Schriftauslegung und Christologie im Hebräerbrief [Reprint 2011 ed.] 3110196972, 9783110196979

Die vorliegende Arbeit untersucht die Schriftauslegung des Hebräerbriefs im Zusammenhang seiner christologischen Argumen

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Schriftauslegung und Christologie im Hebräerbrief [Reprint 2011 ed.]
 3110196972, 9783110196979

Table of contents :
Vorwort und Dank
Inhaltsverzeichnis
Teil A: Der hermeneutische Zusammenhang von Schriftauslegung und Christologie - Einleitung
I. Einführung: Grundanliegen und Forschungsüberblick
1. Grundanliegen
2. Überblick zur Forschungssituation
2.1 Zur Schriftauslegung des Hebr
2.2 Zur theologischen Grundlegung des Schriftgebrauchs des Hebr
3.3 Fazit
3. Der eigene Ansatzpunkt und das eigene Vorgehen
II. Die Aufnahme des Alten Testaments im Hebr
1. Zur Benennung des Alten Testaments im Hebr
2. Zur Textgrundlage der alttestamentlichen Zitate im Hebr
2.1 Die Septuaginta als autoritativer Text
2.2 Der freie Umgang mit dem vorliegenden Text
2.3 Zur Frage nach der Existenz eines vom Hebr benutzten Florilegiums
2.4 Rrgebnis: Das griechische Alte Testament als Vorlage der Zitate
3. Die Zitate im Hebr - Überblick
3.1 Die alttestamentlichen Zitate im Hebr
Exkurs: Zur Unterscheidung von Zitat und Paraphrase
3.2 Die alttestamentlichen Zitate des Hebr im neutestamentlichen Kontext
3.3 Die Eigenständigkeit des Hebr in der Auswahl der alttestamentlichen Zitate - Konsequenzen
4. Die Gewichtung der verschiedenen alttestamentlichen Zitate - zur Frage nach Hauptzitaten
III. Die Zitateinleitungen des Hebr
1. Die Schrift als Rede Gottes
1.1 Die Zitateinleitungen mit λέγειν
1.2 Die Ausblendung des Kontextes der alttestamentlichen Zitate
1.3 Zur Bewertung der biblischen Hermeneutik des Hebr
2. Die in den Zitateinleitungen zum Ausdruck kommenden Beziehungen
2.1 Die Worte Gottes und Jesu Christi
2.2 Gott und Heiliger Geist sprechen zu den Menschen
2.3 Der Mensch als Hörer des Wortes
3. Ergebnis: Die in den Zitateinleitungen erkennbaren theologischen Grundentscheidungen
Teil B: Jesus Christus, der Sohn - die Verwendung des Sohnestitels und der Bezug zur Schrift im Hebr
I. Der Sohnestitel im Hebr
1. Einleitung
2. Der Sohnesbegriff in Hebr 1
2.1 Die endgültige Offenbarung Gottes im Sohn - Hebr 1,1-4
2.2 Die hermeneutische Bedeutung der Offenbarung im Sohn
2.3 Die Stellung des Sohnes in der himmlischen Welt - zum Sohnestitel in der Zitatenreihe Hebr 1,5-14
2.4 Die Form der Schriftauslegung in der Zitatenreihe
3. Das Verhältnis von Sohn und Söhnen als Thema von Hebr 2
3.1 Christologische und anthropologische Lektüre von Ps 8 in Hebr 2,5ff
3.2 Der Sohn und die Söhne als Brüder
4. Der Sohn Gottes als (Hohe-)Priester - Hebr 4,14; 5,5f; 7,28
5. Die Menschen als zu ermahnende Söhne in Hebr 12,4-11
6 Zusammenfassung: Die Bedeutung des Sohnestitels
II. Der Weg des Sohnes
1. Hebr 1 und die Präexistenz des Sohnes
2. Die Menschwerdung des Sohnes als Erfüllung des göttlichen Heilsplanes zugunsten aller Menschen
Exkurs: Der erste und der neue Bund im Hebr
3. Der Tod des Sohnes - Hebr 2,14f
4. Sitzen zur Rechten Gottes - die Bedeutung von Ps HO (LXX109),1 im Hebr
5. Schluss: Zum Ineinander von Erhöhungs- und Niedrigkeitsaussagen
III. Der Sohn und sein Verhältnis zu Gott
1. Die Einsetzung durch direkte Ansprache - Ps 2,7; 2Sam 7,14
2. Die Übertragung göttlicher Attribute auf den Sohn - Hebr 1,8-12
3. Sohn als Offenbarung Gottes: απαύγασμα ΤῆΣ und χαρακτηρ ΤῆΣ υποστάσεως (Hebr 1,3)
1. Der Sohn als Verkündiger - Ps 22 (LXX21),23 in Hebr 2,12 und der Vergleich mit Mose in Hebr 3,1-6
2. Schluss: Der Sohn als Sohn Gottes
IV. Der Sohn und sein Verhältnis zu den Geschöpfen
1. Sohn und Engel
1.1 Zu Wesen und Funktion der Engel in Hebr lf
1.2 Die Anbetung des Sohnes durch die Engel - Hebr 1,6
1.1 Der Sohn im Gegenüber zu den Engeln - zur Funktion des Engelvergleiches im Hebr
2. Der Sohn und die Söhne
2.1 Die Söhne als Brüder des Sohnes - Hebr 2,11-13
2.2 Die völlige Solidarität: in gleicher Weise versucht
2.3 Die Menschen als Söhne Gottes - Hebr 12,4-11
3. Zusammenfassung: Der Sohn, die Söhne und die Engel
V. Zusammenfassung: Der Sohn und die Schriftauslegung
Teil C: Person und Amt des Hohepriesters - die Hohepriesterschaft Jesu Christi und die Schriftauslegung
I. Jesus, der Hohepriester - zur Charakterisierung des Hohepriesters
1. Einführung: Jesus, der Priester und Hohepriester
2. Die Zentralität des Hohepriestertitels im Hebr
3. Die Begründung(en) für Jesu Hohepriesteramt
II. Jesus Christus, der legitime und der bessere Hohepriester
1. Hebr 5,1-10: Einführung
1.1 „aus Menschen genommen“
1.2 „berufen von Gott“
1.3 „opfern für die Sünden“
1.4 Zusammenfassung
2. Jesus, der menschliche und mitmenschliche Hohepriester
2.1 Die Einführung des Hohepriestertitels in Hebr 2,17
2.2 Die Pointierung des Hohepriestertitels in Hebr 4,14-16
2.3 Ergebnis: Zur grundlegenden Bedeutung des irdischen Jesus für die Hohepriestervorstellung
2.4 Zur Schriftauslegung
3. Die Einsetzung Jesu Christi zum Hohepriester durch Gott
3.1 Die Berufung Jesu durch direkte Ansprache Gottes - Hebr 5,5f.l0
3.2 Zur Funktion von Ps 110 (LXX109),4 im Hebr
3.3 Gott als Autorität hinter dem Priester: die theologische Bedeutung der Berufung
3.1 Zur Schriftauslegung - Zusammenfassung
III. Jesus Christus, Hohepriester nach der Ordnung des Melchisedek
1. Hebr 7 - Überblick
1.1 Die Legitimation des anderen Priestertums nach der Ordnung des Melchisedek nach Hebr 7,1-25
1.2 Der Hohepriestertitel in Hebr 7,26-28
1.3 Zusammenfassung
2. Die verschiedenen Argumentationen in Hebr 7
2.1 Die Auslegung von Gen 14 in Hebr 7
2.2 Die unterschiedliche Einsetzung
2.3 Die Installation eines anderen Priestertums
2.4 Die Gegenüberstellung von Einem und Vielen
2.5 Die Aufhebung des Gesetzes durch die neue Priesterordnung
2.6 Zur Schriftauslegung in Hebr 7 - Zusammenfassung
3. Zur Figur des Melchisedek in Hebr 7, in 2Hen, in 11QMelch und in Leg. All. III
3.1 Zur Vorstellung des Priestertums nach dem Vorbild Melchisedeks - ein Vergleich von 2Hen 71f und Hebr 7
3.2 Zur Person des Melchisedek - ein Vergleich von Hebr 7 und 11QMelch
3.3 Zur allegorischen Auslegung von Gen 14 - ein Vergleich von Hebr 7 und Leg. All. III
3.4 Fazit
IV. Ergebnis: Jesus Christus, der legitime und der bessere Hohepriester - zur Schriftauslegung
Teil D: Das Werk des Hohepriesters - die Bedeutung des Kultes für die Rede vom Christusereignis
I. Die kultischen Aussagen über das Werk des Hohepriesters Jesus Christus im Hebr - Überblick
1. Die allgemeinen Hinweise auf das Werk des Hohepriesters Jesus Christus in Hebr 1-7
2. Opfern als Konsequenz des Priestertitels - Hebr 8,1-5
3. Die Bedeutung des irdischen Heiligtums und Jesu himmlischer Dienst als Hohepriester nach Hebr 9
3.1 Die Bedeutung des irdischen Heiligtums als Sinnbild
3.2 Jesu himmlischer Dienst
4. Das Opfer Jesu und die Opferkritik in Hebr 10,1-18
5. Zusammenfassung
II. Die Bedeutung des Heiligtums
1. Das Heiligtum als παραβολή der gegenwärtigen Zeit - Hebr 9,6-10
1.1 Überblick zu Hebr 9,6-10
1.2 Zum Begriff παραβολή
1.3 Der Heilige Geist als Hermeneut und die παραβολή in Hebr 9,6-10
Exkurs: Der Heilige Geist im Hebr
1.4 Der erste Teil des Heiligtums als Sinnbild der gegenwärtigen Zeit - zur heilsgeschichtlichen Auslegung in Hebr 9,6-10
1.5 Das irdische Heiligtum als παραβολή - Zusammenfassung
2. Das irdische Heiligtum und (s)ein himmlisches Pendant
2.1 Das irdische Heiligtum als σκιά ύπόδειγμα und αντίτυπος
2.2 Gott als Bauherr - zur Vorstellung eines himmlischen Typos des Tempels nach Ex 25,40
2.3 Zur Vorstellung eines himmlischen Heiligtums im Hebr
2.4 Schluss: Zum Verhältnis von räumlichen und geschichtlichen Vorstellungen im Hebr
III. Die Bedeutung des Versöhnungstages für die Versprachlichung der Heilsbedeutung Jesu Christi
1. Die Bedeutung des Blutes
1.1Die sühnende Wirkung von Blut
1.2 Zum Zusammenhang von Blut und Tod
2. Das Sündopfer am Versöhnungstag als Vorlage für die Rede vom hohepriesterlichen, himmlischen Opfer Jesu Christi
2.1 Die Blutapplikation als zentrales Element des Sündopfers
2.2 Die Bedeutung des großen Versöhnungstages (Lev 16)
3. Hohepriestertitel und Opfervorstellungen als angemessene Interpretation des Heilshandelns Jesu Christi
4. Vollkommenheit und Nähe zu Gott - das soteriologische Ziel der Rede vom Hohepriester Jesus
IV. Die Opferkritik und der christliche Gottesdienst
1. Die grundsätzliche Unmöglichkeit von Opfern nach dem Christusereignis
1.1 Die Einmaligkeit des Opfers Jesu
1.2 Psalm 40 (LXX39) als Wort des Sohnes an Gott beim Eintritt in die Welt
1.3 Ergebnis: Das Christentum als Religion ohne (Opfer-) Kult
Exkurs: Zur Datierung des Hebr
2. Der Gottesdienst nach dem Hebr
2.1 Lobopfer und Gutes-Tun als gottwohlgefällige Opfer
2.2 Zur Begründung der Bedeutung des Gemeindelebens
2.3 Die Auslegung von Ps 95 (LXX94) in Hebr 3f als Beispiel einer Predigt
2.4 Schluss: Zur Frage der Gestalt und Bedeutung des christlichen Gottesdienstes im Hebr
V. Zur Schriftauslegung des Hebr bezüglich Opfer und Kult - Ergebnis
Teil E: Die Schriftauslegung des Hebr - Ergebnis
I. Der hermeneutische Zusammenhang von Schriftauslegung und Christologie
II. Jesus Christus, der Sohn und der Hohepriester - zur Christologie
III. Die Schriftauslegung im Hebr - Zusammenfassung
1. Thematischer Überblick
2. Die alttestamentlichen Zitate im Hebr und ihre Auslegung
2.1 Hebr 1,5-14 (Ps 2,7; 2Sam 7,14; Ps 97 (LXX96),7; Ps 104 (LXX103),4; Ps 45 (LXX44),7f; Ps 102 (LXX101),26-28; Ps 110 (LXX109),1)
2.2 Hebr 2,5ff (Ps 8, 5-7)
2.3 Hebr 2,12f (Ps 22 (LXX21),23; Jes 8,17.18)
2.4 Hebr 3,7- 4,13 (Ps 95 (LXX94),7-11; Gen 2,2)
2.5 Hebr 5,5f (Ps 2,7; Ps 110 (LXX109),4)
2.6 Hebr 6,14 (Gen 22,17)
2.7 Hebr 7 (Ps HO (LXX109),4)
2.8 Hebr 8,5 (Ex 25,40)
2.9 Hebr 8,8-13 (Jer 31 (LXX38),31-34)
2.10 Hebr 9,20 (Ex 24,8)
2.11 Hebr 10,5ff (Ps 40 (LXX39),7-9)
2.12 Hebr 10,15-18 (Jer 31 (LXX38),33f)
2.13 Hebr 10,30 (Dtn 32,35.36)
2.14 Hebr 10,37f (Jes 26,20; Hab 2,3f)
2.15 Hebr 11,18 (Gen21,12)
2.16 Hebr 12,5f(Prov3,llf)
2.17 Hebr 12,20f (Ex 19,12f; Dtn 9,19)
2.18 Hebr 12,26 (Hag 2,6)
2.19 Hebr 13,5.6 (Dtn 31,6; Ps 118 (LXX117),6)
2.20 Zusammenfassung
3. Ergebnis
IV. Die Schriftauslegung in der Spannung von Kontinuität und Diskontinuität
1. Der mit dem Christusereignis verbundene Neuanfang
1.1 Der Anfang in der Verkündigung des Herrn - Hebr 2,1-4
1.2 Die Erinnerung an den eigenen Anfang - Hebr 5,11 - 6,6
1.3 Der Anfang als Neuansatz in Gottes Heilsgeschichte
2. Kontinuität und Diskontinuität - zum Verhältnis von Altem Testament und Christusereignis
Verzeichnis der verwendeten Literatur
1. Quellen / antike Autoren
2. Hilfsmittel
3. Kommentare zum Hebräerbrief
4. Monographien und Aufsätze
Register
1. Stellenregister
2. Sachregister (Begriffe, antike Autoren, Personen)
3. Register der ausführlich besprochenen griechischen Begriffe
4. Register moderner Autoren

Citation preview

Angela Rascher Schriftauslegung und Christologie im Hebräerbrief

Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der älteren Kirche

Herausgegeben von

James D. G. Dunn · Carl R. Holladay Hermann Lichtenberger · Jens Schröter Gregory E. Sterling · Michael Wolter

Band 153

W G DE

Walter de Gruyter · Berlin · New York

Angela Rascher

Schriftauslegung und Christologie im Hebräerbrief

W DE G_ Walter de Gruyter · Berlin · New York

© Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

ISSN 0171-6441 ISBN 978-3-11-019697-9 Library of Congress Cataloging-in-Publkation

Data

Rascher, Angela. Schriftauslegung und Christologie im Hebräerbrief / Angela Rascher p. cm. — (Beihefte zur Zeitschrift fuer die neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der aelteren Kirche ; Bd. 153) Includes bibliographical rcferenccs and index. ISBN 978-3-11-019697-9 (alk. paper) 1. Bible. N.T. Hebrews — Criticism, interpretation, etc. 2. Jesus Christ — Person and offices. 3. Bible. O.T. — Relation to Hebrews. 4. Bible. N.T. Hebrews — Relation to the Old Testament. I. Title. BS2775.52.R37 2007 227'.8706-dc22 2007027366

Bibliografische

Information

der Deutschen

Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© Copyright 2007 by Walter de Gruyter G m b H & Co. KG, D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Kinspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Umschlaggestaltung: Christopher Schneider, Berlin

Vorwort und Dank Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2006 von der Theologischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg als Dissertation angenommen. Für die Drucklegung habe ich sie leicht überarbeitet. Die Arbeit wurde von Prof. Dr. Peter Lampe betreut. Ohne seine Offenheit und die Bereitschaft, sich auf meine Ideen einzulassen, wäre diese Arbeit nicht das, was sie heute ist. Für seine stets ermunternde und kritische Begleitung danke ich ihm herzlich. PD Dr. Christian Strecker danke ich für die Erstellung des Zweitgutachtens. Den Herausgebern danke ich nicht nur für die Aufnahme in die Reihe BZNW, sondern auch für ihre Anmerkungen zu meiner Arbeit. Vom Verlag, namentlich von Dr. Carsten Burfeind und Sabina Dabrowski, bin ich von Anfang an freundlich und hilfsbereit betreut worden. Auch hierfür ein herzliches Dankeschön! Finanziell wurde die Arbeit vom Ev. Studienwerk Villigst e.V. gefördert. Die finanzielle Unterstützung hat mir ein zügiges und freies Arbeiten ermöglicht. Vielen Dank! Kollegen, Kolleginnen, Freundinnen und Freunde haben mich in den Jahren der Entstehung der Arbeit in unterschiedlicher Weise begleitet. Sie haben mit mir diskutiert, Teile der Arbeit Korrektur gelesen oder mit Freizeitgestaltung für Ablenkung vom Arbeitsalltag gesorgt. Auf dieses Umfeld hätte ich nicht verzichten wollen. Frank Conrads, Jan Eisenberg, Kathrin Eisenberg, Karoline Faber, Stefanie Lorenzen, Kristin Migotz, Kirsten Müller, Christian Polke, Christine Stark, Torsten Siehe, Annette Weissenrieder: Danke, dass ihr da seid! Meine Eltern Dietrun und Wolfgang Rascher haben nicht nur die Entstehung dieser Arbeit, sondern meinen gesamten Werdegang unterstützt und gefördert. Für diesen Rückhalt bin ich sehr dankbar.

Inhaltsverzeichnis Vorwort und Dank Inhaltsverzeichnis

Teil A: Der hermeneutische Zusammenhang von Schriftauslegung und Christologie - Einleitung

V VIT

1

I. 1. 2. 2.1 2.2 2.3 3.

Einführung: Grundanliegen und Forschungsüberblick Grundanliegen Uberblick zur Forschungssituation Zur Schriftauslegung des Hebr Zur theologischen Grundlegung des Schriftgebrauchs des Hebr Fazit Der eigene Ansatzpunkt und das eigene Vorgehen

1 1 2 3 8 10 11

II. 1. 2. 2.1 2.2 2.3

Die Aufnahme des Alten Testaments im Hebr Zur Benennung des Alten Testaments im Hebr Zur Textgrundlage der alttestamentlichen Zitate im Hebr Die Septuaginta als autoritativer Text Der freie Umgang mit dem vorliegenden Text Zur Frage nach der Existenz eines vom Hebr benutzten Florilegiums Rrgebnis: Das griechische Alte Testament als Vorlage der Zitate Die Zitate im Hebr - Überblick Die alttestamentlichen Zitate im Hebr Exkurs: Zur Unterscheidung von Zitat und Paraphrase Die alttestamentlichen Zitate des Hebr im neutestamentlichen Kontext Die Eigenständigkeit des Hebr in der Auswahl der alttestamentlichen Zitate - Konsequenzen Die Gewichtung der verschiedenen alttestamentlichen Zitate zur Frage nach Hauptzitaten

13 13 14 14 17 18 21 22 22 24

Die Zitateinleitungen des Hebr Die Schrift als Rede Gottes Die Zitateinleitungen mit λέγειν Die Ausblendung des Kontextes der alttestamentlichen Zitate Zur Bewertung der biblischen Hermeneutik des Hebr

31 31 31 33 35

2.4 3. 3.1 3.2 3.3 4. III. 1. 1.1 1.2 1.3

26 27 28

VIII

2. 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.2 2.3 3.

Inhaltsverzeichnis

Die in den Zitateinleitungen zum Ausdruck kommenden Beziehungen Die Worte Gottes und Jesu Christi Gott spricht zum Sohn Jesus Christus spricht zu Gott Zur Beziehung von Gott und Jesus Christus Gott und Heiliger Geist sprechen zu den Menschen Der Mensch als Hörer des Wortes Ergebnis: Die in den Zitateinleitungen erkennbaren theologischen Grundentscheidungen

37 37 37 39 40 40 41 43

Teil B: Jesus Christus, der Sohn - die Verwendung des Sohnestitels und der Bezug zur Schrift im Hebr 45 I. 1. 2. 2.1 2.2 2.3 2.4 3. 3.1 3.2 4. 5. 6. II. 1. 2.

3. 4. 5.

III. 1. 2. 3.

Der Sohnestitel im Hebr Einleitung Der Sohnesbegriff in Hebr 1 Die endgültige Offenbarung Gottes im Sohn - Hebr 1,1-4 Die hermeneutische Bedeutung der Offenbarung im Sohn Die Stellung des Sohnes in der himmlischen Welt - zum Sohnestitel in der Zitatenreihe Hebr 1,5-14 Die Form der Schriftauslegung in der Zitatenreihe Das Verhältnis von Sohn und Söhnen als Thema von Hebr 2 Christologische und anthropologische Lektüre von Ps 8 in Hebr 2,5ff Der Sohn und die Söhne als Brüder Der Sohn Gottes als (Hohe-)Priester - Hebr 4,14; 5,5f; 7,28 Die Menschen als zu ermahnende Söhne in Hebr 12,4-11 Zusammenfassung: Die Bedeutung des Sohnestitels Der Weg des Sohnes Hebr 1 und die Präexistenz des Sohnes Die Menschwerdung des Sohnes als Erfüllung des göttlichen Heilsplanes zugunsten aller Menschen Exkurs: Der erste und der neue Bund im Hebr Der Tod des Sohnes - Hebr 2,14f Sitzen zur Rechten Gottes - die Bedeutung von Ps 110 (LXX109),1 im Hebr Schluss: Zum Ineinander von Erhöhungs- und Niedrigkeitsaussagen

45 45 47 47 49 50 52 53 53 56 58 59 59 60 60 62 64 68 70 73

Der Sohn und sein Verhältnis zu Gott 75 Die Einsetzung durch direkte Ansprache - Ps 2,7; 2Sam 7,14 75 Die Übertragung göttlicher Attribute auf den Sohn - Hebr 1,8-12 77 Sohn als Offenbarung Gottes: απαύγασμα της δόξης und χαρακτήρ της υποστάσεως (Hebr 1,3) 80

Inhaltsverzeichnis

4. 5. IV. 1. 1.1 1.2 1.3

IX

Der Sohn als Verkündiger - Ps 22 (LXX21),23 in Hebr 2,12 und der Vergleich mit Mose in Hebr 3,1-6 83 Schluss: Der Sohn als Sohn Gottes 85

2. 2.1 2.2 2.3 3.

Der Sohn und sein Verhältnis zu den Geschöpfen Sohn und Engel Zu Wesen und Funktion der Engel in Hebr l f Die Anbetung des Sohnes durch die Engel - Hebr 1,6 Der Sohn im Gegenüber zu den Engeln - zur Funktion des Engelvergleiches im Hebr Der Sohn und die Söhne Die Söhne als Brüder des Sohnes - Hebr 2,11-13 Die völlige Solidarität: in gleicher Weise versucht Die Menschen als Söhne Gottes - Hebr 12,4-11 Zusammenfassung: Der Sohn, die Söhne und die Engel

V.

Zusammenfassung: Der Sohn und die Schriftauslegung

86 86 86 89 91 93 93 95 97 99 100

Teil C: Person und Amt des Hohepriesters - die Hohepriesterschaft Jesu Christi und die Schriftauslegung 101 I. 1. 2. 3. II. 1. 1.1 1.2 1.3 1.4 2. 2.1 2.2 2.3

Jesus, der Hohepriester - zur Charakterisierung des Hohepriesters Einführung: Jesus, der Priester und Hohepriester Die Zentralität des Hohepriestertitels im Hebr Die Begründung(en) für Jesu Hohepriesteramt

101 101 104 105

3.4

Jesus Christus, der legitime und der bessere Hohepriester 106 Hebr 5,1-10: Einführung 106 „aus Menschen genommen" 108 „berufen von Gott" 108 „opfern für die Sünden" 109 Zusammenfassung 110 Jesus, der menschliche und mitmenschliche Hohepriester 111 Die Einführung des Hohepriestertitels in Hebr 2,17 111 Die Pointierung des Hohepriestertitels in Hebr 4,14-16 112 Ergebnis: Zur grundlegenden Bedeutung des irdischen Jesus für die Hohepriestervorstellung 113 Zur Schriftauslegung 114 Die Einsetzung Jesu Christi zum Hohepriester durch Gott 116 Die Berufung Jesu durch direkte Ansprache Gottes - Hebr 5,5f.l0 .. 116 Zur Funktion von Ps 110 (LXX109),4 im Hebr 118 Gott als Autorität hinter dem Priester: die theologische Bedeutung der Berufung 119 Zur Schriftauslegung - Zusammenfassung 120

III. 1.

Jesus Christus, Hohepriester nach der Ordnung des Melchisedek .. 121 Hebr 7-Überblick 121

2.4 3. 3.1 3.2 3.3

χ

1.1 1.2 1.3 2. 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 3. 3.1 3.2 3.3 3.4 IV.

Inhaltsverzeichnis

Die Legitimation des anderen Priestertums nach der Ordnung des Melchisedek nach Hebr 7,1-25 121 Der Hohepriestertitel in Hebr 7,26-28 122 Zusammenfassung 123 Die verschiedenen Argumentationen in Hebr 7 124 Die Auslegung von Gen 14 in Hebr 7 124 Die unterschiedliche Einsetzung 125 Die Installation eines anderen Priestertums 126 Die Gegenüberstellung von Einem und Vielen 127 Die Aufhebung des Gesetzes durch die neue Priesterordnung 129 Zur Schriftauslegung in Hebr 7 - Zusammenfassung 131 Zur Figur des Melchisedek in Hebr 7, in 2Hen, in llQMelch und in Leg. All. III 132 Zur Vorstellung des Priestertums nach dem Vorbild Melchisedeks - ein Vergleich von 2Hen 71f und Hebr 7 132 Zur Person des Melchisedek - ein Vergleich von Hebr 7 und llQMelch 134 Zur allegorischen Auslegung von Gen 14 - ein Vergleich von Hebr 7 und Leg. All. III 138 Fazit 140 Ergebnis: Jesus Christus, der legitime und der bessere Hohepriester - zur Schriftauslegung

141

Teil D: Das Werk des Hohepriesters - die Bedeutung des Kultes für die Rede vom Christusereignis 143 I. 1. 2. 3. 3.1 3.2 4. 5. II. 1. 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5

Die kultischen Aussagen über das Werk des Hohepriesters Jesus Christus im Hebr - Uberblick Die allgemeinen Hinweise auf das Werk des Hohepriesters Jesus Christus in Hebr 1-7 Opfern als Konsequenz des Priestertitels - Hebr 8,1-5 Die Bedeutung des irdischen Heiligtums und Jesu himmlischer Dienst als Hohepriester nach Hebr 9 Die Bedeutung des irdischen Heiligtums als Sinnbild Jesu himmlischer Dienst Das Opfer Jesu und die Opferkritik in Hebr 10,1-18 Zusammenfassung

143 143 145 146 146 148 149 150

Die Bedeutung des Heiligtums 150 Das Heiligtum als παραβολή der gegenwärtigen Zeit - Hebr 9,6-10 .. 150 Überblick zu Hebr 9,6-10 151 Zum Begriff παραβολή 153 Der Heilige Geist als Hermeneut und die παραβολή in Hebr 9,6-10 ... 155 Exkurs: Der Heilige Geist im Hebr 156 Der erste Teil des Heiligtums als Sinnbild der gegenwärtigen Zeit zur heilsgeschichtlichen Auslegung in Hebr 9,6-10 158 Das irdische Heiligtum als παραβολή - Zusammenfassung 161

Inhaltsverzeichnis

2. 2.1 2.2 2.3 2.4

III. 1. 1.1 1.2 2. 2.1 2.2 3. 4.

IV. 1. 1.1 1.2 1.3 2. 2.1 2.2 2.3 2.4

V.

Das irdische Heiligtum und (s)ein himmlisches Pendant Das irdische Heiligtum als σκιά, υπόδειγμα und άυτίτυπος Gott als Bauherr - zur Vorstellung eines himmlischen Typos des Tempels nach Ex 25,40 Zur Vorstellung eines himmlischen Heiligtums im Hebr Schluss: Zum Verhältnis von räumlichen und geschichtlichen Vorstellungen im Hebr Die Bedeutung des Versöhnungstages für die Versprachlichung der Heilsbedeutung Jesu Christi Die Bedeutung des Blutes Die sühnende Wirkung von Blut Zum Zusammenhang von Blut und Tod Das Sündopfer am Versöhnungstag als Vorlage für die Rede vom hohepriesterlichen, himmlischen Opfer Jesu Christi Die Blutapplikation als zentrales Element des Sündopfers Die Bedeutung des großen Versöhnungstages (Lev 16) Hohepriestertitel und Opfervorstellungen als angemessene Interpretation des Heilshandelns Jesu Christi Vollkommenheit und Nähe zu Gott - das soteriologische Ziel der Rede vom Hohepriester Jesus Die Opferkritik und der christliche Gottesdienst Die grundsätzliche Unmöglichkeit von Opfern nach dem Christusereignis Die Einmaligkeit des Opfers Jesu Psalm 40 (LXX39) als Wort des Sohnes an Gott beim Eintritt in die Welt Ergebnis: Das Christentum als Religion ohne (Opfer-) Kult Exkurs: Zur Datierung des Hebr Der Gottesdienst nach dem Hebr Lobopfer und Gutes-Tun als gottwohlgefällige Opfer Zur Begründung der Bedeutung des Gemeindelebens Die Auslegung von Ps 95 (LXX94) in Hebr 3f als Beispiel einer Predigt Schluss: Zur Frage der Gestalt und Bedeutung des christlichen Gottesdienstes im Hebr Zur Schriftauslegung des Hebr bezüglich Opfer und Kult Ergebnis

Teil E: Die Schriftauslegung des H e b r - Ergebnis I. II. III. 1.

XI 161 161 163 166 170

171 171 171 173 175 175 176 178 180 183 183 183 185 187 189 192 192 194 196 199

200 203

Der hermeneutische Zusammenhang von Schriftauslegung und Christologie 203 Jesus Christus, der Sohn und der Hohepriester - zur Christologie .. 204 Die Schriftauslegung im Hebr - Zusammenfassung 206 Thematischer Uberblick 206

XU

2. 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 2.8 2.9 2.10 2.11 2.12 2.13 2.14 2.15 2.16 2.17 2.18 2.19 2.20 3. IV. 1. 1.1 1.2 1.3 2.

Inhaltsverzeichnis

Die alttestamentlichen Zitate im Hebr und ihre Auslegung Hebr 1,5-14 (Ps 2,7; 2Sam 7,14; Ps 97 (LXX96),7; Ps 104 (LXX103),4; Ps 45 (LXX44),7f; Ps 102 (LXX101),26-28; Ps 110 (LXX109),1) Hebr 2,5ff (Ps 8, 5-7) Hebr 2,12f (Ps 22 (LXX21),23; Jes 8,17.18) Hebr 3,7- 4,13 (Ps 95 (LXX94),7-11; Gen 2,2) Hebr 5,5f (Ps 2,7; Ps 110 (LXX109),4) Hebr 6,14 (Gen 22,17) Hebr 7 (Ps 110 (LXX109),4) Hebr 8,5 (Ex 25,40) Hebr 8,8-13 (Jer 31 (LXX38),31-34) Hebr 9,20 (Ex 24,8) Hebr 10,5ff (Ps 40 (LXX39),7-9) Hebr 10,15-18 (Jer 31 (LXX38),33f) Hebr 10,30 (Dtn 32,35.36) Hebr 10,37f (Jes 26,20; Hab 2,3f) Hebr 11,18 (Gen 21,12) Hebr 12,5f (Prov 3,llf) Hebr 12,20f (Ex 19,12f; Dtn 9,19) Hebr 12,26 (Hag 2,6) Hebr 13,5.6 (Dtn 31,6; Ps 118 (LXX117),6) Zusammenfassung Ergebnis Die Schriftauslegung in der Spannung von Kontinuität und Diskontinuität Der mit dem Christusereignis verbundene Neuanfang Der Anfang in der Verkündigung des Herrn - Hebr 2,1-4 Die Erinnerung an den eigenen Anfang - Hebr 5,11 - 6,6 Der Anfang als Neuansatz in Gottes Heilsgeschichte Kontinuität und Diskontinuität - zum Verhältnis von Altem Testament und Christusereignis

207 207 208 208 208 209 209 210 210 211 211 211 212 212 212 213 213 214 214 214 214 215 216 217 217 219 221 222

Verzeichnis der verwendeten Literatur

223

Register

255

1. 2. 3. 4. 1. 2. 3. 4.

Quellen / antike Autoren Hilfsmittel Kommentare zum Hebräerbrief Monographien und Aufsätze

Stellenregister Sachregister (Begriffe, antike Autoren, Personen) Register der ausführlich besprochenen griechischen Begriffe Register moderner Autoren

223 224 225 226 255 259 260 260

Teil A

Der hermeneutische Zusammenhang von Schriftauslegung und Christologie - Einleitung I. Einführung: Grundanliegen und Forschungsüberblick 1. Grundanliegen Mithilfe der Schrift wird das Christusereignis expliziert und in seiner (Heils-)Bedeutung versprachlicht. - Das Christusereignis führt unweigerlich zu einem neuen Verständnis der Schrift. Diese beiden Thesen beschreiben die Bezogenheit von Christologie bzw. Theologie und Schriftauslegung im Hebr. Zugleich benennen sie den hermeneutischen Zirkel, in dem sich diese Schriftauslegung notwendigerweise bewegt. Das heißt erstens, dass ohne die Schrift nicht angemessen von Gott und Jesus Christus gesprochen werden kann. Das Alte Testament hat prägendenden Einfluss auf die theologischen Aussagen des Hebr. Zweitens besagt dies, dass durch das Christusereignis die Schrift in neuer Weise verstanden wird. Die alttestamentlichen Texte und Vorstellungen werden neu, zum Teil auch völlig anders als zuvor, interpretiert. Der hermeneutische Zirkel von Theologie bzw. Christologie und Schriftauslegung ist die Basis der Schriftauslegung und der theologischen Entfaltung im Hebr. Beide Größen, nämlich die Theologie des Hebr, die auf dem Christusereignis fußt, und die Bedeutung des Alten Testaments, sind aufeinander bezogen und bedingen sich gegenseitig. In der vorliegenden Arbeit wird die Bedeutung der Schrift im Hebr untersucht. Dies geschieht anhand der Fragestellung nach dem Zusammenhang von theologischer Argumentation und Schriftauslegung. Aus

2

Der hermeneutische Zusammenhang von Schriftauslegung und Christologie

diesem Grund werden die alttestamentlichen Zitate und Vorstellungen, die im Hebr aufgenommen werden, im jeweiligen Argumentationszusammenhang, in dem sie im Hebr stehen, in den Blick genommen. Es werden also nicht nur die alttestamentlichen Zitate im Hebr analysiert, sondern der Kontext, in dem sie zitiert werden und in dem mit ihnen argumentiert wird, ist ebenfalls Gegenstand der Untersuchung. Die Vorgehensweise untersucht die Funktion der alttestamentlichen Texte bzw. Zitate innerhalb der Argumentation des Hebr. Ihre Verwendung wird beschrieben und analysiert. Auf diese Weise kann sowohl der Einfluss der christologischen Grundüberzeugungen auf die Schriftauslegung aufgezeigt werden, als auch die zentrale Bedeutung der Schrift für die Theologie und Christologie des Hebr herausgearbeitet werden. Dieses Vorgehen ergibt sich aus dem Interesse, dem Umgang des Hebr mit der Schrift anhand dessen eigener Prämissen und theologischer Entscheidungen gerecht zu werden. Diese Prämissen und Entscheidungen sind v.a. in den zu analysierenden Zitateinleitungen zu greifen. Zuvor wird allerdings nach der Textgrundlage der Zitate gefragt und ein Uberblick über die alttestamentlichen Zitate im Hebr gegeben.

2. Überblick zur Forschungssituation Monographien, die die Schriftauslegung des Hebr untersuchen, gibt es bislang kaum. Jedoch soll an ihnen entlang die Forschungssituation zur Schriftauslegung des Hebr dargestellt werden. Hier wird ein Uberblick gegeben; eine Auseinandersetzung mit den einzelnen Forschungspositionen findet, nach Themenbereichen sortiert, innerhalb des gesamten Einleitungsteils statt. Die Frage nach der Schriftauslegung des Hebr kann in unterschiedlicher Weise angegangen werden: Von der Untersuchung der alttestamentlichen Zitate und ihrer Verwendung her oder von den theologischen Prämissen des Hebr ausgehend. Die meisten Arbeiten beginnen mit einer Untersuchung der alttestamentlichen Zitate im Hebr und benennen aufgrund dieser Ergebnisse, auch im Vergleich mit anderen Texten (z.B. Philo, Qumran) den Schriftgebrauch des Hebr. Nach einer theologischen Grundlegung des Hebr für diesen Umgang mit der Schrift wird dabei selten gefragt. In diesen Arbeiten wird in der

Einführung: Grundanliegen und Forschungsüberblick

3

Regel zuerst die Frage nach der Textgrundlage1 der alttestamentlichen Zitate geklärt. Hiervon ausgehend kann nach Veränderungen gefragt werden, an denen sich das Profil des Hebr erkennen lässt. Die Arbeiten dagegen, die von der Theologie des Hebr ausgehen und nach der Bedeutung des Alten Testaments fragen, berücksichtigen selten den konkreten Umgang mit dem Alten Testament in Zitaten und Anspielungen des Hebr. Der folgende Uberblick wird dies zeigen.

2.1

Zur Schriftauslegung des Hebr

Eine Untersuchung aller alttestamentlichen Zitate im Hebr nimmt in ausführlicher Weise Schröger in seiner Dissertation2 vor. Diese Arbeit untersucht sorgfältig die einzelnen alttestamentlichen Zitate, vergleicht die Zitate im Hebr mit der Textgrundlage sowohl des Masoretischen Textes als auch der Septuaginta. Die jeweilige Auslegungsmethode wird benannt (z.B. rabbinische Auslegung; Typologie; WeissagungErfüllung; Midrasch-Pesher). In seiner Besprechung sämtlicher alttestamentlicher Zitate im Hebr folgt Schröger folgendem Muster: Zuerst wird nach dem Sinn des Textes im alttestamentlichen Zusammenhang gefragt, und zwar sowohl im Masoretischen Text als auch in der Septuaginta. Diesem wird der Text des Zitats im Hebr gegenübergestellt. Anschließend werden hermeneutische Fragen besprochen: Inwiefern wird der ursprüngliche Sinn berücksichtigt? Welcher Methode folgt diese Auslegung? Wie ist diese Art der Schriftauslegung zu bewerten? 3

Dabei ist es ein Anliegen Schrögers zu zeigen, dass diese Methoden denen der Umwelt, z.B. in Qumran oder der Rabbinen, entsprechen.4 Die Besprechung beschränkt sich auf die einzelnen Zitate bzw. Anspielungen auf das Alte Testament. Eine systematische Zusammenstellung gibt einen Uberblick über die verschiedenen zitierten alttestamentlichen Schriften, die Zitationsweise, die verschiedenen Auslegungsme-

1 2 3 4

Zur Textgrundlage ausführlich unten S. 14-22. Schröger, Friedrich, Der Verfasser des Hebräerbriefes als Schriftausleger, BU 4, Regensburg (Friedrich Pustet) 1968. Vgl. Schröger, Schriftausleger, 31f. Vgl. z.B. den Uberblick zu den Hintergründen der Schriftauslegung, in dem die rabbinische, die apokalyptisch-qumranische und die hellenistisch-spätjüdisch-synagogale Schriftauslegung dargestellt werden (Schröger, Schriftausleger, 267-287). Außerdem wird die Nähe der Schriftauslegung des Hebr zu Philo untersucht. Hier werden v.a. die Unterschiede formuliert (ebd., 289-307).

4

Der hermeneutische Zusammenhang von Schriftauslegung und Christologie

thoden etc., verzichtet aber auf eine ausführliche hermeneutische oder theologische Grundlegung der Schriftauslegung des Hebr insgesamt. Ähnlich untersuchte auch schon Büchel 5 die Schriftauslegung des Hebr. Er tat dies in drei Schritten: Zunächst werden die sprachlichen Eigenarten des Hebr festgehalten und nach der Textgrundlage der Zitate gefragt. Dann wird die theologische Verwendung der alttestamentlichen Zitate untersucht. Abschließend wird die Schriftauslegung des Hebr mit der Philos verglichen. Büchel k o m m t zu d e m Ergebnis, dass der Hebr sich ohne Rücksicht auf ursprünglichen Sinn und Kontext der alttestamentlichen Texte bediene. Er spricht von „unhistorischer Lokalmethode" 6 . Ein ausschließlicher Vergleich von Hebr und Philo ist das Anliegen der Monographien von Sowers und Williamson. Beide folgen damit der im Kommentar von Spicq7 gestellten Frage nach dem Verhältnis von Philo und Hebr. Spicq kam zu dem Ergebnis, dass der Hebr die Werke Philos und dessen Schriftauslegung kannte und von diesen beeinflusst bzw. geprägt war. Er hält auch eine persönliche Bekanntschaft für möglich. Sowers8 folgt dieser These insofern, als dass er eine gemeinsame alexandrinische Tradition vermutet, die beide, Philo und den Hebr, prägte. Anders dagegen versucht Williamson9 zu zeigen, dass nicht Einfluss oder gemeinsame Traditionen Philo und den Hebr verbinden, sondern dass beide unabhängig voneinander zu interpretieren seien. Er zeigt dies anhand der Untersuchung des Wortschatzes, verschiedener Themen und des Schriftgebrauches von Philo und Hebr. Williamson sieht Philo eher als Vertreter der platonischen Philosophie, während im Hebr ein biblischeschatologisches Grundverständnis zu erkennen sei. Bateman 10 dagegen sieht nicht Philo als prägendes Gegenüber des Hebr, sondern die rabbinische Schriftauslegung. Er konzentriert sich in seiner Arbeit auf Hebr 1 und zeigt Parallelen zur rabbinischen Schriftauslegung und Qumran auf. Der Vergleich mit rabbinischer oder philonischer Schriftauslegung beansprucht zum Teil den Charakter einer Legitimation des Schriftgebrauchs

5 6 7 8 9 10

Büchel, C., Der Hebräerbrief und das Alte Testament, ThStKr 79 (1906), 508-591. Büchel, Alte Testament, 549. Zur Auseinandersetzung s.u. S. 35-37. Spicq, Ceslas, L'Epitre aux Hebreux, 2 Bände, Etudes Biblique, Paris (Gabalda) 2 1952/53. Sowers, Sidney G., The Hermeneutics of Philo and Hebrews. A Comparison of the Interpretation of the Old Testament in Philo Judaeus and the Epistle to the Hebrews, Zürich (EVZ-Verlag) 1965. Williamson, Ronald, Philo and the Epistle to the Hebrews, ALGHJ IV, Leiden u.a. (Brill) 1970. Bateman, Herbert W. IV., Early Jewish Hermeneutics and Hebr 1,5-13. The Impact of Early Jewish Exegesis on the Interpretation of a Significant New Testament Passage, New York (Peter Lang) 1997.

Einführung: Grundanliegen und Forschungsüberblick

5

des Hebr. Wird eine ähnliche oder gleiche Methodologie festgestellt, so kann die des Hebr nicht als unzulässig verstanden werden.

Barth11 beginnt seine Untersuchung mit einem statistischen Überblick (direkte Zitate, indirekte Zitate etc.). Anschließend untersucht er die Zitateinleitungen des Hebr und formuliert die theologischen Konsequenzen, die sich daraus ergeben, z.B. dass das Alte Testament als Rede Gottes verstanden wird. S.E. unterscheide der Hebr zwischen Besserem und weniger Besserem im Alten Testament, ohne jedoch Unterscheidungsmerkmale oder Kriterien zu formulieren. Synge12 dagegen geht davon aus, dass der Hebr die alttestamentlichen Zitate nicht selbst auswähle, sondern ein Florilegium benutze. So könne erklärt werden, warum der Hebr den ursprünglichen Kontext der Zitate nicht berücksichtige. Kistemaker13 bespricht zunächst kurz alle alttestamentlichen Zitate des Hebr,14 konzentriert sich dann auf die Psalmzitate, deren Auslegungsmethode er untersucht.15 Er gelangt zu dem Ergebnis, dass die Psalmen Ps 8; Ps 95 (LXX94); Ps 110 (LXX109); Ps 40 (LXX39) die Argumentation des Hebr in besonderer Weise prägen.16 Sie seien bewusst ausgewählt und mit einem bestimmten theologischen Thema verbunden, sie würden nicht nur zitiert, sondern auch ausgelegt. Alle anderen alttestamentlichen Zitate des Hebr könnten diesen Hauptzitaten zugeordnet werden. Allein auf die Psalmzitate konzentrieren sich die Arbeiten von Vis und Müller. Vis17 untersucht die messianischen Psalmzitate im Neuen Testament. Hier werden auch die Stellen im Hebräerbrief besprochen. Seine Untersuchung orientiert sich in erster Linie an der Leitfrage, ob der originäre Sinn der alttestamentlichen Psalmen erfasst oder uminterpretiert wurde. Er kommt zu dem Ergebnis, dass der Hebr den ursprünglichen Aussagesinn der Psalmen selten berücksichtige, sondern fast gewaltsam uminterpretiere.

11 12 13 14 15 16 17

Barth, Markus, The Old Testament in Hebrews. An Essay in Biblical Hermeneutics, in: Klassen, William / Snyder, Graydon F. (Hg.), Current Issues in New Testament Interpretation, FS Piper, London (SCM Press) 1962, 53-78. Synge, F. C., Hebrews and the Scriptures, London (SPCK) 1959. Vgl. dazu ausführlich S. 18-21. Kistemaker, Simon, The Psalm Citations in the Epistle to the Hebrews, Amsterdam (Van Soest) 1961. Vgl. Kistemaker, Citations, 17-57. Vgl. Kistemaker, Citations, 61-94. Zur Diskussion von Kistemakers Ergebnis vgl. unten S. 28-41. Vis, Albert, The Messianic Psalm Quotations in the New Testament. A Critical Study on the Christian 'Testimonies' in the Old Testament, Amsterdam 1936.

5

Der hermeneutische Zusammenhang von Schriftauslegung und Christologie

Müller18 fragt in seinem Aufsatz nach der Funktion der Psalmzitate im Hebr. S.E. werden mit der einen Ausnahme von Ps 118 (LXX117),9 in Hebr 13,6, im Hebr alle Psalmzitate herangezogen, um anhand bestimmter Stichworte die eigene christologische Konzeption zu untermauern.19 In seinem Kommentar vertritt Strobel20 die These, dass der Aufbau des Hebr sich an Ps 110 (LXX109) orientiere. Dieser Psalm präge den Hebr in besonderer Weise.

Ähnlich wie Kistemaker konzentriert sich auch Leschert21 in seiner Dissertation zum Schriftgebrauchs des Hebr auf bestimmte Hauptzitate, die s.E. das Fundament der Argumentation des Hebr bilden. Es ist die Zitatenreihe Hebr 1; Ps 8,4-6; Ps 95 (LXX94),7-11; Ps 110 (LXX109),4; Jer 31 (LXX38),31-34. Jedoch postuliert er diese zu Beginn seiner Arbeit, ohne dass er andere alttestamentliche Zitate des Hebr untersucht.22 Für seine Untersuchung wählt er aus diesen Zitaten zunächst Ps 45 (LXX44) aus der Zitatenreihe Hebr 1 und die Auslegung von Ps 8 in Hebr 2 als Beispiele der messianischen bzw. christologischen Schriftauslegung aus. Gemeinsam mit der Untersuchung der Auslegung von Ps 95 (LXX 94) in Hebr 3f bilden sie den exegetischen Teil seiner Arbeit.23 Im zweiten Teil der Arbeit wird nach den Methoden der Schriftauslegung anhand von Hebr 3f und Hebr 7 gefragt.24 Leschert untersucht also nicht alle Hauptzitate, sondern fragt exemplarisch nach der Schriftauslegung des Hebr. Hier stellt er eine große Nähe zur zeitgenössischen Schriftauslegung fest. Gheoghita25 untersucht den Einfluss der Septuaginta auf den Hebr in zwei Schritten. Zunächst wird allgemein dieser Einfluss aufgezeigt. 18 19 20 21 22

23 24 25

Müller, Paul-Gerhard, Die Funktion der Psalmzitate im Hebräerbrief, in: Haag, Ernst / Hossfeld, Frank-Lothar (Hg.), Freude an der Weisung des Herrn. Beiträge zur Theologie der Palmen. FS Groß, Stuttgart (Kath. Bibelwerk) 1986, 223-242. Vis, Quotations, 241. Strobel, August, Der Brief an die Hebräer, NTD 9/2, Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht) 131991 (4. Auflage der neuen Fassung). Zur Auseinandersetzung mit Strobel s.u. S. 30f. Vgl. Leschert, Dale F., Hermeneutical Foundations of Hebrews. A Study in the Validity of the Epistle's Interpretation of some core Citations from the Psalms, NABPR.DS 10, Lewiston, New York (E. Mellen Press) 1994. „We are encouraged in adopting this narrowly focused approach by the now common observation that the argument of the Epistle does not depend upon a series of minor proof texts; instead it rests on a limited number of core citations which control the develpoment of the book." Leschert, Foundations, 16; vgl. Ebd., 15-21. zur ausführlichen Diskussion s.u. S. 28-31. Vgl. Leschert, Foundations, 23-170. Vgl. Leschert, Foundations, 171-256. Gheorghita, Radu, The Role of the Septuagint in Hebrews. An Investigation of its Influence with special Consideration to the Use of Hab 2,3-4 in Hebr 10,37-38, WUNT 11.160, Tübingen (Mohr Siebeck) 2003.

Einführung: Grundanliegen und Forschungsüberblick

7

Hierzu werden nicht nur die direkten Zitate und ihre Interpretation in der Septuaginta analysiert, sondern auch die Anspielungen, die sprachlichen Eigentümlichkeiten (,Septuagintal Lexical Units') und die beiden theologischen Schwerpunkte Eschatologie und Messianismus untersucht.26 Dabei gelangt Gheorghita zu dem Ergebnis, dass die Septuaginta nicht nur als Textvorlage, sondern auch durch ihre Theologie den Hebr geprägt habe. Der Kontext der Septuaginta passe bei den einzelnen Stellen, die im Hebr zitiert werden, besser als der des Masoretischen Textes (vgl. ebd., 57-65), die Anspielungen auf alttestamentliche Texte seien von der Septuaginta geprägt (ebd., 72-99), darüber hinaus sei der Einfluss der SeptuagintaTheologie bei den Themen Eschatologie und Messianismus erkennbar (vgl. ebd., 126-145).

In einem zweiten Teil wird der Einfluss der Septuaginta konkret anhand des Zitats von Hab 2,3f in Hebr 10,37f analysiert.27 In seiner textgeschichtlichen Untersuchung zum Septuagintapsalter im Neuen Testament fragt Rüsen-Weinhold auch nach der Textgrundlage der Psalmzitate im Hebr.28 S.E. ist bei den Zitaten des Hebr eine Nähe zur oberägyptischen Textfamilie, nicht zum Codex Alexandrinus festzustellen. In den einzelnen Arbeiten, die den Schriftgebrauch des Hebr untersuchen, steht in erster Linie die Frage nach der Textgrundlage im Vordergrund. Welchen Text hat der Hebr verwendet? Wie gut kannte er die alttestamentlichen Texte? Wie treu ist er seinen Vorlagen gegenüber? Welche Texte zitiert der Hebr? Welche Besonderheiten sind im Hebr zu beobachten? Diese und ähnliche Fragen werden zunächst ausführlich diskutiert. Der zweite große Themenkomplex in diesen Arbeiten ist meist der Vergleich mit Methoden der Schriftauslegung in der Umwelt. Hier werden Parallelen und Unterschiede festgehalten, die so die besondere Prägung des Hebr herausstellen sollen. Eine theologische oder christologische Begründung des Schriftgebrauchs des Hebr interessiert dabei kaum. Wenn doch, wird thetisch festgehalten, dass dieser Umgang mit der Schrift seinen Grund in der Theologie bzw. Christologie habe, ohne dass dies anhand der Zitate gezeigt wird.

26 27 28

Vgl. Gheorghita, Septuagint, 32-145. Vgl. Gheorghita, Septuagint, 147-224. Rüsen-Weinhold, Ulrich, Der Septuagintapsalter im Neuen Testament. Eine textgeschichtliche Untersuchung, Neukirchen (Neukirchener) 2004. Zum Hebr vgl. ebd., 169-206. Der Frage nach der Textgrundlage der alttestamentlichen Zitate widmen sich die Aufsätze von Thomas, Citations, Katz, Quotations, Howard, Quotations und McCullough, Old Testament.

Der hermeneutische Zusammenhang von Schriftauslegung und Christologie

2.2

Zur theologischen Grundlegung des Schriftgebrauchs des Hebr

Neben diesen Arbeiten zu den alttestamentlichen Zitaten und der Schriftauslegung im Hebr ist auch die Hermeneutik des Hebr, speziell das Motiv des Redens Gottes29, Gegenstand der Forschung. Hier werden die alttestamentlichen Zitate des Hebr selbst kaum Gegenstand der Untersuchung. Hughes30 untersucht die Hermeneutik des Hebr anhand der drei Themenbereiche Sohn31, Geschichte32 und Jesus33. Die Theologie des Wortes Gottes und die sich daraus ergebende Verwendung des Alten Testaments im Hebr werde in Hebr 5,11-6,20 begründet. Hier könnten folgende Funktionen der Schrift erkannt werden: 1) the fundamental role of scripture is a paraenetic one; 2) Christ is the final content of God's Word; 3) The relationship between the old and new covenant is an 'historical' one.34 Wider35 stellt den theozentrischen Ansatz des Hebr heraus. Mithilfe der Theologie des Redens Gottes kann s.E. der Zusammenhang von Christusgeschehen und Paränese beschrieben werden. Dies zeigt Wider anhand der Textpassagen des Hebr, die das Reden Gottes thematisieren. Dieses Reden Gottes wird zunächst unter dem Aspekt der Gottesoffenbarung im Sohn (Hebr 1), des lebendigen Wortes Gottes (Hebr 4,12f) und des Redens Gottes auf Erden und vom Himmel (Hebr 12,18-29) untersucht.36 Im zweiten Teil werden anhand der Texte Hebr 2,1-4; 3,1-6; 3,7-19; 5,11-6,8; 4,1-11 die soteriologischen Perspektiven des Redens Gottes herausgearbeitet,37 bevor abschließend auf die Glaubensthematik eingegangen wird.38

29 30 31 32 33 34 35 36 37 38

Neben dem Motiv des Redens Gottes kann auch anhand der Bundesthematik das Verhältnis von Altem und Neuem Testament im Hebr beleuchtet werden. Vgl. dazu den Exkurs zum Bundesbegriff, s.u. S. 64-67. Vgl. Hughes, Graham, Hebrews and Hermeneutics. The Epistle to the Hebrews as New Testament Example of Biblical Interpretation, MSSNTS 36, Cambridge (University Press) 1979. Vgl. Hughes, Hermeneutics, 5-32. Vgl. Hughes, Hermeneutics, 45-74 Vgl. Hughes, Hermeneutics, 75-100. Vgl. Hughes, Hermeneutics, 47-66. Wider, David, Theozentrik und Bekermnis. Untersuchungen zur Theologie des Redens Gottes im Hebräerbrief, BZNW 87, Berlin / New York (de Gruyter) 1997. Vgl. Wider, Theozentrik, 11-115. Vgl. Wider, Theozentrik, 117-178. Vgl. Wider, Theozentrik, 179-204.

Einführung: Grundanliegen und Forschungsüberblick

9

Ähnlich wie Wider setzt auch Lewickis Arbeit39 beim Sprechen Gottes ein. Auch seine Arbeit zielt auf die Verbindung von theologischen und paränetischen Aussagen im Hebr. Er untersucht zunächst das Motiv des Sprechens Gottes im Kontext der Schrifttheologie des Hebr. Lewicki greift hier auf die alttestamentlichen Zitate im Hebr zurück, die als Worte Gottes an den Sohn und des Sohnes an Gott verstanden werden.40 Anschließend werden die christologischen und soteriologischen Implikationen des Redens Gottes im Sohn anhand von Hebr 2,1-4 entfaltet.41 Sein abschließendes Kapitel widmet Lewicki den mit dem Sprechen Gottes verbundenen paränetischen Aspekten.42 Das Reden Gottes nennt auch Hofius43 als Leitmotiv der biblischen Hermeneutik des Hebr. Der schon zuvor zu den Vätern redende Gott wird im Hebr zitiert. Die Art und Weise mit der Schrift umzugehen zeichnet sich dadurch aus, dass der Hebr die alttestamentlichen Texte ,wörtlich' nimmt: Sie werden - losgelöst vom ursprünglichen Kontext als Worte Gottes verstanden. Hofius spricht von ,,erstaunliche[r] heremeneutische[r] Kühnheit" 44 . Auch für Taut45 hat das Reden Gottes bzw. Christi zentrale Bedeutung für die Interpretation der ,Heilgen Schriften' - diesen Begriff zieht er dem des Alten Testaments vor - durch den Hebr. Er untersucht dazu Ps 95 (LXX94) und Jer 31 (LXX38) und deren Zusammenhang. Die Bedeutung der alttestamentlichen Zitate liegt für Taut in der Christologie begründet: Worte Christi sind ebenso wie Worte des Herrn und des Hl. Geistes im Alten Testament zu finden und haben deshalb bleibende Gültigkeit.46 „Die Zitate aus den hl. Sehr, sind nach Sicht des Hebr-Vf. einzeln und noch deutlicher in ihrer Beziehung untereinander Belege der Bedeutung von Christi Heilswerk für die 39 40 41 42 43 44

45 46

Lewicki, Tomasz, 'Weist nicht ab den Sprechenden!'. Wort Gottes und Paraklese im Hebräerbrief, PaThSt 41, Paderborn u.a. (Schöningh) 1994. Vgl. Lewicki, Wort Gottes, 23-47. Vgl. Lewicki, Wort Gottes, 48-79. Vgl. Lewicki, Wort Gottes, 80-140. Hofius, Otfried, Biblische Theologie im Lichte des Hebräerbriefes, in: Pedersen, Sigfred (Hg.), New Directions in Biblical Theology. Papers of the Aarhus Conference, 16-19 September 1992, NT.S 76, Leiden u.a. (Brill) 1994, 108-125. Hofius, Biblische Theologie, 124. - An Hofius knüpft Theobald, Schrifthermeneutik, an: Er untersucht den Zusammenhang vom Verständnis des Wortes Gottes und der Schriftauslegung des Hebr. Auch er stützt sich hier auf die vom Hebr so verstandenden Worte Gottes, des Sohnes und des Heiligen Geistes. - Vgl. auch Bachmann, Erwägungen, 365-374. Taut, Konrad, Anleitung zum Schriftverständnis?. Die heiligen Schriften nach dem Hebräerbrief, THEOS 20, Hamburg (Verlag Dr. Kovac) 1998. Vgl. Taut, Anleitung, v.a. 133-139.

IQ

Der hermeneutische Zusammenhang von Schriftauslegung und Christologie

Leser." 47 Eine Beeinflussung der alttestamentlichen Texte auf die Christologie benennt Taut jedoch nicht. Die hier besprochenen Arbeiten führen deutlich die verschiedenen zentralen Theologoumena vor Augen, die den Schriftgebrauch des Hebr beeinflusst haben. Allerdings werden in die Theoriebildung weder die alttestamentlichen Zitate des Hebr noch die Art und Weise des Zitierens aufgenommen; auf die Zitate wird allenfalls exemplarisch eingegangen.

2.3

Fazit

Es fällt auf, dass es bislang keine Arbeit zur Schriftauslegung des Hebr gibt, die die alttestamentlichen Zitate in ihrer Bandbreite zur Kenntnis nimmt und nach einer theologischen Grundlage für diesen Umgang mit dem Alten Testament fragt. Wird die Hermeneutik bzw. die theologische Grundlegung des Schriftauslegung des Hebr untersucht, werden dabei selten die direkten alttestamentlichen Zitate zur Untersuchung herangezogen. Wird jedoch die Schriftauslegung des Hebr anhand der alttestamentlichen Zitate umfassend behandelt, so wird die Frage nach der theologischen Grundlegung nur kurz thematisiert. Vielmehr werden die verwendeten Methoden der Schriftauslegung und ihre Ubereinstimmungen mit der zeitgenössischen Praxis untersucht. Der Zusammenhang von theologischer Grundlegung und Schriftauslegung soll in der vorliegenden Arbeit untersucht werden. Das Ineinander von Theologie bzw. Christologie und Schriftverständnis im Hebr wird zwar festgestellt, aber bislang war sie noch nicht Gegenstand einer ausführlichen Untersuchung. Hegermann beispielsweise betont den Zusammenhang von Christusbekenntnis und Schriftauslegung. Jedoch sieht er verstärkt den „nur dienende[n] Charakter der AT-Zeugnisse". 48 Das Christusbekenntnis allein präge die Auswahl und die Verwendung der alttestamentlichen Texte. Jedoch seien diese nicht bloße ,Beweismittel' für die Christusverkündigung, sondern die Lektüre alttestamentlicher Texte in ihrem biblischen Zusammenhang stehe hinter der Verwendung der Schrift im Hebr. Einen prägenden Einfluss der alttestamentlichen Texte und Themen auf die theologischen oder christologischen Aussagen des Hebr sieht Hegermann allerdings nicht. 47 48

Vgl. Taut, Anleitung, 141. Hegermann, Hebräer, 58; vgl. ebd. 57-61.

Einführung: Grundanliegen und Forschungsüberblick

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Auch Michel sieht den Zusammenhang von Christologie und Schriftauslegung. Das Christusereignis bestimme zwar das Verständnis des Alten Testamentes, jedoch präge auch dieses die theologischen Aussagen des Hebr. 4 ' Ahnlich hält Attridge fest: „The christology of the text is developed largely through exposition of scripture." 50 Auch für Weiß wird die Schrift „als Instrument, ja geradezu als ,Material' zur Auslegung des Christusbekenntnisses benutzt" 51 .

3. Der eigene Ansatzpunkt und das eigene Vorgehen Die Christologie ist ein geeigneter Ansatzpunkt, die Hermeneutik des Hebr gegenüber alttestamentlichen Texten zu untersuchen. Schließlich nehmen die Aussagen zu Jesus Christus als Sohn und Hohepriester im Hebr einen breiten Raum ein. Mein Ansatzpunkt zur Analyse des Verhältnisses von Christologie und Schriftauslegung ist die Ansprache Jesu Christi als Sohn und Hohepriester durch Gott. Anhand dieser beiden zentralen Titel werden die theologischen Aussagen in Verbindung mit alttestamentlichen Texten herausgearbeitet. Anders als beispielsweise bei Schröger52 wird der Schriftgebrauch des Hebr nicht anhand der chronologischen Reihenfolge der Zitate untersucht, sondern die Funktion der Zitate innerhalb der Argumentationsführung ist Gegenstand der Fragestellung. Am Ende jedoch werden die Ergebnisse der Arbeit überblicksartig anhand der Abfolge des Hebr dargestellt (Teil E). Die Untersuchung der Schriftauslegung im Zusammenhang der theologischen Argumentation des Hebr wird anhand der beiden zentralen Titel ,Sohn' und ,Hohepriester' und der damit verbundenen theologischen Aussagen entfaltet. Zunächst wird im Einleitungsteil das Verständnis des Alten Testaments im Hebr untersucht, ein statistischer Überblick über die Zitate wird gegeben und die hermeneutischen Entscheidungen des Hebr, die v.a. in den Zitateinleitungen erkennbar werden, werden diskutiert. Im darauffolgenden Teil wird der Sohnestitel untersucht (Teil B). Anschließend werden Person (Teil C) und Werk (Teil D) des Hohepriesters behandelt. Auf diese Weise können die verschiedenen Arten und Weisen der Schriftauslegung analysiert 49 50 51 52

Vgl. Michel, Hebräer, 151-155. Attridge, Hebräer, 23. Zum Schriftgebrauch vgl. ebd., 23-25; zur Christologie ebd., 25-27. Weiß, Hebräer, 175; vgl. ebd., 174-181. Vgl. z.B. das Inhaltsverzeichnis Schröger, Schriftausleger, 5f.

12

Der hermeneutische Zusammenhang von Schriftauslegung und Christologie

und in den argumentativen Zusammenhang des Hebr gestellt werden. So sind nicht nur die expliziten alttestamentlichen Zitate des Hebr Gegenstand der Arbeit, sondern der Einfluss des Alten Testaments kann darüber hinaus festgestellt werden. Gerade bei der Beschreibung des Opferns Jesu Christi, also des Werks des Hohepriesters, wird selten direkt aus der Schrift zitiert. Dennoch ist durch die Beschreibung hindurch der Versöhnungstag aus Lev 16 als Vorlage erkennbar. Hier beispielsweise kann der prägende Charakter des Alten Testaments über die direkten Zitate hinaus verdeutlicht werden. Das eigene Vorgehen orientiert sich also nicht an der Gliederung53 des Hebr, sondern an den theologischen Aussagen zum Sohn und Hohepriester. Dabei wird von der literarischen Einheitlichkeit des Hebr ausgegangen.54 Das Verhältnis von Christologie und Schriftauslegung kann untersucht werden, ohne dass eine Positionierung bezüglich der Einleitungsfragen stattfindet, jedoch wird im Zusammenhang der Kultaussagen (Teil D) nach einer möglichen historischen Verortung des Hebr gefragt werden. Im Schlussteil Ε werden die Ergebnisse dieser Arbeit zusammengestellt. Außerdem wird der Zusammenhang von Christologie und Schriftauslegung v.a. im Hinblick auf das Verhältnis von Kontinuität und Diskontinuität reflektiert.

53

Die Gliederung des Hebr gestaltet sich als schwierig. Es gibt zahlreiche Vorschläge, die zumeist von einer Drei- oder Fünfteilung des Hebr ausgehen. Vgl. z.B. die Überblicke bei Lane, Hebräer I, lxxx-ciii; Weiß, Hebräer, 42-51; Gräßer, Hebräer I, 2830; Rose, Wolke, 5-33. Ausführlich: Forschungsüberblick bei Guthrie, Structure, 3-41, und dessen Gliederungsvorschlag ebd., 112-147. Aufgrund dieser Schwierigkeiten schlägt Siegert, Makrosyntax, 304-316, eine Gliederung nicht anhand inhaltlicher Gesichtspunkte, sondern anhand der ,objektiven' Gliederungsmerkmale im Text vor. Jedoch wird eine Gliederung nicht an den inhaltlichen und kompositorischen Besonderheiten des Hebr vorbeisehen können. Vgl. Lindars, Structure, 382-406. Übelacker untersucht mit Hebr 1; 2; 13,22-25 exordium, narratio und postscriptum des Hebr und gelangt zu dem Ergebnis, dass in Hebr l f die Grundgedanken thesenartig eingeführt und dann im weiteren Verlauf des Briefes aufgenommen und ausführlich behandelt werden. Ahnlich bemerkt auch Guthrie, Structure, 96-111, die Verwendung von ,Hook Words', also von Stichworten im Hebr, die einfach genannt werden und erst später aufgegriffen und argumentativ entfaltet werden.

54

Diese literarische Einheitlichkeit ist bis auf die Schlussverse Hebr 13,22-25 unumstritten. Vgl. Übelacker, Appell, 197-201; Gräßer, Hebräer I, 16-18; Hebräer III, 409-416; Weiß, Hebräer, 760-766.

Die Aufnahme des Alten Testaments im Hebr

13

II. Die Aufnahme des Alten Testaments im Hebr 1. Zur Benennung des Alten Testaments im Hebr Auch wenn die Schrift eine prägende Rolle für die Theologie des Hebr spielt, wird diese nie explizit benannt. Das Alte Testament wird nicht, wie sonst im Neuen Testament üblich, als ή γραφή oder αϊ γραφαί bezeichnet.55 Grundsätzlich wird das Alte Testament nicht mit Begriffen des Schreibens benannt, sondern es wird verstanden als Reden Gottes.56 So wird gleich im ersten Satz des Hebr das Reden Gottes im Sohn (ev υίω) dem früheren Reden Gottes in den Propheten (ev τοις προφήταις) gegenüber gestellt (Hebr l,lf). Dabei meint ev τοις προφήταις keinen bestimmten Teil der Schrift, sondern benennt die früheren Offenbarungsträger, die den Vätern (τοις πατράσι,ν), den früheren Offenbarungsempfängern, das Wort Gottes vermittelten. Aus der Menge der ,Propheten' wird im Hebr Mose57 als besonderer Offenbarungsträger herausgenommen. Er wird mit Jesus, dem Sohn, verglichen (vgl. Hebr 3,l-6) 58 und wird als Zeuge der Verkündigung charakterisiert (vgl. Hebr 3,5: θεράπων εις μαρτύρι,ον των λαληθησομένων). In Hebr 8,5 ist Mose selbstverständlicher Ansprechpartner Gottes, er erhält von diesem die Anweisung, wie das Heiligtum zu bauen sei. In Hebr 7,14 erscheint Mose als der Gesetzesverkündiger. Dies wird nicht ausführlich thematisiert, jedoch wird festgehalten, dass Mose nichts über einen Priester aus dem Stamm Juda gesagt habe. Daraus lässt sich schließen, dass die Verordnungen bzw. Gesetze über die Priester als von Mose verkündigt verstanden werden. Doch gelten nicht nur die Priestergesetze als mosaisch, sondern auch die Gesetze am Sinai werden von Mose an das Volk weitergegeben (vgl. die Aufnahme von Ex 24 in Hebr 9; v.a. Hebr 9,19). Diese Verbindung von Mose und Gesetz findet sich auch in der allgemeinen Formulierung νόμος Μωϋσέως in Hebr 10,28. 55

56 57 58

Keiner der 50 γραφή-Belege des Neuen Testaments findet sich im Hebr. In allen Evangelien (z.B. Mt 21,42; 26,54.56; Mk 12,10; 14,49; Lk 4,21; 24,27.32.45; Joh 7,38; 13,18), sowie bei Paulus (z.B. Rom 1,2; 4,3; 10,11; IKor 15,3f; Gal 3,8) wird auf die Schrift mit ή γραφή oder αί γραφαί verwiesen. Vgl. auch Apg 1,16; 17,2 u.ö.; Past; Jak; IPetr; 2Petr. S.u. S. 31-33. Mose wird im Hebr elfmal genannt; und zwar Hebr 3,2.3.5.16; 7,14; 8,5; 9,19; 10,28; 11,23.24; 12,21. Siehe dazu unten S. 83f.

14

D e r hermeneutische Zusammenhang von Schriftauslegung und Christologie

Auch wenn mit Gesetz bzw. Mose und Propheten andernorts59 die klassischen Teile des Alten Testaments benannt werden, scheint dies im Hebr nicht der Fall zu sein. Propheten60 und Mose werden zwar genannt, stehen aber als Offenbarungsträger des früheren Redens Gottes. Teile der Schrift sind damit nicht bezeichnet. Das Alte Testament wird so vom Hebr nicht als gesamtes Werk oder als Text in den Blick genommen, sondern die einzelnen alttestamentlichen Texte und Verse werden meistens als Rede Gottes, nicht als Teile eines Buches oder Textkorpus zitiert.

2. Zur Textgrundlage der alttestamentlichen Zitate im Hebr 2.1

Die Septuaginta als autoritativer Text

Es kann davon ausgegangen werden, dass die Septuaginta bzw. eine griechische Übersetzung des Alten Testaments, nicht der Masoretische Text oder sonst ein hebräischer Text die Grundlage für die Schriftzitate des Hebr darstellt.61 Die Septuaginta gilt dem Hebr als autoritatives Gotteswort.62 Dafür sprechen die Ubereinstimmungen der Zitate im Hebr mit der Septuaginta, gerade wenn diese vom Masoretischen Text abweichen. Beispiele sind das Zitat von Ps 104 (LXX103),4 in Hebr 1,7, das Zitat von Ps 102 (LXX101),26-28 in Hebr 1,10-12 und das Zitat von Ps 8,5-7 in Hebr 2,6-8: Ps 104,4 kann nach dem hebräischen Text63 sowohl bedeuten, dass Gott Winde zu seinen Boten und Feuerflammen zu seinen Dienern macht bzw. umgekehrt seine Boten zu Winden und seine Diener zu Feuerflammen. Der Septuagintatext (Ps 103,4LXX) entscheidet sich für die zweite

59

60 61

62

63

Z.B. Mt 5,17; 7,12; 22,40; Lk 16,16.29.31; 24,27; Joh 1,45; Apg 13,15; 28,23 oder Rom 3,21. Diese Stellen benennen mit Gesetz bzw. Mose und Propheten die beiden Teile und damit das Ganze der Schrift. Lk 24,44 nennt zusätzlich die Psalmen als dritten Teil des alttestamentlichen Kanons. Προφήτης wird neben Hebr 1,1 nur noch in Hebr 11,32 verwendet. Vgl. z.B. die Kommentare von Attridge, Hebräer, 23; Hegermann, Hebräer, 59; Weiß, Hebräer, 173f; Michel, Hebräer, 151. 155-157; Kuss, Hebräer, 60; vgl. zu den einzelnen Stellen auch Gräßer, Hebräer I-III. Auch Fitzmyer, 4Q Testimonia, 60: „The Epistle to the Hebrews, for instance, is a striking example of dependence on the LXX." Vgl. auch Gheorghita, Septuagint, 39-51. Auch wenn der Hebr das Alte Testament konsequent als Rede Gottes verwendet, gehe ich nicht davon aus, dass er sämtliche Texte nur aus mündlicher Uberlieferung kennt und aus dem Gedächtnis zitiert. Er selbst bezeichnet seinen Text ebenfalls als Wort bzw. Rede: λόγος της παρακλήσεως; Hebr 13,22. Er lautet: ϋΓΙ1? ti?X vrofl? ΠΪΙΤη T3S1?» Π&Υ

Die Aufnahme des Alten Testaments im Hebr

15

Bedeutung dieses Verses. Auch steht hier Engel (άγγελοι) anstelle von Boten ("ixba).64 Dieser Interpretation folgt Hebr 1,7: ο ποιών τους αγγέλους αύτοΰ πνεύματα κα\ τοϋς λειτουργούς αύτοΰ πυρός φλόγα. Ps 102 (LXX101),26 zitiert Hebr 1,10 nach der Septuaginta, da sich nur hier, aber nicht im Masoretischen Text die Anrede κύριε findet.65 Im Masoretischen Text von Ps 8,6 steht: RRNBIRA asa ΊΓΠΟΠΙΤΙ; also: Du machtest ihn wenig geringer als einen Gott. Anders die Septuaginta und mit ihr Hebr 2,7: ήλάττωσας αύτόν βραχύ τι παρ' αγγέλους: Du hast ihn kurz unter die Engel erniedrigt. Diese Abweichungen v o m Masoretischen Text sind für Büchel das Hauptargument nicht nur dafür, dass der Hebr die Septuaginta benutzt, sondern auch dafür, dass er vermutlich den hebräischen Text nicht kannte. 6 6 Andernfalls wäre der griechische Text wohl zugunsten des Masoretischen Textes korrigiert worden. Allerdings kann aus der Nichtbenutzung des Masoretischen Textes nicht gefolgert werden, dass der Hebr diesen Text nicht kannte. Vielmehr ist zu schließen, dass der griechische Text genügend Autorität bzw. Legitimität besaß. So kann davon ausgegangen werden, dass die alttestamentliche Vorlage des Hebr griechischsprachig war und in weiten Teilen der Septuaginta entsprach. Wie für den Hebr ist auch für Philo die Septuaginta, die griechische Bibel, der autoritative, inspirierte67 Text. Die von ihm verwendeten Zitate stammen zwar in überwiegender Mehrheit aus dem Pentateuch, aber es gibt Zitate aus der gesamten Bibel.68 Dass dabei sowohl Inhalt als auch die griechische Sprache für Philos Auslegung eine Rolle spielen, wird z.B. in der Urbild-Abbild-Spekulation deutlich: (mittel-)platonische Terminologie und biblische Auslegung greifen ineinander.69 Hier wird der Unterschied zum Schriftgebrauch des Hebr deutlich: Eine dahinterstehende Philosophie ist nicht zu erkennen. Ebenso gibt es die bei Philo dominierende allegorische Auslegung,70 die aus der Verschmelzung von Bibel und Philosophie herrührt, im Hebr nicht. Jedoch ist mit dem Verweis auf die Septuaginta noch keine eindeutige Vorlage für die Zitate des Hebr bestimmt. Denn die Zitate i m Hebr

64 65 66 67 68 69 70

Zur Textüberlieferung in der Septuaginta vgl. Rüsen-Weinhold, Septuagintapsalter, 177-180. Der Septuagintatext lautet: ό ποιών τους αγγέλους αύτοΰ πνεύματα καΐ τους λειτουργούς αύτοΰ πΰρ φλέγον. Zur Textgeschichte z.B. Rüsen-Weinhold, Septuagintapsalter, 182-187. Büchel, Alte Testament, 511f; vgl. auch ebd. 514-519. Zu Philos Inspirationsbegriff vgl. Whitlock, Schrift, 105-121. Sowers, Hermeneutics, 136; Williamson, Philo, 499-501. 504-518; auch: Runia, Psalms, 104-109.110f. Vgl. z.B. Leg. All. III, 99ff oder Mos II, 71ff. - S.u. S. 163-165. Vgl. z.B. Williamson, Philo, 519-531.

\5

Der hermeneutische Zusammenhang von Schriftauslegung und Christologie

stimmen mit keiner der uns bekannten Septuagintafassungen vollständig überein. Wurde in der Forschung zunächst die Übereinstimmung mit einer der beiden bekannten, großen Septuagintaüberlieferungen, Codex Alexandrinus und Codex Vaticanus, überprüft,71 so werden inzwischen andere Texttraditionen herangezogen, um die Zitate des Hebr einer Vorlage zuzuordnen. Denn auch wenn der Hebr mehrheitlich dem Codex Alexandrinus zu folgen scheint, sind zahlreiche Abweichungen von dieser Vorlage zu bemerken, die ebenfalls nur teilweise mit dem Codex Vaticanus übereinstimmen.72 Daher scheint es nahe zu liegen, dass der Hebr eine eigene griechische Ausgabe des Alten Testaments verwendet hat. Diese stimmt in wieten Teilen mit uns bekannten Septuagintatraditionen überein, enthält aber vermutlich Abweichungen, die im Hebr übernommen werden. Dies ist nahezu durchweg Forschungskonsens73: McCullough hält fest, dass der Hebr vermutlich eine „local version which he had to hand when writing" 74 benutzte. Ähnlich entscheidet auch Leschert, dass der Hebr sich vermutlich an eine eigene, ihm vorliegende Vorlage hielt.75 Bateman entscheidet nach seiner Untersuchung von Hebr 1,5-13, dass der Hebr hier eine „contemporary Septuagint translation" 76 verwende, die allerdings gelegentlich abgeändert werde. Rüsen-Weinhold votiert für die Herkunft der Zitate aus einer Septuagintatradition der oberägyptischen Textfamilie.77 Mit diesem Uberblick wird die Problematik der Identifikation einer exakten Vorlage der alttestamentlichen Zitate im Hebr deutlich. Mit dem Eingeständnis der Unmöglichkeit der Feststellbarkeit einer 71 72 73

74 75 76 77

Vgl. z.B. Thomas, Citations, 303-325. Zum Problem schon Katz, Quotations, 221-223; Vgl. auch McCullough, Quotations, 363, und Schröger, Schriftausleger, 250. Vgl. z.B. Büchel, Alte Testament, 538; Schröger, Schriftausleger, 250; Müller, Funktion, 225-229; Weiß, Hebräer, 173f; Michel, Hebräer, 155-157. Howard dagegen votiert für die Nähe des Hebr zum hebräischen Text. Seiner Untersuchung nach sind nicht alle Zitate des Hebr aus uns bekannten Septuagintatraditionen. So überlegt er, ob der Hebr eventuell einen hebräischen Text verwendete, der sowohl älter als der uns überlieferte Masoretische Text war als auch älter als die Septuaginta. Diesen habe der Hebr selbst übersetzt, da es keinen standardisierten griechischen Text des Alten Testaments gegeben habe. Auf diese Weise könnte grundsätzlich das Neue Testament auch die Septuaginta beeinflusst haben. Vgl. Howard, Quotations, 208f. 215f. McCullough, Quotations, 379; vgl. ebd., 378f. Vgl. Leschert, Foundations, 245-247. Leschert überlegt, ob diese griechische Vorlage evtl. näher am hebräischen Original gewesen sei, als der uns vorliegende edierte hebräische Text zeigt. Bateman, Hermeneutics, 144; vgl. ebd., 145-147. Vgl. v.a. die Zusammenfassung Rüsen-Weinhold, Septuagintapsalter, 206.

Die Aufnahme des Alten Testaments im Hebr

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solchen Vorlage ist der Versuch hinfällig, aufgrund der Veränderungen am Wortlaut, die der Hebr im Vergleich zum Text seiner Vorlage vornimmt, ein theologisches Profil des Hebr zu entwickeln.78 Denn es bleibt grundsätzlich unüberprüfbar, ob der Hebr den ihm vorliegenden Text an einzelnen Stellen ändert oder durchweg wörtlich übernimmt.

2.2 Der freie Umgang mit dem vorliegenden Text Auch wenn uns die vom Hebr benutzte Vorlage nicht vorliegt, ist davon auszugehen, dass der Hebr eine relative Freiheit gegenüber dem vorliegenden Text hatte. Die alttestamentlichen Texte hatten für ihn nicht in der exakten Formulierung ihre Bedeutung, sondern im Inhalt. Einen freien Umgang mit dem Wortlaut der Zitate belegen die Wiederholungen von Zitaten, v.a. von Jer 31 (LXX38) in Hebr 8 und 10. Das Festhalten an der wortwörtlichen Formulierung ist dem Hebr offensichtlich kein Anliegen. In Hebr 10,5-9 wird Ps 40 (LXX39),7-9 zitiert. Obwohl die Zitate in Hebr 10,8 (vgl. Ps 40 (LXX39),7f = Hebr 10,5f) und Hebr 10,9 (vgl. Ps 40 (LXX39),9 = Hebr 10,7) in der für den Hebr üblichen Weise eingeleitet sind, sind sie keine wörtlichen Wiedergaben des Zitates von Ps 40 (LXX39) in Hebr 10,57: Die Satzstellung wurde geändert, außerdem ist einiges ausgelassen. Dies ist sofort erkennbar. Diese Ungenauigkeit gegenüber dem Wortlaut ist auch beim Zitat von Jer 31 (LXX38),33f zu erkennen. Dieser Text wird zweimal im Hebr zitiert einmal Jer 31 (LXX38),31-34 in Hebr 8,8-12. Dann in einer verkürzten Form in Hebr 10,15ff. Beide Male ist der Text eindeutig als Zitat eingeleitet - und es wird sofort deutlich, dass es sich bei Hebr 10,15ff um eine verkürzte Version handelt, deren Wortlaut deutlich geändert ist.

Es ist also festzuhalten, dass für den Hebr exakte wörtliche Ubereinstimmungen keine notwendige Voraussetzung für den Umgang mit alttestamentlichen Textpassagen sind. Auch wenn er vermutlich einem ihm vorliegenden griechischen Bibeltext in den meisten Fällen folgt, ist es für den Hebr unproblematisch, die Wortstellung zu verändern, Teile

78

So aber formuliert McCoullough, Quotations, 362, sein Anliegen: „to investigate the modifications which he makes to the text of his quotations from the Old Testament". Er vergleicht daher die einzelnen Zitate mit bislang bekannten Septuaginta-Codices (vgl. ebd., 364-378) und gelangt zu dem Ergebnis, dass einige Zitate verändert wurden, damit sie besser in den Kontext des Hebr passen, andere, um Einzelnes zu betonen, wieder andere, um mögliche Zweideutigkeit in der Interpretation auszuschließen (vgl. ebd., 378). Vgl. auch Steyn, Jesus Sayings, 434.

lg

Der hermeneutische Zusammenhang von Schriftauslegung und Christologie

des Zitierten auszulassen oder Zitate miteinander zu kombinieren.79 Der eigentliche Sinn wird damit aus der Sicht des Hebr nicht entstellt, sondern vermutlich hervorgehoben.80

2.3 Zur Frage nach der Existenz eines vom Hebr benutzten Florilegiums Dass viele Zitate im Hebr keiner Vorlage eindeutig zugeordnet werden können, dass Zitate miteinander kombiniert werden, dass der Wortlaut oder die Satzstellung der alttestamentlichen Verse zum Teil verändert wird und dass der Hebr einzelne Verse aus dem Alten Testament zitiert, ohne den ursprünglichen Kontext zu berücksichtigen, waren immer wieder Argumente für die These, dass der Hebr nicht aus dem Alten Testament selbst zitiere, sondern allein eine Zitatensammlung,81 ein Testimonium oder Florilegium, verwende. Harris formulierte als erster in umfangreicher Weise die These, dass in der frühen Kirche eine Zitatensammlung angelegt und verwendet wurde.82 Konkret spricht er von der Existenz eines einflussreichen ,Testimony Book', das eine antijüdische Stoßrichtung habe: Alttestamentliche Zitate seien zusammengestellt worden, um im Gespräch mit bzw. gegen Juden besser argumentieren zu können. Dieses eine Testimonium habe auch im Neuen Testament seine Spuren hinterlassen, so sei auch im Hebr der antijüdische Charakter der alttestamentlichen Zitate erkennbar.

Der These von Harris ist oft widersprochen worden, zum einen weil Einzeluntersuchungen die Benutzung eines solchen Testimoniums nicht bestätigen,83 zum anderen weil es unwahrscheinlich ist, dass ein 79 80

81

82 83

Vgl. Weiß, Hebräer, 173. Stanley, Social Environment, 18-27, zeigt überblicksartig, dass das exakte wörtliche Zitieren kein Anliegen antiker Autoren war. Daher könne grundsätzlich von einer relativen Freiheit gegenüber dem geschriebenen Text bzw. dem Wortlaut ausgegangen werden. Diese liege auch daran dass: „for the ancient reader, no two manuscripts of a literary word were exactly alike" (ebd., 23). Zum Begriff: Eigentlich sollte als korrekter Begriff Florilegium oder Anthologie für diese Zitatensammlungen verwendet werden. Harris selbst und viele im Anschluss an ihn verwenden den Begriff Testimonium. Daher taucht er durchweg in der Forschungsgeschichte auf. Dieser Begriff benennt v.a. den Beweis- oder Belegcharakter der zusammengestellten alttestamentlichen Zitate. Zur Problematik Koch, Zeuge, 247. Vgl. als Einstieg Harris, Testimonies I, 1-3; zum Hebr ebd. II, 43-50. Bei der Untersuchung des Schriftgebrauchs bei Mt und seiner Schule kommt Stendahl zu dem Ergebnis, dass nichts dafür spreche, dass Mt eine oder mehrere Zitatensammlungen verwendet habe (vgl. Stendahl, School, 207-217). Ahnlich folgert

Die Aufnahme des Alten Testaments im Hebr

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einzelnes so einflussreiches B u c h keinerlei E r w ä h n u n g findet.84 A u c h ist d i e V e r w e n d u n g e i n e s T e s t i m o n i e n b u c h e s w e g e n d e r z a h l r e i c h e n , verschiedenen

alttestamentlichen Zitate i m N e u e n Testament u n w a h r -

scheinlich. D e n n o c h ist d i e Z u s a m m e n s t e l l u n g v o n a l t t e s t a m e n t l i c h e n Z i t a t e n z.B. z u b e s t i m m t e n T h e m e n o d e r A n l ä s s e n s o w o h l i n christlichen als auch

in jüdischen

Kontexten

gut

vorstellbar.

Dass

sich

bestimmte

alttestamentliche Zitate besonders eignen, das christliche K e r y g m a zu f o r m u l i e r e n u n d z u b e l e g e n , ist A u s g a n g s p u n k t d e r T h e s e v o n D o d d . So seien v e r s c h i e d e n e , i n s g e s a m t 15, alttestamentliche Zitate wählt u n d nach bestimmten inhaltlichen Kriterien

ausge-

zusammengestellt

worden. Es sind Ps 2,7; Ps 8,5-7; Ps 110,1; Ps 143,22f; Jes 6,9f; Jes 53,1; Jes 40,3-5; Jes 28,16; Gen 12,3; 22,18; Jer 31,31-34; Joel 2,28-32; Sach 9,9; H a b 2,3f; Jes 6 1 , l f ; Dt 18,15.19. 8 5 Diese

Zitate

seien

testimonia,

da

sie das

Christusereignis

belegen.

Z u s a m m e n seien sie „units of r e f e r e n c e " u n d b i l d e t e n e i n w i c h t i g e s F u n d a m e n t neutestamentlicher Theologie.86 A u c h der H e b r greife auf diese frühchristlichen testimonia zurück, u m seine Theologie zu entfalt e n ( z . B . P s 8; P s 1 1 0 ( L X X 1 0 9 ) , 1 ; P s 2 , 7 ) . Weiter folgert Dodd, dass die A u s w a h l der Zitate, ihre Z u s a m m e n s t e l l u n g u n d damit auch ihr V o r k o m m e n i m N e u e n Testament nicht bloß zufällig geschehen sei, sondern Produkt der theologischen Reflexion der ersten Christen sei. Dabei spielten, so die A n n a h m e Dodds, die alttestamentlichen Texte in i h r e m Z u s a m m e n h a n g u n d ursprünglichen Kontext eine Rolle: Selbst w e n n n u r ein Vers oder Teilvers aus diesen Texten im N e u e n Testament zitiert werde, sei dieser Kontext gemeint.

84 85 86

Michel für Paulus: Auch dieser habe weder Florilegien gekannt noch benutzt (vgl. Michel, Bibel, 37-54). Koch dagegen geht davon aus, dass Paulus sich selbst nach und nach einen bestimmten alttestamentlichen Zitatenschatz zusammengestellt habe, den er dann verwendet habe (vgl. Koch, Zeuge, 247-255; vgl. auch Stanley, Language, 67-79). Diese Zusammenstellung von Zitaten könne dann auch weiterhin verwendet worden sein. - Sundberg, Testimonies, 268-281, findet grundsätzlich keine Belege für die Existenz solcher Florilegien. Zur Testimonien-Hypothese und ihrer Kritik vgl. Fitzmyer, 4Q Testimonia, 60-76. Einen ausführlichen Forschungsüberblick bietet Albl, Scripture, 7-69. Vgl. Dodd, According, 28-60; vgl. auch die thematische Ubersicht ebd., 61-110. Vgl. die Zusammenfassung Dodd, According, 126-128. - An Dodd knüpft Lindars an: Er untersucht die alttestamentlichen Zitate bzw. die einzelnen testimonia und ihre Verwendung in der neutestamentlichen Theologie anhand verschiedener thematischer Schwerpunkte. Dabei zeigt er, wie unterschiedlich und vielfältig diese einzelnen Zitate interpretiert werden. Vgl. Lindars, Apologetic, v.a. 13-31. 251-286.

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D e r hermeneutische Zusammenhang von Schriftauslegung und Christologie

Das Vorhandensein von frühen Zitatensammlungen ist durch die Qumranfunde insoweit bestätigt worden, als beispielsweise 4QTest oder 4QFlor den literarischen Prozess des Zusammenstellens von alttestamentlichen Zitaten belegen.87 Albl zeigt zudem weitere derartige Zitatzusammenstellungen sowohl in der griechisch-römischen, z.B. in der klassischen Rhetorik, als auch in der jüdischen Umwelt auf.88 Dass der Hebr ausschließlich ein solches Florilegium alttestamentlicher Einzel verse verwendet habe, ist die These von Synge. Dass der Hebr z.B. Jes 8 in Hebr 2 Jesus in den Mund lege, obwohl dieser Text eigentlich von Jesaja gesprochen wurde, zeige, dass der Hebr den ursprünglichen Kontext völlig vernachlässige und vermutlich nicht kenne.89 Dass der Hebr nie den Fundort seiner Zitate angebe, und dass er manche Texte anders, als sie ursprünglich gemeint waren, verstehe, spreche ebenfalls dafür: „The author has not got the Scriptures in front of him at all." 90 Für diese These spricht nach Synges Ansicht außerdem, dass der Hebr seinen Umgang mit der Schrift nicht begründe. Dies wiese darauf hin, dass er dasselbe „established and unquestioned book of proof texts"91 wie seine Leser benutze. In der Charakterisierung dieses Testimoniums folgt Synge Harris: Es solle Juden überzeugen, dass ihre eigenen Schriften auf Jesus Christus hinweisen.92 Auch Sowers geht davon aus, dass der Hebr eine Sammlung von alttestamentlichen Zitaten, die bereits christologisch interpretiert sind, verwende.93 Dafür spräche zum einen, dass der Hebr bis auf Hebr 4,7 den ursprünglichen Autor nicht nenne, zum anderen, dass auch der ursprüngliche Kontext nicht berücksichtigt werde. Dass der Hebr das Alte Testament nicht genau kenne, sondern sich allein auf eine Zitatensammlung verlasse, ist allerdings auszuschließen. Denn der Hebr argumentiert so ausführlich und gegenüber den anderen neutestamentlichen Texten eigenständig mit dem Alten Testament, dass auch ein ihm vorliegendes Florilegium diese Texte hätte enthalten müssen. Da viele alttestamentlichen Zitate und Texte, die der Hebr aufgreift, sonst im Neuen Testament nicht vorkommen,94 wäre 87 88 89 90 91 92 93 94

So Fitzmyer, 4Q Testimonia, 88f. Vgl. Ebd., 82-89; zur Übersetzung von 4QTest ebd., 79-81. - Zu 4QFlor vgl. unten S. 52. Vgl. Albl, Scripture, 70-96. „Hebrews, however, pays no attention to contexts: he is not quoting from the Bible, he ist quoting from a Testimony Book." Synge, Scriptures, 17. Synge, Scriptures, 54. Vgl. ebd., 53f. Synge, Scriptures, 2. Vgl. Synge, Scriptures, 54. Vgl. Sowers, Hermeneutics, 84-88. Vgl. die statistischen Angaben unten S. 26f.

Die Aufnahme des Alten Testaments im Hebr

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nun nicht nur die Eigenständigkeit des Hebr, sondern auch die des Florilegiums zu begründen. Auch wird bei einigen Zitaten erkennbar, dass der Hebr die alttestamentlichen Kontexte dieser kennt.95 Die von Synge und Sowers genannten Probleme lassen sich klären, ohne dass die Hypothese eines Florilegiums hilfreich ist.96 Dass der Hebr den ursprünglichen Autor oder Sprecher der alttestamentlichen Texte nicht benennt, bedeutet nicht, dass er ihn nicht kennt. Vielmehr ist es seine hermeneutische Entscheidung, Gott als Sprecher der alttestamentlichen Zitate anzunehmen. Auch kann nicht vom Zitat eines Einzelverses und dessen Neu- bzw. Uminterpretation darauf geschlossen werden, dass der ursprüngliche Kontext unabsichtlich bzw. unwissentlich ausgeblendet werde.97 Der Hebr trifft theologische und hermeneutische Entscheidungen, die dazu führen, dass er einen selbständigen Umgang mit dem Alten Testament präsentiert. Dass dabei die alttestamentlichen Texte auch über die einzelnen Zitate hinaus die Theologie und Christologie des Hebr prägen, wird im Laufe der Arbeit gezeigt werden.

2.4 Ergebnis: Das griechische Alte Testament als Vorlage der Zitate Es kann also festgehalten werden, dass der Hebr mit hoher Wahrscheinlichkeit eine eigene griechische Ausgabe des gesamten Alten Testaments,98 nicht nur eine Zitatensammlung, als Vorlage seiner Zitate und Paraphrasen verwendete. Jedoch kann diese Vorlage nicht genau bestimmt werden. Übereinstimmungen und Abweichungen mit bekannten Codices sind also nur bedingt mit Schlussfolgerungen belastbar. Wenn in der vorliegenden Arbeit dennoch der Text der 95 96

97 98

Dies zeigen v.a. die Zitate, deren Kontexte paraphrasiert werden; z.B. Hebr 6,13t; Hebr 11,17-19; Hebr 12,18-28. Vgl. dazu unten S. 23 und den anschließenden Exkurs S. 24-26. Auch die Zitatenreihe in Hebr 1,5-14 kann als Werk des Hebr verstanden werden, da sie gut in den Kontext passt und Themen und Zitate aufgreift, die ansonsten keine Rolle in neutestamentlicher bzw. frühchristlicher Theologie spielen. Vgl. unten Β, I, 2.4. Gegen z.B. Albl, Scripture, 201-207, oder Rüsen-Weinhold, Septuagintapsalter, 176-187, die in der Zitatenreihe Hebr 1,5-14, auch im Zusammenhang mit Hebr 2,5ff (Zitat von Ps 8), ein Florilegium aufgenommen wissen wollen. Vgl. dazu unten S. 33-37. Dass die alttestamentlichen Zitate im Hebr aus allen Teilen des alttestamentlichen Kanons stammen, zeigt der folgende Uberblick (s.u. S. 22f). Dies hält der Begriff ,gesamtes Altes Testament' fest. Eine Aussage darüber hinaus zur Existenz eines abgeschlossenen alttestamentlichen Kanons ist mit dieser Wortwahl nicht verbunden.

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D e r hermeneutische Z u s a m m e n h a n g von Schriftauslegung u n d Christologie

Zitate im Hebr mit der Septuaginta oder dem Masoretischen Text verglichen wird, um Akzentsetzungen zu beschreiben, geschieht dies mit der notwendigen Vorsicht. Argumente können nicht allein auf solchen Beobachtungen fußen, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Zitattext so aus der Vorlage übernommen wurde.

3. Die Zitate im Hebr - Uberblick 3.1 Die alttestamentlichen Zitate im Hebr Der Hebr zitiert aus allen Teilen des Alten Testaments. Dabei stammen die meisten Zitate aus dem Psalter. Insgesamt wird aus elf verschiedenen Psalmen zitiert", einige Zitate werden wiederholt, so dass insgesamt 17 explizite Psalmzitate inklusive aller Wiederholungen im Hebr zu finden sind.100 Diese Zitate sind: Ps 2,7 in Hebr 1,5 und 5,5; Ps 97 (LXX96),7 in Hebr 1,6; Ps 104 (LXX103),4 in Hebr 1,7; Ps 45 (LXX44),7f in Hebr l,8f; Ps 102 (LXX101),26-28 in Hebr 1,10-12; Ps 110 (LXX109),1101 in Hebr 1,13; Ps 8,5-7 in Hebr 2,6-8; Ps 22 (LXX21),23 in Hebr 2,12; Ps 95 (LXX94),7-11 in Hebr 3,7-11; Ps 95 (LXX94),7f in Hebr 3,15; Ps 95 (LXX94),11 in Hebr 4,3; Ps 95 (LXX94),11 in Hebr 4,5; Ps 95 (LXX94),7f in Hebr 4,7; Ps 110 (LXX109),4102 in Hebr 5,6; 7,17.21; Ps 40 (LXX39),7-9 in Hebr 10,5-7; Ps 40 (LXX39),7f in Hebr 10,8; Ps 40 (LXX39),9 in Hebr 10,9; Ps 118 (LXX117),6 in Hebr 13,6.

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U n d z w a r aus den P s a l m e n Ps 2; 8; 22 (LXX21); 40 (LXX39); 45 (LXX44); 95 (LXX94); 97 (LXX96); 102 (LXX101); 104 (LXX103); 110 (LXX109); 118 (LXX117). D a s Zitat in H e b r 1,6 s t a m m t m.E. aus Ps 97,7, nicht aus Dtn 32,43. S.u. S. 88-90.

100 Ich zähle auch die W i e d e r h o l u n g e n von Zitaten, w e n n z.B. einzelne Verse in der A u s l e g u n g des Zitats n o c h m a l s explizit, d.h. mit Einleitungsformel, zitiert werden. So bei Ps 95 (LXX94) in H e b r 3f oder Ps 4 0 (LXX39) in H e b r 10. Ps 95 (LXX94),7-11 w i r d in H e b r 3,7-11 ausführlich zitiert u n d anschließend ausgelegt. In dieser Auslegung finden sich weitere Zitate von Ps 95 (LXX94): Ps 95 (LXX94),7f in H e b r 3,15; Ps 95 (LXX94),11 in H e b r 4,3; Ps 95 (LXX94),11 in H e b r 4,5; Ps 95 (LXX94),7f in H e b r 4,7. - Diese D o p p e l u n g e n zählt Müller nicht; er zählt 14 direkte u n d explizite Psalmzitate. Vgl. Müller, Funktion, 233-241. A h n l i c h auch Schröger, Schriftausleger: Er zählt (mit Ps 97 (LXX96),7 in H e b r 1,6) 15 Zitate aus d e m Psalter (vgl. die Übersicht i m Inhaltsverzeichnis ebd., 5f). 101 Ps 110 (LXX109),1 w i r d ausschließlich in H e b r 1,13 wörtlich zitiert, A n s p i e l u n g e n sind z u d e m in H e b r 1,3; 8,1; 12,2 zu finden. 102 Ps 110 (LXX109),4 wird wörtlich in H e b r 5,6; 7,17.21 zitiert. D a n e b e n finden sich auch i m Wortlaut veränderte Zitate bzw. Anspielungen; z.B. κατά την τάξιν μ€λχισ€δεκ κρχίφεύς γενομενος εις του αιώνα in H e b r 6,20.

Die Aufnahme des Alten Testaments im Hebr

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Aus dem Pentateuch stammen zehn explizite Zitate im Hebr. Diese sind: Gen 2,2 in Hebr 4,4; Gen 22,17 in Hebr 6,14; Ex 25,40 in Hebr 8,5; Ex 24,8 in Hebr 9,20; Dtn 32,35 in Hebr 10,30; Dtn 32,36 in Hebr 10,30;103 Gen 21,12 in Hebr 11,18; Ex 19,12f in Hebr 12,20104; Dtn 9,19 in Hebr 12,21105; Dtn 31,6 in Hebr 13,5106.

Aus den Propheten stammen sieben Zitate: Es sind: Jes 8,17 in Hebr 2,13; Jes 8,18 in Hebr 2,13; Jer 31 (LXX38),31-34 in Hebr 8,8-12; Jer 31 (LXX38),33f in Hebr 10,16f; Jes 26,20 und Hab 2,3.4 in Hebr 10,37f107; Hag 2,6 in Hebr 12,26.

Daneben gibt es noch zwei weitere Zitate: 2Sam 7,14 in Hebr 1,5 und Prov 3 , l l f in Hebr 12,5f.

Damit zähle ich insgesamt 36 explizite alttestamentliche Zitate im Hebr. 108 Nicht als Zitate werden die wörtlichen Übereinstimmungen mit Num 12,7 in Hebr 3,2.5 oder mit Gen 14,17-21 in Hebr 7,1-3 gezählt. Diese sind Paraphrasen, keine Zitate.

103 Die Zitate von Dtn 32,35.36 in Hebr 10,30 werden als zwei Zitate gezählt, da sie als zwei Zitate eingeleitet werden, mit και πάλιν verbunden. Ahnlich ist dies auch bei den Zitaten aus Jes 8,17.18 in Hebr 2,13. Anders ist es bei durchgängigen Zitaten, z.B. Ps 102 (LXX101),26-28 in Hebr 1,10-12. Hier werden die einzelnen Verse nicht voneinander abgesetzt und sind somit auch nicht als zwei Zitate zu zählen. 104 Das Zitat aus Ex 19,12f ist stark verkürzt, aber dennoch als solches gekennzeichnet und erkenbar. Vgl. Schröger, Schriftausleger, 207-209; Gräßer, Hebräer III, 308f. 105 Das kurze εκφοβός είμι και έντρομος wird eingeleitet mit Μώσής είπεν. Damit ist es als Zitat markiert, auch wenn nur für die ersten beiden Worte εκφοβός είμι eine Übereinstimmung mit einem alttestamentlichen Text (Dtn 9,19) gefunden werden kann. Für Schröger, Schriftausleger, 205, ist es daher auch eine wörtliche Anspielung an das Alte Testament, kein Zitat. 106 Auch wenn die Herkunft des Zitats nicht eindeutig bestimmt werden kann, liegt die Herkunft aus Dtn 31,6 am nächsten, v.a. wegen der Parallele bei Philo in Conf. 166. Vgl. Schröger, Schriftausleger, 194-196; Gräßer, Hebräer III, 360f. 107 In Hebr 10,37f findet sich eine Zitatkombination von Jes 26,20 und Hab 2,3f. Obwohl nur mit kurzem ετι γώρ eingeleitet, sind die Verse als alttestamentliche Zitate erkennbar. Dies liegt sicherlich auch an der Bekanntheit dieser alttestamentlichen Texte. Vgl. Schröger, Schriftausleger, 182-187; Gräßer, Hebräer III, 75-81. 108 Schröger zählt 35 direkte alttestamentliche Zitate, vgl. ausführlich Schröger, Schriftausleger, 35-197, bzw. die Auflistung der Zitate im Inhaltsverzeichnis ebd., 5f. Die Zählung variiert, wenn unterschiedliche Kriterien für die Erkennbarkeit von Zitaten angewendet werden. So zählt Theobald, Schrifthermeneutik, 754f, 33 ausdrücklich mit Einführungsformel markierte Zitate. Kuss, Hebräer, 56f, zählt 29 Schriftstellen mit und sechs Schriftstellen ohne Zitationsformel. Vgl. auch Barth, Old Testament, 54-58.

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D e r hermeneutische Zusammenhang von Schriftauslegung und Christologie

Exkurs: Zur Unterscheidung

von Zitat und

Paraphrase

Eine allgemeine Definition von Zitat hält vor allem zwei Charakteristika fest: Es sind nicht Worte, Gedanken oder Ergebnisse des Autors, die in den eigenen Text aufgenommen werden, und sie sind für gewöhnlich als solche kenntlich gemacht. So beispielsweise definiert Gordis: „The term quotation' refers to words which do not reflect the present sentiments of the author of the literary composition in which they are found, but have been introduced by the author to convey the standpoint of another person or situation."109 Auch wenn Gordis in seiner Definition übersieht, dass Zitate auch deshalb aufgenommen werden, weil sie den eigenen Standpunkt unterstützen, anders formulieren oder belegen, beschreibt er den Idealfall: Ein Zitat ist deutlich erkennbar beispielsweise durch eine Einleitungsformel. Doch greift dies bei vielen neutestamentlichen Zitaten nicht. Einige Zitate werden nicht oder nur mit einem kurzen πάλι,ν oder γάρ eingeleitet, sind aber aufgrund der Syntax oder des Bekanntheitsgrades des alttestamentlichen Textes als Zitat zu erkennen.110 So ist nach einer Definition zu fragen, die diesem Sachverhalt gerecht wird. Dabei kann grundsätzlich zwischen einer autorenzentrierten und einer leserzentrierten Definition von Zitaten unterschieden werden.111 Für eine autorenzentrierte Sicht ist allein die Übereinstimmung von Zitat und Vorlage von Bedeutung. Kann davon ausgegangen werden, dass eine Textpassage mit einer dem Autor bekannten Vorlage übereinstimmt, wird von Zitat gesprochen. Ob dieses als solches markiert und somit erkennbar ist, ist nicht zentrales Kriterium.112 Für den Umgang mit neutestamentlichen Texten gestaltet sich allerdings eine Identifizierung der Zitate gemäß der autorenzentrierten Sichtweise als schwierig: Nicht alle möglichen Vorlagen, Übersetzungen bzw. Septuagintatraditionen liegen vor, so dass ein genaues Abgleichen von 109 Gordis, Quotations, 166. Kursiv im Text. Vgl. auch Koch, Zeuge, 11. 110 Aus diesem Grund hat Koch, Zeuge, 13-15, für seine Untersuchung der paulinischen Zitate sieben Kriterien zur Erkennung eines Zitats, das als solches nicht im Text kenntlich gemacht wurde, herausgearbeitet. Ein Zitat ist demnach für Leser und Leserinnen auch ohne Einleitungsformel zu erkennen, a) wenn der Text in diesem Kontext schon zitiert wurde; b) wenn durch anschließende Interpretation der Zitatcharakter deutlich gemacht wird; c) wenn durch die Syntax klar ist, dass es sich um ein Zitat handeln muss; d) wenn der Stil deutlich vom neuen Kontext unterschieden ist; e) wenn der Zitatcharakter durch leichte sprachliche Hervorhebung unterstützt wird (γάρ; κλλκ etc.) oder f) wenn der zitierte Satz aus gemeinsamem Bildungs- und Überlieferungsgut stammt. Ist eines oder sind mehrere dieser Kriterien erfüllt, spricht Koch von einem Zitat. Davon sind die Paraphrase als freie Wiedergabe eines fremden Textes und die Anspielung, die einzelne traditionelle Formulierungen enthält, jedoch vollständig in die eigene Darstellung integriert wurde, zu unterscheiden. - Vgl. zum Problem auch den Uberblick bei Porter, Use, 79-96. 111 Vgl. Stanley, Language, 34. 112 Gheorghita beispielsweise wählt bewusst einen autorenzentrierten Zugang bei seiner Untersuchung des Einflusses der Septuaginta auf den Hebr. Vgl. Gheorghita, Septuagint, 35.

Die Aufnahme des Alten Testaments im Hebr

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Zitat und Vorlage unmöglich erscheint. Stattdessen werden Texte als Zitate eingeleitet oder markiert, ohne dass eine Übereinstimmung mit einer Vorlage erkennbar wäre. Auch werden zwei oder drei verschiedene alttestamentliche Texte bzw. Verse miteinander kombiniert und als ein Zitat eingeleitet. Zur Identifikation von alttestamentlichen Zitaten im Neuen Testament bietet sich daher eine eher leserzentrierte Perspektive an. Diese fragt, ob im Text selbst für den Leser und die Leserin ein Hinweis darauf gegeben wird, dass es sich beim Folgenden oder Vorhergehenden um ein Zitat handelt.113 Dieses ist dann auch als Zitat identifizierbar, wenn die Vorlage selbst nicht bekannt ist. Da im Hebr nahezu alle alttestamentlichen Zitate als solche kenntlich gemacht werden, wenn auch zumeist mit kurzem λέγων, ist die Identifizierung in der Regel unproblematisch. Auch die nur mit kurzem eu γάρ eingeleitete Zitatkombination von Jes 26,20 und Hab 2,3f in Hebr 10,37f ist als alttestamentliches Zitat erkennbar. Dies liegt nicht nur an der kurzen Zitateinleitung, sondern auch daran, dass die aufgenommenen alttestamentlichen Texte bekannt sind. Allerdings werden im Hebr auch alttestamentliche Texte paraphrasiert (z.B. Gen 22,16f in Hebr 6,13f oder Gen 14,17-21 in Hebr 7,1-3). Hierin finden sich teilweise Zitate, deren ursprünglicher Kontext durch die Paraphrase skizziert wird. Diese Zitate werden auch eingeleitet und damit deutlich als Zitate markiert.114 Aber es gibt auch Paraphrasen alttestamentlicher Texte, in denen nicht explizit mit einem Zitatmarker das Alte Testament aufgegriffen wird, in denen allerdings dennoch eine wörtliche Übereinstimmung mit alttestamentlichen Texten oder Versen festgestellt werden kann. Hier ist m.E. nicht von Zitat zu sprechen, sondern von Paraphrase. Damit favorisiere ich die sogenannte,leserzentrierte' Sicht. In Hebr 3,1-6 beispielsweise werden Mose und Jesus einander gegenüber gestellt und verglichen. Mose wird charakterisiert als treu in seinem Haus (Hebr 3,2), bzw. in seinem ganzen Haus als Diener (Hebr 3,5: καΐ Μωϋσής

113 Einen stark leserzentrierten Ansatz vertritt z.B. Stanley in seiner Untersuchung der alttestamentlichen Zitate bei Paulus. Er greift die Kriterien Kochs auf, kritisiert allerdings, dass dieser auch die sehr kurzen Einleitungsformeln gelten lassen will, da diese z.B. den nicht mit dem Alten Testament vertrauten ,Gentile Readers' nicht deutlich genug wären und gelangt so zu drei Kriterien, die ein Zitat ausmachen bzw. das Wiedererkennen eines Zitates sicherstellen. Von Zitat ist dann zu sprechen, wenn (1) eine Einleitungsformel verwendet wird (2) wenn der zitierte Text mit einer Interpretation oder interpretativen Glosse versehen ist oder (3) wenn eine deutlich syntaktische Spannung festzustellen ist (vgl. Stanley, Language, 34-37). So identifiziert Stanley mit seiner leserzentrierten Perspektive selbstverständlich eine geringere Anzahl von alttestamentlichen Zitaten bei Paulus als beispielsweise Koch. 114 Beispiele sind Gen 22,16.17 in Hebr 6,13.14; Ex 25,40 in Hebr 8,5; Ex 24,8 in Hebr 9,20; Gen 21,12 in Hebr 11,17-19 und Ex 19,16-19 in Hebr 12,18-28.

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Der hermeneutische Zusammenhang von Schriftauslegung und Christologie

πι,στος έν ολω τώ οίκω αύτοΰ ώς θεράπων).115 Damit deckt sich diese Charakterisierung mit dem Text aus Num 12,7: ούχ οΰτως ό θεράπων μου Μωϋσής εν δλω τω οίκω μου πιστός εστι,ν, so dass die Aufnahme von Num 12,7 in Hebr 3 nicht selten als Zitat gewertet wird.116 Allerdings ist sie weder als Zitat eingeleitet, noch stimmt die Wortstellung bzw. wird der ganze Vers wörtlich zitiert, so dass m.E. von Paraphrase oder Anspielung gesprochen werden kann, nicht aber von Zitat. Gleiches gilt für die Zusammenfassung von Gen 14,17-21 in Hebr 7,1-3: Auch hier wird der Text paraphrasiert, nicht aber zitiert.

3.2 Die alttestamentlichen Zitate des Hebr i m neutestamentlichen Kontext Beim Uberblick über die alttestamentlichen Zitate im Hebr fällt auf, dass die meisten Zitate, die der Hebr verwendet, sonst i m N e u e n Testament nicht vorkommen. Ohne neutestamentliche Parallelen sind folgende alttestamentliche Zitate des Hebr: Gen 2,2 in Hebr 4,4; Gen 22,17 in Hebr 6,14; Ex 19,12f in Hebr 12,20; Ex 24,8 in Hebr 9,20; Ex 25,40 in Hebr 8,5; Dtn 9,19 in Hebr 12,21; Dtn 31,6 in Hebr 13,5; Ps 22 (LXX21),23 in Hebr 2,12; Ps 40 (LXX39),7-9 in Hebr 10,5-7 u.ö.; Ps 45 (LXX44),7f in Hebr l,8f; Ps 95 (LXX94),7-11 in Hebr 3,7-11 u.ö.; Ps 97 (LXX96),7 in Hebr 1,6; Ps 102 (LXX101),26-28 in Hebr 1,10-12; Ps 104 (LXX103),4 in Hebr 1,7; Ps 110 (LXX109),4 in Hebr 5,6 u.ö.; Ps 118 (LXX117),6 in Hebr 13,6; Prov 3 , l l f in Hebr 12,5f; Jes 8,17f in Hebr 2,13; Jer 31 (LXX38),31-34 in Hebr 8,8-12 u.ö.; Jes 26,20; Hag 2,6 in Hebr 12,26. Nur sieben der alttestamentlichen Zitate des Hebr werden auch sonst i m Neuen Testament zitiert. 117 Folgende drei Zitate haben Parallelen, werden aber im Hebr ausführlicher als sonst im Neuen Testament zitiert: Ps 8,5-7 wird in Hebr 2,6-8 zitiert; Ps 8,7 zudem in IKor 15,27 und Eph 1,22; Hab 2,3.4 wird in Hebr 10,37f zitiert; Hab 2,4 in Rom 1,17 und Gal 3,11; Dtn 32,35f wird in Hebr 10,30 zitiert; Dtn 32,35 in Rom 12,19. Die weiteren vier Parallelen sind118: Gen 21,12 (Hebr 11,18; Rom 9,7); 2Sam 7,14 (Hebr 1,5; 2Kor 6,18; Apk 21,7); Ps 2,7 (Hebr 1,5; 5,5; Apg 13,33);

115 Der Text lautet hier: kv τώ οίκω κύτοΰ - einige Handschriften ergänzen δλω vor τω οίκω αύτοΰ, was der Parallele in Hebr 3,5 bzw. Num 12,7 geschuldet sein dürfte. 116 Dies legt auch der kursive Druck in der Ausgabe von Nestle-Aland 27 nahe. Vgl. auch Schröger, Schriftausleger, 95-101. 117 Nicht gezählt werden hier die Anspielungen an gleiche Schriftstellen (z.B. auf Ex 25,40 [zitiert in Hebr 8,5] in Apg 7,44 oder auf Ps 118 (LXX117),6 [zitiert in Hebr 13,6] in Rom 8,31), sondern nur Zitate des gleichen alttestamentlichen Verses. 118 Auch hier sind es nicht unbedingt die genau gleichen Versteile, die zitiert werden.

Die Aufnahme des Alten Testaments im Hebr

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Ps 110 (LXX109),1 (Hebr 1,13; Mt 22,44; Mk 12,36; Lk 20,42f; Apg 2,34f; IKor 15,25).

Schaut man auf die Gruppe der Psalmzitate kann dieser statistische Überblick weiter konkretisiert werden. Die 17 Psalmzitate des Hebr stammen aus elf verschiedenen Psalmen. Sechs von ihnen werden im Neuen Testament außerhalb des Hebr nicht zitiert; nämlich Ps 40 (LXX39); Ps 45 (LXX44); Ps 95 (LXX94); Ps 97 (LXX96); Ps 102 (LXX101) und Ps 104 (LXX103)«9. Aus den weiteren fünf Psalmen wird auch außerhalb des Hebr zitiert, wobei Ps 22 (LXX21),23 (=Hebr 2,12); Ps 110 (LXX109),4 (=Hebr 5,6 u.ö.) und Ps 118 (LXX117),6 (=Hebr 13,6) nicht wieder zitiert werden, wohl aber andere Verse aus diesen Psalmen. Ps 22 (LXX21) wird außerhalb des Hebr in der Passionsgeschichte der Evangelien zitiert: Ps 22 (LXX21),2 (Mt 27,46; Mk 15,34) und Ps 22 (LXX21),19 (Mt 27,35; Mk 15,24; Lk 23,34; Joh 19,24). Ps 110 (LXX109),1 und die mit diesem Vers verbundenen Motive des Sitzens zur Rechten Gottes und des Unterwerfens der Feinde finden sich durchweg im Neuen Testament, die expliziten Zitate finden sich neben Hebr 1,13 in Mt 22,44; Mk 12,36; Lk 20,42f; Apg 2,34f; IKor 15,25. Ps 110 (LXX109),4 wird allerdings nur im Hebr zitiert. Aus Ps 118 (LXX117) wird V22 in Lk 20,17 und IPetr 2,7; V 22f in Mt 21,42 und Mk 12,10f zitiert; Ps 118 (LXX117),25f zudem in Mt 21,9; Mk 11,9 und Joh 12,13; Ps 118 (LXX117),26 in Mt 23,39 und Lk 13,35; 19,38. Ps 2,7 wird im Hebr zweimal zitiert, Hebr 1,5 und 5,5. Dasselbe Zitat findet sich auch in Apg 13,33. Ps 2,lf wird zudem in Apg 4, 25f zitiert. Das ausführliche Zitat von Ps 8,5-7 findet sich nur in Hebr 2,6f. Ps 8,7 wird jedoch in 1 Kor 15,27 und Eph 1,22 zitiert. Ps 8,3 außerdem in Mt 21,16.

3.3 Die Eigenständigkeit des Hebr in der Auswahl der alttestamentlichen Zitate - Konsequenzen Dieser statistische Uberblick zeigt, dass schon die Auswahl der alttestamentlichen Zitate den Hebr aus dem Kontext des Neuen Testaments herausragen lässt. Die meisten Zitate gibt es außerhalb des Hebr im Neuen Testament nicht. Dies legt die Vermutung nahe, dass der Hebr eigenständig auf die alttestamentlichen Texte zurückgegriffen 119 Evtl. gibt es ein Zitat aus Ps 104 (LXX103),12 in Mt 13,32; Mk 4,32 und Lk 13,19. Dieses ist allerdings nicht deutlich als Zitat gekennzeichnet und wird hier deshalb nicht als explizites Zitat behandelt.

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Der hermeneutische Zusammenhang von Schriftauslegung und Christologie

hat. Er scheint insofern wenig geprägt von anderen frühchristlichen Traditionen, die im Neuen Testament ihre Spuren hinterlassen haben, als er eigenständig alttestamentliche Texte für seine theologische Argumentation hinzuzieht, die ansonsten nicht im Neuen Testament zitiert werden. Jedoch greift der Hebr beispielsweise mit Ps 2, 22 (LXX21) oder 110 (LXX109) auf Texte zurück, die im gesamten frühen Christentum verbreitetet waren. Er interpretiert sie eigenständig, scheint jedoch diese Traditionen zu kennen.120 Für das eigene Vorgehen bedeutet diese Eigenständigkeit des Hebr, dass dessen Interpretation von alttestamentlichen Texten nahezu unabhängig von anderen neutestamentlichen Autoren dargestellt und analysiert werden kann. Anliegen dieser Arbeit ist die Untersuchung des Schriftgebrauchs im Hebr. Der Vergleich mit anderen neutestamentlichen Texten oder der religionsgeschichtliche Hintergrund des Hebr sind nicht Gegenstand der Untersuchung.121 So es allerdings hilfreich erscheint, diesen Umgang mit alttestamentlichen Texten mit dem bei anderen Autoren, sowohl aus dem Neuen Testament als auch der Umwelt, also z.B. Philo oder Qumran, zu vergleichen, wird dies geschehen. Interesse ist hierbei allerdings die Verwendung des Alten Testaments im Hebr zu profilieren, nicht dessen Abhängigkeit oder Eigenständigkeit gegenüber anderen Traditionen aufzuzeigen.122

4. Die Gewichtung der verschiedenen alttestamentlichen Zitate - zur Frage nach Hauptzitaten Mit 36 expliziten alttestamentlichen Zitaten gehört der Hebr zu den neutestamentlichen Autoren, die am häufigsten aus dem Alten Testament zitieren. Dabei ragt der Psalter als Quelle aus den übrigen Textkorpora heraus, jedoch stammen die zitierten Texte bzw. Verse aus nahezu allen Teilen der Schrift.

120 Nur in diesem Sinn ist der Testimonia-These von Dodd (s.o. S. 19) zuzustimmen. 121 Selbstverständlich werden religionsgeschichtliche Fragen nicht einfach ausgeblendet. Sie werden gegebenenfalls thematisiert und diskutiert. Vgl. z.B. die Vorstellung eines himmlischen Heiligtums unten S. 166-170 oder die Figur des Melchisedek unten S. 132-140. 122 Gerade im Hinblick auf die Hohepiesterchristologie stand die Frage nach der eigenständigen Entwicklung dieses Gedankens von Christus als Hohepriester im Zentrum des Interesses. Vgl. z.B. Feld, Hebräerbrief, 78-82; Gräßer, Hebräerbrief 1938-1963,79-86; oder ders., Hebräer I, 246-248.

Die Aufnahme des Alten Testaments im Hebr

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Der statistische Überblick über die alttestamentlichen Zitate lässt keine besonderen alttestamentlichen Texte erkennen, die als „core citations" 123 oder Fundament124 der Argumentation des Hebr herausragen. Manche Texte werden ausführlicher zitiert als andere, jedoch bedeutet dies nicht unbedingt, dass sie für die Argumentation des Hebr eine größere Bedeutung haben. Kistemaker geht jedoch davon aus, dass der Hebr vier Psalmen bzw. Psalmzitate als Fundament seiner Argumentation verwendet. Es handelt sich um Ps 8, Ps 95 (LXX94), Ps 110 (LXX109),4 und um Ps 40 (LXX39).125 Nur diese Psalmen würden zitiert und ausgelegt. Dabei entspräche jedem Text ein Thema: Ps 8 stellt Christi Menschheit und damit auch dessen Verbindung mit den Brüdern vor. Das Zitat aus Ps 8 kontrolliere dabei schon Hebr 1, was das Stichwort Engel belege. Ps 95 (LXX94) nenne die Themen Glaube und Vertrauen (faith and faithfullness). Mit Ps 110 (LXX109),4, in Verbindung mit der Auslegung von Gen 14 in Hebr 7, werde das Priestersein Christi beschrieben. Ps 40 (LXX39) bringe Christi priesterliches Tun zum Ausdruck, die Hingabe seines Körpers und das Ausführen von Gottes Willen. Dabei werde das Zitat von Jer 31 (LXX38) aufgenommen. Diese vier Themen würden bereits in Hebr 2,17 genannt und im späteren ,didactic parf ausgeführt.

Kistemaker ist insofern zuzustimmen, als die genannten Psalmtexte zitiert und ausgelegt werden. Auch können diese Themen mit den genannten Psalmabschnitten verbunden werden. Jedoch ist mit diesen beiden Argumenten noch nicht begründet, dass diese das Fundament der Argumentation des Hebr bilden. Es fällt beispielsweise auf, dass Ps 95 (LXX94) zwar ausführlich zitiert und ausgelegt wird, jedoch im weiteren Verlauf des Hebr nicht wieder auftaucht. Die Themen Glaube und Vertrauen jedoch werden mit anderen alttestamentlichen Texten, Personen und Motiven (z.B. Abraham in Hebr 6,12ff oder dem Abriss der gesamten Geschichte in Hebr 11) verbunden oder ohne alttestamentlichen Bezug genannt (vgl. z.B. Hebr 5,11-6,6 oder Hebr 10,32-39). Inwiefern das theologische Anliegen des Hebr die Auswahl der alttestamentlichen Texte bestimmt oder diese verschiedenen Texte das genannte Thema prägen, wird bei Kistemaker nicht deutlich. Auch wird die Beziehung der alttestamentlichen Zitate untereinander nur unzureichend geklärt. Dass beispielsweise Ps 8 schon Hebr 1 kontrolliere, beschreibt das Verhältnis von Hebr l f nur unzureichend.126 123 Diesen Begriff wählt Leschert, Foundations, 16. 124 Von ,basis' spricht Kistemaker, Citations, 101, von foundation' ders., 130. 125 Vgl. Kistemaker, Citations, 101. 130-133. Zur Exegese dieser Psalmentexte ebd., 102130. 126 Zum Zusammenhang von Hebr l f vgl. unten S. 53. 55f.

30

D e r hermeneutische Zusammenhang von Schriftauslegung und Christologie

Auch Leschert stützt sich in seiner Untersuchung zur Hermeneutik des Hebr auf ,core citations'127. Er zählt hierbei andere als Kistemaker auf: Die Zitatenreihe in Hebr 1 und die Zitate von Ps 8,5-7, von Ps 95 (LXX94),7-11, von Ps 110 (LXX109),4 und von Jer 31 (LXX38),31-34 kontrollierten und bestimmten die Entwicklung des Hebr. Alle anderen alttestamentlichen Zitate im Hebr könnten diesen Texten zugeordnet werden, da sie diese illustrieren, erklären oder ergänzen würden.

Die für Kistemaker formulierten Einwände gelten auch für Leschert. Hinzuzufügen ist die Bewertung von Jer 31 (LXX38),31-34.128 Dieser Text wird zweimal im Hebr zitiert (Hebr 8,8-12; 10,16f). Die Auslegung dieses Textes ist recht kurz, sie findet in den einleitenden Versen (Hebr 8,7f) bzw. durch einen Kommentar am Ende des Zitats (Hebr 8,13; 10,18) statt. Dass es sich dennoch um einen für die Theologie des Hebr zentralen alttestamentlichen Text handelt, wird immer wieder angenommen.129 Schließlich fällt das Stichwort διαθήκη, auch wird der Text zweimal zitiert. Allerdings ergibt die genaue Untersuchung, dass dieser Text bzw. der Bundesbegriff nicht so einflussreich, sondern vielmehr ein Beispiel von vielen ist, mit dem das Christusereignis in seiner Bedeutung bereits in der Schrift verankert werden kann. Einen anderen Ansatz vertritt Strobel. Für ihn ist Ps 110 (LXX109) der Text, der den Hebr maßgeblich präge, und auch dessen Aufbau bestimme. Der Hebr könne anhand des Psalms bzw. anhand einzelner Psalmverse gegliedert werden: 130 Hebr 1,1-3: Der Herr spricht. Hebr 1,4 - 4,13: Setze Dich zu meiner Rechten (Ps 110 (LXX109),1). Hebr 4,14 - 6,20: Du bist Priester (Ps 110 (LXX109),4). Hebr 7,1 - 10,18: Ewiglich nach der Ordnung Melchisedeks (Ps 110 (LXX109),4). Hebr 10,19 - 12,29: Der Herr wird das machtvolle Szepter aus Zion senden ... am Tage des Zorns ... wird er richten (Ps 110 (LXX109),2.5f).

Dieser Vorschlag leuchtet insofern nicht ein, als diese Gliederung der Gesamtanlage des Hebr mit seiner Vielzahl an Themen nicht gerecht wird.131 Nur zwei Verse aus Ps 110 (LXX109), nämlich VI.4, werden im 127 Vgl. Leschert, Foundations, 15-21. Leschert untersucht diese Texte und deren Zitate im Hebr mit dem Anliegen, aufzuzeigen, dass in diesen das Alte Testament angemessen interpretiert ist. Vgl. auch ebd., 243-256. 128 Vgl. dazu ausführlich den Exkurs zur Bundesthematik unten S. 64-68. 129 Vgl. hierzu z.B. den Forschungsüberblick bei Kraus, Neuere Ansätze, 71-74. Ein Beispiel ist die umfangreiche Studie von Backhaus. Zur Auseinandersetzung siehe ebenfalls den Exkurs (S. 64-68). 130 Vgl. Strobel, Hebräer, 9f. 131 „Wenn das [sc. die Gliederung des Hebr anhand von Ps 110 (LXX109)] so sein sollte (was kaum glaubhaft ist, weil die Masse des Stoffes sich dem Schema nicht fügen

Die Zitateinleitungen des Hebr

31

Hebr zitiert und prägen diesen in besonderer Weise.132 Ps 110 (LXX109), 2.5f haben dagegen keine Bedeutung. Keine Erwähnung in der Gliederung bei Strobel findet obendrein das Motiv des Unterwerfens der Feinde aus Ps 110 (LXX109),1 (= Hebr 1,13), das in Verbindug mit Ps 8 in Hebr 2,8 wieder aufgenommen wird. In der Diskussion dieser Forschungspositionen ist deutlich geworden, dass eine Festlegung auf bestimmte Hauptzitate die Fragestellung insofern einengt, als andere alttestamentliche Texte nur noch eingeschränkt in ihrer Bedeutung wahrgenommen werden können. Außerdem legt der statistische Uberblick über sämtliche alttestamentliche Zitate im Hebr eine solche Festlegung nicht nahe. Um die Bandbreite der Bedeutung des Alten Testaments für die theologische Argumentation des Hebr in den Blick zu nehmen, werden die alttestamentlichen Zitate nicht von vornherein systematisiert. Ihre Bedeutung ergibt sich aus dem Zusammenhang in der jeweiligen Argumentation bzw. ist durch die Zitateinleitungen des Hebr vorgegeben. Diese sollen im Folgenden untersucht werden.

III. Die Zitateinleitungen des Hebr Nicht nur die Auswahl der alttestamentlichen Zitate, sondern auch die Einleitungen dieser Zitate kennzeichnen den besonderen Umgang des Hebr mit dem Alten Testament. Daher sollen diese Zitateinleitungen im folgenden untersucht werden.

1. Die Schrift als Rede Gottes 1.1 Die Zitateinleitungen mit λέγειν Die meisten Zitateinleitungen im Hebr verwenden eine Form von λέγειν,133 um auf die Schrift zu verweisen. Dabei werden die Zitate will), dann darf man sich nicht wundern, daß diese kompositorische Rafinesse bis auf Strobel unerkannt geblieben ist." Gräßer, Neue Kommentare, 271 [119]. 132 S.u. S. 70-73 zu Ps 110 (LXX 109),1; zu Ps 110 (LXX109),4 vgl. S. 118f. 133 Dies ist z.B. beim ersten alttestamentlichen Zitat im Hebr der Fall: τίνι γαρ elirev τών άγγέλωυ (Hebr 1,5); είρηκευ steht beispielsweise in Hebr 1,13; 4,3.4; 13,5; λέγει in Hebr 1,6.7; 3,3; 5,6; 8,8; 10,5; λέγων in Hebr 2,12; 6,14; 9,20; 12,26; διαλέγομαι in Hebr 12,5.

32

D e r hermeneutische Zusammenhang von Schriftauslegung und Christologie

selten formelhaft z.B. in Verbindung mit καθώς eingeleitet; so aber beispielsweise καθώς λέγει in Hebr 3,7; καθώς έίρηκεν in Hebr 4,3. Neben der Zitateinleitung mit λέγειν werden im Hebr die Zitate noch mit διαμαρτύρομαι (Hebr 2,6) bzw. μαρτυρέω (Hebr 7,17; 10,15), φήμι (Hebr 8,5) und διαστέλλω (Hebr 10,21) eingeleitet. Anstelle von Zitateinleitungen mit Verben des Redens steht manchmal nur ein kurzes πάλιν oder γάρ, das ein Zitat einleitet (z.B. Hebr 10,37: έτι γάρ) oder eine Zitatenkette fortführt (z.B. Hebr 1,5; 2,13). Nicht einmal wird eine Form von γράφειν benutzt134, um auf die Schrift zu verweisen. 135 Dies zeigt deutlich, dass der Hebr das Alte Testament als Rede bzw. Wort versteht, und zwar als Wort Gottes, da dieser als Sprecher der meisten alttestamentlichen Zitate im Hebr genannt wird. Damit unterscheidet sich der Hebr vom sonstigen neutestamentlichen Schriftverständnis, denn ausschließlich solche Zitateinleitungen sind außerhalb des Hebr nicht zu finden. Bei Paulus beispielsweise ist die geläufigste Form der Zitateinleitung das formelhafte γέγραπται, dies meist in Verbindung mit καθώς oder γάρ nämlich bei 29 von 66 ausdrücklichen Zitaten aus dem AT.136 Bei weiteren sechs Zitaten wird eine andere Form von γράφειν verwendet. Fast genauso häufig verwendet Paulus eine Form von λέγειν oder ό λόγος zur Einleitung von Zitaten, nämlich bei 27 Zitaten. Jedoch gleicht diese Verwendung von λέγειν nicht der des Hebr. Hier ist z.T. die Schrift diejenige, die spricht: λέγει γάρ ή γραφή (Rom 9,17).137 Auch in den weiteren formelhaften Verwendungen von λέγειν in Zitateinleitungen bei Paulus ist Gott nur dann als Sprecher der Texte genannt, wenn er auch im alttestamentlichen Kontext diese Verse spricht, z.B. in 2Kor 6,16: καθώς εΐιτεν ό θεός οτι als Zitateinleitung zu Lev 26,llf. Zusätzlich gibt Paulus z.T. auch das alttestamentliche Buch an, in dem das Zitat zu finden ist, z.B. Rom 9,25: ώς και έν τω ' Ωσηέ λέγει. Ansonsten sind

134 Hebr 10,7 ist die einzige Stelle im Hebr, in der eine Form von γράφειν verwendet wird; hierbei handelt es sich um ein Zitat aus Ps 40 (LXX39),9. - Zur Benennung des AT im Hebr vgl. oben S. 13f. 135 Dies unterscheidet den Hebr trotz einiger Gemeinsamkeiten von den in Qumran üblichen Zitateinleitungen: Dort werden Zitate ebenfalls mit Verben des Redens eingeleitet: nax; nan; Tan und auch dort wird das Alte Testament nicht explizit als Schrift bezeichnet. Dennoch sind, anders als im Hebr, Verben des Schreibens durchaus gebräuchliche Zitateinleitungen. Vgl. Fitzmyer, Use, 299-305. 136 Diese Zahlen richten sich nach der Zählung von Koch, Zeuge, 25-31. 137 Vgl. auch Rom 4,3; 10,11; Gal 4,30; auch: lTim 5,18. - Dieser Gebrauch von λέγειν und ή γραφή in den Zitateinleitungen ähnelt dem der Mischna: Hier werden alttestamentliche Zitate ebenfalls mit reden / ΊΏΧ eingeleitet, allerdings häufig in der Verbindung von naK und an;, so dass auch hier die Schrift als Sprecherin genannt wird. Vgl. Metzger, Formulas, 297-307.

Die Zitateinleitungen des Hebr

33

der Verfasser des alttestamentlichen Textes oder Sprecher aus dem Text als Subjekt von λέγειν genannt, z.B. Mose, David oder Jesaja.138

Der Vergleich mit Paulus zeigt also, dass diese ausschließliche Zitateinleitung mit Verben des Redens, die den ursprünglichen alttestamentlichen Kontext oder Autor unberücksichtigt lässt, eine Besonderheit des Hebr im Umgang mit der Schrift ist.139 Bei Paulus werden anhand der Zitateinleitungen die Schriftlichkeit des Alten Testaments und deren menschliche Autoren genannt.140 Beides gilt nicht für den Hebr: Nahezu alle alttestamentlichen Texte werden als Gottesrede verstanden.141 Der Hebr legt Gott Worte in den Mund, die im alttestamentlichen Kontext von Menschen gesprochen werden. Gott selbst erhält so das Prädikat ό λαλήσας (Hebr 5,5),142 sein Wort ist lebendig ((ών γάρ όλόγος τοϋ θεοϋ; Hebr 4,12).

1.2

Die Ausblendung des Kontextes der alttestamentlichen Zitate

Die alttestamentlichen Texte werden im Hebr nicht nur weitestgehend als Rede Gottes verstanden, sondern auch der ursprüngliche Ort bzw. Kontext des Zitats wird meistens ausgeblendet. In den Zitateinleitungen wird stattdessen beispielsweise ein neuer Kontext der Texte bestimmt. So werden sämtliche Zitate der Zitatenreihe in Hebr 1,5-14 Gott in den Mund gelegt.143 Die Zitateinleitungen machen zudem deutlich, dass diese Worte Gottes an den Sohn gerichtet sind. So wird durch die Zitateinleitungen ein neuer Verstehenshorizont der zitierten Verse geschaffen, der den ursprünglichen alttestamentlichen Kontext völlig ausblendet. Ähnlich ist dies z.B. beim Zitat von Ps 40 (LXX39),7-9 in Hebr 10,5ff. Hier wird mit der Zitateinleitung 138 So z.B. die Einleitung des Zitats von Dt 32,21in Rom 10,19: πρώτος Μωϋσής λέγει und von Jes 65,1 in Rom 10,20: Ησαΐας λέγει. Vgl. auch die Einleitung der Psalmzitate mit Δκυίδ λέγει, z.B. Rom 4,6; ll,9f. 139 Auch Philo benennt den alttestamentlichen Text bzw. Autor. Runia, Psalms, 111-113, zeigt anhand der Psalterzitate, dass Philo bei diesen zumeist deutlich macht, dass das Zitat aus dem Psalter stammt. 140 So hält Michel fest, dass Paulus primär Interesse an der menschlichen Vermittlung des Gotteswortes habe Vgl. Michel, Bibel, 68f. - Zum Verhältnis göttlicher Inspiration und menschlicher Vermittlung bei Philo vgl. Whitlock, Schrift, 116-118; auch: Williamson, Philo, 504-512. 141 S.u. S. 37-43. - „In den Zitaten des Hebräerbriefes wird der redende Gott zitiert." Hübner, Theologie III, 19 (im Original fett gedruckt); vgl. auch Theobald, Schrifthermeneutik, 759. 142 Vgl. Gräßer, Hebräer I, 288; Theobald, Schrifthermeneutik, 763. 143 Zu Hebr 1,5-14 vgl. ausführlicher unten S. 50-53.

34

D e r hermeneutische Zusammenhang von Schriftauslegung und Christologie

διό ε'ισερχόμενος εις τον κόσμον λέγει (Hebr 10,5) der Z e i t p u n k t angegeben, z u d e m dieser Psalmausschnitt Ps 4 0 (LXX39),7-9 g e s p r o c h e n w u r de. Statt des alttestamentlichen P s a l m b e t e r s ist n u n der S o h n Sprecher, u n d z w a r bei s e i n e m H i n e i n g e h e n in die Welt. D o c h bedeutet dieses A u s b l e n d e n des u r s p r ü n g l i c h e n Kontextes nicht, dass dieser d e m H e b r nicht b e k a n n t war. D a s s der H e b r m i t den alttestamentlichen T e x t e n vertraut war, b e l e g e n die Zitateinleitungen, in d e n e n der u r s p r ü n g l i c h e K o n t e x t erinnert wird. So w i r d das Zitat v o n G e n 2,2 eingeleitet mit: εΐρηκεν γάρ που περί της εβδόμης ούτως (Hebr 4,4): Er hat i r g e n d w o

über

den siebten

(Tag) gesagt. M i t

dieser

Einleitung w i r d z u m einen der alttestamentliche K o n t e x t erinnert, z u m a n d e r e n d u r c h das u n b e s t i m m t e που verdeutlicht, dass die

genaue

Stellenangabe keine Rolle spielt. Dass dem Hebr die (biblische) Geschichte bekannt ist, und dass er die Verfasser der biblischen Bücher kennt, kann aus der Zitateinleitung von Ps 95 (LXX94),7f in Hebr 4,7 geschlossen werden. Im Psalm selbst wird an die Wüstenzeit erinnert. Die Wüstengeneration wird im Psalm als Beispiel vor Augen geführt: Sie hat durch ihr Verhalten die Chance, in die Ruhe einzugehen, vertan. Daher mahnt der Psalm, heute auf seine Stimme zu hören und die Herzen nicht zu verhärten. Diese Mahnung nimmt der Hebr auf und richtet sie an seine Gemeinde (vgl. Hebr 3,7 - 4,13). In Hebr 4,7 wird das wiederholte Zitat von Ps 95 (LXX94),7f mit έν Δαυίδ λέγων μετά τοσούτον χρόνον καθώς προείρηται eingeleitet. Mit έν Δαυίδ144 wird dabei David als Verfasser des Psalms bzw. des gesamten Psalters genannt. Zugleich wird mit μετά τοσούτον χρόνον der zeitliche Abstand zur Wüstengeneration festgehalten. Der von David formulierte Psalmvers wird somit als erneutes Angebot Gottes zeitlich nach der Verheißung an die Wüstengeneration verstanden. 145 Eine solche Kenntnis des Alten Testaments und auch der zwischentestamentlichen Traditionen ist in Hebr 11 zu erkennen, wo die gesamte Geschichte als Glaubensgeschichte (vgl. das wiederholte πίστει) erzählt wird. Dass alttestamentliche Texte und nicht bloß einzelne Verse bekannt waren, belegen auch andere Paraphrasen alttestamentlicher Texte; z.B. Gen 14,17-21 in Hebr 7,lf oder Ex 24 in Hebr 9. In Hebr 9,18-22 wird der

144 Vgl. dazu Hebr l,lf: Hier wird festgehalten, dass Gott in den Propheten (έν τοις προφήταις; Hebr 1,1) und im Sohn (έυ υίω; Hebr 1,2) gesprochen hat. Neben der Formulierung έυ Δαυίδ in Hebr 4,7 gibt es noch die unpersönliche Formulierung: kv τω λέγεσθοα (Hebr 3,15). Neben der Präposition ev verwendet der Hebr auch διά, um die Vermittlung des Gotteswort durch Engel (δι' κγγελων; Hebr 2,2) und durch den Herrn (διά τοΰ κυρίου; Hebr 2,3) zum Ausdruck zu bringen. 145 Vgl. Gräßer, Hebräer I, 213f; Lohr, Schriftanwendung, 230f.

Die Zitateinleitungen des Hebr

35

Bundesschluss a m Sinai (Ex 24) nicht nur paraphrasiert 1 4 6 , sondern Ex 24,8 w i r d auch zitiert (Hebr 9,20). 1 4 7 Dieser kurze Überblick verdeutlicht, dass d e m Hebr der alttestamentliche

Kontext

der

einzelnen

Zitate

durchaus

bewusst

war.148

Nichtangabe der Belegstelle bedeutet also keine Unkenntnis, beruht auf einer theologischen Entscheidung: Nicht die

Die

sondern

alttestament-

liche Textstelle ist v o n B e d e u t u n g , 1 4 9 s o n d e r n der Inhalt des zitierten W o r t e s Gottes. Dieses w i r d in d e n V o r d e r g r u n d gerückt. D e r ursprüngliche Text u n d Kontext, aber auch der a n o n y m bleibende Verfasser des H e b r selbst,150 r ü c k e n dabei k o n s e q u e n t e r w e i s e in d e n H i n t e r g r u n d .

1.3 Z u r B e w e r t u n g d e r b i b l i s c h e n H e r m e n e u t i k d e s H e b r Die Zitateinleitungen geben Einblick in die hermeneutischen entscheidungen

des

Hebr

bezüglich

des

Umgangs

mit

Grund-

dem

Alten

T e s t a m e n t . D i e s e s w i r d k o n s e q u e n t als R e d e G o t t e s v e r s t a n d e n . den Sinn oder die B e d e u t u n g dieser Gottesrede zu verstehen,

Um kann

v o m alttestamentlichen Kontext abgesehen werden. Die Zitate erhalten so eine a n d e r e B e d e u t u n g als i m u r s p r ü n g l i c h e n Z u s a m m e n h a n g . Diese V o r g e h e n s w e i s e des Hebr ist oft kritisiert b z w . problematisiert worden. D a s gängigste Urteil k a n n folgendermaßen formuliert w e r d e n : Die alttestamentlichen Texte w e r d e n mit ihrem ursprünglichen Sinn u n d Anliegen nicht w a h r g e n o m m e n , s o n d e r n je n a c h B e d a r f uminterpretiert. Büchel spricht aus diesem G r u n d von „unhistorischer L o k a l m e t h o d e " 1 5 1 . 146 Dass diese Paraphrasierung von Ex 24 in Hebr 9 zugleich Interpretation ist, ist offensichtlich. S.u. S. 175. 147 Weitere Beispiele von Zitaten innerhalb von Paraphrasen sind in Hebr 6,13.14 (Gen 22,16.17); in Hebr 8,5 (Ex 25,40); in Hebr 11,17-19 (Gen 21,12) oder in Hebr 12,18-28 (Ex 19,16-19) zu finden. 148 Auch dies spricht gegen die Hypothese, dass der Hebr ein Florilegium verwendet habe. 149 Dass kein Interesse am ursprünglichen Ort bzw. Kontext des alttestamentlichen Zitats besteht, zeigen v.a. die ungenauen Zitateinleitungen. Hier wird festgehalten, dass der eigentliche Fundort nicht von Bedeutung ist. So stehen z.B. ev έτέρω / an anderer Stelle in Hebr 5,6; ποτέ / jemals in Hebr 1,5; που / irgendwo in Hebr 2,6; 4,4 und τι,ς / irgendjemand in Hebr 2,6. 150 Ähnlich auch z.B. Leschert, Foundations, 100f; Kuss, Hebräer, 60; Müller, Funktion, 238. - Gräßer, Hebräer I, 22, geht davon aus, dass diese hermeneutische Grundentscheidung für die Zentralität des Wortes Gottes hinter der Anonymität des Verfassers stehen könnte: „Für das innere, theologische Verständnis ist das [sc. die Frage nach dem wirklichen Verfasser] eher abträglich als zuträglich. Denn dieses wird verfehlt, wenn man den hinter seine Sache zurücktretenden Autor nun doch davor stellen wollte." Vgl. auch Wolter, Schriften, 9-11; Karrer, Hebräer, 42-44. 151 Büchel, Alte Testament, 549.

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D e r hermeneutische Zusammenhang von Schriftauslegung und Christologie

Diese zeichne sich durch den freien Umgang mit alttestamentlichen Zitaten aus, der auch in der Kombination von Zitaten oder dem Auslassen einzelner Teilverse beim Zitieren zum Ausdruck kommt. Büchel bemerkt weiter, dass dies „nicht ganz ohne Gewaltsamkeiten"152 gehe. Braun spricht von weitgehendem „Abweichen vom Ursinn der zitierten alttestamentlichen Worte".153 Leschert dagegen ist bemüht, die Ubereinstimmung der Interpretation der alttestamentlichen Zitate im Hebr mit dem Originaltext und -kontext aufzuzeigen.154 Hübner dagegen stellt immer wieder die Neubzw. Uminterpretation von alttestamentlichen Texten im Hebr fest und folgert aus dieser hermeneutischen Entscheidung: Der Hebr hat „die Unterscheidung von Vetus testamentum per se und Vetus Testamentum in Novo receptum nicht nur de facto vollzogen, sondern sie darüber hinaus bewußt praktiziert"155. Eine solche Fragestellung nach der eigentlichen Bedeutung und der möglichen Umdeutung oder Fehlinterpretation ist nicht Gegenstand meines Interesses. Vielmehr will ich die Hermeneutik des Hebr und seinen Umgang mit alttestamentlichen Zitaten nachzeichnen, um so den Einfluss der Schrift auf die theologische Argumentation aufzuzeigen. Denn auch wenn das Christusereignis die Lektüre der Schrift prägt, ist damit allein der Schriftgebrauch des Hebr nur unzureichend charakterisiert. Für den Hebr selbst werden die alttestamentlichen Texte durch seine Lektüre in erster Linie nicht uminterpretiert, sondern kommen in ihrem eigentlichen Sinn zur Geltung. Die Zitate aus dem Alten Testament werden so z.B. zu Worten Gottes an Jesus Christus, so dass dessen Bedeutung zum Ausdruck gebracht wird. In Kontinuität zu alttestamentlichen Vorstellungen, aber auch in Überbietung dieser wird die Bedeutung des alttestamentlichen Verses im Hebr erkennbar. Der eigentliche Sinn' dieser Texte wird aufgedeckt, jedoch ist dies zugleich eine Neuinterpretation, weil diese Bedeutung vorher nicht zu erkennen war. Der Hebr nimmt also die alttestamentlichen Texte „in einer Weise wörtlich [...], die über das ursprünglich Gemeinte weit hinausgeht" 1 5 6 .

152 Büchel, Alte Testament, 552; vgl. ebd., 551-553. 153 Braun, Hebräer, 21; vgl. ebd., 20f. Ähnlich auch Hübner, Theologie III, 16.25.45f. u.ö; oder Vis, Quotations, 82f. Vgl. dazu auch den Uberblick bei Schräger, Schriftausleger, 254-256. 154 Vgl. Leschert Foundations, 15-21. 243-256. 155 Hübner, Theologie III, 17. 156 Hofius, Biblische Theologie, 113. Auch Hofius bemerkt weiter: „Daß im Schriftverständnis und entsprechend in der Schriftauslegung des auctor ad Hebraeos gravierende Verschiebungen und höchst gewichtige Uminterpretationen stattgefunden haben, kann also keinem Zweifel unterliegen." Eine positive Darstellung bzw. Bewertung dieser Schriftinterpretation soll keinesfalls die damit verbundene

Die Zitateinleitungen des Hebr

37

Eine Interpretation, die die alttestamentlichen Texte als Verheißung und Jesus Christus als deren Erfüllung versteht, ist durch die Zitateinleitungen des Hebr nicht angelegt.157 Die alttestamentlichen Texte werden ,beim Wort genommen'158 und auf eine direkte Weise angewendet. So wird an den alttestamentlichen Zitaten durch ihre Verwendung im Hebr eine neue Dimension erkennbar, die ohne weitere Begründung verstehbar ist, auch ohne dass diese im alttestamentlichen Text, z.B. als messianische Weissagung, angelegt ist.

2. Die in den Zitateinleitungen zum Ausdruck kommenden Beziehungen In den Zitateinleitungen werden nicht nur die hermeneutischen Grundentscheidungen des Hebr deutlich, sondern zugleich die vielfältigen Beziehungen von Gott und Jesus Christus oder von Gott und Mensch. Dies soll im Folgenden verdeutlicht werden.

2.1 Die Worte Gottes und Jesu Christi 2.1.1

Gott spricht zum Sohn

Die überwiegende Mehrzahl der Zitate im Hebr werden als direkte Rede Gott in den Mund gelegt: Dies geschieht sowohl bei einzelnen Zitaten als auch bei Zitatkombinationen. Dies gilt für die Zitate in Hebr 1,5-13; 4,3.4.5.7; 5,5f; 6,14; 7,17.21; 8,5.812;10,30.37f; 11,18; 12,5f; 13,5.

Dabei werden an zentralen Stellen im Hebr diese Zitate als Gottes Worte an den Sohn verstanden.159 Schon gleich die ersten Zitate aus dem Alten Testament, die Reihe der Zitate in Hebr 1,5-13, haben Gott

Problematik ausblenden. Zur ,negativen Wirkungsgeschichte' des Hebr vgl. z.B. Gräßer, Hebräer I, 31f; vgl. auch ders., Hebräer III, 420f. 157 Vgl. Köster, Auslegung, 107f; Backhaus, Bund, 149-152. Anders z.B. Schröger, Schriftauslegung, 256.259-262, oder ders., Instrumentarium, 314.316-318; Kistemaker, Citations, 133, die das Schema Verheißung - Erfüllung in der Schriftauslegung des Hebr erkennen wollen. 158 So auch Theobald, Schrifthermeneutik, 784, im Anschluss an Hofius. 159 Vgl. Theobald, Schrifthermeneutik, 766: ,,[D]ie für das theologische Konzept des Hebr entscheidenden Worte Gottes sind gewiß die an seinen Sohn". Vgl. auch Lewicki, Wort Gottes, 28-37.

38

Der hermeneutische Zusammenhang von Schriftauslegung und Christologie

zum Sprecher.160 Alle Zitate sind, wenn auch indirekt, an den Sohn gerichtet und enthalten Aussagen über dessen besonderen Status.161 Viermal werden in den Zitateinleitungen Formen von λέγειν verwendet, die Überleitungen zwischen den einzelnen Zitaten sind teilweise durch kurze Einschübe kenntlich gemacht. Texte, die ur-sprünglich an Gott selbst (z.B. Ps 102 (LXX101),26-28) oder den König bzw. Priester (Ps 110 (LXX109),4) adressiert sind und zumeist von Menschen gesprochen werden, sind nun Gottesrede. Auf diese Weise kommt Jesus Christus derselbe Status wie Gott zu. Er wird als Gott angesprochen (vgl. Hebr 1,8.10). Außerdem werden ihm mit Ewigkeit und Herrschaft klassische göttliche Attribute zugesprochen, auch die Schöpfung wird als Werk des Sohnes genannt. Mit Worten Gottes an Jesus Christus werden im Hebr die beiden zentralen Christustitel Sohn und Hohepriester eingeführt und dadurch auch begründet.162 Gott spricht Jesus als Sohn und Hohepriester an und dadurch wird dieser zum Sohn und zum Hohepriester, sein Wort ist performativ. Anders formuliert: Jesus Christus ist Sohn und Hohepriester, weil er von Gott angesprochen und eingesetzt wurde. Dies belegen die alttestamentlichen Zitate im Hebr, v.a. die Kombination der Zitate von Ps 2,7: υιός μου ei σύ εγώ σήμερον γεγέννηκά σε und Ps 110 (LXX109),4: σύ ιερεύς εις τον αιώνα κατά την τάξι,ν Μελχισέδεκ in Hebr 5,5f.

160 „Es verdient höchste Aufmerksamkeit, dass das erste Schriftzitat im Hebr die Anrede Gottes an seinen Sohn ist". (Hübner, Theologie III, 24 - im Original teilweise fett gedruckt). 161 Die Zitate und ihre Einleitungen sind in seltenen Fällen Aussagen zu den bzw. über die Engel, meinen aber in erster Linie den Sohn. Dies wird besonders in den fast gleichlautenden rhetorischen Fragen, die die Zitatenreihe rahmen, deutlich: τίνι yap elirev ποτέ των άγγελων (Hebr 1,5) und προς τίνα δε των αγγέλων είρηκεν ποτέ (Hebr 1,13). Damit werden die alttestamentlichen Zitate in Hebr 1 allesamt zu einmaligen Aussagen Gottes an den Sohn. Vgl. dazu unten S. 50-53. 162 Dies bemerkt auch Theobald, Schrifthermeneutik, 766.

Die Zitateinleitungen des Hebr

2.1.2

39

Jesus Christus spricht zu Gott

Jesus Christus selbst spricht zweimal, dies zeigen die Zitateinleitungen in Hebr 2 , l l f und Hebr 10,5.163 Es handelt sich hierbei nicht um sogenannte Herrenworte, also Worte des historischen Jesus, sie sind auch nicht an Menschen gerichtet. Alle Texte haben Anredecharakter und sind an den Vater adressiert, was klar aus dem Inhalt hervorgeht, indem z.B. von,deinem Namen' (το ονομά σου; Ps 22 (LXX21),23 = Hebr 2,12) bzw. ,deinem Willen' (τό θέλημά σου; Ps 40 (LXX39),9 = Hebr 10,7.9) gesprochen wird. Schon dadurch wird die Bezogenheit Jesu Christi auf Gott erkennbar: Er spricht ausschließlich zu Gott. In Hebr 2,12f findet sich die Kombination aus Ps 22 (LXX21),23; Jes 8,17 und Jes 8,18, eingeleitet mit kurzem λέγων, und zweimal folgendem πάλιν. Hier verspricht Jesus Christus zum einen, den Namen Gottes den Brüdern zu verkündigen und ihm inmitten der Versammlung zu lobsingen (Zitat von Ps 22 (LXX21),23 in Hebr 2,12).164 Zum anderen nennt er das Vertrauen, das er zu Gott hat, und die Kinder, die er von ihm hat (Zitate aus Jes 8,17f). Im zweiten Zitat, das den Sohn als Sprecher nennt, wird v.a. der Gehorsam Jesu Christi gegenüber Gottes Willen herausgestellt. Ps 40 (LXX39),7-9 wird in Hebr 10,5 als Wort des Sohnes, gesprochen bei der Inkarnation, eingeleitet, anschließend zitiert und ausgelegt.165 Er will Gottes Willen Tun. Diese Erfüllung des Willens löst Gaben und Opfer ab, die als nicht gottgewollt charakterisiert werden. Beide Zitate Jesu Christi können als Zustimmung zum Weg und Willen Gottes verstanden werden.166 Zugleich zeigt sich in ihnen Christi Eigenständigkeit: Jesus Christus ist als Sohn und Hohepriester nicht nur der Ausführende von Gottes Willen, sondern formuliert eigenständig sein Anliegen. Er wiederholt nicht die Worte Gottes, bezeichnet sich auch nicht selbst mit den Titeln ,Sohn' oder ,Hohepriester', sondern bringt vor allem die soteriologische Leistung seines Werkes zur Sprache (vgl. Hebr 2,12f; 10,7.9f). Nicht seine eigene Person, sondern sein Werk und damit die Menschen, denen dieses gilt, werden so thematisiert. Die Menschen selbst werden allerdings im Hebr nicht von Christus angesprochen. 163 Anders, Stadelmann, Christologie, 206: „10,5ff ist die einzige Stelle, wo im Hebr Christus selber sprechend auftritt." Wieso Stadelmann Hebr 2,12f nicht als Christusrede versteht, wird nicht deutlich. 164 Vgl. hierzu unten S. 82-85.93f. 165 Vgl. unten S. 185-187. 166 Vgl. Lewicki, Wort Gottes, 38-47; Theobald, Schrifthermeneutik, 777-779.

40

D e r hermeneutische Zusammenhang von Schriftauslegung und Christologie

2.1.3

Zur Beziehung von Gott und Jesus Christus

Gottes erste Worte im Hebr richten sich an Jesus Christus, dessen Worte sind ausschließlich an Gott gerichtet. Dadurch kann die grundlegende Bedeutung dieser Beziehung von Gott und Jesus Christus für die Theologie des Hebr erkannt werden. Gott autorisiert Jesus Christus als Sohn und als Hohepriester. Alle alttestamentlichen Zitate, die Jesus als Sohn oder Hohepriester bezeichnen, sind als Worte Gottes gekennzeichnet. Dass beide Titel auf der Textebene in Gottes eigenen Worten ihren Ursprung haben, mag Grund dafür sein, dass der Hebr weder den im Neuen Testament einmaligen Hohepriestertitel noch den weitaus geläufigeren Sohnestitel begründet, sondern beide selbstverständlich verwendet. Herkunft und Legitimität dieser Titel sind damit unumstritten, sie haben ihre Begründung im Reden Gottes. Der Sohn antwortet Gott, spricht ihn an, und benennt mit eigenen Worten, die ebenfalls aus der Schrift stammen, sein Heilswerk. Auf diese Weise wird die Zustimmung Jesu Christi zum Plan Gottes zum Ausdruck gebracht. Sein Weg stimmt mit Gottes Willen überein. Gleichzeitig wird nicht nur diese Zustimmung Jesu Christi formuliert, sondern auch die soteriologische Bedeutung seines Wirkens. Der Sohn und Hohepriester thematisiert sein Werk, während die Aussagen Gottes in erster Linie auf die Person Jesu Christi zielen.

2.2 Gott und Heiliger Geist sprechen zu den Menschen Gott spricht direkt zu den Menschen, in meist paränetische Aussagen oder Verheißungen (vgl. beispielsweise Hebr 10,30.37f). Die Bedeutung dieser alttestamentlichen Texte bleibt hier meistens bestehen, sie werden in gleicher Weise wie zuvor im ursprünglichen Kontext als Mahnung oder Verheißung aufgenommen. Ein Beispiel ist Hebr 12,5f: Die Ermahnung aus Prov 3 , l l f wird zitiert.167 Durch die Einleitung wird den Adressaten des Hebr verdeutlicht, dass sie nun angesprochen sind. Die Anrede ,υίε' aus Prov 3,11 (= Hebr 12,5) wird in der Zitateinführung aufgenommen, indem Gott als der, der zu euch als zu Söhnen spricht (ητις ύμΐν ώς υίοίς διαλέγεται.; Hebr 12,5), bezeichnet wird.

167 S.u. S. 97t.

Die Zitateinleitungen des Hebr

41

Dem Heiligen Geist168 werden nur zwei Zitate in den Mund gelegt: Ps 95 (LXX94),7-11 in Hebr 3,7ff und Jer 31 (LXX38),33f in Hebr 10,15ff. Auffällig ist, dass beide Zitate im Hebr ein weiteres Mal zitiert werden: Ps 95 (LXX94) in der Auslegung Hebr 3f; Jer 31 (LXX38),31-34 in Hebr 8,8-12. Hier in Hebr 8 wird Gott als Sprecher des Zitats genannt: μεμφόμεν-ος γαρ αύτούς λέγει (Hebr 8,8). Die Adressaten dieser Zitate, die sowohl von Gott als auch vom Heiligen Geist gesprochen werden, bleiben unverändert. Eine bestimmte inhaltliche Ausrichtung der Zitate des Heiligen Geistes, die von der der Worte Gottes an die Menschen abwiche, lässt sich nicht feststellen.169 Dies wird beispielsweise anhand der predigtartigen Auslegung von Ps 95 (LXX94),7-11 in Hebr 3,7-4,11 erkennbar.170 Hier wird zwar das gesamte Zitat als Aussage des Heiligen Geistes in Hebr 3,7ff eingeführt, aber die weiteren Zitate machen deutlich, dass ebenso Gott ein möglicher Sprecher wäre.171 Im Psalmtext und auch in der Auslegung des Hebr wird zum einen an die Verheißung, in die Ruhe einzugehen, erinnert. Zum anderen werden daraus die paränetischen Konsequenzen gezogen: Auf dem Weg zu diesem Ziel darf man nicht (glaubens-)müde werden.

Es ist auffällig, dass Gott nicht zum Geist spricht. Dennoch wird eine Nähe von Gott und Geist dadurch erkennbar, dass sie in gleicher Weise zu den Menschen sprechen. Ebenfalls ist zu bemerken, dass der Heilige Geist ausschließlich zu den Menschen, nicht aber zu Gott oder zum Sohn spricht. Eine Beziehung von Jesus Christus und Heiligem Geist kann aufgrund der Zitateinleitungen nicht erkannt werden.

2.3 Der Mensch als Hörer des Wortes Dem Menschen als Empfänger der Verheißung und auch der damit verbundenen Ermahnungen gelten die alttestamentlichen Paränesen in gleicher Weise wie den ursprünglichen Adressaten der alttestamentlichen Texte. Allerdings erhalten diese durch Christus eine neue 168 Vgl. dazu den Exkurs zum Heiligen Geist unten S. 156f. 169 Hübner, Biblische Theologie III, 19.21 oder Bieder, Aspekte, 256f, sehen den Heiligen Geist v.a. als Sprecher paränetischer Zitate. Allerdings gibt es auch genügend paränetische Zitate, die nicht vom Heiligen Geist, sondern von Gott gesprochen werden. 170 Vgl. hierzu unten S. 195-198. 171 In Hebr 3,15 ist das Zitat Ps 95 (LXX94),7 unpersönlich mit ev τω λεγεσθοα eingeleitet; bei den weiteren Zitateinleitungen in der Auslegung von Ps 95 (LXX94) wird der Sprecher des Zitats nicht genannt, es kann Gott oder der Heilige Geist sein; z.B. Hebr 4,3: κατώς αρηκευ; vgl. auch 4,4ff.

42

D e r hermeneutische Zusammenhang von Schriftauslegung und Christologie

Zuspitzung, indem die Zeit als eschatologisch qualifiziert verstanden wird: Mit dem Christusereignis verbunden wird eine letzte Chance, die es zu ergreifen gilt. Noch gilt das ,Heute' (vgl. Hebr 3,6-4,11), d.h. es gibt die Möglichkeit der Entscheidung. So hat das mit dem Christusereignis verbundene eschatologische Bewusstsein v.a. Auswirkungen auf die Nachdrücklichkeit, mit der die ethischen Konsequenzen des Glaubens an Gott gefordert werden.172 Doch hört der Mensch nicht nur die an ihn gerichteten Worte, sondern hat insofern an der innergöttlichen Kommunikation Anteil, als er die Worte zwischen Gott und Sohn aus dem Alten Testament kennt. Mithilfe der Schrift wird das Verhältnis der beiden göttlichen Personen Gott und Jesus Christus beschrieben. „Consequently, to listen to the Old Testament means ,to listen in' on a dialogue between God and the Son." 173 Mithilfe dieser Texte können so der Status Jesu Christi, das Christusgeschehen bzw. Gottes Heilshandeln zum Ausdruck gebracht und interpretiert werden. Das Verhältnis von Gott und Geist wird anhand der Zitateinleitungen erkennbar. Sie sind als gleichwertig anzusehen, da sie in gleicher Weise, mit denselben Worten zu den Menschen sprechen. Es wird allerdings deutlich, dass Gott der zentrale Bezugspunkt der Theologie des Hebr ist. Das Verhältnis des Heiligen Geistes zu Gott und das Verhältnis von Gott und Jesus Christus wird durch die alttestamentlichen Zitate und ihre Einleitungen geklärt, nicht aber die Beziehung von Jesus Christus und Heiligem Geist. Eine weitere Bedeutung der alttestamentlichen Texte wird ganz am Ende des Hebr genannt.174 Hier ist der Mensch nicht bloß Hörer, sondern wird zum Sprecher des alttestamentlichen Textes. Das letzte alttestamentliche Zitat (Ps 118 (LXX117),6) im Hebr wird ,uns' in den Mund gelegt: ,So dass wir getrost sagen können' (ώστε θαρροΰντας ημάς λέγειν; Hebr 13,6) lautet die Zitateinleitung. Die Begründung, warum nun ,wir' sprechen können, liefert der Zusammenhang mit dem vorherigen Vers. Gott selbst nämlich hat gesagt (αύτός γαρ είρηκεν; Hebr 13,5), so dass (ώστε) auch ,wir' nun sprechen können. Mit diesem letzten Zitat aus dem Alten Testament formuliert der Hebr selbst ein Lobopfer bzw. ein Bekenntnis, wie er es in Hebr 13,15 von der Gemeinde fordert. Menschen können also zu Sprechern der alttestamentlichen Texte werden, sind aber zunächst Empfänger der Worte Gottes. 172 Vgl. Gräßer, Hebräer I, 99: „[J]e größer die Verheißung, desto größer die Verantwortung". 173 Barth, Old Testament, 62; vgl. Auch Hübner, Theologie III, 28 174 Vgl. Lohr, Schriftanwendung, 765.

Die Zitateinleitungen des Hebr

43

3. Ergebnis: Die in den Zitateinleitungen erkennbaren theologischen Grundentscheidungen Durch die Zitateinleitungen wird die Bedeutung der alttestamentlichen Texte im Hebr bestimmt. Die Zitate bringen, verstanden als Worte des Einen zum anderen, die Beziehung von Gott und lesus Christus zum Ausdruck. Die Konsequenz, mit der die Zitate als Gottesrede, v.a. als dessen Worte an lesus Christus, verstanden werden, legt nahe, hier den Hauptakzent der Schriftauslegung des Hebr zu vermuten. Mithilfe dieser Interpretation der alttestamentlichen Zitate werden theologische Grundentscheidungen verdeutlicht und die zentralen Titel Sohn und Hohepriester eingeführt. Es wird zudem erkennbar, dass Christologie und Theologie eng verbunden sind. Gottesrede ist in erster Linie Gottesrede zum Sohn oder enthält Aussagen über den Sohn. Dies machen die Zitateinleitungen deutlich. Auch Hebr 1,2 verdeutlicht die Nähe von Gotteswort und Sohn.175 Daraus ergibt sich für die Schriftauslegung, dass diese in geeigneter Weise im Zusammenhang mit der Theologie, die im Wesentlichen Christologie ist, dargestellt werden kann. Des Weiteren ist festzuhalten, dass Jesu Christi Worte sich an Gott richten, aber den Blick zugleich zu den Menschen wenden. Diese sind Empfänger der verheißenden und mahnenden Worte Gottes und des Heiligen Geistes, sind aber gleichzeitig in der Lage, die Worte zwischen Sohn und Gott zu verstehen und zu interpretieren. Die Worte Jesu Christi nehmen im Hebr die soteriologische Bedeutung seines Werkes in den Blick. Der Mensch ist das Ziel des Handelns Christi, ihm gelten so die Verheißungen und die Mahnungen Gottes. Den Zusammenhang zwischen christologischen Grundüberzeugungen, die im Hebr mittels alttestamentlicher Zitate postuliert werden (Jesus Christus ist Sohn und Hohepriester Gottes), und deren argumentativer Entfaltung, die ebenfalls im Rückgriff auf alttestamentliche Texte z.B. die soteriologische Bedeutung zur Sprache bringt, gilt es aufzuzeigen.

175 Vgl. dazu unten S. 47-50. Den Primat der Christologie betont auch Weiß, Hebräer, 53f. Auch Backhaus, Schrifthermeneutik, 270-273, betont im Gesamtgefüge die theozentrische Klammer durch exordium (Hebr 1,1-4), peroratio (Hebr 12,15-29) und Schlusssegen (Hebr 13,20f). Diese theozentrische Klammer sei zugleich eine christologische, denn „Gottes Rede ist wesentlich „christologische Rede" (ebd., 275). Vgl. auch Lewicki, Wort Gottes, 65-70. Zur Bedeutung von Hebr 1,1-4 vgl. Zusammenfassend Ubelacker, Appell, 138f. Anders akzentuiert Wider, der die Zentralität des Wortes Gottes im Hebr herausstellt. Die Christologie bilde hier nur einen Bereich des Redens Gottes. Vgl. v.a. die Zusammenfassung Wider, Theo-zentrik, 205-210.

Teil Β

Jesus Christus, der Sohn - die Verwendung des Sohnestitels und der Bezug zur Schrift im Hebr I. Der Sohnestitel im Hebr 1. Einleitung υιός verwendet der Hebr an 24 Stellen. Nämlich Hebr l,2.5[2x].8; 2,6.10; 3,6; 4,14; 5,5.8; 6,6; 7,3.5.28; 10,29; 11,21.22. 24; 12,5[2x].6.7[2x].8. Die meisten Belege benennen damit den Sohn Gottes - so explizit in Hebr 4,14; 6,6; 7,3; 10,29. Dieser wird ebenfalls als ,mein Sohn' / υιός μου in Hebr 1,5; 5,5 (Zitat von Ps 2,7 bzw. 2Sam 7,14) bezeichnet. Den Sohn Gottes meinen auch die absoluten Belege1 von υΙός in Hebr 1,2.8; 3,6; 5,8; 7,28. Doch ist nicht nur Jesus Christus der Sohn, auch Menschen sind Söhne. Hebr 7,5 nennt die Söhne Levi, Hebr 11,22 die Söhne Israels (vgl. auch Hebr 11,21.24); in Hebr 2,10 und 12,5-8 werden die Glieder der Gemeinde als Söhne bezeichnet. Offen bleibt, wie υίδς άνθρωπου in Hebr 2,6 zu verstehen ist. Für den Hebr ist Jesus der Sohn. 2 „In der υίός-Bezeichnung umschließt sich ihm der ganze Reichtum der Person wie des Werkes Christi." 3 Dieser ist der einzige Titel, der neben dem Hohepriester- und Christustitel 4 konsequent verwendet und v.a. in Hebr l f theologisch entfaltet wird. Mit der Bezeichnung ,Sohn' greift der Hebr einen verbreiteten 1 2 3 4

Vgl. Michel, Hebräer, 94: „Die Artikellosigkeit bezeichnet die Stellung und Würde der Sohnschaft". Neben dem Sohnestitel finden sich in Hebr 1,6 auch die Bezeichnung,Erstgeborener' (πρωτότοκος) und in Hebr 1,2 die Bezeichnung ,Erbe von allem' (κληρονόμος πάντων; vgl. Hebr 1,4). Kögel, Sohn, 116. Vgl. ebd., 116-123. Für Χριστός gibt es im Hebr 12 Belege; nämlich Hebr 3,6.14; 5,5; 6,1; 9,11.14.24.28; 10,10; 11,26; 13,8.21.

46

Jesus Christus, der Sohn

Christustitel auf, er wird nahezu im gesamten Neuen Testament verwendet.5 Im Hebr hat der Sohnestitel eine zweifache Ausrichtung: Zum einen verdeutlicht er die Beziehung Christi zu Gott, zum anderen die zu den Menschen, den anderen Söhnen Gottes.6 Mit dieser Verbindung zu den Menschen wird die besondere Würde, die mit dem Sohnestitel verbunden ist,7 nicht nivelliert, sondern erhält eine soteriologische Zuspitzung. Durch den einen Sohn werden Menschen zu Söhnen Gottes. Daneben steht die enge Beziehung des Sohnes zu Gott. Diese kennzeichne den Sohnestitel in grundlegender Weise, so die These von Hahn.8 Der Sohnestitel sei Korrelat zur Vorstellung Gottes als Vater und könne abgeleitet sein von der Ansprache Gottes als Vater. Diese Ansprache Gottes als Vater durch Jesus ist im Hebr allerdings nicht zu finden, nur der Sohn wird als Sohn von Gott angesprochen. Die Bezeichnung ,Vater' für Gott spielt im Hebr keine Rolle,9 jedoch die enge Beziehung von Gott und Sohn. Auch ist im Hebr keine Unterscheidung in der Verwendung von ,Sohn' und,Gottes Sohn' festzustellen.10 Die mit dem Sohnesbegriff verbundenen zentralen theologischen Aussagen sollen im folgenden Uberblick aufgezeigt und ihr Bezug zur Schrift untersucht werden. Hebr lf werden zunächst ausführlich, im Zusammenhang des Briefes dargestellt. Hier werden einzelne Fragen, auch zur Form der Schriftauslegung, geklärt, bevor in weiteren Kapiteln thematisch der Schriftgebrauch untersucht wird.

5 6 7 8 9

10

Ausnahmen stellen lediglich IPetr und Jud dar; sie verwenden den Sohnestitel nicht. Vgl. Rissi, Menschlichkeit, 28f. Er spricht von doppelter Ausrichtung des Sohnesnamens. Vgl. auch Gäbler, Kulttheologie, 135-137. Er arbeitet die dreifache Relation (Gott, Engel, Mensch) des Sohnesnamens heraus. Der Titel „'Sohn Gottes' ist grundsätzlich ein Differenzbegriff, d.h. Sohn Gottes ist jemand immer in Differenz zu allen anderen, die dieses dann nicht sind." (Berger, Theologiegeschichte, 62). Vgl. Hahn, Hoheitstitel, 281. 319-333. Die Bezeichnung πατήρ für Gott gibt es ausdrücklich nur in Hebr 1,5 (Zitat von 2Sam 7,14: έγώ εσομαι κύτω άς πατέρα). In Hebr 12,9 erscheint die außergewöhnliche Gottesprädikation πατήρ τών πνευμάτων (vgl. hierzu z.B. Gräßer, Hebräer III, 267269; Schunack, Hebräer, 199f; Hegermann, Hebräer, 250.260); in Hebr 12,7 wird Gott der zu ermahnenden Gemeinde als Vater, der seine Söhne züchtigt (παίδευαν), vorgestellt. Anders Hahn, Hoheitstitel, 281. 319-333. S.E. unterscheide die Vatervorstellung als Korrelat zur Sohnesvorstellung den absolut gebrauchten Titel ,Sohn' vom Titel ,Gottessohn'. Beide Titel sind s.E. in unterschiedlichen Traditionen verankert.

Der Sohnestitel im Hebr

47

2. Der Sohnesbegriff in Hebr 1 2.1

Die endgültige Offenbarung Gottes im Sohn - Hebr 1,1-4

Gleich im Proömium des Hebr, dem „einleitenden theologischen Fundamentalsatz"11, wird die grundlegende Bedeutung des Sohnes als letztgültige Offenbarung Gottes postuliert: Nachdem Gott in früheren Zeiten durch die Propheten gesprochen hat, hat er nun durch den Sohn gesprochen. In Hebr l , l f werden deutlich die Offenbarungen Gottes gegenüber gestellt.12 Auf der einen Seite ( V I ) steht Gottes Rede zu den Vätern (τοις πατράσιν) durch die Propheten (ev τοις προφήταις), diese war vielgestaltig und vielfältig (πολυμερώς και πολυτρόιτως) und geschah einst (πάλαι). Auf der anderen Seite (V2) steht die Rede Gottes am Ende der Tage (έττ εσχάτου των ήμερων) zu uns (ήμιν) durch den Sohn (εν υΐω). Dieser wird weiter charakterisiert als der, den Gott als Erbe von allem eingesetzt hat (δν εθηκεν κληρονόμου πάντων) und durch den er die Äonen geschaffen hat (δι' ου και εποίησεν τους αιώνας).

In diesem ersten Satz des Hebr wird das Verhältnis zur Tradition bzw. zur vorherigen Geschichte des Redens Gottes geklärt. Hierbei ist zweierlei von Bedeutung: Zum einen wird die Kontinuität betont, denn es ist derselbe Gott, der bereits durch die Propheten zu den Vätern gesprochen hat und nun durch den Sohn spricht.13 Zum anderen wird Diskontinuität und grundsätzliche Differenz erkennbar, denn hier ist von etwas qualitativ Neuem und Einmaligem die Rede, im Sohn hat Gott sich endgültig offenbart.14 Den Sohn zeichnet eine besondere Beziehung zu Gott aus, denn er ist Erbe und war an der Erschaffung der Welt beteiligt (Hebr 1,2). Auch in den folgenden Versen (Hebr l,3f) wird die Bedeutung des Sohnes herausgestellt.15

11 12 13 14 15

Gräßer, Hebräer I, 48. Als Stilmittel ist ein (antithetischer) Parallelismus Membrorum erkennbar. Vgl. Übelacker, Appell, 79f. 88-91. - Vgl. zur Rhetorik von Hebr 1,1-4 Übelacker, 106-139. Vgl. auch Isaacs, Space, 186f. Vgl. Hofius, Biblische Theologie, 109. Dass in Hebr 1,1-4 v.a. die Kontinuität betont wird, stellen Loader, Sohn, 62-64, und Smillie, Contrast or Continuity, 543-560, heraus. Vgl. Hofius, Biblische Theologie, l l l f ; Theobald, Schrifthermeneutik, 773. 784; Laub, Glaubenskrise, 388. Hier ist ebenfalls eine klare Struktur erkennbar: Hebr l,3f macht je drei Aussagen über Person/Wesen und über Werk/Handlungen des Sohnes. Vgl. Übelacker, Appell, 80-83.

48

Jesus Christus, der Sohn Er ist Ausstrahlung der Herrlichkeit Gottes (απαύγασμα της δόξης) und Abdruck seiner Wirklichkeit (χαρακτήρ υποστάσεως αύτοϋ). Er trägt alles 1 6 durch das Wort seiner Macht (φέρων τε τά πάντα τω ρήματι, της δυνάμεως αύτοϋ), er hat sich, nachdem er die Reinigung von den Sünden bewirkt hat (καθαρι,σμόν των αμαρτιών ποι,ησάμενος), zur Rechten der Majestät in der Höhe gesetzt (έκάθι,σεν έν δεξώ της μεγαλωσύνης εν ύψηλοΐς)17. Er ist u m so viel besser als die Engel geworden, wie er einen vorzüglicheren N a m e n vor ihnen ererbt hat (τοσούτω κρείττων γενόμενος των αγγέλων όσω δίαφορώτερον παρ' αύτούς κεκληρονόμηκεν δνομα).

Die Bedeutung des Sohnes hätte kaum deutlicher herausgestellt werden können: Er ist als Sohn auf Gott, den Vater, bezogen, er ist sein Erbe (V2; vgl. V4), ist Ausstrahlung der Herrlichkeit und Abdruck der Wirklichkeit Gottes (V3). Außerdem wirkt er bei der Schöpfung mit (V2) und erhält diese durch sein Wort (V3). Doch wird auch die soteriologische Leistung hervorgehoben: Er hat von den Sünden gereinigt (V3). Danach hat er sich zur Rechten Gottes gesetzt (V3). Der Sohn wird hier als präexistent18 vorgestellt, er hat einen eigenen Platz in der himmlischen Hierarchie zwischen Gott und Engeln (V4).19 Er garantiert so die Richtigkeit der durch ihn geredeten Worte Gottes. „In Gottes Rede ,im Sohn' kommt niemand anderes als Gott selbst zur Sprache." 20 Doch nicht nur dies - er übertrifft dadurch die Propheten, durch die Gott früher in vielerlei Gestalt gesprochen hat. So wird gleich zu Beginn des Hebr verdeutlicht, dass Gottes Rede durch den Sohn eine besondere Bedeutung hat.

16

17 18 19 20

„An beiden Stellen bezeichnet das Wort alles (πάντα) die Gesamtheit der von Gott geschaffenen Dinge" (Hofius, Christushymnus, 77t). Vgl. auch Attridge, Hebräer, 45. Die Ubersetzung mit ,A11' greift daher m.E. zu kurz; ich übersetze mit,alles'. Anders z.B. Gräßer, Hebräer I, 62-64. Hier in Hebr 1,3 ist die erste Anspielung auf Ps 110 (LXX109),1 im Hebr zu finden; in Hebr 1,13 wird dieser Psalmvers zitiert. Zu Ps 110 (LXX109),1 s.u. S. 70-73. Vgl. Pilhofer, Präexistenz, 320f; ebd., 319-328. Vorsichtiger sind Loader, Sohn, 73-75 oder Caird, Appointment, 74. Vgl. zu Präexistenz auch unten S. 60-62. Vgl. die Auffassung Luekens, die Herrscherstellung des Sohnes und Erben über die Engel werde in Hebr 1 von Ewigkeit her begründet; Lueken, Michael, 140. Weiß, Hebräer, 154.

Der Sohnestitel im Hebr

2.2

49

Die hermeneutische Bedeutung der Offenbarung im Sohn

In den kunstvoll komponierten Eingangsversen21 Hebr 1,1-4 wird die Schrift selbst nicht zitiert, allerdings liefert dieser Textabschnitt eine Art Lektüreanweisung für die alttestamentlichen Texte, indem Altes und Neues einander gegenübergestellt werden. Gottes Reden im Sohn wird als Richtschnur für alles andere Reden Gottes installiert.22 „Jesus becomes the exegetical norm" 23 . Jedoch meint dies nicht Bedeutungslosigkeit des Vorherigen. Hinter der Offenbarung durch die Propheten wie durch den Sohn steht Gott. Er hat gesprochen zu den Vätern (τοις πατράσιν) und zu uns (ήμΧν). Die Väter werden so zu wichtigen Offenbarungs- und Glaubenszeugen (vgl. z.B. Hebr 11), aber können auch als Negativbeispiel dienen (z.B. Hebr 3f). Dennoch sind ,wir' von ,ihnen' unterschieden, so wie Gottes Reden zu ,ihnen' einst (πάλαι) stattfand, während er zu ,uns' am Ende der Tage (4π έσχατου των ήμερων) gesprochen hat. Diese eschatologische Qualifikation der Offenbarung Gottes im Sohn verdeutlicht ihre Besonderheit und stellt sicher, dass nach dieser am Ende der Tage keine weitere mehr folgen wird.24 Der Charakterisierung der Rede Gottes durch die Propheten als vielgestaltig und vielfältig (πολυμψώς και πολυτρόπως) steht auf der Textebene keine Charakterisierung des Redens durch den Sohn gegenüber. Es ist dennoch erkennbar, dass mit diesem eine Eindeutigkeit verbunden ist.25 Es gibt keine Viel- oder Mehrdeutigkeit, sondern durch diese Offenbarung Gottes sind 21

22 23 24 25

Dass in Hebr 1,1-4 ein Hymnus zugrunde liegen könnte, ist verschiedentlich gezeigt worden. Vgl. z.B. Bornkamm, Bekenntnis, 197-200; Loader, Sohn, 64-71; Laub, Bekenntnis, 23-27; Hofius, Christushymnus, 80-88; Gräßer, Hebräer I, 62-64; Michel, Hebräer, 96f; Wengst, Formeln, 166-170. Dass in Hebr 1,1-4 kein traditioneller Hymnus zugrunde liegt, sondern diese Verse vom Hebr formuliert wurden, meinen z.B. Meier, Symmetry, 525-528 oder Weiß, Hebräer, 135f. Eine Verbindung von Hebr 1,1-4 mit anderen neutestamentlichen Hymnen (z.B. Phil 2 oder Kol 1) ist zu erkennen, vgl. Hofius, Christushymnus, 15f. 75f. 92-102; Deichgräber, Gotteshymnus, 137-140; Wengst, Formeln, 176-180. Zur Ähnlichkeit von lClem 36 und Hebr 1 vgl. Theißen, Untersuchungen, 34-37. Dass dieses Reden Gottes zugleich auch mit dem Anspruch Gottes an den Menschen verbunden ist, zeigen die zahlreichen paränetischen Abschnitte des Hebr. Vgl. Ubelacker, Appell, 96-103. Er sieht diesen Anspruch in Hebr l , l f verankert. Isaacs, Space, 69. Damit erhält die Offenbarung im Sohn auch die Qualität einer neuen und letzten Chance. Vgl. Gräßer, Hebräer I, 55f; ders., Glaube, 171-184; Ubelacker, Appell, lOlf. Diese Vielgestaltigkeit wird so Zeichen der Minderwertigkeit der alten Offenbarung. Vgl. Dey, Intermediary World, 129-134; auch Michel, Hebräer, 92f; Weiß, Hebräer, 137f. Dagegen sieht Wider, Theozentrik, 14f, hier nicht unbedingt eine negative Bewertung.

Jesus Christus, der Sohn

50

vorherige zahlreiche Interpretationsmöglichkeiten beschränkt auf eine. Diese eine ist keine Neuauslegung, sondern die Aufdeckung bzw. das Erkennen des eigentlichen Sinns. Dies wird beispielsweise beim Thema Kult deutlich: Hatten die Bestimmungen durchaus Bedeutung für den irdischen Kult, so ist ihr Verweis auf den Hohepriester Jesus und sein Heilswerk nun offensichtlich (vgl. z.B. Hebr 8,1-5; 9,1-10), alle anderen Interpretationen sind damit hinfällig. In den ersten Versen des Hebr wird mit großer rhetorischer Geschicklichkeit die grundsätzliche Bedeutung des Sohnes herausgestellt. Das Reden Gottes in bzw. durch ihn hat Auswirkungen auf die Interpretation jedes göttlichen Redens. Die so postulierte hermeneutische Bedeutung der Offenbarung Gottes im Sohn ist im Brief durchweg zu spüren, wenn Bezug auf Gottes vorheriges Reden genommen wird.26

2.3

Die Stellung des Sohnes in der himmlischen Welt - zum Sohnestitel in der Zitatenreihe Hebr 1,5-14

Die folgenden Verse schließen direkt an Hebr 1,1-4 an. Das verbindende Stichwort Engel (άγγελοι) fällt in V427 und wird in Hebr 1,5 wieder aufgenommen. Zugleich markiert γάρ, dass nun die Begründung der im vorigen V4 aufgestellten These der Höherwertigkeit Jesu über die Engel folgt.28 Jedoch ist der Stil nun ein gänzlich anderer. Einzelne Schriftzitate werden aneinander gereiht, durch kurze Einleitungssätze miteinander verbunden und interpretiert. Das Thema ist dabei durchgängig das Verhältnis des Sohnes zu den Engeln und dessen Überlegenheit. Damit wird die zentrale Stellung des Sohnes in der himmlischen Welt mit alttestamentlichen Texten belegt und begründet. Die Zitatenreihe beginnt in Hebr 1,5 mit der Bestimmung des Verhältnisses von Vater und Sohn. Ps 2,7 (υιός μου el συ εγώ σήμερον γεγέννηκά σε) und 2Sam 7,14 (εγώ εσομαι αύτω εις πατέρα και αύτός εσται μοι εις υίόν) werden zitiert. Durch die Zitateinleitung τίνι γάρ ειπέν ποτε των αγγέλων wird nicht nur die Besonderheit des Sohnes hervorgehoben, sondern zugleich dessen Überlegenheit gegenüber den Engeln herausgestellt (vgl. V13). Denn nur z u m Sohn, nicht

26 27 28

Zur besonderen Bedeutung des Exordiums vgl. zusammenfassend Übelacker, Appell, 231. Vgl. Gräßer, Hebräer I, 66: „V 4 ist Abschluß und Uberleitung zugleich." Vgl. auch Übelacker, Appell, 83f; Wider, Theozentrik, 33-35. Vgl. Übelacker, Appell, 140-146; Hofius, Christushymnus, 88-92.

Der Sohnestitel im Hebr

51

zu den Engeln werden diese Psalmverse gesprochen. Eine andere Interpretation dieses Verses ist also nicht mehr möglich. Es ist die Ansprache Jesu Christi als Sohn.

Das Verhältnis von Sohn und Engeln wird in Hebr l,6f bestimmt. Ps 97 (LXX96),7 (και προσκυνησάτωσαν αύτω πάντες άγγελοι θεοϋ) wird in Hebr 1,6 zitiert. 29 Dieses, so die Zitateinleitung, spricht Gott, wenn er den Erstgeborenen (πρωτότοκος) in die Welt (εις την ο'ικουμενην) einführt. Damit wird deutlich, dass die Engel Gottes Engel (άγγελοι, θεοΰ) sind und ihm gehorchen. Diese Engel beten den Sohn an (προσκυνέω). Des Weiteren bestimmt Gott mit dem Zitat von Ps 104 (LXX103),4 in Hebr 1,7 die Beschaffenheit der Engel als πνεύματα (vgl. auch Hebr 1,14). 30

Dem Sohn werden in Hebr l,8f durch das Zitat von Ps 45 (LXX44),7f göttliche Attribute zugeschrieben, was z.B. durch die Anrede ό θεός und das Lob seiner Herrschaft deutlich wird. Dies wird in Hebr 1,10-12 mit dem Zitat von Ps 102 (LXX101),26-28 weitergeführt, in dem Gottes Schöpfertätigkeit und seine Ewigkeit gepriesen werden.31 Das Zitat von Ps 110 (LXX109),1 in Hebr 1,13 schließt die Zitatenreihe und rekurriert mit dem Motiv des Sitzens zur Rechten auf Hebr 1,3. Durch die Zitateinleitung (προς τίνα δε τών αγγέλων ειρηκέν ποτε), die an diejenige in Hebr 1,5 erinnert32, wird ebenfalls abschließend der Vergleich mit den Engeln wieder aufgenommen und in Hebr 1,14 zusammenfassend deren Charakter als dienstbare Geister (λειτουργικά πνεύματα) benannt, die zum Dienst (διακονία) derer ausgesandt sind, die das Heil erben sollen (τους μέλλοντας κληρονομειν σωτηρίαν). In Hebr 1,5-14 wird also der Sohn zum einen sehr nah an Gott heran gerückt, was durch die göttlichen Attribute und die Anrede als Gott deutlich wird, zum anderen wird der Unterschied zwischen Sohn und Engeln deutlich markiert.

29 30 31 32

Die Herkunft des Zitats ist nicht eindeutig feststellbar: Dt 32,43LXX oder Ps 97 (LXX96),7 kommen als Quelle in Frage; m.E. liegt die Herkunft aus Ps 97 (LXX96) näher. Zu Hebr 1,6 vgl. unten S. 88-91. Zum Vergleich von Sohn und Engeln s.u. S. 86-93. Dazu ausführlicher S. 76-79. Durch die fast gleiche Einleitung des ersten und letzten Zitats werden Anfang und Ende der Katena, aber auch Ps 2 und Ps 110 (LXX109) zusammengebunden. Vgl. Kistemaker, Citations, 80.

Jesus Christus, der Sohn

52 2.4

Die Form der Schriftauslegung in der Zitatenreihe

Die Verwendung der Schrift in der Zitatenreihe Hebr 1,5-14 fällt dadurch auf, dass die Zitate aus dem ursprünglichen Kontext vollends herausgenommen sind und durch die Zitateinleitungen eine neue Interpretation erhalten. Damit steht Hebr 1,5-14 in der Tradition von Testimonienreihen und Florilegien, unterscheidet sich allerdings durch die eigene inhaltliche Akzentsetzung und die Auswahl der alttestamentlichen Stellen.33 Alle sieben Zitate werden in Hebr 1 als Gottessprüche verstanden. Gott spricht diese Verse zu den Engeln oder zum Sohn, um diesen mit besonderer Würde auszustatten, und um die Engel auf den ihnen zukommenden Platz in der himmlischen Welt zu verweisen. Die Zitateinleitungen in Hebr 1,5.13 sind rhetorische Fragen, V6 gibt den Zeitpunkt des Geredeten an. Diese Form der Schriftauslegung ist beispielsweise aus Qumran bekannt. Hebr 1,5-14 ist am ehesten mit 4QFlor zu vergleichen.34 Hier werden einzelne Zitate aneinander gefügt, durch Zitateinleitungen miteinander verbunden und so interpretiert.35 Jedoch fallen im Vergleich von 4QFlor und Hebr 1,5-14 deutliche Unterschiede auf.36 Die interpretativen Zusätze in 4QFlor sind viel ausführlicher als in Hebr 1, auch werden alttestamentliche Texte im Zusammenhang zitiert, z.B. 2Sam 7 in 4QFlor 1. Außerdem ist 4QFlor viel länger als Hebr 1,5-14. Diese Unterschiede liegen im Genre von 4QFlor begründet, das am ehesten mit „Qumran Midrash" 37 bestimmt werden kann. Der Text geht von Ps 1 aus und basiert weitestgehend auf der Auslegung und den Zitaten von 2Sam 7; Ps 1 und Ps 2. Thema in 4QFlor ist die Endzeit, die letzten Tage. Im Vergleich mit 4QFlor wird der eigenständige Charakter der Katena in Hebr 1 erkennbar. Die Zitatenreihe in Hebr 1 erfüllt eine ganz bestimmte Funktion. Sie ist beschränkt auf sieben Zitate, die im Kontext von Hebr 1 allesamt Gott zum Sprecher haben. Die interpretativen Zusätze in Form von Zitateinleitungen sind auf ein Minimum 33 34 35 36 37

So auch Attridge, Hebräer, 50; vgl. Albl, Scripture, 203f. Vgl. ebenfalls die Schriftauslegung in llQMelch. Siehe unten S. 134-137. Vgl. Brooke, Exegesis, 319-323. Zum Text von 4QFlor vgl. Brooke, Exegesis, 80-129; auch Yadin, 4 Q Florilegium, 9598. Zur Methode der Schriftauslegung in 4QFlor Brooke, Exegesis, 129-278; vgl. Schröger, Schriftausleger, 77-79. Bateman, Hermeneutics, 149-206, betont dagegen strukturelle und konzeptionelle Gemeinsamkeiten von 4QFlor und Hebr 1,5-14. So Brooke, Exegesis, 156. Vgl. ebd., 147-219.

Der Sohnestitel im Hebr

53

beschränkt. Eine solche Form der Schriftauslegung findet sich im Hebr ansonsten nicht, Kombinationen von zwei oder drei Zitaten gibt es dagegen in Hebr 2,12f oder 5,5f. Die Zitate in Hebr 1,5-14 belegen das in Hebr 1,4 Postulierte: Der Sohn ist besser als die Engel (κρείττων), er hat einen vorzüglicheren Namen vor ihnen ererbt (διαφορώτερον παρ' αυτούς κεκληρουόμηκεν ονομα). Beides wird in V5 aufgenommen, indem die Verleihung des Sohnesnamens durch die Ansprache Gottes mit Zitaten von Ps 2,7 und 2Sam 7,14 belegt wird. Somit führt die Zitatenreihe Hebr 1,5-14 das im Proömium Hebr 1,1-4 Gesagte aus.38 Das Reden Gottes wird anders als in Hebr 1,1 nicht nur als Tatsache genannt, sondern es wird gleichzeitig anhand der Zitate gezeigt, dass Gott redet. Was er in Hebr 1,5-14 redet, veranschaulicht das in Hebr 1,1-4 Genannte und begründet es.39 Doch verweist Hebr 1,5-14 auch voraus. Die in Hebr 1,13 versprochene Unterwerfung aller Feinde wird in Hebr 2 aufgenommen, ebenso der Vergleich mit den Engeln. Da Hebr 1,5-14 so gut in den Kontext und zu den theologischen Aussagen des Hebr passt, ist nicht davon auszugehen, dass die Zitate alle aus einem Florilegium stammen.40

3. Das Verhältnis von Sohn und Söhnen als Thema von Hebr 2 3.1 Christologische und anthropologische Lektüre von Ps 8 in Hebr 2,5ff Hebr 2,6-8 zitiert mit Ps 8,5-7 zum ersten Mal einen längeren alttestamentlichen Text, der auch ausgelegt wird. Psalm 8 ist ein Hymnus, in dem Gott gepriesen wird. Ps 8,5-7 handelt ähnlich wie Gen 1,26-28 von der besonderen Stellung des Menschen in der geschaffenen Welt.41 Dies wird v.a. im hebräischen Text ersichtlich. Hier steht ί^π^ΚΏ csa irnsnrn: Du machtest ihn wenig geringer als einen Gott.42 38 39 40 41 42

Vgl. Übelacker, Appell, 144-146. Die enge Beziehung von Hebr 1,1-4 und 1,5-14 stellt z.B. Meier, Structure, 168-189, heraus. S.E. entsprechen sich die sieben alttestamentlichen Zitate und die vorherigen sieben Christusprädikationen. Vgl. auch Wider, Theozentrik, 35-38. Zur Florilegiums-Hypothese vgl. S. 18-21. Auch: Albl, Scriptures, 201-207; RüsenWeinhold, Septuagintapsalter, 176-187. Vgl. zu Ps 8 z.B. Gunkel, Psalmen, 27-30; Hossfeld/Zenger, Psalmen I, 77-80; Kraus, Psalmen I, 202-214; Schröger, Schriftausleger, 79-87. Anders Kraus, Psalmen I, 209: S.E. bedeute rrnbx hier Gottwesen oder himmlisches Wesen, vergleichbar mit dem griechischen άγγελοι der LXX.

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Jesus Christus, der Sohn

In der Septuaginta wie im Hebr lautet dieser Abschnitt: ήλάττωσας αύτόυ βραχύ τι παρ' αγγέλους. Diese Übersetzung fügt sich in das theologische Konzept des Hebr: Hier fällt das Stichwort,Engel', βραχύ kann anders als das hebräische ovn nicht nur qualitativ, sondern auch temporal verstanden werden und ήλάττωσας kann als Erniedrigung aufgefasst werden.43 Der Mensch wird hier also vorgestellt als kurz (βραχύ) unter Engeln stehend (Ps 8,6; Hebr 2,7), mit Herrlichkeit (δόξα) und Ehre (τιμή) gekrönt (Ps 8,6; Hebr 2,7). Ihm ist alles unter seine Füße gelegt (Ps 8,7; Hebr 2,8). Psalm 8 meint den Menschen und seine Stellung in Gottes Schöpfung. So ist auch υιός άνθρωπου in Ps 8,5 kein messianischer Titel, und eine messianische Interpretation dieses Psalmabschnitts V5-7 ist außerhalb des Neuen Testaments nicht belegt.44 Doch scheint sich im Hebr schon durch das erste Kapitel eine christologische Lektüre des zitierten Psalms nahe zu legen. Der Mensch, von dem der Psalm spricht, scheint der menschgewordene Sohn zu sein, denn ihm ist nach Hebr 1,13 alles unterworfen, wie es nach Ps 8,7 dem Menschen verheißen ist (vgl. Hebr 2,8). Außerdem ist der Sohn Ausstrahlung der Herrlichkeit (δόξα) Gottes (Hebr 1,3), und dem Menschen wird in Ps 8,6 die Krönung mit Herrlichkeit (δόξα) und Ehre (τιμή) zugesagt (vgl. Hebr 2,7).45 Allerdings steht der Sohn nach Hebr 1,4-14 über den Engeln, nicht wie nach Ps 8,6 (= Hebr 2,7) kurz unter ihnen. Aus diesem Grund präsentiert Hebr 2,9f die Verse 5-7 von Ps 8 als Interpretation der Erniedrigung des erhöhten Sohnes. Die Erniedrigung des Sohnes Gottes wird gerade nicht im Gegensatz zu seiner Ausstattung mit Herrlichkeit und Ehre verstanden, sondern der besondere Status des Sohnes (,gekrönt mit Herrlichkeit und Ehre') ist Voraussetzung seiner Erniedrigung (,Todesleiden').46 So wird Jesu Lebensweg, der Zusammenhang von Erniedrigung und Erhöhung, bereits in der

43 44

45 46

Vgl. Schröger, Schriftausleger, 82f; Gheorghita, Septuagint, 103-107; Gräßer, Menschensohn, 159. IKor 15,25-28 und Eph 1,22 kennen die christologische Interpretation von Ps 8,7; Ps 8,2 wird zudem in Mt 21,16 zitiert. Zu Ps 8 im Neuen Testament vgl. Leschert, Foundations, 92-98. Dass in der rabbinischen Literatur keine messianische Interpretation von Psalm 8 bekannt ist, zeigen Vis, Quotations, 24-28, und Kistemaker, Citations, 29-31. 81-83. Zum Zusammenhang von Hebr l f vgl. Ubelacker, Appell, 163-182; Hurst, Christology, 154-157; Gräßer, Menschensohn, 156f. Zur Interpretation von Hebr 2,9f s.u. S. 62-64.

Der Sohnestitel im Hebr

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Schrift verankert. Der Psalm dient als Beleg und wird heilsgeschichtlich interpretiert.47 Der Mensch, von dem der Psalm in Hebr 2,5-8 spricht, ist zunächst jeder Mensch. Durch die Parallelen zur Beschreibung des Sohnes in Hebr 1 wird allerdings deutlich, dass in erster Linie dieser eine Mensch gemeint ist. Das Leben des Sohnes wird hier mithilfe des Psalmes interpretiert, der Psalm wird so zu einem Ausblick auf Gottes Heilsplan. Mensch und Sohn des Menschen (υΙός άνθρωπου) werden in Hebr 2 also zuerst auf den Gottessohn, seine Menschwerdung, sein menschliches Leben und Sterben bezogen. Dass ,Menschensohn' als Christustitel verstanden wird, ist nicht zu erkennen,48 zumal ,Menschensohn' (υιός άνθρωπου) im Hebr nicht wieder verwendet wird. ,Mensch' und ,Menschensohn' sind Begriffe aus dem Psalm und bezeichnen dort allgemein den Menschen. Dies greift der Hebr auf und präsentiert Jesus als den Menschen, der das Menschsein, wie es in Ps 8 beschrieben ist, in vorbildlicher Weise erfüllt. Damit wird neben der christologischen auch eine anthropologische und soteriologische Deutung der Psalmverse erkennbar: Jesus ist als Mensch insofern repräsentativ, als er das Menschsein, wie es allen Menschen versprochen ist, erfüllt. Aus diesem Grund enthält die Auslegung des Psalms nicht nur Aussagen über das Schicksal Jesu Christi, sondern auch über das aller Menschen. Deshalb greifen hier christologische49 und anthropologische Lektüre des Psalms ineinander.50 Die anthropologische Interpretation des Psalmabschnittes im Hebr wird

47 48

49 50

Hurst, Christology, 155: „The theme of Ps. 8 in chapter two is God's plan for mankind." Attridge, Hebräer, 72, spricht von 'oracle'. Vgl. Lueken, Michael, 141; Goulder, Son of Man, 25; vgl. auch Peterson, Perfection, 51-55. So auch z.B. Hurst, Christology, 153; Gräßer, Menschensohn, 161. 163-165. - Anders Cullmann, Christologie, 193. S.E. habe der Hebr „offenbar ganz präzise Anschauungen in bezug auf die Menschensohnlehre". Vorsichtiger Goulder, Son of Man, 24f. 29: Er ist der Ansicht, dass der Hebr am Beginn der Menschensohnchristologie bzw. der Verwendung des Titels Menschensohn stehe. Menschensohn aus Ps 8 werde im Hebr zum ersten Mal (anders als noch bei Paulus) auf Jesus bezogen. Mk greife diesen Titel und die damit verbundene Bedeutung von Jesu Menschlichkeit auf und entwickle diesen weiter zur Menschensohnchristologie. Ahnlich auch Giles, Son of Man, 331. Die ausschließlich christologische Auslegung betonen z.B. Lohr, Anthropologie, 176f, Laub, Bekenntnis, 61-66; vgl. auch Loader, Sohn, 29-38. Eine auch anthropologische Auslegung vertreten März, Anthropologie, 36-42; Riggenbach, Hebräer, 40f; Gräßer, Menschensohn, 157-162; Gräßer, Hebräer I, 116118; Kögel, Sohn, 20-22; Kistemaker, Citations, 96f. 102-108. Vgl. auch Weiß, Hebräer, 197f: Dass Jesus der Mensch und Menschensohn aus Ps 8 sei, sei an sich eine anthropologische Deutung.

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Jesus Christus, der Sohn

dadurch verstärkt, dass das Zitat mit der allgemeinen Frage, was (τί) oder wer (τις)51 der Mensch ist, beginnt. Hebr 2,5-9 greift also zurück auf die Charakterisierungen des Sohnes in Hebr 1. Diese werden mit Ps 8 aufgenommen und neu interpretiert. Der Akzent liegt nun auf der Menschlichkeit und der Erniedrigung des Sohnes. Die Menschwerdung und die damit verbundene Solidarität von Sohn und Söhnen wird im weiteren Verlauf von Hebr 2 entfaltet.

3.2 Der Sohn und die Söhne als Brüder Hebr 2,9 liefert die christologische Interpretation von Ps 8,7: Jesus ist der um des Todesleidens willen mit Herrlichkeit und Ehre Gekrönte. Dabei wird die soteriologische Zielrichtung 52 dieser Interpretation ebenfalls erkennbar: Er schmeckte den Tod für alle bzw. zugunsten eines jeden (ύπερ παντός), und zwar durch Gnade Gottes (χάριτι θεοΰ). Die meisten Handschriften lesen in Hebr 2,9 χάριτι θεοΰ. Jedoch lesen auch einige Handschriften (0243; 1739*), sowie die Vulgata, Peshitta und einige Kirchenväter χωρίς θεοΰ. Damit wäre der Tod Jesu als fern von Gott bestimmt. 53 Die meisten Kommentatoren entscheiden sich allerdings für χάριτι θεοΰ. Dies fügt sich besser in den Zusammenhang, da die Verbindung zu Gott auch in Hebr 2,10 in den Vordergrund gestellt wird. Auch die Syntax spricht für χάριτι θεοΰ.54 Μ.Ε. sprechen v.a. der Zusammenhang von Hebr 2,9f für χάρι,τι. θεοΰ. Schließlich geht es um das eigentlich gottferne Sterben, das nicht ohne Gottes Willen und Zustimmung geschieht. Auf diese Aussage zielt die heilsgeschichtliche Auslegung von Ps 8 in Hebr 2. Außerdem betont χάρις wie auch ύπερ παντός εις δόξαν άγειν οδερ άρχηγδς της σωτηρίας αύτών die soteriologische Zielrichtung.

Mit dem Hinweis auf Gott und seine Gnade wird festgehalten, dass dieser hinter Jesu Lebensweg und Heilswerk steht. Der Gedanke wird 51 52 53

54

Zum textkritischen Problem von Hebr 2,5 z.B. Gräßer, Hebräer I, 116; vgl. auch Rüsen-Weinhold, Septuagintapsalter, 188-191. Vgl. den mit οπως eingeleiteten Finalsatz. Laub, Bekenntnis, 62, sieht in V9 die Wende von christologischer zu soteriologischer Interpretation. Vgl. ebd., 65f. Diese Lesart vertritt z.B. Elliot, Apart from God, 339-341. S.E. sei χωρίς θεοΰ die lectio difficilior, die später gegen den Nestorianismus in χάρι,τι. θεου verändert wurde. Für die Ursprünglichkeit von χωρίς θεοΰ spreche auch, dass χάρι,τι θεοϋ ansonsten nicht ohne Artikel stünde. Ähnlich auch Braun, Hebräer, 57, oder Michel, Hebräer, 139142. So z.B. Delitzsch, Hebräer, 64f; vgl. auch Riggenbach, Hebräer, 44-47; Gräßer, Hebräer, 124-126; Weiß, Hebräer, 200-202; Kögel, Sohn, 131-141.

Der Sohnestitel im Hebr

57

in Hebr 2,10 weiter ausgeführt: επρεπεν γαρ αύτώ δι' öv τά πάντα και δι' οΰ τά πάντα πολλούς υιούς εις δόξαν άγαγόντα τον άρχηγόν της σωτηρίας αύτών δια παθημάτων τελειώσαι. Zunächst wird Gottes Schöpfertätigkeit genannt: Durch ihn und um seinetwillen ist alles. Ihm geziemte es (επρεπεν), den Anführer des Heils durch Leiden zu vollenden, weil er viele Söhne in die Herrlichkeit führen wollte. 55 Der Titel ,Sohn' für Jesus Christus fällt hier nicht, Söhne werden jedoch alle Menschen genannt (Hebr 2,10). Jesu besondere Stellung wird mit der Benennung als Anführer des Heils (αρχηγός της σωτηρίας) herausgestellt. Die Verbindung mit den Söhnen wird über den Begriff des Heiligens (άγιάζειν) deutlich: Er ist derjenige, der heiligt (o άγιά(ων), die anderen Menschen sind die Geheiligten (οι άγια(όμενοι) (Hebr 2,11). Des Weiteren wird der Zusammenhalt von Sohn und Söhnen dadurch benannt, dass sie aus einem (εξ ενός) sind. Dies ist auch der Grund (αιτία), warum er sich nicht schämt, sie seine Brüder zu nennen (Hebr 2,11). Der Begriff Brüder (αδελφοί) leitet über zum Zitat von Ps 22 (LXX21),23 in Hebr 2,12: άπαγγελώ τό ονομά σου τοις άδελφοις μου εν μέσω εκκλησίας ύμνήσω σε. Die Beziehung vom Sohn zu Gott und zu den Brüdern, die in Hebr 12,12 benannt wird, findet sich auch im anschließenden Zitat von Jes 8,17f in Hebr 2,13 genannt: Auf Gott will er sein Vertrauen setzen: εγώ εσομαι πεποιθώς 4π' αύτώ. Und von Gott hat er auch die Kinder, also seine Brüder, bekommen: ιδού εγώ και τά παιδία α μοι εδωκεν ό θεός. Kinder (παιδία) wird als nächstes Stichwort aufgenommen, um die Menschwerdung Jesu, die auch das Sterben einschließt, und deren soteriologische Bedeutung zu beschreiben (Hebr 2,14-18): Weil die Kinder Anteil an Fleisch und Blut haben, so hat auch er selbst in gleicher Weise daran teilgenommen (και αύτός παραπλησίως μετέσχεν τών αύτών; Hebr 2,14). Dieses Gleichwerden wird aufgegriffen (vgl. Hebr 2,17: κατά πάντα τοις άδελφοις όμοιωθήναι) und dahingehend konkretisiert, dass er dieselben Versuchungen erlitten hat: έν ω γάρ πέπονθεν αύτός πειρασθείς δύναται τοις πειραζομένοις βοηθήσαι (Hebr 2,18). Dieses in jeder Hinsicht Gleichwerden mit den Kindern, seinen Brüdern, ist also notwendige Voraussetzung für seine Solidarität und für sein Heilswerk. Nur so kann er erlösen, indem er durch sein menschliches

55

Anders Loader, Sohn, 132: „Es war angemessen, daß in dem Akt, durch den viele zur Herrlichkeit gebracht wurden, Jesus gelitten hat." Hauptinteresse sei hier nicht das Heilswerk Jesu, sondern sein Leiden. Vgl. ebd., 126-137.

58

Jesus Christus, der Sohn

Sterben die Macht des Todes durchbricht und von der Todesfurcht befreit.56

4. Der Sohn Gottes als (Hohe-)Priester - Hebr 4,14; 5,5f; 7,28 Jesus Christus ist ,Sohn' und Jesus Christus ist ,Hohepriester'. Beide Titel sind im Hebr zentral, sie entstammen der Ansprache Gottes an Jesus. Bei beiden Titeln und den damit verbundenen theologischen Aussagen bleibt die Bestimmung eines Zeitpunkts der Amtseinsetzung unklar. Dennoch sind die Sohnschaft und das Hohepriesteramt insofern aufeinander bezogen, als dass sie jeweils auf Jesus Christus, dessen Person und Werk bezogen sind.57 Es ist keine zeitliche Abfolge, beispielsweise erst Sohn, dann Hohepriester, oder umgekehrt, feststellbar, sondern der Sohn ist der Hohepriester wie der Hohepriester Sohn ist.58 Dies wird deutlich in den wenigen Versen, in denen beide Titel genannt werden: Hebr 4,14 betont, dass wir einen großen Hohepriester haben (Ιχοντες ούν άρχι,φέα μέγαν), der die Himmel durchschritten hat, nämlich Jesus, den Sohn Gottes (Ίσουν τον υίόν τοΰ θεοΰ). Ähnlich hält auch Hebr 7,28 fest, dass das Wort des Eides den Sohn (υιός; absolut) zum Hohepriester einsetzt. Hebr 5,5f nennt beide Titel, indem sowohl Ps 2,7 als auch Ps 110 (LXX109),4 zitiert werden.59 Dieser Zusammenhang von Sohn und Hohepriester wird auch an der Figur des Melchisedek deutlich. Einerseits gleicht dieser dem Sohn Gottes (άφωμοι,ωμένος 6e τω υίω; Hebr 7,3), andererseits ist der Sohn Priester nach der Ordnung des Melchisedeks.60 Überwiegt dieser Zusammenhang und die Gleichwertigkeit von Sohnschaft und Hohepriesteramt Jesu, so ist dennoch eine sachliche Voranstellung der Sohnschaft festzustellen.61 Zuerst wird das Thema

56 57

58 59 60 61

Damit wird zugleich der Vorzug des menschgewordenen Sohnes vor den Engeln deutlich: Er wurde Mensch für die Menschen. Vgl. Lueken, Michael, 142f. Dennoch sind die Ausführungen zum Sohn von denen zum Hohepriester im Hebr unterschieden. Sie stehen im Hebr nicht zusammen, aber beide enthalten zentrale theologische und soteriologische Aussagen. Vgl. auch Haering, Gedankengang, 149.151-153. Vgl. Attridge, Hebräer, 146f. Zu Hebr 5,5f s.u. S. 116f. Vgl. zu Melchisedek ausführlich unten S. 132-140. Vgl. Isaacs, Space, 178. Sie spricht vom primären Status des Sohnes. - Diese sachliche Voranstellung des Sohnes hat insofern keine zeitlichen Implikationen, da es keine Zeit gibt, in der Jesus Christus nicht Sohn oder nicht Hohepriester ist. Beide Titel werden dem präexistenten Christus zugesprochen und haben ewige Geltung.

Der Sohnestitel im Hebr

59

Sohn im Hebr behandelt, dann das Thema Hohepriester und Kult. Diese Voranstellung des Sohnestitels wird sicherlich dadurch begünstigt, dass der Sohnestitel anders als der Hohepriestertitel schon im frühesten Christentum verbreitet war.62

5. Die Menschen als zu ermahnende Söhne in Hebr 12,4-11 In Hebr 12,4-11 werden die Menschen selbst als Söhne angesprochen. Hebr 12,4 dient als Einleitung und beschreibt die derzeitige Situation: ουττω μέχρις αίματος άντικατέστητε προς την άμαρτίαν ανταγωνιζόμενοι. Die Gemeinde hat noch nicht bis aufs Blut gegen die Sünde gekämpft. Auch wurde die Paraklese (παράκλησις) Gottes vergessen. Gott wird hier beschrieben als der, der zu euch als Söhne spricht (ήτις ύμιν ώς υίοΐς διαλέγεται.; Hebr 12,5). Die Angesprochenen werden hier Söhne genannt, womit direkt zum Zitat von Prov 3,llf in Hebr 12,5f übergeleitet wird. Auch hier lautet die Anrede υιέ μου. Die Menschen sind Söhne Gottes und ihnen gilt die alttestamentliche Mahnung. Diese hat ihre Gültigkeit nicht verloren.

6. Zusammenfassung: Die Bedeutung des Sohnestitels Der Sohnestitel spielt v.a. in Hebr lf eine herausragende Rolle. Der Hebr bedient sich unterschiedlicher Methoden, um die Bedeutung des Sohnes hervorzuheben und auch mittels der Schrift aufzuzeigen. Wird in Hebr 1,1-4 die hermeneutische Bedeutung des Sohnes als letztgültiger Offenbarung postuliert, so wird in Hebr 1,5-14 diese zentrale Bedeutung des Sohnes, der über den Engeln steht, mit sieben einzelnen alttestamentlichen Versen belegt. Diese werden aneinandergereiht, z.T. mit kurzen Sätzen eingeleitet, aber nicht weiter ausgelegt oder kommentiert. Als Worte Gottes an den Sohn haben sie ausreichend Beweiskraft. In Hebr 2,5ff dagegen wird Ps 8,5-7 zitiert und ausgelegt, so dass Gottes Heilsplan, nämlich die Präexistenz, Erniedrigung und Erhöhung des Sohnes, erkennbar werden kann.

62

So vermutet z.B. Bornkamm, Bekenntnis, 200-203, dass mit der Hohepriesterchristologie das Bekenntnis zum Sohn aus Hebr 1 ausgelegt werde. Vgl. auch Laub, Bekenntnis, 44f. u.ö. - Die Bekanntheit des Sohnestitels zeigt sich im Hebr ebenfalls im formelhaften Gebrauch dieses Titels, z.B. Hebr 4,14; 6,6; 10, 29.

60

Jesus Christus, der Sohn

Auch dem Sohn werden, ähnlich wie Gott in Hebr 1,5-14, in Hebr 2,12f einzelne alttestamentliche Verse in den Mund gelegt. Hier wird die Verbundenheit des Sohnes mit den Menschen und mit Gott erkennbar. Diese Bruderschaft' mit den Menschen wird in Hebr 2 weiter ausgeführt. Um den verschiedenen Aspekten des Sohnseins Jesu Christi nachzugehen, soll nun zunächst der Weg des Sohnes, die Frage nach dem Zusammenhang von Präexistenz, Erniedrigung und dem Sitzen zur Rechten Gottes nachgezeichnet werden (II). Anschließend wird die enge und einzigartige Beziehung zu Gott, die mit dem Sohnesbegriff zum Ausdruck gebracht wird, untersucht (III.). Doch steht der Sohn nicht nur in engem Verhältnis zu Gott, sondern der Sohnesbegriff beinhaltet auch Aussagen zum Verhältnis des Sohnes zu den Geschöpfen, d.h. zu den Engeln und den Menschen, die ebenfalls mit alttestamentlichen Texten belegt und ausgeführt werden (IV.). Die Hohepriesterthematik wird in den Teilen C und D behandelt.

II. Der Weg des Sohnes 1. Hebr 1 und die Präexistenz des Sohnes Der Weg des Sohnes scheint im Hebr klar mit dem im frühen Christentum verbreiteten dreigliedrigen Schema Präexistenz Erniedrigung - Erhöhung verbunden zu sein.63 Dies lässt z.B. die heilsgeschichtliche Auslegung von Ps 8 in Hebr 2 erkennen. Jedoch ist im Hebr selbst weder ein Interesse an einer eindeutigen chronologischen Zuordnung der Aussagen über den Sohn, noch an der Beschreibung einer zeitlichen Abfolge zu erkennen.64 Dies erschwert eine eindeutige Zuordnung der christologischen Prädikate. Das Thema Präexistenz nimmt im Hebr keinen großen Raum ein. Jedoch ist die Präexistenz des Sohnes im Hebr vorausgesetzt, anders

63

64

Gäbler, Kulttheologie, 171-211, dagegen beschreibt den Weg Jesu Christi als ,Gehorsam, Erhörung und Erhöhung'. Seine Auslegung beginnt nicht bei Hebr 1 und der Präexistenz, sondern bei Hebr 5,5-10 (Leidensgehorsam, Erhöhung und Fürbitte). Zum Problem der Frage nach dem Zeitpunkt der Sohnschaft vgl. z.B. Attridge, Hebräer, 54; Loader, Sohn, 10-14; Schenck, Appointment, 91-95; Laub, Bekenntnis, 58f.

Der Weg des Sohnes

61

wäre z.B. die Aussage über seine Schöpfungsbeteiligung65 nicht möglich. Auch heben die Prädikate in Hebr 1, zumal mit Partizipien im Präsens formuliert, die besondere Stellung des Sohnes hervor und betonen dessen dauerhafte, ewige Existenz.66 Hebr 1,5-14 spricht vom vorzeitigen, bereits erhöhten, ewigen Sohn.67 Die Zitateinleitungen geben mit Ausnahme von Hebr 1,668 keinen Hinweis auf den Zeitpunkt, zu dem sie gesprochen werden bzw. zu dem sie gültig sind. Die Einleitung des ersten Zitates und damit auch der Katena insgesamt verwendet ττοτε: „Zu wem der Engel hat er jemals gesprochen?" Diese rhetorische Frage verdeutlicht, dass keinem der Engel jemals solches gesagt wurde. Anders ist es für den Sohn: Ihm gelten die Aussagen dauerhaft.

Nicht nur die Zitateinleitungen, sondern auch die Aussagen der Zitatenreihe insgesamt haben den Charakter von allgemeinen, immer gültigen Aussagen. Sie geben Auskunft über die Stellung und grundsätzliche Charakterisierung der Engel und des Sohnes. Es gibt im Hebr keine Zeit, in der Jesus nicht der Sohn ist, und damit auch keine Zeit, in der diese Aussagen nicht zutreffen.69 Dennoch gibt es die Zeit der Menschwerdung, der Erniedrigung des Sohnes. Diese steht im Gegensatz zu der ihm eigentlich zukommenden Stellung, was die Auslegung von Ps 8 in Hebr 2,9f verdeutlicht: Er, der eigentlich über den Engeln steht, wird eine Zeit lang (βραχύ) unter sie gestellt. Die Stellung, die der Sohn anschließend, nach dem Ende seines Werkes bzw. Weges einnimmt, beschreibt der Hebr ausschließlich mit dem Sitzen zur Rechten Gottes, zu dem Gott in der Zitatenreihe (Hebr 1,13) auffordert.70 Es ist jedoch zu betonen, dass nach Hebr 1 der Sohn

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68 69 70

Vgl. zum Thema Schöpfung z.B. κατ' άρχάς in Hebr 1,10. Dazu Gräßer, Hebräer I, 90-92. Meier, Structure, 182, spricht von „timeless preexistence". Erst in Hebr 1,3 bei der Formulierung der einmal geschehenen Reinigung von den Sünden wechselt die Zeit vom Präsens zum Aorist. Vgl. auch Weiß, Hebräer, 147f. Dass Hebr 1,5-14 vom erhöhten Sohn spricht, ist durchweg die Meinung der Kommentatoren, z.B. Gräßer, Hebräer I, 58.71; Weiß, Hebräer, 156; Meier, Symmetry, 505f; Käsemann, Gottesvolk, 58-61; Thompson, Beginnings, 130f. Jedoch wird meist (ausschließlich) die Zeit nach der Menschwerdung als Zeit der Erhöhung verstanden. So ausdrücklich Gleason, Angels, 97f; Loader, Sohn, 17; Schenck, Celebration, 484f. Dass Jesus schon zuvor der Sohn ist, der eine Hoheitsstellung innehat, wird in der Auslegung selten berücksichtigt. Das zeigt sich v.a. in der Interpretation von Hebr 2,9f. S.u. S. 61f. - Laub, Bekenntnis, 57-61, stellt heraus, dass in Hebr 1, 5-14 nicht nur an die endzeitliche Erhöhung des Sohnes gedacht werde, sondern dass ebenfalls Elemente der Präexistenzchristologie und der adoptianistischen Christologie eine Rolle spielen. Siehe dazu ausführlich unten 88-91. So auch Lee, Messiah, 271-278. S.u. S. 70-73.

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Jesus Christus, der Sohn

bereits präexistent die ihm vorgesehene Herrschaftsstellung ausfüllt und sie ihm nicht erst nach seiner Menschwerdung zukommt.71 Sie wird so zur Voraussetzung seines Menschseins. Nach der Zeit der Inkarnation bzw. Erniedrigung nimmt der Sohn die endgültige Herrschaftsposition zur Rechten Gottes ein.

2. Die Menschwerdung des Sohnes als Erfüllung des göttlichen Heilsplanes zugunsten aller Menschen Die Menschwerdung Jesu bedeutet im Hebr v.a. ein Gleichwerden mit den Menschen. Der Sohn wird um der Menschen willen Mensch und teilt dasselbe Schicksal: Er nimmt Fleisch und Blut an (επει οΰν τά παιδία κεκοινώνηκει; αίματος και σαρκός και αύτός παραπλησίως μετέσχει; τών αύτών; Hebr 2,14), wird wirklich Mensch und stirbt. Dass diese Erniedrigung des Sohnes nicht im Gegensatz zu Gottes Heilshandeln, sondern in Ubereinstimmung mit diesem geschieht, betont Hebr 2,5ff. Den Zusammenhang der besonderen Ehre des Sohnes und seiner Erniedrigung stellt Hebr 2,9 heraus: τον δε βραχύ τι παρ' αγγέλους ήλαττωμένον βλέπομεν Ίησοϋν δια τό πάθημα τοϋ θανάτου δόξη κα'ι τιμή εστεφανωμένον δπως χάριτι θεοΰ ύπερ παντός γεύσηται θανάτου. Jedoch wird zumeist δια τό πάθημα τοΰ θανάτου als Grund oder Voraussetzung der anschließenden Erhöhung, der Krönung mit Herrlichkeit und Ehre verstanden. 7 2 Allerdings ergeben sich aus diesem Verständnis Schwierigkeiten mit dem angeschlossenen οπως-Satz, der als Finalsatz die Konsequenz aus dem Vorherigen ziehen will. Das genannte Schmecken des Todes zugunsten aller muss deshalb als Folge der vorher genannten Krönung mit Ehre und Herrlichkeit verstanden werden. Das widerspricht einer Interpretation des Leidens und Sterbens als Voraussetzung der Erhöhung. 7 3 Eine kausale Interpretation von διά ist 71

72 73

Hofius, Christushymnus, 93-95, vergleicht dies mit den alttestamentlichen Aussagen über JHWHs König-Sein: Er ist immer König, und von ihm wird gesagt, dass er König wird; vgl. z.B. Ps 47,3.8; Ps 22,29; Sach 14,9; Ob 21. Ähnlich schlägt Schenck die Unterscheidung von identity und role vor. Seiner identity, also seines Wesens nach, sei Jesus immer Sohn, aber als role fülle er dieses erst nach seiner Inthronisation aus. Vgl. Schenck, Appointment, 99. Vgl. Auch Michel, Hebräer, 103. Er zeigt am Begriff des Erben, dass der Erbe immer Erbe ist, aber erst zu einem bestimmten Zeitpunkt das Erbe antritt. Das gelte auch vom Sohn. Vgl. ebenfalls Laub, Bekenntnis, 20f. So z.B. Gräßer, Hebräer I, 119.121.123; Weiß, Hebräer, 199; vgl. auch Kögel, Sohn, 40; Riggenbach, Hebräer, 41f; Leschert, Foundations, 112f; Gäbler, Kulttheologie, 146151. Vgl. Michel, Hebräer, 139. 141f; Windisch, Hebräer, 20f; Gräßer, Hebräer I, 123f.

Der Weg des Sohnes

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deshalb unwahrscheinlich, eine intentionale Bedeutung, die den Zweck bzw. die Intention benennt, erscheint plausibler: ,um des Todesleidens willen'. 74 Diese Interpretation wird durch die Erwähnung von ,δόξα' unterstützt. Hier kann auf die allgemeingültige Aussage über den Sohn in Hebr 1,3, απαύγασμα της δόξης, zurückgegriffen werden. Die Ausstattung mit Herrlichkeit geschieht nicht erst nach der Menschwerdung, sondern bereits davor.

δια τό πάθημα τοϋ θανάτου beschreibt nicht die Voraussetzung der Erhöhung des Sohnes, sondern es benennt den Zweck bzw. das Ziel, um dessentwillen der Sohn mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt wurde (δόξη καΐ τιμή εστεφανωμέυον).75 Um des Todesleiden willen wurde der Sohn Jesus mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt, damit er durch die Gnade Gottes den Tod zugunsten aller schmeckte. Gerade hierin liegt die theologische Interpretation der Menschwerdung Jesu: Es ist der göttliche Sohn, wie in Hebr 1 beschrieben, der Mensch wird und leidet.76 Die Erhöhung bzw. Hoheitsstellung erfolgt nicht erst anschließend. Auf diese Weise wird Ps 8 ausgelegt und als Abriss der Heilsgeschichte verstanden: Es ist Gottes Plan und seine Gnade (vgl. χάριτι Beofj; Hebr 2,8), dass sein mit Herrlichkeit gekrönter Sohn Mensch wird - bis zum Tod. So erwirkt dieser Heil. Diese Auslegung von Ps 8 in Hebr 2,5ff ist insofern heilsgeschichtlich zu nennen, als dass ein alttestamentlicher Text so interpretiert wird, dass in ihm Gottes Heilsplan, konkret die Menschwerdung Jesus Christi, ablesbar wird. Die Geschichte wird mit Hilfe des Psalmtextes als Heilsgeschichte interpretiert. Doch nicht nur die Auslegung des alttestamentlichen Psalms verdeutlicht die Übereinstimmung des Weges Jesu mit dem Willen Gottes. Auch die Formulierung επρεπεν γαρ αύτω in Hebr 2,10 bringt die Notwendigkeit und Angemessenheit des Lebens und Leidens Jesu zum Ausdruck. „The use of the expression enpenev θεώ shows how deeply the writer was committed to the idea of Christ's sufferings and death as part of God's method of saving man." 77

74

75 76 77

Vgl. BDR § 222. Siehe auch Hegermann, Hebräer, 68: „Der folgende οπως-Satz legt jedoch eine intentionale Bedeutung der διά-Wendung näher: lesu Erhöhung erfolgte um der Inmachtsetzung seines Todesleidens willen." Vgl. Delitzsch, Hebräer, 63; vgl. Hegermann, Hebräer, 68f. Vgl. auch Hebr 5, 8: καίιτφ ών υιός. S.u. S. 95-97. Williamson, Philo, 91. Vgl. ebd., 88-93; Gräßer, Hebräer I, 126f; Übelacker, Appell, 171f; Peterson, Perfection, 55f Liddell/Scott, 1461. Eine ähnliche Bedeutung hat auch ώφειλεν in Hebr 2,17.

Jesus Christus, der Sohn

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Die Entscheidung Gottes für das Heil der ,Söhne' w i r d anhand

der

a b s o l u t e n s o t e r i o l o g i s c h e n B e g r i f f e d e u t l i c h : χάριτι θεοΰ 78 i n H e b r 2 , 9 ; σωτηρία u n d δόξα i n H e b r 2 , 1 0 ; άγιάζειν i n H e b r 2 , 1 1 . D a s s d i e s m ö g l i c h s t v i e l e n b z w . a l l e n M e n s c h e n gilt, b r i n g e n ύπερ παντός i n H e b r 2 , 9 u n d πολλοί υίοί i n H e b r 2 , 1 0 z u m A u s d r u c k . E b e n s o b e t o n t H e b r 2 , 1 6 , w i e s c h o n H e b r 2,5, dass das Heil nicht d e n Engeln, s o n d e r n d e n M e n s c h e n z u k o m m t . D i e s e w e r d e n a l s σπέρμα 'Αβραάμ b e z e i c h n e t , w a s k e i n e b i o l o gische Herkunft meint, sondern s y n o n y m zu ,Söhne' verwendet wird.79

Exkurs:

Der erste

und der neue Bund

im

Hebr

Eine heilsgeschichtliche Interpretation alttestamentlicher Texte, w i e sie z.B. in Hebr 2,5ff zu finden ist, w i r d durch die Bundesthematik 8 0 bestärkt. D a h e r soll diese hier in den Blick g e n o m m e n werden. D i e R e d e v o m n e u e n Bund 8 1 n i m m t im Hebr d e s w e g e n breiten R a u m ein, weil der Text aus Jer 31 (LXX38),31-34 z w e i m a l zitiert wird. Einmal vollständig in Hebr 8,8-12, ein weiteres Mal in einer verkürzten Version in H e b r 10,15ff. D e s Weiteren w i r d mit d e m Zitat von Ex 24 in H e b r 9 die B u n d e s t h e m a t i k a u f g e n o m m e n u n d mit d e m S ü h n o p f e r g e d a n k e n verknüpft. A u ß e r d e m w e r d e n in H e b r 9,4 die B u n d e s l a d e (κιβωτός της διαθήκης) u n d die Bundestafeln (α! πλάκες της διαθήκης) genannt. Insgesamt v e r w e n d e t der Hebr διαθήκη 17 mal. 8 2

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82

Zum textkritischen Problem s.o. S. 56. Vgl. Dunnill, Covenant; 203-209; Weiß, Hebräer, 221f; Michel, Hebräer, 163; Gräßer, Hebräer I, 149-151; Hegermann, Hebräer, 78f. Der Problematik der Ubersetzung von διαθήκη bzw. rria mit Bund bin ich mir durchaus bewusst. Ich bleibe dennoch bei dieser geläufigen Ubersetzung. Anders z.B. Kutsch, Fehlübersetzung, der in Bezug auf die Stellen im Hebr von Setzung spricht; vgl. ebd., 96-107. Zur Bedeutung von rria im AT ders., Verheißung, 1-173. Zur Terminologie auch Backhaus, Bund, 33-39. Mit der Rede vom Neuen Bund steht der Hebr nicht allein. Zu zwischentestamentlichen Vorstellungen eines Neuen Bundes vgl. z.B. Lichtenberger/ Schreiner, Bund, 272-282; Lichtenberger, Bund, 401-410; Lehne, Covenant, 35-42. 54-58; Backhaus, Bund, 283-290. Die Rede vom Neuen Bund existiert im Neuen Testament bei Paulus und in der Abendmahlstradition. Paulus spricht vom Neuen Bund, zitiert aber Jer 31 (LXX38) nicht. Zum Neuen Bund bei Paulus vgl. z.B. Luz, Bund, 319-328; Backhaus, Bund, 297-306; Lehne, Covenant, 63-80; Lichtenberger, Bund, 411-413. Zur Abendmahlstradition vgl. z.B. Vogel, Heil, 79-97; Lehne, Covenant, 80-88. Eine Verbindung zu dieser Tradition ist im Hebr nicht erkennbar. Anders Backhaus, Bund, 232, der die Herrenmahlparadosis als ursprünglichen Lebens- und Reflexionszusammenhang der διαθήκη -Theologie ansieht. Vgl. Ebd., 228-232. 291-297. Vgl. auch Frey, diatheke, 296f. Nämlich Hebr 7,22; 8,6.8.9[2x].10; 9,4[2x].15[2x],16.17.20; 10,16.29; 12,24; 13,20. Damit fallen die meisten der 33 neutestamentlichen διαθήκη - Belege auf den Hebr.

Der Weg des Sohnes

65

Das Thema Bund wird im Hebr hauptsächlich im Kontext der Hohepriesterthematik behandelt, jedoch ist es mit diesem nicht so eng verwoben, wie es zunächst scheint. Die Aussagen zum Bund werden eher als eine Art Zusatzinformation eingeführt. 83 In Hebr 7,22 wird Jesus unvermittelt, nur mit κατα τοσούτο verbunden, Bürge eines besseren Bundes (κρείττονος διαθήκης εγγυος84) genannt. Weiter wird auf das Bundesthema im Kontext von Hebr 7, in dem die Höherwertigkeit des Priesters nach der Ordnung des Melchisedeks begründet wird, nicht eingegangen, κατά τοσούτο knüpft an καθ' οσον (V20) an und ist als Schlussfolgerung formuliert 85 : In dem Maße dies (gemeint ist die Einsetzung Jesu als Priester) nicht ohne Eidschwur (geschah) (V20), in eben dem Maße ist Jesus Bürge eines besseren Bundes geworden (V22). Allerdings ist unklar, inwiefern die vorher genannte, mit Eidschwur vollzogene Einsetzung Jesu zum Priester nach der Ordnung des Melchisedek (Hebr 7,21 zitiert Ps 110 (LXX109),4) dessen Bundesbürgschaft tatsächlich begründet. 86 Man könnte allerdings Hebr 7,20-22 als eine allgemeine Aussage, keine unmittelbare Begründung verstehen. Eine solche Satzkonstruktion (καθ' οσον ... κατα τοσούτο) wäre dann mit allen christologischen Aussagen möglich, z.B. wie er Sohn wurde, so wurde er auch Hohepriester. Dies könnte dann zum einen darauf verweisen, dass Jesus Christus durch Gott alle seine Funktionen erhalten hat. Zum anderen würde hier auch ein Umgang mit der Schrift erkennbar: So wie die einen Texte bzw. alttestamentlichen Aussagen auf Jesus Christus bezogen werden können, nämlich die Einsetzung Jesu als Priester mit Eidschwur (Ps 110 (LXX109),4), so können andere Texte (z.B. Jer 31 (LXX38),31-34) auf diesen bezogen werden. In Hebr 8 scheint die Bundesthematik ebenfalls mit der Hohepriesterthematik verbunden, doch tatsächlich stehen beide Themen nebeneinander. In Hebr 8,1-5 wird Jesu himmlischer Priesterdienst dem irdischen 83

84

85 86

Vgl. Vogel, Heil, 325: „Auch unabhängig vom Bundesbegriff lässt sich eine geschlossene und stringente Beweisführung über die Legitimität des Hohepriestertums Christi rekonstruieren. Nahezu sämtliche Charakterisitika des ,Bundes' sind sekundäre Übertragungen aus anderen Kontexten." Vgl. ebd., 323-332. Anders Backhaus, Bund, 73t. u.ö., der διαθήκη als strukturierenden Leitbegriff des Hebr ansieht. Dabei gelte es, „von Anfang an die priestertums- und kulttheologische Konnotation des Begriffs wahrzunehmen" (ebd., 86; vgl. ebd., 366). Zur schon alttestamentlichen Verbindung von Priestertum und Bund ebd., 111-115. εγγυος / Bürge ist hapax legomenon im Neuen Testament, ein Begriff aus dem juristischen Sprachgebrauch, vgl. z.B. Backhaus, Bund, 82-85; Preisker, ThWNT II, 329. Ansonsten verwendet der Hebr den Begriff μεσίτης (z.B. Hebr 8,6). Vgl. z.B. Bauer, 827; Delitzsch, Hebräer 299; Weiß, Hebräer, 409. Gräßer, Hebräer II, 54f. Dass keine wirkliche Begründung vorliegt, bemerken auch z.B. Gräßer oder Backhaus. ledoch sehen beide im neuen Bundesbegriff eine Zuspitzung der bisherigen Gedanken. „Der mit der Eidzusage geltend gemachte Vorzug des melchisedekischen Priestertums wird in V22 zusammenfassend auf einen neuen Begriff gebracht" (Gräßer, Hebräer II, 55; vgl. ebd., 53f). Vgl. Backhaus, Bund, 122-124; zu Hebr 7 insgesamt ebd., 79-125.

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Jesus Christus, der Sohn

gegenübergestellt. In Hebr 8,6 wird festgehalten, dass er nun einen vortrefflicheren Dienst erlangt hat (νυν[ι] δε διαφορωτέρας τέτυχεν λειτουργίας). Mit οσω και angeschlossen wird erwähnt, dass er Mittler eines besseren Bundes ist (κρείττονος έστιν διαθήκης μεσίτης87), der aufgrund besserer Verheißungen gestiftet worden ist. Anschließend wird Jer 31 (LXX38),313488 ausführlich zitiert, eingeleitet als Tadel Gottes (μεμφόμενος γαρ αυτούς λέγει).89 Mit οσω και (Hebr 8,6) wird formal an das Vorherige angeknüpft, ohne dass hier jedoch ein inhaltlicher Zusammenhang erkennbar wäre: Er hat nun einen vorzüglicheren Dienst, wie er auch Mittler eines besseren Bundes geworden ist. Worin die Verbindung von Jesu Priesterdienst und seiner Eigenschaft als Bundesmittler liegt, wird wie in Hebr 7,22 nicht gesagt. Eine Begründung für Jesu Bundesmittlerschaft, die in seiner Priesterschaft liegt, ist nicht erkennbar. 50 Auch hier ist (wie oben zu Hebr 7,22) folgende Interpretation möglich: Beides, sein Priestertum und seine Eigenschaft als Bundesmittler, beruhen auf derselben Grundlage, nämlich auf Gottes Willen. Damit ist beides auch mit alttestamentlichen Zitaten belegbar. Folgendes Fazit ist zu ziehen: Das in Hebr 8,8ff zitierte Jeremiawort begründet zwar die Existenz des neuen Bundes, nicht aber die Verbindung zu Jesu Priesterdienst. Dass die Verheißung eines neuen Bundes den alten für veraltet und wertlos erklärt, machen die Zitateinleitung in Hebr 8,7, ε'ι γαρ ή πρώτη εκείνη ην αμεμπτος ούκ αν δευτέρας έζητεΐτο τόπος, sowie der interpretierende Vers am Ende des Zitats, εν τω λέγειν καινήν πεπαλαίωκεν την πρώτην. τό δε παλαιουμενον καΐ γηράσκον έγγϋς αφανισμού (Hebr 8,13), deutlich. Inhaltlich spielt die Verheißung des neuen Bundes aus Jeremia keine Rolle, weder die in die Herzen geschriebene Tora noch die enge Verbindung von Gott und Volk werden im Hebr aufgenommen. 91 Einzig

87 88

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91

Zum Begriff μεσίτης z.B. Backhaus, Bund, 138-146; Oepke, ThWNT IV, 602-629. Zu Jer 31 (LXX38), 31-34 vgl. z.B. Neef, Bundestheologie, 14-16; Kutsch, Verheißung, 143-146; Lehne, Covenant, 32-34; Groß, Bund, 48-62. Letzterer plädiert dafür, diesen Text nicht wie üblich als dtr. Text zu verstehen, sondern betont, dass hier von einem reinen Gnadenbund die Rede ist. Zum Zitat auch Schröger, Schriftausleger, 161-168; Gräßer, Hebräer II, 98f; Kistemaker, Citations, 40-42; Backhaus, Bund, 170-172. Vgl. Gräßer, Hebräer II, 97: Die ursprüngliche Heilsprophetie werde zur Scheltrede umfunktioniert. Vgl. auch Hübner, Theologie III, 44-47. Anders Backhaus, Bund, 133f. 153-157, oder Frey, diatheke, 275f: „Damit ist die Formulierung von 7,22 in variierter Form wieder aufgenommen und weitergeführt: Es geht nun nicht mehr wie in 7,22 um den Akt der Einsetzung Christi in sein Priesteramt (γεγονεν), sondern um den Status des Erhöhten (εστίν), der die Voraussetzung des himmlischen Charakters seiner λειτουργία ist." So auch Gräßer, Hebräer II, 78. 92. 95. S.E. enthält Hebr 8,6 die vorgeschobene These, die im folgenden begründet wird. Jedoch wird mit dem Jeremiazitat nicht der Zusammenhang von Jesu Priesterdienst und seiner Bundesmittlerschaft beleuchtet, sondern die gottgewollte Notwendigkeit eines neuen Bundes zum Ausdruck gebracht. Dies unterscheidet den Hebr z.B. von der Vorstellung des neuen Bundes in Qumran. Dort ist die Hoffnung auf den neuen Bund verknüpft mit der Hoffnung auf den neuen, reinen Tempel und der Verheißung, dass die Gesetze gehalten werden, ohne

Der Weg des Sohnes

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das Stichwort καινή διαθήκη interessiert, nicht das ganze Zitat.92 Die Rede vom neuen Bund erklärt so den ersten für veraltet und mit Mangel behaftet. „Deshalb ist die dem Passus häufig verliehene Überschrift ,Der neue Bund' nicht textgerecht; Thema ist vielmehr: ,Die schriftgemäße Ablösung des ersten Bundes durch Gott'." 53 In Hebr 9 werden nun kultische und bundestheologische Überlegungen aufeinander bezogen. In Hebr 9,15 werden Jesu Tod und seine Bundesmittlerschaft genannt. 94 Allerdings ist hier nicht Jer 31 (LXX38),3134 der alttestamentliche Referenztext, sondern Ex 24 (vgl. das Zitat von Ex 24,8 in Hebr 9,20). Der Bundesschluss am Sinai wird als Sühnopferzeremonie verstanden, und Parallelen zwischen erstem Bundesschluss und dem Bund, der durch den Hohepriester Jesus Christus geschlossen wurde, werden gezogen (Hebr 9,15.18-26).95 In diesem Kontext ist dann auch vom Blut des Bundes (αίμα τής διαθήκης) die Rede (Vgl. Hebr 9,20 = Ex 24,8; Hebr 10,29; 13,20).96 Auch spielt der Hebr mit der Doppeldeutigkeit von διαθήκη im Sinne von Bund oder Testament, um die Notwendigkeit des Todes zum Ausdruck zu bringen (Hebr 9,16f). Denn nur durch den Tod tritt ein Testament in Kraft. In Hebr 9 werden also die in Hebr 7,22 und 8,6 angeklungenen Verbindungen von Christi Priestertum und Bundesverständnis ausgeführt 97 - allerdings mit anderem alttestamentlichen Referenztext. Die Rede vom Blut des Bundes, die aus Ex 24,8 aufgenommen wird, verdeutlicht diese kultische oder sühnetheologische Interpretation des Bundesmotivs. Es liegt nahe, zwischen dem Verständnis von Jer 31 (LXX38) und dem vom Bundesopfer aus Ex 24, das der Hebr als Sühnopfer versteht, zu unterscheiden. Bei der Rezeption von Ex 24 stehen sich der alte Kult, d.h. das levitische System, und der neue Bund bzw. Kult, d.h. das einmalige Opfer des Hohepriesters Jesus Christus, gegenüber. 98 Es gibt Parallelen in

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dass jedoch Jer 31 (LXX38) zitiert wird. Siehe z.B. lOpHab 1.16- 2.10a; CD 6. 17-19; CD 8.20-21; CD 19.34; CD 20. 11-13. Vgl. Lehne, Covenant, 43-46. Zum Vergleich mit dem Hebr ebd., 47-54; siehe auch Lichtenberger, Bund, 401-406. Vgl. Frey, diatheke, 278-280; Erlemann, Alt und Neu, 355. - Anders ist dies bei der Wiederaufnahme dieses Zitats in Hebr 10,15-20. Diesmal wird nicht der ganze Text, sondern nur Jer 31,33f zitiert. (Zum Zitat z.B. Schröger, Schriftausleger, 177-179.) Der Fokus liegt nicht auf dem neuen Bund, sondern auf der zugesagten Vergebung der Sünden. Hier wird außerdem der Heilige Geist als Sprecher des Zitats genannt, nicht wie in Hebr 8 Gott. Zum Heiligen Geist vgl. den Exkurs in Teil D; zu den Zitateinleitungen auch oben S. 40f. Backhaus, Bund, 159. Zu Hebr 8,7-13 ebd., 157-181. Backhaus, Bund, 186, und im Anschluss an ihn Frey, diatheke, 296, verstehen Hebr 9,15 als Summe der gesamten διαθήκη -Theologie des Hebr. Vgl. Backhaus, Bund, 186-194. Vgl. Young, Use, 148f; auch Frey, diatheke, 281-291. Zur Bedeutung des Blutes s.u. S. 171-174. Vgl. Vogel, Heil, 101; ebd., 97-102. Was Hebr 9 und die Aufnahme von Ex 24 angeht, ist Theobald, Zwei Bünde, 312, zuzustimmen: Gegenbegriff zum neuen Bund ist hier nicht alter Bund, sondern irdischer Kult. Dies gilt allerdings nicht für den gesamten Hebr.

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der Einsetzung des Kultes (Blutbesprengung, Sühnopfer), aber eben auch deutliche qualitative Unterschiede, da das einmalige Opfer Christi allen anderen Opfern überlegen ist." Der Text aus Jer 31 (LXX38) wird im Hebr nicht mit der Opferthematik verknüpft. Vielmehr erscheint er als ein zusätzlicher (Schrift-) Beleg dafür, dass schon im Alten Testament selbst die Mangelhaftigkeit der Institutionen erkannt werden kann.100 Der erste Bund (πρώτη διαθήκη) ist durch den neuen (καινή in Hebr 8,8.13; 9,15; vka in Hebr 12,24), besseren (κρείτων in Hebr 7,22; 8,6) und ewigen (αιώνιος in Hebr 13,20) Bund abgelöst.101 Jesus ist derjenige, der die Verheißung des neuen Bundes erfüllt. Er ist der Bundesmittler oder Bundesbürge (Hebr 7,22; Hebr 8,6; 9,15; 12,24). Der Bund ist dabei immer Gottes Bund, nie der Bund Christi.102 Der Text Jer 31 (LXX38),31-34 wird insofern heilsgeschichtlich interpretiert, als auch hier - ähnlich wie in Ps 8 - der Wille Gottes erkennbar wird, dass mit Jesus Christus tatsächlich Gottes Heilsplan erfüllt ist, dass der Ablauf der Geschichte Gottes Willen entspricht und auch in alttestamentlichen Texten ablesbar ist. Der Akzent liegt jedoch nicht auf der Abfolge zweier Bünde, sondern darauf, dass das Ende des ersten Bundes schon im alttestamentlichen Text Jer 31 (LXX38) mit der Verheißung des Neuen Bundes festgehalten ist.103 Die Testamentsthematik (Hebr 9,16f) hält zudem fest, dass es für den Hebr keine parallele Existenz zweier Bünde gibt. Auch wird διαθήκη nicht als übergreifender Begriff für Gottes gesamtes Heilshandeln verstanden,104 der ewige Bund, von dem Hebr 13,20 spricht, ist der neue in Jesus Christus geschlossene Bund.

3. Der Tod des Sohnes - Hebr 2,14f Der Tod Jesu gehört zu seinem Leben und Leiden selbstverständlich dazu. Auch hierin ist er mit seinen Brüdern verbunden, er stirbt denselben Tod wie sie. Vielleicht ist dies ein Grund dafür, dass zwar der Tod Jesu, sein Sterben, das mit allen Menschen Gemeinsame, aber 99

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Auch wenn die Parallelen der beiden Bundeszeremonien in Hebr 9,18ff zu überwiegen scheinen, bleibt der qualitative Unterschied durchgängig bestehen. Vogel, Heil, 330f, sieht allerdings in der Rezeption von Ex 24 eher die Gemeinsamkeiten von erstem und neuem Bund, in der von Jer 31 (LXX38) eher die Gegensätze bzw. die Uberbietung des alten durch den neuen Bund. Für Lehne, Covenant, 117, ist die Idee des Neuen Bundes dennoch das Herzstück der Relation von Altem und Neuem (Kult-) System im Hebr, auch wenn der Neue Bund nicht immer explizit erwähnt wird. Vgl. ebd., 119-124. Dazu Backhaus, Bund, 247-250. Vgl. Backhaus, Bund, 172-177. Backhaus, Bund, 262-264, spricht daher vom Bund als theozentrischer Kategorie. Vgl. Backhaus, Bund, 177-181; Theobald, Zwei Bünde, 313f. Vgl. Luz, Bund, 332: „Nirgends auch erscheint im Hebr. ,Bund' als beiden Heilssetzungen gemeinsame Strukturbezeichnung." Vgl. Backhaus, Bund, 246.

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nicht das Kreuz, der besondere Tod Jesu, im Hebr zentral ist.105 Es geht im Hebr bei der Darstellung von Jesu Leben und Passion gerade nicht um dessen Einzigartigkeit oder Besonderheit, sondern vielmehr u m die Gleichheit, die ihn auf diese Weise mit allen Menschen verbindet. 106 Dadurch unterscheidet sich der Sohn von den Engeln, die πνεύματα bleiben.107 Jesu Tod und dessen soteriologische Bedeutung wird im Hebr meist in kultischen Kategorien versprachlicht. Jedoch wird in Hebr 2,14f eine andere Deutung des Todes Jesu geleistet, der ihn als Sieg über den Teufel und als Befreiung aus der Knechtschaft der Todesfurcht versteht.108 Diese Interpretation des Todes Jesu stellt die Gemeinsamkeit mit den Menschen in den Vordergrund. Es geht nicht in erster Linie um die Beseitigung der Sünden, sondern um die allgemeine Befreiung von der Macht des Todes bzw. des Teufels.109 Der Sohn geht den Weg des Menschen von Beginn bis zum Ende. Dadurch ist er den Menschen als seinen Brüdern in unvergleichlicher Weise verbunden. 110 Sein Leben wird so zu einem exemplarischen menschlichen Leben, jedoch nicht in ethischem Sinn. Er nimmt Fleisch und Blut an (αίματος καΐ σαρκός μετεσχεν; Hebr 2,14), durchlebt Leben und Tod wie alle Menschen und befreit mit seinem Tod von der mit

105 Dass das Sterben Jesu, nicht aber das Kreuz für den Hebr wichtig sei, bemerkt auch Walter, Christologie, 69. Zur Bedeutung des Todes Jesu im Hebr vgl. Lohr, Wahrnehmung, bes. 457-459. 106 Vgl. unten S. 95-97. 107 De Jonge / van der Woude, 11 Q Melchizedek, 317f, sehen in diesem Leiden und Sterben Jesu den qualitativen Unterschied zu den Engeln bzw. zu anderen himmlischen Wesen, der seine Überlegenheit begründe. Durch diese Heilsvor-stellung sei der Hebr von Vorstellungen aus Oumran deutlich unterschieden. Eventuell richte sich der Hebr gegen solche „angelic warrior-soteriology like that found in llQMelch." Dazu auch Gleason, Angels, 97-107. 108 Loader, Sohn, 115f, betont, dass diese unterschiedlichen Deutungen des Todes Jesu innerhalb des Hebr zu Spannungen führen; vgl. auch Gräßer, Heilsbedeutung, 181. 109 Dass damit die Rezeption eines gnostischen Mythos bzw. einer gnostischen Erlösungsvorstellung im Vordergrund steht, ist nicht überzeugend. So aber Käsemann, Gottesvolk, 99-105; Gräßer, Heilsbedeutung, 183-200. - Das Gleichwerden mit den Menschen ist auch in anderen frühen christlichen Texten, z.B. Phil 2 oder Kol 1 zu finden. Vgl. Laub, Bekenntnis, 67f. 74-76. 78f.85-87; auch Barth, Tod Jesu, 90-95. 110 Vgl. Kögel, Sohn, 73: In die Gemeinschaft der Menschen „kann nur eintreten, wer sich diesen Existenzbedingungen unterzieht." - Dass die Erniedrigung Jesu und damit sein Menschsein dennoch als kurz (βραχύ; Hebr 2,9) bezeichnet wird, heißt nicht, dass dies bedeutungslos ist. Die Kürze dieser Zeitspanne ist an der Ewigkeit des Sohnes gemessen. So auch Walter, Christologie, 69f. „Das irdische Leben hat im Ganzen der Christologie des Hebräerbriefes konstitutive Bedeutung." (ebd., 70). Vgl. Roloff, Hohepriester, 164; Riggenbach, Hebräer 42.

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Jesus Christus, der Sohn

dem Tod verbundenen Todesfurcht, die nichts anderes als Knechtschaft bedeutet. In diesem Sinne ist er αρχηγός, Anführer des Heils (Hebr 2,10), da er den Weg als erster geht. „Der Term αρχηγός in Hebr 2,10 ist so einmal von der Memoria der Passio Jesu, dann aber von der Hoffnung auf die durch Christus erwirkte eschatologische Soteria bestimmt." 111

4. Sitzen zur Rechten Gottes - die Bedeutung von Ps 110 (LXX109),1 im Hebr Ps 110 (LXX109) ist ein Königspsalm, vermutlich zum Anlass der Inthronisation,112 aus dem die Orakelsprüche in den Versen 1-4 hervorstechen.113 Diese sind Gottes Worte an den König: Er soll sich zu seiner Rechten setzen, die Feinde werden ihm zu Füßen gelegt, inmitten der Feinde wird er herrschen. Vom Mutterschoß an war er heilig, und mit dem Schwur Gottes verbunden wird er als Priester nach der Ordnung des Melchisedeks in Ewigkeit angesprochen.114 Ps 110 (LXX109),1.4 werden im Neuen Testament zitiert, V 4 allerdings nur im Hebr 115 . Gerade das Motiv des Sitzens zur Rechten Gottes findet im Neuen Testament und im frühen Christentum weite Verbreitung. Dabei kann davon ausgegangen werden, „daß alle Aussagen, die vom Sitzen bzw. Sein des erhöhten Christus ,zur Rechten Gottes' sprechen, direkt oder indirekt von Ps 110 (LXX109),1 abhängig sind." 116 Dadurch ist Ps 110 (LXX109),1 einer der häufigst zitierten Texte im frühen Christentum 117 und 111 Müller, Christusprädikation, 301; vgl. ebd., 284-292. 300f. Auch in Hebr 12,2 steht der άρχηγός-Titel im Kontext eines Summariums von Jesu Kreuzestod und Auferstehung. Vgl. auch Friedrich, Verkündigung, 156-175. 112 Zur Vorstellung von Inthronisation und anderen ThronVorstellungen im AT und der Umwelt vgl. Hengel, Inthronisation, 153-161. 165-184. 113 Zu Ps 110 (LXX109) vgl. Kraus, Psalmen II, 925-938; Gunkel, Psalmen, 481-487; Saur, Königspsalmen, 205-224; Schröger, Schriftausleger, 71-77; Vis, Quotations, 73f. 114 Nach Schreiner spricht V4 dafür, dass es im Psalm 110 nicht in erster Linie um die Investitur des Königs, sondern um die des Hohepriesters, der königliche und priesterliche Aufgaben erfüllt, gehe. Vgl. Schreiner, Investitur, 216-222. Auch Saur, Königspsalmen, 221-224, stellt die Integration von königlichem und priesterlichem Amt in Ps 110 (LXX109) heraus. 115 Vgl. dazu C, II, 3.2. 116 Hengel, Inthronisation, 119. - Loader, Sohn, 15-21, vermutet, dass der Hebr Ps 110 (LXX109),1 nicht aus der LXX, sondern aus einer Tradition übernimmt. Vgl. ders., Right Hand, 209-217; Hengel, Inthronisation, 131; Albl, Scripture, 216-236. 117 Z.B. Mt 22,44; Apg 2,33-36; 5,31; 7,55t, Rm 8,34; Kol 3,1; IPetr 3,22 u.a. Vgl. z.B. Hay, Glory, 34-51; Dautzenberg, Psalm 110, 63-65; Hahn, Hoheitstitel, 126-132; Anderson, King-Priest, 87-135. 282-285; Lee, Messiah, 210-213. Zum Motiv des Sitzens zur Rechten im NT und seiner Umwelt vgl. Hay, Glory, 52-91; zum Hebr ebd., 85-89.

Der Weg des Sohnes

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v.a. mit der Vorstellung der Erhöhung Christi eng verbunden. 1 1 8 Das rabbinische Judentum dagegen kennt keine messianische Interpretation des Psalms bzw. der Verse Ps 110 (LXX109),1.4. 1 1 9

Im Hebr erhält Ps 110 (LXX109),1 eine zentrale Bedeutung für die christologischen Ausführungen.120 Zitiert wird Ps 110 (LXX109),1 in Hebr 1,13. Das Motiv des Sitzens zur Rechten Gottes findet sich zudem in Hebr 1,3; 8,1; 10,12; 12,2. An diesen Stellen ist die Anspielung auf Ps 110 (LXX109),1 deutlich zu erkennen, auch wenn εν δεξιά verwendet wird, und nicht wie in der Septuagintaversion des Psalmes εκ δεξιών.121 Das wortwörtliche Zitat κάθου εκ δεξιών μου findet sich nur in Hebr 1,13. In Hebr 10,13 ist neben dem Sitzen zur Rechten auch das Unterwerfen der Feinde genannt. Doch steht nicht nur εν δεξιά anstelle von εκ δεξιών in den Anspielungen auf bzw. den freien Zitaten von Ps 110 (LXX109),1, sondern der Imperativ κάθου wird zum Indikativ, έκάθισεν in Hebr 1,3; 8,1; 10,12; und κεκάθικεν in Hebr 12,2. Damit wird zum einen aus der Aufforderung Gottes ein Tun des Sohnes, zum anderen wird durch die Zeit (Aorist und Perfekt) angezeigt, dass es sich um eine bereits geschehene Handlung handelt, von der der Hebr spricht: Jesus Christus, der Sohn und Priester, hat sich gesetzt. Der Zeitpunkt dieses Setzens wird beispielsweise in Hebr 1,3 mit καθαρισμόν των αμαρτιών ττοιησάμενος angegeben: N a c h d e m er die Reinigung von den Sünden bewirkt hat. 1 2 2 Ähnlich wird auch in Hebr 10,12 das Sitzen zur Rechten Gottes als Abschluss des Heilswerks Christi festgehalten: ούτος δε μίαν ύπερ αμαρτιών ιτροσενέγκας θυσίαν εις το διηνεκες έκάθισεν έν δεξιά τοϋ θεοΰ.123

118 Vgl. Hahn, Hoheitstitel, 127f. - Auch die Vorstellung vom himmlischen Fürsprecher (vgl. Hebr 7,25) könnte durch Ps 110 (LXX109) geprägt sein. Vgl. Hengel, Inthronisation, 129f; Loader, Right Hand, 205f; Hay, Glory, 132. 119 Vgl. Vis, Quotations, 75-78; Kistemaker, Citations, 27-29; Lee, Messiah, 205-210. 120 Hay, Glory, 85, bezeichnet den Hebr als „the crowning document for the study of the early church's use of the Psalm - quite apart from ist extraordinary interpretations of Ps 110,4."; vgl. ebd., 153. Siehe auch Hengel, Inthronisation, 131; Dautzenberg, Psalm 110, 88. 121 So z.B. auch in Rom 8,34 oder Eph 1,20. Vgl. Hengel, Inthroniation, 125-127. Er vermutet: „Sehr wahrscheinlich steht hinter diesen vielfältigen, vom Wortlaut der LXX von Ps 110,1 unabhängigen Anspielungen auf das Sitzen des Erhöhten kv δεξιά Gottes eine alte, relativ festgeprägte kerygmatische Formel" (ebd., 127). Vgl. auch Loader, Sohn, 16f; Dautzenberg, Psalm 110, 90. 122 Vgl. auch Weiß, Hebräer, 149. Zu Ps 110 (LXX109),1 im Hebr ebd., 149-152. 123 Vgl. auch Hebr 8,1; 12,2.

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Jesus Christus, der Sohn

Die Rede v o m Sitzen zur Rechten Gottes beantwortet im Hebr

die

Frage nach d e m gegenwärtigen Ort u n d T u n Jesu: Der Sohn u n d Hohepriester Jesus hat sich gesetzt zur Rechten Gottes.124 Dabei ist auffällig, dass alle vier Stellen im H e b r unterschiedliche Beschreibungen des Ortes, an den sich der Sohn setzt, n e n n e n : εν δεξιά της μεγαλωσσύνης έν ύψηλοΐς ( H e b r 1,3); έν δεξιά τοΰ θρόνου της μεγαλωσσύνης εν τοις ούρανοις (Hebr 8,1); έν δεξιά του θεοΰ ( H e b r 10,12); έν δεξιά τοΰ θρόνου τοΰ θεοΰ (Hebr 12,2). Offensichtlich hat der Hebr kein Interesse an der g e n a u e n oder einheitlichen Beschreibung des h i m m l i s c h e n Ortes 1 2 5 , sondern i h m geht es allein darum, dass Jesus Christus nach Vollbringen seines Werkes in Gottes N ä h e sitzt. 1 2 6 Hebr 1,3 spricht v o m Sitzen des Sohnes, w ä h r e n d H e b r 8,1 u n d H e b r 10,12 v o m Priester bzw. Hohepriester sprechen. Somit enthält nicht nur Ps 110 (LXX109),4 zentrale A u s s a g e n über Jesu Priesteramt, sondern auch Ps 110 (LXX109),1 gibt Auskunft über den Status des Hohepriesters Jesus. 1 2 7 Die beiden A n s p i e l u n g e n auf Ps 110 (LXX109),1 r a h m e n die kultischen A u s s a g e n in den Kapiteln Hebr 8-10. 1 2 8 In Hebr 1 erscheint Ps 110 (LXX109),1 i m Kontext der Einordnung Jesu i n die h i m m l i s c h e W e l t : D e r S o h n steht ü b e r d e n E n g e l n , ist v o n G o t t eingesetzt. Er setzt sich zur R e c h t e n Gottes - n a c h d e m er sein W e r k v o l l b r a c h t h a t ( H e b r 1,3; vgl. H e b r 8,1).129 D i e B e s t ä t i g u n g , d a s s d i e s e s ,Sitzen zur Rechten Gottes' aufgrund dessen Aufforderung

geschieht,

erfolgt in H e b r 1,13, i n d e m P s 110 ( L X X 1 0 9 ) , 1 w ö r t l i c h zitiert wird.130

124 Mit dieser Vorstellung des Sitzens zur Rechten Gottes ist jeder Vorstellung eines fortdauernden himmlischen Gottesdienstes bzw. Opferns des Hohepriesters Jesus widersprochen. Vgl. auch unten S. 183-188. 125 Ein solches Desinteresse an der Verwendung einheitlicher Vokabeln ist ebenso bei der Beschreibung des Himmels oder des himmlischen Heiligtums festzustellen. Vgl. unten S. 147. 166-170. 126 Vgl. Isaacs, Space, 185; vgl. ebd., 179-186. Vgl. auch Hay, Glory, 87. S.E. gibt es im Hebr keine von Ps 110 (LXX109),1 unabhängige Vorstellung von Christi Platz im Himmel; auch die Vorstellung vom himmlischen Heiligtum beruhe auf Ps 110 (LXX109),1. 127 Vgl. Hay, Glory, 150-152; Hengel, Inthronisation, 131. 128 Vgl. Dautzenberg, Psalm 110, 93. 129 Anders Gräßer, der davon ausgeht, dass der Sohn auch schon vor seiner Erniedrigung den Platz zur Rechten Gottes innehatte, an den er nach Vollendung seines Werkes zurückkehrt. Vgl. Gräßer, Hebräer I, 64: „Der Sohn kehrt an seinen ewigen Platz zur Rechten der Majestät in der Höhe zurück." Jedoch verwendet der Hebr das Motiv des Sitzens zur Rechten ausschließlich zur Beschreibung des Platzes Jesu Christi am Ende seines Weges, nicht schon davor. 130 Vgl. Hay, Glory, 86; siehe auch Anderson, High Priest, 137-201. 285-288, der v.a. die ,royal contributions', die mit Ps 110 (LXX109),1 in Hebr 1 verbunden sind, herausstellt. - Rüsen-Weinhold, Septuagintapsalter, 176. 187, dagegen sieht in diesem von den sonstigen Stellen im Hebr abweichenden Zitat von Ps 110 (LXX109), 1 in Hebr

Der Weg des Sohnes

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Gott spricht zum Sohn: κάθου έκ δεξιών μου 'έως αν θώ τους εχθρούς σου ύποπόδιον των ποδών σου. Damit schließt dieser Psalmvers die Katena Hebr 1,5-13. Die in Ps 110 (LXX109),la stehende Zitateinleitung entfällt, stattdessen bringt der Hebr eine eigene, die den zitierten Vers in den Kontext einpasst. Die Zitateineitung von Ps 110 (LXX109),1 in Hebr 1,13 ist mit der von Ps 2,7 zu Beginn der Katena in Hebr 1,5 nahezu identisch. Das Zitat in Hebr 1,13 umfasst Ps 110 (LXX109),1 nicht ganz, nennt aber neben dem Sitzen zur Rechten Gottes auch die Zusage der Unterwerfung der Feinde. Dieses Motiv wird durch das Zitat von Ps 8,7 in Hebr 2,8 aufgenommen: πάντα ύπέταξας ύποκάτω των ποδών αύτοϋ. Die Unterwerfung der Feinde wird in Hebr lf damit zweimal genannt, ohne dass sie in den weiteren Ausführungen thematisiert wird. Auch wird eine Zitatenkombination von Ps 110 (LXX109),1 und Ps 8 vermieden.131 Dennoch wird dadurch deutlich, dass nicht nur die Verse der Katena, sondern auch Ps 8 in diesem Kontext vom Sohn handeln.132

Ps 110 (LXX109),1 und das Motiv des Sitzens zur Rechten Gottes erfüllen zwei Funktionen im Hebr: Einerseits geben sie Auskunft über den gegenwärtigen Ort Jesu: Er sitzt bei Gott. Andererseits stellt das Zitat als Abschluss der Katena in Hebr 1 sicher, dass Gott Jesus als den Sohn dazu aufgefordert hat, sich zu ihm zu setzen. Er hat ihn damit eingesetzt und ihm die volle Herrschaft, die die noch aus-stehende Unterwerfung der Feinde (vgl. Hebr 2,8) beinhaltet, zugesagt.

5. Schluss: Zum Ineinander von Erhöhungs- und Niedrigkeitsaussagen In der Auslegung von Ps 8 in Hebr 2,5-9 ist das für den Hebr typische Ineinander von Erhöhungs- und Niedrigkeitsaussagen betont.133 Dies ist im gesamten Hebr erkennbar: Der irdische Jesus ist zugleich der himmlische Sohn und Hohepriester.134 Dieser Zusammenhang von Erniedrigung und Erhöhung Jesu wird z.B. in Hebr l f deutlich: Während in Hebr 1 die Hoheit des Sohnes betont wird, steht in Hebr 2

131 132 133 134

1,13 einen Beleg dafür, dass die Zitatenreihe in Hebr 1,5-14 aus einem Testimonium übernommen wurde. Vgl. Hengel, Inthronisation, 147-150. - Zur Verbindung von Ps 8 und Ps 110 (LXX109) im Neuen Testament z.B. Leschert, Foundations, 92-98. S.o. 1,2.1. Dieses Ineinander von Erniedrigung und Erhöhung betont Kögel, Sohn, 36-44. Vgl. z.B. unten S. 113f. Siehe auch Roloff, Hohepriester, 148f; Luck, Himmlisches, 205.

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Jesus Christus, der Sohn

dessen Leiden und Sterben, das Menschwerden im Vordergrund. Ähnlich wird in Hebr 4,14-16 in Bezug auf den Hohepriester Jesus das Durchschreiten der Himmel betont (διέρχομαι τους ούρανούς) und gleich darauf erinnert, dass er mit den Schwachheiten mitleiden konnte (συμπαθεϊν τα~ις άοθευείαις). Weiter steht die Versuchungserfahrung, die er mit allen Menschen teilt (πεττειρασμένον δε κατά πάντα καθ ομοιότητα), neben der Aussage, dass Jesus sie ohne Sünde (χωρίς αμαρτίας) besteht (Hebr 4,15). Hoheit und Erniedrigung Jesu gehören zusammen, sie sind eng verbunden. Auch wird auf diese Weise die Kontinuität der Person Jesu Christi vor Augen gestellt: Der Mensch Jesus ist der himmlische Sohn und Hohepriester - und umgekehrt: der himmlische Sohn Gottes ist der mitmenschliche Hohepriester und der leidende und sterbende Sohn.135 Dieses Ineinander von himmlischem und irdischem Jesus wird zudem dadurch verdeutlicht, dass im Hebr die Nennung des Namens Jesus', nicht des Titels ,Christus', gerade in Verbindung mit Hoheitsaussagen beibehalten wird.136 Die klassische Aufteilung des Weges Jesu in die drei Stadien Präexistenz - Erniedrigung - Erhöhung greift damit für die Theologie des Hebr zu kurz, auch wenn diese als Struktur durchaus erkennbar bleiben. Die drei Stadien sind nicht streng voneinander abgegrenzt, sondern greifen ineinander: Gerade die klassischen Erhöhungsaussagen (z.B. Krönung mit Herrlichkeit und Ehre) werden mit dem Todesleiden verbunden. Bei der Nachzeichnung des Weges Jesu fällt auf, dass v.a. die Hoheitsaussagen mit alttestamentlichen Zitaten belegt werden. Das gilt für die dauerhaft gültigen Aussagen in der Katena Hebr 1,5-14, für die Verehrung durch die Engel bei der Wiedereinführung und für das Sitzen zur Rechten Gottes. Das irdische Leben Jesu wird zwar ohne Rückgriff auf das Alte Testament beschrieben. Allerdings wird mittels der Interpretation von Ps 8 aufgezeigt, dass das irdische, menschliche Leben des Sohnes Gottes Willen und Gottes Plan entspricht.

135 Walter, Christologie, betont, dass bei der Darstellung des irdischen Jesus im Hebr gerade der Grenzüberschritt vom irdischen zum himmlischen zentral ist (ebd., 66.71). 136 Vgl. Laub, Jesus, 419. 426; Rissi, Menschlichkeit, 35.

Der Sohn und sein Verhältnis zu Gott

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III. Der Sohn und sein Verhältnis zu Gott Der Titel bzw. der Begriff ,Sohn' bringt im Hebr die besondere Auszeichnung Jesu und seine besondere Nähe zu Gott zum Ausdruck. 1 3 7 Dies zeigt sich in der direkten Ansprache und Einsetzung des Sohnes durch Gott, in der Übertragung göttlicher Attribute auf den Sohn, sowie in der Vorstellung des Sohnes als letztgültiger Offenbarung Gottes.

1. Die Einsetzung durch direkte Ansprache - Ps 2,7; 2Sam 7,14 Der Sohn ist Sohn, weil er als solcher von Gott angesprochen wird. Dies geschieht durch die Zitate von Ps 2,7, υιός μου εΐ συ εγώ σήμερον γεγννεκά σε, und 2Sam 7,14, εγώ εσομαι αότω εις πατέρα και αυτός εσται μοι εις υίόν, in Hebr 1,5 138 (vgl. auch Hebr 5,5). Beide Verse haben ähnlichen Inhalt, in beiden wird der König als Sohn Gottes angesprochen. 139 Psalm 2 ist ein alttestamentlicher Königspsalm, der die Inthronisation und die Berufung durch Gott zum Thema hat (vgl. Ps 2,6).140 Gott ist der Sprecher des hier zitierten Psalmabschnittes und spricht den König als seinen Sohn an. Damit wird dieser, sein Amt und sein Regieren auf die Seite Gottes gestellt. Ihn hat er zu repräsentieren, auf diese Weise ist er Gottes Sohn. Eine messianische Interpretation des Psalmes auf einen zu erwartenden Sohn Gottes hin dürfte wohl nicht ursprünglich angelegt sein,141 allerdings kennt auch Apg 13,33 die christologische Interpretation von Ps 2,7.142

137 Auch die Rede vom Sitzen zur Rechten Gottes verdeutlicht die besondere Nähe zu Gott und die unmittelbare Form der Gottesgemeinschaft. Vgl. Hengel, Inthronisation, 132. 138 Mit der Einsetzung und Ansprache als Sohn in Hebr 1,5 wird Hebr 1,4 aufgenommen. Der vorzüglichere Name (διαφορώτερον ονομα), von dem hier die Rede ist, ist der Sohnesname. Vgl. Ubelacker, Appell, 142f; Hofius, Christushymnus, 90f. Diesen hat der Sohn geerbt, wie er auch der Erbe von allem ist (vgl. κληρονόμος πάντων; Hebr 1,2). 139 Die Nähe von Ps 2,7 und Sam 7,14 stellt auch Kraus, Psalmen I, 152, fest. 140 Zu Ps 2 vgl. Schröger, Schriftausleger, 35-40; Gunkel, Psalmen, 4-12, bes. 6f; Kraus, Psalmen 1,142-156; Hossfeld / Zenger, Psalmen I, 49-54; Saur, Königspsalmen, 25-46. 141 Saur, Königspsalmen, 41-43, spricht jedoch von ursprünglich protomessianischer Tendenz bzw. Strukturen. Vgl. ebd., 277-279. 142 Ps 2,lf wird zudem in Apg 4,25f, Ps 2,9 in Apg 2,26f zitiert. Ein Überblick über Ps 2 im Neuen Testament und im rabbinischen Judentum findet sich bei Vis, Quotations, 13-23, und Kistemaker, Citations, 17-19. 75-77. Vgl. auch Lee, Messiah, 243-250.

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Jesus Christus, der Sohn

2 Sam 7 ist die Verheißung an David und an dessen Nachfolger, die Gott durch Nathan mitteilt.143 Auf diese Weise wird die dauerhafte Verbunden-heit Gottes mit David und seiner Familie festgehalten. 2Sam 7,14 formuliert die Zusage Gottes, dass dieses Verhältnis auch für Davids Nachkommen gilt: Auch seinem Nachfolger wird Gott Vater sein, und dieser wird ihm Sohn sein. Diese Verheißung gilt im Kontext von 2 Sam 7 dem tatsächlich-en Nachfolger Davids und beinhaltet keine messianische Verheißung, diese ist allerdings später daraus erwachsen.144

Beide Zitate nimmt der Hebr wegen des Stichwortes Sohn auf. Sie könnten ihm vielleicht schon als messianisch gedeutete Texte bekannt sein.145 Gott setzt den Sohn als solchen ein, indem er ihn anspricht. Damit ist Jesus Christus der Sohn.146 Ahnlich wird auch die Ansprache Jesu als Priester Gott in den Mund gelegt (vgl. z.B. Hebr 5,5f), anders aber steht die Anrede als Sohn am Beginn einer Reihe von Zitaten und wird einmal wiederholt, während das Zitat von Ps 110 (LXX109),4: ,Du bist Priester nach der Ordnung Melchisedeks' sich durch den Hebr zieht. Dennoch überwiegt das Gemeinsame: Die beiden wichtigen Christustitel des Hebr ,Sohn' und ,Hohepriester' werden als direkte Ansprache Gottes an Jesus Christus mit alttestamentlichen Psalmzitaten belegt. Beide Titel und damit Leben und Werk Jesu beruhen auf der Einsetzung Gottes.147 Die Frage nach dem jeweiligen Zeitpunkt der Einsetzung spielt für den Hebr eine untergeordnete bzw. keine Rolle. Das Interesse des Hebr richtet sich auf die mit den beiden Titeln verbundenen theologischen und soteriologischen Aussagen.

143 144 145 146 147

Kraus, Theologie, 227-233, betont die Nähe von Ps 2,7 und synoptischer Taufgeschichte. Vgl. Stolz, Samuel, 218-224; Schröger, Schriftausleger, 40-46; Kistemaker, Citations, 19f. Vgl. z.B. die Interpretation in 4QFlor; 2Sam 7,14 wird in 4QFlor 1,11 zitiert. Vgl. Brooke, Exegesis, 129-144. Vgl. Schröger, Schriftausleger, 45; Loader, Sohn, 8f. Vgl. z.B. Caird, Appointment, 75, der von Ps 2,7 als „a formula of appointment to the royal status of 'Son'" spricht. Wegen der Parallelität von Sohn- und Priestertitel ist der Begriff der Einsetzung dem der Adoption (so aber z.B. Loader, Sohn, 7-15) vorzuziehen.

Der Sohn und sein Verhältnis zu Gott

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2. Die Übertragung göttlicher Attribute auf den Sohn Hebr 1,8-12 Innerhalb der Katena Hebr 1,5-14 werden zwei Zitate als Aussagen Gottes zum Sohn eingeführt, die diesem göttliche Eigenschaften zusprechen.148 Es sind Ps 45 (LXX44),7f in Hebr 1,8-10 und Ps 102 (LXX101),26-28 in Hebr 1,10-12. Die Zitateinleitung προς δε τον υίόν (Hebr 1,8) macht deutlich, dass Gott hier zum Sohn spricht. Die beiden Psalmzitate sind durch ein bloßes KOCL miteinander verbunden. Ps 45 (LXX44) gehört zu den Königspsalmen, Anlass ist die Hochzeit des Königs. 1 4 5 Der Psalm preist den König, dessen persönliche Vorzüge, z.B. sein Aussehen, aber auch dessen Geist und seine Gerechtigkeit. V7 nennt mit Thron (θρόνος) und Zepter (ράβδος) die Sinnbilder des Königtums bzw. des königlichen Regierens und Richtens und charakterisiert das Königreich als ewiges (εις τον αιώνα τοϋ αιώνος). Gerechtigkeit (δικαιοσύνη) zeichnet den König aus, er ist von Gott gesalbt (V8): ό θρόνος σου ό θεός εις τον αιώνα τοϋ αιώνος καΐ ή ράβδος της εύθύτητος ράβδος της βασιλείας σου. ήγάττησας δι,καιοσύνην κα\ έμίσησας άνομίαν. δια τοΰτο εχρισέν σε ό θεός ό θεός σου ελαιον άγαλλιάσεως παρά τους μετόχους σου. (Hebr 1,8-10 = Ps 45 (LXX44),7f).

Deutlich ist in Ps 45 (LXX44) eine Vergöttlichung des Königs zu erkennen, die besonders in der Anrede als Gott (rrmbx bzw. 6 θεός Vokativ; Ps 45 (LXX44),7 = Hebr 1,8)150 hervortritt, doch auch die ewige Herrschaft ist Zeichen einer Gottgleichheit. Der König wird idealisiert und erhält nahezu göttliche Würde. „Dieser König repräsentiert die königliche Gegenwart Gottes auf Erden."151 Der Hebr greift hier auf einen Text zurück, der den Angeredeten als Gott anspricht und zugleich als von Gott gesalbt benennt. Im Kontext des Hebr ist Gott der Sprecher dieses Psalmverses, die Aussagen gelten dem Sohn, welchem so ewige und gerechte Herrschaft (βασιλεία) zugesagt wird.152 Das nächste Zitat geht einen Schritt weiter. 148 Anders Hurst, Christology, 156f; vgl. auch ebd., 157-159 - siehe auch schon Bacon, Septuagint Rendering, 280-285. 149 Zu Ps 45 (LXX44) vgl. z.B. Gunkel, Psalmen, 188-196; Kraus, Psalmen I, 485-494; Hossfeld / Zenger, Psalmen I, 278-284; Saur, Königspsalmen, 113-131; Schröger, Schriftausleger, 60-66; Kistemaker, Citations, 24-26. 150 Zur Interpretation als Vokativ vgl. Leschert, Foundations, 50-78. 151 Kraus, Psalmen I, 493. Vgl. Hossfeld / Zenger, Psalmen I, 282f; Gunkel, Psalmen, 193. 152 Auffälligerweise werden im Hebr zwar Aussagen der Königspsalmen auf den Sohn und den Hohepriester Jesus übertragen, doch niemals das königliche Amt Christi benannt oder ausführlicher thematisiert. Ihm werden somit königliche Eigenschaften zugesprochen (vgl. z.B. Gräßer, Hebräer I, 72-86; Isaacs, Space, 164-168), doch drücken diese in erster Linie die göttliche Würde des Sohnes aus.

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Jesus Christus, der Sohn

Ps 102 (LXX101) gehört nicht z u d e n Königspsalmen, s o n d e r n hier w i r d Gott selbst angesprochen, er ist G e g e n s t a n d des Lobes. Der Psalm scheint uneinheitlich: Bitte u n d Klage wechseln sich ab, h y m n i s c h e Elemente sind in V13 u n d 26-28 z u finden. 1 5 3 In diesen w i r d Gottes Ewigkeit gepriesen, die seine Schöpfertätigkeit einschließt: σύ κατ' αρχάς κύριε την γήν έθεμελίωσας και εργα των χειρών σού είσιν οί ουρανοί, αύτοι άπολοΰνται σύ δε διαμένεις καΐ πάντες ώς ίμάτιον παλαιωθήσοντι κα'ι ώσε'ι περιβόλαιον ελίξεις αυτούς ώς ίμάτιον κα'ι άλλαγήσονται σύ δέ ό αύτος εΐ και τά έτη σου ούκ έκλείψουσιν (Hebr 1,10-12 = Ps 102 (LXX101),26-28).

Die Ewigkeit und das Bleiben, damit auch die Verlässlichkeit werden mit den zitierten Psalmversen im Hebr benannt und dem Sohn zugesprochen. Dies wird begründet mit seiner Schöpfertätigkeit: Erde und Himmel sind sein Werk. Schöpfung und Schöpfungsmittlerschaft sind schon in Hebr l,2f Thema. Der Sohn wird als der charakterisiert, durch den Gott die Äonen geschaffen hat (δι' ου και έποίησεν τους αιώνας; Hebr 1,2), er erhält bzw. trägt das All durch das Wort seiner Macht (φέρων1 τε τά πάντα τω ρήματι της δυνάμενος αύτοΰ; Hebr 1,3). Doch anders als in den Versen Hebr l,2f ist hier (Hebr 1,10-12 = Ps 102 (LXX101),26-28) nicht nur von der Mitarbeit des Sohnes an der Schöpfung und deren Erhaltung gesprochen, sondern er wird selbst als Schöpfer und damit als Gott154 gepriesen. Seine Anrede lautet κύριε.155 Damit wird zum einen die Stellung des Sohnes gegenüber der Welt thematisiert: Er ist ihr Schöpfer. Zum anderen wird die Stellung des Sohnes innerhalb der himmlischen Welt thematisiert, indem er mit den Engeln verglichen wird, die im anschließenden Zitat von Ps 102 (LXX101),4 als πνεύματα charakterisiert werden (Hebr 1,7).156 Auffällig ist, dass mit diesen Psalmversen Texte aufgenommen werden, die sonst nicht als messianische Texte bekannt sind.157 Sie 153 Zu Ps 102 (LXX101) vgl. z.B. Gunkel, Psalmen, 435-441; Kraus, Psalmen II, 862-869; Schröger, Schriftausleger, 66-71. 154 Vgl. Meier, Symmetry, 517f. Doch nicht nur das auf den Sohn bezogene Psalmzitat rückt diesen in die Nähe Gottes. Schon die Prädikation φέρων τά πάντα in Hebr 1,3 ist eine jüdische Gottesprädikation; so Hofius, Christushymnus, 131-136. Zu φέρων τκ πκντκ vgl. auch Williamson, Philo, 95-103. Er verortet diese Prädikation des Hebr in der weisheitlichen Tradition. 155 Diese Anrede findet sich nur in der Septuaginta, nicht im masoretischen Text des Psalms. Zur Textgeschichte vgl. Rüsen-Weinhold, Septuagintapsalter, 182-187; siehe auch Vis, Quotations, 72; Kistemaker, Citations, 26f. 156 Vgl. Schröger, Schriftausleger, 66. Zum Vergleich des Sohnes mit den Engeln s.u. S. 86-93. 157 Anders z.B. Bacon, Septuagint Rendering, 284f: Das messianische Verständnis von Ps 102 (LXX101) sei schon im Psalm, v.a. in der LXX und Vulgata, erkennbar. Dem widerspicht Attridge, Hebräer, 60; vgl. auch Vis, Quotations, 71-73. - Für Ps 45

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weichen inhaltlich, z.B. durch die Herausstellung der Schöpfertätigkeit, von bekannten Messiasverheißungen ab und werden sonst im Neuen Testament nicht mehr zitiert. Allerdings unterstützen sie in besonderer Weise die Thematik des Hebr.158 Worte, die eigentlich vom Psalmbeter gesprochen werden, um Gott oder den König zu preisen, werden hier Gott in den Mund gelegt, um die besondere Würde des Sohnes hervor zu heben. Dabei werden die Themen Herrschaft, Gerechtigkeit, Ewigkeit und Schöpfung genannt. Die Methode der Schriftauslegung kann nicht mit dem Schema von Verheißung und Erfüllung charakterisiert werden. 159 Schließlich sind die beiden Psalmtexte keine klassisch messianischen Weissagungen, sondern Texte, die Gott bzw. den König in der Gegenwart loben. Diese Texte werden hier Gott in den Mund gelegt und auf den Sohn bezogen. Auch im Kontext des Hebr werden sie nicht als Verheißung, sondern als immergültige Aussage verstanden. Eine ursprünglich andere Bedeutung der Verse kommt dabei nicht in den Blick. 160 Die alttestamentlichen Texte Ps 45 (LXX44) und Ps 102 (LXX101) sind also nach dem Verständnis des Hebr keine messianischen oder christologischen Vorausverweise, sondern erhalten mit dem Christusereignis einen eigenen Sinn. Sie sind Worte Gottes an den Sohn und werden ausschließlich als solche zitiert und verstanden. Für diese Hoheitsaussagen gilt: ,,[N]ur wenn sie ihn [sc. den Sohn] meinen, können sie überhaupt als wahre Aussagen angesehen werden." 161

158 159 160

161

(LXX44) zeigt Saur, Königspsalmen, 129, dass in V7 Hoffnungen auf eine übermenschliche Heilsfigur greifbar seien, dass aber zugleich das Motiv der Hochzeit in Ps 45 deutlich auf einen irdischen und menschlichen König verweisen würden. Gheorghita, Septuagint, 59f, unterscheidet zwischen dem Kontext des Psalms in der LXX und in der Hebräischen Bibel. Im Kontext der LXX liege die messianische Interpretation näher. So auch Attridge, Hebräer, 50; Kistemaker, Citations, 78-80. So aber z.B. Schröger, Schriftausleger, 66; vgl. auch Synge, Scriptures, 5. 58-64; Übelacker, Appell, 143. Daher urteilt Vis, Quotations, 47, auch scharf: „Thus the original meaning of the Psalm is perverted." Zu Ps 45 (LXX44) und seiner Interpretation ebd., 44-47. Anders bewertet Müller, Funktion, 237: „Das Psalmzitat steht also in hoher christologischer Funktion, lässt sich so aber nur durch eine vom Urtext her nicht gedeckte Verfremdung einsetzen, die zur hermeneutischen Kompetenz des Hebräerbriefautors gehört." Hofius, Biblische Theologie, 116. Vgl. ebd., 113.

Jesus Christus, der Sohn

80 3.

Sohn als Offenbarung Gottes:

απαύγασμα της δόξης

χαρακτήρ της υποστάσεως (Hebr 1,3)

und

Der Sohn ist die letztgültige Offenbarung Gottes. Dies wird bereits im ersten Satz des Hebr deutlich. Als Offenbarung Gottes steht der Sohn einerseits in enger Verbindung mit diesem. Er ist Ausstrahlung seiner Herrlichkeit (απαύγασμα της δόξης) und Abdruck seiner Wirklichkeit (χαρακτήρ της ύποστάσεως) (Hebr 1,3). απαύγασμα ist hapax legomenon im Neuen Testament, und kann aktivisch ,Ausstrahlung'162 bedeuten, passivisch ,Reflex', Rückstrahlung' oder ,Abglanz'.163 In der Septuaginta gibt es einen Beleg für απαύγασμα (Sap 7,26). Hier wird die Weisheit als Abglanz des ewigen Lichts Gottes (απαύγασμα γαρ εστίν φωτός αίδίου) bezeichnet, in ihr spiegelt sich Gott (vgl. εσοπτρον; Sap 7,26). Ahnlich verwendet auch Philo απαύγασμα; und auch in Hebr könnte eine ähnliche Vorstellung von Gott als Licht zugrunde liegen.164 δόξα hat wie das Verb δοκέω eigentlich zwei Grundbedeutungen: zum einen ,die Meinung, die ich habe' (lat. opinio), und zum anderen die Meinung, ,die man über mich hat', zumeist positiv konnotiert und als ,Ruhm' oder ,Ehre' (lat. gloria) wiedergegeben.165 Im Neuen Testament kommt erstere (,opinio') nicht vor, neben zweitere (,gloria') tritt die im Profangriechischen nicht bekannte Bedeutung Glanz, Pracht oder Herrlichkeit, auch Abglanz (vgl. IKor 11,7).166 In diesem von der Septuaginta, wo ,δόξα' durchweg die Ubersetzung des hebräischen ,"πρ' ist,167 beeinflusstem Sprachgebrauch steht die Doxa Gottes im Mittelpunkt. Dabei sind „die Ubergänge der Bedeutungen: göttliche Ehre, göttliche Pracht, göttliche Macht, sichtbarer göttlicher Glanz oft fließend und nur künstlich gegeneinander abzugrenzen."168 Im Hebr bezeichnet ,δόξα' darüber hinaus auch das Ziel für die Glaubenden: Hierhin will Gott die vielen Söhne führen (Hebr 2,10). Der Sohn ist απαύγασμα Herrlichkeit. 169 Dabei steht Unterschied von Sohn und strahlung der Herrlichkeit

της δόξης, Ausstrahlung der göttlichen in erster Linie die Ähnlichkeit, nicht der Gott im Vordergrund: Der Sohn ist AusGottes (Hebr 1,3), ist mit δόξα und τιμή

162 So übersetzt z.B. Kittel, ThWNT I, 505. 163 Vgl. Liddell / Scott, 181; Bauer, 164; Williamson, Philo, 37. Den Zusammenhang von aktivem und passivem Moment stellen z.B. Michel, Hebräer, 98, oder Gräßer, Hebräer I, 60-62 heraus. 164 So Williamson, Philo, 38f. 36-41. 165 Vgl. Liddell / Scott, 444. 166 Vgl. Kittel, ThWNT II, 236-240. 167 Vgl. z.B. Ex 24, 15ff; Ps 19; Ps 97; u.ö. Vgl. von Rad, ThWNT II, 240-245; Kittel, ThWNT II, 245-248. 250-255. 168 Kittel, ThWNT II, 251 (kursiv im Text). 169 So auch Kittel, ThWNT I, 505.

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gekrönt (Hebr 2,9) und hat eine größere δόξα als Mose (Hebr 3,3). Zwischen απαύγασμα της δόξης und δόξα besteht kein wesentlicher Unterschied. 170 Auch gibt es keinerlei zeitliche Eingrenzung der Ähnlichkeit von Gott und Sohn. 171 Die Charakterisierung des Sohnes als χαρακτήρ της ύποστάσεως betont ebenfalls die dauerhafte Nähe von Gott und Sohn. χαρακτήρ ist wie απαύγασμα hapax legomenon im Neuen Testament und entstammt dem profanen Griechisch, „χαρακτήρ ist urspr ein nomen agentis: einer, der χαράσσει.."172 Dieses Verbum meint zuspitzen oder wetzen und wird zur technischen Bezeichnung des Schreibens auf Holz oder Stein bzw. später zum terminus technicus der Münzprägung. Die Endung -τηρ (im Gegenüber zu -της) weist darauf hin, dass χαρακτήρ von Beginn an eine Sachbezeichnung war: ,Prägestock', dann ,Prägung', ,Münzbild', ,Siegelabdruck'. Von hier aus entwickelt sich die allgemeine Bedeutung ,Zeichen' oder ,Buchstabe', χαρακτήρ kann aber auch die typischen Eigenschaften eines Menschen meinen, dessen Gesichtszüge oder die Art des Sprechens. In der Septuaginta hat χαρακτήρ keine besondere Bedeutung, bei Philo erscheint das Wort in der gesamten Bandbreite.173 Mit ύπόστασι,ς begegnet ebenfalls ein Begriff aus der griechischen Sprachwelt.174 Er hat verschiedene Bedeutungen, die von ,Stütze', ,Ansammlung' über Pachtvertrag' oder ,Niederschlag' (meteorologisch) bis hin zu ,Realität', ,Wirklichkeit' oder ,Existenz' (auch als philo-sophischer Schulbegriff; lat. substantia) reichen. In der Septuaginta meint ΰπόστασις meist „die dahinter stehende, grundlegende Wirklichkeit"175, also der Plan oder die Absicht, bringt aber auch die mit Gott verbundene Dauerhaftigkeit zum Ausdruck. Im Neuen Testament verwenden nur Paulus und Hebr ύπόστασι.ς. Bei Paulus lassen sich die beiden Belege in 2Kor9,4 und 2Korll,17 am geeignetsten mit ,Plan' oder ,Vorhaben' übersetzen.176 Der Hebr verwendet ύπόστασι,ς dreimal: Neben der Bezeichnung des Sohnes als χαρακτήρ της ύποστάσεως in Hebr 1,3 steht in Hebr 3,14 αρχή τής ύποστάσεως für die anfängliche Haltung der Gemeinde, und in Hebr 11,1 wird der Glaube als έλπι,ζομένων ύπόστασι,ς bezeichnet. Köster schlägt für alle drei Stellen die Übersetzung ,Wirklichkeit' vor. „Damit ist deutlich, daß ύπόστασι.ς im Hebräerbrief durchweg die Bezeichnung der Wirklichkeit Gottes ist, die im Gegensatz zu dem vergänglichen, schattenhaften oder nur abbildlichen 170 Gieschen, Angelomorphic, 301, dagegen bemerkt, dass dennoch ein möglicher, leichter Unterschied von δόξα und απαύγασμα τής δόξης bestehe. 171 Anders Loader, Sohn, 73: κπκύγκσμα meine die gegenwärtige Stellung des erhöhten Sohnes, nicht sein irdisches Leben als Offenbarungsereignis. Dagegen sprechen aber die präsentischen Partizipien. Vgl. Delitzsch, Hebräer, 6-8. Siehe auch oben S. 60-62. 172 Wilckens, ThWNT IX, 407. Vgl. ebd., 407-409; vgl. auch Liddell / Scott, 1977. 173 Vgl. Williamson, Philo, 74-80; siehe auch Wilckens, ThWNT IX, 409f. 174 Vgl. Köster, ThWNT VIII, 571-579. 175 Köster, ThWNT VIII, 581; vgl. ebd., 579-582. 176 Vgl. Lideil / Scott, 1895; Köster, ThWNT VIII, 5821.

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Charakter der Welt steht, aber paradoxerweise dennoch in Jesus da ist und als Glaube Besitz der Gemeinde wird." 177 Mit ύπόστασις ist in Hebr 1,3 parallel zu δόξα die Beschreibung von Gottes Wesen und seine Wirklichkeit gemeint. Es handelt sich hier um eine objektive, himmlische Realität, deren Abdruck der Sohn ist und die auch im Glauben abgebildet wird.178 Mit χαρακτήρ της υποστάσεως ist wie mit απαύγασμα της δόξης die Ähnlich-keit und enge Beziehung von Gott und Sohn zum Ausdruck gebracht. 179 Dabei sind δόξα und ύπόστασις die Beschreibungen des Wesens und der Realität Gottes, während απαύγασμα und χαρακτήρ den Sohn charakterisieren: Er ist Ausstrahlung und Abdruck. Dies betont dessen enge Beziehung zu Gott, verdeutlicht aber auch zugleich, dass dieser in seinem Sohn erkennbar und offenbar wird. Jesus Christus wird so zum Zugang zu Gott. „απαύγασμα und χαρακτήρ entsprechen somit vollauf dem Terminus είκών"180. Der Hebr wählt allerdings für seine Charakterisierung des Sohnes nicht den Begriff der είκών, des Bildes Gottes, sondern hellenistische Begriffe, die so im Neuen Testament nicht zu finden sind, jedoch mit Philo181 oder dem Sprachgebrauch der Septuaginta Berührungspunkte aufweisen. Deutlich unterschieden sind diese Begriffe zur Charakterisierung des Sohnes von den Begriffen, auf die der Hebr zurückgreift, um das irdische Heiligtum oder das Gesetz zu beschreiben. Beide sind ,Schatten' (σκιά; Hebr 8,5; 10,1), das Heiligtum wird zudem als ,Sinnbild' (παραβολή; Hebr 9,9), ,Abbild' (ύπόδει,γμα; Hebr 9,23) und ,Antitypos' (άντίτυπος; Hebr 9,24) bezeichnet. 1 8 2 Diese Begriffe zur Beschreibung des irdischen Heiligtums stellt dessen Minderwertigkeit und Verweischarakter heraus. Nicht das irdische Heiligtum ist der geeignete Kultort, sondern es gibt etwas Besseres. Anders beim Sohn: Er ist Ausstrahlung

177 Köster, ThWNT VIII, 587; vgl. ebd., 584-587. Anders Dörrie, Hebr 11,1, 201f: Hebr 11,1 sei nicht von Hebr 3,14 oder 1,3 her zu verstehen - dafür habe ύπόστασι,ς ein zu großes Bedeutungsspektrum. 178 Zum Glaubensbegriff vgl. Dörrie, Hebr 11,1: ύττόστασι,ς „bezeichnet den Prozeß des Wirklich-Werdens und das Wirklich-Sein [...] eine absolut gültige, objektive Wirklichkeit, die durch nichts in Frage gestellt ist, sondern dauerhaft besteht." (ebd., 197). Zum Problem auch Lührmann, Glaube, 75. Dagegen betont Söding, Zuversicht, 225, dass ύπόστκσις auch die subjektive Seite des Glaubens meine: „Pistis heißt, sich unter das zu stellen bzw. unter das gestellt zu werden, was zu erhoffen ist." Die subjektive Gläubigkeit ist allerdings grundsätzlich kein Thema des Hebr; so ebenfalls Gräßer, Glaube, 35. 55. 179 So auch Wilckens, ThWNT IX, 410f; Riggenbach, Hebräer, 8-10. 180 Weiß, Hebräer, 145. 181 Vgl. z.B. Büchsei, Christologie, 16-19. Williamson, Philo, 40f. 77-80. 182 Vgl. hierzu ausführlich unten S. 150-171.

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der Herrlichkeit und Abdruck des Wesens Gottes und repräsentiert diesen daher in einmaliger Weise.

4. Der Sohn als Verkündiger - Ps 22 (LXX21),23 in Hebr 2,12 und der Vergleich mit Mose in Hebr 3,1-6 Der Sohn ist Ausstrahlung und Abdruck Gottes, aber er ist auch derjenige, der seinen Brüdern den Namen Gottes verkündigt. Dies wird in Hebr 2,12 festgehalten, indem Ps 22 (LXX21),23 zitiert wird: άπαγγελώ τό ονομά σου τοίς άδελφοις μου εν μέσω εκκλησίας ύμνήσω σε. Die Zitateinleitung λέγων legt nahe, dass der Sohn diesen Vers spricht. Damit wird ein alttestamentlicher Vers ohne Berücksichtigung des ursprünglichen Kontextes wie zuvor Gott (vgl. Hebr 1,5-14) nun dem Sohn in den Mund gelegt. Psalm 22 ist zweigeteilt: In V2-22 werden Not und Gottverlassenheit als Klage thematisiert, während V23-32 Dank und Lob zum Ausdruck bringen.183 V23 ist der Einsatz des Dankes; in ihm verspricht der Beter, den Namen Gottes zu verkündigen und ihn inmitten der Gemeinde zu preisen. Die messianische bzw. christologische Interpretation von Ps 22 ist im frühen Christentum weit verbreitet und hauptsächlich in den Passionsberichten erkennbar.184 Der hier zitierte V23 kommt im Neuen Testament ansonsten nicht vor.

Mit Ps 22,23 nimmt der Hebr die Zusage, den Namen Gottes zu verkündigen und ihn zu preisen, auf und stellt diese als Wort bzw. Versprechen des Sohnes an Gott185 über dessen Tun. Im Kontext von Hebr 2, der Interpretation von Jesu Leben, Sterben und Erhöhung mittels Ps 8 und der Herausstellung der Solidarität von Sohn und Söhnen, erscheint dieser Vers wie eine Uberschrift oder ein Motto über seinem Weg. Dabei greift das Stichwort δνομα Hebr 1,4 auf. Dort war es der Sohn, der einen vorzüglicheren Namen vor den Engeln geerbt hat, nun ist es Gott, dessen Name verkündigt wird. Sowohl Gott als auch der Sohn sind mit

183 Zu Ps 22 vgl. Gunkel, Psalmen, 88-97; Hossfeld / Zenger, Psalmen I, 144-151; Kraus, Psalmen I, 320- 334; Schröger, Schriftausleger, 88-91. 184 Vgl. z.B. das Zitat von Ps 22 (LXX21),2 in Mt 27,46 und Mk 15,34 oder das Motiv des Losens aus Ps 22,19 in Mt 27,35; Mk 15,24; Lk 23,34; Joh 19,24. Zu Ps 22 (LXX21) im NT (außerhalb des Hebr) vgl. z.B. Gese, Psalm 22, 180-201. Siehe auch (mit Hebr) Kraus, Theologie, 238-241. Zu Ps 22 im NT und der rabbinischen Literatur Vis, Quotations, 33-40; Kistemaker, Citations, 31f. 185 Dass der Sohn die Worte an Gott richtet, wird durch den Anredecharakter des Psalmverses erkennbar.

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Jesus Christus, der Sohn d e m Stichwort ονομα verbunden 1 8 6 : D e r N a m e Gottes k a n n nicht o h n e den N a m e n des Sohnes verkündigt w e r d e n , von Gott erbt der Sohn seinen eigenen N a m e n (Hebr 1,4). D e r Sohn selbst w i r d n e b e n Gott z u m Gegenstand der Verkündigung.

Der Sohn also ist nicht nur Gottes Repräsentation (vgl. Hebr 1,3), sondern er verkündigt selbst. Dies tut er in einzigartiger Weise, was auch dadurch deutlich wird, dass Mose als Offenbarungsmittler gegenüber dem Sohn einen anderen, minderen Stellenwert erhält. Hebr 3,1-6 führt das aus.187 M o s e u n d Jesus w e r d e n beide als treu, πιστός bezeichnet: Jesus in V2; M o s e in V5 1 8 8 . Jesus ist treu sowohl den M e n s c h e n (vgl. H e b r 3,6) als a u c h Gott gegenüber als dem, der ihn g e m a c h t u n d damit auch ausgestattet u n d beauftragt hat: πι,στον όντα τω ποιήσαντι αυτόν (Hebr 3,2). 1 8 9 M o s e d a g e g e n ist treu in seinem H a u s (ώς και Μωυσής ev όλω τω οίκω αύτοϋ; H e b r 3,2). Die Höherwertigkeit Jesu wird weiter a m Bild des H a u s e s verdeutlicht. Jesus ist Sohn u n d steht als solcher über d e m Haus, gehört auf die Seite Gottes, des Hauserbauers (vgl. Hebr 3,3f), er ist mit Herrlichkeit (δόξα) ausgestattet. M o s e d a g e g e n ist Diener im H a u s (Hebr 3,6), u n d z w a r z u m Z e u g n i s dessen, w a s verkündigt w e r d e n soll (εις μαρτύρων των λαληθησομένων; Hebr 3,5). Er ist in seiner Funktion als Offenbarungsmittler genannt, 1 9 0 w i r d allerdings in seine Schranken gewiesen, 1 9 1 w i e zuvor auch 186 Es gibt im Hebr vier ονομα-Belege: Hebr 1,4 nennt den vorzüglicheren Namen des Sohnes, Hebr 2,12 erwähnt die Verkündigung des Namens Gottes durch den Sohn; in Hebr 6,10 steht die Liebe gegenüber Gottes Namen und in Hebr 13,15 das Bekenntnis seines Namens. 187 Zu Hebr 3,1-6 und den möglichen darin verarbeiteten Motiven und Traditionen: D'Angelo, Moses, 65-93.151-177. Er geht v.a. vom Einfluss der Nathanverheißung 2Sam 7 auf diesen Abschnitt in Hebr aus (vgl. ebd., 70-83), z.T. kombiniert mit lSam 2,35. Auch sei nicht Num 12,7, sondern IChr 17,4 alttestamentlicher Referenztext. 188 In Hebr 3,5 findet sich wegen fehlender Einleitung kein Zitat von Num 12,7. Vgl. oben S. 23.25f. 189 Mit der Bezeichnung Gottes als ό ποιήσας ist nicht nur Gott in seiner Eigenschaft als Schöpfer gemeint (so aber z.B. Hegermann, Hebräer, 88; Gräßer, Hebräer I, 164f). Diese Benennung kann über das Schöpfer-Sein Gottes hinausgehen und die besondere Erwählung und Beauftragung meinen. In lSam 12,6 wird Gott als ό ποιήσας τον Μωυσήν κκί τον Άαρώυ bezeichnet - hier geht es nicht um eine allgemeine Aussage über Gottes Schöpfer-Sein, sondern um dessen Heilshandeln, das in der Erwählung Moses und Aarons sowie im Auszug aus Ägypten (ebenfalls lSam 12,6) besteht. Ebenso erwählt / macht Jesus die Zwölf: κώ έποίησευ δώδβκκ (Mk 3,14; vgl. Mk 3,16). Allgemein bleiben die Aussagen z.B. in Dtn 32,15 und Jes 17,7. Zu Hebr 3,2 vgl. Riggenbach, Hebräer, 66f; auch Loader, Sohn, 76. 190 Gräßer, Mose und Jesus, 302. 191 Anders versteht Dey, Intermediary world, 155-183, die Auseinandersetzung mit Mose. Er gehöre wie z.B. die Engel ebenfalls zum Bereich der intermediary world' und ist dort ein herausragendes Beispiel für Vollendung, z.B. wird auch von seinem Priestertum berichtet. Daher gehöre der Vergleich von Mose und Jesus in Hebr 3,1-6 zur gleichen Tradition wie der von Engeln und Jesus. Vgl. auch Gieschen, Angelomorphic, 303-307.

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die Propheten (vgl. Hebr 1,1-4) oder das durch Engel verkündigte Wort (Hebr 2,l-4). 192

Die besondere Bedeutung der Offenbarung des Sohnes wird der Offenbarung Mose gegenüber gestellt. Der Sohn und seine Verkündigung werden so Maßstab der vorherigen Verkündigung. Der besondere Stellenwert liegt darin begründet, dass hier nicht ein von Gott geschaffener Mensch oder Engel verkündigt, sondern der Sohn selbst, der eindeutig auf der Seite Gottes steht. In ihm, seiner Verkündigung, aber auch in seinem Leben und Sterben wird Gott erkennbar und offenbar. Dies verdeutlicht auch das Zitat von Ps 22 (LXX21),23 in Hebr 2,12. Jedoch werden nicht nur die Unterschiede genannt, sondern auch Gemeinsamkeiten betont: Mose und Jesus gehören zum selben Haus, und sie werden beide mit ,treu' charakterisiert. Also wird hier wie in Hebr l , l f sowohl die Kontinuität als auch die Diskontinuität der Offenbarung im Sohn gegenüber vorheriger Tradition festgehalten.

5. Schluss: Der Sohn als Sohn Gottes „Was der Sohn ist, ist er aufgrund seiner Verbindung mit Gott. Und das, was er tut, kann er nur tun und vollbringen, weil er ,Sohn' ist."193 Diese Beziehung zu Gott ist schon im Titel Sohn angelegt und wird v.a. in Hebr 1 im Rückgriff auf das Alte Testament festgehalten. Gott spricht zum Sohn, setzt ihn als Sohn ein, verleiht ihm göttliche Eigenschaften und fordert ihn auf, sich zur Rechten zu setzen. Dass Gott den Sohn anspricht und einsetzt, verdeutlicht in erster Linie die Nähe von Gott und Sohn. Eine Subordination des Sohnes, also eine wesensmäßige Unterordnung des Sohnes unter Gott, folgt daraus nicht notwendigerweise. Die Beziehung von Gott und Sohn kann im Hebr als die der zwei gleichberechtigten göttlichen Personen beschrieben werden.194 Erstens ist der Sohn präexistent. Seine Einsetzung ist vorzeitlich und ewig. Zweitens wird der Sohn als Gott angesprochen und mit göttlichen Attributen betitelt. Drittens belegen die Worte, die im Hebr dem Sohn in den Mund gelegt werden (Hebr 2,12f; 10,5ff), dessen 192 Die jüdische Tradition, dass das Gesetz durch die Engel den Menschen überbracht wurde, findet sich im NT auch in Gal 3,19 und Apg 7,53. Zu dieser Verbindung von Engeln und Gesetz vgl. Schenck, Celebration, 482-484. 193 Übelacker, Appell, 79. 194 Der Geist als dritte Person der Trinität steht nicht in gleicher Weise im Zentrum des Interesses des Hebr, so dass dessen Status nur angedeutet wird. Vgl. zum Geist den Exkurs unten S. 156f; siehe auch oben S. 40f.

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Jesus Christus, der Sohn

Zustimmung und Übereinstimmung mit dem Weg, den er gehen wird. Er handelt also nicht allein auf Gottes Anweisung hin, sondern agiert eigenständig, jedoch in Übereinstimmung mit Gott. Die Schriftzitate illustrieren diese Beziehung von Gott und Sohn und bestimmen sie inhaltlich. Auf diese Weise wird die Nähe von Gott und Sohn ausgesagt, sowie dessen Würde und besonderen Charakteristika inhaltlich bestimmt. Die Verbindung von Gott und Sohn wird allerdings nicht nur mittels alttestamentlicher Zitate zum Ausdruck gebracht, sondern ebenso mit griechischen Begriffen, was v.a. die Charakterisierung als απαύγασμα της δόξης und χαρακτήρ της ύποστάσεως deutlich macht. Dass der Sohn in solch enger Verbindung zu Gott steht, veranschaulicht nicht nur dessen eigenen Status, sondern besitzt auch eine Bedeutung für die Menschen: Der Sohn als Sohn Gottes ermöglicht den Menschen, mit Gott in Beziehung zu treten. Im Sohn wird Gott für die Menschen erkennbar, ihnen verkündigt er den Namen Gottes (vgl. Hebr 2,12 = Ps 22 (LXX21)/23).

IV.

Der Sohn und sein Verhältnis zu den Geschöpfen 1. Sohn und Engel 1.1 Zu Wesen und Funktion der Engel in Hebr lf

Engel gehören im nach-alttestamentlichen Judentum selbstverständlich zur himmlischen Welt.195 Sie bevölkern Himmel und Erde und haben unterschiedliche Wirkungsbereiche. Ihre Aufgaben liegen im himmlischen Kult oder im himmlischen Gericht. Sie sind verantwortlich für die Beibehaltung der Ordnung der Natur und ebenfalls zur Fürsorge für die Menschen eingesetzt, was zu einem verbreiteten Schutzengelglauben beigetragen hat. Es gibt die Vorstellung einer Ordnung und Hierarchie der Engel: Verschiedene Engelklassen werden unterschieden und es existieren neben den Engeln sechs oder sieben

195 Von Engeln handeln z.B. l H e n 41.60f.66.72-82; 2Hen 11.19.43; 3Hen 1,17.19-22.25-28; 11,17; 111,18; Jub 2.4; TestLevi 8; auch in Qumran (z.B. 1QS 3.11) oder den rabbinischen Schriften sind Engelvorstellungen zu finden. Einen Uberblick über zwischentestamentliche Engelvorstellungen bieten z.B. Lueken, Michael, 4-12; Dey, Intermediary World, 83-93. (-96); Bietenhard, himmlische Welt, 101-142; Lee, Messiah, 8399.

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Erzengel.196 Diese haben Namen, und v.a. von Michael und Gabriel sind einzelne Charakteristika und individuelle Erzählungen überliefert. „In der reichen Angelologie des Spätjudentums liegt einer der Hauptunterschiede zwischen dieser Epoche und dem AT."157

Der Hebr bietet keine ausführliche Angelologie. Die Engel werden allgemein als άγγελοι bezeichnet, eine Hierarchie oder Aufgabenverteilung ist nicht erkennbar. Auch werden keine Namen von Engeln genannt.198 Jedoch gehören die Engel ganz selbstverständlich zur geschaffenen Welt, sie sind vergänglich (vgl. z.B. Hebr 1,10-12 = Ps 102 (LXX101),26-28).199 Die Zitatenreihe in Hebr 1,5-14 charakterisiert die Engel in zweifacher Weise: Sie sind Geister (πνεύματα); außerdem wird der dienende Charakter der Engel betont. Beides geschieht mittels des Zitates von Ps 104 (LXX103),4 in Hebr 1,7. Die Zitateinleitung και προς μεν τους αγγέλους λέγει macht deutlich, dass auch hier Gott als Sprecher verstanden wird. Er spricht über die Engel (πρός200). Dieses Zitat ist damit das einzige in der Zitatenreihe, das sich so direkt über die Engel äußert, die anderen Zitate gelten dem Sohn, enthalten aber ebenfalls Aussagen über die Engel (z.B. Hebr 1,6). Ps 104 (LXX103) ist ein Hymnus, ein Lob Gottes und seiner Schöpfung.201 V4 handelt eigentlich nicht von den Engeln, sondern besagt, dass Gott Winde zu seinen Boten und Feuerflammen zu seinen Dienern macht bzw. umgekehrt seine Boten zu Winden und seine

196 Die Handschriften zu lHen 90,21 schwanken in der Zählung zwischen sechs und sieben. Sechs höchste Engel nennt der Jerusalemer Targum zu Deut 34,6. Sieben höchste Engel kennt TestLevi 8. 197 Bietenhard, himmlische Welt, 101. 198 Darin gleicht der Hebr Philo. Vgl. Dey, Intermediary World, 95: Sowohl Philo als auch Hebr seien dadurch von anderen Engelvorstellungen unterschieden, dass beispielsweise keine Hierarchie der Engel zu erkennen sei, die Engel keine Namen hätten und auch die Schutzengel fehlten. Dass die Engellehre des Hebr einfacher ist als die der Rabbinen oder der Gnosis, betont auch Michel, Hebräer, 117. 199 Zur Vorstellung der Erschaffung der Engel vgl. z.B. Bietenhard, himmlische Welt, 104; auch Lueken, Michael, 140. 200 Beide Ubersetzungen sind möglich: πρός + Akk. kann nach Worten des Redens die Person benennen, zu der gesprochen wird, oder ,im Hinblick auf' bedeuten. Vgl. Bauer, Wörterbuch, 1421-1424. Im Kontext von Hebr 1,7 legt sich die Ubersetzung ,im Hinblick auf' / ,über' nahe, da im Zitat Aussagen über die Engel, nicht zu den Engeln enthalten sind. Anders beim Zitat in Hebr l,8f. Hier wird Gott bzw. der Sohn direkt angesprochen; daher ist πρός hier eher mit ,zu' zu übersetzen. So übersetzen auch Gräßer, Hebräer I, 70, oder Michel, Hebräer, 117f. 201 Zu Ps 104 (LXX103) vgl. Gunkel, Psalmen, 445-456; Kraus, Psalmen II, 876-887; Schröger, Schriftausleger, 56-59.

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Jesus Christus, der Sohn

Diener zu Feuerflammen. 202 Die Septuaginta lässt die Bedeutung dieses Verses nicht offen, sondern entscheidet sich für die zweite Variante, auch werden aus Boten (^ν^ώ) Engel (άγγελοι).203 So zitiert es Hebr 1,7: ό ποιών τους αγγέλους αύτοϋ πνεύματα και τοϋς λειτουργούς αύτοϋ πυρός φλόγα.204 Die Wandelbarkeit der Engel und ihre Bezogenheit auf bzw. Abhängigkeit von Gott wird hiermit bestimmt. Der dienende Charakter der Engel wird deutlich auch in Hebr 1,14 betont. Dieser Vers beinhaltet kein Zitat aus dem Alten Testament, sondern ist als rhetorische Frage an die Katena angehängt: 205 ούχί πάντες είσιν λειτουργικά πνεύματα ε'ις διακονίαν αποστελλόμενα δια τους μέλλοντας κληρονομε'ιν σωτηρίαν. Die Engel werden hier zwar nicht ausdrücklich erwähnt, jedoch wird durch λειτουργικά πνεύματα und die Charakterisierung als ausgesandt zum Dienst derjenigen, die das Heil erben sollen, angezeigt, dass dieser Vers abschließend die Qualität der Engel zum Ausdruck bringt und sich nicht ausschließlich auf den vorherigen Vers bezieht. Die Funktion der Engel ist damit bestimmt und im Vergleich zum Sohn deutlich eingeschränkt. Sie haben als dienstbare Geister diakonische, aber keine soteriologische Funktion. Die Engel sind damit Gott und Sohn deutlich untergeordnet, allerdings nicht nur auf diese, sondern vor allem auf die Menschen bezogen: Zu deren Dienst sind sie bestellt (Hebr 1,14), und ihnen haben sie bereits Gottes Wort verkündigt (Hebr 2,1-4). Die Vorstellung von bösen oder gefallenen Engeln kennt der Hebr nicht, auch werden keine Dämonen erwähnt. 206 Es fällt auf, dass in der Zitatenreihe die Stellung der Engel wie die des Sohnes mit der gleichen Form der Schriftauslegung zum Ausdruck gebracht wird. Der alttestamentliche Vers wird aus dem ursprünglichen Kontext herausgenommen und hat nun Gott als Sprecher.

202 Das hebräische arfr IPX Ί'ζΠψ*? ' n " i n n Ί'ί?"?» njp'S (Ps 104,4) lässt beide Deutungen zu. 203 Zur Textüberlieferung in der Septuaginta vgl. Rüsen-Weinhold, Septuagintapsalter, 177-180. Dass die Septuaginta-Version des Psalms besser in das theologische Konzept passt, bemerkt Kistemaker, Citations, 71f. 204 Der Septuagintatext (Ps 103,7 LXX) lautet: ό ποιών τούς αγγέλους αύτοΰ πνεύματα και τοϋς λειτουργούς αύτοϋ πϋρ φλέγον. 205 Vgl. Übelacker, Appell, 148-150. 206 Isaacs, Space, 176: „there is nothing demonic about the angels we meet in Hebrews."

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1.2 Die Anbetung des Sohnes durch die Engel - Hebr 1,6 Der Sohn wird von den Engeln angebetet. Dies wird ihm in Hebr 1,6 zugesagt: και προσκυνησάτωσαυ αύτω πάντες άγγελοι θεοϋ. Die Herkunft des Zitates könnte Ps 97 (LXX96),7 oder Dtn 32,43 sein, der Vergleich mit 4QDtn scheint die Herkunft aus Dtn 32,43 nahe zu legen.207 Damit würde Hebr 1,6 aus dem Moselied Dtn 32 zitieren.208 Dieser poetische Text, im Kontext des Dtn Mose in den Mund gelegt, wechselt zwischen hymnischen Elementen, Schilderungen der Heilstaten Gottes und Gerichtsankündigungen. Dabei sind einige Teile als direkte Gottesrede verstanden, andere als menschliche Reflexion. Formkritisch liegt die Gattung des prophetischen rib, Prozess- oder Gerichtsszene, nahe. V43 ist der hymnische Abschluss der Moseliedes, in dem dazu aufgefordert wird, den Jubelgesang anzustimmen. Der Adressat dieser Aufforderung sowie des Jubels ist im hebräischen Text etwas unklar: Es könnten die Nationen aufgefordert werden, Gottes Volk zu bejubeln (so z.B. die Vulgata). Jedoch ist folgende Variante wahrscheindlicher: Adressat des Jubelgesangs ist Gott. Der Imperativ 1ΓΠΠ richtet sich dann an die Nationen und sein Volk: Beide sollen Gott bejubeln.

Die Septuaginta-Version dieses Verses ist wesentlich ausführlicher als der masoretische Text.209 Aus der Septuaginta-Vorlage von Dtn 32 könnte das Zitat in Hebr 1,6 nur stammen, wenn einzelne Versteile zusammengezogen würden. Dies macht eine Herkunft des Zitats aus Dtn unwahrscheinlich. Jedoch könnte mit 4QDeut eine Vorlage gefunden sein. 4QDeut 32,43 lautet: ib nnnöm irnSx-bo. Dies wäre eine mögliche hebräische Vorlage des Zitats in Hebr 1,6.210 Jedoch benutzt der Hebr ansonsten griechische Zitate bzw. Texte aus der Septuaginta als Vorlage. Aus diesem Grund wird vermutet, dass es auch für das Zitat in Hebr 1,6 eine griechische Vorlage gibt, die einen ähnlichen Wortlaut wie 4QDeut 32,43 hat.211 Insgesamt verwen-

207 So z.B. Gräßer, Hebräer I, 80f, oder Schröger, Schriftausleger, 46-56. 208 Zu Dtn 32 und dem Moselied vgl. Rose, 5. Mose, 563-573; Preuss, Deuteronomium, 165-169; von Rad, Deuteronomium, 136-144. 209 Der LXX- Text von Dtn 32,43 lautet: εύφράνθητε ουρανοί κμκ αύτω και προσκυνησάτωσαν αύτω πάντες υιοί Θεοΰ εύφράνθητε εθνη μετά τοΰ λαού αύτοΰ καΐ ένισχυσάτωσκν αύτω πάντες άγγελοι θεοϋ οτι το άίμκ τώυ υιών αύτοΰ έκδικάται καΐ έκδικήσει και άνταποδώσει δίκην τοις έχθροις και τοις μισοΰσιν ανταποδώσει και έκκκθαριει κύριος την γήυ τοΰ λαού αύτοΰ. 210 Ahnlich vermutet Katz, Quotations, 217-219, eine alte hebräische Vorlage. 211 So vermutet Hegermann, Hebräer, 52: „Wahrscheinlicher ist, daß ihm der Zitattext wörtlich in seiner griechischen Bibel schon vorlag, da eine solche Fassung in 4QDeut 32,43 belegt ist, dazu auch noch in den Oden, die in einigen LXX-Handschriften hinter den Psalmen angefügt sind". Vgl. auch Kistemaker, Citations, 20-23. Bateman,

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det der Hebr, v.a. in der Zitatenreihe Hebr 1,5-14, zahlreiche Psalmzitate, so dass eine Herkunft des Zitats aus Ps 97 (LXX96),7 ebenso gut möglich wäre. Der Vers lautet in der Septuaginta (Ps 96,7LXX): αίσχυνθήτωσαν πάντες οί προσκυνοϋντες τοίς γλυπτοΐς ol έγκαυχώμενοι. έν τοίς είδώλοι,ς αύτών προσκυνήσατε αύτω πάντες οί άγγελοι, αύτοϋ. Psalm 97 (LXX96) besingt Gottes Thronbesteigung. 2 1 2 In V7 wird zugesagt, dass sowohl Götzendiener als auch Engel vor Gott niederfallen werden. Ahnlich wie in Dtn 32,43 ist die Verehrung und Anbetung Gottes auch von denen, die ihm entgegenstehen, den Nationen (Ps 97 (LXX96),6; Dtn 43) und den Götzendienern (Ps 97 (LXX96),7), thematisiert.

Beide alttestamentlichen Texte kommen also als Ursprung des Zitates in Hebr 1,6 in Frage.213 Jedoch ist m.E. die Herkunft aus Ps 97 (LXX96) wahrscheinlicher, da Hebr viel aus dem Psalter zitiert214 und die uns bekannten griechischen Vorlagen eher mit Ps 97 (LXX96),7 als mit Dtn 32,43 übereinstimmen. Dass der Hebr sich dabei nicht ganz an die Textvorlage hält, sondern den Vers deutlich kürzt, ist nicht ungewöhnlich. Im Kontext von Hebr 1,5-14 wird mit dem Zitat von Ps 97 (LXX96),7 die Verehrung des Sohnes durch die Engel zum Ausdruck gebracht. Sie beten ihn an, so wie in den alttestamentlichen Texten die Anbetung Gottes durch die Engel zugesagt ist.215 Strittig ist allerdings der mit der Zitateinleitung gemeinte Zeitpunkt: δταν 6e πάλιν είσαγάγη τον πρωτότοκον είς την οίκουμένην (Hebr 1,6): Inkarnation, Parusie oder Rückkehr in die himmlische Welt nach der Menschwedrung könnten gemeint sein. Das Zitat steht im Kontext von Hebr 1,5-14 in einer Reihe allgemeingültiger Aussagen über die besondere Würdestellung des Sohnes und die den Engeln zukommende Position. Doch V6 durch die besondere Einleitung auf: οταν mit Aorist Konjunktiv benennt etwas Zukünftiges. Also ist nicht, wie bei den anderen Zitaten der Zitatenreihe, die dauerhafte Stellung des Sohnes gemeint, 2 1 6 sondern ein künftiger Zeitpunkt nach der Erniedrigung bzw. Menschwerdung des Sohnes. Denn währenddessen steht dieser unter

212 213 214 215 216

Hermeneutics, 142-144, vermutet einen „Septuagint-based text (perhaps proto Codex A)" (ebd., 144); vgl. auch Gheorghita, Septuagint, 40-43. Vgl. zu Ps 97 (LXX96) Gunkel, Psalmen, 423-426; Kraus, Psalmen II, 839-844; Hossfeld / Zenger, Psalmen II, 518-521. Weiß, Hebräer, 161f, geht davon aus, dass es sich um ein Mischzitat aus beiden Texten handelt. Vgl. den statistischen Überblick oben S. 22f. Anders Hurst, Christology, 157-159. Es gehe im zitierten Text Dtn 32,43 nicht um die Verehrung Gottes, sondern um die besondere Stellung des Volkes Gottes über den Engeln. Vgl. oben S. 60-62.

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den Engeln - erst danach gibt es die dauerhafte Anbetung des Sohnes durch die Engel. Die Inkarnation des Sohnes kann also mit der Zitateinleitung Hebr 1,6 nicht gemeint sein.217 Der hier genannte Zeitpunkt könnte die Parusie des Sohnes meinen,218 wenn πάλι,ν nicht als einfaches Bindeglied zwischen zwei Zitaten verstanden wird, sondern zusammen mit είσάγει,ν als ,wieder einführen' übersetzt wird.215 οικουμένη meinte dann die gesamte himmlische und irdische Welt, in der die Herrschaft des Sohnes sichtbar wäre. Jedoch entspricht die Formulierung des Einführens (ίίσάγίΐ,ν) nicht dem üblichen mit der Parusie verbundenen Vokabular. Auch fungiert πάλιν hier wie an den meisten Stellen im Hebr als einfaches Bindeglied zwischen zwei Zitaten (vgl. z.B. Hebr 1,5; 2,13).220 Außerdem ist mit οικουμένη in Hebr 2,5 eindeutig die himmlische, zukünftige Welt gemeint: οικουμένη μέλλουσα. Die irdische Welt, in die der Sohn bei der Inkarnation kommt und vermutlich auch bei der Parusie wieder eintreten wird, wird in Hebr 10,5 κόσμος genannt.

Der Kontext und die Formulierung sprechen dafür, dass in Hebr 1,6 die Einführung des Sohnes in die himmlische Welt nach der Erniedrigung genannt ist.221 Der Umgang mit dem alttestamentlichen Text gleicht dem in der gesamten Zitatenreihe Hebr 1,5-14. Mit dem Zitat von Ps 97 (LXX96),7 in Hebr 1,6 wird ein alttestamentliches Zitat aus dem ursprünglichen Kontext genommen und neu verstanden. Auch hier spricht Gott zum Sohn. Mithilfe des Zitats wird die besondere Würde des Sohnes zum Ausdruck gebracht. Galten im Alten Testament die Aussagen Gott, so gelten sie nun dem Sohn: Ihn beten die Engel Gottes an.

1.3 Der Sohn im Gegenüber zu den Engeln - zur Funktion des Engelvergleiches im Hebr Der Sohn hat eine einzigartige und einmalige Stellung inne. Er ist als Sohn direkt auf Gott bezogen und steht über allen anderen bekannten himmlischen Wesen. Außerdem ist er nicht geschaffen, sondern ewig und unvergänglich (vgl. Hebr l , l l f ) . Der Vergleich mit den Engeln verdeutlicht dies. Das Vorhandensein von Engeln wird dabei als 217 218 219 220

So aber z.B. Attridge, Hebräer 55f. So z.B. Riggenbach, Hebräer, 18f; Braun, Hebräer, 36. Vgl. Braun, Hebräer, 36. Vgl. Laub, Bekenntnis, 59; Attridge, Hebräer, 55. In Hebr 5,12; 6,1.6 dagegen hat •πάλιν eindeutig die Bedeutung ,wiederum' oder ,nochmals'. 221 So z.B. Gräßer, Hebräer I, 77f; Weiß, Hebräer, 163f; Theißen, Untersuchungen, 122.

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selbstverständlich vorausgesetzt und nicht negativ bewertet. Die Gegenüberstellung von Sohn und Engeln wehrt also in erster Linie keine falsche Engelverehrung ab, sondern verdeutlicht die Stellung des Sohnes.222 Hierzu wird das Verhältnis von Engeln und Sohn in vier Negativformulierungen beschrieben223: Kein Engel wurde je als Gottes Sohn angesprochen (Hebr 1,5); kein Engel wurde je eingeladen, sich zur Rechten zu setzen (Hebr 1,13); die zukünftige Welt ist keiner Macht von Engeln unterworfen (Hebr 2,5); Engeln gilt Christi Heilswerk nicht (Hebr 2,16). Doch werden die Funktionen der Engel auch positiv formuliert. Ihre Aufgaben sind die Verehrung Christi (Hebr 1,6), der Dienst an den Glaubenden (Hebr 1,14), sowie die Mittlerfunktion im Alten Bund (Hebr 2,2). Die Engel sind Gottes Engel. Damit sind sie wie der Sohn auf Gott bezogen. Deutlich ist allerdings, dass die Engel nicht den gleichen Rang haben wie der Sohn. Die Engel existieren, haben aber keinerlei Funktionen oder Aufgaben, die der Sohn nicht besser erfüllt bzw. erfüllen könnte,224 sie dienen lediglich den Menschen. Dadurch wird deutlich, dass der Sohn allein Verehrung verdient - einer möglichen Überbewertung der Engel wäre damit widersprochen. Aber eine explizite Auseinandersetzung mit Engelverehrung oder gar einer Engelchristologie ist im Hebr nicht zu erkennen. Dennoch nimmt der Vergleich mit den Engeln in den ersten beiden Kapiteln des Hebr einen breiten Raum ein.225 Danach werden die Engel nur noch in Hebr 12,22 und 13,2 erwähnt, allerdings in ganz anderem Kontext.226 Jedoch zeigen diese beiden Stellen, dass im Hebr Engel bzw. Engelvorstellungen nicht negativ bewertet werden.

222 So auch Gieschen, Angelomorphic, 294; vgl. ebd., 294-314; vgl. auch Loader, Sohn, 28f; Thompson, Beginnings, 139f; Kuss, Hebräer, 45-47. Anders z.B. Lueken, Michael, 145. Zur Frage auch Stuckenbruck, Angel Veneration, 124-139; Weiß, Hebräer, 157160; Wider, Theozentrik, 51-55. 223 Vgl. Stuckenbruck, Angel Veneration, 123f. 224 Einige der Attribute, die in Hebr l f dem Sohn zugeschrieben werden, werden in anderen Traditionen für die Engel oder die Weisheit verwendet, beispielweise die Beteiligung an Schöpfung und deren Erhaltung (vgl. Prov 8,22-31) oder der Besitz des bzw. eines göttlichen Namens (vgl. ApkAbr 10; 3Hen 12,5). Vgl. den Uberblick bei Gieschen, Angelomorphic, 295-303; vgl. ebd., 70-123. Gieschen stellt v.a. die Nähe zu,angelomorphic ideas' heraus. Isaacs, Space, 190-200, betont dagegen die weisheitlichen Parallelen. 225 Vgl. Hannah, Michael, 137-139. 226 Hebr 12,22 nennt die Engel als Teil der eschatologischen Festgemeinde am Zion; Hebr 13,2 lobt die Gastfreundschaft und vermutet, dass durch diese schon unwissentlich Engel beherbergt wurden.

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Mithilfe der Engelvorstellung wird in Hebr 1 die Bedeutung des Sohnes herausgestellt. Den Status der Engel belegen die Schriftzitate, indem sie, wie schon in Bezug auf den Sohn, als Worte Gottes verstanden werden. So verdeutlichen die alttestamentlichen Verse die von Gott geschaffene himmlische Hierarchie: Der Sohn steht über den Engeln, beide erhalten ihren spezifischen Status von Gott. Ob dieser Vergleich mit den Engeln aufgrund einer Vorstellung des himmlischen Inthronisationsaktes227 aufgenommen wird, oder weil die Engel selbstverständlich zur Welt gehören, bleibt offen. Jedoch geht es nicht allein um die Würde des Sohnes, sondern ebenfalls um dessen soteriologische Relevanz. Ihm ist die Welt unterworfen, er sitzt zur Rechten Gottes - und dennoch wird er erniedrigt und wird Mensch. Die Engel bleiben Geister (πνεύματα), dienstbare Geister für diejenigen, die das Heil erben werden (Hebr 1,7.14), während er Fleisch und Blut annimmt (vgl. Hebr 2,14), den Menschen gleich wird. Nur auf diese Weise bewirkt er Heil (vgl. αρχηγός της σωτηρίας αύτών; Hebr 2,10).228

2. Der Sohn und die Söhne 2.1

Die Söhne als Brüder des Sohnes - Hebr 2,11-13

Der Sohn und die Söhne sind Brüder. Dies wird in Hebr 2,11 aus dem Sohnestitel und den mit ihm verbundenen theologischen Aussagen gefolgert. Zunächst wird festgehalten, dass der Sohn als der, der heiligt (ö άγι,άζων), und die Söhne als diejenigen, die geheiligt werden (οί άγιαζόμενοι), einen gemeinsamen Ursprung haben: Sie sind alle aus einem (εξ ενός; Hebr 2,II) 2 2 9 . Aus diesem Grund (δι,' ην αΐτίαν) schämt er sich auch nicht, sie Brüder zu nennen (αδελφούς αυτούς καλεΐν) (Hebr 2,11).

Hebr 2,11 fasst somit die Verbundenheit von Sohn und Söhnen zusammen, die zum einen in ihrer Herkunft aus Gott liegt, zum anderen durch den Sohn selbst vermittelt ist. Gleichzeitig leitet dieser Vers über zum Zitat in Hebr 2,12f, in dem die Beziehung von Sohn und Söhnen und deren Bezogenheit auf Gott ausgeführt und belegt wird.230 Das Zitat selbst ist eine Kombination von drei Versen, die jeweils mit και

227 228 229 230

So Käsemann, Gottesvolk, 58-61; vgl. Gräßer, Hebräer I, 67f. 71. Vgl. Loader, Sohn, 27f; Hegermann, Hebräer, 39. S.u. S. 97f. Vgl. Gräßer, Hebräer, 113; Isaacs, Space, 174£.

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πάλιν verbunden sind. Mit Ps 22 (LXX21),23 wird die Verkündigung des Namens Gottes durch den Sohn benannt.231 Über Gott selbst gibt der nächste Vers Auskunft: εγώ εσομαι πεποιθώς έπ' αύτω (Hebr 2,13). Der Ursprung des Zitates ist nicht eindeutig bestimmbar, da es mit keiner alttestamentlichen Stelle wortwörtlich übereinstimmt. Möglicherweise stammt die Wortverbindung aus Jes 8,17, Jes 12,2 oder 2Sam 22,3. Aufgrund des folgenden Zitates ιδού εγώ και τά παιδία α μοι εδωκεν ό θεός (Hebr 2,13) aus Jes 8,18 bietet sich eine Herkunft aus Jes 8,17 an. Dagegen könnte nur die eingeschobene Zitateinleitung και πάλιν sprechen, doch kann diese z.B. aufgrund der Textauslassung erklärt werden.232

Daher ist eine Herkunft beider Zitate aus Jes 8 anzunehmen.233 Jes 8,1-18 ist der dritte Teil der Immanuelinschrift.234 Jesaja zieht selbst eine Art Schlussstrich, was v.a. in den letzten Versen des Textes, die auch im Hebr zitiert werden, deutlich wird. Er sagt zu, weiterhin auf Gott sein Vertrauen zu setzen, auch wenn dieser verborgen ist. Das Vertrauen Jesajas erhält dadurch einen besonderen Ton, es geht hier nicht um das normale Vertrauen zu Gott, sondern das Vertrauen angesichts der Enttäuschung bzw. Nicht-Erfahrbarkeit Gottes. Die Kinder, gemeint sind Jesajas eigene Kinder, verkörpern so die Erwartung und Hoffnung. Sie sind von Gott gegeben, sind sichtbares Zeichen seiner Gegenwart.

Mit diesen Zitaten aus Jes 8 greift der Hebr das Thema der unverbrüchlichen Beziehung zu Gott, auch angesichts dessen scheinbarer Abwesenheit, auf. Diese enge Bindung an Gott zeichnet den Sohn selbst in dessen Leiden aus. Weiter verdeutlichen die Zitate die enge Beziehung, die zwischen Gott und den Kindern besteht, bzw. bestehen kann. παιδία meint im Kontext des Hebr nicht die Kinder des Sohnes, auch nicht im übertragenen Sinn - die Menschen sind Kinder Gottes.235 Die Menschen sind Söhne, hier aufgrund des Zitates als Kinder bezeichnet, ihre Sohnschaft ist durch den Sohn vermittelt, aber sie sind nicht die Söhne des Sohnes.

Mit diesen drei Zitaten in Hebr 2,12f wird die doppelte Beziehung, in der der Sohn steht, erkennbar: Der Sohn ist der Sohn Gottes, ihm vertraut er. Und von Gott stammen auch die Kinder, seine Brüder. Ihnen verkündigt er. Die Verbundenheit von Sohn und Söhnen wird 231 Vgl. dazu oben S. 83. 232 Vgl. auch das Zitat von Dt 32,35f in Hebr 10, 30. 233 Vgl. Schröger Schriftausleger, 91f; Gräßer, Hebräer I, 140f; Kögel, Sohn, 66; Kistemaker, Citations, 32f. 234 So gliedert zumindest Beuken, Jesaja 1-12, 211-232. In kleinere Textabschnitte gliedert Wildberger Jesaja I, 342-354. Vgl. auch Schröger, Schriftausleger, 91-95. 235 Anders Gräßer, Hebräer I, 142, der von Kindern Christi spricht; auch Braun, Hebräer, 63; Käsemann, Gottesvolk, 92f.

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mit Hilfe der alttestamentlichen Zitate, die als Worte des Sohnes verstanden werden,236 bestätigt und zugleich belegt.237 Diese Worte stehen über dem Weg des Sohnes, der Menschwerdung, Leiden und Tod bedeutet (vgl. Hebr 2,14f). Sie benennen die Zustimmung des Sohnes zu diesem Weg. Wurde mit Ps 8 in Hebr 2,5-9 Gottes Heilsplan vorgestellt, so steht hier die Antwort und Einwilligung des Sohnes: Er geht seinen Weg im Vertrauen auf Gott und in Solidarität mit seinen Brüdern, den Söhnen Gottes.

2.2

Die völlige Solidarität: in gleicher Weise versucht

Die Menschwerdung des Sohnes ist Ausdruck seiner Solidarität mit den Brüdern. Das Gleichwerden Jesu mit den Menschen (vgl. Hebr 2,14: παραπλησίως; Hebr 2,17: κατά πάντα όμοι,ωθήναι,) bedeutet zunächst die gleiche Versuchungserfahrung (vgl. Hebr 2,18: π€ψασθείς; Hebr 4,15: πέπεψασμένος)238. Dabei wird mit dem Stichwort Versuchung ein Charakteristikum menschlichen Lebens markiert.239 Mit dem Begriff Versuchung ist hier also nicht an die Versuchungsgeschichte der synoptischen Tradition gedacht, sondern an das grundsätzliche Versucht-Sein, das mit menschlichem Leben verbunden ist und dieses kennzeichnet. „Was irgend dem Menschen zur Versuchung werden kann, hat auch Jesus als Versuchung empfunden" 240 . Die Pointe des Hebr liegt hier nicht in der Kennzeichnung einer besonderen, eschatologischen oder kreuzestheologischen Versuchungssituation Jesu und der Gemeinde, sondern in einer grundsätzlichen Beschreibung menschlichen Lebens, in die sich auch der Hohepriester und Sohn Gottes Jesus Christus begeben hat. Zu diesem Leben gehört neben Versuchungen auch Tod und Todesangst (vgl. Hebr 2,14f).

236 Ansonsten werden im Hebr nur nur die Zitate in Hebr 10,5ff als Worte des Sohnes verstanden. 237 Gray, Brotherly Love, 338-348, macht darauf aufmerksam, dass die Aussagen in Hebr 2 zur Brüderlichkeit auch Ubereinstimmungen mit Plutarch aufweisen. 238 Hebr 4,15 betont, dass Jesus in ganz gleicher Weise versucht wurde: πεπειρασμένον δε κατά πάντα καθ' ομοιότητα. Gräßer, Hebräer I, 255, weist darauf hin, dass καθ' ομοιότητα diese Gleichheit besonders betont, „ομοίως gleicherweise hätte genügt" (ebd.). 239 Vgl. Walter, Christologie, 68. 240 Riggenbach, Hebräer, 118.

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Jesus Christus, der Sohn

Bornhäuser241 dagegen unterscheidet die sittlichen, allgemeinmenschlichen Versuchungen und diejenigen Versuchungen, die Jesus erleiden musste und die nun auch mit dem Christenstande verbunden sind. Eine solche Unterscheidung von allgemein-menschlichen und spezifisch christlichen Versuchungen ist im Hebr m.E. nicht zu finden. Vielmehr wird über den Begriff der Versuchung verdeutlicht, dass der Sohn Gottes mit allen Konsequenzen Mensch wird. So erfährt er dieselben Versuchungen wie alle Menschen. 242 So sind auch die schwer verständlichen Verse Hebr 5,7-10 2 4 3 nicht als Gethsemane-Parallele 2 4 4 oder Anspielung auf dieses oder ein anderes konkretes Ereignis aus Jesu Leben 2 4 5 zu verstehen, sondern als S u m m a r i u m Jesu Lebens und Leidens. 2 4 6 Dabei ist die Sprache von der der alttestamentlichen Psalmen geprägt. 2 4 7 241 Bornhäuser, Versuchungen, 71-82. Vgl. auch Laub, Jesus, 429f, der in der eschatologischen Versuchungssituation eine parallele Erfahrung des erniedrigten Jesus und der angefochtenen Gemeinde erkennen will. Vgl. ders., Bekenntnis, 109-112. 242 Von daher ist auch der Unterscheidung Bornhäusers von sittlichen und nichtsittlichen Versuchungen nicht zuzustimmen. S.E. musste Jesus keine sittlichen Versuchungen erleiden: χωρίς αμαρτίας in Hebr 4,15 kennzeichne die Versuchung Jesu als abseits der Sünde, d.h. als nicht-sittliche Versuchung (Bornhäuser, Versuchungen, 76.83f). Jedoch dient χωρίς αμαρτίας nicht zur Qualifizierung des Versuchungsbegriffs, sondern charakterisiert den Sohn und Hohepriester Jesus Christus als sündlos (vgl. Hebr 4,15). Bornhäusers eigenes Resümee verdeutlicht, dass bei seiner Interpretation v.a. das theologische Interesse, Gottheit und sittliche oder allgemein-menschliche Versuchungen zu trennen, nicht der Befund im Hebr seine Interpretation bestimmte. Vgl. ebd., 85: „Vor allen Dingen aber gelingt es nur unter der Voraussetzung der obigen Deutung, die Behauptung von Versuchungen Jesu mit dem Bekenntnisse seiner Gottheit zu vereinigen.". 243 Die Problematik von Hebr 5,7-10 ist viel diskutiert worden: Es ergeben sich textkritische Fragen (v.a. seit v. Harnacks Vorschlag, ein ούκ einzufügen), das Problem der Ubersetzung und des Verständnisses von ίύλάβαά αώζαν ΕΚ θανάτου und καίικρ, sowie traditionsgeschichtliche Fragen (Gethsemane-Parallele, Psalmenauslegung oder Hymnus). Einen Uberblick über die Probleme bieten z.B. Bachmann, Leiden, 244-248; Gräßer, Hebräer I, 294-308; Maurer, Gottesfurcht, 276-278; Rissi, Menschlichkeit, 40ff; Schröger, Schriftausleger, 120-127, oder Roloff, Hohepriester, 152-158. Auf eine ausführliche Diskussion kann hier verzichtet werden. 244 Dass Hebr 5,7-10 als Gethsemaneparallele zu bewerten ist, vertritt z.B. Feldmaier, Krisis, 50-63; bes. 61f. Vgl. ebenso Hübner, Theologie III, 35; Peterson, Perfection, 8789. 245 So z.B. Boman, Gebetskampf, 261.266-268. Wegen der Unstimmigkeiten zwischen der synoptischen Gethsemaneüberlieferung und Hebr 5, 7-10 nimmt er an, der Hebr verweise hier auf ein Gebet Jesu, das wohl vor Gethsemane stattfand und das erhört wurde. 246 So auch Rissi, Menschlichkeit, 41f. 247 Vgl. hierzu z.B. Dibelius, Gethsemane, der in Hebr 5,7-10 eine Kombination von Ps 31,23 und Ps 39,13 erkennen will; oder Strobel, Psalmengrundlage, 252-266, der Hebr 5,7 als unmittelbar von Ps 116 abhängig erkennt. - Ob man tatsächlich eine solch konkrete Vorlage ausmachen kann, bleibt jedoch fraglich; allerdings erinnert die Sprache in Hebr 5,7-10 an die der Psalmen.

Der Sohn und sein Verhältnis zu den Geschöpfen

97

Die Hauptaussage von Hebr 5,7-10 zielt darauf, die Menschlichkeit des Sohnes Gottes aufzuzeigen. 248 Er ist der Sohn, was durch das Zitat von Ps 2,7 in Hebr 5,5 wiederholt wird, aber er wird nicht verschont. Dies betont auch Hebr 5,8: κοάπφ ών υιός; obwohl er Sohn ist, muss er diesen menschlichen Weg gehen, leiden, Gehorsam lernen und vollendet werden. Jesus, der Sohn Gottes, steht nicht unter einem besonderen Schutz. Er ist Mensch geworden - mit allen Konsequenzen. Dass er Sohn ist, widerspricht seiner (Mit-)Menschlichkeit und der Solidarität mit den Söhnen nicht.249 Ebenso bedeutet die Sündlosigkeit des Sohnes und Hohepriesters Jesu250 keinerlei Defizit in der Erfahrung des Menschseins. Die Sündlosigkeit Jesu und seine Menschlichkeit können nebeneinander stehen, ohne sich zu widersprechen. 251 Der Sohn Gottes ist Mensch geworden - dies ist die wichtige theologische und soteriologische Aussage des Hebr. Allerdings greift er zur Ausformulierung des Gleichwerdens des Sohnes mit den Menschen selten bzw. gar nicht auf alttestamentliche Texte zurück.

2.3

Die Menschen als Söhne Gottes - Hebr 12,4-11

Die Menschen werden im Hebr als Söhne bezeichnet, als Brüder des Sohnes Jesus Christus. Damit wird deutlich, dass Söhne diejenigen sind, die durch den Sohn mit Gott verbunden sind.252 Im Hebr werden jedoch schöpfungstheologische und soteriologische Perspektive nicht getrennt, es wird nicht unterschieden zwischen Menschen allgemein und Christen im Besonderen. Alle Menschen werden als Kinder bzw. Söhne Gottes angesprochen. Ihre Verbindung mit Gott wird selbst-

248 Anders Gäbler, Kulttheologie, 172-184: S.E. stehe in Hebr 5,5-10 lesu Gehorsam im Vordergrund. Er begründe sein Hohepriestertum. 249 Vgl. auch Roloff, Hohepriester, 154f. Schille, Hohepriesterlehre, 98, spricht dennoch von Paradoxie. 250 Zur Sündlosigkeit Jesu vgl. χωρίς αμαρτίας in Hebr 4,15; οσίος ακακος αμίαντος, κεχωρισμενος από των αμαρτωλών και υψηλότερος τών ουρανών γενόμενος in 7,26 und αμωνον in 9,14. 251 Vgl. Loader, Sohn, 124-126 252 So besteht die Gemeinschaft von Sohn und Söhnen nicht ausschließlich aufgrund der menschlichen Gleichheit. Kögel, Sohn, 63, betont, dass diese Gemeinschaft zuerst nach der göttlichen Beziehung, dann nach der menschlichen gewürdigt werde. Lohr, Anthropologie, 174, weist mit Recht darauf hin, dass im Hebr das Lexem άνθρωπος zur Bezeichnung der Differenz von Gott und Mensch verwendet wird. Z.B. stehen sich der Hohepriester Jesus und der aus Menschen genommene Hohepriester gegenüber (Hebr 5,1-10).

Jesus Christus, der Sohn

98 verständlich

vorausgesetzt.253

Diese Gottesbeziehung

weise in H e b r 2,11 herausgestellt:

wird

beispiels-

Sie sind alle aus e i n e m

(εξ

ενός

πάντες), n ä m l i c h a u s G o t t . 2 5 4 Da

sie S ö h n e

Zuspruch

der

Gottes

sind, gelten den M e n s c h e n nicht nur

Heilszusage,

sondern

auch

der

Anspruch,

die

der Mah-

n u n g e n Gottes.255 D a s verdeutlichen die paränetischen Abschnitte gesamten

Hebr.

Der

Zusammenhang

der

Ermahnungen

mit

im der

Gotteskindschaft w i r d explizit in H e b r 12,4-11 benannt. Die M e n s c h e n w e r d e n s o w o h l i m Z i t a t a l s a u c h i n d e r Z i t a t e i n l e i t u n g , ητις ύμιν ώς υ'ιοίς διαλέγεται ( H e b r 1 2 , 5 ) , a l s S ö h n e G o t t e s (ώς υίοις; H e b r

12,5.7)

angesprochen. D a s ώς ist hier nicht als Vergleichpartikel zu verstehen, der die Sohnschaft der M e n s c h e n relativiert, im Gegenteil: Es betont die Sohnschaft, d e n n Gott spricht z u den M e n s c h e n als Söhnen, nicht wie z u Söhnen. 2 5 6 Dieses Verständnis der Sohnschaft der M e n s c h e n wird d a d u r c h gefördert, dass i m Zitat die A n r e d e υίε, vermutlich u m μου erweitert wurde 2 5 7 . Die aus P r o v 3 , l l f a u f g e n o m m e n e 2 5 8 M a h n u n g fordert d a z u auf, die Z ü c h t i g u n g e n d e s H e r r n (παιδεία κυρίου) n i c h t z u v e r a c h t e n . M i t d e m M o d e l l d e r παιδεία w i r d e i n e I n t e r p r e t a t i o n s m ö g l i c h k e i t d e r a k t u e l l e n S i t u a t i o n g e b o t e n , die s o w o h l i m a l t t e s t a m e n t l i c h - j ü d i s c h e n K o n t e x t als Prüfung

Gottes

v e r s t e h b a r ist.

259

als

auch

im

hellenistischen

Kontext

als

Erziehung

D i e aktuelle Situation soll also als Z ü c h t i g u n g

(vgl.

253 Vgl. Schenck, Appointment, 100-102; Bornkamm, Sohnschaft, 196f. Vgl. auch Attridge, Hebräer, 91; Loader, Sohn, 133. 254 So auch Michel, Hebräer, 150; Hegermann, Hebräer, 75; Gräßer, Hebräer I, 135f; Übelacker, Appell, 174f; Kögel, Sohn, 59f; Müller, Christusprädikation, 293-296. Anders Weiß, Hebräer, 213: εξ ενός bezeichne nicht einen gemeinsamen Ursprung in Gott, sondern meine wie Fleisch und Blut das gemeinsame Schicksal aller Menschen, εξ ενός verbinde also nur den irdischen Jesus, nicht den Sohn mit allen Menschen. Dagegen spricht allerdings die Vokabel άγι,άζειν. Es geht im Kontext des εξ ενός gerade nicht um die gemeinsame menschliche Erfahrung, sondern um das Heilswerk des Sohnes, der heiligt, für die Geheiligten. - Auch ist mit έξ ενός keine präexistente Seelenverwandtschaft im Sinne der Syngeneia-Lehre gemeint; so aber Käsemann, Gottesvolk, 90-95; Gräßer, Hebräer I, 143f. Dagegen z.B. Müller, Christusprädikation, 197f; 255 Die Schärfe des Wortes Gottes betont z.B. Hebr 4,12. 256 So auch Hebr 3,6 über Christus als Sohn. Vgl. Bauer, 1789-1793, v.a. unter III. Ebenso Bornkamm, Sohnschaft, 197f; Weiß, Hebräer, 647f; Gräßer, Hebräer III, 256. 257 In der LXX steht nur υιέ. Allerdings könnte in einer dem Hebr vorliegenden Textfassung bereits ein μου angehängt worden sein. So vermutet z.B. Hegermann, Hebräer, 248. 258 Zum Zitat vgl. Schräger, Schriftausleger, 188f. Gräßer, Hebräer III, 256-258; Kistemaker, Citations, 51f. 259 Vgl. Bornkamm, Sohnschaft, 188-198; Loader, Sohn, 137-139; Dey, Intermediary World, 222-225; auch (allerdings zu Hebr 5,11-14): Thompson, Beginnings, 17-40.

Der Sohn und sein Verhältnis zu den Geschöpfen

99

Hebr 12,7-11) verstanden und so auch bestanden bzw. überstanden werden: εις παιδείαν ύπομένετε (Hebr 12,7). Der Abschnitt schließt mit einem Ausblick auf Frieden und Gerechtigkeit, die als Frucht der bestandenen Züchtigung genannt werden (ύστερον δε καρπόν ε'ιρηνικόν τοις δι' αύτης γεγυμνασμένοις άποδίδωσι,ν δικαιοσύνης, Hebr 12,11). Gott spricht also nicht nur zum Sohn, sondern auch zu den Söhnen.260 Auf diese Weise wird die Gültigkeit der alttestamentlichen Texte, v.a. ihr Gehalt als Mahnung, bestätigt. Sie erscheinen hier nicht in neuem Sinn und Zusammenhang, sondern der Anspruch, der mit der Beziehung zu Gott verbunden ist, wird bestätigt.

3. Zusammenfassung: Der Sohn, die Söhne und die Engel Das Verhältnis des Sohnes zu Söhnen und Engeln ist im Hebr deutlich bestimmt: Der Sohn steht über den Engeln, sie beten ihn an, wenn er in die himmlische Welt kommt (Hebr 1,6). Den Menschen dagegen gilt das Heil, das mit Jesus verbunden ist. Er wird Mensch und ermöglicht den Menschen so, zu Söhnen Gottes zu werden (Hebr 2). Dass dieser Status der Söhne Gottes mit Forderungen Gottes verbunden ist, betont Hebr 12,4-11. Uber das Verhältnis von Menschen und Engeln wird nur gesagt, dass die Engel denen, die das zukünftige Heil erben, dienen (Hebr 1,14). Der Unterschied von Sohn und Engeln wird mit Schriftzitaten bzw. mit den Zitateinleitungen in Hebr 1,5-14 bestimmt. So erbringt die Schriftauslegung den Beleg für die vom Hebr vertretenen These der Überlegenheit des Sohnes über die Engel. Auch die Beziehung des Sohnes zu den Menschen wird mit dem Alten Testament belegt. Dem Sohn werden drei Zitate in den Mund gelegt (Hebr 2,12f). Diese bringen zum einen die Beziehung zu Gott, zum anderen die zu den Brüdern zum Ausdruck. Jedoch findet der Hebr in der Schrift nicht nur Aussagen zur Interpretation des Christusereignisses, also über Gottes Heilsplan, die Stellung des Sohnes zu Gott, Engeln und Menschen, sondern die Schrift enthält auch weiterhin gültige Mahnungen Gottes an die Menschen. Dies ergibt sich aus ihrem Status als Kinder Gottes (vgl. z.B. Hebr 12,4-

260 Auch untereinander gilt daher die Anrede Brüder / άδελφοί (vgl. Hebr 3,1)·

100

Jesus Christus, der Sohn

11). Hier wird der alttestamentliche Text nicht neu interpretiert, sondern behält seine ursprüngliche Bedeutung als Mahnung bei.

V. Zusammenfassung: Der Sohn und die Schriftauslegung Mit dem Sohnestitel sind im Hebr verschiedene theologische Aussagen verbunden. Diese konzentrieren sich im Wesentlichen auf die Kapitel Hebr lf. Dabei wird in unterschiedlicher Weise auf die Schrift zurückgegriffen. In Hebr 1,1-4 wird die Besonderheit des Redens Gottes im Sohn postuliert, ohne dass dabei auf die Schrift Bezug genommen wird. Jedoch wird so die hermeneutische Bedeutung des Christusereignisses gleich zu Beginn des Hebr formuliert: Im Sohn ist Gott in letztgültiger Weise offenbar. Den Schriftbeweis für diese Bedeutung des Sohnes liefert die Zitatenreihe in Hebr 1,5-14. Sieben alttestamentliche Zitate, die ohne Berücksichtigung des ursprünglichen Kontextes aufgenommen werden, werden als Gottes Rede an den Sohn verstanden. So wird dessen Würde ausdrücklich genannt und illustriert. Zugleich werden dem Sohn göttliche Attribute zugesprochen und sein Vorrang vor den Engeln betont. Wer der Sohn ist und welchen Status er hat, wird durch die Zitatenreihe in Hebr 1,5-14 deutlich. Eine andere Form der Schriftauslegung bietet die Auslegung von Ps 8 in Hebr 2. Der Psalmabschnitt Ps 8,5-7 wird zitiert und anschließend so ausgelegt, dass Jesu Christi Menschwerdung und Erhöhung ablesbar werden. Gottes Plan bzw. der Ablauf der Heilsgeschichte wird so im alttestamentlichen Text verankert. Nicht auf die Schrift wird bei der Beschreibung des irdischen Lebens Jesu rekurriert. Mithilfe der Paränese aus Prov 3,llf in Hebr 12,4ff wird deutlich, dass für die Menschen als Söhne Gottes die alttestamentlichen Mahnungen weiterhin uneingeschränkt Geltung haben. Es wird erkennbar, dass der Hebr nicht einer bestimmten Auslegungsmethode folgt, sondern je nach Aussageintention in unterschiedlicher Weise mit der Schrift umgeht. Der Weg des Sohnes, den der Hebr beschreibt, steht als christologischer Rahmen über der Auswahl der alttestamentlichen Texte und ihrer Interpretation. Zugleich prägen die alttestamentlichen Texte beispielsweise die Rede vom präexistenten Christus oder die Ausformulierung von Gottes Heilsplan.

TeilC

Person und Amt des Hohepriesters - die Hohepriesterschaft Jesu Christi und die Schriftauslegung Jesus Christus ist Hohepriester. Diese Aussage prägt die Christologie des Hebr. Jesu Person und Werk werden in kultischen Kategorien beschrieben und interpretiert. Er ist Priester und Opfer, bewirkt so endgültiges Heil für alle. In den folgenden zwei Teilen der Arbeit wird der Themenbereich Opfer und Kult im Hebr untersucht. Dabei bildet das Verhältnis von Christologie und Schriftauslegung den Schwerpunkt der Fragestellung. Wie der Hebr auf die alttestamentlichen Kultvorstellungen zurückgreift, um das Christusereignis zur Sprache zu bringen, soll im folgenden Teil (Teil D) den Schwerpunkt bilden. Ist dort also das Werk des Hohepriesters Thema, soll nun die Person des Hohepriesters untersucht werden.

I. Jesus, der Hohepriester - zur Charakterisierung des Hohepriesters 1. Einführung: Jesus, der Priester und Hohepriester Auch wenn im Blick auf den Hebr die Rede vom Opfertod Christi eine große Rolle zu spielen scheint, so ergibt ein näheres Hinschauen, dass zwar die kultische Sprache1 und die Bezeichnung Jesu als Hohepriester für den Hebr zentral sind, dass aber der Rede von Jesus als Opfer eine 1

Einen Überblick über die vom Hebr verwendeten kultischen Termini bietet z.B. Knöppler, Sühne, 194f. Vgl. auch Laub, Verständnis, 66. Zu den kultischen Vorstellungen im Hebr siehe Teil D.

102

Person und Amt des Hohepriesters

eher untergeordnete Rolle zukommt. Jesus Christus ist in erster Linie Hohepriester, nicht Opfer. Schon im Aufbau des Hebr ist dies erkennbar. Die Aussagen zu Jesu (Selbst-)Opfer beschränken sich im Wesentlichen auf Kap 8,1-5; 9,llff und 10, werden also im Kontext der sonstigen Kultaussagen, z.B. über das Heiligtum und den Priesterdienst, behandelt.2 Den ganzen Brief aber, v.a. den ersten Teil, durchzieht der Hohepriestertitel. Mit diesem ist ebenfalls kultische Sprache verbunden, die in erster Linie das Handeln des Hohepriesters Jesus zum Ausdruck bringt.3 „Thema der christologischen Ausführung ist: Jesus Christus als der treue, der zuverlässige Hohepriester." 4 Άρχιερεύς verwendet der Hebr 17-mal. Dabei meint die Mehrzahl der Stellen Jesus Christus (Hebr 2,17; 3,1; 4,14.15; 5,5.10; 6,20; 7,26; 8,1; 9,11), bezeichnet aber auch den Hohepriester (Hebr 5,1; 7,27.28; 8,3; 9,7.25; 13,11), der oft im Gegenüber zu Jesus und dessen Hohepriesterdienst gezeichnet wird.

Der Hohepriestertitel wird in Hebr 2,17 zum ersten Mal erwähnt.5 Das geschieht ohne Einführung oder Erklärung des Titels. Dies könnte daran liegen, dass der Titel zumindest der Gemeinde bereits bekannt gewesen ist.6 Jedoch ist die Einzigartigkeit des Hohepriestertitels im Neuen Testament auffällig und scheint für eine eigenständige Entwicklung des Titels bzw. der Hohepriesterchristologie durch den Hebr zu sprechen.7 Auch die Begründung der Legitimität des Hohepriesters 2 3

4 5 6 7

Auch Thompson, Beginnings, 104, bemerkt, dass der Hebr Opfer und Heiligtum zusammen diskutieren will. Vgl. auch Roloff, Hohepriester, 164. Anders Schmitz, Opferanschauung, 261-279. S.E. durchzieht die Opferthematik den gesamten Hebr. Vgl. auch Hegermann, Hebräer, 79. Im Folgenden wird sich jedoch zeigen, dass die kultischen Begriffe im Hebr nicht in erster Linie die Opfervorstellung meinen, sondern Jesu Priesterdienst, der das Opfer beinhaltet. Fitzer, Opfertodchristologie, 300. Vgl. Kuss, Hebräer, 45: „Und jetzt fällt zum ersten Mal das theologische Kennwort des Hebräerbriefes: Jesus ist Hohepriester". So z.B. Walter, Christologie, 64; ähnlich auch Theißen, Untersuchungen, 16; Zimmermann, Bekenntnis, 28-30; Nomoto, Hohepriestervorstellung, l l f . Dies betont v.a. Gräßer wiederholt in seinem Kommentar, Hebräer I, z.B. 27; 247f; 291-293; Hebräer II, 11, 19, 67 u.ö. Auch Schröger, Schriftausleger, gelangt in seinem Exkurs ,Der Ursprung der Hohepriestervorstellung im Hebräerbrief', 120-127, zu der Uberzeugung, dass die Hohepriestervorstellung vom Hebr selbst entwickelt wurde. Ahnlich auch Laub, Bekenntnis, 44f: Der Hohepriestertitel und die -christologie seien die eigenständige Auslegung des Bekenntnisses in Hebr l,2b-4 durch den Hebr. Vgl. ebd., 14-41. - Schwemer, munus triplex, 207, allerdings sieht in der breiten Entfaltung der Hohepriesterchristologie bei den apostolischen Vätern ein Argument gegen die These, dass diese eine Einführung des Hebr gewesen sei. Vgl. auch Moe, Priestertum, 335-338, der verschiedene Anspielungen auf Jesu Priestertum im gesamten Neuen Testament ausmachen will. Cullmann, Christologie, 82-107, führt den

Zur Charakterisierung der Person des Hohepriesters

103

Jesus Christus, die im Hebr durchweg thematisiert wird, 8 spricht für die eigenständige Einführung dieses Titels durch den Hebr. Allerdings wird der Titel so selbstverständlich verwendet, dass damit vermutlich an Vorstellungen der Gemeinde angeknüpft werden konnte. Der Titel scheint verstehbar gewesen zu sein, auch ohne bereits bekannt zu sein.9 Neben dem Titel Hohepriester nennt der Hebr Jesus auch Priester. Ιερεύς v e r w e n d e t der Hebr insgesamt 14-mal: Hebr 5,6; 7,1.3.11.14.15. 17.20.21.23; 8,4; 9,6; 10,11.21. Ιερεύς findet sich im wörtlichen Zitat v o n Ps 110,4: „συ ιερεύς εις τον αιώνα κατά την τάξιν Μελχι,σέδεκ" / „ D u bist Priester in Ewigkeit nach der O r d n u n g Melchisedeks" (so in Hebr 5,6; 7,17; vgl. 7,21)10 u n d b e i m d a r a n anschließenden Vergleich mit Melchisedek u n d dessen Priestertum. 1 1 Dieser w i r d selbst als Priester, nie als Hohepriester bezeichnet (siehe Hebr 7,1.3). Christi Priestertum w i r d d e m des Melchisedek n a h e z u gleichgestellt u n d a n verschiedenen P u n k t e n d e m levitischen Priestertum gegenübergestellt (z.B. Hebr 7,11.14.15; vgl. auch H e b r 8,4).

Als Priester werden im Hebr also Jesus Christus (in Hebr 10,21 sogar als Ιερέυς μέγας12 betitelt), Melchisedek und die levitischen, d.h. die gewöhnlichen israelitischen Priester (vgl. 7,20.23; 9,6; 10,11) bezeichnet. Es besteht kein Unterschied in der Bezeichnung Jesu als Priester oder als Hohepriester. 13 Jesus Christus, der Hohepriester, ist selbstverständlich auch Priester.

8 9

10 11 12

13

Hohepriestertitel auf Jesu Selbstdarstellung zurück. Zur Debatte vgl. auch Feld, Hebräerbrief, 78-82. Vgl. v.a. Hebr 5,1-10 bzw. das ganze Kapitel Hebr 7. Dazu ausführlich unten 106-121. „Anzunehmen ist indessen, dass diese neue christologische Bestimmung für die angeredete Gemeinde verstehbar und einleuchtend sein konnte." (Schunack, Hebräer, 17). Vgl. Attridge, Hebräer, 97-103. Das Zitat verwendet der Hebr auch frei als „Hohepriester nach der Ordnung Melchisedeks"; Hebr 5,10; 6,20. Vgl. auch Hay, Glory, 145. μέγας ist hier wie auch in Hebr 4,14 (κρχιερέυς μεγκς) und 13,20 (ποιμήν μέγκς) ein Prädikat, das gemeinantik die besondere Würde oder den Rang ausdrückt. Vgl. Gräßer, Hebräer I, 245; Betz, EWNT II, 984f; Grundmann, ThWNT IV, 535. Auch Schille, Hohepriesterlehre, bemerkt den auffälligen Wechsel von Priester- und Hohepriestertitel. Er führt ihn auf verschiedene dem Hebr vorliegende Traditionen zurück. Vgl. ebd., 81f. Dieser Interpretation widerspricht Rissi, Theologie, 55.

104

Person und Amt des Hohepriesters

2. Die Zentralität des Hohepriestertitels im Hebr Ein kurzer Durchgang durch den Hebr entlang der Aussagen zu lesu (Hohe-)Priestertum wird die Bandbreite der theologischen Interpretationen, die mit diesem Theologumenon verbunden sind, zeigen. Wichtig sind zunächst die Solidarität und Mitmenschlichkeit des Hohepriesters sowie die Überlegenheit des Priestertums nach der Ordnung Melchisedeks über das levitische. Erst in Hebr 8-10 rücken die kultischen Vorstellungen und die Opferterminologie in den Mittelpunkt der Argumentation. In den ersten Kapiteln des Hebr (Hebr 2,5-18; 4,14-16; 5,1-10) wird der Hohepriestertitel v.a. im Zusammenhang der Treue Jesu Christi sowie der Erinnerung an sein irdisches Leben und seiner Mitleidfähigkeit genannt.14 Dass Jesus ein treuer und barmherziger Hohepriester ist, wird schon bei der ersten Erwähnung des Hohepriestertitels festgehalten: ελεήμων κοα πι,στος άρχιερεύς (Hebr 2,17), die Treue Jesu Christi wird auch in Hebr 3,1-6 thematisiert. In Hebr 2 wird die Menschlichkeit Jesu ausführlich behandelt: Er ist Mensch wie alle anderen Menschen.15 Dies ist die zentrale Aussage, betont mit κατά πάντα τοις άδελφοΐς όμοίωθήνοα in Hebr 2,17 (vgl. Hebr 4,15). Diese Menschlichkeit Jesu Christi macht ihn zum Hohepriester und hat Bedeutung für seine Solidarität mit den Menschen: Er kann mitfühlen (δυνάμενον συμπαθήσοα ταΐς άσθενείοας ήμών; Hebr 4,15).

Doch Jesus ist nicht nur der solidarische, mitleidende, menschliche Hohepriester, sondern auch der himmlische. Dies belegen und beschreiben die Kapitel 7-10, v.a. 9f. Während in Hebr 7 die hohepriesterliche Würde, die Person des Hohepriesters Jesus Christus, diskutiert wird; steht in Hebr 8-10 das Werk Jesu, sein hohepriesterliches Wirken, im Mittelpunkt.16 In Hebr 7 wird das Priestertum nach der Ordnung Melchisedeks eingeführt, das besser als das levitische ist. Die Ordnung des Melchisedek steht der des Aaron gegenüber. In Hebr 8,1-5 werden sowohl die Parallelität von irdischem und himmlischem Priesterdienst in Bezug auf die Opfer als auch die Vorläufigkeit des irdischen Dienstes festgehalten. In Hebr 9 wird ebenfalls im Gegenüber zum irdischen Dienst, der auch hier in seiner Vorläufigkeit und Funktion als Sinnbild gezeichnet wird, der himmlische Dienst des Hohepriesters Jesus Christus dargestellt. Dieser Hohepriester ist 14 15 16

Vgl. Zimmermann, Bekenntnis, 154; vgl. ebd., 154-180; Kuss, Grundgedanke, 315f. Dazu ausführlich unten S. 111-116. Vgl. dazu ausführlich oben S. 62f; 68-70; 93-97. Dies ist die klassische Aufteilung von Hebr 7-10. Vgl. z.B. Kuss, Grundgedanke, 318, oder Gräßer, Hebräer II, die Gliederung auf S. IX.X: Er gliedert in „Die Würde des Hohepriesters 7,1-28" und „Der Dienst des Hohepriesters 8,1-10,18."

Zur Charakterisierung der Person des Hohepriesters

105

ins himmlische Allerheiligste eingegangen, d.h. in die Nähe zu Gott, und hat durch den Vollzug des Blutritus, d.h. durch die Besprengung des Heiligtums mit seinem eigenen Blut, die endgültige Reinigung und Vergebung bewirkt. Dies geschah einmal, unwiderruflich und unwiederholbar. Dadurch sind die irdischen Opfer in ihrer Begrenztheit erkennbar. Sie können nicht vollenden (Hebr 9,9f; 10,2) und bringen nur Erinnerung an die Sünden (Hebr 10,lf). Opfer sind daher weder weiterhin notwendig noch gottgewollt (vgl. Hebr 10,1-18). Ab Hebr 10,19 spielt der Hohepriester· bzw. Priestertitel keine Rolle mehr.17

Jesus ist der himmlische Hohepriester. Er handelt, geht ins Heiligtum, vollzieht das Opfer, besprengt mit Blut, reinigt und heiligt auf diese Weise. Auch in den Kapiteln, in denen das Opfer Jesu thematisiert wird, ist das Bild vom Hohepriester bestimmend: Er ist nicht passives Opfer, sondern ist als Opfernder aktiv.18 Dem Hebr gelingt es durch diese Akzentuierung, die Vorstellung vom Oper Jesu, genauer gesagt, die eigentlich „auferstehungsfeindliche Struktur" 19 des Opfers, die v.a. den Tod des Opfers bzw. des Opfertieres und damit dessen Passivität beinhaltet, in seiner heilsbringenden Bedeutung zu versprachlichen. Der Hohepriester Jesus Christus handelt, indem er opfert, und erreicht damit Heil. Sein eigener Tod, der die Mitnahme des eigenen Blutes ermöglicht, ist dabei vorausgesetzt. Einen neuen Akzent setzt der Hebr mit der Identität von Hohepriester und Opfer.20

3. Die Begründung(en) für Jesu Hohepriesteramt Dass Jesus Christus Hohepriester ist, wird im Hebr an verschiedenen Stellen und in unterschiedlicher Weise begründet. Dabei lassen sich zwei Argumentationszusammenhänge unterscheiden. Zum einen greift der Hebr auf scheinbar allgemein bekannte Begründungen und Charakterisierungen des priesterlichen Dienstes zurück. Nicht konkret das levitische Priestertum ist hier Bezugsgröße, sondern das Priestertum wird allgemein charakterisiert. Dies ist v.a. in Hebr 5,1-10 bei der Beschreibung der Kriterien jedes Hohepriesters zu erkennen. Hier wird vor allem die Gleichheit und Entsprechung von jesuanischem und allgemeinem Priestertum betont. 17 18 19 20

Erwähnt wird άρχιερεΰς allerdings noch in Hebr 13,11; in 10,21 wird ιερεύς genannt. Erst in Hebr 10 liegt der Hauptakzent darauf, dass Jesus nicht nur Hohepriester, sondern auch Opfer ist. Dies betont auch Kraus, Heiligtumsweihe, 246. Dies betont Fitzer, Opfertodchristologie, 314: „Sinnlos, daß ein Opfer aufersteht." Vgl. Theißen, Untersuchungen, 44. Hahn, Verständnis des Opfers, 290, spricht von logischer Schwierigkeit, die mit dieser Kombination unweigerlich verbunden ist.

106

Person und Amt des Hohepriesters

Der Hohepriester Jesus Christus erfüllt dieselben Kriterien wie alle anderen Priester und Hohepriester. Er ist also legitimer Hohepriester. Er ist zugleich insofern besserer bzw. einzigartiger Hohepriester, weil er die genannten Kriterien in einmaliger Weise erfüllt. Dabei gilt allerdings, dass es dieselben Kriterien für alle Hohepriester sind. Zum anderen installiert der Hebr ein anderes Priestertum nach der Ordnung Melchisedeks. Dies gelingt mittels des Zitats von Ps 110 (LXX109),4 (z.B. Hebr 5,6; 7,21) und der ausführlichen Charakterisierung des Priestertums nach der Ordnung des Melchisedek in Hebr 7,1-25. Diesem anderen Priestertum steht das Priestertum am irdischen Heiligtum gegenüber. Der Akzent liegt darauf, das mit Jesus Christus installierte Hohepriesteramt als das endgültige, ewige und bessere zu charakterisieren. Das Amt Jesu Christi steht nicht in Kontinuität zum levitischen Priestertum, sondern beruht grundsätzlich auf einer anderen Einsetzung. Den hier beschriebenen Akzentsetzungen von Entsprechung des Hohepriesterdienstes und Uberbietung jedes anderen Priesterdienstes durch den Hohepriester Jesus Christus soll im Folgenden nachgegangen werden. Dies geschieht anhand von Hebr 5 und Hebr 7. Jedoch durchzieht die Spannung von Entsprechung und Uberbietung die gesamte kultische Thematik des Hebr.21

II. Jesus Christus, der legitime und der bessere Hohepriester 1. Hebr 5,1-10: Einführung In Hebr 5 wird das Hohepriesteramt Jesu mithilfe allgemeiner Charakteristika als legitimes Amt begründet. Das Kapitel beginnt mit allgemeinen Kriterien des Hohepriesteramtes, die mit πάς γαρ άρχιερεύς (Hebr 5,1) eingeführt werden. Ab Hebr 5,5 wird dann das Hohepriestertum Jesu diesem allgemeinen gegenübergestellt. Der Text liest sich so, als seien in Hebr 5,1-4 die allgemeinen Kriterien des Hohepriester21

Vgl. z.B. Zimmermann, Bekenntnis, 41-43. Er unterscheidet Texte, in denen Jesu Christi Hohepriestertum als Antithese zum AT [Ps 110 (LXX109),4 in Hebr 7,11-25; Jer 31 (LXX38) in Hebr 8; Ps 40 (LXX39) in Hebr 10] und in denen es als Entsprechung, Uberbietung und eschatologische Vollendung [Hebr 5,1-4.5-10; 9,11-14. 23f] formuliert wird. Vgl. ders., Hohepriesterchristologie, 24f. Siehe auch Weiß, Hebräer, 179f. Vgl. auch Dibelius, Kultus, 169, der auf die damit verbundenen Spannungen verweist.

Der legitime und der bessere Hohepriester nach Hebr 5,1-10

107

seins genannt, u m d a n n in H e b r 5,5-10 die Entsprechung des

Hohe-

priesteramtes Jesu zu garantieren.22 D a z u wird auf Formulierungen aus H e b r 4 , 1 4 z u r ü c k g e g r i f f e n . E i n e k l a r e G l i e d e r u n g d i e s e s A b s c h n i t t s ist daher nicht erkennbar, w a s auch d u r c h die doppelte N e n n u n g

der

Berufung Jesu Christi durch Gott (Hebr 5,5f.l0) deutlich wird.23 Hebr 5,1-10 hat Scharnierfunktion, weil es sowohl auf bisherige C h a r a k t e r i s i e r u n g e n des H o h e p r i e s t e r s Jesu zurückgreift, als a u c h auf die Darstellung des himmlischen Opferns vorausschaut. Beides bringt der H e b r hier z u s a m m e n , i n d e m er drei Kriterien nennt, die für das Hohepriestersein

unverzichtbar

sind: Das G e n o m m e n - S e i n

von

den

Menschen, das Berufen-Werden von Gott u n d das Opfern. D a der Text keine eindeutige Gliederung aufweist, ist die Aufteilung in einzelne K e n n z e i c h e n u n d deren Übertragung auf Jesus umstritten. Ebenfalls für diese drei Charakteristika des Hohepriesters plädiert z.B. B a c h m a n n . 2 4 A n d e r e M e r k m a l e n e n n t Schille 2 5 : D e r Hohepriester „wird aus M e n s c h e n g e n o m m e n , er unterliegt der menschlichen Schwachheit, er erhält seine W ü r d e von Gott". Michel 2 6 zählt d a g e g e n zwei charakteristische Eigenschaften des Hohepriesters in H e b r 5,1-10. Diese sind 1.) aus M e n s c h e n g e n o m m e n u n d mitfühlen können; 2.) von Gott berufen. Ebenfalls zwei K e n n z e i c h e n des Hohepriesters e n t n i m m t Windisch 2 7 d e m Text. Diese sind jedoch andere als bei Michel, n ä m l i c h 1.) der Sühnopferdienst; 2.) D i e B e r u f u n g durch Gott. Alle

drei Kriterien

gelten nach

Hebr

5,1-10

für Jesus w i e für

alle

anderen Hohepriester,28 w e r d e n aber v o n i h m in einzigartiger u n d voll-

22

23 24 25 26 27 28

Hier könnte der Hebr auf Material, das ihm aus der Tradition bekannt war, zurückgegriffen haben. Schille vermutet in Hebr 5,5.7-10 einen zugrundeliegenden Hymnus, ein Lied mit vier Strophen, von denen zwei vom Sohn und zwei vom Hohepriester handeln (vgl. Schille, Hohepriesterlehre, 97-104). Friedrich stimmt zu, dass in Hebr 5,5ff ein Hymnus zu finden sei (Friedrich, Lied, 283). Dies belegten die Parallelität zu anderen urchristlichen Hymnen (ebd., 283-288) und der Sprachgebrauch (ebd., 288-291). Das Lied bestehe jedoch aus zwei Strophen mit je drei Zeilen (ebd., 293). Brandenburger, Text, 209-224, identifiziert zwei aneinander angefügte Uberlieferungsstücke in Hebr 5,7-10. Anders z.B. Maurer, Gottesfurcht, 281. Er spricht von chiastischer Anordnung der Vergleichspunkte. Bachmann, Leiden, 250f. Anders Hegermann, Christologie, 348. Er spricht von vier Kriterien. Schille, Hohepriesterlehre, 105 Michel, Hebräer, 214f; so auch Rissi, Menschlichkeit, 36-44. Windisch, Hebräer, 41f Die Parallelität der Aussagen über jeden Hohepriester und über Jesus betont beispielsweise Dibelius, Kultus, 169. Er erkennt sieben Merkmale des hohepriesterlichen Tuns in 5,1-4, denen Christi Heilshandeln entspricht. Dass diese sieben Merkmale und ihre christologischen Entsprechungen „gewaltsam hergestellt sind", zeigt Friedrich, Lied, 279-281. Auch Bachmann, Leiden, 251-254. 263f, betont die

108

Person und Amt des Hohepriesters

kommener Weise erfüllt, was allein dadurch deutlich wird, dass auf die Verwendung gleicher Vokabeln zur Beschreibung der Hohepriesterschaft verzichtet wird. 29

1.1 „aus Menschen genommen" An erster Stelle steht: Der Hohepriester ist für die Menschen eingesetzt und aus den Menschen genommen. Dies wird in VI allgemein formuliert: εξ ανθρώπων λαμβανόμενος ύπερ ανθρώπων. Allerdings wird diese Menschlichkeit näher als Mitmenschlichkeit spezifiziert, indem die besondere Eigenschaft des Mitleidens bzw. gemäßigten Mitfühlens betont wird (V2: μετριοπαθειν30 δυνάμενος). Dieses ist kein neues oder anderes Kriterium, sondern nur eine Konkretisierung der Menschlichkeit als Mitmenschlichkeit und Mitleidsfähigkeit. 31 Dass dieses Kriterium auch für Jesu Hohepriestertum gilt, wird bereits in Hebr 4,14 festgehalten: Aufgrund der gleichen Versuchungserfahrung kann er mitfühlen. Jesu Eigenschaft wird jedoch mit einer anderen Vokabel (συμπαθειν, Hebr 4,14) beschrieben als die des menschlichen Hohe-priesters. An das Leiden Jesu, an seine Passion wird in Hebr 5,7-10 erinnert.

1.2 „berufen von Gott" Das zweite Kriterium für das Hohepriester-Sein ist die Berufung durch Gott. Dies gilt für Jesus Christus, den Sohn, wie für alle Hohepriester. Auch hier finden sich Parallelen wie Unterschiede in der Beschreibung der Berufung. So wird von jedem Hohepriester gesagt, dass er sich nicht selbst die Ehre nehmen kann (Hebr 5,4: την τιμήν λαμβάνειν; vgl. auch VI: λαμβάνειν), sondern von Gott dazu berufen wird (Hebr 5,4: καλούμενος ύπό του θεοϋ). Dies gilt auch für Jesus Christus: Er hat sich nicht selbst die Ehre genommen, um Hohepriester zu werden (Hebr

29 30

31

Entsprechungen der Aussagen über den aaronitischen Priesterdienst und über Jesu Hohepriestertum. Maurer, Gottesfurcht, 280-283, dagegen betont die Unterschiede. Zur Ambivalenz in Hebr 5,1-10 vgl. Laub, Bekenntnis, 115f; Lohr, Umkehr, 36-40; Gräßer, Hebräer I, 267; Schmitz, Opferanschauung, 264-266. μετριοπαθάν meint eigentlich das maßvolle Fühlen, den gebändigten Zornaffekt; vgl. z.B. Liddell/Scott, 1122; Braun, Hebräer, 132; Williamson, Philo, 25-30. Es ist weniger intensiv und persönlich als συμπαθεΐν; vgl. Kurianal, High Priest, 53f; auch Attridge, Hebräer, 143f; Delitzsch, Hebräer, 173f. Anders z.B. Attridge, Hebräer, 142f. Für ihn sind die Menschlichkeit und das Mitleiden-Können zwei unterschiedliche Kriterien.

Der legitime und der bessere Hohepriester nach Hebr 5,1-10

109

5,5: ούχ εαυτόν έδόξασεν γενηθήναι αρχιερέα). Ähnlich wird dies in V10 wiederholt: Jesus wird von Gott als Hohepriester benannt (προσαγορευθείς ύπό τοΰ θεοΰ). Die Aussagen entsprechen sich der Sache nach, auch wenn verschiedene Vokabeln gebraucht werden: την τιμήν λαμβάνειν (V4) und δοξάζειν (V5).32 Des Weiteren wird das BerufenWerden Jesu Christi näher bestimmt durch die beiden Psalmzitate, die Gott zu ihm spricht (V5f): „Du bist mein geliebter Sohn, heute habe ich dich gezeugt" (Ps 2,7) und „Du bist Priester in Ewigkeit nach der Ordnung Melchisedeks" (Ps 110 (LXX109),4). So wird nicht nur festgehalten, dass er zum Hohepriester eingesetzt wurde, sondern die Berufung wird mittels alttestamentlicher Zitate belegt. Dies unterscheidet den Hohepriester Jesus Christus von allen anderen Hohepriestern. Zugleich wird deutlich, dass hier grundsätzlich das Interesse auf der Begründung der Hohepriesterwürde Jesu, nicht auf der Berufung aller Hohepriester liegt.

1.3 „opfern für die Sünden" Die ersten beiden Kriterien betreffen die Person des Hohepriesters, anders das dritte Kriterium: Es nennt das Werk des Hohepriesters, die Sühne. In Hebr 5,1 wird der Dienst des Hohepriesters (wie schon in Hebr 2,17) allgemein mit τα προς τον θεόν beschrieben. Außerdem wird das Darbringen von Gaben und Opfern für die Sünden explizit genannt (δώρα τε και θυσίας ύπερ αμαρτιών προσφέρειν; Hebr 5,1) - das Opfer erscheint dadurch ausschließlich unter dem Aspekt der Sühne.33 Die Sühne bzw. Sühneleistung Jesu wird in Hebr 5,9 festgehalten: τελειωθείς und αίτιος σωτηρίας αιωνίου. Opfer und Gaben werden bei der Beschreibung des Hohepriestertums Jesu in Hebr 5,5-10 nicht wieder genannt. 32

33

Einen sehr großen Unterschied bringen την τιμήν λαμβάνειν und δοξάζειν allerdings nicht zum Ausdruck. Vgl. Schneider, ThWNT VIII, 170 -182 und Kittel, ThWNT II, 236-240. 250-257. Dies ist wohl ein spezifisches Merkmal des Kultes der nachexilischen Zeit: Alle Opfer werden unter dem Aspekt der Sühne interpretiert. Vgl. Gese, Sühne, 95; Knöppler, Sühne, 193. Auch Dahm, Opferkult, geht davon aus, dass die Konzentration auf die Sühne als einziges oder hauptsächliches Opfermotiv (so in Lev 1-7) den zadokidischen (nachexilischen) Kult auszeichne (ebd., 225f; vgl. auch ebd., 234-238, für die politische Dimension dieser Konzentration auf das Sündopfer.) Anders Eberhart, Opfer, 218. Er betont, dass Sühne v.a. Wirkung des chattat-Opfers sei (z.B. ebd., 167); dies sei aber auch nachexilisch nur ein Opfer unter einer Vielzahl von Möglichkeiten.

110

Person und Amt des Hohepriesters

In Hebr 5,7 steht allerdings προσφέρειν. Dies wird schon in der Septuaginta selten profan im Sinne von ,heranführen' oder ,bringen' gebraucht, sondern wird meist in kultischen Kontexten als ,darbringen' oder ,opfern' verwendet.34 Auch im Neuen Testament überwiegt dieser Gebrauch. Im Hebr wird προσφέρειν vergleichsweise sehr häufig verwendet (20 der insgesamt 47 neutestamentlichen Belege stehen im Hebr) und hat bis auf Hebr 12,735 immer eine kultische Konnotation. Dabei bezeichnet προσφέρειν das aktive Handeln des Priesters, er vollzieht das Opfer.36 Dies wird v.a. an den Stellen, in denen das Opfern allgemein beschreiben wird, erkennbar.37 Auch im Hinblick auf das Opfer Jesu Christi betont προσφέρειν das aktive Handeln des Hohepriesters beim Vollzug des Opferns: Jesus Christus bringt sich selbst dar, ([εαυτόν] προσφέρειν; Hebr 9,14.25.28).38 Dass in Hebr 5,7 das Darbringen (προσφέρειν) von Geschrei und Trä-nen tatsächlich das Opfer Jesu benennen will, ist m.E. unwahrscheinlich, aber nicht völlig auszuschließen.

1.4 Zusammenfassung Kein alttestamentlicher Text nennt diese vom Hebr selbstverständlich genannten Charakteristika des Hohepriesteramtes. Dennoch stimmen diese Kriterien insofern mit den (Hohe-)Priestervorstellungen überein, als alle Priester selbstverständlich Menschen bzw. Mitmenschen sind. Sie werden von Gott berufen, auch wenn diese Berufung nicht den Einzelnen, sondern dem Priesterstamm gilt, und sie bringen Opfer und Gaben. Die Aufzählung in Hebr 5,1-10 zielt jedoch in erster Linie nicht auf eine allgemeingültige Charakterisierung des Hohepriestertums, sondern nennt genau diejenigen Eigenschaften, die für die Hohepriesterschaft Jesu Christi Bedeutung haben. Nicht der alttestamentliche Priester steht hier als Idealtyp im Vordergrund, sondern Jesus und die Art und Weise, wie er das Amt ausfüllt bzw. sich für dieses ausgewiesen hat. 39 34 35 36 37 38

39

Vgl. Weiß, ThWNT IX, 67. In Hebr 12,7 steht: Als Söhne behandelt (πρόσφεραν) euch Gott. Vgl. Michel, Hebräer, 441; Gräßer, Hebräer III, 263. „Das Wort bedeutet im Hebräerbrief immer das Opfer vollziehen" (Weiß, ThWNT IX, 69). Vgl. Hebr 5,1.3; 8,3f; 9,9; 10,lf.ll und 10, 8 [Zitat aus Ps 40 (LXX39)]; auch 11,4.17. Auf das Kreuz wird dabei nicht Bezug genommen. Daher ist die These von Stott, Offering, 65, πρόσφεραν meine in Bezug auf lesus immer dessen Tod am Kreuz, nicht haltbar. Es kann Jesu Selbst-Darbringung und sein himmlisches Opfern meinen, aber nicht eingeschränkt auf das Sterben am Kreuz. Vgl. Laub, Bekenntnis, 113-115.

Der legitime und der bessere Hohepriester nach Hebr 5,1-10

111

Die in Hebr 5,1-10 genannten Kriterien für das Hohepriester-Sein ,Menschlichkeit' und ,Berufen von Gott' werden im Folgenden weiter beleuchtet. Die Opferthematik (,opfern für die Sünden') ist in Teil D Thema.

2. Jesus, der menschliche und mitmenschliche Hohepriester 2.1

Die Einführung des Hohepriestertitels in Hebr 2,17

Die Einführung des Hohepriestertitels geschieht im Kontext der Betonung von Jesu Menschlichkeit und Solidarität mit den Menschen (Hebr 2). In Hebr 2,17 wird das Gleichwerden mit den Menschen als notwendige Voraussetzung für Jesu Christi Hohepriestertum genannt, was deutlich mit οθεν ώφειλεν ...., ίνα. ... zum Ausdruck gebracht wird. Dies ist zunächst ausnahmslos zu verstehen: κατά πάντα40 τοίς άδελφοίς όμοιωθήναι. Diese Solidarität mit den Menschen, die der Hebr auch schon zuvor herausstellt (vgl. Hebr 2,5-18), 41 lässt Jesus in erster Linie als barmherzigen (ελεήμων) und treuen (πιστός)42 Hohepriester erscheinen (Hebr 2,17). Das Werk des Hohepriesters Jesu Christi wird allgemein mit τα προς τον θεόν (so auch Hebr 5,1) charakterisiert, außerdem wird die Sühne der Sünden des Volkes genannt (ίλάσκεσθαι43 τάς αμαρτίας τοΰ λαοΰ).

40

41 42

43

κατ« πάντα gibt es im Hebr nur noch in 4,15; auch dort wird das Gleichwerden mit den Menschen betont: „in gleicher Weise versucht". Doch anders als in Hebr 2 wird in Hebr 4,14ff auch der Unterschied zu den Menschen betont: Dieser Hohepriester ist zwar in den Versuchungserfahrungen ganz gleich, jedoch ohne Sünde. S.o. S. 9597. Vgl. Roloff, Hohepriester, 159f. Zum Thema Solidarität vgl. oben S. 62f; 68-70; 93-97. Die Treue des Hohepriesters wird auch Hebr 3,2 genannt und in Hebr 3,1-6 wird die Treue des Sohnes mit der Treue Moses verglichen. Vgl. Karrer, Weltkreis, 165-177, zum Thema der Treue des Hohepriesters und der möglichen Rezeption von lSam 2,35 in Hebr 2f. ίλάσκεσθαι verwendet der Hebr nur hier; dies hebt Knöppler, Sühne, 188. 192f u.ö. hervor.

Person und Amt des Hohepriesters

112 2.2

Die Pointierung des Hohepriestertitels in Hebr 4,14-16

Auch in den paränetischen Abschnitten verweist der Hebr auf Jesus Christus als den Hohepriester. Dies ist in Hebr 3,1; 4,14-16; 6,20 und in 10,19-2544 der Fall. Hebr 4,14-16 ist eine Art Zusammenfassung dessen, was Jesu Hohepriestertum bedeutet. 45 Die Tatsache, dass „wir einen himmlischen Hohepriester haben" ('έχοντες οΰν αρχιερέα;46 Hebr 4,14), führt zur Mahnung, sich an diesem zu orientieren. 47 Dabei wird Jesus nicht als ethisches Beispiel genannt, dem die Gemeinde nacheifern soll. Vielmehr wird sein Heilswerk vor Augen gestellt, aus dem Konsequenzen für das eigene Leben gezogen werden sollen. In Hebr 4,14 wird dazu aufgefordert, am Bekenntnis festzuhalten: κρατώμεν της ομολογίας. In Hebr 4,14-16 liegt wie in Hebr 2 die Betonung auf dem Gleichwerden und der Solidarität mit den Menschen, die im Mitleiden und derselben Versuchugserfahrung besteht. Der einzige Unterschied liegt darin, dass er ohne Sünde war (χωρίς αμαρτίας; V15). Diese „differentia specifica"48 bedeutet aber keine Differenz im negativen Sinn, so dass der Unterschied vom Hohepriester Jesus zu den Menschen betont wird. Die Sündlosigkeit Jesu bedeutet vielmehr, dass er nicht für sich selbst opfern muss,49 sondern dass sein Dienst in vollem Sinne den Menschen gilt.

44 45

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47

48

49

In Hebr 10, 19-25 wird neben dem Hohepriestertitel auch der Opferbegriff betont. So auch Gräßer, Hebräer I, 242. Friedrich, Lied, macht darauf aufmerksam, dass Hebr 4,14 - 5,10 immer wieder auf vorhergehende Charakterisierungen des Hohepriesters zurückgreift und ebenso auf die folgenden Kapitel vorverweist (ebd., 295299). Der Hebr formuliert dreimal αρχιερέα εχειν (Hebr 4,14; 8,1; 10,21). Ob man deswegen tatsächlich von „Habe-Formel" (so Stadelmann, Christologie, 186) sprechen kann, ist zu bezweifeln. Dennoch ist Stadelmann in der Sache zuzustimmen: „'Haben' ist immer von einem Gefühl der Sicherheit begleitet." (ebd., 186). Diese Sicherheit wird an anderen Stellen z.B. mit dem Bild vom Anker (Hebr 6,19f) oder der Rede von Gottes Eid (Hebr 7,20f) zur Geltung gebracht. Dieselbe Struktur ist auch in der Pärenese Hebr 2,1-4 zu erkennen. Gräßer spricht von dem für den Hebr „typischen Denkansatz: je größer die Verheißung, desto größer die Verantwortung." Gräßer, Hebräer I, 99. Vgl. auch Laub, Bekenntnis, 51: „Der Größe dieses endzeitlichen Offenbarungsereignisses entspricht die paränetische Konsequenz." Gräßer, Hebräer I, 256f. Zur Sündlosigkeit Jesu vgl. χωρίς αμαρτίας in Hebr 4,15; όσιος άκακος αμίαντος, κεχωρισμένος άπό τών αμαρτωλών και υψηλότερος των ουρανών γενόμενος in 7,26 und άμωνον in 9,14. Die Sündlosigkeit bezieht sich sowohl auf den Hohepriester Jesus also auch auf Jesus als Opfer. Zur Notwendigkeit fehlerloser Opfertiere vgl. Lev 22, 17ff; auch Eberhart, Opfer, 21.114. Dass der menschliche Hohepriester auch für die eigenen Sünden opfern muss, betonen Hebr 5,3; 7,27; 9,7. Vgl. Zahn, Einleitung II, 156. Dass alle menschlichen

Der legitime und der bessere Hohepriester nach Hebr 5,1-10

113

Anders versteht Williamson die Sündlosigkeit Jesu: Sie bedeute nicht, dass Jesus nicht für sich selbst opfern musste. An diesem Punkt sei keine Differenz zu den jüdischen Hohepriestern feststellbar. Schließlich sei Jesus in vollem Sinn Mensch geworden, was bedeute, dass er ebenfalls mit der Sünde in Kontakt kam. Die Betonung der Sündlosigkeit Jesu zeige vielmehr, dass sein eigenes Opfer sowohl für ihn selbst wie für die anderen effektiv und einmalig war. Die Sündlosigkeit Jesu gelte also erst nach dessen irdischem Leben.50 M.E. scheitert diese Interpretation an Hebr 4,15: Hier wird festgehalten, dass Jesus die gleichen Versuchungserfahrungen macht - jedoch χωρίς αμαρτίας. Das gilt nicht erst nach dem einmaligen Opfer, sondern schon davor.

2.3

Ergebnis: Zur grundlegenden Bedeutung des irdischen Jesus für die Hohepriestervorstellung

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass in den ersten Kapiteln des Hebr Jesus als mitleidender, treuer und legitimer Hohepriester thematisiert ist. Dabei sind zunächst nicht Opfer und himmlisches Tun Jesu Christi genannt, sondern Jesu Solidarität und Mitleidsfähigkeit sowie die Tatsache, dass „wir" einen solchen Hohepriester haben. 51 Durch die Akzentuierung der Menschlichkeit und Mitleidensfähigkeit des Hohepriesters erhält das irdische Leben Jesu einen Platz in den Hoheitsaussagen vom Hohepriester. Jesu irdisches Leben und sein himmlischer Dienst gehören zusammen: Dieser Mensch Jesus ist der himmlische Hohepriester.52 Wichtiger als bestimmte Daten53 der Biographie des irdischen Jesus ist im Hebr die Tatsache, dass Jesus Christus, der Sohn und himmlische Hohepriester, tatsächlich Mensch geworden ist. Auch die Passion Jesu ist Merkmal seiner Menschlichkeit.54 Sie belegt, dass Jesus Christus in vollem Sinn Mensch geworden ist, mitfühlen und mitleiden kann. Die eher unkultischen Aussagen zum mitleidenden und solidarischen Hohepriester sind ebenso zentrale theologische Aussagen wie die

50 51 52 53

54

Hohepriester mit Schwäche behaftet sind, betont Hebr 5,2: έπβ. κκί αύτός πφίκατοα άσθένααν. Vgl. Williamson, Sinlessness, 6f. Siehe auch Peterson, Perfection, 188-190. Vgl. Gräßer, Hebräer I, 316. Vgl. Rissi, Menschlichkeit, 34. Gräßer zählt drei Daten aus Jesu Leben: Die Passion bzw. Gethsemane (Hebr 5,7), die Abstammung Jesu aus Juda (Hebr 7,14) und die Kreuzigung bzw. der Tod Jesu außerhalb der Stadtmauern (Hebr 13,12f). Vgl. Gräßer, Jesus, 162-177; auch Walter, Christologie, 70. S.o. S. 95-97.

114

Person und Amt des Hohepriesters

kultischen Ausführungen zu Sühne und Opfer. Jesus ist nicht erst durch die Erhöhung Hohepriester im Himmel, sondern hat sich bereits durch sein irdisches Leben, das mit hohepriesterlichen Attributen gekennzeichnet ist (z.B. προσφέρειν in Hebr 5,7; χωρίς αμαρτίας in Hebr 4,15 (vgl. 7,26))55, als der legitime und richtige56 Hohepriester erwiesen. Es gibt keine klare Trennung zwischen himmlischem Hohepriester und irdischem Jesus.57 Herrlichkeits- und Niedrigkeitsaussagen werden in einen Zusammenhang gebracht; sie bedingen sich gegenseitig.58 Die Aussagen über Jesu Leben und seine Kennzeichnung als solidarischer Hohepriester sind also nicht bloße Vorbereitung für das eigentlich zentrale Geschehen im Himmel. Sie haben ein eigenständiges Gewicht, auch wenn die Beschreibung des himmlischen Wirkens des Hohepriesters Jesus Christus als ein Höhepunkt der Hohepriesterchristologie des Hebr zu verstehen ist.59

2.4

Zur Schriftauslegung

Zunächst fällt auf, dass die Bedeutung der Menschlichkeit nicht mithilfe der Schrift begründet oder ausformuliert wird. Hierin ähneln die Aussagen denen, die in Bezug auf das irdische Leben des Sohnes gemacht werden. 60 Dass Jesus Christus ein menschlicher Hohepriester ist, wird mit allgemeinen Verweisen auf Jesu irdisches Leben belegt: 55

56 57

58 59

60

Zur Problematik Roloff, Hohepriester, 164f. Der irdische Jesus werde zwar nicht Hohepriester genannt, dennoch werde sein Werk hohepriesterlich dargestellt. Der Tod Jesu bilde hier den Kulminationspunkt: Vorher gehe der Hebr vorsichtig mit kultischen Begriffen oder der Rede vom Opfer um, danach nicht mehr. Ahnlich betont Risse die Kontinuität von irdischem Jesus und himmlischem Hohepriester. S.E. gehöre der gesamte Weg Jesu schon zu dessen Priesterdienst. Vgl. Rissi, Menschlichkeit, 30. Siehe auch Walter, Christologie, 71. Er ist der Hohepriester, „wie wir ihn jetzt brauchen" (Windisch, Hebräer, 38). Der genaue Zeitpunkt des „Amtsantrittes" Jesu bleibt im Hebr unbestimmt. Die Frage, ob erst der himmlische oder schon der irdische Jesus Hohepriester ist, ob der irdische Weg schon Amtshandlung oder erst Vorbereitung oder Voraussetzung ist, lässt sich nicht eindeutig beantworten. Zum Problem z.B. Braun, Hebräer, 32f. 72; Gräßer, Hebräer I, 248f; Stadelmarm, Christologie, 165f; Zimmermann, Bekenntnis, 36-38. - Ahnlich verhält sich dies auch beim Sohnestitel; s.o. S. 60-62. 75f. Vgl. Kuss, Grundgedanke, 316. Vgl. Kuss, Grundgedanke, 316: Hebr 7-10 sei Kernstück des ganzen Dokumentes. Gräßer, Hebräer II, 7, spricht von Hebr 7,1 - 10,18 als λόγος τέλειος: „Er enthält die systematische Entfaltung des eigentlichen Hauptthemas, das ist das Hohepriestertum Christi." Vgl. auch Zimmermann, Bekenntnis, 181. Zum Sohn vgl. oben S. 73f. 97f.

Der legitime und der bessere Hohepriester nach Hebr 5,1-10

115

Versuchungen, Leiden und Tod werden genannt. Auf diese Weise wird Jesus als Mitmensch charakterisiert und ein bestimmter Aspekt seines Hohepriestertums ins Zentrum gerückt (vgl. Hebr 5,lf). Mit der Betonung des Mitleidens setzt der Hebr bei der Beschreibung des Hohepriesters eigene, neue Akzente. Das Alte Testament fordert diesen Charakterzug nicht.61 Weder μετριοπάθεια (in Hebr 5,2 von jedem Hohepriester gefordert) noch συμπαθειν (Hebr 4,14 von Jesus ausgesagt) gibt es in der Septuaginta oder außerhalb des Hebr 62 im Neuen Testament. Die Vokabeln verweisen eher auf griechische Tugenden als auf alttestamentliche. 63 Die Betonung der Menschlichkeit des Priesters Jesus im Hebr geschieht also nicht in Anlehnung an eine alttestamentliche Forderung. Vielmehr wird dort kultische Reinheit64 und eine besondere Strenge gegenüber den Sündern verlangt (vgl. Ex 32,25-29; Num 25,6-13), nicht Mitleid.65 Die Menschlichkeit jedoch ist für israelitische Priester und Hohepriester selbstverständlich. Sie sind Menschen, müssen für die eigenen Sünden opfern (z.B. Lev 4f.l6; vgl. Hebr 7,27). Die Menschlichkeit eines himmlischen Hohepriesters ist dagegen keine Selbstverständlichkeit, sie wird deshalb immer wieder betont. 66 Ähnlich ist auch die Charakterisierung des Hohepriesters als treu (πιστός) und barmherzig (ελεήμων) neu (vgl. Hebr 2,17). Beide Attribute 61 62 63

64 65

66

Vgl. Wenschkewitz, Spiritualisierung, 134; Braun, Hebräer, 69f.l25. Anders Horbury, Aaronic Priesthood, 59-66. συμπαθεω noch in Hebr 10,34. Vgl. Gräßer, Hebräer I, 253. 275f; Windisch, Hebräer, 41; Büchsei, Christologie, 32. Vgl. grundsätzlich Gray, Brotherly Love, 335-351. Er vermutet hinter dem gesamten Thema der Brüderlichkeit im Hebr ein Ideal aus der griechisch-römischen Umwelt. Zum Vergleich mit dem Hebr zieht er Plutarchs Traktat ,de fraterno amore' heran. Busch, mitleidende Hohepriester, 18-30, sieht Parallelen zur Beschreibung des Hohepriesters Jesus Christus in Hebr 4,14f v.a. in der mittelplatonischen Dämonologie. Zur Absonderung der Priesterschaft und der Trennung von Heiligem und Profanem vgl. Dunnill, Covenant, 80-85. 87f. Vgl. Gräßer, Hebräer I, 277; vgl. auch Roloff, Hohepriester, 149f; Hegermann, Christologie, 349; Stadelmann, Christologie, 190. In diese Linie passen auch die Beschreibungen des makellosen Hohepriesters in Hebr 7,26. Gräßer, Jesus, ist hier zu widersprechen: Die Niedrigkeit Jesu ist nicht „eine geschichtliche Verhaltensweise" und „Zwischenspiel" (so Gräßer, Jesus, 169), sondern - obwohl im Kontext von Erhöhungsaussagen - theologisch bedeutsame Erfahrung Jesu. Vgl. auch Walter, Christologie, 68; Kurianal, High Priest, 212-215. Werden die Verweise auf Jesu Leben so interpretiert, sind sie auch nicht als historische Beweise zu verstehen, die hier als bloße Untermauerung der Argumentation des Hebr dienen (so Gräßer, Jesus, 163.165f.172.178). Denn Anliegen des Hebr ist nicht, mit historischen Tatsachen die theologische Argumentation stützen zu wollen, sondern das Leben Jesu ist grundsätzlich von Interesse und bestimmt von daher auch die theologischen Aussagen.

116

Person und Amt des Hohepriesters

sind weder aus alttestamentlichen noch aus frühjüdischen Charakterisierungen des Hohepriesters bekannt67, sondern sind eigene Akzentsetzungen des Hebr. Sie charakterisieren den Hohepriester Jesus in spezifischer Weise.68 Gleichzeitig klingt das Bundesthema an. Treue und Barmherzigkeit ("70Π und sind alttestamentliche Bundestugenden.

3. Die Einsetzung Jesu Christi zum Hohepriester durch Gott 3.1 Die Berufung Jesu durch direkte Ansprache Gottes - Hebr 5,5f.l0 In Hebr 5,5f werden zwei Psalmverse kombiniert, um die Berufung Jesu ins Amt des Hohepriesters durch Gott zu benennen. Dass Jesus Christus sich nicht selbst die Ehre genommen hat, wird zunächst festgehalten und anschließend mit zwei Schriftzitaten belegt. Die Verwendung von alttestamentlichen Schriftzitaten erinnert an Hebr 17° Dort wird ebenfalls zunächst eine christologische Aussage gemacht (Hebr 1,1-4), die anschließend mit alttestamentlichen Zitaten belegt wird (Hebr 1,5-14). Auch dort werden die alttestamentlichen Verse Gott in den Mund gelegt: Er spricht zum Sohn. Auch hier wird Ps 2,7 zitiert. Anders als in Hebr 1 wird hier allerdings nur ein Thema behandelt, nämlich die Berufung. Es werden nur zwei, nicht sieben alttestamentliche Zitate aneinander gereiht, auf eine ausführlichere Zitateinleitung zwischen den beiden Zitaten wird verzichtet.

Die beiden Psalmen (Ps 2; Ps 110 (LXX109)), aus denen hier je ein Vers zitiert wird, sind durch ihr gemeinsames Thema miteinander verbunden. Es sind alttestamentliche Königspsalmen und in beiden geht es 67

68

69

70

Vgl. Braun, Hebräer, 69f. Dies gilt auch für die spätere Charakterisierung des Hohepriesters in 5,1-4; vgl. z.B. Laub, Bekenntnis, 115. Karrer, Weltkreis, 165f, hält fest, dass die Kombination von πιστός und άρχιερεΰς / ιερεύς in einer jüdischen Quelle allein in lSam 2,35 zu finden ist. Die Besonderheit dieser beiden Eigenschaften betont auch Stadelmann, Christologie, 181; vgl. ebd., 183-195: Hier entfaltet Stadelmann die Treue anhand von Hebr 3,1-6 und die Barmherzigkeit anhand von Hebr 4,14-5,10. - Zimmermann, HohepriesterChristologie, 9f, sieht Jesu Verhältnis zu Gott (Treue) und zu den Menschen (Barmherzigkeit) zum Ausdruck gebracht. Vgl. Gen 24,49; 2Sam 2,6; Mi 7,20; vgl. Weinfeld, ThWAT I, 791f. 799-801; Stadelmann, Christologie, 194. Dass das Verhältnis von IVO und ΤΟΠ nicht so eindeutig zu bestimmen ist, betont Zobel, ThWAT III, 57-59. 64-67. Dennoch sind 10Π und DQi? zwei Handlungsweisen Gottes, die zentrale Bedeutung haben. Vgl. Jepsen, ThWAT I, 333-341. Vgl. dazu oben S. 47-53.

D e r legitime u n d der bessere Hohepriester n a c h H e b r 5,1-10

117

um die Inthronisation, die Berufung durch Gott in ein Amt.71 Die terminologischen Entsprechungen beider Psalmen sowie ihre messianische Interpretation sind in der Septuaginta angelegt.72 Von hier aus erklärt sich ebenfalls der frühe christliche Gebrauch beider Psalmen, auf den der Hebr hier vermutlich zurückzugreift. Beide Verse werden mehrfach im Brief zitiert: „Du bist mein geliebter Sohn, heute habe ich dich gezeugt" (Ps 2,7) in Hebr 1,5 und 5,5. „Du bist Priester in Ewigkeit nach der Ordnung des Melchisedek" 73 (Ps 110 (LXX109),4) wörtlich in Hebr 5,6 und 7,17. Für den Hebr nennen die beiden Psalmverse die beiden wichtigen Titel Sohn und (Hohe)Priester.74 Nur hier sind die beiden Zitate aneinander gefügt, so dass die Titel nebeneinander stehen. Das Zitat von Ps 2,7 mag an dieser Stelle überraschen,75 schließlich dient dieser Vers hier trotz des Titels υιός zur Bestätigung der Berufung Jesu zum Hohepriester.76 Ps 110 (LXX109),4 dagegen durchzieht die Hohepriesterthematik des Hebr. Er wird hier zum ersten Mal zitiert.77

71

Z u Ps 2 vgl. Schröger, Schriftausleger, 35-40; Gunkel, Psalmen, 4-12, bes. 6f; siehe auch oben S. 75f. - Zu Ps 110 (LXX109) vgl. Hay, Glory, 19-21; Schröger, Schriftausleger, 116-119; Gunkel, Psalmen, 481-487; Kurianal, H i g h Priest, 29-45; Anderson, King-Priest, 35-86. 280-282; zu beiden Psalmen Kurianal, High Priest, 63-65; Fitzmyer, H e b r 7,1, 224f; Gräßer, Hebräer I, 288- 291.

72 73

Vgl. z.B. Bons, P s l 0 9 L X X , 141-145. D a s wiederholte κατά την τάξιν Μελχισέδεκ m a c h t deutlich, dass der H e b r hier nicht an der hebräischen Version des Psalms interessiert ist, sondern sich an die L X X Version hält, κατά την τάξι,ν ist die etwas freie W i e d e r g a b e von ' n i a ^ ' V y . Vgl. H a m p , Ps 110,4b, 519-522, oder Fitzmyer, H e b r 7,1, 225-227. Siehe a u c h Bons, Ps 109LXX, 129-141 für weitere Unterschiede zwischen d e m masoretischen Text und der LXX. Vgl. Theobald, Schrifthermeneutik, 766f; Dautzenberg, P s a l m 110, 92; Hay, Glory, 144f. Bons, Ps 109 L X X , 141, betont, dass trotz der offensichtlichen G e m e i n s a m k e i t e n beider Psalmen unterschiedliche Hoheitstitel verwendet werden. Kuss, Hebräer, 73, differenziert die A u s s a g e n der Psalmzitate in H e b r 5,5f inhaltlich: Jesu Priesterw ü r d e gründe in seiner m e t a p h y s i s c h e n W ü r d e (so n a c h Ps 2,7) u n d i m Gotteswort (Ps 110,4).

74

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77

„Auffälligerweise beruft er sich dafür zunächst (5,5b) auf Ps 2,7, den er schon in 1,5a als Schriftbeweis für den S o h n e s n a m e n ( l , 2 a . 4 ) h e r a n g e z o g e n h a t t e " . Dautzenberg, P s a l m 110, 92. T h e m a t i s c h böte sich z.B. auch der in H e b r 2,5ff zitierte Ps 8,5-7 an. Hier fallen die Stichworte δόξα u n d τιμή (vgl. H e b r 2,7 = Ps 8,6), die auch b e i m T h e m a der Einsetzung des Hohepriesters genannt werden: H e b r 5, 4 την τιμήν λαμβάνειν; H e b r 5,5 δόξαζαν. Direkte Zitate von Ps 110 (LXX109),4 sind in H e b r 5,6; 7,17.21, A n s p i e l u n g e n oder indirekte Zitate in H e b r 5,10; 6,20 z u finden. Zur grundlegenden B e d e u t u n g von Ps 110 (LXX109),4 in H e b r 5-7 vgl. Kurianal, High-Priest, 245-253. 263-268; siehe auch Anderson, King-Priest, 203-231. 288-290; Lohr, Schriftanwendung, 235-240; Kistemaker, Citations, 113-116.

118

Person und Amt des Hohepriesters

3.2 Zur Funktion von Ps 110 (LXX109),4 im Hebr Mit dem Zitat von Ps 110 (LXX109),4 wird der zentrale Titel Hohepriester bzw. Priester mit der Schrift begründet und Gott in den Mund gelegt. Dieser wird im Neuen Testament nur im Hebr aufgenommen, obgleich der 110. (LXX109.) Psalm zu einem der häufigst zitierten Texte im frühen Christentum gehört.78 Inhaltlich passt Ps 110 (LXX109),4 zur zentralen Aussage des Hebr: Gott spricht Jesus an, setzt ihn ins Amt ein. Jedoch erfüllt dieser Vers an den einzelnen Stellen im Hebr unterschiedliche Funktionen.79 Ps 110 (LXX109),4 wird in Hebr 5,5f zum einen mit dem Sohnestitel verbunden, zum anderen wird die Entsprechung zum levitischen Priestertum in den Vordergrund gestellt, da beide, Aaron wie Christus, von Gott berufen und ins Amt eingesetzt wurden (Hebr 5,4-6; vgl. auch Hebr 5,10). In Hebr 6,20 wird nicht die Amtseinsetzung Jesu Christi thematisiert, vielmehr wird mit dem Psalmvers daran erinnert, dass mit diesem Hohepriester Sicherheit verbunden ist. Er ist Hohepriester in Ewigkeit (εις τον αΙώνα). Im Kontext von Hebr 6,20 wird die vorhandene Hoffnung (Hebr 6,18) als sicherer und fester Anker der Seele (αγκυραν της ψυχής άσφαλή τε κοα βεβαίαν) bezeichnet, der bis ins Innere des Vorhangs hineinreicht (Hebr 6,19), wohin Jesus als Vorläufer für uns (πρόδρομος υπέρ ημών) hineingegangen ist. lesus wird weiter charakterisiert als der, der nach der Ordnung des Melchisedek Hohepriester in Ewigkeit geworden ist (κατά την τάξιν Μελχι,σέδεκ άρχι,ερεϋς γενόμενος εις τον αιώνα; Hebr 6,20). Die Anspielung auf Ps 110 (LXX109),4 erscheint hier als Bestätigung der vorhandenen Hoffnung. Deren Beständigkeit und Sicherheit wird z u m einen mit dem Bild des Ankers, z u m anderen mit dem Hineingehen Jesu verdeutlicht, der der bereits in der Schrift angekündigte ewige Hohepriester nach der Ordnung des Melchisedek geworden ist.

In Hebr 7 wird durchweg die Höherwertigkeit des Priestertums Jesu Christi und die Einsetzung jenseits der sonst üblichen Genealogie betont. Ps 110 (LXX109),4 wird zweimal zitiert (Hebr 7,17.21). Die Auslegung von Gen 14 zielt auf die Höherwertigkeit des Priestertums nach der Ordnung Melchisedeks.80 So wird auch mit den Zitaten von Ps 110 78 79 80

Siehe den Überblick oben S. 26f. Vgl. z.B. Hay, Glory, 34-51; Dautzenberg, Ps 110, 6365; Anderson, King-Priest, 87-135. 282-285. - Zu Ps 110 (LXX109), 1 im Hebr siehe oben S. 70-73. Vgl. Hay, Glory, 144-150. Vgl. Kurianal, High-Priest, 85-138. Siehe ausführlich unten S. 121-131.

Der legitime und der bessere Hohepriester nach Hebr 5,1-10

119

(LXX109),4 in Hebr 7 nicht nur begründet, dass Jesus Christus dieser Priester nach der Ordnung des Melchisedek ist, sondern auch, dass diese Priesterschaft jenseits der levitischen Genealogie existiert (Hebr 7,14) und dem levitischen Priestertum überlegen ist. Dafür wird in Hebr 7,21 auch der ansonsten nicht zitierte Beginn von Ps 110 (LXX109),4 angeführt: ώμοσεν κύριος και ού μεταμεληθήσεται und interpretiert: Ausschließlich das Priestertum Jesu Christi, nicht aber das des Levi wurde mit Eid eingesetzt. Wurde in Hebr 5,5f.l0 mit Ps 110 (LXX109),4 v.a. die allen Priestern gemeinsame Berufung durch Gott zum Ausdruck gebracht, liegt hier in Hebr 7 der Akzent auf der besonderen Bedeutung des Priesters nach der Ordnung Melchisedeks.

3.3 Gott als Autorität hinter dem Priester: die theologische Bedeutung der Berufung Die Beziehung von Gott und Priester wird mit der Berufung bzw. der Amtseinsetzung sichergestellt. Sie gilt für alle, sowohl für die Priester in der Nachfolge Aarons als auch für Jesus. Sein Priestertum steht in dieser Hinsicht auf der gleichen Basis und hat dennoch eine bessere Grundlage: Jesus ist der neue, der ewige Priester. Er ist von Gott berufen und persönlich angesprochen. Die Berufung durch Gott gilt für Aaron (καθώσπερ και 'Ααρών; Hebr 5,4) wie für Christus (vgl. Hebr 5,5: ούτως και ό Χριστός). Kein Hohepriester kann sich selbst ins Amt einsetzen, sich selbst die Ehre nehmen (λαμβάνειν την τιμήν; Hebr 5,4). Mit der Nennung der Berufung Aarons scheint an eine allgemein bekannte Situation erinnert. Sie wird ebenso selbstverständlich genannt, wie auch die drei Kriterien in Hebr 5,1-10 formuliert werden. Jedoch bleibt unklar, was genau der Hebr mit der Berufung Aarons vor Augen hatte. Eine klassische Berufung Aarons ist nicht bekannt. Zu denken wäre an Ex 28,1-3, wo kurz die Berufung Aarons und seiner Familie zum Priesterdienst bestätigt wird, oder an Lev 8, wo die Priesterweihe Aarons und seiner Söhne beschrieben ist. Jedoch ist die Berufung Aarons eine gänzlich andere als die Jesu: Mit ihm ist seine Familie bzw. der gesamte Stamm Levi berufen.81 Nur bei bestimmten 81

Zur Zentralität der Genealogie in der alttestamentlichen Priestervorstellung vgl. Num 3,1-13; Num 8,5-26; Num 18; siehe auch Lev 8f; Lev 21f; Ri 17f; die Herkunft Moses aus dem Stamm Levi ist in Ex 2,1 festgehalten, die Aarons z.B. in Ex 4,14

120

Person und Amt des Hohepriesters

„Mängeln" sind einzelne Mitglieder ausgeschlossen (vgl. Lev 21). Es geht gerade nicht um die jeweils neue Berufung eines Priesters, sondern um die dauerhafte Einsetzung eines ganzen Priesterstammes: Die Söhne Aarons, die Leviten sind Priester (vgl. Num 8,5-26; 18,6-7). Der Name Aarons steht somit als pars pro toto für die gesamte levitische Priestersippe. Sie ist von Gott eingesetzt, eine besondere Berufung oder Einsetzung durch Gott für die folgenden einzelnen Priester ist nicht bekannt.82 Die Berufung Jesu dagegen gilt ihm allein. Es gibt keinen Priesterstamm, keine Nachfolge. Jesus ist Priester in Ewigkeit. Sein Priestertum kommt ihm „nicht bloss abkunftsweise, sondern persönlich" 83 zu. Dieser Unterschied zu Aaron besteht, dennoch liegt hier der Akzent auf der Gleichheit.84 Es soll gezeigt werden: „Jesu Hohepriesterschaft ist in ihrer Andersartigkeit nicht Freibeutertum. Sie entspricht [...] der kanonischen Norm" 85 . Dies wird durch die Berufung durch Gott belegt. Gott allein ist derjenige, der die Priester einsetzen kann. Er beruft sie, und sie tun ihren Dienst für ihn und vor ihm, was auch durch die allgemeine Formulierung τά προς τον θεόν für den Priesterdienst (Hebr 2,17; 5,1) deutlich wird. Da Gott Priester beruft, ist auch er derjenige, der mit Jesus Christus eine völlig neue Priesterordnung einführt, die die vorherige aufhebt.

3.4 Zur Schriftauslegung - Zusammenfassung Wurde in Bezug auf die Menschlichkeit des Hohepriesters Jesu v.a. mit dessen irdischen Leben argumentiert, so wird die Berufung zum Hohepriester mit Psalmzitaten belegt, die Gott in den Mund gelegt

82

83 84 85

explizit genannt. Vgl. Ex 6,16-25. Für die nachexilische Einsetzung der Leviten und Zadokiden vgl. Ez 44f; auch Esra 2; Neh 7. Zum Thema Genealogie siehe auch Scholer, Priests, 14f; Grabbe, Priests, 212f; Fitzmyer, Hebr 7,1, 233-238. Zur Bedeutung der Genealogie v.a. bei den zadokidischen Priestern vgl. Dahm, Opferkult, 1-44. 45-107; bes. 42-44.93-107. "If there was a ceremony for all new priests it is nowhere described or even hinted at." (Grabbe, Priests, 213). Grabbe vermutet, dass es wahrscheinlich die gleiche Zeremonie wie bei Aaron und seinen Söhnen (vgl. Ex 29,9; 40,15) gegeben haben könnte. Lev 6,12-16 berichtet von einem Einweihungsopfer und der Salbung für neue Priester. Delitzsch, Hebräer, 271. Vgl. auch Delitzsch, Hebräer, 168f; Lueken, Michael, 144. Der deutliche Unterschied von Jesu Priestertum und dem levitischen Priestertum wird in Hebr 7 ausformuliert. Gräßer, Hebräer I, 286.

Hohepriester nach der Ordnung des Melchisedek

121

werden.86 Mit den Psalmzitaten wird sowohl die Legitimität der Hohepriesterschaft aufgezeigt als auch dessen Verbindung zu Gott: Er ist der von Gott eingesetzte Hohepriester - und zugleich Gottes Sohn. Dabei werden die Psalmzitate so verwendet wie in Hebr 1,5-13. Sie werden losgelöst vom ursprünglichen Kontext als Gottes Rede an den Sohn verstanden. Eine andere Bedeutung der Zitate gerät nicht in den Blick, auch wenn mit dem Zitat von Ps 110 (LXX109),4 unterschiedliche Aspekte der Einsetzung Jesu zum Priester verbunden werden.

III. Jesus Christus, Hohepriester nach der Ordnung des Melchisedek 1. Hebr 7 - Überblick 1.1 Die Legitimation des anderen Priestertums nach der Ordnung des Melchisedek nach Hebr 7,1-25 In Hebr 7,1-25 wird das Priesteramt Jesu Christi als ordentliches eingeführt und begründet: Jesus ist Priester nach der Ordnung des Melchisedek. Nach dieser neuen, anderen Priesterordnung kann auch Jesus als anderer Priester aus einem anderen Stamm Priester bzw. Hohepriester sein. Die Ordnung Aarons (vgl. Hebr 7,11: κατά την τάξιν Ααρών) wird dabei in enger Verbindung zum Gesetz gezeichnet. Opfer und Sühne spielen in Hebr 7 keine Rolle.87 Die Argumentation beginnt mit einer Gegenüberstellung von Melchisedek und Abraham. Eine kurze Zusammenfassung von Gen 14,17-20 wird vorangestellt: Abraham gab Melchisedek den Zehnten und wurde von diesem gesegnet (Hebr 7,4-10).88 Beide Handlungen, das Zahlen des Zehnten wie die Segnung, werden hier als Aussagen über die Hierarchie, die zwischen beiden liegt, verstanden (vgl. Hebr 7,7-10). Melchisedek steht also, dies ist die Pointe der Auslegung von Gen 14,17-20, wie über Abraham so auch über Levi und dem levitischen Priestertum.

86 87 88

Gräßer, Jesus, 166, spricht von doppeltem Beweis. Vgl. auch Stadelmann, Christologie, 194. Nur Hebr 7,19, ούδεν γαρ ετελείωσεν ό νόμος, kann als Aussage über die ungenügende Funktion des Opfers im Kult der jerusalemer Priester verstanden werden (vgl. Hebr 9,9). „Whether the author was being selective or simply remembered the account the best he could is impossible to know." Seid, Synkrisis, 329. Vgl. Balz, Melchisedek, 421.

Person und Amt des Hohepriesters

122

W i e M e l c h i s e d e k s t e h t a u c h J e s u s C h r i s t u s a l s a n d e r e r P r i e s t e r (έτερος ιερεύς ( H e b r 7,11-15) n a c h d e r O r d n u n g M e l c h i s e d e k s d e m l e v i t i s c h e n Priestertum

gegenüber u n d

ist d i e s e m ü b e r l e g e n . Er ist a u s

a n d e r e n S t a m m g e n o m m e n (V13: φ υ λ ή ς ετέρας μ ε τ έ σ χ η κ ε ν ) , v o n

einem dem

b i s l a n g n o c h n i c h t s ü b e r d a s Priestersein a u s g e s a g t w u r d e . Er ist also nicht n a c h d e m Gesetz, s o n d e r n nach der Kraft des

unauflöslichen

L e b e n s (κατά δ ύ ν α μ ι ν ζ ω ή ς ά κ α τ α λ ύ τ ο υ ; H e b r 7,16) e i n g e s e t z t . D e s W e i t e r e n w e r d e n die U n t e r s c h i e d e z w i s c h e n levitischem u n d j e s u a n i s c h e m P r i e s t e r t u m d u r c h d e n Eid (όκρωμοσία) u n d d u r c h die A n z a h l beschrieben: jene Priester sind o h n e Eid, dieser m i t Eid eingesetzt gew o r d e n (vgl. H e b r 7,20f); jene sind viele Priester (οί πλείονες ιερείς), dieser aber ist einer, d e r so ein u n v e r ä n d e r l i c h e s P r i e s t e r t u m (V24: απαράβατος ιερωσύνη) g a r a n t i e r e n k a n n (vgl. V22-24). Dieses b e d e u t e t Heil (V25: σωζειν), F ü r s p r a c h e (V25: έντυγχάνειν) 8 9 u n d Z u - G o t t - K o m m e n (V25: προσέρχομαι δι' αύτοϋ τω θεω; vgl. V 19).

1.2 D e r H o h e p r i e s t e r t i t e l i n H e b r 7 , 2 6 - 2 8 Die V e r s e 26-28 v e r d i e n e n h i e r eine e i g e n e B e t r a c h t u n g . N u r in d i e s e n Versen von Hebr 7 wird der Hohepriestertitel verwendet,

außerdem

f a l l e n sie d u r c h i h r e h y m n i s c h e F o r m auf.90 V26-28 scheinen eine A r t Fazit a u s d e n v o r h e r i g e n V e r s e n 7,1-25 z i e h e n z u wollen. 9 1 D e n n o c h ist d e r A n s c h l u s s schwierig. 9 2 W o r a u f b e z i e h t sich τοιούτος άρχιερεύς (V26)? 93 In H e b r 7 ist b i s h e r nicht v o m H o h e p r i e s t e r , s o n d e r n v o m Priester die R e d e g e w e s e n . U n d a u c h d i e a u f g e z ä h l t e n P r ä d i k a t e όσιος ακακος αμίαντος, κεχωρισμένος από των αμαρτωλών κα\

89

90

91 92

93

„Die Vorstellung von Jesus als dem fürsprechenden Hohepriester nimmt einen wichtigen Platz in den Gedanken des Vf. ein; das wird nicht zuletzt dadurch gezeigt, daß sie im Mittelpunkt seiner christologischen Gedanken von 2,10 (vgl. auch schon 2,6) bis zum Anfang von c.9 steht." (Loader, Hohepriester, 151). Zu Jesus als Fürbitter vgl. ebd., 142-160; auch Walter, Christologie, 64f; Rissi, Menschlichkeit, 40f. Diesen hymnischen Stil bemerken fast alle Kommentatoren. Vgl. z.B. Windisch, 67: „kleiner Hymnus"; „liturgischer Abschluß". Vgl. Gräßer, Hebräer II, 65. Dass es sich tatsächlich um einen rekonstruierbaren traditionellen Hymnus handelt, betont z.B. Theißen, Untersuchungen, 22-24; zum Zusammenhang mit 7,1-3 vgl. ebd., 20-28. Andere wiederum vermuten, dass der Text vom Hebr auch selbst verfasst sein könnte. Z.B. Gräßer, Hebräer II, 65; Laub, Bekenntnis, 33. Hegermann, Hebräer, 159. Gräßer nennt die Verse Zusammenfassung und stellt eine Entsprechung zu Vl-3 fest. Vgl. Gräßer, Hebräer II, 65; vgl. auch Kurianal, High Priest, 139f. Wuttke, Melchisedech, 4, spricht im Hinblick auf das ganze Kapitel Hebr 7 von „Zusammenhanglosigkeit". Anders Dey, Intermediary world, 209: „Hebrews 7 is a coherent whole". Für Gräßer, Hebräer II, 66, stellt der Anschluss kein Problem dar. „Das einleitende τοιούτος versammelt das vorher Gesagte in sich [...]".

Hohepriester nach der Ordnung des Melchisedek

123

ύψηλότερος των ούρανών γενόμενος (V26) schließen nicht an die vorhergehende Thematik von Hebr 7,1-25 an. Sie charakterisieren Jesus als vollkommenen Priester - und zugleich als vollkommenes Opfer. 9 4

Der bisher betont als menschlich und mitleidend gezeichnete Hohepriester Jesus wird hier heilig und makellos genannt, v.a. die Absonderung von den Sündern scheint der Akzentsetzung in Hebr 1-6 zu widersprechen.95 In V27 wird der Blick auf die Opfer gelenkt. Ahnlich wie in V22-24 wird hier der Gegensatz von vielen und einem zur Betonung der Besonderheit bemüht. Es gibt ein einmaliges Opfer, die täglichen Opfer (vgl. καθ ' ήμέραν) sind nicht mehr notwendig.96 Die menschlichen Hohepriester müssen täglich für sich und das Volk Opfer darbringen (θυσίας άναφέρει,ν), während Christus dies ein für allemal getan hat, indem er sich selbst darbrachte (άναφέρει,ν; Part. Aor.). Erst in V28 wird der Anschluss zu Hebr 7,1-25 aufgenommen, indem Gesetz und Eid als die Grundlagen der jeweiligen Priestertümer genannt werden. Das Gesetz setzt Menschen zu Hohepriestern ein, die Schwachheit haben, während das Wort des Eides (6 λόγος δε της ορκωμοσίας) nach dem Gesetz (μετά τον νόμον) den Sohn (einsetzt), der in Ewigkeit vollendet ist (εις τον αιώνα τετελειωμένον).

1.3 Zusammenfassung Dass Jesus Hohepriester nach der Ordnung Melchisedeks97 ist, ist schon in Hebr 5,6 und 6,20 ausgesprochen, aber erst in Hebr 7 wird diese Aussage ausformuliert. Den Anlass, die Bedeutung Melchisedeks herauszustellen, liefert der immer wieder zitierte Ps 110 (LXX109),4 (zuletzt in Hebr 6,20), mit dessen Hilfe Priestertum Jesu als κατά την τάξιν Μελχισέδεκ charakterisiert wird.98 Melchisedek bzw. sein Priestertum wird mit dem levitischen Priestertum verglichen (Hebr 7,1-10). In Hebr 7,11-25 folgt auf diesen Vergleich die Gegenüberstellung von jesuanischem und levitischem Priestertum. In Hebr 7,26 wird , dieser Hohepriester' allgemein charak94 95 96 97 98

Vgl. Gräßer, Hebrär II, 67. Vgl. ebd., 67-70. Diese Spannung bemerkt auch Zimmermann, Hohepriesterchristologie, 20f, neben anderen Inkongruenzen im Hebr. Vgl. ebd., 18-25. Zur Problematik der hier genannten täglichen Opfer s.u. S. 128f. Zur Figur des Melchisedek s.u. S. 132-140. Vgl. Kistemaker, Citations, l l f , der Hebr 7,1-25 als Exegese von Ps 110 (LXX109),4 versteht.

Person und Amt des Hohepriesters

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terisiert, wobei der Akzent auf der Vollkommenheit liegt. Anschließend werden die beiden Priesterordnungen in Bezug auf die Häufigkeit der Opfer und auf ihre Einsetzung verglichen (Hebr 7,27f). Hebr 7 bietet eine ausführliche Auseinandersetzung um die Legitimation des Priestertums Jesu Christi und zugleich eine Argumentation für die Höherwertigkeit des Priestertums Melchisedeks und damit Jesu gegenüber der Priesterschaft aus dem Stamm Levi. Uberwog in Hebr 5,1-10 die Betonung der Ubereinstimmung von Jesu Christi Priestertum mit dem anderer Priester, so dominiert in Hebr 7 der Vergleich, der die deutliche Überlegenheit des Hohepriesters Jesu herausstellt." Hier wird nicht nur Ps 110 (LXX109),4, sondern auch Gen 14 für die Argumentation herangezogen. Damit wird das Priestertum Melchisedeks, seine Höherwertigkeit und seine Existenz vor Levi und damit auch vor dem levitischen Priestertum in der Schrift verankert. Jedoch wird dadurch, dass Melchisedek im Hebr ansonsten keine Bedeutung hat, ebenfalls deutlich, dass er hauptsächlich als Argumentationshilfe für die Installation des Priestertums Jesu dient.

2. Die verschiedenen Argumentationen in Hebr 7 2.1

Die Auslegung von Gen 14 in Hebr 7

In Hebr 7 wird mit Gen 14 der zweite, narrative alttestamentliche Text, in dem Melchisedek genannt wird, herangezogen, um diesen und das Priestertum nach seiner Ordnung zu charakterisieren. Der Text aus Gen 14,17-20 wird nicht zitiert, sondern paraphrasiert, wobei es einige wörtliche Übereinstimmungen mit dem Septuagintatext gibt.100 Die anschließende Auslegung basiert allein auf der Begegnung von Abraham und Melchisedek. Die zuvor genannten Titel König von Salem (βασιλεύς Σαλήμ; Hebr 7,1) und Priester des höchsten Gottes 99 So auch Hay, Glory, 144, vgl. auch Wiek, Gottesdienste, 314f. 100 Fitzmyer, Hebr 7,1, 227f; Braun, Hebräer, 137, und Michel, Hebräer, 256f, sprechen von Midrasch. Vgl. auch Windisch, Hebräer, 59: „[D]as Ganze [ist] ein Midrasch über Ps 109,4 und Gen 14,17-20: die beiden im AT von Melchisedek handelnden Stellen werden zusammengestellt, und im Blick auf den erschienenen Messias Jesus werden Folgerungen gezogen, an die die biblischen Verfasser nie gedacht haben." Gräßer, Hebräer II, 11, spricht von ,,midraschartige[r] Auswertung"; Backhaus, Bund, 76, von „-freilich hellenisiertem- Midrasch"; vgl. ebd., 75-79. Zur Auslegungsmethode auch Schröger, Schriftausleger, 156-159; siehe auch schon ebd., 130-156; ferner Nomoto, Hohepriestervorstellung, 15f. Tönges, Jesus-Midrash, 89-105, versteht den gesamten Hebr als Jesus-Midrasch.

Hohepriester nach der Ordnung des Melchisedek

125

(ιερεύς τοϋ θεού του ύψιστου; Hebr 7,1) oder die Übersetzung des Titels βασιλεύς Σαλήμ als König der Gerechtigkeit und des Friedens (βασιλεύς δικαιοσύνης und βασιλεύς ειρήνης; Hebr 7,2) bleiben unberücksichtigt. Allein auf das Fehlen eines Stammbaums Melchisedeks (Hebr 7,3) wird zurückgegriffen, um das Priestertum jenseits der levitischen Genealogie zu begründen. Diese Vater- und Mutterlosigkeit Melchisedeks (άπάτωρ άμήτωρ; Hebr 7,3) steht so nicht im alttestamentlichen Text, allerdings werden weder Vater noch Mutter erwähnt, so dass diese Auslegung nachvollziehbar bleibt. 101 Diese Auslegung von Gen 14 zielt deutlich auf eine Hauptaussage: Melchisedek ist sowohl Abraham als auch Levi überlegen. 102 Begründet wird dies zum einen durch die in Gen 14 berichtete Zahlung des Zehnten, zum anderen durch die Segnung. Durch das Zahlen des Zehnten von Abraham an Melchisedek erweist sich die Größe Melchisedeks (θεωρείτε δε πηλίκος ούτος; Hebr 7,4). Diese Hierarchie zwischen Melchisedek und Abraham wird auch in der Segenshandlung deutlich. Melchisedek segnet Abraham. Dies dient als Beleg für die höhere Stellung Melchisedeks, denn der Geringere wird vom Höherstehenden gesegnet: χωρίς δε πάσης άντιλογιας τό ελαττον ύπό τοΰ κρείττονος ευλογείται (Hebr 7,7). Doch geht es hierbei nicht nur um die Verhältnisbestimmung von Abraham und Melchisedek, sondern durch Abraham (V8: ÖL' "Αβραάμ) hat auch Levi dem Melchisedek den Zehnten gezahlt, denn dieser war in der Lende (οσφύς, V10) Abrahams. Durch diese Interpretation wird deutlich, dass Melchisedek Levi, und damit dem israelitischen Priestertum, überlegen ist.

2.2

Die unterschiedliche Einsetzung

Im weiteren Argumentationsgang werden nicht die Personen, sondern die aus ihnen resultierenden Priesterordnungen einander gegenüber gestellt: κατά την τάξιν Μελχισέδεκ und κατά την τάξιν 'Ααρών (Hebr 101 Für gewöhnlich wird diese Idee des Hebr dem exegetischen Grundsatz der Rabbinen, der auch bei Philo aufgenommen wird, zugeschrieben: „quod non in thora non in mundo" / „was nicht geschrieben steht, besteht nicht". Vgl. Windisch, Hebräer, 60; Schröger, Schriftausleger, 136. Dazu auch Gräßer, Hebräer II, 19f. 102 Hebr 7 kann in diesem Punkt als paradigmatisch für den ganzen Hebr angesehen werden, denn durch diesen zieht sich eine „komperativische Hermeneutik" (so Gräßer, Hebräer l, 267). Vgl. Seid, Synkrisis, 326. Vgl. auch Gieschen, Melchizedek, 378: Er zählt in Hebr 7 insgesamt ,6 aspects of polemic'.

Person und Amt des Hohepriesters

126

7,11)· Ein grundlegender Unterschied ist nach Hebr 7,20f schon in deren Einsetzung erkennbar. Jesus ist durch die direkte Ansprache Gottes eingesetzt, noch dazu nicht ohne Eid (ού χωρίς ορκωμοσίας; V20), sondern mit Eid (μετά ορκωμοσίας; V21; vgl. auch 7,28). Seine Einsetzung ist also mit Schwur verbürgt, das levitische Priestertum nach der Ordnung Aarons dagegen nicht: χωρίς ορκωμοσίας (V20). Mit der Rede von Schwur und Eid wird an die Verbürgung der Verheißung erinnert, wie sie z.B. in Hebr 6,13-20 beschrieben ist.103 In diesem Abschnitt104 wird die Verheißung Gottes an Abraham als mit Eid und Schwur bekräftigte beschrieben (V13-15). Dadurch soll verdeutlicht werden, dass Gott treu ist und zu seinen Verheißungen steht. Dies gilt auch für die Verheißungen, die mit Christus verbunden sind (V16-20).105

Der Eid oder das Schwören Gottes unterscheidet also nicht grundsätzlich die alttestamentlichen Zusagen von denjenigen an Christus,106 sondern beide können mit einem Schwur Gottes verbunden sein. Hier jedoch ist nur die Einsetzung Christi in sein Amt mit Eid verbunden, die Levis nicht, was ausdrücklich betont wird. Dazu wird der Beginn von Ps 110 (LXX109),4 in Hebr 7,21, ώμοσεν κύριος, zitiert. Anders als in Hebr 5,4-6.10 wird nicht die Berufung durch Gott als gemeinsame Basis ins Zentrum gerückt, sondern die Besonderheit und Überlegenheit des Priestertums nach der Ordnung Melchisedeks wird schon bei der Amtseinsetzung festgehalten.

2.3

Die Installation eines anderen Priestertums

Jesus Christus ist Priester und Hohepriester. Dieses Priestertum wird in Hebr 7 deutlich als , anderes' gekennzeichnet: Er selbst wird anderer Priester genannt (έτερος ιερεύς; VI 1.15) und ist aus einem anderen Stamm genommen (V13: φυλής ετέρας). Der Hebr greift auf die Herkunft Jesu aus dem Stamm Juda zurück107 (vgl. Hebr 7,14: εξ Ιούδα άνατέτακλεν ό κύριος108). Diese widerspricht jeder alttestamentlichen 103 Hier spricht der Hebr allerdings von οκρος, nicht von όκρωμοσίκ. Zur Wortwahl vgl. Michel, Hebräer, 274. Zum Thema Schwur auch Attridge, Hebräer, 178.206f. 104 Hebr 6,13-20 ist Teil einer Paränese, in der zum Ausharren und Festhalten an der Verheißung gemahnt wird. Vgl. Schröger, Schriftausleger, 127-130. 105 „Hebr will dagegen die Zuverlässigkeit des göttlichen Wortes, den Eid als eine besondere Form der göttlichen Zusage anerkennen." Michel, Hebräer, 252. 106 Vgl. auch Ps 95 (LXX94),11 in Hebr 3,11; 4,3. 107 Vgl. Gräßer, lesus, 162-165; Walter, Christologie, 70. 108 Die Formulierung ist auffällig: Sie entspricht dem Stil der Weissagung, ist bildhafter oder metaphorischer Sprachgebrauch. Vgl. Michel, Hebräer, 271; Gräßer, Hebräer II,

Hohepriester nach der Ordnung des Melchisedek

127

Priestervorstellung: Aus dem Stamm Levi stammen die legitimen Priester. Als Angehöriger des Stammes Juda kann er nach alttestamentlichem Gesetz nicht Priester werden, dies können nur die Söhne Aarons, Angehörige des Stammes Levi. Gerade diese Kontinuität, die durch die Genealogie zum Ausdruck kommt, zeichnet das levitische Priestertum aus.109 Doch hier wird nicht für eine einmalige Ausnahme von dieser Regel argumentiert, sondern es wird ein anderes Priestertum eingeführt, das auf Melchisedek zurückgeführt wird.110 Dieses Priestertum zeichnet sich nicht durch die Genealogie aus, ganz im Gegenteil: Melchisedek wird als άπάτωρ άμήτωρ άγευεαλόγητος (Hebr 7,3) bezeichnet. Damit soll in erster Linie betont werden, dass dieses andere Priestertum nach der Ordnung Melchisedeks jenseits irgendeiner Genealogie verläuft.111 So kann Braun zusammenfassen: „Melchisedek, stammbaumlos, würde für das levitische Priestertum nicht taugen." 112 Dies wird auch in Hebr 7,6 wieder aufgenommen: ό δε μή γενεαλογούμενος εξ αύτών.

2.4

Die Gegenüberstellung von Einem und Vielen

Auch in der Anzahl zeigt sich die qualitative Unterschiedenheit der beiden Priestertümer. Diese sind viele Priester (οί πλείονες F LOLV ιερείς), und zwar weil der Tod sie hinderte zu bleiben (δια τό θανάτω

109 110

111

112

40-42; auch ders v Jesus, 163f. Dennoch geht es um die historische Tatsache der Herkunft Jesu aus Juda. Anders Rooke: Sie betont, dass es hier nicht um eine historische Information gehe, sondern um die Verankerung eines königlichen Priestertums. Daher müsse Jesus aus dem königlichen Stamm Juda kommen. Vgl. Rooke, Royal Priest, 89f. Z.B. Num 3,1-13; 8,5-26; Gräßer, Hebräer II, 21; Michel, Hebräer, 261f. Rooke legt dar, dass die Darstellung des melchisedekianischen Priestertums stark an das königliche Priestertum erinnere. Sie bezeichnet dies als ontologisches Priesteramt, das allein den Königen bestimmt war. Von diesem Priestertum sei ein funktionales Amtsverständnis zu unterscheiden, das dem levitischen Priester- und Hohepriesterverständnis entspreche. Vgl. Rooke, Royal Priest, 81-84.89-94. Jedoch wird diese Charakterisierung des jesuanischen Priestertums als königliches durch den Hebr vermieden bzw. nicht explizit genannt. Diese in Hebr 7,3 aufgezählten Eigenschaften könnten auch als göttliche Hoheitsprädikate verstanden werden. „Ja, ähnliche Eigenschaften werden grundsätzlich Gott selbst zuerkannt" (Michel, Hebräer, 261). Doch hierauf liegt gerade nicht das Gewicht in Hebr 7: Wahrscheinlicher ist, dass hier die Stammbaumlosigkeit Melchisedeks betont wird. So entscheidet auch Michel, Hebräer, 262; vgl. Seid, Synkrisis, 335. Braun, Hebräer, 197.

128

Person und Amt des Hohepriesters

κωλΰεσθαι παραμένειν; Hebr 7,23)113. Jesus dagegen ist einer, der in Ewigkeit bleibt (Hebr 7,24: μένειν ε'ις τον αιώνα) und so ein unveränderliches Priestertum innehält (Hebr 7,24: απαράβατος ιερωσύνη). Er gleicht darin Melchisedek, der ebenfalls ohne Anfang und Ende des Lebens ist (μήτε αρχήν ήμερών μήτε ζωής τέλος έχων; Hebr 7,3). Weiter wird daher sein Priesteramt als ewiges bezeichnet: μένει ιερεύς εις τό διηνεκές (Hebr 7,3). Jedoch wird bei dieser Charakterisierung Melchisedeks nicht dessen Vorbildfunktion für Jesu Christi Priestertum genannt, sondern Melchisedek wird als dem Sohn Gottes ähnlich dargestellt: άφωμοιωμένος δε τω υ'ιώ τοΰ θεοΰ (Hebr 7,3). Nicht nur in Bezug auf die Priester, auch in Bezug auf die Opfer ist ein quantitativer Unterschied feststellbar, der ebenfalls etwas über die Qualität aussagt. Das levitische tägliche Opfer (καθ' ήμέραν; Hebr 7,27) steht dem einmaligen Selbstopfer Jesu (εφάπαξ εαυτόν άναφέρειν; Hebr 7,27) gegenüber. Um die Aussage in dieser Weise zu profilieren, charakterisiert der Hebr das Opfer im Alten Testament in überspitzter Weise. Ein so beschriebenes tägliches Opfer (καθ ' ήμέραν in Hebr 7,27) für den Hohepriester, das er selbst darbringt, gibt es nicht.114 Das Joma-Opfer des Hohepriesters für eigene Sünden wird nur einmal im Jahr vollzogen (so richtig in Hebr 9,7.25; 10,1.3; vgl. Lev 16).115 Das tägliche Opfer ist das Tamidopfer. Es wird für, selten aber vom Hohenpriester vollzogen (vgl. Ex 29,38-42; Num 28,38; Lev 6,20-23). Dass Hebr 7,27 ungenau formuliert, könnte an der eigenen theologischen Pointe liegen. Gegenüber dem täglichen Opfer wird die Einmaligkeit des Opfers Christi noch deutlicher. 116

Es ist also erkennbar, dass es dem Hebr hier nicht um die exakte Beschreibung der alttestamentlichen Opferpraxis geht.117 Es geht um die Gegenüberstellung von Altem und Neuem, bei der die Überlegenheit des Neuen betont wird. Das einmalige Opfer Jesu stellt alle davor gewesene Opferpraxis in den Schatten. So werden die Wiederholungen,

113 Schröger, Schriftausleger, 154: „Einer löst den anderen ab; keiner schafft ein Ganzes und Abschließendes. Anders ist es beim Hohepriester Jesus." 114 Einen Lösungsversuch schlägt Zahn, Einleitung II, 157, vor: καθ' ήμέραν bedeute „sprichwörtlich die häufige und stetige Wiederkehr eines Vorgangs". Vgl. auch Rissi, Theologie, 73. Zu weiteren Lösungsmöglichkeiten vgl. z.B. Michel, Hebräer, 281-283 oder Schmitz, Opferanschauung, 267f. 115 Nach Kraus, Heiligtumsweihe, 237, meint auch Hebr 7,26-28 genau dieses Opfer am Versöhnungstag nach Lev 16. 116 Vgl. Braun, Hebräer, 225. 117 Die Notwendigkeit des Opferns für die eigenen und des Volkes Sünden wird auch in Hebr 5,3 betont. Hier ergibt sich ebenfalls das Problem des alttestamentlichen Bezuges. Zu Hebr 5,3 vgl. Gräßer, Hebräer I, 281: „Denn so, wie Hebr es beschreibt [...] ist es der Tora unbekannt." Vgl. insgesamt ebd., 280-282.

Hohepriester nach der Ordnung des Melchisedek

129

die jeden Kult und jedes Ritual auszeichnen, zum Zeichen der Mangelhaftigkeit (vgl. Hebr 10,1-4). Das soteriologische Ziel der Argumentation in Hebr 7 ist deutlich zu erkennen: Es geht darum, das Hohepriestertum Jesu als unabänderliches und ewiges zu charakterisieren, um damit auch die Unverbrüchlichkeit der damit verbundenen Heilszusage zum Ausdruck zu bringen.119

2.5

Die Aufhebung des Gesetzes durch die neue Priesterordnung

Die Verbindung von levitischem Priestertum und Gesetz wird durchweg im Hebr, v.a. Hebr 7,5-19, betont. „Am Schicksal des Priestertums hängt nach Hebr das Schicksal des Gesetzes."120 Die Leviten sind Priester nach dem Gesetz (vgl. Hebr 8,4: κατά νόμον; vgl. auch Hebr 7,28), und auch der Opferkult wird gemäß dem Gesetz vollzogen (vgl. z.B. Hebr 9,19; 10,8). Das Volk hat das Gesetz in Verbindung mit den levitischen Priestern (4π' αυτής121) empfangen (νομοθετεω) (Hebr 7,11). Die zentrale Bedeutung des Gesetzes für die alte Ordnung kann folgendermaßen herausgestellt werden: „Had the writer been asked to differentiate between the old covenant and the Law, he probably would not have drawn much if any distinction between the two." 122

Die neue Priesterordnung Jesu Christi hat aufgrund der Verbindung von Priestertum und Gesetz Auswirkungen auf das Gesetz. Priestertum und Gesetz hängen nämlich so eng zusammen, dass die Änderung des einen konsequenterweise auch die des anderen bedeutet (Hebr 7,12: μετατι,θεμένης γαρ της Ιερωσύνης 4ξ ανάγκης καΐ νόμου μετάθεσι,ς γίνεται). Jesus als anderer Priester ist nicht nach dem Gesetz des fleischlichen Gebotes (κατά νόμον εντολής σάρκινης) eingesetzt worden, sondern nach der Kraft des unauflöslichen Lebens (κατά δύναμιν ζωής άκαταλύτου; Hebr 7,16). νόμος und δύναμις stehen hier als Kennzeichen der beiden Priesterordnungen einander gegenüber. Ebenso wird die

118 Vgl. zur Opferkritik des Hebr s.u. S. 183-189. 119 Vgl. auch Backhaus, Bund, 120-124; zur Gegenüberstellung von alter und neuer Ordnung ebd., 100-110. 120 Michel, Hebräer, 270; vgl. auch Lehne, Covenant, 22.26. 121 en' αύτής bezieht sich auf ίερωσΰΐ'η, also das levitische Priestertum. Vgl. BDR § 234.7. 122 Sowers, Hermeneutics, 99. Vgl. ebd., 97-105.

130

Person und Amt des Hohepriesters

mit Jesus verbundene bessere Hoffnung (Hebr 7,19: κρείττων έλπίς)123 dem Gebot (Hebr 7,18: εντολή) und Gesetz (Hebr 7,19: νόμος), also den Kennzeichen des levitischen Priestertums, gegenübergestellt. Beide haben keine Geltung mehr: Das Gebot ist wegen seiner Nutzlosigleit und Schwachheit aufgehoben (Hebr 7,18: άθέτησις μεν γαρ γίνεται προαγούσης εντολής δια τό αότής άσθενες και ανώφελες), und das Gesetz konnte nicht vollenden (Hebr 7,19: ούδεν γαρ έτελείωσεν ό νόμος). Der Sohn ist allerdings aufgrund des Eidschwurs (zeitlich) nach dem Gesetz (μετά124 τον νόμον; Hebr 7,28) in Ewigkeit vollendet worden. Dies bedeutet, dass die Einsetzung Jesu und sein Priestertum vom Gesetz unabhängig sind. Das Gesetz ist im Hebr allerdings kein eigenständiges Thema, sondern wird v.a. im Zusammenhang mit dem levitischen Priestertum, also in Korrelation zum Thema Kult, behandelt. 125 Mit δυναμι,ς und ελπίς ist eine neue Begrifflichkeit eingeführt, die jenseits von Gesetz (νόμος) oder Gebot (εντολή) die Grundlage der neuen Priesterordnung beschreibt. 126 νόμος wird also nicht als „terminus ins ntliche Heil hinübergenommen, wie andere atliche kultische und Heilsgüter". 127 So wird auch die mit der Verheißung des neuen Bundes aus Jer 31 (LXX38),3134 verbundene Ausgießung des Gesetzes bzw. der neuen Tora in die Herzen im Hebr nicht aufgenommen. Allerdings wird der neue Bund wie das Gesetz eingesetzt (Hebr 8,6: νομοθετέω; vgl. Hebr 7,11). 128 Diese Einsetzung erfolgt nach der Blutregel des Gesetzes (Hebr 9,22: κατά τον νόμον). Jedoch bleibt festzuhalten: Mit dem neuen Hohepriester Jesus hat nicht nur der alte Kult, sondern auch das Gesetz seine Geltung verloren. Die vorher gültigen Regeln sind mit Christus nicht mehr gültig 123 Mit έλπίς ist keine subjektive Größe oder Haltung beschrieben, sondern die objektive Grundlage der mit Jesus Christus verbundenen Neuordnung. Vgl. Rose, Verheißung, 75f. 124 μετά ist im NT (außer Hebr 9, 3) „stets temporal"; vgl. BDR §226. 125 Doch bedeutet das nicht notwendigerweise, dass damit nur vom Kultgesetz gesprochen ist. „Und obgleich zunächst der cultusgesetzliche Inhalt der Thora gemeint ist, so ist doch der polizei- und sittengesetzliche miteingeschlossen." (Delitzsch, Hebräer, 288f). Vgl. auch Erlemann, Alt und neu, 356f. 365. Anders z.B. Michel, Hebräer, 285; Gräßer, Hebräer II, 204; Rose, Verheißung, 73. Auch Kuss, Hebräer, 97, folgert aus dieser engen Verbindung von Priestertum und Gesetz, dass für den Hebr „das Gesetz vor allem als kultisches Gesetz sichtbar" wird. Zum Gesetz vgl. ebd., 97101. 126 Dennoch gibt es Paränesen bzw. Mahnungen. Diese sind nicht durch das Werk Jesu Christi hinfällig. Der Begriff Gesetz fällt hier allerdings nicht. 127 Braun, Hebräer, 201. Vgl. Lehne, Covenant, 26f. 128 Vgl. Lehne, Covenant, 99f.

Hohepriester nach der Ordnung des Melchisedek

131

bzw. in ihrer Beschränktheit zu erkennen. Das gilt für das Gesetz wie für den Kult (vgl. auch Hebr 10,l).129

2.6

Zur Schriftauslegung in Hebr 7 - Zusammenfassung

Hebr 7 beginnt mit einem auf Gen 14,17-20 basierenden Vergleich von Abraham und Melchisedek, der ab Hebr 7,11 zu einer typologischen Gegenüberstellung der Priesterordnungen nach Melchisedek und nach Aaron bzw. Levi wird. Dabei wird deutlich, dass das Hauptanliegen in Hebr 7 durchweg der Beweis der deutlichen Überlegenheit des Hohepriestertums Jesu Christi ist. Aus diesem Grund wird der alttestamentliche Opferkult überzogen und zum Teil ungenau dargestellt. Neben der Auslegung von Gen 14 und Ps 110 (LXX109),4 werden scheinbar allgemeingültige Grundsätze in Hebr 7 dafür verwendet, die Überlegenheit des Priestertums nach der Ordnung des Melchisedek zu belegen. Der Gegensatz von Einem und Vielen, von einmaligem Ereignis und ständigen Wiederholungen, zeigt nach Hebr 7,23f.27 den Unterschied der beiden Priesterordnungen. Durch die Gegenüberstellung der beiden Priesterordnungen wird deutlich, dass Gesetz und Kult aufgehoben sind. Der alten Ordnung steht nur nominell eine neue Priesterordnung gegenüber, denn diese wird allein von Jesus Christus, dem Hohepriester, ausgefüllt. Ein neues Kultsystem wird nicht installiert. Allerdings wird ebenso die grundlegende Bedeutung der alttestamentlichen Texte deutlich. Melchisedek ist keine himmlische Fantasiefigur, sondern der aus Gen 14 bekannte Priesterkönig aus Salem. Dies soll beim folgenden Vergleich mit 2Hen, llQMelch und Leg. All. III. näher beleuchtet werden.

129 Gräßer stellt eine ähnliche Argumentation des Hebr beim Thema Kult fest, wie sie bei Paulus zum Thema Gesetz erkennbar sei. Vgl. Gräßer, Hebräer I, 25-27; siehe auch ders., Hebräer II, 47-52; ferner Windisch, Hebräer, 65f. Young, Use, 82f, sieht Parallelen in der Argumentation des Hebr im Bereich Kult / sacrificial law und der des Mt im Bereich Gesetz / ethical law.

Person und Amt des Hohepriesters

132

3.

Zur Figur des Melchisedek in Hebr 7, in 2Hen, in llQMelch und in Leg. All. III

Im Folgenden soll die Figur des Melchisedek im Hebr genauer untersucht werden. Dies geschieht durch einen Vergleich von Hebr 7 mit 2Hen 71f, llQMelch und Leg. All. III. In 2Hen wird eine Priesterordnung mit Melchisedek verbunden, in llQMelch erscheint Melchisedek als eschatologischer Erlöser, in Leg. All. III legt Philo die Begegnung von Abraham und Melchisedek aus. Daher eigenen sich diese Texte, verschiedene Aspekte der Melchisedekfigur des Hebr zu beleuchten.

3.1 Zur Vorstellung des Priestertums nach dem Vorbild Melchisedeks - ein Vergleich von 2Hen 71f und Hebr 7 In Hebr 7 wird mit der Auslegung von Gen 14 und von Ps 110 (LXX109),4 eine Lektüre des Alten Testaments vorgenommen, die nicht den gängigen Lesegewohnheiten entspricht: Priester sind ansonsten ausschließlich die Söhne Aarons und Levis. Eine andere Priesterordnung, die sich auf Melchisedek beruft, gibt es im Alten Testament nicht. Dennoch bilden sich messianisch-priesterliche Vorstellungen aus,130 die mit der Figur des Melchisedek oder anderen Mittlern, z.B. dem Erzengel Michael,131 verbunden sind. In 2Hen 71 f wird Melchisedek als urzeitliches Idealbild des Priesters dargestellt.132 Zur Verdeutlichung dieser Funktion Melchisedeks wird seine wundersame Geburt erzählt: Melchisedek ist nicht mutterund vaterlos (so Hebr 7,3), allerdings auf recht wundersame Weise auf die Welt gekommen. 2Hen 71,2 berichtet von der Schwangerschaft der schon älteren und unfruchtbaren Mutter Sopanima, deren Mann als 130 Die Verheißung eines neuen Priesters (unabhängig von Melchisedek) findet sich z.B. in TestLevi. Nach Schändung von Priestertum, Tempel und Opfergaben (TestLevi XIV,5-8; XVI,lf) wird das Heiligtum (τα αγία) öde (έρημα; XVI,4) und der Ort (τόπος) nicht mehr rein sein (καθαρός ούκ εσται; XVI,5). Der Zerfall des Priestertums ist ebenfalls deutlich: Beim 7. Priestertum im 7. Jubiläum wird eine Befleckung (μιασμός) geschehen (XVIII,8). Doch gibt es die Verheißung eines neuen Priesters (XVIII,1-14): Dessen Priesterschaft wird ewig dauern, derm er hat in Ewigkeit keine Nachfolger (και ούκ εσται διαδοχή αύτοΰ εις γενεάς και γενεάς εως τοΰ αιώνος; XVIII,8), auch die Sünde wird aufhören (εκλείψει ή άμαρτίκ; XVIII,9). 131 Vgl. z.B. Hannah, Michael, 42-45.100f; Lueken, Michael, 30f.91-100. 132 Vgl. (auch zur Datierung von 2Hen / slHen) Böttrich, Weltweisheit, 43-48. 204-209. 224; ders., Geburtsgeschichte, 224-240; ders., Melchizedek Story, 445-463; vgl. auch Gieschen, Different Functions, 366-371; ders., Angelomorphic, 172f; Wuttke, Melchisedech, 40f.

Hohepriester nach der Ordnung des Melchisedek

133

Priester schon lange zölibatär lebt, und die selbst auch mit keinem anderen Mann Sexualkontakt hatte. 2Hen 71,17 berichtet weiter von der eigenständigen Geburt des Kindes, nachdem die Mutter bereits tot ist. Dieses Kind ist jedoch kein Säugling, sondern ein drei Jahre alter Junge, der bereits sprechen kann, den Herrn preist (2Hen 71,18) und das Zeichen des Priestertums auf der Brust hat (71,19). Melchisedek wird auf diese Weise eine reine und wundersame Geburt bescheinigt. Mit ihm verbunden wird daraufhin die Erneuerung bzw. die reine Einsetzung des Priestertums (vgl. 2Hen 71,20.27-37). Der in 2Hen vorgestellte Melchisedek scheint dem in Hebr 7 nahe: Die besondere Stellung als Priester außerhalb des Stammes Levi und die ungewisse bzw. wundersame Herkunft ist beiden auf den ersten Blick gemeinsam. Doch erfüllt Melchisedek in 2Hen eine gänzlich anere Funktion als in Hebr 7. Er ist „das personal gedachte Urbild des Priestertums". 133 Als solcher ist er eine Garantie des irdischen Priestertums. Der vorfindliche Kult soll bestätigt werden, indem seine Einsetzung in der Urzeit erzählt wird. Ein Priestertum jenseits des existierenden levitischen soll nicht installiert werden; deswegen wird die Genealogie nicht weiter thematisiert. Mit Melchisedek verbindet 2Hen also die Vorstellung der Reinheit, der Rechtmäßigkeit und so auch der Gottgewolltheit des irdischen Kultes.134 Ganz anders Hebr 7: Der Hebr präsentiert hier eine Interpretation der Genesiserzählung Gen 14,17-20 in Kombination mit Ps 110 (LXX109),4 und installiert damit eine Priesterordnung, die jenseits des levitischen, im Alten Testament begründeten Priestertums angesiedelt ist. Jesus ist Priester nach dieser Ordnung des Melchisedek. Damit wird der bestehende Kult als unzulänglich und ungültig verstanden (vgl. z.B: Hebr 7,19; 9,9). Das sich auf Melchisedek berufende Priestertum im Hebr ist von dem in 2Hen also sehr verschieden: 2Hen ist an der Installation eines menschlichen, reinen Priesteramtes interessiert, während Hebr das Amt des Hohepriester Jesu, der einen einmaligen Opferdienst vollzieht, legitimieren möchte. Auch der Bezug auf die Schrift ist in beiden Texten unterschiedlich. Während Hebr 7 sowohl Gen 14 als auch Ps 110 (LXX109),4, also beide alttestamentlichen Erwähnungen Melchisedeks, aufgreift und auslegt, ist Melchisedek aus Gen 14 in 2Hen bloßer Namensgeber. Die alttesta133 Böttrich, Weltweisheit, 207; vgl. ebd., 207-209; ders., Melchizedek Story, 461. 134 Anders Gieschen, Different Functions, 369. 371. 378. Für ihn ist Melchisedek in 2Hen ,priestly mediator', der bewusst außerhalb des levitischen Systems steht, da dieses unrein geworden ist.

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mentlichen Melchisedek-Aussagen spielen ansonsten keine Rolle.135 Nur einmal scheint Ps 110 (LXX109),4 anzuklingen, indem von Melchisedek als Anfang der Priester nach dem Bilde dieses Melchisedeks (2Hen 72,2) gesprochen wird. Doch bedeutet das verwendete Wort gerade nicht τάξις, Ordnung, sondern eher τύπος, σχήμα, είδος oder τρόπος.136 Auch hat dieser Psalm bzw. Psalmvers in 2Hen keine so prominente Stellung wie im Hebr. Jesus ist (Hohe-) Priester nach der Ordnung des Melchisedek. Dies bedeutet nach Hebr 7 die Installation eines neuen, anderen Priestertums jenseits der Genealogie. Begründet wird dies mit einer Auslegung von Gen 14 und dem Zitat von Ps 110 (LXX109),4, verstanden als Wort Gottes an Jesus. Diese Pointierung in Hebr 7 wird v.a. im Vergleich mit 2Hen deutlich.

3.2 Zur Person des Melchisedek - ein Vergleich von Hebr 7 und llQMelch Melchisedek scheint in Hebr 7 eine zentrale Figur für das Priestertum Jesu darzustellen, jedoch nimmt die Berufung auf diesen zweideutige Züge an: Zum einen wird Melchisedek mit Hoheitsprädikaten betitelt und sehr nah an den Sohn herangerückt (vgl. Hebr 7,3: άφωμοιωμένος öe τω ύιω τοϋ θεοϋ),137 zum anderen wird deutlich, dass seine Erwähnung rein argumentative Funktion erfüllt.138 In Hebr 7 wird Melchisedek fast als eine Art „Doppelgänger Jesu"139 gezeichnet (vgl. V3: αφομοιωμένος 135 „Die Figur Melchisedeks, wie sie in Kap. 72 gezeichnet wird, steht mit der des Priesterkönigs von Salem aus Gen 14 nur in einer assoziativen Verbindung." Böttrich, Weltweisheit, 204; vgl. ebd., 207. 136 Vgl. Böttrich, Henochbuch, 1034. 137 Vgl. z.B. die Betonung der ewigen Priesterschaft und des ewigen Lebens: Melchisedek wird als ewiger Priester (Hebr 7,3: μένει, ιερεύς εις το διηνεκές), der weder Anfang noch Ende des Lebens hat (Hebr 7,3: μήτε άρχήν ήμερων μήτε ζοής τέλος έχων) und lebendig ist (Hebr 7,8: εκεί δέ μαρτυρούμενος οτι ζή), charakterisiert. „There are indications in Hebrews 7 that Melchizedek is something more than a human being." (Aschim, Melchizedek and Jesus, 138). Rooke schlägt vor, die in Hebr 7,1-3 genannten Charakteristika nicht rein deskriptiv zu verstehen, sondern meint, dass damit das ewige Priestertum charakterisiert werde. „This Melchizedek, inasmuch as all these things are true of him, remains a priest for ever." (Rooke, Royal Priest, 88; kursiv im Text). 138 Vgl. Durmill, Covenant, 167: „He is primarily a bringer of non-order." Daher habe der Hebr an Melchisedek weder als historischer noch als eschatologischer Figur ein Interesse. 139 Braun, Hebräer, 137. So auch schon Windisch, Hebräer, 61: „Doppelgänger und Vorgänger Jesu".

Hohepriester nach der Ordnung des Melchisedek

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δε τώ ύιώ τοϋ Geofj), im weiteren Verlauf des Briefes (und auch zuvor) spielt er jedoch keine Rolle.140 Auch in Hebr 7 ist das Interesse an Melchisedek auf bestimmte Punkte fokussiert. Weder seine Handlungen (die Segnung Abrahams und das Erhalten des Zehnten) noch seine Eigenschaften oder Charakterisierungen141 spielen für Jesu Priestertum eine Rolle - sie begründen nur dessen Überlegenheit.142 Anders ist dies z.B. in llQMelch. 143 Dieser Text bzw. dieses Textfragment ist eine Zusammenstellung und Interpretation einzelner Stellen aus dem Alten Testament. Das Fragment gehört wahrscheinlich zu einem längeren (Pesher-) Text über einzelne Abschnitte der gesamten Geschichte. Die Zeit wird in einzelne Jubiläen eingeteilt, und Melchisedek hat eine zentrale Rolle in der in llQMelch beschriebenen Zeit des 10. Jubiläums.144 Der wichtigste alttestamentliche Referenztext in llQMelch ist Lev 25 (vgl. llQMelch 1,11; 2,2.6.7.25)145. Der Kontext ist das Eintreten des göttlichen Gerichts und die Zusage der Versöhnung für eine kleine Gruppe.146 Melchisedek ist anscheinend der Kopf dieser Gruppe: llQMelch 2,5 nennt die Erben des Melchisedek (pns Ό^Ώ nbram); llQMelch 2,8 spricht von den Männern aus der Menge des Melchisedek (pis STI: vgl. auch llQMelch 2,5). Diese zu Melchisedek gehörenden Männer stehen auf der Seite der Söhne des Lichts (llQMelch 2,5). Melchisedek wird sie wieder aufrichten und befreien (llQMelch 2,6) am Tag der Versöhnung (llQMelch 2,7). Er verkündigt das göttliche Gericht und scheint es auch zu vollziehen (llQMelch 2,l3ff). 147 Melchisedek ist also nicht nur Anführer einer Gruppe, der Erlösung zugesagt ist, sondern ist selbst ,himmlische

140 Vgl. Braun, Hebräer, 137: „Melchisedek verschwindet ab 7,17 spurlos". Vgl. auch Gräßer, Hebräer II, 12. 141 Z.B. wird die Ubersetzung seines Namens in Hebr 7,2 nicht weiter aufgegriffen. Vgl. Seid, Synkrisis, 331f. Weder Gerechtigkeit noch Frieden sind als Charakteristika von Jesu Priestertum genannt. Anders bewertet dies Hegermann, Hebräer, 114. 142 „Die ganze Spekulation hat bei ihm nur den Zweck, das levitische Priestertum auszustechen"; Windisch, Hebräer, 61. 143 Vgl. z.B. Kobelski, Melchizedek, 3-23. 49-74. 115-129; Fitzmyer, Further Light, 25 -32; Hay, Glory, 137f; siehe auch Aschim, Melchizedek and Jesus, 129-147. 144 Inwiefern bei dieser Beschreibung Melchisedeks Ps 110 und die Charakterisierungen des neuen Priesters in TestLevi 18 und der des Erzengels Michaels im frühen Judentum eine Rolle spielten, ist unklar. Parallelen sind jedoch offenkundig. Vgl. de Jonge/ van der Woude, 11 Q Melchizedek, 305; Kobelski, Melchizedek, 53-55. 66-68. 71-74; Fitzmyer, Further Light, 31f. 145 Vgl. Fitzmyer, Further Light, 29: „The thread which aparently runs through the whole text and ties together its various elements is Lev 25." 146 Vgl. de Jonge / van der Woude, 11 Q Melchizedek, 312. 147 Vgl. Kobelski, Melchizedek, 56-59; Fitzmyer, Further Light, 30f.

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Person und Amt des Hohepriesters

Erlösergestalt'148, wird sogar rrmbx genannt (HQMelch 2,10).149 Ob Melchisedek auch priesterliche Funktionen übernimmt und als Priester angesehen wird, bleibt offen.150 Es ist offensichtlich, dass der Hebr eine ganz andere Vorstellung von Melchisedek und auch vom Versöhnungstag hat.151 Der endgültige Sieg von Gut gegen Böse in einem Kampf152 und das Vollziehen des göttlichen Strafgerichts - beides prägt nicht den Gedankengang des Hebr. Anklänge an die Themen Befreiung aus der Knechtschaft und Auseinandersetzung mit dem Bösen bzw. dem Teufel sind in Hebr 2,10-18 zu finden.153 Jedoch wird in Hebr 2 Melchisedek nicht erwähnt, sondern Jesus Christus, der Sohn, ist die eschatologische Erlöserfigur. Dieser erfüllt seine Aufgabe allerdings nicht als Verkünder und Vollstrecker des göttlichen Gerichts wie der in llQMelch vorgestellte Melchisedek, sondern wird Mensch. Der Hebr operiert also mit ganz anderen soteriologischen Vorstellungen als llQMelch. 154 Auch ist kein Interesse an der Person des Melchisedek festzustellen. Alle soteriologischen Aussagen sind im Hebr mit Gott und Jesus verbunden. Jedoch spiegelt llQMelch ein deutliches Interesse an der Figur des Melchisedek und an Spekulationen um diese Figur wieder.155 Ob Hebr 7 auf einen solchen Text oder einen Hymnus zurückgreift oder eigenständig eine Schriftauslegung in Kombination von Ps 110

148 So der Titel der Erstveröffentlichung von llQMelch von van der Woude. 149 Vgl. de Jonge / van der Woude, 11Q Melchizedek, 304; Kobelski, Melchizedek, 59-62; zur Diskussion auch Aschim, Melchizedek and Jesus, 133-135. 150 De Jonge / van der Woude, 11Q Melchizedek, 306: "We must conclude that H Q Melch gives no certain references to a (high-)priesthood of Melchizedek. He is so much 'God's warrior' that his priestly activities remain completely in the shadow." Vgl. Kobelski, Melchizedek, 64-71; Aschim, Melchizedek and Jesus, 139f. 151 Dass Hebr und llQMelch dennoch Anteil an derselben ,imaginaire' haben, betont Stökl, Imaginaire, 357f.366. Zum Begriff imaginaire vgl. ebd., 349f. Vgl. ders., Yom Kippur, 185f. 152 Diesen Gegensatz von Gut und Böse, von Licht und Finsternis, von Gesetz des Herrn und den Werken Beliars kennt auch TestLevi XIX, 1. Es wird aufgefordert, zu wählen: έκλέξασθβ έκυτοις ή τό φως ή τό σκότος ή τον υόμον κυρίου ή τκ φγκ τοϋ Βελίαρ. Vgl. auch schon XVIII, 12. 153 Zum genaueren Vergleich von llQMelch und Hebr 2,10-18 siehe Aschim, Melchizedek and Jesus, 140 -143. 147. 154 Zu Parallelen von Melchisedek in llQMelch und Christus im Hebr vgl. Horton, Melchizedek Tradition, 167-170. 155 Einen Uberblick über Melchisedek im Judentum bieten z.B. Hegermann, Hebräer, 146-150; Braun, Hebräer, 136-140; Kurianal, High Priest, 161-197; Hay, Glory, 134-142; Willi, Melchisedek, 158-170; ders., Art. Melchisedek, 417-420; siehe auch Delcor, Melchizedek, 115-135.

Hohepriester nach der Ordnung des Melchisedek

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(LXX109),4 und Gen 14 formuliert hat, kann offen bleiben.156 Der Vergleich von HQMelch und Hebr 7 zeigt allerdings deutlich, dass beide Texte einen völlig unterschiedlichen Umgang mit den alttestamentlichen Texten pflegen. Der Text aus Qumran reiht einige Schriftzitate aneinander, wobei Gen 14 oder Ps 110,4 wie auch in 2Hen 71f nur mit dem Namen Melchisedek anklingen, ansonsten aber keinen Einfluss haben. „In llQMelch [...] there are no obvious references to either Genesis 14 or Ps 110."157 Anders im Hebr: Dass Christus Priester nach der Ordnung Melchisedeks ist, wird mittels Ps 110 (LXX109),4 festgehalten. Anhand der Lektüre von Gen 14 wird in Hebr 7 daraufhin die Überlegenheit dieses Priestertums entwickelt. Anhand des Begriffs τάξις wird eine Priesterordnung etabliert und der des Aaron gegenübergestellt (vgl. z.B. Hebr 7,11). Die Aussagen zu Christi (Hohe-)Priestertum nach der Ordnung Melchisedeks werden an die alttestamentlichen Texte zurückgebunden bzw. mit diesen begründet. Welchen genauen Stellenwert Melchisedek im Gegenüber zu Jesus einnimmt, bleibt im Hebr allerdings ungeklärt. Diese Unklarheit hat ihre Ursache darin, dass in Hebr 7 zwar mit der Überlegenheit Melchisedeks gegenüber dem levitischen Priestertum die Überlegenheit Jesu begründet wird, dass aber über das Verhältnis von Melchisedek und Jesus nahezu nichts gesagt wird.158 Jesus ist Priester nach der Ordnung (τάξις) Melchisedeks, dies wird in Hebr 7,15 auch als κατά την ομοιότητα Μελχισέδεκ umschrieben. Jesus wird also eine Ähnlichkeit zu Melchisedek zugeschrieben. Es scheint, als sei dieser das Vorbild und Jesus, zumindest als Priester, sein Nachfolger und ihm ähnlich. In Hebr 7,3 jedoch erscheint das Verhältnis umgekehrt: Hier ist Melchisedek nicht Vorbild, sondern er gleicht dem Sohn Gottes. Melchisedek ist άφωμοιωμένος159 δε τω ύιω τοΰ θεου.160 Die Gemeinsamkeiten von 156 Zur Diskussion z.B. Michel, Hebräer, 136-140; Windisch, Hebräer, 61-63; Gräßer, Hebräer II, 11.18-20; Balz, Melchisedek, 422f; Schille, Hohepriesterlehre, 84-90; Theißen, Untersuchungen, 16-33. 157 Aschim, Melchizedek and Jesus, 136. Vgl. Ebd., 135-137. 158 Vgl. Eilingworth, Form and Content, 256-258. 262; Kurianal, High Priest, 204-207; Horton, Melchizedek Tradition, 155.160-164; Wuttke, Melchisedech, 14-42; auch Hegermann, Christologie, 349f; Attridge, Hebräer, 191f. 159 Diese Formulierung bedeutet allerdings keine Korrektur der MechisedekVorstellung oder eine totale Unterordnung Melchisedeks unter den Sohn Gottes. So Braun, Hebräer, 198. 160 Gieschen spricht daher von einer reziproken Beziehung zwischen Christus und Melchisedek: Melchisedek ist wie der Sohn gemacht und der Hohepriester Christus ist dies nach der Ordnung des Melchisedek. Vgl. Gieschen, Angelomorphic, 309- 311. Vgl. auch de Jonge / van der Woude, 11Q Melchizedek, 320-322; Braun, Hebräer, 198f.

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Person und Amt des Hohepriesters

Melchisedek und Jesus treten in Hebr 7 deutlich zutage: Beide sind als himmlische, ewige Figuren charakterisiert und haben zugleich eine irdische Geschichte.161 Jedoch wird im Blick auf den ganzen Hebr deutlich, dass Melchisedek keine weitere Rolle spielt.162

3.3 Zur allegorischen Auslegung von Gen 14 - ein Vergleich von Hebr 7 und Leg. All. III Die Begegnung von Abraham und Melchisedek ist Gegenstand der allegorischen Auslegung Philos in Leg. All. III, 79-82. Hier werden zunächst wie in Hebr 7,1-3 der Name Melchisedeks und seine Eigenschaft als Priester und König von Salem interpretiert. König des Friedens (βασιλεύς της ειρήνης) wird Melchisedek genannt (Leg. All. III, 79). Dieser Titel wird als Übersetzung von Salem angegeben: Σαλήμ τούτο γαρ ερμηνεύεται (ebd.)163. Auch Melchisedeks Name wird übersetzt: βασιλεύς δίκαιος (ebd.)164 Diese Namen (König des Friedens, gerechter König) werden Gott in den Mund gelegt. Dieser nennt Melchisedek so (πεποίηκεν ό θεός; ebd.) und bezeichnet ihn als seinen Priester (ιερεύς έαυτοϋ; ebd.), ohne jemals ein Werk von ihm angegeben zu haben. Melchisedek wurde von vornherein (πρώτος) als königlich (βασιλέα), friedfertig (είρηναιον) und seines Priestertums würdig (ιερωσύνης άξιον) geschaffen (ebd.). Auf diese Charakterisierung folgt eine Gegenüberstellung des gerechten Königs und des Tyrannens (vgl. Leg. All. III, 80f.), deren Führungsstile zunächst mit Gesetz (νόμος) und Gesetzlosigkeit (ανομία) benannt werden. Die Gesetze des gerechten Königs überreden mehr als dass sie befehlen und leiten zu gutem Leben an. Sie sind in Übereinstimmung mit ό ορθός λόγος. Abschließend wird hervorgehoben, dass Melchisedek Brot und Wein brachte (άρτους γαρ και οΐνον προσφέρει; Leg. All. III, 81; vgl. ebd., 161 Kobelsky, Melchizedek, 126f, spricht von „historical/heavenly" figure. Er bestimmt für Melchisedek einen Platz zwischen Engeln (vgl. Hebr lf) und dem Sohn Gottes. M.E. ist eine solch genaue Ordnung bzw. Abstufung der himmlischen Welt im Hebr nicht erkennbar. 162 Vgl. Braun, Hebräer, 137; Wuttke, Melchisedech, 8.13. 163 Weder Philo noch Hebr verweisen bei der Ubersetzung Salem auf Jerusalem. Vgl. Williamson, Philo, 444. 164 So übersetzt auch Josephus den Namen Melchisedeks: βασιλεύς δίκαιος (Ant. I, 179). Dieser Name war allen bekannt und aufgrund dieses bzw. der Eigenschaft als gerechter König wurde er Priester Gottes: ώς δώ ταύτην αυτοί; την αίτίαν και iepea γενέσθαι, του θεοϋ (vgl. Ant. I, 180).

Hohepriester nach der Ordnung des Melchisedek

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82). Diese Speise erfrischt und stärkt die Seelen, so dass sie von göttlichem Rausch ergriffen werden (vgl. Leg. All. III, 82). Als Priester des höchten Gottes, als priesterliches Wort (ίρεύς λόγος; Leg. All. III, 82) repräsentiert Melchisedek Gott und dessen gute Gesetze, die in Einklang mit der Weltvernunft stehen. Die Gemeinsamkeiten der Auslegung Philos und der in Hebr 7 liegen auf der Hand: Beide bringen eine Ubersetzung des Namens Melchisedek, beide verweisen auf die Verbindung von Priestertum und Gesetz, beide bringen ein Argument e silentio. Die Methoden der Schriftauslegung, die beide verwenden, sind also gleich. Philo verweist auf die Erschaffung Melchisedeks - er war von vornherein friedfertig, königlich und seines Priestertums würdig. Hebr 7 spricht von der Stammbaumlosigkeit Melchisedeks.

Ob Philo Ps 110 (LXX109),4 als zweiten Text in Bezug auf Melchisedek zu seiner Interpretation hinzuzieht, bleibt offen. Der Absatz zu Gesetz und Führungsstil kann als Interpretation der τάξις Μελχι,σέδεκ verstanden werden. Ebenso kann in der Einsetzung durch Gott Ps 110 (LXX109),4 erkannt werden. Allerdings kann die philonische Auslegung auch ohne Ps 110 (LXX109),4 verstanden werden.165 Insgesamt ist jedoch festzuhalten, dass bei Philo die alttestamentlichen Aussagen zu Melchisedek eine größere Rolle als in 2Hen oder llQMelch spielen. Dies zeigt die Auslegung in Leg. All. III, 79-82, aber auch in de Cong 99 wird mit Gen 14,18-20 die Praxis des Zehnten als rechtmäßig begründet. In de Abr 235 wird die Begegnung von Abraham und Melchisedek als Beleg der freundschaftlichen Beziehung beider erzählt.

So deutlich die Gemeinsamkeiten von Leg. All. III und Hebr 7 sind, so klar sind die beiden Auslegungen voneinander zu unterscheiden.166 Beide Auslegungen orientieren sich an Gen 14, jedoch setzen sie beide verschiedene Akzente: Brot und Wein werden im Hebr nicht erwähnt, ebenso nicht der höchste Gott. Das Zahlen des Zehnten wird in Leg. All. III. nicht genannt. Ebenso wird mit Melchisedek kein anderes Priestertum verbunden, auch ist der Beweis der Überlegenheit Melchisedeks gegenüber Abraham oder Levi nicht Thema. Hebr 7 dagegen zeigt kein Interesse an der Übereinstimmung mit dem Logos (Vgl. Leg. All. III, 81: ορθός λόγος; Leg. All. III, 82: ίρεύς λόγος). 165 Williamson, Philo, 444-449, hält fest, dass Ps 110 (LXX109) für Philo keine Rolle spielt. Dies ist für Williamson ein Grund dafür, dass der Hebr nicht von Philo beeinflusst ist. Vgl. ausführlicher ebd., 434-449. 166 Auch Gräßer, Hebräer II, 16f, nennt die Gemeinsamkeiten von Philo und Hebr - und weist darauf hin, dass der Hebr seine Interpretation von Melchisedek selbst aus Gen 14 und Ps 110 (LXX109) entwickelt haben könne (ebd., 19).

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Person und Amt des Hohepriesters

Im Vergleich von Hebr 7 mit Leg. All. III zeigen sich in Bezug auf die Methode der Schriftauslegung Gemeinsamkeiten, während inhaltlich deutliche Unterschiede festzustellen sind. In Hebr 7 konzentrieren sich die Aussagen auf die Bedeutung Jesu Christi, während Philo das Anliegen verfolgt, die Übereinstimmung von (mittel-)platonischer Philosophie und Bibel zu zeigen.

3.4 Fazit Im Vergleich von Hebr 7 und llQMelch, 2Hen und Leg. All. III ist das Profil der Auslegung in Hebr 7 deutlich geworden: In Hebr 7 dienen die Aussagen zu Melchisedek ausschließlich der christologischen Entfaltung. Dabei prägen die alttestamentlichen Texte Gen 14 und Ps 110 (LXX109),4 die Aussagen über Melchisedek und damit auch über Jesus Christus. Der Vergleich mit 2Hen und llQMelch zeigt, dass die Bezugnahme auf die alttestamentlichen Texte im Hebr ausführlicher ist als der in den beiden anderen Texten. Die Figur des Melchisedek dient nicht als bloße Vorlage für eigene Ideen, sondern beide alttestamentlichen Texte, in denen dieser genannt wird, werden im Hebr zitiert bzw. paraphrasiert und ausgelegt. Ebenso wird deutlich, dass im Hebr die soteriologischen Aussagen nicht mit Melchisedek verknüpft werden. Das Priesteramt nach seiner Ordnung wird ausgefüllt von Jesus Christus. Melchisedek selbst kommt im Hebr keine soteriologische oder noch gültige priesterliche Funktion zu. In Leg. All. III und Hebr 7 sind ähnliche Methoden der Schriftauslegung festzustellen, auch wenn unklar bleibt, ob Philo ebenfalls auf Ps 110 (LXX 109) zurückgreift. Die Unterschiede liegen jedoch auch hier auf der Hand: Anders als Philo geht es dem Hebr nicht um die Ubereinstimmung mit dem Logos, sondern um die Bedeutung Jesu Christi. Sie soll mit der Auslegung von Gen 14 und Ps 110 (LXX109),4 herausgestellt werden.

Ergebnis

IV.

141

Ergebnis: Jesus Christus, der legitime und der bessere Hohepriester - zur Schriftauslegung

Das Thema der Legitimation des Hohepriesters Jesus Christus beinhaltet zwei Schritte. Erstens wird aufgezeigt, dass Jesus rechtmäßiger Hohepriester ist. Für ihn gilt Gleiches oder Ähnliches wie für alle Priester. Das Leben Jesu bzw. dessen Interpretation durch den Hebr hat hier eine prägendere Bedeutung als mögliche alttestamentliche Vorstellungen zum (mit)menschlichen Hohepriester. Jedoch ist durch die Zitatkombination von Ps 2,7 und 110 (LXX109),4 in Hebr 5,5f sichergestellt, dass Jesu Einsetzung zum Sohn und Priester legitim erfolgten: Er wurde von Gott eingesetzt. Zweitens wird begründet, dass Jesus ein besserer Hohepriester als alle anderen Priester oder Hohepriester ist. Er ist Priester in Ewigkeit. Bei der Begründung dieser Aussage spielt die Schrift und ihre Auslegung eine zentrale Rolle - dies zeigt der Vergleich mit llQMelch oder 2Hen. Die Überlegenheit Jesu und seines Priesterdienstes wird mit einer ausführlichen Auslegung von Gen 14 und Ps 110 (LXX109),4 begründet und so in der Schrift verankert. Auch werden die vielen, wiederholten Opfer dem einmaligen Opfer Jesu gegenübergestellt. Im Ganzen wird jedoch deutlich, dass der Umgang mit den alttestamentlichen Texten durch die Aussageintention des Hebr bestimmt ist. Von Christus her bzw. von der argumentativen Entfaltung des Christusereignisses her wird die Schrift gelesen, verstanden und ausgelegt. Dies wird beispielsweise beim Vergleich mit Philo deutlich. Anders als in Leg. All. III interpretiert der Hebr die Erzählung aus Gen 14 allein im Hinblick auf Jesus Christus und die Bedeutung seines Priesteramtes. Es wird deutlich, dass der Hebr mit den verschiedenen Methoden der Schriftauslegung vertraut ist und diese anwendet. Ebenso wird erkennbar, dass er sie für seine eigene Interpretation des Alten Testaments einsetzt. Dieses Charakteristikum, dass der Hebr sich frei der Methoden und der Schrift bedient, um die Bedeutung Jesu herauszustellen, findet sich auch beim Thema Kult. Es geht dem Hebr nicht darum, das Alte Testament und seinen Kult ordnungsgemäß darzustellen, sondern das Anliegen ist, deutlich zu machen, dass Jesus Hohepriester ist, und zu zeigen, wodurch sich das jesuanische Priestertum in besonderer Weise auszeichnet. Durch dieses offensichtliche Hauptinteresse des Hebr ist

142

Person und Amt des Hohepriesters

es nicht möglich zu sagen, er kenne den jüdischen Kult nicht.167 Richtig ist, dass er kein Interesse an einer eigenständigen, positiven Darstellung des alten Kultes hat. Sein Interesse gilt der Entfaltung des Hohepriesterseins Jesu Christi. Dass der Hebr frei und seiner Aussageintention gemäß mit der Schrift umgehen kann, zeigt sich auch an den unterschiedlichen Funktionen, die Ps 110 (LXX109),4 in der Argumentation des Hebr erfüllt. Der Psalmvers steht für die Einsetzung Jesu als Hohepriester, kann mit verschiedenen Akzentsetzungen zitiert werden. Dass aber die alttestamentlichen Texte nicht als bloße Fundgrube zur Darstellung der Bedeutung Jesu Christi dienen, wird daran erkennbar, dass sie selbst die Aussagen über Jesus prägen. Von Ps 110 (LXX109),4 ausgehend wird das Hohepriestertum nach der Ordnung des Melchisedeks ausführlich thematisiert. Hier finden sich die Charakteristika seines Priestertums: er ist ewiger und anderer Priester. Ebenso prägen die kutlischen Vorstellungen des Alten Testaments die Rede von Jesus als Hohepriester. Dies wird im Folgenden gezeigt werden.

167 Dies das Urteil von Windisch, Hebräer, 68f.

Teil D

Das Werk des Hohepriesters - die Bedeutung des Kultes für die Rede vom Christusereignis I. Die kultischen Aussagen über das Werk des Hohepriesters Jesus Christus im Hebr - Uberblick 1. Die allgemeinen Hinweise auf das Werk des Hohepriesters Jesus Christus in Hebr 1-7 Die ausführliche Beschreibung des Werks des Hohepriesters konzentriert sich auf Hebr 9. In den Kapiteln 1-7 wird die Sühneleistung des Hohepriesters nur kurz genannt. Dies soll der folgende Uberblick zeigen.1 Der Hebr verwendet eine Vielzahl verschiedener Begriffe, um das Werk des Hohepriesters zu beschreiben, aus denen zwei Ausdrucksweisen herausragen. Sie werden durchgehend verwendet, und charakterisieren das Werk Jesu Christi in besonderer Weise. Die eine ist ,ZuGott-Kommen' (z.B. προσέρχεσθαι, έγγιζαν, άσέρχεσθα; vgl. z.B. Hebr 4,16; 7,19.25; 10,19), die andere die Vollendung (τελείωσι,ς; τελαοϋν; vgl. z.B. Hebr 2,10; 7,28; 10,14).2 Kultische Sprache begegnet zum ersten Mal in Hebr 1,3. Mit καθαρισμον τών αμαρτιών ιτοιησάμενος wird das Werk des Sohnes beschrieben, das er vollendet, bevor er sich zur Rechten Gottes setzt: Er hat die Reinigung von den Sünden bewirkt.

1 2

Dabei geht es nicht um eine vollständige Auflistung aller Begriffe, sondern um einen repräsentativen Uberblick. Zu diesen Begriffen s.u. S. 180-183.

144

Das Werk des Hohepriesters

καθαρισμός bzw. καθαρίζω kann grundsätzlich kultisch oder ethischmoralisch verstanden werden.3 Im Hebr gibt es neben καθαρισμός in 1,3 noch καθαρίζω in 9,14.22.23. In 9,14.22 wird das Sühneritual (Blutbesprengung) am irdischen Heiligtum beschrieben, das in V23 auf die himmlischen Dinge übertragen wird. Dies verdeutlicht die eindeutig kultische Konnotation von καθαρισμός bzw. καθαρίζω im Hebr. Es geht um die sühnende Wirkung der hohepriesterlichen Darbringung, die in Hebr 1,3 als Reinigung von den Sünden beschrieben wird. Damit wird hier auf das kultische Geschehen in Hebr 9 verwiesen.4 Wie καθαρίζω (reinigen) in Hebr 1,3 verweist auch αγιάζω (heiligen)5 in Hebr 2,11 auf die späteren Teile des Hebr. Neben den beiden Belegen in Hebr 2,11 finden sich fünf weitere ab Kapitel 9.6 Wie καθαρίζω beschreibt auch αγιάζω das Werk des Hohepriesters. In Hebr 2,17 fällt der Titel Hohepriester zum ersten Mal. Auch hier wird sein Werk kurz zusammengefasst: ίλάσκεσθαι τάς αμαρτίας τοϋ λαοΰ. Ιλάσκεσθαι bedeutet sühnen, der Hebr verwendet diese Vokabel nur hier: das Sühnen der Sünden des Volkes. 7 In Hebr 5,1 wird das Darbringen von Gaben und Opfern für die Sünden genannt: πρόσφεραν δώρά τε και θυσίας ύπερ αμαρτιών. Die Formulierung δώρά -re κα\ θυσίας verwendet der Hebr noch in 8,3 und 9,9; sonst kommt sie im Neuen Testament nicht vor. Ansonsten verwendet der Hebr meist θυσία (insgesamt 15-mal), nur in Hebr 11,4 steht neben θυσία auch δώρα. θυσία kann allgemein Opfer (Hebr 10,1.26 u.ö.), Jesu hohepriesterliches Opfer (Hebr 7,27; 9,23.26 u.ö.), aber auch die Lobopfer der Gemeinde (Hebr 13,15f) bezeichnen.8

3

4

5 6 7 8

Dies gilt für die griechische Religion (Hauck, T h W N T III, 418f), das AT (ebd., 419421), das luden tum (vgl. Meyer, T H W N T III, 421-427) und das NT (vgl. Hauck, T h W N T III, 427-434). So auch Stott, Offering, 63: Er bestimmt καθαρίζω als „the leading thought of the Day of Atonement". Daher verweise Hebr 1,3 auch schon auf den Versöhnungstag (im späteren Teil des Hebr). - Zur Zentralität des Themas Sündenreinigung im Hebr vgl. auch Gräßer, Hebräer I, 64-66; Heininger, Sündenreinigung, 54-56. 59-61. Z u m kultischen Verständnis der Sünde im Hebr vgl. Lohr, Umkehr, 14-18. Zu άγιάζειν vgl. Lohr, Umkehr, 274f. Diese fünf Belege sind: Hebr 9,13; 10,10.14.29; 13,12. Zudem gibt es in Hebr 12,14 noch αγιασμός. Gäbler, Kulttheologie, 222-227, versteht ίλάσκεσθαι im Hebr als reinigen. Grundsätzlich wird nrpö, das unblutige Opfer, in der LXX und im NT mit δώρον wiedergegeben, das allgemein Gabe bedeutet. Θυσία dagegen ist die Ubersetzung von ΓΠΤ, dem blutigen Schlachtopfer. Vgl. Stott, Offering, 62f; Gräßer, Hebräer I, 272f; Eberhart, Opfer, 43-48.77-79.89f. Ob der Hebr diese Opferarten genau unterscheiden will oder mit δώρά xe και θυσία allgemein von Opfer spricht, kann offen gelassen werden. Vgl. Gräßer, Hebräer I, 273. Allein im Zitat von Ps 40 (LXX39),7-9 in Hebr 10,5ff werden unterschiedliche Opferarten genannt. Vgl. Knöppler, Sühne, 197f. Siehe auch Gräßer, Hebräer II, 218-220.

Die kultischen Aussagen über das Werk des Hohepriesters

145

Die Sühnewirkung des Opfers Jesu Christi wird in Hebr 5,9 mit τελειωθείς und αίτιος σωτηρίας αιωνίου festgehalten. In Hebr 7,25 wird für das Werk des Hohepriesters außerdem der Begriff σωζειν (Hebr 7,25) verwendet. Das Opfern, die Sühne, das Werk des Hohepriesters Jesus Christus werden in den ersten Kapiteln des Hebr genannt, aber nicht thematisiert. Sie verweisen daher auf die späteren Kapitel, in denen Jesu Christi Heilswerk als himmlisches Opfer interpretiert wird.

2. Opfern als Konsequenz des Priestertitels - Hebr 8,1-5 Hebr 8 beginnt mit einer Zusammenfassung: Hauptsache bei dem Gesagten ist (κεφάλαιον9 δε επί τοις λεγομένοις), dass wir einen solchen Hohepriester haben, der sich zu Rechten gesetzt hat und Diener am wahren Heiligtum ist (vgl. 8,lf). Dieser Dienst wird in den nächsten Versen näher bestimmt. Hier greift der Hebr auf den Vergleich mit allen Hohepriestern zurück: Jeder Hohepriester (πας γαρ άρχιερεΰς; Hebr 8,3; vgl. Hebr 5,1-4) ist dazu eingesetzt, Gaben und Opfer darzubringen (προσφέρει δώρά τε και θυσίας; Hebr 8,3; vgl. Hebr 5,3). 10 Weil jeder Hohepriester opfert, gilt dies auch vom Hohepriester Jesus Christus. Diese Uberzeugung liegt der Argumentation in Hebr 8,3 zugrunde: όθεν άναγκαΐον εχειν τι και τοΰτον ο προσενέγκη. Auf der Textebene also wird aus dem Hohepriestertitel die Notwendigkeit des Opferns gefolgert. 11 Lueken12 geht davon aus, dass zunächst, beeinflusst von Michaelspekulationen, die Vorstellung vom großen Hohepriester existierte. Erst daran anschließend sei der Tod Jesu als Opfer interpretiert worden. Jedoch sprechen die Verbreitung der Opferterminologie in frühen christlichen Texten und die erst späte Verwendung des Hohepriestertitels gegen diese

9 10 11

12

κεφάλοαον fasst zusammen, zieht das „ Resümee einer Sache"; vgl. Gräßer, Hebräer II, 79f; vgl. auch Liddell / Scott, 944f. Ausführlich: Lohr, Reflections, 202-209. Schille, Hohepriesterlehre, 82, sieht den Zusammenhang mit Hebr 5,3 nicht: „Kapitel 8 bringt einen neuen Gedanken: Christus hat wie der jüdische Hohepriester Gott ein Opfer gebracht. Aber dieser Gedanke von 8,3 kommt erst in 9,llff zur Geltung." Vgl. Schmitz, Opferanschauung, 283: „Dass es zur Aufgabe jedes Hohepriesters gehört, Gaben und Opfer für Sünden darzubringen (5,1; 8,2) gilt ihm als ein Urdatum, von dem er als einer selbstverständlichen Voraussetzung in seinen Argumentationen ausgeht." Gräßer spricht von Denknotwendigkeit. Vgl. Gräßer, Hebräer II, 84f. Ahnlich auch Hegermann, Hebräer, 163: „das logisch Zwingende". Vgl. Windisch, Hebräer, 71f. Lueken, Michael, 147f,

146

Das Werk des Hohepriesters

Interpretation. Vielmehr scheint es so, dass sich aus der Interpretation des Todes Jesu als Opfer der Hohepriestertitel entwickelt habe.

Nachdem mit dem Opfern das allen Hohepriestern Gemeinsame genannt wurde, wird in Hebr 8,4f mit dem Ort des Dienstes das Trennende herausgestellt. Nicht nur die Genealogie (vgl. Hebr 7), sondern auch der Ort sind für einen irdischen Priesterdienst Jesu hinderlich.13 Auf Erden (επί γης) wäre er nicht Priester. Denn hier gibt es die Priester nach dem Gesetz (κατά νόμου).14 Der Dienst der irdischen Priester wird als „dem Bild und Schatten der himmlischen Dinge dienen" charakterisiert (vgl. V5: ύποδείγματι και σκια των επουρανίων λατρεύειν). Hatte in Hebr 8,3 die Vorstellung von jedem (Hohe-)Priester und dessen Dienst die Rede vom himmlischen Hohepriester Jesus bestimmt (wie jene muss auch er opfern), so wird in den folgenden Versen (Hebr 8,4f) deutlich, dass das irdische Geschehen nicht maßgeblich ist. Es muss als Bild und Schatten verstanden werden. Das wahre und eigentliche Geschehen hat seinen Ort im Himmel (vgl. 8,lf).

3. Die Bedeutung des irdischen Heiligtums und Jesu himmlischer Dienst als Hohepriester nach Hebr 9 3.1 Die Bedeutung des irdischen Heiligtums als Sinnbild Hebr 9,1-10 beschäftigt sich mit dem gewöhnlichen, menschlichen Priesterdienst (λατρεία), besonders mit dem irdischen Heiligtum (τό αγιον15 κοσμίκόν; Hebr 9,1) und dessen Symbolkraft. Die Aufteilung des Heiligtums in zwei Räume oder Bereiche, entspricht der Aufteilung in zwei Priesterdienste: den täglichen der Priester und den einmal jährlich stattfindenden des Hohepriesters, der ins Allereiligste hineingeht (vgl. Hebr 9,2-7). Dieser abgetrennte Raum des Allerheiligsten steht für den verschlossenen Zugang zu Gott. Der 13 14 15

Vgl. Braun, Hebräer, 231. Zum Zusammenhang von Priesterdienst und Gesetz vgl. Hebr 7,11-17; s.o. S. 129131. άγιος bzw. κγια bezeichnet im Hebr das irdische Heiligtum und das irdische Allerheiligste (vgl. z.B. Hebr 9,1-4.8), kann aber auch das himmlische Heiligtum bzw. den Ort der Gottesnähe, in den Jesus hineingeht, bezeichnen (z.B. Hebr 8,2; 9,12.24). Zur Begrifflichkeit vgl. Young, Gospel, 198f.209; Hofius, Vorhang, 63.65.67; Loader, Sohn, 163; Rissi, Theologie, 38; Hegermann, Hebräer, 163.

Die kultischen Aussagen über das Werk des Hohepriesters

147

Heilige Geist deckt auf (τούτο δηλούντος τοϋ πνεύματος του άγιου), dass der Zugang ins Allerheiligste, und damit zur Gottesnähe, versperrt ist, solange das erste Zelt16 mit seinem täglichen Priesterdienst Bestand hat (Hebr 9,8). Die Begrenztheit des irdischen Kultes ist an seinem Heiligtum erkennbar: Dieses, d.h. der erste Teil, ist Sinnbild (παραβολή; Hebr 9,9) des verschlossenen Zugangs zu Gott. Dieser Kult kann nicht vollkommen machen (μή δυνάμεναι κατά συνείδησιν τελειώσαι; Hebr 9,9), es existieren nur Satzungen des Fleisches (δικαιώματα σαρκός; Hebr 9,10). Diesem irdischen Dienst und Heiligtum wird in Hebr 9,11-28 Jesu himmlischer Dienst gegenübergestellt. In Hebr 9,1 lf wird zunächst das Werk Christi kurz zusammengefasst 17 : Er ist durch das größere und vollkommenere Zelt (διά της μείζονος και τελειοτέρας σκηνής; Hebr 9,11), durch sein eigenes Blut (διά τοϋ 'ιδίου αίματος; Hebr 9,12) einmal (εφάπαξ; Hebr 9,12) ins Heiligtum (εις τά άγια) hineingegangen (εισέρχομαι). Doch liegt der Akzent im Folgenden nicht auf der Beschreibung des himmlischen Heiligtums, sondern vielmehr auf dem Dienst des himmlischen Hohepriesters. Die Beschreibungen des Himmels oder des himmlischen Heiligtums bleiben dabei vage und uneinheitlich: In Hebr 9,11 steht διά της σκηνής; in Hebr 9,12 εις τά άγια; in Hebr 9,24 εις αυτόν τον ούρανόν.18 Diese Uneinheitlichkeit gilt auch für Aussagen über den Himmel: Es wird von Himmeln (pl.) gesprochen (Hebr 4,14; 7,26; 8,1; 12,23.25; vgl. 1,10) und von Himmel (sg.) (Hebr 9,24; 11,12; vgl. 12,26); ebenso wird gesagt, Jesus sei in den Himmel eingegangen (εις αύτον τον ούρανόν; 9,24); er habe die Himmel durchschritten (τους ουρανούς διέρχομαι; Hebr 4,14); sei höher als die Himmel geworden (υψηλότερος των ουρανών γενόμενος; 7,26). „Es ist offenkundig, daß die Aussagen über den Himmel sich nicht in ein einheitliches Schema bringen lassen." 19

16

17

18 19

Der Hebr verwendet häufig den Begriff σκηνή, Zelt, zur Beschreibung des irdischen Heiligtums. Damit wird zweierlei festgehalten: Zum einen verdeutlicht diese Wortwahl die Orientierung des Hebr an den Kultbestimmungen des Pentateuch, nicht am praktizierten Tempelkult. Vgl. Laub, Intention, 388. Zum anderen wird mit dem Begriff des Zeltes festgehalten, dass dieses Heiligtum nur ein Provisorium ist. Vgl. auch Gräßer, Hebräer II, 84: σκηνή sei Zeichen des Unterwegsseins und der Wanderschaft. Gräßer, Hebräer II, 143, spricht vom „Zentrum des Hebr" und der „Summe seiner Theologie", die hier gezogen wird. Ähnlich auch Nomoto, Hohepriestervorstellung, 20f. Dies sei das Herzstück der Hohepriestertypologie, denn es würden zwei Strukturelemente erkennbar: das Eintreten ins Allerheiligste und die Betonung des Opferblutes. Vgl. z.B. Laub, Bekenntnis, 172-179. Anders bewertet Hofius, Vorhang, 50-73; vgl. auch Riggenbach, Hebräer, 118f.220f.258.284f; Michel, Hebräer, 205.288.310-312.323f. Luck, Himmlisches, 207. Eine ganz andere Bewertung nimmt Rissi, Theologie, 35, vor. Er spricht von „klaren kosmologischen und theologischen Vorstellungen".

148

Das Werk des Hohepriesters

3.2 Jesu himmlischer Dienst Bei der Beschreibung des himmlischen Dienstes Jesu wird zunächst dessen Tod ins Zentrum gerückt, indem die Bedeutung des Blutes Jesu herausgestellt wird (Vll-16.19ff), sowie Testament und Erbe thematisiert werden (V16-18). Uber den Begriff des Testaments (διαθήκη; sonst im Hebr mit Bund zu übersetzen20; vgl. v.a. Hebr 8,6-13; 9,15.18ff) wird die Notwendigkeit des Todes begründet: Denn damit das Testament in Kraft treten kann, muss der Tod dessen eintreten, der das Testament gemacht hat (9,16-18).21 Ebenso setzt das Mitbringen von Blut ins Allerheiligste den Tod des Opfertieres voraus.22 Der Tod Jesu wird auf diese Weise benannt und interpretiert, das Kreuz wird nicht erwähnt. Die Art und Weise des Sterbens Jesu steht im Hintergrund. Dass es im Hebr grundsätzlich um die Frage nach der Bedeutung des Todes Jesu geht, ist die These von Kuss. „Um das Ergebnis sogleich vorwegzunehmen: Die Aussage des Hebräerbriefes von ,Christus, dem Hohepriester' ist innerhalb des Neuen Testamentes ein neuer und selbständiger Versuch, das Rätsel des Todes Jesu zu deuten." 23

Tod und Blut sind notwendig für das Eintreten des neuen Bundes. Der Blutbesprengungsritus wird im Rückgriff auf Ex 24 als zentraler Bestandteil des Bundesschlusses beschrieben, der nicht nur für den ersten, sondern auch für den neuen Bund Geltung hat (vgl. 9,19-23). Jedoch wird über Ex 24 hinaus zugleich die reinigende und sühnende Funktion von Blut postuliert. Ohne Blutvergießen keine Vergebung (χωρίς αίματεκχυσίας ού γίνεται, αφεσι,ς; V22), so lautet die These des Hebr. Diese Bedeutung des reinigenden Blutes führt zur Vorstellung vom Dienst des himmlischen Hohepriesters. Die Blutbesprengung (ραντίζω in 9,13.19.21; vgl. 10,22) wird als das zentrale Heilsereignis verstanden. 20

21 22 23

Der Hebr spielt hier mit der doppelten Bedeutung von διαθήκη. Vgl. Backhaus, Bund, 194-198; Schmitz, Opferanschauung, 272f, der vom Doppelsinn von δι,αθήκη spricht; vgl. auch Frey, diatheke, 267.288Ü; Hahn, Covenant, 65-88. Zum Problem Kilpatrick, Diatheke, 448-452. Er votiert allerdings dafür, διαθήκη an allen Stellen im Hebr mit Bund zu übersetzen. Vgl. Brandt, Opfer, 195f. Somit verweist die Rede von Blut auf Jesu (Kreuzes)Tod. So Thompson, Beginnings, 107f; vgl. Loader, Sohn, 190-192; Laub, Bekenntnis, 189, konkretisiert: Die Rede vom Blut meine nicht nur den Kreuzestod, sondern die Heilsbedeutung des Kreuzes. Kuss, Grundgedanke, 283. Er bestimmt den Argumentationgang des Hebr folgendermaßen: Die Ausgangslage sei von zwei Elementen, nämlich dem schändlichen Tod Jesu und der endgültigen, unvergleichlichen Heilswirkung des Kultes, bestimmt. Nach der Arbeit des Hebr „sind die Vorzeichen vertauscht": Es gelten die endgültige Heilswirkung des Todes Jesu und der wirkungslose Kult (ebd., 312f). Anders Thüsing, Kulttheologie, 9

Die kultischen Aussagen über das Werk des Hohepriesters

149

Nicht auf dem (passiven) Sterben liegt der Akzent, sondern auf der himmlischen Darbringung und Heiligung (vgl. 9,23-28). Jesus Christus handelt als Hohepriester, er opfert. Sein Opfer unterscheidet sich von dem der menschlichen Hohepriester dadurch, dass er es nur einmal vollzieht (vgl. άπαξ in 9,26.27.28; εφάπαξ in 7,27; 9,12; 10,10), und dadurch, dass er mit seinem eigenen Blut etwas Besseres opfert als die Hohepriester, die mit fremdem Blut (αίμα άλλότριον; V25) ins Heiligtum hineingehen. Dadurch geschieht vollkommene und endgültige Reinigung und Heiligung.

4. Das Opfer Jesu und die Opferkritik in Hebr 10,1-18 In Hebr 10,1-18 wird das Thema Opfer in neuer Weise betrachtet. Es wird zunächst festgehalten, dass mit den üblichen Schlachtopfern niemand für immer vollkommen gemacht werden kann (ούδέποτε δύναται, τους προσερχομένους τελαώσοα; VI). Das Blut von Stieren und Böcken kann die Sünden nicht wegnehmen (αδύνατον γαρ αίμα ταύρων και τράγων άφαψείν αμαρτίας; V4). Allerdings wird nun nicht, wie erwartet werden könnte, diesen Opferarten das Opfer Jesu Christi gegenübergestellt, sondern die Opfervorstellung wird grundsätzlich kritisiert. Ps 40 (LXX39),7-9 wird in Hebr 10,5-7 zitiert und anschließend ausgelegt. Dabei versteht der Hebr die Psalmverse als Worte vom Sohn, bei dessen Eintritt in die Welt gesprochen (vgl. die Zitateinleitung in V5: ÖLO εισερχόμενος είς τον κόσμον λέγει). Da Jesus der Sprecher des Psalms ist, ist er es auch, der den hier geforderten Willen Gottes tut (vgl. Hebr 10,7 = Ps 40 (LXX39),9: ιδού ηκω [...] τοϋ ποιήσαι ό θεός τό θέλημα σου; vgl. Hebr 10,9). Dieses Tun des Willens Gottes, dieses eine Opfer, löst nun alle anderen Opfer ab (vgl. VlOf). Mit dieser Interpretation von Ps 40 (LXX39) stellt der Hebr sicher, dass das Opfer Jesu Christi gottgewollt ist und dass danach keine weiteren Opfer notwendig sind. Die einmalige Tat Jesu hat geheiligt und vollkommen gemacht, anders als der häufige Dienst der Priester (vgl. 10,11-14). Diese Interpretation des Werkes Jesu als endgültige Sündenreinigung wird durch das Zitat von Jer 31 (LXX38),33f in Hebr 10,16f unterstützt, in dem die Sündenvergebung zugesagt ist. Wo aber Vergebung ist, ist nicht mehr Darbringung (προσφορά) für die Sünden

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Das Werk des Hohepriesters

(Hebr 10,18).24 So endet der kultische Teil des Hebr mit der deutlichen Aussage, dass es keine Opfer mehr gibt, auch wenn in Hebr 13,5f das Lobopfer der Gemeinde gefordert ist.

5.

Zusammenfassung

Der Uberblick hat gezeigt, dass die kultischen Hauptaussagen zu Jesu Christi Werk in Hebr 9 zu finden sind. Hier wird dessen Heilsbedeutung mittels der alttestamentlichen Opferkategorien versprachlicht. Dabei spielt v.a. das Sündopfer am Versöhnungstag eine prägende Rolle. Dies soll im Folgenden untersucht werden (III.). Zuvor aber soll die symbolische Bedeutung des irdischen Heiligtums (vgl. Hebr 8,5; Hebr 9,9f; Hebr 9,23f) behandelt werden (II.). Abschließend wird auf die Opferkritik des Hebr einzugehen sein. Hier wird auch der Frage nach einer möglichen Gestalt von christlichen Gottesdiensten nach dem Hebr nachgegangen (IV.).

II. Die Bedeutung des Heiligtums 1. Das Heiligtum als παραβολή der gegenwärtigen Zeit Hebr 9,6-10 Hebr 9,6-10 bieten eine kurze Leseanweisung der alttestamentlichen Kultbestimmungen. Nachdem in 9,1-5 das irdische Heiligtum mit den beiden Zelträumen25 beschrieben ist, wird dieser erste Raum als Sinnbild (παραβολή) bestimmt (V9).

24 25

Gräßer, Hebräer II, 202, nennt diesen Vers die „dogmatische Summe". Vgl. ebd., 234f. Zur Ubersetzung von πρώτη und δευτέρα σκηνή in Hebr 9,1-10 vgl. Hofius, Zelt, 203209: Er schlägt vor, vom ersten und zweiten Teil des Raumes bzw. Zeltes zu sprechen. So wäre πρώτος und δεύτερος angemessen übersetzt, aber dennoch nicht von zwei Zelten oder Heiligtümern gesprochen. Parallele Formulierungen finden sich bei Josephus' Beschreibung des herodianischen Tempels. Vgl. Jos., Bell. Jud., V, 184.186. 193.194.208f u.ö.; vgl. Hofius, Zelt, 206; ders., Vorhang, 61-63. Dennoch machen diese Bezeichnungen auch deutlich, dass der Akzent des Hebr auf der Zweiteiligkeit des Heiligtums liegt. „Ja, er betont die Trennung zwischen Heiligtum und Allerheiligstem so stark, daß fast der Eindruck entstehen könnte, es handle sich um zwei Zelte." (Schierse, Verheißung, 29). Vgl. auch Weiß, Hebräer, 453f.

Die Bedeutung des Heiligtums

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1.1 Überblick zu Hebr 9,6-10 Die Verse 6-10 in Hebr 9 sind eine Satzkonstruktion.26 In V6f wird der irdische Priesterdienst im Hinblick auf die beiden Räume im Heiligtum charakterisiert. Der Zweiteilung des Heiligtums in einen ersten und zweiten Raum entspricht auch die Zweiteilung des Priesterdienstes: Die „gewöhnlichen" Priester gehen regelmäßig (δια παντός = ständig / immer) in den ersten Teil des Zeltes, um die gottesdienstlichen Handlungen zu verrichten (Hebr 9,6). Was genau der Hebr vor Augen hat, wird nicht näher ausgeführt - ganz allgemein wird von τάς λατρείας έπιτελοΰντες gesprochen. Allerdings werden in Hebr 9,2 Kultgegenstände des ersten Raumes genannt, nämlich der Leuchter (λυχνία; vgl. Ex 25,1-40), der Tisch (τράπεζα) und die Schaubrote (πρόθεσι,ς των άρτων; vgl. Ex 25,23-30).27 Aus diesen könnten sich die gemeinten Handlungen ergeben: das tägliche Anzünden des Leuchters (vgl. Ex 27,20f; Lev 24,2-4), das tägliche Opfer (vgl. Ex 29,38-46) und Räucheropfer (vgl. Ex 30,1-10) oder auch die wöchentlichen Arbeiten am Sabbat (z.B. die Neuauflegung der Schaubrote, vgl. Lev 24,5-9). Jedoch scheint es für den Hebr nicht wichtig, hier genauere Angaben zu machen. Wichtig ist, dass der erste Teil des Raumes für die alltäglichen Arbeiten und die normalen Priester zugänglich ist, während der Zugang zum Allerheiligsten verschlossen ist.28

War in V6 vom gewöhnlichen Priesterdienst die Rede, so wird diesem in V7 der Dienst des Hohepriesters entgegengestellt. Er, und ausschließlich er allein (μόνος ό άρχι,ερεύς), geht einmal im Jahr in den zweiten Teil des Raumes, in das Allerheiligste (Hebr 9,7). Die Besonderheit des Allerheiligsten wird auch in der Beschreibung durch die Betonung der goldenen Gegenstände (Hebr 9,4) hervorgehoben. Dass auch im ersten Teil des Heiligtums goldene Gegenstände stehen, wird nicht erwähnt. Doch hält sich der Hebr bei der Beschreibung des Heiligtums und des Kultes in Hebr 9,1-10 deutlich an die alttestamentliche Vorlage. Nicht der tatsächlich praktizierte Kult am Tempel wird aufgenommen, sondern die Verordnungen aus Ex 25-30.29 So interessiert auch nicht, ob 26 27 28 29

Zur Analyse von Hebr 9,6-10 vgl. Cortez, From the Holy, 529-543. Cortez hält fest, dass diese einleitenden Verse Hebr 9,6-10 der folgenden Argumentation in Hebr 9f vorausgreifen. Vgl. v.a. ebd., 547. Zu den einzelnen Kultgegenständen vgl. Schröger, Schriftausleger, 230-232. Vgl. Laub, Intention, 387f; Young, Gospel, 200; Hegermann, Hebräer, 171f. Auch Theißen, Untersuchungen, 69: „Man merkt, daß der Verfasser auf eine ganz bestimmte Deutung zusteuert.". „Die alttestamentliche Kulteinrichtung beschreibt er nach Ex 25ff, also nicht nach der Kultpraxis im herodianischen oder salomonischen Tempel." (Schröger, Schriftaus-

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Das Werk des Hohepriesters

der Kult noch existiert oder nicht. Der Hebr setzt allerdings in der Beschreibung des irdischen Kultes eigene Akzente, indem er einzelne Teile aus den alttestamentlichen Texten hervorhebt, andere dagegen nicht erwähnt. Die Sühnehandlungen i m Allerheiligsten beschreibt er nicht, sondern der grundsätzlich verschlossene Zugang und das einmalige Hineingehen des Hohepriesters stehen im Mittelpunkt. „Aus diesem reichen Sühnezeremoniell hat der Hebräerbrief nur wenige Züge übernommen. Der entscheidende Gesichtspunkt ist ihm das Eingehen in das Allerheiligste selbst." 30 Die Sühne wird genannt: Der Hohepriester geht nicht ohne Blut ins Allerheiligste, das er für die eigenen und des Volkes Sünden darbringt (ού χωρίς αίματος δ προσφέρει, ύιτίρ εαυτοΰ καΐ των τοΰ λαοΰ άγνοημάτων; Hebr 9,7). Der Hebr spricht hier nicht allgemein von Sünden (αμαρτίας), sondern verwendet das speziellere άγνόημα. Dieses Wort ist sehr unüblich (im NT nur an dieser Stelle; im AT nur Gen 43,11 [LXX: 43,12]); jedoch gibt es in der LXX einige Belege: Jdt 5,20; TobBA 3,3; TobS 3,3; IMakk 13,39; Sir 23,2; 51,19. Die genaue Bedeutung von άγνόημα im Hebr bleibt unklar. Vielleicht wird die Unterscheidung von willentlichen und unwillentlichen Sünden aufgenommen, von denen nur die unwillentlichen gesühnt werden können (Num 15,22-31; vgl. Hebr 10,26).31 Lohr gelangt jedoch zu dem Ergebnis, dass es in Hebr 9 nicht darum gehe, άγνόημα als die Sünden, die im alten Kult gesühnt werden können, gegenüber allen Sünden (αμαρτίας), die Christus sühnt, auszuspielen. Grundsätzlich sei im Hebr die Unterscheidung von willentlichen und unwillentlichen Sünden o.ä. nicht nachweisbar.32

30

31 32

leger, 229). Vgl. auch Laub, Intention, 388; Windisch, Hebräer, 76. Dass bei der Bezugnahme auf Ex 25-30 der Einfluss der Septuagintatheologie zu erkennen sei, betont Gheorghita, Septuagint, 84-91. Schröger vermutet hinter dem Rückgriff auf das AT die Absicht, den alttestamentlichen Kult schon in seiner ursprünglichen Form, nicht erst in menschlicher Verwässerung als unzulänglich aufzuzeigen. Schröger, Schriftausleger, 229, FN 3. Zu Tempel, Priester und Opfer im 1. Jh. vgl. Wiek, Gottesdienste, 52-64. Schröger, Schriftausleger, 233. Vgl. ebd., 234. Vgl. Dunnill, Covenant, 140; Young, Use, 146f; Schmitz, Opferanschauung, 288f: Der Hebr nehme sich „souveräne Freiheit" gegenüber der kultischen Tradition. Vgl. ebd., 298. Grundsätzlich auch Gräßer, Hebräer II, 70f. Anders Stadelmann, Christologie, 202: „Die feierliche Liturgie des Versöhnungstages mit dem hohepriesterlichen Gang ins Allerheiligste" sei wirklich Höhepunkt der hebräischen Liturgie. Hier unterscheide sich die Wertschätzung des Hebr nicht von der jüdischer Theologen. Vgl. Stanley, Parable, 388f; Schenker, Versöhnung, 109f; Zimmermann, Bekenntnis, 185f; Kraus, Heiligtumsweihe, 239. Vgl. Lohr, Umkehr, 41-44. 65-68, und zusammenfassend zum Sündenbegriff des Hebr ebd., 134f.

Die Bedeutung des Heiligtums

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Soweit die Beschreibung des irdischen Kultes. In Hebr 9,8f erfolgt dann die Deutung: τοΰτο δηλούντος του πνεύματος τοϋ αγίου, μήπω πεφανερώσθαι την των άγιων όδον ετι της πρώτης σκηνής έχούσης στάσιν, ήτις παραβολή εις τον καιρόν τον ένεστηκότα.

Die Ubersetzung der Verse birgt einige Schwierigkeiten33: τοΰτο, eigentlich rückbezüglich, verweist hier nicht zurück auf das Heiligtum oder die beiden Räume, sondern voraus auf das, was der Heilige Geist offen legt. Der ACI ist damit als explikativer ACI zu verstehen, ήτις bezieht sich auf της πρώτης σκηνής in V834, nicht auf den „ganzen vorhergehenden Zusammenhang" 35 . Der erste Teil des Heiligtums ist παραβολή,36 Sinnbild der gegenwärtigen Zeit37. Diese gegenwärtige Zeit (καιρός ένεστηκώς) steht der Zeit der richtigen Ordnung (καιρός διορθώσεως; V10) gegenüber. 38 Diese zeitliche Interpretation wird durch die beiden temporalen Bestimmungen 'έτι (V8) und μέχρι (V10) unterstützt: solange der erste Zeltraum Bestand hat (V8) und bis zur Zeit der richtigen Ordnung (V10).

1.2 Zum Begriff παραβολή Παραβολή bedeutet allgemein das Nebeneinanderstellen von zwei Dingen oder das Vergleichen. Häufig wird παραβολή als rhetorischer Fachausdruck verwendet. 39

33 34

35 36

37

38 39

Vgl. ζ. B. Michel, Hebräer, 304f; Gräßer, Hebräer II, 130-135; Stanley, Parable, 393; Windisch, Hebräer, 76f. Vgl. Gräßer, Hebräer II, 134; Delitzsch, Hebräer, 370f; Riggenbach, Hebräer, 251; Braun, Hebräer, 260; Theißen, Untersuchungen, 69f; Young, Gospel, 201. - Auch καθ' ην ist ebenfalls auf της πρώτης σκηνής bezogen. Anders Stanley, Parable, 397; er bezieht es auf παραβολή. So Michel, Hebräer, 307; vgl. auch Loader, Hohepriester, 163-165; Windisch, Hebräer, 77. Diese Interpretation wird durch Hebr 8,5 gestützt, wo ebenfalls das Heiligtum als Abbild (υπόδειγμα) und Schatten (σκιά) der himmlischen Dinge bezeichnet wird. Das konkrete irdische Heiligtum also wird hier als Sinnbild gedeutet, nicht allgemein der Kult. So z.B. auch Braun, Hebräer, 260. Anders Schunack: άς spreche für folgende Ubersetzung: Sinnbild für die jetzt Gegenwart gewordene Zeit. D.h., es sei erst jetzt als ein solches Sinnbild erkennbar. Wäre es Sinnbild der gegenwärtigen Zeit, stünde ein Genitiv. Vgl. Schunack, Hebräer, 118. Aber diese Eindeutigkeit ist mit άς nicht gegeben; vgl. BDR § 206f. So auch Hofius, Vorhang, 64. Er spricht von altem Aon. Vgl. Hauck, ThWNT V, 741f.

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Das Werk des Hohepriesters

Als solcher ist παραβολή zu unterscheiden von Bild (είκών), Metapher (μεταφορά), Vergleich (όμοίωσις) und Allegorie (αλληγορία). Hier bedeutet παραβολή Gleichnis, „bei dem zwei Dinge oder Vorgänge aus verschiedenen Gebieten nebeneinandergestellt werden, um kraft der vorliegenden Ähnlichkeit das Unbekanntere durch das Bekannte zu verdeutlichen". 40 Quintilian unterscheidet παραβολή, lat. similitudo, von παράδειγμα, lat. exemplum, wobei exemplum der weiter gefasste Begriff sei und Beispiele aller Art meine.41 Die παραβολή dagegen zeichne sich dadurch aus, dass sie die Dinge, die verglichen werden, von weiter her hole.42 Im Neuen Testament verwenden nur die Synoptiker und der Hebr παραβολή. Mit παραβολή werden bei den Synoptikern die Gleichnisse Jesu bezeichnet, 4 3 Joh verwendet das fast synonyme παροιμία.44 Die beiden Belege Hebr 9,9; 11,19 meinen nicht Jesu Gleichnisse und sind auch nicht i m engen Sinne als rhetorische Fachtermini oder Gattungsbezeichnungen gebraucht. Es scheint vielmehr, als bediene sich der Hebr der Sprache der antiken Rhetorik, u m sie inhaltlich auf eigene Weise zu füllen. In Hebr 11,17-19 wird Abraham als Beispiel des Glaubenden, der sogar seinen Sohn zu opfern bereit ist, vor Augen geführt. An die Genesiserzählung wird erinnert, und Gen 21,12 wird zitiert (Hebr 11,18). Abrahams Bereitschaft, den einzigen Sohn zu opfern (προσφέρειν), illustriert Hebr 11,19: Abraham bedenkt, dass Gott selbst jeden von den Toten auferwecken kann.45 Dies ist die Begründung (δθεν καί) dafür, dass er seinen Sohn als παραβολή zurückerhält (κομίζειν). Das sinnbildliche Zurückerhalten Isaaks von den Toten (schließlich war er nicht tot)46 ist eine Bestätigung des zuvor formulierten Glaubens Abrahams, dass für Gott auch der Tod kein Hindernis ist, an seiner Verheißung festzuhalten. Aufgrund dieses Glaubens an Gottes Macht erhält Abraham Isaak "in a 'parabolic' sense" 47 von den Toten zurück. Auf diese Weise kann das Zurückerhalten Isaaks als ein Hinweis auf die allgemeine Totenauferstehung gedeutet werden. 48 Eine Interpretation von παραβολή in

40 41 42 43 44 45 46 47 48

Hauck, ThWNT V, 742. Quint, Inst. Or., V, 11, If. Quint, Inst. Or., V, 11, 23. Insgesamt gibt es 48 Belege für παραβολή bei den Synoptikern; z.B. Mt 13,3.10.13.18 u.ö.; Mt 21,33.45; Mk 4,2.10.11.13 u.ö.; Mk, 12,1.12; Lk 5,36; 6,39; Lk 8,4.9.10 u.ö. Vgl. Hauck, ThWNT V, 748-757. Z.B. loh 10,6; 16,25; vgl. auch 2 Petr 2,22. Diese Glaubensüberzeugung ist hier ganz allgemein formuliert: οτι καί έκ νεκρών έγειραν δυνατός ό θεός (V19). Vgl. Gräßer, Hebräer III, 148. Anders Schunack, Hebräer, 177f: Isaaks Opferung werde als tatsächlich vollzogen dargestellt. Stanley, Parable, 390. So Gräßer, Hebräer III, 149f; Hauck, ThWNT V, 748.

Die Bedeutung des Heiligtums

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Hebr 11 auf Leiden und Auferstehung Jesu Christi hin 4 ' greift jedoch zu weit.

Wie in Hebr 11,19 so ist auch in Hebr 9,8 die Bedeutung von παραβολή mithilfe des Kontextes zu erschließen: Der erste Teil des Zeltes ist eine παραβολή der gegenwärtigen Zeit. Eine genaue Definition von παραβολή kann anhand der beiden Stellen im Hebr nicht gegeben werden, ebenso werden die Gemeinsamkeiten oder Unterschiede zu ähnlichen Begriffen, beispielsweise τύπος oder σκία, die der Hebr an anderen Stellen verwendet, nicht genau markiert. Dennoch wird erkennbar, dass die alttestamentlichen Texte neu interpretiert werden und in ihrer Bedeutung über sich selbst hinausweisen. "There is something in the old to be learned about the new."50 Als Ubersetzung wähle ich Sinnbild. Auch andere Ubersetzungen verdeutlichen den Verweischarakter51 von παραβολή, aber m.E. ist ,Sinnbild' nicht in ähnlicher Weise geprägt wie ,Gleichnis' oder ,Symbol'.

1.3 Der Heilige Geist als Hermeneut und die παραβολή in Hebr 9,6-10 Auch wenn der Hebr keine genaue Auslegungstheorie zum Verständnis der παραβολή liefert, so lässt sich aus dem Gebrauch in V9 doch deren Bedeutung erkennen. Die Gegenüberstellung von gewöhnlichem und hohepriesterlichen Dienst am Tempel steuert auf die Pointe zu, dass der Zugang zum Allerheiligsten verschlossen ist. Dieses Ergebnis der Darstellung in Hebr 9,1-7 wird in V8f als Auslegung des Heiligen Geistes formuliert: Solange der erste Zeltraum Bestand hat ('έτι. της πρώτης σκηνής έχούσης στάσιν; Hebr 9,8) - dies vermittelt der Heilige Geist (τοΰτο δηλούντος τοϋ πνεύματος τοϋ άγιου; Hebr 9,8) - ist der Weg ins Heiligste noch nicht offenbart (μήπω πεφανερώσθαι την των αγίων όδόν; Hebr 9,8). Dieses Zelt ist ein Sinnbild der gegenwärtigen Zeit (ήτις παραβολή άς τον καιρόν τον ένεστηκότα; Hebr 9,9 ) .

Der Heilige Geist interpretiert die Beschaffenheit des irdischen Heiligtums, das Vorhandensein des ersten Raumes, als Sinnbild. Er, nicht die 49 50 51

So Bauer, Wörterbuch, Sp. 1238. Dem widerspricht auch Schunack, Hebräer, 178. Stanley, Parable, 389. Vgl. ebd, 389-391. Auch Theißen, Untersuchungen, 69f, hebt den Symbol- und Verweischarakter von παραβολή hervor. Es sei Symbol, eschatologisches Geheimnis. Die vergangene Kultordnung solle damit für die Gegenwart transparent gemacht werden.

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Das Werk des Hohepriesters

exegetische Einsicht des Hebr, legt die hermeneutische Bedeutung dieses Zustandes offen, er ist „hermeneutisches Subjekt" 5 2 dieser Einsicht. δηλόω heißt sichtbar, klar machen', ,mitteilen' oder ,kundtun', und meint in der Septuaginta speziell die göttliche Offenbarung. Im Neuen Testament tritt der Gebrauch von δηλοΰν gegenüber άποκαλύπταν und φανεροΰν zurück und ist teilweise kaum von άποκαλύπτειν zu unterscheiden, δηλόω hat dennoch rationalen Charakter im Sinne von erklären, deuten, mitteilen.53 Der heilige Geist ist Vermittler der theologischen Erkenntnis, dass der Zugang verschlossen ist. Allerdings bedeutet dies keine Offenbarung neben der Schrift, sondern die rechte Schriftauslegung. Dieser Zusammenhang von Heiligem Geist und Schriftauslegung wird im folgenden Exkurs verdeutlicht werden.

Exkurs: Der Heilige Geist im Hebr Eine ausgeführte Pneumatologie hat der Hebr nicht.54 Insgesamt gibt es zwölf πνεϋμα-Belege, davon nennen fünf explizit πνεϋμα gemeinsam mit αγιον (Hebr 2,4; 3,7; 6,4; 9,8; 10,15). In Hebr 9,14 wird der Geist mit αιωνίου55 näher bestimmt, in 10,29 wird von τό πνεύμα της χάριτος gesprochen. In Hebr 1,7.14 werden die Engel als Geister (πνεύματα, pl.) bezeichnet,56 in Hebr 12,9 Gott als „Vater der Geister",57 der den fleischlichen Vätern gegenübergestellt wird. In Hebr 4,12 wird das Wort Gottes als das Mark und Bein, Seele und Geist (ψυχή και πνεύμα) Spaltende charakterisiert. In Hebr 12,23 wird von den Geistern der vollendeten Gerechten gesprochen. Der Hebr kennt also πνεϋμα als anthropologischen Begriff (πνεϋμα als Teil des Menschen, der auch nach dem Tod bestehen bleibt) wie als Begriff für „Zwischenwesen" (Engel). Den Hauptteil der Belege aber nimmt der Heilige Geist ein. Der Zusammenhang von Geist und Christus wird nicht ausführlich beschrieben, ist aber dennoch durch parallele Formulierungen gekennzeichnet. In Hebr 6,4 werden die Christen als μέτοχοι πνεύματος άγιου, als 52 53 54

55 56 57

Schunack, Hebräer, 116; vgl. Gräßer, Hebräer II, 133. Vgl. Bultmann, ThWNT II, 60f; Gräßer, Hebräer II, 133. Vgl. Bieder, Aspekte, 251.258f; Gräßer, Hebräer I, 1091. Walter, Christologie, 65, spricht sogar von einem Defizit in der Pneumatologie, da die Aufgabe des Fürsprechers nach lesu Tod von diesem selbst, nicht vom Heiligen Geist übernommen werde. Eine Korrektur von αιωνίου zu άγιου nehmen der Sinaiticus2, die ursprüngliche Lesart des sogenarmten westlichen Textes (D*) u.a. vor. Doch ist αιωνίου mehrheitlich belegt und auch als lectio difficilior zu bevorzugen. In Hebr 1,7 als Zitat von Ps 104 (LXX103),4. Zu dieser ungewöhnlichen Gottesprädikation vgl. Gräßer, Hebräer III, 267-269; Schunack, Hebräer, 1991; Hegermann, Hebräer, 250.260.

Die Bedeutung des Heiligtums

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Teilhaftige oder Genossen des Heiligen Geistes, bezeichnet, während sie in Hebr 3,14 μέτοχοι γαρ του Χρίστου, in Hebr 3,1 κλήσεως επουρανίου μέτοχοι und in Hebr 12,8 allgemein μέτοχοι genannt werden. 58 Der Status der Christen wird als Teilhabe bezeichnet, und dabei ist kein Unterschied zu erkennen, ob dies als Teilhabe an der himmlischen Berufung, an Christus oder am Heiligen Geist näher bestimmt ist. Diese Interpretation wird durch Hebr 10,29 bestätigt: Den Sohn Gottes mit Füßen treten (τόν υΐόν τοϋ θεοϋ καταπατήσας), das Blut des Bundes gering oder gewöhnlich achten (το αιμα της διαθήκης κοινον ήγησάμενος) oder den Geist der Gnade schmähen (το πνεύμα της χάριτος ένυβρίσας) werden zusammen aufgezählt und damit auf dieselbe Stufe gestellt. In Hebr 9,14 wird der Zusammenhang von Christi Werk und dem des Heiligen Geistes genauer bestimmt: Christus habe sich selbst durch den ewigen Geist (δια πνεύματος αιωνίου) dargebracht. Der Heilige Geist ist nicht nur Bezugspunkt für die christliche Gemeinde, sondern ebenfalls Begleiter des irdischen Jesus. In ähnlicher Weise gehört der Heilige Geist auch zum christlichen Leben, was durch die Erwähnung der Geistesgaben in Hebr 2,4 bestätigt wird. In traditioneller Sprache werden Zeichen und Wunder sowie Geistesgaben genannt.59 Die Schrift gilt als geistinspiriert. Zwei Schriftzitate werden mit dem Heiligen Geist als Sprecher eingeleitet: das mahnende Zitat aus Psalm 95 (LXX94) in Hebr 3,7ff60 und die Verheißung des neuen Bundes und der Sündenvergebung in Hebr 10,15ff. Beim Zitat von Jer 31 (LXX38) fällt sofort auf, dass in Hebr 10 der Heilige Geist, in Hebr 8 jedoch Gott als Sprecher genannt wird. Hier eine deutliche Akzentsetzung vermuten zu wollen,61 wäre insofern nicht angemessen, als auch das Zitat von Ps 95 (LXX94) unpersönlich mit kv τω λέγεσθαι (Hebr 3,15) oder mit εΐρηκεν (Hebr 4,4) oder λέγων (Hebr 4,7) eingeleitet werden kann, ohne dass deutlich wird, ob Gott oder der Heilige Geist als Sprecher gedacht ist. Es zeigt sich vielmehr, dass sowohl Gott als auch der Heilige Geist als Autor

58

59 60 61

Neben diesen vier genannten Belegen gibt es nur noch einen weiteren Beleg von μέτοχος. In Hebr 1,9 [Zitat aus Ps 45 (LXX44), 8] bedeutet es allgemein Gefährte. Die Bezeichnung der Glaubenden als μέτοχοι gründet in Jesu eigenem Leben: In Hebr 2,14 wird sein Anteil-Nehmen am Geschick der Menschen mit μετέχω bezeichnet. Vgl. auch Gräßer, Mose und Jesus, 294f. Vgl. Hegermann, Hebräer, 64; Bieder, Aspekte, 253f. Bieder, Aspekte, 256: „Der Heilige Geist hat es mit der Warnung und Mahnung zu tun." So z.B. Bieder, Aspekte, 256f: S.E. steht das Zitat in Hebr 8 in christologisch heilsgeschichtlichem Rahmen, während in Hebr 10 das Leben im Neuen Bund thematisiert sei. Diese unterschiedlichen Kontexte führten zu unterschiedlichen Sprechern der Zitate. Vgl. auch Rissi, Theologie, 57-59: Hebr 8 enthalte die Meinung der Lesergemeinde, in Hebr 9f entfalte Hebr seine Reaktion darauf. Dies erkläre die verschiedenen Sprecher und Ausschnitte der Zitate.

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bzw. Autorität hinter der Schrift stehen, so dass diese gleichbedeutend als Sprecher alttestamentlicher Zitate genannt werden können.62 In den Kontext der Schriftinspiration ist auch Hebr 9,8 einzuordnen. Der Heilige Geist ist hier der selbstverständliche Hermeneut und Offenbarer einer rechten Schriftauslegung, so wie er an anderen Stellen Sprecher und Autorität der Schrift ist.

Zusammenfassend lässt sich festhalten: Der im Alten Testament, v.a. Ex 25ff, beschriebene Kult versinnbildlicht den verschlossenen Zugang zu Gott. Dieser Weg ist verschlossen, solange das erste Zelt bestand hat, d.h. in der gegenwärtigen Zeit. Dies wird hier zunächst ohne Bezug auf Christus begründet. Es ist die Vermittlung des Heiligen Geistes, die das erkennbar macht. Doch ist der Heilige Geist nicht ohne Christus zu denken. Dies ist im Exkurs deutlich geworden. Hinter der pneumatologischen Vermittlung steht christologische Überzeugung. „Die pneumatische, durch den Heiligen Geist autorisierte Auslegung ist christologische Auslegung. Erst und nur im Christusgeschehen ist erschlossen, was der Geist am alttestamentlich vorgeschriebenen Kult zu verstehen gibt und in bestimmten alttestamentlichen Texten bezeugt."63 Das irdische Heiligtum symbolisiert so die Beschränkung des Kultes. Zugleich wird damit auf die Notwendigkeit einer neuen Ordnung verwiesen. Mit Jesus Christus als dem Hohepriester kann die Verschlossenheit und Begrenztheit der alten Ordnung erkannt werden, da sie durch ihn aufgehoben ist. Dies ist christologische Erkenntnis, Auslegung der Schrift und Vermittlung durch den Heiligen Geist: Der Zugang zu Gott ist in Christus nunmehr offen und möglich.64

1.4 Der erste Teil des Heiligtums als Sinnbild der gegenwärtigen Zeit zur heilsgeschichtlichen Auslegung in Hebr 9,6-10 Der erste Zeltraum, der Teil des Heiligtums, in dem die Priester ihren alltäglichen Dienst verrichten, wird interpretiert als Sinnbild, genauer gesagt als παραβολή εις τον καιρόν τον ενεστηκότα (Hebr 9,9a), als

62

63 64

Vgl. auch oben S. 40-42. - Lewicki, Wort Gottes, 82-86, bestimmt die Funktion des Geistes jedoch als Vermittler der Worte Gottes. „Er ist der Sprecher Gottes für die Gemeinde" (ebd., 83). Eine solche Abstufung von Worten Gottes und deren Vermittlung durch den Geist ist im Hebr allerdings nicht erkennbar: Geist und Gott sprechen direkt zu den Menschen. Schunack, Hebräer, 116. Vgl. auch Stanley, Parable, 396.399. Vgl. Luck, Himmlisches, 208.

Die Bedeutung des Heiligtums

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S i n n b i l d d e r g e g e n w ä r t i g e n Z e i t . E s ist a l s o i n e r s t e r L i n i e e i n e h e i l s g e s c h i c h t l i c h e I n t e r p r e t a t i o n , d i e d e r H e b r m i t παραβολή v o r n i m m t . 6 5 D i e B e s c h a f f e n h e i t d e s i r d i s c h e n H e i l i g t u m s w i r d auf d i e g e g e n w ä r t i g e Zeit h i n interpretiert.66 Diese Zeit w i r d hier mit d e m ersten Z e l t r a u m v e r b u n d e n . O b a u c h d e r z w e i t e Z e l t r a u m , d a s A l l e r h e i l i g s t e , z.B. als Sinnbild für die N ä h e zu Gott oder für die Zeit der rechten O r d n u n g e n z u i n t e r p r e t i e r e n ist, l ä s s t d e r H e b r o f f e n . 6 7 Der erste Z e l t r a u m u n d d a m i t die gegenwärtige Zeit w e r d e n mit d e m verschlossenen Z u g a n g z u m Allerheiligsten, d e m Ort der Gottesnähe, verbunden.68 Die g e g e n w ä r t i g e Zeit w i r d im Folgenden weiter charakterisiert: Gaben u n d O p f e r w e r d e n dargebracht, die allerdings d a s Gewissen nicht z u r Vollkommenheit f ü h r e n k ö n n e n (Hebr 9,9b.10). B e g r ü n d e t w i r d diese Schwäche damit, dass es sich u m fleischliche O r d n u n g e n (δικαιώματα σαρκός) handelt. Diese Kritik a m Alten Kult findet sich auch in H e b r 7,16: A n d e r s als die levitischen Priester ist Melchisedek g e r a d e nicht nach d e m Gesetz eines fleischlichen Gebots Priester g e w o r d e n (δς ού κατά νόμον εντολής σάρκινης γέγονεν). Ebenfalls entspricht die Z u s p i t z u n g des Priesterdienstes auf die d a r z u b r i n g e n d e n Gaben u n d O p f e r (δώρα τε κα\ θυσίας προσφέρειν) a n d e r e n Charakterisierungen d e s irdischen Priesterdienstes (vgl. H e b r 5,1; 8,3; auch 10,lf). Mit

der

Bezeichnung

Gaben und Opfer und

fleischlich, d e r

Betonung

der

der Tatsache, dass diese nicht

dargebrachten vollkommen

machen, w i r d hier die gegenwärtige Zeit u n d der dazugehörige Kult charakterisiert. Es liegt also n a h e , die g e g e n w ä r t i g e Zeit' als die Zeit d e r G ü l t i g k e i t d e s a l t e n K u l t e s z u v e r s t e h e n , n i c h t als G e g e n w a r t . 6 9 Dieser Kult h a t seine Gültigkeit in dieser g e g e n w ä r t i g e n Zeit', die m i t 65 66

67 68 69

So auch Hofius, Zelt, 207-209; ders., Vorhang, 63-65. Ein komplexes Beziehungsgeflecht beschreibt Stanleys Interpretation: Die παραβολή sei folgendermaßen zu deuten: Als Parabel der Heiligtümer: Das äußere / erste Zelt verhalte sich zum Allerheiligsten wie das irdische zum himmlischen Heiligtum. Und als Parabel der Opferarten: Die alltäglichen Opfer verhalten sich zum Versöhnungstag wie das levitische System zum Opfer Christi. Er gelangt zu dem Ergebnis, dass das alte System nicht einfach als überholt abgetan wird, sondern dass aus diesem etwas gelernt werden kann. Vgl. Stanley, Parable, 398f. So interpretiert aber z.B. Gräßer, Hebräer I, 130: Das erste Zelt sei Symbol des καιρός ενεστηκώς, der hintere entsprechend des καιρός διορθώσεως. Vgl. Luck, Himmlisches, 208: Das irdische Heiligtum ist Vorbild „in der Trennung zwischen dem Heiligen und dem Allerheiligsten (IX,3f)". „Gegenwart ist in der Perspektive dieses Abschnittes jene Zeit, in der das erste Zelt besteht." (Schierse, Verheißung, 31). Er bemerkt weiter, „daß damit noch kein eindeutiger historischer Termin gesetzt ist." Windisch, Hebräer, 77, zeigt deutlich das Problem der historischen Verortung der Zeit, die hier mit Gegenwart gemeint ist. Keinesfalls sei davon auszugehen, dass der Kult noch bestehe. Er vermutet daher Textverderbnis bzw. schlägt eine Einklammerung vor.

160

Das Werk des Hohepriesters

der ,Zeit der richtigen Ordnung' abgeschlossen ist.70 Die Zeit der richtigen Ordnung beginnt mit dem Christusereignis, ist also Gegenwart.71 Anders interpretiert Laub: Für ihn sind gegenwärtige Zeit und Zeit der richtigen Ordnung identisch.72 „Der Begriff παραβολή erklärt dann wohl nicht das erste Zelt zum Sinnbild für den alten Aon, sondern als Sinnbild, genauer heißt das, als Hinweis und Vorausdarstellung dessen, was den mit dem Christusgeschehen eingetretenen και,ρος ενεστηκώς ausmacht." 73 In diesem werde das erreicht, was die alten Kultordnungen erreichen wollten, aber nicht konnten. Die hier gemeinte gegenwärtige Zeit sei bereits angebrochen.74 Diese Interpretation Laubs scheint sich durch ό καιρός ένεστηκώς (gegenwärtig, Gegenwart) nahe zu legen. Jedoch ist die Zeit der richtigen Ordnung, die bereits Gegenwart ist, von dem, was im Textabschnitt ,ό καιρός ένεστηκώς', gegenwärtige Zeit' bezeichnet ist, zu unterscheiden.75

Thema in Hebr 9,1-10 ist also nicht das Verhältnis von himmlischem und irdischem Heiligtum, denn von einem himmlischen wird nicht gesprochen76, sondern die begrenzte Gültigkeit der alten Ordnung und deren Unfähigkeit, zu vollkommener Gottesnähe zu führen.77 Insgesamt wird hier eine heilsgeschichtliche Interpretation des Heiligtums vorgenommen, die derjenigen von Ps 8 in Hebr 2 ähnlich ist.78 In der Schrift kann Gottes Plan erkannt werden. Statt des Psalmtextes wird hier die Beschaffenheit des Heiligtums, die nach Ex 25ff beschrieben wird, so interpretiert, dass der Ablauf der Heilsgeschichte erkennbar wird.

70 71 72 73 74 75 76 77 78

Vgl. Gräßer, Hebräer II, 134f. 141. Hofius unterscheidet den Anbruch der neuen Zeit, die mit der Inkarnation beginnt (vgl. Hofius, Inkarnation, 139), und den für alle offenen Zugang zu Gott, der erst mit lesu Opfertod besiegelt ist (ebd., 140f). So auch Schunack, Hebräer, 118; Attridge, Hebräer, 241f; Weiß, Hebräer, 458-460. Laub, Bekenntnis, 193. Vgl. Laub, Bekenntnis, 194. Zur Problematik vgl. auch Delitzsch, Hebräer, 370-373. Erst ab Hebr 9 , l l f wird wieder von Jesu Eingang in das himmlische Heiligtum gesprochen. Zum Verhältnis von heilsgeschichtlichen und räumlichen Kategorien s.u. S. 170f. „Was verhandelt wird, ist das als Zugang in die Gegenwart Gottes verstandene Heil." Laub, Bekenntnis, 193. Vgl. oben S. 53-58. 62-64; siehe auch dort den Exkurs zur Bundesthematik (S. 64-68).

Die Bedeutung des Heiligtums

161

1.5 Das irdische Heiligtum als παραβολή - Zusammenfassung Folgende Ergebnisse sind festzuhalten: Das πρώτη σκηνή des irdischen Heiligtums muss als Sinnbild der gegenwärtigen Zeit und ihres Kultes verstanden werden. Dies vermittelt der Heilige Geist. Dadurch wird nicht nur die zeitliche Begrenztheit des alttestamentlichen Kultes offensichtlich, sondern zugleich das ganze kultische Geschehen der gegenwärtigen Zeit' als Unvermögen, zur Vollkommenheit zu führen, bestimmt. Die sachliche Begründung für die Begrenztheit des Alten Kultes liegt für den Hebr im Christusereignis beschlossen. Für ihn ist mit Jesus Christus der Zugang zu Gott für alle endgültig geöffnet. Die vorherige Beschränkung ist erkennbar und zugleich aufgehoben. Zugleich bietet der alte Kult, das Alte Testament, die Bilder und den Rahmen, in dem das Neue zur Sprache gebracht werden kann. Mithilfe der alttestamentlichen Kultvorstellungen, der Bedeutung des Heiligtums und des Hohepriesters kann verdeutlicht werden, was Tod und Auferstehung oder Erhöhung Jesu Christi für die Gemeinde bedeuten. Der Hohepriester Jesus Christus übertrifft mit seinem einmaligen Werk das Tun jedes Hohepriesters. Mit der Auseinandersetzung um das Heiligtum und seiner Interpretation als παραβολή bietet der Hebr eine Grundlage für die Versprachlichung des Christusglaubens und seiner Heilsbedeutung. Wird die Zweiteilung des Heiligtums richtig interpretiert, kann hier der Ablauf der (Heils-) Geschichte abgelesen werden. Dass dadurch eine eigenständige Bedeutung des alttestamentlichen Kultes unmöglich wird, ist offensichtlich. Die selbständige positive Interpretation des irdischen Heiligtums, die Bedeutung des Allerheiligsten als Ort der Gottesnähe,79 hat für den Hebr keine Geltung mehr.

2. Das irdische Heiligtum und (s)ein himmlisches Pendant 2.1

Das irdische Heiligtum als σκιά, ύπόδειγμα und άντίτυπος

Wird das irdische Heiligtum in Hebr 9,9 als παραβολή verstanden, so finden sich auch in Hebr 8,5 und Hebr 9,23f ähnliche Interpretationen 79

Das Allerheiligste wird sonst positiv als Zentrum verstanden, als Ort der Gottespräsenz und -begegnung, nicht als abgeschlossener Bereich, zu dem der Zugang fehlt. Vgl. Gese, Sühne, 102f.

162

Das Werk des Hohepriesters

des irdischen Heiligtums. Der Begriff παραβολή fällt allerdings nicht m e h r . In H e b r 8,1-5 w i r d Christi himmlischer H o h e p r i e s t e r d i e n s t beschrieben u n d d e m irdischen gegenübergestellt: Auf E r d e n (επί γης) w ä r e Jesus nicht einmal Priester, d a es hier schon Priester, die n a c h d e m Gesetz opfern, gibt (ιερεύς δντωυ τών προσφερόντωυ κατά νόμον τα δώρα; V4). 80 ,Auf E r d e n ' (επί γης) charakterisiert d e n Ort, der f ü r Jesu Priesterdienst u n a n g e b r a c h t erscheint. 8 1 Dass u n d w a r u m d a s irdische H e i l i g t u m f ü r d e n e n d g ü l t i g e n Priesterdienst u n g e e i g n e t ist, w i r d i m nächsten Vers verdeutlicht. In V5 w i r d der Dienst der irdischen Priester als Dienst a n e i n e m Abbild (υπόδειγμα) u n d Schatten (σκιά) der h i m m lischen D i n g e charakterisiert. ύπόδειγμα bedeutet ,Bild', ,Beispiel', ,Vorbild', ,Muster' oder ,Beweis'.82 Die Bedeutung ,Beispiel' findet sich in Hebr 4,11: Hier wird das (negative) Beispiel der Wüstengeneration mit ύπόδειγμα bezeichnet. Der Kontext ist eine Mahnung, sich anders als das vorgezeichnete Beispiel zu verhalten. Die beiden anderen Belege für υπόδειγμα im Hebr bezeichnen dagegen das irdische Heiligtum und bringen zugleich eine negative Wertung zum Ausdruck (Hebr 8,5; 9,2383): Dieses Heiligtum ist bloßes Bild bzw. Abbild. σκιά bedeutet sowohl im eigentlichen als auch im übertragenen Sinn ,Schatten' und wird meist bildlich oder metaphorisch gebraucht. 84 Im Alten Testament (V^), in der Septuaginta und bei Philo spielt v.a. der Todesschatten eine Rolle. Jedoch verwendet Philo auch in seiner Urbild-AbbildSpekulation den Begriff σκιά.85 Dieser Sprachgebrauch ist wahrscheinlich von Piaton beeinflusst: Die Gefangenen in der Höhle sehen die Schatten (σκιαί) an den Wänden und verwechseln sie mit der Realität.86 Jedoch ist festzuhalten, dass σκιά für Philo keinesfalls eine negative Bedeutung hat, sondern der Logos wird als σκιά θεοϋ bezeichnet. Gottes Logos ist sein Schatten, den er als Werkzeug beim Erschaffen der Welt benutzt hat (Leg. All. III, 96). Außerdem werden auch die Schöpfungswerke als Schatten bezeichnet: Gott ist als Schöpfer nur durch seine Schatten (σκιαί) erkennbar wie ein Künstler durch seine Werke (έργων) (Leg. All. III, 99).

80 81 82

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84 85 86

Zur Textkritik vgl. Gräßer, Hebräer II, 86f. So auch Gräßer, Hebräer II, 86. Vgl. Schlier, ThWNT II, 33. - Sterling, Ontology, 195 nennt υπόδειγμα, neben παράδειγμα, terminus technicus im Mittelplatonismus. Außerdem vermutet er, dass Ez 42,15 die Wortwahl υπόδειγμα beeinflusst haben könnte, „υπόδειγμα in Ezechiel denotes the parameter of the visionary house. The Author of Hebrews has used the language but applied it to the earthly counterpart." (ebd., 195). In Hebr 9,23 werden die irdischen Kultgegenstände im Heiligtum mit τα υποδείγματα τών έν τοις οΰρανοίς bezeichnet und τα επουράνια, den himmlischen Dingen gegenübergestellt. Vgl. Schulz, ThWNT VII, 396f. Vgl. Philo, Leg. All. III, 96; 99f. Zur Verwendung dieser von der platonischen Philosophie geprägten Begriffe bei Philo vgl. Schierse, Verheißung, 19-21. Vgl. Piatons Höhlengleichnis in der Politeia VII, 514ff.

Die Bedeutung des Heiligtums

163

Auch der Kol kennt diesen Gebrauch des Wortes σκιά. In Kol 2,17 werden die Bestimmungen des Gesetzes, nämlich Speisegebote oder das Einhalten bestimmter Feiertage, als Schatten zukünftiger Dinge (α εστίν σκιά των μελλόντων) bezeichnet und dem Leib, der Christi ist, gegenübergestellt. Σώμα und σκιά sind hier Gegensätze. 8 7

Im Hebr wird σκιά nur im Zusammenhang mit dem Thema Kult verwendet: In Hebr 8,5 bezeichnet es das irdische Heiligtum; in Hebr 10,1 das Gesetz - ähnlich wie in Kol 2,17 - als Schatten zukünftiger Güter: σκιάν γαρ έχων ό νόμος τών μελλόντων αγαθών. Dieses ist nicht geeignet, die immerwährende Vollkommenheit zu garantieren (Hebr 10,1). Einen weiteren Begriff zur Charakterisierung des irdischen Heiligtums nennt Hebr 9,24: Das mit Händen gemachte, irdische Heiligtum (χειροποίητα αγια) wird als άντίτυπος bezeichnet, und zwar αντίτυπα τών αληθινών.

Ein Unterschied in der Verwendung der Begriffe zur Beschreibung des irdischen Heiligtums ist nicht zu erkennen. Eine dahinter stehende eindeutige philosophische Vorstellung ist nicht anzunehmen.88 Jedoch scheint die platonische Ideenlehre, vielleicht auch in populär-philosophischer Ausprägung, diese Wortwahl geprägt zu haben. Die Begriffe σκιά, υπόδειγμα und άντίτυπος enthalten negative Werturteile und verweisen so auf etwas Besseres.89 Anders als in Hebr 9,9f wird hier nicht in heilsgeschichtlichen, sondern räumlichen Kategorien gedacht. Das irdische Heiligtum steht nicht für sich alleine. Die Begriffe Abbild, Schatten und Antitypos legen die Frage nach einem himmlischen Urbild oder Typos nahe.

2.2

Gott als Bauherr - zur Vorstellung eines himmlischen Typos des Tempels nach Ex 25,40

In Hebr 8,5 wird das Verständnis des irdischen Heiligtums als Abbild oder Schatten aus der Schrift begründet, indem die Anweisung Gottes 87 88

89

Vgl. z.B. Schweizer, Kolosser, 120-122. „Die einzelnen Termini stehen ihrem Inhalt nach nicht mehr in besonderer Beziehung zur alexandrinischen Allegorese und Metaphysik, sondern sie sind völlig in den Dienst der heilsgeschichtlich-typologischen Betrachtungsweise gestellt, um diese noch deutlicher zu charakterisieren und situationsgemäß verständlicher zu machen." (Nomoto, Hohepriestervorstellung, 19). So auch Gäbler, Kulttheologie, 112-117. Siehe auch den Vergleich mit Philo im nächten Abschnitt. So auch Schlier, ThWNT II, 33: Der alttestamentliche Kultus werde nur von Christus her recht verstanden; er verweise auf himmlische Dinge.

164

Das Werk des Hohepriesters

a n M o s e zitiert w i r d , d e n T e m p e l n a c h d e m M u s t e r oder Vorbild (τύπος), das i h m gezeigt w u r d e , z u b a u e n (Ex 25,40): ορα γάρ φησιν ποιήσεις πάντα κατά του τύπου τον δειχθέντα σοι εν τω ορει (Hebr 8,5). A n Ex 25,40 a n k n ü p f e n d , aber a u c h d u r c h platonische o d e r (populär-) p h i l o s o p h i s c h e Vorstellungen geprägt, existierten Vorstellungen v o n e i n e m h i m m l i s c h e n Heiligtum, n a c h d e s s e n M o d e l l der irdische Tempel g e b a u t wurde. 9 0 Als Bauherr dieses h i m m l i s c h e n H e i l i g t u m s galt Gott selbst. 91 Philo zitiert Ex 25,40 im Zusammenhang mit der Frage, wer der Bau-herr des Tempels sei.92 In Leg. All. III, 99 - 103 wird Gott als Schöpfer genannt, dessen Werke auf ihn verweisen. Diese Beziehung von Schöpfer und Geschaffenem ist auch auf den Tempel und seinen Bauherrn übertragen. Gott steht als Autorität, wenn auch nicht als direkter Erbauer, dahinter. Die Übergabe der ,Baupläne' läuft über den Vermittler Mose. Dieser erhält die Anweisungen direkt von Gott, wie das Zitat von Ex 25,40 illustrieren soll. Bezalel (Βεσελεήλ) baut dann den Tempel nach mosaischen Vorbild.93 So ist eine Abstufung von himmlischem, göttlichem Urbild über Moses Archetyp (αρχέτυπος) hin zu Bezalels Werk (μίμημα) erkennbar. Beide Begriffe, αρχέτυπος und μίμημα, verwendet der Hebr nicht. Auch ist im Hebr keine vergleichbare Hierarchie bzw. Abstufung der Begriffe erkennbar. Die im Hebr verwendeten Begriffe zur Beschreibung des irdischen Heiligtums als Abbild sind gleichwertig. Ähnlich wie Leg. All. III begründet auch Mos. II, 71ff. die Übereinstimmung des irdischen Heiligtums mit dem himmlischen Urbild, auch wenn kein Zitat, sondern eine Anspielung auf Ex 25,40 zu finden ist: Mose schaute die köperlosen Bilder im Geist (ασωμάτους ιδέας τη ψυΧΉ θεωρώ). Nach diesen fertigte er wie von einer urbildlichen Zeichnung (αρχετύπου γραφή) und geistigen Vorbildern (νοητών παραδείγματα) wahrnehmbare Nachbildungen (αισθητά μιμήματα) an (vgl. Mos. II, 74).94 Philo orientiert sich a n der (mittel-)platonischen Terminologie 9 5 u n d zeigt so Vereinbarkeit dieser Terminologie u n d Philosophie mit d e n biblischen Texten. Ex 25,40 „ p r o v e d that Moses t a u g h t a basic Platonic

90 91

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93 94 95

Vgl. z.B. Ego, Himmel, 73-110; Attridge, Hebräer, 222-224. Um die Autorität Gottes hinter dem irdischen Tempel zu beschreiben, ist die Annahme eines himmlischen Urbildes jedoch nicht unbedingt notwendig. In IChr 28,19 wird mit der Vorstellung eines Bauplans argumentiert. Vgl. auch Som 1,206; Plant 27 zu Ex 25,40 und der Vorstellung eines himmlischen Typos zum irdischen Heiligtum. Zur Frage nach dem Bauherrn außerdem Som 1,206; Plant 27. - Vgl. Williamson, Philo, 557-561; Gäbel, Kulttheologie, 120-126. Dass Bezalel also indirekt die Anweisung erhielt, wird mit του δε ώσπερ άπο σκι&ς (Leg. All. III, 102) beschrieben. Hier wird auch σκιά verwendet. Vgl. auch QEx II, 52. Dies zeigt z.B. die Verwendung von μίμημα. Schierse, Verheißung, 15, nennt μίμημα einen terminus technicus der platonischen Ideenlehre.

Die Bedeutung des Heiligtums

165

doctrine cebturies before Plato lived" 96 . Ein solches Interesse ist im Hebr nicht zu erkennen. Dennoch ist die Vorstellung eines himmlischen, göttlichen Heiligtums bei Philo und im Hebr vergleichbar. Das Heiligtum, in dem Jesus seinen Dienst verrichtet, das wahrhaftige Zelt (ή σκηνή της αληθινής) hat der Herr aufgeschlagen (επηξεν ό κύριος), nicht ein Mensch (όυκ άνθρωπος; Hebr 8,2). In Hebr 9,11 wird das bessere und vollkommenere Zelt als nicht mit Händen gemacht (ού χειροποιήτος) und als nicht von dieser Schöpfung (τοϋτ' εστίν ού ταύτης τής κτίσεως) beschrieben (vgl. auch Hebr 9,24). Das irdische Heiligtum dagegen wird in Hebr 9,1 τό αγιον κοσμικόν genannt.

Bedeutet für Philo die Vorstellung eines himmlischem Heiligtums eine besondere Auszeichnung des irdischen, das als dem genauen Willen Gottes entsprechend verstanden wird,97 so interpretiert der Hebr dies als Abwertung des irdischen Heiligtums: Das wahre Heiligtum steht im Himmel.98 Um diese Interpretation zu bestätigen, zitiert Hebr 8,5 Ex 25,40." Dieses Zitat und seine Interpretation könnte aus der Umwelt (z.B. Philo) bekannt sein, im Neuen Testament wird es sonst nicht zitiert.100 Thematisch wird hier an Hebr 3,1-6 angeknüpft: zum einen durch die Nennung Moses, zum anderen durch die Beschreibung Gottes als Erbauer.101 Mose und Jesus werden in Hebr 3,1-6 miteinander verglichen. Dabei wird die Höherwertigkeit Jesu gegenüber Mose festgehalten. 1 0 2 Als Bezugspunkt dient hier das Haus: Jesus ist mit mehr Herrlichkeit (δόξα; Hebr 3,3) ausgestattet, so wie demjenigen, der das Haus gebaut hat, größere Ehre als dem Haus zukommt (καθ' όσον πλείονα τιμήν εχει τοϋ οίκου ό κατασκευάσας αύτόν; Hebr 3,3). Jesus steht als Sohn über (επί) dem Haus, während Mose als Diener in (έν) dem Haus treu ist (vgl. Hebr 3,2.6). Jesus ist hier mit dem Erbauer des Hauses, also Gott, auf eine Ebene gerückt, denn Gott hat alles erbaut: ό δε πάντα κατασκευάσας θεός (Hebr 3,4).

In Hebr 3,1-6 wird die Stellung von Mose und Jesus in Bezug auf das Haus formuliert, dabei spielt der Hebr mit der metaphorischen Bedeutung von Haus als Gemeinde.103 Deutlich ist hier allerdings nur 96 97 98 99 100 101 102 103

Sowers, Hermeneutics, 106. Vgl. Sterling, Ontology, 199-204; Williamson, Philo, 560f. Vgl. Laub, Verständnis, 73; Schierse, Verheißung, 16. Vgl. Laub, Verständnis, 71f; ders., Bekenntnis, 233; vgl. auch Lohr, Umriß, 221-224. Theißen, Untersuchungen, 91: Ex 25,40 diene als „eine Art ,hermeneutisches Prinzip'". Vgl. auch Eisele, unerschütterliches Reich, 375-377. Evtl. ist eine Anspielung oder Paraphrase in der Stephanusrede in Apg 7,44 zu finden. Vgl. Lohr, Umriß, 226-230. Vgl. oben S. 82-85.. Vgl. Lohr, Umriß, 228.

Das Werk des Hohepriesters

166

v o n e i n e m H a u s d i e R e d e , d e s s e n E r b a u e r G o t t ist. 1 0 4 I n H e b r dagegen scheinen sich himmlisches u n d irdisches Heiligtum

8,1-5

gegen-

überzustehen. D a s eine hat Gott gebaut, hier tut Jesus seinen Dienst, d a s a n d e r e ist d a s i r d i s c h e , n a c h M o s e s A n g a b e n g e b a u t . D i e s ist d e r O r t des i r d i s c h e n Priesterdienstes. D o c h ist i m F o l g e n d e n z u fragen, o b tatsächlich eine so klare Vorstellung v o n e i n e m h i m m l i s c h e n H e i l i g t u m i m H e b r a u f z u f i n d e n ist.

2.3

Zur Vorstellung eines himmlischen Heiligtums i m Hebr

Die Frage nach der Vorstellung eines konkreten himmlischen

Heilig-

t u m s i m H e b r ist nicht einfach z u b e a n t w o r t e n , d a der H e b r keinerlei einheitliche V o r s t e l l u n g e n ausformuliert hat.105 Der

folgende

Forschungsüberblick

zeigt

die

unterschiedlichen

Interpretationsmöglichkeiten der Rede v o m himmlischen Heiligtum i m Hebr. Gyllenberg versucht diese Unklarheit insofern aufzunehmen, als dass er von zwei unterschiedlichen Vorstellungen des h i m m l i s c h e n Heiligtums i m H e b r ausgeht. Z u m einen gebe es die Vorstellung eines h i m m l i s c h e n Heiligtums, von d e m das irdische ein Abbild sei. Irdisches u n d h i m m l i s c h e s entsprächen sich. Z u m anderen gebe es die Vorstellung eines w e l t u m s p a n n e n d e n Heiligtums: Der V o r h a n g trenne hier H i m m e l u n d Erde. 1 0 6 Diese Interpretation n i m m t K ä s e m a n n auf. D a s s H i m m e l u n d Erde durch einen V o r h a n g getrennt seien, fände sich auch in gnostischer Schultradition. 1 0 7

104 Vgl. Gräßer, Mose und Jesus, 305-307. 105 Zur Uneinheitlichkeit siehe auch oben S. 147 und S. 72. Anders Hofius, Vorhang, 55. Er fragt nach einer Einheitlichkeit in der Terminologie und der Vorstellung selbst. Die Uneinheitlichkeit betonen z.B. Schierse, Verheißung, 56; Nomoto, Hohepriestervorstellung, 17f; Laub, Bekenntnis, 172-179. Vgl. auch Hegermann, Christologie, 346348; er betont, dass der Hebr kein Interesse an himmlischen Orten etc. habe, sondern an der Solidarität von Sohn und Söhnen. 106 Gyllenberg, Christologie, 674-678. Grundsätzlich betont Gyllenberg die Zwiespältigkeit in der Christologie bzw. Soteriologie des Hebr. Diese habe ihren Grund darin, dass die Menschen sowohl Sühnung der Sünden als auch Uberwindung des Todes zum Heil brauchten: Das eine sei Aufgabe des himmlischen Hohepriesters, das andere eine Befreiung von unten durch einen Menschen (vgl. ebd., 668-679). Jesu Wesen und Werk weise daher in zwei Richtungen: Zum einen sei er Sohn, Mittler, himmlischer Hohepriester, was die Heilstat Gottes betone - menschliche Leistungen bedeuten hier nichts; zum anderen sei er Erstgeborener, Vorläufer, großer Hirt, άρχηγός, irdischer Hohepriester. Hier sei Christus Vertreter der Menschen. Durch diese beiden Züge in Jesu Person und Werk entstehe der Eindruck der Uneinheitlichkeit. Jedoch gebe es einen gemeinsamen Kern, den Tod. Dieser sei Sühne und Sieg zugleich (vgl. ebd., 680-690). 107 Käsemann, Gottesvolk, 144-149.

Die Bedeutung des Heiligtums

167

Hofius jedoch macht darauf aufmerksam, dass in der Umwelt des Neuen Testaments unterschiedliche und zum Teil sich voneinander abgrenzende Vorstellungen existieren. Die Erwähnung eines Vorhangs erlaube daher keine eindeutige Zuordnung.108 Nach weiterer Untersuchung entscheidet er, dass jüdische mystische Vorstellungen hinter dem Gebrauch im Hebr zu erkennen seien.109 Der Hebr arbeite mit der Vorstellung der Entsprechung von himmlischem und irdischem Heiligtum. Das irdische sei genaues Abbild des himmlischen und als solches auch zweigeteilt, getrennt durch einen Vorhang.110 Unterschiede gegenüber Vorstellungen in der Umwelt lägen nicht im Inhalt, sondern in der theologischen Interpretation dieser Vorstellung.111 Hofius votiert so für ein „realistisches Verständnis" des himmlischen Heiligtums.112 Ahnlich entscheidet auch Loader, dass das Heiligtum sich ganz im Himmel befände und wie das irdische zweigeteilt sei. Dabei sei im Hebr grundsätzlich das Interesse an der himmlischen Welt - und so auch am himmlischen Heiligtum - dominierend.113 Auch Schierse geht davon aus, dass der Hebr ein konkretes himmlisches Heiligtum vor Augen habe. Auch wenn der Hebr nur wenige Charakterisierungen dieses Heiligtums biete, könne es als himmlische Entsprechung des irdischen Heiligtums verstanden werden. So könne es auch aufgrund der ausführlichen Angaben zum irdischen Heiligtum konkret beschrieben werden. 114 Unklar bleibt bei diesen Interpretationen zunächst, wie sich Jesu Eingehen in ein himmlisches Heiligtum und sein irdischer Weg zueinander verhalten. Schierse bemerkt, dass es unmöglich sei, die Vorstellung vom himmlischen Heiligtum, die Aufhebung des ersten Zeltes etc. mit dem Weg des irdischen Jesus in Einklang zu bringen. Stattdessen müsse das Erlösungswerk ganz als himmlischer Prozess gelesen werden.115 „Es muß

108 Hofius, Vorhang, 49; vgl. ebd., 4-48. Vgl. auch Attridge, Hebräer, 184f. 109 Hofius, Vorhang, 74: „Das κατκπέτκσμκ ist nichts anderes als der Pargod vor dem Thron Gottes, den wir in den Zeugnissen altjüdischer Märkabhah-Esoterik begegnet sind." Vgl. ebd., 74f; auch Theißen, Rezension Hofius, 426-428. 110 Anders Theißen, Rezension Hofius, 427: Die Vorstellung eines innerhimmlischen Vorhangs scheitere an Hebr 9,24. 111 Vgl. Hofius, Vorhang, 71-73. 112 Vgl. Hofius, Vorhang, 55-59; siehe auch ebd., 59-71. Der Interpretation von Hofius schließt sich Eisele, Unerschütterliches Reich, 375-377, allerdings mit Einschränkungen an. 113 Vgl. Loader, Sohn, 182-184; auch: 166-168. 114 „So darf es nicht wundern, wenn nach der ausführlichen Schilderung des irdischen Heiligtums das himmlische Gegenbild nur sehr kurz und mit wenigen Strichen gezeichnet ist." Schierse, Verheißung, 53. Vgl. ebd., 40-49; 27f. Kuss, Rezension zu Schierse, Sp. 250.252 kritisiert daran, dass Schierses durchdachte Himmelsgeographie eher Konstruktion als Rekonstruktion sei. Er spricht m.E. mit Recht von erheblichen Bedenken gegen diese Auffassung. 115 Eine ähnliche Interpretation liefert auch Thompson. S.E. werte der Hebr den alten Kult ab, weil dieser materiell, irdisch, fleischlich sei. Christi Opfer dagegen sei besser und überlegen, „because it is not material" (Thompson, Beginnings, 106; vgl. ebd., 105-109). Der Hebr bewege sich damit im Rahmen der hellenistischen Kritik an

168

Das Werk des Hohepriesters

nochmals wiederholt werden: von der irdischen Scheinwelt aus führt kein Weg in die Wirklichkeit." 116 Schierse verlegt den gesamten Weg Jesu in den Himmel; das irdische Leben, sein Leiden und der Tod am Kreuz spielen keine entscheidende Rolle für das Geschehen im Himmel. Anders Loader: Er macht deutlich, dass der Hebr die Rede von der himmlischen Welt und vom himmlischen Heiligtum an das Geschick des irdischen Jesus - genauer gesagt: an das Kreuz - anpasse. Die konkrete Geschichte Jesu verändere die vorgegebenen Vorstellungen von der himmlischen Welt. „[EJindeutig ist, daß die Sühnehandlung, die Erlösung, schon am Kreuz vollendet wurde." „Er trat ins Allerheiligste, nachdem er auf Erden die Erlösung schon gewonnen hatte. Deshalb trat er ein für allemal ins Allerheiligste ein." 117 Für Loader ist selbstverständlich, dass das Kreuz bzw. der Tod am Kreuz, zentrales Heilsereignis ist.118 Anders gewichtet dagegen Schröger das Verhältnis von Tod und himmlischer Darbringung. Der Kreuzestod wird von ihm als erster Akt verstanden, dieser ist dann nicht Heilsereignis, sondern dessen Ermöglichung.119 Ähnlich interpretiert auch Dibelius: Zentrales Heilsereignis seien nicht Kreuzigung und Auferstehung, sondern Durchdringung des Himmels und Eingang ins himmlische Heiligtum.120 Jedoch ist zu fragen, ob es nicht eine angemessenere Lektüre des Hebr gibt, die nicht in diesem zeitlichen Nacheinander verhaftet bleibt - und dennoch das irdische Geschick Jesu ernst nimmt. Insbesondere die Ansätze von Luck, Nomoto und Laub verstehen die Rede von den himmlischen Dingen als bildhafte Rede, die die Bedeutung des Christusereignisses herausstellen will.121 Luck verweist auf die deutlichen Inkongruenzen, durch die es nicht gelänge, den Weg Jesu in eine Abfolge von irdischem und himmlischen Wirken zu bringen.122 Er liest deshalb kein zeitliches Nacheinander von

116 117 118 119 120 121 122

materiellen Opfern (vgl. ebd., 109-115). Problematisch an dieser pointierten Interpretation ist, dass das Hauptziel des Hebr zu sein scheint, die Kompatibilität von Christentum und Hellenismus aufzuzeigen. Im Hebr selbst ist jedoch v.a. ein soteriologisches Interesse zu erkennen: Die Heilsbedeutung von Tod und Auferstehung bzw. Erhöhung Christi soll deutlich gemacht werden. Außerdem ist die von Thompson angenommene Abwertung des Materiellen im Hebr nicht erkennbar. Schierse, Verheißung, 57. Zum Ganzen vgl. ebd., 53-59. „Der Leib Christi gehört gar nicht ,dieser Schöpfung' (9,11) an, er ist das Vorzelt zum himmlischen Heiligtum." (ebd., 58). Loader, Sohn, 186 (beide Zitate). Hervorhebungen im Text. Loader, Sohn,188f. Schröger, Schriftausleger, 236-238; siehe v.a. FN 3 auf S. 238. Dibelius, Kultus, 172. Ahnlich auch Young, Gospel, 208-210: Er betont, dass Jesu Tod am Kreuz die Erfüllung des jährlichen Rituals bedeute, aber im Hebr keinesfalls ein himmlisches Ritual gemeint sei. Zur Uneinheitlichkeit s.o. S. 72.147. - Einen ähnlichen Ansatzpunkt wählt auch Nomoto: Der deutliche Unterschied von Hebr 8,5 (Begründung eines himmlischen Heiligtums) und Hebr 9,24 (Bild vom himmlischen Heiligtum werde fallen gelassen) mache deutlich, „daß sich der Verfasser das himmlische Heiligtum nicht etwa

Die Bedeutung des Heiligtums

169

Tod am Kreuz und himmlischem Opfer, sondern schlägt eine Lektüre vor, die die himmlischen Begriffe als Beschreibung und Interpretation des irdischen Lebenswegs Jesu versteht. Anders als bei Schierse liegt hier der Hauptakzent gerade nicht im Himmlischen, sondern beim irdischen Jesus, dessen Leiden und Tod am Kreuz. Der Hebr „will das geschichtliche Leiden und Sterben Jesu als Mitte des Glaubens, Lebens und Denkens seiner Gemeinde bewusst machen". 123 Der Himmel sei keine selbstständige Größe, in die Jesus nach dem Tod eintritt, sondern mit der Rede vom Himmel werde der Weg Jesu interpretiert.124 Dies geschehe, indem das bekannte Schema Präexistenz - Erniedrigung - Erhöhung durch die Rede vom Hohepriestertum Jesu ausgelegt und so in anderer Weise verständlich gemacht werde.125 Hierbei liegt der Hauptakzent in der Auslegung Lucks auf dem geschichtlichen Leiden Jesu.126 Laubs Grundthese ist, dass der Hebr mittels der Hohepriesterchristologie den Christusglauben neu auslegt.127 Dabei seien die kultischräumlichen Aussagen nicht als Beschreibung eines Ortes zu verstehen, sondern als Prädikate, die etwas über das Christusgeschehen aussagen.128 Als solche seien sie durch Gott offenbart (vgl. Hebr 9,8f)129. Mithilfe der kultischen Vorstellungen werden Kreuz und Erhöhung, die eigentlich unkultische Vorgänge sind, in ihrem Heilssinn erschlossen.130 Durch dieses Verständnis der kultischen Begrifflichkeit werde das Problem der Uneinheitlichkeiten bei der Beschreibung eines himmlischen Heiligtums131 sowie das problematische Nacheinander von Kreuzestod und himmlischer Dar-

123 124 125 126 127 128 129

130 131

objektiv als einen Teil in der himmlischen Topographie vorstellt" (Nomoto, Hohepriestervorstellung, 17f). Die Rede vom himmlischen Heiligtum wird aber bei Nomoto nicht verstanden als Auslegung des Leidensweges Jesu Christi, sondern als Ausdruck für die Stellvertretung Christi zur Rechten Gottes. Die Erhöhung werde durch die Rede vom himmlischen Heiligtum ausgedrückt (ebd.). Luck, Himmlisches, 209f. Luck, Himmlisches, 211. Luck, Himmlisches, 205. Nach Luck treten die Spannungen im Hebr v.a. dann hervor, wenn man versucht, die Hohepriesteraussagen in dieses zeitliche Schema Präexistenz - Erniedrigung - Erhöhung einzufügen (ebd., 204f). Vgl. Luck, Himmlisches, 211. 213f. Als Beleg dient Hebr 10,20. Die Identifizierung des Vorhanges mit der sarx Jesu weise darauf hin, dass im Leiden und Sterben Jesu der entscheidende Ort des Tempels lokalisiert ist (ebd., 208f). Vgl. Laub, Bekenntnis, 3-7. 44f. 167 u.ö. Ahnlich auch Hegermann, Hebräer, 162, zu Hebr 8,lf: „Nicht um himmlische Realien geht es, sondern um sprechende Bilder". Vgl. Laub, Bekenntnis, 195, und ders., Intention, 389-392. Als Beleg dient beispielsweise die parallele Formulierung in Hebr 9,llf: „durch das größere, vollkommenere Zelt" und „durch das eigene Blut" meinten dasselbe und deuteten so an, wie die kultischen Aussagen zu verstehen seien. Vgl. Laub, Intention, 389; außerdem ders., Verständnis, 76-85: Hier stellt Laub Postulate für die sachgemäße Auslegung der kultchristologischen Aussagen des Hebr auf und fast seine eigenen exegetischen Ergebnisse zusammen. Laub, Bekenntnis, 195f; vgl. ebd., 211-221. Vgl. Laub, Bekenntnis, 172-179.

Das Werk des Hohepriesters

170

bringung, das sich aus einer solchen A n n a h m e eines konkreten himmlischen Heiligtums ergäbe, 1 3 2 gelöst.

Diese unterschiedlichen Interpretationen spiegeln die Uneinheitlichkeit des Hebr wieder. Jedoch hat eine angemessene Auslegung des Hebr genau diese Zweideutigkeit der himmlischen Aussagen zu berücksichtigen. Zum einen sind mit den Aussagen über das himmlische Heiligtum im Hebr offensichtlich konkrete Ortsangaben vorgestellt.133 Jesus Christus geht in den bzw. in die Himmel ein, vollzieht seinen Dienst am himmlischen Heiligtum. Zum anderen gibt es keine einheitliche Terminologie,134 die auf ein bestimmtes himmlisches Szenario schließen ließe. Der himmlische Dienst Jesu Christi wird nicht ausführlich beschrieben oder ausgemalt. So ist kein eigenständiges Interesse des Hebr an der himmlischen Welt erkennbar, sondern diese wird nur in Verbindung mit christologischen und soteriologischen Aussagen erwähnt.

2.4

Schluss: Zum Verhältnis von räumlichen und geschichtlichen Vorstellungen im Hebr

Es ist deutlich geworden, dass im Hebr sowohl heilsgeschichtliche als auch räumliche Vorstellungen für die Interpretation des irdischen Heiligtums eine Rolle spielen. In Hebr 9,8f wird das πρώτη σκηνή als Sinnbild der gegenwärtigen Zeit und ihres Kultes interpretiert, während an anderen Stellen ein himmlisches Heiligtum dem irdischen entgegengestellt ist.135 In beiden Fällen wird insofern auf die Schrift zurückgegriffen, als für die heilsgeschichtliche Interpretation in Hebr 9,1-10 die Beschreibung des Heiligtums aus Ex 25ff aufgenommen und für die räumliche Interpretation Ex 25,40 sogar zitiert wird. Jedoch sind die Begriffe, mit denen das Heiligtum charakterisiert wird, nicht biblisch: παραβολή, σκιά, ύπόόαγμα und άντίτυπος stammen aus der hellenistischen Welt, werden aber z.B. bei Philo ebenfalls aufgenommen. Beide Interpretationen, die heilsgeschichtliche wie die räumliche, zielen auf dasselbe Ergebnis: die Entwertung des irdischen Heiligtums 132 133 134 135

Vgl. Laub, Bekenntnis, 207-210. Dies betont auch Loader, Sohn, 188f; vgl. Theißen, Untersuchungen, 91-93. So auch Kuss, Rezension Schierse, 251. Beispiele sind z.B. Hebr 8,2: lesus wird Diener des Heiligtums und des wahrhaftigen Zeltes genannt (τών άγιων λατουργάς και της σκηννής αληθινής), oder Hebr 9,llf: Jesu Eingang durch das größere und vollkommenere Zelt (δια της μείζονος και τελαοτέρας σκηνής) in das Heiligtum (εις τα αγια) wird beschrieben.

Die Bedeutung des Versöhnungstages

171

und seines Kultes. Mit der heilsgeschichtlichen Perspektive wird die sowohl zeitliche als auch inhaltliche Beschränkung des Alten Kultes zum Ausdruck gebracht: Dieser Kult kann nicht zur Vollkommenheit führen. Die räumlichen Kategorien stellen dem irdischen Kultort einen besseren, himmlischen Ort entgegen. Auf diese Weise wird das irdische Heiligtum in seiner Bedeutung herabgesetzt. Es verweist auf ein himmlisches Heiligtum, ist selbst aber nur Schatten oder Abbild. Beide Interpretationen sind aufeinander bezogen, so dass von einem Ineinander von zeitlich-horizontaler und räumlich-vertikaler Eschatologie gesprochen werden kann.136 Diese verschiedenen Vorstellungen werden aufgenommen, um die endgültige Geltung des Christusereignisses zu verdeutlichen. Dadurch erhalten sie ihre Bedeutung.

III. Die Bedeutung des Versöhnungstages für die Versprachlichung der Heilsbedeutung Jesu Christi 1. Die Bedeutung des Blutes 1.1 Die sühnende Wirkung von Blut Dass das Blut eine besondere Bedeutung für den Hebr hat, ist offensichtlich.137 Allein 21-mal wird im Hebr οαμα verwendet. Bis auf einen Beleg in Hebr 2,14 finden sich alle weiteren in den Kapiteln 9-13. Dabei ist zweimal vom menschlichen Blut die Rede138, die restlichen Stellen beziehen sich auf das Opfer. Hier wird das Blut bei der Beschreibung der Opferzeremonie des 136 Sterling verweist auf die Diskussion um die vertikale - von Piaton und Philo beeinflusste - Ontologie und die horizontale, christliche Eschatologie und ihren Einfluss auf den Hebr (Sterling, Ontology, 190-193). Er untersucht die Bedeutung des Heiligtums im Hebr, vergleicht dies mit Philo, Piaton und apokalyptischen Tetxen und gelangt zu dem Ergebnis, dass der Hebr beide Traditionen miteinander kombiniert habe (ebd., 208-211). Ein Ineinander von horizontaler und vertikaler Eschatologie im Hebr sehen auch z.B. Laub, Bekenntnis, 221-236; auch Kuss, Rezension Schierse, 251. Anders bewertet dies z.B. März, Hohenpriester, 245. Auch Luz, Bund, 330f; Barth, Tod Jesu, 147-155. 137 Vgl. grundsätzlich Kuss, Hebräer, 121-124; Knöppler, Sühne 205-208; Dunnill, Covenant, 100-103. 231-234. 138 In Hebr 2,14 wird das menschliche Leben als gemeinsame Teilhabe an Fleisch und Blut charakterisiert (κεκοινώνηκεν αίματος και σαρκός). In Hebr 12,4 wird erinnert, dass im Kampf gegen die Sünde noch nicht bis aufs Blut widerstanden wurde. Vgl. Kuss, Hebräer, 123.

172

Das Werk des Hohepriesters

ersten Bundes hervorgehoben (Hebr 9,7.18.19-22.25; vgl. Hebr 11,28) sowie beim Vergleich der beiden Ordnungen und ihrer Opfer. Dabei wird das Blut vom Bock (τράγος), Kalb (μόσχος) oder Stier (ταύρος) dem Blut Jesu Christi gegenübergestellt (so v.a. Hebr 9,12-14; vgl. auch 10,4; 13,llf) 139 . Aber auch das christliche Heilsereignis als ganzes kann mit Blut des Bundes (το αίμα της διαθήκης; Hebr 10,29140), des ewigen Bundes (διαθήκη αιωνίου; Hebr 13,20) oder der Besprengung (αίμα ραντισμοϋ; Hebr 12,24) benannt werden. Dies wird v.a. in Hebr 10,19 deutlich: Durch das Blut Jesu (ev τω αίματι Τησοϋ) haben wir die Zuversicht zum Eintritt ins Allerheiligste (είσοδος τών αγίων).

Mit der Betonung des Blutes als Sühnemittel steht der Hebr im Kontext der alttestamentlichen und daran anschließenden Sühnevorstellungen. „Hier [sc. Spätjudentum] wie dort [sc. Hebr] ist Blut das selbstverständliche Sühnemittel." 141 Es gibt keine profane Verwendung von Blut.142 Auch in der römisch-hellenistischen Umwelt ist die sühnende Wirkung des Blutes bekannt. 143 Doch knüpft der Hebr nicht an allgemeine Vorstellungen von der Heilsbedeutung des Blutes an, sondern stellt ganz bewusst den alttestamentlichen Blutapplikationsritus ins Zentrum der Auslegung des Christusereignisses als Opfer. An die alttestamentliche Beschreibung des Versöhnungstages in Lev 16 angelehnt, übernimmt er den Ablauf und die Bedeutung, setzt aber durch das Hervorheben des Blutes auch eigene Akzente.144 Diese besondere Betonung des Blutes wird nicht erst bei der Beschreibung des himmlischen Opferns Jesu Christi erkennbar, sondern wird auch schon bei der Beschreibung des alten Opferkultes hervorgehoben, z.B. durch das wiederholte ,nicht ohne Blut' (ού[δε] χωρίς αίματος) in Hebr 139 In Hebr 9,12 wird δια δε τοΰ Ιδίου αίματος formuliert. Nach Loader, Sohn, 189f, sei daher nicht zu übersetzen, dass Christus mit seinem eigenen Blut hineingehe, sondern wegen seines Blutes. Jedoch wird διά auch vorher schon beim Blut der Tiere verwendet (Hebr 9,12: 6L' αίματος τράγων καΐ μόσχων). Es geht also nicht um eine Sonderstellung Jesu. Vgl. auch Brandt, Opfer, 191f. 140 In Hebr 10,29 wird davor gewarnt, das Blut des Bundes für gewöhnlich zu achten (τό αΐμα της διαθήκης KOLVOV ήγεομαι). „In der Sache ist die Profanierung des Stiftungsblutes die Negation der Heilsbedeutung des Kreuzes." (Gräßer, Hebräer III, 47; vgl. ebd., 44-47). 141 Schmitz, Opferanschauung, 291. 142 Vgl. Dunnill, Covenant, 101. 143 Dies betont z.B. Braun, Hebräer, 256. 144 Darauf, dass nicht allein der Blutritus, sondern das ganze in Lev 16 geschilderte Geschehen Sühne schaffe, weist Hartenstein, Bedeutung, 131, hin. Vgl. ebd., 124-131. - Nach Eberhart sind weder Tiertötung noch Blutritus so zentral für das alttestamentliche Opferverständnis wie allgemein angenommen. So sei es z.B. Armen gestattet, anstelle eines blutigen Opfers ein unblutiges zu bringen. S.E. zeichne der Verbrennungsritus die alttestamentlichen Opfer aus und sei für diese konstitutiv. Vgl. Eberhart, Opfer, 170f. 203-216.218.222-229.319f.

Die Bedeutung des Versöhnungstages

173

9,7.18 oder durch die „Blutregel"145: ohne Blutvergießen keine Vergebung (και χωρίς αίματεκχυσίας ού γίνεται αφεσις; Hebr 9,22). Diese Regel gilt nicht nur im alten Bund und für irdische Opfer, sondern auch für die himmlische Darbringung Jesu. So ist es notwendig (ανάγκη), dass die himmlischen wie die irdischen Dinge mit Blut gereinigt werden (Hebr 9,23). Mit der Rede vom Blut wird außerdem Jesu Tod zum Ausdruck gebracht.146 Dabei bedient sich der Hebr der Sprache und Vorstellungswelt des alttestamentlichen Blutritus. Hier zeigt sich das für den Hebr typische Ineinander von Entsprechung und Uberbietung: Die Vorstellung, dass nur mit Blut Reinigung erzielt werden kann, beherrscht die Argumentation. Dies gilt im ersten wie im neuen Bund. Jedoch unterscheidet sich die Qualität des Blutes erheblich.147 Der Hohepriester Jesus ist nicht wie alle anderen Hohepriester auf fremdes Blut angewiesen, sondern er geht mit seinem eigenen Blut ins Allerheiligste. Diese Akzentuierung wird bei der Beschreibung des Dienstes des gewöhnlichen Hohepriesters in Hebr 9,25 deutlich: Er geht alljährlich mit fremdem Blut (4v αΐματι άλλοτρίω) ins Allerheiligste.

1.2 Zum Zusammenhang von Blut und Tod Der Rückgriff auf den alttestamentlichen Blutritus macht die besondere Bedeutung der Rede vom Blut deutlich. Mithilfe dieser Bedeutung gelingt es, die sühnende Wirkung des Todes Jesu zum Ausdruck zu bringen. So werden das Sterben und der Tod Jesu benannt, und gleichzeitig dessen himmlisches Opfer als Blutapplikationsritus beschrieben. Im Vollzug dieses Ritus ist Jesus als Hohepriester Handelnder. Er bringt sein eigenes Blut, sein eigenes Leben dar. Die Verbindung von Blut und Leben findet sich v.a. in Lev 17,11. Demnach liegt die Bedeutung des Blutes nicht in seiner materialen Beschaffenheit, sondern im darin enthaltenen Leben.148 Nach Janowski ist das „im Blut 145 Kuss, Grundgedanke, 318. Vgl. auch Kuss, Hebräer, 123f. 146 Dass die Kreuzigung eine sehr blutige Todesart war, betont Hengel, mors turpissima crucis, 137-145. 178f. 147 Vgl. Young, Use, 165: Es gehe hier nicht um einen Unterschied ,in principle' zwischen altem und neuem Bund, sondern um einen ,in degree'. 148 Vgl. Janowski, Sühne, 246. Zu Lev 17,11 vgl. ebd., 242-249. Vgl. Jürgens, Heiligkeit, 98-100. Auch er betont, dass die reinigende Wirkung von Blut darin begründet sei, dass das Blut Leben enthalte; so könne es von der Sünde, die einen Mangel an Leben bedeute, reinigen. Vgl. auch Hartenstein, Bedeutung, 131-133. Dass die Verbindung von Lev 17,11 und der Bedeutung des Blutes beim Opfer keineswegs eine selbstver-

Das Werk des Hohepriesters

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enthaltene L e b e n die Basis des kultischen S ü h n e g e s c h e h e n s " 1 4 9 . Er n i m m t damit die D e u t u n g Geses auf, der die B e d e u t u n g der Sühne in der stellvertretende Totalhingabe, der Bereitschaft z u m Tod, sieht. 1 5 0 Der biblische Sühnebegriff setze, so Gese, die Störung des Gottesverhältnisses voraus. Diese Störung k ö n n e n u r mit der H i n g a b e von e i g e n e m L e b e n aufgehoben werden. Stattdessen gebe es die von Gott bereitgestellte Möglichkeit der Stellvertretung durch ein Tier. Dieses k a n n anstelle des M e n s c h e n sterben u n d so Sühne erwirken. 1 5 1 Jesus bringt mit seinem Blut auch sein Leben. Die Besonderheit gegenü b e r allen a n d e r e n O p f e r n liegt hier z u m e i n e n darin, dass er nicht auf f r e m d e s B l u t ( d a m i t a u c h n i c h t a u f f r e m d e s L e b e n ) a n g e w i e s e n ist, u n d z u m a n d e r e n darin, dass er es nicht für sich selbst, s o n d e r n g a n z für die anderen darbringt. Gleichzeitig wird mit der Rede v o m Opferblut sowohl der T o d Jesu u n d dessen s ü h n e n d e W i r k u n g als a u c h die Kontinuität v o n i r d i s c h e m u n d h i m m l i s c h e m G e s c h e h e n z u m A u s d r u c k g e b r a c h t : E s ist d a s B l u t , damit verbunden auch das Leben u n d der T o d des irdischen Jesus, das i m H i m m e l v o n diesem selbst zur S ü h n u n g unserer S ü n d e n eingesetzt wird. Damit wird mit d e m Begriff des Blutes nicht nur Jesu passives Sterben b e n a n n t , s o n d e r n auch dessen aktives H a n d e l n als h i m m l i s c h e r Hohepriester,

das

Sühne

für

alle b e w i r k t .

Inwiefern

hier

an

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tatsächliche Blutbesprengung in einem himmlischen Heiligtum gedacht ist, b l e i b t o f f e n . 1 5 2 S i c h e r ist, d a s s m i t d e r R e d e v o m B l u t d a s S t e r b e n J e s u u n d d e s s e n soteriologische B e d e u t u n g v e r s p r a c h l i c h t w e r d e n soll.

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ständliche Deutung sei, meint Schenker, Versöhnung, 106f. Dass mit der Dahingabe des Blutes auch eine Dahingabe von Leben verbunden sei, sei keine explizite Deutung durch die alttestamentlichen Texte, sondern müsse aus Lev 17,11 geschlossen werden. Eberhart, Opfer, 257-261, differenziert zwischen der besonderen Heiligkeit des Blutes und Fleisches des Sündopfertiers beim chattat-Opfer und der Heiligkeit des Blutes als allgemeinem Charakteristikum von Opferblut nach Lev 17,11. Janowski, Sühne 247. Vgl. auch Hübner, Sühne und Versöhnung, 115. Vgl. Gese, Sühne, 90. Ob diese Interpretation eine dem alttestamentlichen Sühnekult angemessene ist, kann und soll hier nicht weiter diskutiert werden. Allerdings kann mit dieser Deutung Geses bzw. Janowskis die Vorstellung, die im Hintergrund des Hebr steht, erklärt werden. Zur Kritik an der Deutung Geses siehe ζ. B. Brandt, Opfer, 121-140; Eberhart, Opfer, 194-196. 203-221; Schröter, Sühne, 58-66. 69-71. Grundsätzlich widerspricht auch Schenker: Die Gabe, das Geben sei das zentrale Moment der Sühnung. Vgl. Schenker, Versöhnung, 102. Das Opfern eines Tieres sei nicht in erster Linie stellvertretende Lebenshingabe, sondern die Ersetzung einer harten Strafe durch eine milde. Ein Tier (aus dem eigenen Besitz) müsse statt des eigenen Lebens gegeben werden (ebd., 107f). Auffälligerweise verstehen nahezu alle Interpretationen - sowohl diejenigen, die die Realität von himmlischem Heiligtum und Opfer betonen als auch diejenigen, die alle kultische Redeweise bildhaft verstehen - die Rede vom Mitnehmen des Blutes nicht wörtlich. So z.B. Loader, Sohn, 190: „Das Mitbringen des Blutes ist ganz sicherlich

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2. Das Sündopfer am Versöhnungstag als Vorlage für die Rede vom hohepriesterlichen, himmlischen Opfer Jesu Christi 2.1

Die Blutapplikation als zentrales Element des Sündopfers

Mit der Vorstellung des Hineingehens ins Allerheiligste mit Blut greift der Hebr den Ritus der Blutbesprengung und -applikation auf. Dies wird schon in der Beschreibung des irdischen Priesterdienstes in Hebr 9,18-22 erkennbar: Der Bundesschluss am Sinai (vgl. Ex 24,1-8) wird erinnert. Der Bund wurde dort mit Blutbesprengung feierlich besiegelt. Diese Handlung wird im Hebr anders als in Ex 24 ausschließlich mit der Sühne in Verbindung gebracht. Die Darstellung des in Ex 24 beschriebenen Bundesschlusses wird in Hebr 9 so verändert, dass sich die Interpretation als Sühnopfer nahe legt.153 Allein auf diese Aussage von Ex 24 kommt in Hebr 9 an, weiter wird mit diesem Text nicht argumentiert.154 In Hebr 9,22f wird festgehalten, dass fast alle Dinge mit Blut gereinigt werden (καθαρίζω): die Abbilder der himmlischen Dinge (ύποδ^ίγματα τών έν τοις ούρανόις) und die himmlischen Dinge selbst (κότα öe τα Επουράνια). Hier findet sich die einzig konkretere Aussage über Jesu himmlischen Dienst im Hebr: Die himmlischen Dinge werden durch bessere Opfer gereinigt (Hebr 9,23; vgl. V24). Wie dieses Opfer aussieht, wird nicht gesagt. Auch an anderen Stellen bleiben die Beschreibungen vage: Jesus wird Diener des Heiligtums (τών άγιων λειτουργός; Hebr 8,2) genannt. Er geht mit eigenem Blut ins Heiligtum (διά δε τοϋ ιδίου αίματος είσήλθεν; Hebr 9,12). Die Aussagen, dass er sich selbst (z.B. Hebr 9,14) oder ein Opfer für die Sünden (10,12) dargebracht hat (προσφέρειν), werden ohne Angabe eines Ortes formuliert.

Die Bedeutung des Blutes und die Rede vom Opfer und vom Hineingehen ins Heiligtum legen nahe, dass an den Ritus der Blutbesprengbildhaft zu verstehen." Vgl. ebd., 190-192. Vgl. auch Laub, Bekenntnis, 189. 196f: Das Blut bedeute den Kreuzestod, besser die Heilsbedeutung des Kreuzestodes. Vgl. auch Thompson, Beginnings, 107f. 153 Vgl. Lehne, Covenant, 23; Young, Sacrifice, 148-151; Isaacs, Space, 120-122. Anders bewertet dies Attridge, Antithesis, 5-9, der die Bedeutung des Todes Jesu als Bundesopfer in Hebr 8-10 herausstellt. Vgl. auch Vogel, Heil, 97-102, der die kultische Interpretation des Bundesbegriffs im Hebr hervorhebt. 154 Zu Ex 24 und dem Bundesopfer vgl. Eberhart, Opfer, 270-273; Durmill, Covenant, 126-128 - zur Interpretation von Ex 24 in Hebr 9 siehe Schröger, Schriftausleger, 169172.

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ung, der zum Ritual des Sündopfers (ηκαπ) gehört, gedacht ist. Die Blutapplikation ist genuines Element des alttestamentlichen Sündopferrituals und wird meist in Verbindung mit anderen Opfern vollzogen.155 Zu unterscheiden sind der kleine (Blutapplikation am Altar) und der große Blutritus (Blutapplikation am Heiligtum). 156 Letzterer bedeutet Reinigung und Heiligung des Heiligtums und damit die Entsühnung des Volkes. Dahinter steht die Vorstellung, dass jede begangene Sünde auch eine Verunreinigung des Heiligtums bewirkt (vgl. Lev 20,1-3; Num 19,13.20-22; Lev 15,31; Lev 16,16). „Es ist evident, daß es nach atl. Verständnis noch eine andere Dimension von Sünde geben muß, die in der Tat außerhalb der individuellen Person existent und wirkmächtig ist. Bei dieser anderen Dimension der Sünde handelt es sich um die Verunreinigung des Heiligtums." 157 Erst durch die Reinigung des Heiligtums gelingt die vollständige kultische Entsühnung; 158 und zwar beim großen Blutritus ganz Israels (vgl. 2 Chr 29,20-24).159

2.2

Die Bedeutung des großen Versöhnungstages (Lev 16)

Der Hebr hat nicht das gewöhnliche Sündopfer 160 vor Augen, sondern den großen Versöhnungstag, den Jom Kippur. Dieser bildet den Höhepunkt und das Zentrum des Kulijahres. Dass der Hebr diesen Tag vor Augen hat, wird durch die Rede vom Zelt (σκηνή) deutlich. In Lev 16 ist von der Stiftshütte161 die Rede, in den Texten Ez 43 und Ez 45 zur Altar- und Heiligtumsweihe dagegen vom Tempel

155 Eberhart, Opfer, 159-175. Vgl. auch ebd., 113-159. 156 Vgl. Janowski, Sühne, 221-259. Er fragt hier nach der Herkunft bzw. Ursprünglichkeit des kleinen und großen Blutritus. 157 Eberhart, Opfer, 157. Eberhart weist darauf hin, dass die Gesetze zum großen Versöhnungstag Lev 16 nicht zufällig nach den Reinigungsgesetzen Lev 11-15 stehen. Sie zeigen die notwendige Reinigung des Heiligtums nach den Verunreinigungen an (ebd.). Zum Zusammenhang von Lev 16 und den Reinigungsritualen vgl. auch Jürgens, Heiligkeit, 343 - 366. 158 Zum Problem, warum auch das himmlische, von Gott errichtete Heiligtum gereinigt werden muss, nicht nur das irdische, siehe z.B. Michel, Hebräer, 323f; Windisch, Hebräer, 85; siehe auch Kraus, Heiligtumsweihe, 242-245. 159 Vgl. Janowski, Sühne, 241. Siehe auch Gese, Sühne, 102: „Die Sühne im eigentlichen, kultischen Sinn wird durch die Blutbesprengung im Allerheiligsten vollzogen". Vgl. Jürgens, Heiligkeit, 107 - 111; auch Eberhart, Opfer, 155f.l58. 160 Zum Sündopfer vgl. z.B. Lev 4,1-5.13; 6,17-23; vgl. Eberhart, Opfer, 113 -140. 159 173; Jürgens, Heiligkeit, 303 - 339. 161 Hebräisch: 13710 LXX: σκηνή του μαρτυρίου.

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bzw. Haus.162 Außerdem wird durch die Beschreibung des Kultes bzw. Heiligtums in Hebr 9,1-8 ebenfalls der Ritus des Versöhnungstages erkennbar: Nur hier betritt der Hohepriester das Allerheiligste, tritt hinter den Vorhang, der Begegnungszelt und Allerheiligstes voneinander trennt. Er vollzieht das Sündopfer am Heiligtum und im Allerheiligsten (vgl. Lev 16,11-19). Nur zu diesem Anlass geht der Hohepriester einmal im Jahr ins Allerheiligste.163

Genau diese Vorstellung greift also der Hebr auf und gebraucht sie als Vorlage, um die soteriologische Bedeutung des Todes Jesu als Opfer zu beschreiben. Der große Versöhnungstag, dessen Ablauf und Bedeutung sind der Gemeinde offensichtlich bekannt. Der Text wird weder zitiert noch paraphrasiert, der beschriebene Ritus nicht erläutert; dennoch: „The reference to the Day of Atonement is unmistakable."164 Jedoch übernimmt der Hebr nicht den gesamten in Lev 16 beschriebenen Ablauf. Der alttestamentliche Text Lev 16 in der uns heute vorliegenden Form ist ein gewachsener, in dem verschiedene Riten wie der Eliminationsritus des Sündenbockes und der Blutritus zusammengefügt wurden. 165 Der uns vorliegende Text wird eingeführt als Rede JHWHs an Mose und bietet folgende Reihenfolge: Zunächst wird die Bedeutung des Tages durch die besondere Kleidung und das einmalige Hineingehen ins Allerheiligste hervorgehoben (Vl-4), dann folgt der Losritus (V5-10), in dem ein Bock fürs Sündopfer (vgl. Vll-19) und ein weiterer für den Eliminationsritus (V20-22) bestimmt werden. Auf Sündopfer und Eliminationsritus folgen Brandopfer und abschließende Waschungen (V23-28). Den Abschluss bildet eine Paränese (V29-34).

Durch die nur selektive Aufnahme von Lev 16 im Hebr kommt es insofern zu einer Akzentverschiebung, als der Ritus der Blutbesprengung eigentlich die kultische Sühne, die Entsühnung des Heiligtums, bedeutet. Erst daraufhin folgt der Eliminationsritus mit dem Asaselbock und das Brandopfer zur Sühnung der individuellen Sünden.166 Der Hebr hat jedoch nicht allein die kultische Sühne im Blick: Das ein162 Hebräisch: ΓΡ3Π; LXX: οίκος. Zur Altar- und Heiligtumsweihe in Ez siehe Kraus, Heiligtumsweihe, 59 - 65. 163 Vgl. Jürgens, Heiligkeit, 339-342. Er spricht von einer Steigerung des Sündopfers am Jom Kippur gegenüber dem sonstigen Sündopfer. Zu Jom Kippur siehe auch Eberhart, Opfer, 140-159. 164 Young, Gospel, 199. Zur Bedeutung des Jom Kippur im Hebr auch Stökl, Yom Kippur, 180-194. 165 Vgl. z.B. Janowski, Sühne, 265-271. Ausführlich zur Gliederung vgl. Jürgens, Heiligkeit, 57-73. 166 Vgl. Eberhart, Opfer, 374f; Jürgens, Heiligkeit, 118-123. Zur Zusammengehörigkeit von Blutbesprengung und Brandopfer für die sühnende Wirkung des Sündopfers siehe Eberhart, Opfer, 266f.

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malige Opfer bewirkt die Sühnung aller Sünden und bedeutet Reinigung und Vollendung aller Glaubenden (z.B. Hebr 9,14; vgl. schon Hebr 2,17). Auch wenn sich der Hebr an die alttestamentlichen kultischen Vorstellungen hält, so wird gleichzeitig eine Freiheit im Umgang mit den Texten und Vorstellungen erkennbar: Nicht alles eignet sich, um den Tod Jesu und dessen soteriologische Bedeutung angemessen zu versprachlichen. So wird ausgewählt und neue, eigene Akzente werden gesetzt. Mit dieser einseitigen Akzentsetzung auf den Blutapplikationsritus wird deutlich, dass der Hebr hauptsächlich an der Rolle des Hohepriesters interessiert ist, wenn er das Opfer Jesu beschreibt. Mit Lev 16 greift er auf den alttestamentlichen Text zurück, der "unique in giving central place to the high priest"167 ist. Jedoch unterscheidet das Opfer Jesu sich deutlich von dem aller anderen Hohepriester. Sind diese sowohl Opfernde als auch Empfänger der Sühnewirkung, so bedarf Jesus des Opfers nicht. Allerdings füllt auch er beim Opfergeschehen zwei Rollen, indem er Opfernder und Opfergabe ist.168

3. Hohepriestertitel und Opfervorstellungen als angemessene Interpretation des Heilshandelns Jesu Christi Anhand der alttestamentlichen kultischen Vorstellungen, besonders des Versöhnungstages nach Lev 16, wird Jesus als Hohepriester gezeichnet, der endgültige Sühne für alle erreicht. Um die Heilsbedeutung von Jesu Tod zum Ausdruck zu bringen, greift der Hebr auf die Sprache und Bedeutung des alttestamentlichen Kultes, besser gesagt des großen Versöhnungstages, zurück und deutet ihn typologisch.169 Auf diese Weise wird das Werk Jesu Christi in seiner 167 Grabbe, Priests, 210. Nur Lev 16 setzt sich so dezidiert mit der Rolle des Hohepriesters auseinander. In Lev 23,26-32 wird die Rolle der Israeliten, in Num 29,7-11 werden die Opferarten am großen Versöhnungstag besprochen. Vgl. auch Eberhart, Opfer, 140. Die besondere Bedeutung des Hohepriesters Aaron am Jörn Kippur betont auch Jürgens, Heiligkeit, 91-93.100; siehe auch Safrai, Versöhnungstag, 36f. 168 Vgl. Nelson, Sacrifice, 257-259. 169 „Es geht ihm dabei nicht um Opferpraxis als solche, sondern um Heilsvermittlung, die sich für ihn in Anlehnung an die frühe Bekenntnistradition mit dem Ritual des Versöhnungstages verbindet." (März, Hohenpriester, 252). Anders Dunnill, Covenant, 239: Im Hebr sei nicht nur das eine Sühnopfer zentral, sondern eine reiche Aufnahme kultischer Traditionen aus dem Alten Testament festzustellen. Vgl. ebd., 115-148.149-187. Jedoch bleibt dagegen festzuhalten, dass allein der Blutapplika-

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Bedeutung entfaltet. Deutlich wird dabei, dass der Hebr damit in erster Linie ein soteriologisches Anliegen verfolgt. Nicht der genaue Ablauf des Opfer(n)s, nicht die genaue Abfolge von Handlungen interessiert, sondern das Resultat, das als Beseitigung der Sünde, Reinheit der Glaubenden oder Zugang zu Gott beschrieben wird. Das Anliegen des Hebr ist also nicht die Darstellung eines himmlischen Kultes, sondern die mit der kultischen Sprache zum Ausdruck gebrachte Zusage der Versöhnung. Dies wird schon in der ersten Erwähnung des Hohepriestertitels in Hebr 2,17 deutlich: εις τό Ιλάσκεσθαι τάς αμαρτίας τοϋ λαοϋ beschreibt den Zweck und die Wirkung des Hohepriesterseins Jesu (vgl. z.B. auch Hebr 9,26). Mit Jesu einmaligem Opfer ist endgültiges Heil verbunden. Dies soll als sichere Aussage der Gemeinde vermittelt werden.170 Dafür wird auf die kultischen Vorstellungen des Alten Testaments zurückgegriffen. Kreuz und Auferstehung sind unkultische Ereignisse.171 Sie werden auch nicht als kultische Vorgänge dargestellt oder interpretiert. Allerdings werden sie - als einheitliches Werk Jesu Christi verstanden - in ihrer Heilsbedeutung im Rückgriff auf den Kult, die kultische Sprache und Vorstellungswelt entfaltet.172 Aus diesem Grund kommt es zu problematischen Schieflagen, wenn dennoch genaue Entsprechungen von Jesu Handeln und alttestamentlichen Kult gesucht werden.173 Der Hebr bedient sich der alttestamentlichen Sprache und Vorstellungswelt, um die Bedeutung aufzuzeigen, die das einmalige Werk Christi hat.174 Der Titel Hohepriester und die damit verbundenen kultischen bzw. soteriologischen Aussagen sind allerdings nicht bloße Argumentationshilfe,175 sondern bringen das Heilshandeln Jesu Christi adäquat zum Ausdruck. Die Hohepriesterschaft Jesu Christi ist nicht ein beliebiges Bild, um das Heilshandeln zu erklären, sondern Jesus Christus ist

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tionsritus des Großen Versöhnungstages eine derartig zentrale Rolle im Hebr spielt alle weiteren Motive werden nicht ausgeführt. Vgl. Loader, Sohn, 171. Dies betont auch Janowski, Sühne, 352. Vgl. Gräßer, Hebräer II, 235; Laub, Bekenntnis, 119f. 195; Backhaus, Bund, 252-254; Weiß, Hebräer, 775f. Anders z.B. Knöppler, Sühne, 199: Im Sühnetod Jesu sehe der Hebr zwei Ritualakte vollzogen: die Blutgewinnung durch Schlachtung und die Blutbesprengung durch den Eingang ins Allerheiligste. Gräßer, Hebräer I, 245, betont die Identität von Kreuz und Auferstehung bzw. Himmelfahrt. Nur gemeinsam seien sie als Opfer zu verstehen. Vgl. ders., Hebräer II, 194. Brandt, Opfer, 411, weist darauf hin, dass nicht nur Jesu Tod allein, sondern dieser nur im Zusammenhag mit seinem Leben als Opfer verstanden werden kann. So z.B. Laub, Bekenntnis, 219-221.

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für den Hebr der ewige Hohepriester. Sein Werk kann mithilfe der kultischen Vorstellungen des Alten Testaments entfaltet werden. Das Christusereignis prägt dabei die Auswahl und Akzentsetzungen im Umgang mit den alttestamentlichen Texten. Die Theologie des Hebr wird umgekehrt auch von alttestamentlichen Vorstellungen und Texten beeinflusst. Nur vom alttestamentlichen Opferkult her wird verständlich, wieso der Hohepriestertitel dieses Gewicht erhält, wieso von Blut, Blutbesprengung und Heiligtum die Rede ist und sonst im Neuen Testament übliche Vorstellungen (z.B. das Kreuz, die Auferstehung) zurücktreten.176

4. Vollkommenheit und Nähe zu Gott - das soteriologische Ziel der Rede vom Hohepriester Jesus Die Wirkung des Opfers Christi wird im Hebr mit verschiedenen Vokabeln beschrieben:177 z.B. καθαρίζει in Hebr 9,14.22.23, vgl. Hebr 1,3; άγίάζείν in Hebr 2,11; 9,13; 10,10.14.29; 13,12, vgl. Hebr 12,14; ίλάσκεσθαι in Hebr 2,17; σωζει,ν in Hebr 7,25, vgl. 2,10. Jedoch verdeutlichen zwei Beschreibungen die Leistung des Opfers Jesu in besonderer Weise. Zum einen betont der Hebr immer wieder, dass durch das eine Opfer Jesu die Nähe zu Gott möglich ist (z.B. προσερχεσθαί έγγίζει,ν έισφχεσθαι; vgl. z.B. Hebr 4,16; 7,19.25; 10,19),178 zum anderen wird die Vollendung (τελείωσι,ς; τελαοϋν), die durch das Opfer Jesu erreicht wurde, herausgestellt. Um die Bedeutung des hohepriesterlichen Handelns Jesu darzustellen, greift der Hebr auf alttestamentliche Sühnevorstellungen zurück, um sie aufzunehmen und zu überbieten. Dabei wird der alttestamentliche Kult und dessen Sühnefunktion deutlich in seiner Bedeutung eingeschränkt. Mehrfach wird betont, dass dieser Kult nicht vollkommen machen kann bzw. konnte (μή δυνάμενοι κατά συνείδησιν τελειώσαι τον λατρεύοντα, Hebr 9,9; ούδέποτε δύναται τους προσερχομένους τελειωσαι, Hebr 10,1; vgl. auch Hebr 7,11.19). Die Häufigkeit und ständigen Wiederholungen (Hebr 7,27; 10,2), die Tat176 „Hebrews, likewise, is both master and slave to the symbolism it aims to interpret." (Durmill, Covenant, 116). Vgl. Windisch, Hebräer, 90-93; Kuss, Grundgedanke, 318.320. Anders Hahn, Verständnis des Opfers, 78. 177 S.o. S. 143-145. Vgl. Knöppler, Sühne, 192-195.213-218; Nelson, Sacrifice, 259-265. 178 Zu προσέρχεσθοα und ähnlichen Vokabeln siehe Lohr, Umkehr, 251-271; Scholer, Priests, 91-149; Thüsing, Kulttheologie, 5-12; zu είσέρχεσθαι siehe Scholer, Priests, 150-184.

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sache, dass der Hohepriester im Alten Testament auch für die eigene Schwäche und Sünde opfert (Hebr 5,2f; 7,27; 9,7), der Ort (Hebr 8,4f; 9,l-12.23f), die Charakterisierung als fleischliche Ordnung (Hebr 7,16; 9,10.13), das Angewiesensein auf fremdes Blut (Hebr 9,25) und die Beziehung zum Gesetz (Hebr 7,10-19.28; 10,1) zeigen dies deutlich. Vollkommenheit dagegen kennzeichnet das Opfer Jesu; und zwar in verschiedener Hinsicht: Von Jesus wird gesagt, dass er vollkommen gemacht wurde - durch Leiden (δια παθημάτων τελειώσαι, Hebr 2,10; vgl. Hebr 5,9: και τελειωθείς). Der Hohepriester Jesus ist der Sohn, der in Ewigkeit vollendet wurde (υίόν εις τον αιώνα τετελειωμένον; Hebr 7,28). Jedoch ist Jesus nicht nur derjenige, der vollendet wurde, sondern auch der, der Vollendung bringt. Mit einem Opfer hat er die, die geheiligt werden, vollkommen gemacht (μια γαρ προσφορά τετελείωκεν ε'ις τό διηνεκες τους άγιαζομένους; Hebr 10,14; vgl. auch Hebr 11,40; 12,23). τελειοΰν ist im Hebr durch den kultischen Sprachgebrauch, wie er auch in der Septuaginta belegt ist, geprägt und wird daher zumeist mit ,weihen' übersetzt.179 Jedoch ist das Verständnis von τελειοΰν als Weihe zu eingeschränkt, wenn nicht berücksichtigt wird, dass ,weihen' nicht allein die Priesterweihe meint,180 sondern in einem umfassenden Sinn bedeutet, „jemanden in den Zustand versetzen, in dem er vor Gott treten bzw. vor Gott bestehen kann."181 Diese Vollendung, von der der Hebr spricht, meint die Befähigung, Gott zu begegnen. Sie beschreibt einen dauerhaften Zustand der ganzen Gemeinde, in den sie durch Jesu Opfer versetzt wurde.182 Welche Bedeutung τελειοΰν bei Jesus hat, ist umstritten. Dibelius plädiert für ein einheitliches Verständnis von τελειοΰν als kultischem Begriff, der auch bei Christus Weihe bedeute.183 Kögel dagegen ist der Meinung, dass es im Hebr wie im allgemeinen griechischen Sprachgebrauch nicht möglich sei, ein einheitliches Verständnis von τελειοΰν festzulegen. Was τελειοΰν bedeute, ist davon abhängig, von wem es ausgesagt werde. 184 In Bezug auf Jesus (Hebr 2,17; 5,9; 7,28) sei τελειοΰν eine Aussage über dessen Qualität als Heilsmittler. Diese wird als vollendet beschrieben.185

179 Vgl. Dibelius, Kultus, 166-168; Kurianal, High Priest, 222-228; Gräßer, Hebräer II, 204f; Michel, Hebräer, 269; Gäbler, Kulttheologie, 163-170. Zur allgemeinen Bedeutung von τελειοΰν siehe Kurianal, High Priest, 220-222; auch Peterson, Perfection, 21-46. 180 Vgl. Lohr, Umkehr, 276f. 181 Delling, ThWNT VIII, 83; vgl. ebd. 81f, 83-88. 182 Kurianal, High Priest, 232, spricht von „ideal state". 183 Vgl. Dibelius, Kultus, 169-172. 184 Kögel, τελειοΰν, 60. Vgl. ebd., 55-60; ebenso Lohr, Umkehr, 278-285. 185 Vgl. Kögel, τελειοΰν, 60-64.

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Das Werk des Hohepriesters

Von Jesus ist τελειοΰν v.a. im Kontext seines Leidens ausgesagt (v.a. Hebr 2,10: δια παθημάτων τελειώσαι; vgl. Hebr 5,9). Die Betonung des Leidens Jesu bedeutet das Herausstellen seiner Menschlichkeit.186 Wenn in diesem Kontext Jesu Vollendung zum Ausdruck gebracht wird, dann insofern, als dass seine Menschlichkeit entscheidende Voraussetzung für sein Amt als Hohepriester ist.187 So verstanden meint τελειοΰν auch bei Jesus dessen Befähigung, vor Gott zu treten. Diese unterscheidet sich v.a. dadurch von der der Gemeinde, dass Jesus als Sohn in Ewigkeit vollendet wurde (εις τον αιώνα τετελειωμένον; Hebr 7,28). Er ist also vollendet bzw. wurde vollendet, während er die Glaubenden vollendet hat.188 Wie τελειοΰν wird auch ,Gott-Nahen' sowohl von Jesus als auch von der Gemeinde ausgesagt. Jesus tritt als Hohepriester zu Gott, ins Heiligtum (είσήλθεν εφάπαξ εις τά άγια; Hebr 9,12; vgl. 9,24; 6,20). So ist auch die Gemeinde aufgefordert, hinzuzutreten (vgl. προσερχώμεθα in Hebr 4,16; 10,22). Durch Jesus ist dieser Zugang grundsätzlich möglich (vgl. Hebr 7,25; 10,19). Die Nähe, der Zugang zu Gott und die Begegnung mit ihm sind ebenfalls wichtige Elemente des alttestamentlichen Kultes.189 Mit dem Resultat des für alle offenen Zugangs zu Gott190 unterscheidet sich der Dienst des Hohepriesters Jesus allerdings deutlich von dem aller anderen Priester. Diese Hohepriester gehen selbst hinein, öffnen aber dadurch nicht den Weg. Anders Jesus, er selbst führt seine Gemeinde zu Gott.191 Dies erklärt auch den Titel αρχηγός in Hebr 2,10; 12,2. Damit ist das Hinzutreten zu Gott, der Eingang in das Allerheiligste, nicht mehr Privileg des Hohepriesters oder der Priesterschaft, sondern aller Glaubenden. 192

186 Vgl. v.a. oben S. 68-70. 95-97. 187 Vgl. auch Rissi, Menschlichkeit, 32f. 188 Vgl. Scholer, Priests, 200: τελαοϋυ habe für Jesus dieselbe Bedeutung wie είσέρχεσθαι, während es für die Gemeinde dieselbe Bedeutung wie προσέρχεσθαι habe; vgl. ebd., 185-200. Attridge, Hebräer, spricht von der soteriologischen Dimension von τελειοΰν im Hebr. Vgl. ebd., 83-87. 189 Dies zeigt allein schon die Bezeichnung Begegnungszelt (l?7iQ Dies ist der Ort der Begegnung von Gott und Mensch (vgl. Ex 29,42-46); vgl. Janowski, Sühne, 356f. Allgemein siehe auch Eberhart, Opfer, 355-359; Gese, Sühne, 99. 190 Dass dieser Zustand aber nicht derselbe wie die versprochene eschatologische Ruhe ist, betont Scholer, Priests, 201-207. 191 Vgl. Dibelius, Kultus, 171; Wenschkewitz, Spiritualisierung, 143f. 192 Vgl. Gräßer, Hebräer II, 194f. Diese Übertragung der Priesterfunktion auf die Gemeinde ist auch in Hebr 13,15f zu finden. Statt des kultischen Opfers, dass der Priester darbringt, ist die Gemeinde gefordert, Lobopfer darzubringen (κναφέρειν

Die Opferkritik und der christliche Gottesdienst

Mit Vollendung' und ,Zugang zu Gott', die beide sowohl von Jesus als auch von der Gemeinde ausgesagt sind, ist die dauerhaft erreichte Wirkung des Opfers Jesu, das auf seiner Solidarität mit den Menschen beruht, in spezifischer Weise zum Ausdruck gebracht. Beide Vorstellungen entstammen dem alttestamentlichen, kultischen Bereich, werden aufgenommen und zugleich überboten, indem sie keine besondere Auszeichnung des Priesters oder Hohepriesters bedeuten, sondern allen Glaubenden in Christus zugesprochen sind. Die Begrenztheit, die dem alten Kult anhaftete, existiert nach dem einmaligen Opfer Jesu nicht mehr.

IV.

Die Opferkritik und der christliche Gottesdienst

Dass die Heilsbedeutung des Todes Jesu für den Hebr am geeignetsten in der Opfer- und Kultsprache des Alten Testaments aussagbar ist, bedeutet nicht, dass dieser Kult weiterhin Bestand haben soll. Ganz im Gegenteil: Das einmalige Opfer Jesu macht andere Opfer unnötig und für die christliche Gemeinde unmöglich. Dies wird im Hebr zweifach begründet: mit der Einmaligkeit des Opfers Jesu und mit dem Zitat von Ps 40 (LXX39) in Hebr 10,5ff. Es gibt keinen Kult mehr. Einzig vom Lobopfer der Gemeinde ist die Rede (Hebr 13,15f). Mit dieser Übertragung des Opfergedankens vom Kultischen hin zum Ethischen nimmt der Hebr die allgemeine Tendenz zur Spiritualisierung des Opferbegriffes auf. Auch mahnt der Hebr, die regelmäßigen Versammlungen zu besuchen (Hebr 10,25).

1. Die grundsätzliche Unmöglichkeit von Opfern nach dem Christusereignis 1.1 Die Einmaligkeit des Opfers Jesu Jesu Opfer ist einmalig. Dies wird im Hebr an entscheidenden Punkten mit απαξ (einmal) bzw. εφάπαξ (ein für allemal) betont.193

θυσίαυ). Vgl. Gräßer, Hebräer III, 390; Hegermann, Hebräer, 277; Wenschkewitz, Spiritualisierung, 144f. 193 Vgl. z.B. Stott, Offering, 65.

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Das Werk des Hohepriesters

εφάπαξ wird im Neuen Testament ausschließlich zur Charakterisierung des einmaligen Opfers Jesu verwendet 194 und kann daher als terminus technicus bezeichnet werden. 195 In Hebr 7,27 wird Jesu ein für allemal (εφάπαξ) geschehenes Opfer dem Opfer des menschlichen Hohepriesters, das angeblich täglich (καθ' ήμέραν) nötig ist, gegenübergestellt. 156 Ebenso wird in Hebr 9,12 mit εφάπαξ Jesu einmaliges Hineingehen ins Heiligtum zum Ausdruck gebracht197, und in Hebr 10,10 wird das ein für allemal (εφάπαξ) geschehene Opfer genannt, durch das alle geheiligt sind. άπαξ wird v.a. in Hebr 9,26-28 verwendet: Er ist einmal (άπαξ) in der Vollendung der Zeitalter offenbart, um durch sein Opfer die Sünde aufzuheben (V26). Gleichwie es den Menschen vorbehalten ist, einmal (άπαξ) zu sterben (V27), so ist auch Christus einmal (άπαξ) geopfert worden (V28).198 Auffällig ist hier der Bezug zur Sünde: „Beide Male (v 26 u 28) ist der Zweck des άπαξ Christi in bezug auf die Sünde betont: Durch sein einmaliges (Kommen und) Sterben wird die Sünde endgültig beseitigt [...]".199 Das einmalige Sterben Jesu bedeutet Heil und damit das endgültige Ende der Sünde.

Ein einmaliges Opfer Jesu genügt, um endgültig Heil zu garantieren. Mit diesem Opfer ist jegliches anderes Opfern unnötig geworden. Der Hebr präsentiert hier ein funktionales Opferverständnis: Wenn das Opfer seinen Zweck erreicht hat, nämlich endgültig von den Sünden zu reinigen, ist eine Wiederholung unnötig und sogar unmöglich. Deswegen kann der alte Kult aufgrund seiner ständig notwendigen Wiederholungen als minderwertig und unvollkommen bezeichnet werden. 200 Hätte hier Vollendung (τελέίωσι,ς) oder endgültige Sündenreinigung (απαξ κεκαθαρι,σμενος, Hebr 10,2; vgl. Hebr 1,3) erreicht werden können, wäre das Opfer Jesu nicht notwendig gewesen. Die Wiederholungen der Opfer im Alten Kult machen so deutlich, dass dieser nicht vollenden kann, sondern vielmehr immer wieder die Sündhaftigkeit seiner Teilnehmer vor Augen führt (vgl. Hebr 10,2f). Dadurch bewirken die Opfer nur die Erinnerung an Sünden (άνάμνησις αμαρτιών"; Hebr 10,3), nicht aber die endgültige Reinigung. Anders das einmalige Opfer Jesu.

194 Vgl. εφάπαξ außerhalb des Hebr in Rm 6,10 und απαξ in 1 Petr 3,18; siehe auch Jud 1,3.5. 195 So Stählin, ThWNT I, 382. Vgl. ebd., 382f. 196 Zu Hebr 7,27 und der Problematik der täglichen Opfer s.o. S. 128. 197 Vgl. entsprechend das einmalige Hineingehen des Hohepriesters in den zweiten Teil des irdischen Heiligtums Hebr 9,7: εις δε την δευτέραν απαξ του έιααυτοΰ μόνος ό αρχιερείς. 198 Der Hebr formuliert in Hebr 9,28 im Passiv: προσευεχθείς. „Um die Analogie zum passiv erlittenen Tod der Menschen zu wahren, ist jetzt passivisch von Jesu Opfer die Rede" (Gräßer, Hebräer II, 198). 199 Stählin, ThWNT I, 381. 200 Vgl. Wenschkewitz, Spiritualisierung, 133.

Die Opferkritik und der christliche Gottesdienst

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Dieses macht jeden weiteren Opferkult unnötig und auch unmöglich, so dass das C h r i s t e n t u m n a c h d e m H e b r n o t w e n d i g e r w e i s e eine Relig i o n o h n e O p f e r ist. I n s e i n e m Z e n t r u m steht a l l e r d i n g s d a s e i n m a l i g e O p f e r Jesu Christi.201

1.2 P s a l m 4 0 ( L X X 3 9 ) als W o r t d e s S o h n e s a n G o t t b e i m Eintritt i n die Welt Eine

weitere

Begründung

für

die

Nicht-Existenz

des

Kultes

im

C h r i s t e n t u m liefert H e b r 10,5ff. N a c h d e m die E r f o l g l o s i g k e i t d e s A l t e n Kultes festgehalten w u r d e (10,1-4), w i r d ab V 5 Ps 4 0 (LXX39),7-9 zitiert u n d anschließend ausgelegt. I m Psalter, v.a. in den P s a l m e n 40 (LXX39), 50 (LXX49), 51 (LXX50) u n d 69 (LXX68), findet sich die deutlichste u n d grundsätzlichste Kult- b z w . Opferkritik des Alten Testaments. 2 0 2 Anstelle von O p f e r n w e r d e n d u r c h w e g Lob, D a n k oder Loblied 2 0 3 gefordert, die S ü n d e n sollen b e k a n n t w e r d e n (vgl. Ps 51 (LXX50), bes. V I 7-19) oder das T u n des Willen Gottes, das Halten der Gebote (Ps 40 (LXX39),9-11), w i r d versprochen. Opfer sind d a g e g e n nicht nach d e m Willen Gottes. A n ihnen findet er keinen Wohlgefallen (Ps 40(LXX39),7; Ps 51(LXX50),18; Ps 69 (LXX68),32). Ps 50 (LXX49) führt dies noch weiter aus: 2 0 4 In F o r m der Gottesrede w i r d Gottes Souveränität betont. Gott hat w e d e r die Opfer nötig, n o c h ist der M e n s c h imstande, Gott etwas z u geben, d e n n alles gehört Gott (vgl. V10-12). In d e n P s a l m e n w i r d der Opferkult grundsätzlich kritisiert u n d durch Alternativen ersetzt. D e r H e b r greift auf Ps 4 0 ( L X X 3 9 ) z u r ü c k u n d versteht diesen als W o r t d e s S o h n e s . 2 0 5 D a b e i m a g d a s S t i c h w o r t σώμα b e i d e r A u s w a h l g e h o l f e n h a b e n : σώμα δε κατηρτίσω μοι, ( H e b r 1 0 , 5 ) . 2 0 6 D e r b e r e i t e t e L e i b s c h e i n t 201 Vgl. Wiek, Gottesdienste, 318-320. Er spricht von der Radikalisierung der Kultzentralisation des Judentums durch Jesu einmaliges, himmlisches Opfer. 202 Vgl. Brandt, Opfer, 111-120; Hegermann, Hebräer, 194f. - Ebenfalls deutliche Kultkritik ist bei den Propheten des 8. Jh. zu finden. Allerdings geht es dort nicht um eine grundsätzliche Infragestellung des Kultes, sondern um die Einforderung des dem Kult entsprechenden sozialen Verhaltens. Vgl. z.B. das Ineinander von Kultund Sozialkritik bei Arnos. Vgl. Wolff, Dodekapropheton 2, 121-129; Brandt, Opfer, 106-111. 203 Siehe Ps 40,4: ΙΓΠ 1 ?!^ nVnp ΙΙήΠ TIS1'; Ps 50,14.23: ΓΠίΠ; Ps 51,17: Γή>Πξ1; Ps 69,31: ΓΠΊΓΙ; LXX: Ps 39,4: ασμά καινός ί5μνος τω θεώ ημών; Ps 49,14.23: κϊνεσις; Ps 50,17: την αΐνεσίν σου άναγγέλει.ν; Ps 68,31: αίνεω / αΐνεσι,ς. Das Loblied gehört jedoch grundsätzlich zum Opfer dazu, z.B. Lev 7,11-13; vgl. Klinzing, Umdeutung, 146f. 204 Vgl. z.B. Hossfeld / Zenger, Psalmen I, 308-316; Gunkel, Psalmen, 213-220. 205 Vgl. Gräßer, Hebräer II, 202: „Nicht auf Christus hin, sondern von ihm her wird die Schrift verstanden und ausgelegt." 206 Vgl. Theißen, Untersuchungen, 73. Dieser Vers ist so nicht im masoretischen Text zu finden, sondern nur in den LXX-Codices B, a und A. Dazu und zu weiteren

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Das Werk des Hohepriesters

auf die Inkarnation Jesu anzuspielen, und genau hier verortet der Hebr dieses Zitat. Beim Eintritt in die Welt spricht dieser die Verse 7-9 des 40. (LXX39.) Psalms, so die Zitateinleitung in Hebr 10,5: διό εισερχόμενος εις του κόσμου λέγει.207 Neben der Kritik am Opfer bietet der Psalm zugleich auch eine Alternative zu diesem. Das Tun des Willens Gottes ersetzt die Opfer, die weder notwendig noch gottgewollt sind (vgl. V9: αναιρεί τό πρώτον 'ίνα τό δεύτερον στήση). Der Psalmbeter verpflichtet sich stattdessen zum Tun des Willens Gottes. Dieser ist in der Interpretation des Hebr Jesus Christus, der Sohn Gottes. Er folgt dem hier geforderten Willen Gottes (ποιήσαι ό θεός τδ θέλημα σου; Hebr 10,7 = Ps 40 (LXX39),9; vgl. Hebr 10, 9). In Psalm 40 (LXX39), dies spitzt der Hebr 10,8f in seiner Auslegung zu, geht es zum einen u m die Feststellung, dass Opfer und Darbringung nicht gottgewollt sind (Hebr 10,8: άυώτερον λέγων ότι θυσίας και προσφοράς και ολοκαυτώματα και περί αμαρτίας ούκ ήθέλησας ούδέ εύδόκησας α'ίτιυες κατά υόμου προσφέρονται208; vgl. Hebr 10,5f). Zum anderen wird Jesus als der vorgestellt, der den Willen Gottes tut (Hebr 10,9: τότε ε'ίρηκεν 'ιδού ηκω τοϋ ποιήσαι τό θέλημα σου; vgl. Hebr 10,7). Da Jesus diese Psalmverse bei Beginn seines irdischen Lebens spricht, 209 sind sein gesamtes Handeln, sein Leben und sein Sterben als Erfüllung des göttlichen Willens qualifiziert (vgl. Hebrl0,10). 2 1 0 Auch wenn der Hebr hier mit seiner Kritik auf den alttestamentlichen Psalm zurückgreift, so wird diese in neuer Schärfe erkennbar. „Nicht irgendeine missliche Randerscheinung, sondern das Zentrum des Alten Bundes, der von der Tora angeordnete Opferkult wird von J H W H abgelehnt!" 2 1 1 An die Stelle des Alten wird etwas Neues gesetzt, das dem Willen Gottes entspricht, nämlich Jesu Heilshandeln, das mit-

207

208 209 210 211

möglichen Textänderungen siehe Schröger, Schriftausleger, 172-177; „er [sc. der Hebr] schließt sich der Lesart an, die am besten in sein Konzept paßt" (ebd., 176). Vgl. Rüsen-Weinhold, Septuagintapsalter, 201-205; auch Gräßer, Hebräer II, 215-218; Vis, Quotations, 40-42; Kistemaker, Citations, 43f. Nach Synge, Scriptures, 9, sei mit diesem Zeitpunkt die Schöpfung gemeint: Hier spreche der Sohn die Worte, die im Alten Testament aufgeschrieben würden; erfüllt würden sie bei der Inkarnation. ledoch entspricht diese Interpretation nicht dem Schriftgebrauch und Zeitverständnis des Hebr: Hier wird nicht zwischen Zeitpunkt des Gesprochenen und der Erfüllung unterschieden. Zur Verbindung von levitischem Priesteramt und Gesetz siehe Hebr 7; s. o. S. 129131. Büchel, Altes Testament, 562, spricht von „Gebet Christi". Vgl. Brandt, Opfer, 181-186; Hofius, Inkarnation, 139-141; Gäbler, Kulttheologie, 191193. (193-196). Gräßer, Hebräer II, 221.

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hilfe der kultischen Begrifflichkeit beschrieben werden kann, obwohl es das Ende und die Aufhebung des Kultes bedeutet. Diese Argumentation, die das Gottgewollte an Jesu Handeln hervorhebt, hat eine deutlich soteriologische Ausrichtung. Durch eine Darbringung (μια προσφορά)212 hat Jesus die Geheiligten (άγια(όμενοι) vollendet (τελειοϋν) (10,14). Und genau dieses unterscheidet den neuen Bund vom alten: Der häufige Dienst der herkömmlichen Priester konnte kein völliges Heil herstellen (vgl. 10,11-14). Allein Jesu Werk bedeutet endgültige Sündenreinigung, was durch das erneute Zitat von Jer 31 (LXX38),33f in Hebr 10,16f verdeutlicht wird. Anders als in Hebr 8 wird hier nicht Jer 31 (LXX38),31-34 als Ganzes zitiert, sondern „stärker auf die Aussageintention unseres Verf.s hin verändert"213: Bund und Sündenvergebung werden ins Zentrum gerückt. Das Zitat wird hier außerdem als Zeugnis des Heiligen Geistes eingeführt: μαρτυρεί δε ήμίν τό πνεύμα το αγιον (Hebr 10,15). Abschließend wird in Hebr 10,18 zusammengefasst, dass Vergebung (αφεσι,ς) und Opfer bzw. Darbringung für die Sünden (προσφορά περί αμαρτίας) sich ausschließen. Gerade durch die Kultlosigkeit im Christentum wird verdeutlicht, dass das eine Opfer Jesu bereits geschehen ist und Heil für alle und Zugang zu Gott bedeutet.

1.3 Ergebnis: Das Christentum als Religion ohne (Opfer-) Kult Das einmalige Opfer Jesu Christi bedeutet endgültiges Heil. Mithilfe der alttestamentlichen Kult- und Sühnevorstellungen wird dieses zum Ausdruck gebracht. Gleichzeitig begründet es die Kultlosigkeit des Christentums. Das Christentum ist eine Religion ohne Kult und ohne Opfer.214 Dadurch fällt es in seiner Umwelt auf.215 Der Hebr liefert eine ausführliche Begründung, warum im Zentrum der Religion zwar das einmalige Opfern Jesu Christi steht, aber keine weiteren Opfer stattfinden können: Mit dem einmaligen Opfer des Hohepriesters Jesus ist endgültiges Heil erreicht.216 212 Zur Einmaligkeit des Opfers Jesu s.o. S. 183f. 213 Gräßer, Hebräer II, 232. Vgl. Schröger, Schriftausleger, 177-179; Hegermann, Hebräer, 200f. 214 Vgl. Fitzer, Opfertodtheologie, 310; Wiek, Gottesdienste, 320f. 215 Vgl. z.B. Theißen, Untersuchungen, 9f; 85-87; Karrer, Weltkreis, 165. 216 Es existiert nach dem Hebr auch kein himmlischer Kult, in dem Jesus weiterhin als Hohepriester dient. Das Opfer Jesu ist einmalig geschehen und abgeschlossen. Jesus sitzt als Erhöhter zu Rechten Gottes (z.B. Hebr 1, 3; 8,1; 10,12). S.o. S. 70-73. Vgl.

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Das Werk des Hohepriesters

In der Argumentation für die Kultlosigkeit des Christentums wird die Kultkritik der Psalmen aufgenommen. Allerdings wird nicht nur mit der Schrift, sondern auch mit dem allgemeinen Argument der Nutzlosigkeit für die Ungültigkeit und Unmöglichkeit des Kultes argumentiert. Diese Kritik, die sich zunächst auf den alttestamentlichen, also jüdischen Kult zu beziehen scheint, birgt aber eine grundsätzliche Infragestellung jedes Kultes. Jesu einmaliges Opfer macht alle anderen Formen von Kult unnötig und unmöglich. „Dieses εφάπαξ aber richtet sich gegen jeden antiken Kult, gegen das ganze kultische Wesen: es bedarf dessen nicht mehr!"217 So bedeutet auch die weitere Teilnahme am (Opfer-)Kult ein Abwerten des einmaligen Opfers Jesu. Dies betont Hebr 13,10: Wer dem Zelt dient (oi xr) σκηνή λοαρεύοντες), d.h. weiterhin an irgendeinem (Opfer)Kult teilnimmt (Präsens), ist vom Heil, das mit dem Opfer Jesu verbunden ist,218 ausgeschlossen. Der Hebr liefert also eine Grundlegung des christlichen Glaubens, in dessen Zentrum das einmalige Heilshandeln Jesu Christi steht, das als Opfer interpretiert wird, dessen weitere Praxis aber jede Form von (Opfer-)Kult ausschließt.

Wiek, Gottesdienste, 320. Anders Dibelius, Kultus, 176; auch Lueken, Michael, 1421: S.E. spricht Hebr 2,17 von dauerhafter priesterlicher Sühnetätigkeit, nicht vom einmaligen Opfer. Auch Gabler, Kulttheologie, 482 u.ö. spricht vom Vollzug des himmlischen Kultes, der kein weiteres Opfer beinhalte, jedoch das weitere Handeln des Hohepriesters. 217 Dibelius, Kultus, 173. Auch Theißen, Untersuchungen, 30-33, weist darauf hin, dass die Kultkritik des Hebr nicht den spezifisch jüdischen Kult vor Augen hat, sondern allgemein gegen jeden menschlichen Kult argumentiert. 218 Dieses mit Christus verbundene Heil wird in Hebr 13,10 als εχομεν θυσιαστήριοι beschrieben. Dieser Altar meint vermutlich das Opfer Christi (vgl. Isaacs, Revisited, 273-284; Gräßer, Hebräer III, 381; zum insgesamt schwer verständlichen Vers Hebr 13,10 ebd., 376-382) bzw. das Kreuz und dessen Heilsbedeutung (vgl. Kraus, Heiligtumsweihe, 255; Wiek, Gottesdienste, 325f). Vgl. auch Klauck, Thysiasterion, 359-365; Synge, Scriptures, 39-42. Anders z.B. Windisch, Hebräer, 118f; vgl. auch Michel, Hebräer, 498-506; Ruager, Altar, 72-77.

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Exkurs: Zur Datierung des Hebr Für gewöhnlich wird der Hebr spät datiert, d.h. zwischen 80-90 C.E.2W Dafür sprechen textexterne Gründe: lClem gilt als möglicher Terminus ante quem, da er zumindest auf gemeinsame Traditionen zurückzugreifen scheint.220 Der lClem ist zudem der einzige frühchristliche Text, bei dem eine solche inhaltliche Nähe zum Hebr erkennbar wäre. Diese Randstellung im neutestamentlichen Kanon scheint eine späte Datierung nahe zu legen. Auch textinterne Gründe machen eine sehr frühe Datierung unwahrscheinlich: Die Gründung der Gemeinde liegt vermutlich schon einige Zeit zurück. An den Anfang der Gemeinde wird z.B. in Hebr 5,11-6,6; 10,32-34 erinnert. Seitdem ist Zeit vergangen. Dies ergibt sich zum einen aus der Mahnung, die anfängliche Haltung nicht zu verlieren (vgl. Hebr 3,14), zum anderen aus den verschiedenen Erfahrungen der Gemeinde, die Gefangenschaft und Raub beinhalten (vgl. Hebr 10,32-34). Ebenso wird in Hebr 13,7 dazu aufgefordert, der Führer (ηγούμενοι.) zu gedenken, diese haben einst das Wort Gottes verkündigt (οΧτί-νες έλάλησαν ύμΐν τον λόγον του θεοΰ). Diese Verkündigung scheint bereits einige Zeit zurückzuliegen (vgl. den Aorist). In Hebr 2,3f kann zudem eine zeitliche Distanz zu den Anfängen der nachösterlichen Verkündigung erkannt werden.221 Diese Indizien sprechen gegen eine sehr frühe Datierung des Hebr. Historische Rückschlüsse können z.B. aus den berichteten Verfolgungen (Hebr 10,32-34; vgl. auch Hebr ll,35ff) oder der Erwähnung von zukünftigem Leiden (Hebr 12,4) gezogen werden. Weiß beispielsweise deutet den Hinweis in Hebr 12,4 auf eine Abfassungszeit des Hebr in den Jahren vor Beginn der Christenverfolgungen unter Domitian (81-96).222 Für Lane jedoch verweisen die in Hebr 10,32-34 erwähnten Verfolgungen auf die Erfahrung der Gemeindeglieder während des Claudiusediktes.223 Der Gemeinde droht nun neue Gefahr (vgl. Hebr 12,4). Diese liegt für ihn nicht, wie bei Weiß, in der Christenverfolgung unter Domitian, sondern in der neronischen Verfolgung. Beim Vergleich dieser beiden historischen Rückschlüsse wird deutlich, dass sie durch die Interpretation der Situation des Hebr bedingt sind. Lane verortet den Hebr in Rom,224 versteht ihn als Schreiben für eine „specific

219 So z.B. Vielhauer, Geschichte, 251; Conzelmann / Lindemann, Arbeitsbuch, 405; Schnelle, Einleitung, 413f; Gräßer, Hebräer I, 25; Weiß, Hebräer, 77f; Schunack, Hebräer, 12; Hegermann, Hebräer, lOf. Attridge, Hebräer, 6-9, umgeht diese Entscheidung, indem er den Entstehungszeitraum des Hebr mit 60-100 C.E. als recht groß angibt. 220 Vgl. dazu Theißen, Untersuchungen, 34-41. 221 Vgl. unten S. 217-219. 222 Vgl. Weiß, Hebräer, 77. Vgl. auch Gräßer, Hebräer I, 25. 223 Vgl. Lane, Hebäer I, lxiv-lxvi. 224 Vgl. Lane, Hebräer I, lviii-lx.

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Das Werk des Hohepriesters

local group", 225 während Weiß davon ausgeht, „daß der Hebr gar nicht an einen bestimmten Adressatenkreis gerichtet ist, sondern vielmehr die Kirche des nachapostolischen Zeitalters insgesamt im Blick hat". 226 Die konkrete Verortung in einer spezifischen Gemeinde in Rom lässt einen Blick auf die lokale Problematik zu, so dass das Claudiusedikt eine persönliche Erfahrung der Adressierten gewesen sein könnte. Der Blick auf die Gesamtkirche227 dagegen schaut weniger auf diese eher lokalen Erfahrungen. Es wird deutlich, dass die im Hebr erwähnten Bedrohungen keine ausreichenden Hinweise für die Datierung sind. Im Folgenden will ich anhand der Kultthematik nach einer möglichen Datierung des Hebr fragen. Im Blick auf die Kultthematik fallen zwei Punkte besonders auf: Erstens wird nicht der herodianische Tempel und der damit verbundene Kult beschrieben und interpretiert, sondern die Kultbestimmungen aus dem Pentateuch sind Ausgangspunkt der Interpretation. Doch heißt dies nicht, dass der herodianische Tempelkult für die Gemeindeglieder keine Bedeutung hatte, sondern dieser Rückgriff auf die ursprünglichen Bestimmungen (vgl. das Zitat von Ex 25,40 in Hebr 8,5) veranschaulicht deren grundsätzliche Unvollkommenheit. Nicht der tatsächliche Tempelkult wird problematisiert, weil er mit Schwächen behaftet ist, sondern jeglicher Kult wird als nutzlos charakterisiert (vgl. z.B. Hebr 10,1-4). Zweitens werden zur Beschreibung des Kultes präsentische Formulierungen verwendet. Beispiele sind Hebr 9,9 oder 8,4f. In Hebr 9,9 wird die Zeit des Bestehens des erstens Zeltraumes als Gegenwart bzw. gegenwärtiger Zeit (ό κοαρός ένεστηκώς) bezeichnet. In Hebr 8,4f wird der Ort des Priesterdienstes Jesu diskutiert. Dabei wird festgehalten, dass er auf Erden (ein. γης) nicht Priester wäre, da es hier bereits Priester gibt, die nach dem Gesetz darbringen (προσφέρω; Part. Präs.). Sie dienen (λατρεύω; Ind. Präs.) allerdings an einem Abbild und Schatten (Hebr 8,5). Diese präsentischen Beschreibungen des irdischen Priesterdienstes können so verstanden werden, dass der Tempelkult weiterhin in Betrieb ist.228 Der Dienst des Hohepriesters Jesus Christus wird dieser Kultpraxis gegenübergestellt. Für die Tatsache, dass der Tempelkult weiterhin in Betrieb ist, spräche dann auch, dass die Tempelzerstörung 70 C.E. nicht erwähnt wird. 229

225 Lane, Hebräer I, liii. 226 Weiß, Hebräer, 73 (kursiv im Text); vgl. ebd., 72-74. 227 Auch für Weiß ist Rom der wahrscheinliche Ort der Adressaten (vgl. Weiß, Hebräer, 76), auch sei der Anlass eine akute Gefährdung, keine allgemeine Situation (vgl. ebd., 74f). Dennoch ist die Blickrichtung von Weiß auf die Gesamtsituation der Kirche eine andere als die von Lane. 228 Aus diesem Grund datiert z.B. Gleason, Angels, 94f, den Hebr vor 70 C.E.: Anders seien die Kultaussagen nicht verständlich. Vgl. auch Goulder, Son of Man, 24; Lindars, Temple, 432f 229 Vgl. stellvertretend Strobel, Hebräer, 11: „Aber die Tatsache, daß mit keinem Wort der katastrophale Einschnitt des Jahres 70 n.Chr. erwähnt ist oder sonst wie in den Blick gerät, läßt u.E. nur eine Datierung vor 70 n.Chr. zu." Er votiert für eine Datierung um 60 C.E.

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Jedoch muss aus diesem Schweigen nicht geschlossen werden, dass der Tempel noch steht. Der Hebr ist an einer grundsätzlichen Destruktion von irdischem Kult interessiert. Die tatsächliche Existenz eines Tempels interessiert dabei nicht. Daher greift er auf die alttestamentlichen Texte zurück und verwendet häufig das Präsens.230 Dass der Tempel zerstört wurde, bedeutet darüber hinaus nicht automatisch die Aufgabe der Zentralität des Tempelkultes. Die Kultvorstellung ist auch nach 70 C.E. Gegenstand von Erörterungen.231 Außerdem gibt es in der römischhellenistische Umwelt ebenfalls Tempel und Kult, an denen die Gemeindeglieder vielleicht zuvor partizipiert haben.232 Auch wenn der Hebr sich in seiner Argumentation weitgehend auf die alttestamentlichen Kultvorstellungen bezieht, wird die Sinnlosigkeit jedes Kultes festgehalten und kann so gegen jeden Kult verwendet werden. Die Existenz des herodianischen Tempels muss also aus der Nichterwähnung der Tempelzerstörung nicht geschlossen werden. Allerdings erscheint eine Datierung um 70 C.E. insofern wahrscheinlich, als dass sie die ausführliche Kultthematik des Hebr erklären würde. Versöhnungstag und Blutapplikationsritus werden nicht erklärt, sondern ohne explizites biblisches Zitat als Vorlage verwendet, um die Heilsbedeutung des Christusereignis zu formulieren. Diese Selbstverständlichkeit setzt eine Kenntnis des jüdischen Kultes und seiner alttestamentlichen Grundlagen voraus,233 und lässt zudem eine Verbundenheit diesem gegenüber erkennen. Ob dies durch ein ehemals jüdisches Milieu oder durch interessierte Nicht-Juden, z.B. Gottesfürchtige, geprägt ist, lässt sich nicht sagen. Für eine Datierung vor 70 C.E. könnte sprechen, dass nicht nur die grundsätzliche Kultlosigkeit des Christentums begründet, sondern auch gegen eine Teilnahme am Kult argumentiert wird (vgl. Hebr 13,10). Jedoch könnte dies ausschließlich für sogenannte Heidenchristen gelten. Damit wäre an dieser Stelle nicht vom noch existierenden jüdischen Tempelkult gesprochen. Für eine Datierung nach 70 C.E. könnte sprechen, dass in Hebr 7,27 unhistorisch von täglichen Opfern gesprochen wird. Jedoch könnte diese

230 Vgl. Porter, Date, 312f (Zusammenfassung); insgesamt ebd., 295-313. 231 Vgl. v.a. den Uberblick bei Michel, Hebräer, 56-58. 232 Ob der Hebr an sogenannte Judenchristen (so z.B. Riggenbach, Hebräer, XXII; Strobel, Hebräer, lOf) oder an Heidenchristen (so z.B. Hegermann, Hebräer, 10; auch Weiß, Hebräer, 71) gerichtet war, ist deshalb nicht zu klären, weil der Hebr selbst diese Unterscheidung nicht benennt oder thematisiert. Daher kann davon ausgegangen werden, dass er an eine christliche Gemeinde ohne Rücksicht auf deren Herkunft schreibt. Vgl. z.B. Gräßer, Hebräer, 24f; auch Weiß Hebräer, 71f. Anders jedoch Synge, Scriptures, 43-52, der davon ausgeht, dass der Hebr sich an Juden richte, um diese zu überzeugen, zur christlichen Kirche hinzuzukommen. Er datiert den Hebr daher auch auf keinen Fall später als 55 C.E. Vgl. ebd., 55-57. 233 Auch dass manche alttestamentlichen Texte überspitzt interpretiert werden, bedeutet keine Unkenntnis der Adressaten, sondern aufgrund dieser Kenntnis kann die Pointierung des Hebr erkannt werden.

Das Werk des Hohepriesters

192

U n g e n a u i g k e i t a u c h in der b e w u s s t e n Ü b e r z e i c h n u n g des jerusalemer Kultes ihren G r u n d haben. D a m i t hätte sie keine historische Aussagekraft. Es w i r d also deutlich, dass auch a n h a n d der Kultthematik keine e i n d e u t i g e n A u s s a g e n z u r D a t i e r u n g des H e b r z u g e w i n n e n sind. Eine D a t i e r u n g u m 70 C.E. erscheint a u f g r u n d der Ausführlichkeit u n d Zentralität der kultischen Thematik a m wahrscheinlichsten.

2. Der Gottesdienst nach dem Hebr 2.1

Lobopfer und Gutes-Tun als gottwohlgefällige Opfer

Der Hebr legt ausführlich dar, inwiefern die Heilsbedeutung Jesu in der Sprache des alttestamentlichen Kultes ausgedrückt werden kann, und warum dennoch kein christlicher Opferkult notwendig bzw. möglich ist. Dennoch wird die Gemeinde abschließend aufgefordert, durch Jesus234 Gott immer ein Opfer des Lobes darzubringen (öl' αύτοϋ άναφέρωμεν θυσίαν αίνέσεως δια παντός235 τω θεώ; Hebr 13,15). Dieses Lobopfer wird im Folgenden näher bestimmt (τοΰτ' εστίν ...), und zwar als Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen (καρπόν χειλέων όμολογούντων τω ονόματι αύτοϋ).236 Mit der Nennung von δνομα wird hier nicht nur die verbreitete Tradition aufgenommen, 237 den Namen Gottes zu bekennen (όμολογέω) und im Gebet oder Lobopfer zu nennen und zu preisen (vgl. auch Hebr 3,1; 4,14; 10,23; 11,13),238 sondern es wird zugleich an den Beginn des Hebr erinnert. Dort wird zweimal vom Namen gesprochen (Hebr 1,4; 2,12). 2 3 9 Jesus selbst w e r d e n die Worte a u s Ps 22 (LXX21),23 in d e n M u n d gelegt: λέγων άπαγγελώ το σνομά σου τοις άδελφοΐς μου έν μέσω εκκλησίας υμνήσω σε (Hebr 2,12). Jesus ist also derjenige, der seinen B r ü d e r n d e n N a m e n

234 Etwas anders Gräßer, Hebräer III, 390£: Er bezieht 5l' κύτοϋ nicht auf Jesus, sondern auf dessen Tod bzw. Opfer. Doch ist dies in der Sache gleich. Gemeint ist mit δι' αύτοϋ eine christologische Begründung, die auf Person und Werk Christi basiert. 235 δια παντός kennzeichnet auch den regelmäßigen Dienst der Priester im alten Kult; vgl. Hebr 9,6. 236 Auch das vorherige Zitat von Ps 118 (TXX117),6 in Hebr 13,6 kann als Beispiel eines solchen Lobopfers verstanden werden, denn die Einleitung legt den Menschen diesen Psalmvers in den Mund: ώστε θαρροΰντας ημάς λέγειν (Hebr 13,6). 237 Vgl. Michel, ThWNT V, 209f; vgl. ders., Hebräer, 522-524; auch Durmill, Covenant, 241. 238 Dass dieses όμολογείν auch im Gemeindegottesdienst geschieht, betont Salzmann, Lehren, 113. 239 Der vierte Beleg von ονομκ im Hebr findet sich in 6,10.

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Gottes verkündigt (απαγγέλλω) und ihm lobsingt (ύμνεω). δνομα bezieht sich in Hebr 2,12 eindeutig auf Gottes Namen. Aber auch Jesus ist zugesagt, dass er selbst einen vorzüglicheren Namen (διαφορώτερον δνομα) als die Engel hat (Hebr 1,4).

Das Bekenntnis des Namens, wie es in Hebr 13,15 gefordert ist, hat also seinen Grund in der Verkündigung und in der Offenbarung Jesu. Durch ihn hat die Offenbarung Gottes ihre endgültige Gestalt angenommen (vgl. Hebr 1,1-4). Und nur durch ihn (vgl. Hebr 13,15: δι' αύτοϋ) ist die Gemeinde in der Lage, selbst Gott das Lobopfer darzubringen (άναφέρειν θυσίαν α'ινεσέως) und seinen Namen zu bekennen (όμολογείν τω ονόματι αύτοϋ).240 Aber nicht nur Lippenbekenntnis ist gefordert, sondern auch Gutes tun (εύποιΐα) und Teilgeben (κοινωνία), denn an diesen Opfern hat Gott Wohlgefallen (Hebr 13,16). Diese Verbindung von Dank und Lob Gottes in Wort und Tat ist auch aus anderen urchristlichen Paränesen bekannt (z.B. Rom 12,9-13). Auffällig sind allerdings die verwendeten Wörter: εύποι'ία und κοινωνία.241 Beide sind ungewöhnlich und entweder gar nicht (so εύποι'ία) in der Septuaginta und im Neuen Testament oder zumeist in anderer Bedeutung (so κοινωνία) verwendet. 242 Die Bedeutung von beiden ist hier auch nicht weiter ausgeführt, doch betonen sie den Aspekt des sich der christlichen Botschaft gemäßen Verhaltens.243 Lobopfer, Dank und Gutes-Tun tritt nach Hebr 13,15f also an die Stelle von kultischen Opfern. Sie sind als einzig mögliche Opfer der Gemeinde im Hebr genannt und als solche auch gefordert. 244 Jedoch werden diese Opfer nur abschließend erwähnt, nicht ausführlich behandelt. Mit dieser Verlagerung des Opferbegriffs aus dem kultischen in den ethischen Bereich schließt sich der Hebr einer allgemeinen

240 Es liegt nahe, dass hier vom Namen Gottes geredet wird, da auch ihm die vorher genannten Lobopfer gelten. So z.B. auch Gräßer, Hebräer III, 391. Anders z.B. Bietenhard, ThWNT V, 278, der vom Bekenntnis zu Jesu Namen spricht. 241 „Sprachlich folgt Hebr also gar keiner, inhaltlich aber einer breiten paränetischen Tradition" (Gräßer, Hebräer III, 392). Vgl. Michel, Hebräer, 524 -526. 242 κοινωνία bezeichnet in erster Linie die Gemeinschaft bzw. das Anteil-Haben an etwas. Vgl. Hauck, ThWNT III, 804-810. Dennoch findet sich auch bei Paulus die Bedeutung ,jemandem Anteil geben an etwas', vgl. z.B. Phil 4,15; Gal 6,6. 243 Zu diesem Verhalten zählen auch die Gastfreundschaft und das Bewahren der Ehe (beides Hebr 13,1-4) sowie das in den zahlreichen anderen Einzelmahnungen des Hebr Geforderte. 244 Vgl. Young, Use, 129: Mit dem Tod Jesu seien zwar die Sündopfer, nicht aber die Dankopfer obsolet.

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Spiritualisierungstendenz 245 des Opferbegriffs an, die schon in den Psalmen angelegt ist, und in weiteren Texten des Alten Testaments246, des Judentums 247 , im Hellenismus 248 und auch im Neuen Testament249 zu finden ist.

2.2

Zur Begründung der Bedeutung des Gemeindelebens

Die Endgültigkeit und Unwiederholbarkeit des Opfers Jesu hat (ethische) Konsequenzen für die Gemeinde. Einmal hat Jesus gelitten, das ist nicht wiederholbar. Denn sonst hätte er viele Male leiden müssen, so die Argumentation in Hebr 9,26: eire! 'eöei αύτόν πολλάκις παθάυ άπό καταβολής κόσμου. Wie das einmalige Opfer Jesu mit απαξ qualifiziert wird, so sind auch die Glaubenden als einmal Erleuchtete bezeichnet (απαξ φωτισθέντες; Hebr 6,4).250 Das απαξ verdeutlicht: Auch für diese Erleuchtung gibt es keine Wiederholung (vgl. Hebr 6,4-6),251 sie ist einmalig und unwiederholbar, wie auch eine Wiederholung des einmaligen Opfers Jesu unmöglich ist. Auf diese Weise argumentiert der Hebr gegen die Möglichkeit der zweiten Buße. Denn ansonsten kreuzigen 252 sie dadurch Jesus sich selbst zum Schaden253 und stellen

245 Zum Begriff der Spiritualisierung des Opfers und zu seiner Problematik siehe Dalferth, Gekreuzigte, 253-257; vgl. Klinzing, Umdeutung, 143-147; Hermisson, Sprache, 24-28. 246 Vgl. z.B. Hermisson, Sprache, 29-64. 247 Einen guten Uberblick über die rabbinische Literatur bietet z.B. Deeg, Nahung, 113145; auch Safrai, Versöhnungstag, 48-50.50-55. Zum Judentum vgl. auch Wenschkewitz, Spiritualisierung, 10-49.67-87; Becker, Sühnetod, 346ff. Zu Qumran siehe Klinzing Umdeutung, 93-106; auch ebd., 155-166. 248 Vgl. z.B. den Überblick bei Thompson, Beginnings, 109-115; auch: Wenschkewitz, Spiritualisierung, 49-67. 249 Vgl. z.B. Wenschkewitz, Spiritualisierung, 87-162; Eberhart, Opfer, 391-393; Brandt, Opfer, 415-419. 250 Vgl. Stählin, ThWNT I, 382. Zum Abschnitt Hebr 6,4-6 und dem Problem der zweiten Buße siehe z.B. Gräßer, Hebräer I, 345-357; Lohr, Umkehr, 188-197.242-249. Lohr betont jedoch, dass diese Parallele von einmaligem Opfer und einmaliger Umkehr so im Hebr nicht gezogen werde. Vgl. ebd., 245-249. Dennoch ist m.E. diese Parallele durch die Betonung des κπκξ angelegt, wenn auch nicht ausgesprochen. 251 Vgl. auch Hebr 10,2; siehe Gräßer, Hebräer II, 210. 252 Entgegen der üblich gewordenen Ubersetzung bedeutet κναστκυροϋν nicht ,wieder kreuzigen', sondern ,kreuzigen'. Vgl. Gräßer, Hebräer I, 356f; auch Lohr, Umkehr, 208; Isaacs, Space, 93. Liddell / Scott, 121, allerdings schlägt für Hebr 6,6 die Ubersetzung ,crucify afresh' vor, während an den anderen (nicht-neutestamentlichen) Belegstellen άνασταυροβΐ1 mit,crucify' wiedergegeben wird. 253 Dativus incommodi: BDR § 188.

Die Opferkritik und der christliche Gottesdienst

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ihn bloß: άνασταυροΰντας εαυτοίς τον υΐόν τοϋ θεοΰ και παραδειγματίζοντας (Hebr 6,6). Mit άτταξ bzw. εφάπαξ wird die Einmaligkeit des Heilswerks Jesu herausgestellt und in seiner eschatologischen Bedeutung zum Ausdruck gebracht.254 Diesem soll die einmalige Bekehrung entsprechen. Ahnlich zeigt die Verwendung von κρείττων die Qualifizierung des einmaligen Opfers Jesu Christi und der eigenen Situation als eines besonderen, eschatologischen Zeitabschnittes. κρείττων, Komparativ von άγαθός, verwendet der Hebr 13-mal, nämlich Hebr 1,4; 6,9; 7,7.19.22; 8,6 (2x); 9,23; 10,34; 11,16.35.40; 12,24. Damit fällt die überwiegende Mehrzahl der 18 neutestamentlichen Beleg auf den Hebr. Stellt man die Stellen zusammen, in denen κρείττων verwendet wird, wird die damit verbundene Aussageintention des Hebr deutlich: 255 Der Sohn ist erhabener / besser als die Engel (Hebr 1,4); wir sind vom Besseren u n d zum Heil Dienlichen überzeugt (Hebr 6,9); der Geringere wird vom Besseren gesegnet (Hebr 7,7), d.h. Abraham wird von Melchisedek gesegnet, dessen Priestertum höherwerig ist; es gibt eine bessere Hoffnung, durch die wir Gott nahen (Hebr 7,19); Jesus ist Bürge eines besseren Bundes (Hebr 7,22); Jesus ist Mittler eines besseren Bundes, der aufgrund besserer Verheißungen gestiftet w u r d e (Hebr 8,6); die himmlischen Dinge werden durch bessere Schlachtopfer gereinigt (Hebr 9,23); ihr habt für euch einen besseren, bleibenden Besitz (Hebr 10,34); jetzt trachten sie nach einem besseren, himmlischen Vaterland (Hebr 11,16); sie erlangten eine bessere Auferstehung, widerstanden der Folter (Hebr 11,35); Gott hat etwas Besseres vorgesehen (Hebr 11,40), das Blut der Besprengung, das besser redet als das Blut Abels (Hebr 12, 24).

Mit κρείττων wird nicht nur die Höherwertigkeit Christi zum Ausdruck gebracht, sondern auch die daraus resultierende Höherwertigkeit der neuen, eigenen Situation. Diese beruht auf besserer Hoffnung und besserer Verheißung. άπαξ bzw. εφάπαξ und κρείττων beschreiben sowohl das Christusereignis als auch den Status der Glaubenden. Die Begriffe begründen so den Zusammenhang von christologischer Überzeugung und eigenem Verhalten. Wie das christliche Zusammenleben aussehen kann und soll, zeigen verschiedene Ermahnungen. Hebr 10,25 fordert dazu auf, regelmäßig die Versammlungen (έπι,συναγωγή) zu besuchen und ermahnt diejenigen, bei denen es Sitte (εθος) geworden ist, diese zu versäumen. Diese gemeinsamen Zusammentreffen dienen dazu, aufeinan-

254 Vgl. Laub, Bekenntnis, 169.203.234. 255 Ahnlich verwendet der Hebr auch διαφορώτερος / vorzüglicher, das ansonsten nicht im Neuen Testament vorkommt, um die Überlegenheit Jesu Christi zum Ausdruck zu bringen; vgl. Hebr 1,4; 8,6.

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Das Werk des Hohepriesters

der zu achten (vgl. Hebr 10,24: κ α! κατανοώμεν αλλήλους), zur Liebe (άγάπη) und zu schönen Werken (καλά έργα) anzustiften und einander zu ermuntern (V26: εγκαταλείποντες). Doch nicht nur die Ermahnungen haben ihren Ort in den gemeinsamen Zusammenkünften, denn dort wird sicherlich auch das Wort verkündigt.256 In Hebr 13,7 wird von den ηγούμενοι, die das Wort Gottes (ό λόγος τοΰ θεοϋ) reden, berichtet. Sie soll man nachahmen, aber diese wachen auch über die Gemeindeglieder (Hebr 13,17).

2.3

Die Auslegung von Ps 95 (LXX94) in Hebr 3f als Beispiel einer Predigt

Es ist gut vorstellbar, dass diese Verkündigung des Wortes Gottes gemeinsam mit der Ermahnung in den Gemeindeversammlungen stattfand. Der gesamte Hebr ist selbst eine solche Verkündigung des Wortes und Ermahnung zugleich (vgl. die Selbstbezeichnung in Hebr 13,22). In Hebr 3,7ff ist ein Beispiel einer möglichen Predigt zu finden, wie sie bei einer solchen Zusammenkunft bzw. einem Gottesdienst gehalten werden konnte.257 Sowohl im gesamten Hebr als auch in dem predigtartigen Abschnitt Hebr 3,7 - 4,13 ist die Bedeutung der Schriftauslegung zu erkennen. So wird diese auch in den Versammlungen einen zentralen Platz gehabt haben.258 Hebr 3,7 - 4,13 ist ein paränetischer Abschnitt in Form einer predigt- oder midraschartigen Auslegung von Ps 95 (LXX94),7-11.259 Thema ist der Eintritt in die verheißene Gottesruhe. Der Psalmabschnitt wird zitiert (Hebr 3,7-11) und anschließend auf die Gemeindesituation hin ausgelegt.260 Schon der Psalmtext selbst ist eine Aufforderung, nicht wie das Volk in der Wüste der Versuchung zu erliegen und aufständisch zu sein.261 256 Vgl. Salzmann, Lehren, 308; Wiek, Gottesdienste, 324. 257 Vgl. z.B. Gräßer, Hebräer I, 173: Er spricht von „homiletischer Paraklese"; Schröger, Schriftausleger, 112: „Predigt-Paränese". Zum predigtartigen Stil gehört auch der Wechsel zwischen „ihr" (z.B. Hebr 3,12) und „wir" (z.B. Hebr 3,14); vgl. Lohr, Umkehr, 103-106. 258 So vermuten auch Salzmann, Lehren, 110.113; Wiek, Gottesdienste, 324. 259 Vgl. z.B. Michel, Hebräer, 181f; Windisch, Hebräer, 30f; ausführlich Schröger, Schriftausleger, 101-115. 260 Zur Gliederung des Abschnitts z.B. Gräßer, Hebräer I, 173 oder Lohr, Umkehr, 91-93. 261 Zu Ps 95 (LXX94) vgl. Gunkel, Psalmen 417-40; Zenger / Hossfeld, Psalmen II, 658665; Lohr, Umkehr, 86-88; Laansma, Rest, 41-45; Vis, Quotations, 67-70; Schröger, Schriftausleger, 101-108. Ps 95 (LXX94) besteht aus zwei (so Gunkel) oder drei (so

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Dieser Ton der Ermahnung wird in der Auslegung zunächst beibehalten. Die Angesprochenen sollen sich gegenseitig ermahnen (άλλά παρακαλείτε εαυτούς; Hebr 3,13), denn es wird davor gewarnt, ein böses Herz des Unglaubens zu haben (καρδία πονηρά απιστίας), vom lebendigen Gott abzufallen (άποστήναι από θεοΰ ζώντος) [beides Hebr 3,12] oder durch den Betrug der Sünde verhärtet zu sein (ίνα μή σκληρυνθή τις εξ ύμών απάτη της αμαρτίας; 3,13). Der Hebr warnt vor Unglaube bzw. davor, nicht bis zum Ende durchzuhalten, und erinnert die Angesprochenen daran, dass sie bereits zu Mitgenossen Christi geworden sind (μέτοχοι262 γάρ τοΰ Χριστοϋ γεγόναμεν; Hebr 3,14). Hier wird der Vergleich mit der im Psalm genannten Wüstengeneration gezogen (vgl. Hebr 3,16 - 4,2). Auch sie hatten eine anfängliche Uberzeugung (αρχή της υποστάσεως; Hebr 4,15): Schließlich sind sie ja mit Mose aus Ägypten ausgezogen (Hebr 3,16). Allerdings haben sie gesündigt (Hebr 3,17: τοΊς άμαρτήσασιν) und sind ungehorsam geworden (τοις άπειθήσασιν; Hebr 3,18). Dieses Verhalten charakterisiert der Hebr mit Unglaube (απιστία; Hebr 3,19). Es wird also deutlich, dass der Hebr daran interessiert ist, die parallele Ausgangssituation vor Augen zu stellen: ,Uns' und ,jenen' ist das Evangelium verkündigt worden: καΐ γάρ έσμεν εύηγγελισμένοι καθάπερ κάκεΐνοι (Hebr 4,2). Der Unterschied zu ,jenen' besteht darin, dass das vernommene Wort (ό λόγος της άκοής) durch den Glauben (τή πίστει) mit denen, die es hören, verbunden ist (συγκεκερασμένους; Hebr 4,2).263 Die Situation, die der H e b r seiner G e m e i n d e vor A u g e n stellt, lässt sich w i e folgt beschreiben: Es gibt eine V e r h e i ß u n g (επαγγελία; H e b r 4,1), ein W o r t (ό λόγος της άκοής; H e b r 4,2) b z w . ein E v a n g e l i u m (εύαγγελίζω; H e b r 4,2), n ä m l i c h in die R u h e e i n z u g e h e n . Dies gilt f ü r die jetzt A n g e s p r o c h e n e n genauso, w i e es f ü r die u r s p r ü n g l i c h e n A d r e s s a t e n gegolten hatte. Doch h a b e n diese sich falsch verhalten, so dass die V e r h e i ß u n g aktualisiert w i r d . Der H e b r greift hier die b e i d e n Zeitebenen des Psalmabschnitts heraus. 2 6 4 Z u m einen w i r d die u r sprüngliche Situation der Wüstengeneration 2 6 5 u n d d e r e n Verheißung, z u m a n d e r e n die W i e d e r h o l u n g dieser V e r h e i ß u n g d u r c h Gott i m

262

263 264 265

Hossfeld) Teilen. Hebr zitiert den letzten, in dem Mahnung und Drohung überwiegen. Das Thema Gesetzeserfüllung ist zentral. An die Wüstenzeit wird als Modell für Fehlverhalten bzw. als schlechtes Beispiel aus der Vergangenheit erinnert. μέτοχοι, ist im Hebr die vier Mal vorkommende Bezeichnung der Christen: Teilhaftige oder Genossen. Hier in Hebr 3,14 werden sie als μέτοχοι γκρ τοΰ Χριστοϋ, in 3,1 als κλήσεως επουρανίου μέτοχοι, in 6,4 als μέτοχοι πνεύματος αγίου und in 12,8 allgemein als μέτοχοι bezeichnet. S.o. den Exkurs zum Heiligen Geist. Der Hebr wählt mit συγκεραννύνκι (4,2) ein Wort aus der Chemie. Es beschreibt sonst die Verschmelzung zweier Dinge. Vgl. Gräßer, Glaube, 14f. Vgl. ausführlicher zu den Zeitebenen: Lohr, Schriftanwendung, 229-231. Zu den zahlreichen möglichen Anspielungen auf weitere alttestamentliche Texte vgl. Hofius, Katapausis, 117-131; auch Kistemaker, Citations, 113-116.

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Das Werk des Hohepriesters

Munde Davids (4v Δαυίδ λέγων; David ist der Sprecher des Psalms266) nach so langer Zeit (μετά τοσούτον χρόνον) genannt (Hebr 4,7). Mithilfe des Psalms wird so die Verheißung aufgegriffen, aber auch die Möglichkeit des Scheiterns genannt. Hebr 4,8 führt weiter aus, dass dieses Eingehen in die Ruhe nicht mit Josua und der Landnahme erfolgt ist, sondern diese Ruhe wird als eschatologische Sabbatruhe (σαββατισμός)267 verstanden. Auch die Gemeindesituation wird eschatologisch qualifiziert, indem das Heute, das am Beginn des zitierten Psalmabschnitts (Ps 95 (LXX94),7) steht, betont wird. Dies wird auf die aktuelle Gemeindesituation übertragen: Sie sollen sich gegenseitig ermahnen, solange das Heute gilt (Hebr 3,14).268 Die Wüstengeneration steht als abschreckendes Beispiel (ύπόδειγμα; Hebr 4,11).269 Ihr ist der Eingang in die verheißene Ruhe nicht mehr möglich, anders aber der Gemeinde des Hebr: Ihnen gilt die Verheißung, ein neues Heute. Dies wird betont, aber damit verbunden ist die Forderung, der anfänglichen Haltung treu zu bleiben.270 Die Auslegung endet poetisch271 mit der Charakterisierung des Wortes Gottes in Hebr 4,12f. Hebr 3,7ff wählt also einen Text, der fast für sich selbst spricht,272 und eine der Gemeinde ähnliche Situation vor Augen führt. Die Situation der Verheißung wird parallel zu der der ursprünglichen Adressaten verstanden, aber auch neu eschatologisch qualifiziert. Für die Schriftauslegung in der Gemeinde bedeutet dies, dass alttestamentliche Texte aktualisiert werden können. Sie sind mit Jesu Leben, Tod und Aufer266 Vgl. Gräßer, Hebräer I, 213. 267 Zum Begriff z.B. Gräßer, Hebräer I, 218-220; Laansma, Rest, 276f. Vgl. auch schon Hebr 4,4. Hier wird die Ruhe Gottes mit einem Zitat aus Gen 2,2b illustriert. Vgl. Schräger, Schriftausleger, 109-111; Kistemaker, Citations, 113; Hofius, Katapausis, 115; auch ebd., 102-115. 22-58. 268 Dass das Heute im Psalm keine eschatologische Bedeutung enthält, betont Zenger/ Hossfeld, Psalmen II, 664f. Zur Betonung der endzeitlichen Situation in Hebr 3f vgl. Enns, Interpretation, 359f. Der Hebr benennt die eschatologische Situation der Gemeinde auch bei der Ermahnung, zu den Versammlungen zu gehen (vgl. Hebr 10,23-25). 269 Gegenüber dem ursprünglichen Psalmtext versteht Hebr 3,9f den Zeitraum der 40 Jahre nicht als Zeit der Bestrafung, sondern als Zeit der Wunder, in denen sich die Wüstengeneration noch hätte anders entscheiden können - anders in Hebr 3,17. Vgl. Zenger / Hossfeld, Psalmen II, 664f. Zu weiteren Änderungen gegenüber der LXXVersion des Psalms vgl. Schröger, Schriftausleger, 102-105; auch Hegermann, Hebräer, 93; Michel, Hebräer, 182f; Lohr, Umkehr, 84f. 89-91. 270 Vgl. Rose, Verheißung, 63f. 271 So Hegermann, Hebräer, 104; Michel, Hebräer, 196-203, spricht von Gedicht. 272 Vgl. Gräßer, Hebräer I, 184: „Das Wesentliche hat der ,Predigttext' 3,7-11 gesagt."

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stehung nicht obsolet, sondern, gerade was ihren Verheißungsgehalt273 und die damit verbundenen Forderungen274 angeht, gültiges Gotteswort. Jedoch bleibt auch der historische Kontext der Texte bewusst (vgl. Hebr 4,7f),275 so dass eine Übertragung und Aktualisierung für die Gemeinde anhand deren Situation, die durch das Christusereignis bestimmt ist, geschehen muss. So überwiegt in der Auslegung von Ps 95 (LXX94) auch nicht die Mahnung, sondern die Bestätigung der Zusage der Verheißung.276

2.4

Schluss: Zur Frage der Gestalt und Bedeutung des christlichen Gottesdienstes im Hebr

Aus dem Vorhergegangenen wird deutlich, dass in den Versammlungen der Gemeinde vermutlich sowohl Lobpreis und Dankgebet (vgl. Hebr 13,15) als auch Predigt ihren Ort hatten. Diese Predigt ist Evangeliumsverkündigung, Schriftauslegung und Paränese. Doch beschränkt sich der Gottesdienstbegriff nicht nur auf die gemeinsamen Zusammentreffen, sondern das gesamte Leben277 soll dem Evangelium gemäß gelebt werden, denn Gutes-Tun wird gefordert. Zu diesem soll man sich gegenseitig ermahnen und auffordern (vgl. Hebr 3,12-14; 10,24-26). Die Teilnahme am Gottesdienst gehört wegen der Verkündigung278 und der Gemeinschaft zum christlichen Leben. Daher wird die Gemeinde auch als Festversammlung (πανήγυρις), als Gemeinde der Erstgeborenen (έκκλησία πρωτοτόκων), die gemeinsam mit Engeln zum Berg Zion oder zum himmlischen Jerusalem hinzugetreten (προσφχεσθαι,) ist (vgl. Hebr 12,22f), bezeichnet.279 Dabei ist eine grundsätzliche Gleichheit aller vorausgesetzt. Jesus selbst hat den Weg zu Gott für alle geöffnet. Einen nur für Priester oder 273 Zur Differenzierung des επαγγελία - Begriffs im Hebr vgl. Rose, Verheißung, bes. 186-191. 274 „Insofern das Alte Testament paränetischen Charakters ist, bleibt seine Gültigkeit ungebrochen auch im Rahmen der Kirche. Alttestamentliche Paränese veraltet nicht!" (Hübner, Theologie III, 32 - im Text kursiv). 275 Dies gilt trotz der Zitateinleitung, die den Heiligen Geist als Sprecher nennt (Hebr 3,7). 276 Vgl. auch Gräßer, Hebräer I, 224f. 277 Vgl. Thüsing, Kulttheologie, 11-17. Er untersucht die Bedeutung von προσέρχεσθαι und gelangt zu dem Ergebnis, dass mit der Aufforderung an die Gemeinde, hinzuzutreten, nicht nur die Teilnahme an der Eucharistie, sondern das ganze christlich gelebte Leben gemeint sei. Vgl. Wiek, Gottesdienste, 321f. 278 Vgl. Salzmann, Lehren, 113. 279 Vgl. z.B. Windisch, Hebräer, 113f; Gräßer, Hebräer, 311-326.

200

Das Werk des Hohepriesters

Hohepriester zugänglichen Bereich gibt es nicht. Auch ist mit der Forderung, Lobopfer darzubringen (άναφέραν θυσίαν; Hebr 13,15), eine Übertragung der Priesterfunktion auf die Gemeindeglieder geschehen. Dennoch spricht der Hebr von Führern (ήγούμευοι; vgl. Hebr 13,7.17): Diese zeichnen sich durch die Predigt des Wortes Gottes und durch ihren Lebenswandel aus. Dass der Hebr den Wortgottesdienst kennt und ermahnt, zu den gemeinsamen Versammlungen zu gehen, wird deutlich. Inwiefern neben dem oben Beschriebenen auch eine Feier des Herrenmahls stattfand, lässt sich allenfalls vermuten und muss daher offen bleiben.280 Dass die Texte des Alten Testaments für das christliche Leben eine bleibende Bedeutung haben, ist an ihrer zentrale Stellung im Hebr zu erkennen. Sie dienen dazu, das Christusereignis zu versprachlichen, aber auch zur Interpretation des christlichen Lebens. Ethische Anweisungen und ein Verständnis der eigenen Situation können aus den alttestamentlichen Texten gewonnen werden.

V. Zur Schriftauslegung des Hebr bezüglich Opfer und Kult - Ergebnis Die Beschreibung des Sühnehandelns Christi erfolgt im Hebr anhand des Sündopfers am Versöhnungstag. Hier wird deutlich, wie alttestamentliche Kultvorstellungen die Rede von der Heilsbedeutung des Todes und der Auferstehung Jesu bestimmen. Die Lektüre der Texte durch den Hebr ist eine christozentrische: Vom Christusereignis her werden Texte und Vorstellungen aus der Schrift ausgewählt und interpretiert. Dennoch wird den vorgegebenen Gedanken treu geblieben: Sie bieten den Rahmen und die Möglichkeit der Versprachlichung, um die Bedeutung des Todes Jesu und dessen Sühnewirkung zum Ausdruck zu bringen.281

280 So auch Kuss, Grundgedanke, 326; Salzmann, Lehren, 113. Das Thema Abendmahl ist in der Forschung umstritten. Swetnam beispielsweise versucht durchweg, die Bedeutung der Eucharistie im Hebr herauszustellen. Andere (z.B. Schröger, Williamson) bestreiten dies. Siehe z.B. den Uberblick bei Kuss, Grundgedanke, 321328, oder bei Feld, Hebräerbrief, 93-97. 281 Vgl. auch Dalferth, Gekreuzigte, 247-252. Er spricht von der hermeneutischen Zugänglichkeit und kommunikativen Verfügbarkeit der Bildwelt des Opfers (ebd., 250).

Zur Schriftauslegung des Hebr bezüglich Opfer und Kult

201

Jesus Christus ist der Hohepriester - dieses Theologoumenon prägt die Christologie des Hebr und ist durch die alttestamentlichen Kultvorstellungen geprägt. Gegen ein solches Verständnis der Rede vom Hohepriester argumentiert z.B. Fitzer282. S.E. habe die Rede von Jesus, dem Hohepriester, nur argumentative Funktion. Nur in der Perspektive des alttestamentlichen Opferkultes sei Jesus Hohepriester. Ansonsten habe diese Rede keine Bedeutung, sie diene dazu, den alttestamentlichen Kultus auszuhöhlen. Ahnlich versteht auch Friedrich283 die Rede vom Hohepriesters. S.E. sei das Interesse des Hebr nicht, durch die alttestamentlichen Opfer das Christusgeschehen zu erläutern, „sondern [um] zu zeigen, daß das Opfer Jesu sich von allen Opfern nicht nur graduell unterscheidet, sondern sie absolut überbietet." Jedoch sind im Hebr zentrale theologische, christologische und soteriologische Aussagen mit dem Hohepriestertitel verbunden. Ihre Bedeutung kann nicht verstanden werden, wenn der Hohepriestertitel bloß funktional oder metaphorisch interpretiert wird.

Die mit Jesu Hohepriestertum verbundenen Vorstellungen sind deutlich von der Schrift, speziell den Kultvorstellungen aus Levitikus geprägt. Damit ragt der Hebr auch aus dem übrigen Neuen Testament heraus.284 Jesus Christus ist der legitime und bessere Hohepriester. Dies ist zentraler Inhalt der Theologie des Hebr. Deswegen sind auch die alttestamentlichen kultischen Texte auf ihn hin und von ihm her zu interpretieren. So wird erstens die Legitimität und Schriftgemäßheit des Christusereignisses aufgezeigt, zweitens wird auf diese Weise die Sühne- und Heilswirkung des Christusereignisses formuliert und drittens wird begründet, warum das Christentum keinen Kult mehr hat. Der Vergleich mit dem alten Kult zielt im Hebr jedoch nicht auf die Installation eines neuen Kultes oder eines neuen Bundes.285 Den Hebr interessiert nicht sosehr die Gestalt des neuen Bundes oder die Beschreibung eines himmlischen Kultes, sondern die Rede vom neuen Bund und vom himmlischen Kult zielt auf das Christusereignis. Jesus Christus, dessen Person und Werk werden dem Alten gegenübergestellt. 282 Fitzer, Opfertodchristologie, 319. Vgl. auch ebd. 307.309. 311.314. 283 Vgl. Friedrich, Verkündigung, 80. 284 „Zunächst ist festzustellen, daß der Verfasser stärker im Banne kultischer Gedanken steht, als irgend ein anderer neutestamentlicher Schriftsteller." (Wenschkewitz, Spiritualisierung, 134). Vgl. auch Schmitz, Opferanschauung, 283. Er betont, dass das alttestamentliche Opferinstitut eine vom Verfasser als gegebene Größe angesehen werde, denn für dieses liefere er keine nähere Begründung. 285 Anders z.B. Knöppler, Sühne, 190-192.196-219, der die Aussagen zum alten Bund und zum neuen Bund gegenüberstellt.

202

Das Werk des Hohepriesters

Im Rahmen des Themas Kult, Opfer und Hohepriester greift der Hebr in unterschiedlicher Weise auf die Schrift zurück. Dabei ist keine einheitliche Methode erkennbar. Vielmehr bestimmt die jeweilige Aussageintention des Abschnitts des Hebr den Umgang mit der Schrift. Wie schon zuvor kann ein recht freier Umgang mit den alttestamentlichen Texten und den Auslegungsmethoden festgestellt werden. Die Vorstellung des irdischen Heiligtums aus Ex 25 wird in unterschiedlicher Weise aufgegriffen. In Hebr 9,6-10 wird sie im Hinblick auf die Begrenztheit des irdischen Kultes interpretiert. Dem Heiligen Geist kommt hier die Rolle des Interpreten bzw. des Hermeneuten der biblischen Texte zu. In Hebr 8,5 dagegen steht die Gegenüberstellung von irdischem und himmlischem Heiligtum im Vordergrund. Dies wird mithilfe des zitierten Verses Ex 25,40 ausgeführt. Der große Veröhnungstag aus Lev 16 ist Vorlage zur Beschreibung des Sühnehandelns Jesu Christi. Hier greift der Hebr auf die alttestamentlichen Vorstellungen zurück. Sie prägen die Rede vom himmlischen Hohepriester, von der Blutapplikation oder von der Reinigung. Gleichzeitig wird deutlich, dass der Hebr bestimmte Vorstellungen hervorhebt und andere nicht beachtet. Eigene Akzentsetzungen werden beim Vergleich mit der alttestamentlichen Vorlage erkennbar. Die Rede von Christus als Hohepriester ist zwar bestimmt von den kultischen Vorstellungen, sie ist aber zugleich auch Maßstab für die Auswahl der alttestamentlichen Texte und für Akzentsetzungen gegenüber diesen. Dieser Zusammenhang von Schrift und Christologie wird auch in Hebr 10 deutlich: Mit Ps 40 (LXX39) wird die Kultkritik des Psalters aufgenommen. Sie erhält aber eine besondere Schärfe durch die Verbindung mit der Person und dem Werk Jesu Christi. Die weitere Gültigkeit der Verheißung und ihr Zusammenhang mit der Paränese wird durch die predigtartige Auslegung von Ps 95 (LXX94) in Hebr 3f aufgezeigt. Die alttestamentlichen Texte erhalten in Bezug auf das Christusereignis bleibende Bedeutung.

Teil Ε Die Schriftauslegung des Hebr - Ergebnis I. Der hermeneutische Zusammenhang von Schriftauslegung und Christologie Mithilfe der Schrift wird das Christusereignis expliziert und in seiner (Heils-)Bedeutung versprachlicht. - Das Christusereignis führt unweigerlich zu einem neuen Verständnis der Schrift. In der vorliegenden Arbeit ist die Schriftauslegung des Hebr untersucht worden. Dabei wurde die Funktion der Schriftzitate bzw. der alttestamentlichen Kultvorstellungen in den Argumentationszusammenhängen des Hebr in den Blick genommen. So ist nicht nur der Schriftgebrauch, sondern auch die theologische Argumentation des Hebr, die v.a. christologische Entfaltung ist, Gegenstand der Untersuchung gewesen. Beide Thesen benennen den hermeneutischen Zusammenhang von Schriftauslegung und Christologie bzw. Theologie: Zentrales Anliegen, das der Hebr mit der Schriftauslegung verfolgt, ist die Entfaltung der christologischen Überzeugungen. Die Beziehung von Gott und Jesus Christus wird mit alttestamentlichen Zitaten beschrieben, das Heilswerk Jesu Christi und damit auch Gottes Heilsplan sind in der Schrift ablesbar. Dies ist durchweg in der vorliegenden Arbeit festgestellt worden. Sowohl die soteriologische Bedeutung des Werkes Jesu Christi als auch Aussagen zu seiner Person können mit dem Alten Testament veranschaulicht werden. Dabei haben die alttestamentlichen Texte selbst prägende Bedeutung für die Theologie des Hebr. Sie bestimmen die Rede von Jesus Christus, dem Hohepriester und Sohn.

204

Die Schriftauslegung des Hebr - Ergebnis

Ein zusammenfassender Überblick über die mit der Schriftauslegung verbundenen Themen wird im Folgenden gegeben (111,1)· Wie alttestamentliche Texte verwendet werden, ist vielfältig: Mal werden einzelne Verse zitiert, mal ganze Textabschnitte. Mal gibt es eine ausführlichere Interpretation, mal nur einen Einleitungssatz. Diese Bandbreite wird ebenfalls unten vorgestellt (111,2). Zunächst aber werden Hohepriesterchristologie und Sohneschristologie miteinander verglichen (II). Festzuhalten ist, dass der Hebr sich in großer Freiheit und Souveränität verschiedener alttestamentlicher Texte und Auslegungsmethoden bedient, um das Christusereignis in seiner Bedeutung und in seinen Konsequenzen zum Ausdruck zu bringen. Ein System lässt sich in der Verwendung der alttestamentlichen Zitate nicht erkennen. Es können keine Regeln aufgestellt werden, wann der Hebr wie mit der Schrift umgeht. Dieser Umgang mit dem Alten Testament ist insofern flexibel, als dass je nach Argumentationszusammenhang oder Aussageintention in unterschiedlicher Weise auf das Alte Testament zurückgegriffen werden kann. Dass mit diesem hermeneutischen Zusammenhang von Christologie und Schriftauslegung auch eine Begründung bzw. Grundlegung dieses Umgangs mit dem Alten Testament verbunden ist, soll abschließend gezeigt werden (IV): Durch das Christusereignis gewinnt der Hebr ein bestimmtes Verständnis der eigenen Situation als neuem, eschatologischem Zeitabschnitt. Die Schrift dient dabei als zentraler Bezugspunkt, sie bzw. ihre Auslegung garantiert Kontinuität in Gottes Heilshandeln. Die neue, eigene Situation kann so mithilfe der alttestamentlichen Texte als Neuansatz in Gottes Heilshandeln bzw. Heilsgeschichte verstanden werden. Zugleich wird mithilfe der Schrift das Christusereignis in seiner Bedeutung versprachtlicht und interpretiert. Das Christusereignis verursacht diese neue, eschatologisch qualifizierte Situation, ist aber auch Gegenstand der Interpretation. Die Schrift wird neu ausgelegt, steht aber dennoch für Kontinuität, sie ist weiterhin gültiges Gotteswort.

II. Jesus Christus, der Sohn und der Hohepriester - zur Christologie In der vorliegenden Arbeit wurde die Schriftauslegung des Hebr anhand der beiden zentralen christologischen Titel ,Sohn' und ,Hohe-

Jesus Christus, der Sohn und der Hohepriester - zur Christologie

205

priester' entfaltet. Dabei sind folgende Vergleichspunkte zur Christologie des Hebr festzuhalten. Die Sohnchristologie setzt ein beim präexistenten Gottessohn (vgl. Hebr 1). Dieser ist mit besonderer Würde ausgestattet und war bei der Schöpfung beteiligt. Dieser himmlische Sohn wird Mensch (vgl. Hebr 2,5ff). Die Hohepriesterchristologie dagegen hat ihren Ansatzpunkt beim solidarischen, mitmenschlichen Jesus (vgl. z.B. Hebr 2,17). Dieser Mensch Jesus bringt ein himmlisches Opfer dar. Er ist der himmlische Hohepriester. Mit dem Sohnestitel verbunden ist also die Bewegung von oben nach unten, von Gott zu den Menschen, während der Hohepriestertitel den Akzent auf die Bewegung von unten nach oben, vom Mensch zu Gott setzt. Gemeinsam ist der Sohn- und der Hohepriesterchristologie, dass sie dem irdischen Leben Jesu hermeneutische Bedeutung beimessen. Dies wird sowohl im Zusammenhang mit dem Sohn als auch mit dem Hohepriester v.a. daran erkennbar, dass von der Solidarität Jesu Christi gesprochen wird. Diese Solidarität Jesu mit den Menschen prägt die Interpretation des Todes Jesu. Im Zusammenhang mit dem Sohnestitel wird der Tod Jesu als solidarisches Sterben verstanden. Jesus Christus, der Gottessohn, wird Mensch wie alle Menschen und stirbt wie alle Menschen. Durch dieses menschliche Sterben nimmt er Tod und Teufel die Macht und befreit von der Todesfurcht (Hebr 2,14ff). Anders wird der Tod des Hohepriesters Jesus interpretiert: Sein Sterben ist Selbstdarbringung und Opfer, mit seinem Blut wird das himmlische Heiligtum zur endgültigen Sühne aller Sünden gereinigt (vgl. v.a. Hebr 9). Dabei handelt der Hohepriester, der selbst sündlos ist, insofern solidarisch, als er (sich) ganz für seine Mitmenschen und deren Sünden opfert. Die Hohepriesterchristologie hat mit dem alttestamentlichen Kult eine Institution als Gegenüber, mit der sie sich ständig auseinandersetzt. Durch die alttestamentlichen Kultbestimmungen werden Themen und Motive vorgegeben, die in der Hohepriesterchristologie aufgegriffen und entfaltet werden. Der Hohepriester Jesus Christus hat die Hohepriester in der Nachfolge Aarons bzw. Levis als Gegenüber. Mit ihnen wird er verglichen. Der Sohnestitel dagegen ist einmalig. Nur Jesus Christus ist Gottessohn.

206

Die Schriftauslegung des Hebr - Ergebnis

III. Die Schriftauslegung im Hebr - Zusammenfassung Im Folgenden werden die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit präsentiert. Ein kurzer thematischer Uberblick und eine ausführlichere, am Aufbau des Hebr entlanggehende Zusammenstellung aller alttestamentlichen Zitate und ihrer Funktion, zeigen diese Resultate.

1. Thematischer Überblick Die Schriftauslegung des Hebr lässt sich inhaltlich in vier verschiedene Themenbereiche sortieren. Mithilfe der Schrift kann erstens gezeigt werden, wer Jesus Christus ist und in welchem Verhältnis er zu Gott steht. Er ist der Sohn und der Hohepriester - beides ist er, weil er von Gott als Sohn (Ps 2,7) und (Hohe-)Priester (Ps 110 (LXX109),4) angesprochen wurde. Auch darüber hinaus lässt sich das Verhältnis von Gott und Jesus Christus mithilfe alttestamentlicher Zitate zum Ausdruck bringen (vgl. v.a. Hebr 1,5-14). Dieses Verhältnis von Gott und Sohn wird so v.a. mithilfe einzelner Verse aus dem Alten Testament zum Ausdruck gebracht, die im Kontext des Hebr als Rede Gottes verstanden werden. Zweitens kann Gottes Heilsplan bzw. der Ablauf der Geschichte in der Schrift erkannt werden. Dafür werden alttestamentliche Texte zitiert und ausgelegt; z.B. Ps 8 in Hebr 2. Zudem zeigt die Begrenztheit der alten Institutionen (alter Bund oder verschlossener Zugang zum Allerheiligsten) an, dass diesen etwas Neues, Besseres und Endgültiges folgen soll. Auf diese Weise prägt das Alte das Neue, weil es die Begriffe und Vorstellung zur Beschreibung des Neuen vorgibt (neuer Bund, himmlisches Heiligtum etc.), zugleich aber wird es vom Neuen überboten und außer Kraft gesetzt. Drittens: Um Kreuz und Auferstehung in ihrer Heilsbedeutung zu versprachlichen, greift der Hebr auf alttestamentliche Texte zurück. Hier wird v.a. das Sühnopfer am Versöhnungstag als Vorlage verstanden, um Jesu Christi sühnendes Handeln zum Ausdruck zu bringen. Mithilfe der Vorstellung der Blutbesprengung am himmlischen Heiligtum wird die Bedeutung seines Heilswerks beschrieben. Einige alttestamentlichen Mahnungen werden viertens im Hebr aufgenommen. Diese stehen im Zusammenhang mit Verheißungen und werden weiterhin in dieser Bedeutung zitiert. Ps 95 (LXX94) in Hebr 3f verbindet die Verheißung, in die Ruhe einzugehen, mit der

Die Schriftauslegung im Hebr - Zusammenfassung

207

Mahnung, den eingeschlagenen Weg bis zum Ende zu gehen. Die Forderung aus Prov 3,11t die Züchtigungen des Herrn zu ertragen, steht in Verbindung der Zusage, dass die Angesprochenen Söhne Gottes sind (Hebr 12,5f). Die Mahnungen gelten also in gleicher Weise wie zuvor, auch der Zusammenhang von Zuspruch und Anspruch, von Verheißung und Paränese wird beibehalten.

2. Die alttestamentlichen Zitate im Hebr und ihre Auslegung Am Hebr entlang wird nun vorgestellt, wie die Schrift ausgelegt wird, vorgestellt. Dabei werden alle alttestamentlichen Zitate des Hebr besprochen, und zwar in der Reihenfolge, wie sie im Hebr stehen. Dabei wird auf eine ausführliche Besprechung verzichtet, da diese bereits in den Hauptteilen B-D stattgefunden hat. Es wird erkennbar, dass auch die Zitate, die nicht Gegenstand der Untersuchung waren, durch den gewonnenen Zusammenhang von Schriftauslegung und Christologie analysiert werden können.

2.1

Hebr 1,5-14 (Ps 2,7; 2Sam 7,14; Ps 97 (LXX96),7; Ps 104 (LXX103),4; Ps 45 (LXX44),7f; Ps 102 (LXX101),26-28; Ps 110 (LXX109),1)

In Hebr 1,5-14 werden sieben alttestamentliche Zitate aneinander gereiht und mit kurzen Einleitungssätzen verbunden. Diese Verse werden alle als Worte Gottes verstanden, auch wenn die Texte im alttestamentlichen Zusammenhang einen menschlichen Sprecher haben, der diese an Gott richtet. Die Zitate enthalten im Kontext des Hebr in erster Linie Aussagen über den Status des Sohnes, zugleich werden diese Aussagen mit Angaben zum Status und zur Bedeutung der Engel verbunden. Mithilfe dieser Zitate wird die in Hebr 1,4 aufgestellte These der Erhabenheit des Sohnes gegenüber den Engeln begründet (vgl. das einleitende γάρ Hebr 1,5). Außerdem wird das in Hebr l , l f postulierte Reden Gottes veranschaulicht. Die Zitate belegen, dass und was Gott redet. Die Schriftauslegung verzichtet auf eine ausführliche Interpretation der alttestamentlichen Texte, sie werden durch die kurzen Einleitungen und dadurch, dass Gott sie zum Sohn spricht, in ihrem neuen Sinn erschlossen.

Die Schriftauslegung des Hebr - Ergebnis

208

2.2

Hebr 2,5ff (Ps 8, 5-7)

Anders als Hebr 1 argumentiert Hebr 2,5ff ausführlich mit einem zusammenhängenden Text aus der Schrift. Ps 8,5-6 wird zitiert und anschließend ausgelegt. Dabei zielt diese Auslegung des Psalmtextes darauf, Jesu Christi Lebensweg, dessen Ausstattung mit Ruhm und Ehre, sowie dessen Leiden und Tod zugunsten aller dazustehen. Jesu Menschwerdung als Zentrum von Gottes Heilshandeln wird so in der Schrift verankert. Durch diese heilsgeschichtliche Schriftauslegung des Psalmabschnitts kann die Legitimität und das soteriologische Ziel des Christusereignisses erkannt und benannt werden.

2.3

Hebr 2,12f (Ps 22 (LXX21),23; Jes 8,17.18)

In Hebr 2,12f spricht Jesus Christus mit Worten des Alten Testaments. Die Art der Schriftanwendung gleicht derjenigen in Hebr 1,5-14. Alttestamentliche Verse, in diesem Fall Ps 22 (LXX21),23 und Jes 8,17f, werden zitiert, jedoch unter Ausblendung des ursprünglichen Kontextes jetzt als Worte Jesu Christi verstanden. Im Kontext des Hebr wird mit diesen Zitaten die Verbindung von Gott und Sohn zum Ausdruck gebracht. Diese Worte Christi können so als dessen Zustimmung zu Gottes Plan verstanden werden. Außerdem veranschaulichen sie die Beziehung von Sohn und Söhnen. Diese wird im weiteren Verlauf des Kapitels Hebr 2 ausformuliert, allerdings ohne auf das Alte Testament zurückzugreifen.

2.4

Hebr 3,7- 4,13 (Ps 95 (LXX94),7-11; Gen 2,2)

Das nächste alttestamentliche Zitat ist Ps 95 (LXX94),7-11 in Hebr 3,711. Dieser Psalmtext wird nicht nur zitiert, sondern auch ausführlich (Hebr 3,12-4,13) ausgelegt. In dieser Auslegung finden sich weitere Zitate, Wiederholungen einzelner Verse aus Ps 95 (LXX94),7-11, außerdem wird zur Interpretation ein Zitat von Gen 2,2 hinzugezogen (Hebr 4,4). Die Auslegung bemüht sich um ein angemessenes Verständnis des zitierten Psalmabschnitts. So wird das Motiv der Ruhe aus Ps 95 (LXX94),11 mit der Sabbatthematik aus Gen 2 verbunden. Außerdem wird die Situation der im Psalm genannten Wüstengeneration veranschaulicht. Auch wenn die Christologie hier nicht thematisiert wird, ist

Die Schriftauslegung im Hebr - Zusammenfassung

209

sie dennoch als Grundlage der Schriftauslegung erkennbar. Zum einen wird durch das betonte ,Heute', das aus Ps 95 (LXX94),7 aufgenommen wird, an die mit dem Sohn verbundene eschatologische Qualifizierung der Zeit (vgl. Hebr l,lf) erinnert. Zum anderen wird durch die aufgezeigte parallele Situation von Wüstengeneration und Gemeinde an deren Ursprung in der (Evangeliums-)Verkündigung und damit in Jesus Christus erinnert (vgl. Hebr 4,1-3). Durch diese neue Situation, in der sich die angesprochene Gemeinde befindet, gilt ihr der alttestamentliche Text in besonderer Weise.

2.5

Hebr 5,5f (Ps 2,7; Ps 110 (LXX109),4)

Hebr 5,5f zitiert wie Hebr 1,5-14 alttestamentliche Texte als Worte Gottes an Jesus Christus. Auch hier wird zunächst die These aufgestellt (vgl. Hebr 1,4): Dieser hat sich nicht selbst die Ehre genommen, sondern sie von jenem erhalten. Diese Aussage wird durch die Kombination der beiden Zitate Ps 2,7 und Ps 110 (LXX109),4 belegt. Der ursprüngliche Kontext der alttestamentlichen Texte bleibt wie in Hebr 1,5-14 unberücksichtigt.

2.6

Hebr 6,14 (Gen 22,17)

In Hebr 6,13ff wird an die Abraham Verheißung aus Gen 22 erinnert, der alttestamentliche Text wird paraphrasiert und Gen 22,17 in Hebr 6,14 zitiert. Das Ganze ist ein Beispiel für die Treue Gottes, der zu seinen Verheißungen steht, und für die Ausdauer Abrahams, der dieser Verheißung auch über einen längeren Zeitraum hinweg vertraut. Mit der Figur des Abraham wird so der Gemeinde ein Beispiel vor Augen gestellt, das sich nachzuahmen lohnt. Die Schrift also wird paradigmatisch ausgelegt: Hier lassen sich Beispiele für das eigene Handeln finden. Diese Kontinuität ist mit dem Christusereignis gegeben: Im Sohn offenbart sich derselbe Gott wie zuvor. So kann vorherige (Heils-) Geschichte als eigene Geschichte verstanden werden.

210

Die Schriftauslegung des Hebr - Ergebnis

2.7

Hebr 7 (Ps 110 (LXX109),4)

In Hebr 7 wird Ps 110 (LXX109),4 zitiert (Hebr 7,14.21) und die dort genannte Figur des Melchisedek wird zum Gegenstand des Interesses. Mithilfe der in Gen 14 berichteten Begegnung von Melchisedek und Abraham, die in Hebr 7,lf paraphrasiert wird, wird deren Verhältnis bestimmt: Melchisedek steht über Abraham und damit auch über Levi. Der Priester nach der Ordnung Melchisedeks steht demnach über dem levitischen Priestertum. Auch wenn die alttestamentlichen Texte in ausführlicher Weise zur Sprache kommen, zielt deren Auslegung ausschließlich in eine Richtung: Die außergewöhnliche Bedeutung des Priesteramtes Jesu Christi soll herausgestellt werden. Dafür werden bestimmte Aspekte des alttestamentlichen Textes Gen 14 besonders betont (z.B. das Zahlen des Zehnten und die Segnung), während andere unerwähnt (z.B. das gemeinsame Essen) oder unberücksichtigt (z.B. die Bedeutung des Namens) bleiben. Wie Gen 14 so wird auch Ps 110 (LXX109),4 in Hebr 7 v.a. zu dem Zweck aufgenommen, die Besonderheit Jesu Christi zu betonen.

2.8

Hebr 8,5 (Ex 25,40)

In Hebr 8,5 wird Ex 25,40 zitiert. Das Zitat wird wie auch im ursprünglichen Kontext als Aufforderung Gottes an Mose verstanden, alles nach dem Vorbild (τύπος) zu bauen. Im Kontext des Hebr dient dieser Vers nicht nur als Beleg für die Existenz eines himmlischen Heiligtums, das als Typos des irdischen verstanden wird, sondern damit wird zugleich der Ort des Dienstes des Hohepriesters Jesus Christus bestimmt. Auch wenn Mose als Adressat des Zitats beibehalten wird, kann die Schriftauslegung mit der in Hebr 1 parallelisiert werden. Denn der alttestamentliche Vers wird in einer Weise wörtlich genommen, die dem ursprünglichen Kontext und der gewohnten Rezeption des Textes widerspricht. Wurde dieser Vers immer als Beleg für die Auszeichnung und Rechtmäßigkeit des irdischen Heiligtums verstanden, dient nun der Verweis auf ein himmlisches Vorbild als Qualitätsminderung des irdischen Heiligtums.

Die Schriftauslegung im Hebr - Zusammenfassung

2.9

211

Hebr 8,8-13 (Jer 31 (LXX38),31-34)

Einen Beleg für die heilsgeschichtliche Interpretation von alttestamentlichen Texten liefert die kurze Auslegung von Jer 31 (LXX38),31-34, ausführlich zitiert in Hebr 8,8-12, in Hebr 8,13. Hier interessiert ausschließlich das Versprechen eines neuen Bundes. Die Abfolge von erstem und neuem Bund wird mit Jer 31 (LXX38) begründet: Ein neuer Bund bedeutet das Ende des ersten. Die eigene Situation als neuer Abschnitt der Heilsgeschichte kann so mit diesem Text interpretiert und belegt werden.

2.10

Hebr 9,20 (Ex 24,8)

In Hebr 9,22 wird festgehalten, dass alle Dinge mit Blut gereinigt werden. Das gilt nicht erst für das Opfer Jesu Christi, sondern Blut war auch beim vorherigen Bundesschluss notwendig, wie Hebr 9,18-21 belegt. Der Bundesschluss am Sinai (Ex 24) wird paraphrasiert und Ex 24,8 wird zitiert. Wie im alttestamentlichen Kontext ist auch hier Mose als Sprecher des Verses genannt, jedoch wird mit der Akzentuierung der Blutbesprengung nicht der gesamte alttestamentliche Zusammenhang wahrgenommen. Der Text wird also ähnlich wie Gen 14 in Hebr 7 aufgrund eines Aspektes aufgenommen, der im Hebr herausgestellt wird. Nicht die Bandbreite der Interpretationsmöglichkeiten interessiert, sondern allein die Bedeutung des Blutes.

2.11

Hebr 10,5ff (Ps 40 (LXX39),7-9)

Mit Ps 40 (LXX39),7-9 wird Jesus Christus zum zweiten Mal ein alttestamentlicher Text in den Mund gelegt. Anders als in Hebr 2,12f handelt es sich hier nicht um eine Zitatkombination, die nicht ausgelegt wird, sondern Ps 40 (LXX39),7-9 wird im Zusammenhang zitiert und anschließend interpretiert. Hierbei werden manche Verse nochmals zitiert. Die Auslegung entspricht der von Ps 8 in Hebr 2. Das Leben Jesu Christ wird mithilfe von Ps 40 (LXX39) interpretiert.

Die Schriftauslegung des Hebr - Ergebnis

212 2.12

Hebr 10,15-18 (Jer 31 (LXX38),33f)

In Hebr 10 wird Jer 31 (LXX38) zum zweiten Mal zitiert. Anders als in Hebr 8 steht hier nicht die Ankündigung des neuen Bundes im Zentrum des Interesses, sondern die mit dem neuen Bund verbundene Vergebung der Sünden. Jedoch funktioniert die Schriftauslegung genauso wie zuvor: Aus dem zitierten Text interessiert lediglich ein Stichwort. Dafür wird der Text nicht so ausführlich (Jer 31 (LXX38),3134 in Hebr 8,8-12), sondern in verkürzter Weise (Jer 31 (LXX38),33f) zitiert. Dadurch wird die Akzentuierung auf das Stichwort Vergebung der Sünden' gleich erkennbar. Diese ist mit dem einen Opfer Jesu Christi erreicht (vgl. Hebr 10,14), daher sind keine weiteren Opfer mehr notwendig (Hebr 10,18).

2.13

Hebr 10,30 (Dtn 32,35.36)

Die Paränese in Hebr 10,19-31 wird durch die beiden alttestamentlichen Zitate Dtn 32,35.36 in Hebr 10,30 abgeschlossen. Die alttestamentlichen Charakterisierungen Gottes aus dem Moselied Dtn 32 werden aufgenommen und der Gemeinde vor Augen gestellt. Sie verstärken damit die zuvor genannten Mahnungen, indem sie drohend den rächenden und richtenden Gott benennen. Jedoch wird durch die Zitateinleitung auch die Beziehung von Gott und Gemeinde verdeutlicht: Sie kennen Gott (vgl. Hebr 10,30: οίδαμεν γαρ τον είπόντα). Aufgrund dieser Beziehung von Gott und Gemeinde gelten dieser nicht nur seine Forderungen, an deren Konsequenzen hier in deutlicher Weise erinnert wird, sondern auch die Verheißungen.

2.14

Hebr 10,37f (Jes 26,20; Hab 2,3f)

Im paränetischen Abschnitt Hebr 10,32-39 wird die Gemeinde aufgefordert, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen. Dafür wird zum einen an den Anfang und die damit bereits bestandenen Gefahren erinnert. Zum anderen wird mithilfe der Zitatkombination aus Jes 26,20 und Hab 2,3f das nahende Ende vor Augen gestellt und betont, dass Gott allein Gefallen am Leben aus dem Glauben hat, das sich nicht von ihm zurückzieht. Mittels des Zitats aus Jes 26 wird die Verheißung vor Augen gestellt, dass der eingeschlagene Weg bald ein gutes Ende

Die Schriftauslegung im Hebr - Zusammenfassung

213

haben wird. Zugleich wird mit Hab 2,3f daran erinnert, wie dieser Weg auszusehen hat. So wird die Gemeinde gleichzeitig ermahnt und motiviert.

2.15

Hebr 11,18 (Gen 21,12)

In Hebr 11 wird die gesamte bisherige Geschichte, bei der Schöpfung beginnend, die nur durch Glauben (πίστει) als solche erkannt werden kann, als Glaubensgeschichte dargestellt. Der Gattung ,Paradigmenreihe' folgend wird an zahlreiche Personen und ihre Geschichte erinnert, die sowohl im Alten Testament als auch in zwischentestamentlichen Traditionen zu finden sind. Sie werden so zu wichtigen Glaubenszeugen und können damit Vorbild für die Gemeinde sein (vgl. Abraham in Hebr 6,13ff). Dabei werden bei allen Beispielen die Erzählungen paraphrasiert. Ein Zitat findet sich allein bei der Erinnerung an Issaks Opferung (Hebr 11,18 = Gen 21,12). Die Paraphrasen - und so auch die Schriftauslegung - können wie in Hebr 6,13ff als paradigmatisch bezeichnet werden: Die früheren Glaubenszeugen fungieren als Beispiele für die angesprochene Gemeinde.

2.16

Hebr 12,5f (Prov 3,llf)

In Hebr 12,5f wird Prov 3,1 lf zitiert. In der Zitateinleitung und im Zitat selbst findet sich das Stichwort ,Söhne'. Mithilfe der Einführung (ήτις ύμίν ώς υίοΐς διαλέγεται; Hebr 12,5) wird die Gemeinde an ihren besonderen, durch den Sohn vermittelten (vgl. Hebr 2) Status als Söhne erinnert. Dieser besondere Status verlangt, die Züchtigung Gottes (παιδεία κυρίου; Prov 3,11 = Hebr 12,5) zu ertragen. Auch in diesem Fall wird, wie in Hebr 10,30.37f, ein alttestamentlicher Text aufgenommen, um die Gemeinde zu ermutigen, standhaft zu bleiben. Der Zusammenhang von Verheißung und Ermahnung ist im alttestamentlichen Text angelegt und wird im Hebräerbrief aufgenommen. Der Grund für diese Verheißung ist für den Hebr mit Jesus Christus, dem Sohn und Hohepriester, gelegt.

Die Schriftauslegung des Hebr - Ergebnis

214

2.17

Hebr 12,20f (Ex 19,12f; Dtn 9,19)

In Hebr 12,18-24 wird Altes und Neues gegenübergestellt. Mit dem Berg Zion und der Stadt des lebendigen Gottes beispielsweise wird das Neue verbunden (Hebr 12,22-24), während das Alte mit dem betastbaren Berg (ψηλαφάω; Hebr 12,18) in Verbindung gebracht wird. Wird dieser von einem Tier berührt, muss dieses gesteinigt werden (vgl. Ex 19,12f = Hebr 12,20). Dieses Gebot war nicht zu ertragen, selbst Mose war voll Furcht und Zittern (Dtn 9,19 = Hebr 12,21). Die beiden alttestamentlichen Zitate sollen diese frühere Situation verdeutlichen und werden damit zum Beleg ihrer Minderwertigkeit. Eine positive Bedeutung darüber hinaus haben sie hier nicht.

2.18

Hebr 12,26 (Hag 2,6)

Mit dem Zitat von Hag 2,6 in Hebr 12,26 wird die von Gott gegebene Verheißung bekräftigt. Gott hat jetzt vom Himmel her gesprochen (Hebr 12,25), zuvor hatte seine Stimme die Erde erschüttert (Hebr 12,26). Die zitierte Verheißung gilt jetzt (vöv; Hebr 12,26); damit wird sie aktualisiert. Der Charakter des alttestamentlichen Zitats wird dabei beibehalten.

2.19

Hebr 13,5.6 (Dtn 31,6; Ps 118 (LXX117),6)

Mit der Verbindung der beiden Zitate in Hebr 13,5.6 wird der Zusammenhang von Gottes Verheißungswort und unserem Reden hergestellt (vgl. αύτός γαρ αρηκεν; Hebr 13,5 ... ώστε θαρροϋντας ημάς λέγαν; Hebr 13,6). Gottes Zusage ermöglicht uns (ημάς), ihn mit Worten des 118. (LXX117.) Psalms als Helfer zu benennen.

2.20

Zusammenfassung

In diesem Uberblick über sämtliche alttestamentliche Zitate im Hebr ist in erster Linie das mit der Christologie verbundene neue Schriftverständnis deutlich geworden. Weil sich Gott im Sohn in endgültiger Weise offenbart (vgl. Hebr 1,2), muss sein vorheriges Reden neu verstanden werden. Es steht in Verbindung zum Christusereignis.

Die Schriftauslegung im Hebr - Zusammenfassung

215

Auch die alttestamentlichen Verheißungen und Mahnungen müssen insofern neu verstanden werden, als dass Jesus Christus der neue Grund der Verheißung und so auch der Paränesen geworden ist. Dass das Alte Testament zugleich die argumentative Entfaltung des Christusereignisses ermöglicht und so auch prägende Funktion hat, wird anhand dieser Zusammenstellung der direkten Zitate nur ansatzweise greifbar. Diese Bedeutung des Alten Testaments ist aufgrund der Untersuchung der Schriftauslegung innerhalb der Argumentationszusammenhänge des Hebr deutlich geworden. In der Schrift stehen die Texte, Bilder und Vorstellungen, auf die der Hebr zurückgreift, um adäquat von Gott und Sohn, von Heil und Verheißung zu sprechen. Die prägende Funktion der Schrift wird z.B. in der typologischen Auslegung des Versöhnungstages Lev 16 erkennbar und in der Interpretation des irdischen Heiligtums. Schriftzitate finden sich hier kaum.

3. Ergebnis Die Schriftauslegung des Hebr zeichnet eine große Freiheit im Umgang mit den alttestamentlichen Texten aus. Diese ist zum einen im freien Einsatz der verschiedenen Zitate und Auslegungsmethoden festzustellen. Die Schriftauslegung folgt nicht einer Methode oder bestimmten Regeln, sondern orientiert sich an der Argumentation bzw. Aussageintention des Hebr. Zum anderen wird diese Freiheit im Umgang mit der Schrift daran erkennbar, dass nie nur ein alttestamentlicher Text bzw. Vers verwendet wird, um eine theologische Uberzeugung zu formulieren. 1 Die Beziehung von Gott und Jesus Christus beispielsweise wird in unterschiedlicher Weise zur Sprache gebracht: Jesus Christus ist der Sohn, er ist an der Schöpfung beteiligt und erhält gottgleiche Attribute, durch ihn ist Gott für die Menschen erkennbar. Zugleich ist Jesus Christus der Hohepriester, er ist solidarisch mit den Menschen und opfert. Beide Titel und die damit verbundenen Aussagen sind für die Theologie des Hebr zentral, gleichzeitig gibt es daneben weitere Titel, z.B. Bundesmittler oder άρχηγός, die die Bedeutung Jesu Christi

1

ledoch werden die theologischen Aussagen nicht nur mit verschiedenen alttestamentlichen Texten ausformuliert, auch Begriffe aus dem hellenistischen Bereich dienen dazu, diese Aussagen zu präzisieren. Beispiele sind die Bezeichnungen des Sohnes als απαύγασμα und χαρακτήρ (Hebr 1,3) oder die Verwendung von παραβολή in Hebr 9,9 oder von επρεπευ in Hebr 2,10.

Die Schriftauslegung des Hebr - Ergebnis

216

veranschaulichen. Dass Jesus Mensch wird und stirbt, wird sowohl mit einer Auslegung von Ps 8 als auch mit der Opfervorstellung zum Ausdruck gebracht. Ebenso verdeutlichen unterschiedliche alttestamentliche Texte den Zusammenhang von Verheißung und Paränese. Auch werden verschiedene alttestamentliche Figuren präsentiert, die jeweils paradigmatische Funktion erhalten können. Es gibt nicht ein zentrales Glaubensvorbild, auch wenn Abraham am häufigsten genannt wird, sondern zahlreiche Vorbilder aus der Vergangenheit. Dieses Nebeneinander verschiedener Vorstellungen relativiert die Bedeutung des einzelnen alttestamentlichen Textes. Gleichzeitig wird so die Vielstimmigkeit des alttestamentlichen Kanons ernst genommen. Es wird erkennbar, dass nicht ein einzelner alttestamentlicher Text die Rede von Gott und Christus bestimmt, sondern dass im Zusammenspiel der verschiedenen Texte die mit Christus verbundenen theologischen Einsichten versprachlicht werden. Die ausführliche Verwendung der Kultvorstellungen aus dem Pentateuch macht jedoch deutlich, dass diese eine zentrale Rolle für die Interpretation des Christusereignisses spielen. Diese Freiheit gegenüber den alttestamentlichen Texten ist durch das Christusereignis begründet. Es führt zu einer Neuinterpretation der eigenen Situation und so auch der Schrift. Ermöglicht wird diese Freiheit der Schrift gegenüber durch die besondere Verbundenheit mit ihr. Weil sie dauerhaft gültiges Gotteswort ist, kann sie neu und anders interpretiert werden. Kontinuität und Diskontinuität greifen ineinander. Die Texte sind aufgrund des Christusereignisses neu zu verstehen. Dennoch sind und bleiben es Texte aus der Schrift. Dass also diese souveräne Umgangsweise mit der Schrift keine Abwertung, sondern vielmehr Verbundenheit und Treue zum Ausdruck bringt, muss festgehalten werden. Dies bringt auch die abschließende Verhältnisbestimmung von Schriftauslegung und Christologie im Hinblick auf Diskontinuität und Kontinuität zum Ausdruck.

IV.

Die Schriftauslegung in der Spannung von Kontinuität und Diskontinuität

Das Verhältnis von Christologie und Schriftauslegung als Grundlage des Umgangs des Hebr mit dem Alten Testament wird im Folgenden näher bestimmt. Dafür wird nach dem Verhältnis von Kontinuität und Diskontinuität gefragt. Der Umgang mit der Schrift ist in der

Die Schriftauslegung in der Spannung von Kontinuität und Diskontinuität

217

heilsgeschichtlichen Interpretation der eigenen Situation begründet: Mit dem Christusereignis ist die neue, eschatologische Zeit angebrochen. Jedoch ist diese Zeit auch ein Abschnitt in Gottes durchgehender Heilsgeschichte. Diese Kontinuität wird durch die Schrift verdeutlicht. Sie ist zentraler Bezugspunkt der theologischen Ausführungen und garantiert auf diese Weise Beständigkeit. Das Verhältnis von Kontinuität und Diskontinuität kann also mithilfe des Zusammenhangs von Christologie und Altem Testament profiliert werden.

1. Der mit dem Christusereignis verbundene Neuanfang Der mit dem Christusereignis verbundene Neuanfang macht sich in der Verwendung des Alten Testaments bemerkbar. Dieser wird allerdings im Hebr nicht ausführlich thematisiert und ausformuliert, jedoch wird er gleich im ersten Satz postuliert (Hebr l,lf). Außerdem belegen die mahnenden Erinnerungen an den Anfang (Hebr 2,3f; Hebr 5,11 - 6,6) dessen konstitutive Bedeutung für die Gemeinde. Dies soll im Folgenden aufgezeigt werden.

1.1 Der Anfang in der Verkündigung des Herrn - Hebr 2,1-4 Hebr 2,3f beschreibt eine Traditionskette2: Das Heil (σωτηρία) hat seinen Anfang genommen in der Verkündigung durch den Herrn (άρχήν λαβοΰσκ λαλάσθαι δι« τοϋ κυρίου), durch Hörer wurde es bei uns befestigt (ύπό των άκουσάντων εις ημάς έβεβαιώθη). Hinzu kommt die Bestätigung Gottes, die in Zeichen und Wundern sowie in zahlreichen Machttaten und Zuteilungen des Heiligen Geistes besteht (Hebr 2,4). κύριος verwendet der Hebr insgesamt 16-mal, nämlich Hebr 1,10; 2,3; 7,14.21; 8,2.8.9.10.11; 10,16.30; 12,5.6.14; 13,6.20. Dabei sind die meisten Stellen alttestamentliche Zitate, in denen Gott mit κύριος als Sprecher genannt wird (z.B. λέγει κύριος o.ä.; vgl. Hebr 7,21 = Ps 110 (LXX109),4; Hebr 8,8-12 = Jer 31 (LXX38),31-34; Hebr 10,16 = Jer 31 (LXX38),31) oder von Gott als κύριος geredet wird, ohne dass dies im Kontext des Hebr auf den Sohn bezogen wird (Hebr 8,11 = Jer 31 (LXX38),34; Hebr 10,30 = Dtn 32,36;

2

Vgl. Gräßer, Heil als Wort, 262-270; Weiß, Hebräer, 187f. Zu Hebr 2,1-4 vgl. auch Wider, Theozentrik, 119-137. Grundsätzlich fällt bei dieser Traditionskette auf, dass keine Amter genannt werden. Vgl. Gräßer, Heil als Wort, 272-274; Laub, Bekenntnis, 47-50.

218

Die Schriftauslegung des Hebr - Ergebnis

Hebr 12,5f = Prov 3,11; Hebr 13,6 = Ps 118 (LXX117),6). Mit dem Zitat von Ps 102 (LXX101) in Hebr 1,10 ist dagegen eindeutig der Sohn als κύριος angesprochen. Auch in den formelhaften Formulierungen werden sowohl Gott als auch Jesus Christus als κύριος bezeichnet. So spricht Hebr 8,2 vom Heiligtum, das der Herr, nicht ein Mensch gebaut hat. Damit ist Gott gemeint, nicht Jesus Christus, denn dieser geht als Hohepriester in dieses Heiligtum hinein. Wer mit κύριος in Hebr 12,14 gemeint ist, bleibt offen, es wird lediglich davon gesprochen, den Herrn zu schauen. Eindeutig ist mit κύριος in Hebr 7,14 und 13,20 Jesus Christus gemeint, denn es werden seine Herkunft aus Juda (Hebr 7,14) bzw. sein Name genannt (Hebr 13,20: τον

κύριον ήμών Ίησοϋν).

κύριος in Hebr 2,3 kann sowohl Gott als auch den Sohn bezeichnen, der Kontext (κύριος in Hebr 1,103; das Zitat von Ps 22 (LXX21),23 in Hebr 2,124) legt allerdings nahe, dass hier mit κύριος vom Sohn gesprochen ist, zumal Gott im unmittelbaren Zusammenhang als θεός bezeichnet wird (Hebr 2,4).5 Das ,Reden des Herrn' kann weiter konkretisiert werden: Der Sohn verspricht in Hebr 2,12 mit Worten des 22. (LXX21.) Psalms, den Namen Gottes seinen Brüdern zu verkündigen (άπαγγελώ το ονομά σου τοις άδίλφοίς μου; Ps 22 (LXX21),23 = Hebr 2,12). Hier meint das Reden des Sohnes die Verkündigung des Gottesnamens. Dieser kann jedoch, das belegt Hebr 1,4, nicht ohne den Sohnesnamen gedacht werden: Gott und Sohn sind eng verbunden und gemeinsam Gegenstand des Redens des Sohnes. Diese enge Verbundenheit von Gott und Sohn wird weiter darin erkennbar, dass im Sohn Gott zur Sprache kommt. Dies wird beispielsweise in Hebr l,lf 6 oder in Hebr 2,2f festgehalten. War zuvor das Gotteswort durch die Engel (Hebr 2,2)7 oder die Propheten (Hebr 1,1) verkündigt worden, so ist es nun ausschließlich mit Jesus Christus verbunden. Durch diese Verknüpfung von Hebr 2,1-4 mit Hebr 2,12f und Hebr 1,1-4 wird erkennbar, dass ,Reden des Herrn' nicht konkrete Worte des historischen Jesus8 oder eine Predigt Jesu9 meinen, sondern der Sohn 3 4 5

6 7 8

Hebr 1,10 zitiert Ps 102 (LXX101),26: Hier spricht Gott den Sohn als Herrn / κύριος an. Vgl. zu Hebr 2,12f s.o. S. 82-85. 93f. So die meisten Kommentare, z.B. Windisch, Hebräer, 19; Gräßer, Hebräer I, 105f; Hegermann, Hebräer, 63f; Weiß, Hebräer, 187. Anders Bachmann, Reden Gottes, 365194. S.E. ist κύριος nicht auf Jesus, sondern auf Gott selbst zu beziehen. Vgl. dazu z.B. Lewicki, Wort Gottes, 53-56, der allerdings ebenfalls κύριος auf Jesus Christus bezieht. S.o. S. 47-50. διά τοΰ κυρίου (Hebr 2,3) ist die parallel zu δι' άγγελων (Hebr 2,2) formuliert. Anders z.B. Windisch, Hebräer, 19. S.E. werde hier die Heilsbedeutung der Predigt Jesu herausgestellt. Das Heil setze ein mit der Predigt Jesu, oder Jesus war der erste Prediger des Heils - beides sei möglich (ebd.). Doch auch Windisch hält fest, dass

Die Schriftauslegung in der Spannung von Kontinuität und Diskontinuität

219

spricht wie Gott mit W o r t e n des Alten Testaments. Mit diesen w i r d die theologische u n d soteriologische B e d e u t u n g seines Weges z u m

Aus-

d r u c k g e b r a c h t , α ρ χ ή ν λαβοΰσα λ α λ ε ΐ σ θ α ι δια τοϋ κ υ ρ ί ο υ b e z e i c h n e t s o d e n Beginn der nachösterlichen Jesusbewegung oder der christlichen G e m e i n d e , also der theologischen Interpretation u n d

Verkündigung

des Christusereignisses. A u c h w e n n der genaue Wortlaut dieser V e r k ü n d i g u n g bzw. R e d e n s d e s H e r r n nicht b e s t i m m t w e r d e n kann, so w i r d d a m i t konstitutive Ausdruck

Zusammenhang

von

Verkündigung

und

gebracht: Das Heil w i r d über R e d e n u n d

σωτηρία Hören

des der zum

weiter-

getragen u n d hat einen bestimmbaren Anfang im Reden des

Herrn

( ά ρ χ ή ν λαβοΰσα λ α λ ε ϊ σ θ α ι δια του κ υ ρ ί ο υ ) .

1.2 D i e E r i n n e r u n g a n d e n e i g e n e n A n f a n g - H e b r 5 , 1 1 - 6,6 Die V e r b i n d u n g v o n Wortgeschehen u n d Heil sowie die Rede

vom

A n f a n g s i n d n i c h t n u r i n H e b r 2,1-4, s o n d e r n a u c h i n H e b r 5 , 1 1 - 6,6 z u f i n d e n . D e r K o n t e x t ist eine P a r ä n e s e . D e n A n g e s p r o c h e n e n w i r d v o r g e w o r f e n , d a s s sie i m H ö r e n t r ä g e g e w o r d e n sind (eirel ώθροί γεγόνατε τοΙς άκοαΐς; H e b r 5,11). D e n n o b w o h l sie Lehrer sein sollten, ist es nötig, d a s s sie gelehrt w e r d e n , w a s die A n f a n g s g r ü n d e d e r A u s s p r ü c h e Gottes sind (Hebr 5,12). Die F o r m u l i e r u n g στοιχεία 10 της άρχής των λογίων τοϋ θεοΰ in H e b r 5,12 m e i n t also ä h n l i c h w i e τον της άρχής του Χριστοϋ λόγον in H e b r 6,1 d i e a n f ä n g l i c h e G r u n d o d e r Elementarlehre. Sie e n t s p r i c h t d e m in H e b r 6,lf A u f g e z ä h l t e n . 1 1

9 10

11

der Hebr keine Herrenworte kenne (ebd., 26) und wenig Interesse am historischen Jesus zeige (vgl. ebd., 25-28). Auch für Hegermann, Hebräer, 63f, ist in Hebr 2,3 vom irdischen Jesus die Rede. Windisch, Hebräer, 27, überlegt jedoch, dass das Stichwort σωτηρία aus Hebr 2,4 auf die Reich- Gottes-Predigt Jesu verweisen könnte. στοιχείου hat zahlreiche Bedeutungen. Es kann die Schattenlänge, nach der die Tageszeit bestimmt wird, oder im Bezug auf Sprachliches den Bestandteil eines Wortes bezeichnen. Piaton bezeichnet die vier Elemente als στοιχεία, später gilt diese Bezeichnung auch für Sterne oder Sternbilder, στοιχείου meint also kleinste oder kleine Bestandteile, die allerdings im Zusammenhang mit anderen stehen. Daraus hat sich die allgemeinere Bedeutung Anfangsgründe, Grundbestandteile oder das Grundlegende entwickelt. (Vgl. Delling, ThWNT VII, 670-682; Gräßer, Hebräer I, 326.) Diese allgemeine Bedeutung findet sich im Neuen Testament nur im Hebr, an den anderen Stellen (Gal 4,3.9; Kol 2,8.20; 2Petr 3,10.12) ist στοιχείου mit ,Element' oder ,Stern' zu übersetzen. (Vgl. Delling, ThWNT VII, 683-687.). Vgl. Weiß, Hebräer, 332; Gräßer, Hebräer I, 332f. - Vgl. zu Hebr 6,1-3 z.B. Windisch, Hebräer, 49f, Weiß, Hebräer, 337-339, oder zusammenfassend Gräßer, Hebräer II, 344f.

220

Die Schriftauslegung des Hebr - Ergebnis

Anders als in Hebr 2,3f wird nicht an den Beginn der nachösterlichen Verkündigung gedacht, sondern an den eigenen Anfang der Gemeinde. Es wird deutlich, dass die Gemeinde nicht mehr am Anfang steht und dass diese anfängliche Lehre eigentlich nicht mehr wiederholt werden sollte.12 Das anfängliche Wort über Christus 13 soll gelassen werden (διό αφέντες τον της άρχής τοϋ Χρίστου λόγον; Hebr 6,1), stattdessen soll man sich der Vollkommenheit(slehre) (τελειότης; Hebr 6,1; vgl. Hebr 5,14) zuwenden. Der Anfang, an den hier erinnert wird, ist in besonderer Weise gekennzeichnet: Es sind die Anfangsgründe der Worte Gottes (στοιχεία της άρχής των λογίων- τοϋ θεοϋ; Hebr 5,12), und es ist das anfängliche Wort über Christus (τον της άρχής τοΰ Χρίστου λόγον; Hebr 6,1). Der Anfang der eigenen Gemeinde wird verbunden mit der erhaltenen Verkündigung. Das gute Wort Gottes (καλόν θεοϋ ρήμα) wurde bereits geschmeckt (Hebr 6,5).14 In der Rede vom Anfang zeichnet sich das Selbstverständnis der Gemeinde ab. Der Anfang liegt bereits einige Zeit zurück, aber er ist konstitutiv. 15 Der Erinnerung an den Anfang entspricht der Blick auf das Ende bzw. Ziel. Die Gemeinde befindet sich auf dem Weg, es gilt, die einmal gewonnene (Glaubens-)Haltung durchzuhalten (vgl. Hebr 3,14: άρχή τής ύποστάσεως; Hebr 6,11: πληροφορία τής ελπίδος άχρι τέλους).

12

13

14

15

Vgl. Gräßer, Hebräer I, 333: „Deswegen nennt er im Vorbeigehen nur eben das, was er nicht thematisiert". Weiß, Hebräer, 327, spricht von Appell an Glaubens- und Erkenntnisstand der Adressaten. Zur Ubersetzung: τής άρχής ist Genitivus qualitatis, τοϋ Χρίστου kann Genitivus objectivus oder subjectivus sein. Der Genitivus objectivus ist deswegen wahrscheinlicher, weil damit die anfängliche Lehre (vgl. Hebr 6,lf) bezeichnet wird. Diese wird mit τοϋ Χρίστου näher gekennzeichnet: Sie ist das Wort über Christus und meint nicht in erster Linie dessen eigne Verkündigung. Vgl. auch Weiß, Hebräer, 335; Gräßer, Hebräer I, 333. Ahnlich ist auch in Hebr 3f vom Anfang bzw. anfänglicher Haltung (άρχή τής υποστάσεως; Hebr 3,14) gesprochen. Dieser Anfang ist ebenfalls mit Wort bzw. Verkündigung verbunden: λόγος τής άκοής (Hebr 4,2); auch επαγγελία (Hebr 4,1) und εύαγγελίζω (Hebr 4,2). Dass dieser Anfang schon einige Zeit zurückliegt, betonen δια του χρόνου (Hebr 5,12) und δια την εξιυ (Hebr 5,14); vgl. auch Hebr 10,32-34. Vgl. Gräßer, Hebräer I, 325.

Die Schriftauslegung in der Spannung von Kontinuität und Diskontinuität

221

1.3 Der Anfang als Neuansatz in Gottes Heilsgeschichte Die beiden Textabschnitte Hebr 2,3f und Hebr 5,11-6,6 belegen die konstitutive Bedeutung des Anfangs bzw. der anfänglichen Verkündigung. Dieser hat einen objektiven Aspekt: Schließlich gibt es diesen allgemeinen Anfang der Verkündigung Jesu Christi (άρχήν λαβοΰσα λαλεΐσθαι δια τοϋ κυρίου), der weitergetragen wurde durch Hörer (ύπό των άκουσάντων; vgl. Hebr 2,3f). Der subjektive Aspekt des Anfangs liegt im individuellen Anfang jeder Gemeinde und jedes Gemeindeglieds. An diesen erinnert Hebr 5,11-6,6. Dieser Anfang wird als Neuanfang und als zentraler Einschnitt interpretiert. Das Christusereignis wird nicht als ein Ereignis von vielen in Gottes Heilsgeschichte erfahren und interpretiert, sondern mit diesem ist eine qualitative Differenz zum Vorherigen erkennbar.16 Dies belegen im Hebr beispielsweise die häufige Verwendung von κράττων'7 oder die Betonung der Einmaligkeit des Christusereignisses.18 Auch die Interpretation der eigenen, neuen Situation als eschatologischer Zeit verdeutlicht die mit dem Christusereignis verbundene Besonderheit (vgl. z.B. Hebr 1,2: έπ' εσχάτου των ήμερων τούτων; auch Hebr 10,37). Dass dieser Anfang allerdings dennoch eine Kontinuität in Gottes Heilshandeln bedeutet, macht die Bezugnahme auf die Schrift deutlich. Hier wird erkennbar, dass der mit Christus verbundene Neuanfang ein Neuansatz in der Heilsgeschichte ist. Das Alte Testament, verstanden als immergültige Offenbarung Gottes, garantiert Kontinuität und Verlässlichkeit. Gottes Verheißungen und Heilszusagen, auch die Einsetzung Christi und das Christusereignis, sind hier ablesbar, auch wenn sie erst mit bzw. in Christus erkennbar werden. Der Einschnitt, den das Christusereignis markiert, bedeutet in der Erfahrung des Hebr Diskontinuität: Gott wird anders erfahren und neu erkannt. Das Alte Testament dagegen garantiert Kontinuität: Es ist derselbe Gott, der in Christus begegnet, sein Heilsplan ist in der Schrift bezeugt.

16 17 18

Vgl. zu diesem Neuansatz z.B. Rose, Verheißung, 73-75. S.o. S. 196f. S.o. S. 183f.

222

Die Schriftauslegung des Hebr - Ergebnis

2. Kontinuität und Diskontinuität - zum Verhältnis von Altem Testament und Christusereignis Das Christusereignis markiert in deutlicher Weise die Diskontinuität zu allen vorherigen Erfahrungen. Diese Neuerfahrung begründet ein eschatologisches Bewusstsein, das die eigene Situation als letztem und endgültigem Abschnitt in Gottes Heilshandeln versteht. Dieses Selbstverständnis führt zu einer Freiheit und Souveränität gegenüber den alttestamentlichen Texten.19 Diese ist im Hebr durchweg erkennbar. Dass dieser Anfang nicht ein völliger Neuanfang ist, sondern ein Neuansatz im Heilshandeln Gottes wird durch die alttestamentlichen Textbeispiele deutlich.20 Die Rede vom Neuen Bund knüpft an die vom ersten Bund an, die Rede vom Hohepriester nimmt die alttestamentlichen Kultvorstellungen auf. Gott selbst setzt Jesus Christus als Sohn und Hohepriester ein. So wird deutlich, dass diese neue Situation begründet ist durch den Gott des Alten Testaments. Dies wird v.a. durch die alttestamentlichen Texte erkennbar. Hier steht Gottes gültiges Wort, das Gottes Wort im Sohn als solches erkennen lässt. Gott selbst garantiert so die Einheit seiner Heilsgeschichte, die mit Jesus Christus, dem Sohn und Hohepriester, eschatologisch qualifiziert wird. Die Schrift verdeutlicht diese Kontinuität. Das Verhältnis von Christusereignis und Altem Testament entspricht dem von Diskontinuität und Kontinuität. In dieser Spannung steht die Schriftauslegung des Hebr. Sie ist bestimmt und begründet durch den hermeneutischen Zusammenhang von Christologie und Schriftauslegung.

19 20

Vgl. Weiß, Hebräer, 174-176; Müller, Funktion, 230. Vgl. auch Luz, Bund, 332-334. S.E. bestehe die Kontinuität zwischen Altem und Neuem in Melchisedek, im Alten Testament, das als Wort Gottes verstanden wird, und in der Verheißung.

Verzeichnis der verwendeten Literatur Abkürzungen richten sich nach Schwertner, Siegfried M., Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete, Berlin/New York 21992. Die Literatur ist in den Fußnoten mit Kurztiteln zitiert, die sich aus den Titeln ergibt.

1.

Quellen / Antike Autoren

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Literatur

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Hilfsmittel

Die einzelnen Beiträge der Wörterbücher und Lexika sind unten (s.u. 4.) unter dem Autorennamen aufgeführt. Balz, Horst / Schneider, Gerhard (Hg.), Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Band 1-3, Stuttgart/Berlin/Köln (W. Kohlhammer) 21992. Bauer, Walter, Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der frühchristlichen Literatur, hg. von Kurt und Barbara Aland, Berlin/New York (de Gruyter) 61988. [zitiert als Bauer], Blass, Friedrich / Debrunner, Albert / Rehkopf, Friedrich, Grammatik des neutestamentlichen Griechisch, Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht) 182001. [zitiert als BDR], Botterweck, Gerhard Johannes (Hg.), Theologisches Wörterbuch zum Alten Testament, Stuttgart (Kohlhammer) 1973ff. Gesenius, Wilhelm, Hebräisches und aramäisches Handwörterbuch über das Alte Testament, Berlin/Göttingen/Heidelberg (Springer Verlag) 171962. Jenni, Ernst / Westermann, Claus, Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament, zwei Bände, München (Chr. Kaiser) / Zürich (Theologischer Verlag) 1978/1979. Kittel, Gerhard u.a. (Hg.), Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Stuttgart (Kohlhammer) 1933ff. Koehler, Ludwig / Baumgartner, Walter, Lexicon in Veteris Testament! Libros, Leiden u.a. (Brill) 1958. Lideil, Henry George / Scott, Robert, A Greek-English-Lexicon. A new Edition Revised and Augmented throughout by Henry Stuart Jones, Oxford (Clarendon Press) Ί 9 4 0 (Nachdruck 1966). [zitiert als Liddell/Scott]. Thesaurus Linguae Graece (TLG), CD-ROM Disk Ε, University of California, Irvine 1999.

Kommentare zum Hebräerbrief

3.

225

Kommentare zum Hebräerbrief

Sämtliche Kommentare sind in den Fußnoten mit dem Autorennachnamen Kurztitel,Hebräer' zitiert. Kommentare zu anderen biblischen Büchern finden sich unten (s.u. 4.).

und dem

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Register 1.

Stellenregister

Statistische Überblicke, in denen mehrere Stellen aufgezählt werden (z.B. S. 22/ 26/), sind nicht ins Register aufgenommen. Die alttestamentlichen Stellen werden hier ausschließlich nach der masoretischen Zahlung aufgeführt. Altes Testament Genesis 1,26-28 2,2 14,17-21 21,12 22,16f Exodus 19,12f 24 24,8

53 34, 208f. 25f, 34, 118, 121, 124ff. 154, 213 25, 209

19 25,6-13 28,3-8

176 115 128

Deuteronomium 214 9,19 31,6 214 32,35f 212 32,43 89f.

25,40 28,1-3 29,38-42 32,25-29

214 13, 34, 64ff., 148,151,175 34, 67f„ 211 151, 158, 160, 170 163ff„ 170f„ 190, 202, 210 119 128 115

2Sam 7 7,14 22,3

Levitikus 4f 6,20-23 8 15,31 16 17,11 20,1-3 21 25

115 128 119 176 12, 115, 128, 172, 176ff., 202 173f. 176 120 135

8

Numeri 8,5-26 12,7 15,22-31 18,6f

120 25f. 152 120

Psalter 1 2 2,7

8,5f 22 22,23 40 40,7-9 45 45,7f 50 51 69 95

52, 76 75f, 207 94 52 52, 75,116f. 27, 38, 58, 73, 75f., 97, 109, 117,141, 206, 207, 209 29f., 53ff., 60f., 63, 73, 83, 95, 100, 206 14f., 27, 54f., 160, 208 27,83 39, 57, 83ff., 94, 192f„ 208, 218 29, 149, 185f., 202 17, 33, 39, 149, 183, 185ff„ 211 77 51, 77ff. 207 185 185 185 29f„ 202, 206f.

Register

256 95,7f 95,7-11 97,7 102 102,26-28 104 104,4 110 110,1 110,4

118 118,6

34 41,157,196ff., 208f. 51, 89f., 207 78 14f., 38, 51, 77ff., 87, 207 87f. 14f., 51, 76, 87, 207 27, 30f., 70f., 116f., 118, 51, 70££., 207 29f., 38, 58, 65, 106, 109, 117, 118f., 121, 123f., 126, 133f., 136f., 139, 141f., 206, 209, 210 27 42, 214

Proverbien 40, 98f., 100, 207, 213 3,lit Jesaja 8,1-18 8,17 8,17f 12,2 26,20 Jeremia 31,31-34

94 94 39, 57, 208 94 25, 212f.

31,31f

17, 30, 64ff„ 130, 149, 157, 211 41, 157, 187, 212

Ezechiel 43 45

176f. 176f.

Habakuk 2,3f

25, 212f.

Haggai 2,6

214

Sapieritia Salomonis 7,26 80 N e u e s Testament Apos telgeschich te 13,33 75 1. Korinther 11,7 80

2. Korinther 9,4 81 11,17 81 Kolosser 1 2,17

49 162

Hebräerbrief 1 8, 29, 47ff„ 55f., 60ff„ 63, 93, 116, 205 If 73f., 86££., 100, l,lf 217f. 1,1-4 47ff., 84,100,193, 218£. 1,2 43 l,2f 78 1,3 71f., 80ff., 143f., 184 50,191f., 195 1,4 1,5 45, 73, 92, 117 1,5-14 33, 37, 50ff., 61, 73f., 87, 90f., 99,100,121,156, 206, 207 1,6 89ff., 99 l,6f 51, 61 14f„ 51, 88 1,7 1,8 38 l,8f 51 1,8-12 77ff. 1,10 38, 147 1,10-12 14f., 51, 88 l,llf 91, 1,13 51, 61f„ 71ff„ 92 1,14 88,92 2 53ff„ 83, 99,100,112, 206 2,1-4 84, 88, 217ff. 2,2 92, 218 2,3f 189 2,4 156f. 2,5 92 2,5ff 53ff., 62ff v 73, 95, 104, 111, 160, 205, 208 2,6 45 14f., 53££. 2,6-8 2,9 56, 62f. 54f., 56f., 61, 80f., 2,9f 2,10 45, 56f., 63f., 80, 93, 181f. 2,10-18 136 2,11 39, 98, 144 2,11-13 93ff. 2,12 83ff., 192£., 218 2,12f 39, 53, 57, 99, 218f. 2,14 62, 93, 95,171 2,14f 68ff., 95 57f., 205 2,14-18

Stellenregister 2,16 2,17 2,18 3,1 3,1-6 3,3 3,7 3,7-4,13 3,12-14 3,14 4,4 4,7 4,11 4,12f 4,14 4,14-16 4,15 5,1 5,1-4 5,1-10 5,2f 5,4-6 5,5 5,5f 5,6 5,7 5,7-10 5,8 5,9 5,10 5,11-6,6 5,11-6,20 6,4 6,6 6,9 6,12ff 6,13f 6,13-20 6,18-20 6,20 7 7,1 7,1-3 7,1-25 7,3 7,4-10 7,5 7,5-19 7,7

92 95, 102, 104, 109, 111, 115f., 120, 144, 178, 179, 181, 205 95 112, 192 13, 25f., 83ff., 104, 165f. 80f. 156f. 34, 41, 157, 196ff., 202, 206, 208f. 199 81,156,189 34, 157 34, 157 162 8, 156 45, 58f., 108, 115, 147, 192 74, 104, 112f., 182 95, 114 114ff; 120, 144, 159 145 104, 105, 106ff., 119,123f. 181 118, 119, 126 45, 97, 106, 117 38, 53, 58f„ 76, 107, 116f„ 118f, 141, 209 106, 117, 123 114 96f., 108 97 145, 181f. 107,116f„ 118,126 29, 189, 219ff. 8 156,194 45 195 29 25, 209 126 118 112, 118, 123, 182 104, 118f., 121f., 123f., 124££., 132ff., 180f., 210 34, 124f 25f, 124f 106, 121 45, 127f. 121 45 129ff., 181 195

257 7,11 7,13 7,14 7,15 7,16 7,17 7,19 7,20-22 7,21 7,22 7,23f 7,25 7,26 7,26-28 7,27 7,28 8,1 8,1-5 8,2 8,3 8,4 8,5 8,6 8,6-13 8,7 8,8-12 8,13 9 9,1 9,1-8 9,1-10 9,2 9,4 9,6-10 9,7 9,8f 9,9 9,9f 9,llf 9,11-16 9,12 9,14 9,15 9,16f 9,18 9,18-22 9,19 9,20 9,22 9,23

121f., 125, 126, 180 122,126 13, 119, 126f. 122,126 122, 159, 182 117, 118f. 195 65, 122, 125f. 106,118f., 126 68, 195 127f., 131 122,145 114, 147 122f. 115, 128, 131, 144, 180f., 184, 190 58f., 126, 129f., 181f. 71, 147 50, 102, 104, 145f„ 161, 165f. 164,175 144,159 129,181, 190 82,161 ff., 181,190, 202, 210 66, 68, 130, 195 148 66,68 17, 41, 64ff., 157, 211 66, 68, 211 13, 67f., 104f., 143ff., 171f., 175ff., 205 164 177 50,146f, 160,170f. 151 64 150ff„ 202 128, 172f., 181 155ff„ 170f. 82, 144, 161, 180, 190 158f„ 163 102,147, 164 148 172, 182, 184 144,156f., 175, 178 67f., 148 68, 148 172f. 34, 148, 172 129 67,211 130,144,148,173f., 175f. 82, 144, 161ff„ 173f„ 175f„ 195

Register

258 9,24 9,25 9,26 9,26-28 10 10,1 10,1-4 10,1-18 10,2f 10,3 10,4 10,5 10,5-9 10,7 10,8 10,9 10,10 10,11-14 10,12f 10,15ff 10,18 10,19-25 10,22 10,23 10,24-26 10,25 10,28 10,29 10,30 10,32-34 10,32-39 10,34 10,37f 11 11,1 11,4 11,12 11,17-19 11,18 ll,21f ll,35ff 11,28 12,2 12,4

82, 147, 161ff., 164,175f., 182 128, 172f. 179, 194 184 102, 105, 202 82, 128, 131, 144, 159, 162, 180f. 128f., 185, 190 149f. 184 128 172 39f., 91 17, 33,149,183,185ff., 211 39 129 39 184, 186 187 71, 175 17, 41, 64ff„ 156ff„ 212 187 112 148, 182 192 195f, 199 183 13 45, 156f., 172 40, 212 189 29 195 25, 40, 212f. 29, 34 81 144 147 154f. 213 45 189 172 71, 182 189

12,4-11 12,5f 12,5-8 12,8 12,9 12,18-29 12,20f 12,22 12,23 12,23-26 12,24 12,26 13,2 13,5f 13,7 13,10 13,llf 13,15 13,15f 13,17 13,20

59, 97ff„ 99f. 40, 207, 213 45 156 156 8 214 92, 199 156,181,199 147 68,172, 195 214 92 42, 214 196, 200 188,190 172 42, 144,183, 200 192f. 196, 200 68, 172

Außerkanonische Schriften Qumran 4QDtn 89f 4QFlor 52, HQMelch 69, 134ff., 141 2Hen71f

132ff„ 141

Philo Ahr 235 139 Cong 99 139 Leg.All. III 138ff„ 141, 162, 164 Mos II 164 Josephus Bell.Jud.V 150 Ant I 138 lClem

189

Sachregister (Begriffe, antike Autoren, Personen)

2.

259

Sachregister (Begriffe, antike Autoren, Personen)

Abraham 121,124f., 154, 209 Altes Testament siehe Schrift Berufung ~ zum Sohn 75 ~ zum (Hohe)Priester 107, 108f., 116f., 125f. Blut 67,105, 147,148f., 171ff., 191, 202, 205, 211, 212 Bund 30, 64ff., 116, 173, 175, 187, 211, 222 Christus Person Christi 40, 52, 58, 104, 202 ~ titel 40, 43, 45,102f., 182, 215f. Werk Christi 40, 56f., 58, 72f., 93, 99, 104, 140, 161, 177, 178ff., 187, 202, 218f. Engel 50, 51f., 53, 86ff., 207 Erniedrigung siehe Menschwerdung Eschatologie 49, 131ff., 170f v 195, 209, 222 Florilegium siehe Zitatensammlung Genealogie 118f., 126f., 133 Gesetz 13f„ 82, 122f„ 129ff„ 146, 159 Glaube 81f., 154, 213, 220 Haus 84, 165f. Hermeneutik siehe Schriftgebrauch Heiliger Geist 40f., 67, 146f., 153, 155ff„ 202, 217 Heilsgeschichte 54f., 62ff., 68, 153, 158ff„ 170f„ 206, 208, 221, 222 Heiligtum 105, 145f., 146ff., 150ff., 158,160f„ 161 ff., 166ff„ 170f, 174ff„ 218 Himmel 58, 72, 90f., 146,147,148f., 166ff„ 174ff Hohepriester Christus als ~ 40, 58f„ 65f„ lOlff., 182 Menschlichkeit des ~ 104, 108, l l l f f . , 141, 167ff. Werk des ~ siehe Sühne Hymnus 49, 96, 107, 136 Inkarnation siehe Menschwerdung Josephus 150 Königtum Gottes 77, 79, 126f. Kult 50, 69,130f., 142, 147, 151ff., 170f., 178ff., 184ff.,189ff„ 200ff. Mahnungen 8, 59, 98f., 100,112, 192ff„ 196ff., 206f„ 212, 213, 219f.

Melchisedek 58, 65,118f., 120ff., 132ff., 159, 210 Mensch allgemein 41f., 53ff., 57, 59, 93ff., 207 ~ und Christus 46, 57f., 60, 62ff., 68ff., 93ff., 205 ~ und Mensch 57, 98f. ~ werdung 54f., 62ff., 73f., 90f., 95ff„ 113f., 205, 208 Menschensohn 54f. Mose 13, 25f., 81, 84f., 89, 163ff., 210 Name 83f., 192f., 218 Offenbarung 14, 46ff., 49f., 75, 80ff., 85, 193, 221 Opfer(n) 12,101f„ 105, 109f„ 123,128, 141,145f., 148f., 149f., 159,172,179, 183ff„ 191f„ 194, 205 Opferkritik 183ff. Paränese siehe Mahnungen Paulus 32,81 Philo 4, 15, 138ff., 162,164ff., 170f., Piaton 162f. Plutarch 115 Präexistenz 60ff„ 73f„ 85, 205, Priester Christus als ~ 29, 65, 72, 102ff., ~ tum, levitisches 106, 118f., 125ff., 141f., 145f. Propheten 13, 46, 49, 185 Quintillian 154 Reden ~ des Sohnes 39, 43, 208, 218f. - Gottes 8ff., 13, 31ff., 36, 37ff., 43, 46f„ 49f„ 52,116,196,207,209 Schrift ~ im Hebr 13,14ff„ 21f ~ bei Paulus 32 - b e i Philo 15 ~ gebrauch im Hebr lf., 10f., 35ff., 43, 49f., 203ff., 215ff., 222 Schöpfer Gott als ~ 57, 78, 87t., 164 Christus als ~ 61, 78, 205, 215 Septuaginta 6f., 14ff., 54, 71, 89f., 151f. Sitzen zur Rechten Gottes 51, 70ff. Sohn Christus als ~ 40, 45ff., 53, 59f., 60ff.

260

Register

~ und Gott 46f„ 48, 50f v 61f., 70ff., 82, 85f., 94£., 121, 207 Soteriologie siehe Christus, Werk Sühne 12,109f., 143££., 148f., 152, 168, 171 ff.; 178ff., 187, 200f., 206 Sünde 96, 152 Sündlosigkeit Jesu 97, 112f., 122f. Tempel siehe Heiligtum Tod Jesu 56, 57f., 67, 68ff., 105,148, 173f., 200, 205 Vater Gott als ~ 46

3.

Verheißung 36f, 41, 54, 66, 197ff., 212, 213 Verkündigung 83ff„ 196ff., 199f., 217ff. Versuchung 57,95ff. Wort Gottes siehe Reden Gottes Welt 5 1 , 9 0 f . Zitat Definition von ~ 24f. ~ einleitungen 31ff., 51, 52, 61, 83 ~ ensammlung 18ff., 51f., 72f.

Register der ausführlich besprochenen griechischen Begriffe

άγιάζειν 57, 144 άγνόημα 152 αΐμα 171 απαύγασμα 80 απαξ / εφάπαξ 184 άρχι.ερεύς 102 δηλόω 156 διαθήκη 64ff.

δόξα 80 επρεπεν 63 ιερεύς 103 καθαρίζω 144 κρείττων 195 κύριος 217f. λέγειν 31ff. παραβολή 153ff.

4.

προσφέρει,ν 110 σκια 162f. στοιχεΐον 219 τελειοΰν 180ff. υιός 45 υπόδειγμα 162 ύπόστασις 81f. χαρακτήρ 81

Register moderner Autoren

Albl, Μ. 20, 53 Attridge, Η. 11, 48 Backhaus, Κ. 43, 63ff. Bateman, Η. 4, 16, 52 Bornhäuser, Κ. 95f. Braun, H. 35, 116, 134, 137 Büchel, C. 4, 3 5 , 1 8 6 Cullmann, O. 55, 102f. Delitzsch, F. 56,120,130 Dey, L. 49, 84, 87, 92, 122 Dibelius, M. 107f., 168 Dodd, C. 19f. Eberhart, C. 109,172ff. Gäbler, G. 46, 60, 97, 144, 188 Gese, H. 161,174 Gheorghita, R. 6, 24, 151f. Gordis, R. 24 Gräßer, E. 35, 48, 65f., 72, 84, 102, 112, 113, 115, 125, 131, 139, 145, 147, 1 5 9 , 1 7 2 , 1 7 9 , 1 8 4 , 1 9 2 , 220 u.ö. Guthrie, G. 12 Hahn, F. 46, 105 Harris, R. 18f.

Hengel, M. 70f. Hegermann, H. 10, 67, 84, 145, 166, 169 Hofius, O. 9, 48, 62, 150, 160,166f. Janowski, B. 173f„ 177 Kistemaker, S. 5, 29 Knöppler, T. 111,179,201. Kuss, O. 114, 117, 130, 148 Lane, W. 189 Laub, F. 61, 95f„ 102, 112, 147,160, 169, 174 Leschert, D. 6, 16, 29f., 35 Lewicki, T. 9,158 Loader, W. 48, 122, 167f., 172, 174f. Lohr, H. 97f., 152, 194 Luz, U. 68, 222 Michel, O. 11, 18, 33, 45, 126f. Müller, P.-G. 5f., 22, 80 Nomoto, S. 163, 168f. Rissi, M. 46, 1 0 3 , 1 4 7 Rooke, D. 127f., 134 Rüsen-Weinhold, U. 7, 16, 53, 72f. Schierse, F. 159,164,167f.

Register moderner Autoren Schräger, F. 3, 22, 102, 128, 151f. u.ö. Schunack, G. 103,153,154 Sowers, S. 4, 20 Sterling, G. 162, 171 Strobel, A. 6, 30f., 97, 190 Synge, F. 5, 20,186,191 Theißen, G. 122, 151, 155, 185, 188 Übelacker, W. 12, 47, 49f.

261

Vis, A. 5, 80 Weiß, H.-F. 11, 55, 98,189£., 220 Wider, D. 8, 43, 49 Windisch, H. 124f., 134f., 142, 160, 218f. Williamson, R. 4, 112f., 138f.