Rechtsgüter

densersatzpflichtigen „Rechten"; namentlich hält das R e i c h s g e r i c h t mit ziemlicher Zähigkeit daran fest, nur stabile, jenen namentlich aufgezählten traditionellen Rechtsgütern gleichsam e b e n b ü r t i g e Erscheinungen in den Bereich des Abs. I aufzunehmen. Immerhin ist es bereits zur gefestigten Anerkennung mehrerer „sonstiger Rechte" gekommen. a) Die T h e o r i e muß sich zunächst mit einer s p r a c h l i c h e n Schwierigkeit auseinandersetzen. Der Gesetzgeber h a t sie kaum beachtet, noch viel weniger sie absichtlich eingeführt, die Wissenschaftler dagegen haben sie offenbar zu ernst genommen und übermäßig viel hinter ihr gesucht. Es leuchtet ein, daß nach gewöhnlichem Sprachgebrauch der „Körper" des Menschen oder die „Gesundheit" eines Menschen keine „Rechte"' sind. Es kann höchstens von einem Recht a m Körper oder einem Recht a u f Gesundheit gesprochen werden. Für sich selbst ein „Recht" ist nur das an letzter Stelle aufgezählte Eigentum. So bleibt nur eine doppelte Möglichkeit: E n t w e d e r wird eben doch das Wort „Recht" f ü r den Zusammenhang des § 823 I in einem besonderen, viel weiter reichenden Sinne, etwa im Sinne von „rechtlich geschützten Gütern" aufgefaßt. O d e r der wichtige Zusatz „oder ein sonstiges Recht" wird n u r auf das unmittelbar vorangehende Eigentum als Vergleichsgröße bezogen. Das letztere ist herrschende Lehre. Sie ist namentlich vom R e i c h s g e r i c h t schon bald nach Inktrafttreten und dann wiederholt in einer größeren Zahl von Entscheidungen vertreten worden (z. B. Bd. 51 S. 37: „Der Ausdruck sonstige Rechte, muß, solange nicht ein Anderes aus dem Gesetze selbst zu entnehmen ist, in der juristischen Bedeutung von wirklichen subjektiven Rechten verstanden werden", oder Bd. 58 S. 28: „Die Ansicht, daß der Gesetzgeber die von ihm aufgeführten Güter, als Leben, Körper, Gesundheit und Freiheit, selbst zu Gegenständen eines besonderen daran bestehenden Rechtes habe erheben und durch die Worte oder ein sonstiges Recht seinen Schutz über die ausdrücklich genannten hinaus noch auf andere derartige Lebensgüter habe ausdehnen wollen, hat in der Rechtsprechung des Reichsgerichts keinen Anklang gefunden"). Danach muß also zwischen sog. „L e b e n s g ü t e r n" einerseits und „ s u b j e k t i v e n R e c h t e n " andererseits ein Trennungsstrich gezogen werden. Von den Lebensgütern sind nur die 4 ausdrücklich aufgezählten geschützt. Von den subjektiven Rechten dagegen, wie ma.. nun annehmen könnte, a l l e . Aber damit ist durchaus noch nicht das letzte Wort gesprochen. 1. Zunächst ist eine neue E r w e i t e r u n g , die doch wieder zu den „Lebensgütern" zurückkehrt, von einigen Theoretikern versucht worden. Sie wollen nämlich ein „ a l l g e m e i n e s Persönlichkeits-

§ 64 IIb. Die geschlossenen Rechtsgüter

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r e c h t " des Menschen autstellen und fühlen sich damit in die Lage versetzt, allerlei andere Lebensgüter, vor allem die E h r e (s. im folgenden), damit zu decken und wieder in den Rechtskreis des § 8231 hineinzubringen. Das ist a b z u l e h n e n . So auch schon früh mehrfach das RG., u. a. Bd. 56 S. 275 (1902). 2. Andererseits hat sich eine w e i t e t e E i n e n g u n g als nötig erwiesen. „Subjektive Rechte" gibt es so viele, daß, sie alle in den Schutzkreis des § 823 I einbeziehen, eine Überschwemmung mit Schadensersatzansprüchen aus dieser Gesetzesstelle bedeuten würde. Darum hat die Theorie (herrschende Lehre) an dem besonderen C h a r a k t e r des E i g e n t u m s Anlehnung gesucht und, in verschiedenen W e n d u n g e n , nur „ e i g e n t u m s ä h n l i c h e " Rechte als „sonstige" Rechte i. S. des § 823 I anerkannt. Dabei h a t der a b s o l u t e Charakter des Eigentums als besonderer Anhalt gedient, vor allem nach der negativen Seite' hin: Nicht-absolute (bloß „relative") Rechte seien auszuscheiden, so vor allem alle bloßen obligatorischen F o r d e r u n g s r e c h t e (s. sogleich im folgenden).

b) Auf der so bereinigten theoretischen Grundlage ist die P r a x i s zu folgenden bemerkenswerten Einzelerkenntnissen gelangt: 1. Zunächst einmal sind, w a s nur vereinzelt bestritten ist, die bloßen o b l i g a t o r i s c h e n P o s i t i o n e n , also die Forderungsrechte, auszuscheiden (RG. Bd. 111 S.302). Wer einem Käufer die gekaufte, aber noch nicht ausgelieferte W a r e wegfängt, indem er den Verkäufer durch ein weit höheres Gebot vom ersten Kauf ablockt, schädigt allerdings den 1. Käufer, aber das „Recht" des 1. Käufers besteht nur in seiner schuldrechtlichen Beziehung zu dem (treulosen, seinerseits haftbaren) Verkäufer, das ist kein ebenbürtiges Recht neben dem Eigentum und neben j e n e n 4 großen Lebensgütern. Neuerdings tritt freilich eine Strömung immer deutlicher hervor, die die V e r l e i t u n g z u m V e r t r a g s b r u c h (durch den Dritten) auf dem Umweg über § 826 doch in besonders schweren Fällen mit einer Schadensersatzpflicht treffen will. 2. Unter den verbleibenden „ d i n g l i c h e n " (absoluten) Rechtsgütern sind namentlich die einzelnen, etwaigen P e r s ö n l i c h k e i t s r e c h t e heiß umstritten. Sehr zurückhaltend das Reichsgericht. A u f n a h m e der E h r e unter die Rechtsgüter des Abs. I hat es ausdrücklich abgelehnt; s. aber nachfolgend III a. Andererseits konnte der N a m e im Hinblick auf seine ausdrückliche A n e r k e n n u n g als subjektives Recht im § 12 BGB. nicht aus der Reihe der gefestigten Rechtsgüter ausgewiesen werden. Ebenso ist das R e c h t a u f d i e F i r m a unter den Schutz des § 823 I gestellt. 3. Viel besprochen ist ferner die Frage, ob das V e r m ö g e n i n s e i n e r T o t a l i t ä t ein Rechtsgut im Sinne des § 823 I sei. Dies ist zu vern e i n e n (RG. Bd. 95 S. 174). W e g e n Verletzung eines „Rechtsguts" kann nicht Schadensersatz verlangen, wer, etwa durch V e r k ü m m e r u n g der Arbeitsgelegenheit (aber vielleicht wieder § 826), genötigt w o r d e n ist, seine E r s p a r n i s s e aufzuzehren. Dies muß er vielmehr als einen Schicksalsschlag in den Kauf nehmen (vgl. aber sogleich unter III). 4. Allmählich wird sich vielleicht die A r b e i t s k r a f t als selbständiges Rechtsgut neben der Freiheit, der Gesundheit usw. A n e r k e n n u n g

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§ 64 IIc. Eigentumsverletzungen verschaffen. Ein Antrag, sie ausdrücklich in die Reihe der besonders a n e r k a n n t e n Rechtsgüter einzufügen, w u r d e bereits bei der Beratung des BGB. (Sitz, vom 20. J u n i 1896) von der sozialdemokratischen Partei gestellt. Später ist im Schrifttum m e h r f a c h die Behauptung v e r t r e t e n worden, mindestens h a b e sich in der Zwischenzeit die Arbeitskraft juristisch genügend „gefestigt", um in die Reihe der Rechtsgüter des § 823 I aufgenommen zu werden. Die n e u e s t e Gesetzgebung rückt die Arbeitskraft immer schärfer als einen grundlegenden W e r t für das Volksleben heraus (vgl. oben § 45 I d). Man sollte sich nicht scheuen, dies auch auf dem Boden des Schadensersatzrechts anzuerkennen. 5. Der eigenartigste und zweifelhafteste Fall ist der des Eingriffs in den G e w e r b e b e t r i e b eines anderen. An sich ist das Recht, sich im gewerblichen Leben zu betätigen, kein echtes subjektives Recht. Auch unter dem Zeichen der „Freiheit" läßt es sich schwerlich dem § 823 I einverleiben. Doch aber h a t das R e i c h s g e r i c h t in wesentlich v e r e n g e r t e n Grenzen einen Schutz aus § 8231 gewährt. Es hat nämlich den „ b e r e i t s e i n g e r i c h t e t e n u n d ausgeübten B e t r i e b " in oft wiederholter Rechtsprechung als schutzwürdig erklärt (so Bd. 58 S. 27, Bd. 64 S. 55, Bd. 94 S. 249, zuletzt Bd. 163 S. 32). W e n n daher A dem B vorlügt, B's Betrieb verletze ein Patent des A, und w e n n B, dadurch eingeschüchtert, die erfolgreiche Herstellung des betreffenden Artikels einstellt, so hat A in den Gewerbebetrieb des B schädigend i. S. von § 823 I eingegriffen. Doch ist n u n wieder der Begriff des „Eingriffs" eng auszulegen. W e n n z. B. eine Bevölkerungsgruppe die Einwohner einer Stadt durch Flugblätter auffordert, in bestimmten Geschäften nicht zu k a u f e n (Boykott), so k a n n das vielleicht unter § 826 fallen, nicht aber stellt es einen „Eingriff in einen eingerichteten Gew e r b e b e t r i e b " i. S. der geschilderten Gerichtspraxis dar.

c) Der E i g e n t u m s v e r l e t z u n g , dem an sich klarsten Fall des § 8231, wird ein erhebliches Stück Boden durch die K o n k u r r e n z e i n e s a n d e r e n A n s p r u c h s entzogen. Alle Fälle, wo ein B e s i t z e r das Eigentum eines anderen beschädigt, sind ausführlich in den §§ 989ff. (d. h. im Rahmen der Eigentumsherausgabeklage, rei vindicatio) geregelt. Nach durchaus beherrschender Lehre wird dadurch die (gleichzeitige) Verwertung des § 823 I ausgeschaltet. T h e o r e t i s c h ist das bemerkenswert, da hier —• entgegen sonstiger Weitherzigkeit (oben § 61 V, § 62 II) — eine strenge Methode angewandt wird. P r a k t i s c h g e h ö r e n tausende v o n Fällen hierher, z. B. alle Fälle, wo j e m a n d auf Grund von V e r w e c h s l u n g e n oder als Verwahrer, Mieter usw. fremde Sachen besessen und dabei beschädigt hat. Die F e r n h a l t u n g des Deliktsrechts fällt deutlich ins Gewicht, wenn der Betreffende eine fremde Sache besessen, und w e n n seine Nichtkenntnis des f r e m d e n Eigentums nur auf l e i c h t e r Fahrlässigkeit beruht hat. Dann nämlich war er nach der Eigentumslehre (§ 932 II) noch im „guten G l a u b e n " und braucht deshalb für den Schaden, den er der Sache inzwischen zugefügt hat, n i c h t aufzukommen (argumentum e contrario aus § 990). Könnte dann n e b e n h e r auch das D e 1 i k t s recht angewandt werden, so wäre er haftbar, da das Deliktsrecht die l e i c h t e Fahrlässigkeit n i c h t ausgeschieden hat.

§ 64 Illa. Verstoß gegen Schutzgesetze

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Nicht übersehen w e r d e n darf aber, daß u n t e r g e w i s s e n V o r a u s s e t z u n g e n (§ 992) k r a f t ausdrücklicher gesetzlicher V e r w e i s u n g auch im Rahmen der Auseinandersetzung zwischen geschädigtem Eigentümer und Besitzer d a s D e l i k t s r e c h t h e r a n z u z i e h e n i s t .

III. V e r s t o ß g e g e n S c h u t z g e s e t z e . a) U m f a n g d e s S c h u t z e s . Sitz dieser Gruppe von Fällen ist der A b s . I I d e s § 82 3. Brachte schon Abs. I mit seinem „sonstigen Recht" eine dehnbare Formel, so stoßen wir hier auf einen ausgesprochenen S a m m e l b e g r i f f . Es soll nämlich schlechthin jeder auf Schadensersatz haften, „der gegen ein den Schutz eines Andern bezweckendes Gesetz verstößt". Wer diese Bestimmung zum ersten Male liest, wird geneigt sein, sich die Zahl solcher Schutzgesetze als engbegrenzt vorzustellen. Er wird etwa an das Gesetz gegen den u n l a u t e r e n W e t t b e w e r b , das den anständigen Kaufmann gegen unsaubere Praktiken seines Konkurrenten oder seiner Angestellten (Beispiel oben § 46 Ild) sichern soll, oder an das B a u h a n d w e r k e r s c h u t z g e s e t z (§47V) oder neuerdings an die nach dem Kriege erlassenen Verordnungen zum Schutz der S c h w e r k r i e g s b e s c h ä d i g t e n denken. Aber je länger man überlegt, desto mehr weitet sich der Kreis. Von allen Seiten her strömen Teilstücke der verschiedensten Gesetze, oft nur einzelne Paragraphen herbei, die es mit dem „Schutze eines anderen" zu tun haben, und schließlich liefert sogar das BGB. selbst aus seinem reichen Paragraphenschatz eine ganze Reihe von solchen „Schutzgesetzen" im Sinne des § 823 II. Das wuchtigste Kontingent an Schutzgesetzen liefert natürlich das S t r a f g e s e t z b u c h und mit ihm die vielen strafrechtlichen Nebengesetze. Und hier taucht nun doch auf der Basis der strafrechtlichen Bestimmungen über Beleidigung die E h r e als geschütztes Gut auf (vgl. RG. Bd. 140 S. 395; 142 S. 122; 156 S. 374). Nicht minder erscheint hier d a s V e r m ö g e n a l s s o l c h e s in der Reihe der geschützten W e r t e ; denn unzweifelhaft sind die B e t r u g s p a r a g r a p h e n des StrGB. „den Schutz eines anderen b e z w e c k e n d e s Gesetz". So hat also der Betrogene neben der G e n u g t u u n g einer Bestrafung des Betrügers auch die Möglichkeit, seinen Schaden gegen ihn im W e g e eines Zivilprozesses einzuklagen. Aber auch viel ferner liegende Dinge sind aus dem Bereich des StrGB. in den § 823 II hinübergediehen. So h a t z. B. ein Oberlandesgericht den E h e b r u c h s p a r a g r a p h e n des StrGB. als „Schutzgesetz" angesprochen und daraufhin den Ehebrecher zum Schadensersatz für die nervöse Erkrankung verurteilt, die sich der Ehemann aus A u f r e g u n g über die Untreue seines W e i b e s zugezogen hatte. Eine zweite, geradezu unübersehbare Schicht von Schutzgesetzen liefert das V e r w a l t u n g s r e c h t . Hierher gehört die Fülle der Reglements, welche auf dem Boden der F a b r i k i n s p e k t i o n , der W o h n u n g s h y g i e n e , des S t r a ß e n v e r k e h r s (Streupflicht bei

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§ 64 Illb. V e r s t o ß g e g e n S c h u t z g e s e t z e ; V e r s c h u l d e n Glatteis, T r e p p e n b e l e u c h t u n g ) u n d v i e l e r a n d e r e r A b t e i l u n g e n d e r s o z i a l e n F ü r s o r g e e r w a c h s e n sind u n d täglich n e u e r s t e h e n . W e r also z. B. e n t g e g e n d e n polizeilichen V o r s c h r i f t e n bei G l a t t e i s nicht ges t r e u t hat, h a f t e t d e m A u s g e g l i t t e n e n , — nicht a u s § 823 I, d e n n er h a t nicht d u r c h u n m i t t e l b a r e n Eingriff d e n K ö r p e r des a n d e r e n verletzt, w o h l a b e r a u s § 823 II, w e i l er „gegen ein d e n Schutz eines a n d e r e n b e z w e c k e n d e s Gesetz v e r s t o ß e n hat." A u c h die S o z i a l v e r s i c h e r u n g tritt ins Licht d e r Schutzgesetze. Vgl. Urt. RG. Bd. 138 S. 165ff., d a s u n t e r den K e n n w o r t e n v e r ö f f e n t l i c h t w o r d e n ist: „Sind die s ä m t l i c h e n V o r s c h r i f t e n der §§ 1487 bis 1494 RVO. S c h u t z g e s e t z e im Sinne des § 823 II BGB.? Zu w e s s e n G u n s t e n ? O d e r ist hier zu u n t e r s c h e i d e n " ? Dazu tritt e i n e Fülle w e i t e r e n , in d e n g r o ß e n K o m m e n t a r e n u n d S p r u c h s a m m l u n g e n a u f g e s p e i c h e r t e n M a t e r i a l s . A u s d e m Bereich des BGB. selbst sind e t w a als Beispiel die B e s i t z S c h u t z p a r a g r a p h e n (§ 858) zu e r w ä h n e n , so daß, w e r den Besitzer angreift, sich n i c h t n u r d e s s e n S e l b s t v e r t e i d i g u n g (§ 859) u n d s e i n e K l a g e n auf H e r a u s g a b e (§ 861) oder U n t e r l a s s u n g v o n S t ö r u n g e n (§ 862), s o n d e r n a u c h e i n e S c h a d e n s e r s a t z k l a g e g e f a l l e n l a s s e n muß. D a d u r c h w i r d es gleichzeitig erleichtert, d e n Besitz v o n Abs. I des § 823 f e r n z u h a l t e n , also ihm d e n C h a r a k t e r eines „Rechtes" a b z u s p r e c h e n .

b) Der M a c h t k r e i s der Bestimmung erweitert sich aber noch in ganz anderer Richtung. Es wird nämlich für den Bereich des Abs. II das Erfordernis eines V e r s c h u l d e n s wesentlich verschoben. Im allgemeinen wird dem Täter als Vorsatz oder Fahrlässigkeit nur angerechnet, was er b i s z u m E n d e übersehen hat oder hätte übersehen müssen. Hier dagegen genügt es, wenn d e r b l o ß e V e r s t o ß g e g e n d a s S c h u t z g e s e t z im Vorsatz oder .in der Fahrlässigkeit des Täters gelegen hat (RG. Bd. 66 S. 253). Alles, was sich dann weiter daraus entwickelt, hat er mit zu vertreten, auch wenn er die weiteren Folgen nicht übersehen hat und noch gar nicht übersehen konnte (RG. Bd. 145 S. 116). Eine strenge, im Gesetzestexte nicht ganz klar ausgedrückte Auffassung. N a m e n t l i c h p r a k t i s c h bei d e n S c h u t z b e s t i m m u n g e n d e r G e w e r b e ordnung. Beispiel: K i n d e r a r b e i t in dem b e t r e f f e n d e n Betrieb verboten. T r o t z d e m w i r d ein Kind b e s c h ä f t i g t . Es e r k r a n k t schwer, e t w a i n f o l g e E i n a t m e n s v o n D ä m p f e n . Der U n t e r n e h m e r h a t g e w u ß t , daß er die V o r s c h r i f t d e r G e w O . ü b e r t r a t (Vorsatz). Die F o l g e n k o n n t e er nicht a h n e n (also im Hinblick auf sie n i c h t einmal Fahrlässigkeit). T r o t z d e m v o l l e H a f t u n g auf S c h a d e n s e r s a t z . — S c h w i e r i g e A b s t i m m u n g z u m Prinzip des a d ä q u a t e n Kausalzusammenhanges, das natürlich a u c h h i e r b e i gilt.

c) Gegenüber dieser sonst ins Ungemessene reichenden, täglich durch neue Fälle bereicherten Schutzgesetzidee mußte das B e s t r e b e n n a c h e i n e r B e g r e n z u n g wach werden. Darüber ist es zu folgenden Erwägungen gekommen.

§ 64111c. Verstoß gegen Schutzgesetze; Begrenzung

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1. Sollen n u r „ G e s e t z e " im engeren, verfassungstechnischen Sinne einbezogen werden? Dann würde das ganze Heer der P o l i z e i v e r o r d n u n g e n ausgeschieden sein. Man muß verneinen. Freilich ist scharf darauf zu achten, daß die betreffende Polizeiverordnung auch wirklich die Tendenz eines Schutzgesetzes in sich trägt und nicht etwa bloß eine fiskalische Maßregel (Abwälzung von Lasten auf die Einzelbürger) darstellt. Beispiel: Streuen bei Glatteis (RG. Bd. 102 S. 269).

2. Sollen nur Gesetze einbezogen werden, die auf den Schutz von E i n z e l p e r s o n e n abzielen, oder auch solche, die die G e s a m t h e i t s c h l e c h t h i n zu schützen haben? Hier herrscht viel Unsicherheit. Namentlich schwankt auch die J u d i k a t u r des R e i c h s g e r i c h t s . Bald warnt es vor zu „weiter" Auffassung, bald sagt es, man dürfe die Grenzen „nicht zu eng" ziehen. Man kann auch hier nur zu einer gesunden Lösung gelangen, wenn man von höherer Warte prüft, auf welche Zwecke das umstrittene Gesetz zugeschnitten worden ist, und dann den Gedanken daneben hält, daß der § 823 II eben doch ins P r i v a t r e c h t gehört und die Aufgabe hat, die Kette im Schutz des Einzelinteresses zu schließen. Ergibt sich danach, u m zwei volkstümliche Ausdrücke beispielartig zu verwenden, daß das betreffende Gesetz den „S t a a t" sichern soll, so kommt es f ü r den Bannkreis der privatrechtlichen Schadensersatzlehre nicht in Frage. Soll es dagegen das „P u b 1 i k u m" schützen, so ist damit (vielleicht neben dem Staatsganzen) die Summe der Einzelnen gemeint und darum die Bahn frei f ü r den Schutzgedanken des § 823 II. Wer daher Gefangene befreit, die dann plündernd in die Privathäuser dringen, kann von den Beraubten nicht in den Bahnen des Privatrechts auf Schadensersatz angesprochen werden, obwohl er ein grundlegendes Strafgesetz übertreten hat. Wer dagegen bei der Stromschiffahrt die Signalvorschriften nicht beachtet, hat nicht bloß gegen die allgemeine Ordnung, sondern auch gegen die geschützten Interessen der vielen anderen einzelnen Schiffer verstoßen und muß daher jedem von diesen für den Schaden eines Zusammenstoßes aufkommen.

3. Nun aber kommt eine unbedingt notwendige Begrenzung, die sich mit dem Gedanken des a d ä q u a t e n Zusammenhanges (oben § 63 I) eng berührt. Unfälle zeitigen nämlich nicht selten neben den nächsten Schadenserscheinungen a l l e r l e i F e r n w i r k u n g e n . Irgendwo m u ß hier eine Grenze angesetzt werden, will man nicht ins Uferlose geraten. Folgender Fall hat die Praxis beschäftigt: Eisenbahnunfall. Veranlaßt und verschuldet hat ihn ein Fuhrwerksbesitzer, der den Vorschriften (Schutzgesetz) zuwider den Bahndamm trotz Herannahen des Zuges überqueren wollte. Ein Bahnwärter sieht aus einiger Entfernung das 24 H e d e m a n n . Schuldrecilt. 3. Aufl.

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§ 64 IV. Verstoß gegen die guten Sitten (§ 826) Unheil kommen, erkrankt und stirbt an dem jähen Schreck. Der Fiskus muß nun 1. einen Hilfsbeamten statt seiner anstellen, 2. der W i t w e Pension zahlen, ist also finanziell doppelt belastet und hat diesen „Schaden" gegen den Fuhrwerksbesitzer eingeklagt. Unbedingt abzulehnen. Man muß einen S c h u t z k r e i s ziehen, außerhalb dessen keine Schadensersatzpflicht mehr besteht. P r a k t i s c h ergibt das: In den Schutzkreis fallen sicher die Reisenden im Zuge und der Fiskus w e g e n des Materialschadens; allenfalls noch der an diesem Posten angestellte Bahnwärter selbst; keinesfalls der bloße Spaziergänger, der beim Anblick der Katastrophe einen Nervenstoß davonträgt, und noch viel weniger der Fiskus mit seiner Pensionszahlung.

T h e o r e t i s c h wird die (ziemlich allgemein anerkannte, freilich nicht alle konkreten Schwierigkeiten lösende) Erkenntnis gewonnen, daß n u r d e r K r e i s v o n P e r s o n e n , a u f d e s s e n S c h u t z d a s b e t r e f f e n d e G e s e t z e i g e n s g e r i c h t e t ist, n i c h t a b e r F e r n e r s t e h e n d e Schadensersatzansprüche aus § 823 II herleiten können. IV. V e r s t o ß g e g e n d i e g u t e n S i t t e n . Mit den vorangegangenen beiden Gruppen wird schon den meisten Bedürfnissen Rechnung getragen. Was jetzt noch folgt, hat im wesentlichen eine e r g ä n z e n d e F u n k t i o n , freilich kann gerade diese ergänzende Aufgabe sich bedeutend auswachsen. Von dem § 8 2 6 gilt das in allerhöchstem Sinne. Er enthält eine wahrhaft „königliche" Regel: „Wer in e i n e r g e g e n die g u t e n S i t t e n v e r s t o ß e n d e n Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem a n d e r e n zum E r s a t z des S c h a d e n s v e r p f l i c h t e t " . Dieser Paragraph hat sich zu einem der b e d e u t e n d s t e n S ä t z e d e s g a n z e n G e s e t z b u c h s entwickelt. Es ist müßig darüber zu streiten, ob mit der Sittenwidrigkeit ein eigener neuer Haftungsgrund geschaffen sei, oder ob es sich dabei bloß um eine „fingierte" R e c h t s w i d r i g k e i t handle. Auch die, namentlich anfangs, vielfach erhobene Klage, solche „Kautschukparagraphen" riefen nur ungesunde Begehrlichkeit hervor, machten es auch dem Richter zu leicht und schwächten darum sein Verantwortlichkeitsgefühl, mag f ü r den (in der Tat viel zu viel v e r w e r teten) § 242 zutreffen, nicht aber f ü r § 826. Freilich trägt auch e r die Lockung in sich, aus lauter Bequemlichkeit oder aus falscher Sentimentalität alles und jedes als „gegen die guten Sitten verstoßend"' zu klassifizieren und so mit einem raschen Zuge zur Verurteilung auf Schadensersatz zu gelangen. Aber die Praxis hat dieser Lockung nicht allzu sehr nachgegeben, und die Fälle, in denen sie zu § 826 gegriffen hat, lassen jedenfalls erkennen, daß zur Ausfüllung u n -

§ 64 IV. Verstoß gegen die guten Sitten (§ 826)

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erträglicher Lücken die „ u l t i m a r a t i o " des § 826 unentbehrlich ist. a) Die H a u p t b e d e u t u n g des § 826 liegt in der Tat in seiner e r g ä n z e n d e n K r a f t . Wo alle anderen Mittel, weitherzigste Auslegung und kühnste Konstruktion, versagen, erscheint als letzte Hilfe gegen offenbare Ungerechtigkeiten der § 826 auf der Bildfläche. Wer die seitenlangen Kommentare zu diesem Paragraphen überblickt, wird erkennen, wie a n d e n v e r s c h i e d e n s t e n S t e l l e n d e s BGB., j a w e i t ü b e r d i e s e s h i n a u s , d e r § 8 2 6 mit seiner schadenausgleichendcn Wirkung herangezogen wird. B e i s p i e l e : 1. Innerhalb des S c h u l d r e c h t s ist, wie gezeigt (oben II b 1), die bloße obligatorische Forderung an sich gegen Einwirk u n g a u ß e n s t e h e n d e r Dritter schutzlos. Aber in groben Fällen kann § 826 helfen. 2. Im S a c h e n r e c h t wird der Grundstückseigentümer gegen nachbarliche Störungen geschützt. A b e r der § 906 deckt nach Ansicht des Reichsgerichts nur physische Einwirkungen. Als nun ein Hauseigentümer gegen die Einrichtung eines Dirnenbetriebs im N a c h b a r h a u s e a n g e h e n wollte, versagte gegenüber solcher ideellen Störung die Eigentumslehre, und es mußte auf § 826 zurückgegriffen werden. 3. Beim Ause i n a n d e r g e h e n eines Verlöbnisses hat das F a m i l i e n r e c h t allerdings gewisse Ersatzansprüche erschlossen, aber sie k ö n n e n sich nur gegen die Verlobten selber richten. Hat etwa der Schwiegervater, der anfänglich seine Einwiliigung gab, später aus unanständigen Motiven das Verlöbnis gesprengt, so versagt § 1298, wohl aber kann in schweren Fällen zu § 826 gegriffen werden. — 4. Sogar gegenüber der R e c h t s k r a f t l e h r e d e s Z i v i l p r o z e s s e s h a t m a n Zuflucht zum § 826 genommen, um gegen den, der durch schamlose Machenschaften die Rechtskraft eines Urteils erschlichen hat, w e n i g s t e n s eine Schadensersatzklage zu eröffnen. — 5. Große Bedeutung h a t § 826 auch im Bereich des g e w e r b l i c h e n K a m p f e s gefunden, so z. B. bei der Auswertung eines Boykotts; RG. Bd. 140 S. 431: „Der Boykott verstößt nicht als solcher ohne w e i t e r e s gegen § 826 BGB., sondern nur dann, w e n n mit ihm eine öffentliche V e r r u f s e r k l ä r u n g v e r k n ü p f t ist, die den Zweck und Erfolg hat, die gewerbliche Stellung des Gegners völlig zu vernichten, oder w e n n Verr u f s e r k l ä r u n g e n ohne jede A n g a b e einer Tatsache oder mit aufreizendem Inhalt öffentlich verbreitet werden, oder w e n n die Maßregel desjenigen, der den Boykott verhängt, in keinem billigen Verhältnis zu der Handlungsweise dessen steht, gegen den sich der Boykott richtet". — 6. Dasselbe Urteil des RG. zugleich Beispiel der V e r w e r t u n g des § 826 bei Amtspflichtverletzungen von Beamten.

b) Dogmatisch wichtig ist, daß dieses Delikt ausschließlich auf v o r s ä t z l i c h e s Handeln (nicht auch auf fahrlässiges) aufgebaut ist. Doch ist das nicht so zu verstehen, daß der Täter das Bewußtsein gerade der Sittenwidrigkeit gehabt haben müßte. Es genügt, wenn er das Bewußtsein der Schadenszufügung gehabt hat, das Element der Sittenwidrigkeit fügt der R i c h t e r in freier Würdi24»

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§ 6 4 I V . Verstoß gegen die guten Sitten (§ 826)

gung der Verhältnisse zu. Dabei wäre es sicherlich gut, wenn es einen mathematisch genauen Maßstab gäbe, an dem man ablesen könnte, ob ein bestimmtes Verhalten schon sittenwidrig sei oder noch nicht. Aber der Natur der Sache nach kann es einen solchen „genauen" Maßstab nicht geben. Das R e i c h s g e r i c h t hat gleich nach Inkrafttreten des BGB. als Maßstab „ d a s A n s t a n d s g e f ü h l a l l e r b i l l i g u n d g e r e c h t D e n k e n d e n " aufgestellt. (Bd. 48 S. 124, schon im ersten Jahr nach Inkrafttreten des BGB.), und das ist seitdem von Theorie und Praxis mit allerlei Abwandlungen immer wiederholt worden. Aus n e u e r e r Zeit Beispiel Urt. O L G . K i e l v. 30. 10. 1947: „Für die Frage, ob eine bestimmte Handlungsweise nach § 826 BGB. geeignet ist, einen Schadensersatzanspruch zu begründen, kommt es auf eine umfassende W ü r d i g u n g dieses V e r h a l t e n s an. Es ist insbesondere zu prüfen, welche äußeren Umstände vorliegen und welche inneren Beweggründe f ü r das V e r h a l t e n bestimmend w a r e n . Das W e s e n der in Frage stehenden Handlung selbst, ihre Bedeutung f ü r die Allgemeinheit und das Staatsinteresse, sowie die sich aus ihr für den Geschädigten ergebenden Folgen sind gleichfalls zu berücksichtigen. Ein Verstoß g e g e n die guten Sitten im Sinne des § 826 liegt dann vor, w e n n das V e r h a l t e n unter Berücksichtigung all dieser Umstände gegen das A n s t a n d s g e f ü h l aller verstößt, die eine dem Durchschnitt billige und gerechte Denkungsart besitzen" (Jur. Rundschau 1948 S. 227). — Verflüchtigung in den allgemeinen Begriff der „Unzulässigkeit der Rechtsausübung" im Urt. RG. Bd. 166 S, 117. W i e kritisch die Dinge w e r d e n können, zeigt der Fall der n i c h t b e a c h t e t e n g e s e t z l i c h e n F o r m v o r s c h r i f t . W e n n jemand u n t e r feierlichster mündlicher Versicherung, in G e g e n w a r t ehrenwerter Zeugen, eine B ü r g s c h a f t übernommen hat, so ist sie an sich nichtig (oben §56 11). A b e r ist es n u n nicht s i t t e n w i d r i g , w e n n er sich dahinter verschanzt? Man wird für das Rechtsleben entschieden v e r n e i n e n müssen. W a s h ä t t e n sonst die gesetzlichen Formvorschriften für einen Zweck? Ebenso k a n n es anstößig erscheinen, gegen einen v e r a r m t e n Gläubiger die V e r j ä h r u n g seiner Forderung geltend zu machen. Aber die V e r j ä h r u n g ist eigens geschaffen, um alle w e i t e r e n Erörterungen abzuschneiden. Und doch k a n n die Fülle des Lebens Lagen hervorrufen, w o mit § 826 v o r g e g a n g e n w e r d e n muß. So z. B., w e n n der „Bürge" dem Gläubiger b e w u ß t vorgelogen hat, ein Jurist h a b e ihm gesagt, daß Schriftform nicht nötig sei; oder, w e n n der Schuldner dem u n e r f a h r e n e n Gläubiger bewußt vorgelogen hat, die V e r j ä h r u n g trete erst ein J a h r später ein, er k ö n n e also warten.

V. E i n z e l n e S o n d e r t a t b e s t ä n d e . Zu den drei großen zusammenfassenden Tatbeständen der §§ 823 Abs. 1, 823 Abs. II und 826 treten verstreute, zum Teil außerhalb des BGB. geregelte (oben I Ziff. 2), Einzeltatbestände. Der 25. Titel des Schuldrechts enthält folgende sechs Fälle: Kreditgefährdung (§ 824), Verführung einer Frauensperson (§ 825), Gebäudeeinsturz (§§ 836, 837, 838), Amts-

§ 64 V. Kreditgefährdung, Frauenehre, Gebäudeeinsturz

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Pflichtverletzung (§ 839), Tierschaden (§§ 833, 834). D a v o n s t e h e n die ersten v i e r auf dem B o d e n des V e r s c h u l d u n g s p r i n z i p s , die letzten z w e i auf dem B o d e n des G e f ä h r d u n g s p r i n z i p s . a) D i e K r e d i t g e f ä h r d u n g (§ 824). Der „Kredit" eines Menschen beruht auf d e m Vertrauen seiner Mitmenschen. D i e s e s Vertrauen w i e d e r baut sich zu e i n e m nicht geringen Teil auf d e m auf, w a s andere über den betreffenden Menschen sagen. S a g e n sie i h m Ü b l e s nach, so wird sein Kredit geschädigt. B e r u h t das Ü b l e auf Wahrheit, so wird er die „üble Nachrede" ertragen müssen. Nicht so, w e n n die betreffenden Tatsachen „ d e r W a h r h e i t z u w i d e r " behauptet und verbreitet werden. A u s diesem R a h m e n schneidet § 824 ein S t ü c k heraus, das er m i t einer deliktischen Schadensersatzpflicht belegt. 1. Nicht deckt er die Erschütterung des bloßen „moralischen" Kredits, vielmehr ist er dem geschäftlichen Kredit, dem „ S c h u t z e d e r ö k o n o m i s c h e n P o s i t i o n " gewidmet. 2. Überflüssig ist der besondere Schutz des § 824, wenn eine s t r a f b a r e Handlung i. S. der §§ 185 bis 187 StGB, (einfache Beleidigung, üble Nachrede, verleumderische Beleidigung) vorliegt. Denn diese Paragraphen sind S c h u t z g e s e t z e i. S. von § 823 Abs. 2 (vorstehend III), so daß also schon auf diesem Wege der Schadensersatz erreicht werden kann. Damit sind fast alle v o r s ä t z l i c h begangenen Fälle der Kreditgefährdung getroffen. Nicht aber die bloß f a h r l ä s s i g begangenen. Ihre Einbeziehung in den Rahmen der Schadenersatzpflicht ist demnach die Hauptaufgabe des § 824. So sehr deutlich RG. Bd. 115 S. 79 (1926). Weiteres judizielles Material: RG. Bd. 148 S. 159. 3. Die Haftung für solche bloß fahrlässig begangene üble Nachrede fällt wieder fort bei W a h r u n g e i g e n e r I n t e r e s s e n (Abs. 2, in Parallele zu dem berühmten § 193 StGB.). b) D i e V e r f ü h r u n g e i n e r F r a u e n s p e r s o n (§ 825). Der K e r n ist die A n w e n d u n g v e r w e r f l i c h e r M i t t e l : Hinterlist, D r o h u n g oder Mißbrauch eines Abhängigkeitsverhältnisses. Auch hier steht vor § 825 das S t r a f g e s e t z b u c h mit seiner Bestrafung der Sittlichkeitsverbrechen und -vergehen (§§ 171 ff.), auch hier bedeutet das, daß in der Mehrzahl der Fälle schon § 823 Abs. 2 genügt, so daß also § 825 nur ergänzende Bedeutung hat. — Zu ersetzen ist bei diesem Delikt ausnahmsweise auch der i d e e l l e Schaden, z. B. der erlittene Kummer oder auch die geschmälerte Heiratsaussicht (§ 847, unten §65111). Deflorationsanspruch der unbescholtenen Braut: § 1300. — Im übrigen ist beachtenswert die e i n s e i t i g e B e g ü n s t i g u n g d e s w e i b l i c h e n T e i l s : hinterlistige Verführung eines jungen Mannes durch eine Frauensperson gibt keine solchen Ansprüche. c) H a f t u n g f ü r G e b ä u d e e i n s t u r z (§§ 836 bis 838). Keine Gefährdungshaftung, wie in der Reichstagskommission beantragt war. Vielmehr Haftungsfreiheit bei verkehrsüblicher Sorgfalt. Immerhin Umkehr der B e w e i s l a s t zugunsten des Geschädigten. Gelingt also dem Besitzer (oder dem früheren Besitzer) des Gebäudes der

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§ 64 Vd. Beamtenhaftung (§ 839)

Beweis seiner Schuldlosigkeit nicht, so muß er zahlen. H a f t u n g bei Ruinen-Einsturz? Sind die Ruinen noch ein „Gebäude"? Von der Praxis bejaht. Aber die H a f t u n g ist hier in a n g e m e s s e n e n Grenzen zu halten. A u c h auf Mitverschulden des V e r u n g l ü c k t e n ist zu achten. Beispiele: Urt. OLG. F r a n k f u r t v. 23. 10.47 (NJW. 1948 H. 11 S. 426); Urt. LG. Hanau v. 16.2.48 (ebd. S.428); OLG. für Hessen (Darmstadt) v. 7.10.47. — W e n n B ä u m e umstürzen, muß auf § 823 I zurückgegriffen werden, wonach der Geschädigte die Schuld beweisen muß.

d) D i e B e a m t e n h a f t u n g (§§ 839, 841). Wenn ein Beamter „die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht vorsätzlich oder fahrlässig verletzt", liegt es nahe, sogar besonders nahe, dem dabei Geschädigten einen Schadensersatzanspruch zu bewilligen. Aber man darf darin nicht zu weit gehen. Muß der Beamte auf Schritt und Tritt gewärtig sein, für Schäden, die bei einer von ihm ergriffenen Maßregel eintreten, persönlich zu haften, so wird seine Entschlußkraft und Arbeitsfreudigkeit gelähmt. Das „Publikum" merkt das dann rasch genug selbst an der übergroßen Peinlichkeit, mit der der Beamte alles prüft, an der „Schikane", mit der er etwa ein Ausweispapier nach dem anderen verlangt. Solche bürokratischen Übertreibungen sind menschlich erklärlich und müssen sich notwendig einstellen, wenn der Beamte jedes Versehen mit einer persönlichen Schadensersatzpflicht büßen muß. Vor allem aber fragt es sich, ob nicht in erster Linie d i e ö f f e n t l i c h r e c h t l i c h e Macht, die den B e a m t e n a n g e s t e l l t h a t ( S t a a t , G e m e i n d e ) , in die Bresche treten und statt seiner den Schaden ersetzen muß (Ziff. 3). So wird denn die Beamtenhaftung immer e i n s c h w i e r i g e s P r o b l e m bleiben. Das BGB. hat. folgende Regelung getroffen: 1. G r u n d s ä t z l i c h h a f t e t d e r B e a m t e für die oben zitierten Amtspflichtverletzungen. °) Dabei muß es sich um einen wirklichen B e a m t e n handeln. Sog. Privatbeamte scheiden v o n v o r n h e r e i n aus. Im einzelnen kann die Entscheidung schwierig sein: N o t a r e sind z. B. Beamte, Rechtsanwälte nicht. P) Es muß gerade gegen die A m t s p f l i c h t verstoßen sein. W e r sich bei einem b e f r e u n d e t e n Richter in einer Rechtsangelegenheit Rat holt, kann höchstens auf Grund des § 676, nicht auf G r u n d des § 839 Schadensersatzalisprüche geltend machen. v) Die betreffende Amtspflicht muß dem Beamten „ e i n e m D r i t t e n g e g e n ü b e r o b g e l e g e n h a b e n". Dahinter verbirgt sich eine wichtige Abscheidung. Amtspflichten, die ihrem W e s e n nach nur eine Beziehung zwischen dem Beamten und der ü b e r g e o r d n e t e n Instanz (Staat, Gemeinde, Öffentlichkeit) setzen sollen, fallen nicht in den Rahmen des §839 („Interne Amtspflichten"; Stellungnahme des RG.: Bd. 78 S. 249; Bd. 155 S. 267). Sehr anschaulich in dieser Richtung RG. Bd. 108 S. 250: Die V e r h a f t u n g eines Beschuldigten erfolgt nur im öffentlichen Inter-

§ 64 Vd. Beamtenhaftung (§ 839)

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esse, unterläßt sie der Beamte (z. B. Staatsanwalt) fahrlässig, so haftet er dem durch die Straftat Geschädigten n i c h t ; die S i c h e r s t e l l u n g d e s d e m B e s c h u l d i g t e n a b g e n o m m e n e n G e l d e s ist dagegen (mindestens zugleich) im Interesse des Geschädigten vorgeschrieben, ihre Unterlassung kann daher eine Haftung aus § 839 herbeiführen. ®) Wenn die Amtspflicht an sich „einem Dritten gegenüber obliegt", fragt es sich, ob j e d e r Dritte das ausnutzen kann oder n u r d i e j e n i g e n D r i t t e n , d e n e n mit der A m t s p f l i c h t bes o n d e r s g e d i e n t w e r d e n s o l l t e . Grundsätzlich muß das letztere gelten (Parallele zu den Schutzgesetzen, vorstehend III 3). Doch neigt die Praxis zu weiter Erstreckung Besonders bemerkenswert RG. Bd. 58 S. 297: Begeht der Beamte bei der E r r i c h t u n g e i n e s T e s t a m e n t s (in diesem Falle ein oldenburgischer Gemeindevorsteher bei Errichtung eines Nottestaments nach § 2249) einen F o r m f e h l e r , so hat er seine Amtspflicht nicht nur dem Testator gegenüber, sondern auch allen denjenigen Personen gegenüber verletzt, die bei Gültigkeit des Testaments Erben oder Vermächtnisnehmer geworden wären, jetzt aber wegen Formungültigkeit des Testaments leer ausgehen; das bedeutet also, daß der Beamte ihnen für alles, was ihnen entgangen ist, persönlich haftet. e ) Den R i c h t e r (und den juristisch geschulten Verwaltungsbeamten) belastet dabei besonders, daß von ihm R e c h t s k e n n t n i s s e e r w a r t e t werden und daß er infolgedessen bei Versehen im „Juristischen" sich haftbar macht. Vgl. RG. Bd. 60 S. 398, wo ein Grundbuchrichter bei der Eintragung im Grundbuch die rechtlichen Vorschriften über die Reihenfolge mehrerer Eintragungen unrichtig angewendet hat. Bei U n k l a r h e i t e n d e s G e s e t z e s oder bei Auslegungsschwierigkeiten wird man dagegen eine übertriebene Strenge vermeiden müssen (Beispiel dafür: RG. Bd. 59 S. 388). — Eine ernste Klippe bildet in der Praxis namentlich auch die I d e n t i t ä t s p r ü f u n g . Nimmt es der Richter (oder Notar) dabei nicht genau, so kann sich ein Schwindler vorschieben; dafür wird dann gehaftet.

2. Die grundsätzliche Haftung des Beamten unterliegt m e h r e ren Beschränkungen: a ) Bei b l o ß e r F a h r l ä s s i g k e i t muß der Verletzte zuerst versuchen, ob er „auf andere Weise", vor allem also durch Vorgehen gegen den Verletzer, Ersatz bekommen kann. D £ r B e a m t e h a f t e t n u r s u b s i d i ä r (§ 839 I 2). ß) Der Verletzte muß ferner alle „ R e c h t s m i t t e l " (z. B. Einlegung einer Berufung) gebrauchen; hat er das versäumt, ist der Beamte haftfrei (§ 839 III). — Zur Auslegung des Wortes „Rechtsmittel" RG. Bd. 163 S. 125. T) Einer besonderen Haftungseinschränkung erfreut sich der S p r u c h r i c h t e r . Er kann auf Schadensersatz nur belangt werden, wenn ihm eine k r i m i n e l l e R e c h t s b e u g u n g vorgeworfen werden kann (§ 839 II-, StGB. §§ 334, 336). „Privilegium des Spruchrichters", im Gegensatz zu Richtern der freiwilligen Gerichtsbarkeit,

3. Ü b e r n a h m e d e r H a f t u n g d u r c h d e n S t a a t . Das Reich, die Länder und die Gemeinden sind im Laufe der letzten Entwicklungsperiode mehr und mehr dazu übergegangen, bei

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§ 64 Ve. Tierhalterhaftung; Wildschaden

Amtspflichtverletzungen ihrer B e a m t e n zunächst selber die H a f tung dem verletzten Staatsbürger g e g e n ü b e r zu übernehmen. Allerdings behalten sie sich dabei meist den R ü c k g r i f f a u f d e n B e a m t e n vor. Etappen auf diesem Wege: 1. Zunächst L a n d e s g e s e t z e , die nach Art. 77 EG. aufrechterhalten blieben; — 2. §12 der R e i c h s g r u n d b u c h o r d n u n g von 1897, für Amtspflichtverletzungen der Grundbuchbeamtcn (aufgehoben); — 3. R e i c h s b e a m t e n h a f t u n g s g e s e t z vom 22. Mai 1910, § 1: „Verletzt ein Reichsbeamter in Ausübung der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die im § 839 BGB. bestimmte Verantwortlichkeit a n S t e l l e d e s B e a m t e n d a s R e i c h " usw.; 4. Art. 131 der W e i m a r e r R e i c h s v e r f a s s u n g ; 5. Für J u s t i z b e a m t e ergänzend VO. v. 8. 5. 1935. e) D i e T i e r h a l t e r h a f t u n g (§ 833f.). Wer Tiere hält, trägt das Risiko: allen Schaden, den die Tiere anrichten, m u ß er ersetzen. Mit der Behauptung, er sei w e d e r vorsätzlich n o c h fahrlässig g e w e s e n , kann er sich nicht entschuldigen. H ö c h s t e n s durch e i n e Versicherung (oben § 62 IIc) k a n n e r das Risiko abwälzen. D i e s der Grundgedanke, bis 1908 restlos durchgeführt; dann hat eine N o v e l l e eine A b s c h w ä c h u n g f ü r B e r u f s t i e r e gebracht: bei ihnen wird ein E n t l a s t u n g s b e w e i s zugelassen. Die anfänglich ungeschwächte Veranlassungshaftung führte zu u n h a l t b a r e n E r g e b n i s s e n . Am meisten besprochen wurde folgender Fall: Ein Bauersmann überholte einen befreundeten Fußgänger und lud ihn ein, neben ihm aufzusitzen. Ganz ohne Schuld des gastlichen Fuhrwerksbesitzers scheute das Pferd und ging durch. Der Mitgenommene verunglückte tödlich, die Hinterbliebenen klagten auf Rente aus § 844 II, der Fuhrwerksbesitzer ist verurteilt worden. Dieser und ähnliche Fälle riefen Stürme der Entrüstung hervor, namentlich in ländlichen Kreisen, wo man weit mehr auf die Hilfe von Tieren angewiesen und mit den Haustieren weit mehr verwachsen ist. Juristische Konstruktionsversuche, die Haftung abzuschwächen (insbesondere Annahme „vertraglichen Ausschlusses"), brachten keine volle Befriedigung. Darum wurde eine Änderung des Gesetzes durchgesetzt. N o v e l l e v o m 3 0 . Mai 1908. Ergebnis: Anfügung eines zweiten Satzes in § 833. Danach Unterschied zwischen „ L u x u s t i e r e n " (Veranlassungsprinzip bzw. Gefährdungshaftung geblieben) und „ B e r u f s t i e r e n". Bei letzteren E n t l a s t u n g durch Sorgfaltsnachweis. Beachte § 834; der hier behandelte „T i e r h ü t e r" haftet von vornherein nur auf der Sorgfaltsbasis. Haftung des Tierherrn und -halters aus § 833 kann selbständig nebenher gehen. f) D e r W i l d s c h a d e n e r s a t z . In der deutschen Geschichte hat der Zorn des Bauern gegen den großen Jagdherrn mehr als einmal eine Rolle gespielt. Auch in der Entstehungsgeschichte des BGB. ist die Wildschadenfrage von Leidenschaften umbrandet gewesen. Der Kampf ging um die „Hasen". Sie standen mit in der Reihe der „ersatzpflichtigen" Tiere. Nach heißem Kampf

§ 65 Ia. Ersatzanspruch, Aktivlegitimation

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wurden sie im R e i c h s t a g gestrichen. Während der § 826 debattelos (!) angenommen worden ist, hat der § 835 die längste Debatte aus der ganzen Beratung des BGB. erlebt. Beinahe wäre das Gesetz an dieser winzigen Frage gescheitert. — Beachtliche Ergänzungen durch L a n d e s r e c h t nach Art. 70ff. EG. (inzwischen aufgehoben). I m J a h r e 1934 ist e i n u m f a n g r e i c h e s R e i c h s j a g d g e s e t z e r l a s s e n w o r d e n (3. 7.1934; R G B l . I 549), d a s d e n W i l d s c h a d e n s e r s a t z mit gewissen Milderungen für den Jagdberechtigten ausführlich ger e g e l t h a t . § 835 B G B . ist d a m i t w e g g e f a l l e n . Gehaftet wird —• und zwar gelöst vom Verschuldensprinzip, also auf der Basis der G e f ä h r d u n g s h a f t u n g — für den S c h a d e n a n G r u n d s t ü c k e n , den das Wild angerichtet hat. Als W i l d in diesem Zusammenhang gilt nur das „Schalenwild" (insbes. Rot-, Dam-, Reh- und Schwarzwild) und wilde Kaninchen; nicht also Fasanen (wie seinerzeit im BGB.) und auch nicht die Hasen (§441 JagdG.). Ersatzpflichtig ist auch der Schaden an den schon getrennten, aber noch nicht eingeernteten Erzeugnissen des Grundstücks (§ 46). Schaden an „Gärten, Obstgärten, Weinbergen, Baumschulen, Forstkulturen usw." ist nur zu ersetzen, wenn der Eigentümer die „üblichen Schutzvorrichtungen" (Zäune oder dergl.) angebracht hat (darüber § 47 einer AV. v. 27. 3. 35). Bei der B e s t i m m u n g d e s E r s a t z p f l i c h t i g e n wird unterschieden zwischen gemeinschaftlichen Jagdbezirken — bei denen der Schaden aus der Genossenschaftskasse mit anschließender Verteilung auf die Jagdgenossen bestritten wird — und Eigenjagdbezirken, bei denen als haftpflichtig der „Jagdausübungsberechtigte" (z. B. Pächter) und ergänzend der Eigentümer oder Nutznießer der betr. Grundstücke herangezogen werden. Für die Festsetzung des Schadens („Schätzung") ist ein besonderes V e r f a h r e n vorgesehen. Sehr kurze Anmeldungspflicht: 3 Tage. — In einzelnen Ländern inzwischen neue Ausführungsvorschriften, z. B. in Württemberg-Hohenzollern. § 65. U n e r l a u b t e H a n d l u n g e n 4. Der Schadensersatzanspruch nach Inhalt u n d U m f a n g W i e s c h o n e r w ä h n t (§ 62 II), b e d i e n t sich d a s G e s e t z i m A n s c h l u ß an j a h r h u n d e r t e a l t e Vorbilder der Figur eines S c h u l d v e r h ä l t n i s s e s , u m d e n S c h a d e n s a u s g l e i c h bei u n e r l a u b t e m V e r h a l t e n herbeizuführen. Danach sind Gläubiger, Schuldner und Inhalt des S c h u l d v e r h ä l t n i s s e s zu s c h e i d e n (I b i s III). D i e G e r i c h t s p r a x i s h a t im Anschluß an den Schadensersatzanspruch einen A n s p r u c h a u f U n t e r l a s s u n g w e i t e r e r S c h ä d i g u n g e n entwickelt (IV). I. A k t i v l e g i t i m a t i o n (Gläubigerseite). Den Ersatz des Schadens k a n n der G e s c h ä d i g t e verlangen. a) G r u n d s a t z . A l s G e s c h ä d i g t e r k o m m t g r u n d s ä t z l i c h n u r d e r E r s t g e s c h ä d i g t e in B e t r a c h t . D a s e r g i b t sich s c h o n

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§ 65 Ib. Der Zweitgeschädigte

a u s den mehreren, v o r a n g e h e n d besprochenen B e g r e n z u n g e n , d e m adäquaten K a u s a l z u s a m m e n h a n g (S. 347), der A b s t e l l u n g der Schutzgesetzidee auf die eigens v o n d e m Gesetz B e d a c h t e n (S. 362 vor IV), der B e s c h r ä n k u n g des § 823 I auf die „gefestigten" Rechte, u s w . D a s R e i c h s g e r i c h t hat zunächst den a l l g e m e i n e n Grundsatz entwickelt: „Im Herrschaftsbereiche des BGB. kann kein Z w e i f e l darüber bestehen, daß nicht jeder schadensersatzberechtigt ist, der durch eine u n e r l a u b t e H a n d l u n g auch nur m i t t e l b a r einen S c h a d e n erleidet, sondern daß sich grundsätzlich die B e r e c h t i g u n g z u m Schadensersatz auf die Person des u n m i t t e l b a r durch die unerlaubte H a n d l u n g Verletzten beschränkt" (Bd. 92 S. 404). B e i s p i e l : Ein Lieferant von Treppen verunglückt beim Ausladen und wird geisteskrank. Verschulden der Eisenbahnverwaltung. Der Besteller kommt nun um seine Lieferung, der Bau seines Hauses verzögert sich, er kann nicht rechtzeitig vermieten, wie das geplant war, ist also geschädigt. Da er sich an den (schuldlosen) Lieferanten von vornherein nicht halten kann, bleibt die Eisenbahn, denn die war schuld. Aber ihr gegenüber ist nur der verunglückte Lieferant „der wirklich und endgültig, der unmittelbar Geschädigte" (so RG. Bd. 97 S. 89). Der Versuch, auch die unmittelbare Einwirkung auf das „Vermögen" des Bestellers der Eisenbahn in Rechnung zu setzen, scheitert daran, daß das Vermögen als solches nicht unter Deckung durch § 8231 steht (§64 I I b 3), und daß eine Erstreckung der Ersatzberechtigung bis zu dem Besteller „dem Grundsatz des sogenannten adäquaten, d. h. der Natur der Sache entsprechenden, ursächlichen Zusammenhanges" widersprechen würde. In der Tat würde eine solche Erstreckung letztlich dazu führen, daß jeder Gläubiger, wenn sein Schuldner verunglückt, dem Verursacher des Unglücks eine Rechnung darüber aufmachen könnte, daß sein Schuldner jetzt nicht mehr so erwerbstüchtig und daß dadurch die Einkassierung seiner Forderung gefährdet sei. Mit großer Vorsicht kann in besonders schwerwiegenden Fällen dem nur „mittelbar" Geschädigten auf dem Wege des § 826 geholfen werden. Vgl. dazu die (auch sonst sehr ergiebige) Entscheidung des RG. in Bd. 79 S. 55ff.). Weitere Auflockerung nachfolgend b 3. b) A b e r das Gesetz (§§ 844, 845) hat n u n selbst z w e i sehr interessante (und durchaus billigenswerte) E r s t r e c k u n g e n der Aktivlegitimation a u f Z w e i t g e s c h ä d i g t e vollzogen. In g e w i s s e m A u s m a ß können n ä m l i c h A n g e h ö r i g e (Familienangehörige), denen der Ernährer g e r a u b t ist, auch v o n sich a u s mit Schadensersatzansprüchen hervortreten. 1. Im Falle der T ö t u n g können die U n t e r h a l t s b e r e c h t i g t e n (Frau nach § 1360 I, Mann nach § 1360 II, Kinder nach § 1601ff., auch uneheliche nach § 1708, Eltern nach § 1601ff.) ihren Ausfall einklagen; § 844 II, Beispiel schon S. 368 unter e. Dazu treten die B e e r d i g u n g s k o s t e n (Abs. I). — Grenzfall: RGZ. Bd. 112 S. 296.

§ 65 IIa. Mehrere Täter

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2. Wird ein Mensch getötet, körperlich verletzt oder der Freiheit beraubt, so daß er nicht arbeiten kann, so ist natürlich in erster Linie er selbst geschädigt. Aber auch andere werden getroffen, die mit seiner A r b e i t s k r a f t gerechnet haben. Das sind Zweitgeschädigte. Grundsätzlich scheiden sie aus, so vor allem der Dienstherr. Wenn sie aber „ k r a f t G e s e t z e s " (§ 845j übrigens dieselben Worte in § 844) in ihrem „Haushalt oder Gewerbe" Anspruch auf die Dienste des Getöteten oder Eingesperrten hatten (Ehemann nach § 1356 II; Eltern nach § 1617), so können sie ihren Ausfall geltend machen — RG. Bd. 162 S. 116. 3. Die Praxis hat unter dem Kennwort einer „Fernwirkung" im Wege „ a u s d e h n e n d e r A u s l e g u n g " über die Tatbestände der §§ 844/45 hinaus Ansprüche „ m i t t e l b a r G e s c h ä d i g t e r " anerkannt. Vgl. RG. 157 S. 13, 162 S. 322, auch 133 S. 272.

Dieser Anspruch des Zweitgeschädigten steht ihm als s e l b s t ä n d i g e r Anspruch zu. Er ist also nicht von der Person des Erstgeschädigten abgeleitet. Darum kann der Erstgeschädigte durch eigenmächtige Verfügungen (z. B. Verzicht) den Anspruch des Zweitgeschädigten nicht beseitigen. Eine Durchbrechung tritt ein in der Frage des M i t v e r s c h u l d e n s (culpa concurrens). Genau genommen dürfte das Mitverschulden des Erstgeschädigten dem Zweitgeschädigten nicht entgegengehalten werden. Aber aus begreiflichen Gründen hat der Gesetzgeber hier doch den Anspruch des Zweitgeschädigten von dem des Erstgeschädigten abhängig gemacht (§ 846). Daß der Zweitgeschädigte sich s e i n e i g e n e s Verschulden anrechnen lassen muß, ist vereinzelt bestritten worden. Man hat aus § 846 ein argumentum e contrario entnehmen wollen. Mit Recht ist dem das R e i c h s g e r i c h t entgegengetreten (Bd. 55 S. 29, Jahr 1903: der Mann verunglückt, die Frau hält die Ratschläge des Arztes nicht ein oder versäumt es, den Arzt rechtzeitig zu benachrichtigen, dadurch erst wird der Tod des Mannes veranlaßt): Eigenes Mitverschulden der Frau. Mitverschulden bei der „Fernwirkung' (oben 3): RG. Bd. 157 S. 13.

II. P a s s i v l e g i t i m a t i o n (Schuldnerseite). Wie auf der Aktivseite der Geschädigte, so steht auf der Passivseite der S c h ä d i g e r , wiederum zunächst nur nach dem Grundsatz adäquaten Zusammenhanges und auf der Basis seines eigenen Verschuldens. Aber auch hier kommt es zu interessanten E r w e i t e r u n g e n und Erstreckungen. a) M e h r e r e „ T ä t e r " (§ 8 3 0). Starke Parallelen zur strafrechtlichen Begriffsbildung („Anstifter", „Gehilfe") in § 830 II. Doch dürfen die Besonderheiten des bürgerlichen Rechts (namentlich Ziff. 2) nicht übersehen werden. Das Gesetz unterscheidet: 1. G e m e i n s c h a f t l i c h e u r s ä c h l i c h e Einwirkung (§ 8301 1). Alle haften aufs Ganze, Anstifter und Gehilfen werden ohne weiteres einbezogen (§ 830 II). Der Geschädigte kann sich aus-

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§ 65 IIb. Haftung für Angestellte

suchen, w e n er b e l a n g e n will, er kann auch die S u m m e auf die m e h r e r e n verteilen. D a s besagt das Wort „ G e s a m t s c h u l d n e r " in § 840 (vgl. §421; oben § 30 Ib). Beispiel: Prügelei. Drei sind über einen Gegner hergefallen, an der S u m m e der Schläge erkrankt er: jeder der Drei hat ein Stück der Ursache gesetzt. Ebenso, wenn einer ihn hielt, der zweite schlug, der dritte Wache stand. — Teilung untereinander zu gleichen Teilen (§ 426). 2. B e t e i l i g u n g a n e i n e m g e f ä h r d e n d e n Verhalt e n (§ 8 3 0 1 2 ) . Hier e i n ganz anderes Bild. Es „läßt sich nicht ermitteln, w e r v o n d e n m e h r e r e n B e t e i l i g t e n den S c h a d e n durch s e i n e Handlung verursacht hat". Man versteht das nur, w e n n m a n hinzudenkt: e s k a n n nur einer g e w e s e n sein (also k e i n e S u m m e v o n H a n d l u n g e n als Ursache w i e bei 1). Hier s o l l e n auch w i e d e r alle haften. S e h r kühn. W e n n es nur einer g e w e s e n s e i n kann, so w i r d m ö g l i c h e r w e i s e d e r F a l s c h e herausg e g r i f f e n . Die Rechtfertigung liegt darin, daß er an dem gef ä h r d e n d e n Verhalten t e i l g e n o m m e n hat. Man w i l l dann den Verletzten nicht leer a u s g e h e n lassen, bloß w e i l sich nicht feststellen läßt, w e r der eigentliche Verursacher g e w e s e n ist. B e i s p i e l e : Drei Bauernsöhne veranstalten eine Wettfahrt mit ihren Geschirren. Ein Kind wird überfahren, gerade als die drei Gefährte in dichtem Knäuel und in Staub gehüllt daher sausen. W e l c h e s Rad über das Kind gegangen ist, läßt sich nicht feststellen; nur eines kann es gewesen sein, also auch nur ein „Täter" nach dem Kausalgesetz. Trotzdem haften alle drei als Gesamtschuldner, weil sie an dem Unfug „beteiligt" waren. Fuhren sie ganz unabhängig voneinander (keine Wettfahrt), so fehlt es am „Beteiligtsein". Folglich haftet dann infolge Beweisunmöglichkeit k e i n e r . Drei Burschen vergewaltigen hintereinander ein Mädchen, das sie gemeinsam überfallen haben. Für den Körperschaden und das Schmerzensgeld (§ 847 II) haften sie schon nach 1 gemeinsam. Aber das Mädchen wird bei dem Vorgang schwanger und verliert daraufhin seine Stellung. D a s kann nur einer verursacht haben; wer, weiß man nicht; Haftung nach Satz 2. Auch hier muß „Beteiligung" vorliegen. Hat ein Mädchen mit mehreren Männern, die untereinander in keinem Zusammenhang stehen, geschlechtlich verkehrt und sich dabei eine Geschlechtskrankheit zugezogen, so muß s i e beweisen, daß ein ganz bestimmter Besucher sie angesteckt hat, sonst sind alle haftfrei. Von dieser zusammenfassenden Haftung kann sich der Einzelne nur lösen, wenn er die U n m ö g l i c h k e i t der Verknüpfung des Schadens gerade mit seiner Person zu beweisen vermag. Beispiel: Politischer Tumult, Schießerei, auch der Beklagte hat geschossen, aber er kann beweisen, daß er nur in anderer Richtung geschossen hat, als der getroffene Kläger stand (RG. Bd. 121 S. 401). b) H a f t u n g f ü r A n g e s t e l l t e P r a x i s tagtäglich a u f t r e t e n d e Frage.

(§ 8 3 1).

Wichtige, in der

§ 65 IIb. H a f t u n g f ü r Angestellte

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1. D e r G r u n d g e d a n k e Lst der, d a ß d e r G e s c h ä f t s h e r r f ü r • d e n A n g e s t e l l t e n h a f t e t . Das erinnert — sit venia verbo — a n d i e T i e r h a l t e r h a f t u n g (§ 64 V e ) . W i e e s d o r t h i e ß : w e r T i e r e h ä l t , trägt das Risiko, k a n n hier gesagt w e r d e n : w e r Gehilfen hält, trägt das Risiko. D i e Parallele f ü h r t noch einen Schritt weiter. S o w i e bei den „Berufstieren" ein E n t l a s t u n g s b e w e i s vorgesehen ist, s o h i e r g a n z a l l g e m e i n b e i a l l e n G e h i l f e n (Ziff. 3). B e i s p i e l e : Mein Gärtner spritzt über den Zaun und beschädigt die Kleidung eines V o r ü b e r g e h e n d e n . Meine Hausangestellte vergißt bei Glatteis vor dem Hause zu streuen, obwohl das zu ihren Obliegenheiten gehört. Mein Kutscher überfährt ein Kind. Mein W e r k m e i s t e r hat die gewerbepolizeilichen Schutzvorschriften innerhalb seiner Abteilung nicht beachtet; ein A r b e i t e r verunglückt. 2 Diese Haftung des Anstellenden hat d r e i p o s i t i v e V o r a u s s e t z u n g e n (a b i s 7), z u d e n e n a l s n e g a t i v e V o r a u s s e t z u n g d a s F e h l e n d e r E n t l a s t u n g s m ö g l i c h k e i t t r i t t (3). a ) Der Täter muß „ z u e i n e r V e r r i c h t u n g b e s t e l l t " gew e s e n sein. Das setzt ein gewisses Maß von Abhängigkeit g e g e n ü b e r dem Anstellenden voraus. Der Baumeister, der in mein Haus eine Gasleitung legt, ist nicht v o n mir „bestellt" in diesem Sinne. W e n n daher Personen durch Mangel der Leitung an G a s v e r g i f t u n g erkranken, h a f t e ich dafür nicht. — Aus der Praxis: RG. Bd. 170 S. 8. ß) Der Schaden muß dem Dritten „ i n A u s f ü h r u n g d e r V e r r i c h t u n g " zugefügt w o r d e n sein. Parallele zur Gehilfenhaftung des §278 (oben § 3 V b ) ; über das Verhältnis zu § 278 auch nachfolgend 5 ° . v) Die Z u f ü g u n g des Schadens muß „ w i d e r r e c h t l i c h " g e w e s e n sein, in dem allgemeinen, f r ü h e r geschilderten Sinne (§ 63 IV). Dagegen ist n i c h t Voraussetzung ein V e r s c h u l d e n des Angestellten. Ein solches wird zwar in der M e h r z a h l der Fälle vorliegen. Aber sein Fehlen schließt nicht die Haftung des Anstellenden aus: J e m a n d bestellt einen G e i s t e s k r a n k e n als Gärtner, dieser schlägt mit der Hacke einen Zuschauer nieder. — Aus der Praxis: RG. Bd. 135 S. 155 (Schwarzfahrt). 3. D i e H a f t u n g f ä l l t w e g , w e n n u n d s o w e i t d e m A n s t e l l e n den der E n t l a s t u n g s b e w e i s gelingt. D a s trifft i n z w e i F ä l l e n zu: a ) B e i A n w e n d u n g g e n ü g e n d e r S o r g f a l t . Sorgfalt liegt dem Anstellenden, je nach Lage des Falles, in drei Richtungen ob: 1. schon bei der A u s w a h l d e r P e r s o n , die er anstellt (dies der praktisch häufigste Punkt), 2. bei der Beschaffung v o n V o r r i c h t u n g e n o d e r G e r ä t s c h a f t e n , z. B. der Maschinen, des Handwerkszeuges, 3. bei der L e i t u n g , soweit eine solche nach Lage des Falles und nach verkehrsüblicher Auslegung in Frage kam (RG. Bd. 53 S. 56: „Eine Pflicht, die A u s f ü h r u n g der Verrichtung zu leiten, ist selbstverständlich nicht in allen Fällen für d e n j e n i g e n gegeben, der einen a n d e r e n zu einer Verrichtung bestellt"). P) W e n n der Schaden a u c h d u r c h A n w e n d u n g d e r S o r g f a l t n i c h t a b g e w e n d e t w o r d e n w ä r e . Denn dann fehlt es am Kausalzusammenhang.

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§ 65 IIb. H a f t u n g f ü r Angestellte Der Versuch, mittels des E n t l a s t u n g s b e w e i s e s zu entkommen, ist alltäglich. Er wirkt schon im Einzelfall oft unerfreulich. Dazu kommt eine s o z i a l e S e i t e : der „kleine Mann", der alles selber machen (z. B. vor seinem Häuschen bei Glatteis streuen muß), hat keine Möglichkeit loszukommen; wer sich dagegen Angestellte halten kann, wird schon frei, wenn er nachweist, daß er eine Person, „gegen die nichts vorlag", an den Posten gestellt hatte. Demgegenüber empfiehlt sich eine s t r e n g e P r a x i s , wie sie das Reichsgericht einzuhalten sich bemüht. Bloße „gute Zeugnisse" (bei der Auswahl) werden keineswegs schon immer genügen, ebenso nicht (bei der späteren Leitung) bloße allgemein gehaltene Ermahnungen zur Vorsicht. Übrigens muß der beklagte Geschäftsherr seinerseits den B e w e i s führen, daß er vorsichtig gewesen sei, nicht u m g e k e h r t der Geschädigte den Beweis seiner Unvorsichtigkeit; sein Verschulden wird also „vermutet". Dies fällt in der Praxis zugunsten des Geschädigten erheblich ins Gewicht.

4. Meist wird eine D o p p e l h a f t u n g vorliegen, da auch der Angestellte selbst als unmittelbarer Täter haftbar ist. Dann haften die beiden dem Geschädigten als G e s a m t s c h u l d n e r (§ 8401). Der Geschäftsherr hat jedoch in ihrem I n n e n v e r h ä l t n i s den Rückgriff auf den Angestellten (§ 840 II). 5. Schwierig wird in der Praxis nicht selten das Verhältnis zu zwei anderen Gesetzesbestimmungen: a ) D e r G e g e n s a t z z u § 278. Dort ist die Gehilfenhaftung i n n e r h a l b e i n e s V e r t r a g s v e r h ä l t n i s s e s geregelt, und zwar, w a s die praktische Bedeutung des Gegensatzes herausrückt, o h n e einen Entlastungsbeweis. — Beispiel: Der Hauseigentümer h a f t e t den Mietern nach § 278, sonstigen Betretern des Hauses nur nach § 831. Bei versäumtem Glatteisstreuen auf dem Bürgersteig, weil dies eine öffentliche Verpflichtung, allgemein nur nach § 831. — Vgl. RG. Bd. 113 S. 296 mit Hinweis auf f r ü h e r e Entscheidungen. 0) D e r G e g e n s a t z z u §31. Dort ist von den „verfassungsmäßig berufenen V e r t r e t e r n " der Vereine die Rede, und die hier einsetzende, wiederum durch k e i n e n Entlastungsbeweis abgeschwächte Haftung wird ausdrücklich durch § 89 auch auf den Fiskus und die öffentlich-rechtlichen Körperschaften (insbesondere Gemeinden) übertragen. Zur Abgrenzung der „ O r g a n e" juristischer Persbnen von bloßen Angestellten im Sinne des §831 (,,Verrichtungsgehilfen"); vgl. Lehmann, Allg. Teil, § 60 1115; RG. Bd. 162 S. 165 f. — Zur Ü b e r n a h m e derdenBeamt e n t r e f f e n d e n H a f t u n g d u r c h d e n S t a a t vgl. bereits § 64 Vd 3. v) S o n d e r v o r s c h r i f t e n : Gastwirt f ü r seine Gehilfen (§701). Geschäftsherr für seinen Handlungsbevollmächtigten (HGB. §§ 49, 54), Frachtführer betr. Frachtgut (HGB. § 429), Reeder (HGB. § 485). in letzterem Fall Beispiel f ü r die k o n s t r u k t i v e Abscheidung v o n BGB. §831: RG. Bd. 151 S. 297.

c) H a f t u n g d e s A u f s i c h t s p f 1 i c h t i g e n (§ 8 3 2). Eine wichtige Ergänzung der Lehre von der Z u r e c h n u n g s f ä h i g k e i t (§63 IIIc). Wenn man das ungezogene Kind nicht belangen

§ 65 Illb. Ersatz des ideellen Schadens (§ 847)

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kann, so prüft man, ob nicht die E l t e r n haftbar gemacht werden können. Neben diesen, die „kraft Gesetzes" (§ 1631) zur Aufsicht verpflichtet sind, und neben den V o r m ü n d e r n kommen aber auch die L e h r e r , oder, wer sonst „durch Vertrag" die Beaufsichtigung übernommen hat (Lehrherr), in Frage, Alle diese Personen können sich wiederum durch den S o r g f a l t s b e w e i s entlasten. P r a x i s in einer Beziehung milde. Es wird nur das „ n o r m a l e M a ß" von Aufsicht verlangt, nicht ein ständiges „Hinterherlaufen". Kinder b r a u c h e n auch e t w a s Freiheit, und die große Masse der Eltern hat Berufspflichten, die sie reichlich g e n u g in Anspruch nehmen. Ist das Kind besonders wild oder sind die Eltern gewarnt worden, muß allerdings verschärfte Aufsicht erwartet w e r d e n . Als sehr hart hat sich dagegen die Bestimmung infolge einer zu strengen Praxis gegenüber der L e h r e r s c h a f t erwiesen (Beispiel: RG. Bd. 65 S. 290; der Lehrer hatte d a s Pusterohr, mit dem vorher gespielt w o r d e n war, in einem Schuppen abgestellt; ein Knabe schlich sich hin u n d verletzte ein anderes Kind am Auge; dem Lehrer w u r d e zum Vorwurf gemacht, daß er den Schuppen zwar zugemacht, aber nicht a b g e s c h l o s s e n hatte). Damals starke Proteste der Lehrerschaft, Ablehnung jedes Schulausflugs. Versicherung gegen solche Haftpflicht (ob. § 62 II c) empfehlenswert. — H a f t u n g des Ehemanns für seine im H a u s h a l t belassene gemeingefährlich geisteskranke Ehefrau: RG. Bd. 70 S. 49.

III. D e r U m f a n g d e s E r s a t z e s (Inhalt des Schuldverhältnisses auf Ausgleich). Hier ist die a l l g e m e i n e L e h r e v o m „ S c h a d e n " übergeordnet (§§ 249ff.; oben § 13f¥.). a) Danach steht zwar theoretisch im Vordergrund die sog. N a t u r a l r e s t i t u t i o n , aber in der Praxis überwiegt durchaus die Geldentschädigung. Naturalrestitution (ob. § 14 II) ist praktisch wichtig in Form der B e s e i t i g u n g des noch fortdauernden schädigenden Zustandes. An Naturalrestitution erinnert auch § 842, w o n a c h bei Körperverletzung oder Freiheitsberaubung auch die Hemmung im „Erwerb und F o r t k o m m e n " ausgeglichen w e r d e n soll. — Die G e l d e n t s c h ä d i g u n g erfolgt meist in Form einmaliger Zahlung. A u s n a h m s w e i s e in R e n t e n f o r m (Fälle der §§ 843, 844, 845), wobei aber Abfindung durch Kapital bei wichtigem Grunde v o r g e s e h e n ist. — Kann dem körperlich Beschädigten ein Berufswechsel zugemutet werden? RG. Bd. 160 S. 120.

b) Ersatz des i d e e l l e n S c h a d e n s ist grundsätzlich abgelehnt (oben § 14 Ib, § 62 V 3). Aber gerade innerhalb des Deliktsrechts besteht eine wichtige Ausnahme bei Verletzung der p e r s ö n lichen Integrität (Körperverletzung, Freiheitsberaubung, hinterlistige Mädchenverführung), § 847.

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§ 65 IV. Die Unterlassungsklage B e i s p i e l e : Verstümmelung eines schönen Mädchens, dem nun der Lebensgenuß wesentlich verkümmert und die Heiratsaussicht verringert ist. Schmerzensgeld bei physischen Quälereien, bei falscher Operation. Seelenqual und öffentlicher Spott bei Freiheitsberaubung. — B e r e c h n u n g , besser Schätzung, schwierig. Wieviel ist dergleichen wert? Für Ausziehen eines falschen (gesunden) Zahnes durch einen Barbiergehilfen wurden seinerzeit einmal 75 Mk., für eine verunglückte Operation 12 000 Mk. zugesprochen. Im Schrifttum ist gelegentlich die Aufstellung von M i n d e s t s ä t z e n vorgeschlagen worden.

c) In der Z w i s c h e n z e i t zwischen der schädigenden Handlung und der Abrechnung können Veränderungen eingetreten sein. Es liegt nahe an die P a r a l l e l e b e i d e r B e r e i c h e r u n g zu denken (oben § 61 VI). Aber einfache Übertragung w ä r e ein Fehlgriff. Die Bereicherung ist auf ganz andere Gesichtspunkte eingestellt, insbesondere in persönlicher Hinsicht. Sie ist auf den Standpunkt des Beklagten (Bereicherten) zugeschnitten, der Schadensersatz dagegen auf den Standpunkt des Klägers (Geschädigten). Dem entspricht eine durchschnittlich v i e l s c h ä r f e r e H a f t u n g bei den Delikten. Einzelheiten ergeben die §§ 848 bis 851 im Vergleich mit Bereicherung. Besonders deutlich § 848: Der Schädiger haftet sogar für z u f ä l l i g e n (also unverschuldeten; wichtig bei bloßer Fahrlässigkeit) Untergang der entzogenen Sache, während der Bereicherte bei gleicher Lage haftfrei bleibt, weil er eben nicht mehr bereichert ist.

d) Die V e r j ä h r u n g ist besonders geregelt. Normalsatz drei Jahre, mindestens aber ist der Anspruch nach dreißig Jahren erloschen (§ 852). Die kurze Verjährung tritt deutlich hervor im Gegensatz zu den Vertragsklagen, die normalerweise erst in 30 Jahren ihr Ende erreichen. — Sog. „Perpetuation der Einrede" im Falle des § 853; Beispiel: betrügerisch erschwindelter Schuldschein.

IV. D i e U n t e r l a s s u n g s k l a g e . Um dieses Gebilde zu verstehen, muß weiter ausgeholt und über den Rahmen des Deliktsrechts hinaus-, auf andere Teile des Gesetzbuchs zurückgegriffen werden. An mehreren Stellen, zum Schutz des Namens, des Eigentums und des Besitzes, hat das Gesetz (§§ 12,1004, 862) ausdrücklich eine Unterlassungsklage aufgestellt. Sehr bald nach Fertigstellung des BGB. tauchte nun der Gedanke auf, ob nicht auch andere Rechtsgüter, bei denen es an einem besonderen Ausspruch im Gesetze fehlt, gegen Störungsgefahr durch eine Klage auf Unterlassung zu schützen seien. Die Vorstellung verband sich sogleich mit der Lehre vom Schadensersatz. Sie ist auf diese Weise mit dem Recht der unerlaubten Handlungen in engste Berührung gekommen

§ 65 IV. Die Unterlassungsklage

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und wird seitdem vorzugsweise im Anschluß an das Deliktsrecht (dessen Verjährung z. B. manche auf den Unterlassungsanspruch übertragen wollen) behandelt. Man sagt nämlich: Der Schadensersatz dient dem Ausgleich einer b e r e i t s v o l l z o g e n e n Rechtsverletzung, aber warum soll gewartet werden, bis ein Schaden da ist, statt dessen soll eine v o r b e u g e n d e Klage gegeben werden, die dem Störenfried schon vor dem Delikt in den Arm fällt. Ein gewinnender Gedanke. Er hat sich mit beispielloser Schnelligkeit festgesetzt. Schon 1901 erging eine grundlegende, die Frage bejahende Entscheidung des Reichsgerichts. Ein sehr reges Schrifttum setzte ein. Allmählich ist eine verzweigte Dogmatik dieser Unterlassungsklage geschaffen worden. Grundlegend waren die Reichsgerichtsentscheidungen vom 11. April 1901 (Bd. 48 S. 118) und vom 5. J a n u a r 1905 (Bd. 60 S. 6). Die Theorie hat lange im Streit gelegen. Der Streit drehte sich um die Figur der A n a l o g i e . Durften jene ausdrücklichen Gesetzesfälle (§§ 12, 862, 1004) analog auf andere Lagen übertragen w e r d e n oder nicht? Bejahung entspricht einem gesunden Bedürfnis. Freilich setzen nun wieder sogleich berechtigte Bestrebungen einer G r e n z z i e h u n g ein. Die erste Grenze wird durch Anlehnung an die S c h a d e n s e r s a t z lehre gewonnen: nur da, wo vollzogene Verletzung zum Schadensersatz führen würde, k a n n v o r b e u g e n d mit einer Unterlassungsklage v o r g e g a n g e n werden. Aber wir wissen jetzt bereits, wie riesengroß der Bereich der Schadensersatzmöglichkeit allein in den Bahnen der „Schutzgesetze" (oben § 64 III) g e w o r d e n ist. Eine weitere Begrenzung hat das Reichsgericht dahin aufgestellt, daß schon eine fertig vollzogene Verletzung vorliegen muß, daß also eine Unterlassungsklage erst in Frage kommt, w e n n die G e f a h r e i n e r „ w e i t e r e n " S t ö r u n g besteht. Das ist gekünstelt. Droht e r n s t e Gefahr, sei es auch zum ersten Male, muß sogleich eingeschritten w e r d e n können. Auch der weitere Versuch des RG., die zivilrechtliche Unterlassungsklage als „überflüssig" dann abzuschneiden, w e n n die b e f ü r c h t e t e Wiederholung schon mit öffentlich-rechtlicher S t r a f e bedroht ist, läßt sich nicht halten und ist auch von zwei Senaten des RG. später aufgegeben worden (Bd. 155 S. 94); die A b w e h r k l a g e des Eigentümers aus § 1004, die doch der Gesetzgeber selber a n e r k a n n t hat, wäre dann ebenfalls (zum mindesten f ü r die Mehrzahl der Fälle) überflüssig, weil die Sachbeschädigung schon unter kriminellen Strafdruck gestellt ist. Der w e i t e r e V e r l a u f eines solchen Prozesses auf Unterlassung nähert sich allerdings sehr stark dem Kriminalrecht. Denn die Z w a n g s v o l l s t r e c k u n g erfolgt im W e g e der A n d r o h u n g von Geld- oder Haftstrafen (§ 890 ZPO.).

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§ 65 IV. Die Unterlassungsklage

Von dem verschwisterten S c h a d e n s e r s a t z a n s p r u c h aus unerlaubter Handlung unterscheidet sich die Unterlassungsklage in einem wichtigen Punkt. Sie ist n i c h t auf V e r s c h u l d e n aufgebaut. Objektive Gefährdung, objektive Rechtswidrigkeit jenes ersten, schon vollzogenen Eingriffs, den das Reichsgericht verlangt, genügt (RG. Bd. 166 S. 156). Auch dies f r e i e w i s s e n s c h a f t l i c h e I d e e , so wie das ganze Gebilde jenseits des Gesetzestextes aus f r e i e r S c h ö p f e r k r a f t der Theorie und Praxis hervorgegangen ist.

Ü b e r b l i c k ü b e r das S c h r i f t t u m

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Überblick über das Schrifttum Das Schrifttum zum Recht der Schuldverhältnisse ist durch eine außerordentliche Mannigfaltigkeit gekennzeichnet. Im folgenden nennt der Abschnitt I die wichtigsten Gesamtdarstellungen. Der Studierende darf sich durch die Fülle des Materials nicht irritieren lassen. Er tut gut, sich beim laufenden Studium auf ein oder zwei Werke zu konzentrieren, die ihm nach seiner Veranlagung besonders zusagen. Vergleichsweise mögen dann bei Übungsarbeiten oder Repetitionen auch andere Werke herangezogen und die dort zitierte Spezialliteratur in Auswahl berücksichtigt werden. Bei späterer eigener wissenschaftlicher Arbeit am Abschluß des Studiums, also bei Prüfungsarbeiten, insbesondere bei Doktordissertationen wird allerdings ein tieferes und tunlichst erschöpfendes Durcharbeiten der Literatur für das zu behandelnde Thema erwartet. In jedem Fall ist es förderlich, sich bald in einer der juristischen Bibliotheken, vornehmlich in den Juristischen Seminaren umzusehen, um die bekannte anfängliche „Scheu vor den Büchern" zu überwinden. Auch eine fortlaufende oder gelegentliche Lektüre der reichhaltigen J u ristischen Zeitschriften (vergl. das Abkürzungsverzeichnis am Anfang des Buches), die in den Bibliotheken der Juristischen Seminare zugänglich sind, ist empfehlenswert. Nur gilt auch hier die weise Warnung: Nicht multa, sondern multum, lieber das Eine gründlich als das Viele flatterhaft. Auf Nennung der Sonderliteratur, die zu der langen Reihe der Einzelerscheinungen, Einzelabschnitte oder gar Einzelparagraphen des Rechts der Schuldverhältnisse in unzähligen Aufsätzen und Büchern niedergelegt ist, ist im Rahmen dieses Lehrbuches verzichtet worden. Um jedoch dem Studierenden und auch dem Praktiker ein Bild von der hohen Wirkungsstärke monographischer Arbeit zu geben, d. h. einer Arbeit, die nur ein einzelnes Thema herausgreift, dieses aber in weitblickender Behandlung zu höchster Leistung steigert, werden im Abschnitt II zehn bahnweisende Schriften aus

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Uberblick über das Schrifttum

dem Bereich der letzten fünfzig Jahre kurz skizziert, schöne und ermunternde Beispiele schöpferischer Leistung auf dem' Gebiete des Rechts der Schuldverhältnisse. I. Überblick über das allgemeine Schrifttum F ü r h i s t o r i s c h e S t u d i e n — 1. Römisches Recht: W i n d s c h e i d - K i p p , Lehrbuch des Pandektenrechts, 9. Aufl. 190G (mit vergleichender Darstellung des heutigen bürgerlichen Rechts), Bd. II: Recht der Forderungen (Schuldrecht); S i b e r , Römisches Privatrecht, 1928; S o h m , Institutionen, 17. Aufl. 1926 (bearbeitet v. Mitteis und Wenger). — 2. Für die deutsche Rechtsgeschichte: O t t o v. G i e r k e , Deutsches Privalrecht Bd. III Schuldrecht (1917); H ü b n e r , Grundzüge des deutschen Privatrechts, 5. Aufl. (1930). E n t s t e h u n g s g e s c h i c h t e d e s B G B . Die sog. Materialien: M o t i v e (1888), P r o t o k o 11 e der Zweiten Lesung (1891 ff), Beratung im R e i c h s t a g (Stenographische Berichte, 1896). — Eine zusammenfassende Sammlung der Materialien ist von M u g d a n h e r a u s g e b r a c h t worden. L e h r b ü c h e r d e s B G B . , von dessen Anfangszeit an (meist alle fünf Bücher erfassend): D e r n b u r g , E n d e m a n n , C r o m o , C o s a c k - M i t t e i s , J o s e f K o h l e r . In der letzten Zeit f ü h r e n d : E n n e c c e r u s (Schuldrecht im II. Bd., bearbeitet von Heinrich Lehmann, 12. Aufl. 1932), daneben T i t z e , Recht der Schuldverhältnisse (in des: von Kohlrausch begründeten Reihe Encyklopädie der Rechts- und Staatswissenschaft), 4. Aufl. 1938. — Das v o r l i e g e n d e L e h r b u c h d e s S c h u l d r e c h t s fällt in die Reihe Lehrbücher u n d Grundrisse der Rechtswissenschaft ( L e h m a n n : Allgemeiner Teil, Familienrecht, Erbrecht; H e d e m a n n : Schuldrecht, Sachenrecht). — Dem S c h u l d r e c h t im besonderen gewidmet: P h i l i p p H e c k , Grundriß des Schuldrechts, 1929 (eigenwillig, vom üblichen Schema abweichend); F r a n z L e o n h a r d , Das Schuldrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches, 2 Bände 1928'31; L a r e n z , Vertrag und Unrecht (nicht das ganze Schuldrecht des BGB. erfassend; 1. Teil: V e r t r a g und Vertragsbruch 1936, 2. Teil: Die H a f t u n g f ü r Schaden und Bereicherung 1937). G r o ß e w i s s e n s c h a f t l i c h e K o m m e n t a r e zum BGB., von der Anfangszeit an: P l a n c k (sehr gelehrt, tief durchdacht; Schuldrecht in zwei Bänden, bearbeitet von S i b e r , 4. Aufl. 1914/18); S t a u d i n g e r (der gangbarste Großkommentar, 9., zum Teil 10. Aufl., Schuldrecht in drei starken Bänden). Gehaltvoll u n d dogmatisch gut durchgearbeitet O e r t m a n n , Recht der Schuldverhältnisse, 5. Aufl. 1928/29. Viel gebrauchte H a n d k o m m e n t a r e zum BGB. in einem Band: F i s c h e r - H e n l e - T i t z e , 14. Aufl. 1932; P a l a n d t , 6. Aufl. 1944; A c h i l l e s - G r e i f , 17. und 18. Aufl. 1944. P r a k t i k e r k o m m e n t a r e , an die Spruchpraxis der Oberen Gerichte angeschlossen: Kommentar der Reichsgerichtsräte, 9. Aufl. 1938'40; W a r n e y e r , Handkommentar, 10. Aufl. 1942; S o e r g e 1, 6. Aufl. 1937. Reiches Material auch in dem alphabetisch geordneten H a n d w ö r t e r b u c h d e r R e c h t s w i s s e n s c h a f t e n , sechs Bände 1926/29,

Überblick über das Schrifttum

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Ergänzungsband 1931; z. B. Aufsätze über das BGB. als Ganzes, über Schuldverhältnisse im allgemeinen, Vertrag im allgemeinen; über Gattungsschulden, Geld- und W ä h r u n g s r e c h t , Aufrechnung, Kündigung; über Kauf, Tausch, Miete, Darlehn, Arbeitsrecht, Gesellschaft, Schadensersatz, ungerechtfertigte Bereicherung usw. Ausländisches Material, alphabetisch geordnet, im R e c h t s v e r g l e i c h e n d e n H a n d w ö r t e r b u c h , sieben Bände 1929'40; Artikel über Schuldverhältnis, V e r b o t e n e Geschäfte, Unsittliche Rechtsgeschäfte, Schadensersatz, Kauf, Darlehn, Geld usw. Laufendes n e u e s t e s Material (seit Dez. 1948) in dem monatsweise erscheinenden Sammelwerk (Loseblattsammlung) D e u t s c h e R e c h t s s p r e c h u n g , hauptsächlich für die Praxis bestimmt. — Wichtige Spruchsammlungen von den Obersten Gerichtshöfen ausgehend: H ö c h s t r i c h t e r l i c h e E n t s c h e i d u n g e n in Z i v i l s a c h e n (riE7.), ferner seit Errichtung des Obersten Gerichtshofes f ü r die Britische Zone in Köln: E n t s c h e i d u n g e n d e s O b e r s t e n Ger i c h t s h o f e s für die Britische Zone. W o r t v e r z e i c h n i s z u m B G B . (alle im BGB. v o r k o m m e n d e n W o r t e alphabetisch geordnet mit Hinweis auf die betreffenden Paragraphen) v o n Gradenwitz, 1902.

II. Zehn Beispiele schöpferischer Monographien Das Recht der Schuldverhältnisse ist, soweit es sich um die Verträge handelt, auf dem Gedanken der Freiwilligkeit aufgebaut. Die Vertragsschließenden finden sich aus eigenem Entschluß zu ihren Kaufverträgen oder Mietverträgen oder Dienstverträgen zusammen und vereinbaren in eigener freier Verabredung den Inhalt des Vertrages. Darein hat die Entwicklung der letzten Jahrzehnte eine Bresche gelegt. Staatliche Wirtschaftslenkung, verwaltungsmäßige Apparatur trugen ganz neue fremdartige Erscheinungen in die Welt des Schuldrechte hinein (oben § 2 IIIc). Die Zeit nach dem ersten Weltkrieg gab den Auftakt. Hier erschien das Buch von H a n s C a r l N i p p e r d e y , Kontrahierungszwang und diktierter Vertrag (1920), ein erster förderlicher wissenschaftlicher Griff. Eine Fülle weiterer Literatur hat sich angeschlossen. Freiwilligkeit ist trotz dieser Einbrüche von der öffentlich-rechtlichen Seite her doch das Grundelement des Schuldrechts geblieben. Wenn aber auf diesem Fundament ein gültiger Vertrag zustandegekommen ist, so muß er auch bindend für beide Teile sein. Eine Folge dessen ist die Klagbarkeit, die Erzwingbarkeit. Wie ein Rätsel mutet es demgegenüber an, daß nun doch etliche „Verbindlichkeiten" wirkliche rechtliche Verbindlichkeiten sein sollen, obwohl sie nicht durch Klage vor dem Richter erzwungen werden können (oben § 6 Illb). Dieses Rätsel der „natürlichen Verbindlichkeiten" geht schon

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Überblick über das Schrifttum

auf das römische Recht zurück. Immer wieder ist es angegriffen worden. Wie ein Ruhepunkt in der wissenschaftlichen Entwicklung mutet die Schrift von H e i n r i c h S i b e r an, Naturalis obligatio (1925). Der erste Gedanke bei schuldnerischen Verpflichtungen ist auf ein positives Tun gerichtet, das der Gläubiger von seinem Schuldner erwartet. Daneben steht das Unterlassen. Es hat vor allem seit langem schon die Strafrechtler beschäftigt, im Zusammenhang mit der Kausalität: inwieweit kann ein Delikt durch bloßes Unterlassen begangen werden? Im bürgerlichen Recht tauchen ähnliche Fragen bei den Störungen auf, die einer dem anderen zuzufügen droht. In welchem Ausmaß kann von ihm im voraus ein „Unterlassen" verlangt werden? Einzelne Fälle sind im BGB. geregelt. Aber ist darüber hinaus eine Verallgemeinerung zulässig? (Oben § 65 IV). Dieses Problem ist bald nach Inkrafttreten des BGB. von H e i n r i c h L e h m a n n in seinem Buch, Die Unterlassungspflicht im Bürgerlichen Recht (1906), in Angriff genommen und in kraftvoller Dogmatik auf festen Boden gestellt worden. Die große Masse der schuldnerischen Verpflichtungen beruht auf Verträgen. Wann ist nun aber der Vertrag zustandegekommen, in welchem Augenblick sind die Verhandlungen genügend ausgereift, um ein Stück echten bindenden „Schuldrechts" zu sein? Das hat sich zu der Frage gesteigert, was rechtens sein soll, wenn der Vertrag noch n i c h t endgültig geschlossen ist, aber schon bei den Vorverhandlungen der eine Teil sich so verhalten hat, daß dem anderen Teil daraus ein Schaden erwachsen ist. Muß dann der Schaden dem anderen Teil ersetzt werden, zumal wenn der geplante Vertrag, also das endgültige Fundament schließlich gar nicht zustandegekommen ist? Das ist in Grenzen zu bejahen. Doch wie soll dann die Haftung des Schuldigen begründet werden, da sie aus einem geschlossenen Vertrage nicht abgeleitet werden kann? Darüber sind schon gegen Ausgang des 19. Jahrhunderts im gemeinen Recht viele Theorien aufgestellt worden. Das BGB. hat dem Problem durch einige seiner Bestimmungen neuen Stoff zugetragen (oben § 19 V). Mehr noch hat das immer stärker pulsierende Wirtschaftsleben auf begriffliche Klärung gedrängt. Rudolf von Ihering mit seiner „culpa in contrahendo" wurde schon als geistvoller Repräsentant des ^ . J a h r h u n derts genannt (Seite 102). Als ein Querschnitt aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts verdient das Buch von F r a n z L e o n h a r d , Verschulden beim Vertragsschluß (1910), genannt zu werden.

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Dieser Fall eines Haftens aus bloßen Vorverhandlungen ist eine interessante Singularität. Er wird weit überragt durch die allgemeine Dogmatik der Leistungsstörungen (oben § 18). Es ist in dem Lehrbuch gezeigt worden, wie die Verfasser des BGB. sich im Banne der vorangegangenen gemeinrechtlichen Doktrinen auf die drei schulmäßigen Kategorien der Nichtleistung, der nicht pünktlichen Leistung, und der nicht fehlerfreien Leistung, auf drei Negativen, beschränkt haben. Da brachte die Schrift von H e r m a n n S t a u b , Die positiven Vertragsverletzungen (1904, 2. Aufl. 1913), einen Durchbruch. Was dieser geistvolle Praktiker damit in die Lehre der Leistungsstörungen als zündenden Funken hineingetragen hat (oben § 22), ist aus dem Schuldrecht unserer Zeit nicht mehr wegzudenken, so sehr auch die Schriftsteller der anschließenden Jahrzehnte mit andersartigen Deutungen und Umformungen zur weiteren Bereicherung der Lehre beigetragen haben. Neben die Leistungsstörungen, die von innen her einsetzen, ist als ein Vorstoß von außen her der „Wegfall der Geschäftsgrundlage" hinzugetreten. Die „Verhältnisse haben sich seit dem Vertragsschluß geändert". Muß trotzdem an dem Vertrag festgehalten werden? Im Grundsatz: Ja. Aber auch hier war das Leben stärker als Grundsätze. Schwere Erschütterungen des Wirtschaftslebens (nach dem ersten Weltkrieg) zwangen zu der Erkenntnis, daß eben doch in gewissen Grenzen von den geschlossenen Verträgen abgebogen werden kann. Zunächst versuchte man das in die Verträge selbst gewissermaßen hineinzudichten: stillschweigend ruhe in ihnen die clausula rebus sie stantibus (oben § 17 Vb). Dann aber wurde der geradere Weg gewählt: Die Geschäftsgrundlage ist weggefallen, der Vertrag kann deshalb nicht mehr gehalten werden. Als Dokument dieser Entwicklung steht vor unserem Rückblick das Buch von P a u l O e r t m a n n , Geschäftsgrundlage (1921). Die vorangehenden Beispiele haben gezeigt, wie stark Fundamente, auf die man bisher vertraut hat, erschüttert werden können. Dazu tritt in tausend Fällen die Unklarheit der Fundamente. Hier muß mit Generalregeln geholfen werden, die als Regulatoren dienen können. Im Bereich des Schuldrechts ist ihre Hauptheimat. Der § 242 (Treu und Glauben) ist im Laufe der Jahrzehnte zu einem wahrhaft „königlichen Paragraphen" geworden (oben § 5 III). Neben ihn ist als ein ebenfalls recht einflußreicher Bruder im Bereich der „Unerlaubten Handlungen" der § 826 getreten, der Verstoß gegen die guten Sitten (oben § 64 IV). Viele Hilfe kam von beiden. Aber nun zog die Gefahr der Ausuferung, des allzu eiligen Ausbiegens

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Uberblick über das Schrifttum

vom strengen folgerichtigen Denken zu diesen bequemen „Allerweltsmitteln" herauf. So kommt es auf das Beobachten eines gesunden Pendelschlages an. Dem dient die von mir selbst verfaßte Schrift: J u s t u s W i l h e l m H e d e m a n n , Die Flucht in die Generalklauseln, eine Gefahr für Recht und Staat (1933). Eine zweite Gefahr, die nicht in den einzelnen Fällen liegt, sondern in der Materie als Ganzes, drohte dem Schuldrecht durch eine nicht tragbare Ausweitung des Stoffquantums. Das dramatische Beispiel dafür bot sich im Arbeitsrecht. Der ungeheure Rechtsstoff, der sich hier bei der großen Wende im 19. Jahrhundert anzuhäufen begann, sprengte den Rahmen der alten bürgerlich-rechtlichen Dogmatik. Es wuchs von der Jahrhundertwende her ein ganz neues selbständiges Rechtsgebiet heran: das Arbeitsrecht. Das Schuldrecht des BGB. muß mit ihm in Fühlung bleiben (oben § 45). Die Gefahr einer Verwirrung ist einigermaßen überwunden. Der Schweizer Gelehrte P h i l i p p L o t m a r war es, der als Erster den Weg klar erkannt hat. Als Professor an der Universität Bern schrieb er 1902 sein Buch „Der Arbeitsvertrag" (II. Bd. 1908). Zweifel schlugen ihm entgegen. Manches ist überholt aus seiner damaligen Sicht. Aber die schöpferische Leistung ist als Ansporn und historisches Faktum geblieben. Das Arbeitsrecht ist immerhin noch ein deutlich umgrenztes, konkretisierbares Rechtsgebiet. Dagegen reicht das Wirtschaftsrecht in unermeßbare Gefilde. Hier geht es ebenso. Erscheinungen, die ursprünglich in der ruhigen Dogmatik des bürgerlichen Rechts beheimatet waren, haben sich über dessen Grenzen hinaus ausgewachsen. Sie haben nicht mehr den engeren Charakter des Schuldrechts, sondern das Leben hat ihnen den Stempel des „Wirtschaftsrechts" aufgedrückt. Doch nun auch umgekehrt: von dieser neuen Materie des Wirtschaftsrechts dringen Kräfteströme des Denkens und Erkennens befruchtend zum Schuldrecht zurück (vergl. oben § 2 II). Die Umgrenzung des Faches Wirtschaftsrecht, die Bestimmung seines Charakters sind noch heute unbestimmt und umstritten. Daß aber überhaupt der Weg in dieses Neuland erschlossen worden ist, w a r ein Verdienst. Vom bürgerlichen Recht herkommend war A r t h u r N u ß b a u m der erste, der das große Thema mit seinem Buche, Das neue deutsche Wirtschaftsrecht (1920, 2. Aufl. 1922), monographisch angeschlagen hat. Abschließend tritt den beiden stofflichen Erweiterungen die internationale Erweiterung hinzu. Kein Gebiet des Rechts ist so sehr geeignet, die Grenzen eines Landes zu überfliegen, wie das Schuld-

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Quellenregister

recht, dabei meist mit dem Handelsrecht in Eines verschmolzen. Deshalb muß ernste wissenschaftliche Arbeit daran gesetzt werden, das Schuldrecht der anderen Länder zu studieren. Das „Internationale Privatrecht" ist der Vorposten dafür (oben IX. Abschn., S. 141ff.). Darüber hinaus gilt es, das ausländische Recht auch materiell vergleichend heranzuziehen und in gegebener Stunde eine Angleichung bis zu einem einheitlichen europäischen oder sogar Weltrecht zu erzielen. Das wird nicht auf allen Gebieten möglich sein. Zu tief liegen die Unterschiede in manchen Teilen des Schuldrechts. Das Kaufrecht ist das aussichtsreichste Teilgebiet. Als Musterbeispiel gründlichster rechtsvergleichender Arbeit hat es das Buch von E r n s t H a b e l hervorgebracht, das als umfangreiche Beigabe zu der Zeitschrift f ü r ausländisches und internationales Privatrecht 1936 erschienen ist: Das Recht des Warenkaufs, eine rechtsvergleichende Darstellung, l.Band. — Zehn Beispiele. Nicht annähernd vermögen sie die Gesamtbereicherung wiederzugeben, die ein vorwärtsgerichtetes Schrifttum dem Recht der Schuldverhältnisse eingetragen hat. Aber sie bringen als anregende Musterbeispiele zugleich die Hoffnung, daß auch in Z u k u n f t die Wissenschaft nicht stehen bleiben, sondern in schöpferischer Initiative weitergeleitet werden wird.

Quellenregister Bürgerliches Gesetzbuch vom 18. August 1896 Paragraphen:

Seiten:

Paragraphen:

Seiten:

2 12 21 ff 21 22 26 27 31 54 90 91 97 99 100 101 104 ff 105

67, 357, 15, 300, 304 256 287 374 256, 151, 215 154 205, 188 159, 16 181,

107 108 119

16, 181 67 57, 86, 119, 162, 171, 323 ff., 335 76 3, 139, 162, 164, 171, 325 20, 43, 153 36 10, 29, 37, 150, 245 3, 8, 10, 30, 37, 55, 150, 166 21, 33 171 2 39, 150 12, 36, 42, 193

352 376 304 304

122 123

304,

305, 311

163

246, 339 208 330, 332

25 H e d e m a n n , S c h u l d r e c h t , 3. Aufl.

125 133 134 138 139 142 145 154 157

386 Paragraphen :

158 ff 158 164 ff 164 168 179 181 186 193 194 ff 194 195 196 197 202 222 226 227 228 229 ff 232 ff 241 242

Quellenregister Seiten :

173 119 17, 260, 285, 308 310 311 102 311 36 201 43 22 171, 316 265 22 265 45 74 199, 354 354 44, 354 295 3, 15, 80, 195 8, 11, 36, 41 ff., 49, 74, 93, 103, 104, 158, 193, 194, 249, 362 243 47, 48 244 49, 53 245 49 246 55 247 55 248 55 249 ff 65 ff., 375 249 71, 73, 161 250 73 251 73, 75 252 75 253 26, 71, 346 254 19, 77, 106, 350, 351 255 79, 131 256 25, 55 257 25 258 22, 26 259—261 . . . 25 260 24 263 57 264 57 265 58, 106 266 83 267 83 f., 125 268 83, 84, 131, 201

269—272 . . . 81 269 . . 50, 81 270 . . 52, 82 271 . . 82 273 . . 25, 84f., 85, 196 274 . . 201 275 . . 59, 95, 100, 103, 105, 106, 107, 118 276 . . 35, 98, 115, 171, 183, 285, 287, 289, 291, 304, 313, 322 277 . . 98 278 . . 18, 78, 89, 100, 196, 197, 286, 351, 373, 374 279—282 . ., . 95 279—283 . ., . 103 279 , . 47, 95, 105 280 . 105, 106, 171, 340 281 . 47, 59, 106, 130, 131 282 .. 106 283 . 97, 112, 139 284 ff .. 112 284—290 . ... 95 284—292 . . . 109 284 . . . . . . ... 110 285 . 97, 110, 159, 181 286 . 73, 111, 112, 156, 181, 195, 198, 276 287 . 70, 99, 106, 111, 223 288 . 49, 55, 111, 181, 198, 316 291 . 49, 114, 340 292 . 114, 340 293 ff . 116 ff. 294 .. 117 297 .. 117 299 . 117 300 .. 47, 98, 118 301 . 49, 118 302 . 118 303 . 119, 122 305 . 20 306—308 . . . 95 306 .. 76, 105 307 . 76, 102, 105 308 . 105 309 . 102 310 . 29 311 . 153 312 . 29

Quellenregister Paragraphen:

Seiten:

313 . 20, 43, 87, 153, 178 314 . 36, 154 315—319 . . . 39, 40 315 . 152 316 . 152 317 ff . 19 319 . 40 320ff . 13, 60, 172, 192 320—322 . . . 60 320 . 60, 62, 195, 196, 303 321 . 61, 94, 223 . 60, 118, 267 322 . 1 0 7 i f . , 304 323 ff 323—325 . . . 95, 103 . 105, 1 0 7 , 127,. 157, 168, 323 195, 198, 312, 336 324 . 1 0 7 , 118, 198 325 . 24, 105, 1 0 8 , 116, 162, 185, 195, 266 326—327 . . . 1 0 9 , 112 326 . 24, 91, 95, 1 1 3 , 116, 156, 162, 185, 195, 222 327 . 87, 112 ff. 328 ff . 15, 185 328—335 . . . 62 328 . 64 329 . 132 330 . 185, 243 331 . 240 333 . 64 336—338 . . . 2 6 336 . 28 339 . 27 340 . 27 341 . 27 343 . 9, 27, 37 345 . 26 . 13, 26, 8 6 ff., 168 346 ff 346 . 88 347 . 25 88, 89 348 . 59, 168 349 . 87 350 . 89, 168 351 . 89, 169 352 . 145 . 89 353 355 . 87 356 . 87 359 . 28, 91 360 . 90 25*

387

Paragraphen:

361 362 ff 362 363 364 365 366 368—370 368 370 371 372—382 372 376 378 379 383 ff 387 ff 387—396 388 389 390 391 393 394 395 396 397 398 ff 399 400 401 402 403 404 405 406 407 408 412 413 414—419 414 415 416 417 418 419 420 ff 420

Seiten:

. 82 .

. . . . . .. . . . . .. . . . . . . . .. . . . . . . . . . . .

..

. . . . . . . . . . . . .

119

120 121 52, 121, 216 121, 180 120 121 19 121 121, 335 121 f 122 122 122 122 122 14 1 2 2 ff.

124 123, 125 123 123 124 86 124 125 1 2 5 , 181 1 2 7 , 332 129, 131 129 129, 319 129 129 232, 328 328 123, 130 130 130 131, 319 130 131

. . . . .

132 132 134 132, 133 133

.

134

. 16, 1 3 4 . 137, 138, 139, 140

Quellenregister

388 Paragraphen:

Seiten:

Paragraphen:

Seiten:

421 422 425 426 427 428 429 430 431 432 433 ff 433

136, 139 136 136 131, 372 138 f., 140, 308 137 137 137 139 137, 140, 313 2, 149 3, 147, 149, 155, 156,

484 485 487 490 493 494 495 496 497 ff 504 ff 506 510 51 4 515 516ff 516 517 518 519 520 521 522 523 524 525 ff 525—527 . . . 525 527 528 529 530 ff 531 534 535 ff 535 536 537 538 539 540 542 544 545 546 547 548 549 550 551 552

36 170 166 169 180 173 56, 173 173 176 177 178 178 178 10, 179 180 11, 181 182 181, 211, 265 184, 181, 211 181 98, 181, 183, 211, 284 181 183, 211 47, 183, 211 62, 330 184 185 185, 330 184, 211, 336 184 184 336 184 6, 147, 187 54 191, 194, 195 195, 196, 198 66, 195 196 196 195 148, 196 24, 193, 322 191 22, 26, 191, 287 5, 191 193, 197, 203, 207, 211 5, 196, 197 61, 192 198

434 435 436 437 ff 438 439 440 442 443 444 445 446 447 448 449 450 452 453 455 459 ff

216

160 160 160 128, 160 160 161 59, 160, 162 161 161 24, 155 180 157, 158, 159 81, 157, 159 158 159 158, 287 55 36, 152 158, 175 14, 34, 35, 66, 95, 163 ff., 275 460 165 461 166 462 139, 168, 183 463 165, 167, 172 464 166 465 167, 168 467 25, 86, 168 469 169 471 169 472 169 475 167 476 166 477 163, 169, 171, 172 478 169 480 47, 167, 213 481—492 . . . 170

389

Quellenregister Paragraphen:

Seiten:

553 554 556

193, 197 198 192,201,211,213,291, 321 559 ff 199 559 197 561 199 564 34, 201, 203 565 ff 148 565 119, 198, 200, 202 566 200 567 35 568 201 569 200, 203 570 200 571 189, 190 5 7 2 — 5 7 6 . . . 190 573 190 574 190 578 189 580 189 581 ff 7, 205 581 35, 54, 205, 206 582 207 583 206 5 8 6 — 5 9 0 . . . 207 588 207 591 206 592 206 , 208 593 206 594 207 595 207 596 207 598 ff 18, 210 598 182 599 98, 198, 211 600 211 601 211 603 211 604 211, 213, 321 605 192, 211 607 ff 8, 215, 219 607 215, 219 609 294 610 94, 223 611 ff 6, 147, 253, 261 611 44, 182 612 40, 265 613 36, 84, 262 G14 262, 265

; I , l ! ! ; I

! I j : ' [ ,

Paragraphen:

Seiten:

615 616 617 618

117, 251, 267, 271, 282 266 263, 270, 271 148, 254, 263, 270, 287 35, 270 148, 271 119 263 263 272 116, 271 272 272 263 263 14, 147, 253, 2 7 2 2, 10, 127, 2 7 4 40 95, 275 163, 278, 279 276, 277, 279 279 276, 278, 279 273, 279 277, 279 273 277 277 274, 277, 278 274, 277, 278 273 280, 281 281 280, 282 24 275 253, 281, 282 40 282 37 45, 282, 328, 334 253, 2 8 3 20 283 19, 56 19, 252, 284 182, 253, 284, 288 286, 288 84, 286

619 621 ff 621 622 623 624 626 627 628 629 630 631 ff 631 632 633 ff 633 634 635 636 638 640 641 642 643 644 645 646 647 648 649 650 651 652 653 654 655 656 657 ff 657 658 661 662 ff 662 663 664

Quellenregister

390 Paragraphen:

Seiten:

Paragraphen:

665 666 667 668 669 670 671 672 673 674 675 676 677 ff 677 678 679 680 681 682 683 684 685 686 687 688 ff 688 689 690

286, 288 24, 25, 286 286, 311 286 286 25, 228 286, 311 286 286 286 55, 263, 284, 286, 287 284, 285, 366 19, 90, 253, 288 139, 288 99, 290 290 98, 290 24, 290 290 25, 85, 289, 290 290, 336 289 290 290 187, 253, 291 55, 182, 292 293 14, 98, 111, 153, 252, 286, 291, 343 84, 292 292 293 293 292, 294 292 216, 294 253, 293, 295 99, 374 296 2, 5, 16, 135, 140, 147, 303 296 303, 312 98, 305, 310 299, 307, 308 256, 310 299 84, 287, 288, 311 310 311

719 307, 309 721 307, 312 723 ff 304, 308, 312 725 310 726 312 727 308 731 313 736 308 738 ff 312 740 25 741 ff 312, 313 745 313 746 313 747 313 749 313 759 ff 239, 242 759—761 . . . 242 762 ff 45, 243 762 243, 244, 328, 334 763 245 764 246 765 ff 132, 140, 314 765 15 766 21, 314, 767 316, 318 768 316, 318, 321 769 139 770 316, 318 771—773 . . . 317 771 317 774 131, 319 775 317 776 318 777 317 778 225, 319 779 94, 323 780ff 24 780—782 . . . 326 780 21, 244 783 ff 225 783 215 784 ff 228 784 226 788 227 789 227 790 228, 229 792 225 793 ff 8, 127, 128, 230 793 233, 234, 235, 238 794 235, 236

691 692 693 694 695 698 700 701 ff 701 704 705 ff 705 706 708 709 710 712 713 714 716

Seiten:

391

Quellenregister Paragraphen:

795 796 797 799 801 803 807 808 809 ff 812ff 812

Seiten:

231 232 233 312 232 237 237 238 187, 328 19, 128, 329, 337, 339 20, 72, 125, 139, 184, 220, 244, 245, 327, 329, 332, 333, 337 813 125, 335, 338 81 4 338 815 335, 338 816 333, 336, 340 817 245, 335, 338 818 339, 340 819 340 821 327 822 340 823 18, 19, 66, 68, 71, 79, 94, 172, 198, 265, 270, 337, 338, 3 4 1 , 3 4 7 , 3 5 5 , 356, 357, 358, 359, 360, 361, 362, 364, 365, 366, 370 824 96, 365 825 364, 365 826 8, 21, 43, 96, 98, 161, 175, 234, 265, 283, 345, 346, 349, 354, 357, 358, 362, 368, 370 827 352 828 67, 352 829 352 f. 830 139, 347, 371 831 78, 101, 372, 374 832 374 833 f 368 833 70, 78, 307, 349, 365 834 365, 368 835 70, 350 836—838 . . . 365 836 307, 364 837 364 838 364 839 365, 366 840 138, 139, 372, 374

Paragraphen:

Selten:

841 842 843 844 845 846 847 848—851 . . . 848 852 853 858 859 861 862 868 873

366 375 375 271, 354, 368, 370 370, 371, 375 371 72, 129, 365, 372, 375 376 99 338, 376 335, 376 199 194, 199, 354, 360 194, 360 194, 360, 376 186, 311 21, 181, 189, 281, 332, 334 363 21, 155, 175, 181, 189 154 181, 235, 358 3, 119, 155, 190, 311, 332 311 191 235, 336, 358 220, 235 334 174 313 89, 138, 331, 334 138, 331, 336 129 208 293 283 312 337 79, 189, 192 98, 191 339 89, 340 89, 340 358 79, 358 25 287 340

906 925 926 929 ff 929 930 931 932 935 937 ff 946 ff 947 950 951 952 953 966 971 984 985 ff 985 986 987 ff 987 989 990 992 994 ff 994 996

Quellenregister

392 Paragraphen:

1004 1008ff 1030 ff 1050 1052 1053 1054 1094 ff 1113 ff 1123 1124 1153 ff 1160 1187 ff 1189 1204 ff 1205 1211 1213 f 1215 ff 1215 1216 1217 1218 ff 1223 1225 1228 1230 1234 1241 1249 1257 1279 ff 1285 1298 1300 1301 1354 1356 1359 1360 1363 ff 1363 1386 1388 1390 1437 ff 1438 1477 1601 ff

Seiten:

376 300, 313 3, 4, 160 4 322 4 322 177 51, 150, 281 190 190 131, 134 155 231 231 3, 160 293 321 322 320 293 323 322 322 319, 321 319 321 322 322 322 319 199, 2 8 0 128 322 363 72, 3 6 5 184, 337 4, 31 263, 371 98 370 4, 5 234 53 139 25 301 131 313 370

Seiten:

Paragraphen:

.. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ,.. .. .. ... ,..

1606 1617 1631 1648 1664 1667 1833 1940 1959 1978 2021 2 0 3 2 ff 2033 2038 2058 2059 2131 2151 2174 2 1 9 2 ff 2197 ff 2216 2218 2249 2302 2371 2373

139 263, 371 375 25 98 25 139 62 287 287 337 301, 313 131 313 139 137 98 140 5 62 234 288 25, 287, 2 8 8 367 265 153 151

E i n f ü h r u n g s g e s e t z zum B ü r g e r l i c h e n G e s e t z b u c h v o m 18. A u g u s t 1896 Artikel:

S.iten:

11 12 30 31 42 70 ff 77

141 141, 145 142, 143 142 350 369 368

Handelsgesetzbuch vom Paragraphen:

22 2 5 ff 49 54 62 ff

10. M a i Seiten:

206 134 374 374 251, 270

1897

Quellenregister

393

Paragraphen:

Seiten:

Paragraphen:

63 92 93 ff 133 343 350 352 353 355 356 362 367 373—382 . . . 373 377 416 ff 429 430 485

266 116 282 116 151 315 55 55, 222 55, 123 327 286 234 151 122 157 293 374 75 374

794 806 811 828 ff 850 850b 887 888 890 894 1025 ff 1044

Zivilprozeßordnung v o m 3 0. J a n u a r 1 8 7 7 Paragraphen:

Seiten:

29 50 59 ff 145 259 287 292 302 323 369 ff 421 ff 735 756 765

81 305 139 123 201 80 36 123 375 84 329 305 61 61

Seiten:

. . . . . . . . . . .. ..

326 161 10 131 10, 124 86 254, 264 44, 254, 264 377 155 40 41

Konkursordnung v o m 10. F e b r u a r 1 8 7 7 Paragraphen:

Seiten:

17 43 49 61 68 195—197 . . . 213

174 174 199 255 136 326 305

für

Strafgesetzbuch das Deutsche Reich v o m 15. M a i 1 8 7 1

Paragraphen:

Seiten:

145 ff 171 ff 185—187 . . . 193 231 284 ff 334 336

231 365 72, 365 365 72 245 367 367

Andere Gesetze und Verordnungen Codex Maximilianeus Bavaricus civilis von 1756, Seite: 92. Allgemeines Preußisches Landrecht von 1794, Seite: 44, (Einleitung § 89), 92, 345, 352. Code civil von 1804, Art. 1382, 1383, Seite: 346. Preußisches A r b e i t s gesetz von 1845, Seite: 258. Reichsgesetz vom 14. November 1867 ( Z i n s e n freigegeben), Seite: 54. 26 H e d e m a n n , Schuldrecht, 3. Aufl.

394

Quellenregister

Reichs H a f t p f l i c h t gesetz von 1871, Seite: 70, 350 (s. auch Jahr 1939, 1943). G e w e r b e o r d n u n g vom 21. Juni 1869, § 105, Seite: 247; §§ 115 ff., Seite: 254; §§ 120a ff., Seite: 264; § 133c, Seite: 266; § 152, Seite: 259. Gesetz betr. die Erwerbs- und Wirtschafts g e n o s s e n s c h a f t e n vom 1. Mai 1889, Seite: 301. A r b e i t e r s c h u t z gesetz von 1891 (Novelle zur Gewerbeordnung), Seite: 248. Gesetz betr. die A b z a h l u n g s g e s c h ä f t e vom 16. Mai 1894, Seite: 175. Gesetz betr. die Z w a n g s v e r s t e i g e r u n g und Zwangsverwaltung vom 24. März 1897, in der Fassung vom 8. Juni 1915, § 56, Seite: 161, § 57a und b, Seite: 190. Kaiserliche Verordnung vom 27. März 1899 über die Gewährfristen beim V i e h k a u f , Seite: 170. Gesetz betr. das U r h e b e r r e c h t an Werken der Literatur und der Tonkunst vom 19. Juni 1901, Seite: 72, 99, 355. S c h w e i z e r i s c h e s Obligationenrecht von 1907, Art. 41, Seite: 346, 353. B ö r s e n g e s e t z vom 8. Mai 1908, Seite: 246. N o v e l l e z u m BGB. (Haftung der Tierhalter) vom 30. Mai 1908, Seite: 368. V e r s i c h e r u n g s v e r t r a g s g e s e t z vom 30. Mai 1908, Seite: 239, 240, 241. Gesetz über die Sicherung der B a u f o r d e r u n g e n vom 1. Juni 1909, Seite: 281. Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz von 1909, Seite: 70, 351. Gesetz zur Bekämpfung des u n l a u t e r e n W e t t b e w e r b s vom 7. Juni 1909, §§ 17, 19, Seite: 265. Reichsbeamtengesetz vom 22. Mai 1910, Seite: 368. Reichs v e r s i c h e r u n g s Ordnung vom 19. Juli 1911, Seite: 248, 270, 360. Erwerbslosenfürsorgeverordnung vom 13. November 1918, Seite: 248. A r b e i t s z e i t Verordnung vom 23. November 1918, Seite: 248. Arbeitszeitverordnung für Angestellte vom 18. März 1919, Seite: 248. Kleingarten- und Kleinpachtlandordnung vom 31. Juli 1919, Seite: 210. R e i c h s s i e d l u n g s g e s e t z vom 11. August 1919, Seite: 177. W e i m a r e r V e r f a s s u n g vom 11. August 1919 Art. 115, Seite: 204; Art. 157 ff., Seite: 251; Art. 159, Seite: 259, 297; Art. 165, Seite: 259; Art. 124r Seite: 297; Art. 131, Seite: 368. B e t r i e b s r ä t e g e s e t z vom 4. Februar 1920, Seite: 257, 272 (s. auch 10. April 1946, 10. Februar 1949). Luftfahrzeughaftpflichtgesetz von 1922, Seite: 70. R e i c h s m i e t e n g e s e t z von 1922, Seite: 202 (s. auch 1938). Jugendgerichtsgesetz vom 16. Februar 1923, Seite: 252. Verordnung gegen den Mißbrauch wirtschaftlicher Machtstellung (K a r t e l l v e r o r d n u n g ) vom 2. November 1923, Seite: 302. Gesetz über Wechsel- und Scheckzinsen vom 3. Juli 1925, Seite: 55. Arbeitsgerichtsgesetz von 1926 (Neufassung 1934), Seite: 248; s. auch März 1946. Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung vom 16. Juli 1927, Seite: 248. Verordnung vom 1. Dezember 1930 (Arbeitsrecht), Seite: 266. V e r s i c h e r u n g s a u f s i c h t s gesetz vom 6. Juni 1931, Seite: 239 (s. auch 19. Dezember 1939).

Quellenregister

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V e r t r a g s h i l f e v e r o r d n u n g (VHV.) vom 30. November 1939, Seite: 9, 38. Verordnung zur Änderung des Reichshaftpflichtgesetzes vom 8. Dezember 1939, Seite: 350 (s. auch 15. August 1943). Versicherungsaufsichtsgesetz (Änderungen des Gesetzes vom 6. Juni 1931) vom 19. Dezember 1939, Seite: 239. Gesetz über Haftpflicht der Eisenbahnen für Sachschäden vom 29. April 1940, Seite: 350 (s. auch 6. Mai 1941). Reichs p a c h t s c h u t z o r d n u n g vom 30. Juli 1940, Seite: 209b. Lohnpfändungsverordnung vom 30. Oktober 1940, Seite: 86, 124. Verordnung zur Ergänzung des Gesetzes über die Haftpflicht der Eisenbahnen vom 6. Mai 1941, Seite: 350. M i e t e r s c h u t z g e s e t z vom 15. Dezember 1942 (Änderungen am 7. November 1944), Seite: 202. Gesetz zur Änderung des Reichshaftpflichtgesetzes vom 15. August 1943, Seite: 350. Verordnung zur Änderung des Mieterschutzgesetzes vom 7. November 1944, Seite: 202. Verordnung über die Aussetzung gerichtlicher Verfahren von 1946 (Brit. Zone), Seite: 9. Anordnung über Bewilligung von Z a h l u n g s f r i s t e n 1946 (Franz. Zone), Seite: 9. K o n t r o l l r a t s g e s e t z (KRG.) N r . 18 vom 8. März 1946, Seite: 204. Deutsches A r b e i t s g e r i c h t s g e s e t z (Alliiertes KRG. Nr. 21) vom März 1946, Seite: 249. B e t r i e b s r ä t e g e s e t z (KRG. Nr. 22) vom 10. April 1946, Seite: 250, 257, 264 (s. auch 10. Februar 1949). S t u n d u n g s v e r o r d n u n g (Russ. Zone) vom 7. Juli 1946 mit DV. vom 21. Februar 1947, Seite: 9. V e r t r a g s h i l f e v e r o r d n u n g , Neufassung für Bayern vom 25. April 1946, für Württemberg-Baden vom 2. Mai 1946, für Hessen vom 24. August 1946, Seite: 9. Gesetz über Ausgleichs- und Schiedsverfahren in Arbeitsstreitigkeiten (Gesetz des Alliierten Kontrollrats Nr. 35) vom 20. August 1946, Seite: 249. Bayrische Verfassung vom 22. Dezember 1946, Art. 166, Seite: 251. Gesetz des Alliierten Kontrollrats (KRG. Nr. 45) vom 20. Februar 1947 (Neuregelung des landwirtschaftlichen Höferechts, usw.), Seite: 208, 209c. 26»

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Wortverzeichnis

H ö f e o r d n u n g vom April 1947 (Brit. Zone), Seite: 209, 210d. Befehl der Sowjetischen Militäradministration (SMA.) betr. Maßnahmen zur Steigerung der Arbeitsproduktivität und zur weiteren Verbesserung der materiellen Lage der Arbeiter usw. vom 9. Oktober 1947, Seite: 255, 257. Gesetz vom 3. November 1948 (Bizone; Aufhebung des Lohnstops), Seite: 555. W ä h r u n g s g e s e t z g e b u n g von 1948, Seite: 50, 51. Gesetz gegen Kompensationen (Brit. Zone) vom 3. November 1948, Seite: 179. B o n n e r G r u n d g e s e t z von 1949, Art. 9, Seite: 250, 297; Art. 12, Seite: 251; Art. 13, Seite: 204. Bremer Betriebsrätegesetz vom 10. Februar 1949, Seite: 249. T a r i f v e r t r a g s g e s e t z vom 9. April 1949 (Bizone), Seite: 261.

Wortverzeichnis Das Wortverzeichnis ist nicht nur als Nachschlage-, sondern auch als Studienmittel gedacht. So werden z. B. durch die Vereinigung verschiedener D i n g e unter e i n e m gemeinschaftlichen Stichworte bisweilen Zusammenhänge erschlossen, die sonst verborgen blieben. So zeigt sich z.B., in w e l c h verschiedener Weise ein,,Dritter" an Schuldverhältnissen beteiligt sein kann, w i e die „Gefahr" an den verschiedenen Stellen in die Verträge hineinschlägt, wie das „Verschulden" und die „Unmöglichkeit" bald hier, bald dort auftauchen, w i e die „Auslegung" das gesamte Schuldrecht durchtränkt und w i e „Schaden" und „Schadensersatz" das Schuldrecht als unvermeidliches P h ä n o m e n überdecken. Die l a t e i n i s c h e n Prägungen sind mit kurzen Deutungen in e i n e m A n h a n g zum Wortverzeichnis noch besonders zusammengestellt worden. Die Zahlen bezeichnen die Seiten, die anschließenden römischen Ziffern, B u c h staben usw. die Einteilung auf der betreffenden Seite. W i c h t i g e Stellen sind durch S p e r r druck hervorgehoben.

A Ablehnungspflicht, beim Auftrag 286 Ziff. 1. Ablieferungsort, 81 Ziff. 3. Abnahme, Abnahmepflicht beim Kauf 156, 273, beim W e r k v e r t r a g 273, Mitwirkung eines Erfüllungsgehilfen bei der A. 19. Abnutzung, bei der Miete 191. Absorptionsmethode, (bei gemischten Verträgen) 147. Abstraktes Schuldverhältnis, 23 V, Ausgleich durch ungerechtfertigte Bereicherung 331 Ziff. 3. — E i n z e l f ä l l e : Erlaß 126, Abtretung 128, Schuldübernahme 132 Ziff. 1, Anweisung 226, Vergleich 324 Ziff. 2, Schuldaner-

kenntnis und Schuldversprechen 326. Abtretung (Zession) 127 ff. Abtretungsurkunde 129, Unzulässigkeit der A. 129, W i r k u n g der A. 129 II, Stellung des Schuldners 130 Ziff. 2; Forderungsübergang k r a f t G e s e t z e s 131. — A. von Ersatzansprüchen 79, A. bei Inhaberschuldverschreibung 232. — Fiduziarische Zession 128. Doppelte A. 130 Ziff. 1. Abzahlungsgeschäfte 175; Teilleistung beim A. 83. Accidentalia negotii (beim Kauf) 157 Ziff. 3. Achtstundentag 248. Actio ad exhibendum 329. Actio vi bonorum raptorum 344 III.

Wortverzeichnis Adäquater Kausalzusammenhang; s. Kausalzusammenhang. Agenten, im Versicherungsgeschäft 241 Ziff. 4. Akkord 255. Akkreditiv 228 IVa. Aktiengesellschaft 301b, 305c. Akzessorisches Schuldverhältnis, Bürgschaft 316. Aleatorischer Charakter: Spiel 243; Versicherungsvertrag 239. Aliud, beim Werkvertrag 278. Alleinvertrieb 115 Ziff. 1. Allgemeine Geschäftsbedingungen 12, 32, bei Versicherungen 240. Allgemeinverbindlicherklärung (Tarifverträge) 260. Alt durch Neu, bei Schadensersatz 74 lila. Altenteil 242. Altersstufen, bei unerlaubter ¡Handlung 345, 351c 1. Amortisationsquote (Tilgungsbetrag) 54b 2, 217. Amtspflicht, Verletzung 366d. Anatozismus (Zinseszins) 55 Ziff. 1. Anerkenntnis s. Schuldanerkenntnis. Anfechtung, Verhältnis zum Rücktritt 86. A. bei Kaufmängeln 162, 171. Angebot der Leistung 117 IIa. Angemessenheit, einer Nachfrist 113 Ziff.5, einer Vertragsstrafe 27d. Angewiesener 224. Anlage von Geld 219. Anlagekredit 218c. Annahme, Gegensatz zur Abnahme 156; A. bei der Schenkung 181, bei der Anweisung 226. Annahmeverzug, s. Gläubigerverzug. Anspruch und subjektives Recht 431 V e r j ä h r u n g 22. Anstalten 300 e. Anstandsleistung, keine ungerechtfertigte Bereicherung 338 Ziff. 3. Anstandsschenkung 184 Ziff. 1. Anstifter 371a. Antichresis 321.

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Antrag, bindende Kraft 2. Anwaltspraxis als Kaufgegenstand 30, 151. Anwartschaft, beim Vorkauf 177. Anweisung 223 ff., Schriftform 224. Drei Beteiligte 224. Doppelte Ermächtigung 225 lila; Annahme der A. 226. — Anweisung keine Bezahlung 227. Fälschung der A. 228. Anzeigepflicht. Im allgemeinen 24 Via, bei der Abtretung 128, bei der Miete 193, 196, bei der Anweisung 227. Arbeiterschutzversicherung 241f. Arbeitsgerichtsgesetz 248 Ziff. 4, 249. Arbeitskraft, garantiert in Verfassungsurkunden 251, 357 Ziff. 4, 371 Ziff. 2. Arbeitslosenversicherung 242. Arbeitsordnung 257. Arbeitsrecht (s. auch Arbeitsvertrag) 6b, 247 ff. Verhältnis zum bürgerlichen Recht 251c. Internationale Abkommen 247. Sondergesetzgebung 249 ff. — Lohn 254, Gewinnbeteiligung 254b l j — Disziplinargewalt 256, Arbeitsordnung 257, 258, Tarifvertrag 259, Arbeitsgerichtsbarkeit 248, 249, Schiedsverfahren 249. Arbeitsplatz, Recht auf den A. 272b. Arbeitsvertrag (s. auch Arbeitsrecht. Dienstvertrag, W e r k v e r trag usw.) 247 ff. Verhältnis zur Gesellschaft 252 Ziff. 3. Entgeltlichkeit 252 Ziff. 2. Unselbständigkeit des Arbeitnehmers 252 Ziff. 4, 262 Ziff. 1. — Der A. im BGB. 251. Verhältnis zum Tarifvertrag 259 Ziff. 2. Arbeitszeit, Achtstundentag 248. Arglistige Täuschung, s. Betrug. Arztpraxis, Verkauf 30, 151. Aufhebungsvertrag 119a. Auflage 62; bei der Schenkung 184 IV.

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Wortverzeichnis

Aufrechnung 122 ff. Unaufrechenbare Forderungen 124d. Aufrechnungsverzicht 124d 4. Eventualaufrechnung 123. — E i n z e l f ä l l e : A. bei Schuldübernahme 133b, bei Gesamtschuld 136, bei Spielschuld 244, nach Abtretung 130 Ziff. 3. Aufsichtspflichtiger, Haftung 353, 374c. Auftrag 284 ff., Unentgeltlichkeit 284, Geschäftsbesorgung 284 Ziff. 1, 287IV. Raterteilung 284 Ziff. 3. — Verhältnis des A. zur Vollmacht 285. Sorgfalt 285111, Einzelpflichten 286. Keine Substitutionsbefugnis 286 Ziff. 2. Aufwendung, s. Verwendung. Aufwertung, nach dem 1. Weltkrieg 50. Ausbesserungen, bei der Miete 191, 194, bei der Pacht 207. Ausgleich, bei der ungerechtfertigten Bereicherung 330. Auskunftspflicht 24f. Beim Kauf betr. Fehler 164, bei der Abtretung 129a 1, beim Auftrag 286 Ziff. 4. Usw. Auslegung (s. auch Treu und Glauben) 28, 35c 1. Auslegung, ob vertragliche Bindung gewollt 39 Ziff. 3. — E i n z e l f ä l l e : A. bei Gattungsschuld 47 I, beim Vertrag zugunsten Dritter 64, bei der Erfüllung 120 Ziff. 2, bei Verpflichtungszeichen 237; bei Versicherungsbedingungen 240, beim Dienst vertrag 265 Ziff. 1, bei Raterteilung 284 Ziff. 3, bei der Gesellschaft 309, beim Schuldanerkenntnis 327 Ziff. 2, im Verhältnis zum Deliktsrecht 342. — A. im internationalen Privatrecht 143. Auslobung 283. Aussonderungsrecht (im Konkurs) 174. AuBerrechtliche Verhältnisse 28 fa. Austauschtheorie, bei der Schadensberechnung 108 Ziff. 2, 112.

Automobilhaftpflicht 351 Ziff. 2. Avisbrief 228. B

, ;

1

'

Banken, passive Scheckfähigkeit 230, Verwahrung von Wertpapieren 294 Ziff. 2. Bauhandwerker, besonderer Schutz 280 Ziff. 5, 359 lila. Beamte, Verhältnis zum Dienstvertrag 270 Ziff. 1; Mietskündigungsrecht 200 Ziff. 3; Beamtenhaftung 366. Bedingung. Verhältnis zur Auflage 62. Unzulässigkeit bei Aufrechnung 124, beim Erlaß 126. B. bei Stundung 126, beim Kauf auf Probe 173b, beim Eigentumsvorbehalt 175. Befreiungsanspruch, des Bürgen 317. Befreiungseinrede, beim Schuldanerkenntnis 327 Ziff. 2. Beneficium cedendgrum actionum 318 Ziff. 1. Beneficium excussionis (bei Bürgschaft) 317 V. Bereicherung, bei der Schenkung 182b! s. Ungerechtfertigte B. Beschäftigung, Recht auf Beschäftigung 264c. Beschlagnahme, von W a r e n 159, von Wohnraum 203d. Beschränkung s. Konzentration. Beseitigungsanspruch, beim Werkvertrag 278, 279 Ziff. 4; fehlt beim Kauf 163. Besitz, als Gegenstand ungerechtfertigter Bereicherung 332 Ziff. 4; Schutz im Deliktsrecht 355 Ziff. 1. — Besitz bei den Gebrauchsüberlassungsverträgen 186, im besonderen bei der Miete 190, 191, 194. Besitzlose und Besitzende 8. Besserungsanspruch, beim W e r k vertrag 276. Bestätigungsschreiben 21c. Besteller, beim W e r k v e r t r a g 273.

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Wortverzeichnis Beteiligung, am Betriebe eines anderen 218, bei unerlaubten Handlungen 372 Ziff. 2. Betriebsordnung 256 Ziff. 2. Betriebsräte 257. Betriebsrisiko, beim Dienstvertrag 267. Betriebsvereinbarung 250, 257. Betrug, im Versicherungsgeschäft 241, beim Vergleich 325. Beweislast, bei der Einrede des nichterfüllten Vertrages 60, bei der Vertragsstrafe 26, bei der Erfüllung 121, bei Rechtsmängeln 161 Ziff. 4, bei vertragswidrigem Mietsgebrauch 201, bei Inhaberschuldverschreibungen 238, beim Schuldanerkenntnis 326 Ziff. 1. — Urkunden als Beweismittel 329. — Beweisen bei unerlaubten Handlungen 347. Billigkeit, bei Bestimmung des Leistungsinhai ts 40; bei § 829 352 Ziff.3. S. auchTreu und Glauben. Bismarck, Photographie auf dem Totenbett 72. Bodenreform, Wiederkaufsrecht 176. Börsentermingeschäft 246. Bon 238. Boykott 363 Ziff. 5. Brandstiftung, Schadensersatz 78b 1. Braut, Deflorationsanspruch 72 Ziff. 4. Bringschulden 82. Brüderschaftsgedanke 299a. Buchforderungen 217 Ziff. 1. Bürgschaft 314 ff. Haftung ohne Schuld? 145 Ziff. 2. Wirtschaftlicher Zweck 314, Schriftform 314 II. Verhältnis zur Schuldübernahme 315. Akzessorischer Charakter 316. Einrede der Vorausklage 317. Selbstschuldnerische Bürgschaft 132b 2, 318. Diligenzpflicht 318. Regreß auf Hauptschuldner 318. Mitbürgen 319 Ziff. 3. — Stellung des Bürgen bei Novation 126, Weiterhaftung bei Abtretung 129, Er-

löschen bei 133b. Buße 72, 344.

Schuldübernahme

C Casus, s. Zufall. — Casus a nullo praestantur 65, 353; Casum sentit dominus 65. Causa, s. Kausalverhältnis. Cessio iosa lege 131 III; bei Bürgschaft 318 Ziff. 1. Clausula rebus sie stantibus 90, 92. Commoda tum 210. Communio pro partibus indivisis 312. Compensatio lucri cum damno 78; vgl. Aufrechnung. Condictio indebiti usw. 334 IV. Contrarius consensus 87b. Coupon 236. Culpa (s. auchFahrlässigkeit). Culpa lata und levis 97, Culpa in contrahendo 24, 101V, 105c, 153, 171. Culpa concurrens 77 f., 97, 353d, 371, beim Dienstvertrag 270 Ziff. 1, beim Auftrag 287. Custodia, bei Wahlschuld 57. D Damnum emergens 75. Darlehn 219 ff. Konstruktion 219c, Realvertrag und Vorvertrag 220, 222 IV. Hingabe der Valuta 220, II. Verzinsung 221 b. — Darlehnsversprechen 222IV. — Verhältnis des D. zur Gebrauchsüberlassung 187. S. auch depositum irreguläre. Darlehnsversprechen 219, 222. Datio in solutum 121 III. Dauerschuldverhältnisse 22, 180; Dienstvertrag 262 Ziff. 2. Debitor cessus 128. Deckungskauf 79. Deckungsverhältnis, bei der Anweisung 227 Ziff. 2. Delegant, Delegatar 224. Delikt, s. unerlaubte Handlungen. Deliktsfähigkeit 16, 343, 352. Deliktsobligationen 341 II.

400

Wortverzeichnis

Depot (Wertpapiere) 216, 293 b. Depositengelder 294. Depositum 291, irreguläre 216, 294. Dienstleistungen, als Schenkungsgegenstand 182; s. Dienstvertrag. Dienstvertrag 261 ff. Gegensatz zum W e r k v e r t r a g 261; Selbstbestimmungsrecht 262, höchstpersönlicher Charakter 262 Ziff. 3, Fehlen der Vollstreckung 44. Gefahrtragung 262 Ziff. 4; Betriebsrisiko 267. Geschäftsbesorgung 263a. Sozialer Schutz 263b, 270 Ziff. 1, Krankheitsfürsorge 271 Ziff. 2. Schutz gegen Entlassung 272b, Recht auf Beschäftigung 264c, Geschäftsgeheimnisse 264d, Lohnzahlung 266, bei Kündigung aus wichtigem Grund 272, bei Annahmeverzug des Dienstherrn 267. Fürsorgepflicht 269. Kündigung 271. —• S. auch A r b e i t s vertrag. Differenzgeschäft 247. Differenztheorie, bei der Schadensberechnung 108, 112b. Diktierter Vertrag 13c 1; bei Kaufverträgen 150, bei Pachtverträgen 209 Ziff. 3. Diligentia quam in suis 98 Ziff. 4, bei Verwahrung 291 Ziff. 3, bei Gesellschaft 310, bei Gemeinschaft 313. Diligenzpflicht, bei Bürgschaft 318 Ziff. 3. Direktionsrecht, im Arbeitsverhältnis 255 Ziff. 1. Diskontierung der Buchforderungen 217 Ziff. 1. Dispositives Recht 34; bei Gesellschaften 305. Usw. Disziplinargewalt, im Arbeitsrecht 256. Dividenden 54 IIb; Dividendenschein 236. Dolus, s. Vorsatz. Dommaqe moral, s. Ideeller Schaden. Doppelte Zahlung 330 Ziff. 1. Doppel verkauf 161. Draufgabe 27 VIII.

Dritter. Beteiligung am Schuldverhältnis 15, Vertrag zugunsten eines Dritten 62 ff., der Dritte als Leistender 83 III. Eintritt des Dr. in das Schuldverhältnis 120; gesetzliche Zession beim Einspringen 131 III. Dr. als Bestimmer des Leistungsinhalts 40, als Leistungsempfänger 120.—'Stellung des Dritten beim Rücktritt 88, bei der Miete 188b, 191, 201, bei der Pacht 207, bei der Leihe 211, gegenüber einer Gesellschaft 308b. Bindung an ein Vorkaufsrecht 177. Beteiligung an der ungerechtfertigten Bereicherung 333, 336d, 340 Vlfb. — S. auch Abtretung, Schuldübernahme. E Ehefrau, Dienstleistungspflicht 263 Ziff. 5, Beteiligung a m Mietsverhältnis 199, 200c 2. Ehevermittlung 282. Ehre, Schutz im Deliktsrecht 355 Ziff. 1, 357 Ziff. 2, 359. Eigenbedarf des Vermieters 203, des Verpächters 209, beim Trödelvertrag 213. Eigenschaft bei Kaufgegenständen 164 Ziff. 2; bei Kauf nach Probe 173. Eigentum, Schutz durch § 823: 355 II, 358c. Ausgleich einer Eigentumsänderung durch ungerechtfertigte Bereicherung 331, 337. — Eigentumsübergang beim Kauf 3b, 155 Ziff. 2, beim Darlehn 215 Ziff. 2, 220II; Eigentumslage beim W e r k v e r t r a g 279d, beim Wertpapierdepot 294, bei Kreditgeschäften 215 Ziff. 2, bei Inhaberschuldverschreibungen 235, bei den Gebrauchsüberlassungsverträgen 186, bei der Miete 189, beim Trödelvertrag 213, bei der Gesellschaft 310, beim Rücktritt 88. — Eigentumsvorbehalt, beim Kauf 158 Ziff. 3, 174.

Wortverzeichnis Hinbringung bei Gastwirten 295 V. Einrede, Einwendungen. Bedeutung für den Verzug 110a. E. hemmt die A u f r e c h n u n g 123c. Perpetuation der E. bei urlerlaubter H a n d l u n g 376. — E i n z e l n e Einreden: E. des Bürgen 315b, 317a (Vorausklage); E. des nichterfüllten Vertrages, s. Exceptio non impleti; E. des Notbedarfs beim Schenkungsversprechen 181 Ziff. 1; E. der Vora u s k l a g e bei Bürgschaft 317 Va; bei Schuldanerkenntnis 327 II; bei der Abtretung 130 Ziff. 2, bei Schuldübernahme 133 Ziff. 1, bei der Inhaberschuldverschreib u n g 282. Einwilligung, des Verletzten 354. Einzelne Leistungspflichten 21 III, bei der Erfüllung 120. Eisenbahnhaftung 349. Eltern, Haftung 375 oben. Emanzipationsmethode (bei gemischten Verträgen) 148 Ziff. 3. Enteignung, Verhältnis zum Vorkaufsrecht 179. Entlassung, im Arbeitsverhältnis 257. Entlastungsbeweis, bei Tierhalterh a f t u n g 368, bei Haftung für Angestellte 373 Ziff. 3, des Aufsichtspflichtigen 375. Erbrecht 4. Erfüllung 119 ff. Verhältnis zur Leistungspflicht 120. Erfüllung bei m e h r e r e n Schulden 120b. Beweislast 121c. — K o n s t r u k t i o n der E. als Vertrag 119b. Hingabe an Erfüilungsstatt 121. — S. auch folgende Stichworte. Erfüllungsanspruch, Verhältnis zur V e r t r a g s s t r a f e 27; E. bei Mängeln im W e r k v e r t r a g 278c 1. Erfüllungsgehilfe 18, Haftung für ihn 100, bei unerlaubten Handlungen 371 IIa. E. bei der Miete 196 D. Erfüllungsgeschäft und ungerechtfertigte Bereicherung 331. Erfüllungsinteresse 76. 27 H e d e m a n n , Schuldrecht, 3. Anfl.

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Erfüllungsklage, im allgemeinen 96a, Übergang in Schadensersatz 97. W e g f a l l beim Verzug 113d2. Verhältnis zur Sachmängelhaftung 163, zur Vertragsstrafe 27c. Bei der Miete 195 Ziff. 1, 198. Erfüllungsort 82, 154, bei Geldschulden 52. Bedeutung des E. für das internationale Privatrecht 144. Erfüllungsübernahme 132. Erfüllungszeit 82, 154. Erlaß 125 f. Ermächtigung bei der A n w e i s u n g 225 III. Ernte, bei der Pacht 207c. Erpressung 335c. Ersatz v o n Alt durch N e u 74. Ersatzansprüche, A b t r e t u n g 79c. Ersatzlieferung, bei m a n g e l h a f t e r Kaufsache 166b 1. Ersatzwert, bei Gattungsschuld 47 IIa, bei Unmöglichkeit der Leistung 106c, 109 Ziff. 3. Ersetzungsbefugnis s. Facultas alternativa. Ersitzung 343. Eventualaufrechnung 123. Exceptio doli generalis 41, bei der Gesellschaft 304. — S. auch Treu und Glauben, Einrede der Arglist. Exceptio non impleti 59 IIa, 84 IIa; bei Gesellschaft 303. Exekution, s. Zwangsvollstreckung, Pfändung. Exkulpationsbeweis, im §831 BGB.: 101, 460b 1. Exmissionsklage 201. F Fabriken, Haftung 351 Ziff 4. Facultas alternativa 45, 58. Fälligkeit, Voraussetzung für die A u f r e c h n u n g 123 c; beim Verzug 110. Fahrkarte 237a. Fahrlässigkeit 97 ff., 348 Ziff. 2.

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Wortverzeichnis

Familienrecht 4; Dienstleistungspflicht innerhalb der Familie 263 Ziff. 5. Fehler beim Kauf 164 Ziff. 1. Fiduziarische Zession 128. Finderlohn 283. Fiskalische Forderungen, keine Aufrechnung 124 Ziff. 3. Fixgeschäft 82, 91, 105e. Flüchtlingswesen 204. Flugzeuge, Haftung 351 Ziff. 3. Forderung, als Gegenstand des Kaufes 160 Ziff.'3; Erlaß als Schenkung 181 I I a ; Mehrheit von Gläubigern 134 ff.-, Übertragung von F. 127 ff. — Forderungsrechte nicht geschützt durch §823: 357b 1, 363 Ziff. 1. — S. auch Unpfändbare, Höchstpersönliche F. Form und Formlosigkeit 20f; im internationalen Verkehr 141. —• Form beim Kauf 153, bei Bürgschaft 314 II, beim Schenkungsversprechen 252, 265 Ziff. 1. — Formvotschriften nicht wandelbar durch Treu und Glauben 43. Sittenwidrige Ausnützung der Form 364. Haftung des Beamten bei Nichtbeachtung von Formvorschriften 455. Formulare 12 Ziff. 1, 32 Ziff. 1; bei der Miete 193. Frachtvertrag, Haftung 75b. Frauensperson, V e r f ü h r u n g 365. Freihandelslehre 7a. Freiheit der Person, Schutz durch § 823: 355 II. Freiwerden des Schuldners bei Unmöglichkeit 106 IIa. Freundschaftsbeziehungen im Arbeitsrecht 252 Ziff. 1-, Freundschaftsdarlehen 217 Ziff. 1; Freundschaftspreis 183. Frist, beim Rücktritt 87a; Fristsetzung bei Schadensersatz 73c, bei der Schenkung 181, beim Verzug 113. Fruchtziehung, bei der Pacht 205, bei der Leihe 210.

Fürsorgepflicht, trag 269c.

beim

Dienstver-

G Gäste, Haftung für sie bei der Miete 197. Garantieübernahme, Verhältnis zur Mängelhaftung beim Kauf 165: Garantievertrag 287, Verhältnis zur Bürgschaft 315c. Gastwirte 295f. Gattungsschuld 47 ff. Verhältnis zur Wahlschuld 56b; begrenzte G. 60, 159. — Unmöglichwerden der Leistung bei G. 106 IIa, Gefahrtragung bei Gläubigerverzug 118 111b. — Gattungskauf 151. Gebäudeeinsturz 365c. Gebrauchsüberlassungsverträge 185 ff. Kein Gebrauchsrecht des Pfandgläubigers 321. Gefährdungshaftung 70 V, 349, 365 oben. Gefahr (und Gefahrtragung). Bei Gattungsschuld 48, bei Versendung 81, beim Rücktritt 89, beim Gläubigerverzug 118 111b, bei Hinterlegung 122, beim Kauf 157, 165, bei Wandlung 168, bei Eigentumsvorbehalt 175, beim Kauf auf Probe und auf Umtausch 173, beim Darlehnsversprechen 223, beim Dienstvertrag 262 Ziff. 4, 269, 270, beim W e r k v e r t r a g 274, 277, bei Geschäftsführung ohne Auftrag 290 Ziff. 5. Gefangenenbefreiung, Schadensersatz 361. Gegenseitigkeit. Gegenseitiger Vertrag 59 ff. Unmöglichkeit beim g. V. 107, Verzug beim g. V. 112. Einfluß der Zweckerreichung auf die Gegenleistung 127IV. Keine Gegenseitigkeit beim Zurückhaltungsrecht 85a. — E i n z e l f ä l l e : Gegenseitigkeit bei der Miete 192 III, beim Darlehn 222, beim Dar-

Wortverzeichnis lehnsversprechen 223, beim Dienstvertrag 266b, bei der Gesellschaft 303 Ziff. 2, 308. Gehilfe, bei Delikt 371 IIa; s. im übrigen Erfüllungsgehilfe. Geisteskranke, Haftung 352 Ziff. 2. Geld 49 if. Begriff 51, Erfüllungsort 52, Geldüberweisung 52, 120a, 2, Geld beim Schadensersatz 73. Geldsortenschuld 53. — Haftung aus Geldschulden 46IV. — Geld als Gegenstand der Kreditgeschäfte 215, beim Darlehn 219, bei der Anweisung 225b. Geldentschädigung bei unerlaubter Handlung 344. — S. auch W ä h r u n g . Gelegenheitsgesellschaften 305 Ziff. 3. Gemeinschaft 312 ff. Gemischte Verträge 147; gemischte Schenkung 182d, gemischte Miete 188 Ziff. 3; Werklieferungsvertrag 275b. Gemischtwirtschaftliche Unternehmung 302e. Genehmigung, bei Geschäftsführung 289 Ziff. 1; staatliche, bei Inhaberpapieren 231. Generalklauseln 8, 42. Genossenschaft 301c. Genuskauf 151. Gesamtforderung und Gesamthandforderung 137, 138, 139, 140. Gesamtgläubigerverhältnis 137c. Gesamthandsschuld 136 Ziff. 3; bei Gesellschaft 394 III; Wegfall bei der Gemeinschaft 313 II. S. auch Gesamtschuld. Gesamtschuld 16, 136; bei unerlaubter Handlung 372, 374 Ziff. 4; keine gesamtschuldnerische Haftung bei der Gesellschaft 309. S. auch Gesamthandsschuld. Geschäft, beim Auftrag 284 Ziff. 1. Geschäftsbedingungen, s. Allgemeine Geschäftsbedingungen. Geschäftsbesorgung 287, beim Dienstvertrag 263. S. auch Geschäftsführung.

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Geschäftsfähigkeit 16, Gegensatz zur Deliktsfähigkeit 343, 352. Geschäftsführung ohne Auftrag 19, 288 ff.; Auskunftspflicht 24a. G. bei der Gesellschaft 310. Geschäftsgeheimnisse. Verrat durch Angestellte 115 Ziff. 3. G. beim Dienstvertrag 264d. Geschäftsgrundlage, Wegfall 91; s. auch Clausula rebus sie stantibus. Gesellschaft 16, 303 ff. W e s e n 303, gegenseitiger Vertrag 303 Ziff. 2; Gegensatz zum Verein 304; Verhältnis zum Handelsrecht 5b; Übergang ins Arbeitsrecht 252 Ziff. 3, in Kauf 180. — Gesellschaftsvermögen 306, Gesellschaftsschulden 307; G e s a m t h a n d 307 lila; Bindung Dritter 308. Stellung der Mitglieder 309, Geschäftsführer310; Gewinn und Verlust 311; Mängelhaftung bei eingebrachten Sachen 180 VIII. Gesetz, Grundlage für Schuldverhältnisse 19, 32, 43. Gesetzestreue im Schuldrecht 43. Gesetzliche Verbote 29. Gesetzliche Zession 131 III. Gestaltungsrecht, s. richterliches Gestaltungsrecht. Gesundheit, Schutz bei Miete 200 Ziff. 4, beim Dienstvertrag 270 Ziff. 1; Schutz durch § 823: 355 II. Gewährfrist, beim Viehkauf 170. Gewährschaftsübernahme bei Verwendung von Gehilfen 100 Ziff. 1. — S. auch Garantievertrag. Gewerbebetrieb, Schutz durch § 823: 358 Ziff. 5. Gewerbeordnung 247; Gewerbepolizei 263b, 282. Gewerbliche Räume, Mieterschutz 202b, Beschlagnahme 204 Ziff. 1. Gewerkschaften 249b, 258, Teilnahme an Tarifverträgen 259 Ziff. 2. Gewinn beim Spiel 243f, bei der Gesellschaft 311b. Gewinnbeteiligung beim Kauf 152, im Arbeitsverhältnis 254. — Entgan-

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gener Gewinn 75; beim Verzug 111. — Gewinnmöglichkeit als Kaufgegenstand 151. Gewinnanteilschein 236. Gläubiger 15; Mehrheit von Gläubigern 16, 85; ihre Konkurrenz 46, Verteilung bei Gattungsschuld 49b. — W e c h s e l des Gläubigers 127. — Stellung des Gl. bei Bürgschaft 316 IV, beim Pfandvertrag 321, bei den Kreditgeschäften 215a, bei der Inhaberschuldverschreibung 233c, gegenüber dem Gesellschaftsvermögen 306, Privatgläubiger der einzelnen Gesellschafter 309 Ziff. 2, 311. Gläubigerverzug 116 ff.; Haftung für Unmöglichkeit 107b; Ausgangspunkt für die Hinterlegung 122 II. Gleichberechtigung 3. Glücksspiel 245. Grundbucheintragung, als Gegenstand ungerechtfertigter Bereicherung 332 Ziff. 4. Grundbuchkosten beim Kauf 158b. Grundlage, feste, beim Vergleich 324 Ziff. 2. Grundstücke, Preisgabe bei Gläubigerverzug 122. Grundstückskaul, Gefahrübergang 158 Ziff. 4, Eigentumsübergang 155. Grundstücksmiete 189, 199b. Grundstücksverträge, Beurkundung 20, 155; Gefahrübergang bei Verkauf 158 Ziff. 4. Güterschlächter 20. Güteverlahren 325. Gutglaubensschutz, bei Eigentumsvorbehalt 174, beim Darlehn 220 II, bei Abtretung von Mietszinsen 190, bei Inhaberschuldverschreibungen 235. — Ausgleich durch ungerechtfertigte Bereicherung 336d.

I

H Haftpflichtversicherung 344. Haftung, Verhältnis zur Schuld 44, H. aus Vertrag im Gegensatz zur H. aus unerlaubter Handlung 343. — Umfang der H. im allgemeinen 46, Ausschluß durch Parteiabrede 35, 100; H. beim Kauf 165 Ziff. 4. H. für Hilfspersonen 100 III, für Angestellte 372b. — H. des Schenkers 181, 183, des Vermieters 195c, des Gastwirts 296; H. bei Verwahrung 293, bei Raterteilung 284 Ziff. 3. — S. auch Rechtsmängel, Sachmängel, Kauf, Verzug, Unmöglichkeit usw. Handelsbrauch, bei der Erfüllungszeit 82b 1, beim Mäklervertrag 282. Vergl. auch Auslegung. Handelsgeschäft, Verkauf 163, Verpachtung 206. Schuldübernahme 134c. Handelsgesellschaften 5b, 305. Handelsklassen, als Kennzeichen beim Kauf 165. Handelsmäkler 282. Handelsrecht 5b; Klauseln 32; Handelskauf 150; Schuldverschreibungen 237. Handlungsfähigkeit 16. Hasen, keine Haftung bei Wildschaden 368. Hauptmängel, beim Viehkauf 170 Ziff. 5 HauDtDflicht und Nebenpflicht, beim Kauf 155 Ziff. 1. Hauptschuldner, bei der Bürgschaft 314 ff. Hausordnung (bei der Miete) 194, 343. Häusliche Gemeinschaft 270; häusliche Dienste 263 Ziff. 2. Heilung von Formfehlern 21a. Heiratsvermittlung 282. Herabsetzung des Mietszinses 196C, des Mäklerlohnes 37. Herrschaftsgedanke, bei Personenvereinigung 299. Herstellungstheorie, bei der Wandlung 168 Ziff. 3.

Wortverzeichnis Hilfsgeschäfte 314 ff. Hilfspersonen 17, Haftung f ü r sie 100; konkurrierendes Verschulden 78 Ziff. 3. — S. auch Erfüllungsgehilfe. Hingabe an Erfüllungsstatt 121 III; beim Kauf 152; bei der Anweisung 227. Hinkende Inhaberpapiere 238. Hinterlegung 121 ff.; öffentliche 295 IV, bei Verpfändung 322b. S. auch Verwahrung. Höchstbetrag, bei Bürgschaft 317b. Höchstpersönliche Forderung, Unzulässigkeit der Abtretung 129d, kein Zurückbehaltungsrecht 84b 1; beim Dienstvertrag 262 Ziff. 3. Höchstpreise 37, 153, beim Grundstücksverkauf 29, bei Kleinpacht 210c. Höhere Gewalt 99c; beim Gastwirt 296. Holschulden 82, 117a 2, bei der Verwahrung 293. Humanität im Schuldrecht 9. Hypotheken (Realkredit) 217, 219, 320. Versprechen einer Hypothek 222, Zinsen 24a 1, 219a; Bauhandwerkerhypothek 281, Verpfändungsvertrag 320. Verbindung mit Inhaberschuldverschreibung 231. — Abtretung 131 vor III, Hypothekenübernahme 133 lila, Mitübergang bei der Abtretung 129 Ziff. 2, Erlöschen bei Schuldübernahme 133 IIb. — Hypothekengläubiger bei der Miete 190'. — Hypothek in der Währungskrise 51. I Ideeller Schaden 71, 346 Ziff. 3; Deckung mittels Vertragsstrafe 26a. Immobiliarkredit 321. Inflation (Geldentwertung) 111; s. auch Währung.

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Inhaberschuldverschreibung 230 ff. Staatliche Genehmigung 231. Vorlegungsfrist 231 II. — Stellung des Schuldners gegenüber den verschiedenen Inhabern 232. Drei Einwendungen 233. Einfluß des guten Glaubens 235. Kreationstheorie 235. Zinsscheine 236, Erneuerungsscheine 236. — Inhaberpapierähnliche Urkunden 237f; hinkende Inhaberpapiere 238. Inkassomandat 227, 233c. Inkassozession 129. Interesse. Im Schadensersatzrecht 75b; bei Geschäftsführung 288f. —• Interessenabwägung nach Treu und Glauben 42 Ziff. 4, bei Verwendung von Gehilfen 101 Ziff. 3, Wegfall des I. bei Verzug 112b. Internationales Privatrecht 34, 141, Regelung im EG. 141. Retorsion (Vergeltung) 142. Lehre von den Anknüpfungspunkten 143; Wohnsitz des Schuldners entscheidend 144. Sonderregel für unerlaubte Handlungen 145. Interlokales und Interzonenrecht 145 V, bei der Währungsspaltung 50. Internationale Schiedsgerichte 41. Die sog. Incoterms 32a 1; internationale Regelung des Scheckrechts 229. Internationale Abkommen für Arbeitsrecht 247, 248 Ziff. 6. Interpretation, s. Auslegung. Inventar, bei der Pacht 207. Ipso jure compensari 124. Irrtum, bei Geschäftsführung 290, beim Vergleich 323. — I. als Basis für ungerechtfertigte Bereicherung 330. — Irrtumsanfechtung neben Rechtsmängelhaftung 162 Ziff. 5, neben Sachmängelhaftung beim Viehkauf 171 Ziff. 1.

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J Jagdpacht 208. Jugendliche, im Arbeitsrecht 248, 264, bei der Geschäftsführung ohne Auftrag 290 Ziff. 6; Haftung Jugendlicher 352, Stellung im allgemeinen 16. Jus cogens und jus dispositivum 34. Jus publicum und privatum 6. Jus retentionis, s. Zurückbehaltungsrecht. Jus tollendi, s. Wegnalimerecht. Jus variandi, bei Kaufmängeln 167. K Kalender, Bedeutung für den Verzug 110b. Kanonisches Zinsverbot 54. Kapitalismus 247; „kapitalistischer Geist" im Recht der unerlaubten Handlungen 346 Ziff. 2. Kapitalanlage 219a. Kartelle 146a, 301, 302. Kassatorische Klausel 90a. Kauf 149 ff. Internationale Bedeutung 150. Kaufähnliche Geschäfte 180 VIII. — Handelsrechtlicher Kauf 150, 157, Spezieskauf 151, Gattungskauf 151, Realkauf 153, Kreditkauf 153; Versendungskauf 157 Ziff. 1; Viehkauf 170 Ziff. 5, Doppel verkauf 161 Ziff. 5. — W a r e 151 Ziff. 2, P r e i s 151 Ziff. 3, H ö c h s t p r e i s e 153. — A b s c h l u ß des Kaufes 153, Eigentumsübergang 155. Kauf bricht nicht Miete 189. Pflichten des Verkäufers 154a, Pflichten des Käufers 155, insbesondere die Abnahmepflicht 156. — G e f a h r t r a g u n g 157, R e c h t s m ä n g e 1 159 IV. S a c h m ä n g e l 162 V, insbesondere Fehler und zugesicherte Eigenschaften 164; Wandlung 168, Minderung 169, Irrtumsanfechtung 171. —• Kauf auf Probe und Umtausch 173. Usw.

Kausalverhältnis, beim abstrakten Schuldverhältnis 23 V, bei der Abtretung 188, bei der Schuldübernahme 132 Ziff. 1, 133a, beim Schuldanerkenntnis 326, 327 Ziff. 2, bei der Verpfändung 391, bei der ungerechtfertigten Bereicherung 331 Ziff. 3. Kausalzusammenhang 67, 3461; insbesondere adäquater 67, 75, 79, 347. — Kausalzusammenhang bei der ungerechtfertigten Bereicherung 333. Causa concurrens 78. Kinder, Haftung 352. Kinderarbeit 360. Klagbarkeit der Schuldverhältnisse 43, nicht beim Spiel 244. Klageerhebung als „Mahnung" 114 VI. Klauseln 32a 1, beim Kauf 156, beim Rücktritt 87, 90 IV. Usw. Kleingarten 210. Kleinpacht 206, 210. Knebelungsverträge 31. Koalitionsfreiheit 250, 259, 297. Kollektiver Arbeitsvertrag 259, s. auch Tarifvertrag. Kollektive Wirtschaft 252 Ziff. 3. Kombinationsmethode (bei gemischten Verträgen) 147 Ziff. 2. Kommunistisches Manifest 247. Kompensationsgeschäfte 179. Konditionsgeschäfte (Buchhandel) 212.

Konfusion 126; bei Gesamtschuld 136. Konjunktur, Bedeutung für die Schadensberechnung 111c. Konkretisierung 48 III, 56b. Konkurrierendes Verschulden, s. Culpa concurrens. Konkurs 46, bei Gattungsschuld 47. — Privileg des Dienstlohnes 255; W e r k v e r t r a g 280; Ausfall der Bauhandwerker 281; Depositengelder 294. K. über das Gesellschaftsvermögen? 306; Zwangsvergleich im K. 325 III. Eigentumsvorbehalt im K. 174, Kreditgeschäfte im K. 215 Ziff. 2.

Wortverzeichnis K. beim Vertriebs-(Trödel-)Vertrag 213; Behandlung einer Leibrente im K. 243b; Vermieterpfandrecht im K. 199. Konkursfähigkeit von Vereinen und Gesellschaften 305, 306. Konnexität, beim Zurückbehaltungsrecht 84. Konstitut, antizipierendes bei der Gesellschaft 31 Iß. Kontokorrent 123, 124 III; Zinsen 55c 1. Kontrahierungszwang 13, beim Kauf 150. Konventionalstrafe, s. Vertragsstrafe. Konzentration, bei Gattungsschuld 48; im V e r b a n d s w e s e n 301d. Konzern 301. Konzessionssystem, bei V e r b ä n d e n 298, im Versicherungswesen 239. Körper, Schutz durch § 823: 72 Ziff. 4, 355. Kosten, Verteilung beim Kauf 157 III. Kraftfahrzeuge, Haftung 351 Ziff. 2. Kraftloserklärung (Inhaberschuldverschreibungen) 234. Kreationstheorie 235. Kredit 214, Personal- und Realkredit 216 III, 321, öffentlicher und privater 217b, Anlagekredit und Umlaufskredit 218, konsumtiver und produktiver Kredit 218; Kred i t g e w ä h r u n g bei der Versicherung 239. — S. auch folgende Stichworte und Pfandrecht und Hypothek. Kreditauftrag 319 VI. Kreditbrief 228 IVa. Krediteröffnung 227 Ziff. 2. Kreditgelährdung als Delikt 453. Kreditgeschäfte 214 ff. Kreditkauf 153. Krieg, Clausula rebus sie stantibus 92; Belebung der Moratorien 83; Häufigkeit des Tausches 179. Kündigung 119. Verhältnis zum Rücktritt 86; Kündigungsschutz im Arbeitsrecht 249, im Miets-

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recht 203. — E i n z e l f ä l l e : K. bei positiver V e r t r a g s v e r letzung 116 III, bei über 6 v. H. Zinsen 53 Ziff. 2, bei M i e t e 199, fristlose 197, 198b, 203; bei der Pacht 207, Kündigungsschutz 209b 1; bei Leihe 211, bei Darlehn 221, beim Pförtnervertrag 188, beim Dienstvertrag 263 Ziff. 3 u. 4, 271, beim W e r k v e r t r a g 280IV, beim Auftrag 286 Ziff. 9, bei der G e s e l l s c h a f t 304, beim Pfandvertrag 322-b. Kulpakompensation 77 Ziff. 2a. Kultur, große Bedeutung 7; im Recht der unerlaubten Handlungen 345 IV. Kumulative Schuldübernahme 132b 2. Kundschaft als Kaufgegenstand 151. L Laesio enormis 150. Lagergeschäft 293. Landgüter, Verpachtung 206. Lasten, Verteilung bei der Miete 191a, beim Kauf 158. Leben, Schutz durch § 823: 355. Lebensversicherungsvertrag 240c, 343. Legalschuldverhältnisse 19, 34. Legitimationspapiere 238b. Lehrer, H a f t u n g für Aufsicht 375. Leibgedinge 242. Leibrente 242. Leihe 210, Verhältnis zur Schenk u n g 210, Verhältnis zur Miete 211.

Leistung, Begriff 101 Ziff. 4; Klagbarkeit 43. — Angebote der L. 117; L. durch einen Dritten 120a 1. Unteilbare und teilbare L. 138, 139, 140. Leistungsinhalt 28 ff.; nachträgliche Bestimmung 39d. Leistungsort 81; Bedeutung f ü r das internationale Privatrecht 144. Verschiedenheit des L. bei Aufr e c h n u n g 123a.

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Leistungspflicht 15 ff.; Verhältnis zur Erfüllung 120, Einwirkung der Clausula rebus sie stantibus 92. — S. auch Verschaffungspflicht. Leistungsstörungen 94 ff. Leistungszeit 82b, 117 11a; bei Anweisung 225d. S. auch Verzug. L e x commissoria 26. L e x delicti commissi 145. L e x loci contractus 144. Liberalismus 7a, 247a. Liquidation, bei der G e s e l l s c h a f t 312c. Lohn 254b; beim Dienstvertrag 265 ff., Lohnzahlung trotz Arbeitsverhinderung 267 Ziff. 2. K e i n e Aufrechnung bei Lohnforderungen 124d 1. Lohnpfändung 266. Lombardkredit 217. Los, Lotterie 245b. Lucrum c e s s a n s 75. Luftverkehr, Haftung 351 Ziff. 3. M M ä k l e r v e r t r a g 281; Ehemaklervertrag 282, 328 Ziff. 5. Mängelhaftung, im a l l g e m e i n e n 95 Zu 3; beim K a u f 35, 1 5 9 I V , 162 V, beim T a u s c h 179, bei S c h e n k u n g 183, bei der M i e t e 196 C, beim W e r k v e r t r a g 277 Ziff. 2, Werklieferungsvertrag 275, T r ö d e l v e r t r a g 213. — V e r hältnis der M. zur ungerechtfertigten B e r e i c h e r u n g 337a. Mäßigungsrecht, r i c h t e r l i c h e s 37. Mahnung beim V e r z u g 110. Majoritätsprinzip, bei G e m e i n s c h a f t 313 II, nicht bei Gesellschaft 310. Mandatum (Auftrag) 284. Marktordnung 14. Marktpreis 152. M a r x , Karl 247. Massenverkauf, W a n d l u n g 169. Maßgabe, s. Auflage. Mehrheit von S c h u l d n e r n und Gläubigern, s. Personenmehrheit, Gläubiger.

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Miete 187 ff., A b s c h e i d u n g von anderen S c h u l d v e r h ä l t n i s s e n 138. M i e t s v e r t r a g s f o r m u i a r e 193. Hausordnung 194b. Wirkung g e g e n Dritte (Kauf bricht nicht Miete) 188b 1. — W o h n u n g s z w a n g s w i r t s c h a f t ( M i et e r s c h u t z) 193, 201 ff. — V o r leistungspflicht des V e r m i e t e r s 192 III, Anzeigepflicht des M i e t e r s 193, Besitzschutz 194b. Haftung des V e r m i e t e r s 195, Haftung des M i e t e r s 196, für Mietszins 198; Pfandrecht des V e r m i e t e r s 198. — Kündigung 199. Stillschweigende Verlängerung 200d; Fortdauer einzelner Beziehungen nach Auflösung der M. 22 (Beispiel). — U n t e r m i e t e 193, 203. Mietstaler 27 V I I I . Minderung beim Kauf 169, beim Werkvertrag 279; fehlt beim T a u s c h 179. Minderungsposten, beim Schadensersatz 77 IV, bei ungerechtfertigter B e r e i c h e r u n g 340g. Minima (Kaufmängelhaftung) 164 Ziff. 1; i n s b e s o n d e r e b e i m Kauf n a c h Probe 173a. Minoritätsrecht 299b. Mischungen von V e r t r a g s t y p e n , s. G e m i s c h t e V e r t r ä g e . Mitbestimmungsrecht im ArbeitsVerhältnis 257. Mitbürgen 319 Ziff. 3. Miteigentum 313. Miterben 313. Mitverschulden des Geschädigten, s. Culpa c o n c u r r e n s . Mitwirkungshandlungen des Gläubigers 118b. Mobiliarverpfändung 321. Modus, s. Auflage. Monopolzusage 115, M i ß b r a u c h 30. M o r a aeeipiendi, s. Gläubigerverzug. M o r a solvendi, s. V e r z u g . Moratorium 82 Ziff. 4. Mutuus dissensus, 87b.

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Wortverzeichnis N Nachbargrundstück, Einwirkung auf Mietsverhältnisse 194b. Nachbarrecht, Störungen 363a 2. Nachfrist, beim Verzug 109, 113d. Nachholbarkeit der Leistung 100b. Nachlieferung, s. Ersatzlieferung. Name, Schutz durch § 823: 357b 2. Namenspapiere, inhaberpapicrähnliche 238. Natürliche Verbindlichkeiten, s. Naturalis obligatio. Naturalis obligatio 45. Fälle: Spiel 244, Ehemaklerlohn 282, mündliche Bürgschaft 315, Verhältnis zur ungerechtfertigten Bereicherung 334. Naturallohn 254 Ziff. 1, 265 Ziff. 2. Naturalrestitution 72 II. Nebenabreden, mündliche, bei der Miete 193 Ziff. 3. Nebenpapiere 313. Negatives A n e r k e n n t n i s 126. Negatives Vertragsinteresse 76, 103c, 172. Negotiorum gestio 288 I, 289. Negotium mixtum cum donatione 148, 183. Nichtigkeit 29b; Stellung des Richters 37. N. bei anfänglicher Unmöglichkeit der Leistung 105c, beim v e r b o t e n e n Spiel 245. — Ungerechtfertigte Bereicherung als Ausgleichsmittel 330 Ziff. 1 bis 3. Nichtrechtsfähiger V e r e i n 15 II. Nichtzumutbarkeit 103f. Nomen bonum esse, nomen v e r u m esse 160. Nomina ipso j u r e divisa 138b 1. Normativbedingungen, s. Allgemeine Geschäftsbedingungen. Normenvertrag, im Arbeitsrecht 261. Notwehr 354a. Novation 126; beim Schuldanerk e n n t n i s 327 Ziff. 2. Nutzpfand 322.

Nutzungen, bei Gläubigerverzug 118d, bei Hinterlegung 122, beim Rücktritt 89, beim Kauf 159, bei ungerechtfertigter Bereicherung 339 Ziff 3. O Obligatio ex contractu, ex delicto 191, 341a. Obligatio ex lege, ungerechtfertigte Bereicherung 328. Obligationsrecht 1. öffentliche Hinterlegung 121a. Öffentliches Interesse, bei Ges c h ä f t s f ü h r u n g 290 Ziff. 4; im internationalen Privatrecht 145. öffentliches Recht, Gegensatz zum Privatrecht 5 I V ; bei der Miete 201 VIII, bei der Pacht 208, im Arbeitsrecht 255, 257. Usw. Offenbarungseid 24a, 25b. Ohne Gewähr 285. Operation, Pflicht dazu bei Schadensersatz 78. Organisation, Grundformen 299. Ort der Leistung 81. P Pacht 205 ff., Vergleich mit der Miete 188 Ziff. 2. Landgüterpacht 206, P. v o n Handelsunternehm u n g e n 206. — W i r k u n g gegen Dritte 207. Pachtinventar 207, Kleinpacht 206, 210. — Soziales Pachtrecht 208. Pachtschutz 208, 209. Pacta sunt servanda 86, 91. Pactum reservati domninii 174c. Papier (Wertpapier), Recht am Papier 235. Parteifähigkeit, passive beim nichtrechtsfähigen Verein 305. Parteiwille 32f. Patent, Verkauf 151, Zession 130c. Klage bei Verletzung auf Schadensersatz 73b. Periculum est emtoris 157. Personalkredit 216f, 314. Personenmehrheit 16 III, 134 ff., 296 ff. Gesamtschuld 136, Ge-

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samtforderung 137, Innenabrechnung 137d. Gesamthandsschuld 136. Teilbare und unteilbare Leistungen 138, Gesamtgläubiger 140; Mehrheit von Gläubigern bei Schadensforderungen gegen Eisenbahn 350; Verzug, Wandlung usw. bei Mehrheit von Schuldnern 139. — Mehrheit von Tätern 371 IIa. Personenrecht 2. Personenvereinigung 296 ff. Persönliche Bindung als Grundzug des Schuldrechts 3a, 30 Ziff. 2. Persönlichkeit, Bindung 30c 2. Persönlichkeitsrecht, allgemeines 356 Ziff. 1; Persönlichkeit im Arbeitsrecht 254, beim Dienstvertrag 262 Ziff. 3. Pfandrecht, Mitübergang bei der Abtretung 129 Ziff. 2, bei der Bürgschaft 319 Ziff. 2, Erlöschen bei Schuldübernahme 133b. •—• Pf. des Vermieters 198c, des Unternehmers beim W e r k v e r t r a g 280, des Gastwirtes 296. Pfandversteigerung, Wegfall der Haftung für Sachmängel 166. •— S. auch Pfandvertrag. Pfandvertrag 216, 320 ff.; Mobiliarund Immobiliarverpfändung 321 II. Verkaufsrecht des Gläubigers 321. Nutzpfand 322. Pförtnervertrag 147, 188. Planwirtschaft 6; beim Kauf 150. Police 24 le. Politische Bedeutung des Schuldrechts 14. Polizeiverordnung, als Schutzgesetz 361 Ziff. 1. Positives Vertragsinteresse 76. Positive Vertragsverletzung 96, 114 ff. Postnumerando 214, beim Dienstvertrag 262 Ziff. 2, bei der Miete 198 VI. Prämien, bei Versicherung 216. Präsentation, bei Inhaberschuldverschreibungen 238. Prävention 46.

Praxis (ärztliche, anwaltliche) als Kaufgegenstand 151, 30. Preisausschreiben 283. Preisgabe von Grundstücken 122. Preisrichter 19. Prima-facie-Beweis, beim Schadensersatz 80. Privatautonomie 32. Privatrecht, Mischung mit öffentlichem Recht 5 IV. Probe, beim Kauf 173a, b. Prognose, beim Kausalzusammenhang 69. Prozent, s. Zins. Prozeßvergleich 325 III. Publikum, Schutzgesetze 361 Ziff. 2, 366. Q Quantitätsfehler 164. Qui delegat solvit 227. Quittung 12 ld. R Räumungsfrist (Miete) 203. Raterteilung 284 Ziff. 3. Realangebot (Gläubigerverzug) 117. .Realgeschäft, Schenkung 181, Darlehn 220, Verwahrung 292c. Realkauf 153. Realkredit 216f, 314; Verbindung mit Inhaberschuldverschreibung 231. Rechnungslegung 25b, beim Auftrag 286 Ziff. 4. I^echt am Arbeitsplatz 272b. Rechte, als Kaufgegenstand 151, 155 Ziff. 2. Rechtlicher Grund, Fehlen bei ungerechtfertigter Bereicherung 333 III. Rechtsbeugung, Haftung 367 Ziff. 2. Rechtsfähigkeit im Schuidrecht 15; Verleihung an Verbände 298c, an Anstalten 300. Rechtsgüter, Schutz durch § 823: 347 II, 355 II. Rechtshängigkeit 114 VI.

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Wortverzeichnis Rechtskraft, wirkt nicht gegen Bürgen 316 Ziff. 3, schließt ungerechtfertigte Bereicherung aus, 334; sittenwidrige Ausnützung 363a 4. Rechtsmängel, beim Kauf 159; s. im übrigen Mängelhaftung. Rechtsordnung, Einfluß auf den Inhalt der Schuldverhältnisse 32 II. Regreß des Bürgen 318. Reichshaftpflichtgesetz 350. Relocatio tacita 200d. Remuneratorische Schenkung 182c. Renten, Gegensatz zu Zinsen 54b 3; Rentenzahlung als Form des Schadensersatzes 375. Retentionsrecht, s. Zurückbehalttungsrecht. Reugeld 28, 91. Richesse oblige 353. Richter, Einwirkung auf Schuldverhältnisse 35c. Richterliche Unabhängigkeit 249. — Richterliche Vertragshilfe 9, 38, 94. Richterliches Gestaltungsrecht 10, 36, richterliches Herabsetzungsrecht bei der Vertragsstrafe 27d, beim Mäklerlohn 37, bei Zinsen 55 Ziff. 3. — R i c h t e r l i c h e W ü r d i g u n g , beim Vorteilsausgleich 79, im Schadensersatzrecht 77 IV, 80 V; Anerkennung der Clausula rebus sie stantibus 94, Bewilligung von Moratorien 82. Richterliche Zession 131 III. — H a f t u n g des Richters 366d, 367. Rückforderungsrecht, bei der Miete 192c, 201e, beim Darlehn 221a, beim Trödelvertrag 213, beim Pfandvertrag 322b, bei ungerechtfertigter Bereicherung 331 Ziff. 3. Rückgriff, des Bürgen 318b, des Staates auf den Beamten 368. Rücktritt 86 ff., Verhältnis zur Wandlung 168. R wegen veränderter Umstände 91, 104, s. auch Clausula rebus sie stantibus. — Vorbehalt des R. beim

Kauf 175. R. bei Leistungsstörungen 97c, bei Unmöglichkeit 108, beim Verzug 112c, bei positiven Vertragsverletzungen 116 III, bei Sukzessivlieferung 114, bei Fixgeschäften 82, bei Kaufmängeln 162, 172, bei Miete 195 Ziff 3, 197, beim Darlehn 222, bei Arbeiterverbänden 259, beim Werkvertrag 276, 279 Ziff. 6, bei der Gesellschaft 304. Rückwirkende Kraft, bei Aufhebung eines Vertrages 87b, beim Rücktritt 88 ff., bei der Aufrechnung 124 IV, bei der Wahlschuld 57c 4. Ruineneinsturz 366. S

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Sachenrecht, Gegensatz zum Schuldrecht 3, 4 lila 1. Mitwirkung bei der Verpfändung 320. Ausgleich durch ungerechtfertigte Bereicherung 331 Sachmängel, s. Mängelhaftung. Schaden, Begriff 70, Berechnung 74 ff., Geldersatz 71, 72 II. I d e e l l e r Schaden 71, 72 Ziff. 4 (s. auch Ideeller Schaden). Lucrum cessans und damnum emergens 75c. Verspätungsschaden 111c. — S. auch Schadensersatz. Schadensersatz, allgemeine Dogmatik 65 ff.; Gefahrdungshaftung 70; Naturalrestitution 72f. Verhältnis zur Vertragsstrafe 27. — Abtretung von Schadensersatzansprüchen 79. — B e r e c h n u n g nach Austauschtheorie und Differenztheorie 108, 112b. Culpa concurrens 74f; Vorteilsausgleich 78. Prozessuale Geltendmachung des Sch. 80 V. — E i n z e l f ä l l e : Sch. bei der Auskunftspflicht 24, beim Rücktritt 89; bei Unmöglichkeit 108, wegen Nichterfüllung beim Verzug 111, 112, bei positiven Vertragsverletzungen 116 Ilf. — Sch. bei Rechtsmängeln ( K a u f ) 162,

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bei Sachmängeln 166, allgemeiner Sch. bei Kaufmängeln 171 Ziff. 2; bei Miete 195, 196, 197, beim Darlehnsversprechen 223, beim Dienstvertrag 264, 265, 270, beim W e r k v e r t r a g 279 Ziff. 5, beim Auftrag 286 Ziff. 1, bei der Geschäftsführung 289, bei Verwahrung 292, bei der Gesellschaft 304, beim Pfandvertrag 322b und c. -— Sch. wegen unerlaubter Handlung 341 fi., 369 H.; Verhältnis zur Unterlassungsklage 376 IV, zur ungerechtfertigtenBereicherung 339 Ziff. 2. Schadensversicherung 67c, 343. Schauspieler 264. Schatzfund 312. Scheck 229b; Unterschied vom Wechsel 230; Scheckfähigkeit 230. Scheinabtretung 130 Ziff. 2. Schenkung 180 ff.; Verhältnis zum Schenkungsversprechen 180, zum Auftrag 284 Ziff. 2, zum unverzinslichen Darlehn 221b. Gemischte Schenkung 182d. — Haftung des Schenkers 183, Rückforderung bei Verarmung oder Undank 45, 183. Sch. unter Auflage 184IV. Remuneratorische Sch. 182c. Anstandsschenkungen 184 Ziff. 1. Schickschulden 82. Schiedsgericht zwecks Feststellung des Leistungsinhalts 40. Schiedsmann 19. Schleudern, unzulässig .beim Verkauf 157 Ziff. 3. Schriftform 21b, bei Bürgschaft 314, bei Abtretung 128, bei abstrakten Verpflichtungen 23 V, bei der Anweisung 224. Schuld, Schuld und H a f t u n g 4 4 , Schuldrechtstypen 146; Mehrheit von Schuldnern 134. — S. auch Verschulden. Schuldanerkenntnis 326 ff.; abstrakte Natur 326, Einreden 327 oben. — Negatives Sch. (Erlaß) 126.

Schuldbeitritt 132b 2. Schuldgrade 97 II. Schuldner 15, Mehrheit von Schuldnern 16, 85, Schuldmitübernahme 132b 2. Stellung des Sch. bei der Abtretung 129, bei der Gattungsschuld 47 II, usw.—Schuldnerverzug 109 ff. Schuldrecht, Wesen und Aufbau 1, Gegensatz zum Sachenrecht 3; Verhältnis zum Familien- und Erbrecht 4, 5; Verhältnis zum öffentlichen Recht 5 IV. — Kulturelle Bedeutung 7; soziale Ausrichtung 8; humane Ausrichtung 9. Wirtschaftliche Bedeutung 10; Schuldrecht und Vertragsfreiheit 11; politische Bedeutung 14, völkerrechtliche Bedeutung 14. Schuldrechtstypen 146 ff. Schuldschein, Rückgabepflicht 121d; Bedeutung bei der Abtretung 130 Ziff. 2, Herausgabe bei der Abtretung 129 Ziff.' 1 Schuldübernahme 131 ff., Zustimmung des Gläubigers 131, Gegensatz zur Erfüllungsübernahme 132, zur Bürgschaft 315, 318; kumulative Sch. 132, 315. Erlöschen der Bürgschaften und Pfandrechte bei Sch. 133. Hypothekenübernahme 133; Vermögensübernahme 134. Schuldverhältnisse. Zerlegung in Einzelpflichten 21 III; gegenseitige Sch. 23IV, abstrakte 23 V. S c h u l d u n d H a f t u n g 44 III. Systematische Ordnung der Sch. (Typenbildung) 146 ff., gemischte Typen 147. Schuldverschreibungen, s. Inhaberschuldverschreibungen. Schuldversprechen 326 ff. Schutzgesetze (§823 11) 359 III. Schweigegeld 338 Ziff. 5. Schweigepflicht, beim Dienstvertrag 265. Schwerbeschädigte 249. Selbstbeseitigungsrecht, beim Werkvertrag 278.

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Wortverzeichnis Selbstbestimmungsrecht, beim Dienstvertrag 262, beim Werkvertrag 274. Selbsthilfe, grundsätzlich nicht erlaubt 44 II. S. des Vermieters 196. Erlaubte S. schließt Widerrechtlichkeit aus 354a. — Selbsthilf everkauf 122. SelbstschuldnerischeBürgschaf t318. Sicherungshypothek, für Bauhandwerker 281. Sicherungszession 128. Siedlungswesen, Vorkaufsrecht 176, 177, 178. Sittenwidrigkeit, Schadensersatz 362 IV; Definition der S. 364. — Keine ungerechtfertigte Bereicherung bei S. 325c, 338 Ziff. 5. — S. bei Klauseln 33. S. im internationalen Privatrecht 142. Sittlichkeit im Schuldrecht 7, 30. Skontration 123. Solidarschuld 136 II. Solutio 1191a. Sonstiges Recht, beim Schadensersatz wegen unerlaubter Handlung 355 II. Sorgfaltspflicht, bei der Wahlschuld 58c, beim Pfandvertrag 322c, beim Auftrag 285 III. — S. auch Verschulden. Sortimentsbuchhandel 212. Soziales Recht 8, bei der Aufrechnung 124d 1, Miete 201 VIII, Pacht 208. — Sozialer Ausgleich 33, durch § 829: 353. Sozialer Schutz durch § 823 II: 360; im Arbeitsrecht 255; beim Dienstvertrag 263, 268, 270. Sozialisierung, des Wohnungswesens 201VIII, des Versicherungswesens 241f. Sozialversicherung 241f, 248, 279. Sparkassenbücher 238. Sparkassengelder 217 Ziff. 1. Spezieskauf 151. Speziesschuld 47. Spiel 243. Keine Klage 244. Umgehungen 244, 328 Ziff. 5. Glücksspiel 245. Genehmigtes Spiel

245. Lotterie 245b. Differenzgeschäft, Börsentermingeschäf t246. — Das Los 245. Staat, Verhältnis zum Verbandswesen 297; Teilnahme an gemischtwirtschaftlichen Unternehmungen 302e; Haftung für Beamte 367 Ziff. 3. Staatsangehörigkeit, im internationalen Privatrecht 143 III. Stammpapier 236. Staub, Hermann 115. Stellvertretung 17, 285; bei der Gesellschaft 310 Ziff. 3. — S. auch Vollmacht. Strafrecht, Verhältnis zum Recht der unerlaubten Handlungen 344 III, 352. — Vergl. auch Quellenregister:Strafgesetzbuch. Strohmann 333. Stücklohn (Akkord) 255. Stundung, Verhältnis zum Kredit 214 Ziff. 1; St. des Kaufpreises 174. Subsidiäre Haftung des Bürgen 317, des Beamten 455 Ziff. 2. Subsidiäre Natur, des Anspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung? 337 Va. Sukzessivlieferungen 113 V, beim Werkvertrag 273; Wandlung bei S. 169, Verzug bei S. 113, Teilleistung bei S. 83. Surrogation, beim Gesellschaftsvermögen 306. Synallagma 23 IV, 24a. T Talon 236. Tarifverträge 250, 259f; Allgemeinverbindlichkeitserklärung 260. Taubstumme, Haftung 352 Ziff. 2. Tausch 11, 179. Teilleistungen 83 II; beim Werkvertrag 273. Testamentserrichtung, Haftung des Beamten 367. Testamentsvollstrecker 287. Theaterbillet 237. Tierhalterhaftung 368e.

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Tilgungsbeträge (Amortisation) 5. Transport, bei Gattungsschulden 48 III. Treu und Glauben 8, 41 ff.; bei den Klauseln 32, bei Auskunftspflichten 24a, bei Gattungsschuld u n d Mehrheit v o n Gläubigern 49b, beim V e r t r a g s s c h l u ß 103c, bei der Geschäftsgrundlage 91, bei der Miete 193, bei ungerechtfertigter Bereicherung 338 Ziff. 4. — Usw. Treuhänder, bei Inhaberschuldverschreibung 231. Treupflicht, beim Dienstvertrag 264. Treuverhältnis, beim Pfandvertrag 322a. Trödelvertrag 211 f. Trucksystem 254b 1. Trunkene, Haftung 352 Ziff. 2. Tumult, als höhere Gewalt 99c. Typen der Schuldverhältnisse 146ff., im Arbeitsrecht 253. U Übergabe, beim Kauf 154 Ziff. 1, beim Pfandrecht 321 II. Überlegungsfrist, beim Vorkauf 178 Ziff. 2. Umlauffähigkeit, der Inhaberpapiere 230. Umlaufskredit 218c. Umtausch, beim Kauf 173. Unabdingbarkeit, bei Pacht 209 Ziff. 4, beim Dienstvertrag 267, 270. Unbestellte Zusendung 153. Unbestimmtheit des Leistungsinhalts 39 d. Undank, bei der S c h e n k u n g 184. Unentgeltlichkeit, bei der Schenk u n g 180, bei Leihe 210, bei V e r w a h r u n g 291. U. beim Gutglaubensschutz (§ 816) 336d. Unerlaubte Handlungen (Deliktsrecht) 29, 341 ff., Verhältnis zum Vertragsrecht 341 II, zur Schadensversicherung 343, zum Strafrecht 344, zur menschlichen Kultur 345. — Grundeinstellung des BGB. 345 V. — Kausalzusam-

m e n h a n g (adäquat) 346 I; Verschuldensprinzip, Gefährdungsprinzip 349, Prinzip der konkreten Billigkeit 350. — Zurechnungsfähigkeit 351c, Altersstufen 351c 1, Ausgleich durch § 829 (Billigkeit): 352 Ziff. 3. Mitverschulden des Beschädigten 353d. Widerrechtlichkeit 353IV. — Verbot der A u f r e c h n u n g bei u. H. 124d 2. — Behandlung der u. H. im internationalen Privatrecht 145. — E i n z e l d e l i k t e : VerletzunggeschlossenerRechtsgüter (§823 1): 355 II, Verstoß gegen Schutzgesetze 359 III, Sittenverstoß (§826): 362 IV; Kreditgefährdung 365a, Beamtenhaftung 366d, T i e r h a l t e r h a f t u n g 368e, W i l d s c h a d e n 368f; falscher Rat 285 oben. — D e r A n spruch auf Schadense r s a t z : Aktivlegitimation 3691, Zweitgeschädigter 370; Passivlegitimation 371 II, Mehrheit von Tätern 371a, Haftung für Gehilfen 18, für Angestellte 372b, H a f t u n g des Aufsichtspflichtigen 374c. — Geldentschädigung 375a, ideeller Schaden 375b. V e r j ä h rung 376d. Ungerechtfertigte Bereicherung 329 ff. Fälle 330. — Vermögensverschiebung auf Kosten eines anderen 332, ohne rechtlichen Grund 333 III. — Einzelf ä l l e : Condictio indebiti usw. 334; beim Schuldanerkenntnis 327 Ziff. 2. — Umfang 338, Regelung der Zwischenzeit 339. — Gefahr übermäßiger A n w e n d u n g der u. B. 337; gesetzliche Schranken 338. Ungewißheit der Person 16. Unklagbarkeit, s. N a t u r a l i s obligatio. Unmöglichkeit 103 ff.; logische und juristische U. 103; Verhältnis zum „Unvermögen" 104b, zur Zweckerreichung 127, Berührung

Wortverzeichnis mit der Clausula rebus sie stantibus 104. — Vorübergehende U. 105e, anfängliche und nachträgliche 105c, teilweise 105d; Freiwerden des Schuldners 106a, Schadensersatzpflicht 106, Herausgabe der Ersatzwerte 106c, U. beim gegenseitigen Vertrag 107 ff. Verhältnis zum Gläubigerverzug 117. — E i n z e l f ä l l e : U. bei der Gattungsschuld 48IV, bei (selbständigen) Unterlassungspflichten llGd 1, bei Kaufmängelhaftung 172 Ziff. 4, bei der Miete 198 Ziff. 1; Fortzahlung des Lohnes beim Dienstvertrag 266 Ziff. 1, 267. Unpfändbare Forderungen, keine Aufrechnung 124d 1; Verbot der Abtretung 129d. Zurückbehaltungsrecht 86. Unpfändbarkeit im Arbeitsrecht 254. Unsittliche Geschäfte 30. Vgl. Sittenwidrigkeit. Unterhaltsberechtigte, Schadensersatzanspruch 370b 1. Unterlassung. Sicherung durch Vertragsstrafe 27. Unterlassungsklage 376. — U. als unerlaubte Handlung 354d; U. von Gegenmaßregeln bei Berechnung des Schadensersatzes 77Ziff. 2c. Selbständige Unterlassungspflichten 116. Beweislast betr. Erfüllung där U. 121. U. bei Miete 197. Usw. Untermiete 193 oben; Unterverpachtung 207. Unternehmen, Haftung für Sachmängel 183; Pachtung von Handelsunternehmen 206. Unternehmer, beim W e r k v e r t r a g 273, 279d. Unvermögen 104b. Unwirksamkeit, beim Vergleich 324 Ziff. 2. Urkunden, Herausgabe bei der Abtretung 129; Mitübergabe beim

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Kauf 154 Ziff. 1. U. bei der Anweisung 225, bei Schuldanerkenntnis 327 II. U. als Beweismittel 329. V Valuta, beim Darlehn 219; Valutaverhältnis bei der Anweisung 224, 227. Ausländische V. 53. Veranlassungsprinzip 348. Verarmung, des Schenkers 184 Ziff. 1. VeräußerungsVerträge 149 ff. Verbalangebot (Gläubigerverzug?) 117 Ziff. 2. Verbandswesen, Stellung des Staates 297. Verbände der Arbeitgeber und Arbeitnehmer 258, 259; s. im übrigen Personenvereinigungen. Verbote, gesetzliche 29. Verein, Gegensatz zur Gesellschaft 304, 308, 311 Ziff. 5. Vereinigungsfreiheit, s. Koalitionsfreiheit. Überblick über die Vereinigungen 296 ff. Vergeltungsklausel, im Internationalen Privatrecht 142. Vergleich 323 ff. Gegenseitiges Nachgeben 323. Irrtum über die Grundlage des V. 324, Mängelhaftung 180 VIII. — Prozeßvergleich, Zwangsvergleich 325. Vergütung, beim Dienstvertrag 265a, beim W e r k v e r t r a g 273. Verjährung 22. Nachträgliche Leistung gültig 335a. Sittenwidrige Ausnützung der V. 364. Aufrechnung trotz V. 124. Zurückbehaltungsrecht nach V.? 86. — E i n z e l f ä l l e : V. des W a n d lungsanspruches 169, V. beim Viehkauf 170, beim W e r k v e r trag 278, bei Novation 126, bei naturalis obligatio 45, bei unerlaubter Handlung 376d. Verkehrssitte 11, 42. Verlagsvertrag 147.

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Vermögen, als H a f t u n g s o b j e k t 46IV. Kein Schutz durch § 823: 357 Ziff. 3. V e r t r ä g e über künftiges V. 29b. Vermögensmasse, als Kaufgegenstand 151. Vermögensschaden 71. Vermögensübernahme 134b. Vermögensverschiebung, als Grundlage ungerechtfertigter Bereicherung 332, 333, 334. Verpackung, u n g e n ü g e n d e beim Kauf 172 vor 3. Verpflichtungszeichen 237a. Verrechnungsverkehr 220; s. auch Kontokorrent, Skontration. Verschaffungspflicht, des Verkäufers 154a, 174, des Vermieters 194a. Verschlechterung des Schuldgegenstandes, Rücktritt 88c; bei der W a h l s c h u l d 58c; W a n d l u n g zulässig trotz V. 168. — V. der Vermögensverhältnisse des anderen Teiles 61 III. Verschulden 97 ff. Mitwirkendes V. s. Culpa concurrens. — Verschuldensprinzip 69, im Recht der unerlaubten Handlungen 344 ff., 347; im Versicherungsrecht 241 Ziff. 1. — E i n z e l fälle: bei Verstoß gegen Schutzgesetze 360b, bei Unmöglichkeit 107, beim Verzug 119, beim Rücktritt 88, bei der V e r t r a g s s t r a f e 26b. — W e g f a l l des V. beim Gläubigerverzug 118b, bei ungerechtfertigter Bereicherung 336e. Versendung, Ort der Leistung 81 Ziff. 3; V e r s e n d u n g s k a u f 157a 1. Versicherungsgelder, Anrechnung beim Dienst vertrag 266 Ziff. 1. Versicherungsgesellschaften 301. Versicherungsschein 238. Versicherungsvertrag 67, 239. Staatliche Ü b e r w a c h u n g 239. „Allgemeine Versicherungsbedingungen" 240; Lebensversicherung

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240; S c h a d e n s v e r s i c h e r u n g 343. Versicherungsschein (Police) 241e. — Sozialversicherung 241f, 248, 270. Verstaatlichung, s. Sozialisierung. Versteigerung, Ä n d e r u n g der Kaufmängelhaftung 166. Vertrag, Basis der Schuldverhältnisse 19. Gegenseitiger V. 23, 59 ff. V e r t r a g s i d e e im Arbeitsrecht 251. V. ü b e r künftiges V e r m ö g e n 29. — Verschulden beim Vertragsschluß 101V; Umgestaltung des V. bei clausula rebus sie stantibus 94 oben. —• S. auch folgende Stichworte. Vertrag zugunsten Dritter 62 ff.; bei Lebensversicherung 240. Vertrag zu Lasten Dritter 65 IV. Vertragsbruch, V e r l e i t u n g dazu 357 Ziff. 1. Vertragsfreiheit 11 ff., 32. Ausschaltung bei staatlicher Wirtschaftslenkung (diktierter Vertrag, Kontrahierungszwang, Marktordnung) 13 f. Abschwächung durch Verkehrssitte und formulierte Geschäftsbedingungen 12. — V. bei Geldschulden 53c, bei der K a u f m ä n g e l h a f t u n g 166, bei N e b e n a b r e d e n im Kaufrecht 172 VI; beim Trödelvertrag 213, im Arbeitsrecht 256, bei Personenvereinigung 300, bei Bürgschaft 319 Ziff. 4, bei der Typenbildung 146 II. — V. im internationalen Privatrecht 142 II. Vertragshilfe 9, 38, bei veränderten Umständen 94, Hemmung eines Verzuges 110. Vertragsinteresse, positives und negatives 76d. Vertragsstrafe 26 f.; Herabsetzung 9, 27, Rückgabe bei Aufrechnung 125. Vertragstheorie, bei der W a n d l u n g 168, bei Inhaberschuldverschreibungen 235. Vertragstreue 86.

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Wortverzeichnis Vertragsverletzung, s. Positive V. Vertrauensinteresse 76d. Vertretbare Sachen 310, bei Kreditgeschäften 215 Ziff. 3. Vertretenmüssen 97ff.r 110c; s. Verschulden. Vertretung, s. Stellvertretung. Vertriebsvertrag (Trödelvertrag) 211f. Verursachungsprinzip 348. Ver.wahrungsvertrag 291, Übergang in a n d e r e Schuldverhältnisse 187, 216, 293 TIT; depositum irreguläre 294c. ö f f e n t l i c h e Hinterlegung 295 IV. V. beim Pfand 322b. Verwaltungsrecht, Schutzgesetze 359. Verwandte, Dienstleistung 265 Ziff. 1. Verwendungen (Aufwendungen), Ersatz 25; Zurückbehaltungsrecht 85. — E i n z e l f ä l l e : bei G e s c h ä f t s f ü h r u n g 287, 289, bei Miete 201e, bei V e r w a h r u n g 293, beim Pfandvertrag 323, beim Kauf in der Zwischenzeit 158, beim Rücktritt 89, bei u n g e r e c h t fertigter Bereicherung 332 Ziff. 3. Verwirkung, bei der V e r t r a g s s t r a f e 26b; V e r w i r k u n g s k l a u s e l 90a. Verzinsungspflicht, bei V e r w a h r u n g 292a, beim Darlehn 221b, bei ungerechtfertigter Bereicherung 340f, beim A u f t r a g 286 Ziff. 6. — S. auch Zins und dort nachfolgende Stichworte Verzug 2, 82 Ziff. 2, 95 Ziff. 2. Im besonderen: Schuldnerverzug 109 ff., Gläubigerverzug 116 if. — Verhältnis zur Unmöglichkeit 109. V. bei Mehrheit v o n Schuldnern 139, V. des Hauptschuldners bei Bürgschaft 316 Ziff. 1. Verzugszinsen 55, 111b. Viehkauf 170 Ziff 5. Vis major (höhere Gewalt) 99c, 296. Vitia, beim Kauf 164. Vollmacht 285; bei der Gesellschaft 310 Ziff. 2.

Vollstreckbarkeit 44. Vollstreckungsrecht 10; Ausschaltung beim Dienstvertrag 255 Ziff. 2, 264c. — S. auch Zwangsvollstreckung. Vorausklage, s. Einrede. Voraussehbarkeit, beim Verschulden 98 Ziff. 5. Vorhersehbarkeit, beim Kausalzus a m m e n h a n g s. Prognose. Vorkaufsrecht 176f. Vorlegungsfrist, bei Inhaberschuldv e r s c h r e i b u n g e n 231 II. Vorlegungspflicht 328. Vorleistungspflicht 61, 82; W e g f a l l bei Gläubigerverzug 118e. V. bei der Miete 192 III, beim Dienstv e r t r a g 262 Ziff. 2. Vormund, Haftung 375. Vorsatz 97 II; s. auch Verschulden, Culpa. Vorschuß, beim Auftrag 286 Ziff. 7. Vorstellungstheorie (Schuldlehre) 99. Vorteilsausgleich 78. Vorvertrag 24a, 39, 102b, beim Darlehn 222IV, bei V e r w a h r u n g 292. W Währung 9, 49, 51a; Geldentwertung bei Verzug 111; Einfluß bei Sukzessivlieferungsverträgen 114; s. auch unter Geld. Wahlrecht, des Gläubigers, bei Unmöglichkeit 108c 1, beim Verzug 112 IV; W . des Käufers bei Sachmängeln 167. Wahlschuld 56 ff. Wahrung berechtigter Interessen 345. Wandlung, beim Kauf 168, bei Mehrheit von Schuldnern 130, beim W e r k v e r t r a g 279 Ziff. 2. V e r h ä l t n i s zum Rücktritt 86, 168. Ware 151 Ziff. 2 Warenknappheit 48, 74. Warenlager, V e r p f ä n d u n g 217 Ziff. 1.

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Wechsel 23 V, 224, Unterschied vom Scheck 230. Wechselgesetz von 1933 (s. Quellen). — Wechselkredit 218c, Wegnahmerecht (jus tollendi) 25d, des Mieters 201e, beim Pfandvertrag 323. Werklieferungsvertrag 257b. Werkvertrag 272 ff.; Begriff 272, Gegensatz zum Dienstvertrag 273, zum Kauf (Werklieferungsvertrag) 275b. — Gefahrtragung 274, Kameradschaft 276 Ziff. 2 und lila, Abnahme des Werkes 277, Mängelhaftung 277, Eigentumslage 279d. Gesetzliches Pfandrecht 280. Auskunftspflicht 24a. — S. auch Bauhandwerker. Werkwohnungen 203. Wertpapiere 17; bei Hinterlegung 122. — S. auch Inhaberschuldverschreibungen, Wechsel. Wettbewerb, unlauterer 359a. Wette 243 ff. Wichtiger Grund, Kündigung beim Dienstvertrag 271, beim Auftrag 286 Ziff. 9, bei Verwahrung 292. Usw. Widerrechtlichkeit, bei unerlaubter Handlung 353 IV. Widerruf, bei der Schenkung 184, beim Auftrag 286 Ziff. 9, bei der Lebensversicherung 240, bei der Auslobung 283, W. einer Anweisung 228, 229. Wiederherstellung, s. Naturalrestitution. Wiederkauf 176. Wildschaden 368f. Wille, als Basis der Schuldverhältnisse 19 I, als Unterlage für den Leistungsinhalt 281, bei Ausfstellung von Inhaberschuldverschreibungen 234d. Usw. — Willenstheorie in der Schuldlehre 99. Wirtschaft und Schuldrecht 10.

Wohnsitz, als Erfüllungsort 81 Ziff. 2. — Bedeutung des W. für das internationale Privatrecht 143 III. Wohnungswesen 20 ff.; Unverletzlichkeit der Wohnung 240. Wohnungstausch 203. Z Zahlen, einer Nichtschiuld 338 Ziff. 2. Zahlung, als Fall der Erfüllung 119 la; an Geisteskranke 234. Zahlungsfristen 9. Zedent 128. Zeit der Leistung 82. Zession, s. Abtretung. Zessionar 128. Zessionsurkunde 129a 1. Zins, die Zinsschuld 53 ff., beim Darlehn 219, 221 Illb, 222 vor IV. — Höhe der Z. 54 IIa, gesetzliche Einschränkung 55, „Gesetzlicher Z." 55. Zinszahlung bei Hinterlegung 12211b. — S. auch Verzinsungspflicht und die f o l g e n d e n Stichworte. Zinsanspruch, Verjährung 22. Zinsfuß, Wucher 219. Zinsmaxima 219b. Zinspflicht, bei Schuldnerverzug 111b, Wegfall bei Gläubigerverzug 118c. Z. bei rückwirkender Aufrechnung 125, Wegfall bei bei Hinterlegung 122. Zinsschein 236. Zinsverbot 54. Zirkular-Kreditbrief 229. Zubehör, beim Kauf 154 Ziff. 1. Zufall 99c; bei der Wahlschuld 58, bei Verzug 111, beim Spiel 243, bei Verwahrung 292a, beim Gastwirt 296. Zugesicherte Eigenschaften, beim Kauf 164 Ziff. 2. Zug um Zug 60, 82 Ziff. 3; Zug um Zug beim Zurückbehaltungsrecht 85, beim Rücktritt 88.

Lateinische Kennworte Zumutbarkeit, als M a ß s t a b beim „ W e g f a l l der Geschäftsgrundl a g e " 9 2 c 2. Zurechnungsfähigkeit 351c, 374c. Zurückbehaltungsrecht 84 ff.; Z. des M i e t e r s 201e, Z. bei A u f w e n dungen 25c, beim A r b e i t s l o h n 255. Usw. Zusicherung, von Eigenschaften beim Kauf 164. Zwangsvergleich 325. Zwangsversteigerung, Einfluß auf laufende M i e t s v e r h ä l t n i s s e 190. Zwangsvollstreckung 10, b e i m geg e n s e i t i g e n V e r t r a g e 60b. Einspringen e i n e s Dritten b e i der Z. 89 l i l a . — Zw. beim Kauf 155, Änderung der Haftung 161b 3. Zw. in das Gesellschaftsverm ö g e n 306. Zw. bei Unterlas-

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s u n g s k l a g e 377, bei V o r l e g u n g s pflicht 329. — S. auch V o l l streckungsrecht. Zwangswirtschaft, bei der M i e t e 2 0 1 V I I I , bei der Pacht 208 III. Zweck, b e i der G e s e l l s c h a f t 303. Zweckerreichung, Erlöschen der O b l i g a t i o n 127. Zweitgeschädigter, bei u n e r l a u b t e r Handlung 370b. Zwingendes R e c h t 34. Zwischenstaatliches Recht, s. Int e r n a t i o n a l e s Privatrecht. Zwischenzeit, b e i m Rücktritt 88, R e c h t s h ä n g i g k e i t 114 V I , beim Kauf 157 III, bei den G e b r a u c h s ü b e r l a s s u n g s v e r t r ä g e n 186, bei ungerechtfertigter Bereicherung 339 Ziff. 3, bei u n e r l a u b t e r Handlung 376.

Lateinische Kennworte und Sprüche Diese Zusammenstellung soll den Studierenden an die noch heute die Rechtswissenschaft in allen Kulturstaaten belebenden Begriffe des römischen Rechts heranführen. Kurze Deutungen sind beigegeben. Natürlich stellt das Schuldrecht nur ein beschränktes Gebiet für diesen Zweck zur Verfügung, und auch hier sind die in diesem Lehrbuch herangezogenen römischrechtlichen Wortbegriffe nur ein kleiner Teil aus dem gesamten römischen Sprachschatz des „Obligationervrechts". Die Zahlen verweisen auf die Seiten des Lehrbuches. Actio ad exhibendum 329: K l a g e auf V o r l e g u n g , damit ein umstrittener G e g e n s t a n d untersucht und geprüft werden kann. Actio vi bonorum raptorum 344 III: K l a g e w e g e n g e r a u b t e r G ü t e r ; w a r der A u s g a n g s p u n k t für das r ö m i s c h e Deliktsrecht. Antichresis 321: b e s o n d e r e A r t der Verpfändung, b e i der der G l ä u b i g e r das R e c h t bekommt, das P f a n d o b j e k t für sich zu benützen, z. B. von dem v e r pfändeten Grundstück die F r ü c h t e zu ernten; dafür V e r z i c h t auf Zinsen. Argumentum e contrario 333, 371: der S c h l u ß aus dem Gegenteil. Beneficium cedendarum actionum 318 b 1: D e r B ü r g e kann, n a c h d e m er den G l ä u b i g e r bezahlt hat, von diesem verlangen, daß er ihm die A n s p r ü c h e g e g e n den eigentlichen Schuldner, den „Hauptschuldner", abtritt, damit der Bürge auf diese W e i s e für das v e r a u s g a b t e G e l d Ersatz durch den Griff auf den Hauptschuldner h e r e i n h o l e n kann.

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Lateinische K e n n w o r t e

Casum sentit dominus; casus a nullo praestantur 65, 353: w e n n durch einen Unglücksfall, Zufall, ein Schaden e n t s t a n d e n ist, muß ihn der Eigentümer als Herr der beschädigten oder v e r l o r e n g e g a n g e n e n Sache tragen; niem a n d braucht ihm für solchen Zufallsschaden aufzukommen. Cessio ipsa lege 318 b 1: eine Forderung geht von selbst, durch Gesetz, auf einen anderen über, es bedarf nicht eines besonderen Abtretungsvertrages. Commodatum 210: lateinische Bezeichnung f ü r unentgeltliche Leihe. Communio pro partibus indivisis 312 I: eine Gemeinschaft, bei der jeder mit einem Anteil beteiligt ist, über den er v e r f ü g e n kann. Compensatio lucri cum damno 78: Gewinn wird mit einem gleichzeitigen Verlust aufgerechnet. Condictio indebiti, sine causa, ob turpem causam; etc. 334 f: kondizieren heißt zurückverlangen: das, w a s man gar nicht geschuldet hat-, das, was der andere ohne einen Rechtsgrund besitzt; das, w a s einem auf schimpfliche Weise abgenommen worden ist; usw. Conditio sine qua non 68: Bedingung, ohne deren Erfüllung es k e i n weiteres Leisten und keine weitere Verpflichtung gibt. Contractus pignoraticius 321: die römische Bezeichnung für Pfand vertrag. Contrarius consensus 87 b: zwei hatten einen V e r t r a g geschlossen, jetzt kommen sie überein, ihn fallen zu lassen, verständigen sich also vertragsmäßig auf das Gegenteil. Culpa concurrens 77 a, 353 d, 371: einer h a t etwas verschuldet, aber der a n d e r e ist auch nicht schuldlos, ihre beiderseitige Schuld „konkurriert" also miteinander. Culpa in contrahendo 24, 101, 105 c, 153, 171: schon beim Kontrahieren, also im Vorsladium eines Vertrages, kann den V e r h a n d e l n d e n eine Schuld, eine culpa, treffen. Damnum emergens und lucrum cessans 75, 340 d: beides gehört zum Schadensersatz, der schon entstandene Schaden und der f ü r die Zukunft erwartete, aber jetzt entgehende Gewinn. Datio in solutum 121 III: w a s man eigentlich schuldet, k a n n man aus irgendeinem Grunde nicht leisten, d a f ü r gibt man dem Gläubiger etwas anderes „an Zahlungsstatt". Debitor cessus 128: der Gläubiger tritt seine Forderung gegen den Schuldner, den debitor, an jemand anderen ab; der Schuldner wird also abgetreten. Depositum irreguläre 294: bei regulärem V e r w a h r u n g s v e r t r a g muß die deponierte Sache selbst später in natura zurückgegeben werden, beim irregulären Darlehen nur ein entsprechendes W e r t q u a n t u m . Dicta et promissa 164 Ziff. 2: volltönendes W o r t : Zugesagt und versprochen; das muß nun auch geliefert werden. Dies interpellat pro homine 110 b: der v e r a b r e d e t e Tag interpelliert beim Schuldner, d. h. er mahnt ihn; der Gläubiger, als Mensch, braucht nicht noch besonders das W o r t zu ergreifen. Diligentia quam in suis 98 Ziff. 4, 291, 310: dies ein Maßstab f ü r die Sorgfdltspflicht, die Diligenz, die man als Schuldner a u f b r i n g e n muß; normalerweise ist der normale Maßstab anzusetzen, aber ausnahmsweise

Lateinische Kennworte

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braucht man nur so sorgsam zu sein, wie man das in seinen eigenen Angelegenheiten tut. Essentiale negotii, naturale negotii, accidentalia negotii 155 b Ziff. 1, 2, 3: Bestandteile eines Rechtsgeschäfts: die einen gehören zu seiner Wesensart, seiner Essenz, sind unentbehrlich; die anderen passen nur zu seiner Natur; die dritten treten nur von außen her hinzu. Facultas alternativa 45 c, 58 III: eine Möglichkeit, eine Freiheit für den Schuldner auszubiegen, indem er statt des eigentlichen Schuldgegenstandes einen anderen wählt. Ipso jure compensari 124: eine Kompensation, Aufrechnung, die von selbst eintritt, ohne daß auf eine Erklärung des einen oder anderen Teils gewartet werden müßte. Jus tollendi 25, 201, 323: Recht, etwas von einer Sache wegzunehmen,' also für sich zu behalten, ehe man die Sache an den Forderungsberechtigten herausgibt. Jus variandi 167: Recht zu variieren; man kann von einer Erklärung, die man abgegeben hat, abgehen und stattdessen eine andere Erklärung abgeben; z. B. bei einem Mangel der gekauften Sache Wandlung statt Minderung oder umgekehrt. Laesio enormis 150: eine besonders große Verletzung des Vertrages; der Käufer stellt hinterher fest, daß er u n t e r d e m h a l b e n W e r t gekauft hat; der römische Kaiser Diokletian ordnete an, daß dann der Kauf ohne weiteres ungültig sei; diese Anklammerung an den halben Wert als äußerliche Rechengröße ist dem heutigen Recht unbekannt. Lex commissoria 26: Verwirkungsklausel. Sie bedeutete im älteren römischen Recht, daß das Pfandobjekt ohne weiteres an den Gläubiger verfällt, also verwirkt ist, wenn der Schuldner am Zahlungstermin nicht pünktlich zahlt; später vom Kaiser Konstantin abgeschafft. Lex delicti commissi 145: eine Regel des internationalen Privatrechts: der Täter wird nach dem Gesetz des Ortes behandelt, an dem er seine schädigende Tat begangen hat, er kann sich nicht darauf berufen, daß z. B. an seinem Heimatsort der Fall milder behandelt würde. Lex loci contractus 144: ebenfalls eine Regel des internationalen Privatrechts: für Gültigkeit und Auslegung eines Vertrages gilt das Recht des Ortes, wo der Vertrag geschlossen ist, nicht z. B. der Wohnort des einen oder anderen Teiles. Modus 62IV: „Maß"; dadurch wird dem Vertragsgegner eine besondere Pflicht auferlegt, deshalb die deutsche Bezeichnung „Auflage". Mutuus dissensus 87 b: dasselbe wie contrarius consensus (s. oben). Negotium mixtum cum donatione 148, 183: ein Geschäft, bei dem dem Vertragsgegner nur eine besonders geringe Leistung auferlegt wird, so daß das Geschäft mit einer Schenkung gemischt erscheint. Negotiorum gestio 288 I, 289: Führung von Geschäften, und zwar nicht für sich, sondern für einen, z. B. abwesenden anderen. Nomen verum esse, nomen bonum esse 160: Nomen die Bezeichnung für einen Schuldposten, der gewissermaßen auf den Namen des Schuldners gestellt ist; der Gläubiger hat seinerseits die entsprechende Forderung;

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Lateinische Kennworte

wenn er diese Forderung verkauft, tritt er dem Käufer gegenüber dafür ein, daß der Schuldposten wirklich existiert, also wahr ist, und dafür, daß er gut ist. Nomina sunt ipso jure divisa 138 b 1: mehrere Schuldner haben mit ihrem Namen gemeinsam einen Schuldposten begründet, jeder aber soll nur mit einem Bruchteil haften, so daß der Schuldposten ohne weiteres als zerlegt, geteilt erscheint. Obligatio ex contractu und ex delicto 19, 341; obligatio ex lege 3281, 330; obligatio naturalis 45, 244, 282, 334: man obligiert sich und wird damit Schuldner, sei es aus einem, Vertrag oder aus einem Delikt, das man begangen hat; oder das Gesetz legt von sich aus die Obligation fest; oder die Natur lect ein, wenn auch abgeschwächtes Verpflichtetsein nahe. Pacta sunt servanda 86, 91: der allgemeine volkstümliche Gedanke: Pakte, Vertiäge müssen gewahrt, d. h. gehalten werden. Pactum de non ccmpensando 124 Ziff. 4: ein Beispiel für rechtlich bindende Palcte: eine Abmachung, daß keine Aufrechnung, Kompensation, gelten solle. Pactum reservat! dominii 174 c: ein weiteres Beispiel: der Verkäufer hat einen Gegenstand verkauft, aber behält sich noch das Eigentum daran vor, reserviert ihn also noch für sich, z. B. bis zur vollen Bezahlung des Kaufpreises. Periculum est emtoris 157: ein Beispiel für die Gefahrtragung bei Rechtsgeschäften, z. B. wenn das Objekt eines Vertrages verloren geht, zerstört wird, abhanden kommt; der Käufer hat dann gegebenenfalls die Gefahr zu tragen. Qul delegat solvit 227 Ziff. 1: Delegatio ist die Anweisung an eine Stelle, wo der Gläubiger sich das Geld oder die sonstige Leistung holen soll; römischer Standpunkt: wer dem Gläubiger eine solche Anweisung in geordneter Form gibt, solviert sich, befreit sich von der Schuld. Quia qui parum diligentem sibi socium adquirit, de se queri debet 310: wer sich einen zu wenig sorgfältigen, diligenten, Sozius aussucht, ist sich selber schuld, muß sich über sich selbst beklagen, wenn von dem Sozius ein Schaden ausgeht. Rei vindicatio 358 c: vindizieren heißt herausverlangen, die rei vindicatio ist die berühmte römische Eigentumsherausgabeklage (Herausgabe einer Sache, einer res). Solutio 1191a: Lösung, man solviert sich, indem man bezahlt, so daß die Bezahlung mit der Lösung gleichzusetzen ist. Sub hac conditione „si volam" nulla fit obligatio 173 b: unter der Bedingung „wenn ich will, wenn es mir paßt" kommt keine schuldrechtliche Bindung, keine Obligation, zustande. Tantundem ejusdem generis 221: es ist nicht eine bestimmte einzelne Sache hingegeben worden, sondern ein Quantum aus einem „genus", einer Gattung; es muß nun ebenso viel aus demselben genus zurückgegeben werden. Vis major 99 c: das ist eine höhere Gewalt, die den Schuldner von seiner Verpflichtung freimacht, weil ihn keine eigene Schuld trifft.